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Full text of "Realencyklopädie für protestantische theologie und kirche"

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i 


^ 


/ 


^ealencyHopäbie 

für  proteftantifdj« 

3n  öritter  üerbefferter  unb  permeljrter  2luf läge 
unter  ZlTitipirfuns 

vxelev  Cl^cologen  unb  anbetet  (S>elei}tten 

herausgegeben 
von 

D.  mUiBrf  l|att& 

PtolcfToi  in  Stiptig 

$i)t)tra{raiiiei:  %viiktl  —  ^ttvlim  II. 


1906 


Andover-Harvard 
Theological  Library 

CAMBRIOOE.  MASS. 


2IQe  Hechte,  tnsbefonbere  bas  ber  Uberfegnng  für  jeben 
em5e(nen  2(rtife(  vorbei^alten. 


sr.  b.  ^ofs  unb  UniberfltStSsSud^brutferei  bon  Sunge  &  @o^n  in  klangen. 


\J 


y 


^eriei^ttb  von  iib&üxinmtn. 


1.  mhn\äit  mäitx. 


=  ®cnert8. 

=  (gjobuS. 

=  fieulticuS. 

=  9?UTneri. 

=  3)cutcronoiiiium. 

=  Sofua. 

=  Stifter. 

=  ©amueli«. 

=  Äönige. 

=:  S^ronÜQ. 

=  dftl&er. 
=  ^lob. 
=  ^falmen. 


$tb 

3ef 
3er 

3oc 
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OB 
3on 


$roöerblcn.  8«     = 

$rebigcr.  ßag  = 

^o^c8  Sieb.  @ac^  = 

Scfaiag.  3Jla   = 

ScrcmiaS.  3ub  = 


a)anicl. 

^ofea. 

IgocI. 

Slmog. 

OBobja. 

3ona. 

SRal^um. 
^abacuc. 


@i 

aRc 
ßc 
3o 
90^ 


^aflgai. 

Sadiaria. 

^alead^i. 

Subita. 

^eiSl^eit. 

JobiQ. 

@lra^. 

^aÜQböer. 

^attl^öud. 

3Jlarcu8. 

Sucad. 

3o^anned. 

^tpoftelgcftfi. 


m'6 

^br 
3a 
*t 
3u 


iHömcr. 
Äorint^cr. 
Oalatcr. 
ept)cfcr. 

f^ilippcr. 
oloffcr. 
2:T^effaIonHcr. 
Sitnot^eud. 

^^iletnon. 

^cbröcr. 

3afobud. 

$ctru8. 

3uba8. 

^olal^pfc. 


2.  BeÜfd^riften,  6a«t«te(toierfe 

=  «rtücl.  m^      = 

1      rr  9lb^anblungcn  bcr  ^Berliner  Slfabcmie. 
I       =ÄflgcTnemc  bcutfc^e  a3togra|)]&ic. 
l      =  ^Ib^onblungcn  bcr  ©öttingcr  ©cfcflfd^. 

bcr  ©iffcnfcfiaftcn. 
f®    =r  Slrcftit)  für  fittteratur    unb  ^rci^cn» 

gcf*i(^tc  beS  3JlittcIaltcr8. 
Ä     =  Äb^anblungcn  b.  'SRündjtntx  ^Ifabcmic. 

=  AatJi.  OftaeUmiM  ber  ^ollanbtften. 
I     =:  ActaSanctornm  ordinis  8.  Benedict!. 
Sf     =  Slb^anblungcn  bcr  Sät^fif^en  ®cfcll» 
fcfiaft  bcr  ©ijfcnfc^aftcn. 

=  ?rUcg  Xcftamcnt. 

=  93anb.    ©be  =  ©änbc.       [dunensis. 

=  Bibliotheca  maxima  Patrom  Lng- 

=■  Codex  diplomaticus. 

=  Corpus  Reformatomm. 
iL    =  Corpus  scriptoram  ecclesiast.  lat. 
irA  =  Dictionary  of  Christian  Antiquities 

von  Smith  &  Cheetham. 
rB   =  Dictionary  of  Christian  Biography 

von  Smith  &  Wace. 
I      =  S)cutf(^c  filltcrQtur*3citung 
Cange  =  Glossarium  mediae  et   infimae 

latinitatis  ed.  Du  Cange. 
m    =  3)eutWc  8citf4rift  f.  IHr^cnrecfit. 

=  iJorrtungen  jur  beutfcften  (iJcfc^ld^te. 

=  Ööttingifcftc  geleierte  5lnjcigcn. 
J      =  ^tftorif(]^c83a^tbu(^  b.  ®  örrcSgcf  ellf  (^. 

=  |>a(tc  toQd  bu  ^aft. 

=  ^iftorif(^e  3citf4rift  Don  ü.  S^bcl. 
l      =  Regesta  pontif.  Rom.  ed.  Jaffö  ed.  II. 
4     =  3a^^^bü(^cr  für  beutf(!^c  S^l^cologtc. 
t\i    =  ^ai^xhüäitx  für  protcftant.  2;^eoIogic. 
it     =  Journal  of  Theol.  Studiea. 

=  Äircftcngcfci^i^te. 

=  Äir(!^enorbnung. 

=  ßltcrarifd^c«  ©cntralblatt. 
Bi     =  Collectio  condliorum  ed.  Mansi. 

=  aJiagajin 

=:Monumenta  Germaniae  historica. 
t     =  ^onatSf^rift  für  ©ottcdbicnft  unb 
firc^Ii^e  l^unft. 


MSG 
MSL 

mt 

mm  = 
ms     = 

*3 

Potthast: 
SRO©  = 
@©9l      = 

@gKa    = 

@2B3(     = 
SS 
Xb3©     = 

x^ss   -- 

XU 


nnb  bgl. 

:  WonalSfcfirift  f.  firc^l.  ^rofi«. 
=  Patrologia  ed.  Migne,  series  graeca. 
=  Patrologia  ed.  Migne,  series  latina. 
:  Mitteilungen.  [®ef(^i(^tShtnbe. 

:9icuc«  ^rt^io  für  blc  ältere  bcutfci^c 
:9leuc  3r»5lge. 

:  SRcuc  3abrbü(^cr  f.  bcutfcftc^^l^cologie. 
:!Rcue  rird»Ii(^e  geitfc^rift. 
:  9?cue8  a:eftamcnt. 

:  <Prcu6ifd^c  3Q^rbüci^cr.      [Potthast. 
:  Regesta  pontificum  Romanor.  ed. 
:  5Römlfc6c  Guartalftfirift. 
:  ©iJungSberic^te  b.  SBcrlincrÄfabcnüc. 
„  b.aRün(^cner  „ 

b.®iencr        „ 


Scriptores, 
3:&cöf09ifcfjcr  ; 


am    = 
sw    = 

3^öÄ    = 


[a^regbcri^t. 
litcraturblatt. 
IticDlogifdje  ßiteraturjeitung. 
löcDlLigifÄe  Guartalf^rift. 
^fteolügitdje  ©tubien  unb  ^itifen. 
icgte  unb    Untcrfurfiungen    ^erauS* 
geg.  üon  o.  @^cb^arbt  u.  ^arnacf. 
Urtunbenbuc^. 
^crfc.     SBci  ßut^cr: 
©crle  erlanger  ^uSgabc. 
SBerfc  ©cimarcr  «uSgabc.      [f^aft. 
Seitfcfirlft  für  altteftomentl.  Riffen* 

„    für  bcutf(^eS  9ntcrt^um. 

„    b.  bcutfrfi.  morgcnl.  ®cfcflf(!^. 

,,    b,  beut  j*.  ^aläftina  SSercinS. 

„    für  ^iftorift^c  2:f)eologic. 

,,    für  Äird)engefrf|idite. 

„    für  ^Tc^enrec^t. 

„    für  lat^olifcfie  Xficolügle. 

„    für  firc^I.  23iffenf(^.  u.  i'eben. 

„    für  lutfter.  2:t)eüIogtc  u.  ^irdje. 

„    für$roteftantiömu§  u.  ^irti^c. 

„    für  ^)raltifrf|c  X^cologic. 

„    für  iöcolüflie  unb  ^irt^c. 

„    für  öjiffenft^aftl.  2:^coIogic. 


IV 


Tladitväge  unb  Bcridjtigungcn- 

2.  »anb:  @.  108  8-  11.    3oft.«mbt   iftnid^t  in  »allcnftcbt,  fonbent  in  bem  3)orfe  ebbcri^ 
bii  ©aDenftcbt  flcborcn,   wo  fein  SSoter  Pfarrer  toar.    (£rft  1558  lüurbc   bicfer  ©tabls 
<)rcbiger  in  »ancnftcbt,  f.  ßel^npfunb  in  ^ffania  1900,  9?r.  4. 
©.  108  3.  22  l.  1582  ft.  1583. 
„  241  „    24  I.  ^irmin  S3b  XV  @.  410,  36  ft.  JRcid^cnau. 

5.  fßanh:  @.  682  3.  9  füge  bei:  Witten  Davies,  Heinrich  Ewald,  fionbon  1903. 

6.  »anb:  8.  473  3.  31  I.  (gl^erecftt  S3b  V  ©.211,  23  ftatt  SSevnjanbtfd^aft. 
©.  771  3.  57  I.  ?tUona  ft.  4)amburg. 

7.  »attb:  6.  463  3.  5.    ^crr  ^rofeffor  9f.  Smcnb,   bcr   Urcnfcl  Sol^.  OJevl^.  ^afcnfampd, 

teilt  mir  mit,  bafi  bie  Angabe,  griebrid)  ^molb  ^fenfamp  ^abe  hie  SBitioe  fcine^J 
SBruberS  3o^.  ®er^.,  ©lifabet^  Krieger,  gel&eiratet,  unrichtig  ift.  ^Jaftr  fei  nur,  baft 
bie  ®itwe  bem  @tiefbniber  i^reä  ^anneS  biS  ju  feinem  Stobe  htn  .^^auSl^alt  führte. 
9.  SSanb:  @.  524  3.  37  füge  bei:  |)err  $aftor  D.  2:.  anbr^  giebt  in  feinem  beacfttenSttjertcn 
SReferat  Pourquoi  le  protestantismo  a  fait  peu  de  progr^s  en  ItÄÜc  auf  bem  3.  internat. 
Kongreß  be8  liberalen  ©brlftentumS  ju  ®enf  28.— 31. 9luguft  1905  nacfi  bem  Annuario 
Statistico  Italiano  k)on  1904  folgenbe  3af)(en  ^ur  9leUgiondftatifti!  StalienS  i.  3.  1901: 

^roteft.  überhaupt 65595 

baöon:  grembe 20538 

Staliener 45057 

SJon  bcn  legieren  gehören  xur  SBalbenferfirrfie 

in  ben  Z^mem 19315 

in  ^ieniont ca.  3500 

im  übrigen  Stollen ca.  4185 

burcfi  bie  @D.  gejuonnen  )  /^^^^^ 

für  bie  3BaIb.  ]     '    '  ^^^ 

für  bie  übrigen  ^.  .    .  11300 

jufammen:        ca.  45000 

erüärt  religionslos 36092 

o^ne  erflärung  über  bie  SHel.    .        795276 

Äat^olifen 31539863 

©eoölterung 32475253 

10.  »anb:  ©.  521  3.  10  I.  ^524  ft.  14. 

13.  »anb:  6.  381  3.  47  I.  9iep^aliu8  ft.  9?epl)eIiuS. 
@.  395  3.  9  I.  538  ft.  543. 

14.  »attb:  @.  526  §.  52  I.  Qm  ft.  3®Ä. 

16.  SSanb:  @.  145  g.  11.    ^err  ^rof.  D.  fiöfcfte   in  Sien  marfit    barauf    aufmerffam,  bafj 

V4  3KiIIion  als  öJefamtjiffcr  ber  @üangelifd)en  in  Oefterreic^  ju  niebrig  fei.  5lu(t)  bie 
üon  i^m  83b  XIV  @.  313  gegebenen  3iffern  365505  ?IS3.  unb  128557  ö^^.  feien 
bereits  überfc^ritten. 

17.  83anb:  S.  1  3-  ^^7.    .^err  Pfarrer  Slünbig  in  9lrIcS^eim  mac^t  barouf  oufmcrffam,   bau 

6^r.  3.  Sfiiggenbocft  als  9iad)foIger  @d)enfeIS  für  fi)ftematifd)e  2:^eologie  berufen  U)uvbe, 
»ie  er  benn  aud)  9(poIogctif,  ^ogmatif  unb  ßt^i!  laS.  @rft  feit  6nbe  ber  60cr  3at)rc 
traten  in  feinen  8SorIefungeu  bie  fl)ftematifc6en  (JJegenftänbe  jurüd. 
©.  125—131.  gHomanoS.  ^x\x^  nac^  bem  ^rfc^einen  biefeS  ^tuffafeS  ^at  Dr.  $aul 
3KaaS  in  3Jiünd)en,  ein  Schüler  Ä:rumbad)erS,  in  bem  erften  3)oppeI^eft  ber  5Bl)jautiin= 
fd)en  3citfc^rift  1906  jmei  Unterfucöungen  üeröffentlicftt,  bie  fiiv  bie  5HomanoSforfd)uug 
oon  groftcm  ^erte  finb  unb  in  iljrem  $)auptin^alt  ftier  berührt  iüerben  muffen.  2)ie 
erfte  ^luSfüftrung  beruht  auf  ber  3)urc6forfd)ung  beS  gefamten  ^aubfd)riftlid)en  'iDkterial^ 
Äarl  ^rumbad)erS  unb  tommt  auf  biefem  (JJrunbe  j^u  bem  Ergebnis,  baf]  JK.  unter 
9lnaftafioS  I.  nad)  Äonftantinopel  gefommen  ift,  ba^  mithin  feine  fiebeniJ^cit  in  baS 
3uftinianifd)e  3c^taltcr  fällt.  3)er  ^auptfädjlid)fte  äußere  SSemeiS  bafür  ift,  ba\]  in 
einem  biSf)er  unebierten  Oebicftte  beS  JR.  ficft  beutlidie  9lnfpielungcn  auf  bcn  ^^'ifa^ 
aufftanb  oon  532  fomie  btn  CSinfturj  unb  9Jeubau  ber  ^a^ia  Sophia  finbcn,  bk  im 
3af)re  537  eingeroeiijt  mürbe.    Unb  ^\mx   ift   von   bicfen  fingen   nid)t  etum  alö  Don 

(gortfe^ung  auf  8.812) 


Sc^toaba^er  9rtifel.  —  3.  SB.  »lieberer,  ^dimcrrung  uon  bem  Orte  unb  berScit,  wo 
unb  mann  bie  füg.  fc^mabacfiifc^en  ^Irtlfel  oufflefc&et  unb  gefertiflet  toorben  in  bc^f.  SRarfiric^ten 
Sur  ^ird)cn=,  ®ele^rten=  unb  SBüc^ergefc^ic^te,  ?lItborf  1764  I,  481;  3. 3.  iJlülIer,  ^iftorie  üon 
ber  (Suangelifctien  ©tänbe,  ^roteftotion  unb  9lppeUation  k.,  3ena  1705;  2:^.  tolbe,  3)er 
Za^  t)on  ©dftleij  unb  ble  (Sntftc^ung  ber  Bd)\oaha^tx  ^Iriifel  in  Beiträge  jur  iHeformotion^s  6 
gef«.  3.  ^öftUn  getoibmet.    ©ot^a  1896,  @.  84  ff. 

2)ie  Sntftel^ung  ber  fog.  ©d^toabad^er  Slrtilel  ^ängt  auf«  engfte  mit  ben  Sürtbni«* 
beftrebungen  ber  ebangelifc^en  ©tänbe  gufammen,  bie  unmittelbar  nad^  bem  ^ßrotefte  auf 
bem  9leid9«tag  gu  Sj)eier  im  ^rül^jal^r  1529  bon  neuem  aufgenommen  h)urben.  9lad[|bem 
Strasburg  eine  ben  @egenfa|  berf^lleiembe,  aber  ben  9{ic^tt^eo(ogen  genügenbe  @r!Iärung  10 
über  ba«  älbenbmal^I  abgegeben  ^atte,  fam  e«  noc^  in  @))eier  am  22.  ^pxxl  j^tDifc^en 
©ac^fen,  ©«ffwt,  Slümberg,  Strasburg  unb  Ulm  j^u  einem  borläufigen  SSerftänbni«,  toos 
rüber  auf  einem  SCage  ju  SRotad^  im  fränfifc^en  ©ebirge  h)eiter  ber^anbelt  toerben  joflte. 
3n||h)tfc^en  fucbte  Sac^fen,  toie  fc^on  früher  in  3lu«ftc^t  genommen,  ben  ?IKarIarafen  (Seora 
Don  äranbenburg  in  baö  Sünbni«  gu  jiel^en.  35aburc^  tourbe  bie  ©ac^e  toefentlic^  16 
Derfd^oben,  ba  biefer  unb  fein  Äangler  (Seorg  SSogler  mit  ben  Strafeburgem  toegen  i^er 
„©c^toärmerei"  lein  33ünbni«  einjugel^en  entfd^Ioffen  toar,  unb  auc^i  bie  i&altung  be« 
Äurfürften  in  ber  Sünbni^frage  toar  unter  bem  ©influfe  feiner  2^^eoIogen  eine  anbere 
getoorben.  3"3lotac^  (7.  ^uli)  lamen  bie®efanbten  über  SJortoer^anblungen  nid^t  l^inau« 
unb  nahmen  bie  Sefc^Iuftfaffung  für  eine  auf  ben  24.  2luguft  nac^  ©c^itoabac^  ein«  ao 
uiberufenbe  Sagung  in  Slu^ftc^it.  9lber  ber  Äurfürft  ^atte  im  Sinberftänbni«  mit  bem 
Öranbenburger  je^t  anbere  ^läne,  nämlic^  burc^  einen  ©e})aratbunb  mit  Reffen  unb 
8ranbenburg  bie  läftig  getoorbenen  Dberlänber  abxufc^ütteln,  unb  lub  be^l^alb  ben  ?IKarIs 
grafen  unb  ^^ilijJj)  t)on  J^effen  gu  einer  J)erfönlicpen  3"fö»"*«^nlwnft  "^^  ©aalfelb  ein. 
auf  biefem  läge  (8.  S^K)/  i^  bem  f(^liefelic^  toieberum  nur  ©efanbte  erf^ienen,  ber*  25 
langte  ber  3JiarIgraf  in  ber  ^nftniltion  für  feine  Vertreter  atö  SJorbebingung  für  ein 
Sünbniö,  „bamit  toir  alle  toijfen,  toarob  toir  einanber  raten  unb  ^anb^aben  foHen",  nic^t« 
©eringere«  aU  bie  Slnnal^me  eine«  einheitlichen  Selenntniffe«,  einer  ein^eitlidben  Äirc^en* 
orbnung  unb  bie  gleichmäßige  SHeguIierung  aller  firc^lic^en  5^agen  in  ben  ßJebieten  be« 
Serbünbeten,  unb  \pxad)  bie  Srtoartung  au«,  bafe  be«  Äurfürften  bon  ©ac^fen  „2:l^eo5  30 
logen  unb  anbere  aelerte  folc^en  d^riftlic^  einhellig  Drbnung  unb  unberrid^t  mit  gutem 
beftänbtgem  c^riftlicpen  grunb  tool  fteÜen  unb  mad^en  lönnen"  {%f}.  Äolbe  a.  a.  D.  @.  99). 
^ai^i^i  aud^  ©ac^fen  mit  ©tra^burg  be« ©atrament«  falben  nic^t  gufammen  ge^en  gu  f5nnen 
unb  bon  neuem  eine  3"ffl»"»"^twnft  ber  gürften  für  nottoenbig  erflärte,  foDte  ber 
©c^toabac^er  2^g  bi«  ©t.  ©allen  (16.  Oft.)  berfdjioben  toerben.  35arüber  fam  e«  gtoifc^enbem  35 
fturfürften  unb  bem  Sanbgrafen,  ber  in  ben  93orbcreitungcn  für  ba«  3Karburger  ©e|j)räc^ 
(|.  b.  Slrt.  Sb  12,  ©.  248)  begriffen,  eben  aKe«  baran  fefete,  eine  Sinigung  aller  &>an' 
ßelifc^en  gu  ergielen,  gu  einer  gereigten  Äorrefponbeng.  Ulber  ber  Äurfürft  bel^arrtc  auf 
feinem  ©tanbj)unlt.  ^ro|  aller  3Ra^nungen  be«  Sanbgrafen  tourbe  ber  ©^toabac^er  lag 
öbbefteßt.  3"  ^^^^^  33ebenlcn  au«  jener  3^^^  ^i^^^^  Äurfürft  S^^ann  bie  ^otberungen  40 
^  3Karfgrafen  infotoeit  auf,  bafe  aud^  er  (Sin^eDiglcit  in  ber  Se^re,  unb  gtoar  bie  9ln= 
na^mc  bon  formulierten  2lrtifeln  be«  (Slauben«  al«  nottoenbigc  ©runblage  ber  ©inigung 
^nftcllte,  unb  bie«  fo,  bafe  für  ben  %aü,  bafe  jemanb  fpäter  bon  einem  ber  betreffenben 
«[ttifel  abfiele,  er  bon  bem  Sünbni«  au«gefc^Ioffcn  fein  foüte  {%l),  Äolbe  a.  a.  D.  ©.  103). 
^amit  toar  bie  SluffteHung  bon  folc^cn  Slrtitcln  befc^loffcne  ©ac^e.  35afür  unb  bamit  40 
tut  bie  9lu«fc^Iie6ung  ber  Dberlänber  foHtc  ber  Sanbgraf  auf  einem  *Iage  gu  ©c^lcig 
WDonnen  toerben,  gu  bem  Sac^fen  unb  8ranbenburg  auf  ben  3.  Dftober  eingelabcn 
9<^tten.    Dbtoo^I  $^ilit)l)  fc^on  be«  ajlarburger  ©efjjräd^«  toegen  ablehnen  mufete,  tourbe 

KeaUGnc^riopäbie  für  X^eologie  unb  fiircfee.    3.  S(.  XVIII.  i 


bort  in  ber  Hoffnung,  bcn  Sanbgrafm  noc^  nad^lräglic^  jum  33eilritt  ju  bctücgen,  toirllic^ 
befc^Ioffcn,  auf  bem  Sage  gu  ©c^tüabac^  bon  bcn  Dbcriänbem  ate  SSorbcbingung  i^rer 
äufnal^me  in  bag  33ünbnid  bie  Slnna^me  bcftimmter  (Slauben^rtilel  gu  forbcm.  35iefe 
Slrtifel  lagen  aber  noc^  nic^t  bor.  Grft  in  5Warburg,  toa^c^einlic^  cim  4.  DItober,  erhielt 
6  Sut^er  ben  bom  28.  Sej)tcmber  batierten  Srief  bcg  Äurfürften  mit  ber  2lufforberung, 
gemeinfam  mit  SKelanc^t^on  unb  ^ona^  nac^  ©rlebigung  i^rer  3Jiarburger  ©ejc^äfte  bon 
ßifenad^  über  SKeiba  nac|  ©c^Iei*  ju  fommen,  ober  faDö  ber  Äurfürft  bort  nic^t  me^r 
antüefenb  fei,  an  einem  anbem  Orte,  Vorüber  er  Slac^ric^t  erhalten  foHte,  mit  il^m 
uifammenjutreffen.    2(m  7.  DItober  tüar  Sut^er  in  ©ifenac^,    unb    ^ier  tüirb    i^n    ber 

10  Sefe^l  eneic^t  l^aben,  bem  Äurfürften  nic^t  Leiter  nad^jureifen  —  benn  h)ir  fe^en  bie 
SBittenberger  bie  getüö^nlidbe  Sloute  über  ®ot^a,  Srfurt,  3ena  l^eimh)ärtg  jie^cn  — ,  unb 
gugleid^  bie  fragli^en  Slrtitel  augjuarbeiten.  SBal^rfc^einuc^  ^at  fte  berjelbe  Sote,  ber 
ben  SSuftrag  überbrachte,  atebalb  mitgenommen,  benn  fte  fd^einen  fc^ion  am  10.  Dftober 
in  ben  ^änben  be«  Äurfürften  getücfen  gu  fein  (I^.  Äolbe  a.  a.  D.  ©.  109). 

16  ©0  entftanb  ein  Sefenntni«  in  17  Slrtileln,  bie,  obtüo^l  Sut^er  angiebt  (®3l*  24, 
337),  bafe  fie  nic^t  allein  bon  il^m  geftettt  feien,  boc^  fidler  bon  il^m  niebergefc^rieben 
fmb.  2Bie  begreiflid^  lehnen  fie  fic^  an  bie  toenige  3;age  borl^er  berfafeten  SWarburger 
9(rti!el  an,  aber  toä^renb  biefe  bam  beftimmt  h)aren,  flargulegen,  h)orin  man  t^atfäc^lic^ 
einig  fei,  lam  e«  in  ben  neuen  3lrtileln  barauf  an,  feftjufteUen,    toorin  man  einig  fein 

20  foHe  unb  muffe,  um  }}olitif(^  gufammengel^en  gu  lönnen.  2)e«l^alb  fmb  fte  ausführlicher 
gefaxt  unb  !ommt  Sutl^erS  eigene  Sel^toeife  barin  jum  fc^ärfften  SluSbrudf,  auc^  befämj)ft 
er  barin  auSbrüdflic^  bie  ben  ßh^inöl^ön^'^n  borgetoorfenc,  aber  bon  i^nen  nic^t  gugeftanbene 
Äbtoeid^ung  in  ber  ßl^riftologie  unb  in  ber  fflertung  ber  Srbfünbe.  Unb  bei  ber  2lu«= 
fage  über  ba«  Slbenbma^I  toirb  nic^t  nur  ber  in  ben  3Jlarburger  Slrtileln  gu  lefcnbe  ©a$, 

26  bafe  „bie  geiftlid(ie  5Riefeung  beSfelben  SeibS  unb  33Iutö  einem  jeben  Sl^riften  fumemlic^  bon 
nöten"  fortgelaffen,  fonbem  gelel^,bafe  „fei  toa^r^aftiglic^  gegenwärtig  in  33rot  unb  SBein  ber 
toal^re  Seib  unb  33Iut  6l(|rifti."  95ebeutfam  ift  aud9  ber  in  ben  SRarburger  Slrtileln  ftc^ 
nic^t  finbenbe  unb  in  ber  §auj}tfac^e  in  bie  Slugdburgifd^e  Äonfeffion  übergegangene 
Slrtilel  über  bie  Äird^e  (5«r.  12). 

ao  3)iefe  2lrtilel  l^aben  nun  ben  3Ramen  ©c^tüabac^er  2lrtifel  (feit  toann?)  erhalten, 
too^I  guerft  beSl^alb,  toeil  man  fie  mit  einem  1528  in  Sc^tüabac^  in  Sachen  ber  branben^ 
burgifq^en  Äirc^enbifitation  gehaltenen  a:age  in  SBerbinbung  bxad)U  (bgl.  Slieberer  a.  a.  D. 
©.  49),  unb  fie  bürfen  il^n  mit  Siecht  infofem  fül^ren,  aU  fte  auf  bem  bel^ufiS  Slbfc^lie^ung 
beS  Sunbeg  nac^  ©c^tüabad^  einberufenen  läge  bom   16.  Dftober  1529   borgelegt   unb 

85  bort  bon  ben  Dberlänbcrn  abgelel^nt  tourben.  Sut^erS  Urfd^rift  ift  biSl^er  nic^t  auf- 
gefunben  tüorben,  boc^  fennt  man  bie  ben  Ulmer  ©efanbten  mitgegebene  Slbfd^rift 
(abgebr.  bei  61.  ^ridt,  SluSfü^rl.  i&iftorie  beS  Sutl^ertumg  unb  ber  ^Reformation,  SeiiJgig 
1714  S.  969,  barauö  unter  SBergleic^ung  einer  SlnSbacber  i&anbfd^rift  CR  XXVI, 
©.  151  ff.),  h)ie  bie,  tüelc^e  bie  ©trafeburger  nac^  §aufc  brachten  (bamac^  bei  3:^.  J^olbe, 

4o3)ie  auggburgifc^e  Äonfejfion  lateinifc^  unb  beutfc^  2c.  ®oll^al895,  ©.123 ff.).  2lbgcfel^en 
bon  ber  fc^on  ertoäl^nten  95enu^ung  bei  ber  9lbfaffung  ber  Sluggburger  Äonfeffion  ber= 
toenbete  fte  ber  Äurfürft  im  5Dlai  1530,,inbem  er,  um  bem  flaifer  feine  Scc^tgläubigfeit 
gu  begeugen,  eine  (fc^lecfjte)  lateinif^e  Überfc^ung  ber  Slrtifel  na^  gnnöbrudf  fc^irfte 
(bgl.   3.  m.  SRic^arb,    Lutheran    Quarterly    1901    ^uli,    unb    6.  ©tange,    %f)BiR 

45  1903,  ©.  459).  ^m  2)ruc!  crfc^ienen  fie  guerft  toiber  Sutl^crS  JBiHen  gu  ber|elben 
3cit  in  einer  SluSgabe  beS  Äoburgcr  3)rucferg  §anS  Sern  unter  bciu  falfd^en 
Xitel:  „3)ie  befenntnuS  3Jiartini  Sull^erö  auff  bcn  j^igen  angcftcltcn  9lcicl;Stag  gu  2lug^= 
J}urgf  cbngulcgcn,  3n  ftebcntgcl[>en  ärtifel  berfaffet"  (bgl.  621*  24,  335,  h)o  aber  bie  ein= 
leitung  beS  §crau^cber«  böUig  irrefül^rcnb    ift),    tba«    bie    in   Slug^burg    berfammelten 

50  latl^olifc^en  äl^eologen  3Bimj}ina,  3)icnftng,  Slcborfcr  unb  ©Igerfma  gu  einer  ©cgcnfc^rift 
(ebb.  ©.  345  ff.)  bcranlafetc.  hierauf  gab  Sutl^cr  balb  barauf  feine  2trlifcl  fclbft  mit 
einer  Sßonebe  berau«,  beren  bon  bcn  Sut^crauSgabcn  bisher  nic^t  benu^tc  Urfc^rift  bon  be^ 
Slcformatorg  i)anb  ftc^  jc^t  in  ber  5Rümbergcr  ©tabtbiblioll^cf  finbet.   Jljcobor  ^olbc. 

©c^tnörmcret  f.  b.  21.  aSergüdfung. 

66  ©c^tnar^,  6J|r.  ^r.  f.  b.  21.  TOiffion,  }}roteft.  unter  ben  Reiben  Sb  XIII 
©.  160,  15. 

©d^tnarj^  griebrid^  ,Ö einrieb  ßl^riftian,  geb.  am  30.  3Rai  1766   in  Sieben, 
geft.  3.  2lj)ril  1837  in  ^cibelbcrg.    ©ein  SSater  bereinigte   in  ©ie^en  ein  ^fanamt  mit 


einer  ^JJrofeffur  ber  ^^i^eologie  unb  ^at  jtd^  befannt  gemacht  burd^  einen  „Slbrife  ber 
Äird^engefc^ic^te."  ß^  toar  bie  3eit,  aU  ber  berüchtigte  Ä.  g.  Sa^bt  gu  einer  ^JJrofeffur 
ber  2:i^eoIoflie  nad^  ®iefeen  berufen  tüorben  Wax,  bie  er  bon  1771—1775  belleibete.  2)a 
@(^h)arj  gegen  bie  leichtfertige  Sibelerflärung  93al^rbtd  öffentlidb  unb  nad^brüdHid^  fid^ 
an^^pxaa),  fo  tourbe  er,  um  i^n  aud  ber  Unitoerfttätdftabt  gu  entfernen,  gum  ^Pfarrer  unb  6 
geiftlic^en  3nf}>^^^  in  ätefelb  ernannt,    ^m  erhielt  ber  junge  griebrid^  feine  erfte  Sr« 

Jie^ung.  9!aqbem  er  noc^  ein  ^afyc  bie  oberfte  Jllaffe  bed  ©^mnafiumd  in  ^er^felb 
►efuc^t  l^atte,  begog  er  im  18.  Seben^jal^  bie  Uniberfttät  (Sieben.  3lai)  Seenbigung  be« 
Unit)erjttät«ftubium«  tüar  er  afe  §ilf«j)rebiger  bei  feinem  SSater  t^ätig.  1790  erl^ielt  er 
bie  £anb}}farre  SJqrbad^  bei  33iebenIo})f,  tourbe  1796  nac^  ßc^jett  in  ber  SQäetterau,  io 
1798  nac^i  SWünfter  bei  Su^bac^  beförbert.  1792  erfc^ien  in  SJena  feine  erfte  ©d^rift: 
„®runbri|  einer  a:^eorie  ber  SWäbc^enerjie^ung  in  ipinftd^t  auf  bie  mittleren  ©tänbe; 
mit  einer  SSorrebe  t)on  Ä.  ©.  6.  ©c^mib."  9Wtt  biefem  ffierl  betrat  ©d^h)arj  ba«  gelb, 
auf  toel^em  er  f}}äter  bei  toeitem  am  erfolgreic^iften  unb  nac^l^altigften  getoirlt  i}at,  ba« 
^äbagogifc^e.  @4lon  in  ^e^bad^  l^atte  er  bie  Srgiej^ung  einiger  il^m  ant)ertrauten  Jlnaben  i6 
übernommen,  ^n  Sd^geQ  unb  !Dlünfter  gelang  e^  i^m  feine  tieine  Sr^iel^ung^nftalt  nod^ 
ju  erweitern,  ©o  fammelte  er  Erfahrungen  auf  bem  ©ebiete  ber  ^äbagogif,  toelc^e  er 
m  einer  Steige  größerer  unb  Heinerer  ©c^riften  nieberlwte.  Sie  ftnb  fj)äter  meift  in  fein 
§auj)thjerl:  „Sel^rbuc^  ber  ßrjiel^ung^s  unb  Ünterric^t^Iepre"  »erarbeitet  toorben.  Sefonbere 
©rtoäl^ung  toerbient  feine  1804  erfd^ienene  Heine  ©c^rift:  „®ebrauc^  ber  5ßeftaloijifd^en  20 
Se^btic^er  beim  j^äuölid^en  Unterricht."  Sie  betoeift,  h)ie  frü^e  unb  lebenbig  er  bie  SSer^ 
btenfte  unb  ®runb[ä$e  ber  naturgemäßen  ^'{etl^obit  ^eftaloggid  anerlannte.  t)aneben  toar 
aber  für  feinen  emften  c^riftlic^en  ©inn  befonber«  ba^  SBebürfnid:  bie  }}äbagogifc^e  SBiffen» 
fc^ft  auf  i^re  toal^re  ©runblage  jurüdfgufül^ren  unb  i^  ber  auffommenben  oberflöd^Iid^en 
^albbilbung  unb  bamaligen  ^^JI^ilant^roj)ie  gegenüber  eine  grünblid^ere  unb  d^riftlic^e  25 
Stic^tung  geben  gu  l^elfen.  SJie  SSerbienfte,  h)el(|e  er  fic^  in  biefer  i&infid^t  ertoarb,  fofften 
nic^t  lange  ol^ne  SInerlennung  bleiben.  ®r  tvurbe  al^  ^rofeffor  an  bie  tl^eol.  ^atultät 
in  §eibelberg  berufen,  ^m  3.  1804  trat  er  fein  neue«  2lmt  an;  toö^renb  ber  33  ^ofyct, 
in  benen  er  e«  öertoaltete,  ^atte  er  außer  3)aub  noA  Slbegg,  üJlarl^einele,  be  Wtttz, 
?ßaulu«,  9leanber,  Umbreit,  UHmann  unb  Setüalb  ju  ÜJlitarbeitem  unb  Äollegen.  ao 

Sil«  Unitoerfttät^le^rer  entfaltete  ©c^tüarg  bie  gleid^e  unermübete  unb  bielfeitige 
Sl^ätigfcit,  h)ie  bi^^er  ate  ©eiftlic^er,  im  Sunb  unter  feinen  Kollegen  befonberd  mit  3)aub 
unb  Sreuger.  ©0  h^eit  bie  f)}etulatibe  Stid^tung  ber  Xl^eologie  ^aub«  unb  ©c^n>argend 
biblifd^sj)raftifc^ier  ©uj)ernaturali«mu«  aud^  in  ber  golge  au^einanbergingen,  fo  blieben 
beiben  ?IKännem,  gang  abgefel^en  bon  bem  gemeinfamen  ®egenfa§  gegen  ben  ^ßauluöfc^en  85 
Slationaligmu«,  ni^t  nur  eine  SRei^e  bon  toefen^aften  inneren  Serül^rung^j^unlten,  fonbem 
c^  t)erfnü}}fte  auc^  beibe  ein  auf  gegenfeitigc  ^oc^Jc^ä^ung  gegrünbete«  nie  geftörtc«  SSer« 
^öltni«  ec^t  !ollegialifc^er  greunbfd^aft.  @c^h)arg,  toelc^em  neben  ber  ^öbagogil  bie 
fVftematifc^e  3:]^eologie  übertüiefen  toar,  ließ  1808  feine  Sciagraphia  dogmatic^eB 
christianae  in  usum  praelectionum  erf cremen,  1816  umgearbeitet  gum  „®runbriß  4o 
ber  fird^lic^en  Jjroteftantifc^en  2)ogmatif"  toom  ©tanb))unft  ber  Union.  33efanntlid^  l^at 
©c^leiermac^er  in  ber  Sorrebe  gur  gtociten  ausgäbe  feiner  ©lauben^lel^re  ben  „Sl^ren» 
Irang",  bie  erfte  Bearbeitung  ber  Dogmatil  mit  SRüdtfic^t  auf  bie  Bereinigung  beiber  ebam 
gelifc^en  Äirc^iengemeinfd^aften  geliefert  gu  l^abcn,  an  ©c^toarj  abgetreten,  §afe  aber  im 
Hutterus  redivivius  bem  „©runbriß"  ein  „innige«  ©efül^l  für  ben  religiöfen  ®e^alt  45 
ber  reformierten  toie  ber  lutl^erifc^en  Äirc^enle^re"  nachgerühmt.  ©leic^faD«  im  3.  1808 
crfd^ien  fein  SBer!:  „2)a«  6l)riftentum  in  feiner  Söa^rl^eit  unb  ®öttlic^Ieit  betrachtet,  ober 
bie  Se^re  be«  ©tKingelium«  au«  Urfunbcn  bargeftellt" ;  1821  folgte  fein  „§anbbud^  ber 
cöangelifc^sd^riftlic^en  St^if  für  a:^eologen  unb  gebilbete  ßl^riften",  in  gtoeiter  Ituflage  1830 
unter  bem  litel:  ,,a)ie  ©ittenle^re  be«  ebangclifd^cn  ß^riftentum«  al«  2öiffenfc^aft."  3flid^t  00 
gu  überfeinen  ift  bie  fleißige  ^Mitarbeit  ©c^toargcn«  an  ben  „§eibelberger  ^a^tbüd^ern  ber 
gitteratur",  in  benen  er  unter  anberem  eine  cinge^cnbe  S^lecenfton  bon  ©c^lciermac^er« 
neu  erfd^ienener  35ogmattf  lieferte.  1824  übernahm  er  auf  ffiac^ler«  Slnjuc^en  einige 
3a^re  lang  bie  SRebaftion  ber  früher  bon  biefem  ^crau«gegebcnen  „3:^eologtjc^en  Stnnalen". 
§anb  in  §anb  mit  biefen  t^eologifc^en  arbeiten  gingen  feine  Seftrebungen  für  &5 
2;^eorie  unb  ^raji«  ber  ^päbagogil.  3^"Ö"i^  ^^f^^  ^f^  f^"  i"  brittcr  Sluflage  in  brei 
8änben  1835  erfc^ienene«  „Se^rbud^  ber  ergie^ung«^  unb  Unterric^t«le^re",  fotoie  feine 
arbeiten  für  }}raftifc^e  §eranbilbung  tüchtiger  2c^rer.  ^m  3.  1807  errichtete  er  in®emcin* 
fc^ft  mit  ßreuger  ba«  j)äbagogifc^=^^ilologiJc^e  ©eminarium.  3"  biefem  fam  in  ber  ^Jolge 
auc^  ein  latec^etifd^e«  ©eminar,  toel^e«  feiner  2)ireftion  anvertraut  toarb.    35aneben  übte  ro 


©c^nxirj  ntd^t  nur  eine  pxaitx\d^:)pä\>aQOQi\i)z  SBJirIfamfcit  in  regelmäßigen,  gern  unb  öiel 
befuc^ten  äbenböereintgungen,  gu  toelc^en  er  feine  3w^örer  bei  Itd^  berjammelte,  fonbem 
feine  raftlofe  2:^ättgleit  erlaubte  i^m  fogar,  neben  ber  (Srjiel^ung  feiner  eigenen  je^n  Äinber 
bie  frül^er  gegrünbete  Heine  Änabenergiel^ung^nftalt  in  §eibelberg  fortbauem  ju  laffen. 
6  6nbli(^  h)trfte  er  eine  lange  SReil^e  bon  ^a^^^^n  ntit  jur  SSerbefferung  be^  beutfc^en  38olI^ 
fc^uItDefeng  im  großen  burc^  bie  3^^*W^^ft'  „greimüt^ige  g^l^rbüc^er  k,",  toelc^e  er  mit 
feinen  ^eunben  Dr.  SBagner  in  3)armftabt,  Dr.  ©c^ettenberg  in  SBiegbaben  unb 
Dr.  b'aiutel  in  Stuttgart  l^erau^ab. 

SRic^t  ju  überfeinen  ift  enblidp  bie  ürd^lic^e  SBirffamfeit,  toelc^e  eine  fo  toefentlic^  auf 

10  bag  ^Praltifc^e  gerichtete  ^erfönlid^Ieit  h)ie  ©c^toarj  ju  entfalten  nid^t  uml^in  fonnte. 
Sdion  in  ber  3ritf*rift:  „35ie  Äirc^e",  toelc^e  er  in  ben  ^ö^ren  1816  unb  1817  ^erau^ 
gab,  \pxad)  er  ftd^  freimütig  über  bie  ®ebrec^en  unb  95ebürfniffe  be^  öffentlichen  Äirc^en^ 
tum«  avi^,  namentlich  in  Sejiel^ung  auf  SJerfaffung  unb  Äultud,  foh)ie  auf  bie  ^frebigt 
ber  reinen  Äirc^enlel^re  burc^  tüc^itige  ©eelforger.    ffiie  fem   er  aber  babci  bon   einem 

16  falfc^en  Drt^oboji^mu^  toar,  betoie^  ©cfjtoarg  befonber^  burc^  feine  eifrige  95eförberung 
ber  Bereinigung  ber  beiben  ebangelifc^en  Äirc^en  in  95aben.  SRac^bem  bie  Union  fc^on 
feit  1804  in  ber  tl^eologifc^en  gafultät  ju  ßeibelberg  borgebilbet  toar,  ^aben  au«  bem 
©d^oß  berfelben  befonber«  ©d^toarj  unb  S)aub  jum  Slbfc^Iufe  berfelben  in  ber  ebangelift^en 
Äird^e  Saben^  mitgetoirft.    ©c^on   gu  ber  öorbereitenben  ©^nobe  in  ©in^l^eim   tourben 

20  beibe  aJlänner  bon  ber  gafultät  abgeorbnet,  unb  ebenfo  bcibe  gu  ber  fonftituierenben 
©^nobe  in  Äarteru^e  1821  berufen.  §ier  toar  e«  bomel^mlidn  ©c^toarg,  toeld^er  auf 
fjeftftellung  ber  Se^re  bom  Slbenbmal^I  quoad  consensum  brang  unb  ber  bie  formet 
borfc^Iug,  toeld^e  alßbann  in  bie  SBereinigung^urfunbe  überging:  „ÜJlit  Srot  unb  SBein 
empfangen  n)ir  im  1^1.  9(benbmainie  ben  £eib  unb  bad  93lut  S^rtftt  gur  Siereinigung  mit 

2^  i^m,  unferem  §errtt  unb  §eilanb,  nac^  1  Äo  10,  16."  ßbenfo  toaren  c^  borjüglic^ 
©d^toarj  unb  ^aub,  unterftü^t  burc^  mehrere  ber  abgeorbneten  reformierter  Äonfefpon, 
burt^  toelc^e  bie  33elenntni^grunblage  ber  abmfc^Iteßenben  Union  in  einer  2Beife  fefts 
gebellt  tourbe,  toelc^e,  entgegen  bem  loderen  Satitubinarigmud  in  manchen  Siegionen  be^ 
altbabifd^en  Sutl^ertum^,  ben  f^mboHfd^en  Sudlern  ber  beiben  Äonfefftonen  i^re  gcbü^renbe 

80  (Seltung  ju  ftc^ern  toußte.  3luf  böDig  unjtoeibeutige  SBeife  fprac^  ftc^  gerabe  über  biefen 
?Punft  ©d^toarj  unter  3wPi»"»"wng  3)aub«  unb  ber  t)ier  anberen  Äommiffton^mitglieber 
bei  Slbfaffung  eine«  i^m  übertragenen  33eric^td  über  ein  fatec^etifcfje«  Sel^rbuc^  für  bie 
unierte  5tirc^e  au«  (bgl.  §unbe«^agen,  35ie  33elenntni«grunblage  ber  bereinigten  etoan= 
gelifc^en  Äird^e  im  ©rofel^erjoatum  33aben,  1851,  ©.  130  ff.).    3«  ^^  gleiten  babifd^en 

36  ®eneralf^nobe  bon  1834  totrite  ©c^toarg  für  bie  befferen  33efc^lüffe  berfelben  mit. 

©n  allgemeiner  SRüdfblidf  auf  ©c^toargen«  Seben  unb  ©treben  läfet  nic^t  berfennen, 
bafe  fein  i&auj)tberbienft  auf  bem  ©ebiete  ber  5ßäbagogiI  gu  fuc^en  ift.    ©ine  ©figge  feiner 

Sraftifc^en  }}äbagogifc^cn  S^ätigleit  \)at  ©c^toarg  felber  in  ber  SSorrebe  gu  ber  jiDeiten 
tuflage  feiner  ©rgiebung^lel^re  (3  33be,  £eii)gig  1819)  gegeben.    Slufeer  ben    berett«   ge= 
40  nannten  SBerlen  berbienen   noc^   feine  „35arfteDungen  au«  bem  ©ebiet  ber  ^äbagogi!" 
(2  33e.,  1833  unb  1834)   emjäl^nung.    ©ein  „2c|rbuc^  ber  ^äbagogif"   aber    in   ber 
legten,  1835  bon  il^m  felbft  beforgten  9lu«gabe  bilbete  in  ber  Bearbeitung  bon  ßurtmann 
lange  eine«  ber  berbreitetften  j}äbagogifc^cn  §anbbüc^er.  fntibcd^agett  t- 

©li^toörj^  gol^ann  Äarl  ßbuarb,  geb.  am  20.  Sunt  1802  in  §atle  a.  ©.,  geft. 

45  18.  9)lai  1870  in  3iena.  ©o^n  eine«  Bürger«  bon§alle,  erhielt  er  feine  toiffenfc^aftlic^e 
Borbilbung  auf  ber  latetnifc^en  §aubtfd5>ulc  bafelbft,  ftubierte  l^ierauf  1822—1824  eben- 
fall« in  ^aüz  2^^eologie,  tüurbe  1825  Seigrer  am  ^äbagogium  be«  Älofter«  U.  l.%x.  in 
9Kagbeburg  unb  erhielt  1826  bie  ^fartfteCe  in  Slltentbebbingen  bei  ^Wagbeburg;  1829 
h)urbe   er  al«  Dberpfarrer  unb  ©ujjerintenbent  nac^  ^ma  berufen   unb   gugleic^   gum 

60  $onorarj)rofeffor  an  ber  Uniberfttät  ernannt,  ein  ^oJ)))elamt,  bem  er  fo  lange  treu 
geblieben  i[t,  al«  e«  i^m  überhaupt  gu  toirlen  bergönnt  fear.  ®r  ^attc  in  A)allc  ben 
®runb  gu  feiner  t^eologifd^en  3lu«bilbung  gelegt  l^aujjtfäcblic^  unter  Söegfd^eiber  unb 
©efeniu«;  nac^^er,  befonber«  in  Slltcntbebbingen,  toibmete  er  ftd^  borgug«tüeife  bem  ©tubium 
ber  ©(^leiermac^erfc^en  ©c^riften,  bie  auf  feine  toeitere  ©ntmidfelung   einen   bebeutcnben 

66  ©influfe  übten.  Sitterarifc^  l^at  er  fid^  befannt  gemacht  burd^  eine  SWeibc  bon  Slb^anb^ 
lungen  für  bie  I^StÄ ;  toir  nennen  bon  benfelbcn  nur  bie  beiben  3luffä^e  über  9[Relanc^= 
tl^on«  ©nttüurf  gu  ben  ^^pot^pofcn,  1855,  unb  über  3)J.  Soci  nac^  i^rcr  h^citeren  ünU 
toidfclung,  1857;  auc^  für  bie  erfte  Sluflage  bicfer  aieaUSnct^flojjäbie  ^at  er  mel^rere 
airtilel    geliefert;   femer   l^at    er   bie    t^eologifc^e   Stebaltion   ber   Jenaer    3lUgcm einen 


Sd^koarj,  3.  Jt.  @.  Sd^koat},  Siaxl  5 

Sittcraturgcttung  bi«  gu  beren  Srlöfd^cn  (1848)  geführt  unb  fear  er  einer  ber  (Srünber 
ber  ^roteftantifc^en  Äird^enjeitung  (t)on  ber  er  ftd^  inbe«  f}}äter  jurüdfgog,  ba  er  jtd^ 
mit  i^en  ®runbfä$en  j^inftc^tlt^  be«  SJer^öItniffe^  ber  Äirc^e  jum  Staate  nic^t 
in  öollem  einflang  tüufete);  aud)  gab  er  1859  ein  befonbere«  SKeimarfc^e«  Äirc^em 
blatt  ^erau^  unb  öerfafete  er  eine  geleierte  35enffc^rift  jur  geier  beg  Sw'^il^umö  ber  6 
Unit)errität  3ena:  35a«  erfte  gabr^el^nt  ber  Uniberfttät  gena,  1858.  ßine  größere 
geleierte  Slrbeit,  ba«  Seben  bon  vlifolaud  Slm^borf,  eine  SJruc^t  feiner  mit  befonberer  SJor« 
liebe  getriebenen  Sefc^äftigung  mit  ber  ©efc^id^te  ber  iMeformation,  ift  nic^t  jum  2lbfc^Iu| 
gebieten.  ©0  berbienftlic^  inbe«  biefe  fc^riftfteHerifd^en  Seiftungen  toaren,  fo  toar  bie« 
ioi)  nic^t  ber  eigentliche  ©c^tüerjjunlt  feiner  2^l^ätig!eit.  2)iefer  lag  toielme^r  in  feiner  10 
joraftifd^en  SBirtfamfcit  afö  ^ßrebiger,  aU  Unitoerfttät^lei^rer  unb  alg  3Ritglieb  ber  oberften 
Äirc^enbel^örbe  be«  ©rofel^erjogtumö  ffleimar.  ©eine  gebanlenreid^en,  erbaulid^en,  mit 
großer  Äraft  unb  SBärme  borgetragenen  ^rebigten  gewannen  i^m  balb  ba«  allgemeinfte 
$}ertrauen  unb  bie  allgemeinfte  2lner!ennung.  ©r  tourbe  be^l^alb  auc^  bielfac^  gebeten, 
fie  burt^  ben  ®ruc!  ju  Veröffentlichen;  auc^  ift  infolge  babon  eine  Stnja^l  ^rebigten  unb  16 
geiftlid^e  Slmt^reben  einzeln  unb  im  %  1837  eine  ©ammlung  berfelben  erf^fienen  (^^na, 
grommann).  3ln  ber  Uniberfttät,  bei  toelc^er  er  im  %  1844  ate  orbentlid^er  ^ßrofeffor 
in  bie  t^eologif(J[|e  ^ahtltät  eintrat,  n)irfte  er  teil«  bur$  feine  SSorlefungen  über  bie  fog. 
j)raftifc^en  3!)i«jil)linen  ber  a:^eologie,  §omileti!,  Äated^etif,  c^riftlid^e  ©t^il,  teil«  unb 
^uj)tfäc^|lic^  burc^  feinen  anregenoen  unb  bilbenbcn  ßinfluf;  auf  bie  ©tubierenben  ateao 
3)ireftor  be«  ^omiletifc^en  unb  lated^etifc^en  ©eminar«.  SSon  ber  2lrt  unb  SBeife,  tüie  er 
biefe«  Seminar  leitete,  ^at  er  felbft  in  ben  „35enlfc^riften"  be«felben  Jlac^rid^t  gegeben 
(3ig  I,  1835;  II,  1839).  311«  erfte«  geiftli(i[|e«  aJlitglieb  be«  DberMenrat«  (feit  1849) 
toar  er  forth)%enb  bemül^t,  bie  SBirIfamleit  ber  (Seiftlid^en  ju  ^eben  unb  ju  förbem  unb 
bie  ürd^lic^en  Drbnungen  be«  Sanbe«  m  berboDfommnen,  ju  toeld^em  3^^*  namentlich  26 
ba«  „Sbangelifc^e  fiir^enbuc^"  in  2  Sänben  (1860  unb  1863)  biente,  beffen  jtoeiter, 
bie  fird^lic^en  ^anblungen  betreffenber  95anb  bon  i^m  allein  beforgt  tüurbe.  ©0  ^at  er 
40  3^^^^^^  lö"Ö  i"  5^W^  ""^  unermüblic^er  Si^ätigleit  in  ^ma  getoirft,  nur  in  ben 
leftten  ^a^xm  burc^  ein  fd^merj^afte«  Slerbenleiben  öfter  ge^inbert,  tüelc^e«  i^n  im 
3Kai  1865  nötigte,  auf  fein  ämt  al«  ©uj^erintenbcnt  unb  Dber^jfarrer  ju  berjic^ten,  unb  ao 
immer  gerftörenber  toirifenb  am  18.  üJlai  1870  feinem  t^ätigen  unb  erfolgreichen  Seben 
ein  ßnbe  machte.  Dr.  G.  ?petcr  f- 

Sd^toorj,  Äarl,  tourbe  am  19.9?ot).  1812  gu  SBiel  auf  Slügen  geboren  al«  britter 
©o^n  be«  bortigen  ^faner«  2:^eobor  ©c^toarg,  eine«  hochbegabten,  ber  romantifc^en  Slic^s 
tung  gugetoanbten  3Kanne« ,  ber  unter  bem  ^feubon^m  „SFfela«"  eine  SReil^e  il^rer  3«t  as 
gern  gelefener  ©c^riften  teil«  erbaulichen,  teil«  }}äbagogifc^en,  teil«  beHetriftif^en  ^«^fllt« 
(„Parabeln",  „Über  religiöfe  ©rgiel^ung",  „©rtoin  bon  ©teinbad^",  „Sofet))^  ©annagar") 
beröffentlid^t  l^at.  35en  erften  Unterricht  erhielt  Äarl  ©c^tüarg  burc^  5ßribatlel^rer  unb 
geborte  bann,  1826—1830,  bem  ©^mnaftum  gu  (Sreif«tüalb  al«  ©c^üler  an.  3Jfit  ber 
äbftc^t,  Ideologie  unb  ^p^ilologie  ju  ftubieren,  ging  er  gunäc^ft  nac^  §alle.  35ort  ^atte  40 
!urg  gubor  bie  burd^  bie  35enungiation  feiten«  ber  ©bangelifc^en  Äirci^engeitung  ipengftens 
berg«  ^erbeigefül^rte  Unterfuc^ung  gegen  ©efeniu«  unb  Sßegfc^eiber  „tüegen  Sei^j)ottung 
biblifd^er  ©teßen  unb  lirc^lic^er  Se^rfä^e"  eine  tiefgel^enbe  ©rregung  ber  GJemüter  betoirft 
unb  aud^  ©d^toarg  tourbe  huxd)  jene«  Sreigni«  na^l^altig  beeinflußt.  2)er  SKibertüiUe, 
ben  er  fein  Sebtag  gegen  §engftenberj  unb  bie  bon  i^m  Vertretene  tl^eologifd^e  SRic^tung  46 
em^nben  ^at,  ift  bamal«  guerft  in  li^m  geh^erft  toorbcn.  3Jitc^aeli«  1831  ging  ©c^h^arg, 
ber  in  §atle  t)orgug«tüeife  ©efeniu«  unb  S^olud^  gehört  ^atte,  nac^  Sonn,  h)o  9li|fd^ 
unb  S3leef  il^n  anregten.  35en  größten  SEeil  feiner  ©tubiengeit  (Dftern  1832  bi«  ba^in 
1834)  brad^te  er  in  Serlin  gu.  $ier  geftaltete  fic^  unter  bem  ©influffe  ©c^leiermac^er«, 
bem  er  auc|  j)erfönlic^  naf)t  trat,  feine  eigene  t^cologifc^e  Übergeugung.  2)ie  ©ebanlen*  60 
toelt  ^egel«,  ber  näc^ft  ©c^leiermac^er  am  bebcutenbften  auf  il^n  getoirft  l^at,  tüarb  il^m 
burc^i  3Rar^einefe  erfd(|loffen.  2luc^  SReanber,  9Satfe  unb  33enar^  maren  feine  Seigrer. 
9iac^i  ©c^leiermac^er«  2^obe  verließ  er  33erlin,  um  fic^  gunä^ft  in  ©reif«h)alb,  bann  im 
elterlichen  §aufe  auf  bie  t^eologifc^e  Äanbibatertprüfung  Vorgubereitcn,  bie  er  1836  beftanb. 
2)a«  näc^fte  ^affx  brachte  i^m  gugleid^  mit  feinem  grcunbe  unb  fpäteren  ©ot^aer  ämt«^  56 
genoffen  ©uftaV  ©c^tüeiger  al«  ©träfe  für  feine  Beteiligung  an  ben  burfd^enfc^aftlic^en 
Seftrebungen  eine  fec^«monatlic^c  geftung«^aft  gu  Sßittcnberg,  hjä^rcnb  beren  il^m  ber 
Sefuc^  be«  bortigen,  bamal«  unter  ^eubner«  unb  SRot^e«  Seitung  fte^enben  ^rebiger- 
feminar«  geftattet  toar.    Slac^bem  er  [xdf  bann   noc^  einige  3^it  teil«  bal^eim,  teil«   in 


6  Si^tnarj,  Jtorl 

SJcrlin,  tette  in  ^aUe  etnöe^cnben  tl^eologtfd^cn ,  tn^befonbere  boömcnöefd^td^tltc^en  unb 
reKgion«j)I^UofoJ)l^ifci^cn  ©tubien  öetoibmet  unb  1841  ju  ©retfdtoalb  auf  ®runb  einet 
©iflertation  über  bieSlnfelmfd^eSlec^tfertiöunfl^lei^re  ben(Srab  eine^  fiicentiaten  ber  J^eologie 
erlangt  l^atte,  l^abilitierte  er  f\6)  1842  in  ^alle.    ©eine  ^abilitation^fd^rift  be^anbelte  ba^ 

B  Sel^rftücf  t)on  ber  3:rinitöt.  ©egenftanb  feiner  alabemifd^en  SSorlefungen,  bie  eine  ja^Ireic^e 
^uJ^örerfd^aft  anzogen,  toor  ©ogmatit,  9leligion«})l^ilofoj)l^ie,  ©ogmengefc^id^te  unb  neuere 
Kird^engefd^id^te.  ®amaU  beteiligte  ftd^  ©d^toarj  aud^  eineßcit  lang  an  ben  1838  öon  ämolb 
Sluge  unb  ©d^terme^er  gegrünbeten  „§allifd^en  S^^rbüd^er".  Site  inbeö  Sluge  fic^  bem 
t^eologifdben  unb  ))olitif$en  Slabitalidmu^  offen  guivanbte,  gab  Sd^tDarg  bie  ^Jlitarbeiter? 

10  teaft  auf.  Salb  borauf  rid^tete  fid^  fein  3i"^w^ff^  «wf  ^'^  Setoegung  ber  fog.  fiic^ts 
freunbe  (f.  b.  31.  93b  XI  ©.  465).  ©c^toarj  toor  melj^ote  auf  ben  großen  aSerfamm^ 
lunai^tagen  ber  ^roteftantif^en  freunbe  in  Sei^^ig  unb  Jlötl^en  anmefenb  unb  na^m  aud^ 
an  oen  SSeri^nblungen  teil,  aber  ber  ®eift,  ber  il^m  ba  entgegentrat,  toermod^te  feine 
©tim))atl^ie  nid^t  )u  getoinnen;  ber  5be  Slationali^mu^  eine^  U|lid^,  ber  t)erbiffene  9{abi' 

16  lali^mu«  ber  jüngeren  ^ül(;rer  ber  Setoegung,  i^r  leibenfd^aftlid^e«  drängen  auf  ©eceffion 
au«  ber  ßanbe^fird^e,  bie  gflnorang,  bie  leere  ^^rafeologie,  bie  ftd^  überall  breit  machte, 
ba«  alle«  ftie^  i^n  ab  unb  veranlagte  i^n  fd^lie^lid^,  ber  Qad^^  ganj  ben  diMm  ^u 
lebren.  3lber  fo  refertoiert  and)  feine  ©tellung  ju  jener  Setoegung  getoefen,  fo  gab  bie^ 
felbe  bod^  feinen  ©e^nem  in  ber  ^afultät  ätnlag,  i^n  beim  Jlultu«minifter  @id^l^om  ate 

30  einen  ©enoffen  fird^lic^er  Umfturj})läne  ju  toerflagen.  SDa«  3Kinifterium  berl^ängte  feine 
©u«J)enfion,  —  e«  foÖte  il^m  bie  venia  legendi  fo  lange  entzogen  bleiben,  bi«  er  burd^ 
Seröffentlid^ung  eine«  loijfenfd^aftlic^en  SBerle«  feinen  tl^eologifd^en  ©tanbj)unlt  nä^er 
behmbet  ^abe  (1845).  Um  biefer  Slnforberung  ©enüge  ju  leiften,  berfafete  er  fein  93u(^ 
über  ba«  „SBefen  ber  SReligion",  ba«  im  ^af)xt  1847  erfc^ien.  3Da«felbe  ^anbelt  in  feinem 

26  erften  2!eit  t)om  93egriff  ber  SReligion,  toeld^e  gefaxt  toirb  al«  „bie  SSerloirtlid^ung  ber 
Offenbarung",  al«  „bie  burd^  menfc^lid^e  freie  %\)at  fortgefe^te  unb  erfüllte  etoige  Dffen^ 
barung«tl^ätigleit  ®otte«".  25emgemäfe  toirb  juerft  gerebet  öom  SRenfc^en  al«  bemSub^ 
jeft  ber  Sieligion.  25er  Duell})un!t  be«  religiöfen  Seben«  im  SRenfc^en,  bie  „religiöfe 
gunftion",  toirb   beftimmt   al«  bie  ßentralfunftion,   al«   „bie  geiftige  vis  vitalis,    bie 

80  lcben«t)olle  Sin^eit  in  ben  ©egenfä^en:  ba«  innerfte  ®etfte«leben  be«  ?!Jlenfc^en,  in  toeld^em 
bie  ©egenföfee  be«  Slllgemeinen  unb  oe«  3"^i^i^wellen,  be«  SBiffen«  unb  be«  SßJollen« 
nodjj  ungefdpieben  ineinanber  finb,  au«  bem  fte  bann  ^erau«treten  unb  in  ba«  fie  ioicber 
jurüdfgenommen  toerben."  „©o  ift  ber  ^n\)ali  ber  Sieligion  nid^t  ba«  2tllgcmeine  al« 
fold^e«,  fonbem  ba«  SlHgemeine,  fo  loeit  e«  fid^  im  ^"^iö^buellen  f^iegelt,  unb  nic^t  ba« 

86  3nbit)ibuelle  al«  folc^e«,  fonbem  ba«  ^nbibibuette,  fo  toeit  e«  ftd^  im  2lögemeinen  fpiegelt. 
SDie  Sieligion  ift  au(|  nid^t  ein  ffliffen  t)on  ®ott,  fonbem  ein  ©id^toiffen  in  ®ott  unb 
mblid^  aud^  nic^t  ein  SBijfen  allein  unb  ein  2^^un  allein,  fonbem  bie  ©in^eit  bon  SBiffen 
unb  ^^un,  ba«  religiöfe  ©etoiffen,  ba«  ©elbftbetoufetfein  be«  Slbfoluten  unb  bie  2tufna^mc 
be«  Slbfoluten  in«  ©elbftbetoufetfein".    2)emnad&  ift  bie  religiöfe  ^unltion  nid^t,  toie  bei 

40  ©c^leiermad^er,  ein  ©ritte«  neben  SBäifjen  unb  2:^un,  ba«  ©efül^l,  fonbern  SBiflen  unb 
S^un  ineinanber.  Slber  bie  Sieligion  ift  nic^t  blofe  ettoa«  im  innerften  £eben«centmm 
Slu^enbe«,  fonbem  fie  ift,  loie  fd^on  au«  bem  oben  ©efagten  ^eri)orgc^t,  SJctocgung, 
$rogefe.  S)ie  in  ber  (Sin^eit  be«  ©elbftbetpufetfein«  nod^  fd^lummemben  ©egcnfä^e  ent= 
falten  ftc^,  tretm  in  bie  SBJirllid^Ieit  ^erau«,  t)om  ßentmm  au«gel^enb  unb  in  if^rer  3Ser= 

46  fö^nung  toieber  ^um  ßentmm  jurürflel^rcnb.  2)ie  erfte  unb  näc^fte  biefer  3tu«geftaltungen 
be«  religiöfen  Seben«  gefc^iel^t  im  Äultu«,  in  tüelc^em  ber  ®egenfa$  i)on  SBiffcn  unb 
2:^un  jur  ©rfc^einung  fommt  al«  Slnbetuna  unb  C^jfcr,  bie  nn^  al«  Seftanbteile  jcbe« 
Äultu«  begegnm  unb  bie  im  d^riftlirf^en  Äultu«bienft  i^rc  ibealfte  2tu«bilbung  erlangt 
baben.    3)er  5fiittel^unft  be«  ®otte«bicnfte«  ift  bie  religiöfe  Siebe,  njcld^e  fonjo^l  bie  än^ 

50  betung  loie  ba«  Dl)fer  in  ftc^  entl^ält  unb  tüelc^e  ju  i^rem  3h)edt  ^at  bie  (Srbauung,  bie 
©tärtung  unb  Belebung  ber  innerlichen  Sleligiofität,  fonad^  alfo  toieber  in  bie  centrale 
2eben«funItion  ^urüdfgept.  6in  tüeitere«  hervortreten  ber  in  ber  centralen  Sleligiofität 
geeinten  ®egenfä$e  ftellt  fid^  un«  bar  in  ber  ß^^ibeit  t)on  Sleligion«lel^re  unb  jjraftifc^er 
Sleligiofität.    3)iefe  beiben   einanber   gegenüberftc^enbcn   unb  boc^  jueinanber    gcbörigen 

66  unb  ftc^  ftetig  aufeinanber  be^ieljenben  6ntn)idtelung«formen  be«  religiöfen  ^rojeffe«, 
nämlic^  ber  3!)ogmati«mu«  auf  ber  einen  unb  bie  21«fefe  auf  ber  anbern  Seite,  bilben 
nur  eine  Übergang«ftufe,  fie  fmb  in  fic^  unfertig  unb  be«^alb  ba^u  beftimmt,  in  ^öfjere 
®eftaltungen  aufjuge^en,  ber  3!)ogmati«mu«  barum,  njcil  er  ben  '^n\)a\t  ber  jeweilig 
gegebenen  religiöfen  3[}orfteBung«n)eIt  al«  unantaftbare,  autoritative  äöal^rbcit  obne  lüeitere« 

60  aufnimmt  unb  biefe  SBal^r^eit  nur  burd^  Serftanbeerefle^ion  ju  ernjeifen  fucf)t  (Sd^olaftif), 


^iftüavi,  Staxl  7 

bie  Sl^fefc,  toeil  btefelbe  in  i^cn  ftttlid^en  Sorberunöen  öon  bcn  ^oftulaten  bcr  ictoetlifl 
gdtenben  Ättd^enlel^rc  ab^ängiö  ift  unb  be^^alb  bad  totrtlid^c  Scbcn  in  feiner  3:iefe  toie 
in  feiner  ©reite  nid^t  ;iu  burd^brinflen  bermag,  —  man  benfe  an  bie  fat^olifd^e  SQBerf« 
gere^^tigleit  in  i^em  Sßerl(;öltni«  jum  latj^ofifd^en  Äird^englauben  unb  an  ben  ^roteftan* 
tifc^en  $ieti«mu«  in  feinem  3ufammenl^an0  mit  ber  ortJ^obojen  Dogmatil!  ©emgemäft  b 
bouert  ber  SDogmatidmu«  jeberjeit  nur  fo  lange,  ate  ber  ©laube,  auf  bem  er  rul(;t,  feine 
ungebrochene  gefiigleit  betoa^rt;  fd^toinbet  biefe,  fo  toirb  ber  Dogmatismus  aufgelöft 
burc^  bie  ©f^fiS  unb  im  gwfö'W'^^^öttÖ  t)amit  bie  äSlefe  burd^  äufflärungSmorat. 
aber  aud^  burc^  biefe  äuflöfung  l^inburd^  toirft  ber  religiöS^fittlid^e  3:rieb  raftloS  tociter 
unb  fd^afft  ouS  i^r  \)ttan^  neue,  ^ö^ere  formen,  \a  bie  ^öc^ften,  bie  ixUxfyivcpt  benfbar  lo 
finb,  nämlic^  auf  ber  einen  Seite  bie  5pi^ilofo})l^ie  ber  SReligion,  bie  begriffliche,  fpefulatibe 
äuSgeftaltung  ber  religiöfen  grfenntniStoelt,  unb  auf  ber  anbem  bie  tonfrete,  lebenSbotte 
©ittUdi>!eit,  toeld^e  lefetere  al«  bie  reiffte  gruc^t  beS  religiöfen  SebenS  ftd^  nni  barftettt 
asin  biefe  Ausführung  ]ä)lx^t  ftd^  bie  Darlegung  beS  Ser^ältniffeS  bon  Äirc^e  unb  Staat. 
3)er  Staat  toirb  befiniert  als  bie  3:otalität  ber  3SolISinbibibualität  in  i^rer  Seftimmtl^it  i6 
burc^  bie  ginl^eit  beS  fouberänen  2BiIlenS,  bie  Äird^e  als  bie  organifterte,  religiöfe  ©emein* 
fc^a^  toelc^e  nic^t  au^er  unb  neben  bem  Biaatt  fte^t,  fonbem  ein  SebenSfreiS  inner^lb 
beSfelben  ift.  3n  ftd^  felbft  foH  bie  ftirc^e  berfafet  fein,  unb  jtoar  bemolratifd^  auf  ber 
SajtS  ber  ©emeinbe,  „benn  innerste  beS  Staates  ift  bie  Äird^e  baS  am  meiften  bemo* 
fratifd^e  3nftitut."  S)od^  fte^t  biefe  Selbftregierung  ber  Äird^e  leineSloegS  in  aBiberfJ)ru^  20 
mit  ber  gforberung,  bafe  baS  Äird^enregiment  nur  ein  3:eil  beS  Staatsregiments  fei.  SDie 
betberfeitigen  SRec^te  berteilen  ftc^  eben  fo,  bafe  ber  Staatsregierung  baS  jus  circja  sacra 
eingeräumt  loirb,  toö^renb  ber  Äirc^e  baS  jus  in  sacra  getoa^rt  bleibt.  —  9lac^  biefer 
Slnal^fe  beS  religiöfen  fiebenS  in  ber  menfd^lid^en  ®ingel})erfon  unb  in  ber  menfc^lid^en 
©emeinfd^aft  loenbet  fid^  bie  SDarftettung  jum  Dbjeft  ber  Sieligion,  ju  ©Ott.  Der  d^rift*  26 
lic^e  ©otteSbegriff  toirb  im  ©egenfa$  ju  bem  ^ot^tl^eiSmuS  unb  ^antl^eiSmuS  ber  „loS* 
mifc^en  Sleligionen"  fotoie  ju  bem  fuj)ranaturalen  S^eiSmuS  beS  3iubentumS  gelennjeid^net 
als  »Kinenti^eiftifc^,  b.  1^.  als  bie  Setrad^tungSioeife,  „in  loelc^er  jtoar  ber  Unteric^ieb 
l^erauSgetreten  ift  jtoifd^en  ©ott  unb  SQBelt,  ber  unterfd^iebene  ©Ott  aber  ftc^  gugleic^  als 
ber  bie  SBelt  erfüUenbe  unb  mit  fid^  t)erfö^nenbe  ertoeift".  Über  bie  »rage,  ob  ©ott  so 
baS  Attribut  ber  ^ßerfönlid^Ieit  ju  binbijieren  fei,  äußert  ftd^  Sc^toarj  folgenbermafeen: 
„aSon  bem  ©ebraud^  beS  SBorteS  ^erfönlic^Ieit  mag  eS  zugegeben  toerben,  ba^  bie  9laturs 
eimeln^eit  jugleid^  mit  gebac^t  toirb,  bafe  fte  ju  iprer  notloenbigen  SorauSfe^ng  bie  3«= 
biöibualität  ^at  unb  ba|  ba^er  fo  toenig  toie  bie  ^nbibibualität  aud^  bie  TPerfönlid^Ieit 
eine  beS  abfoluten  SBefenS  toürbige  Seftimmung  ift.  9lic^t  fo  ift  eS  aber  mit  bem  Segriff  36 
beS  33eh)ufetfeinS  unb  ber  bamit  jufammen^ängenben  Subjeftitoitöt.  DaS  SQBefen  beS 
Setou^tfeinS  unb  ber  auf  i^m  ru^enben  Subjcititoität  ift  bie  Selbftunterfc^eibung,  bie 
35m)licität  bon  3latur  unb  ©eift,  toelc^e  bie  Unterfc^eibung  bon  ber  au^entoelt,  ber 
Totalität  beS  objeftitoen  SeinS  inbofoiert.  Diefe  Selbftunterfc^eibung  aber  in  ber  Unter* 
fd^eibung  bon  bem  SBeltaH  lommt  bem  göttlichen  2Befen  nottoenbig  ju  unb  ift  fo  toenig  40 
aeeignet,  eS  in  bie  (Inblid^tcit  ^erunter;iujiel^en,  bafe  öielmel^r  erft  burd^  fie  feine  äbfolut« 
^eit  öoBenbet  toirb."  Die  2:]^ätigleit  ©otteS  in  ber  aOicltfc^ö^fung  ift  nac^  Sd^toar^  nic^t 
ju  benfen  als  ein  ^erborbringen  auS  9lic^tS,  fonbern  als  „ein  §erauSfeften  ber  SBelt  auS 
bem  SBefen  ©otteS",  „ein  SBerben  ber  3eit  auS  bcr  etoigfeit",  —  in  ber  aBeltregieruna 
aber  als  bie  organifterenbe  3Wad^t  in  ber  ?!Kateric,  toeld^e  im  Selbftbctoufetfein  i^re  SSotU  46 
enbung  l^at  Der  ganae  religiöfe  $roje^  trägt  fonad^  ben  ß^araftcr  ber  ©ottmenfc^lid^- 
leit,  b.  l),  beS  SeinS  ©otteS  in  ber  3Kenfcl)^eit  unb  ber  3Kenfd^l^eit  in  ©ott.  Die  fog. 
ÜÄittler  fmb  alfo  nic^t  gtoifc^enejiftenjen  jtüifd^en  ©ott  unb  ben  aJlenfc^en,  fonbem  lebig= 
lid^  ÄulminationS})unfte  beS  religiöfen  ^rojeffeS  unb  jugleicl)  Änoten^unlte,  in  benen  eine 
Dorangegangene  gnttoidtelung  abfc^licfet  unb  \)on  benen  eine  neue  ausgebt.  Unter  il^nen  60 
(ju  benen  übrigens  auc^  bie  reformatorifcljcn  ©cifter,  bie  ^ro))l^etcn,  bie  ^riefter  gered^net 
hjerben)  fte^en  obenan  bie  SleligionSftifter,  bie  ^erocn  bcS  religiöfen  ©eniuS  unb  unter 
biefen  ift  toieber  ber  größte  ber  Url(;eber  beS  ßl^riftentumS,  toeil  in  i^m  „bie  SSerticfung 
in  ©Ott,  bie  Sufammenfaffung  bcr  SBirflic^fcit  mit  i^rcn  lebensvollen  2Räd^tcn  jur  ©in* 
fad^^eit  beS  $rinji^)S,  lurj  bie  innere  SBcrflärung  in  tooHfommcnftcr,  einzigartiger  Söcifc  65 
auSge^jrägt  loar.  Rum  Sc^lu|  ioirb  noc^  baS  religiöfe  SScrl^ältniS,  bie  Stellung  beS 
©ubjeftS  jum  Dbidi  ber  Sieligion  inS  2luge  gefaxt.  ®S  ftellt  fid^  im  Saufe  bcr  gcf^ic^t^ 
lid^en  (Snttoidfelung  in  brei  §au))tformcn  i)ar:  in  bcn  alt^cibnifd^cn  9laturre(igioncn  als 
unterfc^iebSlofe  @inl(;eit;  im  gubentum  als  blofeer  Untcrfc^icb,  bei  bem  bie  (Sin^cit  ganj 
t>erloren  gegangen;   im  ß^riftentum  als  baS  SJcr^ältniS  bcr  im  Unterfc^ieb  gefegten  unb  go 


8  Si^tnoT),  Raxl 

au&  bcm  Unterfd^ieb  ^crboröe^cnbcn  gtnl^eit,  mit  anbem  ® orten:  bcr  SSerföl^nuttfl.  „@o 
tritt  im  6l(;riftentum  an  btc  ©teile  ber  Äned^tfd^aft  bie  ^et^eit,  an  bie  Stelle  be«  ©efe|e« 
ber  (Seift,  an  bie  ©teile  ber  %\xxd)t  bie  Siebe  unb  in  Äraft  ber  Siebe  aud^  an  bie  ©teile 
be«  ^artilulariömu«  ber  Uniöerfali^mu«.  35a^  ß^riftentum  ift  bie  SBäeltreligion  unb  eben 
6  barum  auc^  bie  toolllommenfte,  bie  abfolute  SReligion."  —  SDer  jtoeite  leil  be«  Sud^e^ 

8ibt  eine  burd^  Jtlar^eit  unb  ?^ormt)ollenbuno  au^ejeic^nete  „©efd^ic^te  bed  9leligion^ 
egriff«  feit  Äant",  eine  ©arfteHunö  ber  reliflion«p^ilofo})bifd^en  ©l^fteme  öon  Äant, 
gacobi,  ©d^leiermad^er,  ßegel  unb  geuerbad^.  —  25a«  eben  d^aralterifterte  93ud^  ift  für 
bie  Äenntni«  ber  t^eologifd^en  ©ebanlentoelt  ©c^toar^«  befonber«  toic^tig.    (gg  aeiö^  ""^ 

10  in  feinem  l^iftorifd^en  Seil  bie  g^ftoren,  au«  benen  bie  ©(^toargfc^e  9leli0ion«))9ilofo})^ie 
fid^  enth)idtelt  ^at,  bor  allem  ©d^leiermac^er  unb  ^egel.  £iefe  beiben  finb  bie  ätu^gang«^ 
j)unlte  feine«  Renten«;  ba^  aber  ©d^toarj  bie  ©ebanlen  biefer  feiner  beiben  SSorgänger 
m  burc^ou«  felbftftänbifler  ffleife  »erarbeitet  unb  toeitergebilbet  l^at,  ift  au«  bem  eben 
gegebenen  htrjen  9lu«2ug  au«  bem  f^ftematifd^en  Seil  be«  S3ud^e«  Ilar  erftc^tlid^.   Sigen^^ 

istümliA  ift  i^m  befonber«  bie  Seigre  bon  ber  religiöfen  ßentralfunition,  bie  al«  bie  un« 
gebrochene  (Sinl^eit  bon  SKiffen  unb  S^un  im  innerflen  ©runbe  be«  ©elbftbetou^tfein« 
tt>altet  unb  bon  ba  au«  al«  vis  vitalis  ben  ganjen  geiftigen  Drgani«mu«  burd^flutet  unb 
al«  bie  treibenbe  Äraft  in  allen  ßrfc^einungen  be«  religiö|en  Seben«  toirlt,  aber  au« 
biefen  SQBirlungen  immer  toieber  in  ftc^  felbft  jurüdttel^rt,  au^  ber  Set^ätigung  i^re« 

20  Seben«  immer  neue  Vertiefung  unb  (Steigerung  biefe«  Seben«  gewinnt.  SBenn  auc^ 
©d^toarj  bie  f))ejififd^  $cgelfd^e  ©d^ablone,  nad^  toelc^er  er  biefen  ©ebanlen  in  jener  ©rft* 
ling«fd^rift  toetter  au«fül^rt,  j^äterl(;in  bei  feite  gelafjen  l^at,  fo  ift  bod^  ber  ©ebanfe  felbft 
bie  Örunblage  feiner  Il^eologie  geblieben,  er  Hingt  immer  toieber  un«  an  in  feinen 
©d^riften,  feinen  ^ßrebigten,  unb  nod^  in  einer  feiner  legten  3Jeröffentlidbungen,  bem  2luf* 

26  fa^  über  „Sieligion"  in  ©d^enfel«  „Sibellejifon"  lommt  er  au«fül^rlic^  auf  biefe  3tn= 
fd^auung  jurüdE. 

Obmol^l,  tDie  un«  @iler«  berid^tet,  ber  ^inifter  (Sic^^orn  bon  bem  ©c^h)ar;(f(^en 
SBerle  „entjüÄt"  toar,  fo  lonnte  er  fic^  boc^  ju  einer  Sluf^ebung  ber  über  ben  SScrfaffer 
ber^ängten  ©u«})enfion  nic^t  entfd^liejen.    (Sr  foH  beabfic^tigt  baben,  il^n  in  bie  })l^il05 

80  fojjpifc^e  ^alultät  ju  berfe^en.  6rft  ©id^l^om«  gtoeiter  Slac^folger,  b.  Sabenberg,  berfügte 
tm  SJa^re  1848  fetne  ^Rehabilitation,  ©d^toarj  befanb  fid^  bamal«  in  granffurt  a.  M. 
al«  ^Kitglieb  ber  9lationalberfammlung,  in  bie  i^n  ber  SBal^lfrei«  3^orgau'Siebenh?erba 
entfanbt  l)attt.  ©erebet  l^at  er  in  ber  $aul«fircl)e  nur  jtoeimal,  al«  bei  Beratung  ber 
„©runbrec^te"  über  ba«  SSerl^ältni«  ber  Äirc^e  jum  ©taat  ber^anbelt  tourbe.    9lud^  ^ier 

86  toar  e«  bie  grei^eit  ber  Äirc^e  im  ©taat,  nic^t  öom  Q^iaai,  für  bie  er  eingetreten  ift.  — 
3[m  ^af)xt  1849  erhielt  er  bie  (Smennung  ;ium  au^erorbentlic^en  ^rofeffor.  1854  erfc^ien 
bie  ©c^rift:  „Seffing  al«  I^eolog"  —  eigentUcl)  nur  ein  au«fü^rlic^er  Slbfclinitt  au«  einem 
beabfic^tigten,  aber  nic^t  erfd^ienenen  größeren  SBerle  über  bie  ©efc^id^te  ber  2:l^eologic  in 
ber  jtoeiten  $älfte  be«  18.  go^rlj^unbert«.    S)iefe  ©c^rift  beginnt   mit  einer  feinfinnigen 

40  G^aralteriftif  bon  Seffing«  ®eifte«art  unb  Älritil,  fd^ilbert  fein  93erl^ältni«  ju  ben  t^eo^ 
logifd^en  unb  })l^ilofot)l^ifc^en  Slid^tungen  feine«  ^Ätalitx^,  beleuchtet  bann  auf«  ©in^ 
gepenbfte  ben  gragmentenftreit  nad^  feinen  berfd^iebenen  ©eiten  ^in  unb  legt  cnblic^  in 
ben  2lbfc^nitten  über  ben  Dffenbarung«begriff,  über  3^oleranj  unb  Humanität  ben  3been= 
geaalt  ber  „(grjiel^ung  be«  5Dlenfc^engefc^led^t«",  be«  „"^Raif^an''  unb  be«  „®ef})räd^«  über 

46  Freimaurerei"  bar. 

Unftreitig  bie  bebeutenbfte  bon  ©c^toarj«  ©d^riften  ift  ba«  1856  erfc^ienene  SBcrf: 
„3ur  ©efd^ic^te  ber  neueften  Il^eologie".  6r  h)ollte  in  bemfelben  nxd}t  ,,eine  gelehrt 
erfc^öj)fenbe  für  gad^genoffen  berechnete  25arftellung"  geben,  fonbem  e«  foHten  nur  bie 
Jpö^e^Junlte  ber  Ideologie  unb  bie  eigentlid^en  ©treit^unlte  berfelben   feftgefteHt   unb  in 

50  i^ren  bebeutenbften  Vertretern  ge^eic^net  toerben.  Dem  entf^jrec^enb  njeift  er  junäd^ft  mit 
lurjen  SBäorten  ^in  auf  ben  au«  bem  18.  S^^rl^unbert  in  ba«  19.  ^ineinragenben  ®egen= 
fa^  be«  9lationali«mu«  unb  ©ut)ranaturali«mu«,  ber  übertounben  toirb  burc^  bie  beiben 
großen  fc^öt)ferifc^en  ©eifter,  bie  am  (Singang  ber  neuen  t^eologifd^en  ßntnjtrfelung  fte^en 
unb  il^re  DueU^iunlte  geworben  fmb,  ©^leiermacljer  unb  ^egel.    ^f)r\tn  gegenüber   unb 

f>6boc^  bielfac^  anfnüjjfenb  an  bie  t)on  i^nen  au«ge^cnbe  ©eifte«ftrDmung  erl^ebt  fic^  bie 
moberne  Drt^obojie,  bie  fic^  toerförpert  in  ^engftenberg.  5fiit  bem  ßrfd^etnen  bc«  ,,Seben« 
Sefu"  t)on  ©trau^  beginnt  ber  j^iftorifc^-fritifc^e  ?5ro^e^,  beffen  negatii^e,  bcftruftiüe  Stn^ 
fang«^eriobe  burc^  ©trau^  felbft,  beffen  erfreuIWere,  an  )pofitx\)  toiffenfc^aftlid^cn  ©rgebs 
niffen  fo  reiche  SBeiterentmidtelung  burc^  SBeifee,  6h)a(b  unb  namentlicl)  6br.  %.  Säur  unb 

fio  feine  ©d^ule  rejjräfentiert  toirb.     2)ie   britte  älbteilung    fc^ilbert    ben   }3l;ilofo}3l;ifd^=boö= 


Sigmar),  Jtarl  9 

mattfc^cn  ^Projcfe,  —  jucrft  bie  Sluflöfungötl^cologte  ©traufe«  (in  feiner  2)o0matif)  unb 
geuetbad^«,  bann  bte  Sleaftion  ö^ö^t  fte  in  ©tapi,  Äliefotl^,  SSilmat,  Seo,  femer  bie 
jtpifd^en  jene  beiben  ßjtreme  ftc^  ftettenbe,  an  ©d^Ieiermad^er,  namentlich  an  feine  (S^rifto* 
ifo0ieanfnüj)fenbe3SennittIung«ll^eoloöie  (3l\^\d),  3)omer,  Siebner,  Sänge,  SRartenfen  u.  f.  h).). 
3)en  Übergang  t)on  biefer  ®ruj)j)e  jur  freien  Jl^eologie  bilben  SRot^e,  Sunfen,  Sc^enlel.  6 
ätö  Vertreter  ber  freien  Sl^eologie  felber  erfd^einen  mit  ben  S^^^nf^nt  §afe  unb  SBücfert, 
ben  „Umbilbnem  be«  alten  Slationali^mu^",  unb  ben  eckten  ©d^ülem  ©d^Ieiermac^er«, 
3onaö,  ©^boh),  (Sltefter,  Äraufe,  ben  Äänt^fem  für  bie  antibogmatifd^e  Union,  auc^  bie 
Männer  ber  „Aeitftimmen"  unb  be«  ^roteftantentoerein«,  m  beffen  ^rinjii)ien  (etoangelifd^e 
grei^eit,  SSerföpnung  t)on  Kultur  unb  ßl^riftentum  unb  ©emeinbefirc^e)  ftd^  ©d^toarj  mit  lo 
üoHer  gntfd^iebenl^eit  betannte.  9la(^bem  er  enblic^  nod)  ben  l^erborragenbften  ©rfc^ei* 
nungen  ber  neueften  Seben^^^fw^Sitteratur  (©traufe:  2.  S-  ^on  1864,  3iman,  ©d^enlel, 
Äeim)  eine  einge^enbe  Sef^red^ung  getoibmet,  richtet  er  in  ber  ©d^lufebetrad^tung  ben 
8lidf  auf  bie  ©egentoart  unb  auf  bie  ©nttoidfelung  ber  lommenben  %aQt.  Site  bie  2^eos 
logie  ber  3"^w"f*  erfc^cint  i^m  bie  freie,  bie  rationale  2!l^eologie,  bie,  toeit  entfernt,  nur  i6 
ein  neuer  2luft)u$  be«  alten  SRationali^mu^  ju  fein,  mit  biefem  öielmel^r  nur  ben  ©egen« 
fa|  gegen  ben  öu^erlid^en  ©u))ranaturalidmu^,  bie  älbtoeifung  aller  SBiSfür  unb  SBunber« 
atte  au^  ber  Offenbarung  ©otted  im  Wenfc^engeift  gemein  ^abe,  bie  aber  ftc^  aufd 
tpefentlid^fte  öon  jenem  unterfd^eibe  burd^  il^re  l^iftorifd^e  Vertiefung,  burd^  i^re  ft)efulatit)C, 
cinjS^eitlic^e  SBJeltanfd^auung  unb  burc^  ba^  fefte,  innerlic^snottoenbige  Sanb,  bo^  fie» 
jtoif(^en  Sieligion  unb  ©ittlid^Ieit  tnvüp^.  ©c^toari  toar  ber  geloiffen  ßuberftc^t,  bafe  biefe 
x^eologie  in  na\)t  beöorftel^enber  3^*  ^^^  ^errfd^aft  gewinnen  unb  unferer  ilirc^e  eine 
neue  SnttDidelung  bringen  toerbe. 

®ie  „©efc^i^te  ber  neueften  J^eologie"  bahnte  ©c^loarg  ben  SQBeg  in  eine  neue, 
freunblid^ere  Seben^ftellung.  $erjog  6mft  II.  t)on  6oburg=©otl^a  berief  il^n  1856  ate  25 
ßofi)rebiger  nad^  ©ot^a.  3^^^  Sa^re  f})äter  toarb  er  Dber^oft)rebiger  unb  SJlitglieb  ber 
^inifterialabteilung  für  ba^  Äird^en^  unb  ©d^ultoefcn,  1877  ©eneralfu^jerintenbent  ber 
got^aifc^en  Sanbegifirc^e.  2)er  ^erborragenbfte  ieil  feiner  Dbliegenl^eiten  in  ber  gotl^aifd^en 
SiJirffamfeit  toar,  jumal  in  ben  erften  S^i^ren  berfelben,  bie  ^rebigt.  ©d^on  feine  äln* 
trittSrebe  über  2  Äo  1,  24  jeigte,  loa«  feine  ©emeinbe  bon  biefem  ^ßrebiger  ju  ertoarten  ao 
l^tte,  unb  feine  25jä^rige  Äameltoirifamfeit,  beren  ßinflufe  ja  toeit  über  ben  Äreid  feiner 
®otl^aer  3w^örer  ^nau^ging,  $at  biefe  ©rtoartungen  toollauf,  übcrreid^  beftötigt  (bgl.  über 
©d^to.  ate  $rebiger  ben  21.  ?}rebigt,  Sb  XV  ©.  723,  55  ff.). 

Slud^  auf  fatec^etifc^em  ©ebiet  ift  ©c^loarj  Utterarifc^  t^ätig  geloefen.  S^^^d^f*  f^^ 
bie  SSolföfd^ulen  be«  $erjogtum«  &oi\)a  gab  er  im  gal^re  1866  einen  „Seitfaben  für  benss 
^Religionsunterricht"  l^erauS,  ber  inbe«  aud^  auStoärtS,  gumal  in  ber  ©d^toeij  unb  in 
33aben,  3Serbreitung  gefunben  l^t  unb  1886  in  6.  Sluflage  erfc^ienen  ift.  3)a«  Süc^lein, 
beffen  ^nf^alt  anlnü))fenb  an  bie  grol^botfc^aft  t)om  SReid^e  ©otte«  ftd^  in  öier  2:eUe 
gliebert:  „3Som  $erm  beS  Sleic^  —  ©ott;  bom  SSürger  be«  Sleid^S  —  bem  3Kenfd^en; 
toom  ©tifter  beS  Sleic^S  —  ßl^ftu«;  öon  ber  Sertüirfhcliung  beS  SReic^S  —  ber  Äirc^e",  40 
jeic^net  fid^  an^  burd^  ©ebanlenfütte  unb  S^räjifton  be«  StuSbrudE«,  bod^  rügt  man  an 
t^m  nic^t  o^ne  ©runb  ben  3Kangel  an  rechter  SSolfötümlic^feit ,  bie  abftralt  tl^eologifd^e 
©c^ematifierung.  3"^"^^^'*^  ^^^  ^^  Seitfaben  als  bie  ioeitauS  braucl^barfte  unter  ben 
bis  je|t  erfd^ienenen  $oj)ularifterungen  ber  liberalen  2:i^eologie  bejeiclinet  toerben. 

I)aS  $au})tjiel,  bem  bie  lirclienregimentlic^e  I^ätigfeit  ©d^tüarjS  galt,  toar  bie  (Sin*  46 
fül^rung  einer  auf  bem  ©emeinbe})rinjij)  ru^cnben  unb  ben  ©^mbolgtoang  abtüeifenben 
Äirc^entoerfaffung.  SDer  bon  ber  got^aifcljen  Dbertirclienbe^örbe  im  3.  1869  Veröffentlichte 
Gnttourf  berfelben  ift  üorgugStüeife  unter  feiner  3)lith}irfung  entftanben.  25iefer  ßnttourf 
lüurbe  jtoar  t)on  ber  1874  ^ufammengetretenen  SSorft^nobe  genel^migt,  aber  t)om  Sanbtage 
beS  §erjogtumS  6oburg=©otl^a  —  ^au^jtfäd^licli  auS  Abneigung  gegen  bie  in  bemfelben  eo 
geforberte  SeloiDigung  einer  Äirc^enfteuer  —  abgelel^nt.  ©c^toarj  f)at  biefen  "üKifeerfolg 
noc^  auf  feinem  ©terbebett  tief  beflagt. 

an  ber  $olemif  gegen  baS  ©taatS-  unb  SSefenntniefirc^entum  bat  ©c^tüan  aud^ 
aufeerl^alb  ber  got^aifd^en  SanbeStirc^e  bis  jule^t  tl^ätigen  Slnteil  genommen.  Sefannt 
ift  in  biefer  ^inftc^t  befonberS  ber  3Sortrag,  ben  er  1865  in  ber  fonftituierenbcn  aSersss 
fammlung  beS  beutfc^en  ^roteftantentoereinS  in  Qi^mad}  über  „bie  ^jroteftantifc^e  Se^r- 
frei^eit  unb  i|re  ©rengen"  gel^alten  bat.  3)ie  ^ofition,  bie  er  l^ier  einnimmt,  ^at  er 
12  3a^re  fj)äter  gelegentli^  beS  in  ber  ©^nobe  SScrlin-Äölln  auSgebroc^enen  Streites 
über  baS  Siedet  beS  2lj)oftolifumS  als  Seftanbteil  ber  eöangelifc^en  Siturgie  in  einem 
Senbfc^reiben   an  bie  berliner  ^ofgeiftlic^en  mit  getoo^nter  ©d^ärfe  üerteibigt.    3)aS  w 


10  Si^tuarj,  Raxl  Si^tnebel 

gcfamtc  Duettenmaterial  über  btefen  ©trett  unb  ©d^toarj'^  93eteiltgunö  an  bemfelben 
pnbet  ftc^  in  ber  ^ßrot.  A3.  1877,  9lr.  22,  24,  44  unb  47  fotoie  in  ber  91.  et).  A3. 
1877,  9Jr.  42.  —  3«  t>^  gotl^aifc^en  Sanbe^Iirc^e  jinb  bie  ©runbfä^e,  toelc^e  er  in  bem 
berliner  ©treit  au^gefproc^en,  lurj  nac^^er  öon  i^m  in  bie  ^rajiiS  tibertraöen  toorben, 

6  inbem  er  ben  ©riafe  einer  ^Kinifteriatoerorbnung  (toom  15.  9Rärj  1881)  herbeiführte, 
burd^  bie  bei  ber  2!aufe  aufeer  bem  belennenben  and)  ber  referierenbe,  bei  ber  Konfirmation 
Wo^  ber  referierenbe  ©ebrauc^  be«  Sl^oftolilumg,  bei  beiben  ^anblungen  aber  \tati  be^ 
8l))oftoüfum«  ouc^  bie  Slntüenbung  eine«  ^arattelformular«  für  juläfftg  erflärt  tüirb.  S)a« 
ertoä^nte  gormular  l^at  ©d^toarg   im  3-  1879  im  93erein  mit  einer  Sln^a^I  ©eiftlic^er 

lobed  ^erjogtum«  @ot^a  aufgeftettt. 

^ie  legten  ^af^xt  feine«  an  Jtam^f  unb  9Jlü^e,  aber  auc^  an  9(neriennung  fo  reichen 
unb  burc^  ^äu«Kc^e«  ©lücf  öerfd^önten  geben«  loaren  getrübt  burd^  fc^toere  ^eimfud^ung. 
6in  äufeerft  fd^merj^afte«  Äörjjerleiben  (gangraena  senilis)  mad^te  im  ©ommer  1882 
bie  3lm})utation  be«  redeten  Unterfd^enlel«  nötig  unb  fü^^te,  im  $erbft  1884  mit  toer^ 

leftärfter  3Kad^t  loieberlel^renb,  ben  lob  ^erbei  (25.  9Kärj  1885).  ©ein  Seic^nam  tourbe, 
h)ie  er  e«  geloünfc^t,  burc^  geuer  beftattet. 

SDie  männliche  ©tanbl^aftigleit  unb  bie  fromme  Srgebung,  mit  ber  er  bie  Dualen 
feiner  Äranf^eit  bi«  gum  legten  äugenblirfe  trug,  unb  bie  fiege«fro^e  ®eh)i|bcit,  mit  ber 
er  bem  Seben,  ba«  broben  ift,   entgegenfd^aute,  l^aben  bie  liefe  unb  bie  SRad^t   feiner 

20  (^ftlid^en  Überzeugung  Mar  an«  Sic^t  geftettt.  9lod^  inmitten  be«  2!obe«fam})fe«  l^at  er 
ftd^  )u  bem,  toa«  er  gelel^,  t)ott  unb  freubig  betannt  unb  ift  mit  j^ei^en  ©egen«h}ünf(^en 
für  bie  Äird^e,  ber  er  gebient,  unb  bie  ©eiftlic^en,  beren  Dberl^irt  er  geloefen,  in  bie 
eloige  $eimat  eingegangen.  2)er  unbeugfame  9Bal^r^eit«finn  unb  bie  innige  ®emüt«= 
toörme,  loeld^e  öon  Äinb^eit  auf  in  il^m  fo  fc^ön  geeint  toaren,  l^aben  il^n  begleitet  bi« 

36  an«  3trf  unb  i^m  in  ber  grofeen  ©emeinbe  berer,  auf  toelc^e  er  mit  ber  9Kac^t  feine« 
®eifte«  getoirlt  ^at,  ein  unverlierbare«  (S^rengebäc^tni«  gefid^ert.  9ittbIo{f. 

Si^tnatjbitrg  Sr&tftentfimer  f.  X^üringen. 

©fl^ttiebtl,  3^'^^""^^^  8^^-  lö^Öf  unb  bie  Sieformation  in  ^faIj=3*^^i'E^^*^-  — 
^ie  @(!^rtften  @(^mebel«  mürben  lange  nac^  feinem  Sobe  Don  feinem (Bo^nelpetnric^  ^erou«- 

»gegeben  unb  bilben  bie  tüidjtigftc  ducfle  feiner  ©cfc^icfite.  ©«  ftnb  bie«:  1.  3)er  crfte  X^eil 
aller  Xeutfcöen  93ü(6cr  unb  ©djrifften  bc§  ®Dttfeliflen  Seigrer«  feerm  3o^annid  @ci)»cbclii  k., 
Qrocibr.  1597,  unb  ber  jrocite  Xcil  bcrfclbcn,  S^^cibr.  1598.  2.  Centuria  epistolarum  theo- 
logicarum  ad  Job.  öchwebelium  etc.,  Bip.  1597.  3.  Operum  theologicorum  D.  Joh.  Schwe- 
belii  pars  prima,  Bip.  1598,  aUeS  in  8^    ©in  jtveiter  Jeil  ber  op.  theol.  ift  nid)t  erfdjicnen. 

85  @tne  rocltere  9lu§gabc  mit  bem  Sitel:  D.  Joh.  Schwebelii  scripta  theologica  etc.  ift  mit 
ben  belbcn  le^tgcnannten  S3üd)crn  ibcntifd)  unb  unterfti^cibct  fid)  oon  i^ncn  nur  burd^  ben 
toorgcbrucften  2;itel.  S)ie  ju  feinen  Scbjcitcn  crfctjienenen,  jum  Xcil  in  feine  gefornmelten 
SBcrfc  nidjt  aufgenommenen,  ficincn  ©djriften  6cö»ebel«  finb  unten  im  Scjte  genannt.  SRe^rere 
toorl^er  ungebrucfte  ©riefe  ©c^wcbcl«  ^at  3.  ©c^nciber  1882  in  ber  3tfcftr.  für  ®efc^.  b.  £)ber= 

40  r^ein«,  S3b  34,  @.  223  ff.  oeröffentlidit.  Selber  finb  bie  c^ronotogifc^cn  eingaben  ^^einric^ 
©cftroebef«  in  ben  oon  t^m  herausgegebenen  6d)riften  burcftau«  unguoerlöffig.  Siele  berfelbeii 
finb  unten  ftiUfc^toeigenb  richtig  gefteüt.  ?lucl^  fonft  war  ^einvid)  ©(^roebelS  ?lrbeit  roenig 
forgfältig,  wenn  audj  ber  gegen  i^n  oon  Heilbrunner  erhobene  ^Jorrourf,  er  l)abe  bie  @(ftriften 
feines  SBatcrS    in   reformiertem  Sntereffe   gefälfdit,    ber  SBegrünbunq  entbehrt.  —   @d)ttjcbcl« 

45  Seben  l&at  juerft  fein  ©o^n  ^einrid)  in  ber  Einleitung  ju  ber  Centur.  epist.  bcfcftrieben, 
nad)  i^m  9R.  §lbam,  Vitae  German.  theol.,  p.  62ff.,  weiter  befonbci«  5.  S.  8ci^webel=^iep  in 
ber  1.  ^ufl.  biefe«  SerFeS,  3.  6cöneibcr  in  ber  ^bS.  Söeiter  finb  ju  üergleid)cn:  ^ftüger, 
®ef4.  oon  ^forj^eim,  1862,  @.  305  u.  336  ff. ;  ^ierorbt,  ©efdj.  ber  eü.  Stirdje  in  53aben,  »bl; 
berf.  in  feinen  in  ber  Unioerfitätebibliot^et  ju  ^eibelberg  aufbcioa^rten  ^anb)cf)riftlid)en  9?oti^en ; 

60  ^]&.  (5.  ^cin^,  S)ie  ^lejanberfircfte  ju  S^cibrürfen,  3tt'cibr.  1817  unb  bk  übrigen  befannten 
SJerfe  ^^ur  pfäljifcfien  unb  3^cibrüder  SReformationSflefd).  SSon  fatl)oUfd)em  8tanbpunfle: 
S.  ^Jolitor,  ®efd).  oon  Broeibr.  156 ff.:  9?.  <|8auluS,  2)ie  einfü^rung  ber  5Ref.  in  ^^falij^Sroei-- 
bvücfen,  in  ben  ^ift.  polit.  331.,  53b  107.  ©ertooDe  S^otijen  banfe  id)  gütigen  SRitteilungen 
oon  D.  &.  koffert  unb  Pfarrer  ^.  9?eubauer  in  ^ornbad).    ^htfeerbem  ift  einiget  ^anbfc^rift: 

66  licfte  SRaterial  auS  bem  ^Irc^ioe  ber  ^ircftfc^affnei  groeibrüden  oerroertet.  9luf  weitere  Ouellen 
ift  im  Je^te  l)inflewiefen. 

30^.  ©d^njebel  ober,  h)ie  er  fic^  felbft  nannte,  ©d)h)cblin,  iourbc  1490  in  ^forj=^ 
^eim  geboren,  ^n  ber  trefflichen  lateinifcben  ©d^ule  feiner  ^üaterftabt  empfing  ©c^m^ 
feine  erfte  njiffenf^aftlid^e  Silbung  unb  ftubiertc  fc^on  bier  neben  ben  flajfifd^en  ©prad^ei» 

«>  fleißig  bie  bl-  Scbrift.    3lm  1.  gjiai  1508  be^og  er  bie  Unitjerfität  2:übingen  (Stotb,  Urf- 
ber  Uniü.  iüb.  572).    33on  Tübingen  ging  ©d^to.  nad)  .^eibelberg,  mo  er  am  21.5ulf 


Sfl^ttPebel  11 

1511  immatrituliert  tourbe  unb  am  15.  3Kai  1513  bic  SBürbc  ctne^  bacc.  jur.  can. 
tttoaxh  (%bpU,  aJlatr.  bcr  Unit).  $eib.  I,  482  unb  II,  522).  ©d^on  toor  feiner  Über* 
ftAelung  nad^  ^eibelberg  ^atte  fiq  ©c^to.  „in  ber  ^Weinung,  ben  Äimmel  mit  feinem 
anbäd^tigen  ®zhztt  unb  ö^ten  SQBerlen  ju  toerbienen"  (2^cutfd^.  ©^r.  I,  177)  in  ben 
^Df))italorben  bed  ^I.  @eifted  aufnel^men  laffen,  h)eld^er  in  ^forjj^eim  ein  Bp'xtal  befag.  6 
Sei  feinem  Sintritt  in  ba«  Älofter  überlief  er  bemfelben  fein  nid^t  unbebeutenbe«  SSer* 
mögen,  t)on  tocld^em  er  fj)äter  bei  feiner  gtoeiten  SSer^eiratung  auf  Sertoenbuna  be« 
^faljgrafen  Subtoig  einen  ieil  ^urütfer^ielt.  3lad)  Seenbigung  feiner  ©tubien  l^ieTt  fid^ 
©i^h>.  junäd^ft  in  ©tc^jl^andfelb,  bem©i4e  be«  ®eneralt)ilar«  feinet  Drben^,  auf  unb  tourbe 
am  15.  ^pxü  1514  in  ©tra^burg  burd^  ben  bortigen  ©eneratoilar  ßonrab  jum  ^ßriefter  lo 
getoei^t. 

SBalb  barauf  lehrte  ©d^to.  nad^  ^forjl^eim  jurüdf,  h)o  er  bereit«  am  16.  ©e})tember 
1514  ate  5!ont)entual  beö  bortigen  Älofter«  ertoä^nt  toirb  (S^tfc^r.  f.  ®efc^.  b.  Dberr^. 
24,  382).  $ier  trat  er  mit  einer  Steige  t)on  bebeutenben  reformfreunblid^en  SDlännem 
in  ))erfönlid^e  S9erü^rung.  9teben  Sleuc^Iin,  Jlonrab  ^eUilan  unb  bem  f^äter  mit  il^m  in  i6 
3toeibrüdEen  jufammentoirfcnben  Ra^pax  ®Iafer  ift  befonber«  SReland^tl^on  ju  nennen, 
bcr  il^n  ^odj>fc^ö^te  unb  in  ben  erften  gal^ren  feine«  2BirIen«  in  Wittenberg  häufig  an 
ü^n  fd^rieb.  3lo^  enger  toaren  ©(^h).«  Sejie^ungen  ju  9lif.  ®erbel,  mit  toeld^em  er  bi« 
)u  feinem  3^obe  in  regelmäßigem  Vertrautem  Srieftoeqfel  ftanb.  3"^  ^df^xt  1517  reifte 
©c^to.  in  Angelegenheiten  feine«  Drben«  nac^  £eii)gig  unb  fd^eint  nod^  im  ganuar  1518  20 
l^icr  toertoeilt  ju  l^aben  (Sleud^lin«  Srieftoec^fel  281.  Ilustr.  vir.  epp.  ad  Reuchl., 
Hag.  1519,  86  ff.  u.  91  ff.). 

3)ie  neu  an«  Sid^t  getretene  ebangelifd^e  ®al^rl^eit  tourbe  öon  ©d^to.  freubig  auf« 
genommen  unb  frül^e  mit  Segeifterung  toerlünbigt.  311«  ^rebiger  feine«  Drben«ft)ital«  in 
^fon^eim  ^atte  er  baju  bie  ertoünfd^te  ®elegen^eit.  3Rit  natürlid^er  Serebfamfeit  au«?  25 
gcrüftet,  t)rebigte  er  feit  1519  in  ebangclifd^er  SBeife  unb  fammelte  um  fid^  eine  änja^I 
t)on  2ln^ängern,  bie  i^n  toie  ber  tüd^tige  ft)ätere  ©tuttgarter  ©c^ulmeifter  Sllejanber 
SWerlel  al«  geiftlid&en  SSater  üerel^rten  (Centur.  324  ff.),  ©c^to.  trat  babei  fo  maßöoO 
auf,  ba|  er  in  einer  fonft  nid^t  befannten  ©c^rift,  bie  er  jur  SDrutflegung  nad^  ©traß« 
bürg  fd^idfte,  noc^  bemertte :  „2)amit  toil  ic^  bem  93abft  feinen  Slblaf  nid^t  öerlüorfen  ao 
^ben".  ©ein  greunb  ®erbel  ftrid^  i^m  jebod^  biefen  ©a$,  toeil  man  einen  berartigen 
33etrug  ber  öertüorfenften  SKenfc^en  nic^t  entfd^ulbigen  fönne  (ügl.  ben  jtoeifello«  am 
20.  35ejember  1521  gefc^riebenen  93rief  ®crbel«  Centur.  24ff.).  Iro^  biefer  gemäßigten 
&pxa(ift  erregte  ©c^h).  bie  geinbf^aft  ber  SQäiberfac^er  unb  \)xAt  e«  für  geraten,  6nbe 
1521  unter  2tblegung  feine«  Drben«f leibe«  ^forj^eim  ju  toerlaffen.  86 

3n  ©idRngen«  fd^üfeenben  93urgen  fanb  ©c^to.  bie  gefuc^te  2lufnal^me  unb  tourbe  in 
vertrautem  SSerfe^r  mit  ?&Jännern  toie  ©idtingen,  ^utten,  Defolam^^ab,  93u$er  unb  äquila 
}u  nod^  größerer  ßntfc^iebenl^eit  geführt.  Sil«  nad}  Dftem  1522  DeIoIamj)ab  auf  ber 
©bemburg  bie  9Reffe  in  beutfd^er  ©prac^e  la«,  folgte,  toie  e«  fc^eint,  ©cf)h).  feinem  Sei« 
f})iel  unb  rechtfertigte  bie«  in  einem  too^l  an^  biefer  3^'^  ftammenben  33riefc  mit  ben  40 
SBorten:  „Quod  missas  Germanica  lingua  lego,  non  tantum  facinus  arbitror, 
ut  hu  jus  me  pudeat  aut  lucem  fugiam,  sed  palam  id  facio,  optans  ut  omnes 
id  faciant".  2)en  Sortüurf,  baß  er  ein  Sut^eraner  fei,  toie«  er  mit  ber  Semerlung 
gurüdf,  er  fei  lein  Sutl^eraner,  fonbern  ein  ß^rift  (Centur.  337  f.).  3Sor^er  fc^on  ^atte 
©idfingen  an  ben  ©c^tpiegertoater  feine«  ©o^ne«,  2)ietric^  t)on  ^anbfd^u^«l^eim,  lüclc^eriö 
gegen  öcrfd^iebene  tird^Iid^e  Sinberungen  Scbcnfen  geäußert  l}att^,  jur  SRed^tfertigung  feine« 
©tanb})unfte«  einen  33rief  gerichtet,  in  tüelc^cm  er  bie  ©^enbung  be«  ^l.  Slbenbmal^I« 
unter  beiben  ®eftalten,  bie  beutf c^e  3Keffe  unb  anbere  Vorgenommene  ^Reformen  berteibigte. 
©(^to.  gab  biefen  ©rief  nebft  einem  ©d^reibcn  §artmut«  t)on  ßronberg  an  ©icfingen  toom 
13.  DItober  1521  al«  „fel^r  nü^lid^  unb  etlichen  fd^tüadfien  ®eh)iffen  gar  tröftli^"  nebft  50 
einer  t)on  i^m  verfaßten,  vom  30.  ^um  1522  an^  ©bernburg  batierten,  Sorrebe  im 
3)rudf  ^erau«  unb  fanbte  fie  an  ben  Runter  ©eorg  Sut^rumer  (Von  2eutrum)  in  ^forjs 
^eim,  um  bie  bortigen  (gvangelifd^en  im  ©lauben  gu  ftärfen.  ^n  biefer  3Sorrebe  ^pxx^t 
Sc^it).  mit  93egeifterung  Von  ber  „evangelifd^'djriftliq>en  SRebe,  fo  o^ne  Unterlaß  bei  un^ 
gebrandet  tvirb",  unb  fügt  binju:  „^d)  l^ätte  gemeint,  e«  toäre  fein  Drben«mann,  h)ie56 
geiftlid^  er  fid^  bebünit,  ober  fein  il^eologu«,  mie  gclef^rt  er  fic^  achtet,  ber  fo  ftät  unb 
Vernünftig  rebet  von  ben  2)ingen,  fo  ba«  £ob  @otte«  unb  ber  Seelen  ©eligfeit  be* 
langen".  SBenn  man  vor  ^ÄUn  ba«  3Bort  ®otte«  Von  ben  ^rieftern  gelernt  l^abe,  fo 
fei  c«  je^t  not,  baß  biefe  ju  ben  2aien  in  bie  ©d^ule  gingen  unb  Von  il^nen  bie  Sibel 
lefen  lernten  (leutfc^.  ©dj^r.  I,  25  ff.),     ©ine  förmliche  amtliche  ©teßung  fd^eint  ©c^to.  eo 


12  (Si^tnebel 

bei  ©icfingcn  ntc^t  einflenommcn,  fonbern  t^m  nur  mit  feinem  tl^coloöifd^en  SRatc  gebicnt 
iu  l^aben.  2)ie  Slngabe  3Jierorbtö,  er  fei  Pfarrer  t)on  fianbftui^I  ö^*^^!^^^  Ut  in  biefer 
gorm  ftd^er  nic^t  begrtinbet,  toenn  er  and)  für  ben  1521  nad)  bem  lobe  be«  früheren 
$farrcr^  jum  Pfarrer  öon  Sanbftu^I  beförberten  9uralat)lan  9lif olau^  ba«  bortige  ^Pfarr« 

6  amt  jcittoeifc  au^^ilf^toeifc  toerfe^en  l^aben  mag.  9luf  ber  Surg  Sanbflu^I  gw«^  nof^ 
bem  Serid^te  feine«  ©o^nc«  §einrici^  bie  3:rauung  ©d^h).«,  beren  ÄoRen  ©idtingen  felbft  in 
STnerlennung  feiner  25ienfte  beftritt.  2)ie  öon  mir  in  ber  jtüeiten  Sluflage  biefe«  SBerle« 
hieran  geäußerten  3*^^Jf^'  fd^einen  burd^  ba«  S^Ö^i^  Äa^par  ©laferö  tüiberlegt  ju 
toerben,  toel^er  1536  fd^reibt:  ,,Suevulus  noster  tertiam  uxorem  habet"  (Joannis 

10  Spicil.  558).  ©id^er  l^at  ©d^h).  burd^  feinen  Scben^toanbel  in  ^forj^cim  bem  Solle 
leinen  änftofe  gegeben.  3)ic«  erhellt  jtoeifello«  au«  einem  ©d^reiben,  in  toeld^em  fic^ 
©c^h>.  gegen  feine  SBiberfad^er  toegen  feiner  SSerel^elic^ung  toerantloortet  (Jeutfd^.  ©d^r. 
I,  176  ff.). 

®a  ftd^  SDlarlgraf  $^ili})})  t)on  Saben  injtoifc^en  freunblid^er  ju  ber  Sieformation 

16  gefteDt  l^atte,  leierte  ©c^lo.  im  ^erbfte  1522  nac^  ^forg^eim  jurüdf,  too  er  junäc^ft  un^ 
oe^eDigt  blieb  unb  toieber  fein  ^mt  im  ©})itale  öerloaltete.  §ier  gab  er  am  1.  Swember 
1522  unter  bem  2^itel:  „ßrmanung  ju  bem  Dueftionieren  abjuftetten  überfitiffige  Soften" 
eine  ©c^rift  ^erau«,  in  ioeld^er  er  fid^,  auf  feine  Erfahrungen  geftü^t,  gegen  bie  ^ab- 
füd^tige  9lu«beutung  be«  gläubigen  Siolle«  beim  @infammeln  (Dueftionieren)  t)on  ®ab^n 

20  für  arme,  ©t)itäler  toenbete.  ®a  ©d^lo.  in  biefer  ©d^rift  eine  f^jätere  au«fü^rlic^c 
SSefc^reibung  ber  bei  bem  Settleruntoefen  im  ©c^toange  gel^enben  SJlifebräud^e  in  Sluöfic^t 
ftettte,  f^ai  bie  öon  U^I^om  (c^riftl.  £iebe«t^ätigfeit  II,  515)  guerft  geäußerte  SSermutung 
biele«  für  fid^,  baß  ©c^to.  auc^  ber  SSerfaffer  be«  balb  banod^  in  ^forjbcim  anonym 
crfd^ienenen  „über  vagatorum"  fei,  loeld^e«  bie  ijon  ben  „93ettlem  ober  fianbfa^rem" 

25  )ur  Sefc^toinbelung  be«  3ioI!e«  angetoenbeten  ^et^oben,  foh)ie  bie  t^on  i^nen  gebrauchte 
®aunerf]t)rad^e  fd^ilbert.  äuc^  3anffen=$aftor  (8,  285  f.)  teilt  biefe  Vermutung,  o^nc 
jeboc^  bie  S^cntität  be«  SSerfaffer«  biefer  ©d^riften  mit  bem  3h)eibrüdEer  Sleformator  ju 
erfennen. 

Sluc^  je^t  lonnte  ©c^lo.  nic^t  bauemb  in  feiner  3Saterftabt  bleiben.    3"^  fjrül^ia^re 

80  1523  »erließ  er  ^ßforjl^eim  loieber,  o^ne,  loie  e«  fd^eint,  mit  Seftimmt^eit  ju  ioiffcn,  loo^in 
er  fic^  toenben  foHte.  SBenigften«  fc^reibt  i^m  ®erbel  am  22.  ^pxxl  biefe«  3«^^^»  ^ 
^abe  bi«l^er  nid^t  getoußt,  ioo  ©c^to.  fid^  aufhalte  (Centur.  39).  Um  fo  toiufommener 
mußte  e«  ©d^to.  fein,  al«  il^n,  too^l  auf  Smjjfe^lung  ©idfingen«,  §ergog  Subtoig  II.  t)on 
^föIj'S*^^*'^^"*^"  ^^^  3*^eibrüdEen  berief.    3)ie  f^äter  häufig,  auc^  noc^  öon  S^nffen, 

85  toieberbolte  3lad}x\d)t  ©eaenborf«,  Äurfürft  Subtoig  öon  ber  $fal;i  i)abc  um  biefe  3^t 
burc^  ©c^h).  in  §eibelberg  ba«  lautere  SBort  ®otte«  })rcbigen  laffen,  berul^t  auf  einer 
SSerloec^fclung  ber  beiben  genannten  gürften.  Subtoig  öon  ^tüzibxüi^n,  1502  geboren, 
toar  t)on  ^op.  Saber  (f.  b.  21.  Sb  II  ©.  353  f.)  erjogcn  loorben  unb  ftanb  o^ne  S^J^f ^I 
fd^on  bamal«  freunblic^  jur  Bad)z  ber  Sieformation.    SBenn   man  früher  annahm,   baß 

40  nunmehr  al«balb  in  ber  ©tabt  unb  in  bem  gangen  ^ergogtum  ß^^^^^üdten  bie  9lefor= 
mation  gur  trollen  ^urc^fü^rung  gelommen  fei,  fo  entf^rid^t  bie«  ben  S^atfad^en  nic^t. 
®aß  aber  ©d^to.  bereit«  im  ^pxxl  1523  al«  ^rebiger  in  3^cibrürfen  ioar  unb  üon  Da 
an  in  biefer  ©tabt  eine  ebenfo  el^renöotte  mie  erfolgreid^e  I^ätigfeit  enttoidtelte,  gel^t  au« 
feinen  ©d^riften  (Centur.  39  etc.)  gtoeifello«  l^ertoor.    SBeber  t)on  bem  §ergoge,  nod&  t)on 

45  bem  ©tabtj)farrer  go^.  SKeifenbeimcr,  noc^  t)on  feinem  93ifd^ofe  (leutfc^.  ©d^r.  I,  91) 
tourbe  il^m  babei  ettoa«  in  ben  SBea  gelegt.  311«  ber  Äerjog  ba«  Slürnberger  ßbift  öom 
6.  3Kärg  1523  Jjublijierte,  nad^  toelqcm  bi«  gum  Äomife  „aöein  ba«  ^eilige  6t)angelium 
nac^  3lu«tegung  ber  bon  ber  d^riftlic^en  Äir^e  a^jjjrobierten  ©c^riften"  geprebigt  Serben 
foHte,  na^m  ©cl)to.  baran  2lnlaß,  nad^einanber  ba«  ©üangetium  3)lattl^äi,  ben  3lömer= 

60  unb  ©alaterbrief,  foioie  beibe  Äorintl^erbriefe  in  jufammcn^ängenben  ^rebigtcn  au«gus 
legen,  ^n  toelc^em  ©innc  er  ba«  tl^at,  geigt  feine  au^  bem  ^al^re  1526,  in  toelc^em 
jene«  ®ebot  neu  eingefc^ärft  tourbe,  ftammcnbe  feine  Semerfung,  er  ^abe  gur  2lu«legung 
bie  ©d^riften  be«  3(lten  Xeftament«  unb  ber  ^l.  Sl^joftel  gebraucht,  „\o  obne  allen  3h>eifel 
t)on  ber  ^l.  c^riftliclien  Äird^e  apjjrobiert  unb  angenommen"  feien  (ieutfcl).  ©d^r.  I,  88  f.). 

65  3?on  anberen  burd^  i^n  gu  Slate  gegogenen  3lu«legcrn  fü^rt  er  ^ieron^imu«,  ßbr^foftomu« 
unb  Drigene«  an.  Bpäicx  Jjrebigte  ©c^to.  aud^  l^äufig  über  ba«  3llte  ieftament,  fo  1527 
über  bie  ©enefi«.  3)ie  ^ebräifd^e  ©j^raclje  ftubicrte  er  überhaupt  mit  folc^em  ßifer,  baß 
feine  ©egner  il^n  too^l  fjjottenb  einen  Judaicum  nannten  (Centur.  68). 

Salb   be^nte  fic^   ©c^to.«  6influß   auc^   über   benachbarte  Drte    au«.    Unter  ben 

00  ©tift«^erren  be«  gabian«ftift«  in  bem  naiven  ^ornbac^  gel^örten  einige  gu  feinen  eifrigen 


(Bi^totbü  13 

Än^änflem  (Centur.  72  u.  122).  Slnbcrerfeit«  crftanbcn  i^m  bort  and)  i^cfttge  ©egner. 
gianwntlic^  \pvai9  \i)m  bcr  ®rgj)rieftcr  9lil.  Äaltenl^cufer  bon  Sitfc^,  toeld^er  gugletd^ 
Äanonitu«  in  ^ombad^  toar,  bic  Serec^tigung  gum  ^rcbigcn  ab,  tocil  er  nic^t  rite  be« 
rufen  fei.  aber  ©c^h).  üerteibigte  in  einem  Kolloquium  mit  i^m  anfangt  1524  unter 
lebl^aftem  Seifalle  ber  gu^örer  fiegreid^  fein  5Becbt  unb  ben  gn^alt  feiner  ^rebigten  6 
(Centur.  84—92).  93alb  barauf  befuc^te  Sc^h).  feine  33aterftabt  ^forjl^eim  lieber  unb 
burfte  bort  mel^rmal«  toieber  in  ber  ©^itallir^e  jJrebigen.  am  Sonntage  Mis.  Dom. 
(10.  3(J)rU)  legte  er  ba«  (Sbangelium  be«  läge«  öom  guten  Wirten  ju  ©runbe,  ermal^nte 
feine  $örer,  in  ber  SBa^r^eit  ju  bel^arren,  unb  liefe  bie  5prebigt  burc^  ©erbel«  Ser^ 
mittelung  in  Strasburg  brucfen  (Centur.  31  unb  66).  S)iefelbe  tourbe  fj)äter  me^rmate  10 
na^^gebrudft,  g.  8.  in  ©toeier  unter  bem  2:itel :  „6in  ©ermon  getrau  gu  ^forg^eim  im 
Bpiital,  gei)rebiget  burc?  3«>^ö""  ©c^toeblin  (gcclefiaften  gu  jtoe^nbrüdt,  am  ©onntag 
9Rifericorbiad  25omini.  ©ebrücft  gu  <Bp^tt,  gm  ^ax^  MDxxiiij".  Salb  nad^  feiner 
KücHe^r  t>er^eiratete  fid^  ©d^to.,  beffen  erfte  ®attin  febr  frü^e  geftorben  gu  |ein  fc^eint, 
gum  gtoeitenmale  unb  red^tfertigte  biefen  ©d^ritt  burc^  eine  befonbere  ©c^rift  (leutfd^.  i6 
©c^r.  I,  176  ff.).  Site  man  i^m  um  biefe  ßeit  bortoarf,  er  f)aU  bic  firc^lid^e  Se^re  bom 
3fegfeuer  geleugnet,  tourbe  er  baburd^  toeranlafet,  bie  bibüfd^e  Segrünbung  biefer  fie^re 
gu  prüfen,  unb  ]pxad)  fid^  bann  in  einer  ^rebigt  über  1  Ro  3,  }u  toelc^er  ©teile  er  in 
feiner  2lu«legung  ber  Äorint^erbriefe  gerabe  gelommcn  toar,  offen  gegen  ba«  gegfeuer 
aud,  ba«  man  o^ne  ®runb  ber  ©d^rift  angcgünbet  unb  bamit  fc^ier  aller  SBelt  @ut  20 
toerfod^t  ^abe,  um  ben  93aud^  bamit  ju  mäften.  auf  SBunfd^  be«  2lbte«  Sol^ann  Äinb» 
Käufer  bon  $ombad^,  ber  bie  ^rebigt  mit  angehört  \)aiU,  fc^itfte  i^m  ©d^to.  biefelbe 
mit  einem  Segleitfc^reiben  t)om  12.  gebruar  1525  gu  (2:eutf(^.  ©d^r.  I,  185  ff.),  (ginem 
SKe^er  Sürger,  toelc^er  i^n,  tote  e^  fd^eint,  in  fc^limmer  abfielet,  um  feine  ^rebigten  ge* 
beten  ^tte,  fanbte  er  eine  turge  2lui8einanberfe|ung  über  beren  gn^alt,  unb  liefe  \k,  26 
nad^bem  fie  in  ©trafebura  t)on  einem  5Ke|er  ©planten  in  ba^  grangöftfd^e  überfeftt 
toorben  toar,  mit  einer  ^Sorrebe  ©erbete  bafelbft  im  SDrudE  erfd^einen  (bgl.  Centur. 
101  u.  215 ff.;  SCeutf^.  ©d^r.  I,  350 ff.).  3Son  bem  toac^fenbcn  ©nfluffe,  ben  ©d^h>. 
auf  immer  toeitere  Äreife  ausübte,  geugt  auc^  eine  im  ^a\)x^  1525  bem  S)rudEe  über= 
gebene,  ber  „(Sbeln  unb  erbarn  fragen  ?Kofina  bon  ßfd^nah)"  auf  il^re  Sitte  um  c^riftlic^e  so 
Untertoeifung  gugceignete  ©c^rift:  „i&au^tftüdE  ünb  fumma  be«  ganzen  ©uangelium«  önb 
iporinnen  ein  6|riftlid&  leben  fteet,  2)ur(^  go^an  ©c^toeblin  })rebtcant  gu  ^toe^brütfen 
MDXXV."  Site  ber  Sauernfrieg  auebrac^,  richtete  ©c^h).  an  bie  Säuern  eme  Iräftige, 
an  bie  ^flic^ten  ber  Dbrigleit  unb  ber  Untert^anen  freimütig  erinnembe  Slnfbra^e 
(3:eutfc^.  ©(^r.  I.  128  ff.).  SBenn  ber  Stufru^r  bie  ber  ©tabt  3h)eibrürfen  benachbarten  88 
toeftlid^en  3:eile  be«  $ergogtum«  toerfd^onte,  fo  ift  bic«  getoife  au^  bem  ©influffe  ©d^to.« 
mit  gugufd^reiben. 

3laäf  SJiebertoerfung  be«  Sauemaufftanbe^  toerfuc^ten  bie  Sif c^öfe  auc^  im  ^ergogtum 
3toeibrüdEen  mit  neuer  ßnergie   gegen  bie  eüangelifc^en  ^rebiger  eingufd^reiten.    $eter 

tefd^er  in  Serggabem  tourbe  ejlommunigiert,  5Jifolaug  2:^omä  t)on  ba  bor  ba^  geiftlid^e  40 
eric^t  nac^  ©peier  gelaben  unb   bann  ebenfalls  gebannt.     2)er  Sifdf^of  bon  3)1^,  gu 
beffen  ©})rengel  bie  ©tabt  ß^^^ifjrüdten  gehörte,   mad^te  3Kiene,   auc^  ©d^h).  gur  Sechen* 
fc^aft  gu  gießen.    SDa  gleid^geitig  auc^  ber  Äaifer  burd^  bie  bor  bem  ©^eierer  Sleid^^tage 
erlaff ene  gnftruftion  bom  23.  ÜKärg  1526  ernftlid^ft  gum  geftf^altcn  an  bem  alten  ©lauben 
mahnte,  tourbe  ^falggrafSubtoig  bcbenilicl).  ©r  forberte  Bd)tr).  gur  fd^riftlid^en  tufeerung  46 
über  feine  ^rebigth)ei]e  auf  unb  erl^olte  gleicligeitig  bon  anbercn  ©cle^rten  feinet  Sanbeö 
Outad^ten  über  bie  biblifd^e  Segrünbung  getoiffer  Äird^enle^ren.    Slber  nicl^t  blofe  ©c^h>. 
trat  für  bie    getroffenen  5Beformcn  ein  (2;eutfc^.  ©c^r.  I,  84  ff.),  fonbem   aixd)  ^atob 
©d^on,  bamate  Sanbfd^reibcr   ber  ©emeinfc^aft  ©uttenberg  in  ^Binfelb,  \pxad^  [xd)   in 
berebter  ©})rad^e  mit  gröfeter  @ntfc^iebenl;eit  gegen  bic  biöl^cr  in  ber  Äir^e  geübten  3Kifes  60 
bräud^e  au«.     FJn   feinem  1526  in  mef^reren  Stuögaben   beröffentlicbten   trefflid^en  @\xU 
achten:  „Slabfc^lag   über  ben  Sut^crifc^en  ^anbel  ...  auf  ©})et;erifcbem   re^d^ötag  burd^ 

tatob  ©c^orren"  geigt  fic^  ©d^orr  ate  bcgeifterter  Slnl^änger  be«  „3Kannc«  ®otte«  3Rartin 
ut^er",  beffen  fiel^re  „burd^  il^n  unübertoinblid^  betoäl^rt"  fei,  unb  ate  eifriger  Sefer  ber 
^l.  ©d^rift,  au«  ber  er  alle  Selege  gu  feinen  Stuefü^rungen  entnimmt.  Iro^  biefer  ®ut=  66 
ad^ten  gab  ^eriog  Subtoig  feine  au«  ber  })olitifd^en  Sage  ^erborgegangenen  Sebenfen  gu» 
näd^ft  nic^t  auf,  fo  bafe  ©d^h).  eine  3^^^  Iö"0  f^Ö^^  ^^^  ©^jenbung  be«  ^l.  Slbenbmapte 
unter  beiben  ©eftalten  einftcUen  mufete  unb  fc^on  baran  badete,  3^^i'^^üdten  gu  berlaffen. 
Äud^  nod^  im  ^af)x^  1527  betoal^rte  er  biefe  Haltung  (bgl.  einen  Srief  2:^omä«  bom 
13.  ©et)t.  1527  bei  ©elbert  188).    S)oc^  Ratten  ingtoif^en  bie  ©bangelifc^en  an  Subtoig«  eo 


14  Sfl^tiiebel 

tofe  fett  bcffen  im  @et)tcm6er  1525  toott^ogenen  SJcrmä^lung  mit  bct  ^efftfd^en  ^rinjcfftn 
lifabetl^,  h)eU^e  eifrig  et^angelifc^  toax  unb  @c^tp.  i^r  t^ouk  ä3ertrauen  entgegenbrad^ite, 
eine  fefte  Stufte  gewonnen,  äuc^  ©d^orr,  ber  Serfaffer  jene«  ©utac^ten^,  tocld^er  im 
3Rai  1527  all  ©e^eimfd^reiber  nad}  ^tütxhxüim  berufen  unb  1529  gum  Äanjier  be^ 
6  förbert  tourbe,  ertoarb  pd^  immer  me^r  ba^  Vertrauen  be«  ^crjog^.  3"  ^'"^^  ^^= 
fd^iebenen  })oIitifc^en  ©tellungnal(;me  ju  ©unften  ber  Sieformation  fam  Subtoig  inbefjen 
nic^t.  3Beber  bem  SReic^^tageju  Bpmx  1529,  noc^  bem  ju  2tug«burg  1530  tool^nte  er 
J)erfönlid^  bei,  liefe  aber  beibe  Steid^^tag^bfc^iebe  burc^j  feinen  Vertreter  unterzeichnen.  2)as 
gegen  getoäl^e  Subtoig  ben  mm  3Korburger  ®ef})räd^e  jie^enben  ©d^toeijer  Ideologen 

10  niqt  nur  aem  ba«  erforberlicpe  ®eleit,  fonbem  eirfud^te  auc^  ben  Sanbgrafen  ^l^ilij)p, 
ju  bem  HoQoquium  @c^m.  jujulaflen,  loelc^  h)idlid^  an  bemfelben  al^  3^^^^^^ 
teilnal^m. 

^u  einer  Drganifation  be«  ebangelifd^en  Äird^entoefen«  in  feinem  Sanbe  fam  e^  bei 
Sublütgd  Sebjeiten  nid^t.     ^riefter,   toeld^e  i^r  9lmt  in  ^erfömmlic^er  SBäeife  öerfa^en, 

16  liefe  Subtoig  ebenfo  getoäl^ren,  toie  bie  in  aßen  Steilen  feine«  ©ebieteg  auftretenben  etoan^ 
gelifc^en  ^räbilanten,  benen  er  aud^  bann  feinen  ©d^uft  nic^t  öerfagte,  toenn,  h)ie  bie« 
j.  S.  1528  bejüglid^  ber  ^rebiger  t)on  Serggabem  unb  Äleeburg  gcfc^al^,  burc^  ben  gu« 
ftänbigen  93ifc|>of  mit  ©ntf^ieben^eit  i^re  Vertreibung  Verlangt  tourbe.  ^n  feine  nähere 
Umgebung  jog  ©erjog  Subtoig  mit  Vorliebe  ebangelifc^  gefinnte  SRänner.  R\x  i^nen  gehörte 

20  befonber«  ber  brfannte  Sotaniler  $ieron^mu«  ©od,  toel^er  ungefähr  gleicpjeitig  mit  ©c^tt). 
al«  ©d^ulmeifter  nac^  ^tvübxüitn  getommen  toar  unb  bem  ^erjoge  al«  Seibargt  biente. 
Slud^  liefe  ftd^  Subtoig  auf  toieberl^olte  bringenbe  Sitten  be«  etoangeUfd^  gefmnten  Äomtur« 
unb  ber  Äonöentualen  be«  gof^önniterl^aufe«  gu  9Keifen^eim  beftimmen,  ba«  bortige  Drben^s 
^au«  nebft  feinen  ©infünften  eingugieben,  „um  mit  benfelben  bie  Äirc^e  in  3Reifen^eim  mit 

26  tauglid^en,  gelehrten  unb  frommen  Pfarrern  unb  ^rebigem"  toerfe^en  gu  lönnen.  S)ic 
3nfaffen  be«  $aufe«  tourben  mit  einer  ^enfion  abgefunben.  Seiber  toar  $ergog  fiubtüig 
ber  bamate  fo  toeit  verbreiteten,  öon  ©c^to.  emft  gerüaten  (3:eutfc^.  ©d^r.  I,  353  ff.) 
2!runlfud^t  ergeben  unb  getoann  e«  nid^t  über  fid^,  berfclben  gu  entfagcn.  @r  ftarb  am 
3.  3)egember  1532  im  älter  öon  nur  brei^ig  ^af^xm  an  ber  ©c^toinbfuc^t,  toelc^e  er  fic^ 

80  burd^  jene«  Safter  gugegogen  unb  burd^  2!etlnal^me  an  bem  Sürfenguge  im  ©ommer  1532 
bieHei^t  noc^  beförbert  ^atte.  fiubtoig  ^interliefe  aufecr  einem  2!öctterlein,  toeld^e«  i^n 
nur  um  gtoei  ^af)x^  überlebte,  einen  eingigen  erft  fec^^jä^rigen  ©o^n  SBolfgang,  in  beffcn 
SHamen  nun  Subtoig«  ©ruber,  ^falggraf  9liH)rec^t  (geb.  um  1504,  geft.  1544),  gunäd^ft  mit 
fiubtoig«  SBittoe,  ^ergogin  6lifabet|,   unb,   nac^bcm   ftc^  bicfe  1539   mieber  mit  ^falj= 

öß  graf  ®eorg  öon  ©immem  toermäl^lt  l^atte,  feit  1540  allein  bie  toormunbfc^aftlic^c  91  e= 
gierung  führte. 

Unter  bem  neuen  Slegintentc  geftaltcten  fic^  bie  SSerl^ältnifJe  noc^  günftiger  für  bie 
@a6)^  ber  Sieformation.  Sil«  nad^geborener  ^ring  gum  geiftlic^en  ©tanbe  beftimmt,  toax 
^falggraf  SliUjrec^t  frübe  35oml^err  in  9Raing  unb  ©trafeburg  getoorben,  ^attc  aber  fd^on 

40  üor  bem  2^obe  feine«  S3ruber«  me^ad^  an  ben  9tegierung«gefdjäften  teilgenommen.  6r 
toar  ein  eifriger  greunb  ber  Sieformation  unb  brad^te  ©c^h).,  i)on  bem  er  fc^on  1530 
ein  ©utac^ten  über  bie  eüangelifc^e  Seid^te  unb  ba«  ^l.  Stbenbmal^l  begel^rt  unb  em^jfangen 
l)aiU  (leutfd^.  ©d^r.  II,  16  ff.),  ba«  gröfete  Vertrauen  entgegen.  Unter  §crgog  Subloig 
toar  ben  ^rebigem  in  Seigre  unb  ßultu«   alle  grcil^eit  gelaffen  Sorben,   tücnn   fie  nur 

45  ben  ^rieben  nid^t  ftörten.  9lun  forberte  ^falggraf  Sujjred^t  al«balb  nad^  Übernahme 
ber  Vormunbfc^aft  ©c^to.  gur  9lu«arbeitung  einer  Äirc^enorbnung  auf,  bamit  nid^t  bi« 
gum  3uf^"^"'^ntreten  be«  ^ongil«  „bie  ß^riftcn  burc^  §inläfftgleit  ber  Pfarrer  ber  Seigre 
unb  be«  3:rofte«  be«  göttlichen  Söorte«  unb  ber  ^l.  ©aframente  beraubt  h)ürben".  ©d^n>. 
^atte  bie  9loth)enbigfeit  einer  fold^en  Drbnung   bereit«   früher   erlannt.    6r   trug  fc^toer 

60  baran,  bafe  man  bei  2lbfd^affung  ber  3Kifebräud^e  berfäumt  l^atte,  an  i^rcr  ©teile  gute 
unb  nüftlic^e  Sräuclie  angufteUen  (Xeutfd^.  ©c^r.  II,  71  ff.)-  ®erne  folgte  er  barum  ber 
älufforberung  9luj)rec^t«  unb  legte  il^m  al«balb  ben  ßntiourf  einer  5lirc^enorbnung  bor. 
gn  gtoölf  3lrtileln  ^anbelt  biefelbe  i)on  bem  2eben  unb  ber  3lmt«fü^rung  ber  ©eiftlic^cn, 
ijon  ber  geier  bon  Sonn*  unb  ^efttagen,  SBod^en^jrebigten,  2;aufe,  2lbenbmal;l  unb  Vor^ 

66  bereitung  bagu,  3:rauung,  Jlranfenbefuc^en  unb  SBeerbigung,  Äated^i«mu«))rcbigten  unb  öom 
®^h^U,  Slad^bem  biefe,  frül^er  irrtümlid^  in  ba«  ^al}x  1529  gefeftte,  Drbnung  fofort  bie 
®enel;migung  be«  §ergog«  erl;alten  ^atte,  fanbte  fic  ©c^tü.  im  Januar  1583  an  35u^cr, 
bamit  fie  in  ©trafeburg  gebrurft  merbc.  ©ie  erfcbien  bafelbft  unter  bem  2itcl:  „^onn 
unb  3)iaafe,   njie   e«  i)on  ben  ^rebigern  be«  gürftent^um«   3^^^^^^^  ^"  nad^folgenben 

eo  3Wängeln  foH  gehalten  toerben",  unb  tourbe  bann  ben  Pfarrern  unb  ^rebigem  mit  bem 


S^tnebel  16 

Semerfen  jugefonbt,  ia%  tocr  biefc  Drbnung  nid^t  mit  gutem  ©etoiffen  l^altcn  ju  lönnen 
glaube,  feine  HReinung  fdbriftlid^  ober  münblid^  in  ber  lurfürftlid^en  Hanjlei  anjeiaen 
foDe.  3(fe  bann  am  5.  mal  1533  ©tabtj)farret  9Reifen^eimer  in  QtotVbtixdm  fein  Sunt 
nieberlegte,  tourbe  ©d^to.  beffen  Sloc^folger.  2)afe  il^m  bobei  gleid^geitig  aud^  bieSeitung 
be^  ftir^entoefen«  im  ganjen  $ergogtum  förmlich  übertragen  toorben  fei,  ift  unrichtig,  6 
ba  er  felbft  no<^  anfangt  1534  fd^rieb,  e«  fei  i^m  nur  bie  ©orge  für  eine  einjige  ©e« 
meinbe  anvertraut  unb  er  bürfe  fid^  in  anbere  Angelegenheiten  nid^t  einmifd^en  (®elbert 
215).  2)od(|  ^atte  er  fd^on  bamote  fidler  ben  größten  ®influ^  auf  bie  Sertoaltung  ber 
ftirc^  unb  tt)urbe  f))äter  bieQeid^t  and)  formeQ  mit  bem  älmte  eined  ©u)}erintenbenten 
ober  aintifte«  betraut.  S)ie  Äird^enorbnung  tourbe  nun  aHmä^Iid^  im  ganjen  Sanbe  ein»  iQ 
gefül^rt.  3)er  2i3iberfJ)rud^  bagegen  blieb  nid^t  au«.  93ereit«  am  23.  3"^  1533  er^ob 
ber  3JJainjer  ©eneralbilar  SSalentin  öon  2:ett6nleben  bagegen  (Sinftoru^  mit  bem  Se« 
merlen,  bie  Drbnung  fei  ben  Sleic^^tag^bfc^ieben  jutoiber.  @r  brüate  babei  ben3h)eifel 
au«,  ob  biefe  im  9tamen  unb  unter  bem  Siegel  Stu))red^t«  ))ubli2ierte  Orbnung  toirllid^ 
mit  feinem  aOSitten  erfd^ienen  fei,  ba  boc^  ^erjog  Subtoig  nie  auf  feiten  ber  ^roteftanten  i6 
geftanben  unb  fic^  noc^  lein  ^ürft  au«  bem  $aufe  Sägern  gu  ber  neuen  fiel^re  belannt 
^be  (Ärei«ardb.  ©J)eier).  211«  Slutjrec^t  biefen  ßinfprud^  nid^t  bcad^tete,  fanbte  Äurf ürft 
älbred^t  bon  SKainj  im  9?obember  1533  ben  furfürftlid^en  3lat  Äa«t)ar£erd^  bon  ©irm« 
pein  an  ben  ^Pfaljgrafen,  um  i^n  bringenb  gur  Slbfc^affung  ber  „vermeinten"  Drbnuna 
aufjuforbem.  9fluj)rec^t  blieb  jeboc^  ftanb^aft  unb  fanbte  bem  ©rjbifd^ofe  (©onntag  naq  ao 
9?eu}aj^r  1534)  bie  jloölf  ärtilel  mit  ber  Sitte  ju,  il^m  mitzuteilen,  h>a«  an  i^nen  ben 
faiferlic^en  äbfd^ieben  ober  ber  3uri«biftion  be«  Srjbifc^of«  gutoiber  fei.  35er  Äurfürft 
antwortete  barauf  burd^  Überfenbung  einer  furjen  ©d^rift:  „Seftenbige  Slble^nung  ber 
berme^nten  Äird^enorbnung  ober  form  ^er^ogen  3lu<)red^ten  bon  33a^em  ^n  loenig  ioort 
berfaft"  unb  liefe  x\)x  eine  jtoeite  „ettoa«  toeitleuffigere"  ©d^rift  mit  bemfelben  litel  as 
folgen.  @r  berfud^t  barin  ben  9lac^toei«,  bafe,  toenn  aud^  ber  Suc^ftabe  ber  Drbnung 
anber«  gÄeutet  toerben  tonne,  fie  nad^  ber  Übung,  bie  im  gw^^^^"*"  ^)n>^xixim  im 
©c^toange  ge^e,  bo(^  t^atfäd^lic^  ben  faiferli^en  äbfd^ieben  gutoiber  unb  be«^alb  gönjlid^ 
abgufd^affen  fei.  S"^'^^*'^*'^^  ^'^Ö*^  ^  barüber,  bafe  bie  ^farrer  unb  $rebiger  mit 
Dermeinten  ß^eloeibem  in  öffenllid^en  ©c^anben  unb  Srgemi«  fäfeen  unb  biefelben  täglid^  ao 
nähmen,  fotoie  bafe  fie  gegen  laiferlid^er  ^Kajeftät  ®ebot  unb  ben  ©ebrauc^  gemeiner 
c^riftlid^en  Äirc^en  ba«  ©aframent  unter  beiben  ©eftalten  reid^ten  (ärc^ib  ber  Äirdb« 
fd^affnei  S^eibrüdfen).  3luc^  ber  33ifd^of  bon  ©peier  forbertc  um  biefe  3^  ^^^  ^' 
f4affung  ber  Äird^enorbnung.  SDer  ^faljgraf  antwortete  junäc^ft  nic^t,  beauftragte  aber 
©d^h).  mit  äbfaffung  einer  äntloort,  Welche  f})äter  mit  jener  Älagefc^rift  im  3)ruie86 
crfd^einen  follte,  um  ber  ©emeinbe  ein  Urteil  über  bie  Qad^^  gu  ermöglid^en  (bgl.  ©c^^to.« 
»rief  bom  12.  aJlai  1534  in  ber  3eitfd^r.  f.  ®efd^.  b.  Dberr^.  34,  228).  Unter  bem 
3:itel:  „Selreftigung  be«  ratfc^lag«  in  gtoölff  artirfel  geftelt  ba«  J)faram})t  belangenb  Von 
3o^an  fi^ueblin"  finbet  ftc^  ba«  Original  biefer  anttoort  Von  ©d^lo.«  $anb  bei  ben 
aiften  ber  gtoeibr.  Äird^fcbaffnei  (bgl.  Seutfc^.  ©d^r.  II,  149  ff.),  ©c^to.  betonte  ^ierio 
nac^brüdflic^  ba«  SRec^t  unb  bie  ^fliclit  ber  c^riftlic^en  Dbrigf eit,  toiber  ba«  ärgerlid^e  geben 
ber  ©eiftlic^ien  einjufd^reiten,  über  ba«  alle  äiSelt  flage.  g«  fei  ^flid^t  ber  Sifc^öfe  ge^ 
toefen,  bafür  ju  forgen,  bafe  bie  ^faner  unfträflic^  lebten  unb  ba«  SBort  ®otte«  lauter 
})rebigten.  Q&ttm  fte  ba«  getrau,  fo  ^ätte  ber  §erjog  e«  ju  großem  2)anf  aufgenommen 
unb  feine  arbeit  gefjjart.  Sflun  aber  geftatteten  e«  bie  Sifd^öfe,  bafe  bie  ^riefter  in  46 
öffentlichen  Unei^en  lebten,  trunfen  Werben,  ®ott  läftern  unb  mit  falfc^er  Se^re  ba« 
35olI  Verfül^en.  ^t^t  aber  fämen  fte  an  un«  unb  Wollten  [trafen,  nid^t  Wa«  ©ünbe 
unb  Unrecht  ift,  fonbem  toa^  ßl^riftu«  eingefe^t  bat  {%mi\d).  ©c^r.  II,  180  ff.),  ^n 
Derfd^iebenen  Weiteren  ®utac^ten  \pxad)  fic^  ©c^W.  ä^nlid^  aix^  (2:eutfcl).  ©c^r.  I,  152  ff. 
158 f.;  II,  221  ff.  247 ff.).  ®egen  ein  geWaltfame«  SSerbot  ber  3Keffe  unb  gegen  ein» 
allgemeine«  ®ebot,  bafe  aHe  ^riefter  e^elid^  Werben  foHten,  erflärte  fid^  Bd^W,  unb  be« 
mertte  bagu  au«brüdlic|,  bafe  ber  ^ergog  bie«  aud^  gar  nid^t  im  ©inne  i}abt  (^eutfc^. 
©(^r.  II,  248  f.).  ©elbft  ©d^on  riet  gur  SSorft^t  unb  Wollte  nid^t  nur  Von  einer 
}Wang«Weifen  äbfteHung  ber  3Meffe,  fonbem  auc^  Von  einer  folc^en  be«  Äonfubinat«  ber 
^riefter  nicbt«  Wiffen.  aber,  unterftü^t  von  einem  in  feinem  ©inne  abgegebenen  ®uts  66 
ad^ten  ber  ©trafeburger  2:^eologen,  brang  ©c^W.  burc^.  Äurj  vor  Dftern  1535  erliefe 
9UH)red^t  ein  SDlanbat,  nad^  Welcljem  alle  im  Äonfubinate  lebenben  ^riefter  unb  3Könc^c 
fu^  bei  ©träfe  ber  3lu«Weifung  au«  bem  §erjogtum  f^jätcften«  bi«  Dftern  vere^elid^en 
foCten.  Sltebalb  liefe  ber  Sifc^of  von  5J?e$,  Äarbinal  von  Sot^ringen,  am  9.  ä^jril  1535 
burc^  feinen  ®eneralvi!ar  unb  f))äteren  3lac^folger  91.  be  Senoncourt  bagegen  Sefc^Werbe  oo 


16  (S^tnebel 

etl^cbm.  6^  fei  i^m  angcjctöt  toorben,  bie  ©eelforöcr  bon  Sejbac^,  aSBalbmol^r,  Äirlel, 
©rnftioeilcr,  ßonttoifl,  Sunbcnbad^  unb  3Kattl^iad  bon  Qoxnbad)  Ratten  fic^  in  ben  üer^ 
botencn  unb  bctbammtcn  e^eftanb  begeben.  (Sr  bitte  ben  §erpg  fle^emlid^,  bie  ^riefter 
„in  il^rem  bergangenen,  bon  alten  ^ütm  ^ergebrad^ten  Seben  nac^  ber  d^riftlic^en  ftir^c 
6  ©a^ungen"  ju  belafjen.  SBenn  fic^  aber  6tlic|e  unjiemlid^  hielten,  möge  er  fie  boc^  bem 
3Ke|er  bifc^öflic^en  Dffijial  jur  gebül^renben  Seftrafung  anzeigen  (Sateinifc^e^  Original 
unb  beutfc^e  Überfe^ung  bei  ben  alten  ber  3tüeibr.  Äird^fc^affnei.  9SgI.  Qxoü,  Scholae 
illustr.  Hornbac.  bist.  21  u.  27).  Slu^jred^t  ^ielt  jeboc^  fein  ®ebot  aufredet,  ©e^ 
ftü^t  auf  ein  1540  neu  aufgelegte^,  juerft  an  Slupred^t  gerid^teted  ©utad^ten  6a^ito^: 

.10  ,,Respon8io  de  missa,  matrimonio  et  jure  magistratus  in  religionem'',  in  tt>eld^em 
biefer  forbert,  bafe  d^riftlic^e  Dbrigleiten  auc^  mit  Strafen  gegen  bod  galten  ber  3Jleffe 
einfc^reiten  foflten,  bt^axiptü  nun  $aulu^,  ba^  bie  Sieformation  in  $fah=3h)eibrüdten 
gegen  ben  SJÖiHen  ber  Setoo^ner  getoaltfam  eingefül(;rt  toorben  fei.  Sinen  Setoei^  bafür, 
bafe  bie  in  biefem  ©utac^ten  aui8gefj)rod^enen  unebangclifc^en  ©runbfä^e,   entgegen  ber 

16  2lnf(^auung  ©d^to.^,  burc^  Slu^jre^t  burc^gefü^rt  toorben  feien,  bermag  $aulu^  jeboc^ 
nic^t  )u  bringen.  2)ie  bon  i^m  hierfür  angefül(;rte  ©teile  be^  ©utac^ten^ :  ,,Quos  Tua 
Celsitudo  primum  coegit,  ut  audirent"  (©utac^ten 33*»  f.  ^aulu^  a.a,D.  ©.  808) 
lann  biefen  Seloei«  nic^t  liefern,  ba  fie  nid^t  eine  boHjogene  i^atfac^e  berid^tet,  fonbem 
nur  au^fü^rt,  toa«  nac^  6<H)ito«  SKeinung  gefcljel^en  toürbe,   toenn  ber  ^erjog  feinem 

20  ^aU  folgen  unb  bie  Untertl^anen  jur  Sieformation  jtoingen  toürbe.  93on  einem  SBibers 
ftanbe  ber  93eböllerung  hingegen  toei^  aber  $aulu^  lein  Seif))iel  amufü^ren.  ^m@^Qm: 
teil  ftanb  biefe,  bielleic^t  mit  einigen,  un^  aber  nic^t  nö^er  betannten,  Slu^na^men, 
burc^aud  auf  5lu))re(^t«  ©eite,  toenn  biefer  bon  nun  an  entfc^ieben  für  bie  Sieformation 
eintrat.    3)ie«  toar  bamal^  in  folc^em  ©rabe  ber  gall,  bafe  er  fic^  im  S)ejember  1535 

26  fogar  jur  aufnähme  in  ben  fd^mallalbif^en  33unb  anmelbete.  Site  ed  bann  im  Sl^ril 
1536  auf  ber  Sunbe^berfammlung  tüirflic^  ba^u  lommen  foHte,  lie^  er  fid^  atterbing« 
toieber  entfd^ulbigen.  ^oc^  blieb  Slu^rec^t  auc^  f^äter  noc^  in  na^er  ^ü^lung  mit  ben 
93unbe^licbem  unb  lie^  fic^  t.  33.  1539  bei  ben  ju  bem  fog.  granifurter  3lnftanb 
fül^renben  33er^anblungen  burc^  ©c^to.   bertreten  (leutfd^.  ©cpr.  I,  587  f.  589  f.   unb 

soll,  232 ff.). 

Sine  loertboUe  ©tü^e  am  §ofe  ^atte  ©c^to.  an  feinem  glcic^gefmnten  greunbe,  bem 
treffli^en  ^forj^eimer  Äa^^ar  ©lafer  (geb.  1480,  geft.  1547),  gefunben,  toel^er  im  ^mi 
1533  burc^  feine  SSermittelung  alö  ©rjie^er  be«  jungen  ^rinjen  2Bolfgang  angenommen 
lourbe  unb  nac^  ©d^to.d  lobe  i^m  im  Stmte  folgte.     @in  jtüeiter  tüchtiger  Sanb^mann, 

86  SRic^ael  3ini»wc^nionn,  genannt  i&ilfj)ad^,  ftanb  il;m  feit  @nbe  1532  juerft  ate  lateinifc^er 
©d^ulmeifter  unb  \pättx  aU  jtoeiter  ^ßfarrer  jur  ©eite.  dagegen  bereitete  i^m  ein  t)on 
Su^er  emj)fo^lener  ©e^ilfe  ©eorg^iftor,  ioelc^er  im  S^nuar  1532  Pfarrer  in  bemgtoei- 
brüäer  33ororte  ßrnfttociler  geioorben  toar,  burc^  feine  Hinneigung  gu  ben  auc^  in  ^to^- 
brüdten  eingebrungenen  aSBiebertäufem  grofeellnanne^mli^fciten.  3lte  aße  SSerfuc^e,  i^n  ju 

«0  ma^üoHerem  Sluftreten  gu  beioegen,  fc^eiterten,  tourbe  ^iftor  enblic^  im  3Kai  1534  feinet 
2lmte«  entlaffen. 

2)ie  t^eologifc^e  ©teHung  ©c^to.^  toar  eine  burc^auiS  irenifd^e.  3!)ie  2lugöburger 
Äonfeffxon  unb  9l))ologie  unterjeic^nete  er  mit  Sitligung  be^  ^fal^grafen  9luj)rec^t  (Centur. 
297  ff.).    SSom  1^1.  Slbenbma^le  toirb   in  ber  t)on  i^m  berfa^ten  Äirc^enorbnung  lebiglic^ 

46  gefagt,  e^  foHe,  ^intangefe^t  fürtoifcige  ?yragcn  unb  a55ortftrcit,  ben  G^riften  treulich  t)or^ 
getragen  toerben,  njaiS  bie  ßtjangeliften  t)om  SJac^tmabl  fd^reiben,  auf  ba^  fie  im  redeten 
©lauben  empfangen,  njae  Gl^riftug  il^nen  anbeut,  ba  er  fagt:  Sle^met,  cffet,  ba^  ift  mein 
2eib,  Stcm:  2rinfet  Stile  barau^,  bag  ift  ber  Äeld^  meine«  33lute«f.  Die  ^ur  SBitten^ 
berger  Äonforbie  fü^renben  SSerl^anblungen,  über  bie  il^n  Su^er  in  fteter  Äenntni«  ^ielt, 

60  verfolgte  ©d^n?.  mit  lebhafter  Seilnal^me,  hjenn  er  auc^  Su^er«  ginlabung  ju  J)erfön5 
lid^er  Beteiligung  j^urüdttoeifen  mu^te.  5Kit  greuben  begrüßte  er  ba«  enblic^e  3iiftönbe5 
fommen  ber  erfel^nten  ©inigung  im  SOlai  1536  unb  unterfc^ricb  bie  Äonforbie  nic^t  nur 
mit  ©lafer  unb  öilf^^ad^  felbft,  fonbern  lub  aud^  bie  übrigen  ^rebiger  be«  Herzogtum« 
gu  if^rer  Untergeic|nung  ein  (Centur.  287  ff.  unb  291  ff.). 

66  Sei  einer  im  ^uli  1538  im  Slmte  Sid^tenberg  ijorgenommencn  Äird^enbifitation,  beren 
intercffante  Sitten  %ahcx  (©toff  für  ben  ^ufünft.  3?ert.  einer  ^fal5-3^^i^^-  Äirc^engefc^. 
II,  Iff.)  veröffentlicht  bat,  ftellte  fid^  eine  gro^c  5liannigfa(tigfcit  folool^l  in  ben  ©e^ 
brauchen,  al«  auc^  in  ber  Se^re  ^erau«.  @«  fanb  fid^  fogar  ein  Pfarrer,  ber  fein  Stmt 
gum  ^JJifefaHen  feiner  ©emeinbe  nod^  böHig   in   fatl^olifd^er  2öcife  berhjaltete.    2)aburc^ 

»)  mag  ba«  fc^on  bor^er  ju  Jage  getretene  Sebürfni«  geregelter  Konferenzen  ber  ©eiftlic^en 


Si^meiel  Si^toebeit  17 

[odf  füBIbarer  getoorben  fein,  ©o  öercinigtcn  ftc^  benn,  nad^bem  jut)or  fd^on  ju  Sergs 
abem  freie  Se^rec^ungen  ber  ^rebiger  in  ber  bortigen  ©egenb  ftattgefunben  l^atten,  im 
!Rai  1539  bic  bert)orragenbften  ©etftlid^en  an^  allen  2:eilen  be^  $erjogtum«  mit  au«- 
•rüdlic^et  ©eneijmigung  be«  ^erjog«  unb  ber  ßerjogin  ju  einer  9lrt  ©^nobe  unb  legten 
^re  Sefd^Itiffe  am  21.  3Kai  1539  i^nen  jur  S^tötiaung  öor.  3"  benfelben  fuc^te  man  6 
luf  größere  ®inl^eit  in  ber  Seigre  auf  ®runb  ber  ^ug^burger  Äonfeffton  unb  3l))öIogie 
nnjutoinen.  S^glrid^  tourbe  bie  Seftettung  toon  Äird^enfd^öffen  toorgefc^lagen,  toelc^e  bie 
lirAengtiter  toertoalten  unb  auf  2e^re  unb  Seben  ber  ilird^enbiener,  fotoie  auf  c^riftüc^e 
JuAt  in  ben  (Semeinben  galten  foBten  (leutfc^.  ©d^r.  II,  325—353).  3n  gtoeibrüdEen 
elbft  lam  e«  auf  Setreiben  ©d^to.«  unb  $ilfj)ad^«  burc^  freien  Sef^Iu^  ber  ©emeinbe  lo 
nit  ©ene^migung  ber  §erjogin  ©Kfabet^  unter  bem  ©inbrudfe  ber  bamaU  ^errfd^enben 
ßcft  anfangt  1540  in  ber  Xl^at  ju  einer  folc^en  „Äird^enbi^i^Iin",  toeld^e  burd^  fed^ 
)on  ben  Sürgem  getpäl^lte  S^\oxm  geübt  toerben.  foHte.  2)iefclben  hatim  auf  Seigre 
inb  SBanbel  aOer  ©emeinbeglieber  ju  ad^ten  unb  ^rgemiffe  mit  d^riftlidper  S3efc^eibenl^eit 
u  rügen.  SBenn  eine  jtoeite  unb  britte  3Kal^nung  ber  Äirc^enbiener  unb  S^f^^^*^  ^^ 
ruc^tu)«  blieb,  fottten  öffentliche  ©tinber  t)om  ^l.  Slbenbma^Ie  unb  bem  Siedete,  ^ßaten« 
teQe  ju  t>ertreten,  jebod^  ol^ne  öffentlid^e  9tennung  ber  9!amen  t)on  ber  Mangel,  au^ 
jefc^Iojfen  toerben  (leutfc^.  ©c^r.  II,  379  ff.).  Sei  einer  balb  barauf  burd^  (Slafer  in 
)en  SSelbenjfd^en  (Semeinben  abgehaltenen  Äird^enüifitation  tourbe  biefe  Äird^enbi«jij)Hn 
mc^  l^ier  o^ne  befonbere  ©d^tpiengleit  jur  ginfü^rung  gebracht,  ba  bie  bro^enbe  $eft  bie  20 
^en  unb  rollen  ©emüter  tpiUiger  mad^te  (CJentur.  339  f.  341  f.  unb  343  ff.). 

©iebjel^n  Igal^e  l^atte  ©Ah),  in  3h)eibrüdten  al«  treuer,  aufrichtig  frommer  Selenner 
>er  333a^r|eit  getpirft.  SRanc^erlei  trübe  Srfal^rungen  in  $au«  unb  ^mt  l^atten  i^m  bie 
Woge  auf  bie  2\ppm  gelegt:  „3d^  finbe  in  biefer  3^^  nid^t«  anbere«  ofö  Äummer, 
[Reiben,  2:rübfal  unb  Slngft,  ba|  mid^  leine«  fieben«  me^r  gelüftet.  SlBe  meine  Hoffnung  25 
telj^t  t)on  biefer  3^*  l^intoeg  ju  unferem  SSater  im  $immer  (2!eutfc^.  ©c^r.  II,  145  ff.). 
Sber  an  biefer  Hoffnung  ^idt  er  in  unerfc^ütterlid^em  ©lauben  feft  unb  toerfd^ieb  in 
)iefem  (Slauben  nadb  mei^rtDöd^entlid^er  Jtranl^eit,  nur  fünfzig  ^a^re  alt,  tpobi  an  ber 
)omate  in  3U)eibrüdcen  ^errf^enben  ^eft,  am  19. 3Kai  1540.  3"  ^^  bortigen  3ilejanber«s 
Src^e  tourbe  er  beigefe|t.  9lac^  nur  jtoei  3:aaen  folgte  i^m  im  2!obe  feine  britte  (Sattin  so 
rtati^arina  geb.  Surggraf,  mit  h)elc^er  er  ftc^,  nad^bem  auc^  feine  jtpeite  ^rau  frül(;e 
jeftorben  toar,  toerel(;elic^t  J^atte.  ©ie  tourbe  an  feiner  ©eite  beftattet.  ©^h).  ^interliefe 
lu«  biefer  britten  ®l^e  eine  3:od^ter  unb  jtoei  ©ö^ne,  toon  benen  ber  ältere,  §einri^ 
geb.  1531,  gcft.  1610),  fj)äter  gtoeibrüdfifd^er  Äanjier  tourbe  unb  feine«  Sater«  ©d^riften 
^erau«gab.  »6 

Sei  ©d^tp.«  3:obe  loar  bie  Sieformation  über  ba«  gange  Äerjogtum  3toeibrüdEen 
verbreitet,  ©ein  SHod^foIaer  ®Iafer  feftte  ba«  SQBerl  in  gleid^em  ®eifte  fort.  SDie  unter 
)er  toormunbfc^aftlid^en  SRegierung  be«  ^faljgrafen  9lu})rec^t  begonnene  Drganifation  be« 
»bangelifd^en  Äirc^entoefen«  lourbe  unter  ber  §errfd^aft  be«  tf^atfräftigen  $erjog«  SBolf- 
jang  (geft.  1569)  burd^  bie  ßinfül^ung  ber  trefflichen  Äirc^enorbnung  Pom  1.  3uni  1557  4« 
Doüenbet. 

3Kit  bem  3h>eibrüdEer  Sleformator  ift  nid^t  ju  toertoed^feln  ber  gleichnamige  SHefor- 
[nationefreunb  3o^-  ©d^loebel  au«  SifAoffinaen,  geb.  1499,  1524  2e|rer  in  ©trafeburg, 
ieit  1536  Sleltor  ber  bortigen  ©d^ule  bei  2lft  ©anit  «ßeter,  geft.  1566.  3«c^. 

©i^mebeit.  —  I.  ilirc^engefd^ic^te.    SSon  ber    faft   unübcrfcftbaren    fiitteratut45 
tcnnc   i4   nur  bic  neueren,   gröfecrc  Sciträumc    umfaffcnbcn  ^arftcüungen,   bie    in   fird)en= 
jcfcbic^tlic^cr  ^infici^t  bcfonbcr«  roicötig   ftnb.    3)ort   finb  loeitcrc  äitteraturangoben  wie  aucf) 
QucDcn-  unb  Urfunbenpublifationcn  ju  finben.   —   S)ie  mobcrnftc  2)arftenung  ber  politifd)cn 
Scfc^ic^tc  @(f)tt)cbcn«  ift  Bveriges  historlÄ  intill  tjugonde  eeklet,  unter  ^itmirfung  mehrerer 
Jac^gclel^rtcn  l^crauggcgcben  üon  ©.  ^ilbcbranb,  Stocf^olm  1903  ff.  (rei(ft  iüuftriert,  nod)  nid)t  so 
DoDftänbig  ^crauSgcgebcn).    gür  bic  ®efct)ic^te  ber  @taat«ocrfaffung  ift  befouberö  ju  nennen 
£.  ^ilbcbranb,    Den    svenska  slatsförfattningens    historiska   utveckling,    ©tocf^olm    1896; 
3.  ©cibling,  ©djwcbifctjc  ®cfd)ic6tc  im  Scitaltcr  bev  3fJeformation,   ®ütf)a  1892.    'Mc  leiten 
Oc«  fctjrocbiftftcn  Kulturleben«  finb  bel^anbelt  in  ber  grog  angelegten,  nod)  nidit  fertige  Arbeit 
Don  ^.  .^iCbebranb,  Sveriges  Medeltid  (^icr  befonber«  ju  nennen  ^cil  III :  3)ie  Äird)e,  ©tod--  65 
^olm    1903).     @rö6crc    ^u«blirfc   über    bic   neuere  ©cfc^ic^tc  Sdirocbenö    geben    befonberö 
^-ßjärnc,   Gußtaf  Adolf,  ©torf^olm  1901 ;  bcrf.,  ÄarlXII.,   @tod()oIm  1902;   2.  Staocnow, 
Frihetatiden,    ®ötcborg  1898;    berf.,  Gustaf  III.,    ®i)teborg  1901.     2)ie  üitteraturgeid)id)te 
Ift  auÄgcicicftnct  bel^anbelt  üon  .&.  ©cftürf,  Svensk  Litteraturhistoria  I,  8türf^oIm  1890,  unb 
B.  Schuck  och  C.  Warburg,   lUustrerad  svensk  litteraturhistoria,   Stod^olm  1895Tf.;    bie  c<> 
Kcat««iic9ttoWibic  f&r  Zlttolog^t  imb  Airt^c.    8.  «.  XVlil.  2 


18  Si^mebett 

f irc^f .  fiittcraturgcfc^.  Sc^rocbcnS  ift  bizarr  bc^anbclt  üon  ^.  fBicfcIgren,  Svenska  kyrkans  skoDa 
Litteratur,  3  A.,  ßunb  1866.  gu  nennen  finb  au4  (£.  9lnnerftebt,  Upsala  Universitets  hist.  I, 
Upfata  1877,  unb  SJi.  SBeibuII,  Lunds  Universitets  historia,  fiunb  1868.  —  2)cr  SSater  bcr 
neueren  fd)ioebif(^en  ^ird&en9etc^lc^tfd)rel6unq  ift  $.  SWeuteiba^I  (f.  b.  31.  SBbXVI    ©.705  ff.). 

6  Sein  Ijerüorragenbfter  Sf^adjfolger  roor  fi.  91.  9lnjou,  Svenska  kyrkoreformatiooens  historia, 
Upfala  1850  f.,  unb  Svenska  Kyrkans  historia  ifrSn  üpsala  möte  1593,  ©tocf^olm  1866 
(folibe  unb  noc^  fe^r  loertüofle  arbeiten,  wenn  audj  in  üieler  ^infic^t  ucraltete).  J^.  SRorlin, 
Svenska  kyrkans  historia  efter  reformationen,  Sunb  1864,  71,  giebt  gute  Qbeen  aber  tcilweife 
niangeIt)aften@toff;  (£.  9(.  Someliud,  Handbok  i  svenska  kyrkans  historia,  3A.,  Upfala  1892, 

10  unb  berf.,  Svenska  kyrkans  historia  efter  reformationen,  Upfala  1886  f.  finb  burcft  formelle 
Älar^elt,  SWeic^tum  an  (biäioeilen  unjuDeiiäffiaent)  Stoff  unb  Mangel  an  3been  (i^araftcriricrt. 
(ginen  neuen  gortfc^ritt  öat  bie  fcftwebifd^e  firc6engef(liid)tli(^e^5orfd)ung  burcft  bie  Don  ^rof. 
©.  fiunbftröm,  Upfala  feit  1900  rebigierte  Kyrkohistorisk  Arsskrift  gen?onnen.  ^.  Sunbftröm, 
Skizzer  och  kritiker,  Stod^olm  1903,  bietet  ein^e^enbe  f tT(^engefd)t4tIid^e  2)etatOuntevfud^ungen 

16  auä  oerfc^iebenen  gelten.  @lne  mobemc  uberfic^tlic^e  SDarfteQung  ber  Äirc^engefdji^te 
^äitotbtn^  giebt  t^  noc^  nid^t. 

®tc  aKtffion«jcit  830—1130.  2)er  norbifd^e  ©ötterglauben  l^atte  im  Slnfang 
bed  9.  3al[;rl^unbert^  eine  ftarfe  Siid^tung  ^um  ^onot^ei^mu^  genommen;  t)or  cülem 
toarcn  in  ©d^toeben  2:j^or  unb  Dbin  gut  ^errfc^aft  über  bie  anbeten  ©ötter  gelangt, 

20  toelc^c  bagegen  toeröielfältigt  tourben.  SDiefe  boj)t)eIte  JJeigung  jum  3Konotl(;eiömud  unb 
5PoI^tl(;ei^mu«  bereitete  bem  ©erüc^t  ijon  6l(;riftu5  unb  t)on  feiner  gewaltigen  3Kac^t  einen 
fruchtbaren  ©oben,  ©er  ffiunfd^,  in  ber  SSerfünbigung  \>on  jenem  eine  ^öl(;ere  Söfung  ber 
religiiJfen  93ebürfniffe  ju  erlaufenden,  machte  fic^  geltenb.  ©o  toarb  ©c^toeben  eine^  t)on 
ben  toenigen  l^eibnifd^en  Säubern,   h)0  bie  ßinl^eimifc^en  bie  ^nitiatiöe  jur  3Kiffion  er^ 

26  griffen,  i&ier  begegnen  unö  leine  SRaffentaufen,  nur  eine  öon  innen  langfam  burd^- 
bringenbe  Gl^riftianifierung.  S)er  l^eibnifc^e  ©ötterglauben  toar  nic^t  im  Slbfterben  be^ 
griffen ;  ber  golbfc^immernbe  Xem^el  ju  Upfala  trat  A^n  um  biefe  3^it  aI^  bad  Zentrum 
beö  ^eibnifcfjen  Äultu«  ©c^tpeben«  ^eröor.  Slber  bie  ß^riftu^ljerlünbigung  braud^te  in 
ben  älugen  bed  92orblänberd  bem  ©i^tterglauben  nid^t  feinblic^  ju  fein ;  ed  ftel^e  S^riftu^ 

ao  frei,  burc^  äußere  (Sreigniffe  gu  jeigen,  ob  er  me^r  ate  bie  alten  ©ötter  öermiJoe.  ©o 
lonnte  ber  alte  (Sötterglaube  lange  neben  ber  d^riftlicben  ^rebigt  o^ne  ftörenbe  Äonflifte 
befielen;  fo  fonnten  alte  norbifAe  Sorftellungen  auf  allen  ©ebieten  mit  geringer  SSer^ 
änberung  auf  ben  93oben  be^  ftegrei^en  G^riftentum^  umgqjflanjt  toerben.  jpierau^ 
erflärt  fid^  aud^,  bafe  in  ©d^toeben  ba«  game  3Jlittelalter  ^inburcp  alte  notionale  Sin- 

86  fc^auung  unb  Überlieferung  beftrebt  toaren,  bie  lat^olifc^e  Äirc^e  be«  Sanbe^  umjubilben.  — 
2lber  bie  ß^riftianifierung  ©c^toeben^  lonnte  gctoi^  aud^  nid^t  o^ne  6inh)irlung  äußerer, 
grofe})olitifdjer  Sntereffen  gejc^el^en.  ©c^on  bie  ©enbung  be«  erften  SKiffionarö,  2ln«Iar^, 
im  äal^re  830  ftanb  mit  fold^en  gntereffen  im  ßufammen^ang  (f.  b.  %  33b  I  ©.  573  ff.). 
3;m  9.  unb  10.  ga^r^unbert  enttoidfelte  ftc^  ©c^toeben  gu   einer  norbifc^en  ©rofemac^t; 

40  e«  beteiligte  ftc^  an  ben  3"Ö^'^  "^^  SJBefteuro^a;  3)änemart  ftanb  öon  g^t  gu  ^tit 
unter  ber  ©etoalt  be«  ©c^tpebentönig«;  ba^  ruffifd^e  9leid)  tourbe  (um  860)  toon 
©(^toeben  unter  Slurif  (9lu^)  gegrünbet;  unb  mit  bem  bt;jantinifd[)en  Orient  ftanb 
©(^toeben  um  biefe  3^'^  i"  i>w  leb^afteften  a?erbinbung.  6in  ^eibnif4)eig  5Beid^  bon 
fold^er  SSebeutung  (>atte  feinen  befonberen  Steig  für  bie  33erec^nungen  ber  abenblänbifc^en 

46  ©taatömänner  toie  für  ben  ^eiligen  ßifcr  ber  ^iffionare. 

3n  ber  fd^toebifd^en  3Kiffionggeit  merbcn  brei  3lbfd^nitte  unterfcbieben.  S^^f^  famen 
me^r  aU  150  ^a\)x^  nur  beginnenber,  f}30rabifcb  betriebener  3)liffton!gh)irffamIeit,  geleitet 
\)on  bem  ßrgbi^tum  ^amburg^SSremen  au^,  unter  tvcld)^  ©cbtüeben  i)on  Slnfang  an 
in   firdblidber  Segiel^ung  gefteHt  tourbe.    gn  ber  nädbften  ^nt  nacb  äln^far^  iob  865 

60  tüurbe  fein  SKerf  t)on  feinem  Slac^folger  Slimbert,  ber  and)  ©c^tüeben  befuc^te,  fortgefe^t. 
Unter  ben  folgcnben  ©rgbifc^öfen  fc^eint  ^ox  allem  Unni  (§audf,  R&  3)eutfc^lanb«  III, 
©.  80  f.)  bie  3Kiffion  ge})flegt  ^u  l^aben.  6r  ftarb  tüä^renb  eine^  Scfuc^eö  in  berSSjörfö^ 
ftabt  im  3!ö^re  936.  Doc^  toiffcn  h)ir  nic^t,  ob  feine  SBirffamteit  ober  bie  ber  übrigen 
3Kiffionare  ßrfok  ^atte;  i)iele  Sänften  ^at  eg  getüife  in  bicfem  3^itabfc^nitte  nic^t  gegeben. 

66  3Da^  nationale  Königtum  unb  feine  S^^^^ff^i^  blieben  i)on  ber  TOiffion  unberührt;  fie 
fc^eint  bie  Slbfic^t  berfolgt  gu  ^aben,  ©c^tüeben  tüie  bie  flai)ifc^en  (Sebiete  in  ben  beutf(^en 
Äulturs  unb  3Kad^tbereid^  l^ineingugieben.  —  3fiit  bem  Slnfang  be^  11.  3ö^i^'()unbertö  toer^ 
änberte  fic^  bie  äußere  ©tetlung  <^d^h)eben«.  3lad)  tjielen  Umtüälgungen  ^atte  ba«  fo- 
eben  d^riftianifierte  3)änemarf  unter  bem  Äönig   Süen  SEjuguöIägg,  ber   balb  ßnglanb 

60  unter  feine  ©emalt  beugte,  innere  ^eftigfeit  geh>onnen.  '^ortDcgen,  baig  mit  englifd^^er 
§ilfe  üon  bem  Könige  Clof  2;rt;gt)effon  995—1000  c^riftianiftert  Sorben  tüar,  h)urbe  nad) 


Si^tneben  19 

ber  bcrül^mten  ©d^Iac^t  bet  ©üolbern  im  gabrclOOO  geteilt,  bcr  größere  2!cil  lam  an 
3)äneinarl.  2)er  ©ol^n  be«  Äöntg«  ©öen,  Knut  ber  ®rofee,  toar  englifc^  gebilbet,  unb 
in  jeinem  mäd^tigcn  norbifd^en  SReic^e  l^errfd^ten  englifc^e  gntereflen.  9luf  ber  anberen 
©eite  j^eigten  bie  (Srjbifd^öfe  ^amburg-Sremen^  einen  bebeutenben  Sluftüanb  ijon  ßnergie, 
um  il^ren  eigenen  unb  2)eutfc^Ianbi8  ßinflufe  im  9?orben  ju  betoal^ren.  2)a«  toerlleinerte  6 
unb  in  feiner  ^Kad^t  ^erabgebrücfte  ©c^toeben  tourbe  ber  ©egenftanb  toiberftreitenber 
Sntereffen.  ©o  tourbe  bie  3Kiffton  in  ber  ßeit  öon  1000—1066  t)on  jtoei  ©eiten  an^ 
fräftig  betrieben,  unb  ber  erfte  ©rfolg  be^  gefteigerten  SKifjtonöeifer«  tourbe  ber  Übertritt 
bc«  Rönig^tum«  jum  ß^riftentum.  Dlof  ©fottfonung  liefe  fic^  im  ^al)xt  1008  famt 
l>ielen  feiner  3Kannen  in  feiner  Slefibenj  in  SBeftergötlanb  taufen,  obgleiA  er  unb  feine  lo 
näd^ften  9?a(^foIger  il^re  ©teHung  afö  bie  ^öd^ften  §üter  be«  ^eibnifdjien  Äultu«  unb  be« 
U^falatem^jetö  beibef^ielten.  2)er  ^riefter,  ber  ben  Jtönig  taufte,  ^iefe  ©igfrib.  3Kan 
fteeitet  barüber,  ob  er  ein  ©eutfc^er  ober  ein  ©nglänber  getoefcn  fei.  ©o  öiel  bleibt 
fieser,  bafe  SQBeftergötlanb,  ba«  an  9lorh)egen  grcnjte,  erft  ba«  ßl^riftentum  über  9lorh)egen 
l^er  belam,  toai^rfd^einlic^  burd^  einen  (gnglänber  ©igutb,  ben  bie  Segenbe  fj)äter  mit  i6 
©igfrib  toertoecbfelt  ^at.  Um  ben  Flamen  unb  bie  Söirlfamleit  ©igfrib«  in  SBeftergöt* 
lanb  unb  ©mSlanb  f^ann  bie  Segenbe  i^re  ©eloebe  unb  er  tüurbe  einer  öon  ben  bor« 
ne^mften  ^eiligen  ©c^toeben«.  3)er  gefd^id^tlic^e  Äern  ift,  bafe  bie  jloei  erften  eigentlid^ 
c^riftlic^en  ©ebiete  ©d^toeben«  jeftt  gleic^jeitig  mit  ber  S^ftianifterung  be«  Königtum« 
unb  jtoar  oufeeri^Ib  be«  3Ketro^oIitanrec^te«  toon  §amburgs93remen  gebilbet  lourben.  ao 
^cr  ©rjbif^of  Unhmn  fanbte  jebod^  foh?ol(;I  ©efc^enle  aU  ©eiftlic^e,  um  loenigften«  bie 
lirc^Iid^e  ^IJlad^t  2)eutfc^Ianb«  m  erhalten,  unb  bie  Äonlurrenj  leiftete  ber  Ausbreitung 
be«  ß^riftentumS  SJorfc^ub.  —  äluf  einem  fünfte  finben  toir  ein  intereffantei^  3^wgni«  toon 
bcr  SSeränberung  ber  3Jolf^nfc^auung  unter  ber  ®inh>irtung  be«  ß^riftentum« ;  ba« 
©elbftbetoufetfein  beS  einjelnen  ertoad^te ;  man  tooflte  ben  9?amen  ber  3!oten  ber  SJac^  as 
toelt  überliefern;  bie  ÜKenge  ber  Slunenfteine  beginnt  toon  biefer  3^'*  ä^-  ®i^«  ©teinc 
jeugen  aud^  batoon,  bafe  ba«  ßl^riftentum  je^t  nad^  Öftergötlanb  unb  toeit  nac^  ©bealanb 
|in  verbreitet  lourbe.  SBeftergötlanb  blieb  jebod^  fein^ai^jt^erb;  l^ier  lourbe  fogar  nominell 
ein  Sifc^ofgftu^I  ju  ©fara,  ber  erfte  in  ©c^toeben,  errichtet,  obtool^I  nod^  lange  fein  ge« 
regelte«  8i«tum  beftanb.  2)ie  9Hänner,  toeld&e  unter  bem  Flamen  bon  93ifd^öfen  )u  ao 
biefer  3^*  i"  ©d^loeben  toirlten,  tüaren  nur  2Riffion«bifd^öfe.  Äcin  3)rudt  bon  oben 
bef(^leunigte  bie  Belehrungen;  fotoo^t  Äönig  Dlof  al«  feine  beiben  ©ö^ne,  änunb  unb 
ebmunb,  fül(;rten  eine  äufeerft  ijorft^tige  9letigion«})olitiI.  5Rad^bem  Slbalbert  ßrjbifd^of 
bon  93remen  getoorben  loar,  enttoirfelte  ftd^  bie  fd^loebifc^e  3Kiffion  nod^  rafc^er.  6« 
gelang  i^m,  bem  beutfc^en  ©influfe  ba«  Übergeh)id[)t  m  ftd^ern ;  jtoei  bon  i^m  orbinierte  85 
aWifftonSbifc^öfe,  Slbatoarb  I.  unb  IL  führten  ba«  G^riftentum  norbtoärt«,  jener  nad^  SSörm« 
lanb,  biefer  nac^  ©igtuna  in  U}3j)lanb,  tüelclie«  nad^  ber  3^törung  ber  ©iörlöftabt  jum 
erflen  Äau})tfifc  ber  norbfclitoebifc^en  Äird^e  lourbe.  6in  anberer  beutfc|er  SJJiffionar, 
©tenfi,  orang  bi«  na6)  $älfingtanb  öor,  ja  ein  Slunenftein  berid^tet,  bafe  gämtlanb  je^ 
d^riftianifiert  tourbe.  auf  ©otlanb  tourbe  bie  erfte  Äirc^e  gebaut,  um  toeld^e  bie  ©tabt  4D 
aSiSb^  ertüud^«.  6in  SSerloanbter  be«  t)orerh)äl^nten  ßnglänber«  ©igurb,  namen«  A«munb, 
ber  bei  Äönig  ßbmunb  ßingang  gefunben  l^atte,  crftrcbte  in  9lom  bie  Drbination  jum 
Sifc^of,  unabhängig  öon  Sremen ;  e«  gelang  aber  Slbalbert,  biefem  6manji^3ation«berfuc^ 
toorjubeugen.  3)o  lam  ba«  l)er^ängm«t)olIe  ga^r  1066.  —  2)iefe«  ^af^x  brad^  bie 
norbifc^e  9Rad^t  in  Snglanb  burd^  bie  ©cl^lac^t  bei  ©tanforbbribge,  ber  aber  unmittelbar  46 
bie  Üntertoerfung  ßnglanb«  bur^  bie  9?ormannen  folgte.  ®er  SSerfe^r  ©d^toeben« 
mit  2)eutf(^lanb  tourbe  in  bemfelben  ^a^x  burd^  bie  ^eibnifclje  Siealtion  im  beutfc^en 
fiolonialgebiet  unb  ben  %aü  Slbalbert«  unterbrochen.  2)a«  Semül^en,  ©c^toeben  an 
bie  beutfc^en  9lei(^«intereffen  ju  fnüj)fen,  toar  bamit  ju  (Snbe.  2)a«  ^aj)fttum  t)er= 
fuc^te  ftatt  beffen  ben  9lorben  bon  Sremen  lo«julöfen  unb  il^n  an  feine  S^^^^ff^"  ^ 
ju  binben.  2)a«  birefte  eingreifen  ber  ^ä})fte  in  fd^toebifd^e  Slngelegen^eiten  beginnt 
mit  Oregor  VII.  (gtoei  ©riefe  t)on  1080  unb  1081  an  König  ^nge  (f.  u.)  mit  ber 
Sufforberung,  ©efanbte  unb  abgaben  nad^  Slom  ju  fenben).  %\xx  ©d^tocben  erhielt 
alfo  ber  ©treit  jtoifc^en  bem  ^a^fttum  unb  ber  beutfd^en  J!önig«mad)t  toeitge^enbe  Se= 
beutung.  Aber  t)or  allem  tourbe  bie  3cit  um  1066  t)erf^ängni«t)oll  für  bie  innere  ©e*  66 
fd^ic^te  ©d^toeben«.  3)a  entfc^lief  ber  le^te  üönig  be«  alten  ©efc^led^t«,  ©tenfil,  toelc^er 
bie  gäl^igfeit  gehabt,  ba«  ©i^eareic^  gufammengu^alten.  3Kit  feinem  2^obe  tourbe  bie 
nationale  ©ammlung  um  ba«  Äbnigtum  für  100  ^a\)x^  aufgelöft.  3Der  immer  fc^roffere 
®egenfa$  jtoifc^en  ben  Sanbfcliaften  (nad^  anberen  ein  ®cgenfa$  jtoifc^en  jtoei  SJolf«^ 
flammen,  ben  ©toeen  unb  ben  ©ot^en)  machte  fic^  geltenb;  bie  öome^mften  bon  biefen,  «k) 

2* 


s 


20  S^iitothtn 

SBcftetflötlanb,  Öftcrßötlanb  unb  Uj)J)Ianb,  l^attcn  jcbc  i^r  Äöniö^aefc^Icc^t,  tocnn  ani) 
für  ftirgcre  3«t<*'&f^nittc  bie  SHac^Iommen  ©tenlil«,  ba«  Äönigdflcfd^led^t  ijon  SBeftetflöt^ 
lanb  (bct  l^erborraflenbfte  toax  3i«Ö^  t>w  ältere,  bcr  ©ol(;n  ©tcnJEite,  gcft.  cttoa  1110), 
eine  gelüiffe  SKad^t  über  ba«  ^ani^  Sleic^  aufrecht  erhalten  lonnten.  Qi  fd^eint,  ate  ob  bie« 
0  ©efdjileci^t,  ba«  c^rtftlid^  toar,  bie  Iluge  3:oleranj  ber  Soröänger  aufgegeben  l^ätte ;  baburd^ 
tourbe  ber  ©egenfa^  ju  bem  ^amjtfäc^lid^  ^eibnifd^en  Sbealanb  mit  bem  U^falatemj)el 
nod)  me^r  berfc^ärft:  man  verlangte  bort,  ba^  ber  Äönig  bem  ^eibnifc^en  D^ferbienft 
borfte^en  foDe.  Slnbererfeit«  fteHte  ftd^  ^erau«,  ba§  bie  3Kiffton^rbeit  bie  toed^felnbe  3*^^^- 
trad^t  ^er  Sanbfd^aften  ;ur  SBerbreitung  bed  S^rtftentum«  audnu^en  lonnte.  £)ftergötlanb 

loloarum  1100  nebft  ffleftergötlanb  ber^aujotfi^  bei^  G^riftentum« ;  nun  famSöealanb  an 
bie  Steige.  S)ie  Segenbe  begeid^net  brei  ^eilige  ate  bie  ^augtöertreter  ber  bortigen  DJliffion«^ 
arbeit:  SDaöib  atö  at)ofteI  bon  SBeftmanlanb,  e«Iil  unb  93otbib  atö  2l})oftcI  t)on  ©öber= 
manlanb.  SluffäUig  toar,  ba^  alDle  brei  @nglänber  ober  in  @n^Ianb  ergogen  toaren. 
(Srgbifc^of  Slnfelm  toon  ßanterbur^,  ber  im  großen  ©treit  ber  S^xt  auf  ber  ©eite  be« 

15  $aj)fttumd  ftanb,  be^nte  fein  gntereffe  auc^  auf  ©c^loeben  au«.  ^Jic^t  o^ne  fein  3wtl^wn 
erhielten  bie  norbifd^en  Sänber  einen  eigenen  ©rjbifc^of  in  2unb  1104  (obgleich  bie  for* 
mette  älb^ängigfeit  ©d^loeben«  toon  Sremen  erft  um  1150  aufhörte),  englifd^e  Sifc^öfe 
tourben  nad^  ©lara  gefanbt.  3)ie  lefete  ^Periobe  ber  3Ki|fu)n«arbeit  in  ©c^toeben  ging 
au«,  o^ne  ba^  S9remen  einen  93erfud9  machte,  feine  alte  ©teQung  bort  ju  Uf)a\aptm. 

20  S)iefe  englifd^e  3Riffton«arbeit  brac^  fd^Iiefelid^  bie  3Kad^t  ber  alten  ®öüer,  felbft  in  VLp}p^ 
lanb,  h)o  ©igtuna  al«  S3ifd^of«fift  ^erbortrat.    Um  1130  fann  man  ©c^toeben  al«  ein 
jum  ßl^ftentum  belel^rte«  2anb  anfe^en.    2)ie  3Ki|fton«jeit  toar  gu  ßnbe. 
$Die  lat^olifd^e  Jlird^e. 
1.  S)ie   ^txt   ber   Segrünbung    1130—1164.    3)ie  ein^eimifd^en  Äämt)fe    in 

26©c^toeben  enbeten  mit  einer  furjen  ^eriobe  allgemeiner  nationaler  Sluflöfung  (um  1130 
bi«  1160);  jur  felben  ^^^  lourbe  ßnglanb  burd^  innere  Rtoi\tt  gelähmt.  6«  fc^eint,  al« 
ob  biefe  in  politifc^er  ©mfid^t  h)iberftanb«Iofe  3«t  ben  fat^olifc^en  Drganifation«^länen  in 
©d^toeben  befonber«  günftig  geloefen  toäre.  gaft  alle  ^nftitutionen,  bie  borjug^toeife  bie  Xrägcr 
ber  Äirc^e  unb  Äultur  be«  SRittelalter«  ioaren,  brangen  je^t    ein  ober  befeftigten  fic^. 

80  §inter  biefer  33egrünbung«arbeit  ftanb  ber  fräftige  (Srjbifd^of  (g«Iil  in  2unb  (1137—1178). 
3uerft  tourben  toirf lid^e  33ifc^of«ftifter  georbnet :  in  ©lara,  2inlöj)ing,  Vip^ala  (au^  ©igtuna  l)cr= 
WX  ©trengnä«,  SBSeftera«  unb  fj)äter  in  SBejiö  (erft  1183  ertoä^nt;  ba«  le^te  ©tif?  au«  bem 
SKittelalter,  äbo  inginnlanb  iourbe  um  1200  gegrünbet).  S)ie  lat^olifc^e  ^ierard^ie  ^ielt  in 
©c^ioeben  i^ren  ßingug.   Unter  ber  SOlittoirfung  @«!il«  iourben  bie  erftenÄlöfter  in©(^tt)eben 

85  errichtet,  fämtlic^e  gehörten  ju  bem  6lairt)aujjh}eige  be«  ßiftercienferorben«.  25ie  toic^tig« 
ften  loaren  ätoaftra  in  Dftergötlanb  1143  (ba«  erfte  im  bomaligen  ©c^toeben;  in©c^onen 
gab  e«  fc^on  öiele  Älöfter);  Jl^bala  in  ©ämlanb  1144,  furj  baraufSBam^em  in  SBefter^ 
ßotlanb;  SBreta,  5Ronnenflofter  in  Öftergötlanb,  SBäib^,  9Rönc^«Ilofter  (\pättx  nad^  ^ixltta 
m  ©öberamanlanb  berfefct),  S^arum^iöofter  (nac^  ©fo  in  Uj)blanb  berfe^t)  unb  Stoma* 

4oÄlofter  auf  ®otlanb,  aUe  au«  ber  3eit  1160—64.  35iefe  Jtlöftcr  iourben  natürlid^er- 
loeife  in  entfernt  liegenben  SBilbniffen  angelegt  unb  trugen  toefentlic^  jum  3lnbau  be« 
Sanbe«  unb  gur  Verbreitung  ber  geiftlic^en  Jlultur  bei.  einen  loic^tigen  ©c^ritt  gur  ßin^ 
toerleibung  ©c^toeben«  in  bie  grofee  Äirc^e  be«  5Kittelalter«  il)at  ber  $a}3ft  ©ugeniu«  III. 
burc^  feinen  äJerfuc^,  au«  ©c^Joeben   eine  felbftftänbige  Äird^enjjroüing  p  machen,   o^ne 

4ß  bafe  bie  Slutorität  be«  $a})fttum«  unb  il^re  3tu«übung  eine  ßinbu^e  erlitt.  3JJit  flugem 
Urteil  fanbtc  er  nad^  ben  norbifc^en  Sänbern  einen  inßnglanb  geborenen  Scgaten,  31x10- 
lau«  »reaff^jear,  Äarbinalbijc^of  i)on3llba  (fbäter  ^ajjft  §abrian  IV.;  f.  33b  VII  ©.309). 
5Jac^bem  biefer  9?orh)egen  einen  eigenen  ©rgbifc^of  gegeben  l^atte,  berief  er  in  ©c^toeben 
eine  ©^nobe  nad)  Sinföbing  1152,  an  toelc^er  au^  ber  Dftgötafönig  ©i^erler  teilnahm. 

üo  2)er  ^lan,  ba«  Sanb  lirc^lic^  felbftftänbig  ju  machen,  mifelang  inbe«  infolge  ber  innem 
©treitigfeiten,  h)a«fürbie  }3äi)ftlid^e5ßolitif  unjnjeifell^aft  einegnttäufc^ungtoar;  ©rjbifd^of 
e«fil  erhielt  ba«  ©c^toeben  pgebac^te  ^attium,  unb  ba«  bänifd^e  £unb  erhielt  alfo  bem 
$rimat  über  ©c^toeben  (ba«  ^Hec^t,  ben  ßrjbifc^of,  in  getoiffen  gäHen  auc^  bie  ©uffragans= 
bifcljöfe  eimufegnen).    dagegen  befAlo^  bie  Sinfö^ingf^nobe,  ba^  ©cbtoeben  gum  3ric^eix 

66  feine«  Stnfc^luffe«  an  bie  römifc^e  Äird^e,  bem  ^ap\t  \äi}xl\d)  ben  $eter«j)fennig  beja^len 
foHe.  2tuc^  Sefd^lüfje  über  fanonifc^e  3lnorbnungen  bei  ^ricfternja^l,  6^e  2C.  tourbert 
gefaxt,  obgleid^  fie  nod^  üon  toeniger  Scbeutung  genjefen  fein  bürften.  —  6in  äu^ereig 
3eugni«  baüon,  bafe  bie  Äird^e  in  ©d^toeben  nun  ©clbftbetoufetfcin  m  gewinnen  begann, 
ioar  ber   erfte  3)iiffion«frcuj5ug.    6i)crfcr«  'Biitbctoerber   um   ba«  3tcic^,  iiiönig  (grif   in 

cü  U))))lanb,  untemai^m  in  ben  ^al^ren  nac^  1150  einen  Ärieg«gug  nac^  bem  ^cibnifc^en  ginnlanb, 


Sd^toekeii  21 

too  eine  getualttge  Sele^rung^arbeit  in  ber  norböftlid^en  ^robinj,  bem  eigentlid^en  ^innlanb, 
betrieben  tourbe.  3"^^^^^^  >)oIitifci^e  Setoeggrtinbe  mitaetoirft  ^aben,  ift  unmöglid^  ju 
beftimmen.  (Über  ^innlanb  f.  ben  «rt.  ginnlänbifd^e  Stirere  Sb  VI  ©.  66  ff.).  ®rif 
ertoarb  inbeffen  me^r  aU  anbere  ©d^toeben  ben  1R\x[,  ein  Äämjjfer  ®otte^  ^\x  fein; 
ald  er  lur)  barauf  einem  meud^Ierifd^en  SlnfaQ  eined  bänifd^en  Xl^ront)rätenbenten  6 
unterlag,  erhielt  er  noc^  bie  3Kärt^rerIrone.  auf  biefe  2Beife  hjurbe  ®rif  ber  ^eilige, 
ber  ©cputoatron  t)on  ©^toeben;  man  toerel^rte  i^n  auc^  in  2)änemar!  unb  2)eutf(^s 
lanb;  bocp  tourbe  im  älteren  SJlittelalter  in  ©c^toeben  ber  nortoegifd^e  Olab  ber  ^eilige 
(gep.  1036)  faft  ebenfo  ^oc^  gefteDt  afe  gril  (f.  b.  21.  5Rorh)egen  Sb  XIV  ©.  215). 
$en  ©c^lu^ftein  in  bie  tat^olifd^e  93egrünbung^rbeit  legte  bie  @rrid^tuna  eined  fd^toe«  lo 
bifc^en  (Snbiötumg  in  Vip\(Aa  1164.  2)abur(^  hjar  ©d^toeben  enblic^  eine  eigene 
georbnete  Jiir(^enj)robinj  getoorben.  2)ie^  hjar  junäd^ft  ein  3llt  ber  gregorianifd^en  ^olitil 
älqranber«  III.,  ber  ju  grofee  3)tetroj)oIitanf})rengeI  toermeiben  toottte;  e«  tourbe  jugleid^ 
ein  fräftige^  §inbemi^  für  ben  SSerfud^  Äaifer  griebrid^^  I.,  bie  norbifc^en  Sönber  in  bie 
beutfc^en  ^nterefjen  einjujiel^en  (^riebrid^^  Se^n^brief  an  Äönig  393albemar  t)on  2)äne5  is 
morf);  aber  für  bie  felbftftänbige  ©nttoicfelung  ©c^hjeben«  toar  ba«  eigene  ©rjbi^tum 
toon  großer  Sebeutung.  3*^^^  bel^ielt  ber  Uprima«  t)on  Sunb  ba«  SRec^t,  ben  (Srjbifc^of 
t>on  Vap^ala  burd^  Übergabe  be«  ^Pattium«  einjufegnen.  Slber  ba«  an^altenbe  Seftreben  ber 
f(^U>ebif(^en  Jtird^e  h>ar,  ftd^  möglic^ft  balb  t)on  biefem  Sleft  auäänbifd^er  älb^ängigleit  ju 
befreien.  20 

2.  2)ie  Drganifation^jeit  1164—1305.  SRac^  bem  lobe  ©rifö  be«  ^eiligen 
1160  gelang  e^  balb  Äarl,  bem  ©ol^n  Äönig  ©toerler«,  auc^  in  ©toealanb  anerfannt  ju 
toerben.  3)amit  toar  ©c^toeben  hjieber  um  eine  nationale  Äönig^mad^t  bereinigt.  3)ie 
politifd^en  Snftitutionen  toaren  noc^  in  il^rem  Äeime;  bie  toic^tigfte  Drganifation  be« 
Sanbe^  toar  bie  neugebilbete  Äird^enproöinj.  3)a«  SRec^t^toefen  unb  bie  enttoidelten  Dr^  25 
gane  ber  lat^olifd^en  Äird^e  mußten  bie  SSorbilber  be«  neuenttoicfelten  ©taat^toefen« 
ttjerben.  Slnbererfeit«  lag  e«  im  ^ntereffe  ber  ))ä))ftli(^en  ^Politil,  eine  georbnete,  einl^eit« 
U(^e  löniglic^e  Slegierung  in  ©d^toeben  m  unterftü^en ;  eine  f olc^e  Slegierung  toar  für 
bie  innere  Drganifation  ber  neugebilbeten  Hirc^e  laut  ber  ^orberungen  be«  lanonifc^en  SRed^t« 
unentbe^rlid^.  3)er  ®rjbifd^of  öon  ©d^toeben  tourbe  bie  t)ome|mfte  ©tüj^e  be^  Äönig«  ao 
t>on  ©c^lfoeben ;  bie  @rrid^tung  be«  ®r|^bi«tum«  bebeutete  ^ugleic^  bie  Seftätigung  ber  poli« 
tifc^en  ©inl^eit  ©c^toeben«.  ©c^toeben  toerbanft  SHejanber  III.  me^r  atö  anberen  fein 
nationale«  2)afein.  90  3^^^^  I«"0  trugen  ba«  (Sefd^led^t  ©berler«  unb  ba«  ®rifö 
toec^feltoeife  bie  Ärone;  beiben  Äönig«familien  toar  bie  Unterftü^ung  ber  Äird^e  gleid^ 
unentbehrlich.  2)e«^alb  lonnte  nrxn  aud^  bie  Äird^e,  t)on  ben  S^ronftreitigfeiten  unab«  86 
^ngig,  mit  ber  $Ufe  ber  Äönig«mad^t  i^r  ©ebäube  in  bie  §öl^e  fül^ren.  S3om  fünften« 
lpa))jt  Sllejanber  III.  famen  eine  3Wenge  ^efretalien  an  ben  König  unb  bie  Sifd^öfe  öon 
©d^toeben.  Sefonber«  jtoei  Sriefe  au«  bem  ^a^re  1171  lagen  ber  mü^famen  ®ur^= 
fül^rung  ber  neuen  Drganifation  ju  ©runbe:  fie  fönnen  al«  bie  älteften  ®runbgefe|e  ber 
fc^toebifd^^  Äirc^e  angefel^en  toerben  (S3&&t^).  S3or  allem  Verlangte  man  ^ier  für  ben  40 
Äleru«  ba«  Siecht  eine«  eigenen  ®erid^t«ftanbe«  in  Äriminalfac^en  unb  bie  3wIöfPgfcit 
lanonifc^er  2^ftamente  in  pios  usus  (l>gl.  bie  I)e!rete  Sllejanber«  an  ben  S3ifd^of  t)on 
Dftia  1171—72).  6in  Ramp\  begann  jtoifc^en  ber  fanonifd^en  unb  ber  alten  germani« 
fd^en  9iec^t«anfd^auung ;  ©d^ritt  für  ©d^ritt  tourbe  babei  bie  Äirc^e  organifiert.  2lu« 
einem  35onation«brief  1200  t)on  ©tjerler  Äarl«fon  an  bie  lH)faIaIirc^e  erfte^t  man,  ba^  46 
ju  biefer  S^t  bie  ^riefter  im  ganzen  Sanbe  in  Äriminalfa^en  tjom  toeltlic^en  (Seric^t 
befreit  toaren.  ®in  befonberer  $riefterftanb  begann,  ^m  3;a^re  1219  ftellte  ^ol^ann  I. 
©tjerferffon  bie  ®üter  ber  Äirc^e  aufeer^alb  ber  Iönigli^en©traferl^ebung;  bamit  begann 
bie  lirc^Iic^e  ©teuerfreil^eit  in  ©c^toeben.  Unter  bem  ©influfe  Sllejanber«  III.  begann 
bie  Sinric^tung  t)on  2)omfa})iteln  an  ben  Sifc^of«Iird^en;  üp^ala  l^atte  fc^on  um  1200,  so 
©fara  um  1222  reguläre  Äanoniler.  2lu«  ber  loHegialen  Slnorbnung  ber  DomIa})iteI 
fonnte  fpäter  ba«  fc^toebifd^e  ©taat«rec^t  §ilfe  in  feiner  ©nttoicfelung  erhalten.  3"^ 
3eit  be«  ^ojjfte«  ^n^ocentiu«  appcümU  aui)  ber  ftönig  an  bie  Äird^e  um  gefrönt  ju 
toerben.  6in  fd^toebifd^er  Äreuuug  ging  nad^  ©ftlanb,  ^ur  gleichen  3^'*  al«  ^änemar! 
unb  ©eutf^Ianb  in  2it)Ianb  Sroberungen  mad^ten  (f.  3lrt.  2lnbrea«  t)on  Sunb  S3b  I  ©.517 f.):  66 
bamit  begann  ber  Stampf  um  bie  §errfd^aft  auf  ber  Dftfee,  ber  ^^^^^unberte  f^inburc? 
bouerte. 

®ie  toid^tigfte  ^eriobe  ber  Drganifation  ber  fat^olifd^cn  Sird^e  trat  inbcffcn 
unter  bem  legten  Äönig  ber  alten  ©efd^led^ter,  bem  nid^t«nu^igen  ©rif  III.,  1222—50 
ein.    SBieber  fd^eint  e«,  al«  ob  politifd^e  2lnard^ie  ber  befte  Soben  für  ürc^Iic^e  ^laö)U  eo 


22  Si^toebeit 

bergröfecrung  getoefcn  toäre.  5Run  traten  bte  ^Prälaten  ber  Äird^e  ate  §encn  im  SRcic^, 
oft  ate  bic  mäd^tigften  ÜKänncr  bcr  bonnunbfc^aftHcl^en  SRegierung  unb  ber  anfangenben 
SHat^inftttution  auf;  tote  j. S. Sifd^of Sengt  in  ©fara,  ber  1220—21  SRom  befud^t  ^atte, 
unb  mit  bem  55aj)ft   in  na^e  Serül^rung  gelommen  hjar.    (gr  Wax  ber  Segrünber  be^ 

5  ©Iara!a))itefö  unb  ein  3Mann  t)on  politifd^em  SQäeitblid.  ©ein  3^itgenoffe,  Sifd^of  Sengt 
in  Sinfö})ing,  orbnete  auf  2lufforberung  ©regoriu^'  IV.  1232  ein  2)omifaj)itel  in  feiner 
©tabt  unb  begann  ben  S3au  be«^  großartigen  2)omg  in  £inlö})ing.  3"  ^^^  gleichen 
3eit  hjurbe  ba«  3)omfapiteI  in  Abo  gegrünbet.  3"  Vip]ala  begann  ba^  RapM  mit 
bem  ©rjbifci^of  ^axltt  (1236— 55X  einem  ber  l^ert)orragenbften  9Jlänner  ber  3eit.    6r 

10  griff  in  ba«  ©c^icffal  ber  Äirc^e  bor  allem  baburc^  ein,  baß  er  bie  Settelorben  einführte 
unb  befc^ü^te.  (Sinjielne  ßiftercienferllöfter  toaren  nac^  1164  errid^tet  toorben;  feit  un= 
gefäl^r  1230  tourbe  ba«  3J{öncl^hjefen  ju  einem  $au})tfaftor  in  ber  fc^toebifc^en  Äird^e; 
befonber«  tourben  bie  feit  bem  (gnbe  be«  11.  So^rl^wnbert«  aufblü^enben  ©täbte  an  feine 
^ntereffen  gebunben.    2)er  granji^Ianerorben  lam  1233  nac^  Sßidb^  unb  tjon  bort  um 

16  1240  nad^  toerfd^iebenen  ©täbten,  u.  a.  nac^  Ujjfala  1247.  ®ie  2)ominifaiier  tourben  tjon 
größerer  Sebeutung ;  fie  faßten  juerft  in  ©igtuna  feften  guß,  too  i^r  Älofter  (fd^on 
1221  ertoä^nt)  eine«  ber  bebeutenbften  in  ganj  ©d^toeben  tourbe;  in  ©lenninge  tourbc 
ein  laum  toeniger  bebeutenbe«  Älofter  gegrünbet;  in  nod^  fielen  ©täbten  errid^tete  man 
Älöfter.    ®er  toac^fenbe  ©influß  ber  Kirche  geigte  fic^   in  einem   neuen  Äreujijug   na^ 

20  ginnlanb  1249 ;  biefer  Ärieg  toar  lange  öon  ©regor  IX.  aU  ein  ©d^ad^gug  gegen  bic 
$aläftinaj)0litil  griebric^«  II.  eifrig  Verlangt  toorben;  er  tourbe  \>on  bem  mäc^tigftcn 
^ann  im  Sanbe,  bem  ^axl  be«  Äönig«,  S3irger  au«  bem  alten  (Sefd^Ied^t  ber  golfunger, 
geleitet.  9lun  tourbe  Xat)aftlanb  ^um  ß^riftentum  befe^rt.  ®ie  lird^lid^en  Siechte  tourben 
baburc^  erweitert,  baß  Äönig  ®nf  bie  ^orberung  ^nnocentiu«'  IV.   auf  lird^Iic^e  ©e= 

26  rid^t«fä^igleit  über  getoiffe  Serbred^en  ber  Saien  pgeftanb;  toa^rfd^einlid^  tourben  nun 
aud^  bie  ®üter  ber  ®ome  fteuerfrei.  ®ie  Drganifation  be«  niebrigen  Äleru«  unb  bie 
Äird^f})ie(einteilung  tourben  befeftigt.  ®er  toid^tigfte  ©c^ritt  ber  gangen  fird^Iid^en  Dr« 
ganifation«arbeit  gefd^a^  inbe«  burd^  bie  ©^nobe  ju  ©fenninge.  2)iefe  toar  gunäd^ft  ein 
®(ieb  in  ber  großen  })ä))ftlid^en  ^Politil;   toa«  2llejanber  III.  angefangen,  tooDte  ^nno- 

80  centiu«  IV.  toollenben.  @r  ^atte  bie  Segateninftitution  ju  feinem  fräftigften  Äam})fmittel 
in  ®eutf(^Ianb  gemacht.  3"  berfelben  2Beife  foÜte  auc^  ©d^toeben  be^errfd^t  unb  georbnet 
toerben.  2)er  Äarbinalbifd^of  SBill^elm  tjon  ©abina,  ein  Äenner  ber  norbifd^en  Serbält^ 
niffe,  hjurbe  mit  ber  großen  Autorität  eine«  Äarbinallegaten  f^ier^er  gefc^icft  (im  5ton* 
«lium  ;iu  2bonl245  fürglid^  tjerorbnet).  3)er  Segat  berftanb  e«,  bie  inneren  Ääm})fe  jum 

86  9Ju^en  ber  Äird^e  ju  gebrau4>en.  6in  Concilium  provinciale  tourbe  .1248  nac^  ©lennmge 
jufammengerufen,  toä^renb  ju  gleid^ergcit  ein  £anbfc^aft«t^ing  für  Öftergötlanb  gel^alten 
tourbe;  toeltlid^e  §erren,  u.  a.  Sirger  3frl,  toaren  inbeffen  ieilnel^mer  auc^  an  ber 
©^nobe,  unb  tourben  ^ierburd^  an  beren  Sefc^Iüffe  gebunben.  ^tvn  §au})t})unfte  berfelben 
(ober  toielmel^r  ber  £egat«[tatuten  Sßil^elm«)  mögen  ertoäf^nt  toerben:    1.  bie  ©eiftlic^en 

iotourben  ju  bem  bi«  je^t  l^ier  unbefannten  ßölibat  t)er})flid^tet;  2.  ben  Sifc^öfen  tourbe  an- 
befohlen,  bie  le^te  ©ammlung  ber  2)efretalen  anjufd^affen  unb  gu  ftubieren.  3!)er  ©^nobals 
bejc^Iuß  hjurbe  burc^  eine  Serorbnung  ^nnocentiu«  IV.  1250  ergänjt;  nad&  il^r  foHten 
bie  Sifd^of«toa^len  burc^  bie  ®omIa})iteI  unb  nic^t,  toie  bi«^cr  laut  germanifd^er  9ied^t«5 
anfc^auung  bur^  bie  3Qai}l  be«  Solle«  (infl.Äleru«)  unb  bie  Seftätigung  be«  Äönig«,  gefc^el^en. 

46  ^ierburd^  tourbe  ber  ©dEftein  be«  latl^olifc^en  ©ebäube«  gelegt;  bie  folgenben  50 
3a^te  tourben  burc^  bie  aHmä^lid^e  2)urd^fü^rung  ber  2lnfd^auung  d^aralterifiert,  bie 
^ier  in  einem  t)on  geiftlic^en  unb  loeltlid^en  Ferren  anerfannten  ©runbgefej^  einen  Slu«« 
brudt  gefunben  l^atte.  ®er  ßölibat  brang  unter  tjiel  ©trcit  burd^,  ebenfo  bie  fanonifc^en 
SBal^Ien,  inbem  eine  allgemeine  Drganifation  ber  2)omfa})iteI  je^t  gu  ftanbe  lam;    1300 

60  toerben  SlapM  an  allen  3!)omcn  ertoä^nt.  2)er  ©rgbifcfiofßfi^  gu  Ulpfala  tourbe  burd^ 
eine  Sleic^ftjerfammlung  in  ©öberfö})ing  1270  (gleid^er  3lrt  h)ic  ba«  ©lenningefongilium) 
bon  3lltsU})fala  nac^  feinem  je^igen  Ort,  Up^ala,  berlegt,  unb  gewann  an  Sebeutung. 
S)er  6rxbifd(>of  trat  jefet  al«  Seiter  ber  großen  2anbc«berfammlungen  ^erbor.  I)ie  ^joli^ 
tifc^en  'JSer^ältniffe  ber^^alfcn  ber  Sird^e  ju  Weiteren  ©legen.    3la6)  bem  Stöbe  (Srif«  III. 

56  1250  fam  mit  ben  ©ö^nen  Sirger  ^orl«  ba«  golfungergefd^led;t  auf  ben  If^ron  ©rf)h)e= 
ben«.  3!)er  nid^t«nufeige  fflalbcmar  h)urbc  1275  Don  feinem  Sruber,  bem  berüf^mten 
5l?agnu«  Sabulä«,  geftürjt;  biefer  mußte  burc^  eine  SJerbinbung  1270  bie§ilfe  berÄirc^e 
unb  bie  Ärönung  erfanfen,  toobei  ber  größte  Steil  ber  gorberungen  geioäbrt  tourbe, 
tocld^e  ©regor  X.  1274  in  einem  SDefretalc  an  ©d^hjebcn  geftetlt  ^atte.   3(uf  biefe  aSeife 

eo  tourben  alle  Äirc^engüter,  aud^  bie   bcr  ©jjrengelfirc^en,  abgabenfrei,   unb   bic    gefe^lic^e 


9Ra(^t  ber  Äird^e  tourbe  crtoeitert.  2luf  bem  Äonrilium  ju  lelje  1277  tourben  bieSScr« 
binbunflen  be^  Äönig^  bcftätigt.  S)ic«  tft  ein  toicptige«  ^af^x  in  bcr  ©cfd^id^te  ber  fd^toes 
bif(^en  Äirc^e.  9lun  toar  fie  ju  il^rer  ©onberftettuna  im  Sleic^  tooDftänbig  gelangt.  — 
äud^  in  anbetet  fiinfid&t  toutbe  bie  SRegietung  öon  TOagnu«  fiabulÄ«  bet  Äitc^e  nü^Iid^. 
Unter  feinem  ©<£u^  nahmen  bie  Settelotben  einen  n^m  Sluffd^toung.  3Me^tete  neue  6 
©tdbte  be!amen  Klöftet.  3lm  tüid^tigften  toaten  ba«  Stubetlloftet  bet  fjtanji^fanet  auf 
Slibbar^olmen  in  ©tod^olm  1270  unb  ba«  auf  bem  9Rottma(m  in  ©tod^olm  1289  et* 
tid^tete  Älatiffmnenlloftet.  Dutc^  biefe  Älöftet  in  bet  §au^)tftabt  toutbe  bet  gtanji^Ianet* 
otben  bet  einflufeteid^fte.  Settetttübet  ^tten  me^tmate  ben  6tjbifcl^of«ftul^(  inne.  ^n 
bicfet  3«'t  trat  man  auc^  mit  bem  S3au  t)on  aDen  ®omen  in  ©c^toeben  befd^äftigt  lo 
Stfitationen  unb  Sieubtüc^e  big  toeit  in  ba«  ^albl^eibnifd^e  5Rottlanb  toutben  t)on  ben 
®t}biWöfen  angeotbnet.  2)et  fitd^Iid^e  Untettic(;t  toutbe,  befonbet«  butc^  ba«  hominis 
lonetlloftet  in  ©f enninge,  t)etbeffett.  3)ie  ©c^toeben  fingen  an,  in  5patig  fleißig  ju  ftubieten, 
too  fie  1285  ein  eigene^  $au«  etl^ielten.  ©ammlungen  t)on  SSüc^etn  toutben  nad^  ©c^toeben 
gcfüj^tt.  35et  etfte  bebeutenbe  ©c^tiftftettet  ©d^toebeng  begegnet  un^  je^t  in  ^ettug  be  iß 
©acta,  einem  2)ominifanetIeftot  in  ©tenninge  (geft.  um  1288).  ®t  ^atte  in  Äöln  unb 
ft>ater  bei  I^oma«  ö.  äquino  felbft  bie  ©d^olaftif  ftubiett,  et  toat  abet  eine  tiefm^ftifd^e 
Statut.  Sine  fd^toätmetifc^e  SSete^tung  toibmete  et  ßl^tiftine  t)on  ©tumbelen,  beten  ®^te 
nod^  feinet  ^eimlelj^t  feine  Sltbeit  aU  ©d^tiftfteDet  biente.  ©eine  ®pxad)^  tonn  atö 
ein  5Diuftet  bet  ©{^tad^be^anblun^  im  13.  g^^^^w^bett  angcfe^en  toetben  (SHenan).  3Mit  20 
t^nt  tout)elte  bie  beutfd^^e  SJbftit  m  ©c^tveben  ein,  bet  93itgitta  tvutbe  bie^a^n  beteitet. 
auf  jebem  ©ebiete  ttat  bie  litc^Iid^e  ^ebung  untet  bem  ©d^u^  bet  Äönig^mad^t  ^ett)ot. 
2>te  «itd^e  ettoie«  fw^  nic^t  atö  unbanibat ;  auf  manche  SBeife  fuc^te  fte  bie  Äönig^mad^t 
bc«  ÜJlagnug  ju  untetftü^en  unb  ju  etft)eitctn  unb  bie  })oIitifc^e  ©in^eit  be^  Sanbe«  ju 
bcfeftigen  (j.  S3.  ©^nobe  ^u  3:elie  1279,  SehjiHigung  einet  ®jttafteuet  t)on  betÄitd^e);  bie  26 
tDid^tige  Umbilbung  beg  ©taatdiebend,  ^i^  Jf^t  ftattfanb,  lonnte  ))taltif(^e  Sßei^l^eit  ))on 
bet  Äitd^e  ^olen.  ^jcbod^  ^ttc  fic^  i^te  SKad^tfteHun^  in  bet  Sßeife  enttüidEelt,  ba^  fie 
nic^t  lange  mit  ben  toitllid^en  ©taat^inteteffen  ^atmonieten  lonnte.  3^t  Sluffc^toung  ttug 
Den  Äeim  be«  Äonflift«  in  fic^.  —  3lnn  abet  toat  bie  fat^olifc^e  Äitd^e  in  ©c^toeben  bocp 
nid^t  }u  betfelben  ^ad^t  gelangt  ifüie  in  ben  9{ad^batlänbetn.  ©ie  langfame  @nttt)id(e*  so 
Iiing  be«  Sanbe«  ^atte  ein  jäl^ete«  geftl^alten  an  bet  alten  getmanifc^en  SRec^t^anfd^auung 
cnnöglic^t;  fte  be^ettfd^te  tto^  be«  Dtängen«  bet  Äitd^e  auf  Äenfc^aft  be«  lanonifd^en 
BVec^t«  ba«  Solföbehju^tfein.  ^n  hjid^tigen  ^Ji^agen  mu^te  bie  llitd^e  fogat  untet  Äönig 
3Kagnu«  nad^geben,  fo  ^.  33.  betteff«  be«  lange  betlangten  lanonifc^en  ieftament«ted^t«; 
bamit  toutbe  bet  öfonomifd^en  SKad^tetttjeitetung  bet  Äitc^e  eine  beftimmte  ®tenje  gefefet.  86 
Unb  ba«  fc^tuebifd^e  SSoI!  tuu^te  bot  aQem  fein  alte«  ©elbftbeftimmung«te(^t  bette^« 
bet  Sefe|ung  bet  niebeten  geiftlic^cn  Slmtet  in  einet  ® eife  ui  bt^av^Un  unb  m  betoa^ten, 
We  in  bet  ©efc^id^te  bet  Äitc^e  giemlid^  aUeinftel^enb  ift.  5)et  ipolitifc^e  Sluffc^toung  be« 
Banbe«  tief  au^  getabe  gu  biefet  ^tit  eine  gtofeattige  ^Itbeit  an  bet  S^ftf^l^ng  be« 
f(^n>ebifd^en  Siecht«  ^etbot,  toeld^e  um  1300  im  6tlafe  bet  fc^toebifc^en  Sanbf^aft«*  40 
gefe^e  i^te  telatibe  SSoIIenbung  eneid^te  (bot  aßen  ba«  Up))lanb«gefe^  b.  1298).  3"  ^^^ 
nrid^enrec^tlid^en  93eftimmungen  tommt  bet  Jtom))tomig  mit  bem  tanonifc^en  Siecht  )um 
SSorfc^ein;  im  gtofeen  unb  ganjen  toutbe  ba«  ©etmanifc^e  be«  ©tunbd^ataltet«  unb 
ber  änfc^auung  ©c^toeben«  auf  immet  betoa^tt.  6«  toaten  bie«  bie  gefd^ic^tlic^en  SSot* 
fltbciten  bet  SRefotmation.  *  46 

©0  ettoeift  ftd^  auf  jebem  (Sebiete  bie  ßeit  um  1300  al«  ba«  ®nbe  einet  gto^en 
^iobe  bet  ©efd^ic^te  bet  fc^toebifc^en  Äirc^e.  2)ie  innete  Dtganifation  toie  bie  äufeete 
3Rad)t^pi)äxt  toaxm  m  einem  telatitjen  Slbfd^Iu^  gelangt.  2)a«  au«länbifd^e  3Rönc^toefen 
^tte  feinen  ^ö^ejjunlt  etteid^t  (mit  bem  14.  ^ai)x1).  b^^ann  bet  öfonomifd^e  3SerfaE  bet  älteten 
Drben,  befonbet«  bet  bet  ?^tanji«fanet,  teiltoeife  butd^  ben  ®ingang,  ben  ba«  (Selb  an^  60 
jtatt  bet  5RatutaIien  in  bie  SQäittfc^aft  fanb).  6«  ift  fein  S^^^^f  ^^fe  ^^  If^*^  Äteujjug 
in  biefe  Mt  föDt;  et  toutbe  nad^  bem  a:obe  TOagnu«'  (1290)  bon  SE^tgil«  Änut«fon, 
bem  ■Keiq«bettoefet  toä^tenb  bet  Süinbetjä^rigleit  be«  Sönig«  Sirget,  geleitet,  unb  ^atte 
atö  Rolge  bie  Sefel^tung  bon  Äatelen  unb  ben  Slnfang  be«  langtoietigen  Äam})fe«  mit 
Hufelanb.  ^nx  bolfötümlic^en  ©nttoicfelung  ber  fc^hjebifd^en  Äitd^e  blieb  nut  noc^  übrig,  56 
bie  ungünftige  Stb^ängigleit  bom  Primat  in  Sunb  ju  befeitigen.  äud^  bie«  l^eifeetfef^nte 
3iel  toutbe  mit  (Snbe  be«  13.  Sabrf^unbert«  etteic^t,  al«  e«  bem  gtjbifc^of  9lil«  3me«fon 
(1295—1305)  gelang,  betn  lH)faIaftul^l  bom  ^aj)ft  felbft  ba«  ^aDium  ju  betfd^affen; 
bamtt  toutbe  ©c^toeben  bon  aßet  Slb^ängigfeit  bon  Sunb  befteit.  5Jeue  Sefttebungen, 
ncn^  ^tobleme  ttaten  in  ben  SSotbetgtunb.  eo 


24  Sf^toebcit 

3.  ®ie  9Kacl^tj)crtobe  ber  Äird^c  1305—1448.  35a«  Steid^döcrtoeferamt  bc« 
„^at^Un"  3:vr0il«  tourbe  eine  merttoürbiae  ß^ifobe  bcr  ©efd^ic^te  bcr  fc^toeb.  Äird^e.  ßr 
vertritt  in  ©d^toebcn  ben  änfang  bcr  ftaatiic^cn  Slealtion  gegen  ba«  lird^Iic^e  Übergetoic^t, 
bie  ju  ber  3^^  über  (Europa  ftd^  Verbreitete  unb  in  ^^ilij)})  bem  Schönen  iJ^en  boßen- 

6  beten  9le})räfentanten  erhielt.  i)ie  SReftriltionen  gegen  bie  Steuerfreiheit  ber  Jtird^e  tourben 
öerfd^ärft;  fogar  Äird^engüter  tourben  eingebogen  unb  bie  ©teuem  ber  S3auern  an  bie 
jlird^e  h)urben  nad^gelaffen.  ^ierburd^  tvurben  aber  bie  lird^lic^en  Prälaten  jum  äSiber^ 
ftanb  getrieben;  unb  ©d^toeben  ^tte  gerabe  bamafö  leinen  häftigen  Äönig,  auf  ben  e« 
ftc^  t)erlaf{en  fonnte.  2)er  je^t  großjährige  S3irger  toar  in  jeber  ^infid^t  untoürbig.    Um 

10  ©^u$  gegen  feine  e^raeijigen  S3rüber  ju  erhalten,  mußte  er  t)or  ben  toeltlic^en  unb  geift« 
liefen  Ferren  be«  9leid9e«  Ia))itulieren.  3"  ©trengnäd  1305  fanb  bie  große  Serabrebung 
ftatt,  ber  jufolge  mit  ber  Äird^ent)oIitiI,  ber  man  bi«  je^t  gefolgt  toar,  gebrochen,  bie5Kac^t 
ber  Äirc^e  toieber  l^ergefteHt  tourbe,  unb  bie  5ßrälaten  fi(|  mit  ben  toeltlic^en  $enen  bc« 
Sleid^e«  gegen  bie  gorberungen  ber  Äönig^mad^t  toerbünbeten.  $ier  liegt  bie  äußere  Um* 

16  toäljung;  bie  3^^  be«  ariftolratifc^^feubalen  §errenregiment«  begann,  bie  ^ntereffen  ber 
^ierardpie  harmonierten  nid^t  me^r  mit  benen  ber  Äönig^mac^t.  2)ie  Jläm})fe  jtoifc^en 
Sirger  unb  feinen  Srübem  enbeten  mit  einer  öoUftänbigen  Sleöolution,  bie  1319  ben  brei* 
jährigen  3Wagnud,  ben©o^n  be«$erjog«6rif,  auf  ben  a::i^ron  fe^te.  S)ie  Slegierung  tourbe 
t)on  geiftlic^en  unb  toeltlid^en  Ferren  gefül^,  bod^  nid^t  ju  ^ommen  be«  9iei(^«.  311«  fd^Iieß- 

20  lic^  bie  t)on^5nia^lRagnu«  erl^obenen  ^orberungen  ju  läfttg  tourben,  unb  er  mit  bem  neuen 
©ebanlen  eine«  9tei(^«tag«  bro^te,  tourbe  er  be«  3:i^one«  entfe^t  unb  ein  Slu«Iänber,  Sllbred^t 
t)on  SKedEIenburg,  tourbe  Äönig.  ©eine  öf onomifc^en  S3ebürfniffe  gerieten  mit  ber  Äirc^e  in 
Äonflift ;  er  berlor  i^en  S3eiftanb  unb  bann  au(^  ben  S^ron.  2)a«  ^errenregiment  tourbe 
bann  burc^  bie  fog.  Äalmarunion  1389  noc^  mel^  befeftigt.  3Q3enn  bie  Seiter  ber  Äirc^e 

26  ftd^  alfo  teitoeife  t)on  ben  rein  nationalen  3"terejfen  entfernten,  bürfen  toir  anbererfeit« 
nid^t  üergeffen,  baß  bie  ^Kac^tenttoidEelung  berÄircpe  i^r  jum3MitteI  ju  einer  großartigen, 
fegen^reid^en  Sl^ätigleit  nad^  innen  tourbe.  6«  mangelte  Ieine«h)eg«  an  religio«  tl^ötigen 
Prälaten.  ®ie  einzigen  S3ifd^of«^eiligen  ©d^toeben«  finb  an^  biefer  S^U  Sr^niulf,  einer 
bon  ben,  f otoo^l  in  })olitif(^er  al«  lird^lid^er  ^infic^t^  ^ert)orragenbften  3Jlännem  be«  be^ 

aoginnenben  3^'*^'^^"^^^^'  ^emming,  33ifd^of  üon  Abo,  geft.  1357,  eifriger  3Kiffu>nar  in 
ben  ®renj})rot)injen  ginnlanb«,  unb  TOIolau«  ^ermanni,  S3ifc^of  üon  2in!öJ)ing,  geft.  1391, 
ber  ©c^üler  unb  ^etounberer  t)on  Sirgitta.  2)iefe  breitourben  üon  Sllejanber  VI.  1499  felig 
gef})ro(^en.  2)er  l^erljorragenbfte  fc^toebifd^e  3;f^eologe  be«  5Wittelalter«,  3Kagifter  9Jlatt^ia«  in 
Sinlöj)ing,  h)ar  mit  ßrfolg  al«  ©c^olaftifer,  bod^  mit  reformatorifc^en  ienbengen,  t^ätig^;  t)on 

36  il^m  l^aben  toir  ben  erften  3Serfud^  einer  Sibelüberfe^ung  (2lrt.  Sibelüberfefeungen  2Öb  III 
®.  147 f.);  er  tourbe  Birgitten«  Seid^tbater.  ®ie  93eifj)iele  lönnten  berDielfältigt  toerben^ 
©id^er  ift  biefe  $eriobe  bie  am  meiften  fultitjierenbe  im  Seben  be«  fc^toebifd^en  Sollet 
getoefen;    ba  brac^  bie  Sletigiofität  im  großen  bie  alte  SRo^eit  unb  tourbe  eine  bie  ^ßer^ 
fönlic^feit  tjerebelnbe  59lad^t;  bie  5ßriefter  unb  3Jlönd^e  fingen  an,  auf  ©d^toebifd^  ju  pxt= 

40  bigen   unb   umfaffenbe  ©eelforge  au«juüben ;    bie  reicbe  Äultur  be«  ^Mittelalter«  tourbi« 
in  ©d^toebcn  fo  feft  ge^flanjt,  baß  fie  burd^  bie  folgenben  ©türme  fortbestehen  lonnte 
eine  großartige  SBo^lt^ätigfeit  Verbreitete  fic^  unter  bem  ©c^u^   ber  Äirc^e   über  fianlK 
unb  ©tabt  (bie  $eiligengeift^äufer  unb  bie  $of})itäler  fangen  im  14.  3i<^^.r^""^^  ön> 
bie  ©c^ä^e  be«  SBiffen«  tourben  im  l^o^en  5Jorben  jugängli^.   3Ran  tjergleid^e  ben  l^o^e-»" 

45  ©tanbj)unft  ber  Stird^e  in  ©c^tocben  im  14.  ^ja^rf^unbert  mit  bem  Serfatl  ber  Äirc^e  irwn 
Slbcnblanb.    '^n  ©4>hjeben   hjaren  nod^   feine  ©puren   ber  ©rmattung  ju  fe^en.    6ir«€ 
3citgeuoffm  Don  äöicliff,  ^ßetrarta  unb  Soccaccio  toar  bie  ©c^toebin  Sirgitta  (geft.  137^). 
211«  3<^"0^"  ^^  Slüte^cit  ber  fc^toebifd^en  Äird^e  toirfen  fte  unb  i^r  Drben;    in  bein^ 
fclben  finb  faft  alle  3*^^i0^  fir4>lid^er  il^ätigfeit  bereinigt.    ^e«l^alb  toirb  für  bie  fc^toe? 

50  bifd^e  Äirc^engcfd^ic^te  biefer  3eit  nur  auf  ben  2lrt.  Sirgitta  Sb  III  ©.  239  ff.  ^in- 
gehJiefen  (biel  5Reuere«  unb  SBid^tige«  giebt  2:.  ^öjer:  Birgittinerordens  historifl 
tili.  o.  1450,  Vip\ala  1905,  unb  §.  §ilbebranb,  Heliga  Birgitta,  in  ben  Slb^anbl.  ber 
©c^tDcb.  aifabcmie  1906). 

2)a«  $aj)fttum  ^u  3(t)ignon  ^atte    in  bie  innem  Angelegenheiten  ber  fd^toebifd^en 

55  .ftirc^c  nid)t  fel;r  eingegriffen ;  ba«  .^ntereffe  be«felben  umfaßte  l^aulptfäc^lic^  ba«  ©injal^len 
getoiffer  ©teuem.  I)ann  unb  h?ann  famen  Sifd^öfe  biircb  ^^äpftlid^e  ^rotjifton,  o^ne  bie 
3yal?l  bcr  Hapitel,  auf  il^re  ©teilen;  boc^  finb  bie«  nur  5luönal)men.  3Jlit  bem  Snfang 
bc«  15.  Q^^i^^wnbert«  fing  man  an,  in  ©d^toeben  ben  35crfall  bc«  ^o^jfttum«  ftärler  ju 
cmpfinben.    35ie  )Hegenten  be«  Sanbe«  tool^ntcn  in  Däncmarf  (93Jargaretba  unb  nac^  i|r 

60  (Sricfi  Don  ^^omnicrn) ;    i^r  Qntcrcfjc  l;arnionicrte  mit  bem  bc«  ^aj)fte«   fe^r  oft  in  ber 


Sf^toeben  25 

^infiAt,  ba|  olle  beibe  bie  Äirc^e  })Iünbetn  tpotttcn.  ©otool^I  ber  5ßa})ft  ate  Der  Äöntß 
berfudjte  toicber^olt  ben  (Srjftu^I  bon  Vip^ala  ben  fiaj)itetoa^Icn  juhjiber  ju  befc^cn; 
b€r  am  mciften  Verrufene  unter  ibten  SSerorbneten  toar  ber  lieberlid^e  ®äne  3^"^ 
gericrdfon  1408,  ber  nad)  einigen  3ial^ren  (1419)  ©c^toeben  berlafjen  mu^te  (er  hjurbe 
fjjäter  ätfd&of  auf  S^Ianb  unb  bort  üon  ben  SBauem  in  einem  Bad  erfäuft  1433).  ^od)  5 
gelang  e«  fc^Hefelic^  bem  RcapiUl  fein  SRed^t  ju  toa^ren;  btefe  ©treitig!eiten  Ratten  aU 
gfolge  eine  ännäJ^erung  feiten«  ber  Ährc^e  an  bie  allgemeinen  SReformbeftrebungen  unb 
an  bie  toac^fenbe,  nationale  Se^nfuc^t  nac^  einem  toieber  unabhängigen  ©d^toeben.  ^m 
^5a))flf(^i«ma  l)atiz  ©d^toeben  ftc^  an  ■Wom  angefc^loffen,  feine  Äird^e  aber  nal^m  mit 
einem  getoiffen  ®influfe  an  ben  reformatorifdpen  Äonjilien  teil  unb  erlannte  biefe  lo 
ate  äutoritäten  über  ben  5Pa})ft  an.  SReformatorifd^e  3Serfammlungen  tourben  auc^ 
in  ©(^toeben  (j.  33.  in  ärboga  1417,  h)o  man  auc^  über  bie  Seainen  in  ©d^toeben 
öerl^anbelte)  gehalten,  unb  ba«  5ßrebigen  auf  ©c^toebifd^  lam  noc^  öfter  bor.  SSiele 
Äirc^en  tourben  gebaut.  3;n  f^innlanb  toar  »ifc^of  Skibaft  faft  40  Sal^e  aU  2l})oftel 
be«  Sanbe«  in  nationalem  Seifte  tl^ätig  (bi«  1450).  2)er  Sirgittenorben  fe|te  feine  i6 
fegenöreic^e  3:^ätigleit  in  nationalem  ®eifte  fort,  alte  ber  grofee  greibeit«Iamj)f  1434 
mit  bem  Sauemaufftanb  unter  bem  Solfö^elben  ©ngelbred^t  anfing,  erhielt  biefe  Se« 
toegung  einen  SSertcibiger  auf  bem  Safeler  Äonjil  in  bem  ^erborragenben  fd^toebifd^en 
9lej)räfentanten  bort,  3lite  SRagnoalböfon,  toa«  ©d^toeben  toefentlic^  ju  9iuften  fam.  Säte 
ber  (Sr^ftu^l  lebig  tourbe,  toäl^lte  man  9?ite  jum  ®r^bifc^of  1438.  Sluf  bem  S3afeler3o 
Äonjil  tourbe  biefe  SBai^l  beftätigt;  10  ^af}x^  lang  leitete  er  mit  aui8gej|eid^neter  2Bei«s 
})fvt  unb  fjrömmigleit  bie  Äirc^e  ©c^tueben«  burc^  bie  j)olitifc^en  S3ranbungen.  Sine  ^ro« 
binjialf^nobe  in  ©öberlö})ing  1441  fuc^te  burd^  mehrere  SBefc^lüffe  bie  Verbreitung  eine« 
eckten  ß^ftentum«  unter  ben  niebrigften  SSolföflaffen  ju  förbem,  ebenfo  toollte  man  eine 
felbftftänbige,  fc^toebifc^e  S3ilbung«anftalt  grünben  (bie  Uniberfität  gu  Vip^ala  tourbe  bod^  20 
erft  1477  gegrünbet).  5Rite  toar  ber  le^te  gro|e  3Mann  ber  latl^olifd^en  Äird^e  in 
©c^toeben. 

4.  ©ie^ierarc^ie  unb  bie  Slationalitätebeftrebungen  1448— 1520.  9Kit 
bem  ©ieg  be«  $aj)fttum«  über  bie  9lef ormfomilien  brac^  eine  neue  $eriobe  in  ber  ©efd^ic^te 
ber  gonjen  latl^olifd^en  Äird^e  an.  9lun  lam  unter  ßamp\  mit  einer  beftimmt  mittet  so 
alterlid^en,  toenn  auc^  burc^  SRenaiffancebilbung  im  Sturem  mobemifterten  ^ierarc^ie  bie 
®eburt«ftunbe  ber  mobemen  ©taat^ibeen.  3^^  ©d^toeben  bejeid^net  1448  bie  (Srenge. 
3n  biefem  ^afyc  tourbe  burd^  bie  SDäal^l  t)on  «arl  II.  Änutfon  jum  Äönig  bie  Union  ge« 
brod^en;  ein  ein^eimifc^e«  Königtum,  ba«  ben  nationalen  gntereffen  biente,  erl^ob  fw^. 
Slnbererfeit«  berfd^ieb  in  bemfelben  3ia^r  Srjbifc^of  9?ite ;  fein  SRad^folger  tourbe  ^ön«  86 
9engt«fon  Djenftiema,  ber  t^})if(^e  Vertreter  be«  ^errfc^füd^tigen  Äird^entum«,  ba«  in  einer 
ftorlen  Äönig«mad^t  bie  größte  (Sefa^r  für  bie  Äirc^e  fa^.  Äönig  Äarte  Unterfuc^ung 
über  ben  unrec^tmä^i^en  Seft^  ber  Äirt^e  (1454)  reifte  aÜe  Prälaten.  Unter  ber  tjül^rung 
t)on  3ön«  trat  bie  ^lerarc^ie  auf  bie  bänifc^-unioneDe  ©eite,  ober  richtiger,  fie  üerbanb 
fi(^  mit  ber  feubalen  ^ermmad^t  in  beren  Äam))fe  mit  ber  ©taat^ma^t ;  ber  SSerfuc^  40 
be«  6rjbifd^of«,  alle  fird^lic^e  unb  })olitifc^e  3Ka(|t  fd^Iiefelic^  in  feinen  ^änben  ju  ber* 
einigen,  enbete  mit  feinem  ©turj  unb  3:ob  auf  ber  Sanbeöfluc^t  1467.  2)ie  SRa^folger 
bon  3ön«9engt«fon  gingen  in  feinen  ^feftajjfen;  9i<»f ob  Ulfgfon  (1470— 1514)  (reid^  be* 
gabt,  aber  ^errfc^füd^tig,  ber  eigentliche  SSegrünber  ber  Unitjerfitöt  ju  Ui)fala)  mit 
ein  loenig  äußerer  3J{äfeigung,  unb  unter  nü^lic^er  innerlirc^lic^er  3(rbeit  (bie  Sifd^of««  45 
fj^nobe  in  ärboga  1474,  too  toic^tige  SSerbefferungen  befc^loffen  tourben);  9?ite  trotte 
(t)on  1514  ab)  mit  einer  ^Brutalität,  toelc^e  bie  fd^liefelid^e  Äataftro})^e  brachte.  3)ie 
meifien  ©uffraganbifc^öfe,  aud^  bie  in  anberer  ^infic^t  am  eifrigften  toaren,  ®ute« 
)u  tl^un,  toie^enricu^iibemanni  in  £inlö))ing  (geft.  1500)  unb  ÄortSRogge  in  ©trengnä« 
(geft.  1501),  tourben  bon  berfelben  l^ierarc^ifc^en  ^olitif  bef^^t.  Die  SRei^dtjertoefer  ©ture  so 
mußten  fi(^  getoö^nen,  in  ben  Prälaten  bie  gegebenen  ©egner  ber  nationalen  ^Befreiung 
unb  ber  5Reuorganifation  be«  Sanbe«  ju  feigen.  ®ine  9lu«nal^me  bilbet  ber  merltüürbige 
Dr.  §eming  ®ab,  gum  SBifc^of  in  2inlö})ing  1501  getoä^lt,  einer  ber  toenigen  Vertreter 
be«  §umani«mu«  in  ©d^toeben,  Äricger  unb  2)ic^ter  gugleid^,  )oon  toarmer  Vaterlanb«^ 
liebe  befeelt.  6r  toar  bie  befte  ©tü^e  tjon  ©baute  ©ture.  ©eine  SBa^l  tüurbe  jebod^  66 
nie  öom  ^})ft  beftätigt,  er  tourbe  mit  bem  Vanne  belegt  unb  muftte  1512  bem  ^an^ 
9ra«I,  bem  leisten  bebeutenben  Äirc^enfürftcn  tjon  ©d^h?eben,  toeid^en.  3lad^  tjicl  ©c^toanfen 
l^in  unb  ^er  trat  S3ra«f  auf  bie  ©eitc  ber  ^ierar^ifd^en  3;ntereffcn.  I)er  nicbcre 
Äleru«  bagegen  jeigte  oft  eine  ungemifc^te  Vaterlanb^liebe,  bie  auf  eine  l^eßerc  3wlunft 
beutete;  fo  g.  S3.  ®ricu«Dlai,  geft.  1486,   ber  gele^rtefte  5Wann  ber  neuen  Unit)erfität.  eo 


26  Sd^toeben 

3Son  ben   legten  eretgniffen   unb  bcm  ßnbc  be«  9BittcIaIter^  f.  Sri.  arcimbolbi  9b  I 
©.  793  ff. 

gn  bcm  langen  unb  gctoaltfamcn  fiam})f  bcr  nationalen  ©ammlung^orbeit  gegen 
ben   ^unb    ariftofratifc^en  ^eubali^mud   unb    unioneQer  ^olitit  ^atte   bie    fc^h^ebifc^e 

6  ^ierard^ie  bie  fd^hjebifd^en  Sauem  im  (Stid^e  gelaffen.  2)amit  hjurbe  bie  innere  ^Rac^t 
ber  latl^olifc^en  Äird^e  in  ©c^toeben  gebrochen.  §ier  liegt  bie  eigentlid^e  Sebeutung  ber 
©efd^ic^te  biefer  ^^it.  SSon  ben  ijorreformatorifci^en  Sehjegungen  auf  bem  ©ebiete  be« 
religiöfen  geben«  fmb  toenige  ober  leine  ©puren  ju  fe^en.  Der  religiöfe  SSerfall  machte 
ftc^  nie  in  ©d^toeben  in   einer  fühlbaren  Sffieife  geltenb.    ^m  3Mön4«hjefen  tourbe   ein 

10  getoiffer  Slüigang  bemerfbar,  man  forberte  ^Reformen;  ba«  gefc^al^  nidpt  ohne  ©intoirfung 
ber  großen  SBinbed^eimer  SReform,  bie  aud^  eine  Steige  neuer  filöfter  ^ert)orbrad^te. 
(3(m  (Snbe  be«  3MitteIaIter«  gab  e«  im  l^eutigen  ©^toeben  [nebft  ginnlanb]  toenigften« 
21  grangi^faner^,  16  2)ominiIaner-  unb  15  ßiftercienferflöfter  k.).  ^m  großen  unb 
ganjen  aber  befriebigte  bie  Äird^e  bie   religiöfen  S3ebürfniffe.     Slic^t   einmal   bie  W)- 

16  lafereife  2lrcimbolbi«  in  ©ci^toeben  1518  ertoedfte  bort  eine  fic^tbare  Sntrüftung.  Der 
^umani^mu«  tourbe  aud^  bort  nie  jur  Äulturmac^t;  feine  einzigen  bebeutenben  dttpxa- 
fentanten  toaren  ®ab  unb  Slogge.  Da«  ?DlitteIalter  enbete  be«^alb  in  ©d^toeben  j^u- 
näd^ft  in  einer  getoaltfamen,  })olitifd^en  Ärifi«,  in  toeld^er  ba«  Sanb  unb  bie  Btaai^ 
mad^t  t)om  ®runbe  toieber  aufgebaut  tourben.     hieran   fc^lofe  ftd^  bie  fird^lic^e  9le= 

20  formation. 

Die  neuere  ßeit. 

1.  Die  Oeburt«-  unb  Äamj)f})eriobe  ber  9leformation  1520—1611. 
3m  3a^re  1520  begann  Olau«  $etri,  ber  grofee  SReformator  ©c^toeben«,  feine  3:^ätigs 
feit  al«  Diaion  am  Dom   ju  ©trengnä«.     6r   toar   1493   geboren,    toar  im  ^erbft 

26  1516  an  ber  SBittenberger  Uniberfität  immatrifuliert  toorben,  unb  l^atte  mel^r  aU 
gtoei  ^af)xt  ben  Unterricht  Sut^er«  genoffen,  ©eine  ®emüt«art  toar  eine  anberc  afe 
biejenige  Sutl^er«:  er  toar  ein  3Jlann  be«  ^rieben«,  nid^t  be«  Äam})fe«,  o^ne  Sut^er« 
^eiteren  §umor;  aber  in  unerfc^ütterlid^er  Überxeugung«treue,  üolfötümlid^er  Sereb^ 
famleit,  J)'äbagogifd^er  ©enialität   unb   ejflufitjer  Sfleligiojität  ftanb  er  toürbig   an   ber 

30  ©eite  be«  3)leifter«.  3"  ©trengnä«  gewann  er  für  feine  2luffaf[ung  ben  alten  6rjs 
biafon  Saurentiu«  Slnbreä,  ben  großen  Äirc^enj)olitifer  ber  fd^toebifc^en  Sieformation. 
Diefer  mad^te  ®uftat)  SQäafa  mit  ben  neuen  ^'ttm  befannt,  hjurbe  auc^  Äanjler  unb 
Slatgeber  be«  Äönig«  (tjgt.  Ä.  ^Rütter,  Äird^engefc^id^te  II,  ©.  483  ff.)  —  Die  Union«= 
unb  5eubal})olitif  erntete  i^re  blutige  grud^t  im   „Slutbab  ju  ©todE^olm"   1520,   ate 

86  ba«  ganje  Sanb  einen  SluaenblidE  jertreten  unb  Verloren  fc^ien.  3lber  bie  33aucm 
bon  Dalelarlien  erhoben  fic^  unter  ber  ^ül^rung  tjon  ®uftat)  SBafa  xum  Äam})fe  für 
bie  nationale  greil^eit.  Die  unl^eimlid^e  %i)at  ß^riftian«  II.  I^atte  bie  $äu^)ter  ber 
alten  ^6t  gefällt,  unter  il^nen  bie  meiften  Sif^öfe;  nur  jtoei  S3ifrf)of«ftü^le  toaren  1522 
befe^t.  Der  3Solföaufftanb  ftegte  unb  fc^lofe  mit  ber  ßmc^tung  bee  nationalen  Äönig« 
'  40  tum«  (in  ©trengnä«  1523).  Damit  toar  ber  ß^araftcr  be«  Äönig«  al«  Solföfönig  mit 
einer  rein  J)erfönlic^en  ^Regierung  gegeben,  auf  jebem  ®ebiete  ftanb  inbefjen  bie  SRom 
gel^orc^enbe,  einen  ©taat  im  ©taate  bilbenbe  Äird^e  al«   ein  §inberni«  bem  Äönig  ent* 

Segen.  23or  allem  galt  bie«  auf  bem  öfonomif d;en  ®ebicte :  ©c^toeben  toar  nac^  ber  langen 
Erife  ein  tjerarmte«,  toel^rlofe«  Sanb,   toenn  e«  fid^  nidpt  bie  JReic^tümcr  ber  Äird^e  unb 

46  ber  Älöfter  Derfd^affen  fonnte.  SRit  genialem  Slicf  erlannte  ber  Äönig  fogleic^  bie  SSer* 
toenbbarleit  „ber  neuen  Se^re"  für  eine  t)olf«tümlic^e  nationale  SBicbergeburt  auf  germa^ 
nifc^em  ®runb  unb  S3oben.  Der  ®runbfa^  feine«  6mcuerung«h?erf«  trar  eine  ^Bereinigung 
be«  ganzen  SJolf«  unter  gemeinfamer  35er))flic^tung  ju  bem,  toa«  für  bie  Slettung  unb 
SSerteibigung  be«  $}aterlanbe«  nötig  toar  unb  unter  gemeinfamer  3SeranthJortlid^Ieit  für  bie 

60  Durd^füf|>rung  ber  nötigen  3Rafercgeln  unb  für  bie  folgen  berfelben.  Diefe  Swfammen« 
gel^örigfeit  toar  nur  in  ber  ijeranttDortlid^en  ^erfon  be«  Äönig«  l)erh?irfli(^t ;  an  feinem 
3:^un  batte  ba«  ganje  ^oll  teil,  unb  h)ar  be«^alb  aud^  if;m  Derjjflid^tet,  fo  lange  er 
bie  33ertcibigung  unb  ba«  ®lüd  be«  Sanbe«  beförberte.  Die  religiöfe  Seite  be«  SSolfe 
leben«  machte  leine  2lu«na]S^me;    aud^   ^ier  mufete  ber  Äönig  J)erfönlic^   bie  ganje  Um- 

66  lüäljung  leiten,  fotreit  fie  innerhalb  ber  ©J3bärc  bc«  ©taat«intercffc«  lag.  ©uftat)  SBafa 
l}ai  axiä)  bie  ®eife  für  bie  ßinfül^rung  ber  ^Reformation  beftimmt.  Die«  ;\eigte  ftc^  fd^on 
auf  bem  entfd^eibcnben  5Reicb«ta0e,  ben  er  mit  fluger  lJRüdfid;t  auf  bie  großen  euroj)äifc^en 
23ertoicflungen  im  '^a\:}xz  1527  nac^  9Befterä«  berief.  3Rit  §iife  bc«  aibcl«  unb  bc«  Ärieg«t)olf« 
erj^toang  er  Jjcrf önli^  beniRci^«tag«bcfd^lufe(„Vesteräs  recess",  au«fül^rlic^cr  betaiUiert  in 

60  „ VesterSis  ordinantia").  Daburd^  tourbe  bie  Äird^e  Don  5Rom  unb  bcm  fanonifc^en  Siecht 


lo^crifjen,  i^r  Sefi|  (nic^t  bic  ^Pfangüter)  tourbe  jur  S)i^ofition  ber  lönigUd^cn  ÜKadbt 
öcfieflt,  unb  ber  äbel  tourbe  an  bic  neue  Drbnung  burd^  ©üterertoerbung  t)on  ber  Äirdpe 
öefeffelt.  Setreff^  ber  SReligion  hjurbe  nur  befd^Ioffen,  ba^  „®ottt^  SEBort  rein  unb  flar 
ae^rebigt  toerben  foHe",  b.  |.  formell  tourbe  nur  für  ben  ^roteftanti^mu«  bie  Sleligiond« 
frei^ett  etngefül^rt.  ®in  Sebürfni^  be^  Solfö  nai)  einer  religiöfen  SSeränberung  tourbe  6 
nid^t  laut.  216er  in  ber  %})at  mu^te  ber  ^J^oteftantiemu«  ber  felbftoerftänblid^e  3lai)' 
folger  ber  t)emici^teten  Stomltrc^e  tperben.  ^ie  Steid^^tagdbefc^lüffe  tvurben  t)on  aüm 
©tänben,  „einer  für  aße  unb  alle  für  einen"  unterfc^rieben.  2[uf  bie  SBeife  behielt  fid^ 
ber  nationale  Solföftaat  ba«  Siecht  )dox,  burd^  feinen  Äönig  auc^  bie  ®nttoidelung  ber 
Äird^e  ju  übertoac^en.  —  S)ie  ^Reformation  in  2)eutf(^Ianb  trug  in  i^rem  ©d^o^  t^eo«  lo 
hratijd^e  ^been.  ^urc^  Olau^  $etri  tourben  biefelben  aud^  in  bie  fd^toebifd^e  ^ird^e  ein« 
gefü^.  6r  f^attc  boc^  noc^  im  (Srunbe  tjiele  fd^toebifd^sgermanifc^e  ©runbanfc^auungen, 
ban!  bem  gä^en  Setoa^ren  berfelben  auc^  in  ber  Äirc^e  be«  3MitteIaIter^;  be^l^alb  lonnte 
feine  %f)at  mit  ber  be«  23oIföfönig«  harmonieren,  unb  bie  ©elbftt^ätigleit  ber  Äird^e  ba« 
huxd)  aud^  unter  ber  Seitung  be^  le^teren  aufrecht  erl^alten  toeroen.  ©o  erhielt  bie  erfte  iß 
3eit  ber  Sieformation  in  ©d^toeben  i^r  eigentümlid^e«  ®e))räge:  eine  ©in^eit  t)on  t^eo» 
rratifd^en  unb  })oIitifd^en,  öoßgtümlic^en  unb  religiöfen  3)lomenten.  2)ie  fc^toebifc^e  Äirc^e 
b>ar  toeber  aU  fäd^ftfd^e^  ,,£utl^ertum'',  nod^  aU  englifc^er  @äfaro^a))i^mu^,  nod^  aU 
f(^toeijerifd^e  S)emofratie,  no^  afö  ®enfer  3:i^eofratie   einjuorbnen. 

2)ie  innere  Sleformationgarbeit  auf  bem  SBege  ber  Üoerjeugung  ging  langfam,  t)on  ao 
ber  833ei«f;eit  unb  Älug^eit  be«  Olau«  5ßetri  geleitet,  toeiter.  ©c^on  im  3al^e  1524  toar 
er  nad^  bem  ßentrum  be^  Sleic^^  ate  ©tabtfehetär  unb  ^rebiger  in  ©todt^olm  berfe^t 
iDorben,  unb  gab  1526  eine  Bearbeitung  tjon  Sut^er^  Setbüc^Iein  perau«,  bie  erfte  reforma« 
torifd^e  ©c^rift  ©c^toeben«.  ^m  felbenga^t  fd^enfte  er  bem  S3oIIe  ba^  5Reue  3:eftament  in 
fd^toebifd^erUeberfefeung,  einSuc^,  ba^  für  bie  ©})rad^e  unb  Äultur  ©d^tocben^  bon  äbns26 
lieber  Sebeutung  ift,  toie  bie  Sibelüberfe^ung  Sutl^er^  für  S)eutf(^Ianb.  ^n  bemfelben 
Sai^f  gab  er  u.  a.  ba«  erfte  Äirc^enlieberbuc^  (lOÄird^enlieber).  (gür  bie  ©efc^ic^te  ber 
Sibelüberfe^ung,  bei^  Äatec^i^mu«  unb  be^  Äirc^enliebe^  in  ©c^toeben  f.  bie  betr.  SCrt. 
Sb  III  ©.  147 ff.;  »b  X  ©.  156  unb  ©.  441  ff.  Dlau^  5ßetri  ift  ber  Überfe^er  be« 
913:^.)  2)a«  ^al)x  1527—28  h?ar  DIau«'  grofee«  SSerfafferjal^r,  in  bem  er  in  borjüglic^en,  ao 
einfach  öolfötümlic^  gebaltenen  ©c^riften  bie  meiften  religiöfen  ^orberungen  ber  Sieformation 
be^anbelte.  ®d  mangelte  bem  Jtat^olici^mu^  an  )h)edbetou^ten  SSerteibigern.  3(uf  biefer 
©eite  toar  $an$  93ra^t  ber  einzige  SJlann  t)on  93ebeutung,  unb  er  enttoidelte  aud^ 
toon  änfang  an  grofee  ßnergie  im  Ramp^  toiber  bie  SReformation ;  aber  ®uftat)  SEBafa 
toar  er  bod9  nic^t  getoad^fen ;  nad^  bem  Sleid^^tag  in  SQäefterS«  mu^te  er  au^  feinem  S6 
2anbe  fliegen  (1527);  er  ftarb  in  ber  Verbannung  1538.  211«  nun  ©uftab  bie 
erlebigten  S5ifd^of«ftü^le  befe^en  liefe,  betoirlte  ein  ßufatt,  bafe  bie  S^^^^ber  berfelben 
1528  il^re  ßinfegnung  tjon  einem  SSirgittinermön^,  5ßetrug  ?Dlagni,  em})ftngen,  ber 
felbft  bie  Sifc^ofdtoei^e  )Dom  $ai)ft  in  SRom  em))fangen  l^atte.  2luf  biefe  SBeife 
tourbe  bie  „successio  apostolica"  in  fatbolifd^em  ©inn  ber  ))roteftantifd^en  Äird^e  in  lo 
©c^toeben  betoa^rt.  ®ie«  toar  )oon  Sebeutilng  für  ba«  Ser^ältni«  ©c^toeben«  ju  ber 
anglilanifd^en  Äird^e.  —  I)a«  Äougilium  ju  Örebro  1529,  too  Saurentiu«  2lnbreä  ba« 
SEBerf  birigierte,  tJoHenbete  bie  äußere  Scränberung ;  e«  entf})ric^t  in  lirc^Iic^er  Sejiel^ung 
bem  Sleicpigtag  ju  SEBefterS«.  3"  2lu«fül^rung  ber  Sefd^Iüffe  berfelben  erfd^ienen  bie 
neuen  toic^tigen  ©c^riften  üon  Dlau«  $etri:  ba«  Äirc^enl^anbbuc^  1529,  bie  $oftine46 
unb  ber  Äated^idmud  1530  unb  bie  fd^toebifc^e  3Keffe  1531.  ©ie  jeid^nen  fid^  aDe  burd^ 
große  ^ietät  unb  große  3.^orfic^t  gegen  aÖe  alten  ©ebanten  unb  @ebräu(^e  au«,  bie 
nid^t  bireft  gegen  bie  $rinjij)ien  ber  Sieformation  ftritten;  natürliAertoeife  toaren  fie  t)on 
Ittt^erifc^er  ©runbanfd^auung  getragen  unb  burd^f^auc^t ;  boc^  l^errfc^t  nod^  nic^t  ba«  au«* 
get)rägte  Sut^ertum,  ebenfotoenig  loirb  Sut^er  al«  eine  2lutorität  aufgefteEt.  I)ie  toert«  w 
iJoUfte  ßilfe  erl^ielt  Olau«  $etri  tjon  feinem  jüngeren,  im  ^al^re  1527  üon  SBittenberg 
lurüdgelel^rten  Sruber^^aurentiu«;  biefe  tourbe  1531  ber  erfte  ))roteftantifc^e  Sr|;bifd^of  unb 
leitete  toiele  go^^J^^nte  l^inburd^  mit  großer  5Ki(be  unb  Älug^eit  bie  religiöfe  Umtoanb- 
lung.  ^m  §a^re  1541  gaben  bie  Srüber  bie  ganje  SBibel  in  fd^h)ebif(|er  Überfe^ung 
^erau«;  neue  reformatorif^e  ©c^riftcn  tourben  tjerbreitet;  ein  Sleic^ötag  in  SDBefterä«  1544  bb 
fd^ffte  noc^  mehrere  fatl^olifd^e  Slnorbnungen  unb  ©cbräud^e  ab;  ein  Äird^engefe^enttourf 
„Vadstena  artiklar"  (bie  2lrtilel  t)on  Sßabftena)  1553,  toa^rfc^einlic^  t)om  (Sr^bifc^of, 
jeigt  ben  erften  Serfud^,  bie  Äirc^e  tJoUftänbig  al«  eine  iproteftantifc^e  gu  organifieren.  — 
gine  tjorübergel^enbe  ®})ifobe  fremben  G^arafter«  toaren  bie  3<^re  1538—43,  al«  ®uftaö 
l)on    ultrareformatorifc^en   3)eutf4>cn,  befonber«  bem   geleierten   unb    biebem  ^Pommern  eo 


28  Sd^toeben 

®0.  3loxmann,  beeinflußt  tourbe,  unb  i^e  ^been  auf  fc^toebifd^e  SSer^ältniffe  ju  übcrtraßen 
berfud^te,  baburd^,  baß  er  ba«  S3ifd^of^mt  abfc^affte,  9lormann  j|um  ,,©u^)erattenbenten" 
über  bte  gange  fc^hjebifd^e  Äird^e  1540  ernannte,  unb  eine  Slrt  Äird^enreflierung  })re^ 
b^terianifc^en  Slnftric^«  einfül^rte.    2)ur(^  i^ren  SBiberftanb  jogen   ftd^  Dlau«  5|Sctn  unb 

5  Saurentiu«  2lnbreä  jogar  ein  a:obe«urteiI  ju;  fte  tourben  ;ihjar  begnabigt,  erlangten  aber 
il^ren  ©influß  nic^t  hjieber.  ©ie  ftarben  beibe  1552.  3Da^  fc^hjebif^e  33oIf  reagierte 
inbefjen  ju  Iräftig  gegen  bieje  9leuerungen,  unb  ber  Äönig  tourbe  hjieber  xni  (Seleife  ber 
nationalen  Snttoicfelung  l^ineingegtüungen. 

3n  bo})J)eIter  §inpc^t  bebeutete  ®uftab  SQäafag  Xoi  1560  eine  SSeränberung  in  ber 

10  ©teEung  ber  Äird^e.  1.  ®ril  XIV.  bermoc^te  ni^t  ba«  bi^l^erige  })erfönlic^e  3Ronient  in 
ber  9legierung  feftju^alten.  2)abur(^  entglitt  bieÄirdbe  getüijfermaßen  ber  löniglic^en  Sei^ 
tung,  unb  i^re  eigenen  Organe,  t)or  attem  ba^  3lr4iet)iffo})at,  tourben  bei  ber  ©nttoidtes 
lung  öon  größerer  S3ebeutung.  2.  3Rit  ber  I^ronbefteigung  Srifö  XIV.  erreid^te  ber  große 
religiöfe  ÄanH)f  um  &nxopa  aud)  ©c^toeben.    ßunädpft  fuc^te  ber  6atoinii8mu«  toä^renb 

16  ber  gangen  SRegierung  Srifö  (1560—68)  ^ier  feften  guß  ju  f äffen,  ßalöin  Jelbft 
Iorref})onbierte  mit  6rif,  unb  feine  Sln^änger  in  ©c^toeben  legten  1563  ein  ©lauoen^s 
belenntni«  bor.  2)ie  SSerteibigung  gegen  ben  ßalöini^mu«  tourbe  öon  Saurentiu^ 
$etri  geleitet;  fte  fül^rte  gu  einer  inneren  firc^Iic^en  6nttoidEe(ung,  unter  toelc^er  ber  att^ 
gemein^reformatorifd^e  ©tanb})unft  berlaffen  tourbe,   unb  bie  Äirc^e  fid^   enger   an   ba^ 

20  ebangelifd^e  Sutl^ertum  anfd^Ioß.  ^n  einer  ©c^rift  be«  6rgbifc^of^  t)on  1566  berief  man 
fic^  ijum  erftenmal  auf  Sut^er  unb  bie  Sutf^erifc^en  ate  SBunbe^enoffen.  ®er  toid^tigfte 
©d^ntt  biefer  Snttoidfelung,  fotool^I  in  Sejug  auf  ©elbftregierung  ate  auf  Sutl^crtum 
toirb  burc^  bie  erfte  Äird^enorbnung  ©dbtoeben«  1571  bejei^net,  bie  ben  erften  cabi^ 
niftiteen  ©treit  fd^loß.    3)a«  toar  bie  le^te  ®abe  bon  Saurentiu^  $etri  an  fein  £anb. 

26  ®r  ftarb  1573.  auf  ber  Saft«  biefer  Äirc^enorbnung  lebte  bie  fd^toebifc^e  Äirc^e  me^r 
ate  100  3ö^rc  lang  ein  felbftftänbige«,  reid^e«  geben.  Äaum  toar  ber  6alt)ini«mu« 
gurüdtgetoiefen,  ate  bie  Äirc^e  üon  ber  ©egenreformation  bebrol^t  tourbe,  toeld^e  baran 
anfnü^)fte,  baß  Äat^arina  ^agcHonica,  bie  ©ema^lin  ^ol^ann«  III.  (1569—92)  fat^olijd^ 
toar.    2)er  erfte  3«f"it  fam   1574   nad^  ©d^toeben.     I)er  t^eologifc^  gelehrte  ^o^ann, 

80  t)on  ®eorg  Gaffanber  unb  ber  englifc^en  Äirc^enenttoidtelung  beeinflußt,  fuc^te  einen 
?Witteltoeg  ju  gelten,  ©eine  befannte  neue  3Reßorbnung  „Röda  boken"  (bag  rote 
Sud^)  1576  foUte  bie  Äirc^e  ©c^toeben«  an  bie  ec^t  lat^olifc^e  Äird^e  ber  älteften  geit 
toieber  anfnüjjfen.  35a«  JHefultat  tourbe  ein  aufreibenber  innerer  ©treit,  unter  toel^em 
ber  ^roteftanti«mu«  feinen  $au})tfd^u^  bei  $ergog  Äarl,  bem  jüngften  ©o^n  ©uftab«  I., 

85  erl^ielt ;  pgleid^  tourbe  baburd^  ber  Jd^toebifd^e  ©taat  in  bie  ^Berechnungen  ber  euroi)äif(^en 
®roß})olitii  mit  eingebogen.  9im  ©dpu^e  ber  föniglic^en  SRid^tung  betrieben  öerftecfte  unb 
offenbare  $a})iften  (Äarbinal  ^ofiu«  tn  $olen  toar  bie  ©eele)  eine  eifrige  Slrbeit,  bi« 
ber  l^artnädEige  SBiberftanb  be«  $aj)fte«  gegen  bie  SSermittelung«})läne  5>oi^<inn«  bem 
©influß  ber  Äatl^olifen  1580  ein  fc^neHe«  ®nbe  mad^te.  Dagegen  tourben  bie  2ut^erifd^en 

40  toäl^renb  ber  gangen  ^Regierung  ^o^^nn«  auf  jebe  SBeife  Verfolgt.  3m  Äampfe  gegen 
ba«  SRote  Suc^  unb  ben  Är^pto^oöi^mu«  erl^ielt  bie  ©nttoidfelung  ber  Äirc^e  gum 
Sutl^ertum  i^re  Feuertaufe.  6in  ©ejd^led^t  tjon  glauben«feften,  unbetoeglic^en  lutberifc^en 
ßl^arafteren  tourbe  gefc^affen,  toeld^e  in  fünftigen  ©türmen  fotoo^l  politifd^e  al«  fird)^ 
li^e  Freiheit  retten  fonntcn.    ^f}i^  t^eologifd^e  Silbung  erl^ielten  fte  faft  atte   auf  ber 

45  Uniberfttät  SRoftodE  unter  ber  Seitung  t)on  Dr.  ß^^träu«. 

3lu«  ber  fc^n)eren  Ärife  ging  nac^  bem  3:obe  ^ol^ann«  III.  ber  ijoßftänbige  ©ieg 
be«  Sut^ertum«  l^ertoor,  gur  glcid^en  ^di  aU  ba«  3Ser^ältni«  ber  Äird^e  gum  ©taat  an 
Älarl^eit  gcn)ann.  3!)a«  Dom  Derorbneten  Siegenten,  bem  §ergogÄarl,  nac^  U})fala  1593 
berufene  Äongil  tourbe   ba«  toic^tigfte  in  ber  ®efct>id&te  ber  fc^toebifdb=lut^erifc^en  Äirc^e. 

60  Unter  bem  SSorfi^  be^  au^gegcid^neten,  tjon  ^o^ann  III.  tjerfolgten,  9Jifol.  Dlai  Sot^nienft^ 
(ate  (Srgbifc^of  geftorben  1600)  tourbe  ^ier  ba«  SRote  S3ud)  tjerboten,  unb  alle  tjerpflid^teten 
ftc^  bei  „©otteö  reinem  SB  orte,  ben  brei  ©i^mbolen  unb  bem  uni>eränberten  Slug^burger 
Sefenntniö"  gu  bleiben;  ber  ßabini^mu^  tourbe,  ben  ^rotcften  Äarte  gum  2^ro^,  ber^ 
tüorfen;  eine  Steige  Sefd^lüffe,  bie  ba^Sut^ertum  tjertjollftänbigten,  tourbc  gefaßt.  |)ergog 

65  Ä'arl  ließ,   tro^  feiner  eigenen  Ungufrieben^cit,   allen  ©tänbcn  bie  ßntfc^Iüfje  guf^trfen, 
bamit   fte   untergeic^net   toürben.     ©r    folgte  babei  bem    aroßcn  Slcgicrung^^ringi^)  be« 
3?ater^,  baß  alle  gemeinfame  3?eranth)ortung  Ratten.    2)er  ^orfi^enbe   fonnte  aud^  nad^. 
bem  Sefc^luß  beöÄongil^  aufrufen:  „5kn  ift  ©c^toeben   ein  3)tann  gehjorben,   unb  atte 
f^aben  toir  einen  $erm  unb  ©ott".    3tuc^  in  ber  S3egiel;ung  tourbc  baö  Äongil  gu  U^fala 

60  ejjod^emac^cnb,  baß  c^  eine  Äirc^enücrfammlung  toar,  tocnn  aud;  unter  außerorbentlic^en 


Si^toeben  29 

formen;  ba«  eigene  Seftimmung^rec^t  ber  Äirc^e  über  i^re  eigenen,  inneren  Slngelegen« 
fetten,  i^ren  ©louben  unb  i^re  Se^re  getoann  baburc^  Slnerlcnnung,  jur  gleid^en  3«it  afe 
t^re  Sigenfd^aft  al^  eine  Sanbe^tird^e  mit  ^(nfprü^en  auf  ben  @^uä  be$  Staate  für 
biefen  ©tauben  unb  biefe  Se^re  einen  Sluöbruc!  erl^ielt.  —  ®ie  (ut^erifd^e  Äirc^e  lourbe 
foglcid^  auf  bie  l^ärteften  groben  geftellt.  3)er  rechtmäßige  Äönig  bon  ©c^toeben,  ber  5 
Sol^n  3ol^ann^  III.  ©igidmunb,  ber  aud^  Äönig  üon  $oIen  toar,  toar  in  5Rorbofteuroj)a 
bic  cifrigfte  ©tü^e  ber  ©egenref ormation ;  bie  Ärone  üon  ©^toeben  gab  i^m,  feiner 
älnftd^t  nad^,  bor  aQem  bie  $flic^t,  ba^  Sanb  toieber  fat^olifd^  gu  mad^en.  ©einen 
toieber^olten  SSerfuc^en,  bie^  mit  £ift  unb  ©etualt  gu  t^un,  fe^te  fi^^  ^ergog  5tar[,  bom 
fc^toebifc^en  SSoIfe  unterftü^t,  ^artnädig  entgegen.  ®urc^  ben  SReic^j^tag  in  ©öberf öping  10 
1595  ftettte  fic^  biefer,  toie  einft  fein  SSater,  auf  rein  rebolutionär  nationalen  S3oben, 
fammeltc  bie  ©tänbe  jur  gemeinfamen  SSeranttoortung  im  SQäiberftanb  gegen  bie  lat^o- 
lifc^en  $Iäne  bec(  re^tmäßigen  Aönigd  unb  t)emid^tete  fc^(ie|Iid^  mit  bem  ©d^toerte 
©igi^munb^  getoaltt^ätigen  SJerfuc^  ju  fiegen  (bie  ©c^Iac^t  bei  ©tSngebro  1598).  Äurj 
banad^  tourbe  fiarl  felbft  Äönig  bon  ©d^tueben  (Äart  IX.).  2)ie  Äirc^e  ^atte  beim  is 
6öberl5))ingdbefd^luB  mitgetoirft  unb  ^aiU  fxd)  baburc^  an  ba^  neue  nationaUgermanifc^e 
itdnigtum  gehti^ft.  ^amit  toar  auc^  bie  @inorbnung  ber  tird^lic^en  Slngelegen^eiten 
unter  bie  bon  allen  ©tänben  gemeinfam,  in  Ie|ter  $anb  burc^  bie  Jtönig^mad^t  au^s 
geübte  ©taatdregierung  prinjij)iell  gegrünbet.  S)ie  organifc^e  Sereinigung  be«  fd^toe« 
bife^sgermanifd^en  &aaii  unb  ber  felbftftänbigen,  ebangetifd^en  Äirc^e  toar  ba«  Ste«» 
fultat  ber  ^^xt  ber  SQiiebergeburt  ©c^toebend  unb  ber  9lui^ang^))unft  feiner  ^olitifd^en 
©röfee. 

@in  fc^lfoered  innere^  S^aod  ifoar  boc^  bie  ^olge  biefer  ©treitigteiten ;  bie  Orga« 
nifation  loar  fc^Iec^t,  bie  ©itten  t)errol^t;  bie  in  Äultur^infid^t  toic^tiaen  Älöfter  loaren 
nac^  unb  nac^  t)erarmt  unb  toaren  t)erf(^h)unben  (bad  Älofter  gu  SBabftena,  ba$  le^te  in  25 
@<^n>eben,  tourbe  1595  aufgehoben) ;  fotool^l  ber  niebrige  aU  ber  l^ö^ere  Unterricht  toar  in 
SBerfatt  geraten  u.  f.  h).  ^ie  Unit)erfität  ju  Ujpfala  toar  aufgehoben;  1595  fud^ten  Äarl 
unb  bie  Äirc^e  fte  toieber  ^erjuftetten.  3)ie  ÜKiffion  unter  ben  2ab})Iänbem  brandete 
Arbeiter  u.  f.  to.  2)ie  3^»^  ^^^  tJ^eben«  toar  bod^  nod^  nic^t  gefommen.  ®ie  Äat^o» 
lifc^en  festen  immer  no^  il^re  SSerfd^toörungen  fort.  Jlönig  Äarl  mit  feinen  calbiniftifd^en  ao 
©^mpat^ien  unb  feinen  großartigen  j)oIitif^en  5ßlänen  tooBte  feinerfeit^  ftd^  nid^t  in  ba^ 
i^m  läftige  ejllufibe  Sutl^ertum  ber  Äird^e  l^ineinfinben.  6^  gelang  ber  Äirc^e  nie,  bon  i^m  bie 
Stnerlennung  aU  eöangelifc^slutl^erifc^er  unb  ©taatigfc^u^  ju  getoinnen.  ©tatt  beffen  mußte 
fte  einen  an^altenben  ©treit  mit  bem  nun  über  ganj  @uro^a  ftegenben  SalbiniiSmu^ 
läm^fen;   ber  König  felbft  na^m  burc^  litterarifc^e  2:|ätigteit,  bur^   bie  9{et)ifion  be^ss 

tanbbuc^  unb  bed  Jtated^i^mu^  (mit  ätnfd^Iuß  an  ben  ^eibelberger  Jlatec^i^mud)  am 
•treit  teil  u.  f.  to.  3Kit  feltener  3Käßigung,  ^oc^fmn  unb  unerfc^rodtener  Äraft 
tourbe  bie  Bad^t  be«  Sut^ertum«  bom  ©rjbifc^of  DIau«  ^Äartini  (tjom  ^ai^r  1601  ab), 
einer  ber  fc^önften  (Seftalten  ber  fc^toebifd^en  Äirc^engefc^id^te,  geführt,  ß«  gereic^^t  aud^ 
5tarl  jur  @^re,  baß  er  nie  gegen  feine  ®egner  ®eh)alt  gebraud^te.  ©c^Iießli^  fc^eint  e$40 
auc^,  atö  toäre  er  be«  ©treited  mübe  geworben.  2)er  ßrjbifc^of  ftarb  1609,  ber  Äönig 
1611.  äfe  ber  junge  ©uftat)  Slbolf  ben  2^^ron  bcfticg,  erhielt  j^um  erftenmal  bie 
f^toebifd^e  Äirc^e  ak  eine  ebangelifc^^-lut^erifc^e  burc^  feine  Äönig^tjerftc^erung  (2)ej.  1611) 
einen  geftd^erten  $(a^  im  Qtaat;  bie  ©efa^ren  unb  bie  9Jöte  berfd^toanben,  neue  gnt^ 
toidEelungöfaftoren  traten  in  ben  Sorbergrunb,  unb  bie  Äirc^e  lonnte  mit  geftä^lten  unb  45 
frifd^en  Äräften  bie  gewaltige  äußere  unb  innere  Slrbeit  angreifen,  bie  bor  i^r  lag. 

2.  2)ie  3eit  ber  tird^lid^en  Organifation  unb  Drt^obojie  1611—1718. 
a)ie  alten  betoä^rten  a)länner  toaren  berfd^ieben.  ®«  toar  ein  jugenblic^ed  ©efc^lec^t, 
bad  ftc^  an  ben  älufbau  bon  ©c^toeben  fotoo^l  in  ^oUtifd^er  al$  firc^lid^er  ^inftd^t  mad^en 
mußte.  ®uftab  Stbolf  toar  bei  feiner  i^ronbefteigung  nur  18  S^^re  alt,  fein  großer  50 
üRitl^elfer,  äljel  Djenftierna,  be^errfc^te  fd^on  mit  28  g^l^ren  bie  euro})äifd^e  ^olitif, 
bie  bomel^mften  ©eneräle  ©c^toeben^  im  breißi^jjä^rigen  Äricge  Ratten  noc^  nic^t 
bie  breißiger  fjiö^re  eneic^t  SJa^felbe  gilt  bon  ber  ftird^e;  3-  SiubbedEiu^  (f.  u.)  fing  feine 
große  I^ätigfeit  mit  23  3ial^ren  an,  u.  f.  to. :  eine  eigentümlid^  lü^nc  Sebl^aftigleit  unb 
®laubendftäne  c^aralterifiert  ju  biefer  3^'^  ^^ö  Sut^ertum  ©c^loeben^,  bem  ^^uftanb  in  66 
ben  Jlac^barlänbem  gan^  ungleid^;  ba^er  erflärt  fic^  auc^  einigermaßen  ber  ©mfafe,  ben 
©c^^toeben  in  ber  Seitung  ber  religiöfen  unb  })olitifd^en  ©c^idffale  6uroj)ag  mad^en  fonnte. 
Sefttlid^  liegt  bie  ßrlläruna  in  ber  innigen  i^erbinbung  ^toifc^en  bem  lut^erijc^en  ®lavibm 
uno  ber  nationalen  aSolföfrei^eit,  bie  unter  (Suftab  älbolf  gefc^loffen  tourbe.  ©ine  Sln^ 
nä^erung  an  bie  fd^olaftifd^  berfnöd^erte  Ortl^obo^ie  trat  freiließ  aud^  l^ier  ein;  man  fanneo 


30  Sd^toeben 

erfe^cn,  bafe  ber  Sttriftotcligmu^  öon  1615  ab  bic  ^errfc^aft  in  bei  Unitjerfität^t^cologie 

fietoann.  6r  erhielt  einen  Vertreter  in  ^o^anne«  Slubbecliug,  ber  ^ertjorragenbften  fir(^= 
id^en  ^erfönlid^Ieit  ©d^toeben«  hjäl^renb  be«  17.  ^o^^^^^un^^t«.  ®r  toar  an  ber  feit 
1611  aufblül^enbenUniöerfität  in  Upfala  al^  ^rofefjor  tl^ätig  getüefen  unb  h)ar  nac^l^er  ber 

si^öfr^^^iß^  ®uftaö  aibolfg;  er  mad^te  fic^  aU  einen  gewaltigen  ^rebiger  mit  faft  biblifc^^ 
altteftamentli^er  ^nfriration  belannt,  er  h)ar  in  ben  Kriegen  ber  tüürbige  ^elbj)rebiger 
feinet  Äönig^.  SBä^renb  ber  ^f^l^re  1619—1646  toirfte  er  mit  aufeerorbentlic^em  Drga= 
nifation^talent  afö  SBifd^of  in  SSefterä^  ©tift.  ^n  biefer  3^i^  ^^^  "^6en  ber  Drt^obojic 
bie  ^ierard^ifc^e  Stnfc^auung  toieber  ^ert)or,  bie  burc^  ben  ^iJJroteftantigmu^  nie  ganj  tjer^ 

10  nicktet  toorben  \vax.  SRubbecfiu«  tarn  fc^liefelic^  ju  einem  l^alb  fatl^olijd^en  Äirc^enbegriff 
(in  ber  ©c^rift  De  privilegia  doctorum  1636),  unb  geriet  baburd^  in  Äonflilt  mit  ber 
Slegierung  unb  in  lange  SSer^anblungen.  Stber  ber  ^ntoleranj  ber  Drtl^obojie  tüirlten  bic 
^amilientrabitionen  be«  Äönig^,  feine  S3ejief^ungen  ju  ben  reformierten  Sänbem  be« 
Slbenblanbe^  (pon  1614  ab)  unb   fein  ftaat^männifc^er  ©inn  entgegen,   fo'  bafe  er  ftc^ 

16  fd^Iie^Iid^  auc^  über  ben  9Sa:foIgung«eifer  im  ©treit  jtoifd^en  Äatl^olifen  unb  ^roteftanten 
er^ob  (t)gl.  art.  (Suftab  2lboIf  »b  VII  ©.  239  ff.).  §i^in  ftanb  i^m  Dr.  ^o^anncö 
5Kattbiä  jur  ©eite,  ber  toäl^renb  langer  ©tubien  in  ®nglanb  unb  ^oÖanb  bie  bort  tjor» 
^errfd^enbe  Soleranj  unb  „ben  reformierten  5ßietigmug"  in  ftd^  aufgenommen  l^atte,  unb 
nac^  ber  §eimle^r  1625  ber  Se^rer  ber  l^oc^abeligen  gugenb  in  ©todt^olm   getoorben 

20  toar.  6r  tourbe  1629  ^oftjrebiger,  folgte  bem  Äönig  in  ben  brei^igiä^rtgen  ftrieg,  tourbe 
1632  ber  Seigrer  ber  Äönigin  ß^riftina  unb  fc^liefelic^  1643  Sifc^of  in  ©trengnä«. 
9tad^  bem  lobe  ®uftaö  Slbolfg  bermoc^te  er  mit  feinem  nachgiebigen,  für  öfonomifd^en 
©rttjerb  ettoa«  fc^toad^en  ß^aralter  nid^t  bie  toeitfic^tige  9leligion«})olitif  be«  Äönig«  auf= 
rec^t  JU  erhalten;   bie  ejtreme  Drt^obojie  begann  il^ren  ©iege^jug,  unb  bie  ©rben   öon 

26  ©uftat)  2lbolf  tourben  EromtoeH  unb  bie  reformierte  2Belt. 

SQää^renb  ber  fteten  äußeren  Äriege  biefer  ^c\t  tjolhog  fic^  eine  intenfiöe,  innere 
Drganifation^rbeit,  bie  me^r  aU  anbcre^  bie  f^toebifcpe  Äirc^engefc^id^te  biefer  ^eit 
lennjeid^net.  ©ie  tjerlief  in  jtoei  ^ßerioben.  3n  ber  ^tit  ber  großen  unb  ijielen  Änege 
(bi«  1648)  hjurbe  bie  lirc^lid^e  Drganifation  böu>)tfäd^lic^   ber  J)rit)aten  3ni*wti^^  über^ 

80  laffen.  @«  ift  bie  Reit  ber  großen  Sifc^öfe.  ©ie  ertoarben  in  i^ren  ©tiftem  eine  be^ 
träd^tlic^e  3Kad^t,  oft  mittelalterlid^en  l^ierarc^ifc^en  2lnftrid^d.  ©ie  toar  ju  gro^,  aU 
bafe  fte  mit  ber  bag  ganxe  ©taat^leben  umfajjenben  Drganifation  nac^  bem  ?l5rinj^ 
Äarte  IX.,  bie  ©uftab  Slbolf  burc^fü^rte,  harmonieren  fonnte.  6r  tooDte,  bafe  aud^  bie 
Seitung  ber  Äird^e  eine  3lngelegenl^eit  aller,  unter  gemeinfamer  SSeranttoortung  fei,  unb 

86  fc^lug  be^l^alb  eine  einl^eitli^e  Seitung  unter  einer  Dberbireftion,  einem  Consistorium 
generale  (1623),  t)or.  6^  foßte  foh)ol^l  au«  Saien  aU  au«  ^ö^ern  unb  niebrigen 
Älerifem  beftel^en.  ^er  3Sorfc^lag  tourbe  tjon  3Kattl^iä  unb  bem  niebrigen  Älcru«  untere 
ftü^t,  begegnete  aber  feiten«  ber  Sifc^öfe  einem  fo  energifd^en  SBiberftanb,  bafe  ber  Äönig, 
tro|   tüieber^olter  33erfu(^e,   in  biefem   einzigen  ^unft  feine  9leform})läne  nic^t  burd^- 

« f uferen  fonnte;  neue  3Serl^anblungen  nac^  feinem  iobe  l^atten  ebenfotoenig  ©rfolg.  ßine 
gemeinfame  9lej)räfentation  l^atte  bie  Äirc^e  in  bem,  an  ben  9lci4>«tagen  tjerfammelten, 
geiftlid^en  ©tanb,  Consistorium  regni  genannt;  aber  er  tourbe  t)on  ben  Sifd^öfch  be^ 
^errfc^t,  unb  biefe  behielten  aud^  in  ibren  ©tiftem  freie  $anb.  ^od^  benü^ten  fic  i^re 
3Wac^t  tjielfad^  fel^r  gut;  auf  jcbem  Gebiete  ber  Sird^e   unb  ber  Äultur  fam   e«   unter 

46  il^rer  Seitung  ju  einem  getoaltigen  2luffc^h)ung.  I)ie  Sannerträger  toarcn  3-  Slutbediu« 
unb  Saurentiu«  ^aulinu«  Oot^u«,  SifcS^of  in  ©trengnä«  1609—36,  grjbif^of  1637— 46. 
Äirc^enftatuten  ber  einjelnen  ©tifter  fc^ufen  äufeerc  Crbnung  (am  toid^tigften  Paulini 
constitutiones  ecclesiasticae  für  ba«  ©rjftift),  jäl^rlic^c  Sirc^entjifttationen  unb  S?er= 
fammlungen  ber  ©eiftlic^en   ^oben  ben   nieberen   geiftlid^en  ©tanb;   ber  Stnfang   einer 

60  fird^lic^en  93uc^füf;rung  tourbe  gemacht,  Äated^i«mu«j)rebi0ten  unb  SSerl^öre  tourben  eifrig 
betrieben,  Äated()i«men  unb  anbere  Sel^rbüc^er  tourben  in  3JJaffen  l)erau«gcgeben,  bie  lo^^j^ 
länbifc^e  Sfliffion  tourbe  toieber  mitSrnft  angefangen  (f.  3lrt.  £aj)j)länbifd9e9)liffton  SbXI 
©.281),  bie  fird^licbe  Äolonifation«arbeit  tourbe  bi«  nac^  2lmerifa  auögebe^nt  (f.  S3b  XIV 
©.  186),  unb  eneraifd^e  Slrbeit  tourbe   auf  bic  religiöfe  Pflege  unb  gciftige  §ebung  be« 

66  ganzen  Solf«  burq  bie  3Serbeffcrung  be«  niebern  unb  bö()crn  Unterrid^t«  öertoanbt.  9hibs 
bedfiu«,  ber  auf  ben  meiften  ©ebicten  bie  gül^rung  l)dtU,  grünbetc  u.  a.  auc^  ba«  erfte 
(S^mnafium  tjon  ©d^toeben  mit  foftenfreiem  Unterricht  für  bic  Saucrnföl)nc  fotoo^l  al«  für 
ben  2lbcl  in  äBcftcrS«,  unb  fül^rtc  eine  bcrbeffcrtc  ^äbagogif  ein.  9Jod^  ©rötere«  er* 
reichte  in   biefer  93c3iel)ung  3Kattl?iä,  ber  ^crDorragcnbftc  $äbagogc  ©c^njcben«  h>äl^renb 

60  be«  17.  3a^rl^unbert«,   ber  greunb  tjon  ßomeniu«.     %üx  bic  3^^^  ""^  Srjicl^unfl  bc« 


Sd^toeben  31 

gamen  fßolUUbm^  fyiüz  \>UM(i)t  bte  lange  unermüblic^e  ^^^ätigleit  Don  ^auIinuS  bte 
gröBte  Sebeutung;  ba^  Stubium  feinet  Sebend  mad^t  e^  me^r  a(S  ettva^  anbetet  flot, 
tt)ie  großen  2)anl  bie  fc^toebifd^c  Äultur  ber  lut^erifc^cn  Äirc^c  Wulbig  ift  (©c^üd). 

©eit  ber  3Mitte  be^  17. 3<*^^^wnbert«  öerfd^tpinben  bie  großen  S3if(|öfe.  ^er  ©c^tüers 
))untt  ber  Seitung  ber  ^irc^e  tvurbe   in   bie  9leic^dtage  t)erlegt.    Sinen  Übelftanb  ^atte  6 
bie  überall  nac^  eigenem  Äo))f  betriebene  I^ätigfeit  ber  SBifc^öfe  mit  ftc^  gebrad^t:  einen 
rec^t  großen  9)langel  an   Übercinftimmung   in   firc^Iic^er   Orbnung   jtoifd^en   ben  ber* 
fd^icbenen  ©tiftem.    2ltö  mit  bem  SBeftfälifc^en  ^rieben  ba^  ^jntereffe  fic^  lieber  ben 
inneren  Ser^öltniffen  bc^  Sanbe^  jutoanbte,  machte  ftc^  bie^  nod^  me^r  bemcribar.   ©eit 
bem  9lei(^tage  t^on  1649  lie^  man  bie  alte  ©treitfrage  bed  Gonsistorium  faQen,  man  lo 
fhebte  ftatt  beffen  nac^  einer  ein^eitlid^en  firc^lic^en  Drganifation  burc^  ein  neue^  Äirc^en^ 
.gefe^  (bie  Äirc^enorbnung  t)on  1571  genügte  fc^on  lange  nid^t  me^r)   unb    gemeinsame 
lirc^lid^e  Sudler  für  bie  toerfc^iebenen  Oebiete   be^  religiöfen  Seben^.    3luf  biefelbe  9luf« 
gäbe  tourbe  bie  Äirc^e  burd^  ba«  Slefultat  ber  Äriegöpolitil  ^ingetoiefen.    3Son  1648  ab 
tourben  immer  neue  Sanbfd^aften  ber  Ärone  ©c^toeben«  unterlDorfen  (unter  i^nen  alle  lö 
fianbfd^aften  an  ber  jefeigen  ©üb«  unb  Sßeftfüfte  ©d^toeben^).    3^re  Serfd^meljung  mit 
@<^toeben  tourbe  am   p^erften  burc^  eine  firc^lic^e  S^ätigfeit  errei(<^t,   bie    einheitlich 
organijtert  unb  geleitet  toar.    3(u(^  bie  ©rric^tung  mel^rerer  neuer  ©tifter  machte  bie 
größere  Sin^eitlidpfeit  be^  !ird^li(^en  Seben«  nottoenbig:   1618  tourbe  baö  ©tift  SBiborg 
in  ^nnlanb,  1647  Äarlftab^ftift  unb  §emöfanb«ftift  errichtet,  bie  beiben  legten  junäc^p» 
ate  ©u<)erintenbenturen  (»ifc^öfe  1772);    1645   tourbe  ©otlanb    unb  bamit  ba«  ©ttft 
SBBi^b^  getoonnen,   1658  tourbe  ©^onen   unb  ba^  alte  ©tift  t)on  2unb  mit  ©d^toeben 
i>creinigt;  burd^  bie  Segrünbung  ber  Sunber  Unit>erfität  1666  entftanb  bort  ein  S^j^eologen* 
centrum  Don  größter  SIebeutung  für  bie  fc^toebifc^e  ^irc^e;  1665  tourbe  ©ot^enburg  ein 
8ietum,    1678   Äalmar.     35amit    toar   bie  lir^lid^e  5Prot)injialorganifation  fertig,  foas 
toie  fte  big  in  unfre  3^i^  ^nÄn  getoefen  ift  (über  ©tift  Suleä  1904  fte^e  bie  ©tatiftil). 
86er  bamit  tourbe  aud^  bie  ^i^age  einer  neuen  Äirc^enorbnung  brennenb. 

3n  biefer  ^Ät  erreichte  ber  ©treit  um  bie  Drt^obojie  i^ren  §öl^e})unft.  3"  ^^^^^ 
Sorfc^lag  jum  Äird^engefe^  1649  Don  Dlof  Saureliu«  (»if^of  in  SBefterS«  1647—70, 
ein  toürbiger  5Rad^folger  Don  SRubbediu«,  ^erDonagenber  Äated^i^muöDerfafJer,  berao 
le^e  gro^e  Slejjräfentant  ber  Jjatriarc^alifd^en  S3ifd^of«mad^t  in  ©d^toeben)  tourbe  bie 
Äonforbienformel  für  bie  Äird^e  al«  ft^mbolifc^  binbenb  anerlannt.  2)er  Domel^mfte 
®egner  toar  natürlic^ertoeife  3Matt^iä,  ber  Don  ber  Äönigin  ßlf^riftina  unb  nac^^er 
toon  Äarl  X.  ©uftaD,  in  Dielem  einem  ßrben  ber  SHeligion^olitif  ®uftaD  Slbolf«, 
unterftü^t  tourbe.  Son  ßomeniu«  junäc^ft  beeinflußt,  gab  5Dlattl^iä  toäl^renb  be^ss 
©treite«  mel^rere  f^nlretiftifc^  gefärbte  ©d^riften  l^erau«;  il^m  jur  ©eite  trat  ber 
cnergifc^e  unb  ^erDorragenbe  Sijc^of  in  Abo,  tiof^.  lerferu«,  ber  unter  bem  bireften 
einflufe  Don  galijtu«  geftanben  ^atte.  2)iefe  2Ränner  fäm>)ften  aud^  für  bie  Dolfe 
tümlic^e  unb  geiftlic^e  greil^eit  gegenüber  ber  june^menben  3Mad^t  be«  ^od^abete 
unb  ber  Sifd^öfe,  fotoo^l  auf  bem  J^olitifc^en  ®ebiete,  atö  auc^  mit  SRüdtfid^t  auf  bie  40 
^ringi})ien  ber  angefangenen  fird^lic^en  ©efe^ebung.  2lte  nac^  bem  3:obe  Äarl«  X. 
1660  eine  ^oc^abelige  Dormunbfc^aftlid^e  ^Regierung  gebilbet  tourbe,  toar  il^r  ©c^idfal 
beftimmi  ©^nfretiftifc^er  Äe^erei  angellagt,  Derloren  beibe  i^re  Sijd^of^ftü^le  1664. 
aajäl^renb  be«  $ro;ieffe«  erliefe  bie  SHegierung  1663  auf  SiJunfc^  be«  geiftlic^en  ©tanbe« 
ein  ^lalat,  ba«  ber  fc^toebifc^en  Äirc^e  ba«  ©tubium  be«  ganjen  Äonforbienbuc^g  (boc^  46 
nic^t  afe  ©i^mbolum)  anbefiehlt.  Saureliuö  toar  ber  ^eftigfte  ®egner  be«  ©^jnfceti^mu« 
getoefen;  Don  i^m  tourbe  1663  ein  neuer  3Sorfc^lag  jum  Äirc^engefe^  offiziell  eingeforbert, 
über  ben  man  bod^  nid^t  einig  toerben  fonnte.  Diefe  Ääm))fe  innerl^alb  ber  Äird^e  jottten 
ibr  teuer  ^u  ftel^en  lommen.  2)ie  löniglic^e  äHein^errf^aft  tourbe  in  ©c^toeben  mit 
Karl  XI.  eingeführt,  unb  er  toar  nic^t  SöiUen«,  bie  Äir^e  afö  felbftftänbigen  gaftor  in  so 
feinem  SReid^e  befte^en  ju  laffen.  SDurc^  eigene  ©c^ulb  batte  bie  Äirc^e  feine  organifterte 
Slegieruna,  bie  il^re  ^ntereffcn  Derteibigen  ifonnte;  bie  Sifc^öfe  toaren  im  allgemeinen 
toeniger  bebeutenbe  3Ränner;  unter  bem  Solle  unb  ber  nieberen  (Seiftlic^Ieit  enbli^  griff 
ni(^t  o^ne  ©c^ulb  ber  Drtbobojie  unb  infolge  ber  unaufl^örlid^en  Äriege  ein  tiefer  religio« 
fittlid^er  Serfatt  unb  3«na^me  be«  Aberglauben«  um  ftd^.  (^ie  ©euc^e  ber  §e5enj)rojejfe  66 
toütete  in  ber  3eit  um  1670,  Dom  Äleru«  gefc^ü^t,  Dom  berül^mten  Slrjt  Urban  §iäme 
befänH)ft.)  Slirgenb«  gab  e«  aBiberftanb«!raft  gegen  ben  abfoluti«mu«.  Da«  Äirc^cngefefe, 
ba«  auf  SBeranlaffung  be«  Äönig«  1686  angenommen  tourbe  (burc^  eine  9?erorbnung  betreff« 
ber  3)omIaj)itel  1687  DerDoHftänbigt),  erfüllte  in  ber  93ejic^ung  bie  SBünfc^e  ber  Äird^e,  bafe 
e«  bo«  Äonforbienbuc^  al«  fi^mbolijc^e«  S3uc^   einführte,   unb   bamit  bie  §errfc^aft  ber  eo 


32  Scfftoeben 

Crtbcboric  bcfcfti^tc;  w  cjab  a\i(b  bcr  Äir*c  bic  cinhcitlicfcc  Crganifation,  für  tvcic&e  fie 
&»»  ^abxi  lang  gearbeitet  hatte,  unb  führte  baburch  \a  einer  neuen  3^^^  i"  ^^^^  ®f= 
fchichte;  aber  e«  raubte  ihr  bie  frühere  Selbftftänbigleit  unb  legte  bie  "Scac^t  in  bie  $anb 
bes  Honigs.    Jie  Äirchc  ipurbe  in  eminentem  Sinn  eine  Staatefirche,  obgleich  ber  ftönig 

5  nie  in  2*n?ebcn  bie  Stellung  erhielt,  bie  man  „summus  episcopus"  ,^u  nennen  J)fle0t. 
üjjährenb  bic  Öemeinbcn  ein  3^^^^""^^*^  lang  einen  fchiueren  Äamjjf  um  ihr  uralte^ 
iKahlretht  gegen  bcn  oochabel  unb  bie  33ifchöfe  geführt  hatten  betreffe  einer  ÜRenge  geifls 
lieber  Stellen,  nahm  je^t  bie  Ärone  ba«  ^Hecht  in  Änfpruc^,  biefe  (bie  „regalcn  ^JJfrünben") 
ju  befegen.    lie  fremben  ftaaterechtlichen  ^'t>cin,  bie  im  älnfang  bc«  S^^'^N«^^^  ^««^ 

toben  Sieg  Äarlö  IX.  über  Sigi^munb  überh?unben  hjorben  maren,  tauchten  nun  unter 
bem  lerfmantel  be«  abfoluten  .Königtum«  tvieber  auf.  2)a6  hefte  fchtoebifchsgermanift^ 
ßrbe  ber  .üirche  h^urbe  bebroht,  tvie  aud^  tai^  ftttlich-religiöfe  Veben  öb^une^men  anfing. 
Um  biefe  beiben  *J?unfte  beilegt  fich  bie  Äirchengefcbichte  ber  folgenben  ^txt 

öfür  ben  'Koment  \vax  bie  ©efahr  baburdb  tjerbcdt,  bafe  ba«  Königtum  bic  SoBcnbung 

15  ber  großen  Crganifationearbeit  energifcb  betrieb.  2Jie  ^üt  um  ba^  ^ahx  1700  bietet 
nach  auBen  einen  toirflich  imponierenben  flnblirf.  ^m  ^al}x  1689  erhielt  ba«  9lei(^ 
einen  gemeinfamen  Matechi^mu*^,  169:i  ein  neue«  Äirchenbanbhuch,  1698  bad  berül^mte 
Äirchenlicberhuc^  (f.  ärt.  Mirchenlieb  58b  X,  S.  441  f.),  1703  eine  reöibiertc  Sibel* 
Überlegung  unb  lur^  banach  ein  grofiC^  Sibelmerf  (f.  3lrt.  @e$eliu«,  Sb  VI  g.  654 ff.). 

2o0eorbhete  Suchführung  tourbe  1686  allgemein  anbefohlen  unb  ^au^öcrböre  begannen 
(f.  Slrt.  Mircberibüdher  Ob  X,  ©.  362 f.);  ein  föniglicher  Grlafe  bon  1695  orbnete  ben 
allgemeinen  Minberuntenicht  im  Sefen  unb  im  Äatechiemud  an.  SBenn  bic  Äircbe  im 
älnfang  be«  i^ahrhunbert^  ba^u  mächtig  beigetragen  ^atte,  Schtpcben  ^\ix  politifchen  @röte 
|iu  erbeben,    fo   h?irtte  nun  biefe  äuBcre  politische  Wröfee  in  ihren  legten  Stunben  mit, 

26  Schmebene  ftirche  an  bem  firchlichcn  in^rfall  in  ber  lutberifchen  33elt  teilbeifc  Wohlbehalten 
tjorüberjuhelfen.  lie^eit  ber  politifc^enörößc  erhielt  nun  ihren  Spätfommer  mit  einer  9lei^e 
firchlicher  "IJcrfönlichfeiten  mit  fühnen  ©ebanfen,  glühenber  iiaterlanbeliebe,  oärte  gegen 
jebe  3lbii>eichung  üon  ber  reinen  Sehrc  aber  mit  einer  nie  berfagenben  Cpfcrtpttligieit 
Tür  bie  ^orberungen  ber  orthoboren  Äird^c  unb  bie  bcr  abfoluten  ^lltonarc^ie;   fie  toarcn 

•^')  echte  Äarolinen  im  lalar,  bic  öeiftc^t)ertraubten  Xarle  XII.  fotoohl  in  bcr  Jyrömmigfcit 
aü  in  ber  Unbeugfamfcit.  2i>ir  n?ollen  hier  nur  bic  beiben  ßrjbifchöfe  Clct  Söcbiliu» 
(1681— 17'.MJ),  ben  iserfaffer  bc«  Äatcc^i^^mu*  unb  be^  Mirchenhanbbu^^,  unb  Grit 
93en$eliu«  fen.  (1700— 17u9),  '^Nater  ber  bcrühmteftcn  53ifchof«familie  gchmcben«  (3  SiJbne 
hjurben  ßr^bifchöfe),   cnoiihnen;    hierher  geWren  auch  bie    beiben  öejctiu^   in  ginnlonb 

35  (f.  3trt.  0e;cliu55),  bcr  heri?orragenbe  Xiduer,  lorften  3iub^cn,  bcr  Sänger  ftarU  XII., 
6hcf  bce  Stift*  Marlftab,  fpäter  3)ifd>of  in  i'inföping,  ber  SiJortführer  be«  geiftlicben 
Staube«  bei  mehreren  rHcich'jtagen,  geft.  1729,  unb  bor  allen  bie  grofeen  Äird^cnliebers 
bichter  Spcgel  unb  Soetberg.  öaquin  Spegel,  ber  grofee  S>ortämpfer  ber  fircbßc^en 
Uniformität  unb  SJeförberer  ber  "3>olfebilbung,    bcr  mit  ,Mraft  an  ber  Spigc   me^rcw 

40  Stifter  ftanb  unb  fchlioBlidt'  Crr;bifchof  tourbc  (geft.  1714)  ift  eine  ber  benlic^ften  ©eftalten 
ber  fchrt?ebif*en  Äirdv;  fein  cbler,  frommer  (Sharafter  ftrahlt  in  feiner  Äirc^enlicbcrbic^^tunö 
un^  bell  unb  flar  entgegen.  J^MVht  SiH^bberg,  Sifd>of  in  Sfara,  h?ar  auch  im  ®runbc 
feinet  CSharaftcre  ein  Carolin;  aber  feine  grbfete  Sebcutung  lag  barin,  bafe  er  burc^  feine 
Cppofiiion  gegen  bie  -fliiBbräuche  bcr  Crtboborie  unb  burch  feine  ftarle  äfnnä^erung  an 

45  ben  '.\Kpftici*mue  auf  eine  neue  ;^i\t  hinbeuteic.  Gr  überlebte  auch  lange  feine  eigene 
(geft.  17301.  Gin  cigontümlidHT  Montraft  oviidK^i  bem  iH*rbreitetcn  religiöfen  Serfall 
unb  bicicn  ßcftalten!  Sic  hatten  feine  nciKn  (^)ebanten,  tonnten  fein  neuc^  Sehen  et« 
werfen,  aber  fie  bintorlicn  ben  Aührern  ber  Mirche  alö  ihr  Grbe  eine  grönimta!eit,  bie 
tief  genuA  u\ir,  um  tie  cd^t  religibfen  Mrciftc  bcr  neuen  ,^eit  ju  ijcrftchen.  —  -uiit  bem 

5.)  lete  Äarle  XII.  trat  eine  iifcn^ung  auf  bem  Webiete  ber  i\an\cn  fchlpcbifc^en  Äultur  ein. 

3.  lic   relioiiLM'c  Gnredung   unb    bic  iMüte;eit  ber  Äird^e   1718—1772. 

ler  lUetieinu^  un?  rae  >>crrnlnitcrtuni  enrccficn  tic  breiten  Schichten  bei8  fc^toebifc^en 

i^olfe  in  fiitlid^^religiofcr  ."^infidu  in  bcr  gleidk-n  ^'.'it,  in  ber  auf  bem  fulturcHen  unb  politifc^en 

©ebieie  unter  tcm  rcfni?  Der  iHTtc^evtcn  ,.;^eit  bcr  Jvreibeit"  ber  SnWöibuaUdmu«  er* 

55n?achte  071*^—1772).  Tanf  tcm  ermähnten  Grbe  mie  ber  Marolinerieit  fonnte  auf 
mehreren  Seiten  eine  üi?echfela>irfung  jmifc^^en  ber  neuen  Grtücdung  unb  oer  alten  ortbo* 
boren  ^rönitnigfeit  entftehen,  unb  auf  biefe  SBieife  eine  ecfolareu^e  firc^Iic^e  älrbeit,  fotDO^ 
;ur  ilNeniefung  bes  religiöfen  '^olteiebend  aU  ynSriMMM  04^  ^^^  Singriffe  ber 
Staatemacht  betriehen  kuerben.    2)i(  jMDtf|tfgM|^H^|E^  f((ta>ebif(^rluii^if(ifen 

»v.Äirc^e  trat  je^t  ein;  ftc  tomlf  j||A||^^^^^^^^^^Kbic  bcft  itontinentd  bem 


Scfftt^en  33 

3ct>aratiömu^  be^  18.  S^W^nbert«,  ebenfotoenig  tote  ber  religiöfcn  unb  jjoUtifd^cn  Auf* 
Jätung  be^felben  eine  Seute  toerbcn.  —  ©c^on  in  ben  legten  ^a^ren  Äorte  XI.  ^alte 
)er  ^iett^mu^  bie  beutfd^en  9cft|ungen  ©d^toeben^  erreicht,  too  er  mit  beutfd^ev  oxtf^o^ 
>oscr  Seibenfd^aftlici^feit  (t)on  3-  »•  5Ka^er)  belämj)ft  tourbe.  33on  bort  au^  fanb  er  ben 
Beg  nac^  ginnlanb  (bor  allen  burc^  bie  beiben  ^ol^ann  SßJegeliu^)  unb  guten  Soben  im  pnnifd^en  6 
iBolf^emüt,„aber  tourbe  balb  bon  ben  ©ejeliuiS  mit  §ärte  beläm})ft;  1689  frrad^  ba«  ©om« 
ütpxUl  ju  Abo  ba«  erfte  Urteil  über  brei  ^ietiften.  3n  ben  erften  3jöl^r«t  beiJ  18.  ^aüft^ 
^nbert^  trat  ber  5ßieti^mu«  in  ©d^toeben,  runb  um  ba^  Saltifd^e  3Reer  unb  in  ©tocB^oIm, 
Ulf.  3(m  ätffeffor  ®eorg  S^becfer  erhielt  er  einen  nic^t  unbebeutenben  ^ird^enlieberbid^ter. 
Sine  für  ba«  religiöfe  Seben  eingreifenbe  Sebeutung  getoann  bie  S3ehjcgung  jebod^  erft,  lo 
M  bie  in  ftbirifc^er  ©efangenfd^aft  gcl^altenen  unb  bort  (^aujjtfäc^Kc^  burdjl  bie  3:^ätig5 
fett  eined  beutfd^en  ^ragoner^au))tmann^  t>on  SBreefc^)  für  ben  ^ieti^mu^  gewonnenen 
ßoltatoalrieger  nad^  bem  3;obe  Äarte  XII.  nac^  $aufe  famen(1721).  9lun  verbreitete  ftd^ 
>ie  Grtoedfung  über  grofee  Si^eile  öon  ©c^toeben.  3)ie  gefunbe  unb  ber  Äird^e  nic^t  feinb« 
[ic^e  ©eite  be«  ^attefc^en  ^ieti^mu«  toar  nod^  öor^errfienb.  ®ine  SKen^e  t)on  ®eifts  is 
[id^en  gehörte  gu  i^r.  S)ie  gtoei  größten  3Ränner  ber  Kirche  gu  biefer  ^cxt,  ®ri!  SSen« 
jcliu«  iun.  (Sifc^of  in  2inföt)ing,  grjbifc^of,  geft.  1743)  unb  änbrea«  Stobeliui^  (?Jrofeffor, 
\pätn  Sifc^of  in  2unb,  geft.  1738,  ber  e^e  bebeutenbe  unb  felbftftänbige  ^P^ilofoj)^ 
S(^n)ebend),    3Jlänner,   toelc^e   nad^    ben  SBorten  eined  Sitteratur^iftoriferd  „toie  jtoei 

äetDaltige  ^ortalfiguren    am  @ingange  be^  ©ebäubed    ber  S3ilbung  fte^en,   toeld^e  bieao 
ifyct  ber  fjrei^eitjeit  bilbet"  (SBarburg),  toiberftanben  biefer  Slid^tung  nic^t.    S3efonberd 
)er  le^tere  f^m))atbifterte  mit  ber  S^ätigfeit  be^  jungen,  für  ben  ^ieti^mu^  getoonnenen 
Beiftlic^en  ^eter  TOurbecf  in  ©d^onen  (1731—46)  unb  ftettte  felbft  feine  ©ebonlenfc^ärfe, 
teine   t^eologif^^e  ©ele^rfamleit  unb  })raftif(^e  Sefä^igung    in  ben  ®ienft  einer  tieferen 
Religiofität;  t)or  aDem  lag  il^m  bie  ©rjiel^ung  ber  S^g^nb  toarm  am  ßerjen.    3Rurbed,  26 
)en  man  ben  ^rande  ©c^toeben«  genannt  l^at  (er  toar  jebod^  toeniger  )^m})atj^ifc^,  ^art 
mb  ftreitbegicrig,  geft.  1766)  tourbe  ba^  $au^)t  ber  religiöfen  ©rtoeoung  in  ©übfc^toeben. 
In  gleid^er  3eit  trat  in  Dberfc^mebcn  nac^  1723  ßrif  loüftabiu«  auf^   ®r  toar  Silor, 
päter  Pfarrer   in   ©todf^olm  (geft.  1759),    unb  toibmete  ber  görberung  be«  c^riftlid^en 
Jcbend  eine  unermübliAe  unb  fegen^reid^e  Slrbeit.    6r   ift  ber   bebeutenbfte  3lame  ber  so 
nnem   firc^Iic^en  Oefc^ic^te  ber  S^'xt.  —  ^m   ganj^en   begegnete   jjeboc^  bem  ^ieti^mu« 
ne^r  9öiberftanb  al^  Serftänbni«  feiten^  ber  oberen  Se^örben.   wirrere  Sifc^öfe  griffen 
^n  an,  ber  geiftlic^e  ©tanb  be«  Sleid^^tag^  toar  il^m  feinblic^;  bem  loBftabiu«  tourben 
neuere  lange  anbauembe  5ßrojeffe  gemad^t,  unb  bergleid^en  ^atte  aud^  aWurbed  in  ©d^onen 
la^^er  ^u  erleiben.    6in   ganj"  befonbere«  auffeilen  ertoecfte  ein  Äontjentilel  in  ©idtla  S5 
lufeer^alb  ©tod^olm^  1723;  bie  ^Regierung  machte  ben  $äu})tem  einen  ^rojefe,  toobeifie  il^e 
Jnfd^uung  in  einer  au^fül^rlid^en3)enffcf»rift  ijorlegten,  bie  al«  bie  SJo^matil  be«  fd^toebifcpen 

Sieti^mu^  beaeid^net  toerben   fann   (Sunbftröm).    ©ie  tourben  freigefproc^en;   aber  icS 
efultat  ber  33erl^anblungen  toar,  bafe  bie  Slegierung  ba^  befannte  Äonöentilelplalat  1726 
nrücfe.    3n  biefem   tourben  bei  ftrenger  ©träfe  atte  privaten  ©rbauungö^ujammenfünfte  40 
ocrboten.    dagegen  erlaubte  man  §au^anbac^t   unb  bie  (Seiftlic^en  tourben  aufgeforbert, 
oft  ^au^üerl^öre  gu  galten.    211^  ©d^u^  gegen  })ietiftifd^c  ßntartim^  toar  ba«  ^lalat  \>on 
9{u|en;  aber  bie  engen  ©c^ranlen,  bie  e«  jog,  blieben  für  ba^  religiöfe  2eben  be«  Sanbed 
me^r  atö  125  ^oi}xz  lang  eine  %^^d.  ^ierburc^  tourbe  aud^  bie  f(<^toa(^e  ©tettung  blo^« 
gelegt,  in  ber  bie  Äirc^e  ber  Staatsmacht  gegenüber  ftd^  befanb.    ©ie  lam  toäl^enb  beS  46 
Streite«  nodb  in  anberer  SBeife  jum  3?orfc^ein.   I)er  fouöeräne  ©tänbereic^Stag,  ber  bem 
fout)eränen  ÄönigStum  gefolgt  toar,   fe^te,  öon  ber  ^ietiftenfrage  t)eranla|t,  1723  einen 
bcfonbemäu«fc^ufe,biefog.@{flcfiafti!bclputation,nieber.  6r  toar  beftimmt,  ein  t)om  Sleic^S- 
tage  ab^ngige«  Consistorium  generell  über  bie  Äirc^e  ju  toerben;   er  follte  u.  a.  ba« 
Rrcd^engefe^  in  Übereinftimmung  mit  ber  ^Politif  ber  neuen  3rit  umarbeiten.    ®o(^  l^tte  so 
Sc^toeben  am  geiftlic^en  ©tanb  be«  SReic^Stage«  ein  firc^lic^e«  ßentralorgan,  toeld^e«  e« 
kMsfianb,  bie  I^ätigleit  be«  2lugfc^uffeS  ^u  neutralifieren   unb   über  bie  ©tettung  ber 
KbÜ^  im  &taat  gu  toac^en.    Q^  ift  in  ni^t  geringem  ®rab  baS  ^erbienft  Don  93enje{iuS 
mb  9t);bettud,  bag  bie  fd^toebifc^e  ^irc^e  nid^t  toie  bie  anglitanifc^e  ©taatsfirc^e  ju  biefer 
gcst  in   ben  3RaIftrom  unb  Jlorru))tioni^eift  ber  ))oliti{c^en  ^arteigegenfä^e  mit  hinein-  66 
Piogot  iDurbe. 

•int  Solg«  ber  Iräftigen  SKaferegeln  gegen   ben  ^ietiSmuS    toar,   bafe  feine   ®in- 
i^ter  ^ert)ortrat.    9?od^  tjer^ängnistjotter  tourbe  bie   grofee  SBette  beS  fat^oli:: 
I  9b^cfdmu«,   bie   im  älnfang  beS  18.  ^al^r^unbertS  @uroj)a  überfc^toemmte. 
Sd^toeben  im  britten  S^^^^ä^^nt  beS   18.  ^^^^^««^^'^  ""^  verbreitete  fid^  eo 

iMc  m  XlttoloQh  unb  mtä^t.    3.  «.  XVIII.  3 


34  Si^toebett 

in  bcn  ©j)urcn  be«  ^piettemuö.  ßincr  il^rcr  beften  SRcjpräfentanten,  bcr  ©tubcnt  ©t)cn 
9lof6n  (be«  Sonbcö  toertoiefen  1741),  jctgt,  ba^  man  bielc  latj^olifd^e  3}ti)\tit,  tote  j.  8. 
5Kme.  ©utoon  in  ©c^toeben  gelcfen  ^at.  ßttoa  \>on  1727  ab  nal^m  bic  Setoegung  über- 
l^anb.    ©cptoerc  formen  t)on  ©d^toärmerei,  ©ejjarati^mu«,  3lj)oIaI^))tiI,  attg^»"«««  ^nt^ 

ögtoeiun^  folgten,  ^ntoiefem  2)iW)etö  Sefuc^  in  ©c^toeben  1726—28  ju  biefer  SMd^hmg 
mitgetoirlt  f^ai,  ift  nod^  ntd^t  erforfcbt.  ^n  ben  brei^iger  ^al)xm  toar  bie  innere  fini^^ 
lid^e  ©ituation  unfid^er.  Da  fam  §ilfe  bom  $erm^uti«mu«.  ©c^on  bei  bet  Segrünbung 
ber  Srtibergemeinbe  1727  toar  ein  ©c^toebe  ber  3Jlitl^cIfcT  Sinj^bö'^^-  ^  toar  Slffeffor 
6.  §.  ©runbelftiema,   ber  and)  fj)äter  für  bie  religiöfe  ®nttoidelung  Sinj^nborf«  bon 

loSBebeutung  toerben  foDte.  9Son  erfter  ©tunbe  an  rid^tete  fid^  aui)  ba«  gntereffe  bw 
^erm^uter  auf  ©d^toeben.  ©runbelftiema  lehrte  1729  nad^  ^aufe  jurüdt  unb  bereitete 
fier  10  3a^re  lang  ben  Soben  t)or.    1738  tarn  ber  5ßrit)atbojent  Slrt)ib  ®rabin  na<^ 

terml^ut  unb  tourbe  balb  ber  ^ert)orragenbfte  ©(i^toebe  ber  SBetoegung.  äud^  ber  ^Sttf^kt 
o\6n  trat  in  bie  ©emeinbe  ein,  alö  er  ©c^toeben  berlafjen  mu^te.  35ur(^  bie  38er- 
16  mittelung  biefer  3Jlänner  tarn  ^  in  ben  ^a^xm  1739—44  ju  einer  Slütejeit  be«  §erm= 
^utertum^  in  ©(^toeben,  mit  jtoei  $au^)tftationen:  in  ©todEpoIm  unb  in  S33eftergötlanb. 
©ein  @influ|  toar  gro^  unb  ^eilfam;  bie  ©d^toärmerei  nal^m  ab,  ©d^aren  \)on  $ietiften 
tourben  in  bie  Äirc^e  jurücf geführt;  ba^  emfte,  tomn  and)  einfeitige  »etonen  ber  ®r- 
löjungöle^re  fanb  aud^  bei  ben  Ortl^obojen  Slnflang.  2lte  (Srabin  jufammen  mit  bem 
20  angefe^enen  S)eutfd^en  3Kartin  2)ober  aU  2)ej)utierte  1741  jum  fc^toebifc^en  grjbifc^of 
gefanbt  tourben,  empfing  fotoobi  er  ali  bie  t^cologifd^et^afultöt  in  U^fala  fte  mit  ©^m- 
batl^ie ;  fie  erl^ielten  bie  (Srlaurni^,  in  ben  ©todt^olmer  Äirdben  ju  Jjcbigen  u.  f.  to.  — 
ßdber  geigte  ftd^  im  ^a^r  1745  aud^  in  ©c^toeben  bie  falfd^e  Stnnäl^erung  an  ben 
bftici^mu«,  bie  feit  1740  bei  ben  bcutf d^en  ^erm^utem  ftd^  t>erbreitet  l^atte.  „3n 
------  "  "  erfte 


26biefem  3a^r  fing  in  ©todt^olm  eine  feiige  SBunben^  unb  93luti)eriobe  an",  fagt  ber 
Vertreter  ber  neuen  Slic^tung  3Jlag.  5p.  SBertoing.  2)ai8  3lnbeten  ber  ©eitentounben 
El^rifti  tourbe  bor^errfd^enb.  ®iefe  hanfl^afte  Überfjjanntl^eit  führte  gum  ©infen  ber 
Steligiofttät,  jur  ßerrfc^aft  be^  ^arteigeift«  unb  jur  3j^>>Ktterung  ber  SBetoegung  in 
eine  SKenge  bon  ©elten.     9?un  tourbe  auc^  Dr.  3l.  Ä.^utftröm  für  bie  Setoegung  ge= 

aotoonnen,  ber  er  il^r  erftc^  fc^toebijd^e«  Sieberbud^,  gion«  neue  Sieber,  gab,  baS  feitbem 
in  immer  neuen  Stu^aben  erfqien  (bie  le^le  1898).  ®rft  feit  1760  tourbe  biefe 
„3eit  be^  ©ieben«"  burd^  bic  eifrige  Slrbeit  eine«  beutfd^en  ?Paftor«  Sie  nebft  grau 
übertounben,  toeld^e  1760  au«  bem  toieber  auf  gefunberen  Sahnen  gel^enben  ^errn^ut 
in  ©todtl^olm  anlamen,   unb  toeld^e  me^r    aU  20  ^af)xt  lang  ba«  ^erml^utertum  in 

86©(^toeben  leiteten. 

3)ie  gefä^rlid^en  3lu«toüd^fe  ber  religiöfen  @rtoedfung«arbeit  Ratten  eine  gute  golge 
gehabt:  ein  aDaemeinere«  ©treben  feiten«  ber  Äirc^e,  bem  tiefen  religiöfen  Sebürfni« 
ber  3Jlenge  felbp  abjul^elfen.  ®ine  SReil^e  \)on  Sifd^öfen  unb  ©eiftlid^en  mai^tm  ftcb  nun 
berbient,  nid^t  nur  al«  bie  öome^mftcn  Vertreter  ber  a3ilbung,  fonbern  auc^  burd?  eine 

40  feelforgerlic^c  3;bätiglcit,  bie  an  lut^erifd^cr  ©efunbl^eit  unb  rcligiöfer  Xiefe  in  ber 
fc^toebifc^en  Äirdpe  nie  übertroffen  toorben  ift.  §icr  fei  nur  ber  berü^mtefte  ?Prebiger  ber 
Seit,  ber  I)om})robft  ©ben  93älter  in  SQäejio,  ertoä^nt  (geft.  1760;  auc^  toegen  feiner 
^iftorifd^en  Unterfuc^ung  ber  Äird^enceremonien,  eine«  nod^  unentbef^rlic^en  Sffierl«,  berühmt); 
Sifd^of  Safob  ©ereniu«  in  ©trengnä«  (geft.  1776),  ber  1735  anfing,  für  bie  ®infü^rung 

45  ber  Äonfirmation  nac^  englifd^^bänifd^em  3Mufter  in  ©c^toeben  m  arbeiten  (bie  Äon- 
firmation  tourbe  in  ben  1770igcr ^a^i^^"  allgemein);  unb  ber  §oft)rebiger  9lnber«  ^lofyc^ 
f^örg  (geft.  1767),  beffen  ^oftiEe,  „I)ie  ©eIigfeit«orbnung  be«  gefattenen  3Menfd^en",  bo« 
bom  fd9toebif(^en  Soße  am  meiften  gelefene  unb  biclleic^t  nur  bon  ber  Sibel  unb  bem 
©efangbud^e  an  S3ebeutung  übertroffene  ®rbauung«buc^  ift.    35em  $ieti«mu«  näfyn,  ober 

60  boc^  mit  lutl^erifc^em  ©runbton  ftanb  ber  bon  3J{urbed  getoonnene  2lnber«  ©Ifbing,  „ber 
SWann  mit  bem  Oeift  unb  ber  ^raft  bon  eiia«",  geft.  1772  nur  28  3a^r  alt.  —  @in 
f^öne«  Statt  in  ber  ©efc^id^te  ber  Äird^e  ift  bie  eifrige  3Jlifrion«arbeit  unter  ben  Zapp- 
länbern,  bie  bom  2lnfang  ber  1740iger  ^al}xt  in  lut^erifd^em  ©eifte  bon  ^ßer  gjjenjiröm 
unb  $er  ^ögftröm  geleitet  tourbe.    (Sine  böllig   eigenartige,    feine«toeg«  bebcutung«lofe 

66©tenung  m  ber  f^toebifc^en  Äird^e  nal^m  gmanuel  ©bebenborg  (geft.  1772)  ein 
(f.  2lrt.  ©bebenborg).  —  2)ie«  ftra^lenbe  lird^Iic^e  Silb  mufe  man,  um  c«  rec^t  ju 
berftel^en,  auf  bem  §intergrunb  ber  })olitifd^en  ©efc^id^te  ©c^toeben«  toäi^enb  ber 
t5reil^eit«jeit  betrachten.  Diefe  toar  an  neuen  gbeen  unb  fül^nen  SSerfud^en  reid^,  fie 
toar  bie  ®rünbung«})eriobe  be«   neuen  ©taat«Ieben«,    too   alle  Gräfte   auf  bie   innere 

eo  Äulturarbeit  unb  ben  ©d^uft  ber  nationalen  ©elbftftänbigleit  bertoenbet  toerben  teuren. 


Sf^meben  36 

$ter  toutbcn  bem  f ird^Iid^n  Seben  reiche  Slntegungen  gegeben ;  unb  bte  Äird^e  tjerftanb 
ed,  biefelben  angutoenben. 

4.  Die  3ett  ber  9leoIogu  1772—1817.  2)ie  Seit  trug  bennoc^  Äeime  be« 
Slücfgangg  in  \xd),  ©ie  toar  bie  Übergangszeit  t)om  ©d^toeben  ber  Sieformation  unb  ber 
ftrie0«j>olitif  jum  mobemen  ©taat,  unb  Jte  toar,  toie  aDe  fold^e  S^xttn,  boD  t)on  6 
gbealen,  aber  e«  manaelte  i^r  an  feft  aufgefkeDten  3^^^-  ^^^^  tourbe  ber  Jj^antafie? 
tofen,  räfonnierenben  Siernunft  ber  äufflärung  ber  ©oben  nottoenbig  bereitet.  2)iefe 
^tte  fd^on  längft  bie  fc^toebifc^c  Äultur  angeftecft.  ©eit  1770  toaren  bie  großen, 
reKfliöfenURänner  ber  bor^erge^enben3rit  l^ingegangen;  1772  beftiegber  ec^te  SlufHärun^g* 
fürfi,  ©uftob  III.,  ber  3leffe  griebrid^«  be«  ©rofeen,  ben  I^ron.  9Run  fanb  aud^  etne  lo 
Seronberung  auf  bem  lirc^Iid^en  ©ebiete  ftatt.  ®ie  franjöftfc^  beeinflußte  35id^terfd^ule 
©uftaW  III.,  befonber«  ber  berübmte  35id^ter  3-  «&•  Äeugren,  rid^tete  gegen  ©toeben* 
botgioniSmu«  unb  5ßieti«mu«  bie  SBaffen  ber  ©atire.  Der  beutfd^e  SationaliSmu«  fing 
an,  aud^  bie  gü^rer  ber  fd^toebifd^en  Äirc^e  me^r  unb  me^r  ju  bel^errfd^en  (bor  atten 
9R.  2^ribna  unb  ^.  31.  Senbblom;  ftel^e  3lbt^.  III);  bo4  brangen  nie  bie  ©jtreme  ein,  i6 
iinb  in  getoiffen  3:eilen  be«  fianbe«  (befonber«  in  ©übfc^toeben)  l^at  bie  Sleologie,  h>ie 
e«  f(^eint,  nie  bie  ^errfc^aft  errungen.  35aS  §erm^utertum  unb  ber  ©toebenborgianiSmu« 
toaren  bad  ©alj  be«  religiöfen  2eben«  bcS  iSinbe«-  ju  ber  einen  ober  ber  anberen  biefer 
9tt(^tungen  gehörten  toöl^renb  biefer  3^it  faft  aDe  iDlänner  ber  Jtird^e,  bie  fxdf  burc^  ed^te 
grönimigleit  bemerfbar  machten  (j.  8.  2lnber«  Änö«,  2)omj)ropft  in  ©lara,  geft.  1799,  20 
unb  fein  ©o^n  ®uftat)  Änö«,  ^rofejfor  in  IXp^ala,  geft.  1828).  3m  SSoIföleben  toirfte 
btc  ertoedhing  ber  3Jlitte  be«  Sal^punbert«  nac^,  jutoeilen  öerbunben  mit  ber  au^  ben 
3:agen  ber  ©(^toärmereiftammenben  Sleigun^  jur  ©eltenbilbung  (fo  j.  S3.  bei  ben  fonft  ftreng 
lut^erifd^en  ^ietiften  in  mehreren  norbfc^toebifd^en  Sanbfc^aften  in  ber  3^*  t)on  1760—80, 
bie  fog.  alten  lä Barne).  Durc^  mehrere  SrtoedEung^rebiger  tourbe  ber  toürttembergif^e  26 
$iettdmuS  in  ©d^tueben  berbreitet,  unb  jugleid^  ber  et)od^emad^enben  SBirtfamteit  ^enril 
©c^ortau«  Sa^n  gemad^t  (f.  ärt.  ©c^artau).  aiud^  bie  mit  ÜKü^e  betoa^rte  ©elbftftänbigleit 
ber  Äirc^e  im  ©taatsleben  tourbe  öon  ber  Sluff lärung  nid^t  toemid^tet.  S)a«  toieber  f ouöerän 
getoorbene,  rationalifKJc^e  Königtum  übte  jtoar  eine  3^itlang,  burd^  bie  Sefe^ung  ber 
©teilen  u.  a.,  einen  fcpäbigcnben  ©influfe  auf  bie  SSer^ältnijfe  ber  Äirdbe  au^.  aber  e«  so 
fonb  an  bem  geiftreid^en  unb  IraftöoHen  Sifd^of  DIof  SgSattqtjift  in  SöeEiö  (feit  1787) 
einen  (Segner.  ®r  toar  bie  ^ert)orragenbfte  lirc^Iid^e  5ßerfönli(^feit  ber  ©uftabianer  ^txt, 
old  ?ßoIitif er  unb  ginanjmann  ebenfo  bebeutenb  toie  ate  f ird^Kd^er  Organifator ;  er  toar  mit 
toenig  me^r  ate  30  3a^ren  einer  ber  Seiter  be«  Sleic^^tage«  unb  ber  Äird^e.  Unter  feiner 
gcitung  tourbe  1789  ein  neue«  firc^lic^e«  Slmt,  bie  fog.  6fHeftaftiIeö)ebition,  erric^trt,  ss 
too  aBe  lin^lid^en  ängelegenl^eiten  tjorbereitet  tourben.  Die«  3lmt  l^atte  eine  relatiö  felbft^ 
ftanbige  ©tettung  bem  Äönig  gegenüber,  ©eine  3:l^äti9leit  toar  furj  aber  fe^r  nü^Iid^ 
unb  bereitete  bie  Drganifation  be«  je^igen  Äultuömimfterium«  bor.  SBallqbift  arbeitete 
fid^  ju  2:obe.  ©r  ftarb  tm  3ia^re  1800,  44  ^a^re  alt.  3n  religiöfer  ^infid^t  toar  er 
ein  ®egner  ber  9Reo(ogie;  er  iprebigte  im  ©eifte  S3ä(ter«.  ^m  übrigen  ^at  er  einen« 
mobemen  3ug  toie  bie  Stfd^öfe  au«  ber  ?Kitte  be«  19.  ^a^r^unbert«.  $ier  toar  ein 
aScrbinbung«glieb  jtoifc^en  ber  Äirc^e  ber  ^ei^eit«geit  unb  ber  lird^Iic^en  SReftauration  be« 
19.  Sal^rl^unbert«. 

3toar  mangelte  e«  ber  3^^^  <^^  Ä'^oft,  ber  Äird^c  neue  Anregungen  ju  geben.  Da« 
J)0fttiöe  SRefuItat  i^rer  I^ätigteit  toar  gering,  toenn  man  bie  })rinjij)ieue  SInerfennung  ber  45 
9leliflion«frei^eit  au«nimmt  (1781,  toenn  auc^  nur  für  frembe  d^riftlic^e  »elenner;  toenn 
©d^toeben  t)on  ber  SReligion  be«  2anbe«  abfielen,  tourben  fie  be«  Sanbe«  öertoiefen),  ba« 
bouembe  Serbienft  ber  neologifd^en  3^^*  um  bie  geiftige  Äultur  be«  fc^toebifc^en  SSolI«. 
Die  neologifd^en  9leöifton«t)erfud^e  an  allen  Suchern  ber  Äirc^e  mi^angen  fämtlid^.  Die 
Hvcd^t  toar  auc^  nic^t  mäd^tig  genug,  bie  Äraft  be«  Solfe«  in  ben  j)oIitijd^en  ©türmen  so 
gu  ftä^len.  Die  Abtretung  tjon  ginnlanb  an  SRufelanb  1809  toar  faum  in  })oIitif(^er, 
aber  tool^I  in  lird^Iid^er  ^inftc^t  ein  SSerluft.  SBon  bort  toar  tjiel  ®ute«  ber  Äirc^e 
©c^toeben«  gu  teil  getoorben.  2tber  bie  9?ot  toar  auc^  \)on  SBebeutung;  bie  fojiialen, 
^olitifd^  unb  litterarifc^en  ©türme  in  dmopa  im  Slnfang  be«  19.  ?ia^r|>unbert«  fingen 
ouc^  an,  über  bie  Äird^e  ©c^toeben«  al«  SBinbe  ber  Befreiung  ju  toe^en.  66 

5.  Da«19.  3a^rl^unbert  3^  ^^^\^  «"f  ^i«  fol^enben  Abteilungen  ^in.  ^ier 
fei  nur  angebeutet,  bafe  bie  fed^giger  3i<i55^  i"  fird^cngefc^ic^tlic^cr  §infid^t  ein  beutlic^e« 
(Brenjmal  ber  ®nttoidtelung  bejeic^nen.  Die  erfte  §älfte  be«  ga^rl^unbert«  toar  bie  ^txi 
ber  firc^Iid^en  SReftauration,  toie  bie  beainnenbe  »lütejeit  ber  äußeren  unb  inneren 
9Riffton«arbeit,  unter  3lu«einanberfe$ung  mitfortbauemben,  toeniger  bebeutenben  fefterierifc^en  eo 

3* 


36  Sd^toebeit 

Setoegungen  fubiettbiftifd^er,  im  übrigen  jietnltd^  unKarer,  teltgtöfer  Haltung ;  (bie  neuen 
„läsarne"  in  9lonIanb  fdt  1805,  bie'ßril  ^anfiftcr  in  ^elfmölanb  in  ben  bieruaer 
Salden  u.  f.  h).).  3"  '^^  ^^^^^  t'^  g^^^'f^«"^^*^  P"9^"  ^i^  nonlonformiftifd^en  än^ 
fc^auungen   ber  anglitanifd^en  äBell  an,  aud^  in  Sd^toeben  feften  @runb  m  gewinnen; 

5  ber  englänber  (Seorg  ©d^ott  j)tebigte  ben  ?Ketl^obi^mu«  um  1840,  $Paftor  Sinber«  SEBiberg 
feit  1861  ben  Saj^ti^mu«,  ber  ^^^infli^^tti^»"«^  folgte  ettoa^  feäter  u.  f.  to.  3)a^  Stovti>m: 
tiUlplalat  h)urbe  1858  aufgel^oben,  unb  1860  gab  man  au^  fd^toebifd^en  Untert^en 
Sleligion^s  unb  ©emeinbefreil^eit  (toeld^e  1873  unb  bann  öfter«  erweitert  Sorben  ip). 
3)amit  na^m  bie  reformiert  gefärbte  religiöse  Strömung  auc^  innerl^alb  ber  Sanbe^Krc^e 

logetoaltig  ju;  biefe  tDurbe  bor  eine  neue  Situation  unb  bor  neue  9(uf gaben  geftedt.  ^u 
gletd^  3^  erl^telt  bie  Jtird^e  bei  ber  Umtoanbelung  be«  alten  ftönbifcben  Steid^tag«  in 
einen  Sieid^^tag  bon  2  Kammern  1866  i^re  eigene  9le))räfentation  an  ber  Jttrd^en^ 
berfammlung.  3)aburd^  getoann  fte  ettoai^  bon  ber  SteHung  innerl^alb  be«  fc^toebtfc^ 
aermanifd^en  @taat«Ieben«  toieber,   auf  h>eld^e  bie  9leformation  gejielt,   unb  bie  ®uftab 

16  ^bolf  beutlid^  au^ef))rod^en  l^atte.  ^en  Sinken  babon  tann  man  fd^on  fej^en,  unb  er 
h)irb  bielleid^t  in  einer  balbigen  Sw^""f^  "*>^  ^'^^^  ^erbortreten.  S)ie  icjtge  3^^  N 
oud^  in  biefer  Segiel^ung  mit  neuen  9(ufgaben  ju  tl^un. 

IL  Äircblid^e  ©tatiftil.  —  ßitterotur:  ^.  Sll^b^olm,  Sveriges  Kyrkolag, 
Stod^olm  1902;    ^.  Sf^imbaren:  Statistiska  studier  rörande  svenska  kyrkan,  Örebro  1897; 

20  ®.  @unbbfirg,  Sveriges  land  och  folk,  @toc!§olm  1901  (ein  bcbeutenbed  3Berf,  ouc^  in  frans 
j^öfifcfter  unb  englifcfter  ©pra^e  ^erauÄflcgcbcn) ;  ^.  Ol^I^ton,  Statistisk  matrikel  öfver  Svenska 
kyrkana  prasterskap  1902,  S^unb  1903;  Sveriges  officiella  Statistik  i  sammandrag,  ©tod- 
^olm  1905 ;  bie  legten  ßir^en&erfammCungd  unb  ©tiftDerfammlungdberid^te,  ebenf o  bie  Sa^red^ 
berichte  ber  reügiöfen  SBereinigungen. 

26  1.  93efenntni«  unb  @elten:  ®ie  (Sintool^nerjal^I  <5d^toeben«  betrug  @nbe  1908 
5221291  auf  einen  JJläd^enraum  bon  448000  qkm  berteilt.  SRe^r  al«  99«/o  babon 
gel^ören  tDenigften«  formell  ber  ebangelifd^-Iutl^erifc^e  Staatgfird^e  ©d^tüeben«.  3)a«  Äird^ens 
geje^  bon  1686,  ba^,  fotorit  e«  nid^t  geänbert  ober  erweitert  h)urbe,  noc^  in  ©eltung  ijl, 
fixiert  ate  Ürc^Iic^e«  Selenntni^  (au|er  ben  brei  alten  Symbolen):  ben  Sefc^^Iu^  bon 

80  Upsala  möte  1593  unb  ben  ganjen  „Liber  concordiae".  3n  ber  SSerfaffung  bon 
1809  toirb  jeboc^  nur  bon  Upsala  möte  unb  ber  Confessio  augustana  gef^roc^en. 
I)iefe  Unpd^erl^eit,  ob  ba^  ganje  Äonlorbienbud^  in  Sc^toeben  f^mbolifc^  geltenb  tft  ober 
nic^t,  l^at  lebhafte  ©treitigleiten  innerl^alb  ber  Äird^e  l^erborgerufen  (befonber«  1893); 
eine  enbgiltige  ©ntf^eibung  ift  nod^  nid^t  getroffen.    —    SBSer  ber  ©taat^firc^e  nic^t  ju? 

86  gehören  toid,  f)at  ba^  freie  9led^t  au^jutreten,  mu^  ftd^  aber  riner  anberen  bom  @taat 
anerlanntcn 3leIigion^emeinbe  anfd^Iielen.  3"^  3^^^^  1^00  jäl^lte  man:  römifc^e  Äati^o? 
lifen  2378,  ^auj)tfäd^Iic^  in  ©todEl^olm,  5Ka(mö,  ©öteborg  unb  9lorrföJ)ing ;  griedj^ifc^e 
Äat^olifen  44;  Slnglilancr  72 ;  3rbingianer365;  ©toebenborgianer  81 ;  Sieformierte  107; 
aSormonen  51;  3uben  (bie  mofaif^e  ©^nagoge)  3912;    ?Ket^obiften  7041;    Saptiften 

40  3  309.  2)ie  legten  bilben  aber  jefet  feine  ^iffenter^gemeinben,  fonbem  bleiben  formeH  in  ber 
©taat^Krc^e.  35ie  toirflid^e  3a|l  ber  93a))tiften  ©d^toeben«  toar  ßnbe  1903  um  40  000. 
2)ie  aWetl^obiftcn  ^aben  eine  tool^l  organifierte  unb  geleitete  met^obiftifd^'e})ifIo}>aIe  Jtir(^e 
gebilbet;  bie  3Jlel^rjal^l  aud^  bon  il^nen  ift  jcbod^  au^  ber  ©taat^Iird^e  ni^t  angetreten, 
enbe  1903  toaren  fte   in  SBirllid^Ieit  15231  mit  133  Äir^engebäuben  jum  SßJerte  bon 

46^beinal^e  2000000  Äronen.  Der  bebeutenbfte  feltiercrif^e  SSerein  innerhalb  ber  ©taat^ 
lirAe  ift  ber  1878  entftanbene  ,,©d^h)cbifd^e  ^Hiffion^bunb"  mit  j)ietiftifd^cr  ®runb- 
faroe,  bon  ber  Äirc^e  abtoeid^enber  äSerfö^nung^Iebre,  (öftere)  eigener  Jtommunion  u.  f.  to. 
©r  betreibt  eine  umfaffenbe  innere  unb  äußere  9)}iffion.  95ie  S^^l^^  ^^'f  SKitglieber  toor 
enbe  1903  84602,   in  11  35iftriften  berteilt,   mit   mc^r  ah  1100  Äird^engeböuben  ju 

50  einem  SBerte  bon  beinahe  7  700  000  Äronen.  2)er  35unb  l^at  frine  l^aujjtfäc^lic^e  SSer^ 
breitung  in  ben  mittleren  Irilen  ©c^meben^S  (bor  aßen  3BärmIanb  mit  16846  SWit* 
glieber);  in  ben  3:eilen  be^  Sanbe^,  tüo  bie  älteren  „Säfarnc"  ober  ber  ©d^artauniömu^ 
getoirft  ^aben,  l^at  ber  93unb  toenig  ©rfolge  errungen.  2)ie  3^^'  ^^  Äird^enbefuc^er  ip 
nic^t  toenig  bon  ber  Slu^breitung  be^  SBunbe^  beeinflußt;    in  ben  mittleren  3:eilen  be« 

66  Sanbe«  lönnen  fte  nur  auf  ungefähr  lO^/o  ber  Sebölferung  bered^net  toerben,  in  ben  füb« 

lid^en,  toeftli^en  unb  nörblic^en  2;eilen  bagegen  auf  ungefäl^r  25<>/o.    2)ie  Urfad^en  biefer 

Sßerfd^ieben^eit  liegen  iebod^  teiltoeife  nod^  tiefer.  —    ©cit  1883  toirlt  auc^  in  ©d^toeben 

bie  §eil^rmee,  feit  1905  in  einen  internationalen  unb  einen  f^toebifd^en  3^^i0  gefonbert 

2.  Äird^lid^e  ßinteilung   unb  ©eiftlid^fcit.    2)ie  Äircbe  ©d^toeben^  ift  in 

Gf»  13  SBi^tümer  (©tifter)  eingeteilt ;  baju  f ommen  ba^  ©tabtfonfiftorium  bon  ©todtl^olm  unb 


Sd^toekett  37 

ba«  ^oflonpftorium.  3)a«  Ic|^tc  ©tift,  2ule8,  ba«  mit  bem  ^af}XQ  1904  ju  fungieren 
begann,  toutbe  jebod^  bom  Sleic^^tage  nur  mit  bem  93orbel^aIt  aufgerichtet,  ba^  bie  oeiben 
Stifte  3Be^  unb  Jtalmar  berbunben  tverben,  f obalb  einer  ber  beiben  je^t  lebenben  Sifd^öfe 
jiirbt;  bie  Äirc^enberfammlung  l^at  biefe«  nac^  lebl^aften  SBerl^anblungen  gutgelj^feen  att 
eine  trübe  9loth)enbigfeit.  Dag  S9i«tum  Uj)fala  trägt  ben  Flamen  eine«  ßrjbi^tum«,  6 
obtoo^l  fein  SSorftel^er  im  SSerl^ältni«  ju  ben  übrigen  Sifd^öfen  !aum  ettüa«  anbere«  iji 
afö  primus  inter  pares.  Über  bie  ©rünbung  berStifter  f.  o.  ©.20,3i  u.  31, 1 8.  ©ie 
finb  ie|t  Vip\ala  (mit  ©totfl^olm  303139  ßintü.)  825473  ßintü.  (bie  ßa^Ien  bom  8e* 
ginn  b.  3.  1903),  2inlö»)ing  409  616  ginh).,  ©fara  355239  6.,  ©trengnä«  344150®., 
ffiäjiera«  400299  ß.,  SQBejiö  320694  6.,  2unb  783366  g.,  ©öteborg  582525  g^,  10 
Äalmar  136245  S.,  Äariftab  344486  g.,  SOBi^b^  53205  @.,  $emöfanb  unb  Suleä 
(1903  noc^  ein  ©tift  mit  693 144  S.,  babon  im  je^igen  ©ebiete  $ermöfanb  349  703 
unb  Suleä«  289441).  2)ie ©tifter  ftnb  inÄontralte  eingeteilt;  auf  jeben Äontraft  fommen 
in  9KitteIja^I  7—8  ^ßaftorate  (^arod^ialgemeinben).  @«  giebt  je^t  1380  ^aftorate.  gebe« 
^M^orat  l^i  feinen  „kyrkoherde"  (^ßfarrer) ;  einer  bon  il^nen  fingiert  ate  ÄontraIt«J)robft  i6 
über  ba«  betreffenbe  Rontralt.  S)ie  ^aftorate  fmb  oft  in  ßimelgemeinben  eingeteilt,  jebe  mit 
eigener  Äird^e  unb  öfter«  aud^  mit  eigenem  orbinärem  ^ßriqter  (ber  ^Pfarrer  in  ber  &avi!i^ 
gemeinbe,  bie  „Äomminifter"  in  ben  ännejgemeinben).  S)ie  3^^!  ^^  ©emeinben  beträgt 
2576.  auf  jeben  ^ricfter  fommen  um  1700  ©intüo^ner  (inSJeutfd^Ianb  um  1600).  3)er 
®e^alt  ber  ©eiftlid^Ieit  ift  fe^r  Derfd^ieben,  aud^  inncrl^alb  berfelben  ©tufen.  6«  regt  fic^  20 
ber  lebl^afte  SBunf^,  eine  Serbefferung  u.  a.  burc^  gere^tere  Serteilung  be«  ®e^alt« 
^erbeijufü^en.  @in  großer  f önigl.  äu«fd^u6  arbeitet  feit  einigen  ^al^ren  an  biefer  grage 
unb  in  ^wf^ntmen^ang  bamit  an  einer  Umgeftaltung  ber  ganjen  (Semeinbeeinteilung.  911« 
3JlitteIjabI  lann  ber  ©e^alt  ber  Äomminifter  ju  2100  Äronen  (1  Ar.  =  1  ÜKI  12  $f.), 
ber  5ßfarrer  ju  4000  Ar.  unb  ber  Sifd^öfe  ju  12—18000  Ar.  angegeben  Serben  (baju25 
überall  eigene  SBo^nungen  ober  ^ßfanl^öfe). 

3.  Äird^enberfaffung  unb  Unterrid^t.  S)er  Äönig  ©d^tüeben«  ift  jugletd^  ber 
l^dd^e  irbifd^e  SRegent  ber  fqtoebifd^en  Äird^e.  S)arum  foH  er  felbp  immer  ocr  „reinen 
cDongeüfc^en  Sel^e,  fotoie  fie  in  ber  unt)eränberten  3lug«burgifd^en  Äonfeffton  unb  im 
Scfcfluffe  be«  U^falaer  Äomilium«  bom  ^a\^xt  1593  angenommen  unb  erflärt  tüorben  90 
iji",  gehören.  35ei  ber  3lu«übung  feiner  lird^lu^  ?Kad^t  mufe  jeboc^  ber  Äönig  „@r!uns 
bigung  unb  9tat  einjiel^en''  toon  einem  befonberen  Jlird^enminifter  (Ecclesiastik-minister) 
unb  bon  bem  ganjen  übrigen  Btaat^xatt,  bcffen  5Kitglieber  aHe  ftd^  jur  reinen  ebange« 
lifd^en  2e^e  befennen  müfien.  Unb  in  Setreff  ber  fir^Iic^en  ©efej^gebung  ift  feine  9Rad^t 
folOD^I  bon  bem  9ieic^tage  a(«  Don  ber  Jlird^enDerfamm(ung  eingefd^räntt.  Saut  be«36 
fc^tDebifd^en  ®runbgefe^e«  „l^at  ber  9ieid^«tag  gemeinfc^aftlic^  mit  bem  Jtönige  ba«9ied^t, 
^eju  geben,  m  Deränbem  ober  aufju^eben;  boc^  ift  babei  bie  SintolHigunQ 
n  Äird^ent)erfamm(ung  erforberlid^".    3)a  ber  9leid^«tag  au«  jtoei 


oud^  einer  allgemeinen ^        ,  „     ., ,        _      ^     „  „ 

einanber  ebenbürtigen  Äammem  beftel^t  unb  bie  Äird^enberfammlung  nur  aHe  5  ^afftt 
bon  bem  Äönige  einberufen  toerben  mu^,  fo  ift  jtoar  ^ierbur4)  einerfeit«  ber  ©efal^r  über*  40 
eilter  SeJc^Iüffe  toorgebeugt,  anbcrerfeit«  aber  bie  95urd^fü^rung  bered^tigter  Sieformen  in 
ber  firdEihdpen  ©efe^gebung  erfd^toert.  Seid^ter  toerben  älnberungen  ju  ftanbe  gebracht  in 
bem,  loa«  inner^Ib  ber  abminiftratiben  Sefugni«  be«  itönig«  auf  bem  lird^Iid^en  ©ebiete 
liegt  $ierber  gel^ören  unter  anberem  and)  %xa^  betreff«  einer  neuen  Stbelüberfe^ung, 
be«  ^falmbud^e«,  be«  @DangeIienbuc^e«,  be«  ^ir^enl^anbbud^e«  unb  be«  Jlatec^i«mu«.  45 
^inftd^tlid^  biefer  rein  lirc^Iid^en  ätngelegenl^eiten  ift  e«  nid^t  nötig,  ben  Sieic^tag  ju 
^ören,  too^I  aber  bie  Äird^ent)erfammlung,  unb  in  ber  le^tgenannten  SHej)räfentation  muffen 
itoet  3)ritel  ber  antoefenben  9JJitgIieber  einig  fein,  um  einen  Sefd^Iu^  ju  faffen. 

Die  f(^h)ebifd^e  Äird^entoerfammlung  befte^t  au«  60  9RitgIiebem  (ba«  neuerrid^s 
tete  Stift  SuIeS  h)irb  fernerhin  biefe  ^al}l  mit  4  bermel^ren),  loobon  bie  §älfte  ®eifU  so 
lidjfe  unb  bie^älfteSaien  ftnb.  Diefe  toerben  bon  i^ren  betreffenben  Sieltoren  geloä^It,  mit 
Äu«na]^me  ber  fämtlid^en  Sifd^öfe,  loeld^e  i^rer  Stellung  jufolge  9RitgIieber  finb.  3)ie 
®ebü^en  ber  getoöl^Iten  3)litgtieber  ber  3Serfammtung  fotoo^l  al«  bie  übrigen  Soften 
foden  au«  ©taat«mitteln  bejal^lt  toerben.  @«  ^t  ftd^  ba«  tonferUatiDe  Clement  auf  ber 
Äiw^enDecfammlung,  toeld^e  jum  erften  3Hale  1868  unb  feitbem  alle  5  ^af)Xi  jufammen«  65 
getreten  iji,  pari  Vertreten  gezeigt. 

3unäd^ft  unter  bem  Äönige  fungieren  ba«  Äonfiftorium  Don  ©todfl^olm  unb  bie 
S)om!apiteI  ber  13  33i«tümer  al«  permanente  fird^Iid^e  Se^örbe.  ^n  bicfen  Äopiteln  t)räfibiert 
ber  Sifc^of,  unb  feine  3lffefforen  finb  im  allgemeinen  ber  3)omj)roj)ft  unb  getoiffe  Seitoren 
an  ber  öffentlichen  ^ö^eren  ©d^ule  ber  ©tift«ftabt;  ba«  Saienelement  ift  ^ier  burc^  melj^  00 


38  Sd^toebett 

3Jlita(icber  Vertreten,  aU  ba«  gciftlic^e.  Unter  biefcn  lir^Iic^en  93el^örbcn  [teilen  anä) 
btc  SJolföfc^uIen,  bagegen  feit  1905  ntc^t  mel^r  bie  l^öl^eren  öffentlichen  Sel^ranftalten. 
Unter  ben  fird^Iid^en  3tngeleaenl^eiten,  toeld^e  aufjunel^men  unb  m  entfd^eiben  ba^  SDom^ 
taüfxUl  befugt  ift,  toerbienen  befonber«  genannt  ju  tüerben  bie  Slufftellung  bon  SJorfc^Iögen 

6  bei  Sefe^ung  aUer  ^aftorate  ($fanen)  unb  ^omminiftraturen  (mit  Su^nal^me  einiger 
SlnfteHungen,  bie  jSatronate  ftnb)  unb  bie  Slu^fertigung  bon  ^Patenten  bei  aHen  l^ier^et 
gel^örenben  3lnfteuungen,  mit  2lu«nal^me  ber  fog.  regalen  ^Paftorate.  Sei  ben  l4t' 
genannten,  beren  3^^!  494  beträgt,  l^at  ber  Äönig  ba^  ©mennung^red^t.  Die  ©emeinbe 
tüä^It  au«  ben  bom  Domlojjitel  borgefd^Iagenen  brei  93eh)erbem,  bie  borber  eine  5Probe 

10  im  ^rebigen  bor  ber®emeinbe  ablegen  muffen;  bieSBalfjI  ber  (Semeinbe  ift  bepnitit)  (mit 
Slu^na^me  ber  regalen  ^Paftorate).  S)a^  alte  ©elbftbeftimmung^rec^t  ift  fomit  getüa^rt. 
I)ie  S)omIa<)itel  beft^en  ba«  Slec^^t,  fel^Ienbe  ©eiftli^e  jur  SSertoamung,  ©u^j)enfion  ober 
@ntfe^ung  ju  berurteilen.  9([le  toeltlid^en  Strafen  bagegen,  in  bie  ein  ©etftlic^er  ber-- 
fäHt,  toerben  bon  ben  toeltlic^en  (Sendeten  beftimmt. 

16  2)er  93if(i^of  ift  berbflid^tet,  in  feinem  93i^tume  SSifttationen  )u  l^alten  enttoeber  in 
eigner  ^erfon  ober  mit  Söei^ilfe  ber  Äontraftj)r5t)fte,  toelc^e  auc^  im  übrigen  afö  bifd^öf^ 
liäe  33eamte  fungieren.  3)er  Sifc^of  mufe  auc^  toenigften«  äße  G  gal^re  bie  ®eift- 
lidjleit  feinet  äi^tume^  (Stifte«)  ju  einer  Serfammlung  jufammenberufen,  bor  ber  er 
berj)fli(^tet  ift,  einen  Slmti^beric^t  abzugeben  unb  geeignete  ©i^Iuffton^fragen  jur  Übet* 

20  legung  aufutne^men. 

3ebe  Drt^gemeinbe  l^at  ba«  Siedet,  unmittelbar  in  fog.  KyrkoBtämma"  (Äirdbei^ 
gemeinbeberfammlungen)  über  bie  9lngelegenl^eiten  ber  (Semeinbefirc^e  unb  ber  SSolföfcpule 
)u  beraten  unb  m  befc^lie^en,  aud^  in  ö!onomifc^er  $inft(^t.  ^ie  9lu^aben  ber  @es 
meinben  für  tirc^lid^e  ßtüedEe  betrugen  im  Saläre  1903  13758334  Äronen:  bie  Slu^goben 

26  für  bie  SSoIföfd^uIe  in  berfelben  3eit  23967568  Äronen.  3n  erfter  $anb  ift  bie  Solfe 
fd^ule  einem  (Semeinbeau^fc^u^,  bem  ©d^ulrate,  unterfteHt,  in  bem  ber  $Pfaner  feiner 
©teHung  ^ufolge  SBortfül^rer  ift.  2)ie  ))oIitifd^e  liberale  ^Partei  ift  beftrebt,  biefe  na^e 
Serbinbung  jtoifc^en  jlird^e  unb  ©d^ule  )u  löfen.  Die  iBolföbilbung  befinbet  fu^  auf 
einem  J^ol^en  ©tanbe;  nur  Deutfd^lanb  unb  Slortoegen  ftel^en  ^inpc^tlid^  ber  aHgemeinen 

80  Verbreitung  ber  gertigleit  ju  lefen  unb  ju  f^reiben  mit  ©d^toeben  auf  gleicher  Sinie. 

@«  giebt  in  ©d^toeben  jtoet  boQftänbige  Uniberfttöten,  ju  Vip\ala  unb  Sunb,  jebe 

mit  einer  tl^eoIogifdS^enJJafultät.    Die  ju  Uj)fala  bat  8  5Prof eff oren  nebft  einem  Slfftftenten 

unb  bier  ©ti))enbiatfteuen.    3"  £"«*>  J^l^lt  bie  tbeologifd^e  ^ahiltät  6  ^Profefjoren.  Mi 

t^eologifd^en  ^Profefforen,    au^er  einem,  fmb  ^uglei^  ^Pfarrer  in  fog.  SPräbenbens^ftü- 

85  raten.  Um  bie  Drbination  ^u  erl^atten  toirb  erforbert,  ein  lürjere«  ©xamen  bor  ber 
))I^U.  ^atultät,  bann  ein  tl^eol.  @samen  (theol.  cand.  examen)  unb  ^rattifc^e  Übungen 
bor  ber  tl^eol.  ^atultöt,  unb  jule^t  ein  examen  sacerdotale  bor  bem  betreffenben  Dom- 
lojjitel ;  in  einigen  götten  ift  jebod^  Di«})en«  bon  Uniberfitätgftubien  betoiHigt.  Die  frühere 
eiblid^e  33erj)fli(|tung  auf  bie  reine  Seigre  ber  f^mbolif^en  ©d^riften  ©c^toebenö   bei  b« 

40  Drbination  ift  bur^  ein  ©elübbe  erfe^t;  bie  itird^enberfammtung  bon  1903  bat  noc^ 
längeren  33erl(>anblungen  bad  je^tge  ©elübbe  formuliert:  „Da«  2ßort  (Sötte«  nadj  beftem 
33erftanb  unb  ©etoiffen  rein  berlünben,  fo,  toie  e«  in  ber  l^t.  ©^rift  gegeben  ift,  unb  fo, 
toie  bie  35e!enntni«fd[|riften  unferer  Äird^e  babon  3^9"^^  ableaen". 

4.  Siturgie.    gür  bie  ^Prebigt  bei  bem   öffentlichen  @^otte«bienft  gilt   ein  fefte^ 
46  ^Perilobenfvftem,  axx^  3  2;ejtial^rgängen  beftel^enb.    ^m  übrigen  ift  bie  Siturgie  burd^  bo^ 

le^te  Äir(|en^anbbud^  bon  1894  (mit  toenigen  Snberungen)  geregelt.  Die  mel^r  al«  100 
3al^re  toäl^renbe  Slrbeit  an  ber  Sibetüberfe^ung  l^atte  al«  ©rgebni«  bie  1883  angenommene 
Ueberfe^ung  be«  31%^.  Dod^  toirb  biefe  fd^on  toiebcr  einer  Durd^ftd^t  unterzogen.  ®inc 
neue  gute  Ueberfe^ung  be«  913^«  tourbe  bon  ber  Äird^enberfammlung  1903  gutgcbeiftcn, 
60  unb  e«  ift  geftattet,  fte  bei  bem  öffentlid^en  ®otte«bienft  ju  gebraud^en ;  fte  ift  nocp  ni(^t 
Hirc^enbibel.  Da«  ^falmbud^  bon  1819  ift  noc^  geltenb  unb  l^od^gefc^ä^t ;  melj^ere  3Ser= 
fuc^e,  e«  burd^  offijieß  rebibierte  (1896)  ober  J)ribate  neue  ^faünbud^borfc^läge  ju  er- 
leben, toaren  erfolglo«. 

5.  Die  ?mtffion.  hierüber f.bie3trt.£a})»)länbifc^e3Kifriong3bXI©.282f.;  SKiffton 
65  unter  ben  Reiben  Sb  XIII  S.  146;    ^Kiff.  unter  ben  3uben  Sb  XIII  ©.  183,  185. 

Dort  auc^  Sitteratur;  ba^u  befonber«  De  svenska  Missionerna  1904,  VLp^ala  1904. 
Die  fc^loebifc^e  Äirc^e  loie  bie  SSatertänbifc^e  ©ttftimg  betreiben  aud^  eine  Jegen«reic^ 
3Kiffton  unter  ben  fd(»h)ebifd;en  Seemännern  in  einigen  großen  §äfen  ®uro})a«  unb 
Sluftralien«  (bie  fog.  „Sjömansmissionen")  unb  unter  bengifc^em  bei  i^rcr  arbeit  in 
60  ber  3^orbfee  (©tation  Saltafounb,  bie  ©l^etlanb«infeln).  ^jolmor  $9lmi|iti{l. 


Qd^mUn  39 

IIL  gd^toebtfd^cXJ^coIogie  im  19.  ga^r^unbctt.  —  Sitteratur:  «Klfts 
renb  bie  proteftantifc^en  S^eofogen  in  2)eutf4Ianb  ßeigig  babei  Ttnb,  Ueberftc^ten  über  bie 
tbeologifcbe  Sntniicfelung  bed  vergangenen  gal^rl^unberiS  aufzuarbeiten,  jeici^net  ftc^  bagegen 
bie  fc^n^ebifdie  Sb^ologie  bur4  einen  ooQftönbigen  Mangel  in  biefer  ^ejie^ung  aud,  unb  bad, 
obwohl  biefe  Zf^eoioaxt  üiele  ^rfc^einungen  \)on  n^irtli^er  ^ebeutung  auf^uroeifen  l^at.  91u(6  5 
©c^riften  über  einzelne  X^eologen  giebt  e8  nid^t  üiele ;  bie  bebeutenbften  rocrben  fpäter  eriüdbnt 
loerben.  Äurj^e  53iograpI)ien  finb  in  „Svenskt  biografiskt  lexikon"  unb  Nordisk  familjebok" 
)U  finben.  daneben  enthalten  ^^Svenska  Akademiens  handlingar^'  unb  „LefDadsteckningar 
öfver  kongl.  svenska  Vetenskapsakademiens  efter  är  1854  aüidna  ledamöter^'  einige  t^eo^ 
logtft^e  Siograpl^ien.  Wieseigren,  Svenska  kyrkans  sköna  litteratur'S  3.  ^nf(.  1866,  t>ers  lO 
bient  au4  biet  ermähnt  ju  merben.  ^er  [idj  eine  grünblic^ere  .Kenntnis  ber  fc^nieb.  Sbeus 
loflic  biefer  ^eit  enocrben  mitt,  ift  barum  genötigt,  auf  bie  Originalarbeiten  ber  betreffcnben 
Sb^ologen  ^urüd^ugel^en.  2)te  SSerfd^iebenbeiten  be3  8tanbpunftS  unb  ber  (Sntroidelung  fpiegeln 
fic^  befonberi^  beutUcb  in  ben  tbeo(ogif(^en  ß^itfc^tiften  bed  ga^rbunbertd  ab.  (Sr- 
freultd)  ift,  ha^  gerabe  in  unferen  Sagen  hie  3^eilnabme  für  Unterfuc^ungen  über  bie  gelft- 16 
liefen  ^Bewegungen  in  ©cbroeben  »ö^renb  beg  legten  3obtftw"bert8  gewad&fcn  ift.  (So  b^t 
^rof.  D.  i».  Söberblom  in  Upfala  1903—04  SSorlefungen  über  bie  fpätere  f^roebif^e  Xbeologic 
gcbolten,  welche  hoffentlich  in  einer  nlcbt  ju  »eit  entfernten  Sw^w^^f*  i"i  ^t\xd  erfc^einen 
»erben. 

1.  D^Jpofition  gegen  ben  9lationaH«mu«.  2lm  Slnfang  be«  19.  ^afycfym^^o 
bert«  \ai  ber  SRationali^mu«  auf  bem  2;i^rone,  audf  in  ber  fd^tüebifd^en  t^ologifd^en  aßelt 
3)o{^  toirb  man,  obtoo^I  bie  ©efc^ic^te  be«  fd^toebifd^en  Slationaligmu«  nod^  }um  größten 
Xeil  ungefc^rieben  ift,  bie  Sel^auptung  tragen  fönnen,  ba^  feine  &ttvoit  ^ter  nid^t  fo 
unumfd^rämt  aetoefen  ift,  toie  an  bieien  Orten  ber  ^roteftantifd^en  ®^riflenbett  —  bie«  in 
üollcr  Uebereinftimmung  mit  ber  2:i^atfad^e,  bafe  bie  berfc^iebenen  tl^eologifd^  Sftic^tungen  26 
in©<^h)eben  überlaufet  nic^t  in  berfelben  SBSetfe  bie  äuflerftenÄonfequenjen  jogen^toieg-S. 
in  a)eutf(^Ianb.  9Jeoen  bem  Slationali^mu«  l^atten  l^erm^utifd^e  unb  ftoebenborgifdbe  äta» 
f(^uungen  nic^t  geringen  @tnflug,  unb  Der  aQem  ift  )u  beobad^ten,  ba^  bie  altgläubige 
wrt^oboie  JJrömmigleit  faft  überall  in  ben  entlcgenbften  fd^toebifd^en  ©egenben  auf  bem 
Sonbc  i^en  unberrüdfbar  feften  ©i^  l^atte.  » 

3n  ber  3:^eologte  inbeffen  ftanb  bie  rationaltfttfd^e  SRid^tung  im  SJorbergrunb,  o^ne 
ba^  fie  jebod^  2Berte  t)on  befonberer  Sebeutung  l^eröorgebrad^t  l^ätte.  Unter  ben  Siamen, 
bie  bomtnieren,  fmb  9R.  Sebub^ra  (geft.  1808  ate  Sifcbof  in  Sinlötoing)  unb  3. 31.  Sinb^^ 
blom  (geft.  1819  ate  (Sribifd^of  m  Ujjfala,  f.  Slobl^e,  3.  31.  Sinbblom,  2unb  1905)  ju 
nennen.  ss 

2)ie  D})j)orttion  gegen  bie  $errfd^aft  be«  gcfunben  3Jlenfc^eni)erftanbe«,  bie  ba«  neue 
3al^^unbert  mit  fid^  brachte,  fing  im  jtoeiten  ©ejennium  an  fid^  mit  fiegenber  ©etoalt  in 
Sd^tpeben  93al^n  ju  brechen,  bor  aHcm  bur^  bie  in  ber  ©efd^id^te  ber  fc^toebifd^en  Äultur 
berül^mten  9lamen  3.  D.  SBaDin  (geft.  afö  grjbifd^of  in  U^ala  1839)  —  ber  grofee 
^rebigcr  unb  unbergleic^lidS^e  Äircbcntiebbtd&ter,  ber  feinem  SSolIe  ein  ©efangbud^  toon  40 
fold^em  ©el^lt  gab,  bafe  e«  nur  mit  ben  aUerbeften  ber  ß^riftcnl^eit  m  berglei^en  ift  — 
efata«  3:cgnör,  ber  ©id^terfürft  (geft.  ate  Sifd^of  in  SBeEiö  1846),  g.  3Jl.  ^anj^n,  ge» 
borener  ginnlänber,  2)id^ter  (geft.  al«  Sifd^of  in  §emöfanb  1847)   unb  ß.  ®.  ©eijer, 

tiftotiler,  ^ß^ilofo})!^,  S)i^ter  unb^Kuftler  (geft.  aU^ßrof.  ber  ©efd^id^te  in  lH)fala  1847). 
la«  Süd^lein  be«  Sefeteren  „9Son  falfc^cr  unb  toal^rer  Slufflärung"  1811,  bie  Siebe  46 
ffioHin«  in  ber  fd^toebifd^en  Sibelgefettfc^aft  1816  unb  bie  Sieben  SCegnör«  unb  ©eijer« 
bei  bem  Slefprmation^fefte  1817  jeigen,  ba^  bie  ß^t  eine  anbere  getoorben  h)ar.  Uäer 
ba«  ertoöl^nte  Sudji  Ociier«  fd^reibt  1843  ber  bebeutenbfte  2;i^eolog  ©d^toeben«  in  ber 
erften  Hälfte  be«  3a^r^unbert«  $.  Seuterbal^l :  „SDiefe  3lbl^anbluna  toar  e«,  bie  bor  30 
3a^en  bei  einem  großen  2:eitc  ber  3üngeren  ©d^hjeben«  bie  Slufmertfamfeit  auf  innere  60 
unb  geiftlid^e  3)inge  lenfte.  ©ie  bebeutete  für  ©d^toebcn,  toenn  anä^  bielleid^t  in  ettüa« 
geringerem  ®rabe,  ba^fetbe,  h)ie  ©cbleierma^er«  SReben  über  bie  Sleligion  für  ^eutfd^- 
lanb.  Die  Sdanntfc^aft  mit  biefer  2lbl^anblung  toar  für  biete  (toie  für  ben  9Serf.)  bie 
Urfac^e  gum  Übergang  bon  einem  unbeh)ufeten  ju  einem  betoufeteren  unb  reiferen  Seben." 

Slud^  unter  ben  Uniberfttätötl^eologen  fing  man  an,  bom  9lationatt«mu«  Slbftanb  )u  66 
nehmen.  ©0  bie  t^eol.  ^ßrofefforen  in  Vip^ala  Obmann  (geft.  1829,  j)robuIttber  tl^eol. 
©^ftfteller),  ber  boc^  ni^t  toeiter  afö  ju  einem  gemilberten  Slationali^mu«  gelangte, 
unb  ßagberg  (gefi  1834),  fotoie  in  Sunb  Slogberg  (geft.  ate  Pastor  primarius  in 
©tod^olm  1841),  bie  um  biefe  ßeit  einen  großen  ßinflufe  auf  bie  §eranbitbung  ber 
©eijilid^en  ausübten.  2)ie  tl^eologif^e  Slnfc^auung  ber  meiften  ber  ^ier  ertoäl^nten  2Känner  eo 
lann  man  !urjh)eg  ate  eine  Strt  rationalen  ©u^jranaturali^mu«  bejeid^nen.  2)ie«  gilt 
befonber«  bon  fflaHin,  §agberg  unb  3logberg.    3lud^  bie  B\)m\>ati}xm  3:egn6r«  gingen 


40  Sd^tofkftt 

in  btefcr  SRid^tung.    ^a^  cinua  SRögKd^e  ift  ein  fcl^r  „mobifijiertcr  ©iH)ranatutaIi^mu^", 
fc^reibt  er  an  einen  gr^nb.  SJcel^r  alt-ort^oboj  toax  J^onj^n. 

2.  ©c^toebifd^e  9leIigion^i)l^tIofob|ie.    @.  ®.  (Seijjer  bagegcn  nimmt  eine 
ganj  befonbere  Stellung  ein.   ®r  toax  jugleidj  ber  gro^e  ^iftonfer  unb  oer  grofee  $^iIos 

6  foj)]^,  befien  ®ebanlen  fic^  bod^  am  liebften  mit  ber  SReligton  afö  bem  Gentrum  in  ber 
äBelt  be^  9Renfc^en  befd^äftigten.  ©otool^I  burc^  fein  Genien  ate  bur<^  feine  frifc^, 
geiftlic^  lemgefunbe  5PerfönIid^!eit  l^at  er  für  bie  f(|toebifc^e  Äultur  eine  SÄeutung  ge* 
toonnen,  bie  faum  ju  überfc^ä^en  ift.  3Jlan  l^at  ü^n  SRationalift  genannt,  unb  man  fonn 
barin  di^6)t  l^aben,  mfofcrn,  ate  er  einerfeit^  bogmatifd^-ort^oboie«,  anbererfeitd  j)ictiftif(^c« 

10  (Sefübl^riftentum  für  bie  (Sefal^r  feiner  RÄi  l^ielt.  2lber  er  ift  auc^  m  gleicher  3^ 
ber  9Jlann,  ber  für  bie  ©d^toäd^en  beö  iRationali^mu^  einen  offenen  felidE  ^atte  unb 
fte  beläm^fte,  jugleid^  ber  toirllid^  ebangelifd^e  Äird^enlieberbic^ter,  beffen  ^ömmigfeit 
toor  allem  burtp  SDemut  unb  männlid^e  3lnbetung,  2)anlbarleit  unb  ftarfe«  Vertrauen 
d^aralteriftert  toirb.    —    ©eine  |)bi(ofot)^if(^en  SJugenbarbeiten  fmb  bon  ©c^elling  beeim 

16  flufet.  3i)a^  für  feine  reife  bl^iIofo>)l^if(te  2luffaffung  33ejeid^nenbe  ift  ba«  Betonen  ber 
^Perfönli^Ieit,  ba«  ^^^Perfönlid^iteitöjjrinjii)".  2)er  äu^erfte  ©egenfafe  ift  nic^t  ^egel^  logi- 
fd^er  (Segcnfa^  jtoifd^en  ©ein  unb  9lid^tfein.  95er  geiler  §egefe  ift  ben  Segriff  be« 
SBerbenben  unj)erfönlic^  ju  benfen.  gi^te  l^at  barin  ein  gro^e«  SSerbienft,  ba^  er  bie 
^erfönlid^feit  nim  9RitteI^unIt  ber  SBiffenfd^aft  gemacht  l^at,  ober  fein  ®egenfa|  ift  ber 

20  jtoifd^en  bem  Sjc^  unb  bem  Sti^t-gd^,  toäi^renb  er  nad^  ©eijer  ein  (Segcnfa^  gtoifd^en 
bem  ^(^  unb  einem  anberen  ^c^,  jtoifc^en  ^d^  unb  ®u  fein  foQ.  @^  ift  mc^t  genug 
nur  bom  ^d^  au^jugel^en,  fonbem  bon  einer  SIBelt  ber  ^erfönlid^Ieiten.  gierte«  St^eali«« 
mu^  ift  ju  einfeitig;  bag  5ßerfönlid^leit^j)rinji}3  rettet  bagegen  ben  ed^ten  Steatömug.  & 
ift  immer  bon   einem  2)u  bie  Siebe.    3ebe  ©rfenntni^  ift  ein  begegnen.    Die  ®rfa]^ 

26  rung  alfo  bie  ?Kutter  jebe^  ©rfennen«.  ,,S35enn  man  nidpt  bon  ber  ^erfönlic^leit  avi^ 
gel^t,  lommt  man  niebal^in,  ja  nid^t  einmal  juirgenb  einer  Stealität'^  X)iefe  ^^ilo« 
foj^bie,  fagt  (Seiier,  ift  bie  einzig  möglid^e,  toenn  man  ben  ^antl^ei^muiS  lod  toerben 
toiU.  ,,95ie  einzige  Sorau^fe^ung  be^  5PcrfönIid^Ieit^j)rinji^«  ift  bie  abfolute  SnteHigenj 
ober  ein  J)erfönli(|cr  ®ott  ate  ber  @runb  unb  bie  Sebinaung  ber  enblid^en  $erfönli(^!eit'' 

80  ®ie  bebeutenbften  ©d^riften  ©eijerg  auf  biefem  (Sebiete  finb:  ,,SSon  hja^er  unb 
falfd^er  3tuffläruna"  1811,  mit  einem  toic^tigen  Slnl^ang  bon  1842;  „Über  bie  ©efd^it^te 
unb  iJ^r  aSerl^ältnig  ^ur  Sleligion"  1811;  „St^orilb"  1820,  unb  bor  attem  „S)ie  @e* 
©efc^id^te  be«  5Kenfc^en",  SSorlefungcn,  gel^alten  inUt)fala  1841—42,  erft  nad^  bem  lob« 
be^  SSerfaffer^  l^erau^gegebcn. 

36  (Seiner  ftel^t  nic^t  ifoliert  in  ber  ©ef^ic^te  ber  fc^toebifc^en  SJeligion^^ilofopl^ie.  6t 
l^at  melj^ere  Vorgänger  gel^abt  —  3:i^oriIb,  ^öjer,  ©rubbe  u.  a.  —  unb  bon  ii^m  ge^t 
ein  SQBeg  bur^  ben  Softrömf^en  ^beali^mu^  —  (Srünber  biefer  j)l^i(ofoj)l^ifd^en  ©d^ule, 
bie  einen  großen  ßinflu^  auf  ba«  fc^toebifd&e  ©eifte^leben  gei^abt  l^at  toar  6.  3-  Softröm 
(5prof.  ber  5pi^iIofoj)l^ie  in  Ujjfala,  geft.  1866)  —  ju  ben  beiben  l^erborragenbert  ^Perfön- 

40  lid^feiten  ber  legten  §älfte  be«  ^al^r^unbert^  SB.  St^bberg ,  ©c^riftfteHer,  a)i(^ter,  5P^ilö» 
foj)^,  geft.  ate  5Prof.  in  ©todf^olm  1895  unb  $.  üffiilncr,  ^Jo^ent  ber  ?P^iIofot)^ie  in 
Ulpfala,  geft.  aU  5ßrof.  in  ßj^riftiania  1888,  bie  beibe  für  ba^  jüngere  &^\d)kd)t  B^m 
bcn^  eine  überaus  gro^e  Sebeutung  gcl^abt  ^aben  unb  nod^  l^aben.  Sl^bberg  unb  ®ifnct 
gleid^en  cinanber  barin,  bafe  fie  ebenfo   ioie  ®eijcr  am   liebften   über  religiöfe  %xam 

46  beulen.  Äeine  biefer  arbeiten  5H^bberg«  l^at  fo  grofie  Slufmcrffamleit  geloeät  toie  „©c 
Seigre  ber  Sibel  Don  Gl^riftu^",  bie  öicie  Streitigleiten  unb  Diele  ©egenf^riften  ^ert>or« 
rief,  bon  benen  bie  meiften  bie  fird^lic^e  3tuffaffung  bon  ber  ©ottl^eit  ßl^rifti  toerteibigcn 
hjotlten  gegen  Si^bberg«  35arftellung  bon  ßl^riftu^  al^S  gbealmenfd^en,  toag  er  aug  ber 
©^rift  gu  betoeifen  Derfuc^tc. 

60  SBifner  toar  eine  feiten  eble  unb  feine  9Jatur,  eine  religiöfe  ^ßerfönli^feit  t)on  l^o^em 
Stange,  ©ein  tiefet,  ftd^  felbft  anal^>fterenbe^  2öefen  unb  feine  bemütige,  innige  gftömmiß« 
!eit  fmb  in  feinem  Sud^e  „©cbanlen  unb  fragen  bor  bem  SKenfd^enfo^ne"  au^erorbcntli$ 
fd^ön  loibergefpiegelt. 

3.  ©efd^id^te  ber  eigentlichen  3:^eologie.    2)iefc  furjen  3lnbeutungen  über 
56  bie  toid^tigftcn  f^toebifc^en  ?Heligion^j)l^ilofo|)l^en  mögen  l^icr  genügen,  ba  e^  ja  bor  ollem 

gilt  einen  Überblii  über  bie  ©efc^ic^te  ber  fd^loebifc^en  3:l^eologie  ju  geben.  SEBir  toenben 
un^  alfo  ben  eigentlichen  2;i^cologcn  ju.  2öä^renb  bie  rcligion<Sj)bilofoj)l^ifd^e  ©ebanfen« 
arbeit  ^au|)tfäd^lid^  in  H^fala  ju  ßaufe  toar,  finben  toir  bie  bebeutenbften  tl^eologtfd^en 
Flamen  an  ber  fübfc^toebifc^en  Unibcrfität.  2)aö  nac^  einer  ^Q\t  be^  3SerfaH^  um  ba^ 
6o3;a^rl820  toieber  aufblül^enbe  t^cologifd^c  ^^bm  in  2 unb  gc^t  auf  jtoei 3)länner  jurüd 


Sd^mekett  41 

$.  <S>6)attau  unb  S.  5DI.  Sl^Iman.  3)a«  Seben^toerl  be«  erftcren  tüar  t)ralttfcl^  fir^Iid^er, 
bag  bc«  leiteten  toiffenfd^aftltd^cr  Slrt.  Über  ©d^attau«  (gcft.  1825,  ^rcbigcr  in  2unb) 
SBirfen  al«  Homilet  unb  StaUd)^t,  feinen  tl^eologifc^en  ©tanb^unft  unb  fein  bebeutung«» 
toolleö  Sintotnen  auf  ba«  fird&Iid[)e  2eben,  befonberg  in  ©übfd^toeben,  pel^e  b.  3lrt.  Bi^axtan, 
—  ÜRit  3B.  g.  ai^lmann  (t^eol.  5ßrof.  in  £unb  geft.  1844)  beginnt  eine  neue  3eit  für  5 
bie  fd^toebifd^e  Xl^eologie,  benn  burc^  il^n  tritt  fte  erft  in  Serbinbung  mit  ber  neuen 
@podfi  ber  ®efd^id^te  ber  3:l^eologie,  beren  änfang  mit  ben  Sflamen  Äant  unb  ©d^Ieier^ 
ma(^er  be^eid^net  toirb.  9l^(mand  Snfd^auung  tann  am  beften  afö  rationaler  Bvipxas 
naturali^mu«  mit  ^auj)tfäd&Iid^er  Seeinfluffung  burd^  Äant  bejeic^net  toerben.  3n  biefer 
3li(^tung  l^t  er  mit  fc^  lebenbigem  ^nterefie  ate  afabemifd^er  Selber  unb  t^eologifd^er  lo 
S^tiftfteller  getoirft.  Sine  Sammlung  feiner  tl^eologifmen  ©d^riften,  befonberg  jur 
SJogmotil,  erfcpien  1841.  3l\d}t  ba«  tüenigft  Sebeutung^boue  feine«  SÖBirlen«  toar,  ba^  er 
e«  berftanb,  ÜRänner  um  ftdb  ju  fammeln  unb  an  bie  Uniberfität  ju  feffeln,  bie  i^m  in 
feiner  3lrbeit  bel^ilfliA  fein  tonnten. 

Unter  biefen  fte^en  $.  SReuterbal^I  unb  3-  ©•  3^1^omanber  obenan.  —  $.  SReuter^  i5 
bol^l  (f.  b.  ärt.  33b  XVI  ©.  705—708.    au|er  ber  l^ier  angefü^en  Sitteratur  über  31. 
mug  nod^  ©enberg«  93iogra^l^ie  über  91.  in  Svenska  Akademiens  handlingar  unb 
©unbberg«  in  ben  2eben8befd^reibungen  ber  äBabemie  ber  SBiffenfd^aften  —  beibe  t)er= 
bienftoou,  ertoä^nt  toerben),  ein  3Rann,  ber  mit  einer  fd^arfen,  Haren,  fritifd^en  Urteife 
haft  au^erüftet  toar,  bereinigte  einen  unermüblid^en  Meife  mit  einem  feltenen  toiffens2o 
ft^ftlic^en  gntl^ufiagmu«.  @r  ift  getoi^  ber  gele^rtefte  unb  bebeutenbfte  2:^eoIog  ©d^toeben« 
in  ber  erften  ^älfte  be«  3«^^""^^^  aetoefen.  9Rit  3:^omanber  jufammen  gab  er  1828 
bi«  32  unb  1836—40  in  2unb  bie  geufd^rift  ^^SC^eoIo^ifd^e  Duartalfd^rift"  ^erau«,  bie 
burd^  i^e  frifc^e  SB3if[enfd^aftIid^!eit  unb  i^re  enge  33erbmbung  mit  ben  t](>eologifd^en  93es 
Regungen  biefer  ^txt  jenfeit«  ber  Dftfee  in  böj^erem  ®rabe  belebenb  unb  befrud^tenb  26 
tointe,  afe  irgenb  eine  anbere  tl^eologifd&e  Reitfd^rift  e«  getl^an.  über  SR.«  großem  $au})ts 
toerl  „Die  ©efd^ic^te  ber  fdbtoebifc^en  Äird^e"  l^at  man  in  unferer  ßrit  me^  al«  man 
bürfte,  ben  großen  @infa^  Dergefjen,  ben  91.  burd^  feine  bor^ergel^enbe,  umfaffenbe  unb 
üielfeitige  litterarifd^e  SBirifamifeit  gemacht  l^at,  beren  bebeutenbfte  3lrbeit  bie  ,,®inleitung 
in  bie  2:^eoIogie"  1837  ift.    ®iefe  ganic  5Probuftion  jeigt  großen  Sinflufe  bon  ©c^Ieier*  so 
mac^er,  beffen   betounbember  ©d^üler  SR.  toar.    1829  fd^retbt  er:  SieHeid^t  bin  i(|  ben 
©c^Ieiermad^erfc^en  Slnfid^ten  gar  ju  ergeben,  aber  enttoeber  finben  ftd^  in  biefen  Slnftd^ten 
ffial^l^eit  unb  SRid^tigfeit,  ober  ic^  h)ei|  nic^t,  too  fie  auf  bem  tj^eologifd^en  (Sebiete  )u 
fhtben  finb".    3)ro|  biejer  Stbl^ängigleit  bon  ©d^Ieiermad^er,  bie  jebod^  mit  ben  Sauren 
mel^r  unb  mel^r  mobifijiert  tourbe,  toar  9t.  lein  au«fd^Iie|lic^er  9lad&fj)red^er  be«  3Reifter«,  86 
fonbem  jeigte  immer  eine  loefentlic^e  ©elbftftänbigfeit,  bie  bor  aHem  i^ren  ®runb  in 
feiner  au«ge})rägten  l^iftorifd^en  Begabung  l^atte. 

3.  §.  3:^omanber  (Jftof.,  geft.  ate  S9ifd^of  in  2unb  1865)  toar  ein  au^erorbentlid^ 

! letaler  unb  bielfeitiger  SJlann  unb  ein  l^erborragenber  geiftlitfier  9lebner.    ©eine  tl^eo* 
ogif(^e  SBirtfamleit  fällt  l^au))tfäd^Iic^  in  ba«  f)raltifcb  tl^eologifd^e  unb  Iird^enf)oIitifd^e  ®^  40 
biet;  in  ber  ^^l^eologie  toar  er  lonfertjatiber  unb  in  ber  Äirdpenjjolitil  liberaler  ate  91. 

9leben  biefen  totrite  in  2unb  93. 3.  »ergqtoift  (5ßrof .,  geft.  1847),  beffen  »ufd^auungen 
eine  SSereinigung  ber  ßinflüfle  ©d^artau«  unb  ber  9lomantiI  toaren. 

Äant  unb  ©d^Ieiermad^er  l^attcn  in  ©c^loeben  il^re  ©d&üler  Sll^Iman  unb  9leuterbal^I.  3n 
e.®.»ring  ($rof.,  geft.  ate  93ifcbof  in  2inlö})ing  1884,  f.  a3iain0,  6.  ®.  93ring,  1886)  befam  46 
aud^  ßegel  ^ier  einen  bebeutenben  9le})räfentanten.  2)iefer  §egclf(^e  ßinflufe,  ber  f}a\üßU 
fäd^Iidj  burd^  33ring«  bänifc^en  greunb  2Rartenfen  Vermittelt  lourbe,  jeigte  ftc^  ftarl  in 
feinen  bogmatifd^en  gwö^nbfc^tiften,  bie  bie  aSeranloflung  gaben  ju  einer  re(^t  l^eftigen 
Debatte  gtoifc^en  il^m  unb  bem  bamate  f^on  alten  Tl.  6.  Sll^lman,  bem  Äantianer,  ber 
feine  ©^m^t^ien  für  §egelfd^e  fjjelulatibe  3:i^eologie  liegte.  93ring«  fj)ätere  t^eologif^e  so 
aSBirlfamfeit,  in  ber  ber  §egelfcbe  ßinflufe  ftc^  me^r  unb  mel^r  Verringert  unb  fc^lie^lic^ 
faft  ganj  berfAloinbet,  erftredft  fid^  l^auj)tfäd^li^  auf  ba«  Jjroltifd^  tl^eologifc^e  ®ebiet,  too 
feine  ffiirlfamfelt  für  bie  J)raftifcbe  §eranbitbung  ber  ©eiftlic^en  fel^r  bebeutung^boH  ge- 
toefen  ift. 

»ring«  3^'*9^«>ffe  toar  ber  ßjeget  ^.  9W.  3Relin  (5ßrof.  unb  2)omj)roj)ft,  geft.  66 
1877)  eine  lebhafte,  jil^antafiereid^c  unb  t)oettjc^e  9Jatur,  bejfen  gegen  ©traufe  gerid^tete, 
grünblic^e  Sorlefungen  über  ba^  2eben3^fw  gro^e^  3lufjel^en  erregten  unb  mit  lebhaftem 
Seifatt  begrübt  lourben.  3"  ^^  fünfjiger  unb  fed^jiger  S^^ren  ging  bie  ©nttoidfelung 
ber  2unbifd^en  3:l^eologie  in  lonferbatiber  unb  ortl^obojer  9lid^tung,  eine  Xl^eotogie  uns 
gefä^r  toon  einem  Äliefotl^fd^en  unb  ©ta^lf^en  3:^J)ug,  beren  Organ  bie  bon  @.  ®.Sring,  eo 


42  Sd^toebett 

21.  31.  ©unbbcrg  (5ßrof.,  gcft.  ate  ©ribifd^of  in  np\ala  1900),  bon  SB.  glen^burg  (5Prof., 
gefl.  aU  Stfd^of  in  2unb    1897)  rebigicrtc   Svensk  Kyrkotidning  1855—63  foax. 

(Sin  93ring  bertoanbter,  and)  burd^  $egel^  ^l^iIofo))l^ie  gef^ulter  X^eolog  toor 
6.  Dlbcr«  (^of.,    geft.  1892),   ber  mel^r  burc^   feinen  j)etjönli(^en  ßinflufe   afö  butc^ 

6  l^au^egebene  ©d^riften  toirlte. 

3m  ®egenfa§  ju  bem  -Keid^tum  unb  ber  Sebl^aftigleit,  bic  ftd^  in  ber  Sunbtfc^en 
3^l^eoIogie  jeigen  —  tüir  ^aben  ja  gefeiten,  bafe  alle  großen  §au})trid^tungen  ber  jeit- 
genöfftfc^en  j)roteftantifd^en 3^l^eologie  bort  i^re  3Sertreter,gefunben^aben  — l^errfc^te  inber 
Uj)  f a I a^ll^eologie  m  berfelben  Qtxi  eine  mel^r  einförmige  Übereinftimmung,  e3  tvax  bte  golge 

10  bat>on,  bag  man  ftd^  burd^tveg  Don  bem  @influ^  ber  burd^  @d^(eiermac^er  begonnenen 
jüngeren  tl^eologifd^en  ©ntloidelung  ifolicrt  gel^alten  ^at.  ©eitbem  ber  §albrattonaU^mu« 
bon  Dbmang  unb  $agberg8  Xagen  erlofd^en  hjar,  ging  bic  ßnthjidfelung  in  U^fala  in 
ftreng  fonfeffioneHer  Sichtung,  ein  Äonfeffionali^mu«,  ber  fein  befonbere^  ®ej)räge  teite 
burd^  einen  pietiftifd^en,  teite  burd^  einen  bemofratifc^en,  liberal  firc^lid^en  („nieberfire^* 

16  lid^en")  3"ß  befam,  im  ©egenfa^  jur  Sunbifdben  „^od^Iird^lid^feit".  3Ba^  j)robujiert 
h)irb,  tröot  gern  >)olemifd^5a})ologetifd^e  2lrt,  ä^nlid^  toie  e«  bei  ber  na^e  toertoanbten 
beutfd^en  3leflauration«t^eologie  ber  %aü  ift.  6^  gilt  bor  allem  bie  Sled^tgläubigleit  ni 
berteibigen.  3n  ber  „Tidskrift  för  svenska  kyrkan",  1849—51  rebigiert  bon  £.ll. 
9(nj|ou  unb  S.  ^.  Sedhnann  mar  biefe  Stid^tung  nod^  mobifijiert,  tritt  aber  ft)äter  mit 

20  ganjer  ©c^ärfe  m  ber  „Teologisk  Tidskrift",  1861—89  auf,  beren  erfte  Slebafteure 
ä.  g.  Secfmann,  G.  21.  $utlranfe  unb  91.  3.  Sinnar^fon  loaren. 

Unter  ben  bebeutenberen  UMala^Il^eologen  biefer  ^zxt  fmb  ju  nennen:  2.  Sunbblob 

gf'fof.,  geft.  ate  »ifd^of  in  ©lara  1837),  beeinflußt  bon  ©loebenborg,  ber  ©jeget  21.  @. 
nö«  ($rof.,  geft.  1862),  21.  %.  SedEmann  (^ßrof.,  geft.  ate  Sifc^of  in  ©lara   1894), 

26  beffen  f(^riftfteuerifd[|e  S^ätigleit  borjug^toeife  aj)ologetifd^  toar,  bie  brei  Äird^engejc^ic^t^ 
fc^reiber  2.  21.  2lniou  ($rof.,  geft.  ate  Sif^of  in  SBJi^bV  1884),  "33).  Slorlin  (2)oj.  in 
U»)fala,  f})äter  t^eol.  2lbiunlt  in  2unb,  geft.  1870)  unb  5. 21.  ßorneliu«  ($Prof.,  geft.  ate 
Sifc^of  in  '2tnblöt)ing  1893).  Sin  origineHer  ©jegct  toar  D.  %.  aW^tberg  ($rof.,  geft. 
1899),  beeinflußt  bon  ©.  Äierfegaarb,  Sedf  unb  b.  Äofmann.    ©eine  aOSirffamfeit  ift  in 

80  berfc^iebener  ßinftd^t  für  bie  Ui)fala-3:^eologie  bon  ^ebeutung  getoefen.  1884  grünbete 
er  bie  3^'^fw^'f^  „Bibelforskaren",  bie  nod^  ejiftiert  (je^t  ba^  §axH)torgan  für  bie 
tl^eologifc^-toiftenf^aftlid^e,  befonber^  ejegetifd^e  gorfd^ung  in  ©d^toeben). 

3um  ©dpluß  noc^  einige  tl^eologifc^e  ©d^riftfteller,  bie  außerhalb  ber  tl^eologifc^en 
gafultäten  toirften,  toir  befc^ränlcn  un^  ^ier  auf  5  Flamen.    3-  Battenberg  (9lei(^«anti= 

86  quar,  geft.  1834),  l^oc^gelel^rter  Drientalift,  SSerfaffer  eine^  für  feine  R^t  fel^r  merhi)ür= 
bigen  Äommentar«  in  3  93änben  über  bie  Offenbarung,  1800;  bie  Einleitung  ift  in« 
S)eutf^e  überfefet.  6.  21.  2lgarbl^  ($^of.  ber  Sotanif  unb  ölonomie  in  2unb,  geft  alö 
Sifc^of  in  Äarlftab  1859),  ein  ungetoöl^nlidE)  genialer  unb  f d^arffmniger  2Kann,  ber,  nad^^ 
bem  er  33ifd^of  geloorben,  ftd^  mit  tl^eologifd^en  ©tubien  befd^äftigte,   mit  bem  Slcfultat, 

40  baß  er  ate  Serfaffer  einiger  ejegetifd^er  2rb^anblungen  auftreten  tonnte.  6r  berfoc^t  in 
einer  1836  l^erau^gegebenen  ©dprift  ben  ©afe,  bafe  bie  2lu«bilbung  ber  ©eiftlic^en  bon 
ben  tl^eologifc^en  ^auiltäten  getrennt  fein  foUte.  2)er  alabemifc^e  Unterrid^t,  ber  Iritifc^er 
2trt  ift,  bürgt  nic^t  bafür,  baß  bie  2:^eologen  in  ber  2el[^re  ber  Äird^e  l^erangcbilbet 
toerben  (bgl.  Semoutti  in  unferen  lagen).    2lgarbl^  tourbe  in  ber  „Theologisk  Quar- 

46  talskrift"  bon  Sleuterba^l  toiberlegt.  g.  D.  aSjörling  (Sifd^of  in  SQäefterä«,  gefi  1883). 
©ein  bebeutenbfte^  SBerf  ift  eine  au^fül^rlic^e  Dogmatil,  beren  erfte  2luflage  33eeinfluffung 
burd^  ©d^leiermad^er  auftoeift,  toöi^renb  biefer  bagegcn  in  ber  jtoeiten  Äal^niö,  ^P^tli^pt, 
3:bomafiuö  unb  3Wartcnfen  i)at  toeic^en  muffen.  31,  ^^ntü  (Äomminifter  in  ©todf^olm, 
geft.  1864),  ein  gelehrter  unb  ungetoö^nlid^  >)robuftiber  2^l^eotog,  ber  außer  einer  ÜKenge 

60  Driginalarbeiten  Überfe^ungen  bon  ©c^leiermac^er  unb  ^gel,  feinen  geiftigen  33ätem, 
geliefert  l^at.  Die  bebeutenbften  feiner  2lrbeiten  finb:  „Die  ©runbjüge  ber  d^riftlid(^en 
©ittenlel^re",  1842—49  unb  bie  „(Sef^ic^te  ber  menfc^lic^en  ©ntloidEelung",  in5S3änben, 
1855—63.  ßl^aralteriftifd^  für  feine  Slnfd^auung  ift  fein  ^offnung^boller  ©laube  an  bie 
SEBanblung,  bie  eintreten  toirb,  fobalb  nur  3^?«  G^rifti  2el^re  in  iT^rer  Seinl^eit,  frei  bon 

66  jeber  bogmatifd^en  Umbüllung,  bargeftellt  loirb.  Sleuterbal^te  unb  30"ett^  bertoanbtcr 
2tu«gang^unlt  geigte  ftd^  in  einer  Debatte,  bie  fie  1843—44  miteinanber  fül^rten^  barin 
ftel^t  man  au^,  baß  51.  rcc^t^  bon  ©c^leiermad;er,  ^^mü  aber  linte  gegangen  ift,  ein 
Unterfc^ieb,  ber  fic^  bor  attem  barin  geigte,  baß  3-  "^^^  im  ftanbc  ioar,  bie  Sebeutung 
ber  firc^li^en  ©emeinfd^aft  befonber^S  l^oc^  fju  fd^äfeen,  toäl^rcnb  biefe  für  SR.  ebenfo  toie 

60  für  bie  ganje  2unbf(^e  Ideologie   eine  §aut)tfa4^   h>ar.    g.  gel^r  C^iaftor  5ßrimariu« 


Sd^toeken  Sd^toet)  43 

in  Stotf^olm,  gefi  1895,  f.  ©.  «.  »rie«,  gr.  gel^r,  ©totf^.  1896)  tft  bcr  erfte  bebcu* 
lenbe  9lq)räfentant  bcr  butd^  Slitft^I  begonnenen  t^eologifc^en  Snttotdelung.  ©eine 
SBäirlfamleit  ift  ^autotfäd^Hc^  toon  fird^Iid^^praftifd^er  Sebeutung  getDcfen.  tiefer  Art  tft 
auc^  fein  $aut)th)erf  „Untenid^t  im  Gl^rifientum",  ©tod^.  1894.  gcl^r  grünbete  bic 
Seitfd^ft  „I  religiösa  och  kyrkliga  fr&gor"  mit  bem  ^Programm:  j)ofitib4ir(^H(i^eg  6 
ß^rifientum  unb  ^eie  gorfc^ung. 

i^ier  mufe  bie  furje  Überft(|t  ftel^en  bleiben,  um  nid^t  nod^  toirlcnbe  ^erfönlid^Ieiten 
^ereinjujiel^en.  ©ie  mufe  alfo  bon  bem  SSerfud^  abfegen,  eine  ®arfteHung  be«  l^eutigen 
t^eologifd^en  geben«  in  ©d^toeben  mit  feiner  Sebenbigfeit  unb  feinen  ringenben  (Segen* 
fä^en  ju  geben.  ©•  Aulen,     lo 

Sd^tori},  bie  gegentoörtigen  lirc^lid^en  SSerl^ältniffe  ober  bie  ©tatiftit 
in  lird^Iic^er  Sejie^ung.  —  ^ie  C^auptquettcn  für  nac^ftc^enbc  $lrbeit  pnb  (aufeer  ben 
Äircftengcfcten  im  Original,  foiocit  fie  hem  5Serfaffcr  ju  ®cbotc.  ftanben):  gingler,  Ätrcftlic^e 
©tatiftit  bcr  reformierten  ©c^wcia,  güridi  1854,  für  aflc»  l^iftonWc  unb  für  bic  firc^Hc^en 
SSer^SItntjfc  bid  1854,  eine  überaus  forgfälttgc  i)arftcaung;  ®areid  unb  3ont,  @taat  unb  is 
iHr4c  in  bcr  ©cbn^ci^,  2  $bc,  ßünc^  1877,  fel^r  cinlfigltc^e  ^arfteüun^  bcr  fir^Ii^en  9?ccf)t«' 
öer^ältniffc,  namentli^  auc^  6inritÖtIi(b  bcr  fat^olifcbcn  ^ircftc,  mit  tJicIcn  ^ftcnftücfcn ;  Ä.  o. 
OrcOi,  ^8  8taat$rcd)t  bcr  fcfYrceijcrifc^en  (Sibgenofienfc^aft  (in  ^{arquarbfcnd  i)anbbuc^  bt^ 
öffentlichen  3fic(^t8),  greibura  i.  SB.,  SWoftr,  1885;  «.  ©üc^i,  a)ic  fat^olifc^c  ^Ird^c  in  bcr 
6(^»clj ;  il^r  acgcnttjärtigcr  wcftanb  ncbft  einem  ^iftorifc^cn  Ucbcrblicf  über  bic  ©croangcnl^eit,  20 
^Künc^cn  1902,  eine  ^arftcflung  nac^  offijicücn  Oucttcn  unb  mit  forgföltigcn  Sittcratur^ 
nac^toeifcn. 

1.  ffiie  Serteilung  ber  Äonfeffionen. 

Dietoie  in  j)oIitifd&er  fo  in  Krcblid&er  ^inftd^t  überau«  mannigfaltigen  unb  «im^^eil 
!onH)Imerten  Serl^ältniffe  ber  ©c^toeij  bieten  fid^  fd^on  in  ben  SRefuItaten  ber  ewgenöffis  25 
ft^en  SSoIÖgä^Iungen  bar.  ©old^e  tourben  toon  ben  Sunbe^bel^örben  in  ben  ^afyctn  1850, 
1860,  1870,  1880,  1888  unb  1900  beranftaltet.  eine  SRubril  für  bie  reliaiöfen  »e* 
lenntniffe  tourbe  babei  immer  in  bie  Formulare  aufgenommen,  aber  bie  Unterf^iebe  nic^t 
immer  ganj  gleid^  abgegrenzt;  fpejieHere  Abteilungen  unterblieben.  ©0  fe^It  eine  Untei^ 
Weibung  bon  römifd^en  unb  3lItIatl^oliIen,  unb  bie  bcrfd^iebenen  ®emeinf(^en  ber  so 
(ßrotefianten  fmb  nidbt  befonber«  aufgenommen.  ®«  beftel^en  nur  bie  bier  6au})trubrifen : 
1.  ^roteftanten,  2.  Äatl^olilen,  3.  S^raeliten,  4.  „3lnbere  ober  o^ne  angäbe".  2)abei  ift 
al«  ful^er  ju  betrachten,  ba^  bie  grofee  SRel^rl^eit  ber  $roteftanten  ben  eöangelifd^en 
2anbedlird^en,  bie  gro^e  !Dtel^r|eit  ber  Jtatl^olilen  ber  römifd^^^lat^olifd^en  Jlird^e  angehören, 
dagegen  ift  aUerbing«  nid^t  eiftd^tlid^  86 

a)  h)ie  biele  angel^örige  Heinerer  eöangelifd^er  ©emeinfd^aften  (3Ketl^obiften,  93a})* 
tiften,  S^ingianer)  ftd^  al^  ^roteftantcn,  loie  biele  fid^  in  bie  bierte  Slubrä  ein* 
gefd^rieben  ^aben; 

b)  h)ie  üiele  3lItIatl^oIifen  in  bie  jtoeite,  toie  biele  in  bie  bierte  SRubri!  fallen; 

c)  tote  biele  abftc^tlid^  in  Untere  ftd^  einjeid^neten,  toeil  fte  geaen  teligiöfe  gtagen  40 
ftd^  inbifferent  ober  negativ  erllären  tooÜten,  toie  biele  hingegen  opne  i^r  SBiffen  ober, 
toeil  man  fte  gar  nid^t  mit  biefer  grage  bcl^eHigen  lonnte  ober  toollte  (grembe  in  &a\U 
^öfen,  be«  ©dpreiben^  Unlunbige,  93eh)ol^ner  bon  Äranlen-  unb  ©trafanftalten  ac.)  in 
biefelbe  ^ineinlamen.  3)ie  toeit  übertoiegenbe  5Kel^rl^eit  ber  ©emeinben  berjeid^net  nie^ 
manb  in  biefer  Slubri!;  gri)6ere  ^a^m  finben  fid^  nur  in  einigen  §aut)tftäbten  unb  ^ 
gremben^lä^en.  9Kit  biefen  3leferöationen  barf  immerhin  bie  überfielt  ber  33olföjäl^(ungen 
Don  1880  unb  1900,  bie  toir  nad^  ben  offiziellen  ^ublilationen  (©c^toeijerifd^e  ©tatiftil 
140.  Sieferung.  ßibaenöff.  SSoIföjä^lung  Dom  1. 2)ejember  1900,  ^crau^egeben  bon  bem 
ftatiftifd^en  Sureau  oe^  eibg.  95^artement^  be«  ^nnem)  folgen  (äffen,  aU  ein  richtige« 
Silb  ber  lonf effioneHen  aäerl^ältnijf c  gelten.    (Sie^e  bie  3:abelle  auf  S.  44).  w 

Äu«  biefer  Überfid^t  ergiebt  fid^  l^infic^tlid^  ber  Seränberung  ber  fonfeffionellen  3Sers 
l^ältniffe  bon  1880  bi«  1900  folgenbe^: 

%üx  bie  ©efamtfd^toeij  l^at  ftc^  bie  lonfeffioneHe  Verteilung  fel^r  toenig  geänbert; 
ba^  5Projentt)er^äItni«  ift  für  bie  ^ßroteftanten  um  0,8  <>/o  gefunlen,  für  bie  Äatl^olif en  um 
ebenfobiel  gefti^en :  bie  Qahl  ber  S^^öcliten  ift  bon  0,2  auf  0,4  geftiegen,  bie  ber  ßin- » 
too^er  ol^ne  fonfefftonelle  93ejeic^nung  bon  0,4  auf  0,2  gefunlen.  Über  2000  S^^^eliten 
lal^It  nur  ber  Äanton  3ürid^,  mel^r  atö  VU  i}at  nur  Safel^Stabt.  ?Kel^r  aU  l'^ü  //Ol^ne 
angäbe"  geigt  ©enf. 

Dagegen  l^at  eine  ftarleSSerme^rung  berÄatl^oKfen  in  ben  Kantonen  ßürid^,  ®Iaru^, 
©d^aff^aufen,   ffiaabt,    eine  erl^eblid(^e  SSerme^rung  ber  ^roteftanten  in  ben  Äantonen  w 


44 


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QCOH-H-Q»-«^Ol»-»COO^OaOi"-*OOO^i**>CO^lOOCD4ä^ 
^H-•O»-»®O0:ül^**.C0^05C0C0^^O^»-•C0OC0a)C0C^CD0i 

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0^iW~icowcDt>igoox»— :ot\50w^S4i'-«ir:ooc^icoo 

^COOCCOOCH-»OOOÜiCO^.f*-J-Jt>ii-WCCo6ü«CCCCOC: 

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®i|»ri3  45 

ijem,  Uri,  ©olotl^um,  Wfpm^ta  3.^911^.,  Icfjin,  SOSaDtö  ftattgcfunben.  311«  Urfac^en 
$en  bte  SSerle^r^linien  unb  bte  ^nbufirie  boran;  ber  JlonfefftoniStoed^fel  ift  berJ^ältnid« 
ägig  feiten. 

Über  80*»/o  $Proteftanten  jci^len  1900  bie  Äontone  Sürid^,  Sem,  ©d^ffl^ufen, 
laabt  unb  ^leuenbutg,  über  90«/o  nur  SfobenjeD  3C.*9l^.  6 

über  90*»/o  Äatl^olilen  Ibaben  bie  Urfantone  2ujem,  Uri,  ©d^to^j,  beibe  Unter* 
talbcn,  3u9,  2lj)})enjea  Xmff.,  3:efftn  unb  ffiaffi«  (greiburg  84,8<»/J. 

3lm  nä^pen  [teilen  p«^  bte  Äonfeffionen  in  ©raubünben  (52,8  unb  47,0),  Slargau 
5,3  unb  44,1),  (Senf  (47,1.  unb  50,6). 

^ie  oben  angebeuteten  ^nberunaen  in  ben  legten  20  ^af)xm  jetgt  folgenbe  ^tobelle  lo 
t  ^rojenten  ber  ®efamtbet)ölterun9) : 

1880  1900 

^roteftanten       Jtatl^oltlen  ^roteftanten      Jlatl^olifen 

äric^ 89,2  9,5  80,2  18,7 

laru«       79,2  20,7  75,4  24,5      i6 

c^ffl^ufen    ....  88,4  10,8  82,0  17,8 

(oobt 91,9  7,6  86,3  13,1 

nan 4,0  95,8  8,2  91,5 

et 2,2  97,7  3,9  96,1 

olot^um 21,3  78,4  30,8  68,9      20 

Pt>enaea  (^.^SR^oben)  .  4,3  95,7  6,2  93,8 

efftn 0,3  99,4  1,6  98,0 

Jatttö 0,9  99,1  1,4  98,4 

2.  3)ie  Sunbe^berfaffung  bom  29.  ?IRai  1874. 

jjür  bte  fird^Iid^en  SSer^mtniffe  aDer  Jtonfef jbnen  in  ber  ©d^toetg  bat  bie  Sunbe««  20 
rfaffung  bon  1874  einen  toefentlid^   neuen  Soben  gefdbaffen,  ber  ^S  in  ber  ®efe^ 
bung  unb  im  fir^li(^en  2d)m  überall  geltenb  mad)t    äBöl^enb  bie  Sunbedberfaffung 
n  1848  in  9lrt.  41  aUm  ©c^toeijem,  toeld^e  „ben  d^riftlic^en  Äonfefftonen"  angel^ören, 
rie  9lieberlaf[ung  fid^ert,  in  Slrt.  46  bie  freie  äudübung  be«  ©otte^bienpe«  „ben  aner« 
nnten  d^riftlid^en  ^onfefftonen''  getDä^rleiftet,  ben  Kantonen  foh)ie  bem  93unbe  borbel^ält,  ao 
r  ^anb^abung  ber  öffentlid^en  Drbnung  unb  be«  grieben«  unter  ben  Äonfefftonen  bie 
eigneten  ?Ka^nal^men  ju  treffen,  in  Slrt.  48  bie  Äantone  betj)fli(i^tet,  „ade  ©c^lDeijers 
ürger  c^riftli(|er  Jlonfeffton  in  ^er  @efe^ebung  fotool^l  ali  im  gerid^tli(^en  SSerfaiiiren 
n  Sürgem  ber  eigenen  Jtantone  gleic^  ju  l^alten",  in  9lrt.  58  bem  Orben  ber  l^efuiten 
tb  ben  il^m  affiliierten  ®efellfd^aften  tn  feinem  Xeile  ber  @(^h>ei}  9lufna^me  geftattet,  30 
I  übrigen  aber  über  ba«  SBer^ltni«  be«  Btaatti  ju  ben  Äonfefftonen  feinerlei  Se* 
mmungen  entl^olt,  l^at  bie  93unbe^erfaf[ung  bon  1874  nac^folgenbe  eingreif enbe  ©runb* 
t^t  aufgefteOt: 

9lrt.  27,  S.  2.  ^ie  Jtantone  Jörgen  für  genügenben  $rimarunterri((t,  toelc^er  ani^ 
ilie^Iic^  unter  ftaatlid^er  Seitung  ftel^en  foll. 40 

S.  3.  ^ie  öffentlichen  ©d^ulen  foQen  bon  ben  ängel^örigen  aQer  Selenntniffe  o^ne 
eeinträd^tigung  i^rer  ©lauben^^  unb  ®eh)if|en«freil^eit  befuc^t  toerben  lönnen. 

£.  4.  ®egen  Äantone,  toeld^e  biefen  3Serj)flic^tungen  nic^t  nacl(^!ommen,  toirb  ber 
unb  bie  nötigen  93erfüaungen  treffen. . 

Slrt.  49.  3)ie  ©lauben^^  unb  ©etoiffengfrei^eit  ift  unberlefelid^.  45 

9{iemanb  barf  jur  Xeilna^me  an  einer  Slelißionägenoffenfcpaft  ober  an  einem  reli* 
3fen  Unterrid^t,  ober  lur  SSoma^me  einer  religtöfen  ^anblung  gejtoungen,  ober  toegen 
lauben^nftd^ten  mit  ©trafen  irgenb  toeldj^er  ^rt  belegt  toerben. 

Über  bie  religiöfe  ©rgiel^ung  ber  Äinber  bi^  gum  erfüHten  16.  SHter^jal^re  berfügt 
i  ©inne  borfte^ber  ©runbföf  e  ber  ^n^ber  ber  bäterlici^en  ober  bormunbfd^aftlici^en  so 
etoalt 

^ie  SluiSübung  bürgerlid^er  ober  ))oIitif(^er  Siedete  barf  burd^  teinerlei  Sorfd^riften 
•er  Sebinaungen  lirc^Iid^er  ober  reügiöfer  5Ratur  befc^ränft  toerben. 

2)ie  ©lauben^nfubten  entbinben  nic^t  bon  ber  ßrfüHung  ber  bürgerlichen  ^flidbten. 

5Riemanb  ift  gehalten,  ©teuem  ju  bejol^len,   toelc^e  fj)ejiell  für  eigentlid^e  Äultu^  55 
jedte  einer  9leIigion^enof[enfd^aft,  ber  er  nidpt  angebört,  auferlegt  toerben.    S)ie  naivere 
u^fül^rung  biefeS  ©runbfa^  ift  ber  93unbe^efe^ebung  borbe^alten. 

Slrt.  50.  2)ie  freie  Slu^übung  gotte^bienftltd^er  §anblunjen  ift  inner^Ib  ber 
x^ranlen  ber  ©ittlid^Ieit  unb  ber  öjfentlid^en  Drbnung  getoö^rletftet. 

^en  Jlantonen  fotoie  bem  93unbe  bleibt  borbe^Iten,  gur  ^anbi^abung  ber  Drbnung  eo 


46  eiltoris 

unb  bcö  öffentlid^en  grieben^  unter  ben  SÄnöcl^örigen  ber  bcrfc^icbenen  SlcKgton^cnoffens 
fd^aften,  fotoie  oegcn  Singriffe  firtfiltd^er  Sel^örben  in  bic  SRed^te  ber  Sürger  be«  ©taalc^ 
bie  geeigneten  Sla^nal^men ju  treffen. 

Slnftänbe  au«  bem  öffentltd^en  ober  ^ßritmtred^te,  toelie  über  bie  ©Übung  ober 
6  2)rennung  bon  SReligion^enoffenfd^aften  entftel^en,  fönnen  auf  bem  SQBege  ber  Sefcptüerbe^ 
fül^ng  oer  Sntfd^eibung  ber  juftänbiaen  2anbe«bel^örben  unterfteHt  Serben. 

S)ie  ßrrid^tung  bon  35i«tümem  auf  fd^toeijerifd^em  ©ebiete  unterliegt  ber  (Senel^migung 
be«  »unbe«. 

Strt.  51.  2)erDrben  ber  3«fwiten  unb  bie  il^m  affiliicrten  ©efettfc^aften  bürfen  in 
10  feinem  3;eile  ber  ©c^tüeij  Slufnal^me  finben,  unb  e«  ift  ü^ren  ©liebem  jebe  SBirlfamleit 
in  Äirc^e  unb  ©d^ule  unterlagt. 

2)iefe«  SSerbot  lann  burd^  33unbe«bef(^Iuf|  auA  auf  anbere  geiftlid^e  Drben  au^ 

fiebel^nt   toerben,   beren   SBBirlfamfeit   ftaatigefä^rlidy   ift   ober   ben  f^rieben   ber   Äon- 
effionen  ftört. 
16        9lrt.  52.  Die  Srric^tung  neuer  unb  bie  SBieberJ^erflellung  aufgehobener  Älöfter  ober 
religiöfer  Drben  ift  umuläfftg. 

2lrt.  53.   2)ie  JJeftftettung  unb  Seuriunbung  be«  ßibilftanbe«  ift  Baä)^  ber  Mroer^ 

lid^en  Sel^örben.    S)ie  Sunbe^efe^gebung  toirb  hierüber  bie  naiveren  Seftimmungen  treffen. 

S)ie  Verfügung  über  bie  S3egräbni^Iä^e  ftel^t  ben  bürgerlid^en  Sel^örben  gu.    ©ie 

20  l^aben  bafür  }u  forgen,  ba^  jeber  SJerftorbene  fd^icflid^  beerbigt  toerben  fann. 

2lrt.  54.    3)a8  dl^d^i  ber  @l^e  ftel^t  unter  bem  ©d^u^ie  be«  Sunbe«. 

S)iefe«  SRec^t  barf  toeber  an^  lird^Iid^en   ober  ölonomifd^en  SRüdffid^ten,   noc^  n>egen 

bi^l^erigen  33er^alten«  ober  au«  anbem  j)oIiieiIid^en  ©rünben  befd^ränft  toerben. 

afrt.  58,  S.  2.    2)ie  geiftlid^e  ®eric^t«barfeit  ift  abgefc^afft. 

26         @«  ift  offenbar,  ba^  biefe  ®runbfä§e  lonfequent  burd^gefül^rt  bie  böHige  Ignorierung 

ber  Jtirc^e  Don  ©eite  be«  ©taate«,  fomit  ba«  3(uf^ören  ber  fantonalen  SanbedCtrt^en  )ur 

^olge  l^aben  müßten.    3([lein  toäl^renb  ber  fett  (Srla^  ber  9unbe«t)erfaffung  nun  ber« 

ffoffenen    30  ^afyc^  tourben    nur    einige,   aUerbing«  tiefgreifenbe  Äonfequenjen   toirflit^ 

gejogen;  aHmä^Iid^  aber  l^at  ftd^  bie  ©egenftrömung  für  SBeibel^altung  einer  engeren  98er 

80  binbung  bon  Äird^e  unb  Staat  toieber  neuerbing«  geltenb  gemad^t    9iur  3lrt.  53,  2^  1 

l^at  feine  3Cu«fü^rung  burd^  ein  33unbe«gefe|  erhalten,  ba«  bann  aud^  SÄrt.  54  mitumfoftte, 

ba«  ®efe^  betr.  geftftettung  unb  Seurlunbung  be«  ßibilftanbe«  unb  bie  ®^e  bom  24.  2)e* 

aember  1874.    ©in  SSerfud^,  2lrt.  27  im  ©inne  einer  regelmäßigen  Sunbeöauffid^t  über 

oie  SSoIföfc^uIe  jur  toeiteren  2lu«fül^rung  ju  bringen,  ift  itoar  burdb  bie  Sunbe^betfamms 

36  lung  in   einem  ®efe^e«ent)ourfe  betr.  ©rric^tung  eine«  fd^toeijerifdpen  ©d^ulfelretär«  gcs 

maät,  aber  burd^   bte  3SoII«abftimmung   bom  26.  9?obember  1882  mit  übertoiegenber 

SKe^rl^eit  abgelel^nt  toorben.  Unb  ein  nac^  fel^r  langen  Beratungen  ju  ftanbe  gefommencr 

3ufa^  ju  biefem  Slrt.  27    fid^ert  jloar  ben  Äantonen  S3unbe«beiträge  an  ba«  ^primor^ 

fd^ultoefen  ju,   aber  mit  bem  au«brüdtti(^en  3Sorbel^alt:  „95ie  Drganifation,  fieitung  uxib 

40  Seauffid^tigung  be«  ^ßrimarfd^ultoefen«  bleibt  ©ad^e  ber  Äantone".    S)ie  bi«  je^t  gn  tage 

fietretenen  3Birfungen  ber  33unbe«berfaffung  auf  bie  fantonalen  fird^Iid^en  SSerl^ältniffe 
inb  folgenbe: 

1.  3*^  5ReIigion«unterric^t  in  ober  außer  berSd^uIe  ift  fafultatib.  3)agegen  i[t  in 
ben  meiften  Äantonen  berfelbc  noc^  Sel^rgegenftanb  ber  9SoIf«fd^uIc,  unb  toirb  in  toielen 

46  Äantonen  befonber«  an  ben  l^öl^eren  Älaffen  bon  ®eiftlic^en  erteilt. 

2.  35ie  ®eiftlidben  fönnen  nid^t  Don  STmt«  toeaen  ^nfpeftoren  ober  ^räftbentcn  ober 
5Kitg(ieber  ber ©d^ulbel^örben  fein-  ba|  fie  e«  burqSBal^I  toerben  bürfen,  ift  unbeftrittcn, 
ebenfo  baß  fte  e«,  aud^  in  ben  reformierten  Äantonen,  fel^r  oft  ftnb. 

3.  Db  ^Perfonen,  bie  einem  fir^Iic^en  Drben  angel^örcn,  alfo  burd^  befonbcre  ©e^ 
60  lübbe  anberen  al«  ben  ©taat«bel^örben   m  ftriftem  ©el^orfam   ber^)fKd^tet  fmb  (Äloftcr* 

iieiftlid^e,  Se^rfc^toeftern),  Seigrer  ber  SSolfefd^uIe  fein  bürfen,  tourbe  beftritten.    Slber  bic 
atl[)oIifd^en  Äantone  l^alten  baran  feft  unb  ju  einem  anber«  tocrfügenben  S3unbe«befd^luß 
ift  e«  nid^t  gefommen. 

4.  ^ie  geiftH^e  ©eri^t«barfeit,  ühtti}a\x)pt  jcbe  offijiette  3Kith)irfung  ber  Äird^e  unb 
66  ber  ®eiftlid^en  bei  6l^e=  unb  ^atemität«fragen  ift  au«gef^(offcn,  bie  ßibile^e  oMigotorift^ 

unb  allein  ftaatli^  giltig,  bie  (Siöilftanb«regifter  bürfen  nic^t  Don  ®eiftli(^en  gcfü^ 
toerben,  bie  firc^Iic^e  6^eeinfcgnung  bor  ber  cibilen  2;rauung  ift  bei  fd^toerer  ©träfe 
berboten. 

5.  ©egen  SScrfuc^e  ber  römifd^-fatl^olifc^en  Äirc^e,    o^ne  Begrüßung  be«  Sunbe« 
60  Säuberungen  in  ben  S3i«tümem  ju  treffen,  ift  ber  S5unbe«rat  eingef^ritten. 


ei^ivri)  47 

6.  Ätrd^ltc^e  TOa^regcIn  (Sludfc^Kefeung  Dom  Ürd^Rd^en  ©timmred^t  k.)  gegen  folc^e, 
toAd^  an  tird^Itd^en  ^anblungen,  h>ie  S^aufe,  Jtonfirmation,  W)mhma%  tird^Ud^e  Sl^^ 
einfegnunj,  Itrd^Iid^e  ^eerbigung,  abfid^tlid^  ntd^t  teilnel^men,  tocrben  auf  bem  ©oben  oer 
))toteftanttf((en  Sanbe^fir^en  nid^t  als  julöfftg  betrachtet. 

3.  ®a«  Äitd^entoefen  ber  reformierten  ©d^toetj.  6 

a)  ^iftorifd^er  SRücfbltdt  (fingier  a.  a.  0.  unb  in:  aiHgemeine  Sefd^reiBung  unb 
Statiftil  ber  ©d^tüeij:  S)ie  reformierte  Äird^e,  ©ej)aratabbrucf  1873).  3)er  ©ang  ber 
Sieformation  mu|te  jur  golge  ^aben,  baj  gegenüber  ber  SKad^t  be«  5ßaj)fttum«  unb  feinen 
3RitteIn  bie  älnl^änger  ber  ebangelifd^en  Jtir^e  ftd^  an  bie  einjig  Dorl^anbene  anbere  öffent^ 
lic^e  3Rad)t,  bie  be^  Qiaait^,  anfd^Iojfen,  unb  3^i"0''i  ^^^  SalDin  h>aren  aud^  grunb«  lo 
fa^Iid^  nid^t  bagegen,  toeil  fte  bie  religtö^sftttlid^e  Erneuerung  nid^t  blo^  ber  ®injelnen, 
fonbem  ber  ©efamtl^eit,  alfo  be«  ©emeinloefen«,  h)ie  e«  ate  Staat  organifiert  toax,  an? 
fhrebten.  S)arum  gehörte  in  ben  meiften  Äantonen  nur  jum  ©taate,  toer  ber  ebonge* 
lifc^  SBal^beit  ftd^  ;|uh>anbte,  bie  anbem  mußten  bad  Sanb  meiben.  @benfo  t^txjivfyc 
man  auf  lat^olifc^er  Seite.  Slber  bie  latl^olifd^en  3legierungen  toaren  bie  35iener  iJ^rer  is 
Äird^e,  bie  reformierten  bie  (Sebieter,  aHerbing«  im  ^Warnen  ber  ©emeinbe,  unb  unter 
»etrat  ber  ®eiftli(^.  ©o  gebietet  in  ßürid^  ber  ?Rai  ber  200,  ba«  SBort  ®otte«  attein 
m  J)rebigen  unb  fü^rt  bie  SReformation  in  2cl^  unb  Äultu«  bur^,  er  lonftituiert  1528 
bie  ©t^nobe  ber  ©eiftlic^en,  toeld^e  Slufftd^t  über  bie  einzelnen  ©eiftlic^en  übt  unb  ju  ber 
au^  bi«  1630  bie  ©eiftlid^en  bon  ®Iaru«,  bi«  1798  biejenigen  be«  Il^urgauer*  unb  20 
Sl^tl^afö  gel^örten.  S^nlid^e  ©t^noben  beftanben  in  ©t  ®aIlen=3l^|)enjeH,  3^oggenburg, 
©c^aff^aufen.  3n  Sern  unb  93afel  tourben  foIAe  mit  ber  SReformation  angeorbnet,  aber 
balb  nid^t  me^r  einberufen.  3«  ®raubünben  patte  bie  ©j^nobe  bie  faft  felbftftänbige 
Seitung  ber  hr^Iid^en  ängelegenl^eiten.  3n  ®enf  ftanb  bie  SBJabl  ber  ®eiftlid^en  ber 
Gompagnie  des  Pasteurs,  bie  Slu^übung  ber  jtir(J^en}U(^t  bem  ^onftftorium  ju,  beffen  25 
9Jlitgiieber  bie  6  ©tabtgeiftlid^en  unb  12  bom  9late  getoäl^lte  9Känner  toaren.  ^n  9leuen= 
bürg  log  bod  ganje  Jtird^enregiment  in  ben  ^änben  ber  (Tompagnie  des  Pasteurs.  ^n 
ber  aSSaabt  ftanb  ben  fünf  Älaffen  bie  3^"fwr  unb  unter  33eftätigung  ber  Slegierung  bie 
S5efe|ung  ber  $farrjlenen  ju.  3)ie  Bereinigung  ber  Älaffen  in  ©^noben  gefd^a^  nid^t 
regelmäßig  unb  ^örte  im  17.  gal^r^unbert  auf.  —  35ie  laufenbe  Iird(^Iid^e  SSertoaltung  so 
h)urbc  in  3ürid^  t>om  Sjaminatorlonbent  beforgt,  ber  unter  bem  Sorf4  be«  äntifte« 
(^foner  am  ®rofemünfter  unb  ^IJräfibent  ber  ©^nobe)  au^  SlatSl^enen,  5ßfarrem  unb 
^rofefforen  beftanb.  @r  j)rüfte  unb  orbinierte  bie  Äanbibaten, .  mad^te  bem  fRatt  SSor* 
fc^läge  für  bie  ^Pfarrtoal^Ien  unb  beauffu^tigte  bie  ©eiftlid^en.  Stl^nlic^e  Sel^örben,  beren 
aSorftei^er  äntifte«  ober  S)efan  ^ieß  (?.  33.  ©c^affl^aufen,  Safel),  beftanben  in  mel^reren  86 
anbeten  Äontonen.  —  2)ie  Äaj)itel  aU  Serfammlungen  ber  ®eiftlid^en  fleinerer  Se* 
jtrfe  blieben  an^  ber  fat^olifd^en  ^Ät  ftel^en,  ba  unb  bort  unter  bem  9lamen  Älajfen 
(Sem,  3Q3aabt)  ober  ÄoHoquien  (®raubünbenX  ü^re  SJorftel^er  gießen  an  manchen  Orten 
Melone.  —  3)ie  SBSal^l  ber  ®eiftlidben  ftanb  in  ben  meiften  Äantonen  ben  Sftegierungen 
ober  ben  bi^l^erigen  Äottatoren  nad^  ben  SSorfd^Iägen  ber  S^aminatoren*  ober  Ätrc^em  40 
Iom)cnte  ju,  nur  in  ®Iaru«,  3tt)j)enjeH,  ®raubünben  l^atten  bie  ®emeinben  ba^  Siedet, 
bie  Pfarrer  ju  toäl^Ien  unb  toieber  ju  entlaffen.  ©d^on  bon  ber  9leformation«jeit  an 
^tten  in  manchen  Äantonen  bie  ®emeinben  firc^Iic^e  Sorftel^erfd^aften,  ß^egaumer 
(=  ®efe|e«h)äc^ter),  ©tittftänbe,  Äonftftorien,  Äird^enftänbe,  Äird^engerid^te,  ß^orgerid^te, 
Ritd^nbann  genannt,  toelc^e  über  ^ud^t  unb  ©itte,  §altung  ber  geiertage,  Sefud^  be«  45 
©otteÄienfte«,  aSertoaltung  ber  Äirc^en^  unb  Strmengüter  ju  toad^en  l^atten  unb  bie  erfte 
Snfkm  in  ß^efaci^en  btlbeten.  ^örmlid^e  Äirdbenjud^t  bi«  jur  äu^fd^Iiefeuna  bom  äbenb- 
ma^I  ftanb  biefen  Sel^örben  nur  in  Safel,  ©c^aff^aufen,  5Reuenburg  unb  ®enf  ju.  3« 
legerem  Äontone  tourben  mit  ben  tird(^Iid^en  fel^r  ^arte  bürgerlid^e  ©trafen  berbunben, 
tote  bie  aSerbannung.  60 

5|m  17.  unb  18.  ^a^rl^unbert  bilbeten  ftd^  bie  Äird^enberfaffungen  immer  mel^r  im 
ftaatlid^  ©inne  au«*  bie  ©^noben  bcriieren  an  SBebeutung  ober  l^ören  ganj  auf.  ^nx 
Reit  ber  ^efeetifd^en  3le})ublil  loar  eine  einl^eitlic^e  lird^Iidbe  Drganifation  beabftd^ttgt, 
fem  aber  nic^t  aur  3)urd^fü^rung.  Die  oberfte  fird^Iidbe  (Setoalt  l^atte  bie  l^ebetif^e 
SRegterung  (S)irenorium),  ber  aWinifter  ber  Äünfte  unb  SBiffeufd^aften  toar  aud^  Äultu«^  66 
minifter.  S)ie9)lebiation«jjdt  [teilte  meift  bie  alten  JJormen  toieber  l^er.  95ie  neugebilbeten 
Rantont  ©t.  ®aHen  unb  ä^l^urgau  erhielten  ©t^noben  unb  Äir^enräte,  ber  Äanton  Slqrgau 
mir  einen  Äirc^enrat.  S)ie  j)oIitifd^en  aSeränberungen  be«  Saläre«  1830  jogen  aud^  änbe^^ 
rungen  ber  Äir^enberfaffung  im  ©inne  größerer  ©elbftftänbigleit  ber  Äird^e  gegenüber 
bem  ©taate  na^  ftd^.    (Sinige  ©eiftlid^Ieitdf^noben   erl^ielten   ba^  9ted(^t   ber  äSefd^luß^^  eo 


48  ®ii^tiiets 

faffung  in  rein  lird^Uc^en  ©ingen  unter  SSorbel^alt  ber  Slatifilation  be«  Orofeen  SRate^ 
unb  ba«  SRed^t  ber  Segutad^tung  in  nic^t  rein  tirc^lid^en  fingen,  fo  in  Äürid^,  @t  ®aDen, 
^^l^urgau;  anbere  l^atten  aud^  für  rein  lird^Iic^e  ©inge  nur  bie  aintragjtellung,  fo©(^ff^ 
Raufen,  a[i)t)enjeH.    ©emifd^te  ©^"oben  (mit  beftimmter  SSertretung  ber  ©eiftlic^en)  er^ 

6  hielten  Sem  (1852),  3?euenburg  (1848),  fjreiburg  (1854),  Oloru«  (1845).  SSoIföf^noben 

mit  gonj  freier  SBSal^I  batieren  erft  au«  neuerer  3^*-   SafeUStabt  l^atte  einen  Äm^enrot 

ol^ne  ©tjnobe,  SBafeUSanb  leine  beftimmte  Äir^entoerfaffung.    3n  3largau  erhielt  ba« 

©enerallojjitel  ba«  S9efd^Iufered^t  in  rein  tird^Iid^en  2)ingen,  in  anbern  bie  Segutac<^tun0. 

b)  2)ie  Äird^enberfaffunjen  ber  ©egentoart.    3n  firc^Iid^en  fingen  jmb 

10  bie  Äantone  boHf ommen  felbftftänbig,  eine  gefefelic^  beftel^enbe  fd^toeijerifc^e  reformierte 
Äird^e  giebt  e«  nic^t,  Dielmel^r  nur  ÄantonaI!irc|en,  bie  red^tlic^  betrad^tet  boneinanber 
gern;  unabl^ängig  finb.  92iemanb  ift  genötigt,  ftd^  ju  einer  lantonalen  Sanbedlirc^e  ju 
galten ;  bagegen  tDirb  im  aOgemeinen  ber  proteftantifd^e  @tnh)ol^ner,  ber  au«  einem  Jlanton 
in  ben  anbern  überfiebelt,  ol^ne  toeitere«  al«  ?KitgUeb  ber  Sanbc^Iird^e  be«  aEBo^norte^ 

16  betrad^tet.  SSon  ben  SSerbinbungen,  in  toeld^en  bie  lantonalen  Äird^en  gueinanber  ftel^, 
toirb  unten  bie  Siebe  fein. 

Sleuere  Äird^engefefte  fmb  erlaffen  toorben  im  Äanton  äßaabt  1863,  X^urgau  1870, 
93em,  5?reiburg,  a3afel::@tabt,  5Reuen^rg,  ®enf,  aHe  1874,  ®Iaru3  1882,  ©t.  ©atten 
1892,  atargau  1893,  ©raubünben   1894,  3üri(|  1902,  'äippmizU  a.^91^.  1903.    gn 

20  ©c^aWaufen  ftel^t  ba«  Äird^engefe^  bon  1854  mit  ber  3Serfafiung  bon  1876  in  SDätber« 
fj)ruq>;  SSerfuc^e,  eine  Steuorbnung  ju  ftanbe  ju  bringen,  ^aben  bi«  je^t  nid^t  gum  S^le 
geführt.    Safel-2anb  l^at  nod^  immer  lein  Äird^engefe^. 

S)a«  SSer^ältnig  ber  Äird^e  jum  ©taat  ift  im  allgemeinen  bal^in  georbnet,  bafe  in 
rein  lirc^Ii^en  ober  innerlid^en  3)ingen  (3lnorbnungen  betr.  ©ottc^bienft,  ©efangbu^ 

25  giturgie,  ©eftaltung  unb  2el^rmittel  be«  lird^Iid^en  Steligion^unterrid^te«  2C.)  bie  Krc^Uc^en 
Organe  entfd^eiben,  mit  ober  o^ne  ^piacet  be«  &aaU^,  in  gemifd^tsfirc^Iic^en  ber  &iaai 
auf  ba«  ©utad^ten  ber  ÜrdE^Iid^en  Organe  befd^liefet  (3luffid^t  über  bie  Äird^engüter,  Se= 
folbung  ber  ©eiftlic^en,  Slbgrenjung  ber  Äird^engemeinben).  95od^  übertoiegl  in  ben 
einen  Äantonen  bie  ©elbftftänbigfeit  ber  Äir^e  ober  ber  einzelnen  Äird^gemeinben  (®Iaru«, 

30  ^reiburg,  2lj)))enjeD,  ©t.  ©aßen,  3:i^urgau),  in  ben  anbern  bie  materielle  ÄonH)eteng  ber 
©taat^be^örben  (a3afeU©tabt,  ©d^aff^aufen,  äargau,  SBaabt,  ©enf). 

Die  2anbe«fird^en  ertlären  fid^  afe  2:eile  ber  c^riftlid^en  Äirc^e  ober  ber  ebangelifc^en 
Äird^e,  ober  befennen  fid^  ju  ben  ©runbfäfeen  ber  Sieformation,  formulierte  Selenntniffe 
ftetten  fte  nid^t  auf,  einige  negieren  aud^  jiir  ©^nobalrec^te  unb  geiftlid^e«  Stmt  jebe  be= 

85  ftimmte  Formulierung. 

3)ie  Äird^engemeinben  beftel^en  au«  dum  ftimmbered^tigten  ©taat«bürgem,  bie  ba 
„reformierten  Äonfeffwn"  angel^ören  ober  fic^  ber  Äirc^enorbnung  unterbieten.  3n  einigen 
Äantonen  l^aben  bie  älu^länber  lird^lic^e«  ©timmred^t  (2l})J)enjell,  Steuenburg).  S)ie  Siebte 
ber©emeinben  fmb  fe^r  berfd^ieben:  3"  <iHen  Äantonen  l^abcn  fte  bieSBa^l  ber^ßforrer, 

40  in  SQBaabt  jebodp  nur  einen  3*^^i^orfd^Iag  ju  §anben  ber  SRegierung,  in  ben  mciften 
bie  SBo^l  ber  lirc^tid^en  Sorftel^erfd^aften,  in  bielen  bie  SQäal^l  ber  ©^nobalen  unter  nä^er 
beftimmten  5Jormen;  in  manchen  aud^  entlocber  bie  aßeinige  Sefd^tufefaffung  über®otte«5 
bienft,  ©efangbu^,  Siturgie,  ober  auf  ©runb  ber  bejüglid^en  Vorlagen  ber  ©^noben 
eine  regelmäßige  Slbftimmung,  ober  ba«  SRed^t  be«  SSeto«. 

46  2)ie  Äird^enborfte^erfd^aften  (Äird^en^flegen,  Äird^gemeinberäte),  benen  ber  ?ßfarrer 
enttoeber  bon  2lmt«  toegen  angel^ört,  ober  in  benen  er  mit  beratenber  ©timme  fi^t,  ^cn 


60  jieHen  armen^jffegen,    in   anberen   toirb   il^nen  bie  ©orge  für  arme   unb  Äranfe 
emj)fol^len. 

2)ie  ©Vnoben  (in  ©enf  ba«  Äonfiftorium)  ftnb  überaß  bie  in  rein  tir^lid^en  S)ingen 
bon  fid^  au«  ober  mit  SBorbel^alt  ber  ©anftion  burd^  ©taat«bel^örben  ober  ©emeinben 
befd^tu^faffenben  Sel^örben.    ©ie  beftel^en  in  ©raubünben  unb  ©d^affi^aufen  au^  fämt- 

66  lidben  ©eiftlid^en  unb  einigen  Slbgeorbneten  be«  ©taate«,  in  ben  übrigen  Äantonen  avS 
Slbgeorbneten,  bie  bon  ben  einjetnen  ©emeinben  (©laru«,  greiburg,  93afet©tabt,  ^tppm- 
jeD,  ©t.  ©allen,  3largau)  ober  in  SÜBa^Ifreifen  (3ürt4  Sem,  Stl^urgau,  5Reuenburg), 
ober  bom  ganjen  ilanton  (©enf),  ober  öon  Scjtrl«6e^örben  (SBaabt)  getoäl^lt  toerben. 
eine  beftimmte  3a^l  öon  (^eiftlid^en  ift  in  ©laru«,  ^J'^eiburg,  Safel^Stabt,  2:i^urgau, 

eo  äßaabt,  Sleuenburg,  ©enf  feftgefe^t.    2)ie  3lmt«bauer  beträgt  3,  4  ober  6  Sa^re.    ©ie 


Sd^tori)  49 

berfammeln  M  in  ber  SHegel  aHiä^tUd^  (®Iaru«  atte  3  ^aü^x^,  Sleuenburg  jäl^rüd^  jtüeimal, 
®enf  monatlich). 

35ie  oBcrfte  lirc^Iid^c  Sertüaltungöbel^örbc  tft  in  fcl^r  berfc^iebenartigcr  äBcifc  ber 
Äanton^regierung  neben«  ober  untergeorbnet,  ober  ^ai  eine  Sertretung  berfelben  in  fid^ 
unb  h)trb  balb  gann,  balb  tciltDeife,  balb  gar  nid^t  bon  ber  ©V"obe  getoäl^lt.  Die  SSer-  s 
fc^iebenartigleit  il^er  Stellung  jeigt  fid^  and)  in  ben  Flamen  Äirc^enrat  (3üric^,  Safel* 
©tabt,  ©d^Paufen,  3löj)enjeU,  ©t.  ©aßen,  ©raubünben,  Slargau,  iburgau),  ©^nobalrat 
^em),  ©Vnoballommiffion  (?Jreiburg,  SBSaabt,  Sleuenburg),  Äirc^enfommiffton  (©laru«). 
UeberaQ  l}at  biefe  Sel^örbe  Sie  ©^nobalbefd^Iüfle  vorzubereiten  unb  )u  DoQjiel^en,  meift 
au(^  bie  S[ufna^me  unb  SBäl^lbarfeit  ber  ©eiftlid^en  ju  regeln,  bie  3tuffiq^t  über  bie  lo 
©etftlic^en  ju  führen,  SJifttationen  anjuorbnen,  3)i«jij)Iinar'  unb  ©treitfäHe  ju  erlebigen, 
in  mand^en  Jtantonen  bie  ^ird^engut^üertvaltung  )u  beauffic^tigen  u.  f.  \o. 

Jtirc^lid^e  Sejirt^bel^örben  finben  ftc^  nur  in  ^uxid)  unb  SBaabt.  ©ie  fte^en  aU 
beoufftc^tigenbe  5IJcitteIgIieber  jtoifd^en  ber  lantonalen  Sel^örbe  unb  ben  ©emeinbcn,  refj). 
Pfarrern,  gn  ©raubtinben  l^aben  bie  berfammelten  ©eiftlid^en  be«  93ejirfe«  (Kolloquien)  is 
äl^nlic^e  Sefugnifie,  in  ©t  ©aßen  bie  3)elane  ber  Äojjitel.  3n  ßürid^,  ©t.  ©aßen  unb 
^urgau  bilben  je  bie  ©eiftlid^en  eine^  ä3ejir{ed  jufammen  bad  jto^itel,  ba^  ©utad^ten 
an  bie  ©^nobe  ab^Am  lann  unb  nt  gegenseitiger  ätnregung  in  toiffenfd^aftlidber  unb 
))rattifi^er  ^inftd^t  jufammentritt,  in  ^afel'©tabt  unbälargau  bie  ©eiftlid^en  be^Jlanton^. 
(Sine  ä|nli^e  ©teUung  nel^men  ber  Äonbent  ber  ©eiftlid^en  in  ©d^aff^aufen  unb  ^a\tU  20 
Sanb,  unb  bie  Gompagnie  des  Pasteurs  in  ©enf  ein. 

3)ie  ©eiftlid^en  erlangen  bie  SBöi^lbarleit  auf  ©runb  bon  Uniberfttät^ftubien,  über 
toelc^e  fie  fid^  burd^  Prüfungen  toor  ben  hierfür  burd^  bie  Äird^enbe^örben  beftettten  Äom? 
mifftonen  (in  9  Äantonen  bor  ber  Äonlorbat^bel^örbe  (f.tinten)  ober  burd^  3)ij)lome  tl^eo« 
loaifd^er  ^afultäten  aud)uh)eifen  l^aben.  ^^re  Orbination  ober  Jtonfehation  ^um  geift«  26 
li^en  9lmte;  ioeld^e  meift  in  einem  öffentlid^en  ©otte^bienfte  unter  §anbauflegung  boH* 
gogen  toirb,  gefd^iel^t  im  großem  Xeil  ber  Äantone  burd(^  ein  ©elübbe  (3ürid^ :  „al^  treue 
©iener  ber  eüangelifc^=reformierten  %d^e  ba«  @k)angelium  unfer«  §eilanbeg  3efu  ßl^rifti, 
auf  ©runb  ber  ^eiligen  ©c^rift  mit  Überzeugung  unb  igingebung  ju  bertünbigen,  unb 
bie  ^eiligen  ^anblungen,  ^aufe  unb  Slbenbrnal^l,  nad^  ber  firc^lic^en  Orbnung  )u  Doli-  ao 
gleiten,  bem  SBorte  ber  SBa^rl^eit  gemäfe  ju  leben  unb  alfo  bie  Seigre  bc^  §eife  burd^ 
mem  ©anbei  z"  belräftigen" ;  äl^nlid^  Sern,  Safel,  ©t.  ©allen,  SBaabt  2c.);  ©c^affs 
^ufen  l^at  erft  in  ber  ©^nobe  bom  4.  üKai  1905  ben  ©aft:  „gemäfe  ben  ©runbtel^en 
unferer  ebangelifdji^reformierten  Äird^e,  toie  fold^e  in  beren  ^elenntni^ffd^riften  unb  jumal 
in  ber  II.  I^elbetifd^en  Äonfeffion  enthalten  finb"  faHen  laffen  unb  burd&  bie  feorte  35 
„gemä^  ben  ©runbfä^en  ber  eb-^ref.  Ä."  erfe|t;  Sleuenburg  unb  ©enf  fd^liefeen  ba^  ©e« 
tübbe  aud (9{euenburg :  La  Überlade  conscience  de  Teccl^siastique  est  inviolable; 
die  ne  peut  6tre  restreinte  ni  par  des  r^glements,  ni  par  des  voeux  ou  en- 
gagements,  ni  par  des  peines  disciplinaires,  ni  par  des  formules  ou  un  credo, 
ni  par  aucune  mesure  quelconque.  Jt©  9lrt.  12  ©enf :  Ghaque  pasteur  enseigne40 
et  pr^he  librement  sous  sa  propre  responsabilit^;  cette  libert^  ne  peut  6tre 
restreinte  ni  par  des  confessions  de  foi,  ni  par  des  formulaires  liturgiques). 
®ie  ©eiftlic^en  toerben  bon  ben  ©emeinben  getoäj^tt,  leben^länglid^  in  SQäaabt,  ©enf,  auf 
3  3a^e  in  ©laru^,  auf  5  in  SafetSanb,  auf  6  in  S^xid},  Sern,  ^reiburg,  Sajet^Stabt, 
äargau,  9leuenburg,  auf  8  ^al)xt  in  ©c^affl^aufen,  auf  Äünbung  in  ©raubünben.  3lHe  46 
fallen  jugleid^  in  emeuerung  in  Rüxxd),  ©d|^aff^aufen,  jeber  nad^  3tbtauf  feiner  J)erfön- 
litten  Stmt^bauer  in  Sem,  SafeUStabt,  Slargau,  9ieuenburg;  bie  ßmeuerung  gefd^tel^t 
jliUf(^h)eigenb,  faß«  fein  Sege^ren  um  9leuh)al^l  gejtellt  toirb,  in  ^Jreiburg  unb  SafeU 
2anb.  3"  2:l^urgau,  ©t.  ©atten,  3l})j)enjell,  ©enf  ^aben  bie  ©emeinben  bad  SRed^t,  ben 
©eiftliAen  unter  naiver  beftimmten  formen  ju  entlaffen.  ®ie  ©u^))enfion  fe^lbarerso 
©eiftlicpen  fke^t  in  ber  Siegel  ben  Äir^enräten  ju;  bie  äbje^ung  in  ©laru^,  ^reiburg, 
©i  ©aßen,  ©raubünben  ber  ©^nobe,  in  SafetStabt,  SQäaabt,  Sleuenburg,  ©enf  bem 
Slegierung^rat,  in  3t^j)enjell  bem  Äird^enrat;  in  Rüx'xd),  Sern  ift  fie  nur  burd^  geric^t= 
lic^ed  Urteil  miJglid^.  95ie  Sefotbung  ber  ©eiftti^en  ift  in  3"^^^/  S5ern,  Sajet-Stabt, 
S3afel=2anb,  ©c^aff^aufen,  3largau,  Sffiaabt,  Sleuenburg,  ©enf  ©ac^e  be«  BtaaM,  ba  unb  65 
bort  mit  freitoifiijäen  g^lög^  ber  ©emeinben,  in  ben  übrigen  Äantonen  ber  ©emeinben, 
unb  betoegt  ftd^  in  ber  Siegel  jtoifc^en  2000  unb  3000  granc^,  ba«  SWinimum  ift  ca. 
1000  gr.  (einzelne  ©emeinben  in  ©raubünben),  ba«  "üKaEimum  4000—4500  %x.  (Safet= 
©tabt,  einzelne  ©emeinben  in  3"^^  ""^  ®^-  ©«Hcn).  ©eje^Iic^e  3"f^^^w"0  ^^^ 
Shi^ege^alt  befte^t  in  3"^*^f  ^^"^  Safel^tabt,  ©dj^a^aufen,  3largau,  SBaabt.    3"  ^ 


50  S^mrij 

mand^m  Äantonen  befleißen  freitoiHtöc  Stiftungen  für  SHter  ünb  Äranll^cit,  für  ^fotr^ 
toittücn  unb  -tüaifen  (togl.  iafd^enbudj^  für  btc  fd^toeijerifc^cn  reformierten  ©eifüic^en 
1904,  ©.  213—228). 

®iefer  bcrgleic^enben  3wfammenfteIIung  ber  tird^engefe^Ud^en  Seftimmungen   laffen 
6  h)ir  nod^  fpejieuere  SKittetlungen  über  bie  Kantone  fotaen: 

Rürid^.  ^nxd)  3lrt.  63  ber  Äanton^erfaffung  ip  ,,ieber  gtoong  gegen  ©emeinben, 
©enoflenf^aften  unb  (Sinjelne  au^efc^Ioffen".  „2)ie  ebangclifdpe  Sanbe^tird^e  unb  bie 
übrigen  fird^Kc^en  (Senoffenfc^aften  orbnen  il^re  Äultu^toerJ^ältnifie  felbftftänbig  unter  Ober- 
auffid^t  beg  BtaaM,    2!)ie  Drganifation  ber  erftercn,   mit  äudjd^Iu^  iebe«  ©etoiffen^ 

10  jtoange«,  beftimmt  ba^  ©efei^".  S)a^  biefe  Seftimmungen  au^fül^renbe  ,,©efeft  betreffenb 
bie  Drganifation  ber  ebangelifd^en  2anbe«Iird^e  be^  Äanton^  3^^'^"  ^ft  "^4  langen  SSor= 
beratungen  unb  mifeglüdhen  Serfud^en  erft  im  ^al)xt  1902  }u  ftanbe  gefommen.  3)ie 
Sanbe^firc^e  ftel^t  unter  ber  Dberaufftc^t  be^  Biaai^,  bie  burd^  ben  Äanton^rat  au^eübt 
toirb.    2)er  Biaat  beftreitet  bie  öfonomifd^en  Sebürfnifie  ber  Sanbe^fird^e,  in^befonbere 

16  bie  93efo(bungcn  ber  ©eiftlic^en  unb  bie  äuäagen  ber  Krd^lic^en  SSebörben.  ÜRitglieb  ber 
Sanbe^iEird^e  ift  jeber  ebangelifd^e  ßintüol^ner  be^  Äanton^,  ber  nic^t  au^brücflid^  feine 
SRid^tjuge^öriglcit  erllärt  ober  feinen  S[u^tritt  genommen  l^at.  S)ie  ©^nobe  toirb  in  ben 
Äanton^rat^toal^Ifreifen  getoäl^It,  auf  je  2000  reformierte  f^toeijerifcpe  ®inh)o^ner  ein 
SKitglieb,  ol^ne  Sorfc^rift  betreffenb  ©eiftli^e  ober  2aien.    ©ie  iä|lt  jur  3eit  160  3Kit= 

20  glieber,  barunter  92  ©eiftlid^e.  3^^^^  Sefd^Iüffe  in  rein  lirc^Iic^en  3lnge(egenl^eiten  ^aben 
nur  infotoeit  berbinblic^e  Äraft,  al^  fte  nid^t  bie  ©lauben^s  unb  ©etüiffen^frei^eit  im- 
(e^en.  ©ie  beauffid^tigt  bie  ©efd^äft^fül^rung  be«  Äird^enrated.  S3on  ben  7  ÜRitgliebem 
be«  lej^tem  toäl^It  pe  5,  ber  Äanton^rat  2.  35ie  11  33ejirl^!ird^enj)flegen  l^aben  5—7 
9Kitg(ieber,  beren  SRel^r^eit  nid^t  bem  geiftli^en  ©tanbe  angel^ören  barf,  bie  toon  ben  ber 

26  Sanbe^Iird^e  angel^örenben  ßintool^nem  be^  SBejirfö  getoä^lt  toerben.  ©ie  üben  bie  3"' 
fpeftion  über  bie  Slmt^fül^rung  ber  ©eiftlid^en  unb  finb  erfte  ^nftanj  bei  ©treitigleiten 
firc^Ii^er  9latur;  fte  entfd^eiben  über  Konfirmationen  bor  bem  gefe^Iic^en  Sllter.  ^n  ben 
©emeinbcfird^enjjflegen  fönnen  bie  ©eifttid^en  ju  SKitglicbem,  nid^t  aber  jum  $räftbenten 
getüäl^It  hjcrben;    ©ife  unb  beratenbe  ©timme  l^aben  fte  bon  Ämt^toegen.    Slmtöbauer 

30  aller  Sel^örben  3  ^ai)Xi, 

Sern.  95ie  ©^nobe  toirb  in  56  SBal^IIreifen  alle  4  ^af)xt  fo  getoäl^lt,  bafe  auf  je 
3000  reformierte  Sintool^ncr,  ober  eine  Sru^ja^l  über  1500  ein  Sibgeorbneter  lommt, 
unb  jäl^lt  bemgemäfe  146  ?Kitgtieber.  ©ie  toäl^It  ben  ©^nobalrat  frei  a\x^  i^er  SKitte. 
3^re  Sef^Iüffe  betreffenb  Seigre,  Äultu^  unb  ©eetforge  unterliegen  bem  ^lacet  ber  Sie* 

86  gierung,  unb  e^  fönnen  bie  einzelnen  Äirc^engemeinben  innerl^alb  6  5Konaten  biefelben 
burd^  aibftimmung  für  ftd^  ablel^nen.  ^n  äußeren  ängelegenl^eiten  l^at  bie  ©^nobe  3ln* 
trag  unb  SSorberatung  für  bie  ©taat^bel^örben.  2)er  ©^nobalrat  beftel^t  au«  9  SKit^ 
gliebem.  3"^  SBJäl^lbarfeit  an  eine  ^Pfarrftelle  ift  in  ber  Siegel  bierjäl^rige  3wgel^örtgfeit 
Ulm  bemif^en  9Kinifterium  erforberli^.    95ie  3tufnal^me  in   le^tere«   erfolgt  burc^   ben 

40  ^tegierung^rat  auf  Slntrag  ber  ^rüfung^Iommijffon. 

©laru«.  2)ie  eDangelifd^e  Äirc^e  beftel^t  afö  freie  Bereinigung  berer,  bie  au« 
eigenem  SQäiHen  unb  Überzeugung  i^r  jugel^ören  unb  i^ren  Drbnungen  ftc^  unterstellen 
tooßcn.  95ic  ©^nobe,  mit  breijäl^riger  3lmt«bauer,  beftcl^t  au«  ben  ebangelifd&en  ÜRit* 
gliebem  ber  ©tanbe«Iommiffion  (=  9legierung«rat),  ben   im  3tmte  ftel^enben  ©eiftlic^cn 

4.^)  unb  ben  Slbgeorbneten  ber  Äird^engemeinben,  öon  bencn  jebe  hjcnigften«  ein  SKitglicb,  bei 
über  1000  ©eelen  auf  jebe«  1000  ober  Srud^teil  über  500  ein  ?!Kitglicb  toäflt.  2)ie 
©^nobc  fteHt  2lnträge  an  bie  ©emeinben  in  ©ad^en  be«  ©otte«bienfte«,  fte  beftimmt  über 
bie  ©efangbüc^er  in  ber  SBeife,  bafe  ol^ne  il^re  S5eh)illtgung  leine  ©emeinbe  ein  neue« 
einführen  barf,  aber  aud^  feine  ju  einem  neuen  ge^toungen  toerben  fann;    fte  einj)fie^lt 

50  bie  il^r  gutfc^einenbe  Siturgie*  bie  ©emeinbefird^enräte  entfc^eiben  barüber,  bei  erhobenem 
SRefur«  bie  ©emeinbe ;  fie  ftcut  ©runbfäfee  über  ben  3leligion«unterrid^t  auf,  bie  aber  erfi 
©efe§e«fraft  erlangen,  toenn  fte  burd^  Slbftimmung  in  ben  Äirc^engemeinben  bie  ÜRe^rl^eit 
ber  ftimmenben  Kirc^engcnofjen  erbalten.  2)ie©^nobe  toäl^lt  bie  Rird^enf ommtffion ;  bon 
beren  7  aKitgliebern  muffen  menigften«  2  iDeltltd^e  fein;  ift  ber  ^räftbent  ein  ©etftli(^ 

56  (2)etan),  fo  mufe  ber  9Sizej)räftbent  ein  SBeltlic^er  fein,  unb  umgefel^rt. 

greiburg.  2)ie  ©^nobe  ift  gefe^gebenbe  unb  öertoaltenbe  Sel^örbe.  ©ie  befte^t 
au«  ben  angefteßten  ©eifttic^en  unb  SJlbgeorbneten  ber  ©emeinben,  jebe  ©emeinbe  toä^lt 
2,  ©emeinben  Don  mej^r  al«  700  Seelen  für  je  700  h^eitere  ober  93ru^ja^len  über  350 
1.    ©efe^e  unb  organifd^c  SHeglemente  muffen   t>on   ber  ©efamt^eit  ber  $faneigenoffen 

60  gencl^migt  toerben.    2)ie  ©^nobe  toäl^lt  bie  ©^nobolfommiffion  Don  7  5Kitgliebem.  ®er 


@f|ttieij  61 

^räftbmt  ber  erfteren  ift  auc^  ^räftbent  ber  leiteten,  bie  älmtöbouer  bäber  Sel^örben  ift 
4  ^af)xt.  a)ic  ©tonobe  beftimmt  bie  Beiträge  ber  Pfarreien  an  bie  ©^nobowaffe,  be* 
f(^liefet  bie  Slu^aoen  für  bie  Sanbe^Iirc^e,  beftimmt  bie  Sefolbungen  il^re«  35ureau«  unb 
ba^  aRinimum  ber  ^farrbefolbungen. 

9afels@tabt.    Sintritt  in  bie  Sanbedlird^e  unb  Slu^tritt  aud  berfelben  fte^en  6 
jebem  ©taat^angebörigen  bebingung^lo«  offen.    3)ie  (Semeinben  ^aben  nur  bie  ffia^Ien 
ber  ^Pfarrer  unb  Äird^enöorfte^er  (S^nobalen)   ju  treffen,  unb  ghjar  unter  Seitung  bed 
Slegierung^rate^.    SDie  Äird^entoorftänbe  befte^en  au«  tüeniaften«  5  SKitgliebem  unb  gtoor 
bem  ober  ben  ^Pfarrern,  tüdc^e  (in  ber  ©tabt  ber  §auj)t^)farrer)  t)on  Smtg  tüegen  bräjt* 
bieren,  unb  ben  ©^nobalen  ber  ©emeinbe.    3)ie  ©^nobe  mit  fed^^jä^ger  ämt^oauerio 
befte^t  ou«  ben  5  ^au))t^)farrern,  ben  ^Delegierten  beö  3legierung«rate«  jum  Äirc^enrate, 
unb  60  toeitem  5KitgIiebem,  bie  t)on  ben  Äird^gemeinben  nadb  einer  burc^  ben  Stwie» 
rung^rat  auf  ®runb  ber  l^ten  3iolUmf)lunQ  beftimmten  äSerteilung  geh^öl^lt  iDerben.  ^ie 
©i^nobe  bef(^Iie|t  in  rein  fird^liÄen  Singen,  ^at  aber  i^re  Sefc^lüffe  bem  ®ro|en  State 
mitjuteilen,  ber  fie  innerl^alb  6  3Wonaten  burc^  fein  Seto  aufeer  Äraft  fe^en  fann,  „fofem  i6 
er  eö  im  ^ntereffe  be«  ©taate«  ober  ber  ©r^altung  ber  Sanbedfird^e  für  nötig  erad^tet". 
^n  gemifd^t  lirc^lic^en  Singen  giebt  bie  ©^nobe  i^re  Einträge  oberäBünfd^e  bem  Kleinen 
dlatt  ein.    Ser  Äirc^enrat  befte^t  au«  9  SRitaliebem,  beren  7  t)on  ber  ©^nobe,  2  öom 
Segierunggrat  getüäl^lt  toerben.    Son  ben  erfteren  muffen  3  ©eiftli^e,  3  Saien  unb  1 
orbentlic^er  ^Profeffor  ber  Ideologie  fein.    2lu«  biefen  7  ertoä^lt  bie  ©^nobe  ben  ^Präjl» » 
beuten  be«  Äird^enrate«. 

33afel*2anb.  3)a«  in  ber  aSerfaffung  öon  1863  öorgefel^ene  ®efe^  für  bie  refor« 
mierte  Äird^e  tourbe  nie  erlaffen.  9lur  bie  aSfarrtoa^len  fmb  gefe^lic^  georbnei  ä)er 
Segierungdrat  bejtü.  feine  Äirc^enbireftion  ift  3luffid[>t«bel^örbe  in  Äirc^enfad^en.  Der 
Äont)ent  ber  ©eiftlic^en,  ber  felbft  nur  ein  freier  3Serein  ift,  toerl^anbelt  auf  einlabung26 
ber  Jlirc^enbireftion  übec  rein  lirc^lic^e  älngelegen^eiten  unb  legt  feine  ©utac^ten  ober  je 
na^  Umftanben  feine  SBünfc^e  ber  S^egierung  öor,  aber  e«  beruht  auc^  bie«  nic^t  auf 
gef^ic^en  33eftimmungen,  fonbem  auf  bem  ^erlommen.  gn  ben  ©emeinben  ift  ber 
©emeinberat  auc^  in  tirc^lid^en  Singen  juftänbtg,  nur  bie  jtoei  Siafj)oragemeinben  Sllt« 
fc^toil  unb  9(r(e«^eim  ^aben  eigene  Jtircpent^orftänbe.  Sie  $farm?a^len  tperben  t)om  ao 
>)tegierung«rat  geleitet  unb  beftätigt. 

©c^aff^aufen.  Sie SSerfaffung  (öon  1876)  fte^t  mit  bem  nod^  geltenben Äird^en« 
gefe$  t)on  1854  in  9Biberf})ru(^.  @rftere  er!lärt  aOe  9{e(igion«gefeI[fd^aften  be^ü^Iici^ 
i^  inneren  Slngelegen^eiten  für  felbftftänbig.  Sie  Drganifation  ber  öffentlid^en  firc^s 
lu^en  Äorj)orationen,  in«befonbere  ber  etoangelifd^-reformierten  2anbe«fird^e,  unterliegt  ber  86 
©enel^migung  be«  ©taate«.  ©efe^  t)on  1854:  Ser  2lntifte«  ift  ba«  toermittelnbe  Organ 
gtoifc^en  Äir^enrat  refj).  SRegierung  unb  ©eiftlic^feit  unb  toirb  t)om  ©rofeen  ^att  auf 
einen  Sreiertoorfd^Iag  be«  9legierung«rate«  für  4  ^a^re  getoäl^It.  ®r  befowt  bie  Drbi* 
notion  unb  gnftallation  ber  ©eiftlid^en  unb  leitet  bie  Siifitationen.  Ser  ^irc^enrat  be« 
fte^  au«  bem  Äird^enreferenten  ber  Slegierung  al«  ^ßräfibenten,  bem  Slntifte«  al«  3Sijes  lo 
jjräftbenten,  2  öon  ber  ©^nobe  getoä^lten  ^Jlitgliebem,  1  geiftlid^en  unb  1  toeltUc^en, 
3  t)om  ©ro^en  State  getüöl^lten,  worunter  1  ©eiftlic^er.  Sie  ©^nobe  befte^t  au« 
ben  im  ilanton  too^nenben  ©eiftlic^en,  2  öom  9tcgierung«rat  abgeorbneten  unb  ben  9Jlit* 
gliebem  be«  Äirc^enrate«.  ©ie  i)at  and)  in  rein  fird^lic^en  Singen  nur  bie  2lntragftellung 
an  bie  ®taat«be^örben,  in  gemifd^t  f irc^lic^en  bie  ä3egutad^tung.  Ser  ©ejftlid^e  tann  ab^  46 
berufen  toerben  burc^  ben  5legierung«rat  tocgen  ^fliqtöergeffen^eit  ober  SÖlrgemiffen,  ober 
h>egen  ^rebi^t,  Unterricht  unb  Setenntni«,  toeld^e  mit  ben  ©runblagen  ber  et^angelifc^en 
Äir^c  in  Sffitberfjjrud^  fte^en. 

SlJ)t>enjeII.    SRinoritäten  innerhalb  einer  Äirc^engemeinbe  lönnen   ftd^    ju    einer 
ebenen  tirc^ltc^en  ©emeinfc^aft  innerhalb  ber  Sanbe«ttrd^e  organtfieren,  h^enn  iJ^re  ©lieber  6o 
bie  ©teuerpfliclt  gegen  bie  Jtirc^engemeinbe  erfüllen,  unb  einen  in  ber  Sanbe«{irc^e  h^ä^l^ 
boren  ©eiftlic^en  aufteilen,  ©ie  bd^alUn  ba«  ©timmred^t  in  ber  Jtird^en^emeinbe.  W^xm 
ber  9Rinoritätenöerbanb  toenigften«  ben   fed^ften  3:cil  ber  ©timmberec^tigten  ber  Äird^* 

äemeinbe  umfaßt,  fo  ^at  er  ba«  Stecht  unentgcltlid^cr  3Jlitbenu^ung  ber  Äirc^e.  Sen 
[irc^engemeinben  fte^t  bie  2ßa^l  unb  ßntlaffung  ber  ^Pfaner,  ber  Kird^entoorfte^er  unb  66 
ber  abgeorbneten  in  bie  ©i^nobe,  bie  Seftimmung  ber  2lmt«j)flidbten  unb  ber  Sefolbung 
be«  ^forrer«  ju.  Sie  ©i^nobe  bcfte^t  au«  2tbgeorbneten  ber  Äirt^engcmeinben.  3^^^ 
©emeinbe  toöl^lt  auf  1000  ©eelen  unb  barunter  1,  auf  1001— 2000  ©eelen  2  Slbgeorb^ 
nttt  u.f.to.  ©ie  bdfc^liefet  über  ben  3leligion«unterric^t,  fteHt  in  ©ac^en  be«  öffentlichen 
®otte«bienfte«  Anträge  an  bie  Äirc^cngemcinben,  tüorüber  biefc  obligatorifd^  ab^uftimmen  eo 


52  S^loetj 

haUn,  entfd^cibet  über  SRelurfe  fird^Iid^cr  3lrt,  unb  \oäf)Ü  aDjä^rltc^  ben  Jttrc^cnrot,  be^ 
fte^enb  au«  5  9Jlitgliebcm. 

©t.  ©allen.   2)teSbnobe  toirb  toon  ben  Äird^engememben  getoöi^It.    ©olc^e  unter 
2000  ©eelen  toä^len  2  äbgeorbnete,  bei  2000   bi«  3000  ©eelen  3  u.  f.  to,    ©ie  ent^ 

6  fc^eibet  übet  alle  firc^Iid^en  aingelegen^eiten  aflgemeiner  9Jatur,  unb  toä^It  ben  ?Präfibentcn 
unb  bie  SJlit^lieber  be«  Äird^enrate«,  im  ganjen  7  SKitglieber,  ebenfo  bie  2)elane.  3)cr 
fianton  i[t  m  3  Äird^enbejitle  eingeteilt.  3)ie  ©eiftlid^en  eine«  Segirfe«  bilben  ba« 
Jtaj)itel.  3)er  3)efan  ift  ba«  Organ  be«  Äird^enrate«  in  bem  betreffenben  35ejirle,  er 
entfd^eibet  in  firc^lid^en  ©treitigfeiten,  toenn  nötig  unter  8eijug  öon  2  3JlitgIiebem  un^ 

10  beteiligter  Äird^enborfteberfd^aften.    3lmt«bauer  atter  Äirc^enbe^örben  4  ^af)xt.    Die  ®c= 

meinben  fönnen  il^re  Pfarrer  entlaffen,  jeboc^  nid^t  öor  tüenigften«  itoeijä^riger  3lmt«baucr 

unb  nic^t  nac^  jurücfgelegtem  60.  SHter^ja^re,  fotoie  er[t  nad^  bor^erigen  Sermittelung«^ 

öerfuc^en.   %üx  3Rinorität«t)erbänbe  gelten  bie  gleid^en  Sebingungen  tüie  in  3l})J)enjell. 

@raubünben.    93enac^barte  j^ird^engemeinben  ^aben  ba«9ted^t,  ftc^  belauf«  gemein- 

16  famer  5ßaftoration  im  ©intoerftänbni«  mit  ben  fird^flid^en  Sel^örben  ju  bereinigen,  tüobei 
lebod^  jebe  im  übrigen  il^re  ©elbftftänbigfeit  betoa^rt.  9leu  fid^  bilbenbe  Äirc^engemeinben, 
Die  i^re  ©jiftenjfä^igfeit  bart^un,  toerben  bon  ber©^^nobe  unb  bem  ebangelifd^en  ©rofeen 
SRate  betätigt,  ©timmbered^tigt  toirb  ber  Äonfeffton^genoffe  mit  erfülltem  20.  Sllter«^ 
ta^re.     Über  alle  Oefe^e  lonfefjtonetler  9latur  ftimmen  bie  Äird^engemeinben   ab,   toobei 

ao  bie  SJle^r^eit  aDer  ©timmenben  (nid^t  ber  ©emeinben)  entfd^eibet.  2)er  cbangelifc^e  ®ro^e 
SRat,  beftel^enb  au«  ben  ebangelifc^en  5Kitgliebem  be«  J)olitifc^cn  ®ro|en  3lai^,  f^at  alle 
Sefd^lüffe  ber  ©^nobe,  bie  ®efe$e«fraft  erlangen  foHen,  ui  gcnel^migen.  ^f)m  fte^t  bie 
^nitiatibe  in  fir^lid^en  2)ingen  gleic^toie  ben  firc^lid^en  ^e^örben  ju.  2)er  ebangelifd^e 
«leine  3lat,  befte^enb  au«  ben  ebangelifd^en  ÜJlitglicbem  be«  Äleinen  SRate«  (=  Segie^ 

26  rung«rat)  toad^t  über  bie  SoHjiel^ung  ber  ©efe^e  lonfeffioneHer  SJatur  unb  bermittelt  ben 
SBerfe^r  ber  Äird^enbe^örben  mit  bem  ebangelifd^en  (Srofeen  diaU.  3!)ie  ©^^nobe  befte^t 
au«  ben  ©eiftlid^en  unb  3  bom  ebangclifc^en  ©rofeen  diaU  gehjä^lten  3lffeJforen.  ©ie 
entfd^eibet  über  älufna^me  bon  Jtanbibaten  unb  au«h)ärtigen  ©eiftltd^en.  2)ie  münbli(^e 
§aupt^)rüfung  ber  erfteren  unb  bie  Drbination   finbet  t?or  öerfammelter  ©^nobe  ftatt. 

80  ©ie  entfd^eibet  über  R^furföDe.  3)er  Drt  ber  ©^nobe  toed^felt.  ^\)xt  SSerfammlungen 
beginnen  an  einem  3Donner«tag  (ba  manche  Pfarrer  meliere  3:age  bi«  an  ben  Sir- 
fammlun^«ort  ju  reifen  baben)  unb  bauert  bi«  in  bie  folgenbe  Sffiod^e.  2lm  S^nobal- 
fonntag  ift  ber  ®otte«bienft  in  allen  ebangelifd^en  ©emeinben  eingeftettt,  bagegen  ift  am 
©^nobalort  befonberer  ©otte«bienft,  für  ben  bie  ©^nobe  ben  ^rebiger  toä^lt.    3^^  ^^ 

86  \vid)c  ber  ©ijnobe  ift  jcber  ©eiftlic^e  unter  70  ^al}xm  bei  3  %x,  SBufee  berj)flid;tet.  Die 
ÄoHoquien  finb  berjjflic^tet,  bafür  ju  forgen,  bafe  auf  je  6  il^rer  3Kitglieber  toenigften«  1 
bie  ©^nobe  befuc^e,  bei  20  gr.  S3ufee.  Stn  einem  2^age  geftaltet  fid^  bie  ©^nobe  jur  ^aftorat 
fonferenj  unb  bi«!utiert  einen  SBortrag  über  ein  t?om  ^ro})onenten  gehjä^lte«  3:l^ema.  äu« 
bem  ©rtrage  beftimmter  ©tiftungen  unb  ben  8u^en  unb  ©ebül^ren  toerben  einige  ©ntfc^ä- 

40  bigungen  für  Äarulei  2c.  beftritten,  unb  ber  3left  ben  ©^^nobalen  al«  ÄaJ)itel«gelb  berteilt  (al« 
Seitrag  an  bie  9xeifefoften).  Der  ÄHrd^enrat  mit  breijäl^riger  3lmt«bauer  beftel^t  au«  7 
ajlitgliebem;  6  toä^lt  bie  ©^nobe  au«  i^rer  3Kttte,  1  ber  Kleine  SRat.  gr  befteQt  ba« 
(Sjamination«follegium,  i^m  liegt  bie  ürcblid^e  Sertoaltung  im  allgemeinen,  bie  SSor« 
bereitung  unb  SSoßjie^ung  ber  ©^nobalbefdilüffe  ob.  Die  Kolloquien  l^aben  bie  ^robifionen 

46  (borüberge^;cnbe  Seforgung  öafanter  ^^JfarrfteHen)  anjuorbnen  unb  ju  übertoad^en.  Die 
3Bäl|lbarfett  al«  ^faner  toirb  burd^  bie  3lufnal|me  in  bie  ©l;nobe  erlangt.  Da«  SSer- 
f^ältni«  5h)ifdt>en  Pfarrer  unb  ©emetnbe  toirb  burd;  fc^riftlic^en  Vertrag  georbnet;  beiben 
teilen  fte^t  ba«  Äünbigung«rec^t  ju;  bie  Künbigung«frift  barf  ni^t  für^^er  al«  ein  ^albc« 
3ja^r  fein ;  ber  ©el^alt  nid^t  geringer  al«  ber  be«  ä^orgänger«.  ärgemi«  im  SBanbel  fann 

60  k)on  ber  ©^nobe  burd^  ©u«penfion  unb  (Sjflufion  beftraft  tüerben. 

31  arg  au.  Die  ©^nobe  befte^t  au«  Slbgeorbneten  ber  Äird^engemeinben,  bie  bi« 
auf  500  ©eelen  1,  bon  500  bi«  2000  2,  für  jebe«  tt)citere  1000  je  1  ÜWitglieb 
toäl^len.  ©ie  tt)ä^lt  ben  Äirc^enrat,  ber  7  3)litglieber  l^at  unb  im  allgemeinen  bie  fin^ 
lid^e  9?erh)altung«bel^örbe  ift. 

65  SCI^urgau.  Die  2lbgeorbneten  in  bie  ©^nobe  tt)erben  t?on  ben  Äird^engemeinben, 
refp.  bon  ben  au«  benfelben  gebilbeten  35}al^lförj)ent  getoä^lt,  fo  ba^  auf  800  Sinhjol^ner 
ober  Sruc^tcile  über  400  1  2lbgeorbncter  fommt.  ^n  jebem  Söablförj^er  barf  n\d)t 
mebr  al«  1  ©eiftlic^er  getoä^lt  tüerben.  Sie  l>ai  neben  bem  Grla|  ber  fircf^lic^en  ©e^ 
fe^c  unb  iJerorbnungen   aud;  bie  33ctüilligung   jur  Grbebung   fird)lid?cr  ©tcuem.    Die 

60  gemifc^t'Iirc^lic^en  Sefc^lüffe  unterliegen  ber  ©enel^migung  be«  ©taate«,   gefe^geberifc^e 


S^torij  53 

©rlafle  ber  ebangclifc^en  Solföabftinmmng.  2)er  Äird^enrat,  au^  5  SKitgliebem,  2  Seift« 
liefen  unb  3  Saien  beftcl^enb,  tüirb  t)on  ber  ©^nobe  getoä^lt,  unb  ^at  fel^r  toeit^el^enbe 
Sefugniffe,  j.  S3.  ben  (Sntfd^cib  übet  Ircnnung  unb  Sereinigung  einjelner  leile  ber 
Ähcc^engemeinben.  ^n  toid^tigen  Sertooltung^fragen  ift  9lefur«  an  ben  9legierung«rat 
xuläjltg,  J^intoieber  ift  ber  Äird^cnrat  bered^tigt,  für  feine  S3efc^Iüffe  bie  5Kith)irIung  ber  6 
Paatli^en  SoDjie^ung^organe  ju  verlangen,  ©r  f)at  bog  3itd)t  ber  Slmt^entfe^ung  unb 
©u^^jenfion,  unb  2)iöji»)Iinarftrafbefugnig  btö  auf  50  gr.  2)ie  ^farrer  fmb  lebenelänglic^ 
getoä^It,  fönnen  aber  t)on  ben  ©emeinben  abberufen  toerben.  2)ie  fiird^enborftelS>^(i^öften, 
beren  ?Präfibent  ber  Pfarrer  bon  Slmtö  toegen  ift,  ^aben  für  bie  ©ittenauffid^t  2)i^ 
jipltnorbefugniö  big  auf  2  5Cage  ®efängnig.  2lmtgbauer  ber  fird^lic^en  Se^örben  4  ^af)x^,  lo 

äBaabt.  2)ie  reformierte  Sanbe^Iirc^e  ift  au^brücflid^  öom  ©taate  garantiert,  beffen 
Sel^örben  bie  rein  ürd^^Iid^en  Sefd^lüffe  jur  (Senebmigung  öorjulegen  fmb.  ^n  gemifd^ten 
©ac^en  l^aben  bie  fird^Iid^en  Organe  nur  bie  Begutachtung.  2)en  Äird^engemcinben  fte^t 
nur  bie  SBal^l  ber  Äird^enöorftänbe  unb  bie  Seanttoortung  öon  ^agen  ber  Dberbel^örben 
ju.  35ie  Äird^entoorftänbe  ^aben  aufeer  ben  getüö^nlic^en  Sefugniffen  bie  SEBal^I  ber  5Kits  i6 
glicber  ber  Sejirf^ürd^enräte  au«  i]^rer  5Kitte  ^u  treffen,  nämlid^  ben   ober  bie  Ort«* 

!)farrer  unb  bie  boj)J)eIte  3^^!  t)on  Saien.  2)iefe  Conseils  d'arrondissement  öerfammeln 
td^  jäl^rlic^  einmal;  ibnen  liegt  bie  2tuffid^t  über  bie  ©eiftlid^en  unb  Äirc^entoorftel^er  ob, 
unb  bie  aBa^I  ber  ?Witglieber  ber  S^nobe.  Sefetere  befielet  au^  3  Slbgeorbneten  be« 
Btaatti,  ben  orbentUc^en  ^rofefforen  ber  t^eoIogiUen  galultät  unb  je  3  ©eiftUc^en  unb  20 
6  Saien  für  jeben  S3ejirl,  h)el(^e  ber  Sejirl^Iird^enrat  au«  feiner  5&litte  loäl^It.  3^re 
Sleglement«  bebürfen  ber  ©ene^migung  be«  3legierung«rate«.  ©ie  loä^It  ben  ©^nooal« 
au^fd^ufe,  ber  au^  bem  ^ßräftbenten  ber  ©l^nobe  unb  6  ÜJlitgliebem  befte^t,  öon  benen 
4  Saien  unb  3  ©eiftlid^e  fein  muffen.  2)erfelbe  ift  bie  oberfte  lird^Kd^e  aSertoaltung«^ 
bel^örbe.  2)ie  3lmt«bauer  aller  fird^lid^en  Se^örben  ift  3  ^af^xt.  3)ie  SQSä^lbarleit  ber  25 
^foner  toirb  lonftatiert  burc^  bie  Jtonfefration^fommiffion,  befte^enb  au«  4  Slbgeorbneten 
be«  9legierung«ratc«,  3  orbentlic^en  ^ßrofefforen  ber  t^eologifd^en  gafultät  al«  äborbnung 
ber  le^teren  unb  8  abgeorbneten  ber  ©^nobe,  Worunter  toenigften«  4  ^Pfarrer.  3)er  SBe^ 
tocrber  mu|  23  ^Q!^xt  alt  fein,  er  l^at  ein  3!)ij)lom  ber  tlj^^ologifd^en  g^alultät  ober  einen 
gleic^tDertigen  2lu«h)ei«  über  feine  ©tubien  beizubringen;  bie  Äommiffion  ^at  ftc^  femer  so 
ju  überzeugen  bon  ben  0uten©itten  be«  Äanbibaten,  bem  SJlangel  befonberer  för})erlid^er 
®cbrec^en  unb  ba^  „feine  religiöjen  ^rin5i))ien  ba«  Vertrauen  ber  Äirc^e  berbienen". 
3m  Äonfefration«eib  fdj^toört  er,  bie  ©taat«berfaffung  treu  ui  galten,  ba«  ©taat«too^l 
unter  aüm  Umftänben  ju  berteibigen,  bie  3lmt«j)flic^ten  getüiffen^aft  ju  erfüllen,  unb  de 
pr^cher  la  parole  de  Dieu  dans  sa  puret^  et  dans  son  integrit^,  teile  qu 'eile  35 
est  contenue  dans  TEcriture  sainte.  8ei  ^farrloal^len  toirb  bie  ©teile  au«« 
gefd^rieben;  ber  3legierung«rat  ftellt  bie  Sifte  ber  4  älteften  Setüerber  ber  ©emeinbe  gu, 
toet^e  in  ge|^eimer  Sabftimmung  2  Äanbibaten  bejeid^net;  au^  bicfen  loäl^lt  ber  SRegie« 
rung«rat  befmitib.  ©u«j)enfion  unb  3lbfe^ung  erfolgt  auf  2lntrag  bc«  ©^nobalau«fd^u)fe« 
bur^f  ben  9tegierung«rat.  Sieben  2lmt«j)flid^tberlei^ung  unb  Unfittlid^feit  fann  aud^  35rud^  40 
(infraction  manifeste)  bc«  Äonfefration«eibe«  3Seranlaffung  jur  2lbfe$ung  toerben.  ©eit 
1903  ift  eine  Slebifion  be«  Äird^engefe^e«  bon  1863  in  ^Beratung.  2)ie  ©^nobe  itan^ 
tragt  in  il^rem  ©utad^ten  ©rteilung  be«  lirc^lid^cn  ©timmrec^t«  an  bie  grauen  unb  an 
bie  2lu«länber.  2)ie  3lu«f(^reibung  aller  ^farrfteDen  foll  bleiben,  bagegen  fd^lägt  bie 
©emeinbe  au«  ben  Setoerbem  bem  ©taat«rate  einen  Äanbtbaten  jur  SBal^l  bor,  bie« 
bcftätigt  toerben  mufe,  toenn  feine  formellen  3Wängel  borliegen.  6ine  j)eriobifd^e  erneue- 
run0«h)a^l  ber  ©eiftlid^en,  h)ie  fie  in  einer  Petition  berlangt  toirb,  le^nt  bie  ©^nobe 
einmütig  ab.  ^Dagegen  tbünfd^t  fie,  bafe  ein  ^faner,  ber  65  Qjö^re  alt  ift,  jum  SlüdEtritt 
t>er})flic^tet  toerbe.  Söeld^e  aufnähme  bicfe  JJorfd^lägc  bei  ber  ^efe$e«beratung  ber  ©taat«= 
bcl^örben  finben  loerben,  lä^t  ficf)  nid^t  borau«fagen.  so 

Sleuenburg.  ^n  ben Äird^engemeinben  $abcn  auc^  bie  3tu«länber  ©timmred^t.  3)ie 
©emeinben  l^aben  be^üglid^  Siturgie,  ©cfangbuc^  unb  SiReltgion«unterrid^t  gänjlid^e  greis 
^eit  (L'usage  des  liturgies,  psautiers  et  manuels  d'enseignement  religieux, 
m§me  de  ceux  qui  ont  6i6  adopt^  et  recommand^s  par  le  synode,  ne  peut 
Stre  impos6  aux  paroisses,  ni  par  le  pasteur,  ni  par  l'autorit^  eccl^siastique).  55 
3)cr  ganje  3leligion«untenic^t  (bom  7.— 16.  3lltcr«ia^re)  ftelit  bem  Pfarrer  ober  bon  il^m 
im  einberftänbni«  mit  ber  ^ir^enborftelierfd^aft  jugejogencn  $erf onen  gu.  ^n  bie  ©^nobc 
toerben  auf  je  8000  ©eelen  ober  Srud^teil  über  4000  ©eelen  1  ©eiftlid^er  unb  2  Saien 
geiüäyt,  unb  ju  biefem  ^toci^  bie  Äirc^cngemeinbcn  ju  SBal^IIreifcn  berbunbcn.  ©ic 
organifiert  bie  Äird^e  mit  äJorbe^alt  ber  ©cne^migung  be«  9lcgierung«rate«  unb  forgt  für  eo 


54  Sd^loei} 

bie  Settüaltung,  Hnorbnung  bon  ©tclltocrtretung  u.  f.  tu.  ^\)x  S3urcau  bon  7  3RitflIicbern, 
3  (Seiftlid^en  unb  4  Saien,  auf  1  ^ai)x  mit  SBiebertüä^Ibarfeit  befteHt,  beforgt  jtüif(^cn 
ben  SSerfammlungen  bie  laufenbcn  ©cfd^äfte.  3)ic  aEBä^Ibatleit  bcr  Pfarrer  beruht  auf 
einem  35i))Iom  ber  tl^eologifd^en  gafultät  ober  gleid^toertigem  Stu^tüei^,  ben  bie  ©^nobe 

6  autl^ei|t.  SDie  Stellen  toerben  au^gefd^rieben,  aber  bie  3&af)l  ber  ©emeinben  tft  ganj 
frei.  2)ie  ^flic^ten  ber  Pfarrer  toerben  bur^  bie  Äird^entoorftel^erfc^aft  jeber  ©emeinbe 
auf  ®runb  ber  attgemeinen  Seftimmungen  feftgefteHt,  unter  ©enel^migung  ber  ©^nobe. 
©u^enfion  unb  äbfe^ung  toegen  Unfittlid^feit  ober  Hmtgtoemad^läfftgung  fte^t  bem  Ses 
gierungSrate  ^u. 

10  ®enf.  SDie  Seitung  ber  firc^Iic^en  2lngelegenl^eiten  ftel^t  bem  Äonfiftorium  ju, 
loeld^ed  burc^  bie  Jtimmfä^igen  ^roteftanten  bed  ganjen  Hantond  in  einem  3Bal^Ifreife 
für  4  '^a\)xt  getoäblt  toirb.  6^  befte^t  au«  25  Saien  unb  6  ©eiftlic^en,  öerfammelt  ft^ 
monatlich,  im  grü^ja^r  unb  §erbft  tüöd^entlid^,  unb  toäl^lt  für  bie  laufenben  ©efc^äftc 
einen  ätu^fd^ufe  bon  5  5KitgIiebem,  bef[en  ^räfibent  ein  Saie  fein  mufe.    2)ie  95erfamm= 

16  (ung  ber  ©eifäid^en  (Compagnie  des  Pasteurs)  lann  an  ba«  jtonfiftorium  antrage 
fteDen.  35ie  ©eiftlic^en  erlangen  bie  SEJäl^lbarfeit  toie  in  SJeuenburg,  tüerben  toon  ben 
(Semeinben  getoöJ^It,  lönnen  auf  JJerlangen  einer  SBiebertoa^I  unterworfen,  unb  öom 
Äonftftorium  hjegen  fittlidg^en  Slnftofecg,  fotoie  toegen  Unge^orfam  ^infic^tlic^  bcr  Se^ 
ßimmungen  über  ©otteöbienft  unb  Jleligion^unterrid^t  fu«j)enbiert  toerben.    35er  gan^ 

ao  JleUgion^unterrid^t  ber  ©d^ule  fte^t  unter  Sluffid^t  unb  Seitung  ber  Kreislichen  35e^örben, 
f})ejiett  ber  Äirc^enöorftel^erfd^aften.  Se^tere  toerben  bon  ben  Äird^engemeinben  auf  4  3;a^e 
gehjä^It.  —  3)er  ©ebanle  einer  Trennung  ber  Äird^e  bom  Qtaat  ift  fc^on  1880  angeregt 
toorben  unb  l^at  in  le^ter  3^'^  bebeutenbe  ^ortfc^ritte  gemad^t. 

35er  gegenwärtige  ©tanb  ber  Äird^engefe^gebung  in  ber  reformierten  ©d^loeij  läfet 

26  fid^  lur^  bal^in  jufammenfaffen: 

Sie  fel^It  in  33afet2anb,  ift  ben  je^igen  ©taat^efe^en  nid^t  mel^r  entfj)redScnb  in 
©d^afpSaufen,  jeigt  eine  5Kifc^ung  bon  ©taat^firc^e  unb  JJoIföfird^e  in  S^tid^,  Sem, 
Safel^Stabt,  2largau,  9leuenburg,  (Senf,  ift  lonfequent  geregelt  im  ©inne  ber  ©taat^f irc^ie 
in  SBaabt  unb  ©raubünben,  im  ©inne  ber  SSoIföfird^e  in  ®laru8,  greiburg,  3(j)J}enjeD, 

80  ©t.  ©allen,  Il^urgau. 

c)  S'^t^i^löw^onale  lird^lid^c  2lnorbnungen.  2)a«  Äonlorbat,  betreffenb 
/fÖ^^fritige  3w'^ffw"0  ebangeIifdS=reformierter  ©eiftlid^er  in  ben  Äirc^enbienft",  bom 
19.  gebruar  1862.  2)emfelben  finb  beigetreten  bie  Jtantone  Äüxid),  2largau,  3tJ)J)en^elI 
3l.--9l^oben,  St^urgau,  ©laru«,   ©c^affl^aufen,  ©t.  ©aßen,   feit   1870  S3afel^©tabt  unb 

86  33afel-2anb.  3)ie  fonforbierenben  Äantone  ftcHen  eine  gemeinfame  ^rüfung^bel^örbe  auf, 
inbem  i^re  berfammelten  Stbgeorbnetcn  ein  SJlitglieb  Wäl^len,  Welche«  atö  ^räfibent  ju 
fungieren  l^at,  unb  einen  ßrfa^mann  be^fclben,  femer  jebc  lantonale  Äirc^enbe^örbe  ein 
5Kitglieb  (unb  einen  (Srfa^mann)  bejeid^net.  3)ie  Sel^örbe,  beren  3lmt«bauer  3  Saläre 
beträgt,   lann   ju   ben  Prüfungen  ^rofefjoren   aU  ß^erte  beijicl^en.    ©ie  erläßt  bo« 

40  ^rüfung^reglement  (le^te«  1898)  unb  beftimmt  ben  Ort  ber  Prüfungen,  loeld^e  im  %xvif): 
Ung  unb  §erbft  ftattfinben.  SlHgemeine«  (Srforbcmi«  für  biefelbcn  ift  eine  6mj)feblung 
ber  Äird^enbel^örbe  beö  Äanton«,  in  bem  ber  SeWerber  feinen  bicibenbcn  9Bo|>nft^  l^t, 
ein  SKaturität^u^toei«  über  genügenbe  ©tjmnafialftubim,  unb  ein  ©ittenjeugni«,  femer 
für  bie  })roJ)äbeutifc^e  ^Prüfung  ein  2lu«h)ci«  über  tüenigften«  jWeijäl^rigc,   für  bie   t|^cü= 

46  iogifd^e  ein  fold^er  über  toenigften«  breijä^rige  §oc^fd^ulftubien.  ^ie  J)ro^)äbeutif(^e 
^Prüfung  umfaßt  ©efc^ic^te  ber  ^l^ilof oj)ISie,  ätHgemeine  SRcligion^gefd^idSte,  Äirc^engefc^id^te 
mit  Äulturgef(|idSte,  Sefcn  unb  Überfefeen  bon  ätbfd^nitten  au«  bem  3Uten  unb  9Jeuen 
3:eftament;  bie  t^eologifd^e  2llte«  unb  Sceue«  3:eftament,  Wobei  neben  fprac^lid^er  ©id^cr^ 
l^eit  Jtmntni«  ber  litterarif d^en  unb  biblifc^stl^eologifc^en  fragen  erwartet  Wirb ;  35ogmatiI, 

60  SDogmengefc^id^te  unb  ©Emboli! ;  d^riftlicle  (gt^it  mit  Serüdtfic^tigung  aud^  ber  fojialen 
Probleme;  ipraftifd^e  3:^eoIogic;  ^äbagogif  in  SSerbinbung  mit  ^fl^d^ologie,  fobann  ^re^ 
bigtfd^ema  unb  ^robej)rcbigt.  3)ie  Drbination  erteilt  bie  ÄircJ^mbel^örbe,  Wcld^e  ben 
Jtanbibaten  empfohlen  l^at.  35a«  3^"9"^^  ^^  ^rüfung^bel^örbe  bered^tigt  jur  3lnftellung 
in  allen  Äon!orbat«fantonen.    3Benn  ein  ©ciftlic^er  au«  einem  berfelben  in  einen  anberen 

66  übergebt,  l^at  er  au«  erfterem  ein  3^wgni«  ber  firdblid^en  Dberbe^örbe  über  Stmtöfü^mng 
unb  SBBanbel  beijubringen.  35ie  Äantone  teilen  ftd^  Wid;tigerc  3«tfurfälle  gegmfeitig  mit 
unb  jeber  Äanton  fann  bie  in  einem  anberen  erfolgte  3lu«fcljlie6ung  bom  Hirc^enbienfte 
aud^  für  fein  ©ebiet  bcrl^ängen. 

93em  unb  ©raubünben  ftnb  au«   lofalen  ©rünben   bem   Äonforbate  nid^t   beigem 

60  treten.    3"  ^^  ^raji«   aber   ift  unter  allen  Äantonen  ber  beutfc^en  ©c^Weij  bie  ^ei= 


®il|)octj  55 

Jügiglett  ber  ©eiftlic^en  injolDeit  t)orl^nben,  ba^  aud^  fold^e,  bie  aud  biefen  beiben 
tantonen  in^Jtonlorbat^ebtet,  ober  au^  le^terem  in  erftere  burc^  ©emeinbetoa^I  berufen 
toerben,  bafelbft  enttoeber  auf  ®tunb  eine«  Kolloquium«,  ober  bei  genügenbcn  3«W0== 
niffen  über  bi«^erige«  untabel^afte«  pxaUx\ö)^  3Birten  meift  aud)  ol^ne  ein  folc^e«  aner^ 
tannt  tperben.  6 

Äonferengen  ber  eöangelifd^en  Äirc^enbel^örben  (nad)  ben  gebrucften  ^ro^ 
tolollen).  35ie  erfte  Seranlaffung  ju  Äonferenjien  öon  äbgeorbneten  ptter  fd^toeijerifc^en 
Äird^enbe^örben  gab  ein  2oic,  ber  berühmte  ^aläftinareifenbe  Dr.  med.  iitu«  2;obler, 
inbem  er  afe  SRationalrat  bei  ber  SBunbe^toerfammlung  in  S3em  1857  bie  jürc^eri« 
fd^en  ©tänberäte  oufforberte,  auf  Sr^ebung  be«  Äarfreitag«  nutn  ^o^en  gefttage  in  ber  lo 
ganjen  etoangelifd^en  ©d^toeij  l^injutüirlen.  3!)er  9legierung«rat  öon  ^nüd)  toie«  bieje 
Anregung  an  ben  Äirc^enrat,  unb  biejer  toeranftaltete  mit  3wftimmung  ber  S^nobe  bie 
erfte  Äonferenj  1858,  bie  t)on  fämtlid^en  Äird^enbe^örben  befc^icft  lourbe.  2lu|er  bem 
©egenftanb,  ber  ben  3wfömmentritt  beranlafet  ^atte,  lourben  fofort  nod^  berfc^iebene 
anbere  fragen  angeregt,  unb  in  ben  nun  bi«  1862  attjä^rlid;  ftattfinbenben  Serfamm*  i6 
lungen  folgenbe  9(ngeleaenbeiten  erlebigt: 

a)  Sr^ebung  be«  itarfreitag«  jum  ^o^en  t^efttage,  k)on  allen  ebangelifd^en  Kantonen 
genehmigt 

b)  ©egenfeitige  3ulaffung  ber  ©eiftlic^en  in  ben  Äirc^enbienft,  nur  teitoeife  burc^^ 
geführt  bur^  äbfd^lie^ung  be«  Jtonlorbate«  (f.  oben).  20 

c)  ®rftellung  einer  Siturgie  für  ben  etoangelifd^en  gelbgotteöbienft  nebft  ^aftorat 
inftrultion.    Einleitungen  für  ein  ÜJlilitär^efangbuc^. 

d)  Slnba^nung  einer  gemeinfamen  35ibelüberfe^ung  auf  ©runblage  ber  lutl^erifc^en 
(f.  unten). 

e)  Sorlage  an  bie  99unbe«bel^örben  über  33ereinfac^ung  ber  Formalitäten  bei  ber  26 
@^efc^lie^ung. 

f)  (Segenfeitiger  3lu«taufc^  ber  offiziellen  S3erid^te  ber  lantonalen  Äirc^enbe^örben. 
38on  1863  bi«  1875  fanben  feine  fold^e  Jtonferenjen  ftatt.  gm  le^teren  ga^re  beriet 

man  über  bie  ©tettung  ber  lirc^lid^en  S3e^örben  ju  bem  S3unbe«gcfefee  über  ben  6iöit 
ftanb,  unb  einigte  fid^  über  allgemeine  ©runbfä^e.    3^9^^^  tourbe  oer  Jtirc^enrat  t)on  so 
Rürid^   beauftragt,   Angelegenheiten   öon  attgemciner  Sebeutung   für  bie  ebangelifc^en 
^anbedtirc^en  im  äluge  ju  behalten  unb  je  nac^  Umftönben  eine  Konferem  einzuberufen, 
infolge  ^lertoon  tourbe  im  g^^re  1876  burc^  3'rfwlarbefc^lu|  fämtlic^er  Jtird^cnbel^örben 
bei  ber  S3unbe«öerfammlung  bie  Slufnabme  einer  Seftimmung  jum  ©d^u^e  be«  SRcligion«« 
unterrid^te«  für  Ainber,  bie  in  ben  ^abrifen  arbeiten,  in  ba«  ^abrifgefe^  nad^gefud^t  unb  86 
erreicht.    5WaAbem   im  ^a^x^  1877  bie  eibgenöffifd^e  Settagifeier  burd^  eine  militärifc^e 
^Jarobe  bei  Sinla^  eine«  2)it)ifion«manööer«  für  bie  betreffenben  3inH)j)en  unb  bie  ®t= 
meinben,  in  beren  Umfreife  biefelben  fic^  belegten,  erfc^tüert  unb  jum  leil  emftlid^  ge= 
fiört  toorben  toar,  einigten  fid^  fämtlid^e  Äircpenbel^örben  auf  gleid^em  SBcge  ju  einer 
aSorftelluna  an  ben  S3unbe«rat  unb  bem  ©efuc^e  um  aSer^ütung  ä^nlid^er  ©törungen  für  40 
bie  3^^^"^  iDorauf  eine  bie«fäflige  3wp^erung  erfolgte. 

2im  ^a^e  1881  lourben  auf  älnregung  be«  @^nobalau«fd^uf(e«  \yon  Slargau  be^uf« 
ßrjielung  eine«  engeren  3wfa>«»"^nge^en«  ber  lanbe«Iirc^lid^en  S3e^örben  in  gemeinfamen 
^agen  bie  Äonferemen  tüieber  aufgenommen,  unb  öon  1881  bi«  je^t  aHjä^rlid^  (im 
^uni)  abgehalten,  biefelben  tüerben  t)on  Slbgeorbneten  afler  S3e^örben  ber  fantonalen  46 
8anbe«lir^en  befud^t;  biefe  fmb:  3ürid^,  S3em,  ®laru«,  g^eiburg,  S3afeU©tabt,  S3afel- 
£anb,  ©c^aff^aufen,  9()))?en}ea  91.-^^.,  @t.  &aüm,  ©raubünben,  Aargau,  Xl^urgau, 
SEBaabt,  9leuenburg,  Senf.  2)er  Jtonferenjort  toec^felt  alle  2  gal^re :  fo  toerfammelte  man 
fic^  1881  unb  1882  in  S^^^t  ^ö""  i^  2  ^af}x^  in  S3em,  S3afel,  bann  noc^mal«  in 
3üric^,  S3em,  1891  unb  1892  Aarau,  fobann  5Reuenburg,  ©t.  ©aUen,  ©d^affl^aufen,  60 
Saufanne,  ®laru«,  1903  unb  1904  grauenfelb.  %üx  1905  ift  ®enf  beftimmt.  2)ie  Se^ 
fc^Iüffe,  bei  benen  jeber  Kanton  1  ©timme  l^at,  unb  gemä^  ber  Snfttuftion  feiner  Se« 
^5rbe  fein  33otum  abgiebt,  fmb  nic^t  k)erbinblid^  für  bie  einzelnen  Kantone,  fonbem  l^aben 
ben  ßj^orafter  öon  Anregungen,  ober  be«  Au«brud«  gemeinfamer  Überjcugungen.  2)ie 
toic^tigften  ©egenftänbe,  toel^e  ber^anbelt  tourben,  fmb  folgenbe:  66 

3uge^örig!eit  jur  2anbe«!ird^e,  ©timmbered^tigung  ber  Au«länber,  ©timmred^t  ber 
^auen,  fird^lid^e  ©tatifti!.  ^er^ältnt«  t^on  Xaufe  unb  Konfirmation. 

©emeinfame  ^Prollamation  für  8ettag  unb  9leformation«tag.  ©emeinfame  ^cier  be« 
le^tem  am  1.  ©onntag  im  9loöember.  Anorbnung  eine«  Sibclfonntag«  auf  6.  3)lärz 
1904  anlä^lic^f  be«  gw^iläum«  ber  SBritifc^en  Sibelgefellfd^aft.    geicr   ber   400iä^ngen  eo 


5« 


®ii|ttiet) 


SBäieberfebr  toon  Stoinöltö  ©eburt^tag  1884.    ©ebete  für  bie  »unbe^feier  1891.    gfragc 
einer  gejtpettung  be«  Dftertage«. 

©c^rttte  gegen  ben  gortbilbung^fc^ulunterric^t  am  ©onntag,  für  33ef(^ränfung  bet 
Vergnügungen  an  ^o^en  nrc^lic^en  ^efttagen  unb  befonberer  Stfenba^njüge  an  benfelben. 
6  ®efu(l^  um  äSermeibung  ber  Störung  ber  Settagdfeier  burc^  Xru^})en}ufammen}üge. 

ÜRintmum  bed  Sel^r«  unb  ®ebäd;tnt^ftoffed  im  tirc^Iid^en  ^ugenbuntemd^t.  Se^ 
fc^affung  t)on  3lnfc^auunadmitteln  für  le^tem.  2)er  Steligion^unterric^t  an  ben  ©^m- 
nafien.  Sorge  für  bie^leulonfirmierten.  Sefc^änlung  ber  g^c^ungen.  SWaftregeln  gegen 
®lüc!«fj)iel  unb  Sotterien. 
10  93eteUigung  an  ber  Sintoeil^ung  ber  Srlöferürd^e  in  ^erufalem  1898  unb  an  ber 
Sinloeü^ung  bed  3)ome^  in  Serlin  1905. 

d)  ^a^  firc^Iic^e  Seben  ber  Sanbe^ürd^en. 


16 


llanton 


I.*)  gü^l  ber 


IL**)  ?liif  1000  Seelen  ber  ref. 
^et>5iretung  famen  im  3<^^rc  1903 


gemeinbfn 


fteQen 


^aujcn 


fion= 
fimtanbcn 


cinfeg- 
nungen 


0ird»l. 
Seer&i^ 
gunflen 


Jiivid) 

9cm 

ao  @^taTU§       ,     .     .     , 

SreibüTfl    .    .    .    , 

©nfel^Stabt    .    .    . 

Safc^Sanb     .     .    . 

8rf]afTi]aufcii  .  .  . 
26  9lv^pcn,^cU  ?l.^9«^Dben 

6t.  müen    .     ,    . 

ÖJrflutitnben  .    .    * 

Slorgoit      .    ,    .    . 

^^urgau  ,  .  .  . 
aoSaabt  ....    - 

92eue«burg     .    ,    . 

®enf 

^urcftfcftnitt  19ü3  . 
1881   - 


15D 

191 
15 
10 
7 
31 
28 
19 
49 

131 
54 
55 

143 
44 
17 


175 

217 
IG 
10 
22 
33 
30 
20 
54 
87 
56 
56 

165 
53 
36 


22,0 
28,8 
19,0 
22,0 
28^ 
26,6 
23,0 
24,5 
24,1 
22,5 
25,0 
21,9 
22,1 
17,1 
12,:-J 


16,1 
21,2 
15,9 
16,0 
10,7 
18,1 
20,0 
20,1 
18,5 
17,1 
18,4 
18,3 
16,9 
14,2 
11,5 


6,1 
6,9 
5,6 
2,2 
9,2 
4,5 
6,8 
8,3 
8,1 
5,9 
6,5 
7,7 
6,4 
S,l 
6,5 


14,7 

1 7,5 

i7;i 

12,6 
14,7 
16,6 

17.3 
16,8 
17,4 
17,2 
15,8 
14,7 
15,0 


24,0 
25,5 


18,0 
18,8 


6.6 
5,0 


14,6 
20,1 


86 


♦)  ©ali«,  2:af4cnbucl^  für  bie  f*tt)cij.  reform,  ©eiftlic^cn  1905. 
**)  ^rotofoH  ber  ctjong.  Äonfcrenjcn  1904. 


3(n  ben  übertoiegenb  lat^olifc^en  Äantonen  beftel^en  folgenbe  ctoangeltfd^eOemeinben: 
Sugem  3,  Uri  1,  ©(^to^J  3,  Untertoalben  1,  3ug  1,  ^Jreiburg  f.  oben,  ©olotl^um  10, 
bon  benen  4  burc^  Vertrag  mit  ber  bemifd^en  Sanbe^Iirc^e  toerbunben  ftnb,  Wfpmi^ü 
40  3(.=SRl^oben  1,  3:efftn4,  SBalli«  2.  3lIIe  biefe  jjrotcftantifd^en  Äird^engemeinben,  mtt  Su^ 
nal^me  öon  Sujem  unb  ben  4  folotl^umifc^en,  tourben  öon  ben  j)roteftantifci^en  §ilf^ 
vereinen  organifiert  unb  unterftü^t. 

3«  obiger  Überfielt  ift  folgenbe«  ju  bead^ten: 

$)ie  ßJeiftlic^en  an  ben  ©jjttälcm,  ©trafanftalten  2C.  ftnb   nic^t   mitgejä^It.    3e  2 

46  ©eiftlid^e  toirfen  an  einer  Äirc^engemeinbe :  ^n  Ranton  B^ric^  an  11  ©emeinben,  Sem 

an  12,  ®Iaru«  an  1,  ©d^affbaufcn  an  1,  Wp^tn^M  ai.^St^oben  an  1,  ©raubünben  an  1, 

3largau  an  2,  SEJaabt  an  11,  Üteuenburg  an  2,  ®enf  an  3.    gerner  l^aben  in  3üric^  3  ®e» 

meinben  je  4  ^fancr,  Sem  1  ©emeinbe  4,  unb  2  je  3  Pfarrer,   in  8afeU©tabt  1  ©e* 

meinbc  6,  2  je  4,  unb  2  je  3  Pfarrer,  in  ber  ©tabt  ©t.  ©aßen  fmb  in  einer  ©emeinbe 

60  3  Äird^m  mit  6  ©eiftlic^cn,  in  ber  ©tabt  Saufanne  7  ^fancr,  in  9leucnburg  unb  6^u| 

bc  g^^iib«  je  4,  bie  ©tabt  ©enf  l)at  5  fiird^cngcmeinbcn  mit  7  ftircf>m  unb  14  Pfarrern. 

3n  ©raubünbcn  ^abcn  oft  2—3  Äird^cngcmeinben  bcrtraglirf)  jufammen  1  ^farrcr. 

!^sn  ben  §au^)tftäbtcn  ^iix'xd^,  Sem,  Safel,  ©rf»affbaufcn,  ©t.  (fallen,  fotoie  in  Siel 

unb  DJeumftabt  St.  Sem  beftel^en  fran^öftfci^c  Äirc^cn  mit   je  1    (Sem  unb  Safel  je  2) 

66  ?^farrem,  im  Üanion  Sern  ftnb  18  franjöfifc^c  Äirdjjcngemeinbcn. 


3)eut|(i^e  ^PfarrftcIIcn  ftnb  im  Äanton  Söaabt  8,  3leucnbur8  6,  @cnf  2  (tüoöon  1 
lut^erifc^). 

^te  obigen  ^urc^fc^nittöja^Ien  ftnb  nur  annöi^emb  rid^tig  aud  folgenben  @rünben: 

1.  3t\At  atte,  bie  in  bcn  Solföjä^lung^tabellcn  afö  Slcformierte  erfd^einen,  gel^ören 
ber  ganbcsffirc^e  an  (ingbefonbcte  bic  freien  Äirc^en  in  SBoabt,  S^euenburg,  ®enf).   35iefe  6 
tonnen  aber  bei  ber  ^rojentbered^nung  nic^t  ouigefci^teben  loerben. 

2.  a)ie  S^ffl  ber  lotgeborenen  unb  t)or  ber  3:aufe  ©efiorbenen  ift  nid^t  unerl^eblic^ 
unb  in  ben  Kantonen  ungleid^. 

3.  3)ie  ^ra^id  betreffenb  fird^lid^e  Seerbigung  ungetaufter  unb  überl^u))t  noc^ 
fleiner  Jtinber  ift  in  ben  jlantonen  fe^r  ungleich.  lo 

4.  35ie  Äantone  9leuenburg  unb  @enf  fül^ren  leine  Slegifter  über  bie  lirc^Kc^en 
Seerbigungen. 

^ie  t^eologifc^e  93ilbung  getoäl^ren  ben  ©eiftlic^en  bie  an  ben  Uniberfitäten 
3ürid^,  Sem,  93afel,  Saufanne,  @enf  unb  ber  Sltabemie  92euenburg  beftel^enben  t^eo^ 
logifcpen  ^ahtltöten.  15 

35ie  Äirc^enle^re  ift  in  leiner  fd^loeigerifd^en  Sanbe^Iirc^e  me^r  an  ein  offigiette« 
©lauben^betenntnid  ^ebunben,  fonbem  berul^t  auf  ber  aUgemeinen  9(ner!ennung  ber 
eban^elifc^en  äBa^r^ett,  bie  in  ben  Orbination^«  unb  @^nobaIgeIttbben,  ober  auc^  in  ben 
lonfhtutitoen  Seftimmungen  ber  Äird^enöerfaffungen  in  öerfd^iebenartiger,  lürjerer  ober 
toeiterer  gorm  au^ef j)roc9en  ift.  @benf otoenig  ftel^en  noc^  Äatec^i^men  au«  ber  Slef ormationSs  20 
gett  in  allgemeinem  unb  obligatorifd^em  @ebraud;,  namentlid^  für  ben  Konfirmation^ 
Unterricht  fte^t  e«  ben  ®eiftli($en  in  ben  meiften  Kantonen  frei,  ben  Seitfaben  gang  t>on 
fu^  au^  ober  unter  mel^reren  genel^mi^ten  gu  toöl^Ien,  unb  e«  {tnb  beren  in  neuerer  3^ 
eine  grofee  ÜJlenge  fel^r  öerfd^iebener  Stid^tung  unb  Dualität  »erfaßt  unb  verbreitet  toorben. 
6c^eint  fo  für  ®otte«bienft  unb  ^wg^nt^w^terric^t  leinerlei  einheitliche  ©runblage  gu  be» 
ftel^en,  unb  ein  großer  Xül  unferer  fc^toeigerifc^en  £anbe«Iirc|en  einer  religiöfen  Anarchie  26 
gu  berfaUen,  ba  leine  öu|ere  3(utorität  bie  fubjettibe  9BiQ!ür  in  Sc^ranJEen  ffält,  fo 
finb  bie  toirJEKc^en  ^uftänbe  beöl^alb  leinedtoegS  fo  gerfa^ren  unb  l^altlo«,  toie  e«  bem 
gemerfte^enben  fd^cmen  möd^te.  2lÖ  6rfa^  für  gefc^riebene  S3elenntniffe  unb  9Jla^regeIn 
oer  Se^örben  treten  folgenbe  SSer^öItniffe  ein:  ^ 

2)ie  h)if[enfc^aftlic^e  35ilbung,  toeld^e  für  alle  ©eiftüc^en  geforbert  toirb,  befähigt 
unb  nötigt  fie,  ftc^  bon  ber  geiftigen  93etoegung  ber  ©egentoart  Sled^enfc^aft  gu  geben, 
unb  il^re  eigene  Übergeugung  ftet«  loieber  auf  il^re  §altbaneit  gu  prüfen.  3)ie  befd^eibene 
ölonomifc^e  Stellung  unb  ber  SBegfall  iebe«  2lmt«nimbu«  l^ält  niebrige  unb  eigennüfeige 
(Sl^raftere  in  ber  Siegel  ab,  ben  geiftlic^en  35eruf  gu  toäl^len  ober  gtoingt  fie,  benfefeen  86 
bülb  toieber  aufgugeben.  ®ie  @meuerung«toal^l  ober  ba«  älbberufung^red^t  toirb  gur 
fleten  üJJa^nung,  ba«  Ser^ältni«  gur  (Semeinbe  gu  einem  friebeboDen  gu  geftalten  unb 
fid^  ba«  3^^^^^*^  w"b  ^'^  aid^tung  ber  ^fangenoffen  gu  erioerben.  2)ie  ÜRöglid^Ieit, 
einer  ÜRad^ination  bon  mäd^tigen  ©emeinbebeamten  gum  Dj)fer  gu  fallen,  unb  bie  SSer* 
fuc^ung,  biefe  ©efal^r  burc^  ©tiBtetoeigen  gegenüber  ÜJlipänben  unb  ©ünben  bon  fid^  40 
fem  gu  galten,  ftnb  aUerbing«  borpanbm,  aber  bie  @rfa^rung,  bie  in  bm  meiften  Aantonm 
fd^on  feit  30—50  ^oü^xm  unb  länger  borliegt,  ^at  gegeigt,  bafe  feiten  Pfarrer  ol^ne  ii^e 
©c^ulb  i^re  ©teile  berlorm,  unb  bafe,  too  fol4>e«  gefd^a^,  biefelben  balb  toieber  anber«h)o 
getoä^lt  tourbm,  bie  ©emeinben  aber  juloeilen  mixf^t  l)attm,  ftatt  be«  befeittgten  einen 
anbem  ©eiftlid^m  gu  erl^alten.  ^er  @(egenfa|  gur  tat^olifd^en  Jtird^e  einerfeit«,  gu  ben  45 
freien  Ätrd^m  ober  bm  ©ef ten  anbererfeit«  gtotngt  bie  Sanbe«fird^m,  i^e«  j)roteftantifc^m 
Seimntniffe«  eingebml  gu  blcibm  unb  bic  Serfd^iebm^eit  ber  älnfic^tm  unb  SRid^tungm 
innerl^alb  ber  2anbe«Iir^e  fül^rt  bie  ©eiftlic^m  unb  bie  ©emeinbeglieber  bagu,  Sinfeitig* 
leitm  unb  2lu«artungm  il^rer  eigenm  älnfd^auun^en  gu  forrigieren.  6«  barf  fonac^  an« 
gmommm  loerbm,  ba^  tomn  auc^  bie  fd^toetgenfd^en  £anbe«Iird^m  mand^e  ^nbifferente  50 
unb  religio«  ©leic^giltige  in  il^rer  ÜJlitte  gä^len,  toie  bie«  überaß  ber  %aH  tft  unb  gu 
aätn  5|ritm  ber  %aU  toax,  bagegen  ^eud^elei  unb  ©c^ein^eiligfeit  feltm  auftreten. 

Die  tl^eologifd^en  unb  religiöfen  Slid^tungen  l^abm  in  bm  fd^loeigerifc^m 
2anbe«fird^en  gu  langm  unb  fd^toeren  Äämj)fen  geführt  (f.  ®.  gin«ler,  ®efd^.  b.  t^eol.- 
firc^l.  SnttoidEelung  in  ber  beutfd^:=ref.  ©c^toeig  feit  bcn  breifeiger  3«^^^"/  ßürid^  1881).  65 
Slad^bem  ber  ©egenfafe  ber  fujjranaturaliftifcljm  unb  rationaliftifd^m  SRid^tung  in  bcn 
gtoongiger  ^af^xtn  hnxq  bie  Sffiirfung  ber  ©c^lciermad^erfd^cn  Stnrcgungcn  erlof^cn  toar, 
unb  ^ugleid^  bie  3Serfaffung«fämbfc  nad^  1830  bic  aiufmcnfamfcit  mebr  auf  ba«  j)raftifc^5 
fird^ltcl^e  ©ebiet  gegogm  "^aitm,  gab  ba«  (Srfc^cinen  be«  Scbcn«  ^^\x  bon  ©traufe  unb 
bie  Semfung  be«fclbm  an  bic  ^oc^fc^ulc  ^üx'iä)  gunäc^ft  Seranlaffung  gu  einer  ^cftigm  eo 


58  ®ii|li>etj 

SRcaltion,  bic  in  bcr  SSolföbctDcgung  be^  6.  @cj)tembcr  1839  i^rcn  §öbej)unlt  fanb,  eine 
Sctocgung,  bic  cbenfotDcniö  bIo|e  unb  ungetrübte  ®Iauben^bett)C9un0  aU  blofec  toolitifc^e 
äufle^nung  Wax,  fonbem  in  ber  tief  religiöfe  unb  ftttlid^e  ©rtinbe  mit  jjerfönlidpen,  ört= 
lid^en  unb  j)olitif(i^en  ^intercffen  fic^  mifc^ten.    2)ie  ßintoirfungen  ber  ^egelfd^en  ?pi^iIo- 

5  fo^l^ic  unb  ber  frtttfc^en  2lrbeiten  ber  iübinger  Sd^ule  führten  ju  neuen  tl^eologifc^en 
unb  lird^lic^en  Äontroberfen,  bie  befonber«  in  ben  fünfziger  unb  fe^jiger  3«^^«^  in  ^üxiä} 
unb  8em,  fotoic  in  bet  fd^tüeijerifd^cn  ^rebigergefeüfd^aft  xum  3:eil  mit  §eftigfeit  ge= 
fül^rt  tourben.  Sängere  QÄt  blieben  8afel  unb  bie  frangöftfc^en  Äantone  baöon  tüenig 
berührt,  in  ber  ®egenh)art  fmb  faft  nur   in  SBaabt  biefe  Setoegungen   o^nc   tiefere 

10  SEBirfung  auf  ba^  fird^Iid^e  SetDu^tfein  geblieben,  tüäl^renb  fie  j.  S3.  in  Safel,  toeil  fie 
erft  fo  ft)ät  unb  in  fo  eng  begrenztem  Äird^entoerbanb  auftraten,  gu  befto  heftigerer  Ärifi^ 
führten.  2)ie  Situation  })rägte  fiq  bann  barin  au«,  ba^  über  bie  ebangclifc^en  Äantone 
ftcp  brei  fir(i^lic^:sreligiöfe  ^arteiöereine  gebilbet  l^aben,  toeld^e  alle   ja^lreic^e  3Hitglieber 

g"i)lm.  3!)er  ebangelifd^-ürd^lid^e  3Serein  Vertritt  bie  ftreng  bibel^läubige  Jlic^tung,  i^r 
rgan  ift  ber  Äircpenfreunb  in  Safel,  bem  in  mc^r  })oj)ulärer  SBeife  j.  8.  ber  SSolföbote 
in  S3afel,  bad  et)angelifd^e  SBod^enblatt  in  3ürid^  2c.  gur  Seite  fte^en.  3)ie  öermitteinbe 
Slic^tung  fammelte  fid^  in  ber  tJ^eologifc^^ird^ud^en  ©efeufd^aft,  il^r  Organ  ift  in^befonbere  ba« 
Äir^enblatt  für  bie  reformierte  ©c^tüeij,  femer  ber  d^riftlid^e  3Solföfreunb.  2)er  3Serein  für 
freiet  ß^riftentum  ift  ber  ©ammel^junft  ber  freifinnigen  ober  reformerifc^en  SRic^tung,  feine 

20  Organe  finb  bie  SReform  in  S3em,  ba«  ^ßroteftantenblatt  in  Safel  unb  baö  religiöfe  aSolföblatt 
in  ©t.  ©allen,  ^n  ben  legten  ^ci^'^gel^nten  l^aben  burd^  bie  unter  ben  jüngeren  ©eiftlid^en  ftarf 
vertretene  Slitfc^lfd^e  3:i^eologie  bie  brei  genannten  Slic^tungen  eine  er^eblic^e  abfd^tüäc^ung 
unb  Umbilbung  erfal^ren,  fo  ba|  ihre  Slbgren^ung  mehr  ober  weniger  f^toanfenb  ge^ 
iDorben  ift  (bgl.  O.  ^fifter,  Unfere  lirchlic^en  Parteien  unb   ihre   gegenwärtigen  2Banbs 

25  lungen  (©c^toeij.  theol.  ^t\(S)x,  1904)  unb  SBemle,  in  Äird^enblatt  für  bie  ref.  ©^tüeij 
1904,  9Jr.  43—46).  8et  mand^en  ©eiftlichen  ift  bie  Dj)})ofition  gegen  S^^^^ttw^wali^Jmu^ 
unb  3)ogmend^riftentum  ba  unb  bort  bi^  ju  ftarfer  3lbneigung  gegen  bie  biöh^nge 
©eftalt  ber  Äirche  überhaujjt  nad^  Drganifation  unb  fultifchen  ©inrid^tungen  (Xaufe, 
Konfirmation,  Slbenbmahl)  fortgef^ritten,  bod^   ohne  bafe  bie^  bi«  je^t  ju  j)ralttf(hen 

30  folgen  gefül^rt  l^ätte.  2)ie  gäHe  ber  Silbung  toon  freien  Oemeinben  fmb  in  ber  beutfchen 
Sd^tüeij  bereinjclt  geblieben  (f.  unten  freie  ©emeinben)  unb  in  einigen  Jtantonen  {^ipptn- 
geD,  ©t.  ®dSlm,  ^üxiä)  f.  oben)  tourbc  burd^  bie  ©efe^gebung  gerabeju  bie  S3ilbung  öon 
3D?inorität^berbänben  innerhalb  ber  Sanbe^fird^e  borgefehen. 

3!)ie  $auj)tquelle  für  bie   ftete  ßrbauung   unb  Steubclebung   ber  Äird^e   unb   ihrer 

35  ©lieber  ift  in  ber  ©chtoeii  toie  überall,  too  ebangelifd^e«  ©h^iftentum  beftel^t,  bie  Sibel. 
©ic  liegt  bem  ©otte^bienfte  für  bie  ßrtoachfenen  unb  bie  3^9^"^  h^  ©runbe,  au^  ihr 
fd^öjjfen  bie  Siturgien  unb  bie  2ehrbüd[^er  für  ben  SReligionöunterric^t,  fie  ift  bie  Qx- 
quidEung  unb  ber  3:roft  aller,  bie  im  ftiHen  Kämmerlein  für  Sehen,  Seiben  unb  ©terben 
fich  ruften,    ^n  ber  beutfd^en  ©d^toeij  h^^f^^  beinahe  in  allen  Äantonen  bie  lutherifche 

40  S3ibel  t)or.  ^ixxii)  ^at  t?on  ber  Sleformation^geit  her  feine  eigene,  im  Saufe  ber  3;ahrhunberte 
[tetö  toieber  nac^  bem  jeweiligen  3Jiafee  ber  KcnntniRe  unb  be^  ©J)rachgebraud^^  neu  bt^ 
arbeitete  Überfe^ung,  bie  namentlid^  in  ben  fahren  1836,  1860,  1868  unb  1882  forg= 
fältig  reöibiert  unb  in  fjjrad^lid^cr  Streue  gu  möglid^fter  SBoHenbung  geführt  toorbcn  ip, 
früher  lourbe  fie  aufeer  bem  Äanton  ^^ixx'xd^  namentlid^  in  Shw^Ö^w  unb   jum  3:eil  in 

45  ^laru«,  et.  ©allen  unb  ©raubünben  gebrandet.  3)aneben  h^tte  Sem  feit  1602  bie 
Überfefeung  bon  ^i^cator.  I)a  biefe  unb  bie  3ürcher  2lu^aben  bor  1820  in  Äraft  unb 
ÄnaJ)J)hcit  be«  3lu«brudfg  ber  Sutherfd^en  Überfefeung  toeit  nad^ftanben,  hin^^^ie^^  le^tere 
in  fjprad^lid^er  Streue  biel  gu  toünfd^en  übrig  lä|t,  fo  iüurbe  fd^on  1836  eine  Slebifion 
für  bie  ©d^tüeij  angebahnt  unb  1862  burd^  bie  cbangelifd^e  Konferenz  neu  an  §anb  ge^ 

50  nommen.  I)a  aber  bie  borgelegtcn  groben  ben  Sutherfchen  %^t  überall  fefthielten,  too 
er  nid^t  ganj  entfd^ieben  unrid^tig  Wax,  fo  erflärte  bie  ^ürchcrifd^e  ©^nobe,  fich  nic^t 
toeiter  ju  beteiligen,  unb  bie  3lrbeit  geriet  in«  ©todten  (bgl.  %  3-  3Kcjger,  ©efchid^te  ber 
beutfchen  Sibelüberfe^ungen  in  ber  fchtuei^erifd^-reformierten  äir^e  bon  ber  SReformation 
biö  jur  ©egentbart,  Safel  1876  —  eine   fehr   forgfältige  unb   anjiehenbe  3)arflellung). 

65  ©eit  1877  tourbe  auf  älnrcgung  Semö  bie  ^rage  ber  SRebifion  toicber  aufgenommen, 
unb  burd^  eine  Kommiffion  bon  ©ad^bcrftänbigen  baö  5Reue  Icftament  ncbft  ben  ^falmen 
einer  fehr  forgfältigen  ÜRebifion  unterzogen.  I)ag  ©rgebni^  crfchien  unter  bem  ütel: 
3!)ag  DJeue  a:eftamcnt  ncbft  ben  ^falmcn.  Stach  bem  ©runbtcjct  rebibierte  Überfe^ung. 
graucnfclb.    Serlag  bon  3-  «^ubcr  1893.  —  I)ic  Zürcher  ©linobc  hatte  fid^   fc^on   bei 

60  Seginn  bcr  3trbeit  borbchaltcn,  über  ihre  ©tcUung  jur  le^tercn  crft  ju  entfc^feibm,  h>enn 


Sd^liietj  59 

fic  öottftänbig  öorüeöc.  3)a  cö  ftd^  nun  nur  barum  l^anbeln  tonnte,  auf  bic  biöl^crige 
gürd^er  Überfe^ung  ju  (Sunftcn  ber  neuen  ju  toerjtd^ten,  ober  legiere  abjulel^nen,  bie 
^erbefferungen  ber  le^teren  aber  tüeber  fo  einl^eitUd^,  nod^  fo  übertoiegenb  hjaren,  bafe  fie 
ate  tooller  @rfa§  für  ba«  ju  bringenbe  Dj)fer  gelten  fonnte,  fo  befd^Iofe  bie  S^nobe 
1895,  bic  reöibierte  Überf e^ung  jurS^tnici^t  an  ©teile  ber  jürd^erifc^en  in  ben  fird^lid^en  6 
©ebrauc^  einzuführen.  Ob  bie«  in  anberen  Äantonen,  ioo  bie  Sut^erfd^e  Überfe^ung 
toortoiegenb  ift,  gefd^al^,  ift  fe^r  fraglid^,  jumal  ba  bie  Sibelgefettfc^aften  burd^  bie  tüoi)U 
feilen  3tu^aben  ber  2utlj>erbibel  jeber  anbern  ^inbemb  im  SBege  fte^en.  ©e^r  ftarle  3Ser= 
breitung  l^at  in  ber  beutfd^en  ©^toeij  bie  „gamilienbibcl.  2lu«jug  au«  ber  ^I.  ©d^rift 
für  l^äu«Iic^e  ©rbauung  unb  ^wß^nbunterric^t"  —  bearbeitet  öon  einigen  ©eiftlid^en  be«  lo 
Äanton«  ©laru«  gefunben.  ©eit  1887  ift  fie  in  fielen  ©d^ulen  ate  Se^rmittel  eim 
gefül^rt.  —  3"  ®cnf  loar  bie  toon  ber  Compagnie  des  Pasteurs  öeranlafete  Über» 
fe^ung  öon  1588  lange  3eit  in  unbeftrittenem  anfeilen  unb  ©ebraud^.  2)ie  in  3ieuen- 
bürg  unb  ffiaabt  toiel  Verbreiteten  Bearbeitungen  bon  ^JKartin  unb  Oftertoalb  ru^en  auf 
i^.  35ie  SibelgefeUfd^aften  öon  Saufanne  unb  Sfleucnburg  verbreiten  eine  auf  Äombination  is 
ber  ausgaben  von  SKartin  unb  Dftertpalb  berul^enbe  ilberfe$ung.  9leue  arbeiten  nac^ 
bcm  (Srunbtejt  geben  bie  au«  Auftrag  ber  ©enfer  Compagnie  des  Pasteurs  au«« 
gefü^en  Überfe^ungen  be«  3llten  3:eftamente«  Von  2.  ©egonb  1874,  unb  be«  9?euen 
leftamente«  von  §.  Dltramare  1872.  ^n  ben  italienifd^  unb  romanifc^  rebenben  leilen 
©raubünben«  finb  Sibelüberfe^ungen  in  biefen  ©j)rac^en  verbreitet.  ao 

©er  ®otte«bienft  befte^t  überaU  au^  ^rebigt,  ®ebet  unb  (Sefang.  Slegelmäfeige 
Sibelleltion  ift  in  ber  beutfc^en  ©d^tveij  nid^t  üblid^,  in  ber  franjöftfc^en  Iverben  S3ibd* 
obfc^nitte  unb  bie  ^l.  je^n  ©ebote,  Ic^tere  an  manchen  Orten  vom  Rüfter  ober  fie^rer 
gelefen.  35ie  Siturgien,  beren  faft  jeber  Äanton  feine  eigene  l^at,  fte^en  mm  leil  nod^ 
auf  bem  ©runbe  ber  Von  ben  SReformatoren  unter  Senu^ung  ber  lat^olipen  verfaßten  26 
®ebcte,  jum  leil  fmb  fie  in  ber  9leujeit  entftanben,  unb  op  ba«  Srgebni«  langjäl^riaer 
unb  jum  leil  mü^famer  Slrbeit  ber  ©^noben.  Slu«  neuerer  3^'^  nennen  toir  bie  Si« 
turgien  von  ®raubünben=®Iaru«  (gemeinfam)  1868,  g3afel-'©tabt  1869,  3ürid^  1870, 
gieuenburg  1873,  SE^urgau  1874,  ©t.  ©attcn  1874,  ®enf  1875,  Sern  1888,  g3afel=©tabt 
unb  «Sanb  1890,  äargau  1903.    SBä^renb  früher  bie  Siturgien  allgemein  al«  binbenb  ao 

«alten,  unb  ber  einzelne  Pfarrer  für  jebe  2lbtveid^ung  jur  Seranttoortung  gejogen  tverben 
onnte,  ^errfc^t  hierin  je^t  teil«  burd^  au«brüdHic^e  ®efefee«Vorfc^rift  (f.  oben),  teil«  im 
folge  Veränberter  3lnfd^auungen  für  bie  ®emeinben  h)ie  für  bie  einzelnen  mel^r  grei^eit. 
aja  aber  bie  neueren  Siturgien  felbft,  3.  8.  in  ben  ©onntag«::  unb  geftgebeten,  aud^  gum 
%ÜL  für  bie  3wi>i«^ung  ber  ©alramente  mehrere  Formulare  bieten,  unb  bamit  fd^on  86 
bem  ®eiftlid^en  eine  getviffe  2lu«tva^l  unb  äbtoed^felung  ermöglicht  ift,  fo  barf  immer« 
^in  angenommen  tverben,  ba^  axxd)  tvo  bie  offi«elIen  Vorlagen  nic^t  ftrifte«  ®efet, 
fonbem  nur  aBegleitung  fmb,  fie  von  ber  großen  3Jle^rl^eit  ber  ®eiftlid^en  gern  gebraud^ 
tverben« 

3um  Äirc^engefang  tourben  Vom  16.   bi«  in  ben  Stnfang  be«   19.  gö^r^unbert«  40 
faft  ou«fd^lie|lic^  bic  in  9leime  gebrad^ten  5Pfalmen  Vertoenbet,  in  ber  franj^öfifd^en  ©c^tveig 
nac^  ber  Bearbeitung  von  5Karot  unb  33eaa,  in  ber  beutfd^en  nad^  ber  Ueberfe^ung  biefer 
Bearbeitung  burc^  Soblvaffer,  in  allen  Hantonen  nad^  ben  Vierftimmigen  3Relobien  Von 
®oubimel.    Die  neuen  ®efangbüc^er  ^abcn  ben  Sieberfd^a^  ber  beutfd^en  Äird^en  l^erbei= 
gegogen  unb  in  ^e^  unb  ^elobie  auc^   manche  älrbeit  ber  ®egentt)art   benu^t.    ©ie46 
h)urben  meift  um  bie  5Kitte  be«  19.  ^al^rl^unbert«  etngcfül^rt   unb   galten  je   nur  für 
ben  betreffenben  Hanton.     @ine  gemeinfamc  Arbeit  unternalj^n^en  bie  Äantone  ®laru«, 
©roubünben,  I^urgau  unb   ©t.  ®aflen   im  ^al)x^  1868.    3)urc^  bie  ^"itiatiVe  eine« 
einzelnen  ©eiftli^en  (5Pfr.  Dr.  SBeber  in  §öngg,  Hanton  3"^<^/  Ö^P-  1900)  tvurbe  fo* 
bann  ein  gemeinfame«  beutfc^^fc^tveijerifd^c«  ©efangbud^  angeregt,  unb  nac^  eingel^ensöo 
ber  Beratung   eine«  von    brei  9Jebaftorcn    aufgcfteHten  ©nttourfc«  burd^    bie  Hirnen« 
bebörben  von  fec^«  Hantonen  nac^  %^  unb  3Jiclobien  feftgefteHt  unb  bem  3)rurfe  über= 

Sien,  e«  erfc^ien  im  ^ai)xc  1890  unb  tourbe  nun  in  ben  Hantonen  3^^^/  ^^^/ 
argau,  35afeU©tabt,  Bafel-Sanb,  ©d^affbaufen,  2l})J)en||elI  unb  greiburg  eingefül^rt. 
2)a«felbe  fanb  fe^  too^ltvollenbc  Slufna^mc,  unb  ift  bi«  6nbe  be«  ^a^re«  1904  in  55 
845000  @jemj)laren  Verfauft  toorben  (®efamtjal^l  ber  j)roteftantifd^en  (ginmol^ner  ber 
beteiligten  Hantone  1215000).  3"  ^^  fran^öfifd^en  ©c^tveij  l^aben  bie  Sanbe«fird(ien 
von  SSaabt,  9Jeuenburg  unb  ®cnf  unb  bie  fran^öfifc^en  ®ememben  be«  Bemer  3iura  ein 
gemeinfame«  ®efangbuc^,  ba«  1899  erfd^ienen  ift. 

Sil«  lird^lid^e  gefttage  toerben  au^er  ben  ©onntagen  überall  SBci^nad^t,  Har^eo 


60  &itt0t\i 

fteitag  (f.  oben  Äonfcrcnjen),  Dftem,  i^immclfal^rt,  ^fingften  gefeiert,  unb  itoax  bcfonber^ 
in  ben  öftlic^en  Äantonen  SEJeil^nad^t,  Oftem  unb  ^Pfingften  mit  einem  9lac^tag.  3" 
öielen  Äantonen  ift  ber  9?euial^r^tafl  geiertag.  2)a^  ©cböd^tni«  ber  Sieformotion  toirb 
gelDö^nlic^  am  erften  Sonntag  im  $Jcobember  burd^  bie  ^ßrebigt  l^ertoorge^oben.    6in 

6  fjjcjieö  fc^toeijerifd^er  ^efttag  ift  ber  eibgenöffifd^e  Xanh,  Sufes  unb  Settag,  feit  1650 
öon  ben  eöangelifd^en  ©tänben  angeorbnet,  1802  öon  ber  S^agfa^ung  für  bie  ganje 
©c^toeij  feftgef^t,  feit  1832  am  britten  ©onntag  beö  ©ejjtembcr  gefeiert,  grül^er  erliefen 
bie  Slegierungen  befonbere  ©niabungen  jur  geier  beö  2:age3,  toeld^e  bie  ^faner  öon  ben 
Äanjeln  öerlafen.    3)ied  ift  je^t  nur  nod^  im  Jtanton  SBaabt  ber  ^aü,  in  anberen  Äan^ 

10  tonen  loirb  loegen  größerer  Trennung  be«  Äird^lic^en  unb  ©taatlicpen  bicfe  ^rollamation 
je^t  öon  ber  Äird^enbebörbc  erlaffen,  fo  in  S^nc^/  S3wn,  Safel=©tabt,  ©c^aff^aufen, 
©t.  ©atten,  Slargau,  Ipurgau,  Sleuenburg,  ®enf,  ober  fie  ift  ganj  bal^in  gefaflen.  S5e» 
fonbere  ©ebete  für  ben  35ettag  toerben  in  Qixxxd),  SafeUSanb,  ©c^aff^aufen,  ©t.  ©allen, 
öcrfafet,  ben  ©eifklic^en  gebrutft  jugefteDt  unb  in  ben  ©emeinben  verbreitet. 

16  ^ad  f)L  älbenbma^I  loirb  mit  älu^nal^me  Safeld  überall  nur  brei:  bid  t)iermal 
im  Saläre,  unb  »toar  an  ben  l^o^en  gefttagen  einfd^Iiefelic^  be«  S3ettage^  ober  an  ben 
Sonntagen  öor  ooer  nad^^er  gefeiert,  in  Safel  aufeerbem  jcben  ©onntag  in  einer  ber 
öier  §au^)tlird^en.  ^m  Äanton  ^üxxd)  beftel^t  bie  ft^enbe  Äommunion,  bei  toelt^er  ber 
ober  bie  ©eiftUd^en  nebft  ben  Äir^enöorfte^em  in  ber  Äird^e  j^erumgel^en  unb  ba^  ]^l. 

20  älbenbma^I  an  ben  @nben  ber  ©i^rei^en  ben  ©emeinbegliebem  aufteilen,  bie  e$  ein^ 
anber  toeiter  reid^en.  ^n  ben  übrigen  Äantonen  ift  bie  loanbelnbe  Kommunion  loic  in 
©eutfd^lanb  üblid[>. 

^ie  ©onntaggfeier  ift  felbftDerftänblid^  auf  bem  Sanbe  im  allgemeinen  me^r 
erl^alten,  ate  in  ben  ©täbten ;  namentlid^  bie  vielen  Vereine,  ©d^ü^en«  unb  ©ängerfeftc  2c 

26  machen  an  ben  Serfel^r^ftationen  auc^  auf  bem  Sanbe  oft  grofee  ©törung.  ®od^  fe^lt 
e«  nid^t  an  33emü^ungen  bem  ©onntag  feine  SQSürbc  unb  3tu^e  ju  fiebern,  fei  e«  von 
©eite  freier  Vereine,  fei  e^  burd^  bie  ©efe^c  unb  Drbnungen  Von  ©taat  unb  Äird^c.  35er 
»efuA  be«  @otte«bienfte«  ift  nad^  Drtgfitte,  3ia^regjeit,  Serufgver^ältniffen,  SBitterung, 
Begabung  unb  ^ßerfönlic^Ieit  be^  ©eiftlic^en  fel^r  berfd^ieben,  unb  e3  lann  feine  Stngabe 

80  über  allgemeine  3u*  ober  2lbnalf>me  gemacht  loerben.  6«  giebt  fleine  ftiDe  Sanbgemeinben, 
too  bie  Kirche  leer  ift,  unb  toerle^r^reid^e  unrul^tge  ©täbte,  too  fie  fel^r  jal^Ireic^  bcfud^t 
loirb,  ebenfo  geigt  fic^  auc^  ba«  ©cgcnteil. 

%ixx  bie  Hirc^engcbäube  ift  burd^  Üteubauten,  umfaffenbc  9let)araturen,  Qv- 
ftettung  neuer  ©eläute,  Drgeln,  Harmonium  unb  bon  Sel^eijungen  aud^  in  neuerer  unb 

86  neuefter  3rit  fel^r  viel  gefd^cl^en,  unb  jtoar  oft  in  ©emeinben,  bie  jur  gleid^en  ^Ai  von 
©c^ulJ^au^s,  ©trauern  unb  ßifenba^nbauten  ftarl  bebrürft  toerben.  2tn  bie  ©teile  ber 
alten  reformierten  ßinfad^l^eit  unb  Slüd^teml^eit,  bie  um  jeben  ©innenreij  gu  bermetben 
unb  nur  bie  Slnbetung  im  ©eifteju  fuc^en,  nid^t  nur  ©emälbe,  fonbem  jebe  Stnloenbung 
von  eJarben  auc^  an  genftem  unb  SBänben,  unb  jebe^  mufif alifd^c  ^nfttument  verfd^möl^tc,  i^ 

40  in  neuerer  3rit  mit  bem  SBad^fen  unb  ber  äu^breitung  be^  Äunftfmneg  mandper  ©d^murf 

Setreten.  5Öcag  berfelbe  jur  3lnbac^t  niit  gerabe  erf orberlid^  fein,  ja  mitunter  ben  Äirc^en^ 
efud^er  jerftreuen,  fo  l^errfd^t  nun  bod^  auc^  in  ber  reformierten  Äirc^e  bie  Slnfd^auung 
Vor,  ba^  bie  SEJürbe  ber  baultd^en  formen  unb  bie  Harmonie  ber  färben  unb  %ön^ 
ber  (Srbauung  nid^t  fc^aben  mu^,  tvo^l  aber  oft  fie  ^ebt.  3lud^  l^at  bie  SEJicbergeftattung 

46  folc^en  ©c^mudEeö  in  ber  ©d^toeij  noc|  nirgenbd  einer  latl^olifierenben  Stid^tung  3Sorfc^iib 
geleiftet. 

Sieben  bem  ©otte^bienfte  ber  ßrtvad^fenen  beftcl^en  überall  3iugcnbgotte«bicnfte 
(Äinberlel^ren),  in  benen  balb  mcl^r  fated^etifd^,  balb  in  fortlaufenber  ßrflärung  biblifc^c 
aibfd^nitte  gefd^id^tlic^en  ober  le^rl^aften  3;nl^alte^  be^anbclt  tüerben.     3n  mehreren  Ran- 

60  tonen  fmb  l^ierfür  befonbere  Äinberlel^rbü^er  eingefül(>rt,  toä^renb  bie  Äated^i^men,  iuo  fie 
noc^  im  ©ebraud^e  finb,  mel^r  ber  toöc^cntlic^cn  Üntertüeifung  unb  bem  Äonfirmationös 
Unterricht  ju  ©runbe  gelegt  toerben.  Se^terer  mirb  an  ben  einen  Orten  auf  ein  ganjcö 
ga^r  Verteilt,  an  anberen  in  häufigeren  ©tunben  toä^renb  einigen  3Konatcn,  meift  Von 
abvent  ober  SJeuJal^r  bi^  Dftem  gegeben,    ^n  ber  Siegel   cm})fangen  bie  Äinbcr  bie 

66  Konfirmation  im  Saufe  ober  nad)  ©c^lu^  be^  16.  ätteröjabre^.  (Sine  offijieHe  ©tellung 
jur  ©c^ule  nel^nien  bie  ©eiftlid^en  gcmä|  ber  33unbe^Verfaffung  nidbt  me|r  ein;  bunp 
aSaj^l  aber  fmb  fie  fe^r  oft  SJlitglieber  ober  ^räfibentcn  ber  Drtöfd^ulbcbörben,  unb  ben 
SRcligionöunterrid^t  ber  3iugenb  l}abm  fie  in  mand^en  Kantonen  vom  12.  3^^^^  an,  in 
einigen  toä^renb  ber  ganzen  ©d^uljcit. 

60         3"^^  2lrmenh)efen  ftel^en  bie  Pfarrer  ba   in   offiziellem   SJerl^ältniffe,  too  bie 


S^toetj  61 

Ätrc^entoorftel^ctfcl^aften  «jgletc^  bie  amtlid^en  3lrmcrH)fIe0en,  unb  bie  Pfarrer  öon  amtd 
tocgen  5Kttgltebct  ober  ißräfibentcn  biefer  Sel^örben  finb.  Überall  toirb  burd^  bie  Äird^en« 
orbnung  ober  ba«  ^erlommen  i^nen  bie  j)erfönKc^e  Slaterteilung,  ÜJlitl^ilfe  unb  Jtorres 
fjjonbenj  für  5Wotleibenbc  jugemutet,  bie  i^nen  burc^  bie  ©eelfor^e  beJEannt  loerben. 
ebenfo  toerben  Äranlenbefud^e  öon  xl)nmt>nlanQto\>zt^t)maxtü;  tn  einigen Äantonen  6 
fmb  auc^  regelmäßige  93efuc^e  bei  aDen  ^amitien  t)orgefd^rieben. 

35ie  freien  Vereine  ^aben  namentlid^  ungcfäl^r  feit  1830  auf  bo«  religiöfe  unb 
lirc^Uc^e  Seben  ber  reformierten  ©c^toeij  einen  großen  unb  meift  fegen^reid^en  Einfluß 
geübt.  Son  benfelben  lommen,  abgefe^en  öon  ben  fc|on  befj)roc^enen  $arteik)ereinen,  öor« 
}ug^eife  folgenbe  in  Setrac^t:  lo 

2)ie  f  c^tüeijerif^e^rebigergefellfc^aft,  gegrünbet  1839,  ate„3Serein  fd^tüeige* 

Sc^er  ebangelifd^er  ^rebiger  unb  t^eologifc^er  Se^rer  jur  görberung  ti^^eologifc^^toiffens 
aftlic^er  unb  j)raftifd^er  ^totit  ber  Äird^e  burc^  gememfame  Ser^anblungen",  \)at  fic^ 
feit^er  beinal^e  aUjäbrlic^  abloed^felnb  in  aüm  reformierten   unb  ^arit&tif^en  Jtantonen 
toerfammelt,  burc^f  än^örung  unb  SJi^Iuffion  öon  SJortrögen,  burc^  brüberlid^en  3Serfe^r,  i6 
burc^  5Kitteilung  ber  gebruaten  SBer^anblungen  an  alle  3Jlitglieber  i^ren  ^to^d  geförbert 
unb  jur  33er6inbung  gtoifci^en  ben  jlantonen,  jum  3(u^taufd^  ber  t)erfd;iebenen  ätnftd^ten 
unb  jur  Einigung  ber  ©eiftUd^en  toiele«  getrau.   3^i^*^^'f5  h)aren  iJ^re  2)i^Iufftonen  über 
^lage^fragen  fel^r  belebt,    ^n  ben  einjelnen  Äantonen  befte^en  ^hjeigtoereine,  berjenige  in 
3üric^,  bie  fog.  a^Ietifc^e  ©efeDfc^aft,  tourbe  mit  äl^nlid^en  ^tota^n  loie  fj)äter  bie  fc^tüei*  ao 
^fc^e  ®efellfq>aft  fd^on  1768  gegrünbet.    ©rößere  Äantone  fyAm  außer  ber  lantonalen 
5Serfammlung  nod^  ^aftoratoereine,  bie  einen  ober  mehrere  Sejirle  umfaffen.    3)ie  ®nt* 
fte^ung  ber  tirc^Iic^en  5ßartcit)ereine  i)ai  bem  S3efud^  ber  fd^toeijerifd^en  ^jSrebigergefeHf^^aft 
jjeittoetfe  3l6bru^  getl^an;  tüäl^renb  firfi^er  bie  ga^re^öerfammlungen  öon  300  unb  me^r 
SKitgliebem  befuc^t  tourben,  nahmen  in  ben  legten  ^af)xtn  150—250  teil ;   bie  ®efamt=  26 
iaf)l  ber  ÜJlitglieber  beträgt  1050. 

Sibelgefellfd^aften  beftel^en  in  ben  Äantonen  3ürid^,  S3em,  Safel,  ©c^aff^aufen, 
©t.  Satten,  ©raubünben,  äargau,  SBaabt,  (Senf.    S)ie  erfte  tourbe  in  »afel  1804  ge^ 
grünbet,  unter  bem  ©influffe  ber  im  gleichen  ^ö^re  entftanbenen  britifc^en  S3ibeIge{eDfc^aft, 
bie  au4  gegentüärtig  noc^f  neben  ben  fc^toeijerifc^en  ©efeUfd^aften  in  einigen  fc^toeijerifd^en  ao 
©täbten  5lieberlagen  l^at. 

©benfo  befte^en  in  ben  meiften  Äantonen  3Kiffion«öereine,  loelc^e  il^re 
©oben  teitö  ber  ÜRiffton^jefeHfiaft  in  »afel  unb  ber  Srübermiffton,  teil«  bem   M^ 

gemeinen  etoangeKfd^::j)rotejtantifd9en  3Ki{fion«öerein,   gegrünbet  1883,   jutoenben  (f.  bie 
etr.  art.).  86 

3)ie  J)roteftantifd^=!irc^lic^en  ^ilf^toereine,  toelc^e  jerpreute  ^Proteftanten 
namentlich  in  ben  latl^olifd^en  Äantonen,  aber  auc^  im  äludlanb  unterftü^en,  lourben 
burd^  bie  fc^hjeijerifc^e  ^rebigergdeUfc^aft  1842  in«  Seben  gerufen  unb  beftel^en  in  allen 
Äantonen.  grüd^te  il^rer  Il^ätigleit  fmb  folgenbe:  35ie  ©rünbung  unb  Unterftü^ung 
Don  reformierten  ©cmeinben  burd^  ©rric^tung  unb  S3efolbung  öon  ^PfarrfteDen  unb  refor«  lo 
mierten  ©c^ulen,  bie  3KittoirIung  unb  ^tlfeleiftung  bei  Ätrcpen«  unb  ©d^ulbauten  u.f.to. 
in  ben  latl^olifc^en  ©d^toeijerfantonen.  ©o  fmb  ju  nennen  bie  Äird^enbauten  inSujem, 
erftfelb  Ä.Uri,  2trt^,  »runnen,  ©icbnen  Ä.©d^to^j,  »aar  unb  gug  Ä.  3ug,  gretburg, 
Dlten  unb  ©olotl^um,  ^ppmi^ü,  SRagafe,  SBalenftabt,  Storfd^ad^,  ®oßau  Ä.  ©t.  &aUm, 
SeBinjona,  Sugano,  ©itten  Ä.  3Batti«.  fein  „SSortoerein"  in  8afel  ^at  bie  Oberleitung  für  46 

S':)cdEmäßige  Serteilung  ber  Stufgaben  in  ben  einzelnen  Äantonen  unb  faßt  mit  ben 
bgeorbneten  ber  lefeteren  bie  Sefd^lüffe  betr.  gemeinfame  Untemel^mungen.  3"f^l0^ 
einer  atnregung  t)on  Slntifte«  ©ali«  in  Safel  toirb  überbie«  je  am  9leformation«fonntag 
in  allen  Äantonen  eine  freitoiHige  Äird^enfteuer  ^efammelt,  beren  ßrtrog  aDjäl^rlid^  für 
einen  öorl^er  beftimmten  Äirc^enbau  toertoenbet  totrb.  3)ie  auf  biefem  SöJege  gefj)enbeten  eo 
©ummentourbenfür  folgenbe  Sauten  bcftimmt:  1897S3ellinjona,  1898S3remgarten,  1899 
«rt^Oolbau,  1900®oßau  (©t.  ©aUen),  1901  Saufen  (Sern),  1902  9Rontbel9  (aSatti«), 
1903  erftfelb  (Uri),  1904  SBalenftabt.  3)er  Setrag  biejer  ©Jjcjialfammlung,  bie  in  ben 
erften  göl^rcn  ca.  30  000  ^r.  betrug,  ift  f^on  1899  auf  60000,  1904  bi«  auf  73000gr. 
aeftiegen.  —  gm  3(u«lanbe  loerben  bon  ben  Jjftlic^en  Äantonen  au«  namentlid^  bie  ber^  66 
flimmerten  j)roteftontifc^en  ©emeinben  in  Dfteneid^  (Söl^men,  5Kä^ren,  ©teiermarl) 
unterftü^t,  bon  ber  franjöfifc^en  ©d^tt)eu  au^  bie  ßbangelifation  in  berfc^iebenen  3)et)artes 
menten  gi^anfreic^«  betneben.  3!)ic  ©efamtleiftungen  biefer  Sereine  betrugen  1904: 
286  000  gr.  ©eit  1901  ^at  ftd^  nod^  ein  befonberer  Screin  „für  bie  gbangelifd^en  in 
Öfterretc^"  gebilbet,  ber  im  S^i^mmenl^ang  mit  ber  „So«  bon  3flom"'Seloegung  bieeo 


62  Sii^tQei} 

toieber  auficbenben  ober  neu  ftd^  bilbenben  ebangelifc^en  ©emeinben   ju   ftärlen  unb  ju 
lieben  fud^t.    ©eine  ginnal^men  betrugen  1904:  25000  gr. 

SSereine  für  innere  9Riffion  unb  i^re  üerfc^iebenen  einjelnen  S^äq^  befte^en 
betnal^e  überall.  2)er  äüefte  ift  bie  beutfc^e  g^riftentumögefeDfc^aft,  gegrünbet  in  S3afel 
5  1780.  SKanc^e  berjelben  legen  ftc^  öorjugöhjeife  ben  Slamen:  eöangelifc^e  Vereine  ober 
©efettfd^aften  bei.  3Son  i^ren  SBerlen  ftnb  ju  nennen:  tJürforge  für  öertoal^rlofte  Äinber, 
für  entlajfene  Sträflinge,  95efud^  t)on  ©efangenen,  ©onntag^Iefefäle  für  Änaben  unb 
Arbeiter,  35taIoniffenanftaIten,  änftalten  für  gefallene  grauen,  ^inber>)flege,  Sllter^f^Ie, 
Irtnlerl^eilanftalten  k.  3SieIe  folc^e  c^riftlic^e  SiebeiJtoerf e  beftel^en  aber  auc^  ol^ne  ft)ejtfifc^ 

10  religiöfen  ß^aralter  ober  in  enger  3Serbinbung  mit  Vereinen,  bie  junäc^ft  au«  gemein« 
nüfeigen  Äreifen  gegrünbet  toorben  ftnb.  §aben  toir  oben  jugeftanben,  ba^  bie  reformierte 
©cphjeij  in  fjragen  ber  Seigre  öielfad^  jei^al^ren  ift,  fo  barf  ^intoieber  aud^  ol^ne  Über^ 
treibung  gefaat  toerben,  ba§  alle  religiöfen  SRid^tungcn  unb  mit  il^nen  3:aufenbe,  bie  in 
j?ragen  be«  (priftlic^en  ®Iauben«  glei^giltig  fc^einen,  toetteifem  in  Sejeugung  (^riftlic^er 

16  Siebe,  unb  ba§  lein  3BerI  ber  $Ufe  unb  Sarml^erjigfeit  ol^ne  Sead^tung  unb  Unter« 
ftü^ung  bleibt. 

Sleligiöfe  ä^i^^^if^^n  beftanben  in  ber  eöangelifd^en  ©c^toeij  im  Saläre  1904: 
29,  in  ber  latl^olifd^en  7. 

e)  3)ie  freien  Äird^en.     Sieben  ben  Sanbe^Iird^en  befte^en  in  ben  Äantonen 

20  SEBaabt,  9leuenburg  unb  ®enf  freie  Äirc^en,  fobann  in  einigen  anberen  Kantonen  eingelne 
freie  ©emeinben.  ©ie  öerbanlen  il^re  ßntfte^ung  bem  ©treben  nad^  Unab^ängigfeit  Dom 
©taat  unb  fd^ärferer  bogmatifd&er  Segrengung  unb  äu^rägung  (®arei«  II,  ©.  228  ff. 
unb  b.  ärt.  greifen  95b  VI  ©.  252ff.). 

Sn  ®enf  reichen  bie  anfange  ber  Setoegung  bi«  1725  jurüdE,  eine  entfd^eibenbe 

26  SBenbung  fällt  in«  ^a^x  1817 ;  1831  t)ereinigten  ftc^  bie  än^änger  ber  ©rtoerfung 
(R^veil)  in  ber  Soci^t^  6vangelique;  bie  eigentlid^e  ®rünbung  ber  felbftftänbigen 
Äird^e  gefc^a^  burd^  bie  3Serfafjung  t)on  1849.  3)iefelbe  enthält  ein  auöfü^rlidpe« 
®lauben«belenntni«  in  17  ärtiteln  (barunter:  3)ie  ^I.  ©c^rift  ift  in  allen  il^ren  teilen 
boflftänbig  t)on  ®ott  eingegeben;  toir  beten  an  ben  3Sater,  ben  ©o^n  unb  ben  ^I.  ©eift, 

90  einen  einzigen  ®ott  in  brei  ^erfonen ;  ä(bam  tourbe  in  toa^r^after  ®ere(^tigleit  unb 
^eiligleit  gefd^affen;  burc^  feinen  %QXi  tourbe  bie  menfc^lic^e  5Ratur  gänjlid^  berberbt; 
3efu«  ßl^riftu«,  ®ott  unb  SRenfd^  in  ©iner  $erjon,  ift  an  unferer  ©tatt  ate  ©ü^notofer 
geftorben.  Äein  ?IRenfd^  lann  in«  Sleic^  ®otte«  eingeben,  toenn  er  nid^t  bie  übematürlit^c 
Umtoanblung  erfahren   ^at,   toelc^e  bie  ©d^rift  SBiebergeburt  nennt.    3)er  Slnfang   unb 

86  ba«  ®nbe  be«  $eite,  SBieber^eburt,  ®Iaube,  Heiligung  ftnb  freie«  ©efc^enl  ber  göttlid^en 
S5arm^erjigleit).  3)er  gutntt  jur  Äirc^e  geft^ie^t  burd^  jjerfönlic^e«  Selenntni«  jebe« 
dimelnen  t)or  jtoei  Siteften.  ©ine  attgemeine  unb  j)eriobifd^e  Slufna^me  t)on  Äated^umenen 
barf  nid^t  ftattfinben.  2)ie  ®eneratoerfammlung  ber  ©laubigen  toä^lt  bie  älteften 
(Anciens),  t)on  benen  bie  einen  ben  3)ienft  am  SEBorte,  bie  anbem  bie  ©eeljorge  ^aben,  unb 

40  bie  3)iaIonen  (3lrmen))fleger),  alle  auf  unbeftimmte  ^At ;  bie  ftänbige  3Serh)altung  Vuirb 
bon  ber  ®efamtl^eit  ber  Slelteften ($re«b^terium)  geführt;  au^erbem  beftei^en  Äommifftonen 
für  bie  ßöangelifation,  bie  ÜJliffion  unb  bie  ginan^en.  3)ie  Sird^e  ift  in  jtoölf  einjel= 
gemeinben  geteilt,  boc^  fo,  ba^  bie  ^ßrebiger  i^r  3lmt  attgemein  au«juüben  l^aben.  Sie 
Koften  toerben  burd^   freiwillige  ®aben   beftritten.    3)ie  Äird^e   erteilt  bie  ^inbertaufc; 

46  je  nac^  ben  SBünfc^en  ber  Sltem  erflärt  fte  aber  aud^  bie  Xaufe  in  fj)äterem  gettpuntt 
juläfftg. 

3im  itanton  SBaabt  beranla^te  bie  äbfc^affung  ber  ^ebetifc^en  Äonfeffton  1839, 
fobann  3)ia6regeln  gegen  religiöfe  ^riöatberfammlungen  (Oratoires)  unb  ber  SBiberftanb 
gegen  bie  3SerIefung  einer  $roIlamation  be«  ©taat«rat«  auf  ber  Äanjel  1845  eine  95e= 

50  toegun^,  bie  ben  Slücftritt  t)on  147  ®eiftli(^en  (toä^renb  99  in  ber  5RationaIlird^e  blieben) 
unb  bie  Silbung  ber  freien  Äird^e  burc^  bie  33erfaffung  üon  1847  jur  golge  ^atte. 
3)iefelbe  fc^Iiefet  \xi)  ben  Selenntniffen  ber  a})oftoIifd^en  unb  reformatorifc^en  Äird^e,  in«^ 
befonbere  ber  ^elöetifd^en  Äonfejfion  an,  bezeugt  bie  göttlid^e  3"ft>i^tt^ion,  Autorität  unb 
gän^Iic^e  ®enugfamleit  (suffisance)  ber    lanonifcf^en  Sudler    be«  Sllten    unb  9leuen 

66  leftamente«,  unb  befennt  in  einigen  §auj)tfäfeen,  bie  im  toefentlid^en  bem  ajjoftolifd^en 
©^mbolum  folgen,  i^ren  ®Iauben.  ©ie  anenennt  al«  il^re  ©lieber  alle  ©etauften  unb 
Konfirmierten,  bie  ben  SQSunfd^  au«jj)rec^en,  il^r  anjugel^ören.  Stimmberechtigt  ftnb  bie 
3Ränner,  toeld^e  21  3;al^re  alt  fmb,  unb  i^ren  Seitritt  ju  Sc^re  unb  ^nftitutionen  ber 
Äird^e  förmli^  erflären.    ^^be  ©emeinbe  toä^lt  i^re  SBorftc^erfc^aft,  befte^enb  au«  bem 

60  ©eiftlid^en  unb  einigen  Saien.    3)ie  ©^nobe  beftel(^t  au«  allen  im  3tmt  fte^enbcn  ®eift* 


Sdilorij 


63 


Ixd^  unb  SDbgeorbneten  ber  (Semeinben,  bon  benen  jjebe  iDentgftend  )ft)et  ^[Bgeorbnete, 
mit>  toenn  fie  nte^r  atö  150  ÜJlttglieber  ;ä^It,  auf  jetDeitere  150  ^JRttglieber  einen  toö^lt. 
@ie  berfammelt  fid^  in  ber  Siegel  jä^rlicp  einmal,  unb  forgt  für  bie  allgemetnen  ^nter« 
cflen  ber  Äird^e.  Stturgien  unb  SBüd^er  für  Sleligion^unterric^t  lann  fte  nur  jur  Sin« 
na^me  embfel^Ien.  3)te  laufenben  ©efd^äfte  toerben  t)on  ber  S^noballommiffton  (9  SKit-  6 
ßlieber)  beforgt.  äu^erbem  befteDt  bie  Stonobe  befonbere  Äommiffionen  für  bie  Stubien, 
bie  fjinamen,  bie  ßbangelifation  unb  bie  SRiffion.  3)ie  ®ifijjij)lin  in  ben  (Semeinben  aud^ 
in  erfter  Sinie  gegenüber  ben  ©eiftlid^en  unb  i^ren  eigenen  SKitgliebem  fte^t  ber  Äirc^en^ 
toorjieberf^aft  ju.  Sttle  äu^aben  toerben  burd^  freiwillige  Seiträge  beftritten.  3)ie2Ba^I 
ber  Pfarrer  gefc^iei^t  burc^  bie  ©emeinben  au^  ber  SKitte  ber  auf  ©runb  il^rer  $rüfung^  lo 
geugnifle  bon  ber  ©^nobe  orbinierten  ©eiftlic^en  unb  unterliegt  ber  Seftätigung  ber 
@^nobal{ommiffion. 

3m  Äanton  5Reuenburg  erfolgte  bie  Silbung  ber Eglise  ind^pendante de  TEtat, 
ate  bad  Jlirc^engef e|  t)on  1873  jeben  f^olitifd^  Stimmberechtigten,  ganj  abgefe^en  t)on  irgenb 
einer  reßgiöfen  ©runbbeftimmung,  afö  ®Iieb  ber  Äird^e  erllärte,  unb  ebenfo  für  bie  S3e^  i6 
Heibung  be^  geiftlic^en  älmte^  gänjlic^e  (Setoiffen^frei^eit   o^ne  jebe   fonfefftoneDe  SSer« 
J)flic^tung  ftatuierte.  ®ie  aSerfaffung  biefer  Äird^e  anertennt  ate  emjige  Duelle  unb  Siegel 
be^  (Slaubend  bie  ^I.  ©d^riften  Suten  unb  5Jeuen  ^^eftamentö  unb   ^ölt  ftd^  an  „bie 
großen  ^eildt^atfac^en,  n)ie  fie  ba^  fog.  a^oftolifd^e  ©lauben^belenntni^  }ufammenfa^t". 
SRitglieber  finb  alle  ©etauften  unb  konfirmierten,  toelc^e  i^r  anjuge^ören  toünfd^en  unb  20 
i^  SBerfafjung  juftimmen.    3)ie  Äirt^engemeinbeöerfammlungen  toä^Ien  bie  ©eiftlic^en, 
bie  Äird^enöorftönbe  unb  bie  Slbgeorbneten  jur  S^nobe.    3)er  $räftbent  be^  Kirchen« 
borftonbe«  ifk  Don  2lmt«  toegen  ber  ^Pfarrer.  ®ie  ©^jnobe  befielet  au«  fämtlic^en  Pfarrern 
unb  aud  iueltlic^en  Sbgeorbneten,  beren  iebe  ©emeinbe  brei  auf  jeben  Pfarrer  toä^It, 
femer  ben  5ßrofef[oren  ber  t^eologif^en  ^afultät.    Sie  leitet  bie  Äirc^e,  forgt  für  bie  25 
älbfaffung  ber  Sucher  jum  jtuitu«  unb  9(e(igion«unterrid^t  unb  l^at  bad  Sle^t  jur  Slb^^ 
fe^ung  ungetreuer  Pfarrer.    3)ie  laufenben  ©efd^äfte  beforgt  eine  ©^nobaßommiffton  au« 
neun  SKitgliebem.    ferner  beftel^en  Äommiffionen  für  bie  ©tubien,   bie  Drbination  unb 
bie  ginanjen.    3""^  geiftlid^en  Slmte  finb  erforberlid^  „bie  Sebingungen  be«  ©lauben«, 
ber  grömmigfeit  unb  ber  SBefäl^igung,  toeld^e  3^0"'^  f^"^  *>^^  33erufung  be«  $erm".  so 
(gine  ®meuerung«toal^I  finbet  nur  auf  Segei^ren  ber  ©emeinbe  ftatt.     S)ie  lird^Iit^en 
ausgaben  toerben  burd^  ©emeinbefteuern  unb  ©efd^enle  beftritten. 

3n  aSBaabt  unb  5Keuenburg  toirb  bon  ben  freien  Äirc^en,  in  ©enf  t)on  ber  ebange« 
lifd^  ©efeDfc^aft  eine  tl^cologifc^e  gahiltät  erhalten. 

Über  bie  ©tatifti!  ber  freien  Äirc^en  liegen  un«  nur  folgenbe  eingaben  für  ba«  ^af)x  86 
1903  t)or: 


3q^I  ber 

itanton 

®emeinben 

®eift(i(^en 

2:Qufcn 

konfirmierten 

einfegnungen 

»aobt  .... 
9^cuenburg     .    . 
®cn[     .... 

41 
23 
45 

50 

29 

5 

304 

651 

27 

374 

508 

62 

94 

190 

12 

40 


Stufeer  ben  freien  Äirc^en  giebt  e«  in  berfc^iebenen  Äantonen  ber  ©c^toeij  freie  ©e« 
tneinben,  bie  teil«  bereinjelt,  teil«  in  aSerbänben  befte^en  unb  beren  9Ritglieber  meift  ber 
£anbe«fird^e  noc^  angehören,  aber  au«  lofalen  unb  >)erfönlid^en  ©rünben  befonbere  SSer«  45 
fammlungen  galten  unb  eigene  ^ßrebiger  anftetten.  $ier  ftnb  ju  nennen  bie  befonberen 
®otte«bienfte  ber  ebangelifd|en  ©efeDfc^aften  in  ben  ©täbten  3"^^^^  S3em,  ©1.  ©aüm, 
(S^ux,  bie  jum  3:eil  mit  benfelben  üerbunbenen  ©emeinfc^aften  ober  ©otte«bienfte  in  Ufter, 
9Bintert^ur,  $eri«au,  Reiben  (^ppmi^Ü),  Saben  (3largau),  ber  aSerein  für  ßöangeli:: 
fation  unb  ®emeinf(^ap«j)flege  in  3ürid^  (Setellat)ene),  bie  ©tationen  ber  G^rifd^ona*  60 
trüber  u.  f.  to. 

f)  änbere  t^riftlic^e  ©emeinfc^aften  unb  ©elten,  bie  toeberburd^  abjtpeigung 
t)on  bl«^erigen  2anbe«Iird^en  entftanben  ftnb,  noc^  liieren  Urfjjrung  fj)cjiell  fc^tpeijerifc^en 
Ser^ältniffen  berbanlen,    fonbem    meift   burc^  (Smiffäre   be«  3lu«lanbe«  3ln^änger   ge= 
toonnen  l^aben,  ftnb  bie  bifd^öflid^e  3Bet^obiftenIird^e,  bie  SKetbobiften  ber  eDangclifc^en  55 
©emeinfc^aft  ^rieben«Iir(^e  in  3üri(^  2c.),  bie  9leutäufer,  laufgeftunten,  bie  latbolifc^^ 


64  Sc^tQrii 

a})oftoItfcl^e  Äird^c  (gttjingtancrX  bie  3)ar6^[tcn,  bic  ©toebenborgianer,  bic  ßeilöormee, 
bic  d^riftlid^c  aBiffcnfd^aft  (Christian  science),  3)otoie«  Rion^Iir^e  unb  bte  OTotmoncn. 
3)te  ja^Iretc^ftcn  anhänget  baben  bie  9Ketl^obiftcn  (laut  SKittcilung  auf  einer  Äonferenj 
berfelben  in  ©d^aff^aufen  jaulten  fte  im  ^a^re  1904  60  ^rebiger  unb  9083  eingefc^ebene 
6  3KitgIieber)  unb  bie  S3a})tiften.  aWanAe  t)on  ben  Slnbängem  biefer  (äemeinfc^often 
bleiben  gleid^tool^I  SKitglieber  ber  ßanbe^nrd^e. 

4.  ®a«  Äird^entoefen  ber  fatl^olifd^en  ©d^toeij. 

a)  3)ie  tömifd^^lat^olif^e  Äitc^e  (®arei«.  II,  ©.  1—204;   Status   Cleri 
omnium  Helvetiae  Dioecesium  1805;  Süd^i  f.  oben  ©.43,i9).  S)ie  Äantone  gehören 
10  nad^  ben  Slufftellungen  ber  römifAen  Äurie  ju  folgenben  SiMmem : 

I.  6^ur:  Mxii),  Uri,  ©c^tü^j,  Unterh)alben,  ®Iaru«,  ©raubünben. 
II.  S3afeh  Sern,  ßujem,  3ug,  ©olot^urn,  Safel^Stabt  unb  Sanb,  ©d^aff^ufen, 
Slargau,  I^urgau  (S^efftn,  f.  unten). 

III.  ©t.  ©allen:  ©t.  ©atten,  WßpmiOi, 

16         IV.  Saufanne  unb  ®enf:  greiburg,  5Keuenburg,  SBaabt,  ®enf. 
V.  ©itten:  SBaDi«. 
3)iefe  ßinteilung  ift  aber  faftifc^  in  öielen  $infid^ten  nidbt  burd^efül^rt   ober  t)on 
©taat«  toegen  nid^t  aneidtannt:  „3)ie  Drganifation  ber  lat^olifc^en  Äir^e  in  ber  ©d^toeij 
ift  burc^  bie  ©c^ulb  ber  römifd^en  Äurie  in  ber  ^eillofcften  Sertoirrung :  überall  ^roöiforien, 

20  ftaatlid^  nid^t  anerlannte  ober  gelöfte  3Ser^äItniffe,  nirgenb«  befinitib  georbnete  3)iöcefan- 
berbänbe"  (®arei«,  aSortoort  ©.  IV).  3)ie  toid^tigften  ^ier^er  bejüglid^en  aSer^ältniffe  finb 
folgenbe: 

I.  2)0«  SBigtum  S^ur.    3)ie  Äantone  3ürid^,  Sugem,  Uri,  B6)tD%  Unterlöarben, 
®Iarug,  3ug,  %ppm^di,  ©t.  ®allen,  ©d^affbaufen,  2:^urgau  unb  leile  bon  Slargau  unb 

26  ©olotl^um  Ratten  bi«  1814  jum  Si^tum  Äonftan^j  gehört,  tourben  bann  aber  burt^ 
))ä))ftli(^en  ^ac^tf^rud^  bon  bemfelben  abgelöft.  2)ie  in  obiger  Überftd^t  unter  I.  auger 
®raubünben  genannten  Äantone  toerben  gegentoärtig  jtoar  bom  SBifc^of  in  6^ur  ab« 
miniftriert,  jebod^  nur  >)rot)if orifc^ ;  alle  Serfuc^e  befinitiber  ®eftaltung  bon  neuen  8i^ 
tümern  für  bie  SBalbftätte  2C.  toaren  erfolglos,    ^n  ^üxid)  tourbe  1875   „ber  foltift^e 

90  SSerbanb  mit  bem  SSi^tum  6^ur  ate  aufgehoben  erflärt  unb  ben  einzelnen  lat^oUf^ien 
®emeinben  überlaffen,  ftc^  im  galle  be«  Sebürfniffe«  mit  einer  bifAöflid^en  SSermittelung 
ober  ^unftion,  ber  Dberaufftc^t  be«  ©taate«  unbefd^abet,  nad^  i^rem  ßrmeffen  ju  be^ 
belfen".  3)ie  Äantone  Uri,  ©d^to^j,  beibe  Untertoalben  unb  ®Iaru«  ^aben  SSerträge  über 
fommiffarifd^e  SSertoaltung  mit  bem  Si^tum  6^ur. 

86  n.  3)a«  93i«tum  Safel  (Sifd^of^ft^  ©olotl^um)  tourbe  nad^  langen  SerJ^anb« 
lungen  1828  neu  georbnet  unb  bon  ben  Äantonen  93ern,  Sujem,  3^9^  ©olotl^um,  Safel, 
äargau,  I^urgau  genehmigt.  3)ie  fd^ajf^aufenfc^en  ®emeinben  gehören  bemfelben  burc^ 
>)robiforif(^e  Übereintunft  an.  3"foIge  Äonflift«  mit  bem  93if(^of  Sac^at  \pxad)m  bie 
Äantone  SSem,  ©olot^um,  äargau,  li^urgau  unb  Safetßanb  1873  bie  ©riebigung  be^ 

40  bifc^öflic^en  3lmte«  auö;  ein  neuer  SSerbanb  ift  nicf^t  gcfd^Ioffen  toorben,  unb  eö  iftba^er 
jur  3^^^  *>^^  Sifc^of  bon  Safel  nur  bon  3^0  u"b  Sujem  anerfannt.  3"  ^^^  ^^ 
ftanben  infolgebeffen  fe^r  l^eftige  unb  lang  anbauembe  ©treitigleiten,  unb  e«  ftnb  num 
me^r  bie  bortigen  römifd^en  Äatl^olifen  nid^t  mc^r  in  ftaatlic^  anerfannte  Äird^engemeinben, 
fonbern  in  freien  ®enoffenfd^aften  organiftert. 

45  III.  SDa«  Si^tum  ©t.®aUen  in  feiner  je^igen ®eftalt  beftcl^t  feit  1845.  galtifc^ 
lehnen  fic^  bie  Äat^olif en  bon  3lj)j)cnjett  an  baöfelbe  an,  ol^ne  formell  mit  bemfelben  ber« 
bunben  ju  fein. 

IV.  3um  »igt um  Saufanne  (j^^iQ^x  95ifd^of«ft$  greiburg)  toar  feit  1821  au(^ 
ber  Äanton  ®enf  jugeteilt.    1866  ernannte  ber  ^ajjft  ben  latl^olifd^en  ^Pfarrer  in  ®enf 

60  R.  ÜKermiflob  eigenmächtig   jum  §iIfgbifc^of  bon  ©enf,    unb  fteute   1873  ba«  S3i«tum 
®enf  toieber  l^er.     3)ie  Sunbe^bel^örbe   erflärtc  biefen  3llt  für  nid^tig  unb   berbonnte 
aWermittob,  ber  nic^t  berjic^ten  tooHte,  aug  ber  ©d^toeij.    3m  ^al^re  1883  erj^ob  ber 
$a^ft  ^KermiHob  auf  ben  balant  geworbenen  Sifd^of^ftu^I  bon  greibur^   unb  Iie|  il^m    . 
erflären,  bag   er  fomit  nic^t  mel^r  §iIfgbifd^of  bon  ©enf  fei,  toorauf  t^m  bie  SRüdSe^  - 

66  geftattet  tourbe. 

V.  gm  Si^tum  ©itten  beftel^t  fein  Äirc^cngefe^,   fonbern   bie  Ätrd^e  toirb  ganjBi 
nad^  lanonifd^em  3{^it  geleitet. 

VI.  2)er  Ranion  leffin  fte^t  laut  Übereinfunft  bom  ga^re  1888   nominell  unte«r 
bem  jeloeiligen  Sifc^of  bon  93afel,  toirb  aber  burc^  einen  eigenen  ajjoftolifc^en  3lbminijirato'C 

60  bertpaltet,  ber  bom  $at)fte  im  ©inberftänbni«  mit  bem  Sifd^of  bon  95afel  getoä^lt  toir* 


Sii^tDet) 


65 


unb  feinen  @t|  in  Sugano  f^at  ^rü^er  toax  ber  Jlanton  ben  Sidtümem  6omo  unb 
SRailanb  gugeteilt;  ed  mag  eine  !Ra(^it)irIung  babon  fein,  ba^  nod)  im  Status  Cleri 
für  1905  über  ben  Älentö  be«  Äonton«  lefftn  nid^t«  aufgenommen  ift. 

2)iefeitbem  16.  ga^rl^unbert  in  berSd^^toeij  beftel^enbe^äpftlic^e9?untiatur  tourbe 
tm3al^el874  aufgehoben,  inbem  ber  S5unbe«rat  toegen  ber  m  einer  >)äpftlic^en  ßnc^IUfa 
über  bie  ®enfer  Angelegenheit  entl^altenen  S3efc^im^fungen  eine  toeitere  SSertretung  bed 
^^fted  bei  ber  Sibgenoffenfd^aft  ald  unjuläfftg  ertlärte. 


©tatiftifd^e«. 
^aäi  StatuB  cleri  unb  iBüc^i,  beren  Angaben  ntc^t 

immer  ganj  ftimmen. 

8q^I  ber 

ftanton 

ftirc^ens 
gemeinben 

Pfarrer 

gKänncrflöfter 

graucnflöftcr 

ftüricft 

»em 

ST" :::::: ; 

<S4w% 

Dbtoalben 

9Jibtt)alben 

©laru« 

3ug     

grrelburg 

@oIot^um 

^el^@tabt 

a3ae(^fionb 

@(^off§aufcn 

HppenaeH  9l.«9l^.    .    .    . 
«ppcnjett  3.*«^.    .    .    . 

St.  Oattcn 

®raubünben 

^[argau 

S^urgau 

Sir«? 

«QObt 

»aüi« 

9leucnburg 

®enf 

25 

84 

87 

22 

32 

7 

7 

6 

10 

132 

72 

3 

13 

3 

4 

5 

109 

100 

80 

52 

164 

18 

133 

9 

30 

53 

106 

162 

35 

79 

30 

25 

8 

32 

179 

90 

11 

16 

5 

7 

14 

198 

142 

105 

64 

330 

33 

173 

13 

47 

3 
1 
3 
2 
1 
1 
1 
4 
3 

1 
3 

1 

4 
4 

2 

3 

1 

1 

3 
6 
3 

1 

10 

3 

1 

3 

2 

10 


16 


20 


26 


80 


86 


Son  ben  32  SWännerllöftern  finb  ju  nennen  biejenigen  ber Senebiftiner  in  ©in- 
/iebeltt  (mit  108  Äonbentualen),  gngelberg  (38),  3)iffenti«  (19);   bie  Sluguftinerd^or^enen 
^on  ©t  a3em^arb  (54)  unb  ©t.  5Jlaurice  (52);    bie  Äart^äufer  in  aSalfainte,  Ä.  grei^  40 
^urg  (22),  unb  bie  granjidlaner  in  ^'^eiburg  (9) ;    bie  übrigen  25  ftnb  Äa>)ujinerIIöfter, 
*nc^  mit  6—12  5ßatre«,  baju  eine  änja^I  §of^ijien. 

2)ie  45  grauenflöfter  gehören  ben  Drben  ber  grangiöfanerinnen  (18),  2luguftine= 
^^wien  (2),  ßiftercienferinnen  (7),  5ßrämonftratenferinnen  (1),  3)ominiIanerinnen  (5),  Sene« 
^Üinerinnen  (7),  ©alefianerinnen  (2),  Urfulinerinnen  (3).     Slid^t  inbegriffen  ftnb  l^ierbei  45 
^^^  Slei^e  anberer  Äongregationen,    bie  jum   S^eil    fel^r  toeit  ftc^   berbreiten  (©raue 
^^^^(^toeftem,  SeJ^rfd^toeftem,  Sarmberjige  ©^toeftern,  ©d^loeftem  üon  ber  aöttlidf^en  Sor- 
i^l^uiw,  Äinbs3efus©(^toeftem,  ©d^toeftern  t)om  1^1.  Äreuj,  bon  ber  etoigen  3tnbetung,  bon 
^wr  (frifili<^ien  Siebe,  bom  foftbaren  älute  u.  f.  to.).  Sefonber«  fmb  ju  nennen  bag  Sel^r- 
X^toejicminfKtut  in  SWengingen  Ä.  3ug  mit  700  ße^rerinnen,  bon  bcnen  in  250  3SoIfö- 50 
Jaulen  Unterrid^t  erteilt  unb  45  SSaifen-,  Slrmen^  unb  Äranlen^äufer  beforgt  toerben, 
inb  bie  Äongregation  ber  Sarm^erjigen  ©d^loeftern  in  ^ngenbo^I  Äant.  ©^U)i;j,  ber 
UOO  ©d^toejicm  angel^ören,  bon  benen  1350  in  ber  ©c^toeij,  bie  übrigen  namentlid^  in 
^Ofterreic^  in  ja^Ireicpen  Slnftalten  toirlen.  95cibe  Äongregationen  ftnb  bon  P.  I^eoboftu^ 
^^lorentini  gegrünbet  —  9läi^ere2lngaben  über  bie  gapi  ber  in  ben  45  grauenflöftem  ft^  55 
^uf^Itenben  92onnen  Serben  nid^t  gemacht. 

SBeitere  feft  organifierte  (Semeinfc^aften  jur  Pflege  ber  fatl^olifd^en  ^"tercffen  ftnb 
W  ©d^toeijerifd^e  ©tubentenberein,  gegrünbet  1841,  mit  runb  600  altiben  3)titgliebern, 

fUtaltifnctitlopmt  fflr  X^eotogie  unb  fiiK^e.    8.  9(.  KVIII.  5 


66  ^iftotxi  Sf^tuetjer 

bcr  ©c^tüeijcrifc^c  Äatl^oIifenDcrcin  (frtii^cr  ^tu^berein,  gcörünbet  1857)  mit  206  ©dtionen 
unb  30000  3Jlit0Ucbem,  bcr  fat^olifc^e  herein  für  ,,inlänbifci^e  3Jliffton"  gur  gürforgc 
für  bie  Äatl^olilcn  in  ben  jjroteftanlifd^en  Äantonen,  unter  Seitung  ber  fd^h)cijerif(^ 
Sijd^öfe,  unb  ber  33erbanb  ber  lat^olifd^en  ÜKänner^  unb  airbeitert)ercine  mit  68  ©eltionen 

6  unb  6000  ÜKitöliebern. 

3)a«  Drganifationetalent  ber  römifc^en  Äirc^e  mad^t  fid^  alfo  aud^  in  ber  ©(^toeij 
entf d^icben  geltenb,  \p^kü  in  ber  ^ürforge  für  ben  fatl^olifd^en  Äuitu«  in  ben 
t)roteftantifc^en  Äantonen.  3)er  auöbrudf  „inlänbifd^c  3Kiffton"  für  bie  bafelbp  bc^ 
[te^enben  fatl^olifd^en  ©emeinjc^aften,  bie  Il^atfad^e,  ba§  j.  S3.  ber  ganje  Äonton  3üricf| 

10  im  ^af)x^  1902  burd^  bifd^öflid^e  Slnorbnung  in  24  Pfarreien  eingeteilt  tourbe,  unb  bie 
überaus  rege  2:i^ätigfeit  in  ©rbauung  bon  Äird^en  unb  ^farr^äufern  legen  babei  ben 
©ebanlen  na^e,  e«  ^anble  fi^  nid^t  blo^  um  Pflege  ber  in  >)roteftantifc^en  ©egenben  ein- 
getoanberten  Äat|^oIi!en,  fonbem  um  h)irflid[ie  5ßro>)aganba. 

b)  3)ie  c^riftfatl^olifc^e  Äird^e.    infolge  ber  nad^  bem  üatilanifd^en  Äonjil  bon 

15  1870  im  Si^tum  93afel  entftanbenen  Äonflifte  erllärten  bie  Äantone  Sem,  äargau, 
©olotl^um,  SE^urgau  unb  93afel=£anb  im  5Rot)ember  1872,  ba§  fte  ba«  2)ogma  t>on  ber 
Unfe^Ibar!eit  be«  $a>)fte«  nid^t  anerfennen  unb  bemSift^of  nic^t  geftatten,  ^rieftet  toegen 
SJicf^tanna^me  biefe^  3)ogma«  mit  genfuren  ju  belegen.  3lte  ber  SSifc^of  biefem  Verbote 
ftc^  nic^t  fügte  unb  abgefegt  tourbe  (f.  oben),  bilbeten  bie  3ln^änger  ber  lird^Iid^en  SRefonn^ 

20  betüegung  ben  „SSerein  fd^toeigerifd^er  freifinniger  Äatl^olüen".  ©obann  fonftituierten  ft(^ 
in  ben  genannten  Äantonen,  fotoie  in  ben  ©täbten  ^üxid)  unb  Safel  d^riftfatl^oKfc^ 
©emeinben,  93em  unb  ©enf  übertrugen  bie  lanbe^f irc^hc^e  Drganifation  bon  ben  römif^- 
lat^olifc^en  auf  biefe  neuen  ©emeinben.  SEBä^renb  in  Sem  nac^  ber  9lnna^me  be^ 
Äirc^mgefe^e«  bom  S^i^re  1874  bie  3^^!  ber  ©emeinben  jurüdfging,  bilbeten  ftc^  ft>äter 

26  in  ber  beutfc^en  ©^toeij,  namentlii^  in  ben  Äantonen  Slargau  unb  ©olot^um  neue 
©emeinben. 

3)ie  erfte  SJationalf^nobe  berfelben  Jjromulgierte  1875  bie  „Serfaffung  bcr  d^* 
fat^olifd^en  Kird^e  ber  Scf^toeig".  1876  tüä^Ite  bie  ©^nobe  jum  erften  Sift^of  ebuorb 
Öer^og,  ber  fof ort  mit  feinen  Slnl^ängem  öom  5Pa^3fte  e^fommunigiert  tourbe.  2)ic  ©i^nobe 

30  beftc^t  auö  bem  Sijd^of,  bem  ©^nobalrat,  aüm  im  Slmte  fte^enben  5ßrieftem  unb  ®eI^ 
gierten  ber  ©emeinben.  ©ie  ftellt  bie  allgemeinen  ©runbfd^e  über  Äuitu«  unb  3Didgi})Iin 
auf,  toäl^lt  ben  ©^nobalrat  unb  ben  Sifc^of.  3)er  ©^nobalrat  beftel^t  aug  fünf  Saien 
unb  Dier  ©eiftlid^en,  unb  ift  bie  SSertoaltung^s  unb  33ottgie^unggbel^örbe.  2)em  Sifc^ofe 
ftel^en  inöbefonbere  bie  Drbination  ber  Älerifer,  bie  3luffid(|t  über  fte,  i^re  ®infe|ung,  bie 

36  aintragfteHung  betr.  Äultug  k.  ^u. 

©nbe  1904  beftanben  43  ©emeinben  unb  ©enoffenfd^aften  (3ürid^  3,  Sem  7, 
£ujem  1,  ©olot^um  7,  SafeI=Stabt  1,  Safel=2anb  2,  ©c^aff^aufen  1,  ©t.  ©atten  1, 
3largau  9,  9Jeuenburg  1,  ©enf  10)  mit  56  ^rieftern. 

Sßon  toic^tigeren SReformen  finb  folgenbe  ^u  nennen:  SoIföft)ra(^e  für  alle  Iiturgif(^en 

40  unb  rituellen  gunitionen;  Slufl^ebung  t>^  Seid^tjloangeö,  ber  ^aftengebotc  unb  be^ 
ßijlibati^efe^e^;  bie  3)teife  ift  eine  mit  ber  3^^^  entftanbene  ^orm  ber  Slbenbmal^fefeiet; 
bie  SSere^rung  ber  ^eiligen  befte^t  in  ber  3Rac^a^mung  i^re^  Seif})ietö  jc 

D.  %t.  flRf^cr. 

©i^ttieijer,  aiejanber,  ber  treucfte,  freiefte  ©c^üIer  unb  gortbilbner  ©d^Ieiermac^,  - 
46  ift  geb.  ben  14.9)Järj  1808  in  5Jiurten  (Äanton  greiburg),  tpo  feinSater,  ^jalob  ©d^toeijer,  ^ 
Sürger  Don  ^fixx'id),  ^^fcirrDertPcfcr  toar,  boc^  nur  furje  3«t  nod^  blieb,  inbem  er  1809  ^ 
bie  $fanci  9?^bau  (Äanton  Sem)  erhielt.  3ln  beiben  Drten,  fotool^I  im  elterlit^m  $fan-^ 
^aufe  bafelbft,  alö  bei  ben  ©rofecitcrn  in  Sllurten  berlebte  ber  ©oj^n  abh>ed^felnb  feine^ 
^inberja^re,  bie  er,  toie  feine  fj)äterc  Sugenb^^eit,  anmutig  befc^rieben  f)at  in  ber  na<^ 
60  feinem  3:obe  bon  feinem  ©o^ne,  $rof.  Dr.  ^aul  ©c^lo.,  1889  ^erau^egebenen  Stutos^* 
biogrojj^ie.  W\i  10  '^a^xm  h)urbe  er,  ba  eö  alö  felbftücrftänblic^  galt,  bafe  er  toie  bei^ 
Sater  Pfarrer  toerbe,  bem  ©i;mnafium  in  Siel  {nai)t  bei  9?^bau)  übergebm  unb  no^ä 
einem  ^al)x  bem  in  Safel,  too  ein  reicher  ^crr  i^n  ^u  fid^  nal^m,  feine  einfame  §äuds=» 
lic^feit  m  beleben.  3Jlit  14  '^ai}x^n  trat  ©d^to.  in  bie  fog.  ©elcbrtenfd^ule  (ba«  unteriP' 
©i;mnafium)  feiner  Saterftabt  <3üric^  ein  unb  macl^te  Bier  gute  ^ortfc^ritte  bei  tnaifipt^ 
55  fonftiger  ßsiften^,  ba  ber  burc^  Scrbürgung  gcfc^)äbigtc  Satcr  iDcnig  für  il^n  t^un  lonntc^ 
Som  ©tabtrate  bcloiHigtc  ©tijjcnbicn  erleichterten  inbc^  balb  feine  Sage,  bie  i^n  frül^-"^ 
fcbon  mit  bem  ßrnfte  bc^  Sebcnö  bcfannt  macbtc.  3"  ^^"^  ^^f  ^^^  ©elc^enfc^uL-^ 
folgenbcn  Collegium  humanitatis,   trat  il^m  auc^  bcr  Gmft  feine«  fünftigen  getfÜit^c^ 


SSerufed  nä^cr,  um  fo  mei^t,  d^  er  burc^  ßdtürc  an  feiner  biig^erigen  naiöen  ©läubigleit 
irre  getoorben  toax,  toenn  auc^  im  SJertrauen  auf  ®ott  atö  ettüaö  Selbfttoerftänbli^em 
feft  geblieben.  3lad)  biefem  burd^Iief  ©c^to.  bie  Jj^ilologifc^e,  j)^ilojoj)bifci^e  unb  ti^eologifc^e 
Älaffe  ber  ©c^ule  be«  Carolinum;  bo4>  bejeid^nete  er  bie  bort  erlangte  93ilbung  ate  eine 
fd^  mangelhafte,  ber  Srgänjung  burd^  ^ritoatftubien  bebürftige;  in  Sejug  auf  Übung  in  6 
iRebe  unb  Vortrag  jog  er  größeren  (Setoinn  au^  einem  gehaltvollen  ftubentifc^en  Sereinö^ 
leben,  abgefei^en  bon  ber  bort  gej)flegten  Äörj)erftärlung  burd^  lumen  unb  ))atriotif(^en 
Segeifterung. 

Sm  ^Jrül^ia^r  1831   beftanb  ©d^to.  ba«  tl^eologifc^e  ©jamen  unb  toarb  burd^   bie 
Drbination  in«  jürd^erfd^e  3Rinifterium  aufgenommen.    2luf  Sßerlocnbung  be«  bem  viel-  lo 
Derft)rec^enben  Sünglinge  gezogenen  ß^or^erm  ©c^ult^e^   tourben  i^m  ©tijjenbien   ^um 
Sefuc^  einer  beutfcpen  ^od^fc^ule  getoä^rt,    unb  fo  verlebte  nun  ©c|u).  nad^  einjähriger 
Sefc^äftigung  afe  ^audle^rer   feine  übrige  Äanbibatenjeit  in  I)eutfd^lanb.    ^n  Serlin, 
too^in  i^n  bcfonber«  ©t^letermac^er  jog,   befud^te  er  vor  allem  beffen  i^n  am   meiften 
förbembe  3Sorlefungen  mit  großem  gleite.    3Son  feinem  ,,£eben  3l«fw"  unb  feiner  Jj^ilo^  i6 
fot)^fd^en  St^if,   bie  er  toenige  ^af)xt  f>)äter  au«  ©c^l.«  9Jad^lafe  in  fürjerer  gorm  al« 
,,©^ftem  ber  ©ittenlel^e"  (1835)  l^erau«jugeben  veranlagt  tourbe,  mad^te  er  fic^  2lu«jüge. 
©el^  belel^renb  toar  für  t^n  aud^  ©d^l.«  „^ermeneutil  unb  Äritil"  unb  beren  Slnloenbung 
auf  bie  erllärung  be«  SKatt^äu«;    auc^  ferne  Olauben^lei^re  ftubierte  er  forgfältig,   unb 
feine  ißrebigten  befuc^te  er  regelmäßig,  fanb  aber,  baß  fie,   obtpol^l  ^öd^ft  erbaulid^  für  20 
bie  i^m  angebilbete  ©emeinbe,  bod^  nic^t  ju  einem  äSorbilb  für  aQe  fid^  ^infteUen  ließen. 
Son  anbem  tl^eologifd^en  ^ßrofefforen  l^brte   er  nod^  Sleanber,  toä^renb  i^n  ÜJlarl^einefe« 
ßegelfc^e  3:^eoIogie  lalt  ließ  unb  feml^ielt,  in  ber  t)^ilofopl^ifcf)en  ^alultät  mit  befonberem 
gntereffe  SRitter  unb  Södfi^.    5Keben  ©c^l.  tourben  auc^  bie  übrigen  bebeutenbften  ^rebiger 
Berlin«  angel^ört,  unb  mit  ©^boft)  ein  befonber«  freunblic^er  >)erfönlid^er  SSerfe^r  angefnüt)ft.  26 
Um  aber  aud^  ^ugleid^  ))robu{tiV  t^ätig  ju  fein,  enth^arf  ©(^.  eineStb^anblung  über  ben@egenfa$ 
}b)tfd^en  9lationali«mu«  unb  ©ut)ranaturali«mu«  unb  eine  „@rtlärung  ber  äSerfuc^ung«^ 
gefc^ic^te"  (jufammen  gebrudft  1833),    in  beiben  nod^  fcl^r  abl^ängig  Von  ber  ©c^l.fc^en 
©ebanlenhjelt.    Qu  ^ppngften  be^felben  ^a^xci  tourbe  er,   nad^bem   er   erft  feit  einigen 
SBod^en  in  ^ma  ju  ftubieren  begonnen,   auf  eine  für  5ßaftor  §irjel  in  Seipjig  gel^altene  so 
Srebigt  ^in   fofort    atö  §ilf«>)rebiger  ber  bortigen  reformierten  ©emeinbe    feftgel^alten, 
lonnte  aber  baneben    feine  ©tubien   an  ber  Univerfttät  (bei  SBincr,  SCBeiße,  »^ermann, 
SBac^mut^)  fortfe^en.    gm  ^af^x  1834  fa^  unb  l^örte  er  ben  i^m  auc^  j)erfönli(^  nä^er 
getretenen,   l^odbvere^rten  ©c^l.  bei  einem  Sefud^c  in  Serlin  jum   legten  3Jiale,  toenige 
SBoc^en  Vor  beffen  lobe.    9lu8  33eranlaffung  be«]elben   fc^rieb  er  in  ba«  „Journal  für  36 
?Prebiger"  eine  3)arftellung  Von  „©d^l.«  SBirffamfeit  al«  ^rebiger  1834".    ^Jioc^  frülier 
^tte   er  eine  Slbl^anblung  „Über  bie  3)ignität  be«  3leligion«ftifter«"  in   bcn  „©tubien 
imb  ftritifen"  Veröffentlid^t. 

3n   ber   ©c^rift    „Äritil   be«    ®egenfa$e«    jhjif^en   3lationali«mu«    unb    ©ujjra^ 
naturali^mu«"  rebet  ©dj^to.  bem  gortbeftejien  beiber    infofern  ba«  3Bort,   al«  bcibe  jtoei  40 
33Bege  gum  gleichen  Kxd  fmb,  gtoei  Verfc^iebene  Sluffaffung^toeifen  bc«  G^riftentum«,  ber 
<Sm)ranaturali«mu«  oie  mebr  unmittelbar  inbivibuetle,  ba^er  leidet  in  3)i^ftict«mu«  au«= 
ortenbe,   ber  3lationali«mu«  bie   me^r  ^iftorifc^e,    unter   bem  ß^aralter  ber  3i^<^"^i^^^ 
totrienbe,  gum  5IKed^anifieren  geneigte,  ba^er  beibe  ju  einem  von  i^eibenfc^aftlid^feit  freien, 
orconifc^en  3wfö>"'n«»h)i^^f^n  berufen,    gn  ber  ©c^rift  über  bie  3)ignität  beö  SRcligion«^  45 
ftifter«  fc^reibt  er,  ebenfaD«  im  ©inne  unb  ©eifte  ©^leiermac^er«,  (Sl^riftu«  al«  bem  Stifter 
^^t  einen  Äirc^e  (ber  VoDenbeten  Sleligion)  eine  urbilblid^e,  in  3i^tum«=  unb  ©ünb= 
*ofiöIeit  fid^  befunbenbe  3)ignität  gu,  infofern  er  bie  für  bie  menfc^lid^e  ©attung  moglicbft 
'^^'"f^^  äuffaffung  be«  Slbfoluten   im  unmittelbaren  ©elbftbeloußtfein   in   ftd)   trug,  unb 
|nte  vorbilblic^e,  infofern  er  biefe«  ©otte^betoußtfein  mit  allen  "üJlomenten  be«  ^citlirf^en  so 
"«toußtfein«  gu  Verfnüi)fen,  ba«  ganje  Seben  mit  i^m  gu  burc^bringen  tpußte,  eine  fotpo^l 
Ö^abuelle  ate  bem   religio«  fortgefc^rittenften  unter  ben  ^Jlenfc^en,    toie   f)3.ejififc^e 
^^  bie  ©tetigleit  feine«  ®otte«beh)ußtfein«. 

.  ©d^toeijer«  SBirffamleit  in  ber  i^m  liebgetoorbenen  ©tetlung  in  Sei^jjig  bauevtc 
^^i  lange.  Slnerbietungen  Von  3^^^^  f"'^  ^^"^  bortigc  I^ätigfeit  al«  £)05ent  unb  55 
^tAiger  jugleit^  riefen  i^n  nod^  im  ga^r  1834  in  feine  SJaterftabt  gurüdf.  §icr  trat  er 
i^ort  in  ein  reiche«  3lrbeit«felb  ein,  an  ber  1833  gegrünbeten  §o4)fc^ulc,  bem  Tiamon 
JJ^  al«  ^PriVatbojent,  t^atfäc^lic^  aber  al«  ^n^aber  jioeier  außerorbcntlidber  ^^rofeffurcn, 
^  neuteftamentlidjen  ßjegefe  unb  ber  })ra!tifc^en  Xbeologie,  außcrbem  aud>  al«  tVitax 
^  ®roßmürtfter,    too   er  10  ^a^re   barauf   jum   ^fauer  getoä^lt  tourbe.    Xitel  unb  ao 


68  Sii^ttietjer 

SRang  ctne^  au^crorbentlid^en  ^ßrofcffor^  erl^iclt  et  fc^on  1835,  bie  ScförbenmQ  jum 
orbentlic^en  1840.  1835  gtünbele  er  auc^  feinen  eigenen  ^au^ftanb  butd^  äiermäl^lung 
mit  ßj^orlotte  5IKöIIer  bon  9Jorb^cmfen,  bie  i^m  jebo^  fd^on  am  erften  ^l^^tedtage  ber 
Irauung  md)  ber  ®eburt   eine^   löc^terd^en^  burc^  ben  lob  entriffen   toarb.    @rft 

6  nad)  ia|relangem  aHeinfein  fc^Iofe  er  ein  jtüeite^  g^ebünbnid  mit  Slojtna  Sanbi«  Don 
Jüd^ter^toil,  toeld^e  i^m  3  ©öl^ne  fd^enlte  unb  bi«  ju  feinem  2;obe  jur  ©eite  ftanb,  na^ 
einem  längeren  ®emütdleiben  burd^  i^re  böQige  (Senefung  ba^  &lixi  ber  f^amilie 
er^öl^enb. 

3n  biefer  3^*  feiner  erften  SSBirlfamfeit  in  Rüric^,  in  toelc^er  ani)  feine  litterarifc^e 

10  I^ätigleit  nid^t  ftiHe  ftanb  (SJlitarbeit  an  ber  feit  1836  etfd^einenben  „5Reuen  Äird^en^ 
jeitung  für  bie  reformierte  ©c^toeij"  u.  f.  tu.),  begann  im  fircplic^en  unb  jjolitifd^en  ßeben 
Rüx\d)i  bie  ©traufefc^e  S3etoegung  mit  i^ren  Äämj)fen  unb  SEBirren,  in  toelc^e  auc^  ©d^h). 
^ineingejogen  tourbe.  ^urc^  feine  ^erfönlic^e  Eigenart  toie  burc^  feine  tl^eologifd^e  ©(^ule 
unb  feine  bürgerUd^sfojiale  ©tellung  auf  eine  t)ermittelnbe  ^altung  ^iuifd^en  ben  ©egen^ 

16  fä^en  be^  Äonferbati^mu«  unb  SRabilali^mu«  auf  t^eologifd^-lirdflicvem  toie  >)oIitif(|em 
(Sebiet  angetoiefen,  trat  er  ben  heftigen  „fiaientoorten"  be^  ©ängerbater«  5Rägeli  Vuiber 
ba«  lurj  jubor  erfd^ienene  ,,2eben  S^f""  bon  ©trqu^  in  einer  SRecenfwn  fel^r  entf^ieben 
entgegen,  aber  ebenfo  audb  ben  erften  öffentlichen  Su|erungen  ju  ®unften  einer  Berufung 
bon  ©trau§  ate  orbentlic^em  ^ßrofeffor  ber  2i^eoIogie  nac^  3^^^-   3"  ^^"^^  Stbl^anbtung 

20  über  „2)a«  ßeben  3^fw  bon  ©traufe  im  SSerl^ältni«  jur  ©(^Ieiermad[>erfc^en  3)ignität  be« 
3leIigion«ftifter«  1837"  beläm>)fte  er  beffen  ©a^,  „bie  ^bee  fd^ütte  i^re  gütte  nie  in 
einem  ßinjigen  au«,  fonbem  berteile  fte  an  bie  ©efamtbeit,  unb  ber  ßrfte  in  einer 
fuccefftben  3flei^e  lönne  nie  bie  abfd^Iiefeenbe  SBoHenbung  fdpon  beft^en,  toeil  bielme^t  ba« 
®efe|  ber  3JerfeItibilität  alle^  immer  toieber  beffer  unb  öoDfommener  toerben  laffe".    ®r 

26  tüie«  l^in  auf  Seben^ebiete,  in  benen  biefe«  ®efe|  nic^t  gelte,  bie  auf  >)erfönli(^er  ®m\alu 
tat  rul^enb,  ftc^  burc^au^  nac^  anberen  ®efe^en  betoegen,  fo  bomel^mlid^  bad  religiöfe 
Seben,  in  toeld^cm  einzelne  toenige  Sleligion^ftifter  für  gro|e  3rit^öwme  unb  SSöIIerlreife 
ate  boDenbete,  unübertroffene  SJleifter  baftel^en,  unb  unter  biefen  einer  bie  ber  3Kenfc^^eit 
allein  befinitib  angemeffene  ^bmmigleit  ergriffen  unb  au«  innerftem  Seben  geoffenbart, 

80  alfo  bie  Sieligion  für  immer  boHenbet  l^aben  lönne.  fjm  übrigen  anerfannte  er,  fotodt 
e«  i^m  möglid^  toar,  bie  grofien  SSorjüge  ber  ©trau^f^en  ©d^rift  unb  il^re  SBebeutung 
für  bie  görberung  ber  tl^eologifd^en  Silbung.  ©eine  äb^anblung  ^at  nad^^altige  SBirfung 
aud^  auf  bie  freier  gerid^tete  Il^eologentoelt  au^eübt,  namentlich  mit  tl^rer  Betonung  ber 
S3ebeutung  ber  ^erborragenben,  fc^öpferifd^en  religiöfen  $erfönlic^!eit,  toenn  auc^  eine  noc^ 

86  unbefangenere  gorfc^ung  finben  bürfte,  er  fei  mit  feiner  3lnnal^me  einer  einmaligen,  ab= 
foluten  ^oUenbung  ber  äleligion  burd^  einen  ganj  Einzigartigen  feinerfeit«  aud^  )u  ioeit 
gegangen. 

211«  bann  ^u  3tnfang  be«  ^ai}x^  1839  bie  fom})etenten  93el^örben  bod^  ©traufe  an 
bie   erlebigte  $rofeffur   für  neuteftamentlic^e  2^beologie   (nebft  3)ogmatiI  unb  Äird^cn« 

40  gefc^id^te)  berufen  tootlten,  ungead^tet  ber  im  9Solfe  über  biefe  93erufung«frage  entftonbenen 
bro^enben  Setoegung,  bie  gule^t  jum  offenen  3lufru^r  in  bem  belannten  ©e})temberj)utfc^ 
unb  gum  ©turge  ber  SRegierung  geführt  \^at,  toamte  ©d^lo.  in  bem  üon  i^m  üerfa^ten 
®utac^ten  ber  t^eologifc^en  galultät,  bejto.  ber  3Jle^r^eit,  emftlic^  t)or  folc^em  SBagni^ 
unb  toerf od^t  feine  Slnfid^t  mutig  au^  in  einer  ©i^ung  be«  ®ro^en  SRate«,  beffen  SWitglieb 

46  er  toar,  o^ne  barum  bie  5Rottoenbigfeit  einer  ürd^lid^en  Sleform,  aber  auf  anberem  SBege 
unb  mit  anberem  3»^^^'*^  h^  beftreiten.  3ltlein  ebenfo  unerfc^rodfen  trat  ©c^to.  ber 
reaftionären  ©trömung  entgegen,  bie  im  ®efolge  be«  neuen,  fonfertjatiben  Slegimente« 
nun  in  Äird^e  unb  ©taat  ftc^  geltenb  macf^te.  3)afür  tourbe  er  burd^  SJic^ttoieberhKi^l 
au«  bem  ®rofeen  State  entfernt  unb  befc^lo^    bamit,   nad^   ben  gemad^ten  ßrfa^rungen 

60  nid^t  ungern,  feine  j)olitifc^e  aSirtfamieit.  dagegen  na^m  er  1849  loieber  eine  ffia^l 
in  ben  Äirc^enrat  an,  bem  er  fc^on  früher  angel^ört  ^atte  unb  nun  toeiter  bi«  1872 
angehörte. 

Sm  3a^r  1840  bon  ber  t^eologifd^en  ^afultät  93afel  mit  ber  3)oftorh)ürbe   beel^, 
toibmete  er  i^r  gum  2)anle  feine  Sd^rift  „3)a«  ©toangelium  3loi^anne«  nac^  feinem  inneren 

66  aBert  unb  feiner  Sebeutung  für  ba«  geben  g^fu  Iritifcf)  unterfuc^t  1841".  ^n  berfelben 
üerfud^te  er,  bie  ©d^h)ierigfeiten ,  toeld^e  bie  annähme  ber  5(ut^entie  biefe«  Söangelium« 
unb  ber  Slugen^eugenfc^aft  feine«  Serfaffer«  bebrüc!en,  ^u  beben  burd^  bie  ^rei«gebung 
feiner  6in^eitlid[jleit  unb  bie  Unterfc^cibung  ^loeier  Seftanbteile,  eine«  galiläifd^en  mü 
äufeerlid^cr,  niebrigerer  3luffaffung«ti)eifc,   geftcigcrtcm  SBunberbcgriff,  bon  einem  fj)äteren 

60  Überarbeiter  ^enü^renb,  unb  eine«  jjubäifc^en,  urf))rünglicf)eren  Don  ibealerem  ®eifte,  ent« 


Sii^tQrijer  69 

toeber  bom  2lt)ofteI  fclbft  ober  boc^  einem  Slugemeugen.  3)iefe  $^j)otl^e|e,  fett  Jöaurö 
e))oc^emad^enben  Unterfud^ungen  über  ba^  bterte  @t)ange(tum  unhaltbar,  tft  t)on  @d^n). 
fpäter  felbft  aufgegeben  toorben.  $ö^ere  unb  bleibenbe  SBebeutung  für  bie  t^eoloaifd^e 
SBijfenfc^aft  getoannen  feine  bogmatifc^en  SSBerle.  2luf  ben  1840  erfd^ienenen  „Seitfaben 
aum  Unterricht  in  ber  d^riftlic^en  ©lauJben^Ie^re  für  reifere  Äated^umenen"  folgte  1844—47  6 
fein  oudfül^rlic^ed,  gelei^rted,  mü^et)olIed  3BerI  ,,^ie  ®Iauben^(el^re  ber  et)angelifc^$ 
reformierten  Äird^e",  gefd^rieben  nid^t  au«  fjjejififd^er  Seborgugung  ber  eigenen  Äonfeffton, 
too^I  aber  in  ber  Überjeugung,  ba§  ein  jur  ÜKobe  getoorbene«  Sonberlut^ertum  bie  alte 
reformierte  Dogmatil  bertoerfe,  o^ne  fie  ju  fennen,  unb  bod^  gerabe  burd^  biefe  fe^r  l^eilfam 
ergänjt  toürbe,  ba^  jtoar  ber  ^roteftanti^mu«  über  beiberlei  Dogmen  (ängft  l^inau«  ent^  lo 
\v\ddt  fei,  gerabe  barum  aber  feinen  Suf^^n^^^^^nG  ^^^  früj^erer  Sel^rtoeife  too^I  im 
Äuge  tti  behalten  l^abe.  Sluc^  fd^ien  il^m  eine  toa^re  Union  beiber  Äirc^en  nur  mö^Iid^ 
bei  bouer  Äenntni«  beiber  Se^rbegriffe,  toobei  ba«  ©ebiegenfte,  am  meiften  $roteftanttfc^e 
nt  aDgemeiner  (Geltung  gelangen  foQte.  Sie  burd^greifenbe  Sigenart  ber  reformierten 
Rird^e,  bie  trofe  aller  berfcbiebenen  9Jüancen  bei  i^en  Sleformatoren  unb  3)ogmatiIem  ib 
bod^  einen  einheitlichen  Z^fpu^  erlennen  läi&t,  ift  nad^  Sc^to.  ber  5ßroteft  h?iber  alle« 
^Paganifierenbe  in  ber  latl^olifd^en  Äirdbe,  toiber  alle  l^eibnifc^e  Äreaturtergötterung,  toie 
bie  lut^erifc^e  i^re  D>)>)ofttion  toefentlicp  gegen  ba«  ^wbaiftifd^e  in  berfelben  rid^tet.  3)ems 
gemäg  ift  ba«  ®runb)?rinji^  ber  reformierten  jCird^e  bie  fc^lec^tl^iniae  Slb^ängigleit  allein 
bon  @ott,  ein  t^eologifc^e«  neben  bem  ant^ro))ologifd^en  ber  lutperifd^en  )?om  aQeinsao 
feligmac^enben  ©tauben,  beffen  regulative  99ebeutung  @c^to.  nun  burd^  bie  ganje  refor« 
mierte  ®lauben«le^e  ^inburdf^  nad^toeift,  too  ba«  abfolute  Sfeefen  ®otte«,  in  ber  5ßrobibenj 
tpie  in  ber  ^röbeftination  überall  alltoirifam,  nic^t«  Snblid^e«,  ©innlid^e«  ftörenb  mit 
f[^  in  äSerbinbung  bringen  lö^t.  ^öd^fte«  ^ogma  ift  l^ier  bie  jtunbgebung  ®otte«  unb 
feiner  $errlic^!eit,  abgeleiteter  3^^^!,  burd^  SSerl^enlic^ung  ®otte«  an  xf)x  teiljunel^men  25 
unb  ba«  $eil  ju  erlangen,  ätufbiefem  ©runb^rinjip  fu^t  aud^  bie  (Einteilung  ber  ganjen 
^orfteQung  nac^  ber  reformierten  f^öberalmet^obe  mit  il^ren  etvig  bon  ©ott  befc^loffenen 
Sünbniffen.  3n  ber  ganzen  2lrbeit  folgt  ben  5Paragraj)^en  mit  ben  Selegftellen  au«  ben 
S^eformotoren  unb  3)ogmatifern  eine  Äritil  be«  SBerfaffer«.  3Ba«  man  auc^  an  biefem 
aOäerl  t)on  berfd^iebenen  ©eiten  au«fe^en  mochte,  jebenfall«  ift  nie  jubor  ber  ©runb^  so 
c^arolter  ber  beiben  Äonfeffionen  unb  il^r  3Ser^ältni«  jueinanber  fo  richtig  unb  Ilar 
bargefteUt  tborben. 

^n  ber  gleichen  Slic^tung  betbegte  ftd^  ©d^to.«  jübeite,  überau«  reid^^altige  unb  lel^« 
reiche  bogmatifd^c,  bejto.  bogmenl^iftorifc^e  ©d^rift  „S)ie  proteftantifc^en  (Sentralbogmen  in 
i^rer  ©nttoidflung  innerl^alb  ber  reformierten  Äird^e"  (1854  u.  56,  1.  95b  ba«  16.,  2.  95b  86 
ba«  17.  u-  18.  ga^r^unbert),  eine  ßrgänjung  unb  95eftätiguna  ber  erften.  3)ie  ßentrat 
bogmen  nämlidjf  al«  3lnth)ort  auf  bie  grage,  toie  ber  fünbl^afte  SWenfd^  erlöft  unb  feiig 
toerbe,  d^ralterifieren  fic^  in  ber  reformierten  Äird^e  eben  in  ber  abfoluten  ^räbefti« 
nationalere,  bie  ba^er  auc^  ^ier  bie  toic^tigften  grörterungen  beranlafet  ^at.  ^on  ben 
SReformatoren  an,  bie  urfprüngltdjf  alle  biefer  ße^e  l^ulbigten,  unb  bon  benen  ßalbin  ü^  40 
il^ren  9(bfc^lug  gab  unb  fie  energifd^  gegen  alle  Eingriffe  berteibigte,  toirb  bie  ©efc^id^te 
biefe«  3)ogma«  toeiter  gefübrt  unb  gezeigt,  toie  e«  in  ber  reformierten  Äird^e  in  feiner 
jÄroffften  gform  jur  ^errfd^aft  gelangte,  toä^enb  bie  lutl^erifd^e  nad^  bem  Vorgänge 
aReland^t^n«  fid?  bon  i^m  abtoanbte,  unb  toie  biefe  Se^re  nad^  Unterbrüdhing  be«  fte 
bePreitenben  ärminiani«mu«  unb  95efämj)fung  be«  fte  mobifigierenben  3lm^ralbi«mu«  unb  46 
Sßaioni«mu«  in  ber  ^Ibetifd^en  ilonfenfu«formel  1675  ben  l^öc^ften  ®ij)fel  ber  Drt^obojie 
crreic^ite,  um  barauf  im  18.  Sör^wni^^*^^  ^"^^  ^i"^"  Umfc^loung  im  lirc^lic^en  95etou|ts 
fein  felbft,  i^e  SÄeutung  mel^  unb  me^  ju  berlieren.  211«  bogmatifc^e  Verarbeitung 
rein  c^ftlid^er  unb  broteftantifc^er  ©runbfä^e  (Unentbe^rlid^Ieit  ber  unberbienten,  frei, 
ober  gcorbnet  toaltenben  ®nabe  ®otte«  in  ß^riftu«  für  bie  em>)irifc^  gegebenen  fünbbaften  eo 
ÜRenf^en)  in  il^er  ortl^obojen  gorm  unhaltbar,  bebürfen  bie  Sentralbogmen  ber  «irc^e, 
nad^bem  i^e  ©nttoidtelung  bur^  „rebolutionäre  ©türmer"  unterbrod^en  toorben,  l^eute 
einer  Umgeftaltung  unb  Berichtigung  au«  innerlichen  firc^lic^en  95ebürfniffen. 

Die  britte  gro^e  bogmatifc^e  ©c^rift  ©d^to.«  „3)ie  c^riftlid^e  ®lauben«lere  nad^ 
jnfoteftantifd^en  ©runbföften"  (2  95be  1868—69,  2.  äufl.  1877),  eine  grfüHung  biefer  66 
gorberung  in  nod^  toeiterer  3lu«bel^nung  auc^  auf  bie  übrigen  Seigren,  beginnt  mit  ber 
@r!Iärung:  „S)ie  ®lauben«lere  i}ai  ^eutjutage  eine  nid^t«  toenigcr  al«  leidste  älufgabe 
ju  löfen,  ba,  h>a«  toirflid^  ®laube  ber  ebangelifc^en  Gl^riften^eit  ift,  richtig  gekört  toerben 
frfl,  gerabe  barüber  aber  bie  SSerftänbigung  nur  mül^fam  fid^  bur(^arbeitet.  ßinft  ^aben 
bie  Söter  i^en  eigenen  ®lauben  be{annt,  |e$t  l^ingegen  mü^t  man  ftc^  ab,  i^e  95e{ennt«  m 


70  Sii^toetjer 

nifje  ju  glauben.  2)en  tüirflid^  glaubbaten  ©laubcn  ju  leieren,  ift  ba^cr  ein  bringenbeg 
Sebürfntö  getoorben".  3)enn  bic  heutige  ®Iaubcn^lelE>re  f)ai  im  Unterfd^ieb  t)on  bcr 
frül^ercn  3)ogmatif,  ber  3Biffenjd^aft  t)on  ben  3)ogmcn  ber  Äirc^e  ate  binbcnben  Sel^i^ä^cn, 
bcn  ©laubcn  bcr  jc^igen  ©nttoidfelungöftufe  ber  cDangcIifc^en  Äirc^c  barjuftellen.  ©ic  ^at 

6  ba^er  ibren  ©toff  au^  bem  üon  d^riftlid^cr  ©rfa^rung  burd^gcbtlbeten  frommen  ©elbfls 
betpufetfein  ^u  fc^ö>)fcn,  toobei  aber  baig  ganje  ©ebiet  ber  ebangelifd^sc^riftlid^en  erfa^rung 
in  bcr  Äird^e  angefragt  unb  benu^t  toerben  mu|,  unb  bie  fo  gewonnenen  ©riennlnijfe 
al^  bie  gcfunbe  ©nttüidEelung  aufzuzeigen  ftnb,  inbem  fte  il^ren  d^riftlic^en  ß^arafter  an 
bcn  ©diriftjeugniffen   unb    ilf^ren  j)roteftantifc^en  an  ben  ©Embolen  unb  ber  toeiteren 

10  Irabition  unfcrcr  Äird^e  erh?eifen.  3"^  ^^^^^  $aut)tteil  be«  SBerlö  toerben  bie  ®runbs 
öorau^fc^ungcn  be«  ebangelifc^en  ©laubenöbetoufetfein^  be^anbelt,  junäc^ft  ba^  3Befen  ber 
Slcligion  aU  ^nm\vnim  be^  tJ^atfäd^Iid^cn  Ser^ciltniffeS  ber  fc^Iec^tl^inigen  Slbl^ängiglctt 
üom  Uncnblid^en  im  Oefü^l,  im  engen  2lnfc^Iu|  an  Sc^leiermad^er,  aber  mit  ber  fid^t^ 
baren  S3emü^ung,   bcffen  ßinfeitigleiten  ju  forrigieren.    3)iefe«  Slb^ängigfein  Don  ®ott 

16  beftimmt  ftc^  nä^er  afö  ba«  Don  bcr  ©efamtbet^ätigung  ®otteg  in  ber  9Jaturorbnung,  ber 
ftttUd^en  SBcItorbnung  unb  ber  Drbnung  bed  ®otte^reici^g.  §ierauf  toirb  bie  c^riftKc^e 
SRcItgion  fj)ejien  be^anbelt  unb  bejeic^net  ate  bie  l^öc^fte  Stufe  in  ber  Snttüidfelung  ber 
SRcIigionen,  in  tüclc^c  atte  übrigen  aufgellen,  unb  unterfc^ieben  Don  i^nen  baburc^,  baj 
fic  an  ^c\u^  ß^riftuö  alö  ben  Offenbarer  unb  33ermittler  ber  bolllommenen  ©rlöfung 

20  getoicfcn  (in  ber  1.  2luflage  I;iefe  e«  lategorifd^cr  „gebunben")  ift,  afö  ben  3:rägcr  be« 
freien,  ungehemmten,  fomit  einer  Sriöfung  nic^t  erft  bebürftigen,  freubigen  ®otte«oeh)u|ts 
feing.  ^n  i^m  fd^auen  toir  ba^  reine  2lbbilb  be^  göttlichen  Seben«  in  menfd^Iid^er  Sr* 
fc^cinung,  o^nc  barum  ben  ibealen  unb  ben  l^iftorifd^en  Gl^riftuö  ju  bereinerleien  ober 
baö   ^iftorifcb=fritifci^  au«Z"*"*^^^l"*>^  ^^^^^  S^f"  i"  *>i^  ®Iauben«Iel^rc  bineinjujiel^en.  — 

26  2)icfe  äuffaffung,  bcn  „j)ofitit)cn"  Il^eologen  nic^t  in  aDem  genügenb,  \)at  auf  Seite  ber 
freieren  alö  ju  tocitge^enb  mel^rfad^en  begrünbeten  ©intoänben  gerufen;  ebenfo  totrb  bie 
Siegel  für  bie  Slu^mittclung  be«  SOäa^ren  am  überlieferten  gl^riftentum,  nämlid^  baö 
3ufammcntrcffen  be^  ^iftorifc^^g^riftlici^en  mit  bem  ^^beaten,  ber  gjbee  ber  ftttlid^sreligiöfen 
3SoII!ommcn^eit,  fotoeit  fie  in  unferem  c^riftlic^en  93etou^tfein  lebt,  laum  ate  pdjferer  unb 

30  au^reid;cnbcr  Ranon  betrad^tct  toerben  lönnen. 

3la6^  bcr  SHcIigion  über^auj)t  unb  bem  ß^riftentum  tüirb  ber  5ßroteftantx3mu5 
bc^anbclt,  beffcn  ^rin^ij)  im  energifc^en  ©ringen  auf  ba^  reine  SOäefen  be^  ß^riftentum« 
bcftcJ)t  gegenüber  ben  trabitioncDcn  Sluöartungen  iebeö  ^{italttx^,  toie  bem  ^eftl^Itens 
tüollcn  bc$  ßl^riftcntum^  in  irgenb  einer  zeitlichen  3wftänblic^leit.    5Rur  in  Unterorbnung 

36  unter  biefe^  oberfte  ^rin^ij)  lönnen  toeitere  für  i^n  aufgcftcDt  tücrben,  fo  hai  formale 
^rinjij)  ber  Slutorität  bcr  1^1.  ©c^rift  unb  ba^  materiale  ber  SRec^tfertigung  burdjf  ben 
®Iaubcn  (an  bic  göttlid^e  ®nabc).  ^m^^  Wiü  auöfagen,  ba^  bie  Schrift  ung  in  ben 
©tanb  fcjc,  bic  reine  cbriftlic^e  2Ba^r^cit  au^jumitteln,  inbem  jeber  burd^  reKgü5fe  ©r^ 
fa^rung  Surd^gcbilbctc,   in  jcbem  gcitaltcr  ba^  zum  §cil  SJottocnbige,  ba^  ®otte^ort, 

40  @cfc^  unb  ßbangclium  in  i^r  finbet,  toonebcn  bcr  übrige,  untücfentlid^e  ©c^rifttnl^t 
fein  entfcbcibcnbc^  Slnfe^cn  beanjj)ruc^cn  fann.  2)iefcg,  in  feiner  hergebrachten  jeittoeiligen 
yyaffung  auf  reformierter  unb  lutl^erifd^cr  ©cite  bcr  ®cfal^r  be^  SKifeberftanbe«  unb  ber 
Ücbcrtrcibung  au^gefc^t,  brücft  bic  bleibcnbe  ^bcc  axx^,  bafe  ba^  SBcjen  be«  6l^riftentum« 
allen  S^rübungen  burc^   blo^e  ®efc|e^rcligion  gegenüber   fc^arf    ak   ßrlöfung^religion 

45  bcjcidinct  toirb. 

3m  ziücitcn  §au>)tteil  n)irb  z"^ft  bag  befJ)roci^cn,  \va^  biefc«  ©J)cziftfcl[fe  ber  c^rijl« 
Iicl)cn  9{cligion  nicbt  entbält,  aber  in  i^r  auc^  enthalten  ift,  ber  elementare,  aDgemein 
rcUgiöfc  ®Iaubc,  bie  fogcnannte  natüdid^e  2:lf)coIogic ,  ba^  fromme  Setoufetfein  ber  Sft« 
bängigfcit  Don  ®ott,    fotocit   q^   burc^    bic  ^unbgcbung  ®ottcJJ  in  ber  natürlidjfen  unb 

60  fittlid;cn  2Bclt   erregt   toirb   —   tpclc^cm   auf  ©cite  ©otte^  bie  ßigcnfd^aften  ber  ält 
macf>t,  3lÜtoiffen^cit,    (Sioigfcit,    3lIIgegcnloart  cinerfeit^,   in  SBcItfd^ö^fung  unb   4enlung 
ficf)  bctbätigcnb,  bic  bcr  ©üte  (im  ©innc  Don  bonitas,  nietet  benignitas),  ber  $eUigfeit|^ 
2lHM*^beit,  öcrcd^tigfcit  anbcrcrfcitö ,    im  93cgrünbcn  unb  S^oÜftrcdcn  ber  fittlid^en  2BeIt= 
orbnung,  im  ©efc^gcbcn  unb  ■•)lid^tcn  fic^  bchmbenb,  cntf>)red^en.    9Jad^  btefcm  toirb  im^ 

65brittcn  $aut)ttci(  baö  ©J)czififd;c   be^  c(>riftlicb=rcligiöfen  Sctou^tfcin^  bcl^anbelt,   bad  bem 
©laubcn   unb  Vertrauen   fid)  t>oIIenbenbc  ©cfüJ^I  bcr  2lbJ)ängigfcit  üon   bem   aud^  \xa^ 
.sScilölcbcn  fd;(cd^tbin  bcgrünbcnbcn  Öottc,   iocId;cm   auf   feiner  ©cite  bic  ^öd^ften  @igej^* 
fcbaftcn,  Siebe,  ©nabc,  i^atcrU^ciö^cit  unb  Sarm^crjigfeit  cntf^rccf)cn.  2)urd^toeg  toirb  ^cx" 
unb  im  z^ocitcn  .^aupttcil  ein  ©ottc^begriff  aufgcftcflt,  bcr  auc^  bem  benlenben  S3etou^^ 

60  fein  gegenüber  bcfriebigcnb  unb  f;altbar  fein  foU,  mit  ber  ^bec  beö  innertoeltlid^en  ®ottc^ 


®ii^tQetjer  71 

boOer  @mß  gemacht  unb  ein  aöttlic^ed  SBtQIürivalten  im  natürlichen  ober  ftttlid^en  Seben 
burd^  abfolute  SBunber  au^efd^Ioffen.  3)ie  einlä^Iid^e  SarfteSung  be^  ft>c2^fif(^  c^riftlid^en 
©laubeng  erfolgt  in  trinitarifc^er  ©lieberung:  Öfonomie  beg  Sater«  afe  Erzeuger«  unb 
5l)urc^fül^erd  be«  i^eildleben«  unb  ©otte^retd^«.  £)!onomie  be«  So^ned:  Sel[ire  t)on  ber 
^erfon  Gl^rifti,  i^rem  Äern,  ber  erlöfcnben  Siebe,  il^rem  ©in^fein  mit  ®ott,  i^rer  reinen  6 
©ottedfo^nfc^öft  unb  bem  Seloufetfein  einziger  ^errlic^Ieit,  i^rer  ^errfd^aft  über  bie  ©ünbe, 
errungen  im  emften  Slingen,  nid^t  golge  einer  ©ünbloftgfeit  a  priori  —  Se^re  t)om 
aSer!  ßl^rifti,  ber  ßrlöfung,  b.  i.  negativ  ber  Befreiung  au«  ber  jur  3Serbammung  für 
bie  ©ünber  au^fd^tagenben  ®efe$e«religton,  ))ofttiö  ber  Belebung  burd^  ba«  in  i^m 
bottenbet  fid^  offenbarenbe  ^ßrinji})  ber  ßrlöfung,  nä^er  bargelegt  in  bem  l^ergebrad^ten  lo 
lirc^Kc^en  Schema  ber  brei  Smter.  ©nblid^  bie  öfonomie  be«  ^I.  ®eifte«,  niAt  be« 
firc^Iid^strinitariteen,  fonbem  ber  bie  ®rIöjung«religion  ber  3Jlenfc^^eit  aneignenben  ^nabe: 
Se^re  Don  ber  ^räbeftinatiön,  bie  al«  Seigre  öon  einer  burc^  öortoeltli^e  3)efrete  feft^ 
geftellten  ©nabentoal^I  unhaltbar,  für  ba«  fromme  Setou^tfein  ööflig  erfe^t  toirb  burd^ 
bie  reinere  unb  toa^rere  öon  ber  etoig  in  (Sott  begrünbeten,  in  ber  ^zii  unüeränbert  15 
immer  gleid^  toaltenben  ®nabe,  einer  uniberfalen  nac^  Umfang  unb  giel  il^rer  5BSirffams 
leit  mit  jetoeilen  t)artilularer  Sertoirflic^ung  in  ber  ©efd^id^te  —  Se^re  Don  i^rer  SBirl« 
famfeit  felbft,  in  Vorbereitung,  S5e!el^rung,  Slec^tfertigung,  ©ünbenöergebung  u.  f.  h).  — 
2e^e  t)on  ben  ©nabenmitteln,  bem  SBort  ®otte«  unb  ben  e«  unterftü^enben  ©afra« 
menten  ate  finnbilblid&en  Jpeitöbermittlun^en,  t)om  §eiteleben  be«  ©injelnen  nadb  feiner  ao 
Orunblegung  in  ber  SBiebergeburt  unb  feinem  äu«bau  in  ber  Heiligung,  öon  ber  Äird^e 
mit  i^en  unberänberli^en  unb  toefentlipen  ©runbjügen  unb  i^rer  übrigen  beränberlic^en 
©eftaltung,  t)on  ber  etoigen  3Ser^errIid[|ung  be«  3Q3erI«  ber  aneignenben  ®nabe  in  ber 
trium^^ierenben  ftird^e  unb  in  bem  )?oIIenbeten  i^eil^Ieben  be«  @in}e(nen,  ba«,  auf  @rben 
nid^t  eneid^bar,  nur  ate  bem  l^enli^ften  Seben  gl^rifti  gleich  getoorben  anfc^aubar  ift,  25 
mit  gwnl^altung  jubaifierenber  33orftettungen,  namentlid^  t)on  einem  finalen  3)uaU«mu«. 
®a«  ®anje  biefe«  Se^rgebäube«  öerrät  tro$  ber  Intention,  nur  au«  ben  3lu«fagen 
bc«  (^riftlic^en  Setou^tfein«  unb  beffen  ©rfal^rungen  feinen  S"!^«!*  jw  geh?innen  unb 
leine  5KetaJ)^^ftI  bei  ber  bogmatifd^en  3trbeit  mitreben  ju  laffen,  einen  eminent  fjjefula* 
tit>en  ®eifl  unb  eine  })l^iIofo>)^ifd5>=ein^eitlid^e  SBeltanfd^auung  unb  trägt  burc^toeg  nac^  90 
feinem  innerpen  ®e^alte  einen  mobemen  ß^aralter.  3)oc^  berbinbet  fi^  bamit  in  eigene 
tümltdjfer  SBeife,  toenn  aud^  nic^t  in  fo  ^o^em  ®rabe,  toie  bei  ©c^Ieiermac^er,  eine  gefc^id^t« 
li(^J)ietätt)oIIe  2lnlel^nung  an  altfird^Iic^e  Schemata,  Sel^rformcln,  äuebrüdfe  unb  Sln^ 
fc^uungen,  bie  gerabe  bei  ben  bem  33erfaffer  innerlid^  5Ra^efte^enben,  abgefei^en  t)on 
realen  2)ifferenjen  im  einzelnen,  bie  3«fii»""^wng  ju  feinen  Sel^rfä^en  unb  bie  bleibenbess 
SBirfung  feine«  Sud^e«  bielfac^  erfd^h?ert  \)aUn  mag  unb  erfc^loeren  h?irb. 

3ld)tn  ber  S)ogmatiI  ift  aud^  bie  ßt^if  t)on  ©d^h).  mit  ßifer  be^anbelt  toorben;  l^at 
er  i^  audf  lein  eigene«  Se^rbuc^  getoibmet,  fo  l^at  er  \l}x  hoi)  in  feinen  3SorIefungen  toie 
m  feinen  ©c^riften  fein  bolle«  ^ntereffe  jugetoenbet,  fotoo^I  il^re  gefd^id^tli^e  ©nttoidfelung 
imier^alb  ber  reformierten  Äird^e  bargefteßt,  al«  aud^  i^re  au^erfird^lid^e  bi«  in  bie  neuefte  40 
3«t  mit  i^ren  eigentümlichen  Srfc^einungen,  namentlich  ber  brol^enb  in  ben  Sorbergrunb 
9ötretenen  fojialen  grage  unb  bem  anfprud^«öoIIen  >)^iIofo>)^ifd^en  $effimi«mu«  Verfolgt, 
wit  bem  er  noc^i  in  einer  feiner  lefeten  arbeiten,  einer  Slecenfion  Don  ^artmann« 
rr^^nomenolo^ie  be«  fittlid^en  Setoufetfein«"  fid^  au«einanberfe|te. 

SBa«  enblid^  bie  >)raftifd^e  3:^eoIogie  betrifft,  fo  ift  ©d^lo.  mit  Siedet  al«  i^r  eigent-  45 
^ct  toiffenfd^aftlic^er  Drganifator  auf  ®runb  bon  ©c^Ieiermad^er«  Anregungen  bejeic^net 
^jP^ben,  inbem  er  mit  ßrfolg  bemül^t  toar,  il^ren  bielbeftrittenen  g^aralter  al«  einer 
'^^flic^en  SBiffenfc^aft  ju  rechtfertigen,  burc^  organifc^e  ©inglieberung  in  ba«  ®efamt5 
Ö*iet  ber  Il^eologie,  toeld^e  fotooj^I  „bie  reine  9li(|tung  auf  ba«  aQäifJen,  al«  aud^  ein 
P^^ltifc^e«  3nteref[e  an  ber  d^riftlid^en  Äirc^e"  t>orau«fe^e.  3"  biefem  ©inne  fd^rieb  er  so 
^^6  „Über  Segriff  unb  ©inteilung  ber  Jjraftifc^en  li^eologie"  unb  1848  feine  „§omiIeti! 
^  et)angeIifd^'t)roteftantifd^en  Sird^e",  bie  über  i|^ren  litel  ^inau«gel^enb,  in  einer  längeren 
r^^eitung  bie  >)raftifc^e  SCl^eologic  ü6er]^auj)t  einteilt  in  bie  Se^re  bon  ber  ©elbftorgani^ 
J^^Ung  ber  Äird^e  (Äird^enregiment)  unb  ben  barau«  l^erborge^enben  I^ätigleiten  — 
^^^^enbienp,  2Cmt«t^ätigIeit  be«  ®eiftlic^en  in  ber  ®emeinbe  mit  il^rer  lultifc^en,  Jjaftoralen  55 
JY^  l^alieutifc^en  ©t)^äre,  unb  bann  nod^  ben  Äultu«  fjjcjietl  be^anbelt,  al«  feierlid^e  2)ar= 
^tt^ing  be«  religiöfen  ©emeinglauben«,  im  (S^riftentum  al«  bie  ber  ©rlöfung,  im 
^^oteftanti«mu«  al«  bie  ber  §erftettung  be«  reinen  (S^riftentum«  mittelft  ber  ^l.  ©d^rift. 
^^  $omiIetiI  felbft  l^at  ^ier  i^rcn  $la^  al«  3:l)eorie  be«  Kultu«  nacj^  feiner  freien 
^^e  unb  jerfäDt  in  einen  })rinji))iellen,  materiellen  unb  formellen  3:eil,  in  ioelc^cn  alle«  eo 


72  Siftoüitt  Sii^ttitiiitfdb 

SBef entließe,  toa«  über  aSorau«fe|una,  3h)C(f,  SBirluna,  ®ciji,  ©toff,  Icjt  bcr  ^rebiflt, 
i^t  3Scrl^äItnig  jur  Schrift,  ju  ben  ^cbürfntffcn  bcr  ©emeinbe,  j|u  ben  JJforberungen  bcr 
r^ctorifc^en  Äunft,  tl^rc  logifc^c  ©Itcbcrung,  ftiliftifd^c  ^orm  unb  i^rcn  Sortrag  ju  fagcn 
ift,  au^retc^enb  unb  llax  bargclegt  tvirb.    dbcnfo  prahtfc^  förbemb  ift  ®d)tD.^  „^a^ütaU 

6  t^coric  ober  Se^rc  üon  bcr  ©cclforQ^  be«  cbangcltfc^cn  Pfarrer«  1875",  toorin  er  auc^ 
bicfem  früher  am  toeniöften  rational  be^anbclten  unb  barum  bielfad^  geringgefd^ä^ten 
3tpctgc  bcr  pxatt\\i}m  ^l^cologic  feine  gcBü^rcnbc,  mit  ben  übrigen  gleichberechtigte  SteDe 
in  bcr  Ic|tcrcn  antoie^  unb  eine  frud^tbare  S3cl^anblung  tDibmetc,  unter  ben  iH^onberen 
äbfd^nittcn  einer  auffe^enb   erlennenben,   einer  bel^arfeclnbcn  ©celforgc  unb  einer  mit« 

10  toirfcnbcn  j)aftoralen  9KoraI.  — -  ©einer  I^eorie  ber  ^rebigt  entf>)racl[f  bie  9(u^fü^rung 
berfelben  tüä^renb  einer  nal^eju  SOjäl^rigen  SBirlfamleit  ate  ®eiftUc^er  am  ©rofemünfier. 
6r  fammelte  einen  ja^lreic^en  3w^örerfrei6  um  ShJinßK^  Äanjel  unb  erbaute  i^n  mit 
feinen  geiftöotten  Vorträgen,  bie,  einfach  unb  prunllo«,  mand^em  fogar  lül^I  erfd^etnenb, 
boc^  burd^  il^ren  gebiegenen  ©ebanteninl^alt  unb  il^re  l^ol^en  @m))finbungen  untoilRürlic^ 

16  ergeben  unb  ergreifen  mußten  unb  ebenfo  ber  9(ufgabe  ber  $rebigt,  aU  9(ud(egung  bed 
Sibeltoort«  hjie  ate  beffen  Slntoenbung  auf  ba«  Seben,  aud^  auf  bAeutenbe,  emfte  3^** 
ereigniffe  im  SBaterlanb  unb  äu^Ianb  ju  bienen,   geredjft  tourben.    2luc^  in  formeller 

Sinftc^t  toaren  fte  bemerlen^toert  burc^  bie  ©orgfalt,  toeld^e  ©d^h>.  auf  ftreng  logifc^en 
ebanlengang,  {(are  @inteilung,  glüctlic^e  S^emafteQung  bertoanbte.  SBon  feinen  %rebigten 

20  fmb,  abgelesen  öon  ben  einzeln  berbffentlid^ten,  im  3«traume  Don  1834—62  fünf  ©amm« 
lungen  erfd^ienen,  au«  benen  ^ier  fj)ejiell  bie  ^rebigten  über  ba«  9leic6  ®otteg  na^ 
fämtlid^en  ©leic^niffen,  befonber«  nac^  benen  be«  ?Katt^äu«  1851  unb  bie  ^rebigten  t)on 
ber  ^ßaffton  1859  bi«  jur  ^ßaffion  1860  ^erborge^oben  toerben  mö^en. 

2luf  alle,  aud^  bie  Heineren  ©Triften  ©c^to.«  unb  bie  in  3«^^^!^^  erfd^ienenen 

25  9(uffä^e  u.  f.  to.  eimugel^en,  ift  bei  ber  großen  3^^!  berfelben  unmöglich;  ein  onnä^emb 
öoBlftänbige«  Serjeidjini«  finbet  ftd^  in  ber  „il^eolog.  3eitjd^rift  au«  ber  ©d^toeij,  2.  3a^. 
1885"  ©.  110—114.  er  fd^rieb  in  bie  „I^eol.  ^a^rbüdber"  öon  S5aur  unb  3eUer,  in 
bie  „©tubien  unb  Ärittfen",  in  bie  beiben  erften  2lufl.  biefer  Stealencl^llopäbie,  in  bie  „ftircl^e 
ber  ©egentoart"  bon  grie«  unb  S3iebermann,  in  ^ilgenfelb«  3^i^^^f*r  ^^  meiftcn  ober 

30  in  bie  „5Proteftantifd^e  Äirc^enjeitung"  öon  Äraufe,  bie  i^n  aö  einen  ber  bebeutenbflen 
Vertreter  i^rer  Slid^tung  betrauten  burfte.  Qx  tämp^U  barin  balb  gegen  ultramontane 
Übergriffe  unb  änma^ungen,  balb  gegen  ba«  unbulbfame  „©tocHutl^ertum"  eine«  ©ta^I 
unb  Äliefot^,  balb  gegen  bie  „neugemac^te  j)roteftantifc^e  Äird^enort^obojie"  (Silmor  u.  a.), 
aber  auc^  gegen  ben  ÜJtateriali^mu«  unb  oberflöd^Iic^en  S3iIbung«o^timi«mu«  in  ®trau§' 

86  33ud^  t)Dm  alten  unb  neuen  ©lauben,  toie  ^egen  ©c^o>)en^auer«  unb  §artmann«  ^i^ 
miftifcf^e  ^^itofo})^ie,  „nad^  re^t«  unb  nac^  Imfe  gericfitet",  toie  eine  ©ammlung  fold^ 
Slbl^anblungen  an^  früherer  unb  f>)äterer  ^^xt  fi^  betitelt.  ®r  begrüßte  aber  auc^  in 
anbem  älrtileln  gerne  t^eologifc^e  unb  gefd^ic^tlid^e  Seiftungen,  bie  il^m  gefunb  unb 
förberlic^  erfd^ienen.   ©eine  lefeten  litterarifd^en  3lrbeitcn  toaren  au^er  ber  Won  ertoo^nten 

40  über  §artmann«  ^^l^änomenofogie  be«  ftttlid^cn  Selou^tfein«  bie  über  „S)ie  3w'f^*"fi  ^ 
^Religion  1878"  unb  bie  beim  Stoinglijubiläum  am  7.  Januar  1884  gel^altene,  mit  (St- 
toeiterungen  gebrückte  Unit)erfttät«rebe  über  „3*^'"9^^^  Sebeutung  neben  Sutl^er". 

gm  ^Qi}x  1871  öom  ^Pfarramt  jurüdfgetreten,  loirhe  ©d^to.  fortan  au^fc^liefelic^  on 
bcr  Uniücrfität,  bie  am  29.  DItobcr  1884  feine  50iä^rigc  SJojcntcnt^öti^Icit  an  i^r,  unter 

45  c^rcnbftcr  Slncrlcnnung  feiner  3Serbienftc  t)on  nal^  unb  fern,  mit  freubtgem  3)anl  feierte. 
9Kit  ungefd^loäc^ter  ®eifte«!raft  lonnte  er  biefelbe  noc^  toeiter  fortfe^en;  erft  bie  Abnahme 
feiner  ©e^fraft  nötigte  i^n  im  ^rü^ling  1888  gur  TOeberlegung  feiner  ^rofeffur,  unb 
nad^  fur^er  Kranf^eit  ftarb  er  balb  barauf  ben  3.  3uli  be«felben  Sa^re«.  2Cm  10.  Äugull 
fanb  im  ©rofemünfter  eine  ®ebäd^tni«feier  für  il^n  ^iaii,  bei  ber  bie  ^roff.  2ij>fiu«  unb 

50  unb  ^ßfleiberer  feine  ©teHung  unb  Sebeutung  al«  i^eologe  gebü^renb  l^ertoor^oben. 

$rof.  D.  Sl^rifi  in  ^üxiä^. 

©c^meurffelb,  Äa«j)ar,  geft.  1561  unb  bie  ©c^toendffelber.  — ©djriftcn:  4  gollo* 
bänbe,  I.  „^er  1.  X^eil  ber  (S^riftlit^en  Ort^obüiifrf)en  Bücher  unb  fd^rifften  .  .  .  StcApox 
8cl)mencffelbtö    Dom   ^quu§  Offing,   rvtldjc  Dorn  XXIIII  Sor  an  bi«  auff  ba«  LXII  (3^- 

56  tum,  muB  ^eiSen  1501)  ...  üon  ii^m  felb§  befc^riebcn  imb  an§  lied^t  gegeben  feinb  1564; 
II.  epiftolar  I.  Xeil;  1566  III.  epiftolar  II.  Zdl  1  53b  1570.  (5Bepftif4e,  »eil  wieber 
bit  <päp)tlirf)en  gerid)teteö'  epiftolar);  IV.  (Spiftolür  II.  Xeil  2.  S3b  1520  (Sutierif* 
Gpiftolar).  SSeber  ber  2.  %e\l  ber  (S^rifllic^eu  Crti)übüjiid)en  ^üd^cr  tft  crfc^iencn,  nocft  ber 
gegen  bie  3»DtngliQner  unb  SSiebcvtäufer    geplante  3.  unb  4.  ^eil  beS  (Spiftolar«.    ®n  Ser« 

(iü  jeidjni«^  ber  einzelnen  Schriften,  bie  j.  %.  im  ?lvtifel  jelbft  genannt  werben,  bietet  bcr  Oati- 


Si^loeitilfdb  73 

logus  ber  S3ii(^ev  ^erni  (£.  8c^iv.  1561;  @Qlig  bemül^t  [id^  fie  in  ci^runolo^ifc^er  Orbnung 
anzugeben,  (gine  ganjc  SReiftc  ungebrudtcr  ©djriften  unb  ©riefe  Sd^w,  liegt  m  ©olfenbüttcl 
unb  auf  ber  ÄönijUc^cn  ©ibliot^ef  ju  ©erlin.  Citterotur  über  6c^».:  a)  «eitere:  3.  ©iganb, 
De  SchweDckfeldismo.  Lipsiae  1587;  ©c^lüffclburfl,  Catalogus  haereticorum  IIb.  X,  1599; 
®.  «molb,  Äirc^em  unb  ^c^er^iftorie  1699,  RH  @.  241  ff.;  @alig,  ©onftönbiqe  ^iftorie  ber  6 
«ugSpuraifdjen  ßonfeffton  1735.  ©ucft  XI  (augfü^rlic^  unb  felbftftänbig).  b)  9^euere:  ^aftn, 
Schwencneldtii  sententia  de  Christi  persona  et  opere  1847;  ^rbfam,  ®ef4id)te  ber  proteftan« 
tifdien  @etten  in  bei*  SteforntationSjett  1848;  ©d^neiber,  lieber  ben  gefdjic^tlic^en  ©erlauf  ber 
9leformation  in  Siegni^,  2  Programme,  ©erlin  1860  unb  62;  ^abelbac^,  ^udfü^riid^e  d^e« 
f<4t(^te  6d)toenffeIbtd  unb  ber  64»en!felbtianer  1860;  ^ampe,  S^r  ©iograp^ie  Sta^\>ax  t)on  to 
©*»enrffclb  (bid  1539)  Programm  3aucr  1882;  ^Maronier  „fiet  gnnroenDig  ©ort",  Slmfter= 
batn  1890,  ©.  51  ff.;  ©rbmann,  @d|njenffclb  (?lllgeincine  beutfd^e  ©iograp^ic  1891  XXXIII, 
6.  403—412);  5.  ^offmann,  Äaöpar  ©d^roendfelbS  fieben  unb  fic^ren.  1.  2:eil  (nur  biefer 
erf(ftienen  bi«  1524)  Programm  ©erlin  1897;  gKöner^Äawerau,  ^ir(^engefc^ici^te©bIII,  1899, 
@.  443—446;  91.  ^.  ©rü^macfier,  ?Bort  unb  (äJeift  1902,  §  16.  —  6(^riften  ju  einzelnen  16 
fünften  fte^e  im  %,  (Sine  ausführliche  ©iogrop^ie  unb  2;^eoiogie  @c^tt).  ift  eine  noc^  un- 
geldfte,  notttenbige  Aufgabe. 

Sta^Qx  ©d^toendfelb  (fo  ift  ju  fc^reiben  unb  nid&t  6c^toenlfelb  ober  ©d^toendfclbt) 
tüurbe  im  5Robember  ober  ©ejember  1489  auf  bem  ®utc  Dfftg  im  ßerjogtum  Siegnt^ 
geboren.  @t  entftammte  einer  altabeligen  bome^men  ^amilte,  überlte|  aber  gegen  eineao 
lebcnäänglic^e  Seibrente  bag  ©tammgut  Dfftg  fpäter  feinem  jüngeren  ©ruber.  Srjoßen 
tourbe  er  im  offijieDen  fird^ltd^en  ÄatJ^olici^mu«.  3lad)  bem  Sefuc^  ber  ©d^ule  in  Sieg« 
nt$  ging  er  1505  nad^  Jtöln,  um  bad  bortige  Studium  generale  )u  befud^en,  toal^r« 
fd^einliqi  aber  o^ne  fid^  immatrilulieren  ju  laffen,  1507  }og  er  nad^  ^antfurt  a.  0., 
f)>äier  bielleic^t  noc^  nad^  @rfurt.  Stuf  ber  Uniberfität  ftubterte  er  bie  artes  liberales,  25 
fc^olafiifc^e  3^cologie  —  in  granffurt  leierte  2Bim>)ina  —  unb  fanonifd^e«  SRed^t. 
(Sine  nä^e  Serü^runa  mit  bem  ^umani^mud  lä^t  fid^  ntc^t  ertoeifen,  aud^  bie  Aenntnid 
be^  ^ebröifc^en  unb  ^riec^ifd^en  ertoarb  er  fid^  nic^t  toöl^renb  ber  ©tubtenjeit  unb  fc^Iog 
biefe  ouc^  nic^t  burc^  bie  Srtoerbung  eine^  alabemifc^en  ®rabed  ob.  %U  er  ,,)u  feinen 
klagen  gefommen  toar",  trat  er  ber  ©itte  feine«  ©tanbe«  gemäfe  —  ®nbe  1510  ober  80 
atnfang  1511  —  in  ben  fiofbienft.  S^näd^ft  lam  er  an  ben  Äof  be«  $erjog«  Äarl  I. 
Don  awünfterberg  ju  Defe,  bann  trat  er  in  ben  3)ienft  be«  $erjog«  ^i^x^  bon 
8rieg  unb  enbliqf  in  ben  ßerjog  griebrid^«  II.  bon  Siegnt^;  in  ber  le|ten  ©teuung  ^ielt 
er  fi^  }uglei(^  häufiger  auf  bem  bamald  noc^  bon  i^m  betoirtfc^afteten  ®ute  Dfftg  auf. 
3m  ^oJ^re  1522,  f^äteften«  1523  fc^ieb  er  ganj  au«  bem  ^ofbienfte  aud  bor  allem  ba  S6 
„e«  ®ott  gefallen  f)at,  bafe  er  mid^  an  meinem  ®e^ör  angegriffen",  ^n  ber  erften  ^dt 
ifl  ©<^to-  „biel  ^x  ein  Äofmann  getoeft  unb  ^at  ftd^  nicpt  biel  umb  bte  ^l.  ©c^rift  be* 
fömmert";    ber  Sfteligion  ftanb  er  gleid^gtlti^  gegenüber,   benn  bie  annähme,  ba^  am 

tofe  bon  Del«  l^uffitifd^e  ßinflüffe  auf  i^n  toirifam  tourben,  ift  unbegrünbet.  ©rft  Sut^cr« 
uftreten  ioiber  ben  Slblag^anbel,   unter   bem  auc^  ©c^leften  ftarl  ^u  leiben  l^atte,  unb  4o 
fiu^er«  oud^  in  ©(^lefien  fofort  berbrettete  unb  nac^gebrudCte  @d(^riften   ^oben  ©d^to. 
religio«  im  ebangelifd^en  ©inn  beeinflußt.    %xoii  alle«  f>)äteren  ©egenfa^e«  gegen  Sut^er 
fyit  ©<^to.  ftet«  belannt,  baß  er  i^m  feine  Selcbrung  jum  ßbangelium  berbanit  (einzelne 
<©teQen  bei  ^offmann  1.  c.  ©.  10),  unb  ba  er  b^ffanput,  ftc^  biefem  „al«balb  anfenglid^ 
augeneigt  )u  l^aben",  totrb  fein  änfd^luß  an  bie  9leformation  fc^on  in  ben  SBinter  1517/18  45 
fallen.    @r  bertiefte  jid^  nun  fotoo^l  in  bte  ©c^riften  Sutl^er«  toie  in  bie  ^l.  ©d^rift, 
^on  ber  er  1519  tägltc^  bter  RapxUl  la«,  um  in  einem  3a^re  i^re  Seftüre  boDenben  ju 
tonnen,  ©rft  nad^  ber  gntfc^eibung  feine«  JJürften  für  bie  3lcf ormation  —  toal^rfc^einlid^ 
im  3a^e  1521  —  trat  er  öffentlich  für  bte  Umgeftaltung  ber  lirc^ltc^en  SSerJ^öltniffe  in 
Sieoni^  unb  in  ©d^lefien  über^au^t   ein.    @r  ti^ai  ba«  in   mannigfad^fter  äBeife  burc^  50 
^ufammenfd^lufe  mit  gleic^gefmnten  9)Jännem,  ^ßrebtgem  unb  ßaien,  burc^  ©enbbriefe, 
kurii^  eigene«  5ßrebigcn  —  obtoo^l  er  ntemal«  bie  ^prieftertoetl^e  erl^alten  l^atte,  noc^  fte 
5j>äter  nac^fud^te,  —  burd^  ßintoirlung  auf  feinen  dürften  unb  auf  ba«  lird^lid^e  SRegiment. 
^u  bem  lekteren  ^fo^i  berfa^te  ©c^lo.  jufammen  mit  einem  greunbe  feine  erfte  größere 
©d^rift:  ,,3iin  ßl^rtftlid^c  ermanung  ju  fürbcm  ba«  3Bort  ®otte«  2ln  ben  §erren  Stfc^off  56 
bon  SBre«Iau.  ®urdj  bie  Sblen  ßerentfeften  §an«  9Jlagnu«  bon  Sangentoalbe  unb  6a«j)ar 
©c^toendtfelb  bon  Dfftdf".    3)er  bamalige  33ifc^of,  ^alob  bon  ©aha,   na^m  bie  ©c^rift 
jtoor  an,  antwortete  auc^  auf  fie,  aber  bcranlai^te  nic^t«  ©ntfc^eibenbe«.  3)ic  Sleformatton 
tn  Siegni^  felbft  machte  jebodf^  banl  bem  fteten  Eingreifen  ©c^loendEfcIb«  unb  ber  SWitarbeiter, 
bie  er  l^eronjog,  gute  ^ortfc^ritte.    3"  V\c\m  gehörte  ^abtan  Sdfcl,  ^olf^^nn  SBerner  unb  eo 
bor  allen  ®tngen  SBalentin  Ärauttoalb,  Seitor  am  3)om,  mit  bem  ©cf)to.  befonber«  eng 


74  Sii^ttiendfelb 

öerbunben  toat  unb  t)on  bem  er  ftd^  tficologtfd^  unb  aud^  fj)rad^Itc^  —  t)on  tl^nt  foB  er 
bag  ©ried^ifd^e  erlernt  ^aben  —  öiclfac^  beraten  lie^.  1524  erfc^ten  ein  3Kanbat  be« 
^er^og«  griebrid^  II.,  in  bem  er  bie  Seitung  unb  Drbnung  ber  lird^Iit^en  SerJ^ältniffe 
im  ©inne  ber  SReformötion  erfolgreid^  in  Stngriff  nabm. 

6  SKit  SBittenberg  ^atte  ©c^h?.  injtüifc^en  })erfönlid9e  Segiel^ungen  angefniH)ft.  SJejember 
1521,  fräteften«  Äebruar  1522  ft)ar  er  felbft  bort.  ®r  lernte  SRelanc^t^on,  Sugen^ogen, 
3ona«,  aber  audj  bie  ^toidfauer  $rot)^etcn  unb  Äariftabt  lennen.  £ut^er  traf  er  bei 
feiner  äntoefen^eit  in  SBittenberg  nid^t,  bod^  !am  er  balb  barnad)  mit  i^m  in  Srief« 
toec^fel.  S3Iieb  ©d^to.  aud^  befonber«  mit  Äariftabt  öerbunben,  fo  befolgte  er  bod^  leinet 

10  toegg  aü  beffen  unb  ber  ^toidfauer  ©c^toärmer  Sorge^en,  im  ©egenteil  fein  refor« 
matorifc^eö  §anbeln  toar  in  ber  erften  geit  tro^  alle«  ßiferö  ein  fonfcrt>atibed. 
aSerl^ältni^mäfeig  fc^nell  begann  eine  getoifje  So^Iöfung  öon  Sut^er.  3)er  ^ufammenbru^ 
ber  lirc^Iic^en  Sßerl^ältniffe  unb  ber  bamit  junäd^ft  öerbunbene  fittlic^^eligiöfc  5Riebergang 
baö  ausbleiben  ber  grüd^te  t)on  ßutl^erS  ^rebigt,  toie  baö  fleifd^Iic^e  ©ebal^ren  bieler,  bie 

16  fid^  nur  mit  bem  3Wunbe  emj)^atif(^  jur  üRcformation  belannten,  beunruhigte  unb  betrübte 
S^to.  aufterorbentlid^.  6o  fc^rieb  er  bann  fc^on  1524  ein  Sud^  mit  bem  Xitel  „Qx^ 
manuna  be^  mi^raud^g  etlidjier  fümem>)fter  3lrti!el  be«  ©öangelii,  au«  toölc^er  unber^ 
fianbt  ber  aema^n  man  in  fla^fd^Iid^e  gre^l^atot  unb  ^rrung  gefüret  toirt".  ©in  ©egen^ 
fa$  gegen  Sutl^er  toar  in  biefer  ©d^rift  nod^  feinegtoeg«  beabpc^tigt,  biefer  feftte  erft  ein, 

20  ate  ©c^h).  mit  feiner  befonberen  äObenbmal^tele^re  l^ert)ortrat.  ®«  gefc^al^  bie«  im 
3Sa^re  1525.  ©d^to.  ^atte  fotool^I  Btoingli«  toie  Suti^er«  ©d^riften  fhibiert,  über^mjt  ftd^ 
für  ben  ©aframent«ftreit  lebhaft  interefjtert,  unb  bel^au})tete  nun  burd^  befonbere  Offoi^ 
barung  ein  neue«  Serftänbni«  be«  2lbenbma^Ie«  unb  ber  ®infe^ung«ti»orte  em^)fanacn  gu 
l^oben.  @r  legte  fte  Jtrauttoalb  t)or,  ber  anfänglich  able^nenb  ftanb,  bann  aber  )u  @<^it).« 

26  SKeinung  überging  unb  fie  eingel^enb  begrünben  l^alf.  ©eine  neugewonnenen  ©rlenntniffe 
über  ba«  Slbenbma^l  famt  ben  Sufeerungen  Ärauttoalb«  legte  ©c^h).  ben  SBittenberger 
Il^eologen  t)or,  al«  er  ftd^  ßnbe  1525  im  Sluftrag  be«  §erjog«  ^cbric^  II.  nac^ 
SBittenberg  begab,  ©r  ^att^  bort  mehrere  Unterrebungen  mit  ^upu^  3ona«,  Sugen^ 
l^agen  unb  Sutl^er,  bie  aber  fämtlic^  refultatlo«  verliefen,    ba   man  auf   beiben  Seiten 

30  nid^t  nad^geben  tPoQte.  2lud^  bie  gegenfä^lid^e  ©teQung  in  einer  Siei^e  t)on  anberen 
fragen  lam  jum  3Sorfd^ein,  unb  bie  3Bittenberger  2l^eologie,  öoran  £u4«,  begann  t>on 
biefer  3^*  ö"  i"  ©c^h).  einen  gefä^rli^en  Äe^er  ju  fe^en.  ©c^on  in  einem  Sricfe  Dom 
4.  Januar  1526  an  bie  ßbriften  ju  SHeutlingen  erflärte  Sut^er  ©c^to.  neben  Äariftabt  unb 
3tüingli  „für  ben  britten  Äot)f  ber  öerberblit^en  falramentiererifd^en  ©efte"  (2)e  938.3,81; 

86  t)gl.a3S.3t.  XIX,  123).  3)ie  näd^fte golge  biefer ©d^eibung  üom  Sut^ertum  toar  eineälnnä^erung 
ber  reformierten  Il^eologen  an  ©c^to.,  bie  biefem  mel^  gu  teil  tourbe,  al«  bafe  er  fic 
fud^te.  1527  gab  öcolamjjab  mit  einer  fe^r  freunblic^en  Sorrebe  ©c^h).«  ©j^rift  De 
cursu  verbi  dei  in  Safel  l^erau«  unb  1528  beförberte  ßtoingli  einejt  ber  in  biefen 
3a^ren  ja^lreid^  t)on  ©c^to.  erlaffenen  ©enbbriefe  über  ba«  Stbenbma^l  o^ne  beffen  SBiffen 

40  unb  SBiuen  jum  3)rudf.  3»  ©Rieften,  aber  aud^  in  ^ßreu^en  l^atten  Ärauttoalb  unb 
©d^to.  burd^  i^re  lebhafte  $ro>)aganba  eine  nid^t  geringe  anja^l  t)on  Slnl^ängem  für 
i^re  3lbenbmal^l«lel^re  getoonnen,  fceilid^  aud^  nic^t  n)enige  ®egner,  fo  in  ©d^lefien  befonber« 
$e^.  anläplid^  biefer  ©treitigfeiten  über  ba«  3lbenbmal^l  jjrollamierte  ©t^h).  in  SiegnrI 
ben  fog.  ©tiDftanb ;    b.  ^.  er    felbft  unb   feine  än^änger  öerjid^teten  auf  bie  %titt  be« 

46  Slbenbma^l«,  „bi«  ber  rechte  33erftanb  unb  93rau^  nad^  bem  SBiUen  be«  §erm  J^erffits 
Iomme"(®t).Il2  5lr.84).  3)er§ergog  toarauA  mit  biefem  33orge^en  ©c^to.  nod^  einDerftanbcn 
unb  legte  i^m  nod^  1528  bie  g^^age  bor,  ob  er  feine  äufeerlid^e  Äird^enorbnung  unb  3«^^ 
nac^  bem  3Bittenbergifd^en  ober  ©^h)et|\erifd^en  ober  ©trafeburgifc^en  gufe  einritzten  follte, 
bie  ©d^to.  in  einem  au«fübrlid^en  ©enbfc^reiben  (©}).  11»  637ff.)  unter  energifd^er  ^olemil 

50  geaen  ba«  Sut^ertum  beanttoortete.  @rft  al«  ©c^h).  in  ben  9luf  fam,  ein  "greunb  ber 
fup  in  ©c^lefien  me^renbcn  SBiebertäufer  ju  fein  unb  Äönig  ^erbinanb  \>on  SSöl^men  ^ 
lüiber  ©c^tü.  toanbte,  Verbannte  ihn  jtoar  fein  ^erjog  nxd)t,  wax  aber  bod^  bamit  ein« 
berftanben,  ba^  ©d^to.  1529  frcitoitlig  in  bie  2?crbannung  ging,  um  niemal«  toiÄer  nai) 
©d^lefien  prüdgufe^ren. 

65  3""^^f^  toanbte  er  fic^  nad^  Strasburg  (Dgl.  ©erbcrt:  ©efdbic^te  ber  ©tra^urget 
©citenbctocgung  jur  3cit  ber  ^Reformation  1889,  S.  132  ff.).  ^)ier  tpurbe  er  freunblit^ 
aufgenommen,  fanb  junäcbft  §erbcrge  unb  2ifcb  bei  5lapito,  bann  bei  ^BJattl^äu«  3^"' 
befjen  ^rau  Äatbarina  i^m  bcfonber«  frcunblicb  gefmnt  h^ar  unb  blieb.  Su^er  bagegen 
ftellte  ^c^  nac^  anfänglicber  $Hefert)icrtbcit  immer  fdbroffer  gegen  ©^tü.  unb  machte  au^ 

60  bei   anberen   gegen    i|n  ^rojjaganba.    ^ic  ftctig   june^mcnbe  ©eltenbeluegung  unb  bi( 


Sil^toendfelb  75 

banttt  öcrbunbcne  Untcrgröbung  bc^  fird^Iic^cn  Scbend  nötigte  bic  ©traPurgcr  ^ßrebiger 
ju  einet  ©egentoe^r  auf  einer  ?;uni  1533  gel^altenen  ^roöinjialf^nobe.  Sfeie  mit  ben 
anbeten  ©eftcnl^äuj)tetn  fanb  auq  mit  ©d^to.  eine  3)i«})utation  ftatt,  bie  ftc^  bei  il^m 
auf  bie  2Bit!famIeit  bet  äufeeten  Onabenmittel,  be«  ^ßtebigtamte«  unb  bet  ©aftamente 
lonjenttiette.  ßl^e  man  gegen  i^n  botging,  betlie^  et  1533  bie  ©tabt.  ®t  lam  bann  6 
1534  noc^  einmal  nad^  ©ttafebutg,  nac^bem  et  xubot  eine  ganje  Sleil^e  bon  ©c^teiben 
bortl^in  getid^tet  l^atte,  entfernte  ft4>  abet  balb  toieoet,  aK  et  etfu^t,  bafe  bet  9lat  biel* 
leidet  bod^  jut  Slugtoeifung  fd^reiten  fönnte.  S3ei  jcinem  etften  gottgange  toanbte  et  ft^ 
nac^  äugöbutg,  too  et  öielleid^t  aud^  fd^on  ftül^et  einige  3Kale  ju  lutjem  Sefud^e  toat, 
unb  toon  bem  ^tebiget  SBoIfal^tt  aufgenommen  toutbe  (bgl.  Ä.  SDBoIfa^tt,  3)ie  3tug^butget  lo 
Slefotmation  1533/34,  £ei})jig  1901).  3n  biefen  ^al^tcn  äufeette  jtc^  ©d^to.  nod)  me|ts 
fad^  ))ofitit)  unb  ^olemifc^  übet  ba^  SPbenbmal^I  unb  fagte  aOe^  aufammen  in  bet  ©d[^tift: 
„Sefonntnu«  t)om  ^eiligen  ©aaament  be^  Seibö  unb  33Iut^  ß^tifti  auf  gtag  unb  änts 
toott  jefteHt,  gemeiert  unb  übet  ben  etften  3)tudf  loeitet  etflätet"  (1534  o^ne  Dttjkingabe). 
3n  biefe  ^üt  —  1531  unb  1532  —  mu^  auc^  ba«  fe^t  d^ataltetiftifd^e  unbatiette  is 
„Subtctum"  übet  bie  3lug«butgifd^e  Äonfeffton  {Qp.  IIi  626  ff.)  „an  etlid^e  eifrige  gut^etftige 
abete  unb  anbete  ^etfonen  in  $abftt^um",  bie  i^n  batum  gebeten  Ratten,  fallen. 

3lad^  feinem  befinitiben  2lbfd[fieb  bon  ©ttafebutg  (1535),  na^m  ©d^h).  feinen  3[uf* 
entJ^alt  in  betfd^iebenen  ©täbten  unb  Dtten,  bie  in  ©d^toaben  lagen  obet  angtenjten  (bgl. 
SBütttcmbetgifd^c  Äitd^engefd&id^te  1893),  in  benen  il^m  abet  me^tfac^  öon  feiten  bet  20 
(Setftlid^feit  gto|e  ©c^toietigleitcn  gemacht  toutben.  Um  biefen  ju  entgelten,  bat  ©d^to. 
um  ein  ÄoIIoauium,  baö  i^m  auc^  1535  ju  ^^übingen  getoä^tt  toutbe.  auf  bet  ©egen« 
feite  ponben  95utjet,  Slautet  unb  gted^t,  et  felbft  toat  bon  feinem  gteunbe  ^al.  ^elb 
bon  iiefenau  begleitet,  ^m  3lamm  be«  ^etjog^  toaten  einige  Dbetbögte  aö  ©^tebStiqftet 
etfd[fienen.  Xto^bem  man  in  ben  eigentlid[)en  Se^tftagen  }u  leinet  inneren  @inigung  lam,  25 
befd(fIo6  man  boc^  einen  äufeeten  Rieben  ju  mad^en  untet  bet  Sebingung,  ba^  ©d^to, 
„ben  2)ienft  am  SBott,  ©aaament  unb  ganfeet^aufel^altung  i^tet  Jlitc^en  . . .  nid^t  läftetn, 
nod^  betftö^en  tooDe,  fofetn  betfelbig  bienftsd^tiftlic^  unb  getteulid^  geübt  toetbe"  unb  bie 
Stebiget  i^n  bann  nic^t  fetnet  „atö  einen  SSßiebetfad^et  bet  SBSal^t^eit  obet  3^^tötet  bet 
Ritd^en  audtuffen  obet  fd^teiben"  (©alig  I.e. 996 ff.;  Äeim,  ®ie Slefotmation  betSteid^sao 
ftabt  Ulm  1551,  ©.  278ff.).  SBitllid^  bauette  auc^  bet  gtiebe  einige  Salute  mit  ©c^to., 
bet  ie|t  in  Ulm  lebte.  Som  ^Qi}xt  1538  an  begannen  ftd^  abet  neue  Äonttoöetfen  j|u 
entfpinnen,  bie  aii|et  ©d^to.  ftü^et  fc^on  beanftanbeten  älbtoeid^ungen  je^t  auc^  feine 
e^ftologie  jum  Öegenftanbe  l^atten.  3)iefe  ttug  et  nämlid^  in  ben  ^afycm  1538 
imb  1539  — nad^  einet  Steige  bon  ftü^eten  3lnfä^en  —  in  ben  ©c^tiften  t)ot:  „SSon  bet  86 

göttlid^en   Äinbfc^afft   unb  ^etttid^Ieit   be«    galten  ©one«  ®otte«  g.  (Sfyt "    unb 

,,6rmanunge  jum  toaten  unb  feelig    mac^enbe  6t!änntni«J  ß^tifti"  (ßl^tiftl.  ottl^.  S3üd^et 
©.  486  ff.  unb  77  ff.).   ®egen  biefe  §el^te  ttat  befonbet«  bet  ^tebiget  %x^d)i  in  Ulm  auf 
unb  eneid[fte  enblic^  auc^  nad^   einet  SSetl^anblung  bot  bem  $Rat  ju  Ulm,   ba^  ©d^h). 
um  feinen  „ätbfd^ieb"  au^  Ulm  1539  einlam.    gted^t  abet  tüax  and)  bamit  nod^  nid^t40 
gufrieben,  fonbetn  fe|te  bie  SSetbammung  ©d^to.  auf   bem    1540    tagenben   Äonbent 
ebangelifd^et  2:^eologen,  öotan  5Weland^tl^on,  in  ©d^mallalben  butd^  (CR  III  983).  9Kd^t 
loeniget  feinblid^  fteUten  ftd^  jefet  auc^  —  l^aujjtfäd^Iic^  toegen  feinet  (S^tiftologie  —  bie 
©i^toeijet  2:^eoIogen  ju  i^m,  befonbet«  SSabian  in  ©t.  ©allen,    ©c^to.  betteibigte  jeine 
2lnfid[ft  in  jal^Itei^en  ©enbbtiefen  unb  ©d&tiften,  toon  benen  bie  ben  ©toff  am  meiften46 
jufammenfaffenbe  ben  litel  ttägt:    „Äonfeffion  unb  ©tllätung  öom  ßtfäntnuö  ß^tifti 
imb  feinet  ©öttlid^en  §ettlic^Ieit"  1540  (G^tiftl.  ott^.  Süd^et  ©.  91  ff.),    ©c^to.  betfuc^te 
itd[f  ouc^  babutd^  ju  tec^tfettigen   unb  gu  tepabilitieten,    ba^   et  ben   einzelnen  ^ertjot* 
tagenbeten  2^^eoIoaen  feine  ©d^tiften  unb  S3tiefe  fanbte,   fo  SJleland^tl^on  unb  S3tenj. 
Xbet  aud^  an  2ut|et  fqidEte  et  1543   einen  35oten,    in   bet  Hoffnung,   bet  gemeinfamew 
©egenfa^  gegen  bie  ©c^toeijet  fönne  fie  loiebet  nä^et  jufammenfül^en.    3lbet  Sutl^et 
anthjottete  äu^etft  gtob  unb   gab  bem  S3oten  einen  S^tttl,  auf  bem  u.  a.  ftanb:  „Unb 
ber  unfinnige  9larr  t)om  2;eufel  befeffen  berftel^et  nic^tö,  toci^  nid^t,  toa^  er  lallet.    SBiD 
er  aber  nidyit  aufl^öten,  fo  laffe  et  mid^  mit  feinen  Süd^lin,  bie  bet  Ileufel  au«  i^m  f})eiet 
unb   fd&mei^et  unge^aint"    (3)e  SB.  5,  613 ;    i?gl.    ä^nlic^    l^atte  äufeetungen   Sut^et«  66 
über   ©c^h).   au«  ben  SCifc^teben   in   %f}BiSt  1885,   ©.  148).    93ei   biefet   ©tettung^ 
ija^me  bet  t^eologifd^en  gürtet  ift  e«  öerftänblic^,  toenn  bie  ptoteftantifd^en  ©tänbe  bei 
i^ten  SSctfammlungen  in  bet  ^Q\i  um  1554—58  immet  toiebet  fic^  gegen  ©dbto.  loanbten 
unb  bie  Dbtigteiten  gegen  il^n  mobil  gemad^t  tourben,    aU   einen  bet  aüetgefä^rlic^ften 
fte^fer  —  fo  j.  S.  in  5«aumburg  1554.    3luc^  bie  %.  6.  (SKüDer  P.  I  Ar.  XII)  toenbet  ft(^  eo 


76  Sd^tuendfdb 

au^brüdflic^  gegen  ©c^to.  ©d^h?.  tourbe  ba^er  je^t  im  ftrengen  ©inne  unftät  unb  flüchtig, 
©r  tüed^jelte  l^äufig  ben  2lufcnt^aIt«ort  im  SBürttemberger  ßanbe,  h)o  er  jal^Iteid^e  än- 
l^änger,  t)or  allen  au6)  in  ben  Äreifen  be«  abelö  ^atte  unb  bel^ielt,  bie  i|n  gern  auf^ 
nal^men  (bgl.  Äeim  1.  c.  ©.  305  ff.).    SBä^rcnb  ber  ganzen  ^Ät  fe|te  ©c^h).  bie  5Pro^)a= 

6  ganba  für  feine  Slnfc^auungen  burc^  SBort  unb  ©c^rift,  burd^  Sb^altung  bon  Äonbcntileln 
fort  unb  fammelte  fo  innerl^lb  h^ie  augerl^alb  ©c^tDabend  eine  älnjal^l  bon  ©emeinben. 
ßbenfotoenig  ru^te  er  in  ber  t^eologifc^en  $oIemiI,  befonberS  toiber  glociud  toeröffent^ 
lichte  er  eine  Slei^e  (unten  genannter)  ©c^rif ten,  üerfa^te  baneben  eine  Mnja^I  religio« 
erbaulid^er  liraftate.    2luc^  mit  einer  Steige  fürftlic^er  5ßerfonen  trat  er  in  Sejiel^ung, 

10  toie  SJlarlgraf  ßmft  Don  Saben,  Sanbgraf  ^jj^ilij)))  öon  Reffen,  Äurfürft  ^oaddim  II. 
bon  Sranbenburg  unb  em>)fing  bon  il^nen  toefentlic^  juftimmenbere  unb  liebcn^toürbigere 
änttüorten  aU  bon  ben  Jl^eologen.  3n  Ulm  ftarb  er  Snbe  be«  ^al^re«  1561.  »Ile 
genaueren  5Ra(^rid^ten  ftnb  boll  bon  3ügen  eine«  gläubigen  §eimgange«  unb  eine«  erbaue 
liefen  ©terben«  (bgl.® erber,  „§iftorien  ber  SBiebergebo^rnen  in  ©a^fen"  III,  ©.  266ff. 

16  unb  RöpU  „^iftonfd^e  JJac^ric^ten  bon  ©d^toenlfelb"  1744,  ©.  48  ff.  nac^  einem  Seric^t 
bon  $elb  au«  bem  16.  S^^^^wnbert).  ©ein  ©terben  l^at  nic^t  tüenig  ju  ber  günfligeren 
^Beurteilung  feine«  Seben«  unb  jur  ^ro>)aganba  für  feine  ^Pcrfönlid^feit  beigetragen.  Unb 
in  ber  Xf)at  trägt  bieje  auc^  nid^t  loenig  f^m>)atl^ifc^e  3üge.  Sd^te  |5römmig!eit  unb 
Sleligiofität  eigneten  ipr,  ber  Umfd^toung  in  feinem  Seben  au«  einer  religiö«sfittlid^  gleic^ 

20  giltigen,  toenn  aud^  feine«tt)eg«  bertommenen  ^erfönlid^feit,  }u  einem  ^anne,  bem  bie 
Sleligion  fein  ©in  unb  alle«  tourbe,  unb  ber  fein  äußere«  Seben  um  ij^rcttoillen  pbret^en 
lie§,  ftnb  bafür  genügenbe  Setoeife.  ©benfo  jeugen  biele  ©teilen  feiner  ©c^rtften  bon 
ungefärbter  ^Jrömmigleit  unb  tief  em>)funbener  6^riftu«m^ftif.  Stber  ber  m^ftifdf^e  ©runbton 
feiner  Sleligiofttät  machte  i^n   toeber  gegen    bie  ©ittlid^Ieit  nod^   überl^au^t  g«g«n   ein 

26  aftibe«  Seben  glei^iltig.  9(uf  ^eiligung  legte  er  aud^  in  feinem  ^erfönlic^en  S^efen  ben 
JJac^brudf,  unb  bie  SJcenf^en,  bie  il^n  unbefangen  —  tro$  feiner  „Äeftereien"  —  betrad^teten, 
batten  einen  günftigen,  ja  geh?ei^ten  ©inbrui  bon  i^m.  ©elbft  feine  ärgften  Oegner 
Ipaben  i^m  j)erfönlid^  !aum  ettoa«  Söfe«  nad^gefagt.  ©eine  ©efd^äftigleit  in  ©ad^en  ber 
Sleligion  toar  eine  ungel^eure  unb  gtoar  immer  eine  möglid^ft  jJerfönlid&e;    bie  briefliche 

30  ober  münblid^e  93el^anblung  jeber  älngelegen^eit  ift  il^m  bie  liebfte.  ©o  getoinnt  er  bie 
3üge  eine«  gefc^äftigen  ^ietiften,  beffen  ©^attenfciten  i^m  aber  auc^  nid^t  fehlten.  ®eh)ife, 
er  h?ar  fromm  unb  bemütig,  aber  er  tourbe  ftc^  beffen  aud^  öfter  betoufet  unb  qcA  bem 
unberl^ol^len  2lu«brudf  nid^t  o^ne  jenen  leifen  Unterton  be«  3)anle«,  bafe  er  nic^t  toar 
„toie  bie  anberen".    ©eine  $oIemil  h?ar  im  Sergleic^  ju  ber  feiner  meiften  ®egner  bon 

36  größerer  SJlilbe,  bie  aber  l^ier  unb  ba  einen  ^t\üa^  gelünftelten  ©inbrudf  mad^t.  3"  einem 
fad^Iid^en  9Ja(^geben  toar  er  niemal«  geneigt,  benn  al«  Slutobibaft  —  ba«  mac^t  einen 
toeiteren  toic^tigen  3wg  feine«  ß^aralter  au«  —  toar  er  bon  ben  felbftentbedten  3&QfyC' 
beiten  fo  burc^brungen ,  ba^  leine  Autorität  i^n  toanfenb  ju  mad^en  bermoc^te.  3)aju 
blieb   er  fein   Seben  l^inburd^  Slriftolrat,   ber   fic^  toeber    einem    anberen    unb    noc^ 

40  biel  toeniger  ber  3Kaffe  unterorbnen,  fonbem  in  einem  f leinen  Äreife  gleic^gefuinter 
SKenfc^en  bie  Slefonan^  für  bie  angefd^lagenen  2^öne  finben  toottte.  gür  bie  SKottoenbigs 
leit  größerer  SSerbänbe,  für  äußere  Drbnungen,  für  aDe«  ©tatutarif^e  fehlte  i^m  jcber 
innere  ©inn,  nad^  biefer  ©eite  ^in  toar  er  eine  genuine  ©c^toärmematur.  ©eine  intel* 
leltueHen  gä^igleiten,  bie  ber  ©ebanfenbilbun^  toie  be«  3lu«brudf«,  toaren  reit^,  an  einer, 

46  tomn  and)  bef^ränften  Originalität  fe^lt  e«  i^m  nid^t,  unb  im  Sauf  ber  ^af^xt  eignete 
er  ftc^  gute  Äenntnifje  in  ber  jjatriftifd^en  unb  mittelalterlid^en  —  bome^mlid^  ber 
m^ftifc^en  —  2^^eoIogie  neben  ber  Selanntfc^aft  mit  ber  geitgenöfftfc^en  tl^eologifc^en 
^ubliciftif  an.  SDatoon  jeugt  feine  Ideologie,  bie  jtoar  fein  abgerunbete«  ©Aftern  ift,  in 
ber  aber  einige  §au>)ts  unb  ©runbgebanfen,    alle«   einzelne  be^errfd^enb,  immer  toieber- 

60  fe^ren.  ©eine  2^eologie  burd^  atte  Soci  ber  3)ogmatii  ^inbur^  ju  verfolgen  ge^t  nidbt 
an,  fonbem  nur  gu  benjenigen  fragen,  in  benen  er  eine  getoiffe  tl^eologiegefc^ic^itlicpe 
Sebeutung  einnimmt,  ift  feine  ©teHungnal^me  ju  d^arafterifteren.  3)ann  aber  toirb  e« 
ftd^  toejentlic^  um  feine  ^ufeerungen  ju  3Bort  unb  (Seift,  jum  Slbenbma^l  unb  jur 
Gl^riftologie  j^anbeln. 

66  ^m  3iKittcl>)unfte  bon  ©d^to.  Il^eologie  fte^t  bie  3?erbältni«bcftimmung  bon  SBort 
unb  Öeift  ober  auc^  Don  gefd^ic^tlid^er  Offenbarung  unb  gegentpärtiger  SBiebergeburt.  ®r 
InüJ)ft  bei  ber  3lu«bilbun^  feiner  ©ebanlen  an  3lugufiin,  bie  beutfcf^e  ÜK^ftif,  bor  allen 
3)ingen  'itauler  an,  DicUeic^t  auc^  an  bie  bD^mif4)=mä^rifd;cn  Srüber,  bringt  aber  eine 
SHei^c  felbftftänbiger  3lu«fül)rungen  l^inj^u,  runbet  ben  gcfamtcn  ©ebanlenlom^lej  ob  unb 

60  berfnü))ft  i^n  au|erbem  in  gefc^idfter  S^fteniatit  mit  ber  Se^re  bon  ber  ^l,  ©d^rift  einer» 


®4i0eiitffelb  77 

feit«,  mit  ber  Sebrc  t>on  ©lauten,  ffiieberßeburt;  SRed^tfertißung  anbercrfeit«.  Son  jeit^ 
genöfjtfc^en  anfc^auungen  ift  e«  bie  lutl^erifd^e;  befonber«  in  i^rer  aSertretung  burcb 
m.  glaciu«  ga^cu«  (»gl.  ?Prefler  9W.  %lacm  I  298  ff.),  gegen  bie  er  ftd^  energif^ 
toenbet,  toä^enb  er  in  Sejug  auf  ÖcoIamj)ab  unb  3*^i"0li  äufeert:  „Jidem  viri 
ambo  rectius  quoque  de  praedicato  et  vocali  verbo  senserunt  et  scripserunt  5 
quam  Lutherani . . .  Oecolampadius  praeBe^tim'^  (9(u«  einem  Sriefe  bom  ^al^re 
1554,  ongebunben  <m  De  cursu  verbi  Dei.)  3Son  9Rännem  toie  ©.  grani  unter« 
f(^eibet  fi^  ©d^to.  bagegen  entf (Rieben,  fofem  er  bie  Il^eorie  bom  angeborenen 
inneren  SBort  nic^t  l^t,  fonbem  ftrenger  ©u)iranaturaltft  ift  unb  gubem  bie  Serberbni« 
ber  menfd^lid^en  Statur  bur(^  bie  ©ünbe  toeit  tiefer  erfaßt  unb  bie  Sebeutung  ber  gef(^t(^t«  10 
lid^en  grlöfung  burc^  3efu«  S^riftu«  ftärfer  toertet.  Sufeer  feinen  näd^ften  Slni^ängem 
toie  tttoa  ihauttoalb  unb  ber  ©emeinbe  ber  ©d^toendffelber  ftefien  bon  bcn  ©j)iritualtften 
ber  fj)äteren  geit  befonber«  SBeigel,  in  ber  Se^rc  bon  ber  ©d^rift  auc^  3-  2lmb  unb 
Slal^tmann  unter  ©c^to.«  3(nregungen. 

tjaft  in  allen  feinen  Seröffentlid^ungen  ift  ©d^to.  mel^r  ober  minber  au^fübrlic^  —  is 
oft  mit  genau  benfelben  SBBorten  —  auf  bie«  3;^ema  gu  fj)re(^en  gelommen.    ©rftmalig 
Äußerte  er  fic^  jufammen^ängenb  über  ba«  3Serl^ältni«  bon  SBort  unb  ®eift  in  ber  bon 
DcoIanHjab  l^erauigegebenen,  nic^t  fel^r  umfänglid^en,   aber  in^alt^reid^en  ©d^rift  „De 
cursu  verbi  Dei,  origine  fidei  et   ratione  iustificationis"  1527  33afel.  ginben  ficb 
in  i^r  auc^  fc^on  bie  Sinien  faft  fämtlic^er  fj)äterer  Slnfd^auungen  angebeutet,  fo  ift  bo4  20 
manche«  nodj  unfertig  unb  ber  ©egenfa^  gegen  bie  lut^erifc^e  Slnfd^uung  nod^  nic^t  fo 
f^roff  au«g4)rägt.    ^m  botten  2(u«j)rägung  biefe«  ©egenfafee«  toie  jur  xBottenbung  ber 
eigenen  5ßofttion  bereif  bie  3SeröffentIid^ung  einer  großen  wx^af}!  bon  ©c^riften  toiber 
maciu«.    S)ie  ^au))tfäd^Iid^ften  —  unb  bamit   toerben   jugleid^   bie  i^au})tqueQen   für 
©c^to.«  Seigre   bom  SBJort  unb  ®eift   genannt  —  fmb  I.  3Som  unterfeaibe  be«  toort«  26 
®ottc«  unb  ber  §ei^liaen  ©c^rifft"   (ol^ne  Sa^r  unb  SDrudEort).    II.  ä3on  ber  ^ailigen 
©d^fft  irem  Snnl^lt  |  a[mj)t  |  re^tem  9luft  |  ©raud^  unb  mifebrauc^"  (©tra^ura  1594). 

III.  SSom  leeram^t  be«  netoen  S^eftament«.    Da«  f^ein  j)rebicant    ber  nic^t  from  ift 
unb  ©ottfelig  lebt  |  ba«  Sbangelium  .  .  .    I^an   feliglicb    mit   fruit   j)rebigen    1555. 

IV.  Confutatio  unb  aiblainung  be«  britten  ©d^mad^buc^lin«  %.  ^ü\}t\Ä  (o^ne  ^afyc).  ao 

V.  »efc^lufe  unnb«  gSalete  2luff  glaci^  ga^rici   letfte   jtoai  fc^mac^büc^Iin  .  .  .  1555. 

VI.  3Som  toorte  ®otte«  ba«  I^ein  anber  toort  ®otte«  fei  |  aigentlic^  gu  reben,  benn  ber 
©un  ®otte«.  — 

©djfto.  fcftt  bie  2e^re  bom  ®nabenmittel  be«  SBorte«  mit  ber  bon  ber  ©d^rift, 
oI«  ber  Offenbarung  in  Sejie^ung  unb  ftimmt  eine  auf  bie  anbere.  ©r  teilt  bie  alt«  86 
ort^obose  äuffaffung  bon  ber  ^nfriwtion,  aber  er  beftreitet,  bafe  i^r  birefte«  ^ßrobult 
in  ber  9ibel  borliegt,  bie  il^m  tjielmebr  nur  al«  menfd^Iic^e«,  unboßfommene«  äbbilb  unb 
©leic^ni«  bon  bem  gilt,  toa«  burd^  bie  3nft>itation  in  ben  $erjen  ber  ^roj)l^eten  unb 
Sl^oflel  getoirlt  toar:  „S)ie  l^ailigen  menfc^en  ®otte«  |  toeld^e  bon  bem  ^ailigen  ®aifte  ju 
reben  unb  ju  fd^reiben  feinb  getrieben  |  l^aben  il^re  ^aab  unb  reid^t^umb  |  fo  fie  imm  40 
^er|en  ge^bt  |  unb  lebenbig  em^jfunben  |  nid^t  mögen  mn  bie  ftimm  ober  fd^rifft  faffen  l 
um*  anbem  geben,  ©ie  l^aben«  !aum  ettlic^er  majfen  I^önnen  abmalen  |  unb  mit  lautt  | 
ftimme  |  ober  ©d^rifft  im  l^ailigen  gaifte  bezeugen:  bie  feber  f)ai  ba«  l^erfe  nid^t  mögen 
gen^lic^  auff  ba«  ba))ier  bringen  |  nod^  ber  munbt  ben  bronnen  mit  feinen  quellen  auftreben  | 
fonbem  ^abii  alfo  in  bienft  burd^  il^re  ftimmen  |  fo  tjiel  unfe  nu^lic^  ba«  gleid^nufe  46 
fürgetragen  |  unb  gu  bem  ainigen  §e^lanbt  |  brunnen  unb  fiiec^te  getoeifet"  (Som  toorte 
®ütte«  .  .  .  XXIIc).  S)em  entft)re^enb  ^at  bie  ©d^rift  leinerlei  Sebeutung  für  bie 
©ntflel^ung  be«  religiöfen  geben«  im  3Jfenfd^en,  fte  toeift  nur  auf  biefe  ^in  unb  jeugt  bon 
i^,  nic^t  bie  ©d^rift  bringt  ben  ®eift,  fonbem  ber  mit  ®eift  erfüllte  3)lenfd^  bringt  biefm 
%v(X  ©djfrift,  „er  mufe  ba«  göttlid^e  lid^t  jur  fd^rifft  |  ben  gaifi  jum  bud^ftabm  |  bie  toar*  60 
l^eit  jum  bilbe  |  unnb  ben  maifter  ju  feinem  toerle  bringen"  (98.  b.  f).  ©d^rift  VIv). 
Df^m  bafe  ©d^to.  in  biefem  ?PunIte  gu  bleibenben,  ganj  fc^arfen  ßrlenntniffm  gelommm 
toöre,  toertet  er  bie  ©d^rift  meiften«  al«  guDerläffige  gefd(>id^tlid^e  Urlunbe  t)on  ber  d^rift* 
liefen  Dffmbamng  (35.  b.  ^.  ©d^rift  LXXr,  XVI)  unb  ä^nlid^  toie  3toingli  al«  normie» 
renbm  Äontrottaj)j)arat  für  atte  inneren  Dffenbämngen  „©«  gejimet  fic^  auc^  nic^t  o^ne  56 
berfelben  geugnu«  ^ttoa^  in  ber  G^riftlid^en  SReligion  al«  nottoenbig  fe^en  ober  fc^liefem  | 
unnb  e«  r^üme  ftd^  ^leid^  einer  göttlichen  Dffenbamngm  toer  ba  toöUe  (3?.  b.  f), 
©(grifft  Ilrff.).  i)a  nx6)t  jebermann  bon  9iatur  „fein  innerlid^  lebenbig  SBort"  beft^t 
(ß^riftl.  Drtl^ob.  S.  887)  gel^t  bie  ©meuerung  be«  ^JJlenfd^en  auf  bie  unbermitteltc  JÖirlfam« 
feit  ß^rifti  im  ^l.  ®eifte,   ber   aber  mit  bem  gefc^i^tlid^en  fleifd^getoorbmen  ß^riftu«  go 


78  Sf^tpendfelb 

inJ^altlki^  ibenttfiiiert  toirb,  jurüdE  „i^'^albm  ben  anä)  ®otte«  2Bort  |  ®ott  felBft  |  glcifc^  | 
ber  §err  ß^riftuö  SKcfdp  toorben  ift  |  un  f)at  in  ung  getponct  .  .  .  un  bie  ^^imj 
lifd^en  fd^ä^e  |  un  gülcr  |  fo  er  bon  ®ott  feinem  38atter  em^)fan0c  |  attem  öleubigc 
flcifd^e  I  bermittete  feinet  ^letfd^e^  un  Slut^  |  burc^  ben    f).  geift  aufeteilete  .  .  .  fold^  | 

6  jt)rid^  id^  t^ut  allein  baö  natürlid^e  lebenbige  fflort  |  Verbum  incarnatum  |  ßl^riftu« 
im  ^cilijgen  ©elfte  |  hjcld^e^  feine  gnabe  ift  |  o^ne  eufferlid^e  elementifd^e  mittel  huxd^  ftc^ 
felbft"(6^riftl.Dttl^ob.S.566ff.).  Sebe  SSermittelung  be«  religiö^^fittlid^en  SBirfen«  S^fti 
ober  be«  ©elfte«  lel^nt  ©c^h).  energifc^  mit  ber  berf^lebenartigften  Segrünbung  ab.  3^^ 
aSermittelung  foll  ber  ätbfolut^eit  ®otte«  tolberftreben   unb  il^n  bon  ben  Äreaturen  ob^ 

10  gängig  mad^en  (9Som  SBBorte  ®otte«  LIr),  ja  jebe  38ermittelung  fott  e«  unmöglich  machen, 
bafe  e^ftu«  no^  femer  ba«  §auj)t  feiner  ®emelnbe  fei  (ß^rlftl.  Drt^ob.  9.  324).  3)le 
2:i^atfad^e,  bafe  nad^  ber  ©d^öJ)fung«orbnung  fid^  ber  ®elft  burd^«  SßJort  bermittle, 
beranla^t  ©c^h).  —  gerabe  im  ®egenfa^  ju  Sutj^er  —  baju,  auf  bem  geiftlic^en 
®ebiet   ber   ©rlöfung   anbere   ®efe|e  alö   tolrifam  ^u   j)oftulieren   (j.  33.  33.  b.  ^L 

15  ©d^rift  CVIIIv).  ®er  $auj)tgrunb  aber,  ble  SBlrlfamlelt  Don  SBort  unb  ®eift  )u 
trennen  unb  allein  be«  le|teren  unbermitteltem  28irlen  bie  tpiebergdbärenbe  ®nabe  ju- 
jjuelgnen,  Hegt  —  tole  bei  ben  ^Reformierten  —  In  ©c^lo.«  beutlid^  au«gef>)rot^enem 
?Präbeftinatlantemu«:  ®ott  h?lD,  bafe  alle  feine  ®aben:  „ex  eodem  fönte  coelesti  in 
cordaelectorum,  per  Jesum  Christum,  caput  Ecclesiae  in  spiritu  sancto,  scaturire 

20  interque  ea  nulluni  externum  medium,  ut  neque  inter  caput  et  corpus,  collo- 
cari  posse"  (De  cursu  v.  d.  13.).  „©le  (b.  f),  ble  lut^erlfd^en  ^Prebiger)  bebenten  ouc^ 
nic^t  I  ba|  ber  toare  @bangelifd^e  glaube  nld^t  jebermann«  blng  |  h)le  ^ulu«  faget  | 
fonbern  ein  teure  l^erjllc^e  gäbe  be«  ^eiligen  ®elftg  Ift  |  bie  ba  fleu|t  an^  bem  toefen 
®Dtte«  in«  ^er^  be«  auffertoöltcn  SKenfc^en  ®otte«"  (6^riftI.Drt^ob.9.325ff.).  3ubiefer 

26  2lnna^me  aber  toleberum,  bafe  ftd^  ble  SBlrlfamfelt  ®otte«  auf  einen  beftlmmten  fitet« 
au«ertoä^lter  3Kenf^en  befiränie,  fül^rte  ©d^to.  ble  35eobad^tung  tjon  ber  fo  häufigen 
ftttllc^steligiöfen  Unlolrifamlelt  be«  gcjjreblgten  SBorte«  bor  aDlen  ©Ingen  an  beflcn 
eigenen  ^reblgem  (SSon  unterfd^aibe  Biijir  Cur),  eine  33eobad^tung,  bie  ja  ber  ^avipU 
grunb  feiner  3lbtoenbung  bom  Sutl^ertum  tourbe.    Damit  l^ängt  toleber  bie  bonattftlfc^c 

30  SKuffaffung  jufammen  „3)a^  lein  gottlofer  böfer  menfd^ . . .  bem  l^alllgen  gelfte  im  le^ 
am))te  be«  netoen  ^^eftamentö  mit  gnab  blcnen  |  aud^  baö  ©bangellum  jur  belerung  ber 
fünber  Im  fegen  be^  galft^  frud^tbarllc^  tan  t)reblgen"  (3Som  Ieeramj)t  B.  iijr).  — 

9leben  blefen  feften  $aut)tbeftlmmungen  ©d^h).  über  bag  SSerl^ältnl^  bon  SBort  unb 
®elft  lönnen  ble  atlerblng^  bor^anbenen  SSerfud^e,  einen  geh?lffen  engeren  3wföni*n«n^n0 

85  jlDlfd^en  belben  j^erjufteQen,  telne  felbftönblge  c^aralterlftlfd^e  33ebeutung  beanf^ruc^en  unb 
bebürfen  l^ler  nlc^t  ber  9tet)robu!tlon.  6lne  elnge^enbe  Ärltll  unb  SBJlberlegung  ©djito.^ 
^ai  %lacm^  unb  aud^  SBlganb  geliefert  (bgl.  ®rüfcmad^er  1.  c.  ©.  72—83).  ©d^to.  ifi 
ber  Slnfängcr  jener  öermlttelnb  fj)lrltuallftlfd^en  3ll(^tung  feit  ber  ^Reformation,  ble  feft^ 
^altenb  an  ber  gefd^ld^tlld^  burc^  ß^rlftum   erh)orbenen  ®nabe  unb  ßrlöfung  boc^  i^ 

40  2tu^h)lrlung  an  ben  ^räbeftlnlerten  allein  auf  ble  unbermltteltc  SBlrffamlelt  bed  ©eifie« 
jurüdfü^rt,  babei  aber  ©d^rlft  unb  ^reblgt  eine  getrlffe  S3ebeutung  belaffen  Ipiß. 

SBermod^te  ©d^to.  fd^on  ber  ^l.  ©c^rlft  feine  Im  ftrengen  ©Inne  rellglöfe  33ebeutung 
beizulegen,  fo  mufe  feine  ©d^ä^ung  ber  Sefenntnl^fc^rlften  noc^  eine  h?elt  geringere  fein. 
93ad  lommt  jum  SluöbrudE  In  feinem  ^ubl^lum  über  bleSlug^burglf^e  Äonfeffion  „3Q8lr  toöHen 

46  ble  3lugfburglfd^e  Äonfeffton  In  benen  t)uncten,  ba  fle  mit  ben  $ro>)^etlf(^en  un 
2tt)oftoli|d^cn  ©d^rlfften  ftlmt,  feln^h?eg^  bcrtoerffen.  S)a^  h?lr  fle  aber  foHen  für« 
©bangellum  ß^rlftl  galten  1  ober  brcln  fc^toeren  |  ba  toöHe  un«  ®ott  für  bel^üten  .  .  . 
©le  h?erben  fle  je  nl^t  In  Äanonem  fe^en  |  no(^  ber  ^.  fc^rlfft  fönben  bergleld^en  |  in 
locld^er  fein  Irrtumb  aber  In  ber  2t.  6.  fotool  afö  In  ber  1^.  SJätter  ©c^rlfften,  mc^r  berat 

60  ein  Irrt^umb  Ift  gu  finben  |  loeld^e;  noc^  aü^  mit  ber  jelt  Im  l^eUem  auffgang  be« 
gneblgen  §lmllfc^en  llec^tö  G^rlftl  offenbar  foU  loerben"  (Sj).  IIj  p.  496).  5Dle 
3eit  blefer  Offenbarung  fam  fd^netl,  fofern  ©c^to.  bei  feiner  elnge^enben  ^Prüfung 
eigentlich  mit  feiner  einzigen  Sc^re  ber  6.21.,  bejonber^  nld^t  mit  benen  öon  bct 
^Rechtfertigung,    ber   Älrc^e,   ben  ©atramcnten    clnüerftanben    loar,    fonbern     überall 

65  anbere«  an  ble  Stelle  fe^en  tooHte.  2)a«  game  Selenntnl«  unb  erft  red^t  ble  33er})jp[l(^s 
tung  auf  ba^felbe  fiel  l^m  unter  bie  ftatutarifc^en  SRa^regeln  jur  ©rünbung  einer  Älrc^ 
tolber  ble  er  t)rmjl<)letlen  ßlnf^jruc^  er^ob  al«  mit  bem  Seift  unb  ber  ^retj^dt  ftreltenb. 
2lllcn  ©ebanfen,  ble  fic^  im  ^rotcftantl^mu«  um  ben  begriff  ber  ecclesia  late  xmb 
stricte  dicta  grujj^jierten,  ftanb  er  nur  negatit)  gegenüber,    ©ein  ^'t>tal  toaren  einzelne 

60  ®emelnben,    ble  burc^  ble  2lufrl^tung    eine«  rechten  Sänne«  möglic^ft    einer  fittlM^c» 


®4toenftfeIb  79 

Eiligen  ©cmetnfd^aft  angmäl^ert  toerben  fottten.  3l\i)t  unhjal^rfc^ctnKci^  ift  c^  barum, 
ba|  ö^nltc^e  bei  Sutl^er  nur  f))orabtfci^  ouftretenbe  Senbenjen  naö)  biefer  ätid^tung  l^in 
au\  Slnregungen  @(^n).^  ^urücfgel^m  (t)gl.  jtolbe,  Sutl^erd  @ebanle  bon  ber  ecdesiola  in 
ecdesia.  3Ä®  1892,  ©.  552— o55X  —  Snfolgebeffcn  lonnte  ©d^h).  aud^  ben  ©afea^ 
mcnten  leinen  realen  ©nabenmitteld^aralter  gufd^reiben.  3"  ^^^  ^^^^  bon  ber  2^ufe  6 
^at  man  il^n  mit  ben  SBiebertäufem  jufammengeftellt.  3)ag  ift  unri^tig,  hjenn  er  auc^ 
mit  i^nen  in  ber  SSertoerfung  ber  Äinbertaufe  einig  toar  —  nac^  einigen  äu^enmgen 
toottte  er  fte  ate  eine  äufeerlic^e  ßeremonie  fte^en  laffen  —  fo  l^ölt  er  bod^  eine  SCaufe 
ber  ßrtoac^fenen  für  ebenfo  toertlo^.  2tn  ben  Sanbgrafen  $l^ili})J)  bon  Reffen  fd^rieb  er: 
,,9lun  lan  \6)^  ja  nic^t  leudEen,  bafe  ic^  ben  Äinbertauff  ni^t  ^alte  für  ben  Xauff  3efu  lo 
e^fii,  fonber  für  ein  menfd^en  gefe^  ...  Db  ic^  benn  glei^  Dom  finbertauff  noA 
ni(^t  fo  t)iel  !an  l^altcn,  fo  \ü\l  \S)  m\d)  bennod^  auc^  banebc  bebinget  l^aben,  bag  id^ 
brumb  lein  SBibertäuffer  bin,  aud^  ü^ren  Xauff  fam^t  aQe  bem  Xauff,  ba  man  bie  feelig^^ 
feit  unb  bergebung  ber  fünben  an  eufferlid^e  Geremonien  ober  ©lement  binbet,  für  un^ 
xtd^t  fydU  . . ."  (®p.  II,  ©.  284).  ©d^to.  lennt  nur  bie  innere  ©eifteötaufe  3efu,  bie«  15 
toieber  nur  eine  anbcre  gormel  für  bie  unbermittelte  2BirIfamfeit  be«  etoigen  SBJorte«; 
ein  3ufammenl^ang  mit  ber  äußeren  $anblung  beftel^t  gar  nic^t,  fte  lann  ^öd^ften«  al« 
na(^foIgenbe«  S^xqtix  für  jene  in  'Szixaä)t  lommen  (über  ©c^to.  Stellung  jur  SCaufe  bgl. 
»our,  „3toingtö  X^eologie"  33b  II,  1889  ©.  245  ff.). 

©d^lo.«  ^benbma^tölel^re  iDurjelt  einmal  in  feiner  aUgemeinen  Slnfc^auung  t)om  20 
SBefen  ber  ©nabenmittel,  bann  in  jeiner  äluffaffung  be«  ©imte«  ber  Sinfe^ungi^ 
toorte  unb  britten«  in  feiner  S^riftologte,  ivenn  aud^  ba«  SSerl^ältni«  ber  le^teren  Sepre 
gut  ^enbmal^Ulel^re  ein  reci))roIe«  ift.  ^n  Sejug  auf  bie  9(u«legung  ber  Slbenbmal^Us 
tootte  trägt  Bßto.  folgenbe  „§eimfud^ung  bon  oben"  tjor :  „3)enn  e«  fte^et  nid^t  iü  ben 
f^rac^en,  barin  bie  loort  tjom  ^eiligen  Seifte  befd^rieben  |  3)iefer  Äeld^  ift  ein  neuh)e25 
ieftoment  |  SBBie  benn  ba«  Poculum  |  ober  ÄeÜi^  |  nid^t  mm  g^Ö^örtlin  touto 
ober  3)a«  gehöret  |  fonbem  e«  toirt  burc^  ben  ©riec^ifd^en  ^rtidfel  xd  ber  bajimtd^ 
flieget  I  babon  abgefonbert  |  unb  ba«  |  Hoc  fte^et  absolute  für  ftd^  |  3tad)  bem  ba«  SÖört^ 
lin:  Poculum  |  ober  Srand  ift  bom  2uca  unb  ^gaulo  gleic^fam  gu  toeiterer  erllärung 
unb  auglegunge  be«  borbem  |  baf(  man  toiffe  |  n^a«  ba«:  Hoc  |  ober  rot^ro  fe^  |  ^innp  so 
gefegt  toorben. . .  3)er  §err  rebet  brauff  bon  ber  eigenfd^afft  feine«  93lut«  |  unb  fjjrid^t: 
3)aa«  (bemimm)  ein  Srand  |  ift  ba«  neutoe  a^eftament  inn  meinem  95lut"  (ßp.  H» 
p.  16).  Unter  $eran^ie^ung  bon  ^0  6  ergiebt  fid^  bann  al«  eigentli^er  ©inn  ber 
9{benbmal^l«toorte:  mein  Setb  ift  bie«  nämlic^  ä9rot  in  ber  33ebeutung  bon  geiftli(^er 
©peife,  mein  ä9lut  ift  bie«  nämli(^  XranI  in  ber  Sebeutung  bon  geiftli^em  Xrant  für  35 
bie  ©eele.  Sntfemt  fo  ©c^to.  f^on  au«  ben  @infe$ung«tt)orten  jebe  ^inbeutung  auf 
eine  enge  reale  3Serfnü))fung  ber  ©lemente  mit  2eib  unb  33lut  G^rifti  im  fatl^olifcben 
ober  lut^erifc^en  33erftänbni«,  fo  ^inbert  i^n  an  einer  fold^en  annal^me  aud^  feine  ß^to« 
logie  ober  rid^tiger  nod^  feine  2tnfc^auung  über  ba«  3Serl^ältni«  be«  ©öttlid^en  unb  grbifAen. 
ß^fti  5Kenfd^^eit  berlnüjjfte  er  \a  nod^  enger  al«  ba«  Sutl^ertum  mit  feiner  Oottl^eit,  40 
fo  bag  t^m  ber  @eban{e  einer  Ubiquitöt  ber  £eiblid^!eit  Sl^rtfti  feine«h)eg«  unboQjiel^^bar 
toar  —  infofem  f^aüm  bie  5jJ^ili))J)iften,  bie  i^n  für  ben  eigentlid^en  Url^eber  ber  ubiqui« 
tät«le^e  hielten,  fo  Unre^t  nid^t  (bgl.  SRöller'Jlatoerau  ©.  446  3lnm.),  aber  er  ber= 
motzte  bie  (Sottl^eit  überl^auj)t  nic^t,  barum  auc^  nic^t  bie  Gl^rifti  9Jlenfd^^eit  umfc^liefeenbe 
®ott^eit  in  irgenb  ein  engere«  Ser^ältni«  ju  ci\oa^  i^reatürlic^em  gu  fe^en.  SEBeil  fid^  45 
®öttli(^e«  niemal«  burd^  ^reatürlid^e«  bermtttelt,  barum  natürlich  aud^  ntc^t  bie  ©egen^ 
toort  S^rifti  burc^  bie  9Ibenbma^l«elemente;  i^rer  @rfaffung  burd^  ben  ®lauben  auf 
jeiftlic^e  aBeife  ftel^t  bagegcn  nid^t«  im  SSiegc.  ©4>to.«  3lbenbmal^l«le^re  gel^ört  alfo 
m  ben  Ärei«  berjenigen  9luffaffungen  be«  3l6enbma^le«,  bie  man  al«  bie  fj)iri5 
tualiftifc^'b^namiftifd^en  (ftel^e  91.  älbenbmal^l  33b  I)  bejeid^net  ^at  unb  jeigt  untere 
ben  reformatorifd^en  3luffaffungen  bie  meifte  33ertoanbtf^aft  mit  berjenigen  Galbin«. 
©<^to.«  ß^fkologie  (bgl.  befonber«  $al^n  L  c.  Domer,  „6nttoidelung«gef(^i(^te  ber 
2e^re  bon  ber  ^ßerfon  ß^rifti;  93aur,  ,,93ie  d^riftlid^e  Se^re  bon  ber  3)reieinigfeit  unb 
3Renfc^toerbung  ®otte«")  bapert  auf  feiner  93eftimmung  be«  SSer^ältniffe«  bom  ®ött= 
li(^  unb  3Jcenf(^lid^en  überl^au)[>t.  Stile«  ^enfd^lid^e,  toa«  bur^  creare  ju  ftanbe  66 
lommt,  ftel^tbabur^  in  [tarier  Diftang  ju  Sott  „©«  ift  aber  fein  Äreatur  bcrmaffen  in^im, 
ba6  fie  ®ott  ober  ©öttlic^«  toefen«  au^  ber  fd^ö^jffung  mitgenöfftg  unb  tl^eill^afftig 
toär,  benn  alfo  feinb  aDe  Kreaturen  auffer^alb  ®ott  unb  ®ott  auffer^alb  allen  Jtreaturen" 
{®p.  II,  p.  105).  ©oH  ba«  S?er^ältni«  ß^rifti  ju  ®ott  ein  bcfonbere«  fein,  näm* 
li^i  bo«  boUIommener  @in^eit  mit  ®ott,   fo  mu|  e«  mit  ber  Sntfte^ung  feiner  menf^-  60 


80  ®i^toettdfdb 

Kd^en  9latur  eine  befonbere  Setoanbtnte  ^aben.  Unb  bem  tft  \o,  ha  feine  9latur  nic^t 
creando,  fonbern  generando  ju  ftanbe  gelommen  ift.  ®ott  ift  ber  Siater  auc^  ber 
ÜRenfd^^eit  &f)xx\ü,  „®oti  ber  J^imlifd^e  ':Bater  folte  ein  SSater  bed  ganzen  (S^rifti,  ®ott 
unb  aKenfd^en«,  fein  .  .  .    (ßp.  I  p.  612),  er  f)at  burd^  ben  ©d^öt)teralt   ber  9latur 

6  beh^irft,  bag  ,,6^riftu^  feine  ^eiligteit  f^at  nid^t  au^  gnaben,  @r  ffcA  fte  aud^  nic^t  old 
ein  qualitet  noc^  2lcciben«  ober  anllebenb jufeuig  Ding  nac^  feinem  3Kenfc^en,  fonbern 
natürli^  unb  felbftftänbi0"(S^riftI.Drtl^ob.95.521).  @d^h).«3ntereffebaftet  befonber«  an  ber 
Sejeid^nung  ßl^rifti  al^  bed  anberen  ^bam,  burd^  ben  aud^  bie  ©d^öjc^fun^  bei?  3Rtn^dfm 
erft  ju  i^rer  9SotIenbun0  gelommen  ift.    3)iefeg  fo  fd^on  bon  Slnbegmn  m  einem  befon- 

10  beren  3Ser^äItni«  gu  ®ott  ftel^enbe  fjleifd^  ßl^rifti  ift  ebenfo  toie  feine  Oottl^ett  burt^ 
SRaria  auf  bie  SEJelt  aefommen:  3ion  ber  ©eburt  ß^rifti  glauben  toir,  „ia&  SKaria 
Si^riftum,  ®ott  unb  SKenfd^en  in  einer  ^erfon  bereiniaet  ^obe  geboren,  9iid^t  S^nffatm 
allein  nac^  ber  ^Renfd^lic^en  92atur,  benn  ob  IdoI  6^ftu$  feine  ©ottl^eit  nit  t>on  ^Dlaria 
^at,  fo  folgt  brumb  nid^t,  ba«  fte  il^n  allein  nad^  ber  3)lenfd^lic^en  9latur  bab  geboren, 

16  fonbern  ®ott  unnb  9Jlenfd^en,  einen  ©o^n  uu  ß^riftum  ganfe"  (ß^riftl.  Drt^ob.Ä  152). 
SBie  bei  ber  ®eburt  fo  fud^t  @(^h).  aud^  im  ganjen  £eben  Sl^rifti  ©ott^eit  unb  ÜRenfc^s 
^eit  möglic^ft  eng  miteinanber  ju  t>erfd^lingen,  bie  lut^erifc^en  f^ormeln  genügten  ii^m 
noA  nicft,  fie  fc^medften  il^m  nod^  immer  nad^  Sleftorianiömu«,  anbererjeit«  aber  toill  er 
bod9  ben  bauemben  Seftanb  ber  beiben  Slaturen  feftl^alten  unb  le^nt  jebe  SSertoanblung 

20  ber  einen  in  bie  anbere  ab:  „ß^riftu^  aber  ift  nid^t  ein  gebritd,  h>eber  in  ber  SRenfcb^: 
toerbung  ©otted  noc^  in  ber  ©otttoerbung  feinet  menf^en^  h>orben,  fonber  er  bleiot 
in  unbermifc^ten  naturen  an  beiben  orten  ®ott  SDlenfd^,  ein  5ßerfon,  ein  (SfyA\taS,  ffir 
bleibt  nac^  feiner  mef^loerbung  t)olfomlidb  ®ott  bad  loort,  fo  lool  atö  er  noc^  feiner 
Xerflärung    ober  ®ottn)erbung   ein  t>olIomener   menfd^  bon  leib  unb  feel,    blut    unb 

26  fleifd^  bleibt:  2lber  ein  SRenf^  in  ®ott,  in  ber  ©inigleit  be«  toefen«  ®otteg,  in  einem 
gan^  netoen  ^tmmlifc^en  toefen,  im  loefen  ber  unberrudlic^Ieit  mit  ®ott  in  einerld; 
®lorien,  ma^t,  Irafft  unb  SBar^eit  bereiniget"  (ß^riftl.  Drtl^ob.  8.  218).  ©ie 
golge  ber  SJereinigung  beiber  3?aturen  ift  nid^t  ein  „3lbt^un  feiner  9Renf(^l^eit^, 
fonbern  eine  „Slnne^mung   unb  Seft^en  ber  ganjen  etoigen  ®ott^eit".    3)iefe   „®loris 

aofilation"  bed  gleifd^e^g  G^rifti  ift  nic^t  bon  3lnfang  an  fd^on  eine  boÖenbete, 
fonbern  eine  junej^menbe:  „2tu«  toelc^em  .  .  .  mag  erlannt  toerben,  toie  ba«  ^leifc^ 
ober  ber  SKenfd^  in  ß^rifto  in  ber  trafft  beö  bereinigten,  aHmec^tigen  2Bort^,  atö  in^ber 
natur  feinet  SBattem,  toelc^e  Sl^riftu^  mit  bom  ^imel  bracht,  jur  ganzen  boOlomem 
beit  ^ab  getoaifen  unb  jugenomcn,   bag  fein  ^leifd^  immer  je   mel^r ...  mit  toei^eit, 

35  ftärle  be«  ®eiftg,  ®nab,  Irafft  unnb  mac^t  ift  erfüllet  unb  burd^goffen.  3)ie  SBotur 
bon  ber  iUluter  folt  in  ber  9latur,  bie  ßl^riftu«  bom  SSater  ^ete,  toacbfen  unnb  jur 
böüigen  erbfd^aft  ber  ©ott^eit  be«  Sattem  lommen"  (1.  c.  ©.  230).  2luf  biefer  ottmä^ 
lid^en  ®lorifi!ation  bed  ^leifc^ed  ßi^rifti  beruht  bann  aud^  ber  Unterfc^ieb  bed  Christas 
historicus  et  glorificatus,    ober  be^  Status  exinanitionis  et  exaltationis.    @^to. 

40  teilte  mit  bem  Sut^ertum  bag  3i"^w^f!^  ^n  ber  engen  SSerbinbung  ber  9Kenfc^^eit  ß^rifti 
mit  feiner  ®ott^eit  unb  an  i^rem  bauemben  Seftanbe  aud^  nac^  ber  ®r^ö^ung,  er  brachte 
baö  in  gormein  jum  2tuöbrud,  bie  nod^  naiver  an  ben  6ut^^iani«mu3  ^eranfheiften 
unb  bie  bod^  aud^  mel^r  eine  ©umme  ))arabojer  SBortberbinbungen  gu  ftanbe  brad^ten, 
alö  eine  irgenbtoie  borftellbare  SBicbergabe  eine^  3:^atbeftanbeö  barbotm. 

50  3)ag  SBerl  ßl^rifti  jerfäHt  in  bie  grtoerbung  beg  §eil^  burd^  bm  l^iftorifd^en  6^rifiu§ 
unb  bie  3lu«tetlung  be«  §eile^  burd^  ben  SSerflärten.  Seibe«  umfd^liefet  nac^  fyü^n 
(I.e.  ©.52)  folgmbe  brei  9Jlomente:  1.  redemptionem  ab  imperio  diabolii  2.  pur- 
gationem  naturae  humanae  a  peccato,  sive  justificationem,  3.  liberationem  a 
statu   creaturae  et  adoptionem   in  statum  filiorum  sive   regenerationem,    ber 

60  aan^e  9lac^bmcf  fällt  auf  bie  juerteilenbe  Setl^ätigung  be«  er^öl^ten  ßl^riftud  unb  i^re 
2lnna^me  im  ®lauben:  ,,3)ag  blutß^rifti,  fo  nu  glorificirt  ganfe  geiftlic^  unb  ®öttli(^  ift 
toorben,  toirt  no(^  ^eut  aufegegoffcn  burd^  ben  §.  ®eift  mit  boUer  fcafft  unb  lefd^t  bm  burfl 
ber  feelm  burc^  ben  ©lauben  .  .  ."  (®j).  11,  p.  943).  2)amit  toiebemm  bangt  bie 
ftärfere  Betonung  ber  fittlid^^religiöfen  Umfc^affung  bor  ber  ©ered^tfj)red^ung  bei  ©d^to. 

65  i^ufammen,  toietool^l  bie  Untere  burc^au^  nid^t  ganj  au^gcfd^altct  toirb;  in  btefen  fragen 
fommt  ©c^to.«  2lnfd^auung  tool^l  atn.  beutlic^ften  in  bem  ©a§  jum  2lu«bmd:  „@ott 
^clt  feinm  für  geredet,  in  bem  gar  nic^t«  feiner  tücfcntlic^en  gercd^tigleit  ift"  dSp.  I 
p.  812).  3tber  ba^  finb  feine  originalen  ©cbanfcnbilbungen  ©c^to.^  mel^r  unb  barum 
auch  l)ier  nic^t  toeiter  m  berfolgcn.    3)a^  ©Icic^e  gilt  bon  feiner  m^ftif^m  ®laubm^ 

€0  unb  ®eIaffenJ[ieitöauffaffung,  mit  ber  er  nur  mittelalterliche^  (Srbe  toiebergiebt. 


®d|toeitdfdb  S^toerin  81 

©d^to.  ftanb  für  feine  5ßerfon  ate  „Sleutraler"  gh?ifd^en  ben  großen  Äird^en*  unb 
JRclißion^arteien  feiner  ^Ät  unb  fein  Slnliegen  \üax,  and)  für  feine  änl^änger  biefe 
„neutrale"  ©tettung  ju  geh?innen.  3)iefe  xogen  jtd^  barum  burd^  bauemben  ©tittftanb 
öon  ber  organifierten  Äird^e  gurücf,  gaben  fxä)  junäd^ft  ben  Flamen  „Sefenner  ber  ®Iorie 
G^rifti",  bann  ©d^toendtfelber  (tool^l  feit  1539  auffommcnb);  fdbloffen  ftd^  ju  einzelnen  5 
©emeinben  ^ufammen  unb  nal^men  fo  ben  balb  mc^r  ober  minber  au^gej)rägten  GJJ^araltet 
einer  ©ehe  an,  (Über  ben  fj)äteren  ©d^h).  aufeer  Äabelbac^  aud^  noc^  baö  mir  nic^t 
zugängliche  S3u^  tjon  ®^p,  „Äerll^iftorifd^e  ©tubien",  Seiben  1885.)  3(m  jal^Ireid^ften 
entftanben  naturgemäß  biefe  ©emeinben  in  ben  beiben  2änbern,  benen  ©c^U).  J)erfönlid^e 
^Jro^wganba  gegolten  J&atte,  ©d^leften  unb  ©d^toaben,  unb  in  ben  ©täbten,  in  benen  er  10 
felbft  getoefen  toar.  Sieben  il^nen  lourben  fefte  ©i^e  ftärlerer  ©emeinben  noc^  ©ör% 
©la§,  ©olbberg,  fiötoenberg,  S^^er,  SBo^lau. 

Slber  berl^ältni^mäfeig  fd^on  frül^jeitig  faßte  bie  ©d^U).  Setoegung  auA  im  §erjogtum 
Preußen  ®urjel.  ©d^h).  \üax  mit  bem  §erjog  2tlbred^t  J)erfönlic9  belannt  geworben 
unb  fud^te  i^n,  toie  bie  tjornel^mften  3!^eoIogen  in  ?Preufeen,  fo  ©J)eratu§,  gu  getoinnen.  16 
$enog  3[Ibred^t  tvar  il^m  eine3^it  lang  nid^t  abgeneigt;  eine  l^ert)onagenbe  unb  einfluß- 
reiche ^erfönlic^Ieit  griebric^  $err  gu  ©eibedE  gelang  e^g  fogar  bei  feinem  2tufent^alte  in 
Siegnift  gu  einem  überjeugten  ©^toendfelber  p  maien,  afe  ben  er  ftc^  ani)  nad)  feiner 
SRütflepr  nac^  ^Preußen  bet^ätigte.  3«  ber  3«it  jtoifc^en  1530  unb  1535  gab  eg  befonbcr^ 
im  füblic^en  ?preußen  eine  ftarfe  ©cplt).  Setoegung,  bie  bann  aber  jurüdEging  ate  ein  20 
3leligion«gefj)räc^  1531  gu  SRaftenburg  gegen  fte  ftattgefunben  l^atte,  unb  bie  fül^renben 
Ideologen  unb  aud^  ber  ©ergog  ftd^  immer  entfc^iebener  gegen  fie  erllärten  (tjgl.  Sfd^adEert, 
„Urlunbenbuc^  liur  SReformation^efd^ic^te  be«  $erjogtum«  ^reußen"  »b  I,  1890, 
©.  184  ff.).  Sine  längere  in  ben  §auj)tjügen  erlennbare  ©cfd^id^te  fc^einen  —  loenigfteng 
noc^  bem  bi^^erigen  ©tanbe  ber  gorfd^ung  —  bie  ©c^toendffelber  nur  in  SBürttemberg  25 
nebft  ber  3l^einj)falg  (^ier  in  Sanbau)  unb  befonber«  in  ©c^lefien  gehabt  ju  ^aben. 
1554  erließ  §erjog  ß^riftoj)^  Don  aSürttemberg  eine  ftrengerc  Serorbnung  gegen  fie, 
aber  nod^  im  17.  S^'^'f^wnbert  fmb  ©j)uren  Don  i^nen  naitoeiöbar.  gn  ©c^lefien 
touc^fen  bie  ©emeinben  gegen  Snbe  be«  16.  S^i^r^unbert«  burd^  Aufnahme  Don  SBieber« 
täufem  unb  im  17.  burc^  bie  bon  2ln^ängern  93öl^me^,  bod^  bel^ielten  fte  ben  ©d^tp.  2!^j)u«,  90 
h)ie  nod^  3lnfang  be«  18.  ^ai^r^unbert«  Deröffcntlic^tc  Sefenntniffe  bezeugen  (ogl.  Äabet 
bac^  ©.123  ff.).  Da«  ganje  17.  3^^^^^""^^^  ^inburd^  beftanben  fic  ^auj)tfä(^lid^  in  ber 
?lä$c  bon  ©olbberg.  @rft  2tnfang  be^  18.  S^i^r^unbertg  tourbe  man  burd^  eine  h?iber 
fte  gerichtete  ©Arift  eine^g  ?Prebiger^  ©d^nciber  auf  fte  auf merifam.  aJlan  Verlangte  i^nen 
ein  ©lauben^betenntnig  ab  unb  im  ^af)x^  1720  fanbte  Äaifer  Äarl  VI.  eine  jefuitijd^e  35 
©etoaltmiffion  gegen  fie,  loeld^e  fte  aber  nic^t  auszurotten  Dermoc^tc  (Dgl.  ^kal^:  4)ie 
©egcnreformation  in  ©d^lefien  1888,  ©.  139).  ©le  toanberten  jum  Seil  nad^  ©ad^fen 
aus,  als  i^nen  aber  anäf  bort  feine  S)ulbung  getoä^rt  tourbe,  nac^  §ollanb,  gnglanb 
linb  enblid^  9lorbamerila,  lt)o  fie  in  ^l^ilabelj)^ia  il^ren  §au))tft^  Ratten  unb  bis  in  bie 
jtoeite  §älfte  beS  19.  ^a^r^.S  nac^h)cisli(^  ejiftiert  l^aben  (bgl.  Äabelbad^  I.e.©.  50  unb  ^anh  40 
bare  Srinnerung  an  bie©cmeinbc  ber  ©d^toenffelDtcr  ju  ^^ilabelpl^ia,  ®örli|  1816).  2tlS 
griebric^  ber  ©roße  Don  ©d^leften  Seiife  ergriffen  l^attc,  gciüä^rte  er  il^ncn  burd^  ein  ®bilt 
üon  1742  (abgebrudft  bei  R'öpU,  §iftorijd^c  SJac^rid^ten,  ©.  2  ff.)  ntc^t  nur  3)ulbung, 
fonbem  auc^  SBiebereinfe^ung  in  bie  il^ncn  genommenen  Scft^tümer  unb  eriüarb  fiä 
baburd^  i^ren  lebl^aften  3)anf.  3)en  ©emeinben  toirb  emftc  »Jrömmigfeit  unb  ©ittlid^::  45 
fett  nad^erü^mt  (Dgl.  bie  anf^aulid^c  ©c|iilberung  in  ©erberS  §iftorie  ber  SBieber^ 
gebogen  IV,  3lr.  XVII  nad^  bem  Seric^t  eines  ©tubenten).  3lud^  ^ur  Siebcrbic^tung 
laben  fie  manchen  Seitrag  geliefert,  ber  bann  auc^  in  ber  eD.  Äirc^e  Eingang  fanb  (Dgl. 
©c^neiber:  3wt  Sitteratur  ber  ©c^to.  Sicberbid^ter.  Serlin  1857  Programm  unb  Äoc^ 
„©efd^ic^te  beS  Äird^enliebeS"  IP  1867,  ©.  151  ff.).  91.  $.  ^rft^mai^er.      so 

®d|toeri]i^  StStum.  —  g^eflenburgifd^eS  Udunbcnbudft,   ©«tocrin   1863 ff.,  12  S3bc; 
5»ubloff,  ®ef(^.  SOlcflcnburgS,   S3erlin  1901,  6.  54ff. ;  ^aud,  m  5)cutfc^Ionb§,  3.  u.  4.  ©b. 

S)aS  ältefte  SiStum  für  bie  im  Dften  ber  unteren  @lbe  ^aufenben  toenbifd^en  ©tämme 
fyim  feinen  ©i^  in  Dlbenbur^,  im  ©ebiete  ber  SBagrier,  f.  b.  2t.  Sübctf  SBb  XI  ©.  670. 
9$on  bort  auS  brang  baS  ßl^riftentum  aud^  ju  ben  füböftlic^en  "^ad^baxn  berfelben,  ben  56 
Sleregem,  ^olaben  unb  SBarnaben  Dor.  ßin  d^riftlid^^er  ^auptort  muß  3Jtedlenburg  ge= 
toefen  fein.  S)enn  als  infolge  beS  ffienbenabfaUS  nad)  bemSobc  DttoSII.  ber  Sifc^ofSfiJ 
in  Olbenbura  nid^t  U^anpUt  h?erben  tonnte,  nannten  fic^  bie  für  baS  SBenbenlanb  ge^ 
toei^ten  Sifcpöfe  nadf  jenem  Ort.    ©0  SReginbert,  ber  992  ertoäl^nt  loirb,  unb  S3ern^arb, 

9ttaU9nci9tlopmt  für  X^tolOQit  unb  mxdit.    3.  ».  XVlIf.  q 


82  ®4tocr{it  Sf^toefter»^  bormiierjige 

ber  1023  ftarb,  f.  Ann.  Quedl.  i.  bb.  33.  @.  69  unb  89.  Db  fte  je  jur  2:l^ätiöleit 
im  SGBenbenlanb  öefommen  fmb,  ift  minbeftcn«  fraglid^.  Sil«  einige  ^o^tjei^nte  \pättt 
burd^  ben  Übertritt  be«  2Bcnbenfürften  ©ottfc^all,  f.  b.  3t.  S3b|VII  e.42,  bie  ©meucrung 
ber  fird^Iic^en  Drganifation  bei  ben  2tbobriten  mö^lid^  tourbe,  f ottte  SJledHenburg  Sifc^of«- 
6  ft|  toerben.  grjbifd^of  Slbalbert  lonfefrierte  für  i^n  einen  ©(Rotten,  Flamen«  ^o^nne«, 
Adam  III,  20  ©.  HO.  Sr  hjar  im  Sanbe  t^ätig,  h?urbe  aber  in  bemfelben  3a^rc  toie 
©ottfc^alf  1066  bon  ben  fflenben  ermorbet,  Adam  III,  50  ©.  130.  5Damit  ^tte  ba^ 
S3i«tum  ein  ßnbe.  3"^  3?eu0rünbunfl  tarn  e«  erft  in  ber  SKitte  be«  12.  ^a^rl^unbert^. 
S)er  erfte  3Serfu(^  ging  bon^amburg  aug;  am  25.  ©ej)tember  1149  toei^te  (gS.  ^arttoic^ 

10  im  iHofter  §arfefelb  einen  Älerifer  Slamenö  ßmme^arb  gum  Sifd^of  bon  SRedlenburg, 
Helm.  I,  69  ©.134,  ber  SCag  nad^  einer  Urf .  38iceling  tjon  1150  in  b.  ed^lc«h).*$oIft.s 
fiauenb.  Slegeften,  I  ©.  44  3lx,  89.  3lber  ^atttoid)^  SfAan  mißlang;  er  f^eitcrte  an  bem 
23iberft)ru(l^  $einri(^  b.  2.  gegen  bie  SBeife  ßmme^arb«.  S)iefer  toagte,  toie  c«  Weint, 
nic^t  einmal  bon  feinem  Si^tum  Sefi^  ju  ergreifen.    SEBeiter  lam  bie  ©ad^e  erft   burc^ 

16  bie  SSerfügung  griebrit^  I.  bon  1154,  burd^  bie  §einri(^  beauftragt  tourbe,  im  Sanbe 
ienfeit«  ber  Slbe  8i«tümer  ju  errid^ten  unb  au«  SReic^ggut  ju  botieren,  C.  J.  I,  ©.  206 
vlx,  147.  3"  fei^ff^  3^i^  ^^^  ^i"  ßiftercienfer  mit  9f?amen  Sem  unter  ben  älbobriten 
atö  ^rebiger  be«  S^ri^entum«  tl^ötig.  ©einen  ©i^  ^atte  er  in  ©c^tperin,  ba«  bamal« 
jur  2)iöcefe  SRafeeburg  gel^örte.    ©r  fd^eint  nic^jt  o^ne  ®rfolg  gearbeitet  ju  ^aben.    3^"^ 

20  übertrug  §einri^  b.  2.  im  3a^re  1160  baö  ©iötum  9ReHenburg,  Helm.  I,  87  ©.  177; 
II,  3  ©.  197;  Ann.  Palid.  ©.  92,  Magdeb.  ©.  192,  3JleIIenb.  U».  I,  ©.85,  9lr.91. 
älber  injtoifc^en  Joar  ©d^h?erin  ©i^  eine«  beutfd^en  ©rafen  unb  baburd^  ^aubtort  bed 
Slbobritenlanbe«  geworben.  S)arau«  erllärt  fic^,  bafe  Sern  Sebenlen  trug,  bie  bif(^öflic^e 
Äirc^e  in  SKedlenburg  ju  grünben.    ®r  blieb  bielmel^r  in  ©d^toerin,  toeld^er  Ott  nebfl 

26  einem  Keinen  ©tric^  Sanbeö  im  SBeften  be^  ©d^toeriner  ©eeö  je^t  tjon  ber  Diöcefc  Stades 
bürg  getrennt  tourbe,  f.  3WeHenb.  US.  I,  ©.  82  ff.  5Wr.  88  unb.  91.  ©ic  fficftgrenje 
beg  Si^tum«  lief  feitbem  in  einem  flad^en  Sogen  bon  ber  3Bii^marer  Suc^t  jur  eibe, 
bie  5Rorbgrenje  bilbete  bie  Äüfte  bon  ber  SBi^marer  Suc^jt  bid  jum  ©reif^toalber  Sobben, 
im  ©üben  n^ar  bie  ©renje  burd^  ba«  feit  947  beftebenbeSi^tum  §abelberg  gegeben,  un- 

30  fi^er  loar  fie  bagegen  lange  ^t\i  im  Often  gegen  Äamin ;  erft  1260  fanb  bie  enbgiltige 
©ntfc^eibung  barüber  ftatt,  bafe  6ircit)anien,  b.  1^.  ber  Sanbftrid^  jtoifd^en  Sledfni^  unb 
®r.  Srebel  ju  Äamin  gehöre,  f.  Ä®.  SDeutfc^lanb«  IV,  ©.  624  2tnm.  6. 

Sifd^öfe:  Sem  1160—1192,  Sruntoarb  1192—1238,  griebrid^  1238—1239, 
SDietric^  1239—1247,  SBil^elm  1248—1249,  SRubolf  1249—1262,  ^ermann  ö.  ©d^laben 

86  1263—1291,  ©ottfrieb  b.  Süloh?  1292—1314,  ^ermann  b.  3Kal^an  1315—1322, 
3o^ann  b.  ^utlife  1322—1331,  Subolf  t).  Süloh)  1331—1339,  $einrid^  ö.  Süloto 
1339—1347,  anbrea«  1348—?,  2tlbert  b.  ©temberg  1356—1364,  $Hubolf  ö.  änbalt 
1365,  griebrid^  b.  Sülolt)  1366—1375,  3Karquarb  Secrmann  1375—1376,  SRelc^ior 
b.  ©mbm^agm  1375—1381,  ^ßot^o   1381—?,    SRubolf  b.  3Jledtlenburg   1391—1415, 

40  §einrid^  5Rauen  1417—1418,  §einrid^  b.  SBangelin  1419—1429,  ^ermann  SÜppm 
1429—1444,  5Rifolau«  Söbbefer  1444—1456,  ©ottfrieb  Sauge  1457—1458,  aSäemer 
SBoImer«  1458—1473,  Salt^ar  t).  TOcdtIcnburg  1474—1479,  5Ri!olau«  5Pcn|  1479 
bi^  1482,  Äonrab  Softe  1482—1503,  3o^.  I^un  1504—1506,  $eter  SBalf olo  1508  big 
1516,  3Jlagnu«  b.  3Ketflenburg  1516—1550.  *««if. 

46        ®c^ttiertbrflber  f.  b.  2t.  3)eutf(^orben  Sb  IV  ©.  592,22ff. 

©c^mefleni  f.  b.  21.  grauenlongregationen  Sb  VI  ©.  236ff. 

Sf^toeftem^  bannl|erjtge  (Sincentinerinncn).  —  öJobillon,  Histoire  de  Mm«  le 
Gras,  $Qriö  1676  u.  ö.  (auc^  bcutfrf):  ?lugöburg  1837,  öJraj  1875,  SRegen^bura  1884).  (5.  be 
Sfiic^emont,  Eist,  de  Mm«  le  Gras,   4«  ^d.  Par.  1894.    Saunarb,   La  v^n^rable  Louise  de 

60  Marillac,  Par.  1898.  fje^r,  ^bncftSorben,  II,  328—346.  (Ziemend  ©rcntano),  3)ie  bann» 
^erj^igcu  (Sc^roeftem  in  ^Bc/^ug  auf  9(rmen=  unb  ^ronfcnpflege,  Äoblenj  1831.  SlemcnÄ  3)rofte 
ju  53ifd}cring,  lieber  bie  ©enoffenfcfjaften  ber  barm^.  Scfeiüeflern  :c.,  3Jiünftcr  1833.  Ueber 
bie  93eftimmung  unb  ben  QJeift  be§  Cvbenö  ber  barmf).  Sd)n)eftern,  6  SRebcn  (öon  3)öllingcr, 
Räuber,  ^ortig  2c.),  ©uljbac^  1836.    2)ie  barmf).  8cf)n).,   eine  5)Qrfteaung   i^vcr  Orünbuno, 

66  SScrbrcitung,  ISinric^tung  unb  ©irffamfeit,  gj^ain;^  1842.  3.  erenüteö  (^rof.  fj.  3.  SuftX 
3)er  Orben  ber  barmt).  8rf)n).,  Ueberfid)t  feiner  (£ntfte()ung  Jc,  @d)afff)aufcn  1844;  2.  Ä. 
1847 ;  ^.  8int^el,  (^ejc^.  ber  C? ntftefjunq,  ^^erbreitunq  11.  "©irffamfeit  beS  Orbcnä  ber  6arin§. 
©c^ro.  in  93Qt>crn,   SRcgen^burg  1847;   2.  %  1880.    2).  SSuIf,   2)o^   fcgen^rcid^c  «Blrfcn  ber 


®4toe|lent^  barm^erjtge  83 

b.  @4».,  3Hünftcr  1851.  ^.  ^cftfi,  ^(c  5Bol6Itptigfcit8anftaItcn  ber  dftriftl.  «arm^cri^igfcit 
in  %ien,  grreibg.  1891,  8. 15  ff.  23  ff.  47  ff.  ^a^ime  bu  (Samp,  La  Charit^  priv^  ä  Paris, 
Par.  1886  (ou(^  beutfd^:  2)ic  ^Bo^It^ätiöfcltÖQnftaltcn  bcr  *r.  Söarm§enig!eit  ju^ariS,  2.^. 
SWainj  1887).  ^(mbuc^cr,  Statt).  DrbcnSaeftfi.  II,  430-438.  fi.  o.  ©ammcrfteln  S.J.,  im 
ftfiS«,  X,  2118  ff.  5 

äon  proteftantif^en  ^arfteüern:  iBart^oImä,  ^ie  barm^.  ©c^tt).  in  ^ünd^en  in  ^^m 
auf  bic  Äranfenpflcgc,  eine  ©ttmntc  an  unfcrc  gcit,  ^lugSburg  1838.  ®.  U^I^orn,  3)ic  (^riftl. 
fiicbcöt^fitigfcit  feit  bcr  SJeformatlon,  6.  210—227.  %f).  6c^äfcr,  «tnc.  t).  $aul  k.:  8.  f. 
3nn.  aRifiion  XIV  (1894),  @.  89 ff.;  aucft  ebb.  XVII  (1897),  6. 177 ff. 

[Ueber  bie  „Sot^ringifc^en  barm^.  ©c^meftern''  ober  ^orromöertnnen  f.  unt.  am  ©d^Iug  lo 
b.  Xejt«.] 

„Sarm^erjioc  ©d^tpcftem"  (Filles  ober  Soeurs  de  la  charitö)  nennt  man  im 
oQgemetnen  bie  ^itglieber  tpetblid^er  (^enoffenfd^aften  latl^olifd^en  S3etenntntffed,  tpeld^e 
fic^  ber  ÄranIenj)fIe0e  toibmen.  2)er  9Jame  gel^ört  (ä^nlid^  toic  ^^Sarml^erjige  33rüber" 
ober  tote  ,,®ute  2eute"  u-bgl.)  juben  Benennungen,  bieniitblofe  an  einer  beftimmten  ©r«  is 
f(^einung  haften.  Über  einige  SBereine  biefer  3lrt,  toel^je  niqt  mit  ber  Stiftung  bed  Sincenj 
jufammen^ängen,  ^anbelt  ber  2lrt.  „g^auenlongregationen"  in  95b  VI  (bef.  @.  238  ff.). 
$ter  l^at  und  junäc^ft  bie  berül^mtefte  unb  ein]p[u|reicl^fte  biefer  Kongregationen  ju  be« 
fc^äfttjen,  unb  jtoar  abgefel^en  bom  aSorleben  unb  ber  fonftigen  aSirtfamfett  i^red  ©tif« 
terd  (in  Sejug  toorauf  ber  2lrt.  „aSincenj  b.  $aul"  gu  bgl.  ift).  20 

I.  aSincentinerinnen  (Sarm^erjige  ©d^toeftem  bed  1^1.  aSincenj  b.  ^aul).  Site 
eine  ©djftoeftemfd^aft  ,,jur  geiftlid^en  unb  leiblichen  Pflege  bon  armen  Äranlen"  (Con- 
frärie  de  la  Charit^  pour  rassistence  spirituelle  et  eorporelle  des  pauvres  ma- 
lades) tourbe  bon  bem  berühmten  Drbendftifter  urfj)rüngli(|  ber  grauen^  (nic^t  S^ng^ 
frauens)  aSeretn  bejeid^net,  ber  unter  feiner  Seitung  im  3iö^re  1617  —  toä^renb  er  auf  25 
ber  Keinen  Pfarrei  ß^atitlon-Ie^Dombeö  in  Sreffe  (ßrjbiöc.  fi^on)  toirlte  —  in  biefer  ®es 
meinbe  ind  Seben  trat  unb  (nac^  (Genehmigung  feiner  ©tatuten  burc^  ben  S^oner  Srj^ 
bifd^of  S)en^«  be  SRarquemont)  aud^  an  anberen  Orten  9lad^bilbungen  erful^r.  ©eit  feiner 
bauemben  Überftebelung  nad^  ^ariö  (1618)  regte  SStncenj  aud^  l^ier  (juerft  in  ber  ©t. 
©albator5®emeinbe)  fotoie  in  ber  näheren  Umgebung  ber  §au)[)tftabt  bie  SUbung  ä^n*  ao 
Ucf^er  aSereine  an.  ®ie  Seitung  biefer  „Dames  de  la  charit€  übertrug  er  feit  bem 
lobe  feiner  ©önnerin,  ber  ©räfin  ®onb^  (geft.  1625),  ber  eblen  unb  ot)f ertoitligen  Souife 
SKorillac,  aSBittoe  bed  ©rafen  unb  Igl.  ©cl^eimfelretärg  le  ®rad,  bie  fic^  auf  ben  ?f{at  be« 
Sifc^ofd  Samud  bon  SeQeV  feiner  geiftlid^en  Seitung  unterfteKt  ^atte.  ^ie  Umbilbung 
ber  unter  biefer  Oberin  burd^  ßntfte^ung  immer  neuer  Sofalbereine  rafc^  ftd^  bergröfeem-  35 
ben  ©enoffenfc^aft  ju  einem  ^wngfrauenbcrein  begann  1633,  in  toelc^em  ^a^x^  (am 
21.  5Rob.)  5u  $arid  bie  erften  SKäbc^en  in  bie  (Sonfrörie  aufgenommen  tourben.  Site 
^.barm^ergige  Slrmenbienerinnen"  (Filles  servantes  des  pauvres  de  la  Charit^)  legte 
juerft  in  bem  3)orfe  2a  dffdp^ü^  bei  ^Parig  auf  ÜRariä  aSerlünbigung  (25.  3Kärg)  1634 
eine  Slnjol^l  jungfräulid^er  Pflegerinnen  i^re  (Selübbe  ab.  Slc^t  ^af}x^  \pättt  erfolgte  40 
bie  aSerlegung  bed  $au))t^aufed  ber  Filles  de  la  charitö  (ober  Soeurs  grises,  toie 
fie  i^re«  grauen  ^abit«  toegen  genannt  tourben)  nac^  5jiari«  felbft  in  bie  Sorftabt  ©t. 
fiajare.  Seim  2^obe  ber  SRarittac  unb  aSincenj'«  (bon  toelc^en  jene  am  15.  3iläxi  1660, 
biefer  am  27.  ©ebtember  beöjelben  ^al^rc«  ftarb)  jä^Ite  bie  ©cnoffenfd^aft  bereit«  28 
Käufer  aUein  in  $arte.  3)ie  bon  aSinceng  abgefaßte  Orben^regel  bestätigte  6(emen«  IX.  45 
1668.  ©ie  gebietet  in  ben  Äranfen  ben^eilanb  felbft  ju  ))flegen,  täglid^  frü^  um  4  U^r 
aufjuftel^en,  jtoeimal  täglich  bem  ^ergen^ebete  (oraison  mentale)  objuliegen,  aud^  ben 
clel^afteften  Äranlen  gern  §ilfe  ju  leiften  unb  ben  Oberen  in  unbebingtem  ©eborfam 
«ntertoürfig  ju  fein.  Sebenölänglid^e  ©elübbe  fotlten  bie  ©d^toeftern  nic^t  übernehmen, 
fonbem  nad^  3"^*'^Ö""0  ^i"^^  fünfjährigen  ^robe^eit  ein  &döbm^  bc«  ©eborfam«  ab-  50 
legen,  toelc^e«  alle  Sa^rc  gu  erneuern  toar.  3"  ^^"^  Orben  ber  3Kiffiondt)ricftcr  ober 
Sajariften  tourbe  bie  Äongregation  in  eine  Slrt  bon  Slb^ängigleit^ber^ältni«  ßefteHt;  ber 
Sajariftenfuioerior  fotltc  gugleid^  i^r  2)ireftor  fein. 

®er  im  17.  unb  18.  ^^^r^unbert  i^aujjtfäc^ltc^  in  granfreic^  unb  in  $olen  bi«  jur 
©tärle  bon  ungefähr  500  ^ieberlaffungen  ^crangetoad^fcne  a[5erein  tourbe  für  granfrcic^  55 
nac^  bem  Slu^brud^  ber  Slebolution,  gleich  allen  übrigen  Drbcn  unb  Äongregationen,  auf- 
gel^oben,  fe^te  aber  feine  aufot)fembe  S^ätigfeit  nic^tebeftotoeniger  fort  unb  tourbe  bon 
vlapoUon  l.,  ber  fd^on  ate  erfter  Äonful  feit  1800  i^m  feine  ^rotcftion  gugetocnbet  l^attc, 
im  ga^re  1807  förmlich  toieber^ergeftettt.  Der  bamate  auf  einem  ©cncralfajjitel  ncu= 
organifterte  unb  ber  ^roteltion  ber  2Kutter  be«  Äaiferö  unterftellte  Scrcin  toucb^  rafd^  eo 
toieber  )u  großer  aWitglieberja^l  unb  Sebeutung  ^eran.    3!)ie  alte  aSerbtnbung  bc«  ^nfti- 

6* 


84  ^dttot^ttxn,  barmherzige  Scidt 

tut^  mit  bem  fiajariftcnorben  hjurbe  jhjar  (burc^  gchjaltt^ätigc^  SSorgc^cn  9laj)oleon^ 
gegen  befjen  ©u))erior  §anon)  Dorübergei^enb  gelöft,  aber  1827  in  ber  frül^eren  SBeife  toteber^ 
lergcfteßt.  5Rad^  2)eutf^lanb  tarn  ber  Drben  juerjft  1811;  Ujo  er  in  Syrier  eine  9lieber= 
loflung  erl^ielt.    ©eitbem  f)at  er  in  ^aberbom,  Äöln,  Sreölau,  Rulm,  ^ofen,   Simburg, 

5  gulba  unb  D^nabrücf  ^äufer  erhalten,  ^n  9Jlünc^en  unb  anberen  ©täbten  Sa^em^ 
fanben  bie  barml^.  ©d^h)e[tem  feit  1832  ßingang,  in  Saben  feit  1845,  in  SBJürttemberg 
feit  1852,  in  SDcutfc^^ßfteneic^  feit  1834,  unb  f.  f.  (tjgl.  ßeimbud^er  II,  433  f.).  3u 
ainfang  ber  ficbjtger  ^al}xc,  furj  bor  2lu«bruc^  be«  ÄuIturfam))f(J,  jäl^Ite  er  in  gan^ 
93eutfc^lanb  78  änftaltcn  mit  422  SKitgliebem  (t)gl.  b.  ©c^ulte,  Die  neueren  lati).  Drben 

10  unb  ßongregationcn,  bef.  in  Deutfc^Ianb,  Serlin  1872,  ©.  17).  %ixx  granlrei^  tourbe 
feine  ©efamtftärle  um  1890  auf  ungefäl^r  400  2lnftalten  gefd^^t;  feitbem  ^at  bie  att« 
mä^IiAe  ©urd^fül^rung  ber  „fiairierung"  ber  §oft)itäIer  feinen  Seftanb  ^ier  erl^eblic^  gc^ 
fd^hjäd^t.  3"  <^tten  Sänbern  ber  6^riftenl^eit  jumal  bürfte  er  gegentoärtig  ettoa  30000 
3KitgIieber  jä^Ien. 

16  11.  Sorromäerinnen  (Sarml^.  ©d^tüeftem  Dom  ^I.  Äarl;  Sot^ringifd^e  barm^. 
©c^toeftem;  Äarlgfa^toeftern).  ©ine  ©enoffenfd^aft  bon  Sarm^erjigfeitgfdjftoeftcm  be^  I^L 
Äarl  (Filles  ober  Soeurs  de  St.  Charles)  bilbete  fid^  feit  1626  in  bem  bem  5jiatronat 
be«  6arlo  Sorromeo  unterfteUten  großen  $ofj)itaI  ©t.  ß^arle«  gu  9lanc^.  3)er  ^rämon» 
ftratenfers@eneral  e))it)l^aniu«  Subobicu«,  ilbt  gu  ßftibal,  tjerfa^  biefen  SBerein  1652  mit 

20  ©tatuten,  hjoburc^  bie  üJlitglieber  jur  2lblegung  gunäd^ft  ber  brei  getoö^nli^en  Drben^ 
gelübbe  unb  baju  noc^  eined  vierten  angebalten  tverben.  Se^tere^  beftel^t  in  Übernahme 
ber  33erj)fli(^tung,  ftd^  ba^  ganje  Seben  ^inburd^  ber  ^Pflege  Don  armen  Äranlen  unb 
l^tlflofen  Äinbem  gu  toibmen.  aSon  bem  genannten  SKutter^aufe  in  5RancV  au«  ^ben 
biefe  Sorromäerinnen  junäd^ft  in  grantrei^  (h)o  aud^  fie  ben  ©türm  ber  grofeen  Slcüo- 

26  lution  überbauerten)  unb  feit  bem  19.  3^^^^""^^  ^uc^  in  3)eutfd^lanb  unb  Öftenei^f 
toeitere  Süu^breitung  gelüonnen.  Seim  Übergang  gum  gegenwärtigen  S^i^r^unbert  jäl^lten 
fte  im  (Sangen  gegen  450  9JieberIaffungen  mit  na^egu  3000  SKitgliebem,  Verteilt  unter 
bie  bier  Kongregationen  bon  9lanc^,  bon  5jJrag,  tjon  Srebni^  (gu  n^eld^er  Kongregation 
u.  a.  ba«  gro|e  Äebtoig^Äranlen^au«  in  S3erlin  gehört)  unb  bon  Irier.    Sgl.  (®em. 

30  Srcntano),  S)ie  barmbergigen  ©c^h?eftem  in  Segug  auf  Slrmen-  unb  Äran!en))flege, 
Äoblenj  1831  (2.  21.  3)laing  1853;  3.  21.  1856).  §.  91.,  3)ie  barml^ergigen  ©d^toeftem 
bom  ^l.  Äarl  Sonomäu«  gu  9lanc^,  gcfc^ic^tlid^  bargeftettt  (mit  SSortoort  bon  X.  2)ies 
ringer),  Sonn  1847.  §.  $efd^  a.  a.  D.,  ©.31  ff.  £.  b.  §ammerftein,  2lrt.  „©^toeftcm, 
Barm^."  im  ÄÄS*  X,  11 19  f.,  ^eimbu^er  II,  312  f.  8 Wer. 

36         Science,  Christian  f.  b.  2C.  3Jlagie  Sb  XII  ©.  69, 64 ff. 

©cidi,  3)lärt^rer  bon.  —  Ouelten  unb  neuere  fiittcratur.  I.  3)ie  i)cr= 
fcfticbcnen  SRcccnfionen  ber  bctrcffcnbcn  ?l  f  t  e  n  (mehrere  loteinifcftc  unb  eine  griecftifc^c)  werben 
am  angemefienften,  um  (etbigen  ^teber^olungen  bovgubeugen,  in  bie  ^arfteQung  felbft 
^ineinacgogen. 

40  11.  %t}.  Äeim,  SRom  unb  bag  e^riflcntum,  ^rSg.  bun  ©.  S'i^c^iex,  ©crlln  1881 ;  ^Tub^, 
Lee  Chr^tiens  dans  l'empire  roraain  180 — 249,  ^Qri§  1881:  bcrf.,  £tude  eur  un  nouveau 
texte  des  Actes  des  martyrs  Scillitains,  ^ariS  1881 ;  SRub.  .£)ilgenfelb,  53er^ältni6  be«  römi- 
fd)cn  Staate^  ,^um  ©öriftcnt^um  in  ben  beiben  elften  ^af)vf).,  QtoXi^  XXIV,  ^.  3  @.  291  bi§ 
331iuäumal@.  328f.;  (S.  3.  9?eumann,  SRömi{cfier  Staat  u.  an(\emeine  Äird)c  (I),  1890,  jumal 

4j  3.  71 — 76,  284—286;  ^aul  'Jinorb,  Hist.  des  persöcut.  pendant  les  deux  premiers  si^lee 
I,  <Pari^  1885,  @.  436—439 ;  gronj  (SJörreÄ,  5kt.  (Söriftenüerfolgungcn,  g.  3£.  Ärou«^f(6c  9*®., 
Siefg.  3,  Sreiburg  i.  S3v.  1880.  6.  215—288;  berf.,  ^(ngebl.  e^riftenuerfolg.  bcd  St.  eiau= 
biuSlI.  RmZtj  (1884),  @.  37—84;  berj.,  8ueujebiu§  H.e.  V,  21,  «p^ilotogu«,  42.  «b,  XVII 
=  1884,  (S.  134— 140;  berf.,  3ur5^ritir  einiger  auf  Ä.  9(urelianu§  bc^üglicben  Duetten,  ebenba 

60  93b  42,  @.  615—624;  berf.,  3)a§  e^riftent^.  u.  b.  röm.  (Staat  5,  3eit  b.  Äoif.  ©ommobu«, 
gprX^  X,  @.  228-268,  395-434  unb  jumal  252-261;  berf.,  ^tnjeifle  beS  «Rcumonn'f^en 
S3ud)c^  Stülij,  34.  33b  =  1891,  ©.  235—243;  Oenrl)  3)oiiIcet,  Essai  sur  les  rapports  de 
r^glise  chr^t.  avec  TEtat  romain,  <Pari§  1883  (untritifcf) ! !). 

2)er  ©Iauben^famt)f  ber  fei  Ilit an ifc^cn  Slutjcugcn  —  fie  ^eifeen  fo  entlüeber 
55nad^  ©cilli,  einer  ©tabt  ber  norbafrifanifd^en  ^rotonfularjjrobinj,  ober  toa^c^einÜc^er 
nad^  ©ila  bc^h).  ©ilU,  jhjei  ficinen  ©täbten  9?umibicnö;  ber  fonft  bortrefflic^e  grie- 
c^ifc^e  Sert  ber  2lften  bietet  bie  berberbtc  gorm  'lox^  (bgl.  SRuinart,  Acta  mari, 
Ratisbonae  1859,  ©.  130,  §  2  unb  Slub^,  fitude,  ©.28,  3lnm.  5)  —  toar  bi«  1881 
nur  burd^   (ateinifc^e  2(f ten  bezeugt,    nämltc^    I.  bie   editio  princeps:    bie    „Acta 


®ciai  85 

martyr.  Scillit.  proconsularia",  bcforgt  burd^  Saromug  (Ann.  eccl.  ad  a.  Chr.  202) 
nad^  brei  lateinifc^en  §anbj4)riften,  einer  in  feinem  Sefi^e  befinblic^en  unb  jtoei  tjatt* 
fantfd^en;  II.  bad  fragmentum  de  martyribus  Scillitanis  ex  codice  ms.  monasterii 
Augiensis,  tjeröffentlid^t  burd^  SKabitton,  veter.  analector.  tom.  IV,  pars  III.  „Acta 
ex  cod.  ms.  bibliothecae  Colbertinae  (bei  SRuinart,  ©.  131  f.);  IV.  ac^t  h?eitere  latei*  5 
nifd^e  ^anbjd^riften  unferer  3lften,  bom  Sotlanbiften  6ut)eru«  erhjäl^nt,  aber  nic^t  publu 
jiert  (ASB,  Julii.mensis  t.  IV,  p.  207 f.),  V.  2tub6,  Les  chröt.  etc.  ©.  503—509 
bietet  „Texte  in^it  d'un  manuscrit  du  IX  et  peut-ötre  du  VIII  siöcle,  prove- 
nant  de  Tablaye  de  Silos,  Espagne  (Biblioth^ue  nat.,  fonds  latin,  nouv. 
acquis.  9Jr.  2179,  unb  tjerglid^en  mit  Cod.  Ms.  3lx.  2180,  unb  man  \oax,  toeil  eben  10 
feine  anbere  G^ronologie  übrig  blieb,  gejlüungen,  ba«  tragifc^e  Sreignig  auf  ®runb  ber 
freilid^  fe^r  jlüeifell^aften,  teiltoeife  fogar  tüiberftnnigen  Datierung  (Cod.  Ms.  Baron.  I : 
Exsistente  [!]  Claudio  consule.  Cod.  II:  Praestante  Claudio  consule. 
Cod.  III:  Praesente  Claudio  consule.  Fragm.  Aug.  ..  .  praesidente  bis 
Claudiano  consule)  unb  mit  $Rüdtric^t  auf  bie  ©rtpä^nung  beö  Jtaifer^  ©ej)timiu«  16 
©et>eru«  unb  feinet  bereit«  jum  9Jlitregenten  ernannten  ©ol^ne«  Slntoninu«  ßaracaUa 
in  ben  Saronianifc^en  2tlten,  auf  bie  fej)timianifd^e  9legierung«jeit  bejU).  auf  200  =  Ti. 
Claudio  Severo,  C.  Aufidio  Victorino  consulibus  gu  batieren. 

5Run  f)at  aber  §erm.  Ufener  in  ber  ^arifer  9lationaIbibIiot^eI  in  einem  uralten, 
bereit«  im  3lj)rU  890  tjotlenbeten  (Sobej  (9ir.  1470)  einen  gried^ifd^en  %^  jener» 
^ffton  mit  ber  Sluffd^rift  „MagxvQiov  rov  äylov  xal  xaXhvhcov  fidgxvQog  Zneqd- 
Tov"  entbedft  unb  im  Sonner  2eltion«IataIo^  für  ba«  ©ommerJ^albjal^r  1881  (Bonnae 
1881,  4«,  6  pp.)  tjeröffentlid^t.  3)iefe  gried^tfc^en  3[ften  bieten  einen  entfc^ieben  lorret 
tcren  3:ejt,  al«  bie  lateinifd^en  5jiafftonen,  ja  fie  tjerl^alten  fu^  gu  ben  le^tem  beinal^e  fo, 
h)ie  ba«  Driginalbolument  |\u  einer  ungenauen  tjerlümmerten  Jtoj)ie:  ba«  Ufener'fd^e  25 
MaQTVQiov  tommt  an  SBert  ben  ?PräfibiaIaften  na^eju  gleid^,  e«  ift  auf  ©runb 
biefe«  autl^entiftif(^en  Material«,  bieQeid^t  bon  einem  Slugen-  ober  O^renjeugen, 
iebenfatt«  red^t  balb  nad^  ber  Einrichtung  ber  afrifanif^jen  ^eiligen  in  gried^ifd^er 
©prad^e,  bie  ben  Slfrilanern  bamal«  geläufiger  toar  al«  bie  offizielle  lateinifd^e,  bargeftellt 
tnorben.  2lu«  bem  aSergleic^e  biefe«  gried^ijc^en  lejte«  mit  ben  lateinifd^en  Sitten  läftt  30 
ft(^  aber  auc^  bie  richtige  3)atierung  gewinnen:  ba«  9Jlart^rium  ber  gefeierten  ©ciuis 
tancn  fanb  ata  17.  "^mVx  180,  im  erften  SRegierung^ial^r  be«  feommobu«  ftatt;  gern  toirb 
man  bie  glüdflid^e  Äonjeltur  Ufenerg  „Praesente  II  et  Condiano  consulibus"  in  ben 
Äauf  nehmen. 

9!njU)if(^en  ift  ba«  3Rabillon'f(^e  (lateinifc^e)    „Fragmentum  Augiense"   in   bor*  35 
treffli^er  Slu^gabe   erfd^ienen.    ßunäd^ft  ^aben  bie  Srüfleler  Sollanbiften  biefe  SRecen^ 
fton  ber  Slften  unter  bem  3:itel  „Passio  martyrum  Scillitanorum".  Ex  cod.  Carno- 
tensi,    190fol.,   247^—258'-   tn    il^ren    „Analecta  Bollandiana   VIII",    Paris    et 
Bruxell.  1889,    p.  5—8  bollftänbig  l^erau^egeben,    unb   ber  gorfd^er  3-  älrmitage 
Slobinfon   l^ai  in  feinen  Texts  and  studies   I,  2,  Gambribge  1893,    p.  106  ff.  einen  40 
nocfi  reineren  3:ejt  ber  lateinifc^en  2Hten  tjeröffentlid^t.    ^ifm  ftanb  nämlic^   ein  h?eit 
teidpbaltigere«    l^nbfd^riftlid^e«  3Katerial    jur   SJerfügung,    nämlid^    abgefel^en   tjon   ber 
Sleic^enauer  §anbfd^rift   nod^   eine  §f.  be^  9.  ^a^r^unbertö  im  Sritifd^en  3Kufeum  (A), 
eine  $f.  be^  ll.Sal^rl^unbertg  in  ber  f. !.  SBiener  §ofbibliot^ef  (B),  enblid^  ein  Cod.  ms. 
saeculi  XIII   in  Storeuj  (C).    2)ie  SoHanbiften  foloo^l  h?ie  Stobinfon  überfc^ä^en  i^rc  45 
lateinifc^e  $f.  ungebührlich  auf  Äoften   ber  Ufener'j(^en  ^ublilation.    9Kit  SRec^jt  betont 
bemgegenüber  3lb.  ^ilgenfelb    (^loSCI^  1892,  ©.  249 f.:   „bafe  aber  audg>  biefer  Sateiner 
bie  Urfc^rift,  ber  ®rie^e  nur  eine  Überfefeung  bieten   folle,  ift  tüieber  eine  fe^r  anfed^t* 
bore  Se^auiotung".    3n  ber  %iiai  liefert  ber  Jenaer  ©ele^rte  ben  Seh?ei«,  bafe  fic^  ber 
Sateiner  burc^  ben  ©ried^en  nic^t  unerl^eblid^  berichtigen  läfet:  ,!^an  lieft  112,  20:  sed  bo 
8i  quid  emero,  teloneum  reddo.  ©inn  ^at  nur  baö  ©ried^ifd^e :  „d>U*  et  xal  ngdooco, 
xd  riXog  Ajioxiwßu**.    2?otlenbg  114,20:  Libri  et  epistulae  Pauli  viri  iusti.     Oe« 
meint  finb  bie   ^eiligen  ©c^jriften,  hjelc^e  h?ol^l  „scripturae",   aber  nic^t  „libri"  ol^ne 
toeitere«  ^eifeen.    3)a«  SRid^tige  f)at  ber  ©rieche:   AI  xaff  i^fiäg  ßlßXw  xal  al  ngoa- 
enixomoig    tiiaxoXal    IlavXov   xov    öalov   ävögög.    3l\xx  ein  Schreibfehler  be^  ©r.  b6 
(117,  6  T(bv  ÖQcojuivajv  ß,  x(bv  aojjualajv)   h?irb  berichtigt  burd^  ben  Sateincr  116,  3 
(Romanorum). 

golgenbe«  ift  ber  toefenttic^je  ^ni}alt  unferer  gried^ifc^en  Passio:  Unter  bem  jhjeiten 
Äonfulate  be^  träfen«  unb  bem  be«  ßonbianu«  (=  180  u.  3.)  am  17.  3uli  lourbcn 
fet^  ß^riften,  brei  3)länner  unb  brei  grauen,   Bptxata^,  ber  äBortfü^rer  ber  ®xu!pp^,  co 


86  (Scidt  ®tüin»,  3.  @. 

9?ar^attu^;  6ittmu«,  3)onata,  ©ccunba  unb  SSeftia,  bor  ben  Sitd^terftu^l  be«  ^rolonfute 
©atuminu^  gebraci^t  unb  tjon  biefcm  toicberl^olt  aufgeforbcrt,  beim  ®eniud,  b.  i.  bei  ber 
©ottl^eit  be^  Äaiferig,  ju  fd^h?ören  unb  ftd^  baburd^  btc  taiferlid^e  Segnabigung  für  i^ 
in  ber  blofeen  ^uQi^öÜQhxi  jum  Gi^riftentum  befte^enbe^  3Serbre(^en  ju  toerbienen.    S)ie 

6$eiligen  hjetgern  fid^  ftanbl^aft,  lehnen  aud^  eine  jtoeimal  t)om  Statthalter  angebotene 
Sebenfjeit  Don  30  iagen  entfd^ieben  ab.  §ierauf  tjerurteilt  ©atuminu^  bie  fec|^  G^riften 
unb  aud^  bie  ,,3lbU)efenben"  l&(pavToi)  jur  Sut^aujotung.  äufter  ben  ertoä^nten  fed^ 
^eiligen  erlitten  aud^  ebenfo  biele  anbere  foeben  ate  ä(pavToi  oejeic^nete  ©läubwen,  öier 
5Känner  unb  gh^ei  grauen,  3Seturiu«,  gelij,  Slquilinu«,  ßöleftinu«,  gjanuaria  unb  ©enerofa, 

10  bie  S^obe^Sftrafe. 

%üx  bie  irif^enfd^aftlid^e  Sluöbeute  be^  tjorliegenben  „MagrvQiov*'  lommen  folgenbe 
ergebniffe  bejU).  ©efid^t«))unlte  in  Setrad^t. 

6ö  ift  um  fo  erfreulicher,  bafe  irir  je^t  t)on  ben  Sllten  ber  fcittitanifd^cn  3Rärt^rer 
einen  beffem  lejt  beft^en,  afö  biefelben  mit  botlem  3{^^i  ftet«  ate  ^od^aut^entifc^e«  2)0:= 

16  tument  galten,  ^n  ber  il^at  giebt  e^  fonft  faft  gar  feine  5ßaffion,  bie  fo  rein  unb  un- 
t^erfölfc^t  ein  gute^  @tüdf  altd^riftlid^en  Seben^  unb  Sterbend  borfül^rt,  tote  gerabe  bie 
Ujener'fc^e  SeröffentUd^ung.  3Kit  gug  bejeid^net  5Reumann  a.  a.  D.  ©.  72—74  biefe 
SDofumente  aU  „t^t)ifd^e«  S5eijJ)iel  echter  2tlten". 

3)er  neuentbedte  Sejt  mit  feiner  Datierung  be^  tragifd^en  Sreigniffe«  gerabe  auf 

20  ba«  erfte  ^af)x  be«  Gommobuö  ift  ein  Weiterer  Setoeid  für  bie  SRic^tigteit  oeö  iittemont^ 
fd^en  Sa^e^,  toonad^  in  ber  erften  ^6t  be«  britten  2lntoninug  t>or  ßintritt  ber  SWarcia 
bei  §ofe  (183)  noä)  fogar  giemlic^  H^iß^  bereimelte  ßl^riften^e^en  öorfommen  fonnten. 
greilid^  erhellt  toeiter  au«  ber  „Passio",  bafe  gleich  nad^  bem  lobe  9Warc  Slurcl«  (im 
uRärj  180)  bie  in  beffen  legten  ^af}xm  bon  ber  Staat^eloalt  beliebte  §ärte  fofort  einer 

25  milberen  ^ra^^  toxd) :  ©atumin  ift  fic^tlid^  bemül^t,  ju  fc^onen,  S3lutt)erQie|en  ju  ber^ 
meiben,  loenbet  ba«  S^rajan^SRejIrijjt  in  ber  gelinbeften  gorm  an.  Statt  bte  Slngälogten 
burd^  bie  3:ortur  ^um  ,,£eugnen"  il^re^  ©lauben«  ju  jloingen,  bietet  er  i^nen  toieberpolt 
eine  Sebenljeit  Don  30  3^gen  an. 

3n  bem  SSorlommen  ber  befannten  ©d^Iu^f ormel :  ,,  .  .  .  xat?'  i^piäg  Ak  ßaodev- 

.w  ovTog  Tov  xvQtov  fjfiwv  *Irjaov  Xqiotov"  xtX,  (Regnante  .  .  .  Jesu  Christo  etc.) 
in  unferem  gried^if d^en  S^ejt  liegt  ein  Weiterer  33eh)eid  bafür,  bafe  in  jener  gormel  an 
fic^,  toenn  fie  aud^  ^äufig  genug  in  gefälfd^ten  SKärt^reralten  begegnet,  toenigflen^ 
fein  geeigneter  ©runb  für  ben  a))ofr^t)^en  ß^arafter  beö  betreff enben  ®Iauben^fam})feg 
gefunben  toerben  !ann.    W\i  JRec^t  ):iai  2lb.  Äilgenfelb  (BlrSCI^  1861,  §.  3,  ©.  294 f.) 

36  baö  33orfommcn  be«; .  .  .  ßaodevovrog  .  .  .  'irwov  Xqiotov  . . .  bereite  in  ben  getoil 
ed^ten  actis  s.  Polycarpi,  in  bem  berühmten  Swunbf (^reiben  ber  ©emeinbe  ©mi^ma  ote 
Sctoei^  für  ba^  frül^e  feorfommen  ber  ertoäl^nten  gormel  geltenb  gemad^t 

^m  ©egenfa^c  ju  ben  lateinifc^en  2lften  ge^t  au«  bem  fonefteren  gne^ifc^en  3^qrte, 
au«  ber  2trt  unb  35?eifc,  toie  ftc^  ©t)eratu«  über  bie  ©riefe  be«  2lJ)oftefe  5ßaulu«  äußert, 

40  toie  fcbon  2lb.  .^ilgcnfclb  (anzeige  ber  Ufenerfd^en  „Passio",  Stol^  XXIV  =  1881, 
©.  382  f.)  rid^tig  gefeiten  l^at,  mit  ©id^erl^ctt  ^erbor,  bafe  bie  ©d^reiben  be«  SQ5eIta^)ofteB 
in  ber  jmeiten  ©älfte  be«  2.  S^^^^wnbert«  u.  3-  "od^  nid^t  fo  red^t  jum  neuteftament^ 
liefen  Kanon  gehörten.  %tan^  ®irrcd. 

©cotttö,  2)ttttö  f.  3)un«  ©cotu«  93b  V  ®.  62ff. 

45  ScotttS,  Sobanne«  eri(u)gcna,  ^f^ilofoj))^  unb 3:i^eolog  be«  9. ^a^rl^unbert«. — 
^aö  erfte  Söerf  be§  3.  8c.,  ba^  im  ^rucf  üeröffentücöt  tourbe,  ift  De  divina  praedestinatioDe 
in  ber  Sammlung  üon  SHauquin  Veterum  auct.  qui  nono  saec.  de  praed.  et  gratia  scripfl. 
opp.  et  fragm.,  "HJariö  1650  f.  3)ann  folgte  uon  %f)oma<i  ®alc  (GalaeuB)  J.  Sc  Er.  jtigl 
(froFiog  ntinoftov  i.  e.  de  divisione  naturae  libr.  V  diu   desiderati.    Accedit  appeodix  ex 

50  anibiguis  S.  Maximi  gr.  et  lat.  Oxoniis  1681.  2)ie  erfte  ©efamtauSgabc  ^ot  ^.  3-  3fIo6  ^ti 
3ISL  122  üeranftaltct:  Jo.  Sc.  opp.  quae  supersunt  ...  partim  pnmus  edidit  partim  re- 
cognovit  1808  (bie^tu^gobe  uon  1865  unterfd)eibet  fid)  nur  burd)  ben  Diel  f^tccfttercn  3)n«f). 
^^(ufeer  bem  53erbienft  ^lüe«,  beffcn  er  ^ab^oft  merben  fonnte,  üeröffentlit^t  ju  ^abcn,  5ci(]|net 
fid)    bie  5hi§gabc   aud)  burd)   eine  SHenge   !ritifd)er  Mitteilungen  qu^  öicien  ^nbfdjrr.  aud. 

&6  ^^aö  i^r  fet)It  ift  teilö  eine  grünblirf)  fritifd)e  S8et)anblung  beö  XeiieS  teils  ber  92a4tDeid  ber 
j^Ql)Ireid)en  Sitate  beö  Sc  —  ^\v%  S)eutf(^e  überfef t  ift  ba^  ?5?crf  De  divis.  nat  non  92oadf, 
3.  6c.  C£r.  über  bie  (Einteilung  ber  ^Mtur  1875  —  ein  erfter  SScrfuc^  einer  folc^en  Ücber^ 
feöung,  ber  boljer  ^Qd)fic^t  mit  \>t\\  5Ql)Ireid)en  fd)Iimmen  jje^lern  uerbient.  —  Bist,  litt  d. 
I.  France,  V,  416 ff.;  'iß.  .i>jort,  3.  Sc.  (Er.  ober  uon  bem  Uifprung  einer  ^rtftl.  $^tlofop^ier 


©cotii»,  3.  e.  87 

Stoptnfi.  1823;  grronmüaer,  er.§  ßc^rc  öom  TOfen  in  ©teubcl,  2ü6.  8f3:^-  1830,  @.52ff.; 
©tQubcnmaier,  3o^.  @c.  (Sr.  unb  bie  ffiiffenWoft  feiner  gcit,  1834;  berf.,  ßclftre  be8  ©r.  über 
baS  menf(4Iicf)e  (Srfennen  in  b.  gfS^  von  ^u^,  ^irfc^er  u.  a.  1840,  239  ff.  (@t.  ift  ber  nte^r 
eifrige  ald  glüdlic^e  ^auptoerteibiger  ber  Ort^obo^ie  beS  8c.,  bem  ©(^lueter  in  feiner  MSL 
122,  101—126  toieber  abgebrucften  SSorrebe  jjur  @eite  tritt);  Xorftrif,  Philosophia  Erigenae,  6 
©Ott.  1841;  @t.  9*en^  Saiflonbier,  J.  Sc.  Er.  et  la  philos.  scolast.  1843;  g.  e^r.  S3our, 
5)ic  c^riftl.  fie^re  t)on  ber  3)reielnigleit  u.  5Wenfd)iüerbung  II,  263—344,  1842;  mtWiütx, 
3.  8c.  er.  unb  feine  Srrtümer,  SJ^oinj  1884;  ^.  gjitter,  ©efd^.  b.^^ilof.  ©b  VII,  206—296, 
1844;  De  Jo.  Sc.  Er.  commentarius  auctore  anonymo  1845,  tüieberobgebrucft  MSL  122, 
1—88;  Xfe.  (J^riftlieb,  fieben  unb  fie^re  be«  3.  8c.  (£r.,  ©ot^a  1860  (bog  gele^rtefte  u.  rei(6*  10 
l^altigfte  )6u(f)  über  8c.,  auc^  menn  man  mit  feiner  t^eologifc^en  ^urteilung  ni^t  überall 
übereinflimmt);  berf.  «rt.  in  $91®*  XIII,  788 ff.;  3o]6.©uber,  3o^.  8c.  ($r.  1861  (bilbet  in 
feiner  pl^tlofop^ifc^en  :2Bürbigung  bed  8c.  eine  gemiffe  (Srgönjung  ju  (^^riftlieb) ;  $rantl, 
®efd).  b.  fiogit  int  OTenbl.  it  20  ff.  1861;  §1.  8töcfl,  ®efd).  b.  $^iIof.  b.  Wl%.  I,  31—128, 
1864;  O.  Hermen«,  ^Qg  fieben  beS  So^.  8c.  ^r.  1868;  8teeg,  Joh.  Sc.  Eng.  de  Verbo  15 
diviuo,  Argentor.  1867;  $.  JReuter,  ®ef(^.  b.  relig.  «lufflär.  im3Jl9l.  I,  51—64,  1875;  (g.  3. 
^offmann,  5)er  ©loubenS»  unb  8c6öpfung8begriff  beÄ  3.  8c.  (5r.,  3ena  1876;  ®.?lnberÄ,  5)ars 
fteDung  unb  Äritif  ber  ?[nfi(ftt  oon  3-  ^f-  ^^v  bafe  bie  Kategorien  nidjt  auf  ®ott  anmenbbar 
feien,  8oraul877;  »u(^tt)alb,  3)er  fiogoSbegriff  be«  3.  8c.  (£r.,  öeipälg  1884;  2^.  ©otf^fe, 
gid)te  unb  ©rigeno,  ^aüe  1896;  «.  8d)mitt,  8tt)ei  noc^  unbefannte  ^anbfcfir.  bc8  3.8c.  ©r.  ao 
($rogr.  b.  iß.  fgl.  eJl)mn.  in  Bamberg  1899/00),  mi*tig  für  bie  XeyÜritif  b.8c.;  JBriüiantoff, 
Vlijanie  vostotschnago  bogoslovia  na  sapadvoje  w'proiByedeniack  J.  Sc.  Er.  (ber  Hinflug 
ber  orientalifd)cn  S^eologie  auf  bie  occibentalifc^e  in  benffierfen  baS  3-@c.  ©r.),  Petersburg 
1898  (bie  ^öglic^feit  biefeS  Su^  ju  benu^en,  t)erbanle  ic^  ber  gütigen  3]f{itteilung  bedfelbcn 
burdj  ^errn  $rof.  3)röfefe,  beffen  9?oti^en  8n)2:M7,  121  ff.  mi^  am  juerft  barauf  aufmerf*  26 
fam  gemotzt  ^aben).  S)er  SSerf.  jcigt  fi4  mit  ber  gefamten  einfc^Iägigen,  nic^t  blofi  mit  ber 
bireft  auf  8c.  bezüglichen,  fiitteratur  uoHfommen  befannt  unb  trifft  oft  mit  fcftarfem  Urteil 
ba«  9Ji*tige;  5)rfifete,  8u8c.@r.  ©emerfungen  unb  9RitlelIungen  in  8w^H6#  563ff.;  berf., 
3-  8c.  @r.  u.  befjen  ©eroä^riJmänner,  Scipjig  1902.  ((grfte  genauere  Unterfu^ung  über  bie  üon 
^g.  benu^ten  ClueOen.)  80 

^ir  ^aben  üon  (Srtgena  auger  hen  beiben  genannten  8d^riften,  htm  Liber  de  praedesti- 
natioDe  unb  ben  5  ©^.  De  divisione  naturae  (auf  bie  p^  bie  ßitate  im  folgenben,  wenn 
nic^td  anbereS  bemerft  ift,  bejie^en)  noc^  eine  Versio  operum  S.  Dionysii  Areopagitae  mit 
poetifd)er  unb  profaif^er  ^ibmung  an  Äarl  b.  Ä.  MSL  1029—1196  unb  eine  Versio 
ambiguorum  S.  Maximi,  üon  ber  aber  nur  ein  %t\l  erhalten  ift  MSL  1195—1222 ;  fie  ift  86 
tiac^  einer  ))on  ber  bur^  Oe^Ier,  Anecdota  graeca  I,  Halis  1857  üeröffentlid^ten  ^anbfc^rift 
bebeutenb  abtoeic^enben  Vorlage  gemacht,  bie  u.  a.  auc^  in  j^opitel  geteilt  mar.  ferner  be« 
fi^en  mir  feine  Expositiones  super  ierarebiam  coelestem  S.  Dionysii,  MSL  125 — 266,  jebod^ 
mit  einer  grofeen  iÖürfe  öom  @nbe  beö  3.  bi§  gegen  ^itte  be«  7.  J^apitelS  (bagegen  lönnen 
bie  Expositiones  in  mysticam  theologiam  S.  Dionysii  MSL  267 — 284,  bie  ^^Ou  argloS  nad^  40 
einer  Siener  ^bftfir.  aufgenommen  §at,  wie  S3riIIiantoff  8. 34  f.  bemerft,  bem@rig.  fcfton  beS^alb 
nidii  angehören,  meil  [xt  eine  fpätere  Uebcrfe^ung  ju  ®runbe  legen;  fie  meieren  aud)  in  ©e* 
banfen  unb  8pra(6e  meit  üon  i^m  ab),  gferner  ^at  er  eine  Homilia  in  prologum  S.  Evan- 
gelii  sec.  Joannen)  MSL  283—296  unb  einen  Äommentar  ju  biefem  (güangelium  geftfirieben, 
i)on  bem  fic^  beträ^tlid)e  8türfe  erhalten  ^aben  MSL  297—343  unb  1243  f.  (gnbUc^  finb  45 
au4  no^  eine  93ei^e  ^ebic^te  t)or^anben,  bie  juerft  9t.  Sllai,  Classicor.  auctor.  Tom.  V, 
426  ff.  unb  SJaöaiffon,  Eapports  sur  les  bibliothfeques  d'ouest,  356  ff.  öerauSgegeben  l^oben, 
MSL  1221—1240.  Sfltne  fritif(f)e  9lu§gabe  in  MG,  Poetaelll,  2,  2,  8.  527  ff.  üon  2:raube 
1896.  Auf  einen  Kommentar  über  ^Dlarc.  ©apeUa,  ber  fic^  in  franjöfif^en  ©anbfcftr.  pnbet, 
^at  ^ur^au,  Notices  et  extraits  XX,  2,  5—20  l^ingetoiefen.  (Ueber  uerlorene  unb  über  bem  so 
eng.  fÄlftftlic^  beigelegte  anbcre  8c6riften  f.  ß^riftlieb  81  ff.) 

30^.  ©cütuö  ©riß.  ift  eine  ber  bcbeutenbften  ©rfd^etnungen  nid^t  blofe  auf  bem  ®es 
biete  be«  9.  3ai^t^unbcrti^,  fonbem  in  ber  gefamtcn  (Seft^td^te  ber  ^^iIofo})l^ie  unb  I^eo^ 
logte.  ©ein  frül^ereö  äufeere^  Seben  ebcnfo  \vk  feine  innere  (Sntlpicfelung  big  ju  bem 
©tanbpunite,  ben  un^  feine  erhaltenen  ©d^riften  barlegen,  ift  unö  freilid^  berborgen,  unb  66 
toirb  e^  anfd^einenb  aud^  immer  bleiben.  9Jur  bafe  ^xlani  feine  §eimat  hjar,  lönnen 
toit  old  fic^er  bel^aupten;  barauf  Ipeift  fc^on  ber  Seiname  ©cotue  (ober  ©cotigena,  Ipie 
j.  33.  MSL  122,  10,  6)  ^in,  benn  nod^  hjurben  bamate  bie  3ten  borpgöhjeife  aU  ©cott 
benannt,  unb  nod^  entfc^iebener  ber  ^toeite  Seiname,  ber  in  berfd^iebenen  formen, 
©riugena,  Serugena,  Srigena  begegnet,  bon  benen  (nad^  Säumler,  '^ai^xb,  für  ^^ilof.  u.  eo 
2:^01.  VII,  346  21.  2,  1893)  ßringena  bie  urfjjrüngltd^e  ift,  unb  ber  iebenfaßg  ben  3)lann 
oli^  einen  au«  6rin,  ^rf^nb,  ftammenben  bejeid^net.  S^aju  fommt  nod^  ba«  au^brüdfltd^e 
3eu0nig  be«  ^Prubentiu«  De  praed.  14  MSL  115,  1194:  te  Galliae  transmisit 
Hibernia.    S)emnad^  fmb  alle  fonft  grunblo«  aufgeftetiten  Vermutungen  über  feine  §er= 


88  Bcom,  3.  @. 

lunft  a6juh?cifcn  (tjfll.  gf^riftlieb  ©.  19  ff.).  3n  ^rlanb,  h)o  bie  aSSiffenfd^aft  bamafe  in 
einer  ber^öltni^mö^igen  93lüte  ftanb;  l^at  er  tpabrfdbeinUd^  aud^  feine  SSUbung  erl^alten, 
aBer  erft  im  granfenreid^e,  bor  SJlitte  be^  9.  S^^^^^wn^ert^,  tritt  er  beutlic^  in  unfern 
©efic^tgfrei«.   3)a  er  bamafe  fd^on  ein  gereifter  9Jlann  getpefen  ju  fein  fd^eint,  fo  toerbm 

5  toir  feine  (Seburt  in  bie  erften  ^a^rje^nte  be^  Sal^rl^unbertg  m  fe^en  ^aBen,  o^ne  bafe 
fid^  für  eine  genauere  Seftimmung  3(nl^altgj)unfte  böten,  (tx  ertoarb  bie  entfc^iebenc 
®unft  Jtarte  b.  R.,  toie  auö  ben  SBibmungen  berfd^iebener  ©d^rtften  unb  au«  einer 
SRenge  bon  ©teilen  au«  feinen  ©ebid^ten  ju  entnel^men  ift,  o^ne  ba^  toir  auf  bie  jtoeifel^ 
^aften  ätnelboten   Bei  äBil^elm   bon  3J{alme«Bur^  (De  ^estis   pontif.  Anglorum  V, 

10  MSL  179,  1652),  bie  i^n  me^r  in  ber  Slotte  eine«  ^optarren  al«  eine«  toürbigen  ®^ 
lehrten  jeigen,  unb  leidet  erfunben  fein  lönnen,  SBert  ju  legen  brauchen,  ßr  tourbe  ^ier 
ein  fel^r  angefel^ener  Se^rer  unb  lam  in  Serü^rung  mit  bielen  ^erbonagenben  SRonnem 
ber  3^^/  ©inimar,  Suj)u«,  Ufuarbu«,  SSBuIfab,  SRatramnu«  u.a.  ®a  aud^  feine  33efannts 
fd^aft  mit  ^rubentiu«  bon  3:ro^e«  fid^   l^ier  gefniHjft  f}at,  biefer  aber  (f.  Hist.  litt.  V, 

15  240)  im  ^ai)xt  847  ben  §of  berliefe,  fo  jd^eint  ©cotu«  föäteften«  bor  biefer  Qüt  an  il^m 
feine  ©teue  gefunbcn  BaBen.  §ier  ^at  er  toal^rfd^einlid^  aÖe  un«  erl^altenen  ©c^riften 
berfafet,  ju  einer  lir^Iid^en  SSBürbeftettung  ift  er  jebod^  nid^t  gelangt  (Prud.  de  praed.  3: 
nuUis  ecdesiasticae  dignitatiB  gradibus  insignitum  nee  unquam  a  catholicis 
insigniendum).   DB  er  bie  ^rieftertoeil^e  Befeffen  f)at,  ift  gtoeifel^aft,  bon  einem  SKönt^^ 

20  tum  be«  Srig.  finbet  ftc^  nirgenb«  eine  ©})ur.  $ier  ift  @rig.  aber  aud^  in  bie  bie  3^ 
Betoegenben  ©treitigleiten  ^ineingejogen  loorben. 

e«  toar  bie«  eine«teil«  bie  bur^  bie  ©d^rift  be«  9labBertu«J8afc^aftu«  in  Anregung 
geBrai^te  Äontroberfe  üBer  bie  SBanblung  ber  ©lemente  im  ^l.  üJtal^l,  in  ber  ßrig.,  toie 
man  f^äter  aeglauBt  l^t,  mit  einer  eigenen  ©^rift  eingetreten  ift.    ^eilid^  ift  nun  bie 

26  lange  ^At  i^m  jugefd9rieBene  unb  für  berloren  gel^altene  ©c^rift  De  eucharistiai  bie 
al«  fein  SBerf  ju  Sercelli  1050  unb  ju  9iom  1059  Derbammt  tourbe,  toie  Sauf«  (Über  bie 
für  berloren  gebaltene  ©c^rift  be«  3ol^.©c.  bon  ber  ©ud^ariftie  a:^©tÄ1828,  ©.  755  ff.) 
ertoiefen  l^at,  in  ber  2^at  leine  anbere  al«  bie  Belannte  ©d^rift  be«  Slatramnu«,  De  cor- 
pore et  sangiiine  Domini.     2tBer  ber  3i^wm   jener  ©^noben  fd^eint  boct^  in  einer 

30  richtigen  Überlieferung  üBer  bie  ©tellung  be«  ©c.  ju  ber  grage  felbft  feinen  ®runb  gel^t 
m  ^aben.  ^mn  §infmar  mad^t  i^m  De  praed.  31  ben  Sortourf,  bafe  er  im  SlBenbmal^l 
©rot  unb  SBSein  nur  für  ©^mbole  ber  ©egentoart  ß^rifti  in  ber  SRenfd^l^eit  ^alte,  unb 
ebenfo  Befämt)ft  ba«  bon  %ai)€t\),  Spicil.  XII,  30  mitgeteilte  gragment  be«  ÜKönc^ 
2tbrebalbu«  au«  bem  Älofter  gleur^  im  9.  ^al^rl^unbert  einen  äBnli^en  ©a^  be«felBen. 

36  gemer  toeifen  ©teilen  in  De  divis  nat.  V,  20.  38  auf  eine  gleid^e  Sluffaffung  ^in,  imb 
boKenb«  finben  ftd^  in  ben  bon  f^log  l^erau«gegeBenen  Exposs.  sup.  hier.  coel.  ©.  140 
unbComment.  in  Ev.  Joh.  311  3tu«f))rüd^e,  bie  ganj  beuttid^  bie  Blofe  fi^mBolifc^e  Sluf^ 
faffung,  gemä^  ber  Slnftd^t  be«  2)ion^fiu«  2lreoj).,  au«ft)red^en.  DBßrig.  biefe  Slnf^auung 
baneben  nod^  in  einem  eignen  35ud^e  bertreten  l(^at,  BleiBt  aHerbing«  fel^r  jtoeifel^aft,  aber 

40  feine  ©tellung  in  ber  %xaqc  mufe  boc^  Binreidbenb  Bcfannt  getoorben  fein,  um  bie  Auf 5 
merffamfeit  ber  ©egner  m  erregen.  Übrigen«  l^at  jene  ^rage  im  9.  g^W^nbert  nod^ 
einen  Oegenftanb  freier  t^eologifd^er  ßrörterung  gebilbet. 

Sebenflid^er  für  6rig.  tourbe  fein  Sluftreten  im  ©ottfd^alffd^en  ^räbeftination«ftreitc, 
ba  er  ^ier  Slnfid^ten  an^pxad),  bie  auc^  feine  ^eunbe  nic^t  gu  bertreten  toagten.    6r 

46  toar  bon  §infmar  unb  ^arbulu«  bon  Saon  ju  einem  ©d^reiben  in  ber  ©ac^e  aufgeforbcrt 
toorben,  unb  i)ai  fid^  burd^  einen  folc^en  Stuftrag  nid^t  toenig  gefd^meic^elt  gefüllt.  6r 
fc^rieb  in  ber  ^At  gtoifc^en  ber  erften  unb  ber  jtoeiten  ©^nobe  gu  G^terx^,  849  unb  853 
(bgl.  G^riftlteb  ©.  34)  ben  Sraltat  De  divina  praedestinatione,  in  bem  er  mit  ber 
größten  §cftig!eit  unb  SHüdEfi^jtglofigfeit  ©ottfc^alf  al«§äreti!cr  unb  Ignoranten  angreift, 

60  pgleid^  aber  mit  erftaunlic^er  Dffenl^eit  feine  Slnfid^ten  über  ba«  göttlid^e  SBefen,  über 
Die  gbentität  bon  SSorl^ertoiffen  unb  SBor^erbeftimmcn,  über  ®ut  unb  93i)fe  u.  a.  barlegt 
3)ie  f^ier  au«gefj)ro(^enen  ©äfee  Hangen  benn  ben  Reitgenoffen  auc^  fo  unerl^ört  unb 
bla«j)l^emif(^,  ba^  fid^  ein  toal^rer  ©türm  be«  fränfif^en  ftleru«  bagegen  er^oB.  SSBenilo, 
683.  bon  ©en«,  beranlafete  burc^  Überfenbung  Don  18  3lrtifeln  an^  ber  ©d^rift  be«  ®rig. 

66  ben  95.  5|irubentiu«  bon  Iro^e«  ju  ber  ©d^rift  De  praedestinatione  adv.  Jo.  Sc. 
MSL  115,  1009—1023,  JJloru«  fc^rieb  Adv.  Jo.  Sc.  erroneas  definitiones  MSL 
119,  101—150,  bgl.  anii)  ^temigiu«,  (SS.  bon  S^on,  Liber  de  tribus  epistt.  cap.  40 
MSL  121,  1054;  bem^ufolge  Dertoarf  aucb  ba«  Äonjtl  ju  3Salence  855  19  ©o^c  be« 
(Srig.    al«    syllogismis  ineptissime    conclusa   et,  licet  iaetetur,   nulla   saeculari 

eu  litteratura  nitentia  al«  commentum  diaboli  (cap.  4)  unb  rebete  (cap.  6)  bon  ineptae 


ecotttd,  3.  @.  89 

quaestiunculae  et  aniles  paene  fabulae  Scotorumque  pultes.  ^ic  @^nobc  \>on 
iiangre^  859  toiebcr^olte  btcfc  Sefc^Iüffe.  Jpinfmar  fclbft,  alö..  er  barauf  feine  ©c^rift 
De  praedestinatione  l^eraudgab,  entl^ielt  fxi)  jtoat  einer  Slufeerung  über  bie  $räs 
bcftination^Ie^re  be«  ©rig.,  erflärte  fid^  aber  gegen  anbere  Slnfid^ten  be^felben  (cap.  31 
MSL  125,  296  D).  ^njtoifc^en  Wax  ober  and)  5P<H)ft  TOfoIau^  I.  auf  ©c.  aufnierffam  5 
getoorben,  er  miftbittigte  m  einem  ©(^reiben  an  Äarl  b.  Ä.  (bei  Suläug,  Hist.  univ. 
Paris.  I,  184;  Äloft  1024),  ba^  man  ibm  bie  Überfe^ung  Don©c^riften  be^S  2)ion^fiu^ 
ni(^t,  h)ie  e^bie  lirc^Iici^e  ©itte  erforbere(?),  jur  3l))j)robation  gugefanbt  f^abe,  um  fo  me^, 
ba  ber  33erfaffer  berfelben  ftd^  in  (Slaubenöfac^en  feine«  ganj  guten  9lufe«  erfreue;  er 
h)ünf(^t,  Reifet  e«  toeiter,  bafe  ber  Äönig  ben  6rig.  in  9lom  \>ox  bem  5jia^)fte  ju  erfd^einen  10 
nötige,  ober  h?enigften«  i^n  tjon  feiner  ©teile  an  ber  ©t)i^e  ber  ©d^ule  in  ^ari«  entferne. 
Snbeffen  l^at  ber  33rief  be«  9WoIau«  I,  h?ie  er  fic^  bei  3bo  bon  ßl^artre«  Decr.  IV, 
cap.  104  finbet,  bie  legten  SBJorte  nid^t,  unb  fte  unterliegen  be^i^alb  bem  SSerbad^te  ber 

tcUfd^ung  (Iraube  520).  2Bir  lönnen  bie  ©^uren  be«  geben«  ßrig.«,  h?enn  h)ir  feine 
lebi^te  mit  ^erbeigiel^en,  bi«  in  bie  ^^\t  be«  3:obe«  Äarl«  b.  Ä.  Verfölgen,  877,  ja  15 
tomn  toir  ber  Überlieferung  l^infid^tlic^  eine«  furgen  @j)igramme«  auf  §infmar  trauen, 
bi«  882.  aSeld^e«  aber  toar  nun  ber  2eben«au«gang  bc«  9Jlanne«?  ®ie  franjöftf d^en 
DueDen  berid^ten  un«  barüber  nic^t«,  hja«  übrigen«  gar  nid^t  fo  bertounberlid^  ift,  ba, 
ganj  abgefe^en  bon  ber  argen  a5erh?irrung  jener  ^Ätm,  6rig.  feine  eigentlich)  fird^Iic^e 
©tettung  inne  l^atte;  e«  ^at  an  fic^  alfo  aud^  feine  ©d^h?ierigfeit  anjune^men,  bafe  er  20 
einige  3^  "^d^  bem  lobe  Jtarl«  im  ^anfenreic^e  geftorben  fei.  5Run  treten  l^ier  aber 
eigentümliche  5Rad^ric^ten  ein,  bie  Don  einem  SBirfen  @rig.«  in  ©nglanb  gu  berid^ten 
toiffcn.  atffer,  ber  S5iogra^)l^  ällfreb«  b.  ®r.  erjäl^lt,  bafe  biefer  einen  geh?iffen  ^ol}annti, 
ben  er  a(«  au«  Ealdsaxonum  genere  ftammenb  bejeid^het,  nac^  @nglanb  berufen  unb 
jum  Äbte  bon  ät^elne^  gemacht  l^abe,  h?o  er  bann  bem  9Jleud^elmorbe  gaßifd^er  ^einbe  25 
jum  Dj)fer  gefallen  fei  (f.  Monumm.  hist.  brit.  I,  493  ff.).  3)iefer  9Jlann  mufe  nun 
freiließ  fd^on  h?egen  feiner  §erfunft  au«  ©ac^jfen  bon  ber  gbentififation  mit  ^of},  ©c. 
ganj  au«gefc^loffen  bleiben.  2ln  einer  anberen  ©teile  (©.  487)  nennt  Slffer  aber  einen 
Johannes  presbyterus  et  monachus  acerrimi  ingenii  vir  et  in  omnibus  dis- 
ciplinis  litterariae  artis  eruditissimus  et  in  multis  aliis  artibus  artificiosus;  obdo 
bicfcr  mit  bem  erftgenannten  ibentifd^  ift,  ift  ftreitig ;  nehmen  h?ir  an,  bafe  e«  ein  anberer 
fei,  h)a«  bod^  ba«  toa^rfc^einlid^ere  ift,  fo  ift  nic^t  gu  leugnen,  ba|  bie  2lu«fage  über 
i^n  borjüglid^  auf  @rig.  pa^t,  hod)  erloedt  bie  Sejeid^nung  al«  monachus  35ebenfen, 
unb  man  fann  anbererfeit«  fagen,  bafe  bei  ber  -^äufigfeit  be«  Flamen«  gol^anne«  too^I 
eben  aud^  ein  anberer  jene  rül^mlid^en  ^räbifate  Derbienen  fonnte.  2)ie  (Srünbe,  bie  so 
man  fonft  gegen  bie  3)enfbarfeit  einer  Berufung  @rig.«  burc^  2llfreb  b.  @r.  geltenb  ge* 
mac^t  l^at,  bafe  ber  fromme  Äönig  3llfreb  nic^t  einen  I^infid^tlic^  be«  ©lauben«  in  üblem 
Slufe  fte^enben  SKann  toerbe  an  fic^  gebogen  l^aben,  ober  aud),  bafe  (Srig.  j|u  alt  geloefen 
fei,  tootten  freilid^  toenig  befagen  (3)iabiU.  AS  OSB.VI,  508 f.;  Hist.  litt.  V,  408 f.; 
§lo6,  prooem.  XXIV;  §uber  ©.  117f.  unb  bagegen  ©taubenmaier  ©.  124;  gl^riftlieb  40 
©.  117  f.).  aSa«  nun  aber  fj)ätere  Slutoren  enäj^len  (juerft  S^ngulf  geft.  1109  in  ber 
hist.  abbatiae  Groylandensis  unb  befonber«  SDSili^elm  t)on  ^alme«bur^  (De  gestis 
regum  Anglorum  II,  MSL  179,  10  unb  De  pontificib.  V,  MSL  179,  1653),  ba« 
beruht,  fotoeit  e«  [xd)  auf  ben  Slufentl^alt  unb  ba«  6nbe  be«  6rig.  in  ßnglanb  begießt, 
teil«  auf  einer  Kombination  ber  beiben  angeführten  angaben  be«  Slffer,  teil«  aber  auf  46 
einer  Überlieferung  ber  2lbtei  5IKalme«bur^,  in  ber  einft  ein  Slbt  bon  ißörbem  (nad^  ber 
©age  bon  feinen  ©c^jülem  mit  i^ren  ©riffeln)  in  ber  2aurentiu«fird^e  erftoc^en  tourbe; 
na^  feinem  3!obe  foH  ba«  einige  9iäc^te  l^inburd^  auf  feinem  ©rabe  glänjenbe  Sid^t  bie 
3D?önd[>e  beflimmt  l^aben,  i^n  al«  3)iärt^rer  unb  ^eiligen  in  ber  größeren  Äirc^e  auf  ber 
linfen  ©eite  be«  älltar«  ju  beftatten.  ©obiel  gel^t  nun  au«  bem  Seri^te  SBil^elm«  jebens  60 
fall«  l^erbor,  bafe  ju  feiner  3^*^  i"  3Ralme«bur^  bie  SCrabition  beftanb,  bafe  jener  2lbt 
fein  anberer  al«  ber  berül^mte  3-  ©c.  getoefen  fei.  3)afe  man  bann  auf  ©runb  ber  "XxaVu 
tion  aud^  eine  ©rabfd^rift  für  ^ol}.  ©c-  anfertigte,  bafe  man  bie  Qad}^  ba«  ganje  3Kittel- 
alter  l^inburd^  glaubte,  unb  noq  Selanb  eine  ©tatue  mit  ber  3"f^^^f^  Joannes  Scotus 
qui  transtulit  Dionysium  e  Graeco  in  latinum  in  ber  bortigen  3lbtei  gefe^en  l)at,  55 
ba«  äße«  fügt  ber  ®laubh?ürbigfcit  jener  2^rabition  nid^t  ba«  geringftc  ^inju.  Dh  fie 
auf  echter  Überlieferung  beruhte,  ober  ob  nic^t  üiclmebr  erft  ]päUx  ber  2tbt  (^o^anne«) 
auf  ben  fie  ftc^  urfjjrünglid^  bejog,  mit  bem  berül^mten  ^oi).  ©c.  ibentifijiert  toorben  ift, 
ba«  ift  eine  ^Jtage,  bie  fxd)  für  un^  fc^h?erlid^  h)irb  mit  ©ic^erl^eit  entfc^jeibcn  laffen,  aber 
ba«  fi)äte  auftauten  ber  Irabition  unb  bie  fc^einbaren  2ln^alt«j)unfte,  bie  Stffer  bafür  eo 


90  (Bcom,  3.  e. 

bot,  fj)rc(i^en  nid^t  gu  ©unftcn  berfclben.    ®a^  hjal^rfci^cinlid^fte  bleibt  boc^,   bafe  6c.  im 
granlenreid^c  gcftorbcn  ift. 

Über  bie  ^eröorragcnbe  SegabunQ  be^  ©rig.  ^errfd^t  unter  ben  g^itgenoffen,  lt)o 
ftc  fic^  unbefangen   äufeem,  bie  Stimme  größter  Sehjunberunj,   fotoo^l  feiner  Oelc^rs 

6  famleit,  h)ie  feinet  ©(^arffinng  unb  feiner  Serebtfamfeit;  bie  geringfdf^^i^ig^  äufee- 
Hingen,  ju  benen  ber  bogmatifd^e  ©egenfa^  bie  ^einbe  trieb,  ftetten  fid^  bagcgen  beutUcb 
genug  ate  nur  erjh?ungen  bar.  3)a«  3^"0"i^  f^^"^^  ©c^riften  fjjrid^t  burc^aud  für  bie 
äleufeerungen  ber  erften  SRei^e.  SEBa«  feine  (Sele^rfamleit  betrifft,  fo  erfc^eint  fie  fotoeit  e^ 
ftc^  um  bie  abenblänbifd^e  Sitteratur  l^anbelt,  aOerbing^  atö  beträd^llid^,  aber  bod^  nic^t 

10  al^  unt)er^ä(tni^mägig  gro^  im  93erg(eicb  ^u  bm  bebeutenberen  ^Rännern  ber  ^Ät  unb 
ber  näc^ftt)orberge^enben  $eriobe  (tpeit  überh^iegenb  ift  bie93enu^ung  äluguftind  auc^  bei 
Srig.  aSgl.  ba«  aSerjeid^ni«  ber  ßitate  bei  ©nHiantoff  @.  77  ff.).  3)er  Umftanb  aber, 
ber  il^n  faft  tüie  ein  SBunber  im  SJranfenreid^  erfd^einen  liefe,  toar  feine  Äenntni^  be« 
©riec^ifc^en.  ®iefe  toar  unter  ben  fränfifd^en  ©ele^rten  ber  Qtxt  überaus  feiten,  unb  too 

15  jtd^  ettDa^  bat)on  fanb,  l^öd^ft  elementar,  U^äl^renb  @rig.  e^  jebenfaQ^  ju  einem  erl^eblid^en 
9Rafee  be«  aSerftänbniffeö  gebrad^t  1)at  Qv  fd^eint  bie  ©runblage  bafür  nod^  au«  feiner 
$eimat  mitgebracht,  fie  bann  aber  tüä^renb  feine«  2tufentl^alte«  am  §ofe  Äarfö  b.  Ä. 
burc^  eigene«  ©tubium  bebeutenb  erweitert  ju  l^aben.  Sltlerbing«  ift  nod^  tjon  niemanbem  genau 
unterfu^t  hjorben,  tüie  h?eit  feine  Äenntnt«  biefer  ©))rad^e  eigentlich  gereid^t  l^at  (einzelne« 

20  jeboc^  bei  ©dbmitt  u.  3)räfele),  unb  e«  f^at  ba«  bei  ber  Ünfi^er^eit  fotpol^l  ber  griec^ifc^cn 
3:ejte  ber  ©dpriften,  bie  er  überfe^t  ^at,  tüie  aud^  ber  Überfe^ungen  felbft,  feine  ©c^toierig^ 
feit,  bennod^  barf  man  fagen,  bafe  U)er  nid^t  nur  ben  ganzen  ®ion^fiu«  2treoj)agita, 
fonbem  au^  bie  grabe  ^pxad)lxi)  fc^toierigen  2tmbigua  be«  3Jlajimu«  Äonfeffor,  toenn 
aud^  mangell^aft,  überfe^en  tonnU,  jebenfall«  eine  über  ba«  elementare  tpeit  l^inau^ge^enbe 

25  Äenntni«  be«  ®riec^>ifc^>en  befi^en  mufete.  §ierau«  barf  man  iebod^i  nic^t  fc^liefeen,  bafe 
6rig.  bie  gried^ifd^en  ©d^riftfteßer  bie  er  jitiert,  burc^toeg  aud^  gried^ifcä^  gelefen  ^ätte; 
bem  ftanb  fd^on  ber  9Jlangel  an  6Eemj)Iaren  im  3lbenblanbe  entgegen,  unb  c«  ift  nac^^ 
getoiefen  (2)räfefe,  3-  ®^-  ®^-/  ®-  27),  bafe  er  ©c^jriften  be«  Drigene«,  barunter  De  prin- 
dpiis,    nac^  ber  Überfe^ung  SRufin«,  ebenfo   ©c^riften  be«  Safiliu«  unb  ß^r^foftomu« 

30  nac^  lateinifd^en  Überfe^ungen  citicrt.  3)agegen  läfet  ftd^  a\x^  mel^reren  ©teilen  (De  div. 
nat.  3,  16.  548  A;  4,  25.  856  A;  5,  1.  865  A)  fc^tiefeen,  bafe  er  fid^  ber  LXX  bebient 
f)at,  unb  e«  ift  bemnadf)  bie  eine  ©teile,  auf  bie  fid^  ß^riftlieb  beruft,  um  ba«  (Segenteil 
^n  behjeifen  (Expos,  sup.  hier.  coel.  243)  anber«,  t)on  augenblidlid^em  geilen  be« 
iejte«  ber  LXX,  ju  berftel^en.  —  3)ie  Äenntni«  ber  ©ried^en  toar  bei  6rig.  aber  aut^ 

85  mit  einer  aufeerorbentlic^en  §od^fd^ä$ung  berfelben  Derbunbcn.  3)a«  jeigt  fic^  in  ber  ärt, 
toie  er  Don  il^nen  rebet,  e«  jcigt  fid^  (h?enn  fic  ec^t  finb)  in  ben  merfhjürbigen  SSerfen, 
bie  fid^  in  einigen  §anbfc^riften  am  ©c^luffe  feine«  großen  2öerfe«  finben  (glofe  ©.  XXII  ff.), 
e«  ^eigt  fid^  aud^  in  feiner  bogmatifd^en  Haltung  in  ber  Sifferen^le^re,  h)o  er  fid^  fo 
au«fj)ric^t,   bafe  er  ein  2lu«gel^en  be«  ^l.  ©cifte«  Dom  SSater  burc^  ben  ©ol^n  bei^auptet 

40  (De  div.  nat.  II,  31—33,  Dgl.  S^riftlieb  ©.  178ff.;  §uber  ©.  205ff.;  SWniantoff 
©.270  ff.),  h?ieh)ol^l  er  fd^liefelid^  bod^  awd)  ba«  filioque  für  gere^tfertigt  ertlärt.  38on 
noc^  größerer  Sebeutung  al«  biefer  ^unlt  ift  aber  ber  anbere,  bafe  fic^  bem  @rig.  in  ber 
SSefc^äftigung  mit  ber  griec^ifc^en  Sitteratur  bie  Duelle  ju  einer  freieren  Se^anblung 
t^eologifd^er  unb  j)l^ilofoj)l^ifd^er  fragen   überl^au)[)t   eröffnete,    greilid^  hjerben  toir  feine 

45  ganj  eigentümliche  unb  einzigartige  ©tettung  in  biefer  fiinfic^jt  nic^t  in  erfter  Sinie  auf 
bie  olofee  Sefanntfd^aft  mit  griec^jifc^en  ©d^riften  iurüdfübren  bürfen.  &ani  unbefannt 
toar  ein  2^cil  berfelben  bem  äbenblanbe  ja  nid^t,  unb  modpte  man  fie  aud^  nur  in  latei^ 
nifd^en  Überfe^ungen  lefen,  fo  fonnten  bod^  auc^  biefe  auf  ben  em^fänglid^en  ®eift  in 
ä^nlid^er  SBeife  h?irfen  h?ie  bie  Originale.    3"^^"^   ftanben  bie  ©c^riften  äluguftin«,   in 

60  benen  fic^  fo  Diel  Don  neu})latonifd^er  ^^ilofot)^ie  finbet,  ben  3^^^0^"^ff^"  *>ff^  ^nb 
tourben  aud^  Don  il^nen  gelefen.  3)er  ^au^Jt^junlt  alfo,  auf  bem  bie  ungeheure  Ser^ 
fc^jiebcn^eit  ^tüifc^en  6rig.  unb  —  f 0  Diel  h)ir  hjiffen  —  feinen  fämtlid^en  abenblänbifd^en  3«^ 
genofjen  rul^t,  lüirb  Dielmel^r  in  ber  ganjen  geiftigen  Slnlage  be«  6rig.  ju  fuc^en  fein,  Dermöge 
beren  er  eine  Steigung  jur  Sefd^äftigung  mit  ^jl^ilofojj^ifc^en  unb  Jj^ilofojjl^ifd^stl^eologifct^en 

öögragen  befa^  unb  jugleid^  über  eine  Sefä^igung  ^ur  Sc^anblung  berfelben  Derfügte,  toie 
fein  anbercr.  3lber  biefe  9laturanlage  forberte  borf;  eine  2lnregung,  mic  fie  in  jener  ^üt,  fo 
Diel  h)ir  hjiffen,  niemanb  bem  Grig.  perfönlic^  ju  geben  Dermod^te.  %^tncic  beburfte  aber, 
toer  fic^  auf  fo  eigene  bem  bamal«  ^errfcl)enben  Setoufetfcin  toeit  abliegenbe  5ßfabe  h>agte, 
auc^  einer    gehjiffcn  Segitimation  barüber,    ba^   feine  Slrbeit  nic^t   in   birelten  äBtoer^ 

60  \pxu6)  mit  ber  c^riftlid^en  £e(;re  trete,  ßben  bieje  beiben  ©tüdfe  finb  e«,  bie  bie  gried^if(|ie 


ecohti»,  S.  @.  91 

2:i^eoIoflte  bcm  Srtg.  geleiftet  l^at.  ®ong  befonber«  fommen  l^ier  3)tonVfiu«  bcr  3lrcoj)aatt 
unb  fein  Kommentator  9Rajimug  in  Setrad^t.  §ier  lernte  ßrig.  eine  f))efulatit)e  SJe* 
^nblung  ber  @otte^(el^re  unb  ber  bamit  jufammen^ängenben  fragen  lennen,  toie  fte 
bcr  bamaligen  abenblänbifd^en  Ideologie  ßänglid^  fem  lag.  3)amit  erbielt  er  aber  ju« 
gleich  auc^  ben  ©d^Iüffel  beö  SSerftänbniffe«  ju  ben  ftoelulatitoen  eiementen,  bie  er  in  6 
reicher  güHe  bei  ben  älteren  Ideologen,  Safiliuö,  ben  beiben  (Sregoren  unb  bei  Drigene^, 
ebenfo  aber  aud^  bei  3(mbrofiug  unb  tjor  aßen  bei  Sluguftin  fanb  —  unb  bie  jum  größten 
Seile  auf  ben  9leuj)Iatoni«mu«  ober  auf  ?P^ilo  jurüdgel^en.  3)afe  ©rig.  babei  aud>  SBerle 
griet^ifd^er  5ß^Uofoj)l^en  felbft  benu^t  f)aU,  ift  jtpar  vermutet  aber  big^er  noc^  nic^t  er« 
iüiefen  toorben,  bagegen  fannte  unb  benu^te  er  Soet^iu«,  2Kacrobiu3,  SRarcianu^  6a))etta  lo 
unb  bie  anbcm  Vermittler  antilen  SBJiffenö  an  ba«  SKittelalter.  Sitte  biefe  §ilf«mittel 
fyit  ©rig.  aber  ganj  anber«  gelefen  aU  bie  9Kenge  feiner  S^^fl^noffen,  bie  bei  ben  ©orten 
[teilen  ju  bleiben  ^)flegten,  unb  er  getoann  benn  au^  bem,  toa«  er  la«,  aud^  ein  anbere« 
35erftänbni«  j)^ilofoi)^ifd^er  SKeinungen  atö  jene.  3^fe^"f<^Ö^  if*  ^  ^^  ^^^/  ^on  bem 
toir  toiffen,  bafe  er  im  9Rittelalter  im  älbenblanbe  in  umfaffenber  SBeife  j)^ilofoj)ifd^  ge»  15 
bac^t  l^at  unb  ber  e«  geloagt  ^at,  ein  ©i^ftem  aufmftetten,  toenn  aud^  immerl^in  ein«, 
bag  bie  9Wängel  ber  ©d^ulung  unb  33ilbung,  t>on  benen  er  fi^  natürlich  nid^t  ganj  be« 
freien  fonnte,  nod^  beutlid^  an  ber  ©tim  trägt. 

erig.  mad^t  leinen  fd^arfen  Unterfc^ieb  jjoifd^en  ?pi^ilofoj)^ie  unb  Ideologie,  toielme^ 
fatten  il^m  beibe  toefentlic^  gufammen,  aU  SRittel  jur  Srlenntni«  ber  SBa^r^eit  ju  ge«  ao 
langen,  gür  i^n  felbft  ejiftiert  alfo  bie  fjrage,  ob  fein  ©Vftem  mel^  ^l^ilofoj)l^ie  ober 
mel^r  S^eologie  fei,  gar  nid^t;  fte  h?ar  ba«  eine  loie  ba«  anbere,  h)ie  er  f eiber  De 
praed.  I,  1  MSL  358  f.  beutlid^  audf))rid^t:  quid  est  aliud  de  philosophia  trac- 
tare  nisi  verae  religionis  qua  summa  et  principalis  omnium  rerum  causa 
Deus  et  humiliter  colitur  et  rationabiliter  investigatur  regulam  exponere.  25 
Ck>nficitur  inde,  veram  esse  philosophiam  veram  religionem,  conversimque 
veram  religionem  esse  veram  philosophiam.  ^anad^  bemi^t  ftc^  i^m  benn  aud^ 
bie  ©tettung  ber  Vernunft  unb  ber  Autorität.  6«  ift  nid^t  fo,  bafe  bie  eine  J>ier 
unb  bie  anbere  bort  gälte,  fonbem  beibe  ^aben  an  beiben  ©tetten  il^r  SRed^t,  freilid^ 
nic^t  in  gleid^em  SRa^e;  fie  lommen  beibe  an^  berfelben  5B3ur3el,  ber  göttlid^en  SBei^^eit  so 
(I,  66,  511).  S)ie  Vernunft  aber  ^at  ben  Vorgug,  bafe  fte  berSRatur  nac^  ber  2tutorität 
öorange^t,  benn  fte  ift  mit  ber  9latur  felbft  unb  ber  R^t  au«  bem  Urfj)rung  atter  S)inge 
lj>erDorgegangen.  ®ie  3lutorität  bagegen  entfj)ringt  felbft  toieber  erft  au«  ber  Vemunfit: 
fie  ift  nic^t«  anbere«  al«  bie  !raft  ber  Vernunft  gefunbene  unb  tjon  ben  1^1.  Vätern 
jum  33eften  ber  Slad^loelt  in  ©dj»riften  niebergelegte  SBa^rl^eit.  3)e«l^alb  bebarf  auc^  bie  86 
toal^re  Vernunft,  toeil  fte  burd^  i^re  eigene  Äraft  giltig  unb  unberänberlid^  ift,  feine 
UnterfKiftung  ber  Autorität,  bie  Slutorität  bagegen  erfc^eint  fc^toad^,  loo  fte  nic^t  t)on  ber 
Vernunft  geftti^t  toirb  (I,  69,  513  B  C).  2)a^er  toitt  ®rig.  aud^  nur  um  beren  toitten, 
bie  bie  Vemunftgrünbe  nid^t  rec^t  ju  faffen  vermögen,  t)on  ber  Slutorität  ©ebrauc^ 
mad^en  (IV,  9,  781  C)  unb  ruft  ein  anbere«mal  bem  ©d^üler  ^u :  nulla  te  auctoritas  40 
terreat  ab  his  quae  rectae  contemplatonis  suasio  edocet  (I,  66,  511  B).  Offenbar 
tft  i^m  nid^t  nur  t^eoretifd^  bie  Vernunft  ba«  erfte,  fonbem  er  f)at  and),  im  Unterfd^iebe 
toon  feiner  geit  (tjgl.  j.  S.  Slemigiu«  lib.  de  trib.  epistt.  MSL  121,  1002  D)  ein 
ftorfe«  33elou^tfein  bon  bem,  toa«  er  mit  menfd^lid^er  Vernunft  auggurid^ten  tjermag. 
3)ennoc^  toürbc  man  irren,  toenn  man  glaubte,  bafe  er  bie  Autorität  überl^auj)t  nur  46 
gering  anfd^lage,  er  ad^tet  fte  tjielmei^r  fe^r  l^od^,  legt  aber  freilid^  ber  rid^tigen  ßrioägung 
ba,  h)0  biefe  ein  Ilare«  SRefultat  ergiebt,  ba«  entfc^eibenbe  ©etoic^t  bei.  3)ie  älutorität 
ber  ^^l.  ©d^rift  erfennt  er  fogar  al«  eine  unbebingte  an  (I,  6,  509  A)  sacrae  siquidem 
scripturae  in  omnibus  sequenda  est  auctoritas.  @ie  lonnte  i^m  freilid^  aud^  taum 
unbequem  irerben,  benn  für  bie  ßjegcfe  gilt  i^m  nad^  SKajimu«  ber  ©a^,  bafe  bie  1^1. 50 
©d^ft  einen  unenblic^en  ©inn  l^abe,  bcr  toie  bte  ^fauenfeber  nod^  in  bem  Ileinften  3:eile 
fd^immere  IV,  5,  749  BC;  unb  III,  24,  690  BC  fagt  er,  ber  ^l.  ©eift  ^abe  infinitos 
intellectus  in  ber  ^l.  ©d^rift  niebergelegt  ideoque  nullius  expositoris  sensus  sensum 
alterius  aufert,  fofem  biefcr  nur  rechtgläubig  fei;  c«  fönnen  alfo  atte  2lu«lcger  red^t 
^oben.  §ier  toar  e«  bemnad^  nic^t  fd^toer,  jeber  unbequemen  ©tettc  burc^j  2lu«legung  ^u  65 
entgegen.  2lber  aud^  ben  Vätern  gegenüber  geigt  er  fic^  fel^r  befc^eiben  unb  borfidptig. 
5Rid^t  nur,  bafe  er  fte  unjä^ligemal  al«  Slutoritäten  anführt,  fonbem  er  erflärt  aud^,  bafe 
er  ba,  too  fte  offenbar  im  ©egenfa^e  jw^incinber  ftcl^en  —  unb  ba«  crfannte  er  freiließ 
Harer  al«  feine  ßeitgenoffen  (Dgl.  3.  V.  V,  8,  876  C  ff.)  —  e«  nic^t  für  feine  aufgäbe 
^alte,  jtoif^ien  i^nen  ju  entfd^eiben  unb  bie  Slnfid^t  be«  einen  ju  tabeln  (IV,  14, 804  C),  eo 


92  ^tom,  %  @. 

fonbem  er  h)itt  [xi)  in  einem  fold^en  %aUc  nur  bie  ^rei^eit  h)al^ren,  bem  ju  folgen,  h)a^ 
i^m  rid^tig  erfd^eint  —  h)orin  nun  freiließ  Am  boc^  eine  (gntfd^eibung  liegt.  3)tefe« 
öorfid^tige  Serfa^ren  f}ai  feinen  ®runb  jum  a^eil  jcbenfatt«  in  ber  Seforgnt«,  Slnfto^  ju 
erregen,  boc^  glaube  i^  nid^t,  bafe  e«  ^>ierauf  attein  jurüdfjufül^ren  tft,  fonbem  e«  brüdft 

6  fid^  barin  ba«  Selüufetfein  au«,  ba^  ®rig.  ftd^  aud^  in  feinem|^l^ilofoj)^ieren  öielfac^  bon 
Autoritäten  abl^ängig  toeife,  bie  er  nun  auc^,  too  er  mit  i^nen  nid^t  einig  ift,  ftc^  boc^  ju 
fd^onen  veranlagt  fie^t. 

grig.  I^at  fein  })l^iIofo})l^ifd^^t^eoIogifd^e«  Softem  in  bem  großen  SBerfe  De  divisione 
naturae  bargelegt,  ba«  für  jebe  3!)arfteIIung  feiner  Se^re  bie  ®runb(age  bilben  mufe,  h>ieh>ol^I 

10  anbere  ©d^riften  Seftätigungen  unb  (grgänjungen  ju  bem  bort  ©efagten  barbieten.  3)a^ 
93ud^  ift  in  bialogifd^er  gomt  gefc^rieben,  unb  man  l^at  mit  Siedet  jum  Sobe  be^felben 
gefagt,  ba^  bie  beiben  Siebner,  3Reifter  unb  ©d^üler,  jeber  jur  (gnttoidelung  ber  ®ebanfen 
i^ren  Slnteil  geben.  SBenn  aber  6^riftlieb  einmal  meint,  ber  ©c^tiler  t)pege  ba«  fird^^ 
lic^e  ©etoijfen  be«  ßrig.  ju  re})räfentieren  (©.  128),  ein  anbere^mal  aber  fagt  (©.  174), 

16  bafe  ©rig.  i^m  befonber«  bebenflic^e  2tnfid^ten  in  ben  3Runb  ju  legen  liebe,  fo  laflen  ft^ 
freilid^  für  beibe«  Selege  beibringen,  aber  Am  gerabe  ba«  jeigt,  ba^  bie  ^erfon  bc^ 
©c^üIer«  im  ganzen  toeber  unter  bem  einen  noc^  unter  bem  anberen  ®eftd^tgt)unfte  ftebt, 
fonbem  bielme^r  aU  ber  noc^  nid^t  ©ereifte  balb  nadi)  ber  einen  balb  nac^  ber  anberen 
©eite  JU  toeit  gel^t,  um  bann  üon  bem  3)ieifter  forrigiert  ju  toerben.    35on  ber  ^^eilung 

20  ber  9latur  fott  ba«  SBerf  l^anbeln,  unter  natura  aber  toitt  6rig.  I^ier  alle«  begreifen, 
lüomit  unfer  3)enfcn  e«  ju  t^un  ^aben  fann,  ba«  ©eienbe  toie  ba«  nid^t  ©eienbe;  ba^ 
(entere  freilid^  nur  in  bem  befonberen  ©inne,  in  bem  @rig.  ®ott  ate  nid^t  ©eienb  betrad^tet. 
3)er  2tu«brudf  umfd^Iiegt  alfo  ®ott  unb  bie  SBelt,  obtool^I  anbererfeit«  beibe  lein  ^räbifat 
gemein  ^aben   fotten.     greilid^   ift  bafür  (toa«  ßrig.  jebod^  nid^t  au^brüdHic^  bemerft) 

25  natura  eigcntlid^  fein  })affmber  Äu^bmdf;  einmal  toäl^It  6rig.  bafür  universitatis  (II, 
1,  524  D:  Universitäten!  dico  Deum  et  creaturam);  toir  fönnm  e«  alfo  mit  M 
überfe^m,  unb  muffen  un«  nur  ber  UnboDfommenl^eit  unferer  ©})rad^e  babei  betou^t 
bleiben.  2öa«  ®rig.  aber  unter  ber  2^eilung  be«  Sltt«  öerftel^t,  ba«  jeigt  pd^  in  ber 
öierfac^cn  3)urd^fü|rung  betreiben,    fofem   er  nämlic^  öon   ber  fd^affmbm    unb   nic^t 

30  gefd^affenen,  bann  Don  ber  fqaffmben  unb  gefd^affenm,  barauf  Don  ber  gefc^affenen  nic&t 
fc^affenbcn  unb  enblic^  Don  ber  toeber  fd^affenben  noc^  gefd^affenen  9latur  reben  toiD. 
3)ie  ungefd^affene  fd^affenbe  9latur  ift  ®ott,  bejeic^enb  ift  aber,  bafe  bie  Dierte  ©tufe 
mit  ber  erftm  al«  hjefentlid^  gleid^bebeutenb  genommen  toirb;  e«  ift  bie  SBelt  in  i^rer 
Sflüdffe^r  ju  ®ott;   mit  ber  SoDenbung  berfelbm  Derliert  bie  SßSett  ben  ß^rafter  be« 

86  ®efc^affenfein«  in  beftimmtem  ©inne  (f.  u.).  2)ie  beibm  jtoifd^enliegenben  ©tufen  lönnen 
toir  ate  bie  ^bealtoelt  unb  bie  Ujirfli^^e  SBelt  bejcic^nen.  SBir  erhalten  bamit  fogteic^ 
einen  Überbhdf  über  ba«  ©^ftem,  ba«  un«  Don  ®ott  burc^  bie  ibeale  unb  bie  totnlid^e 
SBelt  toieber  ju  ®ott  jurüdfül^rt ;  jugleic^  beftimmt  ftd^  bamit  ber  ^n^alt  ber  fünf  Sucher 
im  attgemeinen,   obhjol^l  (Srig.  fic^  nic^t  ftrcng  an  bie  (Sinteilung   binbet  unb  toir  öfter 

40  Unterfud^ungen  in  einem  Suc^e  finben,  beren  eigentlid^en  Ort  toir  mit  größerem  SRw^te 
in  einem  anberen  fuc^en  toürben.  2)a«  erfte  93u^  ift  ber  Erörterung  Don  bem  SBefen 
®otte«  in  feinem  Stnfic^fein  getoibmet,  ba«  jtoeile  ber  erften  Offenbarung  ®ottc«  in  ber 
SBelt  ber  ^been  ober  ^nmorbialen  Urfad^cn.  S8on  biefen  fann  ein  ®ef(^affenfein  freiließ 
nic^t  in  bem  gleid^en  ©inne  au^gefagl  loerben,  loie  Don  ber  toirflid^en  SBelt,   fofem  aber 

45  ba«  urerfte  fd^lec^tl^in  unerfafelic^e  SBefen  ®otte«  fic^  l^ier  juerft  al«  tl^ätig  crtüeift  unb 
ettoa«  l^erDorbringt,  fann  bod^  ber  Segriff  be«  ©efc^affentoerben«  auf  biefe  SBelt  in  ge= 
toiffem  ©inne  angetoenbet  toerben.  ^m  eigentlichen  ©inne  gefd^affen  ift  bagegcn  bie  britte 
©tufe,  biefe  toirtlid^e  SBelt  Don  i^rm  ^öd^ften  SBefen,  ben  oberften  Sngeln  an  bi^ 
m  ben  nicberften  unlebenbigen  Kreaturen.    S)er  Stu^cinanberfe^ung  über  fie  loerbm  jjoei 

60  33ücl^er  getoibmet.    (Snblic^  befaßt  fic^  baig  fünfte  Sud^   mit  ber  Slüdtfe^r  biefer  Sfeelt 

JU   ©Ott. 

(Srig.g  Seigre  Don  ®ott  gel^t  auf  bie  bion^fifd^e  Sc^rc  Don  ber  bejal^enben  unb  Det^ 
neinenbcn  2:i^eologie  jurücf  (I,  13,  458  BC).  9ltle  pofitiDen  ^räbifate,  bie  toir  ben  toete 
lid^en  3)ingen  entnehmen,  fönnen  toir  im  ©uperlatiD  auf  ®ott  übertragen,  fo  bafe  il^m  ein 

66  Übergutfein  beigelegt,  er  al^  übertoefentlid^  bcjeic^net  toerben  fann  u.  f.  to.  gnbeffen  finb 
bie  fo  gefaxten  ^räbifate  nur  ber  gönn  nac^  pofitiD,  in  ber  ©ad^e  eigentlich  neaatiD,  ba 
burcl)  ba^  „über"  bie  ®leid;l)cit  ber  Benennung  toieber  aufgehoben  toirb.  ©o  fül^rt  bie 
pofitiDe  SBejcic^nung  felbft  fcl)on  jur  negatiDcn  (hinüber,  bie  eigentlich  bie  toa^re  ift  (III, 
20,  684  D),  nämlid;  baju,  bafe  man  @ott  alle  ^käbifate,  aud^  bie  ber  Siebe,  SBaJ^r^eit, 

ßf)  ®üte  u.  f.  to.  abfjjrid^t.    i)er  S3egriff  ®otte^  liegt  Dielmel^r  jenfeite  aller  biefer  Seftim- 


munden  unb  tft  üh^fympi  unfaßbar.  3Slan  lann  bicfe«  ©ein,  ba«  ein  Überfein  i%  unb 
nic^t  ettoa  mit  ber  Äategorie  be«  Sein«,  h)ie  h)ir  fte  ^injic^lli^  ber  toeltlic^en  3)inge  an« 
Ipenben,  ibentifijiert  toerben  barf,  bemnac^  a\iA  atö  SRic^tfein  bejeic^nen;  inbeRen  mad^t 
@rig.  bo(^  einen  fe^r  fd^arfen  Unterfd^ieb  jtoifc^en  biefem  9lic^tfein,  \>a^  in  ber  %f)at  bie 
güUe  alle«  ©ein«  ungefc^ieben  in  fic^  enthält,  unb  bem  SRi^tfein  ber  bloßen  Jlegation.  6 
2)iefer  Umftanb  mufe  g.  33.  bei  einer  SJergleid^ung  ber  Seigre  ©rig.«  mit  ber  ^egctö  h)ol^l 
im  Slime  behalten  toerben,  unb  toenn  S3aur  (3:rinl.  II,  297)  fagt,  ®ott  ift  nur  ba« 
reine  ftd^  felbft  gleid^e  ©ein,  ba«  in  feiner  Unenblic^Ieit  unb  abfoluten  Sejicl^ung«« 
lofigleit  ebenfogut  ba«  abfolute  „SRid^t«"  ift,  fo  ift  bamit  ber  ©ebanle  be«  ®rig.  bod^ 
nic^t  gam  richtig  getroffen.  33gl.  übrigen«  ^ierju  bie  ^öd^ft  intereffante,  bem  ©c^arffinn  lo 
©riß.«  alle  ®^re  mad^enbe,  l^ier  jeboc^  nic^t  toeiter  ju  erörtembcn  3lu«einanberfe^ung 
be«felben  über  bie  öerfc^iebenen  Sebeutungen,  bie  mit  bem  Segriffe  be«  ©ein«  Derbunben 
lücrben,  I,  3—7.  Slu«  bem  3Rid^t«  im  geh)öl^nlic^en  ©inne  toirb  aud^  nid^t«;  au«  bem 
göttlid^en  SRid^tfein  aber  gelten  alle  a)inge  ^ert)or  (III,  5,  634  BC;  17,  679  B).  3)od^ 
h>ir  ^aben  gunäd^ft  in«  aiuge  ju  faffen,  h)a«  6rig.  toeiter  über  bie  ©ott^eit  in  xfyc^m  15 
Slnfid^fein  ju  fagen  l^at.  (tx  leugnet,  bafe  ®ott  felbft  bie  ganje  güHe  feine«  SBefen« 
erfaffen  lönne,  unb  fagt  be«^alb,  bafe  ®ott  ftd^  felbft  nid^t  fenne,  er  h)iffe  nur,  ba^  er 
nid^t«  Don  bem  allen  fei,  toa«  e«  in  ber  9Belt  giebt,  aber  toa«  er  fei,  bleibe  i^m  Der« 
borgen.  2)iefer  ©a§  ^at  einen  bo))j)elten  ©inn;  einmal  befagt  er  nämlic^  nur,  bafe®ott 
fic^  mit  feinem  h)eltli4en  SBa«  ober  SBefen  ibentifc^  finbe,  bann  aber  auc^,  bafe  er  bie  ao 
®efamtl^eit  feine«  SBefen«  überl^au})t  nid^t  in  ein  beftimmte«  umfd^loffene«  quid  gu* 
fammenfaffen  lönne.  2)urc^  ben  le^teren  ©a^  h)irb  atlerbing«  aud^  ein  öoHfommene« 
©elbftbetoufetfein  ®otte«  geleugnet,  aber  man  barf  öon  ba  nid^t  fogleic^  ju  ber  Sel^au})* 
tung  übergeben  (toie  befonber«  ßl^riftlieb  tl^ut),  bafe  6rig.  ba«  ©elbftbetou^tfein  ®otte« 
fd^led^tl^in  leuane.  SSielmel^r  nötigt  un«  bie  annähme,  bafe  ba«  gefamte  toätlid^e  aSefen  25 
k)on  ®ott  gefd^affen  unb  nac^  feinem  $lane  geftaltet  ift,  gunäc^ft  gu  ber  ätnna^me  t)on 
einem  SSetou^tfein  ®otte«  um  bie  SSäelt,  infolge  beffen  aber  aud^  ju  ber  Slnna^me  eine« 
©elbftbetougtfein«  ®otte«.  3Rur  toerben  h)ir  un«  biefe«  ©elbftbctoufetfein  ®otte«  nid^t  nad^ 
ber  2lrt  be«  menfc^lic^en,  überl^aujjt  nic^t  nac^  ber  art  be«  gcfd^ö^flid^en  Setou^tfein«  ju  beulen 
^aben.  Daran  freilid^  l^inbert  fc^on  ber  Umftanb,  bafe  ®ott  ja  bie  t>otlfommenfte  abfolute  90 
(ginl^eit  ift,  in  ber  aud^  ba«  Setoufetfein  nic^t  bon  ben  anberen  Momenten  be«  Seben«, 
aSollen  unb©d^affen  getrennt  gebac^t  toerben  fann  (I,  73,  518  C;  I,  12,  453  D).  3)er 
®ebanle  ber  ©inbeit  ift  für  ®rig.  über^aujjt  ber  l^öc^fte,  ber  über  alle«  anbere  ^inau«* 
liegt  unb  alle«  fd^led^ti^^in  umfc^lieftt ;  öollf ommen  ift  ein  jebe«  SBefen  nur  in  bem  SWa^e, 
Ol«  e«  ftc^  ber  @inbeit  nähert.  Sott  aber  ift  bie  DoUIommene  Sin^eit  fd^led^ti^in :  alle  86 
Unterfc^iebe  toerben  nur  in  unferem  3)enlen,  ba«  fid^  ju  ber  abfoluten  ßin^eit  nic^t  gu 
ergeben  t>ermag,  gemad^t.  Sei  ®ott  ift  ßr!ennen  unb  SSäoHen  nic^t  nur  ein«  mit  bem 
anbem,  fonbem  e«  fmb  auc^  beibe  mit  bem  göttlichen  2Befen  DoUIommen  ein«.  2Bie 
®ott  alfo  bie  SBelt  toiH,  fo  erlennt  er  fie  auci,  unb  h)ie  er  fte  erfennt,  fo  toiH  er  fte. 
e«  ift  bie«  auc^  ber  5ßunft,  an  bem  e«  Mar  toirb,  toe«l^alb  (Srig.  ftd^  in  ber  ©d^rift  40 
öon  ber  ^räbeftination  gegen  ®ottfc^alf  mit  fo  aufeerorbentlid^er  Sitterleit  gegen  bie 
Scj^re  öon  ber  bo})})elten  $räbeftination  toenbet.  3)enn  bei  ®ott  fann  e«  nur  eine  ein^ 
l^eitlid^e  ^räbeftination  geben,  an^  ber  alle«  (Singeine  fic^  enttoidteln  mu^.  greilic^  cr= 
geben  ftc^  ^ierau«  unüberUjinblic^e  ©c^toierigfeiten  in  ber  Se^re  öon  bem  S3öfen. 

SSäenn  nun  auf  ber  einen  ©eite  ®ott  bei  6rig.  öon  ber  SSäelt  gang  getrennt  in  46 
ungugänglic^c  gerne  gerüdt  erf^eint,  fo  bilbet  ben  ®egenfa^  bagu  bie  anbere  ©eite 
ber  Betrachtung,  nac^  ber  ®ott  unb  Söelt  gerabegu  ibentifc^  gebadet  h)erben;  non  duo 
a  se  ipsis  distantia  debemus  intelligere  Deum  et  creaturam  sed  unum  et  id 
ipsum,  lefen  toir  III,  17,  678BC  imb  ba«  gange  RanpM  öariiert  biefen  ©a$  nad^ 
(men  ©eiten,  toie  toir  auc^  fonft  ä^nlic^en  Sluef^^rüdpen  begegnen  (g.  35.  II,  2.  528  AB;  60 
III,  4,  632  D;  633  A).  3)ie  3Sermittelung  beiber  »etrad^tungen  liegt  in  bem  ©ebanfen, 
hai  bie  3Bclt  bie  Offenbarung  (manifestatio)  ®otte«  ift  I,  13,  455  AB.  3)arum 
l^eifet  e«  aud^,  bafe  ®ott  ftc^  in  i^r  fc^afft  unb  in  »Dem  Sitte«  h)irb.  ßr  ift  fotool^l 
bie  ©ubftang  atter  3)inge,  i^r  „quid  est"  b.  f).  l}'m  ber  le^te  fc^lec^t^in  unerfenn^ 
bare  ®runb  alle«  ©ein«,  lüie  auc|  i^re  Slccibengen  b.  f),  alle«  ba«,  toa«  an  ben  3)ingen  66 
gefe^en  unb  überl^aujjt  irgenbtoie  erfannt  toirb.  ©omit  lä^t  fic^  fotoo^l  fagen,  bafe  ®ott 
äße«,  toie  auc^  bafe  alle«  ®ott  ift;  jeboc^  mad^t  ©rig.  babei  nad^brücflid^  ben  3Sorbe^alt, 
bafe  ®ott,  inbem  er  ftc^  in  allem  fd^afft,  babei  boc^  über  allem  in  fic^  felbft  bleibt 
III,  20,  683  B;  IV,  5,  759  A;  er  ge^t  alfo  ni^t  in  bem  auf,  toa«  er  fc^afft.  ßrig. 
bebient  fid^  ^ier  be«  SSergleic^e«  be«  ^^erl^ältniffe«  gtoifc^en  bem  menfd^lic^en  gnteUeft  unb  eo 


94  (Stotu»,  3.  @. 

bcm  menfc^Kd^en  SQSortc;  h)ic  fic^  jener  in  biefc^  fleibet  unb  baburc^  [xi)  anbeten  Der^ 
ftänblid^  mad)t,  aber  bamit  in  jenem  SSäorte  ntc^t  aufgebt,  fo  ber^ölt  fic^  auc^  ®ott 
in  feinem  Schaffen  I,  12,  454  C;  III,  4,  633  B  ff.  2Öir  toerben  im  folgenben  lennen 
lernen,  toie  fic^  jene  Offenbarung  ®otted  in  ber  9Be(t,  bie  in  (Sott  eh)ig  befd^loffen  ifi, 
6  für  unfer  (Srfennen  fc^ritthjeife  boUjie^t.  ©inen  5ßunft  aber  muffen  toir  l^ier  nod^  be= 
rühren,  nämlic^  toa^  ba«  ©rfannttoerben  ©ottei^  bon  ©eite  ber  gefd^affenen  SJefen  betrifft 
2)em  ©a^e,  bafe  ba«  eigentlid^e  SBefen  ®otteg  burc^aug  unerfannt  bleibt,  toirb  6rig. 
nirgenbg  untreu,  too^I  aber  giebt  e«  eine  ©rfenntni«  ®otte«  in  eben  bem  ÜRafee,  in  beut 
er  fid^  offenbart.    3)afür  l^at  ®rig.  bem  3)ion^fiu«  unb  TOajimuig  folgenb  ben  au^brucf 

io  „%f)^op^ank"  (I,  7,  446  CD:  non  enim  essentia  divina  Deus  solumodo  dicitur, 
sed  et  modus  ille,  quo  se  intellectuali  et  rational!  creaturae  . . .  ostendit  . . . 
qui  modus  a  Graecis  deoipdveia  i.  e.  Dei  apparitio  solet  appellari).  ^iefed  SBort 
i^at  aber  bei  ®rig.  berfc^iebene  SSebeutungen;  e«  bejeic^net  einmal  befonbere  göttlid^e  6r- 
fd^einungen  ober  Sifionen,  bie  einem  ©ef(i^ö})fe  ju  teil  toerben  1,  9,  442  C  D,  bann  bie 

16  3;ugenben,  bie  ®ott  in  einem  ®efc^öpfe  toirft  unb  bie  felbft  loieber  ®runb  einer  Sr- 
fenntni«  @otte«  loerben  I,  9,  442  C  D.  enblid^  ift  aber  aud^  jebe«  ®efc^öt>f  an  ft^ 
felbft  fd^on  eine  %f)^opf)ank,  fofem  fid^  ®ott  in  i^m  offenbart  III,  19,  681 A  B.  ^ier-- 
auö  folgt,  bafe  bie  ©rfenntni^,  bie  ba«  ®efc^ö})f  bon  feinem  eignen  2Befen  getomnt, 
lüieberum  eine  ßrfenntni«  ®otte^  ift,    je  nad^  bem  3Hafee,  nac^  bem  ®ott  fic^   in  il^m 

20  offenbart,  ^emnac^  giebt  ed  fo  biel  Derfc^iebene  %\)^opf)anxm  toie  ed  ber^iebene  ®ef(^öi)fe 
giebt,  ober,  toie  h)ir  e«  auc^  au^brüden  fönnen,  in  jebem  geschaffenen  SBefen  ft)iefldt  fidj 
ba«  SBefen  ®otte«  eben  nad^  ber  Slrt  biefe«  ®efd^ö^fe«.  3)lit  bicfem  legten  Segriffe  ber 
X^eo^^anie  toirb  erft  bie  $ö^e  ber  ®efamtanfd^auung  @rig.d  bon  ber  gi^ttlid^en  Offen- 
barung erreicht. 

26  ®er  näc^fte  Schritt,  ber  un«  bon  ber  abfoluten  unerfennbaren  göttlichen  ®in^eil 
l^inüberfül^rt  ju  ber  SSiell^eit  ber  SBelt  ift  bie  ©rfd^affung  ber  g^ealloelt  ober  ber  @e^ 
famt^eit  ber  ^otenjen,  bie  i^rerfeitS  h)ieber  bie  ftnnlic^e  SBelt  ani  ftc^  Verborgenen  laffeit 
®rig.  bejeic^net  fie,  inbem  er  berfd^iebene  Vorgänger  naml^aft  mac^t,  o^ne  auf  beren 
feine^toegig  ein^eitlid^e  ©enitoeife  SRüdfic^t  ju  nei^men  —  3)ion^fiu!g  unb  Sluguftin,  auc^ 

80  5piato  unb  airiftotele«  —  al«  gbeen,  göttliche  SSorl^erbeftimmungen,  göttliche  SBiQen^Ite 

i&eia  ^eXrifiaxa\  urfjjrünglic^e  Urf a^en,  causae  primordiales  (II,  2,  529  A)  unb 
lenennt  ald  fold^e:  (per  se  ipsam)  bonitas,  essentia,  vita,  ratio,  intelligentia, 
sapientia,  virtus,  beatitudo,  veritas,  aeternitas  (II,  36,  616  C),  ferner  aber  auc^: 
magnitudo,  amor,  pax,  unitas,   perfectio  (III,  1,  622f.).    3)amit  foD  nun   aber 

86  nid^t  ettoa  eine  boUftänbige  Sluf jä^lung  ober  eine  älnorbnung  biefer  ^been  il^rer  Slatur 
nad^  gegeben  fein ;  eine  fold^e  ift  Dielmel^r  unmöglich,  benn  fie  alle  geben  bod^  tDieber  an 
einem  $unlte,  in  ber  göttlichen  ßin^eit,  jufammen.  ©ie  ber^alten  fid^  h)ie  bie  SHabien 
be«  Greife«  jum  ßentrum,  beren  man  eine  beliebige  Slnjal^l  unb  in  beliebiger  SRei^enfolge 
jiel^en  lann,  ol^ne  ba^  bamit  am  SBefen  be^  Greife«  ettoa^  geänbert  h>irb.    ©0  lann 

40  aud^  jeber  Setrac^tenbe  nac^  feiner  gäbigfeit  eine  getoiffe  3«^"  bon  S^een  unterfd^eiben 
(III,  1,  2).  3!)amit  fc^eint  nun  freiließ  ber  objeltibe  Seftanb  ber  einjelnen  ^"otm  auf^ 
gehoben  5U  h)erben  unb  ba«  ®anje  fic^  in  eine  beliebige  Setrad^tung  be«  Setrac^tenben 
JU  bertoanbeln,  ber  ftc^  bamit  bag  göttlid^e  SBefen  nac^  feinem  Vermögen  auöeinanber« 
legt.    2)ocV  fo  meint  z^  grig.  nic^t.    3Sielmel^r  toirb   thtn  bie  3Röglid^feit  eine«  fold^en 

46  aiu^einanberlegen^  erft  burdp  ein  2Bir!en  ®otteg  l^ergefteßt,  unb  eben  hierin  li^t  ber 
Unterfc^ieb  biefer  2Belt  ber  ^rimorbialurfac^en  bon  bem  jebe  ßrfaffung  überfteigenben 
aCBefen  ®otte«.  6«  ift  ber  ofte  ©c^ritt  be^  fic^  offenbarenben  ®otte«,  bafe  er  fid^  in 
getoiffer  SBeife  bem  gefc^öbflid^en  6r!ennen  jugänglic^  mac^t.  SBie  ober  ber  Übergang 
bon  jenem  unfaßbaren  göttlichen  SBefcn  ju  biefer  erftcn  ©tufe  ber  Offenbarung  gefdS^ie^t, 

üf>  bag  bleibt  un^  frcilid^  »erborgen ;  nur  bag  er  ein  eUjiger  ift,  bem  etoigen  2Be|en  ®otted 
nur  ibeeH,  nid^t  jeitlic^,  nad^gcorbnet,  toirb  au^brüdlidp  gcfagt.  gerner  aber  ift  bie  un« 
enblid^e  gütle  ber  3ibeen  jufammengefaßt  in  bem  göttlichen  Sogo^  ober  bem  ©ol^ne®otted; 
in  il^m,  in  bcm  fie  gefc^affen  fmb  (factae  sunt),  bcftel^en  fie  aui^  unberonberlic^^  unb 
einl^eitlic^  jenfcit^  jeber  ga^l   unb   jeber  Drbnung  fort.    SBir   muffen   ^ier,  inbem   toir 

66  fagm,  baß  bie  ^i^een  gefd^affen  loerben,  inbem  fie  ertennbar  gcmad^t  loerben,  \xn^  au* 
gleid^  bergegenhjärtigen,  toelc^e  Sebeutung  (Srig.  überl^aut)t  bem  (Srfennen  unb  bem  ßr* 
lannttoerben  beilegt.  3)a^  6rtanntn)crben  fällt  i^m  in  gehjiffem  ©inne  mit  bem  ©ein 
gufammen  (II,  8,  535  C ;  III,  4,  632  C),  fo  !ann  er  fagen,  baß  ein  3Kenfc^  in  bem 
anberen  h^irb,  inbem  er  Don  i^m  crfannt  toirb  (IV,  9,  780  B),  ja  üon  ®ott  felbft,  baß 

60  er  toirb,  inbem  er  ^laxvxi  toirb  (I,  12,  453  f.).    3)emnac^  ift  aud^  bie  in  ber  göttlichen 


Xrinität  gefc^el^enbe  „unDeränberltd^e  SSetDeaung'',  burd^  tveld^e  ®ott  bem  (Sriennen  ju« 
flänglid^  gemacht  tütrb,  eine  loirfü^e  ©d^ö^^fung,  unb  bie^been  to erben,  tnbem  fic  bem 
ßrfenncn  gugängltc^  gemacht  h)erben.  3)afe  ertg.  aber  bie  ^rimorbialurfad^en  fic^  einer« 
feitö  atö  ganj  in  baö  göttliche  SBefen  eingefc^Ioffen,  anbererfeit^  bod^  h)ieber  au«  biefem 
^ertjorgel^enb  unb  in  getoiffer  SDJeife  afe  felbftftänbig  ejiftierenb  beult,  ba«  fönnen  h>ir  5 
eben  nur  lonftatieren,  obne  bie  Sc^tDierigleiten,  bie  fi^  baraud  ergeben,  tDirllid^  löfen  ju 
fönnen.  3)a6  ®rig.  ftc^  bie  ^h^m  aber  aU  lüirlenbe  ^Potengen  oenft,  ba«  toirb  bömg 
flar,  lüenn  toir  ju  ber  britten  Stufe,  ber  Slatur,  bie  gefd^affen  h>irb,  aber  nid^t  fd^fft, 
übergel^en. 

®ie  britte  Stufe  ift  bie  SBelt  in  bem  Sinne,  in  bem  tüir  gelDö^nlid^  biefe«  ©ort  10 
brausen.  Sie  rubt  i^em  gangen  S3eftanbe  nac^  auf  ben  ^rimorbialurfad^en,  unb  al« 
ben  (Srunb  \fycid  3)afein«  bejeid^net  ®rig.  eben  ben,  bafe  bie  Urfac^en  nidj^t  o^ne  SBirs 
lungen  fein  fönnen,  benn  fobalb  man  bie  SBirfungen  aufhöbe,  toürbe  man  aud^  bie  Ur« 
fa<i^en  al«  foldj^e  auf  lieben  (V,  25,  912  A).  ^ierauig  fc^eint  ftc^  nun  bireft  bie  3loU 
toenbigfeit  }u  ergeben,  bafe  bie  SBelt  etoig  fein  muffe  in  bemfelben  Sinne,  in  bem  Srig.  i6 
bie«  öon  ben  ^primorbialurfac^en  bel^aujjtet.  gn  ber  3:^at  laffen  fid^  auc^  Stellen  an* 
führen,  in  benen  er  bie  SBelt  ate  eh)ig  betrad^tet  (ol^ne  bafe  er  fid^  boc^  jemal«  mit  ber 
annähme  einer  unenblid^en  SBieberl^olung  be«  Sßeltlauf«  nad^  ^rt  ber  Steifer  unb  be« 
Drigene«  gu  Reifen  fud^te.  Damit  f(^eint  aber  ipieber  bie  feiner  ganjen  SBetrad^tung  gu 
®runbe  lieaenbe  3lnfidj^t  bon  bem  gefamten  SBeltlauf  ate  einem  biftorifc^en  ^ßrojefe,  ber  20 
in  ber  SlücFfe^  }u  ben  ^rimorbialurfad^en  unb  mit  i^nen  gu  ®ott  fein  ®nbe  nimmt, 
im  3Biberf)>rud^  )u  fte^en.  3)iefer  SBiberf^rud^  löft  ft4  aud^  nid^t  baburd^,  boft  @rig. 
bo«  ^egenh)ärttge  Sein  ber  2BeIt  in  il^rem  förperlid^  finnti(^en  unb  materieKen  99eftanbe 
t)on  t^rer  rein  geiftigen  SBefen^eit  fd^eibet  unb  nur  ba«  erftere  burd^  ben  gef(^id^tli(^en 
$Proje^  aufgel^oben  toerben  läfet,  benn,  aud^  abgefel^en  babon,  ba^  er  biefe  Sc^eibung  26 
feine«tt>eg«  tondflid^  fauber  burchufü^ren  toeife,  bleiben  aud^,  tomn  h>ir  fie  anerfennen, 
immer  nod^  burd^au«  ungelöfte  fragen  über  ben  mit  ber  3^^  3uglei(^  gefegten  Slnfang 
ber  natura  creata  non  creans  jurüdt,  fo  ba^  tt)ir  aud^  ^ier  bei  @rig.  etne  ni(^t  bi« 
tu  flarer  Sntfc^eibung  burd^gefül^rte,  fonbem  Dielme^r  eine  in  ungelöften  3Biberf^rüd^en 
l^ngenb  bleibenbe  S^efulation  anerfennen  muffen.  30 

an  ber  Sjji^e  ber  gefc^affenen  SBelt  fte^en  nad^  ®rig.  bie  ®ngel,  mit  geiftigen 
Seibem  begabt,  bie  aller  materieDen  ©igcnfc^aften  lebig  fmb.  3)afe  t)on  biefen  fieibem  bie, 
bie  fie  gutoeilen,  um  ben  2Renfdben  na^e  treten  unb  i^ren  3)ienft  in  ber  9BeIt  au«fü^ren 
gu  lönnen,  annel^men  f ollen,  gu  unterf(^eiben  feien,  beftreitet  ©rig.  burc^au«,  unb  nimmt 
toielmel^r  an,  bafe  fie  juh)eilen  in  i^ren  geiftigen  Seibem  ben  uRenfd^en  erfc^einen,  nee  ss 
tarnen  phantastice,  sed  veraciter  V,  38,  993  C  D.  S)iefe  SteUe  brüdt  jebenfatt« 
bie  toirflic^e  Slnfid^t  be«  SJerfaffer«  au«,  toö^renb  er  V,  20,  896  C  nur  beiläufig  einmal 
felbft  jene  anficht  angunel^men  fd^eint.  3)ie  Sngel  iperben  nid^t  attmö^lic^  erzeugt, 
fonbem  ftnb  mit  einem  SKale  in  ber  ganjm  3Renge  i^rer  3"i>i*^i^w^"  <»w«  ben  $rims 
orbialurfac^en  ]^ert)orgegangen ;  übrigen«  nimmt  drig.,  bem  3)ion^ftu«  folgmb,  neun  40 
Älaffen  unter  i^nen  an,  öon  benen  nur  bie  ^öd^ftm  bon  jebem  ^ntnm  frei  fein  fotten, 
toö^renb  bie  nieberen  ber  Seitung  ber  ^öl^eren  bebürfen.  93on  ben  3Kmfc^m  unterfd9eibm 
fte  fid^  baburd^,  bafe  fie  feine  grfenntni«  au^  grfa^rung  getoinnen,  fonbem  bur^  bie 
Änfd^auung  ®otte«  in  ber  %f)^o\>f)ank  fotoo^l  über  il^r  eigene«  3Befen,  toie  über  bie 
SEBelt  ba«  Serftänbni«  erl^alten,  ba«  fie  auc^  jum  gingreifen  in  bm  2auf  ber  2)inge  46 
befähigt.  Übrigm«  ift  ein  3:eil  ber  gngel,  ber  Satan  an  ber  Sj)i$e,  unmittelbar  bei 
ibrer  Srfd^affung  t>on  ®ott  abgefatten;  biefe  böfen  ßngel  ober  Dämonen  f)ahm  bann 
emen  Suftleib  au«  ber  3Raterie  biefer  SBclt  erl^alten  (V,  13,  884  D),  ber  mit  ber  9Belt 
altert  unb  enblic^  mit  ii^r  hergeben  loirb  (IV,  24,  852  D). 

2luf  biefe  ^öl^ere  ©eiftertoelt  folgt  nun  bie  SBelt,  in  ber  loir  un«  betoegm,  bie  an  so 
Slaum  unb  3^**  gebunbene  finnlic^e  SBelt,  beren  S(^ö})fung  un«  in  bem  §ejaemeron 
erjä^lt  lüirb.  3Son  je^cr  ^aben  fic^  an  biefen  3^eil  be«  mofaifc^en  Serid^te«  f})efulatit)e 
unb  naturloiffmfd^aftlic^e  ^xa^m  in  2Renge  angefc^loffen,  unb  aud^  Srig.  l^at  au«  ben 
SBäerfen  ber  SSäter  über  biefe  Stellen  reic^lid^  gef4öt)ft.  SBir  muffen  un«  l^ier  jeboc^ 
auf  tomige  ^jJunfte  t)on  allgemeinerer  Sebcutung  befc^ränfen.  §inftd^tlic^  be«  SHaume«  ^ 
(Dgl.  über  Slaum  unb  3eit  befonber«  I,  21  ff.)  fa^t  grig.  eine«teil«  ben  Ort  „locus" 
al«  gleid^bebeutenb  mit  ber  enblid^en  Umgrenzung  eine«  3)inge«,  unb  betrachtet  i^n  nad^ 
biefer  Seite  ^in  al«  ibentifc^  mit  2)efinition,  6irfumffrij)tion.  Slnbrerfeit«  unterfd^eibet 
er  biefen  Ort  toieber  t)on  bem  allgemeinen  5Raum,  bem  spatium  quo  corporum  quan- 
titas  extenditur,  bm  er  al«  objeftiö  feienb  unb  allem   einzelnen,  loa«   fid^  im  SHaume  eo 


96  ®cotitd,  3.  @. 

befinbet,  Dor^crgel^enb  bcnft.  Dcnnoc^  fmb  Saum  unb  ^c\i  ntc^t  Dor  ber  SBelt,  fonbem 
ftnb  mit  i^r  au«  ben  etoigen  ©rünben  l^eirtjorgegangcn  (V,  17,  888).  §tnfid^tli(^  ber 
gcomctttfc^en  3Scrl^äIlniffc  unb  Figuren  toci^  er  ba«  geomettifc^e  33er^ältntö  felbft  beftimmt 
t>on  ber  äußeren  gigur  ju  unterfc^eiben  (IV,  8, 774 f.),  aber  in  augenfd^einlic^em  grrtum 

5  befangen  meint  er  ade  geometrijd^en  33er^ältniffc  auf  ben  5ßunft  jurürffü^ren  }u  muffen, 
in  bem  al«  ber  abfoluten  räumti^en  6in()eit  er  fte  aQc  fc^on  gegeben  glaubt.  ®d  ift 
aud^  l^ier  ber  ©ntl^ufia^mu«  für  bie  abfolute  Einheit,  ber  i^n  ju  einer  ganj  irrigen  auf- 
faffung  ber  Bad)t  herleitet.  3)a3  ®leic^e  ipenbet  er  nun  anä)  auf  bie  3Konag  atö  bo« 
^Prinjip  ber  ^af)l  an,   in  ber   bie  gefamte  3^^lcnrei^e  gefegt  fei  unb  ju  ber  fte  toieber 

10  iiurüdtle^re,  III,  1,  624  AB;  12,  657  AB).  SBie  toenig  toir  übrigen«  bei  ®rig.  bie 
un«  getoöl^nlic^e  ©d^ulung  auf  bem  ©ebiete  ber  ®eometrie  unb  Slrit^meti!  öorau«fe|en 
bürfen,  ba«  jeigt  fid^  rec^t  auffatlenb  in  feiner  2tnna^me,  bafe  bie  ^enp^erie  be«  5lreife« 
ba«  3)o))|)elte  be«  ©urd^meffer«  betrage  (nic^t,  toie  §ubert  ©.  303  gar  fagt,  biefem  glet(^ 
fei)  —  ein  ^ntum,  ber  [xd)  nid^t  ütoa  auf  3Serfc^en  ber  Slbfc^reiber  jurürffüj^n  Iä|t. 

15  —  3)ie  3Katerie  ift  für  ®rig.  natürlich  nid^t«  ßnjige«  (toeld^e  Seigre  er  au«brüdEIid^  jurüct 
toeift  (III,  14,  664  CD),  fonbern  fie  entfte^t  i^m  im  Saufe  ber  ©d^ö))fung,  unb  jtoar 
au«  bem  k^fammentreten  immaterieKer  $rinjit)ien,  ber  Quantität  unb  Dualität  (III,  14 
663  A).  llnbertoärt«  bejeic^net  er  i^ren  Segriff  al«  ben  ber  33eränber(id^Ieit  ber  t>crs 
änberlid^en  3)inge,  b.  ^.  fie  ift  ba«  allem  SSeränberlid^en  ju  ©runbe  Siegenbe,  ba«  aber 

20  an  fic^  nie  in  bie  ®rf(|einung  treten  lann  (I,  56,  499  B),  bie  ariftotelifc^e  hyle.  ®« 
mufe  alfo  tüoj^I  unterschieben  toerben  jtoifc^en  ber  SKaterie  unb  ber  SÜtptüodt;  ein  Äört)er 
entfte^t  erft,  inbem  bie  fubftantiette  gorm  fic^  mit  ber  3Katerie  bereinigt.  Demnach  l^aben 
h)ir  in  ber  Äör^ertoelt  ein  ^oppdM,  bie  93iaterie  unb  bie  in  i^r  ^d^  barftettenbe  unb 
offenbarenbe  ^orm  ju  unterf treiben;  nur  bie  (efetere  ift  etlpa«  Seftänbige«,  ßtoige«,  ba« 

25  an^  ben  ^rimorbialurfac^en  l^erborgel^t  unb  (ic^  enblic^  tDteber  mit  i^nen  k)eretntgt, 
tüä^renb  bie  3Raterie  einem  beftänbigen  SBanbel  unterliegt  unb  fic^  enblid^  toieber  auf* 
löft.  SBie  fic^  6rig.  aber  bie  gntftel^ung  ber  3)iaterie  au«  Quantität  unb  Dualität 
gebadet  l^at,  ba«  ift  freiließ  fd^toer  borjuftetlen,  jebenfall«  aber  bietet  biefe  ganje  Se^re 
einen  beutlid^en  Setoei«  für  bie  (im  mittelalterlichen  ©inne)   realiftifc^e  3)enlh>eife  be« 

30  grig.,  bie  ba«  Sefonbere  au«  bem  aiHgemeinen  tperben  läfet.  {^mn  ^rantl,  @M).  ber 
Sogif  II,  25  ff.  auc^  ben  9lominali«mu«  be«  59131.  an  getoiffe  ©ä^e  be«  ®rig.  anfnüjjfen 
lägt,  fo  l^ebt  ba«,  bie  Stic^tigfeit  ber  ä3ebau})tung  angenommen,  boc^  nic^t  auf,  ba^  @rig. 
felbft  ftc^  toef entließ  in  realiftifd^en  3)enIformen  betoegt.)  3"  bemerfen  ift  noc^,  ba^  anC 
bie  3Jlaterie,  al«  au«  immaterießen  ^rinji^^ien  f^erborge^enb,  il^ren  llrjj)rung  inbirefi  bi 

85  auc^  in  ben  ^rimorbialurfac^en  l^at,  n)ic  @rig.  ba«  auc^  au«brüdlic^  au«fj)rid^t. 

3)ie  Seigre  be«  6rig.  öom  9)lenfd^en,  bon  beffen  SBäefen  unb  ©efc^id^te  ift  be«^lb 
mit  befonberen  ©c^toierigleiten  behaftet,  hjeil  fie  ftc^  auf«  engfte  mit  feiner  Sebre  bon 
bem  Sojen  unb  ber  ©ünbe  Derflic^t.  ®in«  atlerbing«  lägt  fic^  aud^  o^ne  biefe  SRücfftc^t 
au«fagen,  nämlic^,  bag  ber  3Kenfc^  nac^  göttlicher  Seftimmung   eine   befonber«  j^crbor- 

40  ragenbe  ©teUung  im  'Jlll  einnimmt,  fofern  er  gehjiffermagen  aUe  Klaffen  be«felben  in  fub 
^ufammenfafet,  unb  i\oax  nic^t  blo^  in  bem  ©inne,  bag  er  fie  alle  erfennt,  fonbern  auq 
fo,  bafe  er  ba«  ßigentümlid^e  einer  jeben  in  femer  9latur  Dereinigt  (IV,  8,773 D — 774 A; 
IV,  14,  806/7).  6r  ^at  älnteil  an  bem  bloßen  3)afein  ber  nieberen  unbefeelten  ®ef(^öj)fe, 
an  ber  £eben«traft  ber  ^flamcn,   an  bem  animalifc^en  2cben   ber  Xiere  unb   an   bem 

45  inteßeltueHen  Seben  ber  gngel;  er  bilbet  aljo  ben  3Jlittel))unft  ber  SBelt  unb  be«balb 
auc^  ben  2;eil  bcrfelben,  üon  bem  bie  iHücfle^r  gu  ben  ^rimorbialurfac^en  unb  ju  (^ott 
beginnen  mug.  iSiznn  n)ir  nun  aber  auf  bie  entftel^ung  be«  9)lenfd^engefc^led^te«  fe^cn, 
fo  treten  un«  fcf)on  in  biefcr  bie  folgen  unb  ffiirfungen  be«  Söfcn  in  auffälliger  SBäeife 
entgegen. 

50  SBa«  ift  aber  ba«  S3öfeV  3)a«  ganje  ©^ftem  be«  Grig.,  bie  moniftifc^e  äuffaffung, 
bie  fein  ®enten  im  ©runbe  be^errfd^t,  brängt  offenbar  barauf  l^in,  ba«  93öfe  al«  einen 
nothjcnbigen  gaftor  ber  önttüicfelung  ju  faffen,  ber  aber  im  Saufe  berfelben  überlüunben 
toirb  unb  Derfd^toinbet.  3tttein  grabe  biefcr  Raffung  t)on  ber  9loth)enbigIeit  be«  Söfen 
gel)t  boc^  (Srig.  entfc^ieben  an^  bem  SKege;  eben  bamit  öernjicfelt  er  ftdj^  aber  in  SBiber» 

55  fj)rüd^e  mit  feinen  ®ejamtüorau«fei|ungen  unb  gerät  in  Scf^iüierigfeiten,  au^  benen  e« 
feinen  n)ir!lic^en  3lu«n)eg  giebt.  dr  fc^liefet  felbftüerftänblid^  jebc  bualiftifc^e  Sluffaffung 
üom  S3öfen,  jebe  Betrachtung  be«felben  al«  einer  ©ubftan;;  Dottftänbig  au«.  Sbenfo  aber 
fuc^t  er  ba«  Söfe  auc^  t)on  jeber  göttlichen  Seftimmung,  ja  üon  jebem  Sor^eriDiffen 
(Sötte«  überf)aut)t   fern   ^u   galten.    ®ott  crfcnnt  nur,  h)a«  er  felbft  fd^afft.    ^o^  8öfe 

Go  aber  fd^afft  er  nic^t  unb  ^at  be«l^alb  auc^  tein  äüiffen  baDon.    ©0  au«brücfli(^  unb  um 


Scotit«,  3.  @.  97 

cingefc^ränh  6rig.  bieg  aber  auc^  in  einer  Sln^a^I  öon  ©teilen  6e^aiH)tct  (j.  S.  II,  28, 
596  B.  De  praed.  10,  3.  394 f.),  fo  fielet  er  jtc^  an  anbcren  bod^  n)ieber  genötigt,  ein 
aSiffcn  Sottet  um  bag  SSöfe  jujugefte^en,  o^ne  ba^  er  nur  einen  trgenbtüie  genügenben 
SSerfuc^  mad^te,  bie  beiben  emanber  birelt  toiberf))rec^enben  ©ä^e  miteinanber  ju  Der« 
einigen.  @r  lann  ba«  in  ber  %f}ai  auc^  nic^t,  benn  baju  mü^te  er  in  ber  9lrt  bee  gött=  5 
lid^en  SBiffeng  eine  SSerfd^ieDenl^eit  annehmen,  toa^  mit  feiner  Se^re  Don  ber  unbebingten 
(gini^eit  ®otte«  in  S5Jiberf))ruc^  treten  toürbe.  aber  auc^  öon  bem  göttlichen  3}or^er= 
beftimmen  gelingt  e«  i^m  in  SBirflic^Ieit  nid^t,  baö  93öfe  öoDfommen  au^jufc^Iiefeen, 
benn  eine  9)cenge  öon  ßinric^tungen  biefer  SBelt,  ja  il^re  gefamte  ©jiftenj  in  i^rem  gegem 
h)ärtigen  fmnliqen  unb  materieUen  3wftanbe  fül^rt  er  ja  auf  bie  ■Müdfftc^t  auf  bag  (gin^  10 
treten  be«  93öfen  jurüdf.  i^ai  ®ott  alfo  biefe^  auc^  nid^t  gefc^affen,  fo  \)ai  er  boc^  fein 
9Sorl^anbenfein  ober  fein  fünftige^  Eintreten  mit  in  feinen  aBeIti)lan  l^ineingejogen  (IV, 
14,  807).  Sragt  man  aber  enblic^  nai)  bem  h)irf liefen  ®runbc  be^  35öfen,  fo  erhält 
man  teil«  bie  mttüort,  ba^  ba«  Söfe  überj^aujjt  feinen  ®runb  hah^  (V,  35,  959  BC), 
anberfeit«  mad^l  Srig.  jebo^  auf  bie  Unftetigfeit  be«  SBitteng  aufmer!fam ,  ber  nic^t  bei  15 
bem  Sege^ren  be«  ®uten  fte^en  bleibe,  unb  auf  ben  §c(^mut,  ber  nic^t  ®ott,  fonbem 
ftc^  felbft  JU  feinem  ^kk  mac^e  (II,  25,  582  C).  3)abei  bleibt  freiließ  toieber  bie  grage 
nad^  bem  ®runbe  jener  Unftetigleit  unbeantwortet.  3i^^^"f^ß^  ^^^  fw^^  ®i^'0-  ^^" 
®runb  be«  S3öfen,  fofem  ein  folc^er  über^au))t  anzugeben  ift,  in  ber  formalen  gefdböjjfs 
liefen  fjreil^eit  unb  nimmt  babei  ungeachtet  feiner  bielen  entgegcnftel^enben  3iu^erungen  20 
t^atfäd^lic^  boc^  ein  Sorau^toiffen  ®otte«  um  ba«  Söfe  an.  (SBir  bemerfen  ^ier,  o^ne 
nö^er  barauf  einjugel^en,  ba^  e«  ein  ^Sorauötoiffen  ©otte«,  im  ftrengen  ©inne,  für  6rig. 
bc^^Ib  über^u})t  nid^t  giebt,  toeil  ®ott  alle«,  Vergangene«  toie  3"^i"f^ige«,  mit  einem 
93Iidfe  überfielt.  5Rur  bom  gefd^öj)flid^en  ©tanbpunfte  au«  lann  man  be«^alb  bon  einem 
göttlichen  35orau«tDiffen  reben.)  25 

®a«  SBöfe  ift  in  bie  2Renfc^^eit  bon  bem  erften  3)lomente  i^rer  (Sntfte^ung  an  eins 
getreten,  benn  tüäre  ber  2Renfc^  auc^  nur  bie  türjefte  ^txt  im  ^arabiefe  geblieben,  fo 
toäre  ein  %aU  nic^t  me^r  möglich  getoefen  (IV,  15,  809ff.,  bgl.  II,  25,  582  C).  ®a« 
^atabie«  ift  aber  nad^  @rig.  nic^t«  anbere«,  al«  ber  bem  uRenf^en  urf))rünglic^  beftimmte 
tooQIommene  3"f*<*"^f  i"  ^^"^  ^  "wn  freilid^  erft  in  ber  3w^""ft  gelangen  tüirb  (Dgl.  30 
bie  Slu«einanberfe$ungen  IV,  17  ff.,  in  benen  grig.  u.  a.  bie  finnlic^c  äiuffaffung  be« 
6piJ)^aniu«  bom  ^arabiefe  tabett  18,  833  A.,  bei  Sluguftin  eine  3Serbinbung  ber  finn^ 
Kd^en  unb  ber  geiftigen  atuffaffung  finbet,  fic^  felbft  aber  für  bie  rein  geiftige  mit  Sin* 
fü^rung  be«  Slmbro^u«  unb  griec^ifd^er  Slutoritäten  entfc^eibet).  (ihm  mit  Slüdfic^t  auf 
ben  %aü  ift  nun  aber  bie  ©ntfte^ung  be«  SJlenfc^engefc^led^te«  in  ber  SBeife  georbnet,  35 
bafe  nic^t  alle  ^nbiöibuen  toie  bie  6ngel  mit  einem  SOlak  an^  ben  Urgrünben  l^erDor- 
g^angen  fmb  (IV,  12,  799  B;  bafe  e«  auc^  in  ber  öngeltoelt  ein  93öfe«  giebt,  berüi^: 
ficptigt  ßrig.  ^ier  nid^t),  fonbern  erft  naä)  unb  nac^,  je  nac^  ben  SSerl^ältniffen  ber  finn* 
liefen  ©rjeugung  ber  Äör^er  toirflic^  tüerben,  Dermittelft  ber,  ebenfaß«  erft  au«  ber  ©ünbe 
ftammenben  ©c^eibung,  ber  ®efc^le(i^ter  (II,  6,  533  A).  2)cnn  urf^^rünglic^  ift  ber  3Kenfc^  40 
efeenfo  ipie  bie  ®ngel  ungeachtet  ber  5Wenge  ber  9[nbiüibuen  boc^  jur  ßin^eit  beftimmt; 
erft  infolge  ber  ©ünbe  ift  ba«  h)eiblid^e  ®efc^le(^t  t)om  männlicl>en  getrennt  hjorben, 
IV,  23,  845,46;  Comm.  in  Ev.  Job.  ©.  310,  h^ie  benn  auc^  in  ber  3[5ollenbung  hjieber 
nur  ein«  bafein  h)irb.  2)iefe  Stnfd^auung  fann  natürlid^  nur  bei  einer  Völligen  ^pixu 
tualiftifd^en  Umbeutung  ber  ®efc^id^te  ber  ©c^öt)fung  unb  be«  ©ünbenfatle«  feftge^altcn  40 
toerben,  für  bie  Drigene«  bem  Srig.  ba«  SSorbilb  liefert.  3^ic^t  alfo  eigentlich  üon  feinen 
95oreltem  erbt  ber  3Kenfc^  bie  ©ünbe,  unb  bon  einem  originale  peccatum  ift  nur  in 
bem  ©inne  ju  reben,  ba^  bie  ©ünbe  mit  unferem  Urfprunge  in  Scrbinbung  fte^t, 
Comm.  in  Ev.  Joh.  311 A.  SBarum  nun  aber  jebe  3Renfd^enfeele  inbem  fie,  nac^  freati- 
anifc^er  änfc^auung,  roirb,  auc^  in  ben  3wf*a»^^  ^^  ©ünbe  eintritt,  ba  bod^  hjeber  bie  00 
©attung  al«  folc^e  gefünbiat  ^at,  nod^  bie  göttli^e  Seftimmung  bie  ©eelc  jur  ©ünbe 
nötigt,  ba«  bleibt  ein  Slätfel,  beffen  Söfung  W'xx  bei  ßrig.  ju  finben  nic^t  l^offen  bürfen. 
—  2Sir  bemerfen  über  bie  finnlic^e  SBelt  au^er  bem  3Renf^en  nur  noc^,  bafe  nad^  6rig. 
ber  gegenlpärtige  materielle  3wftanb  berfelben  ebenfatl«  burd^  bie  Stüdtfic^t  auf  bie  mcnfcf)=: 
lic^e  ©ünbe  beftimmt  ift,  obtool^l  er  ein  Ilare«  Silb  babon,  toie  fie,  abgefe^en  bon  ber  66 
©ünbe,  befd^affen  fein  toürbe,  un«  nid^t  giebt. 

3)er  le|te  3:eil  be«  ©^ftem«  6rig.«  ift  ber  2lbfc^lufe  be«  gefamten  ilöeltlauf«,  bie 
SRüdKe^r  aller  ®inge  gu  ®ott.  '^m  3)iittelj)unfte  biefe«  ganjen  ^rojeffe«  ftel^t  bie  ^^crfon 
ß^rifti.  ^n  ß^rifto  ift  bie  gange  3Jlenfc^l?eit,  bamit  aber  auc^  bie  gange  äÜelt  gufainmen= 
gefaxt;  tt>ie  bie  aJlenfd^l^eit  alle  ©tufen  be«  ©ein«  in  fid^  bereinigt,   fo  (S^riftu«  n^ieberco 

KeaU^nc^CtopObie  fttr  Geologie  unb  ftird^e.    3.  0.  xvin.  7 


98  ^toin»,  %  @. 

ba^  ganje  Sein  ber  3Renfc^l^cit  (II,  13.  541  f.).  ßr  ift  ber  3RittcH)unft  be«  (Sanjen, 
unb  bemnac^  mufe  auc^  in  bcm,  hja«  er  t^ut  unb  erlebt,  ber  ^rojefe  fic^  öoHenben,  ber 
bie  ©efamt^eit  gu  ©Ott  jurücffü^rt  (V,  25,  912  BC).  3unäc^ft  bie  3Kenf(^^eit;  inbem 
er  fte  in  il^rer  ©efamt^eit  in  feine  Subftan^  aufgenommen  ^at,  erlöft  unb  befreit  er  fte 

Baud}  mit  biefer.  4)ie^  gefc^ie^t  inbem  er  ftufentoeife  bie  ©cteiltl^eit  aufgebt  unbjie  jur 
©in^eit  ^urüdfü^rt.  ®urc^  feinen  3:ob  unb  feine  Sluferftel^unö  tüirb  juerft  ba«  ^ufeerfte 
ber  ©eteiltl^eit,  bie  ©d^eibung  ber  ©efc^Iec^ter  aufgej^oben,  benn  ber  Sluferftanbene  ift 
nid^t  mel^r  SKann  ober  SBeib.  SOBeiter  aber  legt  g^riftu«  in  ber  Himmelfahrt  auc^  ben 
fmnlid^en  Seib  über]^au})t  ah  unb  fe^rt  in  bie  unmittelbare  SSerbinbung  mit  Oott  jurüdt. 

10  3!)enfelben  SBcg  fül^rt  er  nun  auc^  ba«  SWenfc^engefc^lec^t;  inbem  im  2:obe  ber  2cib  in 
bie  Elemente  aufgelöft,  in  ber  Sluferfte^ung  aber  einem  jeben  ber  feine  jiurüdtgegeben 
toirb,  um  nun  bie  ööÜige  Sluflöfung  unb  bie  Slufna^me  in  bie  geiftigcn  ^Potenjen  burc^- 
uimac^en  V,  20.  2)em  folgt  bann  nod^  eine  bol)pelte  SÖanblung,  bie  eine,  bie  alle 
9Jlenfc^en  angebt,  nämlid^  in  ba«  DoDfommene  SBiffen,  fo  toeit  e«  ber  Äreatur  befc^ieben 

15  ift,  unb  enblic^  bie  lefete,  bie  aber  nur  bie  am  meiften  geläuterten  (Seifter  ber  ertoä^lten 
betrifft,  nämlic^  bie  dinfü^rung  in  bie  tiefften  ©el^eimniffe  unb  in  baö  übernatürliche 
unergrünblid^e  SJerfmfen  in  bie  ©ott^eit.  —  2)iefer  aßanblung  ber  ©elfter  in  ©ott  gebt 
aber  auc^  eine  SBanblung  ber  gefamten  nieberen  Kreatur  in  bie  ^öl^ere,  ber  ftnnlic^en  in 
bie  geiftige  unb  enblic^  ebenfalls  in  ©Ott  jur  Seite.   So  fagt  6rig.  V,  20,  nac^  ber  auf» 

20  l^ebung  ber  ©efc^lec^t^bifferenj  im  Wenfc^en  toerbe  bie  ganje  @rbe  mit  bcm  ^rabie^ 
(f.  oben)  geeinigt  toerben  unb  nur  ba«  ^jjarabie«  toerbe  noc^  ba  fein.  3)ann  aber  tpcrben 
auc^  Öimmel  unb  @rbe  geeinigt  toerben  unb  nur  ber  ^immcl  nod^  fein.  3)enn  in  biefer 
SSereinigung  toirb  nid^t  au^  jtoeien  ein  britte^,  fonbem  ba^  ^öl^ere  nimmt  ba^  9liebcre 
in  fxd)  auf.    ^ann  aber  loirb  aud^  bie  gcfamte  finnlic^e  Kreatur  mit  ber  inteQigibeln 

25  Dereinigt,  fo  ba^  nur  bie  inteHigible  bleibt,  cnblid^  toirb  bie  intetligible  Slatur  mit  ©ott 
bereinigt,  unb  fo  toirb  ©ott  alle«  in  allem.  SBie  fic^  @rig.  bamit  ba«  gortbefte^en 
jjerfönlid^er  Unterfc^iebe,  baö  er  annimmt,  unb  ba«  Jforttoirfen  ber  $rimorbialurfac$en 
al«  folc^er  benft,  ba«  muffen  toir  ba^ingeftellt  fein  laffen. 

3)a«  ift  alfo  ber  2lu«gang  be«  ©an^tn;   alle   toibematürlic^en  Sc^eibungen   ftnb 

90  aufgel^oben,  alle  Staturen  finb  ju  i^ren  5ßrimorbialurfad^en  unb  mit  biefen  gu  ©ott  gurütf^ 
geführt.  2)amit  ift  nun  in  ber  Äonfequenj  be«  Softem«  aud^  bem  SBofen  fein  Urteil 
gef))rod^en.  2)a«  Söfe  ift  ja  nid;t«  SubftanjieHc«,  nid^t«,  n)a«  in  ben  ^rimorbialurfad^en 
feine  Stelle  ^ätte;  e«  ift  nur  burc^  bie  Unftetigleit  be«  freien  SBitlen«  herbeigeführt  al« 
ein  Slcciben«  ber  üon  ©ott  gejc^affenen  9laturcn.    3"^^"^   ^^^  ^^  3ß\ti^  ber  5Raturen 

85  geheiligt  unb  mit  ©ott  öerbunben  toirb,  fte^t  er  in  DoUcm  ginllang  mit  bem  göttlid^en 
ffiillen;  e«  faßt  alfo  jebe  Urfac^e  bc«  Söfen  If^intoeg.  ßbenfo  muffen  aber  audj^  bie 
folgen  bc«  böfen  SBiUen«  fortfallen,  bie  ja  niemal«  bie  ©eftalt  öon  Subjtanjen  ober 
iKaturen  annel^men  fönnen,  fonbem  nur  al«  3lccibenjen  an  ben  5Raturen  erfqeinen.  3)ie 
malitia  alfo  toirb  mit  allen  il^ren  ^Jolgen  aufgel^oben;  ba«  Söfe  in  jjeber  gorm  ifi  am 

40  (Snbe  ber  SBeltgefc^ic^te  üemic^tct.  2)ie«  ift  bie  richtige  unb  notlüenbtge  Äonfequenj  be« 
Softem«,  unb  ©rig.  felbft  f)at  e«  nic^t  unterlaffen,  fie  me^rfad^  beutlic^  unb  beftimmt 
genug  au«juj))red^en.  2)enno(^  bürfen  h?ir  l^ierbei  nid^t  fte^en  bleiben,  loeil  er  felbfl 
babei  nic^t  fte^en  geblieben  ift.  !Eenn  bcm  genannten  Slbfc^luffe  in  ben  2lnfan8«Ia))iteln 
be«  fünften  33uc^e«  läfet  er  nun  nod^  ungemein  h)eitfd^n)eifige  (Srörterungen  folflwt,  beren 

iö^iel  !ein  anberc«  ift,  al«  ju  geigen,  tote  ba«  33öfe  bennoc^  fortbauert  unb  toon  ®ott 
geftraft  hjirb.  SBie  man  über  6rig.«  ^crfonlic^e  Überzeugung  aud;  beuten  mag,  jebenfott« 
barf  man  bicfe  Slueeinanberfefeungen  nid^t  ignorieren.  Grig.  beruft  fid^  gegenüber  ber 
origcniftifc^en  Se^re  üon  ber  ^pofataftafi«  auf  bie  ^l.  Sd^rift  unb  bie  Äirc^enlel^re,  bie 
eine  eioige  ^ortbaucr  bc«  Söfen  annehmen  unb  Dcrfuc^t  nun  eine  3ledE»tfertigung  berfelben, 

60  bie  aber  freilid;  fo  Unbenfbare«  aufftcUt,  ba^  man  bie  2lbneigung  hjo^l  begreift,  nä^ 
barauf  einjuge^en  —  unb  boc^  ift  ber  2)arftellcr  baju  öerpflicbtet.  311«  ©runblage  feiner 
2tu«einanber)e^ungen  fönnen  toir  anfeilen,  toa«  er  V,  30,  910BC  au«f))rid^t:  oogimur 
namque  fateri  aut  quod  penitus  non  est  in  rerum  natura  per  se  absque  uUo 
subjecto  posse  puniri .  .  .  aut  quoddam   naturale  subjectum  supplicia  pati . . . 

56  aut  puniri  quod  non  est  tarnen  in  subjecto  aliquo  quod  est  omnique  poena 
liberum  punitur.  2)en  crftcn  Jatl  crtlärt  er  mit  9kd>t  für  ein  Unbing,  ber  jtoeite  ift 
offenbar  bie  Äircbenlcbrc,  aber  ßrig.  bält  e«  feiner  ©runbanf4>auung  nac^  für  unmöglidj, 
ba^  eine  5Jatur,  cttoa«  Don  ©ott  ©cfcbaffenc«,  cmig  leiben  feilte,  dagegen  fagt  er  in 
Schiebung   auf  ben  brittcn  Aall:    puniri    autem  Vitium  quod  non  est,    in   aliquo 

60  tarnen  quod  est,  et  impassibile  est,    quoniam  pati  poenas  non  sinitur,    credi- 


©cotit«,  3.  e.  yji 

bile  mihi  videtur  verique  simillimum.  3^^^  ^inge  erfd^etnen  l^ter  bod^  DöUig  un- 
be0rcifli(^,  erften^  toie  ba^  Saftcr  an  einer  reinen  9latur  haften  foB,  of^ne  fie  ju  forrum= 
pieren,  jtoeiten«  toie  ba«  Safter,  eben  toeil  e^  für  fic^  nic^l^  ift,  anber^  öeftraft  tüerben 
fann,  afe  an  ber  SRatur,  bie  bamit  behaftet  ift.  Seiber  muffen  toir  ^in^ufe^cn,  bafe  ©rig. 
in  (dlm  feinen  Ipcitläufiöen  Erörterungen  nirgenb«  eine  auc^  nur  fd^einbar  genügenbe  6 
Slnttoort  auf  biefe  ^age  bietet,  greilid^  tüeift  er  ba«  5Woment,  ba«  an  ber  9Jatur  l^aften 
unb  o^ne  SSerlefeung  unb  Sc^äbigung  berfelben  beftraft  hjerben  jott,  au^brüdlid^  nac^, 
inbem  er  eö  in  oem  böfen  SBitten  ju  finben  glaubt.  2Bo  biefer  be^arrt,  ba  quält  er  ft^ 
fetbft  burd^  bie  Erinnerung  an  bie  ®üter,  benen  er  nac^geftrebt  l^at,  unb  bie  i^nt  nun 
für  immer  entzogen  ftnb  k.  3lber  für  bie  Söfung  ber  §au})tfrage,  toie  biefer  böfe  SöiDe  10 
fortbefte^en  fann,  toä^renb  bie  9Jatur  DoDfommen  gereinigt  ift,  trögt  bie  ganje,  an  fic^ 
fe^  einbrud^öotte  ©c^ilberung  nic^t^  au^.  Unb  ba^  um  fo  toenigcr,  toenn  toir  unö 
erinnern,  ba^  @rig.  fonft  ja  ben  SEBiUen  burc^au^  nic^t  a(d  ein  bloge^  9(ccibcnd  ber 
$Ratur  anfielt,  fonbem  li^n  fogar  ate  ba«  eigentlid^  SBef entließe  an  ibr  betrachtet.  SBie 
foU  bann  ber  böfe  SSäiHe  im  3ufö»"tt^^n)^fln0«  »"i*  ber  DoIIfommenen  ylatur  fortbeftel^en?  is 
9iun  ift  aber  merteürbig,  ba^  inmitten  jener,  tpir  muffen  fagen  öer^tueifelten,  Slnna^mcn 
toiebcr  ein  ©a$  auftritt,  ber  fie,  toenigften«  toa^  bie  3)lenfc^|eit  betrifft,  ganj  überflüfftg 
ju  machen  fd^eint.  ®rig.  bringt  nämlic^  Äaj).  38,  ©.  1006  bie  anficht  mx  Qpxa^t, 
bie  faft  allen  Slutoren  gemeinfam  fei,  bafe  fo  t>iel  Wenfc^en  in  ba«  l^immlifd^e  SReic^  ein- 
treten iDerben,  toie  ßngel  gefaÜen  feien,  unb  bemerft,  hjcnn  ba«  richtig  fei,  fo  mü^te  ent=  20 
toeber  bie  3^'  ^^  "^d^  ""^  ^^^  geborenen  3Wenfc^en  ber  jener  Enget  glcid^  fein,  ober 
man  mügte  annehmen,  ba^  nic^t  aQe  ^Renfc^en  jum  ^M  i^rer  @(^ö))fung  gelangen 
h)ürben,  quod  praecedentes  rationes  de  salute  totius  humanitatis  in  Christo 
incunctanter  roboratae  omnino  prohibent  assumi.  Er  felbft  ^ält  )tt)ar  jene  erfte 
a3orau«fe|ung  nid^t  für  ^inreid^enb  begrünbet,  meint  aber  jebenfaH«  totum  genus  25 
humanuni  et  in  Christo  redemtum  et  in  coelestem  Jerusalem  reversurum 
esse  (1007  C).  Dann  tüürben  alfo  nur  bie  Dämonen  unb  ber  Xeufel  ber  einigen  SSer^: 
bammni«  berfaHen  —  j)rinjij)ieH  toirb  aber  ben  im  tjor^ergel^enben  bargelegten  ©c^toierig« 
feiten  bamit  gar  nic^t  gel^olfen,  fie  bleiben  gan§  bicfelben,  ob  bie  3<*^I  ^^  3Serbammten 
eine  größere  ober  geringere  ift.  —  SBir  toerben  bemnad^  fagen  muffen:  bie  Äonfequcnj  90 
be«  ©^ftem«  Erig.«  forbert  burc^au«  bie  Seigre  bon  ber  3t))ofataftaft«,  unb  too  er  folgen 
richtig  benft,  fommt  er  auc^  auf  biefelbe  l^inau«;  toa«  er  bagegen  jur  Segrünbung  ber 
entgegcnfte^enben  Slnfd^auung  fagt,  öertoidelt  i^n  in  unlösbare  SJibcrfj)rüd^c  unb  in  Sin« 
nahmen,  bie  fic^  mit  feinen  3Sorau«fe^ungen  in  feiner  SKeife  bereinigen  laffen.  Damit 
ift  ja  no(^  nic^t  belpiefen,  ba^  er  biefe  Slnfic^t  nid^t  bod^  gel;abt  ^abm  fönnte,  aber  35 
aHerbing«  machen  bie  betreffenben  3lu«einanberfe§ungen  be«  fünften  Sudie«  ben 
Einbrurf,  bag  er  l^ier  in  ber  %l)ai  nur  ber  geltenben  Mirc^enlel^re  ju  liebe  Setoei«^ 
fül^rungen  beibringt,  beren  ©c^toäc^e  unb  Un^altbarfeit  il^m  felbft  nic^t  »erborgen  toar, 
h)ä^renb  feine  })erfönlic^e  Überjeugung  aud^  l^ier  mit  Drigene«  ging. 

9Bir  l^aben  an  biefem  ^ßunfte  ber  ebenfo  an  fid^  merftoürbig  ioie  für  Erig.«  ©tetlung  40 
^ur  Äirc^enle^re  h)id^tig  ift,  eth)a«  länger  Derhjeilt,  im  übrigen  galten  toir  e«  nic^t  für 
nötig,  feine  ©tetlung  gu  il^r  in  ben  einzelnen  ^^unftcn  naiver  ju  erörtern,  n^eil  er  im 
ganjen  jebenfalt«  bte  3lbficbt  l^at,  ber  Äird^enlel^re  treu  ju  bleiben,  feine  gertigfeit  in 
Umbeutungen  aller  Slrt  e«  i^m  aber  aud;  leicht  mac^t,  ben  äüiberf^^ruc^  ghjif^^cn  '\\)x  unb 
feinem  ©^ftem  nic^t  blofe  Dor  anberen ,  fonbem  auc^  Dor  fic^  f eiber  ju  üer(^üUen.  ©0  45 
bebient  er  fid^  benn  g.  S.  bielfac^  trinitarift^er  gormein;  er  nimmt  an,  bap  ber  SSater 
im  ©o^ne,  bem  Sogo«,  ber  intelligent,  bie  ^^rimorbialurfac^en  fc^afft,  hjä^rcnb  er  in 
bem  ^l.  ©eifte  ba«  toirffamc  ^rin^it)  fie^t,  burc^  tüeld^e«  fotool^l  biefe  Urfac^en  ^u  i^rer 
35Jtrfung  in  ben  Effeften  übergeführt,  n)ic  auc^  ben  5Kenfd;en  foiro^l  natürlicl^e  toie  geift= 
lic^e  ®aben  erteilt  h)erben.  Dh  aber  bie  trinitarifc^e  äluffaffung  t)on  ©Ott  im  ©inne  50 
ber  ftirc^enle^re  ftd^  mit  feiner  anfid^t  Don  ber  fd;lcc(»tl;in  un}ugängli4>cn  unb  unbegreifs 
Heiden  SBUefen^eit  ®otte«  h)irflic^  Dereinigen  laffc,  ba«  ift  freitid^  eine  anbere  JJrage,  bcrcn 
grünblic^e  Erörterung  toir  bei  Erig.  nid^t  erirarten  bürfen.  Ebenfo  ^ält  fid)  Erig.  burd^- 
au«  an  bie  übliche  Se^re  Don  ber  ^erfon  E^rifti  unb  fc^t  fie  mit  feinem  Softem  in  iscr^ 
binbung,  ol^ne  tieferliegenbe  ©c^iüierigteiten  ju  berül^ren.  §infi(^tlic^  be«  3öcrlc«  Gbrifti  55 
aber  glaubt  er  Dottenb«  burc^  ben  ©a$,  bafe  in  El^rifto  fid^  bie  gefamte  Erlöfung  Dott^ 
jie^e,  mit  ber  Äirc^e  in  Dollftem  Einflang  ju  ftcben,  toä(>rcnb  er  auf  ba«  3Jäbcre,  iüie 
\xd^  bie  ^[eilbringenbe  SBirffamfeit  E^rifti  ooUjie^t,  nic^t  toeiter  eingebt,  ober  nur  gcmiffc 
gebräuc^lid^e  SBäenbungen  toieber^olt.  Diefe«,  man  muß  fagen  obcrfIäd>lid)c  i>crbaltcn 
jum  Dogma  fü^  un«   nun  no^  auf  bie  grage,   ob   man  Erig.  al«  ben  „i^ater  ber  üo 


100  ®cotitd,  ^0^.  ®cri)itori0 

Sc^olaftif"  be^cic^nen  bürfe.  2)er  „??ätcr  bcr  Sd^olaftif"  fmb  nac^gerabe  fo  t>ielc  genannt 
tDorben,  ba^  man  jtocifeln  mufe,  ob  irgcnb  einem  einzelnen  biefe^  ^^Jräbilat  gcbül^rt.  S)em 
erig.  aber  fc^on  bei^^alb  iebenfatt«  nid;t,  \ml  fein  ganje«  S^^^^ff^  ^*^^  ^^^^  \>^^^' 
fop^ifc^er  al«  tl^eologifc^cr  2lrt  ift,  tüie  fc^on  bie  fragen,  bie  er  am  auöfü^rltd^ften  unb 
B  mit  bem  größten  3l"^^^^R^  be^anbelt,  beutlic^  geigen.  2)em  entfrrec^enb  tft  auc^  fein 
t)erfönlici^er  Stanbpunft  ein  toefentlicb  felbftftänbigerer,  freierer,  afö  ber  ber  ©c^olafttfer 
f))äterer  ^tit  1)afe  er  auf  bie  fd^olaftifc^e  3)enfarbeit  aber  in  bebeutenbfter  2Beife  ein^ 
gen)irft  \)ai,  ift  bamil  natürlid^  nid^t  au^gefd^Ioffen.  —  3luc^  ba«  SUer^ältni^  be^  (grig. 
jur  3Jl^ftif  ift  ein  eigentümüd^e^ ;  il^n  felbft  !ann  man  feinen  5Kvftifer  nennen,  ba  er 

10  ben  perfönlic^en  (Srfal^rungen  be«^  9K^>ftifer«  enttüeber  überl^au})t  ferngeftanben  ober  bo(^ 
fic^  in  feiner  2Beife  barüber  geäußert  ^at.  Sluc^  hjerbcn  bie  m^ftifc^en  ©ebanfen,  Don 
benen  fein  ©Aftern  üoD  ift,  bon  i^m  nur  bialeftifc^  gered^tfertigt.  3)e«ungeac^tet  l^t  er 
burd^  biefe  ©ebanfen  ebenfo  lüie  burd^  bie  Überfe^ung  ber  bion^ftfd^en  Schriften  unb 
feine  Kommentare  baju  einen  ungemein  bebeutenben  ßinflufe  auf  bie  fpätere  ©nttoiielung 

15  ber  2Jlvftif  geübt. 

Über^au})t  toirb  ber  (Sinflu^,  ben  @rig.  auf  bie  Anregung  felbftftänbtgeren  fj)efula= 
tiben  3)cnfen«  im  ^Mittelalter  gebabt  l^at,  nid^t  gering  anjufc^Iagen  fein,  unb  jebenfatt^ 
njar  er  größer,  ate  fx6)  ftreng  nac^hjeifen  lä^t  ober  toenigfteng  bi«  je^t  naclgetoiefcn 
toorben  ift.    5RamentIic^  fc^eint  er  im  12.  3<»^^^wnbert  biel  gebraucht  toorben  ju  fein; 

20  Äonoriu^  Sluguftobunenft«  liai  i^n  in  umfaffenber  SBeife  benu^t,  unb  Söill^elm  »om 
SJalme^burV  giebt  berl^ältni^mäfeig  reid^Iicbe  9lad^ric^ten  über  i^n  unb  fein  Äaujjttoerf. 
3loc^  größere  Slufnal^me  aber  mufe  er  in  ben  erften  ^ö^^se^^^^en  be^  13.  3a|r^unbert^ 
in  $ari«  gefunben  l^aben,  fo  ba|  man  nun  auc^  anfing,  firc^lic^  gegen  feine  ©^riftcn 
borjugel^en    unb   enblid^  §onoriu6  III.    bie  3SertiIgung   feinet  SBerfe«   De  divisione 

26  naturae  anorbncte.  Di)m  3tt)eifel  l^at  ba^  ber  Sefc^äftigung  mit  t^m  bebeutenben  Ein- 
trag get^an,  unb  in  f^äterer  3eit  ift  er  in  fo  böHige  Sßergeffenl^eit  geraten,  baj  ber 
3nbej,  ber  auf  ®el^ei|  be«  3:ribentinum«  angefertigt  iüurbe,  i^n  gar  nic^t  ertoäl^nt,  3Han 
^olte  e«  f))äter  nad^  inbem  man  unter  ©regor  XIII.  1685  bie  ed.  princeps  bon  ®ak 
auf  ben  ^nbej  fe^te. 

30  2Ba«  für  ©ng.  unfrer  ^eit  ju  tbun  übrig  bleibt  ift  einerfeit«  eine  boDftänbige  unb 
h^irflid^  fritifd^e  2tu«gabe,  bie  jugleid^  bie  3Rad^toeifung  ber  üon  i^m  citierten  ©Triften 
im  eimelnen  geben  mü^tc,  bann  aber  eine  genaue  Unterfuc^ung  be«  33erl^ältniffe^  b«r 
®ebanfen  6rig.«  ^u  benen  feiner  3Sorgänger,  au3  ber  ftd^  mit  ©ic^er^eit  h)ürbe  cnt- 
nef^men  laffen,  n)ie  iüeit  bei  il^m  hjirfli^  bie  3tnfä$e  neuer  (Sebanfen  reichen,  ate  beren 

36  erften  3lnfänger  man  i^n  oft  boc^  nur  be^tpegen  ge))riefen  l^at,  tüeil  man  mit  feinen  Sor- 
gangem  nic^t  l^inreic^enb  betannt  hjar.  @.  9W.  ^e»tf«i. 

Scrt^itori«,  $aul,  fc^olaftifd^er  SE^cologe,  geft.  1505.  —  9Jic.  ?aulu«,  $.  6.,  ein 
Qnc^eblidjcr  SJeformotor  oor  ber  SJeformation  in  X^OS  1893,  289—311;  3.3.  S^ofcr,  Vitae 
professoruin  TubiDgensium  ord.  theol.  1718,  8.  ()0— 68;  9lbSB  33,  488  f.  (iRcufc^);  Ä.  6teiff, 
40  3)er  erfte  »ucftbrucf  in  Tübingen,  1881,  8.  49  f.,  ba^u  bie  Siloüh  Don  (S.  9?cftle  in  »Ifitter  f. 
tt)ürtt.  m.  3  (1888),  8.  88;  at)vonicün  be«  Aour.  ^eUican,  ^r^g.  0.  SB^.  migaenbo*,  1877, 
8.  12  ff.  20.  23  ff.  44;  <q.  ^urtcr,  Nomenciator  literarius  theol.  cathol.  IV  1899,  921-23. 

$aul  ©.  ift  um  1450  in  ber  fc^)h)äbifc^en  Sieid^^ftabt  Söeil  geboren  unb  trat  frii^« 
in«  Älofter  bei  ben  93Jinoriten  ber  Dbferbanj  ein.  5iac^  ^ari«  öerfd^icft  l^örte  er  namentlich 

46  bie  SSorlefungcn  feine«  f)oc^angcfef)enen  Crben«genoffcn  BUp\}an  Srulefer  (geft.  1496), 
ber  einen  ftreng  ffotiftifc^en  ^Hea(i«mu«  lef^rte  (ögl.  ^rantl,  ©efc^.  b.  Sogif  IV,  1870, 
©.  198)  unb  ft)äter  h)ä^renb  feiner  ÜBirffamfeit  an  ben  Orben«f(^uIen  ju  9Kainj  unb 
Wci^  einen  ©entenjentommcntar  nad;  Sonabcntura  f)erau«gab  (über  il^n  I^S  1893, 
289  ff. ;  aSe^er  u.  äöcite,  .Hatb.  Äirc^enlejifon  IP,  1355  f.).  ^n  qjari«  ^atte  üon  1473-1181 

60  bie  ftotiftif(^=realiftifd;e  Slid^tung  bie  Cberbanb  gewonnen,  toobci  auf  tonigl.  SSefe^l  bie  24 
odamiftifcben  i^ef^rer  ber  Uniüerfität  mit  ©cioalt  entfernt  tüurben  (bgl.  ^rantl  a,a.  D.  lB6f.). 
3u  gleid^cr  ^(t'xt  fud^te  fid^  bie  ffotiftifcbe  ^Heaftion  al«  via  antiqua  an  ben  fübtrejl* 
beutfc^en  Uniuerfitäten  gegenüber  bcm  bort  allein  ^errfd[?enben  Ccfami«mu«  (via  moderna) 
feft^ufc^en.  2)en  9JJännern,  bie  bie«  eneic^ten,  ^o^ann  ^c^nlin  (f.  b.  3lrt.  93b  VIII  ©.  36), 

66  Äonr.  ©ummenl^art  (f.  b.  %),  BUpl).  Srulefer  u.  a.  gefeilt  fic^  $.  ©.  bei.  Do«  9^ 
ftreben  biefer  ^3JJänner  tüar,  gegenüber  bem  oben  55^^^"«^^^»""^  ""^  fomc))tuaUf|if(Sen 
„2ermini«mu«"  ber  odamiftif^en  Sogif  unb  (Jrfenntni«tl^eorie  eine  ariftotclifc^reaUftift^e 
SBetracbtung^itoeife  bcr  2L>irtiid){cit  3U  crniög(id>cn  (nos  imus  ad  res,  de  terminis  non 
curamus),  fotoie  ben  bemunftfcinblid^cn  ^utorität«ftanbj)unft  Ddam«  (ögl.  0.  8b  XIV 


^ttiptoti»  101 

5.  270,41—271,31)  imSinnc  bcr  älteren  ©c^olaftif  hjieber  burd^  eine  rationale  Segrün= 
ung  ber  ©lauben^Ie^ren  ju  erfe^en  (ögl.  §.  ÄermelinI,  ®ie  tl^eologifc^e  ^alultät  in 
Tübingen  öor  ber  JHeformatton  1906,  2.  Slbfdpnitt,  3.  Ra\>.).  SBeil  babei  gegenüber 
en  „fermocinalen"  SBiffenf d^aften  ber  fc^olaftifc^en  Sogif,  ©rammatil  unb  SR^etorif 
lieber  me^r  SBert  auf  bie  „realen"  iBiffenfc^aften  (5Keta^^^>fiI,  ^^vPl,  Watl^ematif  6 
nb  6t^i!)  gelegt  tourbe,  barum  ^ai  biefe  via  antiqua  im  ©egenfa^  ju  bcn  mo- 
emi  bem  ^umant^ntu^  an  ben  fübh)eftbeutf(^en  Uniberfttäten  ben  SBeg  bereitet  (bgl. 
m  Sluffa^  über  bie  2lnfänge  be^  "Äumani^mug  an  ber  UniberfUät  Tübingen  in  SBürtt. 
HerteljaMHt«  1906,  Mt  2;  Ä-TOütter  M  inÄ®II,  1,  203  u.  257  ©.  unb  Summen^ 
art  nic^t  mit  üoUem  Jfed^t  birelt  ben  l^umaniftifc^en  i^eologen  beigeorbnet);  unb  hjeil  lo 
ie^  Unterfangen  mit  einer  bielfac^en  Äritif  an  ben  beftel^enben  9Serl^ältniffen  üerlnü))ft 
KIT,  barum  fmb  jene  Wänner  ate  „3^"9^  ^^  SBa^r^eit"  bon  ber  lommenben  ©ene^ 
ition  in  ber  SReformationö^eit  begrüfet  toorben. 

©.  toar  toeber  §umanift  no(|  Sleformator  öor  ber  Sieformation.    (Sr  f)ai  für  ben 
otiftifd^en  SReali^mu«   in  bem   eben  aufgeführten  Sinne  bieUeic^t  in  SKatn^  unb  \pättt  i6 
:^  1501  aU  ©uarbian  be«  granji^fanerflofterö  in  a^übingen  getoirft.  Cbtool^l  nid^tSlm 
poriger  ber  Uniberfttät  l^atte  er  in  feinem  Älofter  al^   „acutissimus  Scotista"  auc^ 
iä  ber  ©tabt   befuc^te  33orIefungen  über  bie  ©entenjen  nac^  3)ung  ©cptu«  gel^alten. 
nter    feinen  ©c^ülem  tüerben  genannt   S^l^omaö  5Bv*^^"&^^    (f-  ^-  2trt.),  ber  SBa^Ier 
f^er  gt^insli^ ;  f^nter  ^aul  33oIj,  toeld^er  f})äter  ju  a5}im})l^elina«  ©c^lettftabter  Ärei«  20 
J^örte,  bann   aU  eöangelifc^er  $faner  ju  ©tra^burg  gegen  bie  Äonforbie  i)rebigte  unb 
irc^  feine  B\)mpati)k  für  ©c^toendfelb  fid^  au^egeid^net  ^at ;  enblid^  ber  2tugufttner  3ol^. 
tentel,  ber  al«  ebangelifd^er  ^rebiger  au^  ©tuttgart  bertoiefen  h)arb  unb  im  Sa^re  1 530  ju 
[gg  im  3ürtc^biet  geftorben  ift.    ^a  faft  ba«  game  Slugupinerllofter  unter  gü^rung  bon 
ob.  ©tau))i$  l^abe  bed  ©.  SSorlefungen  über  3)un«  ©cotuö  gehört,  erxä^It  fein  bebeutenbfter  25 
4ülcr  Äonrab  5PeDif an  (f.  b.  ä.  S3b  XV  ©.  108),  ber  fein  Seben  lang  bie  Sln^äng-- 
^feit  an  ben  älteren  greunb  unb  Drben^genoffen  betoal^rt  l^at.  3«»"  2)rudf  biefer  floti- 
fc^en  Sorlefun^en  beranlafete  ©.  bie  Überftebelung  be«  Sud^bruaer^  Otmar  bon  SReuts 
igen  naö)  iübmgen.  ©0  hjarb  benn  bie  „Lectura  fratris  Pauli  Scriptoris  ordinis 
inorum  de  observantia,  quam  edidit  declarando  subtilissimas  doctoris  sub-  so 
lis  sententias   circa  Magistrum   in  primo  über"    ate  erfter  2!übinger  2)rud  am 
L  3Jlär^  1498  beenbigt.    ä)ad  umfangreiche  SBerf  betoeift,  ba^  ©.  in  erfter  Sinie  fc^o- 
ftifc^er  3:^eoIoge  tüar;    bon  eigentlid^  reformatorifc^cn  Slnfic^ten  lann  feine  Siebe  fein. 
0^  f)at  ©.  ba^  Kommen   einer  neuen  ^eit   berf^ürt  unb   l^at  n)enigfteng  auf  einem 
•ebiet,  bem  mat^ematijd^=aftronomifc^en,  bie  93rüde  bon  ber  ©c^olafti!  jum  §umaniemu«  35 
rfc^lagen.    gr  fjjrad^  mit  ^ellitan  über  eine  3cit,  ba  man   bie  Ideologie  umgeftalten 
erbe,  ba  man  bie  fd^olaftif^e  3)iet^obe  aufgebe  unb  ju  ben  alten  Äirc^enbätem  jurüd^ 
^e.    3luc^  bie  meiften  ®e|e^e  müßten  geänbert  toerben  (ß^ronilon  24).    95ei  SHeud^Iin 
mte  er  griec^ifd^,   boc^  fd^cint  er  t^  nic^t  ju  biblifc^en  ©tubien  bertbenbet   ju   i)abm. 
Jentgfteng  bie  einzige  SJotij  bei  ^eUifan  über  feine  93ibelauelegung  bcfagt,  bafe  er  am  40 
eft  ber  ^ßrieftertoei^e  be^  5ßeIIitan  eine  5ßrebigt  über  bie  fünf  golbenen  SJläufe  ber  ^l^ilifter 

©a  6,  4  f.)  gehalten  unb  bie^  ^l^ema  aDegorifc^  auf  bie  l^ebräifc^en  ©tubien  be^ 
rimuianten  angetbanbt  If^abe;  ^ellitan  tbeife  fj)äter  felbft  nic^t,  tbie  i|^m  baö  gelungen 
i.  dagegen  für  mat^ematifd^c  ©tubien  l^at  ©.  bie  Kenntnis  ber  griec^ifd^en  ©jjrac^e 
tiüftt.  Sr  ^ielt  in  feinem  Älofter  SSorlefungen  über  bie  ito^mogra^ji^ie  be^  ^totemäu« ;  40 
i  ^be  er  faft  alle  3)oftoren  unb  3)lagifter  ber  Uniberfttät  5U  ^ul^örern  gehabt,  nament* 
^  ber  fj)ätere  Slftronom  unb  §umanift  ^ol^ann  ©töffler  ift  einer  feiner  ©d^üler.  3!)en 
lönc^en  in  SBebenl^aufen  jeigte  er  bie  2(nlegung  eine^  3tftrolab^,  unb  in  engerem  Äreife 

feinem  Älofter  erllärte  er  bie  fünf  Sudler  beö  ßuflib. 

5Rebenl^er  übte  ©.  eine  au^ebe^nte  ^rebigttl^ätigfeit  au^ ;  auf  bie  Äanjeln  in  ber  so 
mgegenb  nac^  Reutlingen  unb  §orb  ioarb  er  öftere  berufen  unb  geißelte  ^ier  in  fo 
nmütiger  Siebe  bie  TOifebräud^e  ber  ^^xt,  bafe  er  barob  ben  Untbiüen  ber  Xübinger 
eologifc^en  Uniberfitätelel^rer  ^erborrief,  toetc^e  il^m  tbegen  be^  ftarfen  ßulaufg  feiten^  ber 
tubentenf(^aft  o^nelf^in  mifegünftig  gefinnt  fein  mochten.  6r  hjurbe  bei  feinem  ^robin- 
il  berflagt  unb,  ba  er  jubem  bei  jeinen  iRönc^en  nic^t  beliebt  tbar,  im  ^^^re  1501  56 
'berufen.  3"^  Älofter  ju  Safel  burfte  er  fid^  bon  ba  an  nur  nod^  mit  fc^riftfteUerijc^en 
rbeiten  befd^äftigen  unb  fottte  fic^  \pättx  bor  feinen  Oberen  5U  3öbern  tbegen  feiner 
nmütigen  Äußerungen  rechtfertigen.  CSr  toid^  jebod^  einer  etibaigcn  ©interferung  au^ 
ib  ging  über  SBien  nad;  Slom,  um  an  ^öc^fter  ©teile  feine  Sa^e  borjutragen.  Un- 
^ettigt  lehrte  er  toieber  jurücf  unb  foUtc  auf  33efe^l  be^  ©eneralbitar^  be^  Crbeni^   in  ♦>» 


102  ^ctipim»  Scriner 

S^ouloufc  X^eologic  lehren.  Sluf  bcr  5Rcifc  bortfjin  ftarb  er  am  21.  DItober  1505  im 
Älofter  Satfcr^berg  im  Dbcrelfag.  ©.  ftc^t  auf  bem  Übergang  Don  ber  alten  ju  bcr 
neuen  ^^'xi-,  er  ijat  \vk  manche  flotiftifd^en  Ideologen  neben  ii^m  me^r  al«  anbere  baö 
9lcue  l^crbcifü^ren  l^elfen ;  boc^  ^at  er  ftc^  t)on  ber  fc()oIafttfd^en  3Ket^obe  nic^t  lo^emac^t. 
6  T>ie  treul^er^igc  grcunbf^aft  mit  bem  biet  jüngeren  ^eUifan  unb  nic^t  minber  bie  frei^ 
mutig  (^arafterüoHe  Äritif  an  befte^enben  Wifebräud^en,  toelc^e  mit  bem  SSerlufi  ber 
h)ijfenfc^aftlici^en  Wufee  bejal^lt  h)erben  mu^te,  erh)edfen  bie  ©^mjjatl^ie  für  bie  ^erfön-- 
lid^feit  be^  ©d^olaftifer^  ©cri})tori«.  ^.  ^etmelinf. 

Scrhieiter,  greberif  $enr^i  Slmbrofe,  tüurbe  in  SSermonbfe^,  Oraffd^.  ©urreto 
10  am  29.  ©ej)tember  1813  geboren,  fanb  feine  SBilbung  im  3:rinit^  ßoÜege  in  ßambribgc 
unb  tüar  feit  1838  in  berfd^iebenen  Drten  ©nglanb«  im  ^farramte  tbätig.  @r  na^m 
^erborragenben  atnteil  an  ber  Siebifton  ber  englifc^en  Überfe^ung  be^  31%.  3tuf  iDiffen^ 
fd^aftlic^em  (Scbiete  Jtnb  attgemein  anerfannt  feine  33exbienfte  um  ben  Sibeltqrt  f.  biefen 
älrt.  Sbll  ©.766, 62  ff.    ©cribener  ftarb  am  30.  DItober  1891  in  §enbon,  gjlibblefes. 

15  Scrtöcr,  S^riftian,  erbauuna^fc^riftftetter,  geft.  1693.  —  giciifte«  aRatcrioI  j^ut 
Äcnntnid  ht^  inneren  unb  äuöcren  ficDcn§  ©.^  bieten  feine  eigenen  Schriften.  —  €ct6  (Iah 
öifiuÄ  l)Qt  in  bcr  ßeic^enprcbiot  (^clmft.  1684)  qIä  §tnl^ang  eine  ficben^ff i^j^e  @.Ä  beigegeben; 
«ßipping,  Mem.  th.  dec.  IV,  Lipe.  1705,  p.  466—482;  gKotter,  Cimbr.  lit.  tom.  I,  p.  614 
bis  619.     m^  erftcr  SBiogrop^  6.«  wirb  Otto  ©cinlc^cnf  (SJlagb.  u.  fipjg.  1729)  u.  ftettner 

20  (Clcrus  Jacobaeus  1730)  genannt.  5luö  neuerer  Seit:  $Iat§  in  b.  cü.  A3.  1862,  53b  71, 
^.  4;  bie  for^tnltige  Sl'rbeit  üon  Äricg,  SJJ.  ©^r.  ©er.,  eine  fiebcn«bcfc^r.  o.  b.  17.  Saftr^.. 
$>reSb.  0.  3.;  Dgl.  audi  ^agenbacf),  SBorlef.  über  b.  ®cf4.  b.  IRef.,  4.  ©b,  u.  b.  cö.  ¥rot.  U, 
177;  bie  SBiogr.  Don  ergenjinger  bei  Äilaibev,  et).  S3ol!Sbib(.  3,  Iff.;  Scftmibt,  ®efd).  b.$reb. 
1872,  8.  110-116;  ?Rott)c,  ®efd).  b.  $rcb.  1881,  @.  372;  $.  SSccf,  S)ic  rel.  SSoIfÄlit ,  ©ot^a 

26  1891,  @.  143 ff.;  ©roffe,  3).  alt.  Xröfter,  ^crmann^b.  1900,  ©.253  ff.  mit  Eingabe  ber  neueren 
§(u§g.  u.  93earb.  ©.fc^er  ©cbriften. 

G^riftian  ©aiber  ift  am  2.  S^nuar  1629  ju  Slenböburg  geboren.  3la6)  bem  lobe 
beg  i^ater^  ftanb  er  bon  früher  §ugenb  an  in  ber  ©rjiel^ung  einer  frommen  3J?utter, 
t)on  bcr  er  bleibenbc  ßinbrücfe  für  fein  ganje^  fj)ätere^  Seben  emtofangen  ^at.  3"  Stoftorf, 

30  too  er  fid^  bem  t^eologifd^en  ©tubium  h)ibmete,  übte  bor  auem  3oa(^i"i  Sütlemann 
(53b  XI  ©.  681)  einen  entfc^cibenben  ©influfe  auf  il^n  au«.  5Rac^  aSoIIenbung  be«  tl^eo= 
logifcben  ©tubium«  hjurbe  ©er.,  crft  24iä^rig,  1()53  al«  Slrc^ibiafonu«  na(^  ©tenbal  unb 
1067  al«  Pfarrer  an  ©t.  ^satobi  nad^  3Jlagbeburg  berufen.  §ier  ftanb  er  afö  ©eelf orger, 
^rcbiger  unb  ©c^riftfteBer   auf  bcr  |)öl^e  feiner  SBirffamfeit.    5Kit  feiner  SKagbeburger 

36  ©cmcinbc  toar  er  23  ^ai)xt  lang  eng  t)erbunben.  ^n  l^öberem  3llter  folgte  er  auf  ben 
""Mai  ©>)cncr«  einem  JHufe  al«  Dbcr^ofjjrebiger  nad^  Clueblinburg.  ©eine  Äraft  aber  toar 
bereit«  gebrod^cn;  nac^  brei  ^a\)xm  ftarb  er  am  5.  'ilpxxl  1693.  ©ein  5!ßal^lfj)rud^  toar: 
211«  bie  ©tcrbenben,  unb  fiel^e,  toir  leben. 

©er.  gebort    ju    jenen  2^l^eoIogen    unb  Äird^enmännern,  bie  toie  fein  3^i^Ö^*>ffc 

40  .^cinric^  3JhilIer  (Sb  XIII  ©.  521)  in  ber  jtoeiten  «öälfte  be«  17.  S^W^nbert«  gegen 
bie  mcbr  unb  mc^r  bertjortretcnbcn  ©c^äben  bcr  lutberifc^en  Äir4>e,  öor  attem  bie  58e^ 
äu^crlic^ung,  ibre  ©timmc  ergeben  unb  baburcb  bem  ^icti«mu«  bie93a^n  bereiten;  ©ct. 
irar  mit  ©pener  befreunbet,  unb  üon  beiben  liegen  3^"Ö"^ff^  gegenfeitiger  Slnerlennung 
unb  SBcrtfc^ä^ung  Dor.    SBäenn  auc^   bon   bem  Übereifer  einzelner  feine  Sled^tgläubigfeit 

45  Dcrbä(^tigt  toorbcn  ift,  er  ftcl^t  bod^  unjtoeifclbaft  im  3J?itteIpun!t  ber  luti^erifc^en  2ebre: 
bcr  5(rtifcl  l^on  bcr  ^liccbtfertigung  au«©nabcn  ift  i^m  ber  2luga>)fel  ebangelifd^en  ®laus 
ben«.  SBa«  ©er.  prcbigt,  toa«  er  fd^reibt,  ift  gruc^t  unb  3c"Ö'^i^  ^^"^  ^^^^  mancherlei 
Ärcu^  gereiften  tiefen  Innenleben«  unb  einer  reicben  3lmt«erfa^rung.  3)aju  gefeilt  fid^ 
bei  ihm  ein  boF)e«5J?afe  natürlicher  Begabung,  eine  Icbenbige,  boc^  immer  gebügelte  ?ßl^ns 

60  tafic  unb  ein  offener  SlidE  für  ba«  9?aturlcben,  ba«  ibm  }^n  einem  großen  ©letc^ni«  für 
bie  d>rift(icben  Ji^abr^citcn  h)irb.  2)abci  banbl^abt  er  bie  ©>)rad^e  mit  betounbem^toerter 
!L'cidnigtcit ;  fein  ^eriobcnbau  ift  burc^fidbtig,  !lar,  abgerunbet;  nur  feiten  toirb  er 
fd^lcppcnb.  3Ba«  er  bietet  ift  immer  fri)4),  gefällig,  anmutenb,  faum  beeinträchtigt  burc^ 
bie  bem  3^'itgefc^madE  cntfprcdE^cnb  cingeftreuten  geleierten  »^utbaten. 

of)  Xer  ^Jarne  ©er.«  ift  in  bcr  ct)angelifc^)cn  ftircl>c  burcl)  feine  ^ablreid^en  ©c^riften  bi« 
beute  in  gefegnetem  5lnbentcn  crl^altcn  iüorben.  ©eine  ^rcbigtfammlungcn  tragen  in  ber 
^Hnlagc  eine  gciriffe  ©Icicbförmigfcit  an  \\dj,  bie  aber  burdi  erfrifd^enben  ffiec^fel  unb 
!'Kcid/tum  bcr  öcbanfcn  aufgciüogcn  \mx\>.  Sl'cit  U^crtijollcr  finb  bie  ju  einem  9$olf«buc^ 
geworbenen  „Zufälligen  3lnbacl>ten"  (10()7;  'Scrl.  1867,  Saf.  1893),  ju  toeld^en  il^m  bie 


®artlier  <BtnlUtu9  103 

plet(^bcnannte  ärbcit  be«  ©nglänbcr«  ^of.  §att  bic  anregung  gegeben  f)at,  400  ?ßarabc(n, 
m  benen  tj^m  bie  ®rfc^einungen  be§  ^Ratur^  unb  be^  3Kenf4)enlcben«  jur  fic^tbarcn  SRebc 
tDcrben,  bic  er  in  fc^Iid^ter,  aber  begeifterter  ©})rac^e  mit  tief|)oetif(^ev  2luffaffung  ben 
3Renf(i^en  bolmetfc^t.  (gbenfo  l^at  bie  au^  eigener  (Srfal^rung  h)ä^renb  unb  naä)  einer 
Äranf^eit  entftanbener  Schrift  „®ott^oIb«  Sied^^  unb  ©iege^bette"  ben  Seifatt  be§  etjan^  6 
gelifc^en  95oIfe«  gefunben  (neue  2luäg.  ©tuttg.  1870).  2lud^  bie  Chrysologia  cateche- 
tica,  (fieben)  „©olbprebigten  über  bie  $au))tftücfe  be^  lutl^erifc^en  Äated^iömu«"  Derbient 
ertoäl^nt  gu  tüerben  (neue  äugg.  ©tuttg.  1861). 

25or  allem  aber  ift  e^  ba«  großartige,  bi«  je^t  unübertroffene  SBerl  ,,3)er  ©eclen^ 
fc^a^",  burd^  ba«  jt(^  Sa.  ein  too^lDerbiente«,  bleibenbe^  ©ebäd^tni«  geftiftet  l^at  unb  lo 
baö  bieten  ein  gül^rer  auf  bem  §eiIgtoege  getoorben  ift.    6«  ftnb  urf})rünglid^  ^rebigten 
au^  ber  5Kagbeburger  ^eii,  jebod^  f})äter  überarbeitet  unb  erweitert,  in  ber  gegenwärtigen 
©eftalt  erbauliche  Vorträge,  gu  benen  ftc^  ber  t>orangefteIIte  3:ejt  nur  ate  ein  me^r  ober 
Weniger  entfprec^enbe«  5I)cotto  berl^ält.    2)a«  SBerf  erf^ien  1675—1692;    neuere  2tu«= 
gaben  bon  SRub.  ©tier,  §annober  1847/52  unb  Sremen  1848/54,  unb  SSerlin  1852/53  i5 
3  8be.    S)er  ©eelenfc^a^  „befc^reibt  ben  2Beg  einer  ©eele  au3  i^rem  ßlenb   big  in  bie 
^enlic^Ieit  be«  etoigen  fieben«   hinein.    3lu«ge^enb  öon  bem  Slbel  unferer  ©eele  fül^rt 
un«  ©er.  burc^  ba«  3:obe«t^al  ber  menfd^lid^en  ©ünbennot  über  ben   fteilen  S3erg  ber 
Süße  ju  ben  lichten  ^ö^en  beö  ©laubeng,  ben  $fab  be«  fieben«  entlang  an  atten  c^rift- 
liefen  3;ugenben  borbei,   mitten  burc^  ba«  5Jleer  ber  S^rübfale  unb  ber  fd^Werften  3tns2o 
fe<|tungen  an  ba«  3:^or  be«  3:obe«  unb  l^inburd^  gu  ber  ©eligfeit  bei  bem  §errn  in  bie 
©tabt  ber  golbenen  ©äffen  ...    6«  ift   eine  S?erfnüt)fung  bogmatifc^er  unb   etbifd^er 
eiemente,  nad^  hergebrachtem  ©})ra^gebraud^:   ein  3:eil  ber  c^riftlic^en  ©lauben^le^re  in 
organischer  Serbinbung  mit   einer  })0})ulären  SKoralt^eoIogie.    Unb  ba«  alle«  Don   einer 
ruhigen,  ebel-einförmigen  3)arfteHung  getragen.   6«  ift  bem  fiefer,  al«  ftänbe  er  an  einem  26 
breiten,  öoHen  ©trom,  auf  Welchem  ^errlic^e  ©d^ä^e  langfam,  fic^tbar  na^e  tjorübergefü^rt 
werben,  beren  2lnblic!  fic^  unau«Iöfc^Ii(^  in  ba«  $erj  ein})rägt". 

3lud^  al«  3)id^ter  geiftlic^er  fiieber  l^at  ftc^  ©er.  berfud^t*    fie  ftnb   jebod^  Don  ge^ 
ringerem aBerte;  bie  befannteften  fmb:  „3;efu,  meiner  ©eele  fieben  2c."  unb  „2)er  lieben 
©onne  fiic^t  unb  ^rad^t  2c".    SSgl.  Älaiber  a.  a.  D.  5,  825  ff.  unb  Äoc^,  Rird^enlieb,  9o 
3.  «ufl.  4,  91.  92.  4^rrma««  »erf. 

®CltIttttt9  (©d^ultetu«),  aibral^am,  geft.  1624.  —  De  curiculo  vitae  iraprimis 
vero  de  actis  Pragensibus  Abr.  Sculteti  Narratio  apologetica,  (gmbcn  1625,  4°;  fiei(6en= 
örebigt  am  29.  Oft.  1624  über  2  ^or.  6,  3—10  \>on  Srlcbric^  Salmut^  gegolten,  (Jmbcn 
1625,  4**;  (£b.  SRcincvd,  Oostvrieschlandts  Kerkelyke  Geschiedenisse,  Groniog.  1738  f.  95 
II.  deel  p.  4398qq.;  9lrtifcl  ^^Scultetue"  in  SSa^Ie«  DictionDaire  unb  ^oogftraten«  Allgemeen 
Woordenboek,  ^Imfterbam,  Utrecht  unb  ^aa^  1733.  S3crjelc^ni«  feiner  @(!)riften  bei  gö^cr  IV, 
©.  450 f.;  euno  in  b.  ?lb©  XXXIII,  @.  492 ff. 

©eborcn  ben  24.  Stuguft  1566  ju  ©rüneberg  in  ©d^Iefien,  Wo  fein  33ater  unb  nad^= 
^er  fein  Sruber  angefe^ene  bürgerliche  2tmter  belleibeten,  bef ud^te  31.  ©cultetu«  juerft  40 
bie  ©d^ule  feiner  SSaterftabt  unb  begab  ftd^  ju  feiner  Weiteren  atu«bilbung  1582  nad^ 
93re«Iau,  War  ober  laum  l^ier  l^eimifd^  geworben,  al«  eine  geuer«brunft  feine  SSaterftabt 
in  SCfc^e  legte,  unb  er  infolge  befjen  öon  feinem  aSater,  ber  bei  bem  Sranbe  fein  SSer^ 
mögen  eingebüßt  ifatU,  nad^  §aufe  gerufen  Würbe,  um  ba«  ©tubium  mit  bem  §anbwerl 
ju  bertaufd^en.  ®r  l^atte  inbe«  ba«  ®lücf,  in  bem  ©rüneberg  benad^barten  gre^ftabt  45 
eine  §au«Ie^rerftene  ju  finben  unb  burfte  nun  ani)  bie  bortige  ©c^ule  befuc^en,  bejog 
bann  1585  ba«  unter  ber  fieitung  be«  fiorem  fiubwig,  eine«  3öglin0^  ^on  5Welanc^tl^on, 
blü^enbe  ©^mnaftum  ju  ©örli^  in  ber  fiauft^,  ging  1588,  t)on  einem  abeligen  ©önner 
unterftü^t,  nac^  bem  unter  ß^ftian  I.  (1586—91)  für  furje  ^^xi  Wieber  })^ili}3Viftifd^«n 
Wittenberg  unb  enblic^  1590  nac^  ^eibclberg.  SBäl^rcnb  er  bie  öffentlid^en  SSorlefungen  ßo 
befud^te,  erteilte  er  ^ier,  Wie  fd^on  ju  ©örli^  unb  2Bittenberg,  Unterrid^t  in  feinem  §aufe, 
unb  feine  ^ribatleftionen  Waren  t)on  abeligen  ©tubenten  au«  granfreic^,  ©nglanb  unb 
®eutf erlaub  fel^  gefud^t.  1591  promovierte  er  gum  TOagifter  unb  em})fing  1594,  fd^on 
burc^  mel^rere  mit  SBeifaD  aufgenommene  ©c^riften  bcfannt  unb  al«  ^rcbigcr  gern  gehört, 
bie  Drbination  ^um  ^fanbienft,  ben  er  ^uerft  ju  ©c^rie«l^eim  unWeit  $eibelberg  tjer-  66 
tüotttU,  Würbe  aber  fc^on  nad^  Wenigen  Monaten  üon  Äurfürft  ^riebric^  IV.  ^um  Sc^lo^^ 
Utplan  berufen,  1598  bon  ber  ©c^lo^fird^e  an  bic  Sarfü^erfird^e  in  |)eibelberg  t)erfe$t, 
jlWei  ^afyct  fpöter  Äird^enrat,  $farr-  unb  ©c^ulinfpeftor,  1614  nad^  "ipitiöcu«  2:ob  beffen 
Slac^olger  al«  ^ofprebiger   unb    1618  ^ßrofeffor   ber  X^eologie   an   ber  UniDerfität. 


104  ®atUftitd  @ebafHatt 

gtoifc^cnburc^  finbcn  h^ir  \\)n  auf  Sleijcn  unb  mit  toid^tigen  3Kifftoncn  betraut.  Sluf  einer 
folc^en  9leifc  toax  e^,  tüo  er  im  ^af)x  1596  ju  ©jjeier  im  ©aftl^of  jum  ^ed&t  mit  ©amuel 
§u6er  jufammentraf  unb  mit  bemfelben,  in  ©egentoart  ber  lut^erifd^en  ©tabtöeiftlid^feit 
über  bic  ^räbeftination  bi«j)utierte  (f.  »b  VIII,  ©.411,  43).    3m  3.  1610  beöleitctc  er 

oben  J^^ten  Gl^riftian  bon  Slnl^alt  in  ben  gwlic^fc^en  Ärieg;  1612  ging  er  im  ©efolge 
beg  ^urfürften  griebrid^  V.  ju  beffen  SSermä^lung  mit  ber  brittifc^en  ^rinjcffm  Slifabeti^ 
nad^  (Snglanb;  1614  tourbe  er  an  ben  branbenburgifd^en  ^of  berufen,  um  ben  jur 
reformierten  Äonfeffion  übergetretenen  Jlurfürften  ^o^ann  ©igi^munb  in  ber  Orbnung 
ber  firc^Iic^en  Slngelegenl^eiten  feinet  Sanbe^  mit  feinem  9lat  ju  unterftü^en;  1618  too^nte 

10  er  al«  vfäljifc^er  3)e})utierter  mit  ^einric^  Sllting  unb  $aul  Xoffanu«  ber  S)orbre<l^tcr 
©^nobe  bei;  1619  begleitete  er  bie  furfürftlic^en  ©efanbten  jur  Äaifernja^l  nac^  %xanU 
fürt;  1620  folgte  er  feinem  Äurfürften,  nad^bem  berfelbe  bie  böl^mifd^e  Ärone  angenommen 
^atte,  nac^  $tag,  um  in  bie  ^ataftroj)l^e,  bic  nac^  ber  ©c^la(^t  am  SBeifecnberge 
(8.  9Jobember  1620)  über  feinen  §erm,   über  Sö^men  unb  bie  5ßfalj  hereinbrach,   mit 

iB  Dertoicfelt  ju  toerben.  2ttö  er  eilig  bon  $rag  geflol^en  auf  einem  Umh)eg  über  ©d^Icjten 
unb  Sranbenburg  h)ieber  nac^  $eibelberg  gelangte,  toar  ^ier  fc^on  feine«  SIeiben«  ntd^t 
me^r.  @r  begab  ftc^  mit  ben  ©einen  ^uerft  nad^  Sretten,  bann  nac^  ©d^omborf  im 
SBürttembergif^en.  §ier  eneic^te  il^n  im  ^af)xt  1622  ein  9luf  ju  einer  ^rebigerfteÖe  in 
(Smbcn,  bem  er  mit  ©riaubni«  be«  bertriebenen  Äurfürften  folgte.    ®r  ift  aber  in  biefem 

20  neu  gefunbenen  Slf^^l  fd^on  nac^  ih)ei  3<»^^^"/  ^^  24.  DItober  1624,  geftorben.  —  äl« 
^Prebiger,  Äirc^enmann  unb  ©ele^rter  berühmt,  jäl^lte  ©cultetuig  ju  ben  angefel^enften 
reformierten  il^eologen  feiner  3^^*  ^"^  P^"^  ^^^  ^^"  bebeutenbften  9Känncm  feiner 
Äonfeffton  in  35eutf^lanb,  §ottanb,  ©nglanb  unb  ber  ©d^h)eij  in  38erfe^r.  SSemerfcn«' 
h)ert  ift  nod^  feine  Beteiligung  an  ben  bom  Äurfürften  unb   feinen  ^eologen  längere 

26  3^it  ebenfo  eifrig  betriebenen  toie  lutl^erifd^erfeit«  bel^arrlic^  jurüdtgeloiefenen  irenif^en 
^erfuc^en.  (Segen  bie  3Sorh)ürfe  unb  ©c^mä^ungen,  bie  i^n  nac^  bem  ^rager  Unglütf 
namentli^  auc^  üon  feiten  ber  Sut^eraner  trafen,  f)at  er  ftc^  in  toürbigem  lonc  öcrant- 
toortct  in  ber  nac^  feinem  3:obe  l^erau^gefommenen  Narratio  apolo^etica  (f.  0.). 
2lu^crbem   l^at  er  noc^  eine  Sleil^e  bon  ©d^riften   ^interlaffen,   polemif^e,    ^iftorifc^e, 

soa^fetifd^e  u.  a.  m.,  bon  benen  tt)ir  nennen:  Ethicorum  libri  duo,  tDie  Sphaericonim 
libri  tres  (ein  Sel^rbud^  ber  Slftronomie)  an^  ^eibetberger  ^ribatborlefungen  entftanben, 
3.  ed.  1614.  ferner  ^rebigten^inb  Sieben,  augfül^rlid^e  ^rebigtentlüürfe  ju  gamen  Sü^em 
ber  hl.  ©c^rift  (Idea  concionum  in  Jesaiam,  in  Psalmos,  in  epist.  ad  Hebraeos,  ad 
Romanos),  eine  Äirc^enl)oftitle  (Betrachtungen  über  bie  6bangelien}3eriIo))en,  ju  $eibel= 

36  berg  gehalten),  juerft  erfdbienen  1611  unb  nac^^er  öfter  toieber  aufgelegt,  in  mel^rcre 
©l^ra^cn  überfe^t  unb  am  16.  5Wai  1613  ju  Slom  auf  ben  ^nbej  gebracht,  ßnblic^ 
feine  beiben  ^au))ttoer!e:  1.  Medullae  theologiae  patrum  syntagma,  h)obon  k)ier 
3:eile  in  4^  erjc^ienen,  l.Il.,  ämberg  1598,  4.  ed.  1613,  2.  St.,  5Reuftabt  a.  b.  $arbt 
1605,  3.21.,  ebenbafelbft  1609,  4.  IL,  öcibelberg  1613,  granffurter  äu«aabe  be«  gangen 

40  SBerte«  1634,  eine  gelehrte  unb  in  i^rer  3trt  berbienftlid^e,  tDieh)ol^l  nacij  ber  SBetfe  ber 
geit  tDeitfc^toeifige  unb  fonfeffioneD  tcnbenjiöfc  ^arfteDung  ber  ^atriftifc^en  Sl^eologie 
mit  fc^arfer  ^olemif  gegen  Setiarmin,  Saroniu«  u.  a.  SRomaniften;  2.  Annalium 
evangelii  passim  per  Europam  15.  salutis  partae  seculo  renovati  dec^s  1.  et  2. 
(ab  anno  1516—36),  §eibelberg  1618  unb  20,  eine  Sleformation^efc^id^te,  bon  ber  ba« 

46  übrige  3Kanuftri})t  auf  ber  ^Präger  %l\xd)i  verloren  ging.  SHaStt  f« 

©eboftiouuö,  ber  9Jlart^rer.  —  Ouetlen  unb  neuere  ßitteratur:  I.  3)a8 
bürftic^e  Ouellenmateriat  roivb  am  beften  unmittelbar  in  bic  3)arftellunfl  felbft  t^erfloc^ten. 

II.  g.  X.  Ärau^,  Roma  Sotterranea,  2.  51.,  greiburq  i.  S3r.  1879,  ©.  119,  133,  181, 
518;  berf.,  ^Irt.  ©ebnftianuö,  m^.  U,  ßieferg.  15,  6.  747 f.;  $aul  ^/lllorb,  La  pera^ut.  de 

öODiocl^tien  I,  ^^^ariS  1890,  ©.  131  f.;  ^J^ott^aft,  Bibliotheca  bist.  II,  2.  ?l.,  ©.1566 f.;  ©fi^r, 
®efd)id)te  ber  römifd)en  Literatur,  S.  259;  2BiI^.  ^öottenbad),  3)eutf(6tanbd  QJejc^ic^töquclIen, 
6.  ?(.  I,  8.  199.  211,  II,  e.  176  ^3lnm.  4;  granj  ©örveg,  2)ie  anöebacl)c  ^riftenüerfolgung 
j^ur  3eit  ber  Si-aifcr  9iumerinnuö  unb  ßarinuS,  QwZt)  XXIII,  1880,  $.  1,  6.  31—64,  ^.2, 
S.  165—197,  jumal  43—47;  ber).,  Sebaftianu^  ...  in  ®efcl)ic^tc,  ßegenbe  u.  Äunft,   Sprtb 

55  XIII,  3.  511—518  eiiifd)!. 

©emi^  ift  ©cbaftianu^,  ber  ^atron  ber  ©c^ü^engilbcn,  beffen  gürbitte  frül^er  in  la-- 
tbolifcben  ©cgcnben  auc^  Dictfac^  gegen  bie  ^eft  angerufen  lourbe,  eine  gefc^id^tU^e 
$erfönlid)feit,  ein  ioirflicber  Slut^euge,  aber  freilid^  auc^  nid;t  Diel  mel^r  ate  bieSE^t^ 
facl)c   fcinc!^  *3JJartVriumö   tä^t   fiel)   autbcntifd;  belegen,    ©cbon  im  älteften  Äalenber 

w)  ber  römifc^cn  (S^riftengemeinbe,   in  ber  fog.  „Depositio  martyrum"   ber  Itberia- 


eekafHatt  106 

nifc^cn  ß^ronil  t>om  ^al}xc  354,  Ipirb  unter  bem  20.  S^J^^ö^  ^^^  Scftattung  unfere^ 
3Rart^rerd  in  ben  5tatafomben  ermäl^nt  (XIII.  Kai.  Febr.  .  .  .  Sebastian!  in  Gata- 
cumbas",  %.  X.  Ärau^,  Roma  Sott.,  2. 2tufl.  Seil.  IX,  ©.  598).  ämbroftu«,  ber  bic 
Sofaltrabition  ferner  Ätrd^c  genau  fennen  mufete,  bejeugt  bereite  gegen  6nbe  bed 
4.  3<»^.if^^'^i>^^t«/  ^ofe  Sebaftianu«  ein  gebomer  3RaiIänber  toar,  ju  5Rom  bag  b 
üJtarti^rtum  erlitt  unb  fc^on  bamaUin  feiner  norbitalifc^en  ^eimat  anbäc^tig  Dere^ 
tourbe  (Psalmus  118,  sermo  20,  Nr.  44,  ed.  MPLXIV,  ©.1497.  ®er  20.  Januar, 
toeil  fotoo^l  burc^  ben  älteften  ^auj^tftäbtifc^en  Äalenber  aU  and)  burd^  Slmbroftu«  bejeugt, 
ift  ber  richtige  3:obe«tag  be«  berül^mten  ^eiligen.* 

S)ieg  SDSenige  ift  aUe^,   h)a«  aug  feinem  Seben  unantaftbar  feftftel^t;    alle«  Slnbere,  lo. 
toa^  man  t>on  i^m  erjäl^U,  beruht  auf  SRifeöcrftänbni«  unb  g'^^w»"  ^ber  ift  bod^  minbe« 
fienö  gtoeifel^ft.    ^mn  biefe  S^ac^ric^ten   ftü^en  fic^  nur  auf  bie  Autorität  ber  älften 
unfcreö  3Hailänber«;  biefe  fmb  aber  gefälfd^t.    golgenbe«  meine  ®rünbe:  S)ie  acta  s. 
Sebasüani  (ASB  s.  20.  Jan.)  entl^alten,  ganj  abgefel^en  Don  ben  ftc^  barin  breit  mad^en« 
ben  3KiraIeln  unb  ^Waffenbefel^rungen,  eine  folc^e  Sütte  ber  unglaublic^ften  Ungefd^id^t^  i5 
lic^Ieiten,  bafe  fte,  toenn  auc^  t^ielleid^t  fc^on  ju  llnfang  be«  5.  Sö^r^unbert«  nieber^ 
gefc^irieben,  unmöglich   afe  Driginalurlunbe  gelten  lönnen.    2)a  fotten  bie  Sw^^^^ötoren 
ßottnug  (282—285)  unb  5DiofIetian  (284—305,  geft.  313)  eine  geit  lang  al«  frieblid^e 
ÄoDegen  jufammen  regiert  ^aben.    2)ie ©efd^ic^tc  le^rt  aber,  bafe I)iofletian  im  ©egen? 
faft  gu  garinu«  erft  burc^  beffen  Sefeitigung  gur  Sltlein^errfc^aft  gelangt  ift   (ögl.  Vo- 20 
piscus,  Carin.  c.  18,  Eutrop.  IX,  c.  13,  Aur.  Victor  de  Gaess.  c.  XXXIX,  Oros. 
VII,  16).    2)a  toirb  femer  öorauggefe^t,  3)iofletian  ^ätte  fd^on  Dor  bem  Untergange  be« 
ßarinu«  ben  SRajimianu«  $erfuliu«  gum  3Hitregenten   angenommen.    3!)ie  Seförberung 
be«  le^teren  jur  ÄaifertDürbe  erfolgte  aber  erft  nac^  bem  iobe  be«  Garinu«  (Dgl.  Eutrop. 
IX  c.  13,  14,  Vict.  Gaess.  c.  XXXIX,  epit.  c.  XXXVIII.  XXXIX,  Eusebü  chron.  25 
Hieronymo  interprete  ad  a.  Gh.  289.  290,  ©.  582,  ed.  Migne).    SBeiter  Reifet  e« 
ba,  3)io!letian  f)ätU  im  Anfang  feiner  Stegierung  jugleid^  mit  5Rajimian  ju  9lom  refi« 
biert!  ^a&  lä^t  fid^  aber  mit  J^ilfe  be«  e^ten  Cluetlenmateriate  nid^t  belegen;   ber  be* 
rüc^tigte  ß^riftenöerfolger  ift  nad^tDeiglic^  nur  einmal,  unb  jtüar  erft  gegen  @nbe  feiner 
SRcgierung  (in  9lobember  303)  nac^  ber  eh)igen  ©tabt  gef ommen,  h)o  er  nebft  SRajimian  90 
feine  Sicennalien  unb  einen  glän^enben  3^rium})^  über  bie  h)äl^renb   einer  langen  glor« 
reichen  Äerrf(^aft  niebergetoorfenen  5Reic^«feinbe,   jumal   über  bie  Werfer  unb  ®ermanen, 
feierte;  fonft  refibierte  er  im  fernen  Dften  ju  9liIomebien,  anfangt  aud^  ^äufig  ju  ©irs 
mium  in^annonien  (bgl.  I^ctant.  mortes,  ed.  Sam.  Brandt,  c.  14.  17;  Eus.  chron. 
ad  a.  Chr.  307  p.  582,  Eutrop.  IX,  16).  Ungefd^ic^tlid^  ift  auc^  bie  Angabe  ber  so 
afcen  (c.  XVIII,  §§  65,  p.  275  A),    Sarinu^  fei  gu  Waing  ermorbet  h)orben  („Igitur 
Carino  occiso  in  civitate  Maguntiaco"  etc.).    ßarinu«  unterlag  öielmel^r  in  ber 
9läl^e  ber  obermöftfd^en  ©tabt  3Rargu«  (tjgl.  Vop.  Garin.  c.  18;  Eutrop.  IX,  c.  13; 
Vict.  Gaess.  c.  XXXIX).    gnblic^  ift  in  ben  Sllten  bie  5ttebe  Don  einer  äufeerft  l^eftigen 
6^riftent)erfolgung,  bie  fd^on  286,  mit  allgemeinem  D))ferjtt)ang  öerbunben,  m  5ttom  geraft  40 
l^oben  foO  (c.  XVIII,  §§  65,  p.  275A);  bie  3eitgenoffen  ©ufebiu^  unb  Sactanj  ba* 
tieren  aber  ben  3)iofletian=©turm  erft  auf  bie  ^a^re  303  unb  304!  9latürlid^  lann  ba« 
fläglid^e  5Kad^h)erI,  h)ie  u.  a.  ^ottl^aft  a.a.  D.  geglaubt  f)at,  unmöglich  öon  einem  21ms 
brofiu«  l^errül^ren. 

golgenbe  brei  Weitere  3)aten  au«  bem  fieben  ©ebaftian«  gelten  Don  je^er  in  ben  40 
toeiteften  Äreifen  gleic^fatl«  ateburd^au«gefc^id^tlic^:  1.  5ßie gijierung  feine«  3Rar^ 
t^rium«  auf  SDiofletian«  er  fte  3legierung«|^eit,  2.  bafe  er  Offizier  ber  !aif  erliefen  2eib= 
garbe  getüefen,  unb  3.  Dor  allem,  bafe  er  im  Äoloffeum  mtt  Pfeilen  erfd^offen 
hjurbe.  3i)a  aber  alle  brei  Angaben  lebiglic^  ben  gef äl festen  2Ktcn  entlel^nt  fmb, 
fo  l^aben  toir  auc^  biefe ©injel^eitcn  al«  unverbürgt  ju  betrad^ten;  fjjejieU  ift  ba  noc^  50 
golgenbe«ju  bemerlen:  3"  1-  ®ö«  3:obe«ia^r  bc«  2Railänber«  läfet  ftd^  nic^t  mel^r  er* 
ntitteln.  ^afe  er  ein  Dt)fer  ber  großen  biofletianifcben  ikrfotgung  (303  ff.)  getDorben, 
ift  nur  eine  nicbt  ganj  untoal^fd^einlid^e  Vermutung,  gu  3.  2)ie  2!obe«ftrafe  be«  ©r« 
fc^iefeen«  mit  Pfeilen  War  im  römifc^en  Äriminalrec^t,  fo  hjeit  c«  auf  bie  ßl^riften,  gegen 
bie  ber  römifc^e  ©taat  al«  ^JJajcftätöDerbrec^cr  (maiestatis  rei),  Seugner  ber  ©taat«=  65 
gott^eiten  (sacrilegi),  Seförberer  einer  Derbrcc^crifd^en  5Wagie,  enblic^  al«  2Ritglieber  einer 
ftaaüic^  unjuläfftgen  9leligion«gefelIfc^aft  einfc^ritt,  Slnhjenbung  fanb,  nic^t  t)orgefel)en. 
3|n  ben  3)tgeften  unb  ben  „Receptae  sententiae"  be«  "iJSaullu«  begegnen  fol= 
genbe  2;obc«ftraf en :  ßntl^aujjtung,  Äreujigung,  ber  „Äamj)f"  mit  ben  Seftien  be^^irfu« 
ober  be«  9lmj)^it^eater«,  ber  geuertob,  enblic^  ba«  prügeln  bi«  auf  ben  lob  (=  fustu-  go 


106  SeiafHatt  Sebafrod  S^mtneted 

ärium,  mcift  ungcl&orfamen  ©flauen  ober  ©olbaten  borbeJ^altcn !),   aber  ba^  ©rjc^iefeen 
mit  Pfeilen  finbet  fic^  nid^t  unter  biefen  bratonifcben  ©trafbeftimmungen. 

Sebaftian  l}at  an  ber  alten  via  Appia  füb=füböftUc^  öon  SRom  feine  ^Mul^eftätte  ge= 
funben  (f.  g.X.Ärau^,  K.R.S.S  ©.  133.  517 ff.  unb   ben  ©ituation«|)lan  ber  römifc^en 

5Äatafomben,  gcjeic^net  Don  5.  LÄraui^  am  ©c^Iu|  berKR.S.*).  Über  ein  5!Rofaif= 
j)ortrait  be^  ßeiligen  ettoa  an^  bcm  ^abre  682  in  ber  römifc^en  Äirc^e  S.  Pietro  in 
Vincoli  finbet  f\ä)  bei  %,  X.  Ärau^  (RM.  II,  3trt.  ©ebaftianu«,  ©.  747 f.:  \>qI  ani^ 
Slrt.  ^Kofaif  Don  genfer  unb  Ärau^,  ebcnba,  ©.  429  B,  abfc^n.  e,  5Rr.  4)  folgenbe  be^ 
ac^tengtoerte  9?otij:  „3n  biefe  ^Ät  fällt  bann  auc^  tüo^I  baö  t>on  ^a^jft  Slgatl^on  l^ierl^er 

10  (b.  1^.  nad^  ber  Äirc^e  S.  Pietro  in  Vincoli)  überbrachte  3J?ofaif  auf  bem  älltar  (im 
(infen  ©eitenfd^iff  gegenüber  ber  fiebenten  ©äule)  .  .  .  3!)ag  SBerf  eine«  Sateiner^  jcigt 
e^  bie  b^^antinifc^en  ginflüffe  ber  f})ätraDennatifd^en  9)lofaiImaIerei:  3)er  ^eilige  ift 
nid^t,  toic  if^n  bie  Kunft  ber  Slenaifjance  barjuftellen  beliebt,  natft  unb  jung,  fonbem  a\^ 
bärtiger  reifer  Wann  öorgefteHt,   mit  langem  SRantel,  gefc^mücfter  ^oftrac^t,  5Rimbu§, 

16  in  ber  Siechten  ein  S)iabem  tragenb  .  .  .  ®arftcllungen  ber  ©ujct^  au«  ben 
erften  6  3<*^r^unberten  finb  nic^t  befannt".  2luf  bie  Ärau^'fd^e  2lbbilbung 
(gig.  445,  Sb  II,  ©.  748)  t>erioeifenb,  betone  ic^,  ba^  ba  leine  ©pur  eine«  bie  angeb= 
lic^e  2^obe«art  ober  Dielmel^r  (im©inne  ber3Ktcn)  5)Jarter  be«  ^eiligen  f^mbolifterenben 
5ßfeile«  ju  feigen  ift;  genfer  a.  a.  D.  c^arafteriftert  unfer  5WofaiIj)ortrait  treffenb,   toie 

20  folgt:  „ber  ^l.  ©ebaftianu«  in  reid^em,  Iriegerifd^en  ©c^mudf,  aber  fteifer  Haltung". 

9tatt§  ®3rred. 

Sebafloö  Älimtnete«,  neugricc^ifd^er  I^eolog,  geft.  1702.    —    ßitteratur: 

gabriciu«,  Bibliotheca  Graeca  ed.  ^arle^,  ©b  11,  8.531  unb  634;  ficgvanb,  Bibliographie 

Hell^nique  1895,  53b  3,  @.  47  unb  62;  @at^a«,  NFosXkrjnxrj  ^doXoyia  1868,  6.  377;  ^. 

26  3-  ©CbCüUr   Xgoriy.(i  r/y^-  nnToiagxcif'jc:  lixadtjfua^-  1883,  @.  108 ff.;    6.  %fj.  ^riafibcS,    Bto- 

ygaqnat  tcov  ex  TganE^^ovvTog  —  d.To  rijq  dXcooeoK  fJexQi<i  i'jjlkov  dxfiaodviwv  Xoyion'  xta.  ^t^en 

1897,  S.  62  ff.;  ^attcnbufcl),  fiefjrbud)  ber  Dergl.  SeonfeffionStunbc  1892,  6.  413 f.  (£in  »rief 
Don  ©.  in  ^ExxAtjo.  \Ah]i)Eia  VIII,  @.  92.  Seine  ?Berfe  unten. 

©ebafto«  au«  il^mina  bei  3^ra)}ejunt,  babcr  aud^  ^minete«  (Ä^minitc«)  ober  %xccp^'^ 

30  juntio«  ober  mit  beiben  9?amen  genannt,  ift  geboren   1630   unb   erl^ielt  feine  Silbung 

tool^l  nur  in  ber  ^eimat,  nic^t  im  Slbenblanbe.    "^m  ^a^re  1671  Seiter  ber  gricci^ifd^en 

$atriarc^at«fc^ule  m  Äonftantinojjel,  toar  er  fjjäter  in   gleicher  Stellung   in  ^^ra^e^unt 

unb  Sufareft  tl^ätig  unb  ftarb  an  bem  jule^t  genannten  Orte   am  6.  ©et)temb€r  1702. 

©.  gehört  ju  ben  tüd^tigen,  baterlanb«liebenben  griecbifc^en  ^^eologen  be«  17.  ^ahx- 

36  ^unbert«,  bie  burc^  bie  Slnbai^nung  einer  böseren  Silbung  ben  geiftigen  Stuffc^tDung  ibre« 
SSolfe«  im  18.  ^a^r^unbert  t)orbereitetcn.  3"9^ci^  ^^^  ^^  ^^^  energifc^er  ^olemiler  bem 
einbringen  abenblänbifcber  Ideologie  in  oie  ortl^oboje  Äir^e  getoe^rt.  ©eine  SBerfe 
finbcn  fic^,  teitoeife  nod^  in  2tutogra}3l^en,  in  ben  3;rapejuntifd^en  Sibliot^elen  unb  in 
ber  be«  2)letoc^ion«   be«  l^eiligen  ®rabflofter«    in  Äonftantino))el.    §erau«gegeben   finb 

40  nur  menige.  ^abriciu«  unb  ©atba«  nennen  ein  'EoQjokdyiov^  ba«  1701  in  Sufareft 
l^erau«fam  (mir  unjugänglid^).  (Sine  getoiffc  SJebeutung  in  ber  ort^obojen  Äird^e  l^ai 
nod^  je^t  feine zlo7//aTtx^  didaoxaXia  — ,  nepiEyovoa  xax*  i^algexov  Xoyov  xQta^ivd' 
TiQcbxoVf  Tloxe  fuxaßdlXovxai  rd  äyia  Eig  2!cjüiua  xal  al/bia  Xgiaxov'  devxegoVf  "Oxi 
?}  0€ox6xog  vTiixeixo  xco  JigoJiaxogixcü  äuagxijfiaxi '    Kai  Tglxov,  ''Oxi  al  /uepideg 

ibov  jueraßdUorrai  eig  ^cojua  x(u  al/ua  kgioxov'  etc.,  Sufarcft  1703.  S)a«  Sucb 
ift  naö)  bem  lobe  be«  S.  uon  feinen  ^rcunben  ^erau«gegeben,  namentlid^  t>on  bem  ärjte 
gjobannc«  au«  Gpl^eju«  (©.  84).  2)ie  meiften  ßremplare  finb  (auf  bem  3:itel)  bem 
^atriard^en  ^Dofit^eo«  t)on  ^^ufalem  geh)ibmet,  einige  '^IJeter  bem  (Srofeen.  6«  gehört  ju 
bem  j?oftbumen  ßbarafter  bc«  iBerfc«,  ba§  ber  ^nbalt  n)cnig  georbnet  ift  unb  !einc«n)eg« 

60  bem  litel  entf})ri4)t.  Den  testen  3lbfd^nitt,  ber  eine  ^olcmit  gegen  ein  nid^t  genannte«, 
1628  in  ^^abua  erfc^icncne«  fatbolifc^e«  33ud^  entl)ält,  fcbreibt  Qat\:)a^  bem  ^atriarcben 
SDofitbeo«  lu.  5(ber  aud;  bie  ^ajjitel  tjon  ©.  85  an  finb  mir  j^toeifcl^aft.  S^^^^f^ß« 
finb  fie  nid;t  in  ber  tjorliegcnben  föeftalt  au^  ber  gebcr  bc«  ©.  ^ert)orgegangen,  fonbem 
t?on  ben  .^crau«gcbern  bearbeitet.     3lbcr  and)  nid^t  einmal  bie  erfte  Partie  be«  Su(^e« 

65  ftimmt  mit  bem  litel,  benn  ber  2lb)d)nitt  über  bie  /ufoidegf  ber  auc^  auffattenb  furj  ift, 
nimmt  fd)on  bie  ^^iDeite  Stellung  ein.  Der  ^snbalt  greift  fcBr  in  bie  bamaligen  t^eo^ 
logifc^en  Streitfragen  ein.  Son^obl  bie  römifd[>e  al«  aud>  bie  j3roteftantifc^e  (reformierte) 
Äirdie  bcbauj)teten  bie  Übereinftimmung  ber  griednfcben  i^ircbcnlebre  mit  ber  i^ren,  toenig- 
ften«  in  bielen  i|iunlten.    9Jamentlid;  l?aubeltc  e«  fid;  um  bie  J^age  nad^  ber  orlJ^obojen 


SeiapoS  ft^mineted  Seina  107 

Slbcnbmal^fölel^re.  ©o  rid^tet  benn  ©.  namentlich  fein  Seftreben  barauf,  gegen  bie  römifd^c 
unb  gegen  bie  broteftantifc^e  Slbenbrnal^telei^e  ju  Jjroteftieren,  bie  ort{)oboje  barjuftetten 
unb  ate  bie  richtige  gu  betüeifen.  6d  tüirb  im  einzelnen  geleiert,  baft  bie  3Serh)anbIung 
ber  ßlemente  bur^  bie  ©piflefe  be^  l^eiligen  ©eifte^  erfolgt,  h?ie  c«  ja  bie  ortl^oboje 
Siturgte  an  bie  Äanb  giebt  unb  ba^  bie  fXEQideg  nic^t  beriDanbelt  toerben.  ©egen  bie  6 
Äatl^olifen  richtet  ftd^  befonberö  bie  ©rörterung,  ob  unb  toie  bie  Jungfrau  teil  l^abe  an 
ber  grbfünbe.  2)ie  ©ntfd^eibung  ge^t  bal^in,  bafe  bie  gu^öfröu  toie  alle  ^Jlenfd^cn  in 
©ünben  geboren,  aber  burc^  ben  EvayyeXiofidg  bon  ber  ©rbfünbe  befreit  fei,  h?ie  bie 
ß^riften  burc^  bie  ^iaufe.  3)er  f})ätere  größere  3:eil  be^  Suc^e^,  ber  toon  ben  i^erau«^ 
q^thccn  bearbeitet  ui  fein  fc^eint,  bel^anbelt  bicfelben  plagen.  I)er  fat^olifd^e  ®egner,  ben  lo 
©.  befonberg  im  SKuge  ^at,  ift  SRicparb  Simon,  trcic^er  namentlich  bei  ber  öerauögabe 
ber  ©c^riften  be«  ©abriel  ©etoeru«  (öal.  33b  VI  ©.  327  f.)  ben  3orn  ber  Drtl^obojen 
auf  pc^  gelaben  l^atte.  3"  bemerfen  ift,  bafe  ©.  nid^t  aüein  bie  alten  9?äter  al«  Slutoris 
täten  citiert,  fonbem  auc|  f})ätere  unb  neuere,  toie  9lif olao^  Äabaftlaö,  9lifoIao^  toon  ^We^ 
t^one,  ©Vmeon  ben  neuen  S^eologen,  ©^meon  bon  3:l^effaIonic^,  ©abriet  ©eberuö  unb  i6 
®oftt^eo^  t)on  ^e^fö'e'"-  3)ie  Streitfrage  über  ba^  Slbenbmal^I  erörtert  ©.  aud^  in 
einem  langem  ©c^reiben  an  ben  nad()maligen  Patriarchen  G^n^fantl^o^  bon  3«nifalem. 
'Exxlfja.  *Ali^'»€ta  I,  2,  ©.  245—46  unb  253—54.  Unebiert  fmb  eine  SReil^e  anberer 
©d^riften,  toie  über  bie  ngövoia,  über  bad  ?Dlönc^gIeben,  ^ßrcbigten  u.  a.  ©eine  iJ^ilo^ 
foj)^ifd^en  ©d^riften  bienen  ber  SSerbreitung  be«J  lirc^Iic^en  ätriftoteliömu«.    ¥^.  SJle^er.     20 

Sebna,  ber  SRajorbomud  be«  Äönig«  §i«fia.  —  ßittcratur:  3ef22, 15 
biö  25;  36,3.  11.  22;  37,2;  2 «g  18, 18.  26.  37;  19,2.  —  SSgl.  meine  in  ©acftfec«  äcitfcbr. 
für  ¥aftoral=2t)eoI.  XXIV.gaferg.,  ©.557—573.  631— 640,  \)oröer  in  cnglifcfter  UcbcrfeSung 
ju  Söicago  (American  Journal  of  Theol.  1901,  p.  43—74)  erfd^ienenc  f leine  gjionoqrap^ic, 
b.  ^.  meinen  im  3a6rc  1899  ocrfaBten,  biö^er  aber  toenig  beachteten  93ctt)ei«,  ba&  f amtliche  26 
elf  ©(ölugöcrfc  öon  S^f  22  nod)  bem  SSorgange  ber  meiften  frübercn  ^uSIcgcv  mit  ©efeniuS 
unb  (groalb  auf  8ebna  bcjogen  roerben  muffen.  SSgl.  ferner  aufter  ben  5?ommcntaren  j^u  3ef 
unb  %  fotoic  ?l.  Äuenenö  $lftorifcb=fritifci)  Onbcrsocf  (Selben  1889,  6.  67—69)  ben  ?luffaj 
eb.  Äönig«  über  @ebna  unb  (Sliafim  in  GngeftotbtS  92f3  (1902,  ©.  621—631)  unb  3SiIbcs 
bocrd  Sittcratur  be^  "Kl^,  ©.  168  (®öttingen  1895  ober  1905).  so 

%üx  ben  neunmal  in  ber  Sibel  toorfommenben  unb  bei  Sutl^er  ©ebna  l^eiftenben 
g»ann  ift  »jrd  bie  getoö^nlic^e  9lamen^form  (fo  3ief22,  15;  86,3.  11.  22;  37,2; 
2  Äg  18,  37;  19,  2),  toä^renb  ?^2nd  ftc^nuran  ben  beibengtetten  2  Äg  18, 18.  26  finbet. 
Dfö^aufen  (fiel^rbuc^  ber  l^ebr.  ©]prad[)e,  ©.  618)  meinte,  ber  9Iame  f^eine  mit  berSitt= 
j)artifel  (=  ^5"^^)  gebilbet,  unb  bie  ©ntftebung  toäre  bon  einem  rein  gufäHigen  Üm^  35 
ftanbe  abzuleiten,  ©etoife  ift  bie  Sebeutung  bei^  ffiorte^  böHig  bunfel;  an  eine  3i»"P^ös 
titoform  brandet  man  aber  nid^t  mit  SSitringa  ^n  benfen,  ber  fie  fogar  bon  nnd  ableiten 
tooHte.  ©ic^er  ift,  bafe  bie  SBejeid^nung  r^sn-br  •cn  in  ^i^f  22,  15,  bie  nirgenbö  im 
2313:  einen  Semjjelborfteber  bebeutet,  ben  irrige  Sluffaffung  fd^on  frül^  ^ier  finben  tootite, 
ben  ©ebna  aU  einen  ^o^en  toeltlid^en  ^Beamten  auetoeift,  toofür  auc^  in  33. 21  ff.  ber  40 
3ufammen^ang  unfere«  ©tüdtd  beutlic^  fprid^t.  SRiebm  (§anbtoörterbud^ ',  ©.645.1466) 
fc^liefet  au^  ber  ertoäl^nten  Sejeic^nung  too^l  mit  ^Ked^t,  baft  ©ebna  baburd^  al^  ber  bem 
Äönige  fel^r  na^e  fte^enbe  erfte  ©taat^beamtc  ober  l^öd^fte  ©taat^minifter  bejeic^net  toirb. 
giac^  ®en  41,  40  f^t  ber  ^^J^arao  ben  ^o\^pi}  über  fein  ^axi^  unb  tocift  i^m  baburd^ 
bie  bem  Äönig^t^on  junäc^ft  fte^enbe  ©teile  an.  3(l^nlicf)c^  crgicbt  fic^  tool^l  au«  1  Äg  46 
4,  6;  18,  3;  2  Jtg  15,  5;  bgl.  auc^  bie  intereffantc  Unterfud^ung  be«  auf  ber  Surg  bon 
üKegibbo  gefunbenen  alt^ebräifd^en  ©iegel«  öon  6.  Äau^fc^  in  ben  3Kt  unb  5Jad^ric^ten 
be«  beutfc^en  5ß3S  1904,  ©.  12  f.  aJlüffen  toir  ©ebna  al«  l^o^en  ©taat^beamten  be:: 
trad^ten,  fo  unterliegt  e«  anbererfeit«  feinem  3^^'^f<^^  ^^6  ^  ^^"  homo  novus  toar; 
ba«  gel^t  fd^on  au«  bem  geilen  bc«  SSatemamen«  an  allen  neun  ©teilen  l^eröor.  gerner  50 
jeigt  ba«  breimalige  „l^ier"  (35.16)  im33eginn  bon  o^f^ja^  ^cftig  tabelnber  Slnrebe,  ba^ 
ber  mächtige  (Smjjorfömmling  l^ier  urfj)rünglic^  nid^t  ju  §aufe  toar,  fonbem  ein  familien^ 
lofer  ©inbringling,  toie  ®.  21.  ©mitb  ibn  treffcnb  nennt,  ber  fiel)  in  9i^"f<^Ic"^  feftfe^en 
tooHte,  inbem  er  ftc^  ein  große«  ©rab  au«^auen  liefe,  bgl.  1  iSlat  13,  25  ff. 

Unter  freiem  ^immel  toirb  '^c\aia  (22,  15)  bem  ©ebna  mit  berSotfc^aft  „be«$@rrn,  66 
gal^toe«  ber  ^eerfdparen"  entgegengetreten  fein,  bermutlid^  in  ©egcntoart  unb  jur  großen 
Ueberrafc^ung  be«  i?önig«  §i«Iia  unb  be«  C^Ijafim,  ber  an  ©ebna«  ©teile  nun  'üJ^ajor^ 
bomu«  toerben  foHte.  $or  bem  5Jamen  ©ebna«  unb  ber  S3ejeic6nung  feiner  ffiürbe  lefen 
toir,  al«  foHte  ein  unberfennbare«  3cicf)cn  ber  ©eringfc^ä^ung  (bgl.  ^ef  6,  9;  1  ©a  lo,  27) 
öorau«gel^en,  ben  burc^  ba«  nacljgefe^te  ^^^n  Deräc^tli(^  borgebracbten  iitel  "r.^r?,  b.  b.  eo 


108  Sebna 

33eforgcr  ober  2?etn)alter,  togl.  33umcV,  Notes  on  the  Hebrew  Text  of  the  Books 
of  Kings,  p.  2.  6b.  Äönig  tüill  ben  3:itcl  toon  ber  fi^ejieücn  SBertüaltung  beö  Iömg= 
liefen  §ofcd  tferftel^en  unb  möchte  aud  bem  nac^gcfe^tcn  „biefcr"  fogar  folgern,  ba^  ©cbna 
fte  ftc^  angemaßt  l^abc,  h)ic  ,,er  in  ber  §öl^e  be^  Reifen«,  toal^rfc^einlic^   in  ben  oberen 

6  Seilen  beö  3ion,  in  ber  9Jäl^e  ber  ßönigggräber  (togl.  2  6^r  32,  33),  ftd^  eine  ©ruft 
l^atte  au^l^auen  laffen".  3)arin  aber  \)ai  6b.  Äönig  unjtüeifell^aft  9led^t,  bafe  er  nic^t 
mit  6l^e^ne  pc  ju  bem  afj^rifc^en  §akänu  ftettt  (t>gl.  ©.30*  in  ©c^raber«  KB,  93b  V), 
fonbem  a.  a.  D.  auf  ©.  35*  ba«  ju  ber  1  Äg  1,  2  borlommenben  toeiblid^en  gorm 
paffenbe  aff^rif^e  SBort  finbet.    3"  35.  16  barf  ber  Übergang  auö  ber  jtüeiten   in  bic 

10  britte  5ßerfon  ebenfaÜ«  alö  3^^^^*^  ^^  ©eringfc^ä^ung  gelten,  bgl.  ®en  49,  4.  SBic  ®en 
31,  18  unb  45,  17  nel^men  h)ir  Nia  am  beften  in  ber  häufig  borfommenben  Sebeutung 
„ftd^  l^inbegeben"  unb  jä^Ien  mit  ©iegfrieb-©tabe«  Süörterbuc^  (©.  513)  55.  15  gu  ben 
©teilen,  in  benen  bie  feine^tüeg«  feltene  3Serh>eci^dIung  gtüifd^en  hy  unb  b»  eingetreten  ift. 
9?on  bicfem  einzigen  Jtonfonanten  abgefel^en,   beft^en  h)ir  ben  %^  ber  11  ©d^Iufeöerfe 

16  Don  3^f22  m.  6.  gan)j  fo,  h)ic  ber$roi)l^et  il^n  m  einem  3"g^  gef einrieben  f^at  fflenn 
bagegen  I)ul^m  u.  a.,  toeil  fte  ben  bojjjjelten  2itcl  nid^t  richtig  auffaffen,  fd^on  bic  bon  i^nen 
afö  Ueberfc^rift  betrad^teten,  auf  J^J"  folgenben  SQBorte  bem  S^faja  abfprec^cn,  alfo  ben 
Eigennamen  be«  gmjjorlömmling«  unb  bie  Sejeic^nung  feiner  SBürbe  ftreid^ien,  ate  ^ötte 
man  mit2)ul^m  ju  fagen:  „S^f^^'ö  brauchte  benSWann  nid^t  gu  nennen,  tocil  er  natürlich 

20  jebem  Stirger  beüannt  toar",  fo  liegt  boc^  bie  SBiÜlür  einer  fold^en  annähme  auf  ber 
§anb.  3)u^m  meint:  „3)er  ©ammler  l^at  nic^t  bemerft,  bafe  bie  Unterfd^rift  (fate  biefe 
nic^t  erft  nad^träglic^  gefc^rieben  ift)  an  ba«  6nbe  toon  S.  15  geraten  ift";  treffcnb  aber 
bemerft  Gl^e^ne  gegen  folc^e  grunblofe  3SerftümmeIung  be^  })roJ)l^etifd5>en  ©tüdf«,  c5  fei 
nid^t  ju  bejtüeifeln,  „bafe  bie  SSei^fagung,  h)ie  bie  legten  2ßorte  bon  38. 15  befagcn,  fu^ 

26  auf  ©ebna  begiel^t,  unb  bafe  er  ®Ijatimd  Vorgänger  tnar".  9latürlid^  h)ar  biefcr  Sliafim 
bereit«  toor  feiner  ©rl^ebung  auf  ©ebna«  ©teHc  ein  l^oc^angefel^encr  9)lann  unb  icbem 
SBürger  in  g^ufalem  mol^Ibefannt,  nic^t  blo^  bem  Könige  unb  bem  ganzen  §ofe,  unb 
man  mu^te  rec^t  gut,  ba^  bie  ätbfe^ung  ©ebna«  eine  l^albe  ^IJaferegel  getoefen  toäre, 
l^ätte  er  nic^t  einem  beffem  9Jad^foIger  $la^  mad^en   muffen,  ben  ^t\aia  35.  20   einen 

30  ßned^t  3a^be«  nennt,  nad^bem  er  SB.  18  ben  mit  Slbfe^ung  unb  3:ob  im  ©jil  bcbrol^ten 
©ebna,  eth)a  bei  Seftc^tigung  ber  eben  fertig  merbenben  bornebmen  ©rabftättc  unb  üor 
nic^t  toenigen  3u^örem,  aU  bie  ©c^anbe  be«  Äönig^l^aufe«  gebranbmarft  l^atte. 

©el^en  h)ir  ab  bon  ber  fonftigen  ®rh)äl^nung  ©ebna«,   fo   gel^ört  ber  3lbfd^nitt  3^f 
22, 15—26  getoi^  ju  ben  befter^altenen  unb  fprad^Iid^  leic^teften  ©tüden  bc«  gangen  912«. 

86  3)aran  fann  un«  aud^  ein  SlidE  auf  ^mx  merlküürbige  Überfefeungen  t>on  S.  17  nic^t 
irre  machen,  bie  neuerbing«  aufgetaucht  fmb.  ßrinnem  fie  mid^  boc^  an  bie  merftüürbige 
Überfefeung  bon  „9lebufabnejar"  burc^  „'^atoh  Äaifer",  bie  id^  ®uft.  S5aur  berbanfc  unb 
nad^  93ätl^gen«  ©rflärung  einiger  Notarika  (3bm®  1903,  ©.  371  f.)  I^ier  too^l  mit^ 
teilen  barf;  ber  ^umortooße  2eij)jiger  Äoßege  erjäl^Ite  mir  nämlic^,  bafe  ba«  bo})^eIte  nc 

40  gleich  ^a  fei,  bufab  ober  ^erumgebrel^t  cai^ut  glcid^  fob,  enblid^  jar  gleidj^  Äaifer.  äte 
lennjeid^nenber  5iame  toürbe  ber  tejtfritifd^en  ^^af)m^di  ober  ®ott=erbarm«=9Ketl^obe 
bieHeic^t  bie  gjofob^ÄaifersSWetl^obe  entf))red^en,  bie  in  ber  §anbl^abung  ber  aftralsm^t^o- 
logifc^en  SBeltauffaflung  burcf^  §.  SBindfler,  aifreb  Seremia«  (2)a«  212:  im  Sid^tc  be« 
alten  Orient«,  1904,  ©.  238  ff.  329)  u.  a.  je^t  at)ologetifd^  bertoertet  tüirb,  mag  ouc^ 

46  biefe  tro^  aller  ^^antafterei  finnreid^e  iDfet^obe  in  b.  DreÜi«  fd^onenber  Äritif  (2^SS3l 
1904,  ©1).  485)  al«  „SJcrirrung  be«  ejegetifc^en  ®efd^madE«"  bejeic^net  Serben.  3^  ^^^ 
Gl^e^ne«  burc^  bie  ^^«^"^^^"^^tl^obe  getüonnenc  Überfe^ung  in  ber  21^eol.  9tunbf(^u 
(1905,  ©.  103  ff.)  mitgeteilt  unb  bie  me^r  tragif^e  benn  lomifclje  2eEtt)erbre^ung  al« 
gefc^macflofen  SBa^nglauben  bebaucrt.    Grträglid^er,  aber  boc^  fomif^  ift  bic  mit  gcld^- 

öotem  Slüftjcug  in  ©tabe«  3eitfc^rift  1904,  ©.  106,  117  ff.  burc^  b.  ®all  bargebotene 
Raffung,  bie  auf  ba«  (p&eigiCeiv  ber  LXX  ju  ^er  43,  12  geftü^t  ift,  toäl^rcnb  bic  bon 
^i^ig,  Xeli^fd^  u.  a.  gegebene  Sluffaffung  bon  rrj^  mir  (bgl.  ©ac^^e«  3^f^^-  l^Ol, 
©.  572)  bofltommen  genügt.  2)er  aufmertfame  Sefer,  ber  ben  ßljafim  al«  frommen 
'Jflann  (3S.  20)  unb  al«  einen  aSatcr  (i^.  21)  ober  Söo^lt^äter  ber   ju  Serufolem  3Bo^* 

66  nenben  unb  be«  §aufe«  ^v!t>a  (3?.  21)  bcfd^rieben  fielet,  ti>irb  barau«  bei  ©Ijafim«  25ors 
ganger  leidet  auf  ba«  ®egenteil  biefcr  2ugenben  fc^lic^cn  unb  bei  ©ebna  ÜRangcl  an 
®otte«furd^t  unb  fc^lüere  Sebrüdfung  be«  9]olfe«  borau«fefcen.  @r  tüirb  \a  fd^tocrlic^  in 
bem  „jjater"  einen  2itel  crblicfcn,  fonbern  an  ben  3)üfebrauc^  ber  3lmt«gch)alt  bcnfen, 
ben  ^cbna  perfönlicl)  ober  h)obl  nod;  me^r  burd;  bie   bon   i^m  beförberten   unlpürbigen 

60  ©ünftlinge  au«übte.    3Kit  ©ebna«  2)egrabation   mu^tc  aud;   ber   fd^limme  ©nflu^  ber 


@eiita  109 

ganjcn  ©i})})fci^aft  ein  Snbc  nehmen,  bie  ftd^  an  il^n  gelängt  ^atte.  3""^^^^  über 
ben  göttlichen  SBiUen  bergetüiffert,  l^at  ^^]a\a  im  Flamen  ^af)\üt^  felber  bem  ©etoalt^aber 
bic  ©träfe  ber  balbigen  äbfe^ung  öon  feinem  ^ol^en  2lmte  berfünbigt,  unb  §i^fia  i}ai 
Tvi)  bem  geiftlic^en  Sfeiffcn  barin  gefügt,  bafe  er  ben  ßljafim  an  ©ebnad  ©teile  treten 
liefe.  2)iefe  ©tette  h)ar  erlebigt,  fobalb  ©ebna  treggefd^leubert  tüurbe  in  ba«  ferne  ©jil,  6 
toörtlid^  (ögl.  g.  33.  ®en  34,  21)  ,,ein  nac^  beiben  ©eiten  tüeite«  2anb",  tüobei  l^ier  an 
bie  am  @m)^rat  unb  ligri^  tüeitl^in  ftd^  au^bel^nenben  ßbenen  ju  benlen  ift.  SBa^r^ 
fd^einlid^  toar  ©ebna  ba^  ^axüpt  ber  gegen  Slff^rien  auf  ^g^jjjten  fic^  ftü^enben  Partei, 
bic  unfer  $ro})^et  fo  eifrig  befämj)fte.  ©ic^cr  aber  toiffen  h)ir,  ba|  e^  aufeer  ber  Se* 
bro^ung  Btbna^  in  ber  übrigen  proi^l^etifc^en  Sitteratur  nic^t  an  äBei^fagungen  fel^lt,  bie  lo 
eingclnc  ^erfonen  betreffen,  bgl.  am  7, 17;  3er  28, 15 ff.;  29,  21  ff.;  39, 15 ff. 

gine  ©c^tüierigfeit  entfielt  nun  baburc^,  bafe  nac^  3^f  36,  3  unb  ben  ^ßaraHelfteHen 
©ebna,  bem  ^efaja  boc^  {Rap.  22, 18)  äbfefeung  unb  lob  im  ßjil  angebro^t  l^atte,  gur 
3eit  ber  Sebrängung  9;«nifalem«  burd^  ben  Slff^rerfönig  ©anl^erib  im  ^öl^re  701  b.  6l^r. 
blofe  in  bem  geringeren  Stange  eine^  ©taatgfd^reiber^   ober  einfadj^en  SWinifter«  erfc^eint.  15 
2)er  einbrucf  mangelhafter  SrfüHung  tritt  aber  gurücf  bor  ber  boj)})elten  ©rtoägung,  bafe 
mit  ©ebna^  ßerabfe^ung  auf  bie  geringere  ©teile  fein  böfer  ßinflufe  leicht  gebrochen  toar, 
unb  bafe  bie  llnnal^me  völliger  Erfüllung  ber  SGBei^fagung,  bie  ja  feine  SBal^rfagung  ift, 
befanntlic^  (bgl.  9;er  18,  7  ff.)   überl^auj)t   nic^t  ben  llnfjjruc^   erl^eben  barf,  eine   not= 
toenbige  ^forberung  gu  fein.    2llg  gefc^id^tlid^  öerfal^renbe  3lu«leger  fönnen  toir  alfo  un^  ao 
mögli^  ben  ga^lreic^en  ©elel^rten  guftimmen,  bie  in  3^]f  22  einen  anbem  ©ebna  fuc^en 
aU  in  ben  übrigen  ©teilen,  b.  f),  unter  bemfclben  Äönige  §i^fia  gtoei  fel^r  ^ol^e  ©taat«s 
beamte  annehmen,  bie  beibe  ben  fo  feltenen  5iamen  ©ebna  gehabt  l^ätten.    2)ie  logifdj^ 
benfbare  §^^otl^efe  t>on  einem  anbem  ©ebna   toerioec^felt  in  unerlaubter  SBeife  bie  ab^ 
ftralte  aWöglid^feit  mit  ber  nac^  aller  SBa^rfd^einlic^feit  allein  giltigen  t^atfäd^lid^en  unb  25 
für  bie  aBiffenfd^aft  au^fd^liefelid^  in  Setrac^t  lommenben  Söirllid^feit.    @ine  anbere  SSer* 
inung  be«  ejeaetifc^en  ©efc^macf^  i^at,  toie  bie  ©efc^ic^tc  ber  Slu^legung  betoeift,   nod^ 
fd^äblic^er  getoirft.    ^ä)  meine  bie  falfc^e  Segiel^ung  be«  ©d^lufeberfe«  (^ef  22,  25)   auf 
ben  Sljafim,   bie  nad)  bem  3:argum  unb  ^ieron^mu«  befonber«  einflußreich  burd^  §i^ig 
bertreten  tourbe,  toä^renb  fie  mir  (anber«  in  93unfen^  Sibeltoerf,  93b  6,  ©.  287)  ftet«  so 
aU  ein  gtoar  nal^e  liegenber,  aber  rec^t  bebenfli^er  ejegetifc^er  Irrtum  erfc^ienen  ift. 

e«  ift  nic^t  richtig,  ba|  in  ber  golge  auc^  eijafim  ^^\aia^  ^offnung  fd^lec^t  erfüllt 
^e,  toie  auö  bem  nac^träglid^^en  2ln^ange  l^erborge^e.  ßb.  Äönig  teilt  mit  §i^ig  bie 
55egie^ung  bon  9S.  25  auf  Sljafim,  überjtel^t  aber,  baß  nac^  §i^ig^  Stuftest  ber  9ia^trag 
bon  ^c\a\a  felbft  gefc^rieben  toäre,  unb  greift  mit  b.  DreHi  (Äurggef.  Äommentar  gu  3ef  S6 
3.  Slufl.  1904)  unb  mand^em  neueren  Slu^leger  gu  ber  noc^  toeniger  natürlid^en  2lnnal^me, 
bafe  2{.  24  tro^  be«  g.  93.  3er  20,9»  felf^lenben  „toenn"  eine  fonbitionale  3lugfage  fei, 
gu  ber  9S.  25  ben  9iac^fa$  bilbe.  äl^nlid^  meint  93aubiffin  (Einleitung,  £eij)gig  1901, 
©.  365  f.),  bem  ßljafim  toerbe  mit  ber  9?erfünbigung  feiner  (Srl^ebung  gu^leic^  eine 
3)rol^ung  gegeben  für  ben  %aü,  ha%  er  ftc^  bicfer  ßr^ebung  ni^t  toürbig  getgen  foHte,  40 
unb  tüill  nid^t  einmal  bie  ^tj'ipoti)^]^  Äuenen^  au^fc^liefeen,  nac^  ber  in  bem  gef^ic^tlid^en 
93erid^t  eine  93ertt)ec^felung  ber  beiben  §ofämter  ftattgefunbcn  ^ätte.  2)er  Slaum  berbietet 
^ier  bie  (Erörterung  ber  t|örid^ten  ßinfäUe,  bie  Äemj)er  guUerton  in  feinem  romanl^aften 
Sluffa^e  A  new  chapter  out  of  the  life  of  Isaiah  (Am.  J.  of  Theol.  1905,  ©.  621 
bi^  642)  borgebrac^t  l^at,  unb  aller  fonftigen  3trtümer,  in  bie  tüd^tige  ©jegeten  berfaHen  finb,  46 
g.  93.  ber  fprad^toibrigen  Sel^aui^tung,  bie  änfang^toorte  bon  9[5.  25  (am  felbigen  Sage), 
bie  nac^  gefunber  aiuelegung  auf  9S.  20  gurüdtblicfen  unb  ©leid^geitigfeit  au^brücten, 
tonnten  gleich  „bann"  gefaßt  toerben.  2)ul^mö  3tufftetlungen  barf  id^  aber  um  fo  toeniger 
überael^en,  al^  fte,  toie  b.  Oretli  treffenb  fagt  „mit  fuggeftiber  Straft  auf  bie  Äritif  unb 
Auflegung  feiner  5iac^folger  eingctoirft  l^aben",  nic^t  nur  eine^  ßl^e^ne,  fonbem  audj^  50 
auf  bie  bon  ©iefebrec^t,  SKarti,  93eer  (Äurge^  93ibeltoörterbuc^,  Tübingen  1903,  ©.  600) 
u.  f.  to.  fjür  Dul^m  nämlid^  unb  feine  9iad^folger  fmb  toefentlid^  ec^t  nur  bie  4  erften 
ber  11  SSerfe,  an  bie  fic^  gu  t>erfc^iebenen  3^i^^^  gtoeiS^fÄfee  angefd^loffen  j^aben  foÖen, 
8.  19—23  bon  einem  ^reunbe  unb  3S.  24  f.  bon  einem  ®egner  beö  Sljafim.  greilic^ 
finbe  ic^  im  allgemeinen  mit  3tlfreb  ^Kal^If^  (®g3t  1903,  ©.  611  f.)  bie  neuerbing^  bon  66 
mand^en  Äritifern  gur  (Entfernung  bon  allerlei  änftö^en  geübte  „©äuberung  be«  Sejte«", 
bei  ber  bann  „aUeig  fo  fc^ön  Ilappt",  recljt  bebenllid^  unb  meine,  eine  §^i)ot^efe  toerbe 
baburd^,  ba^  bie  eine  (^Jloffterung  bie  anbere  nac^  ftc^  giel^e,  nur  bergtoidfter  unb  untoa^r^ 
fc^einlic^er.  2)ag  gilt  im  befonberen  bon  2)ul^m^  (Srllärung  unfere^  ätbfc^nitte«,  obgleid^ 
er  mit  Siecht  einerfeit^  nic^t^  babon  toiffen  toill,  baft  bem  frommen  ©Ijafim  gugleic^  eo 


110  Seina  Sedeitborf 

mit  feiner  ©rl^ebung  5lej)oti^mu^  borgch)orfen  unb  fein  Sturj  angefünbigt  toärc,  unb 
anbererfeit^  folgerichtig  bie  Sinl(|eitlici^Ieit  ber  9lbfaffung  aufgiebt,  toeil  er  ben  falfd^  bon 
$i^ig  angenommenen  SBiberfprud^  jtüifc^en  33.  25  unb  23  meinte  billigen  ^u  muffen. 
Sreffenb  tpeift  ©iefebrec^t  auf  bie  in  i^.  20—23  au^efproc^ene  innere  Sfnteilna^me  ^in, 

6  auf  bie  breite,  trol^lgefätlige  ©d^ilberung  ber  ^«^«ftitur  eijafim«  mit  ben  äb^cic^cn  beö 
©ebna  unb  bie  §ert)orl^ebung  ber  feften  Stellung,  bie  ßljafim  einnehmen  foü.  ©agcgen 
entbecft  nur  inige  2lu^legung  in  33.  24  ben  5Jei)otigmu^  ©Ijafim«,  unb  nur  33oreins 
genommen^eit  fann  ftd^  bem  (Sinbrud  nic^t  entjiel^cn,  bafe  bie  äBorte  unb  33ilber  einen 
fjjöttifc^en  ß^arafter  tragen.    Dl}m  Slüdft^t  auf  ben  balb  ju  ftürjenben  Slnl^ang  ©cbna^ 

10  toürbe  ^^\aia,  toie  ®h)alb  fein  bemerlt,  „fc^tüerlic^  gerabe  ben  3lnl^ang  feineiS  fünftigen 
^Wac^folger^  jum  üorau^  ertoä^nt  l^aben".  33ei  (Sljanm  lann  ^^]aia  bon  ber  ßerrlic^feit 
be^  §aufeö  feinet  3Saterg,  ber  ja  bei  ©ebna  fel^lt,  fo  reben,  bafe  er  in  bem  fcinedtüeg^ 
^ä^lid^en  33ilbe  ber  ebeln  unb  ber  tüilben  ©Jjrö^linge  ben  ganjen  2lnl^ang  ^ufammenfa^t 
unb  toeiter  bie  geringeren  ©lieber  ber  gamilie   mit  toerfc^iebenen   irbenen  ®efäfeen  »er* 

16  gleid^t,  bie  ein  ©turj  ^erfd^mettert.  3)arum  aber  fd^ilbert  ber  5ßroj)l^et  ben  ®lang,  ben 
Sljafim^  neue  SB^ürbc  auf  feine  gan^e  gamilie  tüirft,  unter  bem  Silbe  be^  Siagel^  ober 
5ßflocf«,  toeil  er  ftc^  bamit  ben  Übergang  gum  25.  3?erfe  bahnen  toiH,  ber  ben  ©turj 
nic^t  nur  beö  ©ebna,  fonbent  aud^  feinet  gangen  änlfiang«  berfünbigt.  5ßidcator  fagt  in 
feinem  Sibeltoerf  (^erborn,  1644)  ju  33.25  furj  unb  bünbig:  PaxiUus  iste]  Praefec- 

20  tus  aulae,  Sebna.  Metaphora  ex  collatione  versus  23,  unb  feine  3lnal^fc  lautet 
flar  unb  richtig:  Depositio  Sebnae  a  praefectura  aulae  indicatur  primo  verbis 
propriis,  V.  19;  deinde  amplificatur  antithesi  disparatorum,  quatenus  prae- 
fectura illa  promittitur  Eljakimo,  V.  20  sqq.  Postremo  illustratur  simili  exem- 
tionis  paxilli  e  pariete,  V.  25. 

26  SBie  tüir  am  ©d^lufe  bon  33.  15  (Dgl.  3ef  8,  19)  ba«  im  ®runbtejte  nic^t  ou^ 
gebrüdEte,  aber  burd^  ben  gufammenl^ang  beutlid^  bargebotene  „unb  fprid^"  l^injubcnfen  (t)gl. 
©efeniu«'  Kommentar  über  3«faia,  ©.  697),  fo  muffen  toir,  toenn  mir  nid^t  medj^onifd^  unb 
oberPäd^lid^  berfal^ren,  f onbem  un^,  toie  ©efeniu^  (©.  694)  ^  au^brüdft,  nur  ^inlänglid^  in 
ben®eift  unb^ttjed  biefe^Drafetö  gu  berfe|en  toiffen,  in  ber  Überfe^ung  bon  33.25  l^inter 

80  nnpnn  bad  beutfc^e  SBörtc^en  „je|t"  einfd[)ieben,  ba«  in  ben  au«  33.  20  mieber^olten 
Söorten  „an  felbigem  2!age"  feine  ejegetifc^e  33egrünbung  finbet.  Dbgleid^  bie  angeblich 
„fonnenflare"  SSejie^ung  Don  %  25  auf  ©IjaÜm  ejegetifd^  falfc^  ift,  toirb  e«  too^l  nic^t 
leicht  an  2lu«legern  fel^lcn,  bie  allerlei  ®rünbe  jur  SJerteibigung  biefe«  3^"^"^^  aufgä^len, 
bielleic^t  nad)  ber  äBeife  ^engftcnberg«  ®rünbe  m  großer  ^^al}l,  ol^ne  ju  bebenfen,  bafe  bie 

86  3Wenge  ber  blofecn  ©c^eingrünbe  niemals  einen  tpirflid^en  ®runb  getoäl^ren  fann.  gc^ 
mu^  e«  mir  berfagen,  auf  bie  Dielen  bon  6b.  Äönig  (©.  624  ff.)  Vorgebrachten  ©c^eim 
grünbe  näber  einjuge^en,  ba  bie  SJJitteilung  einei^  einzigen  m.  (£.  fd^on  genügt;  er  lautet: 
„SSierten«  fonnte,  n)enn  uicbt  ßljafim  fclbft,  fo  boc^  feine  gamilie  getoamt  toerben,  bie 
einflu^rcid^e  ©teßung   ibre«  33ern>anbten   in   falfd^er  2Beife  auszubeuten."    ®eme   aber 

40  eigne  ic^  mir  auö  ben  Jüorten,  mit  toelc^en  grang  2)cli^fd^  bie  (Sjegefe  unfere«  ©tüdf« 
abfc^licfjt,  bie  folgenben  ©ä^c  an:  „^\i  ©ebna  toirflicb  (toaS  aud^  o^ne  ein  afj^rifd^c« 
SolfScEil  benfbar)  in  bie  ®efangenfc^aft  ber  Slff^rer  geraten  unb  fortgefc^le})J)t  toorben? 
Ober  ift  er  bem  gebrol)ten  ©eridjtc  burc^  bußfertige  ©elbftbemütigung  juborgefommen? 
2luf  biefe  unb  anbere  55^agen  fe^lt  unS  bie  2lntti)ort.    3fJur  baS  (Sine  ift  getoife,  bafe  bie 

45  SBeiSfagung  nicfjt  baftel;en  toürbe,  toenn  fie  Urfadl^e  gel^abt  l;ätte,  fic^  i^rer  33erglei(^ung 
mit  ber  ßrfüHung  ju  fc^ämen."  ^bolf  ftamp^avfeii. 

Scrfcnborf,  3Seit  ^'ubtoig  Don,  geft.  1692.  —  g. 3. 58reit^aupt,  Seirfjenprcbigt  ouf 
S?.  S.  ü.  8ecfenborff,  3eil%  1693,  Jol. ;  ei)r.  2:()omQfii,  ,UlQg=  unb  Xrauerrebe  auf  8crfenborff 
in  feinen  SUeinen  teutfc()en  3rf)nften  1721,  9h-.  XIII,  8.  497 ff.;  91.  ©larmunb,  Vitae  claris- 

50  simorum  in  re  litteraria  viroruni  b.  i.  i^ebenöbefcfircibungen,  ^öittenberc;  1711;  S)an.  ©ottfr. 
Sdiveber,  Historia  vitac  ac  meritoruni  Viti  Ludovici  a  öcckendorf,  Lips.  1733;  S4r5(f^, 
^Ibbilbuiigcn  unbi!ebens:beicf)reibunflcn,  2.  ^>^b,  Seip^ig  1790,  8.285;  ifö.  5Kofd)er,  gtuci  fäc^pfd)« 
etaateioirthe  im  IG.  unb  17.  3al)rt).,  "Jlrcf).  f.  fficf)).  ^Jefd).  I.  ^43b  (1863),  6.  376  ff.;  O.  9?ofc» 
mann,   i8.  S.  ü.  Secfenbovf   ^p  XII    (18Ö3),    6.  257  ff.;    3.  %  üon  Öiibetoicj,  Ocfonomifdie 

56  9lnmevfun(\en  über  8ecfenbürff^j  giirftenftaat,  granffurt  1753;  2:()ie(e,  3ur  6f)araftcriftü  bc« 
teut(d)en  gürftenftaat«?  5^.  i3.  u.  3ec!eiibüvff^J,  5)iii^:^burfi  1853,  "ilJroflr.;  JHid).  $a](iner,  Seit 
fiubioig  üon  8ecfenborff  unb  feine  03ebanfcn  über  Crvi^icbun'j^  unb  Ünterrid)t,  Öcipjig  1892, 
5)iif.  (entbölt  bie  befte,  auf  ardiiualifdicn  Sorfd)un(\en  beVu^enbe  Sfi^j^e  feine«  Öeben«^); 
91.  i8ecf,  (frnft  ber  5rommc,  ^ßeimar  1865,  2^^be;    (^'.  5'^ramer,  Vlug.  ^\  grante,  ^allc  1880; 

60  '^'  Sc^raber,  ^ctd)id|te  ber  griebric^ö^Uniuerfität  .^u  ^alle,  iöerliu  1894,  I.  ^b. 


Sedenborf  111 

S3cU  fiubtotg  bon  ©cdfenborf,  bcr  geklärte  ^orfc^cr,  ^ßol^l^ifior  unb  Staatsmann,  ben 
man  immer  mit  ß^ren  nennen  toirb,  \o  lange  man  SHeformationSgefc^id^te  fc^reiben  h?irb, 
ftammte  auS  einem  alten,  in  granfen  toielfad^  angefefjenen  ©efd^lec^te.  3"  Ö^jogen^ 
aurad^  untoeit  (Sriangen  tüurbe  er  am  20.  ^ejeraber  1626  geboren,  h)o  fein  SSater 
goad^im  fiubtrig  üon  ©edtenborf,  §err  bon  Ober jenn,  bem  eigentlid^en  ©tammgut  ber  6 
gamilie,  bamalg  feinen  3Bo^nft^  ^atte.  ©eine  3Kutter,  eine  geborne  ©c^ärtlin  toon  Surten^ 
bad^  ftammte  toon  bem  berül^mten  fjü^rer  gleichen  DJamenö  im  fd^malfalbifd^en  Äriege  ab. 
25eit  Subtoigg  3^0^"^  f^^'  ^"  ^i"^  unruhige,  fd^toere  3^*-  %^^  ^^^^  ^  }w  erfal^ren, 
toag  ber  Ärieg  bebeutet.  31IS  bie  ©c^tüeben  im  ^ai)x^  1631  in  ?franfen  einfielen,  l^ielt 
e«  fein  SSater  toie  biele  anbere  bom  fränÜfd^en  Sibel  für  baS  ©eratenfte,  bei  il^nen  lo 
3)ienfte  gu  nel^men,  unb  trat  in  baö  i?on  §erjog  ßrnft  öon  ©a(^fen=®ot^a,  bem  aSer- 
bünbeten  ©c^toebenS,  geworbene  Slegiment  (togl.  ä.  33edf,  ©rnft  b.  fromme  I,  69).  ©o 
blieb  ber  SKutter,  bie  bem  Später  auf  feinen  Ärieggjügen  bielfac^  folgte,  bie  ©rjiel^ung 
be^  Änaben  überlaffen.  3"  Äoburg,  bann  in  SWü^l^aufen  erbielt  er  ben  erften  Unter« 
ric^t.  3"  ©tfurt  bor  allem,  h?ol(|in  bie  SWuttcr  im  ^al)xz  1636  überfiebelte,  legte  er  is 
ben  ®runb  ^u  feiner  fjjäteren  ©elel^rfamfeit,  tl^at  fic^  auc^  fd^on  ^erbor  burd^  feine 
gertigfeiten  m  ber  gried^ifd^en  unb  franjöftfd^en  ©})rad^e,  unb  fc^on  im  elften  ^af)x^ 
öermodj^te  er,  toie  er  felbft  erjä^lt,  lateinifc^e  Oratiunculas  per  omnia  genera  ju 
fomj)onieren  unb  memoriter  ju  remitieren  (bgl.  I)eutfd^e  Sieben  ©.  61).  SBertboHer  toar 
für  feine  gange  innere  ©nttoidtelung  ber  (Sinflu^  ber  frommen  SWutter,  bie  i^m  jene  tiefe  20 
grömmigfeit  einjjflanUe,  bie  il^n  fein  ganjeö  Seben  lang  auSgeid^nete.  G«  fel^lte  i^m 
nid»t  an  ©önnern.  2lld  ©l^ielgefäl^rte  ber  toürttembergifdf»en  ^ringen  ©^iDiuS  9iimrob 
unb  3Kanfreb  fam  er  im  ^al)x^  1639  toieber  nac^  Äoburg,  too  bamate  §ergog  ßrnft  b.  ^r. 
no(^  gemeinfam  mit  feinen  Srübem  9llbred^t  unb  SBill^elm  §of  ^ielt.  ©eitbem  ^atte  er 
fic^  ber  befonberen  ©unft  biefeS  gürften  p  erfreuen,  ber  i^n  fogleid^  bon  mancher  läftigen  25 
ajienftleiftung  ber  5ßagen  befreite,  um  feinem  Talente  bie  nötige  SJlu^e  gu  geben,  unb 
\i)n  dnbe  beS  ^a^xt^  1640  in  bie  neue  Sleftbenj  ©ot^a  mit  ftc^  na^m,  too  er  am 
6.  gebruar  1641  in  baS  bortige  ®^mnafium  aufgenommen  tourbe.  §ier  toar  eS  neben 
bem  berül^mten  SReftor  ber  ©d^ule,  3lnbreag  Seiner,  bem  Herausgeber  beS  berühmten  ©otl^aer 
,,©(^ulmetl^obuS"  (togl.  $eine,  JHeftor  mag.  SlnbreaS  9lei^^er,  §olgminben  1882  5ßrogr.),  30 
befonberS  ber  Jj^ilologifd^  gebilbete  Sl^eologe  ®cneralfu))erintenbent  ©alomon  ®la^  (bgl. 
b.  2lrt.  33b  VI,  671  f.),  ber  auf  il^n  ben  größten  ßinflu^  getoann.  ©eine  ^^Jrebigten 
fc^rieb  er  nac^,  bon  feiner  ß^egefe,  um  beren  me^r  })bilologif^e  §anb^abung  ©la^  nid^t 
wnbebeutenbe  3Serbienfte  ^at,  fprac^  er  nod^  in  fpäterer  3«t  mit  ftauncnber  Setounberung 
(histor.  Luth.  III,  313).  ®ang  befonberS  toirb  aber  auf  ben  engen  3[5erfe^r  mit  biefem  86 
3^eologen  feine  milbe,  bei  aller  entfd^iebenen  ^ömmigfeit  bod^  ben  tl^eologifc^en  ©treitigs 
fetten  abgeneigte  SRic^tung  jurüdgufül^ren  fein,  bie  fein  ^erborftec^enbfter  ß^araftergug 
tourbe.  Qn  jener  3rit  traf  i^n  unb  feine  gamilie  ein  fc^toerer  ©c^lag.  ©ein  3Sater, 
bcr  fc^on  lange  mit  ber  fd^toebifc^en  Ärieg^fü^rung  unb  ber  Se^anblung  ber  beutfc^en 
Dffijiere  unjufrieben  toar  unb  bamit  umging,  ben  fc^toebifd^en  I)ienft  ju  quittieren,  toar  40 
unöorftd^tig  genug  getoefen,  fic^  fd^on  bor^er  mit  ben  Äaifcrlid^en  einjulaffen.  ©eine 
Sriefe  tourben  aufgefangen,  er  felbft  ^um  2obe  Verurteilt  unb  am  3.5ebruar  1642  auf  bem 
3Kar{te  ju  ©aljtoebel  enthauptet  (togl.  91.  S3robe,  2)ie  fcf^toebifc^e  2lrmee  nac^  bem  ^rager 
^rieben  unb  bie  @ntl^auj)tung  be^  Dbriften  Soact;im  Subtoig  öon  ©edfenborf.  gö'^^^-  ^^ 
^I.  äfabemie  in  ßrfurt,  SJgXXII  [1896],  ©.  11 7  f.).  2lber  man  fc^ä^te  feine  frül^eren  40 
SJerbienfte,  fo  bafe  fid^  gerabe  in  ber  golge  bie  gamilie  eingel^enber  gürforge  toon  feiten 
ber  fc^toebifd^en  ®ro^en  ju  erfreuen  l^atte.  Sorftenfon  felbft  trat  bafür  ein,  unb  bie 
Äönigin  ßl^riftine  toarf  ber  SJfutter  ein  3ifl^^9f^<^It  au^.  i^cit  Subtoigö,  ber  am  6.  SJlai 
1642  bom  ®oü)atx  ®^mnafium  entlaffen  toorben  toar  (Srobe  a.  a.  D.  ©.  150),  nal^m 
fid^  befonberg  ein  Äampfgenoffe  be^  SSaterö  an,  ber  fc^toebifd^e  Dberft  SWortaigne,  ber  eo 
il^nt  auc^  bie  3Rittel  baju  gab,  noc^  in  bemfelben  3>a^re  bie  Unitoerfttät  ©traPurg  ju 
begießen.  Söäl^renb  breier  ^ai^xc  ftubierte  er  bort  neben  $^ilofoj)l^ie  gw^i^l^tubenj  unb 
©efc^i(^te.  3la(i)  feiner  SRüdte^r  t)on  ber  Uniberfität  badete  er  eine  ^txt  lang  baran,  toie 
fein  SSater  bie  militärifd^e  Saufbabn  ein^ufcl^lagen.  ©r  begab  ftc^  nad^  2)armftabt,  too 
ber  Sanbgraf  ®corg  II.  i^m  eine  ^ä^nri(|ftclle  in  feiner  l^eibgarbe  gufic^erte.  ©ein  bäter^  55 
lieber  fjreunb  3Rortaigne  jcbod)  riet  i^m,  bei  ben  SBiffenfc^aften  f^n  bleiben,  toe^l^alb  er 
^Darmftabt  nac^  furjer  ^t\t  herliefe,  um  toicberum  nad^  (Erfurt,  too^l  gur  ^Jortfe^ung  feiner 
©tubien,  ju  geben.  2luf  ber  Steife  berül^rte  er  ©otl^a,  too  er  au^  bci^erjog  ©rnft  bem 
frommen  toorfprac^,  ber  il^n  bei  fid;  bcljklt,  i^n  mm  ^ofjunter  ernannte  unb  i^ugleic^ 
bafür  forgte,  bafe  i^m  bie  gorlfe^ung  feiner  äu^bilbung  ermöglicht  toar.    3!)ie  ©tellung,  co 


112  Sedenborf 

bic  er  junäc^ft  bei leibetc,  toar  eigentümlich  genug.  Site  Sluffel^er  über  bie  Sibliot^el  ^atte 
er  au«  beftimmten  Sudlern  baö  ^Jü^Iic^e  unb  Snterefjante  ^erauöjugte^en  unb  feinem 
^ür[ten  in  SWu^eftunben,  ober  aud^  an  Sonntagen  ober  auc^  auf  Steifen  mitzuteilen,  ein 
Smt,  tooju  i^n  feine  au^erorbentlid^  umfänglid^e  Kenntnis  aud^  ber  mobernen  Qpxad^tn 

6  in  befonberer  Söeife  befähigte.  2)amate  legte  er  ben  ®runb  gu  ben  litterartfc^en  ©amms 
lungen,  bie  man  in  feinen  ©c^riften  bertüertet  finbet.  ^m  gal^re  1648  tüurbe  er  gum 
Jtaii^merjunfer  ernannt,  1652,  obtoo^l  erft  26  ^a^xt  alt,  gum  ©of^  unb  3iwfttticnrat. 
3m  ^ö^Tf^  160^  ^^^  ^  i>on  ber  ^n^tii,  ber  er  jeboc^  noc^  aU  Slid^ter  am  ^ofgeric^t 
in  ^zna  ^af)x^  lang  biente,    ate  ®e^.  §of=  unb  Äammerrat  jur  SSertüaltuna   über,  in 

10  toel^er  Stellung  er  fid^  gam  befonberö  auc^  um  bie  ginangtoirtfc^aft  bee  iSianbed  ber^ 
bient  machte  unb  in  mand^erlei  aud^  bij)lomatifd()en  3lngelegen^eiten  gute  3)ienfte  leiftete, 
toie  nic^t  tüenigeö  bon  bem,  toa^  bie  (Sefc^id^te  an  ber  ^Regierung  §erjog  @mp^  (f.  b. 
2lrt.  33b  V,  477)  in  politifc^er  unb  firc^lid^er  Sßejiel^ung  ju  rül^men  meife,  toenigfteng  in 
ber  fjjäteren  ^^\t  auf  bie  Anregung   feinet  toielfeitigen  Slate^  gurüdiufül^ren  fein  bürfte. 

15  2)a«  Vertrauen  feine«  ?JM*^"/  J"  ^^"^  ^  ^^  engften  SSer^ältni«  ftanb,  e^rte  i^n  im 
^a\)Xi  1664  mit  ber  ^öc^ften  SBürbe  im  Sanbe,  ber  eine«  Äanjler«,  bie  er  ieboc^f,  toie 
er  felbft  angiebt,  toegen  Überbürbung  mit  Oefc^äften  nod^  in  bemfelben  ^a^xt  aufgab, 
um  al«  Äanjler  unb  itonfiftorial})räfibent  in  ben  2)ienft  be«  ^ergog«  3Korfcb  bonSad^fen- 
"^eil  gu  treten,    ^n  biefem  2lmt   verblieb  er  tro^  mancherlei  mi^lid^er  Sser^ältniffe,  bie 


20  il^m  ben  ^ofbienft  bcrleibeten,  au«  Siebe  ju  feinem  §errn,  bi«  il^m  beffen  %o\>  im 
Saläre  1681  bie  ertoünfd^te  ©elegenl^eit  gab,  feine  ämter  in  Sac^fen  (3^^)  niebenulcgen. 
)ba^  il^m  fc^on  frül^  gugleid^  übertragene  9lmt  eine«  £anbfd5>aft«bireftor«  in  Slltenburg 
bel^ielt  er  bei,  ließ  e«  il^m  boc^  3^^^  ""^  ^"6^  gcnuQ/  «uf  feinem  1677  ertoorbcnen 
®ute  3Keufelh)i|  bei  ältenburg   feinen   gelehrten   -Keigungen  ju   leben,     ^^t    enblid^ 

25  fonnte  er,  tronac^  er  fic^  lange  bergeben«  gefeint  l^atte,  an  bie  SSertoertung  feiner  toiffens 
fc^aftlic^en  Sammlungen  unb  ber  reichen  ßrfal^rungen  gelten,  bie  er  in  einem  langen  amt- 
li^en  Seben  in  SSejug  auf  Äird^en^  unb  ©taat«h)efen  fic^  ertüorben  l^tte.  3Kit  ©ele^rten 
berfd^iebenften  ©c^lage«  in  aller  p^xxm  Sänber  unterl^ielt  er  einen  regen  Srieftoec^fel,  bon 
bem  fic^  nod^  einige«  in  bem  Slrc^it)  ber  ©edfenborffc^en  gamilie  in  SWeufeltoi^  ersten 

80  ^at.  3^  ^^^^  ^^  ^^^^  fonjentrierte  fid^  fein  ^Jntereffe  auf  bie  ^age  nad^  bem  SBert 
unbSBefen  })raf tifc^en  ß^riftentum«,  toobei  e«  fic^  getoifferma^en  toon  felbft  ergab,  bafe  er 
mit  folc^en  9)lännern  h)ie  ^ß^ili))})  ^atob  ©bener  in  nähere  Segiel^ungen  trat,  ©ecfenborf 
ift  e«  getoefen,  ber  ©))ener«  33erufung  nac^  3)re«ben  Vermittelte,  wtan  tuirb  i^n  laum 
einen  $ietiften  nennen  bürfen,   obtoo^l  er  u.  a.  ©i^ener«  Serteibigung  gegen  bie  Imago 

:iö  pietatis  übernal^m  („S3crid^t  unb  ©rinnerungen  auf  eine  neulich  im  2)ru4  latcinijrt 
unb  beutfd^  au«geftreute  ©c^rift  Imago  pietatis"  genannt,  mit  einer  SSorrebe  3.  ^. 
©))ener«,  §alle  1692  u.  1713  in  4"),  auc^  beffen  5ßrebigten  über  „be«  t^ätigen  6l^rtften= 
tum«  92oth)enbigf eit  unb  ^toglid^feif'  überf e^te  (Gapita  doctrinae  et  praxis  christianae 
insignia  ex  59  illustribus  N.  Test,  dictis  deducta  et  evangeliis  dominicalibus, 

40  in  (soncionibus  a.  1677,  Francof.  ad  Moen.  habitis  applic^ata  a.  P.  J.  Spenero 
1689).  2Ba«  i^n  an  ber  neuen  Setüegung  anjog  unb  tpa«  i$m  ba«  3Bef entließ jie  baran 
tDar,  tüar  bie  Betonung  Jjraftif^en  G^riftentum«  unb  ber  fittlic^e  6mft.  Dafür  lonnte 
er  fid^  um  fo  me^r  ertoärmen,  al«  er  fc^on  längft  felbft  eine  fold^e  SRic^tung  Verfolgte; 
babei  toar  er  aber  bod^  eine  biel  gu  praJEtifd^  angelegte,  aud;  hitifd^e  9latur,  um  für  ba« 

46  5K^ftifc^e  unb  bie  ®efü^l«feligfeit  im  $icti«mu«  ©^mjiatl^ien  ^u  l^aben.  Dl^ne  g^eifel 
toidE)  er  aud;  barin  toeit  bon  i^m  ab,  ba^  er  nid;t  SÖenige«  für  bie  SSerbefferung  ber 
fird^Iic^en  3"fiönbe  bon  bem  ©taate  ertüartete  (bgl.  auc^  ba«  Urteil  Slafemann«  a.  a.  D. 
267).  2lm  Slbenb  feine«  2^b^n^  tourbc  er  noc^  felbft  in  bie  Setoegung  l^inetngejogcn. 
Äurfürft  ^riebric^  III.  bon  Sranbenburg   l^atte  i^n  am  9.  ©el^tember  (f.  bie  Scftallung 

60  bei  aß.  ©d^raber  a.  a.  D.  II,  361)  „in  änfe^ung  feiner  fonberbaren  ))rubeiu  unb  bestes 
rität"  jum  Äanjier  ber  neuentfte^enben  Unibcrfität  §atlc  ernannt.  2lm  31.  £5ftober  1692 
langte  er  bafelbft  an.  3^"  ertüartetc  bie  fc^mierige  2lufgabe,  bie  ©treitigletten  fjrondte« 
mit  ber  l^aHifc^en  ©tabtgeiftlicf^teit  au«^uglcid^cn,  tooju  er,  toie  6^r.  3;i^omaftu«  in  feiner 
Seid^enrebe  fagt,    „foiool^I  toegen   feiner   langen  6rfa|^rung  bon   ben  ^Mängeln   in   allen 

65  ©tänben,  ber  guten  unb  böfcn  ®ebräucf?e  bei  Uniberfitäten  al«  auc^  toegen  feiner  fonber^ 
liefen  ®abcn,  bie  ®emüter  ber  SRenjc^en  gu  geirinnen,  gefcf^idter  toar  al«  trgenb  ein 
anberer".  SBenigc  SBoc^en  barauf,  am  18. 2)eiembcr  1692,  an  bemfelben  2^ge,  antodd^tm 
ber  bon  i^m  bctüirfte  3tu«glcic^  bon  ben  wandeln  ber  ©tabt  berfünbet  tourbc,  ifl  er 
geftorben. 

60         Xxo^  feiner  bielfcitigen  amtüd^en  Xl^ätigtcit   fanb  er  bocl)   fd^on  in  ®ot^  3^*  i" 


Sedenborf  113 

einer  Stetige  fc^riftfteUerifci^er  arbeiten,  bie  gum  3^cil  aHerbing^  in  unmittelbarer  S5ejiel(|un0 
5U  feinen  amtlid^en  9(ufgaben  ftanben,  j.  S.  {c^rteb  er  im  ^ntereffe  bed  älu^gleic^^  über 
bie  f^age  t)on  bem  @c(|u$rec^t  über  bie  @tabt  @rfurt:  Justitia  protectionis  in  civi- 
tate  Erfurtensi  etc.,  1663,  4^;  Repetita  et  necessaria  defensio  iustae  protec- 
tionis Sazonicae  in  civitate  Erfurtensi,.  1664.  3"  SSerbinbung  mit  mel^reren  anberen  6 
t>erfa^te  er  auf  ^er^oglid^en  93efelS^l:  Schola  latinitatis  ad  copiam  verborum  et 
notitiam  rerum  comparandam,  usui  paedagogico  in  ducatu  Gothano  accom- 
modata  et  edita  iussu  serenissimi  Ducis  Saxoniae  Ernesti,  Gothae  1662.  @eit 
1660  arbeitete  er,  toieberum  auf  ben  SBunfc^  feine«  ^ürften,  an  einem  fpäter  biel  ge- 
brauchten Jtom^enbium  ber  jtirc^engefci^ic^te,  ba«  ft>e)teU  für  ba«  ®V>""^f^u^  i"  &ot\)a  lo 
beftimmt  toar,  unb  toeld^e«,  nac^bem  ©.  felbft  aHerbingg  nur  bie  „Äirc^engefc^ic^te  im 
alten  Sunbe"  bef daneben,  bon  3lrto))oeud  unb  SSöcler  ju  ®nbe  geführt,  im  ga^re  1666 
l^erau^fam:  Compendium  historiae  ecclesiasticae  decreto  serenissimi  Ernesti 
Saxon.  Ducis  in  usum  gymnasii  Gothani,  ex  S.  S.  litteris  et  optimis  aucto- 
ribus  compositum,  Lipsiae  et  Gk)thae  1666  (im  ^al^re  1690  auf  ben  ^nbe^  g^f^t,  i5 
Dgl.  SReufd^,  2)er  Snbej  ber  t)erbotenen  Sucher  II  SSb  [33onn  1885],  ©.  109).  ^m  2Hter 
öon  29  ^afyczn  fd^rieb  er  feinen  „2)eutfd^en  gürftenftaat"  (ber  nic^^t  toie  getoöl^nlid^  an* 
gegeben  erft  1665,  fonbern  fc^on  1656  ba«  erftemal  erfdj^ien),  ein  SBerf,  ba«  ate  eine 
3ht  ^anbbuc^  bed  beutfc^en  Staatsrecht«  aufgefaf^t  tverben  tann  unb  aU  fold^e«  auc^ 
gef4f%  tourbe  (nac^  £.  SRanle,  9?eue  Sucher  Jjreufe.  ®efd5>.  1847,  33b  I,  ©.  54  ba«  ^ur  20 
3eit  be«  großen  Äurfürften  ,,beliebtefte  ^anbbuc^  ber  beutfc^en  ^olitil"),  anbererfeit«  be« 
fonber«  aber  beS^alb  ben  SeifaH  ber  ^^^Ö^off^n  fanb,  toeil  e«  eine  f^ftematifc^e  3"' 
fammenftettung  bon  Siegeln  unb  2}orfc^riften  für  eine  tool^lgeorbnete  3{egierung«j)ra|i«  giebt, 
unb  }h)ar  in  älnlel^nung  an  bie  @runbjä^e  ber  93em?altung  in  bem  bamaligen  ^erjogtum 
®ot^  (au«fül^ri.  barübcr  bei  3ß.  Slofc^er  a.  a.  D.).  ©etoiffermafeen  ate  ©egenftücf  ^ierju  20 
fann  betrachtet  toerben  fein  „ßl^riftenftaat",  toorin  „bon  bem  ßl^riftentum  an  ftd^  felbft,  unb 
beffen  Se^au^jtung  toiber  bie  ät^eiften  unb  bergleid^en  Seute,  toon  ber  SScrbefferung  be« 
aSäeWic^en  unb  be«  ©eiftlid^en  nad^  bem  ^toti  be«  ß^riftentum«  gebanbelt"  wirb.  2)a« 
umfangreiche  SBerf  toar,  jumal  in  feinem  erften  3:eile,  ftüdftüeife  entftanben  au«  3Kits 
teilungen,  bie  ©edfenborf  au«?ßa«cal«  ^enf^e«  (f.b.  3lrt.  5ßa«cal  ©b  XIV,  713, 58  f.)  am  ao 
lifd^e  be«  $ergog«  3Koti$  t)on  ©ac^fen  gemad^t  batte,  über  bie  er  fic^  bann  au«fül^rüd^er 
verbreitete.  6rft  toä^renb  feiner  ^Kufeejeit  in  üJleufeltoi^  fam  er  baju,  ber  ©ac^e  toeiter 
nac^guge^en,  unb  gab  nadj^  längerem  3^0^^  ^"f  ^^"  ^^^  ^^  greunbe,  befonber« 
©})ener«,  bem  er  e«  gur  2)urd^rtd5>t  gegeben,  ba«  äöeri  im  ^dl^xz  1685  ^erau«,  nac^bem 
er  tDeitläufige  „Additiones  gur  Sefräftigung  unb  9{ac^benten  au«  alten  unb  neuen  35 
Autoribus  angehängt''  i^atU.  ^a«  2Berf  l^at  au«gef^roc^enermagen  teil«  eine  apolo- 
getifc^e,  toefentlic^  gegen  ben  2tt^ei«mu«  geric^itetc,  teil«  eine  reformatorifd^e  S^enbeng  unb 
toill  „au«  bem  ®runb  be«  G^riftentum«  jeigen  unb  au«fü^ren,  toie  ben  Dielen  unb  großen 
geilem  in  allen  ©tänben  eben  baburd^  am  beften  abgu^elfen  tüäre,  toenn  ber  ®runb  ber 
©ottfeligfeit  red^t  betrachtet,  unb  beffen  §auptgh)edf  gur  SRic^tfd^nur  aller  menfd^lic^en  ^ 
aitioncn  bor  Stugcn  gehalten  tüürbe''.  Rvl  biefcm  6nbe  l^anbelt  er,  nad^bem  er  in  äln^ 
lel^nung  an  $a«cal  gegeigt,  toorin  ba«  ß^riftentum  „toiber  bie  3ltl^eiften,  3)etften  unb 
^euc^ler  in«gemein  befte^e",  im  2.  unb  3.  33ud^e  toon  ber  SSerbefferung  ber  brei  ©tänbc 
„nac^  bem  ®runbe  be«  6^riftentum«,  nämlic^  ber  toal^ren  unb  etüigen  ®lüdffeligleit", 
unb  giebt  fo  eine  2lrt  gtl^if,  aUentl^alben  in  milber  gorm  bie  ®runbgebanlen  })ietiftifd^er  « 
2eben«fü^rung  bertretenb,  übrigen«  mit  fteter  gurc^t,  bie  ftd^  befonber«  in  ber  5}orrebe 
au«f})ric^t,  bamit  änftofe  anguregen.  2)ie  rul^ige,  befonnene  unb  übergeugte  Srt  biefe«  Saiem 
buc^e«,  in  bem  ftc^  bei  allem  an  ba«  Sllter  erinnernben  9)loralifieren  boc^  immer  toieber 
ber  h)eite  berftänbtge  93lii  be«  erfal^renen  ©taat«manne«  geigt  (bgl.  g.  33.  ben  ®ebanfen 
t>on  ber  allgemeinen  2ße^ri)flic^t  ©.  249.  352.  368  ff.),  unb  mit  gleichem  ©rnfte  §oben  ßo 
unb  9liebrigen  33ufee  geprebigt  tüirb,  mufete  ol^ne  3^^if^^  f"^  ^^^  SJerbreitung  be«  ^ie- 
tt«mu«  bon  groger  SOiirfung  fein. 

2)a«  bebeutenbfte  SBerl  ©ecfenborf«  aber,  meiere«  feinem  5Jamen  für  äße  ^^\im 
einen  el^renbotten  $la$  unter  ben  Äirc^cnl^iftoritern  fiebern  h)irb,  ift  fein  (jommentarius 
historicus  et  apologeticus  de  Lutheranismo  seu  de  reformatione.  Sen  un^  55 
mittelbaren  9lnlag  bagu  gab  bie  ©d^rift  be«  ^cfuiten  3Jlaimbourg,  histoire  du  Luth6- 
ranisme,  5ßari«  1680,  bie  ein  junger  grcunb  ©edfenborf«  bon  einer  frangöfifdben  Steife 
im  ^afyct  1683  mitgebrad^t  ^atte.  Die  gefd^ic!te  3trt  be«  tool^lbctoanbertcn  äJerfaffer«, 
ber  fi(^  bon  ben  üblidj^en  ©c^mäl^ungen  fern  l^ielt  (übrigen«  al«balb  auf  ben  ^n\>^  ge= 
fc|t  lourbe,  bgl.  Sfleuf(|,  2)er  Snbej  ber  berbotenen  Sucher  II,  583  f.),  unb  um  fo  ein=  ^» 

fHtQU9ncJ9tiopihit  ffir  t^eologie  unb  Stixä^t.    3.  91.  XVIII.  S 


tl4  Sedenborf  Secr^tan 

brucföDotter  unter  ber  9Ra^Ic  objeftiber  ©efd^id^täfc^teibung  gcöen  Sut^er  unb  feine  Am 
ganger  auftrat,  fd^ien  eine  SBiberlegung  um  fo  iDünfc^en^toerter  j\u  machen,  aö  man  in 
JJranfeeid^  mit  biefem  SBud^e  in  ber  §anb  ben  beutfc^en  5ßroteftanten  entgegcnjutreten 
bflegte.    ©d^on  frül^er  toar  ©.  bon  ^erjog  6mft  im  §inWicf  auf  ba^  i^m   jur  9Ser= 

6  fügung  fte^enbe  reid^e  Slftenmaterial  aufgcforbert  trorben,  eine  ©efd^id^te  ber  Sieformation 
ju  fd^reiben.  ^d^i  beranla^te  il^n  baö  Sucf)  toon  5Waimbourg,  atterbing^  in  anberer  SBeife, 
jenen  ©ebanfen  aufiunel^men,  inbem  ce  nad)  feiner  Überzeugung  toor  aüen  Iitngen  galt, 
eine  aftenmäfeige  SBiberlegung  ber  jefuitifd^en  2)arfteIIung  ju  liefern.  3lad^  reiflicher 
Überlegung  mit  feinen  litterarijc^en  g^eunben  ging  er  an^  SDäerf,  na^bem  er  fc^on  einen 

10  Seil  be^  maimbourgifd^en  SBudpc^  in^  Sateinifd^e  überfe^t,  auc^  getoiffermafeen  alg  SSor= 
arbeit  eine  i?on  6.  Sagittariu^  (Jenae  1686  4*)  herausgegebene  Dissertaüo  historica 
et  apologetica  pro  doctrina  D.  Lutheri  de  missa  gefc^rieben  l^atte.  Sad  gro^e 
Vertrauen,  toelc^eS  er  bei  fämtlic^en  dürften  beS  fäc^ftfc^en  §aufeS  genofe,  eröffnete  i^m 
bie  Slrc^itoe  in  einem  Umfange,  toie  eS  feinem  fjjäteren  ®ele|rten  gu  teil  getoorben  fein 

15  bürfte.  2lud^  toon  anberen  Seiten  toarb  er  burc^  Überfenbung  bon  Stftenftürfen  unb 
fonft  bisher  unbeachteten  ©c^riftftüdten  unb  2)rudht)erfen  unterftü^t,  unb  fo  brad^te  er  auf 
®runb  eines  gerabegu  erftaunüd^en  StltenmaterialS,  obtoo^l  burc^  einen  93ranb  in  feinem 
©c^Ioffe  ju  SWeufeltoi^  im  ^a^re  1685  ein  3:eil  feiner  $a<)iere  bemic^tet  tourbe,  anbcrc 
in  grofee  SSertoirrung  gerieten,  in  öerl^ältniSmäfeig  furger  ^^xt  baS  gro^e  SBerf  ju  ftanbc. 

20  SBic  aus  einem  Sriefe  ©edtenborfS  an  Dtto  S?en!en  am  25.  Df tober  1683  peröorgc^t 
(2öeIIer,  3llteS  unb  5ieueS  I,  652),  ging  fein  5ßlan  aunäc^ft  ba^in,  ju  bem  2Berfe  ÜKaim-- 
bourgS  mit  nur  geringer  3lüdfftc^tna(^me  auf  bie  bogmatifd^en  ^Jragen,  toiberlegenb«  refp. 
ergängenbe  Adnotationes  ju  liefern,  ein  ^lan,  ber  in  ber  golge  eine  ttffMid^t  ax- 
toeiterung   erful^r.      Sc^on    1688   erfc^ien   ein   erfter  Seil    in  Quart,  ber    bie  So^rc 

26  1517—24  entl^ielt,  baju  im  Saläre  1689  ein  Su})})lement  in  12^  3)er  erneute  3uflu6 
t)on  2lrc^ibalien  nötigte  il^n  bann  gur  Umarbeitung,  als  beren  Slefultat  baS  gange,  bie 
3eit  Sut^erS  umfaffenbe  2Berf  im  3a^re  1692  in  golio  erfd^ien.  3)ie  üJletl^obe  ift  bie, 
ba^  er  paragrajjl^entoeife  bie  2)arftellung  5WaimbourgS  in  lateinifc^er  Überfe^ung  boran- 
fteUt,  bann  eine  aftenmä^ige  SKiberlegung  anfügt,  ek)entuell  noc^  toeitere,  bie  borliegenbe 

30  grage  betreffenbe,  oft  fel^r  umfangrei^e  Additiones  folgen  läfet.  ©o  tourbe  baS  SBerf 
gtoar  feine  jufammenl^ängenbe  funftreicf^c  2)arftellung  (eine  fol^e  tourbe  in  freier  Über- 
fe^ung  berfucfjt  Don  ßliaS  %xid  in  „2luSfü^rlic^e  §iftorie  beS  Sut^ertumS  unb  ber  3lefor= 
mation",  2ei))gig  1714),  too^l  aber  ob  beS  reidfjen  aut^entifc^en  5RaterialS,  baS  gumieil 
mofaifartig  aneinanber  gefügt  ift,  ein  nod^  l^eutigcn  SageS  unentbel^rlic^eS  ^ilfSbud^  für 

86  jeben  SReformationS^iftorifer,  gugleic^  ein  ehrenvolles  2)enfmal  beutfd^en  ©ele^rtenfleifeeS, 
benn  n)ie  Sa^le  für  feine  3^it  fc^r  richtig  fagt:  on  n'a  rien  fait  de  meilleur  sur 
cetie  matiöre.  3)aS  SKerf  foUte  eine  Slpologetif  beS  2utl;ertumS  fein,  aber  eS  ift  trojf 
aller  perfönlic^en  Serebrung  für  Sutl^er,  bie  man  auS  jeber  ^6k  erfennen  fann,  bie 
2lj)ologetif  eineS  loirflid^en  §iftoriferS,  ber  in  ber  Unbefangenl^eit  feineS  Urteils  feine  3«t 

40  toeit  überragt,  benn  er  ^ält,  toaS  er  in  ber  Sorrebe  fid^^  als  ^ki  geftedft  l^t :  Patebit, 
quo  respectu  Lutheranismus,  quid  in  eo  (Luthero)  venerati  secutique  fuerint 
majores  nostri  et  quam  inique  nobiscum  et  frivole  etiam  atque  impudenter 
agant,  qui  nos  ad  mores  vivi,  aut  ad  duriuscula  eius  dicta  aut  scripta  able- 
gant;    in  quibus  excerpendis,   mutilandis,    cavillandis,    improbam  sane^  certe 

45  Christianis  minime  dignam,  consumunt  operam.  Peccaverit,  lapsus  sit,  verbis 
factisve  (longe  quidem  levius  mitiusque,  quam  inimici  et  aemuli  eius  tradidere) 
id  nobis  humanae  imbecillitatis  argumentum  dat,  at  doctrinae  fideique  nuHum 
adfert  detrimentum,  cuius  fundamentum  scimus  ubi  quaerendum  sit.  —  Über 
feine  toeiteren  Schriften,  unter  benen  feine  „politifc^e   unb  moralifc^e  2)iScurfe  über  M. 

öo  Annaei  Lucani  breil^unbert  auSerlefene  lel^neicf^e  fprüc^e"  2C.  (38onebe  bom  28.  Btpl 
1692,  aber   erft  Seijjjig  1695  erfc^ienen)  ^eri^orjul^cben  fmb,  t)gl.  ©d^reber  a,  a.  D. 

©ecr^tan,  G^arleS,  geft.  1895.  —    fiitteratur:    Fils  de  leure  Oeuvres  (9?cuen= 

butc^,  5.  8al)n;  1907  qI§  „.gelben  au^  eiaener  ilraft",  beutjd)  erfdjeinenb),  @.  243— 85;  dlj. 
66  6.  üon  (Sbouarb  6ecr^tan ;  g.  ^iüon,  La  Philosophie  de  Ch.  S.  (^Pari«,  Alicen  1898;  ©ofton 

grommel,  6^.  8.  in  Esquisses  contemporaines  100— 27  (l'aufanne  1891);  ®.  ©.  t)on^.  $. 

in  ber  SÖeilage  100  i^ur  ^^lUgememen  geitimg,  \.Wai  1895.  —  Sociale  <Bd)riftcn  Don  ©ft.®., 

überfe^t,   auefü^rlid)    eingeleitet  imb   mit    einem  8(1)1  i[teniier5eicf)ni-i^  bed  ^^erfafferS  oerfc^en 

üoii  (&.  ^IaUt)off,  Sreibuvfl,  3.  (i.  ^^.  ^Hio^r  189(3,  270  3. 
60         ©eboren  ben  19.  SattWö'^  1815  in  Saufanne,  geftorben  ben  21.  S^nuar  1895  eben- 


Stcr^tatt  115 

bafclbft,  tft  @.  neben  älejanber  S8inet,  ®meft  9labiIIe  unb  ä.  %.  Stmiel  ber  bebeutenbfte 
Sleligion^^ilofo^l^,  3KoraIift  unb  Genfer  ber  fran^öftfc^en  ©(^toeij,  et  ift  jebenfaH^  bet 
bielfeitigfte,  botgefd^rittenfte  unb  mobemfte  bon  allen,  ^to^itci  ©o^n  eine^  2lbbofaten, 
begann  er  an  ber  flaufanner  ^od^fc^ule  tl^eologifc^e  ©tubien,  bie  er  iebod^  balb  mit  juri^ 
pifdj^en  unb  j)^ilofoj)l^if(^en  toerlaufd^te.  5Kit  20  ^oi^xin  bertrat  er  iUnet  am  (S^mnafium  & 
in  Safel.  SSon  ba  ging  er  nad^  SWünd^en  unb  eml^fing  toon  ben  äJorlefungen  ©c^eHing^ 
unb  Saaber«  bauembe  ©inbrücfe.  1838,  mit  ber  3Wün^nerin  3Karte  ajlüüer  ate  (Sattin 
in  bie  §eimat  gurücfge!el^rt,  erhielt  er  ate  5Rac^folger  t)on  (Sinbroj  auf  ®runb  einer 
©(^rift  über  bie  Seibnifef^e  ^l^ilofojjl^ie  ba«  ©itraorbinariat  biejer  aBiffenfd^aft  an  ber 
^matlic^en  3Habemie  (feit  1891  Uniberjttät),  ba«  3  ^a\)x^  \päitx  in  ein  Drbinariat  t)er=  lo 
toanbelt  tuurbe.  1846  tourbe  er  t)on  ber  rabifalen  ^Regierung  toäl^renb  ber  toaabtlänbi^ 
Wen  SHeboIution  mit  ben  meiften  feiner  ÄoHegen  fu^penbiert  unb  fe^te  pribatim  feine 
äSorlefungen  fort,  au«  benen  fein  erfte«,  umfangreic^fte«  §auj)ttocrl  l^ertjorging.  1850  an 
bie  äfabemie  Sleuenburg  (Sieuc^ätel)  berufen,  Uf)xit  er  1866  nac^  Saufanne  al«  Drbina- 
riu«  gurücf,  nacbbem  bie  toieber  in  bie  §änbe  be«  ©taate«  übergegangene  9leuenburger  Slfa^  is 
bemie  i^n  ebenfalls  jur  2)emifrion  gextoungen  ^atte.  3"  f^i^^J^  3Saterftabt  lehrte  ©.  nod^ 
29  3a^  $l^iIofo})l^ie  unb  natürliche«  Siedet,  nic^t  ol^ne  bie  2lufmerffamfeit  be«  9lu«Ianbe« 
^n  erregen,  ba«  i^n  burc^  2lu«jeid^nungen  aller  2lrt,  Sitel,  Drben  unb  ©inlabung  ju 
3Sorträgen,  e^rte. 

2)ie  SBeltanfc^auung  ©.«  in  feinen   ^al^Ireid^en  ©d^riften   ift  eine  breifac^e.    Sil«  20 
^^ilofo})^  ging  er  bon   ber  ©c^eÜingsSBaaberfd^en  SRic^tung  au«,  um   fd^Iiepc^  bem 
Äantiani«mu«  ftc^^  gan^  jujutrenben.    211«  3:1^ co löge   berliefe  er  bie  ©j)e!ulation  pofx- 
tit)cr  Slrt,  um  ä^nlic^  toie  Stitfc^I,  aber  ganj  unabhängig  bon  il^m,  auf  fantifd^er  ©runb* 
läge  eine  2)ogmati!  be«  fittlid^cn  SBetoufetfem«  im  Slnfd^Iuft  an  2}inet  anjuba^nen,  bie 
feitbem  jum  ©tüfe=  unb  9lu«gang«punft  ber  fog.  „neuen  ©d^ule"  getoorben  ift,  bie  be-  25 
fünber«  au«  ber  fiaufanner  galultät  unb  i^rem  neuteftamentlid^en  Seigrer,  ^aul  6^a})ui«, 
bem  berftorbenen  ©c^toiegerfo^n  ©.«  fic^  refrutiert,  aber  aud^  an  ber  freien  ga!ultät  ba^ 
felbft  unb  befonber«  in  $ari«   (j.  8.  bon  bem  berftorbenen  2luguft  ©abatier)  Vertreten 
tüurbe.    2H«  ©ojiologe  enblidji  tritt©,  erft  in  feinen  10  lebten £eben«ial^ren  auf,  ol^ne 
mit  feinen  böDig  originalen,  auf  ®runb  tiefgrünbiger,  fad^h)i]fenf(^aftli4er  3)etailftubien  90 
gewonnenen  Slnfic^ten  me^r  al«  einen  2l(^tung«crfoIg  ju  erringen. 

2)ie  gtoeibänbige,  einen  l^iftorifd^en  unb  einen  fonftrultiben  2^eil  entl^altenbe  Philo- 
sophie de  la  Liberty  ©,«,   1849,   1866  unb  1879   in   ftarf  umgearbeiteten  auflagen 
crfc^ienen,  ift  eine«  ber  toenigen  f^ftematifc^en  SBerle  ber  ^ßf^ilofop^ie  franjöftfd^er  S^nQ^, 
eine  rationelle  ^Rechtfertigung  unb  toiffenfc^^aftlid^e  ^arftellung  bc«  2)ogma«  mit  fpelula-  85 
tiben  3KitteIn. 

aSon  ber  ojiomatifd^en  ^bentität  be«  einl^eitlid^en,  abfoluten,  fdf^öi^ferifd^en  ©ein«^ 
J)rinjii)«  mit  ber  ©ott^eit  au«ge^enb,  befiniert  ©.  biefe  al«  in  ©elbftbefc^ränfung  frei, 
mit  ®eift  unb  SBillen  begabt,  äu«  Siebe  fc^afft  fie  bie  Äreatur  al«  ©elbfhtoea,  frei 
burc^  ©elbftentfd^eibung.  33on  ben  bier  TOöglid^JEeiten  be«  gleidf^giltigen  $er^anen«40 
(!Ratur),  ber  reinen  Siebe  ju  ®ott  (6ngel),  be«  unerbittlichen  Äampfe«  gegen  i^n  (Seufel) 
^t  ber  SKenfc^  bie  bierte  ber  eigentoilligen  Unabl^ängigfeit  getoä^lt,  bie  fid^  nur  burd^ 
einen  borjeitlic^en  %aü  erflären  läfet  unb  feine  ^ei^eit  ^u  ®unften  be«  Söfen,  ba«  Seiben 
erjeugt,  berjc^oben  ^t.  ©tatt  ba«  S3öfe  ftc^  au«toirfen  gu  laffen  (®ered^tigfeit)  plant 
ber  ©d^öt)fer  eine  JRüdtfe^r  jum  urfjjtünglicf^cn  SBeltgtoecf  ((Srlöfung)  burc^  bie  ßrjeugung  40 
eine«  ein^eitltd^en,  reinen  ?Kenfc^enti9t)u«  (©o^n  ®otte«),  beffen  ben  ©ünbenjammer  ber 
3Wenfc^^eit  barftettenbe«  Seiben  eine  JHeattion  au«löft,  beren  ©cf^aujjla^  bie  c^riftlic^e  ®e= 
fc^ic^te,  beren  AWl  ba«  etoige  Seben  ber  befreiten  3Jlenfd^^eit  ift. 


3n  53  SHen  toirb  biefe  ®runbibce  berfoc^ten  unb  ba«  2)ogma  im  einzelnen  un^ 
bebenfiid^  unb  unfritifc^  gered^tfertigt.  3tber  fd^on  balb  naä)  bem  ßrfc^einen  ber  1.2lufs6o 
läge  be«  3Ronumentaltoerf«  ^atte  ber  Äantiani«mu«  trieber  bie  Dberl^anb  gewonnen  unb 
nac^  bem  jtoeimaligen  3Serfu^,  fein  Sd^mer^en«tinb  mit  ben  neugetoonnenen  ©rienntniffen 
ju  berfö^nen,  berjic^tete  S.  auf  ba«  Unmöglid^e  unb  gab  in  anber«  angelegten 
SBerlen  feinen  etlf^ifc^-religiöfen  ©runbgebanfen  eine  böHig  neue  gorm,  bie  in  Recherches 
de  la  Methode  qui  conduit  ä  la  v6rit6  sur  nos  plus  grands  int^rdts  (1857),  65 
La  Raison  et  le  Ghristianisme  (1863),  Discours  laiques  (1877),  Religion  et 
ThÄ)logie  1883;  (beutfc^  al«  §eft  21  gur  „d^riftlic^en  SBelt"  Seit)gig  1895)  fd^on  einen 
mobemeren,  in  bem  erften  Xeil  bon  La  Civilisation  et  la  Croyance  (1.  Slufl.  1887; 
3.  3lufl.  1893)  unb  ben  })oft^umen  Essais  de  Philosophie  et  de  Litt^rature  (1896, 
La  Crise  de  la  Religion  ©.  7—65)  i^ren  enbgiltigen  3lu«brud  gefunben  l}at  co 

8* 


116  <S€tx6tan 

3toci  gunbamcntalbegriffe  be^  jjretögcßcbcncn  ©^fteniö  l^ielt  ®.  bc^anlic^  feft: 
greife it  unb  5ß flicht!  3iuf  bie  fodmifc^e  Ableitung  be«  aßeltganjcn  au«  einem 
$rmjij)  l)at  er  i?erjicbtet.  Die  Slbleitung  be«  ^ßflic^tbeötiff«  au«  ber  S^^atfac^e  bc«  fttt= 
liefen  Setüufetfein«)  bie  SWößlic^feit  ber  ^Pflichterfüllung  au«  ber  menfc^lic^en  greiJ^eit  ftc^n 

öje^t  im  SWittelpunft  feiner  j)^ilofop^ifc|en  ©ebanfenarbeit  unb  feiner  Sljjologetif.  Slidjit 
an  ben  SSerftanb  in  erfter  Sinie,  fonbem  an  bie  (SefüJ^te-  unb  aBiffengregungen  muft  fw^ 
bie  S8erteibigung  be«  ßl^riftentum«  junäc^ft  küenben.  3)a«  ^flic^tgefü^I  mufe  getoedt 
toerben,  bie  ©emife^eit,  bafe  toir  jur  Grfüttung  einer  aufgäbe  auf  @rben  leben,  bie  im 
Söirfen  be«  ®uten  beftel^t,  foll  bie  ®runblage  ber  ftttlic^en  Überzeugung  bilben.    3ln  fic 

10  fc^Iiefee  ftd^  bie  ßrtoägung,  ba^  ber  tategorifc^e  3im})eratib  feinen  Urfprung  in  einem 
l^öl^eren  un«  bel^errfc^enben  SBiUen  l^at  unb  hai  mir  biefem  äSiUen  jtoar  unbebingt  ju 
gel^orc^en  ^aben,  aber  i^m  oft  entgegen^anbeln.  2lu«  bem  ®efül^l  ber  3fleue  über  bie 
eigene  ©c^toäc^e  unb  Selbftfuc^t,  au«  bem  ®efül^I  ber  gurc^t  bor  ®otte«  3«>^  ertoac^fe 
ba«  Vertrauen  mr  göttUcben  3Kac^t  unb   ber  Söunfc^,   bie  biblifc^en  Sendete  möchten 

15  toa^r  fein.  2luf  biefem  SBege  ift  erft  ba«  religiöfe  SBebürfni«  gefc^^affen,  dfz  bie  Se^ 
friebigung  angeboten  toirb.  SReligion  ift  Seben  b.  1^.  fie  toenbet  ft^  nidf^t  an  eine  einzige 
unferer  gÄl^igleiten,  toie  an  ben  Serftanb  ober  ba«  ®efül^I,  au«f4lieyici^,  fonbem  an  aUe 
uigleic^.  ©ie  ift  treber  bie  hitiflofe  annähme  einer  ©umme  bon  Äenntnifjen,  no<^  bie 
©rfüHung  beftimmter  Sliten,  noc^  ein  t)oetifc^e«  ®efü^I,  fonbern  aftiber  ©e^orfam  unter 

ao  ba«  ©ittengefe^  in  ber  eigenen  Sruft,  ba«  al«  bie  SBirfung  einer  })erfönli(i^en  Äraft  aufeer 
un«  berftanben  toirb,  bie  mit  unferer  freien  SWittoirlung  ba«  ®ute  fc^afft  unb  feinen 
enblic^en  ©ieg  borbereitet. 

®ie  ©teÖung  ©.«  mm  2)ogma  ift  nic^t  beftimmt  unb  fc^arf  formuliert.  SHan  fönnte 
fte  al«  eine  trac^fenbe  3lnbiffereng  bexeic^nen,  o^ne  bafe  e«  i^m  Sebürfni«  getoefen  toäre, 

26  negatib  baju  ©teüung  gu  nel^men.  §m  ®egcnteil  fürd;itete  er,  burc^  att^u  fc^arfe  SBorte 
einfache  ®emüter  ^u  öertoirren  unb  batte  auc^  ))erfönlid^  bie  fpelulatibe  £uft  an  ber 
Dogmatil  nie  gan)|  Verloren.  Dod^  fd^ien  fte  i^m  gleic^giltig  für  unfer  ftttlic^e«  9Jer^ten 
unb  eben  au«  biefem  ®runb  trat  fte  me^r  unb  mel^r  in  ben  §intergrunb  feine«  3tad}' 
benfen«.    Die  bud^ftäblid^e  Snfpiration  unb  ben  ©lauben  an  bie  gleic^^mä^i^e  333ic^tigfeit 

80  aller  biblifi^en  Sucher  bertoirft  er  au«brüdEIic^.  ßbenfo  unfümjjat^ifc^  ift  t^m  ber  ftett- 
üertretenbe  0})fertob  ß^rifti:  „®ott  ift  lein  ©laubiger,  ein  äJerge^en  feine  ^u  beja^lenbc 
©^ulb.  Die  geftörte  SBeltorbnung  h?irb  nic^t  burc^  bie  ©träfe,  fonbem  burc^  bie  beffcre 
Seitung  be«  fünbigen  SBißen«  l^ergeftellt."  änbrerfeit«  aber  berfuc^t  er  fidj!  geme  in 
freier  Umbeutung  be«  i^m  boc^  liebgelDorbenen  Dogma«:  „6l;riftu«  mu^te  fterben,  bamit 

35  bie  menfd^lic^e  ^»^ei^eit  ftc^  in  il^rer  ganzen,  j^u  allen  SJerbrec^en  fä^igm  GJröfee  em)eife. 
Da«  ^eilige  Dj^^r  menfcfjlid^er  ^^^tümer  mufete  an  feinem  Seifpiel  bie  ^Pflichttreue  unb 
ba«  geftl^alten  an  feiner  ^J)iiffion  unb  Se^re  bi«  ^ur  Eingabe  feine«  Seben«  jetgen.  3" 
feinem  3:obe  trug  3^fu«  ßl^riftu«  bie  ©ünben  ber  3Belt  nic^t  al«  ein  ©ü9no})fer  für 
anbere  burc^  ben  SBiHen  ®otte«,  fonbem  burc^  ben  »verirrten  SBiUen  ber  9Jlenfd^J^eit,  bie 

40  in  i^m  nic^t  ben  Soten  ber  2Bal^r^eit  ertannte  unb  in  untoiffenber  Seibenfc^ft  tl^n  bem 
iobe  koei^te."  ^n  äl^nlic^er  SBeife  mobemifiert  er  2luferfte^ung  unb  Himmelfahrt,  Dann 
aber  Reifet  e«  boc^  tüieber:  „Äein  Dogma  ift  emig;  al«  ^enfd^entoer!  mufe  e«  berge^n. 
Der  Söunberglaube  ift  fein  fittlic^e«  ©ebot.  9Ber  unter  bem  Übernatürlichen  eine  äuf= 
Hebung  ber  5iaturgefe|e  unb  ber  Verfettung  ber  ©rfd^einungen  berftcl^t,  beffen  ® lauben 

45  teilen  ti?ir  nicljt;  folc^e  3Bunber  bie  i\ugleicb  ba«  religiöfe  unb  ba«  n)iffenfd^aftlic^e  Denfen 
l>erle^ten,  gibt  e«  nicf^t  für  un«.  Die  6n)igfeit  ber  ©trafen  fe^t  bie  unannel^mbare 
ßtüigfeit  be«  Übel«  öorau«  unb  tüirb  Don  ©.  au«  ben  gleid^en  9JJotiben  bertoorfen,  bie 
^xau  t)on  ^^Preffenf^  ju  bem  Sluefprud^  beranlafeten:  „©äbe  e«  eine§ölle,  fo  müfete  tc^  bie 
©eligen  be«  ^arabiefe«  beflagen."    !5^/  ®-  S^^eifelt  fogar  jutoeilen  an  einer  J)erfönli(^en 

60  Unfterblic^feit:  „9Jic^t«  für  ficb  tüollen,  nic^t  an  fid^  benfen,  nur  ba«  SBerl  bor  Stugen 
^abcn,  arbeiten,  fo  lange  e«  ettoa«  ^u  tl>un  gicbt,  bann  läd^elnb  ba«  3Bert}eug  bem 
Äommenbcn  überlaffen  unb  bon  ber  Sadie  nicl^t  Leiter  reben  —  ba«  ift  aUe«.  Der 
ftol^^e  Dom  be«  ^antbeon,  bie  @olbtu})^)e  ber  :,^nt)alibenfird;e  fonnen  nic^t  auflommen 
gegen   ba«   einfädle  "IJ^atrofengrab   im   leiten    H^'cr,    im    tiefen  fjrieben,    im   großen 

66  ©d?h)eigen/'  älu«  Demut,  nid;t  au«  fritifcf^cn  33ebcnfen  l^erau«  na^m  ©.  biefe  Haltung 
ein;  au«  ^iUn  jener  Demut,  bie  er  bei  ben  i^ertrctcrn  ber  JiJiffenfd^aft,  3:i^eoIogie  unb 
Äircf^e  oft  fcbmerjlid»  ücrmif^te.  „Die  Demut  erh)äd)ft  au«  bem  ©efü^l  einer  unerfüllten 
ätufgabe,  au«  ber  Gmjjfinbung  bc«  Unbermo^en«  ju  i^rer  Erfüllung.  Da  ba«  mobemc 
fittlicbe  ^beal  um  bicfc  ^^ugcnb  ärmer  i^^tDorbcii  ju  fein  f4)euU,    fo  foHte   man   barau« 

o»fc^lie^en,    ba^   unferc  ^^^i^flcnofjen  bie  ^riftlicbcu  iugenben  toeit  k)ottfomm€ner  al«  xffxt 


Senr^tan  117 

9[}or0än0er  erfüllen  —  ober  axid),  ba^    ba§  ftttltc^e  ^beal  in  feinem  ®efamtbeftanbe  ge* 
fc^toäc^t  unb  berarmt  tft." 

^ßerfönlid^  gcl^brte  ©.  ^u  ben  Äirc^end^riften.  9Wit  Vorliebe  befud^te  er  bie  greis 
Krc^en,  beren  ^ßringij)  er  für  rid^tiger  bielt,  o^nc  ftcb  t^re  befonberen  ©efa^ren  ju  ber« 
^e^Ien.  Dl^ne  ©ng^erjigfeit  h)u|te  er  innerhalb  unb  aufeerl^alb  ber  greifird^e  tote  ber  5 
©taatöfird^e  toal^re  Steligion  unb  —  i^r  ©egenteil  ju  finben.  ©0  cnergifc^  er  aUe 
gfrömmigfeit  ablehnte,  bie  ber  unbebingten  Untertoerfung  unter  ba^  ^flid^tgefü^I  unb 
feiner  jjrafttfc^en  Set^ätigung  entbel^rte,  fo  freubig  unb  rücfl^altglo^  erlannte  er  ®otU 
t)ertrauen  unb  gläubige  Eingebung  felbft  bei  ungebtlbeten  unb  befc^eiben  begabten  !Dlenfcl^en 
an,  trenn  i^r  Seben  im  ßintlang  toar  mit  i^rem  ßrebo.  ©.d  SBorliebe  für  3!)orot^ea  10 
Itubel  unb  bie  3Känneborfer  Snftalt  3^tter«^,  feine  mel^rfad^en  Aufenthalte  bafelbft,  feine 
aftit>e  unb  })affibe  3^eilnal(^me  an  ben  ©ebetötoerfammlungen  ift  belannt.  ,,^6)  toei^/' 
fc^reibt  er  1862  nad^  i^rem  lobe,  baft  aOie«,  toa^  ®ott  tl^ut,  tool^Igetl^an  ift,  aber  toenn 
i(^  baran  benle,  bafe  ic^  fie  nic^t  me^r  l^ören  foH,  fül^le  ic^  mein  §erj  jjerriffen." 

ganb  ©.  felbft  in  ber  firc^Iic^en  gorm  ber  Sleligion  eine  faft  böttige  33cfriebigung,  fo  toar  15 
er  boc^  feft  überzeugt,  bafe  bie  Äird^e  ben  religiöfen  Sebürfniffen  ber  (Segentoart  feine«* 
toeg«  genügt  unb  bafe  fie  an  Einfluß  unb  3Jlad}t  in  ben  jiDitifterten  Säubern  ebenfobiel 
t>erliert,  al«  fie  an  neuen  3(nl(|ängem  burd^  il^re  3Jliffion  in  anberen  2ße(tteilen  getoinnt. 
(gr  rät  unferen  ©eiftlid^en  bringenb  eine  größere  Vertrautheit  mit  ber  mobemen  95tlbung 
an  unb  fc^lägt  il^nen  bor,   gebilbete  Saienfräfte  für  bie  (tpologetifd^e  ^robaganba  bur^  20 
Vorträge,  burc^  bie  treffe  unb  burc^   bie  33ül^ne  ju  getoinnen.    ®r  fürd^tete  fc^on  bor 
nunmehr  fünfjel^n  3^^^^"^  ^^fe  ^'^  (Sntfird^Iic^ung  ber  unteren  toie  ber  oberen  S^f)ni 
taufenb  in  erfd^recfcnbem  SWafe  june^men  toerbe  unb  machte  barauf  aufmcrifam,  ba^  bie 
aOBirfunggs  unb  Seben^haft  bon  5Religton,  3^^eoIogie  unb  R\x6)t  ^ier  fonjentriert  toerben 
muffe,  Itatt  fic^  in  tleinlid^en  Sel^rftreitigfeiten  unb  frud^tlofen  Sii^fufftonen  gu  jerf})Iittern.  25 
Sabei  l^üte  man  ftd^,   bie  3Jlenge  ber  ©ebilbeten  unb  Üngebilbeten  burd^  Argumente 
jum  ®Iauben  führen  j\u  tootten.    „ffiäre  bie  Ideologie  (b.  1^.  boc^  tool^I  bie  2)ogmatiI) 
eine  SBiffenfd^aft,  fo  toäre  fie  bie  einj^ige;   fo   meinte  fie  e«  audf»   jur  3^*  ^^^^  ^^^' 
fc^aft  . . .  2)enn  toenn  bie  religiöfe  9Ba^r^eit  betoei^bar  unb   toenn  bie  3"fti"^"^wng  ju 
i^r  Sebingung  ber  ©eligfcit  ift,  fo  finb  atle,  bie  il^r  biefe  3upi»"»"""0  berfagen,  9?arren  30 
ober  Verbrecher  . . .  Sc^liefelic^  toiffen  toir  nid^t^  bon  aUebem  unb  berfte|n  aud^  nid^t«,  toir 
muffen  einfa^ glauben  ...  „2luf  bie  SBirfung  biefe«  ®lauben«brange«,  auf  bie SBieberbelebung 
erftorbener  fittlid^er  gnftinfte,   auf  bie  9)citteilung   eine«  erften  SInftofee«,  ber  in  ben  fo 
angeregten  ein  germent  felbfttl^ätigen,  erft  ftttlid^en,  bann  religiöfen  Seben«  toerbe,  toaren 
bie   religion«t)^ilofo})l^ifc^en  Vemü^ungen   be«  toaabtlänbifd^en  2)cnfer«  mit  toac^fenbem  35 
6ifer,  mit  immer  größerer  Sluefd^lie^Iic^feit  gerichtet. 

Äurj  nad^  ber  Veröffentlid^ung  (1883)  feine«  xtoeiten  grunblegenben  SJÖerfe«  Le 
Principe  de  la  Morale,  ba«  eine  toifjenfi^aftli^e  Slnal^fe  be«  ^flic^tbegriff«  auf  ber 
©runblage  ber  gteil^^t  entl^ält,  begann  ber  ©iebenjigjäl^rige  fid^  intenftomit  berfojialen 
grage  ju  befc^äftigen,  in  beren  Söfung  er  eine  ber  Vorbebingungen  jur  Veanttoortung  40 
ber  fittlid^en  %xaQZ  erfannte.  La  Civilisation  et  la  Croyance  mit  il^rer  j)l^iIofo})l^ifc^en, 
t^eoIogif(^en  unb  fojialen  ^Dreiteilung  ift  c^arafteriftifc^  für  bie  umfafjenbe  2lrt  mit  ber 
©.  auf  brei  berfc^iebenen  SÖegen  ^u  bem  gleid^en  Problem  gelangte.  Le  droit  de  la 
Femme  (1887;  4.  Sufl.  1888),  Etudes  sociales  (1889),  Les  droits  de  rHumanit^ 
(1890),  Mon  Utopie  (1892)  finb  bagegen  bem  fojialen  ^^Jroblem  nac^  feiner  national  40 
ölonomifc^en  unb  politifc^en  ©cite  faft  au«fd^Iie6Iid^  getoibmet.  6in  naivere«  (Singe^en 
barauf  verbietet  ftc^  an  biefer  ©teile. 

3lad)  bem  Vinetfc^en  ®runbfa^,  ber  3Jlenfcf)  muffe  ©err  feiner  felbft  toerben,  um 
beffer  ber  2)iener  2ltter  fein  ju  fönnen,  Verlangt  ©.,  naq  einer  anberen  gormel,  neben 
ber  „greil^eit  tooöon?",  bie  „grei^eit  tooju'i"'  ©ein  ©treben  .ging  bal^in,  bem  Ileinen  tjo 
Wann  ben  2lnteil  an  5Bo^lftanb  unb  Vefij^  ju  ficf^ern,  um  ben  il^n  bie  öfonomifd^e 
enttoidfelung  ber  gal^r^unberte  burd^  ungleiche  Verteilung  ber  ®üter  unb  einfeitige  Ve= 
günftigung  einzelner  Älaffen  gebractjt  batte.  ©otoeit  toar  ©.  mit  bem  ©ojiali«mu«  ein^ 
Derftanben,  ber  i^n  aud^  unbebenlUd^  für  fi^  in  Slnfprud^  nal^m:  Slnbererfeit«  ging  au«  ber 
natürlichen  Ungleic^l^eit  ber  3«bibibuen  für  ibn  ba«  di^d}t  auf  Verfc^ieben^eit  be«  Eigentum«,  56 
auf  feine  teftamentarifc^e  Vermac^ung,  auf  einen  ber  Dualität  unb  ber  Quantität  ber  geleifteten 
Arbeit  entf>)rec^enben  So^n  l^erDor.  ^anb  er  in  bem  „böfen  Iraum"  be«  ©05iali«mu« 
fein  greil^eit«5  unb  ©olibaritäteibeal  feinc«tocg«  Dertoirflic^t,  fo  toar  er  anbererfeit«  ber 
3Retnung,  ba^  bie  befi^enbe  unb  gebilbete  Älaffc  jur  „Sntfd^ulbigung"  il^rer  2Bol[^l^aben= 
^eit,  gur  ^Rechtfertigung  i^rer  Vilbung  toeitau«  nid^t  ba«  getl^an  l^abe,   toa«   fie  al«  ein  so 


118  Sect^tan         SebiSHafatij 

di^d)t,  nid^t  al§  ein  2lImofen,  bcm  Slrbeiter  getüäl^ren  müjfc.  ^^im  3Kenfc^cn  in  ben  ©tanb 
ui  feigen,  burc^,  ein  9Jlinimum  bon  SBifjen,  Sßol^Iftanb  unb  ^^et^eit  feinen  fitüit^en 
^flic^ten  ber  Öffentlic^feit  h)ie  ber  Jfamilie  unb  ben  SBeruf^enojfen  gegenüber  nac^ju^ 
fommen,  bte^  foHtc  bad  erreid^bare  ^Wl,  baö  felbfttjerftönbKc^e,   leine^toegd  berbienftlic^c 

6  ©treben  aller  berer  fein,  bie  noblesse  öblige.  ®ie  ®eh)innbetei(igung  ber  arbeitet, 
bie  ®rünbung  bon  ©i)arfaffen,  ber  SWitbeft^  ber  Slrbeit^tüerfjeuge  unb  Slrbeit^ftätten,  bic 
(Srünbung  t)on  Äonfumöereinen  unb  ^robuftibgenoffenfd^aften,  öon  SSerfid^erunggfaffen 
gegen  3llter,  Unfall  unb  ärbeitöloftgfeit  —  bie«  toaren  einige  feiner  ^ßoftulate,  bie  er  in 
ted^nifd^en  2luffä^en  mit  ber  ©ac^^fenntni«  eine«  ©ojialpolitifer«,  mit  ben  3Rotiben  unb 

10  bem  3idbetou^tfein  eine«  ©tl^iler«  unb  3Solföfreunbe«  bejubelte. 

2lu«  bem  gleichen  Sebürfni«,  jebem  SWenfd^enhjefen  bie  33ebingungen  p  freier  6nt= 
faltung  feine«  fUtlic^en  ß^aralter«  unb  feiner  tperttJoHen,  ber  ©efamt^eit  förberlic^en 
Sefonber^eiten  ju  ftd^ern,  trat®,  für  bie  ©manjipation  ber  §rau  in  einer  \)ox  jlpanjig 
3|a^ren  unerhört  tpeitge^enben  SBeife  unb  mit  einem   jugenblic^en  ^^ntt  ein,  ba«  Heine 

16  Unt)orft(^tigIeiten  unb  Ungerec^tigfeiten  nic^t  au«fd^lo^.  3)ie  bamal«  faft  neuen  Slrgu- 
mente,  ^u  benen  aud^  ba«  Jjolitifqie  Stimmrecht  gehörte,  ftnb  injtüifc^en  fo  oft  toicber^olt 
unb  einge^enb  enttoidfelt  toorben,  ba^  h)ir  l^ier  barüber  ^intüegge^en  fönnen, 

3)er  ©influfe  ßl^arle«  ©ecrßtan«  auf  bie  5pi^ilofo})l^ie,  3:^eologie  unb  ©owologie 
franjöfifd^er  3"^^^^  f«^^*^  ^wf  ^^^  religiöfe  unb  lirc^lic^e  Seben  feiner  §eimat   ift  ganj 

20  bebeutenb  uno  toirb  erft  in  gal^rjel^nten  ftc^  böHig  ai^etüirlt  ^aben.  ©eine  elaftifc^e 
ani)affung«fä^igfeit  an  bie  toec^felnben  Sebürfniffe  ber  ^^xi,  bie  lompttcnU  SBielfeitigleit 
feiner  Set^ätigung,  ber  ftttlid^e  ©ruft  feine«  Seifte«,  bie  tiefe  finblic^e  »Vrömmigfeit  feine« 
§erjen«  ft^em  i|m  einen  ^lafe  auf  ber  §ö^e  be«  2)enlen«  in  ben  iRei^en  ber  SBo^t 
t^äter  ber  3Jlenfc^^eit  unb  ber  für  i^r  ftttlic^e«  SBol^l  bi«  gum  legten  Sttemjug  beforgten 

26  5lämj)fer.  3"  f^^"^  legten  arbeiten  gel^örte  aufeer  einer  bon  bem  5ßl^iIofoj)l^en  be« 
UnbetDugten  felbft  al«  t)or2üglic^  anerfannten  ^arftellung  unb  eingel^enben  Jtriti!  ber 
®.  t>.  §artniannfc^en  Seigre,  eine  93erteibigung  be«  t)on  einem  ortl^oboien  ^Pfarrer  al« 
„böfen  ®eift  ber  Un})^ilofop^ie"  angegriffenen  Äant,  auf  beffen  fategorifc^em  3m})eratib 
fic^  ba«  £eben«h)erf  ©.  in  ben  legten  ^oi^rgel^nten  feine«  Seben«  au«fc^lie|li(^  aufgebaut 

30  ^atte  unb  in  beffen  Befolgung  er  ben  rettenben  2lu«toeg  au«  ber  tüiffenfc^aftlic^fen,  reli^ 
giöfen  unb  fogialen  9iot  ber  ©egentoart  fal^.  ©ein  ®lauben«befenntni«  fa^te  er  am 
20.  3Jlai  1891  in  3WontreuE  auf  bem  SSanfett  ber  ßintoeil^ung  ber  Saufanner  Untoerfttät 
in  bie  SBorte  gufammen:  „SJJit  Äant  bon  Äönig«berg,  mit  ^a«cal  bon  (Slermont^ 
gerranb,  mit  ^aul  bon  Sarfu«,  mit  Jj^fw«  bon  Slajaret^  glaube  idj^,  bafe  nic^ft«  in  ber 

36  SBelt  bic  fittlid^e  Äraft  aufgutüiegen  bermag".  (&h.  ^(a<;])off-fieieii»e. 

©ebidtialan)  (sedes  vacans,  sede  vacante)  nennt  man,  ftreng  genommen,  bie 
ßrlebigung  be«  i^äjjftlid^en  ©tu^l«  ober  eine«  bifc|öflid^en  ©i^e«,  inbem  ber  Slugbrud 
sedes  i&QÖvog)  eigentlich  nur  bon  ber  apostolica,  b.  i.  Romana,  Sti  Petri  ober 
anberen  S3i«tümern  gebraud^t  toirb;  inbeffen  ift  bie  2tu«be^nung  audj^  auf  2lbteien,  ^rö^ 

40  laturcn  unb  folc^e  I)ignitäten  üblic^,  benen  ba«  Äottation«rec^t  bon  Senefijien  jufte^t 
(bgl.  bu  gre«ne,  Glossar,  s.  v.  sedes ;  gerrari«,  Bibliotheca  clinonica  s.  v.  sedee 
vacans,  nr.  1).  Über  bie  ®runbfä$e  im  gatle  ber  33afanj  be«  })äj)ftlic^en  ©tu^I« 
f.  b.  3lrt.  „5ßapfttoa^l"  33b  XIV  ©.  663  ff.  unb  ^errari«  l.  c.  nr.  10  sq.  ®«  ift  ^ier 
alfo  allein  bon   ber  ©ebi«t)a!an;i   unb   Duaft-©ebi«ba!anj  (sedes  impedita)   in  Scjug 

46  auf  93i«tümer  ^u  fj)re^en. 

eine  ©ebiöbatanj  erfolgt  burc^  2:ob,  SSerjid^t,  SSerfe^ung,  (Sntfe^ung  unb  ber= 
gleid^en,  unb  baucrt  bi«  jur  orbnunggmäfeig  eingetretenen  Söieberbefe^ung.  SBäl^cnb  ber 
Srlebigung  be«  bifcf^öflid^en  ©i^e«  übernahm  urfjjrünglic^  ba«  bifc^öflid^e  5Prc«bVtcrium, 
unter  beffen  3)lith)irlung  ber  Sifc^of  toäl^renb  feine«  Seben«  fungiert  l^atte,  bie  ©orge  für 

50  bie  laufenben  ©efc^äfte,  bod^  finbet  fic^  bereit«  feit  bem  anfange  be«  5.  ga^r^unbert« 
bie  ßinrid^tung,  bafe  ein  Intercessor,  Interventor,  Visitator,  Commendator  befiellt 
tDurbe,  mit  ber  SJerpflid^tung,  bafe  innerl^alb  eine«  3>ö^^^  ^'^  ©teile  ioieber  befe^t  fei 
(Conc.  Carthag.  V,  a.  101,  in  c.  22,  C.  VII,  qu.  I).  3n  Italien  ift  biefe  »erltwl^ 
tung«h)eife   gur  ^6t  ®rcgor«  I.  tool^l  bie  getoöl^nlicf^e,   loie   au«  feinen  Sriefen   er^t 

66  (barau«  c.  19,  dist.  LXI  üon  595  unb  c.  16  eod.  bon  603,  berb.  Thomassin  1.  c. 
P.  II,  lib.  III,  cap.  X),  unb  auc^  fj)äter  toirb  berfclben  gebac^t  unb  mipräuc^lic^en 
Ucbergriffen  ber  3Sifttatorcn  entgegengetreten,  ©benfo  mu^te  gegen  ju  lange  ©Äi«* 
üafanjien  cingefcf^ritten  toerben,  ba  befonber«  auc^  t)on  feiten  ber  toeltlidj^en  Ferren  biefe 
bcnu^t  ipurben,   um   bic  ^rüc^te  loä^rcnb  ber  (Irlebigung  felbft   ju   jiei^en   ober    i^ren 


(Sebidtoafotij  119 

aSafatten  bcn  3lk^bxa\xdf  aU  Äommcnbe  jujutoeifen  (Thomassin  l  c.  P.  II,  lib.  III, 
cap.  XI  sq.).  Um  bem  abju^elfen,  lag  nic^tö  nä^er,  al^  ben  Jtat)iteln  bie  interimiftifd^e 
abminiftration  gu  übertragen.  3)ie«  gefd^^fl^  benn  auc^  guerft  j^inftc^tlid^  ber  @))mtualien 
(ögl.  c.  11.  14  X.  de  majoritate  et  obedientia  [I,  33],  ^onoriu«  III.  [geft.  1227], 
©regor  IX.  [bor  1234]  c.  un.  eod.  in  VP  [I,  17],  Öonifatiu^  VIII.)  unb  bann  au^  5 
ber  lennjoralien  (bgl.  b.  Sri.  „©})olienreci^t").  2)ag  neuere  SRec^t  berul^t  auf  ben  Slm 
orbnungen  be«  ^^ribentinifc^en  Äonjild  unb  ben  bte  gemeinrechtlichen  S8orfc^riften  er* 
gönjenben  unb  erläuternben  ©ntfd^eibungen  ber  Congregatio  Concilii.  3Wit  bem  ßin« 
tritt  ber  SSalanj  ift  bie  bifd^öflic^e  ^undbiftion  an  bad  Äa^itel  gefallen,  toeld^e^  nad) 
früherem  Siedete  biefelbe  ebenfo  toie  feine  fonftigen  SSefugniffe  auöjuüben  l^atte,  alfo  in  lo 
corpore  ober  per  turnarios  ober  burc^  einen  baju  befonber«  geioä^Iten  9Jlanbatar 
(^enarid,  Bibliotheca  cit.  s.  v.  vicarius  capitularis  art.  I,  nr.  3).  ^ad  le^tere 
erfcffien  ber^urte  am  gtoecfmäf^igften  (Benediotus  XIV.  de  synodo  dioecesana  lib.  II, 
cap.  IX,  nr.  2)  unb  bemgemäf  beftimmte  ba^  Mbentinum  sess.  XXIV,  cap.  16  de 
reform.  Sinnen  ac^t  lagen,  toeld^e  bon  bem  9Jlomente  ber  erlangten  Äenntni«  ber  16 
eingetretenen  33afanj  berechnet  toerben  (Benedictus  XIV.  I.  c),  l)at  bad  Äa^jitel  einen 
ober  meiere  Öfonomen  unb  einen  Jta^itularbifar,  gu  toelc^em  auc^  ber  bi^^erige  bifcjl^öflic^e 
©eneraltoifar.  genommen  toerben  barf,  ju  bcfteÖen.  3f*  ^^^  äapM  barin  fäumig  ober 
^tfflt  ber  t>atanten  Äird^e  ein  Äaj)itel,  fo  bebolbiert  bag  ßmennung^red^t  bei  einer 
©uffraganfirc^e  an  ben  9Retro})oIiten,  bei  einer  5IRetroj)olitanfirc^e  an  ben  älteften  ©uffragan=  20 
bifd^of,  bei  einer  ejemten  Äird^e  an  ben  näd^ften  Sifdj^of.  2öenn  bie  bafante  Äird^e  lein 
jtopitel  l^at  unb  gugleid^  bie  ^}}{etropoUtanIirc^e  felbft  gu  ber  3^i^  ^^^^  Srgbifd^of  ift, 
bebotoiert  bie  ©mennung  auf  baö  5Ketroj)oIitanfa))iteI  (Benedic.  XIV,  1.  c:  Ferraris 
s.  y.  vicarius  capitularis  art.  I,  nr.  47.  48).  ^er  Jla^itularbifar  fou  nad^  bem 
2!ribentinum  (a.  a.  D.)  toenigftenö  I)oItor  ober  Sicentiat  be^  fanonifc^en  SRei^t^  fein,  ober  25 
fonf|,  fo  biel  eö  möglid^  ift,  bie  gä^igfeit  beft^en.  gfinbet  fic^  eine  geeignete  5ß«:fon  im 
ifla})itel,  fo  mufe  fte  auö  bemfelben  genommen  toerben  (f.  bie  2)eflarationen  ber  Congr. 
Goncil.  nr.  3—9  in  ber  Slu^gabe  be^  Conc.  Trid.  öon  SRic^ter  unb  ©d^ulte,  berb. 
gerrarid,  Bibl.  s.  v.  capitulum  ärt.  III,  nr.  50 — 57,  vicarius  capitularis  art.  I, 
nr.  41—44).  3)er  Äa^itularbifar  übt  bie  il;m  juftel^enben  SRed^te  nic^t  afö  bloßer  so 
3}{anbatar  bed  Kot^itelef,  toelc^e^  nic^t  einmal  befugt  ift,  fic^  getoi^e  ^uridbiftiondrec^te 
^u  referbieren,  fonbern  er  bertoaltet  felbftftänbig,  toie  ber  SSifc^of,  im  befonberen  toie  ber 
®cneralbilar,  big  jur  SD3ieberbefe|ung  bed  bifc^öflic^en  ©tul^l«  (f.  Ferraris  s.  v.  capi- 
tulum art.  III,  nr.  58  sq.  unb  bie  citierten  Seflarationcn  nr.lO— 12,  bgl.  auc^  Constit. 
5Uiud  IX.  bom  28.  Suguft  1873  (ärc^ib  für  fat^.  M  31, 182).  2)a^er  lann  audj!  ba«  35 
ÄolJitel  bem  3Jifar  nic^t  bie  SScrtoaltung  abnel^men,  totnn  nid^t  eine  gerechte  SSeranlaffung 
baju  bor^anben  ift,  über  toeld^e  aber  nic^t  bad  Äo^jitel,  fonbern  bie  Congregatio  super 
negotiis  Episcoporum  ju  befinben  l^at  (Benedict.  XIV,  1.  c.  nr.  IV;  fjerrari«, 
Bibliotheca  s.  v.  capitulum  art.  III,  nr.  42 — 45).  2lÜein  e^  befte^en  überl^auj)t  für 
bie  ganje  interimiftifc^e  2lbminiftration  getoifje  Sefc^ränfungen.  40 

3m  allgemeinen  rul^en  nämlic^  toäl^renb  ber  Sebi^balanj  biejenigen  bifc^öflic^en 
Siechte,  toelc^e  Sugflufe  be^  ordo  episcopalis  finb  ober  fraft  j)äj)ftlid^er  3)eIegation  ge» 
übt  toerben,  infofem  nic^t  bon  ber  ßurie  anbertoeitig  bafür  geforgt  toirb  ober  bie  3Ser= 
^ältniffe  baju  jtoingen,  einen  au^toärtigen  Sifd^of  jur  äue^ilfe  l^erbeigujiel^en  (Ferraris 
s.  V.  vicarius  capit.  art.  II,  nr.  7—9).  gnöbefonbere  befte^t  ein  ^Crauerjal^r  (annus  46 
luctus),  toäl^renb  beffen  ben  Drbinanben  ber3)iöcefe  fein3)imifforiaIe  jum  6m})fange  ber 
SSei^e  erteilt  toerben  barf,  ed  fei  benn,  ba^  jemanb  beö  Drbo  bebarf,  um  ein  fd^on  emt)fangened 
ober  ya  emj)fangenbeö  Senefijium  ju  bertoalten  (beneficii  ecclesiastici  recepti  sive 
recipiendi  occasione  arctatus).  (3Sgl.  c.  3  de  tempor.  ordinat.  in  VI"  [I,  9]; 
Bonifac.  VIII.  Cpnc.  Trid.  sess.  VII,  cap.  10  de  reform.  sess.  XXIII,  cap.  10  50 
de  reform.  2)ie  Übertretung  biefer  Seftimmung  toirb  mit  ©u«})enfton  bon  3lmt  unb 
5ßfrünbc  auf  ein  gal^r  beftraft  (Trid.  sess.  XXIII,  cit.,  toäl^renb  bie  sess.  VII,  cit. 
bog  SnterbilEt  ber^ängt).  3)er  Äa^jitularbifar  ift  aud^  nic^t  befugt,  bie  ber  ÄoHation  be« 
Sifd^ofd  unterliegenben  33enefij^ien  jju  berleil^en  (c.  2,  X,  ne  sede  vacante  aliquid 
innovetur  [III,  9],  Honorius  III.).  SBäl^renb  im  übrigen  bie  3iu^i^biftionalia  be«  65 
Äa|)itularbifar«  unb  bed  Äajjitel^  felbft  unbefd^ränlt  finb,  f otoie  fte  bem  Siechte  entfj)rec^en, 
gilt  boc^  ba«  $rinjil>,  bafe  in  ber  ß^ifc^^^^^QJ^unö  J^i"^  '^^^  lünftigen  8ifd^of  jum 
ytad^teil  gereid^enbe  SSeränberung  borgenommen  toerben  barf  (Tit.  Ne  sede  vacante  ali- 
quid innovetur.  X.  III,  9  in  VI^  III,  8,  Extravag.  Joann.  XXII,  tit.  V,  Extra- 
vag, comm.  III,  3  unb  berfd^iebcne  2)etretalen  in  anbern  liteln).    9JamentIid^  bürfen  60 


120  Sebidnalanj  SeMni^N 


bic  bifd^öfUd^en  ©infünfte  bet  3*^W^njrit  nic^t  toertoenbet  toerben  (c.  40  de  electione 
in  VI^  [I,  61;  Nicolaus  III.  c.  7  in  Clem.  eod.  [I,  3]).  2)a«  bem  ÄcH)ituIart)tfar 
ju  getoä^renbe  ©alarium  toürbc  aber  tüo^I  unbcbenlUc^  baraud  bcftritten  tüerben  bürfcn. 
2)ic  SBcräui&erung  bon  ©runbftüdfen  be^  ©tift«  ift  in  ber  3^^  "i^^  gcftattct  (c.  42  de 

6  electione  in  VP  [I,  6];  Bonifac.  VIII.).  2)ie  ©ebidbalanj  nimmt  mit  bcr  Sefi^ 
crgtcifung  be^  neuen  Sifd^ofd  ein  6nbe.  2)emfelben  ift  bann  bollftänbige  SRed^nung 
gu  leöen. 

SSon  bet  eigentlichen  Sebi^toafanj  unterfdj^eibet  man  bie  Duaft=©ebidt)afanj  (sedes 
impedita),   toenn  ber  Sif^of  ftc^  ber  il^m  obliegenben  aSertoaltung  gu  unterbieten  toer- 

10  l^inbert  ift.  SP  ^'^f^^  §inbemi«  nur  ein  teiltüeife^  (sedes  partialiter,  secundum 
quid  impedita),  fo  tritt  ein  ^oabjutor  ein ;  ift  e$  bagegen  ein  abfolute^  (sedes  gene- 
raliter,  absolute  impedita),  fo  mu^  eine  anbere  SSertDaltung  angeorbnet  toerben.  @^ 
beftimmt  be^l^alb  ba^  c.  3  de  supplenda  negligentia  pradatorum  in  YV*  [1,  8], 
Bonifacius  VIII.:    ,,Si   episcopus   a   paganis   vel   schismaticis   capiatur,   non 

16  archiepiscopus,  sed  capitulum,  ac  si  sedes  per  mortem  vacaret  illius,  in 
spiritualibus  et  temporalibus  ministrare  debebit,  donec  eum  libertati  restitui, 
vel  per  sedem  apostolicam,  cujus  interest  ecclesiarum  providere  necessitati- 
bus,  super  hoc  per  ipsum  capitulum,  quam  cito  commode  poterit,  consulen- 
dam,  aliud  contigerit  ordinär!.''    @d  tritt  l^ier  alfo  ein  SSerfal^ren  ein,   ä^nlid^  bem 

90  ber  h)ir!Iic^en  @ebidbafan)  (bgl.  aud^  Ferraris  s.  v.  capitulum  art.  III,  nr.  32). 
9(nberd  ift  aber  bad  SSerl^ältnid,  toenn  noc^  ein  SSerte^r  mit  bem  Sifc^ofe  möglich  ift, 
inbem  bann  feine  ^iuridbi^tio  nid^t  ald  fu^i^enbiert  erfd^eint  unb  ber  bon  il^m  befteUte 
©eneralbifar  toeiter  fungieren  tann.  3taö)  bem  3:obe  beö  ©eneralbifar«  toürbe  bann  bem 
5ßaj)fte  bie  Seftettung  eine«  neuen  ©eneratoilar«,  nid^t  aber  bem  RcCpxUl  bie  SlnfteBung 

25  eine«  S8ilar«  gcbül^ren. 

3Benn  ein  Sifc^of  fu«J)enbiert  ober  ejlommunigiert  ift,  fo  bebarf  e«  einer  93er^anb= 
lung  be«  Äajjitefe  mit  bem  $at)fte  toegen  ber  SSertoaltung  ber  guri^biftion  (Ferraris 
1.  c.  nr.  36),  ba  Da«  fWanbat  be«  bifc^öflic^en  ©eneralbifar«  erlofc^en  ift  (c.  1  de  officio 
vicarii  in  VP  [I,  13]).  ($.  ».3facoMo«t)  ®eiU«g. 

30  Seblni^It^  £eo»)olb,  ®raf  t).,  geft.  1871.  —  üucUc:  ©clbftbioflrop^ie  be«®rafcn 
2to]>.  ©eblni^ti,  gürftbifd)of  in  ^^re^Iau.  9?Q(ft  feinem  fiebcn  unb  feinen  ?Japieren  ^crau«= 
gegeben  mit  2lttenftüc!en,  ^Berlin,  ©il^clm  ^crf  1872.  —  S^gl.  ^.  ©u.  A3.  1871,  9h-.  22 
unb  23. 

®raf  £eo})oIb  öon  ©eblni^fi,  el^emaliger  gtirftbifd^of  bon  8re«Iau,  fl^öter  jur  etoan^ 

36  gelifc^en  Äird^e  übergetreten,  unb  ein  ebler  SBol^Itl^äter  berfelben,  lourbe  am  29.  guli  1787 
auf  bem  ©c^Iofe  ®epi)er«borf  in  Öfterreic^ifc^^Sd^Iefien  geboren,  ©eine  ©Item,  Steic^ 
graf  ^o^^i)  öon  S.  unb  3Waria  S^f^^Ji^a,  geb.  ©räfin  bon  §augh)i^,  übten  burd^  i^re 
toa^r^aft  d^riftlic^e  grömmigfeit,  in  ber  fte  bem  römifd^-fat^olif^en  ©lauben  mit  allem 
(Srnft  jugetl^an,    aber  auc^   milb  unb  liebreid^  gegen  2lnber«gläubige   toaren,    auf    bie 

40  religiöfe  ßnttüidfelung  be«  Jtnaben  einen  tiefen  (Sinflu^  au«.  ®en  ®ang  ber  ©t^mnafial^ 
bilbung  mad^te  er  im  ©Ueml^aufe  unter  ber  Seitung  mel(|rerer  §ofmeifter,  bie  fe^r  ber* 
fc^iebenen  3Retl^obe  befolgten,  burc^.  Qx  abfolbierte  fobann  in  a3re«Iau  bom  Dftober  1804 
ab  ben  ))^iIofo})l^ifd^en  unb  bon  1806  ab  ben  t^eologifd^en  Äurfu«.  3ltte  Offenbarung 
®otte«  in  9Jatur,   ®etoijfen  unb  ®ef(^id^te   mit   cmftem,  religiög^ftttlid^em   ©inne  ber* 

46  folgenb,  gelangte  er  nac^  unb  nad^  ju  einer  Vertieften  Sluffajfung  toon  ber  ©ünbenmaAt 
unb  ©ünbenfcbulb,  kooHte  aber  bie  ßrlöfung  babon  nur  in  ber  göttlid^en  Offenbarung 
al«  einer  bur^  bie  Äird^e  al«  i^r  Organ  vermittelten  ®efe|e«öIonomie,  nid^t  al«  einer 
®nabcnanftalt  finben.  ®eförbert  tourbe  er  in  feinem  t^eologifd^en  Silbungdgan^e  bon 
ben  Seftrebungcn   frommer  fat^olifc^er  Ideologen  be«  füblid^en  2)eutfc^lanb«,   bte   auf 

50  ^flan^ung  unb  Pflege  njabren  inneren  ß^riftentum«  im  ©egenfa^e  gegen  ba«  äufeerli^e 
Äird?entum  gerirf)tet  ivaren.  Unter  bem  (Sinflufe,  namentlid^  ber  ©c^riften  bon  üJlic^.  ©ailer, 
unb  unter  fortfd^reitenb  tieferer  Grfal^rung  feine«  inneren  2^bm^  Von  ber  ®eh)alt  be« 
Söfcn  unb  bem  Unvermögen  be«  menfc^licben  2Billen«  ^ur  Überiüinbung  feiner  in  ber 
©elbftfuc^t  tüurjelnben  5Kad^t  geriet  er  in  einen  fc^mer,^lic^en  inneren  3h>icf|)oIt,   bt«  er 

56  nac^  ber  SBcifung  jener  frommen  Sl^eologen  in  bic  2:iefc  unb  ben  ganjerj  SReic^tum  ber 
^l.  ©d^rift  fic^  Verfenftc.  2)amit  trat  in  feinem  inneren  Seben  ein  SBenbejjunft  ein. 
Gr  lourbe  inne,  bafe  bcr  ^enfcb  nid?t  burc^  äußere  2ßcrfc  unb  burc^  eigene«  SSerbienft 
fic^  in  ba«  redete  i^erl^ältni«  ^u  bem  1)1.  @ott  bringen,  unb  eine,  feinem  SEBiUen  unb 
®cfc^  cntfjjrccbcnbc  ©efinnung  crjeugcn   fönnc,   ba^  bcr  n?ilbc  33aum   be«  natürlid^en 


Seblm^Ii  föl 

!D?enf(^en  toa^rl^aft  gute  Stüd^te  nur  tragen  fönne,  tocnn  eine  ©meucrung  be^  tnnerften 
Seben^tunbed  burd^  bte  ^tebergeburt  ju  ftanbe  !omme,  unb  ba^  bie  unmittelbar  etm 
greifenbc  Onabe  ®otte«,  bie  in  ber  großen  ©otte^t^at  ber  SSerföl^nung  unb  Srlöfung 
burdf^  ß^riftum  fic^  barfiettt,  ben  SBeg  lur  ÄinbWaft  mit  ®ott  burc^  Sluf^cbung  ber 
©d^ulb  unb  ber  Äned^tfc^aft  ber  ©ünbe  ba^nt  unb  fül^rt,  unb  jur  Seilna^me  beö  ein;^elnen  6 
an  bem  §eil  nic^t«  anbere«  forbert,  atö  bie  $inaabe  be«  $erjen^  an  ®ott  unb  Jiefum 
ß^ftum.  2)arin  erlannte  er  ben  toa^en  ©lauben  im  Unterfc^iebe  bon  bem  bloßen 
Serftanbe^Iauben  aU  eine  ^ru^t  be«  inneren  5Renf(^en  in  feiner  Totalität  (nac^  SRö  10,  9). 
3)iefer  h)a|re  ©laube  toar  i^m  bie  bon  ber  ©c^rift  be^eid^nete  fefte  guberfid^t,  bie  au« 
bem  Duett  be«  Sic^t«  unb  ber  SBai^lfieit  felbft  entf})ringt.  lo 

%toii  biefer  ebangelifd^en  Stiftung  ^ielt  er  mit  bieten  glei^geftnnten  frommen 
SMännem  ber  römifc^en  Äird^e  an  ber  äußeren  ßin^eit  unb  ber  biefelbe  begrünbenben 
ä4>oJiolicität  ber  fat^olifc^en  Äirc^e  unberbrüc^Iic^  feft.  35ie  Sieformation  betrachtete  er 
cii  einen  Slife  in  ber  ©inl^eit  ber  Äirc^e,  alö  eine  Störung  i^rer  gottgetoottten  QnU 
toidfelung.  6r  blieb  ein  treuer  ©o^n  feiner  Äird^e.  3lad)  abfototertem  t^eologifc^em  15 
@jamen  unb  @m})fang  ber  nieberen  ©eilten  (1809),  nad^  33eförberung  jum  ©ubbiafonat 
unb  ®ia!onat  (1810)  erl^ielt  er  bie  ^^rieftertoeibe  in  ber  Äottegiatfirc^e  gum  ^l.  Jtreuj  in 
Sredlau  (1810).  ®r  i^iU  bie  abfielt,  [xd)  bem  tbeologifc^en  fie^ramte  gu  toibmen,  unb 
fcfete  beö^alb  feine  ))^ilologifc^en  unb  |)bilofo})l^ifc^en  ©tubien  fleißig  fort.  2tber  ein 
fertige«  Sruftleiben  mit  feinen  folgen  nötigte  il^n,  bon  bem  Eintritt  in  ein  tl^eologifd^e«  20 
ober  lird^Uc^e«  Se^ramt  3lbftanb  m  nehmen.  Slad^bem  er  hirje  ^^xi  in  ftitter  gwtüdt^ 
gcgogen^t  gelebt  unb  in  biefer  3^it  ft(^  Diel  mit  ber  1^1.  ©d^nft  befc^äftigt  l^atte,  tiber^ 
na^m  er  1811  bie  bon  bem  gürftbifd^of  bon  33re«lau,  bem  gürften  t)on  Äol^enlo^e,  ij^m 
angebotene  ©tette  ate  2lffeffor  unb  ©ehetär  im  S8ilariatamt,  ber  bie  geiftfic^en  ©efc^äfte 
ber  2)iöcefe  leitenben  35ebörbe.  26 

auf  ®runb  ber  ©rfal^rung,  bie  ®raf  ©eblni^fi  in  feinem  eigenen  Seben  bon  ber 
ipciföfraft  be«  SBorteö  ®otte«  gemacht  batte,  loar  er  öon  ber  SJottoenbigfeit  überzeugt, 
bie  ^l.  ©c^rift  atten  ßl^riften  ^ugänglid^  ju  mad^en.  @r  trug  bober  lein  Sebenfen,  ber 
©efettfd^  jur  Studbreitung  ber  1^1.  ©d^rift  unter  ßbriften  attcr  Äonfeffionen  beizutreten, 
©einen  ©ntfc^lufe  melbete  er  bem  gürftbifc^of  §ol^enlol^e  unb  erl^ielt  t)on  i^m  fofort  eine  so 
juftimmenbe  änttoort.  Sro^bem  erfuhr  er  be^^alb  l^eftigen  2Biberf))ruc^  feiten«  feiner 
näc^ften  Sorgefe^ten.  3)ie  ^l.  ©c^riften,  bie  an  ba«  Sifariatamt  gefanbt  toaren,  tourben 
mit  93efd^lag  belegt,  obtool^l  fie  mit  bifd^öflic^er  9lp})robation  berfel^en  tüaren.  3)enno(^ 
ftanb  er  bon  feinem  SSor^aben  nic^t  ab ;  er  mufete  ftc^  freiließ  bei  ber  Verteilung  l^eiliger 
s=5d^rtften  auf  bie  ®sem})lare  befd^ränlcn,  bie  unmittelbar  an  il^n  unb  feine  ^eunbe  famen,  S6 
tonnte  aber  ju  feiner  ®enugt^uung  toa^mel^men,  baft  fein  Vorgehen  ni^t  nur  in  ben 
©tobten,  fonbem  aud^  auf  bem  Sanbe  SSeifatt  fanb,  unb  in«befonbere  biele  ®eiftlid^e  i^n 
unterftü^ten,  fo  bafe  er  ^offen  fonnte,  bafe  ba«2Biberftreben  ftd^  attmäl^lic^  toerbebefeitigen  laffen. 

äfe  nac^  einiger  3rit  bie  2lufforbcrung  an  il^n  erging,  eine  ©tefle  in  ber  föniglid^en 
Slegierung  ju  8re«lau  ju  übemel^men,  glaubte  er  barin  einen  Stuf  ®otte«  ju  erlennen,  40 
bem  er  gu  folgen  ^abe.    6r  übernahm  bamit   eine  Wengc  neuer  Strbeiten,   toeld^e  bie 
Ätrd^e  unb  ba«  l^ö^ere  ©c^ultoefen  betrafen.    ®«  beftanb  bamate  bie  Einrichtung,  bafe 
aüe  Äirc^ens   unb  ©d^ulangelegenl^eitcn   ol^ne  Unterfd^ieb   bon  ben  Släten   beiber  Äon* 
feffionen  unter  bem  SSorft^  be«  Dberjjräfibenten  bebanbelt  tourben.    3)a   ein   befonbere« 
itonfiftorium  für  bie  proteftantifc^en  Äirc^enfa^en  nocf^  nid^t  beftanb,   tourben  aud^  bie  46 
etKingelifc^en  Äirc^enangelegen^eiten   in  berfelben  ©effton  in  ®egentoart  ber  lat^olif^en 
ÜRitglieber  ber^anbelt.   3)a  er  erlannte,  bafe  bie  j)roteftantifd^en  ®Vmnafien  bie  fat^olifd^en 
in  toiffenfc^aftlic^er  SBejicbung  übertrafen,   erad^tete  er   e«  für  feine  2tufgabe,  ba^in  gu 
tohcfen,  ba^  fie  mit  jenen  bie  gleiche  ipöbc  erreichten.    3)urc^  feine  ©tettung  unb  S^^ätig« 
feit  fa|  er  fic^  gebrängt,   fid^  über  ba«  3Serbältni«  ber  lat^olifc^en  Äirc^e  uir  j)roteftan5  60 
tifd^en  noc^  grünblidj^er  gu  belel^ren,  al«  e«  bi«^er  gefd^e^en,  unb  gu  bem  Snbe  fic^  mit 
ben  f^mbolif^en  ©d^riften  ber  })roteftantifc^en  Sird^e  cingel^enb  ju  befc^äftigen. 

Sei  ber  38ergleic^ung  beiber  .viircben  mußte  er  ben  reformatorifc^en  Se^ren  bom 
aSorte  ®otte«  unb  bom  ®lauben  DoUfommen  guftimmen.  aber  im  SBlidE  auf  ba«  Sin* 
feigen,  toelc^e«  aud^  in  ber  fat^olifc^en  Äircfjc  ber  Sibel  gugefd^rieben  toirb,  unb  angefid^t«  65 
ber  3^lüftung  ber  Jjroteftantifd^en  Hircljc  mürbe  er  in  ber  Überjeugung  nicfjt  erfc^üttert, 
ba|  oie  lat^olifd^e  Äir^e  bie  eine  tvabre  Äircbc  ßbrifti  fei,  unb  baß  im  ^roteftanti^mu« 
„bie  ®runbbebingung  ber  Äircfje",  nämlicb  bie  Ginl^eit,  nic^t  ju  erreichen  fei.  @r  \vax 
erfüttt  bon  ber  Hoffnung,  bafe  bie  ^Jiifebräud^e  unb  ^^rtümer,  bie  in  feiner  Äirc^e  in  bem 
n>ieberauflebenben  älblaßunmefen,   in  ber  Steigerung  ber  öeiligenberebnmg,   in  ben  Sln^  eo 


122  Sebttti^N 

backten  bor  tounbcrtl^ätigen  Silbern,  in  bcm  ®Iaubcn  an  bic  SBunberfraft  bon  2lmulctten, 
Slofcnfränjen,  3Kcbaitten,  im  Übcr^anbnc^mcn  bc«  SBaDfa^rtcnlücfcn^  hervortraten,  üon 
3nnen  ^erau^  burd^  richtige  S^arfteDung  ber  d^riftlid^cn  Seigre  unb  i^re  Stntoenbung  im 
Seben,    folüie  burd(>   ^ebung   be«  gefamten  Unterrid^t^toefen^,    burd^  2lu^bilbung   einer 

6  tüd^tigcn,  bon  d^riftlic^em  ®ei[te  burd^brungenen  ©etftlid^Ieit  unb  burd^  Segrünbung  be« 
t^eologifd^en  ©tubium^  auf  baö  ©d^riftftubium  attmä^Iid^  n)ürben  übcrtounben  toerben. 
er  fa^  ftd^  jeboc^  fc^merjjlid^  enttäufd^t  burd^  bie  3wf>>i$un9  «ß^  SKi^bräud^e  unb  ^n^ 
tümer  in  ber  ))ä^)[tIidS>en  3lllgeh)alt  unb  in  ber  ^erfteUung  beg  ^^fwitenorbeng  unb  ber 
Stu^breitung  feiner  3Jlac^t  über  atteg  äußere  unb  innere  Seben  berÄirc^e.    6^  loarb  i^m 

10  Ilar,  bafe  baburc^  bie  bon  ®ott  in  feiner  Äird^e  geftiftete  „at)oftolifd^e  Drbnung  nod^malg 
jerftört  toerben  !önnte,  aber  auf  Soften  be^  ^rieben^  ber  Äirc^e,  be^  c^riftli($en  ©taatö 
unb  ber  d^riftlic^en  ^amilie." 

3)ie|e  burc^  ba^  ©tubium  ber  ©efd^id^te  unb  eigene  Srfa^rung  gewonnene  Über^ 
jeugung  lonnte  nid^t  berborgen  bleiben.    ©eblni^Ii  lüurbe,    aU  er  nad^  bem  3^obe  be« 

15  gürftbifdS>of^  b.  ©d^imon^ü  bom  Äajjitel  jum  SBi^tum^bertoefer  gemä^It  Sorben  toar, 
ber  ©eringfd^ä^ung  ber  ©in^eit  unb  Äat^olicität  ber  Äirc^e  unb  ber  ©infü^rung  bon 
berberblic^en  Steuerungen  befd^ulbigt.  Iro^bem  lüurbe  er  bom  3)omfa^)iteI  einftimmig, 
unb  jtoar  burd^  2ltttamation,  jum  Sifd^of  gemä^lt  (1835).  Slac^  bergeblic^er  ©eltenb* 
mad^ung  feiner  fc^Jberen  Sebenfen  gegen  bie  Übemal^me  eine^  fold^en  ^ol^en  Stmtc«  beim 

2 )  Rapitd  unb  au^brüdftic^er  Seftätigung  feiner  SBa^I  burd^  lüieberl^olte  älfflamation  na^m 
er  biefelbe  an,  inbem  er  in  berfelben  ®otteg  ©timme  ju  bemel^men  glaubte. 

2)ie  i^m  feinbfelige  Partei,  bie  bi^  ^ur  ^öfjftlid^en  ^urie  hinauf  i^re  Sejiel^^ungen 
^atte  unb  il^ren  (Sinflug  gegen  il^n  ausübte,  berfolgte  i^n  balb  aU  einen  ^teuerer  unb 
grieben^ftörer  mit  allerlei  Sserleumbungen  unb  gel^äffigen  Deutungen  feiner  3Jtafena^men, 

25  fo  j.  S.  mit  ber  3lnllage,  bafe  er  in  feinem  2:itel  nid^t  „bon  ®otte^  unb  be^  aipofto- 
tifd^en  ©tu^Ie^  ®nabe"  fc^rieb,  morüber  er  fic^  felbft  bei  bem  geiftUc^en  SWinifter  ber^ 
antworten  mufete,  bem  er  bann  nad^tpeifen  fonnte,  mie  ber  bei  toeitem  größte  3;eil  feiner 
aSorgänger  unb  bie  meiften  Sifd^öfe  feit  einem  ^^^^^w^^ert  ,,bie  ^)ä^)ftli(t^e  ®nabe"  toeg= 
gelaffen  If^ätten.    Sr  lüurbe  atö  ber  3<^*örer  ber  din^eit  ber  Äird^e  angefe^en,  toeil  feine 

30  Ueberjeugung  bon  ber  SSerberbtid^Ieit  ber  ^)ä})ftlid^en  2Beifungen,  nad^  toeld^en  bie  ©eift- 
liefen  ben  ®emeinben  einfc^ärfen  foHten,  bafe  niemanb  aufer^alb  ber  römifc^en  Äird^e 
felig  hjerben  fönne,  nid^t  berborgen  blieb.  S^^^efonbere  aber  tourbe  fein  bem  ©taat^* 
gefe^en  entfrrec^enbe^  Serl^alten  in  3lngelegenbeiten  ber  3Jlifc^e^e  ber  ®egenftanb  feinb= 
lid^er  2lngriffe   feiten^  ber  HerifaU^)a^)iftifc§en  Partei  unb  bie  Urfad^e  ju  einem  folgen* 

3öfd^h)eren  Konflift  mit  ber  Äurie  felbft.  6^  beftanb  bie  alte  beutfdj^e  Dbferbanj,  bafe  bie 
Äinber  gemifd^ter  ©l^en  je  nac^  bem  ®efd^Ied^t  im  ®Iauben  ber  (SItem  erlogen  tourben. 
5Rad^bem  fd^on  Äaifer  Äarl  VI.  1716  bie«  au^brüdflic^  aud^  für  ©d^lefien  feftgefe^t  ^attc, 
lüurbe,  al«  ©d^Iefien  preufeifc^  geiporben  toar,  infolge  einer  Beratung  mit  bem  J^ürft- 
bifc^of  unb  bem  2)omfa))iteI  burd^  ein  ©bift  bom  8.  3luguft  1750  afö  aDgemetne  ^raji« 

40  beftimmt,  bafe  lüie  bi^^er  bie  ©öl^ne  ber  SReligion  be«  3Jaterd,  bie  3;öd^ter  ber  Sleligbn 
ber  3Jlutter  folgen  foHten  unb  feine  babon  abtoeid^enbe  2lntenu^)tialberträge  juläffig  feien. 
2)a«  allgemeine  ^jreu^ifc^e  Sanbred^t  fc^Io^  fid^  biefem  ®runbfa$  an,  inbem  e«  jene 
Seftimmung  aufnal^m  mit  bem  S^]ai^c,  ba^,  fo  lange  beibe  ©Item  am  Seben  unb 
über  bie  6r«e|^ung  ber  Äinber  einig  feien,   ein  I)ritter  fid^  nid^t  einmifd^en  bürfe;   nur 

46  eine  3Jlobififation  jener  Seftimmung  erfolgte  im  ^^ai)xz  1803  mit  ber  93eftimmung,  bafe 
in  SKifc^e^en  fämtlid^e  Äinber  ber  Sieligion  be^g  äJater«  folgen  foDten. 

3lm  SBiberfprud^  mit  biefen  gefe^lid^en  Seftimmungen  unb  ber  entfj)red^enben  ^ßrojig 
beftimmte  bie  Äurie  burd^  ein  ))ä))ftli^e«  93rebe  bom  25.  SKärj  1830,  bafe  bic  fird^Iic^e 
©infegnung  gemifd^ter  6^en  f;infort  bon  bcm  3Serf^)rcc^en  ber  fatl^olifd^en  (Srjie^ung  fdmt* 

50  lieber  Äinber  abl^ängig  ^u  macben  fei.  2)er  barüber  am  Slj^cin  entbrannte  Ramp^  unb 
©treit  unb  bic  ®cfa^r,  bie  burc^  jene  Seftimmung  bem  ^rieben  ber  Äirc^en  imb  Ron- 
feffioncn  bro^te,  bcftärfte  ©eblni^fi,  abipcid^enb  bon  bem  Scr^alten  ber  anberen  j)reufeifc^en 
Sifc^öfe,  ben  befte^cnben  ftaatlic|en  ©cfe^en  gemäfe  ^u  berfa^ren,  ipie  e«  feine  Vorgänger 
unter  ftiHfd^toeigcnber  ))äpftlid;cr  3"'öff""0   get^an   F)atten.    2luf  bie  2lufforberung  M 

55  ^a^jfte«  ®regor«  XVI.,  feinen  ®cf^orfam  gegen  ben  a^^oftolifd^en  ©tul^l  auc^  in  biefer 
3tngelcgcn^eit  ^u  betunbcn,  antwortete  er  (18.  ^uni  1839),  bafe  er  nur  ba«  SJerfa^ren 
feiner  Vorgänger  in  Befolgung  ber  ftaatlid^cn  ®efc^c  beobad;tct  f}ab^  unb  gemäfe  bem 
bon  i^m,  nad^  bem  Scifpiel  feiner  ä?orgängcr  gelcifteten  C?ibe,  ben  ftaatlic^en  ®efe^en 
gcl;orfam  |^u  fein,   audb   ferner  |^u  berfa^rcn  in  feinem  ©chjiffcn   unb   um   beS  grieben^ 

m  unb  ©ebci^eni^  ber  Äirc^c  tpißcn  \xd)  ber^fUcbtct  fül;lc. 


Sebliii^tt  (SebiilntS  123 

3)te  Sfntlüort  be«  $a|)ftc«  (bom  10.  3Rai  1840)  ^iclt  an  ben  gegen  i^n  erl^obenen 
änf lagen  feft  unb  mad^te  i^m  benSortüurf,  bafe  er  ftdb  leintet  feinen,  ben  ©taatggefe|^en 
geleifteten  Sib  flüchte,  „ate  oB  er  in  leiner  SQäeife  naft  eine«  anbertoeitigen  mäd^tiger 
geheiligten  eiblic^en  SBanbe«  ber  Äird^e  felBft  unb  bem  1^1.  ©tu^I  Verpflichtet  märe". 
©eblni^Ii  lonnte  barauf  nur  ertoibern  (10.  Slwni  1839),  ba|  er,  „ba  er  lieber  ade«  auf-  5 
5uo^)fem  bereit  fei,  al«  bie  l^eiligften  Oebote  3l^"  G^rifti  lüiffentlic^  ju  t)erte^en  unb 
baburc^  bie  allerfci^merfte  3Seranth)ortung  bor  bem  SRid^terftul^Ie  ®otte«  fw^  jujujiel^en, 
nic^t  fäumen  lüoDe,  feine  Bifd()öflic^e  SBürbe  nieberjulegen."  2)er  injlüifd^en  jur  SRegierung 
gcfommene  Äönig  ^riebrid^  SBill^elm  IV.  bemühte  fid^,  il^n  bon  biefem  äufeerften  ©d^ritt 
utrüd(}ul^alten,  mugte  ftd^  aber  balb  bat)on  überzeugen,  ba^  ba«  unmöglid^  fei.  ^on  10 
9lom  erfolgte  bie  3lnnal^me  feine«  Slüdftritt«.  2)er  Äönig  ernannte  il^n  m  feinem  aBirf= 
liefen  ©el^eimen  9lat  mit  ber  9Serj)fIid^tung,  feinen  Stufentl^att  in  feiner  9?äl^e  ju  nel^men 
unb  an  ben  Beratungen  be«  Staatsrate«  teilzunehmen.  ©0  l^atte  er  bom  ^o!i)xt  1840 
an  ftänbig,  mit  2lu«na^me  eine«  Sommeraufentl^alte«  in  ©r.  ©ägetoi^  in  ©c^lefien, 
feinen  SBo^nfi^  in  Berlin.  16 

SBol^l  celebrierte  er  feiner  bifc^öflid^en  SBürbe  gemäfe  an  l^ol^en  fjeften  anfang«  nodb 
bie  3Reffe.  Salb  aber  ftellte  er  bie«  ein  unb  legte  feine  bifd^öflid^e  Srac^t  ab.  2)urd9 
38erfe^r  unb  ®ebanlenau«tauf(^  mit  ebangelifc^en  3Rännem,  burc^  ^orfc^en  in  ber 
^l.  ©qrift,  burc^  ba«  ©tubium  ber  ©d^riften  Suti^^^r«  unb  burc^  Sefud^  be«  ebangelifc^en 
©otte«bienjle«,  namentlid^  burc^  ba«  ^ören  ber  ^rebigten  5Wi^f(^«  im  llniberfttät«gotte«s  20 
bienft  unb  ©tal^n«  in  ber  ffierberfc^en  Äird^e  tourbe  er  in  feiner  ebangelifd^en  Überzeugung 
me^r  unb  me^r  vertieft  unb  befeftigt.  (£r  lonnte  bal^er  nic^t  auf  falbem  3Bege  fteben 
bleiben.  2)er  ©c^merj  barüber,  bafe  er  ba«  ©aframent  be«  Stltar«  in  ber  römifd^en 
Jtirc^e  nid^t  me^r  feiern  unb  boc^  aud^  al«  ©lieb  berfelben  noc^  nic^t  an  ber  ebangelifc^en 
fjeier  be«felben  teil  nel^men  lonnte,  gab  il^m  ben  änftofe,  bie  lefete  Äonfequenz  feine«  26 
©tanbt)unlte«  ju  jie^en.  3lm  12.  9l))ril  1868,  am  SKorgen  be«  ©onntag«  Duajtmobos 
geniti,  fanb  er  fic^  ol^ne  bor^erige  3lnfünbigung  in  ber  ©afriftei  ber  SDSerberfc^en  Äirc^e 
unter  ben  Beic^tenben  ein  unb  boDjog  burä  bie  Seilnal^me  an  ber  ebangelifd^en  Äom* 
munion  ben  Übertritt  gur  ebangelifdpen  Äirc^e. 

@r  betrad^tete  e«  al«  ein  ebangelifc^e«  2)anIoj)fer,  biefer  Äird^e  fortan  in  ber  %AU  ao 
na^me  an  allen  SBerlen  c^riftlid;er  £iebe«t^ätigleit  mit  feinen  ?Dlitteln   ju  bienen.    3n 
ber  ri^tigen  ©rtoägung,  bafe  bie  3lu«bilbung  junger  tüd^tiger  Gräfte  für  ba«  geiftli^e 
ämt  eine  ber  ^auptbebingungen  für  ba«  ©ebei^en  ber  ebangelifd^en  Äird^e  fei,  fud^te  er 
fte  ^au})tfä(^lid^  baburc^  ZU  unterftü^en,  bafe  er  bie  3Jlittel  zur  Segrünbung  unb  ©id^er^ 
fteHung  bon  3lnftalten  l^ergab,   bie  für  jenen  ^\üzi  beftimmt  toaren.    ©0  begrünbete  85 
er  1864  eine  bem  6entralau«fc^u6  für  innere  SKtffton  übertoiefene  ebangelifd^e  ^enfion«^ 
nnb  Srzie^ung«anftalt,  bie  er  bem  9l^)oftel  ^aulu«  zu  (S^ren  „^aulinum"  nannte,  unb 
bie  zur  @rzie](;ung  d^riftlid^er  Änaben  auf  bem  ©runbe  unb  im  ©eifte  be«  ©bangelium« 
bienen  follte,  bamit  biefelben  bereinft  in  bem  ertoäl^lten  Beruf,   namentlid^  in  bem  geift« 
liefen  unb  l^ö^eren  Se^ramt,  bem  Sleic^e  ©otte«  bienen  möd^ten.    ©))äter  begrünbete  er  40 
für  Ideologie  ©tubierenbe  unter  bem  Flamen  3>o^anneum  ein  Äonbift  in  Berlin,  meiere« 
ben  St^ti  f)at,  jungen  3:i^eologen  toä^renb  i(?rer  ©tubienzeit  ben  ©egen  eine«  d^^riftlic^en 
©emeinfd^aft«leben«  unb  einer  georbneten,  auf  bem  ©runbe  be«  ebangelifc^en  ©lauben« 
ru^enben  h)iffenfd^aftlic^en'3lu«bilbung  unter  einer  cntfj)rcc^enben   tüd^tigen  Seitung  bar« 
jubieten.    3u  gleid^em  ^)fD^it  bermad^te  er  teftamentarifd^  einen  bebeutenben  3:eil  feine«  45 
$?ermögen«  zur  Begrünbung  eine«  t^eologifc^en  ©tubentenlonbifte«  in  Bre«lau,  für  ba« 
er  gleid^fall«  ben  Flamen  ^ol^anneum  beftimmte.    ©ine  anbere  ©tiftung,  ber  ©eblni^Iifd^e 
Bifariat«fonb«  für  ©d^lefien,  ift  bazu  beftimmt,  jungen  Il^eologen  na^  i^rer  ©tubtenzeit 
©elegen^eit  zu  t)raftif4>er  Borbereitung  für  ba«  geiftlic^e  3lmt  unter  ber  Seitung  tüchtiger 
^ftoren  zu  bieten.    3luc^  für  unbemittelte  ©eiftlid^e   mit  f))ärli(^em  (Sinfommen  l^at  erw 
bur^  ein  Bermäd^tni«  geforgt,  ipeld^e«  bie  Beftimmung  ^at,  fie  mit  folc^en  lüiffenfd^afts 
lid^en  SBerlen  zu  berfe^en,   bie  fic  für  if)rc   Weitere  tbeologifd^e  3lu«bilbung   bebürfen. 
®urc^  biefe  ©tiftungen  mirb  fein  ©ebäd^tni«  in  ber  fc^lefifc^en  ebangelifc^en  Äirc^e  ftet« 
in  bcfonberem  ©egen  bleiben.  —  ^ad)  furzer  Äranf^eit  entfd^lief  er  am  25.  ?!Jlärz  1871. 
©ein  Seid^nam   tDurbe   auf  bem    g^ebbof   zu    Slanlau    in  ©d^lefien    beftattet;    nad^  55 
feinem  SBitten  foDten  feine  ©ebeine  in  fd^lefifc^cr  (Jrbe  ru^en.  ^rbmattn  f. 

Sebttitu«,  (^riftlic^er2)ic^ter  ber  erften^älfte  be«  5.  ^a^rl^unbert«.— 
«uögabcn:  fj.^lrcpalo,  ^om  1794  (abgebrucft  M8L  ©b  19);  3.  ßoo«f)ovn,  3Äünd)en  1879 
(o^ne  Paachale  Opus);    3.  ^ueiiier,  3Sicn  1885   (CSEL  »b  10).    fiitteratur:   Isid.   Sev., 


124  Sebttltnd  Seehofer 

de  Script,  eccles.  cp.  20  (^^ialotuSfi  @.  34  ff.) ;  3*  ©uctner,  De  Sedulii  poetae  vita  et 
Bcriptis  commentatio,  SBien  1878;  @.  2.  Setmbacf),  lieber  ben  (^riftltc^en  ^tditer  Säliud  8. 
unb  beffen  Carmen  paschale,  Q5odIar  1879;  ®.  ^oiffier,  Le  Carmen  paschale  et  Topus 
Paschale  im  Journ.  des  Savants,  Sept.  1881 ;  31.  (£bert,  magern.  ®ef(^.  b.  fiitt.  b.  Vtixt  im 
6  91benbl.  l^  fieipjig  1889,  373—383;  3R.  «Dlanitiuö,  ©efcft.  b.  d^rift^Iot.  Soefie,  Stuttgart 
1891,  303—312;  31.  «ourngortner,  3)ic  tat.  u.  gried).  fiitt.  b.  t^riftl.  Sölfer,  3.  u.  4.  «ufl., 
greib.  1905,  195  f. 

Über  bie  2cbcn^t)erl^ältntffe  bc«  2)i(^terö  ©cbuliu^  —   ber  5Wame  Gäliu^  tft  nic^t 
beglaubigt  —  i[t  nic^t^  ©ic^^ere«  befannt.    TOd^t  einmal  über  ©eburtg-  unb  lobe^ja^r 

10  beftcl^t  eine  Überlieferung,  bod^  tDirb  bic  2lnna^me,  bafe  er  in  ber  erften  ©älftc  be^ 
4.  3la^t^unbert^  gelebt  l^at,  ba^  SRic^tige  treffen.  2)a6  er  ^re^b^ter  gelücfen  fei,  berid()tet 
juerft  Sfi^or  bon  SetoiHa  1.  c,  läfet  fid^  aber  bielleicl^t  fd^on  a\x^  bem  Decretum  Gelasii 
(^reuf^en,  Analecta,  p.  152,  23)  fd^Iiefeen  (venerabilis  vir).  SKoglic^ertoeifc  lebte  er 
jeitlüeife  in  ©riec^enlanb.    Serü^mt  gehjorben  ift  er  burc^  feine  2)ic^tungen,  bome^mlic^ 

16  burd^  fein  Carmen  paschale.  3n  biefem  umfangreichen  (1753  §ejameter  in  fünf 
93üd^em  unb  eine  ani  ai)t  ^x]ixi^m  befte^enber  ^rolog),  einem  ^re^b^ter  SKaceboniu^ 
mit  längerem  93riefe  gelüibmeten  ®ebid^t  tperben  „bie  göttlichen  SBunber  Gl^rifti,  ber  afe 
unfer  ^afc^a  geopfert  ift"  (p.  12,  10  ^uemer),  auf  ©runb  ber  bier  (Sbangelien  (bor 
allem  be^  SKatt^äu^)  in  bier  Sudlern  (Hb.  2—5)  befungen.     (Sine  (Einleitung   (lib.  1) 

20  ge^t  boraud :  barin  toerben  bie  SBunber  be«  alten  Sunbeg,  bie  ber  3Sater  mit  bem 
©ol^ne  unb  bem  \)l.  ®eift  bottbrad^te,  erjäl^lt.  ©.  be^anbelt  ben  biblifc^en  6toff  freier 
unb  fubjeftiber,  ate  e^  fein  SSorgänger  Subencu«  (f.  b.  art.  8b  IX  ©.  662  ff.)  in  feinen 
Evangelia  getrau  ^atte,  unb  fe^t  im  Unterfc^ieb  bon  jenem  eine  allgemeine  Äenntni^ 
ber  ebangelifc^en  (S^d^id^te  bei  feinen  Sefem  boraug.  3n  formeller  Sejie^ung,  toa^  3Ser« 

26  unb  Bpxai^t  anbetrifft,  gel^ört  bie  3)id^tung  ju  ben  befien  ©rjeugniffen  ber  altc^riftlic^en 
lateinifd^en  Sitteratur  unb  erfreute  fid^  be^^alb  big  in  bie  ^txitn  be«  $umanigmuö  ^o^en 
Slnfe^en«  (f.  bie  lange  Sifte  ber  93enu^er  bei  §uemer  p.  361  ff. ;  ?Rac^träge  bon  ?!Jlanitiu^ 
in  e2B2l,  117.  Sb,  12.  2lb^.,  6.  7—12  unb  121,  7,  5—9);  in  einer  TOnc^^ener  $fc^r. 
ift  fogar  ein  Kommentar  eine^  gelüiffen  SRemigiu^  (nad^  §uemer.  Über    ein  ©loffentoerf 

80  jum  2)ic^ter  ®.,  in  ©312B  96,  505—551,  3lem.  bon  3lujerre)  jum  Carmen  paschale 
erl^alten.  Übrigen^  l^at  ®.  SSirgil  nic^t  nur  nac^gea^mt,  fonbem  i^m  öfter«  ^emiftic^en, 
auc^  einmal  einen  ganzen  3Ser«  (lib.  4,  149  =  Verg.  Aen.  5,  85)  entlehnt.  ©.  l^at 
feine  2)ic^tung  fi)äter  felbft  in  5Profa  übertragen,  toel^e  9lrbeit  er  ate  Opus  paschale 
betitelte.     3)ie  äbfid^t   ipar,   bie  2)ic^tung   burc^  n)örtlic^e  3Jlitteilung  bon  SibelfteHen, 

36  auf  bie  im  (Earmen  nur  ^ingebeutet  iperben  lonnte,  ju  ergänzen  unb  ju  beglaubigen. 
SWerltüürbigeripeife  ift  ber  3tu«brurf  ber  ^rofa  ebenfo  fd^toülftig,  hjie  ber  ber  2)ic^tung 
furj  unb  femig  ift. 

©.  f;at  nod^  jtoei  ö^mnen  l)interlaffen :  1.  eine  „Glegie"  in  55  2)iftic^en,  in  ber  bie 
Äünftelei   ber  @)panale^)fi«  (Cantemus,  socii,    domino,    cantemus  honorem  u.  f.  to.) 

40  burd^gefül^rt  ift ;  man  ^at  fie  Collatio  veteris  et  novi  testamenti  betitelt,  ba  i^at= 
fachen  be«  3tlten  Sunbeö  ju  folc^en  be«  bleuen  in  t^))ifd^e  Sejiel^ung  gefegt  Serben,  lüobei 
benn  allemal  ber  ^ejameter  bem  3llten,  ber  Pentameter  bem  5ieuen  Sunbe  gelüibmet  ift 
I)er  2.  §^mnu«  ift  ein  Sobgefang  auf  (S^riftu«,  in  ber  ^orm  ber  ambrofianifcbcn  ©e^ 
fange,  bocl?  mit  Slnipenbung  be«  SReime«,   au^  23  biergeiligen  Stro^j^en  bcfte^enb,   beren 

46  3lnfang^bucf)ftaben  ber  SReil^enfolge  be«  3tlt)^abetö  entfjjred^en.  3^^^  2:eile  biefe«  §^mnu«, 
nämlic^  ®troj)l^e  1—7  (A— G)  unb  6tro^l)e  8,  9,  11,  13  (H,  I,  L,  N)  lüurben  fc^on 
frül)  ^u  Äircbcnliebcm:  ba«  2Bci^nad^ts;lieb  A  solis  ortus  cardine  unb  baö  ®j)ipl^anien- 
lieb  Hostis  Herodes  impie.  2luc^  in  bag  lut^erifc^c  ©efangbuc^  gingen  fie  über. 
2ut(;er  felbft,  ber  ©.  al^  christianissimus  poeta  bcjeid^net,  ^at  fie  berbeutfd^t  („ß^riftum 

öotüir  foUen  loben",  1524;  „SBag  fürc^t'ft  bu,  ^einb  ^erobe^",  1541).  a)a^  erfte  Sieb 
finbet  ftc^  bcutfc^  in  anbcrer  Überfc^ung  auc^  bei  Sc^loffer,  ^k  Äir^e  in  il^ren  fiiebem 
1*,  S.  100 f.;  banadE)  Saumgartner. 

2)er    (Sento   de   verbi    incarnatione   (^r^g.   bon    Sc^enfl,    Poetae    Ghristiani 
minores  I,    CSEL   vol.   16,  (Jlo— 620)   ift   früher   mit   Unrecht   bem  ©ebuliu«   ju= 

66  gefc^ricben  Sorben,    «gl.  b.  3(rt.  ^koba  Sb  XVI  ©.  06,  :u.     (?l.(5bcrt  f)  ®.»tüger. 

Sccljofcr,  3(rfaciu^,   gcft.  1512.  —  ®.  (S.  »Heger,   hieben  ber  9trgula  u.  ©rumbad) 

1737;  ^.  3.  iüpüiDÄfi),  s)irg.  n.  (ijv.  i^eb.  Jveiin  uon  3tauffen,  ^J3Uindien  1801  (üoll  oon   tjift. 

3iitümern  aber  burd)  bie  ^i^ei lochen  tuertuoU);  6.  ^l.  "ipiftLnius«,  israu  91.  ü.  C^r.  unb  i^rÄampf 

mit  ber  Uuiüeriität  ^u  3"9i>^Ü"bt,  gjiac^bebuvc;  1845;  C^.  ^nc\elbarbt,  '?!.  u.  ÖJr.,  bic  bat)crif(ie 

60  l'abea,   "iJcürnbcri]  18G0   (beibe  pop^i^^i'P^"^'^»lid)i;    (i.  "J^^vontl,   (^)e[ri).  b.  ^Oubivig-^Kojimilian« 


Seehofer  12ö 

Unbcrfität,  ^ünc^en  1872 ;  91.  ü.  3)ruffcl,  3)ic  ba^cr.  ^olitil  im  ©cginnc  bcv  aflcformation^jeit, 
»6^.  b.  ba^cr.  «Ifab.  b.  ©iff.  III  AI.,  XVII.  55b;  6.  attejlcr,  ®cf4.  a^aicm«  IV,  86 ff.; 
Sut^cr«  ©ö  ©«  »bl5,  95 ff.;  SRcufd),  ?lb58 ;  X^.  Äolbc,  ?lifaciuS Seehofer  wnb  9lrflula 
t).  ®rumbQ(^,  33ettr.  3.  ba^cr.  St®,  ©b  XI  (1905). 

airfaciu«  Seehofer,  ol^  So^n  eine«  n)o^I^abcnben  Sütgerg  änfong  be«  16.  ^af)x^  6 
^unbert«  ju  ajlünd^en  geboren,  bejog  in  fe^r  jungen  ^al}xm  bie  Uniberfität  ^ngolftobt 
unb  ettDa  grü^jaf^r  1521  bie  SSJittenberger  ^od^fcpule,  too  er  ^au})tfäc^li(^  ate  Schüler 
^Blelanc^tl^on«,  fe^r  balb  ein  begeifterter  anl^änger  ber  ebangelifd^en  Se^re  lüurbe.  Site 
er-nac^  3i"0olftabt  ^urüdgelel^rt,  SBeü^nad^ten  1522  fic^  bie  5Wagtfterh)ürbe  ertoerben 
troUte,  golt  er  fd^on  at«  berbäd^tig,  unb  mufete  auf  Seranlaflung  3>ol^.  ßcfg  geloben,  „bafe  er  10 
jic^  ber  lut^erfc^en  leer  nid^tgebraud^en  lootte".  9lber  im  ©ommer  1523  tourbe  er  benunjiert, 
in  feiner  Surfe  über  bie  ^l.  Schrift  nad)  Slnleitung  5WeIand^t^on«  SJorlefungen  gebalten 
ju  ^aben,  unb  ate  man  bei  einer  §augfud^ung  ^Jac^fd^riften  bon  SBittenberger  ÄoHeg^ 
leften  unb  fonftige«  belaftenbe«  SKaterial,  namentlid^  jtoci  bon  SBittenberg  au«  gef(^riebene 
33riefe  (3:^.  Äolbe  a.  a.  0.  S.  71  ff.),  gefunben  ^atte,  !am  e«  ju  einem  förmliäen  Äe^er^  is 
projefe.  ©iebjel^n  3lrtifel  (ebenba  6.  75  u.  181),  bie  man  au«  feinen  9Kanufm))ten  gu^ 
fammengefteHt  ^atte,  unb  bie  jumeift  au«  SKeland^tl^on«  SSorlefungen  ftammen  toerben, 
tüurben  al«  ^äretifd^  bejeit^net.  ^urc^  ba«  ©efängni«  unb  fc^loere  2)ro^ungen  loeiA  gemacht, 
bequemte  fiel  ber  junge  3Rann  am  7.  ©ej)tember  1523  baju,  in  einem  feierlichen  2llte  bor  ber 
gefamten  Uniberfität,  ba«?leue  leftament  in  ber  §anb  ^altenb,  unter  I^ränen  ben  geforberten  20 
ffiiberruf  ju  leiften,  unb  toa«  er  gelehrt,  al«  eine  „rechte  (Srjlej^erei  unb  93überei"  ju  be« 
jeic^nen,  auc^  e«  al«  eine  befonbere  ®nabe  anjuerlennen,  ba|  i^m,  ba«  toar  ba«9lefultat 
ber  Serl^anblungen  mit  bem  l^erjoglic^en  §ofe,  al«  ©träfe  juerlannt  lüurbe,  ftd^  in« 
Älofter  Sttal  ju  begeben.  2)iefe«  äSorge^en  ma^te  grofee«  Sluffel^en,  unb  namentlid^ 
bur^  ba«  litterarifd^e  Singreifen  ber  lül^nen,  für  bie  ebangelifc^e  2^xz  begeifterten  2lrgula  26 
bon  (Srumbac^,  geb.  bon  Stauff  (f.  b.  2lrt.  2lrg.  b.  ©tauff),  ber  (Sema^lin  be«  l^erjog« 
üc^eit  ^Pfleger«  bon  3)ietfurt,  bie  fd^on  am  20.  ©ebtember  1523  i^re  erften  ©c^riften  gu 
Ounften  ©ee^ofer«  unb  gegen  ba«  te^errid^terlid^e  feerfal^ren  ber  ^nßolftäbter  Uniberfität 
au«gel^en  liefe,  lourbe  bie  Bai)t  jur  öffentlichen  Angelegenheit.  3Jon  befreunbeter  toie 
gegnerifc^er  ©eite  tourben  ©ee^ofer«  Slrtifel  befanntgegeben,  auc^  trat  man  bon  ^ngol«  ao 
ftabt  au«  mit  einer  lümmerlid^en,  \päUx  abgeleugneten  3Serteibigung  ber  Verurteilung  be« 
ÜKagifter«  ^erbor,  bie  bon  Sutl^er  in  feiner  ©d^rift:  „SBiber  ba«  blinb  unb  toB  SSer^ 
bamnife  ber  fiebenje^n  Slrtitel  bon  ber  elenben,  fd^änbli^en  Uniberfität  9in9olftö^t  au«^ 
gegangen"  (2B91  XV,  95  ff.)  grünblic^  jerjauft  n)urbe.  dagegen  loanbte  fic^  auc^  ein 
fübbcutfc^er  ©c^riftftetter  9Jlartinu«  SRedfen^ofer  ju  ßlaufen  (bgl.  S^.Äolbe  a.  a.  D.  ©.  115),  36 
unb  eben  biefer  Singriff  fd^eint  e«  geloefen  ju  fein,  ber  bie  Uniberfität,  nad^  bem  aud^ 
30^.  ©d,  ber  bi«l^er  infolge  feiner  bamaligen  Slomreife  mit  ber  ganzen  Ba6)c  nid^t«  ju 
t^un  gehabt  l^atte,  im  ^ebruar  1524  jurüagefe^rt  toar,  beranlafete,  in  einer  öffentlid^cn 
3)ie))utation  bie  SRic^tigleit  i^re«  3Serfal^ren«  unb  bie  §ärefie  ©eel^ofer«  loie  feiner 
^rcunbe  gu  ertoeifen.  3)a  megen  üJlangel  an  freiem  ©eleit  bie  mit  grofeem  ©elbft*  40 
betDufetfein  jum  ßrfc^einen  eingelabenen  @cgner  nid^t  famen,  loar  bie  mit  bielem  ^ßom^) 
am  11.  2l^)ril  1524  begonnene  unb  mel;rere  iage  toä^rcnbe  3)i«j)utation  ein  bebeutung«lofe« 
©c^auf))iel.  Slber  ba«  6inlabung«fd^reiben  mit  ben  ja^lreic^en  S^efen  ber  2^^eologcn 
Scon^.  SKarftaBer  unb  9?if.  '}ipM  {Xi).  ftolbe  a.  a.  0.  ©.  120  ff.)  berurfac^te  neuen  litte* 
rarifc^en  ©treit,  in  ben  Urban  Sl^egiu«  unter  bem  9Jamen  Hulderichus  Stratus  En-  46 
gedinus  (ebenba  ©.  122)  unb  mebrfad^  ber  9Jörblinger  ^rebiger  I^eobalb  SiHifan 
eingriff  (f.  b.  Slrt.  93b  III,  23  ff.)-  —  i)em  ©cc(;ofer  gelang  e«,  unter  unbelannten  3Ser- 
l^ältniflen  au«  feiner  ©efangenfd^aft  ju  entfommcn.  Urfunblii  tritt  er  erft  im  ^ai}xt  1528 
toieber  auf,  ate  3RcIanc^t^on  ben  bamal«  in  Wittenberg  loeilenben,  bon  i^m  auc^  um 
feiner  ©elel^rfamleit  loiHen  gefd^ä^ten  3Jlagifter  mit  (Srfolg  ^u  einer  ©c^ulftelte  in  (£i«felb  eo 
empfahl  (CR  I,  365f.).  '^m  Sommer  1530  finben  toir  il^n,  loa^rfd^einlic^  um  eine 
anbere  Unterlunft  ju  fud^en,  in  ^reufeen,  im  ^ol^re  1532  ju  gleichem  3*^^*^  '"  Slug«- 
bürg,  too  er  aber  toegen  ber  inneren  firc^lic^en  ©irren  ba«  i^m  angetragene  2)iafonat 
fc^liefelic^  nid^t  annahm.  2)urc^  bie  9Jot  gcjtoungen  fam  er  1535  toieber  nad^  2lug«burg 
unb  tourbe  im  üJlärj  be«felben  ^a^re«  2e|rer  an  ber  ©c^ute  an  ©t.  Slnna.  2)ann  loar  65 
e«  Sr^arb  ©c^ne)}f,  ber  i^n  nad^  Württemberg  §og,  unb  nad^bem  er  erft  al«  Seitor  am 
Älofter  ©t.  ®eorgen,  bann  al«  ^rebiger  an  mehreren  ©teilen,  eine  ^^xt  lang  aucf)  in 
Seonberg  geloirlt  ^atte,  fam  er  fcpliefeUc^  c.  1537  al«  ^Pfarrer  nac^  Säinnenben 
(1^.  Äolbe  a.  a.  0.  ©.  175  ff.).  §ier  fc^rieb  er  feine  einzige,  f;eute  in  9?ergeffen(;cit  ge^ 
ratene  ©c^rift  Enarrationes  evangeliorum  dominicalium,  ad  dialecticam  Metho-  60 


126  Seehofer  (Seettrd 

dum  et  Rhetoricam  dispositionem  accomodatae.  Augustae  Vindel.  1539.  Xa^ 
me^rfac^  lüiebcr  abgebructtc  SBcrl,  ba^  bcn  jur  felbftftänbtgen  ^rebigtt^ätiöfctt  no<^ 
lücnig  geeigneten  tDürttembergifc^en  ^Pfarrern  bienen  foB,  ift  eine  fetner  3^^^  lüertgefd^öfetc 
Stnieitung  jur  Se^anblung  ber  ©bangelien  unb  jugicid;  eine  Sammlung  bon  93eif^)ielen 
5  in  einem  boUftänbigen,  burd^  Äafualreben  bermel^rten  ^öi^tgange  bon  (Sbangelienj)rebigten 
(aur  2Bürbigung  bgl.  ®.  SoRcrt  in  „§alte  toa^  bu  ^a[t"  VIII,  1885,  ©.  59  ff.  unb 
3:b.  Äolbe  a.  a.  D.  6.  178  ff.),     ©c^on  im  ^al^re  1542  ift  ©eeH«i^  geftorben. 

2:^eob9?  ftolbe. 

Seelerd,  ©eftenname  au^  ber  englifc^en  SReboIution^jeit.  —  Sittera  = 

10  tut:  @p^r.  $agit,  Heresiography  or  a  description  of  the  heretics  and  sectariaDs  spninged 
up  in  tiiese  latter  times,  Bonbon  1647;  ^on.  Stcggiu^  (=  ®corg  ^om,  ein  fieibcner,  ber 
in  ber  IcJ-ten  3cit  ^arlS  I.  in  ©nglonb  fic^  auffielt),  De  statu  ecclesiae  BritauDicae  hodierno, 
Xansig  1647.  ^icfe  bciben  SBcrfc  Tinb  mir  nur  befannt  burc^  §.  SBcingartcn,  3)ic  9ict)oIu= 
tionöttrc^en  Snglanbd,  1868.    9{ac4  ^.d  ^e^auptung,   @.  4,   ift  ba$  ^^erf  ))on  Sf^eggiud  ht- 

15  fonberS  in  ^eutfcf)Ianb  betannt  geroorben  imb  f)ter  bie  ^auptquede  für  bie  ölteren  Special- 
borftellungen  ber  ß^it  fööbme,  Vlc^t  S3üd)er  uon  ber  9leformQtion  b.  engl.  Äirc^c,  1734,  ficbe 
^icr  bad  6.  S3u(6;  ©töublin,  ^IQg.  Äirdjengefd).  ü.  ©roßbritannien  in  2  Seilen,  1819;  fpri^t 
t)on  ben  ©eefcrS  93b  II,  8.  107  f.) ;  ©icfcler,  ^ircbcngefcfj.  III,  2,  @.  47  berührt  bie  6e!te 
nur  in  einer  ^Inmerfung;  Weingarten  bc^anbelt  fie  ctroaS  genauer,  @.  106  f.    9ludfü^rlicbftc 

20  CueQe  für  fie  ift  bie  9^ad)rid)t  etned  mo^I  in  fionbon  lebenben  ^anned,  bie  ald  Anonymi 
Epistola  e  Ms.  Guelpherbytano  deseripta  de  nova  secta  Quaerentium  ebiert  ift.  ^ingarten 
bcmcrft  @.  107  91.  4,  bafe  er  biefc  Epistola  nicftt  ^abe  erlangen  tonnen,  aber  ©täubltn  unb 
©iefeler  geben  ja  auSbrüdlid)  an,  bag  fie  in  bem  $fingftprogramm  ber  Uniüerfität  (S^öttingen 
uon  1814  cntl&alten  fei.    @ic  ift  ^icr,  wie  ein  ^anbfc^riftlidjcr  SScrmcrf  in  bem  ^jcmplar  ber 

25  (äJöttinger  ©ibltotl^e!  angicbt,  üon  ^.  ^land  (b.  i.  ißloud  jun.)  pm  3)rud  gebracht  (biefc  ^In^ 
gäbe  rotrb  rid)tig  fein,  roiewobl  ©iefeler  ©tftublin  ah  ßbitor  nennt,  aber  Ic^tcrcr  beutet  felbft 
niditS  berarti^e^  an,  ja  er  ^at  bie  ©piftel  offenbar  nur  f(üd)tig  gelefcn,  mtnbeftcnS  wenig 
forgfältig  benü^t);  ed  ^anbelt  ficf)  bei  bem  Wolfenbütteler  9){anuffript  um  ein  ^pograp^on, 
SSerfaffcr  unb  dmpfänger    be§  SBriefS   ift  nidjt   ju   crfennen,    bie  3cit  menigftcnö   nic^t  an- 

ao  gegeben;  ^tancf  ^at  nur  ein  paar  ?lnmer!ungen  hinzugefügt.  SSgl.  nodj  3-  ©•  93Iunt,  Dic- 
tionary  of  sects,  heresies  etc.,  new  edit.  1891  (!urj  unb  belanglos);  bie  Encyclopaedia 
BritauDica  t)at  feinen  9lrtitel  über  bie  @ee!erö. 

SSicI  Sntereffe  bietet  bie  ^age  nad^  ben  ©eefer^  nic^t;  &$  ift  mir  ma^rfc^einUd^  ge- 
lüorben,  bafe  e^  f\d)  nur  um  einen  5leben=,  bießeic^t  Bpottnamm  für  bie  ^nbe^jenbenten 

36  ^anbett.  ©ine  organifterte  ©onberfefte  bezeichnet  ber  ?Rame  ganj  offenbar  ntc^t;  Stein- 
garten, ber  fc^on  lebhafte  3^^^f^l  i"  ^^^f^  Sfiid^tung  ^egte,  f)ai  ben  bezeichneten  h)a^r= 
fd^einlic^en  ©ac^ber^alt  tüo^l  beöl^alb  noc^  nid^t  erfannt,  h>eil  er  bie  Epistola  nic^t  ju 
©efid^t  befommen.  ^ßagit  unb  SReggiuö,  aud^  anbere,  fjjrec^cn  jtüar  bon  „©eelerö"  tüic 
einer  befonberen  ©efte,  aber  baö  ben^eift  toenig.    äuc^  ber  ?Rame  „3nbe)3enbent^"  beftel^t 

40  bereite  zu  gleicher  3€it,  tno  ber  9Jame  ©eefer^  auftaucht ;  bgl.  z-  S.  bie  ©d^rift  Don 
Slob.  SaiHie,  A  dissuasive  from  the  errors  of  the  time  .  .  .  especially  of  the 
Independents,  Sonbon  1646.  SaiHie  fcnnt  fogar  bie  ©ecfer^,  aber  eben  ntd^t  aU 
©onberfefte,  fonbem  tnie  Seute,  bie  in  „aDen  ©eften"  ©lieber  l^ätten(2Beingartcn,  ©.  106, 
3(.  4)  —  ba^   entfprid^t   ber  3^^^,  ipo   bie  gnbe^jenbenten  nocf)   feine  beutlid^  begrengte 

45  &xnp)pt  tnaren.  3leggiug  l)at  gehört,  bie  ©eefer^  meinten,  ber  2l^)ofteI  ^ol^anne^  läe 
nod^  unb  tnerbe  binnen  furzem  auftreten :  „Moris  apud  eos  esse,  quando  peregrinum 
aliquem  viderent,  inquirendi  num  fortasse  apostolus  Johannes  sit",  ba«  fte^t 
boc^  fef)r  banad^  .au^,  al^  ob  auö  bem  Flamen  Seefcr^  nachträglich  eine  Segenbe  f^an^- 
gef^onnen  fei.    'Jlf^nlid)  beurteile  ic^  e^,  tocnn  ^agit  fagt,  „some  of  them"  behaupteten, 

60  bie  Äircfje  fei  irgcnbtoo  „in  the  wilderness"  unb  fie  „fud^ten"  fie.  $agit^  ^auj)t= 
c^araftcriftif  (35Jeingarten  ©.  106,  21.  1)  ergiebt,  bafe  bie  „Seekers"  (ober  „Exspecters" 
—  auc^  ein  5iame  Walters  fcbeint  borgefommen  z«  fein)  ipefentlic^  bie  fieute  toaren,  bie 
feine  ber  befte(;enben  „fiircfjcn"  (b.  b.  f^jezicH  aucf)  bie  ber  ^re^b^terianer  ntc^t)  für 
„true"    anerfannten,  feine  „ministers"  unb  feine  „ordinances"  tnoHten:  ba^  tporen 

65  eben  bie  ^nbepenbenten,  zumal  ipäbrcnb  ber  crften,  nocf)  flüffigen  3!)arfteIIung  il^ter  3^een. 

2)ie  Epistola  rebet  üon  ber  „nova  secta  Quaerentium  sive  Scrutatorum  vulgo 

Seekers",  ol}nc  ba^  ber  ^nbe^jenbcnten  irgenbtüo  atö  einer  @ruj)))e  gebadet  Inürbe:   too 

bie  Quaerentes  mit  ber  „fiircfje"  toerglid^eu  merben,  finb  al^  le^tere  bie  ^redb^teriancr 

gebac^t ;  an  biefen  anfc^einenb  allein  reibt  ficf)  bie  neue  ©efte.  ^er  SSerfaffer  fd^reibt,  ©.  5 : 

60  Secta  haec  recens  et  superioris  anni  partus,  sed  jam  satis  ampla,  tum  favore, 
tum  suffragiis  multorum   suffulta,    longe  lateque  venenum  suum  per  totam 


Seettrd  127 

insulam  spargit.  Haec  secta  hinc  onginem  traxit,  quod  publica  et  promiscua 
licentia  disputandi  de  omni  articulo  fidei,  permissione  parliamenti,  omnibus 
cujuscunque  sortis  libera  facta  fuit.  planet  meint;  hai  ba^  Parlament,  bon  bent 
bte  Siebe  i^,  ba^  fog.  Heine  ober  Sarebones^arlament  fei,  toetd^e^  1653  tagte  (t)0l.  Slrt. 
,, Puritaner,  ^re^b^terianer",  Sb  XVI  ©.  342, 3—13).  2)a^  ift  in  ber  %\)ai  h)a^r=  5 
fc^einlic^;  biefeS  Parlament  mad^te  gerabe  ber  ^Pre^b^terianer^errfc^aft  ein  ßnbe  unb 
fc^uf  bie  9Sor^errfc|aft  ber  9iw^^^nbcnten.  SBenn  ber  Srieffd^reiber  meint,  bie  Quae- 
rentes  „ftammten"  au«  bem  borigen  3a^re,  afö  eine  grud^t  ber  bon  il^m  offenbar  fe^r 
beflagten  I^ätigleit  beö  bamaligen  ^arlament^,  fo  ift  entgegenzuhalten,  bafe  ^agit  unb 
SReggiu^  fd^on  1647  ©eefer^  lennen.  Unb  e^  ift  auc^  toenig  glaubhaft,  bafe  eine  „nova  10 
secta",  bie  NB.  ^ernac^  atebalb  toieber  berfc^toinbet  (toenigften^  mit  5Wamen  j^aben  bie 
„©eelerd"  leine  Weitere  SloDe  gef^)ielt),  fo  rafc^  „totam  insulam"  ergriffen  l^ätte.  2)ie 
©c^ilberung  pa^i  ju  ben  3nbe))enbenten,  bie  längft  borl^anben  toaren  unb  nur  feit  bem 
„vorigen  SJ^i^re"  jur  beutlid^en  3Jlac^t  gelangt  hjaren. 

Ilte^erfmale  ber  Quaerentes  nennt  bie  (£))iftet  folgenbe:  1.  ©ie  jloeifelten  an  ber  15 
unbebingten  Autorität  ber  y.  ©c^rift;    ba^  n)erbe  bamit  motiviert,  bafe  bie  Urejem))Iare 
ja  längft   Verloren    feien,  bie  be«  Sliö  fc^on   in  ber  3^'^  ^^  bab^tonifd^en  (Sjite,  bie 
be^  911«  balb  nad^  ber  a^)oftoIifd^en  3^it ;  bie  1^1.  ©d^rift  eigne  fw^  aber  auc^,  ganj  ab« 
gefe^en  bat)on,  fc^on  um  bei^h)iQen  ni$t  ba«  fundamentum  fidel   abzugeben,  ba  bie 
meiften  SKenfc^en  fie  ja  nid^t  in  ber  llrfj)ra(^e  lefen  lönnten ;  2.  aud^  bie  firdf>li(^e  ©otte^s  20 
le^re  toerbe  in  S^^U^l  g^jogen,  jtoar  nid^t  bie  3:rinitätgle^re,  hjo^l  aber  bie  Se^re,  bafe 
®ott  tro^bem   bag  Ens  simplicissimum  fei;    3.  bie  33egrenjung  ber  ©aframente  auf 
eine  3h?€i3ö^I  f«i  nic^t  au«  ber  ©d^rift  jubegrünben;  4.  ganj  befonber«  Regten  bie  Quae- 
rentes ^toeifel  in  Sejug   auf  bie  fircS^Iid^e  Se^re  bon  ber  2:aufe,  nämlid^  a)  barüber, 
ob  tuirllic^  nur  ,,mini8tri  ecclesiae"  fte  (bon  ber  summa  necessitas  abgefe^en)  f))enben  25 
bürften,  b)  barüber,  ob  e«  rcc^t  fei,  fte  nur  in  ben  „lem^jeln"  ju  f^jenben,   felbft  loenn 
ber  3:äufling   bem  3:obe    naf^z   fei,  loä^renb    boc^  ®ott  bie  2:aufe   jur   unerläfelid^en 
^eitebebingung  gemalt  l^abe,  c)  jumal  and)  barüber,  ob  bie  Äinbertaufe  ju  billigen  fei, 
ba  boc^  bie  Sibel  fein  ©jem^jel  einer  fold^en  biete  unb  G^riftu«  felbft  mit  30  ^af^xm 
getauft  fei,  d)  enbli(^  noc^  barüber,   ob  bie  üblid^e  lauffjjenbeformel  ego  baptizo  teao 
in  nomine  Patris  etc.  berechtigt  fei;  ^ier  Ratten  fie  fc^liefelic^  boc^  an  bem  ego  leinen 
Stnftofe   genommen,    loottten  nun  aber  bie  SEaufe  blofe    „in  nomine  Christi    vel   in 
nomine  Domini  Jesu"  b.  1^.  nad^  31®  2,  38  ober  10,  28   bottjogen  loijjen;    5.  aud^ 
bie  firc^lid^e  äbenbmal^tefeier  loerbe  beanftanbet,  nämlidji   a)  fofern  man  jtc^  jloeifell^aft 
befcnne,  ob  ^auen  fie  mit  em^)fangen  bürften  (sie!),    ba   boc^  ba«  31X  nirgenb«  einen  sb 
33eleg  bafür  getoöl^re,  b)  inbem  man  frage,   ob  loirflic^   nur  ministri  33rot  unb  SBein 
toei^en  unb  au«fj)enben  bürften,  c)  inbem  man  auc^  frage,  ob  e«  rec^t  fei,  bie  ^eier  nur 
im  templum  ju  begeben.  SBic^tig  fd^eint  mir  bejonber«  bie  9lebennotij,  bafe  bie  Quaerentes 
jemanbem  nur  bann  „copiam  communicandi"  (l^eifet  bier?)  erteilen,  n)enn  fie  de  ejus  re- 
generatione  loenigften«  probabilitatem  befäfeen,  toelc^  le^tere  pe  baran  f onftatierten,  bafe  40 
einer  bie  habilitas  et  facultas    effundendi  preces  eztemporaneas  jeige;    6.  au(§ 
bie  firc^lic^e  3lwftifiIation«le^re  toerbe  bemängelt,   inbem  man  bie  ©uffijienj  ber  „fides" 
beanftanbe;  7.  ebenfo  bie  firc^lic^e  3lnfd^auung  bom„3tmte",  bie  Quaerentes  l^ielten  eine 
§anbauflegung  für  inbifferent  unb  meinten  nur  bie  particularis   congregatio   l^abe 
jemanb  mit  einem  Slmte  ju  betrauen;   8.  gan^  unb  gar  nic^t«  toollten  bie  Quaerentes  46 
babon  toiffen,  bafe  jemanb  vi  et  poenis  ge^loungen  loerbe,   fic^  ju  irgenb  einer  religio 
gu  belennen,  fie  berfünbctcn  bie  unbebingte  ?Heligion«freil;eit  aller. 

6«  fc^eint  mir  flar,  bog  ber  33erf.  fein  iüirflid^e«  ©tatut  irgenb  einer  ©efte  bor 
Stugen  ^at,  fonbem  nac^  §örenfagen  berichtet,  ^a^  je  eine  ©elte  biefe  unb  nur  biefe 
gtemlic^  heterogenen  ^been  berfoc^ten  ^abe,  ift  aud^  loenig  glaublich.  3)agegen  pa^i  alle«  w 
„ungefä^"  auf  bie  3nbej)enbenten,  nic^t  irgenbtoeld^e  rabifale  &xu^pz,  fonbem  ben 
©runbc^arafter  ber  Stiftung,  bie  Gromipell  befonber«  ^)rotegierte  unb  al«  bie  feinige 
funbgab.  3)ie  erfte  quaestio,  bie  merfipürbig  fontraftiert  mit  bem  fonft  gerabe  bet^ä^ 
tigten  Siblici«mu«,  unb  bie  fc^on  an  ben  2)ei«mu«  erinnert,  pa^i  tnxqau^  ju  ben  3nbe= 
öenbenten,  loenn  man  fie  nur  nidf>t  alle  genau  für  bie  5Wotibierung  in  2lnfj)rud^  nimmt;  66 
Die  3nbet)enbenten  (ßromipeH !)  toaren  u.  a.  SSerfet^ter  ber  „SSemunft"  in  ®lauben«bingen. 
®er  ^re«b^terianer,  ber  bie  Epistola  gefdirieben  l^at,  ift  ni^t  gerabe  bemüht  geloefen, 
ben  ®egnem  feiner  Äird^c,  bie  er  foeben  getüiffermajen  entbedft  bat  (ba«  Sarebone^^ar^ 
lament  toar  eine  Überrafc^ung  für  bie  ^re«b^tcrianer),  gerecht  ju  toerben,  er  „ipiberlegt" 
fie  mir  eifrig  $unft  für  $unft.  eo 


128  (Seelerd  Seele 

2)a6  ic^  nic^l  Unrecht  i}abm  möd^te  mit  meiner  SSermutung,  bafe  bie  ©ecler^  tbem 
tifc^  feien  mit  bem  ®rog  ber  ^nbepcnbenten,  beftätigt  mir  auc^  ber  93rief  GromtoeU« 
t)om  25.  Dftober  1646  (man  bemerfe  ba^  3)atum;  Lettres  I,  255),  au^  bem  ©ein- 
garten  ©.107  21.  2  eine  ©teile  mitteilt,  lüonad;  6romh)ett  fic^  felbft  unter  bie„8eekerß" 
6  rechnet  (to  be  a  seeker  is  to  be  of  the  best  sect  next  to  a  finder,  and  such  an 
one  shall  every  faithful  humble  seeker  be  at  the  end.  Happy  seeker,  happy 
finder!).  3^  ^^^^^  "^^  3Sorfte^enbem  ben  ©a^  über  bie  ©eeler^,  ben  man  in  bem 
bon  mir  bearbeiteten  3lrtilel  „Puritaner"  a.  a.  D.  343,  i— 3  lieft,  ftreiien  gu  tootten. 

9.  ftattenliufdi. 

10  Serie,  biblif4  —  3)ic  Sitteratur  f.  bei  ben  9(rtifcln  „&ei\t"  unb  ^Slclfcft"  53b  VI 
@.  98  unb  450.  Siad) jutrogen  ift  nod)  ®uil.  SRot^c,  Ad  psychologiam  libronun  V.T.  cano- 
nicorum  symbolarum  series,  Hafn.  1829,  eine  mefcntlidj  auf  ^.  g.  SRooö,  Fundameota 
psychol.  etc.  fußenbc  ^Irbeit ;  ®.  Grcmcr,  ^ibl.  t^.  £cj.,  9.  ?l.  yvx'l' 

©eele,  got^.  säivala,  n)ie  ''23c:,  y^vx^,  anima   eigentlich  f.  b.  a.  Seben,   ba«   toa^ 

16  lebt,  atmet,  be^eic^net  im  allgemeinen  t>a^  2tbm,  mie  ed  im  @injelh)efen  fx^  regt  unb 
ben  ftofflic^en  Organi^mu^  belebt,  ber  i^m  jum  Mittel  feiner  ©elbftbet^ätigung  bient. 
Urfj)rünglid^  lüirb  tt:  h)ie  yjvxi^  o^ne  Unterfd;ieb  bon  5Wenfci^en  toie  bon  Sieren  ge= 
brautet  (bgl.  auc^i  unfer  beutfq^e^  „2^ierfeele",  melc^^e^  [xd)  jeboc^  mit  biefem  ©t)ra(^gebrauc^ 
nid^t  bedt,  fonbem  nac^  älnalogie  mit  ber  menfd^lic^en  ©eele  ba^  3""^"*^  ^^  liiere 

ao  mit  feinen  eigentümlichen  Seftimmtl^eiten  bejeic^inet).  ©o  finbet  fic^  ce2  bon  Sieren  ®en 
1,  20.  21.  24.  30;  2,  7.  19;  9,  10.  12.  16;  2e  11,  10.  46;  17,  10—15;  $i  12,  10; 
®j47,  9;  yvyy  in  ber  ^rofangräcität  jutoeilen,  im  31%  nur  ä))!  8,9;  16,3  bon 
Sieren.  ®ie  fe^r  jeboc^i  bie  3lnh)enbung  be«  SBorteiJ  auc^  im  21S  auf  ben  9)lenfc^en 
borhjiegt,  erl^eDt  1  6^r  5,  21,  bgl.  m.  ®en  46,  15;  (Sj  1,  5;  3of  11, 14.    SBäl^renb  im 

26  äS  auc^  bon  ber  -ds:  ®otte«  bie  Siebe  ift,  3;er  51,  14;  »m  6,  8;  Sli  10, 16  u.  a.,  ift 
biefe  3lu«fbrucf«hjeife  bem  31%  böDig  fremb,  fo  bafe  ©eele  borjug«n)eife  bie  3Dlenfc^enfeelc 
ift,  ba«  in  bem  oöjfia,  bem  leiblichen  Organi^mu«  borl^anbene,  i^n  crfüQenbe  Seben,  ba« 
eigentliche  ©ubjeft  be«  Seben«,  toelc^e«  in  ber  Seiblid^Ieit  unb  burc^  biefelbe  fic^  bet^ätigt, 
f^non.  ni-i,  rrad:.    '^n  bem  ärt.  ®eift  (VI,  450  ff.),  toelc^er  ba«  5Katertal  für  bie  foU 

80  genbe  2lu«fü^rung  enthält,  ift  nad^getoiefen,  toie  ®eift  unb  ©eele  fic^  unterfc^eiben,  tüoju 
nur  noc^  nad^jutragen  ift,  bafe  bie  LXX  'öz:  nie  burc^  nvevjua  lüiebergeben,  r?''*'  fei^r 
feiten  burc^  ywxrj  (nur  ®en  41,  8;  @j  35,  21;  bgl.  öXiyötpvxog  3ef  54,  6;  57,  15; 
^r  18,  14;  14,  29);  femer  bafe  Jtüar  lüo^l  ac5/xa  unb  Jivevjua  1  Äo  5,  3  h)ie  adg^  unb 
nvevfia  einanber  entgegengefefet  toerben,  nie  jeboc^  odg^  unb  ywxrj  (Wogegen  Se  17,  11 

86  bi«  14  nic^t  fj^rid^t),  fonbern  ftet«  o(bixa  unb  rpvxri,  fo  bafe  odg^  unb  nvevfia,  ocö/mi 
unb  y^vxij  bie  eigentlid^en  ®cgenfä|e  bilben  unb  jivev/uu  unb  v^;^^  fic^  faft  jueinanber 
ber^alten  toie  odg^  unb  ocbjua.  (Iripdgt  man  nun,  bafe  Ccoojioiovv  ba«  bem  Jirev/Mx^ 
Ccooa  ba«  ber  fvxrj  entf^)rec^enbe  ©pit^eton  ift  (1  Äo  15,  45;  ®en  1,  30;  6,  3),  bafe 
jipar  ^r?"'?  ri'n'i-    9Ju  16,  22;    27,  16  gefagt  ipirb,  nid^t  aber  bon  ni^  h)ie  bon  ber 

40  Ci;:  Sc  17,  11:  ^"^^^l  ="?  "9^?!  -?r,  bafe  femer  cd:  jur  Se^eid^nung  be«  ^nbibibnum« 
fclbft  bienen  fann,  ni^^  jivevjua  bagegcn  nid^t,  bafe  nur  bie  ©eele,  ni^t  ber  ®eifi  ©ub= 
jett  be«  SöoHen«  unb  Sege^ren«,  ber  3u'  unb  Slbncigung,  be«  ®efallcn«  unb  ^RifefaHen« 
ift,  obibol^l  Jivevjua  unb  tpvxt]  in  ben  Sejie^ungen  be«  ßm^jfinbung«^  unb  be«  Irieb- 
leben«  mannigfad^  f^non^m  gebraucht  njcrben,    bafe   enblic^   bon   ber  ©eele  gefagt  Ibirb, 

4ß  fie  fünbige,  fterbe  (bgl.  „3^"'^"^^^  ^^^^^  fuc^en,  bie  ©eele  begehren,  töten  2c."  ^f  35,  4 ; 
59,  4;  5er  11,  21 ;  2  ©a  14,  7;  §i  36,  14;  33,  18  u.  a.),  bom  ®eifte  nic^t,  bafe  bie 
©eele  Dbjeft  ber  (Srlöfung  ift  (mt  16,  26  unb  ^^5araa.,  21®  2,  27,  31;  Sit)  2,  9;  $f 
33,19;  86,1:^;  89,49;  $r23,  14;  3ef55,  3;  ^afl,  21;  5,  20*  $br  10,39;  13,17; 
1  ^t  1,  9;  2,  25;  4,  19),  nicf)t  ber  ®eift  (aufeer  1  Äo  5,  5;  bgl.  1  $t  4,  6),  fo  n)irb  man 

60  fagcn  muffen,  bie  ©eele  fei  ba«  burd^  ben  ®eift  al«  Seben«j)rin5ip  ober  Seben«fraft  in 
bem  ftofflic^cn  Crgani«mu«  gctüirftc  (Jin^elleben  in  feiner  Gigenart,  ba«  eigentliche  ©üb- 
jeft  be«  einjelleben«,  bcffcn  gigenart  fid^  geiftlid;  unb  leiblich  bcftimmt,  inbem  in  i^ 
fic^  begegnet  unb  5ufammenfc^lie|t  fotüo^I  tra«  ihr  bom  ®eifte  l^cr  al«  n)a«  i^r  bom 
leiblichen  Drgani«mu«  ^er  eignet,    ©ic  ift  ba«  ^nnenipefcn  be«  ^J}{enfc^en,  meiere«  einer- 

66  feit«  ben  ®eift  al«  Sebcn«^rinji^  in  ficb  trägt,  anbererfcit«  eigentümlich  beftimmt  lüirb 
baburc^,  bafe  biefer  ©eift  ''^rinjip  eine«  Ieibli(^en  2^bm^  (in  irbifc^er  Drganifation)  ift, 
fo  bafe  ber  Seib  ein  ocbjiia  xjwyMov  1  Äo  15,  44.  2Ba«  bem  ®eifte  eignet,  eignet  auc^ 
if)r,  aber  nic^t  alte«,  toa«  ihr  eignet,  eignet  auc^  bem  ®cifte.  2öeil  burc^  ben  ®etft  innere 
^alb  be«  leiblic^ien  Drgani«mu«  getüirlt,  beftimmt  fie  benfelben  in  Kraft  be«  ®eifted  unb 


Sede  129 

totrb  bon  tl^m  beftimmt,  jcboc^  nid^t  anber«,  ate  bafe  jte  bermöge  be«  i^r  immanenten 
(Seiftet  bem  leiblk^en  Drgantemu^  t)or  unb  übergeorbnet  ift.  (Seift  befeelt  ben  5Wenf(^en 
unb  baö  licr,  bcnn  alle«  2eben  ftammt  au«  bem  ®eifte  ®otte«.  35ie  93efonber^eit  be« 
3Renfc^en  unb  be«3:iere«  unb  bamit  bie  93efonberl^eit  unbSigenart  ber  SKenfd^enfcele  unb 
ber  lierfeele  fü^rt  [\d)  auf  bie  Slrt  jurüdf,  tüic  ber  ®eift  if)x  eignet  unb  lüirft,  unb  eben  biefe  6 
Scfonbet^eit  pxäqt  fic^  in  ber  ©eeie  au«  3)ie  ©eele  be«  3Dlenf(^en  ift  bie  Trägerin  unb  bie 
©rfd^ieinung  feiner  äefonber^eit,  nämtid^  feiner  ^erfönlic^Wt.  3)emgemäfe  entf))ric^t  ber 
©c^öj)fung«beri(^t  ®en  2,  7  ber  tl^atfäd^lic^en  ©ad^Iage,  beren  fic^  ber  SWenfd^  in  feiner 
©clbftunterfd^eibung  t)on  ber  übrigen  Äreatur  unb  feiner  ©elbftbegie^ung  ju  ®ott  inne 
toirb.  3)ie  lierfeete  ift  ibentifd^  mit  bem  leiblichen  Seben  be«  3:iere«.  3)ie  9)ienfc^en'  lo 
feele,  obtoo^I  ber  Seiblic^Ieit  benötigt,  ift  boc^  nic^t  fo  an  biefelbe  gebunben,  ba^  fie  nid^t 
Don  ber  befonberen  Slrt  l^er,  in  toelc^er  fie  ben  ®eift  ^at,  ein  t)on  ber  Seiblic^feit  unter* 
fc^iebene«  3)afein  fü^re,  fo  bafe  fie  jtoar  ben  2:ob  erleiben  lann,  o^ne  aber,  toie  beim 
Xiere,  aufju^örcn  ju  fein,  ©ie  überbauert  ben  lob  um  begloiHen,  toeil  fic  ®eift  ®otte« 
ate  ba«  i^r  immanente  Seben«))rimi))  in  ber  9lrt  in  ftc^  trögt,  bafe  fie  felbftmäc^tig  über  is 
fic^  im  aSer^ältni«  gu^®ott  unb  SBelt  t)erfügen  foH  unb  lann.  35enn  ber  3Wenfc^  l^t 
®eift  unb  ber  ®eift  f)at  ba«  3^ier  ['!  R.].  SBie  fe^r  aber  auf  ber  anberen  ©eite  auc^ 
bie  ©eele  be«  SRenfd^en  an  bie  Seiblic^Ieit  gebunben  ift,  erhellt  barau«,  bafe  bie  ©eele 
be«3Kcnfcl^en  ben  iob  nic^t  anber«  überbauert  al«  fo,  bafe  i^r  bie  Söfung  t)on  berSeib* 
lit^Ieit  einen  SKangel  berurfa^t,  toeld^er  in  ber  §eil«t)ottenbung  bei  benen,  bie  il^rer  teit  20 
^ftig  toerben,  burd^  bie  SBieber^erftetlung  ber  Seiblic^Ieit  in  einer  ber  ©rlöfung  unb 
SoHenbung  entfjMret^enben  SBeife  in  ber  Sluferftel^ung  bon  ben  3^oten  gehoben  loirb, 
ögl.  3lpl  6,  9;  20,  4;    12,  11;  1  So  15,  42  ff.   {odjjua  nvevfjutnx&v  1  Äo  15,  44  ff.). 

Slu«  bem  in  bem  3lrt.  „®eift"  bargelegten  Unterfd^iebe  jloifd^en  ®eift  unb  ©eele 
unb  bem  Ser^öltni«  jloifc^en  beibcn  ergiebt  ftc^,  loa«  bie  ©eele  ift.  35ort  ift  aud^  bie  26 
3frage  nad^  ber  bic^otomifdSien  ober  tri(^otomifd^en  2lnfd^auung  bom  3Kenfd^en  bef^jroc^cn. 
3ft  bie  öort  au«gef^)ro(^ene  Sluffaffung  be«  SSerl^ältniffe«  bon  ®eift  unb  ©eele  richtig 
unb  toer^ält  e«  fic^  mit  bem  Scr^ltniffe  bon  Seib  unb  ©eele  fo  loie  bort  unb  oben  an- 
gegeben,  fo  bürften  bon  ba  au«  fid^  tjerfd^iebene  %xa^zn  löfen,  bie  an  mehreren  Orten 
be«  c^riftlic^en  Se^rf^ftem«  auftaud^en.  ©0  junäc^ft  bie  ©treitfrage  ^toifd^en  5lreatiani«mu«  ao 
unb  ^rabuciani«mu«. 

'Xrägt  bie  ©eele  ben  ®eift  unabtrennbar  in  ftc^  nic^t  al«  @intoo^nung  be«  ®eifte« 
®ottc«  felbft,  fonbern  al«  ®eift  t)on  ®otte«  ®eift,  unb  ift  fte  auf  ber  anberen  ©eite  fo 
an  bie  Seiblic^feit  gebunben,  bafe  fie  nur  al«  be«  Seibe«  ©eele  getoorben  ift  unb  fein 
lann,  fo  erl^ellt  fofort,  bafe  bie  Übertragung  be«  an  bie  fieiblic^Ieit  gebunbencn  Seben«  86 
bie  Übertragung  ber  ©eele  ift.  2Bie  unb  loeil  Seben  bon  Seben,  fo  ^at  ©eele  t)on 
Seele  i^rcn  Ürfprung.  SBenn  aber  bie  ©eele  loieberum  il^r  ^rinji^),  ben  ®eift  in 
ji4  trägt,  fo  ift  fein  Slaum  für  bie  3lnf(^auung,  bafe  burd^  irgenb  einen  f(^öt)ferif(^en 
Sut  ®otte«  in  bem  erjeugten  ober  geborenen  Seben  bie  ©eele  erft  entfte^e.  ®er  SKenfc^ 
ifi  nid^t  au«genommen  bon  bem  ®efe|^  alle«  Sebenbigen,  fid^  felbft  nac^  feinem  gefamten  40 
ffiefen«beftanbe  fortzupflanzen.  6«  ift  nid^t  nur  ?fleifd^  unb  SSlut,  \ozl6^t^  bie  SJlenfd^s 
^eit  gu  einer  (Sin^eit  ^ufammenfc^licfet,  ioä^renb  bie  befonbere  göttliche  Segeiftuna  unb 
Sefeelung  be«  au«  ^leifc^  unb  93Iut  geborenen  Seben«  bie  ßinl^eit  loieber  auflöft  unb 
^inabbrüdft  jur  blofeen  ®leid^artigleit  unb  bie  ®emeinf(^aft  jur  blofeen  SSergefetlfc^aftung 
ber  gleid^arttg  gen)orbenen  unb  organifierten  SEBefen  umfe^t.  ©onbem  gleifc^  unb  93lut  46 
übertragen  ba«  Seben  unb  alle«,  n)a«  bicfen  eignet,  —  fie  übertragen  bie  Slrt  unb  bamit 
bie  ©eele  unb  mit  ber  Seele  ben  ®eift  unb  bamit  bann  aud^  foloo^l  bie  göttliche  Slrt, 
toie  toieberum  ba«,  loa«  au«  berfelbcn  burc^  ben  5J{enfd^en  felbft  getoorben  ift  (ba^er  ein 
Unterfc^ieb  jloifc^en  ben  naxioeg  xijg  oaQxog  unb  bem  jiaxrjg  nvevjudrcov).  3)agegen 
ft)rec^en  nic^t  ©teUen  loie  $fl39,  13.  7;  S^f  57,  16;  ^er  1,  5;  38,  16;  ©ad^  12, 1 ;  50 
^i  33,  4,  hjelc^e  nic^t«  toeiter  au«f>)recben,  al«  bafe  toie  alle«  Seben,  fo  anq  aße«  SBerben 
auf  bem  ®eifte  ®otte«  be^to.  auf  ber  ©elbftbet^ätigung  ®otte«  an  ber  Äreatur  berul^t 
unb  barin  bon  bem  erften  Sßcrben  nic^t  unterfc^ieben  ift;  5Pf  104,  30;  bgl.  $i  1,  21 ; 
ä®  17,  28.  2)a«  aber  f(^liefet  ntc^t  au«,  bafe  bie  fortgel^enbe  ©elbftbejiei^ung  ®otte« 
burc^  feinen  ®eift  ^ur  Äreatur  bon  ber  göttlichen  ©elbftbet^ätigung  be«  Slnfang«  [\i}  66 
unterfc^etbet,  loie  ©c^ö^)fung  unb  ©rbaltung,  ol^ne  bafe  ber  unmittelbare  3lu«bru(I  be« 
religiöfen  Seben«  ftet«  bie  JHeflejion  auf  ba«  Slnfang  unb  ®egenn)art  berbinbenbe  TOittel= 
glieb  richtet  •  bgl.  bie  ®rflärung  be«  1.  Slrt.  im  Äl.  Äated^i«mu«:  „ic^  glaube,  bafe  micf) 
©Ott  gcfc^ffcn  ^at  famt  allen  Äreaturen  u.  f.  lo.",  obloof;l  Sut^er  entf^ieben  ben  3^ra= 
buciam«mu«  bertrat.   2:rabuciani«mu«  aber  unb  nic^t  ®eneratiani«mu«  loirb  ba«  ricbtigc  co 

SttaUihictillop&hU  ffir  Z^eoloflie  unb  Siixäit,    3.  V.  XVI II.  9 


130  Seele 

fein,  lücil  auf  bem  ®ctft  aU  auf  bem  göttlichen  £ebcne))rinji))  bie  5Wö0Uci[>tcit  bee  fieBen^ 
betul^t  unb  biefer  nid^t  tok  %Ui]d)  unb  93Iut  neu  erjeugt  mirb,  fonbcm  fid^  überträgt 
unb  fo  ba«  Seben,  bie  ©eele  geftaltct.  3)ie  SSortieBe  ber  ©c^olaftif  unb  ber  römtfc^s 
fat^olifd^en  Ideologie  für  ben  Ärcatianiigmug  l^ängt  mit  ber  iJ^r  eigenen  Il^eorie   über 

6  SKefen  unb  Urft)rung  ber  ©ünbe  unb  ber  6inn(i(|feit  jufammen  (bgl.  b.  3lrt  Urfj)rüng- 
lid^e  ©erec^tigleit  Sb  VI  S.  546),  [auc^  bie  ber  Sleformierten?  Ä.]  Wogegen  bie  Iut^e= 
rifd^e  Ideologie  im  unmittelbaren  3wfammenl^anöe  mit  ber  tieferen  unb  ernfteren  @rs 
lenntni^  ber  ©ünbe,  f<)ejieD  ber  (Srbfünbe,  f ofort  mit  (Sntfc^iebenl^eit  ben  Irabuciani^mu« 
bertrat.    6^  ift  anjuer!ennen,  bafe  e^  feine  ©(^riftlel^re  l(|ierü6er  giebt,  aber  e^  ift  bie 

10  3lufgabe  ber  il^cologie,  eine  fd^riftgemäfee  Seigre  barüber  aufjufteHen,  unb  lüä^renb  nun 
bie  SeJ^re  bon  ber  SBelt,  bem  3Ser^ä(tni^  ®otte«  jur  SBelt  unb  gu  ben  Ireatürlic^cn 
^otenjen  auf  ben  3:rabucianigmu«  l^inbrängt,  toirb  berfelbe  gered^tfertigt  unb  beftätigt 
burc^  bie  in  ber  2lu«brudf«meife  ber  ^I.  Schrift  [V  Ä.]  unb  bem  ©ebraud^  ber  Segriffc 
©eele  unb  ®eift  fic^  au«))rägenbe  Slnfc^auung.    3SgI.  bie  einge^enbfte  unb  an  bem  ric^= 

16  tigen  ^jJunlte  —  nämlid^  bei  ber  Unterfd^eibung  jJüifd^en  ©(^Ö))fung  unb  ßrl^altung  ein^ 
fe|enbe  —  neuere  Erörterung  ber  ^rage  bei  ^andf,  ©^ftem  ber  d^riftlic^en  ffla^r^eit, 
§  24,  5  (I,  @.  382  ff.). 

SBeiter  ift  nun  bag  richtige  Serftänbnig  be^  SJer^ältniffe«  glüifd^en  ©eift  unb  ©eele, 
beglü.  jtoifc^en  ©eele  unb  2eib  bon  ber  größten  SBic^tigleit  für  ba«  Serftänbni«  ber  fion^ 

20  Jequenjen  ber  ©ünbe.  Seru^t  ba^,  toag  ber  SWenjc^  befonbere«  ift,  ^jerfönlic^e«  fittlic^^e^ 
äBefen,  auf  ber  2trt,  h>ie  ba^  göttliche  £eben^j)ringH)  in  il^m  ift,  fo  befte^t  feine  aufgäbe 
barin,  fic^  in  feiner  ©eele  gemäfe  bemfelben  gu  lüoUen  unb  gu  beftimmen.  3tnftatt  beffen 
l^at  er  fid^  burd^  bie  ©ünbe  bon  feiner  geiftigen  göttlichen  Seftimmt^eit  abgetoanbt,  fo 
ba^  nunmel^r  fein   eigener  SBitte  bem  ©eifte^triebe  gegenüberftel^t  unb    te^terer   jenem 

26  gegenüber  ftc^  nur  noc^i  geltenb  mac^t  in  bem  ©elüiffen,  in  toeld^em  ber  ©ünber  fic^ 
felbft  ate  fein  eigener  3^w0^  \p  gegenüberfte^t,  bafe  in  feinem  ©elbftbetoufetfein  ba^Se^ 
toiffen  ate  gun!tion  be^  göttlichen  2eben^ringi))e^,  lüie  e«  ©efe$  unb  Äraft  be«  gebend 
fein  lüill,  unb  bie  fünbig  geworbene  3trt  {vovg  rfjg  aagxdg,  f.  b.  ärt.  „^leifc^"  Sb  VI 
©.  98)  fic^  begegnen,    ^ntttn  ber  9)lenfc^  ftd^  ©otte   ab-,  unb  bamit  ber  SBelt   o^ne 

80  ©Ott  gugetoenbet  f)at,  toirb  biejenige  ©eite  feine«  SBefen«  übermächtig  unb  h)ir!t  beftim- 
menb,  burd^  toelc^e  er  bem  ßwfammenl^ange  ber  SBelt  angehört,  er  toirb  ^leifd^,  aaQxi- 
x6g  unb  oägnivog,  b.  i.  xard  odgxa  unb  odgS^  unb  bie  ©eele,  fein  5ßerfonleben, 
beftimmt  fid^  bemgemäfe  in  ftetem  3Biberf))rud^  mit  feiner  geiftigen  göttlid^en  93eftimmtl^eit. 
3)aburd^  lüirb  bie  ©eele  tro^  beg  i^r  immanenten  ©eifte«  fünbig  unb  alle«,  toa«  i^r  t)om 

86  ©eifte  ^er  eignet,  toirb  in  5Ulitleibenfc^aft  unter  bie  ©ünbe  gebogen,  fo  bafe  ba«  gefamte 
©eifte^leben  barunter  leibet,  ©o  entfte^t  jene«  gtüiefjjältige  lyco,  toelc^e«  ber  Stjjoftel 
^Paulu«  3lö  7  in  ber  3Soraugfe^ung  allgemeinen  l^erftänbniffe«  unb  (Sinberftänbniffe« 
fc^ilbert.  3)er  ^alb^ergige,  jh^eifelnbe,  gipif^en  ©ott  unb  fic^  felbft  ^in  unb  ^er  fc^toanlenbe 
9Kann  ift  ein  ävrjg  dixpvxog  mit  gef>)altener  ©eele,  ^a  1,  8;  4,  8,  bgl.2Rt24,  51.  3)er 

40  ©ünber  ate  fol^er,  fo  ipeit  er  einer  Erneuerung  feine«  göttlic(^en  Sebenöj^ringij)«  burc^ 
ben  ^eiligen  ©eift  noc^  nic^t  teill^aftig  geworben  ift,  ift  ein  yjvxixög  im  ©egenfa^e  gum 
Tzvevfianxögi  f.  u. 

I)ie  boHe  Sonfequenj  ber  fünbigen  ©elbftbeftimmung  ipäre  ba«  fofortige  ®nbc  ge- 
hjefen.    2)ie  Stbmenbung  be«  3Kenfdf>en  bon  feinem  Sebeneprinjit)   unb  bon  ©ott  mac^t 

45  in  naturgefe^lid^er  unb  gerichtlicher  ^olge  feinen  ferneren  Seftanb  unmöglich.  9Kit  ber 
Seftimmt^cit  burc^  ben  ©eift  ^at  er  bie  "iölac^t  über  fiel)  felbft  aufgegeben,  toelc^e  i^m 
ber  ©eift  berlieb,  unb  ift  bamit  ber  (p&ogdy  bem  nunmehrigen  9Jaturgefe$  be«  geben« 
berfaUen,  bem  l^obe  al«  bem  ©egenteil  be«  eibigen  2tbm^  anheimgefallen.  ®r  ^t  fein 
5Dafein,  fein  geben  nid^t  me^r  in  ber  §anb.    Unter  bem  33erfatle  feiner  geiblic^leit,  ber 

60  5Jaturbafi«  feine«  geben«,  leibet  feine  ©eele,  ipelclje  auf  ber  anberen  ©eite,  toeil  fie  ©eift 
©otte«  in  bcfonberer  3lrt  in  ftc^  trägt,  toieber  nic^t  fterben  fann,  fo  bafe  biefe«  3"" 
fammenfein  bon  3:ob  unb  Unfterblic^feit  bie  benfbar  ^öd^fte  Dual  ift.  3)cnn  nun  ift  ber 
3;ob  für  fie  nidit  tüie  für  ba«  leiblicbe  geben  ba«  6nbe,  fonbern  bie  boHenbete  geben«* 
obnmac^t,  gegen  bie  ber  leib^  unb  qualboUfte  ©rbentag  nocf)  gtc^>t  unb  ©onnenfc^ein  ift. 

56  2)aber  bie  bunfeln  2lu«fid^ten  in  ba«  S^^f^it^  ^^^  ©rabc«  im  Sil  in  ber  3^^*  bor  ber 
erlöfung  (f.  bie  3lrt.  „§abe«"  33b  VIT  ©.  295  unb  „Unfterblic^feit").  SBäre  biefe 
naturgefe^lict)e  unb  gericl?tlic^e  golge  ber  ©ünbe  fofort  nac^  bem  ^aDe  eingetreten,  fo 
tüäre  bie  ©efc^ic^te,  auf  tbelc^e  ber  5J}enfc^  angelegt  toar,  gleich  an  i^rem  anfange  gu 
@nbe   getommen   unb   ber  Sd)öpfunc^«gebantc  ßottc«  bernicf)tet.    Die  ©elbftbeftimmung 

60  ©otte«  gur  Grlöfung   ber  fünbigen  3Belt  muvbe   ba«  ^ringij)  ber  Erhaltung,  inbem  bie 


Seele  131 

®ebulb  (Sottet  ba«  ©erid^t  unb  (Snbe  J^inau^fd^ob,  um  bem  ?IJlenfcl^en  bie  ^IJlöglic^feit 
3U  getoä^en,  burd^  gläubige  aufnähme  ber  SJcr^cifeung  unb  i^rer  ©rfüHung  ba^  Sanb 
jtüifd^cn  t^m  unb  (Sott  lüiebcr  anfnüpfcn  ju  laffcn  unb  einer  ©meuerung  be^  ©eiftcg 
tetll^aftig  ju  toerben,  toelc^e  barum  auö^  atö  bie  eigentliche  Srfüttung  ber  göttlichen  Ser- 
^eJfeung  im  31%  erfc^eint,  bgl.  3er  31,  31  ff.;  So  7,  39;  a®  1,  4;  S*ö  8,  4  u.  a.  Damit  5 
aber  toar  ber  burd^  bie  ©ünbe  alteriertc  3#^"^  ^<^  menfc^lic^en  SBefen^,  baö  ent= 
ftanbene  SKifeber^ältni«  feiner  g^^oren  nic^t  aufgehoben.  3)a^  Seben  felbft  ift  in  ^raft 
bc«  ©elftem  nod^  bor^anben,  aber  ber  ®eift  ift  nic^t  mel^r  toirffame^  ®efe|  bc^felben, 
fonbem  nur  nod^  rid^tenbei^  ®ef^,  lüäl^renb  bieSlic^tung  eine  anbere  geworben  ift.  T>iefe 
eben  gefd^ilberte  eigentümliche  äffeftion  be«  menfd^lic^ien  ©efen^beftanbe^  burc^  ben  gati  lo 
bringt  e«  mit  ftd^,  bafe  bon  bem  gefallenen  3Kenf^en  feine  anbere  5JJcnfc^^eit  au^ge^en 
!ann,  aU  bie  toie  er  felbft  im  SWifeüeri^ältniö  jum  ®eifte  fic^  befinbet.  I)ie  S^^atfac^e 
ber  urf^jrünglic^en  (Sinl^eit  be«  bem  5IKenfc^en  geltenben  fittlid;en  ®efe^e^  unb  feine« 
9Jaturgefe^e«,  fomie  bie  Sad^lage,  ba^  bie  Seele  gehjorben  burc^  ben  ®eift  unb  gebunben 
an  bie  Seiblid^feit  fic^  bon  i^rer  geiftigen  ®runblagc  gelöft  l^at,  erflärt  bie  3^l^atfac^e  ber  15 
6rbfünbe,  bie  Übertragung  bon  ©ünbe  unb  2:ob  bur^  3Sermittelung  ber  Seiblic^feit  ober 
be«  gteifc^e«.  6«  lüirb  eine  33efc^affen^eit  übertragen,  toelc^e  bie  Sünbe  jur  ^Jatumots 
trenbigfeit  mad^t,  o^ne  baj  fte  bamit  aufhörte  ©ünbe  ju  fein  unb  alle«  ba^jenige  mit 
fic^  ju  führen,  toa«  ba«  5DJi^berl^ältni«  ju  ®ott  unb  unferer  göttlid^en  Seftimmung  mit 
fic^  bringt.  (Die  ©d^lüierigfeit  be«  bamit  atlerbing«  jugleid»  gefegten  begriffe«  einer  20 
,,6rbfc^ulb"  löft  fic^  im  änfc^lufe  an  bie  obige  Stu^fü^rung  ber^ältni^mäfeig  leicht.)  So 
ift  nun  ber  auf  bem  SBege  be«  ^Jleifd^e«  geborne  5Dienfd^  ^toax  ipvxrj  C(oaa,  toie  ber 
ßrftgefc^affene,  aber  nic^t  blofe  toie  jener  ix  yr\g  ;^o£X($g  feiner  Seiblic^Ieit  nad^,  fonbem 
er  ift  im  ®egenfa$e  jum  nvemiarixög  ein  ipvxixögt  3g  ov  dexerai  rd  rov  Ttvevjnaxog 
^eov,  1  Äo  2,  14  bgl.  m.  1  Äo  15,  44  ff.  Der  ©inn  bon  ywxtxog  an  biefen  beiben  25 
©teilen  ift  nid^t  fc^led^t^in  berfelbe.  3lu«  ber  Unterfc^eibung  bon  ipvxrj  {C(oaa)  unb 
nvevfxa  {^cootzoiovv)  1  äo  15,  45,  ergiebt  ftc^  erft  bie  ^JJlöglid^Ieit,  yjvxixög  unb  nrev- 
juarixdg  aui)  nod^  in  einem  umfaffenberen  ©inne  1  Ro  2,  14  einanber  entgegenjufe^cn, 
inbem  an  ba«  Jirevjua  äyiov  ber  Sßiebergeburt  gebadet  toirb,  nid^t  an  ba«  menfc^Iic^e 
Ttvevfia  an  unb  für  fid^.  '  2luf  biefem  burc^  bie  ©ünbe  unb  SBiebergcburt  bcbingten  30 
Unterfd^iebe,  n)eld^er  ber  d^riftli^en  2tnfc^auung  mit  ber  3;^atfac^e  ber  ffiiebergeburt  fo^ 
fort  geläufig  toerben  mufete,  berul^t  ber  fül^ne,  aber  fc^arf  unb  flar  bejeic^nenbe  ®ebrauc^, 
ben  ber  9lj)oftel  1  Äo  2  üon  xpx^x^xdg  im  ©egenfa^e  gu  bem  bom  ^eiligen  ®eifte  ber 
ßrneuerung  beftimmten  3Jlenf^en  mac^t.  6ö  ift  flar,  bafe  ywxixög  ben  3Benfc^cn  nic^t 
ettoa  einfadgf  al«  oagxixög  ober  äfxaQxcoXög  be^eic^net  unb  l^icrmit  abmedE^feln  fönntc  35 
(bgl.  1  Äo  3,  1),  fonbem  ^wx^>c6g  be^^eic^net  ben  9)ienfdE)en  nac^  feinem  9?aturbeftanbe, 
unb  toeil  ber  5Wenfc^  gegenwärtig  aagxixog  unb  äuagxcoXög  ift,  fo  ift  er  in  feinem 
9?aturbeftanbe  bemjenigen  frcmb,  toa«  rov  jivevjuarog  ift,  unb  fo  erft  be^eic^net  xff.  ben 
Slenfc^en,  toie  er  bem  göttlichen  £ebm«j)rinjij)  entfrembet  ift.  (Sbenfo  ^ub  19,  n)o  nic^t 
gefagt  ift,  bafe  bie  xpvxixol  über^au^jt  fein  Ttvevjua  ^aben,  fonbern  bafe  fie  fic^  nic^t  im  4o 
Seft^e  toon  ®eift  befinben,  fo  toie  fie  i^n  boc^  befi^en  fönntcn.  Da«  Süort  fann  nic^t 
leicht  l^affenber  übertragen  Werben,  al«  e«  t)on  !^utl;er  gefc^e^cn  ift,  obh)ol;l  beffen  Über^ 
fe^ung  „ber  natürliche  ^JRcnfcf)"  ben  boHen  ©inn  nic^t  Wiebergiebt. 

SBäie  bie  rid^tige  (Srfcnntni«  bom  SBefen  ber  ©eele  in  i^rem  3?er^ältni«  jum  ®eiftc 
unb  in  i^rer  ©tetlung  im  Drgani«mu«  bc«  menfc^lid^en  fficfen«  ba«  3Serftänbni«  ber  45 
anbettoeitig  feftfte^enben  3;l^atfac^c  ber  ßrbfünbe  ermöglid^t,  fo  ift  biefelbe  auc^  üon  grofeer 
Sebeutung  für  ein  anbere«  ßau^jtftüdt  ber  c^riftlicfjen  Se^rc,  nämlic^  bon  ber  $erfon 
ß^ifti.  äBenn  boc^  einmal  bie  ^^Jräejiftenj  ß^rifti  bem  ®laubcn  unabh)ei«bar  feftfte^t 
unb  barum  bon  einer  2)JenfdE)tocrbung  beffen  gerebet  Werben  mufe,  ber,  Weil  er  in  gott- 
l^tltc^em  3Ser^ältniffe  ju  un«  fte^t,  felbftüerftänblid;  auc^  ewiger  3Beife  ®ott  ift,  fo  Wirb  50 
aiid^  gefagt  Werben  muffen,  ba^  in  3^fu  ntc^t  jWei  ^}5erfonen  fic^  einigen,  fonbern  bafe 
ba«  ©ubjeft  ber  3Kenfc^Werbung  ibentifd;  ift  mit  bem  2JJenfc^en  3^f"^  ^"^  «^^  ber  ®eift 
be«  Bo^^nt^  ®olte«  ba«  ^jerfonbilbenbe  in  ibm  ift.  (Ir  ift  ba«  Seben«})rin5i)3  ber  gott= 
menfc^Iic^en  ^erfon.  9Jun  barf  aber  bocf)  nicf^t  nac^  ber  ffieife  be«  3l>)ollinari«  gcfcf^ieben 
Werben  jWifc^en  biefem  2eben«})rin5it)  al«  bem  göttlid^en,  Seib  unb  ©eele  al«  bem  menfc^^  55 
lic^  in  ß^fto,  eine  Sorftellung,  bie  bei  St^JoHinari«  me^r  auf  J^latonifc^cn  SRemini«^ 
cenjen  (f.  ben  art.  „®eift"  Sb  VI  ©.  453)  al«  auf  ber  fc^riftmäfeigen  Untcrfcfjeibung 
jtoifc^en  ®eift,  ©eele  unb  Seib  beruht.  Dann  ift  ßl^riftu«  nic^t  üöllig  ©lieb  unfere« 
©efc^lec^te«.  SSielme^r  bürfte  ju  fagen  fein  —  fo  Weit  e«  möglic^  ift,  bicfe«  uvoTt]- 
Qiov  rfjg  evaeßeiag  mit  ®ebanfcn  unb  SBorten  eine«  and)  l^ierin  mit  ben  Äonfequcn^en  oo 

9-' 


132  Seele  Seelforge 

bcr  ©ünbc  behafteten  ©efd^Ied^te«  anjutü^ren  —  bafe  ber  ©otte^geift,  tote  er  bem  etoigen 
©ol^ne  eignete,  ^toar  ba^  ^rinji^)  be^  Söetbend  be^  ©otte^menfc^en  im  3Jluttcrfc^ofee  ber 
Jungfrau  ift,  bafe  aber  ba^  Äinb  ber  3Kutter  mit  feinem  2eben  bon  ber  3Kutter  l^er  a\xi) 
feine  ©eele,  menfci[>Itc^e  6eele  em^jfängt,  benn  menfc^Iid^e^  fieben  ift  menfc^Ii^c  ©eelc. 
6  Die  ©eele  aber  trägt  ben  (Seift  in  fi^,  unb  barum  ift  ^^f"^  3Jienf(^  nac^  ®eift,  Seele 
unb  Seib:  menfc^Ii^er  (Seift,  menfc^Iic^e  ©eele,  menfc^Iid^er  £eib,  unb  boc^  gottmenfc^Iic^, 
benn  berjenige,  toelc^er  f\ä)  in  SKarien  ©c^ofe  toerfenit,  um  mit  il^re^  Seibeö  fjruc^t  un^ 
auflö^tic^  ein«  ju  fein,  ift  etoiger  SÖeife  (Sott,  fo  ba^  in  ber  ©eele  S^rifti  ©ottee  (Seift 
unb  menfd^Iic^er  (Seift  geeinigt  fmb,  unb  jtoar  fo  geeinigt,   bafe,  tote  bei  bem  3Bieber= 

10  geborenen,  feine  2)ulilicität  be^  ^erfonleben^  ftattfinbet,  aber  toieberum  nic^t  toie  bei 
benen,  bie  ben  ^eiligen  ®eift  ber  (Sriöfung  emlpfangen  l^aben,  ber  l^eilige  ®eift  fotoobl 
neueiS  ^Prinji^)  tl^re^  Öeben«,  alfo  in  il^nen,  unb  bod^  jugleic^  auc^  felbftftänbig  aufeer  il^ncn 
ift,  —  toomit  at^nlid^Ieit  unb  Unterfd^ieb  iJoifc|fn  unferer  SBiebergeburt  unb  ber  9Kenfc^= 
toerbung  ß^rifti  angebeutet  fein   mag.    $)ie  $erfon  3efu  toürbe    nic^t  fein    ol^ne   bie 

15  3Kenf(^toerbung;  berjenige,  ber  etoig  ®ott  ift,  ift  aber  böUig  nac^  ®eift,  ©eele  unb  Seib 
®lieb  unfered  (Sefd^led^ted  getoorben,  um  aU  fold^e^  burc^  biefe  feine  3uge^5rtg!eit  unb 
toag  biefelbe  augmadfjt,  ftc^  gott^eitlic^  gu  un^  ju  berj^alten.  ßg  ift  aber  feftm^alten,  baft 
bie  Ibatfac^e,  um  bie  ed  fxd)  j^anbelt,  nid^t  abhängig  ift  bon  ben  SJerfuc^en,  fic  un^ 
gebanlenmäfeig    $u    t)ergegentoärtigen   unb  bafe  bie  ®renje  ber  SSorfteßbarleit  nid^t  bie 

20  ® reine  ber  SüJa^rl^eit,  auc^  nic^t  bie  ®renge  ber  nottoenbigen  Slugfagen  beö  ®laubcn^, 
be«  »efennen^  ift.  (*.  Cremer  t)  ÄÄ^ltr. 

©eeleiimcffe  f.  b.  ä.  3Keffe  Sb  XII  ©.  722,56ff. 

©eelforoe*  —  guröJcfc^litc  unb  X^coric  bcr  ©eclforgc  ögl.  bie  Sittcraturangaben  in  bcit 
bctreffcnbcn  äbfcftnittcn  ber  fic^rbü(fter  ber  ^raf tilgen  ^i^eologie  auf  eüangellfcfter,  ber 
26  ,,¥aftoralt^colo9ic"  auf  römifcft^fot^olifcftcr  ©cite.  ©pcjicac  SBcrfe:  ©.  St.  ^öftlln,  S)ic  ßc^re 
öon  bcr  ©cclforge  noc^  coangclifd^cn  ©runbföfen  1895;  9(.  ©arbclanb,  ®cf(fii(ftte  bcr  fpcjicHen 
©cclforoc  in  ber  üorrcformatorifÄcn  Äird^c  unb  bcr  Stirere  bcr  9llcformation  1897—98; 
Sllfrcb  Ärau6,  $aftoralt^coric.    ^^crau^gcg.  üon  {Jr.  Sf^iebcrgaU  1904. 

©eelforge  in  toeiterem  ©inne  be^  SBorte^  ift  ®runb  unb  3*^^*  ööer  Seben^ufeerungen 

80  ber  Äirc^e  nad^  innen  unb  nac^  aufecn.  SBic  alle  3Jliffiondtl^ätigIeit  ber  Äirc^c  e^  mit 
ben  ©eelen  unb  ber©orge  für  bie  ©eelen  ber  ^u  c^riftianifterenben  9?öller  ju  t^un  l^at, 
fo  finb  auc^  nac^  innen  alle  JVunftionen  n\d)t  nur  be^  geiftliien  2tmte«,  fonbem  auc^ 
ber  fird^lic^en  Se^örben  ijom  ^re^b^terium  an  bi^  jum  Dberhrc^enrate  um  ber  ©orge  für 
bie  ©eelen  toiHen  ba.    SBoHte  bie  ^^rajig  biefer  gunitionen  ben  3^^*  ber  ©eelforge 

35  verleugnen,  fo  toürben  fte  ba^  Siecht  ber  ©jiftenj  Verlieren-  verlöre  bie  J^eorie  biefer 
JJunftionen  ben  Rtoedfbegriff  au^  ben  3lugen,  fo  toürben  bie  2)i^ji^)linen  i^ren  tJ^eologifc^en 
unb  fird^lic^en  (Sparatter  einbüßen  unb  anberen  Sßiffenfd^aften  eingeorbnet  toerben  muffen. 
I)er  ®ebanfe  ift  au^brüdflic^  mrüdjutoeifen,  ate  ftünben  g.  S.  bie  ^rebigtle^re  ober 
§omiletif,  bie  Sebre  Vom  lirc^lic^cn  Unterrid^t  ober  Äated^etif  nur  nac^  befonberen  ©eiten 

40  l^in  jur  Seigre  Von  ber  ©eelforge  in  Sejie^ung,  toäl^renb  fte  nac^  anberen  ©eiten  ^in 
biefer  Segie^ung  entbehrten  unb  unabhängig  babon  ben  SWegeln  ütoa  ber  Sl^etorM  unb 
ber  2)iba!tif  ju  folgen  Ratten.  3)er  ffiert  unb  bie  ®eftaltung  be^  formalen  in  ben  ge^ 
nannten  2!i^git)linen  toirb  auf  feinem  anberen  SBege  richtig  beftimmt,  unb  bie  Unter= 
orbnung  be^  gormalen  unter  ba^  TOateriale  toirb   auf  feinem  anberen  SQBege  jureicj^enb 

46  begrünbet  toerben  fönnen,  aU  bafe  bie  2)i^3i))linen  in  allen  it;ren  Steilen  bem  einheitlichen 
3toecf  ber  religiö^^fittlic^en  JJörberung,  ber  „(Srbauung",  ber  Äirc^e  unb  ber  ©injeU 
gemeinbe,  alfo  ber  ©orge  für  bie  ©eelen  ju  bienen  ^aben.  ©oll  bemnac^i  bie  2e^re  Von 
ber  ©eelforge  jur  2)arftetlung  fommen,  fo  toirb  nur  ein  gtoeifac^er  ilBeg  gegeben  fein,  ©nt^ 
toeber   nimmt   man  bie  ©eelforge   in   bem   befc^riebcnen   umfaffenben  ©inn,    —  bann 

60  genügt  nic^t  bie  §erau^ftellung  einer  befonberen  ©eite  ber  2)i^jit)linen  ber  praltifc^en 
3:^eologie,  toie  e^  burd^toeg  in  ber  „^aftoraltl^eologie"  ber  römifc^en  Äirc^e,  aber  auc^ 
auf  cüangelifc^cr  ©eite,  g.  S3.  noc^  in  ber  ^aftoraltl^eologie  Von  §.  ßremer  (1904), 
gefc^ie^t.  T>er  3tufgabe  toürbe  nur  genügt  toerben  burc^  eine  öollftänbige  S)arftellung 
aller  2)i^jij)lincn  ber  >)raftifc^en  S^eologie  nac^  allen  i^ren  ©eiten  ^in,  ettoa  toie  Glauö 

66§arm^  fte  in  feiner  ^aftoraltl)eologie  (1831)  gu  geben  Verfuc^t  l^at.  Ober  aber  man 
unterfcfjeibet  bie  ©eelforge  alö  Cura  generalis,  toie  fie  an  ber  ®emeinbe  ober  Rxxd^c 
vollzogen  toirb,  Von  ber  Cura  specialis,  beren  Cbjcft  bog  einzelne  ®emetnbeglieb 
ift.    Xa  nun  bie  Cura  generalis  ber  3*^^*  ^^^  ^^^  ®emeinbe  ober  Rxxd)^  betreffenben 


Seelforge  133 

3:i^ätigfcitcn  ift,  fo  lann  bon  einer  beftimmt  abgegrenjten  unb  Befonbcren  Seigre  bon  ber 
Seelforge  nur  m  bem  Sinne  gerebet  toerben,  bafe  barunter  bieSe^re  toon  ber  fj)en eilen 
©celforge,  bie  an  bem  einzelnen  ©emeinbegliebe  gefd^ie^t,  berftanben  lüirb.  ^n  bem 
OBjcIte  ber  Cura  animarum,  unb  jlüar  audfc^Iiefelic^  in  bem  Dbjelte,  liegt  ber 
Unterfd^ieb  ber  Cura  specialis  toon  ber  Cura  generalis.  3)er  (Sintoqnb,  ben  ^.  3t.  6 
Äöftlin  in  feinem  reichhaltigen  Sffierle:  3)ic  Se^re  t)on  ber  ©eelforge  nad^  etjangelifd^en 
Orunbfäfeen  (1895)  ©.  125  bagegen  geltenb  mac^t,  aud^  bie  ,,öffentlid^e"  ©eetforge 
toenbe  fu^  an  bie  ^erfönlid^feit,  ba^er  liege  nic^t  in  bem  Dbjelt,  fonbem  in  ?form 
unb  3Ketbobe  i^rer  äuöübung  ba«  2ßefen«merlmal  ber  „^jritjaten"  ©eelforge,  ift  lüol^I 
nidj^t  ftid^l^altig.  3)enn  bie  gorm  unb  HRetl^obe  in  beiben  2lrten  ift  nur  infofern  ber«  lo 
fc^icben,  ate  pe  fic^  in  ber  fpejieHen  ©eelforge  inbiöibualifiert.  3tber  SKobififationen  unb 
Snbiüibualifierungen  toon  ^orm  unb  3Ketl^obe  finben  auc^  innerl^alb  ber  Cura  generalis 
je  nad^  ber  Sefc^affenl^eit  be^  Dbjeftee  ftatt.  3Mit  toerbenben  unb  geworbenen  ^erfön^ 
lic^feiten  ^at  e^  aDerbing«  bie  ©eelforge  überall  ju  tl^un.  3lber  lüä^renb  bort  bie  ©e^ 
mcinbegliÄer,  ibren  inbit)ibuenen  5Wöten,  ©orgen,  3[ufgaben  entl^oben,  jur  religiöfen  i6 
(Semeinfc^aft  toerbunben  toerben,  bamit  bag  gemeinfame  6t)angelium  in  ben  inbibibueHen 
Sagen  t)on  ben  Singeincn  frei  t)em)enbet  toerbe,  lüirb  ^ier  bem  einzelnen  ©emeinbegtiebe 
badfelbe  @t>angelium  unter  inbibibueQem  ©eftd^td))unlt  in  feinen  inbibibueüen  S^er^ält^ 
niffen  a))))li2ierl,  bamit  t)on  il^m  inbiDibueü  bie  2BeIt  übertounben  n)erbe.  ^ie  Segrenjung 
ber  f})ejienen  ©eelforge  auf  ba^  dngelne  ©emeinbeglieb  ift  anberfeit«  auc^  um  beiJtpiUen  ao 
ju  üoUjiie^cn,  toeil,  tjomel^mlic^  in  neuerer  ^tit,  bie  Slufgabe  ber  fjjegiellen  ©eelforge 
burd^  bie  fojialen  2lufgaben  ber  ©emeinbe  unb  be«  ^aftor«,  burd^  33ereingtl^ätigfeit  unb 
fonftige  Seftrebungen  ber  inneren  5Riffion  berlpirrt  unb  gurüdfgebrängt  toorben  ift.  ®er 
2Bert  biefer  Seftrebungen  unb  il^re  Ünerläfelid^Ieit  für  Setoal^rung  unb  görberung  ber 
©emeinbe  toirb  nic^t  in  Slbrebe  ju  ftellen  fein.  3lud^  fxe  bienen  ber  ©eelforge,  ber  26 
Cura  generalis  toie  ber  Cura  specialis,  aber  fie  erfe|cn  biefe  nidftt.  Um  ber  SReinlid^s 
teit  ber  begriffe  unb  um  ber  (grienntnig  ber  Slufgabe  toillen  fmb  fie  toon  ber  fj)ejietten 
©eelforge  ju  unterfd^eiben  unb  in  gefonberten  3)iggt^)linen ,  tpie  id^  e^  unter  bem  ütel 
„Äoinoni!"  in  meinem  Sebrbud^  ber  ^raftifc^en  i^eologie«  (1898)  berfuc^t  l^abe,  ju 
bejubeln.  3o 

^oi)  nod^  einer  naiveren  93eftimmung  bebarf  bie  fjjejieße  ©eelforge.  SBir  toerben 
fjjäter  bie  I^atfad^e  ju  bertoerten  ^aben,  bafe  in  ber  ^riftlic^en  ©emeinfd^aft  lüie  bon 
bem  ®anjcn  auf  ben  (Sinjelnen,  fo  bon  bem  (Sinjelnen  auf  ben  ©injelnen  überall  gelüoBt 
unb  un^etüollt  fpegieHe  ©eelforge  t^atfäc^lit^  geübt  lüirb.  3n  unferer  ©i^iplin  ^anbelt 
e«  ftc^  lebod^  nid^t  barum,  toa^  ber  einzelne  ate  ^WbatJ)erfon  traft  feiner  ^ab^  an  ©eel«  36 
forge  bem  ©injelnen  getoäl^rt,  auc^  nic^t  barum,  toa«  eth>a  bie  ©emeinfd^aft  bem  (ginjelnen  an 
Hilfsmitteln  barbietet,  bamit  er  fbejieHe  ©eelforge  in  feinem  Äreife  ju  üben  bermöge, 
—  eS  l^anbelt  fic^  um  bie  ftjejieUe  ©eelforge,  bie  ber  SKanbatar  ber  ©emeinbe, 
b.  i.  ber  ^aftor,  nameng  ber  (Semeinbe  an  ben  einzelnen  ©emeinbegliebem  boUfül^rt. 
Da«  ^räbilat  „lird^lic^"  ift  mr  fieberen  Umgrenzung  unferer  2)iSjit)lin  unentbel^rli^.  4o 
@rft  bann  fteHt  fic^  bie  Krd^lid[>-f>>^s'cß^  ©eelforge  ate  „bie  amtlid^e  5Cl^ätigIeit  ber  d^rift« 
liefen  Äird^  bar,  toelc^e  ber  (Sri^altimg,  3Serbollfommnung,  ^erftettung  beS  geiftlid^cn 
SebenS  toegen  auf  baS  einzelne  ©emeinbeglieb  gerid^tet  ift,  folglid^  nacp  ben  eigentüm^ 
lic^ficn  })erfönlid^en  3wftänben  unb  93ebürfniffen  bemeffcn  fein  unb  am  meiften  bom 
ganjen  j)erfönlid^en  Sinbrudf  be«  ©eelforger«  unterftü^t  toerben  mufe"  (6.  3.  5Wi^fd^ :  46 
^raftifc^e  i^eologie  III,  1:  3)ie  eigentümlid^e  ©eelen^)flege  beS  ebangelifd^en  §irtens 
amteS  mit  SRüdfft^t  auf  bie  innere  3Jliffion  1857,  ©.  70).  — 

2)afe  für  ben  fo  gejjrägten  93egriff  ber  3)iSji)ilin  ber  ted^nifd^e  9?ame  „^aftoraU 
tl^eologie"  nid^t  geeignet  ift,  ergiebt  ftc^  auS  bem  ©efagten.  aber  au^  ber  9?ame 
„5ßaftoralt^eorie",  ben  2llej.  SSinet,  ätlej.  ©c^toeijer  unb  i^nen  folgenb  ällfreb  50 
Ärau^  bem>enben,  fc^eint  be«  ©letc^tlangS  mit  jenem  unb  feiner  Unbeftimmt^eit  toegen 
nid^t  geeignet  ju  fein.  Äraufe  befiniert  bie  ^^iaftoralt^eorie  ate  „bie  Seigre  bom  §irten= 
amte  bcS  c^riftlid^en  ©eiftlid^en"  (©.  1),  bie  (Srenjcn  fo  n)eit  fteclenb,  n)ie  bie  römifd^e 
^aftoralt^ologie,  obgleid^  er  bie^  §irtenamt  (©.  7)  auf  baS  einzelne  ©emeinbeglieb 
befd^fränft.  SßiH  man  überf;au^)t  eine  tcd;nifc^e  Seaeid^nung,  fo  bürfte  ftd^  bie  faft  gleic^s  55 
jeitig  bon  ®.  b.  ^ejfc^lüife  (©^ftcm  ber  jjraltifc^en  3:i^eologie  1878)  unb  3.  3.  ban 
Doftergee  (5ßrafttf^e  3:i^eologie,  beutfd^  bon  3)Jatt^iae  unb  5Petr^  1878)  eingeführte  33e= 
jeic^^nung  „5ßoimenif"  em^)fe^len,  bie  jtüar  lejifalifc^  mit ^aftoraltl^eorie  ftc^  berft,  aber 
bon  il^ren  Urhebern  bon  bom^erein  einen  beftimmten  ^nf)alt  em^)fangen  l^at.  ^u!t>^n\ 
orbnet    fte  fid^  ben  Sejeid^nungen  ber  übrigen  2)iSjij)lincn,    ibie  ^omiletil,   Äatec^etil,  go 


134  Scdforge 

Siturgi!  u.  f.  \v>.  et^mologifcf)  ein.  I)ie  (Sinlücnbungcn  bon  %.  £.  ©tcinme^er  (35ic  fpejteCle 
©eclforgc  in  tF)rem  3?er^ältnig  jur  generellen  [1878]  ©.  1  3lnm.)  gegen  bie  ^oimenil, 
baö  biblifc^e  jioijualveiy  fei  ein  biel  tüeiteter  Segriff,  unb  ber  3lamz  ^aftor  ober  jToi/uitjv 
gebühre  allein  bem  jtoijuijy  6  xaldgf    erlebigen   fic^  baburc^,    bafe  ber  5Wame  5Jioimenif 

6  auf  Siblicität  ebenfo  toenig  änfj)ruc^  mac^t,  h)ie  bie  t)on  ©teinme^er  bet)orjugtc 
„gud^ariftiefeier"  al^  Sejeic^nung  beg  (;l.  3lbenbma^l^,  unb  bafe  bie  Urgemeinbe 
unter  i^ren  Beamten  aud;  jioijuheg  gefül^rt  i}at  {Qpl}  4,  ii),  o^ne  ber  ®^re  be^  noifii^v 
6  xakog  nal)t  ;;u  treten.  Siegt  bod^  aud^  gerabe  in  ber  ©elbigleit  beö  9Jamenö,  ben  ber 
etoangelifd^e  ^aftor  mit  bem  jioijufjv  6  xalog  fü^rt,  ba^  unentbehrliche  3Wottb,  im  auf- 

10  blid  auf  Q^riftuö  unb  in  feiner  Siebe  ha^  amt  ^\i  führen,  unb  bag  ebenfo  unentbe^rlicbc 
Cluietit),  bem  §enn  G^riftu^  ben  2Beg  ju  bereiten,  bamit  er  felbft  ber  alleinige  ©eel^ 
forger  toerbe. 

2!ie  2lrt  unb  2Beife  be«  Setriebe^  ber  ©eelforge  loirb  nad)  bem  93egriff  be^  geift^ 
liefen  Slmte^  unb  feiner  ©teflung  ju  ben  Objelten  ber  ©eelforge,  ber  Oemeinbe,  fic^  rid^ten, 

15  unb  barauf  beruht  ber  funbamentale  Unterfd^ieb  ber  ©eelforge  in  ber  römifd^sfatl^olifc^en 
unb  in  ber  ebangelifd^en  ftird^e.  ^n  ber  römifc^-latl^olifd^en  Äirc^e  ift  ber  ^riefter  Crgan 
ber  bem  fat^olifd^en  Solle  borfte^enben  J^ierard^ie,  b.  ^.  ber  „Äirc^e"  im  engen  ©inne 
be«  SöorteiS.  (Sr  ift  aSilar  feinet  Sifc^of«,  toie  biefer  Silar  be«  ^apfte^,  ber  5ßapft 
vicarius  Dei  ift.    ©r  ^at  bie  Munitionen  ®otte^,    be^  5Pa})fteg,    be^  äifd^of«   an   bem 

20  Raufen  bciS  fat^olifc^en  Sollet  ^u  berfel^en,  ber  feine  ^arod^ie  bilbet.  3)ie  5Jiaro^ie  aber 
ift  ein  zufälliger  unb  unfetbftftänbiger  S3ruc^teit  ber  ©efamtfird^e ;  ber  Segriff  einer 
organiftertcn  unb  felbftftänbigen  (Sinj\elgemeinbe  ift  bem  römifd^en  Äird^enre^te  fremb. 
ailiS  ©lieb  unb  Vertreter  ber  §ierarc^ie  ober  Äird^e  fte^t  ber  römifc^e  ©eelfor^er  feiner 
^Paroc^ie  unb   il^ren  ©liebem  gegenüber,    ^od^  über  allem  Saientum  aU  unloiberruflid^ 

26  geirei^ter,  mit  ben  ©d^lüffeln  be^  ^immete  unb  ber  §ötle  begabter  5Priefter.  Slic^^t  t)on 
feiner  ^erfönlic^feit  unb  beren  religiö^-fittlid^er  Dualität  ift  ber  Setrieb  ber  ©eelforge 
abhängig,  fonbern  bon  bem  ben  Sorfd^riften  entfj)red^enben,  legalen  SoDi^uge  ber  ©efe^e 
unb  Institutionen  ber  anftaltlid^en  Äirc^e.  3"  juribifc^ier  SBeife  |^at  er  bie  ©eelen 
5u  regieren,  bamit  fie  ben  Sorfc^riften  ber  Äirc^e  gemäfe,  bie  er  allein  lennt,  forreft  fu^ 

30  berbaltcn.  6r  ift  ber  J&err  über  bie  ©eiüiffen  ber  5Kenfc^en,  er  beftimmt,  toaö  gut  unb 
böfe  ift,  unb  feine  ©eelforge  ift  toefentlic^  jurigbiltioneDer  3lrt.  (Sr  fungiert  al«  SRic^ter 
ber  ©eelen,  unb  ©eelforge  unb  fiirc^eniuc^t  fäHt,  loetl  beibe^  in  ber  Seid^te,  ber  einzigen 
^orm  ber  ©eelforge,  §um  SoHjuge  fommt,  in  eine^g  untrennbar  jufammen.  Db  bie 
©ünben,  bie  in  ber  Seid;tc  befannt  unb  geftraft  n)erben,  öffentlich  ober  berborgen,  ba^ 

35  ©eiriffen  bebrüdtenb  ober  unbeiDu^t  fmb,  mad^t  leinen  Unterfd^ieb.  2llle  ©ünben,  bie 
bctüufeten  2:obfünben  freiipiHig,  bie  unbeipufeten  unb  bie  läfelid^en  ©ünben  auf  Sefragen 
be^  ^ijiriefterö,  gu  belennen,  ift  unbebingte  ^flic^t  jebe^  Äat^olifen,  ber  er  um  fo  n)iber- 
ftanb^lofer  ficf;»  unterjiel^t,  alg  t)on  i^rer  ßrfüHung  feine  ©eligleit  abl^ängt  unb  ba^  un= 
t)erbrüd;licf;e  Seic^tfiegel  il^n   öor  jebem  ^Jlifebraud^,   aber   a\xi)  bor  jebem  ©ebraud^  be^ 

40  ®cbcid>tcten  aufecr^alb  be«  Seic^tftu^leö,  fcf^ü^t.  Sffiie  ba^er  bie  Seichte  bem  Äat^olifen 
eine  Gntlaftung  t>on  aller  ©cbulb  bebeutet,  fo  bebeutet  fte  bem  "ilSriefter  bie  Serbürgung 
unbegrenzter  ^errfc^aft  über  bie  ©eelen  feiner  Seic^tfinber,  unter  Umftänben  freiließ  auc| 
bie  ©cf)u^lofigfeit  be^  ^riefter^  gegenüber  bon  Serleumbunaen  unb  älnflagen  ÜbeltooHenber, 
ba  er  fic|  bagegen  um  be^  in  ber  Scid^te  ßrfabrenen  iriUen  nicf)t  berteibigen  !ann.    3!)ie 

45  ©eelforge  be«;  römifd^en  ^riefter^  ijat  bemnac^  i^r  fi)ezififd)e^  ^^elb  in  ber  burc^  ba^ 
Seid>tfiegel  gefd^ü^ten  Seid»te,  unb  biefc  tüirb  al^  folc^e  nur  anerfannt,  loenn  fie  t)or 
bem  offiziellen  ^orum  beö  ^jriefterlic^en  3"^^E  boltjogcn  ipirb. 

SDurc^  bie  ^Jieformation  tourben  ber  ©eelforge  tjrinzi^jiell  neue,  bem  (Söangelium 
ent)prccl)cnbe   Sahnen  geöffnet.     2)ie  Äircf)c   toirb   afö  ^eil^gemeinfc^aft,   congregatio 

öosanctorum,  erfannt,  ba^  tlerifale  ^rieftertum  unb  bamit  alle  ^ierard^ie  fäUt,  eine 
bo)3^elte  ©ittlicbfeit  giebt  eg  nidj^t  mel;r.  ^eil^bebingung  für  alle  ift  ber  ©laube  allein, 
ber  burcl)  bie  ^^rebigt  be^  SiJorte^  getoedt  unb  genährt  toirb,  unb  bie  ©aframcnte  toirfen 
niclu  ex  opere  operato,  fonbern  etljifd^  in  (Sinl^eit  mit  bem  SBort;  bie  ^l.  ©c^rift  ift 
allen  zugänglich)  genmcln,   unb   bie  fittlicljen  ^3JJä(^te  be^  .^aufe^,   ber  @l;e,   be«  ©taate^, 

55  ber  3Biffcnfcbaft  unb  .Hunft  finb  Don  ber  ^eafd^aft  ber  Sircbc  befreit  unb  alö  Serbünbete 
ber  Äirdbe  anerfannt.  allein  ba^  neue  ^rinzi^  trurbe  mdji  ohne  toeitere^  in  bie  ^rojid 
übergefübrt.  ©o  überaus  frucl)tbar  unb  cDangelifd;  frei  unb  tief  bie  ^ribatfeelforge  ber 
^Xcfürniatoren  in  ihrem  Sriefti>ec^fel  unb  ibren  ©utadE)ten  fid;  betregt,  ba^  amtliche  gelb 
ber  fircf)lid;en  ©eelforge   auf   lutbcrifd^er  ©citc   blieb,    Don   ber   römifd^en  fiirc^e  über* 

eo  nonimen,  bie  ^jJriDatb eichte  in  engftem  ^>iufammen^ange  mit  bem  1)1.  Slbenbma^l.   ®ie 


Seelforge  135 

t)on  fiut^er  aufgeftcllten  ©runbfä^e,  bafe  bte  ^ribatBetd^tc  freimiBig  fei,  frei  au6),  toai 
einer  unb  toern,  ob  ^riefter  ober  Saie,  er  beid^ten  lüoUe,  lüurben  in  ber  ^raji^  feit  1528 
(Bericht  ber  3Sifitatoren  an  bie  ^farr^erren)  nid^l  inne  gehalten;  ber  93ei(^tjtDang  tourbe 
cingefü^.  I)a  jeboc^  mit  ber  SBeid^te  ein  fatec|etif(^er  3*^^*  berbunben  n)urbe,  fo  toar 
bie  Sefttmmung  be^  33eric^t^  ber  SSifitatoren  bon  1538  untoermeiblic^,  lüoburc^  geleJ^rte  5 
unb  berftänbige  ^erfonen  bom  Seid^tjlüang  bi^enftert  mürben,  ©nblid^  aber  tourbe  bie 
©eelforge  in  ber  Seichte,  obgleich  ftetg  betont  tourbe,  fte  fei  jum  Sroft  für  angefochtene 
unb  ber  jagte  ®eh)iffen  ba,  mit  ber  Äirc^emuc^t  bergeftalt  berbunben,  bafe  l^arte  ©ünber 
nic^t  nur  bom  3lbenbmal^l  unb  ber  ^atenfc^aft  jurüdgelüiefen,  fonbem  aud^  (j.  33.  in 
Sraunfd^toeig)  ber  h)eltlid[>en  Dbrigleit  für  ba«  ß^d^tl^aug  unb  tägliche  em^jfinblic^e  lo 
3üd^tigung  m  mx  93efferung  übergeben  lüurben.  3lud^  in  ber  reformierten  Äirdbe  6albin« 
unb  a  Sa^co«  finb  feit  33u^er«  ©cbrift  „3Son  ber  toaren  ©eelforge  unb  bem  rechten 
^irtenbienft"  (1538)  ©eelforge  unb  Rird^enjuc^t  auf  ba^  innigfte  miteinanber  berbunbcn; 
aber  toä^enb  in  ber  lut^erifc^en  Äirc^e  biefe  SSerbinbung  unb  bie  ©eelforge  felbft  ate 
i^errfd^aftderlüei^  be^  Äteru«  über  bie  (Semeinbe  cmt)funben  lüurbe,  bem  bie  ®emeinbe  is 
nur  toiberlüitlig  [xd)  beugte,  mar  in  ber  reformierten  5tirc^e  ©eelforge  unb  Jtirc^enjuc^t 
bon  ber  ©emeinbe  getragen  unb  mürbe  bon  aflen  ©emcinbegliebem  an  allen  geübt,  meil 
bie  ©emeinben  um  i(;re^  ä3eftanbed  miden  a(^  ecclesia  pressa  fie  a(^  unentbehrlich  unb 
l^eilfam  erfuhren,  ^ie  (Einrichtung  ber  visltatio  domestica  ordinata  vel  stata,  bie 
ßalbin  1550  in  ®enf  traf,  ^at  ftd^  in  ftreng  reformierten  33ejirlen  big  |^eute  erhalten;  20 
jmifc^en  freunbfd^aftlicbem  ^au^befu^  unb  offijietler,  bom  ^aftor  mit  einem  älelteften 
gehaltener  „^augbefuc^ung"^  mirb  unterfc^ieben,  aber  beibe  Slrten  ber  ©eelforge  merben 
burd^meg  bon  ber  ©emeinbe  begehrt.  2)ie  ^ribatbeid^te  lonnte  bie  reformierte  Äird^e 
entbe^en,  fie  mürbe  bem  (ginjelnen  freigefteDt  unb  ift  bem  SSerfatl,  mie  er  in  ber  lut^erifAcn 
ftirc^e  burc^  ü)lec^anifierung  eintrat  unb  allen  33etrieb  ber  ©eelforge  auf  bag  emj^finblic^fte  25 
fc^äbigte,  nid^t  au^efe^t  gemefcn. 

2)ie  SJermifc^ung  bon  ©eelforge  unb  ftiic^enguc^t  unb  bie  au^fd^liefelic^e  SSer« 
menbung  ber  ©eelforge  jur  33ele^rung  unb  (Ermahnung  Unmiffenber  unb  ^rrenber  im 
Seid^tftu^l  unb  bei  Jtranlen  in  periculo  mortis  blieb  aud^  in  ber  ^eriobe  ber  lut^erifdben 
Dtt^obojrie  unangetaftet,  obgleich  bie  milben  ebangelifc^en  33eftimmungen  ber  furfäc^fifd^en  ao 
®cneralartifel  bon  1580  überall  anerfannt  maren  unb  aud^  überaU  bie  gorberung  er* 
^oben  mürbe,  bafe  ber  ^ftor  alle  feine  ©emcinbeglieber  fennen  muffe,  menn  auc^  an  bielen 
Orten  bie  ßauebefud^e  bom  SKagiftrat  berboten  maren.  ©al^rfc^einlid^  burc^  bag  35ors 
ge^en  beg  ^ieti^mu«  finb  bie  gorberungen  be^  trefflid^en  Valentin  Söfc^er  in  feinen 
„Unfc^ulbigen  SWac^ric^tcn"  bon  1703  beranlafet,  bafe  mennmöglic^  für  je  1000  ©emeinbe«  86 
glieber  ein  ^aftor  ju  befteHen  fei,  bafe  ein  genauer  Jtatalog  aller  ©emeinbeglieber  muffe 
geführt  merben,  bafe  3)iafonen  für  bie  Slrmenjjflege  anjuftellen  unb  bom  ^Pfarrer  regele 
mäfjige  ^au^befud^e  einzurichten  feien.  2)enn  ®^)ener  mar'«,  ber  in  feinen  3^^eologifd^en 
Sebenlen  I,  2.  3.  10,  in  feinen  Pia  Desideria  Cap.  2  unb  in  feinen  Consilia  et  iudicia 
theologica  I,  3.  4  auf  Sermei^rung  ber  ^aftoren,  auf  ©inrid^tung  bon  ©eelforgebcjirlen  40 
unb  §erbeijie^ung  ber  älteften  jur  ©eelforge  gebrungen  l^atte  (bgl.  anfi)  5p.  ©rünberg: 
^^.  3.  ©))cner  II  [1905]  ©.  101  f.),  mä^renb  91.  ^.  grandfe  bie  salutationes  domesticjae 
in  feinem  Ck>llegium  pastorale  1713.  1741.  1743  empfaf;l.  S?om  5pieti«mu«  ging  bie 
binrc^igefü^rte  ©Reibung  bon  ©eelforge  unb  Äir^en|\ud^t  aug  unb  bamit  ba«  ebangelifc^e 
95erftänbni«  ber  paftoralen  f))ejietlen  ©eelforge  über^au))t.  g^eilid^  motibierte  ber  ^xtix^^  45 
mu«  (fd^on  9S.  ©rofegebauer)  bie  9?otmenbigfeit  ber  fj)eziellen  ©eelforge  mit  bem  jämmer« 
licf^en  3«Pönb  ber  G^riftenl^eit,  maö  ber  ©eelforge  bon  neuem  3)ti6trauen  in  ber  ©emeinbe 
ermedfte.  ©elbft  ein  ©d^leiermac^er  leibet  unter  biefcr  Stimmung;  ba«  SRed^t,  nid^t  bie 
^Picf^t,  be«  ©emeinbegliebe«,  ben  ©eelforgcr  in  Slnfprud^  ju  nehmen,  beftel^e  nur,  menn 
e«  [xd^  felber  nid^t  ju  raten  miffe,  ba«  Siedet, .,  nid^t  bie  5Pflid[>t,  be«  ©eelforger«,  fic^  w 
anzubieten,  nur  bei  borfommenbem  öffcntlid()en  äirgemi«.  SBa«  Ä.  b.  3^reitfd^fe  (2)eutfd^e 
Oefc^^.  im  19.  fja^r^unbert  5,  255)  au«  ber  3eit  ^riebric^  SBilbelm«  IV.  mitteilt,  giebt 
ju  biefer  Slnfc^auung  betrübenbe  gjßuf^^^'on.  §m  allgemeinen  maren  e«  bie  Se^ 
ftrebungen  ber  inneren  ^Wiffton,  bie  burrf)  bie  Jtebolutionöja^re  in  ber  Witte  be«  ^a^r^ 
^unbert«  offenbar  gemorbenen  religiö^sfittlic^en  ©c^äben,  bie  inbuftrielle  ©ntmidfelung  mit  55 
i^ren  fc^meren  fojialen  ?Wifeftänben,  bie  ber  firc^lid^5f})ezietlen  ©eelforge  ba«  Serftänbni« 
erfc^Ioffen  unb  i^ren  S5etrieb  mit  ebangeltfd^em  ©eifte  burd^brangen. 

3Rögen  in  ©injel^citen  ber  Verleitung  be«  geiftlid^en  3lmte«  unb  feiner  ©tetlung 
JU  ber  ©emeinbe  t^eologifd^e  3Jceinung«berfc^iebenbeiten  obmalten,  fo  fmb  boc^  bie 
reformatorifc^en  ©ebanfen   Suti^er«    feit    feiner   ©dprift:    „9ln   ben    d^riftlic^en    Slbel"  60 


136  ®eelforge 

152(1,  bic  3. 2B.  %.  «ööflmg  in  „(ärunbfä^c  etoanacUfd^Jut^crifc^cr  Äir(^cnt)erfaffun9" 
1850  f.  reid^  unb  tief  begrünbet  unb  au^efü^rt  fyki,  einigermaßen  (Semeingut  etxm^ 
gelifd^er  Ideologie  geworben.  3)a«  geiftlic^e  2lmt  ift  ein  logifc^  unb  moralifc^  not= 
toenbige^  (Srjeugni^  bed  allgemeinen  ^tieftertumd  innerl^alB  ber  religiöfen  @emeinbe,  in 

5  ber  bie  §eil^emein|d^aft  ber  „Rxxi^y'  in  bie  ßrfc^einung  tritt.  2)ie  gur  ©riangung, 
93eh)al^rung  unb  SoHenbung  be«  ßeitebeft^e«  nottoenbigen  gunitionen  ber  Serlünbigung 
be^  göttli^en  SQäorte^  unb  ber  Sßertpaltung  ber  ©aftamente,  bie  ba^  geiftlid^e  ämt 
publice  in  ecclesia  unb  in  nomine  ecclesiae  divino  iure  }u  boQjie^en  ^at,  ^t  j^er 
eöangelifc^e  Gl^ft  in  feinem  Greife  unb  in  ben  ber  lird^Iic^en  Drbnung   toegen   inne  ju 

10  ^altenben  ©remen  gu  bottjiel^en  divino  iure  ^flic^t  unb  Siecht.  3Da^  äßort  ©otte«, 
lüetc^e^  bag  geiftlid^eSlmt  publice  in  ecclesia  t)erfünbet,  ^at  ber  $au^t)ater  ben  ©einen, 
ber  Se^rer  ben  ©c^ülern,  ber  greunb  bem  greunbe  ju  fagen,  unb  ift  baö  SRet^t  ber  SSer^ 
h)altung  ber  ©aframente  um  ber  Drbnung  h)illen  bem  geiftlid^en  Slmte  borbe^alten,  fo 
ift  ba^felbe  fRtd^t  in  %aüm  ber  ©ufj^enfion  ber  Drbnung  bem  einzelnen  S^riften  bamit 

15  nic^t  entgogen.  ©0  ift  e^  aud^  ^flic^t  unb  Siecht  ber  Seeleute  untereinanber,  be«  Se^rerd 
an  feinen  ©c^ülern,  bed  greunbe^  an  bem  greunbe,  aller  untereinanber  fj^egieHe  ©eelforgc 
)u  üben,  ^ie  älQgemeinl^ett  biefer  ^flid^t  unb  biefed  9lec^ted  beruht  auf  ber  natur» 
nottoenbigen  ßinlüirlung,  bie  innerhalb  jeber  ©emeinfd^aft  ber  eine  auf  ben  anbem,  ber 
©injelne  auf  bie  ©efamt^eit,  bie  ©efamt^eit  auf  ben  ßimelnen  ausübt,    ffiie  in  allen 

20  feinen  Sebendäufeerungen  t)ereinigt  ftd^  für  ben  ß^riften  aud^  ^ier  ba«  3Kotit)  ber  etl^ifd^en 
©elbftbe^auj)tung,  „fic^  felbft  nic^t  m  t)erlieren  ober  ju  befd^äbigen",  mit  bem  üRotiD  ber 
äSruberliebe;  ed  h)irb  l^ier  gu  ber  nSflid^t,  bie  bon  i^m  au^el^enben  Sintoirfungen  auf 
Singeine  unb  auf  bie  ©emeinfd^aft  bem  (Sbangelium  entf))rec^enb  gu  geftalten  unb 
h)ieberum   anbere   gegen    t)erberblic^e  @inh)irfungen  eingelner  ober  ber  ©emeinfc^aft  gu 

25  fd^ü^en  unb  gu  toaftnen.  3)ie  ^pid^t  ber  Sruberliebe  loirb  um  fo  mel^r  in  3fnfj)ru(^ 
genommen,  je  etbifc^  bebürftiger  bie  anbem  finb,  unb  je  me^r  loir  burc^  93eruf  unb 
2lmt  auf  fie  ^ingetoiefen  loerben  (bgl.  Saienfeelforge  bei  ^arbelanb  208  f.  299  f.  326  f.  unb 
bad  mutuum  coUoquium  et  consolatio  fratrum  9lrt.  ©male.  III,  9(rt.  IV).  'Sind) 
ba^  ift   l^erborgul^eben,   bafe  e«   feine  ©emeinfd^aft  giebt,  bie  nid^t  im  gntereffe    i^re« 

30  Seftanbe«  einen  i^rem  3toecf  entfjjred^enben  6influ|  auf  il^re  ©lieber  gu  gewinnen 
fud(>en  müßte. 

aiuf  biefer  altgemein  menfc^lic^en  unb  für  aBe  ßi^riften  berbinblic^en  ©runblage 
crl^ebt  fic^  bie  fjjegieUe  firc^lid^e  ©eelforge,  bie  burd^  ben  ^aftor  au^eübt  toirb.  ©ie 
lann  bie  unaegäl^lten  anberen  ^aftorcn,  bic  feelforgcnb  auf  ba«  ©emeinbeglieb  eintoirlcn, 

35  nic^t  außer  itraft  fe^en,  fie  barf  e^  and)  nic^t,  eingeben!  ber  ßi^riften^jflid^t,  erftreben;  fie 
muß  Dielme^r  barauf  au«  fein,  eine  l^armonifdf>e  3Kitarbeit  gu  gleid^em  3*^1^  l^erguftelten. 
2)enn  ein  !lerilalifd^e^  ^rieftcrtum,  ba^  religio«  unb  et^ifc^  ben  ^nl^aber  in  eine  bem  Säten 
unerreid^bare  Bpf)äxz  erl^öbe,  giebt  e«  auf  etjangelifc^em  Soben  fo  loenig,  toie  eine  bo})pelte 
©ittlic^ifeit.    3)er  $aftor  ift  ber  Sruber  unter   ben  93rübem,   feine  allgemeine  ßj^riften^ 

4()  p^iid)i  unb  feine  3lmt^fli(^t,  namenö  ber  religiöfen  ©emeinbe  ate  i^r  3Kanbatar  an  ben 
©emeinbegliebem  ©eelforge  gu  üben,  bcden  fid^  überall.  3)a  jebodb  in  ber  etoangelifd^en 
Äirc^e  eine  gefe|lic^e  ^flic^t  ber  ©emeinbeglieber,  ©eelforge  gu  fud9en  ober  angune^men, 
auegefc^loffen  ift  unb  alle  ©eelforge  ftd^  im  ßlement  bc«  freien  Vertrauen«  betoegt, 
fo  rann  ber  ^aftor  feelforgerlic^en  ßinfluß  nur  baburc^  geloinnen,  baß  er  ein   SRann 

lobe«  2?  er  trauen«  für  bie  ©emeinbeglieber  ioirb,  bon  beffen  religiö^^fittlid^er  Dualität 
ftc  ba«  SSorbilblic^e  toillig  anerlennen  unb  an  beffen  feelforgerlic^er  2Bei«^eit  i^nen  fein 
3toeifel  fommt.  3)a«  bebeutet  für  ben  ©celforger  bie  älufgabe,  ba«  religiö«=et^if{^e  SJor^ 
bilb  ber  ©emeinbe  gu  loerben  (1  ^t  5,3)  unb  jene  äöei^^eit  fid^  gu  erloerben,  loa«  bu«^ 
flare  unb  fiebere  religiö«sfittlid^e  ßrfcnntniffe,  fotoie  burc^  Äcnntni«  ber  ©eifte«ftrömungen 

50  beröegentoart,  ber  ©efc^id^te  ber  ©emeinbe  unb  i^rer  ©lieber  unb  burc^  J)f^(^ologifd^e«  SSer* 
ftänbni«  i^rer  ^nbibibualitätcn  gefc^ie^t.  2)urd^  bie  3Sertrauen«fteDung  be«  ©eelforger« 
gu  ben  ©emeinbegliebem  ift  e«  gegeben,  baß  er  gur  „Seid^te"  im  etjangelifc^en  ©inne 
jcbe  SKittcilung  gu  rechnen  l^at,  bie  il^m  gur  ßrlangung  feine«  "Siai^,  Srofte«,  Sele^en« 
iutcil  toirb,   in  toelc^er  SBcifc,   an   ioelc^cm  Crte,   bei  toelc^er  ©elegenl^eit  e«  immer  fei. 

55  SSon  feiner  ßl^reni^aftigfcit  ift  e«  unbebingt  gu  forbcrn,  baß  er  ba«  ibm  SKitgeteilte  unter 
bem  Siegel  be«  Seid^tge^eimniffc«  bctoal^rt,  ob  and)  toeber  ftaatlirfjc  noc^  fir^lic^e  Strafe 
ba«  Set^tftcgel  in  ber  'et)angelifd;eu  ilirc^e  fc^ü^t.  9licl)t  al«  gebotener  ^md)  bed  ^Äd)U 
fiegcl«,  fonbem  al«  Slbioe^r  be«  ü}Jißbrauc^«  ift  c«  angufcl^en,  baß  nad^  allgemeinen 
■'Mec^t«grunbfä^cn  bic  9L>erfcl)h)icgenl;eit  ftrafbar  ift,  fobalb  c«  ficb  um  A^od^berrat,  um  gu 

60  bcge^enbc   SJcrbrec^cn   unb    um   älbtocnbung   ber   folgen   t)on   bcgangenm  Serbrec^ 


®eeIforge  137 

^anbelt  (Stic^^tcr^SJobc^'a^l:  £cl(|rbu4^  be^  fat^ol.  unb  be^  ctjaitg.  Äirc^cnrcc^t^«   (1886) 
©.  816.  986 f.  990f.). 

@ine  potestas  iurisdictionis  lennt  bad  getftlic^e  3(mt  in  ber  et>an9eltfc^en  Rixi^t 
ntd^t,  mit  Kir(l^enbid)i))Iin  f)ai  bie   et>an9elif(^e  Seelforge   nic^tö  ^u  fd^affen.    3lad^  aQ- 
gemein  .aner!annten  et>an9e{ifc^en  ©runbfä^en  tann  jlird^enjuc^t  nur  gegenüber  öffent^  <^ 
liefen  Slrgemiffen  unb  nur  ju  bem  .3*^^^  i"  ^unftion  treten,  bie  ©emeinbe  gegen  bie 
reltgid^'ftttlic^e  @inh)irlung  folc^er  ^rgemiffe  )u  fd^ü^en.    93ie  ^anb^abung  ber  Kirchen- 
juc^t  tft  ©ac^e  ber  jurigbiftionellen  Se^örben,  l^ei^en  fie  ^ßreöbbterium  ober  itonfiftorium 
ober  Oberfirc^enrat.    ä(uc^  untDürbige  @emeinbeglieber  bom  I^L  ^benbmal^l  au^jufd^Iiegen, 
bat  ber  ^ftor  afe  fold^er  leine  Befugnis,  mögen  i^m   immerl^in  auö  rein  ))raftif^en  lo 
®rünben  bortäufige  ^a^na^men  überlaffen  fein;   fraft  feiner  potestas  ordinis  f)at  er 
mit  ®otte«  ®ort  borfommenben  gaff^  ba«  ©emeinbeglieb  ju  bitten  unb  ju  tüamen, 
ober,  bebor  ein  formeßer  9lid^terfj)rucl^  ergangen  ift,  ift  ^  ber  ©elbfttoeranttoortung  beg 
®emeinbegliebe«ju  überlaffen,  ob  unb  intoietoeit  ^  ben  Sßorfteffungen  be«  ©eelforger« 
^olge  leiften  toio.    ©elbftentfd^eibung  unb  ©elbftberanttoortlidbfeit  ber  mün«  i6 
bigen  Oemeinbeglieber  ift  über^ai^t  unb  in  aüm  %äüm  bie  Sßorauöfe^ung  ebangelifc^er 
©eelforge,  berupenb  auf  bem  allgemeinen  ^rieftertum.    35a«  3)lotib  be«  S^r^foftomud, 
bem  ^priefteramt  ftd^  ju  entjie^en,  toeil  ber  5priefter  bie  33eranttoortung  für  ba«  ©eelen« 
^etl  aller  ©emeinbeglieber  nid^t  ra  tragen  bermöge,  gilt  in  ber  ebangelifd^en  Jtird^e  nid^t. 
^er  $aftor  ift  nid^t  für  bie  ©eelen,  fonbem  allein  für  bie  2!reue  in  ber  älu^übung  feine«  20 
Berufe«  beranttoortlid^. 

3tu«  ben  3}orau«fe^ungen  ber  lird^Uc^en  f j)egienen  ©eelforge  in  ber  ©elbfttoeranttoort« 
lid^Ieit  unb  ©etbfterjiel^un^  jebe«  S^riften  folgt  aber  aud^  bie  ^^tfad^e,  bag  e«  nid^t 
©eringfd^ö^ung  be«  c^rifthc^en  Seben«,  nid^t  einmal  Mangel  an  tir^lid^em  ©inn  bebeutet, 
tvenn  ba«  ®emeinbegli^  an  ber  cura  generalis  ftd^  genügen  lä^t  unb  bie  cura  26 
specialis  al«  ^emmenbe  Beeinträchtigung  ber  gftei^eit  unb  al«  SBerfud^  ber  Sebor* 
munbung  em))finbet,  ba  bot^  „jeber  SJcenf^",  um  mit  %  3)1.  ©ailer  (SJorlefungen  au« 
ber  5Pafloralt^eologie*  1793  ©.1)  gu  reben,  „fein  eigener  ©eelf orger  ift".  %üx  ben 
©eelforger  bebarf  e«  eine«  geübten  ftttlid^en  3^ahe«,  bie  äßertfd^ä^ung  unb  ba«  33ertrauen 
mit  borfi^tiger  3utüdt^altung  ;u  berbinben  unb  glei(^n)ol(^l  ju  feelforgerlic^er  ^l^ätigleit  so 
ftet«  bereit  ju  fein.  3)ie  grage,  ob  mit  ber  re5e))tiiyen  ober  erbetenen  ©eelforge  bie 
ber  Snitiatibe  be«  ?ßaftor«  entfj)ringenbe  fj)ontane  m  berbinben  fei,  ift  rein  pxah 
tifd^er  Art.  ©ic^er  ift  e«  bie  aufgäbe  be«  ©eelforger«,  ftc^  in  ber  5perfonalIenntni«  aller 
Oemeinbeglieber  ju  erl^alten,  nid^t  toeniger  fidler,  bafe  e«  joü^lreid^e  feelifd^e  3uftänbe  giebt, 
bie  ba«  @rbitten  feelforgerlid^en  3uft>^(^^  au«fd^lie|en,  n)ä^renb  ba«  betDu^te  ober  un-ss 
betou^te  Sebürfni«  banad^  fid^  unmi^berftänblic^  geltenb  ma^t.  ^n  allen  fällen  aber 
toirb  bie  f))ontane  ©eelforge  niemal«  ^iello«  berfal^ren  unb  gleid^fam  auf  ©efc^äft  au«« 
ge^en-  ftet«  mu|  ber  ©eelforger  toiffen,  loa«  er  h>ill,  toarum  unb  h)oju  er  lommt. 

3Jon  lutl^erifc^-ortl^obojer  unb  bon  rationaliftifd^er  ©eite  ift  bie  ©eelforge  bielfad^  in  nal^e 
älnalo^ie  )ur  ^äbagogie  gefteUt.  ^a  jeboc^  bie  ^äbagoaie  auf  bem  @egenfa^e  be«40 
3Rünbigen  unb  SBiffenben  ju  ben  Untüiffenben  unb  Unmünbigen  berul^t  unb  in  bem« 
felben  3Jla|e  überflüfftg  tüirb,  h>ic  ber  3ögling  jur  ©elbfterjie^ung  l^eranreift,  fo  ift  ii^e 
änologie  im  allgemeinen  abjulei^nen.  Dbhjol^l  ftc  t)ielleid^t  in  ieber  ©emeinbe  bei  einem 
Heineren  ober  größeren  Srud^teil  ber  ßrtoac^fenen  ba«  rid^tige  3Jer^alten  be«  ^ßaftor«  ju 
be}eid|nen  fd^eint,  barf  fte  bod^  aud^  biefem  93rud^teil  gegenüber,  fobalb  bie  anni  discretionis  45 
eneicpt  ftnb,  nur  al«  ftille  lenbeng  toirffam  toerben,  toenn  nid^t  bie  billige  Stufna^me 
ber  feelforgerlic^en  93e^anblung,  ba  fte  auf  bem  ^[iertrauen  gum  ^aftor  beruht,  in  $rage 
geftellt  toerben  foH.  SBol^l  bie  ^äbagogie,  nic^t  aber  bie  ©eelforge  h>irb  burc|  bie  ©elbft^ 
erjiel^ung  be«  (Semeinbegliebe«  aufgcl^oben,  fo  trenig,  bafe  t)ielmel^r  bie  ©elbfterjie^ung 
h)ie  bie ©elbftberanttoortlic^^Ieit  bie  9Jorau«fe^ung  i^rc«  erhJünfd^ten  ©rfolge«  ift.  2)enn  so 
bo«  3'^  ^^  ©eelforge  ift  toeber  lird^lid^e  Äorreft^eit  noc^  fittlid^e  ©elbftftänbig!eit, 
fonbem  bie  ibeale  §ö^e  be«  rcligiö«5fittlic^en  Seben«,  bie  3l^fw^  ^Wt  5,48,  ber  3l^)oftel 
?P^i2,5,Äoll,  28,e^Hfl'^f9lö8,29be5eid^net.  3)ic  änalogie  jur  ©eelf orgc  bietet  nid^t  bie 
^bagogie,  fonbem,  h)ie  bereit«  Const.  ap.  2, 41,  bann  ©regor  3lai.,  ßl^r^foftomu«,  aui) 
2ut^er  unb  bie  lut^erifd^c  Drtl^obojie  ^ertjorge^oben  l^aben  unb  toie  6.  3-  5^itff^  ^^  i"  ^ 
feinem  SBerl  burdjigefü^rt  i)at:  bie  ^Jlebijin.  2)ie  ©tellung  be«  ©eelforger«  ^u  ben 
©emeinbegliebem  ift  aber  nic^t  bie  be«  ©efunben  ^\x  ben  üranfen,  fonbem  beffen,  h)elc^er 
ber  Heilmittel  funbig  ift,  gu  benen,  bie  ber  Heilmittel  bebürfen,  unb  ju  biefen  Sebürftigen 
gehört  an  erfter  ©teße  ber  ©eelforger  fetbft,  h)ie  ju  ben  ber  Heilmittel  Äunbigen  aud^ 
anbere  SSebürftige  gehören.    S)er  änalogie  ber  ©eelforge  mit  ber  5iKebijin  entft)rcd^cnb  so 


138  ®eelforge 

h?irb  audb  bic  d^artemalifc^c  Segabung  bcg  Scelforgcr«  ^u  bcr  bc«  ätrgte«  in  beutlid^cr 
änalogtc  ftc^en.  2Bic  bcr  3lrjt  jur  erfolgreichen  Stu^übung  feine«  Serufe«  ber  bia^ 
gnoftif(^en  unb  bcr  tl^crat)cutifd^cn  ®abcn  bcbarf,  bcr  biagnoftifc^cn,  um  au^ 
gtomjjtomcn  ein  trcffcnbc«  Silb  bc«  ^uftan^^  i"  gewinnen,  bcr  t|craj)cutifd^cn,  um 
5  auf  ®runb  bcr  3)iagnofc  bcn  jh)cc!entf))rcc^cnbcn  SBcg  jur  Teilung  ju  finbcn,  fo  gcift= 
lid^cr  aSeifc  bcr  ©celforgcr.  Um  bic  richtige  ©iagnote  tu  ftcllcn,  bebarf  ber  ^jior 
nic^t  feilen  großer  Unbefangenl^cit  unb  bicier  ®ebulb;  fel^lt  bic«,  fo  toirb  er  auf  falfc^c 
Slid^ttocae  be«  SSorurtcite  unb  be«  t)orfd^ncIIen  Sc^luffe«,  ober  auf  bic  ©etüaltmitlel 
moralifc^er  3;n<?"ifition  tJcrfaUcn,    toä^renb   bod^  nur  ein  felbftlofe«  unb  licbctoottc«  än^ 

10  cmj)finbcn  unb  ein  flare«  äuge,  ba«  auf  ®runb  bcr  ©elbftericnntni«  bic  ©c^Ieid^toege, 
©c^lujjftoinlcl,  ©clbfttäufc^ungen  be«  mcnf^Iid^cn  §crjcn«  öcrftcl^t,  jum  3icle  fü^rt. 
©4on  bei  bcr  2)iagnofe  treten  bic  brei  j)fjJd^oIogifc^cn  ©runbtocrmögcn  be«  Scr^ 
ftanbe«,  be«  ©cfübte,  be«  SBiUcn«  miteinanber  in  gunition,  au«gcf))ro(i^encrh)etfc  bei  ber 
S^crapie;    ba«  SBiffcnfd^aftlid^c  bc«   SSerftanbc«   in  bcr  Se|r^aftigfett,    tuclc^c  bie 

15  eignen  Ilaren  unb  feften  ßrlcnntniffc  ber  ch)igcn  SBa^r^eit  burc^  flarc«  unb  pd^cre« 
SBort  ju  übertragen  t)crmag,  ba«  äftl^etif(^c  be«  ©efü^fö  in  bcm  regen  religiöfcn 
©cfü^telcbcn,  ba«  t)omebmIi(i^  be«  ®cbetc«  ju  red^ter  geit  unb  am  redeten  Orte  ^en 
ift,  ba«  ©ittlic^c  bc«  ffiillen«  in  bcr  nie  ju  unterbrürfenben  ScrcittoUIigtcit,  allen  nic^t 
obtoc^renben  ®cmcinbegliebem  feelforgcrlid^cn  2)ienft  ju  leiftcn. 

20  2luc^  bie  g^agc,  nad^  hjclcben  Slid^tungen  l^in  bie  ®emcinbcglicbcr  bcr  fird^Iit^cn 
fj)ejiellen  ©eelforge  bebürfen,  alfo  aud^  bic  ^rage  nac^  bcn  Äategorien  bc«  feelforger- 
ticken  ^anbcln«,  toirb  fic^  mit  6.  3.  9li|fc^  am  geeignetften  burd^  S'^tixdQd)m  auf  bic 
genannten  brei  j}f^(^oIogifc^en  ®runbt)crmögen  bc«  5Kcnfd^en:  bc«  ®efül^te,  bc«  ®iHcn«, 
bc«  Sßcrftanbe«  beantworten  laffcn.  2)a«  ®efü^l«leben  bebarf  bcr  ©eelforge  beim  leiben« 

26  bcn,  bcr  SBiUc  beim  fünbigenben,  ber  Serftanb  beim  irrenben  SKcnfc^cn,  unb  bemgemäfe 
toerben  bie  Kategorien  ber  ©eelforge  bie  ^arafletifd^c,  bic  ^äbeutifc^e,  bic  bibaltifc^e  fein. 
SHIein  bie  Unterfc^eibung  bicfer  Kategorien  bebingt  feine  ©d^eibung,  benn  bcr  3)lenf(^ 
in  feinem  ®efü^l,  feinem  SBiHcn,  feinem  93crftanb  ift  eine  cinl^eitlic|c  ®rö^c.  @«  giebt 
tein  ifolicrte«  ®efül^telebcn  ol^nc  Il^ätigfcit  be«3Q3iDen«  unb  be«  SSerftanbc«,  fein  ifoliertc« 

80  SBiUen^lcbcn  ol^nc  SKittl^ätigfeit  be«  ®efü^te  unb  bc«  SSerftanbc«,  lein  ifolierte«  3Sers 
flanbc^lebcn  o^ne  3Witfc^h)ingen  be«  ®efü^l«  unb  be«  SBiHcn«.  ©0  Wirb  auc^  ftet«  ba« 
Seiben  be«  aKenfc^en  !omj)lijiert  fein  in  irgcnb  einem  3Wafec  mit  ©ünbc  unb  Irrtum, 
bic  ©ünbc  be«  3)lenfc^en  fomjjlijicrt  mit  Seiben  unb  3^^^"^/  ^^  ^rrtum  bc«  ÜRcnfc^cn 
fomjjlixicrt   mit  Seiben  unb  ©ünbc.     3)urd^   bie  Äom^IÜation   bc«  Seiben«   mit  ©ünbc 

86  h)irb  bic  Steigung  gu  2lft^enic  in  ftumj)fer  SHcfignation  unb  Scic^tfertigfeit  ober  in 
6^>)erft^enie  in  Klage  unb  Slnflagc,  burc^  bie  Äom^jlifation  mit  Irrtum  bie  Steigung  ^u 
aJal^ngebilben  erzeugt.  2)urc^  bic  Äom>)lifation  ber  ©ünbc  mit  Seiben  h)irb  ba«  ©r« 
löfung«bebürfni«,  burd^  bie  Äomjjlifation  mit  ^rrtum  bic  ®rlöfung«fäl^igfeit  gcfefet  (Sc 
23,  34;  2t®  3,  17;  1  Äo  2,  8).    ©olange  ber  fünbigenbc  5Mcnfd^   fid^   in  feiner  ©ünbc 

40  Woi:)i  fül^lt,  ift  Teilung  au«gef(^loffcn,  unb  bie  bon  allem  Irrtum  freie  ©ünbc  ift  ber 
grcbel  tüiber  ®ott,  ber  bie  33erftodfung  be«  §crjen«  unb  bamit  bic  Unbergebbaricit 
ber  ©ünbc  nac^  fid^  i^ici^t.  2)ie  Kom))Iifation  bc«  3^^"*"^  ^^  Seiben  crjeugt  bic 
ffiißigfeit,  fic^  belel^ren  ju  laffen,  tüäl^rcnb  bic  Komputation  mit  ©ünbc  bcn  ^ntum 
fc^uIbüoH  mad^t  (Sc  12,  47.  48).     3)od(>  nur  infotoeit  ift  bon  ©d^ulb  bc«  ^rrtum«   ju 

45  reben,  tric  bcr  inteHeftueHe  J^cl^l  ju  (5)etüiffen«irrung  ftc^  gefteigert  ober  burd^  fittlic^ 
falfd^e  ©tcHung  jur  ßrfenntni«  bcr  3Ba^r^cit  fic^  erzeugt  l^at. 

Cbglcic^  bic  Kategorien  bee  Icibcnbcn,  fünbigenben,  irrenben  9Jlenfc^en  au«  ber  ®cs 
jamt^cit  bcr  Wcmcinbc  al«  Dbicfte  bcr  fird^lid^en  fjjcxiellcn  ©eelforge  ftd^  l^erau«^eben, 
ift  bod^  bon  einer  ^folicrung  bicfer  Kategorien  bom  ^emcinbelcbcn  nic^t  m  reben.    6« 

50  giebt  feinen  Wcnfd;en,  bcr  nid)t  irgenbtüie  Icibenb  h)äre.  ^^ininnng  be«  Seben«gcnuffe« 
ober  ber  Scben«betl^ätigung  finbet  fid^  überall,  überaß  ein  ®egcnfaib  jtoifc^en  aBoUcn  unb 
©oUcn,  ffloüen  unb  Sollbringen,  Soßen  unb  2;^un.  Stiemanb  fann  cbangelifd^cr  ©cel- 
forgcr fein,  bcr  nidj^t  bon  biefem  allgemeinen  Seiben  in  irgcnb  einer  ^orm  berührt  toäre 
unb  nun  traft  bc«  ^roftc^,  momit  er  t)on  @ott  gctröftet  ift,  aud^  bie  in  allerlei  S^rübfal 

55  Sefinblirf^cn  ^u  tröftcn  bermag  (2Ko  1,3  f.).  Slud^  teincn  "iJKenfd^en  giebt  e«,  ber  nic^t 
©ünbc  F)ättc  ober  gefünbigt  Mttc  (1  ^o  1,  6—8),  unb  ber  ebangclifc^^c  ©celforgcr  ^at 
c^  nie  ju  tocrgcffcn*  bafe  auc^  er  im  beften  J^allc  ein  bcgnabeter  ©ünber  ift.  Snblic^  fyit 
ba^  Sic^tcrtüort,  bafe  bcr  Slcnfd)  irrt,  fo  lange  er  ftrcbt,  für  bcn  ©celforgcr  bie  Sc« 
beutung,   il^n  aHc«  a^a^nc^  ber  Ünfcl^Ibartcit  j\u  cnttlcibcn;   aud^  er   ift  ein  ©ottfud^er 

60  unb  hat  auf  bic  aSolltommen^eit  ber  grtenntni«  ju  toarten  (1  Ko  13,  8—12).    a)ie  bcn 


eeelforge  139 

ba^  afutc  Seiben,  (Sünbigen,  ^mn  fic^  ^eröorl^ebt,  ift  ber  Duett  jener  uncntbcl^r- 
lid^en  Äräfte  ber  mittragenben  Siebe,  ber  ®cbulb,  ber  Hoffnung,  beren  Übung  i^m  felbft 
bleibenben  Oetoinn  einträgt  unb  il^n  bor  attem  Sanaufentum  unb  atter  Seid^tfertigleit 
betpa^rt.  6 

Mein  bie  aiffgemein^eit  be^  Seibensf,  ©ünbigen«,  3^^"^  ^«^^  ^^^  ^"^ibibualität 
jebe«  Seiben^,  ©ünbigeng,  3^en^  nic^t  auf.  Slttee  fc^oblonen^afte  SSerfal^ren  ift  in  ber 
Seelforge  t)om  Übel.  SBie  bie  93efonberl^eit  be^  %aü^  in  ber  Beurteilung  be^  Pfleg- 
ling^ gu  Uad)Un  ift,  fo  aud^  in  ber  Sßertoenbung  ber  feelforgcrlic^en  3WitteI,  beö  freien 
3ufJ)rud^^,  be^  ©ebeteij,  be^  ©ebrauc^e«  ber  ^I.  ©(|rift  u.f.to.  %üx  biefe  bem  inbibibuetten  lo 
gatt  anjuj)affenbe  SSertpenbung  ber  feelforgerlic^en  SRittel  i)at  m.  SB.  guerft  3^ifoIau^ 
^emming  in  feinem  1566  erfd^ienenem  SBäerf e :  Pastor  sive  Pastoris  optimus  vivendi 
agendique  modus  ben  t.  t.  Orthotomia  verbi  sive  recta  doctrinae  Sectio  aus- 
geprägt. Dl^ne  Drt^otomie,  fc^reibt  er,  fei  ber  ^aftor  ein  sutor,  qui  ad  unam  for- 
mam  pueris  et  senibus,  magnis  et  parvis  calceos  pararet.  S3efonberS  ber  fpätere  i6 
^ietiSmuS  fyit  auf  bie  Sebeutung  ber  Drt^otomie  ^ingetoiefen  (§arbelanb  443  f.),  unb 
6.  3-  5Ri^f^  W  i>^n  Terminus,  h)o^l  befinitiö,  in  bie  Se^re  bon  ber  Seelforge  eingefül^rt, 
freilid^  nid^t  o^ne  SBiberfpruc^  ju  finben.  2)er  StuSbruc!  le^nt  ftc^,  abh)ei(|enb  bon  ber 
Prägung  ber  alten  itird^e :  oQ^oro/Lua  =  ÖQ&odoilat  an  22;i2, 15  an:  oQ^oxofwvvxa 
t6v  köyov  T^c  äXrj&eiag,  h>eIc^eS  355ort  bann  nid^t,  toie  bie  meiften  StuSleger  mit  3-  21.  20 
Sengel  überfe^^t:   „ber  fid^  ftradES  nac^  bem  SBort  ber  Söal^r^eit  rietet",  fonbem  mit 

3.  2:.  Sedf  toiebergegeben  toirb:  „ber  baSSBort  ber  SBal^r^eit  rid^tig  einteilt  unb  tjerteilt". 
3Ran  mag  einen  ejegetifc^  beffer  begrünbeten  3:erminuS  erfmnen,  ber  in  ber  ^oimenif 
fixierte  Segriff  ber  Drt^otomie  ift  unantaftbar,  unb  bie  95erh)enbung  ber  Drt^otomie  ift 
unentbel^rlic^.  25 

3)ie  auf  ben  leibenben  5Dtenfc^en  ftd^  bejiel^enbe  ©eelforge  ift  bie  t)aratletifc^e,  baS 
SBort  in  ber  jugef>)i§ten  33ebcutung  t)erftanben,  toie  bie  xoivt^  mit  ber  ft)äteren  ©rägität 
TzaQdxlrjaig:  2roft  berloenbete,  alfo  tröftenbe  ©eelforge.  3Birf lieber  Iroft,  b.  ^.  ber= 
ttauenbe  (SemütSberul^igung  ober  freubige  3"^^it^t  bermag  bie  ©eelforge  bem  Seibenben 
nur  bann  einjuflöfeen,  hjenn  bie  Überjieugung  in  bem  Seibenben  ertüedft  toirb,  ba^  baS  30 
Seiben,  baö  unmittelbar  aU  SebenSl^cmmung,  ©c^merg,  S^erluft  empfunben  toirb,  nac^ 
® otteS  SBitten  ©eloinn,  greube,  SebenSförberung  toerben  fott.  6S  fann  bieS  h)erben  aber 
nur  burc^  ben  religiöfen  ©lauben  im  ebangelif^en  ©inne  beS  3Q3orte«J,  burc^  Seloä^rung 
biefeS  ©lauben«  in  ©ebulb,  burd^  ©tärfung  be«  ©tauben«  im  ®ebet:   SRö  8,  28;   2  Äo 

4,  16—18;  ^br  12  finb  Stid^ttoorte.  2)aS  Seiben  an  ftd^  l^at  feine  erlöfenbe  Äraft;  je  86 
nac^  ber  ^nbiöibualität  unb  ber  religiöS^fittlic^en  33orgefc^ic^te  be«  Seibenben  fü^rt  eS  jur 
©elbftbefinnung  unb  ßrnüd^terung,  §u  Iro^  ober  SSergagt^eit,  ju  freunblic^er  SRilbe  ober 
}u  ftarrem  ©goiSmuS.  33on  ber  ^n^i^i^w^Ktät  be«  g^tteS  toirb  e«  bal^er  abl^angen,  ob 
bie  ^arallefe  linbernb  unb  bcru^igenb,  ob  fie  mal^nenb  ober  gar  ftrafenb  aufzutreten  l^at; 
für  atte  gätte  i}at  ber  ^aftor  „bie  Äunft  beS  Äranlenbefuc^enö"  —  fo  ber  3:itel  einer  40 
orientierenben  ©c^rift  t)on  21.  Slömer  1902  —  fic^  anjueignen  unb  ben  2Beifungcn  beS 
arjte«,  tocnn  fte  im  tüo^Iberftanbenen  ^nt^^^ff^  ^^  Seibenben  erteilt  hjerbcn,  ftd^  untere 

iuorbnen.  3Son  bem  richtig  erfannten  ^tü^i  ber  ^araflefe  au«  ift  aud^  bie  ^rage  ^u 
•eanttoorten,  ob  unb  intüietoeit  bie  ^flic^t  be«  ©eelf orger«  e«  er^eifc^e,  ben  Äranfen 
auf  ben  %oh  bor^ubereitcn.  3)ie  mittclalterlid^e  Äranfenfeelforge  ging  \n  Übung  biefer  45 
5PfIic^t  auf ;  bie  bott!ommene  Seid^te  unb  bie  ©dbredEen  be«  3:obe«  unb  be«*®erid;t«  fpielten 
bie  ^aiH)trotte.  ©elbft  bie  milben  ä^orfc^riften  ber  ©^nobe  bon  9Jante«  (jcbenfatt« 
t)or  850),  bie  in  bie  Äanonfammlungen  be«  9legino  t)on  $rüm  (geft.  915)  unb  be« 
Surd^arb  bon  SBorm«  (geft.  1025)  aufgenommen  tourben,  unb  in  ben  berül^mten  bem 
SSnfelm  t)on  ßanterbur^  irrtümlich  ;;ugefc^riebenen  Interrogationes  ad  morientem  60 
(2lbol))^granj:  3)a«  9lituale  toon  ©t.  Florian  au«  bem  12.  3a^r^unbert[19041,  ©.166  f. 
196  f.),  fohjie  bie  Slubrif  Ad  inungendum  infirmum  ber  ^Ritualien  atmen  bcnfelben 
®eift.  S)a«  älnfe^en  ber  ©c^rift  Qol^ann  ®erfon«:  De  arte  moriendi  zeitigte  aud^  in 
ber  ebangelifd^en  Äird^e  äl^nlid^c  ßrfc^einungen  (bgl.  §arbelanb  299  f.).  3la^  ebange« 
lifd^er  3lnfd^auung  fann  bie  ^Vorbereitung  jum  2obc  nur  barin  beftel^en,  bem  firanfen  ^u  56 
foldä^er  3Serfaffung  bel;ilflid^  ju  fein,  bafe  ber  "Job  if^m  feinen  SSerluft,  fonbem  ®etoinn 
bebeutet,  unb  be«^alb  i)at  fold^e  'Vorbereitung  bie  ganje  Äranfenjjaraflefc  ju  burc^gief^en. 
3)a«  fann  gefd^el^en,  auc^  t^enn  mit  feinem  SBorte  2^ob  unb  ©terben  ertuäl^nt  toirb,  ob 
ouc^  in  zahlreichen  %äÜQn  ein  ruhige«  unb  ernfte«  ®ef^)räc^  über  ben  lob  bem  Seiben- 
ben l(|eilfam  fein  toirb.   35ie  ©etoife^jeit  be«  na^en  ©terben«  anjufünbigcn  fübrt  meiften«  00 


140  Scdforge 

bic  ®efa^r  falfd;cn  ^^Jro^l^ctcntum^  unb  baburd^  btc  (grfc^üttcrung  bc^^  3?ertrauen^  mit 
fid^ ;  tpirb  bcr  ©celforgcr  unau^torid^lid^  baj|u  genötigt,  f o  gefd^cl^e  c^  mit  gartcftcr  9(üdft(^t 
unb  mit  religiöfcr  9["tcnfität. 

(Sincn  getüiffen  $ö^e})untt  erreicht  bie  Ärantenfeelforge  in  bcr  ÄranIen!ommunion. 
.)  6^  ift  bemcrfcn^tpcrt,  bafe  Sutl^cr  fie  runbtücg  öcrtpirft  (in  jtoei  Sriefen  t)om  25.  unb 
26.  9Jobcmber  1539  bc  SB.  5,  226  f.),  aKcIand^tl^on  fte  gcftattct,  tocnn  bic  gamilic  ^u-- 
gegen  ift  (»rief  an  aWatt^eftuö  toom  25.  "äpxxl  1550  CR  7,  575,  3lx.  4703),  ßatoin  unb 
bie  ganje  reformierte  Äird^e  fie  geftattet,  toenn  eine  Communio  mel^rerer  ^ergefteHt 
h)irb.     ^ux  Heiligung   ber  gamiliengemeinf(^aft  ift  bie  reformierte  ^xajA^  gctoi^  ^u 

10  emi>fe^Ien,  ^umal  ba  abergläubifc^e,  bom  römifd^en  9}iatilum  l^errü^renbe  SBorfteQungen 
baburd^  jurtidEgebrängt  h>erben.  ©old^e  SSorftellungen  treten  in  bie  ©rfc^einung  teite 
in  ungebulbigem  2)rängen  jum  atbenbma^I,  bamit  eine  (Sntfd^eibung  jum  Seben  ober 
©terben  l^erbeigefül^rt  toerbe,  teife  im  §inau«fc^ieben  ber  Kommunion  big  in  bie 
lobe^ftunbe.    SBorl^ergel^enbeö  feelforgerlic^e^  ®^pxad)  bürfte  in  !einem  %aüt  ju  unter- 

16  laffen  fein. 

2)en  Hinterbliebenen  ift  ©eelforge  um  fo  mel^  anzubieten,  ate  ba«  SSebürfni^ 
hanai)  mit  fc^euer  ßw^üdEl^altung  jtd^  ^u  paaxm  ))flegt.  ^er  ©eelenjuftanb  ber  $inter= 
bliebenen  ift  l^äufig  teil«  35e>)reffion  be«  ®emüte«  mit  9?eiaung  gur  Untl^ätig!eit  unb 
felbftquälcrifd^en  ©rübelei,    teil«  ba«  (Sefü^l    ber  Serlaffen^eit  unb  SRatloftgfeit,  teil« 

ao  ftum>)fer  unb  nagenber  ©d^merg  über  ben  Serluft.  2)ie  Sinberung  be«  Seiben«  anberer 
ift  ftet«  Sinberung  be«  eigenen  Seiben«,  unb  treue  Seruf«arbeit  lä^t  Seib  unb  ©eele  ge^ 
funben.  2)ie  9Serlaffen^eit  ber  ffiittoen,  SBittoer,  SBaifen  giebt  rei^^en  änla^  ju  biaifo^ 
nif^^em  SBirfen  burd^  SBort  unb  S^^at,  unb  bie  örfa^rung  bezeugt,  bafe  mittelbare  ffiege 
ber  ©eelforge  oft  fruchtbarer  ftnb,  al«  bie  unmittelbaren,    äffen  unnti^en  5^agen  über 

25  tranfjenbentale  Sier^ältniffe  h)erbe  mit  ©anftmut  unter  ^inn)ei«  auf  ®otte«  3Bei«l^eit 
unb  Sarm^erjigfeit  getoel^rt,  unb  ba«  ©ebäc^tni«  be«  Serftorbenen  toerbe  in  ®^ren 
gel^alten. 

SSefonbere  Slufmerlfamteit  l^at  bie  ©eelforge  an  ^|^d^ifd^Iran!en  ^u  beanf))ruc^en 
(Sitteratur:   Äod^,  Seitfaben  ber  ^Pf^d^iatrie  1869;  Äünbig,  ßrfal^rungen  an  Äranfen- 

80  unb  ©terbebetten«  (1888),  209 f.;  §.  21.  .Roftlin  314f.  unb  bie  ©.  334  angefül^rte  Sit^ 
teratur.  Sefonber«:  $.  Slömer,  *iPf^d^iatrie  unb  ©eelforge  1899).  Die  na(^h>et«bare 
3al^l  biefer  Äranfen  fteigert  fxi)  j}rogcntual  mit  bem  Slntoac^fen  ber  Seböllerung.  3)er 
gegentoärtige  Seftanb  in  35cutfc^lanb  ift  unter  ben  Giften  ettoa  2,5»/oo,  unter  ben 
3iuben  ö'^/oo,  unter  ben  Sefennern  anberer  ober  unbeftimmter  Sieligion  faft  6,5®/oo.   3n 

85  gelinberer  ^orm,  bie  jebod^  ohne  §ilfe  gefa^rbrol^enb  toerben  !ann,  begegnet  bie  itranl^eit  bem 
i^aftor  fel^r  l^äufig.  Obgleich  bie  mebijinifc^e  aSifjenfd^aft  barüber  ööffig  einig  ift,  bafe  in 
ben  „®eifte«h:anlen"  nic^t  ber  ®eift  ober  bie  ©eele,  fonbern  leiblid^e  Organe,  befonber« 
bic  5Jert)en  im  ©el^im  unb  9{üdenmarf,  bie  ^laftifc^en  9Jerben))artien  in  ber  Srufl  unb 
im  Unterleib  erfranft  fmb,  fo  ba^  fie  ber  ©eele  ben  3)ienft  berfagen   ober  fte  nötigen, 

40  fid^  abnorm  ^u  äußern,  erhält  fic^  bod;  im  ©^rad^gebraud^  ber  9Jame  „®eifte«fran!bcit", 
erhält  fi^  in  h)citen  Äreifen  ba«  öerberblid^e  SSorurteil  rcligiöfen  unb  ftttlid^en  3Ra!el« 
ber  „©eiftc«franfen". 

^üx  ben  an  3(nftalten  für  ^fl^d^ifd^franfe  fungicrenben  ©celforger  ergiebt  fuijf  au^ 
bem  I^atbeftanb  bie  einfädle  ^flic^t,   in   atter  feiner  3:^ätigfeit   ben  SBeifungen  be« 

45  2trjte«  unbebingt  fid^  unterj^uorbnen  unb  jcbcn  ®cbanfen  fem  ju  l^alten,  al«  ob  ber 
©celforger  mit  bem  Slrjte  in  Äonfuncnj  ju  treten  l^abc  ober  bie  Teilung  mit  geiftli^en 
3Kittcln  l^erbcifü^rcn  lönnc.  3)ie  5ßcranth)ortung  über  §emmung  ober  ^yörberung  feiner 
2:^ätigfcit  l}at  au«fc^lie^lid^  ber  3trjt.  '^m  33crlel^r  mit  ben  Äranlen  ift  äffe«  aufregenbc 
2Biberf>)rcd^en,  aud^  alle«  (Singe^en  auf  bic  äya^nüorftcffungcn  ^u  bermeiben;  unbefangen 

50  unb  o^nc  2)rängen  ift  ba«  3"^^^ff^  ^^^  Äranfcn  auf  anbcrc  ®egenftänbe  ju  richten, 
unb  feine  ^orftcffungen  finb  mit  frcunblic^cn  Silbern  ^u  bereichern,  ©eine  f^jejipfd^e  Sluf^ 
gäbe  l}ai  ber  ^aftor  auf  religiöfem  ©ebict.  @«  gilt  ba«  ücrmorrene  ®lauben«Icbcn  ju 
enttüirrcn  unb  ^u  ftärfen  unb  „ba«  (Steige  im  3ficnfd^cn",  foh)cit  e«  eneid^bar  ift,  ju 
crljalten,  bcibc«  burdb  feine  anbercn  ^Kittel,  al«  burd^  bic  bem  gciftlic^en  älmte  überl^auft 

65  ^u  ®cbotc  ftchcnben,  burrf)  2l5ort  ©otte«  unb  ©aframcnt.  ©olange  bie  Äranfl^cit  firf» 
fteigert  ober  auf  ber  §5l^c  ficb  bält,  h)irb  tocifc  ^urüdt^altung  be«  ^aftor«  am  ?pia^e 
fein ;  ift  bcr  ^45roje§  ber  ©cncfung  begonnen,  f o  toirb  ber  ©celforger  bem  33ebürfni«  be« 
Äranfcn,  jcbod^  ohne  ^u^^^^Ö^^f^i^/  i"  freier  Steife  gerecht  Serben  fönnen  burd^  ^' 
famc  (Sintüirfung  auf  ba«  G3cnuit«Icbcn  unb  babiircb  t^crmittcltc  ^örbcnmg  be«  Teilung«- 

60  jpro^cffc«. 


Seelf^rge  141 

@(^n>ienaer  tft  bie  älufgabe  bc^  @emetnbe))aftord  )ur  richtigen  93e^anbtung  be- 
öinncnber  ©manhinfl.  ©c^toterig,  h>cil  bie  anae^öriaen  bcn  ^l^a\iox  frübcr  ate  ben  ärjt 
in  3lnfrrud^  ju  nehmen  unb  gegen  jebe  ärjtlic^e  Sepanblung  fu^  ju  fträuben  ))flegen. 
©^m^tome  beginnenber  $fS|<^ofe  fmb  tootjug^tpeife  g^arafteröeränberungen  unb  S^^^Q^- 
öorfteffungen.  (Sin  h>al^rl^eitliebenbe^  Äinb  fängt  an  l^artnäcfig  ju  lügen,  ein  fleißiger  5 
$anbh)erler  bemat^Iöffigt  feinen  Seruf,  ein  foliber  SWenfd^  h>irb  ^um  leibenfd^aftlic^en 
aifol^olifer ;  ober  e«  treten  ängftjuftönbe  um  geringfügige  Dinge  auf,  einzelne  ©ebanfen 
ober  t^öric^te  Sßermutungen  ober  unau^fül^rbare  5piäne  befd^äftigen  ben  3Kenfd^en  unauf* 
^örlid^  unb  bgl.  me^r.  5Wamentli^  bie  3*ü<»«fl^öorfteIIungen,  bie  in  ©elbftanflage  fuä^ 
ergeben,  lönnen  aud^  ben  erfal^renen  Seelforger  täufd^en,  fo  ba^  er  mit  geiftlid^em  10 
3uf^ru^  $ilfe  ju  bringen  meint,  bi^  atte  $ilfe  ju  ]pät  tommt.  ©d^h>ierig  ift  bie  2luf= 
gäbe  auc^  bed^alb,  n)eil  einerfeit^  mit  beginnenber  ^f^d^ofe  ftttli^e  Schlaffheit,  bie  nur 
auf  et^if^em  SßJege  m  ^eben  ift,  oft  grofee  äj^nlid^teit  ^at,  anberfeit«  aber  fittli^e 
©d^Iaff^eit  mit  lör^erifid^en  ©törungen,  befonber^  in  ber  ©ntloitfelung^jeit,  in  äwfötnmen« 
bang  fte^t,  enblid^  aber  auc^  toeil  unleugbar  mand^e  nerööfe  Äranf^eit^juftänbe  bei  fittlid^  15 
rräftigen  ^erfönlid^teiten  burt^  .älutofuggeftion   in   emftcm  SBiffen^entJc^lu^  h>enn  nid^t 

!u  übertoinbcn,  fo  boc^  in  il^ren  ^ufeerungen  jurüdE^ubrängen  finb,  toä^renb  bei  mangelnber 
tttlid^er  @nergic  bie  franlen  9lert)en  nad^  unb  nac^  bie  ^f^c^e  bi^  ^ur  Unjured^nung^ 
fä^igfett  t^rannifieren.  3)er  ^ßaftor  mu^  toiffen,  ob  unb  intoietoeit  ber  öorhegenbe  ^aü 
für  feelforgerlic^e  Se^anblung  geeignet  ift,  unb  ob  unb  inh)ieh)eit  er  bem  ©rlranlem  20 
ben  ftttli^cn  Ramp^  unb  SQäiUen^ftäne  jumuten  barf.  ©eine  38eranttoortIid^!eit  W'vch  ^ 
i^m  aebieten,  in  ^l^lung  mit  einem  t)erftänbigen  9tr|ite  ^u  ftel^en,  bamit  nid^td  )ur  SSe- 
töm))fung  bed  Übetö  berföumt  n)erbe.  ä(ber  ani}  auf  bie  Umgebung  unb  bie  9lngel^örigen 
bed  jlranlen  ift  alle  9(ufmert{amleit  ^u  rid^ten,  auf  jene,  bamit  aUe^  Stnreijenbe  entfernt 
n>erbe  unb  freunblic^e  @inbrüdEe  bem  jlranfen  ermöglicht  n)erben,  auf  biefe,  bamit  fte  in  25 
unermüblic^er  Oebulb  bcn  Äran!en  rid^tig  bel^anbeln  lernen  unb  i^n  niemals  allein  lafjen. 
©obalb  ber  3lrjt  bie  SSel^anblung  be«  Äranfen  übernommen  ^ai,  tritt  bie  felbftftänbige 
I^tioleit  be«  $aftor«  gurüct. 

®ie  j)äbeutifc$e  ©eelforge  ^at  e^  mit  bem  fünbigenben  3Wenfc^en  ju  tl^un.  3)er  9latur 
ber  ^6)^  nad^  toirb  bie  erfte  Stufgabe  bed  ©eelforger^  fein,   ed   nic^t  )um  ©ünbigen  ao 
fommen  gu  laffen.  35er  epiftrejjtifd^en  ober  fonöertierenben  ©eelforge  toirb  bal^er  bie  öor^ 
beugenbe  ober  j)roj)^^laItifc^e  ©eelforge  borau^juge^en  ^aben. 

3)er  broj)l^^laftifc^cn  ©eelforge  eröffnet  fic^  ein  toeite«  gelb.  3)a  ber  größte  Seil 
ber  SSerge^en  unb  Sßerbrec^en  auf  3Jlängel  l^äu^lic^^er  erjic^ung  jurüdEjufü^ren  ift,  ba 
anberfeit^  bie  toirtfamfte  3Ra(l)t  ber  Seloa^rung  bie  unwägbaren  ©inbrüae  au«  ber  Oe^  86 
fmnung  unb  ber  retigiö^^ittlid^en  ätmofpl^äre  be«  6ltem|aufe«  fmb,  fo  l^at  bie  ptopi^r^- 
laftifc^e  ©eelforge  teil«  burd^  ben  öffentlt^en  @otte«bienft,  teil«  burd^  ^au^befud^e  auf 
@eift  unb  ©inn  be«  Slternl^aufe«  einjutoirfen,  teil«  in  SBerbinbung  mit  ber  ©d^ule  bie 
eitern  über  gefunbe  6rjiel^ung«grunbfä^  ju  t)erftänbigen.  3)irette  ))rot)l^^lattif^e  ©eet« 
forge  beginnt  im  itated^umenen^  unb  Konfirmanbenunterrid^t.  3)ie  SSebingung  erfolg«  40 
reifer  SßJirffamleit  ift  ba«  Vertrauen  ber  ^jugenb  ju  i^rem  ^ßaftor,  ba«  baburd^  erzeugt 
toirb,  bafe  ber  ^fjaftor  in  väterlicher  ©eftnnung,  in  SScrftänbni«  ber  3wg«nb,  in  einer  mit 
®mft  unb  geftigleit  t)erbunbenen  9lad^fic^t  unb  ©ebulb  il^r  freunblic^e«  Vertrauen  ent- 
gegenbringt. Äafuiftifc^e  ©rörterungen  Werben  Wenig  nü^en;  „Wir  foHen  ®ott  fürchten 
unb  lieben"  bleibt  audt^  für  bie  S^gcnb  ba«  ^rinjij)  aller  ©ittlid^Ieit,  bie  nur  al«  auto*  46 
nome  ©ittlic^feit  SBert  für  bie  l^cranreifenbe  'iperfönlic^feit  l^at.  3)ie  bei  Weitem  fd^Wierigfte 
Aufgabe  ift  ber  ^ro))^^laftifc^en  ©eelforge  in  ber  Seitung,  93eWa^rung,  religiö«-fittli^en 
3)urc^bilbung  ber  Konfirmierten,  ber  jungen  SBelt  t)om  15.  bi«  25.  2eben«ia^r,  geftellt, 
ein  Äreuj  für  aße  ©eelforger,  ba«  um  fo  härter  brüdEt,  al«  SSerfäumniffe  ber  Äir^e  feit 
alter  3^^  vorliegen,  bie  nur  fc^wer  wieber  gut  ^u  machen  finb.  93egünftigt  burd^  ben  60 
mobemen  3^*9^'P  ^^t  ftd^  ber  3"Ö^"b  bie  gmanji^jation  vornehmlich  Von  ber  lirc^^lic^en 
Autorität  bemäd^tigt,  in  3ügelloTigteit  Wirb  bie  erWünfc^te  ^ei^eit  erblidEt.  @«  fmb  bie 
So^re,  in  benen  ba«  fmnlic^e  3:riebleben  übermächtig  ftd^  regt,  ba«  eiternl^au«  l^at  bie 
beftimmenbe  ?Kac^t  jum  3:eil  eingebüßt,  bie  einl^eimifc^e  ^uQm'D  ift  mit  ^eimatlofen 
Elementen  burd^fe|t,  unb  nid^t  nur  bie  ^ug^mh  be«  2lrbeiterftanbe«  ift  ben  Serfül^rungen  56 
ber  ^albWelt  unb  ber  fojialiftifd^cn  Agitation  faft  fc^ufelo«  J)rei«gegeben.  ^^iur  burcb 
))ofitive  3Ra^na^mcn  fann  bie  ©eelforge  i^ren  ^eruf  erfüllen.  2)er  Sefetrieb  ift  burc$ 
gute  SSüd^er,  Weld^e  bie  ^^antafte  cnegen  unb  anjie^enbe  Selel^rung  bieten,  ber  Irieb 
nac^  ®efellig!eit  burc^  Sereinigungen  ju  ^armlofer  ^ugenbluft  unb  cblcn  JJreuben  ,^u  bc= 
fricbigen   mit  Weitem  §erjen  unb  engem  ©ewiffen.    §ilf«fräfte  au«  ber  ©emeinbe  finb  eo 


142  (Seelforge 

fo  t)iel  tüte  möglich  mr  DrGanifatton  bcr  ^uö^nb  l^eranjujiel^en,  unb  bicfc  fclbft  tft  jo 
einjurid^ten,  ba|  auc^  jcber  ©c^etn  t)on  Scbormunbung  tjermiebcn  tuirb.  2)e^^alb  bürfcn 
bie  3u9^"^ö^^i"J9wn0cn  nic^t  ifolicrt  tperbeu;  ber  ©cfcDiöIeit  ber  ganicn  Ocmetnbc  tft 
eilt  reügiö^'ftttlic^e^  J^i^"^^"^  etnjuflöfeen.     2)ie  je  mef^r  uitb   mcl^r  ftc^  berbreitenben 

6  ©emetnbes  ober  g^amtlienabenbe  ftnb  ein  bereite  beh)ä^rte^  SRittel,  JJ^^ube  an  ebler  ©e-- 
feßigfeit  unter  3l(t  unb  Qung  ju  pflegen.  I)ie  Schriften  öon  @.  ?KüHer,  ^anbreic^ung 
für  d^riftl.SSoIföunter^altung  (1895)  unb  $aul  Sutber,  35eutf(i^eSoIf«abenbe(1898)u.bgI. 
bieten  äntoeifung  unb  ©toff.  gür  bie  ®emeinbeabenbe  toie  für  bie  3;w0^bberetne  tft 
ber  unberbrü(^Ii(|e  iJanon  mafegebenb,  ba^  nur  ba<^  95efte  be^  2)arjubietcnben  gut  genug 

10  ift,  unb  baf;  unter  feinen  Umftänben  ba^  ©efübl  auffommen  barf,  ate  h>äre  Untere 
l^altung  ba^felbe  mit  3tu^gelaffen^eit,  gute  Sitte  ba^felbe  mit  Sangetoetle.  3!)afe  ben 
3eitftrömungen  Sled^nung  ju  tragen  ift  in  fafelic^er  Selel^rung  burd^  ftunbige  über  fojiale 
Probleme,  erftrebenötperte  unb  tjerberblid^e  fojiale  3^^'^/  ^^^^  ^^^  *"  ^^  ©egentoart 
lebenben  unb  i^re  treibenben  Äräfte  öerfte^enben  Seelforger  nid^t  t)erborgen  fein. 

16  Slfö  eine  ©^jejie^  ber  ))roJ)l^^laftifc^en  ©eelforge  ift  bie  SKilitärfeelforge  anjufe^en, 
bie  burd^  bie  SÖlilitärpfaner  an  ber  iraffenfä^igen  jungen  SRannfc^aft  geübt  toirb.  ©ie 
ift  burd^  bie  „ßbangelifd^e  (begto.  fat^olifd^e)  ^JRilitär=2)ienftorbnung  mit  3tu^fü{^rung^= 
beftimmungen"  (1902)  geregelt.  Dag  ^erfonal  ber  ebangelifc^en  ^Kilitärfeelforge,  auf 
bie  unfere  3)arftettung  ft^  bef darauf t,  beftel^t  aud  einem  gelbpro^ft  ber  3lrmee,  18^Uitär= 

20  Oberpfarrern,  88  3)it)iftong=  unb  Äabetten^au^pfanem,  10  ÜHilitär^ilf^geiftlid^en,  femer 
au«J  4  ^Jlarineoberpfarrem,  11  3Warinepfarrem,  alfo  im  ganzen  au^  132  attitoen  etKtnge- 
lifc^en  3Kilitär=  unb  SWarinegeiftlic^en,  benen  gegen  200  mit  3Wilitärfeelforge  beauftragte 
ßibilpfarrer  jur  ©eite  treten.  3la(!)  §  104  „fteHen  bie  ^Truppenteile  nac^  ber  jä^lic^en 
Sflefruteneinfteßung   in  geeigneter  SßSeife  feft,   h)elc^e  öon  ben  eingefteHten  3Kamtf(^ften 

25  nic^t  getauft  ober  fonfirmiert  ftnb,  unb  melcbe  bon  ben  Verheirateten  Siehuten  fi^  ntc^t 
l^aben  firc^lid^  trauen  laffen".  5Wac^  bem  Serid^t  beö  (Sbangelijd^en  Dberfirc^enrat^  in 
93erlin  t)om  11.  Januar  1899  tourben  infolge  feelforgerlid^er  Semü^ungen  im  ^al^re 
1897/98  in  ber  preufeifc^en  2trmee  t)on  83  nic^t  getauften  Slefruten  41  nad^trägli^  ge= 
tauft,  bon  90  nic^t  fonfirmierten  71  fonfirmiert,  bon  106  nic^t  ftrc^lid^  (Setrauten  tourbe 

30  an  85  bie  ftrc^li^e  3^rauung  nad^ge^olt.  3)agfelbc  33ilb  n^ieber^olt  ftd^  mit  geringen 
äbtoeic^ungcn  jebe«  3;al^r.  2)urc^  bie  Sl^ätigfeit  be^  Dberft  a.  D.  ßbler  öon  ber  ^lani$ 
(®runetDalb  bei  Serlin)  fonnten  im  5^^^«  1904  in  bcr  3lrmee  5148  3?oDbibeln  unb 
16358  9Jeue  S^eftamente,  ferner  bon  ben  3Kilitärpfarrern  an  monatlich  erfc^einenben 
©olbatenanfprad^en  („3n  be«J  Äönigg  5RodE")   über  100000  (Sjcmplare  berteilt   tüerben. 

86  ferner  erfd^einen  nod^  „3)ag  ©onntagöblatt  für  bie  9lrmee",  „Äranfentroft"  unb  eine 
©ammlung  bon  Srofc^ürcn  „Slit  @ott  für  Jlaifer  unb  Steic^"  (SBeftbcutfc^er  ©c^riften^ 
berein),  bie  t)on  ben  Solbaten  gern  gelcfen  tDerben.  ^thcx  Slefrut  empfängt  bei  ber 
ßinftcUung  ein  (S^emplar  be^  „5!iilitärgefangbu(^eg",  baö  er  bei  feiner  ©ntlaffung 
abzuliefern  l^at,  ober  für  9  $fg.  erwerben  tann.   9Bie  für  bie  fonntäglic^en  ©ottc^bienfte, 

40  ]o  ift  aud^  für  bie  ©cclforge  in  ben  Sajaretten  unb  in  ben  militärijc^en  ©trafanftalten 
in  tDcitgchcnber  2öeife  ©orge  getragen.  Sefonberc  @rlt)äbnung  bcrbicnt  bie  ©inrid^tung 
t)on  Äafernenabenbftunben,  in  benen  üon  ben  ÜJlilitärfeelforgern  „jjur  ^^iflege  c^riftltdber 
unb  ijaterlänbifd^er  ©efinnung  unb  jur  eJ^f^^ö^ng  bcö  Sanbc^  jrtjifd^en  ©eelforger  unb 
©emeinbeglicbcrn"  (§  121) Vorträge  gcl^alten  h)erben;  „UnteroffijicrsJfamilienabenbc"  toerben 

46  ebenfalls  t)on  ben  ©eelforgem  geleitet.  3^ie  „©olbaten^jeime"  enblid^  (§  122),  beren  in  ber 
preufeifc^en  2trmee  cttra  40  befte^cn  —  bie  größten  in  5JJe^,  Jüterbog  unb  Serlin  — 
„biencu  bem  S^cd,  in  ben  9Kannfd;aften  ÜJatcrlanb^liebe  unb  famcrabfc^aftUd^e  ©efinnung 
5u  pflegen  unb  juglcic^  il^nen  unb  i^ren  5*^milienangcl;örigen  ©elegen^eit  p  einem  an- 
regcnben,  angenehmen  unb  jtDanglofen  atufcntl?alt  unb  3?crtel;r  ju  geben".    I)er  Sefuc^ 

50  ber  Solbatcn^eimc,  ber  ^afcrnenabenbftunbcn,  ber  5«^"^ili^"flbenbc,  ferner  bie  Snnabme 
bon  Schriften,  bcr  (Smpfang  be^  bl.  9J{al)lc^,  bie  'Diacbl^olung  bcr  2^aufe,  Konfirmation, 
Trauung  u.  f.  \v.  ift  ben  *ü)tannfd^aftcn  burc^au^  freigeftellt,  bcr  cijangelifd^e  6^arafter 
ber  ©cclforge  alfo  gefiebert.  Cb  nidbt  in  anbercr  Schiebung,  toornel^mliq  in  SSetoal^rung 
ber  5)tannf(|aflen  unb  Cffijicrc  üor  gcfd;(cd)tlid)cn  !:Mu^fcb\t?cifungcn,  me^r  geft^c^en  unb 

66  ftrcngcr  burc^gegriffcn  tocrben  tonnte,  ift  für  ben  bem  l)JJilitärbctriebe  ferner  fte^enben 
öcobacfjter  ni^t  Icicfjt  5;u  cntfdicibcn. 

2)ic  cpiftrepti)d>c  ober  tonDerticrcnbe  ©cclforge  bat  c^  mit  afuten  ©ünbenfäHen  ju 
t^un,  ob  bicfc  jum  öffcntlid^cn  l^lrgerni^  gcloorbcn  finb  ober  nic^t.  Sie  ift  ba^  fpeji- 
fifcbc  gelb  beö  römifci^cn  33ufifaframcnt^  unb  bcr  ridUcrlicbcn  SBirtfamfeit  bcd  ^ßriefter^. 

öo  Der  cüangelifcf^e  Seclforgcr  ^at  bon  Dornberein   auf  aüc^  Stickten  über  ben  moralifc^en 


i&edforse  143 

SÖert  ober  Untoert  in  äbmcfjung  ber  ))crfönli(i^cn  ©c^ulb  unb  ber  ©eftnnung  bcö  ©ün^ 
bigcnbcn  ju  öerjtd^tcn,  toeil  er  fein  ^erjen^tünbiger  ift.  äUerbing^  ift  ber  3)lenfd^  an 
ben  grüßten  ber  SKerfe  ju  erfennen,  toeil  böfen  SBerIcn  ftet^  ein  ge^l  ber  ©efinnung  gu 
©ninbe  liegt,  aber  ob  ber  ge^l  So^^eit  ober  ©d^toad^^eit  ift,  ent^üHen  bie  3öerle  nic^t. 
Sticht  jeber,  ber  geftol^Ien  f)at,  ift  feiner  ©eftnnung  naä^  ein  3)ie6,  unb  nid^t  jcber,  ber  6 
bie  @^e  gebrod^en  \)at,  ift  feiner  ©efinnung  nad)  ein  ©bebrec^er.  2(ud[^  ber  quantitative 
SKa^ftab  trügt;  ein  geringfügige«  Sßerge^en  fann  in  teufUfd^er  93o«l^eit  begangen  Serben, 
unb  ein  fd^toeree  SSerbrec^en  fann  milbe  Beurteilung  beanf>)rud^en.  Die  l^eroortretenbc 
©eftnnung  giebt  ebenfalls  feinen  fieberen  SRa^ftab  für  bie  ©röfee  ber  Sd^ulb;  ber  eine 
entflammt  entfittlic^ten  SSer^ältniffen  unb  jovialen  !Rotftänben,  vielleicht  f)at  bie  ©efeffs  lo 
fc^ft  burd^  Siebloftgfeit  unb  Ausbeutung  il^n  berberbt,  ber  anbere  ift  in  ßl^rfurd^t  bor 
®otte«  ®ebot  ergogen  (Sc  12,  47.  48).  ©anguinifd^e  9laturen  neigen  ju  tl^ränenreic^er 
SReue,  bie  oberpäd^Iid^,  toie  fte  ift,  balb  in  felbftgemad^ten  2roft  ft^  Verfel^rt,  toä^renb 
ber  Ver^ltene  Iro^  energifd^er  5Raturen  nid^t  feiten  bie  DJJaSfe  nagenben  ©etoiffenS  unb 
eine«  bem  ©iege  be«  ®uten  ftc^  juneigenben  5lam))fe«  ift.  9Ric^t  ba«  Slic^ten  ift  be«  is 
5ßaftor«  3lufgabe,  fonbem  bie  §itfleiftung,  bie  er  bem  ©ünber  jur  Sefel^rung  unb  (gr^ 
neuerung  ju  bieten  l^at.  2)en  3*^^  f^^"^  3lmte«  ju  eneid^en  toirb  er  um  fo  gefd^idEter 
fein,  je  mel^r  er  Von  ber  SBa^r^eit  burd^brungen  ift,  bafe  er  e«  feiner  bon  ®ott  ge= 
orbneten  Sebendfü^rung  )u  banfen  i^at,  ba^  er  Vor  äl^nlid^em  ^aUe  betoal^rt  blieb. 

3)a«  Äiel  ber   ejjiftreptifc^en  ©eelforge    ift  im    12.  ätrtifel   ber  Sluguftana  fixiert.  20 
3luf  breifa^er  Stufe  ift  e«  eneit^bar.    3)ie  erfte  ©tufe  bejeic^nen  bie  5feorte:  agnito 
peccato.    3)er  ©ünber  ift  jur  Stnerfennung  feiner  ©ünbe  unb  ©d^ulb  ju  fül^ren.  SBeg 
unb  SKittel  toerben  jje  nad)  ben  bei  bem  ©ünber  jutreffenbcn  religiö«4ittli(^en  3Sorau«5 
fcfeungen  Vcrf^ieben  fein,  Von  bem  Verfd^ütteten  ®etoiffen  bi«  jur  gläubigen  ©rfenntni« 
Sprifti.    93ie  gtoeite  ©tufe  ift  bie  poenitentia  al«  contritio  unb  fides  salvifica.   Die  25 
ec^te  contritio  trauert  nid^t  über  bie  äußeren  %olQtn  ber  ©ünbe,   fonbern  über  bie 
©c^ulb  unb  ba«  ßlenb  ber  ©ünbe  felbft.    9lber  fte  allein  fül^rt  nic^t  jum  §cil.    3)ie 
Tov  x6oucv  Ivnt}   (2  Äo  7, 10)  gebiert  ben  lob,  toeil  SBerjagt^eit  unb  3Serjh>eiflung; 
5ur  xaxa  -^edv  Xvjitj   fül^rt  bie  contritio    burd^   bie  SScrbinbung  mit  ber  fides  salvi- 
fica, bie  ®ott  baburc^  e^,  baf;  fte  feine  ®nabe  in  Vergebung  ber  ©ünben  für  mäd^=  so 
ttger  achtet,  ate  alle  ©c^ulb  unb  aDe«  (Slenb  ber  ©ünber«.    Die  britte  ©tufe  toirb  mit 
ben  SBSorten  begeic^net:  deinde  sequi  debent  bona  opera,  quae  sunt  fructus  poe- 
nitentiae,  nur  ba^  unter  ben  bona  opera  nid^t  einzelne  ^anblungen,  fonbem  ba«  neue 
Seben  überl(|aut>t  ju  berftel^en  ift.     Die  3lufgabe  be«  ©eclforger«  ift  e«,  bem  Sefel^rten 
©c^utj  unb  ©tärfung  ju  bieten;  ©c^u^  gegen  bie  SSerfül^rung  ehemaliger  ©ünbengenoffen,  86 
gegen  lieblofen  5pi^arifäi«mu«,  gegen  SSertoeid^lid^ung  burc^  befc^ränfte fromme;  ©tärfung 
ju  bem  tapferen  Gntfc^Iu^,  bie  ^c>^^"  bc«ge^l«  toillig  auf  fid^  ju  nehmen,  in^ürforge, 
biefe  5<>l9^"  erträglich  ju  machen,   in  ffiarnung  bor  ©ic^er^eit,  in  $ilfe,  eine  fefte  bem 
(Söangelium   entf))red[^enbe  £eben«orbnung  inne  ju  galten,    ebentueti  in  ^anbreid^ung  bei 
©(^toanfungen  unb  ©d^toä^ejuftänben  bc«  guten  SDäillcn«  unb  feiner  Setoäl^rung.    Die  40 
aSer}jflanjung  be«  55efebrtcn  in  eine  gefunbe  aitmofj)l^äre  ber  älrbeit  unb  ber  ®efetligfeit 
toirb  ibm  S^^^f^^^  geben,  bafe  er  nic^t  einfam  unb  au«fid^t«lo«  ben  Äamj)f  be«  Seben« 
auf  fidp  )u  nel^men  ^at 

Die  e>)iftreptifd^e  ©eelforge  in  ben  ©cfängniffen  ift  nic^t  toefentlic^  öon  ber  in  ber 
®emeinbe  berfc^ieben.  Dod^  tritt  bie  ^ürforgc  für  bie  ©ntlaffcnen  al«  neue  unb  fd^toere  46 
aufgäbe  an  ben  ©eclforger  l^eran.  9?ur  burd^  §ilfleiftung  befonberer  93ereine  bermag 
er  i^r  gerecht  ^u  Serben.  Die  ©Jjröbigfcit  ber  ©cfeßfc^aft,  bem  (Sntlaffenen  borurteil«« 
freie  unb  l^ilfbcreite  Slel^abilitierung  ju  gevoäf^ren,  ift  ein  §auptgrunb  für  ba«  ftetige  Sin* 
toac^fen  ber  ^af^l  ber  SlüdEfäHigcn.  Der  ®ebanfc  ber  Deportation  ber  Serbrec^er,  toie 
fte  Snglanb  unb  granfreid^  teilh)eife  mit  günftigcm  (grfolge  eingerid^tet  ^aben,  taud^t  ha-  gq 
^er  immer  toieber  ^erbor,  fo  oft  er  auc^  jurücfgch)icfen  ift.  Dagegen  ermöglid^t  ber 
„Deutfc^e  $ilf«berein  für  entlaffene  ®efangene"  (®efc^äft«fü^rcr  ^^}aftor  Dr.  ©e^fart^  in 
^amburgsgu^tebüttel)  ©ntlaffcnen  bie  ®ch)innung  einer  neuen  ßjiftenj  im  2lu«lanbe. 

Die  bibaftifdjie  ©eelforge  fudbt  burc^  Sele^rung  bem  9lid^th)ifjen,  bem  §albh)iffen 
unb  bem  Sw^'cltbiffentDotlen,  bem  inteHettueßen  Qrrtum  unb  .ber  ®eh)iffen«irrung,  bem  56 
SCberglauben  unb  Unglauben,  bem  Sebürfen  naä  tieferer  ßrfaffung  ber  ebangelifc^en 
3Ba|^l^eit  unb  bem  3^^'f^I  ^"  \mm  unenblic^  mannigfachen  formen  abju^elfen.  6« 
genüge,  auf  bie  ^aupterfd^einungen  aufmerffam  ju  machen.  Da«  ®emeinf^aft«h)cfen, 
ba«  in  raftlofer  ^ropaganba  faft  alle  Sanbe«firc^en  Dcutfd^lanb«  burc^^iebt,  fei  an  erfter 
©teße  genannt.    Die  Sered^tigung  freier  religiöfer  ®efeHigfeit  ift  bon  born^erein  anjus  eo 


144  Sedforge 

erlennen;  fte  ^at  bon  Slnfang  bc^  ß^riftentum^  an  in  irgcnb  einer  5^^^  ejiftiert,  fte  ift 
au^ef^roc^^encd  Sebürfni«  religiö^ertpeciEter  unb  l^rifc^  geftinimter  ©eelen,  il^nen  felbft  ein 
$olt  unb  ^ol^c  ^reubc,  manc^^cn  geiftUc^  Äeimatlofen  eine  bergenbe  3wPu4t.  35ie  ^xo- 
pa^anha  tDürbe  nid^t  fo  beunrul^igenb  tDirfen,  tomn  bie  offijieDe  Jttrc^e  bem  Sebürfnid 

5  forgfältiger  Sfled^nung  getragen  f^äit^,  unb  c^  toürbe  ber  anregenbe  ©etoinn  für  bie  ®e- 
jamt^eit  ber  ©emeinbe  unbefangener  gehJürbigt  Serben,  toenn  nic^t  bie  ©emeinfd^aften 
3)eutfc^Ianbö  fid^  ju  einer  großen  Drganifation  mit  berfd^^iebenen  Gentren  jufammen^ 
gefd^loflen  \)ättm.  2lu^  ber  fog.  ®nabauer  Äonferenj  ift  ein  ftänbige^  ,,Äomitee  für 
eöangelijc^e    ®emeinfc^aften"    l^eröorgeganaen,    bag  burc^   fein   toeittoerbreiteted  Organ 

10  „5pi^ilabetol^ia"  bie  beutfd^en  ©emeinfd^aftdtreife  in  gegenfettiger  gü^lung  erl^ält.  änberc 
Zentren  finb  in  (SifenacB,  83lan!enburg  u.  f.  h>.,  unb  (Smiffäre  be«  Srüberüereind  unb  ber 
©öangelifc^en  ©efeüfc^aft  in  ßlberfelb,  ber  6rifc^ona  in  SSafel  u.  a.  forgen  bafür,  bafe 
ba^  §euer  nidbt  erlifd^t.  SDaburd^  l^at  fid^  eine  9(rt  ®egen!ird^e  l^erau^ebUbet,  bie  ber 
9}erlo(fung  feiten  tpiberftel^t,  in  unb  bod^  neben   ber  ober  aud^  iviber  bie  Sanbedlirc^e 

15  il^re  eigenen  ©eelforger  unb  ©otte^bienfte  ju  l^alten.  2)ie  freunbltd^e  Stellung,  meiere  bie 
©emeinfd^aftgfreife  SSJürttemberg«  jur  „Äirc^e"  unb  beren  Organen  aufredet  ju  galten 
fud^en,  finbet  fid^  in  anberen  Sänbem  too^I  nic^t  toieber,  befto  me^  aber  ein  au^ 
gefprod^eneö  3Ki^trauen,  ba^  unter  Umftänbcn  ^u  offenbarer  geinbfeligleit,  n\i)t  o^ne 
©4ulb    ber    lanbe^firc^Ud^en   ^JJfaner,    fid^  fteigert  (bgl.   3)ietrid^  unb  Srodte«,    2)ic 

20  ^rit)ats@rbauung^emein|c^aften  innerl^Ib  ber  eöangelif^en  fiird^e  1903 ;  ^ßaul  ^leifc^, 
^ie  mobeme  Semeinfc^aftdbeh)egung  in  ^eutfc^Ianb  1905).  @ine  @inn)irlung  be^ 
5Paftor«  auf  bie  Organifation  Verbietet  ftd^  bon  felbft  Sic  ift  gejd^ic^tlit^  gclDorben 
unb  l^at  gefd^^id^tUc^  ftd^  au^^uleben,  toa«  um  fo  el^er  gefd^e^en  h)irb,  je  emfter  bie  Äirc^e 
ba^  Sered^tigte  in  ber  Setpegung  in  il^ren  Seben^^au^l^alt  aufnimmt.     3)ie  aufgäbe 

26  be«  ^aftor«  h>irb  ftc^  borauf  befd^ränlen,  bie  ©emeinfd^aft^leute  mit  il^ren  religiöfen 
jlröften  j^um  @al^  für  bie  ©emeinbe  gu  gewinnen.  9luc^  ba  tDirb  ed  ftd^  betoä^en,  ba^ 
gemeinfame  Arbeit  in  ber  2)iatonie  an  älrmen,  SBaifen,  SKittoen,  aSerlaffenen,  ®egen- 
fä^e  au^gleic^^t  unb  bie  Jper^en  einanber  näl^ert,  toö^renb  fte  ben  l^od|^mütigen  fej)aratiftifd^en 
®etft  ju  bäm>)fen  geeignet  ift. 

30  3lud^  bad  (Einbringen  ber  bunten  SRenge  an^  @ng(anb  unb  92orbmeriIa  im))ortterter 
BdUn  ift  infofem  nic^t  ate  Sd^äbigung  ber  ®emeinbc  anjufe^en,  aU  fte  ber  ftunH)fen 
©leic^giltigteit,  biefer  3:obe^franf^eit,  ein  6nbe  mad^t  unb  ?^ragen  nac^  ber  gcfunben 
Seigre  unb  bem  ®runbe  beö  et)angelifc^en  ®Iauben^  bei  bielen  ertoerft.  Die  bibalttfc^e 
©eelforge  h)irb   nic^t  bie  Seltierer  —  fte  finb   meiften^   unjugängli^  — ,  fonbem  bie 

35  ©emeinbe  in  cura  generalis,  bie  gefä^rbeten  ®emeinbeglieber  in  cura  specialis  tn^ 
2luge  fafjen,  um  mit  j)ringi^iellen  (Irörterungen  bie  Sele^rung  über  befonbere  in  bem 
®efid[^tglrei«  ber  ©emeinbe  liegenbe  ©rfc^etnungen  ju  berbinben  unb  bad  SRat^o^men^- 
tDerte,  ba^  aud^  bei  ben  Selten  nid^t  fe^lt,  i^erbori^ubeben. 

3)land>c   ©eften,   h)ie  j.  93.   bie  jog.   „ß^riftlid^e   SBiffeufd^aft",   berühren  ein  @^' 

40  biet,  in  bem  unabläffig  bie  bibaltifc^e  ©eelforge  auf  bem  ^lane  fein  mu^:  \>ai  in  ben 
niebcrftcn  bi^  in  bie  ^öc^ften  SSolfefreife  toeitijerbreitete  ®ebiet  beg  2tberglaubeng.  9Ran 
i)ai  tooI;I  ju  unterfd^eiben  gtüifc^en  ^armlofen  >)rot)injiaIcn  ober  lolalen  SSoK^ebräuc^^en, 
bie  ^ur  feften  ©itte,  an  ber  ni^t  gerüttelt  irerben  barf,  gctüorben  ftnb,  unb  bem  äbers 
glauben,  ber  toieber  teilö  mit  uraltem  I)ämonen*  unb  g^uberbienft  jufammenl^ängt,  teite 

45  in  3Wiprauc^  ^riftlicf^er  Seigren  unb  Ginric^tungen  befte^t.  ^JKit  bloßem  Söiberfprec^ 
unb  anerbieten  ift  nic^tö  auö^uric^ten,  um  fo  Weniger,  ate  ber  gortfc^ritt  ber  9laturh)iffen- 
fc^aftcn  gar  mand^e^  al«  t^örid^ter  ätberglaube  i5erf^)ottete  al^  tool^Ibegrünbet  nac^- 
geh)iefen  ^at.  2)er  ju  be!ämpfenbe  ©c^aben  be^  religiöfen  Sebeni^  befte^t  ja  nic^t  barin, 
bafe  Sflic^tjuertlärenbe^  für  ma^r  gel^alten  unb  üermcnbet  loirb,  fonbem  ba^  reltgiöfe  SSer^ 

50  el^rung  ftd(^  baran  heftet.  2)ie  bibaftif(^e  ©eelforge  mirb  ba^er  ben  ))ofttit)en  eöanpeltfd^en 
^eil^glauben  ^u  bezeugen  traben:  je  mel^r  biefer  öobcn  finbet,  um  fo  mel^r  tonrb  bem 
©egenftanb  be^  Aberglauben^  bie  rcligiöfe  ^Jabrung  entzogen.  3)a^  ©^toergctoic^t 
faßt  bamit  bereite  bon  ber  fpc^iellen  auf  bie  generelle  ©eelforge,  unb  btefe  tritt  fafi 
au^fdi^liefelid^  in  I^ätigfeit  bem  unermefelid^en  ©cbiet  bcö  Unglauben^  unb  be«  3*^^^M^ 

55  gegenüber.  3)enn  bie  2lnftöfee,  bie  ben  3iod^nid)t=  unb  ben  5?id;tmel^rs  h)ie  ben  SBibers 
gläubigen,  ben  SRingenben,  aui^  ©lauben^bebürfni^  3*^<^if ^^"^^"  ^i^  ^^"  ^^^  feinen  ^toetfeln 
tofettierenbcn  ^neligiöfen  umtrcibcn,  h)erben  nur  feiten  ber  fpejiellen  ©eelforge  fi$  [teilen, 
toeil  fie  mobernen,  aber  auf  uralten  "ijiroblemen  begrünbeten  ©eifte^ftrömungen  allgemeiner 
9Jatur  cntftammen.    3Q3o  fie  aber  fiA  ftellen,  finb  fic  üortüiegenb  fo  inbit)ibueHer  Statur, 

m  ben  bi^  in^  fleinfte  f^jejialifierten  ayiffenfd[;aften  ober  ber  3)taffenprobu!tion  bettetrifttfc^er 


®fdforge  Scemaimdmtffioii  145 

ärt  entf))run0cn,  ba^  nur  auf  fel^r  begrenztem  ©ebiet  ber  bibaftifc^e  Seelforger  ouf  fcftem 
Soben  fid^  ju  bctoegen  t)ermag.  2)ie  \ptmüt  ©eelforge  ^at  l^ier  in  bie  generelle  einjumünben. 
®ie  bem  SUbung^ftanbe  unb  ben  ernannten  93ebürfni{|en  ber  ©emetnbe  Slec^nung  tragenbe 
^rebtgt  be«  (Sbangelium«,  bie  ^eranbilbung  d^riftlic^er  ^erfönlic^teiten  in  ber  ßJemeinbe, 
toeld^c  bie  Äraft  be«  (Sbangeliumg  in  SBort  unb  SBanbel,  in  ©efinnung  unb  %ai  offen«  6 
boren,  bod  ftnb  bie  3Räi)U,  bie  aQem  Unglauben  unb  ädern  ^im^ü  |eilfam  getDa^fen 
finb.  Q:.  d^r.  «i^elid. 

Seemanitdmiffioii.  —  „Die  beutfc^e  ebangelifd^e  ©eemann^miffton  toxü  bie  beutfd^en 
©eeleute  in  ben  §afen))Iä$en  be«  3^  ""^  älu^Ianbe«  möglic^ft  bor  ben  il^nen  bro^enben 
®efa^en  fc^ü^en  unb  für  i^r  geiftiged  tDie  leiblid^e^  äßoi^l  in  geeigneter  äßeife  forgen.  lo 
@te  ii)VLt  bied  burc^  9(nfteIIung  bon  Seemann^-^aftoren  unb  SRifftonaren,  burd^  Sin- 
rid^tung  bon  ©ecmann^^eimen  unb  Sefejimmem,  burd^  Stb^alten  üon  anbackten  unb 
®ottc«bienften,  burc^^  Sejud^en  ber  ©c^iffe  fotDie  ber  ©d^lafftellen  an  Sanb,  burc^  9Ser- 
breitung  ber  ^eiligen  ©cprift,  t)on  ^rebigten,  2tnbadjit^bü(^ern  unb  guter  Unterhaltung«« 
lettüre,  burc^  9lufbeh)a^rung  unb  £ieim{enbung  be«  erf))arten  Sol^ne«  unb  burd^  möglid^fte  iß 
Unterjiü^ung  ber  ©eeleute  burc^  ^at  unb  a^^at  ol^nc  Unterfd^ieb  ber  itonfeffion". 

9lle  in  berSlütejeit  ber  $anfa  beutfd^^e  Jtauf^erm  unb  mit  il^nen  beutjd^e  *j)tatrofen 
aufzogen  über«  5Dleer,  ging  aud^  bie  gürforge  für  bie  ©ö^ne  ber  ^eimat  mit  an  Sorb, 
unb  richtete  ii^nen  in  ber  ^eme  beutf^e  ®otte«bienfte  ein  unb  Pflege  an  £eib  unb  ©eele 
nac^  ^eimif(^er  ©itte.  Stber  nic^t  al«  gortfe^ung  biefer  bon  ben  SBätem  übernommenen  20 
gürforge  für  i^re  ©eefal^rer  fann  bie  beutfd^e  ©eemanndmiffion  angefel^en  toerben.  ©ie 
h)urbe  angeregt  bur^  ba«  S3eift)iel  anberer  9Jationen.  Der  erfte  Iräger  ber  ©eemann«« 
miffton  tüar  im  änfang  be«  borigen  3^^^^""^^*^  ^^  englifc^er  ©eemann  ©mitl^,  ber, 
nac^  einem  ©c^ipruc^^  au«  toüftem  Seben  burd^  ba«  ßöangelium  errettet,  fid^  jum  5pre« 
biger  au«bilbete  unb  fein  Sebcn  ber  ^ürforge  für  bie  ©eeleute  tüibmete.  Äeinen  ^tvÄQ  25 
ber  ©eemann«miffion  giebt  e«,  ben  er  ni^t  in«  Seben  gerufen  ober  angebahnt  ^ätte.  ^n 
einer  Steige  bon  ©efeUfc^aften,  toie  ber  Sonboner  ^afengefeßfc^aft,  ber  British  and 
foreign  sailers  society,  ber  Stnglilanifd^en  (ftaat«tird^li(^en)  ©eemann«miffion,  fanben 
bie  Seftrebungen  ©mit^  immer  Vettere  2tu«geftaltung.  Salb  toar  ber  9Jame  „©ee« 
mann«miffion"  ein  allgemein  gebräut^lid^er  unb  ))o))ulärer  getDorben  unb  f)att^  feinen  so 
SBeg  au4  ju  anberen  fecfa^renben  ^Rationen  genommen.  SSJäl^renb  bie  9Jorbamerifanifc^c 
®efettf(^aft  ber  ©eemann«freunbe,  gegrünbet  1828,  mit  ber  bon  ©mit^  au«gegangenen 
Setuegung  in  Serbinbung  ftanb,  finb  bie  gleichen  Seftrebungen  in  9Jorh)egen,  ©d^toeben, 
Dänemar!  unb  ginnlanb  feit  1864  t)on  Sergen  au«gegangen,  auf  Anregung  be«  ba« 
maligen  Äanbibaten  ber  Ibeologic  unb  fpäteren  5paftor«  ©torjo^ann.  86 

D.  Sßjic^em  ^atte  fd^bn  in  feiner  Dentfc^rift  1849  bie  gürforge  für  bie  ©eeleute 
unter  bie  unabh)ei«baren  aufgaben  ber  S-  3K.  mit  aufgenommen.  6«  hergingen  aber 
3a^^el^nte,  bi«  bie«  ©amenlom  aufging  unb  ftd^  Itäftig  enttDidfettc,  toenn  aucb  fc^on 
au«  jener  g^t  fd^toat^e  anfange  öon  beutfd^er  ©eemann«miffion  in  £iöer^)ool,  Sonbon, 
Slottcrbam  unb  2tntn)er^cn  ju  öergeid^nen  fmb.  98on  bcfonberer  SBic^tigteit  tourbe  bie  im  ^ 
3a^re  1863  erfolgte  Segrünbung  ber  beutfc^en  cöang.  ©cmeinbc  in  ©unberlanb.  Dort 
toar  e«  ^aftor  $arm«,  ber  im  ^a\)xc  1870  anfing  fic^  mit  grofjcm  @ifer  ber  beutfc^^cn 
Seeleute  anjune^men.  6r  grünbete  au«  ©cmeinbegliebern  einen  Sercin  frcitoiHiger  Reifer 
jum  Sefu^e  beutjt^er  ©4^iffe  unb  bel^nte  balb  barauf  bie  begonnene  Slrbeit  auf  bie  be« 
nac^barten  ßafenlilä^e  an  ber  I^nc  unb  lee«  au«.  35ei  bem  „6entralau«jc^u6  für  bie  46 
3nnere  3Kifpon  ber  beutfd^en  eijangclifcben  ftird^c"  fanb  er  ben  für  feine  Slrbcit  not« 
toenbigen  9lürf^alt  in  ber  ^eimat.  '^m  auftrage  unb  mit  Unterftü^ung  bc«  6. 21.  f.  3-3)1. 
bereifte  er  bie  großen  Äafen))lä|e  ßnglanb«  unb  grünbete  berfd^iebenc  Drt«fomttee«,  bie 
[vi)  im  Saläre  1884  ju|ammenfd^loffcn  in  bem  „®eneralfomitee  für  beutfc^e  et)angelifd^e 
©eemann«miffion  in  ©ro^britannicn".  so 

Unterbeffen  ful^r  ber  6.91.  f.  3-  "äJi.  fort,  ba«  ^ntereffe  für  bie  Scemann«miffton  in 
ber  $eimat  ju  tüedfen,  unb  il^r  neue  §ilf «quellen  ^u  erfd^Iieften.  ^m  ^a^re  1884  erhielt 
er  erftmalig  eine  größere  ®abc  öon  Äaifer  SQSil^elm,  toclc^e  i^m  bi«  ijor  3  ^af)xm  aß« 
jö^rlid^  bon  aUer^öd^fter  ©teile,  unb  feitbem  bom  9lcic^«amt  be«  ^nn^xn  au«  ben  hierfür 
in  ben  Qiat  eingefteHten  3Jlitteln  jur  Unterftü^ung  be«  ©enerallomitce«  in  ßnglanb  ge«  66 
tüäfy^  h)irb.  ®«  toar  bem  6.  21.  f.  b.  3;.  aR.  oft  re^t  fc^toer  bie  Wxtid  jur  SBeiterfübrung 
ber  begonnenen  2lrbeit  jufammen  ju  bringen,  unb  barum  aud^  ganj  unmöglid^,  an  eine 
äu«be|nung  ber  2lrbeit  ju  beuten,  obmo^l  üon  allen  ©citen  feine  .C^ilfc  erbeten  tuurbc. 
^tte  m  bod^  injh)if(^en  bie  bcutfc^c  ipanbeleflottc  jur  jmeitgröfeten   in   ber  SMelt   cnt= 

3icat*lJuft)riopäblc  für  ^IjMloflic  »»b  MiiAc    H.  «l.  .Will.  jlj 


146  Seemamtdmtfftoit 

tüideltj  unb  !ann  ilbr  J^infid^tlid^  ber  Seiftung^fäl^tgfeit  !emc  anbete  jur  Seite  treten. 
Äiermit  toar  natürltq  ein  fd^neffei^  Steigen  ber  feemännifd^en  SSebölferung  berbunben. 
S)ie  aSoflerfante  lonnte  ben  5iDlannfc^aftdbebarf  nid^t  me^r  bedfen,  unb  bon  ben  100000 
beutfd^^en  ©eeleuten  (über  50000  auf  beutfd^en  ©c^iffen,   nal^egu  20000  auf   fremben, 

6  namentlich  englifd^en,  unb  bie  übrigen  unter  ben  Söaffen  bei  ber  beutft^cn  SWarine)  ftnb 
brei  3Siertel  au«  bem  93innenlanb^  au^  allen  Äreifen  unb  ©d^id^ten  ber  Sebölferung. 

(Sinen  toefentlid^en  2(uffcbh)ung  na^m  bie3lrbeit  ber  ©ecmannömiffion,  ate  im^abre 
1894  ber  e^ang.  Dberfird^enrat  ju  Scrlin  ftc^  mit  bem  6.  a.  f.  3.  SK.  bafelbft  ju  ge^ 
meinfamer  görberung  biefer  ärbeit  öerbanb  burd^  ©rünbung  be«  „Äomitee«  für  beutfc^e 

10  ebangelifd^e  ©eemannömiffion  in  Serlin".  ®iefe«  Komitee,  tüeld^e«  au«  je  jtoei  bon  bem 
ßb.  D.Ä.91.  unb  bem  6.  ä.  f.  3. 9W.  entfanbten  3Witgliebem  befte^t,  unb  bei  feiner 
Äonftituierung  fic^  ben  bamaligen  ^räftbenten  be«  6. 2t.  f.  3.  3)1.  al«  3Sorfi$enben  ju^ 
toäl^Ite,  l^at  bie  3lufgabe  „unter  gortfe^ung  unb  Sluöbel^nung  ber  feiti^erigen  Il^ätigleit 
be«  6.  21.  f.  3.  3R,  mit  ben  üon  il^m  au«  ben  Äreifen  ber  3-  3R.  gefammelten  unb  ben 

16  bon  bem  6b.  D.Ä.91.  burd^  itird^enlollelten  aufjubringenben  ^Mitteln  im  2luftrage  beiber 
^nftan^en  bie  beutfd^e  eb.  ©eemannömiffton  in  ben  §afen>)Iä$en  be«  ^n*  unb  älu«Ianbe« 
f elbftftänbig  ju  förbem".  3)ie  SSemül^ungen  be«  Äomitee«,  and)  bie  anberen  ebangelifc^ 
Sanbe«!ird^en,  foloeit  fie  nid^t  bem  beutfd^4utl^erifd^en  ©eemann^fürforge^SJerbanbe  an= 
gefd^lofjen  finb,  jur  götberung  ber  ©eemann«miffton  burd^  ©etoäl^rung  bon  ©«Ibmitteln 

20  leran^ugie^en,  finb  nic^t  ol^ne  @rfoIg  geblieben,  tDenn  fc^on  bon  bem  Jtomitee  beflagt 
hjerben  mu^,  ba^  aufeer  ber  j}reufeifc^en  £anbe«fird^e  nur  erft  loenige  ft^  entfd^liefeen 
lonnten,  aUjäl^rli^  unb  regelmäßig  feine  2lrbeit  ju  unterftü^cn.  3)a«  Komitee  für  beutft^e 
eb.  ©eemann«miffton  brandete  ftd^  nun  in  feiner  tjürforge  ntd^t  auf  ba«  ©enerallomitee  in 
©ro^britannien  unb  bie  bon  bem  G.  21.  f.  3-  3K.  bi«^er  unterftü^ten  ©eemann«miffu)nen 

25  in  2lmfterbam,  9lotterbam  unb  ®enua  ju  befd^ränfen,  tooju  ber  6. 21.  au«  ÜRangel  an 
aenügenben  SRitteln  gcjtoungen  tüar.  ©0  be^nte  e«  benn  gleid^  im  erften  Saläre  feine 
2(rbeit  an^  auf  Konig«berg  unb  ^an;\ig,  toofelbft  bie  2(rbeit  neu  eingerid^tet  tuurbe,  unb 
fd^idEte  einen  eignen  ©eemann«t)aftor  nad)  fionbon.  2lud^  bie  ©tettiner  ©eemann«miffton 
tonnte  fofort  in  ben  Unterftü^ung«))Ian   aufgenommen  Serben,   unb   im  ©ommer   1904 

90  fa^  fic^  ba«  Jtomitee  genötigt,  einen  eigenen  ©eemann«))aftor  jur  Pflege  unb  ^örberung 
ber  2lrbeit  in  ben  $afen))lä|en  ber  Dftfee,  unb  jur  görberung  berfelben  in  ber  §eimat, 
mit  bem  ©i^  in  BUüin,  ju  berufen.  3l"?*^ W^  ^f*  ^i"^  Ö^nje  Weitere  9leil(|e  bon  ^afen* 
t)lä^en  mit  in  ba«  9Je^  ber  ©eemann«miffton  l^ineingejogen  toorben.  3lad}  einem  bem  legten 
Sendete  im  2tnl^ang  beigegebenen  9Serjeicbni«  ber  bem  Äomitee  angefc^loffenen   unb  toon 

86  il^m  unterbaltenen  bejh).  unterftü^ten  ©tationen  arbeiten  auf  benfelben :  8  ©eemann«* 
t)aftoren  im  §auptamte,  nämlid^ "  in  ©tettin,  2lnth)er})en,  Seitl^,  Sonbon,  ©l^ielb«,  9Rar- 
feiile,  ®enua  unb93ueno«=2lire«;  7  ©eemann«>)aftoren  im  ^Jebenamte,  nämlid^  inSunbee, 
®la«goh),  ipull,  5Wanc^efter,  3KibbIe«brougl^,  DJetocaftle  unb  Baltimore,  unb  18  ©ee= 
mann«miffionare  unb  §au«t)äter,  nämlid^  in  Äönig«berg,  Sleufa^rtoaffer,  ©tettin,  Stopm- 

40  l^agen,  ^uH,  2it)er))ool,  Sonbon,  3Ket^iI,  ©l^ilb«,  ©unberlanb,  2lmfterbam,  Slotterbam, 
2lnth)eri)en,  ®enua,  §cIftng«for«,  Petersburg,  a3ueno«=2lirc«  unb  SSaIj)araifo. 

„©eemann«^eime"  ^ä^lten  tü'xx  17,  nämlic^  in  5lönig«berg,  ©tettin,  ^uH,  Sibet^jool, 
2onbon,  aJletl^il,  ©^ielb«,  ©unberlanb,  2lmfterbam,  SWotterbam,  2lnth)eri)en,  ®enua,  ^el^ 
fingfor«,  ^eter«burg,  Baltimore,  S3ueno«s2tire«  unb  SSalparaifo   unb  „Sefeummer"  o^ne 

46  Sogi«,  in  benen  aber  ©rfrif^ungen  ^u  ^aben  fmb,  giebt  e«  8,  nämlid^  in  yleufa^rtiHiffer, 
Äopenbagcn,  ®la«goh),  2eit^,  ^JRibbIe«brougl^,  3Jeh)caftIe,  §artIet)ool  unb  ©fyang^i. 
äu^erbem  finben  im  Stuftrage  unb  auf  üoften  be«  Äomite«  „regelmäßige  ©d^iff«befud9e" 
mit  „©c^riftenüerteilung"  ftatt  in  ben  fc^h)ebifd;en  ipäfen:  ©tocfbolm,  ®efle,  ©tugfunb 
mit  ©anbame,  ©unb«i)att,  ®ot^enburg  mit  §almftabt  unb  £anb«frona,   ?)ftab,  SWalmö, 

60  ^elfmgborg  unb  Äarl«frona,  h)ie  in  ben  norh^egifc^en  $afenj)Iä^en:  ^reberite^alb,  grebe= 
rif«ftab,  6(;riftiania,  Grammen,  Sauröig,  Äragerö,  2trenbal,  6^riftian«funb,  ©tabanger, 
Sergen,  g^iftian«fanb  unb  2)ront^eim  unb  ebenfo  in  SorbeauE,  Barcelona,  Siffabon, 
9JeapeI,  Seirut  unb  ©mt;ma.  2lud^  au«  Äalfutta  unb  Slangon  toerben  bereit«  Slnfänge 
in  ber  ^ürjorge  für  beutfc^e  ©eeleule  berid^tet. 

66  ^mn  biefem  Äomitee  für  beutfc^e  et).  ©eemann«mifrion  in  35erlin  arbeitet  in 
ber  ©eemann«miffion  feit  1886  ber  2tu«fd;uft  ber  lut^erifd^en  Vereine  jur  fir(^Ii(^en 
SJerf orgung  beutfd^er  ©eeleute  im  2tu«Ianbe,  ber  fic^  im  ^af)xt  1903  al«  „3Serbanb 
beutjd^4ut^erifc^er  ä^ercine  f.  3.  5)1.  jum  ^wci  ber  ©eemann«fürforge"  ober  ftlrjcr,  ate 
„beutfd;'Iut^erifc^er  ©eemann«fürforge=iWrbanb"  !onftituiert  Ijat.  211«  im  S^^re  1886  bie 

60  berbunbenen  tut^erifd^en  Sßereine  für  §.  St.  fid^  nac^  einem  gemeinfamen  moeitdfelb  um« 


Seetnamidmtfftoit  14? 

fa^en,  toä^Iten  fte  l^icrju  auf  "Siai  unb  SSeranlaffung  be^  6. 31.  f.  S-  '3)1.  bic  ©cemann«^ 
miffton  unb  übernahmen  junödbft  bte  gu  bem  (Seneralf omitee  in  @rog6rttannten  ge^örenbe 
©tatton  ßarbiff,  ju  ber  1890  cie  Station  in  ilat)ftabt  ^injufam.  1891  nal^men  fte  bie 
ätrbeit  in  Hamburg  auf  unb  ))on  1896  ab  in  ®eeftemünbe'Sremer^at)en.  ipter  l^aben 
fie  bie  bebeutenbfte  aUcr  aUgemeinen  SBo^lfa^rt^einrid^^tungen  für  ©eelcute  an  ber  Unter*  ß 
tuefer  gefd^affen.  ^n  älltona  tourbe  eine  ©Ziffer-  unb  gifc^erftube  unb  in  Äiel  ein  Heiner 
©eemann^l^eim  eingerichtet.  2)ie  2lufh>enbungen  beiber  Äomitee^  für  ©.-9Jl.  beliefen  fic^ 
im  legten  "^al^xt  jufammen  auf  mel^r  benn  120000  3)lf.  —  $ier  finb  auc^  noc^  ju 
nennen  ber  „©eemannd-^Riffion^sSerein"  in  Sarmen,  ber  SSerein  ,,©eemanndl^eim"  tn 
Stuttgart  unb  ber  SSerein  „©eemann^^eim"  in  Serlin  (®räfin  ©d^immelmann).  lo 

SDer  bie  Slrbeit  ber  ©eemann^mijfton  bebingenbe  5Rotftanb  unter  ben  ©eeleuten  ift 
junäc^ft  ein  lirc^Iid^er  unb  religiöfer,  bann  aber  auc^  ein  fittlid^er  unb  fojialer.  '^n 
feinem  gefäl^rlid^en  t)erfuc^ung§reiÄcn  unb  anregung^armen  Berufsleben  entbehrt  ber  ©ee* 
mann  ben  ^eilfamen  ©influ^  ber  Äird^e  h)ie  ber  gflmilie  unb  ber  §eimat,  unb  ba  er  nun 
in  ber  %xtmht  unbefannt  unb  unerfannt  fein  SJBefen  treiben  fann,  n)irD  er  um  fo  leichter  10 
eine  Seute  ber  bielen  SSerfuc^ungen  unb  aSerfül(^rungen  jur  ©ottloftgleit,  3Serf(^h)enbung, 
Unftttlid^Ieit  unb  Defertion,  h)ie  fte  in  fd^lcd^ter  ©efcHfc^aft  an  i^n  herantreten,  unb  t)on 
fielen  getoiflenlofen  §euer=  unb  ©c^Iafbafen  in  raffinierterer  SBeife  ibm  bereitet  toerben. 
2!)ie  Eigenart  beS  beutfcben  S^oralterd  unb  ber  beutfd^en  ^römmigleit  (verlangt,  bag 
bie  ^Jürforge  für  il^n  auf  nationaler  (Srunblage  unb  in  beutfc^em  ®eifte  betrieben  toirb.  20 
SlDe  98erfu(^e,  jufammen  mit  anberen  Stationen  eine  gemeinfame  ©eemanndfürforge  ju 
toeranftalten,  ftnb  an  bem  ftarten  ^eimat^efül^l  be«  beutfc^en  ©eemannS  gefc^eitert.  ©0 
gilt  eS  benn  öor  allem  „beutfc^e  ©eemanndl^eime"  einjurid^ten.  SBaS  bie  i^erberge  gur 
^eimat  ift  für  ben  Sßanberer  gu  Sanbe,  ein  SSoltegaft^auS  mit  d^riftlid^er  ^auSorbnung, 
baö  bur^  Drbnung,  ©auber!eit  unb  billige  S8erj)flegung  ben  Sebürfnijfen  einfad^er  26 
Sleifenben  genügt,  ba«  ift  ba«  ©eemann«l^eim  für  ben  ba«  toeite  SJteer  befa^renben  ©ee* 
mann.  @«  fc^ü^t  il^n  \>ox  Serfud^ungen  unb  Ausbeutungen  fc^limmfter  2(rt,  e«  öerfc^afft 
i^m  guten  98erfe^r  unb  anftänbige  Unterhaltung.  $ier  füT^lt  er  fid^  l(|eimif c^  al«  gamitien« 
glieb  am  a^ifd^e  ber  ipauSettem.  3)a«  ©eemannS^eim  mit  feiner  Äa))elle  ober  feinem 
Setfaal  ift  aber  aud^  be«  ©eemann«  Äird^e  im  frembcn  Sanbe.  §ier  ^ört  er  ba«  teure  ao 
(Söangelium  in  feiner  3D?ulterft)rad^e,  l^ier  gel^t  il^m  ba«  $erg  auf  beim  ©ingen  ber  alten 
t)on  feiner  Jtinbpeit  i^m  Vertrauten  Jlirc^enlieber,  ^ier  tann  er  feinen  @ott  loben  unb  ii^m 
bauten  mit  feinen  2anb«lcuten  in  beuHd^er  3""Ö^-  ^^^  *^^^^  ^N  ^"^  ^^  2:if(^  be« 
ätltar«  gebedtt,  unb  ^ier  em>)fängt  er  Gräfte  be«  neuen  Seben«.  Unb  loie  öiele  tommcn 
banibar  jum  beutfc^en  ®otte«bienft!  3iki)x  benn  14000  in  einem  ^af)x^  allein  auf  ben  35 
Stationen  in  Snglanb. 

353o  e«  no(^  nic^t  möglich  ift,  ein  ©eemann«l^eim  eingurit^ten,  ftel^t  bem  ©eemann 
für  feine  freien  ©tunben  ba«  beutfd^e  „Sefejimmer"  offen.  ®a  er  l^ier  h>ie  im  ©eemann«* 
^eim  ©rfrifc^ungen  finbet,  ift  er  nun  unabl^ängig  öon  ben  fd^lec^ten  ^erbergen  unb 
Käufern,  in  toelt^en  ben  ©eeleuten  oft  in  tüenigen  lagen,  ja  ©tunben  i^re  ganje  @r-  40 
fpamiffe,  oft  l^unberte  t)on  3)larf ,  abgenommen  toerben,  auf  n)clc^e  ba^eim  SQSeib  unb  Äinb 
ober  alte  (Sltern  fd^on  feit  aJlonaten,  ja  oft  feit  S^^rcn  fd^merjilic^  loarten.  $ier  finbet 
er  nac^  oft  monatelanger  ©ntbel^rung  geiftige  9?a^rung.  ^ier  ertoarten  i^n  ©riefe  au« 
ber  ^eimat  l^ier  lann  er  ungeftört  an  feine  Sieben  in  ber  §eimat  fc^reiben.  ®ar  mancher 
^t  unter  bem  ©influfe  be«  §au«k)ater«  öon  l^ier  au«  ba«  feit  ^ai)xm  jerrifjene  83anb  mit  45 
'JSater  unb  SKutter,  mit  ffieib  unb  Äinb  h)ieber  angefnü^ift.  2)er  §au«t)ater  üertoal^rt 
i^m  feine  6rft)arnif|e,  ober  fc^idtt  fie  an  bie  ©einen  in  ber  §eimat,  er  beforgt  il^m  Älei* 
bung  unb  3lu«rüftung,  er  öerfd^afft  i^m  ©tellung  auf  einem  guten  ©c^iff.  3Rc\)x  benn 
200000  ÜJlarf  h>erben  jä^rlid^  öon  beutfd^en  ©eeleuten  ber  ©eemann«miffton  jum  3tuf* 
betoa^ren  unb  jum  $eimfenben  übergeben,  eine  ©umme,  bie  ol^ne  i^re  §ilfe  ein  Dp^tx  60 
be«  Sei^tftnn«  unb  aSerfü^rung  gen)orben  h)äre.  SSon  größter  SBid^tigfeit  ftnb  bie 
„©(^iff«befu(^e".  2)a«  ift  eine  §auj}taufgabe  ber  ©eemann«*$aftoren  unb  5!)hfftonare  ben 
©eeleuten  auc^  auf  i^ren  ©d^iffcn  fcclforgerifd)  gu  biencn,  \l)mn  erbauung«-  unb  Unter- 
^ltung«litteratur  ju  bringen  unb  i^ren  3^at  unb  Jpilfe  in  ber  grembe  anzubieten.  SBo 
e«  angebt,  h)erben  auc^  3lnbad^tcn  unb  ®otte«bienfte  an  Sorb  abgehalten,  aHcrmeift  aber  66 
mufe  pc?  ber  SSefuc^er  barauf  befc^ränfen,  junt  Sefud^e  ber  ®otte«bienfte  foh)ic  be«  ©ee* 
mann«l^eim«  unb  be«  Sefejimmer«  cinjulaben.  Slber  aud^  an  Sanb  ge^t  bie  ©ccmann«* 
miffion  bem  ©eemanne  nad^  unb  f ucf^t  i^n  auf  in  feinen  ©c^laffteHen,  um  i^m  if^re  §ilfc 
unb  3)ienfte  anzubieten,  unb  gang  befonber«,  tomn  er  in«  ®efängni«  geraten  ober  franf 
im  2ajarett  aufnähme  gefunben  l^at.  ®erabe  an  ben  beiben  lefeten  Drtcn  toirb  ber  SSefucb  60 

10* 


150  Segen  stnb  ^^Ittd^ 

c)  @inc  bcfonbetc  SRoKe  unter  ben  ©egenöl^anblungcn  fd^eint  bie  §anbauflegung  0ef))iclt 
ju  l^aben.  SDäcnigftcngtoirb  tn®en27.  48, 14ff.  grofeetffiert  auf  fte  gelegt.  S^^rSinn  fann 
öon  §aufe  auö  bod^  tool^I,  nad^  ber  SRoKc,  bie  fie  eben  beim  ©egnen  f}ai,  nur  getoefen 
fein,  bie  befonbere  Äraft,  hjelc^e  bem  innetool^nt,  ber  fegnet,  auf  ben  ju  ©egnenben  über« 

6  juleiten.  "^an  fielet  barau«  jugleic^,  bafe  ber  ©egnenbe  (unb  fo  natürlich  über^auj)t  ber 
Ootte^mann)  al«  ^ni^aber  einer  ©ottl^eit,  bejh).  göttlid^en  Äräfte,  bie  übertragen  toerben 
fönnen,  gebac^t  toirb. 

d)  93efonberg  i^äufig  aber  h)irb  Segen  unb  ^lud^  fid^  an  bie  l^eiligen  §anblungen 
felbft  angefc^Ioffcn  l^aben,  \>ox  allem  bag  Djjfer.  ,  Seim  Di)fer  ift  man  o^nel^in  ber  ©ott^ 

10  l}tii  nal^e;  e«  bient  baju,  ba«  SBol^Igef allen  ber  Überirbifc^en  auf  ben  ÜJlenfd^en  l^erabju= 
leiten  unb  fie  il^m  günftig  ju  ftimmen;  fo  öerftel^t  e«  ftd^  faft  öon  felbft,  bafe  man  biefen 
3lnlafe  benü^t,  ©egen  ju  erlangen  ober  %lüd)t  befonber«  Iräftig  ju  machen,  ©o  lefcn 
h)ir  in  iWi  9,  27,  bafe  bie  33ürger  t)on  ©ic^em  il^r  geft  baju  benu^ten,  bem  i^nen  öcr= 
l^a^tcn  aibimeled^  ju  fluchen.    3)ie  S^eyte^hjorte:    „fte  afeen  unb  tranfen   unb  fluchten 

16  aibim."  hJoKen  fd^hjerlic^  blofe  fagen,  bafe  bie  Erregung  ber  geftftimmung  unb  be«  3Bein- 
genuffc«  fte  ;ium  SSerflud^en  be«  äbim.  fortrife,  fonbem  jtoifd^en  %t\i^txn  b.  1^.  feierlichem 
£)})fer  unb  bem  Slfte  be^  3Serfluc^en^  beftel^t  ein  innerer  3wfammcn^ang.  3)cm  ent= 
f))rec^enb  l^at  benn  aud^  Sileam  bei  feinem  35orl^abcn  S^rael  ju  öerflud^en  öor  allen 
3)ingen  barauf  ju  achten,  bafe  erft  ®ott  reic^Iid&e  Dt)fer  bargebrad^t  hjerben  9?u  23,  Iff.; 

20  äl^nlid^e«  pnben  toir  bei  ben  3lrabem  im  ältertum  (©ettl^.  a.  a.  O.  133)  unb  bei  ben 
S3etool(inem  ©^rien«  unb  ber  angrenjenben  Sänber  bi«  auf  ben  l^eutigen  2:ag  (ögl.  ßurtip, 
Urfemitifd^e  Sleligion  204.  208  f.  2 19  f.  u.  ö.:  man  o})fert  ein  2ier  ober  t)oBjie^t  fonft 
l^eilige  Eliten  „für  einen  ©egen").  6in  S3eifj)iel  eine^  ganj  fj)ejififd^en  glud^ritug,  eben= 
faHg  mit  Dpfer  öerbunben,  befi^en  toir  innerl^alb  be«  312^  in  9cu  5,  11,  h)o  ber  feinem 

26  SQBeibe  mifetrauenbe  3Rann  il^r  einen  fluc^bringenbcn  3:ranf  ju  trinfen  giebt,  über  ben 
fd^toere  Sertoünfc^ungen  gcfjjroc^en  unb  in  ben  fold^e  aud^  äufeerlid^  (jB.  23)  gemifc^t 
finb.  3ft  fie  fc^ulbig,  fo  toirb  ber  2ran!  fie  öemic^ten,  hjar  fie  treu,  toirb  er  nid^t  fc^ben. 

e)  33ei|  ber  le^tgenannten  3lrt  öon  ©cgen  unb  glud^  Rubelt  eg  fid^  bereit«  um 
äufeerungen,   bie,  hjenn  aud^  burc^  l^eilige  ^anblungen  belräftigt,  bod^  toefentlic^  burc^ 

90  ba«  menfd^Iid^e  SBort  fic^  öolljiel^en.  ©o  toirb  benn  überl^au})t  ba«  SQBort  ba«  toic^tigftc 
SKebium  be«  ©egnen«  unb  ^lu^en«  getoefen  fein.  3itan  „fprid^t"  einen  ©egen  unb 
fjluc^  au«  über  jemanb  ober  ethja«.  6«  fann  biefe«  ©prec^en  in  ber  fjorm  be«  magi= 
fd^en  „Sefpred^en«"  fic^  t)oIIjicl^en,  e«  fann  aber  aud^  bie  gorm  be«  rein  geiftigen  ©e= 
bete«  annehmen.    3luc^  biefer  %aü  trifft  im  312:  auf  ben   l^öl^eren  ©tufen  feiner  @nt= 

36  toidfelung  ju,  unb  l^ier  ift  bann  ber  ©egen  übergegangen  in  bie  gorm  be«  Oebete«, 
genauer  be«  betcnben  ©egen«h)un|c^e«  unb  äl^nlic^  ber  gluc^  in  biejenige  ber  feierlichen 
Sebrol^ung  unb  be«  Slnfünbigen«  toon  ©c^äbigung  im  Flamen  ©otte«,  bejh).  be«  Srbeten« 
öon  folc^er  bei  (Sott. 

f)  ^ür  bie  erftere  gorm  ift  ber  fc^on  genannte  Sileam  unb  bie  ganje  Slrt  feine« 
40  auftreten«  t^pifcb.    (gbenfo  fann   an   bie  gluc^toorte  unb  ^formeln  öon  9lu  5  errinnert 

tüerben.  ^^^^f^^^o«  l^at  biefe  Slrt  be«  ©egnen«  unb  glud^en«  im  9!olf«glauben  unb  ber 
3Solf«religion  S^wel«  eine  grofee  Stoffe  gefpielt,  junäc^p  in  ber  älteren  3rit  3^tael«,  aber 
and)  in  manchen  Greifen  bi«  tief  l^inein  in  bie  pro^jl^ctifc^e  3^^  wnb  ex\)m\d)  über  fie 
l^inau«.    a?ßie  überaff  in  ber  SBelt,  fo  toar  auc^  in  2j«rael  5Ragie  unb  Slberglauben  nie= 

46  mal«  ganj  au«^urotten.  ©etoife  ^at  man  fid^  babei  —  laut  au«gef})roc^en  ober  im  ©tiffen 
—  ni^t  feiten  noc^  afferlei  anbere  ""JRäd^U  al«  '^a\)^c  toirfenb  gebadet,  öor  allem  too^l 
bie  2otengeifter  unb  2l^nen,  togl.  1  ©a  28  unb  bie  toielfad^e  ©rmä^nung  ber  loten- 
befc^tüörung.  3lber  im  gan^^en  toirb  ©egen  unb  glud^  innerhalb  be«  31%  bo^  auf  Sfi^H 
jebenfaff«  auf  ibn  ^au})tfädbltd^  unb  in  crfter  2inie,  gurüdfgefü^rt,  h)ie  ja  aud^  §.  ®u^m 

60  in  feiner  ©c^rift  über  bie  böfen  ® elfter  im  312  (1906)  annimmt,  bafe  il^re  Sebeutung 
in  ^^xad  im  3Scrgteic^  mit  anbern  orientalijc^en  SReligionen  eine  im  ganjen  mäßige  toor. 
$^nbem  fo  in  ber  §au})tfad^e  an  ^al}\>c  feftgel)alten  toirb  unb  inbem  neben  ber§anblung 
ba«  2Bort  im  5Wamen  ^aböe«  ftarf  bieCberl^anb  behält,  finb  m.  g.  jtoei  tüefentlid^e  5al= 
toren  gegeben,  bie  ber  i^ergeiftigung  be«©cgen«  unb  gtud^«  in  bem  öorl^in  befc^riebenen 

56  Sinne  günftig  finb. 

g)  3ln  fie  bürfen  \v'xx  bereit«  benfen,  trenn  bon  ©amuel  gefagt  ift,  bafe  er  beim 
Cjjferfefte,  e^e  bie  2eilne^mer  jur  D})ferma^l^eit  fcbreiten,  ben  ©egen  über  ba«  9Ka^l 
f>?nc^t  (1  ©a  9,  13),  ober  tüie  e«  t?on  3)atoib  beifet,  ba§  er  (^ier  al«  ?ßriefter  fungie-- 
renb),  nac^bem  ba«  D))fer  bolljogen  ift,  ba«  SSolf  im  9Jamen  3o^t>e«  fegnet.    SD3ie  fold^e 

60  ©egen«fprücf^e,   bie  einfacf^  al«  betenbc  STÖünfcf^e  ^u  benlen  fein  ioerben,   gelautet   ^cn 


Segen  nnb  Sfhid^  151 

mögen,  erfel^en  toir  für  befonbere  2lnltegen  au«  1  ©a  1,  17  ober  ©en  24,  60.  ®ort 
ruft  ber  ^riefter  ßli  ber  betenben  ^anna  ba«  tröftenbe  ©ort  ju :  ,,®el^'  l^in  im  grieben  ; 
ber  ®ott  3«raete  toirb  bir  getüöi^ren,  toa«  bu  öon  il^m  erbeten  j^aft!"  §ier  hjirb  bie 
au«  bem  eitem^aufe  fd^etbenbe  Slebeffa  öon  tl^ren  Srübem  mit  bem  ©egen«h)unfd^ 
entlaffen:  5 

©c^toefter,  mögft  bu  toerben  —  ju  2^aufenben  öon  3R^riaben, 
Unb  bein  ©ame  beft^e  — -  bie  3:l^ore  feiner  geinbe! 

3)enfelben  ßl^arafter  eine«  ©egen«h)unfc^e«  bei  bejonberem  2tnlafe  l^at  bie  längere 
Siebe  in  1  Äg  8,  15  ff.,  toeld^e  ©alomo  bei  ber  ©intoeil^ung  be«  öon  i^m  erbauten 
%tm\>A^  an  ba«  3?oIf  ^ält.  Sffial^rfc^einlic^  entl^ielt  ber  ur|})rünglic^e  Seric^t  (bgl.  33. 14)  lo 
bie  il^tfad^e,  bafe  ©alomo  äl^nli^  toie  3)abib  (f.  o.)  ba«  3SoIf  fegnete  unb  tool^I  ben 
3nl^alt  be«  ©egen«  in  gorm  eine«  furjen  ©egen«ft)ru(^c«,  ber  ba«  ®egenftücf  ju  bem 
unmittelbar  öor^er  (S8. 12)  mitgeteilten  3Bcil^ef))ruc^  bilbete.  3lber  h>ir  ^aben  aHe  ©rünbe, 
anjune^men,  ba^  auc^  oj^ne  befonbere  3SeranIaffung,  alfo  bei  jebem  Di)ferfefte  unb  jeber 
geftt)erfammlung  ber  ^ricfter  ben  ©egen  über  bem  SSoIfe  au«fj)rac^.  6r  l^at  too^I  nid^t  15 
^u  aüen  Reiten  gleich  gelautet,  aber  fefte  liturgifd^e  fjormen  toerben  frül^  angenommen 
tüorben  fem,  unb  fo  mag  ber  un«  im  ^rieftergeje^  (5Ru  6,24—26)  aufbetoaj^rte  ©egen«* 
f))ruc^  fcpon  lange  öor  ber  Slbfaffung  be«  (Sefe^e«  m  feiner  heutigen  ^orm  üblic^  getoorben 
fein.    ®r  lautet: 

®«  fegne  bic^  ^af))i>t  —  unb  er  bebüte  bic^!  20 

®«  laffe  leuchten  ^af)\>^  fein  Slntli^  —  über  bid^  unb  fei  bir  gnäbig! 
@«  erl^ebe  ^a\));>z  fein  2lntli^  über  bic^  —  unb  fc^affe  bir  »Jrieben! 

©benfo  finb  auc^  bie  glüd^e  gemeint,  bie  ©alomo  in  1  Äg  8  über  ^^xad,  fall«  e« 
bon  3iö^t)e  abfallen  foHte,  au«f}md^t,  ober  bie  in  mand^en  9lad^e})falmen  au«gef))roc^enen 
Serhjünfc^ungen  ober  bie  ©egen«=  unb  ^luc^ioorte  in  2)t  28  u.  a.  26 

4.  fragen  toir  nad^  ben  ^erfonen,  benen  bie  ®abe  ju  fegnen  ober  ju  ftud^en  be* 
fonber«  ju  ®ebote  ftel^t,  fo  finb  e«  natürlich  in  erfter  Sinie  biefelben,  bie  auc^  fonft  jur 
®ottl^eit  in  naiverer  93ejiel^ung  ftel^en  al«  anbere,  atfo  bie  ©el^er  unb  ^ricfter,  überl^auj)t 
bie  ®otte«männer.  Demgemäf;  ift  ber  ©e^er  Sileam  befonber«  baju  geeignet,  3«rael 
ju  öerfluc^cn.  3)emgemä|  fegnet  ©amuel  ba«  Dj)fer,  3Jlofe  bei  feinem  2:obe  fein  9Sol!  ao 
(3)t  33),  ber  ^ßriefter  bie  ®emeinbe.  I)emgemäfe  l^at  aber  auc^  ber  5'"^/  ^^"  S^fua 
über  3erid(^o  (3of  6,  26)  unb  eiifa  über  bie  Rmbzn  toon  93etel  au«fpric^t  (2  Äg  2,  24) 
befonbere  Äraft.  2lud^  bei  ben  Strabern  gelten  bie  ©e^er  unb  ^riefter  al«  mit  befom 
beren  ®aben  ber  aBei«fagung  unb  be«  fürbittenben  ober  flud^enben  ®ebete«  au«gerüftete 
aWenfc^ien  (SBett^.  9tefte*  138).  —  86 

6ine  befonbere  SÖBirlung  fc^rieb  man  femer  bem  ©egen  ober  gluc^  ©terbenber  ju. 
2lud(^  l^ierju  finben  ftc^  aufeer^alb  3«rael«  parallelen  (3Belll^.  a.  a.  D.  139,  2lnm.  4). 
2)er  ©terbenbe  ftel^t  fo^ufagen  ber  ©ottbeit  naiver  al«  bie  anbem;  bie  ©eele  ift  fd^on 
mit  einem  ©c^ritte  au«  ber  l^erbinbung  mit  bem  Äör})er  entlaffen  unb  fd^toebt  fd^on  l^alb 
frei  uml^er,  erl^aben  überSlaum  unb  3^it  unb  berÄlaffe  ber  ^öl^eren,  überirbifd9en  SBefen  40 
ücrtoanbt.  ®en  ©d^lüffel  für  ba«  ^erftänbni«  biefer  SSorftellung  toerben  toir  toal^r* 
f(^einlid(^  barau«  ju  entnehmen  l^aben,  bafe  t)or  allen  bie  fterbenben  Sll^nen  ©egen  ^u 
fpenben  unb  %l\i6)  gu  »ermitteln  im  ftanbe  finb.  ©0  fegnet  ber  fterbenbe  5Rofe  fetn 
Sßolf  (3)t  33),  fo  teilten  bie  fterbenben  ©rjtoäter  ^faaf  unb  Salob  toor  i^rem  ©d^eiben 
teil«  ©egen  teil«gluc^  au«,  ®en27,  10  ff.;  48,  8 ff.;  49,  Iff.  5Der  3ufammenl^ang  mit  46 
ber  3SorfteHung,  bafe  ber  geftorbene  Sl^n^err  al«  eine  2lrt  ^ö^eren  SBefen«  fortlebe,  ift 
^ier  faum  ju  toerfennen.  3jm 'iöiomente  be«  l^erannal^enben  iobe«  ift  er  bereit«  auf  bem 
SBege,  jene«  l^öl^ere  SBefen  ju  toerben  unb  be«^alb  mit  biefen  Äräften  au«geftattet.  ®o<^ 
l^ot  biefe  SloUe  nic^t  blofe  ber  fterbenbe  äl^n^err;  fotool^l  ber  3ll^nl^err  für  ftd^  tann  im 
befonberen  SRafee  fegnen  unb  fluchen  al«  ber  ©terbenbe  für  ftc^:  bie  urfprünglid^  gu=  50 
fommengei^örigen  SorfteHungen  ixtnnm  fic^  unb  erlangen  felbftftänbige  ©Eiftenj.  ^um 
teueren  t)gl.  ben  fterbenben  5Jlofe  (f.  0.),  ^uin  erften  ben  fegnenben  unb  flud^enben  9loa 
@en  9,  25  ff.,  auc^  ©ir  3,  11  („be«  58ater«  ©egen  ...    ber  3Jlutter  JJluc^"). 

30  toeiterl^in  erlangt  bann  jeber  beliebige  unter  befonberen  Umftänben  bie  Äraft 
©egen  unb  %lnä) — befonber«  le^teren — toirf ung«!räftig  au«5ufj)red^en.  3Q3a«  ^ier  al«  ®nmb  66 
angenommen  toirb,  läfet  fic^  nic^t  immer  fagen.  3)ie  2lraber  erfldren:  toer  in  gerechter 
Sntrüftung  flucht,  ^abe  bamit  ©rfolg  (2öell^.  a.  a.  D.  139).  §ier  toirb  tool^l  angenommen 
fein,  bafe  bie  ®ottl^eit  ber  Verfolgten  unb  ungerecht  Seibenben  fic^  il^rer  im  befonberen  an^ 
ne^me  unb  fo  i^  &^i^  unb  i^ren  gluc^  erhöre.  3luc^  für  3«rael  mag  biefe  ©rflärung 
jutreffen,  infofem  gätle  toie  2  ©a  IG,  5,  tx)o©imei  in  Erinnerung  an  getoiffe  5Wa^rcgeln  eo 


152  Segen  ttnb  ^Ittd^ 

Daöibö  i^m  flucht,  ober  2Sa21,  Iff.,  h>o  bie  ©ibeoniten  in  geredetem  Rom  überSaute 
Xreubruc^  ^^rael  fluchen,  ftd^  rec^ttDol^I  fo  ttlläxm  laffen.  9(ber  audreid^en  h>irb  bie@r: 
Ilärung  nid^t.  3)a«  SBort  $r  27,  14:  „h)er  in  ber  3Rorflenfrül^e  feinen  5läd^ften  laut 
fegnet,  bem  h)irb  c«  ate  gluc^  gerechnet"  mag  un«  bie  ®p\xx  toeifen.    ®ie  SKorgenfrül^c 

6  unb  bie  laute  ©timmc  fönnen  tüol^l  nur  ba«  unborjtc^tige  Slül^men  be«  fjreunbe«,  ben 
man  glücftic^  pxtx\t,  im  ©inne  l^abcn.  ®in  folc^eö  fommt  aber  bem  gleich,  toa^  teir  l^eutc 
noc^  „cth)a«  berufen"  nennen.  6in  fold^c«  Serufen  h>erft  bie  finftem,  fd^abenben  3Räd^te 
bejU).  e«  ruft  fte  l^erbci,  mac^t  fie  auf  ein  D))fer  aufmerffam  unb  läfet  fie  gleid(^fam  auf 
e^  lod.    @D  tDirb  jene  SSorfteQung  auc^  in  ^^rael  gu  beuten  fein;    unb  lt>enn  mancher 

10  %lnd)  aui)  eine«  getoöl^nlid^en  3Ranne«,  unb  felbft  h)enn  er  feinen  geredeten  ®runb  jur 
©ntrüftung  l^atte,  emft  genommen  h>urbe,  fo  mag  jene  unl^eimlic^e,  and)  in  ^ixad  nie 
gam  übertDunbene  3lngft  toor  im  3)unfeln  i^r  SBefen  treibenben  böfen  ÜWäc^ten  babei 
mitbeftimmenb  im  Spiele  gehjefen  fein.  —  6ine  äi^nlic^e  SorfteUung  h>irb  )n>of)l  and)  in 
ber  merftoürbigen  ©d^ilberung  bei  ämo«  angenommen  toerben  muffen,  h>o  er  6,  10  eine 

15  ©eud^e,  tool^l  bie  ^eft,  bef($reibt  unb  fagt,  bafe  in  einem  ^aufe  alle  Setoo^ner  l^in- 
gerafft  h>erben  foUen  bi«  auf  einen,  gragt  berjenige,  ber  bie  Seiepen  h>egjufd(^affen  fyit, 
ben  Seiten,  in  einem  l^intem  Söinfel  beö  §aufe«  ©i^enben:  Sft  nod^  jemanb  bei  bir? 
fo  antwortet  er:  „niemanb",  unb  fügt  bei:  „©tille!  man  barf  ja  ben  9Jamen  3öl(^^eg  nid^t 
au«f)3rcd^en!"  ga^öe  toütet  al«  SBürger  burc^  bie  $eft  im  §aufe:  ber  le^te  nod^  lebenbe 

20  3nfaffe  fürd^tct,  ba«  blofee  Slennen  be«  ^al^öenameng  möd^te  ben  jürnenben  (Sott  l^erbei-- 
rufen  unb  auf  il^n  aufmerifam  mad^en,  unb  fo  il^m  9?erberben  bringen.  3)arum  bittet 
er,  ber  anbere  möge  lieber  überl^au))t  nid^t  reben. 

5.  3)amit  Serben  h>ir  öon  felbft  nod^  auf  bie  gtage  gefül(^rt :  toeld^e«  bie  SBirtung 
bon©egen  unbglud^  im  33eh)ufetfein  be«  altteftamentlic^en  ^olfe«  toar.  Slud^  l(^ier  toerben 

25  toir  ju  fc^eiben  babzn  ^toifd^en  nieberer  unb  l^öl^erer  33etrac^tung«h>eife  fd(^on  im  SU.  6« 
finben  ftc^  nic^t  tpenige  RäUe,  in  benen  ©egen  unbgluc^,  fmb  fie  einmal  au^efprod^en, 
aU  ein  blinb  fic^  audh)irlenbe«  93erl^ängnid  erfc^einen,  gleic^fam  atö  ein  3^<^"d/  ^^  ^^f 
bie  ©ottl^eit  ausgeübt  ift,  unb  bem  fie,  felbft  toenn  fte  toottte,  ftd^  nic^t  ol^ne  Weitere« 
entjiel^en  !ann.    §ier  toirb  ba«  Sanb  unberfennbar,  ba«  h)ie  oben  au^efü^rt,  aud^  im 

80  Sia:  noc^  ©egen  unb  gluc^  mit  ber  l^eibnifc^en  3Jlagie  unb  Räuberei  öerbinbet.  Seif})iele 
für  bag  ©efagte  ftnb  leicht  jur  ßanb.  9Ran  benfe  an  ^]aat  in  ®en27,33ff.,  ber,  nad&= 
bem  er  ^alob  gefegnet  l^at,  erfährt,  \>ai  ber  jüngere  ©ol^n  ben  ©egen  be«  ®rftgeborenen 
erfd^lic^en  |^at  unb  barob  erfc^ridft,  toeil  ber  einmal  au«gef))rod^ene  ©egen  nun  nic^t 
mel^r  rücf gängig  gemacht  toerben  fann.    ®r  mufe  auf  ®faud  Sitte:  „©egne  aud^  mid^I" 

35  erllären:  „3)ein  33ruber  l^at  bir  ben  ©egen  toeggenommen!"  Ober  man  benfe  an  bie 
airt  unb  3Beife,  tote  Sileamö  ©egen  unb  %lüd)  toirffam  gebadet  toirb.  SBegen  einer 
blofeen  SSerhJünfc^ung  mit  SBortcn  ^ätte  ber  ^^xad  feinblid^e  ftönig  Salaf  e«  fic^  nid^t 
fobiel  foften  laffen,  toie  er  t^ut,  ben  3<i"^^w  33ileam  au«  toeiter  gerne  ^erjul^olen. 
(Sbenfotoenig  lüürbe  fid^  feine  ©orge  unb  (Sntrüftung   erflärcn,  al«   ftatt  be«   erl^offten 

40  ^ud)^  über  :5«rael  ein  ©egen^toort  an^  Sileam«  ?Dlunbe  fam.  S^m  finb  bie  SBJorte 
Silcam«  toon  ^^btoe  geleitete  reale  SJläd^te,  lebenbige  Slealitäten.  6r  benft  alfo  (bejto. 
e«  lä^t  i^n  ber  58erfaffer  ber  ßr^äl^Iung  benfen)  ganj  ä^nlit^  toie  nac^  ber  oben  ge= 
nannten  erjöl^lung  ^\aat  benft,  toee^atb  bem  Äönig  aud^  baö  SBort  in  ben  3)lunb  ge^ 
legttoirb:  toen  bu  fegneft,  ber  bleibt  gefegnet  unb  toen  bu  öerfluc^ft,  ber  bleibt  berfluc^t 

46  (22,  6). 

2)emnad;  toirb  in  l  Äg  IG,  34  berichtet,  bafe  ein  getpiffer  §iel  au«  Setl^el  ba« 
jerftörtc  unb  mit  einem  fc^toeren  glud^e  belegte  ^erid^o  nur  toieberaufbauen  fonnte  um 
ben  ^rei«  feine«  älteftcn  unb  feine«  jüngften  ©o^ne«.  ©o  forberte  e«  ber  alte  %lad) 
(3of  (),  26),  unb  um  i^n  ;;u  erfüllen  mufete  ber  ©rbauer  feine  beiben  ©ö^ne  l^ingeben. 

50  ßinen  befonber«  beutlid[?en  ßinblicf  in  biefen  ®lauben  ber  ^tii  gewinnen  ton:  burd^  gtoei 
(Srjä^Iungcn  über  2)abib:  2  ©a  21  unb  1  Äg  2,  Iff.  2)ie  erfte  fagt  un«,  bafe  ©aul  in 
blinbem  ßifer  bie  burd^  alten  Vertrag  in  i^rer  ©elbftftänbigfeit  gefc^ü^te  SBebölferung 
toon  ©ibeon,  lücil  fie  fid^  feinem  SBillcn  nicbt  fügen  tooHte,  ^abc  ^inmorben  laffen.  ®ie 
SJIutfd^uIb  unb  ber  glud^   ber  (Srmorbeten   bejh).  ber  Übcriebenben  fommt  nad^  ©aul« 

55  lobe  in  einer  3)ürrc  unb  Hungersnot  über  ^«rael.  3!)atoib  ift  bereit,  ben  überlebenben 
®ibeonitcn  ju  getoäl^rcn,  h)a«  fie  irgcnb  Verlangen,  benn  er  ift  überzeugt:  ber  %lud^ 
lüirtt  unfel^lbar  fo  lange  fort,  bi«  er  in  ©egen  toertoanbelt  bejto.  jurüdfgenommen  toirb. 
"ilod)  bcutlid^er  tritt  ber  ©ac^öerhalt  in  1  .Hg  1.  2  gu  tage.  2)atoib  befiel^lt  bor  feinem 
(Jnbc  ©alomo,  er  möge  an  ^oab  unb  Simei  ^ac^e  nehmen.    SBie   man  biefen  Sefe^I 

60  neuerbing«  nxel^x^ad)  gebeutet  hat,  ift  im  3lrt.  „©alomo"  bargelegt.    I^atfäd(^lid^   f)at  er 


Segelt  ttnb  Sflnd^  153 

nic^tö  Sefremblic^e^,  tomn  man  ben  (Stauben  an  bie  unbebingte  Slu^hjirfun^  be«  Sludge« 
berüdffid^tigt.  33ri  ©imei  h>irb  c«  bireft  acfagt  (2,  8),  er  l^abe  t)or  g^ten  einen  fd^toeten 
%lud^  über  ^abib  au^efto^en,  unb  nac^^er  bei  fetner  Einrichtung  l^ei^t  eS  au^brüdlid^, 
burc^  fte  ^be  ^ai^be  feine  So^l^eit  (b.  \).  ben  ^(uc^)  auf  fein  ^avöpt  lommen  laffen, 
@aIomo  ober  foDe  gefegnet  fein  b.  ^.  t)on  i^m  fei  nun  ber  ^lud^  genommen  unb  fomit  5 
in  ©egen  getoanbelt  (2,  44).  3)arau«  ergiebt  fid^:  ber  toon  ©imei  gef))roc^ene  giuc^  ift 
für  3)at)ib,  troftbem  er  ftc^  bidi^er  nic^t  erfüllt  l^at,  nic^t  tot.  6r  lebt  Leiter  unb  mufe 
ftd^  eine«  3:agc«  augtoirfen  —  toenn  nic^t  an  3)abib  felbft,  fo  nac^  feinem  2:obe  an 
feinem  ^aufe.  @r  (ann  ftd^  aber  aud^  fo  audtoirlen,  ba^  er  auf  ©imei  felbft  jurüdffäQt 
unb  i^n  k)emi(^tet.  SSgl.  meinen  Jtomm.  ©.  16.  ^ei  ^oab  anbererfeit«  liegt  eine  rid^^^  10 
tige  Slutfc^ulb  öor,  ber  %aü  liegt  alfo  l^ier  für  Daöib  öi^nlic^  h)ie  bei  ben  ©ibeoniten, 
ba  bie  Slutfd^ulb  unb  ber  %lnd)  be«  Srmorbeten  tl^atfäd^lic|  auf  il^n  jurücffaUen  tonnen, 
toeil  bie  a^^at  unter  Umftänben  gefd^e^en  ift,  nad^  benen  fte  Daöib  felbft  jur  Saft  faDen 
lonnte  (ögl.  m.  Äomm.  ©.15).  (Srft  loenn  ba«  Slut  ber  ßrf^Iagenen  auif  3oab«^aupt 
gefommen  ift  (2,  32.  33),  fülj^It  3)aöib  ftd^  bejjft).  nac^  feinem  2:obe  fein  $au«  frei  toom  is 
glucke:  je^t  l^at  ber  giud^  ft^  au«geh>ir!t. 

6.  ^ber  f 0  rüd^altlo«  biefe  3(nfc^auung  k)on  ©egen  unb  gluc^  al«  im  912;  k)or^anben 
anerlannt  toerben  mufe,  fo  tpenig  ift  fte  bie  einzige.  3nbem,  h>ie  oben  gejeigt  (t)gl.  3. 
e — g),  ber  ©egen  unb  tJIwcJ&z  befonber«  ber  erftere,  mel^r  unb  mt^x  ben  ßl^rafter  be« 
©ebete«  ober  be«  ®ebet«h)unfd^e«  an  bie  ©ottl^eit  annimmt,  getvinnt  er  t)on  felbft  eine  20 
geiftigere,  unb  toie  ba«  ®ebet  überl^aiHJt  im  Unterfc^ieb  toon  ber  göuberei,  mel^r  unb  me^r 
eine  fitttic^  öermittette  Söeife.  6«  liegt  ba«  öon  felbft  in  bem  ßi^arafter  unb  ber  ftd^ 
im  Sauf  ber  3^^  immer  tooHfommener  burc^bringenben  2:enbenj  ber  ^oi^öw^ligion,  h>omit 
natürlid^  9lüdCfölle  ith  einzelnen  in  bie  unt^oUfommenere  älnfc^auung  ober  fortleben  ber- 
felben  in  einzelnen  Äreifen  nic^t  au«gef(^loffen  ift.  25 

3)emna(9  hjerben  toir  auf  ben  $5^e})un!ten  ber  i«raelitifd^en  Sieligion  unb  in  i^rem 
weiteren  SBerlaufe  jene  magifd^e  2luffaffung  be«  ©egen«  unb  gtud^e«  al«  im  ^rinjij) 
übertounben  annel^men  bürf en,  aud^  too  einzelne  äufeerungen  berfelben  nod)  f ortloirlen,  unb 
bie  ^olge  babon  ift  natürli^  h>eiter,  ba^  auc^  ber  ^n^alt  be«  ©egen«  mel^r  unb  mebr 
in  bie©))^äre  ber  l^öl^eren,  geiftigen  ©üter  öerlegt  toirb.  ©0  ift  ber  befannte  ^jriefterlidpe  so 
©egen  öon  9?u  6  o^ne  3*^^if^f  ^^^  i*^  3lrt  t)on  ©egnung,  bie  l^öd^ften  ©üter  h>ie 
©otte«  ©nabe  unb  ^rieben  mit  eingefd^loffen,  berftanben  toorben.  ßbenfo  h>irb  er  (mag 
er  eth>a  urf^jrünglic^  anber«  gemeint  getoefen  fein,  togl.  ben  3lu«brudE  6,  27:  „er  foU  ben 
9iamen  ^af)\)ti  auf  fte  legen")  h>efentlic^  im  ©inne  eine«,  h>enn  aud^  au«  bem  5Runbe 
be«  ^riefter«  befonber«  fräftigen,  ©ebet«h>unfc^e«  berftanben  toorben  fein.  3)a«felbe  giltss 
in  nod(^  l^öl^erem  ©rabe  t)on  Sffiorten  toie:  „in  bir  foüen  ftc^  fegnen  alle  ©efd^led^ter  ber 
@rbe"  (©en  12,  3  ö^l.  18, 18  u.  a.).  3lad)  einer  minbeften«  toielfai  vertretenen  3)eutung 
bebeuten  biefe  nid^t  ein  unmittelbare«  ©efegnettoerben  (ögl.  ba«  5Rifal),  fonbem  bafe  bie 
aSöUer  fic^  felbft  benfelben  ©egen  antoünWen,  ben  2lbral^am  erlangt  ^tte.  3)a«  ©ic^- 
©egnen  bejeid^net  bann  l^ier  öon  felbft  ben  ©egen«n)unfd^  ober  ba«  ©ebet  um  ©egnung.  40 
Sbenfo  h>erben  ^ier^er  m  red^nen  fein  ätu«fagen  toie  2  6l^r.  17,  27  „toa«  bu  §err 
fegneft,  ba«  ift  gefegnet  für  immer".*  ^Wax  gel^t  ba«  SßJort  jurüdt  auf  2  ©a  7,  29,  too 
e«  3^^^  fl«  ^i^  SSer^eifeung  einer  bauemben  D^naftie  für  3!)atoib  erinnert  (ögl.  9?u 
22,6).  aiber  bie  leidste  Umänberung  be«  SSäorte«  löft  e«  bon  berSejiel^ung  auf  SSlufeere«, 
bie  e«  urfprünglid^  l^atte,  lo«  unb  läfet  e«  allgemeiner  unb  barum  too^l  aud^  geiftig  ge^is 
richtet  erf(peinen. 

7.  2)a  Drafelfj)rüc^e  fd^on  bei  ben  Reiben,  ©otte«fj)rüd^e  unb  feierlich  im  9iamen  ^al^öe« 
au«gefj3roc^ene  SBorte  auc^  in  i^^tad  ^äufig  in  gebunbcner  9tebe  borgetragen  hjerben, 
fo  ergiebt  e«  ftc^  t)on  felbft,  bafe  auc^  nic^t  toenige  ©cgen«=  unb  gluc^toorte  im  312:  in 
gebunbener  Siebe  erfc^einen.  ©0  ber  ©egen  unb  %lviä^  9loa«,  bie  SBileamf))rüd^e,  ber  50 
3faatfegen;  be«gleic^en  tool^l  bie  ®otte«t)erl^eifeungen  an  2tbral^am  unb  mand^e«  anbere. 
6«  fcbeint,  al«  ffab^  fic^  ein  eigener  3*^^^9  ^^  öciftigcn  ^robuftion  unb  innerl^alb  ber 
©c^riftfteUerei  eine  eigene,  ber  fj)äteren  j^ropl^etifc^en  Siebe  näc^ft  toerloanbte  ©attung 
^erau«gebilbet:  ©el^erf})rüd^e  unb  in«bcfonbere  innerl^alb  il^rer  ©egen«fprüd^e  ber  alten. 
X^pifdj^  bafür  mögen  bie  Sileamfjjrüc^e  in  i^rer  eigentümlid^  gehobenen,  ^alb  bitJ^^ratn*  55 
bif^en  3lebeh>eife  unb  i^rer  bunfeln,  oft  nur  anbeutenben,  manchmal  toie  abficbtlic^  toer* 
^üllenben  Slrt  getocfen  fein,  ©ie  l^abcn  jum  Seil  eine  apo!al^j)tifc^e  3lrt  an  fic^,  lange 
Dor  ber  ^Ät  ber  übrigen  3lpofal^i)tit.  §lm  näc^ften  ben  33ileamfprüd&en  fielen  too^l 
bie  3loa\pxixd)t  mit  ©egen  unb  gluc^  über  9loa«©öl^ne.  Sffieniger  bunfel,  aber  bod^  noc^ 
Dielfac^  an  jenen  ^ü^m  Slntcil  ne^menb  fmb  bie  ©egen«lieber  bejh).  ©egen^  unb  gluc^=  go 


154  Segen  ttnb  ^ndf  Setbemonn 

\pvüi)^,  bic  ^atob  unb  9Jlofc  jugcfd^riebcn   h>erben  (®en  49  unb  ®t  33,  bgl.  @unUl, 
®enep  418  f.). 

8.  Sei  ber  Unftd^erl^cU  bcr  urfjjrünglici^ften  Scbcutung  unfcrcr  Segriffe  mag  c«  ge^ 
nügcn,  ^ier  am  ©d^Iuffe  einige  SBorte  über  biefen  ©egenftanb  ani^ufügen.  SDcr  terminus 

5  technicus  für  ba^  Scrflud^en  fd^eint  "i^n  getDefcn  ju  fein.  3)er  ©inn  biefe«  SBortc^ 
mag  h)o^I  immer  berfelbe  gehjefen  fein,  '^'^^^  ift  hjol^l  toon  2lnfang  an  berjenigc,  auf  bem 
ein  glud^  laftet.  2)aneben  tpirb  für  ben  ^lud^  unb  bag  glud^en  ber  ©tamm  rfc«  ge. 
brandet.  6r  h)irb  mit  SRed^t  mit  ^^  ®ott  ju|ammengefteHt.  3)emgemäfe  läge  biefem 
©tamm  nid^t  toon  $aufe  an^  ba^  5'^^^"   ^^^^^/   fonbem   lebiglid^  bie  änrufung   ober 

10  §erbeijiel^ung  ber  ©ottl^eit,  ob  für  ober  toiber  jemanb,  alfo  ba^  33efd^tüören,  33e- 
jaubern.  3Jlan  toirb  babei  untoiKIürlid^  an  bie  ©runbbebeutung  unfere«  beutfc^en 
„©egncn",  ba«  Signum  (be«  Äreuje^)  über  jemanb  machen,  erinnert.  3)er  ebenfalls 
für  §luc^en  gebrauste  ©tamm  bbp  ("^?j^)  l^ingegen  f)ai  bon  §aufe  au^  überl^au))t  feine 
Sejiel^ung  ^um  ©öttlid^en.    6«  bebeutet  fc^mä^en  unb  l^ängt  jufammen  mit  bp   leidet. 

15  3)er  urfj)rünglid^e  ©inn  bon  nnp  enblid^,  ba^  ebenfalls  für  glucken  bermanbt  toirb,  ift 
hingegen  burc^aug  unfid^er.  —  9lod^  fc^tüieriger  ift  e^,  ben  Urfmn  be«  ^ebräifc^en  ©eg^ 
neng  ju  ermitteln.  6^  hjirb  mit  '^C^  im  $iel  unb  aU  9lomen  '^^'^^  (©egen)  bejeic^net. 
3)k'^rfad^  l^at  man  biefe  3Borte  mit  "l")?  (Änie)  jufammengefteHt.  ©egnen  toäre  bann 
^i\va  fobiel  aU  bie  Äniee  beugen,  beten.    äHein  nad^   allem,  hja«  mir  ermittelt  j^aben,  / 

20  bat  jtoar  ba«  ©egnen  eine  SSerlüanbtfd^aft  mit  bem  ®tb^t,  \a  e«  gel^t  fogar  mit  bcr 
3eit  ftarl  in  bie  ©})^äre  beö  ©ebetg  über;  aber  ba^  beibe 93egriffe  bon  ^aufe  aug  iben= 
tifd)  feien,  ift  hjenig  toa^rfd^cinli^,  fc^on  um  beö  toiUcn,  h)eil  bag  Äniebeugen  gehjife 
nic^t  bon  2lnfang  an  ba^  eimige  unb  entfc^eibenbe  5WerfmaI  be^  GJebet«  ift,  ber  ©tamm 
T^n,  fatt^  er  Kniebeugen  bebeutet,  alfo   bon  §aufe  auö  nic^t  =  beten  ift.    3)er  ur- 

25  fprünglic^e  ©inn  bon  T^^  toirb  alfo  borläufig  bunlel  bleiben  muffen.  3SieHei(^t  bürfte 
man  e^  el^er  al^  mit  *T^2;  jjnie  mit  s^?r^3  ieic^  jufammenftcHen.  3!)iefeg  bebeutet  eine 
ainfammlung  be«  SBac^^tum  unb  fjruc^tbarfeit  bebingcnben  Sl^affer«;  e«  lönnte  alfo  bic 
rcidjc  gülle,  ba«  aSac^^tum,  bie  ^ötberung  bebcutcn  unb  auf  biefem  SJBege  aUenfate  bic 
®runbborftellung  für  ba^  Segnen  ber  älteften  Hebräer  abgegeben  l^aben. 

30  ^JRerftüürbig,  aber  bunfel  unb  barum  ebenfalls  nur  l^ier  am  ©c^luffe  ^u  ertoä^nen 
ift  enblid^  bie  3:l^atfad^e,  bafe  in  ^^^racl  ba«  ©egnen  aud^  auf  bie  ©otti^eit  atö  Dbjcft 
be^  ©egen«  angetDanbt  toirb.  SBäl^renb  toir  un«  unmöglid^  bie  3ieben^rt  „berflud(^t  fei 
3abbe"  borfteHen  fönntcn,  unb  bie  anbere  ,,gefegnet  fei  ^^i^be"  ebenfotoenig  erloarten 
tDürben,   fommt  bic  Ic^tere  t^atfäc^lic^  bor  (bgl.  ©en  9,  26).    ^\t  ba«  nur  Sleben^rt*^ 

35  unb  barf  e«  abgcfc^toä^t  tbcrbcn  in  ,,gc})riefen  fei  ^a^be"'!'  3Son  §aufe  au«  \>od)  toobt 
faum,  tbcnn  aud^  too^l  f})ätcr  fo  gebadet  tborben  fein  mag.  ^ann  aber  bleibt  faum 
ettba«  anbere«  übrig,  al«  bie  Slnna^me,  ba^  eine  ältefte  borgefc^ic^tlic^e  ^üi  ber  J^ebräi* 
fd)cn  ©prad^e  ben  3lu«brudf  gej}rägt  ^at  bon  ber  SSorfteHung  au«,  ba^  au<^  bie©ottbeit 
burc^  ©egen  (unb  bann  tbol)l  auc^  burd^  ^lud^)  bcfonber«  au«gerüfteter  SKenfc^cn  beein= 

40  flufet  toerben  fönne.  6«  Ibäre  bann  ein  SRubimcnt  einer  berfd[)ollenen  ^eriobe  be« 
^ämonenglauben«,  beffcn  9?umina  bon  ©egen  unb  glucb  abl^ängig  finb,  in  ber  9leben«art 
erhalten.  6«  liefec  fi4>  immerhin  benfen,  bafe  auf  oer  ©tufc  einer  nieberen  3?olf«retigion 
ein  3<J"6crer  al«  fo  mächtig  borgeftellt  toirb  (natürlich  burc^  bie  Äraft  feiner  befonbercn 
©ott^eit),  bafe  er  im  ftanbc  fc^eint,  c«  mit  einzelnen  untergeorbneteren  ©ottl^eiten  oufju^ 

45  nel^men  unb  fid^  bcmgemä^  erlauben  barf,  il^ncn  einen  ©egen  gugufprec^en.  3""^^^^ 
bc«  "äX  loärc  bic  ^)iebcn«art  natürlid^  nur  nod^  al«  SRcbcn«art  ju  benfen,  ethja  im  ©inne 
unfere«:  ©cj^riefcn!  Äittel. 

Segnungen  f.  b.  3t.  Scnebiftioncn  8b  II  ©.  588. 

©etbemonn,  gcft.  1879.  —    5van.^  8cf)novr  dou  ßarol^fetb,  3uv  erinncvung  an  3o= 
60  f)ann  iBorl  eeibemann,  ^Joiies^  ^?lvd)iü  f.  fäd)f.  öiefcl)icl]te  I  (1880)  8.  94 ff.;  S.  Ärafft,  9?e!roIog 
auf  5.  in  3eitjcl)rijt  beo  5öergijdien  («eid)id)t^üercin«,  IG.  m  (1881)  8.  257  f.;    ®.  SRüffer, 
91.  b.53. 

So^.  Sari  ©cibentann  ftammte  au«  ben  allcrärmlidbften  3?er^ältniffen.  ©ein  SSater, 
3;ot;.  ©corgc,  toar  532u«fcticr  im  :,^snfantcricregimentc  bon  Siedeten,  f)3äter  Äranfentoärter 
66  am  ^rc«bcncr  cüabcttcn^aufc,  feine  ^l^iuttcr  tvax  früher  Möcbin  bei  bem  Oberl^ofprebiger 
Sicinljarb  gctocfen.  311«  Soljn  bicfcr  Gltern  tourbe  ©eibemann  am  10.  ^pxxl  1807  ju 
^rcöben  geboren.  2)te  crftc  ll^öglidifeit,  einen  bcfferen  ©d>ulunterrid^t  ju  er^ltcn,  ge= 
iüährtc  ihm  ein  grcunb  feine«  i^atcr«,  3!)J.  3lotlie,   cand.  theol.,    ber  etne  ^ribatfc^ulc 


Seibetnoitti  155 

unterl^iclt  unb  bem  Änaben  bie  erften  Slnfänge  bed  Sateiniteen  unb  ®ricc^ifc^en  bei= 
brad^tc.  ^ann  ioax  c«  bet  ?Paftor  ©d^mal^  in  2)i:e«ben=5Rcuitabt,  fpätet  §au})t|)aftor  in 
Hamburg,  ber  beim  Äonfirmanbenunterric^t  auf  il^n  aufmerffam  tpurbc  unb  il^n  pm 
©tubicrm  bcftimmtc.  Slm  18.  2lJ)riI  1821  h)urbe  er  ©c^ülct  be^  Sreugg^mnajtum^  in 
©reiben,  unb  atö  toenige  3Ronate  barauf  fein  SBater  ftarb  unb  fo  bie  gelehrte  Saufbal^n  5 
beg  Änaben  emftlid^  gefä^rbet  h>urbe,  toar  eg  toieberum  ©d^mal^,  beffen  toarme  ©mpfe^« 
lung  il^m  too^ltooHenbe  (Sonnet  berf^affte,  fo  bafe  et  ba^  (St^mnafium  abfotoieren  unb 
im  3a^e  1826  mit  einem  3^9"^^/  t^^^  i^n  ate  omnino  et  prae  ceteris  dignus  be^ 
jeidj^nete,  bie  Unitoetfttät  2eij)jiig  bejiel^en  lonnte,  too  er  b\^  6nbe  1828  ftubierte.  9lac^ 
tooHenbetem  ©tubium  lebte  er  mel^rere  ^al^te  in  3)te«ben,  untettic^tete  an  toetfd^iebenen  10 
Slnftalten,  h>at  auc^  eine  3^it  ^^"Ö  (1831—1832)  6au«Iel^tet  bei  bem  §ofmarfc^aK 
®rafen  Suguft  Äarl  S3ofe.  2)urc^  Berufung  bom  2.  J^^niar  1834  h)urbe  er  Pfarrer 
in  efd^borf  bei  ©d^önfelb  untüeit  $iHni$  unb  Verheiratete  fic^  am  9.  Jvebruar  1834  mit 
§anna  3Rargaret^e  ßleonore  3KaIf^.  ©eitbem  verlief  fein  Seben^ang  fo  rul^ig  toie  nur 
mbQlxd).  3n  ben  einfachen  9!erl^ältnif|en  eine«  2anb))farrer«,  ol^ne  bon  ber  SBelt  faum  16 
ettoo^  mel^r  ju  feigen  aU  3)te^ben  unb  feine  Umgebung,  toitite  er  in  feiner  ©emeinbe, 
bi«  er  ju  SWtd^aeli^  1871  in  ben  SRul^eftanb  trat,  um  in  feiner  3Saterftabt  feine  legten 
Sebendjal^re  ju  verbringen.  6r  l^atte  ben  ©c^merj  gehabt,  im  3^^^^  1863  feinen  erft 
26  13a|re  alten  ©o|^n,  ber  Dr.  phil.  unb  Se^rer  ber  9laturh)iffenf^aften  toar,  ju  Ver- 
lieren, unb  mit  feiner  il^n  überlebenben  einzigen  3:oci^ter,  ber  treuen  Pflegerin  feinedao 
Stiterö,  nod^  in  ©fc^borf  feine  am  13.  3!)ejember  1868  Verftorbene  ©attin  ju  ®rabe 
}u  trogen. 

m  \üax  hjo^l  hjeniget  2tntegung  Von  ber  Univerfttät  l^er,   afö  eigene  5?eigung  unb 
Vorliebe  für  bie  ©efAic^tc  feinet  engeren  SSaterlanbe^,  bie   i^n   xn  ^iftorifd^jen  ©tubien 
fül(^rte.    3)ie  erfte  ©4rift,   mit  ber  er,   abgejel^en  von  mehreren  ©elegen^eit^reben,   feine  26 
f(^riftfteKerifc^e  2^^ätig!eit  begann,   galt  ber  ©rforfd^ung  ber  ©efc^ic^te  feiner  ^aroc^ie. 
Sm  ^af}xz  1840  erfc^ien  Von  i^m  ,,®fc^borf  unb  3)itter^baci^.    Seiträge  ^ur  fäc^fifc^en 
$)örfer*,    9lbel^,   Äird^ens  unb  ©ittengefc^ic^te",   tooju    er,  toaö  l^ier  fogleic^  ertoä|^nt 
fein   mag,  20  ^a^x^  fpäter  ©rgänjungen  ^erau^ab   unter  bem  ^itel  „Ueberliefcrungen 
fiUx  ©efd^id^te  Von  Sfc^borf,  2)itter«ba^  unb  Umgegenb,   1860".    ^cn^  erften  ©c^riftao 
folgten  in  rafd^er  fjolge  eine  ganje  Sleil^e  Von  arbeiten,   bie  fid^  atte  mit  ber  ©efc^ic^te 
ber  Sieformation  in  ©ad^fen  befc^äftigten.  „2:^omag  3)Jünj|er,  3!)re«ben  unb  Seipj.  1842". 
„5)ie  2eij)jiger  3)ie})utation  im  ^a^re  1519.    Dre^ben  unb  2eij)jig  1843."    „Karl  Von 
?Kiltij,    6ine  c^ronologif^e  Unterfud^ung,    3!)rcSben  1844".    3j"  bemfelben  "^af^x^  „®x^ 
läuterungen  gur  SRef ormation^gefc^ic^te  burc^  bi^l^er  unbefannte  Urlunbcn,  I)redben  1844".  S6 
»ferner  „Seiträge  jur  3leformation«gefc^id)te,  §cft  1,  1846"  (auc^  unter  bem  ^itel  „3)ie 
Sieformation^jeit  m  ©a4>fen  Von  1517—1539").    211«   er  im  ^af^re  1848   ba«   jtoeite 
Äeft  erfieinen  lie^,  fünbigte  et  ein  feit  längerer  3«it  ^anbfc^riftlicb  fertige«  umfängliche« 
ääerf  über  ben  „Sauemfeieg  be«  gal^re«   1525  im  ^ergogt^um  ©ac^fen"   an.    3111er 
Sßal^rfc^einlid^feit  nac^  ift  e«  il^m  ni^t  gelungen,    bafür   einen  Verleger  ju  finben,   mit  40 
3lu«na^me  einiger  33rud^ftüdfe,  bie  in  3^itf(^riften  ^ux  3Seröffentlicbung  famen,  ift  e«  nie 
erfc^ienen. 

Me  biefe  arbeiten,  unb  il^nen  toäre  nod^  eine  ganje  Slei^e  gleichzeitig  erfc^ienener 
äuffä^e  in  ben  verfd^iebenften  Slättem  unb  3cttfd^rtften  beizufügen,  —  beruF^ten  h)e|ent= 
lid(^  auf  fel^r  umfänglid^en  unb  getpiffenf^aften  ard^ivalifc^en  ^orf^ungen,  bie  für  ben  45 
^farrer  Von  ®fc^borf  nur  burc^  einen  gerabeju  erftaunlic^en  ^leif;  möglich  toaren  unb 
einem  unentwegten  ©c^affen«brang  entftammten,  ber  vor  femer  5Jlü^e  gurücffc^recfte. 
5E3enn  e«  nur  immer  fein  3lmt  erlaubte,  toanberte  er,  oft  3^ag  für  2^g,  nac^  3)re«ben, 
um  im  bortigen  ©taat«arc^ive  unb  in  ber  fc^önen  reichen  33ibliot^ef  ju  forfc^en  unb  ju 
Jucken.  Salb  toar  er  auf  bem  3lrc^iv  fo  m  §aufe,  toic  nur  irgenb  einer  ber  2trc^iVare.  bo 
aber  er  fonnte  [xd^  nie  genug  t^un,  für  i^n  gab  e«  immer  9leue«  ju  ergrünben. 

3m  ^a\)x^  1846  tourbe  il^m  bie  erfte  Slnerfcnnung  ju  teil,  al«  i^n  bie  2ei)3jiger 
tl^eologifc^e  götultät  bei  ©elegenl^eit  be«  SutJ^erjublläum«  jum  Lic.  theol.  honoris  causa 
freierte.  Unb  in  ber  Jotge  tourbc  bie  Sut^erforfc^ang  nod^  mel^r  al«  früher  fein  eigcnfte« 
gelb.  3)en  äußeren  Slnlafe  boju  gab  ber  Sluftrag  ber  SRcimerfd^en  3Serlag«buc^l^anblung  in  66 
Serlin,  bie  SSoHenbung  ber  ie  ffiettefd^en  ausgäbe  Von  Sutl^er«  Sriefen  gu  übernehmen. 
Dbtool^l  bafür  nur  fe^r  tocnig  vorbereitet  toar,  Vcrmod^te  er  e«,  auf®runb  feiner  reichen 
Sammlungen  unb  fjorfd^ungen,  au«  benen  er  fc^on  1843  an  ^e  SBette  manche«  mit= 
geteilt  ^tte,  in  bem  lurgen  3^i^i^öum  von  gtoei  $^al^ren  1856  ba«  Süerf  burd^  einen 
©cl^Iufebanb  gu  Vottenben,  ber  u.  a.  burc^  feine  forgfältigen  Stegifter  erft  eine  ioirllid;  all=  eo 


166  Seibemami 

feitige  äJcrtoertung  bcr  Sriefjammlung  ermöglichte,  ©d^on  brei  ^ai)x^  fpäter  fyittt  er 
toieber  fo  toiel  gefammelt,  ba|  er  eine  JJac^Iefe  toon  41  Sutl&erbriefen  mit  manchem  anberen, 
h)a«  er  bei  folc^en  ©elegenl^eitcn  eimuflecl^ten  liebte,  öeröffentlic^en  fonnte  („Sutl^erbriefe, 
l^erau^eg.  toon  3-  ^-  ©eibemann,  SDrcöben  1859").    3lx6;^t  hjenige  Seiträge   lieferte  er 

6  and)  ^u  bem  toon  Surf^arbt  (£eit)ji0  1866)  l^erau^eg.  8riefn>e(^fel  Sutl^er^.  3m  S^^te 
1872  burfte  er  bie  t)on  %,  ©d^norr  ö.  Garotefelb  toieber  aufgefunbene  §anbf(^rift  be^ 
für  bie  Äriti!  toon  Sut^er«  2:ifc^reben  fo  überaus  h)id[|tigen  ^^agebuc^sJ  öon  Slnton  £auter= 
hai}  ^erau^egeben.  (3)1.  2lnton  Sauterbac^d  Diaconi  ju  SBittenberg  ^^agebuc^  auf  ba^ 
^ai)x  1538,  bie  §au^tqueHe  ber  lifc^reben  fintier«.    2lu^  ber  Äanbfc^rift  i^erau^gegeben 

10  toon  3.  Ä.  ©eibemann,  3)re«ben  1872).  5)rei  ^al^re  fpäter  ließ  er  ein  35uc^  über  „2). 
3acob  ©d^enf,  ber  t)ermeintHc^e  äntinomer,  Jreiberg«  ^Reformator"  (fieipjig  1875)  er= 
fc^einen.  Unterbeffen  toar  er  aber  fc^on  toieber  mit  einer  anbern  großen  arbeit  befc^äf^ 
tigt.  3m  §erbft  be«  3al^re«  1874  entbecfte  er  auf  ber  2)re«bener  Sibliotl^ef  bie  bi^^er 
unbefannt  gebliebenen  ätteften  ^faIment)orlefungen  fiutJ^erö.    Slm  17. 3öttuör  1875  fc^rieb 

15  er  an  einen  rl^einifc^en  ^reunb:  „3^  l^abe  mic^  toirllid^  nic^t  getäufc^t,  in  Ms.  Dresd. 
A.,  138  toirllic^  fiutl^erö  aHererfte  ^orlefungen  über  bie  ^falmen  1513—1516  öon  feiner 
eigenen  ^anb  glüdftic^  aufgefunben  ju  i)abm,  3^  fc^reibc  ba«  ganje  fd^loer  leferlic^e 
S3uc^  ab,  ein  fc^toere«  ©tücf  arbeit  für  mein  äUter,  benn  ©aribalbi  unb  ic^,  to'xx  fmb 
beibe  1807  geboren,  unb  cö  ift,  um  ber  7  toiüen  in  ber  S^^^i^^^^  ^^^  wn^   nidj^t  biel 

•20  getoorben"  —  bieg  jugleid^  al«  Seifpiet  für  ben  oft  föftlid^en  §umor  in  feinen  citaten= 
reichen  Sriefen.  ©d^on  am  14.  Suguft  l^atte  er  bie  3lbfd^rift,  143  Sogen,  boHenbet,  eine 
ganj  erftaunlic^e  Seiftung,  toenn  man  bebenft,  mit  toelc^er  überaus  fc^toer  ju  entjiffemben 
^anbfc^rift  er  e^  ju  t^un  i}atU,  h>a«  au«  bem  ber  3lu^abe  beigegebenen  gafftmileblattc 
JU  erfe^en  ift.    3lfe  ber  erfte  33anb  berfelben  (fiutJ^er^  erfte  unb  ältefte  3SorIefungen  über 

26  bie  ^5f<^I"i^w  öw«  ^^w  3^^^^"  1513—1516,  ®re*en  1876)  erfc^ienen  toar,  tourbe  i^m 
bie  längft  öerbiente  (Sl^re  ju  teil,  bafe  er  toon  ber  tl^eologifc^en  ^atultät  )u  §alle  jum 
3)o!tor  ber  2^^eologie  honoris  causa  ernannt  tourbe,  toorüber  ber  alte  ßen,  bef|en3lr- 
beiten  in  feiner  Umgebung  nur  toenig  Seac^tung  fanben,  eine  toa^r^afte  finblic^e  greube 
l^atte,  toenn   er  au^  bie   nmt  SQBürbe   aU  eine  2)eforation  für  ben  ©arg   bezeichnete. 

90  äBietool^I  er  bag  70.  fiebcngjal^r  überfd^ritten  l^atte,  trug  er  fic^  nod^  mit  großen  ?ßlänen. 
©eit  lange  l^atte  er  öor,  eine  fritifdl^e  Bearbeitung  ber  2^ifc^reben  Sut^erö  l^eraugjugeben. 
3)aju  fammette  er  in  ben  legten  3<^^ren  mit  bem  Eifer  eineö  3ünglingg  bie  urf))rüng= 
liefen  Quellen;  unb  beinahe  toar  bie  ©ammlung  tooHenbet,  aU  er  nac^  turjer  Ärantl^eit 
am  5.  3luguft  1879  toon  feiner  arbeit  abgerufen  tourbe. 

86  3*"  Obigen  finb  nur  feine  größeren  Strbeiten  ertoäl^nt;  toie  reic^  unb  überaus  t)iel= 
feitig  feine  rt)iffcnfd^aftlicben  3ntereffen  unb  feine  fc^riftfteHerifc^e  3^bätig!eit  toar,  jeigt  ba^ 
3Serjeic^niö  feiner  Sluffä^e,  bie  %xani  ©d^norr  toon  ßarotefelb  ber  Seben^ffijje  be«  ber^ 
ftorbenen  J^reunbe^  beigegeben  b^t  (a.  a.  0.  ©.  102  ff.). 

©eine  ^iftorifcbe  SSegabung  l^atte  aUerbingg  i^re  ©c^ranlen.  ®am  abgcfe^n  baöon, 

40  ba^  fein  fpejififd^  t^eologifc^e«  3"t^^<^if^  "i^^  f^^^  Ö^ofe  toar,  fo  fel^lte  if)m  bie  ®abc 
ber  ^iftorifd^en  2)arftetlung,  aber  beffen  toar  er  ftc^  betou|t.  (gr  toar  gorfc^er  unb 
©ammlcr.  "Darin  fonntc  er  ficb  nic^t  genug  t^un,  unb  feine  ^reube  toar  bad  Gitat. 
9lic^t  immer  oerftqnb  er,  baö  SBicf^tige  tjon  bem  Untoid^tigen  ju  unterfc^eiben,  unb  feine 
Sudler  mit  il^rer  Überfülle  oft  bunt  aneinanber  gereifter  SRotijen  machen  einen  ettoa^  alt= 

45  fränfifd^en,  an  bie  ©efd^id^t^litteratur  frül^erer  30^^^""*^^^  erinnemben  Sinbrudt,  aber 
gerabe  burc^  ben  unermüblic^en  J^orfc^ung^eifer,  ber  auc^  ta^  Äleinfte,  bad  einmal  für 
bie  ©efc^icbtfd^reibung,  bie  er  gern  anberen  überliefe,  toerttjoll  fein  fönnte,  liebeöoH  beach- 
tete; unb  bur^  feine  peinliche  ^enauigleit  l^at  er  nic^t  SBenige^  ju  bem  neuen  unb  reid^en 
3)laterial  beigeftcuert,  auf  toel^em   ein   großer  2;eil  ber  Sut^er  unb  bie  lirc^lic^e  Slefor- 

60  mation  betreffenben  Slrbeiten  ber  lefeten  S^f^rjcl^nte  berul^t.  ©icber  toar  er  nid^t  nur  ber 
Segrünber  ber  mobernen  gutberforfcbung,  fonbem  auc^  lange  3eit  einer  ber  beften  Äenner 
ber  Seformationöjeit,  ibrer  ©efd^ic^te,  Sitteratur  unb  i^rer  Kultur,  ©eine  Selefen^eit 
unb  feine  ©pexialtenntni^  aud^  auf  aufeerbeutfd^em  ®ebiet,  ^umal  intereffierte  er  ftdS^  aucb 
für  fpanifc^c  JKeformation^gcfcf^ic^te,   fotreit  Oon  einer  folc^en  bie  fflebe   fein   fann,  hwr 

66  gerabe^u  ftaunenerregenb,  unb  mit  rü^renber  Sieben^toürbigfeit  unb  ©elbftloftgfeit  toar 
ber  ftetg  bienfttoiHigc  93lann  jeber^eit  bereit,  ben  tjielen  grofeen  unb  Seinen  ©elel^rten, 
bie  t)on  i^m  3lu«!unft  über  bicfen  ober  jenen  ^^Junft  toünfd^ten,  oft  o^ne  DanI  bafür  ju 
ernten,  feine  reid^cn  ©c^ä^c  ju  öffnen,  unb  fein  5luge  leud^tete,  \a  er  fonnte  gerabeiu  m 
jugenblid^en  @nt(;ufia^mug  au^bred^en,   tocnn  er  jemanben  fanb,   ber  aud^  an  ber  Älein- 

60  forfd^ung  ©efallen   fanb  ober  ber  gar  'Jieue^,  Wa^  i^m  entgangen,   entbedtt  l^tte.    iCer 


Seibemaiiti  Seftenloefen  in  Seatfd^loitb  157 

Heine  leb^fte  Wann  toax  ber  Z'qpn^  etned  eckten  beutfc^en  ©ele^rten  alten  ©c^Iaged^ 
au(^  feiner  äußeren  fiage  nac^;  er  f)at  nid^t  gerabe  9?ot  gelitten,  aber  toer  h>ie  ber 
Schreiber  biefe«  unb  biele  anbere  jüngere  gorfc^er,  um  ben  trefflichen  3Jlann  jjerfönlid^ 
fennen  ju  lernen,  fein  2)ac^ftübc^en  erfkieg,  h>ar  bod^  überrafcfit  bon  ber  ©infac^^eit  feine« 
3)afein$,  in  bem  er  fic^  tDol^I  fül^lte,  ba«  il^m  aber  nic^t  bie  ^Röglid^Ieit  gegeben  ju  6 
^aben  fd^eint,  auc^  au«h)ärtige  2lrc^ibe  ju  befuc^en.  2:^eobor  Äolbe. 

Si^tt  f.  b.  a.  ebom  S3b  V  ©.  164,3. 

S^Wiii  f.  b.  a.  ??etbgeifter  »b  VI  ©.  Iff. 

©del  f.  b.  2lä.  3Jlafee  unb  (Setoic^te  8b  XII  ©.  408,23   unb  (Selb  Sb  VI 
S.  477.  10 

Settenioefen  t«  Setttfd^Ioiib.  —  fiittcratur:  Fingern.  Älrc^cnblatt,  bcf.  In  ben  3a]^r= 
oängcn  1853,  1855,  1884,  1885  (»cr^anblungcn  ber  eifcnatftcr  Äir^cnfonfcrcnj  über  bie 
@e!tcnfrage) ;  ^crm.  Scftmibt,  3)ie  Ätrd)c.  3ftrc  biblift^e  Sbcc  unb  bie  gormen  iftrer  gcftftid^tl. 
(Srfdjeinunfl,  ßciwig  1884,  bcf.  @.  189 ff.;  ©.  SRo^nert,  Äirtftc,  Äirtftcn  unb  Seftcn*,  ficlpätg 
1900;  ^altner,  mt  ©emeinfdjaften  unb  8etten  Württemberg^,  Tübingen  1877;  ^re^ba^,  15 
Xie  prot.  @e!ten  ber  ©egenmart,  Carmen  1888;  (S.  ^alb,  ^trc^en  unb  Selten  ber  ©egenmart, 
Stuttgart  1905,  bef.  @.  519 ff.;  %xt  „Seften"  im  (Jalwer  X^col.  ^anbwörterbud)  ©b  II,  690 
0.  X^.  Ermann.  —  (J.  5.  Äod),  «llgem.  fianbre^t»,  IV,  162 ff.;  ^.  3f.  gacobfon,  Ueber  bie 
religlöfen  SKec^t^Der^ältnifte  ber  3)ifr!benten  in  ^reufecn,  tn3ÄSR  I,  392 ff.;  berf.,  @t).  ^rc^en- 
re*t  be«  ^reufe.  ©tanteS,  ^aOc  1864,  I,  124 f.;  132 ff.;  ö.  JRönne,  @taotSre(bt  ber  prcuft.  20 
iRonarcftic*,  II,  2,  151  ff.;  SRicftter=3)ooe*Äa^I,  Äircftenrecftt •,  6.  318ff.  —  3ur  ©tatiftlf: 
^.  ^teper,  Äirdjlitftc  ©tatifti!  3)eutf(^Ianb8,  greiburg  1899,  6.  90 ff.;  ^.  ^.  jhofc,  Äon* 
feffiondftatiftit  2)eutf4Ianbd,  Sretburg  1904,  8.  3  ff. ;  d.  ^irfd)felb,  d^efdiic^te  unb  ©tatifttf 
bed  ^iffibententumd  im  preug.  ©taate,  in  Settfc^r.  bed  tgl.  preug.  ftat.  ^ureaud  III  (1863) 
unb  IV  (1864).  26 

3l\d^i  um  bie  ßntftel^ung,  gefc^id^ttid^e  @ntn)idCelung  unb  @iaentümlic^Ieit  in  Se^re 
unb  Serfaffung  ber  berfcfiiebenen  ©eften  fotl  e«  ftc^  in  biefem  älrtilel  ^anbeln.  SBer 
borüber  äuffc^lufe  fuc^t,  fxnbet  in  ben  fpejieUen  3lrtifeln  ba«  ®rforberli(^e.  $ier  l^anbelt 
e«  ftd^  um  ba«  ©e!tenh)efcn  atö  ©ameg,  inbem  öerfud^t  hjerben  foU,  über  ben  Segriff 
„©elte",  über  bie  attgemeinen  ©ntftcpung^grünbe  für  biefelben,  über  bie  ©teüung  ber  ao 
ftaatli(^en  ©efe^gebung  ju  i^nen  unb  über  bie  3Jlittel  einer  ®egentt)irfung  gegen  fte  )i>on 
feiten  ber  Äirc^en  ju  |anbeln. 

1.  SBir  beginnen  mit  lurgen  33emerlungen  über  bie  ©t^mologic  be«  3Borte«  „©elte", 
3)ie  SeEilograjjl^en  leiten  ba«  3Bort  enth>eber  bon  sequor  ober  toon  seco  ab,   aber  bon 
seco  nur,  infofem  seco  =  sequor  ift.     ^n  ber  flaffifc^en  Satinität  bebeutet  e^   bie  86 
3)enfc  unb  §anblung«h)eife   ober  bie  Sebendtoeije,  bann   fpejieU  enttoeber  bie  j)olitifd^e 
Partei,  ber  man   angel^ört,   ober  bie  p^ilofopl^ifd^c  ©c^ule  unb  Slid^tung,  ber  man  [xd) 
anfc^liefet.    3!)ie  Sulgata  gebraucht  ba«  SBort  jur  Überfe^ung   bon   atgeoig  2t®  24,  5 
{rj  xwv  NaCcogalojv  aigeaig);   26,  5  (gartet  ber  ^P^arifäer);   28,22  (ij  aigeoig  avirj 
ate  Segeic^nung   be«  (Sl^riftentumg  in   jübifc^em  3)lunbe) ;    31©  24, 14  toirb  xard  ri]v  40 
6d6v  fjv  Uyovaiv  atgeoiv  überfe^t:    secundum   sectam  quam  dicunt  haeresim. 
Sin  biefen  ©teilen  bejeic^net   e^   einfacb   bie   religiöfe  SRic^tung,   bie    jemanb   ertoöl^lt 
^t.    ©ttoa^  anber^  toirb   ber  ©prad^gebraud(i   in  ben  ©riefen  be^  9leuen  2^eftamentö. 
2)a  bejeic^net  e«  in  tabelnbem  ©inne  bie  Slottenbilbung  innerhalb   ber  d^riftlic^en  ®es 
meinbe.     ©o  toerben  &a  5,  20  unter  ben  2Ber!en  be«  gleifc^e^  auc^  algiaeig,    sectae  45 
genannt,   l^ier  engften«  öerbunben  mit  rixae  unb  dissensiones ;  ferner  2$t2, 1:  bie 
$feubopro^l^eten  Tiaoeiod^ovoiv  aigeoeig  änokelag^   sectas  perditionis.     3(n  biefen 
©Ijrad^gebraudj^  be«  ^%%  ifai  fic^  ber  firc^lic^c  ©ebraud^  be«  SBorte«  angefd^loffen;   bgl. 
bei  August,  contra  Faust.  Manich.  XX,  3:  „secta  est  longe  alia  opinantem  quam 
ceteri,  alio  etiam  sibi  ac  longe  dissimili  ritu  divinitatis  instituisse  culturam.''  60 
35ie  laWj.  Äirc^e  ^at  jeboc^  bon  bem  SBorte  secta  nic^t   toiel  ©ebrauc^  gemacht.    ^I^r 
Äird^enred^t  bel^ält  ba^  griec^ifc^e  3Bort  haeresis,   haeretici   bei   unb   unterfc^eibet   bei 
^rennunaen,  bie  fi^  bon  ber  Äird^e  abfonbern,  bie  beiben  Äategorien  ber  haeretici,  bie 
fid^  ber  ^ße^autorität  ber  Äirc^e  entj^ogen  unb   neue  Seigre  ^aufgebracht  ^aben,  unb  ber 
schismatici,  bie  fic^  ber  ürc^lic^en  ^ierarc^ie  nic^t  unterorbnen:  ,,haeresis  perversum  56 
dogma  habet,   schisma   propter  episcopalem  dissensionem  ab  ecclesia  pariter 
separat"  c.  26  C.  24  q.  3  (nac^  §ieron^mui^).    3)ie  mittelalterlid^e  beutf^e  Sibel  über- 


158  Settenioefen  in  Sentfd^Ioiib 

fc^tc  aiQeoig  an  bcn  angebogenen  SibelfteHen  mit  „Irrtum"  ober  „fe^erci",  ober  in  St® 
26,5  mit  „orben";  nur  in  24,14  l&abcn  einzelne  3lu«gaben:  „nad)  ber  fect,  bie  fte 
l^eifjen  eine  fefeerei".  fiut^er  bagegen  bcl^ielt  in  feiner  33ibe[  ba«  SBort  bei:  ald  Sc^eid^s 
nung  ber  ßbriften  in  31®  24, 5:  „©eftc  ber  SRajarener",  24,14:  „bieferSBeg,  ben  fie  eine 

6  6efte  l^eifeen";  28,  22 :  „toon  bieferSefte  ift  und  funb,  bafe  il^r  toirb  an  atten  ©nben  toiber^ 
f)3roc^cn";  jur  33ejeic^nung  ber  ^^arifäer  31®  15,  5  unb  26,  5;  ber  ©abbujäer  5,  17; 
jur  Sejeic^nung  cnblid^  üon  ©(Haltungen  innerhalb  >er  G^riftengemeinbe  2  ^t  2, 1  „öcr- 
berblic^e  ©eften";  im  übrigen  bcbiente  er  fic^  jur  Überfe^ung  öon  algeaeig  be«  SEBorted 
„gtotten"  ®a5,  20:  „^Rotten,  Äafe,  3Rorb";  in  1  Äoll,  19:  „ed  muffen  Sotten  unter 

10  euc^  fein,  auf  baf;  bie,  jo  re(^tf(|affen  jinb,  offenbar  unter  euc^  toerben".  6benfo  übcrfe^e 
er  ol  dnodiogiCovreg  ^n  Id  mit  „bie  ba  ^Rotten  mad^en".  2)ad  ©örterbuc^  öon 
3ofua  3RaaIer  (^ictoriud)  „5)ie  leütfd^  fpraac^",  3üric^  1561,  erflärt  ©.  369  „Secft" : 
„Slnl^ang,  3)leinung  bon  bieten  angenommen,  toe^f;  unb  geftalt  jeläben.  Secta,  Haeresis". 
2Benn  in  biefer  enlärung  baö  2Bort  „Seite"  noc^  in  einem  fel^r  allgemeinen  ©innc  nac^ 

16  flafftfc^em  SSorbilb  genommen  hjirb,  fo  mufe  boc^  bead^tet  toerben,  bafe  Sutbcr  im  BpxaA-^ 
gebrau4>  feiner  ©c^riften  bad  SßJort  toefentUd^  in  bem  ©inne  gebrauste,  toie  cd  in 
2  ^t  2,  1  gemeint  ift.  (gr  bilbet  bie  3"fö»"»"^f^""0'  „©c^toärmer,  SRotten  unb 
©elten"  (j.  33.  Stifc^reben,  3ludgb.  görftemann^Sinbfeil  3,  351),  „©ecten,  Äe^erei  unb 
Sotten"  (est  30, 17),  „©ecten  unb  ©c^tpirmergeifter  (ebb.  40,266),  „^rrt^umb,  Sotten, 

20  ©ecten,  Äe^erei"  (ebb.  41,  20),  unb  ftel^t  bie  ©igentümlicfileit  bed  ©eftenmac^end  barin, 
bap  man  bei  Stnerlennung  bed  ©toangeliumd  boc^  jugleid^  „^i\üa^  aufrid(^tet,  bad 
ber  3[rt  nic^t  ift",  „Sebenle^re"  einführt  neben  ber  „rechten  Se^re"  (ßSt  52,  237). 
3ln  biefem  ©inne  h)irb  bad  SBort  h>eiter  33eft$ftanb  bed  fird^Ii^en  ©^rad^gebrauc^ed 
unb  Studbrud  für  beftimmte  Ürd^lic^e  @m)3finbungen  unb  Urteile.     @d  mu^  nämlic^ 

25  u.  6.  ber  ftaatdrec^tlid^e  unb  ber  firc^lic^e  Sprachgebrauch  unterfc^ieben  toerben.  ©taatd- 
red^tlid^  ift  ber  ®ebraud^  bed  Söorted  orientiert  an  bem  Sorl^anbenfein  ftaatlid(^  on^ 
erfannter  unb  „aufgenommener"  Äirc^en;  jebe  religiöfe  ®emeinfd^aft,  bie  nidj^t  ju  biefen 
J)rit)ilegierten  Äirc^en  gehört,  unb  neben  il^nen  Stufnal^me  ober  2)ulbung  begel^rt,  ift 
ftaatdrec^tlic^  eine  ©efte,  togl.  bie  Seftimmung  im  SBeftfäl.  ^rieben  §  7:   praeter  reli- 

90  giones  supra  nominatas  (fatl^.,  lut^.,  ref.)  nulla  alia  recipiatur  yel  toleretur.  @d  fe^It 
in  ber  ©egentpart  nic^t  an  Jl^eologen,  bie  bad  SBort  „©efte"  nur  in  biefem  ftaatdrec^ts 
liefen  ©inne  julaffen  tooüen;  fo  Soofd,  ©Emboli!  I  (1902),  ©.  74:  ,,®er  Segriff  ber 
,©elte*  ftel^t  in  unlöslicher  Sejie^ung  ju  bem  ber  ©taatdfird^e  unb  ift  nur  bon  l^ier 
an^  ju  crfaffen";  ä^nlic^  3)reh)d,  Äirc^lic^ed  S^ben  im  Äönigreic^  ©ac^fen  1902,  ©.295: 

35  „^d)  acce^tiere  ben  Studbrudf  ©elten,  infofem  aU  barunter  bie  nid^t  mit  Äor})orationds 
rec^t  berfe^enen,  ftaatlid^  nic^t  ,anerfannten*  Seligiondgemeinfc^aften  ju  öerfte^^en  finb". 
@d  fragt  fic^  aber  bod^,  ob  nid^t  neben  biefem  ftaatdrec^tlic^en  ®ebraud^  bed  SBorted 
ein  nä|er  befinierbarer  fird^Iicber  ®ebrauc^  nac^toeidbar  ift.  ©ntfc^ieben  jurüdteeifen 
muffen  tüir  bie  SSertoenbung  bed  SKorted,  toie  fie  und  in  ber  ©c^rift  bed  Stmerifanerd  2B.  $. 

40  %on,  A  Study  of  the  sects,  SJofton  1891,  p.  IV  entgegentritt,  ber  bort  fagt:  3)ad 
2öort  ©efte  fei  bie  J)affenbc  Se^eid^nung  für  bie  2^eile,  in  hjeld^e  bie  c^riftlid^c  Äirc^e 
t^atfäcIiücB  geteilt  ober  jerfcf^nitten  fei  (dissected),  ba^er  er  fämtlic^e  Denominationen  öon 
ber  griedt)ifcl>en  unb  römifc^en  Äird^e  an  bid  ju  ben  9)?ormonen  l^in  unter  ben  ©attungd^ 
namen  „©cften"  befafjt.    2)iefer  ©pracbgebrauc^  ftü^t  ftc^   auf  eine  falfc^e  St^mologie, 

45  ald  tvmn  ©efte  =  ©cftion  h)äre  unb  auf  bie  Sebeutung  „jerfc^neiben"  für  secare  jurüd« 
gcfül^rt  toerben  mü^tc,  iDiberfprid^t  au^erbem  bem  burc^  Sut^er  unter  und  Verbreiteten 
©inn  bcd  Söorted.  2)er  fird^Iic^e  ®ebraucf)  bed  SBorted  ftimmt  mit  bem  ftaatdrcc^tli^en 
nic^t  burc^aud  überein,  benn  ed  giebt  für  unfer  fird^lic^ed  @m})finbcn  fird^Iic^e  ®emeim 
fcbaften  mbcn  unb  unabE^ängig  Don  ben  ftaatlic^  privilegierten  Kirchen,  bie  toxx  burc^ud 

50  nid^t  a\^  ©eftcn  bcjeicbnen.  a^Ur  fönnten  und  ferner  fel^r  too^l  benfen,  bafe  bad  je^t  be^ 
ftel^enbe  3?cr^ättnid  bed  ©taated  ju  bcn  ebangelifc^en  Sanbedfirc^en  gelöft  toürbe  ober 
ba|  ber  Qiaai  ben  Unterfcf^ieb  jtpifc^en  ben  ancrfannten  ftirc^en  unb  ©eften  ftaatdrec^t« 
lid;  aufhöbe,  unb  tro^bcm  iDürbe  ed  für  unfer  ßnipfinben  noc^  ®emeinfcbaften  gÄen,  bie 
toir  mit  bem  ©eftcnnamen  be^eid^neten.    '^m  firc^licf^en  ®ebrauc^  bed  SBorted  liegt  immer 

55  ein  tabetnbed  Urteil  bei  feiner  Stntocnbung  audgefproc^en.  ©d  ift  bie  Stnflagc  barin 
entBalten,  ba^  in  unberechtigter  STlNcife  ber  gricbe  ber  iiirc^e  burcb  Stbfonberung  gcftort 
toerbe,  unb  ba§  ber  ©eift,  ^cr  jur  Stbfonberung  treibe,  ein  ber  beutfcben  Deformation 
frembcr,  bahcr  ber  Äircbc  feinblid,>er,  il^r  entgegengcfe^tcr  fei;  unb  jtoar  ift  babei  bie 
Äircbe  nid^t  ald  ©taatdtird)e  ober  t)om©taate  primlegierte  gebac^t,  tool^I  aber  otdSolfds 

eofirc^e,  bie  fraft  gefc^ic^tlic^er  gnttDictetung  bie  Stufgabc  religio jer  unb   jittlic^er  arbeit 


Sfttenioefeti  in  Sentfd^Ianb  159 

am  33oIf^anjcn  auf  ftc^  genommen  l}at  ©enn  \d)  rec^t  fel^e,  toirb  ba^  Urteil,  bafe 
eine  ©emeinfd^aft  „Seite"  fei  unb  in  ii^r  ein  „feftiererifc^er"  ©eift  h)alte,  toefentlic^  ba 
ongetoenbet,  too  ung,  um  eö  furj  auöjubrücfen,  ber  bonatiftijc^e  Äird^enbegriff  ate  treibenbe 
Äraft  entgegentritt,  h)o  über  ber  g^J'^i^^^^Öf  "^'^^  beilige  ©emeinbe  bar^ufteßen,  bie  Sttts 
gcmein^eit  ber  Äird^e  jurücfgefteüt,  bie  Solfefircfce  ba^er  mel^r  ober  toeniger  aU  ein  95abel  6 
angefel^en  toirb,  öon  bem  man  fic^  abfonbern  muffe,  unb  ba«  gefc^ic^tlic^  ©etoorbenc  an  ber 
®eftalt  ber  Äird^e  gering  gead[|tet  h>irb.  3)ie  Slntoenbung  be«  Urteife,  bafe  ^ier  „Settc" 
fei,  toirb  ber  eimelnen  religiöfen  ©cmeinfd^aft  gegenüber  oft  ethjag  ©ubjeftiüe«  an  fic^ 
tragen,  in  manchen  SJäHen  toirb  unfer  Urteil  fc^toanfen;  aber  eö  erhellt  auc^  üon  ^ier 
au«,  h)ie  toir  baju  fommen,  auc^  eimcine  5RitgIieber  unferer  2anbe«firc^en  nac^  i^er  lo 
©inne^art  unb  ben  2:enbenj|en,  bie  fie  Verfolgen,  atö  „©eltierer"  ju  bejeic^nen.  ^um 
SBergteic^  feien  folgenbc  me^r  ober  toeniger  abtoeic^enbe  Scftimmungen  be«  3:ermmu« 
„Seftc"  angefü^ :  ©ifenac^er  Äonferen^  1855 :  „©emeinfc^aften,  toelc^e  unter  Drganifierung 
eine«  i^nen  eigenen  fic^ramte«  unb  SRegimente«,  ober  boc^  unter  S^rennung  t)om  fir^Iid^en 
Stegiment  unb  Sel^ramt,  fic^  in  Segug  auf  Seigre  unb  Selenntni«  mit  feiner  ber  burd^  15 
ben  toeft^^älifc^en  grieben  unb  nac^^er  in  2)eutfd)lanb  öffentlich  anerfannten  Äirc^en  in 
Übereinftimmung  befinben  unb  fic^  toom  33efenntni«  biefer  ftird^en  lo«gefagt  l^ahm'*  (äUg. 
Äirc^cnbl.  1855,  ©.  419f.);  Äliefotl^:  „äbfonberung  öom  Äir4enför})er  auf  ®runb  falfc^cr 
2e^rc"  (ebb.  1884,  ©.344);  ^almer:  „5Wur  eine  ©emeinfc^aft  religiöfen  ©lauben«  unb 
Seben«,  bie  im  ftanbe  \%  ein  ganje«  SSolföleben  ju  burc^bringen  unb  eine  toeltgelc^ic^t^  20 
lic^c  5ßotenj  ju  Serben,  lann  at«  Äirc^e  ancrfannt  toerben,  oüe  übrigen,  bie  fid^  um 
einzelne  ^äujjtcr  fammeln,  beren  abfonberlic^e  ^Meinungen  annehmen,  bie  aber  Diel  ju 
Hetntic^  unb  fubjeftib  finb,  um  tocttgefc^ici^tlic^  unb  bolfötümlid^  ju  toerben,  finb  unb 
bleiben  ©eften"  (I)ie  ©emeinfc^aften  unb  ©eften  Württemberg«  ©.10);  Slol^nert:  „©efte 
ift  eine  meift  Meine  5leligion«gefeIIfc^aft,  toclc^e  bei  einfeitigem  §erau«reifeen  unb  Setonen  25 
einzelner  Seljfrftücfe  öon  ber  red^tgläubigen  Äird^e  abtoeic^t  unb  [xd)  bon  il^r  burc^  3rr- 
leieren  abfonbert,  toobei  faft  immer  ba«  Seftreben  l^erbortritt,  eine  ftc^tbare  ©emeinbe  Don. 
toa^^ft  SBiebergeborenen  barjufteHen,  unb  eine  ben  öfumenifc^en  ßbarafter  ber  Äird^e 
mifead^tenbc  ßng^erjigfeit  unb  Unbulbfamfeit  fid^  funbgiebt"  (Jtirc^e,  itirc^en  u.  ©eften*, 
©.  135f.);  $.  ©cbmibt:  „Unter  ©eften  berftel^en  toir  fotc^e  religiöfe  ©emeinfd^aften,  90 
toeldj^c  im  ©egenfa^  jur  Äatl^olicität  au«fc^lie^lid(i  in  ber  §erftellung  eine«  l^eiligen  SJolIe« 
ba«  3beal  feigen,  ba«  fte  anftreben"  (2)ie  Äir^e  ©.  192). 

2.  3)ie  ®emeinfc^aftcn,  bie  in  3!)eutfc^lanb  neben  ben   eöangelifd^en  Solf«^  unb 
£anbe«firc^en  ejiftieren  ober  jeittoeife  ejiftiert  |aben,  jerf allen  in  fe^rt)erfc^iebenen®nH)pen: 

a)  3"»iö(i^ft  pnfe  ©emeinfc^aften  ju  nennen,  bie,  in  anberen  ienitorien  Verfolgt,  36 
l^ie  unb  ba  Slufnal^me  unb  3"P"^^  gefunben  l^aben  unb  bann  in  bem  ®ebiet,  h>o  man 
fie  aufnal^m,  ii^r  eigene«  Äird^entoefen  aufrichten  burften.  §ier^er  gel^ören  j.  33.  SSäaHonen 
unb  f^anjofen  au«  bem  ®ebiete  be«  6albini«mu«,  SöJ^mifd^e  darüber,  bie  nac^  Siolen 
eingetoanbert  toaren,  SBJalbenfer  in  SBürttemberg.  «Jpier^er  gel^ören  bor  allem  auc^  bie 
3Rennoniten  (2aufgefmnten).  ©emeinben  biefer  3trt,  bie  B^flud^t  fuc^enb  in  ebangelifd^en  40 
2Ienitorien  aufgenommen  tourben,  finb  meift  t)on  ben  entf})rec^enben  2anbe«fir(|en  aßs 
mäl^lic^  angegliebert  toorben,  fo  nod^  im  19.  ^öl^r^unbert  jene  Sö^mifc^en  33rüber=®emeinben 
in  ber  ^roöinj  ^ofen  al«  Unität«gemeinben  mit  getoiffen  ©onbened^ten  öon  ber  j)reufe. 
Sanbe«Me  (9legl.  b.  25.  Sug.  1796  unb  Rab.D.  \>.  30.  SDea.  1831).  Slber  aud^  too 
fie,  toie  bie  5Kennoniten,  au«  ®rünbcn  ber  Seigre  unb  ber  3?erfaffung  i^re  ©onberejiftenj  46 
behalten  mußten,  unb  nic^t  me^r  al«  ^btn  95ulbung  fanben,  toirb  man  fie  nac^  firc^* 
lid^em  ®mj)finben  fc^toerlic^  al«  ©eften  bejeic^nen  trotten;  benn  fie  finb  nac^  i^rer  ^tt^ 
fünft  gor  nic^t  2lbfonberungen  bon  unferen  ebangelifd^en  ftird^en,  neben  benen  fie  je^t 
befte^en,^  unb  Ijfaben  auc^  nie  bie  3:enben5  gel^abt,  projjaganbiftifc^  ben  33eftanb  biefer 
Äirc^  ju  gefä^rben.  ©ie  l^aben  3"P"^^  9^fuc^t  unb  begehren  nur  ba«  eine,  im  ^rieben  50 
nac^  ben  2^rabitionen  il^rer  ®emeinfc^aft  leben  ^u  fönnen.  ^n  getoiffem  ©inne  ift  auc^ 
bie  §erml^utifc^e  33rübergemeine  ^ier^er  ju  red^nen,  infofem  bie  ©rünbung  öon  ^errn^ut 
burc^  bie  Slufnal^me  unb  3lnfiebclung  üon  3)läl?rifc^en  Srübern  toeranlafet  n^orben  ift 
unb  ®raf  3injenborf  in  feiner  ®emeinbeorganifation  eine  (gmeuerung  ber  alten  Srüberfirc^e 
erftrcbte.  $amit  berbanb  fic^  freiließ  ber  anbere  ®ebanfe,  innerl^alb  ber  eDang.  3?olt«firc^e  66 
einzelne  ©emeinben  burc^  eine  befonbere  ©emeinbeberfaffung  ju  einem  reicheren  ©emein^ 
fc^aft«leben  unb  bamit  ju  2cben«3entren  für  ba«  ftird^enganje  ju  geftalten.  äJon  ber 
Äird^c  Äurfac^fen«  ift  er  genötigt  Sorben,  biefen  aSerfu^  ni6)t  innerl^atb  ber  a?ülf«fird[)c, 
fonbem  neben  berfelben  jur  3lu«fü^rung  ju  bringen.  Damit  toar  bie  SKoglicbfcit  ge- 
geben, ba^  bie  SSrübergemeinc  jur  ©efte  tourbe,  unb   fie  ^at  auc^  eine  3^it  gehabt,  in  eo 


160  ®clte«loefea  in  Setttfd^Ioitk 

ber  biefe  W6Ql\d)Uxt  SBirflic^Ieit  tpcrben  hJoHte;  aber  biefe  ®efal^r  l^at  fic  übertounbcn, 
unb  i^re  ©teüung  neben  ber  2anbe«!irc^e  tft  bo^er  niel^r  unb  me^r  bic  eine«  frieblic^en 
Seifammenleben«  in  öeßenfeitigem  äu^taufd^  ber  ®aben  geiporben,  fo  bafe  e«  un« 
l^eutigentage«  toöttifl  fem  liegt,  in  ü^r  eine  (Seite  ju  erblidten. 

6  3)en  glü(^tling«gemeinben  früherer  S^^^^'^""^^^/  ^^^  wm  Sufnai^me  baten,  ents 
fprec^en  unter  öeränberten  SSerl^ältniffen  ber  ©egentoart  bie  ^embling^gemeinben,  bie  ftd^ 
befonber«  in  ben  ©ro^äbten  gebilbet  ^aben,  anglifanifcfie,  ))re«b^teriamf(i^e  u.  f.  lo.  ®e= 
meinben,  mit  bem  3*^^*/  ^^^  i"  gtofeen  ©täbten  bauemb  ober  Dorübergel^enb  fic^  ouf- 
l^altenben  Äirc^engenoffen  ürd^Iid^  ju  bebienen.    S«  h>irb  niemanb  einfallen,  berortige 

10  ®emeinben  afö  ©eften  ju  beurteilen. 

b)  6ine  anbere  ®nH)))e  ift  ate  bie  ber  Se^jarationen  gu  bejieidj^nen.  Solcher 
2;rennungen  l^at  bie  Äird^engefc^id^te  bc«  19.  ^ö^^^wnbert«  eine  ganje  Steige  Don  größerem 
ober  fleinerem  Umfange  un«  gebracht.  Unter  biefen  laffen  fic^  jtoet  Slrten  unterifc^eiben: 
bie  einen  entftanben,  fobalb  in  einer  £anbe«!irc^e  auf  bem  ®cbietc  ber  aSerfqffung  ober 

16  be«  9{itu«  33eränberungen  fid^  k^oUgogen,  inbem  eine  Minorität  in  biefen  änberungen 
nic^t  eine  naturgemäße  ^ortenttüidelung,  fonbem  eine  i^r  ®eh>iffen  bebrüdtenbc,  bie 
®runblagen  ber  Äirc^e  alterierenbe  Steuerung  fa^en.  ©o  öor  allem  au«  Sfniafe  ber  @in= 
fül^rung  ber  Union  gtDifc^en  lutl^erifc^en  unb  reformierten  Äirc^en  unb  ber  Sinfü^rung 
einer  Union«agenbe  (in  2Ht))reufeen)  ober  bei  ber  SSereinigung  ber  Äird^enbel^örben  lut^e- 

20  rifd^en  unb  reformierten  Gl^arafter«  ju  einer  einheitlichen  Sel^örbe  (in  Reffen).  3Cber  auc^ 
toeit  geringere  änberungen  fonnten  ju  @e))arationen  2lnlafe  geben,  fo  bie  ätbänberung 
ber  2:rauformeI  nac^  ßinfü^rung  ber  bürgerlichen  Sl^efcfiliefaing  (in  ^annoöer) ;  ftnb  boc^ 
fogar  lolale  SlbfpHtterungen  einft  erfolgt,  al«  ©c^ulbel^örben  bie  S3ibel  afe  Scfcbuc^  au« 
bem  beutfc^en  Unterrid^t  ber  9?oI!«fc^ulen  entfernten  unb  bafür  ein   beutfc^e«  Sefebud^ 

26  einfüi^rten  unb  nun  ®emeinbeg(ieber  fic^  nic^t  au«reben  liefen,  ba^  bie  £anbe«ttrc^e  bamit 
anfange  „bie  Sibel  abjufiaffen."  2lber  neben  ben  ©e))arationen  au«  Stnlafe  Don  3Jlafe- 
nahmen,  bie  eine  gange  Äird^e  betreffen,  bie  baljfer  auc^  bie  lenbenj  in  [\d)  tragen,  in 
bem  gangen  Jtirc^engebiete  ftd^  au«gubreiten,  ftel^en  ga^Ireic^e  ©e))arationen  rein  (ofalen 
unb  ba^er  auc^  ej)l^emeren  G^arafter«,   meift   baburd^   l^ert)orgerufen,  bafe  ein   etnjelner 

90  ®eiftlid^er  mit  feiner  Äirc^enbel^örbe  in  Jtonflift  gerät,  einer  Stnorbnung  au«  ®eh)iffen«= 
grünben  meint,  ben  ®e^orfam  toerloeigem  gu  muffen,  unb  bal^er  al«  renitent  entlaffen 
toirb.  3ft  ein  fold^er  eine  fraftboKe  ^erfönlic^feit,  bann  toirb  e«  iljfm  tool^I  gelingen, 
einen  ^eil  ber  ©emeinbe  in  feinen  SBiberftanb  mit^ineingugiel^en  unb  ein  eigene«  Äirc^- 
lein  aufguric^ten.    §äufig  fud^t  bann  ein  folc^er  feinen  2lnfd^lufe  bei  einer  bereit«  befteJ^en^ 

36  ben  ©ejjaration,  anbemfaU«  toirb  ftd^  eine  fold^e  älbflilitterung  nur  furge  ^Ät  galten 
fönnen.  211«  eine  ©e^jaration  au«  2tnlafe  einer  in  ber  Äirc^e  ficb  öougiel^enben  SBanblung  ift 
nac^  i^ren  Anfängen  auc^  bie  fog.  „lic^tfreunblid^e"  Seloegung  gu  beurteilen,  in  toelc^er 
bie  toom  9lationaIi«mu«  gro^  gegogene  äufflärung  getoiffer  Sürgerlreife  unter  gfü^ung 
Don  freifinnigen  ©eiftlic^en  fic^  gegen  ben  lirc^Iic^en  ®eift,  ber  in  ben  jjreufeifd^en  Äird^en^ 

40  beworben  tpieber  gur  §errfc^aft  gelangt  loar,  proteftierenb  erl^ob.  §ier  erfolgte  aber  nac^ 
bem  3Iu«tritt  au«  ber  Äirc^e  in  rapiber  ©nttoidfclung  ein  fo  toöUige«  ^rei«geben  ber 
®runblagen  alle«  ß^riftentume«,  bafe  biefe  ©eparation  auf  ben  Flamen  einer  d^ri^lic^en 
nic^t  mebr  3lnfj)ruc^  ergeben  tonnte,  ba^er  aud^  nic^t  ethja  meF)r  al«  eine  ©cfte  ber 
etoangelifd^en  Äird^e  begeic^net  toerben  fann. 

46  3*1*^^^*^^^^  ©ej)arationen  ber  borbegeic^neten  Slrt  unter  ben  Segriff  „©efte"  fallen, 
ift  fe^r  umftritten.  6«  fommt  babci  in  Setrac^t,  ob  man  il^rem  SBiberftanbc  gegen  bie 
^ortentlDicfelung  in  ber  Äirdbe,  um  beren  toillen  fie  ftcb  trennten,  ein  (tooUc«  ober  b^ingte«) 
iHec^t  guertennt;  unb  tveiter,  ob  bei  i^rem  3lu«fc^eiben  i^r  Äirc^enbegriff  felbft  eine  Um= 
bilbung  in  ber  ^)iic^tung  jum  J)onati«mu«  ^in  erfahren  i}ai]  ob  fie  auc^  nac^  i^rem  3Cu«s 

eofd^eiben  noc^  ben  ©inn  für  bie  bolf«firc^lid^e  2lufgabe  fic^  behja^rt  l^aben;  femer  ob  fte 
nod^  im  ftanbe  fmb,  an  ber  tl^eologifc^en  ^ortarbcit  ber  ^zxt  teilgunel^men,  ober  fic^  t^eo^ 
logifd^  böUig  abfd^licfjen  unb  bamit  au«  ber  geiftigcn  Setoegung  ber  etoangelifcben  il(^eologie 
au«fc^eiben  unb  baburd;  feften^aft  rrerben.  (2luc^  eine  2anbe«firc^e  fann  fw^  felbft  gur 
©efte  begrabieren,  fobalb   fie  i^re  ®ciftlid^en  t)on  bem  Äonne^  mit  ber  fjortenttoidtelung 

66  ber  ^l^cologie  abfperrt.)  3Sgl.  2)ot)c:  „Separationen,  tocld^e  auf  bem  95oben  ber  beutfd^en 
Sieformation  beharren,  fallen  nid^t  nottocnbig  unter  bie  für  ©cf ten  ma^gebenbe  Seurteilung". 
(ättgem.  i^ird^enblatt  1884,  ©.  344.) 

c)  3!)ic  britte  &xvi\>p^  t)on  ©onberbilbungen,  auf  bie  ungh)eifelbaft  bie  S3eaeic^nung 
„©elte"  aintoenbung  finbet,  ift  unter  un«  entftanben  burc^   bie  ^n^ofion   engtifc^sameri* 

Go  fanifc^en  2)iffenterc^riftentum«  in  bie  3Solf«tirc^en  ber  beutfc^en  ^Reformation,   ^ier  ^Kmbelt 


Settesioefen  in  Sentfi^Ioitb  "  161 

c^  m  nic^t  um  Ircnnunöen  auf  ®runb  bcr  inneren  (Sejc^ic^tc  biefer  Hirc^en  felbft, 
fonbem  SSertrctcr  eine^  anbem  Äird&cnbcflriffd,  anberer  ätnf^auungcn  über  ben  ^eifetpcg, 
anbcrer  ^^ömmiöleitöibcalc  pnb  nac^  2)cutfd^lanb  ^erübergefornmen,  l^aben  unfere  Kirchen 
al^  il^r  ^JKiffton^ebiet  angefe^en,  fuc^en  für  i^re  Slnfc^auungen  erlüecfte  ©lieber  unferer 
©emeinbcn  ju  getptnnen  unb  ge^en  bann  bagu  über,  biefe  unfern  ©emeinben  abtoenbig  6 
j^u  machen  unb  ju  ©onbergemeinfc^aftcn  jju  bereinigen.  3)ie^  öinübertpirfen  englifc^s 
amerilanifc^er  ^ro))aganba  ift  g.  3-  für  unfere  Äirc^en  bie  eigentliche  ©eltengcfal^r,  mit 
ber  toir  e«  ju  tl^un  ^aben.  Unb  jh>ar  l^anbett  e«  ftdf»  um  eine  ©efa^r  boppelter  3lrt: 
einmal  barum,  bafe  unfern  ©emeinben  lebenbige  ©lieber  entzogen  toerben,  aber  baneben 
um  bie  öielleid^t  nod^  größere,  bafe  hjeitere  Äreife  gläubiger  unb  Ürc^lid^  interejperter  lo 
©emeinbeglieber  Don  geh)iffen  ©ebanlen  unb  gbealen  jener  ß^riftentumdauffaffung  beein« 
flu|t  toerben  unb  baburd^  in  unfere  Hirc^en  felbft  ein  ben  et)angelif(^en  SJolfötird^en  frember 
©eift  hineingetragen  h>irb  unb  aU  ein  ©lement  ber  Stuflöfung  unb  3^^"W0  i"  biefen  h>irl- 
fam  toirb.  Diefe  ©emeinfc^aften  englifc^samerifanifc^en  Urfprungeö  »Deichen  unter  fic^ 
felbft  mannigfad^  ab.  Slamentlid^  mufe  bie  ,,3lj)oftolifc^e"  ©emeinbe  ber  fog.  S^^^ingianer  15 
ald  ein  ©ebilbe  gang  eigener  3(rt  t)on  benen  unterfd^ieben  Serben,  bie  unmittelbar  ober 
mittelbar  ü^re  geiftige  ^^^fiognomie  ber  metlf^obiftifcfien  ErtDedtung  fenglanb«  im  18.  S^i^r* 
^unbert  toerbanlen.  So  fe^r  alfo  auc^  Unterfc^iebe  gemacht  toerben  muffen,  fo  ift  bo<^ 
ba^  ©emeinfame  eine  Don  aufeen  ^er  über  un«  ^ereingebrod^ene  ^ropaganba  eine^  auf 
anberem  Soben,  bei  anberem  38otföc^arafter  unb  unter  anberen  3Ser^ältnifJen  enttoidelten  20 
Sl^riftentum^.  (^er  ^tet^obi^mud  trägt  in  älmerita  ben  ©^arafter  einer  ilirc^e;  bad 
^inbert  nic^t,  bafe  er  unter  unö  fic^  ate  Seite  bemerlbar  mac^t.) 

3.  SQäenn  man  nac^  ben  Urfad^en  fragt,  aue  benen  bie  ^uneigung  lebenbiger 
©lieber  unferer  ©emeinben  ju  ber  $ro))aganba  bee  Seftentum«  ftdj  ertlärt,  fo  ift  e« 
m.  (S.  ein  3^^w"^#  \o^x\xi  man,  toie  l^äufig  gefc^ie^t,  babei  in  erfter  fiinie  bie  ettoof  in  25 
Setrac^t  fommenben  Sonber lehren  ber  einzelnen  Denominationen  in  33etrac^t  giei^t. 
2)ic  Slnjie^unggfraft  bc«  Seftentum^  h>iU  Diel  tiefer  erfafjt  fein.  6«  barf  nic^t  toerfannt 
merben,  bafe  in  jebem  SSoltefirc^entum  untoermeiblid^  eine  ftarle  Sjjannung  toor^anben  ift 
jtoifc^en  bem  religiöfen  Äirc^enbegriff  unb  bem  empirifc^en  Swf*^"^  ^^  ©emeinben.  3)ic 
^^olföfirc^e  ift  (Sriie^erin  be^  ©efd^led[|td,  unter  bem  fte  befte^t.  ^x^  ^arod^ialgemeinben  so 
Dercinigen  Iird(^lic^e  unb  unfird^üc^ie,  lebenbige  unb  tote  ©lieber.  9tuö  biefen  SSer^ält^ 
niffen  lodt  bie  Sefte  gerabe  bie  lebenbigen  ©lieber  ^erau^,  inbem  fie  i^nen  eine  ©emein^ 
fc^ft  üon  lauter  lebenbigen  ß^riften  öerlodfenb  in  älue^fic^t  ftellt.  3!)ie  SSolföfird^e  mufe 
oudj^  auf  ben  berfc^iebenen  Stufen  il^rer  Serfaffung  Seute  jur  SKitarbeit  in  ben  ©emeinbe« 
tird^enräten  ober  ^ßre^b^tericn,  S^noben  u.  f.  h).  julaffen,  bie  j^n^ar  einen  geipiffen  3"*  86 
fammen^ng  mit  i^rer  Äirc^e  nad^lpeifen  lönnen,  beren  pofitiü  geiftlid^e  Dualifilation 
aber  nic^t  unterfuc^t  h>irb  unb  oft  jtoeifell^aft  ift.  ^iaturgemäß  f))ielt  in  biefen  SSer^ 
tretungen  bie  3wg€^örigfeit  ju  ben  §onoratiorcn  ber  ©emeinbe  oft  eine  größere  SRoHe 
atö  bie  3ugel^örigteit  ju  ben  jtinbem  ©ottet^.  9(ud^  l^ier  liegen  Slnftöfte  bor,  bie  ber 
^roiKjganba  be«  Seftentume^  gu  ftatten  fommen.  3"  i^ertoorragenbem  SKa^e  aber  ift  40 
überall  ba  für  bie  Sefte  ein  günftigcr  Sobcn,  too  ^aftoren  einer  Äirc^e  öon  ben  ertoedtten 
©emeinbegliebern  nid^t  al^  geeignete  Seelenfü^rer  anerfannt  tperben,  h)o  fie  burc^  i^re 
£el(^re  ober  burd^  il^re  ganje  toeltförmige  Seben^^altung  ober  burc^  fiäffigfeit  in  i^rer  ämtd- 
fü^ung  3lnfto6  geben.  %(ki\x  fommt  ba«  Sebürfnig  Dieler  (Elften  nad(|  engerer  ©emein« 
f(^aft  mit  ©leid^gefinnten  unb  ©leic^geftimmten,  ba^  Verlangen  nad(|  einer  reicheren  45 
Sefriebigung  il^rer  religiöfen  Sebürfniffe,  nad^  ©etegen^eit  gur  3tu«fprad(|e  über  gragen 
be^  inneren  %z\itx^.%  ober  über  ba«  rechte  aSerftänbniö  Don  Porten  ber  ^l.  Sd(|rift.  35iefe 
3Ser^ältniffe,  biefe  unbefriebigten  Sebürfniffe  bal;nen  ben  Selten  ben  SBeg  in  unfere  ©e« 
meinben  hinein.  @«  ift  babei  relatiD  nebenfäd^lic^,  ob  nun  bie  3Jlänner,  bie  fold^en 
©emeinbegliebern  in  iljrem  ÄonDentifel  bie  äefriebigung  atter  i^rer  fird(|lic^en  unb  geift«  50 
lid(^en  Sebürfniffe  anbieten,  jugleic^  baptiftifd^c  ober  met^obiftijc^e  Sefonberl^eiten  mit= 
bringen,  ober  ob  fte  ettoa  c^itiaftifc^e  unb  montaniftifc^e  Sonberle^ren  au^ftreuen.  Die 
änjiel(^ung«traft  ber  Sefte  ift  in  erfter  Sinie  bie  enge  geiftlid^e  ©emeinfd(|aft,  bie  fie  bietet. 
Den  genannten  ^aujjtfäd^lid^en  Urfacfjen  laffen  fic^  (M  fernere  ©rünbe  jur  SIbfonberung, 
gang  abgefe^en  Don  ben  nur  ju  l^äufig  mitfDielenben  „unlauteren  aWotiDen  ber  9leuerung«c  55 
fud(^t,  religiöfer  SWobe^  unb  ©enufjfuc^t,  geiftlicf^en  §oc^mut«,  ber  Übergebung  über  ba« 
Xxxißil  georbnete  3lmt,  ßl^rgeig  unb  Sled^tl^aberei"  noc^  folgenbc  ^ingufügen:  Ungebulb 
unb  Unjufriebenl^eit  gegenüber  ben  3uftänben  in  ben  Sanbeöfird^en ;  ^JJtifjtrauen  in  Segug 
ouf  il(^re  ou«  bem  mobernen  j)oliti|^cn  ^t\i^XK  entlehnten  Serfaffung^beftimmungen  foit)ie 
auf  il(^re  bureaufratifc^en  gormen;   aSiberipiÜe  gegen   bie  3ßerfloc^tenl^eit  ber  Äird^e  mit  eo 

9iea(«<hic4fIopäb{e  für  2;^eolo0ie  unb  mx^t.    3.  2(.  xvill.  \  \ 


162  ^ettenioefett  in  ^entfil^Ioitk 

bcm  Btaat  unb  i^rc  manniafaltigc  SlbJ^ängigfeit  t)on  il^m;  Unfic^er^eit  ober  befangene 
ängftlid^Ieit  betreffe  ber  aiufred^ter^altunö  be«  Säcfenntniffe«  („tbr  f^abt  feine  Sel^rjudj^t!") 
ober  ber  d^riftlic^en  J)i«jij)Iin  in  ben  Sanbe^fird^en  („il^r  l^abt  feine  Äird^enjuc^t!");  ber 
Slnftofe,  ben   eine  an  bie  alte  3nf})iration^lel^re  gebunbene  ®emeinbeortl^obo|ic   an   ber 

5  ®nth>i(felung  ber  J^eologie  nimmt,  ba^er  ba^  5Ki|trauen  gegen  bie  auf  ben  Unitoerfitäten 
öon  „ungläubiger"  2Biffcnfc^aft  infizierten  ©eiftlic^en;  Untenntni«  unb  3Rifetoerftönbni^ 
be«  ebangelifc^en  §eil^Iauben«,  namentlich  ber  Seigre  toon  ber  Slec^tfertigung,  bie  mit  ber 
Heiligung  toermifd^t  h)irb;  metl^obiftifc^e  SSorfteKungen  über  ben  §eiligh)eg;  Unterf(bä|ung 
ber  Sebeutung  ber  Äird^e,  il^reö  9lmteö,  il^rer  ©aframente  unb  Drbnungen  bei  Überf(9ä|ung 

lobeftimmter  c^riftlic^er  fiebengformen  in  toietiftifc^er  Prägung;  m^ftifc^e  ärt  ber  3hfömmig= 
feit  auf  Äoften  ber  ebangelifc^en  ginftc^t,  bafe  ber  6^rift  fc^lid^t  an  ba«  fflort  ®otte« 
getDiefen  ift,  an  biefem  aber  aud^  bie  genugfame  DueHe  aller  geiftlic^en  ©rfenntni«  ^t; 
zDlifeöerftänbniffe  unb  5!Kifegriffe  bei  Slu^legung  unb  antoenbung  ber  ^l.  ©c^rift;  Setonen 
einzelner  namentüd^  au«  bem  312^  unb  ber  Offenbarung  ^o^nni«  j^erau^eriffener  Sibet 

16  fteUen  2C.  (3Sorftel^enbe«  j.  %,  toörtli*  nac^  bem  Sleferat  \>on  t).  Serlet)f(^  auf  ber  6ife= 
nad^er  Äird^enfonferenj  1884,  ba«  fic^  toieberum   anfd^tiefet  an  3:befen  \>on  Älemm  unb 

tarnadt  auf   ber  Dberl^effifc^en  ^aftoralfonferenj  bom   8.  auguft   1882;    f.  ÄUgem. 
irc^enblatt  1884,  ©.  475.) 

4.  ^ie  ©teQung  ber®taat$gefe^^ebung  i^u  ben  nic^t  burdb  ben  Slugdburger 

20  Sleligion^frieben  unb  ben  ©eftfälifd^en  gneben  j)riöilegierten ,  öffentlich  aufgenommenen 
SReligion^efetlfd^aften  l^at  im  £auf  ber  ^AUn  allerlei  ©anbiungen  burd^emac^t,  bie 
j^ier  toenigften«  an  ber  (Snttoidfelung  biefer  35erl^ältni«bejiebungen  in  ^reu^en  furj 
iUuftriert  toerben  foUen.  ^tm  ^rieben«fc^lüf(e  erfannten  aufeer  ben  Äatl(^olifen  nur  bie 
S3e{enner  ber  Slug^burgifd^en  Äonfeffton  unb  feit  1648  au^brüdtlidj^  aud^  bie  SReformierten 

25  an.  2)iefe  ecclesiae  receptae  genießen  bamit  —  noc^  lernte  —  ben  S8orjug,  bafe  ber 
Btaat  bie  geiftlic^en  ämter  biefer  Äird^en  ate  öffentliche  Sämter  anfielet,  für  bie  35or= 
bilbung  il^rer  (Seiftlic^en  auf  ben  ©taatgunitoerfttäten  huxd)  tl^eologifc^e  gafultäten  gür^ 
forgc  trifft,  bafe  er  femer  il^nen  ben  toeltlid^en  Srm  leil^t  jur  Eintreibung  Don  abgaben 
unb  Seiftungen,  fobann  bafe  er  ben  gefttagen  biefer  Äirc^en  burd^  änorbnungen  Seac^tung 

aounb©d^u^  im  öffentlichen  Seben  berfc^afft  unb  i^nen  Dotationen  ober  ßufc^üff e  au«  fiaat- 
lid^en  ^ÖJitteln  getoä^rt.  3lnbere  ©emeinfc^aften  foUten  über^au^jt  nic^t  gebulbet  toerben 
—  eine  2lu«na|me  bilbeten  allein  bie  Suben.  äuc^  ba«  9leformation«re$t  ber  Sanbe«- 
l^erm  blieb  auf  biefe  reci^ierten  Äird^en  befc^ränft.  2tber  biefer  SRed^t«juftanb  tourbe  aß- 
mä^lic^  gelocfert,  3lu«nal^men  tourben   gemacht.    %üx  ben  branbenburg'))reu6ifdben  Staat 

86  toar  toon  Sebeutung,  bafe  ba«  iperjogtum  ^Preufjen  nic^t  jum  beutf^en  Slcic^  gehörte. 
§ier  toaren  fd^on  1548  böl^mifc^e  Srüber  (freiließ  unter  mond^er  Sefd^ränlung  il^rer 
ßigentümlid^feiten  unb  mit  ber  S^enbenj  auf  2tnglieberung  an  bie  Sanbe^firc^e)  auf« 
genommen  toorben  (bgl.  ^fc^actert  in  ^ublifationen  au«  ben  ^reufeifc^en  @taat«arc^tt>cn  43, 
343  ff.).    'S:)ann  getoä^rte  ^ier  ba«  SRepript  griebrid^  SBil^elm«  I.  bom  22.  HRärj  1722 

40  ben  3Kennoniten  3!)ulbuna ;  nad^  ber  3:eilung  ^olen«  erl^ielten  auc^  bie  SJlennoniten  in 
aBeft|)rcufeen  burc^  ba«  ^ribileg  bom  29,3)läx^  1780  ^nfxd^ztnn^  i^er  ®lauben«freil^eit. 
gaftifc^er  I)ulbung  erfreuten  fic^  l^ier  fogar  auc^  ©ocmianer.  granjöftfdj^  Sieformierten 
toar  fc^on  am  13.  SJlärj  1639  ein  ^^atcnt  erteilt  tDorben;  bann  folgten  nac^  ber  ©in^ 
toanberung  ber  au«  ^ranfreic^  flüd^tenben  Sieformierten   bie  Privilegien  bom  9.  Oltober 

45  1685  unb  4.  SKai  1694.  ©r^eblic^  toeiter  ging  ber  2lufflärung«fönig  griebric^  II.,  ber 
am  25.  SDejember  1742  unb  in  mel^reren  na^folgenben  (grlaffen  3lnfieblungen  ber  l^^erm^ 
l^utifd^en  Srübergcmeine  fonjejftonierte,  aber  auc^  ben  ©c^toendffelbem  am  S.SRärj  1742 
bie  preu^i|d;en  Sanbe  öffnete  unb  fogar  ben  ©ociniancrn  am  28.  ^unx  1776  bie  ßr-- 
bauung  eine«  Set^aufc«  gemattete,    ©o  gab   e«  je^t  neben  „öffentlid^  aufgenommenen" 

50  Äirc^en  auc^  „gebulbcte"  Äird^engefeUfc^aften  mit  einem  exercitium  religionis  privatum 
unb  mit  je  nac^  bem  SBortlaut  ber  Äonjeffion  berfc^ieben  bemef|enen  9le^^;  am 
günftigftcn  gcfteßt  War  babei  bie  Srübergemeine.  Diefem  3wftanb  entf))ric^t  fotoo^l  ba« 
aSößnerfc^e  9leligion«ebift  Dom  9.  3uli  1788,  ba«  toon  „bi«l^er  öffentlid^  gebulbeten 
©eften"  rebct,   „iDcIc^c  unter  lanbe«^errlic^em  ©d^u^   i^re  gotte«bienftlic^cn  3wfanimen= 

56  fünfte  Mten",  h)ie  auc^  ba«  Mgem.  Sanbrec^t  %.  II,  Stit.XI,  §  17ff.  mit  ber  Unter- 
fd^eibung  toon  „öffentlid^  aufgenommenen"  unb  ,,gebulbeten  9leligion«gefellfd^often."  Äu« 
festerer  filaffe  ragten  bie  ^ermhuter  infofem  ^eroor  unb  näherten  \\d)  ben  öffentlich 
j)nbilegierten  Äird^engefell|c|aftcn,  al«  fte  al«  „toal^re  3lug«burgifc^e  Äonfeffton^Dertüanbte" 
anerfannt  tourben,  unter  ber  ,,Cbcrberrfc^)aft  unb  ^roteftion"  be«  Äönig«  ftanben,  ouc^ 

60  ihre  Sifc^öfc  bom  Äönig   beftätigt  toerben  unb  ben  Ircueib  leiften  foUten.    3)od^  toaren 


ScMemoefeii  in  Sentf^tenb  163 

ii^nen  nur  Set^äufcr  ol^ne  &loim  gcftattct  unb  i^ren  ©eiftKc^en  fehlten  bic  ^rtoilegien 
bei  öffmtlid^  aufgenommenen  Äird^en.  3)ie  blofe  gcbulbeten  SleligionigefeKfc^aften  (fo  bie 
aKennoniten,  ferner  bie  Dualer  [Äab.D.  öom  16.  3Wai  1830])  mußten  nac^  %,  II,  %\t  XI, 
§  489  bie  unter  ü^nen  öorfommenben  ®eburten,  heiraten  unb  ©terbefätte  bem  Pfarrer 
be«  Äir(^f))iete,  in  beffen  Sejirl  fte  h>ol^nten,  jur  Eintragung  in«  Äirc^enbud^  anzeigen.  5 
Si^re  ©lieber  blieben  ber  lanbe^fird^lic^cn  ®emeinbe  in  Segug  auf  Äird^en*  unb  S^uU 
laften  unb  jur  S^^Iwng  ber  ©tolgebü^ren  toerjjflic^tet,  ate  Wenn  fie  Äirc^englicber  toären. 
a)ie  „Dottfommene  ®lauben«=  unb  ®eh)iffen«frei^eit",  bie  %.  U,  %\t  XI,  §  2  aütn  (Sin* 
tool^nem  im  Qiaai  getDöl^rte,  geftatteteben  9(nl^ängem  einer  nic^t  audbrüc!(icfi  tolerierten 
Sleligion^artei  bod^  nur  ba«  ^au^öaterrec^t  j^äuglicpen  ®otte«bienfte«.  3)ic  um  ber  Union  10 
Witten  feit  1830  [xd)  fejjarierenben  Sut^eraner  befamen,  folange  fjriebricfi  SBil^elm  III. 
regierte,  bie  ganje  ©^ärfe  be^  SSerbotd  ber  „ber  c^riftlic^en  Sieligion  unb  bem  <Staatt 
fdbäblid^en  ßonöenticula"  ju  fj)üren.  6rft  bie  ©enerallonjeffton  toom  23.  3uli  1845 
(Äod^  •  IV,  168  f.)  öerliel^  ij^nen  äl^nlic^e  Siechte  toie  fie  bie  SBrübergemeine  erhalten  l^atte. 
(2)a^  fte  aber  aud^  l^eute  nic^t  ben  privilegierten  ftird^cn  gleidj^geftellt  fmb,  barüber  ögl.  15 
bad  Srienntnid  bed  Obert)erh)altungigeric^t^  bom  29.  ^uni  1898,  Slllgem.  ftird^enblatt 
1899,  @.  17  ff.)  ebenfo  erl^ielten  bie  ftc^  fe))arierenben  Reformierten  (Äo^lbrüggianer) 
am  24. 9lot>ember  1849  eine  ®eneral!on3effton,  3Ä5R  1,41 6  ff.  III,  358  f.  5Den  injtoifd^en 
(feit  1837)  aufgetretenen  g5a))ttften  tourbe  burd^  bie  «ab.O.  öom  19.  Dftober  1841  jtoar 
bie  formelle  ©mbung  Derfagt,  jugleid^  aber  tourbe  öerfügt,  bafe  nic^t  mit  ©trenge  gegen  20 
fte  k)erfal^ren  toerben  fottte.  ^ie  beutfc^-fatl^olifc^e  unb  bie  lidbtfreunblid^e  Setvegung 
führten  ftaatlic^erfeit«  ju  neuen  ©rtoägungen  über  bie  Beglaubigung  ber  ®eburten, 
betraten  unb  ©terbefätle  in  fold^ett  ©emeinf^aften,  bie  mit  bem  Sefenntni«  feiner  ber 
recij)ierten  Äirc^en  in  toefentli(^er  Übereinftimmung  toaren,  unb  beren  ©eiftlic^en  ober 
SBorfiel^em  man  md)t  geneigt  loar,  bie  ®ered&tfame  ber  ©eiftlid^en  ber  ))ribilegicrten  Äird^en  26 
beijulegen.  ®ie  Serorbnung  bom  30.  SWärj  1847  fd^uf  für  folc^e  eine  bürgerlid^e  Se- 
glaubwung  jener  3lfte  burc^  bie  Ort^erid^te.  ©ine.toeitere  gortenttoidtelung  brachte  bie 
Serfaflungöurtunbe  öon  1848,  refj).  i|re  reöibierte  ®eftalt  toom  31.  ^amax  1850  burd^ 
bie  Seftimmung  in  Slrt.  12:  „2)ie  greil^eit  be«  religiöfen  35e!enntniffe^,  ber  Bereinigung 
}u  3leligion^efeflfd(^ften  unb  ber  gemeinfamen  ^äu^lid^en  unb  öffentlid^en  3leliaionö=  30 
Übung  toirb  getoäl^rleiftet.  Der  ®enufe  ber  bürgerlid^en  unb  ftaat^bürgerlid^en  Siechte  ift 
unab^öngig  öon  bem  religiöfen  Selenntniffe."  3lber  3trt.  13  fügt  l^imu,  bafe  Sleligiongs 
gefettfc^apen,  toeld^e  feine  Äor))oration«rec^te  l^obcn,  biefe  nur  burc^  befonbere  ®efe|e 
erlangen  tonnen.  SSar  bamit  bie  93ilbung  r>on  Sleligion^gefellfc^aften  attgemein  frei 
gegeben,  fotoeit  nic^t  ©itte  ober  ©taat^orbnung  gefä^rbet  erfc^ien,  unb  fonnten  nun  85 
auc^  religiöfe  SSerfammlungen  berfelben  einfad^  untere  2}erein«ge(eft  gefteHt  loerben,  fo 
toar  bod^  bie  Erteilung  be^  Äortjorationi^rec^te«  an  einen  2tft  ber  ©efe^gebung  gebunben. 
auf  biefem  SBege  gelangten  benn  aud^  am  12.  ^nnx  1874  bie  3Jlennoniten  (Äod^ "  IV, 
169f.)  unb  am  7.  3uli  1875  bie  »ajjtiften  (Roc^  •  IV,  170)  in  ^reufeen  ju  fold^en 
Siedeten.  Erleichtert  tourbe  bie  9lec^[t«lage  ber  „©eften"  burc^  bie  Einfül^rung  ber  ©tanbe^  40 
ämter  unb  ber  obligatortfc^en  ßibilel^e  (9.  SKärj  1874  für  ^reufeen,  6.  ^ebruar  1875 
für«  beutfd^e  Sleic^),  inbem  bamit  bie  SSorred^te  ber  })rit)ilegierten  Äirc^en  m  Sejug  auf 
bie  bürgerliche  Sled^t^toirfung  i^rer  S^rau^anblungen  unb  il^rer  Scurfunbungen  be^ 
?Perfonenftanbe«  l^intoegfielen,  unb  für  bie  ängebörigen  anberer  ©emeinfd^aften  ber  3lu«s 
no^mcftonb  ber  SRotciöilel^e.  6nblid(i  finb  bie  Scftimmungcn  ju  ertoäi^nen,  bie  ber  Erlafe  46 
be«  »üraerlic^en  ©efe^buc^e«  (1896)  für«  ganje  SReic^  gebracht  ^at.  Danach  ift  für  ben 
prilKitrecptlic^en  Ertoerb  ber  9lec^t«fä^ig!eit  auc^  für  Vereine  mit  religiöfem  ^mä  ber 
einfache  SBeg  gerid^tltd^er  Eintragung  Dorgejeic^net;  boc^  ift  für  biefe  eine  öorgöngige 
Prüfling  feiten«  ber  ©taat«be^örbe  vorbehalten,  ber  bamit  ©elegenl^eit  gegeben  ift,  ftc^ 
aud^  mit  ben  lanbeSlirc^lic^en  93eb5rben  barüber  in«  Sene^men  ju  fe^en  unb  zt>mt  gegen  60 
bie  Eintragung  Einf))ruc^  ju  ergeben  (95®33.  §  21  unb  61).  2)amit  aber  9leligion«= 
gefettfc^ften  Äorjjoration^red^t  erlangen,  bebarf  e«  aud^  l^eutigen  3:age«  no(^  eine«  3l!te« 
ber  ®efe|gebung  (ögl.  ani)  Einfübrung«gefe^  Slrt.  84).  3)ie  gorberung  (in  ben  J^ranl^ 
furter  ©runbred^ten),  bafe  feine  9leligion«gefctlfd^aft  bor  anberen  SSorrecfite  bur^  ben 
©taat  genießen  foBe,  ift  bi«^er  in  Deutfc^lanb  nirgenb«  t)erh)irflic^t,  ift  auc^  ni^t  im  66 
gntereffe  be«  ©taate«.  Äird^en,  bie  in  einer  ©efc^id^te  öon  ^al^rl^unberten  mafjgebenbe 
goltoren  be«  fittlid^en  unb  religiöfen  a3Dlf«leben«  getoorben  ftnb  unb  al«  gro^e  aSolf«- 
nrc^en  Eniel(^er  be«  SSolte«  finb,  muffen  auc^  bom  ©taat  anber«  gctoertct  toerben,  al« 
ejj^emere  älffodationen  fleiner  Äreife,  bie  ba  fommen  unb  gelten  unb  fic^  nod^  nic^t  al« 
Iröger  ber  religiöfen   unb  ftttlic^en  Äultur  ertoiefen  ^abcn.     ©erec^tigfeit    ebenfo   toie  ßo 

11* 


164  ®ettetiiocfeii  in  Setttfil^laitk 

))raftifci^e  ^olitif  iüibetftrcben  l^icr  in  gleicher  SBeife  ben  5*>i^^^ninoen  öon  3)oItrinärcn, 
ber  9lcc^t«alci(^l^ett  für  alle.  (Sgl.  9ltc^ter=3)oöe=Äa^I,  Äird^enrec^t  •  ©.324  f.  unb  im  potent 
bom  30.  aJlärj  1847  bciÄo^  '  IV,  165  bie  feierliche  (Srllärung:  „3&\x  finb  entfd^Iojfen, 
ben  in  unfern  Staaten  gef^ic^tlic^  unb  nac^  Staatööerträgen  bevorrechteten  Äirc^en,   ber 

6  ebangelifd^en  unb  ber  römifcbsfat^olifc^en,  nad^  h>ie  öor  ©d^u^  angebellten  ju  laffen  unb 
fie  in  bem  (Senuffe  il^rer  befonberen  ©ere^tfame  ^u  er^Iten".) 

5.  3)ie  ®eaenh)ir!un0  öon  firc^Iic^er  ©eite  gegen  ba^  3Sorbringen  beö  ©eften^: 
hjefen«  ergibt  fic^  au«  ber  ßrlenntni«  ber  Urfac^en  biefer  ©rfd^einung.  Darin  ift  man 
h)ol^l  einig  getüorben,  bafe  bie  Äirc^en  i^re  SSerteibigung  gegen  bie  ^nöafion  ber  ©elten 

10  in  ber  SRegel  unb  jjrinji^ieH  nic^t  baburc|  fül^ren  bürfen,  bafe  fie  ben  ©taat  um  poligei  = 
lid^e  3Jla|regeln  angelten.  Die  (Srfa^ng  l^at  gelehrt,  bafe  bie  ©egentoirtung  mit  biefem 
3)JitteI  niemals  bie  ^ropaganba  aufl^ält,  fonbern  nur  3Jlärt^rer  fd^afft  unD  bie  6a(^e  ber 
Äirc^e  fd^äbigt.  5Rur  offenbare  Su^toüd^fe,  burc^  toelc^e  bie  3lul(^c  unb  Drbnung  geftört 
toerben,  foHten  poKjeilid^er  5!Ka^regeIung  unterliegen.    3)ie  ®egenh>irfung,  bie  ber  Äirc^e 

15  toürbig  ift,  mufe  bor  attem  barin  beftel^en,  ba^  fie  bad  religiöfe  Sebürfnid,  bo^  i^re 
©lieber  ben  ©eften  jufül^rt,  toon  pdf»  au^  mit  ilffren  5Ritteln  emftlid^  ju  befricbigen 
bemüht  ift.  gebeö  2luftreten  bon  ©eften  ift  eine  3Ral^nung  an  bie  Äird^e  toegen  mancherlei 
SSerfäumniffen  unb  toegen  SKi^änben,  bie  ftd^  toenigften^  bi^  )u  einem  getoiffen  ®rabe 
abfteHen  laffen.    21^.  «olbe  l^at  ben  ©a^  formuliert,  bei  jeber  ©dtenbilbung  ^anble  e^ 

2ofic^  um  „bie  ei nf ei tige Betonung  eine«  an  ftd^  bered^tigten,  )i>on  berÄird(^e  gcitlocilig 
bernac^läfjigten  ®ebanlenö  ober  fird^lic^en  §anbeln«."  (Die  §eil«armee,  Srlangen 
1885,  ©.  117.)  Die  SIBa^r^eit  biefe«©a^e«  läfet  fic^  nid^t  berfennen.  Dann  ift  c«  aber 
älufgabe  ber  ^irc^e,  bie  allgemeinen  unb  befonberen  Urfac^en  jur  ©ehenbilbung  nad^ 
jlräften  ju  befeitigen.    @«  l^anbelt  ftd^  alfo  um  eine  reichere  unb  lebenbigere  SSerfünbigung 

26  beö  göttlichen  SBorte«,  um  treue  f})ejielle  ©eelforge,  bie  fic^  aud^  bie  Pflege  ber  lebenbigen 
©emeinbeglieber  angelegen  fein  läfet,  um  bie  (Sinrid^tung  bon  ÜRcbengottedbienften  be^uf« 
mannigfaltiger  formen  ber  Darbietung  geiftlic^er  ©))eife,  um  eine  tirc^lid^e  Pflege  be« 
®emeinfd^aft«bebürfnifje«  ber  (Srtoecften,  um  bie  Pflege  folc^er  Vereine  innerhalb  ber 
®emeinbe,  bie  ber  religiöfen  ®rbauung  unb  ber  fittlic^en  Seioal^rung  bienen  (Süngling^^ 

90  unb  3wn0fröuent)ereine),  um  geiftlicfien  SBanbel  unb  geifterfüHte  ^ßrebigt  ber  ^ßaftoren, 
um  bie  ^eml^altung  jjon  5!Kietlingen  bom  geiftlic^en  ©tanbe,  um  bie  Sleaftion  gegen 
grunbftürjenben  unb  2irgemig  gebenben  33Ji^brauc^  ber  Se^rfreii^eit  um  §anb^bung  einer 
emften  3"^*  ^"  *>^  ®emeinben,  um  ßrjie^ung  ber  ®emeinbeborftänbe  ^ur  3Witarbeit 
ni4>t  nur  an  ben  ßEtema,  fonbern  aud^  an  ben  inneren  3lngelegenl^eiten  ber  ®emeinbe, 

85  um  bie  §eranl^olung  lebenbiger  ®emeinbeglieber  ^ur  9)Jitarbeit  je  nad^  i^ren  ®aben  unb 
Äräften  an  ber  Pflege  unb  Erbauung  ber  ®emeinbe  (ate  Reifer  in  ©onntagefc^ulen,  in 
ber  3trmen=  unb  Äranfen})flege  unb  an  ben  Vereinen  in  ber  ®emeinbe);  ögl.  I^ierju  bie 
aiu^fül^rungen  Don  to.  Serlepfd^,  2111g.  Äird^enblatt  1884,  ©.  476  f.  ©etoife  toirb  e«  nic^t 
möglich  fein,  auf  biefem  SBegc  alle  Quellen  ju  berftoj)fen,   au«  benen  bie  Steigung  ^um 

40  ©eftcntum  flicfit,  aber  nic^t  nur,  baf;  mand^e«  ®lieb  auf  biefe  Sßeife  ber  Äirc^e  er^lten 
bleibt  —  e«  n)irb  \^x  baburc^  aud^  ermöglicht,  je  ernfter  fie  biefe  Slufgaben  ergreift,  um 
fo  juDerfic^tlicf^er  mit  gutem  ©elDiffcn  ben  Slnflagen  ber  ©eftierer  gegenüber  ju  treten. 

@iner  firc^engefe^licben  Grlcbigung  ^arrt  noc^  bie  ^rage,  in  toeldjiem  Umfange  unb 
in    tvcld)Qx  3Beifc    bi^jiplinare   3)la^na^men   gegen  ®emeinbeglieber,    bie  ftd^   mit 

45  Selten  einlaffcn,  borjuncl^men  feien.  G«  liegt  \a  bie  2:l^atfad^e  bor,  bafe  biele  ©emeinbe^ 
glicber  an  ben  öotte^bienften,  fogar  am  2lbenbmal;l  bon  ©eften  teilnel^men,  ol^ne  formell 
i^rc  3"9^^^^'^i9f<^it  ^ur  £anbe«firc^e  aufgulöfen.  Da  entfte^t  bie  ^rage,  an  toeld^en 
^Punften  unb  in  rreld^cn  gäUen  bie  Äird^e  bie  ^4}flic^t  l^abe,  folc^e  ®lieber  nic^t  mel^r  aU 
in  ber  5rre  gcl^enbe,  unb  ba^er  feelforgertid^  ju  be^anbelnbe,  fonbern  aU  abtrünnige  unb 

50  ba^er  gum  3(u«tritt  ^u  jtoingenbe,  rcf)3.  at«  au^^ufcf^lie^cnbe  gu  be^anbeln.  auf  bem 
Söegc  ber  ^artitulargefe^gcbung  ift  l;ie  unb  ba  toerfuc^t  toorben,  ben  9lu«tritt  bon 
©emcinbcgliebcm,  bie  ju  einer  neuen  Steligion^gcmeinfd^aft  Einzutreten  tooHten,  an^  i^rer 
Äircl>e  ^u  forbcrn.  So  tourbe  in  ©ad^fcn=2lltenburg  am  24.  Januar  1851  berorbnet, 
bafe   bie  ^kcbiger   ober  isorftc^er   folcber  ©emeinfc^aften  niemanb  alö  3lngel^örigen  ibrer 

55  ©emeinfc^aft  aufnehmen,  nennen  unb  bcl)anbeln  bürften,  ber  nic^t  ber  Drt«))olijeibe^örbe 
fd^rifttic^  aiuötritt  unb  Übertritt  angezeigt  l^ätte  (Sltlgem.  Kirc^enblatt  1853,  ©.  179). 
älnbercrfeit«  ift  man  bafür  eingetreten,  baj^  felbft  eine  ein^  ober  mehrmalige  Äbenbma^l^^ 
feicr  in  einer  Seftc  ben  bctrcffcnben  nod;  nid^t  au«  bem  3ierl[^ältni«  jju  feiner  Äirc^e  au«^ 
fc^Iie^c,    fonbern  ba^  er  auc^  bann  nocf^  unter  ber  feetforgerifc^en  ©intoirfung  be«  ©eift« 

fio  lieben  feiner  Sirene  verbleibe;    erft   ein  bel;arrlicEer  Slnfc^lu^  an  bie  sacra  ber  ©ette 


Settenloefnt  in  Snttfi^Iaitb  165 

gebe  jum  älu^fc^Iufe  mit  ben  ÜRüteln  ber  Äirt^enjud^t  einen  au^freid^enbcn  3lnlafj.  6ine 
rec^t  öerf(^iebenartige  Se^anblung  l^aben  in  biefer  Sejie^ung  bie  ^^ingianer  erfahren, 
bie  ja,  too  fte  nic^t  ba;u  genötigt  mürben,  grunbfä^lid^  i^re  Sanbe^Itrc^en  nic^t  berlie^en 
unb  oft  au(^  SBert  barauf  legten,  ben  Iirc^Ii(|en  guföwin^^n^ang  niit  il^rer  Ianbeöfir(^Ii(|en 
©emetnbe  bur(^  leilna^me  am  ®otte^bienft  unb  .äbenbma^I  ju  bezeugen,  mgleic^  aber  6 
in  ber  ^^o^oftolifc^en"  ©emeinbe  toielleic^^t  fogar  Simter  befleibeten.  aBä^reno  ber  et)an= 
gelif(^e  Obertir(^enrat  unterm  29.  ÜMärj  1852  ben  ©runbfa^  au^fjjrad^,  ba^  bie  etoan- 
gelifc^^e  Äird^e  fold^en,  bie  an  tl^rer  Sluflöfung  arbeiteten,  bod^  nid^t  i^r  ©alrament  reichen 
bürfe,  unb  toenn  feelforgerlid^e  ©intoirfung  fruc^tlo«  bleibe,  SJerfagung  be^  ©aframente^ 
forberte,  um  nic^t  burd^  ©))enbung  beöfelben  ben  ©(^ein  einer  SiBigung  ber  ^rrle^re  ju  lo 
ertüerfen,  ^aben  anbere  fird^Ii(^e  ^nftan^cn  gerabe  ben  ^rbingianem  gegenüber  ein  ^o^e« 
^JRafe  öon  3)ulbung  erliefen  unb  bie  Swl^^ffu^Ö  fogar  t)on  anerfannten  §äuptem  biefer 
Oemeinbe  jum  Sbenbma^l  ber  fianbe^ttrc^e  geftattet,  toon  bem  ®runbfa|  an^,  bafe  bie 
3ulaffung  feeIforgerIi(^  nur  toon  ber  tüürbigen  §erjen^t)erfaffung  be^  Äommunilanten  ab« 
liängig  gu  machen  fei.  i6 

©inigteit  befte^t  h)o^I  über  folgenbe  fünfte:  1.  bafe  ®eiftli(^e  ber  Sanbe^fird^e  n\i)t 
im  Stmte  bleiben  tonnen,  toenn  fte  ju  einer  ©efte  in  ein  Jjoftttöe^  SSer^ältni^  treten; 
2.  bafe  toon  ben  ©d^ulbe^örben  erwartet  tüirb,  bafe  fte  leinen  Se^rer  aU  9leligion«Ie^rer 
unterrichten  laffen,  ber  ftd^  einer  Seite  angefd^loffen  bat;  3.  bafe  ;\u  firc^Iid^en  ©^ren- 
ämtem  ate  Äirc^enältefte  unb  bgl.  Anhänger  einer  ©elte  nid^t  ^ugelaffen  Serben  bürfen;2o 
4.  bafe  bie  annähme  ber  ©iebertaufe  al^  tbatfäd^lic^er  austritt  au^  ber  fianbe^Iirc^e 
3u  be^anbeln  fei.  3B3eiter  h)irb  ju  forbem  fein,  bafe  ani)  atte  ^ßerfonen,  bie  öon  einer 
©ehe  ft(^  mit  ber  ^unltion  ber  Söortberfünbigung  ober  ber  ©aframent^bertoaltung  bes 
trauen  laffen,  atö  audgefc^ieben  gelten  muffen,  unb  ba^  be^arrlid^e  Xeilna^me  an  ber 
xUbenbma^tefeter  einer  ©efte  ben  aiu^fc^Iup  ^erbeifüf^ren  mu^  (togl.  I^ierju  t).  93erle))f(^  25 
in  ailgem.  Äird^enblatt  1884,  ©.  461  ff.),  ^n  ber  j)reufe.  Sanbeefirc^e  ber  älteren  ^ßro^ 
totnjen  fte^t  }u  ertoarten,  bafe  ba«»  f^on  lange  beae^rte  unb  Vorbereitete  Äirc^en^u^t^s 
gefet^  auc^  bie  ©ettenfrage  unter  bi^jtjplinarem  ©eftc^ti^unft  }u  regeln  t)erfuc^en  toirb. 

5.  ©ine  genaue  ©tatiftif  ber  ©eften  in  35eutf erlaub  ju  geben,  ift  bei  bem  ^JJangel 
an  au^reid^enben  Unterlagen  nid^t  möglic^.  @ine  ftatiftifd^e  ©r^ebung  t)on  feiten  ber  30 
^reufeifc^en  ^Regierungen  am  1.  3uli  1862  über  „^iffibenten"  ergab  27909  in  Sejie^ung 
auf  bie  SQäa^l  i^rer  ^Religion  felbftftänbige,  alfo  minbeften^  14  jährige  3Witglieber;  barunter 
8741  freireligiöfe,  5546  beutfc^--  unb  c^riftlat^olifd^e;  Saptiften  5603,  ^irDingianer  3069. 
aber  aud^  biefe  ^Ä^Iunö  ^^^  untooUftänbig,  togl.  3^i^f4^'^-  ^-  '•  P^^^%  ftatift.  Sureaui^  IV,  95  f. 
2)ie  ©ifenac^er  Jlird^enfonferenj  t)on  1884  Verfugte  unter  3Rilh)irfung  aller  Äirc^enbe^örben  35 
eine  ftatiftifc^e  Zabtüa  aufäuftetten,  f.  Slttgem.  Äird^enblatt  1884,  ©.  485—509.  Stber  biefe 
bietet  an  fo  Dielen  ©teilen  ftatt  ber  ^al}kn  nur  »Jragcjeic^en,  ba^  fte  eben  nur  bie  Unmöglic^feit 
auftt?eift,  eine  ©tatiftif  ju  bieten.  $ie»)er«Äir(^li(^e  ©tatiftif  2)eutfc^lanb«  1899,  ©.92  ff.  toeift 
nad^  ber  Solf^jä^lungjbon  1895  für  ^reu^en  neben  20351448  5Witgliebem  ber  ebang. 
£anbe«fird^e  119245  ^itglieber  „anberer  jjroteftantifd^er  Äirc^engemeinfc^aften"  auf,  b.  9.  40 
faft  0,6**/o  ©toangelifd^e,  bie  nic^t  ber  Sanbe^Iircf^e  angehören.  2)arunter  toaren  2llts 
lut^eraner  27412,  ältreformierte  9047,  »rübergemeinbe  4300  (1871:  3325),  gjJenno^ 
niten  13951  (1871:  14644),  »a»)tiften  31877  (1871:  12792),  ^Jiet^obiften  unb 
Cuäfer  4217  (1871:  733),  äpoftolifd^e  Äirc^e  (9irt)ingiancr)  22  610  (1871:  nur  2213, 
bie  ftd^  fo  bejeid^net  ^aben!),  Slnglifaner,  ^re^bbtcrianer  u.  bgl.  2496.  35ie  ))reufeif(^e  46 
©tatiftif  Don  1900  gä^lt  bagegen  3lltlutl^eraner  45594,  ältreformierte  14543,  »ruber* 
gemeine  4031,  ÜRennoniten  13876,  Saptiften  38143,  Wet^obiften  unb  Duäfer  5226, 
apoftolif(^e  Äird^e  32215,  englifd^c  Äird^engemcinfd^af ten  2557.  Slufeerbem  ftnb  gejault: 
$eil«armee  272,  greireligiöfe  8400,  ^iffibenten  27679,  fonftige  ©Triften  5635  (5Preufeif(^e 
etadftif,  §eft  177  I,  »erlin  1903).  3^ie  ©tatiftif  bei^  beutf(|en  9lei(^e«  toon  1890  50 
ergab,  bafe  auf  ettoa  31  Wißioncn  lanbe^fird^lic^er  6t)angelif(|>en  im  ganjen  JRei^e 
ca.  145000  Slngei^örige  fleinerer  ©cmeinfd^aften  famen,  alfo  ütoa  0,47°/o.  Sl^nlid^ 
ergab  für^  Äönigreic^  ©at^fen  bie  ©tatiftif  Von  1895  0,4r;o.  Ärofe  rechnet  im 
ganzen  beutfc^en  Sleid^  für  1900  auf  35231104  ,,et)angelifd^e"  (b.  1^.  lanbe^firt^lic^e  unb 
feparierte  Sut^eraner,  Sieformierte  unb  Unierte)  203  793  3"85^örige  fleinerer  c^riftlid^er  v, 
Parteien  (toobei  ©eutfdjf-Rat^olifd^e,  freireligiöfe,  Unitarier,  uRormonen  unb  „^iffibenten" 
mitgejä^lt  fmb).  2)ana(^  repräfentiert  biefe  bunte  ©ruppe  gegenüber  ber  ©efamtbctjölfe^ 
rung  ©eutfi^lanb«  Don  56367178  eine  Duote  bon  0,36";  0;  im  SSer^ältni«  nur  ju  ber 
®ruppe  ber  „©bangelifd^en"  toären  e«  O,57'^'o,  aber  e«  ftnb  ^ier  ®emeinfc^aftcn  mit^ 
gejault,  bie  toir  niät  ak  ©eften  ber  eDangelifc^en  Äirc^e  betrachten  fönnen,  anbererfeit^  o«i 


166  Seltetiloefett  in  Seutfi^lattb  ®elttlartdmttd 

müßten  aber  audb  bie  ©e^arierten  t)on  bcx  ©uninic  ber  „eöanödifc^cn"  obgejo^en  toerben, 
um  mit  ben  früheren  SJered^nunaen  öerglid^en  tt?erben  ^u  fönnen.  SBte  tpett  aber  bic 
ftatiftifd^en  Slngaben  in  ben  gä^I'^^rten  gerabe  in  Sejug  auf  bie  Äonfefjton^bcjcid^nung 
gutoerläfftg  [inb,  ift  fraglic^.    33erh)inenb  finb  fd^on  bie  fo  ungleid^artigen  Se^eid^nungen, 

5  unter  benen  biele  i^ren  Äonfeffiondftanb  eintragen;  t>gl.  bie  ba^er  fo  fonfufe  Honfeffton^ 
ftatiftif  bon  1880  im  Ibeol.  §ülf«ejifon,  ®ot^a  1894  II,  3, 10  f.  Offenbar  bleiben 
femer  biele,  bie  t^atfäd^lidp  fic^  ju  einer  Seite  Italien,  aber  au^  i^rer  Äird(^e  nic^t  förm^ 
iic^  ausgetreten  fmb,  unb  fol(^e,  bie  ftc^  einfach  „eöangelifc^"  nennen,  babei  unbered^net. 
9im  Äönigreic^  ©ad^fen  gä^Ite  man  in  ben  jtüei  gja^rjel^nten  toon  1870—1890  Übertritte 

10  aus  ber  SanbeSfird^e  jur  3[})oftol.  ©emeinbe  5400,  ^u  ben  3Retl^obiften  2878,  gu  ben 
feparierten  Sutl^eranem  1720  (9Kiffourier!).  3lad}  ber  ©tatiftü  öon  1900  traten  in 
^reu^en  auS  ben  e))angelifd^en  SanbeSlird^en  ^u  fleineren  tird^lic^en  @emeinfd^aften  über 
1847,  im  übrigen  beutfc^en  Sleic^c  1132,  alfo  im  ganjen  2979,  Wogegen  1044  Slücfs 
tritte  aus  benfeiben  ®emeinf(^aften  jur  SanbeSfird^e  befannt  tourben.    1904  jäl^Ite  man 

16  in  35reufeen  in  ben  älteren  ^rotoingen  2370  Übertritte  ^u  ©elten  u.  f.  h).  auS  ber  ^anbeS^ 
lirdfe,  bagegen  nur  602  SRürftritte  (Äirc^I.  ®efe|=  unb  SerorbnungSblatt  1905,  ©.  85). 
©0  unzulänglich  biefeS  3^^(^>ini^t^<'l  ^^^  ift  fi>  l^M  ^  ^^  ^^^^  ®efamt^eit  boc^, 
bafe  bie  ©eften  in  ber  gw^ö^n^^  begriffen  pnb,  unb  bafe  ba^er  bie  ätufmerlfamlett  aller 
greunbe  ber  Äirc^e  ber  grage  nac^  ber  rechten  ©egentoirlung  gugetoenbet  bleiben  mu^. 

20  fttttert«. 

©efttlonfatiott  f.  am  ©c^lu^  beS  3BerfeS. 

©elttlartdmttd  (Secularism).  —  ^ameS^uc^anan,  Faith  lo  Qodand  modern  Atheism, 
ßonbon  1857,  t.  II,  p.  233—291.  SRouticc  3)o\)ie8,  Heterodox  London  (Sonbon  1874)  I, 
364 ff.;  II,  116—209.  3)aS  crftcrc  bic(cr  bcibcn  3Scrfc  ^anbelt  eingcl^enb  über  baS  ®rünbungS= 

26  Zeitalter  ber  fefulariftifc^eu  ©enoffenfdiaft,  baS  jmeite  über  beren  fpötere  @nttDtdelung  unter 
ber  güftrung  SBrabloug^S.  SSgl.  auc^  SBrablaug^S  „Autobiography",  Sonbon  1873,  (otoic 
ferner  Contemp.  Kev.  1878,  Jul.  p.  828  sq.  3)ie  OJegenmart  1880,  ^x.  31.  gHott§cS*®crIadi, 
Mgcm.  lirrfjl.  ©^ronif  1881,  @.  169ff.;  1882,  @.  170ff.;  Scop.  ftat^er,  in  ü.  Oottfdians 
„Unferc  3eit"  1882,  6. 441  ff.;  X^omfon  (©ri^bifd^of  o.  gorf),  3)ic  «ßfltd)t  bcrÄirc^c  in  »ejug 

30  auf  baS  SSor^crrfc^cn  beS  ©efuIoriSmuS  (9?ebe  beim  angltf.  Äird)cnfongrc6  ju  9?e»caftle, 
1881);  Christianity  and  Secularism,  A  written  debate  between  the  Bev.  G.  Sexton  aod 
C.  Watts,  Sonbon  1882;  3)lartin  SJeibel,  ^ic  9ieIigion  unb  t^r  dteä^t  gegenüber  bcm 
mobcnicn  ^oraliSmuS,  ^allc  1891,  @.  51  ff.;  (g.  Äoc^,  3ft  eine  religionSlofc  a»oraI 
nötig?    9iei*dbote  1899,  ©onntagöbeil.  i»r.  27— 31;    g.  di.  2)iocbonaIb,  (5^.  »roblaug^,   im 

SöDict.  of  National  Biogr.,  Suppl.  I  (1901),  p.  248— 250  (§ter  am  ©c^luffc  ouc^  ein  ^tx- 
jcid^niö  ber  roid)tigeven  ©cöriften  SBroblaugl^ö). 

3)lit  bcm  5Wamen  Secularism  bejeid^nete  eine  um  aJlitte  be«  lefeten  3^^^= 
l^unbcrt^  entftanbene  englifc^e  ^reibenferfefte,  beren  Sln^änger  jeittoeilig  na(|  ^unbert^ 
taufenben  jäi^Iten,  i^re  atF^eiftifc^-materialiftifc^e  Slic^tung.    5)er  ©tifter  biefer  Oemeinfc^aft, 

40  (Seorgc  ^am^  §ol^oafc,  ein  greunb  be^  befannten  ©ojialiften  Slobert  Dh>en  (geft.  1858), 
aber  ein  rabifalcrer  ^reibenfer  al^  biefer,  begrünbete  im  3- 1846  im  SSerein  mit  mehreren 
©leid^gcfinnten,  t^ie  SoJonlei^,  Änigl^t,  ®rant  (tneld^er  le^tere  inbeffen  fj>äter  auf  ben 
d^riftli^-gläubigen  ©tanbj)unft  jurücftrat)  ein  für  „bie  arbeitenben  unb  benfenben  Älaffen" 
beftimmte^  3^^^'^'^^^^  »»The  Reasoner'',  toelc^e^  balb  gu  einem  §auj)torgan  ber  mobernen 

46  englifc^en  greibenferei  tnurbe.  3!)iefe  unterf Reibet  ftc^  bon  ber  be«18.  ?ial^rl^unbert3  imaD= 
gemeinen  burc^  i^re  mel^r  at^etftifc^e  al^  t^eiftifc^e@runbric^tung,  tvoju  ft^  ff^e^ieQ  bei^ol^oate 
unb  feinen  ©enoffen  ein  j)raftifd[i=utilitarifc^e^  ©treben  auf  moralifc^em  ©ebiete  fotoie  ein 
fräftiger  2lffociation^trieb  gefeflte.  3^en  Flamen  „Sltl^ei^gmu^"  t)erf(|>mä^te  man  alö  Se^ 
jeic^nung   bc^  Sel^rbegriffg   ber  Partei;    „Non-Theism"   foHte    nac^    ber  urf})rüngli(^ 

60  getroffenen  SäJa^I  beren  il^coric  beifeen,  um  bamit  anjubeuten,  bafe  man  bie  annähme 
einer  ©ott^eit  nic^t  bireft  beftreite,  fonbern  nur  babon  abftra^iere,  ob  ein  ®ott  fei  ober 
nid^t.  2)od;  jog  man  fpäter  bie  Benennung  „Secularism"  bor,  hjeil  man  bie  eigent^ 
lic^c  ^au^jttejibcnj  ber  gcfamtcn  3{id)tung,  bic  Xcnbcn|\  „für  bic  SBelt  ju  leben  unb  ju 
ftcrbcn  unb  für  baeJ  3i>obl  ber  ^Blcnfchcn  in  biefer  aßclt  ^u  arbeiten"  (to  work  for  the 

65  welfare  of  men  in  this  world),  bamit  am  treffenbftcn  bejeic^net  fanb.  Senn  toelt^ 
lic^c  ©cfinnung,  ßrfüUung  ber  ^^flid>tcn  bc^  bicefeitigen  Scbcn^g  o^ne  SRüd^c^tnal^me  auf 
baö  jcnfcitigc,  „Seförbcruug  bc^  j;citlid;eu  SBo^I^  ber  9)Jcnfc^l^eit  burd[>  jeitftd^  SJlittel", 
ba^  ift  ber  ©ruttbgcbanfc  ber  5JJoraI  biefer  ^^?artci.  "^hx  ©efcife  bat  biefe  3KotaI  an  ben 
einfad;cn  *^>flic^tcn  bcö   natürlichen,    bc^   utilitarijd)cu   unb   bc^  artiftifc^en  (Itinftlerifc^ 


Sefttlaridmiid  167 

inbuftrteUen)  SeBen^.  ^^re  @^^äre  tft  aQein  biefe^  SeBen,  nämlic^  ein  mögUc^ft  energifd^eiS 
SBirlen  an  feiner  aUfeitigen  Seförberung,  Slu^Bilbung  unb  SBetöottfommnung.  ^^x^ 
^JRac^t  enblid^  Beftel^t  aBein  in  toiffenft^aftlic^er  Silbung  unb  inteHigenter  ^Jürforge  für 
bie  ©inge  biefe«  SeBen«  (bgl.  ®rant  unb  §oIboafe,  A  public  Discussion  on  Christi- 
anity  and  Secularism,  Sonbon  1853,  @.  4 ff.  221  ff.),  ^ie  ^Jü^lic^teit  ift  baS  eimige  5 
$rin)i))  unb  ber  $aut)tgrunbfa^  ber  Woralitöt  biefe^  @tanbt)unftd,  ber  ftd^  atö  ein  Ion« 
fequenter,  t>oUftänbig  burd^gebilbcter  Utilitari^mu«  Bc^ieid^nen  lä^t,  al^  bie  „auf  ben 
Krümmern  ber  Sleligion  errichtete  ßt^if  be«  3tt^ei«mu«".  3)enn  fein  üBematürlid^e«, 
lein  jenfeitige^  ©lement  barf  auf  bie  §anblungdh)eife  biefer  rein  trbif(^  gefinnten  5Woras 
liften  irgenb  (Deichen  @inf(u^  üben.  „StKein  an  bad  3Biffen  h>eift  und  bie  Statur,  Ido  lo 
tvxt  $Ufe  Bebürfen,  unb  allein  an  bie  9Kenfc^l^eit,  too  ed  und  um  SKit^efül^I  ju  tl^un  ifL 
Siebe  gu  bem,  toad  Siebe  öerbient,  tft  unfere  einzige  Anbetung,  ©tubium  unfere  einjige 
SoB^reifung,  Unterorbnun^  unter  bad  Unt>ermeiblid^e  unfere  Pflichterfüllung,  9(rBeit  unb 
nur  ä(rBeit  unfer  ©otte^btenff'  (^otonle^  unb  ^I^oafe,  A  public  Discussion  on  the 
Being  of  a  God  [Sonbon  1852]  ©.  58;  togl.  Suc^anan,  1.  c).  i6 

2)iefen  J)ra!tifc^en  ©runbfö^en  be«  6elulari«mud  entfj>ric^t  feine  3)ogmatif,  toenn 
man  eine  f^ftematifd^^e  9{egation  aQer  ^oftti))en  Dogmen  fo  nennen  barf.  ^ie  9(nna^me 
ber  ßjiften^  einer  ©ott^eit,  ja  felBft  ber  ©ebraud^  bed  Studbrucfö  „®ott"  toirb  Dertporfen, 
jeboc^  ni^t  im  Sinne  eigentlicher  Oottedleugnung,  fonbem  nur  in  bem  bed  ©rmangelnd 
irgenb  hjeld^er  Beftimmter  unb  fieserer  ©ottederfenntni«.  „Um  ®otte«  3)afein  Beftimmt  ao 
leugnen  ju  iönnen,  mü^te  man  unenbüd^e^  28ijfen  ^aBen,  mü^te  man  bid  an  bie  ©renjen 
aüt^  SSor^anbenen  gelangt  fein  unb  fämtli^e  ©ebiete  be$  Uni^erfumd  burc^forfd^t  f}abm, 
ol^ne  ®olt  irgenbhjo  ^u  finben".  3)ie  SKaterie,  obfc^on  etoig  unb  burc^^  fic^  felbft  ejiftierenb, 
ift  bo^  nic^t  felBft  für  ®ott  gu  galten,  ba  il^r  offenbar  ©elbftBehJufetfein  unb  Bitten«:: 
fret^eit,  bie  lonftitutiöen  galtoren  jjerfönlid^en  SQäefen«,  fehlen.  SBie  bie  SBelt  nic^t  ge^  25 
fc^ffen  ift,  fo  n>irb  fie  au$  nic^t  burc^  eine  gi^ttlic^e  ^orfei^una  regiert.  Die  @rfa^rung 
le^,  ba^  e«  leinen  SSater  im  $immel,  leine  @rl^örung  ber  ®ebete,  leinerlei  t^atfäd^lic^e 
Selege  für  eine  f})e^iette  Sßroöibenj  giebt.  Sluc^  lä^t  ficl^  ®otte«  5)afein  nic^t  auf  t^eo^ 
logif^em  SBege  an^  ber  jtoecfooUen  unb  gefe^mä|igen  Einrichtung  ber  ^l^l^ftfc^en  ober 
moralifc^en  SBelt  ertoeifen.  @ine  berartige  llrgumentation^toeife  toirb  immer  nur  eineao 
folc^c  Sbee  ®otte«  ergeben,  bie  nid^t«  aK  bie  „toertoorrene  ®iberf})iegelung  be«  eigenen 
Silbe«  be«  üKenfc^en  öon  ber  ffianb  be«  Uniöerfum«"  ift;  fie  toirb  e«  einerfeit«  immer 
nur  JU  3lnaIogien  o^ne  ®eh)i^^eit  Bringen,  anbererfeit«  aber  m  t>iel  Betoeifen,  ba  ja 
für  ben  ^öc^^ft  toeifen  ©d^öj>fer  ber  ^öd^ft  toeife  eingerichteten  ©d9öj)fung  fof ort  toieber  em 
noc^  toeiferer  Url^eber  ju  })oftuIieren  toäre  unb  fo  be«  golgem«  unb  ©c^liefeen«  lein  86 
6nbe  toürbe.  ^n  biefer  Seftreitung  be«  teleologifd^en  Setoeife«  fd&Iofe  fic^  ^ol^oale,  ber 
auf  biefen  5ßunlt  befonberen  gleife  unb  ©c^arffinn  öertoanbte,  teil«  an  ben  atl^eiftifc^en 
^oeten  ©l^eUe^  (geft.  1822),  teil«  an  ben  berühmten  3?aturforfc^er  ®eoffro^  ©.  §ilaire 
(geft.  1844)  an,  @r  richtete  babei  feine  Jlritil  ^auptfäc^lic^  gegen  $ale^  „Natural 
Theology",  bie  ^au^tautorität  auf  bem  ®ebiete  ber  pl^^ftto^^eologifc^en  Slpologetil  40 
folote  gegen  beffen  Evidences  of  Christianity  (ögl.  fein  SBerf:  „Paley  refuted  in 
bis  own  words",  3.  Edit.,  £onbonl850).  — •  95efonber«  c^arafteriftifc^  ift  bieSlrt,  toie 
bie  ©ehilariften  fid^  über  ba«  ^enfeit«,  bie  Sergeltung  unb  ba«  etoige  £eben  äußern. 
„SBir  totffen  nid^t«  um  bie  jenfeitige  SBelt,  \ümn  e«  eine  folc^e  giebt;  unb  eben  toeil  fie 
mit  i^en  fittlii^en  ®efe$en  un«  gänjli^  unbefannt  ift,  bürfen  tt?ir  un«  fd^lec^terbing«  46 
nic^t  um  fie  lümmem,  fonbem  ^ah^n  unfer  moralifc|>e«  Streben  lebiglic^  bem  3)ie«fett« 
jugutoenben."  ,,Sotoo^l  ba«  öor  un«  ©agetoefene  toie  ba«  ä^'ünffige  ^at  man  al« 
gtoei  fd^toarge,  Döttig  unburc^fid^tige  Sorf^önge  }u  betrauten,  aufgehängt  am  ätnfang  unb 
am  @nbe  be«  menf^ilid^en  £eben«  unb  noc^  nie  t)on  irgenb  einem  Sebenben  aufgewogen 
ober  auci^  nur  gelüftet.  2iiefe«  Sc^toeigen  ^errfc^t  l^inter  biefen  Sor^ängen:  fein  Ipintereo 
i^nen  Ste^enber  toirb  jemal«  ülnttoort  erteilen  auf  bie  fragen,  toelc^e  bie  öor  il^nen 
fte^enben  ®rbenbeh)o^ner  an  i^n  richten;  atte«,  toa«  bu  ettoa  l^örft,  ift  nur  ber  ^o^le2Biber= 
^11  betner  S^age,  gleich  al«  ^ätteft  bu  in  einen  Slbgrunb  gefc^rieen!"  „®iebt  e«  anbere 
SBelten,  in  bie  man  nad^  biefem  Seben  berfc^t  toirb,  fo  toeroen  eben  biejenigen  am  beften 
im  ©tanbe  fein,  ftd^  i^rcr  ju  freuen,  ioelc^e  bie  Scförberung  be«  bie«feitigen  ®emeinh)oJ^l«  66 
ber  3Renfc^en  bienieben  gu  i^rem  einjigen  ®efd^äfte  gemacht  l^aben;  giebt  e«  fein  ^cnfeit«, 
fo  ftc^en  bie  uWenfd^en  offenbar  fid^  felbft  im  Sichte,  toenn  fie  e«  unterlaffen,  fi^  biefer 
SBelt  JU  freuen!"  (Sgl.  ^oli^oafe«  Sd^rift:  „The  Logic  of  Death",  eine  3lrt  Don 
Iroftfc^rift  an  feine  greunbe,  entftanben  au«  Vorträgen,  bie  er  beim  SBüten  ber  ßbolera 
in  Sonbon  im  ^af)xt  1849  ^ielt.)  m 


168  ®fltt(ottdmttd 

Seit  (Snbc  ber  fe^jiger  ^a^xc  f}ai  bcr  unter  §ol^oafe«  Scituna  nod^  öer^ältm^mä^icj 
ja^me  ©etulati«mu«  eine  gortbilbung  px  rabifalerem  2luftteten  erfal^ren.  ß^arleiS  8rab= 
laug^,  ber  berüchtigte  fojialbemofratifd^e  Slgitator  (geboren  atö  So^n  eine^  ©c^reiber^  in 
§ojton  bei  Sonbon  am  26.  BtpUmhtx  1833,  aufgetoac^fen  o^ne  ^ö^ere  ©d^ulbilbung  al^ 

5  Slutobibaft,  feit  1860  §erau^eber  be«  rabilal  freibenferif^en  Slatte«  The  National 
Reformer,  fpäter  Slbgeorbneter  für  9lottingl^am  im  $aud  ber  ®emeinen,  unb  feitbem 
eine  ber  erften  jjarlamentarifc^en  Serü^mt^eiten  ®nglanb«  geworben,  geft.  30.  Januar 
1891),  tourbe  ^um  ^aiH)tfü^rer  unb  görberer  ber  Setoegung.  grül^er  ein  me^r  j^arm- 
lofer  ©d^hjärmer  für  S^easiotoHertum,  begann  er  gegen  ba^  3-  1870  fein  agitatorifd^e^ 

10  treiben  mit  toac^fenber  ©ntfd^iebenl^eit  auf  fi^ftematifc^e  3^törung  ber  ^unbamente 
d^riftlid^er  ©ittlic^feit  h)ie  SReligioptät  ju  ritzten  —  erftere«  burc^  fein  Eintreten  für  bie 
t)on  5Worbamerifa  aug  in  Snglanb  einbringenbe,  auf  maltl^ufif^er  ©runblage  fufeenbe 
®oItrin  bom  i)räbentiben  ©efc^led^t^genufe,  le^tere^  burd^  bie  in  toütenben  3"^*^^^" 
h)iber  bie  angebli(^e  „2üge"  unb  5)umm^eit  be^  ©tauben^  [xi)  ergel^enben  3Sorträgc  öor 

16  SSolföberfammlungen  unb  ^eibenlerllub«  in  Sonbon  toie  anberlüärtg.  „2ltl^eiftifd»  in  bcr 
3:^eoIogie,  bemoftatifc^  in  ber  ^olitil,  maltl^uftanifc^  in  ber  ©ojialmiffenfd^aft!"  lautet 
ba^  Scfung^toort  be«  unermüblid^fen  unb  ungemein  erfolgreichen  ägitatord.  1877  tocgen 
Veröffentlichung  be«  Änohjltonfd^en  Sud^  Fruitg  o!  Philosophy  ate  Verbreiter  unfttt- 
lic^er  Seigren  berflagt,  erfämjjfte  er  feine  greifjjrec^ung  burc^  eine  gefc^idtte  3Serteibtgung^= 

2orebe.  ^\üt\  Safere  fjjäter  eröffnete  er  feinen  berühmten  Äami)f  ate  ©ibe^bertoeigerer 
toegen  grunbfäfelic^er  ©otte^Ieugnung  im  Parlament  (togl.  bie  ba^  SSJefentlid&e  über  ben 
bertoicfelten  uno  unerquicfUc^en  §anbel  jufammenfteHenbcn  Seric^te  in  ber  3tUgem.  firc^I. 
ßl^ronil  feit  1881).  ©d^on  1876  toar  er  5Präftbent  einer  großen  englifd^en  ^eibenfer^ 
gefeHf^aft  getoorben;  in  biefer  ©igenfd^aft  emj^fing,  begrüßte  unb  beh)irtete  er  1881  bie 

25  3)e))utierten  be«  feftlänbifd^en  ^eibenfertum«  bei ,  bem  bon  Soui«  Sü^ner  geleiteten 
,,3tttemationalen  ^^«^^'^ongrefje"  in  Sonbon.  Übrigen«  beftanben  jh)ifc^en  bem  bon 
Srablaug^  unb  feinem  änl^ange  vertretenen  britifd^sfefulariftifd^en  2ltl^eidmuö  unb  bem 
burd^  Sü^ner,  Vogt,  §äd[el  2c.  re^räfentierten  beutfc^en  ©eitenftüdE  ba^u  manche  3)iffe= 
renjen.    Der  ©efulari^mu«  nal^m  u.  a.  bie  fjorberung  ber  J)olitifc^en  ®manjij)ation  ber 

30  aOäeiber  in  fein  Programm  auf  (bgl.  ba«  ^laibo^er  ber  3Riff.  §^J)atia  Vrablaug^  für 
biefe«  ^id  bei  ber  ^al^re^berfammifung  ber  fc^ott.  National  Secular.  Society  1882 
unb  baju  bie  ^^itfc^tift  The  Catholic  Presbyterian  bom  ^\xl\  be«  gen.  3<»^^^);  «uc^ 
bebienic  er  fidp  tro$  feiner  erflärten  Sleligiondfeinbfc^aft  ab  unb  ju  gett?iffer  Slnflängc 
an   religiöfe  itultu^eremonien.     5Jlan   gebrauchte   ba|\u  eine  toon  S3rablaug^  greunbe 

35  aiuftin  ^oli^oale  (geft.  1874,  nid^t  ju  bertoec^feln  mit  jenem  3-  ®-  ©ol^oale)  jufammem 
gefteQte  Siturgie:  Rituale  Holyoakense  s.  Hierurgia  secularis  mit  Formularen  für 
fefnlaiiftifd^e  „3:aufen"  ober  3lfie  ber  5Jamengebung,  für  Vegräbniffe  u.  f.  f.  Stuc^  Vrab- 
Icugl)  foH  öfter«  al«  fefulariftifc^er  ^ßriefter  fungiert,  bejh).  bei  Seitung  beffen,  h)a«  feiner 
ainbängcrfc^aft  afö  ©urrogat  für  ben  c^riftl.  ®otte«bienft  biente,  fic^  beteiligt  l^aben.  SBegen 

40ber  fd^alen  Sangiüeiligleit  fold^er  Vrablaug^fc^en  „®otte«bienfte",  tt?orin©d^imj)fereien  unb 
fd^led^te  2Bi^e  über  bie  ^riefter  ba«  einzig  Slnjie^enbe  unb  ^ifante  bilbeten,  t)gL  u.  a. 
3Ji.  2)abie«,  1.  c.  Sefonber«  auc^  in  biefem  (Zeremonien-  unb  ^ormeltoefcn  liefe  ber  toon 
Vrablaugl^  infpiriertc  t)ulgäre  ©efulari«mu«  eine  getoiffe  Vertoanbtfc^aft  mit  31.  ßomte«' 
^ofttibi^mu«  (f.  b.  K  S3b  XV  ©.  569)  ^u  tage  treten,  roä^renb  ber  borne^mere  ©ehilari^mu^ 

15  ber  tüiffenfc^aftlicf^  ©ebilbeten  (namentlich  mancber  geleierter  •Jlaturforfc^erlreife)  c«  borjog, 
fid^  al^^Slgnofticligmug"  gubej\ei^nen  unb  bamit  jener  mel^r  nur  l^^pot^etifd^en  (Sotteölcugnung 
beö  älteren  ^ol^oafe  tüieber  nä^er  ^u  treten.  —  ©eit  ben  legten  S«^'^?^^"*^  ^^ 
borigen  ^abr^unbert^  fc^eint  ber  ©efulari^mu^  aU  befonbere  ©efte  me|r  ober  toeniger 
erlogen,  bejit?.  mi*  bem  5Heft  feiner  Vertreter  ju  anberen  Parteien  be^  mobemen  anti- 

50  d^rifttic^en  3tabifaliiSmue  (tüic  bie  ©alterfd^e  „SefeUfc^aft  für  moralifd^e  Äultur  2c")  über? 
gegangen  ju  fein.  Sdtfler  f. 

©ela  f.  b.  21.  ^hifif  bei  ben  Hebräern  Vb  XIII  ©.  602,  öö. 

Selbpuiorb.  —  (J.  g  @täublin,  Wefd)id)tc  ber  ^^Luftenimgen  unb  fic^ivcn  üom  Sclbft-- 
niüvb.  1824 ;  J^.  3.  ^oiiiela  9?ieinuen^ui"ä,  De  nhnynoln^  facinore  ex  religionis  chri- 
55  stianae  praeceptis  et  indole  judicando,  1833;  ^h  3nl)ofer,  S)cv  8eIbftmorb,  ^iftor.sbogmat. 
^bl)anbh:n(;\,  1886;  91.  "Ü3afliier,  5^ie  ÖJefe^mäftii^telt  in  \>t\\  fcfieinbav  tointürliftcn  menfd): 
lidien  .^^anbhmc^en,  1864;  9(.  \>.  Cettiii(\en,  ^inoralftatiftif,  H.  9luf(.  1882;  ^1.  gRorfcUi,  3)et 
cclbftmurb,  3iitcrnnt.  luif).  ^ibliotl).,  50.  ^^^b,   18S1 ;    J^.  03.  3J?afan)f,  3)er  Sclbftmorb  alö 


®dbfliiiorb  169 

foiidc  tRaffenerfcftciiiuHö  bev  mobevnen.  (Siotlifation.  1881;  (iJ.  D.  ®ioi)r,  ©elbftniürbftatiftif 
im  ^«nbmörtcrb.  b.  @toat«»i(f.  VI,  697—720;  ^.«.Ärofc,  S.J.,  3)cr  ©elbftmorb  iml9.3a^r^. 
unb  bic  Ur(Q(^cn  bcv  8e(bfttnorbl^äufigfcit,  1906. 

afö  ©clbftmorb  ift   eine  ^anblung,  bie  ben  lob  be«  §anbelnben  felbft  beh)irlt, 
bann  ^u  bejeic^nen,  toenn  btefererfolg  —  unb  gerabe  er  —  toon  i^m  unmittelbar  beab*  6 
ftt^tigt   ift.    Sebenöerfürgenbe  Unmäfeigleit,  3lu«fci^h)eifunö   ober  S^oDfül^n^eit,   ber   jene 
StBftd|t   fe^a,    ift  ©elbfttötunß,   aber   nid^t  6.    fflirb  ba«  geben  mit  bem  öoHen  »e* 
toufetfein   feineö  unbermciblic^en   SSerlufte^  für  ein  ®VLt  l^öl^eren  ftttlic^en  Stange«  ein- 
aefeftt,  fo  ft^red^en  toir  Don  ©elbftaufopferun^,  bie  toir  aU  %fyii  bee  ^elbenmute«  gut^ 
peifeen  unb  greifen.    3"^  Älärung  ber  Segriffe  h)ie  be«  ftltlic^en  Urteil«  bient  e«,  h)enn  lo 
Wix  auf  bie  ©cpä^ung  be«  Seben«  ad^ten,  bie  in  biefen  brei  ^anblung«h)eifen  jum  Slu«^ 
brucf  lommt.    Sei  ber  ©elbftaufopferung  fann  bon   einer  3Kifead^tung  be«  Seben«   nic^t 
gef))rod^en  toerben;    e«  n>irb  ^ier  ale  n)ertt)oKe«  ®ut  an  einen  nod^  toertboKeren  ^to^d 
gefegt.    Sei  ber  ©elbfttötung  tritt  bie  SKifea^tung   be«  Seben«  nxi)t  ate  foI(^e  in«  Se^ 
iDufetfein ;    ber  ^anbelnbe  fuc^t  leibenfc^aftlic^e  Steigerung  be«  2)afein«,  aber  nid^t  ben  i5 
3^ob.    3)cm  ©.  bagegen  liegt  eine  behjufete  ©eringad^tung  be«  Seben«  gu  Orunb,   ol^ne 
ba^  beffen  tiefe  Sinfc^ä^ung  burd^  bie  entf^rec^enb  ^ö^ere  SSertung  eine«  bie   eigene 
^erfon  übenagenben  Oute«  gerechtfertigt  toürbe. 

Serfolgen  h)ir  bie  Beurteilung  be«  6.  in  ber  ®ef(^i(^te  ber  ©tl^if,  fo  tritt  un«  fo« 
fort  ein  für  biefe«  Oefciet  dbarafteriftifc^er  Unterfd^ieb  ber  g^italter  unb  Söller  entgegen,  ao 
Unter  einfachen  Äulturberl^ältnifjen  unb  bei  Sölfem,  bie  bon  einer  feften  ©itte  unb  einer 
gefc^loffenen  SBeltanfc^^auung  geleitet  hjerben,  ift  ber  ©.  eine  feltene  2lu«na|^me.  ©ein 
Sorfommen  gilt  al«  unnatürlid^  unb  bertoerflic^.  Sei  ben  ©ried^en  ber  älteren  Rtii 
h)urbe  er  teil«  au«  religiöfen,  teil«  au«  politifd^en  ©rünben  al«  ein  Serbret^en  angefepeh. 
©elbft  gölle  l^elbenmütiger  ©elbftauf oj)ferung  lonnten  bon  biefem  Urteil  mit  getroffen  26 
toerben  (§erobot  IX,  71).  SBic^^t  anber«  benfen  aud^  bie  älteren  ?)il^ilofoj)^en,  bie^^tJ^a« 
aoreer  (3eHer,  5p^U.  b.  ©riechen  I»,  451),  ^ato  (5pbaebo  61 D.  ®efe|e  IX,  873  C), 
Slriftotele«  (SRifom.  Stl^.  III,  11.  V,  15).  (grft  ber  Serfatt  ber  nationalen  3)enftüeife  unb 
©itte  lä^t  in  ber  ©toa  eine  beränberte  Seurteilung  auflommen.  ©ie  rechnet  nur  Ser^ 
faffung  be«  SBeifen  eine  toeitgel^enbe  ©leid&giltigleit  gegen  Seben  unb  %o\>  al«  blofeeao 
äufeere  Umftänbe,  bie  ben  SBert  be«  Wenfc^en  nid^t  berül^ren,  unb  empfiel^lt  barum  ba« 
freiwillige  ©d^eiben  al«  ein  ÜMittel,  bie  Unabl^ängigleit  ber  ©eele  m  retten.  35oc^ 
l^at  fie  babei  jtoift^en  ©elbftaufopferung  unb  S.  nid^t  fd^arf  unterfc^ieben.  SBenig- 
ftcn«  fteUt  ber  Serid^t  be«  3)iogene«  Saertiu«  (VII,  130)  ba«  ©terben  für  Saterlanb 
unb  ^eunbe  mit  bem  SBunfc^,  ^eftigen  ©d^merjen  ober  unheilbaren  Äranf^eiten  unb  86 
©ebrec^en  )u  entgegen,  auf  eine  Sinie.  3^ie  bon  ben  ©toifem  bielbef))roc^ene  djXoyog 
i^ayayyri  ift  aber  nie  eine  im  Stffeft  begangene  rafd^e  %\^ai,  fonbern  ein  mit  ru^taer 
Überlegung  unb  gur  aSal^rung  ber  ©eelenru^e  gefaxter  ßntfc^lufe.  ätuc^  fo  freiließ  be^ 
fte^t  jtoif^en  ber  Se^re  bom  erlaubten  ©.  unb  ber  bem  tugenb^aften  ÜMenfd^en  fonft 
jugemuteten  Unterorbnung  unter  ba«  (äan-^t  ein  unau«geglid9ener  2Biberfpru(^.  5)iefe40 
ftoif(^e  Stnfc^auung  fanb  gelehrige  ©d^üler  in  ber  gebilbeten  ©efeUfc^aft  ber  römif(^en 
Äaifmeit  Äeiner  ifai  fte  eifriger  bcrtreten  al«  ©eneca.  6r  rechnet  e«  ju  ben  Sorrec^ten 
be«  3Jcenf(^en,  bafe  er  jum  Seben  nid^t  gc^iüungen  tüerben  fönne.  „Patent  undique 
ad  libertatem  viae  multae,  breves,  faciles.  Agamus  deo  gratias,  quod  nemo 
in  vita  teneri  potest."  (Ep.  12,  10.)  „Nil  melius  aeterna  lex  fecit,  quam  quod  46 
unum  introitum  nobis  ad  vitam  dedit,  exitus  multos".  (Ep.  70,  11.)  SBie  biete 
ber  ^erborragenben  ÜRänner  unter  bem  2)rud  ber  laiferlicben  3)efVotie  nac^  biefen  ©runb* 
fä^en  über  i|r  Seben  berfugten,  erfal^rcn  h)ir  a\x^  iacitu«  unb  bem  jüngeren  ^liniu«. 
3)aaegen  bertritt  Sirgil  (Sn.  VI,  434  ff.)  ba«  alte  ftrcnge  Solföurteil  über  bie  Sertoerf^ 
lic^feit  be«  ©.  unb  über  feine  Seftrafung  im  ^^"f^^t^-  ^ 

3)a«  ßl^riftentum  ift  über  biefe  ©timmung  be«  Seben«überbruffe«  unb  ber  jpoffnung«^ 
lofigfeit  §err  gehjorben  unb  jtoar,  loa«  man  fjjäter  oft  auffallenb  gefunben  )^ai,  o^ne 
ein  birefte«  Serbot  be«  ©.  au«juji)rec^en.  ©in  folc^e«  enthalten  nämlic^  —  genau  ge^ 
nommen  —  lieber  bie  ©c^riften  be«  31.  noc^  be«  31%.  2)a«  5.  ®ebot  be«  2)cfalog« 
M  ben  %pSi  be«  ©.  nic^t  im  3luge;  auc^  BU\izx{  tt)ie  9flö  14,  7—9;  1  Äo  6,  19;  6^)1^  66 
5,  29  bejiel^en  fic^  nid^t  bircft  auf  i^n,  iocnn  fd^on  bie  ©runbfä^e,  bie  fie  au«fprec^cn, 
eine  analoge  ätntoenbung  auf  i^n  ^ulafjcn.  3lucl)  mo  3:i?aten  be«  ©.  berichtet  finb,  tüie 
1  ©a  31,  4  (©aul),  2  ©a  17,23  (3ll^itop^el),  1  ftg  16,  18  (©imri),  fann  man  ein  bcr= 
urtcilenbe«  SBort  bermiffen.  Sejüglid;  be«  ÜKt  27,  5  ertpäl^nten  ©elbftmorb«  be«  Ser= 
räter«  toirb  bie«  freili(^  burc^  ben  gan,^en  ^wf^immen^ang,  in  bem  er  ftebt,  erfc^t ;  tüenn  üo 


170  (Selbfhttorb 

and)  ber§mh)et^  auf  bcn  ©traf ort,  an  bcn  er  ging  (91®  1,  25),  laum  auf  feine  lobe^rt 
93ejU0  nimmt.  S3on  einem  bur^  ^ulu«  toerl^inberten  ©.  ift  81®  17,  27  f.  bie  Siebe. 
2)ag  geilen  beftimmter  Verbote  unb  SSerurteilungen  be«  ©.  im  213:  ertlärt  ftd^  teite 
au^  ber  Seltenheit  feine«  SSorlommen«  in  S^tael,  teitö  au&  ber  o^nel^in  im  SSoII  lebenben 

öänfc^auung  toon  feiner  3Serh)erfIi(^feit  (gofciJ^u«,  Bell.  jud.  3,  7  f.  2tu(^  bte  aUfc^toere 
Äränfimg  gemeinte  UnterfteHung  @t).  ^o  8,  22  ift  l^ier  ju  bergleit^en).  SRur  ba,  too 
})atriotifcpe  aWotit^e  in«  ©piel  famen,  urteilte  man  —  nad^  bem  Sorgang  toon  9li  16,  28 
—  auc^  in9i«rael  anber«  (2  3Rat  14,  37—46;  Sofej))^.,  Archaeol.  14, 13, 10;  BeU.  jud. 
1,  13,  10;  5P^ilo,  De  virt.  et  legat.  ad  Caj.  381).    3)a«  ß^riftentum   f^ai  auc^  ^ier 

10  nid^t  burc^  Verbote,  fonbem  burd^  bie  neue  ®efinnung,  bie  e«  f(^uf,  bie  gugleidb  tro^tac 
unb  berjagte  ©timmung  be«  ^eibentum«  übertDunben.  @«  t>flan3te  eine  ))orl^er  ni($t 
gefannte  ^wt^erfid^t  m  ber  jebem  ©injelnen  geltenben  toäterüc^en  gürforge  ®otteö,  ber 
fein  §eU  tt?ill  unb  ipn  ni(^t  über  fein  Vermögen  berfud^t  toerbcn  läfet  (1  2^  5,  9;  1  Äo 
10, 13).    ß«  Ufyci^  eine  ftttUc^e  aufgäbe  fennen,  bie  bem  Seben  ^nf^alt  unb  SBert  giebt 

16  (5P^i  1,  22  ff.),  unb  fteHte  auc^  ba«  Seiben  in  ba«  Sic^t  einer  ^eilfamen  unb  förbcmben 
©(^idEung  ®otte«  (3fö  5,  3 ff.;  8, 18).    3Kit  att  bem  toedte  e«  neuen  2eben«mut. 

%ixt  bie  alte  Äird^e  ftanb  benn  auc^  bie  SSertoerflic^feit  be«  ©elbftmorb«  feft  unb  fie 
l^atte  laum  2lnla^  einer  au«  Seben«überbrug  entfpringenben  ©elbftmorbneigung  entgegen- 
jutreten.    6^er  lonnte  religiöfer  Übereifer  ftdg>  o^ne  9cot  jum  ÜMart^rium  bröngen.  SBud^ 

ao  bagegen  fehlte  e«  nid^t  an  befonnenem  SBiberfjjruc^  (togl.  ben  ärt  SKärtt^rer  Sb  XII 
©.  49  f.).  Über  bie  flpaielle  grage,  ob  (^riftlic^e  3fungfrauen  in  Reiten  ber  3Serfolgung 
ft(^  ber  brol^enben  ßnte^ung  burd^  ©.  entjie^en  bürften,  toaren  bte  ÜJletnungen  geteilt. 
SBäl^renb  ©ufebiu«  (Hist.  eccl.  8,12),  Gl^foftomu«  unb  ^icroni^mu«  barin  eine  rü^m= 
lidSie  a:i^at  fehlen,  ^ält  Sluguftin  e«  für  unerlaubt,    gr  ^at  jeboc^  STOül^e,  biefe«  Urteil 

26  mit  ber  älteren  änfc^auung  ber  Äirc^e  ju  bereinigen  unb  ift  barum  geneigt,  in  getoiflen 
Ratten  fpejiette  äntoeifungen  ®otte«  anjunel^men,  burd^  toeld^e  fonft  verbotene  §anblungen 
fd^ulblo«,  ja  j)Pid^tmäfeig  toerben  (De  civ.  Dei  I,  10  ff.  2)ie  attgemeine  Übergeugung 
Don  ber  SSertoerflid^Ieit  be«  ©.  blieb  iebcnfatt«  burd^  biefe  ^rage  unberül^rt  unb  lam  in 
toieberl^olten  ©^nobalbefd^lüfjen  gum  äu«brucf,  toel^e  benen,  bie  fo  geenbet  botten,  bo« 

80  e^enbotte  »egräbni«  öerfagten  (Orlean«  533,  Sracara  563,  lolebo  693,  9lime«  1096, 
Sl^eim«  1131  u.  a.  5Bal.  ©täublin  ©.  112).  3ll^nli(^e  Seftimmungen  ftnb  f^witer  auc^ 
in  bie  proteftantifd^en  «irc^enorbnungen  übergegangen. 

®ie  beginnenbe  Slufflärung  ^at  bie  ^eil^eit  be«  ©ubjeh«  auc^  l^ier  ber  über* 
lieferten  pttlid^en  2lnf(^auuna   entgegengeftettt.    6«  ift    bejeid^nenb,   bafe  bie«  anfang« 

86  me^rfad^  in  nachgeladenen  ©(priften  gefc^a^  (^o^n  SDonne,  Buy&Avaxog  1644;  3o^.9lobe(f, 
Exercit.  philos.  de  morte  voluntaria  1736  unb  1755  ed.  f^unt),  bte  gal^lreic^e  @nt: 
gegnungen  hervorriefen.  5IKanc^e,  bie  al«  SSerteibiger  be«  ©.  aufgetreten  looren,  l^oben 
auc^  fj)äter  il^re  3lnftdbten  toiberrufen,  fo  ber  englif^e  5)ic^ter  ®ilbon,  5?rau  t>on  ©taSl, 
ber  italienif(^e  ®raf  $afferam.    ©elbft  3!)at)ib  §ume  mochte   fw^  ju  oer  nac^  feinem 

40  3:obe  gebrucften  ©c^rift :  Essays  on  suicide  etc.,  in  ber  er  ju  jeigen  fuc^t,  bafe  ber 
©.  feiner  ber  brei  Kategorien  öon  ^flid^ten  (gegen  ®ott,  ben  9(ä(^ften  unb  fid^  felbft) 
toiberfpred^e,  miji  öffentlich  befennen.  3"  ^^  allgemeinen  Sitteratur  be«  18.  ^^ciß' 
^unbert«  toirb  ber  ©.  al«  ^f^c^ologifcf^e«  unb  moralifc^e«  ^Problem  toielfad^  erörtert 
(3Konte«cfuieu,   Lettres  persanes,  9Jr.  76;    SRouffeau,  Nouv.  H^loise  III,  21.  22; 

46  ®oetl)e,  SBert^er«  Seiben);  meift  fo,  bafe  bie  ©timme  ber  ©trenge  unb  ber  ^ilbe  jum 
fflort  fommt,  aber  bod^  mit  ber  unt)erfennbaren  3?eigung,  toor  allem  ber  le^teren  ®e^ör 
gu  berfd^affen.  dagegen  ^aben  nic^t  nur  bie  t^eologifc^en,  fonbem  aud^  bie  nam^ftejien 
pl^ilofoj)^ifd^en  SKoraliftcn  (fo  ©Jjinoja,  SBolff,  aJlenbel«fo^n,  Äant,  J^ic^te)  ben  ©.  al« 
franf^afte  SSerirrung,  al«  ätbfage  an  bie  ^flic^t  unb  al«  Sßerle^ung  ber  STOcnfc^cntoürbe 

50  unjtoeibeutig  verurteilt.  2)er  niobeme  ^ejfimi«mu«  toitt  gtoar  ben  ©.  nid^t  al«  feine 
t)raf tifd^e  itonfequcn^  anericnnen ;  er  fte^t  aber  ber  fjrage  boc^  offenbar  mit  einer  gctoiffen 
3Serlegen^eit  gegenüber,  ©ie  ))rägt  fic^  in  ber  §albl^cit  au«,  bafe  ©d^oj)en^auer  jtoar 
ben  aftivcn,  aber  nic^t  ben  ^jaffivcn,  a«fetifc^en  ©.  unb  6.  v.  §artmann  xXoax  ben  ©. 
be«  gnbivibuum«,  aber   uid;t   bie  gcmcinfame  ©elbftvemid^tung  ber  SDlenfd^^t  bertoirft 

66  2)ic  ;\uncl^menbc  §äufigfeit  be«  ©.  unter  bcn  mobemen  ÄulturtJölfem  ift  fc^on 
in  6nbe  bc«  18.  ^«^^bunbert«  behauptet,  im  19.  jiffemmäfjig  beiüiefen  tüorbcn.  ©o 
X)ai  fic^  bie  3flbl  ber  jur  öffentlichen  Äcnntni«  gelangten  ©.  in  ;Vtanlreid^  Don  1826  bi« 
1875  verbreifadbt,  in  ^reufeen  1816—1874  Vervierfad^t.  ^n  einjelnen  ®rofefläbten  ift 
fie  nocf^  rafcf^er  unb  ftärfer  geioac^jeit  (^iorfetli  S.  16  ff.).    6«  toirb  barum   im  gangen 

eo  gutreffen,  toenn  ^JJJafar^f  fagt,  bie  ©elbftmorbneigung  l^abc  fic^  im  Sauf  be«  19.  ^äifc- 


Selbftmorb  171 

bunbert«  in  bm  meiftcn  i^itoilifiertcn  Staaten  menigpen«  twbreifad^t  (©.  131).  2)ie©teti0s 
leit  biefer  ^nna^mi  einerfeitd  unb  anberecfeitd  bie  übenafc^enbe  Ste^elmä^igfett  in  ber 
SSerteilung  ber  ^älle  auf  bie  ädter^tlaffen,  bie  et]^no0ra))^ifd^en,  t)olitifcl^en  unb  fojialen 
®tul)j>en,  auf  Sal^re^geiten,  ^iaqe^ftunben  unb  lobe^arten  ift  nid^t  feiten  ate  Slrgument 
gegen  biegreii^eit  be«  @ntf(^luffe«  Dertoenbet  tt?orben.  ^n  ber  3:i^at  ift  eine  toeitael^enbe  6 
^rattele  jtoifd^en  ber  S^n^J^«"«  ^^  ®-  wnb  ber  ber  (Seifteöfranll^eiten  nid^t  ^u  beftreiten. 
allein,  ba  nur  etn>a  ein  drittel  ber  ©elbftmorbfäQe  fic^  auf  erlennbare  ©etfte^Iranll^eit 
gurü(!f%en  läfet  (3RafarVl  ©.  92.  108),  fo  ge^t  e«  offenbar  nic^t  an,  biefe  Urfad^e 
burd^toeg  öorauögufe^cn.  Sli^tiger  toirb  man  in  ber  glei(^geitigen  Steigerung  ber  ©. 
unb  ber  geifkigen  Äranfl^eiten  paxaütU  SBirlungen  berfelben  Urfac^en  fe^en.  3n  ber  lo 
regelmäßigen  Setoeaung  ber  Qi^ttn  brüdtt  fic^  o^ne  3^^!^'  *>ö^  f^^Ö^  SBirfen  jener 
Urfac^en  aud.  9(uf  ba^  ^el^len  freier  SSiQen^beftimmung  ift  baraud  jebod^  nic^t  gu 
fd^Iießen.  S)at>or  muß  un^  berllmftanb  toamen,  baß  „lurje  ^ÄUn  unb  Heine  93eoba^« 
tung^reil^  mel^  ©c^toanlungen  auftDeifen  atö  lange  3^ten  unb  über  eine  große  Qcä)l 
t)on  göKen  au^ebel^nte  Seobac^tungen"  (^KorfeDi  ©.  46).  S)arau«  ergiebt  ftd^  ober,  i6 
baß  für  bie  SKaflenbeobad^tung  bie  inbiDibueßen  9KerImale  au^fd^eiben,  bie  ben  einzelnen 
%aü  d^ralterifieren,  unb  baß  mitl^in  bie  im  ®roßen  erfc^einenbe  Slegelmäßigleit  feinen 
©d^Iuß  auf  bie  3)2oti))ierung  be^  @injelereigniffe^  me^r  geftattet,  —  bad  fog.  ®efe$  ber 
großen  gal^I  (bgl.  hierüber  fflinbelbanb,  Über  SBiDengfrei^eit  ©.  134—148).  STOan  mag 
nun  aber  ben  Sinfluß  ber  inbiDibueUen  ©elbftbeftimmung  fo  ^o<^  anfc^lagen,  aU  man  20 
iDiQ,  fo  t>iel  ergiebt  ftc^  iebenfaüd  aud  ben  (Ermittelungen  ber  ©tatiftil,  baß  ber  ®ang 
ber  Snttüidtelung  im  legten  ^a^r^unbert  bie  ©umme  ber  in  ber  ®efamtl^eit  iDirffamen 
antriebe  gum  ©.  er^öl^t  bejh).  ba^  ®eh)id^t  ber  entgegenftel^enben  Hemmungen  Der« 
ringert  l^at. 

äBorin  bie  ^ier  in  Setrad^t  lommenben  eintriebe  liegen,  läßt  einigermaßen  fc^on  bad  25 
fiatiftifc^e  üKaterial  erfennen.  3)ie  ©elbftmorbncigung  ift  im  allgemetnen  größer  bei  ber 
ftäbtif^en  aU  bei  ber  länblid^en  9et)ö(ferung;  ^e  toä4fft  mit  ber  ©teigerung  bed  Ser« 
!e^r«  (SKafarVl  ©.  60),  mit  ber  aSerbreitung  ber  ©(^ulbilbung  (aKorfeffi  ©.  147 ff.);  fte 
ift  aui)  unftreitig  l^ö^er  in  j)roteftantif(^en  ate  in  latbolifc^en  Sänbem  (9JiorfeDi  ©.  135). 
Ä[h)if(^en  ber  Ääufigleit  ber  Serbred^en  gegen  bie  ^erfon  unb  ber  be«  ©. '  beftel^t  ein  ao 
t)ielfad^  beobachtete«  umgefe^rte«  SBer^ältnid  (9Korfetti©.  154ff).  9Kan  toirb  barum  laum 
fe^lgel^en,  toenn  man  bie  ^unel^menbe  ©elbftmorbneigung  für  eine  95egleiterfd^einung  ber 
fteigenben  ßiöUifation  erflärt.  ^freilic^  barf  bie«  nid^t  fo  öerftanben  toerben,  aU  ob  pokere 
3Scrftanbe«biIbung  unb  ted^nifc^er  ^ortfAritt  nottoenbig  toon  £eben«überbruß  unb  ^alts 
(oftgleit  begleitet  fein  müßten.  SBo^l  aber  me^t  ftd^  mit  ber  Qai^l  ber  99ebürfniffe  au^  86 
bie  30^1  ^^^^t  We  e«  ate  UnglüdE  em))finben,  fie  nid^t  befriebigen  ju  fönnen,  unb  bie 
barum  ben  Seben«mut  verlieren,  toofern  fte  nic^t  innere  Duellen  ber  Seru^igung  fennen. 
3)ie  2)ifferenj  gtoifd^en  ben  £eben«anfprüd^en  be«  Äulturmenfd^en  unb  ber  befd^änften, 
tndbefonbere  oer  J)lö^li(^  gehemmten  ÜRöglic^feit  i^rer  Sefriebigung  ift  ftc^erlid^  eine  ber 
i5auf)turfad^en  ber  fteigenben  ©elbftmorbneigung.  40 

3u  biefen  für  out  Hulturt^ölfer  gletd^en  Sebingungen  fd^einen  aber  noc^  folc^e  p 
treten,  bie  in  ber  befonberen  SSolfö^  unb  @tamme«inbit)ibualität  begrünbet  ftnb.  6«  tp 
eine  unleugbare  %i)at\a^z,  baß  auf  bie  Sänber  germanifc^er  9lafle  bie  ^öd^ften  ©elbft^ 
morbgiffem  lommen.  3"  erheblichem  Slbftanb  folgen  auf  fie  bie  Slomanen,  in  noc^ 
toeiterem  bie  ©laöen  (p.  Öttingen  ©.  760,  a)JafarVl  ©.  46).  Man  ^at  jur  Srllärung  46 
auf  ben  in  germanifd^en  Sänbem  befonber«  ftarfen  Sllfol^oltoerbrauc^  bingetoiefen,  aber 
auc^  auf  ben  ®eift  ber  freien  gorfd^ung  in  SBiffenfd^aft  unb  Sieligion,  ber  jtc^  im  beut« 
fc^en  33olI  am  fc^ranfenlofeften  entfaltet  ^abt  (le^tere«:  3KorfelIi  ©.  105).  ®etoiß  lann 
man  toeber  ben  3wfö*wmenl^ang  öon  3llfo^oli«mu«  unb  ©.  in  3lbrebe  peUen  —  nac^ 
einer  angäbe  bei  SKorfelli  ©.  266,  f ollen  in  2)eutfd&lanb  56°/o  ber  ©elbftmörber  8lHos  so 
l^oliften  fein  — ,  nod^  beftreiten,  baß  gerabe  bie  gebilbeten  Äreife  am  ©.  fel^r  ftarf  be^ 
teiligt  finb.  älber  beibe«  reicht  boc^  ni^t  au«,  ba«  @anje  ber  fraglichen  @rfd^einung  ju 
erllären.  3w*^^ff^^^  ^^^"^  ^^^  ^^^ö"  beulen,  baß  ben  ®ermanen  unb  befonber«  ben 
©eutfd^en  ipr  Verlangen  nac^  inbiöibueller  2eben«geftaltung,  ein  l^oc^gef})annter,  barum 
leicht  fe^lgreifenber  unb  in  gnttäufcf^ung  enbenber  3lbeali«mu«  unb  auc^  tool^l  ein  ge=  66 
h)tf|er  $ang  jur  ©entimentalität  ben  Äamj)f  mit  ben  garten  unb  l^emmenben  aBirIli(^= 
leiten  fc^toerer  mad^t,  al«  er  anbcren  9Jationcn  mirb,  bie  me^r  mit  ber  ®abc  au«gerüftet 
ftnb,  bie  ®inge  ju  nehmen,  h)ie  fte  finb,  unb  ficl^  auf  ba«  Sneid^bare  einjurid^ten. 

SBeber  jene  9Sert)ielfältigung  ber  2eben«anfj)rüc^e  burc^  bieÄultur,  noc^  biefe  innere 
®rfc^h>erung  il^rer  33efriebtgung  toürbc  jeboc^  im  ftanbe  fein,  fo  biele  jum  Ileinmütigen  go 


172  (ScIbfUnorb  Selbftftti^t 

Stuf  geben  be^  2eben^tanH)fg  ju  fül^ren,  toemt  nic^t  im  SSerlauf  bc^  19.  ^al^r^unbert^ 
jugletd^  ein  in  entgegengefe^ter  9li(^tung  tpirfenber  ßinflu^  an  Äraft  eingebüfet  l^ätte,  bie 
mad)i  einer  gefd^Ioflenen  religiöfen  SBdtanfd^auung  unb  einer  binbenben  Sitte,  ättc  jene 
(Sintoirfungen  ber  grofeen  9SerIe^r«centren,   ber  fortgefd^riltenen  let^nil,  ber  gcfteigerten 

5  SJerftanbe^bilbung  i^aben  gugleic^  boau  gel^olfen,  gro^e  Seile  beö  SBolfö  bem  religiöfen 
(Stauben  ju  cntfremben  unb  beö  §afe  einer  (tarlen  öffentlichen  ©itte  ju  berauben,  ^amit 
l^ängt  o^ne  3*^^?^^^  ^^c^  bie  3:^atfac^e  ^ufammen,  ba^  bie  Beteiligung  be«  h>eibli(6en 
@^\ö)Ui)ii  am  ©.  jtc^  ju  ber  be^  männlid^en  toie  1  :  3  ber^ält.  ^n  biefcr  2)iffereng 
fommt  jtDar  nid^t  au^fc^Iie|Iki^,  aber  boc^  tDefentlid^  mit  ber  Ünterf^ieb  jum  ätu^brud, 

10  ber  in  ber  Stellung  ber  beiben  (äefc^Iec^ter  m  SReligion  unb  ©itte  obtoaltet. 

SSietteic^t  barf  man  au^  bem  Jjeriobiwen  -—  nid^t  feiten  gerabegu  ej)ibemifcl^en  — 
Sluftreten  einer  gefkeigerten  3?eigung  jum  ©.  bie  Hoffnung  fc^öj>fen,  ba^  fie  Übergangs- 
zeiten eigen  ift  unb  mit  bem  Sintritt  eine«  befferen  (Sleid^getoic^tS  im  geiftigen  Oefamt- 
leben  tvieber  nad^laffen  toirb.  @in  folc^eS  ©leid^getvidbt  ift  aber,  toie  auc^  3Rafar^t  betont, 

16  o^ne  ein  Srftarfen  ber  9leligion  nic^t  ^u  ertvarten.  3l\ix  bie  ©tarlung  ber  ^erfönlic^feit 
bon  innen  l^erauS  befäl^igt  fie,  bem  35rucf  unb  ben  SBäed^felfällen  einer  lomj)lijierten 
Kultur  ©tanb  ;|u  galten,  ^füax  lann  auc^  natürliche  Slaftijität  unb  (tarier  ^flid^tgefü^l 
in  begrenztem  Umfang  ^^nlic^e«  leiften ;  aber  eine  juöerläfftge  Duette  ber  äu^bauer,  ber 
©rgebung  unb  ber  Hoffnung,  bie  aud^  in  berjtoeifelten  Sagen  nic^t  berfiegt,  fann  für 

30  ein  ganzes  93oII  nur  bie  Steligion  fein.  3äie  einft  baS  S^riftentum  neue  SebenSjuDerftc^t 
in  bie  mübe  gehjorbene  alte  Äulturtoelt  gebracht  ^at,  fo  tt?irb  au(^  nur  bie  Sebenöma^t 
beS  SbangeliumS  im  ftanbe  fein,  bie  aufreibcnbe  unb  tobbringenbe  aBirfung  ber  mobemen 
Kultur  JU  feilen. 

Die  93efämj)funp   ber  hjeitöerbreiteten  ©elbftmorbneigung  fättt  barum   im   lefeten 

26  (Srunbe  gufammen  mtt  ber  ®eltenbmac^ung  d^riftlic^er  ääeltanfc^auung  unb  ©ittUc^feit. 
SBer  [xd}  in  ber  ^flid^t  ©otteS  ftel^enb  toeife,  bem  ift  eS  getoife,  bafe  er  —  unter  gtinftigen 
ober  toibrigen  Umftänben  —  toirifen  mufe,  fo  lange  eS  %aQ  ift  (3o  9,  4).  Unb  h)er  eine 
®nabe  lennt,  bie  bem  Sleuigen  au6)  bie  fd^toerfte  ©d^ulb  bergibt  unb  ben  ©efattenen  ;u 
neuem  Seben  aufrichtet,  ben  fann  bie  SSerjtoeiflung  nid^t  übcrtoältigen.    ©afe  bie  c^rift- 

90  lid^c  Äird^e  il^r  ftrengeS  Urteil  über  eine  %^at,  in  ber  fie  eine  grunbfäfelic^e  Verleugnung 
ber  ©otteSfurc^t  unb  be«  ©ottbertrauenS,  eine  ©eringad^tung  beS  göttlichen  ©eric^t«  toie 
ber  göttlichen  ©nabe  feigen  mu^,  feftjul)alten  unb  jum  aiuSbrudf  ju  bringen  l^at,  toerfle^t 
fid^  bon  felbft.  GS  ift  barum  auc^  nic^t  ratfam,  bie  ©d^ranfen,  toelc^e  burc^  ®efe$  unb 
©itte  für  baS  Begräbnis  bon  ©elbftmörbem  gejogen   ftnb,  preiszugeben.    2)ieS  toürbc 

36  baju  beitragen,  baS  o^ne^in  fc^on  laje  öffentliche  Urteil  noc^  ftumpfer  ju  machen.  9Rag 
auc^  in  bielen  Jfätten  3"^^*^öltung  beS  Urteils  geboten  fein  unb  bie  $erfon  beS  ©elbft^ 
mörberS  me^r  3Kitleib  als  3:abel  berbienen,  bie  I^at  felbft  mu^  boc^  unjtocibcutig  als 
eine  für  ben  (S^riften  ftttlicf^  unmögliche  bezeichnet  toerben.  9lber  freilid^  grofee  SBirlungen 
barf  man  bon  ©efe^en  unb  ^nd^tmaf^xQQQln  attein  nic^t  ertoarten.    9lur  baS  ©Kinge^ 

44)  lium  Dermag  einen  neuen  ©eift  ju  fc^affen  unb  bamit  eine  ©efunbung  unferer  Äultur 
an^ubal^nen.  C  SMrn. 

©elbftftti^t  ift  ein  ffiort  fpäten  Urfj)rungS  für  einen  Betriff  urälteften  3)atumS. 
es  bezeichnet  treffenber  als  „ggoiSmuS"  bie  auSfc^liefelic^e  Beziehung  beS  menfd^lic^en 
üBJoHenS  unb  Segc^renS  auf  baS  eigene  Sclbft  im  ©egenfa^e  z"  bem  ©el^orfam  unb  ber 

45  Siebe,  bie  ber  Wenfc^  feiner  anerfcljaffenen  Seftimmung  gemä^  ©Ott  bem  ^erm  fc^ulbig 
ift.  3)iefc  abnorme  3lid^tung  fommt  bogmatifc^  in  Betracht  als  bie  ©runb«  ober  SEBurzel* 
fünbc,  eti^ifdf)  als  ber  fruchtbare  Seim  fünbiger  enttoicfelung  ober  als  ©ünbenloux^el, 
bann  als  9Jebcn=  unb  Unterftrömung  aller  natürlid^en  ©ittlic^feit. 

1.  2)cr  gjJenfcb,  als  geiftleiblic^eS  ffiefen,  zh)ifcl)en  ©Ott  unb  bie  aSJelt  in  bie  3Ritte 

50  geftctit,  mit  ©ott  burc^  feine  ^erfönlic^feit  bertoanbt,  ber  3Belt  burc^  feine  9latur  lu- 
gehörig,  ^atte  bie  2tufgabe,  burc^  freie  banfbare  Siebe  bie  ©emeinfd^aft  mit  ®ott  zu  be^ 
loabren  unb  ficf)  felbft  zuDörbcrft  für  ©ott  z"  ^eiligen,  bann  burc^  treuen  ©ienft  bie 
aOSeh  im  ©cl)orfam  gegen  ©ott  z«  erbalten  unb  ebenfalls  für  ©Ott  zu  l^eiligen.  3n 
biefer   z*^^if<i<i>€»  !)lic^tung   feiner  ^bätigfcit  foHte   er  baS  ^kl   feiner  Seftimmung  er= 

55  reirf^en :  bie  tjotlenbctc  SluSprägung  beS  ©ilbeS  ©otteS  in  unb  an  ibm,  z«  toelc^er  er 
angelegt  ioar.  'DJacl)  \vcid}Qx  Seite  bin  er  ^mx^i  Don  biefer  ihm  t)orgezeid^nctcn  Sa^n 
abioid)  unb  in  2lbnormität  feiner  Gnttoicfclung  geriet,  ift  eine  ^ra^e,  bie  mit  ber  nac^  ber 
Gntftebung  beS  Böfeit,  ber  Sünbc  überl^aupt,  )^ufamnienbängt,  l)ier  alfo  nic^t  bel^anbelt 
toerben  fann ;  nur  an  bie  Differenz  fei  erinnert,  a>eld)e  zh)ifdHm  ^ul  3Rütter  (Sc^re  bon 


®e»f)fttd|t  173 

bcr  ©ünbe  II,  3.  4)  unb  SRid^.  Sflot^e  (t^col.  mit  2  31.  Sb  1)  barübcr  ft(^  cr^ob,  ob 
bic  äBurjelfünbe  in  ©elbftfuc^t,  toic  jener,  ober  in  ©innlic^feit,  toie  biefer  bü}aupttU, 
beftel^e  (togl.  aud^  bie  Harc  2)arfteUun0  ber  beiben  ainfw^ten  unb  ben  SJerfucb,  fte  ju 
t)ermitteln  bei  ®orner,  G^riftl.  ®Iauben«Ie^re,  93b  2,  §  77).  3Bir  galten  bafür,  bafe  bie 
Priorität  ber  ©elbftiuc^^t  mfomme.  @o  lange  ber  menjc^Iic^e  (Seift  @ott  l^ingegeben  6 
Wieb,  ^ielt  er  bie  eigene  9(atur  in  ©d^ranfen.  ©rft  aÖ  er  in  falfd^er  ©elbftbe^auptung 
ba«  eigene  Seben  aufeer  unb  toiber  (Sott  ju  fu^en  ftc^  öerma^  unb  ben  (Selüften  naq 
(Sottoleic^^  in  Unabl^öngigfeit  t)on  (Sott  m  fw^  9laum  gab,  entfeffelte  er  and)  bie  2iriebe 
ber  ©innlid^Ieit  im  ?fleij^e.  ©o  f(^ilbert  auc^  bie  ©c^rift  (Sen  3  ben  §ergang.  9Kit 
bcm  SBorte :  „il^r  toerbet  fein  toie  (Sott"  toarf  bie  ©^llange  ben  gunlen  ber  ©clbftfudbt  lo 
in  bie  ©eele  be^  SBeibe«;  bann  trat  bie  lüfterne  Segierbe  nad^  ber  t>erbotenen  ^ruqt 
^ingu.  3)er  geiftigen  äbtel^r  bon  ®ott  folgt  bie  finnlid^e  S^Uf)x  mr  SiJelt  md),  unb 
bie  ©elbfküber^ebung  be«  SJJenfc^en,  ber  fein  ^eil  nic^t  bon  oben  l^er  emjjfangen, 
fonbem  felbftifd^  an  f\d)  reiften  toiB,  ftraft  fic^  m  ber  ©clbftemiebrigung,  baft  er  im 
(Sitlen  unb  SJergön^lic^en,  in  ber  Äreatur  für  ben  Verlornen  ^rieben  ©rfafe  fuc^en  mufe,  i6 
ein  Äne(^t  ber  gletfd^e^s  unb  3lugenluft  toirb.  SJie  ©elbftöergötterung  (erlägt  um  in 
ffieltöergötterung. 

2.  3)ie  bem  3Renf(^en  feitbem  angebome  berfel^rte  iHic^tung  ber  ©elbftfud^t  ift  in 
il^m  ber  fruchtbare  Äeim  fünbiger  ©nttoidfelung,  toie  $aulu^  fie  SRö  1,21  ff.  jeic^net. 
^iefe  @nth>i(felung  lann  toieDerum  jtoei  fc^einbar  bibergente,  in  3Birflid^teit  fiep  taufenb«  ao 
fdittg  heu^enbe  ober  ineinanber  übergel^enbe  äSiege  einf^Iagen:  ben  ber  finnlid^en  ©enuft« 
fuc^t  unb  ben  beö  geiftigen  ^oc^mutig.  93eibe  baben  in  ber  ©elbftfu(^t  ibren  Slu^ang«* 
punft.  ®er  Oenufefüc^tige  jagt  ber  (SlüdEfeügfeit  nac^,  inbem  er  bie  SBelt,  fotoeit  er 
tjermag,  feinem  ©elbft  unterwirft,  aneignet,  il^re  ©üter  unb  ^reuben  bur(^'  unb  axi^ 
foftet  I)ie  äufeeren  §inbemiffe,  auf  toelc^e  er  babei  fköfet,  ftrebt  er  rüdfid^t^Io^  )u  über*  26 
Joinben.  j^ier  entfj>ringt  ber  vielgenannte  „Äamjjf  um«  2)afein",  auf  toelc^en  eine  neuere 
3BeItanf(^auung  bie  gefamte  (Sefc^i^te  ber  ?BJenfc^l^eit,  bie  ganie  (grfc^einung  be«  menfc^lic^en 
geben«  gurücffül^ren  toill.  3)a«  SßJai^re  baran  ift,  bafe  bie  ©elbftfud^t  feine  ?)ifli(bt  gegen 
bic  ®emeinfd^aft  anerlennt,  bafe  in  bem  SRingen  nac^  ©lüdffeligfeit  einer  bem  anbem  im 
aSBege  ift,  unb  baft,  too  bie  ©elbftfuc^t  ^errf^t,  ber  ©tariere  o^ne  ©c^onung  ober  ^Kit^  so 
leib  ben  ©«^toäc^ieren  niebertritt  unb  über  i^n  ^intoeg  ba«  begehrte  (Sut  ergreift,  ^ebe 
eubämoniftifd^e  ^oral  ftatuiert  fonfequentertoeife  biefe«  bellum  omnium  contra  omnes 
ate  l^arte  Jlaturnottoenbigfeit.  —  3i)er  geiftige  §oc^mut  giebt  ben  ©c^ein,  bie«  toilbe 
3:reiben  gu  toerad^ten.  ®r  fuc^t  feine  Sefriebigung  in  toermeinter  geiftiger  4?oD[fommen^eit. 
SBBif|en«ftoIj,  $errf4ifu(^t  finb  feine  3;mj)ulfe.  ©r  bünf t  ftc^  ^oc^  erl^aben  über  bie  Meinen  ss 
unb  niebtigen  ©enüjfe  ber  fmnlic^en  SRatur,  er  berac^tet  ben  2eib  felbft  unb  feine  95ebürfs 
niffe.  3tber,  toie  3Kartenfen  ((gt^if  I,  ©.  132  ff.)  fe^r  gut  jeigt,  ber  (Senuftmenft^  ift  nid^t 
o^ne  $oc^mut;  er  bilbet  fic^  ettoa,  bem  (Setoiffen  unb  bem  ®efe^e  trofeenb,  eine  i^eorie 
jur  SRw^tfertigung  feiner  ©innenluft  *  unb  ber  ©eiftee^od^mut  erleibet  oft  gerabe  in  feinen 
entfc^^iebenften  Vertretern  bie  fc^mäJ(;li(^ftcn  9Uebcrlagen,  Wo  bie  unterbrücfte  unb  »erachtete  40 
©innli(^Ieit  ft<^  getoaltig  em^iört  unb  biefe  §offärtigen  ibrerfeit«  f^imac^boH  fnec^tet  (ein 
fein  au«gefül^rte«  93eif))iel  l^ierju  ift  bcr  geiftli(^e  fiiebl^abcr  ber  (£«meralba  in  95if tor  J&ugo« 
Notre-Dame). 

Serfuc^t  man  c«,  bie  einzelnen  ^auptfünben  nac^)  ben  jioci  ©runbric^tungen  ber 
©elbftfuc^t  )u  flaffifijieren,  fo  treten  auf  bie  ©eite  ber  ©innlic^feit  bic  ro^en  unb  ge^  46 
meineren,  auf  bie  be«  Äoc^mut«  bie  feineren  unb  geiftigercn  formen  ber  ©ünbe.  3»""^^ 
bleibt  ba«  ©elbft  be«  ©ünber«  ber  SJlittelpunft,  um  ben  fein  ganje«  fieben  ftc^  brel^t, 
öon  bem  e«  nit^t  lo«fommt;  unb  bie  Siebe  ;iu  ©ott  toirb  burd^  bie  ©clbftfuc^^t  in  atten 
il^ren  (Srfc^einungen  vereint  unb  au«gefc^loffen.  Die  ^JJloral,  bie  man  auf  bem  5Prinji|)  be« 
®goi«mu«  aufgubauen  in  alter  (6j)ifur)  unb  in  neuer  ^^\t  (3K.  ©tirner,  3)er  ©njige  60 
unb  fein  Eigentum)  öerfuc^t  l^at,  fann  nur  eine  ati^eiftifc^e  fein. 

3.  3)cr  groben  ©elbftfuc^t  eine  „t)ernünftige  ©clbftliebe"  gegcnüberjuftetlen,  bie  freis 
lic^  auc^  ben  eigenen  5Wu^en  unb  3Jortcil  obenan  fe^t,  bie  e«  aber  in  i^rem  too^lbers 
ftanbenen  9lu|en  unb  Vorteil  finbet,  bem  9iäc^ften  au^  tttoa^  uifommcn  gu  laffen,  unb 
jloifd^cn  feinen  unb  i^ren  3"^^^fl«"  ^i"^"  billigen  2(u«glei(^  trifft,  bie«  möchte  noc^  bie  66 
unjtoeibeutigftc  ber  Verfleibungen  fein,  bereu  fid^  bie  ©elbftfuc^t  bebient,  um  unter  ^rei«s 
gebung  ber  gorm  i^r  2Befen  ju  retten  unb  ficb  in  ein  „tugenb^afte«"  Seben  einju= 
fc^muggeln.  3)em,  toa«  bie  3(lten  iustitia  civilis,  bürgerliche  SRed^tfd^affen^eit,  nennen 
ober  ber  ^au«bacfenen  3Koral  be«  5Rationali«mu«  fc^tec^t^in  allen  fittli(^en  SBert  abju« 
f})re(^en,  bürfte  ju  toeit  gegangen  fein ;   fie  ift  öielmel^r  eine  nü^lid^e  brauchbare  ©a^e,  eo 


174  Selbflf«d|t  Selbftnerleugimiig 

ftettt  eine  ßehjiffe  äußere  Äonformität  mit  bem  ©efeft  l^er,  vertritt  ba«  ämt  einer  tont- 
jamen  Sßrätoentiöpolijei.  SSor  aKem  ober  ift  biefe  ?Koral  eine  Srutftatte  bc«  feineren 
©goi^mu^,  toie  er  ate  9leben=  unb  Unterftrömung  oller  natürlichen  ©ittlicbleit  t>on  un« 
be^eid^net  tourbe. 

ö  3n  ©eftalt  ber  oben  fc^on  ertoäl^nten  „toemünftigen  ©elbftliebe"  ift  ber  ßgoi^mu^ 
toomei^mlic^  ®ef(^äft«i)rinjilp.  „Seben  unb  2ebenlaffen"  l^eifet  feine  3)etoife.  gn  toeld^m 
(Srabe  batoon  ano)  ber  ehrbare  §anbel  unb  bie  adj^ng^toerte  3nbuftrie  burt^brunaen 
pnb,  h)ie  ftd^^  ba  überaH  t)on  felbft  toerftel^t,  bafe  ba«  eigene  Sntereffc  oberfter  ©efu^t«^ 
i)unlt  fein  mufe,  bebarf  feiner  Stu^einanberfe^ung.    §ier  fc^on  bedEt  bie  3;ugenb  berSleb? 

10  lic^teit  ald  t^lagge  bie  ftontrebanbe  ber  ©etoinnfuc^t.  3Ran  t>er2id^tet  auf  ben  unreblic^en 
®eh)inn,  nur  toeil  ber  reblid^e  immerl^in  fidlerer  unb  nachhaltiger  ift. 

Si«  jur  erfc^einung  be^  $eroi«muö,  ber  D}?fertoiDigfeit,  fc^toingt  bie  ©elbftfuc^t 
im  Familienleben  fic^  auf;  ftc  nimmt  l^ier  bie  Oeftalt  ber  ©elbftöerleugnung  an.  Sltem 
legen  [xö)  bie  fc^tverften  Sntbei^ungen  auf,  t)erfagen  ftd^  aQe  eigene  93equemltc^tett;   um 

15  i^ren  Äinbem,  fei  eö  ein  Vermögen,  fei  ^  eine  tüd^tige  Stu^bilbung,  gu  Derfd^ffen.  Sn 
abeligen  Ääufem  toirb  ber  ätufr^d^tbaltung  ber  gfamilienel^re  unbebenflid^  aUe«  jum  £)})fer 
gebracht ;  oer  ©o^n  ettoa,  ber  berufen  fc^eint,  ben  ®Iam  bed  §aufeg  f ortgufe|en^  grünbet 
feine  ßjiftenj  auf  bie  freitoiUige  ©elbftenterbuna  fämtliqer  ®cfc^h)ifter.  S33a^  ift  enblicb 
ber  Sl^rgeij  in  allen  feinen  ®eftalten,  ber  h)iffenfc^aftlic^e,  ber  fünftlerifd^e,  ber  ftaat^^ 

20  männifc^e  ®^rgeij,  mit  au'  feinen  großartigen  Seiftungen  unb  Srf olgen  anber«  afö  ©elbfl^ 
fuc^t?  —  ©ie  gel^t  auf  alle  95ebingungen  ein,  bie  man  il^r  fteUt,  fie  ift  ber  ungloub^ 
lic^ften  ©elbftentöußerungen  fällig,  fie  fc^miegt  unb  biegt  ftc^  unb  lä|t  ftd^  auf  ein 
5Kinimum  rebujieren,  toenn  fte  nur  ebennod^  ejiftieren  barf ;  il^re«  fc^liefelid^en  Irium^^e^ 
ift  fte  getoife. 

26  2luc^  ba^  religiöfe  ®ebiet,  aud^  bie  grömmigfeit,  ift  ii^r  nic^t«  loeniger  afö  ungu^ 
gönglic^,  unb  jtoar  tritt  fie  ^ier  toieber  in  i^ren  beiben  §aui)tformen  auf;  ate  geiftlidj^ 
®enußfuc^t  unb  ald  ©elbftgered^tigleit.  ^ie  genußfüd^tige  ^ömmigleit  ift  h)a^lerifd^  in 
ber  33efriebigung  i^rer  religiofen  Sebürfniffe;  bie  einfache  fd^Iid^te  Äoft  ber  biblifc^en 
Se^re  toirb  bon  il^r  t)erfc^mä^t,  fie  l^afc^t  nac^  älbfonberlic^Ieiten,  nac^  ge^eimnidboDen 

80  2iiefen,  nac^  fc^loinbelnben  §öl^en ;  ober  fte  trägt  loeltUc^e  ®efc^macf«ri(ptung,  üKoben 
ind  religiöfe  2eben  über.  6d  toirb  boc^  immer  eine  verfeinerte  ©innlic^feit  i^r  ju  ®runbe 
liegen.  ®er  geiftlid^e  §o^mut  aber  erzeugt  bie  ©elbftgerec^tigleit,  bie  im  ?P^rifäertum 
fid^  tt)p\]i)  au^tpxäQt  unb  in  bem  feinbli^ien  ®egenfafe  be^felben  gu  3efud  i^  innerfte^ 
SBefen  geoffenbart  f}at     SBie  tief  fte  im  natürli^en  3Kenfc^en^erjen  tourjelt,  h>ie  fcj^toer 

36  fte  auszurotten  ift,  jeigt  bie  ©efc^^id^te  ber  c^riftlid^en  SReligiofttät,  leiert  unS  bie  eigene 
täglid^e  (Srfa^rung,  ber  Äamjjf,  ben  jeber  treue  ß^rift  mit  [xä)  felbft,  jeber  toac^fame 
©eelforger  mit  feinen  ^Pegebefo^Ienen  ihrethalben  ju  führen  ^at. 

am  lefeten  6nbe  läßt  bie  ©elbftfuc^t  i^re  Änec^te  im  iobe.  StBeil  fte  il^  Seben 
erhalten  toouten,  muffen  fte  e«  verlieren.    2)er  ®enu|menfci^  toirb  im  %o\>t  von  attem 

40  entblößt,  toomit  er,  unter  bem  SBortoanbe  fte  gu  fättigen,  feine  ©eele  betrog.  3)er 
^ocf^mütige  bleibt  mit  feinem  geliebten  ^6)  allein  ju  feiner  etoigen  Dual.  aBeltöergötte^ 
rung  unb  ©elbftvergötterung  faOen  fc^lie|lid^  unter  ba«  ©erid^tStoort  3ef  48,  22 ;  67,21; 
m,  24 :  „bie  ®ottlofen  l^aben  feinen  ^rieben".  ftarl  Xlnrger  f. 

©elbfütierleugattag  ift  in  allen  fünften  ba«  2Biberft)iel  ber  ©elbftfuc^t;   in  i^rem 

4ö  Urf^rung,  in   i^rem  SBJefen,   in  il^rem  3^^!^  bilben  fie  einen  auSf^ließenben  ®egenfo|, 

h)ie  i^n  (Sljriftug  m  10,  38 f.;  16,  24 f.;  a)lc  8,  34 f.;  £c  9,  23 f.  fc^arf  aneinanberrücft. 

^aS  neuteftamentl.  aSort  für  „fic^  felbft  Verleugnen"  ift  ägveloi^aif  änaQveuj&ai  iamdv 

(Vgl.  6remer,  S3ibl.  t^eol.  3Börterb.  g.  b.  2Ö.).    S)urc^aug  neuteftamentlid^  ifi  ober  bie 

©oc^e  felbft.    ^^on  ©elbftverleugnung   im  ©innc  ber  fjorberung  3^fu  on  feine  S^naer 

50  unb  Dioc^folger  ^at  bie  3Belt  vor  ^l}m  nichts  getoufet,  loitl  bie  SBelt  außer  ^\)m  nichts 

toiffcn.  2)enn  nichts  geringere^  tvirb  mit  i^r  Verlangt,  als  baß  ber  aJlenfc^  fein  ^d^,  fein 

©elbft  Verneine,   feinen  SlUHen  auS  bem  falfc^cn  ßcntrum  ber  (Sgoität  ^erouSne^me  unb 

boburd^  fein  natürlicl^cS  Seben  virtuell  aufgebe,  vemid^te,  tviffentlicf^  Verliere,  jugleid^  ober 

ein  neues,   baS  tüol^re  SebenScentrum,  gctüinne,  inbcm  er    feinen  SSJiDen  mit  bem  gött^ 

55  liefen  einigt,  fein  Seben  mit  gl^rifto  in  ®ott  verborgen  fe^t  (Äol  3,  3)  unb  forton  nic^t 

ftc^  felbft  lebt,   fonbem  bem,  ber  für  i^n  geftorben  unb  auferftanben  ift  (2  Äo  5,  15),  fo 

baß  er  mit  ^auluS  fagen  fann:    ,,ic^  lebe,  boc^  nun  nid^t  icf^,  fonbem  ß^riftuS  lebet  in 

mir"  (©0  2, 20). 

9?iemanb  Vollbringt  bieS  in  einem  Slnlauf.    ^ot  bod^  3^f"^/  ^^  ^^n  otter  SEBeltluft 


Selbfhierleugttttiifl  Seibett  175 

freie,  an  bcm  baö  6r  litt,  (Sel^orfam  gelernt  (§br  5,  8)  unb  in  ber  ©elbftberleugnung 
jtd^  geüBt,  btd  @r  am  £)lberg  bie  le^te  @t)ur  ber  S^mad^^eit  abtl^at.  SBir  muffen 
langer  lernen,  mel^  üben,  unb  tverben  nie  bad  ^xA  ganj  erreid^en,  fo  lange  toir  ben 
Seib  ber  ©ünbe  unb  be«  Zoh^^  an  un«  tragen. 

StBir  fangen  aber  an  un^  felbft  ju  verleugnen  in  ber  95ufee.  ®er  Dom  ®eifte  6 
Ootteö  ergriffene  3Kenf(^  ^erät  mit  fw^  felbft  in  3h)iefj)alt;  ein  ^ug  jur  SBa^rl^eit  unb 
®ere(^tigteit  regt  fic^  in  tl^m  unb  toeat  ein  Serlangen,  ein  3Bouen,  toelc^ed  t>on  bem 
alten  3Befen  bed  ^leifc^e^  lodlommen  möd^te.  2)ied  äßollen  ift  nod^  fc^^ac^,  ed  ift  oft 
unaufrid^tig  unb  bann  öergeblid^.  3lber  ben  aufrichtigen  läfet  e«  Oott  gelingen.  ®r 
fc^enft  i^nenmit  ber  S3ufee  ben  Olauben;  6r  begebrt  fie;  fte  toerben  h)iebergeboren,  fei'«  lo 
bafe  fie  nun  erft  bie  ^ufe  emjjfangen,  fei'«  bafe  i^re  a:aufgnabe  je^t  in  Slltualität  tritt. 
35on  ba  an  ift  ii^r  Seben  ein  Äampf  be«  neuen  ^enfc^en  toiber  ben  alten,  be«  ©eifte« 
n>iber  ba«  ^^leifd^,  unb  bamit  eine  tägliche  Übung  ber  @elbftt)erleugnung.  @o  fteQt  bie 
©elbftöerleugnung  ftd^  bar  al«  bie  innerfte  Seite,  al«  bie  beftänbig  flie^enbe  Duelle  ber 
Smeuerung  ober  Heiligung  be«  ©Triften.  SBir  tl^un  leinen  ©d^ritt  Dortoärt«  auf  bem  iö 
fd^malen  SBeg,  toxx  legen  leine  Unart  be«  ^leifc^e«,  leine  fünbige  ®eh)ö]^nung,  leinen 
(E^aiterfe^ler  ab,  toir  tragen  in  leiner  SSerfuc^ung  ben  ©ieg  hatyon,  toir  beftel^en  feine 
®lauben^robe,  toir  Vollbringen  lein  toaj^e«  unb  annä^emb  reine«  33erl  ber  Siebe,  ol^ne 
bafe  toir,  un«  felbft  toerleugnenb,  ben  SBiberfprud^,  ben  SReig,  bie  Irägl^eit  unb  Unluft  be« 
alten  ÜMenfd^en  juöor  übertoinben.  20 

©0  btlbet  bie  ©elbfttoerleugnung  in  ber  %f)at  ben  Äem  ber  3iüngerf(^aft,  bie  ©runb- 
bebingung  ber  ^{ac^folge  (S^fti.  @«  betpä^rt  fic^  aber  auc^  in  i^r  be«  $erm  äBort: 
„h>er  fein  Seben  toerlicrt  um  3KeinettDillen,  ber  hjirb«  erhalten."  Unter  bem  tägli^en 
abtöten  unb  ilreujigen  be«  gfleifd^e«  toäc^ft  unb  fräftigt  p^  unb  gelangt  ju  immer 
reiferer  3lu«geftaltung  ba«  neue,  ba«  göttliche  Seben  be«  Soften.  SDabet  jeigt  fico  jugleic^,  25 
ba^  bie  ©elbftöerleugnung  fein  einmaliger,  fonbem  ein  fortgei^enber  innerer  äft  ift,  ba^ 
fie  me^r  unb  mel^r  ein  ^abitu«  be«  jünger«  loirb.  Ob  biefer  burc^  einzelne  äußere  älfte, 
burc^  felbft  auferlegte  b^onbere  Übungen  unterftü^t  unb  geförbert  Serben  mu^,  burd^ 
goften  unb  Äafteiungen,  ßntl^altungen  unb  SSerjic^te,  bleibt  ©ad^e  teil«  ber  freien  inbiöibuellen 
@ntf(^lie^ung,  teil«  ber  f^ejieQen  Seben«fül^rung.  SSa«  ber  $en  bon  bem  reichen  so 
Jüngling  forbert,  toa«  6r  im  Stnfc^lufe  an  bie  Ser^anblung  mit  bemfelben  ©einen 
Süngem  jumutet  (3Jlt  19,  21.  29),  fmb  folc^e  einzelne  2lfte  ber  ©elbftöerleugnung,  aber 
nid^t  tttoa  consilia,  beren  Befolgung  ju  einer  ^ö^eren  ©tufe  ber  Heiligung  ergebt,  fonbem 
praeoepta,  gu  beren  (Erfüllung  jeber  (Sl^rift  gegebenen  ^aQe«  bereit  fein  mu^.  2)em 
@eifie  be«  StKingelium«  jutuiber  ift  ber  Serfud^,  bie  ©elbftt)erleu9nung  in  ®efe^e«form  85 
t>or)uf(^reiben  unb  in  ein  ))erbienftlid^e«  äBerf  umjutoanbeln.  ©te  ^at  fittlic^en  3Bert 
unb  trägt  jur  Heiligung  bei  nur  fotoeit  fie  an^  bem  freien  3BiIlen  be«  SSiiebergebomen 
^ertjorge^t  ©0  geübt,  ift  fie  ein  toic^tige«  3Rittel  jur  Pflege  ..c^riftlid^er  Oemeinfc^aft 
2)ie  ©d^onung  ber  fc^^tt?ac^  ®eh)iffen,  bie  SSerl^ütung  be«  ärgemiffe«,  bie  STOcibung 
oDe«  böfen  ©c^eine«,  bie  ©anftmut,  bie  bem  irrenben  95ruber  ^ured^t^ilft,  bie  fud^enbe^o 
a:reue,  bie  bem  Verlorenen  nad^ge^t,  bie  3)emut,  bie  fi^l  nic^t  bienen  läfet,  fonbem  )u 
bienen  für  i^ren  95emf  achtet,  ja  alle  33etl^ätigungen  ber  c^riftlid^en  Sruberliebe  fe^m 
üorau«,  bafe  toir  unfere  ©elbftfud^t,  unfer  %k^d),  ba«  bem  aUen  abgeneigt  ift,  ju  Der^ 
leugnen  toiffen.  ®nbli(^  gilt  auc^  l^ier :  „toenn  jemanbe«  SBege  bem  §enn  tool^lgefaKen, 
mad^t  (gr  aud^  feine  geinbe  mit  i^m  jufriebm"  (©J)r.  ©al.  16,  7).  2ttl  bie  ftille  arbeit  45 
unb  3"^^'  ^'^  ^^^  jünger  3^fw  burd^  ©elbftDerleugnung  an  fic^^  Vollbringt,  liegt  ber 
3Belt  fe^r  feme,  fte  fpottet  too^l  barüber;  aber  bie  gru^t  batoon  ju  geniefem,  lä^t  fie 
^d)  bei^agm.  33ie  gleichmütige  ©elaffen^cit,  bie  fanftmütige  Sefc^eiben^eit,  bie  „^öflidb« 
feit  be«  ©erjen«",  toelc^e  ber  toa^re  ß^rift  mit  faurer  3Kül^e  crtoorben  l^at,  mac^t 
auf  aSelttinber  einm  angenel^men  too^lt^uenben  (ginbmdf.  3Jlan  öerjeil^t  i^m  faft,  öd 
bag  er  ein  ßl^rift  ift,  um  biefer  Sigenfd^aften  toillen,  bie  ben  aSerfe^r  mit  il^m  fo  fei^r 
erleid^tem. 

3^r  eigentliche«  3^^!  i*«^c^  eneic^t  bie  Selbftberleugnung   ber  ß^riften   in  ber  jus 
fünftigen  l^immlifd^m  ©emeinfc^aft  ber  3lu«ertoä^lten,  too  bie  ©elbftfuc^t  feinm  SRaum 
mcigfr  l^t,  fonbem  t>öllig  abgetl^an  fein  toirb,  too  aller  äufeere  ©treit  unb  innere  Äampf  66 
ru^t,  too  bie  ©eligfeit  jebe«  einzelnen   jugleic^  bie  ber  (Sefamt^eit,  unb  ®ott  3ltle«  in 
SWem  ift.  Äarl  »nrger  t- 

BObtn,  Sol^n,  enalifc^er  ^urift,  ^olitifer  unb  ©ele^rter,  geft.  1654.   —  Sitte, 
rotur:  ^oob,  Athenae  Oxon.  s.  v.  (Selben;   ?lubrei)'«  Sf^ac^träge  in  f.  ^u«gabc  ber  3Boob= 


176  (Seibett 

f(^en  Athenae;  Parish  Reg.  and  Parish  Account-Books  of  West  Tarring;  ^rorfter,  John  Eliot; 
ClareodoDB  History,  5.  %ud);  Journals  of  the  House  of  Comm.  unb  Calendar  of  State 
Papers  auS  ben  in  grage  fommenbcn  Sauren;  Seldeni  Opp.  ed.  Wilkins,  iOonbon  1726, 
vol.  III  (fieben«bilb):  Biogr.  Brit.  vol.  VI  1,  S.  3605  ff.;  @ibncl)  ßcc,  Dict.  of  Nat.  Biogr. 
5  vol.  LI,  @.  212 ff.;  Encycl.  Brit.  vol.  XXI,  6.  630 ff. 

©elben,  einer  ber  gelel^rteften  unb  öielfeitigften  üRänner  feiner  3^^^/  ^^^  lebiglic^  al^ 
Äircf^cn^jolitifer  unb  Orientalift  Slnfprud^  auf  eine  ©teile  in  biefcm  Sud^e.  —  ©eboren  am 
16.  ©ej^ember  1584  in  ©atoington  bei  aScft  laning  (©uffej),  tourbe  er  in  ber  ©tiftö^ 
fd^ule  t)on  ßl^ic^efter  mit  ben  Slementen  ber   englifd^en  unb  flafftfc^en  ©tubien  Dertraut 

10  gemad^t  unb  b^og  1600  bie  Uniberfttät  Cjforb,  bie  er,  o^ne  um  bic  ©rtoerbung  ber 
^erfömmlic^en  e^rengrabe  fid^  ju  bemül^en,  1602  »erlief,  um  in  ßlifforb  ^nn  ba^  juri^ 
ftifc^e  ©tubium  aufzunehmen,  ©c^on  1604  erlangte  er  al^  richterlicher  -Hat  am  Inner 
Temple  bie  gwlöffw^fl-  3"^^  S^g  bie  juriftifc^e  ^IJraji^,  bie  i^m  ben  ©rfolg  fc^ulbig 
blieb,  il^n  nic^t  an.  Seit  1605  mit  bem  eben  berühmt  geworbenen  95en  3onfon,  Gamben, 

16  fonberüc^  bem  Slltertum^forfc^er  9lob.  Sruce  ßotton  befreunbet,  ber  i^m  frine  untoergleic^- 
lid^e  äSibliotl^et  jur  99enu^ung  überlief,  bermanbte  ©.  feine  ^u^e  auf  ))oIf^ef(i^i(^tlic^e 
unb  t^eoretifd^e  ^ec^t^ftubien  (Analecton  Anglo-Britannicon  1607;  Jani  Anglorum 
Facies  altera  1610;  Angliae  Epinomis  1610;  De  Laudibus  Legum  Angliae 
1616  u.a.),  bie  bie  äufmertfamleit  be^  litterarifd^  intereffterten §ofed  imb  ber  jHrrlamen^ 

20  tarifd^en  Äreife  auf  i^n  gogen. 

Stber  erft  bie  grud^t  feiner  f^rifd^-p^önijifc^en  ©tubien,  bie  er  u.  b.  %.  De  Diis 
Syris  (1617  juerft  gebrucft,  aber  erft  12  ^a\)x^  fjjäter  tooDenbet)  in  bie  ÖffentUd^Ieit 
brad^te,  gab  i|m  einen  92amen  unb  feiner  Seben^rbeit  bie  9lic^tungdlinte.  j(ud^  ba^ 
3;ntereffe  ber  beutfc^en  unb  nieberlänbifc^cn  ©elc^rten  toedEte  ba^  Suc^.    ®.  $etnfui^ 

26  toeranla^te  burc^  2.  be  Dieu  einen  erften  5Weubrud,  bem  1668  in  Sei^)5ig  ein  anberer 
folgte.  2)ie  ©ä^e,  ju  benen  ©elben«  mit  grofeem  ©c^arffinn  ge^marte  ®elel^rfamfeit 
gelangt,  finb  natürlich  burd^  bie  litterar]^iftorifc|en  gortfc^ritte  ber  üorberaftatifc^en  Drien^ 
taliftif  überl^olt;  feine  hitifc^e  SJcrtoertung  ber  minberloertigen  rabbinifitfd^en  Duellen, 
bie  Befangenheit  in  ben  alten  älnfä^en  über  @ntftel)ung,  SSerfafferfc^aft  unb  ©ammlung 

80  ber  fanonifc^en  Sucher,  ber  mangelnbe  ßinblicf  in  bie  ^ebräif^^en  ©pradSKmfänge  unb 
eine  unfontroBierte  ©uc^t  nac^  aÖegorifierenben  Umbeutungen  beeinträd^tigen  jtoetfello^ 
ben  SBert  be«  Sud^e«-  inbe«  felbft  3Wot)er«  (^P^önijier  I,  93orto.  VI)  ^at  e«  al«  „ein 
nod(i  immer  unübertroffene«"  SBerf  gefennzeid^net.  3^m  finb  eine  gro^e  änja^l  toeiterc 
Drientalia  gefolgt,  bie  ©rgebniffe  feiner  au«gebe^nten  Unterfuc^^ungen,   bie    er  in  ben 

86  reichen  ©ammlungen  ber  95obleiana  unb  be^  Saubfd^en  Strc^it)«  im  Sambetb  ?PaIaft  au- 
fteilte, er  felbft  t)erfügte  über  eine  beac^tenetoerte  ^a^  fcltener  ^ebräifc^er,  arobifc^er 
unb  fi^rifc^er  2lbs  unb  Urfc^riften,  bon  benen  einige  bi«  l^eute  noc^  nit^t  gebrucft  finb. 
33on  feinen  eigenen  Unterfuc^ungen  l)ebe  ic^  al«  bie  toic^tigftcn  ^ertoor:  De  successio- 
nibus  in  bona  defunctorum  ad  leges  Ebraeorum  1631  (mit  einem  Sln^nge:  De 

40  Successione  in  pontificatum  Ebraeorum,  neugebrucft  1636);  De  iure  natural! 
et  gentium  iuxta  disciplinam  Ebraeorum,  1640;  De  anno  civili  et  calendarlo 
vet.  ecclesiae  seu  reipublicae  iudaicae,  1644;  Uxor  Ebraica  seu  de  nuptiis  et 
divortiis  vet.  Ebraeorum  \l  III,  1646;  De  Synedriis  vet.  Ebr.,  1650  (ber2.a:eU 
erfc^ien  1653,   ber  3.  nac^  ©.«  3:obe).    5ioc^  ju   feinen  Scbjeiten  tourben   biefe  Söerfe, 

45  bertjorragcnbc  I)cnfmale  ber  (Sclel^rtengefc^icf)tc  bc«  17.  3!ö^i^^"bert«,  bie  eine  t)on  ben 
3eitgenoffen  angeftaunte  S?ertraut^cit  mit  ber  rabbinifc^en  Sitteratur  unb  bem  Dorbcr- 
afiatifc^en  Kulturleben  verrieten  (ba«  arabifc^=f oj)tifd)e  3iotation«f^ftem  unb  ber  Unterfc^ieb 
jtüifc^cn  ben  'itnfc^auungen  ber  SHabbanitifcf^en  unb  i?araitif^en  3;uben  fmb  burc^  ©elben 
bem  3(benblanb   jucrft   befannt  getüorben),   in  ife^ben   unb  ^Jranffurt  a-D.  noc^gebruch; 

60  alle  ^ioar  au^gejeid^net  burc^  ftupenbe  ©ele^rfamteit,  aber  an  ermübenber  SSreite,  ber^ 
ftiegener  ©iimboliftif  unb  nait>em  'iser^ic^t  auf  Mritif  ber  rabbinifc^en  Überlieferung  gegen' 
über  leibenb.  — 

3in3h)ifc^en  l^atte  er  feine  ru^elofe  ^eber  aucf?  in  ben  2)ienft  ber  lird^lic^en  unb  polu 
fcben  Xage«fäm))fc  geftellt  unb  banüt  einen  in  jener  ^^\t  nid^t  ungefährlichen  85oben  be^ 

65  treten,  auf  bem  er  cbenfo  t)ielfacl)en  Slnfeinbungen  tüie  Scbi^anfungen  unb  ®anblungen 
au«gefe^t  gctüefen  ift.  ^in  Äqmpfc  feblte  i(;m  ba«  -Wüctgrat,  bie  c^araItert)oD[e  unb  um 
interefficrte  (5Jefc^loffenl^cit  bcv  Überzeugung,  bic  aue  i^^f olaung  unb  5WieberIage  gu  neuer 
Äraft  ficb  ^u  erl;cben  gciüiüt  ift.  S^W^t  t>erfagtcn  feine  9JJittel;  ernüchtert,  mübe  unb 
refigniert  üerließ  er  ben  ']ilan.  2:ie  fc^limmen  C£rfa(;rungen  (Äerferl)aft  unb  2eben«gefä^r* 

c()  bung),  bie  feine  lirc^en^olitifc^en  ©änge  i^m  eintrugen,  hat  er  in  jener  ©tutmjeit  in  bie 


®dbett  177 

Sebendmajimc  ^ufammengefafet:  „2)a^  SBcifcfte  für  einen  TOann  biefer3^iten  ift  —  m(^t« 
ju  fagen".  —  2Bie  bie  üxor  Ebraica,  in  bet  er  bie  ^ol^aamic  aU  beni  9Jaturgefe| 
entfprec^enb  ben  aufj>or(^enben  3^i^0cnoffen  berfünbet,  i^n  l^eftigen  Eingriffen  au^fe^te,  fo 
tt?ar  er  in  feiner  History  of  Tithes,  neben  bem  Table-Talk  ber  belannteftcn  feiner 
©4irtften,  in  ber  er,  mit  ber  ®abe  3tbra^am«  an  3Jlel(i^ifebef  einfefeenb,  bie  ®ef(^ic^te  be^  5 
3el^nten  bei  ben  ^v!t)m,  ben  flafftf(^en  SJöIfem,  enblid^  in  ber  c^riftlic^en  Äirc^e  bid  über 
bie  9leformation  ^inau^  t^erfolgte,  ju  bem  bem  @taat^firc^entum  l^öd^ft  anftö^igen  @a^e 
gelangt,  bafe  S^f)nUn  jtoar  „nad}  fird^Iit^em  unb  pofttibem  ©efej^e"  geforbert  toerben 
bürfen,  ba^  fte  aber  burd^  ba«  ius  divinum  nic^t  gebecft  feien;  bie  ^Pro^iö  ber  Urfirc^e 
beruhe  lebiglic^  auf  biefer  Slnnal^me.  3)ie  erft  nad^  bem  erf(^einen  beö  S3uc^.  gefc^riebene  10 
SSonebe,  bie  auf  bie  tDtIben  Sturmtoogen  be^  ftaatstirc^lic^en  (Sinf^ruc^^  öl  }u  gießen 
fud^te,  bermoc^te  benUntoiQen  über  ben  bo^l^aften  SSorfto^  Selben^  an  ben  maßgebenden 
Stellen  um  fo  Weniger  }u  bäm^fen,  al^  biefer  tbzn  burd^  feine  l^erau^forbemben  @ä|e 
in  bem  bamate  ^od^  gef>)annten  ^artetleben  eine  ^erborragenbc  ©teBe  m  geh)innen  be^ 
gann.  (gr  tourbe  bor  einen  3tuöf(^ufe  beg  l^öc^ften  Krd^lic^en  ©eric^t^^of^  (Court  o!  15 
High  Ck>mmis8ion)  unb  bed  %l.  ©e^eimen  'Siai^  geforbert  unb  gejtDungen,  in  einer 
fc^ftlic^en  Srflörung  fein  Sebauern  über  bad  9u(^  au^utf))red^en ;  biefe^  felbft  tourbe 
unterbrüdt  unb  bem  ^erfaffer .  aUe  toeitere  litterarifc^e  ^et^ätigung,  SSerteibigung  unb 
Singriff  auf  feine  (Segner  berboten.  — 

3)ie  9lieberlage  bal^nte  il^m  inbe^  ben  SSeg  in  bie  J)olitif(^e  3trena;  fie  jerbrat^  fein  20 
3beal  ftiDen  Oelel^rtentum^  unb  gab  feinem  2eben  unb  feiner  Strbeit  einen  neuen  ^n^ait. 
3Die  bon  i^m  bertretenen  freieren  änf^auungen  unb  bur(^  biefe  bebingten  Slu^einanber- 
fe^ungen  mit  ber  ]5>oc^fird^li(^en  ^Partei  brängten  i^n  in  ben  Kämpfen  um  bie  großen 
gragen  ber  gfreil^eit  ber  $erfon  unb  ber  parlamentarifd^en  Debatte  in  bie  gront.  6^ 
fam  baju,  bafe  er  auf  ®runb  au^gebe^nter  ©tubien  toie  laum  ein  anberer  ber  ^ziU  20 
genoffen  über  eine  grünblic^e  SSertrautl^eit  mit  ber  fonftitutioneKen  ©taat^form,  ber^^ar^ 
lament^cfci^id^te  unb  ber  englifc^en  9lec^tfpre(^ung  berfügte.  So  Jourbe  er  1623  atö 
3Bertreter  bon  Sancafter  in  ba^  leftte  ^Parlament  '^alob^  I.  getoä^lt;  1626  abermals  für 
®reat  Sebtoin  in  ba«  jtoeite  unb  1618  für  Subgerd^aD  in  baö  britte  Äarl^  I.,  in  bem 
er  auf  bie  Seite  ber  Oppofition  trat  unb  ben  3lngriff  auf  ben  geloaltt^ätigen  3)linifter  so 
Äarte,  ben  ^ergog  bon  Sucfing^am,  leitete.  3lu(^!  in  ben  Äämjjfen  ber  nat^folgenben 
^a^te  um  bie  Habeas  Corpus-3lfte  unb  bie  Petition  of  Rights  ftanb  er  in  ber  erften 
^Hei^e.  2)ie  golge  toar  bag  ^Jfifetrauen  be^  Äönigg  unb  ber  ^ofpartei,  ba^  ju  toieber^ 
polten,  inbeg  für  feine  ^ßerfon  ungefä^rlid^cn  S[}er^aftungen  führte.  —  (Srft  burc^  bie 
(einige  Saläre  borl^er  auf  95efe^l  ^^^b^  I.  unternommene)  litterarifc^e  93eläm))f ung  be«  35 
1609  bon  J^ugo  ®rotiu^  in  ber  Sd^rift  Mare  liberum  bertretenen  Sa^e^^,  ba|  bie 
§od^fee  für  bie  Schiffe  aller  feefa^renben  ^Rationen  frei  fei,  tourbe,  nac^^bem  S.es  ®egens 
fc^rift  u.  b.  %.:  Mare  dausum  1636  erfc^ienen  toar,  bieS})annung  in  ettoa«  befeitigt; 
aber  bie  Hoffnung  Saub«,  ben  freifinnigen  ^Parlamentarier  an  ben  §of  ^inüberjujiel^en, 
erfüllte  ft^  nic^t.  —  ^n  ben  nac^folgenben  Äämjjfen  l^ielt  Selben  bie  ga^ne  ber  grei-  4<» 
^eit  geaen  ben  l^öfifc^s^Ilerifalen  Slnfturm  l^oc^.  Qx  gerbrad^  bie  Klammern  be«  überlieferten, 
burd^  igaub  bertretenen  3)ogmatigmu^,  inbem  er  burc^  bie  §erauggabe  eine«  gragment« 
be«  grie(^ifd^en  ^Patriarchen  (Sut^d^iu«  (Eut.  Aegyptii,  patr.  orthodoxorum  Alexan- 
drini, Ecclesie  origines,  1642),  beffen  3(nft(^ten  über  bie  urf^jrünglicl^  enge  3Serbinbung 
gtoifc^en  ®J)ifIoJ)at  unb  ^Pre^b^terium  f urg  bor^er  ber  3;efuit  5Pctat)iu«  in  feiner  Unterfud^ung  45 
iMssertationum  ecdesiast.  11.  duo  befäm^ft  ^atte,  ben  ^oc^firc^lic^en  älnfpruc^  mit  ber 
gorbetung  ber  presbyterian  parity  in  bie  Sd^ranf en  toie«  unb  ate  3Btlglieb  be«  Sangen 
Parlament«  unb  ber  SBeftminfter  Sttffembl^  ba«  ®eh)idS!t  feine«  9lamen«  unb  barfö»"^^' 
tarifd^en  Sinfluffe«  gegen  ba«  fat^olifierenbe  Staat«firc^entum  in  bie  SBagfd^ale  toarf. 
Den  S3if(^öfen  unb  Älerifem  fprac^  er  ba«  Stecht  ber  (Sinmifd^ung  in  toeltlic^e  2)inge  50 
ebenfo  entfdbieben  ab,  toie  umgefe^rt  ben  2lnfj)ru(^  ber  Staates  unb  Seftenfird^en  auf 
Unab^ängigieit  bon  ber  ftaatlic^en  (Seroalt.  3)enn  bem  Staate  fte^t  nad^  i^m  bieDber^ 
gctoalt  über  aUc  2)inge,  aud^  über  bie  Äir(^e  gu.  Sefonber«  in  feinen  3:ifd^gefj)räc^en 
(Table-Talk,  erft  1689  oeröffentlid^t),  bie,  bon  SRüdfid^ten  auf  bie  ma^gebenben  Stellen 
nic^t  me^r  gebunben,  frei  mit  ber  Slprad^e  ^erau«ge^en,  tritt  fein  6raftiani«mu«  ju  tage.  55 
goft  alle  paatlic^^en  unb  Iirc^li(^en  ^robleme  roerben  ^ier  ^ur  fiöfung  gebrad^t  burc^  feine 
bciben  ®runbfä^e  bon  ber  Souberänität  be«  Staat«  einer-  unb  bom  Staat  al«  einem 
Äonttaft  gh)ifd^en  ^ürft  unb  SJolf  anbererfeit«.  „3ltle«  ift  fo,  toie  e«  ber  Staat  toiH," 
unb  „iebe«  ®efe^  ift  ein  Vertrag  ^toifc^en  Äönig  unb  Untert^an,  unb  barum  mufe  e« 
gd^lten  toerben":  biefe  Sä|e  finb  bie  immer  toieberfe^renben  S(^lüffe  ber  ®cban{en=  o» 

fttais9nt\inopä\>lt  für  Theologie  unb  Rivdit.    3.  ^.  XVIII.  |2 


178  Seibett  Seltgettflaki 

fül^rung,  bie  ba^  n^^tltd^e  Siedet  bed  Jlönigtumd  unb  bc^  @)f\\topai^  unetngefc^ränft  unb 
grunbfä^Iic^,  bebtngt  and)  fein  natürltd^ed  3itd)i  leugnete,  ^ie  rüdftc^ti^Iofe,  je  unb  bann 
c^nifc^e  ©>)ra(^e,  in  bcr  er  biefe  21^efen  vortrug,  auc^  h)o^I  bie  enge  greunbfd^oft,  bie  il^n 
mit  bem  fird^enfcinbli(^en  §obbe^  berbanb,  fd^einen  ben  ®runb  m  ber  änflage,  ©elben  fei 

6  im  §crjen  ein  Ungläubiger,  gegeben  gu  ^aben.  ©o  toenig  fie  eintoanbfrei  begrünbet 
hjerbcn  fann,  fo  fe^r  fjjred^enbagegen  bieg^wgniffc  feiner  greunbe,  alle«  Dertrauen^erter 
3Känner,  unb  feine  eignen  ^ufeerungen,  bor  allem  feine  3SeturtetIung  ber  §obbe«fc^^en 
Irrtümer;  toä^renb  er  ba«  iug  divinum  ber  fird^lid^en  3Serfaffung  unb  ber  lultif^en 
formen  pxA^ab,  f^ai  er  ate  überjieugter  ß^rift  unb  il^eift  bi«  ju  feinem  S^obe  an  bem 

10  ß^riftentum  aU  ber  Sieligion  göttlichen  Urfj)rung«  feftgel^alten.  — 

Qn  feinen  legten  Sebendja^ren  Woi  er  ftc^  ben  im  Gobenant  gefammelten  ^x^- 
b^terianern  an,  toertoarf  aber  unb  beläm^fte  bie  toilben  Slu«f(^rettungen,  bie  ben  blutigen 
Slu^gang  Äarl«  I.  im  Oefolge  litten;  ebenfo  entfd^ieben  toerfagten  bie  Semü^ungen 
feiner  parlamentarifd^en  ^reunbe,  il^n   auf  ßromtoeflö  ©eite  l^erüberjujiel^en.    6«  fehlte 

16  i^m  ber  bemofratifd^e  ^uq,  ber  bamafe  toie  ein  Slaufc^  über  bie  enghfc^e  S3olI«feele  fam. 
2)ie  5WafJe  toerac^tete  er:  „ebel,  bomel^m,  bem  ®uten  jugetoanbt  unb  tugenb^ft  —  alfo 
ftnb  toenige;  blinb,  ^eu^lerifd^,  eitel,  übeltoottenb  —  ba«  ftnb  bie  bielen'',  fagte  er. 

©0  blieb  il^m  ba«  mit  Jtäm^fen  unb  Snttäufd^ungen  erfüllte  Seben  biele«  fc^ulbig.  SBeber 
alg§elb  nod^  ^eiliger,  nod^  aJlärt^rer  fte^t  er  in  ber  Srinnerung  feine«  Solle«;  aber  bie 

20  eieren  eine«  großen  SRamen«,  e^rlic^en  ?Wanne«  unb  bielfeitigen  ©elel^en  l^t  bie  ^lai^- 
toelt  il^m  ni(^t  toerfagt.  ©in  3Kann  bon  anfj)rud^«lofer  grömmigfeit,  leutfclig  im  engen 
Äreife  feiner  ^teunbe,  unb  faft  fein  gange«  Seben  binburd^  nad)  bem  au«ru9famen  grieben 
t)on  bem  2^age«ftreit  berlangenb,  ^at  er  mit  ben  ©turmtoorten  feiner  Sucher  geben  in  bie 
fte^cnbe  £uft  ber  3^^^  gebracht  unb  ift  in  ber  l^arten  ©c^ule  be«  Seben«  felbft  l^art  unb 

26  ^erbe  geworben,  „©ein  ®eift",  fagt  SBoob  bon  il^m,  „toar  eben  fo  grofe  toie  feine  ®e= 
leWamfeit."  ©eine  Sucher  ftnb  3^"0"^ff^  ^^^  ftu^enben  3Biffen«;  ©c^rffinn  unb 
furc^tlofer  ^eimut  ftnb  i^r  3Sorjug,  35unlell^eit  unb  jerfliefeenbe  33reite  ber  ©jjrac^e, 
ungcnügenbe  5Wet^obe  unb  mangelnbe«  3[u«ma^  ber  erreichbaren  RkU  il^  fjel^ler. 

9Jad^  be«  Äönig«  getoaltfamem  gnbe  jog  er  ftc^  au«  bem  öffentlichen  Seben  jurüdE 

80  unb  lebte  feinen  geleierten  ©tubien  unb  ben  ^ntereffen  ber  Uniberfttäten  ßambribae  unb 
Djforb.  35er  Sobleianifd^en  Sibliotl^el  tourben  nac^  feinem  im  ^al^re  1654  erfolgten 
lobe  feine  toertbolle  Süd^er^  unb  §anbfc^riftenfammlung,  toie  feine  ja^lreic^en  ältere 
tümer  eingereil^t. 

©elben«  ©c^riften:  au^er  ben  obengenannten  nenne  ic^  al«  bon  allgemeinerem 

so^ntereffe:  Jani  Facies,  1610,  engl.  2lu«gabe  1683  in  ben  Tracts,  Sonb.;  Titles  of 
Honour,  1614  u.  ö.;  lat.  3lu«gabe  b.  Slmolb,  granffurt  a;D.  1694*  Marmora  Amn- 
delliana,  Sonb.  1624  u.  ö. ;  De  Successione  in  Pontificatum,  Serben  1638  u.  ö.; 
De  Jure  Naturali,  Sonb.  1640;  De  Synedriis,  Sonb.  1650—55  unb  ^anff.  1696; 
On  the  Nativity  of  Christ,  Sonb.  1661  (9?a^toei«  be«  25.  S)ejember  gegen  biedre«* 

40  b^tcrianer);  Table  Talk  (fein  befanntefte«  aöerl,  toegen  be«  greimut«  ber  ©J)rac^e  erft 
nac^  ber  JRebolution  bon  1688  ^erau«geg.),  Sonb.  1689,  1696,  1716  u.  ö.;  le^te  au«= 
gäbe  Cjforb  1892,  «nbolf  »ttbbcttfteg. 

©eligcnflabt,  ©^nobc  1023.  —  3)ie  9l!ten  in  ben  MG  CI  I,  @.  633;  ältere  «u§. 

(gilben  in  ben  Slon.ylienfammlungcn :  @uriu§  III,  @.  572,  ^arbuin  VI,  1  @.  827,  SRanpXIX, 
46  3.  :iiM,  .^iar&f)eim  III,  8.  55,  cnblid)  ©rcfelau,  353.  b.  b.  JHcic^«  unter  ^eintieft  IL,  3.  S3b, 
e.  :}49.  .Oefcle,  eCM.  IV,  6.  671;  S3re{j(nu  a.  a.  D.  8.  267 ff.;  JR.  mHUcv,  d».  Äribo  bon 
mm\s,  ^Berlin  1881;  ^erfd).  2)ic  ^Ircftcnpoütif  be«  (£33.  ^ribo  b.^Qinj,  SKarb.  1899;  ^urf, 
m.  S)eut[d)lQnbö  III,  3.  ^2(nfl.,  6.  534  ff. 

Unter  ben  nidbt  gerabe  l)äufigen  ^probinjialf^noben  be«  beutfc^en  SRittelalter«  gebort 
50  bie  ;;u  ©eligenftabt  a.  5)}ain,  ;\toif(^en  9(fd^affenburg  unb  §anau,  abgehaltene  gu  ben 
toic^tigcren.  ©ie  ift  bon  633.  3lribo  bon  5Diain}  berufen  unb  tagte  unter  3:eilnal^me  ber 
93ifd)öfe  93urc^arb  bon  ffiorm«,  aSemer  bon  Strasburg,  93run  bon  9lug«burg,  Sberl^b 
bon  Jkinberg,  3JJcginbarb  bon  SWürj^burg  unb  ber  äbte  bon  ^^ulba,  §er«felb,  Sorfc^,  ©t. 
5Warimin,  2:olc^,  ©t.  Surc^^arb  in  SBür^burg,  Schlüchtern,  ©t.  ällban,  Älingenmünfler 
65  unb  53Icibenftabt.  ^ie  ^eit  ift  nicbt  ganj  fidler;  benn  bie  älften  batieren  anno  dorn, 
incarnat.  MXXII.  indictione  V.  2.  id.  Aug.,  anno  autem  domni  H^nrid  se- 
cundi  regnantis  XXII.  imperantis  vero  VIII.  2lber  ber  12.  äluguft  1022  fiel  in 
baö  21.  5tönig«=  unb  ba«  9.  fiaiferjabr  .^einrieb«,  ^m  Datum  ber  Elften  liegen  alfo 
55cl)(er.    3h\n  ift  ba«  in  jtoei  jüngeren  biftorifc^en  ©c^riftcn,  ber  (S^ronil  SSemolb«  (mit 


Seligettfiobt  Seltglett  179 

falfc^er  Ortsangabe)  unb  ber  V.  Meinw.  (MG  SS  V,  ®.  424  unb  XI  ®.  146),  ü6er^ 
lieferte  2)atum  ber  S^nobe  1023;  biefe  Stngabc  ftimmt  mit  bem  Hönig^iabr  ber  3llten 
überein  unb  erhält  baburd^  eine  ©tü^e,  bafe  ftc^  c.  16  unb  18  l^öc^ft  hja^rfd^einlid^  auf 
bie  naif  ^fingften  1023  erfolgte  Sto^Hation  ^rmgarb«  toon  ßammerftein  be^iel^en, 
f.  Srefelau  ©.  354,  3)erf(i^  ®.  52.  3Kan  toirb  alfo  b.  12.  äuguft  1023  al«  lag  ber  6 
S^nobe  anjune^men  ^aben.  3^re  93efc^^Iüffe  bejie^en  fxd)  auf  bie  toerfc^iebenften  firc^- 
lic^en  aSer^ältniffe:  c.  1,  15  unb  17  auf  bie  Beobachtung  ber  ^ften  bor  ben  f)of)m 
^eften  unb  be«  ieiunium  bannitum,  be«  eigene  angefagten  gfaftenS;  c.  2  auf  ben 
anfa^  ber  Duatemberfaften:  fte  foBten,  toenn  ber  1.3Rärj  ft)äteften«  auf  einen  3Dlitttood^ 
fäHt,  in  biefer  S33o(^e  jel^alten  toerben,  analog  im  3uni,  ©e))tember  unb  3)ejember,  lo 
c.  3  bie  gefd^loffenen  S^iitn,  c.  4  unb  5  bie  an  bie  ^JJriefter  bej.  be«  SJleffelefen«  ju 
fteHenben  2(nf orberungen ;  c.  6  unb  10  t>erbieten  abergläubifc^e  ©ebräud^e,  c.  7  unb  14 
regeln  ba«  (fenbgeric^tlid^e)  S3erfa^ren  toegen  ®^ebru(^«;  c.  8,  9,  12  toa^ren  ben^rieben 
im  ®otte«^aufe  unb  bieSBürbe  be«  ®otte*ien(t«;  c.  11  beftimmt  über  bie  3ö^I""0  ^^ 
JJerUKinbtfd^aft^abe;  c.  13  forbert,  bafe  bie  Übertragung  einer  Äir(^e  nur  mit  Swf^'"^  iß 
mung  beS  S)iöcefanbif(^of«  gef(^e^e;  c.  19  unb  20  bejiel^en  ft(^  auf  bie  Äirc^enbufee:  ber 
^önitent  mufe  an  Ort  unb  ©teHe  bleiben,  bie  ^ßriefter  fönnen  bie  2lu«gef(i^Ioflenen  nid^t 
o^ne  bifd^öfli^e  SoUmad^t  abfoltoieren.  am  meiften  bet))ro(^en  finb  c.  16  Ut  nuUus 
Romam  eat,  nisi  cum  licentia  episcopi  sui  vel  eius  vicarii  unb  c.  18  Quia  multi 
tanta  mentis  suae  falluntur  astutia,  ut  in  aliquo  capitali  crimine  inculpati  20 
paenitentiam  a  suis  sacerdotibus  accipere  nolunt,  in  hoc  maxime  confisi  ut 
Romam  petentibus  apostolicus  omnia  dimittat  peccata,  s.  concilio  visum  est, 
ut  talis  indulgentia  Ulis  non  prosit,  sed  prius  iuxta  modum  delicti  paeniten- 
tiam a  suis  sacerdotibus  iniunctam  adimpleant,  et  tunc  Romam  ire  si  velint, 
ab  episcopo  proprio  licentiam  et  epistolam  ad  apostolicum  ex  hisdem  rebus  25 
deferendam  accipiant.  3Ran  fanb  in  biefen  ©ägen  eine  gegen  bie  ))ö))ft[ic^e  ®etoaIt 
gerichtete  5Eenbenj  unb  na^m  an,  bag  ))ä^ftlid^e  SRec^t  folle  burd^  fte  ju  einem  bloßen 
e^renred^te  ^erabgebrüdft  toerben.  ^oi)  ift  ba^  unrid^tig;  bie  beiben  Äajjitel  toa^ren 
nur  bi«^er  fc^on  giltige«  5Red^t,  f.  Ä®.  3).«  III  ©.  536,  »nm.  1.  «ani!. 

®eliglrit.—ßittcratur  in  b.  5lrt.  fclbft.  9f?ci(6li(^cr  @toff  au8  ber  älteren  3eit  bel3o^.  30 
©erwarb,  Loci  theo!.  1.  31. 

Unfer  beutfd^eg  SBort  ge^t  auf  ba«  gotifd^e  söls  jurüd,  toelc^e«  gut,  tauglid^  be- 
beutet;  fo  Reifet  im  Ängelfäd^ftfc^en  sal  §eil,  im  SlltnorbiW^n  sfila,  im  TOittell^od^beutfc^en 
saelde  ®lüd.  2)emgemäfe  bot  fic^^  bie  SBortfamilie  ate  bur(^au«  entfjjred^enbe  SBieber- 
gäbe  für  beatus  ber  SSulgata,  ^V^  unb  uaxdgiog  ber  ®runbtejte  bar.  SBenn  bann  35 
beatus  (togl.  im  ärt.  Äanonifation  93b  a  ©.17  beatificatio)  faft  term.  techn.  für 
bie  entjd^lafenen  ß^riften  getoorben  ift,  fo  gefd^ie^t  ba«  ni(^t  ettoa  in  Slnlei^nung  an  ben 
oltgrie(9ifd^en®ebraud^,  bie  ®ötter  unb  bie  ^etoo^ner  be«  Sli^ftum  ate  feiige  ju  bejeid^nen; 
uaxdQiog  begegnet  im  31%  im  ganjen  feiten  fo,  bafe  bie  Sejie^ung  auf  SSerftorbene 
beutlid^  ifk  (tt?ie  Dffenb.  14, 13).  3n  ber  ©c^olaftil  ift  e«  aber  üblic^,  be«  ß^riften  giel  40 
unb  l^öd^fte«  ®ut  beatitudo  ju  ^eifeen;  biefer  c^riftlid^^e^c^atologifc^en  Sertoenbung  ent« 
fpric^t  bann  too^I  bie  be«  beutf(^en  SBorte«  in  umfaffenb  foteriologifd^em  ©inne,  bem* 
gemäfe  j.  S,  in  ben  beutfc^en  %ticttn  ber  lutl^erifc^en  53efenntni«fd^riften  feiig  mad^en  unb 
©eligfeit  in  ebenfolc^er  SBeitfc^ic^tigteit  für  bie  ^eil^aneigncnben  SBirlungen  gebraudbt 
toirb,  toie  im  Iateinif(^en  salvare  unb  salus;  \a  e^^tommt  neben  ^eiligen  atö  SBiebergaoe  40 
t>on  iustificare  bor  (Ap.  SR.  80).  ©0  toirb  benn  namentlid^  Sut^er«  Sibel  bie  l^er^ 
toenbung  be«  StBorte«  jur  Überfettung  toon  ocoCeiv  neben  ber  toon  juaxdgiog  toeiter^in 
pangbor  erl^alten  l^aben;  benn  ^ier  fte^t  für  acoCeiv,  too  e«  ft(^  auf  bie  ®rlöfung  bejie^t, 
immer  feiig  matten;  für  acoT?y^/a  ©eligfeit  neben  ber  feltencren  Überfefeung  §eil;  ob  fid§> 
befkimmte  ®rünbe  für  bie  jebe^malige  ffia^l  finben  laffen,  bürfte  g.  95.  gegenüber  ber  50 
3ufammenftellung  ä®  4,  12  ^ioeifell^aft  crfcf^einen;  bei  ber  fte^enben  SBiebergabe  bon 
ocon/JQ  mit  §eilanb  unb  bei  ber  bon  acoriJQiov  mit  §eil  toirb  bort  baö  §er!ommen 
unb  ^ier  bie  Säortform  eingetoirh  ^aben. 

3)iefe  aSereinigung  jtoeier  biblifd^er  Slnfc^auungöfreife  in  einem  äu^brudfe  giebt  biefem 
feinen  eigentümlid9en  dpriftlic^en  ^n^alt ;  man  toirb  aber  feine  SBurjel  am  f enntlid^ften  65 
bloßlegen,  toenn  man  ben  ^unft  ^erau^ftcHt,  an  bem  jene  2(nf(^auung^toeifen  fic^  nah^ 
genug  berül^ren,  um  ineinanber  flicfeen  ju  fönnen.  ©efjr  bejeid^nenb  unb  auc^  toirffam 
bürfte  l^ierfür  bie  3lnfü^rung  bon  $f.  32,  1.2  burd^  ^ßaulu^  Stö  4,  7.  8  fein;  toä^renb 
2uti^er  im  312:  überfeftt  „Söo^l  bem",  fe^t  er  im  3tX  „feiig"  ein  unb  S3. 9  für  6  juaxa- 

12* 


180  Sdiglfit 

Qiojnog  „biejc  ©dtgfcit"  (vulg.  beatitudo  haec).  3Benn  ba^  alttcftamcntlid^c  Sieb 
feine  Seligpreifung  an  bie  Vergebung  ber  ©ünben  Inüj)ft,  \o  toeift  ba«  auf  ben  tiefften 
®runb  aller  menfc^Iic^en  Unbeftiebigtl^eit  unb  Sefriebigung  ^in;  unb  toenn  bie  refor= 
matorifc^e  3:i^eologie  gern  auf  biefe  J)aulinifc6e  ©teile  ^urücfge^t,  um  bie  bebingung^lofe 

6  3uh)enbung  be^  etrigen  Seben^  bon  feiten  (Sottet  biblifd^  ju  belegen,  fo  tritt  barin  i^e 
bortüiegenbe  Setonung  be^  ©etüiffen^frieben«  unter  ben  §eil^ütem  ^erau^.  ^at  boc^ 
bie  ganj  üblid^  geworbene  ©^non^mil  bonSeligfeit  unb^eil,  unb  bie  fte^enbe  ßinf^ung 
bon  feiig  mad^en  für  erretten  ba«  d^riftlid^e  2)enfen  baju  geführt,  balb  ben  Segriff  ber 
Seligfeit  ^Vma^  einfeitig  in  bie  Befreiung  bon  ©d^ulb  ^u  fe^en,   \üo    bie  e^c^atologifd^e 

10  Se^ie^ung  nic^t  ertüeiternb  ^inj^utritt,  balb  in  bem  biblifd^en  (Srunbbegriffe  acb^eiv  (^eil) 
ben  entfc^eibenben  negatiben  3^9  f^P  i^  bertoifd^en. 

3unäc^ft  ertrecft  un«  ber  Sluöbrud  Seligleit  bie  3SorftelIung  eine^  befriebigenben 
Scben^ftanbeg,  ber  aU  fold^er  aud^  in  ba«  S3etoufetfein  fällt;  o^ne  5^eube,  o^ne  ®efü^l 
ber  Seben^förberung   lann   man  fid^  ©eligfeit  nid^t  benfen.     ©o  malt  1  Xx  6, 15.  16, 

16  tjgl.  1,  11  bie  erhabene  ©elbftgenugfamleit  ®otte«,  unb  bie  3)oamatiI  legt  (Sötte  ©elig= 
leit  bei,  fofern  feine  Unbebingt^eit  unb  SoUfommen^eit  jeben  50cangel  unb  iebe^Crübung 
feinet  auf  fic^  felbft  belogenen  2)afeing  au«fd^liefet  (Hollaz.  Exam.  1, 1, 37;  S3ret- 
fc^neiber,  ©^ftem.  gnttoiäelung  §  37,  3Kartenfen  2)ogm.  §  51).  3"  ^^  äntoenbung 
auf  ben  3)lenfd^en  lann  man  nur  bon  bebingter  ©eligleit  fj)red^en;  baö  bringen  bie  biel^ 

20  fachen  Sejiel^ungen  mit  fic^,  in  benen  fein  ffiefen  fid^  ju  entfalten  ^at,  fotoie  bie  Bpan- 
nung  jtrifc^en  feiner  S3eftimmung  unb  feiner  SBirflic^Ieit:  aber  man  barf  i^m  eine  folc^c 
bebingte  ©eligfeit  be^^alb  auc^  in  fc^r  berfd^iebenen  Slic^tungen  beilegen.  6«  folgt  au^ 
feiner  ©ubjeftibität,  bafe  er  feine  Sefriebigung  mit  einer  getoiffen  SBiUfürlic^Ieit  fuc^en 
unb  finbcn  mag;  aber  e^  folgt  jugleic^  an^  feiner  ®ef(^ö))flid^Ieit,  bafe  er  bie  bolle  8e= 

25  friebigung  nur  ba  erlangen  fann,  tro^in  il^n  feine  Seanlagung  toeift.  Unb  toenn  i^m 
eine  gnttüidfelung  auf  ein  jenfeit«  ber  irbifc^cn  Seben^bebingungen  liegenbe«  3^^  ^'" 
bef (Rieben  ift,  fo  tüirb  eben  bie  bolle  ©eligfeit  für  i^n  über  biefe  S^ü  l^inaudliegen, 
toä^renb  bod^  jebe  ©tufe  ober  ©eite  ber  bort^in  belogenen  ßnttoicfelung  fc^on  eine 
bebingte  ©eligfeit  eintragen  mag.    3""^^^öI'^  ^^  biblifc^en  2lnfd^auung^freife^  getoinnen 

30  biefe  Seftimmungen  il^ren  eigentümlichen  3"0  "^^^^  t^'^  borl^errfd^enbe  religiöfe  unb  fitt- 
lid^e  Betrachtung;  ber  5Kenfd^  ift  auf  ®ott  angelegt  unb  barum  ^ängt  feine  ©eligfeit 
bon  feinem  SSerl^ältni^  ^u  ®ott  ab ;  ber  5Wenfd^  ift  aK  ®lieb  ber  abamitifc^en  3Wenfc^- 
l^eit  ein  ©ünber  unb  lebt  unter  bem  2)rucfe  ber  Übel,  be^^alb  ^ängt  feine  ©eligleit  bon 
ber  ßrlöfung   ab;   unb   toeil   eben  bie  ©ünbe  ben  SWenfd^en  bon  ®ott  fd^eibet  unb  bie 

35  ßrlöfung  nur  burc^  bie  SSerföj^nung  mit  ®ott  getoonnen  h)irb,  fo  ift  o^ne  ©ünben- 
bergebung  unb  ßmeuerung  feine  ©eligfeit;  toeil  aber  bie  Serfö^nung  bie  ©rlöfung 
unb  ^SoUenbung  berbürgt,  barum  ift  „too  Vergebung  ber  ©ünben  ift,  auc^  Seben  unb 
©eligfeit". 

3luf  ®runb  biefer  3wfö^"^«n^önge   bilbet  fid^  nun  jener  c^riftlid^e  ©brad^gebrauc^, 

40  bem  etvige^  Seben  unb  etvige  ©eligfeit  ober  feiige  ßtrigfeit  nur  berfd^iebene  Sejei^nungen 
eine^  unb  be^felben  Dinge«  fmb.  Denn  toa«  ba«  Seben  im  äJollfinne  au^mac^t,  eben 
ba«  tommt  in  ber  ©eligfeit  ju  Smpfinbung  unb  ®enu^.  ®ilt  nun  im  biblifc^en  am 
fc^auung«freife  Seben  al«  f^öc^ftc«  (§eil«s)  ®ut,  fo  fann  nur  ba«  boQfommen  befriebigcnbe, 
tveil  bem  33egriffe  entf))rec^enbe,   3!)afein   barunter  berftanben  toerben,   unb   c«  toirb  fic^ 

45  bann  bei  ben  bctreffenben  2lu«fagen  tüeiter  barum  ^anbeln,  nac^  toeld^er  ©eite  ^in  man 
ba«  inenfc^Iidbe  2öefen  in«  3luge  fafet.  Sefc^ränft  man  fi^  auf  bie  fittlid^c  Sejie^ung, 
fo  tnnn  in  ber  entf>)rec^enben  ©elbftbetl^ätigung  ber  SHuell  ber  ©eligfeit  gefunben  tocrben 
(3a  1,  25,  Dgl.  31®  20,  35),  faft  trie  bei  äriftotele«;  bod^  ift  in  bem  biblifd^cn  Denfcn 
für  alle  ©ittlic^feit  bie  religiöfe  Öe^ie^ung  mitgefe^t  Qa  1,  27).    3)e«^alb  ^ilt  im  ®runbe 

50  Seben  für  gleic^bebeutenb  mit  ®otte«gemeinfc^aft,  unb  too  biefe  bor^anben  ift,  ba  ift  au6) 
bereit«  ©eligfeit.  "üimn  bei  jemanben  bie  tieffte  Scben«l^emmung  gehoben  ift,  bie  man 
in  ber  ®efc^iebenl)eit  bon  ®ott,  jumal  burd^  bie  ©d^ulb,  ju  crfennen  l^at,  bann  barf  i^m 
©eligfeit  5ugef>)roc^cn  tverben,  h)ie  tvenig  auc^  im  übrigen  fein  ©tanb  ein  befriebigenber 
fei;  auf  bicfcr  ginficl)t  fu^en  unter  anbercm  bie  erhabenen  ^arabojien  ber  erften  uRafa^ 

55  ri«mcn  (*3Kt5,  3f.),  ioenn  man  fie  nid^t  au«fc^lie6Iic^  al^  e«c^atologifd^e  S8erfj)rec^ungen 
anfielet.  Dabei  tommt  bann,  Wk  and)  fonft  bei  ©elig>)reifungen,  bie  Sage  noc^  me^  in 
Siecl^nung,  al«  ba«  tüirtlicl)  Dorijanbene  33eit)u^tfcin  um  fie.  Die  ftarfe  Betonung  ber 
mit  ber  ^Hecl)tfertigung  gewonnenen  §eiI«getDi6I^eit  mad;t  bem  ebangelifc^en  S^rac^ 
gebraucl)e  bie  ©^nontimit  toon  (Srrettcn   (junäc^ft   im  ©inne  ber  ©ünbenbergcbung)  mit 

w  Seligmac^en  fo   geläufig ;   h)ie  aber  bie  Befreiung  t)on  ber  ©c^ulb  and)  bie  toeitcre  bon 


(Sdistttt  181 

bcm  ^anm  ber  ©ünbc  unb  allen  t^rcn  folgen  einfd^Kcfet;  \o  gehört  ba^  aü^  mit  unter 
jene  begriffe.  Sei  ber  aufgetoiefenen  Äonelation  ber  Segriffe  ©eligfeit  unb  Scben  barf 
jene  SRebetoeife  fid^  getroft  auf  bie  anfd^auung  ftü^en,  bafe  ba«  Seben,  toelc^e«  bcreinft 
ate  etoige^  bollenbet  ^ur  ßrfd^einung  lommen  foH,  fc^on  l^ier  em))fangen  unb  genoffen 
tpirb;  eine  änfd^auung,  bie  ben  neuteflamentlic^en  ©4^iftftellern  unter  t)erfc^iebenen  2lu«-  5 
brudt^formen  anerfannter  3Jlafeen  gemetnfam  ift. 

3n  Stnlel^nung  an  jenen  (S))rac^gebrau(|5  ber  Sut^erbibel  l^at  ftd^  eine  befonbere  bog^ 
matifqe  Terminologie  au^gebilbet,  I^auj)tfä(^Ii(i^  too^I  nad^  ©d&Ieiermac^er^  Sorbilb.  Die 
aOBirfung  G^rifti  befc^reibt  er  (6^.  Olaube  §  100.  101)  ate  erlöfenbe  unb  t)erfö^nenbe ; 
er  nimmt  bie  ©laubigen  auf  in  bie  Äräftigleit  feinet  ©otte^betoufetfein«  unb  in  bie  10 
©emeinfcbaft  feiner  ungetrübten  ©eligleit;  burd^  biefe«;  le^te  h)irb  für  i^r  Setrufetfein 
ber  3ufammen^ang  t)on  @ünbe  unb  Übet  aufgel^oben  unb  toerben  an^  aQen  Hemmungen 
bielme^r  Anregungen  gur  2:^ätigfeit  (t?gl.  §  108.  110).  Da  ©d^I.  bie  c^J^atoIogifc^e 
33e||ie^ung  im  Orunbe  au^fd^Iiefet,  fo  bedft  fic^,  h)a^  i^m  ©eligfeit  l^ei^t,  ettoa  mit 
elgi^vtj  im  3fM.  3(n  biefe  Slu^brudf^toeife  fc^Iie^t  fid^  in  freilid^  fe^r  eigentümlid^er  3(rt  15 
3.  S^r.  Ä.  t).  ^ofmann  an,  toenn  nad^  i^m  ,,rid^  bie  SQBa^r^eit  feinet  (be^  G^riften) 
Seben«  bal^in  geftaltet,  bafe  er  im  ®Iauben  an  G^riftum  freigetüorben  ift,  ben  ju  erfennen, 
toelc^en  gu  glauben  i^n  feiig  mad^t,  unb  fein  SerJ^alten  fid^  ba^in  geftaltet,  bafe  e« 
Set^ätigung  ber  ^eil^eit  feine«  ffloBen«  unb  ber  ©eligfeit  feine«  ßrfennen«  ift" 
(©d^riftbeto.  2.  21.  1.©.  52;  2,  2.  ©.298  f.).  „Der  ©laube  afe  ©c^orfam  ift  grei^eit,2o 
ber  ®Iaube  al«  Oetoifel^eit  ift  ©eligfeit"  {%f},  Qti}\l  1878,  ©.  89).  ©0  toirb  immer 
atigemeiner  ©eligfeit  ^ur  Sej^eic^nung  für  bie  religiöfe  ©eite  be«  G^riftenftanbe«  im  Untere 
fd^iebe  bon  feiner  fittlic^en  Seftimmt^eit.  görbemb  tritt  bie  eubämoniftifc^e  Raffung  be« 
SBefen«  ber  SReligion  ^ingu,  toie  bei  Äaftan  (SBefen  be«  G^riftentume«  ©.  42 f.);  ©elig^ 
feit  ift  ber  ®enufe  be«  l^öd^ften  ®ute«  (©.  67.  292).  De^^alb  unternimmt  e«  SCitiu«,  25 
bie  neuteftamentlic^en  Se^rer  nad^  i^rer  SSorfteDung  bon  ber  ©eligfeit  ober  ben  ®ütem 
be«  Steid^e«  ®otte«  ju  gruj)j)ieren  (9leuteftamentl.  Se^re  bon  ber  ©eligfeit  1895  f.). 

3n  biefer  toeit^m  übernommenen  ebenfo  umfaffcnben  aU  unbeftimmten  SSeriüenbung 
be«  3lu«brucfe«  tritt  bie  in  ber  c^riftlid^en  SSolf^f^rac^e  minbeften«  borl^errfc^enbe  e«c^to= 
logifc^e  Swie^ung  ftarf  jurüdf.  ©0  lange  inbe«  SRö  8,  24  rf}  ibiidi  loco&rj/uv  noc^  ao 
gilt,  barf  pd^  bo^  ba«  jenfeitige  ^\d  nic^t  in  bie  gegentoärtige  Übertreltlic^feit  auflöfen. 
6«  toirb  einer  toeiteren  Umfd^au  in  ber  ^l.  ©d^rift  bebürfen,  um  ju  beftimmen,  h)a«  al« 
ber  3"^ölt  ber  ©eligfeit  angufe^en  fei.  ©ie  ift  im  allgemeinen  bie  Sefriebigung  aller 
Sebürfniffe,  bie  pd^  an  bem  Segriffe  be«  ®otte«menf(^en,  ber  nac^  bem  Silbe  unb  für 
bie  ®emeinfd^aft  ®otte«  gefd^affenen  $erfon,  al«  bered^tigt  au^toeifen  laffen.  3ft  nun  35 
beffen  jufammenfaffenbe«  ^Wl  bie  boQfommene  ®otte«gemeinfc^aft  in  bem  boDenbeten 
©otte^reid^e  ober  in  ber  ©emeinfd^aft  mit  ber  in  ®ott  geeinten  9Renfc^l^eit,  fo  bilbet  bie 
befriebigenbe  Swie^ung  gu  ®ott  h)ie  ben  DueH,  fo  ben  eigentlichen  Äem  be«  Seben«  unb 
ber  ©eligfeit.  ^ier  ift  ber  ^unft,  too  bie  Sorftettung  bon  bem  ©d^auen  ®otte«  in  ben 
Ärei«  biefer  Setrad^tung  tritt.  3j}  ^'^?^  Sorftellung  fafet  bie  ^l.  ©d^rift  ba«  §öc^fte,  40 
ma«  fte  bon  ber  Sejie^ung  be«  ^Renfd^en  auf  ®ott  gu  fagen  ffat  Der  Sertrenbung 
biefer  Slnfd^auung  liegt  immer  irgenbtrie  bie  Unterfc^eibung  il^re«  gn^^I*^  bon  einer  ber« 
mitteltcn,  namentlich  nur  burc^  Setoufetfein,  Denfen,  SBort  u.  f.  to.  t)ermittelten,  Sejie^ung 
auf  ®ott  gu  ®runbe.  SBorin  biefer  Unterf^ieb  naiver  gefunben  h)irb,  ba«  bangt  bann 
weiter  babon  ab,  ob  ©innlid^feit  unb  SOBirflid^feit,  Seiblic^feit  unb  ^erfönlic^feit,  bie  un=46 
toillfürlid^en  ®eftaltungen  ber  Ginbilbung^fraft  unb  bie  in  i^nen  nad^h)irfenben  inneren 
Stnregungen  flar  im  ®ebanfen  unb  im  3lu«brudfe  Doneinanber  gef^alten  toerben;  bie 
®renjen  jtoifd^en  ben  3:]^eoj)l^anien,  ben  ®efid^ten  unb  bem  unbergleid^lid^en  Serfcl^  mit 
®ott  bon  ängefid^t  lu  ängefic^t  bürften  in  ber  altteftamentlic^en  SorfteDung  fliefeenbe 
fein,  o^ne  barum  aurgel^oben  ju  toerben.  Die  älnfc^auung  mac^t  ^ier  biefelben  ©c^toan«  50 
fungen  unb  ®nth)idfelungen  burc^,  toelc^e  bie  ®otte«auffaffung  unter  bem  Ginfluffe  ber 
erjie^enben  Offenbarung  erfal^ren  l^at.  2öie  nun  ber  tiefe  ®e^alt  ber  2lnf^auung  'oon 
bem  lebenbigen  ®ott  im  2li  burc^  äße  füllen  unb  einzelne  2Biberf))rüd^e  ber  SorfteDungen 
^nburd^  fortfd^reitenb  jur  ®eltung  fommt,  fo  aud^  auf  biefem  fünfte.  §ier  finb  folc^c 
3üge  j^ert)orgu^eben,  toelc^e  unter  bem  ©c^toanfcn  ber  2luffaffung«form  immer  tüieber  55 
baöjenige  an  bem  ^n^alte  fenngeid^nen,  tva«  für  ben  g^^ommen  bon  entfd^eibenber  SBic^tig- 
feit  ift.  Da«  ®ottfc^auen  bejeic^net  auf  ber  einen  Seite  bie  ^öc^fte  ^^^"^^  ^"  hjclc^er 
Offenbarung  b.  i.  ©elbftbefunbung  ©otte«  bott^ogen  tüirb  (®j  33,  11;  5Wu  12,  8; 
Dt  34,  10);  auf  ber  anberen  ift  c«  bie  mäd^tigfte  Überfüj^rung  üon  ®otte«  Dafein 
unb  feiner  gürforge  für  ben  frommen.  3n  ber  legten  3(rt  erfd^eint  e«  in  ben  ^falmen  ba, «» 


182  edtgtett 

too  man  Jd^on  bcftimmt  bic  Stu^fid^t  auf  bic  imfcitige  ©ottc^cmeinfd^aft  gcfunben  fyd 
($f  11,  7.  17,  15;  ^i  19,26);  tocnn  ba«  fd^toetlid^  julrifft,  fo  ertocifm  biefe  ©tctten 
bod^,  ba^  bte  ^nntgfeit  ber  Sejiel^ung  auf  ®ott  ®runb  unb  gugleid^  ®egenftanb  be^ 
i^offcnbm   ©ottöertrauen^  bitten   (bal.  3ef38, 11;    Dealer,  IM-  *>«^  812:.«  §  246; 

6  6.  ©c^ul^,  ältteftam.  I^eol.  5.  äup.,  S.  370 f.).  SBic  e«  f4  bei  biefen  äu^brufe^ 
tieifen  lefetlid^  immer  um  bie  (Semeinfc^aft  mit  (Sott  l(|anbelt,  bag  tritt  au^  bort  l^ertoor, 
h)o  ber  ©ebanfe  an  ein  ©c^auen  ®otte^  fid^  mit  ber  3w*>^wl^t  t)erlnüt)ft,  ba^  Se^oba^ 
im  Zmpd  inmitten  feinet  Solle«  gegentoärtig  ift  ($f  42,  3;  41,13;  140,  14;  5Pf  84). 
RuQUid)  inbe«  mad^t  bte  (Sinrid^tung  be«  3!emj)cfe  felbfk  toieber  einbrüdtlid^,    ba|  bo« 

10  ©c^auen  ®otte«  im  SJoIIfinne  t)ertoe^t  bleibt.  2Bie  barum  aud}  ber  Sinn  fu^  nad^ 
jtoeifellofefter  Überführung  t)on  ber  Verborgenen  ®ott^eit  unb  i^rem  unvermittelten  3"«^- 
toerben  ftredte,  bod^  bleibt  ber  ®runbfa$  in  ®eltung,  bag  ber  unreine  SRenfd^  ®ott  nic^t 
f(^auen  fönne,  o|ne  ju  fterben  (2)t  5,  25;  9li6, 23;  13,  22;  ©j  20,  18.19; 
®t  18,  16);   toenn   e«  ftc^    anber«  Verhält,  ift   e«    eine  ^n^nalfmt  (2)t4, 33;  5,4. 

15  24;  ®en32,  31;  6^24,10.11),  unb  babei  toec^felt  too^I  aud^  ber  gn^It,  ben 
man  bem  ©c^auen  jumigt.  ©elbft  ^ofe  l)at  ftd^  bod^  mit  ber  93elunbung  bed  9{amen^ 
®otte«  ju  begnügen  (6j  33,  12  f.).  —  2)enfelben  ®runbjügen  ber  3(njd^uung  be= 
gegnet  man  im  9KE.  Sor  aöem  begeid^net  ber  ^en  felbfk  fein  SBiffen  um  ®ott  im 
tiefften  ®runbe  afe  bie  golge  be«   iojQaxevai  töv  Tiatiga,  toelc^e«  i^m   Iraft  feine« 

ao  überirbifd^en  ©ein«  bei  bem  «ater  eignet  (95.  SBeife,  aSibl.  %f).  b.  913:.  §  144);  e«  be^ 
geic^net  mitl^in  bie  VoQfommenfte  ^orm  erfa]^rung«mä^tger  @rlenntnt«;  fortan  fönnen 
bie  ®Iaubenben  an  i^m  ba«  @ntff)rec^enbe  l^aben  (2So  14,  9).  SlQein  bie«  ©c^auen  ber 
^errlic^Ieit  ®otte«  in  bem  Slntli^e  G^rifti  (2  Äo  4,  6)  fefet  ftc^  boc^  nur  in  bem  ®laubcn 
an  ben  in  feiner  ©r^ö^ung  Verborgenen  ß^riftu«  fort,  oem  man  ftc^  nac^fel^nt  unb  auf 

26  beffen  (grfc^einung  man  j^offt  (1  ^t  1,  8;  21®  3,  21).  SBa«  anö)  ^ulu«  von  ber  ßr^ 
ienntni«  ®otte«  burc^  feinen  ®eift  ju  fagen  ^at  (1  Äo2,  10  f.),  aUe  l^öd^fte  ©rienntni« 
l^ier  bleibt  ©tücftoerl,  unb  erft,  trenn  an  ©teUe  be«  ®(auben«  ©c^aucn  feiner  ®eftalt 
tritt,  toirb  eine  Grfenntni«  ®otte«  ju  teil  toerben,  toie  fie  ß^riftu«  befafe  (1  Äo  13,  12, 
Vgl.  2Jit  11,  27;  2  ilo5,  7).    SBie  innig  ba«  3n«nönberfein  mit  bem  ©oj^n  unb  bem 

30  SJater  bei  ^o^anne«  gefaxt  ift,  gerabe  in  bem  „S^n  fd^auen,  toie  er  ift",  bricht  aud^  bei 
biefem  SUinger  ber  $offnung«5ug  burc^,  in  bem  ja  ein  93efenntni«  liegt,  bafe  e«  j^  noi) 
an  ber  SoUenbung  fe^It  (1  §0  3,  2,  Vgl.  SBeife  a.  a.D,  §  149  c,  §  157  d).  g«  finb  bic 
Äinber,  toeld^e  ben  Sater  fc^auen  toerben,  unb  fo  fte^t  in  ben  ©eligt)reifungen  neben  bem 
älnred^t  auf  ben  5Ramcn  ber  ®otte«finber  bie  SSer^eifeung  be«  ®ottf^auen«  (9Rt  5,  9.  8). 

35  2)ie  Sebingung  für  feinen  ®enufe  ift  ba«  reine  ^erj,  ba«  unter  ber  einfältigen  Slid^tiuig 
auf  ben  (^eiligen  ®ott  ber  i^m  cntf))rec^enben  §eilig!eit  teil^aft  (^br  12, 14,  Vgl.  l^pt  1, 16) 
unb  fo  fällig  getoorben  ift,  i^n  ju  fd^auen,  unb  jtoar  nid^t  jum  Serberben;  Vielmel^r 
tüirb  bie  votlenbete  gorm  be«  Sme^r«  and^  bie  VoBenbete  ®leid^artigleit  mit  ij[|m  er^ 
jeugen;  benn  bie  ®ottc«gemein|d^aft,  trie  fie  an  ber  fittlid^en  ®lei(bartigleit  mit  ®ott 

40  i^re  Scbingung  l^at,  bleibt  burd^  aUe  ©tufen  ber  ©nttoidtelung  bie  Duette,  au«  toelc^er 
bie  Soßenbung  be«  ©otte«menfc^en  fliegt  (Vgl.  I^oludf  unb  2l^eli«  ju  SKt  5,  8  unb 
3)üfterbiedt  gu  1  ^of)  3,  2). 

2Ba«  bie  genauere  3lu«fül^rung  fotoof^l   biefe«   ^ule^t   bef})rod^enen  3JlitteIj)unlte«  in 
bem  6offnung«bilbe  ber  SoÜenbung,  al«  aucb  ber  ®efamtfd^ilbcrung  ber  etoigen  ©cligleit 

46  betrifft,  fo  finb  l^icr  bie  ©runbfä^e  in  (Erinnerung  ju  rufen,  toeld^e  für  bie  t^eologifc^c 
Se^anblung  ber  e«c^atologic  ixb^^aupt  gelten  (93b  V,  ©.  490  f.).  aJlan  borf  be«  di 
ioomoov  unb  be«  ix  ^egovg  (1  Äo  13,  9.  12)  nid^t  Vergeffen.  ©eit  älter«  ift  bic 
gragc  crtuogcn,  ob  ba«  ©^auen  ®otte«  fic^  in  bem  2lnfd^auen  Gl^rifti  Vottjie^en  unb  ob 
e«  ein  ©d^aucn  mit   lciblid)cn  3lugen   fein   tocrbe  (Vgl.  bie  2lnfüf>rungen  bei  2)üfterbicd 

6oa.  a.  D.;  Hollaz.  1,  7,  9sq.;  Sretfc^n.  ©.  502  f .).  &enn  nun  ba«  ©^lu^geft^t  ber 
2lpofalvi)fe  fd)i(bcrt,  tüic  ber  Unterfci[)ieb  l^immlifc^en  unb  irbifc^en  2)afein«  aufgel^oben 
unb  burc^  bic  ©cgenioart  ®ottc«  unb  be«  i?ammc«  in  ber  ®otte«ftabt  aUe  Dffenbarung«^ 
Vermittclungcn  bcfcitigt  crfd^cinen,  fo  beutet  ba«  boc^  barauf,  bafe  eben  ber  toefentlic^e 
Untcrfc^icb   Iciblid;    Vermittelter   unb   rein   innerlid^er  95e;;iel^ung  aufl^ören  fott.    Db  ein 

55  foldjc«  Sdiaucn  Urfad^c  l^nbcn  möge,  jtinfd^en  ©Ott  unb  Gl^rifto  ju  unterf^eiben,  barübcr 
toirb  bic  Gntfc^cibung,  iocnn  man  eine  p  geben  unternimmt,  ioof^l  immer  j|e  nac^  ber 
fotcrologifd>cn  33ctracibtung  auffallen,  nämlic^  bnnac^,  ob  man  mit  Drigene«  meint,  erft 
über  ben  ©obn  ^intrcg  '^nm  isatcr  ^^u  gelangen,  ober  glaubt  in  bem  ©o^ne  ben  Sater 
j\u  babcn  unb  jenen  ctoig  in  Gbrifto.    Äcincnfall«  tuürbe   ja  biefe«  ©^auen  ®otte«,   in 

60  bem    ninn   ben   vcrflärtcn  Übriftu«   anfd^aut,    mit   ben   Dftcrcrfc^einungen,  ber  bama«= 


Sdigtdt  183 

cenifd^cn,  felbft  nid^t  mit  ber  ^anifie  aleid^juftcHen  fein,  ha  bod^  eben  in  Setrad^t  lommt, 
bag  bie  älnfc^uenben  injmifc^en  burdp  bie  3(uferft)edtung  ju  geiftlid^4eib^aftem  Seben  eine 
bebeutung^oQe  SBanblung  erfal^ren  l^ben. 

@ine  tpeitete  Streitfrage  ift  bie  nac^  ®tufen  ober  ®rab'en  ber  ©eligfeit  ober 
^cali^Ieit.  3)te  beja^enbe  ©ntfc^eibung  ftüftt  fid^  auf  bie  35crfj)red^un0en  berfd^iebenen  6 
ao^neö  (bef.9Jlt25, 14 f.;  19, 28 f.;  10,  41.  ^Kenfen  gu  m),  bie  bemeinenbe  betont  ba« 
@runbtoefen  ber  @eligfett,  toeld^ed  eben  für  bie  ^au)>tfad^e  Unterf^iebe  audfd^Ke^e 
(Apol.R.  135 sq.;  beatitudo essenüalis  et  beatitudinis  praemia  accessoria  Hollaz.3, 
1,  15  sq.).  SJlan  toirb  fi^  erinnern,  bafe  bie  ©eligleit  ein  SReid^  bon  ©otteömenfd^en  in 
fic^  fc^Ue|t,  unb  ein  folc^e«  bebingt  9RannigfaItiglcit;  toenn  ba«  jufammenfaffenbe  eben  lo 
bie  ®emeinfd^aft  mit  ®ott  ift,  fo  toirb  man  in  biefer  baö  (Sleic^artige,  bie  Unterfd^ieben? 
^eit  aber  in  ben  Regierungen  ber  Seligen  untereinanber  begrünbet  benfen.  ^ft  bod^  aud^ 
fc^on  auf  @rben  bie  religiöfe  Segiel^ung  unb  Slufgabe  ba^  ^bentifd^e  in  bem  ^nbalte 
bed  3Renfd^enIebenö,  toä^renb  bie  Unterfd^iebe  au«  ber  ©üeblid^Ieit  am  ^Jlenfd^^eit^Ieibe 
ftc^  ergeben.  @o  getoi^  nun  anerfd^affene  9(n[age,  aefd^id^tlid^e  Snttoidtelung  unb  bie  i5 
buTC^  beibe  bebingte  unb  auf  beibe  belogene  fittlid^e  arbeit  an  ber  Gl^aralterinerung  ber 
^nbibibualität  atö  SBerte  im  ©otte^reidf^e  gelten,  fo  getoig  toerben  fte  für  bie  ^oQenbung 
nic^t  umfonft  fein;  benn  biefe  foQ  ja  für  bie  Snttoidelung  ber  ®otte«h)eIt  nid^t  SSer- 
nic(ftung  unb  Sefeitigung,  fonbem  ben  betoal^renben  äbf^Iufe  bebeuten.  SKan  toirb  alfo 
nid^t  äinftanb  nehmen,  inbibibueH  mannigfaltige  arten  ber  ©eligleit  gu  beulen,  o^ne  20 
borum  eine  Slangorbnung  borjuftetten,  toeld^e  fid^  mit  ber  ©runbgefinnung  bienenber 
Siebe  nid^t  reimen  toill  (2Kt  20,20f.)  unb  ber  3Sertoenbung  be«  So^nbegrine«  auf  ba« 
aöttlid^e  JRid^ten  eine  bebenlli^e  SBenbung  giebt  (SBeife  a.  a.lD,  §  32).  3)a«  SBefentli^e 
bleibt  ber  innere  griebe,  toeld^er  berbürgt  ift,  fobalb  mit  ber  bollbrad^ten  Selbftbilbung 
aud^  bie  böUige  Säuterung  gufammenfäUt.  25 

SSietet  bie  93ilberfj)ra(^e  ber  ©d^rift  femer  ben  Slu^brudf  ber  enblic^en  ©abbatl^s 
rul^c  (§br  4, 1—10;  a^^oludt  g.  6t.;  SRiel^m,  Sel^rbegriff  b.  Äebr.  j.  ©t.),  fo  erörtert 
man,  ob  ba«  Untl^ätigleit  bebeute  ober  eine  fortgefe^te  Set^ätigung  anjune^men  fei. 
gicned  39ilb  erinnert  an  ben  ©(rö))fung«fabbatr,  unb  mithin  bergegentoärtigt  e«  nid^t 
2!otenftUIe,  fonbem  nur  ben  ©tanb  nao)  Srreiqung  be«  3^^^^'  "^**  ^^  ^^^^  anbere^so 
al«  ba«  ©trebm  nad^  i^m  eintreten  mufe.  3Serftel^t  fic^  bie  aibtoefen^eit  alle«  beffcn  bon 
felbft,  toa«  al«  Übel  (Seib  unb  üJlü^e;  Dffenb.  21,  3  f.)  erfd^einm  fann,  fo  toirb  be« 
tüeijteren  bor  3{u«malungen  gu  toamen  fein,  toelc^e,  ein  fubtUer  6l^ilia«mu«,  nac^  ber 
Art  ^eibnifd^er  @rti)artungen  nur  ein  berblafete«  äbbilb  be«  ßrbenleben«  entwerfen. 
aSäenn  bie  antile  $l(|iIofoj)l(|ie  bie  bolle  ©eifte«befriebigung  im  Srfennen  gu  finbm  meinte,  86 
fo  ^at  bie  Dffenbamng  gu  ber  ^öc^ften  SoDenbung  ber  Il^eorie  ba«  boHenbete  Siebe^s 
Icbm  in  einem  ^crjonmrcic^e  gefügt,  bem  fid^  aud^  ba«  ©rtmnen  einorbnet.  3"  ^M^ 
Seftimmungm  gefd^te^t  bm  ©runbgügen  be«  ))erfönlic^en  Seben«  genug;  eine  toeitere 
SBeranfc^aulic^ung  toirb  über  bie  ©d^ranlen  unfere«  fmnlid^  beftimmten  SBorfteHen«  l^inau«^ 
gel^m,  toenn  fie  mcl^r  fein  toiH  al«  ^Iluftration  jener  ©runbgcbanfen.  3)od^  liegt  bie  40 
ßrinnerung  an  bie  fqöne  Äunft  na^e  genug,  toelc^e  in  i^ren  ^öc^ften  6rfd^einung«formen 
bie  Seti^^ätigung  eine«  jtönnen«  unb  Seft^e«,  bie  nabegu  feine  ätrbeit  me^r  ift,  mit  ber 
annölg^embm  Serfd^melgung  ber  3)arftettung«form  unb  be«  geiftigm  ©ehalte«  berbinbet 
(^mmlifd^er  Jtultu«). 

ßnblid^  greift  ba«  ^roblem  ber  äjioxaxdaraoig  ndvKov  inf ofem  in  biefm  (Scbanlem  45 
frei«  hinein,  al«  bie  ßtoigfeit  ber  §öllenftrafen  fotool^I  ber  95efriebigung  ®otte«  al«  bers 
jcnigen  feiner  9leid^«genof[en  fd^eint  ©intrag  tl^un  gu  muffen,  toeil  bie  boUfommene  Siebe 
aud^  SRitgefü^I  mit  bem  ßlenbe  ber  Serbammten   fein,  unb  toeil  ber  5KifeerfoIg    an 
ettoek^en  feiner  ®efd^ö})fe  einen  ©chatten  in  ®otte«  Setoufetfein  toerfen  müfete.    2)ie 
Meinungen  über  bicfen  ^unft  toerben  tool^I  immer  geteilt  bleiben  (9Kartenfen,  3)ogm.  50 
§  283  f.),  mmal  bie  ©d^rift  bem  beutlic^en  Wortlaute  nac^  für  bie  mbgiltige  Serbamni« 
gcugt  (aBei^  a.  a.  D.  §  34,  §  99  b,  ii  132  b,  §  157  c).    2)oc^  barf  man  forbern,  bafe  bie 
©eügfeit  nid^t  nac^  einem  ))atl^ologifd^en  Segriffe  bon  Siebe,  fonbern  nac^  bem  et^ifd^en 
bemeffen  toerbe,  toeld^em  bie  2öiQen«entfcreibung  mel^t  gilt  a(«  ba«  2)afein,  unb  bie  fitt- 
lic^e  Drbnung   ber  ^erfonentoelt   mel^r  al«  il^re  natürlid^e  Unterlage.      2)ante    läfet  66 
(^rab.  26, 103  f.)  bie  ©eligen  aDe«  in  bem  ©i)iegel  be«  ®otte«rergen«  jc^auen,  unb  bicfe« 
§ei^  ift  ber  DueU,   au«  toelc^em  bie  ftttlid^e  SBelt  93eftanb  unb  Drbnung  l^at  mit  i^rer 
gteäSfeit  unb  i^rem  untoanbelbaren  ©efe^e.    CiKgl.aud^  3-31.  >Domer,  ©t;ftem  b.  2)ognt.2, 
©.  864). 

2)icfe  3[u«fürmngen  fe^en  bie  entf^rec^enbe  (Erörterung  über  ben  bogmatifd^cn  Se-  ec» 


184  Sdtgfeit  Sdneiler 

griff  bc^  ßcben«  (S3b  XI  ©.  330  f.)  foh)ic  bie  gefamtc  ©oteriologie  t)orau«.  ©ie  befj)rec^en 
i^ulunft  unb  (Scgcntüart  nur  mit  Slücfftc^t  auf  bie  Sefriebigung,  toeld^c  beten  d^riftlic^e 
Seftoltung  ^n  gctüä^ren  Dermag.  SOBenn  unter  biefem  2:itel  fonft  auc^  bie  Stellung  ber 
o^ne  Sefanntjc^aft  mit  bem  ßbangelium  gcftorbenen  5Kenfcl^en  jur  ^ollenbung  erörtert 

5  toorben  ift  (Seligfeit  ber  Reiben),  ]o  gehört  biefer  $unlt  öielmel^r  in  bie  2e^re  öom 
®eric^t;  ober  finbet  feine  ©riebiaung,  too  bie  UnentbeiJirlid^Ieit  ber  3Serfö^nung  für  bie 
SoDenbung  barget^an  toirb.  —  9luq  ber  oft  toeitläufig  erörterte  Unterfd^ieb  ber  trbifc^s 
fmnlid^en  ©rtoortungen  im  SU  bon  ber  geiftigen  gaffung  ber  ©eligleit  im  ß^riftentum 
ift  ber  biblifc^en  Ideologie  unb  ber  'SipoloQctil  p  überlaffen,  fofem  biefe  ®i^ji))linen 

10  bie  gefc^id^tlid^c  ßnttoicfelung  ber  Offenbarung^reltgion  bel(|anbeln;  ber  t^eologif^je  Segriff 
ber  Seligfeit  ftü^t  fid^  auf  ben  ein^eitlid^en  ®runbjug  ber  toerfc^iebenen  enttoicfelung^^ 
ftufen,  bemgemä^  (Sottfeligfeit  ba^  2Befen  aller  menfd^U^en  Seligfeit  au^mad^t. 

SR.  ftft^Ier. 

Seltgfinrec^ung  f.  Jlanonif  ation  93b  X  S.  17. 

15  SdneAer,  ^lifolau^,  lut^erifd^er  3:^eolog  unb  Sieberbid^ter  be«  le.Sttl&'f^unbert«, 
5Kitarbeiter  an  ber  Äonforbienformel,  gefl.  1592  ju  £eij)jig.  —  Duellen:  ©einecferö 
175  eigne  ©cftriftcn,  SWac^Iaß  auj  ber  (ööttingcr  ©ibliot^ef,  Don  ^land  unb  ^ppe  benuft 
fieidienprcbiflt  üon  ®eorg  3Jl^liuS.  3)cS  fiübeder  ©upcrintenbentcn  D.  ®öje  (geft.  1728) 
@ammclfcl)rijt    über  Selneder:    in  bem  Sommclbanbe   ber  ßübcder  ©tabtbibhotbcf    (9758.) 

20  l4  3)iffertationcn;  in  einem  ©ammelbanbc  ber  fieipäigcr  UniüerfitätSbibliotl^el  (V.  E.  S.  162d) 
nocft  eine  15.;  Xitel  ber  crften  ©tubicn  ®ö^c8:  „SepteDarius  diasertationum  memoriam 
D.  Nicolai  Selnecceri,  theologi  sua  aetate  religiosissimi  renovatam  exhibens'* ;  tl^nen  ge^t 
öoran:  ^ag.  ©c^rötcr,  ^aftor  in  ^ilbeSlftelm,  oratio  de  vita  S.-Gleich,  annales  ecd.  TO  I; 
^^lancf,  (Öefd)i4tc  bc«  prot.  fic^rbegriff«  Sb  V;  ^cppc,  ®ef(^lc^te  bc«  $roteftanti8mu«  »b  III 

25  u.  IV;  ®.  granf,  ®cfc^i(^tc  ber  prot.  X^eologie  ©bl;  tlnton,  ©efc^ic^te  ber  ftonforbienformcl, 
1779;  ®öf^cl,  S)ie  ^onforbienformcl  nac^  ©efcbic^tc  2C.,  1858;  galinicb,  ßampf  unb  Unter= 
gana  beS  ^leland^t^onidmud  in  ^urfac^fen,  1866;  ©lancfmetfter,  ©äc^fifd^e  ßin^engefc^id^te, 
1899;  ^efel,  Hymnopöographia;  SBadfcmagcI,  3)aS  beutfc^e  jlir^cnlieb,  ©b  IV;  5i|<^er, 
Älrc^enlicbcrlcjifon;    2:^icle,  @.S  fiieber,  1855;    aRüJefl,   Siebet  au8  bem  16.  Sa^r^.;   beif., 

30  3citfc^rift  für  bog  ®i)mnafiQln)efcn,  1853;  3)ibeliu8,  3ur  ®ef4icf)te  unb  ß^araftcriftif  iRif.@. 
in  ben  Beiträgen  jur  ©ötiftfifc^en  Äirc^cngcf^it^le  ^t\i4,  1888;  SBucfiroalb,  iRü,  ©.  in  ,,Unfcrc 
^irc^cnlicbcrbic^tcr",  a3b  4,  1905. 

3)er  ju  ^er^brudf  bei  5Rümberg  am  5. 5Dejember  1530,  toieHeid^t  aud^  erft*  am 
3?ifoIau^tag,   bem  6.  2)ejember,    geborene  ober  ober  an  biefem  3!age  gelaufte  3Jifolau^ 

35  Selnedfer,  eig.  Sd^eHenedter,  lat.  Selneccerus,  i^at  in  feinen  62  3a^en  ein  Dielbetoegte« 
geben  gefül^rt.  Dafe  er  fd^on  aU  Änabe  ba«  l^eimatlid^e  Stäbtd^en,  in  toelc^  fein 
SJater  5Jotar  unb  Stabtfcbreiber  gemefen,  mit  bem  bamate  in  l^öc^fter  33Iüte  fte^enben 
9?ümberg  bertaufd^en  burfte,  too^in  ber  SSater  aU  erfter  Stabtfd^reiber  berufen  toar,  unb 
alfo  früF^e  an  bem  bort  jiulfterenben  regen,  geiftigen  Seben  teilnehmen  lonnte,  toar   für 

40  feine  ganje  ©nttoidfelung  bon  ^ol^em  2öert.  Der  35ater,  für  beffen  Slnfe^n  ed  fj)ri(^t, 
bafe  3WcIand^tl^on  i^n  ju  feinen  greunben  ^äl^lte  (Dgl.  Ep.  Mel.  im  CR  bom  6.  Dftober 
1552);  unb  ba6  er  aud^  bei  Äaifer  Äarl  V.  unb  Äönig  gerbinanb  n)ol(|Igelitten  toor,  gab 
feinen  beiben  Söhnen  eine  forgfältige  unb  c^rifllic^c  ©rjie^ung;  ber  Sol^n  erfter  6^c 
©eorg  tvurbc  l^eolog  unb  ]p<xUx  ^faner   in  Sc^tüabac^;   unfer  Siifolau«,   au^  jtoeiter 

45  (Sl^c  ftammenb,  foHte  nac^  be^  SSaterg  SBunfc^  gurift  toerben.  älBerbing«  fafe  er,  feinen 
mufitalifcben  5Jeigungen  folgenb,  fd^on  aU  12iä^riger  auf  ber  Drgelbanf  ber  SRümberger 
SurgfapcBc  unb  t^crtoaltete  bort  gegen  ein  jäl^rlic^e^  Senefijium  toon  8  2)]^lem  unb 
2  55uber  §oI,;  bag  Drganiftenamt,  ja  eö  brad^te  feine  auffaDenbe  muftfalif^e  Begabung 
if^n  fogar  in  (Scfa^r,  toon  Seuten  au^  bem  ©efolge  be^  Äönig^  gerbinanb   entführt  ju 

fto  Joerbcn,  um  in  ber  Äapelte  beö  Äönig^  ober  be^  Jlaifer^,  in  SölS^men  ober  in  ©^nien, 
mitjuiuirfcn ;  aber  bei  aller  ^^Jflege  ber  'Sln[xl  Derfäumte  er  boc^  nic^t,  grünblic^en  ^uma- 
niftif(f)cn,  auf  bie  Unitoerfität  borbereitenben  Stubien  obzuliegen,  unb  atö  er  mit  19  3«^^^^ 
bie  .t)od»fd)ulc  bejog,  fd^ien  e^  noc^  felbfltoerflänblic^,  bafe  er  ber  juriftifd^en  Saufba^n  bed 
SSatcr^   folge.     SBobl    Italien    Diümbergg    trefflid()e    cDangclifc^e  ^rebiger,    SBenjeöIau^ 

55  2inf  unb  Wxi  Dietrich,  bie  treuen  Sut^erfreunbe,  i^m  tiefe  religiöfe  Anregungen  ge^ 
geben  unb  ihre  befonberc  3i*"cigung  bem  Jüngling  gcfc^entt,  ber  boU  Söegeifterung 
il^re  "il^rebigten  nacbfd)rieb,  unb  fe^r  ioabrfc^einlid;  batte  eine  leben^gefä^rlid^e  Sertoun- 
bung,  bie  ihm  ein  iocgelagernbcr  Strold;  beibrachte,  al^  er  eben  im  3lj)ril  1549  |\ur 
Uniberfität   abgeben   foUte,    unb   bie    il;n   auf    ein    längere^   Äranfenlager   toarf,   jene 


Sdneifer  185 

cmftc  rcUgiöfe  ®cfmnung  nod)  toejentlicl^  t^ertteft;  ober  erft  in  SBitlcnberö  burc^  3Re= 
land^tl^on^  lierfönlid^en  ßinflu^  toarb  ber  jünger  ber  9iuri^j)ruben^  jum  Ideologen. 
'^dand^tifon  toax  bamaU  —  Jcit  Sul^cr^  ^cimgang  —  unbeftrittcn  unb  n\i)i  etn?a  nur 
für  bie  Ideologen,  ba«  geiftige  Sentrum  ber  Uniöerfität.  2)te  greunbjd^aft  feinet  SSaterg; 
öffnete  bem  jungen  ©tubto  fofort  öom  3kxge  feiner  Slnlunft  in  SBittenberg  ab  ba«J  $au^  5 
3Kagifter  $^Uij)j)^;  unb  toenn  e^  au^  ja^lreid^en  3^wgniffen  belannt  ift,  mit  toeld^er 
fürforgenben  SieBe  unb  big  in  ba«  fleinfte  einge^enben  2^reue  ber  praeceptor  Germaniae 
fu^  ber  einzelnen  Stubenten  annahm,  unb  h)ie  er  nic^t  nur  in  äußeren  ölonomifd^en  ätn- 
gelegen^eiten  i^nen  mit  freunblid^em  '3iai  an  bie  J^anb  ging,  fo  ba|  i^n  Sut^er  im  ©c^erj 
ben  famulus  communis  ber  Unit)erfität  genannt  l^atte,  toie  er  ani)  nxd^t  nur  ij^re  10 
©tubien  förberte,  f onbem  trie  er  öor  allem  ü^  innere«  Seben  J)flegte,  fo  ift  e«  fe^r  begreiflich, 
bafe  ©elneder  nod^  in  fj)äteren  Saferen  (in  feiner  2lu«(egung  ber  ®enefi«  1570)  e«  ate 
einen  ber  größten  @c^ä$e  feine«  J^eben«  ))reift,  „quod  unum  Philippum  praeceptorem 
habere,  audire,  fere  quotidie  convenire,  alloqui,  consulere  mihi  contigit" ;  unb 
mol^I  öerftönblid^,  bafe  5Kelan(i^tl(|on,  ber  in  einem  ©rief  an  ben  SSater  t)om  6.  Oltober  15 
1552  be«  jungen  ©elnecfer  ingenium,  modestia  unb  pietas  rü^mt,  i^n  auc^  auf  be« 
Sater«  Üöunfdp  feinen  juriftifd^en  ÄoDegen  ^.  95.  bem  ^rof.  ©c^neibetoin  em^fol^Ien  ^atte, 
i^n  aber  mel^  jum  tl^eologif^en  al«  jum  juriftifc^en  ©tubium  ))räbeftiniert  erachtete,  ber 
fd^on  früher  toor^nbenen  Steigung  jur  S^eologie  ben  ©ieg  Derfc^affte.  3lai}  feiner  $ro= 
motion  al«  magister  artium,  bie  unter  bem  ^elanat  t)on  Aaf))ar  ^eucer  am  31.^uli2() 
1554  ftattgefunben  batte,  gab  er  fid^  bei  Sugcn^agen,  ®eorg  ^JJaior,  30^.  görfter  unb 
5PauI  ebcr  tl^eologifc^en  ©tubien  l^in ;  fein  §auj)tlel^rer  aber  blieb  SKagifter  $l^ili^))u«,  unb 
toenn  er  im  äJerfe^  mit  biefem,  U)ie  er  f))äter  au«brüd(Iid^  b^^ugt,  an  bem  consensus 
Lutheri  et  Melanchthonis  niemal«  aud^  nur  ben  minbeften  3*^eifel  gel^abt,  fo  t)er= 
fte^t  man  e«:  ^ier  in  ber  ©d^ule  3Kelanc^t^on«  bilbete  ftc^  ©elnedter«  irenif d^er  ß^aralter,  25 
fein  auf  ben  consensus  aQer  Sutl^erifc^en  gerid^teter  ©inn. 

@(^on  l^tte  er  nac^  beenbigtem  ©tubium  angefangen,  felbft  f^^ilologifc^e,  ))^ilO' 
fot)^ifd^e  unb  tl^eologifc^e  SJorlefungen  ju  galten  (über  2)ialeftif  unb  Sl^etoril,  über 
airiftotele«  Tugi  tpvxfjg,  über  2lpoftelgefd^id)te,  Slömerbrief,  3Ratt^äu«eDangelium,  aud^ 
über  aJleland^t^on«  examen  ordinandorum) ;  e«  ift  öon  200  §örern  bie  SHebe,  bie  fic^  30 
in  feinem  Slubitorium  eingefunben;  ba  tourbe  er  Don  ^Relanc^t^on  1557  bem  Äurfürften 
äluguft  k)on  ©ac^fen,  al«  biefer  concionatorem  pium  et  industrium  fud^te,  für  bie 
©tellung  be«  britten  §ofprebiger«  in  2)re«ben  toarm  em))fol^len.  2)ie  geh)ö^nlic^e  3)ar= 
ftellung,  at«  baU  e«  fid^  jugleid^  um  einen  3leligion«le]^rer  unb  ©tubienleiter  für  ben 
Äurjjrin^en  älesanber  ge^anbelt,  ift  unrichtig;  ber  fiurprinj  toar  bamal«  noc^  nic^t  t^iersö 
3a^e  alt;  au(|  an  eine  Seitung  ber  §offantorei  toar  bei  ber  Berufung  nic^t  gebadet. 
3m  Januar  1558  fam  er  al«  §oft)rebiger  nac^  2)re«ben,  nad^bem  er  in  SfBittenberg 
orbimert  toar  unb  fid^  bon  ber  bortigen  Unitoerfität  burc^  eine  Siebe  de  vita  academica 
aulicae  praeferenda  (gebrudt  in  jeinen  praelectiones  ©.  836)  t)erabfc^iebet  ^atte. 
Unb  al«  nac^  3öl^ifc«frift  ber  „Änabens?Kagifter",  ber  bie  ßl^orlnaben  ber  ^ofürc^e,  bie  4o 
„jungen  in  ber  ftantorei"  unterrichtet  unb  baneben  in  ber  SBoc^e  etliche  ^rebigten  gc^ 
galten  ^atte,  au«  irgenb  toeld^em  (Srunbe  abging,  übemal^m  ©elnecfcr,  ber  jüngfte  §ofs 
prebiger,  beffen  muftlalifc^e  Sefäf^igung  unb  Steigung  h)ir  fennen,  mit  großer  greube  unb 
in  ber  Hoffnung,  ben  erft  Wenige  ^al}x^  ^ut?or  begrünbeten  §offirc^enc^or  in  ertoünfc^ter 
SBeife  förbem  unb  au«bilben  ^u  !önnen,  bie«  3?ebenamt.  Unb  al«  bemnäc^ft  ber  I^ron^  iö 
erbe  fed^«  ga^re  alt  tourbe,  ba  f^aiU  ba«  $errfd^er))aar,  SSater  äluguft  unb  üKutter  Slnna, 
bem  ^oft)rebiger  nic^t  nur  im  allgemeinen  fc^on  längft  feine  Zuneigung  gefc^enlt,  fonbem 
ftc^  meHeic^t  aud^  bei  bem  Unterricht  ber  Äa})ellfnabcn  toon  feinem  päbagogifc^en  ©efd^idt 
überzeugt,  fo  bafe  e«  bie  fac^männifc^e  Seitung  ber  (Srgie^ung  be«  Äurprinxen  (geft.  1565) 
feiner  gürforge  ant)ertraute.  5Wöglic^  auc^,  ba^  i^m  felbft  bie  mit  ber  Übertragung  be«  so 
einen  unb  be«  anberen  Slmte«  berbunbene  älufbefjerung  Jciner  äußeren  Sage  nid^t  untoiB- 
lommen  toar,  ba  er  1559  burc^  äJer^eiratung  mit  ber  loc^ter  be«  2)re«bner  Bupzti 
intenbenten  2)aniel  ©reifer  fic^  einen  eigenen  ^au«ftanb  gcgrünbet  l^atte.  SBie  Diel  er 
al«  S'^fr^^^or  be«  Qxbpxmitn  in  toierjäl^rigem  Unterrid^t  getoirft,  mufe  bal^ingeftellt 
bleiben;  toenn  aber  bie  bem  jungen  ^rinjcn  gehaltene  £eid^enj)rebigt  (3)rc«bner  Ägl.  Sibl.  65 
Msc.  Dresd.  K.  345)  beffen  lautere  ^yrömmigfeit  betont,  fo  mag  ba«  bafür  Jieugen,  bafe 
fu^  ©elnedter  an  bie  3nftru!tion  bc«  Äurf ürften :  „idi  toiH,  bafe  ber  ^rinj  ein  Äatec^i«mu«- 
2)oItor  toerbe!"  mit  aller  Streue  gel^altcn  l)at  Über  einen  Sluffc^toung  ber  ^offantorci 
unter  feiner  Seitung  toirb  un«  nic^t«  berichtet.  311«  ^rebiger  l^atte  er  fid^  Dicler  2lns 
ei!ennung  unb  ber  befonberen  ®unft  ber  Äurfürftin   ju  erfreuen.     Daneben  toufete  er  üo 


186  Sdneiler 

aud^  für  tDiffcnfd^aftKc^c  2lrbeitcn  ^^\i  unb  Äraft  ju  fbaren  unb  gab  toäl^rcnb  btcfer 
®re^bner  ^eriobe  eine  grofee  ^ci)l  Don  2)rucff(i^riften  l^erau«,  bie  öon  t>l^ilofDj)^tfd^en 
(epitome  in  libros  octo  Physicorum  Aristotelis),  altteflamentlid^en  (Slu^legung  beö 
^falter^,  argumenta  et  annotationes  in  librum  sapientiae  Salomonis),    neutefta- 

6  mentlic^en  (bie  erfte  S^iftel  ©t.  ^oi^anni«  aufgelegt),  fird^n^iftortfcl^en  (catalogus  prae- 
cipuorum  Conciliorum  Oecumenieorum  et  Nationalium  a  tempore  Apostolonim 
usque  ad  nostra  tempora),  bogmatifd^en  (Theophania  sive  Comoedia  de  primomm 
parentum  conditione  et  ordinum  sive  graduum  in  genere  humano  institutione; 
Ubellus  brevis  et  utilis  de  coena  domini;   vera   et  invicta  doctrina   de   coena 

10  contra  sacramentarios;  de  Providentia  dei)  unb  ))raIttf(l^'t^eo(ogtf(^en  Stubien 
(paedagogia  christiana;  capita  doctrinae  christianae,  quam  Gatechismum  no- 
minamus,  versibus  reddita)  ein  berebted  3^^^^^^  geben.  9(m  bebeutfamften  jebod^ 
erfd^eint  feine  in  biefer  3^^^  f^^  boQuel^enbe  ungünftige  S^arafteränberung.  SKelan^tJ^on 
toar  geftorben;    um  fo   me^r  beeinflufete   3)aniel  ©reifer  feinen  ©d^toiegcrfol^n.    ^| 

15  ©reifer  melanc^tl^onianifc^  geftnnt  toax  unb  bie  ßinigleit  ber  Sut^eraner  bringenb  toünfd^te, 
fjaitt  ©elnedfer^  befonbere  @l9nH)atl^ien  ertoedtt;  aber  ber  SRanne  mit  ftarf  au^e})rägtem 
d^olerifd^em  3^emj)erament  unb  ftrengem,  ^errf(|füd^tigem  SiSefen,  ber  feine  ®egner  bitler 
HU  bel^onbeln  tDu^te,  bermoc^te  ben  friebfertig  geftimmten  aber  unfelbftftänbigen  ©elneder 
mit  feiner  einflufereid^en  Slrt  babon  gu  über?|eugen,  bafe  man  nur  bun^  ftrenge  Se^anb^ 

20  lung  be^  ©egner«  jum  ^id  gelange,  unb  floate  i^m  fo  bie  oft  unangenehm  berti^renbe 
©d^örfe  ein,  bie  bod^  eigentlid^  mit  feiner  innerften  9Jatur  bi^^ormomerte.  6«  ringt 
feitbem  in  ©elnetfer  ber  milbe  ©d^üler  3Jleland^t^onö  mit  bem  gomerfüllten  ©^toiegcr= 
fo^n  ©reifere^,  unb  nur  in  bem  einen  äSunfd^,  bie  Concordia  aDer  Sutl^eraner  l^erbei- 
fjufüi^ren,  ftimmen  fie  jufammen.    6in  fel^r  jd^arfe^  SBJort  toiber  ba^  3^9^  ^^  S^'fp^n, 

26  ba«  h)o^I  böUig  gered^tfertigt  toar,  aber  mel^r  gur  ^ribatfeelforge  be^  ^ofprebigerd  aU 
in  bie  öffentliche  ^rebigt  gehörte,  fül^rte  feinen  Abgang  öon  3)re«ben  l^erbei.  6«  ^ttc 
für  il^n,  toeil  er  „ettoa^  f^toad^  getoefen*',  3Kartin  ^ofmann,  ber  ©tabt^rebiger  ^u  Unfrcr 
lieben  grauen,  in  ber  ©d^loprd^e  get)rebigt  unb  bei  biefem  Slnlafe  ba«  UntDefen  ber 
9iagben  großer  Ferren  Don  ber  ftanjel  l^er  beflagt  unb  gerügt;   an  ben  näc^ftfolgenben 

30  ©onntagen  fe^te  ©elnedfer  biefen  Singriff  fort,  mad^te  e«  nur  be^  3<*9^^  falber  no<^ 
etn)a«  l^eftiger  unb  bro^te,  toenn  man  nic^t  babon  abftänbe,  fo  toürben  §crr  unb  Änet^t 
gum  3^eufel  fahren  (SSreebner  §au})tftaatöarc^it).  ©d^riften  D.  Nie.  Sein,  belangcnb. 
7169).  3Kartin  ^ofmann  mufete  bie  ©tabt  Derlaffen.  Slud^  mit  ©einedter  „ettoag  gc= 
fd^toinbeg  fürjune^men",  fanb  fic^  Jlurfürft  Sluguft  nic^t  toeranla^t,   aber  er  forberte  ij^n 

85  boc^  auf,  ftc^  nac^  einer  anbem  ©teHung  umjufe^en.  äug  ©eineder«  äbfd^iA^rebigt 
über  ben  141.  ^falm  —  „betoa^re  mid&  t)or  bem  ©tridt,  ben  ^e  mir  gelegt  l^aben,  unb 
bor  ber  galle  ber  Übelt^äter"  —  fd^eint  inbeffcn  beutlid^  ju  Serben,  bafe  ber  gefd^ilbertc 
Sorgang  too^I  nur  toon  feinen  tbcologifd^en  ©egnern,  toietleid^t  in^befonberc  \>on  ben 
©egnern  feiner  ©d^rift  de  coena  bomini,  benu^t  toar,   um   il^n   ju  gall  ju  bringen. 

40  3;n  too^It^uenbfter  SBeife  trat  feine  friebfertiae  ©runbftimmung  in  einem  Slbfd^ieb^ebic^t 
^ert?or,  in  bem  e«  f^eifet:  „SBiber  nicmanb  xq  ettoa^  ^ab,  3)anffagen  ift  mein  SBiebei^ab ! 
©ebulbig  fein  unb  leiben  t?iel  93ig  an  ben  "Job  unb  le^te^^W/  3n  ©tauben  unb  ®ett>iffen 
rein  ©oll  unfer  Sroft  unb  ^reube  fein!" 

©.  planU,   in  feine  ^eimat  jurüdtj\ule^ren,    unb   bort  burd^  ben   il^m  bcfreunbeten 

45  9?ürnberger  Sürgermeifter  ^ieron^mu^  Saumgärtner  eine  Slnftellung  ju  finben.  5Da  er^ 
l^ielt  er  einen  5Kuf  aU  ^rofeffor  gletc^j^eitig  au^  ^ma  unb  2;übingen.  (Sr  ging  im  3Wärj| 
1565  nac^  "^^na,  tvo  bamal^  na^  3lugtreibung  ber  gtacianer  eine  ^üt  lang  bie  pffx- 
li>)i)iftifc^c  Slic^tung  mit  ©töfeel,  ^eif^ub,  ©almutl^  Stngang  gefunben  l^atte.  @r  tag 
bort  über  btc  erften  30  RapM  ber®encfig,  fc^rieb  über  justificatio  unb  sacra  coena  etc., 

60  aber  feinet  SIeibeng  Wax  nic^t  lange.  Äaum  l^atte  1567  ^wg  S^^önn  SBU^elm  bie 
Regierung  ber  erneftintfrf^en  Sanbc  übernommen,  fo  tourben  bie  $l^ili^j)iften  in  ^ma  i^rcr 
ämter  cntfe^t  unb  bog  Sanbeö  Dertüiefcn,  um  ben  ©nefiolut^eranem  SBiganb,  ßöleftin, 
Äirc^ner  :c.  ^}J(a^  ju  marf^cn.  ©eincdter  h^anbte  fic^  toieber  nac^  Jlurfac^fen  unb  tourbe 
Dom  Äurfürften  Sluguft   nad^   $.  ©tricgelg  })Iö^Itrf)em  3lbgang  1568   jum  ?Profeffor  in 

65  Sei>)jig,  and)  ^aftor  ju  ©t.  il^omä  unb  ©uj^erintenbcnten  ernannt.  3lm  18.  äluguft  1568 
trat  er  fein  ncucö  Sltnt  an,  laö  mit  33eifaü  über  SWelancbtl^ong  loci,  toerteibigte  bie  tm- 
fädjfifd^c  ftird^c  gegen  bie  Don  '^ma  ^ct  Ujiber  ibre  lutbcnf4>e  SHed^tgläubigfeit  erhobenen 
angriffe  unb  f))radb,  befonbcrö  in  ber  rcbüation  fcinei  ©encfigfommentar«  an  Äurfürjl 
3luguft,   fein   cntfcbiebeneö  (Sint)erftänbni^   mit   bcni   Corpus  Doctrinae  Phüippioum 

60  aug,   bag  ahm  bantalg  ben  lurfürftlid^en  'ill^cologcn   unb  ©eiftlid^en  alg  Se^morm  aufg 


Seineifer  187 

neue  einöefc^ätft  tourbe.  ©nen  Stuf  naö)  Srounfc^trctg,  too  man  i^n  jur  ßinfü^runö 
ber  Slefonnation  getptnnen  tooDte,  l4nte  er  }unäc^ft  au$  (Sefunbl^eitörücfrt^ten  ab,  ebenfo 
eine  SSoIation  bc^  Äaifer^  ^Rajimilian  II.  jur  Drbnung  bed  Äird^enlüefcn^  in  ben  öfter* 
reid^if^en  Sanben.  @rft  einer  ^toeiten  Berufung  nad}  ilBoIfenbüttel  atö  ^of^rebiger, 
oberfter  ®eneralfuj)erintenbent  unb  Äird^enrat  glaubte  er  auf  einige  Qdt  folgen  ju  muffen,  5 
o^ne  fein  Sei))giger  Slmt  auf jjugeben.  3)er  Äurfürft  getoäl^rte  i^m  einen  jtoeiiä^rigen  Urlaub. 
yiod)  bor  bem  ämtöantritt  ertoarb  er  in  SBittenberg  unter  (Seorg  ?D?aior«  ®elanat 
auf  äBunfd^  unb  Itoften  be^  jlurfürften  bie  t^ologifd^e  3)oItorn)ürbe  jugleid^  mit  ben 
^^t^ilil)toiften  ßruciger,  5KoHer,  SBibebram,  ^ejjel  unb  bem  jüngeren  Sugen^agen  burd^ 
eine  öffentlid^e  3)i^t)utation  über  130  ^^efen  (propositiones  complectentes  summam  10 
praec.  capitum  doctrinae  christianae  sonantis  in  academia  et  ecdesia  Witeb.), 
tDobet  er  f))e}iell  bie  de  justificatione  et  bonis  operibus  l^anbelnben  Xbefen  gu  t^er- 
teibigen  l^atte.  (Sr  toar  bamate  bereit,  für  SBittenberg«  ©c^ule  unb  Äirc^e  fein  fieben 
)u  laffen,  dum  modo  ipsi  integritatem  doctrinae  tueantur,  aber  gerabe  jene  ^i^ 
putation  unb  befonber«  Seren  30.  X^efe  über  bie  unio  personalis  unb  communicatio  16 
idiomatum  brad^te  i^n  in  eine  fd^Umme  Sage  gegenüber  feinen  9raunf(^lt)eiger  jtoQegen 
3Rartin  6^emni$  unb  ^alob  3(nbreä,  bie  barin  eine  flagrante  ^erle^ung  be«  foeben 
obgefc^loflenen  S^W^  SSergleid^«,  ja  einen  SlbfaU  bon  ber  reinen  lut^erifd^en  Se^re 
faben.  ©.  mufete  auf  $erpg  gw^iu^'  93efel(|l  nac^  3)reöben  reifen,  um  bie  SBittenberger 
X^eologen  bei  i^rem  Jturfürften  ju  k)erllagen,  unb  mü^fam  tpurbe  burc^  f^erfönlic^e  9Ser*  20 
l^nblungen  eine  Sinigung  l^ergefteHt,  bei  toeld^er  §er;|og  Sw'iw^  P^  freubig  berubigte, 
unb  in  ber  Slnbreä  eine  für  etoige  S^ten  begrünbete  Äonforbie  aufleud^ten  fal^,  unb  bon 
ber  man  nur  ni^t  toei^,  ob  @.  ber  ®etöufd^te  ober  @id^felbfttäufd^enbe  toar;  ft)äter 
urteilt  er:  „reporto  scriptum,  in  fronte  sincerum,  in  recessu  lubricum;  x6) 
tDoUte  gern  aUed  jum  beften  auflegen  unb  feinen  SSerbad^t  ^aben,  ob  it^*«  gleid^  mit  25 

tänben  getaftet  unb  gefül^lt."  Unb  ate  nun  2lnbreä  feinen  93eridj|t  über  bie  S^b^in 
ereinigung  unb  ®.  fein  exegema  collationis  cum  Witebergensibus  ^erau€|gab, 
antworteten  bie  3Bittenberger  mit  einer  fe^  fd^arfen  Censura,  in  ber  fle  bie  9lnbreäfd^e 
Ubiquität^lelj^e  be^t)ouieren  unb  ©.  befd^ulbigen,  bafe.  er  i^re  2lnttoort  t)erftümmelt  ^be. 

^a&  tpor  bie  3^1  i^  ^^  ®'t  <^uf  ^^^  @eiten  bon  ber  rabies  theologorum  an«  so 
gegriffen,  öon  ben  $l(|ilij)))iften  al«  3lj)oftat  jum  glacianisJmu«  unb  toon  ben  ©nefios 
lutl^eranem  ate  greunb  ber  berbäd^tigen  SBittenberger  toerle^ert,  im  ©treit  ber  Parteien 
ftc^  nid^t  }ure(^t^nben  fonnte  unb  in  feinem  jlämmerlein  junäc^ft  nur  für  ft^  felbft 
bic^tete  unb  bttüv.  „£afe  mi^  bein  fein  unb  bleiben  —  palt  mi^  bei  b einer  Se^r!" 
Son  bem  Siebe  foQ  ft)äter  nod^  bie  Siebe  fein;  ^ier  toerbe  nur  au^  bem  ^iftorifd^en  3^-  ^ 
fammen^ng  l^erau«,  in  bem  e«  entftanben,  barauf  aufmerifam  gemacht,  bafe  e«  eine  ber 
fd^limmften  aSerbatll^omifierungen  toar,  toenn  biele  Oejangbüd^er  bi«  in  bie  neuefte  3^'* 
„^t  mid^  bei  reiner  2e^r"  gebrudft  l^aben,  toeil  in  ber  Il^at  gerabe  ba«  5ßod^en  jeber 
5ßartei  auf  bie  reine  Se^re  i^n,  beffen  innerfte  9latur  allem  ^arteitreiben  ^utoiber  toar,  berart 
geöngftigt  ^at,  bafe  er  bon  aller  fog.  reinen  Seigre  fid^  betenb,  $err,  ju  bir  unb  beiner  40 
Se^re  flüd^tete.  Slber  feine  Stellung  jtoang  il^n  immer  trieber  in  bie  unerquidflid^en 
©treitigfeiten  ]^inein.  Äaum  ^atte  er  feine  braunfc^toeigifd^en  ®egner  burd^  bie  offizielle 
6r!lärung  einigermaßen  berul(|igt,  baß  er  an  bie  @infü^rung  be«  Ck)rpu8  doctrinae 
Philippicum,  h)ie  l^od^  er  ^  and)  fc^ä^e,  gar  nic^t  benfe,  fo  baß  ber  älbenbma^l^ftreit 
^ier  eine  3^^(<^i^d  fc^i^i^B^  ^^  brac^  bie  litterarif(|e  ^el^be  mit  ben  SBittenbergem  auf«  46 
neue  lo«,  in  ber  e«  ftc^  in^befonbere  um  bie  ßrllärung  bon  21®  3,  21  unb  bie  cor- 
poralis  locatio  Christi  in  coelis  l^anbelte.  Unb  toenn  auc^  ber  ge^äffige  %on 
ber  SBittenberger  bie  ftrengfte  Süge  berbient,  fann  boc^  anbererfeit^  ©.^  fd^toanlens 
bei§  33enel(imen  ebenfo  nur  Äo))ffc^ütteln  ^erbonufcn.  ^er^og  ^wliu^  l^ielt  ben  ©d^ilb 
über  ibm,  fanbte  il^m  ein  Sroftfd^reiben,  Derteibigte  i^n  gegen  alle  Slnfd^toär^ungen  beim  so 
fa(^fifd^en  Iturfütften,  gab  t^m  aber  boc^  in  bem  @nefiolut^eraner  ^imot^eud  Jtird^^ner 
au^  ^ma  einen  i^m  unbequemen  ÄoHcgen,  unb  ©.  I^atte  ©tunben,  ba  er  gern  auf  aßen 
SSieren  bon  SBolfenbüttel  nad^  3)re^ben  Iried^en  tooHte  —  nac^  ©reiben,  tpo  er  in  ber 
Släl^e  bed  im  ©treit  fd^lagfertigen  ©reifer  fic^  ftiHer  t?erl^alten  fönne  unb  tPoF^ler  füllen 
toürbe.  Slber  bon  bort^er  lam  fein  Stuf;  in  h)iffenfc^aftlic^er  2lrbeit  fanb  er  Iroft  unb  65 
neue  ftraft;  feine  institutio  religionis  christianae  entftanb,  toä^renb  er  in  ©anber^s 
^eim  SOBol^nfi^  genommen  l^atte.  ^m  ©ommer  1578  ioir!t  er  etliche  3Jlonatc  in  Dlben^ 
bürg,  um  bort  eine  lutl^erifd^e  ftirc^enorbnung  einjufül^ren,  aber  ^ier  trifft  tbn  ein 
©{^reiben  beö  Äurf ürften  bon©ad)fen,  ber  i^n  ja  eigentlid^  nur  beurlaubt  l^atte  unb  il^m 
nun  eine  ^rofcffur  an  ber  Scipjiger  Uniöerfität  übertrug.     ®rei  ^a\)xi  JtJätcr  tüuvbe  er  eo 


188  ®elneifer 

auc^  Qufö  neue  Pfarrer  an  ©t.  I^omä  bajelbft  unb  Su^erintcnbent.  ^n  biefen  Stellungen 
i}ai  er  bie  l^eologifc^  bcbeutenbfte  Slrbcit  feinet  Seben«  flet^ön;  er  f)ai  ^ertoorragenbe« 
geleiftet,  um  bie  Äonforbienformel  ^u  flanbe  ju  bringen  unb  il^r  bann  3lnerlennung  ju 
t)erfd^affcn.    Sereit^  bie  Jonft  auffättige  SOBibmung  ber  institutio  religionis  christianae 

6  an  ben  §crjog  Don  SBürttemberg  unb  ber  3luebrucf  ber  ^eube  im  SJortoort  biefe^  SBerfc^ 
über  ben  consensus  doctrinae  mit  Württemberg  läfet  bie  gäben  erfennen,  bie  fw^ 
jh)ifc^en  bem  2^übinger  Äanjler  ^afob  älnbreä  unb  ©.  angef))onnen  l^atten.  9Bic  e^  nun 
aHmäMid^  ujr  fc^n)äbifci&=fä(|fi|c^en  Äonforbie,  jur  3JlauIbronner  SJormel,  jum  3:orgifc^en 
unb   ^um  Sergifc^en  93uc^   unter  ©.^   hjefentlid^er  ÜBit^ilfe  getommen,  ift  in  ^b  X, 

10  ©.  739  ff.  im  2trt.  „Äonlorbienformel"  bargeftettt  toorben.  §ier  barf  tool^l  hinzugefügt 
toerben,  bafe  eine  Concordia  ®.  innerftem  SBefen  entfjjrad^,  unb  bafe  bie  Jjolemifc^c 
SIenbenj  biefer  Concordia  aller  Sutl^eraner  gegen  ^]^ilij5i)iften  unb  ßatoiniften  bie  Sigen^ 
art  c^araleriftert,  bie  fotoo^I  ©reifer  ate  bie  ^arteifäm)^fc  feinet  Seben«  unferm  ©.  auf= 
gej)rägt  Ratten.    5Kit  3lnbreä  unb  ^ol^far^)  Seifer  fud^te   er  allenthalben  in  Äurfac^fen 

15  Unterfc^riften  für  bie  Äonforbienformel  beijutreiben,  unb  burd^  ja^Ireid^e  Äorrefjjonbenj, 
aud^  burc^  Dielfac^e  Steifen  in^  äuölanb  müf^t  er  ftc^  bemfelben  3*^^^*  i^  bienen.  aber 
ein  tragifd^eö  ©efc^idt  bringt  bie  beiben  l^erbonagenben  „ßintrac^t^männer"  änbreä  unb 
©.  DöUig  au^einanber,  l^ä|lic^e  ^tükixad)i  tritt  an  bie  ©teDe  il^rer  bi^^erigen  greunb^ 
fc^aft,   jeber  SSer!el^r  mirb  abgebrod^en.     ®erabe  je^t,   too  SBaffenbrüberfc^aft  gur  SSer- 

»)  tcibigung  be«  gemeinfamen  SBerle«  n)iber  bie  (Segner  jur  Steckten  unb  jur  Sinlen  bc= 
fonber^  not  toar,  unb  beibe  in  i^rer  mü^etJoHen  i)efenftbe  bom  S^rone  ^er  gefc^ä|t  unb 
geeiert  tourben,  ^nbreä  burc^  bie  ©d^enhing  einer  lomjjlutenfifc^en  39ibel  mit  ber  eigene 
laubigen  2Bibmung  be«  Äurfürften  „tandem  bona  causa  triumphat",  ©.  burc^  jal^I^ 
reid^c  ©unftbejeugungen  namentlich  ber  Äurfürftin:  ba  fül^lt  ftc^  ©.  burd^  älnbreä  ^urucf- 

26  gefeilt  unb  tüirb  am  §of  mm  SDenunj^ianten  feine«  langjäl^gen  ^eunbe«  mit  folc^er 
SBud^t,  bafe  3lnbreä  üom  Äurfürflen  in  fe^r  ungnäbiger  ©timmung  feine  ßntlaffung  er« 
l)ält  unb  an^  Äurfad^fen  toeic^en  mufe.  911«  Snbreä  bei  ber  ©urd^rcife  burc^  2Äpm 
bon  ©.  ,,einen  d^riftlid^en  3lbfd^ieb"  nehmen  toollte,  traf  er  i^n  nic^t  an;  fo  toünfc^tc 
er  il^m  benn  fc^riftlic^   „redete  toal^r^aftige  95u^   unb  ßrtenntni«  feiner  ©ünbe";   bem 

30  fturfürften  aber  fanbte  er  bon  2^übingen  au«  eine  rul^ig  unb  toürbig  gehaltene  ©d^u^- 
fc^rift.  g«  ift  nid^t  leidet,  in  fold^en  J)erfönli(^en  ©ifferenjen  ein  geredete«  Urteil  ju 
fällen.  Dafe  älnbreä  übergreifenb  unb  ^errfc^füc^tig  toar,  ge^t  auc^  au«  ben  Älagen  Don 
^JDiartin  ßl^emni^  l^erbor,  ber  bod^  im  Säunbe  ber  3)ritte  toar;  toenn  aber  älnbreä  bie 
mangelnbe  6F^ara!terfeftigfeit  an  ©.  I^erborl^ebt,  auf  ben  man  fic^  nid^t  Derlaffen  fönne, 

36  fo  ift  biefer  ©eufjer  too^l  nur  ^n  berechtigt  gelüefen ;  unb  toenn  er  ©.  befd^ufcigt,  ba^ 
er  „burc^  SBeib  unb  Äinber,  ©^h^äf^er  unb  ©c^toäger"  fid^  ^abe  gegen  i^n  einnel^men 
laffen,  fo  tüiffen  trir,  trie  leicht  e«  toar,  i^n  um^uftimmen,  unb  an^  ©.«  eignem  Sieb, 
ba«  er  ju  feinem  täglichen  &Att  gemacht :  „$err,  lafe  mid^  nur  nid^t  toanlen,  gieb  mir 
Seftänbigleit"  Hingt  e«  toie  ©elbftanHage  l^erau«. 

40  2lu$  ©.«  ©tunbe  fd^lug  gar  balb.  ©o  lange  feine  lurfürftlid^en  Patrone  lebten, 
blieb  er  freiließ  nodb  auf  ber  §öl^e  unb  übte  burc^  litterarifd^e  Unternehmungen  (neue 
2lu«gabe  be«  ^onforbienbud^«  mit  einem  öerbefferten  3lbbrudf  ber  Conf.  Aug.  Inva- 
riata  u.  a.  m.),  burd^  Äird^en=  unb  ©dfjulbifitationen  in  Äurfad^fen  (fjjejieÖ  ber  brci 
^^ürftcnfd^ulen  in  9Kei^en,  ©rimma  unb^forta)  unb  burc^  feinen  j)aftoralett  Seruf,  auc^ 

45  in«bcfonberc  burd^  S^erbefferung  be«  Äird^engefange«  unb  ßinrid^tung  eine«  tüd^tigen 
Sängercl>ore«  in  2ei>)5ig,  eine  umfaffenbe  ©irffamfeit  au«.  211«  aber  1586  ß^ftian  I. 
feinem  l^ater  in  ber  SHegierung  be«  Sanbe«  folgte,  erl^ob  ber  getoaltfam  nieberge^altcne 
^l)ilip^i«mu«  auf«  neue  fein  ^;)a\ipi,  unb  e«  begann  in  Äurfad^fen  ber  jtoeite  fa^jjto- 
calbiniftifd^c  ©trcit.     6ine  ^^^^^^"9   ^^'^^  ®-  ^^^   ^"^^^   ^^"^   ncum  ^errfd^er,  ben  er 

6c»  „oft  al«  fiinb  auf  ben  3lrmen  getragen",  nod^  unangef ödsten.  911«  er  aber  nid^t  nur 
bie  Iitterarifcl»e  unb  Äanj\eI^)olemif  gegen  bie  3)k6regeln  be«  ÄreDfd^en  Äird^enregiment« 
tro^  ioieberl^olter,  au«  3)re«ben  an  il^n  ergangener  SBarnungen  fortfe|te  unb  1589 
bem  Äurfürften  erflärtc,  bafe  er  e«  getDifjen«l^alber  nic^t  unterlaffen  lönne,  feine  3w^örer 
bor  caltoiniftifd[)en  ^^rrtümern  ,^u  tvarnen,  fo  tvurbe  il^m  am  17.  9)Jai  1589  in  berSafriftei 

55  ber  2l^oma«tircl»e  j^u  i^eiv,=^ig  feine  9lbfe^ung  angefünbigt,  unb  am  Jpimmelfal^«fefl  ^ielt 
er  feine  le^te  ^rebigt.  2^a  er  ein  eigne«  Joau«  in  Sei^jig  befafe,  fo  blieb  er  junäc^^ft 
noc^  in  ber  ©labt.  9lu  bie  lür  feiner  ©tubierflube  l}aiU  er  gefd^rieben:  „3c^  bin  bereit, 
Don  hier  ju  anbcrn  9(1«  (Srulante  fort^^umanbern,  5öenn  bir  e«,  ^^\x,  fo  beliebt,  Db 
fiecber  Vcib  unb  graue  .?)aax^  W\x  gleicb  ben  ©tab  ^u  meiner  Safere  Sereit«  in   meine 

ß«)  .^änbe  gibt."    ^er  ^falter  mar  fein  ^roft,   fcl)riftftellerifc^e  9lrbeiten  bilbeten  ^eine  Se^ 


@diteifer  189 

fc^äftiflung.  Site  aber  am  22.  Oltober  ein  fd^arfc^  aScrbot  all  unb  jeber  fold^cr  ©(i^rift= 
ftellcrei  an  i^n  ergüifl,  flüchtete  er,  um  ber  brol(|cnben  SSer^aftung  [xd^m  enlgic^cn,  juerft 
nadf  ^aüt,  too  D.  Dleariu^  ftd^  feiner  annahm,  unb  bann  nad^  SKagbeburg,  h)o  ber 
äbminiftrator  be^  ©rjftiftö,  ^oac^i»«  5^^^^*^/  ""^  U^^n  (Sema^Iin  in  ©emeinfd^aft  mit 
frommen  ©belleuten  (t?on  Stttoen^Ieben,  Slffeburg,  Sd^ulenburg)  für  feinen  Unterhalt  5 
forgten.  „3l\d)i  Sllter  unb  nid^t  Rranl^eit  trieb  mid^  fort,  6«  toar,  ^err  6^rift,  bein 
©alrament  unb  SBort,  SSSeil  id^  ben  fal^Ien  Se^ren  toiberftanb,  S)e^toegen  trieb  man  mic^ 
au^  ©tabt  unb  Sanb":  fo  bidjftete  er  mit  Slnf^ielung  auf  ben  9Jamen  6albin.  Salb 
aber  eröffnete  fid^  xl^m  ein  neuer  SQBirf ung^Irei^ ;  ate  ©uj)erintenbent  in  §ilbe«^eim 
tonnte  er  nod^  etlid^e  3^'^  ^^  @eaen  be^  geiftlid^en  3(mted  tt)alten,  unb  in  fird^Iid^en  10 
Oef^äften  auö)  aufeer^alb,  in  aßolfenbüttel,  Dftfrie^Ianb,  3)linben  unb  älug^burg,  toirfen, 
auc^  bei  ber  lebtertoä^nten  SReife  feine  §eimat  SJümberg  noc^  einmal  h)ieberfel^en.  Slber 
feitbem  er  im  S)ejember  1591  franf  nad^  §ilbe^^eim  jurüdHel^rte,  \oax  er  meift  bett^ 
lägerig,  fo  ba^,  ate  ))Iö$Iic^  ber  2Binb  in  Saufen  anberd  h)e|te  unb  nad^  bem  frühen 
Xobe  bed  Jtur^rften  mit  anbem  Vertriebenen  Lutheranern  au^  @.  nac^  Sei^jig  jurüdf- 15 
berufen  tourbe  unb  in  feine  früheren  Smter  toieber  eingelegt  toerben  foHte,  feine  greunbe 
i^m  bie  Snna^me  emftlid^  toiberrieten.  3(ber  er  liefe  fid^  nic^t  galten.  3lm  19. 5Kai 
lam  er  tobmübe  in  Seii)jig  an ;  am  24.  3Jlai,  am  Irinitatiöfeft,  ging  er  unter  freubigem 
Sefenntniö  feinet  ®lauben^  ^eim.  3lm  3)ienötag  barauf  tourbe  er  mit  fürftlid^en  ßl^ren 
in  ber  Sl^oma^Ürd^e  beftattel,  ber  SBittenberger  5ßrofeffor  (Seorg  3)ivliu«  ^ielt  bie  Seic^en^  20 
rebe  unb  fagte  barin:  „6r  ift  nid^t  ein  sSetterl^a^n  ober  SBenbe^ate  getoefen  in  ber 
Se^e  d^riftlic^er  SReligion,  unb  i^ai  fic^  nid^t  ate  ein  9to^r  gehalten,  ba^  ber  ilBinb  l^in 
unb  ^er  toel^t,  aui)  ni^t  ein  3Jlenf^  in  toeic^en  Äleibem,  ber  um  §errengunft  unb 
toeltli^er  6^ren  mitten  lu  atten  SSeränberungen  in  Sleligion^fac^en  fic^  ^ätte  betoegen 
laffen,  fonbem  in  einmal  erlannter  unb  belannter  SQäa^r^eit  ift  er  bie  3^it  feinet  Seben«  26 
feft  unb  treu  t)erblieben  unb  bi«  in  bie  (Srube  hinein  verharret."  Sol^e^  Urteil  berfte^t 
man  im  93lid  auf  fein  gerabe  ju  @nbe  gegangene^  ^ört^rertum,  in  tvelc^em  er  bie 
Ireue  unb  Seftänbigleit  betoä^rte,  bie  er  früher  manchmal  Dermiffen  liefe.  SRit  Stüdtfid^t 
auf  feine  auffattenb  Heine  (Seftalt,  bie  i^m  oft  atterlei  2)iminutiDbeinamen  eingetragen 
^atte,  unb  nic^t  minber  im  Slidf  auf  bie  Diele  Unruhe  unb  Slnfeinbung  in  feinem  Seben,  »0 
beftimmte  er  feine  (Srabfirift:  „Älein  toar  ic^,  bin  nun  grofe  unb  ^abe  bi«  bal^er  ®elebt 
in  böfer  ffielt ;  fo  leb  ic^  bir  nun,  ^err !  Satt  bin  ic^  biefer  SBelt  unb  il^rer  SRiffet^at ; 
9lun  toitt  in  ß^rifti  arm  id^  etüig  trerben  fatt."  2)ie  älnfangöbud^ftaben  feinet  9iamend 
l^atte  er  fu^  —  fe^r  c^aralteriftifd^ —  mit  bem  S^mbolum  gebeutet:  Deus  Novit  Suos; 
fein  ganged  Seben  unb  Sterben  in^  ben  äSer^  ^ufammengefafet:  In  vita  et  morte  es  35 
Tu  mea  Ghriste  salus. 

er  ^interliefe  feine  3Bittoe  unb  ^toei  ©ö^ne,  toon  benen  ber  eine  ©ujjerintenbent 
in  Seli^p  (geft.  1593),  ber  anbere  älrd^ibialonu^  in9lo(^li^,  f^äter  ^ialonu^  an  2ei))}ig^ 
D^oma^fird^e  toar;  ein  ©o^n  toar  1587  ate  Se^rer  in  ®nmma  Derftorben;  eine  lod^ter 
toar  mit  ©ujjerintenbent  2llbinu^  in  SBeifeenfete,  ein«  ^toeite  mit  Sleftor  Sinbner  in  4o 
©c^utoforte  t)erl(|eiratet;  10  Jlinber  bon  ben  15,  bie  feine  §rau  ü^m  geboren,  toaren  frül^ 
geftorben. 

6ine  ®efamtauggabe  feiner  ungeföl^r  170  ©d^riften  tooHte   er  felbft   beranftalten; 
erfc^ienen   ftnb  babon  nur   Operum   lat.  partes  IV,    £ei>)xig  1584—1593,     ©eine 
©4^riften  finb   teite  bogmatifd^5))olemifc^en,  teite  ejegetifd^en,   ^iftorifd^en   unb   j)raftifd^s  45 
erbaulichen  S^l^^te, 

Unter  ben  bogmatifd^en  ift  fein  ^au^ttoer!  Institutio  religionis  christianae  eon- 
ünens  explicationem  locorum  theol.  etc.  bereite  erträ^nt.  3^^^  1573,  übers 
arbeitet  1579  in  brei  teilen  erfd^ienen,  anfangt  fic^  noc^  naiver  an  3Reland^t^on  an^ 
fc^liefeenb,  bann  jur  Sl^eologie  ber  Äonforbienformel  überge^enb.  ©obann  ift  fein  60 
Examen  ordinandorum  ober  Forma  explicationis  examinis  ordinandorum,  olim 
scripti  a  Ph.  Melanchthone,  instituta  et  accommodata  ad  veram  confessionem 
^u  nennen  (1582,  84,  92)  —  eine  Umarbeitung  ber  befannten  melanc^t^onifd^en  ©c^rift 
im  ©inne  be«  Sutl^ertumg  ber  Sonlorbienformel.  hierüber  eine  grofee  ^af^l  fleinerer 
©«^riften,  meift  auf  bie  3lbenbma^tele^re  unb  ßl^riftologie  bejügli^.  55 

3u  feinen  ejegetifc^en  arbeiten  gehört  eine  Slu^legung  ber  brei  jo^anneifc^en  Sriefe, 
faft  aller  J)roj)l^etifd^en  Sucher  be^  Sil  unb  ber  Offenbarung  go^önni^,  ein  Comm.  in 
G«nesin  1569  (mit  einer  33orrebe,  in  ber  er  bie  Überjeugung  au^rid^t,  bafe  ber 
jüngfte  %aQ  getoife  nid^t  mel^r  fern  fei),  ein  Comm.  in  omnes  Pauli  epp.,  in  har- 
moniam  evang.  etc.  60 


190  (Sdntda 

ibn  ben  fird^cn^iftorifc^cn  3lrbcilen  ©.ö  feien  ertoä^nt:  Catalogus  praecip.  con- 
ciliorum  oecumen.  et  nationalium  a  tempore  apost.  usque  ad  nostra  tempora 
1564  u.  71;  Historia  Lutheri  1575,  and)  beutfc^  1576,  Colloquia  ober  2^tfci^reben 
Sut^er«  1580,  ^iftorie  bon  ber  aiuö^burg.  Äonfeffton  1584,    Recitationes  aliquot  de 

6  consilio  scripti  libri  Concordiae  et  modo  agendi,  qui  in  subscriptionibus  ser- 
vatus  est,  2.  3lufl.  1582;  §iftor.  JRelation  t)on  §ergo0  ^ulxi  Steügion  unb  c^riftl. 
äbfc^ieb,  t)erfafet  1589,  gcbrucft  1591. 

Unb  Don  J)raItif(i^st^colo0ifd^en  ©d^riften:  Paedagogia  christiana  1566,  67, 71, 77, 
beutfc^  u.  h,%.:  UnterlDetfung  in  ber  d^rtftlic^en  Se^r  nad^ Orbnung  be« Äinberlatec^i^mi, 

10  in  lateinijd^er  ©torad^e  gefd^rieben  unb  am  furiäd^ftfd^en  §ofe  ge^jrcbigt,  tn^  ®eutfd^e 
überfe^t  t)on  2.  2Rai  1569,  70  u.  ö.;  ß^e^  unb  9leflentenfj)iegel  1589;  SungfrauenfJ^iegel 
unb  Don  92ottrenbigIeit  toa^r^after  Jtinberjud^t  1580;  Notatio  de  studio  theologiae 
1579.  ßrbauunggbüd^er:  SBerid^t,  tote  ftd^  ein  Gl^rift  in  ©terben^läufen  tröften  unb  galten 
fott  1566.    Iroftfrrüc^e  für  Derfolgte  g^riften  1594. 

16         Unter  jal^Ireid^en  gebrudtten  Sßrebigten  fold^e  über  fämtlid^e  5Paulin.  ©riefe,   ^falm^ 

))rebigten,  $a{fton^rebigten,  ^rebigten  bom  ätbenbmal^l,  ade  nid^t  fd^olaftifc^   gearbeitet, 

Dielmel^r  lebenbig  unb  toarm,  aud^  ineift  o^ne  $olemiI,  DoQ  linber,  milber  ^rommigfeit. 

3)o(^  ein   befonbere«  SBort   gebül^rt  feinen  Oeiftlic^en  Siebem,  burd^  bie   er   no(^ 

f)iuU  in  ber  ebangelifd^en  Äird^e   fortlebt,     ©eine  un«  erhaltenen   lateinifd^en  ^ßoefien, 

20  barunter  (ateinifd^e  ^falmenüberfe^ungen  unb  eine  äutobiograjj^ie  in  lateinifd^en  ^tjca- 
metern,  foh)ie  griec^ifc^e  @ebid^te  ).  ^.  auf  bie  Confessio  Augustana  (unb  l^ierüber 
eine  juerft  1568  herausgegebene  „Prosodia  ober  Anleitung  jur  Serfertigung  gried^ifc^er 
unb  lateinifd^er  9Serfe")  jeigen  eine  nic^t  geringe  ©etoanbt^eit,  auc^  d^riftlicpe  ©ebanlen 
in  baS  antife  ©etoanb  ju  fieiben.    gür  bie  Oefd^id^te  ber  §^mnologie  ober  ber  geiftlid^en 

26  2)ic^tung  in  beutfd^er  ©jjrad^e  lommen  folgenbe  SBJerte  in  8etra(|t,  in  benen  er  teils 
eigene,  teils  frembe  lieber  gefammelt  ^at:  1.  50  $falmen  beS  löniglid^en  ^Protol^eten 
3)aDib  ausgelegt,  SRümberg  1563.  2.  3)er  ganje  $falter  beS  löniglid^en  ^roj)l^eten  S)aüib 
ausgelegt,  9?ümberg  1565—66  unb  oftmals  fpäter.  3.  Iröftli^e  ©^rüd^e  unb  ®rab^ 
fc^riften  auS  ^l.  Schrift  1567.    4.  $falter  2)abibS  mit  furxen  ©ummarien  unb  ®ebetlein 

90  1572  u.  ö.  5.  G^riftlid^e  ^falmen.  Sieber  unb  Äirci^engefänge,  Seij)jig  1587  mit  2Bib^ 
mung  an  Äat^arina  Don  S3ranbenburg,  (Sema^lin  beS  SlbminiftratorS  bon  SKagbeburg. 
äuS  biefen  3^itelangaben  erfte^t  man  fd^on,  toie  Diel  i^m  ber  ^falter  getoefen  ift,  bon 
bem  er  fd^reibt :  „äd^  n)ie  Doli  3:rofteS  ift  ber  liebe  ^falter,  bafür  id^  ©Ott  in  ©toigfeit 
bauten  totll.    SBenn  ic^  i^n  auff^lage,   fo  lebe  ic^  toieber,  toenn   i(^  gleid^  oft  tot  bin 

36  unb  fd^eint  mir  ^immel  unb  6rbe  ju  eng.  2)er  fromme  ®ott  laffe  mir  nur  mein 
^falterlein  unb  ne^me  fonft,  toaS  er  toiU."  3"  ^<^^  ""^^  ^  genannte  ®efangbu(^ 
^at  er  bie  Sieber  ber  ^Reformatoren,  aber  auc^  120  eigene  Sieber  aufgenommen  unb  fagt 
baDon  auf  bem  Titelblatt:  „Sutl^eruS  fingt  unS  allen  Dor,  3lad)  ®otteS  SBort  fü^rt  ben 
lenor.    SKir  fingen  nac^   unb  jtoitfd^em  mit,   ®ott  toiH  fold^  ©timm   toerad^ten  nit." 

40  SSicle  feiner  Sieber  f>)iegeln  fein  j^erfönlic^cS  ©rieben  toieber,  unb  inSbefonbere  toollen  bie 
beiben  Sieber  ©.S  fo  Derftanben  toerben,  tüelc^e  bie  größte  Verbreitung  gefunben  ^en, 
dlad)  ber  ,,Xabetlarifc^cn  9?ac^h)eifung  beS  SiebcrbeftanbeS  ber  Je^t  gebräuc^lid^en  ®efang- 
büc^cr  bcS  etoangelifc^en  Deutfc^lanbS"  Don  W^lxpp  ®ie^  (3)iarburg  1904)  finbet  [xdf 
„Safe  mid^  bein  fein  unb  bleiben"   in  fämtlic^en  ®efangbüc^em  mit  einziger  äuSna^me 

46  beS  äöürttembergifc^en ;  toä^renb  „3ld^  bleib  bei  unS,  §en  S^fw  ß^tift"  nur  nic^t  in 
Sremen,  §annoDcr  unb  ßifenac^,  fonft  aber  überall  aufgenommen  ift.  ®er  3SerS  „8a% 
mid^  bein  fein  unb  bleiben"  finbet  fic^  juerft  in  ©.S  ©c^rift  „Passio"  1572  unter  bem 
2:itel  „©ebetlin"  gebrudtt;  ber  gefd^ic^tlic^en  Seranlaffung  ift  oben  gebac^t;  ©.  I^t  biefeS 
Sieb  als  täglichen  ©eufjer  für  fein  eignes  Kämmerlein  gebid^tet,   unb   toer  ben  2ln^t 

öo  mit  ©.S  ®cfd;ic^te  gufammen^ält,  ber  finbet  ^ier  beS  5yJanneS  treffenbfte  ßj^aftcrifül, 
ein  ©elbftbefenntnis  beS  fetner  ©d;toacb^eit  fic^  too^l  betoufeten  ©ängerS  bor  bem,  ber 
JOerjen  unb  5^ieren  Jjrüft.  I)ic  Don  ©.  felbft  gu  biefem  ®ebetSDerS  gef^affene  SWelobie 
ift  nic^t  in  fircfe(id;en  ©ebrauc^  übernommen  lüorben.  ®aS  Sieb  „äd^  bleib  bei  unS, 
§err  3efu  6l;rift"   rül^rt  nid)t  in   feiner  Dollen,  je^t   gcbräu^lic^en  5*^^^#  ^*"^  flcrabe 

66  nidbt  in  feinem  Slnfang,  trol^l  aber  in  me^r  als  fe(|s  i^erfen  Don  ©.  ^er,  unb  tft  ae^ 
rabe  in  biefen  l^erfen  ein  tiefem^funbeneS,  fraftDoHeS  &^b^t  um  ßri^altung  ber  Äirdje. 
Öier  unb  ba  tüerben  aucb  S.S  Sieber  ,/ll>ir  banfcn  bir,  .^crr  ^t]n  G^rift,  ba^  bu  tmfer 
ßrlöfer  bift"  (ein  3lbcnblicb),  unb  „ften  ^efu  ßbrifte,  ®otteS  ©ol^n"  (bem  er  bie  Über^ 
fd;»rift  gegeben:   ,,3^f^"^^  3^"^  §errri  Gbrifto  in  Dollen  3?öten,  fonberlid^  in  ®etoif|enSs 

CO  angft,  toegen  ber  ©ünbe  in  lobeSnöten")  noc^  Freute  gefungen. 


Sdiieder  &tmaia  191 

Sebenit  man,  bafe  et  Ja\i  feinen  %aQ  in  feinem  39eruf  ganj  gefunb"  gel^efen,  fo 
ftaunt  man  über  feine  loloffale  ^ü^ötigfeit  unb  feine  fc^riftftenerifqe  ^d^tbatf eit ;  unb 
^ört  man  fein  eigene^  Sefenntni^,  bafe  er  ,,aucl^  bon  (Sefj)enftern  ^eimüd^  turbieret" 
ipotb,  fo  mad^t  boö  too^I  einerfeitö  öiele«  bon  bem  ängftlid^en  unb  ©d^toäd^lid^en  feine« 
©efend  erllörlic^,  aber  anbererfeit«  ifl  feine  Seiftung^fä^ißfeit  nur  nod^  betounbem^iüerter.  5 
6r  ^at  ®roged  in  feiner  3^*  fl^f^öffen,  unb  bod^  pa^U  er  ni^t  für  feine  Qtxt  ©ine 
))oetif^  angelegte,  muftlalifd^  ^od^begabte,  im  innerften  ®runbe  irenifd^e  9tatur,  fd^ien  er 
ba}u  Berufen,  nur  mit  ber  ^abib^^arfe  in  ber  ^anb,  bie  Böfen  (Seifter  bannenb,  bur^ 
bie  SBelt  ni  geben;  aber  fein  Seben  faßt  in  eine  3^^*/  i"  toelc^er  3:l^eoIogie  unb^olemil 
ibentif^e  sBegriffe  toaren,  unb  er  mufe  Hagen,  „ber  2!eufel  überfc^reie  unb  überftimme  10 
je^t  bie  ganje  Äantorei  ®abib«  unb  berberbe  mit  feinem  foltern  unb  ©dalagen  ben 
fanften  ^ft,  bie  lieblid^en  flöten  unb  Gl^mjjeln,  ja  oft  ba«  ganje  SJBer!  ber  grieb* 
fertigen",  ^n  fold^er  erregten,  toirren  3^^  i"  toelc^er  bie  rabies  theologorum  ringsum 
bie  SBaffen  flirren  unb  ba«  gelbgefc^ret  „§ie  £ut$er!  ^ie  9We(and^tl^on!"  ertönen  liefe, 
fonnte  er  feine  fefte  ^ofition  gewinnen  unb  liefe  fi^  balb  bal^in,  balb  bortbin  jiel^en,  15 
aber  in  biefem  ©d(>ft>anfen  ift  bod^  ba«  bleibenbe  ©treben  erfennbar,  eine  Äonforbia  aller 
Suti^erifd^en  l^crbeijufü^ren.  ©0  ift  er  too^l  an  ben  ©c^mä^ungen,  bie  er  in  reid^ftem 
SKafee  erfuhr,  felbft  fd^ulb.  3)ie  Sieformierten,  bie  er  ben  ^wben  lutb  Surfen  gleid^ 
ad^tete,  unb  auf  bie  er  ben  Ser«  mad^te:  „ßr^alt  un«,  §err,  bei  betnem  SQäort  Unb 
toel^r  ber  3*^i"0liöner  3Rorb"  nannten  i^n  ba«  Sut^erofflein;  bie  (Snefiolutl^eraner  20 
toi^elten  über  ben  ©d^elmledter  unb  ©eel^enfer;  bie  ^^ilibj)iften  über  ben  parvus 
Fladus  unb  alter  Iscariotes.  Slber  —  ob  fein  Seben  geraoe  fo  toie  ba«  grofee  SBerf, 
an  bem  er  l^erborragenb  mitgearbeitet,  eine  concordia  discors  \vax:  man  toirb  fein 
ernfle«  ©treben  anerfennen  unb  einem  SRanne  bie  3^eilna^me  nid^t  berfagen  tooHen,  ber 
ni(^t  nur  um  ber  Unbeftänbigfeit  feine«  äufeeren  Seben«  toiHen,  bielme^  erft  red^t  in  25 
bem  ©eftii^l,  bafe  er  oft  innerlid^  nid^t  ben  redeten  $alt  unb  bieÄraft  gel^abt,  bie  ^nb 
nac^  bem  $erm  au«ftredft:  „^err,  lafe  mid^  nur  ni^t  toanfen,  ®ieb  mir  Seftänbigfeit!" 
unb  man  toirb  il^m  gern  ben  2!roft  juerfennen,  mit  ber  er  fid^,  toie  oben  ertoä^nt, 
bie  älnfang«bu^ftaben  feine«  9{amen«  (Doctor  Nicolaus  Selneccerus)  beutete:  Dens 
Novit  Suos!  (fBagettmatttt  t)  I>-  Sfrattj  2)ibentt«.     30 

©ei»,  Sem««!  f.  b.  318C.  9loa^  9b XIV  ©.  139  u.  Sölfertafel. 

Seinaja,  ^Vf^V,  ift  ein    im  213^  me^rfad^   borfommenber  3?ame.    ®ie  toic^tigften 
Vertreter  be«felben  fmb: 

1.  6in$roj)]^et  jur  3eit  3lel(iabeam«  bon  3uba.    S&on  il^m  berichten  1  Äg  12,21—24, 
oI«  9le^eam  bie  bon  t^m  abgefaSenen  ©tämme  l^abe  mit  @etoalt  ut  ^uba  jurüdt^  35 
füi^  tooUen,  l^abe  er  auf  gö^be«  Sefe^l  bom  Äriege  abgemahnt.    2)a«  gange  ©ttidt 
33.  21— -24  (=2  6^r  11,  1-— 4)  gehört  gtoeifello«  einer  fj)äten  ©d^id^t  be«  Äönig«bud^e« 
an,  bgl.  bieÄommentare.  2)em  entft)ridbt  e«  benn  aud^,  bafe  bie  ß^ronif  noc^  eine  toeitere 
mibraf^ortige  Srjäl^lung  über  ©emaja  fennt.    3"  i^  ^^^'^  ^^^  ^^^^^^  Überlieferung  über 
ben  ßinfaD  ©ifaf«  unter  Sle^abeam  burc^  eine  längere  2lnfj)rad^e  biefe«  $roj)^eten  ©emaja  4o 
ertoeitert,  in  ber  er  auf  ben  ®runb  be«  ßinfaBc«  l^intoeift,  tooburd^  bie  Demütigung  unb 
Segnabigung  ^nta^  erjielt  toirb.    3)ie  golge  ift  nad^  ber  Gl^ronif,  bafe  ^«nifalem  jtoar 
bon  ©ifaf  gej)rünbert  toirb,  aber  boc^  im  ganjen  nod^  glim^flid^  babonfommt,  2  ß^rll, 
5—8.  12.    3)emfelben  ^ropl^eten  toirb  nun  aud^  2  6l^r  11,  15  bie  2lbfaffung  einer  &^ 
fd^id^te  JRel^beam«  bejto.  ^uba«  einfc^liefelid^  berjenigen  JRe^abeam«  C!:^1  fönnte  an  fid^  45 
aud^„®orte"  bebeuten,  toirb  aber  ^ier  al«  „©efd^ic^te  ju  faffen  fein)  jugefdbrieben.  ®od^ 
törntte  bem  SBorttaute  nad^  aud^  an  eine  über  ©emaja  l(ianbelnbe  ©efcpid^te  gebac^t 
toerben,   toa«  aber  burd^  f^non^me  SOBenbungen  (toie  ©cfid^t  ^^aia^  32,  32,  ?Kibrafd^ 
3bbo«  20,  34,  bon  Sefaja  aufgefd^riebene  ©efc^i^te  Uffta«  32,32)  toiberraten  toirb.  Sr 
toirb  fomit  in  ber  G^ronif  aud^  al«  ©efc^ic^tfd^rciber  angefe^en  unb  al«  einer  berjenigen  50 
bcjeic^net,  benen  ber  ßl^ronift  feine  mancherlei  ©toffe  berbanft.    3)a  e«  fold^e  ®efd[|ic^ten 
ber  Äönige,   einzelner  ober  ganger  ®ruj)lpen  bon  il^nen   in  relatib   frül^er  3^i^  gegeben 
fyibtn  mufe,  toie  un«  für  ©alomo  unb  feine  9{ad^folger  ba«  ^5nig«bud^  teil«  fagt  teil« 
anbeutet  (bgl.  j.  93.  1  Äg  11,  41),   fo   ift  biefe  5Wotig  über  ©emaja  bieDeid^t  ba«  95eft* 
bezeugte,  toa«  toir  über  ben  3}Jann  toiffen.    6«  ift  tool^l  möglich,  bafe  bie  Ueberlieferung  55 
bon  ber  (Sjifteng  unb  SBJirffamfeit  eine«  ^ro^l^etcn  biefe«  9?amen«  unter  Slel^abeam  rid;tig 
ift  unb  bafe  feine  S^ätigfeit  unter  anbercm  barin  beftanb,  bafe  er  fid^  an  ber  ©cfc^ic^t^ 
f(^reibung  feiner  3«t  unb  ber  ÜJergangenl^eit  beteiligte.    3)enn  3:i^tfad^e  ift,  bafe  gcrabe 


192  Semaja  Semi^idogiftiridmitd 

in  feinen  2^gcn  mond^e  unferer  ®e|(i^ici^t«quellen  über  bie  9lnfänge  be^  Äönigtum^,  ba^ 
(Snbc  ber  Sli^terjeit  unb  bergl.  2)in0e  entftanben  fmb. 

2.  6in  ©egner  ^^eremia^  unter  ben  ^rop^eten  ber  bab^Ionifd^en  (Sjulantenflcmeinbe. 
3lad)  3^  29, 24  ff.  i}at  er  ou^  bemß^I  an  ba^SJoH  bon  ^erufalem  bejto.  an  ben  ^riefter 

6  3^^önia  einen  Srief  gefd^rieben,  in  toelc^em  er  3«)>^ania  ba«  ^riefteramt  ^ufjjric^t  unb  bon 
ipni  toerlangt,  bafe  er  gegen  ^eremia  einfd^reite,  toeil  ^eremia  bie  ßjulanten  briefnd^  jum 
©e^orfam  gegen  i^re  neue  Dbrigleit  angehalten  l^atte.  ^eremia  eirllärt  btefen  ©emaja 
für  einen  Sügen^ro^^eten  unb  toarnt  bie  Optanten  bor  feinen  aufreijenben  Sieben;  bem 
9?erfü^rer  felbft  t?er^eifet  er  Serberben  unb  Untergang. 

10  3.  einer  ber  ©egner  Sle^emia«,  ebenfall«  %xopf}tt,  unb  ©enoffe  ©anboBat«.  ?Re^ 
6, 10  ff.  berid^tet,  bafe  er3?el^emia  beranlaffen  tooUte,  in  ben  ben  Saien  berbotenen  Slem^jel^ 
räum  einzubringen  (jum  ©ci^u^  bor  älnfÄIägen  feiner  geinbe),  um  i^n  Iftmai)  beim 
aSolfe  toerbäd^tigen  gu  fönnen.    ©.  toeiter  ben  ärt.  ©anballat.  Äittel. 

Semiamttidmttd  f.  bie  3[9(.  9(riani«mu«  39b  II  ©.82,4iff.  u.  3Raceboniud 
16  Sb  XII  ©.  41. 

@emt)idagtamdmud.  —  3^gl.  bie  ßitteratur  t)ov  ben  ^rtifcln  «uguftin  (33b  II,  258; 
unb  für  bie  9higuftin=6itatc  im  folgenbcn  ?(rtifcl  ebenba  @.  257),  ©öfariu«,  (©b  III,  622), 
Saffian  («b  III,  746),  gouftu«  (5Bb  V.  782);  guIgcntiuS  (SBb  VI,  316  f.),  ^ilariu^  uon 
«rIcS  (^b  VIII,  56),  «ßclagiu^  (33b  XV,  747  f.),    ^röbeftination  (33b  XV,  586f.),    $rofpcr 

20  (©b  XVI,  123)  unb  bie  33b  IV,  752  f.  aufgezählten  33earbcttungen  ber  3)ogmengcWi*tc. 
^kufterbem,  bejtt).  im  bejonbern,  finb  ju  nennen :  Th.  Eleutherius,  Historiae  controvereianim 
u.  f.  lü.,  ^(nttpcrijen  1705  (ügl.  oben  33b  XIII,  256,48);  (E^r.  3B.  g.  ®alc^,  (gnt»uvf  einer 
uoUftönbigen^iftorie  ber  Äcj^creien  u.  f.  m.  33b  V,  ßcipjig  1770;  3-®«ff^^w,  HistoriaSemi- 
pelagiaDismiaDtiquissima,  Diss.  phil.,  ÖJöttingcn  1826;  Ö.  g.  Siggcrg,  33crfud)  u.  f.m.  (ogl. 

26i8b  XV,  747,56)  33b  II,  ^ambuvg  1833;  berf.,  ©cftidfalc  ber  auguftinifc^en  ^ntl^ropologic 
non  ber  33erbommung  bed  ©cmipcIogioniSmuS  auf  \>tn  ©tjnoben  j;u  Orange  unb  3SoIence  bi^ 
äur  SRcQftion  beö  SKönd)«  ®ottf4aIt  (302:^  üon  «Riebncr  XXIV,  1854,  @.  3—42;  XXV, 
268—324;  XXVII,  163—263;  XXIX,  471—591);  6.  g.  ?(ntoIb,  däfariu«  x>.  9lrclatc, 
Seipi^ig  1894;  P.  Suhlet,  Le  Semip^lagianisme  des  origines  dans  ses  rapports  avec  Augustin, 

90  le  P^lagiaDisrae  et  T^glise.  Th^se  pr^sent^  il  la  facult^  de  th^l.  de  l'^glise  libre  du  canton 
de  Vaud.,  92amur  1897;  g.  3Sörtcr,  Beiträge  jur  ©ogmcngefc^icbte  bcö  ©emipcIogianiSmu^, 
^abcrborn  1898;  berf.,  3"^^  3)ügmengcjd)ld)tc  ht^  ©emipclagiani^muS  (.tivc^cngefc^icötlicfte 
etubieu  üon  tnopfler,  6c^rbr^,  6bralcf  V,  2.  SKünfter  1899). 

1.  „©emi^elagiani^muö"   ift  ein  bogmengefc^id^tlic^er  Segriff,  beffen  $erhinft  noc^ 

36  nic^t  aufgeHärt  ift  unb  beflen  Umfang  nid^t  übereinftimmenb  abgegremt  toirb.  SSielfac^ 
fann  man  lefen,  ber  S^erminue  ftamme  au^  ber  ©cbolaftil.  2)ie  Duette  biefer  Slad^rid^t 
fc^eint  5Jori^  ju  fein,  ber  1673  in  einer  Don  SBald^  (V,  6)  citierten  ©tette  fetner  historid 
Pelagiana  (2,1;  opp.  ed.  Sertil,  225)  bie  Sejeid^nung  aU  einen  SIerminu«  ber  scho- 
lastici  recentiores  einführt.    Xo6)   ift  mir  lüabrfd^einlic^  getoorben,  ba^   unter   biefcn 

40  scholastici  recentiores  nic^t  mittelalterliche  ©c^olaftüer,  fonbem  nad^tribentinif^e 
^Bearbeiter  ber  theologia  scholastica  ju  t)erfte^en  fmb.  I)enn  bei  ben  ©c^olaftifem 
beö  '^JJlittelalter^  bin  ic^  bem  Serminu^  nic^t  begegnet,  ^a,  obgleich  fc^on  (Ser^b  '^o- 
()anne^  9?o^(geft.  1649)  in  feiner  historia  de  controversiis,  quas  Pelagius  ejusque 
reliquiae  moverunt  (1,  7.  ed.  sec.  1655,   p.  30;   ed.  prima  1618),  ben  Xerminu^ 

45  al^  einen  vulgo  gebrausten  bejcic^net  (ögl.  SKalc^  V,  6),  fo  fc^eint  biefe  9Jomcnflatur 
boc^  nod)  im  16.  ^af^rf^unbert  nic^t  gebräud^lic^  getvefen  ju  fein.  3)afe  Sllf onf u^  be  Saftro 
(geft.  1558)  unb  ^atreolu^  (geft.  1588)  in  i^ren  Äe^erliften  ben  9lamcn  nic^t  bieten, 
i}at  fc^on  SBalc^  (V,  6)  fonftatiert.  3)aöfelbe  gilt  Don  Äafpar  grandt«  Catalogus 
haereticorum   (^ngolftabt   1576).    3luc^   bie   3Jlagbeburger  (Senturien,  Soroniu«   unb 

50  Sellarmin^  ^au^ttüert  gebrauchten  ben  lerminu^  ba,  too  man  i^n  ertoartet,  nic^t.  „Pe- 
lagiani  et  Pelagianorum  reliquiae"  —  biefe  Se^ci^nung,  bie  au^  bem  bie  ©tjnobe 
üon  Drange  beftätigenben  Sriefe  Sonifaj  II.  (togl.  unten  ©.  201, 25),  bejto.  au^  5Proft)er 
(ep.  Aug.  225,  7.  II,  1006)  unb  auö  Sluguftin  (ep.  217,  6,  25 ün.  II,  987)  ^* 
ftammt,  fie  ioirb,  tuie  im  Xitel  bei^  äJo^fc^en  aÖerfc^,  fo  auc^  toon  Settarmin  ba  gebraucht, 

56  ioo  tvir  Don  „^^Jelagiancrn  unb  ©cmi>)elagianern"  rcben  toürbcn  (5.  33.  de  controv.  3, 
1,  2,  2.  ed.  princeps  Ob  III.  1593  p.  581).  Sbenfo  ift  in  ben  Slnfänaen  be«  Wlolu 
niftifcbcn  ©trcite^g  (bgl.  Sb  XIII,  25()ff.)  ben  gefuiten  nur  ber  SSortourf  gemad^t,  fte 
backten  „^)elagianifc^"  ober  toie  bie  „Pelagianorum  reliquiae"  (t?gl.  j.  9.  Eleutherius 
p.  197).    2)oc^i  in  ben  9Jer^anblungen  ber  congregatio   de  auxiliis  taucht  im  Äiufc 


®tmiptla%iam9mn9  193 

bc^  3^^^^  1601  ber  2^erminu^  „Semipelagiani"  auf:  ba^fclbe  Outac^tcn  ber  5lEonful= 
toren,  ba^  bei  3)JoIina  bcn  3in:tw»"  be^  ,,6affianu^  unb  anbrer  ©atlier"  fonftaticrt,  qui 
reliquiae  Pelagianorum  dici  meruerunt  (Eleuth.  p.  260  a),  finbet  in  einem  anbem 
angefod^tenen  ®a^e  ^olinad  bie  sententia  Pelagianorum  et  Semipelagianorum  (ib. 
p.  263b).  6^  fd^eint  mir  be^^alb  toal^rfd&einlid^  —  mel^r  fann  i^  nic^t  fagen,  6 
toeil  mit  ^iet  für  ben  ^Jloliniftifd^en  ©treit  feine  Duelle  aufeer  ßleutl^eriu^  ju  Oebote 
fte^t  —,  ba^  ber  Jerminu«  „Semi<)e(agianer"  im  "üJJoliniftifc^en  Streite  bon  ben  bomini* 
fanifc^-t^omijtifd^en  ©egnern  ber  Jj^witen  ge^jrägt  toorben  ift.  Durc^  bag  auffeilen,  ba^ 
ber  3Roliniftif4e  ©treit  ^erborrief,  burd^  6omeliu«  $^anfen  unb  burc^  ben  janfeniftifd^en 
©treit  mag  bann  bie  allgemeine  9lecet)tion  biefe«  Äe^emamen«  bebingt  getoefen  fein.  —  6^  lo 
fd^eint  bemnad^,  aU  feien  bei  ber  Prägung  be^  Serminu^  „©emi^elagiani^muö"  ä^nlid^e 
SSorfteUungen  toon  bem  ^nl)alt  unb  Umfang  be^  Segriffef  beftimmenb  getrefen,  h)ie  fie 
ba  gelten,  too  man  auf  ^roteftantifc^em  @ebiet  \)on  einem  ©emi))elagianidmu^  ber  mittel^ 
alterli(^en  ©d^olaftif  rebet  (bgl.  Eleutberius  p.  254  f.).  ^a^  aber  ift  tro^bem  nic^t 
jtoeifel^aft,  ba^  ber  3!erminu^  ,,©emi))elagiani«mug"  junäd^ft  eine  Sejeid^nung  für  bie^  15 
ienige  ®eftaltung  ber  Seigren  bon  ©ünbe  unb  ®nabe  fein  fotite,  bie  ^ro^jjer  toon  Stqui^ 
tanien  lurg  öor  unb  fur^  nad^  bem  Xobe  Sluguftin^  an  ben  „3Kaffilienfern",  b.  1^.  an 
Saffian,  i^ilariu^  b.  ärle^,  aSincenj  toon  Serinum  unb  anbem,  ungenannten,  be!äm})fte, 
eine  Sejeid^nung  ber  änfc^auung  toon  ©ünbe  unb  ®nabe,  bie  nad^  ^rofj)er^  3^'^  ^" 
gauftu«  toon  Steji  i^ren  §au^ttoertreter  ^atte  unb  529  auf  ber  ©tonobe  ju  Orange,  jtoar  20 
nid^t  in  allen,  aber  bo^  in  einigen  fünften  al^  fe^erifc^  d^aralterifiert  lüurbe.  ®enn 
toon  ben  9Rängeln  ber  Drt^obope  be«  gaffianug  unb  gauftu«  unb  toon  ber  gntfd^eibung 
ber  ©^nobe  toon  Drange  ift  im  3Jloliniftifd^en  ©treite  oft  gerebet  toorben;  „Semipela- 
giani"  ift  ber  neue  9{ame  für  bie,  qui  reliquiae  Pelagianorum  dici  meruerunt  (togl. 
oben  3^i«  2  f.).  2ln  bem  Äreife  ber  „3Kafftlienfer",  toie  man  noc^  im  5JJoliniftifd^en  20 
©treite  unb  über  1700  ^inau«  oft  mit  ^ßrof^er  fagte,  haftet  noc^  l^eute  allgemein,  auf 
j)roteftantif^em  toie  auf  römifc^em  ©ebiete,  pxmäx  ber  5Rame  be^  ©emipelagiani^mu^. 
3)emgemäfe  ift  ^ier  junäd^ft  (togl.  9lr.  2—6)  eine  2)arftellung  be^  ©treite^  gu  geben,  ber 
je^t  allgemein  ate  ber  „femi^)elagianifd^e"  be^eid^net  toirb,  b.  1^.  be^  ©treite^  über  Sluguftin« 
©nabenle^re  bi«  jur  ©^nobe  toon  Drange,  ©obann  (togl.  3?r.  7  unb  8)  mufe  toerfuc^t  30 
h>erben,  ben  ©egriff  „©emij)elagiani^mu«"  tnl^altlic^  fo  ^u  beftimmen,  bafe  fein  Umfang 
ftd^er  abgrenjbar  toirb,  unb  feftgefteöt  toerben  fann,  intoietoeit  bie  3lntoenbung  be^  S3e= 
griffiJ  auf  Srfc^einungen  ber  3^'^  ^^^  529  Berechtigung  i}at. 

2.  (Segen  bie  ^elagianer  toar  in  ben  ad^t  (togl.  Soofg,  3)®*  ©.  429  3lnm.  5) 
Üanonc«  be«  fart^agifc^en  ®eneralfonute  toon  418  feftgefteUt  (togl.  Sb  XV,  767,5off.):  S5 
1.  bafe  Slbam  erft  burd^  ben  ©ünbenfatl  ftcrblid^  getoorben  fei,  2.  bafe  bie  Äinber  ber 
©rbfünbe  toegen  in  remissionem  peccatorum  ju  taufen  feien,  3.  ba^  unter  ber 
giJttlid^en  ®nabe  nic^t  nur  bie  äJergebung  ber  ©ünben,  fonbem  aud^  ber  göttlid^e  93eis 
ftanb  ju  toerftel^en  fei,  ber  un^  ermöglid^e,  nic^t  ju  fünbigen,  4.  bafe  fünblofe  3Sollfommen= 
^eit  auf  6rben  unmijglid^  fei.  2)amit  toar  ntd^t  bie  ganje  auguftinifd^e  ®nabenle^re  40 
oüppxob'xttt,  fonbem  nur  bad,  toa^  äluguftin  im  @inflange  mit  abenblänbifd^en 
Irabitionen  toor  i^m  ben  ^elagianem  entgegengel^alten  ^atte.  2)ie  fpejififc^en  ©igen* 
tümlic^feiten  ber  ®nabenle^re  äugufting:  ber  ©cbanfe,  bafe  auc^  ba«  erfte  äöollen  be« 
©lauben«  toon  ber  ®nabe  getoirft  toerbe  (togl.  oben  8b  II,  279, 32  ff.),  bafe  bie  gratia 
irreftftibel  ober  infaUibel  bem  freien  aBiUen  bie  gottgetrollte  3{id^tung  gebe  (togl.  Sb  II,  4b 
279,69f.  unb  unten  ©.  195,22ff.),  unb  bafe  für  ba«  fc^lie^lic^e  ©cligtoerben  ber  electi 
lefttlid^  bie  bur^  fein  toorau«gefe^ene«  menf^lid^e«  a:^un  bebingte  göttliche  ^räbeftination 
bm  aJPieinigen  SRealgmnb  bilbe  (togl.  fc^on  33b  II,  279,ö5ff.  unb  untm  ©.  195,2?)  — 
aü  bie«  toar  bei  jener  (Sntfc^eibung  toon  Äart^ago  gar  nid^t  in  bie  2)i«fuffion  gejogm. 
3a,  toon  ben  „brei  ^au^tirrtümem"  ber  ^elagianer,  bie  2luguftin  balb  nac^  ber  fart^a^  so 

äifdS>m  ©^nobe,  juerft  im  3jal^re  420,  formulierte  (togl.  S3b  XV,  755, 8  ff.),  toaren  in 
tarl^ago  nur  jtoei,  ber  erfte  unb  britte,  jenfuriert  toorben ;  ber  ^toeite  aber,  ben  Sluguftin 
barin  fanb  (togl.  Sb  XV,  755,r>4ff.),  ba|  bie  ^elagianer  annähmen,  bie  gratia,  qua 
justificamur,  toerbe  nid^t  gratis,  fonbem  secundum  merita  gegeben,  ift  in  ben  Äanonc« 
toon  Äartl^ago  ni^t  berüdffid^tigt.  —  @«  brauchten  bemnac^  gar  nid^t  alle,  bie  ber  SJer^  55 
urteilung  be«  ^ßelagiu«  juftimmten,  ®efinnung«genoffen  3luguftin«  ^u  fein.  2)ie  ^Jrage, 
ob  ber  ^Irnfd^  allein  mit  ^ilfe  ber  gratia  creationis,  remissionis  unb  doctrinae 
jur  ©eligfeit  gelangen  fönne,  ober  ob  er  baju,  ja  ju  jebem  guten  SKerf,  ber  innerlid) 
auf  il^n  eintoirfenben  gratia  inspirationis  bebürfe  —  unb  bie«  toar  ber  etgentlid)c 
©trcitt)unft  im  J)elagianifd^en  ©treit  (togl.  S3b  XV,  756, 4  ff.)  — ,  fie  fonnte,  toie  Sluguftin«  g») 

KcaUCncDflopfibie  ffir  2:^eo(ogie  unb  RiiOtt,    3.  0.  XVIII.  13 


194  ^tmipüoiianümnl^ 

eignet  3)enfcn  t)or  39G  bctocift  (bgl.  S3b  II,  278, 48  ff.),  in  antt))clagtantf^em  ©innc 
beantwortet  toerben,  auö^  too  man  ntdbt  gan^  „augufttnif^"  ba^te.  Sluguftin  erfuj^r  ba«, 
noc^  e^e  er  bon  ben  „SRaffilienfem"  l^örte,  jtoeimal  in  feinem  eignen  Äreife.  SSietteit^t 
fc^on  um  420  (SBald^  V,  13  f.)  fa^  er  fid^  genötigt,  Brief lid^  einem  Äart^aginienfer  Sitali^ 

6  entgegenzutreten,  ber  !ein  ^elagianer  toar,  aber  ebenfo  toenig  ein  Slni^änger  ber  genuin 
augujiinifc^en  ©nabenle^re  (ep.  217.  II,  978—989).  Slugufiin«  S3rief  lä^t  IS^inlängli^ 
ertennen,  toie  biefer  SSitali«  badete.  3)afe  ®ott  burd^  feine  ®nabe  bie  religiosae  vi- 
tae  bona  in  ben  9Renfd^en  toirfe,  gab  er  gu  (7,  29  p.  989);  aber  ba^  Oläubigtoerben 
fa^  er  nur  in  bemfelben  ©inne  aU  eine  SÖirlung  ®otte^  an,  in  bem  esJ  Sluguftin  bor 

1(1  396  get^an  ^atte  (k)gl.  9b II,  278,  48ff.):  operatur  ille  (seil,  deus),  quantam  in 
ipso  est,  ut  velimus,  eum  nobis  nota  fiunt  ejus  eloquia;  sed  si  eis  acquies- 
cere  nolumus,  nos,  ut  operatio  ejus  nihil  in  nobis  prosit,  efficimus  (1, 1  p.  978); 
cui  (seil,  doetrinae  dei)  si  consentit  [bomo],  reete  utique  dieuntur  ab  illo  dirigi 
gressus  ejus,   ut  viam  ejus  velit,  cujus  doctrinam  suasione  praecedente,  sub- 

15  sequente  consensione  sectatur,  quod  libertate  naturali,  si  vult,  facit,  si  non 
vult,  non  facit,  pro  eo,  quod  fecerit,  praemium  vel  supplicium  recepturus 
(2,  4  p.  979).  äluguftin  l^at  bemgegenüber,  bamit  bei  3Sitali«  nihil  illius  (seil.  Pelagii) 
.  .  .  relinquatur  erroris  (bgl.  oben  @.  192,53),  t)omel^mIid^  betont,  ba^  bie  ®nabc 
gebadet  toerben  muffe  al$  praeveniens  hominis  voluntatem  unb  al^  gegeben 

2()sine  Ullis  humanis  praecedentibus  meritis  (2,  5—3,  8  p.  980  f.).  Übrigen^  ge^t 
er  in  ben  12  6ä^en,  in  benen  er  in  biefem  ©riefe  in  Segug  auf  bie  quaestio  de  dei 
gratia  bie  fides  catholica  formuliert  (5,  16  p.  984 f.;  t)gl.  17),  ni^t  über  bie  Snt^ 
fc^etbung  k)on  Slart^ago  ^inau^.  3)a^  für  i^n  Jelbft  mit  Sinertennung  biejer  ©ä^e  bie 
ätnna^me  einer  [bie  formale  ^rei^eit  nic^t  au^fcplie^enben]   unbebingten  etvtgen  electio 

25  gegeben  n)ar,  cum  tarn  multi  salvi  non  fiant,  non  quia  ipsi,  sed  quia  deus  non 
vult,  toerbarg  Äuguftin  freiließ  ni^t  (3,  9  p.  982;  6,  19  p.  985  unb  5,  16  3lx.  10 
p.  985;  bgl.  7,  27  p.  988);  boc^  rüdfte  er  offenbar  abfid^tlic^  (bgl.  4,  15  p.984)  biefe 
ftonfequenj^cn  nic^it  in  ben  3Sorbergrunb.  —  ©ine  Erfahrung  bertoanbter  Slrt  machte 
äluguftin  426  ober  427   an  ben  ?Könc^eit  in  ^abrumetum.    Sin  feinem  S)enfen  nad^, 

30  toie  ein  ©rief  feine«  äbte«  an  Sluguftin  (ep.  216.  II,  974  ff.)  un«  tel^rt,  bem  äuguftin 
na^eftel^enber  9)Jön^  biefe«  Älofter«,  ^loru«  mit  9iamen,  Ifattt  t)on  einer  9leife  au«  feinen 
Älofterbrübem  ben  langen  S3rief  jufommcn  laffen,  ben  Sluguftin  im  3-  418  bem  römi= 
fc^en  $re«b^ter  unb  fpätem  Sifc^of  ©ijtu«  gef (^rieben  ^atte  (ep.  194.  II,  874—891 ; 
bgl.  oben  39b  XV,  774,2?).   Slber  ba«  ©efc^enl  l^atte  3toietra(|t  getoirft.  ©ie  energifc^c 

:^5  5orm,  in  ber  Sluguftin  ^ier  jebe«  ber  gratia  borau«gel^enbe  SSerbienft  jurüdtgetoiefen, 
bie  fides  al«  eine  ®abc  ®otte«  bejeicbnet  unb  (bgl.  ep.  194,  8,  34  ff.  p.  886  ff.)  bie 
ftrengs))räbeftinatianifc^en  Äonfequenjen  biefer  ®ebanlen  offenbart  ^atte,  rid^tete  einen 
förmlid^en  iumult  in  bem  Älofter  an:  me^r  al«  fünf  ber  ?Könd^e  toaren  über  biefe Slu«^ 
füE^rungen  im   l^öd^ften  Wla%t  aufgebracht,   unb   i^re  animositas  reigte  bie  anbem  auf 

40  (ep.  210,  2  unb  3.  II,  975  f.).  Sluguftin  erfuhr  bon  biefen  SSer^ältniffen  burd^  ben 
münbltc^cn  Scricbt  jtoeier  jugenblic^er  3Jlönc^e  an^  bem  Älofter,  bie  o^ne  bon  bort  offi- 
ziell gefanbt  ju  fein,  bei  if^m  fic^  einfanben  (ep.  214,  1  unb  5.  II,  969  f.).  SBenn  er 
barauf^in  ben  ^JJönc^en  in  ipabrumetum  fc^rieb:  Cresconius  et  Felix...  nobis  retu- 
lerunt,  roonasterium  vestrum  nonnulla  dissensione  turbatum  eo  quod  quidam 

Vi  in  vobis  sie  gratiam  praedicent,  ut  negent  hominis  esse  liberum  arbitrium, 
et,  quod  est  gravius,  dicant,  quod  in  die  judicii  non  sit  redditurus  deus  uni- 
cuique  secundum  opera  ejus,  etiam  hoc  tarnen  indicaverunt,  quod  plures 
vestrum  non  ita  sentiant,  sed  liberum  arbitrium  adjuvari  fateantur  per  dei 
gratiam  ut  recta  sapiamus  atque  faciamus,  ut  cum  venerit  dominus  reddere 

50  unicuique  secundum  opera  ejus,  inveniat  opera  nostra  bona,  quae  praepa- 
ravit  deus,  ut  in  illis  ambulemus.  hoc,  qui  sentiunt,  bona  sentiunt  (ep.  214,  1. 
II,  969),  fo  tDtrb  man  in  biefen  SKorten,  bie  ben  münblic^en  Serid^t  bertoirrter  Süng* 
Ungc  nur  fobeit  t^crtoerteten,  al«  e«  ber  Selel^rung  bienlicb  tvax,  leine  jutreffenbe  ©or- 
ftellung  ber  i>er^ältniffc  in  ^abrumctum   finben   fönnen.    6rft  nad^bem  Suguftin  ben 

55  5Kön(^en  mit  biefem  ©riefe  unb  einem  burc^  bie  Dergögerte  Slbreife  ber  Soten  öeronla^en 
5h)eiten  (ep.  215.  II,  971  ff.)  fein  Sud»  de  gratia  et  libero  arbitrio  (X,  881—912) 
gefcbidtt  unb  fie  barin  belehrt  ^atte,  bafe  ba«  SJirfen  ber  gratia  bie  [formale]  gftei^ 
unb  bie  2o^n=Crbnung  nid»t  aufF^ebe,  bielme^r  bie  toal^re  greil^eit  erft  fd^affe  unb  bie 
merita   in   un«  toirfc,   crft  ba  fc^eint  ba«  ,.bona  sapere"  ben  „plures"  möglid^  gc* 

(»toorben  ju   fein  (ügl.  ep.  216,  4  ff.  II,  976  f.).    gloru«  mag  ftet«  auguftintfd^  gAad^t 


Semi)ielagi«iidiiiitd  196 

fyibm  (ibid.),  aber  aud^  er  ^atte  nad^  feiner  diMUf)x  ben  Üop^  berloren  (ep.  216,  3. 
II,  975);  berälbt  tt>ar  l(^iIfIod  getoefen;  bie  plures  aber  Ratten  „QttüüUV'  gegen  ^lorud, 
ber  bad  böfe  9uc^  3(uguftin^,  bie  epistula  ad  Sixtum,  i^nen  gefd^enft  ^atte  (ibid.). 
Unb  toäl^enb  bie  liefen,  bafe  bie  ^eil^eit  nic^tö  fei,  baft  ®ott  nid^t  na(^  ben  SBerten 
richte,  ba^  päbago^ifcpe  ^nd^t  (correptio)  unberechtigt  fei,  (ebiglic^  llonfequengen  gemefen  n 
3U  fein  fd^einen,  bte  man  bem  ^loru^  unb  benen,  bie  gu  i^m  i}iüim,  anbic^tete  (t)gl. 
ep.  216,  4.  II,  976  unb  214,  6  p.  970),  fann  laum  bejtoeifelt  Serben,  bafe  bie^J)iel^r= 
ga^l  ber  SRönd^e  ber  Meinung  jen>efen  toar,  bie  3(uguftind  epistula  ad  Sixtum 
al^  ))elagianifc^  branbmartte,  ber  Meinung,  baf;  ba^  medtum  fidei  ber  @nabe  Darauf- 
gebe  (tjgi.  ep.  215,  1.  II,  971):  bie  ber  Majorität  ange^örigen  3Jlönd^e,  bie  ju  Stuguftin  lo 
gefommen  toaren,  erfd^ienen  bem  äuguftin  ber  Untertoeifung  fe^r  bebürftig  (ep.  215, 1). 
^(ber  bie  simplicitas  ber  ^önd^e  t)on  ^abrumetum  h>ar  auc^  ebenfo  n>iuig,  Sele^rung 
angune^men.  ^ie  günftigen  92ad^rid^ten,  bie  ber  9(bt  über  bie  älufna^me  ber  ©c^rift  de 
gratia  et  libero  arbitrio  burdb  ^loru^  gefanbt  l^tte  (ep.  216),  Veranlagten  9tuguftin, 
bem  9lbt  unb  ben  3Rönd^en  no4  eine  gtoeite  Sele^rung^f^rift  guf ommen  gu  laffen :  de  15 
correptione  et  gratia  (X,  916—946).  3)iefe  ©(^rift  ^at  ben  TOönd^en  biel  ju  ber? 
bauen  gegeben;  benn  fte  ift  eine  ebenfo  ))rägife  tvie  ungefc^minfte  Darlegung  ber  genuin 
auguftinifd^  @nabenlel^re.  SBo^l  bleibt,  tt)ie  Sluguftin  l^ier  au^fü^rt,  jeber  ^})tenf^  ber- 
anttoortlic^  für  fein  %f)un,  benn  sua  voluntate  fünbigt  er;  aue  correptio  ift  ein 
3Rittel,  burd^  ba«  (Sott  tüirlt;  aber  ber  3)lenf(^  fyit  o^ne  bie  ®nabe  eigentlich  lein  20 
liberum  arbitrium,  fonbern  ein  arbitrium  peccati  servum  (13,  42  p.  942).  allein 
bie®nabe  @otted  befreit  il^n;  cui  volenti  salvum  facere  nullum  hominum  resistit 
arbitrium  (14,  43  p.  942),  ®ott  aQein  giebt  auc^  bie  perseverantia,  unb  gtvar  fo, 
ba^  bie,  benen  er  giebt,  per  hoc  donum  non  nisi  perseverantes  sint  (12,  34 
p.  937);  fo  alfo  ift  ®ott  ber  infirmitas  voluntatis  humanae  gu  ^ilfe  gefommen,  25 
ut  [voluntas  humana]  divina  gratia  indeclinabiliter  et  insuperabiliter 
ageretur  (13,  38  p.  940).  @otted  emige  electio  unb  praedestinatio  ift  ber  hinter- 
grunb  aQer  ^eil^mirlung  in  ber  3^i^f  unb  ber  numerus  electorum  ift  ita  certus,  ut 
nee  addatur  eis  quisquam  nee  minuatur  ex  eis  (13,  39  p.  940).  3la6)  einem 
@runbe  ber  inscrutabüia  judicia  dei  ^aben  mir  nic^t  }u  fragen  (8,  17  p.  926).  — .% 
2)a^  bie  SRönc^e  \>on  ^obrumetum  mit  boQem  S^erftänbni^  bem  aQen  jugeftimmt  f^abm, 
ift  untoa^rfc^einlic^.  9[ber  fte  ^aben  gu  tviberf))rec^en  nic^^t  ba^  3^U0  gehabt.  9(uguftin 
meint  felbft,  fie  müßten  tuieber  uttb  toieber  lefen,  tua«  er  i^nen  gefc^rieben  ^abe  (1,  1 
p.  917).    S)ad  ^iefe  aber  toal^rfd^einlic^  me^r  forbem,  ate  erreid^bar  toar. 

3.  9(nbererort^  (a^  man  bie  ©c^rift  de  correptione  et  gratia  mit  me^r  SSer-  S6 
ftänbnid:  in  ©übgaHien,  in  ben  3)lönd^^freifen  bon  9Jlaffilia  unb  Serinum,  tüirfte  fie 
tvie  ein  Ultimatum,  ba^  ^albe  ^reunbe  gu  ^einben  mac^t  (t)g(.  ep.  Aug.  225,  2.  II, 
1002  f.).  Seit  längerer  Qtii  fd^on  toaren  ^ier  bie  buw^  Silbung  unb  „§eiligfeit"  ^erbor^ 
ragenbften,  im  lir^lic^en  Seben  einflufereic^ften  3Jlänner,  3(bt  ^o^anne«  ßaffianu^  t)on 
aWaffilia  (i>gl.»blll,  746—749),  §ilariu«,  3)tönd^  in  Serinum,  fpäter  (feit  428)  »ifc^of  40 
bon  ärleg  (i)gl.  93b  VIII,  56  f.),  unb  anbere,  Stuguftin  gegenüber  in  i^rem  Vertrauen 
unfic^er  getDorben.  ©einem  3$orge|^en  gegen  $e(agiu^  Ratten  fte  jugeftimmt ;  aber  je  me^r 
^uguftin^  ©c^riftfteQerei  bie  f^jegififc^en  @igentümli(^!eiten  feiner  ©nabenle^re  ^atte  ^er- 
vortreten  laffen,  befto  ftufeiger  toaren  fte  getüorben.  §ilariug,  ber  ein  aufrid^tiger  33e= 
tounberer  Stuguftin^  toar,  batte  längft  fd^on  brieflich  i^n  interjjeHieren  Collen  (Prosper  46 
ad  Aug.  ep.  225,  9.  II,  1007).  Saffian,  beffen  Sejie^ungen  jum  Orient  in  biefem 
^ufammen^nge  m.  S.  unnötig  betont  h?erben  —  benn  feine  93ilbung  tuar  nid^t  nur 
etne  orientalifdje,  au^  er  ^atte  öon  Stuguftin  gelernt  (t)gl.  c.  Nest.  7,  27  ed.  ^etfc^enig 
I,  385,  19  ff.  — ,  ^atte  in  bem  gleiten,  nod^  t)or  ber  ©r^ebung  be«  §onoratu^  auf  Den 
S3if<^ofdftu^t  öon  Strle«,  alfo  öor  426,  gefd^riebenen  3:ei(e  feiner  coUationes  patrum  w 
(üb.  XI— XVII;  togl.  prol.  II,  311,  5),  o^e  Stuguftin  gu  nennen,  bie  äg^j)tifc^en 
3Rön(^«toäter  für  eine  ©nabenle^re  geugen  laffen  (coli.  13.  II,  361  ff.),  bie  ben  fpegififc^ 
aiiguftinifc^en  ©ebanfen  faft  ebenfo  fern  ftanb,  al^  bie  SSorfteHungen,  bie  Stuguftin  bei 
aSitalid  ate  SRefte  })elagtanif(^en  35enlen^  begeic^net  ^atte  (ögl.  0.  ©.  194, 7  ff.),  ^eutlid^er, 
ate  ed  bei  2Jitali«J  erlennbar  ift,  geigt  fid^  bei  Saffian,  bafe  er  mit  Stuguftin  gegen  ^ela=  65 
giug  fotoo^l  ^infui^tlic^  ber  ßrbfünbe  (g.  S.  coli.  13,  7,  3.  II,  370,  4X  ate  bJnfic^ttic^ 
bed  SSefend  ber  @nabe  übereinftimmte :  deus  nobis  et  initia  bonae  voluntatis  in- 
spirat  (coli.  13,  3,  5.  II,  364,  17  ff.).  Stuc^  ein  prae venire  ber  ®nabe  h?ar  für 
Saffian  nic^t  unbenibar.  Stber  ebenfo  toenig  fd^eute  er  ben  ©ebanlen,  bafe  ®ott  gelegentli^ 
ber  3Renfd^  fu^  erbarme,  toeil  fte  mit  einem   fc^tvac^en  initium   bonae  voluntatis  60 

13* 


196  gawyriigi— rtwtf 

tE^m  entgegenfommen:  balb  mad}t,  tute  bei  ^kmluig,  bte  @nabe,  balb,  tote  bei  ^^c^^u^r 
bee  ^y^enfd^cn  55erlangcn  ben  anfang  (coli.  Vi,  11.  II,  375  f.).  3^ie  gratia  inspira- 
tionis  tfi'd  in  beiben  ^^oUen,  bie  bot  "iDienfc^  rettet:  dd  benignitaSy  cum  bonae 
voluntatis    in   nobis  quantulamcmnque  scinüllam   emicnisse  perspezerit   vel 

h  quam  ipse  tamquam  de  dura  sllioe  noetri  cordis  ezcuderit,  confovet  eam  et 
exsuscitat  suaque  inspiratione  conlortat  (colL  13,  7,  1.  II,  369,  Iff.).  äCber 
ebenfo  ift  in  betben  T^dßen  bie  [t7aTan9ebenbe  ober  na(^fo(genbe]  3uf^^>^^^d  ^^ 
3Rtn\d^  eine  Sebingung  feiner  Slettung:  manet  in  homine  liberum  semper  arbi- 
trium,  quod  gratiam  dei  possit  vel  ne^egere  vd  amare  (colL  13,  12.  8.    II, 

10  381,  2 ff.);  omnes,  qui  pereunt,  contra  dei  pereunt  voluntatem  (coli.  13,  7,  4. 
II,  370,  7;  togl.  1  li  2,  4  colL  9,  20,  2.  II,  269;  coU.  13,  7,  1  u.  3  p.  369  u.ö.) 
—  Solvent  Xenten  mu^te  31ugufKnS  Schrift  de  correptione  et  gratia  tvie  eine 
birette  0egenf(^rift  erfc^einen.  SWö  bie  3RaffUienfer  fte  lennen  (ernten,  fublten  fie  f\d) 
nur  abgefto^en :  aversiores,  quam  fuerant,  recesserunt(Pro8per  ad  Aug.,  ep.  225,2. 

16  II,  1003).  ^reilic^  fel^lten  auc^  in  bem  WaffUienfer  Areife  entf(^i^ene^eunbe9(ugufttn^ 
nid^t  gan^:  f))äteften$  feit  ber  (Sr^ung  be^  ^iloriuS  auf  ben  Sifc^ofi^ftu^I  bon  ä(rle^ 
(428)  lebte  ^rofj)er  bon  »quitanien  unter  ben  Wönc^en  aJlaffüia«  (t)gL  oben  93b  XVI, 
124,9  ff.).  6r  unb  fein  greunb  jpilariu^,  ein  fonfk  unbefonnter  pv^bnixö^  ©c^üIer 
äuguftin«  (Aug.  ep.  216,  10.   II,   1013),  berichteten  bem   «uguftin   428   ober   429 

2r>in  jtoei  auefü^lic^en  ©riefen  (Aug.  epp.  9lr.  215  unb  216.  II,  1002—1012)  über 
ben  9Biberftnru4,  bem  feine  Se^re  je^t  in  WaffUia  unb  anbem  Orten  [Süb-jCSaUien^ 
(ep.  216,  2  p.  1007)  begegnete.  3^tefe  Senate  (togl.  ba«  Gitat  au^  $rof>)er«  Srief, 
ep.  215, 3,  oben  93b  VIII,  57)  berbienen  einen  e^reni)la^  unter  oDen  ö^nlic^en  ©{^reiben ; 
benn  ben  ^Kännem,  toon  beren  Sel^e  fic  3)fitteilung  machen,   toirb  i)erfönli(^   all  i^rc 

2&  Q[)x^  gelaffen:  fie  l^ei^en  sancti  (ep.  215,  3  p.  1(H)3),  clari  unb  egregii  in  omnium 
virtutum  studio  (ib.  2);  unb  il^re  Seigre  toirb  nic^t  nur  ol^ne  alle  ©ntftellung  toiebep 
gegeben,  fonbem  auc^  auf  ij^e  toirüic^en,  anerfennen^erten  9Jlotibe  jurüdgefül^rt  %ob 
genbe^  ift  au^  biefen  Seric^ten  über  bie  Seigre  ber  3Raffilienfer  in  ber  Rürje  ^ert>or- 
ju^eben:  1.  fie  be^au))ten  [mit  9tuguftin  unb  gegen  ^elagiud]  omnem  hominem  Adam 

9f)  peccante  peccasse,  et  neminem  per  opera  sua,  sed  per  dei  gratiam  regene- 
ratione  salvari  (ep.  215,3);  2.  aber  fie  nehmen  änftofe  an  Sluguftin«  ?Präbeftination^= 
le^re  (ib.  6)  unb  ber  ^u  i^  gehörigen  3tnna^mc  ber  Unfäl^^igleit  be^  3Renf(^en  gu  eignem, 
freien  (Srgreifen  ber  ®nabe.  Sie  bertoerfen  biefe  SJorfteüungen  unb  gtoar  a)  toeil  fie 
eine  9^euerung   feien,    a  nulle  unquam  ecclesiasticorum  ita  intellecta  (ep.  215,  3 

96  p.  1003 f.;  t)gl.  216,  2:  novum),  unb  b)  h?eU  pe  ber  lirc^lic^en  SSertünbigung,  6r= 
ma^nung  unb  Seelforge  ben  93oben  entzögen:  exdudi  putant  omnem  praedicandi 
rigorem,  si  nihil  quod  per  eum  excitetur  in  hominibus  remansisse  dicatur 
(ep.  226,  2  p.  1008;  ögl.  5  p.  1009  f.  unb  225,  6  p.  1005);  3.  fie  glauben  bielmebr, 
bafe  (Sottet  $eiterat,  quantum  ad  deum  pertinet,  alle  3Jlenfci^en  umfaffe  (ep.  225,6); 

10  net^men  4.  an,  bafe  in  be«  DJienfc^en  freiem  SBitlen  bie  (Sntfd^eibung  liege,  ob  er  fu^ 
retten  laffen  tooKe  ober  nic^t  (225,  3  u.  ö.):  per  praeoperantem  et  cooperantem 
gratiam  liberum  non  impediatur  arbitrium  (225,  8;  ögl.  226,  6  über  bie  3tb^ 
Ie(;nunfl  ber  oben  S.  195,24  ermähnten  g^ffung  be^  donum  perseverantiae ;  5.  bie 
praedestinatio  (bon  ber  fie  auf  (Srunb  be^  Slömerbrief^  natürlic^^  a\x6)  reben  mußten) 

r.  fjrünbeten  fic  auf  bie  praevisa  merita  credulitatis  unb  perseverantiae:  qui  credi- 
turi  sunt,  quive  in  ea  fide,  quae  deinceps  per  gratiam  sit  juvanda,  mansuri 
sunt,  praescisse  ante  mundi  constitutionem  deum  et  eos  praedestinasse  in 
rof^num  suum,  quos  gratis  vocatos,  dignos  futuros  electione  et  de  hac  vita 
bono  flne  excessuros  esse  praeviderit  (225, 3).  —  35ie  fo  c^arafterifierte  änfc^auiuig 

ü<»  ift  bie  (Sa)fian^  unb  feiner  (^efinnung^genoffen.  (Sinige,  berichtet  $roft)er  (ep.  225,  4 
p.  1004),  fänben  bie  gänjlic^  gratis  gegebene  gratia  nic^t  in  ber  gratia,  qua  in 
Christum  renascimur,  fonbern  in  ber  ben  fltenfd)en  mit  SSernunft  unb  Rrei^eit  au^ 
ftattcnbcn  gratia  creatoris  ober  initialls  unb  näfjmen  an,  bafe  ber  Sölenfcp  bono  na- 
turae  bene  usus,    ad  istam  salvantem  gratiam   initialis    gratiae  ope  meruerit 

66  pervenire. 

2Iuguftin  f;at  an  biefen  Seric^tcn  3(ula^  genommen  (too^I  429),  bie  beiben  bem 
^rofper  unb  .^ilariu5>  geloibmctcn  (Schriften  de  praedestinatione  sanctorum  (X, 
960  -992)  unb  de  dono  perseverantiae  (X,  992— 1034)  ju  fc^reiben.  3)iefe  Schriften 
bclmnbcln  i^toar   il;rcn  Sto^   im  ©egenfa^  ju  ben  SKajfilicnfern  —  bie  erfte  fü^rt  ba^ 

♦^1  Initium  fidel,  bie  jtocitc  baö  perseverare  usque  ad  finem  allein  auf  (^otted  ®nabe 


Semtyelagiamdmtid  197 

gurüd  — ;  aber  Slugaftiu  tüoütc  feinen  greunben  mel^rüber  unb  für  (de  praed.  19,38 
p.  988:  de  et  pro)  biejenigen  fc^reiben,  für  bie  fie  pia  cura  beriefen  l^ätten  (ibid. 
1,  2  p.  961),  afe  gegen  fie.  3)ie  [nie  genannten]  ©egner  fmb  il^m  nid^tÄe^er,  fonbem 
irrenbe  Srüber  (de  praed.  19,  38  p.  988:  hi  nostri),  unb  getuinnenb  bemerlt  er  ge^ 
Icgentlic^  (de  praed.  3, 7  p.  9(54),  ba  er  1  Äo  4,  7  einfül^rt :  quo  praecipue  testimonio  ö 
etiam  ipse  eonvictus  sum,  cum  similiter  errarem,  putans  fidem,  qua  in 
deum  eredimus,  non  esse  donum  dei,  sed  a  nobis  esse  in  nobis  et  per  illam 
nos  impetrari  dei  dona,  quibus  temperanter  et  juste  et  pie  vivamus  in  hoc 
saeculo.  3)enno(^  begreift  f\6^,  bafe  biefe  beiben  ©c^riften,  bie  ben  fjje^ififc^en  6igen= 
tümlid^feiten  ber  auguftinifc^en  ©nabenle^re  ben  f(^ärfften  Stu^rudf  geben,  bie  ©egner  lo 
nid^t  umjuftimmen  bermoc^ten. 

4.  äuguftin  tüarb  bem  tüeitem  SiampU  burd^  feinen  %f>\>  (28.  Stuguft  430)  entrücft. 
^roft)er  toar  fdbon,  e^c  fein  3Keifter  ftarb,  toon  bem  „piam  curam  gerere"  (oben 
3cile  2)  }ur  ?ßolemiI  übergegangen  (ögl.  93b  XVI,  124, 49 ff.):  fein  Jcarmen  de  in- 
gratis  (MSL  51,  91—148)  toerfuc^te,  bie  Oegner  ber  ©nabenle^e  Sluguftin^  in  bie  16 
^Verurteilung  be«  ^elagiani^mu^  ^ineinjugie^en.  SKac^  3tuguftin^  lob  tüarb  ber  ©treit 
heftiger:  ^rof))er  fa^  ftd^  öeranlafet,  responsiones  ad  capitula  objectionum  Gallonim 
calumniantium  ju  fd^reiben  (MSL  51,  155—174;  Aug.  X,  1833—1843)  unb  einem 
Sincenj,  tool^l  bem  fierinenfer  (ögl.  ben  21.),  ber  i^n  jjerfönlid^  angegriffen  ^atte,  re- 
sponsiones ad  capitula  objectionum  Vincentianarum  entgegenjufteÖen  (MSL  51,  20 
179—186;  Aug.  X,  1843—1850).  Unb  über  ©aüien  ^inau«  griff  bieerregung:  gtoei 
genuefif(^e  ^riefter,  bie  in  bie  beiben  legten  ©c^riften  3luguftin8  jid^  nic^t  finben  tonnten, 
erbaten  unb  erhielten  \>on  $rof))er  responsiones  ad  excerpta  Genuensium  (MSL 
51,  187—202;  Aug.  X,  1850—1858).  M  biefe  ©c^riften  tragen  ben  5RebentiteI  „pro 
Augustino''.  aber  bie  ®egner  tuirflic^  „für  äuguftin"  ju  gewinnen,  h?ar  ^rof^er^  25 
betriebfame  Unfelbftftänbigleit  aufeer  ftanbe  (t)gl.  33b  XVI,  125, 9  ff.),  gr  unb  fein 
^eunb  §ilariu^  machten  fid^  be^j^alb,  fj)ätcfteng  ^tü^jal^r  432,  auf  nac^  SRom,  um  bort 
ßilfe  JU  fuc^en.  ßäleftin,  ber  bi^^er  atö  ein  entfd^iebener  ®egner  be«  ^elagiani^mu^ 
fxd}  ertütefen  ^atte  (t)gl.  93b  XV,  774,  uff.),  fonnte  ftd^  i^nen  nic^t  ganj  entließen.  35o(^ 
ift  bie  ©igenart  be«  Sriefe^,  ben  er  auf  tl^re  3SeranIaffung  an  bie  gattifd^en  33ifc^öfe  30 
richtete  (Jaffa  ^Rr.  381;  Aug.  X,  1755  f.  c.  I  u.  II;  über  III— XIII  f.  u.  ©.  199,  24  ff.), 
getüi^  ntd^t  nur  baburc^^  ju  erflären,  bafe  ßäleftin,  h)ie  feine  S3riefe  im  neftorianifc^en 
©treit  betoetfen,  grofe  barm  toar,  über  bogmatifc^e  J^agen  ^o^e  2Borte  ju  machen,  ol^ne 
irgenbmie  auf  bie  ©ad^e  felbft  einguge^en.  ßäleftin  h?o Ute  offenbar  nid^t  ©teDung 
nel^men.  ©eine  9Äa^nung  an  bie  gatlifc^en  Sifc^öfe  (ju  benen  auc^  $ilariu^  t).  3trle«  35 
gehörte!),  fie  foüten  bie  „$re«b^ter"  jurüdtf^alten,  bie  nad^  bem  93eri4t  be«  $rofj)er  unb 
$ilariu^  bie  (Sintrad^t  ber  Äird&e  ftörten,  inbem  fie  ungehörige  fragen  anwürfen,  fear 
unfaßbar ;  feine  ß^renerllärung  für  XUuguftin :  Augustinum  sanctae  recordationis  virum 
pro  vita  sua  atque  meritis  in  nostra  communione  semper  habuimus,  nee 
unquam  hunc  sinistrae  suspicionis  saltem  rumor  aspersit,  fd^tt^ieg  ^on  feiner  Sebre  40 
unb  grünbete  feine  S^Ö^I^örigfeit  ju  ben  magistri  optimi  nur  auf  bie  ©elel^rfamleit, 
bie  er  bei  feinen  Sebjeiten  (olim)  befcffen  l^atte.  ®g  toar  fc^toer  gu  fagen,  h?en  bie« 
römifc^e  Drafel  meinte,  toenn  e«  forberte:  desinat  incessere  novitas  vetustatem! 
3)ie  3)inge  in  ©allien  blieben  ftc^  felbft  überlaffen.  ^rofper  ^at  nac^  feiner  Slücflel^r 
bie  ^olemif  fortgefe^t:  feine  ©egenfd^rift  gegen  bie  collationes  Gaffian«  (de  gratia  « 
dei  et  libero  arbitrio  contra  coUatorem,  MSL  51,  213—276;  Aug.  X,*'1802— 1834) 
ift  433  ober  434  toerfafet  (ügl.  oben  SbXVI,  125  f.).  5Die  ©c^rift  geigt  trofe  il^re«  toer^ 
fö^nlid^en  ©(^luffe«,  bafe  bie  ©egenfä^e  fid^  fe^r  üerfc^ärft  l^atten.  ©ie  geigt  aber  jugleic^, 
bafe  ^xo^pct  einen  ©ieg  feiner  ©ac^e,  tüenigftenö  gunäc^ft,  nic^t  gu  erhoffen  toagte.  ®r 
verliefe  auc^  ben  ©d^au^jla^  be«  ©treite«  (33b  XVI,  126,  uff.)  unb  l}ai  toon  9flom  au«  so 
nic^t  me^r  in  i^n  eingegriffen.  Xa^  in  eben  biefer  ^dt,  ha  ^rofj)er  nac^  5Hom  über^ 
fiebelte,  434,  SSinceng  t).  Serinum  (MSL  50;  bgl.  b.  3t.)  fein  commonitorium  pro 
catholicae  fidei  antiquitate  jjubligierte,  beftätigt  ben  ®inbrucf,  bafe  ^rof})er  eine  l^offs 
nung«lofe  ©aAe  im  ©tid^  lie^.  ©iege«geh?iffer,  al«  in  biefem  bie  ftrittige  ©nabenle^re 
gar  nicpt  bi«futierenben  33u(^e,  tonnten  bie  (Segner  Sluguftin«  gar  nic^t  auftreten.  65 
äuguftin  ift  in  biefer  berüf)mten  Schrift  freilieb  gar  ni^t  genannt.  2lber  )[ücnn  an 
Drigene«  unb  ^^ertuDian  bemonftriert  ivirb,  bafe  aud^  bie  Älügften  in  gefäJ^rlic^c  ^ntümer 
faden  fönnen  (17  al.  23  unb  18  al.  24),  fo  tpar  bem  gallif^en  Sefer  bie  2lnh?enbung 
auf  ben  großen  Stfrilaner  nidE^t  fd^tocr.  (i«  h?ar  auf  3luguftin  gemüngt,  \m^  Sinceng 
t>on  Origene«  fagte:   tantus  ac  talis,  dum  gratiae  dei  insolentius  abutitur,  dum  go 


198  Semtydogiaiiti^mttd 

ingenio  suo  nimium  indulget  sibique  saus  credit,  cum  parvi  pendit  antiquam 
christianae  religionis  simplicitatem,  dum  se  plus  cunctis  sapere  praesumit, 
dum  ecclesiasticas  traditiones  et  veterum  magisteria  contemnens  quaedam 
scripturarum  capitula   novo  more   interpretatur,    meruit,    ut  de  se   quoque 

5  ecclesiae  dei  diceretur:  ,,non  audies  verba  prophetae  illius"  (^t  13,3;  c.  17 
al.  23).  Unb  nictnanb  fonnte  jtücifcln,  toag  gemeint  toax,  toenn  Sincenj  auf  ber  fjolic 
feiner  Stu^fü^ngen  über  ben  redeten  2^rabttionali^mu^  ber  SKa^nung  Göleftin«  neue,  ein= 
brudt^boQe  Sebeutung  gab:  desinat  itaque  incessere  novitas  vetustatem  (32  al.  43)! 
3n  ber  I^at  behauptete  bie  Stnfc^auung  ber  ÜRaffilienfer  in  ©aDien  ba^  %d'b.    3)a6 

10  man  auc^  in  ©allien  toon  ben  SSertretern  ber  auguftinifc^en  ^räbeftination^Iel^re  toie  toon 
einer  neuen  ÄeftergnH)})e,  ber  ®nH)))e  ber  Praedestinati,  gerebet  bat,  ift  nid^t  gu  er^ 
toeifen.  ^enn  oer  über  praedestinatus,  bei  bem  fold^e  $olemiI  nacptveidbor  ift,  ftammt 
toa^rjd^einlicl^  nic^t,  tüie  man  frül^er  annahm,  au«  ben  Äreifen  ©aDiend,  bie  toie  bie 
aiaffilienfer  backten,  fonbem  au«  Ir9t)to=t)elagianif(^en  Äreifen  Italien«  (t>gL  Sb  XV, 

16  774,32ff.).  Unb  tüeitere  juberläffige  ^eugen  giebt  e«  nic^t  (ögl.  SßJalc^  V,  234 ff.). 
®a«  aber  ift  angune^men,  ba^  ber  Wl^f^xt^i  ber  gaQtfc^en  Sifc^öfe  ber  3^^  ^^  ^oO 
Sluguftin«  ))räbeftinatianif(^e  ©ebanlen  ate  eine  Äei^erei  erfc^ienen.  ^a,  ate  um  473 
(bgl.  93b  V,  783, 42)  ein  ^re^b^ter  Sucibu«  ftreng  t)räbeftinatianifci^e  ©ebanlen  ju  t)er- 
treten  geh)agt  ^atte,  l^aben  tro^  feine«  äBiberruf«  (pQl.  Faustus,  ep.  1  unb  2.  ed.  @ngek 

20  brecht  p.  161—168)  jtoei  ©^noben  (gu  3lrle«  unb  S^on),  beren  alten  toerloren  fmb,  bie 
^ärepe  au«brü(IU(^  berurteilt  unb  ben  93ifd^of  gauftu«  bon  SReji  beauftragt,  ber  Strle^ 
ber  ^räbeftinatianer  gegenüber  bie  toon  ben  ©^noben  vertretene  redete  Se^e  borjulegen. 
3)ie  llbri  duo  de  gratia,  bie  gauftu«  bann  öerfaftte  (bgl.  oben  S3b  V,  784,  isff.), 
fte^en  toefentlic^  auf  bem  gleichen  ©tanbjjunit  toie  ßafftan:   öon   bem  pestifer  doctor 

25  Pelagius  (1,1  ed.  (Sngelbred^t  p.  8,  23  f.)  n^iU  ^auftu«  ebenfo  toenig  tttoa^  tuiffen  tt>ie 
t>on  bem  error  praedestinationis  (prol.  p.  3,  9).  ^a,  nod^  me^r  al«  bei  ben  altem 
SKaffilienfem,  tritt  bei  gauftu«  ber  ßtnflufe  Stuguftin«  jurüd:  bie  innere  @nabe  fel^lt  gh)ar 
bei  il^m  nid^t  ganj  (Sffiörter,  ^ur  ©ogmcngefdj.  u.  f.  to.  ©.  52  f.),  aber  ein  befonberc« 
3ntereffe  für  fie  benät  fic^  bei  ^Jauftu«  nid&t.    3)a«   93eh)ufttfein,  eine  ©onberle^re  gu 

:jü  vertreten,  lag  babei  gauftu«  unb  feinen  2Ritbifd^öfen  gänjlid^  fem ;  i^re  anf^uung 
^errfc^tc  in  Pallien.  2)ie  Urteile  be«  ©ennabiu«  toon  3Kafftlia  (um  492)  über  bie  lirc^= 
lid^en  ©d^riftfteller  be«  legten  3iö^^^unb«t«  (Vgl.  oben  93b  VI,  514,  47  ff.)  finb  einer  ber 
Vielm  93eh)eife  bafür,  toie  felbftverftänblid^  feiner  ^^\i  biefe  ^errfc^aft  toar.  Unb  §ilariu« 
von  2lrle«  toie  gauftu«  von  Sleji  finb  ^eilige  ber  Äirc^e  il^rer  ßeimat  getüorben. 

35  5.  2)oc^  toaren  anbere  9lnfc|auungen  anberort«  nid^t  au«geftorben.  Vielleicht  aud^  in 
©aDien  nic^t  ganj  ol^ne  SBertretung.  2luf  jtoei  intereffante  anoni^me  ©<^riften,  bie  au« 
bem  5.  Qöl^r^unbert,   ber  3^^^   "^c^    430,   unb  Vielleicht  an^  bem    ©allien  biefer 

teit  ftammm,  unb  auf  bie  Haltung  be«  römifd^en  ©tu^le«  ift  ^ier  l^in^utoeifen.  2)ie 
cbriften,  bie  ic^  meine,   bie  libri   duo   de  vocatione  omnium  gentium   (MSL  51, 

40  647—712;  Vgl.  5IBörlcr,  3^^  2)ogmengefc^.  ©.  3—43)  unb  ba«  hypomnesticon 
contra  Pelagianos  et  Caelestianos  (Aug.  X,  1611—1644),  finb  jitoar  nic^t  bireft 
al«  ©trcitfc^riften  gegen  bie  ©nabenlel^re  aufjufaffen,  bie  von  ben  ^affilimfem  Ver- 
treten tüurbe.  Slber  fie  bcjc^äftigen  fic^  mit  ben  S^gen,  bie  burc^  fte  jur  35i«Iuffion 
gcftetlt  tüarcn,  unb  l^alten  babei  mel^r  al«  bie  TOafftlienfer,  freiließ  in  verfc^tebenem  ÜRafee, 

45  bie  Sinic  ber  auguftinijc^en  3:rabitionen  inne.  3)er  9Serfaffer  ber  libri  duo  de  vocatione 
omnium  gentium,  in  bem  man,  ol)ne  e«  betüeifen  ju  fönnen,  ben  fj)ätcm  römifc^en 
JBifd^of  ^co  finben  ju  fönnen  gemeint  l^at  (Vgl.  2Balc^  V,  90),  ift  im  toefentlic^en 
2luguftincr.  ^odj  fuc^t  er  gelegentlid^  (Vgl.  2,  25  p.  710f.),  vielleid^t  Von  ben  3Raffilimfem 
auf  bie  93abn  biefer  ©cbanlen  gcbrad^t  (Vgl.  oben  ©.  196,  64 ff.;  aber  Änfä^e  ftnb  audi; 

o()  bei  Sluguftin  vorl)anbcn,  Vgl.  JiJoof«,  2)®*  ©.391  2lnm.  5),  bie  §ärten  ber  augufti^ 
nifcben  2lnfd;auung  i^u  verhütten  burc^  bie  2lnna^me  einer  gratia  ober  benignitas 
generalis  nahen  ber  gratia  specialis,  ^ie  9Serl>üttung  bleibt  aber  fel^  burc^fic^tig. 
5)enn  ba  bie  ßrlangung  ber  gratia  specialis  nic^t  in  ber  Stellung  ber  ÜRmfc^en  gur 
benignitas  generalis,    fonbem  lebiglic^  in  ®otte«  Sffiitten  begrünbet  ift,  fo  ift'«  glei(^= 

55  giltig,  ob  ben  ftreng  ^räbcftinatianifdben  ©ebanlen  eine  gratia  generalis  Vorau«gel^t, 
ober  nidit.  —  ©clbftftänbiger  ift  ber  5>crfaffcr  be«  in  ber  3)ogmengefd^t(^te  bi«l^  um 
gebübrlid)  vernad^läffigtcn  Hypomnesticon.  3ä.^flnn  unb  ivo  e«  entftanben  ift,  läfet  ftc^ 
nid^t  ficf)er  fagen.  iic  $vpotl;efc,  e«  rüljrc  Von  5Rariu«  "üKercator  (geft.  nad^  451)  ^ 
(Vgl.   gegen   fie   aud;  ^b  XII,  :i\A,  isff.),  ift  in.  (r.  feiner  ernftlicben  Srtoägung  toert. 

eo  3)Jariu«  :9JJercator  n)ürbe,  um  Von  anberem  ju  fc^ioeigen,  Sluguftin  nic^t  unertoö^^nt  gelaf|en 


f)Qbm,  Doc^  mag  bic  ^^xt  ber  ©d^rift  bur(^  bieje  fi^ot^cje  ri(^tia  angegeben  fein. 
SebenfoII«  toitb  man  eine  ©c^rift,  bie  im  8.  ^al^bunoert  aü  auguftinifd^  galt  (togl. 
2oof«  3)®*  ©.  46i  anm.  5;  aber  auc^  S.  465  bei  änm.  5),  nid^t  über  bie  3eit  be« 
Säfariu^  t)on  9(rle^  (geft.  542)  ^inau^rücfen  bürfen;  unb  ba|  ein  ©d^riftfteller,  ber  bie 
ganje  burd^  äuguftin,  ^elagiu^  unb  bie  3JlaffiIicnfer  angeregte  ^age  bel^anbelt,  ol^ne  5 
äluguftin  §u  nennen,  e^er  in  ber  ÜRitte  be^  5.  S^W""*^^^  «I^  ^^  fed^ften  i^u 
benlen  ift,  toirb  tüal^rfc^einlid^  genannt  toerben  muffen.  ÜRit  ffia^d^einlid^feit  h?irb  man 
auc^  ©aüien  ate  bie  §eimat  ber  @(^rift  anfe^en  bürfen.  3Da^  ^jntereffante  an  ber 
Sc^^rift  ift  bie  Umbilbung  ber  auguftinifd^en  ©nabenle^re,  bie  in  i^r  Vorliegt.  @d^on 
$rofj)er  l^tte  toon  benen,  bie  ba^  donum  perseverantiae  nid^t  erhalten,  gefagt,  bafe  lo 
@ott  illos  niituros  propria  ipsorum  voluntate  praescivit  et  ob  hoc  a  filiis 
perditionis  nulla  praedestinatione  discrevit  (respons.  ad  cap.  Gall.  7.  Aug.  X, 
1836).  2)oc^  ifi  bie  annähme,  bap  fc^on  ^ier  bie  gnrefiftibilität  be^  göttlid^en  ©naben^ 
ipitten^  aufgegeben  fei,  tueber  nötig  —  benn  bie  propria  voluntas  ber  3Dlenfcben  brängt 
naturgemäß  bon  ®ott  ab,  tüenn  feine  ®nabe  fie  nic^t  ^ält  — ,  noc^  nad9  ^ro^er«  is 
fonftiger  Haltung  möglic^.  3)er  3}erfaffer  be«  $^})omneftifon  aber  t^ut  biefen  ©d^ritt: 
er  toertoirft  gtoar  bie  Segrünbung  ber  ^räbeftination  auf  bie  praevisa  fides  (6,  4,  5 
p.  1659),  aber  er  red^net  mit  ber  aftöglid^feit  eined  ffiiberftanbe«  gegen  bie  ®nabe 
(3, 13,  30  p.  1659),  bejeic^net  allein  bie  electi  atö  praedestinati  unb  fagt  t>on  ben  in 
maus  operibuB  praesciü:  bis  poenam  praedestinatam  esse  f atemur  (6,  5,  7  ao 
p.  1660;  \>qI  6,  8,  8  p.  1662).  —  Sä^nlic^^  fd^eint  man  in  SRom  ftd^  gefteUt  ju  ^aben, 
toenn  auc^  o^ne  fo  offen  e^  au«juft)re(^en.  SBir  ^aben  nämlic^  (t)gl.  SQSalc?  V,  82  ff. 
unb  Smolb,  Göfariu«  6.  335  ff.  2lnm.  1104)  ate  alten,  aber  unechten  ansang  ber  oben 
@.  197, 28  ff.  ertoa|^nten  epistula  Caelestini  adOallos  einen  compendiosus  indiculus 
ortbobojer  3flic^tlinien  gegenüber  irrigen  SorfteHungen  toon  ber  ®nabe,  beffen  ©ntfte^ung  25 
^toor  bunlel  ift  — ^.ö.Sc^ubert  211  XXIV,  4,  ©.  121  ff.  benit  mit  altem  ©elebrten  an 
eine  äbfaffung  burc^  ben  fj)ätem  ^a})ft  2eo  — ,  toon  bem  fid^  aber  bart^un  läßt,  bafe  er 
fc^on  um  500  ate  offizieller  3lu«bru(f  ber  ©nabenle^e  ber  sedes  apostolica  galt  (togl. 
\>.  Schubert  ©.  122).  3)iefe  „bogmatifd^e  3)enffd^rift"  fte^t  ^infid^tlic^  ber  3lnna^me 
ber  böUigen  Unfä^igfeit  be^  natürlid^en  TOenfc^en  jum  ®uten,  ber  Slotloenbigleit  ber  so 
gratia  praeveniens  unb  in  93e}ug  auf  bie  älnna^me,  baß  nur  ®otte^  ®nabe  ba^ 
perseverare  ermöglid^e,  toie  ba«  $t^j)omneftiIon,  burd^au«  auf  auguftinifd^em  ©tanb« 
fünfte.  3lber  öon  einem  irrefiftibelen  ffiirlen  ber  ®nabe  unb  t)on  ber  ^räbeftination 
tüirb  nic^^t  gefj)ro(^en;  unb  toenn  e^  in  bem  Sc^lufeabfc^nitt  Reifet:  profundiores  vero 
difficilioresque  partes  incurrentium  quaestionum,  quas  latius  pertractarunt,  85 
qui  baereticis  restiterunt,  sieut  non  audemus  contemnere,  ita  non  necesse 
babemus  astruere,  fo  fmb  hiermit  biefe  fragen  auc^  bann  a\x^  ber  Steige  ber®lauben^s 
fragen  toeggerüdt,  tomn  man,  toa^  mir  jtpeifelf^aft  erfc^eint,  mit  2(molb  (©.  339) 
astruere  mit  „^injufügen"  an\iaii  mit  „bel^au))ten"  (b.  i.  aU  betoei^bare  i^efe  l^inftellen) 
überfe^en  fönnte.  —  4)afe  bie  Schriften  be«  gauftu«  toon  Sleji  fd^on  im  enbenben  40 
5.  ^al^r^.  in  9tom  ^u  ben  libris  non  recipiendis  gerechnet  toorben  feien  (decr.  Gelasii ; 
i>gl.  oben  33b  VI,  475,  uff.),  ift  ba^er  ni^t  unmöglid^;  aber  felbft  mnn  ba«  decretum 
Gelasii  ed^t  toäre  (t)gl.  j.  8.  Äod^,  ^auftu«  S.  57  ff.),  fo  toäre  nod^  nidj^t  ftd^er,  baß 
bie  9Jennung  ber  „opuscula  Fausti  Regiensis"  bem,  urf))rünglid^en  lejrte  angehört. 

6a.  SWic^t  bie  98erfd^ieben^eit  be^  römifc^en  unb  be«  gatlifc^en  ©tanb^unfte^  i^at  bie  46 
^toifd^en  $ro^er  unb  ben  SWaffilienfem  erörterte  Streitfrage  toieber  aufleben  laffen.  Sluf 
einem  eigentümlichen  Umtoege  toarb  bie  ^Jwge  neu  angeregt.  Site  nämlid^  519  in  Äon« 
ftantinojjel  gelegentlich  be«  ©treite«,  ber  gtoifd^en  ben  ff^tl^ifc^en  3Jlönd^en  unb  ben  pä)p\U 
lid^en  Segatcn  über  bie  gormel  k'va  tfjg  Aylag  rgiddog  jujiov^h^ai  oagxi  tntbxannt 
toar  (ögl.  Sb  XI,  397, 23  ff.),  ein  in  Äonflantinopcl  toeilenber  afrilanifc^er  Sifc^of,  w 
^offeffor,  ben  fiegaten  u.  a.  mit  einer  Berufung  auf  gauftu^  l)on  Sleji  ju  §ilfe  gefommen 
toar  (togl.  Soofd,  Seontiu«  ©.235;  Äoc(),  ^auftu^^  ©.  67ff.),  ertlärten  bie  ff^it^ifd^en 
9Rönd^e,  bie  mit  bem  2lbenblanbe  nid;t  außer  3"fammen^ang  ftanben  —  3Rajentiu^,  il^r 
gül^er,  fc^rieb  lateinifc^,  fannte  unb  citierte  2luguftin  — ,  ben  $offeffor  unb  alle,  bie 
i^m  juftimmten,  für  ^elagianer  (ep.  Max.  ad  legatos  MSG  86,  85  B  =  Aug.  X,  1771 :  65 
Pelagii  et  Caelestii  sectatores).  ßin  ©treit  über  bie  Crt^obojie  be«  ^auftu«  begann. 
Unb  ate  im  guni  519  einige  ber  fl^ll^ifc^en  5Rönd^e  nad^  SRom  reiften,  um  ben  bortigen 
Sifd^of  ^ormi^ba«  für  ftd^  p  getoinnen,  toar  bie  2)e^at)ouierung  be^  gauftu^  einer 
i^er  SBünfc^e.  Der  $a})ft  ^ielt  toä^renb  il^rer  faft  üierje^nmonatlic^en  Slntoefenbeit  in 
9(om  mit  einer  ©nlfc^eibung    ä^urücf ;    unb  ate   er  nac^  i^rer  flud^tä^nlid^en  Slbreijc  am  60 


200  Semtfidagtaittdmtid 

13.  3(u0uft  520  bcm  ^oReijor  auf  feine  am  18.  3"ti  520  in  SRom  eingelaufene 
(nid^t  bamalö  erft  gefc^riebene  —  gegen  Soofö,  Seontiu^  ©.  233)  2lnfrage  änttoort  gab 
(epp.  pontif.  ed.  I^iel  ep.  124  p.  929,  Aug.  X,  1777),  erflärte  er  nur,  baft  gauftug 
ebenfo  hjenig  h?ie  alle,  bie  in  bie  3^W  ber  autoritatiben  Säter  nid^t  aufgenommen  feien, 

6  ber  entfd^eibung  einer  bogmatifd^en  grage  ^u  j)räiubi|\ieren  bermöge  (bgl.  oben  93b  VIII, 
357,  3  7  ff.).  3"  einem  §äretifer  ftem})elte  er  ben^auftu^  nid^t,  obgleid^er  annahm,  bafe 
Unrid^tige^  (incongrua)  in  feinen  ©c^riften  enthalten  fei.  SBenn  ^ormi^ba^  gleid^geitig 
für  bie  rechte  Se^re  de  arbitrio  libero  et  gratia  fic^  auf  2lugufting  ©d^riften  an 
§ilariug{  unb  ^ro^er  {\>qI  oben  ©.  196,  5  7  ff.)   berief,  fo  barf  man  barau^  nic^t  mit 

10  mnolb  (©.  333)  folgern,  bafe  ^ormi^ba^  bie  ftrengfte  ^Jaffung  ber  ^räbeftinationdle^re 
aU  fatl^olifd^  anerlannt  ^abe.  Ober  barf  bie  ^räbeftination^Ie^re  ber  Formula  con- 
cordiae  mit  ber  Sutl^er^  gleic^gefeftt  toerben,  toeil  bie  Formula  eoncordiae  (3lec^.668, 44) 
auf  Sutl^er^  ©d^rift  de  servo  arbitrio  bertoeift?  —  2)ie  fl^t^ifc^en  3Könd^e  aber  l^atten 
injtüifc^en  an  anberer  ©teile  33urtbeggenoffen  gefunben.  ffiol^l  noc^  bon  SRom  aud  ^tten 

16  fie  fid^  brieflich  mit  ber  33itte  um  3upi»"«^wn0  ju  i^^^"  d^riftologifc^en  unb  antitjelagia^^ 
nifd^en  ©ebanlen  an  mel^rere  afrifanifc^e  93ifc^öfe  getoanbt,  bie  bamafe,  unb  bi«  523,  in 
©arbinien  in  ber  98erbannung  lebten  (t?gl.  bie  epist.  Petri  et  sociorum  MSL  65, 
442—451  unb  j.  %.  Aug.  X,  1772—1776).  gulgentiu«  bon  JRu«t)e  (togl.  93b  VI, 
316—318),  einer  biefer  3l^faner,  fd^rieb  barauf  (520)  namen«   feiner  aUitberbannten 

20  ad  Petnim  diaconum  de  incarnatione  et  gratia  (MSL  65,  451 — 493),  f^äter  bie 
berlomen  fteben  93üd^er  contra  Faustum  (togl.  93bVI,  3 18, 35  ff.),  bie  ©d^rift  de  veri- 
tate  praedestinationis  (MSL  65,  603—671)  unb,  mieberum  im  SSerein  mit  anberen 
93ifc^öfen,  bie  fog.  epistula  synodica  (MSL  65,  435—442  unb  Aug.  X,  1779—1785). 
3n  biefen  ©c^riften  f^ric^t  ein  Stn^änger  ber  genuin  auguftinifc^en  älnfc^auung.   ©elbft 

25  Sluguftin^  ^räbeftinationölel^re  ift  unberfürjt  ^ur  ®eltung  gebrad^t :  Jacob  justificatus 
gratis  per  gratiam  dei,  factus  est  vas  misericordiae  per  indebitam  gratiam 
et  per  ipsam  misericorditer  est  praeparatus  ad  gloriam;  Esau  vero  per  iram 
justam  juste  est  praeparatus  ad  poenam  (ep.  syn.  7.  Aug.  X,  1781);  unb  1  ^i 
2,  4  toirb    ganj   im  ©inne  äuguftin^  (bgl.  j.  93.  enchir.  103,  27.   VI,  281)   erflärt: 

ao  omnes  auteip  praedestinati  ipsi  sunt,  quos  vult  salvos  fieri  et  ad  agnitionem 
veritatis  venire,  qui  propterea  „omnes"  dicuntur,  quia  in  utroque  sexu  ex 
omni  hominum  genere,  gradu,  aetate  et  condicione  salvantur.  semper  quippe 
voluntas  dei  omnipotentis  impletur,  quia  potestas  ejus  nullatenus  vindtur 
(ep.  syn.  14.  Aug.  X,  1783). 

35  6b.  gür  ben  ®ang  ber  3)inge  iourbe  biefer  SSorftofe  gegen  gauftu«  fretlid^  nur  in^ 
fofern  unb  nur  in  bem  5Kafee  toi^tig,  ate  er  Slom«  S^^^^^fl^  %  ba^  ©rbe  Sluguftin^ 
neu  anregte.  Slber  ba^  S^^^^ff^  erhielt  in  ©übgaüien  ©elegenl^eit,  toirlfam  ju  toerben. 
§ier  toar  ßäfariu^  bon  2lrle^  (geft.  542),  obtoo^l  er,  felbft  ein  S^glinfl  bon  Serinum, 
ben  gauftug  in  me^rfac^er  §infi^t  fc^ä^te  (bgl.  2lmolb  ©.  324),  ein  be^utfamer  9Ser= 

40  treter  cc^t  auguftinifd^er  ©ebanfen  (bgl.  93b  III,  626, 25 ff.;  bod^  l^at  Gäfariud  in  feinen 
$rebigten  mit  irrcfiftibelem  SBirfcn  ber  ®nabe  anfd^eincnb  nid^t  gered^net,  bgl.  g.  93. 
Aug.  sermo  suppos.  273,  1.  V,  2256:  caritatem  in  corde  nostro,  deo  inspirante, 
si  in  veritate  volumus,  sine  aliqua  dubitatione  habere  poterimus).  3)ie 
gatlifc^en  Öifcf^öfc  badeten  nod^   je^t  bielfac^  anber^.    3)ie   lird^enpolitifd^en  ®egncr  be^ 

45  (Säfariu^  nabmcn  bal^er  an  feiner  Se^rtreifc  2lnlafe,  il^n  bogmatifd^  gu  berbäd^tigen  (bgl. 
airnolb  e.  344  f.  348  f.).  (Sine  ©l;nobe  gu  Syaleucc  (528  C,  iebenfattg  bor  3ult  529; 
bgl.  93b  III,  626, 9 ff.),  auf  ber  bie  Sej^rc  bc«  ßäfariu«,  ber  nid^t  erf(^ienen  toar,  an^ 
gegriffen  unb  bon  feinem  ©cbüter  6^i))rian  bon  3:oulon  berteibigt  tourbe,  mufe  93cfd^lüffe 
gefaxt   l^aben,    bie    mcl^r  ber   (Sntfcbcibung    bon  473    (bgl.  oben  ©.  198, 20)    al«f   ber 

50  f^ätercn  Crt^obojie  entf^racbcn  (bgl.  Sb  III,  626,  3 ff.;  Slrnolb  349 f.).  ÜRit  ^ilfe  SRom« 
fül^rte  ßäfariuö  einen  ©egenfdilag  au^:  seeundum  auctoritatem  et  admonitionem 
sedis  apostolicae  approbierte  am  3.  ^uli  (93b  III,  626,  1  u.  11  ift  ^uni  2)ru(ffelj^ler) 
529  bie  unter  feinem  Sorfi^  gelegcntlid^  einer  Äirc^tüeil^  gel^altene  ©^nobe  bon  Orange 
eine  ?Rcibe,   tt>al;rfc^einlic^>  burrf)  Gäfariu^  leidet  rebigiertcr  unb  mit  9Sorh)ort  unb  6j)iIog 

55  bcrfebencr  capitula  ab  apostolica  sede  transmissa,  bie  negatib  in  8  Canones  unb 
pofitib  in  17  tocitcren,  au^  ^rofperei  sententiae  ex  Augustino  (Aug.  X,  1859—1898) 
ent(cl;nten  ©ä^cn  eine  ©nabcnlebrc  enttoidteln,  bie  nic^t  nur  ju  allem  ^elagianiömu^^  im 
®egen)a|  ftebt,  fonbcrn  teilnjeijc  aud>  ben  ©ebanfen  entgegentrat,  bie  bor  100  ^af)xm 
in  ©atlien   bie  .öerrfdbaft  erlangt   battcn   unb  U>ahrfd;einlicb  noc^  3!Jlajorität^nf(^auung 

»H)  toaren   (MG  leges  III,    concilia  I  ed.  'JüJaafjen  ©.  44—54;    Aug.  X,  1785—1790; 


Semtfielagiatiii^iiittd  201 

öqI.  3lrnolb  ©.  533 ff.).  3)ie  öölligc  Unfä^igfeit  be^  natürlichen  SKcnfd^cn  jum  ®utcn, 
bie  Scbingtl^eit  alleö  menfc^lic^en  ©ut^anbeln^  burc^  bic  Onabe,  b.  i.  bic  Infusio  et 
inspiratio  sancti  Spiritus,  unb  ba^  aQe  merita  unb  aQe^  mcnfc^lic^e  SßoQen  bebingenbe 
praevenire  ber  ®nabc  ift  in  biefem  ©^nobalbefd^Iufe  bcutlic^  gum  Sluöbrucf  gebracht: 
nemo  habet  de  suo  nisi  mendacium  et  peccatum  (c.  22;  t)gl.  1  u.  7);  nulla  5 
facit  homo  bona,  quae  non  deus  praestat,  ut  faeiat  homo  (c.  20;  togl.  3—8); 
debetur  merces  bonis  operibus,  si  fiant,  sed  gratia,  quae  non  debetur,  prae- 
cedit,  ut  fiant  (e.  18;  iDgl.  3  u.  4);  in  omni  opere  bono  nos  non  incipimus  et 
postea  per  dei  misericordiam  adjuvamur,  sed  ipse  nobis  nullis  praecäentibus 
bonis  meritis  et  fidem  et  amorem  sui  prius  inspirat,  ut  et  baptismi  sacra-  lo 
menta  fideliter  requiramus  et  post  baptismum  cum  ipsius  adjutorio  ea,  quae 
sibi  sunt  i^acita,  implere  possimus  (epU.);  si  quis,  ut  a  peccato  purgemur, 
voluntatem  nostram  deum  exspeetare  contendit  .  .  .,  resistit  ipsi  spiritui 
sancto  (c.  4).  2)ic  grteftftibilität  ber  ®nabe  aber  ift  ntrjenb^  be^auj)tet :  einem  3tu8* 
cinanberbolten  toon  3:aufe  unb  ®nabenmitteilung,  tote  ^  bei  2luguftin  mebrfad^  fonftatiert  i6 
toerben  fann  (ögl.  oben  93b  II,  280, 31  ff.  unb  Soofg  3)®*  §  51,  5c),  ift  bcrSoben  ent^ 
jogen  unb  toon  ber  ^räDeftination  toirb  nur  in  ber  gorm  einer  Stbtüetfung  ber  prae- 
destinatio  ad  malum  gefj)ro(i^en:  hoc  etiam  secundum  fidem  catholicam  credimus, 
quod  post  acceptam  per  baptismum  gratiam  omnes  baptizati  Christo  auxiliante 
et  cooperante,  quae  ad  salutem  animae  pertinent,  possint  et  debeant,  si  fide-  20 
liter  laborare  voluerint,  adimplere.  aliquos  vero  ad  malum  divina  potestate 
praedestinatos  esse,  non  solum  non  credimus,  sed  etiam,  si  sunt,  qui  tantum 
mali  credere  velint,  cum  omni  detestatione  Ulis  anathema  dicimus  (epil.). 
2tuf  Gäfariu«  Sitte  ^at  Sonifag  II.  toon  5Rom  (530—532)  biefe  Sefc^Iüffe  i)on  Drange 
beftätigt  (Jaffö  SWr.  881;  Aug.  X,  1790  ff.),  unb  infolgebeffen  ^at  im  Saufe  ber  3eit26 
biefe  „©^nobe"  toon  Drange,  an  ber  aufeer  Säfariu«  nur  13  anbere  Sifd^öfe  unb  8  tvdU 
lic^c  ®rofee  teilnahmen,  eine  tüeit  größere  Sebeutung  erlangt,  atö  jm  3ci*  i^ter  2^agung 
ertüartet  toerben  fonnte:  bie  Stften  ber  Strelatenfer  unb  2v«>"^f«  ©^nobe  toon  473  unb 
bie  ber  ©^nobe  toon  SSalence  (528)  fmb  untergegangen;  in  ben  Sefd^IilRen  ber  ©^nobe 
toon  Drange  aber  ^at  bie  ^olgejeit  bie  offi^ieSe  gntfd^eibung  ber  „femij)elagianifc^en"  ao 
flontrot)erfe  gefunben.  3)ie  SBeftimmung  be«  3"^öJ^^  wnb  Umfang«  be«  ^^erminu« 
„©emij)elagiani«mu«"  tüirb  hierauf  Sücfjid^t  ju  nehmen  ^aben  (t)gl.  9lr.  7  unb  8). 

7.  3)en  9KaffUienfern  galt  ^elagiuö  ate  Äefeer ;  bie  antitjelogianifd^en  Sefd^lüffe  be« 
fartj^ginienfifc^en  Äonjite  bon  418  (ogl.  oben  ©.193, 36  ff.)  f)ahm  fte  anerfannt.  ©ie 
teilten  äuguftin«  3luffaffung  ber  ®nabe  unb  ebenfo  feine  2:^efe,  bafe  ber  3Renfc^  jum  86 
®ut^anbeln  biefer  inspiratio  gratiae  bebürfe.  9(ber  fte  lehnten  ben  auguftinifc^en 
SRonergidmud  ab;  fie  backten  f^nergiftifc^  bie  ßntfd^eibung  über  be«  ^Jlenfc^en  etoigeg 
®ef(l^i(!  abhängig  baöon,  ob  ber  3Renfci^  Iraft  Jciner  ^ei^eit  toerlangenb,  bejto.  jus 
ftimmenb,  bem  2Birfen  ber  ®nabe  fid^  öffne,  ober  um  bie  ®nabe  fid^  nic^t  fümmere, 
bejh).  fie  i)on  pd^  ftofee.  3)ie  auguftinijc^en  il^efen,  bafe  bie  fides  lebiglic^  eine  SBJirfung  40 
ber  ®nabe  fei;  bag  ber  ®nabe  nullum  hominum  resistit  arbitrium  (oben  ©.  195, 22); 
bag  fc^led^terbingS  fein  menfc^lic^e«  %f)un  al^Urfac^e  ber  göttlichen  ®nabentoirIung  (aU 
fie  bebingenbe«  meritum)  in  Setrac^t  fomme;  bafe  aljo  ba«  ©eligtoerben  berer,  bieburc^ 
bic  ®nabe  gerettet  toerben,  nur  in  ber  göttlichen  electio  feinen  SHealgrunb  f^abt:  biefe 
X^efen  alle,  bie  lebiglic^  Äonfequenjen  be«  ftrengen  3Konergigmu«  finb,  toaren  i^nen  um  46 
annel^mbar.  SBenn  man  biefe  Stnfc^auung  al«  „©emipelagiani^mu^"  begeic^net  ^at,  fo 
ift  man  babei  toon  ber  3Sorau«fe^ung  au^cgangen,  bie  T)ifferenj  jtoifd^en  Stuguftin  unb 
5ßelagiu«  l^abe  le^tlic^^  barin  beftanben,  ba^  bie  Slettung  berer,  bie  feiig  toerben,  toon 
äuguftin  allein  auf  bie  ®nabe  ®ottc«,  üon  ^elogiu«  allein  auf  ba«  o^ne 
bie  gratia  inspirationis  mögliche  ®ut^anbeln  be«  ^enfd^en  )urüc!gefü^rt  toerbe.  60 
3)er  ©^nergi^mu«  ber  5Waffilienfer  erfc^ien  bann  im  ©egenfa^  jum  3Jlonergi«mu« 
äuguftin«  aU  „falber  ^elagiani^mu«".  SDiefe  2luffaffung  be«  ®egenfa$e«  jtoifc^en 
aiuguftin«  ®nabenle^re  unb  ^clagianifc^em  i)enfen  ift  nic^t  falfd^,  unb  bie  ent^ 
fj)rec^enbe  Beurteilung  ber  majfilienfifc^en  ©nabenlel^re  ift  bom  ©tanbjjunite 
äuguftinö  unb  ^rofjjer^  au^  burc^au^  begreiflich:  reliquiae  be^  ^elagia-66 
ni^mu«  fanben  Sluguftin  unb  ^roftjer  bei  ben  3WaffilienJern.  aber  ift  e«  berechtigt,  bic 
©nabenle^re  Stuguftin«,  bie  aU  ®an^z^  in  ber  römifc^en  Äird^e  nie  anerlannt  ift,  aU 
SKafeftob  gur  Slbgremung  eine«  le^erifc^cn  „  . , .  iömu«"  ju  gebrauchend  ^ft  irgenb  ein 
t)on  ber  Äirc^e  i^rer  ^ut  öertoorfener  Jjelagianifc^er  ®ebanle  bei  ben  ©emis 
J)elagianem  nad^toei^bar'^    Äann  man  ijertcnnen,  bajj  ber  ©cmi))elagiani«mu«  ber  antisso 


202  Se»t)ieIogtoittdanti 

^clagianifd^c  ÜBuIgärfat^oIici^mud  ber  ^^xt  foax,  ber  fetner  fttrc^Uc^feit  o^nc 
©elbfttäufc^ung  [\ä)  betoufet  fein  lonnU'^  —  3)iefe  gragen  beabft(^tigen  nic^t,  ben  2:er- 
minu«  „©emi})ela0iani§mu«"  aU  unbrauchbar  beifeite  ^u  fd^ieben.  SBenn  ic^  (fc^on  ^®* 
S.  219)  bemerft  ^abe,  man  fönne  bie  ©emi^elagianer  mit  fafl  bemfelben  SRcc^^te   ate 

5  ,,®emi:9(u0uftiner''  bejeid^nen,  fo  foQte  ba^  nur  i^r  Ser^ältnid  )u  äiuguftin  tenngeic^nen. 
@ie  fo  )u  nennen,  toäre  t^öricpt,  nid^t  nur,  tt>eil  ber  ^erminud  Semi^elagiani^mu^  ein:: 
aebüraert  ift,  nein  auc^  be^^alb,  tüeil  nic^t  in  bem,  toad  bie  ©emi))ela0ianer  mit 
äuguftin  gemeinfam  f^atttn,  i^re  f})äter  jenfurierte  ^eterobo^e  befianb.  2)er  3!enninu^ 
,,@emi))elagiani^mu^''  f)at  fein  Siecht;  benn  bie  (Semi))elagianer  backten,   toie  $elagiud, 

10  anti-auauftinifd^  nic^t  nur  ^inftc^tlic^  folc^er  fünfte  ber  ®nabenle^re  äluguftind,  bie  Don 
ber  fatpolifd^en  Äirc^e  nie  approbiert  ftnb,  fonbem  auc^  in  8ejug  auf  einige  I^en,  beren 
9Jegation  f>)äter  bon  ber  Äirc^e  au«brücHic^  verurteilt  ift  (tjgl.  Ärüger  2^23  1895 
Bp.  868 f.)*  ^ad  aber  beabfic^tigen  bie  obigen  ^u^fül^rungen  gu  geigen,  bag  ed  un- 
bered^tigt    ift,    aU  „femi<)elagianifc^"   aud^   fold^e  äbtoeidS^ungen   ber  SKaffilienfer   toon 

16  äuguftin^  (Snabenle^re  gu  bejeid^nen,  bie  in  Orange  529  nicbt  genfuriert  finb.  3)en 
t^omiftifc^en  ®egnem  ^JKoIina«  unb  in  noc^  ^ö^erem  ÜRafee  allen  ftreng  jjräbeftinatianifc^ 
ben!enben  ^roteftanten  mag  folc^  tveite  S^ifu^^d  ^^  Segriff^  polemifc^  brauchbar  getvefen 
fein;  geredet  gegenüber  ber  römifc^en  Äird^e  ift  pe  nid^t.  9lur  nad^  bem  ÜRaftftobe  ber 
fj)ätem  offiziellen  Sel^e,  nid^t  na6^  bem  genuinen  Sluguftini^mu«  barf  ber  Qn^lt  be« 

20  ^egriffe^  @emif)e(agianidmud  abgegrengt  tt)erben.  ^ür  ben  @emi))elagianidmud  aU  gen- 
furierte  ^ärefte  ift  bemnad^  —  unb  ba)u  pa^t,  baf  felbft  9(ugufHn  bied  bome^mlic^  an^ 
gegriffen  f)at  (bgl.  oben  ©.  194, 1 7 ff.  unb  197,  sff.)  —  nur  bie«  oI«  fflefen^merfmal 
audjugeben:  1.  bafe  er  ba«  ftete  praevenire  ber  gratia  leugnete;  unb  im  3^0'"'"^"' 
l^ange  bamit  2.  ni(|t  anerkannte,  ba^  fd^on  bie  fides  ein  donum  dei  fei;  ba^er  3.  ben 

25  natürlichen  ^enfc^en  nic^t  atö  böQig  unfähig  gum  tt)al^r^aft  ®uten  anfa^ ;  unb,  tnfofem 
er  bie  f))ontane  3ufii^mung  be«  ^enfc^en  gu  einer  Sebingung  ber  göttlid^en  ©naben^ 
tt)irfung  ntad^te,  4.  bie  ®nabe  secundum  aliqua  merita  mitgeteilt  backte.  —  3Ran 
mag  ba^er  fagen,  ber  Äart^agienfer  SSitali«  unb  bie  3Jlönd^e  bon  ßabrumetum  feien  bie 
erften  ©emijjelagianer  gehjefen,  ^ieron^mu«  unb   ja^llofe  anbere  Ratten,    gleic^toie  ber 

80  jüngere  Stuguftin  felbft,  „femit)eldgianifc^"  gebac^t,  e^e  e«  einen  Semij)elagiani«mud  gab. 
®oc|  ba,  tüo  fpäter  ba«  Arausiacum  \)on  529  anerfannt  tüorben  ift,  f^eint  mir  für 
fd^lanfe  Slntoenbung  be«  lerminu«  „©emijjelagiani^mu«"  fein  Sledj^t  toorjuliegen. 

8.  3)ennod^  läfet  fic^  nid^t  leugnen,  bafe  eine  minber  enge  3lbgrengung  be«  3n^lt« 
unb  Umfang«  be«  Segriff«  „Scmi))elagiani«mu«"  einer  fritif^en  Setrad^tung  ber  römifd^- 

36  Kreislichen  ßnttüicfclung  na\)^  liegt.  2)ie  ©tetlung  ber  römifc^en  Äird^e  x\x  ÄugufKn  ift 
objeftib  unh?af^r^aftig.  Stuguftin  gilt  al«  ber  grofee  doctor  ecclesiae,  uno  bod^  ift  nicl^t 
nur  feine  ®nabenle|rc  nie  offiziell  anerfannt  toorben,  —  bie  fpätere  (Snttoidelung  ift 
auc^  vielfach,  ja  je^t  offiziell  (togl.  Soof«,  S^mbolif  I,  293),  o^ne  ba^  Stuguftin  je 
genfuriert  Sorben  ift,  toon  feiner  ©nabenle^re  nad&  tbzn  ber  SRid^tung  ^in  abgetotd^en,  bie 

40  ba«  „femi))elagianifc^e"  35enfen  c^arafterifiert.  "Sllan  toirb  ben  ®c^h?ierigleiten,  bie  burc^ 
biefc  fomjjlijierte  Sage  ber  2)ingc  gefc^affen  h?orben  fmb,  m.  6.  nur  burdj!  äntoenbung 
neuer  2:ermmi  geredet  h?erben  fönnen.  Unb  fcbon  ber  alten  Äirc^e  gegenüber  fommt  man 
o^ne  fic  nic^t  au«.  Tenn  bie  „objeftiöe  Ünh?a^r^aftigfeit"  ber  fatl^oIifc^sKrc^üc^en 
©tcHung  gu  2luguftin  h?urgelt  in  ben  Unflar^eiten,  bie  man  bereit«  bei  ber  „griebigung 

46  ber  femipclagianifcbcn  Äontrol^erfe"  übrig  ju  laffen  für  gut  ^ielt.  35ie  ®ntfc^eibung  toon 
Crange  ift  unflar,  hjeil  fie  mel^rbeutig  ift.  3)er  genuine  3tuguftini«mu«  ift  burc^  fie 
nid^t  au«gefc^loffen:  ba«  in  Scjug  auf  getaufte  (S^riften  gefagte  „si  fideliter  laborare 
voluerint"  (oben  ©.  201, 21)  fann  aucb  ein  ftrenger  3luguftiner  ftc^  zurechtlegen; 
benn  si  deus  miseretur,  etiam  volumus  (Aug.,  oben  Sb  II,  279,  ßo).    Änbrerfeit« 

50  aber  ift  aucb  bie  unauguftinifc^c  Slnnafjme,  ba^  ber  5KenfdS  ber  ®nabe,  bie  ü^n  retten 
tüill,  toiberflrcbcn  fönne,  burcb  ba«  Arausiacum  nicbt  Verboten,  ^a,  hrxxö)  ben  3Borts 
laut  ber  (Snifc^cibung  ift  biefe  Weinung  begünftigt.  —  3}a,  too  biefe  annähme  beutlic^ 
au«gcfprod^en  ift,  ol^ne  baf;  eine  ber  ^cnjurierten  fenütjelagianifc^en  D^efen  (bgl.  oben 
3cilc  23  ff.)   gebilligt   \mx\>    —    ^^uerft   ift  biefe  ©tcHung    im  $^j)omneftifon  nac^toei«.- 

66  bar  — ,  ba  liegt  fein  eigentlicher  ©emipelagiani«mu«  bor.  3)a  bleiben  allen  Ungetauften, 
aui}  ben  ungetauft  fterbcnbcn  ßbriftcnfinbern  gegenüber,  bie  9{ätfel  ber  ?Präbeftination 
bcftcf;en:  nur  iljr  5iicbt=Grn)älSltfein  ift  ber  ©runb  bafür,  bafe  bie  ®nabe  nie  berfuc^t 
l)at,  fie  ju  retten.  Docl;  in  ^cjug  auf  alle  föctauften  —  unb,  bon  totgebomen  ÄiiÄem 
abgefeben,  hatte  man  e«  balb  faft  au«fcl»lieftlid)  mit  (Getauften  ju  t^un  —  iDor  bei  biefer 

üo  öeftaltung   ber  ©nabenlel^re   bie  antiauguftinifd;e  2;enbenji  be«  ©emij)elaflioni«mu«  num 


@emt)ieliigtanii»iiitid  Seniler  203 

Stege  gelommen.  ^enn  h)enn  man  aud^  ba^  ^Itd^t^SBiberftxeben  ber  eleoti  uid^t  al^ 
@runb  tl^rer  electio  ausgab,  fo  \oaxi  bod^  ba^  praedestinare  poenam  bei  ben 
reprobi  auf  ba^  borJ^ergefe^ene  demeritum  tl^red  SBiberftreben^  begrünbet,  mithin  au6^  bic 
electio  mttbebingt  gebac^t  burd^  ba^  ^e^len  folc^  borau^gefe^enen  3Btberftreben^.  9(uguftin^ 
^räbeftination^Iej^e  n>ar  enttDurgelt;  bei  aQen  ®etauften  tvar  bie  @ntf(^etbung  über  il^  5 
etoigeS  @c^idfal  in  il^  liberum  arbitrium  gelegt,  ^ie  Srneuerung  ber  ^räbeftination^- 
le^e  äuguftin^  burd^  ©ottfc^all  (bgl.  »b  VII,  39—41)  erfc^ien  folc^eni  3)enlen  oI« 
$ärefie.  3^  ^«^^  be^balb  für  biefe  juerft  burd^  bai3  §i?j)omneftiIon  bertretene  Slnfc^auung 
bie  93ejei^nung  Ärto^to=©emi})eIaaiani«mug  borgefc^lagen  (3)®*  ©.462;  bgl. 
©.  547  Snm.  3).  Söeiter  alg  biefer  Kri?>)tO'©emi})eIagiani«miid,  ging  bie  franji^Ianif^e  lo 
©d^olaftif  fd^on  im  13.  ^a^rl^unbert  (bgl.  2oof«,  3)®*  §  65,  2):  mit  jpilfe  ber  fd^on 
im  ®attien  be«  5.  3i<»^^^wn^^^  (bgl.  oben  ©.  196,6i)  nac^toei^aren  Unterfd^eibung 
,^h)ifc^en  einer  gratia  generalis  grata  data  unb  ber  eigentlid^  rettenben  ®nabe  fotDie 
burd^  ©tatuierung  bon  merita  de  congnio  neben  ben  eigentlid^en  merita  (ben  merita 
de  condigno)  lam  man  ^ier  tro$  ber  Slnerfennung  ber  anttfemit)elagianifd^en  ©ä^e  bon  i6 
Orange  gu  SSorfteQungen,  bie  al$  femi^elagianifc^e  in  neuem  ®eh)anbe  bejeic^net  tperben 
fönnen.  ^6)  fyA^  für  biefe  ä(nfd^auung  ben  ^erminu^  9le0'6emi))elagianidmud 
in  aSorfd^Iag  gebracht  (3)®*  ©.  539;  bgl.  ©.  547  3(nm.  3).  9leo=©emi^eIagiani«mu« 
ober  minbeften^  Är^})tos©emi^eIagiant^mu«  lann  man  ber  römifc^en  Äird^e  ber  ©egen^ 
tport  mit  Stecht  nad^fagen.  Sovfi».     20 

Sentier,  3ol^ann©alomo,  geft.  1791.  — D.3o§.@oIomo@cmIcr8ficbcnöbcfd)rcibung 
Don  i^m  felbft  obgcfafit,  1.  Seit,  (352  ®.)  ^aflc  1781,  2.  t^cil  (384  @.)  1782;  Sr.  «ug. 
^olf,  lieber  |)errn  D.  @emleri»  le^te  SebenMage,  ^anel791;  ^iemt^tx,  @emlerd  le^te^euge^ 
nmgen  über  religiöfe  (^egenftänbe  jtpei  S^age  r>ox  feinem  ^obe,  ^Qe  1791;  @emler,  fie^ted 
©iQubcnSbefenntni^,  mit  S3orrebe  Don  (5.  ®.  ©*ü(i,  Königsberg  1792;  ^ofj.  ^ug.  9iöffe(t,  26 
De  Jo.  Sah,  Semlero  einsque  ingenio  imprimis  et  meritis  Id  interpretationem  ss.  scriptu- 
rarum  narratio,  obgebrudt  old  (Sinleilung  ^u  D.  Jo.  Sal.  Semieri  paraphrasis  in  primam 
JoaDDis  epiatolam,  Bigae  1792,  p.I— LXX,  ögl.  bie  beutfcbe  ©eorbeitung  biefer  ^bbanblung 
in  ^.  ^. iWiemetjer,  Scben.  eöarofter  unb  S3erbtenftc  golfe.  «ug.  m^tm,'2,  5lbt.,  ^aOe  unb 
SBctIin  1809.  @.  194—232;   g^efrolog  ouf  ba^  3a^r  1791,  gefommelt  t)on  gr.  ©cftlicbtegron,  80 

2.  go^rgang  2.  ©b,  ©ot^Q  1793,  @.  1—81. 

3.  ®.  ®tcbl6ont,  ?ingemcme  ©ibliot^c!  ber  biblift^en  Sitteratur,  5.  ob,  fieip,V9  1"93, 
giebt  am  ©c^Iufe  einer  längeren  @.  geroibmeten  ^b^anblung  (@.  1—183)  auf  6.  184—201 
„QU*  Teufels  geleiertem  S)eutfc^lQnb  unb  ^cinfiu«  oCIflcmetnem  ©üc^erüerieicftniS"  ein 
173  92ummem  umfaffenbed  „Ser^eic^nt*  ber  Semlerifc^en  ©(^riften",  bog  aber  no(^  feinen  86 
Ueberblict  über  feine  gefamte  (itterarifd)e  ^§ätt()feit  gewährt,  ba  ed  nur  bie  felbftftänbig  er- 
f^ienenen  Schriften  aufführt,  ntd^t  feine  ^^(bbanblungen,  9lecenftonen  u.  f.  \o.  ^ud  ber  umfana- 
rei(ben  fiitteratur  über  @em(er  fei  neben  3)tcftel,  ^ux  ^Bürbigung  SemlerS:  3bX6  12.  ©0, 
1867,  @.  471—498,  genannt:  %.  S'^olurf,  SSermifcftlc  ©Triften,  2.  Jeil,  Hamburg  1839, 
8.  39—83;  (§.  (5.)  ©cur,  3)ie  Einleitung  in  ba*  ^%  ol*  t^eolog.  ®ijfcnfd|Qft:  X^eol.  Sabr^  40 
bücber  t)on  5.  ©.  ©aur  unb  @.  Setter,  9.  ©b.  2:übingcn  1850,  @.  518-535,  berf.,  35ie 
(£pod)en  ber  Ürcftlicbcn  ®cfd)i4t*fcbreibung,  Tübingen  1852,  @.  132—145;  ®.  Ubl^ont,  3)ie 
nltcfte  tirc^cngef(t)tc6te  in  i^ren  neueren  2)Qrftenungen :  SbXb  2.  ©b,  1857,  S.  620—634; 
^.  ©(ftrnib,  3)ie  $bcoIogic  @cmlcr*,  9?örblingcn  1858;  SB.  (5Ja6,  ®efd|ic^te  ber  protcftantifd^en 
5)ogmati!,  4.  ©b,  ©erlin  1867,  @.  26—67;  ?(.  5)omcr,  ®cfcbi(bte  ber  protcftniitifdien  SCbco^  45 
logie,  ^Ün4cnl867,  @.  703—710;  ®.  ^ronf,  öJcfcbicbte  ber  protcftQntiid)en2:§eologie,3.S:eil. 
fiei<)ätg  1875,  ©.61—77;  ?J.  Xf^orfert,  9lrt.„3.e.  ©emlcr":  «b©33.©b,  1891,  6.698-704; 
©.  ©djraber,  ®ef(f)icbte  ber  5rtcbrid)«=Uniuerptät  au  ^oHe,  1.  3:eil,  ©crlin  1894;  @.  $aupt, 

3.  ©.  ©emier:  5)e©S  XXVII,  1902,  ©.  613-624. 

'Slaä)  langer  ©crnot^Iäfrigung  ift  ©emier  in  jüngfter  geit  ®cgcnftanb  mehrerer  größerer  so 
Unterfucbungen  geworben,  bic  M  ©crftänbni^  ©emier«  loefentlic^  gcfövbert  böbcn.  3)ur4 
ein  $rei8au8f(bretben  ber  Äarl  ©cbtt)QrÄ=©tiftung  mürben  ocranlafet:  ^.  ©aftrom,  3ob.  ©olomo 
©emier  in  feiner  ©ebeutung  für  bie  Jbeologie  mit  befonberer  ©erüdficfttigung  feine*  ©trcite« 
mit  ®.  (£.  Scfftng,  ©iefeen  1905,  unb  bie  gleicbbctitelte  ©cbrift  üon  QJ.  Äoro,  ©erlin  1905. 
3bnen  folgten  ©.  ^offmann,  2)ie  X^eologie  ©emler^,  i^^eipjig  1905,  unb  fi.  3fd)amacf,  fieifing  &5 
unb  ©emier.  (lin  ©eilrag  jur  @ntftebung«gef(öi(^tc  be«  SJationali^mu*  unb  ber  frilifcben 
X^eologic,  ©iefeeu  1905. 

©.  tourbe  am  18.  2)ejember  1725   ju  ©aalfclb   in  3:l^üringen  geboren,    h?o  fein 
3Sater  bie  ©teHung  eine«  Slr^ibiafonu«  einnal^m.   S(^on  ate  Änabe  jeigte  er  ben  munbcr* 
baren  SBifJen^burft,  ber  il^m  aU  erh?ac^fenen  ^J)tann  eißentümlid^  tuar,  er  berfc^Iang  bon  w» 
Suchern,  toag  fid^  i^m  barbot,  ejccerpierte  unb  l?erarbeitete  fie  fo  gut  er  fonntc  unb  bielt 
burd^  ein  ^{Kinomenale«®ebäc^tni«  feft,  tva«  er  einmal  in  fuJ^f  aufgenommen  battc.    ©ein 


204  eemler 

38ater,  bcr  atö  ^oHänbtfc^cr  gclbprcbtgcr  bic  SBcU  gcfe^en  ^attc  unb  felbft  gelehrte 
Sntcrcffen  U\ai,  brachte  biefen  Steigungen  trotte«  3?erftänbni«  entgegen  unb  unterftü^te 
pe,  aber  forgte  gugleid^  berftänbtgertüeife  bafür,  bafe  bie  Äörj)er^}flege  be«  Änaben  nid^i 
bemac^Iäffigt  tourbe.    SSon  großer  93ebeutung  für  ©.^  geiftige  ©nttüidelung  tüurben  feine 

6  Grfal^rungen  mit  betn  i)on  ^er^og  6mft  ßl^riftian  in  ©aalfelb  gejjflegten  ^ieti^mu^.  3)ie 
©c^ilberungen  ©J  toon  bem  ^ier  ^errfc^enben  3^reiben,  ben  ©rbauung^ftunben,  bem 
Einarbeiten  auf  Sefel^rungen,  bie  2lugnu|ung  ber  geiftlid^en  Sieb^abereien  be^  ^erjogö 
burc^  ftrebfame  unb  untoürbige  ©ubjefte  gehören  ^u  ben  toid^tigften  DueDen  für  bie 
®ef(^ici^te  be^  ^aUefd^en  ?ßieti^mu«  in  ber  $eriobe  feiner  gntartung  (p^l  oben  Sb  XV 

10  ©.  787).  3)er  3Sater  ftanb  in  feiner  ganjien  Seben^l^altung  biefem  bemonftratiöen 
ß^riftentum  nid^t  freunblic^  gegenüber,  aber  ^at  bem  ®rudf  bcr  bie  ©tabt  erfüttenbcn 
öffentlichen  3Jleinung  bann  bod^  nachgegeben,  anfangt  freilid^  nur  für  feine  $erfon.  3lber 
„bafe  ein  ©ol^n  be^  2lrc^ibiaIonu^  unbefe^rt  fein  unb  bleiben  toolle  unb  burc^  bie^ 
SBeif))iel   fo   biel  anbere  ©d^üler  immer  mel^r  toerberben  foHte"  tuar  nad^  Sage  bcr  98er= 

15  ^ältniffe  ein  fold^e^  Ärgernis,  bafe  ber  3Sater  balb  auc^  ben  ©o^n  jum  8cfuc^  ber  Gr= 
bauunggftunben  anjul^alten  anfing.  Sängere  3«*  toiberftrebte  biefer,  aber  unterwarf  ftc^ 
fd^Iiefelid^  au^  ,,finDlic^er  §oc^ad^tung".  35ie  in  ©aalfelb  gemad^ten  Beobachtungen  unb 
©rfa^rungen,  über  bie  S.  in  feiner  ©eIbftbiograj)^ie  einge^enb  berichtet,  l^aben  für 
fein  ganje«  Seben  Sebeutung  erlangt,  aber  nid^t  infofem,  bafe  fie  beffen  3lic^tung  be^ 

20  ftimmten,  fonbem  baburd^,  bafe  fie  i^m  eine  tiefe  Stbneigung  gegen  allen  ?ßietiömu^  in^ 
$erj  >)flanjten,  bie  burd^  feine  ®rlebniffe  ate  ^aDefc^er  ©tubent  nid^t  crjc^^üttert  tourbe. 
6rft  aUmd^lid^^  freiließ  ift  er  jtc^  feine«  grunbfä^Ucben  ©egenfa^e«  j^u  biefer  SRid^tung 
betüufet  getüorben.  Stuf  ber  Unitoerfität  §alle,  bie  er  1743  bejogen  ^at,  trat  er  befonber« 
^rofeffor  Saumgarten  nöl^er,  ber  burc^  feine  ®ele^rfamfeit  il^n  anjog  unb  i^m  mancherlei 

25  Unterftü^ung  ju  teil  toerben  liefe,  i^n  aud^  in  fein  §au«  aufnahm  (3f4>amatf  ©.37  ff.). 
1750  tourbe  ©.,  nad^bem  er  fd^on  öor^er  mit  erften  ?5roben  toiffenfc^aftlid^er  Slrbeit  an 
bie  Öffentlic^Ieit  getreten  toar  (did^l^om  a.  a.  0.  ©.  184 f.),  auf  ®runb  ber  S)iffertation: 
,,Vindiciae  plurium  praecipuarum  lectionum  codicis  graeci  novi  testamenti  ad- 
versus  Guil.  Whistonum"  j^um  3Jlagifter  ber  ^^iloJo})l^ie  >)romobiert.    3n  bemfelben 

30  3al^r  tourbe  er  unbefolbeter  ^rofeffor  an  bem  alabemifc^en  ®^mnafium  ju  Äoburg, 
unterrichtete  bier  aud^  in  ben  2lnfang«grünbcn  ber  arabifd^en  ©jjrac^e,  unb  toar  gugleid^ 
ate  §erau^eber  ber  Äoburgifd^en  ©taat«=  unb  ®elel^rten=3ritung  t^ätig  (Seben^befc^rei- 
bung  I  ©.123  ff.).  Da«  ^al^r  1751  brachte  il^m  bie  Berufung  ate  ^rofeffor  ber§iftorie 
unb   lateinifc^en  ^oefie    nad^   Slltborf   (ebenb.  ©.  143  ff.)  an  ©teile   be«  toerftorbenen 

35  ©d^toarj  unb  öerfefete  il^n  in  Serl^ältniffe,  an  bie  er  fic^  \pättx  banfbar  erinnerte.  9lber 
ba«  „glüdffelige"  Slltborf  f)at  i^n  nur  furj  gefeffelt,  benn  nac^  bem  3lbleben  öon  6Iau«s 
toift  erging  an  i^n  1752  auf  SJorfc^lag  Saumgarten«  bic  Berufung  al«  orbentlic^er  ^xo- 
feffor  ber  Il^eologie  mit  einem  ©el^alt  t)pn  400  Il^alem  an  bie  Unit^erfität  ßatle  (ebenb. 
©.  161  ff.),  bie  er,  aUerbing«  erft  nac^  Übertoinbung  ernfter  Sebenfen,  annahm.   ®«  toar 

40  bie«  eine  für  i^n  überau«  glücflid^e  £eben«toenbung,  benn  fie  eröffnete  il^m  ein  Slrbeit«* 
felb,  auf  bem  feine  Seanlagung  ft^  boll  entfallen  fonnte.  3)afe  e«  i^m  vergönnt  toar, 
nod^  4  ^ai}x^  —  ©.  fam  im  Stjjril  175:^  nac^  §atle  unb  Saumgarten  ftarb  1757 
—  an  ber  ©eite  feine«  l)on  il^m  ^oc^öere^rten  Se^rer«  ^u  toirfen,  ^at  er  banfbar  em= 
pfunben  unb   bic   iljm   burc^  biefe«  ^ictät«t)erl^ältni«  toie  burc^  bie  grofee  3lnerlennung 

45  Saumgarten«  auferlegte  anfängli^c  ^wrücfl^altung  toar  für  il^n  nur  fegen«reic^.  9lacp 
bem  ^obe  Saumgarten«  toirb  er  freier  unb  fclbftftänbiger  unb  nac^  toenigen  g^i^ren  ift 
er  nid^t  nur  ber  befanntefte  3;l^eologe  ber  ©aHefdien  gafultät,  fonbern  einer  ber  gefeiertften 
Il^eologen  2)eutfc^lanb«.  ©d^on  feine  3?orlefungen,  bie  fic^  nid^t  auf  bie  biblifd^en 
ffiiffenfc^aften  befc^ränftcn,  fonbern  aud^  bie  Äird^engefc^ic^te,  ä)ogmatif,  St^il,  tl^cologifc^e 

50  Sücberfcnntni«  beljanbelt  ^abcn  (©d^raber  I  ©.  279),  ^eugen  öon  bem  großen  Umfang 
feiner  ^ntereffen. 

2)ie  fritifc^c  gorfd^ung©.«  richtete  [\6)  junäd^ft  auf  ben  biblifd^en  Äanon.  SBa« 
er  untcrnal^m,  toar  in  ber  beutf^en  2;^eologic  unerl^ört  (ügl.  2eben«befc^reibung  II 
©.  121  ff.),  aber  ba«  3iecl)t,  auc^  bie  1)1  ©cf)rift  jum  ©cgcnftanb  toiffenfc^aftlic^cr  Untere 

55  fuc^ungcn  $u  machen,  ftanb  iljm  aufecr  3^^^f^l-  ^^^«6  ^i^  befc>"^^^  Übung  unb  ©efd^icf? 
lid^feit,  toelc^c  man  Äritif  nennt,  burc^au«  bei  ber  Sibcl  nid^t  foUc  unb  bürfc  angetoenbet 
toerbcn,  fo  nü^lic^  fie  bei  allen  alten  mcnfcl)licl)en  Süc£)ern  immer  fein  möge,  l^abe  ic^ 
mir  burc^au«  nid^t  beibringen  laffcn,  inbcm  idb  fc^on  lange  bie  ©öttlic^Iett  unb  SBic^tigs 
feit  ben  SBa^rbeitcn,  il^rem  toirffamcn  üortcilbaftcn  ^nbaltc,  beilegte,  ba«  Slbfc^reiben  aber 

(•>(>  unb  ba«  Drudten  ber  Sibcl  für  cbtn  biefclbc  mcnfd;lic^e  Slrbeit  l^ielte,  al«  totnn  Slbfd^reiber 


Semler  2Qö 

unb  2)ru(fer  bcn  ^lato  ober  .^oratiu^  in  2lrbcit  nahmen,  ©ine  befonberc  aufeerorbcntltd^e 
9lc0ierun0  unb  auffielt  Oottcig  bei  fold^er  älrbeit  be«  älbfd^reiben^,  jumal  be^  912:^,  fann 
nur  berjenige  bel^ujjten,  ber  bie  tüirllid^e  2BeIt  au^  feinem  Äo>)f  abhängen  läfet" 
(Sebenöbefd^reibung  II  ©.  125).  ©eine  biblif(^en  Untersuchungen  l^aben,  met^^obifd^  rid^tig, 
bei  ber  grage  naä)  ber  Überlieferung  unb  Sefc^affen^eit  be^  Iqrte«  eingefe^t  (SJor*  ß 
bereitung  gur  t^eologifc^en  $ermeneutil  4  ©t.,  ^alle  1760—1770;  Admonitio  de  ob- 
servandis  hebraicorum  Mst.  membranis,  quae  legendis  aliis  libris  serviunt, 
1764;  Jo.  Jac.  Wetstenii  prolegomena  in  N.T.  cum  notis  et  appendiee,  1764; 
J.  J.  Wetstenii  libelli  ad  crisin  atque  interpretationem  N.T.,  1766;  Institutio 
brevior  ad  liberalem  eruditionem  theologicam,  2  99be  1765.  1766;  Apparatus  lo 
ad  liberalem  N.T.  interpretationem,  1767)  unb  e«  ift  für  i^n  bejei^nenb,  bafe  fd^on 
feine  ^ßromotion^fc^rift  biefem  Strbeit^ebiet  [\d)  juh?anbte.  9Jlit  ben  SBerlen  englif^er, 
franjöfifd^er,  ^oDänbifd^er  2;^eoIogen  toie  393^ifton,  ßlericu«,  äöetftein,  SSofe,  31.  ©imon 
kpol^l  bertraut  unb  auf  Sengel^  ®runblage  toeiter  arbeitenb,  gelangt  er  jur  9(nnal(^me 
t)erfc^^iebener  Slecenfionen  be«  neuteftamentlic^en  %ttt^,  bemül^^t  ftc^  um  fw^ere  3Kafes  i6 
ftäbe  für  bie  Seftimmung  be^  SBerte«  ber  einzelnen  §anbf(^riften  (antiquitas;  emen- 
datio  aut  collatio  codicis;  consensus  cum  vetusta  translatione  latina)  unb  erfennt 
bereite  bie  SBic^tigleit  ber  jjatriftifd^en  ©c^riftcitate,  aber  ju  einer  neuen  Stuggabe  bcg 
5R2;^  nac^  feinen  ®runbfä^en  ift  er  nic^t  gefommen;  „biefe  Slrbeit  tüar  nid^t  für  feinen 
litterarifc^en  ßl^aralter",  toie  ßid^^om  ©.  33  fc^reibt.  —  ^n  biefer  neuen  ©tellung  gegen-  ao 
über  bem  %t}ct  lagen  bereite  bie  Äeime  für  eine  nmt  SBertung  be«  Äanon«.  liefern 
Problem  toar  bie  „Slb^anblung  bon  ber  freien  Unterfud^ung  be^  Äanond  nebfl  Stnttüort 
auf  bie2:übingifd^caSert^eibigung  ber3lj)ofali?t)riö",  4  2:eile;  ^aDe  1771— 1776,  getoibmet. 
ä(uf  bem  SBege  f^iftorifd^er  Unterfud^ung  gelangt  er  gu  ber  @rlenntnid,  ba^  ber  ^anon 
be«  313:  toie  ber  beö  31%  eine  gef(^i^tli^e  ©nttoidfelung  burd^gemad^t  f)at  unb  attmä^lid^  25 
cntftanben  V^,  alfo  nic^t  ate  inf))iriert  in  bem  ^ertömmlid^en  ©inn  gelten  barf  unb  bal^er 
aud^  nid^t  bie  il^m  bi«^er  juerfannte  Autorität  berbient.  „3.^  ^^^^  "i^*  gerabe^in  oiffe 
»üc^er  be^  alten  unb  neuen  Seftament«  für  gleich  unentbe^rlid^  gehalten,  um  bie  ©runb» 
h)al(^rl^eiten  ber  d^riftli^en  eigenen  $rit)atreligion  rid^tig  unb  boQftänbig  )u  fammeln;  fte 
tonnen  ade  nü^lid^  fein  für  mand^e  S^riften,  aber  ed  ift  !ein  d^riftlid^er  ^e^rfa^,  ba^  90 
ade  ß^riften  aud  allen  Suchern  be^  alten  unb  neuen  3:eftament^  i^re  äteligion  herleiten 
unb  gur  Überjeugung  bat)on  auö  allen  Suchern  f 0  ober  fo  toiel  jufammentragen  mü^en" 
(Seben^befc^reibung  II  ©.  139).  2)iefe  ^roflamation  ber  grei^eit  ber  ß^riften  gegenüber 
bem  Äanon  fteDte  bann  bie  toeitere  Stufgabe,  für  bie  Slbtüertung  ber  einzelnen  Sleftanb^ 
teile  biefer  ©ammlung  einen  3Rafeftab  gu  gewinnen,  ^^nlic^  tüie  Sut^er  ^at  er  em::  35 
^jfo^len,  fie  baraufl^in  an^ufcl^en,  ob  ber  ®eift  ß^rifti  in  i^nen  ift,  ober  aber  er  ^at  bie 
i)raltifd^e  Sraud^barfeit  für  ben  ß^riften  ber  ®egenh?art  atö  9lorm  aufgeftetlt  (3fd^amacf 
a.  a.  0.  ©.  105),  eine  ^rüfung,  burd^^  bie  er  ju  ber  grfenntni^  be«  Unterfc^iebe«  jtoifc^en 
312:  unb  31%  atö  jtoeier  Sleligionöftufen,  ber  jübifc^-nationalen  unb  ber  unitjerfalen 
Sieligion  be«  ß^riftentum^  gelangt.  SSon  biefer  gefc^ic^tlic^en  33etra(^tung^tüeife  eröffnete  *o 
M  ber  ffieg  ju  einer  ganj^  neuen  ©c^riftertlärung  (Saftroto  a.a.O.  ©.  86 ff.),  (gr  ftellt 
feft,  bafe  bie  Se^re  3iefu  unb  ber  Stjjoftel  ^a^lreic^e  jübifc^e  SSorftellungen  bon  nur  jeit* 
gef^ic^tlid^en  ffiert  entf^ält,  b.  ^.  toenn  fie  yMx*  olxovofüav  ober  xar*  äv&pwnov 
fj)rec^en,  ^aben  fie  fic^  an  bie  3)enfh)eife  i^rer  §örer  unb  Sefer  affommobiert.  2)ie  Slufgabe 
ber  h)iffenf(^aftlic^^en  Sjegefe  ift  e^,  feftjuftellen,  tvai  §u  biefen  „lofalen"  unb  „tem>)orellen"  *6 
©lementen  gehört;  f(^on  1760  l^at  er  biefe  ©runbfä^e  au^gefprod^en  unb  angetoanbt  in: 
De  daemoniacis,  quorum  in  evangeliis  fit  mentio  (§alle  1760).  ©.  I^at  nod^ 
toeiter  geblidtt,  benn  er  l)at  bereite  ber  X^cologie  bie  Slufgabe  geftellt,  SEalmub  unb 
^poitt)pi)tn  jur  ©jegefe  l^eranjujiel^en.  SHit  SRe^t  toirb  bie«  t)on  ©aftroto  (©.  93)  be^ 
fonberö  ^erborge^oben.  ßo 

„3in  ber  Äird^engefc^id^te  fing  mit  ©emiern  bie  neucfte  6>)0(^e  unferer geiten  an. 
333ie  ein  ^erolb  fd^ritt  er  affgetoaltig  unb  gebietenb  über  bie  unermefelid(^en  gelber  ber 
Äirc^engef^id^te  einher  bi«  an  bie  ©renken  be«  18.  ©äfulum«;  nur  über  biefe  toagte 
er  ^d)  nie  ^eraue",  unb  ßid^^orn,  ber  biefe  äßorte  (a.  a.  0.  ©.  93.  97)  fd^rieb,  toar  toie 
feine  weiteren  3tu«fü^rungen  betoeifcn,  gegen  ©.«  geiler  unb  ©c^ranfen  burdfeau«  nid^t  65 
blinb.  2)ie  j^iftorifd^en  älrbeiten  ©.«,  bei  beren  SBürbigung  bie  bon  i^m  felbft  in  feiner 
Sebenöbefc^reibung  II,  ©.  154  ff.  entworfene  ©c^ilberung  be«  bamaligen  ^wftanbeö  ber 
Äirc^engefdj^id^t^fd^reibung  nic^t  überfe^cn  toerbcn  barf,  jeigen  i^n  fotool^l  al«  ^erau«- 
gcber  (Tertulliani  opera,  5  Sbe,  1770—1773;  Apparatus  ad  libros  symbolicos 
ecclesiae  Lutheranae,  1775  u.  a.)  al«  auc^,  unb  ^toar  bortoiegenb,  al«  hitifc^en  ^ax-  60 


206  ®e»Ier 

ftellcr  (SScrfud^,  ben  ®ebrau(^  bcr  Duellen  in  ber  ©taatö«  unb  flirc^engefc^ic^te  ber 
mittleren  3^tten  ^u  erleid^tem,  1761;  Historiae  ecclesiasticae  selecta  capita,  3  Sbe, 
1767—1769,  tom.  I  sex  seculonim,  t.  II  sec.  VII— XI,  t.  III  sec.  XII— XVI; 
Commentarii   historici   de    antiquo  chrisüanorum   statu,    2  Sbe,   1771.   1772; 

öSerjud^  eine«  frud^tbaren  Stu^jug«  ber  Äirc^engefd^id^te,  1773—1778  u.  a.).  6fK»taIte^ 
riftifc^  ift  für  i^n  junäc^ft  ber  ftete  Slücfgang  auf  bie  Duellen,  toobei  er  freiließ  fc^on 
mit  beren  Sammlung  feine  9(ufgabe  ald  gelöft  anfa^,  femer  bie  ^erangie^ung  ber  rein 
natürlid^en  gaftoren  in  ber  ©ef^id^te  bcr  Äird^e,  bie  (Srfenntni«  bon  ber  9loth>enbigIeit, 
jum  SJerftänbnii^  ber  ©efd^ic^te  „bie  $fi?cl^logie  ju  ßilfe  ju  nehmen"  (Seben^befdj^reibung  I 

10  ©.  80),  bie  SinfK^t,  bafe  in  ber  ®t\d)id)U  ber  Äirc^e  eine  ®nth)idEelung  ftattgefunben 
bat.  3)a«  toaren  toegtoeifenbe  ©runbfä^e,  ioenn  aud^  ©.  felbft  fte  nur  jum  2!eU  ju  be= 
folgen  im  ftanbe  getoefen  ift,  unb  feine  urteile  über  ^erfonen,  (Sreigniffe  unb  Setoegungen 
in  ber  Jtircpengefd^id^te,  benen  er  bon  feinen  ©runbanfc^auungen  aud  oblel^nenb  gegenüber 
ftanb,  jum  leil  öon  einem  ungezügelten  ©ubjeftibi^mu«  bütiert  finb  (93eifj)iele  bei  Äaro 

16©.  67  ff.).  35iefe  neue  Setrad^tung^toeife  übte  i^e  ftärtften  SBirlungen  aud  auf  bem 
©ebiete  be«  lirc^lic^en  ^ogmad.  ätu«  ber  ©rienntni«,  ba^  ed  eine  @efc^id^te  burd^lebt 
unb  nic^t  ^u  allen  ^üim  in  ^^'^^l^/  Umfang  unb  äludbrud  übereingeftimmt  ^at,  ergab 
fid^  tl^m  bie  gorberung,  bie  „®efd^ic^te  ber  c^riftlic^en  Seigren"  neben  ber  Ätrc^engefc^i^tc 
„allein  unb  befonberd  )u  nehmen''  (Saumgartend  et>angelifc^e  ®laubend(e^e,  mit  an- 

»merlungen  unb  einer  ^iftorifd^en  Einleitung,  3  Steile,  1759—1760;  Saumgartend  Unter= 
fud^ung  t^eologifd^er  ©treitigteiten  mit  Slnmertungen  unb  einer  ^iftorifc^en  Einleitung, 
3  leile,  1761—1764).  3)urd^  biefe  gorberung  tourbe  ber  2!^ologie  eine  Aufgabe 
gefteQt,  beren  Sebeutung  unb3Bir!ung  baburc^  ni^t  gefc^mälert  toorben  ift,  ba^©.  felbft 
aud^  auf  biefem  ^unlt  anberen  Äräften  bie  3)urd^fü^rung  feiner  3been  überladen  ^t. 

25  3)en  3Jlut  gu  biefer  umfaffenben  litterarifc^en  i^ätigleit  f(^öt)fte  ©.  aud  einer  bamal« 
in  I^eologentreifen  nid^t  ^eimifc^en  Stuffaffung  ber  SBiffenfc^aft.  3ene  ©ering^ 
f(^ä|ung  ber2Biffenf(^aft  bon  feiten  bc«  ?5ieti«mu«  (ögl.  oben  93b  XV  ©.787, 35  ff.),  toie  fie 
uor  allem  in  ^alle  geübt  tDorben,  ift  für  i^n  niemal«  eine  (äefa^r  getvefen,  unb  mit 
großer  Sntfd^ieben^eit  ^at  er  il^re  ©elbftftänbigteit  bertreten,  toenn  er  auc^  oer  SReinung 

sogetDefen  ift,  bag  ernfte  h)iffenfd^aftlid^e  3(rbeit  religiö^-fittlic^e  SSirlun^en  audübt. 
S)a«  ßntfd^eibenbe  tüar,  bafe  er  für  bie  tl^eologifd^e  Sffiiffenfd^aft  boHe  grei^eit  in  8tn= 
fj)ruc^  nai^m  unb  i^r  bie  2lufgabe  jutoie«,  bie  Srfenntni«  toeiterjufül^ren,  „befjere  Sim 
fugten"  ju  getüinnen.  Slber  biefe  33eftimmung  be«  2Befen«  toiffenfc^ftlid^er  Unterfuc^ung 
erflärt  boc^  nur  bie  innere  ©id^er^eit  be«  gorfc^er«,  toann  immer  e«  galt,  3w*"wtungen 

86  utrüdtjutoeifen,  unb  folpeit  ba«  SHed^t,  in  boller  ^rei^eit  toiffenfc^aftlic^  ju  arbeiten,  in 
^rage  fam.  gür  bie  3&af)i  ber  t)on  il^m  t^atfäc^lid^  eingefd^lagenen  3Bege  toaren  noc^ 
anbere  9Sorau«fe^ungen  mafegebenb. 

®ine  ber  h?id^tigften  Il^efen  ©.«,    Dielleic^t   fogar  bie  toic^tigfte,  ift  feine   Unter- 
fd^eibung  toon  2:^eologie  unb  Sieligion  (©aftroto  ©.  67ff.;   jpoffmann  ©.  41ff.; 

410  S\i)axmd  B.  280^.;  Äaro©.  6 ff.).  %tiü}  begann  biefe  e>)oc^^emadSienbe  ßinfic^t  i^m  auf- 
mbli^en,  fc^on  aU  ©tubent  im  jh?eiten  ©emefter  ^atte  er  „einige  (Sinfölle  öon  bem 
untcrfc^ieb  ber  2^eologie  unb  ber  Sieligion  bcr  ß^riften"  (Sebcn  I  S.  96)  unb  mit  ber 
SlufftcUung  biefe«  ®nmbfa$c«  ethja«  9leue«  ju  fagen,  toar  er  ficb  toobi  betoufet 
(geben  II  ©.  163).    3)urd^  biefe  Unterfc^eibung  fd^uf  er  feiner  Äritif  freie  SSa^n,  unb 

45  i)aüt  e«  in  ber  .v)anb,  burd^  bie  ßinbegie^ung  ber  toerfc^iebcnften  fie^raufftellungen,  j.  9. 
bc«  "ilrinitätebogma«,  in  ba«  ®cbiet  be«  Icbiglic^  2^eologifc^en,  b.  f).  feiner  a^faflung 
nacb  religio«  93cbcutung«lofen,  bie  toiffcnfc^aftlic^c  gorfd^ung  öon  bem  Dbium  ju  befreien, 
ben  d^riftlic^en  ®laubcn  felbft  anzugreifen.  3lber  er  ift  auf  biefem  ffiege  auc^  baju  gelangt, 
ben  ^c^Icr  in  bem  bamal«  l^crrfc^cnbcn  ®laubcn«begriff  ju  erfennen  unb  il^n  tptÄcr  d« 

60  i^crtrauen  auf  ®ott  gu  bcrftcl^cn.  —  6in  jmeitcr  ^aujjtgebanfe  ©.«  ift  ber,  baft  e«  )u  allen 
ßeiten  eine  3}iannigfaltigfeit  tl^eologif^er  unb  religiöfer  Slnfc^auungen 
gegeben  l?at  unb  bafe  biefe  SJcrfd^icbcnartigfcit  ju  Siecht  befte^t  (^offmann  ©.  50  ff.), 
^cbcr  tl^cologifc^c  ©a$  geigt  bie  dintüirfung  bcr  örtlichen  unb  allgemeinen  jeitgefc^ii^t'' 
liefen  Sebingungen,  unter  benen  er  entftanb,  unb  fann  tocgen  biefe«  ßinfc^lag«  „lolaler" 

66  unb  „temporcUer"  J^aftorcn  ftct«  nur  beanspruchen  ein  relatiijcr  3tu«brucf  ber  SBo^^eit 
gu  fein.  3i"föl9^^cffen  gicbt  c«  feine  Sel^raufftcllungcn,  bie  für  jeben  giften,  tu  \^ 
3eit  unb  an  jcbem  Ort  mafegcbcnb  finb.  2{ud^  in  Scgug  auf  bie  tl^eologifd^e  Srlenntni^ 
feiner  eigenen  ®egenh)art  urteilt  er  nic^t  anbcr«,  c«  toirb  i^r  ergeben  toie  ber  3]beologie 
trüberer  ^erioben  unb  fie  ioirb  baber  f})ätcr  anberen  ^^ffungen  unb  ßrlenntniffen  ^laÄ  gu 

60  macfien  i)abm.    ©.  lehnte  alfo   nic^t  nur  ba«  ort^obojc  t^eologifc^e  ©tjjiem  feiner  3^ 


Semler  207 

ah,  fonbem  beftritt  bie  ^Jlöglic^feit  irgenb  etne^  abfolut  Derbinbltd^cn  B^\Umi.  ^oj^er 
fyxt  er  au<^  bie  t^m  toon  fieffing  gefteHte  gtoge  „n>orin  bic  allgemeine  c^riftlic^e  Sieligion 
befke^e,  unb  toad  bog  2oIale  ber  ^riftlid^en  SKeligion  fei,  toelt^e«  man  jebe«  Ort«,  un« 
befc^abet  jener  SlUgemein^eit,  au^merjen  lönne",  nic^t  beantwortet  unb  nic^t  beantworten 
!önnen.  SBSorauf  e^  i^m  anlam,  toar  bie  SKa^runa  ber  toollen  ^ei^eit.  ®iefeg  ®ut  6 
aber  toöre  gefö^rbet  toorben,  toenn  ein  \>on  allem  £otalen  unb  2^em))orel(en  gereinigte^ 
ß^riftentum  l^erau^efd^ält  tourbe  unb  —  bieÄonfequen^  toäre  nid^t  gu  bermeiben  getocfen 
-—  biefed  toie  immer  quantitativ  beftimmte  ß^riftentum  bem  einzelnen  autoritativ  gegen^ 
übertrat.  @.  ^at  ftc^  alfo  burd^  {einen  9telatit)i^mud,  aQerbing^  nic^t  nur  baburc^,  ben 
SBeg  )u  einer  Haren  Sefiimmung  be^  äBefen^  be^  ßl^riftentum^  k)erf))ent,  toenn  auc^  lo 
ba«  Urteil  %.  6.  Säur«  {Qpod^m  ©.  Ul),  bafe  ©.  unter  gl^riftentum  überfK»uj)t  ni(^t« 
anbere«  öerpanben  l^at  atö  ,,bae  von  (S^riftu«  für  ba«  Sctoufetjein  ber  üRenfd^^^eit  aui^^ 
geft>ro(l^ene  9le(^t  be«  3"^iöi^w>"^  •  •  •  f««^  ^W^^  $ritoatrcligion  gu  f^abm",  bafe  er 
mit  anberen  Sorten  Von  jeber  Seftimmung  eine«  ^n^alt«  be«  Sl^riftentum«  C(b\af),  einige 
Elemente  be«  B.^d^m  @ebanfenlreife«  (Vgl.  unten)  unberüdft^tigt  gelaffen  ^at.  9tu«  i6 
biefer  Beurteilung  aller  £el^rformulierungen  atö  bloßen  SSerfuc^en,  bie  2Bal(^rl^eit  gu  um^ 
fj)annen,  ergaben  ftd^  nod^  anbere  ^Folgerungen.  38or  altem  bie,  bafe  bie  bi^^erige 
@(^ung  be«  3)ogma«  ber  eigenen  Äirc^c  im  Unterjc^^ieb  Von  bem  anberer  Äirc^en* 
gemeinfc^aften  nid^t  me^r  aufrec^tgu^alten  toar,  bag  bie  äSoraudfe^ung  für  $ro))aganba 
unter  älnge^örigen  einer  fremben  Aonfeffion  verfc^toanb  (@.  ^at  entf^rec^enb  ge^anbelt,  20 
vgl.  Seben  I  @.  293  f.)  unb  auc^  ber  älbftanb  gmijdben  S^riftentum  unb  nic^^t^riftlic^en 
Steligionen  burd^  bie  C^inorbnung  beiber  in  ben  göttlichen  Selt^lan  ^erabgeminbert  tourbe. 
—  äug  jener  Unterfd^eibung  Von  2^eologie  unb  SReligion  ergab  fid^  bie  aufgäbe,  ben 
aBert  unb  ®eltung«Irei«  ber  von  ber  Äirc^e  anf:dannttn  Ideologie,  b.  ^.  be«  3)ogmag,  fotoie 
baiS  SerJ^öltnt«  biefer  jtird^enlel^re  ju  ber  bel(^au)}teten  ^ei^eit  be«  ^nbivibuum«  )u  beftimmen.  26 
@.  I^t  fie  baburd^  gu  löfen  verfuc^^t,  bag  er  bie  öffentliche  Sieligion  von  ber  )}rivaten  untere 
fd^ieb  (Vgt.®aftroti)  S.  277ff.;  ^offmann  S.96ff.;  Sfd^amacf  ©.256  ff.).  Unter  öffentlicher 
Sleligion  verftel^t  er  alle«  ba«,  toa«  bie  d^riftli^en  Äirc^en  an  äußeren  Drbnungen  über 
®otte«bienft  unb  Se^rVerfünbigung  feftgefe^t  ^aben;  unter  privater  Sieligion  bie  religiöfe 
Überjeugung  be«  eingelnen  ß^riften,  bie  fein  J)erfönlid^e«  ©igentum  ift  unb  von  ber  so 
öffentlichen  Sieligion  tool^il  angwegt  toirb,  aber  i^r  gegenüber  Völlig  frei  bafte^t.  SlHer^ 
bingd  ^at  biefe  Unterfd^eibung  ni$t  für  alle  ß^riften  bie  gleid^e  93ebeutung,  benn  bie 
^orberung  be«  Steckte«  auf  bie  ^rivatreligion  gilt  nur  für  bie  S)lünbigen,  nic^t  für  ben 
„gemeinen  Raufen",  gebe  biefer  beiben  SReligionen  f)at  nun  i^ren  befonberen  ©eltungg« 
frei«  unb  ift  Vet})flic^tet,  fid^  barauf  p  befc^ränfen.  2)afe  bie  Unterbrüdtung  ber  ^riVat^  35 
religion  nic^t  feiten  verfugt  hjorben  ift,  toar  ein  grofee«  Unrecht,  ebenfo  toenig  aber  barf 
ba«  Siecht  ber  öffentlid^en  Sieligion  angetaftet  toerben.  3)er  im  3)ienft  ber  Äird^e  ftel^enbe 
®eiftlic^e  unb  Se^rer  ift  auf  ®runb  feiner  StnfteHung  verpflid^tet,  fie  ju  vertreten.  SBie 
er  über  bie  Äird^enlel^re  benft,  ba«  ift  feine  ^rivatangclegenl^eit,  von  i^m  ettoa  gehegte 
abtoeic^enbe  Überzeugungen  au^gufpred^en,  fte^t  ibm  bagegcn  nid^t  ju.  3)enn  toenn  alle«  40 
ba«,  toad  bie  einj^elnen  3"^^^^^"^"  beulen,  öffentlid^  0^'^^^*  tverben  btirfte,  toäre  ber 
gortbeftanb  ber  ber  ®efamt^eit  bienenben  öffentlichen  Sieligion  gefäl^bet.  2)iefe  le^tere 
erfuhr  bei  ®.  fogar  nod^  baburd^  eine  toefentlic^e  Sefeftigung,  bafe  •  er  bem  Staat  ba« 
Stecht  jufprad^,  barüber  m  bcfinben,  loa«  in  feiner  SJlitte  al«  öffentliche  Sieligion  gu 
le^en  ift,  unb  bie  rücf|altlofe  Unterwerfung  unter  feine  (Sntfd^eibung  al«  ^flid^t  be«  46 
Untertbanen  beurteilt,  gür  bic  gegen  biefe  gange  ©ebanfenfolge  fic^  er^ebenben  et^ifd^en 
Sebenlen  ^atte  ©.  lein  Sluge.  2lu^  bie  ©efai^ren,  bie  fic^  ani  ber  Von  il^m  anertannten 
Sftec^tölage  für  bie  ^Jrei^eit  ber  ^rivatreligion  ergeben  mu6ten>  beftanben  für  ibn  nid^t, 
ba  er  bie,  freiließ  irrtümliche,  SJleinung  vertrat,  ba^  bie  {ir^lic^en  ^e!enntni«fd^riften  nid^t 
auf  eine  religiöfe  Sinbung  be«  (Simelncn  abhielten.  —  3^"«  Unterfuc^ungen  be«  biblifd^en  50 
ftonon«  ^aben  ©.  von  naturaliftifc^er  ©eitc  ba«  Urteil  eingetragen,  bafe  er  „in  ba«  §erg 
ber  ort^oboien  Staaten  bringe,  i^ren  ®ö^cn,  bie  Sibel,  Vom  3:^ron  ftofee,  unb  fid^  be= 
mül^e,  bie  Untertbanen  unter  bie  gähnen  ber  'I^emunft  ju  fammeln"  (9lb^.  V.  fr.  Unterf. 
b.  St.  III  ©.  236).  aber  in  biefen  SBorten  tourben  ©.«  le^te  3iele  nic^t  richtig  beftimmt. 
SlDerbing«  ^atte  er  bie  ^erfömmlid^e  2luffafjung  von  ber  Sibel  baburc^,  bafe  er  ben  56 
pöttlid^en  Urfj)rung  ber  ©c^rift  al«  ganp  beftritt  unb  nur  ben  Slbfc^nitten  juerfannte, 
in  benen  ftc^  religiö«-fittlic^e  2Bal^rl^citcn  fänben,  ftarf  erfc^üttert,  aber  fie  behielt  für  i^n 
eine  gro^e  Sebeutung,  ja  fogar  einen  einzigartigen  SBert  unb  t/max  ru^tc  er  il^m  barauf, 
bafe  jte  al«  ,,bie  einzigen  Urfunben  ber  d^riftlic^en  ^Religion"  jur  jeben  ß^riften  bie  erfte 
Duelle  d^ftlic^er  ©rfenntni«  finb   (§offmann  ©.  95  f.).    31ucl^   auf  bie  Ableitung   be«  co 


*^08  Semler 

ß^riftentumi^  l)on  einer  Offenbarung  ©otteö,  f)at  er  nid^t  bergid^tet  (ebenb.  ©.  30  ff.), 
ebenfo  menig  ift  i^m  im  l^ten®runbe  bie  Überlegenheit  be^  6^riftentumi(  über  anbere 
Sleligionen  fraglid^  gemefen.  ^on  bem  SWaturaliömu^  jc^ieb  i^n  aber  and)  beff en  5Proj)aganba 
unb  beffen  ©runbanfc^auung,  bafe  e«  eine  allgemein  giltige  SJemunftreligion  gebe  (äenb. 

6©.  120  ff.),  bagegen  fträubte  fic^  fein  gn^^^^^^uöli^mu«. 

©rofee  Überrafc^ung  erregte  ©.  bei  feinen  ^^i^Ö^noffen  burc^  bie  Strt  feine«  6in= 
greifen«  in  ba«  jjraftifc^sfirc^licbe  Scben.  211«  bie  Aufregung  über  bie  Don  Sefftng 
t)erijffentlici^ten  „SBolfenbütteler  Fragmente"  mit  bem  fiebenten  Btixd  „SSon  bem  ^tocit 
3efu  unb  feiner  3ii"0^"/  ^«^  1778  erfd^ien,    i^ren  $öl^ej)unft  eneic^te,  l^at  nac^  (Soege 

10  auc^  S.  jur  geber  gegriffen  (Seanttoortung  ber  Fragmente  eine«  Ungenannten  1779), 
um  bem  gragmentiften  in  f(^arfer  ^olemil  entgegenzutreten.  Sefftng  l^at  ft(^  mit  ibm 
nid^t  me^r  au«einanberfe|en  fönnen,  ba  er  1780  ftarb,  aber  er  ^atte  eine  Stnttobrt 
ge})lant,  bie  nad^  einer  fie  toorbereitenben  5Rotig  ju  fd^liefeen,  bem  ®egner  fd^arf  gugefe^t 
^abm  mürbe  („SBenn  toir  Don  ^erm  ©.  nic^t  glauben   fotten,  bafe  er  im  ®runbe  mtt 

15  meinem  SSerf affer  einerlei  3Reinung  fei,  fo  mufe  er  un«  ol^ne  Stnftanb  beutlic^  unb  be^ 
ftimmt  fagen:  1.  toorin  bie  allgemeine  c^riftlic^e  Sieligion  befte^e;  2.  tüa«  ba«  Solale  ber 
c^riftlic^en  Sieligion  fei,  tuelc^e«  man  jebe«  Ort«  unbefc^abet  jener  Ättgcmeinl^eit  au^- 
merjen  lönne;  3.  toorin  eigentlid^  ba«  moralifc^e  Seben  befte^e  unb  bie  befte  Slu«befferung 
eine«  ß^riften,  tueld^e  burc^  jene«  Sofale  nic^t  öer^inbert")  ögl.  3fc^amadf  ©.  317 ff.; 

2o®aftroh?  ©.  218ff.;  §offmann  ©.  123f.;  Äaro  ©.  83ff.  3in  bemfelben  3a^r  1779 
trat  er  bem  unter  ber  ^roteltion  be«  ©taat«minifter«  toon  3^^'^^  P^  i"  Ö^^^  ^^^ 
5Prit)atbojent  nieberlaffenben  berüd^tigten  Ä.  g.  Sa^rbt,  ögl.  b.  3lrt.  8b  II  ©.  359,iiff., 
mit  ber  „Stnttuort  auf  ba«  Sa^rbtifd^e  ®lauben«belenntni«"  entgegen,  togl.  ©aftroto 
©.239 ff.;    3fd^amadf  ©.  345ff.    Slnbererfeit«  ^at  ba«  fog.  aBöttnerfc^e  gieligion«ebift 

26  nic^t  feinen  ffliberf})rud^  fonbem  feine  Serteibigung  gefunben  (SJerteibigung  t)e«  Igl.  ©bift« 
t)om  9.3uli  1788,  toiber  bie  freimütigen  ^Betrachtungen  eine«  Ungenannten,  §aDe  1788) 
togl.  ®aftroh)  ©.  285 ff.;  3f(^amad©.  366 ff. 

3)ie  Haltung  ©.«  in  ben  ebengenannten  ©treitigleiten  ift  ju  toerfd^iebenen  QAtm  fe^r 
toerfc^ieben,   nid^t  feiten  ju   feinem  Stadtteil    ertlärt   tüorben.    3)aft  fie  fw^   aber  au« 

80  bem  ®runbgebanlen  feiner  Ideologie  mit  Slottoenbigfeit  ergab,  ift  toon  feinen  jüngften 
Bearbeitern  flar  nac^getuiefen  toorben,  t)gl.  §offmann  ©.  117 ff.;  S\d)avnai  ©.  357 ff. 
aSon  einem  Ilaffenben  Söiberfpruc^  jtuifc^en  ber  ^eit  i)or  unb  nac^^  1788  lann  gar 
leine  Siebe  fein.  Siafe  biefe«  Urteil  auflommen  tonnte,  ift  aber  boc^  auc^  toieber 
für  ©.    bejeid^nenb,   benn    in   feinem    fc^einbar  ti)iberf})ruc^«tootlen   SSerl^lten    gelangt 

36  ber  5Wangel  an  ©in^eitlid^feit,  an  ftonfequeng  unb  an  3)urd^fül^rbar!eit  feiner  ©runb* 
fäfee  unb  Unterfd^eibungen  jur  3tu«h?irlung.  Über  bie  ©d^ranlen,  bie  ©.«  toiffcnfc^aft^ 
liefen  Strbeiten  gebogen  getuefen  fmb,  bebarf  e«  ni^t  vieler  SBorte,  fie  ergaben  ftc^  au« 
ben  3^»t^^'^öltniffen,  bor  allem  au«  ber  (Sigenart  feiner  ^erfönlic^fett.  2)a§  er  lein 
©^ftematiler  h?ar,  ^eigt  fic^  baran,  bafe  er  fid^  bie  Äonfequenjen  ber  toon  ilj^m  aufgefteHten 

40  gorberungen  nic^t  flar  mad^te,  er  l^at  auc^  bie  t)on  il^m  geforberte  Objeltitoität  burd^au« 
nic^t  immer  felbft  ^u  üben  bermoc^t  unb  h?ar  in  t)iel  ^öl^erem  SJlafee  >)raltifc^  intereffiert, 
al«  er  e«  fid^  felbft  eingeftanb,  aud^  fonferbatiben  ©timmungen  ift  er  toeit  zugänglicher 
gehjefen  al«  man  ertoartet,  h?enn  h?ir  i^n  al«  Äritiler  ^ören,  unb  für  ben  SJortourf  ber 
^ietätlofigleit  bietet  er  feinen  2lnl^alt«punft.    3lud^  bie  ©c^merfälligfeit  bc«  ©til«,  bie 

45  ba«  ©tubium  feiner  ©d^riften  erfc^h?ert,  ift  für  i^n  cfiarafteriftifcb,  benn  fte  jeigt  fein 
forttüäljrenbe«  Slingen  mit  neuen  ©toffen  unb  ift  ^um  Seil  bie  golge  baöon,  bafe  er 
mit  ber  ^Veröffentlichung  feiner  ©tubien  nid^t  ^u  haarten  bermoc^te  bi«  er  bie  bel^anbelte 
■JKaterie  boHftänbig  bemcifterte.  2tber  alle  biefe  ©d^toäd^en  unb  UnboHfommen^eiten  ®.« 
finb  boc^  nid^t  im  ftanbe,   fein  33erbienft  ^u  fc^mälem,  burc^  bie  ©infülj^rung   ber  l^ifto- 

50  rifd^en  Setrac^tung«h?eife  in  bie  2:l^eologie  biefe  in  eine  neue  6nth?idEelung«j)9afe  hinüber« 
geleitet  ^u  ^aben.  SlUerbing«  ift  biefer  gortfd^ritt  nid^t  nur  auf  ©.  jurüdEjufü^ren,  aber 
er  f)ai,  h?ic  fc^on  feinen  3^itgenoffen  beutlic^  ^um  Sctüufetfein  fam,  burd^  feine  unermüb^ 
lic^e  Sctonung  ber  Slottoenbigfeit  einer  gefc^ic^tlic^en  Stuffaffung  be«  ß^riftentum«  unb 
burc^  bie  Slnmenbung  biefer  ©runbfä^e  in  crfter  Sinic  ha^u  beigetragen,  bafe  biefe  3Rct^obe 

66  in  ber  Iljeologie  Deutfc^lanb«  ßingang  fanb.  ©c^mieriger  ift  bie  ^afje,  ob  unb  im 
tüiemeit  S.  Originalität  ^ugefproc^en  mcrben  barf,  benn  er  l^at  nad^toeidbar  ftarte  am 
regungcn  üon  ber  latitubinarifd^en  3:l^eologie  ber  Siieberlanbe  unb  Snglanb«  emj)fangen 
(^offmann  ©.  109ff.;  3fc^amacf  S.  31  ff.). 

3n  bem  legten  3^^c^nt   jeigt  bie  litterarifd^e  Xl)ätigfeit  ©.«  eine  ©enbun^  in 

60  feinen  ^ntereffen,   er  befc^äftigte  fic$  mit  Slaturtoiffenfdj^aften,    äl^emie,  mit    m^ftifc^er 


Semler  Senb,  Setibgerid^t  209 

3:^cofot)l^ie  unb  Freimaurerei  (UTHjart^cüfd^e  Sammlung  jur  ©ejd^id^te  ber  Stofcn^ 
Ircuger,  4  ©tütfe,  2ei))3i0  1786—88  u.  a.),  o^ne  bafe  er  bod^  bamit  jugleic^  toon 
ber  2:beologte  abgetoanbt  ^ätte.  (2e|te«  ©lauben^bdenntni«  1792.)  Son  biefen 
legten  Slbfd^nitt  in  bem  Seben  S.^  entwirft  ©ic^^orn  (a.  a.  D.  S.  177  ff.)  ein  traurige« 
93ilb,  ba«  baburd^  nid^t  an  SJBert  toerltert,  bafe  er  in  ber  ®rflärung  be«  Umfc^tDung«  6 
ber  öffentlichen  3Keinung  über  ©.  biefem  Unred^t  t^ut.  ©r  „Verleugnete  in  feinen 
legten  3«^^"  f«"  ganjeö  frühere«  Seben  unb  ©^ftem.  3)aburd^  öerlor  er  allen  äußeren 
Seiftanb  unb  in  fic^  felbft  alle«  moralifd^e  unb  litterarifc^e  ©leid^getoic^t.  35er  6^or 
ber  lirc^lid^en  Drt^oboien,  bem  er  toieber  eintoerleibt  ju  toerben  toünfc^te,  na^m  i^n  al« 
einen  SlbgefaHenen  nic^^t  in  feine  ©emeinfc^aft  auf;  bie  Partei  ber  liberaleren  3:^eologen  lo 
fanb  feine  i)lö$lic^e  Sinne«änberung  befrembenb  ...  unb  fo  fa^  er  fic^  al«  ©elebrter 
im  ^ublifum  gule^t  toon  aller  2Belt  öerlaffen.  6r  merfte  anfangt  nic^t,  toic  tief  er 
^jlö^lid^  toon  ber  §ö^e,  ju  ber  er  fid^  burc^  me^r  al«  30  mü^ebott  f^ingelebte  ^a^re 
Ij^inaufgearbeitet  ^atte,  nieberfinfe,  bi«  felbft  feine  Oberen  e«  i^n  merfen  liefen."  3Jlit 
ben  legten  SBorten  bejie^t  fid^  ßid^^orn  barauf,  bafe  ber  3Rinifter  toon  3^bli§,  ber  ®önner  i6 
Sa^rbt«;  il^n  bc«  3)ireftoriumg  be«  t^eologifc^^äbagogifd^^en  Seminar«  enthob,  „ba  h?egen 
feiner  legten  Unternehmung  il^m  ba«  ^ublirum  ba«  Vertrauen  entjogen".  3lber  ber 
SJerfaffcr  be«  3ReIrolog«  öertoeilt  bei  ben  ,,3llter«fc^h)ä(^en"  ©.«  hoi)  mqt  länger  al«  e« 
bie  „®ered^tigleit"  verlangt.  %ixx  fein  ®efamturteil  über  ©.  ift  mafegebenb  ba«,  „toa«  ber 
grofee  Jbeolog  in  ben  fraftvouen  ^af}xm  feine«  Seben«  geleiftet  unb  getüirft  ...  er,  ber  20 
erfte  Sfleformator  unferer  neueren  i^eologie,  ber  lü^nfte  unb  belefenfte,  ber  an  Qx- 
forfc^ungen  unb  neuen  SHefultaten  reid^fte  Ideologe,  unter  ben  bi«  je^t  berftorbenen 
unfere«  ^a^rl^unbert«."  —  ©.  ftarb  in  ^aHe  am  14.  3)lärg  1791.  darl  SRirbl. 

©enb,  ©etibgertf^t.  —  (gid^^orn,  S)eutfd)c  @taat«^  unb  3fle*t«gcf*ic^tc  5.  9(ufl.,  I, 
S.  706;  II,  @.  499;  «Rcttbcrg,  m  3)cutf(^lanb8  II,  1848,  @.  742 ff.;  gÄoIl,  Ä®  ber  mtbexr  26 
lanbc,  beutW  t)on guppfc  1895,  6.  333 ff.;  ^Interim,  5)enfli)ürbiflfcitcn  V,  3,  1829,  ©.36 ff.; 
3)ot)c  in  b.  8Ä91  IV.  ©.Iff.  u.  V,  6.  Iff.;  bcrfelbc  in  b.  2.  ?(ufl.  biefe«  ©crf«  «b  XIV, 
8.  119 ff.  unb  in  b.  a^ufl.  be«  Äir*cnrccftt«  x>on  mä)Ux  1886,  ©.597 ff.  u.  833 ff.;  3acüb= 
fon,  ®efc^id)tc  ber  OucUen  bt^  M  b.  ?Jrcu6.  ©taat«  I,  ©.118 ff.;  ü.  9?ic^t^üfen,  5ricfifd)c 
9icd^t«qucflen,  SBcrlin  1840,  ©.127,  138,  248  u.  o.;  bcrf.,  Unterfuc^ungcn  über  S-riefifcfic  n(» 
9te*t«9cfc^ic^te  II,  1882,  ©.  730 ff.  u.  1257 ff.;  2öavnfönig,  glaiibrifc^e  ©taat^=  unb  SRccf)t§= 
gcfdjidjtc  I,  Tübingen  1835,  ©.  436;  3aaingcr  in  b.  9)130®  X,  ©.217;  ©cftröbcr,  2e^r= 
buc^  ber  beutf*cn  9le(^t«9cf*lc^tc  3.9(uf(.,  1898,  ©.577  ff.;  griebberg,  Scl^rb.  be4  mx^tn-^ 
redjt«5.  «ufl.,  1903,  ©.  320 ff.;  ©infdjiu«,  Äivc^cnredjt  V,  1895,  ©.425 ff.;  ^aurf,  m  3)entfd)= 
lanb«  II,  2.  ftufl.  1900,  ©.  733 ff.;  IV,  1903,  ©.  61  f.  35 

3)er  ©enb  (germanifiert  au«  synodus  f.  ®rimm,  3)eutfd^e«  SBörterbuc^  X,  ©.  571) 
toar  ba«  bifc^öflic^e  Slügegerid^t.  ©ein  Urfprung  liegt  in  ben  bifd^öflid^en  Äird^en^ 
bifitationen  (f.  b.  2lrt.  33b  X  ©.  480).  3)iefe  toaren  feit  bem  4.  3fl^t^unbert  im  TOorgen^ 
toie  im  3(benblanb  üblid^  unb  gingen  Von  ber  9lei(^«!ir(^e  in  bie  fränfifd^e  ^ird^e  über, 
f.  g.93.  Conc.  Cabill.  a.  639—654  c.  11,  Greg.Tur.  In  glor.  conf.  104  ©.815u.ö.  4o 
Sonifatiu«  brang  auf  bie  S3eobad^tung  biefer  (Sinrid^tung  @ränf.  ©^n.  to.  747,  Bonif. 
ep.  78  ©.  351,  ibff.),  ebenfo  hjurbe  fie  Von  Äarlmann  (Cap.  V.  742  c.  3  u.  5  ©.  25) 
unb  ^ippin  (Cap.  Suess.  744  c.  4  ©.  29),  befonber«  aber  Von  Äarl  b.  ®r.  geförbert 
(Cap.  19  c.  7  V.  769  ©.  45;  22  c.  70  V.  789  ©.  59;  77  c.  1  Vor  802  ©.170;  78 
c.  16  u.  23  V.  813  ©.  174  Vgl.  Conc.  Arel.  V.  813  c.  17  S.  61).  (Sine  aSorftettung  46 
Von  bem  SSoHjug  ber  Äirc^envifttation  in  biefer  ^^\t  getüäf^rt  eine  au«  Saiem  ftammenbe 
aufjeic^nung  (Cap.  116  ©.  234).  §ier  lernen  h)ir  bie  gragen  be«  Sifd^of«  an  bie  in 
ber  ftird^e  Serfammelten  lennen :  Interrogo  vos,  presbyteri,  quomodo  credetis,  ut 
fidem  catholicam  teneatis  seu  simbolum  et  oration*em  dominicam  quomodo 
sciatis  vel  intelligitis.  Canones  vestros  quomodo  nostis  vel  intelligitis  etc.  so 
Canonicos  interrogo,  si  secundum  canones  vlvant  an  non.  Vos  autem,  ab- 
bateSy  interrogo,  si  regulam  scitis  vel  intelligitis  etc.  Laicos  etiam  interrogo, 
quomodo  legem  ipsorum  sciant  vel  intellegant  etc.  3la6)  biefen  fragen  bilbete 
bie  38ifttation  ber  Verfd^^iebenen  ©tänbe  noc^  einen  gemeinfamen  3llt.  3)aburd^,  bafe  bie 
©rforfd^una  unb  fird^lid^e  Seftrafung  ber  aSerge^en  ber  Saien  —  anfang«  aud^  berjenigcn  65 
Sergei^en  oer  ^riefter,  bie  nic^t  3lmt«verge^en  tvaren  —  Von  ben  übrigen  9Sifitation«= 
gef4läften  getrennt  h?urbe,  entftanb  ba«  ©enbaerid^t,  ba«  nun  neben  bie  Sifitation  trat. 

^iefeßnttoicfelung  Vollzog  fic^  in  ber  nä(^ften3^it  nad^  Äarl  b.  ®r.  2)a«  16.  Äajjitel 
ber  ©^nobe  von  SRouen  (tval^rfd^cinlic^  unter  Subioig  b.  '^x,  f.  Ä®  2)eutfc^lanb«  II, 
©.  720,  3(nm.  3)  jeigt  ba«  ©enbgeric^t  al«  eine  felbftftänbige,  tvenn  aud^  in  aSerbinbung  m 

9itaU9nci9nopmt  fUr  Theologie  unb  mtdtt.    3.  9(.  XVI II.  |4 


210  ®tnh,  Seitbgertcl^t 

mit  ber  Jltr(i^ent)ifttation  \>oÜiOQmc  ^anblung.  @^  l^et^t  l^ier:  Cum  episcopus  suam 
dioecesim  circuit,  archidiaconus  vel  archipresbyter  eum  praeterire  debet  uno 
aut  duobus  diebus  per  parochias,  quas  visitaturus  est,  et  plebe  convocata  annun- 
tiare  debet  proprii  pastoris  adventum  et  ut  omnes  exeeptis  infirmis  ad  eius 
6  synodum  die  denominata  impraetermisse  occurrant  et  omnimodis  ex  auetori- 
tate  sanctorum  canonum  praecipere  et  minaeiter  denuntiare  debet,  quod  si 
quis  absque  gravi  necessitate  defuerit,  procul  dubio  a  communione  christiana 
Sit  pellendus.  Deinde  accitis  secum  presbyteris,  qui  in  illo  loco  servitium 
debent  exhibere  episeopo,  quidquid  de  minoribus  et  levioribus  causis  corrigere 

lopotest  emendare  satagat,  ut  pontifex  veniens  nequaquam  in  facilioribus 
negotiis  fatigetur  aut  sibi  immorari  amplius  necesse  sit  ibi  quam  expensa 
sufficiat. 

aSa^  bie  ©ünbcn  anlangt,  bte  für  ba«  ©enbgertc^t  in  S3ettad^t  famen,  fo  ^attc 
Äarlmann  bcn  Sifc^öfcn  im  allgemeinen  bie  ätu^rottung  ber  ^ßaganicn,  be^  l^eibnifc^en 

15  ätbetglauben^,  jur  ^fli^t  gemacht;  in^befonbere  nannte  er  bie  sacrificia  mortuorum, 
sive  sortilegos  vel  divinos  sive  filacteria  et  auguria  sive  incantationes  sive 
hostias  immolatitias,  quas  stulti  homines  iuxta  ecclesias  ritu  pagano  faciuut 
sub  nomine  sanctorum  martyrum  vel  confessorum  (Cap.  10,  5  @.  25,  t)gl.  Pipp. 
cap.  Suess.  c.  6,  ©.  30).    Äarl  b.  ®r.  ging  Leiter;  er  toer^jflic^tete  bie  Sifc^öfc  bei  ber 

20  äSii'itation  Unterfud^ung  anjufteUen  de  incestu,  de  patricidiis,  fratricidiis,  adul- 
teriis,  cenodoxiis  et  alia  mala,  quae  contraria  sunt  Deo,  quae  in  sacris  scrip- 
turis  leguntur,  quae  christiani  devitare  debent,  alfo  über  alle  fc^tvercn  ©ünben, 
mochten  biefelben  öon  hjeltlid^er  ©träfe  betroffen  Serben,  ober  nic^t  (c.  77,  1  ©.  170, 
h)äl^rcnb  19,  6  f.  ©.  45  nur  bie  SJorfc^rift  Äarlmann«  h)ieberl^olt). 

26  Äarlmann  ^atte  ben  Sifc^öfen  für  il^r  ©infc^reiten  gegen  ben  ^eibnifdj^en  ätber- 
glauben  bie  UnterftüMing  ber  @rafen  jugefagt.  ^arl  h)ieber^olte  bied  fd^on  769  unb 
fi)äter  nod^  einmal  (Cap.  19,  6  ©.  45  u.  90,  6  ©.  190).  älber  bafe  bie  ®rafen  bie 
äifd^öfe  jum  ©enbgeric^t  begleiteten,  läfet  fid^  für  3)eutfc^lanb  nid^t  nadj^toeifen;  für 
JJranfreid^  berorbnete  e^  Äarl  b.  Ä.  853  (Cap.  259, 10  ©.  269). 

30  3)urd^  ba^  ©enbgeric^t  foBte  bem  95ifc^of  ba«  ©infc^reiten  gegen  alle  Verfehlungen 
gegen  bie  firc^lic^en  ©ittengebote  möglid^  gemad^t  h)erben.  2lber  biefer  ^\o^i  fonnte 
nur  fe^r  unboDfommen  enei^t  toerben,  fo  lange  ber  Sifc^of  auf  me^r  ober  Weniger  zufällige 
anzeigen  angetoiefen  Wax.  3)iefem  9Jlangel  fud^te  man  burd^  bie  ©infül^rung  ber  ©enb- 
ieugen  abjupelfen.    3)er  Sifd^of  toä^lte  eine  Slnjal^l  glaubtoürbiger  SRänner  au^  bem 

35  ©cnbbcjirf  au^,  unb  ber^jflid^tetc  fie  eiblic^,  auf  bie  il^nen  borgelegten  5^agen  ^in  3ln= 
flagc  gegen  alle  i|^nen  befannten  ©ünber  ju  erl(>eben  (testes,  iuratores  synodi).  ^ic 
aibfic^t  bei  ber  ßinfül^rung  ber  ©enbjeugen  h)ar  alfo  nid^t,  ba«  Verfahren  im  Unterf(^ieb 
bon  ber  alttirc^lid^en  Sufejud^t,  bie  fic^  nur  auf  bie  offenfunbigen  ©ünben  bejog,  ouc^ 
auf  bie  geheimen  ©ünben  auöjube^nen,  fonbcm  ber  ^toti  toax  ju  beloirfen,  bofe  alle 

40  im  ©enbbejirf  borgefommenen  fir^lic^en  3>ergel^cn  bor  ba«  ©enbgeric^t  fomen.  35iefc 
9Jeubi(bung  boUjog  fid^  in  ber  ^meitcn  Hälfte  be«  9.  ^«^^^wnbert«.  3)afe  bie  ©enbjeugen 
in  ber  SiKittc  bc^felben  noc^  unbcfannt  toaren,  bereift  ba^  8. 5la))itel  ber  3Roinjer  ©^nobc 
bon  852  (©.  188).  2)enn  nac^  i^m  ^anbelte  ber  Sifc^of  bamal«  noc^  btrelt  mit  bem 
Soll.    Q^  ^ci^t:  Si  quis  presbiter  .  .  .  mala  de  se  suspicari  permiserit  et  po- 

4:>  pulus  ab  episcopo  iuramento  seo  banno  christianitatis  constrictus  infamiam 
eius  patefecerit  et  certi  accusatores  criminis  eius  defuerint,  admoneatur  primo 
seorsum  ab  episcopo  etc.  2)agegen  fmb  fie  in  ber  Äonftanjer  SJiöcefe  875—889  nac^ 
ibei^Iic^.  ©d^reibt  ©alomo  II.  an  Siutbcrt  bon  Wainj :  Cum  diocesim  meam  circuirem, 
deveni  ad  locum,  ubi  memorati  homines  habitabant,  et  ibi  didici  a  maioribus 

5()  natu  vici  illius,  quia  ibidem  coniuges  ita  sibimet  consanguinitate  iuncti  e88ent,etc., 
fo  ioirb  man  unter  bcn  maiores  natu  ©enbjeugen  ju  bcrfte^en  l^aben,  ebenfo  unter  ben 
prudentes  viri,  bon  bercn  Unterftü^ung  er  ein  anbere^mal  fpric^t  (Form.  Sangall.  30 
©.  415  u.  38  S.  420).  ^ragt  man  nad^  bem  Urf^jrung  biefer  Steuerung,  fo  ift  hm^rs 
fd^cinlid^,  baji  babei  eine  im  tüeltlic^cn  ©ericbt  Jc^on  bor^er  übliche  ©inridS^tung  auf  ba« 

55  bifcböflic^e  Stügeberfal^rcn  übertragen  lourbc.  ©d^on  Äarl^  Bof)n  $i^)})in  ^tte  für  Italien 
bie  Scftimmung  getroffen:  Iudex  unusquisque  per  civitatem  faciat  iurare  ad 
Dei  iudicia  (b.  l).  auf  bie  (Sbangelien)  homines  credentes  iuxta  quantos  previ- 
derit,  .  .  .  ut  cui  ex  ipsis  cognitum  fuerit  i.  e.  homicidia,  furta,  adulteria  et 
de  inlicitas  coniunctiones,  ut  nemo  eas  concelet  (Cap.  91,  c.  8,  ©.  192).    tiefer 

••-»  (Einrichtung   begegnet   man   unter  l^ubioig  b.  JJr.  auc^  bie^feitö  ber  SMjjen  (Cap.  187  b. 


Seitb^  Sntbsmi|t  211 

829  II,  ©.  8).  ©obann  Ic^rt  bic  ©^nobe  t)on  Sloucn  c.  15,  ©.  271,  bafe  bic  ätuf:: 
fteHung  Don  äSertraucn^männem  jur  Unterftülung  bei^  ^leru^  auc^  bem  firc^lid^en  £eben 
biefer  QÄt  ni^t  fremb  h)ar.  @«  h)itb  bort  berorbnet:  üt  decani  in  civitatibus  et 
in  vicis  publicis,  viri  veraoes  et  Deum  timentes,  constituantur,  qui  desides  et 
negligentes  commoneant,  ut  ad  Dei  servitium  absque  dilatione  properent,  et  5 
ut  ipsi  decani  sacramento  adstringantur,  ut  nulla  interveniente  causa  .  . . 
muneris  negligentes  et  transgressores  reticeant,  quin  propriis  sacerdotibus 
proprias  eorum  culpas  manifestent.  $atte  man  erft  folc^e  SSertrauen^männer  in  ben 
©emeinben,  fo  lag  tl^tc  §eranjtel^unfl  jur  Untcrftülung  bet  bifc^öfüc^en  3!)i«jit)lin  in  ber 
$Ratur  ber  ©ac^e.  10 

35a^  ©enböeridj^t  auf  biefer  ©tufe  feiner  ©nttoidelung  lernt  man  am  anfc^aulic^ften 
au«  Stegino  öon  $rüm  lennen,  de  syn.  caus.  II,  Iff.,  ©.  206ff.  6r  toieber^olt  ju== 
näc^ft  bie  Slnorbnung  ber  S^nobe  bon  Stouen  über  bie  SSorbereitung  be«  ©enbgertc^t« 
burc^  ben  aird^ibiafon  (f.  0.  ©.210, 1),  giebt  bann  an,  bafe  ber  S3ifd^of  nac^  einer  äln^ 
fprad^e  7  SKänner,  je  nac^  Umftänben  auc^  me^r  ober  weniger,  au«  ber  ©emeinbe  er*  15 
h)ä^lt  unb  aU  ©enbjeugen  in  $fli(^t  nimmt.  2)a«  (entere  gefc^a^  in  ber  35iöcefe  3:rier 
burc^  folgenbe  @ibe«formeI:  A  modo  in  antea  quidquid  nosti  aut  audisti  aut 
postmodum  inquisiturus  es,  quod  contra  Dei  voluntatem  et  rectam  christiani- 
tatem  in  ista  parochia  factum  est  aut  futurum  erit,  si  in  diebus  tuis  evenerit, 
tantum  ut  ad  tuam  cognitionem  quocunque  modo  perveniat,  si  scis  aut  tibi  20 
indicatum  fuerit  synod^em  causam  esse  et  ad  ministerium  episcopi  pertinere, 
quod  tu  nee  propter  amorem  nee  propter  timorem  nee  propter  praemium  nee 
propter  parenteiam  ullatenus  celare  debeas  archiepiscopo  de  Treveris  aut  eins 
misso,  cui  hoc  inquirere  iusserit,  quandocunque  te  ex  hoc  interrogaverit. 
Sic  te  Deus  adiuvet  et  istae  sanctorum  reliquiae.  hierauf  begann  ber  S3if(^of  25 
bie  Unterfudj^ung,  inbem  er  nac^  ben  ©ünbem  im  einzelnen  fragte,  ©eine  fragen  er^ 
ftrecften  ftc^  auf  folgenbe  fünfte:  1.  SSerbrec^en  gegen  £eib  unb  geben,  2.  Unjuc^t, 
3.  S)iebfta^l,  befonber«  Äir^enbiebfta^I,  4.  ÜKeineib,  5.  falfc^e«  geugni«,  6.  3Jlenwens 
raub,  7. 3öu6erei,  8.  abergläubifc^e  ^anblungen,  tooran  ftc^  9.  jiemlic^  regello«  eine  a)Jenge 
gragen  über  3Serftöfee  gegen  bie  2KoraI  unb  bie  lirc^Iic^e  Drbnung  anfügte.  «1 

3)ie  burc^  bie  ©cnb^eugen  erl^obene  Slnflage  mar  nic^t  bon  i^nen  ju  bcioeifen, 
fonbem  entf})rec^enb  bem  SSerfal^ren  im  toeltlic^en  ©erid^t  fiel  bem  Seflagten  bie  Setoei«- 
p^xd^t  für  feine  Unfc^ulb  ju.  äte  S3eh)ei«mittel  biente  für  bie  freien  ber  gib.  Slegino 
giebt  II,  235  ©.306  folgenbe  formet:  De  hoc  quod  mihi  reputatum  est  in  hac 
synodo,  quod  simul  cum  ista  femina  adulterium  vel  fornicationem  fecissem,  30 
quod  ego  non  ita  feci  nee  unde  me  culpabilem  recognosco.  Sic  me  Deus 
adiuvet  ad  istud  iudicium  suum.  2)ie  Unfreien  Ratten  i^re  Unfc^ulb  burd^  ba« 
®otte«urteiI  barjut^un,  ebenfo  folc^e  greie,  gegen  beren  ©laubmürbigfeit  gegrünbete 
3toeifel  beftanben  (Reg.  II,  303  ©.  332).  ^n  äbtoefen^eit  ber  »eflagten  tonnte  bie 
änflage  burd^  ba«  ^tn^nx^  ber  3lnh)efenben  beriefen  Serben,  ©alomo  II.  bon  Äonftanj  40 
berichtet  in  bem  oben  angeführten  ©rief:  Quod  inquisitione  facta  et  fide  cum  iura- 
mento  data,  ita  verum  esse  didici,  ut  omnes  a  minimo  usque  ad  maximum 
id  ita  se  habere  proclamarent  (Form.  Sang.  30  ©.  416).  3ladi)  bem  Seh)eig  fanb 
ber  JHic^ter  gemeinfam  mit  ben  antoefenben  ^rieftem  be^  Urteil,  ©elbftöerftänblid^  öer^ 
l^ängte  er  nur  firc^Iic^e  S3ufeen  (f.  Reg.  II,  5,  38  S.  211:  Quam  vis  enim  haec  se- 40 
cundum  legem  humanam  emendari  debeant  atque  exsoivi,  tamen  poenitentia 
ad  episcopum  pertinet).  ©elbftrafen,  an  beren  ©teile  bei  Unfreien  Seibe^ftrafen 
traten,  fc^einen  erft  gegen  ßnbe  be«  10.  3;a^r^unbert^  aufgefommen  ju  fein.  "Slan  finbet 
bie  ©elbbufee  unb  Seibe^ftrafe  neben  ber  fanonifc^en  S3ufee  juerft  im  ©enbrec^t  ber  3Wains 
toenben  (f.  u.  g.  59)  ©.  162.  3)ie  (gjfommunilation  gehörte  nid^t  ju  ben  im  ©enbgeric^t  00 
»erhängten  ©trafen ;  fte  trat  nur  ein  im  galle  ber  3Biberfe$Iic^f eit  gegen  ben  ©enb,  ögl. 
Gan.  extrav.  conc.  Trib.  add.  12  ©.  249 :  Cum  ad  synodum  canonice  iussus 
venire  contempnit,  aut  postquam  illuc  venerit,  sacerdotalibus  respuit  oboedire 
praeoeptis,  aut  ante  finitam  causae  suae  examinationem  a  synodo  profugus 
exire  praesumit.  Der  ben  ©enb  ^altenbe  Söifc^of  l)aiU  3lnf})ruc^  auf  SUer^flcgung  unb  65 
eine  abgäbe,  f.  b.  3lrt.  abgaben  S3b  I  ©.  93,  28. 

5IKan  bergleic^e  mit  ben  Slngabcn  Stegino^  baö  Äölncr  ©enbred^t  bei  Sinterim  unb 
9Mooren,  2)ie  63).  Äöln  I,  2.  Slufl.,  ©.  45,  ben  älugöburger  Ordo  synodi  per  villas 
bei  ©teiner,  Synodi  dioecesis  Augustanae  I,  1766,  ©.  3  ff.,  ba^  ©enbrcc^t  bcr^JJ^ain- 
toenben  bei  3)oi)e  3Ä91 IV,  ©.  160—162,  unb  bie  SeriAte  über  ben  ©enb  in  ber  Vita  eo 

14* 


212  Settb^  Seitbgericl^t 

Oudalrici  6,  Scr.  IV,  ©.  394,  Vita  Bennon.  Osn.  7,  ©.  8  u.  Passio  Frider.  ep. 
Traiect.  11,  Scr.  XV,  S.  349;  bie  leitete,  ein  SBerf  bc«  11.  ^a^r^unbertö,  lommt 
natürlich  ate  S^^gntö  für  bicfe  3^^  wnb  nid^t  für  bie  erftc  §älfte  be«  9.  Sal^r^unberl« 
in  Setrac^t. 

5  äuö  bem  aBerle  Slegino^  finb  bie  3Sorfc^riften  über  ba«  ©enbgeric^t  in  bie  grofec 
(Sammlung  Surf^arbö  bon  aBorm«  (I,  90—94,  ©.  572ff.)  unb  iDenigften«  ^um  leil 
in  baö  3)efret  ©ratian«  übergegangen  (II,  caus.  35,  qu.  6,  c.  7).  3)a«  ©enbgerid^t 
fanb  bemnac^  im  11.  g^i^rl^unbert  im  Iref entließen  in  berfelben  ^oxni  loie  am  SCuögang 
be^  9.  ftatt.    3)afe  au^  über  ©ünben  ber  Älerifer  bor  bem  ©enb  ge^anbelt  tourbe  (f.  o. 

10  S.  209,  ö5  u.  210, 44),  fd^eint  fd^on  im  Saufe  be«  9.  ^a^r^unbert^  abgefommen  ju  fein: 
bei  ^Hegino  ^anbelt  ber  33ifd;of  im  ©enbgeric^t  nur  cum  laicis  et  secularibus  (2.  Sc^. 
Überfc^r.,  ©.  206),  im  älugöburger  Ordo  h)irb  über  bie  amtliche  3:i^ätigfeit  be«  5ßfarrer^ 
erft  nac^  ßntlaffung  ber  Saien  ge^anbelt  (c.  3,  ©.  5 :  Tunc  emitte  illos  fores  et 
intromitte  praespyterum  tecum,   retinens  duos  vel  tres  testimoniales   idoneos 

16  et  veridicos  prespyteros),  in  9Rainj  ^iefe  ber  ©enb  gerabeju  synodus  laicalis  unb 
h)urbe  ben  Senbjeugen  geboten  nic^t  ju  rügen  il^ren  eigenen  5ßfarrer,  i^ren  eigenen 
$enen  unb  ein  jeber  feine  eigene  e^elic^e  ^rau  (Modus  celebrandi  s.  synodum 
laicalem  bei  SBürbtiDcin  Dioec.  Mogunt.  II,  ©.  26  ff.)  ©benfo  ift  in  bem  Inquisi- 
torium  in  visitatione  episcopi  vel  sui  commissarii  au^-  ^omefanien  ba^  Inquisi- 

20  torium  clerieorum  unb  laieorum  getrennt  (^acobfon  I,  Slnl^ang  ©.  257,  3lx.  77). 
3)od^  h)ar  biefe  Sefc^ränfung  nic^t  allgemein;  in  ber  ^reu^ifc^en  Informatio  pro  visi- 
tatoribus  (gacobfon  I,  2ln^ang  ©.  253,  9Jr.  75)  lieft  man  im  ©egenteil:  Queratur  a 
testibus  synodalibus  sub  iuramento  prestito  de  suo  plebano,  ©.  255. 

^m  Weiteren  SSerlauf  fam   e«  ^u  neuen  Umbilbungen  beiS  ©enbgeric^t^.    35te  eine 

25  betraf  bie  Senbjeugen:  im  12.  ^a^r^unbert  fungierten  fte  nic^t  mel^r  nur  aU  Äläger, 
fonbem  aud^  ate  Urteitöfinber  jufammen  mit  ben  geiftlic^en  Slic^tem;  bie  ©enbjeugen 
iüaren  j^u  ©enbfc^öffen  (scabini  synodales,  eitsvere,  sendwroger)  geworben.  $er 
3cit^unft,  in  bem  biefe  änberung  eintrat,  läfet  fid^  toenigften«  annä^emb  beftimmen. 
®ie  ©d;ilberung,   bie  bie  33iogra))^ie  Senno«  bon  D^Snabrüdf  t)on  feiner  Haltung   im 

80  ©enbgeric^tc  giebt,  [erliefet  au«,  bafe  ©c^öffen  mit  i^m  gufammen  t^ätig  toaren  (Vit. 
Benn.  7,  ©.  8).  ^n  ber  ÜRitte  be«  11.  3;a^r^unbertg  loar  alfo  bie  alte  SQäeife  noc^ 
üblic^.  3)agcgen  erfiärte  fic^  ßugen  III.  um  1146  gegen  bie  berberblic^e  ©etoo^nl^eit, 
qua  elerici  et  laici  indifferenter  de  causis  ecclesiasticis  in  synodo  remoto  ab 
eis  episcopo  iudicabant,    er  fc^reibt  bem  gegenüber  t)or,  ut   de  cetero  episcopus 

35  cum  canonicis  maioris  ecclesiae  assumptis  secum  aliis  discretis  viris,  remoto 
multitudine,  discernat  et  potestatem  iudicandi  habeat  (Trouillat,  Mon.  de  Bäle 
III,  ©.  666).  3n  berTOttebe«  12.  ^ja^rl^unbert«  mar  alfo  bie  neue  SBeife  f^on®etoo^n= 
^cit.  3)anad^  iüirb  man  bie  Slu^be^nung  ber  ^l^ätigfeit  ber  ©enbjeugen  auf  ba«  Urteilen 
in  bie3^it  um  1100  ju  Verlegen  i}abm.  ©ie  erllärt  fid^  o^ne  ©c^iDierigleit  barauö,  baft 

40  man  in  biefer  ^eit  überl^auj)t  an  bie  3With)irfung  ber  Saien  bei  ber  ©ntfd^eibung  fird^li(^er 
9lcc^t^=  unb  3Serh)a(tung«fragen  getoö^nt  h)ar.  Nabelte  ^nnocenj  III.  in  einem  ©(^reiben 
an  bem  Sifd^of  toon  ^affau  Don  1199  bie  consuetudo  minus  rationabilis,  bafe  cum 
aliqua  causa  traetatur  ibidem  (in  causis  ecclesiasticis),  allegationibus  et  que- 
relis  utriusque  partis  auditis,  a  praesentibus  litteratis  et  illiteratis,  sapientibus 

45  et  insipientibus,  quid  iuris  sit,  quaeritur  et  quod  illi  dictaverint  vel  aliquis 
eorum  praesentium  consilio  requisito  pro  sententia  teneatur  (Reg.  I,  571  ©.  526), 
fo  l}atU  er  babei  nic^t  baö  ©enbgeric^t  im  3lugc;  er  fprad^  mit  SRüdffic^t  auf  9lec^t«= 
^änbcl.  älber  loa«  er  fagt,  betoeift,  ba^  bie  3Jlith)irIung  ber  Saien  in  ©eutfdj^lanb  ebenfo 
felbftoerftänblid^  mar,  toie  fic  ber  Äurie  unerh)ünfd^t  getoefen  ift.    35ie  ©enbfc^öffen  fmb 

50  benn  aud^  tro^  feiner  einfj)rad^c  nic^t  toerfc^tounben  (freilid^  auc^  nid^t  überall  noc^toei«^ 
lid;  f.  §infrf)iu«  ©.  439  f.).  ^m  (Segenteil  erhielt  ba«  Saienelement  im  12.  3<^ri^unbert 
baburd^  einen  nod^  ftärferen  Ginflufe,  bafe  bie  SBahl  ber  ©enbfd^öffen  aufhörte,  ©a^e 
bce  ©enbl^errn  ju  fein;  bie  SefteHung  neuer  ©enbf^öffen  fanb  enttoeber  burdj^  3"*^^^ 
feiten«  ber   im  3lmte  befinblid^en   ftatt,   ober   fie  ging   an   bie  Saien,   in   ben  ^tobten 

55  an  ben  diai,  über.  3!)a«  miffen  loir  au«  bem  alten  d^rifttid^en  ®ebiet  in  ^anfen  unb 
©acbfen,  tüie  au«  bem  Äoloniallanb,  f.  ©oefter  ©tatuten  bon  1120  bei  ©eioer^,  US  j. 
Sanbe«=  unb  3Jed^t«gefc^ic^te  be«  §.  5öeftfalen  I,  ©.  49,  9Jr.  42,  5;  SJranlfurter  aSerglei^ 
bon  1283,  US  ber  SReic^«ftabt  granffurt  I,  ©.228,  9Jr.  473;  @eh)ol^n^ett  Don  bc« 
geiftlicben  ©enbe«  loegen  }u  3Wiltenberg,  ©täbted^ronifen  XVIII,  ©.  235 ;  äadj^ener  Crb^ 

60  nung  t)on  1446  bei  Sörfc|,   3lad^.  ^)(ed^t«benfmäler  1871,  ©.  129,  3lx.  20;   Uthinbe  be« 


Stut,  Senbgertcl^t  213 

33ifc^of^  5«ifoIau«  Don  SRiga  bon  1232  (£it)--,  @ft^=,  Äutl.  U93  I,  e.  1(53,  5k.  12G); 
^rcufe.  Inform,  pro  visit.  bei  S^^^^bfon  Slnl^ng  ©.  253,  3lx.  75;  über  grie^Ianb  f. 
bon  Slic^t^ofen  II,  ©.  733. 

5Ro(l^  tiefer  griff  eine  jhjeite  Steuerung.    3^  »"^^^  ^'^  SBifd^öfe  ju  dürften  tourben, 
um  fo  iDcniger  tooren  fte  im  ftanbe,  il^re  firc^Iic^en  ^flic^ten  in   eigener  ^erfon  ju  er»  6 
füllen.  ©0  tDurbe  ber  älr^ibiafon  jum  ©teHöertreter  beiS  Sifd;ofg  im  ©enbgeri(^t.   ©eits 
bem  bie  GJlieberung  ber  Si^tümer  in  eine  größere  ober  Heinere  ^al^l  öon  ätrci^ibialonaten 
burd^gefül^rt  h)ar,  erhielt  jeber  grjbiafon  feinen  eigenen  ©enbbejirf,  unb  inbem  bie  Slrd^i» 
bialone  au^  ©e^ilfen  be«  Sifc^ofiS,  bie  in  feinem  2luftrag  l^anbelten,  ju  3:rägem  eine« 
firt^lid^en  3tmte«  h)urben,  bem  bie  9Serh)aItung  eine«  leite  ber  bifc^öflic^en  3[w^i^^iftion«=  lo 
rechte  jufam,  tourben  fte  ju  ©enbl^crren,  bie  ben  ©enb  in  eigenem  9led(;te  l^ielten.    3)a« 
9?a(^einanber  ber  @nth)i(felung«ftufen  ift   ^ier  llax  erfennbar.     3m  10.  unb   11.  ^ahx^ 
^unbert  fear  bie  ätbl^altung  be«  ©enbgerid^t«  burc^  ben  Sifd^of  felbft  ba«  ©etpö^nlidpe: 
h)ie  t)on  Ubalric^  Don  3lug«burg  unb  93enno  bon  D^nabrücf  toiffen  h)ir  Don  Semtüarb 
t)on  §ilbe«^eim  unb  2lnno  öon  Äöln,   bafe  fte  })erfönlic^  im  ©enbgeric^t  urteilten  (US5  i5 
b.  §o(^ft.  §ilbe«^eim  I,   ©.  60,  5Rr.  64  öon  1020,   Lamb.  ann.  t)on  1074,  ©.  186). 
3(ber  fc^on  ba«  ©enbrec^t  ber  SJlainmenben  f))ri(^t  t)i)n  placitum  episcopi  s.  archi- 
presbyteri  (©.  161)  unb  35emh)arb«3^itgenoffe  SSurcbarb  t)onSQ3orm«  fügte,  inbem  erSlegino« 
Seftimmungen  h)ieberlE>oIte,  einen  9Kiffu«  be«  S3ifc^of«  ein,  ben  Slegino  eigen«  ju  ertpä^nen 
nod^  nic^t  für  nötig  l^ielt.    Sei  le^terem  laut^U  bie  Überfc^rift  ber  ©enbfragen :   Post  2d 
haec  [episcopus]  ita  per  ordinem  interroget  (©.  208);   barau«  h)irb  bei  erfterem : 
Interrogatio   episcopi    aut    eius   missi  (@.  573).     9lu(^  Slegino  lou^te,  ba^  ber 
aSifd^of  p^  vertreten  laffen  fonnte  (ögl.  bie  Überfd^r.  be«  2.  »c^«.  ©.  206  unb  II,  232 
©.  305) ;  bafe  er  gleic^too^l  nur  ben  Sifc^of  al«  l^anbelnb  nennt,  läfet  vermuten,  bafe 
nur  in  ä[u«na^meföllen   eine  3Sertretung  borfam;   bie  f})äteren  SBenbungen  jeigen,   bafe  25 
bo«  nic^t  me^r  ber  %aÜ  h)ar.    3;m  12.  ^öi^i^^nnbert  ift  bie  Vertretung  oa«  ^etoöl^nlic^e 
getoorben.    5Run  beftimmte  Sifd^of  Sleinl^arb  öon  §alberftabt,  bafe  ber  $roj)ft  t)on  Äalten= 
bom  al«  3(r(^ibiaton  in  feinem  Se^irf  vice  nostra  et  successorum  nostrorum  sinodo 
presit  et  quecunque  terminanda  occurrerint   eius  auctoritate  decidantur  (US 
b.  ©oc^ft.  jpdberftabt  I,  ©.  113f.,  5Rr.  147  t)on  1120  togl.  ©.  262,  5Rr.  191  t)on  1138):  30 
l^ier  ^äit  jtoar  ber  ätrc^ibiafon  regelmäßig  ba«  ©enbgeric^t;  aber  er  l^anbelt  noc^  vice 
episcopi.    SQüenn   bagegen  ^nnocenj  II.,  generalem  consuetudinem   ecclesiae   at- 
tendens,  i.  ^.  1139   bem   Sonner  $ro))ft  ©erwarb  beftätigt:    licentiam   et  liberam 
potestatem  certis  temporibus  visitandi  et  circumeundi  decanias,  que  in  archi- 
diaconatu  vestro  sitae  sunt  (MSL  179,  ©.  496,  9Jr.  430),  fo  h)irb  ber  ätrd^ibialon  as 
nit^t  me^r  al«  ©teDtoertreter  betrachtet,  fonbern   er  erfc^eint  al«  3"^^^^  ^'"^  eigenen 
©etoalt.    @«  h)ar  nur  bie  entfjjrec^enbe  Sejeic^nung  für  biefe«  9led9t«t)er^äUni«,  ba|  ber 
ärc^ibialon  je^t  Iudex  Ordinarius  h)ie  ber  Sifc^of  genannt  tourbe.    ^a«  gefc^a^  Don 
3nnocenj  III.,  ögl.   Reg.  XIV,  45   ©.413   bon  1211:   Diocesanus  episcopus   vel 
archidiaconus   loci   seu  quilibet  alius  Ordinarius  iudex ;    unb   ba«  h)ar   auc^   in  40 
3)eutf(^Ianb   übU(^,  f.  bie  Äölner  ©tatuten  bon   1266  c.  14    §ar^^eim   Conc.  Germ. 
III,  ©.  623 :    Ut  praelati  et  ordinarii   iudices   in  terminis  eorundem  iurisdic- 
tioni   subiectis   synodum   suam  .  . .  observent;    ögl.  bie    Ur!.   gürftcnb.   US  V, 
©.  449,  3lx.  520  Don  1353,  in  ber  ein  ©trafeburger  ßrjbiafon  jhjei  Vertretern  bie  libera 
potestas  nomine  nostro  iudicandi   homines  sub  nostra  iurisdictione  degentes  45 
übertrögt. 

5RatürIic^  boH^og  fic^  biefe  @nth)idfelung  nid^t  überall  gleid^jeitig,  aud^  fam  fie  nic^t 
überoH  jum  völligen  ätbfd^lufe.  3n  grieelanb  ^.  S.  l^iclt  ber  Sifc^of  noc^  im  13.  ^Qi)X' 
l^unbert  in  jebem  4.  $^al^r  ba«  ©enbgerid^t  felbft,  in  ben  brei  öor^erge^enben  ^ielt  e«  ber 
^dan  (f.  b.  Slic^tHen  II,  ©.  731;  bgl.  auc^  SBeftf.  US  III,  ©.  281  3lx,  523).  3luc^  00 
in  3:rier  unb  ÜRainj  beftanben  bie  drjbifc^öfc  auf  bem  Siecht,  im  4.  ^al^r  ben  ©enb 
felbft  gu  galten,  be^to.  bie  babei  anfaUcnben  ©efäDe  ju  ergeben,  f  3R.  Sll^ein.  US  I, 
@.  650,  9lr.  592  bon  1155  unb  SBürbttocin  Dioec.  Mog.  II,  ©.  9  bon  1195.  2)a« 
Severe  gefc^a^  auc^  bann,  h)enn  ba«  ©rftere  unterblieb,  f  bie  Urlunbe  G^riftian«  bon 
TOoing  Don  1170  bei  ©ubenu«  Cod.  dipl.  Mag.  I,  ©.  260,  3lx.  93.  55 

^a  unb  bort  ging  bie  g^'^fpli^^^^ö  ^^  ©enbgerid^t«  noc^  h)eiter.  2lud^  bie  erj= 
biolone  l^ielten  ben  ©enb  nic^t  überaK  mcl^r  ^jerfönli^,  fonbern  fie  betrauten  bamit  ©tcÖ= 
Vertreter;  bgl.  bie  oben  angeführten  Kölner  ©tatuten  toon  1266  c.  14:  Ut  ordinarii 
iudices  . . .  synodum  suam  .  .  .  observent  per  se  vel  per  alios.  3(1«  ©tc[I= 
Vertreter  fd^einen  fte  jumeift  bie  ßrjjjriefter  benü^t  ju  ^aben;    1147  crfc^cint  c«  in  ber») 


214  Senk,  Seubflerii^t 

aWainger  3)iöccfe  aU  üblii),  bafe  bcr  Senb  Dom  grjbiolon  ober  (grjj)ricfter  unter  Seirat 
be^  Crtßpfarrer«  gehalten  tourbe  (©tumt)f,  Acta  Mag.  ©.  38,  9lr.  34).  6«  toiebcrl^oltc 
fic^  bann  biefclbe  erfd^einung  h)ic  beim  ärc^ibiafonat:  an^  ber  SSertretung  tourbe  ein 
felbftftänbige«  Siecht,   ber  @rj))riefter  h)urbe  h)ie  borl^er  ber  ärc^ibiafon  ©cnb^err,  t)gl. 

6  j.  S3.  ©ubcnug,  Cod.  dipl.  Mag.  I,  @.  193,  31%.  71  bon  1147,  SKUtenberger  ©etoo^n^ 
^eit  ©.  235. 

3)amit  bafe  ba«  ©enbgerid^t  aufl^örte  bifc^öflic^e^  GJeric^t  ju  fein,  ^ing  eine  toeitere 
Umgeftaltung  be^felben  j\ufammcn.  gn  ber  oben  erioö^nten  ©alberftäbter  Urfunbe  loon 
1120  ift  benterlt,  bafe  bie  milites,  ber  ritterliche  3lbel,  [xd^  bem  ©rft^einen   im  ©enb= 

10  gerieft  entjögcn :  fte  ioerben  mit  ©träfe  bebrobt.  3)iefe  STbneigung  be^  Slbefe,  ft^  ber 
©enbgeioalt  be«  Slrd^ibialon  m  unterwerfen,  ^atte  boran  einen  äin^alt,  bofe  ber  Slbel 
bon  ben  niebrigen  loeltlic^en  (8eri(^ten  befreit  toar.  @r  forberte  bem  ürd^Iic^en  ©erid^te 
gegenüber  bag  gleiche  Siedet,  ba«  er  bem  toeltlic^en  gegenüber  befafe.  35er  6))iffot)at  aber 
erfannte  ben  änf))ru(^,  bcn  er  im  12.  ^a^rl^unbert  jurüdfgetoiefen  ^tte,  im  13.  an.  3)a« 

16  tl^at  au!^rüdfli(^  ©ngelbert  öon  Äöln  in  feinen  ©tatuten  bon  1266  (c.  14:  Soli  nobiles 
excipiantur,  qui  ad  nostram  synodum  noscuntur  specialiter  pertinere);  ba^ 
gleiche  ioar  im  »i^tum  SQäürjburg  ber  %aü  (M.  B.  37  ©.  408  ?Wr.  356  öon  1263:  Eos, 
qui  immediate  subsunt  episcopo,  puta  eos,  qui  dicuntur  synodales),  unb  fc^eint 
in  ganj  ©ac^fen  gegolten  ju  l^aben  (©a(^fenfj)iegel  I,  c.  2  ©.  28  ber  äu^abe  bon  §o- 

ao  me^er  1835:  Scepenbare  lüde,  die  der  biseope  senet  suken  solen).  3(uc^  bic 
5KinifteriaIen  erlangten  mancherorts  greil^eit  öom  ©enb  (fo  in  SBürjburg,  3öDinger 
©.  22).  ßigentümhc^  ift,  bafe  fte  auö)  ben  ^nflufen  gugef})ro(l^en  tourbe  (ebenfalls  in 
SEBüriburg  Mon.  Boic.  XLI,  ©.  285,  9lr.  105).  6«  ift  unberlennbar,  bafe  bie  Befreiung 
einjelner  95ebötterung«f(affen  öom  ©enb  feinen  SSerfaß  einleitete. 

25  3)er  ÄreiS  ber  SSerfe^Iungen,  über  bie  gerichtet  Werben  foDte,  tourbe  toäl^rcnb 
be«  SKittelalter«  burc^  aDgemeine  33eftimmungen  nic^t  geänbert.  i^atfäc^lic^  beWieS  fic^ 
bie  3Rinberun^  ber  Sebeutung  be«  ©enbgeri^t«  in  ber  legten  3^*  ^^  9KitteIaIter«  au4 
barin,  bafe  feine  Äomjjetenj  faft  überall  eine  bebeutenbe  93efc^rän!ung  erlitt.  SBie  toeit 
biefe  ge^en  lonnte,  jeigt  ber  Sergleic^  gloifd^en  ben  ©.  211,  26  ertoäl^nten  ©enbfragen  bei 

ao  Slegino  unb  ben  Seftimmungen  ber  3ülid^=95ergifc^en  ©enborbnung  auS  bem  15.  "^ahx- 
^unbert  (Sinterim,  3!)enfm.  V,  3  ©.  46) ;  benn  l^ier  ftnb  ate  pecM^ata  generalia,  quae 
sub  synodum  (»dunt,  nur  aufgejä^It:  5'"^^#  ©aufen,  unorbentlid^er  §aud^alt,  lln= 
juc^t,  verbotene  6^e,  Sruc^  ber  ©onntagSfeier,  SSerad^tung  beS  ©otteSbienftS  unb  ber 
©aframente,  Slöinfelj)rebigt.    ßö  ift  aUeiJ  auSgefd^iebcn,  ioaö  in  bie  bürgerlidj^e  Slec^t^ 

35  fp^ärc  fällt.  Äam  eS  n\d)t  aDgemein  fo  toeit,  fo  probogierte  gerabe  beSl^alb  baS  ©enb= 
gerid^t  ffilberf^juic^.  6S  erfd^eint  feltfam,  bafe  nad^bem  bie  Saien  3Rith)irfung  im  ©enb^ 
gerieft  erlangt  l^atten,  gerabe  fie  feine  SBebeutung  ^crabjubrüdfen  beftrebt  toaren.  3)er 
©runb  lag  jjum  Xcil  in  ber  Äonfurrcnj  beS  ©enbgerid^tö  mit  ben  bürgerlichen  ©eric^ten, 
j^um  2:cil  in  ber  2lbncigung   gegen   bie  gerid^tUc^c  Se^anblunj  firc^Iic^er  Verfehlungen. 

40  ©0  tourbc  in  ®ent  1192  feftgefc^t,  ba^  ber  ©enb  nur  alle  mer  ^ofyct  ftattfinben  fottc, 
unb  bafe  ber  Sifc^of  in  ^crfon  i^n  abgalten  muffe  (3Bam!önig  ©.  436);  im  13.  3abr= 
^unbcrt  toeigcrtcn  fid^  bie  ©enter  Senb^eugen,  Ünju^t^fäUe  ju  rügen.  Snnocen^  IV. 
bcrfügtc  1253,  bafe  ber  »ifc^iof  \>on  S)oomif  fie  baju  jioinge  (MG  EP  III,  ©.  152, 
5?r.  181).     ayir   toiffen   nic^t,   mit   ioeld^cn   ßrfolge.     ^n  Äöln   befc^toerte  ftc^   1258 

45  bcr  (Sr,;bifcbof,  ba^  bie  Sürgerfd^aft  feit  bicien  '^al}xm  i^n  l^inbere  gu  richten  de 
usuris,  periuriis,  adulteriis,  matrimoniis  et  spectantibus  ad  matrimonia,  de 
falsis  mensuris  et  de  omni  eo  quod  vulgariter  meincjoif  (betrügerifc^cr  ^onbel) 
dieitur  et  quod  in  synodis  accusare  consuevit  (Duellen  j.  (Sefc^.  b.  ©tabt  Äöln 
II,  e.  382,  "ilx.  20).    ia^   Don   i^m   unb   ben  bürgern   angerufene  ©c^ieb^eric^t  bc= 

50  ftitnmtc :  De  usuris,  periuriis,  adulteriis,  matrimoniis  et  spectantibus  ad  matri- 
monia  et  aliis  huiusmodi  cognoseere  simplieiter  pertinet  ad  forum  ecciesiasticum. 
De  bellis  autem,  que  diebus  festivis  vel  in  emunitatibus  fiunt,  de  falsis  mensuris 
et  de  bis  que  vulgariter  menehoif  dicuntur,  que  in  synodis  accusari  debent, 
dicimus  cognoseere  debere  tam  iudicem  ecciesiasticum  quam  secularem  (©.  393). 

55  §icr  hatte  bic  33ürgcrfcl)aft  alfo  einen  Ijalbcn  ßrfolg.  einen  boHen  errang  fte  in  9Jlilten= 
berg.  "^Dort  ^cif^t  ee:  „ift  unfcr  gctoonbcit  unb  alfo  bon  alter  ber  fomen,  ba«  toir  nid^t 
anbcr^  rügen  bann  ioae  elicb  unb  anbcr  gciftlicb  facb  angct,  al^  eebrec^cn,  jaubemi^  ober 
bcr  nit  rc4)t  jcknt,  ioaß  bann  gciftlid)  fac^  angcct  unb  offclicb  iouc^er.  fünft  anbcr 
ftut  ))untc  unb  artitcl  bic  er  (bcr  Gr.^ij^ricftcr)  forbcrt  ,^u  rügen  ba^  finb  l^engerec^t  unb 

üü  ftcnt  bcr  [tat  ju  ju  bufecn  unb  fuft  niinant  anbcr^  .  .  .,   al^  flcin  geloi^t,    furg  elen, 


®eitb^  Settbgmd^t  Sdibomir  215 

Hein  mafe  unb  anbct  Hein  ftufe,  bie  bann  ber  \iat  ju  ften;  aud^  biebcrij,  tauben,  fielen, 
morben,  brennen,  gotftoerer,  marßftein  ufegraben,  felfd^erij  unb  anber  folc^e  grofe  fac^  an« 
geberlic^,  bie  ftent  unfern  gnebigen  ^enen  bon  ÜRenfe  amj)tlube  unb  ber  [tat  ;iu  ju  bu^m 
unb  gar  nit  bem  ercji)riefter."  3i^n(i(^  in  33raunf^h)eig  togl.  ben  6ib  ber  ©enbfc^öffen 
U55  b.  St.  95r.  I,  ©.  98,  5Kr.  52.  2Bie  bie  ©täbte,  fo  toaren  auc^  bie  £anbe«^enen  6 
bem  ©enbgeric^t  abgeneigt;  offenbar  fa^en  fte  barin  einen  Singriff  in  i^re  territorial* 
geloalt  (f.  §infc^iu^  ©.  447,  Stnm.  2).  @d  erlitt  bemnad^  nac^  aßen  ©eiten  ^in  eine 
TOinberung  feiner  Sebeutung.  Daburc^,  bafe  eö  bann  unb  h)ann  lirc^lic^e  SSertoaltunggs 
fachen  an  ftc^  jog  (f.  j.  S5.  bie  Verfügung  be^  Slac^ener  ©enbgeric^t^  öon  1269  bei 
Sörfc^  ©.33,  Vit.  1),  h)urbe  feine  S5ebeutung  nic^t  erl^öl^t;  benn  eö  blieb  bei  bereinjelten  lo 
gotten.  3lm  meiften  fd^abete  feinem  Slnfe^en,  bafe  an  bie  ©teile  ber  ^önitemen  (Selb* 
bufeen  traten;  ba«  !am  fd^on  im  12.  ^a^r^unbert  bor,  aber  e^  erregte  noc^  3lnftofe  (f. 
Innoc.  III.  Reg.  I,  420,  ©.396  t)on  1198):  fbäter  toar  e«  unanfechtbare  Slec^tg* 
getool^n^eit  (f.  b.  äa^ener  SBei^tum  t)on  1331  bei  !2örf(^  ©.  44,  5Rr.  5;  ba^  S3oj)parber 
SBäei^tum  bon  1389,  5Rr.  6  bei  Sörfc^,  SBäei^tümer  ber  9l^einj)r.  I,  ©.  13  unb  ben  SCabel  i5 
ber  Äölner  ©^nobe  bon  1536  c.  22,  ^arfe^eim  VI,  ©.  310).  Da  bie  Sufeen  jumSEeil 
bem  ©enbl^errn  unb  ben  ©enbft^öffen  jupelen,  fo  erfc^ienen  bie  ©enbgeri^te  h)ie  eine 
ertoerb^eße.  Snbere  SKifebräuc^e  famen  baju  (bgl.  j.  93.  SBeftf.  US  IV  ©.  315 
3lx.  517),  um  bem  ©enb  fein  frühere«  3lnfe^ent)öllig  ui  rauben. 

3n  ber  Sleformation^jeit  jä^tte  man  bie  ganje  §nftitution  gu  ben  lirc^Iid^en  9Kifes  ao 
brauchen.     Sut^er  urteilte  in  feiner  SSorrebe  jum  Unterricht  ber  93ifttatoren,  bon  ber 
^irc^ent)ifttation   fei  nic^td  geblieben,  aU  ba^  bie  Officialen,  mit  Sabe^ebbeln  bie  Seute 
})lagten  in  ©etbfac^en  unb   niemanb  befuc^ten  (333333  ©a  XXIII,  ©.  4).    Der  aSerfud^, 
ba«  ©enbgeric^t  m  eöangelifc^em  ©inne  unter  Sefc^ränfung  auf  biejenigen  ©ünben,  bie  öon 
ben  bürgerlichen  ©eric^ten  ni^t  beftraf t  tourben,  umjubilben,  ben  S3renj  für  ba«  Sanbgebiet  25 
bon  ©c^h)äbifc^*§aa  unternahm  (f.  §artmann,  30^.  S5renj,  glberfelb  1862,   ©.  116f.),     • 
fül^rte  ju  feinem  Srfolg.    ©0  l^örten  benn  bie  ©enbgeri(|te  auf  eöangelifc^em  (Sebiete 
burdj^toeg  auf;   auf  lEat^olifd^em   beftanben  fte  jum  ^eil   bi«  in«   18.  ^a^rbunbert  fort. 
Dad  äac^ener  ©enbgeric^t  tüurbe  erft  im  '^aifx^  1797  aufgel^oben  (f.  öinfd^iu«  ©.  448, 
änm.  7).     333irflic^e  Sebeutung   lam  i^nen  feit  bem  Slu^ang  be«  Slittelalter«  nid^t  so 
mel^r  ju.  ^and. 

Settbomir,  Äonfenfu«  öon.  —  3)er  %e}:t  beS  Consonsus  Sendomiriensia  üon  1570 
Ift  obgcbrucft  bei  9?icmci)er,  Collectio  confessionum  in  eccl.  reform,  publicatarum  S.  553, 
Itinerarium  Sendomiriense  Sim.  Theoph.  Turnovii,  gebrudt  bei  ßufa^jetoici,  öiejc^.  ber 
bö^mifdjcn  ©rübcrfircfte  im  ehemaligen  ©roftpolcn  unb  bei  &if(f)cr,  S8crfuc^  einer  (äJefdiic^tc  ^^ 
ber  ^Reformation  in  $olcn.  2)ie  Söcrfc  über  polnifc^c  9teform.=(AJcfc^.  f.  S3b  XV  6.  514. 
Sablondfi.  Historia  Consens.  Send.  Berlin  1731;  Qoxn,  ^Iftorie  ber  jmifc^en  ben  Sut^erifcften 
unb  ^Reformierten  X^eoIogiS  gcl^altenen  Solloquiorum  6.  107;  3.  ®.  ^alct),  ^ift.  «.  t^eol. 
Einleitung  in  bit  9icagton§ftreltigfciten  III,  @.  1043,  ^iieme^cr  a.  0.  0.  ©.  LXX;  Sf^iftfc^, 
Urfunbcnbu^  ber  ©oangcl.  Union  @.  71.  ^ 

©enbomir,  })olnifc^  Sandomierz,  eine  unbebeutenbe  ©tabt  im  ehemaligen  Äleinjjolen 
an  ber  SQ3eid^fel,  ^at  burc^  ben  Consensus  Sendomiriensis  öon  1570  für  bie  ))olnifd^e 
Äirc^engefc^id^te  eine  geiüiffe  Scbeutung  erlangt. 

Über  bie  SSer^ältniffe,  bie  eine  2>erftänbigung  jtüifc^en  ben  Sutl^eranem,  ben  SRefor^ 
mierten  unb  ben  bö^mifd^en  Srübern  in  $olen  njünfd^cn^loert  machten,  ift  im  3lrt.  $olen,  45 
8b  XV  ©.  520  f.  ae^anbelt.  3m  3uli  1569  bot  ber  JReic^^tag  gu  Sublin,  an  bem  f^af}U 
rcid^e  et>angelifc^e  Sbelige  teilnahmen,  Slnlafe  über  eine  33erftänbigung  ju  beraten.  Wan 
befc^lofe,  ^unäc^ft  in  Heineren  Greifen  38er^anblungen  jur  älu^leid^ung  ber  Differenzen 
borjunelj^men.  (Sine  folc^e  33erl;anblung  jh)ifd^en  Sutberanem  unb  Sieformierten  ift  in  SBilna 
(2.  3Kärj  1570)  bor  fic^  gegangen,  aber  nid^t^  9Jä^ere^  barüber  befannt  getoorben,  al^  00 
bafe  man  j^u  einer  toenigften^  für  bamal«  befriebigenben  (ginigung  gelangte.  SQSic^tiger 
toar  eine  ä^nlic^e  38ort)er^anblung,  bie  am  13.  ^cbruar  1570  in  ^Jofen  jh)ifd^en  ben 
fiut^eranem   unb  Sö^mifd^ien  Srübern   gel^alten   lourbe.     Man  nal^m  eine  nähere  SSer^ 

flleid^ung  ber  ätug^burgifd^en  unb  Söl^mifc^en  Äonfeffion  Dor  unb  ging  bie  eimelnen 
orrefponbierenben  3[rtifel  genau  burd^.  3"  ^<^"  meiften  fanb  man  feine  h)efentlicbe  Differenj,  55 
bagegen  gelang  eö  nic^t,  in  bem  Slrtifel  toom  älbenbma^l  eine  Übereinftimmung  ^erbei= 
^ufü^ren.  Die  fd^on  auf  bem  Subliner  3leic^^tage  öerabrebete  ®eneralf^nobc  fanb  bom 
9.— 15.  3ll)ril  1570  in  ©enbomir  ftatt.  ©ie  foUte  bie  fo  borbereitete  Einigung  ^n  ftanbc 
bringen  unb  bamit  ber  ^erfteUung  einer  ei)angelifc^=j)olnifc^en  Slationalfirc^c,  vorarbeiten. 


216  ®(ttbomtr 

6ö  ;;ci0tc  fid^  aber  balb,  bafe  ba«;  nid^t  ba^  3^^'  ^''l^  ^^"^^^  beteiligten  h)ar.  ©^  toat 
bau^tfäd^lid^  öom  äbel  in^  äuge  gefafet;  i^m  lag  ber  })olitifc^e  ®eiK^t^^)unft  einer  eins 
^eitUc^cn  Ma(i)t  gegenüber  ber  fatl^olifc^cn  Sirene  öorlj^errfc^enb  am  §erjen  unb  be^^Ib 
betrieb  er  bic  Sinigung   mit  allem  ßifer.    ©obann   toar  e^  bie  reformierte  Partei,    bic 

5  biefe  2(ngelegen^eit  ergriff  unb  bie  bebeutenben  ©c^toierigfeiten,  toeld^e  ber  lutlj^erif(^en 
bei  i^rer  bogmatifd^en  Sfrm)ubfität  entgegentreten  mußten,  nur  gering  fc^ä^te.  3!)ie 
95öl^mifc^en  ©ruber  nahmen  eine  mittlere  ©teHung  ein.  ©ie  beloa^rten  eine  getoiffe  un^ 
befangene  Un)}arteilic^feit,  unb  fo  fonnte  e^  gef(^e^en,  ba^  fte  tro^  il^rer  geringen  ^njal^I 
bod;   bie  bebeutenbfte  ©tedung   einnahmen   unb  ben  9(uSf^lag  gaben.    2)ad  gefd^ilberte 

10  ä^er^ältniö  ber  Parteien  f^)iegelte  jTic^  in  ber  ^aÜ^l  ber  ontoefenben  ^erfonen  ob.  3)ie 
Sö^mifd^en  ©ruber  Ratten  nur  ^toei  3)e})utierte  gefc^idft,  nämlid^  21.  ?Jrajmoh)dfi,  ©enior 
ber  ^elbetifd^en  Äird^e  in  Gujaöien,  unb  ©imon  Il^eop^Uu«  3;umoto^fi,  bamate  35iafon 
ber  SBül^mifd^en  ©ruber  unb  fjjöter  i^r  ©enior.  2)er  erftere  ioar  fein  ®lieb  ber  ©rüber= 
lirc^e;  bie  Unitöt  l^atte  il^n  nur  erfud^t,   ein  3Jlanbat  für  fte  gu  übernehmen,  loeil  man 

15  feine  i^r  günftigc  ©eftnnung  fonnte.  Um  fo  me^r  trat  ber  anbere  3)e})utierte,  ber  bomal^ 
26  ^afycc  alte  ^umotoöfi  in  ben  SSorbergrunb.  3)ie  Sut^eroner  tooren  nur  burc^  jioei 
geiftlid^e,  bie  ©rüber  ©licjner,  unb  einen  toeltlic^en  ©ejputierten,  ©toni^lauö  ©nin^fi, 
Sanbric^ter  bon  ?Jofen,  Vertreten;  benn  ber  britte  (Seiftli(|>e,  SRottl^äud  ö.  ÄrViolo,  toor 
taub  unb  ba^er  faum  ju  rechnen,    aber  toa«  il^nen  an  Ra^l  abging,  erfe^ten  i^re  J^er^ 

20  treter  burc^  l^ert)orragenbe  t^eologifc^e  ©ilbung  unb  bad  (äeioic^t  i^rer  omtlic^en  ©teDung. 
3a^lrei(^er  ioar  bie  'Vertretung  ber  SReformierten;  nic^t  Weniger  ote  fünf  ©enioren  ber 
toerfc^iebcncn  ©iftrifte  5tlein^)olen^  loaren  erfc^iencn.  3)er  ^alj^lreic^  ontoefenbe  3tbel  ge= 
^örtc  faft  au^fc^liefeli(^  bem  l^elbetifd^en  ©efenntni«  an.  DZatürlic^  pelen  bei  biefem  Über= 
geioid^t  be«  einen  ©efenntniffe^  faft  alle  SBal^ten  i^m  gu.    Über^au))t  betrachteten  bie 

25  Sieformierten  bie  3wfammcnfunft  in  ©enbomir  ioefentlic^  ate  eine  reformierte  ©^nobc 
(bgl.  bic  im  Konfenfu^  felbft  gebrauchten  SBenbungen:  „Et  nos  et  fratres  credidimus'' 
„Nostra  confessio,  quam  in  praesenti  synodo  edidimus"  ift  bie  l^elDetifc^e  Jton- 
fefjion).  ©e^r  balb  jeigte  e«  ftc^  aud^,  bafe  bie  ^ertoorragenbften  3KitgIieber  ber  reformierten 
Partei  mit   einem   fertigen  $lane  nad^  ©enbomir  gefommen  looren.    gr  beftonb  borin, 

30  bie  t)or  furjem  erfd^ienene,  t)on  ©uttinger  berfofete  jtoeite  Ij^elöetifd^e  Äonfeffion  für  ba^ 
})olnifc^e  9lationalbefenntni^  ju  erflären  unb  in  einem  auefül^rlic^en  ©orloort  bie  ©tellung 
jur  lutl^crifc^en  Äirc^e  unb  jur  ©rüberunität  ui  erläutern,  ©ie  l^atten  ju  biefem  3h)«f^ 
eine  >)olnifd^e  Überfe^ung  jener  Äonfeffion  unb  ben  ßnttourf  einer  ©orrebe  fc^on  mit^ 
gebrad^t.    ©c^on  bei  ber  ©eratung  über  bie  ©orrebe  famen  bie  berfd^iebenen  Slic^tungen 

35  gum  ©orfc^ein.  3Kan  ging  f obann  in  ben  ©i^ungen  am  11.  unb  12.  kpxxl  bie  Äonfefjion 
felbft  burc^.  hierauf  foHte  bie  Slbftimmung  über  bie  ätnna^me  berfelbcn  erfolgen;  bo^ 
ber  aKojctoobe  öon  Ärafau,  3K^^}fologfi,  bemerfte,  bafe  bie«  unnötig  fd^eine,  benn  bie 
9Jeformierten  befennten  fid^  ja  fc^on  lange  gu  i^r  unb  brauchten  fte  buw^  SCbftimmung 
nid^t  crft  gu  em^)fel^len.    3)a  aber  ber  öaujjtgtoedf  ber  ©erl^anblung  fei,    ftc^  mit  ben 

40  ©rübem  toalbenfifc^er  unb  fäd^fifc^er  Äonfeffton  gu  öerbinben,  fo  möd^ten  biefe  über  bie 
Äonfeffion  abftimmen,  ob  fte  mit  ber  bl.  ©c^rift  übcreinftimme,  unb  ob  jie  ftc^  gu  il^r  l^alten 
ioollten,  bamit  fie  nid^t  al«  bie  heteetifd^e,  fonbem  ate  eigene  Jjolnifc^e  l^erou^gegebcn  ioerben 
fonnte.  ^lan  ftimmte  bem  bei  unb  ^ielt  für  gut,  bic  Slbftimmung  burc^  einen  ätu^fc^ufe  ber  ^Parteien 
öorncf^incn  ju  (äffen.  IJn  benfclben  lourben  bie  brei  lut^erifc^en  3)ej)utierten,  bie  ©ebrüber  ©liegner 

45  unb  ©nin^fi  gctoöl^lt,  ferner:  ^ragmoio^fi  unb  lumoio^fi  für  bie  ©rüber,  unb  enblic^ 
für  bie  3{cformierten  bie  ^^farrcr  ^afob  ©^Ibiu«,  $aul  @iloh)«fi,  bie  SQ3oieh)oben  öon 
Srafau  unb  ©enbomir,  ber  Dr.  ©taniölau«  Slojanfa  unb  35luöfi.  ^ragmoto^fi,  aU 
deputierter  ber  ©rüber  ftimmte  für  bic  2lnnal)me.  lumotoßfi  erflärte,  bofe  er  gtoar  für 
feine  ^crfon  bic  ^clijctifcbc  Äonfeffion   aU  übercinftimmenb  mit  ber  ©rüberfonfefjion  an- 

:*^  febc,  bod)  fönnc  er  biefe  ßrflärung  nur  infofem  im  9iamen  ber  ©rüber  obgeben,  ate 
bicfc  nid^t  bcri^flid^tct  loürbcn,  ü}xt  eigene  Äonfeffion  bc^^alb  gu  toertoerfen,  bielme^r  bei 
\l}x  bcrl^arrcn  fönntcn.  ^ic«  tourbe  fof ort  gugcftanben.  6«  fam  nun  auf  bie  ©ntfc^eibung 
ber  i?utl^erancr  an.  ^icfc  crflärtcn,  ba^  fic  gloar  nid^t  bon  ber  3lug«burgifc^en  Äonfeffwn 
laffcn  irürbcn,   bagcgcn   auc^  nic^t  gcfonncn  feien,   fte  afö  gemeinfame«  ©efenntni«  ber 

65  ©tmobc  jujunmtcn.  Sic  fc^higcn  bagcgcn  bor,  bafe  Don  allen  gemeinfd^oftlic^  eine  anbere, 
eigcntlicb  polnifd^c  Äonfeffion,  abgefaßt  tocrbcn  möge.  2)amit  [teilten  fte  fic^  auf  ben 
©oben  ber  Scrhanblung  unb  ibrc  3uftim"iung  gum  SBcrfc  ber  Sinigung  toar  au£igef))rodi^cn. 
"Slan  gcftanb  ibnen  foglcic^  ihre  J^orbcrung  gu  unb  bcfc^lofe,  auf  ber  näc^ften,  gu  ^ftngften 
in  3yarfd>au  bcborftcbcnbcn  iscrfanmilung  bic  Slbfaffung  bicfer  neuen  Äonfeffton  in  angriff 

00  }u  nehmen.  Xa  inbcs  fd>on  jc^t  ein  Süiebrud  ber  getoonnenen  (Sinigung  getoünfc^t  h)urbe, 


®enbomtr  217 

bcfc^Iofe  man  einen  Sejefe  ab/^ufaflen  unb  t)on  ber  ©^nobc  beftätigen  ju  laffen.  3)Jit  bcr 
Slbfaffung  biefer  ©c^rift  iDurbc  ber  reformierte  Pfarrer  in  Ärafau,  6^rifto^)l^  Ireciu«,  unb 
•Jenanbue,  ein  anberer  nic^t  Leiter  befannter  Pfarrer,  beauftragt,  ©ic  fonnten  fc^on  am 
folflenben  Jag  bem  engeren  äu^ft^uffc  ben  öerlanaten  Slejefe  öorlegen.  Jpier  h)urbe  einiget 
toerbefjert  unb  barauf  am  13.  W^xxl  bie  ©c^rift  ber  ©^nobe  borgelegt,  ^ier  mad9te  6 
Grasfmu«  ©licjner  noc^  einige  ©<^toierig!eiten;  er  Verlangte  ben  3"?^^  einiger  SBorte 
über  bad  Slbenbmal^l  unb  bie  9(ufna^me  eine^  ganjen  älrttfel^  aud  ber  fäc^ftfd^en  Jton:: 
feffton,  b.  1^.  ber  fog.  repetitio  confessionis  Augustanae  ober  confessio  doctrinae 
Saxonicarum  ecclesiarum  öom  ^a\)x^  1551.  33eibe^  tourbe  jugeftanben,  nur  im  erften 
?ßunfte  h)urbe  ftatt  ber  t)on  ©licjner  getoünfc^ten  SßJorte  „convenimus,  ut  credamus  lo 
carnem  Christi"  gefegt:  substantialem  praesentiam  Christi  non  significari  dun- 
taxat,  sed  vere  in  coena  eo  vescentibus  repraesentari  distribui  et  exhiberi 
corpus  et  sanguinem  domini,  symbolis  adjectis  ipsi  rei,  minime  nudis:  se- 
cundum  sacramentonim  naturam.  —  §iermit,  h)ie  in  ber  nun  folgenben  ©teile  au^ 
ber  fäc^ftfc^en  Äonfeffton  mit  ben  SDäorten :  Et  baptismus  et  coena  domini  sunt  pig-  iö 
nora  et  testimonia  gratiae  etc.,  bid  gu  ben  SBorten:  docentur  etiam  hominem  etc. 
(togl.  CR  XXVIII,  p.  415—418)  fear  beutlic^  genug  auggef^jroc^en,  bafe  bie 
©runblage  be«  SSergleic^«  bie  j)^ili^)})iftifci^e  Se^re  öom  älbenbma^I  bilbete,  bie  mit  ber 
reformierten,  in  ber  l^elöetifc^en  Äonfeffion  au^gefj>roc^enen  unb  ebenfalls  aj)})robierten 
(placuit  praeter  articulum,  qui  est  insertus  nostrae  confessioni  [ber  ^elDetifc^enJ  ao 
mutuo  consensu  adscribere  articulum  confessionis  Saxonicarum  ecclesiarum 
de  coena  domini)  h)efentli(^  gleic^  ip.  6«  fel^len  ba^er  alle  eigentümlich  lut^erifc^en 
?formeIn.  SBenn  f})äter  ®Iicjner  ben  consensus  gegen  lut^erifd^e  Slnfeinbungen  mit  ber 
33el^au^)tung  feine«  lutl^erifd^en  ß^arafter«  ju  toerteibigen  toerfuc^te,  fo  toar  er  atö  ^^ili^jpift 
in  ä^nlic^er  ©elbfttäufc^ung  begriffen,  h)ie  bie  Sißittenberger  in  ben  IrVt)tocatoiniftif4en  26 
©treitigfeiten.  ®«  \oax  begrünbet,  toenn  bie  Sut^eraner,  toelc^e  burc^  bie  Äonforbien« 
formet  ben  $l^ili^)})i«mu«  ^)rofIribierten,  aud^  ben  ©enbomirfd^en  Äonfen«  bertoarfen. 

Diefen  Äonfen«  gelobte  man  ft(^  gegenfeitig  j^u  berteibigen  gegen  bie  ^äpftler,  bie 
©citierer  unb  gegen  aDe  geinbe  be«  ©bangelium«;  Leiter  h)urbe  befc^Ioffen,  öon  nun  an 
aKem  ©treit  unb  ^aber  abjufagen.    Um  ben  Äonfen«  fruchtbar  ju  madj^en  beftimmte  man,  so 
bafe  jeber  ben  ©otte^bienft  unb  bie  ©alramente  be«  anberen  %6l^  bebienen  fönne,   mit 
SJorbe^alt  inbe«  ber  beftebenben  Drbnung  unb  3)igji>)Iin   einer  jeben  Sirene.    3)enn  bie 
gotte^bienftlic^en  ©cbräuc^e  unb  3w^"^onien  jeber  Äird^e  foBten  frei  urib   untoeränbert 
bleiben,  fofem  bie  Seigre  felbft  unb  ba«  gunbament  unfere«  ^eifö  nur  untoerrücft  bleibe, 
©nblic^  berfprac^  man  jum  3^gni«  ber  gegenfeitigen  brüberlic^en  Siebe,  alle  toid^tigen  36 
Angelegenheiten   ber  Äirc^e  in  $olen,  Sitauen  unb  ©amogitien  gemeinfc^aftlic^  ju  be* 
raten   (consilia   officiave   charitatis  mutua  inter  nos  conferre  et  in  posterum 
de  conservatione  et  incremento  omnium   totius   regni   piarum,  orthodoxarum 
reformatarum  ecclesiarum  tanquam  de  uno  corpore  consulere  polliciti  sumus). 
9Benn  alfo  bon  einer  Äirc^e  ©eneralf^noben   gehalten   Serben,   fo  foU   ba«  ben  anberen  4o 
angegeigt  unb  3)et)utierte  gu  benfelben  gefd^icft  toerben. 

3u  ber  befd^loffenen  ätbfaffung  eine«  eigenen  polnifd^en  Sefenntniffe«  ift  e«  nid^t 
gelommen;  bagegen  fanb  am  20.  3Kai  1570  eine  3Serfammlung  ber  Sut^eraner  unb  ber 
Srüber  ju  $ofen  ftatt.  3)ie  bort  gefaxten  Sefd^lüffe  (consignatio  observationum 
necessariarum  ad  confirmandum  et  conservandum  mutuum  consensum  Sendo-  46 
miriae  a.  1570  d.  14.  April,  in  vera  religione  christiana  initum  inter  ministros 
Augustanae  confessionis  et  fratrum  Bohemorum  Posnaniae  eodem  anno  Maji  20 
facto  et  a  ministris  utriusque  coetus  approbata  et  recepta)  fönnen  aU  eine  Qx- 
gängung  be«  ©enbomirfd^en  SSergleic^«  angefe^en  Serben,  h)ie  fie  benn  auc^  fjjäter  auf 
öcrfd^iebenen  })olnifc^en  ©^noben  gctoö^nli^  mit  bemfelben  berbunben  aj)j)robiert  tourben.  6o 
35ie  Sut^eraner  machten  anfangt  einige  3Jerfud^e,  ben  SSergleic^  in  getoiffer  Segie^ung 
gu  befc^ränfen,  fte  Ratten  gu  bem  @nbe  15  fünfte  aufgefegt.  2)ie  ©ruber  fteDten  ba« 
gegen  10  Semerfungen  auf.  3lad)  einigen  SSer^anblungen  blieben  bie  Sutl^eraner  bei 
mer  fünften  ftel^en,  bie  ba«  Slbenbma^I  betrafen ;  fie  verlangten,  bafe  bon  bemfelben  nid^t 
anber«  gej'})rod^en  iüerbe,  al«  toie  e«  bei  ben  Scfennern  ber  3lug«burgifc^en  Äonfeffion  66 
übli(^  fei,  h)a«  bie  S5rüber  nic^t  gugeben  tooUten.  5Jlan  beftimmte  enblic^,  bafe  unter 
SSermeibung  aller  bem  ©enbomirer  ^i?crgleid^e  unb  ber  fäc^fifc^en  Äonfeffion  fremben  2lu«s 
brütfe  öom  2lbenbma^le  gelehrt  tüerben  fotte  (2lrt.  5).  ^m  übrigen  !am  man  balb  überein 
unb  tjereinigte  fic^  über  folgenbe  fünfte:  3^^^  ^^i^  foHe  bei  ben  ©ebräud^en  im  ®otte6= 
bienft  toie  in  ber  Sluöteilung  ber  ©aframente  bleiben,   bie  bei  feiner  Äirc^e  üblid;  finb,  go 


218  Senbomtr  ®t^ 

unb  bie«  oj^ne  bcn  3Scrbac^t,  bamit  äinftofe  ^u  erregen  (2lrt.  2).  SBenn  an  einem  Drte 
jh)ei  GJcmeinben  unb  ^rebiger  feien,  folle  ber  eine  ben  anberen  im  gaUe  ber  3lot  im 
^rebigen  unb  in  ber  ©alrament^öertoaltung  Vertreten,  ©ei  bagegen  an  einem  Drte  nur 
ein  ^rebiger  unb  eine  ©emeinbe,  fo  foIIe  ber  Patron  berfelben  feinem  ^Jrebiger  beö  anbem 

5  Sefenntniffe^  (coetus  alterius)  jur  $rebigt  unb  ©aframent«t)erh?altung  gulaffen  ol^ne 
Äuftimmung  be^  ^rebiger^  ber  ®emeinbe.  Äein  ^rebiger  foll  bie  ©lieber  ber  anberen 
©emeinbe  ju  fi(^  lertiberjiel^en  (2lrt.  6).  3*«  $oIemif  in  $rebigten  unb  ©d^riften  fott 
verboten  fem  (ärt.  7).  ^ie  ©enioren  jeben  ^eite  follen  ft(^  bie  ^örberung  biefer  Union 
angelegen  fein   laffen,  unb  );vmn  e^  nötig  fein  h)ürbe,  gtoei»   ober  breimal  be^  3^^^^ 

10  nifammenfommen  unb  gegenfeitige  Beratungen  miteinander  au^tauf(^en  (Strt.  8).  ftein 
Xeil  foBe  })rit)atim  an  ber  Se^re,  ben  Äirc^engebräut^en  unb  Äird^engut  änberungen  toor^ 
nehmen,  fonbem  bie^  nac^  bem  Urteil  ber  ©eiftlic^en  ber  eigenen  Äonfeffton  unöerfel^rt 
bleiben  (9lrt.  9).  3)ie  Äirc^enjuc^t  foH  bon  allen  ^rebigem  emftlic^  gct^flegt  toerben 
(3lrt.  10,  11).   6«  fott  unterboten  fein,  bafe  ^rebiger  unb  ©emeinbeglieber  beiben  3:eile^ 

15  gegenfeitig  ftd^  jur  ^ömmigleit  unb  33ufee  ermahnen  (2lrt.  11).  Äein  ^rebiger  foD  ©e^ 
meinbeglieber  bom  anberen  xeile  ol^ne  3^wgni^  be^  red^tmäfeigen  ©eelforgerd  jum  3tbenb= 
mal^l  ^ulaffen,  angenommen  ben  %aU  ber  Sleic^^tage,  ©eneralf^noben  unb  Steifen  (ärt.  14). 
35ie  mit  bem  Sänne  in  einer  ©emeinbe  belegt  fmb,  bürfen  in  einer  anberen  ni^t  jum 
äbenbmalbl  jugelaffen  Serben,  h)enn  fte  nid^t  borl^er  in  ber  ©emeinbe,  bie  fte  geärgert 

20  ^aben,  abfolbiert  fmb  (9lrt.  15).  3)ai3felbe  gilt  t)on  ^rebigem,  bie  in  einer  ©emeinbe 
abgefegt  finb;  fie  bürfen  nur  bon  ber  ©emeinfc^aft,  ber  fie  angel^ört  l^aben,  toieber  auf- 
genommen Serben  (ärt.  16).  Patrone  bürfen  feine  Sefe^le  jur  3tnberung  ober  Steuerung 
ber  3^^»"onien  ol^ne  ©ut^eifeung  ber  ©enioren  geben  (Slrt.  17).  3lIIe  J)aj)iftif(^en  Äirc^en* 
gebräud[;e  foDen  nad^  unb  nac^  abgefc^afft  hjerben  (2lrt.  18).    SQäenn  eine  Srrung  in  ber 

25  Seigre  ober  ©ebräuc^en  jh)ifc^en  ben  $rebigem  beiber  Sefcnntniffe  eintreten  foDte,  fo 
foB  man  fte  untereinanber  frieblic^  beilegen,  unb  toenn  bie^  nic^t  gelingt,  foD  man  bie 
(gntfc^eibung  ber  ©eneralf^nobe  bon  ©rofe^  unb  Äleinjjolen  an^eimfteßen  unb  biefe  für 
bie  gefuc^te  9Ba^r^eit  aufrichtig  anertennen  (9{rt.  19).  ^(fant  t- 

^tpüTüMmn»  f.  b.  2trt.  ©eftentoefen  oben  ©.  160,  ii. 

30         Btpttatah  f.  b.  3lrt.  Dbabja  S3b  XIV  ©.  247,83. 

&tpp,  ßl^riftiaan,  nieberlänbifd^er  Äirc^enl^iftorifer,  geb.  in  2tmfterbam  1820,  geft. 
im  Sabeorte  3B^f  aan  3ce  (9torb^oIIanb)  1890;  2)lennonitent)rebiger,  ^ule^t  (1854  bi« 
1882)  in  Serben;  öon  ber  £el;bener  Uniberfität  )\um  Doctor  Theol.  honoris  causa 
ernannt;    toar  mit  regem  (gif er  auf  t^eologifd^em  unb  religiöfem  ©ebiete  fc^riftfteDerifc^ 

36tl^ätig;  rebigierte  1855—1870  bie  bermittlenb4iberale  t^eol.  ^eitfc^rift  Oodgeleerde 
Bijdragen;  toerbanft  aber  feinen  Stuf  befonber^  ber  langen  Stetige  jum  2cile  ftattlic^er 
Sänbe,  in  \))d6)m  er  fein  reiche«  fird^engefc^id^tlic^e^  SBiffen  unb  bie  grüc^te  feiner  uner- 
müblic^en  Unterf ud^ungen  nieberlegte.  6ö  toaren  öorjug^iüeife  bie  5tirci(;engef^idS^tc  ^oHanb^ 
feit  ber  Sieformation  unb  au^  berfelben  fjjejieHe  G^ebiete,   toelc^e  er  in  angriff  nal^m: 

40  bie  ©efd^id^te  ber  j)roteftantifc^en  3^l^eologic  unb  be^  tl^eologifc^en  Uniöerfttät^unterric^t^; 
l^ertoonagenbe  SJtänner  au«  bem  Slnabajjti^mu«,  StoU,  Stot^man^  ©c^riften,  auc^  au«  bem 
älnfang  ber  reformierten  unb  freiftnnigeren  fird^Iic^en  Sctoegung,  SJlobeb,  laffin,  ba  Sra^, 
6onanu«,  ?)e(fiu«,  auc^  3llbaba,  ba  güttere  u.  a. ;  enblic^  l^at  er  über  ^roteftantifdbc 
„©eftierer",  Seb.  grandt^  unb  Söl^mc«  ^oHänbifc^en  greunb,  ©überman,  bie  öcrfc^icbenen 

45  aiuögaben  ©ottfricb  3lrnolb^,  ©id^tel,  ieur^off  u.  f.  h).  mand^e«  Sleue  gu  tage  geförbcrt. 
Sltlmäl^lid^  na^m  il;n  immermel^r  bie  2)etailgef(^id^te  mel^rerer  3)iffenter  unb  S'^enifer, 
fotüie  biejcnige  h)id^tigcr  ©d^riften,  über  bercn  Sntfte^ung  unb  ©d^iicffale  noc^  manche« 
unflar  ift  (bie  Institutio  Calv.,  bie  Jjrot.  SJlärt^rerbüc^er  u.  f.  tu.),  in  2lnf})ruc^.  3Son 
feinen  Söerfen  feien  genannt:  Pragmatische  geschiedenis  der  Theologie  in  Neder- 

öoland  1787—1858,  1860,  ioelc^e«  SBerf  in  fieben  ^a^ren  brei  auflagen  erlebte;  Jo- 
hannes Stinstra  en  zijn  tijd,  Bijdrage  t.  d.  geschied,  der  kerk  en  schoo!  (b.  ^. 
ber  Stl^cologic)  in  de  18*^^  eeuw,  2  93bc,  1865—6;  Het  godgeleerd  onderwijs  in 
Nederland  gedur.de  If)«^*^  en  17'^''  eeuw,  2  Sbe,  1873—4;  Bibliotheek  van  Neder- 
landsche  Kerkgeschiedschrijvers,  1886;  Verboden  lectuur,  Drielndices  librorum 

55  prohibitorum,  1880;  Het  staatstoezicht  op  de  godsdienstige  letterkunde  in  de 
Noordel.  Nederlanden,  1891  au^  S.^  Stac^Iaffe  herausgegeben.  Die  obengenannten 
2lbl;anb(ungen  über  ^erfoncn  unb  33üd;cr  finb  mcift  gefammelt  in:    Geschiedkundige 


Stpp  Sera^btt  219 

Nasporingen,  3  33be,  1872—5;  Drie  Evangeliedienaren  uit  den  tijd  der  Her- 
vorming,  1879;  Polemische  en  Irenische  Theologie,  2.  Äufl.  1882;  Kerkhistor. 
Studi§n,  1885.  Sei  aDen  biefen  Slrbeitcn  lamcn  ©.,  mel^r  nod^  al«  feine  gro^^ 
artige  95ibIiot^ef,  feine  ungemeine  Süc^erfenntni^  unb  fein  reiche«  bibliogra^jj^ifd^e«  SBiffen 
ju  gute.  6 

6in  ebenfo  Iieben«h)ürbiger  5Jlann  unb  vortrefflicher  ©eiftlic^er  ate  tüd^tiger  unb 
immer  ^>ilfgbereiter  ©elel^rter,  War  ©.  in  toormer  »Vreunbfc^oft  mit  loielen,  befonber«  mit 
©tei^,  6omeliug,  3lippoVt>  toerbunben.  gür  bie  2.  Stufl.  5ß9l@  Verfaßte  er  einige  3lrtifel: 
aSoetiu«,  ajofftug,  im  Bvi!ppl  u.  a.  öan  §engel,  Äift.  $rof.  D.  e.  Gramer. 

®e)>timtitd  Setienti^  f.  b.  %  Seberud.  lo 

@etiitlfriiier  f.  b.  «.  ®rab,  §eilig.,  Drben  bom  »b  VII  ©.  54,  si. 

Seqtteitjen  itwb  Sro^en.  3"f«>l0«  t>«^  2:obe«  be«  §erm  Bearbeiter«  bin  ic^  ge^ 
nötigt,  biefen  9(rtifel  an  ben  ©c^Iu^  be«  SBerfed  )u  fteQen.  ^anif. 

©criHi^lm  f.  b.  ä.  gngel  Sb  V  ©.  369,  38. 

®era)»tott  (©ara})ion).  —  3"  ben  16  altfird^lic^en  ^ßerfönUc^feiten  biefeö  Flamen«,  i6 
bie  im  DchrB  4,  612—615  aufgegä^It  unb  befjjrod^en  ftnb,  ift  toal^rfc^einlid^  ate  17. 
ber  Serfaffer  einer  SSita  SJiafariu«'  be«  äg^})ter«  gu  rechnen  (l^r^aeg.  hpi\\(i)  u.  franj. 
t)on  2tm6lineau  in  ben  Monuments  pour  servir  ä  lliistoire  de  ITfigjrpte  chrßtienne, 
Annales  du  Musöe  Guimet,  25.  95b,  $ari«  1894;  f^rifd^  öon  S3ebjan  in  ben  Acta 
martyrum  et  sanetorum,  5.  S3b,  ^ari«  unb  Sei^gig  1895);  boc^  ^ie^  biefer  5Könc^  » 
bießeit^t  ©araj)amon.  3Sgl.  ^ierju  Sutler,  The  Lausiac  History  of  Palladius  l.S3b, 
(Texts  and  Studies,  6.  Sb,  6ambr.  1898),  ©.  220.  3m  übrigen  berbienen  bie  folgern 
ben  3;räger  be«  Flamen«,  ber  übrigen«  richtiger  ©arajjion  (fo  griec^.)  ate  ©erapion  (fo 
lat.)   gefc^rieben  h)irb  (f.  Sutler,  History  2,  5Rote  68,  ©.  213),  befonbere  ©rtoä^nung: 

1.  ©.,  gSifd^of  Don  3lntioc^ien,  toa^rfc^einlid^  190/191— 211/212  (t)gl.  §amacf,  26 
ßl^ronologie  1,  211  ff.),  9lac^foIger  be«  ÜJlajiminu«  unb  SSorgänger  be^  9löMej)iabe^,  öer« 
fafete  nad^  ßufebiug  H.  E.  5, 19  unb  6, 12  (Hier.  vir.  111.  41)  folgenbe  ©c^riften: 
a)  ein  ©(^reiben  an  einen  getoiffen,  jum  ^ubentum  abgefattenen  i)omninu«;  b)  ein 
©(^reiben  an  bie  firc^Ii(^en  3Ränner  ^ontiuö  unb  Äarihig,  ben  SRontaniömuiS  betreffenb 
(Eus.  5, 19);  c)  anbere  ©einreiben  an  „Serfc^iebene" ;  d)  einen  Aöyog  negl  xov  Xeyo-^ 
fiivov  xGTä  Uhgov  evayyeXiovj  an  bie  GJemeinbe  ;|u  JR^offu«  in  ßilicien  jur  SQäamung 
bor  bem  bofetifc^en  ^n\ja\\  biefen  ©toangeliumö  gerichtet,  äu«  biefem  Sogo«  ^at  6ufeb 
ein  Srud^ftücf  mitgeteilt.  Sgl.  baju  ben  2lrt.  2l»)ofrV>>l^en  be«  Sleuen  2:eftament«  Sb  II, 
663.  Unabhängig  öon  ßufeb  f^eint  bie  9Jotij  bei  ©ofrate«  (Hist.  Eccl.  3,  7)  ju 
fein,  h)onac^  ©.  in  einer  ©c^rift  Gl^riftu^  ate  ^/bLtpvyog  bejeic^net  Ij^abe.  86 

2—4.  3n  ber  alejanbrinifd^en  Äirc^e  be«  3.  ^aV^unbert^  begegnen  un«  brei  ©e* 
rapton.  2)er  erftc  toarb  5Jlärt^rer  in  ber  Verfolgung  unter  3)eciug  (togl.  Dion.  Alex, 
bei  Eus.  H.  E.  6,  41,  8);  fein  ©ebäd^tni^  toirb  am  14.  9lot)ember  gefeiert.  3)er  jtoeite 
opferte  in  ber  gleid^en  Verfolgung,  genofe  auf  bem  3:otenbett  ein  ©tüdf  geh)eil^ten  Srote«, 
bag  ber  franfe  ?Jre«b^ter  bem  ©nlel  be^  SJeuigen  mitgegeben  l^atte,  unb  ftarb  getröftet  ^ 
(1.  c.  6,  44).  2)en  britten  nennt  ^^iltpt^u^  öon  ©ibe  unter  ben  Sorfte^em  ber  alejan^ 
brinifc^en  Äated^etenfc^ule  (f.  biefen  9lrt.  Sb  I,  358, 40);  e^  ift  aber  unmöglich,  feine 
^erfönlic^feit  ju  ibentifijieren,  in^befonbere  nic^t  mit  ©erapion  t)on  I^mui^  (f.  barüber 
DChrB  unter  5lr.  9). 

5.  Um  bie  aJlitte  be«  4.  ^jal^r^unbert«  ftanb  ©crajjton,  Sifc^of  öon  ^l^mui«*^ 
in  Unteräg^»)ten,  in  ätnfe^en  (Epiph.  Haer.  69,  2;  Soz.  H.  E.  3,  14.  4,  9;  Phot. 
Cod.  85).  aintoniu«,  ber  ©infiebler,  bem  ©.  na^eftanb  (ögl.  Vit.  Ant.  cp.  82  MSG  26, 
957),  l^interliefe  il^m  le^ttoittig  eine^  feiner  ©c^affeHe  (I.  c.  cp.  91  p.  972),  unb  ätl^anaftu« 
rid^tete  bier  Sriefe  an  i^n,  bie  ftd;  mit  ber  toneumatomad^ifd^en  ^rage  befc^äftigten  (MSG 
26,  529—676).  ©ein  SEobc^ja^r  ift  unbefannt.  2tn  ber  ©^nobe  t)on  ©eleucia  359  ^' 
naf)m  ^tolemäu^  ate  Sifcbof  toon  2:i^mui«  teil;  nac^  ^ieron^muö  (vir  ill.  99),  ber  il^n 
„©c^olaftifuö"  nennt,  fc^rieb  er  adv.  Manichaeum  egregium  librum  et  de  psal- 
morum  titulis  alium  et  ad  diversos  utiles  epistolas.  35ie  antimanidiäifc^e  3lb= 
^nblung  (Phot.  Cod.  85;  l^r^.  bon  %  Sa^nage  im  Thesaurus  monum.  eccl.  et 
hist.  1,  änth).  1725,  35—55,  banac^  MSG  40,  899—924)   bie  infolge  falfc^er  ßin-.  5^ 


220  Sero^ion 

fc^altung  einc^  Cuatcrnioncn  in  bcr  ^anbfd^rift  (ßobcj  27  ber  Sibliot^et  bcr  Congre- 
gazione  della  missione  urbana  di  San  Carlo  in  (Scnua,  f.  ?pitra,  Analecta  1, 
44—46;  Äüjjic  in  ber  Hamburger  ©tabtbibliotl^ef,  f.  bcSagarbc,  Titus  Bostrenus, 
p.  III)  jum  ^cil  in  bic  ©c^rift  bc^  Situ«  öon  Softra  eingefd(;obcn  toar,  l^ot  53rinl= 
bxnaml&m,  1894,  479—491)  ^ergeftcttt.  3h)ei  »riefe  ©.«  an  einen  Sif(^of  (Subojinö 
unb  an  (ale^anbrinifc^e)  W6ni)t  (ngög    uovdCovrag)  gab   2Rai   ^erauö  (Nova  Bibl. 

5,  362.  366;  Spie.  Rom.  4,  45.  57;  abgebrucft  MSG  40,923—942).  einige  SBruc^^ 
ftüdfe  veröffentlichte  ^itra:  1.  jtüei  gried^ifc^e  an^  Cod.  Coisl.  279  (Anal.  sacr.  2, 
p.  XL;  Anal.  sacr.  et  class.  27 f.);  2.  brei  fV^fd^^  ^^^  Cod.  addit.  Mus.  Brit.  1215() 

10  (Anal.  sacr.  4,214.  443 f.).  @nbli4  fanb  ®.  aBobbermin  (ältdE^tiftUc^e  liturgifc^e  ©türfe 
an^  ber  Sirene  2tg^pten«  nebft  einem  bogmatifc^en  ©rief  be^  95ifc^ofg  ©eraj)ion  öon  ilj^mui^,  in 
%\X  17,  31%  2,  |)eft  3  b,  Sei^jjig  1898,  tocld^e  3lb^anblung  ©.25—30  auc^  genaue  Angaben 
über  ©.  entl^ält)  in  Cod.  149  be«  ätt^o^IIofter^  2ama  eine  Sammlung  öon  GJebeten,  i)on  benen 
jh)ei  (9ir.  1  u.  15)  in  ber  ^anbfd^rift  auf  unferen  ©.  jurücfgefül^rt  tourben,  ber  (t)gl.  35reh)^ 

15  m  ^m  20,  1900,  291  [298]ff.)  tüo^I  aud^  ber  «erfaffer  Don  3lx.  16  unb  17  ifi  3m 
Sln^ang  ju  biefer  ©ammlung  fte^t  eine  2lb^anb(ung  in  Sriefform  negi  nazobg  xai  vlov 
(SBobbermin  21—25),  bie  jtüar  nid^t  au^brütflic^  alö  öon  ©.  ^errü^renb  l>eiiei(^net  ift, 
tool^I  aber  mit  ©ic^er^eit  il^m  jugefc^rieben  Serben  lann.  Stoagriu^  ^ontitu^  teilt  in 
feinem  „rvcDoxixög"  (bei  Soor.  H.  E.  4,  23)  f olgenbe  a^Ietifc^e  ©enteni  be«  ©.  mit : 

20  „6  vovg  jukv  7t€7ioxä)g  JivevjLiatixrjv  yvd>oiv  TeXelcog  xa^algeiai'  ayajirj  de  rd 
wXey/naivovra  jbLÖgia  tov  '^fiov  ^eganevei'  novrjgdg  de  ijii'&vfuag  biiggeovoag 
lOTtjoiv  iyxQm:eia" 

6.  ©.,  mbnd)  ber  fletifc^en  SBüfte,  gül^rer  ber  ant^ro})omorj)^itifc^en  3Rönc^e  (ögl. 
b.  3lrt.  Drigeniftifd^e  ©treitigleiten  33bXIV,  491,i6ff.),  über  beffen  grobfmnUc^e  fjrömmig- 

26  leit  Saffian  (Collatio  10,  3)  anfc^aulic^  berichtet,  ift  nic^t  ibentifc^  mit  bem  SKönc^,  auf 
ben  Saffian  feine  5.  Collatio  jurütffü^rt. 

7.  ©eraj)ion  ©inbonita,  fogenannt  toeil  er  nagexrog  oiv^ovtbv  (leinene^ ©c^ 
h)anb)  ovöijiote  ovökv  jiegießdXXero,  ift  einer  ber  gelben  ber  Historia  Lausiaca 
(93utler,  Rap,  37,  ©.  109—116;  eine  f^rifc^e  Srtpeiterung  biefe«  Stejteö  au«  bem  6.3a^r= 

ao  ^unbert  toeröffentlid^te  Sebjan,  Acta  martyrum  5,  1893,  263—341),  ber  auf  feinen 
Steifen  nac^  (Sriec^enlanb  unb  9lom  biel  abenteuerliche«  erlebte  unb  bottbrac^te.  ?lau 
(Histoire  de  Thais,  Annales  du  Mus^e  Guimet  XXX,  51  [1903])  toiD  in  i^m  ben 
Reiben  ber  ©efc^ic^te  t)on  2^ai«,  ber  Sudlerin,  fe^en  (togl.  ju  biefer  ©efc^ic^te  and}  bie 
^[b^anblung   t)on  ®a^et,   Antinoe  et  les  s^pultures  de  Thais  et  S^rapion,   ?Pari« 

36  1902,  unb  il^re  Äritif  burd^  Satiffol,  La  lögende  de  Sainte  Thais,  im  Bull,  de  lit- 
törature  ecclösiastique,  1903,  207—217).  Seontiu«  bon  9lea))el  berichtet  im  Seben 
Sol^anne«  be«  »arml^erjigen  (^r«g.  t)on  (Selber  Rap.  23,  ©.  48;  f.  33b  IX,  300,  4?)  öon 
biefem  ©.,  er  l^abe  fein  (Seh)anb  unb  felbit  ba^  ©bangelium  berlauft,  um  älmofen  ju 
fpenbcn,  eine  ©efc^ic^te,  bie  in  ber  interpolierten  Slecenfion  ber  Hist.  Laus.  (cp.  116) 

40  t)on  Seffarion,  in  ber  bei  Socr.  H.  E.  4,  23  mitgeteilten  ©teile  au^  be^  Evagr.  Pont. 
UgaxTixög  t)on  einem  „geh)iffen  ©ruber"  erjä^lt  tpirb. 

8.  ©era^)ion,  S3ifc|of  öon  ^eraflea.  ©inen 2lg^^)ter  ©.^atte  ß^r^foftomuiS  loon 
Äonftantinojjel  jum  2)iaIon  orbiniert  (Socr.  H.E.  6,  4)unbi^m  bie  gunf tionen  be«  3lr(^i= 
biafonu^  übertragen  (Sozom.  H.  E.  8, 9).  Sr  unterftü^te  benSifd^of  in  feiner  bi^jij)linarijc^cn 

46  ©trenge  unb  trug  burcb  fein  rüdtfid^t^lofc^  2?orge^en  nic^t  h)enig  baju  bei,  bie  iuuft 
jh)ifd^en  Sifc^of  unb  fileru^  m  ertüeitern.  311^  ßl^r^foftomu^  in  ßpl^efud  loeilte,  um 
bort  bic  tird[^lid^en  üBer^ältniffe  ^u  regeln,  betraute  er  ©.  mit  feiner  ©tetoertretung. 
35a^  toar  ju  ber  3^it,  aU  Sif^of  ©eberian  bon  ©abala  in  ber  ^au})tftabt  gegen 
ß^r^foftomu^  intriguiertc  (Socr.  6,  11  [mit  ber  App.  ju  S3ud^  6]  unb  Soz.  8,  10;  t)gl. 

50  Sb  IV,  104,  r>4).  ©.  iou^te  e<S  fc^liefelid^  burc^^ufe^en,  bafe  ©eberian  bie  ©tabt  t)er= 
lafjen  mufete.  2{uf  bicfcn  ^\m\i  tüirb  eö  fic^  bejie^en,  tocnn  unter  ben  gegen  ß^r^fo- 
ftomu^  auf  bcr  ©l;nobe  im  ögvv  (403)  erhobenen  Slnflagcn  auc^  bic  figuriert,  er  ^abe 
ben  S.  jum  ^ricftcr  gclocibt  ju  einer  ^c'it,  ba  biefer  fid^  noc^  toegen  einer  9(nltage  ju 
rechtfertigen   gcl?abt  l^abc  (Phot.  Cod.  59).    ?iac^  ber  9lüdffc^r  au^  feiner   erften  Ser« 

66  bannung  bcförbertc  (Sl^rVf«>f^o^"w^  ^^'"  ©•  5"^"  Sifc^of  Don  §craflea  in  I^racien  (Socr. 

6,  17).  Wii  bem  cnbgiltigcn  ©turj  bc^  ^^5atriarc^en  iDurbc  aud^  ba^©c^i(ffal  feine«  über= 
eifrigen  2ln^änger^  bcfiegclt.  ©.  fuc^te  3"P"d^^  ^"  ^i"^"^  ftlofter  gotift^cr  9Kön(^c 
(Chrysost.  Ep.  14  MSG  52,  (US),  iourbe  aber  aufgcl;obcn,  mife^anbelt,  feiner  bifc^öf- 
liefen  Stürbe  beraubt  unb  nad)  tHqVptcn  bejjorticrt  (*!lJaHabiu^,  Dial.  de  vita  S.  Joannis 

0)  Chrysost.  MSG  47,  71  l>gl.  219).  0.  Ihftgcr. 


Serbutt  221 

®erbtett.  —  Serbija  (fcrb.)  Don  3BI.  ^nritfcf». ;    Sof.  3Kaüat,  La  Serbie  con temporal ne, 
2.  $^b;  «J.  Äanif,  Serbien  (1904). 

a)a«  Äömgretc^  (feit  1879)  umfaßt  48600qkm  unb  tüirb  toon  2230000  ©eelen 
(1900)  bciDolj^nt.  3)ic  SSebölferung  ße^ört  faft  burc^hjeg  ber  „orientalifc^sortl^obojen" 
Äirc^e  an,  unb  jh)arnac^  2lrt.  3  ber  ^crfaffung  bon  1901,  toeld^er  lautet :  „a)ie©taat«=  5 
religion  in  ©erbien  ift  bie  orientalifc^-ort^oboje.  3)ic  ortl^oboje  Äird^e  be«  Äönigreic^^ 
^at  biefelben  Sogmen  h)ie  bie  orientalifc^=öfumenifc^e;  aber  fic  ift  unabJ^ängig  unb 
autoIc})^aI."  3)iefer  Scöorred^tung  gegenüber  erl^ielten  Slnbcr^Iäubige  immerhin  bie 
3KögHc^fcit  einer  gcbeil^Iid^en  6nth)icfelung  ibrer  ©teßung  burc^  3lrt.  33  jene^  ®runbs 
gefe^e^:  „3)ic  ®eh)iffcn^frei^eit  ift  unbefc^ränlt.  äße  amdannUn  Sleligion^gefeßfc^aften  lo 
fte^en  unter  gefe^Iic^em  ©(6u|,  infofem  i^re  religiöfen  Übungen  bie  öffentli^e  Drbnung 
unb  bie  ©ittlic^feit  ni(^t  gefä^rben."  ^^iod)  fc^Iic^t  [\6)  al^balb  ber  ©a|  an :  „3cbe^ 
Sorgel^en  gegen  bie  ©taat^religion  (^rofel^tenmac^en)  ift  Verboten." 

Diefe  böDige  ©elbftftänbigfeit  gilt  ate  SBieberl^erfteltung  eine^3"P^"^^f  ^"  todc^em 
ft(^  bie  Äirc^e  bi«  1766  befunben  l}abt,  unb  jtoar  bon  1347  an,  nämlic^  t)on  ber  ßr^  15 
Haltung  be«  ^atriard^at«  öon  ^pd  bon  3llt=©erbien  (bereit«  im  35ringcbiet).    35amate 
tourbe  ba«  ort^oboje   ©erbenbolf  auf  ®runb  ber  SQBirIfamfeit  be«  l^eutigcn  ^Rational- 
Ij^eiligen  ©ah)a   \>on  ber  Äirc^enregierung   be«  Matriarchat«   in  Äonftantinojjel   Io«geIöft. 
35iefe  aUerbing«  über  bier  ^ö^i^^wnbette  h)ä^renbe  Unab^ängigfeit  etfe^te  ber  ?IJlac^th)iBe 
ber  §o^en  ^Pforte  1766  h)egcn  ber  Sejiel^ungen  be«  3})eler  ^atriarc^at«  ju  Ungarn  unb  20 
jum   ftab^burger  §aufe  burdi   bie  Sinfü^ng   einer  ^^anariotifc^en  Seitung  unter  bem 
SBIabifa  bon  Seigrab,  äße  SKifeftänbe  biefe«  burd^  Ääuflic^Ieit  unb  Sebrücfung  übel  be^ 
leumunbeten  f irc^Iic^en  ©ried^entum«  machten  ftd^  bon  ba  an  geltenb.  ^^^^^önbere  erfc^toerten 
fie  ben  gottgang  ber  nationalen  ferbifc^en  ©r^ebung  gegen  bie  ^ürlenberrfd^aft.    ©0 
tarn   e«  fogar  ju   einer  Einrichtung  be«  SBIabifa  burc^  ben  dürften  5)(iIofc^,   h)eld^er25 
freiließ  fic^  nic^t  Wenige  geh)alttl^ätige  Eingriffe  in  bie  firc^Iid^en  Siechte  erlaubte.    5Rac^ 
längeren  ^er^anblungen  geftanb  fd^on  bamal«  ba«  Äonftantinopeler  ^Patriarchat  ber  Äirc^e 
bc«  gürftentum«  bie  ©elbftregierung  gu,  jcbod^  unter  ber  S3ebingung,  bafe  ber  ferbifc^e 
5Jletro^)olit  fu^  burc^  ben  Patriarchen   beftätigen  laffe   unb   bafe   in  ben  ®otte«bienften 
feine«  5Ramen«  gebad^ft  toerbe;   ebenfo  i}(itk  ber  3)ietroi)olit  iäl^rlic^  1200  35inar  unb  bei  so 
feiner  95eftätigung  3600  2)inar  an  ba«  Matriarchat  ju  entridpten.  2)ie«  alle«  tourbel879 
al«  aufgel^oben  erllärt. 

Unter  bem  2)letro))oliten,  toclc^er  jugleic^  Sifc^of  bon  Seigrab  ift,  fte^en  junäc^ft 
bie  beiben  Sifc^öfe  bon  9lifd^  unb  t)on  ©^itfc^a  (Jllofter  im  ^bartl^ale),  lefeterer  in 
2^fc^atfd^al  (©erb.  3Korah)a)  too^neitb.  3)ic  3)letro})olitcnh)ütbe  h)irb  burc^  SBal^l  bon  35 
feiten  ber  3lrd^i^ierarc^ifd^en  ©^nobe  unb  nac^  erfolgter  Seftätigung  be«  Äönig«  erlangt. 
®ie  ©^nobe  befte^t  bann  au«  bem  ^Jletroflpoliten,  ben  beiben  Sifd^öfen,  xtüei  ärc^i^ 
manbriten  unb  je  einem  ©r^j^riefter  („Mtoto")  ber  21  Qpax6)\m.  3)iefe  oberftc  lird^lid^e 
Se^örbe  haltet  jugleid^  al«  ®eric6t«^of  für  bie  Sifd^öfe.  —  Den  gleiten  9?erh)altung«s 
Iört)er  bilbet  ba«  2l})pclIatorifc^e  Äonftftorium.  3)iefe«  ^at  bie  SRa^regeln  unb  S3efc^lüffe  40 
ber  ©parc^ien  ju  prüfen  unb  ju  beftätigen  ober  auf  Berufung  ^in  ju  änbem.  ©eine 
5Kitglieber  toerDen  t)om  SJletrojpoliten  au«  ber  gefamten  ©eiftli^feit  l^erau«  bem  5Kinifter 
borgefc^lagen  unb  t)om  Äönige  anerfannt.  ©ie  t)flegen  jä^rlid^  im  5Jlai  unter  95orfi| 
eine«  Sifc^of«  ju  tagen.  —  2)ie  ©parc^ien  fallen  räumlid^  mit  ben  politifd^en  SertDaltung«- 

?;ebieten  («reifen)  gufammen  unb  ^aben  i^re  näd^fte  leitcnbe  Se^örbe  an  ben  ©par^ial^  46 
onftftorien.  2)iefe  tüerben  bon  "^opm  unb  3!Könc|en,  unb  jh)ar  öier  Seifigem  unb  einem 
geiter,  gebilbet  unb  fmb  ber  3lufftc^t  be«  Sifc^of«  unterfteüt.  3;^re  aufgäbe  ift  e«,  für 
bie  MP^^  i^^  Äird^englauben«  beim  93olfe  ju  forgen,  ben  93efi^  ber  Äird^en  unb  Ätöfter 
ju  überiDod^en,  ®^eftreitigfeiten  ju  erlebigen  unb  über  SSergel^en  ber  ^optn  unb  3Sl'6n6)c 
m  richten.  —  3)er  Äleru«  beftel^t  auc^  in  ©.  au«  ben  beiben  Klaffen  ber  mönd^ifc^en  60 
ätegulargeiftlic^feit  unb  ber  verheirateten  ©äfularijriefter.  äUerbing«  ftufen  fic^  aud^  bie 
le^teren,  bie  Mopen,  infofem  ab,  al«  bie  einen  gemeint  finb,  um  bie  3Reffe  ju  jelebrieren, 
unb  bie  anberen  nur  gu  affiftieren  ba«  Siecht  ^aben,  jebo^  einige  ©aframente  fj)enbcn 
bürfen.  ©ie  finb  in  größeren  Mf^^^i^"  2)ia!one  ober  Sifare.  (2)ie  3lnagnoften  ober 
aSorlefer  aber  l^aben  feine  ^jriefterli^en  Siechte.)  3tu«  ben  MojJen  Serben  gröfetenteil«  bie  55 
@rü)riefter  burd^  bie  Sifd^öfe  i^rer  3)i5cefc  getüä^lt.  Se^tere  ge^en  au«  ber  Äloftergeift= 
lic^reit  ^ert)or,  meift  nac^bem  fte  in  einem  angefc^eneren  Älofter  ätrc^imanbtit  ober  in  einem 
Heineren  Sflwmen  geh)efen.  3!)iefe  Oberen  ber  Äalubjer«  ober  ?IJlönc^e  bertüalten  ba« 
Älofterleben  nac^  ber  Siegel  be«  1)1  Safiliu«  (äufeerlic^  too^I  burd^  bie  öoUftänbigc  ©nt= 
^oltung  bom  gleifd^genuffe  bcmerfen«n)ert);  fie  Serben  bon  ber  Slrd^il^ierarc^ifc^en  ©^nobe  eo 


222  Seritm  Sergtitd  I.^  ^a^fl 

ernannt,  bcbürfcn  aber  ber  Seflätigung  burc^  ben  9Jlinifter.  gm  übrigen  unterftel^en  bie 
Älöfter  bem  Sifc^ofe  ber  betr.  35iöcefe.  —  3)er  Staat  f)at  aufeer  ben  ertoä^nten  Se^ 
ftätigung^rec^ten  jtoar  feinen  ©influfe  auf  bie  grnennung  ber  ^farrgetftltc^f ett ;  aber  e^ 
barf  fein  fird^Uc^er  93efi|  ol^ne  g^ftimmung  ber  Slegierung  toeräufeert  h)erben,  toa^   ftc^ 

5  an^  auf  bie  na^eju  900  Pfarreien  bejiel^t  unb  auf  52  Älöfter,  toelc^e  gugleic^  >)farrUc^e 
Siebte  ausüben.  ®leic^h)o^I  erl^alten  nur  bie  Sifc^öfe,  bie  SKitglieber  be^  Äonftftorium^ 
unb  bie  6rjt)riefter  einige«  ©e^alt  bom  Staate,  toö^renb  bie  Pfarreien  für  i^re  ^optn 
allein  aufuifommen  f)abm;  ben  Älöftem  genügt  i^r  reichlicher  Seft^. 

35ie  Sorbilbung  ber  (Seiftlic^en  Verlangt  nac^  bier  Sc^uljal^ren  m  einem  ©^mnafium 

10  eine  bieriä^rige  Stubienjeit  im  geiftlic^en  Seminar,  toeld^e^  bon  14  Se^rlräften  öerfej^en 
h)irb.  I)iefe  3lu^bilbung  foh)ie  bie  nationale  3Sergangenl^eit  beö  5ßoJ)enftanbe^  getoä^rt 
ber  GJeiftlic^feit  Serbien^  eine  ^öl^ere  Sichtung  beim  Ssolfe,  ate  fie  fonft  in  ort^obojen 
Äird^engebieten  üblid^  ift.  —  S)a«  Unterric^tigtoefen  tourbe  burd^  obligatorifc^en  Sefud^ 
ber  SSotefc^ule  feit  1882,  burc^  geförberte  (Einrichtung  ber  jtoei  für  ba^  Äönigreic^  gc= 

16  fcbaffenen  Sel^rerfeminare  (ein  britte^  für  bie  Serben  in  ber  3:ürfei)  unb  burd^  38  SKittel- 
fcpulen  tro^  aller  ))olitifc^er  3Birren  auf  eine  rü^mlic^e  ^ö^e  gebracht.  2)ie  $oc^fc^ule 
iu  S5elgrab  entbehrt  nur  ber  mebijinifc^en  gafultät,  um  ben  Slang  einer  Unibafüät  be^ 
anfj)rud9en  ju  fönnen.  —  2)ie  römifc^^at^olifc^e  Äonfeffton  ift  j^au})tfäc^lic^  im  SZorben 
Serbien^  vertreten,  h)irb  aber  nic^t  me^r  afö  20000  S3elenner  jöJ^^len,  bai)on  ettoa  5000 

20  in  Seigrab.  Sie  Rängen  bom  Sifd^ofe  t)on  ©jalotoar  in  Kroatien  ab,  toeldj^er  ftc^  jugleic^ 
atö  Sif^of  bon  Seigrab  unb  Semenbria  bejeid^net.  —  35ie  ebangelifc^e  Äird^e  befi^t  nur  in 
Seigrab  eine  ®emeinbe,  im  übrigen  Sanbe  nur  öereinjelte  Slnge^örige;  in  ber  ^avapU 
ftabt  befinbet  fic^  eine  Sd^ule,  toelc^e  aber  jumeift  t)on  Äinbem  anberer  Selenntniffe 
befuc^t  h)irb.     ^ie  ©emeinbe  unterfteUte  ftc^  bem  Obertivd^enrat  )u  Serlin  unb  jö^lt 

26  250—300  Seelen.  ».  @9«. 

©crolitÄl.,  $aj)ft,  687—701.  —  ßitteratur:  Lib.pontif.ed.3Rommfen©.210ff.; 
Jaff^  I,  @.  244;  53on)cr=SRambac6,  Unpart.  4)iftorte  ber  röm.  $äpfte  IV,  @.  210 ff.;  ßangcn, 
®cfd)id)tc  ber  röm.  tir^c  ©.  585;  ®rcfloroüiuö,  ®cfc^.  ber  @tabt  SRom  im  W?l.  II*,  @.  177  ff.; 
SReumont,  ®efc^.  ber  ©tabt  Sflom  II,  ©.97;  ^efelc,  (Sonciliengefcbicöte,  2.  §lufl.  III,  ©.345; 
90  ©ajmann,  $oHti!  ber  ?5äpfte  I,  ©.  188;  ^cimbuci)cr,  ^ic  ^apftttja^Icn  unter  bcnÄaroHngcrn 
@.  15  ff.    eine  ©c^enfungSurfunbc  ©ergiu^'  I.  bei  bc  JRoffi,   Bullet,  di  arch.  ehr.  11,  1,93. 

"iWac^  bem  2:obe  be«  $at)fte«  Äonon  (22.  Se>)t.  687)  erfolgte  eine  jn)iefl)ältiae  ffiabl. 
Ein  ^eil  be^  Sollet  h)ä^lte  ben  Slrc^ibiafon  ^afd^ali^,  ber  fc^on  mä^renb  ber  Äranl^eit 
Äonong  ben  ©jard^en  go.^^nne^  in  9lat)enna  für  fic^  gewonnen  ^atte;   ber  anbcre  ieil 

36  erflärte  fic^  für  ben  3lrc^ii)re^bbter  I^eobor.  gebet  ber  beiben  ^rätenbenten  bemächtigte 
[\^  eine^  SEeite  be^  Sateran,  feiner  aber  tüar  im  ftanbe,  feinen  ©egner  ju  i)erbrängen. 
gine  Serftänbigung  fc^ien  nur  möglich,  tvmn  e«  gelang,  einen  britten  Äanbibaten  auf- 
ujftetlen,  bem  bie  übertoiegenbe  ^Kajorität  jufaßen  toürbe.  3)iefen  3luigh)eg  ergriffen  bie 
^ü^rer  ber  ftäbtifAen  Dbrigfeit  unb  ber  ^JJilij   unter  ßwftimmung  eine^  großen  2^eil^ 

4obeeÄlcru^.  3^r  Kanbibat  toar  ber  ^re^b^ter  Sergiu^^;  ber  ätbftammung  nac^  ein 
Orientale  —  bie  §eimat  feiner  ßltcm  Wax  ba^  f^rifd^e  2lntioc^ia  —  h)ar  er  bodj^  im 
Slbenblanbe,  in  Palermo,  geboren;  unter  Slbcobatuö  (672—676)  h)ar  er  nac^  9lom  ge- 
fommen,  crft  feit  682  ober  683  toar  er  ^re^b^ter.  5Run  iüurbe  er  jum  Sifc^of  geloä^lt 
unb  mit  ©etoalt  in  ben  Sateran  eingefül^rt :  bie  ^Majorität  be^  3Solfe^  trat  fofort  auf  feine 

45  Seite,  X^eobor  berjic^tetc  freitoitlig  unb  l^ulbigte  bem  3leugeh)ä^lten;  ^ßafc^al,  beräBibcr^ 
ftanb  ^u  leiften  Derfuc^te,  n)urbe  genötigt  ba«  gleiche  ju  tl)un,  unb  atö  ber  ß^ard^,  bon 
^afc^al  ^eimlic^  benad^ric^tigt,  in  9lom  erfd^ien,  fonnte  aud^  er  nur  bie  Sle^tmäfetgfeit 
ber  2öal;l  anerfennen;  boc^  nötigte  er  Sergiu^  jur  öntric^tung  t)on  100  5Pfb.  ®olbg, 
fo  öiel  i)atU  ^afc^al  i^m  jugefagt;    Sergiuö  fa^   fic^  genötigt,  einen  3;eil  be^  Äirc^en^ 

öo  fc^a^eö  bon  St.  ^eter  ju  ber})fänben,  um  bem  ejarc^en  genug  ju  tl^un.  3lm  15.  ©ej. 
687  fonnte  er,  nun  allgemein  anerfannt,  orbiniert  loerben. 

211)^  ^ajjft  richtete  Sergiuö  feine  Slufmerffamfeit  fotoo^l  nacb  3Beften  toie  nadj^  Often. 
3)ort  galt  e^  ba^  Serl^ältniö  ju  ber  angclfäc^fifc^cn  Äirc^e  ju  fcftigen  unb  ein  Sanb  mit 
ben  bon  i^r  au^ge^enben  3)Jifftonen  auf  bem  geftlanbe  ju  fnü^jfen ;  ^ier,  bie  entfdj^eibenbe 

65  2lutorität  beö  römifc^en  Stu^l^  ju  toal^ren. 

Sei  ben  2lngelfac^fen  toic  bei  ^it)i)in  fanb  er  bereittoillige^  ©ntgegenfommen.  gm 
^abr  689  fonnte  er  bem  Jlönig  Gcabtüalla  Don  SBcffej  in  Slom  bie  2^ufe  erteilen 
(Seba,  h.  e.  V,  7);  in  ben  näd^ften  l^abren  reftituiertc  er  ben  entfetten  SBilfrib  öon 
5?)ort  (Eddii  V.  Wilfr.  41.  44.  48).    Unfic^er  ift,  \m^  über  feine  Segiel^ungen  )u  Serctualb 


®argi]t9 1.,  ^afpfl  Sergtitd  n.,  ^apft  223 

öon  ßanterburV  berichtet  h)irb.  3)er  Lib.  pont.  ©.216  erjäl^It,  ©.  I^abc  il^n  jum  grj« 
bifd^of  t)on  Britannien  orbiniett.  ""Jlad}  jh)ct  ©riefen,  beten  ©c^t^eit  jeboc^  bejtoeifelt 
toitb,  Jaffß  2132  f.,  f}at  er  i^m  ben  ^rimat  Don  Britannien  übertragen.  Slber  nadj^ 
SebaV,  8  tourbe  Serctualb  am  1.  3uli  692  inenglanb  getoä^lt  unb  am  29.3uni693 
bon  einem  fränfif(^en  ÜRetroj)oIiten  ®obuin  getoei^t.  ^öglic^ertpeife  liegt  ein  2Ki^5  5 
t)erftänbnid  bed  L.  p.  Dor,  ba^  ftc^  aud  ber  Berlei^ung  bed  ^aUiumd  an  Berctualb 
ertlären  mag.  2lm  toic^tigften  h)ar  Sergiu^'  SJerbinbung  mit  "^ippxn  unb  SDäiHebrorb, 
hierüber  f.  b.  3lrt.  SBiUebrorb. 

Sad  Ber^ältnid  )u  Jtonftantino))eI  )ourbe   beftimmt  burd^  bie  ©teUungna^me  bed 
35a^)fteg  ju  ber   truDanifc^en   ©^nobe  öon   692   (f.  b.  älrt.).     Obgleich  bie  römifc^en  10 
Segaten  ben  Sefc^lüffen  ber  ©^nobe  jugeftimmt  l^atten,  Weigerte  fid[;  ©ergiu^,  fte  ju  untere 
fc^reiben,   ate  ber  Äaifer  fie  ii^m   jufanbte;    er  toertoarf   fie   mit  aller  ©ntfd^ieben^ett. 
Suftinian  II.  fc^idfte  barauf^in  ben  $rotofj)at^ar  S^c^öria«  mit  bem  Sluftrage  nac^  Slom, 
©ergiud  nac^  Äonftantinopel  abjufii^ren.    Äaum  aber  h)urbe  bie  (Sefa^r,  in  toelc^er  ber 
*;ßaj}ft  fc^toebte,  befannt,  fo  er^ob  ftc^  bie  ÜKilij  bon  Slabenna  unb  ber  $enta^)oIi«  (ätn»  16 
cona,  Umana,  ^efaro,  gano,  Slimini)  ju  feinem  ©(^u|e  unb  ^og  gegen  Slom.  3<^^^^ö^ 
alaubte  nur  baburc^  fein  Seben  retten  ju  lönnen,  ba^  er  ftc^  m  ben  ©c^u^  be^  ^o^fted 
vt^ab,  bem  e«  aud^  gelang,  bie  ätufregung  ju  befc^toid^tigen,  er  toar  öoKftänbig  ©ieger. 
®iefe  aSorgänge  fmb  in  boj)J)eIter  §infic^t  bon  Sebeutung;   einerfeit^  Vertiefte   bie  SSer^ 
toeigerung   ber  ätnerlennung  ber  truHanifc^en  ©!9nobe  ben  3h)i^l>öl^i  ^^  jtoifd^en  ber  20 
abenblänbif(^en   unb  morgenlänbifd^en  ß^riftenl^eit  bereite  toor^anben  toar;    anbererfeit« 
^eigt  bie  ßr^ebung  ber  3J(ilu,  h)ie  feft  baö  älnfe^en  Slomg  in  Italien  ftanb:   bei  einem 
©trcite  jh)ifd^en  SHom  unb  «onftantino))e(  lonnte  nur  Äonftantino})el  Verlieren. 

5Ro(^  mag  angeführt  Serben,  bafe  nac^  bem  Lib.  pont.  ©.  215  bie  ätufna^me  beö 
Agnus  Dei    in  bie  ?IJlefeIiturgie  auf  einer  ätnorbnung  ©ergiu^'  I.  beruht.    35a^  ®ebet  25 
tourbe  öon  Äleru^  unb  Sott  gefungen. 

©ergiud  ftarb  am  8.  ©ejjtember  701.  ^anif. 

@ergiltdll.,  ^apft,  844—847.—  fiittcratur:Lib.Dontif.,ed.3)ud^c§ncn,8.86ff.; 
Annales  ßertiniani;  Jaff^  @.  327 sq.;  ügl.  aud)  Ps.  Liudpr.  de  vitis  Rom.  pont  104 
MSL  129,  @.  1244;  ©otoer^SRambad),  Unpart.  C)iftoric  ber  röm.  «Päpftc  V,  @.  574;  Sangen,  90 
®cf(^i(^tc  ber  röm.  ^ivcfte  6.  822;  ®regoroütu§,  ®cf*tcl)tc  ber  @tabt  SRom  im  9)m.  III*, 
S.  81;  SRcumont,  ®efc^id)te  ber  @tabt  JRom  II,  ©.  196;  3)ümmler,  ©e^c^te  bcg  Oftfrän!. 
$Reict|«  I,  @.  249ff.;  «ajinQnn,  ^olitt!  ber  ^öpftc  I,  ©.  349;  ^oud,  m  3)cutfc^= 
lanbd  II,  @.  .512 f.;  3)opffeI,  Äaifcrtum  unb  ^apftnjcd)fel  6.  116;  .^eimbucfter,  2)tc  $Qpft= 
mabicu  unter  ben  Karolingern  ©.  149  ff.;  lieber  eine  unechte  ^blafebuHc  ©ergiud  II.,  f.  ©öj,  36 
3Ä®  XV,  @.  342  ff. 

2lte  ®regor  IV.  im  ^^nuar  844  ftarb,  bemäd^tigte  ftc^  ein  3)iafon  Flamen«  ^ol^anne^ 
an  ber  ©pi^e  eine«  SSoIföl^ufen«  be«  ^atriarc^ium«  im  Sateran;  er  ^offte  im  33efi|e 
beö  ^alafiö  bie  SBal^I  auf  fi(^  lenfen  ju  fönnen.  ^f)m  ftellte  ber  römifc^e  äbel  ben 
Src^ipre^b^ter  ©ergiu«  entgegen,  ben  er  in  ber  SaftUfa  be«  ^I.  3Rartin  toä^Ite  unb  mit  40 
aSaffengetoalt  in  ben  Sateran  einfül^rte.  3<>^«""  h)urbe  gefangen  genommen  unb  ent^ 
ging  nur  burd^  ba«  3)ajtpifd^entreten  be«  9ceugeh)ä^Iten  bem  ^obe. 

©ergiu«  gehörte  burd^  feine  ©eburt  bem  römifc^cn  Slbel  an ;  nac^  bem  frül^en  3^obe 
feiner  ßltem  toar  er  am  päpftlic^en  $ofe  erjogen  Jüorben;    2eo  III.  na^m  il^n  in  ben 
5lleru«  auf,  ©tep^an  IV.  tüei^te  i^n  jum  ©ubbiafon,  ^afc^al  I.  jum  ^riefter,  ©regor  IV.  40 
enblic^  er^ob  i^n  ^um  älrd^iprc^b^ter. 

3)afe  er  ober  bie  Partei,  bie  il^n  erhoben  ^atte,  beabftc^tigte,  bem  ^apfttum  eine 
felbftftänbigere  ©teDung  bem  Äaifertume  gegenüber  ju  geben,  afe  e«  bamaü  befa|,  trat 
atebalb  nad)  feiner  SBal^I  an  ben  lag,  er  tourbe  fonfefriert,  o^ne  bafe  bie  Seftätigung 
ber  SBa^l  bur(^  Äaifer  Sot^ar  abgeh)artet  Sorben  toärc.  I)er  Äaifer  erblidfte  in  biefem  00 
SJorge^en  mit  Siecht  (ögl.  Hlot.  I  const.  Rom.  MG.  CI.  I.  ©.  322)  einen  SCreubnid^ 
bei*  Slömer;  er  fanbte  be^^alb  im  ©ommer  844  feinen  ©o^n  2ubh)ig  mit  einem  §eerc 
nac^  9lom;  in  ber  Segleitung  Subtoig«  befanb  fid(;  eine  Slnjal^I  Sifd^öfe,  an  i^rer  ©pi|e 
^rogo  t)on  3Jle^;  fie  foQten  forbem,  ne  deinceps  decedente  apostolico  quisquam 
praeter  sui  iussionem  missorumque  suorum  praesentiam  ordinetur  antistes  50 
(Ann.  Bert.).  2)a«  ^eer  brang  in  ba«  römifd^e  (Scbiet  h)ie  in  Jf^nbe^Ianb  ein;  ©ergiu« 
bagegen  empfing  Subiüig  mit  aDcn  i^m  jufommenben  (Sl^ren  unb  ber^inberte  baburc^ 
fcinbfelige  ©d^ritte  gegen  feine  ^erfon.  6«  fam  glei4[h)0^1  ju  einer  ftürmifd^en  SSerf^anb^ 
lung  5loif(^en  i^m  unb  ben  Sifd^iöfcn  unb  ©rofeen,  bie  Subtoig  begleiteten.    2)en  ®egen^ 


224  ®ergiiid  II.,  Spapft  ®crgt«9  IV.,  Sp^ 

ftanb  berfelbcn  ßiebt  ber  S3toflrcH)l^  bci^  55a))ftcö,  ber  bic  SSorgönge  über^am)t  abfic^tlic^ 
toerfd^Ieiert,  ni(^t  an;  man  lann  aber  niqt  ätoeifcin,  bafe  c^  fu^  babci  um  jene  ^orbcrung 
bc«  ^aifer«  l^anbcUc,  unb  bafe  öom  $a^ft  unb  Don  ben  Slömem  i^tc  Sercc^hgung  an- 
erfannt  Serben  mufetc;   ^rubentiu«  t)on  2:ro^c^  (äfet  Subtütg  feinen  ätuftrag  au^ric^ten 

5  (Ann.  Bert.:  peractoque  negotio  Hlodowicum  pontifex  Romanus  unctione  in 
regem  consecratum  cingulo  decoravit),  tüogegen  ber  lurialiftift^e  Siograj)^  ben 
$a})ft  bie  Dberl^anb  be^auj)ten  läfet;  er  fagt  bon  ben  ©efonbten:  ab  eo,  bem  ^a^)ft, 
superati  pudore  et  operti  confusione  discesserunt.  @r  tuirb  barm,  baf;  ©ergtu^ 
im  9lmte  blieb  unb  bafe  bem  §eere  ber  6intritt  in  bie  ©tabt  öerfagt  tüurbe,  feinen  ©ieg 

10  erblicft  l^aben.  ^n  ber  Il^at  lag  in  beibem  eine  ßinbufee  für  bie  ©teßung  beö  Äaifer^. 
3m  3wfammen^ang  mit  biefen  3?orgängen  ftel^t  h)ol^l  auc^  bie  öon  bem  8iogra))ben 
erhjä^nte,  aber  anber«  motivierte  3^^atfac^e,  bafe  bie  Slömer  bem  Äaifer  öon  neuem  ben 
gib  ber  ^reue  leifteten.  S^gcftänbuiffe  be«  ^a))fte«  ^at  man  ol^ne  3^^!^  ^"^  i"  ^^ 
Ärönung  Subtoig^  jum  lombarbifc^en  Äönig,  in  ber  ©mennung  SJrogo«  bon  9Kefe  jum 

16  j)äj)ftli(i^en  SSilar  bie^feit^  ber  %lpm  mit  fe^r  h)eitge^enber  ©elbftftänbigfeit  ju  errennen 
((Schreiben  be^  ^ap\i^  an  bie  tranöal^).  Sifc^öfe  bei  Mansi  XIV,  806).  SBer^ielt  er 
fic^  bagegen  fel^r  fc^roff  gegen  bie  toegen  i^rer  SSerbinbung  mit  Sotbar  t>ertriebenen 
SBifc^öfe  6bo  t)on  Sll^eim«  unb  Sartj^obmöu^  t)on  9Jarbonne,  fo  h)irb  hierfür  bie  Slücffu^t 
auf  Äarl  ben  Äa^Ien  mafegebenb    getüefen  fein.    ©J)äter   l^at  ©ergiu^  für  (Sbo  gegen 

20§incmar  Partei  ergriffen;  aber  er  t^at  e^,  gebrängt  t)on  Sot^ar,  olj^ne  ^ladj^brudf  unb 
o^ne  erfolg  (Hincm.  ep.  11  ad  Nicol.  Pap.  MSL  CXXVI,  82  sq.). 

93on  ber  ^^l^ätigfeit  be«  ^apfteö  ertoäl^nt  fein  S3iogra^)l^  nur  no<|  ba«,  toai  er  jum 
S3au  unb  ©d^mucf  öon  Äird^en  tl^at.  6r  fd^tüeigt  bagegen  über  bie  SSertüüftung  Storni 
unb  bie  ^lünberung  ber  $eter«s  unb  ber  ^autefird^e  bur($  bie  ©aragenen  im  äuguft  846 

26  (bgl.  hierüber  Ann.  Bert.  j.  b.  %).    Jlurj  banad^,  am  27.  ^[anuar  847,  ftarb  ©ergiu«  IL 

®ergilti9  III.,  ^a^)ft,  904— 911.—  Sitterotur:  Liber  pontificalis  ed.  3)u4e§nell, 
@.  236;  featteridj,  Pontif.  Roman.  Vitae  I,  @.  32.  37.  85.  660 ff.;  Jaffd  @.  445;  3)ümm-' 
ler,    (iJef(^.    bcS  Oftfr.  JHeic^«  lU,  @.  601 ;   bcrfelbe,  3(uiiliu«  unb  SSuIgoriuä;   «onjer=9iQm: 

aobod»,  Unpart.  ^iftovie  ber  römifc^en  ^äpftc  VI,  267 ;  Öircgorooiu«,  ©efdjicfttc  ber  @tabt  SRom 
im  ^«I.  III*,  @.  237;  ^Reumont,  ®efd)i(öte  ber  ©tabt  9iom  II,  @.  227;  ^efelc,  aonciIien= 
gef(6i(^tc  IV,  @.  574;  ©ajmann,  ^olitif  ber  köpfte  II,  ©.  76;  fiangcn,  ®eidftid)tc  ber  rötn. 
Äirc^e  6.  313. 

3)er  ^ontififat  ©ergiu«'  III.  fällt  in  bie  geit  ber  fog.  ^omohatie,  er  felbfl  fott  gu 

a6  ben  Sui^Ien  ber  5Jlarogia  gehört  ^aben;  nac^  £iub})r.  Antap.  II,  48  War  er  ber  SSater 
be«  fpäteren  ^a))fte^  ^o^annXI.  9Jac^  bem  2:obe  Xl^eobor^II.  897  tDurbe  er,  bamate 
2)iaf on  ber  römifc^en  Äirc^e,  bon  einem  Steile  be^  Solfe«  jum  ^a))fte  getoä^It ;  er  mu^tc 
jeboc^  bem  burc^  flaifer  Sambert  begünftigten  S^l^önn  IX.  toeit^en;  er  begab  ftc^  nac^ 
2:ufcien  in  ben  Sc^u^  be«  3Karfgrafen  3lbalbert;    fteben  ^af)x^  brachte  er  bei  i^m   gu. 

40  3Jac^  ber  Slbfe^ung  be^  ^apfte^  ß^riftop^oru^  904  feierte  er  nac^  91om  jurüd  unb  erhielt 
nun  tüirflid^  ben  päpftü^en  ©tu^l.  6r  tourbe  iDa^rfd^einlid^  am  29.  Januar  904  ge^ 
toeil^t.  3la6)  globoarb,  ber  günftig  über  i^n  urteilt  (de  Chr.  triumph.  ap.  Ital.  XII, 
7  MSL  135  ©.  831),  toaren  bie  SBünfc^e  be«  SSolH  na^  Siubpranb  (I,  30)  ber  ©m 
flufe  ber  tufcifc^en  Partei  babei   mafegcbenb.    38on  3:^aten   biefc«  $a))ftei^   loirb   nic^t« 

46  berichtet  aU  ber  9icubau  be^  burd^  ein  ßrbbebcn  gerftörten  Sateran  (L.  p.;  Benedicti 
ehron.  27;  Dgl.  bie  bon  3!)uc^egne  ©.  236f.  jufammengeftettten  ^nfc^riften).  Über  feine 
Stellung  in  ber  grage  ber  Slec^tmäfeigfeit  be«  ^ontifttat«  bc«  gormofug  f.  8b  VI 
©.  129,34.    gr  ftarb  im  3Kai  911.  ^anä. 

©crgiuö  IV.,  ^apft,  1009— 1012.  — ßittevatur:  LiberpontificaU8ed.2)U(^e«neII, 
60  @.  267;  Satterid),  Pontif.  Roman.  Vitae  I,  6.  69.  89.  700;  Jaff6  ©.504;  ®rcgoroüiuS, 
®efcf)id)te  ber  ©tabt  $Hom  im  ^jm.  IV*,  ©.  12;  SReumont,  ÖJef*ic^te  ber  ©tabt  SRom  II, 
©.  227;  Sanc^en,  (iJefd)id)te  ber  röm.  Äird)e  ©.  403.  lieber  bic  unechte  ÄrcujjugSbulIc  bc§ 
^Qpfte^  f.  3.  i&arttung,  gorjc^.  XVII,  ©.  393  ff. ;  gegen  iftn  3-  fiair,  Etudes  critiques  I. 
^ariS  1899. 
66  ©ergiu^  IV.,  ^apft,  War  ein  geborener  5Römer,  er  toar  juerft  S3ifc^of  \)on  älbono 
unb  iüurbe  im  ^uVi  1009  auf  ben  i)äj)ftlici^cn  ©tul^I  erhoben.  G«  tuar  bie  3eit,  in 
iüeld^er  bie  (Srefcentier  äße  ^JKac^t  in  5tom  befafeen,  fo  bafe  bie  ^ä})fte  faum  etttw« 
anbere^  aU  aBerheuge  in  if^rcr  $anb  maren.  Db  ©ergiu^  ber  2Rann  geloefen  toäre, 
unter  günftigeren  SBer|äItniffcn  ju  ^anbeln,  iüifjen  mir  nic^t,  bie  einzigen  ®))uten  feine« 


eergtitd  IV.,  ^o^ifi  ^txnhhühtl  225 

aSirfen^  ftnb  eine  2ln^abl  Privilegien  für  Rlöfter.  ©ergiu^  h)irb  afö  ber  erfte  $aj)ft 
bejeic^net,  ber  bei  feiner  ©tul^lbefteigung  einen  neuen  DJamen  annahm,  er  ^iefe  urfj)rüng5 
Ii(|  ^etru^;  er  ftarb  im  ^juni  1012.  ^oui!. 

^ttiin»,  Äonfeffor,  b^jantinifc^er  ß^ronift,  geft.  nac^  828. 

3n  feiner  Bibliotheca  (Cod.  67  MSG  103,  Sj).  164)  ^anbelt  ^^otiui^  bon  bem  6 
©efd^ic^t^toerf  eine^  9en)if{en  ©.,   in  bem    bie  j)oIitifcl^en  unb  lird^Iid^en  Segebenl^eiten 
ber   erften  ad)t  Stegierung^ja^re   be^  fiaiferö  3Jlicl^ael  II.  Salbu^,  b.  p.  be^  ©tammler^ 
(Dejember  820—829),  befc^jrieben  Sorben  feien,  unter  gutüdgreifen  auf  bie  „berabfd^euung^s 
mürbigen"  3:aten   be«  Saifer^  Äonftantinu^  Äoj)ron^muö  (751—774).    a)ie  Schrift  fei 
au^erorbentlic^  einfach  unb  Hat  gefd^rieben  unb  bereinige  Sd^mudtoftgieit  mit  natürlicher  lo 
©c^ön^eit  ber  3)arftellung,    fo  ba^   man  glauben  möd^te,  fie  fei  au^  bem  ©tegreif  j^in* 
getoorfen  Sorben.     3)iefe^  Urteil  lönnen   Wxx   nid^t  me^r  fontroUieren,    ba  bie  ©c^rift 
f j)urlo^  untergegangen  ift.   ^^otiu^  giebt  bem  Serfajfer  ben  Seinamen  SjuoXoyrjri^g,  Jton^ 
feffor,  ein  ^räbifat,  ba^  bie  S^ijantiner  ben  5yorfe4>tern  be«  Silberlulte^  gerne  beigelegt 
l^ben.  ©0  h)trb  unfer  ©.  ibentifd^  fein  mit  bem  bon  ber  griec^ifd^en  Äird^e  am  13.  ?Kai  i5 
gefeierten  Ziqyiog  6/üiokoyrjTrjg,  ber   nacb   bem  -äJlenologium  beö  Saftliu^  (MSG  117, 
©p.  454)  unter  £eo  III.  (813—820)  berbannt  h)urbe.  ^m  ®jil  fc^eint  er  unter  SE^eoJj^ilu« 
(829—842)  geftorben  ju  fein  (bgl.  3liIobemu<^  §agiorite^,  Zvva^aQioxrjg  xißv  dcoöexa 
jut]vü}v  Tov  hiavxov  III,  ^ant^e  1868,  ©.  37;  ©^r^arb  im  ÄÄS  11,  ©}).  193). 

<S(.  S^fflgef.     20 

Sergtiti»,  ^atriarc^  bon  ÄonftantinoJ)el,  18.  2lJ)ril  610  bi«9.  3)eaember  638.  — 
S3gl.  trumbac^er,  (öeic^idjte  ber  bi)iaiitin.  fiittcratur,  2.  Stuft.,  9)h'inc^en  1807,  671  f.  ^ier 
genaue  lOitteraturangaben. 

©.,  über  beffen  fird^enj)olitifd^e  unb  t^eologifc^e  ©telfung  im  3lrt.  Wonot^eleten  (f. 
a3b  XIII,  401  ff.)  ba^  5Rötigc  gefagt  ift,  gilt  afe  3Scrfaffer  be^  berü^mteften  gried^ifd^en  2b 
Äird^enliebeiJ,  be^  noc^  i^eute  in  ben  SKenäen  unberfürjt  erhaltenen  3lfatl^iftog  (fogenannt, 
iueil  bie  ©änger  beim  SSortrage  be^  ©ebid^te^  ftel^e»  blieben;  I^crau^gegebcn  au^er  in 
ben  SRenäen  in  MSG  92, 1335—1548  unb  bei  ^itra.  Anal,  sacra  1,  1876,  250—262). 
Über^auj)t  fc^eint  er  fic^  um  bie  3lu^bilbung  beö  Slituö  SSerbienfte   ertporben  ju  ^aben. 

®.  tröget,     so 

@eritbbalie(.  —  fiitteratuv:  Äofter^,  2)ie  SBiebev^erfteüung  3§raelö,  überfej^t  upn 
53afebonj  1895;  SBeO^auien,  5)ie  iHüdfebr  ber  3uben  auö  bem  babi)fonifd)en  ^%\{,  ©ottincier 
Wcl.  Slnjeigeu  1895;  Gb.  ^\t\)zx,  2)ie  (Sntftebung  beö  3ubentum$  1896;  .{•>üünQcfer,  Zorobabel 
et  le  aecond  temple  1891 ;  berf.,  Noiivelles  ^tudes  sur  la  restauration  Juive  aprös  Texil 
de  Babylone  1896;  9?ifel,  ^ie  Sicber^erftellung  beg  jübifct)cn  ®emeintt)efen^  nad)  bem  35 
babi)(onif4cn  (Jyil  19(X);  ©ellin,  Scvubbabel  1898;  berf.,  ©tubien  jur  ^utfteöun9ggefd)id)te 
ber  jübifd)en  ÖJcmeinbc  nad)  bem  bab^tonifdien  ©^ril,  ^eft  II  1901 ;  JRotbftein,  3)ie  (Genealogie 
bcö  .Uönigd  3oiad)in  unb  feiner  9?ad)tommen  in  gefd)id)tlid)er  SBeleuditung  1902;  gif^er, 
5)ie  c^ronolügifd)cn  Sraflen  in  ben  ^üd)ern  (£^ra=5?eöeinia  1903;  aufeerbem  bie  ein{d)Ift9igen 
9lbfd)nitte  in  ben  öJeidjiditen  be§  SSolte^  S^rael,  befouberg  benen  üon  @tabe,  3Seat)oufen,  40 
iit (oftermann  unb  ®ut6e  unb  in  \>t\\  Kommentaren  ju  ^^aggoi^Sadjarja  unb  (£öra=^3?et)emiQ. 

SSS>a%  Xoxx  bon  ©erubbabel  mit  boller  ©ii^er^eit  miffcn,  ift  fel^r  njenig,  lebiglid^ 
folgenbeg.  (Sr  l^at  alö  perfifc^er  ©tattl^alter  in  ber  nadi^ejilifd;cn  jübifd^en  ©emeinbe, 
angefpornt  bon  ben  ^ro})^eten  §aggai  unb  ©ad^arja,  int  j^meiten  "^oiixi  be^  Äönig^ 
3)ariuö  ben  (Srunbftein  ^um  ^meiten  jerufalcmifc^en  3:em})el  gelegt  —  nad^  richtigem  46 
Serftänbniö  bon  §ag  2,  15—18  bgl.  mit  1,  15  am  24.  6.  (Se^jtember)  520  —  unb  in 
(Semeinfd^aft  mit  bem  §o^enj)riefter  3of ua  aud^  beffen  33au  energifd^  geleitet  (bgl.  §ag  1, 12, 
14;  2,  2,  21;  Baö^  4,  9  f.,  14;  8,  9;  ß^r  5,  2).  a)iefe  Unternehmung  ift  offenbar  eine 
3eit  lang  bur(|  bie  SBinen,  bie  bamal^  ba^  gro^e  perfifd^e  9teic^  erfc^ütterten  (bgl.  §ag  2,  21), 
U)ie  bur^  meffianifc^e  Hoffnungen,  bie  man  an  ©erubbabel^  ^crfon  fnüpfte  (bgl.  $ag2,23;  »» 
Sad^  3,  8;  6, 12  f.),  mächtig  gcförbert.  Der  ßinfprud^  beö  ©atrapen  %Oiind\,  hinter  ben 
fic^  h)a^rf(|einlid^  bie  ©amaritaner  geftcdtt  l^attcn,  trug  ebenfalls  nur  baju  bei,  ©erubbabel^ 
SBerf  ju  begünftigen.  ^tnn  3)ariu^  tüurbc  baburd;  aufmerffam  auf  bie  ^ßribilegicn,  mit 
benen  einft  ß^ruö  ben  2;emj)el  au^geftattet  ^atte,  er  beftätigte  unb  ernjeiterte  fie  (bgl. 
e«r  5,  3—6,  14).  65 

infolge  ber  2)ürftigleit  unferer  Duellen  fnüpft  fid;  nun  aber  an  bie  $erfon  ©crub= 
babete  eine  ganje  Steige  bon  gragen,  bie  jur  ^^\i  nur  ^^j)ot^etifc^  beantwortet  lüerben 
lönnen.    "^an  fann  fie  in  ber  §aulitfac^e  auf  brei  rebujieren. 

nea(«(^c4f[opäbie  für  Z^eotogie  unb  Stircj^e.    3.  %.  XVIII.  15 


226  ®erubbabel 

1.  aSer  mar  ber  S?atcr  ©erubbabel«?  ^\i  and)  bie  ännal^me  bon  Äoftcrö,  er  fei 
über^aiH)t  lein  2)abibibc  getocfen,  fonbem  entftamme  einer  586  im  2anbe  gurüdgebliebenen 
gamilie,  mit  Siecht  attgemein  abgelehnt,  ba,  ganj  abgefe^en  bon  ben  auöbrücflic^en  3^0' 
niffen  §ag  1,  12 ff.;    1  6^r  3, 19,   fd^on  fein  9?ame  {Bpxo^  8abete)  für  feine  ®eburt 

6  in  Sab^Ion,  bie  meffianifc^c  ©rtoartung,  bie  man  auf  i^n  fe^te,  für  feine  ^uge^örigleit 
jur  babibifd^cn  gamilie  |\eugt,  fo  liegt  bod^  in  Segug,  auf  feine  §ertunft  tnfofem  eine 
grofec  ©d^tüicrigfeit  bor,  afe  $aggai  überall  unb  in  Übereinftimmung  mit  il^m  6^r5,2 
i^n  aU  ©o^n  ©d^ealt^iete,  ber  ß^ronift  aber  3,  19  aU  Sol^n  ^ßcbajaö  bejeic^net. 
Söä^renb  man  fonft  allgemein  bie  erfte  9lad^ric^t  atö  ben  älteren.  Duetten  entftammenb 

10  beborjugt,  Ij^at  SRot^ftein  auögel^enb  babon,  bafe  baö  93u(^  $öggai^  in  ber  je^igen  gorm 
nid^t  aug  ber  ^eber  biefe«  ?Proj)l^eten  ftamme,  fonbem  ein  ©tüdf  einer  f^äteren  l^iftorifc^en 
©d^rift  über  bie  SBirffamfeit  be^felben  bejto.  über  ben  2:em))elbau  fei,  bie  c^roniftifc^e 
(Senealogie  beborjugt.  ©ein  §auj)targument,  bafe  laum  f))äter  bie  SSorftettung  l^ättc  auf« 
lommcn  fönnen,  ©erubbabel  toäre  ber  ©o^n  be^  britten  ©ol^ne^  gojac^in«,  toenn  er  tat- 

15  fäd^lid^  ber  be«  erftgeborenen  getoefen  toäre,  toäl^renb  umgelel^rt  ber  üMonn,  in  bem  man 
ben  Präger  be«  großen  ®rbe«  3)abib«  erblidft  ^atte,  gar  leicht  gu  einem  ©o^ne  be«  erft^ 
geborenen  fj)äter  ^ätte  gemacht  toerben  fönnen,  ift  atterbingö  nic^t  leidster  §anb  abgutoeifen. 
aber  einerfeitg  bleibt,  aud^  tüenn  man  Slot^ftein«  Beurteilung  be«  gangen  §aggaibu^ee 
auftimmt,  boc^  baö  „©o^n  ©c^ealt^iete"   in  bem  feierlichen  $aggaih)orte  2,  23  bon  Se- 

20  ftanb.  Unb  jum  anbem  tüamt  ber  ^wpö"^/  i"  ^^"^  bie  gange  genealogifc^e  3;afel  beim 
(S^roniften  auf  unö  gelommen  ift,  toetttragenbe  ©c^lüffe  auf  berfelben  aufzubauen;  ein 
einfacher,  atterbina^  uralter  (bgl.  LXX)  ©d^reiberfe^ler  ift  I^ier  um  fo  Weniger  au^ju= 
fc^liefeen,  aU  bo(|  berfelbe  g^ronift  ba«  „©o^n  ©d^ealtl^iete  in  ®gr  5, 2  fic^er  |at 
j)affieren  laffen;  aufeerbem  bgl.  3  (Sör  5,  5,  48  u.  f.  tu. 

25  2.  SQSie  berlj^ält  ftd^  ©erubbabel  gu  ©d^efd^baggar,  begtü.  toann  ift  jener  in  bie  Heimat 
gurüdfgefel^rt?  2)ie  alte  Slnnal^me,  ©erubbabel  unb  ©^efc^baggar,  ber  erfte  nac^ejilifc^c 
©tatt^alter  unb  §eimfü^rer  ber  erften  ®ola  unter  6^ru«  (bgl.  6^r  1,  8,  11),  feien  gu 
ibenti^gieren,  bie  tüa^rfc^einlic^  fc^on  ber  6^ronift  felbft  geteilt  l^at,  ift  immer  me^r  im 
©d^tomben  begriffen.    ^l}x  ftel^en  ifämlid^  gtüei  tetüerlDiegenbe  Slrgumente  entgegen.  Rn- 

80  näd^ft  bie^,  ba|  beibeStamen  faft  fidler  bab^lonifd^e  finb  (Zör-Babili,  aud^  in  bab^lonif^en 
Urlunben  nad^getüiefen,  unb  Schamasch-bal-usur)  unb  ein  3ube  bodjj  nimmermehr  jtoei 
fold^er  fül^rte,  gum  anbern,  bafe  ®^r  5, 14, 16  bon  ©c^efc^baggar  atö  bon  einer  ber  Scr= 
gangenl^cit  angel[;örenben,  nid^t  titva  antrefenben  (bgl.  5,  2)  ^erfönlic^feit  gef))roc^en  loirb. 
2>a^  fd^einbar  für  bie  3|bentifigierung  fj)red^enbe  Argument,  bafe  nad^  bem  görabuc^e  (5,  16) 

85  ©c^efd^baggar,  nad^  bem  ©ad^arjabud^e  (bgl.  aud^  ®gr  3,  8)  ©erubbabel  ben  Orunbftein 
gum  gleiten  Iemj)el  gelegt  Ij^abe,  erlebigt  ftd^  fc^on  bamit,  bafe  jene^  bom  2.  ^afyct  bcö 
6^ru^,  biefe^  bom  2.  ^Qi}xt  be^  3)ariu^  ^anbelt,  bafe  tüir  aber  au«  Sab^lon 
tüiffen,  mie  jeber  neue  lempelerbauer  auc^  tüieber  einen  neuen  (SJrunbftein  legen  mufete. 
93eibe  5Rad^rid^ten  bertragen   fid^  alfo   fc^r  gut  miteinanber,  ber  Sau  be«  ©^efc^baggar 

40  tüirb  nid^t  biel  überCSrunbfteinlegung,  Slufric^tung  eine«2lltarö  u.  f.  W.  ^inau^ef ommen  fein. 

^anbelt  e«  fid^  aber  um   gtoei   berfd^iebene  ^erfönlid^feitcn,  fo   taucht  baö  ^roblent 

auf:    mann  ift  ©erubbabel  Ij^eimgele^rt?     3)ie  Sifte  @«r  2  (begh).  9?e^  7)  lann  nic^t  gur 

©ntfc^eibung  in  Setrad^t  fommen,  ba  ber  Rop\  berfelben,   bie  3*^ölfga^l   ber  Seitcr  ber 

$eimgefe^rten,   offenbar  auf  einem   fünftlid^en  ©c^ema,   einer  Sarftellung  berfelben  ate 

46  SHepräfentang  ©efamtigraetö  beruht.  I)icfe  Sifte  enthält  bielme^r  auc^  fonft  Flamen  unb 
Raulen  folc^er  ^^milien,  bie  erft  inncrlj^alb  eine«  größeren  ßeitraume«  nac^  537  l^eim= 
feierten.  9Jun  miffen  mir,  ba^  S'^jac^in  toom  ^ai}xc  596—61  in  Sab^lon  im  Äerfer  l^t 
fd^mac^ten  muffen  (bgl.  2  Äg  25,  27),  bafe  xl}m  alfo  bamatö  leine  fiinber  geboren  tperben 
lonnten.    33efa^  ber  im  '^a^x^  596  3ld^tgel^njäl^rige  fc^on  einen  ©o^n?  2  Äg  24,  12,  15 

60  toirb  ein  folc^cr  nic^U  ertoäl^nt.  Unb  menn  boc^  na^  ^n  22,  28  „er  unb  fein  ©ame" 
ein  ©ol^n  toorauögcfe^t  Serben  müfete,  fo  lönnte  eö  ber  1  ß^ron  3, 16  ermähnte  3*^^^ 
fein.  ©0  tüirb  c«  toal^rfc^einlid^,  bafe  bie  in  35.  17  unb  18  ertoä^nten  fteben  ©ö^ne  be« 
(eiuftmatö)  gcfeffeltcn  3'>i^^»"  i^"^  ^Ke  erft  nai)  bem  S^l^re  561  geboren  finb,  bad  Reifet 
aber,  bafe  ©erubbabel  im  2,a^re  537  erft  ettüa  brci  ^a^te  alt  getüefen  ift.  Äönnte  er  nun 

66  auc^  atö  Äinb  toon  feinen  ßltcm  mitgenommen  fein,  fo  legen  boc^  fotüol^l  getoiffe  am 
fj)ielungen  in  ben  9Jad^tgeftc^tcn  ©ac^arjaö  au«  bem  ^a^re  519  (3,  8  „fte^e,  id^  laffe 
lommen  meinen  Änccbt  3cmad^" ;  6,12  „unb  er  tüirb  au«  feinem  Soben  l^erborf))rof[en"; 
6,  15  „unb  ^emc  Serben  fommen  unb  ben  lemjjcl  3>o^toe«  bauen")  toie  bor  attem  bie 
))lö^lidb  im  ^«^re  520  entftcbenbc  SciDcgung  bie  i^ermutung  na^e,  bafe  ber  junge,  ettoa 

c»»  20iäl^rige  3)abibibe  gerabc  erft  unmittelbar  gubor  in  feine  §eimat  gurüdfgelel^rt  unb  bafe 


Btmbiahtl  ^ttt^aiin»  227 

gerabc  aud)  baburc^  bie  Scgeiftcrung  für  ben  3:entj)clbau  neuerlid^  angefad^t  i[t.  3(fö 
Seftättflunfl,  nic^t  ate  Setoete  mag  ermähnt  toerben,  bafe  tatfäd^Iic^  ba^  3.  (i^xabnd)  i^n 
erft  unter  3)ariud  ^etmte^ren  läfet  5, 1  ff. 

3.  SBcld^e^  ift  ba«  fernere  ©(^idfal  ©erubbabete  getüefenV    3)er  eine  leil  ber  ©r^ 
toartung  ber  ^rop^eten  §aggat  unb  ©ad^arja   ift  in  ßrfüttung  gegangen,  ber  3^emj)el  6 
tourbe  bollenbct  unb  im  ^a^re  516  eingetpei^t,   ber  anbere  leil,   bie  dr^ebung  ©erub= 
babete  px  einem  jmeiten  I)al)ib  nic^t;   f^on  in  bem  Serid^te  be^  ß^roniften   öon  bem 
gefte  ber  ßintoei^ung  be^  2:emj)ete  (6^r  5, 15  ff.)  tüirb  er  über^auj)t  nid^t  nte^r  ertoä^nt. 
feie  erflärt  ftc^  ba«?    ©c^on  ba^  plö^Iid^e  38erftegen   aller  Duellen   über  bie  (Sefd^ic^te 
t)on  516  bi^  eth)a  450  mufe  ftu^ig  machen,    ^it^  tüirb   ijon  ben  93ürf)em  beö  §aggai  lo 
unb  ©ac^arja  mit  bem  SinbrudE  fc^eiben,  bafe  im  ^ai)x^  520/19  alleö  auf  eine  ßr^ebung 
©erubbabelö  jum  Könige  ^inbrängte,   fogar  bie  ftronc  tüar  fc^on  für  xi)n  bereitet  (bgl. 
©ac^  6,  9—15).  Slnbererfeit«  ift  eö  fidler,  bafe  nac^  ©erubbabel  fein  3)at)ibibe  mel^r  ©tatt^ 
l^alter  in  Serufalem  war,  bafe  \pättt  Jle^emia  unb  @^ra  ^erujalem  im  fläglid^ften  3wftanbe 
ijorfinben,  bafe  bie  ?Pro))^eten,  bie  bor  allem  bie  9Sertreter  ber  meffianijc^en  Hoffnung  i6 
getoefen  tüaren,  feit  ber  ära  ©erubbabete  in  ^n'ta  %ia^lo  gemad^t  l^aben,  bafe  enblic^  bie 
toillige  Stnna^me  be^  ^riefterfobej  feiten^   ber  nad^ejilifc^en  (Semeinbe  nur  benfbar  ift, 
toenn  in  berfelben  bie  §offnung  auf  bie  babibifd^e  3)^naftie  mit  ©tumj)f  unb  ©tiel  au^« 
gerettet  toar.     3)iefe^  atteö  jufammengenommen  lä^t  barauf   fc^liefeen,   bafe   nac^  bem 
3a^re  518  ©erubbabel  unb  fein  änl^ang  bon  SQSorten  gu  Saaten  übergegangen  fmb,  bafe  20 
er  toie  toiele  ©tatt^alter  be^  J)erftfd^en  SHeid^e^  im  SBerlangen  nad^  litel  unb  Ärone  feiner 
SSäter  fw^  gegen  ben  ®ro^!önig  emj)ört  unb  bafe  naturgemä^i  biefe  ©r^ebung  mit  einer 
Äataftropl^e  geenbet  i)ai.  SBelc^er  Slrt  biefe  War,  ba^  ift  natürlicb  bollftänbig  ^^j)ot^etifcb. 
Die  Slnalogie    be«  ©c^idEfate   anberer  ©tatt^alter    jener    3^^*    ^^fe^    ^"f  iobe^ftrafe 
fd^liefeen,  bielleic^t   ^anbelt  $f  89,39—52  unmittelbar  bon  ©erubbabete  jä^em  ©turje;  26 
anbererfeitö    geftattet  bie  ©rmä^nung   eine^  a)abibiben  G^attufd^,  nad^    1  6l^r  3,  21  f. 
eine^  birelten  JJac^Iommen  ©erubbabel^J,  unter  ben  mit  (Söra  §eimgefe^rten  (bgl.  6gr8,2f.), 
aud^  an  eine  einfädle  2lbberufung  unb  Slüdfberbannung  nac^  Sab^lon  ju  benfen. 

®enitt. 

®tttfüim»,  ber  ^eilige.  —  AS  13.  Mali.  Xittcmont,  Mdmoires  etc. VIII,  639 sq.;  30 
SRettbcrg,  Ä(äJ  5)eutfc^lanb§  I,  204 ff.;  griebric^,  m  2)cutf4lanbd  I,  30<lff-;  ^awcf,  t(5> 
3)cutf^Ianb§^  I,  33f.  unb  51  f.  Analecta  Boll.  I,  p.  85—111;  (iJobcfroi)  ^urt^,  Deux  bio- 
graphies  in^dites  de  St.  Servals,  Li^ge  1881;  berf.,  Nouvelles  recherches  sur  S.  Servals,  Ib. 
1884.  3.  6.  33cnnett  im  DchrB  IV  (1887),  p.  623;  Sorten,  De  hl.  Servatius,  eerste 
Bischop  van  ons  Vaderland  (in  b.  3tfd)r.  De  Katholick,  N.  R.  deel  XIX,  fieiben  1884);  3ö 
3.  branden,  St.  Servatius- Legende  uitgegeven  naar  een  Lat.  handschr.  uit  de  XIV.  eeuw, 
Maastricht  1884 ;  S3r.  Ävufrf),  Passiones  vitaequc  aevl  Merovingici  etc.  (MG,  Scriptor.  rer. 
Merov.  III,  1896),  p.  83.  (öJeaen  Ärufd)  bann  ÖJ.  5lurt§,  L^  Pseudo-Arvatius,  in  Anal. 
Boll.  1897,  164—172).  ^ßrooft,  Saint  Servals,  «ßari^  1891;  g-rj.  ®örreg,  33eitväge  jur  (^efd). 
beS  SSor=9Rittclaltcr^  I,  SerDQtiud,  S3ifd)üf  oon  Xongevn:  QmZ^  1898,  78—83.  40 

5Ra(^  Slt^anafiu^  (Apol.  II,  p.  767)  befanb  fic|  unter  ben  Seifigem  be«  Äonjilö 
bon  ©arbica  im  ^al)x^  347  auc^  ein  gaÜifd^er  93ifdbof  ©erbatiu^,  bielleid^t  ber  nämlid^e, 
ber  (nad^  Slt^anaf.  Apoll.  IL  p.  679)  im  ^a^re  350  bon  5Kagnentiu«  nebft  mehreren 
Slnberen  ate  ©efanbter  an  Ä'aifer  ßonftantiu^  gefc^idft  tDurbe  unb  fel^r  tüa^rfd^einlid^ 
ber  nämliche,  ben  ©ulpiciuö  ©eberu^  unter  bem  DJamen  ©erbatio  ate  Sifc^of  bon  longem  45 
be^eid^net  (Servatio,  Tungrorum  episcopus,  H.  Sacra  II,  c.  59)  unb  neben  ^öpa- 
biuö  ober  ^^Jböbabiu^  atö  ftanbl^aftcn  Äonfefjor  at^anafianifc^er  Slec^tgläubigfeit  beim 
Äonjjil  bon  Stimini  im  3-  359  ernjä^nt.    gaft  nur  biefe  2lngaben  laffen  fic^  al^  mirflic^ 

Siefd^ic^tlic^e  5lad^rid^ten  betrad[^ten.  3)enn  jc^on  bie  3Jad^rid^t,  bafe  er  einem  ^robinjiaU 
on^il  gu  Äöln  im  3-  346  beigenjo^nt  ^abe,  ift  ebenfo  berbäd^tig,  h)ie  bie  ©d^t^eit  ber  50 
angeblid^en  Slften  biefe^  Äonjil^  (bgl.  al^  neueren  SSerfud^  einer  SSerteibigung  bon  beren 
gc^t^eit:  griebrid^,  Ä®  2)eutfd^lanb^  I,  ©.277 ff.;  aber  bem  gegenüber  §audfl,  ©.51). 
Unb  mit  bem,  tüa^  ®regor  bon  3^our^  (Hist.  Francorum  II,  5 ;  bgl.  De  glor.  Con- 
fessorum  c.  71)  über  il^n  berid^tet,  betreten  tüir  bollenbö  ba^  ©ebiet  unftc^erer  Segenbe. 
ajenn  banac^  märe  ein  ©erbatiuö  ober  älrbatiu^  (tüie  bie  richtigere  ©d^reibung  feinet  66 
9lamen^  bei  ©regor  lautet)  erft  um  bie  ^ni  beö  ber^eerenben  §unneneinfall^  unter 
ättila  Sifc^of  bon  2;ongem  gemefen,  ^ätte  auf  bie  5Jlad^ric^t  bom  §eranrüden  biefer 
Sarbaren  eine  ^ilgerfobrt  nac^  9tom  gemad^t,  um  burd^  ®ebet  am  ®rabc  ^etri  bie 
feiner  ©tabt  bro^enbe  ®efal^r  ber  3^*rf^«>i^ung  tbomi)glic^  abjutbenben,  ^ätte  aber  nad^ 
mel^rtägiger  anbackt  bie  göttlid^e  SBeifung  gur  SRüdffcpr  in  feine,  bem  ®erid^te  ber  ä5er=  eo 

15* 


228  Sematind  Semet 

toüftung  burd^  bie  Sarbaren  unabtocnbbar  Verfallenen  §eimat  empfangen,  unb  tüäre  fo- 
gleich  nad^  feiner  SWücHe^r  in  ?!Jlaaftric^t ,  tüo^tn  er  fw^  bon  3;ongern  au^  begeben,  ge^ 
ftorben,  ein  ga^r  beöor  bie  jpunnen  lamen  unb  iongem  gerftörten.  2BiQ  man  bier 
nic^t  eine  SBertpec^felung   einer  früheren   (gcrmanifd^en)  S5arbarenint)afion  mit  berjcnigen 

5  ber  §unnen  annehmen  —  mie  nac^  bem  Vorgang  ber  SoQanbiften,  3:ittemont^  unb  fc^on 
Saroniuö'  jüngft  tüieber  Äurtl^  bie«  toerfud^t  i}at  (ber  an  eine  3^^örung  3:ongerng  burc^ 
3.>anbalen  im  3-  406  benft)  —  fo  l}at  man  ben  lob  be«  ©eröatiu«  in«  ^af)x  450,  ein 
^abr  bor  ber  ß^pörung  3:onger«  unb  bor  ber  ©c^Iad^t  auf  ben  catalaunifc^en  gelbem 
gu  fe^en  unb  bemnac^  bem  ^eiligen   ein  ultracentcnare«  Sllter  mufd^reiben!    Ober  ber 

10  gerbatiu«  be«  turonenfifc^en  ©regor  muft  bon  bem  be«  ät^anafiu«  unb  bem  ©erbatio 
be«  ©ulj).  ©eberu«  ate  einem  ^rü^eren  unterfc^ieben  toerben  (fo  fd^on  Slettberg  a.  a.  D. ; 
be^gleic^en  Ärufc^  unb  2lmbt  in  i^rer  ®regors2lu«gabc  in  bem  MQ  bon  1885  (p.  66sq.), 
35ennett  im  DchrB  1.  c.  unb  ®öne«  in  ^W%\)  1898).  Setrilt  man  biefcn  legieren 
3lu«meg,  fo  gilt  e«  ben  5Ramen  ©erbatiu«  für  ben  3:ungrifc^en,  bejto.  üJlaaftric^ter  Sifc^of 

15  bei  (SJregor  über^auj^t  ]prei«jugeben  unb  il^m  laut  ber  beften  £e«art  einen  Slrbatiu«  ober 
Slrabatiu«  ^u  fubftituieren  (f.  bef.  aud^  §audE  I,  33).  gür  ben  tungrifc^cn  ©erbatiu« 
giebt  eine  uralte  unb  too^l  nid^t  unglaubtüürbige  irabition  ber  Äirc^e  bon  üJlaaftric^t  ganj 
beftimmt  ben  13.  ?Kai  be«  %  384  ate  3:obe«tag  an,  unb  bon  >h)ei  tungrifd^en  Sifd^öfen 
biefe«  5Ramen«  berlautet  fonft  nirgenb«  ci\üa^.    gabel^aft  ift  ieoenfaH«,  loa«  (Sregor  bon 

20  ber  frül^^eitigen  göttlid^cn  Äenntlid^mad^ung  ber  ^eiligfeit  jene«  384  berftorbenen  Sifc^of« 
burc^  tounberbare«  TOc^tbefc^neitmerben  feine«  ©rabe«  berichtet.  3:i^atfä(^li(^  toirb  bagegen 
fein,  bafe  biefc«  in  3)iaaftri4t  befinblid^e  ®rab  frül^jeitig  eine  bielbefuc^te  3lnbac^t«ftätte 
tüurbe;  bafe  ber  bortige  Sifd^of  ^Ronuipf}  im  %  562  bie  ©ebeine  be«  ^eiligen  in  eine 
neue,  nac^  i^m  benannte  Äird^c  transferieren    liefe;    bafe  im  %  726,  nad^  einem  ©iege 

26  Äarl  9Jfartell«  über  bie  Slraber,  ber  gerabe  am  2:age  be«  ^l.  ©erbatiu«,  alfo  am  13. 3Rai, 
erf ödsten  toorben  loar,  eine  abermalige  ßrl^ebung  feine«  Seid^nam«  burc^  ben  ©ifdbof 
§ubertu«  ftattfanb,  unb  bafe  feitbem  bie  ^Reliquien,  bie  SQäunberlegenben  unb  überl^au|)t 
ber  Äultu«  be«  ^eiligen  nod^  an  berfc^iebcnen  anberen  Orten  Gingang  fanben  —  fo  in 
3!)ui«burg,  in  SBorm«  unb  namentlich  in  Cueblinburg,  beffen  berühmte  ©tift«fir(^e  (ge- 

80  grünbet  955)  bi«  auf  ben  heutigen  iag  feinen  9tamen  fü^rt. 

Sn  Darftellungen  ber  c^riftlic^-mittelalterlic^en  Äunft  toirb  ©erbatiu«  ci)n>a  al«  über= 
fc^attet  burd^  einen  über  i^m  fd^mebenben  Slbler  abgebilbet,  ober  auc^  al«  im  ®rabc 
liegcnb  mit  brei  §oljfd^u^en,  ben  angeblid^en  SBerf jeugen  feiner  2:ötung,  neben  il^m  u.  f.  f. 
Über  ba«  i^n  barfteUcnbe  ©emälbe  bon  Sernl^arb  ©trigel  (geft.  1528)  in  ber  3Jlün(^ener 

35  «pinafotl^ef  f.  3)e$el,  ^fonogr.  II,  636.  Söittef  f. 

©erbattt«  Sit^m«  f.  2uj)u«  ©erbatu«  8b  XI  ©.  716. 

©erbet,  SWic^ael,  geft.  1553.  —  I.  ©eine  Schriften:  1.  De  Trinitatis  erroribus 
Libri  VII  per  Michaelem  Serveto  alias  Heues,  ab  Aragonia  HispaDum,  ^a^cnau  1531. 
2.  Dialogorum  de  Trinitate    libri  duo,    per  Michaelem  Serveto   alias  Reues   ab    Aragonia 

40  Hispanum,  mit  9ln^ang:  De  iusticia  regni  Christi  et  de  Charitate  capitula  quattuor, 
^ogenau  1532.  3.  Claudii  Ptoleraaei  Alexandrini  Geopaphicae  Enarrationis  libri  octo, 
ex  Bilibaldi  Pirckemeri  translatione,  sed  ad  graeca  et  prisca  exemplaria  a  Michaelc  Villa- 
novano  iam  primum  recogniti.  Adiecta  insupcr  ab  eodem  scholia  etc.,  Lugduni  153'), 
2.  ^lus^gabe  1541.     4.  Brevissima  Apologia  pro  Carnpeggio  in  Leonardum  Fuchsium  1.530. 

46  5.  Syruporum  universa  ratio,  ad  Galeni  censuram  diligenter  expolita.  Cul  post  inte- 
grum de  concoctione  disceptationem,  praescripta  est  vera  purgandi  methodus,  cum  expo- 
sitione  aphorismi:  coucocta  medicari,  Michaele  Villanovano  authore,  $ari«  1537  (anbcre 
^u^^goben  53enebig  1545,  fii)on  1540,  1547,  ^cnebig  1548).  6.  Apologetica  Disceptatio  pro 
astrologia  1538.     7.  Biblia  Sacra   ex    Sanctis  Pagnini  translatione,   sed   et   ad  Hebraicae 

50  linguae  amussim  ita  recognita  et  scholiis  illustrata,  ut  plane  nova  editio  videri  poßsit, 
Lugduni  1542.  8.  Christianismi  Restitutio.  Totius  ecclesiao  apostolicae  est  ad  sua  limina 
vocatio,  in  Integrum  Restituta  Cognitione  Dei,  Fidei  Christi,  justificationis  noetrae,  Re- 
gcncrationis  Bapti^mi  et  Coenae  Domini  Manducationis.  Restituto  denique  nobis  Regno 
coclcsti.    Babylonig  impiae  captivitate  soluta  et    Antichristo  cum  suis  penitus  destructo; 

66  ftatt  be§  ^amenö  bie  Snitialen     -^1—   '  /  in  Söienne  gebrucft.    ^ic  no(^  bor^anbcncn  brei 

©iemplare  befinben  ]{&}  in  ben  iöibliot^efen  uon  ^nri«,  ?Sien  unb  (Sbinburg;  genauer  '^ad^- 
brucf  9iurnberg  1791 ;  beut(d)  üon  Dr.  Spieß,  SicSbabcn  1892—1896,  3  ©bc. 

II.  ©d)riften  über  6.:  Calvini  o\yem  ed.  SBaiim,  (Sunif,  9lcu6r  ©b  VIII,  XIV, 
XXXVI,  55raun{c^n)eig;    ^ic^el  bc  la  SRoc^e,  Memoirs  of  Literature,  ßonbon  1711—1712; 


SttM  229 

S'abb^  b''?(rti(iin),  Noiiveaux  Memoiros,  $anö  1749,  2.  33b;  '»Dio^^bcJm»  ^idiberiüeiticier  üßevfud) 
einer  üoUftänbigen  unb  imparteiifc^en  Äe^ergefd)ic^te,  ;&elinftäbt  1748;  9?eue  5?ad)ricöten  über 
hen  bcrüfimtcn  fpanifcftcii  ^tr^t  ^.  S.  1750;  ,p.  ab  ^Idmoerbeu,  Historia  M.  S.,  ^elmftäbt 
1727;  2:re4fc(,  3)ie  protcftantiic^en  ?(ntitrmitaricr  \)ox  S^uftiiS  @ocin,  .^eibclberg  1839; 
.^eberle,  ^m.6.$2:rimtät^Mebreu.  ebriftülortie,  Xüb.Btfcbr.  f.  Xfteol.  1840;  SRiüiet  Relation  du  5 
proc^  criminel  intent^  äGen^ve  en  1553  contreM.  S.,  Genfeve  1844;  ©aiffet,  Lesdoctrines 
et  le  proc^  de  S.,  Revue  des  deux  Mondes  1848;  ^.  Illonnier,  M.  S.  et  Ics  libertins  de 
Genfeve,  Revue  Suiase  1849;  iörunnemann,  ^l.  ^„  Berlin  1805;  Söaunet,  Etüde  sur  le 
Systeme  theologique  de  S.,  Strasburg  1867;  'ßunjer,  De  M.  S.  doctrina  1876;  SWoget, 
Histoire  du  peuple  de  Gen^vc  53b  IV,  1877 ;  3St)üeö,  Geschiedenis  van  het  Protestantiöme,  10 
ed.  3.  %  J^üfi'tebe  be  ®root  1877 ;  3Bifli§,  S.  andf  Calvin,  a  Study  of  an  important  epoch 
in  the  early  history  of  the  Reformation,  ßonbon  1877;  barbier,  M.  S.  d'apr^s  ses  plus 
röcents  biographes,  Revue  historique  1879;  berf.,  ?(rt.  9Ji.  @.  in  fiic^tenbergerS  Encyclop^ie 
des  Sciences  religieuses  XI,  570—582.  2)er  fruc^tbavfte  ©.=8cf)riftfteDer  mar  ^.  StoHin  (ref. 
^rebiger  in  SKagbeburg,  gc)t.  1902).  üx  ueröffentlid)te  folgenbe  ©cöriften  unb  ^^Ibftanblungen;  ib 
im  3al)r  1874:  Xouloufer  ©tubentcnleben  im  9(nfang  beö  16. 3a^r^.  (.S)ift.  2afrf)cnbuc6) ; 
be^  ?lrjite§  3)1.  @.  fie^rer  in  2Xjon,  Dr.  8i)mpb.  (Sftampier  (9lr(f)iü  für  patfeol.  9lnatomie  unb 
^S^^fiol.);  $aulu^  SöurgcnfiS'  ©c^riftbeiüeig  gegen  bie  3uben  (53enjei§  beS  (Ölauben^);  3)ie 
53cic^tüäter  ^aifcr  Äarl^V.  (SJ^g  f.  b.  fiitt.  be§  9(u§Ianb§);  1875:  Dr.  gj^art.  Sut^er  unb 
Dr.  9K.  Sv  eine  Oueflenftubie,  itBerlin,  SKecflenburg :  ©.§  Äinb^eit  unb  Sugenb  (3^2:^  üon  20 
Äa^uiö);  @.  unb  bie  S3ibel  (8iüX^);  "3^.6.  al^  ©eograpft  (3tf*r.  b.  (äJefeUfc^aft  f.  (£rb= 
funbe);  ^ie  ^K.  @.  ein  SJiebijiner  würbe  (®oe{cftend  3)eutfc^e  illinif);  ©ucöbrucferftrife  in 
ö^on  in  ber  SRitte  bt^  16.  Sa^r^unbert^  (3Kg  f.  b.  fiitt.  beö  ?lu§Ianb§);  3)ie  Xoleran^  im 
Zeitalter  ber  SReformation  (^ift.  STafcftenbudi) ;  iBu^erö  Confutatio  ber  Libri  VII  de  Trini- 
tatis  erroribus  (i^StÄ*);  6tra6burger  Hrd)Iid)e  3wftfinbe  ju  Einfang  ber  Steformation  (9Kg  25 
f.  b.  fiitt.  be«  ?lu§Ianbe«);  1876:  ^ad  Se^rfijftem  3^.©.«,  genetifd)  bargeftellt,  ©üter^Io? 
(2.  u.  3.93b  1877);  <P§.  gKeIand)t^ün  unb  gji.  ©.,  eine  dueUenftubie,  Berlin,  gjiecflenburg ; 
e^arafterbilb  ^.  @.ö,  93erlin,  $)abel  (in§  granäöfijcfte,  (Snglifcöe  unb  Ungarifcfie  überfeft); 
S.ö  $ant^ei«mug  (3n>^W;  ©-^  Jeufelöleftre  (S^%^);  6.«  fiet)re  oon  ber  ®otte§finbfc5aft 
(SpXb);  @.  auf  bem  9fieid)ötag  ju  9(ugöburg  ($Ref.  Äirc^en;ieitung);  3K.  @.  unb  ^.  öu^er  30 
(3Kg  f.  b.  fiitt.  beS^uSIanbeö);  2)ie  (Sntbecfung  be§  93Iutfrei§Iauf§  burcf)  iDl.  ©.,  3ena,  3)ufFt; 
1877 :  m.  @.S  3:ouloufer  fieben  (3mXb) ;  9K.  ©.Ö  2)ia(oge  üon  ber  3)reieinigfeit  (X^StÄ) ; 
^.  6.§  ©pracfifenntni«  (3l^f)  n.  *5)cUtfd^  u.  QJuerirfe);  ^Uej.  ?lleffi  Siberlegung  üon  @.ö 
Restitutio  Christianismi  (SpSte));  1878:  3ur  ©.*Äritif  (Sro^W;  @.^  3lanemfd)e  Sf^eife  ($ift. 
2afd)enbucb);  1880:  ©erüet  unb  bie  oberlnnbif^en  ^Reformatoren  I,  93erlin,  3Kecf lenburg ;  35 
1881:  ©.  über  «Brebigt,  Xaufe  unb  ^Ibenbmaftl  (XftStÄ) ;  6.ö  d)riftoIogifd)e  33eftreiter  (3p5:b); 
1891:  $:§oma§  ?lquin,  3)er  fieftrer  SiSl.  ^.^  {^XüXtf},  Xoüin  ^at  große  Sßerbienfte  um  bie  @.= 
J5rorfc^ung:  ift  aber  me^r  ^büofat  alö  ®efc^i^töfc^reiber.  5(.  0.  b.  fiinbe,  M.  S.  Ken  Brand- 
offer  de  Gereformeerde  Inquisitie,'  ßJroningen  1901 ;  ©e^monat,  M.  S.  et  ses  id^es  religieuses, 
(iJenf  1892;  5Beffon,  3R.  ©.,  ©enf  1903;  (S^oift),  La  Th^ocratie  ä  Gen^ve  au  tempsde  Calvin  40 
1901;  berf.,  Le  proc^s  et  le  bücher  de  M.  S.  (Revue  Chrc^tienne  1903);  fi.  gWonob,  Une 
r^paration  (ibid.);  Bulletin  de  la  Soc.  de  l'hist.  du  protestantisme  franyais,  passim,  ht= 
fonberS  93b  XXVIII  (1879)  unb  LH  (1903);  ogl.  aucf)  bie  93iograp^ien  (5alüin§  (f.  b.  ^Irt. 
93b  IIL  654 ff.),  baju  nod)  Äampfct)ulte,  3olf).  Saluln,  feine  ßirc^e  unb  fein  ©taat  in  05cnf. 
IL  fieipi^ig  1899;  3)oumergue,  Jean  Calvin,  les  hommes  et  les  choses  de  son  temps  III,  45 
658—663;  93uiffon,  Seb.  Castellion,  sa  vie  et  son  oeuvre,  2  93be,  1892. 

5Ktcl^aeI  ©eiDct  (bie  %oxm  ©ertoeto  finbet  fic^  auf  ben  Titeln  ber  gmei  erftcu 
©d^riften,  bie  ^rojcfeaftcn  üon  SJienne  unb  ©cnf  gcbraud^cn  bicfe  gorm  nie,  baßcgcn 
©ertoetu^  45mal,  ©erbet  137mal,  ©erbe^  Imal)  ift  toa^rfc^einlici^  tn'Iubela  in  9Jatarra 
geboren,  ©ein  9Sater  ftammte  axi^  Sittanueüa  in  Siragonien,  tüe^l^alb  \xd)  ©.  \päUx  nad)  f'O 
ber  ©itte  ber  ^^xi  and)  SSiHanobanu^  nannte.  2)ic  SKutter  tDar  eine  granjöfin  \in\> 
i)'\ti  h)o^l  9leb§^.  2)a^  2)atum  feiner  ©eburt  ift  mit  ©id^er^eit  nid^t  feftmfteUcn.  Die 
Berechnungen  fd^toanfen  ^toifc^en  1495  unb  1518;  bie  grij^te  Sßal^rfd^einlic^Ieit  f^rirf^t  für 
ben  29.  ©e))tember  1511.  grül^^eitig  gum  ^wriften  beftimmt,  mad^te  ©erbet  feine  erften  all- 
gemeineren ©tubien  in  ©aragoffa  bei  bem  geleierten  ©eograji^en  $etruö  SJlart^r  be  3tngl)icra  r»:> 
unb  trat  1525  ate  Slmanuenft^  in  ben  2)ienft  be^  laiferlic^en  ^ofgeiftlid^en  ^xian 
be  Quintana.  2lfe  Segleiter  be^felben  fam  er  1528  nad^  3^ouloufe,  too  er  junäd^ft  allerbing« 
3uri^})rubenj  ftubierte,  in  ber  golge  aber  burd^  ba^  Sluffinben  einer  :8ibel  jum  „estu- 
dieux  de  la  Saincte  Escripture"  tüurbe.  2lngeregt  burc^  ba^  ©tubium  ber  ©c^rift  J^ielt 
er  fofort  mit  einigen  feiner  ^Hitfd^üler  collegia  biblica  unb  bertiefte  fid^  in  bie  ©d^riften  w 
^Keland^tl^on^  unb  $aul^  bon  Surgoö.  9Jlit  Quintana  ibo^nte  ©erbet  im  gebruar  1530 
ber  Ärönung  Sartö  V.  ju  Bologna  bei  unb  reifte  fobann  im  ©efolge  feinet  $errn, 
toelc^er  mitllertoeile  faiferlid^cr  Seid^tbater  geworben,  nad)  Deutfc^lanb  ^um  ^)teic^^tage. 
2)afe  er  Sut^er  auf  ber  gefte  Äoburg  befuc^t  babe,  läfet  fic^  gefc^ic^tlid^  nid^t  nac^meifen. 
2)ie  ©teile,  au^  ber  man  ein  j)erfönlidec^  ^^fammentreffen  S.^  mit  Sutl^er  ^at  fc^liefeen  hö 


230  SttM 

iDolIen,  gicbt  ^ierju  leinen  Slnlafe  (aliter  enim  propriis  auribus  a  te  declarari 
audivi  et  aliter  a  doctore  Paulo  et  aliter  a  Luthero  et  aliter  a  Melanchtone, 
Calv.  opp.  VIII,  8G2).  5Jlici^t  unmöglich  ift,  bafe  er  fc^on  in  äug^burg  93u|er  fennen 
gelernt  unb  mit  i^m  im  §erbft  1530  bic  Seife  nai)  Safel  gemacht   ^at.    9la(^lpei^bar 

6  i[t  nur  fein  ^wfammenfein  mit  öfolamjjab  im  DItober  1530. 

Ölolamjjab,  ber  frcmbartige  Slnfd^auungen  beffer  ertragen  lonnte  afö  irgenb  einer 
feiner  ß^i^Ö^^off^"/  ^^W  ^^"  ^rembling  um  feiner  geiftigen  ©trebfamleit  toiHen  J^crjUd^ 
auf  unb  lie^  fic^  in  münblid^e  unb  fc^riftlid^e  SSerl^anblungen  mit  i^m  ein,  immerhin  in  ber 
Hoffnung,    ben   tbeologifd^en  (Srforfc^unggtrieb   ©erbet^    in   richtige  Sahnen    leiten    ju 

10  lönnen.  2)ie  ijorliegenben  Sriefe  be«  Sanier  ^Reformator«  an  unb  über  ben  f^janifc^en 
^^ilofoJ)l^en  ftnb  au^erorbentlic^  bead^ten^toert ;  fte  jeigen  un«  nämlic^,  bafe  ©ertoet«  anti= 
trinitarifd^e  Slnfd^auungen  fd^on  1530  im  h)ef entließen  abgefd^Ioffen  maren,  unb  bafe  er 
bon  Slnfang  an  aud^  ber  Uebebottften  Sele^rung  eine  unzugängliche  Starrföpfigfeit  ent- 
gegengefe^t  ^at,   toeld^e  felbft  ben   h)o^lh)ollenben  Öfolam^jab  unl^eimlic^  berül^rte  unb 

15  jum  SnQi^in^»«  reifte.  $atte  ber  erfte  33rief  nod^  beginnen  lönnen:  „Job.  Oec.  Serveto 
Hispano  Domini  spiritum  precatur",  fo  mufe  ber  ^tpeite  bie  D))))ofitton  fc^on  beut= 
lieber  l^erborfel^ren,  ben  Slbreffaten  anreben  al«  ,,negans  Gbristum  esse  filium  Dei 
consubstantialem"  unb  in  ber  ßrma^nung  gi})feln:  „tüenn  tiir  bic^  noc^  aU  einen 
G^riften  fotten  gelten  Jaffen,  fo  mufet  bu  befennen,  bafe  G^riftuö  ®otte«  gleichartiger  unb 

20  gleid^etoiger  ©ol^n  fei".  Unb  alö  ©erbet,  ber  in  93afel  tüol(;l  megen  Öfolampab«  3EBiber= 
ftanb  leinen  ©rudfer  l)aiU  finben  fönnen,  nad^  ©trafeburg  gereift  War,  ftc^  bort  bei  (S^apiio 
unb  Su^er  feftgefe^t  unb  in  §agenau  fein  6r[tling«h)erf  de  trinitatis  erroribus  libri  VII 
^atte  brudten  laffen,  ba  bat  £)!olam))ab  8u|ern,  er  möge  boc^  an  Sut^er  fc^reiben,  ba^ 
fie,  bie  ©d^toeijer  unb  ©Ifäffer  ^Reformatoren,  mit  bem  Suc^e  nic^tö  ^u   fd^affen  Ij^ätten, 

25  unb  nannte  ben  QpanUx  in  biefem  Sriefe  gerabeju  eine  Seftie.  ^Wax  tüottte  Clolampab 
in  einem  bejüglid^en  ©utad(»ten  an  ben  Sanier  SRat  auc^  je^t  noc^  nic^t«  bon  perfön^ 
lid;er  3Serfolgung  be«  SBerfaffer«  h)if|en,  aber  bie  Verbreitung  feiner  ©d^riften  foHtc 
obrigfeitlid^  berboten  unb  mit  ©etoalt  berl^inbert  tüerben;  unb  aud^  3*^^"9[^  toatnic 
emftlid^  bor  ben   grunbftürjenben  ^i^I^^i^^"  ^i^f^^  abfc^eulid^en  ©J)anier«.    9?un  fud^le 

30  jtoar  ©erbet  in  ber  Einleitung  ju  feiner  jh)eiten  1532  ebenfaHö  im  (Slfafe  erfd^ienenen 
©d^rift,  Dialogomm  de  trinitate  libri  II;  de  justitia  regni  Christi  capitula  IV, 
ben  fd;limmen  ©inbrudf,  ben  fein  erfte«  S3uc^  I^erborgerufen,  burc^  ßugeftänbnifle  formeller 
DJatur  ^n  bertüifcben,  allein  in  ber  ©ac^e  felbft  blieb  er  babei,  bafe  toeber  bie  alte  Äircbc 
nod^  bie  ^Reformatoren  fic^   im  einberftänbni«   mit  ber   ^eiligen  ©c^rift   befänben.    6r 

35  fanb  auf  beiben  ©eiten  ein  ©emifd^  bon  SBal^r^eit  unb  ^rrtum :  nee  cum  istis  nee 
cum  illis  in  omnibus  consentio  äut  dissentio.  Omnes  mihi  videntur  habere 
partem  veritatis  et  partem  erroris;  et  quilibet  alterius  errorem  dispicit  et  nemo 
suum  videt  (Dial.  de  Trin.  le^te  ©eite).  ©o  brac^  er  feine  3?erbinbung  mit  ber 
Sieformation,  toeld^c  überhaupt  nie  eine  lebenöbolle  gemefen  unb  nid^t  über  ba^  ©tabiüm 

40  ber  erften  ^räliminarien  ^inau^gefommen  ift,  für  immer  ah. 

Ünbefriebigt  berliefe  ©erbet  Deutfd^lanb,  ba^  er  offenbar  mit  ^oc^fliegenben  »^off^ 
nungen  unb  planen  betreten  b^tte.  6r  lie^  nun  fogar  eine  Rtxi  lang  bie  t^eologifdben 
Unterfud^ungen  liegen  unb  Iribmete  fic^  in  ^ariö  unter  bem  iKamen  ^BiHanobanu^  bem 
©tubium  ber  9)tebi5in.    3)amate  befanb  fic^  aucf)  Galbin  in  ^ßariö,  boc^  fam  eine  bereite 

45  t)erabrebete  Sefprec^ung  ber  beiben  nid^t  ^u  ftanbe.  ©erbet  berliefe  auc^  ?Pari^  fc^on  1534 
tvicber  unb  lebte  nun  einige  ^«bre  in  S^on,  Wo  er  teil^  al^  fiorreftor  für  eine  SDrudferei 
arbeitete,  teite  litterarifdE»  tbätig  iüar.  ^n  le^terer  33e^iel^ung  machte  er  fid^  bamalö  ber= 
bicnt  burdj)  eine  9leuau^gabe  be^  ^tolemäu^  mit  ja^lreic^en  felbftftänbigen,  tciltbeifc 
fel^r  geiftreid^en  älnmcrfungen  (freilid^  biejenige  über  bie  Unfruc^tbarleit  ^aläftinag,  tpelc^c 

50  iljm  ßalbin  fj?äter  al^  ^Nerleumbung  5!Jiofi^  jur  Saft  legte,  ftammte  gar  nic^t  bon  i^ral). 
3Son  1537  an  finben  \mx  il}n  auf^  neue  in  ^ariö  unb  jlrar  borjug^tbeife  mit  mebi= 
j^inifcben  fragen  befcbäftigt,  für  treidle  er  im  SBerfelir  mit  bem  namhaften  S^oner  ©c^ 
lel)rten  ©bmpborien  (Sbampier  neuc^  3"^^<^ff^  geh)onnen  batte.  3tud^  auf  biefem  ©ebiet 
h)ic^  er  balb  berborragcnbc  Sciftungcn  auf:  jener  ^c'xi  gehört  feine  Slb^anblung  über  bic 

^  ©bruj)e  unb  ibren  ©ebraucb  in  ber  Webijin,  einer  fjjäteren  bie  ßntbedfung  bcd  bo))pelten 
Slutfrei^laufc^  an.  Gr  crtuarb  fiel)  auc^  1538  in  ^^ari^  ben  ntebijinifc^en  ©oftorgrab. 
^oä^  i^ogen  il)m  faft  ^u  gleicber  3^it  feine  öffentlicb  au^gefproc^enen  Slnftd^tcn  über  bic 
gerirfjtlicbc  !i^cbeutung  ber  Slftrologie  bic  l;cftigften  9lnuagen  bon  feiten  ber  ^arifer 
Uniberfität  ^n,  infolge  IvcldKr  er  bie  .^auptftabt  berlaffcn  mu^te.    2lud^  gu  ßl^arlieu  im 

^  f üblichen  grantreicl),  it>o  er  nun  einige  3eit  al^  3lrjt  praftijierte,  lonnte  er  nid^t  bleiben. 


@enid  231 

dagegen  ^ai  er  ijon  1510  an  eine  Steige  bon  3^^^^"  i"  ä}ienne  ^ugebrac^t,  unb  jmar 
in  ben  glücflic^ften  3Ser^ältniflen  alö  bcrtrautct  greunb  feinet  el^emaligen  ^arifer  ©d^ülcr^, 
beö  ©r^bifd^of^  ^aulmier,  unb  aU  aHgemein  geachteter  unb  beliebter  2lrjt.  3Jon  Siennc 
au«  beforgte  ©erbet  für  befreunbete  S^oner  3?erleper  eine  jtoeite  Sluflagc  fetner  ^tole^ 
niäu^ebition,  fotoie  eine  neue  ausgäbe  ber  lateinifd^en  Sibelüberfeftung  be«  ©ancte«  5 
^agninu«  (bgl.  ben  2lrt.  „Sibelüberfefeung"  »b  III  ©.  51. 

SÖobl  au«  biefer  erneuten  33efc^äftigung  mit  ber  ^l.  ©d^rift  erlbuc^«  nun  im  Saufe 
ber  bierjiger  Sa^re  attmä^lid^  ©erbet«  $auj)tn)erf,  bie  (gnttbidelung  be«  ©ebanlen«,  ba« 
nic^t  erft  im  Saufe  be«  ^Mittelalter«,  fonbem  feit  ben  lagen  ber  alten  öhimenifd^en  Äon^ 
^ilicn  unb  gerabe  burd^  biefe  feinem  urfprünglic^en  SQSefen  entfrembete  ßl^riftentum  ju  10 
relonftruieren.  ©0  tüenig  ein  folc^e«  Programm  ber  mobemen  2^eoIogie  ^orrenb  er* 
fc^einen  fann,  fo  fe^r  toir  im  ©egenteil  J)rinji))iell  eine  folc^e  restitutio  ad  inteigprum 
al«  eine  notmenbige  Äonfequeng  ber  SReformation  begrüben  muffen,  fo  natürlich  ift  e«, 
bafe  ©erbet«  3ritgenoffen  bafür  nid^t  ba«  minbefte  SSerftänbni«  befafeen,  unb  bafe  naments 
lid^  bie  greunbe  ber  Sieformation  in  ©erbet«  2lnfd^auungen  gerabe  toie  im  3lnabaj)ti«mu«  16 
eine  £eben«gefa^r  für  bie  ebangelifc^e  Kirche  erblidten.  ©0  fanb  benn  ©erbet  auc^  für 
biefe«  aiSerl  toie  für  feine  erfte  ©c^rtft  nur  auf  Umwegen  einen  3)rudfer.  3)cr  Si^oner 
Suc^^änbler  ^o^ann  Sreelon,  an  ben  ©erbet  fid^  gunäc^jt  n)anbte,  berlangte  offenbar  ein 
Outa^ten  Galbin«.  SJenigften«  finben  toir  ©erbet  in  ben  ^a^xm  1545  unfc  1546  burd^ 
SSermittelung  pre«lon«  in  lebhafter  ÄorrefJ)pnbenj  mit  bem  praedicator  Gebenensium.  20 
allein  h)ie  f($on  früher  im  Serle^r  mit  Ö!olam})ab,  fo  lernen  toir  auc^  je^t  ©erbet 
f ennen  al«  einen,  ber  nur  Sele^rung  erteilen  unb  bom  ©tanb})unfte  geiftiger  ©u))eriorität 
au«  feinen  fubjeltiben  änfc^auungen  ber  biblifd^en  Offenbarung  bie  Slnerfennung  objet 
tiber  SBa^r^eit  erjtoingen  tüill.  Galbin  tbirb  al«  ein  befc^ränfter  Äopf  be^anbelt,  er, 
aJlic^ael  ©erbet,  bagegen  na^eju  ibentipi^iert  mit  bem  ^Ridj^ael  ber  3lj)ofal^>bfc  (12,  7).  25 
Obgleich  ßalbin  nic^t  getüo^nt  unb  getbi^  aud^  Ieine«n)eg«  getüitlt  Wax  fid9  fagen  gu 
laf[en,  er  beft^e  feinen  rechten  Segriff  bon  ber  SOBiebergeburt  u.  bgl.,  antwortete  er  bennoc^ 
bem  felbftbetbufeten  ©j)anier  guerft  ol^ne  §erbe,  inbem  er  il^n,  tüie  e«  einft  ÖIolamj)ab 
gct^an,  ermahnte,  feinen  ^od^fa^renben  ©inn  aufzugeben  unb  ein  bemütiger  ©c^üler  ber 
aSa^rbeit  ju  Werben.  3^  biefem  Se^ufe  bertoie«  ipn  Galbin  auf  feine  institutio.  3)a=  so 
rauf  bin  fanbte  i^m  ©erbet  ein  @jemj)lar^  berfelben  mit  jaj^lreid^en  Slanbgloffen  unb  gu^ 
gleich  im  9Kanuffeit)t  einen  leil  feine«  eigenen  in  Vorbereitung  befinblic^en  SQSerle«  mit 
ber  Semerfung,  ßalbin  werbe  barin  neue  unb  ftaunenerregenbe  ©ebanfen  finben!  S^Ö^^^ 
erbot  er  ftd^,  felbft  nac^  (Senf  ju  lommen,  um,  wenn  6albin  bie«  Wünfc^e,  i^m  J)erfönlid9 
feine  Stnfc^auungen  borjutragen.  3)arauf^in  erflärte  6albin  im  ^ebruar  1546  in  einem  35 
Schreiben  an  gre«lon,  er  ^abe  9?ötigere«  ju  t^un  al«  fid^  mit  biefem  anmafeenben 
ÜJJenfc^en  gu  befd^äftigen,  unb  in  einem  33rief  an  »Jarel,  er  Würbe,  fall«  ©erbet  nac^ 
®cnf  fäme,  alle«  aufbieten,  bafe  ber  gefäl^rlic^e  3^1^^^^^^  ^i^  ©tabt  nid^t  lebenb  berliefee 
(si  venerit,  modo  valeat  mea  autoritas,  vivum  exire  nunquam  patiar,  13.  ^ebr. 
1-546.   Opp.  XII,  ©.  283).  40 

©erbet  fd^idtte  nun  gWar  Galbin  ein  l^öl^nifc^e«  3lbfc^ieb«fd^reiben,  Inüpfte  aber  mit 
anberen  ©enfer  ^rebigem  unb  mit  9Siret  an;  freilid^  mit  um  fo  Weniger  (Srfolg,  Weil  er 
nun  immer  befj)eratere  2lu«fprüc^e  t^at,  unb  }.  8.  I^inftc^tlid^  ber  3:rinität«lel^re  ju  ber 
bla«p^emifd^en  läufeerung  fic^  ^inrei|en  liefe:  „ftatt  be«6inen  ©otte«  l^abt  ibr  einen  brei« 
Iö})figen  ßerberu«".  ^n  einem  biefer  33riefe  (an  ben  ©enfer  ^rebiger  Slbel  ^oujjin)  45 
fommt  auc^  bie  bemerfen«Werte  ©teile  bor:  „^d)  Weife  be«  Seftimmteften,  bafe  i(^  um 
biefer  ©ac^e  Willen  ba«  Seben  werbe  laffen  muffen;  bennod^  bleibe  id^  unentwegt,  bamit 
ic^,  ber  jünger,  ä^nlic^  Werbe  meinem  5i)ieifter".  Unb  in  ber  %\)at  liefe  er  nun,  ^eim^ 
lid^  jWar,  fein  längft  borbereitete«  SBerf  Christianismi  Restitutio  (ben  ganjen  Xitel 
f.  0.)  bei  Salt^afar  2lrnouittet  in  Sienne  brudfen  unb  berfanbte  e«,  o^ne  in  Sienne  felbft  60 
ba«  minbefte  laut  Werben  gu  laffen,  anfang«  1553  nad^  )i?^on,  ®enf  unb  granlfurt. 
25a«  umfangreiche  S3ud^  (734  DItabfeiten)  fönnte  auc^  al«  „©erbet«  fämtlic^e  tfeologifc^e 
SBerfe"  bejeid^net  Werben;  benn  e«  befielet  au«  lauter  grofeen  unb  fleinen  Sluffä^en  unb 
beginnt  mit  einer  alterbing«  überarbeiteten  3Bieberl^olung  bon  ©erbet«  früheren  SinWen:: 
bungen  gejen  bie  altlird^lid^e  2:rinität«lel;re,  unb  jWar  Wirb  ba«  früher  ©efagtc  Wo-  55 
möglid^  mit  noc^  maffiberen  2lu«brüdEen  beftätigt  unb  babei  namentlich  ber  Umftanb 
^erborge^oben,  bafe  bie  unbiblifd^e,  ju  2:rit^ei«mu«  unb  3lt^ei«mu«  fü^renbe,  fatanifd^c 
Se^re  gleichzeitig  mit  bem  2?erberben  ber  Äircl^e  aufgefommcn  fei. 

2)er  pofitibc  Se^rge^alt  bon  ©erbet«  Restitutio   ift   nic^t   leicht   ju  gewinnen  unb 
nod^  Weniger  leicht  jufammenjufaffen.    3Jlit  ber  3Befen«trinität  berWarf  ©erbet  Ieine«Weg«  eo 


2'i2  (Btmt 

bic  Xrinität  überJ^au))t;  er  fon[tattert  bielmc^r  eine  Offcnbarung^ttinität,  inbcni  er  @ott 
fic^  5h)eifac^  ^ur  Offenbarung  bifj)omcren  läfet.  2)cr  erfte  DffcnbarunQ^mobu«,  ber  6r= 
fd^cinung^mobu^,  baö  SBort  ift  junäd^ft  bor^anben  ale  göttüd^c^  Urlic^t,  ber  ^^tvüU 
Cffenbarung^mobu^,   ber  SKitteilung^mobuiS,    ber  ®cift  ate  göttliche  Urfraft.    9Jad;  ber 

5  ®(^ö})fung  erfd^ien  ba^  SBort  in  bem  urfjjrünglic^en  SBefen  Slbam^,  in  ben  Engeln, 
3^^eoj)J^anien  unb  Sic^tmolten  be«  alten  Sunbe^  aU  ©c^attenbilb,  big  e^  in  6F>ri[to  ^leifd^ 
lüurbe.  3Karia  mufe  in  ber  %\)ai  ©otte^mutter  genannt  tüerben;  benn  aud^  ber  Seib 
ßl^riftt  lüar  F^immlifc^er  ©ubftanjj,  ift  e^  aber  in  öotter  ©loripfation  erft  feit  ber  3(uf= 
erfte^ung.    I)urd^  ben  er^öbten  ßl^riftu^,  je^t  ^^^i^^^^  ^^^Wf  ift  «"^  ^^  ®cift,  h)eldf)er 

10  ijorl^er  nur  aU  SBcltfeele,  Seben^fraft,  natürlirf)eg  ®ottegbeh)ufetfein  unb  ®efe|  öorl^anben 
tüar,  }u  feiner  \)oüm  SBa^r^eit  gelangt,  aU  ba^  in  ben  5Wenfd^en  tüol^nenbe  2Bieber= 
geburtgs  unb  Unfterblid^feit^^jringij).  3)a^  bic  beiben  Dffenbarungömobi  aufhören  Ujerben, 
f^jric^t  ©ertoet  jeboc^  in  ber  Restitutio  nid^t  mel^r  gerabeju  auö.  2luf  biefe  t^eologifc^en 
3^ragen  legt  ©ert^et  fo  biel  ®eh)id^t,  ba^  er  für  ben  ©lauben  nur  ate  änerfennung  ber 

15  ©ott^eit  Gl^rifti  in  feinem  ©^fteme  3Jaum  ^at.  2)ag  ©ünbenbetoufetfein,  auf  ©runb  beffen 
$aulug  unb  mit  il^m  bte  ^Reformatoren  einen  et^ifd^en  ©lauben^begriff  getüonnen  baben, 
fe^lt  bei  ©erljet  faft  gan^;  erflärt  er  bod^,  bor  bem  20.  ^^IS^re  fönne  beim  SKenfc^cn  bon 
eigentlid^er  ©ünbe  nid^t  bie  Siebe  fein,  ^a^  er  bon  ber  Äinbertaufe  nic^tg  toiffen  tooUte, 
I^ing  mit  fetner  einfeitigen  SBertung  beö  intetteftueffen  SKomente^  jufammen.   &hcn  barum 

20  fteHt  er  bann  bie  3:aufe  beö  drtüad^fenen  al^  ©eifte^mitteilung,  ba«  äbenbma^l  aU 
©eifteöna^rung  unb  bie  guten  SBerfe,  f^ejiett  bie  Sl^fefe  al^  ©eifte^übung  fe^r  l^oc^.  ^Jlad) 
bem  Xobe  läfet  er  burd^  ein  -Keinigung^feuer  ben  G^riften  bottcnb^  bon  ben  ©cf)lacfen 
be^  bergänglic^en  Sebene  befreit  tüerbcn. 

3)afe  ber  Seibarjt  be^  Srjbifd^ofe  bon  3?ienne  barauf  bebac^t  toar,  feine  äutorfc^aft 

25  ^inftd^tli^  eineg  mit  aller  Äird^enle^re  fo  grünblid^  verfallenen  ©^ftemg  geheim  ju  balten 
unb  barum  aud^  fein  Söerl  nur  inber^erne  berbreiten  liefe,  barf  nid^t  befremben;  ebenfo 
tüenig  bafe  ßalbin,  al^  er  be^  93uc^eg  anfid^tig  tüurbe,  fofort  toufete,  toer  ber  38erfaffer 
fei,  unb  bafe  er,  beffen  ^öc^fte«  Sebeng^iel  bie  ©bangelifation  feine«  aSaterlanbe«  ^,anf= 
reic^  tüar,  ©erbet«  Restitutio   mit   bem  nämlichen  ^ngrimm   begrüßte,   tüte  einft  £fo= 

30  lampab  ba«  6rftling«h)erf  be«  ©j)anier«.  ßalbin  mufete  in  bem  ganzen  SSorgei^cn  ©erbet« 
(fd^on  in  bem  5Ramen  Restitutio)  einen  äufeerft  gefäl^rlid^en  $auptfd^lag  be«  3lntid^rift« 
(3Bt  13,  28)  gur  3)i«frebitierung  unb  ^«i^ftörung  be«  faum  aufgeblül^ten  unb  fonft  fd^on 
fc^loer  bebrol^ten  franjöfifd;en  ^roteftanti«mu«  erblidfen.  Unb  in  biefem  ©inne  —  aber 
eben  nur  in  biefem  —  fann  man   aUerbing«  fagen,  ßalbin   babe  ©erbet  ,,f^ftematifc^'' 

35  berfolgt.  6«  ift  nottoenbig,  bafe  n)ir  biefen  ©eft^t«j)untt  bon  bornberein  feftftellen,  ireil 
nur  bon  i^m  au«  eine  richtige  ^iftorifc^e  Beurteilung  ber  fo  bielfac^  mtfe^anbclten  Seiben«-- 
gefc^id^te  ©erbet«  möglich  ift.  2)ie  neumobifd^e  lenben^,  Galbin  ju  einem  geringen,  bon 
))erfönlic^em  §affe  geleiteten  Sienun^ianten  ober  ju  einem  um  feine  loIalj)olitifd^e  ^Raä^U 
fteHung  beforgten  9Kiniaturbefj)oten  ^erabgumürbigen,    ift  minbeften«  ebenfo   fläglid^   h)ie 

40  bie  altmobifc^e  £iebe«mül^e  um  bie  Integrität  bon  (Salbin«  SReformatorenloürbe.  ©erabe 
bie  erften  ©d^ritte  6albin«  gegen  ©erbet  bom  gebruar  1553  geigen  un«  ben  Sleformator 
bon  ©enf  am  beutlid^ften  auf  ber  l^o^en  Sparte  eine«  ^elbberm  im  großen  ©til,  ber  mit 
richtiger  iaftif  bie  entfc^eibung«fc^larf)t  in  geinbe«lanb  möchte  gefc^lagen  tbif[en.  2:retcn 
toir  näber  ein  in  bie  ßingell^eiten,  berenSef^reibung  ber  älrt.  „(Salbin"  (S3b  III,©.  654  ff.) 

45  un«  ^umeift. 

3lm  3.  S^nuar  1553  ^atte  bie  Christianismi  Restitutio  bie  treffe  berlaffen.  3lm 
26.  J^ebruar  1553  fc^rieb  ein  in  ©enf  lebenber  5Refugi6,  Sßilbelm  irie,  an  einen  ^itt- 
h)anbten  in  £^on,  9iamen«  3lnton  Slrne^«,  ber  il^m  3Sorh)ürfe  loegen  feine«  Übertritt« 
mad^te  unb  ilm  in  bie  römifd>c  Siixd}^  gurüdfjufül^ren  fudj^te:   e«  fei  nid^t  fo  fd^Iimm  mit 

60  ber  Äe^erei  ber  ©enfer  Mircbc,  bagegen  bulbe  man  in  ??ranlreid^  einen  3Menfc^en,  ber  ein 
33ucf)  boH  bon  ©ottlofigfeiten  gcfcfjriebcn  l}ah^.  ,,')}lan  imUxiyält  bort  cuku  .^ui^^i,  :a 
berbrannt  gu  ioerben  berbient  überall,  ioo  er  fein  Wn'b.  2i^enn  ic^  uon  einem  .Ifletjct:  uU^ 
fo  bcrftel;c  id;  baruntcr  einen  53tann,  ber  bon  bai  "^.vaiJtftcn  cbcnjü  bcrurtcilt  iiicrbc«  unrb 
toie   bon  un^,   ober   n?cnigften«  berurtcilt  irerbcn  folUe  ...     (S«  ift  ein  iportii^iicftfiiei 

55  ©panier,   mit   feinem  eiijentlidien   9^amen    ^Kidf^ict   Sctuetuö,   aber   er   nennt   fi4^    \t^t 
33illeneufbe  unb  j})ielt  fid?  al«  3(rjt  auf.    &x  l}ai  dnif^c  ßfit  in  i!bDn   gelebt,   jr^t  ^, 
er  fid»  in  3?icnne  auf,  \vo  ba«  Bud),  bon  bem  id)  rcbe,  bon   eiiiCJu   f^cUMtHn  JVail^ 
SlrnouUet  gcbrudt  toorben  ift.    Unb  bamit  3l;r  iiicbi  mcmct,   ict    ^^be   Mi^a 
$örenfagen,  fcbide  id;  (Sud)  bn«  erfte  33lntt  al«  '^^niHt^ücf"  (b'^JUtitirnj  ci. 

60  2)afe  ßalbin  um  biefen  Brief  tou^te,  ift  überau«  UHibvjdidjiIid 


(Sertid  233 

mit  SBiUte  fagcn  barf:  ,,6alt)in  bcnunjicrt  ©crljet  burd^  Sennittlunö  bcö  ftaufmann« 
%xk  ben  lirc^Itc^en  Autoritäten  S^on«."  Gafoin  mod^tc  au^  bcn  ®j)iftcln  3lrnei;g  an 
%m  unb  bcren  Sefe^rung^ljerfud&cn  gemerft  ^aben,  bafe  jener  in  enger  SSerbinbung  fte^c 
mit  ber  J^i^^w^rftion.  SBarum  foKte  nun  biefe  ^nquifition,  meldte  jä^rlid^  ^unbertc  \>on 
armen  (Sbangelifd^en  ^inoj)ferte,  nic^t  aud^  einmal  baö  SBerf^eug  Serben,  einen  gefä^r=  s 
lid^en  geinb  be«  ßüangelium^  ^u  beseitigen '^  3""^^P  B^'^Ö  ^^""  ^"^  *"  *>^  2:^at  aUe^ 
nad^  6atoin^  SBunfc^.  2(me^«  benac^rid&tigte  bon  bem  3"^^^^  ^^  em^jfangenen  Sriefe« 
fofort  bcn  S^oner  ^nquifitor  Drl;,  unb  biefer  fäumte  nid^t,  bei  bem  Äarbinal  bon  Xours 
non  unb  bei  bem  ©cneralgoubemeur  ber  3)auj)^in6,  iperm  bon  3Kaugiron,  £ärm  ju 
fc^Iagen.  ©ine  erfte  Unterfud^ung  fanb  ftatt.  ^od}  leugnete  SiHanoöanu^  jeglic^eö  lo 
SBiffen  um  ba^  infriminierte  Suc^,  unb  tüeber  bei  i^m  nod^  bei2lmouittet  entbedfte  man 
au4  nur  ein  einzige«  fom^jromittierenbe^  Statteten.  Slttein  bie  gnquifition  lie^  nic^t 
nad^.  2luf  Or^«  Sefel^I  mufete  2lme^^  feinen  SJetter  3:rie  um  3wfenbung  be^  ganzen 
2öene§  bitten.  Unb  nun  mu|te  6alt)in  h)oJ^I  ober  übel,  tüoHte  er  ben  glüdfli^  eins 
geleiteten  Jßroje^  nic^t  Verloren  geben,  in  ungleid^  birelterer  SBSeife  ate  bieder  mitlrirten.  i6 
I)aö  getüünfc^te  öoUftänbige  ©jemblar  ber  Restitutio  fonnte  nämlic^  nic|t  nad^  S^on 
abgefqidft  toerbcn,  h)eil  e^  fid^  niqit  melj^r  in  ben  §änben  galbin^  befanb.  ©tatt  beffen 
lieferte  aber  2:rie  24  93riefe  ©erljet«  an  ßaltoin  aU  SetoeiöftüdEe  gegen  jenen  an  2lrne^g, 
bejU).  an  bie  gnquifttion  au^.  ^\üax  erllärte  er,  e^  l^abe  ?!Jlü^e  geloftet,  biefelben  ^erau«= 
jubelommen,  unb  6atoin  \)abz  nur  au«  ^eunbfc^aft  für  i^n,  um  i^n  nid^t  bem  SSortourf  20 
eine«  leid^tfertigen  3lnIIäger«  ))rei«jugeben,  bie  SBricfe*  ausgeliefert.  älHein  man  ftel^t  beut« 
lic^,  ba§  galbin«  SBiberftreben  nur  auö  ber  leicht  erflärlid^en  ©d^eu  ^erftammt,  aU  Se* 
laftunggjeuge  im  35ienfte  ber  ^nquifttion  fungieren  ju  muffen.  2lu«  3:rie«  jlreitem  Briefe 
ge^t  beutlid^  ^ertoor,  toie  ptinWd)  e«  für  Gatoin  n>ar,  bafe  ein  ©elingen  feine«  $lane« 
feine  förmliche  9Jlith)irIung  er^eifd;te.  2)en  eigentlid^en  groben  gebier  ^at  freilid^  Galbin  25 
erft  baburd^  begangen,  bafe  er  biefen  feinen  2lnteil  an  bem  ^nquifüiongjjrojefe  f^äter  in 
feiner  „SBiberlegung  ber  3ii^tümer  ©ertoet«"  mit  ^jomjjöfen  Beteuerungen  runbtoeg  ge* 
leugnet  ^at  —  in  unfern  3lugen  ein  Umftanb,  ber  ungleich  tiefere  ©d^atten  auf  Sabin 
hjirft  atö  alle  fonftigen  änflagejjunfte,  meiere  man  au«  bem  ©erbet^anbel  gegen  ben 
^Reformator  jufammengeftettt  l^at.  ©erbet  tourbe  auf  ®runb  ber  bon  ®enf  übermittelten  90 
Sriefe  am  4.  3lj)ril  j|u  SSienne  bei  äu«übung  feine«  ärjtlic^en  Serufe«  ijer^aftet  unb  an 
ben  jtüei  folgenben  3^agen  mit  Slmouillet  bon  Or^  unb  bem  Äarbinal  t)on  Xoumon 
auf«  eingel^enbfte  ber^ört.  6r  leugnete,  ba^  er  ©erbet  fei,  gab  bor,  biefen  5Ramen  eine« 
befannten  ©elel^rten  nur  al«  Sortüanb  gebrandet  ju  ^aben,  um  fic^  mit  ßalbin  in  bia:: 
leftifd^er  Äunft  berfud^en  ju  fönnen  unb  erbot  fi*  jum  bölligen  3Biberruf.  Daraufl^in  86 
liefe  il^n  bie  ^nquifttion,  meiere  fonft  il^re  D>)fer  feftju^alten  berftanb,  fd^on  am  7.  Wpxxl 
aui  bem  ©efängni«  entmifc^en,  fei  e«  um  bem  ßr^bifd^of  unb  anberen  bome^men 
gteunben  ©erbet«  Unannel^mlid^Ieiten  ju  crfjjaren,  fei  e«  bafe  fte  ßalbin«  $läne  burd^^ 
fc^aut  ^atte  unb  ber  Sieformation  leinen  Siebe«bienft  crlreifen  tüottte.  3)er  ^rojefe  ging 
natürlid^  bennoc^  tüeiter.  2luf  ©eftänbniffe  bon  3(rnouillet«  Slrbeitem  tburben  in  2^on  40 
fünf  mit  ®jem))laren  ber  Restitutio  gefüllte  ^aüm  fonfi«3iert,  unb  am  17.  3uni  erfolgte 
ba«  Urteil  be«  toeltlic^en  ©eric^te«  bon  i^ienne,  ioonad^  ber  ,fte^er  jum  geuertobe  ber^ 
urteilt  tburbe.  ^n  (Srmangelung  feiner  ^erfon  mürbe  ber  St)ruc^  an  feinen  33üd;em 
unb  feinem  Silbe  bottjogen.  ^ngmifc^en  ^atte  ©erbet  bie  fj)anifc^e  ®ren^e  ^u  gewinnen 
berfud^t.  äl«  ij^m  ba«  nid^t  gelang,  nabm  er  fic^  bor,  nad(»  Italien  ^u  gelten  unb  iWax  46 
burc^  bie  ©c^tüei^.  UnglüdElid^ertbeife  führte  ibn  fein  2ßeg  über  ®enf.  ^\mx  barf  man 
e«  il^m  glauben,  bafe  er  o^ne  Stufentbalt  nadf»  güric^  meiteneifen  moDte;  man  mufe  aber 
auc^  begreifen,  bafe  ßalbin,  Ireld^jer  gerabe  bamal«  bie  CpJ)ofition  eben  erft  übertpunben 
^atte,  auf  bie  Äunbe,  ©erbet  befinbe  fi^  in  ©cnf,  benfelben  fofort,  ©onntag«  ben  13.2luguft, 
in  feinem  ©aft^aufe  berl^aftcn  liefe  unb  feinen  Slmanuenfi«  9lifolau«  be  la  gontaine,  60 
einen  franjöfifd^en  SRefugi^,  baju  beranlafetc,  bie  gefe^lid^  erforberlic^e  SRoUe  be«  berant« 
tbortlid^en  äntläger«  m  übemel^men.  2)ie  2lnllage  lautete  auf  2lu«breitung  fd^tpcrer 
^rrle^rcn,  um  berentoiUen  ©erbet  bereit«  gefangen  gefegt  gemefen  unb  je^t  flüd[)tig  fei. 
©d^on  am  14.  befc^lofe  ber  ®enfer  9tat,  fic|  bie  2lnflagej)unfte  in  genauerer  Formulierung 
borlegen  ju  laffen.  Unberjüglic^  fe^te  ßalbin  für  ^^ontaine  38  älrtifel  gegen  ©erbet  auf,  50 
loorin  bemfelben  namcntlid()  fein  3lntitrinitari«mu«  unb  3lnabaj)ti«mu«  borge^altcn  lourbe. 
3lod)  an  bem  nämlichen  3^age,  ben  15.  3luguft,  mufetc  ©erbet  SRebe  ftcl^cn.  c^infid^tlic^ 
ber  3:rinität  gab  er  j\u,  bafe  er  ben  ?iegriff  „^>erfon"  anber«  auffaffe  al«  feine  3^^^= 
genof[en,  in  Setreff  ber  Äinbertaufe  erbot  er  fid^  afic«,  toa«  er  gegen  fte  gcfagt,  ^u  n)iber= 
rufen;   über  feine  ^jerfönlic^e  ©teHung   ju  ßalbin  befragt,  blieb  er  babei,  bafe  in  beffen  eo 


234  (SttM 

©d;riftcn  öielc  S^^'^tümer  fic^  bcfänbcn  unb  ba^  er  ben  38ortt)urf,  er  fei  trunfen  bon 
©elbftgefü^I,  (Salbin  mit  bottem  Siecht  jurüdgegeben  l}ah^,  Unb  bor  berfammeltcnt  Sat 
erllärte  ©erbet  an  bemfelben  Slage,  er  fei  bereit,  ßolbin  bor  ber  ©emeinbe  auf  ®runb 
ber  ^I.  Schrift  berfc^iebener  ^i^tümer  unb  3Bifegriffe  ^u  überfül^ren.    2)a  ßalbin^  heftiger 

6  (Segner,  ber  Sibertiner  ^^ilibert  Sertl^elier,  in  bem  SSer^öre  beö  16.  STuguft  änftalt 
ma^te,  aU  3Serteibiger  ©erbet^  aufzutreten,  fo  bat  (Salbin  ben  9lat,  nun  felbft  al«  än^ 
Hager  ^erbortreten  ^u  bürfen.  3)ie«  tburbe  i^m  geftattet,  unb  nun  erfolgte  am  17.  eine 
erftmalige  Ronfrontation  ber  beiben  (Segner.  ©erbet  geigte  fid^  babei  junäd^ft  ßalbin 
überlegen;  mit  Siecht  toie«  er  3lnHagen  bemfelben,  tbie  bie  tüegen  ber  Unfruc^tbarleit  be^ 

10  1^1.  Sanbe^  (f.  oben)  afö  unmefentlic^e  I)iffereng})unfte  in  i^re  ©c^ranfen.  '^m  33erlaufe 
ber  SJer^anblungen  fd^eint  ftc^  jeboc^  ©erbet  ju  fo  ftarfen  pant^eiftifc^en  2iufeerungcn 
fyihzn  ^inreifeen  ^u  laffen,  bafe  ber  ^at  ben  (Sinbrudf  belam,  ber  ^ro^efe  toerbc  ein 
tragifc^e«  (Snbe  nehmen  unb  be^^alb  befd^lofe,  in  Sienne  ©rlunbi^ungen  einzugießen  unb 
bie  Ferren  bon  Sem,  Safel,  S^xid)  unb  ©d^affßaufen  gu  benacßnd^tigen. 

16  6^  ift  \t>oi}l  mögließ,  bafe  ber  SRat  bamit,  bafe  er  bie  Seß()rben  biefer  ©cßtoeigerftäbte 
JU  3latt  jog.  Salbin  gegenüber  feine  Unabßängigfeit  manifeftieren  unb  ßalbin^  Sinflufe 
fcßtüäcßen  tboQte.  ©^  h)ar  ju  ern)arten,  ba|  biefe  ©tobte,  tüie  jn)ei  ^^ßte  borßer  beim 
5?rojefe  8olfec«  (f.  b.  3lrt.  93b  III  ©.  281)  ftcß  für  ein  milbe«  Urteil  au«fj)recßen  toürben. 
2)ann  ßätte  tooßl  ber  SRat  gegen  bie  SBünfcße  6albin«  ©erbet  glim})fli(ß  beßanbelt.   6nt= 

20  f(ßieben  ftcß  aber  bie  befragten  ©täbte  für  ©erbet«  SSerurteilung,  fo  tonnte  ber  SRat 
biefen  Bpxnd)  ju  bem  feinigen  machen,  nicßt  nur  meil  e«  (Salbin  fo  tbollte,  fonbern  mit 
Berufung  auf  iai  ©utacßten  ber  offiziellen  Vertreter  ber  reformierten  Sßriftenßeit  in  ber 
©cßtoeij.  ßalbin  felbft  fd^rieb  fd^on  am  20.  2luguft  an  garel,  er  ßoffe,  bie  lobe^ftrafc 
toerbe  über  ©erbet  au^gefjjrodßen  werben,  münfcße  inbejfen,  ba^  bie  ©jelution  in  gemiU 

26  berter  SBeife  bottjogen  toerbe.  ©erbet  feinerfeit«  j)roteftierte  burcß  ein  ©cßreiben  an  ben 
9lat  bom  22.  2luguft  bagegen,  bafe  er,  ber  nur  für  ißeologen  gefcßrieben  unb  ftdß  bon 
bem  SSorgeßen  ber  rebolutionären  SBBicbertäufer  burcßau«  ferngehalten  i)ab^,  in  einer  ben 
Slnfcßauungen  ber  2lj)oftel  unb  ber  ganj  alten  Äird^e  gänjlicß  n)iberf))recßenben  SBeife 
toegen  feiner  ®lauben«anfid^ten  friminell  foHe  beßanbelt  tüerben.    3)iefe  (£infj)racße  toie« 

30  ber  3lat  ab ,  unb  am  24.  reid^te  ber  ©eneralprofurator  SRigot  eine  Slnf lageafte  au« 
30  3lrtifeln  ein.  Sligot,  toeld^er  nicßt,  tbie  früher  beßauj)tet  tüurbe,  ein  gfreunb  CSalbin« 
tüar,  fonbern  im  ©egenteil  ein  3)Utglieb  ber  Di)J)ofttion,  ein  fog.  ^errinift,  berührte,  im 
©egenfa^  ju  ben  bon  55ontaine  eingereichten  calbinifcßen  Älage))unlten,  bie  35ifferen; 
jtüifcßen  6albin  unb  ©erbet  mit  feinem  SBort,  legte  aucß  ben  §au^)tna(ßbrudf  nid^t   auf 

86  ©erbet«  3;rinität«leßre,  fonbern  auf  ben  ©runbgebanfen  feiner  Restitutio,  toonadß  alle« 
bi«ßerige  gßriftentum  Iorrum})iert,  bie  gan^e  SJeformation  uncßriftlicß  fei,  unb  jeber,  ber 
nid^t  mit  ©erbet  einig  geße,  auf  bem  2Bege  be«  93erberben«  fidb  befinbe.  daneben 
befcßäftigt  ficß  SRigot«  Älagefcßrift  einläfelicß  mit  ©erbet«  ^ribatleben;  fie  bermutet  eine 
3lbftammung  bon  '^u!t>m,  nimmt  3lnftofe  an  feiner  (Sßelofigleit  unb  fragt  nacß  ®rünben 

40  bon  ©erbet«  kommen  nad^  (Senf;  fcßliefelicß  macßt  fie  aufmerffam  auf  ben  bemoralifieren- 
ben  (Sinflufe,  ben  ©erbet«  Seßre  bon  ber  ©traflofigfeit  aller  3Jlenfdben  bor  bem  20.  Seben«- 
jabre  gerabe  bei  ber  ^ugenb  au«üben  fönnte.  2luf  atte  biefe  äntlagen  antwortete  ©erbet 
mit  großer  SKäfeigung;  nad^brüdflicß  beßarrte  er  bei  ber  3lufrid^tigfeit  feiner  guten  Slb- 
ftcßten,   betonte   feinen  tiefen  >Hefpeft  bor  ber  mit   aller  ©orgfalt  bon  ißm   erforfcßten 

46  ©d;rift  unb  bie  gänjlicße  .parmlofigfeit  feine«  (Senfer  3lufentßalte«.  Unb  al«  ißn  ßierauf 
ein  tbeitcre«  ©utacßtcn  SRigot«  mit  großer  jperbe  ber  3"^)>wtinenj  befcßulbigte,  erllärte 
©erbet,  er  muffe  feine  Seßre  fo  lange  für  bie  SQSaßrßeit  galten,  bi«  ißm  ba«  ©egenteil 
beriefen  tberbe;  aucß  bie  allgemeinfte  SRifebiUigung  fei  nocß  feine  SBiberlegung ;  e«  feien 
im  (Segenteil  fd^on  feßr  oft  Seßren,   bie  anfänglich  entfcßieben  bertborfen  toorben,   fpäter 

60  zur  3lnertennung  gelaugt;  jebenfall«  gefteße  er  bem  gegen  ißn  angeführten  gufttnian 
feinerlei  fiomj)etenz  ^n,  tbeil  zu  beffen  >^c\i  bie  Ätrcße  fcßon  feßr  ßeruntergelommen  unb 
bie  3;vrannei  ber  iöifd^öfe  bereit«  mächtig  getoefen  fei. 

2lm  31.  äluguft  fam  bie  Slnttoort  bon  S[5ienne:  ein  @ericßt«bote  mit  einer  Slbfcßrift 
be«  bort  ergangenen  Urteil«  unb  bem  Segeßren  um  2lu«lieferung  be«  SSerurtcUten.    £}b' 

66  gleicß  ber  9iat  entfd^loffcn  ioar,  bicfcm  SBunfd^e  feine«fatl«  z"  entf})recßen,  tburbe  bocß 
©erbet  gefragt,  iüa«  er  borziebc.  Unter  Ißränen  marf  er  fid^  z"  5ioben  unb  bat,  man 
möge  ihn  in  (Senf  aburteilen,  ^cmnacb  fcßcint  er  in  feinem  fterfer  erfahren  ju  ßaben, 
ba^  (Salbin  fortmäbrenb  mit  ben  3lnßängcrn  be«  :^ibertiui«mu«  z"  fämpfen  ßatte,  unb 
infolge  babon  Hoffnung  auf  ^reifjjred^ung  geßegt  zu  ßaben.    2lud^  loa«  am  iage  barauf 

60  erfolgte,  toar  geeignet,  ©erbet  ^n  guten  (Erwartungen  zu  berechtigen,    ^er  diät,  ermübet 


errnd  235 

burc^  eine  an  biefem  1.  ®e^)tember  in  fetner  ©cgentüart  ftattgc^abte  t^eologifc^e  3)i^* 
j)utation  jn)ifc^en  (Satein  unb  ©erDet,  befc^Iofe,  ben  Slngcflagten  mit  ^aj)ier  unb  3:inte 
liu  t)erfeben  unb  bie  SSer^anblungen  über  bie  angefochtenen  Se^rpunlte  jtüifc^en  i^m  unb 
Gatein  fortan  fd^riftlidjj  unb  jtoar  in  lateinifc^er  ©Jjrad^e  bor  fic^  ge^en  ju  laffen.  3)iefer 
le^tere  SBefd^Iu^  jeigt  beutlid^  bie  Stbftd^t,  au^n)ärti0e  6ö)erten  mitreben  ^u  laffen.  ßatoin  ß 
entfl)raci^  unbergüglic^.  (gr  reid^te  am  2.  ©e^)tember  ein  aSerjeic^niö  bon  38  ©äjen 
©erbetö  ein,  beren  teil^  l^äretifc^en,  teil^  bla^jJ^emifd^en  unb  ))rofanierenben  G^arafter 
unb  burd^ge^enben  a5}iberfj)ruc^  mit  bem  SBorte  (Sottet  unb  ber  allgemeinen  Rirc^enlel^e 
bie  (Senfer  ^rebiger  nadbgun)eifen  bereit  feien.  SBä^renb  ©erbet  in  feiner  ^dlt  mit  ber 
SSeantloortung  biefe«  ©c^riftftüdeö  befc^äftigt  tvax,  ^atte  Satoin  jenen  bentoürbigen  Äon=  lo 
flift  mit  bem  Sibertiner  Sert^elier  ju  beftc^en.  SBert^elier  ^atte  ben  9lat  jur  Sluf^ebung 
ber  bon  ßatein  über  i^n  berj^ängten  Sjlommunilation  ^u  beftimmen  getoufet ;  am  ©onm 
tag  ben  3.  ©ejjtember  follte  in  öffentlichem  (Sotte^bienfte  burc^  Sertl^elier^  S^eilnabme  am 
atbenbma^le  bie  5Jieberlage  Gatein^  botumentiert  toerben.  2lllein  Gatein  Ij^atte  mit  ben 
2lu^jügen  au^  ©ertoetö  ©c^riften  bem  5Rat  einen  ^roteft  eingereicht  unb  aud^  im  (Sottet*  iß 
bienfte  felbft  erflärte  er,  bafe  er  ftd^  nic^t  fügen  unb  e^er  fein  Seben  laffen  aU  gegen 
fein  ®eU>iffen  ^anbeln  tüerbe.  Unb  Sertl^elier  mad^te  gar  feinen  SSerfuc^  ju  lommuni« 
iieren.  ©erbet  aber  erl^ielt  o^ne  R^^if^I  bon  beibem  «enntni«:  bon  be^  Sibertiner^  ®r« 
folge  beim  9lat  unb  bon  Gatein«  unbeugfamfeit ;  benn  er  füi^rte  nun  fotoo^l  in  feiner 
Slnttport  bom  3.  ate  auc^  in  einem  ©d^reiben,  toelc^e«  er  am  15.  ©e^)tember  an  ben  20 
9lat  ri^tete,  eine  ganj  anbere  ©jjrad^e  ate  bi^^er.  6r  fing  an,  Gatein  einer  unerträg« 
liefen  änmafeung  gu  befc^ulbigen  unb  an  ben  Slat  ber  3h?ei^unbert  ju  abj)elfieren  (fc^on 
ber  Umftanb,  bafe  ber  burd^reifenbe  <Spanm  biefe  ©enfer  ^nftitution  überl^auj)t  fennt, 
jeigt  beutlic^,  bafe  er  bon  ber  Dj)})ofttion  Gatein«  mit  SBeifungen  berfel^en  tourbe);  unb 
al«  il^m  bie  umfaffenbe  9le^)lif  ber  U  ^farrer  bon  GJenf  auf  feine  Stnttoort  bom  25 
3.  BepUmitt  mitgeteilt  tüurbe,  loagte  er  biefelbe  mit  Slanbbemerfungen  ju  berfe^en,  too* 
rin  er  Galbin  mit  ©c^mä^ungen  überj^äuft,  i^n  einmal  über  ba«  anbere  einen  Sügner, 
©c^reier,  ©^Ioj)banten,  ©imon  SKagier  nennt.  SQSie  toeit  entfernt  Gatein  ju  jener  3^^ 
babon  toar,  ®enf  ju  be^errfc^en,  erfe|en  loir  am  beften  barau«,  bafe  ber  5Hat  immer  noc^ 
jöaerte,  ben  ©))anier  ju  berurteilen  unb  am  19.  ©e))tember  ben  Sefd^lu^  fa^te,  bie  fämts  90 
ific^en  Slftenftüdte  be«  ^rojeffe«  burc^  einen  Slateboten  nac^  93em,  Safel,  ^üxid^  unb 
©d^aff^aufen  gu  fenben  unb  bie  Ideologen  biefer  bicr  ©täbte,  in  jtüeiter  Sinie  auc^  bie 
3fläte,  um  i^r  ©utac^ten  j\u  erfucl[>en.  Galbin,  tüelc^er  reid^lid^e  ©elegen^eit  gehabt  l^atte, 
biefen  Sefc^lufe  borauö^ufeben,  ^atte  bereit«  mehrere  SQäod^en  bor^er  mit  feinen  greunben, 
namentlich  mit  bem  fo  einflu^reid^en  Sullinger  in  ^üxxi),  in  biefem  ©inne  Iorref))onbiert,  35 
unb  i^re  Slnttoorten  f}attm  fo  einftimmig  fein  Urteil  über  ©erbet  beftätigt,  bafe  er  ben 
offijictten  Äunbgebungen  ru^ig  entgegenfal^.  ©erbet  feinerfeit«  fud^te  bie  %xx\i  baburc^ 
gu  benü^en,  bafe  er  ben  toal^rl^aft  ber^toeifelten  ©c^ritt  tüagte,  al«  förmli^er  änfläger 
gegen  Galbin  aufzutreten.  6r  befc^ulbigte  Galbin  u.  a.  i^n  fälfd^lic^  ber  Seugnung  ber 
Unfterblid^feit  angellagt  ju  ^aben,  bie  d^riftlid^e  SBabr^eit  f^ftematifc^  ju  unterbrüdfen  40 
unb  Se^rfragen  auf  eine  be«  2)iener«  am  Gbangelium  unloürbige  SQäeife  jur  Äriminat 
angelegen^eit  ^u  machen,  ©c^lie^lid^  beantragte  er,  ber  ^ai  möge  Galbin  be«  Sanbe« 
bertoeifen  unb  fein  Vermögen  i^m,  ©erbet,  al«  Gntfd^äbigung  für  bie  erlittene  Unbill 
juerlennen!  5Jlatürlic^  ging  ber  SRat  auf  fold^e  ^wmutungen  nic^t  ein;  boc^  tburben 
äSefc^toerben  ©erbet«  über  feinen  j)erfönlid^en  3"ft^"^  forttoäl^renb  in  burc^au«  menfc^*  46 
lid^er  SBeife  berüdfftc^tigt.  3)agegen  tburbe  ibm  tro^  feiner  loieber^olten  Sitten  ber  Seis 
ftanb  eine«  3lbboIaten  nid^t  getoä^rt. 

3)ie  3lnttoorten,  toeld^e  am    19.  DItober  au«  ben   bier  ©c^tbeijerftäbten   eintrafen, 
maren  einftimmig  in   ber  entfd^iebenften  SJerurteilung  ber  ©erbetfc^en  Se^ren  unb   auc^ 
in  ber  anficht,  bafe  e«  gelte,  eine  berl^ängni«bolle  ©efal^r  bon  ber  gefamten  reformierten  so 
Äirc^e  abloenben,  einmütig  aber  aud^   im  ©ttUfc^meigcn   über  ben  $unlt,   n)orüber  man* 
fie  allerbing«  nic^t  bireft  befragt  l^atte,  toorüber  jeboc^  bie  Gntfd^eibung  i^nen  allen  toenn 
au(^  ^einli^,  fo  boc^  felbftberftänblic^  erfd^cinen  mod^te:  bie  Slntoenbung  ber  Iobe«ftrafe. 
3)er  iRai  bon  (Senf  fd^ritt  nun  gur   enbgiltigcn  3?erbanblung   ber  Slngelegen^eit,    3)er 
©^nbilu«  3t.  ^errin,  Galbin«  alter  (Segner,   berfuc^tc   noc^mal«  bie  Berufung  an   ben  66 
$Rat  ber  3h)ei^unbert.  ©tatt  bef[cn  erfolgte  am  26.  Dftober  ba«  3^obe«urteil  unb  jtoar 
lautete  ba«felbe  nid^jt,  loie  Galbin   unb  bie   übrigen  ©enfer  ^ßrebiger   getoünfd^t  l^aiUn, 
auf  eine  gemilberte  G^efution,   fonbem   nad^   ber  boUen  ©trenge  be«  GJefe^e«  auf  ben 
geuertob.    3)er  tieferschütterte  Verurteilte   bat   um   eine  Unterrebung  mit  Galbin    unb 
flehte  benfelben  um  fein  Grbarmen  an,  loorauf  il^m  Galbin  erflärte,  bafe  er  il^n  feine«=  so 


236  Sertiet  Serlittett 

iDcg^  aue  ^jcrfönlid^cn  3)iotiücn  ijcrfolgt  \)abc,  unb  xfjn  antDic^,  Qioti  um  Sarml^crj^iglcit, 
ben  ©o^n  ®otte^  um  üßergebung  anzurufen.  3tm  27.  DItober  1553  lüurbc  ba^  3^obcö= 
urteil  boHj^ogcn.  Stuf  Galtjinö  Sffiunjd^  toar  ^arel  herbeigerufen  tüorben,  um  ben  9Scr- 
urteilten  ;;u  begleiten.    3)od}  fonnte  and}  er  ©ertoet  nic^t  ^um  geringften  2öiberrufc  bc= 

5  tüegen.  Um  ®nabe  bittenb  für  feine  ^eE)ler  unb  um  Sarm^erjigleit  für  feine  ®egner, 
ftarb  ©eröet  im  feften  ©lauben  an  bie  aöal^r^eit  feiner  Se^re. 

ßg  ift  eine  ^arabojie  ber  (Sefc^id^te,  bafe  Sj)anien,  baö  2anb  ber  3;nquifttion,  biefen 
•^Jfann  ^ert)orgebrac^t  unb  ©enf,  ia^  Slf^I  fo  öieler  ©lauben^flüc^tlinge,  il^n  l^erbrannt 
l}at.    i^on  bem  ©d^eitcr^aufen   auf  6^amj)el   ^at  auc^  Calbin   ein    Sranbmal    babon- 

10  getragen,  ba^  bi«  ^eute  feine  Äunft  ber  äj)ologetif  bon  feinem  33ilb  ^u  entfernen  üer- 
moc^t  l^at.  ©etpife  märe  e^  ein  unl^iftorifd^e^  3Serfal^ren,  tvoüU  man  an  ©ert)et  bieän- 
fd^auungen  be«  19.  ^a^rl^unbert^  betüunbem  unb  bie  be^  16.  ßalbin  jur  Saft  legen. 
Slber  e^  ge^t  boc^  nid^t  an,  |\u  Sabine  ^jerfönlic^er  (Sntlaftung  bie  ©c^ulb  an  ©ert>ct^ 
%o't>  auf  bie  3j"^oIeranj  bc^  3^l^r^unbert^  abj^utüäl^en.     ©^   ift  boc^   be^eic^nenb,   bafe 

16  6alt)in  unb  feine  3lnl^ängcr  unmittelbar  nad^  ©ertjet^  ^inridbtung  ba^  Sebürfni^  füllten, 
fid^  gu  rechtfertigen,  ©d^on  im  ^ebruar  1554  bcröffentlid^te  6albin  in  lateinifc^er  unb 
franjöfifc^er  Slu^abe  eine  ©c^rift  gegen  bie  fluc^toürbigen  Irrtümer  W\6)d  ©ertoet^ 
„oü  il  est  aussi  montrö  qu'il  est  licite  de  punir  les  h^r^tiques  et  qu'ä  bon 
droit  ce  m^chant  a  6t6  exöcutö   par   justice   en   la  ville  de  Genöve.    Unb   im 

20  ©e))tember  be^  gleichen  ^al)x^  fd^rieb  SCI^eobor  t)on  Seja  jeinen  Trait^  de  Tautorit^ 
du  magistrat  en  la  punition  des  h^r^tiques  et  du  moyen  d*y  proc^er.  SBenn 
e^  nötig  mar,  Sudler  ju  f (^reiben,  um  bie  Berechtigung  ber  Äe^er^inrid^tung  ju  bemon^ 
ftrieren,  fo  bereift  ba^,  bafe  ba^  SSerfa^ren  gegen  ©crtoet  burd^auö  nic^t  bie  Silligung 
aller  3ci^0^offen  gefunben  l}attt.  gn  ber  3;^at  gefte^t  aud^  X^eobor  bon  93eja  in  feiner 

26  S3iogra))F>ie  6albing:  Les  cendres  de  ce  malheureux  [Servet]  6taient  ä  peine 
refroiclies  que  Ton  se  mit  ä  discuter  la  question  du  chätiment  des  h^r^tiques.'' 
3a,  bie  öffentlid^e  9}leinung  loar  fo  toenig  einmütig  für  bie  Berechtigung  ber  3:obe^ftrafe 
für  bie  Äe|er,  bafe  ber  93erner  Äanjler  TOfolau^  3"^^"^^/  ^^"^  Galbin  feine  2lj)oIogie 
uigefanbt  ^atte,  i^m  fc^reiben  fonnte:   „gc^  ^ätte  eö  lieber  gefe^en,  toenn  ber  erfte  3:eil 

30  2)eine^  33ud^e^,  ber  fid^  auf  ba«  Siecht  be^  ©d^toerte«  bejiel^t,  ba«  bie  toeltlid^en  Beworben 
;iur  UnterbrüdEung  ber  Äe^er  für  fid^  in  3lnf})ruc^  neJ^men,  nid^t  in  2)einem  3?amen  cr^ 
fd^ienen  loäre,  fonbern  im  9Jamen  be^  9lat^,    ber  too^I  felbft  berteibigen  fonnte,  toaö  er 

fiet^an  i)at  3;d&  glaube  nid^t,  ba^  I)u  bei  befonnenen  Seuten  irgenb  toelc^c  Billigung 
änbeft,    menn  3)u   al«  ber   erfte   bon   aßen  ex  professo  biefe  faft  allgemein  ber^afete 

36  2;^efe  berteibigen  tooHteft."  3)en  lauteften  ^roteft  gegen  bie  äntoenbung  bon  Oetoalt 
in  ©laubeuigfac^en  l^at  GafteHio  (f.  b.  3lrt.  Bb  III  ©.  750  ff.)  in  feinen  gegen  (Salbin 
gerid^teten  ©c^riften  Traict^  des  H^r^tiques  unb  Contra  libellum  Calvini  eingelegt, 
toenn  er  u.  a.  fd^reibt:  „Tuer  un  hemme,  ce  n'est  pas  d^fendre  une  doctrine, 
c'est  tuer,    une  homme.    Quand  les  Genevois  ont  tu6  Servet,    ils    n'ont   pas 

40  d^fendu  une  doctrine,  ils  ont  tu6  un  homme  .  .  .  D^fendre  une  doctrine,  ce 
n'est  pas  l'affaire  du  magistrat;  c'est  l'affaire  du  docteur  .  .  .  on  ne  maintient 
pas  sa  foi  en  brülant  un  homme,  mais  plutöt  en  se  faisant  brüler  pour  eile." 
S^  ift  be^^alb  begreiflid^,  bafe  bie  3nfd;rift  beö  ©ü^nebenfmal^,  ba^  am  350.  ^a^^^töö 
ber  Berbrennung  ©erbet^  in  ®enf  na^e   ber  3flicbtftätte   errid^tet   mürbe,    nid^t   bie   aü- 

46  gemeine  Billigung  ber  franjöfifd^en  ^roteftanten  fanb.  ©ie  lautet:  „Fils  respectueux 
et  reconnaissants  de  Calvin,  notre  grand  Röformateur,  mais  condamnant  une 
erreur  qui  fut  celle  de  son  si5cle,  et  fermement  attach^s  ä  la  liberi;^  de  con- 
science  selon  les  vrais  principes  de  la  Reformation  et  de  l'fivangile,  nous 
avons  6\ey6  ce  monument   expiatoire  le  27  octobre  1903"  unb  auf  ber  Slücffeite: 

50  Le  27  Octobre  1553  mourut  sur  le  bücher  ä  Champel  Michel  Servet  de  Ville- 

•  neuve  d'Aragon,  n6  le  29  septembre  1511.  (Über  bie  Äritif  an  bicfer  ^nfdbrift 
cf.  Bull,  de  l'hist.  du  prot.  frauQ.  1903,  283ff.;  378ff.;  560ff.;  unb  2.  3Konob 
in  Revue  chr^tienne,  1.  ^idx  1903.)  (».  ^^iggettfiai^  t)  ^ageit  Sa^enmann. 

ScrtJitcn  (Servi  b.  Mariae  Virginis).  —  Mich.  Pocciaiitii  Chronicon  verum  totius 
56  «acri  ordinis  Servonim  b.  M.  V.  ab  anno  1233  ad  an.  15()ü,  Florentiae  1616.  Archangeli 
Gianil  Annales  sacri  ordinis  Servonim  b.  M.  V.,  ibid.  1618.  1622.  Eiusdem  operis  ed. 
alt.  eura  A.  M.Garbii,  3  tomi,  Lucae  1719—25.  P.  Florentini  Dialogus  de  origioe  ord. 
Servorum  (in  J.  Lamii  Deliciae  eruditonira,  t.  I,  Flor.  1736.  Histoire  de  Pordre  des  Ser- 
viles de  Marie  et  des  sept  bicnheureux  fondateurs,  1230—1310,  par  un  ami  des  Servites, 


(Bttt^litu  237 

2  vols.  Paris.  1886.  fiebouj,  Hist  des  sept  fondateurs  de  Tordre  des  Servites,  Par.  et  Lyon 
1889.  ©pörr,  O.S.  b.  M.  V.,  fiebenöbilber  auö  bcm  SerDitenorben,  4a3be,  Snnsibvucf  1891 
6i§  95.  —  ^Bic^tiger  a(§  biefe  jumeift  nur  crbaulid)  ge()altcnen  9(rbeiten  ift,  \va^  roä^rcnb 
bcr  letjtcn  S^^^je^nte  ber  ^45arifer  Seroit  ^eregvin  ©oulier,  untcrftü^t  Don  feinem  OrbcnSs 
bruber  9lugu{tin  Forint,  für  bie  (Srforfd)ung  nnb  SJarftcÜung  ber  @eroitengefd)idite  gcleiftct  5 
ftnt.  (Bo  bic  Don  S3ciben  gemeinfam  cbicrtcn  Monumenta  Ordinis  Servorum  8.  Älariae  (iÖrüffcl 
1897  ff.),  tooüon  hi^  1902  Dicr  ^änbe  erfc^iencn  (ent^allenb  bic  SBcni^ifdien  Äonftitutioncn, 
bie  alte  Legenda  de  origine  ordinis  fratrum  S.  Mariae,  bie  fpäteren  JRebattionen  ber  Orbend» 
ftatuten,  oerfc^iebene  jüngere  53erict)te  über  bie  ©rünbungSgefc^ic^te,  aucf)  Sotalgefd)id)tHd)eg 
über  cinjelne  ^löfter  Jc).  gerncr  uon  6ouIier  aflein:  Vie  de  S.  Philippe  Benizi,  propagateur  lo 
de  Tordre  des  Servites,  Par.  1886,  foiuie:  Life  of  St  Juliana  Falconieri,  foundress  of  the 
Mantellate  or  Religious  of  the  third  ordre  of  Servites,  Lond.  1898.  —  SSgl.  nocö:  $eini= 
bud)er,  Drben  u.  Äongr.  1,471-477.  ^43enebitt  ^Jai)r  O.S.  b.  M.V.,  im  ÄÄfi' XI,  204—211. 
tienle,  in  b.  fiitt.  5Runbfc^au  f.  b.  !att|.  ^eutfc^Ianb  1899,  @.69— 71.  ÖJ.  gicfer  im  2:^3© 
1898,  @.  291  f.  u.  1899,  @.  269  f.  16 

©erteilen,  Servi  beatae  Mariae  Virginis  („3)icncr  bcr  j^(.  ^unöfwu;  auc^:  ©ruber 
Dom  Seiben  ^i^fu,  bom  Slöe  3Karia,  Don  iRonte  ©enario")  ^cificn  bic  ©lieber  cine^  noc^ . 
bcftc^enben  Drbcn^  bcr  römifd^en  Äirc^e,  beflen  ^w^i  ift,    in   ®cbct   unb   ajfetifc^en 
Übungen  bcr  SScrl^crrlic^ung  unb  bcm  3)icnftc  bcr  Jungfrau  3Waria  fic^  ju  mcil^cn.   211^ 
bcr  ^immclfal^rtgtag  bcr  2)Jaria  am  15.  3luguft  1233  in  fjlorcnj  gefeiert  tüurbc,  fül^Itcn  20 
ftc^,  toic  crjä^U  tpirb,  ftcbcn  angcfcl^cnc  ©intoo^ncr  bcr  ©tobt,  bic   fc^on  feit   längerer 
3eit  Slngc^örigc  einer  @cnofjcnf(|aft   jum  Sobc   bcr  l^l.  Jungfrau  (Confraternita  de' 
Laudesi)  gctocfcn  toarcn,  bon  bcm  3Scrlangcn  burc^brungcn,  fic^  bcm  ©icnftc  bcrfclbcn 
ganj  ju  tüibmcn.  3^icfc  f d^toärmcrifc^cn  SKaricnbcrc^rcr  h)arcn :  Sonfiglio  ?!JlonaIbi,  S3ona= 
giunta  3Kanctti,  TOanctto  beU'  SlntcIIa,  3lmibco  Slmibci;  SRicucrc  2ij)))i  Uguccioni,  ©crarbo  25 
©oftcgnt  unb  SlHcffto  galconicri.    ©ic  jogen  fid^  an  einen  cinfamcn  Ort  auf  bcm  Qampo 
^iarjo  (SKar^fclb)  bei  glorcnx  jurücf,   lebten  ^icr  bon  Sllmofen  unb  cncgtcn  burd^  bic 
©trengc  il^rcr  Übungen  bic  SScmunbcrung    bc^  Solfcg,   baö  i^ncn  bcn  5Ramcn  i  Servi 
della  Madonna  beilegte.    eth)ag  f^jätcr  (gegen  1236)   liefen  fic  ftc^   auf  bcm  3Kontc 
©cnario  (=  Mons  sani   aeris,    9  ital.  9JJcilcn    entfernt    bon  ^5'^^^"^)  nicbcr.     3^^^  so 
Älcibung  beftanb  bamate  in  einem  SRodfc  bon  afc^graucr  %axbz  unb  in  einem  l^ärcncn 
Öcmbc;  i^r  SSorftc^cr  tpar  SWonalbi.    3)cr  Äarbinallcgat  Öottfricb  bon  Gaftiglione  bcr^ 
fa^   fic  (1239)   mit   einer   bic   übermäßige  §ärtc  i^rer  Scbcngtocifc   cttoa^  milbcrnbcn 
Sluguftincrrcgcl  unb  erteilte  i^ncn  bcn  9Jamcn  „Srübcr  bon  bcr  ^Paffion  ^^\n'\   toclc^cr 
bcr  fd^on   älteren  Benennung  Servi  Mariae  Virginis   unb   Servitae   jc^t  gur  ©citc  36 
trat.     3^^^  Drbcn^flcibung   mürbe  nun   ein   h)ci|cr   3todE,  eine  fc^toarjc  Äa))uj|c,  ein 
fc^toargeö  ©ca^julicr  unb  ein  Icbcrncr  ©ürtcl.    $a})ft  Sllcjanbcr  IV.  bcftätigtc  bcn  Drben 
1255.    2)cr  fünfte  Drbcn^ggcncral  ^^ilit)})usf  Scnitiug  (gilipjjo  »entji,  1267—1285)  machte 
fid^  bcfonbcr^  bcrbicnt  fotoo^l  um  bic  J^ortbilbung  feiner  inneren  ßinrid^tungcn,  toic  um 
görbcrung   feinet  äußeren  SBad^^tumö.     @r  fc^tc   einen  ©cncralbifar  für  bic  ^robinj  40 
^talicn  ein  unb  bcrbrcitctc  bic  ©crbitcn   nad)  granfrcic^  (too   fic  tocifec  9)Jäntcl   unb 
Älcibcr  atö  Orbcn^trac^t  toäl^ltcn  unb  bc^^alb  Blancs-Manteaux  genannt  lourbcn),  foioic 
nac^  bcn  9iicbcrlanbcn   unb  3)cutfc^lanb.    ^a})ft  ^nn'^ccnj  V.  (1276)  toar  i^ncn   nid^t 
günftig  unb  bcrbot  i^ncn,  9?obijcn   anjunel^mcn;  um   fo  mel^r  aber  fanbcn   fic  Untere 
ftü^ung  bei  ^onoriu^  IV.  (1285—87),  bcr  i^nen  mandtjcrlci  ^ribilcgicn  bcrlic^.  ?!Jlartin  V.  46 
gctoä^rtc  i^ncn  (1424)  bic  ^ribilcgicn  bcr  3Kcnbifantcrtorbcn.    2llö  fünfter  §auj)t-8cttel' 
orbcn  (neben  benen  bcr  g^^ns^^taner,  2)ominifancr,  ftarmclitcr  unb  Sluguftincr)  loirb  i^r 
Crbcn  in  einer  Sutlc  $iu^'  V.  bon  1567  genannt.  —  ^nj^if^^"   Ratten  fic   fic^  auc^ 
in  ^olcn  unb  Ungarn   nicbcrgclaffcn  unb   übcr^auj)t   eine   bcträd&tlic^c  3lu^brcitung  gc= 
tüonncn.     3}on  bcn  bcibcn,  auf  ^Hüdfcl^r   j\ur  urf})rünglic^cn  Scbcn^ftrengc  bringcnbcn  50 
Slcformcn,  bic  ber  Drben  feit  bcm  15.  Qa^r^unbcrt  erfuhr,  beftanb  bic  bcr  „©crbitcn  bon 
bcr  Dbfcrban^"    (gcgrünbct   burd^   2lntonio  bon  ©icna  1411)   nur  bi^   1568.    Sänger 
^iclt  fic^  bic  1593  bon  Scmarbino  bc  Sticciolini  gcftiftctc  Kongregation  bcr  „(Sinficblcrs 
fcrbitcn",  bic  fic^  bon  ber  burd^  bicfcn  SHcformator  toicbcr  l^cracftctttcn  ßinficbclci  auf  bcn 
3Jl.  ©cnario  bei  glorcnj  auö  tcil^  in  Italien  tcil<^  in  Sicutfc^tanb  bcrbrcitctc.  —  ßu  bcn  66 
bereite  im  13.  ^al^r^unbcrt  unter  Seniji^  äicrtDaltung  cntftanbcncn  Rlöftcm  bon  ©crbi= 
tinnen  ober  „fc^marjen  ©d^mcftcm"  (ausgebreitet  ^au^Jtfäd^lic^   in  ^^^li^"  "^^^  ^"  ©wbs 
bcutfd^lanb,  too  u.a.  in^ünc^cn  noc^  eine  il^rcr 9?icberlaffungcn  bcftc^t),  trat  feit  c.  1300 
bic  ©cnoffcnfc^aft  bcr  ©crbitcn52:crtiarinnen  ober  3Kantcllatcn  l^inju,  gcftiftct  bon  ^uliana 
galconicri  in  glorcng  (gcft.  1341),    bcftätigt    burc^   3Jlartin  V.  1420,    unb   fj)ätcr    auf  eo 
bcutfd^cm  SSoben  l^au^tfäc^lic^  bur4>  ßrjl^crjogin  2tnna  ^wliana  Katharina  (geb.  ^rinjeffm 


238  Sanitm  (Btiff 

(Son^aga  l)on  9Kantua,  gcft.  1622)  au^acbreitet.  38on  $aul  V.  tüurbe  biefcr  beutfc^e  3todg 
ber  3:crtiarinnen  gu  einer  befonberen  Jtongreöation  erlj^oben. 

3)ie  ältere  ®eIel^rtengef(JSitrf)te  bc^  ©ert^itenorben^  t[t  ntd^t  befonber^  retc^  an  Gele- 
britäten,  n)eift  aber  immerhin  einige  berül^mte 9lamen  auf;  fo  bor  allen  ben ©efd^ic^tfc^reiber 

5  be^  Sribentinumg  $.  ©arpi  (i.  8b  XVII  S.  486),  ben  üKat^ematiler  unb  ® eogro^jl^en  gilij)J)o 
gerrari  ju5Pabua(geft.  1626)  unb  ben  immens  fruchtbaren  9)lariologen  3l>poIito  SJlarracci, 
geft.  1675  (über  tüeld^en  8b  XII,  325,  39  ff.  b.  (gnc.  SRäl^ere«  mitgeteilt  ift).  Über  einige 
minber  bclannte  äutoren  (bef.  3ioad[>im  ^iccolomini  unb  ^rance^co  $atriji)  ^nbeln 
SKorini  unb  ©oulier  in  83b  IV  i^rer  „Monumenta"  (bgl.  0.). 

10  §auj)tfä(^lic^  bebeutenbe  9lieberlajfungen  befi^t  ber  männliche  3:eil  be^  Drben«  gegen= 
tvdxÜQ  noc^  in  Slom  (ßan  ÜRarcetlo)  unb  mehreren  anberen  ©roMtäbten  ^talien^  (Sologna, 
gloreng,  9?eaj)el,  Palermo),  in  ber  ^ab^burgifd^en  3)lonar^ie  (öon  beren  17  Älöftem  9  jur 
,,3;^roler  $rot)inj",  bie  8  übrigen  gur  „öfteneic^^ungarifc^en  ^rot)ing"  gehören)  j  femer 
in  ßnglanb   (bej.  Sonbon)  unb  9?orbamerifa  (h)o   er  in  6l^icago  2  unb   in  SJWtoauIee 

15  1  Älofter  \)at).  38ittcf  f. 

©ertittteii  f.  b.  ».  albgaben,  lirc^l.  «b  I  ©.  95,26. 

@et^  unb  bie  ©ct^iten.  —  fiitteratur:  S)ic  Kommentare  jur  ©cncfiS  bi§  auf 
ben  ®unfcl8  in  ^otoad^  ^anbfommcntar,  ferner  @.  JR.  S)ril)cr,  The  Book  of  Genesis,  4.  ed. 
(1905),  3ul.  «öl^mcr,  3)a8  crfte  ©uc^  SRofc  (1905)  unb  Stracf,  S)tc  ©cnefi«  übcrfcfit  u.  au§= 

20  gelegt  (1905);  fpejictt  (£b.  ©c^rabcr,  ©tubicn  jur  Äritil  unb  (Srtlärung  ber  bibl.  Urgefcftic^te 
(1863),  Äavl  33ubbc,  3)ic  bibl.  Urgcfcf^iitc  (1883)  unb  3o^.  SRcin^olb,  2)ie  bibl.  Urgefc^ic^te 
(1904);  —  bie  ®cf(^ic^tcn  38racl«  m  auf  ©.  ®ut^c,  ®cf(^.  b.  3J.  S^racl  (2.  ?( uff.  1904)  unb 
@.  Dcttli,  ÖJeW-S^racI«  biö  auf  ^\k^,b.  (ör.  (1905);  —  bie  9flcalwörtcrbü(l^er  bl8  auf  ®ut^e§ 
Kurjeg  SSibelroorterbucö  (1903)    unb   93(a(f=S^cQncS  Encyclopaedia  Biblica   (1903);  —    bie 

26  monograp^ifcf)en  u.  fomparatiocn  25arftcIIungcn  in  ^^il.  93uttmann,  3Jlpt^oIogu§  II,  @.  1—27 : 
ber  ^Ql^uS  üon  ben  ältcftcn  ^Kenfc^cngefc^Icc^tern;  ^cinric^  ßufcn,  3)lc  Xrabitioncn  beS 
9Renf4en9efc^(ed)t«,  2.  Slufl.  (1869),  ©.146—188;  g.  ^ommcl,  3)ic  alti«raelitif(^e  Uebcrlicfe= 
rung  in  infc^riftüdjer  93cleu*tung  (1897),  @.  308f. ;  (£b.  @c^raber.  Äcilinfcftriftcn  u.  ?f.  X.* 
(1903),  bearbeitet  oon  ^.  5Bin(!Ier  u.  ^.  gimmern;   «.  ScrcmiaS,  S)a«  ^.  X.  im  Sid^te  bc^ 

80  alten  Orients  (1904);  go^.  ^J^irfel,  ©cncfi«  unb  Kcilfc^riftforfc^ung  (1903),  @.  164ff. 

Unter  ©et^iten  öerfte^t  man  bie  in  ©en  5  aufgeführten  je^n  Uröäter:  Slbam, 
©d^ötl^,  ßnöfc^;  Könän,  ?Kabalar§l,  ^öreb,  G^anöfl^,  SWetHc^Mr  2^"^^!^  (griec^.: 
Samerf))  unb  9töad^. 

1.  ©ie  ^age  nac^  bem  ^ufammen^ang  biefer9lamenrei^e  mit  ben  Überliefe^ 

ssrungen  ber  9?ic^tigraeliten.  —  Sw'^äd^P  «inen  inbogermanifc^en  Urfprung  t)on 
©et^itennamen  I^at  man  auf  folgenbe  ffieife  vermutet :  Suttmann  in  feinem  2K^t^ologu^, 
93b  1  (1828),  ©.  173  \)at  ben  9Jamen  9Joal>  mit  ben  ©ilben  nysos  in  bem  Flamen  be^SEBein^ 
gotteS  3)ion^fog  jufammengebrac^t,  tüeil  bon  9?oa^  bie  2lnj)flanjung  eine«  SBeinbcrg  crjä^lt 
ioirb  ((Sen  9,  20).   Slber  felbftberftänblic^  ift  biefe  9Serbinbung«brücfe  eine  imaginäre  ®rö^e. 

40  Über  anbere  3?erfuc^e  berichtet  3.  ®xxü  (2)ie  erjbäter  ber  9JJenfc^^eit  1875,  ©.  41  ff.), 
unb  er  felbft  l^at  gemeint,  ben  3?amen  3loai}  afe  bie  umgeftaltete  gorm  eine«  fan«lr. 
nävaka  (er  meint  toielmebr  nävika  „©d^iffer")  auffaffen  ^u  bürfen.  2lber  aud^  jtpifc^en 
biefcn  formen  ift  fein  f})raci^lic^er  3"fömmenl;ang  möglid^.  6benba«felbe  ift  bartibcr  ju 
urteilen,  njenn  mir  lefen:   ,,@«  ift  ä^nlid^,   loic  in   ber  altinbifd^en  ©age  t)om  Manus, 

46  bem  äg^jjtifc^cn  Menes,  griec^ifd^en  Minos,  biblifd^en  Noach  ober  Manöach"  (©.  2ef= 
mann  in  ben  i^er^anblungcn  be«  XIII.  internationalen  Drientaliftenlongrefe,  erfd^ienen 
1903,  ©.  3).  —  ©obann  über  bie  Sejie^ung  ber  ©et^itenreil^e  gu  ben  bab^lonifd^en 
Überlieferungen  urteilte  ^rb.  2)eli$fc^  (33abel  u.  8ibel  1902,  ©.  32):  „äuc^  bie  je^n  babto^ 
lonifci^enUrtöniget)orbcr?flut  ^abcn  al«  bie  je^n  borfintflutlid^en  Urbäter  unb  mit  atterlei 

50  Übereinftimmungen  im  einzelnen  3lufna^me  in  bie  Sibel  gefunben".  2lber  Dergleichen 
h)ir  bie  teil«  t)on  93eroffo«  (ca.  280  b.  6^r.)  bei  (Sufebiu«  (Chron.  libr.  prior,  ed. 
©cf)öne  p.  7ff.)  unb  teil«  in  Äeilfc^rifttejten  erhaltenen  9?amen  ber  je^n  bab^lonifc^en 
Urlönige  mit  ben  ithn  ©etl^itennamen :  \,''AXa)Qog  unb  Adam;  2.  ^Aidnagog  unb 
ScMth;    3.  *^4//;JAcür  unb  Enosch;  4.  'Ajujuevcov  unb  Kenän;  5.  MeydXaQog  (nac^ 

56  ber  armen.  Überfe^ung  t)on  (Suf eb«  ß^ronif on :  Amelagarus)unbMahalar61;  6.  Adcm^og 
ober  Ad(og  unb  Jered;  7.  EvedcoQaxog  (nad)  ber  armen.  Überfe^ung:  Edoranchus) 
unb  Ch^nökh;  S.  "'AfUjuiinvog  unb  Methuschelach ;  9.  ÜTidQrrjg  unb  Lamekh; 
10.  Zioov&Qog  unb  N6*ch.  (Sin  cin]^iger  33lid  auf  bicfc  j^ioeimal  jel^n  9lamen  le^rt  ja, 
bafe  jtoifc^en  i^nen  fo  gut  toie  gar  feine  lautlid^e  ober  grai)^ifc^c  (Sleic^^eit  befielt.  Aber 


@etlr  239 

lönnen  fie  nid^t  teite  burd^  Umbilbung  unb  aSerftümmcIunö  unb  tcite  burd^  Uebcrfe^ung 
au^ctnanber  entftanbcn  fein?  3)iefe  ^^age  ift  burd^  ^ommel  in  ben  Proceedings  of 
the  Society  of  Bibl.  Archaeology  1892/3,  p.  243  ff.  unb  bann  in  The  Expository 
Times  (1899/1900,  p.  343  unb  1902/3,  p.  103 ff.)  fo  beanth?ortet  Sorben:  1.  Alorus 
=  hab.  Aruru,  baöSffieib  bc«  ©c^öjjfcrgotte^  Ea,  bie,  tüie  Ea,  SKenfd^en  au^  Se^m  unb  5 
SIul  Inctcte,  =  Adam  „9Kenfd^";  2.  Alapara  (bab.  Adapada,  abgcfürjt  Adapa,  eine 
f/3hjtf(^cnform  jmifc^en  ©ott  unb  SRenfc^",  urf})rün9li(^  „SBort  be«  Sater")  =  Schöth; 
3.  Amelon,  bab.  amelu  ,,5)Jenfd^"  =  Enosch  „?!Jlenfc^";  4.  Ammenon  „mufe  auf  einer 
feilfd^riftlic^en  gomt  ummänu  ,§anbtüerfer,  ©d^mieb,  Äünftler'  berufen",  unb  biefelbc 
93ebeutung  !ann  Kainän  (mono))^'t^on9ifieTt  ^u  K§nän)  beft^en;  5.  Megalaros  ober  lo 
AmegaJarus  fei  tjerberbt  au^  Amil-Aruru  „3)iann  ober  2)iener  ber  Aruru",  unb 
eine  berberbte  ©eftalt  baöon  fei  aud^  baö  ^ebräifd^e  Mahalal'M;  6.  Daonos  ober  Daos, 
toietteid^t  =  Duvu  „Rinb"  =  Jared  „Slbfömmling" ;  7.  Euedorakhos  =  En-me-dur- 
an-ki,  Segrünber  be«  barü,  ^Priefterfd^aft*  ijgl.  bie  ®rjä^lung  über  Ch*n6kh  in  ®en 
5,  22—24;    8.   Amempsinus  =  Amel(„9Kenfc^")-Sin  =  MethuO,?Kann")-8chelach ;  15 

9.  Opartes,    h)ie    „Senormant  für  ba^    bebeutungölofe  Otiartes    lorrigiert    l}ai",   ift 
bab^lonifc^   in  ber  gluterjö^Iung   afö  Ubara-tutu  bemal^rt  toorben  unb  =  Lemekh; 

10.  Chisuthros,  Atrahasis,  fumerifc^  GiStug-dir,  in  Vulgärer  2lu^fJ)rac^e  Qissu-tir, 
ber  bab^Ionifc^e  Noah,  ber  getüöl^nlid^  Pir-napishti  „©onne  be^  Seben^"  genannt 
toirb.  —  9lbcr  natürlich  fie^t  man,  ba^  an  biefen  ®Ieic^fe|ungen  fel^r  toiele«  getüagt  ober  20 
ganx  ^altlo^  ift:  gleich  bei  9?r.  1  tüirb  ja  bie  S(^öj)ferin  be«  SWenfc^en  biefem  it^rem 
^roDuft  gleid^gefe^t.  3)ie  meiften  ^Jorfd^er  loeifen  bee^alb  auf  eine  norf)  geringere  ^aif 
toon  ©lei^^eit^momenten  ^in,  unb  3.  S3.  3^*""^^^  urteilt  in  KAT',  ©.539  fo:  „Die 
93erü]^rungg))unlte  befc^ränJEen  fid^  nid^t  blofe  auf  bie  allgemeine  3:^atfac^e,  ba^  in 
beiben  %äüm  eine  Steige  t)on  gerabe  je^n  Äönigen  bejtü.  Urvätern  jmifc^en  ©c^öj)fung  25 
unb  ©intflut  angefe^t  tüirb,  ijon  benen  in  beiben  fällen  ber  Ie|te,  ber  ^e^nte,  ber  §clb 
ber  ©intflut  ift,  unb  bafe  aufeerbem  in  beiben  3:rabitionen  biefen  §croen  ber  Urjeit  un^ 
getoö^nlic^  lange  Sebenöbauem  ^ugefd^rieben  toerben.  6^  fommen  ijielme^r  auc^  nod^i 
einige  auffällige  Berührungen  in  ©injel^eiten  l&inju.  3)a^in  gehören  1.  bie  Säl^nlic^Ieit 
in  ber  9iamenbilbung  bei  eimellien  ber  je^n  Patriarchen  mit  ber  5Wamenbilbung  bei  benao 
ge^n  Urtönigen  (bei  §ommel  in  ben  Proceedings  Soc.  Bibl.  Arch.  1892/3,  243ff. 
finbet  ftc^  aud^  mancherlei  Unhaltbare«;).  3)iefelbe  ift,  toie  e^  fc^eint,  in  feinem  gaüe 
ber  Strt,  bafe  ber  bab^lonifd^e  -Käme  bireft  ing  ^ebr.  übergegangen  tüäre  (boc^  bead^te  ba«, 
\va^  oben  aur  eventuellen  3"fflwt»"^nge^örigleit  bon  Adapa  unb  Adam  ate  N.  pr.  be= 
merlt  tourbe)."  ä?ielme^r  befte^e  bie  S^nlic^Ieit  nur  barin,  bafe  ber  ^ebr.  9lame  eine  3b 
Überfe^ung  be^  bab.  9lamen^  ober  eine^  Seftanbteite  be^felben  fei.  ©0  entfj)red^e  Amelon, 
toa«  „U)o^l  fieser"  gleid^  am§lu  „?Kenfc^"  fei,  bem  Enösch  „9Jlenfc^",  femer  Amme- 
non mit  ber  „tüal^d&einlid^en"  Sebeutung  „SBerfmeifter"  ober  mit  bem  9?amen  eine^ 
®otte^,  ber  urfj)rünglid^  SBerlmeifter  ge^ei^en  l^abe,  entfj)red^e  bem  K§nan,  beffen  3^- 
fammen^ang  mit  bem  aram.  kainSjä  „©c^mieb"  ober  mit  bem  fabäifc^en  ©otte^namen  40 
Kainan  nai^e  liege.  Enmeduranki  bebeute  ^i\r)a  „DberJ)riefter  (ober  ÄunbigerV)  be^ 
2Jerbinbung«orte«  bon  ^immel  unb  @rbe",  unb  Ch^nökh  fönne  boc^  „ber  ©ingemei^te" 
bebeuten.  Amol- Sin  fei  äl^nlic^  Methü-Schelach.  2.  6ine  auffällige  Übereinftimmung 
jtüifc^en  bem,  \>on  h)a^  Enmeduranki  unb  Ch*n6kh  erjä^lt  toirb,  fei  nic^t  ju  berfennen. 

3.  35ie  langen  Seben^bauern  ber  biblifc^cn  Urväter  gingen  ben  langen  SRegierungöbauem  46 
ber  bab.  Urfönige  t)arallel.  —  5iac^  meiner  3(nfid^t  mufe  man  fid^  auf  folgenbe^  Urteil 
jurüdfgie^en :  ©eh)i^  mögen  brei  ober  Vier  Von  ben  jmeimal  gc^n  9?amen  auf  Überfe|ung 
berufen:  j.  93.  Amelon  fann  „3Henfc^",  \va^  im  Sab^lontfd^-3lf[^rifc^en  amelu  (ober 
awilu  j.  58.  bei  %  ^.  ^arper,  The  Hammurabi-Code  1904,  p.  152)  Reifet,  bebeuten, 
toie  berSlame  be^britten  in  ber  ^ebräifc^en  3«^nerrei^e,  Enosch,  bie  Sebeutung  „SRenfd^"  50 
befi|t.  gemer  Amempsinos  fönnte  einem  bab^lonifc^en  Amelu- Sin  entfj)red^en,  unb 
ba^  Söort  Amelu  fönnte  burc^  Methu  (=  5Wann)  in  Methuschelach  erfe^t  toorben 
fein,  tote  auc^  ^ßraetoriu^  in  ^hm&  1903,  ©.  782  meint:  „bNir^inx:  unb  nVdin?:  fmb 
au^  fremben  ©j)rac^en  in  eine  möglid^ft  Ij^ebräifc^artige  ©eftalt  übergeführt  Sorben".  3lber 
bafe  babei  bie  babt^lonifd^e  gorm  ber  SRamen  bie  ^^Jriorität  befifee,  ift  burc^  fein  tl^at«  66 
fä^lid^e«  SWoment  ertviefen.  (gl^er  fann  man  fagen,  bafe  bie  befonbere  9lrt,  in  ber  bie 
bab^lonifc^e  3:rabition  Von  ben  je^n  9?amen  Aloros  u.  f.  to.  fj)rid^t,  alö  feien  bie^  Ur^^ 
fönige  unb  gtoar  in  bab^lonifd^en  ©egenbcn  getocfen,  auf  Sab^lonifierung  urfjjrünglid^ 
neutraler  üJlaterialien  beruht.  3)afür  fprid^t  auc^  bie  5Ket^obe,  nac^  ber  bie  ^errfd^aftö- 
bauer  biefer  Äönige  berechnet  ift  (nämlic^  nac^  bem  bab^lonifc^en  ©aro^  =  3600  ^af)x^),  co 


240  ®etf| 

Da^  3Sorl^anbcnfcin  einer  Urteile,  au^  bcr  beibc  ^ii)nttxÄl}m  ertüac^fen  finb,  toirb  ja 
auc^  n\6)t  burc^  bie  3^^"}^^^  toer^inbert.  Slber  freilid^  fpric^t  biefe  3^^"^«^  gegen  ben 
mafegebenben  (linflufe  ber  Sab^Ionier  auf  biefe  Unei^e.  2)enn  bei  ben  ö«*räem  tritt 
bie  3c^"iiö^I  Dielfac^  and)  in  ©enealogien   aU  eine  natürliche  runbe  ^abl  auf.    Man 

5  erfie^t  bie^,  hjenn  nic^t  au^  ber  3^^"^^^^  ^^  ©enerationen  toon  Sern  bi^  Slbra^am 
(©en  11,  10—26)  ober  t)on  8oa«  bi«  Saiiib  (3lut^  4,  18—22),  fo  boc^  au«  bem  ^e^n- 
maligen  „unb  ®ott  fprac^"  (®en  1  3—29).  2)iefer  Umftanb  fc^eint  mir  gan^  rid^tig  toon 
2)ittmann,  Über  bie  ^erfunft  ber  urgefc^ic^tlic^en  Sagen  ber  Jpebräer  (Seric^te  ber  SSerl. 
afab.  1882,  6.437)  betont  ivorben  ^u  fein,  unb  Subbe,  2)ie'bibI.Urgefc^ic^te  S.  178ff. 

10  486  ^at  mic^  ni^t  toom  ©egenteil  überzeugt,  dagegen  bei  ben  33ab^loniem  befi^t  ba« 
Degimalf^ftem  feine  grunbleglic^e  Sebeutung,  fonbern  biefe  machten  bie  ©ec^jig  (b.  ^. 
5  X  12)  xur  ©runblage  i^re«  3a]^Ienf^ftemg  (SBincfler  in  KAT*,  ©.  327).  äuc^  fc^eint 
SDpp^xt  (mc^rid^len  ber  Oefettfc^aft  berSBiffenf^^aften  ^uSöttingen,  1877,  ©.201—223) 
nic^t  ben  ?Raci^h)ei«  erbrad^t  ju  l^aben,  bafe  ba«  '^ai^x  1656  nac^  ber  9Renfc^enfc^öpfung, 

16  in  lüelc^em  gemäfe  ®en  5  bie  Sintflut  eingetreten  ift,  au«  ber  t)on  Seroffo«  un«  über- 
lieferten 3^i^^^"""9  ^^  Gl^albäer  entlehnt  ift.  9Sgl.  barüber  SSert^eau  in  ben  3bl^ 
(1878),  ®. 657— 663.—  2(g^))tifc^en  Urfprung  toon  Sctl^  meinte  gr.  Senormant  (Les 
origines  de  Thistoire  1,  p.  217  ff.)  annehmen  ju  bürfen,  inbem  er  biefen  Urfprung 
bur^  bie  Qi)^ta  unb  §^ffo«  »ermittelt  fein  laffen  lüollte.    3;nbe«  fc^eint  mir  6b.  ^ile^er 

20  in  „Q^U%\)pl^on,  eine  religion«gefc^ic^tlic^e  Stubie"  (£eil)jig  1875)  gezeigt  ^u  l^aben,  bafe 
Set  ein  „uraller  unb  ec^t  äg^pttfc^er  ®ott"  mit  einer  „rein  äg^J^tifc^en  St^motogie" 
(S.  4),  nämlic^  „bie  finftere,  toernic^tenbe  5Kac^t"  (S.  24)  lüar,  ba^  femer  bie  3luf^ 
faffung  be«  Set  al«  Sonnengott  au^  feiner  S^^ntifijierung  mit  Saal  unb  ^hjar  burc^ 
fanaanitifc^en  (Sinflu^  t)on  lani«  au«  entftanb  (S.  54  unb  fo  auc^  2Uf.  SBiebemann  in 

26  „Religion  of  Egypt"  im  Extra- Volume  üon  §afting«'  Bible  Dict.  1905,  p.  195^), 
bafe  bann  bie  &\)t\o^  mit  i^rem  Saal  befonber«  ben  Set  ^ufammenbrac^ten  (S.  55),  unb 
(bafe  infolgebejfen   enblic^  ber  Saal  ber  &f)^ta  toon  ben  2tg^))tem  Set  genannt  tourbe 

5.  57).  ©inen  3ufö"^"^€'^^ö"9  bon  Setl^  unb  bem  äg^^jtifd^en  Set  nimmt  unrid^tig 
toieber  ^ommel  an  (3^itfc^t.  „SBiffen  unb  ®lauben"  1903,  S.  10;  bie  altorientalifc^en 

aoDenfmäler  u.  b.  212:,  2.3tufl.  1903,  S.  53.  56):  „5Zac^  bem  toieberJ^ergeftettten  älteften 
lejt  toon  ®en  5  ift  Set^  bie  biblifc^e  ©ntfpred^ung  t)on  Slbapa;  bie  äg^^ter  f^abm  bie« 
öerbunfelt,  inbem  fie  Setl^  jum  Sruber  unb  feinblid^en  ®egner  be«  Dfiri«  matten."  — 
Stammt  bie  Set^itentrabition  enblic^  ettpaau«  fanaanitifd^^pj^öni^if  c^er  DueDe?  3?ein, 
el^er  fönnte  man  fagen,   baj  bie  Äainitengenealogie  (®en  4,  17—24)  mit   i^rer  Slbfic^t, 

36  bie  aUmäl^lic^e  §erau«bitbung  ber  fertigt eiten,  fiünfte  unb  £eben«ti)eifen  bei  ben  3Jlenfc^en, 
alfo  ben  ^orlfc^ritt  ber  Kultur  an  ber  Steige  biefer  3?amen  na^^uhjeifen,  mit  ben  bei 
eufebiu«  überlieferten  gortfe^ungen  ber  J)l;önijifd^en  Äo«mogonie  fo  merftpürbig  jufammen- 
treffe,  bafe  man  be^auj)ten  fönnte,  man  fte^e  bei  ber  Äainitengenealogie  „auf  paläftinifc^^ 
})bönijifc^em  Soben"  (Dillmann,  3)ie  ^ertunft  2C.,  S.  435).    Slber   man   betrachte  bie 

40  belreftenben  Sä^c  be«  ^^ilo  St^bliu«  (bei  ßufebiu«,  Praep.  ev.  I,  10,  5  ff.),  ba^  Amv 
[3eit]  bie  Pflege  ber  Säume  (§  5)  unb  bann  be«  2lion  9lac^fommen  0(og  xal  IIvq 
xai  <Pko^  [alfo  Sic^t,  geuer  unb  g-Iamme]  ba«  %^ü^x  unb  beffen  ®ebrauc^  erfunben 
l^ätten  (§  ()),  unb  beren  9Jac^tommen  feien  Äafio«  unb  Sibano«  unb  Slntilibano«  [alfo 
Sergnamen  !J  getücfen.     ^l^rc  3JJütter   l^älten   bie  Sd^amlofigfeit   ber  damaligen  SÖeibcr 

45  angenommen,  fic^  mit  jebem,  ben  fie  träfen,  j\u  toermifc^en!  3)ie  ^l^nlic^feit  ^toifd^en 
biefen  Sä^en  unb  ®cn  4,17—24  liegt  boc^  nur  in  ber  allgemeinen  S^ee,  bafe  bie  Sm 
fange  ber  ßrfinbungcn  angegeben  iüerben  fotlen,  unb  babei  erinnern  ^^ilo«  Sä^e  bod^ 
minbeften«  aud^  an  gried?ifd;e  ©ebanfen  (g.  S.  üon  ber  ©rfinbung  be«  ^euer« ;  ipcfiob, 
'"ßjgya  x.  rj.  48  ff.  etc.)  unb  mit  bem,  tüa«  er  üon  ber  Sd;amlofigfeit  jener  grauen  fogt, 

5)  fann  er  el^er  auf  bab^lonifd;e  Xemjjelproftitution  '(§erobot  1,  199)  anf^jielen,  al«  an  ®en 

6,  1  f.  erinnern,  Wo  bie  grauen  burd^au«  eine  unfc^ulbige  SloUe  fj)ielen.  3-  Söö^^önge 
(fitudes  sur  les  religions  sömitiques,  2.  6d.  1905,  p.  411f.)  betont,  ^bilo  Sl^bliu« 
l^abe  au«  ben  ^ebräifd)cn  Überlieferungen  cntlel^nt  (empruntö),  lüeil  er  ben  5Ramcn  Jao 
bei  ben  ^l^önijiern  ertoä^ne.  2lbcr  auc^  bie«  ift  fraglich,  ba  e«  tpo^l  einen  alten  ®otte«- 

55  namen  Ja-u  gegeben  l}ai  (ügl.  mein  Sdjriftd^en  „2)ie  babl^lonifd^e  ®efangenf^aft  bcr  Sibel 
al«  beenbet  erlüiefen"  1905,  S.  68  f.).  ^ebenfatl«  aber  fann  ein  fanaanitifc^s))l^ömjifcl^cr 
Urjj)rung  ber  bei  ben  Hebräern  gefunbenen  Urüäterrei^en  nid^t  an^  pofitit)en  2ln^alt«j)unften 
abgeleitet  tücrben.  —  Setreff«  bcr  gcnctif(^en  Se^iel^ung  ber  bebräifc^en  Urtoäterrei^en  lann 
alfo  nur  ba«  Urteil  gefällt  Serben,  ba^  in  i^ncn  alte  Überlieferungen  unb  3been,  bie  fu^ 

Go  auc^  auf  bie  2lbra^amiben  bererbt  Ratten,  in  einer  eigenartigen  ®eftaltun8  botlicgen. 


®etl|  241 

2.  ^a^  genctifc^c  Ser^ältnte  bcr  ©et^ttcnrci^c  jur  Äainitenrctl^e.  Dabei  t[t  nic^t 
bie^  bie  ^auj^tfac^e,  bafe  au^  bcr  ia^t)t[ttfc^en  ^ßentateuc^fd^ic^t  nur  bie  Äaimtenreil^e 
(®en  4, 17— 24)t)oIIftänbig,  bie  ©etl^itenrci^e  blofe  fragmcntarifd^er^alten  i[t(®en4,25f.; 
5,29;  i)öl.  I^ierüber  toeiter  meine  ©inleitung  in^  %%,  @.  196  f.  240),  bie  öoHftänbigc 
©et^itenrcibe  aber  an^  ber  cfoterifc^st^riefterlic^en  ^ßentateuc^fc^ic^t  ftammt.  Sejonber^  6 
auffattenb  ift  öielme^r  bcr  Ümftanb,  bafe  bie  Flamen  ber  Äainiten  (Adam,  Kain, 
Ch<^nökh,  'Irad,  Mechuja'^1,  Methuscha'^1,  Lemekh  fott)ie  beffen  brei  @öl^ne  j'abal, 
Jubal  unb  Tubalkain)  ben  obenerwähnten  ?Ramen  ber  ©et^iten  öielfac^  ä^nlic^  ober 
gar  gleich  fmb.  2luf  biefen  Umftanb  l^at  Suttmann  im  3Jl^tl^oIogu^  1,  ©.171  bie 
SBcl^auptung  gegrünbet,  bafe  „jioeimal  biefelbe  ©tammlifte  t)orIiege,  nur  mit  Meinen  Slb^  lo 
toci(^ungen  in  ber  SJoIge  unb  in  ben  9iamen«formen,  toie  fie  in  allen  Irabitionen  fic^ 
finben".  2)iefe  3luffaj|ung  ^at  öielen  Seifall  gefunben  unb  toirb  noc^  j.  95.  t)on  §oIjinger 
(Äurjer  6)anbIom.  gur  Oen.  1898,  ©.  63)   unb   in  ber   Encyclopaedia  Bibl.   (1903, 

c.  4411)  vertreten.    Silber  toie  ic^  in  ber  toorigen  Sttuflage  erflärte,   bafe  bie  Dberation, 
burc^  Umformung  unb  Umstellung  einiger  Flamen  eine  jioeite  Urtoäterrcil^e  ju  prooujiercn,  i6 
mir  aU  gu  reficftiert  erfd[^eine,  fo  ift  neuerbing«  auc^  toon  anbern  ©eiten  |er  bie  ©elbft- 
ftänbigfeit  ber   beiben  9iamenrci^en  anerlannt  ioorben:   Driöer  (The  Book  of  Gen. 
1905,  p.  80)  erlennt   einfach  ben   eigenartigen  ß^arafter  ber  beiben  ©enealogien  an; 
©unlel  (1901,  ©.  122)  erllärt  gegenüber  Subbe  (2)ie  bibl.  Urgefc^i(^te,  ©.  90  ff.)  „bie 
2:rabition  be^  Je  unb  P  (©etl^iten)  bem  Orunbftod  (nic^t  ber  gegentoärtigen  gorm)  nac^  20 
für  älter  oI«  bie  be«  Jj  (Äainiten)".    Sluc^  gimmern  fommt  in  KAT»,  ©.  542  m  bem 
©d^Iuffe:  Seibe  (bie  je^n  unb  bie  fteben)  fmb  „uralt",  nur  ba^   er  bie  fragliche  äln* 
fc^auung  l^injufügt,  ba&  bie  Äainitenreil^e  in   jieben  afferbing«  nic^t  ganj  fieberen  bab^« 
lonifc^en  Urtoeifen  ober  Dffenbarung^öermittlem  il^re  ^rotot^lc)en  befeffen  Ratten  (©.  538. 
542).   3lad)  allebem  fc^eint  mir  na^  toie  öor  bie  3lnnalbme  riitig,  ba^  bie  Slbral^amiben  25 
unb ,  bann  bie  Oefamtnation  3«rael  —  felbftöerftänblicl   in  i^ren  2^rabitionSträgem  — 
bie  Überlieferung  öon  jtoei  Sinien  ber  äbam^nad^Iommen  befejfen  l^aben. 

3.  Die  in  ber  ©etl^itenlinie  öerförj^erte  ©efamtibee.  —  Sängere  3^^  ^^"^  6h)alb 
mit  feiner  9Reinung,  ba^  //jener  jel^n  Urtoäter  SRul^m  unter  ben  SSorfa^ren  be^  ^a^\)t' 
bortet  getoife  einft  toie  ber  öon  Halbgöttern  ober  teilioeife  gar  @'6tttm  überaus  ]^o(^  30 
gefeiert  tourbe"  (Sa^rbb.  ber  Sibl.  SBiffenfc^aft  VI,  ©.  1),  unb  bafe  ^JWa^alal'el  ber 
©lanjgott  getoefen  fei  2c.  (Oef^.  be«  aSoüe«  3i«rael  I',  ©.  383)  jiemlic^  in  ber  Ser* 
einjelung  geblieben  (ögl.  aber  SBeH^aufen,  3jb2:^  1876,  ©.  400,  2lnm.).  3lber  bann 
toottte  3ftob.  Sroton  jun.  (inbcrAcademy,  ögl.  „Setoei«  be«  ©tauben«"  1893,  ©.353  f.) 
geltenb  machen,  ba^  ben  ge^n  Urtjätem  ein  aftronomifd^er  ©inn  eigne:  fte  Ratten  je^nss 
Qttm^  be«  Sierlreife«  bebeutet.  3)ie  genaueren  5ta(^h)eife,  bie  er  öerfproc^en  l^at,  finb 
meine«  335iffen«  noc^  nic^t  Veröffentlicht,  gemer  §ommeI  bemerlt,  ba^  „bie  legten  fieben 
Urväter,  Kain  bi«  Noach  ober  Ummanu  bi«  Ghisuthros  (Pir-napi§ti  ober  Ghasis- 
atra),  Von  ben  ßl^albäem  in  Sejiel^ung  nj  ben  fteben  ^ßlaneten  gefegt  tourben  unb  bann 
Von  ben  Sab^Ioniem  unter  bie  ^e^n  Monate  be«  fog.  ÜBeltjal^re«  verteilt  tourben"  40 
(The  Exp.  Times  1902/3,  p.  105),  unb  and)  ^mmttn  meint,  e«  fei  nic^t  unh)a]^r= 
fc^einlic^,  bafe  „auc^  bie  biblifd^cn  je^n  Urväter  urfprünglit^  alö  §eroen  ber  ^el^n  erften 
SBeltmonate  be«  erften  SBeltjal^re«  ju  beulen  feien"  (KAT»,  ©.  541).  3lber  bie«  fmb  leine 
ftreng  betoei«baren  annahmen,  unb  jjebenfaH«  in  ber  un«  Vorliegenben  Überlieferung 
toeift  feine  ©pur  auf  bie  ®otte«fteHung  ber  ©etl^iten  ^in.  'Sind)  ^ffciai  ®oIbji^er46 
(3)er  aß^tl^u«  bei  ben  Hebräern,  ©.  149)  mufetc  bavon  abfte^en,  feine  folarifd^e  3Jb)ti}m' 
beutung  auc^  auf  bie  ©et^iten  au«jube^nen  (vgl.  aber  \>od)  bei  i^m  ©.  152 :  Üioad^  = 
bie  äbenbfonne).  Slllerbing«  %x.  Ulmer,  3)ie  femitifc^en  ©igennamen  im  'HX  (1901), 
©.26  bemerlt:  „2)er  ?Rame  ntp,  ben  ein  ©ol^n  be«  07?  fü^rt,  ift  tl^atfäc^Iit^  ein 
®ottc«name".  ätber  er  giebt  feinen  Setoei«,  unb  e«  lä^t  ftc^  über^aujt  nic^t  begrünben,  50 
baft  bie  je^n  Urväter  aui  ©öttern  ober  Halbgöttern  bepotenjiert  feien.  3)e«  ©ötterpant^eon 
ber  Sabl^IoniersSlff^rer  u.  f.  to.  ift  Vor  bem  ®eiftc  ber  ^jroj^^etifc^en  3<^bereligion  über- 
f^yüpt  jerftoben  unb  ni(^t  in  transformierter  ©eftalt  fonfervicrt  toorben.  —  ©0  ioenig 
toie  ber  m^tl^ologifc^e  toar  ferner  ber  et^nogra))l^if(^e  ®eftc^t«punft  ber  J^rimäre,  tomn 
ber  3«raeüt  bie  ätteften  3Dlenfci^engefc^led[^ter  in  jtoei  Sinien  jerlegte.  5Wämlidb  Senormant  55 
(Les  orijdnes  etc.  1,  p.  208  ss.)  meinte,  au«  et^nologifc^em  ®eftc^t«t)unft  feien  bie 
älleften  5Kenfc^engefci^lec^ter  in  bie  nomabifierenben  unb  in  bie  je^l^aften,  ober  in  bie 
gelben  3KongoIen  unb  bie  toeifeen  Äaufafier  jerteilt  ioorben.  Sttoer  bie«  ^at  im  'H% 
feinen  %xff(Ai,  fonbem  bana*  pnb  bie  beiben  Sinien  ber  älteften  5Kenfcl^^eit  —  vielmehr 
au«  religiö«nnoraIif(l^em  ®efi(i^t«))unft   unterfd^ieben  h)orben.    ®egenüber  ben  Jlainiten,  eo 

KeaUdnclyCtot^dbie  für  Zk^oloqit  unb  ftitc^e.    8.  «.  xyill.  IQ 


242  @ftl) 

bic  für  bag  i^raclitifd^e  Schju^tfcm  toon  bornl^ercin  bon  bcr  ©otte^gcmeinfc^aft  toeit  ab- 
tCTten,  finb  bic  ©et^iten  ber  relatib  befferc  5Kcnj(^^eit«jh)eig.  3)er  Schjetö  liegt  in 
folgenbem.  Slud^  fc^on  bcr  S^^^if^  toollte  in  feiner  nur  fragmentarifc^  erl^altenen  Set^iten- 
genealogic  bic  t)er^ältniigmä|ig  gute  5Jac^Iommcnfc^aft  3lbamg  barftetten,  öon  toeld^er  bcr 

6  9)iann  ftanimte,  ber  bic  5Kenfc^^eit  burd^  bic  %lvit  ^inburc^retten  burfte.  3)cnn  jn>ar  ift 
nic^t  bic^  an^uncl^mcn,  ba^  bcr  S^^^'f^  ^^^  ^^"  SetJ^iten  bic  SScrcl^rung  3^^^^  b^' 
ginnen  lic^  (®cn  4,  2G^  ögl.  bagcgen  6j  3,13),  aber  bcnnoc^  liegt  in  4,  25  f.  ein 
t)om  ^a^Diften  ftammenbcr,  hjcnn  and)  l^infit^tlic^  be«  artilellofcn  nn«  unb  be^  elohim 
umgcftaltetcr  Slbfc^nitt  t)or.    SRämlic^   einfach  t)on  einem  Slebaltor  fönnen  4,  25  f.   nic^t 

10  mit  Sc^raber  (©tubien  Jc,  ©.  132)  abgeleitet  hjcrben.  3)enn  toenn  aud^  ®runb  öor= 
^anbcn  gemefen  hjäre,  ba|  er  bic  ©cncalogic  bc«  Äain  (4, 17—24)  mit  ber  bc^  Set^ 
(5,  3  ff.)  in  „eine  angemeffenc  3Scrbinbung"  brächte,  fo  l^ättc  er  biefen  3^)^  toeniger 
erreicht,  alö  t)crfe^lt,  inbcm  er  über  @etl^  ^inau«  auc^  bie®cburt  bc^ßnofc^  eingcft^oltct 
^ätte.    3lIfo  fönnen  4,  25  ff.  nur  bc^l^alb,  hjcil  ftc  Slu^fagcn  enthielten,  bic  ni(^t  toer- 

15  loren  gc^en  folltcn,  bchjal^rt  tüorben  fein,  toenn  fie  babei  an^  betreff«  be«  tJiN  unb  cvrVx 
umgeformt  toorbcn  fmb.  Übrigen«  S.  S^cob  (3)er  ^entateuc^  1905,  @.  lof.)  meint, 
mit  enofd^  fei  ber  Sefer  in  4,  26*  be«^alb  belannt  gemacht  Sorben,  bamit  ber  ©a^  26^ 
„bamatö  fing  man  an  mit  bem  SRamen  ga^bc«  gu  benennen",  toie  ^acob  o^ne  t^at^ 
fäd^lic^en  äln^alt  beuten  toiH,  al«  §inh)ei«  auf  5,  29  angefünbigt  toerbe.  Slber  abgefe^cn 

20  bat)on,  bafe  in  bem  9iamen  n'-  bic  öon  ^acob  barin  gefunbene  ©pur  öom  9lamen  ^a^toc« 
Ieinc«h)eg«  entbedtt  tDcrbcn  lann,  l^ätte  ber  ßr^ä^Icr,  tpcnn  er  mitgacob  al«  ein  einjigcr 
öorau^^ufe^en  tpäre,  biefe  Semerfung  aud^  in  5, 11  anfügen  lönncn,  unb  bann  toärc 
mit  bem  tn  ,,bamal«"  noc^  bcutli(^er  auf  bic  ©eneration  bon  6nofc^  ^ingetoiefen  toorben. 
—  Sllfo   auc^  ber  ^al^bift  l^at   in  ber  ©runblagc  bon  4, 25  f.   feine  SJarftcKung  ber 

26  ©ct^itenlinie  begonnen  unb  boc^  l^at  auc^  fc^on  ber  Sa^bift  nid^t  au^  ber  Äainitenrcil^e, 
fonbern  au^  ber  ©ct^itcnlinic  benienigen  SJlann  ftammen  laffen,  ber  toegen  feiner  ber^ 
^ältni«mäfeigen  ©otttoo^Igcfälliglcit  für  ben  göttlid^en  ^lan  ba«  geeignete  Sßerljcug  tourbe, 
ba«  3Jienfd^cngcfc^lcd^t  bur(^  ba«  ©trafgerid^t  ^inburc^  in  eine  bejjere  ^eriobe  ber  ®ef(^i(^tc 
l^inübcrjulcitcn  (®en  5,  29 ;   6,  5—8).    SJamit  ftimmt  aud^   bic  ©rtoä^nung  9ioal^  al« 

30  eine«  ^erbonagenbcn  frommen  $ef  14,40.  20  Qef  54,  9)  mfammen,  unb  bafe  nad^  bem 
rcligiö^^moralifc^en  ®efid^t«t)unlt  bic  borfmtflutlid^e  SKenfd^l^eit  fc^on  bon  ber  älteftcn 
i«raclitifc^en  2;rabition  in  ^hjci  Sinien  ^erlegt  hjorben  fei,  bic«  toar  auc^  bie  gemeinfamc 
Überzeugung  ber  ?5ntcr))reten  be«  2tltertum«  bi«  auf  Senormant  (Lesorigines  etc.,  1880, 
p.  262).    Man  lann  aud)  in  ber  Il^at  fd^on   bic«   nic^t  jugeben  (gegen  3)UImann  im 

35  Äurjgef.  ejcg.  §anbb.  5.  ®en.  1882,  ©.  87),  ba^  erft  berjenigc,  toeu^er  ba«  4.  Äa^itcl 
au«  Duellen  5ufammengearbeitet  Ijabc,  ben  ®egcnfa|  ber  böfen  unb  ber  guten  Urbäter 
eingeführt  i}ab^.  5Jun  meint  aber  Subbe  (3)ie  bibl.  Urgcf(^ic^tc,  ©.  93—103)  fogar  bie« 
beroiefen  m  l^aben,  ba^  auc^  bie  efoterifd^=priefterli(^e  ©et^itenlinie  nad^  i^rem  genuinen 
©inn  nic^t  bie  relatito   fromme  Slbteilung   ber  borfintflutlid^cn  5Kenfd[>^eit   fein   tooHc. 

40  3)cnn  bcr  ©ünbenfaU  f}ab^  and)  bei  ben  ©et^iten  nad^roirten  muffen ;  ^enoc^  toerbe  tocgen 
feiner  grömmigfeit  ^erüorgc^obcn  (®en  5,24);  nac^  bem  mafforetifc^en  Sejtc  aHcrbing« 
fommc  nur  ein  ©etbit  in  bcr  glut  um,  aber  nac^  bem  famaritanifc^en  ^^cjte  toieU 
me^r  brci;  bic  ©ctl^itcnlinie  fei  urfprünglid^  fclbftftänbig,  fem  bon  ber  berbor^ebenben 
^olie  be«  brubermörberifc^en  Äain«gefc^led^tc«  gebadet.    |>olginger   l^at  biefe  anficht  nur 

45  rej)robujicrt,  nid^t  mit  neuen  ®rünben  gcftüfet,  unb  ®unfcl  \)ßx\d)t  nid^t  gerabe  über 
biefe  aiuöfübrung  33ubbe«,  toeil  er  meint:  „fe)ie  gan^c  2;rabition  bon  biefer  Urzeit,  toic 
fie  P  bietet,  ftammt  au«  Sabi^lonicn"  (©.  122).  2Bcr  aber,  lüie  e«  oben  in  3lx.  1  al« 
rid^tig  criDiefen  lüorben  ift,  bic  ^ebräifd^e  ^arfteUung  ber  Urjcit  al«  eine  minbcften«  rclatiö 
felbftftänbige  betradbtct  unb  bc«^alb  fragen  mufe,  lüa«  benn  bic  ^ebräifc^cn  Duellen  mit 

tiO  ber  3i^<Ji^cit  bcr  Urüätcrrei^cn  gemeint  baben,  bcr  mu^  gegenüber  ber  neuen  Slnfc^auung 
f olgcnbe«  ^u  bcbcnfcn  geben :  a)  2)ie  ben  ©ct^iten  bi«^er  beigelegte  rcliaiö«5et]^if(^e  ®üte 
foU  nur  eine  relative  fein,  ß)  6«  ift  ein  ^Jaftum,  baj  nid^t  au«  ben  Äainiten,  fonbern 
au«  ber  Sctbitenlinic  (fo^ol^l  bei  J:  5,  29;  6,  5—8  2C.,  al«  aud^  bei  EP:  6,  9ff.)  ber 
©tammüater  ber  nacbfintflutlic^en  9JJenfc^l;eit  abgeleitet  mürbe,  unb   ber  bon  9?oa^  er^ 

65  tüartete  «Iroft  (5,  29)  beftanb  barin,  bafe  ^JJoal;  berjenige  ^Jlcnfd^  fein  fottte,  ber  nac^  bem 
Eintritt  bcr  boUen  ©ül^nc  für  bie  mit  ätbam  begonnene  ®otte«t)erlc^ung  eine  neue 
^^5eriobc  bcr  ®otte«=  unb  2)Jcnfd^cnbe;iic^ung  einleite,  lüo  bic  Sldtcrcrbe  md^t  mel^r  einem 
^lucbc  unterioorfeu  fein  tocrbc  (8,  2 1  f .).  2)a  bie  in  33etrac^t  fommenben  ^Partien  be« 
jabüiftifdbcu  alterte«  (3,  17;  5,29;  8,  21  f.)  fid^  [0  genau  entfprec^en,  fo  ift  bic  focben 

(V)  gegebene  SDeutung  jene«  3:röften«  jioeifcllo«  bie  be«  ^al^üiftcn  felbft.    ©ic  ift  aber  au(^ 


bie  be«  213:  überbau»)!  (9,  8  ff.,  09!.  §ef  14,  14.  20;  Scj  54,  9).  35ie  öon  5Joa^  er^ 
tüartetc  2:röftunö  (5,  29)  tarn  nic^t  mit  (Sb.  »öl^mcr  (3)a^  l.Su^  bcr  %f)oxa,  6. 140 f.), 
93ubbe  (Urgejc^.,  ©.  306—309)  unb  ©unlel  (ju  5,29;  @.  50)  auf  bie  änpflan^ung  bc« 
aSeinbcrg«  belogen  toetbcn.  2)cnn  3!ö^^c«  S'^wti^  f^nn  "öc^  bcm  313:  ni(^t  burd^  mcnjc^- 
lid^c  Snitiotiöe  befeitigt  tocrben;  ber^ai^bift  fclbft  fagt  ni(^t^  babon  in  9,  20  ff.  unb  f)at  s 
im  ©egentcil  ben  erften  SBcingenufe  bc^  9Joa^  nid^t  afö  tröftcnb  ^ingeftcHt;  eine  folc^e 
8ejie^ung  bon  ®otte«fluc^  unb  SBeingcnufe  fann  and)  n\d)t  burc^  Sertoeifung  auf  2  Sa 
13,28;  IG,  2;  ^f  104,  15  2c.  begrünbet  toerben.  y)  Die  mafforelifd^en  S^I^Ien  fc^einen 
gegenüber  ben  famaritanifd^en  bie  relatib  originalen  ju  fein,  h)ie  id^  in  meinen  Öei« 
trägen  jur  bibl.  ß^ronologie  (312B2  1883,  ©.  286.  401)  beriefen  ju  ^aben  meine.  10 
d)  ü8on  ber  Äainitenlinie  fann  ja  junäc^ft  bie  ja^biftifd^e  Setl^ilenlinie  nic^t  unabhängig 
gebadet  Serben.  Unb  mie  ift  man  in  ^^rael  ^ur  Slufftellung  einer  gleiten  Urbäterrei^e 
gefommen?  Subbe(S.  184)  anttportel,  hjeil  e^  gerabe  bon  9lbam  in  ber  Urtrabition  jlüci 
©ö^ne  (Äain  unb  ©etl^)  gegeben  l^abe.  3^  mm^  aber  bielmcl^r  fagen  gu  müfjen:  meil 
bie  Urtrabition  eine  bon  ®ott  Leiter  abinenbe  unb  eine  ber  goltgeiDoIIten  9Kenfc^en=  15 
aufgäbe  (21®  17,27:  Tva  Crj^ojaiv  xbv  xvqiov)  nä^er  bleibenbe  ?Kenfc^enrei^e  unter- 
fc^ieb.  aifo  toar  bie  2lnfc^auung  toefentlic^  richtig,  bie  befonber«  beutlid^  bon  2luguftin, 
De  civitate  Dei  15, 17  bertreten  tourbe.  —  3)ie  Sorftellung,  bag  bie  fct^itifc^en  Ur^ 
bäter  relatib  gottgefällig  toaren,  f(^eint  auc^  barin  einen  Sleflej  gefunbcn  gu  ^abcn,  bafe 
ben  ©eti^iten  im  ®egenfa^  ju  ben  Seben^altcrn  ber  fj^äteren  SRenfc^en  (®en  47,  9 ;  20 
^f  90, 10)  biel  längere  fieben^jeiten  beigelegt  toorben  ftnb.  Unb  fann  bie  mit  einem 
9tad^^aII  be^  ©ünbenfatebetoufetfein^,  aljo  einem  SKoment  ber  generellen  Offenbarung 
(bgl.  j.  S.  $efiob«  „SBerfe  unb  läge",  35.  50—201),  unb  ^ugleic^  mit  bem  ftrengeren 
©ünbenbetoufetfein  be«  bon  ber  fj^e^iellen  Offenbarung  erleuchteten  JDienfc^^eit^teile«  ^^xad 
^ufammenl^ängenbe  ^bee,  bafe  bie  menfd^Iid^e  Seben^jeit  in  ungeraber  ^ßro^ortion  mit  bem  25 
gortfc^ritt  ber  ©ünbenfall^fonfequen^en  ftd^  berringert  ^abc,  nic^t  ein  erlaubter  gaftor 
bei  ber  3}orfteIIung  über  bie  ältcften  Seben^Iter  gehjefen  fein?  ®eh)ö^nli(^  ftellt  man 
ja  bie  l^ol^en  Seben^alter  bon  ®en  5  einfad^  nur  ate  eine  parallele  ber  langen  Slegierung^s 
geiten  ber  bab^l.  Urfönige  ^in  (lo  +  3  +  13  -f  12  +  18  + 10  + 18  +  10  +  8  +  18  = 
120©aren,  ä  3600  =  432000  ^abre;  fo  in  Encycl.  Bibl,  c.  4416  unb  3immern,  30 
KAT»,  ©.  541);  aber  auc^  ®unfel  (©.  122)  begnügt  f\i)  n\6)i  bamit,  Jonbern  finbet  in 
ben  l^ol^en  Seben^altern  ben  ©inn  „SBie  ungeheure  Äraft  muffen  bie  2llterbäter  bcfcffen 
^aben,  bie  bie  ganje  5Kenfcb^eit  ^aben  gcugen  lönnen!"  2tber  abgefe^en  babon,  bafe 
jene  Urbäter  boc^  auc^  nur  ii^ren  eigenen  Äinbern  unb  nic^t  ber  ganzen  'iDienjcI^l^eit  ba^ 
Sieben  gegeben  l^aben,  bürfte  ber  biblifc^e  ®ebanle  jener  ^o^en  Scben^alter^angaben  bod^  ao 
richtiger  nic^t  auf  bem  ^^^fifc^en,  fonbem  auf  bem  ct^ifc^en  ®ebiete  gcfuc^t  ioerben. 

4.  3)ie  Sebeutung  ber  einzelnen  ©et^iten.  —  3la^  meinem  Urteil  (bgl.  oben 
5Rr.  3  gegen  (gnbe)  ^at©et^  bei  ben  Hebräern,  fobalb  er  in  i^ren  3:rabitionen  auftauchte, 
ben  „ßrfo^mann"  für  ben  burd^  einen  getoaltfamen  2tu^bruc^  ber  Sünben^>otenji  hjeggerafften 
2tbamöfol^n  ^^A^l  (2lbel)  be^^eic^net.  2luc^  bleibt  e^  fraglich,  ob  ber  cfoterifd^^priefter^  40 
lic^e  ©rjäl^ler,  h)ie  I)illmann  ju  ®en  5,  3  unb  Subbe  (I)ie  bibl.  Urgefc^id^te,  ©.  163) 
tooHen,  bie  ®eburt  be«  ©et^  (®en  5,  3)  al«  bie  be«  fd[^lec^t^in  erften  Äinbc^  bon 
2lbam  gemeint  f)aU,  3)enn  barau^,  bafe  er  bon  ber  Sejie^ung  be^  ©et^  5U  bor* 
au^e^enben  Äinbem  2lbamg  nic^t  au^brüdtlic^  fptid^t,  fann  nid^t  ftc^er  gefd^loffen 
toerben,  bafe  er  bei  feinen  Sefern  Unfenntni«  biejer  Se^ic^ung  borau^fe^t,  ober  ba^  er  45 
folc^e  Unfenntni«  ertoedten  tüiÜ.  3lai}  bcr  Sinologie  ber  in  bemfelben  Kapitel  Leiter 
folgenben  gätte  (SJer^  6  2c.)  müfete  man  meinen,  bag  ©et^  ate  erfte«  Äinb  2lbam«  ge= 
bad^t  fei.  Die  bon  38.  6  2C.  abtoeic^enbe  2lu^brudt^h)eife  „unb  er  gcugte  in  feinem 
Silbe  u.  f.  h)."  unb  bie  Sermeibung  ber  einfacl^en  2luöfage  „unb  er  ^eugte  @et^"  (35.  3) 
fann  boc^  tüol^l  bie  2lnalogie  mit  35.  6  2c.  nic^t  ^erftbren.  2tber  ob  man  nun  tro^bem  60 
fagen  barf,  bafe  biefer  ©rjäbler  bei  feinen  £e[ern  nid^t  bie  Äenntniö  ber  bor^erge^enben 
©enerationen  „Äain  unb  §ebel"  borau^gefe^t  i)ah^  unb  nur  unter  biefer  35orauiJfefeung 
über  beren  ©efc^ic^te  ^inlüeggegangen  fei,  ift  eine  anbere  unb  fc^toer  ju  bejal^enbe  5^age. 
gnblic^  ber  Umftanb,  bafe  ber  nä4»fte  ©etl^it  Enösch  aU  2lp^ellatibum  „5iRenfd^"  be* 
beutet,  erjtoingt  für  ©etl^  ebenfo  menig  bie  urfjjrünglic^e  Sebeutung  „©e^ling,  ©))rofe",  bö 
h)ie  für  §ebel  bie  einftige  2luöf})rac^e  habal  „©ol;n"  (gegen  ©d^raber,  KAT  1883,  ©.  41). 
Überbau^jt  aber  ift  e^  bon  biefer  35ergleid;ung  fjjäter  ftill  gelüorben:  nac^  ©unfein  @e= 
toä^gmännem  (1901  ju  4,2)  lautet  ber  2lu«brucf  aplu;  in  KAT^  1903  ift  nic^t«  ba= 
bon  ertPä^nt,  aber  „ablu,  son"  tüirb  toieber  bon  9i.  %.  ^ar^er,  The  Code  of  liam- 
murabi  (1904)  an^  jtoei  ©teilen  biefe«  Äobej  aufgefül^rt  (p.  147).  —  Ob  Kenan  atö  &> 

16* 


244  ©et* 

,,®ef(^öt)f"  (t)ftl.  kinjan),  ober  al«  „aRctattbilbner  u.  ä."  gemeint  i[t,  läfet  fic^  nu^t 
entfc^eiben.  —  Mahalal'el  ift  ,,£ob  ®otte^"  (praise  of  God  bei  Sroh)n5a)riöer=8ri09«, 
Hebrew-English  Lex.,  p.  339),  h)ie  in  9Ze^  11,  4.  3luf  „splendeur  de  Dieu"  lommt 
Senormant  (Les  origines  etc.  1,  220)  nur  be^^lb,  toeil  er  bie   je^n  Urt>äter  toie  bie 

6  jel^n  t)orfIutIici^en  §errfc^er  Sab^Ionien«  mit  je^n  geic^en  be«  lierfreifeö  jufammen^ 
bringen  ^u  bütrfen  meint.  —  Sem  9lamen  Jered  (Jared)  giebt  grb.  ^tl\^\d)  (SGBo  lag 
ba^  ^ßarabie«?  1881,  S.  149;  ögl.  and)  ^rolegomena  ju  einem  neuen  l^br.=aram.  SBb. 
1886,  ©.  120,  2lnm.)  bie  »ebeutung  „3lblömmling".  tber  bob.^afl.  n"n  f^ai  neben  ber 
eigentlichen  Sebeutung  „l^inobp^en"  in  Ableitungen  and)  bie  meta})l^orifci^e  „untert^änig 

10  fein"  (ögl.  wardu  „servant"  oft  in  ben  §ammurabigefe^en  bei  ^atptt  p.  155).  S3e= 
beutet  e^  aber  and)  „abftammen"?  (3immem  in  KAT*  542  beutet  Jered  nid^t).  aSieU 
me^r  lann  alfo  bie  SBortbebeutung  öon  Jered  nur  „Sliebergang"  fein.  —  Ch*n6kh 
(§enod^)  l^ci^t  „©intoeil^ung"  ober  bann  öieHeic^t  al^  abstr.  pro  concreto  „Singetoei^ter", 
unb  biefer  9?ame  erfc^eint  auc^  bei  bem  ölteften  Sol^ne  Sluben«  (®en  46,  9)  unb  einem 

16  So^ne  5Kibian«  (25, 4).  —  Methüschölach  (3Ret^ufaIal^)  ift  „5Kannbe«SQ3urfgefc^offe«".  — 
L^mekh  (2ame4)  toage  ic^  nac^  bem  arab.  lämaka  „ben  ieig  Ineten"  afe  „Sebrücfung" 
ju  beuten.  Sietteic^t  beutet  Subbe  (6.  102.  129)  ebenfo  ri(|tig  „Ärieger"  ober  „Über^ 
toinber".  —  Nöach  (9loal^)  ift  jebenfaH^  afe  „Stulpe"  gemeint.  3)a«  diavanavaei  ber 
LXX  [timmt  birefter  \n  nb,  afe  ba«  „toirb  (ung)  tröften"  (®en  5,  29),  läfet  aber  tro^^ 

20  bem  nid^t  bie  DriginaUe^art  ^T^:'r^,  vermuten,  ainbererfeit«  ift  e«  ebenfo  unberechtigt, 
toegen  ber  3lu«beutung  be«  n:  „Stulpe"  burc^  „er  toirb  tröften"  (i«nach(ch)*m6nu)  einen 
urft^rünglid^en  „®ott  Nakhum"  in  Noach  ju  Vermuten  (©a^ce  in  The  Expos.  Times 
1904,  p.  514).  —  Clb  biefe  foeben  nac^  ibrem  fiebern  ober  toal^rfc^etnlic^en  SBortfmn 
gebeuteten  9iamen  auc^  nod^  je  einen  f^ejieUeren  Segriff  einfc^Iie^en,  l^ängt  toon  ber  Se- 

26  anttüortung  ber  grage  ai,  ob  ber  Hebräer  auc^  mit  ben  einzelnen  ©etl^itennamen,  unb 
jioar  enttoeber  aUen  ober  boc^  einigen,  5Komcnte  ber  9Renfc^l^eit«enth>icfelung  \^ai  auö- 
brüdten  tooHen.  Son  ber  9Reinung  an^,  ba^  bie  einzelnen  Setl^itennamen  aHe  ein  f olc^e^ 
enttoicfelunggftabium  bejeic^nen  follten,  l^at  gr.  Söttc^er  in  feiner  ©jegetifc^-Iritifd^en 
Sä^renlefe  jum  312:  (1849),  ©.  4 f.  biefelben  ber  Steige  nac^  fo  interpretiert:    ©eti^:  ©afe 

30  (bie  ?Reugef(^affenen  fuc^en  junäd^ft  SBol^nft^e);  ©nofc^  [toa«  aUerbingg  bem  arab. 'aniäa 
,,assuetum,  familiärem  esse"  entfpric^t:  l^cijov  jiohxixdvf  fiebe  barüber  mein  Se^rgeb. 
2,  142]:  (g^mann  (e«  bilbete  fic^  geregelte  Serbinbung  ber  ®efc9lec^ter);  Äenan:  ©c^aff= 
gut(beh)eglic^e§abe);  3)lal^alarcl:  £obegott(®otte^t)erel^rungentfte^t);  ^axit:  9liebergang 
(Don  ben  Sergen  in  bie  Ebenen);    Ch*n6kh  (§enoc^):   ©igen^ab  (man  ertoirbt  ®runb= 

35  unb^erfoneneigentum);  SKet^ufala^:  ©d^iefel^arbt ;  Samec^:  SBürgeric^;  9loal^:  SRu^au^. 
Sei  biefen  Deutungen  ift  Söttd^er  aud^  in  feiner  9ieuen  Irit.  2tl^renlefe,  8b  1  (1863), 
©.  12  f.  geblieben.  Stber  barin  ift  nic^t  nur  bie  Deutung  be^  äluöbrucf«  §enod^  ganj 
ober  faft  unmöglich,  fonbem  auc^  bie  Sorftelluna,  bafe  bie  SWenfc^l^eit  öor  3arA  auf  ben 
Sergen  gelool^nt  l^abe,  ift  nic^t  im  l^ebräifc^en  stltertum  gu  finben.  —  ©obann  ift  Don 

40  Subbe  in  „35ie  bibl.  Urgefc^ic^te"  bie  Slnfic^t  entfaltet  toorben,  bafe  toenigften«  bie  jtoeitc 
$älfte  ber  ©et^itennamen  ^Komentc  ber  ßntioidtetung  ausprägen.  5lad^  feiner  3Keinung 
(©.  180)  foll  ^ax^\>  ben  3Jiebergang  ober  %aU  be^  SJlenfd^engefd^lec^t«  be^eic^nen,  toeil 
bon  i^m  an  bie  SKenfc^^eit  bem  fittUc^en  unb  leiblichen  Untergang  entgegengegangen  fei. 
3lber  ba  ber  auf  ^areb  folgenbe  ^eno^  toeber  in  feinem  9lamen  noc^  in  feinem  %l)nn 

45  eine  ©tufe  biefe^  angeblich  mit  ^a^eb  bcginnenben  SerfaBe«  barftellt,  fo  ift  auc^  biefer 
2Deutung^bcrfuc^  nic^t  mal^rfc^cinlic^.  —  35a  femer  bag  l^ebr.  2lltertum  nic^t  einmal 
mit  3Ka^alaleI  (Sob  ®otte^),  fonbern  mit  6no^  ben  Slnfang  ber  S^^^^berel^rung  ber= 
fnüjjft  i}at  (®en  4,  26^),  fo  fc^eint  e«  mir  am  ric^tigften,  toenn  man  urteilt,  ba^  öon  ben 
einjelnen  ©etl^itennamen  nur  ber  au^jubeuten  ift,  Don  ioeld^em  fc^on  bie  Sibel  felbft  ge^ 

öo  fagt  ^at,  bafe  er  mit  ber  SBirflic^feit  ^ufammentreffe,  nämlic^  9ioa^.  2)iefer  ift  ein  Slu^es 
fj)cnber  ober  2^röfter  nac^  bem  3lu5brudt  be«  an^  ber  ja^Diftifd^en  ©etl^itenerjä^Iung  in 
bie  efoterifc^=j)rieftcrIid^e  ^entateuc^fc^ic^t  aufgenommenen  Slbfd^nittd^en^  (®cn  5,  29)  in 
boj)j)eItem  ©inne.  2)enn  erften^  loar  ^Jloal)  bie  ^erfönlid^Ieit,  burc^  beren  Sermittelung 
ba^  Sienfc^engefd^lec^t  au^  ber  ®otte^fcrne  unb  ber  %nxd)i  Dor  göttlichen  ©trafgerid^ten 

66  in  neue  Harmonie  mit  ber  ®ott^cit  ^inübergeleitet  mürbe  (®en8, 21f.  S^^iP;  9, 
1—17  EP),  unb  jroeitenig  ioar  ^hai)  and)  ber,  ber  auf  bem  Dom  ®otte^fIud^  befreiten 
erbboben  auc^  bie  äöeinrcbe  j)fI<Jnjen  lehrte  (9,  20  ff.  Sa^Dift).  9Jid^t  ift  mit  Subbe  (a.a.D. 
©.  :507f.)  bie  erfterc  biefer  beibcn  3!)eutungen  au^ijufc^lie^en. 

5.  ^JJac^fanonifc^c  ^been  über  ©etp  unb  bie  ©ct^iten.  —  Sei  ber  3)eutung,  bie 

60  nac^  bem  obigen  bie  einzige  ben  ®enefi^beric^ten  entfprec^enbe  ift,  f)at  bie  jübif^e  Sd^rift« 


@ftl|  245 

öelcl^rfamleit  nit^t  Sctul^igung  faffcn  ju  lönncn  gemeint.  Sie  f^ai  toielmel^r  etmelnen 
©etl^iten  totc^tige  Stollen  in  ber  religiöfen  unb  allgemein  lulturgefd^ic^tlic^en  ©nttDiaelung 
^uerteilt:  ©etl^  felbft  foHte  40  3kxge  in  ben  §immel  entrüdft  unb  öon  ben  ßngeln  über 
bie  Orunblagen  be^  Sittengefefee«  (3)u  follft  nid^t  töten,  nic^t  el^ebrec^en  u.J.  \v,),  alfo 
über  eine  SBorftufe  ber  noac^if^en  ®e6ote  unterrichtet  toorben  fein.  ®r  foute  aud)  bie  5 
Äunft  be^  Schreiben«  juerft  geübt,  bie  fünf  Planeten  (aufeer  Sonne  unb  Srbe)  benannt, 
bie  einteilung  ber  g^t  in  '©lonate,  SBoc^en  unb  ^af)Xi  (eine  n\ä)t  unintereffante  Steigern 
folge!)  entbeat  unb  fogar  fd^on  bom  ©rfd^eincn  be«  bie  3Keffia^eburt  anfünbigenben 
©teme^  getoufet  l^aben.  Damit  biefe  bon  @etl^  erworbenen  Äenntniffe  nic^t  berloren 
gingen  unb  auc^  bie  mögliche  boj)t)eIte  JJer^eerung  ber  6rbe  (burc^  geuer  unb  SBaffer)  10 
überbauerten,  fotten  ©etl^  5Wa(^Iommen  eine  ©äule  au«  <3'^0^^"  ^^^  ^'"^  anbere  au« 
Steinen  errichtet  unb  mit  ben  ßrlenntniffen  ©etl^  befc^rieben  l^aben.  Die  erftere  follte 
burc^  bie  ^lut  jerftört,  bie  le^tere  aber  noc^  äxgl  tov  devgo  xatä  rrjv  yfjv  ZiQidda 
toorl^anben  fein  (3!of.,  Antiq.  I,  2,  3).  3*>^t>^"^  fd^eint  babei  eine  bon  ©^ncellu«  auf* 
betoal^te  ©teDe  au«  5Kanet^o  berüdffic^tigt  5U  l^aben,  hjo  biefer  fagt,  ba^  er  bie  h  yfj  16 
ZtjQiadixfj  ftel^enben  ©äulcn  benüfet  l^abe,  bie  im  l^eiligen  SJialcIt  unb  in  ^ßriefterbud^s 
ftaben  bon  iJ^otl^,  bem  erften  ©ol^n  be«  §erme«,  befc^rieben  feien  {ZtQig  ät^iot^ifd^er 
9iame  be«  5lil.  äBer  beult  nic^t  auc^  an  ®efe^e«fäulen,  toie  bie  be«  Hammurabi!)! 
Sd^riften  ©et^«  jiu  beft^en,  rühmten  ftc^  S^ben,  ©amaritaner,  gnoftifc^e  ß^riften  (bef. 
bie  ©et^ianer)  unb  3Rol^ammebaner.  3SgI.  barüber  gabriciu«,  Codex  pseudepigraphicus  20 
Veteris  Test.  I  (1722),  p.  141—147;  11(1742),  p.  49—55,  md)  §erber,  titefte 
Urlunbe  be«  aRenfc^engefc^Iec^t«,  3,  III  (SQäerfe  jur  Siel.  2c.,  ©tuttgart  1827,  6.  2:eil, 
©.  179  ff.)  unb  Äau^fc^,  3tt)ofrVt)^en  unb  $feubet)igrat)l^en  be«  213:  (1900)  II,  ©.  538! 
2tu(^  ©etl^«  grau  hjufete  man  fpäter  gu  benennen:  9lfura  imSuc^e  ber  Jubiläen,  RapA, 
§  11;  £ea  im  „ß^riftl.  2lbam«bu(^  be«  5KorgenIanbe«"  (überfe^t  bon  aJiUmann  in  ©toalb«  26 
Sal^rbb.  b.  bibl.  2Bif[enfc^aft  V,  ©.  80);  ^^wia  bei  ben©etl^ianem(et)ii)]^aniu«,  ^äreft« 
39,  5),  toorau«  bietteid^t  3Rorea  (bei  ^^^^u«,  Adv.  Haereses  1,  34)  berberbt  ift.  — 
3)afe  6no«  über  bie  Sleligion  unb  über  bie  9lrt,  ®ott  anzubeten,  gefc^rieben  f)ab^,  ift 
eine  ganj  fj)äte  3lngabe  (bgl.  gabriciu«  a.  a.  D.  I,  p.  157  s.  unb  bei  Äau^fd^  a.  a.  D.  I, 
467;  II,  46.  73.  258).  —  Über  ba«  ®rab  Äenan«,  ber  feine  ©d^ioefter  5KuaIelet  ^ei^ao 
ratete  (Jubiläen  4,  §  14),  aber  bor  ber  glutlataftrop^e  bon  feiner  gamilie  hjeggetoanbert 
fein  foIIte,  foll  ätlejanber  b.  ®r.  an  3lriftoteIe«  gefd^rieben  l^aben  (gabriciu«  a.  a.  D.  I, 
p.  1598.).  —  3)en  9Jamen  S^reb  beuteten  ©j)ätere  fo,  ba^  p  feiner  3^^*  ^M^  ßngel 
©otte«,  toelc^e  bie  SBäc^ter  ^ei^en,  auf  bie  ®rbe  geftiegen  feien,  um  bie  9Jlenf(^en  ju 
lehren,  Siecht  unb  ®ered^tigleit  auf  ber  6rbe  gu  üben"  (Jubiläen  4,  §  15).  ^m  §eno^*  35 
bud^e  6,  §  5f.  aber  fte^t  bafür:  200  ©ö^ne  be«  §immefö  ftiegen  in  ben  3agen  3iareb« 
(tüofür  Ardis  gelefen  hjorben  fein  mag,  bgl.  ®.  Seer  bei  Äaufefc^  a.  a.  D.  II,  ©.  239) 
auf  ben  ®ij)fel  be«  Serge«  §ermon;  fie  nannten  ben  33erg  aber  fo,  toeil  fte  auf  i^m 
burd^  SSertoünfc^ungen  fic^  einanber  berj)f(i(^tet  l^atten  (bgl.  ®en  6, 1  f.).  Ober  man 
beutete  Ss^teb  fo,  ba^  „feine  ©ö^ne  anfingen,  bie  Sefe^le,  bie  er  i|>nen  gab,  gu  über^  40 
treten  unb  bon  bem  ^I.  Serge  ^inabmge^en  unb  fic^  mit  ben  Äainiten,  ber  unreinen 
9lotte,  ju  bermifc^en  (ß^riftl.  3lbam«buc^  a.  a.  D.  ©.  92).  —  Über  §eno(^  fie^e  oben 
8b  VII,  682f.  —  ©c^on  5Ket^ufala^,  ber  feine«  Sater«  ©d^toefter  gbna  e^elid^te 
(3ubiläen4,  §27,  bgl. toeiter bei Äau^fd^  a.a.O.  II,  ©.536),  fott ein  ®eri^t«^au« (bßth 
din),  eine  ©^ule  gegrünbet  ^aben,  toorin  ^auj)tfä(^lid^  ba«  au^  ber  9iatur  entnommene  45 
®efe|  gelehrt  toorben  fei.  6«  ift  auc^  erllärlid^,  ba^  toon  i^m,  ber  nac^  ber  überlieferten 
ß^ronologie  alle  5Kenf(^en  an  £eben«erfa^rungen  übertroffen  l^atte,  auc^  ©Jjric^hjörter 
abgeleitet  tourben  (gabrtciu«  a.a.D.  I,  p.224— 227).  — Über  ?Roab  f.  oben  SbXIV.— 
3lod)  biele  6injel|eiten  finben  fid^  in  ben  ^feubej^igrajj^en,  bie  ben  älteften  biblifc^en 
^erfonen  jugefd^rieben  tourben  (bgl.  oben  Sb  XVI,  237  ff.)  unb  in  ben  jufammenf;ängens  00 
ben  2)arftenungen,  bie  man  fj^äter  bon  ber  Urgef^id^te  geben  ju  lönnen  meinte,  toie  im 
Sud^  ber  ^wbiläen,  bem  ßl^riftl.  2tbam«bud^  u.  f.  W. 

6.  Segiel^ung  ber  ©etl^iten  ju  ben  „®otte«fö^nen"  bon  ®en6, 1—4.  —  Unter 
„ben  ©binnen  ®otte«"  lönnen  nid^t  bie  ©et^iten  berftanben  fein.  Die  ®rünbe,  hjeld^e 
gegen  bie  ®Ieic^fe$ung  ber  beiben  genannten  ®röfeen  entfc^eiben,  fmb  biefe  brei:  a)  3)a«  55 
mit  bemairtilel  barfe^ene  Q^'^s'  (6,  1)  meint  groeifello«  ba«  ganjc  5Kenf(^engef(^Iec^t,  unb 
ebenberfelbe  beterminierte  3lu«brudt  mufe  o^ne  allen  3^^ifrf  i"  S.  2  ebenbenfelben  Segriff 
beieic^nen.  ällerbing«  meint  ©tradt  (2)ie  ®enefi«  au«gelegt  1905,  ©.  26  f.),  e«  „fänben 
fiep  SeifJ)iele  bafür,  ba^  ba«felbe  SSJort  guerft  in  allgemeinem,  unmittelbar  barauf  in 
einem  burc^  einen  ®egenfa^  befd^ränlten  ©inne  gebraucht  toirb:   ?H\  19,  30  ff.  bejeid^net  eo 


246  @et^  Seticrian 

,,bic  ©öl^nc  ^S^tacl^"  crft  alle  jhjölf  ©tämtnc,  bann  bic  übrtßen  ^^^ö^^i^cn  mit  9luö= 
f(^Iuft  berSenjaminitcn".  aber  oa  liegt  ja  nur  ber  belanntc  %aü  \)ox,  lüonac^  ein  äu^- 
brud  nac^  ber  gormel  a  parte  potior!  fit  denominatio  auc^  t)Ott  ber  ^Jlajorität 
feinet  Umfangt  gcbraud^t  toerben  lann,  aber  ^ier  in  ®en  6  fte^t  ber  SKeinung  ©trad^ 

6  folgenbeg  ^mx^a^i:  entgegen :  a)  Ci^rt  foß  ja  nad)  ©trad  in  6,  1  nic^t  bie  ganje  5Kenf(^- 
^eit  bejeic^nen,  h)iebo^bie„3^raditen"  in9li  19,  30ff.  guerft  aanjS^rael;  ß)  mit  an^n, 
ba^  in  6, 1  bie  gan^je  SKenfd^l^eit  bejeic^nct,  mären  in  2  a  bie  Jtainitenlinie  bejeic^net,  alf o 
ni(^t  ber  ^auj)tteil,  hjie  im  tüeitercn  93erlauf  t)on  9li  19,  30  ff. ;  y)  f}kx  in  @en  6,  2  toäre 
tüieber  nidpt,  lüie  in  9li  19,  30  ff.,  ber  Slu^brucf  ha'adam  mieber^olt,  um  eine  Stbteilung 

10  be^  3!Henf4>engefci^Iec^t^  ^u  bejei^nen,  fonbern  anstatt  ha'adam  h)äre  ein  anberer  3lu^ 
brucf,  nämlic^  b®n§  ha'elöhlm  „bie  ©ö^ne  ©otte^"  gelüä^It.  älfo  ber  anbere  3:eil 
ber  3Jlenfd^cn  hjäre  nic^t  nur  nic^t  unter  bem  Flamen  „5Dlenfcl^en"  mitbegriffen,  fonbern 
er  ^ättc  einen  bejonberen  9iamen,  ber  ^ier  al«  ©egenfa^  ju  „SRenfd^en"  gebraucht  nicbt 
einen  Steil  berfelben  meinen  fann.    goIgli(^  bleibt  jener  erfter  ^auj^tgrunb  beftcben,  urib 

16  bamit  ift  bie  ganje  grage  fc^on  entf^ieben.  5Jur  fefunbär  fmb  alfo  noc^  jtoei  anbere 
®rünbe,  nämlid^  b)  ber  äu^brud  „bie  ©ö^ne  ®otte«"  ift  im  fonftigen  Sfe  eine  Se-- 
jeid^nung  ber  ßngel  (unb  nur  ba^  (grtoäl^Iung^bolf  fohjie  beffen  l^ö(^fte  Vertreter  Serben 
linterl^er  in  metat^^orifd^er  SBeife  in  ilinbe«üerl^ältni^  ju  ®ott  gefegt).  3llfo  ift  aud) 
bc^^alb  ^öd^ft  untoa^rfc^einlic^,   ba^  ber  Slufgeid^ner  ber  fraglid^en  Irabition  mit   jenem 

20  Sluöbrud  bie  gegenüber  bcn  ^ainiten  rclatit)  beffere  ©ct^itcnreibe  gemeint  fyiU,  c)  @r 
tooHte  i)öi)\i  hja^rfd^einlid^  berichten,  bafe  bie  3Serbinbung  überirbifc^er  unb  irbifc^er  2Öefen 
ben  Urfprung  ber  SHiefen  (6,  4)  t)eranlafet  l^abe.  Dur(^  6l^cn  öon  ©ctJ^iten  mit  Äai= 
nitinnen  hjürbe  biefer  nic^t  erflärt.  Die  ^ier  vertretene  3luffaffung  toon  ®en  6,  2  liegt 
auc^  in  »rief  ^ubä  (3?.  6)  t)or,  obgleid^  6.  g.  Äeil  (Die  SSrief e  5ßetri  unb^ubä,  ©.307) 

26  bie  Slufeinanberbejie^ung  beiber  SiuelfteHen  leugnet.  SBie  alfo  bie  ©ctl^iten  nid^t^  mit 
ben  „©ö^nen  ®otteö"  ju  tf)un  l^aben,  fo  auc^  enblid^  nid^t^  mit  ben  benß  scheth,  ben 
„©ö^nen  be«  firac^en^  ober  ^umultei^",  b.  1^.  bie  greunbc  be«  Äricg^etümmefe  CJJu 
24,  17).  db.  »tii0. 

Sct^tttuer  f.  b.  31.  D^ leiten  Sb  XIV  ©.  405,3iff. 

30         ©enertttttcr,  ©nojHlcr  f.  b.  31.  Dt^^itcn  Sb  XIV  ©.  405,  6i. 

®t\)man,  Sifc^of  t)on  &abala,  geft.  nad^  408.  —  SSgl.  5abnciu§=$)arIeS,  Biblio- 
theca  graeca.  10.  .^amb.  1807,  507—510  (abgebrucft  MSG  65,  lOff.):  ß.  ^crucö  in 
DchrB  4,  ßonbon  1887,  G25f.;  O.  SBavben^eroer  in  m  11,  &veiburg  1899,  215ff. 

Der  Sifc^of  ©etoerian   t)on  &abala  in  ©^rien   i)at  in  ber  Ionftantino})oIitanifd^en 

36  Äirc^^en^olitif  eine  Stoße  gefj)ielt,  auf  bie  bereite  im  3lrt.  ßl^r^foftomud  (f.  S3b  IV, 
104,5jff.)  üorübergej^enb  ^ingetoiefen  toorben  ift.  Duellen  bafür  fmb  ©ofrate«  H.E.  6, 11 
(t)gl.  aud)  bie  abtoeicbenbe  Slelation  im  3lnl^ang  j\um  6.  Su(^),  ben  ©o^omenu^  H.  E. 
8, 10  auö'fc^reibt,  unb  ^^attabiug  (f.  Sb  IV,  102,  20).  3iac^  ©ofrate^  tourbe  ©eöerian  burc^ 
ben  ßrfolg,  ben  fein  3lmtgbruber  Stntiodbu^  bon  ^tolemai^  in  ^l^oenijien  (Genn.  vir.  ill.  20; 

40  3itate  au^  feinen  nid)t  erf^altcnen  ©c^riften  bei  X^eoboret,  Seontiu«  u.  a.  |MSG  83,  205. 
86,  1,  1:3 16.  86,  2,  20441;  bgl.  auc^  Äaro-^Sie^majin,  Ratenenf atalog  3.  566.  584  f.  589., 
©({>ermann,  ^lorilegien,  22.  25.  34.  36)  mit  feinen  ®aftj)rebigtcn  ju  Äonftantinoj)eI  l^atte, 
betoogcn,  glcidbfatlö  in  ber  SieiA^^aujjtftabt  fein  Sic^t  leuchten  ^u  laffen,  unb  gleid^faH^ 
mit  Grfolg,  obioobl  feine  3tu^f})rac^e  bed  ®riec^ifd^en  unangenehm  auffiel.    Siome^mlid» 

46  in  ber  ,^ofgefeüfd»aft  hat  er  (Sinbrud  gemad^t,  auc^  bei  (S(>r^foftomuö  ftc^  lieb  itinb  )\u 
mad)en  berftanben.  Da^  ibm  biefer  bei  borübergel^enber  3lbrüefen^eit  in  6j)l^efuö  (401) 
bic  Sorge  für  bie  5?ird^e  ant>crtraut  babe,  ift  eine  Se^auJ^tung  be«  ©o^omenuig,  bie,  toeil 
fie  !cinc  ©tü^c  bei  ©ofrateö  finbet,  feinen  ®Iauben  Derbicnt.  ^ebenfaH^  ober  ^at  ©. 
bicfc  3lbu>cfcnbcit  bcnu^t,   gegen  (Sbrt;foftomu^  ju  intriguieren,  unb  ift  mit  beffen  3lrc^i= 

50  biafon  ©craj^ion  (f.  b.  3lrt.  oben  3.  220, 12)  in  einen  ®egenfa^  geraten,  ber  nac^  be^ 
6r;^bifcbof^  fflüdfc^r  juni  93ruc^>  führte.  Gbrvfoftomu^  fd^enfte  feinem  Diaionen  SSertrauen 
unb  ,;^ioang  (fo  Sofrate^)  ben  Sci^crian,  bic  ©tabt  ju  ijcrlajjcn.  Slllerbingg  toeranlafete 
bic  Maifcrin  (Subojia  fofort  feine  ^Wüdtcbr.  2>erföbnuugö^rebigten  (f.  u.)  Derbedten  ben 
3üft.    ©eüerian  aber  intriguicrte  tocitcr.    3tuf  jener  „(Sid)cnft)nobe"  (f.  ob  IV,  105, 28  ff.) 

66  toar  er  einer  ber  ^Infläger  bc^  (5(;rvfoftomu^  (Pallad.  Dial.  MSG  47,  29.  Phot.Cod.59 
p.  '>']).  Qx  hatte  bie  ^frcc^beit,  bic  3Ibfcfeuug  feinet  ®egncr^  auf  ber  Stam^l  ^u  fytx- 
teibigen  (Sotratcö  6,  16.  ©ojomenu^  8,  19).     3lucl?   in    ber  toeiteren  ©nttoidelung   ber 


Senerian  247 

3)ingc  (f.  b.  3lrt.  ß^rvjoftomu^)  f}ai  er  eine  toenig  erfreulid^e  SioIIe  gcfjjielt.  ^aHabiu^ 
öiebt  il^m  ©(^ulb  an  ber  2;ran^t)ortation  be^  berbannten  G^r^foftomu^  bon  Gticufug  na($ 
$it^u«  (»b  IV,  107,  27).  3)ie3eit  feine«  lobe«  ift  unbefannt.  ©ennabiu«  (vir.ill.21) 
giebt  lebigüt^  an,  toa«  tüir  un«  o^nebie«  lonftruieren  lönnen,  ba^  ©etoerian  unter  ber 
9legterung  I^eoboftue*  II.,  b.  i).  jhjifc^en  408  unb  450,  geftorben  fei.  ö 

Son  Seberian  fagt  @ennabiu«  (1.  c):  in  divinis  scripturis  eniditus  et  in 
homiliis  declamator  admirabilis  fuit.  Damit  ift  ber  Sercid^  ber  fd^riftftellerifc^en 
3:^ätigleit  be«  3Kanne«  richtig  umfd^rieben.  ©ennabiu«  l^at  bon  ©cberian  einen  Jtoms 
nientar  ju  @a  unb  einen  libellus  gratissimus  de  baptismate  et  epiphaniae  sollem- 
nitate  gelefen.  6«  hjäre  benfbar,  bafe  biefc  Sdbrift  mit  bem  Xoyog  elg  xä  ^eotpdvinf  lo 
ber  in  Cod.  Mosqu.  syn.  CCLXXI  al«  feberianifc^  überliefert  unb  Don  SKatt^äi  (Lee- 
tiones  Mosqu.  2,  2ei}3jig  1779,  Iff. ;  MSG65, 15— 26)  herausgegeben  mürbe,  ibentifc^ 
ift,  obtool^l  barin  bon  ber  2^aufe  nur  beiläufig  bie  Siebe  ift.  Der  litterarifd^e  3lad)la^ 
©eberian«  ^arrt  aber  nod)  ber  Iritifd[^en  Untcrfuc^ung,  unb  im  golgenben  fann  nur  eine 
Überfielet  über  ba«  9RateriaI  gegeben  toerben.  ^on  ben  Kommentaren  fd^eint  ni(^t«  er^  i6 
galten  geblieben  ju  fein  al«  hja«  in  Äatenen  unb  ?fIorilegien  citiert  hjirb  (f.  ben  General 
Index  in  SBrigbt«  Catalogue  of  the  Syriac  MSS  in  the  British  Museum,  fohjic 
bie  SRegifter  bei  «aro^Sie^mann  unb  ©(^ermann  [o.  ©.  246, 4iJ  s.  v.  ©eberian).  Sleid^er  ift 
ber  ^omiliennad^Iafe.  SBir  beft^en  1.  eine  ©ammlung  bon  15  §omilien  ©eberiang  in  alt^ 
armenifdber  Überfe^ung  (^erauSgeg.  bon  3-  35.  Sluc^er  u.  b.  3:.  Severiani  sive  Seberiani  20 
Gabalorum  episcopiEmesensishomiliae,  3Senebig  1827;  bie  7.  unb  13.  biejer§omiIien 
[Sluc^er  250—293  unb  414—427]  finb  auc^  griec^ifd^  unter  ben  SBerlen  be«  S^rVfoftomu« 
erhalten:  elg  xö  §t]x6v  xov  'Aßgadju  Gen.  24,  2  [MSG  56,  553—564]  unb  elg  xrjv 
Tragaßolriv  negl  ovxrjg  [59,  585—590];  bie  10.§omiIie  [äluc^er  370— 401 J,  ift  ibem 
tif(^  mit  ber  13.  ber  24  ^omilien  Safiliu«'  be^  ©rofeen  [MSG  31,  bgl.  Sarben^emer,  25 
^atrologie*,  248J);  2.  bie  §omiIie  negl  6e^i;v?7^  (de  pace),  bie  ©eberian  bei  ©elegenl^eit 
feiner  borüberge^cnben  Slu^fö^nung  mit  G^ri^foftomu^  (f.  0.  246, 53)  gehalten  ^at  (^erauögeg. 
bon  31.  ^aj)aboi)uIo^sÄerameue  in  ben  'AvdXexxa  leQoooXv^xixtjg  axnxvoXoyiag  1, 
^^eter^b.  1891,  15—26;  ein  Iateinif(^e§  Sruc^ftücf  unter  ben  SBerfen  be«  G^rbfoftomu^ 
MSG  52,  425—428);  3.  jtoei  faibifd^  erhaltene  Srud^ftücfe  einer  §omilie  ;\um  ^Jlic^aete-  30 
tage,  bie  für  bie  ©efd^ic^te  ber  enaelbere^rung  nid^t  o^ne  Sclang  fmb  (^erau^geg.  bon 
3.  Seipolbt  in  ben  älg^plifc^en  Urfunben  ber  fgl.  ^Jlufeen  ju  Serlin,  Äojptifd^e  Ürlunben 
16,  Serlin  1904,  189 f.;  bgl.  Seij^olbt,  3)ib^mu«  ber  Slinbe  bon  SlIeEanbria,  Seij^^jig  1905, 
923lnm.);  4.  ein  burd^Cosm.IndicoplTopogr.  Chr.  lib.  10  (MSG  88, 41 7  ff.)  beglaubigte«, 
unter  ben  JBerlen  be«  6^rt;foftomu«  (MSG  56, 429—500)  gebrudtte«  'ESarjjuegov  (orationes  ss 
sex  in  mundi  creationem).  5.  6in  Heine«  95ru(^ftüdt  au«  einer  ©d^rift  ctr.  Novatum 
(ob  ^omilie'O  finbet  fic^  bei  ©elafiu«,  de  duabus  naturis  (3;biel  Epist.  Pont.  Rom.  p.  552, 
bgl.  ba«  ^toeite  al«  feberianif(^  o^ne  Slngabe  ber  ©c^rift  begeid^nete  Srud^ftüd  p.  556). 
6.  3n  fobtifd^er  Überlieferung  ejiftieren  nod^  berfc^iebene  ^rebigten  ©eberian«,  tüic  au« 
3oega,  Catalogus  codicum  copticorum  (SRom  1810;  anaft.  9Jeubrudt  Seijijig  1903)40 
unb  au^  SB.  6.  Grum,  Catalogue  of  the  Coptic.  Mss.  in  the  British  Museum 
(Sonbon  1905)  ^u  erfe^en  ift  (^loti^  bon  3- S^^l^olbt,  ber  bie  2lbft(^t  ^at,  biefe  Ie?te  ju 
fammeln).  3"W^^*^^"  möchte  man  ©eberian  ferner  §omiIien  tieqI  xov  xaxd  McDvaicog 
ö<p€cog,  8v  iaxavQcoaev  h  xfj  igijjufOf  xal  negi  xfjg  '&eiag  xgiddog  (de  serpente 
quem  Moyses  in  cruce  suspendit),  elg  xdg  o(pQayTdag  ßißUayv  (de  sigillis  46 
librorum)  unb  xaTa7oi;^a(a)v(adv.Judaeos),  aße  brei  unter  be«  ßl^r^foftomu«  9?amen 
überliefert  (MSG  56,  499—516.  63,  531—544.  61,  793—802;  für  xaxd  'lovdaicov  ift 
jubead^ten,  bafeCosm.Topogr.  lib.7  [MSG88,  373J  jtoar  eine  fold^e  ©d^rift  beglaubigt, 
feine  Slngabe  au«  bem  Qn^alt  aber  in  ber  })feubo(^rVfoftomi[(^cn  feinen  SBiber^all  finbet). 
3n  ben  Sacra  Parallela  be«  go^anne«  bon  a)ama«fu«  (MSG  96,  533)  loirb  eine  50 
^onülie  xaxd  algexixdyv  citiert,  bon  ber  ^itra  ein  ©tücfc^en  in  bem  bon  il^m  beröffcnt^ 
lichten  Fragment  unter  ©eberian«  9?amen  o^ne  Überschrift  tüicbererfennen  möchte.  35a6 
ba«  bon  max  (SpiciL  Rom.  10,  221—223)  publizierte,  nod^  MSG  65,  27  f.  unter 
©eberian«  Flamen  gel^cnbe  Srucbftüdt  einer  §omilie  de  pythonibus  et  maleficis  nid)t 
bon  ©eberian  flammt,'  fonbern  original  latcinifcb  ift  unb  bon  ^etru«  Gbr^fologu«  l^er=  55 
rüf^rt,  geigte  %x.  Siberani  (Spicilegium  Liberianum  1,  glorenj  1863,  192 f.;  bgl. 
SarbenJ^ehjer,  $atrologie^  306).  Urbain  Souriant  ^at  im  Recueil  de  travaux  rela- 
tifs  ä  la  Philologie  et  ä  Tarch^logie  ^gyptiennes  et  assyriennes  7,  1886,  i)l 
ein  furge«  bo^eirifc^e«  BtM  beröffentli^t,  ba«  ben  2:itet  fül^rt:  „6ine  xa{>r]xr]oig  (sie) 
unfere«  l^eiligen  SSater«  2lbba  oev}]Qiavog'*  (5Jotij  bon  £et^)olbt).  ®.  Ärügcr.     eo 


248  Setiertttttd,  ber  ^eilige 

SeHerimtd^  bcr  ßciligc,  gcft.  482.  —  Eugippü  Vita  Scverini  rec.  4>.  ©nuppe  in 
MG  Auct.  ant  ©b  I,  2,  1877;  rec.  $.  ^noell  in  CSEL  S3b  8,  2,  1886;  gdcbricf),  St© 
2)cuti(^Ianb§  1.  SBb  1867;  Kaufmann,  3)ciitfd)c  ®cf(^.  2.  ©b  1881;  ©attenbad),  ®efd)icf)tö-' 
quellen  1.  S3b,  7.  §(ufl.  \).  3)ümmler,  1904  6.50ff.;  3ung,  3)ie  vornan.  fianbfd>aftcn  beö  röm. 
6$Rei(^§,  1881;  SernouKi,  3)ie  |)eingen  bev  ^erouingcr,  1900  ©.  47 ff.;  ^laurf,  Äö)  ^eutf(^= 
Ianb§  1  ©b,  3.  ^lufl.,  @.  361  ff. 

3)ic  Sita  Setocrini  geigt  bie  fird^Iit^cn  gwftänbe  be«  nörblic^en  Sioricum  unb  bcr 
benad^barten  rälijd^en  (Srcnjregion  tüä^renb  ber  bur(^  ba«  Vorbringen  ber  ©ermancn 
bebingten  3luflöfung  ber  9lömerl^errf(^aft  in  ben  äl^engegenben.    a)ie  immenjc  Sebeutung 

10  ber  Äird^e  in  bem  3w|ammcn[turj  ber  WdÜxi^m  Oetüalt  lommt  laum  irgenbh)o  fo  flar 
gur  ainfd^auung,  ate  in  biejcn  anf})ruc^öIojen  93Iättem. 

Sioricum,  baig  2tlj)engebiet,  ba^  nörblic^  bon  ber  3)onau,  toeftüt^  bom  3nn,  füblic^ 
bon  ber  §aui)tfc^eibelette  be«  (Sebirge«  begrenjt  hjar  unb  ftc^  öftlic^  bi^  jum  äCbfaß  bc^ 
©ebirge«  nadf  ber  Jjannonifc^en  ßbene  gu  erftrcdfte,  h)ar  öon  ben  feltifd^en  Sauriölcm 

15  betool^nt  unb  tourbe  Ib  \>.  &f)x.  mit  bem  römif d^en  9lei(^  berbunben.  Seit  bem  ©nbc 
be«  3.  3fl^tl^u«b^^  unferer  ^ra  toar  e^  in  bie  gtoei  ^robinjen  Noricum  ripense  unb 
mediterraneum  gerlegt. 

©d^on  in  biefer  3^*^  begann  ba«  ß^riftentum  in  9loricum  pu^  gu  faffen.  33ei  ber 
engen  Serbinbung  ber  ^rot)ing  mit  ^ialkn  ift  ba^  an  fxd)  toa^rfd^ieinlic^;    au^rüdtlic^ 

20  beftätigt  toerben  bie  frül^en  anfange  beö  ßl^riftentum^  in  Sloricum  burc^  aitbanafm^,  ber, 
ol^ne  einen  beftimmten  Sifc^of^fi^  gu  nennen,  boc^  toiberlj^olt  norifc^e  Sifd^ijfe  ertüä^nt 
(apol.  c.  Arian.  1,  ögl.  37;  bist.  Arian.  ad.  mon.  28).  ©rinnert  man  ftd^,  ha^  ber 
93if(^of  SJictorin  bon  $etot)ium,  einer  jpannonifc^en,  aber  genau  an  ber  ®renje  5Woricum^ 
gelegenen  ©tabt  (5ßettau  in  ©teiertnarl),  mit  bem  Orient  gufammen^ing  (Hier,  de  vir. 

26  ill.  74),  fo  barf  man  anncl^men,  bafe  bei  ber  Verbreitung  be^  Gl^riftentumö  in  9loricum 
ftc^  griec^ifd^e  unb  lateinifc^e  ©inflüjfe  Ireugtcn. 

3ln  Siac^ricbten  über  bad  ßl^riftentiim  in  Sioricum  toäl^renb  be^  4.  unb  5.  3a^r= 
l^unbertg  bi^  auf  ©eberin  fe^It  e«  t)i)IIig.  gn  ber  2eben«befc^retbung  ©eöerin«  erf^eint 
ber  Übergang  ber  93et)ölferung  jur  neuen  9leIigion  ate  DoIIenbet,   toenn  auc^   ^eibnifc^c 

30  D^fer  im  ©e^eimen  noc^  borfamen  (c.  11).  Sord^  (Lauriacum)  toar  ©ii^  eine^Si^tum^ 
(c.  30);  bie  ©tabt  befa^  mehrere  Äird^en  (c.  28).  ßine  gleite  bif(^öflid^e  ©tabt  hjar 
iibumia  (2:eumia,  an  ber  Drau,  SRuinen  ber  ©tabt  in  Sumfelbe  in  Äämtl^en;  c.  21). 
3Da^  and)  ßeleja  (6iHi  in  ©teiermarl)  unb  Sirunum  (im  gottfelbe  bei  Älagenfurt) 
»if^^ofgft^e  ^etoefen  feien  (®Iüdf  in  ben  SBicner  ©S.  XVII,  ®.  143  ff.),   läfet  fi(^  nic^t 

36  betoeifen.  Äird^en  Serben  erh)ä^nt  in  ©algburg  (c.  13),  in  Slftura  unb  ßomagena  (c.  1 
bei  illofterneuburg  unb  lulln),  in  bem  Äaftett  ßucußä  (c.  11  Äuc^el  a.  b.  ©algad^), 
in  ben  rätifc^en  (t)inbelicifc^en)  Orten  Quintana  (^lattling  ober  Äünjing  an  ber  3!)onau 
oberhalb  ^affau  c.  15,  bie  Äirc^e  ift  ein  §olgbau),  Sojoburum  (Soitro,  bie  S^nftabt  Don 
^affau)  unb  5ßajfau  (c.  22,  l^ier  aud)  ein  eigene^  Sa})tifterium),  Älöfter  fc^eint   e«  t)or 

40  ©ct)erin  nid^t  gegeben  ju  ^aben,  obtüo^l  Sl^feten  ni^t  fcl^Ilen  (c.  16);  er  grünbete  Älöftcr 
bei  gaüianä  (c.  14)  unb  in  ^affau  (c.  19).  3)ie  Äirc^en  Ratten  einen  jal^lrcid^en  Äleru^; 
aufeer  ben  Sifc^öfen  finbet  man  ^re^b^ter,  2)iafonen,  ©ubbiafonen,  Dftiarii,  Äantorcn 
ertüä^nt  (c.  16.  25).  Die  Sifc^öfe  tourben  t)on  bem  SSoIIe  getüälj^It  (c.  30,  tjgl.  c.  9). 
Die  Äird^en  befafeen  3lltargeräte  Don  ©belmetall  (c.  45). 

45  ©0  hjaren  bie  lirc^Iic^en  33er^ältniffe  analog  benen  in  ben  übrigen  teilen  bc«  9leic^ 
georbnet.  Da^  53ilb  nun  aber,  ba^  bie  Sita  ©eöerin^  toon  ben  j)olitifd^en  3uf^änben  in 
iKoricum  am  Slui^gange  be^  5.  S^^^^wnbcrt^  enltoirft,  ift  ba^  ööHiger  3lufu)fung.  Die 
SJlad^t  ber  ^unnen  toar  ^toax  gebrochen,  aber  bie  nun  toieber  freien  germanifd^en  Stämme 
befanben  fi^  in  ftetem  Vorbringen  gegen  bie  Slömer;  Don  SBeften   l^er  fielen  bie  äla= 

50  mannen  in  ba^  römifd^e  ©ebiet  ein,  )oon  ?Rorben  bie  I^üringer  unb  SRugicr:  im  Dften 
bebro^te  bie  3)?ac^t  ber  ®oten  ebenfo  ben  9left  ber  SHömer^errfc^aft  h)ie  bie  unabl^ängig= 
leil  ber  genannten  germanifc^en  ©tämmc  (c.  5).  Unabläffig  fül^tte  man  fic^  ber  ®efabr 
feinblic^er  Überfätte  au^gcfe^t;  in  Sorc^  tourbcn  3;ag  unb  5lac^t  bie  3Kauem  betoadit 
(c.  30);    bie  Ileinen  Raufen  fc^lcc^t   betüaffneter  römifd^er  ©olbaten  tagten  nid^t,  ben 

55  Äamj)f  auf  freiem  gelbe  aufzunehmen  (c.  4).  SJon  ^ialim  fa^en  fte  fid^  im  ©tid^e  ge= 
laffen;  nx6)t  einmal  ber  ©olb  roar  ju  erlangen;  bie  Sefa^ung  $affau^  fanbteSoten,  um 
bie  Sö^nung  ^u  forbern,  nac^  ^^talien;  fic  fanben  auf  bem  Sffiege  i^ren  3^ob  (c.  10). 
Crte,  \ok  Gomagena  fallen  fic^  genötigt,  gcrmanifdfje  ©d^aren  al^  eine  3lrt  Sefaftung  in 
i^re  3)lauern  aufzunehmen;  man  glaubte  fid;  boc^  nur  fidler,  lüenn  man  ben  (gintritt  in 

60  bie  ©tabt  unb  ben  Slu^tritt  au^  il^r  jebcrmann   Derlüeigerte,   unb  bie  ®ermanen  in  ber 


(Bt^tthin»,  ber  ^eilige  (Bt^ttinM,  2(iüpft  249 

©tabt  fürchtete  nmn  laum  hjcniget,  ali  bic  öor  berfelben  (c.  1).  anbete  Orte  mußten 
afö  uni^altbar  aufgegeben  toetben,  ober  tourben  überfallen  unb  ^ejjlünbert  ober  gerieten 
bauemb  in  bie  §änbe  ber  ©ermanen.  2Bag  ftc^  auf  bem  freien  gelbe  befanb,  toar 
fc^u^lo«  ben  beutemac^enben  Deutjc^en  Jjrei^gegeben  (c.  4.  10.  25.  30).  3)ie  Stäbte  fa^en 
fid^  auf  bie  S^fu^ren  öon  (Setreibe  au[  ^nn  unb  I)onau  angehjiefen  (c.  3);  um  bie  6 
9iot  ju  fteigem,  öertoe^rten  bie  germanifd^en  Äönige  ben  ©täbten  ben  ^anoel  (c.  22). 
(Sine  ©tabt  um  bie  anbere  tourbe  verloren. 

Unter  biefen  SJerl^ältniffen  toirlte  ©et)erin:  o^ne  bafe  er  einen  Stüdl^alt  an  einem 
lirc^Iid^en  ober  irgenb  einem  anberen  2lmt  gebabt  l^ätte,  hju^te  er  imd)  bie5Kac^t  feiner 
im})onierenben  ^erfönlid^Ieit  eine  leitenbe  ©tettung  einzunehmen.    Über  feine  5PexJon  lie^  lo 
er  auc^  feine  näc^ften  ©c^üler  im  Ungetoiffen:  man  tou^te  nur,  bafe  er  öon  ®eburt  ein 
Sateiner  toar  unb  ftc^  eine  ^Ät  lang  bei  ben  9Jlönc^en  be«  SRorgenlanbe^  aufgehalten 
^atte,  an^  feiner  ©j^rac^e  glaubten  feine  ©ci^üler  fc^Iie^en  ^u  bürfen,  bafe  er  ein  älfrilaner 
getüefen  fei  (ep.  ad  Pasch.):   einem  unmittelbar  göttlichen  3lntrieb  fArieb  er  e^  gu,  bafe 
er  baö  nörblicpe  Sloricum  ju  feinem  SlufentJ^alt^orte  na^m.   3)a^  gw^^  ^  t>^  näc^ften  i6 
3eit  nad^  bem  lobe  älttila^  (453).    6r  lebte  in  5loricum  afe  ein  Stufet;  fein  Siogra))^ 
erjö^lt  öoH  35eh)unberung,  toie  ftreng  er  in  ber  Beobachtung  ber  gaften  toar,   bafe  er 
mit  äCu^nal^me  ber  geiertage  nie  öor  ©onnenuntergang  a^,   bafe  er  ba^  ganje  ^a^x 
j^inburd^,  auc^  in  ber  ftrengften  SBinterlälte,  barfuß  ging,  lein  anbere^  Sager  lannU,  afe 
ba^  auf  bem  Soben  au^ebreitete  Gilicium.    SBir  hjiffen  an^  einer  anberen  Quelle,  bafe  ao 
fic^  um  ben  berül^mten  SK«Ieten  ©c^üler  fammelten  (Ennod.  Vit.  Ant.  Ler.,  CSEL  VI 
©.  385),  für  bie  er  bann  ein  paar  Älöfter  grünbete  (f.  o.).  3lber  bie  innere  ©timme,  bie 
er  für  göttliche  Eingebung  erfannte,  trieb  ilj^n  immer  toieber  an,  au^  ber  35erborgenl^eit 
l^ertoorgutreten  unb  ber  bebrängten  Seööllerung  burc^  SRat  unb  2:i^at  beijuftel^en.    ©eine 
2^ätigleit  hjar  in  erfter  Sinie  eine  religio«  unb   fittlid^  anregenbe:   er  fuc^te  ba«  SSer^  26 
trauen  ber  Set)olIerung  auf  ben  göttlichen  ©(^u^  ju  feftigen  (c.  1.27  f.),  über^auj)t  il^ren 
2)iut  toieber  aufzurichten  (c.  4).    (gr  toirlte  ber  ©elbftfu^t  ©injelner  entgegen  unb  be« 
ftimmte  fie,  ba«  ^\)xt  in  ben  a)ienft  3lller  gu  ftellen;  eine  regelmäßige  Serforgung  ber 
airmen,  begrünbet  auf  bie  allgemeine  ©ntric^tung  ber  R^^nten,  juckte  er  einzuführen  (c.  3. 
12.  17  f.  28).    3)em  (Smft  ber  Sage  entfjjrac^en  bie  ^äufig  angeorbneten  gafttage  (c.  2.  ao 
11.  12.  18.  25).    3)abei  toar  er  unterftü^t  burd^  ben  Äleru«,  bem  3SolIe  aber  erfc^ien 
er  toie  ein  ^roj)l^et:  in  biefem  Sid^te  betrachtet  il^n  6ugil)j)iu«.    3)arf  man  annel^men, 
baß  biefe  Slrt  öon  (Sinhjirfung  bie  näc^fte  abfielt  ©et)erin«  mar,  fo  ging  er  boc^  barüber 
l^inau«,  inbem  er  bie  Sehjo^ner  befonber«  ejj)onierter  Orte  gu  beftimmen  fuc^te,  fie  ju 
öerlaffen  unb  fic^  an  gefiederteren  ju  lonjentrieren  (c.  24.  27 f.),  befonber«  aber,   inbem  36 
er  afö  Vertreter  ber  Jtomanen  ben  ©ermanen  gegenübertrat.    §öd^ft  eigentümlich  ift  ba« 
aSer^ältni«  be«  fat^olifc^en  9Könc^«  ju  ben  anber^gläubigen  3)eutfc^en:   nid^t  nur  burc^ 
tool^lberec^nete  ©d^onung  unb  !ül^ne«  (Entgegentreten  h)u|te  er  ©inbrudf  auf  fie  ju  machen 
(c.  4.  19),  befonber«  im})onierte  ilj^nen  feine  ^erfönlic^Ieit:   bem  arianifd^en  Slugierfönig 
glaccit^eu«  galt  er  ate  ein  $ro))l^et  (c.  5) ;  nic^t  minber  e^rte  i^n  fein  ©o^n  %a\)a  unb  40 
felbft  beffen  ©ema^lin,  bie  getoalttl^ätige  Äönigin  ®ifa,  fc^eute  ben  ^eiligen  (c.  8.31.40). 
Da«   l^örte  man   and)  öon   bem  toopl   gleic^fall«  arianijc^gt  Sllamannenlönig  ©ibulb 
(c.  19).    Überhaupt  fuc^ten  bie  ©ermanen  ben  ©egen  be«  für  hjunberfräftig  gehaltenen 
3Kanne«;  ba«  berü^mtefte  Scif^jiel  ift  Dboafer,  ben  ©eöerin  mit  einer  SBei«fagung   auf 
feine  jufünftige  ©röfee  entlajfen  f)aUn  foU  (c.  7).    3)urc^  biefe  ©teHung  ben  ©ermanen  46 
gegenüber  fear  e«  i^m  möglid^,   nic^t  nur  für  ^Befreiung  jal^lreic^er  Ärieg«gefangener  ju 
forgen  (c.  9),  fonbem  auc^  mand^e  anbere  (Erleichterung  für  bie  Slomanen  gu  betoirfen. 

©eberin  ftarb  am  8.  Januar  482:  er  fal^  beutlic^  toorau«,  baß  9loricum  Don  ben 
SRömern  ben  (Germanen  gegenüber  nic^t  gehalten  Serben  lönnte,  unb  beftimmte  beöl^alb, 
baß  fein  Seic^nam  bon  feinen  ©c^ülem  nac^  3^«'*^"  mitgenommen  toerbe.  Die«  gefd^al^  w 
benn  auc^  al«  Dboaler  fec^«  ^ahxt  nad)  ©et)erin«  %o\>  bie  romanifc^e  Seböllerung  hjirf- 
lic^  and  9loricum  abrief;  fein  Seid^nam  tourbe  ^uerft  in  SKonte  geltri  bei  9lea))el  beigefe^t; 
öier  ^af)x^  ianad)  nad)  bem  Älofter  SucuBanum  (auf  bem  $ijjofalcone  bei  vltapA) 
gebraut,  ba«  eine  reiche  %xan,  Flamen«  Sarbaria,  für  bie  exilierten  SKönc^e  errichtete. 

S^ttxnn»,  ^a^)ft,  638—640.  —  Vita  Severini  im  lib.  pontif.  I,  8.  175;  Jaff^ 
6.  227;  53ottJer=9iam6a(^,  Unpart.  ©iftorie  ber  römii(i)eu  ^äpftc  IV,  6.  59;  öJregovouiuö, 
®efc^i(^te  ber  @tabt  diom  im  aJl^I.  II,  ©.  146;  ^k^rmann,  3)ic  ^olitif  ber  Ppfte  I,  @.  170; 
Sangen,  (iJcjc^ic^tc  ber  römifcticn  Äircfte,  S.  516.  ' 


260  ®etieriiittd,  ^otifl  Seticm«,  9if4«f 

a)cr  lob  bc«  $a})ft^  §onoriud  I.  (12.  CItobcr  638)  bctotritc  ben  äu«bru(^  einer 
militärifd^en  SleDoIte  in  SRom.  S*'^^'^  h)urbe  ein  SHömer,  ©eöerinu«,  ju  feinem  Stad^folger 
gehjä^It;  aber  bag  §eer,  aufgeregt  burc^  ben  G^artulartu«  3Kauritiu^  unb  lüftcm  nac^ 
ben  ©c^ä^en,  bie  ^onoriug  angeblich  aufgel^äuft,  ftürmte,  unterftü^t  öom  ri>mifd^en  SSol!, 

6  ben  fiateran.  ©eberin  ^atte  fi(^  in  ben  Sefife"  be^  ^Palafte^  ö^j^^t;  e^  gelang  i^m,  ben= 
felben  brei  Sage  ju  galten,  nun  aber  griffen  ^Diauritiuö  unb  bie  iudices  ein  unb  legten 
©ieacl  an  ben  Äird^enf d^a^.  3?on  3)lauritiu^  herbeigerufen,  erfd^ien  barouf  ber  ©rard^ 
Sfaf  üon  9lat)enna,  t)erbannte  bie  ipäuj)ter  be^  Sleru«  unb  bemächtigte  fid^  be«  ©c^afte^ 
ber  römifd^en  Sird^e.    3!)ie  Drbination  be«  ©eberinu«  fonnte  unter  biefen  SSerl^ältniffen 

10  ni^t  erfolgen;  auc^  fehlte  noc^  bie  laiferlic^e Slnerfennung  ber  SBal^l,  \üild)t  bie  römifd^en 
2lbgefanbten  burd^  3wft^"^"^""9  i^  ^^  monotl^eletijt^en  ©Itl^efi«  erlaufen  mußten,  ßrft 
VU  S^^re  nac^  bem  iobe  be«  fionoriu^  tourbe  ©eberinu^  orbiniert  (28.  3Kai  640);  er 
lebte  nur  noc^  bi«  jum  2.  äuguft  biefe«  3a^re«.  Semerfen^toert  ift  nur  feine  ©tcUung* 
na^me  im  monot^eletift^en  ©treit:   er  erftärtc  ftd^  gemäfe  ber  3h>ri^eit  ber  Staturen  für 

16  ilpei  (Snergien  unb  jtoei  SBiBen  in  G^rifto,  alfo  gegen  bie  Sftl^eft«  unb  gegen  feinen 
SSorgänger  §onoriug,  bgl.  Lib.  diurn.  Rom.  pont.  ed.  ©idtel  9ir.  73  ©.  72.     $att(f. 

^tt>ttu»,  Sifc^of  bon  Slntiod^ien,  geft.  538.  —  Ouellcn  unb  Sittcratur. 
©ä^renb  man  bid  tjov  furi^em  fid)  bie  jDueflcn  für  bie  S3io9rap^ic  beS  @.  müMam  5ufommcn= 
futften  mugte,   ift  man   jc^t  biejer  9(rbcit  iiberfioben  burcft  bie  ^cröffcntlicöungcn  öon  3R.=9(. 

20  Sl^ugener,  nämlid):  1.  Vie  de  S^vfere  par  Zacharie  le  Scholastique.  Texte  syriaque  publi<^, 
traduit  et  annot6,  in  ber  Patrologia  Oricntalis,  l)V<Jgg.  \).  SR.  (öraffin  unb  5-  ^^öu,  Tom.  II, 
Fase.  I,  $ar.  o.  3-  [1903];  ügl.  Xt^.  mibeh  in  fi(5^:8  1004,  m,  1,  @p.  7-10  u.  33.  SR^ffel 
in  SBl)^.  JJeitjc^r.  13,  1904,  531  ff.  2.  Vie  de  S^v^re  par  Jean,  sup^rieur  du  monastbre  de 
ßcith-Aphthonia.    Texte  syriaque  etc.     Suivi  d'un  recueil  de  fragments  historiques  8}Tia- 

26  que»,  grecs,  latins  et  arabes  relatifs  ä  Severe  (b.  6-  eine  uoflftänbigc  Sammlung  aller  be= 
fanntcn  Ginjclnoti.^cn  ^um  iOeben  bc^  S.;  biefc  5tej:tc  rocrbcn  im  golgenben,  mo  nidjt-s 
anbereö  bemcrft  ift,  mit  ben  Seitenzahlen  uonÄugencr  cttiert).  Patr.  Orient.  Tom.  II.  Fase.  3. 
$ar.  0.  g.  [19051;  tjgl.  «Rölbefe  in  2m  1905,  92r.  27,  @p.  885  f.  unb  ®.  Ärüger  in  »Dj. 
äcitfcbr.  15,  1906,  2.  .J-)eft.    5)cr  u.  b.  %.  Vies  de  S^vfere.  Introduction,  commentaire,  index 

80  et  table»  anocfünbigte  3.  Xeil  mar  pr  ^tit  ber  9lbfaffung  biefed  3lrtifcI«J  nod)  nirfjt  er^ 
fcftienen.  3^  Vorbereitung  ift  bie  ^lu^i^abe  einer  fttl)iopifd)cn  SSita  he^  6.  üon  Gbg.  Q.  @oob- 
fpceb  (Patrol.  Orient).  3)ie  in  bie  ^-orm  eineS  ©efpröcftcö  mit  einem  Ungenannten  gefleibetc 
3ad)aria§  =  53ita  (im  JJoIgcnben  =  Zach.,  über  btn  SBcrf.  f.  ben  9lrt.  ä^cÖariaS  (Bcftolafti: 
fud)  eri^ft^It  ba^  ßebcn  bi§  ,^ur  6lu^Ibcfteiflung  in  ?rntiocfticn,  ücriüeilt  bef.  bei  ber  Sugenb^^cit 

86  (9lle;:anbrien)  unb  ift  au^  bem  apologetifdjen  Sntcreffc  t)ert>orgeganaen,  ben  8.  oon  ber 
mc^rfnd)  (p.  9  f.  44.  65.  70.  75.  91)  enüäf)nten  ^(nflage  eineS  gegnerifc^en  Ungenannten  rein 
üu  mafct)en,  büfj  er  al§  junger  SWann  nod)  ^eibe  unb  ber  ^ag'ie  ergeben  gemcfen  fei,.  3)ic 
äobanne^'^ila  (im  golgenbeu  =  Joh.)  ift  nadj  ber  Ueberfcf)nft  üon  Qo^anneÄ,  9lbt  be§ 
i^Iofterö  93et()=^p^tljonjn,   oerfaf^t,   ber    mit  3ot)anneö  S3ar=?(p^t^onja    (f.  über  i^n  3?au,    in 

40  Rev.  de  l'Or.  Chr^t.  7,  1902,  97  ff.)  nicf)t  ibentifd)  fein  fann,  ba  beffen  %ob  in  ber  SSita 
(p.  258)  oorauöacfe^t  luirb.  Sie  ift  gerid)tet  an  einen  Wondi  beöfelbeu  Älofter^,  3)omitiu^, 
ber  üor  o\:\  (Jon.  Eph.  Comm.  Beat.  Orient,  cp.  50)  SSifc^of  üon  fiaobicca  mürbe,  unb  er- 
ftrerft  fid)  über  ba^  ganje  fieben  beö  6.;  für  bie  ßeit  üor  ber  dr^ebung  ,^um  Patriarchen  ift 
Zach,  üuelle.    5lu§iügc    ai^   biefer  SBita    in  beutfd)er  Ucberfeijung  gab  ^^  ^eiSfer,  S.  oon 

46  ^}lntiod)ien.  (Sin  fritifdier  DueKeubeitrag  ;^ur  QJefd)id)te  be§  ^on'opbDfiti^muS,  ^aüt  11K)3, 
mit  bi^  jum  (Srfd)einen  üon  Siugener  3 'braud)barem  Kommentar.  2)ic  Ucbcrfctung  üon  Zach. 
burd)9iau,  in  Rev.  de  l'Or.  ChrcU.  4,  1899.  348— :J53.  548—571;  5,  1900,  74—98)  ift  burcb 
Äiigener  antiquiert,  ^i^lud)  bie  (übrigeu-5  im  ^ud)^anbcl  üergriffcne)  §(uSgabc  bc§  ft)rifc^en 
Ze^ie^  üon  Job.  Spannt^  (ÜJi)mn.*^rogr.  Äiel),  ®btt.  1898,  ift  burd)  Äua.  überholt.-  ^lußcr 

60  ben  ^ug.'fdieu  91rbeiteu  ügl.  man  ben  ilommentar  in  9(^ren^=Ärügerö  Ueocrfctung  ber  fog. 
Ätrd)engcfd)id)te  beö  3*^^^)^^^^^  9il^etor  (Historia  Miscellanca),  Seipi^.  1899,  mit  ben  58erbeffe- 
rungen  unb  Grgän.^iunc^en  Äugener^^-  in  Rev.  Or.  Chr.  5,  1900,  201  ff.  461  ff.  9?atürlicö  finb 
aud)  bie  übrigen  Ouellen  j\nr  ®cfd)id)te  be§  ^hniop]^l)f itiömuä  i^u  9Jate  ju  5iet)en 
(ügl.  33b  XIl'l,  872 ff.);  für  bie  (iJcfd)id)te  ber  unten  me^rfad)  ertoä^nten  ?löfeten  üomebmiid) 

66  bie  ^Icropt)orien  unb  bie  58ita  i^etrn«  be«  3berer§  (ügl.  XIII,  374,  8  ff.  16  ff.).  Uebcr^aupt 
fe^t  ber  nadiftebenbe  ?trtifel  S?enntni§  beö  'iJlrt.  'iDionopbi)fiten  überall  üorauS.  Statt  JHenaus 
bot^  'Jluogabc  ber  Historia  juitriarcharuni  (f.  53b  XIII,  874,  48)  ift  fünftig  33.  ©üctt«, 
History  of  thc  Patriarch«  of  tho  Coptic  Churcli  of  Alexandria  (Patrol.  Orient.  Tom.  I, 
Fase.  2  nnb  4,  'ij^ar.  o.  3-  jlIK)4;0r)l)   ju   benu^en.     (£inc  3Ji  onograp^ie   über  6.  lieferte 

»K)  3  C£nftratiü'J,  JiVr/yor)>  6  Moio /  ioin/::,  rrdrnidfjj^ij^  r/y>  \it'tio^Fia-;j  y.al  t)  d:t6  Tov  fvoiiixov 
rnv   Ziironn^  !*^'/.'J^    ^'1^  ''''^'    Mt/rn  rs)'ro()ot'   (481-  580)    rsytnic:    to?  fiovoqpvatTtOftoif    .toos   rtjr 

ofjihx^oziur.  iip.v  1891.  ^ux  Xl)CüIügic  finb,  außer  ben  Dogmengefd)id)ten,  ju  ügl.  3.(^.2. 
ÖJiefeler,  (.-onnncntatio.  qua  Mono])hy.sitaruni  vctcruin  variac  de  Christi  persona  .  .  .  opi- 
nionetj  illustrantur,  (öött.  1885^1.  1888,  2  Ile.;  3- 51. 3)orner,  (Sntmicfelung«gef(^.  ber  2c$re 


SfHentd,  a3iff^9f  251 

ü.  b.  ^crfon  Görifti  u.f.io.  2.S3b,  2.  ?lufl.,  S3crl.  1853,  164  [f.;  5- Soof«,  Scontiug  uon  33lMaua 
u.  f.  tu  (XU,  3.33b,  1.  unb  2.  ^eft),  Seipj.  1888,  pass.,  bcj.  e.  54ff.  3m  Sufammen^anq 
imfereö  9(rt.  barübcv  ju  ^anbcln,  cmieS  iid)  mit  Sflücffic^t  auf  bie  9luöfü^rungen  im  SBb  IX, 
007,34  ff.  unb  XIII,  398,  60  ff.  qI^  unnötig.  2)ie  SBicbcrgabc  öon  ein^el^citcn  ^ätte,  menn 
fic  fruchtbar  fein  füllte,  ju  uiel  Sflaum  erforbert.  ^crr  ^rof.  ^ugcner  in  SBrüffel  f^at  eine  6 
S^orreftur  beä  nad)fteöenben  ^rtifelS  gelefen  unb  einige  roertüoUe  Sf^otigen  beigefteuert,  wofür 
i<i)  i^m  aucft  an  biefer  ©teüe  meinen  *3)Qnf  au^fprecften  möchte. 

3)ie  (S^ronologie  beS  fiebenS  bis  jum  (gpiffopat  ift  unfic^er;  aud)  roaS  Äugener(Rev. 
Or.Chr.  1900,  205 j.j  barüber  fagt,  ift  nitftt  eintoanbSfrei.  9Sia  man  cS  mit  Äugener  q(«  ge* 
fiebert  betradjten,  ba^  Qadiaxia^  ^txh\t  4S7  nadi  ^txx)\u^  nhtx]kbtüt  (f.  u.  @.  252,86),  fo  roürbc  lo 
für  be«  @.  Ueberftebelung  ber  .^erbft  486  ausuferen  fein  (f.  bagu  au*  ^eiSfer  @.  13  31.  3). 
©ein  Geburtsjahr  mag  bann  jroifdjen  465  unb  470  fallen,  ^ie  Qtit  beS  erften  ^(ufentl^alteS 
in  Äonftantinopel  feft  ^ug.  roo^I  ridfttig  auf  508/Q9— 511  an,  obroo^I  bie  (S^ronologie  ber 
S^ep^aüuSsUuru^en  bamit  nic^t  ganj  ju  ftimmen  fcfieint  (f.  unten  @.  252,48). 

3Jon  ber  reichen  litterarifc^en  ^interlaffenfc^aft  beS@.  ift  bisher  nur  ein  fleiner  i5 
Ücil  ber  5orfcf)ung  burd)  ben  3)rud  ^ugänglid)  gemacht  luorben.    3)aS  Reifte  fcftlummert  notft 
in  ben  großen  SBibUot^efen,   üomeömlid)   be§  SBritifdjen  9JlufeumS  (f.  SBrlgl^t,  Catalogue  of 
the  Syriac  MSS.  in  the  British  Museum,  öonb.  1872,  General  Index,  @.  1322  ff.,  unb  bie 
aenauen  ©efc^reibungen  beS  g^^ölts  ber  ^anbf^riften)  unb  beS  5BatifanS.  ©ine  ßifte  ber  il^m 
befonnten  @(öriften  beS  @.  gab  9Kontfaucon    in   feiner  Bibliotheca  Coisliniana,   $ar.  1715,  20 
53—57.    SSgl.  audj  JJabriciuS  (|)arle§),  Bibl.  graeca  10,  ^amburgl807,  614—623.    3m  goU 
genben  fann  nur  eine  Ueberfiftt  über  baS  gebrudte  Material  üerfucfit  merbeu  (ju  ben 
Äatenen-  unb  glorilegicnfragmenten  ugl.  bie  iRegifter   bei  .f^aro=Sietmann,   Catenarum  grae- 
carum  catalogus,  ©ött.  1902,  unb  Sd^ermann,  ®ef(bic^te  ber  bogmat.  glotilegen  u.f.ro.  (ZW, 
^l^,  13.  93b,  1.  ^.),  fieipj.  1904):  1.  ®ried)ifd)e  Fragmente  unb  j^toar  a)  ejegetift^e:  jju  26 
3ef  unb  @j  bei  3Kai,  Script,  vet  nov.  coli.  9,   $Rom  i837,  725-  741 ;    ju  2c  unb  31®  bei 
"mai,  Class.  auct.  10.  9?om  1838,  408—473;  ju  ^i  bei  SKai,  Spicilrom.  10  (1.  %l),  SRom 
iai4,  202—205;  b)  bogmatif d)c:  in  ber  fog.  Doctrina  patrum  {mal,   Nov.  coli.  7,  1833, 
Sff.  71.  73),  inLeontiusctr.Monoph.  (ebb.  137f.  =  MSG86,  2,  1841— 49)  unb  in  Eustathius 
Mon.  Ep.  ad  Timotli.  Schol.  (ebb,  277— 291  =  M8G  86,  1,  901—942  pass.).    2.  @t)rifd>e30 
lieb  er fe  Jungen:    a)  ^omilien:  S3on  ben  125  Xöyoi  emOgdvioi  ober  emi^Qovimixol,  b.% 
ben  Don  @.  aB  ^atriart^  gehaltenen,   in  einem  ÄorpuS   vereinigten   unb   in   ^^luei   ft)rif(6cn 
Ueberfejungen  üon  bem  jeitgenöffifcften  ^aul  üon  Äallinifuä  (?;  Cod.  Mus.Brit.  Add.  14599 
©rig^t  @.  546  ff.    [nur   «Rr.  31-59|,    unb   Codd.  Vat.  Syr.   142,    143    unb  256    [unüoU^ 
ftänbig,   iRotix  üon  ^ugener])  unb  üon  3afüb  u.  ebeffa,  oeft.  701  (Cod.  M.  B.  Add.  12159  36 
"©r.  534—542  mit  fur^er  S^^WtSangabe;  Vat.  Syr.  141)  überlieferten  9lnfpracften  finb  bie  über 
?lntoniu§  ben  ^egi)pter  (9?r.86),  ben  "im«rti)rer  2:!)aneIöuS  (ißr.  110)  u.  bie  •3)?ärtt)rerin  3)rofig 
'  m,  100  unb  114)  bei  SJ^ai,  N.  C.  9,  742-759  (latein.),  eine  über  ^Karia  (9ir.  67)  beigWai, 
Spie.  Rom.  10  (1.  %{.),   212—220  (lat.),    eine    über   bie  maffnbäifd)en  93rüber  (9ir.  52)   in 
^loci  SBerfionen  bei  93enÖli)=5Barne^,   The  fourth  book  of  Maccabees  and  kindred  documents  40 
in  syriac,  ©ambr.  1895,  75—102,  euglifrfie  lleberfe^ung  ber  erften  ^Serfion,   6.  XXVII  bi« 
XXXIX  (biefe  iWoti^  w^^)  ©arbenberoer,  9trt.  Seuerud  im  m^.  9,223)  gebrucft.    ^lußerbem 
l^at  Äugener  (Une  hom^lie  de  S^v^re  d'Antioche,  attribu^  ä  Gr^goire  de  Nysse  et  ä  H^sychius 
de  Jerusalem,  in  Rev.  de  TOr.  Chr^t.  3,  1898,  435— 451)  erroiefen,  bafe  bie  unter  ben  ^föerfen 
(^regor^  uon  iRt)ffa  gebrudte  (MSG  46,  627—652)  Oratio  II  de  resurrectione  domini  jmeifeUoS  46 
bem  @.  onge^ört  unb  mit  ber  77.  ^omilie  ber  «Sammlung  ibentifd)  ift.  Einige  gragmente  auS 
ben  C^om.    nad)    ber  llcberfetjung  3ö!obö  uon  ©beffa   bei  9?eftle,    Brev.   ling.  Syr.  gramm., 
Äarlör.  unb  fieipj.  1882,   Sftreftom.  79—83   (m   ben    fpäteren  93earbeitunaen   meggelaffen). 
(Sine  Slnja^l  üon  ^omilien  beö  8.,  bie  in  fionbon  unb  JRom  fehlen,  finben  fid)  in  Dublin  in 
ber  S3ibliot]^ef  bc^  2^rinitQ  (JoIIege  (9?otiä  oon  Ä.ugcner).     ©ine  ©efamtau^gabe  ber  ^omilicn  50 
üon  9t.  3)uüal,  "iD^=9l.  tugener  u.  6.  3Ö.  iBroof^s  fiir  bie  Patrol.  Orient,  ift  in  aSorbereitung. 
(£inc  9(nal^fe  giebt  91.  SBaumftarf  in  feinen  9lrtifeln  über   ba^  Äirdjenja^r   in  9lntiod)ien  in 
JH05  11,  1897,  31—66  u.  13,1899,  305—323.    b)  9lb^nnbluugen.  ^luSjüge  auö  ber  bem 
33riefme(öfel  jmifd^en  @.  unb  3unan  üon  ^alifavnaß  (f.  u.  @.  255,  si)  angeböngteu  9lb^anblung 
gegen   Sulian,   bei  3Woi,    Spie.  Rom.  10   (1.  %l),    169—201    (Cod.  Vat.  140;    f.  aud)    bie  65 
i«otij  bei  ©rig^t  @.  555  nad)  Cod.  M.  Br.  Add.  172(K)).    c)  <B riefe.    %\t  Briefe   be§  6. 
finb  früftjeitig  gefammelt  unb  in  3  9lbtei(ungeu  d)ronoIogifd)  georbnet  morben;    man  unter: 
fcftieb  babei  SBriefe'üor,  mä^renb  unb  nad)  ber  ^atriard)at^,^eit.    ^ie  Sammlung  umfaßte  23 
'^üdjer,    unb    bxt  ©efamtja^l   ber    bariu  enthaltenen  33riefe  fdieint  minbeftenö  3759  betragen 
i^u  ^aben  (ogl.  SBroof^  [f«u-8-^'^]  P-  ^^)-  ^^  fl^^  mehrere  (luenigften^  3)  fi)rifd)e  lleberfe^ungen,  60 
bie  freiließ  mo^I  nur  eine  9luifma^I  lotebevi^iaben.    8id)cr  ift  ba^  ber  gfall  bei  ber  Ueberfe^nng 
bt^  $re^bl)terö  9Ubanüfiu§  uon  9?ifibi«,  bie  etma  700  ^Briefe  umfaßt  ju  l^oben  fd)eint.    Vaix 
ba^  6.  ©ucft  biefer  Ueberfc&ung,  123  53riefe  entftaltenb,  ift  erbalten  unb  gebrudt  u.  b.  X. :  The 
sixthbook  of  the  select  letters  ofS.,  Patriarch  of  Antiochia,  in  the  syriac  versiou  of  Atha- 
nasius   of  Nisibis  (ann.  669),  cdit.  and  Iransl.  by  H  W.  Brooks,  2  Vols.  (4  Parts),   fionb.  (;,-> 
1902—04  (nad)  Codd.  M.  B.  Add.  12181  |iinüoaft«nbig]  unb  14600;  3Br.  558-5()9,  \igt.  ben 
Ueberblicf  über  ben  Unbalt  uon  93b  1  bei  ^Jti)|iel,  11)^3  1904,   9?r.  5,    8|J.  143-148).    ^n 


252  SetientiS,  »ifi^of 

bcr  Historia  Miscellanea  (fog.  S^cöariaS  SR^etor  f.  o.  8.  250,5i)  ftnb  gcbriirft:  2  ©riefe  an 
gulian  üon  |)aatQrnaS  (ber  cjanjc  S3ncfiüed)fel  in  Cod.  M.  R  Add.  17  200  [®r.  554  f.]  unb 
Vat.  140)  in  SBucb  9,  Aap.  il— 13;  ein  Söricf  on  Äaifcr  3uftinian  9,  16;  ein  53rief  an  bic 
morgcnlönbilcöen  ^riefter   imb  ^Jiönc^e  9,  20;   ein  SBrief   an  ^Intl^imuS   Don   Äonftantinopcl 

6  9,  22,  ein  ©rief  an  X^eobofiu^  uon  ^lejanbrien  9,  23  (bic  legten  4  anfc^eincnb  nur  M^v  cr= 
galten),  d)  ,g)t)mnen.  3)er  Oftoecöu«  bc§  ©.,  in§  S^rifc^c  übcrfe^t  üon  3lbt  $aul  öon 
Äcnneörin,  bur(^gcfc^en  üon  SBifc^of  Safob  oon  ©bcffa,  ift  in  Cod.  Vat.  öyr.  15  unb  ja^l= 
rcid)en  (f.  SBrig^t  @.  1324a)  ^anbjd^riftcn  beS  britif(^engKufcunt8(baruntcr  Cod.  Add.  1713-1, 
auf  675  baticrt,    roa^rfdjeinli^    üon  3afob  felbft  gef^riebcn)  erhalten.    @inc   ?ludgabe   üon 

10  @.  3Ö.  93roü!^  (fi)vtfc^  unb  englifcb)  in  ber  Patrologia  OrieDtalis  ift  in  Vorbereitung.  ©. 
^ugener(2)  3.  326.  e)  ^on  unferem  @.  fc^eint  and)  bie  ft)rif(fie  Xaufliturgie  ju  ftammcn, 
bie  üon  &.  g.  SBoberianuS,  §lntiD.  1572,  fl)r.  unb  lat.  herausgegeben  würbe,  ©gl.  bie  'Äuö^ 
jüge  bei  SU,  Otefcfi,  ^Igrap^a  (XU  5.  ©b.,.  4.  ,&.),  fieipjig  1889,  361—372.  5^ac^  brieflidjer 
3Kitteilung   be§   $errn  ?lrd)imanbriten  Lic.  6.  2:er:9Kinafriant  in  ^tfcötniobfin    bepnbct   flcft 

16  in  ber  bortigeu  ÄIofterbibIiott)ef  eine  Äatenc  jum  fieü  in  armenifd)cr  Ueberfefung,  bie  außer 
gragmenten  be§  OrigeneS  u.  a.  aucfi  folcbe  beS  ©eücruS  enthält.  3)te  foptifd)e  unb  ät^io« 
pifc^e  fiitteratur  ^at  manches  ©ruc^ftücf   ber  ^erfe   beS  @.  aufbema^rt  (Ü'^otii  üon  Äugener). 

S.  ftammte  au«  ©050j)oH«  in  pfibien.  ©ein  ®ro^toatcr(Joh.211 ;  Zach.  11  fpric^t 
nur  t)on  SSorfa^r)  h)ar  bort  Sifc^of  gehjefcn  unb  ^atte  gu  ben  2^eilnel^mcm  am  erften  Äongil 

20  t)on  Sj)^efug  (431)  gehört,  auc^  bic  35erbammung  be«  Sicftoriu«  untcrfd^rieben  (Zach.  11; 
ögl.  bic  Stftc  bcr  Unterschriften  bei  5Kariug  SKcrcator  MSL  48,  894;  in  bcr  Siftc  bei 
Mansi  4,  1211  ff.  crfd^cint  bagcgcn  ein  gcmijfcr  3lt^anafiug  atö  Sifd^of  t)on  ©ojopoli«). 
3tai)  bcm  2^obc  bc«  38atcr«  f^idtc  bic  Slutter  ben  ©ol^n  mit  gh)ci  älteren  Srübcm  gum 
©tubium  ber  (Srammatil  unb  Sl^ctorif  nad^  Sllcjanbricn.    ©ic  Ratten  bamafe,  bcr  ©itte 

asgcmäfeZach.  11;  Joh.  217),  bic2:aufc  no(^  ni^t  emj^fangcn.  ^n  ätlcjanbricn  trat  ©. 
}u  einem  t^ictiftifd^cn  ilrcifc,  ben  fog.  ^döjiovoi  (Zach.  12 ;  24),  in  Scjicl^ung  unb  fanb 
m  bcm  cltüa«  älteren  SlIcEanbrincr  3ö<^ö^ö^^  feinem  f})ätercn  Siogra^)l^cn,  einen  feine 
©nttüidtclung  mit  3>ntereffe  üerfolgenben  SSefannten.  ^n  ber  Sita  gicbt  So^^ria«  fic^ 
grofee  SKül^c,   fc^on  für  biefe  3^it  bei  bcm  innqtn  wlanm  tiefcrgcl^enbe  xcilnal^mc  an 

30  ben  religiöfen  ^'^agen  nad^jumeifen,  ol^nc  bafe  e«  i^m  gelänge,  ben  Sefer  gu  überjeugen. 
3lber  ©.  hjar  ein  fleißiger  unb  eifriger  ©tubent.  ©d^on  jc^t  fcffelte  ben  für  bie  5R^e- 
tori!,  befonber«  be«  Sioaniu«  Segeifterten  ber  Scrgleid^  ber  ©d^riften  bc«  beibnifc^en 
Slcbncrg  mit  benen  Safiliu«  be«  ©rofeen  unb  ©regor«  (bon  9?ajiam),  auf  bic  i^n 
3ac^aria«  ^ingeiüicfen  ^atte.    9Son  Sllejanbrien  fiebcite  er  —  biellei^t  §erbft  486,   f.  o. 

35  ©.  251, 11  —  nac^  Ser^tu«  über.  6in  ^af)x  f^äter  folgte  i^m  Qad)ax\ai  (Zach.  46;  man 
bgl.  übrigen«  bie  inlercffantc  ©c^ilberung  ber  an  bie  „3)ej)ofttioncn"  erinnemben  ®ebräu(^e 
bei  ber  aufnähme  üon  ©tubierenben,  unb  baju  ben  Strtilcl  bon  Äugencr  in  bcr  Revue  de 
ITJni versitz  de  Bruxelles,  2JJai  1905).  ßr  fanb  ben  ©.  in  einer  inneren  Umtüanblung 
begriffen.    3)en  eifrigen  ©tubiofu«  ber  Steckte  l^atte  ba«  ^"t^^ffc  ^^  Sleligion  unb  2^^eo= 

40  logie  gcpadtt.  ®Ieid^  am  erften  Sage  fud^te  er  ben  alten  Sciannten  auf  unb  erbat  fic^ 
SRatfd^läge,  hjie  er  e«  einrichten  folle,  jum  §eil  ^u  gelangen.  3^^^^^^^  fül^rte  il^n  in 
bic  ^eil«gejc^id^llid^e  Betrachtung  ein.  3"  ^^^^  SKaricnlird^e  führen  fie  ein  längere«  ©e^ 
\pxäd):  üon  Slbam  unb  ©üa,  beren  Silber  in  ber  Äird^e  Rängen  (Zach.  49),  bi«  gur  6r= 
fc^einung  be«  jungfräulid^  geborenen  £ogo«  in  bicfer  SBclt  unb  feinen  ©rofetl^aten  geigt 

45  3öd^aria«  bem  greunbe  bie  ffiege  ©otte«.  2luf  feinen  Sorfd^lag  tüibmct  man  nun  bic  Don 
ber  2lrbcit  für  bie  ÄoHegien  (Zach.  53)  freigelaffene  3^^*^  ^-  ^-  «ufe^  t>cm  ©onntag  aud^ 
ben  ©onnabenb  SRad^mittag,  ber  Seftüre  ber  großen  lirc^lid^en  ©c^riftfteller,  in  erfter  fiinie 
ber  Äa))j)abo;^ier,  aber  auc^  be«  ß^rt^foftomu«  unb  G^riß«.  3)en  hjcltlic^cn  Vergnügungen, 
bon  benen  ®.  fid^  bi«^er  (Zach.  51,  Ic^ter  Slbfa^)  nid^t  fern  gel^alten  ^atU,   fud^t  il^n 

50  ber  greunb  ju  entjiel^cn.  Slud^  anberc  üben  in  bicfer  Sejie^ung  ilj^rcr  ßinflu^,  befonber« 
(Sbagriu«  au«  ©amofata.  2lbcnb  für  Slbcnb  Ukn  fie  gufammen  in  ber  Sluferftcl^ung«^ 
lird^e;  balb  fommen  anberc,  alle«  Stubiercnbe,  ^imu.  3)ic  giil^ning  l^at  Sbagriu«,  bcr 
in  ber  2l«Iefc  üon  Äör^)er  unb  ©eift  bereit«  üorgefc^ritten  ift.  3^n  nimmt  au(|  ©.  jum 
Sorbilb;  er  beginnt  fic^  ber  ^leifd^na^rung  unb  be«  Saben«  ^u  entl^altcn.  ©cinc©tubien 

65  betreibt  er  mit  h>acf)fenbem  ßifer  unb  bringt  in  bie  5Rcd^t«le^ren  balb  fo  tief  ein,  ba^  er 
bei  feinen  ©cnoffen  um  feiner  ©ac^funbc  lüiUen  befonbere«  2tnfc^en  genicfet  (Zach.  82). 
3)amal«  lieferte  er  auc^  ba«  erfte  ©Regimen  feiner  c^riftlid^en  SHj^etoril,  einen  ^Pancg^tihi« 
auf  ben  3(j)oftel  $aulu«  (Zach.  76).  ©bagriu«  aber  begann  in  ^ad^axxai  ^u  brängcn, 
er  möge  feinen  g^eunb  jur  2^aufc  üeranlafjen.  ^cbod^  ©.  fül^lte  ftc^  ben  tücUlic^cn  ^cr^ 

60  fud^ungen  noc^  r\xd)t  gctüad^fcn,  unb  e«  fc^rcdtte  i^n  ber  ©ebanfe,  fic^  nad^  ber  3kxufe 
lüieber  mit  fittlid^em  ©c^mu^  befubelt  ju  fe^en  (Zach.  77).    6nblid[!  \t>xd)   er  bem  3"= 


Setientd,  Stfi^of  253 

reben  unb  toünfc^te  S^^^riö^  i^^  ^aten,  toa«  bicfet  mit  bem  ^intocte  barauf,  ba^  er 
mit  bem  Jtleru^  k)on  Ser^tu^  nic^t  fommunijiere,  ablel^nte.  9ltö  älle^anbriner  belannte 
er  fic^  jur  Partei  ^etru^  be«  3^^^/  ^'  l^-  ^^  monojj^^fttifc^en  (f.  barüber  Sb  XIII, 
381, 6o).  3)a  erllärte  fid^  6t)agrtug  bereit,  bie  ^atenfteüie  ju  übernehmen.  3Kan  ful^r 
nai)  2^rit)oIi^,  unb  bort,  in  ber  Äaj)ene  be«  1^1.  Seontiu^,  tourbe  ©.  in  bie  ©emeinfd^aft  6 
ber  Äird^e  aufgenommen  (Zach.  81).    2)ann  leierte  man  nad)  Ser^tu«  jurüdt. 

3Kit  ber  laufe  beginnt  ein  neuer  Slbfc^nitt  im  Seben  be«  ©.     Sr  gel^t  mel^r  unb 
mel^r  auf  bie  ®rUje(fung«beh)egung   ein.    6r  toirb  ein  großer  gafter  unb  toerbrinat  nic^t 
nur  bie  3lbenbe,  fonbern  auc^  einen  2^eil  ber  3lad)t  (Zach.  82)  betenb  in  ben  «irc^en. 
Slllerbing^  f)aiU  ,er  frül^er  (Zach.  52)  feinem  greunbe  erllärt,  einen  2Könc^  hjerbe   er  lo 
nic^t  au«  i^m  mad^en,  unb  auc^  je^t  noc^  beburfte  e«  eine«  befonberen  3lnlaffe«,  um 
i^m  bie  glu(^t  au«  ber  SBelt  al«  ba«  le^te  3'^^  \^^^^  grömmigleit  erfc^einen  ju  laffen. 
3lad}  Ser^tu«  lam  bie  9Jacl^ric^t  t)om  lobe  be«  ^'^^^^  (Zach.  86;  t)ermutlic9  1.  ®ej. 
488,   togl.  Äugener   in  ©VJ-  3«tfc^i^-  9,  1900,   464—470);   juglei^  erfuhr  man,  ba^ 
5|8etru«  im  Älofter  e(^te  „ßrben"  (Zach.  86)  feine«  ©eifte«,  einen  gol^ann  \>on  Äanojju«,  is 
2:]^eobor  t)on  ä«faIon,  ^jo^ann  9lufu«  (f.  über  fie  bie  Vita  Petri  ed.  SRaabe  [Sb  XIII, 
374,16]  p.  124),  ^interlaffen  l^atte.  ©bagriu«  brang  in  bie  greunbe,  fic^  unter  ben  ßinflu^  biefer 
3Ränner  ju  fteHen.  (£r  felbft  ging  mit  feinem  Seif))iel  öoran  unb  trat  in«  Älofter  ju  ^Ufatuma 
(ju  biefen  Vorgängen  togl.  auc^  Vita  Petri  107).    5Roc^  jögerte  ©.,  aber  ilj^n  ergriff  bie 
Unrul^e,  bie  ber  (gntfc^eibung  t)orangugel^en  ^Jpegt.  3Kit  goc^oria«  (t)gl.  über  beften  SBer^alten  20 
ben  Slrt.)  fu^r  er  nac^  2;ri))oIi«,  um  bie  Statte  feiner  3kxufe  aufjufuc^en,  nad^iGmefa,  um 
ba«  t)or  furjem  bort  aufgefunbene  ^aupt  3!o^anne«  be«  iäufer«  anjiubeten ;  bann  aHein 
nad^  g^^föicm,  mn  an  ben  l^eiligen  ©tätten  feine  3lnba(^t  ju  t)erri(^ten.  auf  ber  Slücfs 
reife  toar  er  im  ^etru«flofter,  mit  ber  äbftd^t  fid^  t)on  Söagriu«  ju  berabfc^ieben   unb 
bann  über  Ser^tu«  in  bie  §eimat  jurüdt jufclj^ren.     a)a  erfolgte  angeftc^t«  be«  Sü^er^  26 
leben«  ber  SBeltabgefc^iebenen  ber  Umfc^toung.    6r  lie^  fic^  einlleiben  unb  fc^idEte  ben 
©flaöen,  ber  il^n  begleitet  Ij^atte,  nad^  Ser^tu«  gurüdf,  mit  bem  3luftrag  für  ^ai^axiai, 
feinen  bortigen  $au«T^alt  auf^ulöfen.    9tac^  lurj^em  3lufent^alt  im  Älofter  genügte  il^m 
biefe  2l«Iefe  nic^t  mel^r,   unb  er  jog  ftc^  in  bie  SBüfte  öon  (gleut^erojjoli«  jurüd.    §ier 
unterwarf  er  ftdj^  ben  fc^ärfften  Äafteiungen  unb   lenfte  baburt^  bie  3lufmerffamfeit  be«  so 
9lbte«  be«  9lomanu«Hofter«  (9Kama«?  Dgl.  Zach.  107;  über  Dlomanu«  bgl.  Vit.  Petr. 
p.  53.  Pleroph.  cp.  10  u.  25)  auf  fid^,  ber  i^n  öeranlafete,  in  feinem  itlofter  SBol^nung 
gu  nehmen.    2tber  auc^  ba«  hjar  nic^t  t)on  a)auer,  ber  3wg  jur  ©infamleit  erh)a(^t  \>on 
neuem,    ^n  einer  R^^e  bei  SJlajuma  gicbt  er  fid^  toicber  allein  feinen  2lnbac^t«übungen 
l^in.    aber  ber  Sluf  feiner  ejem^jlarifqien  grömmigleit  l^at  fic^  Verbreitet   unb   anbere  35 
l^erbeigej^olt,   bie  burd^  il^n  jum  $eil  gefül^rt  gu  tüerben  toünfc^en.    2)a  baut  er  öom 
Sleft   feine«  öäterlic^en  Vermögen«  (Zach.  97)  ein  Älofter  mit  ©injeljetten.    SBie  einft 
3ad^aria«  il^n  in  bie  c^riftüAe  5ß^ilofo^)^ie  ber  ÄajjJ^abojier  eingefül^rt  |atte,  fo  mac^t  er 
e«  nun  mit  feinen  jungen  3lbet)ten.    ^i}n  felbft  öeranlafet  man,  bie  SQäeil^en  m  nel^men, 
unb  ej)i^)]^aniu«  (i)on  ÜKag^bum,  ber  bamal«  in  ^aläftina  toeilte;  bgl.  ©.«  Sriefe  1,  1  40 
p.  8  Sroo!«  unb  2,  3  p.  218  unb  221)  nimmt  i^n  unter  bie  ^riefter  auf  (Zach.  100). 

2öir  ftelj^en  in  ber  3eit  ber  SBirren,  bie  ba«  auftreten  be«  SRetJJ^aliu«  (f.  93b  XIII, 
381,47,  h)o  öerfe^entlic^  3ie))^cliu«  gebrudtt  ift)  unter  ben  baläftinenftfc^en  3Könc^en  ^erbor* 
rief.  aSie  ein  S^amäleon  (Joh.  232)  Ij^attc  ba«  „nubifc^e  3Konftrum"  (Joh.  231)  feine 
^arbe  geluec^felt.  2lu«  einem  enragierten  (Segner  be«  ß^alcebonenfe  l^atte  er  pc^  in  45 
feinen  93erteibiger  t)erh)anbelt.  6r  ^atte  gü^Iung  genommen  mit  bem  Äleru«  bon 
3erufalem  (Zach.  102),  ber  gur  %al)m  ber  Drtl^oboEie  fc^lüur,  unb  in  9Raj|uma  unb  (äa^a 
gegen  bie  3Könc^«Iolonien  ge|e^t,  bie  al«  Sln^änger  ^etru«  be«  3^«^^^  M  Ö^Ö^  t>i^ 
©^jnobe  able^nenb  öerl^ielten.  ©eine  5Kac^enfd^aften  toaren  bon  ©rfolg  begleitet.  2)ie 
"üRönd)^  tourben  bertrieben.  2tl«  i^r  Vertreter  ging  ©.  öon  t)ielen  SKönc^en  (200  nadj^  50 
Theod.  Lect.  Mill.  396;  3Kama«  ff.  0.]  befanb  fic^  barunter  nac^  Cyrill.  Vit.  Sab.  55) 
begleitet,  mi)  Ronftantinopel  (508/509  V  f.  0.).  ffiä^renb  ber  brei  3ia^re  (Zach.  108) 
feine«  2tufent^alte«  in  ber  SRefibenj  t)erbiente  er  fid^  feine  ©J^oren  al«  Äir(^ent)oIitiIer. 
93ei  ilaifer  Slnaftafiu«  toirfte  er  im  ©inn  be«  §enoti«mu«.  SBermitteIung«t)erfudbe,  luie  ben 
be«  3<'^ö'^"^  bon  ÄIaubio})oIi«,  ba^  man  bie  ©^nobe  öon  Gl^alcebon  anerfennen  folle  65 
um  i^rer  SBerbammung  be«  5Jeftoriu«  Tillen,  menn  man  auc^  il^rem  ®laubcn«belenntni« 
nic^t  juftimmc,  hjie«  er  al«  unflar  unb  bertüirrenb  jurüdt  (ögl.  feinen  93rief  1, 1  p.4ff. 
33rooI«).  ^n  ben  ©reigniffen,  bie  jum  ©turj  be«  d^alcebonianifc^  gefinnten  5ßatriar(^en 
aWaceboniu«  führten,  ^atte  er  feine  §anb  im  ©öiele  (93b  XIII,  385,  eff.;  386, 1  ff.). 
Auf  ber  anberen  ©eite  toufete  er  felbft  fic^  be«  äsortourf«,  bafe  er  eut^c^ianifiere,  er^  so 


254  ®etientd,  Sifi^of 

toel^rcn;  h)ic  Ääfer  unb  SBefpen  umfc^tpintcn  i^n  bie  ®egner  (Joh.  234).  3)ic  „aU-- 
p^akn''  ifaurifd^en  Sifc^öfc  unb  bie  antioc^cnifc^en  3Hönc^c,  bie  „ber  ©inigung  ber  Äirc^en 
^inberlid^  lüarcn"  (Zach.  107),  mufete  er  mit  ©lud  im  ©innc  be«  §enotifon^  ju  be= 
arbeiten.    3"  3Rifomebien  „entlarble"   er  ben  Drigeniften  ^^it>ox  (Zach.  1.  c).     ^on 

6  tDurbcn  Stimmen  laut,  bie  i^n  aU  Äanbibaten  für  ben  erlebigten  ©tu^I  ber  SRefiben^ 
bezeichneten  (Zach.  110).  2Benn  ba«  nid^t  in  Erfüllung  ging,  fo  toar  bod^  ber  neue 
^atriarc^  limotl^eug  (S3b  XIII,  386,  aiff.)  ein  9Jlann  mi)  bem  ^er^en  bet^  ©.,  ber 
mit  i^m  auf  SßJunfd^  be«  Äaifer«  bie  fir^enjjolitifc^en  JJer^anblungen  fortfe^en  foBte. 
aber  bie  ©e^nfuc^t  nac^  bem  „j)^iIofot)^if(^en  Seben"  überlam  i^n  öon  neuem;  er  JEe^rte 

10(511)  in  fein  Äiofter  jurüd.  ©ein  nä(^fte^  Rkl  unb  ba«  feiner  Sluftraggeber  ^atte  er 
erreid^t;  bie  5Könc^e  öon  SKajuma  burften  fic|^  lieber  ungeftört  il^ren  frommen  Übungen 
Eingeben.  Söä^renb  jeine«  2lufent^alte^  in  Äonftantinot^el  hjar  ©.  auc^  fd^riftfteHerift^ 
tl^ätig  gchjefen.  SSor  allem  »erfaßte  er  ^ier  feinen  gegen  bie  „3?eftorianer",  b.^.  bie  6l^alce= 
bonianer,  gerichteten  „^^ilalet^ed",   in  bem  er  —  nad)  Rad)ax\ai  —  nac^toeifen  tüoHte, 

16  bafe  bie  ©egner  fic^  ^u  Unrecht  auf  öerfälfc^te,  berftümmelte  ober  an^  bem  ^ufonimenl^ang 
geriflene  SBorte  G^rill«  beriefen,  toä^renb  3lnaftaftu^  ©inaita  (Hodegos  6.  MSG  89, 105) 
ber  3Jleinung  ift,  ©.  I^abe  bie  !äutorität  ber  Säter  für  bie  3^einaturenle^re  baburc^ 
toeguibi^putieren  berfuc^t,  ba^  er  ade  il^m  unbequemen  3^w0"ni^  ^te  gcfälfc^t  beifeitc 
fc^alfte  (bgl.  Zach.  106;  bie  ©injell^eiten  bei  Joh.  235  f.  h)irb  man  mitSBorft^t  benu^cn 

20  müjfen ;  übrigeng  liegt  nad)  Slffemani,  Bibliothecae  apost.  Vatic.  codicum  manuscr. 
catalogus  3,  221  eine  fbrifc^e  Überfefeung  ber  ©c^rift  in  ber  batifanifc^en  Sibliot^ef; 
einige  ßitate  an^  ber  ©c^rift  bei  2Bng^t  p.  926  a,  943  b,  944  a  unb  957  b).  SDem 
laiferlic^en  Äammer^erm  ©u^jrajiug  (berfelbe,  für  ben  ^ac^aria^  Sl^etor  feine  Äirc^en= 
gefdS^ic^te  [93b  XIII,  373,  36]  fc^rteb)  beantwortete  er  in  bejonberer  ©c^rift  {'Ajioxgiasig 

2ö7iQdg  EvTiQd^iov  xovßixovXdgiov)  eine  3lnga^I  bogmatifc^er  fragen  (Zach.  106;  Dgl. 
Hist.  Mise.  7,  10  äb^enei^Ärüger  p.  131,28;  ber  Äom»)iIator  ^at  aber  ben  gtoed 
unrichtig  angegeben,  toie  fc^on  Äugener  Rev.  Or.  Chr.  1900,  476  ^erborl^ebt;  bgl.  bie 
^Wotijen  beiffirig^t  p.  944  b  [Cod.  M.  B.  Add.  12155]  unb  961a  [Cod.  14532];  mti} 
Hist.  Mise.  Waren  e^  fieben  S'^agen,  bei  SBrig^t  944  Werben  neun  genannt).    3"  ^^^ 

80  Ionftantino})oIitanifcbe  ^eit  fällt  nac^  3^^^^^^^  (!•  c.)  aud^  bie  äu^einanberfcfeung  mit 
bem  „3:eftament"  be^  ^am^)etiu«,  be^  §auj)teg  ber  Slbelö^ianer  (3Keffalianer ;  f.  b.  2lrt. 
aSb  XII,  663,  n2ff.  unb  t)gl.  Phot.  Cod.  52  p.  13  Seif.;  eine  ©rinnerung  an  £am))e= 
tiuö  aud^  im  Sriefe  1,  13  p.  55  33roote). 

Sängere  ^^\t  in  ber  3w^*0^i^0C"^^it  jw  berbarren.  War  ©.  nid^t  befc^ieben;   man 

35  möchte  and)  nad)  allem,  tva^  bon  feinem  öffentlid^en  2Azn  bdanni  ift,  baran  jWeifeln, 
ob  i^m  bamit  gebient  geWefen  Wäre,  ©eine  ©rfolge  in  Äonftantinojjel  Ratten  i^n  in 
aller  ^Tinrio  gebracht;  in^befonbere  War  er  ber  §elb  ber  3JJönc^gfd^aren  geworben,  bcren 
Sinflufe  auf  bie  öffentlichen  2lngelegenl;eiten  in  biefer  3^^*  f^ft  ^ö^^  hjar  aU  je.  2)ic 
Vorgänge,  bie  ba^in  führten,  bafe  ^^aüian  t)on  Slntio^ien  t)ertrieben  unb  ©.  ^u  feinem 

40  9lad^foIger  beftimmt  Würbe,  finb,  foWeit  fie  für  bie  allgemeine  ©efc^id^te  bon  3^^*^^^ 
fmb,  bereite  früher  (93b  XIII,  385,  nff.)  bargefteßt  Worbcn.  Die  fieben^ef^i^ten  be^ 
©.  berid^ten  un^  noc^  manche  (Sinjel^eit,  u.  a.  bie  in  ber  ©efc^ic^te  ber  Sifd^of^Wablen 
ftereoti;})c  2Beigerung  beö  Äanbibaten,  bem  5Rufe  golge  ju  leiften,  ba  er  fic^  bem  f^o^en 
ämte  nic^t  geWac^fen  fü^It  (ügl.  bie  ^übfc^e  ßrjäl^lung  Joh.  239  ff.).    2lm  6.  9lob.  512 

46  (fo  Evagr.  3,  33;  Mal.  400 sqq.  ed.  Bonn.;  bie  orientalifc^en  Cuetten  bifferieren  be^ 
^üglic^  be^  ^af^reig  f)iert)on,  aber  aud^  untereinanber;  f.  für  ba^  5lä^ere  meine  93e= 
merfungen  in  93i;^.  ^eitfc^r.  14,  1905,  633  f.)  Würbe  S.  5ßatriarc^  (bie  5lamen  ber 
lonfefriercnben  93ifcf^öfc  fmb  in  berfc^iebencn  Slegenfionen  erl^alten;  toal.  Äugener  [2] 
319 ff.);  am  25.?Rob.  l^ielt  er  feine  erfte  ^rebigt  (ügl.  ^Ä^Ux  ©.  43  unb  Ärüger  a.  a.D.). 

50  ©eine  3lntritt^[d^reiben  Würben  ben  übrigen  Patriarchen  jugeftellt:  ber  äliejanbriner 
^ot^ann  III.  (93b  XIII  385,  58)  unb  ber  Äonftantinoj)oIitaner  Stimot^eu^  (f.  o.  ©.  254, 7) 
erfannten  i^n  an  (Evagr.  4, 4 ;  Hist.  Patr.  (Süctt«  p.  450),  ßlia^  Don  3!^r"f<tlem  ignorierte 
bag  ©c^reiben(Cyr.  Vit.  Sab.  56)  unb  büj^te  mit  Slbfe^ung  (bag  9Jä^ere  93b  XIII,  386,  m). 
2lud;  in  ber  eigenen  3)iccefe  War  ber  SELUberftanb  rege.    3)ie  93ifci^öfe  3!wKö"  öon  Softra 

65  unb  6j)ij)^aniug  üon  1t;ruö  Wiberfe^ten  ftc^  unb  jogen  e«  Dor,  il^re  ©i^e  ju  toerlaffen 
(Epist.mon.  ad  Alcis.  bei  Evagr.  3,  33;  Zach.  114);  auc^  bie  ifaurifien  93ifc^öfe  (f.  o. 
©.254,2)  Weigerten  bem  neuen  "^Patriarchen  bie  iMnertcnnung.  ^ie  93ifc9öfe  Äo^ma^  bon 
6p^ij)f^ania  am  Drontee  unb  Seberian  bon  9lretl^ufa  Wagten  e^,  über  ben  ^atriard^en 
bie  3Ib[e^ung  au^jufprccf^cn  (Evagr.  3,  34  nac^  ber  CJrjä^lung  jeinc^  9Saterg;  ber  Über= 

w  bringer  be^  2)efretg  üerüeibete  fic^  ali  grau,  bie  eine  93ittfd^rift  ^u  überreichen  öorgab). 


3m  aHöemcincn  toirb  bod^  bic  Stimmung  für  ©.  gctDefcn  fein,  bcr  aui)  aU  ^atriard^ 
bie  5ßoIitif  bc«  ^cnoti^mu^  fortfc^tc  (bgl.  bic  jigoatpcovi^aig  in  Cod.  Mus.  Br. 
Add.  14533  bei  Äugener  [2]  322  ff.)  unb  i^r  burc^  bic  ©^nobc  t)on  %t}xn^  (Sb  XIII, 
386,  49  ff.)  öffentliche  9tnerfennunö  öerfc^affte.  Selbftt)crftänblic^  \)at  er  fic^  and)  t^co« 
logifc^  be«  öfteren  öcäufecrt.  2)ie  $au))tfc^rift  biefer  3^'^  bürften  bie  brei  Sucher  xard  b 
'Icüdwov  ygajbLjuaTixov  rov  Kaioagelag  fein  (bgl.  bie  griec^.  Srud^ftüdfe  bei  SJlai  7, 
137f.  [f.o.©.251,29junbbie3itatebei3yri0^t  [f.ben  Snbej  1323a];  aud^  Job.  248 ff., 
ber  bie  Slbfaffung  ber  ©c^rift  erft  nad)  ber  Verbannung  ertoä^nt).  @ine  Äorrefponbenj 
mit  bem  ©rammatiler  ©ergiu^  betreffenb  bie  ^WmatuxmUi)x^,  beftel^enb  au^  brei 
Sriefen  be«  ©ergiud  unb  brei  9Jej)IiIen  be«  ©.,  gu  benen  fid^  noc^  eine  2lj)olo0ie  gefeHt,  lo 
ift  f^rifc^  erhalten  in  Cod.  M.  B.  Add.  17154  (2Bri0^t  ©.  557 ff.;  Dgl.  Hist.Misc.  7, 
10,  h)o  freiließ  ber  Se^t  aud)  in  ber  öerbefferten  Überfe^ung  Äugener«  [2]  271  Unflor* 
l^eiten  entl^ält).  Db  auc^  bie  „9tj)ologie  für  ben  ^P^ilalet^e«"  (SBrigbt  ^nh^x^  1.  c),  bie 
©(^rift  gegen  bie  xcodUiUoi  eine^  äliejanber  Q.  c),  fotpie  bie  Sudler  Ttegl  ovo  qw- 
aecov  gegen  geliciffimu«  (^tpei  ^iiai^  bei  ^Kai  7,  p.  8,  ba«  gtoeite  au«  bem  15.  Su^;  ib 
t>gl.  toeiter  SBrig^t  1.  c.)  au«  biefer  ^t\i  ftammen,  mufe  ba^ingefteHt  bleiben.  3)a«  6.  93uc^> 
ber  Sriefe  (f.  o.  ©.251,63)  enthält  fein  bogmatifc^e«  9JfatcriaI;  um  fo  tieferen  ©inblid 
läfet  e«  un«  in  bie  fird^enregimentlic^e  3:^ätigleit  be«  ^Patriarchen  t^un.  35er  rei^e  3"' 
^alt  lann  ^ier  nid^t  einmal  anbeutung«U)eife  toiebergegeben,  gefd^tpeige  erfd^ö^ft  tperben 
(i>gl.  SH^ffel«  Überfid^t  über  ben  erften  93anb  [j.  o.  ©.  251,  c?]).  ©.  jeigt  fic^  in  biefer  20 
Äorrefj)onbenj  ate  Äirc^enfürft  toon  Vorteilhafter  ©eite:  ftreng  unb  geredet,  umfid^tig  unb 
tlug,  fogar  tpeit^erjig,  o^ne  ^ßebanterie  unb  nic^t  o^ne  einen  ©c^ein  t)on  Sieben^toürbig« 
feit.  2)abei  f)at  er  eine  aufeerorbentlic^  beftimmte  unb  Ilare  Slrt,  bie  35inge  anjufaffen 
unb  barjulegen.  ©ein  befonnenc«  Urteil  bei  S^^Ö^"/  ^'^  fanoniftifd^er  ©ntfc^eibung  untere 
liegen,  berührt  tpo^lt^uenb.  2luc^  jeigt  er  ]xd)  in  ber  firc^lid^en  33ergangen^eit  trefflid^  25 
betoanbert  unb  ift  nic^t  nur  um  ber  monoj)^^ritifd^en  grage  toillen  in  ben  alten  33ätem 
gut  gu  §aufe  (i>gl.  ben  3"^^  ^^  Sroof«).  9latürlic^  bricht  aud^  bie  Seibenfd^aft  burd^, 
tpenn  e«  ftd^  um  ben  ®egner  ^nbelt:  „toa«  für  ein  3)fenfd^  berSifd^of  ber^^ölemer 
(6lia«)  ift  nac^  ß^arafter  unb  ®lauben«überjeugung,  ift  jebermann  befannt,  aber  mid^ 
efelt  e«,  baöon  gu  fprec^en"  (1,  47  p.  129).  ®a«  a«fetifc^e  5Koment  brängt  ft^  nic^t  so 
unangenel^m  ^ertoor.  ©.  felbft  blieb  auc^  at«  5PatriarA  ber  mönc^ifc^en  Seben^toeifc  treu. 
!^ie|  er  boc^  gleid^  nac^  feiner  9lntunft  5{öc^e  unb  Jtüc^enjungen  au«  bem  @m«fo^eion 
entfernen  unb  bie  Sabeeinric^tungen  l^erau«ne^men  (Job.  243).  Übrigen«  jinb  feine 
Sriefe  nid^t  unfere  einjige  Duelle,  um  feine  3lmt«t|ätigfeit  gu  verfolgen.  98enn  erft 
einmal  feine  Äomilien  im  DrudE  Vorliegen,  toirb  man  aud^  an^  il^nen  Viel  entnehmen  ss 
fönnen.  6r  ift  viel  auf  3}ifitation«reifen  getoefen  unb  f)ai  brausen  h)ie  in  feiner  Sifc^of« 
ftabt  gern  geprebigt  (Vgl.  bie  5Jotigen  bei  ^45ei«iEer  43  unb'  bie  einge^enbe  E^arafteriftiiE  ber 
^rebigttpcife  be«©.  in  bem3luffa^  von  Saumftarf  [f.  0.  ©.251,52]).  SBJie  ba«  burftigeßrbreid^ 
—  fo  l^eifet  e«  Job.  243  —  faugte  ba«  3?olf  Von  ätntioc^ien  bie  SBorte  be«  ^ßatriard^en  ein, 
ber  bem  ©j)ringquell  gleid;  i^m  belebenbe«  SBaffer  bot.  2Bie  einft  Sarbefane«  unb  40 
Qpi)X&m  l)at  auq  ©.  fid^  ber  §^mnenbic^tung  befleißigt  unb  tpie  fie  bamit  ber  toeltlid^en, 
in«befonbere  ber  I^eaterbic^tung  entgegentoirfen  tpoUen  (Job.  244;  vgl.  baju  aud^  ben 
intereffanten  Srief  1,  27,  p.  88  f.  über  ba«  3lbfaffen  Von  Sl^eaterftüdfen  burd^  ©eiftlid^e). 
2)er  I^ronbefteigung  3;uftin«  (f.  Sb  XIII,  388,  44  ff.)  folgte  eine  Völlige  SBeränbe^ 
rung  ber  fird^enjjolitifd^en  Sage.  6«  ift  bereit«  erjä^lt  toorben  (a.  a.  D.  389,  28  ff.),  ipie  46 
e«  in  ber  2)iöcefe  von  9tntiod;ien  jur  Vertreibung  ber  mono})^^fttifd^  gefinnten  Sifc^öfe, 
aJlönc^e  unb  5Ronnen  (Hist.  Patr.  (Svett«  453)  fam.  ®.  felbft  tüurbe  ©evt.  518  Ver« 
trieben  unb  flo^  nac^  ätlejanbrien,  too  er,  toie  ber  fojjtifc^e  Äalenber  h)iu  (Slenaubot, 
Hist.  Patr.p.  311),  29.  ©ept.  eintraf.  Sei  Stimot^eu«  IV.  fanben  bie  Slefugi^  liebevolle 
9tufnal^me.  2öäl^renb  ber  Jlegierung  '^n\i\n^  ift  ®.  öffentlich  nic^t  hervorgetreten.  3)oc^  w 
fällt  in  biefe  ^tii  ber  bogmatifc^e  ©treit  mit  Julian  Von  §alifamaß,  ber  gu  unJ^eilVoHer 
©}3attung  im  eigenen  Sager  führte  (vgl.  barüber  bie  3lrt.  Julian  93b  IX,  606  ff.,  bef. 
607,  34 ff.  unb  3)lono}3^^fiten  93b  XIII,  400, 19  ff.).  3)lit  feinen  ätn^ängem  in  ©^rien  blieb 
er,  h)ie  bie  erhaltenen  93ricfe  jeigen,  in  lebhaftem  9Serfe^r.  ßrft  bie  Stegierung  3iuftinian« 
unb  ber  nunmehr  freigetoorbene  (Sinflufe  J^eobora«  (Vgl.  ^ierju  unb  gum  J^olgenben  56 
93b  XIII,  391,  42  ff.)  eröffnete  S.  bie  aiu«rtc^t,  feine  antic^alcebonenfifd^e  ^olitif  nod^ 
einmal  mit  ßrfolg  aufnehmen  ju  fönnen.  ^Wax  toax  er  an  bem  Von  ber  ^Regierung  Ver^ 
anlasten  9leligion«gefj3räc^  von  533  (nic^t  531)  nod^  nid^t  beteiligt.  93alb  barauf  aber 
tpurben  bie  9Ser^anblungen  mit  il^m  eröffnet,  bie  h)ol;l  im  ©ommer  535  (fo;  Vgl. 93b XIII, 
392,  58  ff.)    ju   feiner  Steife   nad^  Äonftantino})el    fül^rten.    3)er  ©turj  be«  2lntl;imu«  eo 


256  Setientd,  Sifi^of  Setientd,  ftaifer 

(t)fll.  au^ct  bcm  Sb  XIII,  393  über  fein  SBerl^ältnte  gu  ©.  (Sefagten  nod^  Job.  253  ff.) 
machte  feine  Hoffnung  auf  ben  ©ieg  feiner  ©ad^e  ju  nickte.  6r  tourbe  mit  anberen 
aWonop^^fttenfüI^rern  toon  ber  S^nobe  t)on  536  ejfommuni^iert,  unb  ba«  faiferlid^c  6bi!t 
t)om   6.  ätuguft  (Nov.  42  ed.  Zach.  ?Rr.  56)   öeriüie^  aud^  i^n   au«   ber  §aut)tftabt. 

5  ©eine .Schriften  fottten  benen  be^  ^orpl^^riu^  gleich  öemid^tet  toerben.  ©o  fe^rte  er 
nai)  äg^^ten  ^iuriicf;  auf  ber  SWücfreife  toirb  er  6^io«  berührt  l^aben  (togl.  feinen  toon 
bort  an  ben  2)iafonen  Wi\aü  gerid^teten  93rief  1,  63,  p.  199).  ^n  ber  SBüfte  „füblic^ 
t)on  9tlejanbrien"  (Job.  Eph.  Beat.  Orient,  p.  48)  nal^m  er  fein  6infieblerle6en  toieber 
auf.    2)od^  tparen  feine  2^ge  gejault.    3)en  fd^mer  6r!ranften  t)erbrac^te  man  nad)  Xo'x^ 

10  am  febennitifc^en  Siilarm  (ögl.  ^ei^Ier  53  3[nm.  2),  unb  l^ier  tft  er  toal^rfc^einlic^ 
8.  gebr.  538  (nic^t  543,  tote  93b  XIII,  395,  9  gefagt  ift;  t)gl.  5PeiöIer  56  9tnm.  4) 
geftorben.  ^oi^anne«  (Job.  259  ff.)  I^at  bie  legten  ©tunben  erbaulic^  gefc^ilbert.  3)ie 
^reunbe  jtoangen  i^n,  ein  Sab  gu  nehmen;  er  beftanb  toenigften^  barauf,  bafe  er  babei 
in  ben  Äleibem  blieb,  um  feinen  Äörper  nid^t  feigen  gu  muffen,    ©ein  Seic^nam   behielt 

16  ben  füfeen  2^aufgerud^.  9ttö  man  i^n  in  ben  @arIo})l^ag  legen  toollte,  ertoie«  biefer  fid^ 
ate  gu  Mein.  i)od)  toie  burc^  ein  Sfeunber  glitt  ber  Rötpn,  ol^ne  bafe  ein  (Slieb  fic^ 
Irümmte,  hinunter.  2)er  ^eiliae  (Seift  aber  bef chattete  (2c  1,  35)  feine  ^Reliquien  unb 
berlie^  i^nen  bie  5traft,  atte  ©ebrec^en  ju  feilen,  gür  bie  9)lonoj)l^b5ten  toar  ©.  ein 
$om  be«  §eite  (Hist.  Patr.  göett«  449),  ber  ^eilige,  burd^  beffen  aJlunb  atte  itirc^cn^ 

20  leerer  gefüroc^en  Ratten  (bgl.  bie  §^mnen  auf  ©.  bei  Äugener  [2]  327  ff.),  aber  auc^ 
ber  §afe  ber  ®egner  blieb  i^m  über  ba^  ®rab.  9Jod^  gal^r^unberte  ft)äter  tilgte  ein 
eifriger  Drt^obojer  bei  ber  Seitüre  einer  ©ammlung  bon  9tu«f})rüd^en  ^eiliger  Säter 
überaH  ben  5Ramen  be«  fc^redflic^en  Äe^er«  (f.  SBrig^t  923  a  2lnm.).  ®.  «rftger. 

®etient8,  ^tptmin»  unb  SIeganber,  römifc^e  itaifer.  —  Dio  Cass.  Hist.  Rom. 

26Söud)  74—76  u.  80;  @partionu§,  SeuevuS;  Sompribiu?,  ?llej.  ©euer.;  ^erobian  Siuc^  5  u.  6. 
(gufcb.  H.e.V,  26;  VI,  Iff.  3er)treute  ^iotljen  c^rlftlidier  ©c^riftltetter  finb  imXertc  angcfüM; 
ogl.  Quc^  btw  ?lrt.  «Perpetua  ©b  XV  @.  160;  ^.  ©(Ritter,  ©efc^.  ber  röm.  Raifcrjeit  I,  2 
®ot^a  1883,  ©.  705 ff.;  6.  gud^«,  (öefc^.  bcS  Äaijcrä  ß.  ©cptim.  ©eoeruS,  mtn  1884; 
91  ub^,  Les  Chr^tiens  dans  Fempire  Romain  de  la  fin  des  ADtonins  au  milieu  du  III.  si^cle, 

solaris  1881,  ©.  53 ff.;  ®.U^Il^orn,  5)er  ^ampf  beS  ß^viftent.,  ©tutt.  1875,  ©.284 ff.;  ®örre« 
bei  ÄrouS,  SR(S.  b.  c^r.  ^Htertüincr  I,  greiburg  1882,  ©.  227 ff.  u.  8mSt^  20,  ©.  48 ff.;  Ä.  3, 
9?eumann,  3)er  röm.  ©taat  u.  bie  allg.  ÄIrrfie  I,  Seipjig  1890,  ©.  95 ff.;  3.  3.  ^KüUcr, 
©toat  u.  tirdje  unter  9llej.  ©euer,  in  ©tub.  j.  ®efd).  b.  röm.  Ä.,  3üric^  1874;  $.  ?inavb, 
Hist.  des   pers^cussions  pend.  ia   prem.    moiti^   du    III.  si^cle,    $ari^  1886,    ©.  79  ff.  u. 

36  171  ff.;  3-  O^^üiQe,  La  religion  tl  Kome  sous  les  S^v^es,  ^ari§  1885,  bcutf(^c  Übcrfejumi 
\>on  &.  Krüger,  ficipjig  1888;  91.  fiinfcnma^er,  3)ic  53cfämpfung  bcg  ß^riftcnt.  burc^  ben 
röm.  ©tQQt,  'äJiüncftcn  1905,  ©.  109  ff.  unb  117  ff. 

©e})timiu^  ©eberu^  tourbe  am  11.  9t})ril  146  ju  £ej)tid  in  2lfrila  geboren.  6r 
gel^örte  einer  gamilie  be^  römifc^en  Slitterftanbe^  an;  t)on  5WarI  äurel  toal^rfc^einlic^  172 

40  in  ben  ©enat  aufgenommen,  190  ÄonfuI,  erl^ielt  er  191  toon  ßommobu^  ben  Dberbefel^I 
über  bie  germanifc^en  Segionen  in  ^ßannonien.  3lad)  ber  ßrmorbung  be«  ^ßertinaj 
im  ^a\)xt  193  bon  biefen  xum  Äaifer  angerufen,  eilte  er  fofort  nac^  3^Ii^>^  ^"^  6^' 
mäc^tigte  fic^  ol^ne  SBiberftanb  SRom^,  nac^bem  ba«  SSoII  ben  3)ibiu^  3"Iiö>^w^  bereite 
geftürgt  l}aiU.    Slber  gleid^jeitig  erl^oben  bie  Segionen   in  ©^rien  ben  5ße«cenniu«  9Jiger, 

46  bie  in  Sritannien  ben  Sllbmu^  ju  Äaifem,  unb  erft  nad^  blutigen  Äriegen  gelang  e^ 
©eberu^,  beibe  ^u  befiegen  unb  ftc^  ^um  §enn  be^  ganzen  SWeid^e^  ju  mad^en.  vilaa 
ba^  SBort,  toelc^e^  bem  ©eberu^  in  ben  9J?unb  gelegt  toirb:  „^Kad^t  bie  ©olbaten  reic^ 
unb  t)era4[tet  ben  SReftl"  (2)io  76,  15)  auc^  öielteic^t  unecht  fein,  immerhin  ift  c« 
d^aralteriftifc^. 

60  3JJit  ©eptimiu^  ©eberu«  beginnt,  nur  ju  9tnfang  nod^  bon  einjelnen,  bem  alten 
Säfarentoal^nfinn  toerfattenen  Siegenten  unterbrod^en,  bie  Sleil^e  ber  ©olbatenfaifer  bie  im 
gelblager  aufgetoac^fen,  ba^  jerfatlenbe  Sleid^  noc^  einmal  mit  SBaffengetoalt  jufammen« 
jul;alten  toerfuc^ten.  3lfö  bie  eigentliche  3)et)ife  feine«  Seben«  lann  man  fein  lei^tcö  SKort 
anfe^en,  ba«  er  gleic^fam  aU  leftament  feinen  ©ö^nen  l^interliefe:  „2a^t  und  arbeiten!" 

K  ©eine  gange  9legierung  toar  ftrenge  Slrbeit  jum  SBo^le  be«  Sleic^d,  toie  er  benn  aud^  ben 
änftrengungen  be«  Äriegeig  in  einem  ^^^^^3^9^  9^9^"  ^'^  (S^alebonier  gu  ©boracum,  bem 
f^äteren  Jjorf,  am  4.  ^ebruar211  erlag,  ©ein  ß^arafter  toar  ftreng^ec^tlic^,  nic^t  o^ne 
eine  Seimifc^ung  bon  ©raufamfeit.  ©taat^flug  unb  energifc^  l^at  er  bcm  Sleicle  nai) 
ber  TOi^regierung  be«  (Sommobu«  unb   ben   bann   folgenben  SSürgerfciegen   toieber  ßalt 

60  unb  ^rieben  gegeben.    2)ie  ^Regierung  leineig  Äaiferö  bi«  auf  Äonftantin  ift  für  bie  äu^ 


Sft^tvn»,  fiaiftt  257 

bilbung  bc«  römifc^en  SWec^tö   fo   fruchtbar  gctpcfen  h)ic  bie  feine;   ^JJapinian   machte   er 
3um  praefectus  praetorii,  Ulpian  unb  $aulu^  gehörten  ju  feinen  intimften  Späten. 

aSielfad^  nimmt  man  an,  bafe  ©eöeru«  big  jum  ^a1)xt  202  c^riftenfreunblid^,  bann, 
bur^  irgenbtoeld^e  un^  unbefannte  ©rünbe  umgeftimmt,  jum  ©cgner  unb  SSerfolger  be« 
(S^riftentumg  getoorben  fei.  35ie  2lnnal^me  einer  UmleJ^rung  ber  Stellung  be^  Äaifer^  6 
5U  ben  ß^rtften  möchte  aber  einer  genaueren  ^rüfung  ber  Quellen  gegenüber  fc^toerlic^ 
faltbar  fein.  Sltö  ©renjfc^eibe  ber  beiben  ^erioben  in  feiner  Slegierung  gilt  ba«  ®efe^, 
h)elc^eg  ©eöerug  im  ^af^x^  202,  nad^  glänjenben  Siegen  über  bie  2lrmenier  unb  ^art^er 
jurüdflel^renb,  in  ^ßaläftina  erlaffen  ^at.  Sjjartian  berichtet  barüber  (Severus  cap.  17): 
„In  itinere  Palaestinis  plurima  jura  fundavit,  Judaeos  üeri  sub  gravi  poena  lo 
vetuit,  idem  etiam  de  Christianis  sanxit.''  92un  ift  iWax  nid^t  ju  be^tveifeln,  bag 
bie  aingabe  be«  ©jjartian  richtig  ift;*auc^  toirb  er  ben  §au})tinl;alt  be^  ©efc^e«  richtig 
toiebergegeben  l^aben.  2)anac^  lann  aber  bag  ®efe§  nic^t  au^  ber  9tbfic^t  hervorgegangen 
fein,  eine  attgemeine  33erfolgung  jur  Slu^rottung  beö  ß^riftentum^  an^uorbnen.  93ielme^r 
fann  bie  äbftd^t  nur  getoefen  fein,  ber  bebenflic^  fortfc^reitenben  ^rojjaganba  be^  ß^riften^  15 
tumg  §alt  gu  gebieten.  35ag  g^riftentum  toar  Verbotene  9leligion;  inbem  ber  Übertritt 
5u  i^m  mit  fc^tüerer  ©träfe  bebrol^t  tourbe,  tourbe  ber  Sled^t^ftanb  nic^t  geänbert;  e« 
h)urbe  nur  nac^brücflic^  an  il^n  erinnert.  2)arauö  erllärt  fid^,  ba^  fji^  au^er  ber 
5Roti^  bei  ©j)artian  fonft  feine  Bpnx  bc«  ©efe^eö  finbet.  3"  ^^^^^  ^Kärt^rerafte  ber 
3cit  tpirb  eg  ertoäl^nt,  fein  Slic^ter  beruft  fic^  barauf,  fein  Slngeflagter  nimmt  barauf  20 
Sie^ug.  SBir  Serben  alfo  annehmen  muffen,  bafe  e^  jiemlic^  fj^urlo«  Vorüberging,  nur 
ba|  ^ie  unb  ba  too^l  ein  ^rofonful  fidb  baburc^  angetrieben  füllte,  bie  geltenben  ®efe^e 
gegen  bie  6l^riften  fc^ärfer  ju  l;anbl^aben.  3Son  einer  attgemeinen  33erfoIgung  unter 
©evcrug  ift  alfo  feine  5lebe,  bie  partiellen  aber  fallen,  toie  bie  in  aig^pten  unb  and)  tpol^l 
ber  änfang  ber  afrifanifc^en,  fc^on  Vor  ßrlafe  be^  ®efe§eg.  Überl^ai4)t  tPtrb  man  fc^toer^  25 
lic^  annel^men  bürfen,  bafe  biefe  33erfolgungen  bireft  Vom  Äaifer  ausgingen.  6^  finben 
ftc^  manche  ©^m})tomc,  bafe  ©everu^  perfönlid^  ben  ß^riften  nic^t  feinb  toar.  lertuHian 
er^ö^lt  (ad  Scap.  4),  ber  Äaifer  fei  in  einer  fc^toeren  Äranf^eit  Von  einem  6l;riften 
^roculug  3:orpation  burd^  Salbung  mit  Öl  geseilt  unb  ^abe  biefen  ß^riftcn  au^  ^anh 
barfeit  in  feinen  ^alaft  aufgenommen;  er  berid^tct,  ber  ältefte  ©o^n  be^  ©cveru^  ^abeso 
eine  g^riftin  jur  Stmmc  gehabt,  SeVcrug  felbft  ^abe  bie  ß^riften  bem  3Solf  gegenüber  in 
Sd^u^  genommen:  Sed  et  clarissimas  feminas  et  clarissimos  viros  Severus 
sciens  hujus  sectae  esse,  non  modo  non  laesit  verum  et  testimonio  exornavit 
et  populo  furenti  in  nos  palam  restitit.  3Künter  (Primordia  ecclesiae  africanae 
pag.  172)  benft  fic^  biefen  Vorgang  in  Slfrifa,  rid^tiger  möchte  e^  fein,  ben  ©d^aupla^  35 
in  9lom  ju  fuc^en.  5Rur  ben  5JJitgliebern  fenatorifc^er  gamilien  fommt  bie  Sejeid^nung 
clarissimi  m,  unb  bafe  bamalö  bereite  manche  au^  ben  vorne^mften  römifc^en  ®e- 
f(^lec^tem  g^riften  haaren,  bezeugen  bie  2i"fd^riften  ber  Äatafomben  (be  Slofft,  Bullet, 
di  arch.  crist.  III.  1,  177  ff.). 

2luc^  im  §aufe  beg  Äaifer^  gab  eö  jmeifelloö  G^riften,  unb  U)ir  finben  feine  ©})ur,  40 
bafe  fie  beunruhigt  tourben.  ®erabe  bie  römifd^e  ®emeinbe  l^at  f\d)  unter  ©eVeru^  be^ 
voHen,  nur  vielleicht  l^ie  unb  ba  burd;  einen  einjclnen  6^riftcni)ro^efe  unterbrod;enen, 
grieben«  gu  erfreuen  gehabt.  Dafe  ©eVeru^  fpäter  umgeftimmt  fei,  bafür  lä^t  fid^  au^er 
bem  oben  bereite  getvürbigten  ©efefee  fo  toenig  ein  SSetoei^  erbringen,  alö  auc^  nur  Ver^ 
muten,  tpa^  il^n  jum  »Jeinbe  ber  ß^riften  gemacht  l^aben  mag.  45 

3)aburc^  ift  jeboc^  nic^t  au^gefd^lojjen,  ba^  einzelne  ©tatt^alter,  fei  e^  au^  J)erföns 
lieber  äbneigung  gegen  bie  ß^riften,  fei  eö  burc^  bie  ©timmung  be^  SSolfe«  in  i^rer 
^rovinj  veranlagt,  mit  ©trenge  gegen  bie  ß^rlften  vorgingen,  tooju  ja  bie  befte^enben 
®efe$e  bie  ^Kittel  boten.  Dafe  ba^  Vom  Saifer  nic^t  ge^inbert  tourbe,  Verfte^t  fid^  von 
felbft,  \a  tomn  unter  feiner  Slegierung  bcrartige  >)artielle  SSerfolgungen  me^r  atö  fonft  50 
Vorfommen,  fo  cntfjjric^t  baö  nur  feinem  ftrengen  unb  auf  ftrenge  §anbl^abung  ber  ©e^ 
fe$e  gertd^teten  ©inne.  3"f^f^n  l^aben.  bie  ©tatt^alter  getoife  aud^  nid;t  gegen  bie 
Intentionen  be«  Äaifer«  ge^anbelt. 

Solche  leilverfolgungen  famen  in  ä(gVt)ten  unb  ber  I^ebai^,  im  })rofonful.  2lfrifa 
unb  im  Orient  vor.  3n  Sllejanbrien  erlitten  ^a^lreic^e  ß^riften  ben  SWärt^rertob.  „iäg^  60 
lid^,"  fd^rctbt  ßlemen^  von  Stlesanbrien  (Stromata  II,  20  ©.  494  ed.  ^otter)  „fe^en 
toir  Viele  ^Dlärt^rer  Vor  unfern  Slugen  Verbrennen,  fremigen,  mÜ}aupUn".  ßufebiu^  giebt 
VI,  Iff.  eine  ©c^ilberung  biefer  SSerfolgung.  9iamentli^  genannt  toerben  aU  5Rärt^rer 
Seonibe«,  ber  3Sater  be^  Drigeneä;,  ©erenuö,  §eraflibe^  u.  a.  9tudfü^rlic^  beridfitet  toirb 
über  ben  SKärti^rertob  einer  Jungfrau  5ßotamiäna  unb  i^rer  ^Kutter  aitarceHa  (bie  Sitten  w) 

ffUaU(hici9tlopählt  für  Xf)toloqit  unb  Stixdtt.    8.  «.  XVUI.  ]^7 


258  Setimtd,  Saiftt 

bei  SRuinart,  Acta  mart.  sine.  p.  107  cntl^alten  mand&c^  Unfic^crc  unb  ©agen^aftc). 
3^r  Selenntni^  gctoann  auf  bcm  SBcöc  jur  Stid^tflatt  Safilibc«,  bcr  balb  barauf  felbft 
feinen  (Stauben  mit  bem  2^obe  befiegelte.  ?Ric^t  minber  l^eftig  toaren  bie  SBcrfoIgungen 
in  äfrifa.  §ier  fc^einen  fie  fc^on  197  ober  198  begonnen  m  l^aben  (ögl.  IcttuHian^ 
6  ©c^rift  Ad  Martyres).  ©enannt  toerben  fjjäter  einige  G^riften  mit  j)unifc^em  ?Ramen 
(?Ram})l^an,  Augustini  ep.  16f.)  u.  a.  ^m  römif^en  SWart^rologium  l^ei^en  fie  bie 
aJlärt^rer  öon  3Kabaura.  ©ttoa  in  ba^  ^al}x  202  ober  203  toerben  toir  ba^ 
3JJart^rium  ber  gelicita«  unb  ^er^)etua  ^u  legen  ^aben  (bgl.  93b  XV  ©.  161,8).  9tac^ 
einer  jeittoeiligen  3iu^e  fc^eint  bie  5Berfolgung  unter  bem  $rofonfuI  ©ca^ula  211  noc^- 

10  mate,  namentlich  in  5Jumibien  unb  5Wauritanien,  iebod^  nur  für  furje  S^xt  angebrochen 
ju  fein  (t)gl.  Tert.  Ad  Scap.  u.  Scorpiace).  3)ie  fj)äteren  9^ac^ricl^ten  öon  einer  Verfolgung 
in  ©attien,  namentlid^  in  2^on,  Wo  ba^  ßl^rifteÄblut  in  Strömen  öergoffen  fein  foü 
(Greg.  T.  H.  Fr.  I,  29,  ©.47),  ftnb  ©age;  befonber«  ift  ba«  SJlart^rium  be«  ^rcnäu^ 
fic^er  ungefc^ic^tlid^.    9licl^t   in   bie  3^i^  ^^^  ©e})timiug  ©eberug   fäüt    ba^  3)Jartt»rium 

15  ber  ei^riften  bon  ©citti  f.  b.  3lrt.  oben  ©.  84.  3n  ©^ricn  unb  ^ontu«  führte  bcr 
©inbrudf  ber  33erfoIgung  gu  ent^ufiaftifd^en  ©rfd^einungen  in  ben  d^riftlid^en  ©emeinbcn, 
i>gl.  ©ufeb.  H.  e.  VI,  7  unb  bie  ÜRad^ric^ten  be«  $i^})oI^tu«  im  3)an.  Äomm.  IV, 
18  f.,  ©.230  ff. 

3m  gangen  U)irb  man  fagen  bürfen,  ba^  bie  Sage  ber  ßl^riften  unter  ©eptimiu^ 

2o©eberu^  biefelbe  blieb,  toie  unter  ben  Slntoninen.  3JJa^gebenb  toaren  bie  ®runbfä|c 
be«  S^rajanifd^en  SReflri^t^;  aber  baö  ®efe^  be^  ©eberu^,  fo  toenig  e^  für  ben  9lugen= 
blid  bebeutet  ^aben  mag,  toar  bod^  toie  ein  33etoei^,  ba^  jene^  nid^t  genügte,  fo  auc^  ein 
3Sorfj)ieI  lommenber  ftrengerer  3JJa^regeIn,  unb  bal;in  beuten  ebenfalls  bie  toenn  auc^ 
nur  lofalen  boc^  l^eftigen  SBerfoIgungen  in  einjelnen  (Sebieten. 

25  3w"^^P  freilid^  folgte  eine  ^eriobe  tiefften  ^rieben^  für  bie  Äird^e,  ja  eine  ^Äi, 
in  ber  man  fic^  in  ben  regierenben  Äreifen  Slom^  bem  ßbriftentum  auf  cfleftifd^er  unb 
f^nhetiftifc^er  ©runblage  näherte,  tool^I  gar  mit  ©ebanlen  einer  Äonforbie  jtoifd^en 
ßl^rißentum  unb  ^eibentum  trug.  6«  ift  bie  Rtxi  ber  f^rifc^en  Äaifer,  gu  bcnen  in  gc= 
toiflem  ©inne  auc^  fc^on  ©ejjtimiu^  ©eberu^  gehört.   3^^^  ^  f^l^f*  ^^^  9tfrifaner,  aber 

30  feine  ©ema^Iin  3ulia  Domna  toar  eine  ©^rerin,  unb  bie  grauen  am  §ofe,  ^ulia  Domna 
felbft,  i^re  ©c^toefter  ^uüa  SRoefa  unb  il^re  Siid^ten,  bie  Söc^ter  ber  3ulia  SJloefa, 
©oömia^,  bie  3JJutter  be^  Raifere  ©lagabal,  unb  S^lia  SJlamäa,  bie  SJlutter  bc«  Äaifer» 
SBllejanber  ©eberu«,  Ratten  auf  bie  rcligiöfe  Slidbtung  ber  näc^ftfolgenben  itaifer  einen 
bebeutenben  ©influfe.    Um  fte  fammeltc  fic^  ein  itrei^  öon  ^pi^ilofojjpen  unb  ©ele^rtcn, 

35  unb  in  biefcm  Äreife  tourben  aud^  bie  religiöfen  S^^ögen  biel  öerl^anbelt.  ®ine  Steigung 
jur  römifd^en  ©taat^religion  l;atte  man  ^ier  nic^t.  3Bar  boc^  ^ulxa  2)omna  bie  2^oc^ter 
eine^  ©onnen>)riefter^  in  (Smefa.  2)er  ^\xq,  ber  l;ier  l^errfc^te,  toar  bielmel^r  cc^t  fün= 
hetiftifc^,  unb  in  bicfem  ©^nfreti^mue  l^atte  man  aud^  ein  getoiffe^  33erftänbnig  für  ba^ 
ß^riftentum.    3JJan  fül;Ite  bod^,  ba^  an  ber  mn^n  ^Religion  dWa^  toar,  man  berfc^lofe 

40  fid^  bem  nid^t  me^r,  bafe  bie  G^riften  ettoa^  l;atten,  toa^  bem  §eibentum  fel^Ite,  unb 
tuig  fid^  mit  bem  ©ebanfen,  ba^  bem  ^eibentum  jugufül^ren,  um  e^  fo  ju  reftaurieren. 
äug  biefem  Greife  ift  ba^  33ud^  bei^  ^biloftrat  ^erborgegangen,  in  bem  Stpottoniu^ 
bon  It^ana  gerabegu  al^  eine  2lrt  §eibenc^riftu«  bargefteHt  toirb. 

3n  grober  SBeife   tritt   biefer  ©t;nlretigmug  bei   bem  Äaifer  ©lagabal   (218—222) 

45  ^er\)or,  bcm  bie  Älugl^eit  ber  SJulia  SItoefa  unb  i^rer  2öc^tcr,  nac^bcm  ßaracalla  burc^ 
9Jlacrinug  crmorbct  toar,  ba^  Sfteic^  ju  ücrfd^affen  tou^te.  ©lagabal  ftrcbtc  bal^in,  alle 
bie  t)erfct)icbenen  9teligioncn  beö  römifc^en  9teid)g  gu  bereinigen  unb  aHe  ®ötter  feinem 
^öc^ften  ©Ott,  bem  ©onnengott  bon  @mefa,  beffcn  ©i;mbol,  einen  fc^toarjen  ©tein,  er 
na4  5Hom  gebracht  ^atte,  ju  untcrtocrfen.    S^m  tooHte  er  in  SRom  einen  großen  lem^jcl 

50  enic^ten,  unb  in  biefem  2cm})el  follte  auc^  bcr  3ub^"0ott  unb  ber  Gl^riftengott  feine 
Äa^cHe  l^abcn.  3"  eblcrer  SBeifc  re^räfentiert  ben  ©^nfreti^mu^  Sllejanber  ©eöeru^, 
bcr,  nac^bem  bie  bon  ßlagabal  in  ©cene  gefegte  Orgie  222  il^r  ®nbe  erreid^t  ^tte,  ben 
I^ron  bcfticg.  3(lcjanbcr  ©ebcru^  nac^  §erobian  (V,  3)  208,  nötiger  too^I  nad^  Sam- 
pxWxui'  angäbe   (Sllcj.  ©cbcruö  c.  60,  bgl.  (Sdf^el,  doctr.  numm.  VII,  267)    205  ju 

55  Strfe  in  ^^Sl^önijicn  geboren,  toar  bon  feiner  3Kutter  9Jfamäa  forgfam  erjogen,  ein  eblcr 
e^araltcr,  gctoiffcnl;aft,  faft  ffrupulö^,  fanft,  ein  greunb  aller  ©ötter  unb  3Jlenf(^en. 
SSor  allem  toar  bie  rcligiöfe  ©citc  bei  i^m  ftarl  enttoidfclt,  unb  jtoar  ber  9Jeigung  feiner 
3DJuttcr  entf>)rcc^cnb  in  efleftifd;cr,  fbnlrctiftifc^er  SHic^tung.  gr  toar  emjjfänglidp  für  oflc^ 
©Ute,    unb  jebe  3leligion   flößte   i^m  S^rfurc^t  ein.    ^n  biefem  ©inne  ad^tcte  er  auc^ 

60  bad  g^riftentum,  e^  toar  il^m  eine  Religion  ncbm  ben  anbern,  unb  in  feinem  Sararium 


Setient9,  ftaifer  S^aterd  259 

ftanb  baö  Silb  Gl^rifti  neben  bem  be«  Dr))^eu^,  be«  Hbral^am,  be«  Srj)offoniu^  t)on  3:]9ana 
(£amj)ribiu^  c.  29).  SBie  er  bie  t)on  ©lagabal  öe))Iünberten  %^mptl  ber  ©taatöreligion 
tüiebet  ^erftetten  liefe  unb  il^nen  bie,  t)on  Qla^ahal  in  feinen  ©onnentemj)eI  flefcl^Iej)})ten 
Heiligtümer  jurücfgab,  fo  toottte  er  audb,  h)ie  2anH)ribiu^  erjö^lt  (c.  43),  unb  bie  ®rs 
gä^lung  ^at  nid^tö  Untoa^rfd^einlid^e^,  ß^rifto  in  9lom  einen  %tmpd  errieten,  gn  einem  b 
©treit  jtüifd^en  ber  3""f^  ^^  (Sarföc^e  unb  ber  c^riftlid^en  (Semeinbe  in  9lom  um  ein 
@runbftü(f  entfc^ieb  er  ju  ®unften  ber  (enteren,  inbem  er  bemertte  ,,meliu8  esse  ut 
quomodocumque  illic  Deus  colatur  quam  popinariis  dedatur"  (£am))ribiu^  c.  49). 
9iament[ic^  fc^eint  i^n  aud^  bie  c^riftü^e  @t^il  angejogen  gu  ^aben.  @r  führte  ben 
©^rud^  ,,h)ad  il^r  nic^t  tooHet,  bafe  euc^  bie  £eute  tl^un  JoQen,  ba^  tj^ut  i^r  i^nen  aud^  lo 
ni(|>t",  l^äufig  im  3JJunbe  unb  liefe  i^n  an  öffentlid^en  ©ebäuben  anbringen.  9lod^  naiver 
fd^eint  SJlamäa  bent  g^riftentum  geftanben  ju  l^aben.  Sei  einer  2lnU)efen^eit  in  an= 
tiod^ien  liefe  fie  Drigene«  ju  fid^  fommen  unb  öerfc^rte  mit  i^m  (®ufeb.  H.  e.  VI,  21). 
SDafe  pe  felbft  ßl^riftin  getoefen  fei,  ift  ©age.  ©ufebiu^  nennt  fie  ffvax  „yvvij  ^eo- 
oeßcoiärr]",  U)ill  fte  bamit  aber  getpife  nic^t  al^  6l^ri)tin  be^eic^nen.  Sbenfo  n^enig  iDeife  i5 
^icron^mu«  baöon;  ber  erfte,  ber  fie  jur  ßl^riftin  mad^t,  ift  Drofiu^  (VII,  18).  3luf 
ben  9Küngen  erfcbeint  fie  mit  ^eibnif^en  ©mblemen  unb  3"f^rift«n- 

3)afe  unter  Sllejanber^  ^Regierung  bie  ßl^riften  unbe^eUigt  blieben,  U)ar  bie  natürliche 
§olge  feiner  religiöfen  ©teOung.  9lu^brüdlic^  fagt  Sam^ribiud  t)on  il^m:  ,,Christianos 
esse  passus  est".  9luc^  fonft  tpirb  bie  3^it  feiner  Slegierung  atö  eine  S^xi  ungetrübten  20 
griebend  für  bie  itird^c  begeid^net.  ©ebeutfam  ift  in  biefer  Sejiel^ung  ba«  t)on  ©ufebiu« 
gelegentlid^  (H.  e.  V,  16,  19)  mitgeteilte  Rtugnl^  au«  einer  gleicpjcitigen  antimonta« 
niftifd^en  ©d^rift.  3)ie  5Pro})^etin  aJlapmiua  ^atte  für  bie  näd^fte  3^^^  Verfolgungen 
geh)eidfagt,  jene  antimontaniftifd^e  ©d^rift  ftraft  nun  bie  5ßro))^etin  Sügen,  inbem  fie  ba« 
rauf  l^intoeift,  bafe  feit  bem  Sobe  ber  ^roj)betin  (ungefähr  218)  bie  ßl^riften  Dielme^r  26 
bauemben  griebcn  {elgi^vt]  didjuovog)  genoffen  l^ätten.  3lud^  g^^^^^^^"  ^^"^^^  i"  ^'"^"* 
Sriefe  an  6^j)rian,  ber  ettoa  256  gefd^rieben  ift  (ep.  75),  baöon,  bafe  bie  ß^riften  im 
folge  be«  langen  ^rieben«  (longa  pax)  bertoö^nt  feien,  gmmer^in  ift  e«  aber  möglid^, 
bafe  ^ie  unb  ba  einem  ß^riften  ber  $rojefe  gemacht  tourbe,  aber  getoife  l^at  feine  eigent« 
lic^c  35erfolgung  ftattgefunben.   ^m  3Släxi  234  tourbe  Sllejanber  bom  §eere  ermorbet.     ao 

©eltfam  fc^toanfenb  ioar  ba«  f^ätere  Urteil  über  älleganber  ©eöeru«.  SBäl^renb 
man  im  3.  ^al^r^unbert  bei  ben  Äaifern,  bie  ßl^riften  getoefen  fein  foHen  (3)ion^f.  t)on 
Sllej.  bei  6ufeb.  h.  e.  VII,  10,  3:  ol  kex^^vreg  ävacpavdbv  ;|j^taT£avo2  yeyovivai), 
neben  ^^ili^i)u«  Slrab«  toal^rfd^einlic^  cm  i^n  backte,  ift  er  t)on  ber  fjjäteren  ©age  ju 
einem  toütenben  ß^riftenöerfotger  gcftem>)elt  toorben,  unter  bem  2^aufenbe  t)on  ß^riften  S5 
ben  2^ob  erlitten.  5Ramentlic^  hjerben  al^  3)lärt^rer  unter  i^m  genannt  bie  römifdjjen 
93ifd^öfe  GaHiftu«  unb  Urbanu«,  unb  auc^  ba«  berühmte  3JJart^rium  ber  l^eiligen 
ßäcilia  toirb  in  biefe  3^'^  verlegt.  älHe  biefe  Slngaben  fmb  ungefc^id^tlid^.  3^^^^ 
toirb  ßalliftu«  bereit«  in  ber  Depositio  martyrum  ber  liberianifd^en  ßl^onif  t)on  354 
ate  SKärt^rer  bejeid^net,  aber  Sipfiu«  ^at  getoife  Stecht,  toenn  er  (ßl^ronologie  ber  w 
römifc^en  Sifd^öfe  ©.  172  ff.)  be^aujjtet,  biefe  JJoti^  be^ie^e  fid^  nur  auf  ein  Se^ 
fenntni«  be«  6alliftu«  in  feiner  früheren  Sebeng^eit  (Philosophumena  IX,  12). 
2)er  liberanifc^e  ^aj)ftfatalog  (Üi^)fiu«  ©.  260)  fennt  i^n  aud;  nid^t  al«  SJlärtl^rer. 
äud^  bie  Sitten  ber  ^eiligen  Säcilia  (bei  ©uriu«,  auc^  t)on  Sofio,  9lom  1660,  ^erau«s 
gegeben)  fmb  getoife  uned^t.  3)e  Sloffi  unb  3lub^  ^aben  jtoar  toerfud^t,  einen  ^iftorifd^en  46 
Sern  ju  retten ;  be  Sloffi  verlegt  ba«  DJJart^rium  in  bie  le^te  ^zxi  9J?arI  2lurel«  (Roma 
sotteranea  II,  147),  Slub^  (a.  a.  D.  ©.  417)  toiH  e«  unter  2)eciu«  legen,  beibe  mit 
augenfc^einlid;  unl;altbaren  ©rünben.  Dbtool^l  bie  l^eilige  ßäcilia  bereit«  bei  ^Pfeubo* 
2)amafu«  um  530  ertoä^nt  h)irb,  unb  i^r  Stultu«  boc^  in«  fird^lid^e  Slltertum  l^inaufs 
^ureid^en  fd^eint,  ift  e«  boc^  unmöglid^,  au«  biefen  Sitten  einen  ^iftorifc^en  Äern  l^erau««  50 
iiufd^älen.  SRod^  unl^altbarer  fmb  bie  fonftigen  (Sr^äl^lungen  t)on  SKärt^rem  unter 
aiejanber  ©eöeru«  (f.  5Reumann  ©.  309  ff.).  «.Hl|Il|onit  «^awi!). 

S^ofteöbur^  f.  b.  31.  3)ei«mu«  Sb  IV  ©.  547,8. 

Später«,  entJ^ufiaftifc^^tommuniftifd^e  ©efte.   —   ßitteratur:   SBitt.  9llfr. 
^inb«,  American  CJommunities,  1878,  revised  edition,  (J^tcago  1902  (biefe  Icjtere  ^uggobe  fann  65 
aßeinnoc^  in^ctrad^t  fommen;  fie  bietet  eine  2)QrftcÖunfl  uon  oicrjifl  me^r  ober  weniger  fom= 
muniftifc^  organifictten  ®emeinf(^aften,  mcift  religiöten  (Betten,  in  9lorbamerifa ;   oal.  für  bie 
S^Icr«  @.  26—62);   ?(rt.  @§afcr«  in  Encyclopaedia  Britannica  9"»  edit,  vol.  XXI,  188G; 

17* 


260  e^alerS 

^rt.  Lee,  Ann,  in  Dictionary  of  National  Biography  ed.  by  Sidney  Lee,  vol.  XXXII,  1892 : 
in  beiben  ^vtifeln  weitere  ©pejinllitteratuv,  bic  nidjt  gering  ift  (eine  Ueberfic^t  aud)  in  bctn 
SBcrfe  tjon  's©.  @.  SI.  Stion,  Biographical  Notice  of  Ann  iJee,  Liverpool  1876,  njcIc^cS  mir 
nid)t  jugönglid^  war). 

6  2)ic  ©l^aler  fmb  in  einer  Sleil^c  bcr  öftlid^en  ©taaten  bcr  norbamertfanifd;cn  Union 
vertreten,  1902  in  15  „societies",  bie  jebe  für  fid^  toenigften«  2  „families"  bilben; 
jebc  ber  leiteten  ift  im  ©igentum  unb  überl^au^jt  in  allen  Stngelegcn^citen  („matters", 
b.  1^.  tpol^l  in  il^ren  (Scfc^äften  unb  befonberen  öfonomifc^en  ©inric^tungen)  ein  ®an^e^ 
für  fid^.    §inb^  giebt  bie  ^af}l  ber  families  =  communities  auf  35  an,  bemerft  aber, 

10  bafe  jtoei  neue  Settlements  im  ßntfle^en  feien.  3)ie  ©efamtjal^l  ber  aJlitglieber  beläuft 
fid9  bo(^  nic^t  auf  mel^r  afe  1000;  geittpetlig  Wax  bie  ©che  fünfmal  fo  ftarf,  ift  alfo 
toie  mc^r  ober  Weniger  aHe  fommuniftifd^en  ®nH)j)en  mit  ber  ßüt  fel^r  jufammen= 
gejc^moljen.  ^i)xc  crfte  SJieberlaffung  (settlement)  toar  bie  in  ÜRi^fa^una  (jefet  3Bater= 
öliet)  im  ©taate  ?Reh)59)orf,   1776;   i^re  erfte  „completed  Community",  noc|  je^t  bie 

16  bebeutfamfte  society,  iourbe  gebilbet  in  3Kt  Sebanon  Sletos^orl,  1787.  3)ie  finanjicHc 
2aa^  ift  nirgenb^  eine  glänjenbe;  §inb^  fonftatiert,  bafe  bie  ©l^aler  iebenfattö  entfernt 
ni(9t  fo  reid^  feien,  h)ie  baö  (Serüd^t  gel^t.  Sängere  ^^i  l^ätten  fie  unter  *er  „land-mania" 
geftanben,  fie  befäfeen  nod^  je^t  loo^I  in  ben  öcrfd^iebenen  ©taaten  jufammen  100000  acres 
(3JJorgen),  aber  jum  leil  ertraglofc^  2anb.    SSiel  ju  gering  an  Ral}l,  um   ben  ganzen 

20  33efi|  felbft  nu^bar  iju  mad^en  (man  l^at  toefentlid^  bie  3:enbeng  auf  „%xbtit  ber  $änbe"), 
^abe  man  mand^e^  öerpac^tet,  toielfac^  Sffiälber  angelegt,  ©d^aftriften  l^ergeftettt  2C.  9tm 
einträglic^ften  l^abe  ftd^  ber  ©artenbau  ertoiefen,  baneben  bie  Anfertigung  unb  ber  3?er= 
lauf  bon  allen  möglic|>en  ©erätfc^aften,  gu  benen  bie  SBälber  ba^  ^ol^  lieferten,  aber 
energifc^er  Äonfurrenj   feien  bie  families  meift  nid^t  getoad^fen  gehjefen.     3)ie  Dörfer 

26  ber  ©^afer  toerben  gerül^mt  al^  ftet^  freunblid^  gelegen,  fe^r  reinlich,  tüo^l  g^fl^gt, 
frieblic^  ftitt.  Slirgenbd  treffe  man  ein  3Birt^|au«;  unb  ä^nlic^e«.  2)ie  SBen^äufer, 
©d^eunen,  ©tätte,  Rücken,  ©d^lafl^äufer,  SBerfammlung^^äufer  (e^  fann  ftd^  überaH  nur 
um  ganj  fleine  Ortfc^aftcn  l^anbeln)  ^aben,  h)ie  ^inbd  fagt,  aQe  „something  of  the 
air  of  a  chapel".    3)ie  ©elte  beftel^t  nur  aug  Sölibatären  (^TOännem  unb  ^auen). 

80  3l^rem  Urf^runge  nac^  Rängen  bie  ©^afer  mit  ben  Dualem  gufammen  unb  finb 
begrünbet  bon  einer  gehjiffen  älnna  See,  bie  fie  furgtpeg  „mother  Lee"  nennen.  3)ie  See 
toar  geboren  ^u  5Wand^efter  am  29.  gebruar  1735  (nad;  je^iger  Slec^nung  1736),  ^^oc^ter 
eine^  ©robfc^mieb^,  nie  be^  Sefenö  unb  ©c^reiben^  funbig,  öon  friil^  auf  ^^fterifd^,  bon 
„tiefem  ©ünbengefüJ^l"  ergriffen,  feit  1762(1763)  mit  2lbral^am  ©tanberin  ober  ©tanle^ 

86  verheiratet,  ebenfaDö  einem  ©c^mieb,  bem  fte  bier  Äinber  gebar,  bie  aber  fämtlic^  balb 
ftarben.  ©eit  1758  gel;örte  fie  einem  Äreife  öon  Duäfem  an,  ber  unter  ber  ^ü^rung 
be«  ©d^neiber^  gameö  SBarble^  unb  feinet  SBeibe^  ftanb  unb  feinerfeit«  fi(^  f^Jegiett  bem 
„5Pro^)^eten"  ^ol^n  Sac^  (1664  bi«  c.  1737;  f.  b.  ärt.  im  Dict  of  Nat.  Biogr., 
voll.  XXXI)  erfc^loffen  l^atte.   2ac^  Wax  m  feiner  Slotte  afe  ^ro})l^et  (mit  SBei^fagungen 

40  über  ba«  6nbe,  fc^toerc  2)rangfale  k.),  SÖunbert^äter  (Teilungen),  3w"Ö^"'^^^'^^  ^c.  ge^ 
tommen  im  3"f^"i"^^"^^"0  *"'^  ^^"  ^^fi^onjbfifc^en  ^JJroji^eten",  ben  S^fpi^erten  au«  ben 
ßetoennen,  beren  ©efi^te  unb  anberen  Offenbarungen  er  litterarif(|>  für  ©nglanb  tytx- 
arbeitet  l^atte,  babei  je  länger  je  mel^r  felbft  bon  gnfjjirationen  befallen.  (3Sgl.  für  bie 
$ro))^etcn  au«  ben  Getoennen,  bie  jum  ieil   nad^  gnglanb  geflol^en  tparen,  auc^   nac^ 

46  i)cutfc^lanb  famcu,  ben  älrt.  bon  Regler  über  „3nfJ)irierte  unb  3"f>>ii^ö*ion«gemeinben", 
in  Sb  IX;  ^ier  ift  ^ol}n  2aCg  nic^t  ertoä^nt,  f.  jeboc^  meinen  2(rt.  „^einecciu«"  in 
S3b  VII,  fvejietl  ©.  600,  4b).  gn  feinen  eJftatifc^en  3wftänben  geriet  er  in  3utfungen 
be«  ganzen  Äörper«.  Verfolgungen  burc^  bie  ©taat«Iirc^c  unb  ben  ©taat,  benen  er  au«= 
gefefet  loar,  fc^ufen  il^m  neue  Sln^änger  unb  beranlafeten   i^n  ba«  2anb   ^u  burc^gie^en. 

60  9Ja4  ben  afe  befonbere  Werfmale  ber  SBirffamJeit  be«  ^l.  Seifte«  betrad^teten  unb  attent* 
falben  auftretenben  fc^üttelnben  33ch)egungen  ber  Äörper  erl;ielten  feine  Seute  ben  5Ramen 
„Shakers"  (©d^üttler).  2)ie  See  trat  in  bem  oben  bejeid^neten  lolalen  Äreife  balb  in 
ben  SSorbergrunb,  inbem  fie  befonber«  burc^  Sifionen  begnabet  tpurbe.  Salb  brad^te  fie 
atler^anb  „I^corien"  auf  bie  Sal^n,  befonber«  bie  t)on  ber  9lotU)enbigfeit  ber  gefc^lec^t^ 

66  liefen  ßnt^altung  unb  bon  einer  3BicberiEunft  ß^rifti  in  ©eftalt  eine«  SBeibe«.  9latürli(^ 
tDurbe  fie  felbft  balb  al«  ba«  3Beib  erfannt,  in  bem  ber^err  erfd^ienen  fei.  gortab  galt 
fie  i^ren  junäc^ft  boc^  toenig  ^ahlreid^en  ©onberanl^ängem  unter  ben  ©^alem  afe  „erfte 
9J?utter  ober  geiftlid^e  Sll^nfrau  ber  ffleibe«linic  (Gl^rifti)".  3^^  3nann^  toerliefe  fie  toegen 
i^rer  Slnfc^auung  über  bie  @l^e,  jeboc^  erft  nad^  il^rer  (gemeinsamen)  Überfiebelung  noc^ 

60  3lmerila(1774:),  juber  fie  fid^  burd^  eine  Offenbarung,  bie  i^rtoäl^renb  einer  „SJerfolgung" 


(B^ahv»  @i6d  261 

in  (Snfllanb  ^u]  teil  tourbe,  öcranlafet  fal^.  SJJit  18  3""0^i^"  hüxat  fic  bcn  35oben 
2lmerifa^  in  ^ItW-^oxt  unb  trad^tctc  fortab  bie  true  church,  tpic  i^r  tocrl^ei^cn  Wax, 
^u  errichten,  ^ßrebigcnb  ba^  2anb  burc^jie^enb,  rief  fie  Dielfad^  eine  „ertoeching"  l^ertoor. 
©ic  mufe  eine  nid^t  geringe  Sieben  unb  jumal  aud^  2)ici^tergabe  befeffen  ^aben ;  ibre  geift- 
lic^en  Sieber  ftnb  noc^  unter  ben  ©^afem  Verbreitet,  äud^  in  9tmerila  Verfiel  3JJutter  6 
See  ber  „Serfolgung"  unb  einer  ©efangenfd^aft.  Q^  ift  faum  ju  unterfc^eiben,  toa^  an 
ben  gegen  fie  unb  i^re  Sln^änger  gerid^teten  Slnflagen,  bafe  fie  fid^  geißelten,  nadEt  taugten 
unb  anbere«  Sebenllic^e  tl^äten,  ber  SBal^rl^eit  entfjjrac^  unb  toa«  nid^t;  mit  ber  ^6t 
haben  jebenfatt^  fold^e  ßirtraVaganjen,  tpenn  fie  je  U)irflid^  vorgefommen,  ein  6nbe  ge^ 
funben  —  ben  je^igen  ©j^alem  totrb  nid^t^  fotc^e^  me^r  nad^gefagt,  fic  gelten  im  ®egen=  lo 
teil  für  VöDig  unanftöfeigc  fieute.  3"  ^Kutter  £ec^  Sebjeiten  tpar  ber  Kommunismus 
noc^  unenttoiäelt.  ©ie  ftarb  in  3JiSfa^una  bereits  1783;  i^r  erfter  9lad^f olger  toar 
3iameS  SBittafer,  bann  (feit  1787)  S'^f^^  SRead^am,  ber  eigentlid^c  Drganifator  ber 
„Shaker  Community". 

3)er  9Jame,  ben  bie  ©l^afer  fid^  felbft  unb  offiziell  geben,  ift  „The  United  Society  i6 
of  Believers  in  Christ»  second  Appearing",  auc^  „The  Millennial  Church".  gl^re 
3been  fmb  niebergelegt  in  bem  „Testimony  of  Christs  second  Appearing,  exem- 
plified  by  the  Principle  and  Practice  of  the  True  Church  of  Christ"  (Vierte, 
n)ie  eS  ft^eint  Ie|te  Ausgabe,  1856)  unb  in  %.  2B.  ©VanS  „Shakers'  Compendium" 
(1859).  §inbS  friert  bie  Seigre  in  ber  Äürje.  ©ie  ruj^e  auf  Vier  „pillars  or  basic» 
principles",  nämlid;  ber  ^orberung  ber  gwnöf'^öulic^feit  (bejto.  ^Preisgabe  ber  @l^e), 
eines  brüberlic^en  ÄommuniSmuS,  eineS  rüdfl^altlofcn  SelenntniffeS  auer  begangenen 
©ünben  Vor  3^0^"  ^^  Community  (nur  haft  eineS  foId;en  fönne  man  ^nixxtt  gu  ber 
true  church  finben),  enbli(^  „3;rennung  Von  berSBelt".  6S  ift  eine  3lrt  von  3Rönc^S- 
folonien,  bie  bie  families  barfteQen.  SiS  Sm)uS  eines  redeten  ©l^aferS  gilt  }uoberft26 
G^riftuS,  ber  aber  als  toieberinfamiert  in  wfin  See  („Ann  the  Word")  angefe^en 
loirb.  6S  fd^eint,  ba^  fie  ein  ganjeS  „t^eoIogifd;eS  ©#c"^"  ^erauSgebilbet  l^aben,  unter 
©runblegung  beS  ©ebanfenS  einer  „3h)ei^cit"  (tool^l  uRanntoeiblic^feit)  in  ber  Oottl^eit 
unb  mit  bem  §inblitf  auf  baS  fommenbe  „taufenbiäl^rige  SReic^".  2)aS  detail  ^at  faum 
^ntercffe.  J^inbS  berid^tet  nod[>  über  bie  SSerfaffung  ber  ©ef te  (bie  fe^r  einfach  ift),  il^re  3lrt  ao 
ber  ^ro}3agation  (burd^  greitoiHigfeit,  aber  anfc^einenb  im  3wffl*""^c"^Ä"0  *"it  einer  2lrt 
t)on  äufeenfreiS),  bie  ©tufen  unter  ben  3RitgIiebem,  il^r  regelmäßiges  lagehjerl,  il^rc  ©r^ 
fd^Iiefeung  für  mand^c  mobeme  gbeen,  jumal  für  ein  mäßiges  gntereffe  an  geiftigen  Äultur« 
gutem.  Über  bie  3lrt  il;rer  regelmäßigen  ©otteSbienfte  finbe  ic^  nid^tS,  too^I  bagegen 
bie  5Kitteilung,  baß  fie  „SBerle^r  mit  ben  ©eiftem"  l^ätten;  jeittoeilig  feien  i^nen  2)u^enbe  86 
Von  „^Kebien"  bef^eert  getoefen.  gn  ^toei  großen  volumes,  mit  bem  2^itel  „A  Holy 
Sacred  and  Divine  Roll  and  Book  from  the  Lord  God  of  Heaven  to  the  In- 
habitants  of  Barth",  1843,  unb  „The  Divine  Book  of  Holy  and  Eternal  Wisdom, 
Revealing  the  Word  of  God",  1849,  finb  bie  toic^tigften  „messages"  ber  ©eifter 
Vcröffentli^t  toorben.  g.  ftotteniufi^.     40 

Sibel,  Äafjjar,  geft.  1658.  —  Historica  narratio  de  curriculo  totius  vitae  et 
peregrinationis  meae.  ^ffr.  in  ber  ©tobtbibliot^ef  ju  3)eüenter,  in  2  SBben  (ber  3.  ift  no^ 
nit^t  aufgefunben),  ?lbbrucf  bis  jum  3a^re  1609  in  ber  Jeftfc^r.  j^ur  geicr  beä  300jö^rigcn 
23cftc§cnS  ber  gum  ®l)mnafium  auSgebitbctcn  fiatein.  @d)ule  j^u  iSIbcrfelb  o.  Subtoig  ©djcibe, 
eibcrfelb  1893,  ?lbfd^r.  in  ber  ©ibl.  beö  S3crg.  ©efc^.=SBer.  eiberfelb,  «B9l(S»  ?lrt.  @ibcl  üon  46 
St.  m  »outcrttjef,  W^^  von^.  Ärafft,  9lbS3  34.  S3b,  geitfdjr.  b.  SBerg.  ®efd^.  SScr.  4.  83b:  3)ie 
^Reformation  im  SBuppertl^al  von  ^Bouterwef,  28.  93b :  3iir  (SIberfelber  Äird^en-  unb  ®elc^rten= 
gcfc^ic^tc  0.  SB.  ©arlefe.    ?l.  3.  V.  b.  ?ta,  Biogr.  Woordeob.  d.  Nederl. 

Ra^pax  ©ibel,  geboren  am  9.  ^unx  1590  in  Unterbarmen  auf  einem  Sauern^of  feine» 
aSaterö,  entftammte  einer  angefe^enen  ©Iberfelber  gamilie.  3!)er  SBater,  ^ßeter  S.,  betrieb  go 
bie  ©ambleic^erei  unb  Seinentoeberei,  Snbuftriejtoeige,  burc^  toel^e  neben  ber  ©erberei 
unb  ber  Verfertigung  von  Sebertafc^en  @Iberf elb  auf  vielen  beutfd^en  3JJärften  unb  ^Reffen, 
ja  and)  im  Slu^Ianb  fic^  einen  geachteten  DJamcn  ertoorben  l^atte.  Slber  aui)  in  lirc^- 
liefen  SJingen  \)aiU  bie  mitSarmen  ^ufammen  nic^t  mehr  al^  3000  ©intool^ner  jä^Ienbe 
©emeinbe  fd^on  ettoa«  ;iu  bebeuten.  $ier  l^atte  feit  1552  ^etru^So  evangelifc^  gejjrebigt,  öö 
in  (utl^erifc^em  ©inn.  @r  tourbe  Vertrieben,  fe^rte  aber  1566  gurücf  unb  führte  nun  bie 
Sieformation  in  feiner  ßeimat  burc^,  unb  jtoar  in  reformierter  Jorm,  ber  er  fic^  in^toifc^en 
gugetoanbt  ^atte.  So  tiefge^enb  toar  [eine  SBirffamfeit,  bafe  ©Iberfelb  balb  ^um  Stü^= 
puntt  ber  eVangelif^en  Setoegung   im  Sergifd^en  £anb,  jum  SWitteljjunlt  einer  anje^n^ 


262  ®t6d 

Kd^cn  ^ai)l  reformierter  ©emeinben  tpurbe,  bie,  anfangt  ber  Äölnifd^en  Älaffe  b.  1^.  ber 
fj)äteren  SüUd^Wen  ©^"obe  jugel^öriö,  feit  1589  eine  bef onbere  Sergifd^c  ©^nobc  bilbeten. 
Sflid^t  tDeniger  ate  clfmal  na^m  in  ben  Salären  1591—94  SIberfelb  bie  ©^nobe  bei  fic^ 
auf,  atö  i^r  SSorort.    auf  biefem  Soben,  bem   fc^on  im  16.  unb  17.  Sal^r^unbert  eine 

6  beträd^tlid^e  S^]^"  eöangelif^er  ^ßr^iger  entftammte,  tpud^  ©.  I^eran j  in  ber  2uft 
ftrenger  g^ömmigfeit  unb  Äird^Iid;Ieit,  bie  t)on  beiben  ©Item  eifrig  flejjftegt  tDurbe;  alö 
2)iafon  unb  ate  ^ßre^b^ter  toirlte  ber  33ater  für  ba«  (Sebei^en  ber  ©emeinbe,  unb  bie 
aWutter  toar  eine  3:od^ter  t)on  ^eter  So!  ©d;on  frül^  ^atte  fic^  bie  Steigung  be^ Knaben 
bem   t^eologifd^en  ©tubium   jugetoanbt;   bafe  fein   älterer  ©ruber  (Sngelbert,  nad^mal^ 

10  nieberlänbif^er  ^JJrebiger  in  ^ranffurt  a.  9K.,  benfelben  Seruf  ergriffen  ^atte,  mag  ij^n 
in  feinem  SBerlangen  beftärlt  ^aben.  2)er  SJater,  toietoo^I  er  i^n  gern  in  fein  ®ef(^äft 
genommen  l^ätte,  erllärtc  fid^  einöerftanben  unb  fanbte  il^n,  nad;bem  er  bie  lateinifd^e 
©d^ule  in  feiner  aSaterftabt  befuc^t  i)atU,  1605  nad^  §erbom.  2)ad  bortige  5ßäbagogium 
bilbete  bie  SSorftufe  ju  ber  l^o^en  ©d^ule,  ber  öome^mften  Silbung^ftättc  für  ba«  norb= 

16  toeftlid^e  2)eutfci^lanb,  fo  toeit  c^  reformiert  tpar.  3lad^  Dletoian«  2obe  toar  3^1^.  $i^' 
cator  i^e  bebeutenbfte  ßwöhöft.  Sereit^  nad^  einem  SJa^r  erl^ielt  ©.  bie  ©rlaubni«  ^um 
Übertritt  in  bie  Uniöerfität  unb  toibmete  ftc^  juerft  nac^  bamaliger  Drbnung  J)^ilologifcben 
unb  })^iIofoj)l^ifd^en  3Sorftubien.  2)ie  ©ic^er^eit,  mit  ber  er  ber  einem  ^ßromotion^It 
ref))onbierte,  entlodfte  $i^ator  ben  Stu^ruf:   ,,2)a^  toirb  einen  feinen  ^ßrebiger  geben". 

30  gn  bie  tl^eologifd^e  galultät  trat  er  in  ©iegen  ein,  tool^in  ber  ^ßeft  toegen  bie  ^od^fd^ule 
»erlegt  Sorben  toar;  eifrig  befud^te  er  bie  SBorlefungen  unb  Übungen;  ju  biefen  gehörten 
aud^  toöd^entlid^e  2)i^utationen  unter  toed^felnbem  S?orfi^  t)on  ^iScator  unb  ®g.  ?ßafor. 
SRad^bem  er  feine  2)iffertation  de  fide  iustificant«  öffentlich  berteibigt  unb  ein  glänjen^ 
be«  3lbgang^]ieugni«  erlangt  l^atte,  ging  er  nac^  Sei^ben.    $ier  ^örte  er  jtoar  au(^  bei 

26  arminiu«,  em})fanb  e«  aber  afe  fel^r  ungel^öri^,  bafe  biefer  t)om  ©tubium  ber  ort^obojen 
SReformierten,  eine«  ßatoin,  93e|\a  u.  a.  nic^t  t)iel  ^ielt,  fonbem  i^nen  gegenüber  bie  ©r^ 
forfc^ung  ber  I^L  ©d^rift  betonte,  baneben  aber  bie  ©d^riften  eine«  ©ocinu«,  Slcontiu«, 
Saftettio,  5Cl^omag  öon  aquino,  SKoIina,  ©uarej  em})fa^l,  „bie  bo))})elt  fo  teuer  berfauft 
tourben  toie  bie  Sudler  ber  ort^obojen  2:l^eoIogen".    Um  fo  fefter  fc^lofe  fid^  ©.   an 

80  ®omaru«  an;  unter  beffen  SSorfi^  t>erteibigtc  er  1609  feine  Ij^efen  de  Dei  praedesti- 
natione.  9lber  nun  toar  „genug  bi^toutiert,  genug  argumentiert,  benn  ber  ^mi  be« 
t^eologifdben  ©tubium«  ift  ni^t  bie  2^$corie,  fonbem  bie  ^JJraji«",  fo  fc^rieb  ber  6Iber= 
f eiber  ?|}aftor  ^ßetm«  ßurteniu«  unb  rief  im  gintjerftänbni«  mit  bemSJater  ben  19iäl^rigen 
jurütf,  bamit   er  in  ben  2)ienft  ber  l^eimatlid[>en  Äird^e  trete.    3)mn  e«  l^attm  fic^  l^ier 

36  bie  günftiaften  2lu«fid;ten  eröffnet  unb   gugleid^  2lufgabm  öon  großer  SJringlic^feit  fic^ 

!;eftefft.  2lm  25.  5Kärj  1609  toar  mit  bem  lobe  be«  §erjog«  Sodann  SSUj^elm  baö 
atl^oKfd^e  gürftengefd^Iec^t  t)on  3üIic^=6let)esS3erg  erlofc^en,  bie  ^errfc^aft  ber  im  3"ter= 
effe  SWom«  unb  ©})anieng  toirfenben  Säte  be«  fc^toac^finnigen  gürften  ging  ju  ©nbe, 
Äurbranbenburg  unb  5PfaIjs9Jeuburg  ergriffen  Seft^  t)on  ben  Sanbm,  unb  bamit  ft^ien 

40  ein  ööttiger  Umfc^toung  in  ber  fird^Iic^en  Sage  t)or  ber  3:ür  ju  fte^en.  S)ie  ©tjange^ 
lifc^en,  bie  bi«  ba^in  nur  mit  9tufbietung  ber  äu^erften  SBiberftanb^fraft,  meift  in  „l^eim= 
lid;en  ©emeinben",  „Semeinben  unter  bem  Äreuji",  bem  2)mdf  ber  ©egmreformation 
©tanbgel^alten  l^atten,  atmeten  auf;  fte  erlangten ^eligiongfreil^eit,  unb  eine  ungel^emmtc 
©nttoidcelung  ber  Sergifc^en  reformierten  Äirdbe  tourbe  mit  ©ic^er^eit  ertoartet    ©.  prc- 

46  bigte  in  mel^reren  ©emeinben,  unb  balb  emt?fing  er  eine  Semfung  an  bie  big  öor  lur^em 
^eimlic^e  ©emeinbe  ;^u  Satingm,  einer  ber  üier  alten  ^aujjtftäbte  be«  Sergifc^en  Sanbc«. 
aber  burd^  bie  9J?ac^enfc^aften  einer  ©egent)artei  tourbe  bie  änftettung  toereitclt.  35a  fam 
burc^  ben  il^m  bcfreunbeten  ^aftor  t)on  ^einöberg,  3i«>^önneig  Seuneflab,  ben  nad^maligen 
l^od^Derbicnten  ^aftor  bon  ©olingcn,  bie  Sitte  an  il^n,  er  möge  ben  bertoaiften  ©emeinbm 

60  Sanberatl^  unb  ©eilenfirc^en  im  gürftentum  ^jülic^  bienen.  ©,  nabm  bie  Semfung  an, 
tourbe  barauf hin  in  ©Iberfelb  gejjrüft  unb  „fonprmiert"  (orbiniert)  unb  it^ann  im  ©e^ember 
1609  feine  STmt^t^ätigfeit,  ju  ber  balb  barauf  bie  5yerf orgung  ber  „bienerlofen"  @e= 
meinbc  Sinnic^  l^injufam ;  gtoar  toirlte  er  nun  in  ber  ^ülic^f^en  unb  nid^t  ber  8ergif(^m 
Äird^e,   aber  i^toifd^cn  bicfen  beiben   beftanben    befonberg   enge  Sejiel^ungen.    3"Ä^if^^ 

66  hatten  fic^  bie  günftigen  Slu^fic^ten  ber  (Sbangelifc^en  getrübt.  35ie  Säte  be«  öerftorbenm 
^er^og«  tooHten  bie  §errfd^aft  ber  ^^poffibierenben"  j^ürften  nic^t  anerfennen,  fonbem  im 
9!amen  ber  .^erjogintoittoc  toeiter  regieren,  faiferlidbe  ©olbaten  befe|ten  mehrere  fefle 
^lä^e  unb  riefen  fj)anifc^e  öeerbaufcn  Bin|\u,  unb  für  bie  et)angelif(f»en  5ßaftorm  in  ber 
(Segenb  öon  Sanberat^  tourbe  bie  Sage  gcfäbrlicb   genug;   tourbe  boc^   auf  iebm  bon 

eo  i^nen  —  ^  toaren  aufer  ©.  Dr.  I^cob.  §orbäu«  in  ©ittarb,  ^oi).  Seuneflab  in  ^ein^ 


®t6d  263 

bcrg  unb  SEBcmcr  £ad^  in  SEBaffenbcrö  -—  ein  ganggclb  bon  3000  Äönig^tl^alcm  augs 
gefegt,  dreimal  cntginö  ©.,  ba  er  ftd^  t)on  feinen  ämt^ängen  nid^t  abl^alten  liefe,  mit 
fnaj)j)er  5Kot  ber  grofeen  (Sefa^r. 

2)ie  ©emeinbe  Slanberatl^  banite  feiner  2reue  burc^  SCreue.  ©ie  Wax  eine  ber  älteften 
im  gülic^erlanb,  ate  (Semeinbe  organiftcrt  U)ie  fo  mand^e  anbere  tDO^I  burc^  nieberlänbifc^e  ö 
glüq>tlinge,  aber  ©.  ergä^It,  bafe  bie  Überbleibfel  flücl(>tiger  2llbigenfer  f.  3-  in  ber  ©tabt 
^ufluc^t  gefunben  Ratten  unb  ein  ©amen  für  bie  3"^""f*  g^h)^f«t  feien.  2)er  Äird^en« 
befuc^  toar  erftaunlid^,  au^  einer  Sauerfc^aft  in  ber  5Rä^e  mit  100§äufem  famen  burd^« 
fc^nittlic^  95  gamilien  jur  Äird^e,  ju  Dftem  1611  gä^lte  ©.  995  Äommunifanten;  in 
ber  fur;^en  §eit  öon  ftarl  2  3^^^^^*^^  ^'^  ^^  ^*>^^  ftan\>,  tpurben  360  ^erfonen  nad^  lo 
öffentlichen  ©lauben^befenntni^  in  bie  ©emeinbe  aufgenommen.  ©.  tpar  nic^t  fo  un« 
befc^eiben,  folc^ed  atte^  al«  gruc^t  feiner  2lrbeit  anjufe^en;  er  gebenft  treuer  Vorgänger 
auf  feinem  2lrbeit«felb,  barunter  be«  3JJitbegrünberg  ber  rl^einifc^en  reformierten  Äird^e, 
Sol^anneg  C^enrab  unb  be«  SKärt^rer^  ß^riftoj))^  5^er,  ber  1586  nac^  ber  Eroberung 
bon  9leufe  burd^  bie  ©))anier  jum  ^enfter  l^inau^  gel^enlt  toorben  toar.  Seicht  Ratten  fiep  i6 
je^t  ä^nli(^e  (Sreuel  begeben,  toenn  nid^t  ber  ^ürft  Gl^riftian  t)on  2ln^alt,  bon  ben 
^offibierenben  gur  ^ül^rung  be^  Äriegeig  gerufen,  in  ffierbinbung  mit  ben  ?RieberIänbem 
bie  Äaiferlid;en  berjagt  ^ätte;  felbft  ba^  bon  il^nen  befe^te  ^ülic^,  ba«  für  unübertoinblid^ 
galt,  öffnete  feine  2;ore.  3lod)  toäl;renb  biefer  Belagerung  tparen  Stbgeorbnete  ber  refor* 
micrten  ©emcinben  au«  ^ülxd),  Siebe,  93erg,  Äöln,  äac^en  unb  benad^barten  ©errfc^aften,  20 
am  17.  äuguft  1610  in  $üren  jufammengefommen,  um  bie  erfte  nieberr^einifq>e  ©eneraU 
f^nobe  borjubereiten,  bie  im  ©e^)tember  in  3)uigburg  ftattfanb  unb  bie  Sieformierten  ber 
genannten  Sanbftric^e  in  Seigre  unb  33erfaffung  fefter  miteinanber  bereinigte.  SBaren 
bor^er  bie  Sefd^lüffe  ber  nieberlänbifc^en  SRationalf^noben  auc^  für  bie  Sieformierten  in 
3ülic^,  Siebe,  33erg,  Stadien,  Äöln  unb  ben  bajtoifd^enliegenben  felbftftänbigen  3:erritorien  26 
mafegebenb  getoefcn,  fo  tourben  biefe  burd^  i^re  eigene  (Seneralf^nobe  au«  ber  engen 
fird^Iid^en  SBerbinbung  mit  ben  Slieberlanben  gelöft.  Seiben  SSerfammlungen  too^nte  ©. 
aU  3)ej)utierter  bei.  ^n  gleid^er  ©igenfc^aft  toar  er  auf  mehreren  fjjäteren  ©i;noben  gu« 
gegen,  fo  auf  ber  93ergifd;en  ju  2BüIfrat$,  um  il^re  2;rennung  bon  ben  übrigen  bereuten 
ju  l^elfen.  Gine  i^m  angebotene  ^PrebigerfteHe  in  9lebige«  bei  eiberfelb  ^atte  er  ab^  80 
gelel^nt,  fo  lodfenb  ber  9luf  in  me^r  al«  einer  ^infic^t  für  i^n  toar;  er  l^atte  feine  ba« 
mal«  nod^  burc^  bie  friegerifd^e  SSertoitflung  bebrängte  ©emeinbe  nic^t  berlaffen  tootten. 
3ie$t  aber,  ba  ber  griebe  gefid^ert  fc^ien,  folgte  er  einer  Berufung  nac^  ^lülic^.  §ier 
beftanb  eine  Heine  ©emeinbe,  bie  l^au))tfäc^Iic^9JciIitärgemeinbe  toar;  boc^  nal^m  toä^renb 
e.«  eifriger  3lmt«tl^ätigleit  ber  bürgerliche  2;eil  um  300  ^erfonen  ju,  unb  bon  biefen  80 
toaren  biele  au«  ber  römifd^cn  Äirc^e  gefommen.  2)ie  arbeit,  bie  ©.  ^u  leiften  ^atU, 
toar  nid^t  gering,  benn  auc^  in  ben  umlicgcnben  Drtfc^aften  l^atte  er  bie  ©bangelifc^en 
j;u  berforgen,  in  §ambad^  jeben  ©onntag  Siac^mittag  ^u  j)rebigen,  in  2lIbenl^oben  unb 
Rattern  abtoed^felnb  am  3Kontag;  al«  burc^  bie  $eft  fc^toere  §eimfud^ung  ^ereinbrad^, 
betoäl^rte  er  fid^  al«  treuer  ©eelforger  in  täglicher  iobe«gefal^r.  ©inen  9luf  nad^  ©ittarb  40 
jum  Slad^f olger  SBemer  2;ef^enma^er«  I;atte  er  abgelehnt.  3lber  al«  er,  infolge  einer 
floQeftenreife  nac^  ben  Slieberlanben,  einftimntig  jum  ^rebigcr  in  2)ebenter  aetoäl^It  tourbe, 
fonnte  er  nic^t  toiberfte^en.  §atte  er  fid;  bod^  fd^on  al«  ©tubent  in  Serben  ju  ben 
Slieberlänbem  ^inge;|ogen  gefül^It  unb  einen  2Birfung«frei«  unter  il^nen  fidj>  getoünfd^t. 
Unb  nun  bereitete  il^m  bort  ®ott,  fo  fc^reibt  er  felbft,  ein  3lf^I,  toie  einft  für  ^oj^\)  in  46 
äg^jjten.  2)enn  er  erfannte,  bafe  bie  SBirren  in  ^ülid^-SIebe-Serg,  burd^  bie  ©nt« 
^toeiung  ber  dürften  l^erborgcrufen,  nur  ein  3Sorfj}ieI  be«  langen  Sürgerfriege«  feien,  ber 
S^eutfc^Ianb  jerfleifd^en  fottte.  3)effen  ©reuein  entrüdft  ju  toerben  em})fanb  er  al«  eine 
SBo^Itl^at,  unb  bie  ^rage,  ob  bie  Überfieblung  unter  ben  obtoaltenben  Umftänben  nicl;t 
bod^  ^itoa^  bon  »Ja^nentluc^t  an  ftc^  f}abc,  toarf  er  nic^t  auf.  2lm  22.  DItober  1617  50 
^ielt  er  feine  3lntritt«j3rebigt  unb  ^at  bann  30  ^a\^xc  ber  ©emeinbe  ju  2)ebenter 
mit  ber  il^m  eigenen  ©etoiffen^aftigfeit  gcbicnt.  ßr  toufete  ftd^  l^ier  im  ©afen,  fo  bafe  er 
mehrere  e^renboDe  Berufungen  oI;nc  biele  öebenlen  au«fc^Iug.  2)afür  liefe  e«  bie  ©e« 
meinbc  an  9tnerlennung  unb  3)anfbarfeit  nic^t  fel^Ien.  2lber  über  i^ren  Ärei«  l^inau« 
reichte  feine  SBirffamfeit.  Dbtool^I  erft  28iäbrig  getoann  er  fo  rafd^  in  ber  neuen  Um^  56 
gebung  änfe^en  unb  Vertrauen,  bafe  er  ^u  ben  Vorbereitungen  für  bie  Slationalf^nobe 
JU  2)ortrec^t  l^injugejogen  unb  bon  ber  Dber^ffelf^cn  ©i^nobe  al«  einer  ber  3)e^)utierten 
bal^in  entfanbt  tourbe.  ^ier  ftanb  er  auf  ©eiten  feine«  Se^rer«  ©omaru«.  auf  feinen 
atntrag  ai)J)robierten  bie  ©tänbe  bon  Dbervffel  bie  2)ortrec^ter  Canones  unb  bie  Dber« 
^ffelfc^e  ©^nobe  bie  ^w^üdEtoeifung  ber  fünf  Strminianifd^en  Slrtifel.    SBic^tiger  ift  feine  eo 


264  eibcl 

2^F?ätigfcit  in  bcr  ftommiffton  für  eine  neue  J^ottänbifd^c  Sibelüberfc^ung,  tDcId^e  üon  bot 
2)ortrcc^ter  S^nobe  6efd;Ioflcn  hjorbcn  Voar.  3lte  einer  ber  SWcöiforen  hjurbc  er  für  bic 
2)auer  be§  Sleöiforenf ontoent^,  ber  elf  9Ronate  in  Serben  ta^U,  toäl^renb  bie  $cft  ununter- 
brochen in  bcr  ©tabt  tpütete,  jum  3}i^efcriba   ertüä^It.    3)rei  ^oÜ^xc  l^inburc^  l}ai  er  bag 

6  nationale  Sibetoerl  (f.  b.  Sttrt.  Sibelüberfe^ungen  $916»  III,  123)  in  örünblid^er  ärbcit 
geförbert.  3luc^  burd;  feine  gürforge  für  baö  ^äbagogiuni  ju  2)et)enter,  bem  er  tüd^tige  £ebr= 
ftäfte  toerfc^affte,  hat  er  fic^  öerbient  gemad^t.  Ram  fonüt  ferne  Segabung  unb  grofee  2lrbeit^= 
fraft  bem  £anb  ^ugute,  ba^  il^n  aufiS  §reunblic^fte  aufgenommen  l^atte  unb  in  bem  er  fic^  nic^t 
alögrcmbling  füllte,  fo  l^ielterboc^  ben^ujammen^ang  mit  ber  alten  ^eimat  feft  unb  fucbtc 

10  ben  bortigen  bebrängtcn  ©lauben^genoffen  fic^  l^ilfrei^  ju  ertoeifen,  \oo  immer  er  fonnte. 
2llg  nad^  fünfmonatlid^er  Belagerung  ^ülic^  fic^  1622  ben  Bpani^m  übergeben  mu|te, 
begann  bie  J)lanmä6ige  Unterbrücfung  ber  ©öangelifd^en  im  gülic^erlanb ;  ^arafteriftifd^ 
für  i^rc  Sage  \oax,  bafe  bie  ©emeinbe  ^u  §einßberg  i.  3-  1624  ba^  SBei^nad^ti^feft  unb 
ba^  1^1. 3(benbmal^l  auf  freiem  J^clbc  feiern  mufete.   %nd)  im  Sergifc^en  ging  ber  ^faljgraf 

15  SBoIfgang  SBill^elm,  feit  feinem  liebertritt  einSBerf  jeug  ber  S^fuiten,  mit  ©etpaltmaferegeln  t)or. 
35er  2)üffeIborfer  reformierten  ©emeinbe  tourbe  bie  Äird^e  gef(^loffen  unb  ba^  öffentliche 
ßjercitium  t)erf})errt  unb  fogar  in  bent  auöfc^lie^lid^  reformierten  ©Iberfetb  burd^  ben 
3efuitenj)ater  So^^  ber  ©otte^bienft  unterbrüdt.  3)a  tpar  e^  ©.,  ber  burc^  feinen  ©in- 
pufe  unb  feine  unermüblic^e  g^ürfjjrac^e  baju  beitrug,  bafe  bie  ©encralftaaten  mit  JRetor- 

20  fion^maferegeln  brol^ten.  Unb  tpieberum,  al^  ber  ^t^nit  i.  3-  1629  jum  jtpeitenmal  im 
Sergifc^en  erfct;ien  unb  toie  ba^  erftemal  Raufte,  ja  aud^  in^  ^Jlärfifc^e  ^inübergriff  unb 
man  toiebcr  in  ben  ?Rieberlanben  ^Rettung  fuc^en  mufete,  h)anbten  fid^  bie  äbgefanbten 
an  S.,  ber  atleö  aufbot,  il;nen  bie  SäJege  ^u  ebnen,  unb  ßilfe  gu  Vermitteln.  Unb  §ilfc 
lam.    ?Ricmal^,  fd^reibt  ©.,  h)erbe  er  ben  gubelruf  öergeffen,  ber  in  ©eöenter  burc^  alle 

25  Straften  unb  §äufer  erfc^oU:  „SBefel  iö  geuS".  Sm  19.  ^uguft  1629  tpurbe  SBefel,  am 
14.  Se|)tember  §ergogenbufc^  öon  ben  9lieberlänbern  erobert,  nun  befe^ten  fie  auc^  feftc 
5ptä^e  in  3wlic^=6lebe-93erg  unb  brad^ten  ben  ©öangelifc^en  (Srleic^tcruiw.  3luc^  öielen 
einzelnen  feiner  ©lauben^genoffen  bot  ©.  bie  §anb,  feien  e«  ©Iberfelbcr  Kaufleute,  bencn 
il^re  ©üter  toibenec^tlid^  fonfi^jiert  haaren,  feien  e^  Vertriebene  ^aftoren,  fieser,  ®elel;rtc, 

30  Kriegsgefangene,  bie  Unterftü^ung  ober  ^ürfprac^e  fud^ten,  fei  eS  ein  abtrünnig  geworbener 
ober  ein  gefallener  älmtSbruber  ($^il.  ßilbrac^t  älbfalon  i>.  fteffel),  benen  ^jured^t^ 
jul^elfen  toar. 

S.  ftarb  am  1.  Januar  1658,  nad^bem   er  fd^on  ^ei^n  ^aljXi   luryox  tpegcn   eine^ 
©c^laganfaHS  baS  geliebte  ^rebigtamt  l^atte  nieberlegen  müf[en.    2lfe  ^rebiger  U)ar  er 

35  fe^r  ^oc^  gefc^ö^t;  beit  (Sl^r^foftomuS  feinet  ^^^^^''^^^^  W  "^ö"  ^^^  ^^^^  genannt.  Gin 
einfluft  ber  §omiletif  be«  ^\)pmn^  (^JSte^  VIII,  505)  läftt  fic^  nid^t  öerlennen.  SBol?l 
legt  er  SBert  auf  faubere  gorm  unb  gute  Drbnung,  aber  ber  ^n\)ali  ift  i^m  bie  ^aiüpU 
fac^e,  unb  fo  fe^lt  eS  troft  jiemlic^er  aSeitläufigfeit  nic^t  an  guten  unb  frommen  ©e= 
banlen.    6r  arbeitete  feine  ^rebigten  fel^r  forgfältig  in  lateinifc^er  ©J)rac^e  auS  unb  bat 

40  fie  fo  in  grofeer  ^^l^^  '"  2)rudf  gegeben,  ©em  be^anbelte  er  einen  ©c^riftabfc^nitt  in 
einer  längeren  $rebigtreil^e.  ©ine  folc^e  über  9)it  16,  mit  einer  tDertöotlen  SSorrebe 
über  feinen  ©ro^bater  ^^eter  So,  toibmete  er  bem  ^)olitifd^en  unb  bem  fird^lid^en  ®cmcinbe= 
öorftanb  feiner  Saterftabt  ©Ibexfelb.  ©eine  bis  1644  veröffentlichten  ^rebigten  crfd^ienen 
^n   einem  ©efamttoerf  bereinigt   unter   bem  a:itel  Caspari  Sibelii  opera  theologica, 

45  3(mfterbam  1644,  in  fünf  leilen,  ein  h^eitläufigeS  fated^etifct;eS  3Berf,  Meditationes 
catecheticae,  in  toelct^em  bie  (Sintoürfe  ber  Semonftranten  gegen  ben  §eibclberga 
.Uatedf^iSmuS  ^urüdfgehjiefen  hjurben,  in  4  "Seilen  1646—50  (bgl.  g.  Sl^r.  Äocd^er,  Äatec^et, 
©efd).  b.  reformierten  Sirenen  1756,  ©.291,362;  ein  Serjeid^niS  fämtlid^er  ©d^riften 
bei  Soutertoel,  ber  in  Iieutfc^lanb  juerft  ©ibelS  anbenJen  erneuert  ^at,  5ßSR®*  70  f.). 

60  3llS  Sl^eologe  ift  ©.  ein  unbcirrter  Vertreter  unb  IM^c^ter  ber  reformierten  Drtbo- 
bojie;  fie  ift  ibm  ber  allein  ri^tige  SluSbrudE  beS  ©c^riftglaubenS,  ber  i^m  mit  bem 
c^riftlic^en  ©lauben  o^ne  toeitereS  jufammenfätlt.  2)al^er  trägt  er  au^  nic^t  baS  minbeftc 
Sebenfen,  bie  3?erl^ängung  bon  ©trafen  über  Äat^olifen,  Sut^eraner,  Strminianer,  SEBieber^ 
täufer  \)on  feiten  bcr  Cbrigfeit,  baS  i^erbot  i^rer  ©otteSbienfte,  bic  er^toungene  S^eilno^me 

55  i^rer  fiinber  am  ©otteSbicnft  unb  ftated^iSmueunterric^t  ber  Sleformierten  ju  berteibigen. 
©ogar  bagcgen  l)atu  er  nid^ts  cinj^utoenbcn,  ba^  bie  Seiter  anberSgläubiger  ilonDentilcl  auf  etoig 
berbannt  tourben,  bie  3"^örer  aber  bie,  meiere  bie  3?erfammlung  aufgefj)ürt  Ratten,  mit 
einem  Slfantel  unb  25  ©olbgulben  bef^enfcn  mußten!  3)iefer  lonfef^oneHen  Snge  unb 
^ärte  cntfj)ric^t  eS,  Wenn  er  Söiberfj^rud^  gegen  Crgclf|)iel  im  ©otteSbienft,  gegen  ^^eater 

60  unb  fccnifd^e  2)arftcllungen  crl^ebt,    toenn   er  bie  ©ottloftgleit  ber  fio))emifancr  betoeift. 


®tiid  SiB^Ucn  unb  Sib^Oiutfi^e  Satter  265 

Sin  5?anatifer  h>ar  er  barum  nid^t,  tocbcr  ein  l^ciftblütiger  nod;  ein  falter.  2(ud;  fein 
Silb  t)on  %xani  ^aU  ieigt  nid^t  einen  fold^en,  fonbem  e^er  einen  freunblid^en,  \üof)U 
troHenben  2lu^brucf;  fein  fmb  bie  3^0«  nid^t,  ba^  (Seftc^t  ift  breit,  aber  ba^  Slugc 
f^rec^enb,  Icbenbig.  Unb  au^  feiner  ©elbftbioarai)^ie  f})ric^t  eine  lebenbige  grömmigfeit, 
in  il^en  äufeerungen  freiließ  red^t  umftänbli(v  unb  an  ©elbflgefäDigfeit  ftreifenb,  babei  5 
t)on  ®efe^Ii(|fcit  nic^t  frei,  9tm  anfj)red^enbften  ftnb  bie  Biixi^,  in  benen  feine  Sin« 
^änglid^Iett  an  bie  §eimat,  an  Stnge^örifje  unb  ^eunbe  fic^  äußert  unb  feine  ^fürforge 
für  ^ilf^bebürftige  erfc^eint.  9(fe  ptx\'6nli(S)^  Sinbeglieb  Jtoifc^en  9tteben^ein  unb 
iKieberlanb,  eifrig  unb  einflufereid^,  behält  er  toie  aU  "^^irebiger  ^iflorifc^e  Sebeutung.  Unb 
feine  Seben^befd^reibung  ift  eine  Duelle  für  bie  noc^  nid^t  genug  erforfd^te  (Sefc^i^te  be^  10 
niebcrrl^einifc^en  ^ßroteftanti^mu^,  bie  an  SBec^felfäHen  reic^,  burd;  fc^toere  ©d^itffale 
Jvie  burc^  treuem  2lu^l^alten  unb  älrbeiten  toieler  ©emeinben  toid^tig  unb  mer!h)ürbig  ift. 

Gbitotb  ^tmottd. 

@t6))Ucn  unb  ®tb))Uiutf4c  Sucher.  —  3)ie  fiittcratur  finbet  fic^  in  ©c^ürer«  ®e= 
fdjicbtc  bt^  jübifc^en  ^olfeä  III,  447—450  i)crjeici)net  ff.  bort  auc^  bie  ^^inweije  auf  ältere  15 
fiitteraturonciaben);  ügl.  nod)  cbcnba  III,  421  5lnm.  87,  425  §lnm.  106,  428  5lnm.  119, 
431  ^Inm.  126  u.  ö.  4)insuf ommen :  3)ie  ?luffä&c  üon  3-  ®effdcn,  ©gSi  1899,  47  ff. 
unb  446 ff.  (über  bie  ^Jerofage);  ebcnba  1900,  88  ff.  (bie  bQbi)Iünifcfte  ©ibljüc);  ebenba  1901 
•0.2:  9?ümi|(^e  ftaifcr  im  SBolf§munb  ber^Prouinj;  SS9?t  1899,  698 ff.  (cinegnoftifc^c  S?ifion); 
9?eue3a5rb.  für  $^iIologie  1898,  262ff.  (JRegeunjunber  im  Ouabenlanbe);  S.  iöouffet,  3)ie  20 
»ejicl^ungen  ber  ölteften  jübifdjen  ©ib^fle  jur  cftalbäifd)en  (BihXjUe,  3nt^  1902,  23 ff.; 
3.  (^cffden,  ^ie  Oracula  Sibyllina  bearbeitet  im  auftrage  ber  Äird)enüäterfommiffion,  fieipjig 
1902;  berf.  Äompofition  unb  entfte^ungSjeit  ber  Oracula  Sibyllina,  ficipjig  1902  (XU, 
925  VIII,  1);  berf.,  $3  53b  CVI  |).  2  (S)ie  @ibl)ne);  ^.  grieblänber,  ®efc^.  ber  jübifc^en 
^(pologeti!,  äüxidi  1903,  31—54;  Encyclopaedia  Biblica,  ?lrt.  Apocalyptic  Literature  25 
§  88—98  I,  245—250;  Äau^c^,  ^tpofr^p^en  unb  «Bfcubcpigrap^en  b.  ?12:  II,  177-217 
(Uebcrf.  b.  iüb.  6tücfe  unb  Einleitung  üon  gr«  S3la6);  ®'  ^ennedc,  S'^cuteft.  ^pofn)p§en 
318—345  unb  |)anbbud^  ber  neuteft.  9(pofn)p]^en  339—350  (Ueberf.  unb  (grl.  b.  d^riftl.  ©ibJjtten 
üon  ÖJeffrfen).   (Sinige  meitere  eingaben  innerhalb  ber  ^arfteHung. 

Unter  ben  ©rjeugniffen  f))ätiübifc^er  unb  frü^c^riftlic^er  Sitteratur  nel^men  bie  fog.  30 
fib^üinifd^en  Drafel  toegen  i^rer  mannigfachen  SSejie^ungen  jum  römifc^sgried^ifd^en 
DraleltDefen  befonbereö  3"^^^f[^  i"  Slnf^rud^.  ©ib^uen  nannte  man  im  griec^ifc^en  unb 
römifdj^en  2lltertum  ^ro})^etinnen,  hjelc^e  ^ier  unb  bort  balb  über  biefe  balb  über  jene 
©täbte  unb  Sänber  il^re  bunllen  3)rof)tpeigfagungen  au^fc^ütteten.  3)ie  §erfunft  unb 
Sebeutung  be^  3?amen^  ift  unbefannt.  SBa«  tpir  bon  i^nen  an  5Rac^rid^ten  ^aben,  ift  35 
nur  „Sitteratur";  beftimmte  l^iftorifc^e  ßrinnerungen  an  toirllid^e  hjei^fagenbe  5ProJ)l^es 
tinnen  alter  ^Ät  l^aben  fid^  nid;t  erhalten.  2)ennod^  toerben  h)ir  annehmen  bürfen,  bafe 
biefe  Unmaffe  toon  öertoorrenen  legenbarifc^en  ßrinnerungen  nid^t  reine  ßrfinbungen  ftnb, 
fonbern  le^te  3?ad^flänge  einft  bor|anbener  fflirflic^leit  (9lo^be,  ^f^c^e^  II,  68).  6«  mag 
einft  in  älltgried^enlanb  in  grauer  3?ergangenl;eit,  ethja  in  ber  religiös  aufgeregten  ©pod^e  ber  achten  4o 
unb  fiebenten  t)ord^riftlic|en  ^ai^t^unberte  h)irfli(^  ^rojj^etinnen  gegeben  ^aben,  Raffanbra« 
geftalten,  bie  mit  i^ren  35ro^h)eiSfagungen  t)on  ©tabt  ^u  ©tabt  jogen  unb  bie  3Kenfd^en 
f(^rerften.  ^a  \r)\x  tonnen  öielleic^t  no^  beftimmter  Vermuten,  ba^  Äleinafien  unb  bie 
fleinafiatifc^en  3nf^In  baS  §eimatlanb  biefcr  ^rojj^etinnen  gehjefen  fei.  3)ie  frül^eften 
9Ja(^ric^ten  über  ©ib^Hen  tpeifen  uns  nac^  @n;tl^räa  unb  ©amoS.  Unb  bie  anerbingd45 
legenbarifc^en  5Rac^rid^ten,  bie  h)ir  über  bie  er^tl^räifc^e  ©ibt;lle  befi^en,  beuten  in  jiemlid^er 
Übereinftimmung  in  ferne  2}ergangenl;eit,  inS  a^te  3<^^^^i»"^^^^  iWcM  2)elj3^i  toar 
jebenfallg  nid^t  ber  ^eimatöort  ber  ©ib^Uc.  ©bätere  ©c^riftfteHer  lennen  jhjar  auc^  eine 
belj)^ifd^e  ©ib^He  (©c^meftcr  beS  SljjoDo  mit  9(amen  SlrtemiS),  aber  fie  laffen  biefe  felbft 
Don  i^rer  geinbfd;aft  mit  bem  Sruber  ät^oDo  berichten  (ßlemenS  Sllejanbrinuö,  Stromat.  50 
I,  21,  108).  3)ie  ^riefterfc^aft  beS  bel>)^ifc^en  DrafelS  l^at  nichts  öon  ber  ©ib^He  toiffen 
hJoUen.  3luc^  nad^  Som  ift  bie  ©ib^He  erft  am  (Snbe  ber  römifd^en  iRaifergeit  t)on  ben 
griec^ifc^en  Kolonien  in  ©übitalien  gelommen.  3)ie  ?Rac^ric^ten  über  orientalifd^e  ©ib^tten 
beginnen  erft  mit  ber  3!)iabod^en5eit.  ©0  bleibt  Äleinafien  ber  ^eimatboben  ber  ©ib^tte. 
3}lan  ^at  ba^er  auc^  baö  Söort  auS  fleinafiatifc^er  Urfprac^e  ableiten  tooDen.  §ier  in  55 
Äleinafien,  tpo  griec^ifc^eS  unb  orientalifc^eS  Säefen  fi(^  mifdfiten,  tüo  bie  ^raii  nad^ 
orientalifc^er  äBeife  in  ftrenger  Sw'^üdgejogenljeit  gehalten  fic^  öffentlich  nur  in  au^er« 
orbentli4>er  SBeife  betl^ätigen  lonnte,  nur  als  ^^Jriefterin,  ober  l^eilige  §etäre,  ober  als 
ijer^ücfte  ©e^erin,  mögen  jene  alten  $ro|)l?etinnen  aufgetreten  fein.  SBaS  toir  aber  t)on 
i^nen  nod^  tüiffcn,   ift,  toie  gefagt,   in    trübe  3)ämmerung  gel^üllt.    Iiennod^  ^aben  jene  eo 


266  SiB^Uen  itttb  Stb^Ointfi^e  fSUftt 

^xopf^cWnmn  \mUx  getüirft,  tocnn  ani)  nid^t  aU  ^erfönlid^f eitert,  fo  bod^  berart,  bafe 
fie  einer  gangen  ^)feubon^men  SBeigfaöunö^Iitteratur  i^ren  Flamen  gaben ;  fo  toie  etn?a  bic 
^Patriarchen  unb  ^eroen  ber  alten  iübifc^en  ©efd^id^tc  im  aj)oIaI^))ttfcl^en  3«*<>^t^  bc^ 
Subentum^  einer  ganjen  Sitteratur  i^e  9Jamen  gegeben  ^aben. 
6  3um  fülgenben  ugl.  befonberö  SBlaai,  de  Sibyllarum  indicibus,  ©rcifSmalb.  SJiffcrt.  1871), 
unb  ha^  prncf)tuoIIe  g)laterial  bei  9llejanbre,  Oracula  SibyUioa  11,  2,  1—253.  421—433; 
mel&r  fiitterQtur  bei  Scftürcr  III,  421  9inm.  87.  3)aj^u  cttoQ  nodj  ^.  3)iel§,  SibijH.  93Iätter 
1890;  Ä.  ©urcfd),  ÄtaroS  1889;  Olo^bc,  $fij*e«  II,  62—69. 

Der  ältefte  ©d^rififteUer ,    ber   nac^   atigemeinen   ©rtpä^nungen  ber  Sib^He   bei 

10  §craclit,  gurij^ibeig,  9triftoj)^aneg,  ^lato  (Slaa^  ©.  1)  eine  SKeil^e  beftimmter  ©ib^tten  nennt  ift 
^eraclibeg  ^onticug  {negl  yqv^Q^'^)'  ^^^  Giemen«  Sllejanbrinu«  (Stromat.  I,  21, 
108)  mnnU  er  neben  ber  $^rvgifc|=35el|)^ifc^en  (ärtemigs)©ib^ne  bie  ®r^t^räa=§ero^^ile. 
SJferltDürbig  ift  e«,  bafe  33arro  (Sactanj  I  6)  fic^  für  feine  octava  Hellespontia  in  agro 
Trojano  nata   vico  Marpesso  circa  oppidum  Gergithium  ebenfatt«  auf  ö^aclibe« 

16  beruft.  2)en  brei  genannten  ©ib^Hen  begegnen  h>ir  bann  überall  in  ben  fjjäteren  Äatalogen 
toieber.  2)iefe  ©ib^Uenliften  fd^tPoHen  aHmä^lic^^  an.  ^P^ileta«  t)on  e})l^efu«  (©d^ol.  gu  ariftot. 
SJögeln  962)  unb  Soct^u«  (bei  ©olinu«  II,  18  ed.  aRommfen  1895;  jur  ßeit  be« 
Äaifer«  ßlaubiu«)  jaulen  ebenfatt«  erft  brei  ©ib^Hen  auf,  erfterer  bie  3)elt)l^ifd9e,  ßr^s 
tJ^räifie  unb  ©arbifd^e;  le^terer  bie  SDelJj^ifd^e,    ©r^t^räifd^e  unb  Äumäifc^e.    Giemen« 

20  i>on  äflejanbria  (Stromat.  I,  21.  108)  fügt  ju  ben  beiben  bc«  §eraclibe«  bie  ^^^if^« 
unb  %V^)tifc^e  ^inju.  Dann  liegen  bei  ßlemen«  (Stromat.  I,  21.  119)  unb  ©uiba«  (s.v. 
2ißvU.a\  ©uiba«  fott  l^ier  ben  §ef^(^  au«fd^reiben,  a)laa^  54)  eng  bertüanbtc  Äataloge 
bor,  in  benen  ad^t  refj).  neun  ©ib^llen  genannt  toerben.  5Reue  Slamen  finben  ipir  ^ier 
ben  alten  ^injugefügt;   ic^  nenne  nur  bie  anbertoeitig  (f.  u.)  gut  bezeugte  ©amicrin  mit 

25  Seinamen  ^^^to.  Den  umfaffenbften  Äatalog  l^at  un«  SBarro  burd;  bie  3Sermittclung 
be«  Sactan^  überliefert.  6r  jäl^lt  nic^t  Weniger  al«  jel^n  ©ib^Hen  auf:  1.  bie  ^erftfc^e 
(f.  u.),  2.  bie  Sib^fd^e  [biefe  unter  Berufung  auf  ben  ^Prolog  be«  Surij)ibe«  ju  einem 
Drama  2amia.  Dioboru«  XX,  §  41.  6.  aJlüHer,  Fragm.  Hist.  Graec.  II,  476,  citiert  jtoei 
58er[e  be«  6uri^)ibe«,  in  benen  bon  ber  Sib^erin  Samia  bie  Siebe,    "^ai^  ^aufania«  X  12 

30  tüar  bie  ©ib^lle  eine  2!od^ter  be«  3^"^  ^^^^  ^^  Samia.  3"  ^^  gonjen  Überlieferung 
fd^eint  ©uri^jibe«  bie  Seranlaffung  gegeben  ju  b^ben],  3.  bie  Deljjl^ifd^e,  4.  bic  Äim- 
mcrifc^e  [in  3töIi^«J/  5.  bie  Sr^t^räa,  6.  bie  ©amifc^e,  7.  bie  Äumäifd^e  mit  Flamen 
Hmaltl^ea,  8.  bie  öeUefjjontifc^e,  9.  bie  $^r^gifc^e,  10.  bie  3:iburtina  mit  5Ramen  älbunea. 
Slufeer  ber  Jjerpfdpen  unb  lib^fc^en  ftnb  alfo  ^ier  nod^  jtoei  italienifc^e  bie  Äimmeria  unb 

35  3^iburtina  ju  ben  bereit«  genannten  l^injugetreten.  Da«  SSarrofc^e  SRegifter  ift  un«  burc^ 
eine  Sleil^e  öon  3^g<^n  überliefert.  Der  ältefte  ift  Sactanj,  Instit.  Div.  I,  6.  2ln  Sactanj 
fd^lie^en  ftd^  3f^oru«,  Orig.  VIII,  8  unb  bie  Anleitung  ber  mittelalterlid^en  3:iburtina 
(f.  u.)  genau  an.  Da«  SSerjeic^ni«  l^at  ein  befonbere«  ^ntereffc,  toeil  ber  Slnont^mu«, 
ber  ben  Prolog  },\x  ber  ©ammlung  ber  jübifc^-c^riftlic^en  fibtottinifd^en  93üd^er  (I — VIII) 

40  fd^rieb,  e«  ebenfall«  in  einer  ii\oa^  erweiterten  gorm  bietet.  m\i  ber  Sifte  be«  Slnon^mu« 
berühren  fic^  il^rerfeit«  auf  ba«  engfte:  1.  bie  in  f^)äteren  g^j^ertoten  erhaltene  fog.  Tübinger 
2l^eofo>)^ie  (§  75.  ed.  Surefc^,  Rlaro«  ©.  120);  2.  ber  ©d^oliaft  ju  5piato«  ^ß^äbru«, 
p.  244;  3.  ^l^otiu«,  Sttmjj^ilo^iu«  quaest.  150  MSG  101.  811  ff.,  t)on  bem  ©d^oliaften 
abhängig;   4.   ein   StüdE  ber  3lu«fül^rungen   in  ©uiba«  Sejilon  s.  v.  HißvXka;    bann 

45  ti\};>a^  tüeitcr  abfteF^enb  5.  ber  Stutor  negl  ZißvXXcov  in  Gramer«  anecdota  Paris.  I, 
332 ff.;  0.  ba«  Chronicon  Paschale  (ed.  Sonn  I,  516).  SBie  fic^  ba«  l^ier  gebotene 
3?erjeid^ni«  ju  bem  bei  Sactanj  i;)erl)alte,  ift  bi«  freute  noc^  nic^t  IlargefteDt.  (^Vermutungen 
bei  -JOJaa^  13,  bagegen  Surefd^,  Älaro«  121).  Seac^tenetoert  für  bie  Seftimmung  ber 
§erfunft  ber  jtoeiten  JHebaltion  ift  e«,  ba^  bie  meiften  ber  fic^  ^ier  finbenben  3^f^^c  in 

60  ber  bem  (Slemen«  Sllejanbrinu«  unb  ©uiba«  gemeinfamen  DueHe  (togl.  bef.  Giemen«,  Stro- 
mat. I,  21.  108,  119)  iüieberfc^ren.  Die  toid^tigftc  9?eränberung  ber  Sifte  in  biefer 
Slebaftion  ift  bic  ^bentifitation  ber  bei  Sactan^  erftgenannten  Jjerfifd^en  ©ib^tte  mit  ber 
d^albäifc^cn  (^cbräifcbcn)  ©ib^lle  ©ambetF^e,  bic  un«  Weiter  unten  befd^äftigen  Wirb.  3luc^ 
ba«  gegenfeitige  i^crl^ältni«  ber  3^^^9^"/  WclAc  bicfe  g^orm  bc«  SSarronianift^en  3?erjcic^s 

55  niffe«  liefern,  ift  nocb  nic^t  aufgctlärt.  Die  bcibcn  ältcften  3<^W9^"  f^"^  ^^  STnon^mu« 
ber  ©ib^ßcnfammlung  unb  bic  lübinger  2:i^cofo))bie  (5.  ^a^^r^unbert).  ©rf^toerlicb  ift 
ber  3tnonl)mu«  bic  CucHc  für  fämtlic^c  anberc  3^^i9CJ^-  ^Iber  anbrerfeit«  \^ai  ©effdfen 
fid^cr  nicbt  Skc^t,  Wenn  er  in  feiner  2lu«gabc  ©.  1  al«  Cluelle  be«  2lnon^mu«  bie 
3!übinger  Jl^cofopl^ic  annimmt,    ßine  befonbere  ©tcHung  nel^men  enblic^  bie  äu«fü^rungen 

60  be«  ''^aufania«  X,  12  über  bic  ©ib^Den  ein,  bie  ilJaa^  12 ff.,  ob  mit  Stecht  ift  fraglich, 


SiB^Oeu  nttb  SiB^ttitttfi^e  »filier  267 

auf  ailejanbcr  ^Poli^^iftor  jurüdffü^t.  ©ie  rcjjräfentiert  bereit«  einen  SSerfuc^  ber  SRebut 
tion  ber  langen  Steife  ber  ©ib^tten  auf  bier,  bie  ^aufaniaö  ben  öerfd^iebenen  ^Rationen 
iiuteilt.  5ßaufania«  nennt  1.  bie  Sib^fc^e,  2.  bie  ^ero^j^ile,  auf  bie  er  alle  5Rac^ric^ten 
über  grieclifcl^e  ©ib^tten  jurücffül^rt  unb  bie  er  (nid^t  mit  ber  ßr^tl^iräa  fonbern)  mit 
ber  troif(()-mar))effifc^en  ©ib^He  inbentifijiert,  3.  bie  Äumäifd^e  mit  Flamen  35emo,  5 
1,  bie  $ebräifc^s93abi^Ionif(i^'3t0^J)tifcl^e  mit  Flamen  ©abbe. 

SKon  allen  ben  in  biefen  Siften  aufgejä^lten  ©ib^tten,  t)on  benen  bie  meiften  niemate 
me^r  aU  eine  litterarifcbe  gif  tion  getoefen  fmb,  ift  bie  ©r^t^räa  bie  ältefte,  beftbejeugte 
©eftalt.  9?ac^  SSarro  (bei  Sactang  k.)  ift  fie  bereit«  \>on  bem  gj^ronograjjj^en  3^)000« 
boru«  t)on  ©r^tl^rä  bezeugt.  3?euerbing«  ift  fogar  (im  ^ai)x^  1891)  bie  t)on  ^ßaufania«  10 
(X,  12)  ertDäf^nte  ©ib^Hengrotte  entbedft  (©c^ürer,  ®efc^.  be«  jübifd^en  SSoHe«  III,  425). 
3n  einer  ^ier  gefunbenen  ^nfci^rift  r?DlitteiI.  b.  arc^äolog.  ^nftitutg,  ältl^en  1892,  ©.  21. 
©d^ürer  1.  c.  425  9tnm.  107)  berietet  bie  ©ib^tte  felbft  über  i^re  tounberbare  ®eburt, 
toie  fie  atebalb  nadb  il;rer  ©eburt  begonnen  ^abe,  Dralel  ju  erteilen,  unb  nunmehr  be* 
reit«  900  3a^re  alt  fei.  3)amit  ftimmt  merflDürbig  überein,  ba^  ©ufebiu«  ba«  aufs  15 
treten  biefer  ©ib^Hc  in  feiner  ßl^ronil  (ed.  ©d^oene  II,  82)  in  ber  neunten  DIbm))iabe  an« 
fe^t.  6«  fd^eint  alfo  eine  alte  Irabition  ejiftiert  ^u  l^aben,  toelc^e  ba«  2luf treten  ber 
er^tl^räifc^en  ©ib^tte  in  ba«  ad^te  öord^riftlid^e  3;abr^unbert  Verlegte.  Sieben  ber 
er^tl^räifc^cn  ©ib^He  ift  bie  famifd^e  gut  bezeugt.  3lam  aSarro  fanb  bereit«  ©ratoftl^ene« 
bie  ©ib^tte  in  ben  famifd^en  2lnnalen  genannt.  Sluq  für  fie  giebt  ©ufebiu«  in  ber  20 
(Sl^ronif  eine  beftimmte  ^Ät  an:  Dl^mj).  17,1.  dagegen  entfjjrang  bie  marjjeffifA  tro^ 
janifd^c  nur  bem  £ofalt)atrioti«mu«,  ber  fid^  bie  ^ttop})xk  toon  Sr^t^räa  einfach  an^ 
eignete,  ©in  nod^  bunflere«  unb  fd^attenl^oftere«  3)afein  ^aben  bie  meiften  ber  übrigen 
gried^ifdiien  ©ib^tten  (t)ielleic^t  mit  Slu^na^me  ber  ^l^gifd^en). 

2)ie  ^ert)orragenbe  ©tettung  ber  er^tl^räifc^en  ©ib^Üe  U)irb  aud^  baburd^  beriefen,  25 
bafe  bie  nad^  il^r  am   berü^mteften  geworbene  fumäifd^e  ©ib^IIe  nad^  ben  älteften  ^^Ö- 
nijfen  nur  al«  ein  äbleger  ber  er^t^räifc^en  erjdfjeint    SBenn  in  bem  ©ib^ttenöergeid^ni« 
bei  93arro=2actan5  bie   lumäifc^e  ©ib^tte  neben   il^rem  eigentlichen  9?amen  2)emo  (fo  gu 
lefen  ftatt  2)emoJ)^ile)  auc^  ben  5Ramen  Jpero^jl^ile  belommt,  b.  l).  ben  9?amen  ber  er^« 
t^räifd^cn  ©ib^tte,  fo  ift  ba«  ein  Setoei«  für  bie  l^ier  borgenommene  ^bentifüation  (t)gl.  30 
auc^  bie  au«  93arro  gefc^ö^ften  3?otigcn  bei  ©eröiu«  in  Aen.  VI,  36  unb  VI,  321).  ^aai 
1.  c.  35  f.  vermutet,  bafe  biefe  9tuffaffung  (bgl.  auc^  Ps.  Aristoteles  de  mirab.  95)  bi« 
auf  ümäu«  (4.  gal^r^unbert)  jurüdfjufül^ren  fei(?)    SBon  ber  gried^ifd^en  Kolonie  Ä^me 
ift  bann  ber  ®laube  an  bie  ©ibt^tte  unb  ibre  333ei«fagungen  bielleic^t  ft^on  am  3lu«gang 
ber  Äönig«5eit  nac^  9lom  gebrungen   (SBiffohja,   5Rel.  unb  Äultu«  ber  Slömer  462  ff.),  35 
unb  bort  f)ahtn  bie  fib^llinifct;en  Dralel  bann    befanntlic^  eine  ftaatlic^e  Sebeutung  er^ 
langt,    äl«    im  Sa^rc  83  b.  6^r.    beim   Sranbe   be«   Äaj)itol«    bie    im   %mpA  bc« 
fa^itolinifd^en   3^i^<^  aufbctoal^rten  ©ib^Binifd^en  Drafelfjjrüd^e  ju  ©runbe  gegangen 
toaren,  tourbe  bie  ©efanbtfc^aft,  bie  im  ^al)xt  76  pr  Seranftaltung  einer  neuen  ©amm* 
lung  au«gefanbt   hjurbe,    bor   allem   nac^  ©r^ti^rä  gefanbt.    2)ie  ©rotte  ber  fumäifd^cn  4o 
©ibvtle  l^at  ber  3Serfaffer  ber  ^)feubojuftinif^en  Cohortatio  noc^  gefeiten  unb  giebt  un« 
Siap.  37  feine  intereffante  Sefc^reibung  bon   bem,  toa«  er  fal^.    3)ie  lumäifd^e  ©ibi;lle 
irurbe  übrigen«  aud^,  toeil  man  in   ber  ©egenb  bon  Äumä  ba«  l^omerifc^e  Rimmerien 
toieberfanb,  bie  limmerifc^e  ©ib^He  genannt. .  2)iefc  tourbe  bann  bon  .ber  itumäifc^en 
©ib^lle  abgetrennt,  nac^  5Rom  bcrfefet  unb  mit  ber  ^lufe=  unb  Dralel^öttin  6armenta(i«)  46 
ibcntifijiert.    ßnblic^   gtoeigte   fid;   bann  nod^   eine  britte  ©ib^öe,  bie  tiburtinifd^e  (mit 
SJamen  Sllbunea)  ab,  beren  Heiligtum  in  ber  9?ä^e  bon  SCibur  am  3lnio  ftanb. 

%ixx  un«  fommen  in  erfter  Sinie  bie  bcrfc^iebencn  SJac^rid^ten  über  eine  ejiftierenbc 
bab^lonifd^e  ©ib^He  in  Setrac^t.  Über  fie  berichtet  bor  allem  ^aufania«  X,  12.  ®r 
fprid^t  bon  einer  ^ebräifc^cn  ©ibi;lle  mit  9?amen  Bahbt,  beren  3?ater  (ber  babl^lonif^e  50 
^riefter  unb  ®efc^ic^t«fc^reiber)  Seroffu«,  beren  3JJutter  ©rtimant^e  fei.  3)ie  einen 
nennten  fie  bab^lonifc^e,  bie  anbent  ägb^tifd^e  ©ibt;lle.  35ie  ^feubojuftinifdie  Cohor- 
tatio 37  fjjrid^t  ebenfatt«  bon  einer  au«  Sab^lon  ftammenben  ©ib^lle,  ber  iod;ter  bc« 
babt»lonifd^en  ®efd^ic^t«fc^reiber  33erof)u«,  bie  er  mit  ber  fumäifd^en  ©ib^De  ibentifi^iert. 
Slodp  ber  ^iftorifer  9J?ofc«  b.  Sporen  (Historia  armen.  I,  5,  ed.  SB^ifton  p.  16)  60 
ft)rtd^t  bon  feiner  geliebten  unb  im  SL^erglcic^  mit  ben  übrigen  toa^reren,  berofftanifc^cn 
©ib^llc.  3n  bem  urf^)rünglid^en  ©ibl^llenber^eid^ni«  bei  Jsarro  (Sactanj)  toirb  ;;mar  feine 
c^albäifc^e,  aber  (an  erfter  ©teile)  eine  })crfifd;e  ©ibbUe  crtüä^nt,  beren  5Ricanor  ber  Siograp^ 
ätejanoer«,  Srtoä^nung  t^uc.  3lc*>^"fÄtt^  ^^^  ölfo  fc^on  3Sarro  eine  orientalifc^c  ©ibi;lle 
betannt,  bie  bicUcitbt  mit  ber  c^albäifc^cn  ibentifc^  fein  mag,   ba    in    ber  fpäteren  3^it60 


268  (Sii\)Utn  mh  @tii))tttiitf(4e  mi^tt 

bic  öcgriffc  c^albäifc^  unb  ^jerfifd^  ineinanbcr  überkugelten  beginnen  (togl.  ärc^ib  für 
Sleligion^tüiffenfd^.  IV,  245  f.).  ©o  l^at  bcnn  ber  ©c^riftftetler,  öon  bcm  bie  überarbeitete 
Sifte  be^  SSarro  (f.  o.)  ftammt,  öielleic^t  mit  Siedet  biefe  ^jbentififation  öodgogen  unb 
nmn\  bie  j>erfifc^e  Sibylle  jugleid^  bie  c^albäifc^e  ober  (,,lieber")  bie  l^ebräifc^e  mit  9Jamen 

5  ©ambetl^c,  bie  3^oc^ter  be^  vloal),  bie  mit  i^m  in  ber  Slrd^e  getoefen  fei  (fo  ber  ©Aoliaft 
ju  Pato^  ^l^äbru^  [ber  nod^  ^injufügt,  bafe  bie  ©ih;Ue  über  ben  iurmbau  gehjei^fagt 
l^abe],  ^^otiu^,  ber  Slnon^mu^  in  gramer«  Anecdota,  nad^  i^m  ©uiba«;  cttva^  für^er 
ber  änonmnu«  be«  ©ib^DenjjroIog«,  noc^  fürjer  bie  a^übinger  H^eofoj)^ie).  SBol^er  biefe 
!Rad^ric^ten   ftammen  unb  toelc^e«  älter  fie  f)abm,  ift  nid^t  fidler  feftjulegen.    ^flaa^, 

10©.  12  ff.  ^at  bie  Vermutung  au«gefj)rod^en,  ba^  bie  DueHe  be«  ^aufania«  2llejanber 
^ol^l^iftor  gctoefen  fei;  boc^  ift  ba«  nid^t  fidler.  3"  ^^  ^^n  ßlemen«  Sllejanbrinu« 
unb  ©uiba«  ($^fVW)  t)orau«gefe^ten  Duette,  bie  fid^  mit  ber  überarbeiteten  3Sarronifc^en 
Sifte  fo  ftarf  berührt,  fc^eint  bie  bab^lonifc^e  ©ib^lle  nic^t  ertoä^nt  gu  fein,  tpenn  freiließ 
Giemen«  eine  „ägi9J)tifd^e"   (bgl.  ^aufania«)  ©ibi^Ue  fennt.    SDagegen  berührt  fid^   ber 

15  Stnon^mu«  be«  ©ib^tten>)roIogeö,  ber  bie  überarbeitete  Sifte  bietet  (unb  bie  öemjanbten 
3eugen),  aud^  fonft  mit  ber  Cohortatio  (togl.  älejanbrc  II,  430).  @«  fc^eint  aU  h)enn 
atte  ^loti^en  le^tlic^  auf  eine  Duette  gurüdfgel^en,  unb  ba«  fönnte  atterbing«  3llejanber 
5ßoIi;I;iftor  fein,  t)on  bem  mir  überbie«  h)i|fen,  bafe  er  eine  ©ib^tte  über  ben  2;unnbau 
jitiert  l^at.  —  9Jun  ift  atterbing«  gugugeben,   bafe  atte  bie   genannten  Duetten  in  ibren 

20  ^?otijen  über  bie  bab^Ionifd^e  ©ib^tte  jugleicb  bie  t)on  un«  ju  befjjret^enbe  älteftc  jübifc^e 
Sib^tte  üor  äugen  Ratten.  2)enn  biefe  nennt  fxd)  (III,  823  ff.)  eine  2:oc^ter  5Roa^,  fagt, 
bafe  fie  au^  S3abi;lon  ftamme  (809)  unb  enthält  eine  2Bei«faguna  toom  Turmbau  (97  ff.). 
Slnbrcrfeit«  \pxid)t  bereit«  ^aufania«  bon  einer  bebräifd^en  ©ib^Ue.  3)anac^  fönnte  man 
annehmen,  bafe  bie  bab^Ionifc^e  ©ib^tte  gar  nid^t«  anbre«  fei,  al«  bie  ^ebräifc^e  ©ib^tte. 

25  2tber  t)on  biefer  unableitbar  bleibt  ber  9lame  ber  ©ib^tte:  ©ambet^e  —  ©abbe,  unb  bie 
angäbe,  bafe  bie  ©ib^tte  eine  2od^ter  be«  bab^Ionifd^en  ©elel^rten  Seroffu«  getoefcn  fei. 
äu^  ba^  bie  jübifd^e  ©ib^tte  ftänbig  jugleid^  al«  d^albäifc^e  bejeic^net  toirb,  bleibt  bon 
jener  annähme  au«  unerllärbar.  9?un  ift  ferner  auf  einer  ®rabf(^rift  in  a:^^atira 
au«  ber  ^rit  a^rajan«  (Corpus  Inscr.  Graec.  3509)  bie  SRebe  öon  einem  Ort,  ber  ngog  toj 

30  Zaßxßa&elcp  iv  reo  Xaldaiov  neQißoXcp  gelegen  fei.  9Kit  Siecht  bermutet  ©d^ürer,  bafe 
e«  fiq;  hierum  ein  (Dralel')§eiligtum  ber  (|albäifd^en  ©ambetl^e  l^anble  (III,  428;  über 
anbere  unfic^ere  ©>)uren  eine«  ©ambet^elultu«  bgl.III,  428  3(nm.  119;  femer  ©c^ürer« 
äuffa^  in  ben  t^eol.  Slb^anblungen  ju  SBeijfädEer«  70.  ®eburt«tag  1892,  ©.  48  ff.). 
3ft  aber  fo  ein  d^albäifc^e«  ©ambet^cl^eiligtum  nad^gehjiefen,    fo  h?irb  e«  nic^t  ju  fübn 

36  fein,  in  ber  Überlieferung  einer  c^albäifd^en  ©ib^tte  mit  Flamen  ©ambetl;e  eine  gute 
^iftorifd^e  ©rinnerung  ^u  fe^en.  6«  l^at  alfo  tüiriEIid^  eine  babi^lonifc^e  ©ib^tte  gegeben; 
natürlich  toar  auc^  biefe  ©ib^tte  eine  l^etteniftif^e  unb  h?irb  in  griec^ifd^en  Jpejametem 
gefc^rieben  ^aben.  Safe  man  bann  biefe  ©ib^tte  mit  bem  berühmten  bab^Ionifc^en 
^iftorifer  Seroffu«  in  SBerbinbung  brachte,  fann  nid^t  hjunbeme^men.    Über  ba«  aSer^ält- 

40  ni«  ber  älteften  jübifc^en  ©ib^Ue  ^u  ber  bab^lonifc^en  ©ambet^e  U)irb  toeiter  unten 
ge^anbelt  toerben. 

3n  biefem  SWilieu  erblühte  nun  auc^  im  l^etteniftifc^en  ß^italter  bie  jübifd^e  ©ib^tten? 
bid^tung.  3"  Stlejanbria  (3igl)j3ten)  begann  ba«  Siiafporajubentum  SJliffion  im  großen 
©til  ju  treiben.   9JJan  eignete  fic^  ein  guje«  ©tütf  j^ettenifc^er  Äultur,  l^ettenifc^er  5p^ilo= 

46  foJ)l^ie  unb  bie  formen  ^cttenifc^er  Sitteratur  an.  Unb  man  benu^te  biefe  9KitteI,  um 
ben  ßettenen  bie  jübifd^e  Kultur  fc^macf^aft  gu  machen.  (S«  entftanb  eine  jjübifc^e  G^rono- 
gra})^ie  jum  ^\ütd  be«  D^ad^toeife«,  bafe  bem  jübifc^en  SSolf  ein  biel  größere«  unb  e^r- 
tpürbigere«  Sliter  ^ulomme  al«  bem  l^ettenifc^en.  9JJan  begann  nad^  3^WÖ"'R^  ^^  ^^ 
gried^ifc^cn  $l^ilofo)3l>en  unb  2)ic^tem   ^u   fu^en,   burc^   toelc^e  bie  95Jei«^eit  be«  SWofe« 

jo  beftätigt  tourbe,  man  begann  ju  bcm  ^^^cfe  aud^  ju  fälfc^en,  man  fagte  fül^nUc^,  bafe 
bie  SBeifen  unb  Siebter  ber  (öriec^en  ba«  Sefte,  iüa«  fie  ifOiXitn,  3JJofe«  toerbanlten.  2)iefen 
apologetifc^en  Seftrebungen  bot  fic^  in  ber  ©ibl;Ue  ein  toorjüglic^e«  3JJittel.  9Kan  la« 
fic^  in  ben  ©til  biefer  ©ibt;ttcn  l^inein;  biele  bon  ben  bunflen  2öei«fagun^en,  bic  unter 
ben  3?amen  ber  bielen  ©ibbtten  umliefen  unb  bie  feinen  au«geprägten  l^eibnifc^^en  ß^rafter 

65  \:iaiUn,  tonnte  man  cinfad;  übernehmen.  Unb  nun  lief^  man  bie  ^eibnifc^e  ©ib^ttc  toei«- 
fagcn  Don  ber  uralten  ©röfee  unb  ^errlicbfeit  be«  i«raelitifc^en  9Solfe«,  bon  ber  3BSa^rbeit 
be«  einen  ©otte«  unb  feinem  l^ciligcn  9Sitten,  bon  Sufee  unb  Umfe^r  für  bie  Äettenen, 
bon  bcm  tommcnben  golbncn  3<?italter.  I)er  erfte  9?erfuc^  gelang  jur  S^ftiebcn^eit:  an 
i^n  reihten  fic^  toeiterc.    ©o  entftanb  eine  jübifd^c  ©ibt;ttcnbi(^tung  unb  ))Parute  fid^  bi« 

60  in«  brittc  nad)d)riftlid)e  S^^t^unbcrt  fort.    Son  ben  ^v!t)^n  übcrnal^men  bic  ß^riften  bic 


Stb^Octt  nub  SiB^UJuif^e  Silber  269 

Äunft  bcr  SRad^a^mung  fib^Hinifc^er  SBci^fagung,  fie  übten  pc  freiließ  in  befc^eibcncrem 
3JJa^c.  3)tc  gro^e  3)laffc  ber  fib^Hinifc^cn  Sitteratur  tft  jübifc^,  unb  loa«  c^rifllic^  ift, 
ift,  toenn  man  übcr^au))t  einen  SBertma^ftab  anlegen  h)Ul,  meift  jtoeiten  Stange^.  5Dlan 
^atte  ja  aud^  fd^on  genug  an  ben  l^erübergenommenen  jübifc^en  äSei^fagungen  unb  fonnte 
fid^  ber  \d)on  t)orl^anbenen  ^errlic^en  unb  tDunberbaren  SBei^fagungen  ber  alten  ©ib^tle  5 
freuen.  Unb  alle,  aud^  bie  angefe$enften  33äter  l^aben  an  ben  ^lum^jen  ©c^toinbel  geglaubt 
(t)gl.  ben  ©pott  be^  Selfu«  barüber;  Origenes  c.  Celsum  V,  61).  2Bir  begegnen  bei 
i^nen  ga^lreid^en  ßitaten  an^  ben  ©ib^tten.  ^uftin,  3lt^enagora^,  2;i(^eo|)^ilug,  atten  t)oran 
Siemens  öon  Stlejanbrien  unb  fiactan^,  aber  auc^  nod)  9tuguftin  citieren  bie  ©ib^tte. 
3Dlit  ber  3^*  i>^  unterge^enben  ©eibentum«  erlifc^t  bann  natürlich  im  gl^riftentum  ber  10 
2:rieb  jur  fib^Hinifc^en  3)ic^tung;  aHmä^Iic^  —  tüenigften^  in  hjeiteren  Äreifen  —  aud^ 
bag  Si^t^^ff«  «n  biefen  3)id^tungen.  2lber  bi^  tief  in«  3JJittelaIter  l^inein  begegnen  un« 
?Rad^fc^öfelinge  ftb^Dinifc^er  ©id^tung;  noc^  unter  ben  §ol^enftaufen  j)ro})agierte  man  bie 
SBei^fagungen  ber  tiburtinifc^en  unb  ber  jungen  er^tl^räifc^en  ©ib^De.  ' 

2)a«  meifte,  toa^  jübifd^e  unb  c^riftlid^e  ©ib^tten  im  au^oel^enben  g^talter  beg  JpeHes  15 
nigmuö  unb  ben  erften  brei  ^a^rl^unberten  ber  römifd^en  ilaiferjeit  bid^teten,   ift  toon 
eifrigen  §änben  gefammelt  unb  un«  erhalten.    SBir  ^aben  nod^©j3uren  ber  allmählichen 
ßntfte^ung  biefer  ©ammlung  (ref}3.  ©ammlungcn).    ©0   läfet  fic^  au^  ben  Überfc^riften 
ber  ung  erhaltenen  erften  brei  ©üd^er  nad^toeifen,  bafe  biefe  einmal  eine  ßin^eit  für  fid^ 
gebilbet  l^ben  muffen.    ©0   fc^eint  e^,    al^   toenn   bie  ©ammlung  93u(^  XI— XIV  fo  20 
entftanben  fei,  bafe  jeweilig  ber  ©d^reiber  be^  fotgenben  Sud^e«  ba«f  öorangel^enbe  feinem 
SBJerf  einverleibt  l^abe.    2lud^  je^t  liegen  in  unferer  ^anbfc^riftlic^en  Überlieferung  eigents 
li(^  jtpei  (refj).  brei)  öerfd^iebene  3Serfud;e  einer  folc^en  ©ammlung  bor.   3)ie  erfte  &x\ippt 
t)on §anbfd^r.  (APSB  =  (P)  enthält  ben  öon  einem  anon^mu«  geschriebenen  ^Prolog  unb 
bann  bie  ftb^Hinifd^en  Sudler  I— VIII,  485;    bie  jtoeite  ®nH)t)e  (FRLT=  !fO  um^26 
fafet  Sud^  VIII  ganj  unb  bann  93ud^  I— VII.   ®in  Äennjeic^en  biefer  ®ru})pe   ift  toor 
allem  aud^  ber  ©infcpub  ber  J)feuboJ)l^of^libcifc^en  3Serfe  inll,  56— 148;  bie  bntte  ®ruj)j)e 
(MQVH  =  ß)  umfafet  in  einer  tounberlic^en  3äl;lung  Sud^  VI.  VII,  1.  VIII,  218-428 
ate   neunte«,   Suc^  IV  al«  je^nte«   ^ni),   bann  S3ud^  XI— XIV.    [3)ie  §anbfc^riften 
tourben  erft  f})ätcr  belannt,  bal^er  bie  älteren  3lu^aben  nur  ad^t  Sucher  enthalten,  erfte  30 
ausgäbe  ber  Sudler  XI— XIV  t)on  3Rai,  Scriptorum  vet.  nova  collectio  III,  3. 1828.] 
Sebenfatt«  ift  biefe  ©ammlung  ate  eine  gortfe^ung  einer  fc^on  öorl^anbenen  ©ammlung 
t)on  ac^t  Suchern  gebac^t,  bie  öielleic^t  Suc^  I— VIII,  217  umfaßte.    SReine  Siact^läffigs 
feit    ift  e«  bann   aUerbing«,  toenn  in  biefe  jtoeite  ©ammlungen  bie  fc^on  öor^anbenen 
©tüde,  ba«  Heine  S3uc^  VI,  (VII  1)  unb  93uc^  IV,  noc^  einmal  aufgenommen  tourben.  35 
3)ie  3rit  ^i^fw  ©ammlung«t)erfuct;e  läfet  fid^  nur  annä^emb  beftimmen.    3lfö  terminus 
a  quo   läfet   fic^    ettoa  ber  Stnfang    be«  4.  3ifl^^^^w»i^^^   feftlegen,   ba  bie  fjjäteften 
©tüde  in  beiben  ©ammlungen  ettoa  in  ba«  ®nbe  be«  3.  3a^rl;unbert«  fallen.    SBenn  bie 
a:übinger  3:^eofo))l^ie   in   ber  ^toeiten  §älfte  be«  5.  ^^v^'^""^^'^^   toirflid^   bereit«  ba« 
^roömium   ber  ©ru^JJje  I  benu^t,  fo  hätten  toir  bamit  einen  terminus  ad  quem  ber  40 
©ammlung   ber    erften    ac^t  Sucher.    93iel   fjjäter  toerben   toir  bie  jtoeite  ©ammlung 
(IX— XI^  aud^  nic^t  fefeen  bürfen,  ba  fie  in  ben  Suchern,  bie  fte  mit  ber  erften  ©amm^ 
lung  gemeinfam  l^at,  im  2)urc^f^nitt  fogar  nod^  einen  befferen  X^jctügpu^  jcigt.    2luc^ 
ift  e«  bebeutfam,  bafe  toie  (Sefftfen  XXXV  nac^toeift,  bie  §anbfd^m.  biefer  mvipp^  noc^ 
auf  einen  alten,  in  Uncialen  gefd^riebenenÄobej  jurüclge^en,    SBir  bürfen  annel^men,  ba^  46 
im  4.  bi«  5.  ^al^r^unbert  unfere  ©ammlung  entftanben  fei. 

eine  au«fü^rlic^e  Unterfuc^ung  be«  35er^ältniffe«  biefer  Jpanbfc^riftengrujj^en  gu- 
einanber  bietet  ©effdfen  in  feiner  2lu«gabe  XXV— LIII  (togl.  aud^  bie  jtoifc^en  Sljac^ 
unb  9urefc^  gefül^rten  SBerl^anblungen,  bereu  litel  ©c^ürer  III,  448  ff.  gufammenftellt). 
^anad)  ^at  Q  ben  relatit)  beften  lejt.  Slber  leine  ber  brei  ®ruj)j}en  ift  ber  anbem  ab^  do 
folut  öor^ujie^en.  Sefonber«  fmb  bie  3itate  ber  Äird^entoäter  (SE^eojjljilu«,  2lt^enagora«, 
Giemen«,  ^f.  ^uftin,  bor  allem  Sactam  unb  bie  Oratio  Constantini),  bei  ber  Stelon^ 
ftrultion  be«  S^e^te«  l^eranjmiel^en.  6«  geigt  fic^,  ba^  Ü  fe^r  oft  mit  biefen  älteren 
3eugen  gegen  bie  jüngeren  ge^t.  ^m  ganzen  gilt  e«  toorftc^tigcnßllelticigmu«:  „0  unb 
T  taugen  beibe  nid^t«,  W  meift  noc^  toeniger  at«  0,  unb  mit  Q  ift  c«  ja  auc^  nid^t  55 
immer  übermäßig  günftig  beftetlt,  aber  jebe  Älaffe  entl^ält  i^r  ®ute«  unb  mu^  fonfuU 
tiert  toerben." 

2)ie  älteren  9tu«gaben  t)on  i>ftu«  Setuleju«  (1545),  ©eb.  ßaftalio  (1555),  D^fo^ 
))0cu«  (1599),  ©aaaeu«  (1689),  ©attanbi  (Bibliotheca  veterum  patrum  Sb  I,  Venet. 
1788)  mögen  nur  regiftriert  toerben.  3lud^  grieblieb,  bie  fib^Uinifd^en  2Bei«fagungen  1852  co 


270  eignen  nnb  Sib^Utittfi^e  eft^er 

(mit  beutfc^cr  Übcrjc^ung),  ift  faum  noc^  ju  nennen,  ©runblegenb  unb  bon  bleibenbem 
SBert  aber  ift  baö  grofee  IJBer!  bon  2llejanbre,  noc^  je^t  eine  unerfd^öpflid^e  JJunbqueDc 
be^  aßiften^  für  jeben,  ber  auf  biefem  ©ebiet  arbeitet  (Oracula  Sibyllina  2  SBbe,  ^ariö 
1841—1856,    ößt.   auc^  bie   Heinere  editio  altera    1869).     Stjadii«  SBerf,    Oracula 

6  Sibyllina  1891,  ift  bei  faft  bottftänbiger  §eranjiel^ung  be«  ^anbfc^riftenmateriate  ein 
erfter  SSerfud^  einer  mobemen  2lnfj)rüc^en  genügenben  2!ejtl^erftettung.  3lber  nur  ein 
SSerfuc^;  biel  nä^er  lommt  bem  erftrebten  ^xA  3-  ©effcfen^  2lu^gabe  ber  Oracula 
Sibyllina  1902  (bie  gried^ifc^en  (^riftlic^en  ©c^riftftetter  ber  erften  brei  gal^r^unberte 
l^erau^.  bon  ber  Äird^enbäterlotnmiffton).    2luf  ^Vorarbeiten  bon  2.  ÜJlenbel^fo^n  fufienb, 

10  bon  aBilamotüi^  SHat  unterftü^t,  l)at  (Seffden  in  biefer  Slu^abe  borläufig  2lbfd;liefeenbe^ 
gefd^affen. 

i)ie  ältefte,  bebeutenbfte  unb  inl^alt^reic^fte  bon  aBen  ©ib^tten  ift  ©ib^He  III, 
97-829.  ©ie  jerfättt  in  brei  beutUcb  marfierte  2lbf(^nitte  b.  97—294;  295—488; 
489—795  (796—829  ftnb  ©c^Iu|bemeriEungen).     2)er  erfte  2lbf(^nitt  fefct   ahxvOßi  mit 

16  ber  (Srjäl^lung  bom  2Iurmbau  ein  97—104,  e«  folgt  eine  euemeriftifc^e  3)arftettung  ber 
Äämjjfe  ber  Äroniben  unb  litanen  105—155;  ein  lurjer  ÜberbtidE  über  bie  SReic^e  ber 
3Belt  156—161;  nac^  einer  erneuten  ßinleitung  (162—167)  eine  cttoa^  au^fü^rlic^erc 
SBeiöfagung  über  bie  SReid^e  .bom  falomonifd^en  SReic^  bi^  jum  2luftaud^en  ber  3lömer 
unb  bem  ftebenten  Äönig  in  9tg^j)ten,    tüobei   jum  ©c|luf;  bemerft  tüirb,  baf;  5u  biefer 

20  3«it  ba«  aSoI!  ®otte«  tüieber  ftarf  fein  toirb  168—195,  enbli(^  toieber  nad)  einer 
rec^t  naiben  Einleitung  (196—210)  eine  fel^r  beac^ten^toerte  ß^arafterifii!  g^raete  unb 
feinet  Oefc^idE^  bon  3Kofe«  bi«  ju  ber  SRüdEf el^r  au«  bem  @jil.  98on  ganj  anbrer  2lrt  fmb 
bie  aßei^fagungen  be«  jtoeiten  Slbfd^nittc«.  6«  ftnb  eine  SReil^e  aneinanber  gel^ängter 
Drafelf^rüc^e   über   bie   ganje   2Belt,    fo    gut  e«  nur  ging    geogra^l^ifc^  georbnet: 

25  295—302  ginleitung,  303—313  Sab^lon,  314— 333  Sg^ten,  Sät^ioj)ien,  Sib^en, 
334—336  ber  SBeften  —  bann  eingefj)rengt  ein  Drofel  über  eine  Steige  bon  ©täbten 
337—349  -  SRom  unb  baö  italifd^e  Sleid^  (in  feinem  Serl^ältni«  ju  äfften)  336—380; 
9Kacebonien  381—387;  Slfien  388—400;  ^l^r^gien  401—413;  eine  ffiei^fagung  über 
Slion  berbunben  mit  ber  berühmten  ^olemif  gegen  §omer  414—432;  bann  enblic^  ein 

80  ßento  bermifc^ter  SBeiöfagungen  433—488.  ^m  britten  ^eil  folgt  nac^  einer  ßin= 
leitung  489—519  ein  grofee«  jufammen^ängenbe«©tüdE,ba«  eine95u|})rebigt  gegen  bie  bonSRom 
gebemütigten  Hellenen  520—572  unb  eine  ©d^ilberung  be«  mit  bem  ©ef^irf  ber  i^eUenen 
berglic^enen  günftigen  ©efc^idE«  be«  ^ubenbolfe«  573—596  entl^ält,  um  bann  tbtcber  in 
eine  ^erbe  Äritif  ber  Slufeentoelt  unb  2)rol^ungen  be«  Oerid^t«  597—651   au^jumünben. 

35  6«  folgt  eine  Sffieiöfaguna  bom  meffianifc^en  9leid^  unb  nochmaligen  Slnfturm  ber  Äönigc 
gegen  biefe«  unb  beren  35emid^tung  652-731;  SufH}rebigt  732—740  unb  ©c^ilberung 
ber  fünftigen  ©cligfeit  741—795.  ^\im  ©c^lufe  einige«  über  33orjeic^en  bc«  Snbce 
796—808  unb  Jjerfönlid^e  Semertungen  ber  ©ib^tte  809—829. 

2)a  in  ber  ©ibt;lle  breimat   bon   bem  ftebenten  Äönigreic^  (König)  in  ägVJ)ten  bie 

40  Siebe  ift  b.  192—193,  314—318,  608—615,  fo  neigte  man  faft  allgemein  baju,  bie 
©ib^He  in  ba«  ^Regiment  ^tolemäu«  VII.  ^^l^^fon  ju  berlegen,  toobei  e«  bann  jtbeifel- 
l^aft  blieb,  ob  man  an  bie  erfte  5Regierung«jeit  (170-^164,  gemeinfam  mit  ^totemäu«VI.) 
ober  bie  ^n^cite  (145—117)  ju  benfen  ^abe.  9iad^  ^ilgenfelb«  Sorgang  (a[j)olal5ptif 
69f.;  ^\i)%f)  1860,  314ff.;  1871,  35),  ber   in   ber  bunflen  3Bei«fagung  388—400  bie 

45  ©d^icffale  ber  ©eleuciben  bon  2lntiod^u«  IV.  bi«  2:rVJ}l^on  getoei^fagt  fanb,  batierten  bie 
meiften  '^ox\6)tx  unfer  S3ud^  eitoa  in  ba«  ^ai}x  140.  @rft  gam  neuerbing«  ift  ©effcfen 
(Äompofttion  Iff.)  trieber  neue  Sahnen  gegangen.  3Ran  überfielet  bei  jener  SJatierung 
nämlic^,  bafe  bei  einem  fo  au«gebe^nten  S3}ei«fagung«ftüdE  mit  ber  !!Röglid^leit  ber 
§erüberna^me  älterer  2Bei«fagung  gerechnet   Serben   mufe.    5Run   aber  ift  c«  toenigfien« 

50  bei  bem  in  Setrac^t  fommenben  au^fü^rlid^ften  3Bei«fagung«ftüdE  bom  SRegiment  be« 
ftebenten  Äönig«  608— 615  beutlid^,  bafe  biefc«  fid^  ftörenb  in  einen  gefc^lojjenen,  anber«- 
artigen  3"fantmenbang  einfd^iebt;  ebenfo  gehört  192— 195  einer  für  \\d)  fte^enben  Keinen 
2lj}ofalV})fe  168—105  an;  auc^  ba«  ©tüdE  314—318  fte^t  für  fic^  in  einem  äbfc^nitt, 
in  bem  fic^  über^aujjt  gragment  an  gragment  rei^t.    ^ilgenfelb«  2)eutung  bon  388—400 

55  aber  ift  fcine^toeg«  überjeugenb,  e«  bleiben  bon  ©d^ürer  437f.  ^erborge^obene  un^ 
gelöfte  ©c^ioierigfeiten ;  bor  allem  lann  ic^  nid^t  finben,  bafe  bei  bem  Äerrfc^er 
38cSff.  an  älntioc^u«  IV.  gebadet  loerbcn  fann.  ©effcfen  10  f.  i}ai  ber  ^ilgenfclbfc^en 
eine  gan^  anbere  I)eutung  gegenübcrgeftcHt,  bie  m.  ®.  nic^t  überjeugeitber  ift.  ffiir 
toerben   gut   tl;un,   bon   bem  ©tücf  388—400  bei  ber  3<^itbeftimmung  ber  Bib\fÜc  ganj 

CO  ab^ufe^en. 


Stb^Oeit  ttnb  Stb^Uinifi^e  Sfic^er  271 

S^b^nföK^  ober  tüerbcn  toxx  \>ai  eine  mit  ©ic^erl^cit  fagen,  bafe  bie  ©ibl^He  noc^  in 
bcr  SMaffabäcrjeit  entftanben  fein  mufe.  ^\)x^  ©efamtftimmung  ift  nur  an^  biefer  ^^\i 
begreifbar.  3)er  3ube,  bcr  ^ier  f(^reibt,  fe^t  überall  ben  Seftanb  be«  felbftftänbigen 
jübifd^en  ©taate«  borau«;  er  fül^lt  fw^  in  feinem  nationalen  Setüufetfein  rul^ig  unb  fi^er 
unb  })rebigt  bem  bon  bem  9lömem  unterjochten  unb  mifel^anbelten  §ellen^ntum  Suf;e.  6 
SJirgenb^  —  eine  fc^einbare  2lu^nal^me  toirb  unten  befj}rod^en  Serben  —  rid^tet  er  feine 
Äriti!  unb  feine  Sufejjrebigt  gegen  bie  Slömer.  3)ie  ^^xkn  be«  ^omjjeju^,  ber  ßinna^me 
Serufatem^  burd^  i^n  !ann  er  noc^  nid^t  erlebt  ^aben.  2Bir  toerben  aber  mit  bem  äln^ 
faj^  be«  ©tücfe^  big  in  bie  fjjäteren  S^tm  ber  5IWatIabäer^errfc^aft  ^inuntergel^en  muffen, 
©in^elne  Beobachtungen  jtüingen  baju.  3)eutlic^  ift  464—469  ber  marfifc^e  Sunbe^s  lo 
genoffenhieg  getoeiöfagt,  unb  bemgemäfe  tüirb  470  ff.  bon  ©uUa  unb  feinem  ^"9  n^c^ 
äfien  bie  Siebe  fein,  ferner  bringt  350  ff.  ein  Dralet  au^  bem  Ärieg  gegen  ultit^rabat 
im3öi^te88  bor:  „6^  ift  ein  intereffante«  ©tüd,  \\>xxi)t  boc^  ganj^  unberl^o^Ien  au^  i^m 
ber  ÄöB  ^^  §ellenen  gegen  bie  3;talier,  bie  nun  in  2lfien  gro^nbienfte  leiften  muffen" 
(®effc!en,  Äomjjofition  8).  2)a  nun  ber  ©ib^Hift  biefe  SBei^fagungen  nid^t  felbft  ent^  15 
Torfen,  fonbem  bereite  übernommen  l^at  (f.  u.),  fo  mufe  er  einige  3^it  nac^  88  gefc^irieben 
l^aben.  SBBir  toerben  alfo  fagen  bürfen,  ba|  unfere  ©ib^Ue  ate  ©anje«  am  6nbe  ber 
3)lalfabäerjeit  unb  jtoar  bann  bielleid^t  in  bcr  S^xt  be«  bon  ben  3uben  fo  gej)riefcncn 
Slegimente«  ber  Sllejanbra   entftanben    ift.    ^cnn   bon  ben  SBirren  unb  fiämipfen  ber 

3llejanber-3annäu^-3^*  8^9*  M  V^^  ^^^"^  ©pur.  20 

2)cr  ©ib^Uift  arbeitet  toie  ber  3[pofal^j}tifer  nur  jum  leil  mit  eigenem  SKaterial, 
jum  größeren  ^eil  mit  überfommenem  fiebngut.  SBir  fudjien  junäd^jt  ba«  unferem 
©ib^ttiften  eigene  2)laterial  abzugrenzen,  mit  ©id^er^eit  ift  il^m  ber  grofee  2lbfc^nitt  IIL 
211—294,  bie  ß^aralterifierung  be«  jtibifd^en  38ol!e«  gujufjjred^en.  9Jlan  lann  freiließ 
auf  ben  erften  33lidE  jtoeifeln,  ob  toir  biefen  2tbfc^nitt  nic^t  ju  ben  nad^toei^bar  bor«  25 
l^anbenen  ©tüd(en  au^  bcr  ^^xt  bed  ftebenten  äg^))tifc^en  Jtönigd  fd^lagen  h)ill.  älber 
to^nn  e^  271  f.  Reifet:  näoa  de  yaia  as&ev  nXiJQijg  xal  Jiäoa  '&dlaoaa,  nag  de 
jiQoaox&iCcov  Sarai  röig  oöig  i&iuoiaiVf  —  fo  pa^t  biefe  ©c^ilberung  ber  jübifd^en 
2)iafpora  borjüglic^  in  bie  S^xt  Sllejanbra^,  an  ba^  @nbc  ber  SRaffabäerzeit,  in  ber 
bie  grofie  älu^be^nung^betoegung  beö  ^ubentum  erft  begann  (bgl.  ben  jeitlid^  ganj  ao 
na^eliegenben  $f  ©alom.  1);  bagegen  um  140  toäre  fie  noc^  eine  arge  Übertreibung 
(bgl.  meine  im  Slnfc^lufe  an  SBiHrid^^  Unterfuc^ungen  gegebene  3)arfteuung  ber  3tu§- 
breitung  be«  jübifc^en  SSolfe«;  9lel.  be«  ^ubentum«  56  ff.).  3)iefeg  ©tüdt  ift  aber  formeD, 
in  feiner  breiten,  be^aglid^en  3Ranier  ber  ©c^ilberung,  unb  in^altlic^,  in  feiner  6^ara!tes 
rifierung  beö  ^ubentum^  auf^  engfte  mit  bem  großen  jufammen^ängenben  ©tüdE  520—795  sö 
bertoanbt.  ®iefe«  toirb  alfo  ebenfatlg  ^ierper  ju  ftcHen  fein.  ÜJlan  fann  bielleid^t 
jtoeifeln,  ob  nic^t  bie  Su^t>rebigt  gegen  bie  §ellenen  ebenfogut  in  bie  3^^*  l^incinj)a|t, 
ba  bie  Hellenen  jum  erften  iDlale  bie  3"^trute  SRom^  füllen  mußten,  ettoa  in  bie  3«it 
ber  3€^ftörung  Ä^orint^«  (146),  alfo  in  bieS^t  be«  fiebenten  äg^jjtifd^en  Äönig^.  StUein 
ebenfogut  pa^t  fie  in  bie  3^^^^"  ©uUa^  unb  ber  Sltit^rabatifd^en  flriege.  Seftimmt  40 
möchte  id^  mic^  gegen  jeben  3Serfud^  ber  2lu£feinanbenei^ung  biefe^  ©tüde^  unb  feiner 
SSerteilung  auf  mehrere  Duellen  au^fprec^en,  too^u  l^ier  unb  ba  bie  SBieberl^olungen  unb 
Häufungen  ber  ©c^ilberungen  lodEen  möd^ten.  Sin  toirflid^er  ®runb  jur  DueUenfc^eibung 
liegt  nic^t  bor,  nur  bafe  l^ier  unb  ba  ber  ^^ejt  burc^  bie  Überlieferung  berborben  ift. 
3Kan  tüirb  gut  tl^un,  ba«  ©tücf  im  großen  unb  ganzen  fo  ftel^en  ju  laffen,  toie  e«  ftel^t.  45 
5Wur  barauf  möd^te  id^  noc^  ^inmeifen,  bafe  feine  bertoidtelte  ©Teratologie  (fie^re  bom 
3h)ifcrenreid^)  ebenfalls  el^er  auf  einen  fpätercn  aU  frül^eren  3^i^ö"fö^  beutet. 

3)emfelben  ©ib^Hiften  toäre  bann  ettoa  z"3u^»eifen  ba«  ©tüdE  156—161,  bcr  Über« 
blidt  über  bie  Jleid^e  [ein  ©ibtoHift,  ber  79—69  t).  ß^r.  in  Sg^pten  fc^rieb,  fonnte 
bereit«  bon  einer  SBeltJ^errfc^aft  9tomö  fj)red^en,  el^er  ate  ein  um  140  fc^reibenber]  ferner  w 
aufier  ber  Überleitung  162—166,  bie  (Einleitung  ju  211  ff.:  194—210  [bie  toirre,  bem 
eignen  ©til  be«  ©ibl^Hiften  fo  toenig  entfpred^enbe  ©d^reibtüeife  erllärt  ftd^  barau«,  baf; 
biefer  ^ier  ben  üblichen  ftb^llinifd^cn  Drafelftiel  nad^al^mt],  bie  (Einleitung  unb  bie  erften 
atbfd^nitte  be«  zweiten  3:eite  295— 336  (333);  bie  ßinleitung  be«  britten  leite  489— 519, 
ioieber  ein  red^ter  fib^Hiftifc^er  (Sattimat^ia«,  unb  enblic^  mit  einiger  SDäal^rfd^einlid^feit  65 
aud^  ben  ganzen  ©c^lufe.  3llfo  im  ganjen  156—166.  196—294.  295—336.  489—795 
(mit  Stuönal^me  bon  608—615).  ^n  biefen  3^fö>""^^"^<*"9  P"i^  "wn  ältere  jübifd^e 
Stücfe  au«  ber 3eit  ^tolemäu«  VII.  eingearbeitet;  III,  167(162)— 195.  |®effcfcn,  Äom^ 
pofttion  ©.  6  pnbet  innerl^alb  biefer  2Jerfc  in  179—189  eine  Einarbeitung  au«  ber 
jüngeren  ^ertobe   ber  ©ib^Keubid^tung;    namentlid^   avL^  bem  (ärunbe,  h)eil  ^ier   ben  eo 


2?2  Sih^tltn  nnb  Sib^Utnifi^e  Ofi^er 

SRömcm  bereite  ba^  fiaftcr  ber  ^Päbetaftic  ijorgctoorfen  toerbc.  aber  c^  ift  bei  bcr  un= 
Haren  Slu^brudetDcijc  bc^  Sib^Iliftcn  \^fyc  biegtage,  auf  tuen  ftc^  ber  9?orh)urf  33.  185  f. 
bejiel^t;  c^am  grunblo«  i[t  e«,  toenn  ®.  33.192.  193,  bie  (grtüä^nung  be«  7.  SRegiment«, 
atö  ©loffe  befeitigt];    314—318;    608—615;    baneben  bielleid^t  nod^  biefe«  unb  knti 

5  nid^t  näl^er  bcftimmbare  Heinere  Fragment.  2luf;erbem  aber  \)at  nun  ber  ©ib^ttift  — 
e^  ift  befonber«  ein  i^erbienft  ©effcfen«,  barauf  aufmerifam  gemacht  ju  ^aben  —  eine 
ganje  SRei^e  l^eibnifc^er  Dratel  in  fein  SBerf  i^ertüoben.  3)er  33organg,  ber  ^ier  ftatt= 
gefunben,  ift  ein  burc^au«  berftänblid^er.  Snbem  man  ber  jtibifc^en  ©ib^jtte  ^eibnifc^e 
Drafel  unterfc^ob  unb  biefe  in  jübifc^e  Umgebung   t>erfe^te,  meinte  man  am  beften   auf 

10  bie  aiufeennjelt  ©inbruc!  machen  ju  lönnen.  Slamentliqi  fmb,  toie  tüir  bereit«  fa^en,  im 
jtoeiten  3;eil  berartige  ^eibnifc^e  Dralel  »erarbeitet.  leitoeife  lä^t  fic^  ba«  nod^  bireft 
nac^toeifen.  ©o  ift  un«  au^brütflic^,  burd^  l^eibnifc^e  g^^Ö^^Ml^  (S3arro  bei  fiactanj, 
Socd^u«  bei  Solinu«  [f.  o.],  ißaufania«  X,  12s ;  ^ic  ©teilen  im  3lj)parat  ber  3lu^abe  bon 
Oeffcfen  ©.  69  f.)  überliefert,  ba^  bie  ertot^räifc^e  (refp.  belp^ifdS^e)  ©ib^Be  glion«  gott 

15  getoei^fagt  unb  §omer  2üaen  unb  2)iebftal^l  i^rer  aSerfe  i^orgetüorfen.  2)iefen  ^affu« 
ber  er^t^räifd^en  {beljjj^ifc^en)  ©ib^tte  finben  toir  in  unferer  ©ib^tte  III,  414—432 
l^erübergenommen.  3lud[^  ba«  borl^ergel^cnbe  Drafel  über  ^^r^gien«  93ern)üftung  unb 
Untergang  401—413  mac^t  einen  burd^au«  ^eibnifc^cn  ßinbrucf.  Sbenfo  finbet  fid^ 
381—387  ein   tüal^rfd^einlid^  ^cibnifd^e«  Drafel  über   ällejanber  ben   ®rof;en.     6«   ift 

20  un«  bejeugt  (ügl.  ©effcfen«  Stu^gabe  68),  bafe  bie  perfifc^e  refj).  c^albäifc^e  ©ib^ttc  über 
Sllejanber  gen)ei%gt  (iabe(f.o.)  unb  bei©trabo  p.  814  mirb  nad^  Äattift^ene«  bon  einer 
©ib^Be  'Egv^gaia  *A^vatg  bagfetbe  bel^auj)tet.  2luc^  ba«  bielgequälte  Drafel  388—400 
(f.  0.),  fc^eint  mir  ein  jtüeite«  2ltejanberorafel  mit  angehängter,  für  un«  unbeutbarer  Über= 
arbeitung  (396—400)  ju   fein  (3nt2iB  III,  34f.).    2)ie  gegen  SRom   erbittert  feinbjeligc 

26  Stimmung  be«  Drafete  au«  ber  -iroit^rabatc^jeit  350ff.  teilt  unfer  ftd^  gegen  bie  ^ellenen 
tüenbenber  ©ib^Hift  nic^t.  2)a«  Drafel  ift  ein  ^eibnifd^e«,  i)on  eminent  Jjolitifd^em  gntcreffe. 
3)ie  im  ed^ten  alten  ©ib^üenftil  burc^einanber  gewürfelten  2Bei«fagungen  337— 349, 
433—488  ftammen  pci^er  nid^t  a\x%  be«  ©ib.  eigner  §anb.  3)er  l^atte  an  allen  biefen 
3)ingen  faum  nod^  ein  ^ntereffe,  für  ben  tpar  ba«  alle«  2lufpu^.    2llfo  ^aben  toir  bon 

30  337—488  burc^ge^enbe  (gntle^nung.  ^Wac^  ©effdEen«  3Reinung  foll  biefer  ganje  ©toff 
bom  ©ib.  ber  er^t^räifc^cn  ©ib^He  (bgl.  bie  ertüäl^nung  ber  ©r^t^räa  III,  814)  ent= 
lel^nt  fein,  ©efic^ert  fd^eint  mir  bie  SSermutung  nic^t.  3)er  ©ib.  toirb  ^ier  Drafel 
berfc^iebener  §erfunft  gefammelt  ^aben.  3Jur  bie  fünftlic^e  änorbnung  ber  Drafel  ift 
fein  äöerf. 

86  atber  aud^  im  2lnfang  ber  ©ib^lle  ^oX  eine  folc^e  §erübernal^me  ftattgefunben.  2)a« 
©tüdE  105—154  ift  fpegififc^  ^eCeniftifc^.  33ei  fiactanj  (Inst.  Div.  I,  14.  2)  finbet  S^ 
a\x^  Snniu«'  ©uemero«  eine  birefte  parallele  biefer  euemeriftifc^en  3)eutung  ber  Säm^jfc 
ber  Äroniben  unb  2!itanen.  [SKan  ügl.  a\x6^  bie  merftüürbige  2)arftetlung  biefer  ßr^ 
jä^lung   bei  SJlofe«  M,  Äl^oren  1.  c.   unb   baju   meine  2tu«fü^rungen  3"*2ß  III,  30.] 

40  3)iefc«  ©tüdE  ftef^t  aber  in  engfter  SJerbinbung  mit  ber  2Bei«fagung  bom  Turmbau  mit 
bcr  bie  ©ib^lle  beginnt.  9Jur  barf  man  e«,  tüie  mir  oben  nac^toiefen,  al«  geftd^ert  be- 
trachten, bafe  e«  eine  ältere  bab^lonijd^e  ©ib^He  mit  5Jamen  ©ambetl^e  gab.  Unferc 
©ib^He  ibentipjiert  fid^  mit  biefer  älteren  ©ib^lle  III,  809  ff.  SBir  bürfen  bon  bom- 
herein  bcrmuten,  bafe  fie  un«  ©tücfe  au«  i^r  ermatten  ^at.    SBenn  nun  ätlejanber  ^^Jol^- 

iö^iftor  (bei  ©ufeb.  (S^roniconI,23f.  ed.©c^oene),  au«  biefcm3ofep^u«Antiquitate8 1,118, 
unb  biellcic^t  unab^^ängig  bon  i^m  Slb^benu«  (Sufeb.  ß^ronicon  I,  33f.  =  Praep.  Ev. 
IX,  1 1,2)  ein  Drafel  über  ben  ^^urmbau  in  einer  fpejifijc^  l^eibnifd^en  gorm  bringen,  fo  brängt 
fic^  bod^  bie  Vermutung  auf,  bafe  biefe«  urfprünglid^  in  ber  älteren  ©ib^lle  geftanben,  unb  ba| 
unfer  ©ib^Hift  III,  96—104  unb  bann  auc^  105-154  bort^er  entle^^nt  ^abe.  2Benn  man 

sobagegcn  eintüenben  möchte,  bafe  bieSegenbe  bom2:urmbau  ftc^  in  ber  alten  bobt^lonifc^en 
Überlieferung  burc^au«  ni^t  nac^tüeifen  laffe,  fo  brauchen  mir  einer  ^etteniftifc^en  ©ibl^tte 
a\xi^  gar  nic^t  rein  altbab^lonifc^e«  ®ut  jujutrauen.  ©ie  mag  bie  ©age  enttoeber  au«  bolf«- 
tümlic^er  Überlieferung,  ober  bielleid^t  auc^  bireft  au«  jübifd^er  Irabition  gefc^öj)ft  ^ben. 
®a«    ift    el^er    anjune^men,    al«   bafe  ädejanber  ^oll^^iftor,  ber  un«  eine  au«gebe]^nte 

55  jübifc^e  Sitteratur  fo  getreulich  überliefert  ^at,  ba«  ©tücf  ber  jübifc^en  ©ibl^lle  l^cibnifc^ 
gefälfc^t  ^ätte;  Dgl.  ©cffcfen,  ®g5J  1900,  88 ff.;  Souffet,  3nt3B  III,  1902,  23 ff.  — 
©0  ftellt  fic^  un«  bie  britte  ©ib^iHe  al«  ein  SBerf  au«  ber  3eit  ber  ällejanbra  bar,  in 
toelc^er  ältere  jübifd^e  fib^Hinifd^e  gragmentc  au«  ber  3^^^  ^tolemäu«  VII,  ein  ©tüdE 
bcr  alten  babl)lonifc^cn  ©ibi^He,  ©tücfc  ber   crl;tl)räifc^en  ©ib^lle   unb   anbrc   l^ellenifc^' 

60  ftbvUinifc^e  Drafel  eingearbeitet  finb.   $ür  bie  jübifc^e  religiöfe  ©timmung  am  @nbe  be« 


Stt^Ortt  ttnb  Sib^Oiitiff^e  mdftt  273 

?KatIabäerte0iment«  ftnb  bte  flrofecn  ©tüdtc  211— 294  unb  520—795  befonbct«  IcJ^rtcid^. 
LSBenn  III,  218  totrtlic^  lori  jiöXig  Ka/idQiva  ju  lefcn  ift,  bßL  III,  736,  fo  ^ätte 
ber  ©ibt^ttift  ba«  SBerl  bc«  Gl^onogra^j^en  ®iH)olcmo«  (l^gl.  Sufcb.Praep.ev.  IX,  17,3) 
gefannt;  unb  218  ff.  toärc  ate  eine  ^olemi!  gegen  beffen  3)arftettung  aufjufaflen.] 

3Kit  bem  2lnfang  biefer  ©ib^tte  l^at  e«  nun  eine  bef onbere  Setoanbni^.  2)er  genuine  5 
Slnfang  ber  ©ibtotte  ift  au^gebrod^en.    SBa^  toir  1—95  lefen,  gcl^ört   nic^t  urfj}rünglic^ 
au  i^r,  fonbem  ift  frembe«  ®vLt   ^a  tüir  lönnen  ^ier  minbeften^  jtoei  §änbe  nac^toeifen. 
äSon  ber  einen  $anb  ftammen  III,  46—62,    ein  ©tücf,   ba^  feinerfeit«  am  ©c^Iuf;  ber* 
ftümmelt  ui  fein  fc^eint  (t>gl.  a\x6)  bie  ^anbjc^riftlid^en  93emerfungen  jtüifc^en  v.  62.  63. 
®cffc!en  ©.  50),  bon   ber  jtüeiten  $anb  ftammt  III,  63-92.     [9Kan  barf  nic^t,   tüie  10 
©c^ürer  bie«  im  ätnfc^Iufe  an  Sleel  unb  Surfe  tl^ut,    burc^  §erau«bre(^en  ber  (^araftes 
riftifc^en  3Bei«fagung,  bafe  Seliar  ix  HeßaaTtjvcov  fommen  foDe,  bie  beiben  ©türfe  ge« 
tüaltfam  jufammenf^meifeen].  —  Da«  erfte  ©ttirf  III,  46—62    berlegt  man  faft   ein« 
ftimmig  in  bie  ^Ät  be«  atoeiten  Iriumbirat«.  ^i)  jtoeifle  an  bem  Siecht  biefer  2)atierung. 
3Ran  finbet  bei  ber  getoöpnlic^en  Deutung  b.  46—50  ba«  ^Regiment  be«  (jübifc^en)  3Keffia«  15 
geh)ei«fagt.    2tber  h)enn  ba«  richtig  ift,  h)ie  lann  bann  ber  ©ib^ttift  51  fortfal^ren  xal 
TÖre  AarlvcDv   änaQahrjTog   x^^^    ävÖQcbv'     rgeig   'Pcourjv  .  .  .  xaradrjli^aovTaL 
3R.  e.  rebet  in  ben  b.  46—50  ein  ßl^rift,   ber  bon  ber  ©eburt  feine«  §erm  unb  ber 
äufridj^tung  feine«  SReid^e«  tpei«fagt,  jur  ^At,  ba  SRom  über  3(gt;j}ten  l^errfd^t.   3Jlitb.51 
ober  ift  ber  ettoa  in  ben  Slnfänpen  3Sefj)afian«  fd^reibenbe  ©ib^Hift  beim    römifc^en  20 
Interregnum.    2Bir  l^ätten    aljo   m  III,  46—62,  ju  ber  bielleic^t  bie  ©inleituna  III, 
1—45  ö«  fd^lagen  ift,    eine  c^riftlic^e  Bearbeitung  um  ba«  ^al}x  70.    3)a«  ©tuet  III, 
63—92  ift  noq  fd^toerer  ju  batieren.    Da  ber  Slntid^rift  au«  ©ebafte  erwartet  toirb,  fo 
mufe  ba«  ©türf  nad^  25  p.  6l^r.,  bem  ®rünbung«ial^r  ber  famaritanift^en  ©tabt  ©ebafte 
angefe^t  Serben.    2lu(^  mag  bei  biefer  ^pi^antafte  bie  ©eftalt  be«  ©imon  SKagu«  md)^  25 
getüirlt  ^oben.    Damit  erjielten  tüir  al«  terminus  a  quo  bie  jtoette  ^älfte  be«  erften 
^riftliAen  ^^^l^unbert«.    Sefonber«  rätfell^aft   ift  ^ier  bie  ®rh)äl^nung  ber  ^errfc^aft 
einer  SQJittoe,  bie  nattirlid^  nid^t  me^r,  toie  man  frül^er  annal^m,  Jlleo^atra  fein  lann. 

SBir  toerben  bie  fiöfung  be«  SRätfel«  erft  berfud^en  lönnen,  toenn  tüir  bie  beiben  Sucher 
I  unb  II  mit  in  bie  Unterfud^ung  ]^ineinge}ogen  baben.  9}un  ift  e«  aOgemein  anerlannt,  ao 
bafe  ©ib.  I  unb  II  einft  eineßinl^eit  gebilbet  l^aben,  unb  erft  burc^  eine  Bearbeitung  au«= 
einanbergerijfen  tourben.  ©ine  ©j}ur  biefe«  3:^atbeftanbe«  geigt  no(^  bie  §anbf(^riftengruppe 
0  in  ber  uberfd^rift  jum  britten  33uc^ :  jtdXiv  h  reo  xottcp  airtfjg  rdfico  rdde  qjtjalv 
ix  Tov  devrigov  iöyov  negl  ^ew,  unb  in  ber  jum  erften  unb  itoeitenSud^:  ix  xov 
TiQwxou  Xöyov.  6r  l^at  fic^  ^ier  in  ber  ^üt,  too  ©ib.  I— III  fd^on  brei  miteinanber  35 
überlieferte  Bücher  h)aren,  bie  ©rinnerung  erhalten,  baf;  ©ib.  I— II  ber  ngcbroq  loyog, 
©ib.  III  ber  devxegog  Xöyog  fei.  2lud^  notieren  eine  SRei^e  bon  §anbf(^riften  am  ©d^Iuffe 
bon  II  bie  I  unb  II  gemeinfame  93er«fumme.  ferner  l^at  namentlich  Dec^ent  (Über  ba« 
erfte,  jtoeite  unb  elfte  Buc^  ber  fib^Hinifd^en  2Bei«fagungen,  ^Jranff.  1873)  überjeugenb 
nac^getoiefen,  bafe  bie  gemeinfame  ©runbtage  bon  I  unb  II  in  I,  1—323  borliege  unb  40 
bann  toieber  mit  II,  6—33  einfe^e,  um  bann  noc^  einmal  burc^  eine  breite  ©inlage 
(bgl.  bor  attem  ba«  allerbing«  nur  in  (P  überlieferte  ^agment  be«  pfeubojj^ol^libeifd^en 
©ebid^te«  56—148)  unterbrod^en  in  154  ff.  feinen  ©c^lufe  ju  finben.  fön  bem  äb^ 
fc^nitt  II,  154—338  ift  e«  nic^t  fo  einfad^,  bie  ©runblage  bon  ber  Überarbeitung  ju 
fonbem.l  gn  biefer  ©ib^He  fmb  bie  ©efc^idfe  ber  2Belt  nac^  jebn  ©efd^led^tem  getoei«-  45 
fagt.  L*^i^f^  ätuffaffung,  bafe  bie  9Kenfc^b^it«gefd^ic^te  ftd^  in  je^n  ©enerattonen  abfbielt, 
ift  ben  ©ib^tten  geläufig.  IV,  20.  47.  86 ff.  VII,  97.  VIII,  199.  XI,  Uff.  ^araUelen 
in  ^elleniftifc^srömtfc^en  Quellen  bei  ©arfur,  ©ib^llinifc^e  2:ejte  unb  g^orfd^ungen  150  f.] 
ßr^lten  aber  ift  nur  bie  2i5ei«fagung  über  bie  erften  fteben  ©efd^lecpter,  bie  folgenben 
2!Bei«fagungen  ftnb  bei  ber  Überarbeitung  au«gebrod^en.  II,  15  ftel^t  bereit«  beim  je^nten  bo 
©efc^le^t.  Diefe  nac^  allgemeiner  annähme  jübifd^e  ©ib^^lle  ift  nun  burc^  einen  Be- 
arbeiter bon  au«gefj)rod^en  c^riftlic^em  G^atafter  ju  xtoei  Büdnern  aufgearbeitet.  6«  ift 
nun  aber  nic^t  leicht,  bie  3^^^  ^^^  jübift^en  ©runbfdprift  unb  be«  d^riftlic^en  Bearbeiter« 
bon  I — II  feftjulegen.  ffiJäl^rcnb  Ded^^ent  für  bie  jübifd^e  ©runbfd^rift  ba«  3^^^^^^^ 
ß^rifti  annahm,  möd^te  ©effrfen  mit  beiben  Berfaffem  bi«  in«  britte  nadf^c^riftlid^e  ^^^r^  66 
j^unbert  ^inuntergel^en.  3""^  Bereife  ^^bt  er  (^omj}ofttion  ©.  49)  ^erbor,  ba|  fic^  aud^ 
in  ber  „©runbfc^rift"  bereit«  bie  metrifc^c  Grfc^einung  jeige,  bafe  ^ier  unb  ba  nad)  mann« 
lieber  ßäfur  nur  noc^  eine  Äürgc  folge  (g.  B.  228.  303).  Diefe  (Srfd^einung  aber  beute 
in  ba«  britte  nac^c^riftlic^e  S^i^r^unbert.  3tber  e«  fragt  fic^,  ob  toir  bie  ©efc^ic^te  ber 
3Retri!  fo  genau  feftlegen  fönnen,  bafe  fid^  mit  ©ic^erl^eit  bie  Unmöglic^feit  bcrartiger  eo 

ffttaU(inc\itlopäbit  fOr  ar^eologie  unb  ftirt^e.    3.  «.  XVIII.  18 


274  Sib^Ben  titib  (Sib^Ottitf^e  fbUftt 

6rf (Meinungen  am  (Snbc  be^  crftcn  ^a^r^unbcrt^  bcl^am^tcn  liefie.  änbcmfall«  bliebe 
immer  noc^  bie  ?WögIi(^!eit  ber  ännalj^me,  bafe  ber  Überarbeiter  auc^  in  bie  aufgenommenen 
Scftanbteile  ber  örunbfd^rift  rebaftionell  eingegriffen  l^ätte.  gemer  foll  nad^  ®.  bie 
©inbürgerung  ber  ^Jlutfage  in  ^l^r^gien,  bie  bon  ber  ®runblage  borauggefci^t  tüirb, 
5 1,  2Glff.  erft  im  britten  S^*^^^«"^^  erfolgt  fein.  3lber  mit  einem  SSertoei^  barauf,  bafe 
auf  bieje  ©age  l^inbeutcnbe  SJlünjen  erft  in  biefer  ^Äi  borfommen,  fann  boc^  biefe  8e= 
l^auptung  nidpt  crtoiefen  toerben.  2)ie  ©tabt  Wpam^a  in  ^r^^gien  l^iefe  fc^on  unter  Sluguftu« 
KißcoTÖg  unb  bereit«  ©ib.  III,  401  ff.  (bgl.  I,  184—188)  finbet  ftd^  eine  beutlic^e  än^ 
fptelung  auf  bie  ))^rVgif(i^e  ^(ut. 

10  3^  glaube,  baf;  ©rtoägungen  anberer  2lrt  un«  toeiter  fübren.  6«  Iäf;t  fic^  m.  6. 
betoeifen,  bafe  bie  ä^trümmerung  ber  britten  ©ib^tte  am  Stnfang  mit  ber  ©ntftcl^ung 
ber  ©runbfd^rift  ber  erften  beiben  Sudler  j\ufammenl^ängt.  6«  ift  lein  ^n^aü,  bafe  auc| 
unfere  ^anbfc^riften  auf  einen  engen  Überlieferung^jufammen^ang  gerabe  ber  brei  erften 
Sucher  f^inbeuten.     Überbie«  finben  toir  in  ber  erften  ©ib^IIe  ba«  Il^cma  bel^anbelt,  ba« 

15  aller  SBal^rfc^einlic^Ieit  nac^  in  bem  au^ebrod^enen  2lnl^ang  bon  ©ib.  III  be^anbelt  ge= 
ioefen  fein  mu|,  nämlic^  aBeltfd^öjjfung  unb  glutej)0«.  Unb  cnblic^  finben  fu^  in  ben 
9(u«fü^rungen  ber  erften  ©ib^Qe  über  bie  f^lut  gan^  unleugbare  älntlänge  an  ba«  alte 
bab^Ionifd&e  glutej)Oö  (bgl.  namentlich  ben  93eri(^t  über  bie  2lu«fenbung  ber  SJögel 
b.  230—260,    3nt9B    III,     1902,   ©.   31).      tiefer    fonberbarc    3:l^atbeftanb    läfet 

20  ftc^  faum  anber«  erllären,  ate  baf;  toir  annel^men,  ber  glutberid^t  bon  I  toenigften« 
^abe  einft  in  ©ib.  III  gcftanben  unb  fei  toie  III,  96—154  (f.  o.)  in  Sin- 
Ic^nung  an  bie  bab^lonijc^e  ©ambet^e  enttoorfen.  2Bie  Diel  toon  ©ib.  III  in  ©ib.  I 
übergegangen  ift,  toirb  fid^  freiließ  bei  ber  bojjjjetten  Bearbeitung  toon  I.  II  ni(^t  mebr 
au^mad^en  laRen.    3Sielleic|t  giebt  auc^  ber  Umftanb,  bafe  bie  §anbfd^riften  1084  3Serfe 

25  für  ©ib^He  III  notieren  (®effdEen,  Slu^gabe  LI),  toäl^renb  toir  gegenwärtig  nur 
829  (—95)  beft^en,  einen  gingerjeig  für  ben  Umfang  be«  ©tüdEe«,  ber  am  Swifang  bon  III 
^erau^ebrod^en  ift  —  SKJir  toerben  un«  ben  Hergang  ber  ©ad^  alfo  fo  bori^uftellen 
l^aben,  ba^  ber  38erfafjer  ber  ©runblage  bon  I.  II  biefe  unter  ^erübema^me  oe«  Sin* 
fange«  bon  III  l^erfteltte  unb  bann  ben  lorfo  bon  III  afö  jloeite«  33u(^  (bielleic^t  mit 

ao  einer  lurjen  (Einleitung  b.  1—45  (?)  öerfel^en)  folgen  liefe. 

aSon  l^ier  au«  lönnen  toir  nun  bieHeid^t  auc^  bie  3^^  ^^  3Serfaffer«  biefer  ®runb^ 
läge  feftlegen.  6«  ift  nämlid^  fel^r  toal^rfc^einlic^,  bafe  oie  3n*^öl<^tionen,  bie  in  III, 
46—62,  63—92  Vorliegen,  erft  nai^  ber  3)efomj)ofition  bon  ©ib.  III  erfolgt  fmb.  SBenn 
nun  III,  46—62  in  ber  geit  ettoa  70  nac^  6l^r.  geschrieben  finb,  fo  muf;  bie  ^^ftörung  be« 

36  Stnfange«  bon  ©ib.  III  unb  bie  ©ntfte^ung  ber  ®runblage  bon  I  unb  II  bor  70  erfolgt  fein. 

aÖann  aber  ift  bie  d^riftlic^e  Überarbeitung  bon  I— II  anjufe^en?    3Kan  toirb  bei 

ber  Unterfuc^ung  m.  ®.  ben  2tu«gang   bon  ber  SKeiöfagung  II,  167—176  ju  nel^men 

l^aben.    3!)enn  bieJe«  ©türf  gel^ört  ftc^er  nid^t,  toie  2)ed^ent  toiH,  ber  jübifc^en  ®runblagc, 

fonbem  ber  d^riftlic^en   Bearbeitung   an  (bgl.   b.  167—169,   über^au^jt  ben  3lu«brud 

40 'Eßgaioi,  ber  d^arafteriftifd^ für  biefem  c^riftli^en  Bearbeiter  ift:  I  346.  362.  387.  395. 
II,  170.  173.  175.  248.  250).  6«  ift  in  biefem  Slbfc^nitt  bie  5Rebe  bon  ber  aiüdffe^r  bc« 
^toölfftämmcoolfc«  au«  bem  Dften,  toeld^e«  5Rad^e  nehmen  toirb  für  ba«  SSolf  ftamm- 
bertoanbter  Hebräer,  8v  äjzcoXeoev  *AoovQiog  xkcov.  2)ie  ^htc  bon  ber  StüdEfe^r  ber 
;itoölf   ©tämme   ift  nun   ein  befonbere«   £iebling«tl^ema    gerabe  ber  fjjäteren  jübifcben 

4ö  äpofaivptif.  ©ie  ift  im  IV  ß«ra  unb  bem  f^rifd^en  Barud^buc^,  ©c^riften  toom  ®nbe 
bc«  crftcn  nac^c^riftlic()en  ^a^r^unbert«,  bcfonber«  breit  au«gefül^rt  ©ie  toar  namentlich 
noc^  im  britten  ^a^'^^un^C'^t  lebenbig;  in  biefer  ^c\i  ift  fie  in  Gommobian«  Carmen 
apologeticum  941  ff.  unb  in  ber  ^ebräifc^cn  6lia«a^)ofal^t)fe  (ed.  Buttentoiefer)  nac^^ 
h)ci«bar.    ^n  ba«  britte  ^a^r^unbert  toeifen  un«  auc^  ®effdEen«  metrifd^  Beobac^tunaen. 

50  3;n  biefen  3t})ot.  be«  britten  ^a^r^unbcrt«  fpielt  auc^  bie  3Bci«fagung  bom  äntic^rift 
(Scliar)  eine  grofee  -Wolle.  SRun  tonnen  toir  fagen,  toer  ber  l;ier  ertoä^nte  *AoavQu>g 
xkcov  ift.  ein  aff^rifc^er  (f^rifc^er)  %ixx%  im  britten  Sö^^^"'^^^/  ^^  ^^^  Subcn  öer^ 
folgt,  fann  laum  ein  anberer  al«  Db^aenat  bon  ^alm^ra,  ber  R^^örer  ber  jübifcben 
Äolonie  9Ja^arbea  fein,  ber  ja  anö^  ber  $auj)tgegenftanb  ber  SBei«faaung  öon  ©ib.  XIII 

55  (f.  u.)  ift.  6r  gilt  in  ber  l^ebräifc^en  (l(ia«aj}olalVj)fe  al«  antid^riftlicper  ^aiJH)tg<gner 
be«  ^w^^i^tum«.  2)anad^  fiele  alfo  ber  Bearbeiter  bon  ©ib.  I  unb  II  in  bie  »tüeitc  ^älftc 
bc«  britten  d^riftlid^cn  3ö^^^w"^<^t^-  Unb  in  biefe  ^t\t  toürbe  bie  ^l^antajte  über  ba^ 
9lcinigung«feuer  unb  bie  3Sermittclung  ber  ^eiligen  ^wngfrau  II,  312  f.  gut  pa^m,  äu(^ 
bie  (^Jeftalt   bc«    „1be«bitcr    ßlia«"    II,    187  fpielte    gerabe  in  ben  genannten   äj)o= 

60  (ah;j)fcn  eine  Jpau))troUc. 


Stt^flrtt  ttnb  Stb^nittiff^e  »fieser  275 

3tm  aber  ertoeift  ftd^  tüciter  ba«  Heine  ©tücf  III,  ()3— 92  auf^  engfte  mit  II,  167  ff. 
bertoanbt.  §ier  tüie  bort  ift  i)on  Seliar,  feinen  S^d)m  unb  SBunbem  bie  SRebe,  ^ier  h)ie 
bort  Reifet  e^  beinal^e  in  ben  gleichen  Slu^brücten,  bafe  in  biefer  3^^^  ^'^  au^ertoäWten 
©laubigen  unb  bie  Hebräer  in  grofee  9Jot  geraten  toerben,  re|j).  bom  Slntid^rift  t>erfübrt 
toerben  (II,  168—170.  III,  69).  $ier  toie  bort  toirb  ber  SBeltenbranb  in  benfelb'en  5 
2Borten  getoei^fagt  (II,  196  ff.  —  III,  80  f.).  2)er  Überarbeiter  t)on  ©ib.  II  unb  ber 
Schreiber  toon  ©ib.  III,  63  ff.  muffen  ibentif^  fein,  ober  au«  berfelben  Umgebung  unb 
3eit  l^erau«  toei^fagen.  9lunmel^r  ergiebt  ftd^  auc^  bie  2luflöfung  ber  rätfel^aften  SBei^^ 
fagung  III,  77  f.  bon  ber  SBittoe,  toelc^e  am  ©nbe  ber  3«t  bie  SBelt  be^errfd^en  toirb. 
©ie  toirb  faum  jemanb  anber«  fein  aU  Rmobia  bon  ^Palm^ra,  bie  nac^  ber  fermorbung  10 
Dbaenat^«  (267—273)  regierte.  JRätfel^aft  bleibt  babei  nur,  h)e«^atb  l^ier  III,  63 
ber  atntic^rift  au«  ©ebafte  ertoartet  toirb.  SKir  hjerben  ^ier  eine  alte  unberftanben 
l^erübergenommene  SBei«fagung,  bei  lüelc^er  bie  ©imon=9Jlagu«geftaIt  nac^toirft,  anju^ 
nehmen  l^aben. 

2in  biefen  3ufA^ntenl^ang  rücft  nun  aud^  ba«  ac^te  ©ib^Qenbuc^  in  feiner  gegen^  15 
tüärtigen  gorm  ein.    3)a«  ac^te  33uc^  ift  befanntlic^,  toie  e«  un«  borliegt,  ein  Konglomerat 
berfc^iebenartiger  ©tüdte.    3"  feinem  erften  SPbfd^nitt  ift  eine  ältere   ©ib^He  (1—216), 
bie  bor  bem  lobe  5Karf  Siurel«  (180)  gefd^rieben  fein  mufe,  erl^alten,  bie  aber  jebenfall« 
in  il^rem  ©c^lufeftüd  ftarl  überarbeitet  fein  toirb.    SJon  biefem  älteren  ©tüdt  toerben  toir 
noc^  unten  jju  ^anbeln  l^aben.    2ln  biefe  rei^t  ftc^  ba«  befannte  2Krofti(^on  auf  ^ha&vg  ao 
Xgeiorbg  ^eov  vldg  ocoxijQ  aravQÖg  an  (217—250),  baran  toieber  eine  lange  dpriftos 
logifc^e  Partie  (251—323)  an,  bann  folgen  ^Paränefen,  e^c^atologifd^e  unb  (^riftoloaifc^e 
(über  ben  2ogo«)  2lu«fül^rungen  in  bunter  SRei^e.  3)ie  ganje  3lrt  biefer  fib^Kiftifc^en  ©c^rift^ 
ftellerei  in  ber  jlbeiten  §älfte  bon  VIII  mit  il^rer  ben  Soben  ber  ©ib^uiftil  berlaffenben, 
ganj  in«  Sel^r^afte  übergel^enben  SKJei«fagung  erinnert  auf«  ftärifte  an  ben  Bearbeiter  bon  25 
I  unb  II.    ®«  lommt  |inju,  baf;  ganje  ©erien  bon  SSerfen  ftd^  in  toörtlic^er  Überein* 
ftimmung  l^ier  unb  bort  finben,  fo  namentlid^  bie  aiu«fü^rungen  über  ben  SBeltbranb, 
über  ba«  9letnigung«feuer  unb  über  bie  ^ürbitte  ber  ^e^ren  Qiunöfwu.  SBgl.  II,  200—202 
=  VIII,  339—341;  II,  203—204  =  VIII,  350.  352;  11206—210=  VIII,  337  f. 
312.    347 f.;    II,  213  =  VIII,  412;    II,  306—313  =  VIII,  350—357;  II,  325  =  ao 
VIII  210.    SBenn  bie  Bearbeiter  bon  VIII  unb  I.  II  nic^t  ibentifd^  fmb,  —  (bagegen 
fj}ri(^t  bie  reinere  TOetrif  in  VIII),  fo  Iberben  tDir  bie  beiben  il^rer  ganjen  2lrt  nad^ 
berit)anbten  ©ib^Kiften   jeitlic^  ganj  na^e  j^ufammenrücfen  muffen.    3)abei  mag  ba^in^ 
geftellt  bleiben,  toer  bon  ben  beiben  bon  bem  anbem  abl^ängig  ift.    Unb  fomit  begreifen 
tbir  e«  nun  enblid^,  toenn  toir  aud^  l^ier  VIII,  200  (bead^te  in  VIII,  199  in  i^  dexdzt]  85 
yeved  bie  9lemini«cenj  an  ©ib.  II,  15)  bie  ©rtüä^nung  be«  rätfell^af ten  SBeibe«  unb 
i^rer  getüaltigen  SKac^t  toieberfinben.  3)iefem  ©ib^ßiften  le^ter  §anb  toerben  tüir  möglicher« 
tüeife  auc^  bie  SKJei«fagung  169—177  jufc^reiben.    Bictleic^t  l^at  nämlic^  Oeffcfen  (Äom- 
j)ofttion  40)  ben  äyvdg  äva^,  ber  jule^t  auf  ©rben  ^enfc^en  toirb  unb  gegen  ben  fi(^ 
bann  ber  „ßlenbe"  toieber  ergeben  tüirb,  unter  ^eranjie^ung  bon  ßommobian«  Carmen  40 
apologeticum   richtig  auf  6lia«  unb  feine   J{ämj}fe  mit  9iero    gebeutet.    3tber   bann 
gehört   bie    3Bei«fagung   nid^t   bem    jtüeiten,    fonbem   ber   jtüciten  §älfte  be«  britten 
3al^rl^unbert«  an.  —  SBir  fommcn  bemgemäfe  ju  bem  grgcbni«,  bafe  ber  Bearbeiter  bon 
I.  II;  ber  Berfaffer  bon  III,  63—92  unb  ber  Äomj}ilator  bon  ©ib.  VIII  in  ber  gegen» 
toärtigen  ^orm  in  ber  3eit  (Dbaenat^«  unb)  3enobia«  (ober  unmittelbar  nad^  3enobia«  45 
Untergang«)  anjufe^en  feien. 

6ine  jtocite  ®ruj}j}e  ettoa  gufammenge^örigcr  ©ib^UenftüdEe  bilben  ba«  bierte,  fünfte 
unb  ber  ältefte  Beftanbteil  be«  ai^izn  Bud^e«.  BoHIommen  burd^fid^tia  ift  feiner  Sin» 
1^9^,  3eit  unb  §er!unft  nad^  ba«  bierte  Bud^.  Sluc^  biefe«  Bu(^  ift  fimer  jübifc^.  9Jlan 
^t  too^l  at«  Beloei«  gegen  ben  jübifd^en  Urfprung  bie  bollftänbige  Bertoerfung  alle«  ßo 
lemjjel»  unb  blutigen  Opferbienfte«  b.  27 f.  angeführt.  Slber  bie  ©ibljtte  ift  eben  nac^ 
ber  Se'i^örung  be«  ^^emjiel«  gefd^riebcn  unb  ein  c^arafteriftifc^er  Beleg  bafür,  toie  fc^neH 
ftc^  ba«  3ui>entum  nad^  ber  3erftörung  be«  Xempel«  innerlid^  bon  ber  3bee  be«  Djjfer» 
lulte«  löfte.  —  3)er  Berfaffer  ber  ©ib^jlle  ):}ai,  tüie  gefagt,  ben  ©turj  be«  3:emj}el«  unb 
bie  bem  boraufae^enben  furchtbaren  3eiten  ber  inneren  3erfe^ung  unb  Sluflöfung  im  be»  65 
lagerten  gerufafem  erlebt.  B.  115—118.  125—127.  2)afür  l^aftt  er  SRom  unb  Italien 
unb  in  bem  furd^tbaren  3(u«bruc^  be«  Bulfan  bom  3^l(ire  79  erblidt  er  bie  ©träfe 
®ottc«  für  bie  Bemid^tung  ber  ^^^^»"»"en  130—136.  6in  befonbere«  3ei^en  ber  legten 
3eit  ift  il^m  ba«  grofee  ©rbbeben  auf  ß^pern,  bon  bem  (gufebiu«  (ed.  ©c^oene  II,  158) 
jum  ^a\}xt  ätbra^am«  2092  berichtet.    (Sr  toirb  nac^  bem  allen  unmittelbar  nac^  79  ge»  go 

18* 


276  ^OfttUtn  titib  Sib^Uititf^e  Sfic^er 

fc^riebcn  ^abm.  SSor  attcm  ertoartet  er  in  bicfer  legten  ^c\t  bie  aBteberlunft  9lero6  \>on 
ben  ^artl^em  mit  erl^obenem  Sj)ecr  jut  SRac^e  an  9{om  119--124.  137—139  unb 
liefert  fo  ben  frü^eften  Seleg  für  bie  gnttoidelung  ber  JJerofage.  3n  bem  Stbfc^nitt 
b.  49—114  l)ai  ber  ©ib^Hift  eine  ältere,  aller  aBaJ^rfc^einlid^feit  na$  eine  ^eHenifci^e 
öSBei^fagung  aufgenommen  (©effcfen,  Äomjjofition  19).  \>,  97—98  fuib  bireft  afö  ein 
ältere«  bon  Strabo  p.  52  bezeugte«  Drafel  nad^toeiiSbar  unb  ^aufania«  II,  7, ,  finbet 
ftd^  eine  (^eibnifd^e)  ^Parallele  ju  ber  .Sei^fagung  über  SRl^obo«  101.  2)ie  eingelegte 
©ib^tte  toei^fagt  ben  SBerlauf  ber  SBeltgefc^ic^te  in  je^n  (Sefc^lec^tern  (f.  o.).  S)a  fie 
mit  ber  §errfci^aft  ber  SDlacebonier  bereit«  gum  jel^nten  ©efc^led^t  gelangt  ift   unb   ba 

10  ber  auftauc^enben  SRömerl^enfc^aft  nur  noc^  foeben  gebadet  toirb,  baben  h)ir  bietteid^t  l^ier 
nocb  ein  alte«  ©tücf  au«  bem  erften  ober  gar  jtoeiten  toorc^riftliqen  ^ö^^^i^unbert.  [9(fad^ 
©effcfen  ©.  19  foll  fic^  allerbing«  bie  SBei«fagung  be«  ©rbbeben«  bon  fiaobicea  107f. 
auf  bie  Äataftro»)l^e  üom  Satire  60  n.  6br.  (lacitu«  Annal.  XIV,  27)  bejie^en.  2lber 
and}  III,  471  finbet  jtc^   bereit«  eine   ä^nlid^e  aBei«fagung  über  fiaobicea.    Derartige 

15  Äataftrotol^en  fönncn  toieber^olt  borgelommen  fein.  3Röglic^  bleibt  aud^,  bafe  to.  107  f. 
fcätere  Einlage.]  SSieDeid^t  l^at  biefe  3Bei«fagung  bon  ben  jei^n  ®efd[^le(^tem  bem  35er= 
faffer  bon  I.  II  al«  Vorlage  gcbient.  ^ntereffant  ift  am  ßnbe  unferer  ©ib^tte  bie 
©(^ilberung  be«  Untergange«  ber  SBelt  burc^  ben  gro|en  SBBeltenbranb,  auf  ben  bann  erft  bie 
aiuferfte^ung  ber  loten  folgen  foll.  %ixx  un«  liegt  l^ier  bie  ältefte  au«fü^rlid^e  ©d^ilbcrung 

20  biefer  Slrt  innerhalb  ber  ©ib^uiftil  bor  (bod^  togl.  bereit«  III,  54 f.).  9Kan  toirb  berartige 
©d^ilberung  aber  nic^t  mit  ©effdEen  (©.  20)  unbebingt  al«  Slnjeic^en  ftoifc^en  ©injluffe« 
toertoerten  lönnen.  2)ie  ^l^antaften  bom  SBeltenbranb  entftammen  bem  orientalif^^en 
33olI«glauben,  toon  bem  bie  ©toa  il^rerfeit«  abl^ängig  ju  fein  fc^eint. 

©el^r  biel  fd^toieriger  ift  e«,  über  ba«  fünfte  Sud^  jur  Älarl^eit  ju  lommen.    3)a- 

25  rüber,  bafe  auc^  l^ier  übertoiegenb  jübifd^e  3Bei«fagungen  vorlagen,  ift  man  im  allgemeinen 
einig.  3lber  toä^renb  3al^n  (^fiBfi  VII,  37  ff.)  in  einer  funftboHen  Duellen^ 
f(^eibung  an^  ©ib.  V  eine  SReil^e  einzelner  ©ib^Hen  getoann,  tüill  ®.  im  grofien 
unb  ganjen  an  ber  §er!unft  bon  einer  $anb  feftl^alten.  SRid^tig  aber  i^tbt  ®. 
I^ertjor,  bafe  ba«  ©tücf  V  1—51  in  feiner  langweiligen  unb  unintereffierten  3luhä^lung 

aober  römifc^en  ilotijer  bi«  §abrian  (refj).  toenn  man  i).  51  für  et^t  l^ält  bi«  SKarf  2lurel) 
%u  ber  übrigen  SKaffe  ber  ©ib^lle  mit  i^rem  befonber«  leibenfd^aftlic^en  ©uralter  in 
fc^roffem  ©egenfa^  ftel^e,  alfo  einem  befonberen  Bearbeiter  angehöre.  —  SBenn  toir  ba« 
übrig  bleibenbe  maffen^afte  unb  toirre  3Katerial  überfd^auen,  fo  lieben  [xd)  au«  i^m  brei 
(ober  bier)    unter  ftc^   eng  bertoanbte  ©tücte  l^erau«.    6«  fmb  bie  SJerfc   137—178; 

85  214—285;  301—446.  3)ie  in  biefen  2lb|c^nitten  ftc^  tüieber^olenben  2:i^emata  fmb  bie  brei: 
aBei«fagung  be«  toieberle^renben  9iero,  3Bei«fagung  be«  meffianifc^en  3^i^öl^^  «nb  be« 
neuen  Serufalem«  unb  3)rol^reben  gegen  95abel  —  SRom.  ®a  toir  auc^  in  93 — 110  eine 
5Reroh)ei«fagung  l^aben,  fo  toürben  fid^  biefe«  ©tücf  al«  bierte«  ^injugefellen.  ®.  ^t  h)o^l 
mit  SRed^t  betont,  bafe  alle  biefe  ©türfe  a\x^  ettoa  berfelben  ©ituation  ^erau«  gefc^riebcn 

40  fmb.  2)er  SSerfaffer  i)at  ben  ©turj  be«  jtüeiten  a:emj)el«  felbft  erlebt ;  bal^er  ber  flammenbc 
3orn  gegen  5Rom,  baber  bie  glänjenben  3"fw"fl^bilber  be«  neuen  Qj^i^ffll^n^^  "«b  bc« 
neuen  2^empel«.  6«  ift  richtig,  bafe  bie  SJorfteUungen  üon  9iero  Variieren,  bafe  feine  gigur 
balb  mebr  rein  menfc^lic^  erf^eint,  balb  ba«  ©efpenftifd^e  in  ilj^r  überwiegt.  Sber  e^ 
fönnte  fid^  ba«  auc^  au«  berfc^iebenen  ©timmungen  be«  33erfaffer«,  ber  bie   })arallelcn 

45  a^ciöjagungen  fic^er  nicf^t  ganj  jur  felbcn  ^^it  fc^ricb,  erflären;  ^umal  toenn  h)ir  am 
nehmen  bürfcn,  bafe  in  biefen  S55ei«fagungen  ältere«  l^eibnifd^e«  ^Material  Verarbeitet  ift 
(ügl.  ü.  137—142,  ©effcfen  ®q31  1899,  446 ff.;  Äompofttion  2C.  ©.  26).  gebem 
faß«  ift  in  allen  biefen  Fragmenten  SRero  noc^  immer  ber  glüc^tlina,  ber  bom  6uj)^rat  jurüdfs 
fe^rt   (bie  SSorftellung,  bafe  il^n  bie  ^arjcn  ^od^  burd^  bie  £uft   ^erbeifül^ren  ö.  214|f., 

50  ift  boc^  tüol^l  nur  Silb).  ^iirgenb«  trirb  er  jum  ^öllengefjjenft,  ba«  au«  bem  §abe« 
lurüdEfel^rt,  h)ie  in  ber  Offenbarung  be«  !Jo^anne«.  3)ie  ©tüdPe  toerben  im  SRaume  eine« 
5)tenfc^enalter«  md)  ber  Acrftörung  S^rwfal^nt  gefc^rieben  fein,  ©effrfen  29  betoeift,  bafe 
un«  bie  Eingabe  äU^  öjiotav  Uegoig  yaV  äTiöoxrjTai  jtToXijuoio  (p.  247)  in  bie  ^tü  ber 
glabier  Weift.    [2)ie  ©rloä^nung  be«  t)ierten  Safere«  t>.  155  lann  Wegen  be«  mangetnben 

05  terminus  a  quo  nid^t  jur  3^i^&^f^i"^n^w"9  bcnü^t  Werben.]  3)ie  SBerbinbuna  ber  brei 
%l}^mata :  3"nicffe^renber  9^ero,  2)ro^>reben  gegen  3lom,  mnt^  ^nn\aUm  ift  üBrigen«  be^ 
fonber«  c^arafteriftifd^.  2tu«  biefem  9)iilieu  ftammt  bie  3wf<J^Ji^^nftenung  3lj)t  So  17. 
18.  21.  [2)a^er  möchte  ic^  borf)  (gegen  ©effcfen  ©.29^  b.  228  ff.  eine,  Wenn  oud^  in 
ber  Überlieferung  t)crberbte2)ro^rcbe,  gegen  3lom  finben.]  ©ine  §auj)tfrage  ift  e«  nun,  Wie  [\d) 

w»  bie  nod;  übrig  bleibenben  ©tücfe  i)on  V  ju  bem  Sefproc^enen  Verhalten.    6«  fmb  SBei«^ 


Sib^Uftt  ttnb  Stb^Otntff^e  Sfic^er  277 

fagungen  bermifc^tcn  G^arafter«,  bei  lüdc^en  bet  äg^ptifc^c  Sofalt^j^uig  befonbcr«  ftarf 
^crt)ortritt.  Sefonber^  (^arafteriftifc^  ift  ^icr  ba«  ©tticf  484—510,  bei  bcRen  3)cutung 
bod^  an  bcr  ScjicJ^ung  auf  bcn  IcnHjel  ju  Scontojjoli^  feftju^altcn  fein  toirb.  3)ic  ^l^an^ 
taftc,  bafe  man  in  ber  ä^^wnft  einen  2!enH)eI  ®otteö  in  äg^JJten  bauen  toerbe,  tüitb 
bann  bcrftänblid^,  toenn  \v\x  baran  benfen,  ba^  ber  jübifd^e  2!em})el  in  2eontot)oIiö  6 
bi^  73  p.  6^r.  (©c^tirer  III,  99)  beftanben  f)at.  (Sin  äg^lp^tifc^er  3ubc  ertüartete  feine 
ßmeucrung,  toei^faate  aber  and)  bie  erneute  A^törung  beefelben  burd^  bie  geinbe  ber 
legten  ©nbjett  bor  oem  großen  ©eric^t  (504  ff^).  Dh  nun  bie  übrigbleibenben  Slbfc^nitte, 
bie  tüir  im  attgemeinen  aÖ  ägl^ptifc^e  bejeic^nen  tootten  (53—92,  111—136,  179—213, 
280—360,  447—531  (t>gl.  barin  bie  SKJei^fagungen  Dom  SBeltuntergang  unb  ßnbgeridbt  lo 
344-360,  464—483,  512—531),  bom  SSerfaffer  ber  9JeroftüdEe  ftammen,  toage  ic^nid^t 
ju  entfd^eiben.  gd^  möchte  e^er  meinen,  bafe  biefer  ägtoptifc^e  ©ib^Hift  bie  älteren  JJero« 
fragmente  erft  in  fein  SBerl  aufgenommen  l^abe.  SBenn  (SeffdEen  bagegen  auf  bie  ©leid^f örmig« 
feit  ber  ©Jjrad^e  unfere«  33u^e«  ^intoeift  (©.  27),  fo  gel^ören  bie  meiften  bon  i^m  ©.27 
aufgejäl^Iten  ®igentümlid^leiten  eben  biefen  äg^j}tifc^en  äbfd^nitten  an,  unb  e«  bleibt  boc^  is 
möglich,  baf;  ber  Serfaffer  be«  ganjen  bie  ©jjrad^e  ber  älteren  ©ttidte  nad^geal^mt.  3)ie  bielen 
3Bieber^olungen,  auf  bie  ®.  ©.  27i  l^intoeift,  fc^einen  mir  gerabe  für  emen  Bearbeiter 
gu  fjjred^en.  ^i)xm  Anfang  l^at  bie  ©ib^Ke  bann  in  b.  1—50  (51)  in  ber  ^Ät  ^abrianS 
ober  SKarl  Slurefe  erl^alten.  ^n  ben  SSerfen  62  ff.  (bgl.  ba^  ^eoxgloxovg  b.  68)  unb 
256—259  [9leben  b.  257  bead^te  man  auc^  ba«  ben  Überarbeiter  bon  I  unb  II  ber*ao 
ratenbe  'Eßgaicov  258 ;  bon  l^ier  au«  toirb  auc^  ba«  jebenfatt«  bi«  jur  Unberftänblic^feit 
überarbeitete  ©tüdP  155—161,  mit  feinen  ""EßgalcDv  161  berbäd^tig]  liegen  bermutlic^ 
c^riftlic^c  3nteiH)olationen  bor.  3)ie  ^erüberna^me  einer  SRei^e  l^eibnifc^er  Drafel  läfet 
ftc^  au^  in  biefer  ©ib^lle  toal^rf^einltc^  machen  (©effcten  28  f.). 

3n  biefen  S^f^mmenl^ang  gehört  nun  britten«  auc^  ba«  erfte  unb  ältere  ©tüdt  bon  26 
©ib.  VIII   (b.  1—216).    «ud^  l^ier  ftel^t  ber  toieberlel^renbe  9Jero  noc^  im  3Wittetj)unft 
bc«  3ntereffe«.    3)er  3Serfaffer  biefer  3?erfe  ift  —  barin  ift  man  einig  —  G^rift.    @r 
fc^rieb,  toie  fw^  ftd^er  feftfteHen  läfet,  in  ber  Mi  3Rarf  Slurefö  unb  jtoar  toa^rfc^einlid^ 
gegen  6nbe  feiner  ^Regierung  65  ff.    6r  toei^fagt  biefer  ^Regierung  einen  fc^limmen  3lu«= 
gang.    2)enn  bie  grofee  9?eronot  foll  balb  beginnen  70  ff.    Unb  fo  toei^fagte  er  au^ao 
einer  gematrifc^en  Stu^beutung  i^re«  9iamen«  ber  ©tabt  9lom  beren  Untergang  für  ba« 
3a^r  195  (148—150).    2lu^  in  biefer  ©ib^lle  ftnb  eine  SRei^e  älterer  2Bei«fagungen 
aufgenommen,  fo  tool^l  fic^er  ber  Sobjjrei«  auf  bie  Slntoninen  131—138.    (Seffcfen  rechnet 
^ier^er  aucb  bie  9Jerotoet«fagung    151—159  (®g9l    10    1899.    443  ff.).      2)ie    Serfe 
160—168  ftnb  (mit  Slu^nal^me  bon  163  f.)  nac^toei^bar  übernommene«  ®ut.    SJagegenss 
glaube  xd)  nid^t,  bafe  man  (mit  ®.)  nötig  l^at,  biefe   erfte  Äälfte  bon  ©ib.  VIII   noc^ 
ibieber  auf  itüÄ  (d^riftlid^e)  Serfaffer  ju  berteilen,    ©it^er  ijt  aber,  bafe  ba«  ©türf  am 
©c^lufe    169—216  bon  Stebaftor  bc«   ganzen  Suc^e«  VIII   bearbeitet  ift,  fo  bafe  ftc^ 
ba«  Urfj}rünglic^e  !aum  no(^  ^erau«fc^älen  laffen  toirb. 

Unb  toteber  geboren  bie  jcc^fte  unb  fiebente  ©ib^lle  i^rem  Gl^aralter  nad^  jufammen.  40 
©ie  pe^ören  beibe  c^riftlid^en  Serfaffem  an;  iod)  ift  i^r  Sl^riftentum  ein  a^jofr^J)^  ober 
^ärettf4  gefärbte«.  3)ie  furjc  fcd^fte  ©ib^lle  ift  ein  Soblieb  auf  ben  ©o^n  ®otte«. 
99emerfen«h)ert  ift  bie  aboj}tianif(^e  (Sl^riftologie  berfetben  (b.  3.  ovtko  yewrj^^evTi), 
a)a^er  l^ier  auc^  bie  SBertlegung  auf  bie  jaufe  3^f"#  i"  ^^^"  au«fü^rlic^er  ©d^ilberung 
bieau(^  fonft  überlieferte  ^euererf Meinung  am  ^orban  berichtet  h)irb(bgl.  VII,  67).(93eac^te  auc^  45 
bie  ^p^ntaften  über  ba«  Äreuj  ..b.  26—28.)  2)ie  3eit  biefe«  Iletnen  ©tüdte«  ift  fc^toer  ju 
befttmmen.  Sietleid^t  l^at  ber  Überarbeiter  bon  I.  II  e«  bereit«  gelaunt  (bgl.  VI,  13 
mit  I,  356).  Übrigen«  ift  ber  SJerfaffer  ber  ©ib^tte  f^jejieH  jubenfeinblid^  geftnnt.  21ff. — 
gingegen  ift  ber  ©ib^Hift  be«  ftebenten  Sud^e«,  ber  ben  bon  i^m  gefc^ilberten  falfc^en 
$roJ)^eten  bortoirft,  ba|  fie  fic^  fälfc^lic^  al«  Hebräer  au«geben  (135),  bielleic^t  felbft  so 
geborener  ^nh^,  @r  bringt  in  billiger  5Rac^al^mung  ber  älteren  ©ib^Ben  eine  SReil^e  ju= 
fammengerujjfter,  inl^alt«leerer  2Bei«fagungcn.  3"^^^ff<^"^  *^i^^  ^  '"  *^^"  Partien,  too 
er  bon  feinem  ©ignen  giebt  b.  64—95  unb  and)  118—162.  §ier  jeigt  er  ein  merftoürbig 
^äretifc^  gefärbte«  G^riftentum  mit  gan^  eigentümlichen,  fonft  nirgenb«  nad^h)ei«barcn 
m^fteriöfen  ®ebräud^en  (76—84;  85—91).  Übrigen«  ift  er  Sn^änger  ber  2ogo«c^rifto^  65 
logie  68  f.  2Bir  fönnen  i^n  bietteid^t  al«  3)litalicb  irgenb  einer  jubenc^riftlic^  gnoftif d^en 
©elte  bejeic^nen;  feine  §eimat  Serben  toir  nic^t  in  3lgV>>ten,  fonbern  in  ©^rien  fuc^en 
64  f.  S3emerfen«n)ert  ift,  bafe  ber  i^crfaffcr  bie  ^^f^^on,  baf;  er  im  5Ramen  einer  Ijeib- 
nifd^en  ©ib^He  rebet,  fotoeit  feft^ält,  bafe  er  feine  ©e^erin  j^um  ©c^lufe  ein  grofee«  ©ünben- 
befenntni«  bortragen  läfet.    2)ie  ^cxt  ber  ©ib^He  läfet  [xd)  toegen  ber  farblofen  §altung  eo 


278  eib^Hen  tttO^  etb^Otniff^e  fbMftt 

i^rcr  attgcmcincn  Syci^fagungcn  nic^t  genau  fcfticgcn.    2öir  h)crbcit  fte  am  Itebftcn  (mit 
®cffc!en  u.  a.)  in  bic  3Kittc  bc«  jtoctten  na^c^rifttic^cn  S^l^^^unbert^  berkgen. 

ß«  bleiben  noc^  ©ib.  XI—XIV,  bie  toieber  unter  fi^  nac^  Slnlage  unb  Überlieferung 
eine  getüiffe  ©inl^eit  bilben.    3)ie  toeitau^  ältefte  unter  biefen  ©ib^Uen  ift  ©ib.  XI,  an 

t  beren  jübifc^em  Ürftorung  fein  3^^^^^  möglich  fein  toirb  D.  307—310.  Der  lefetc  Sear^ 
beiter  ber  fib^Uinifdpen  Sitteratur  l^at  biefe^  Suc^  in  ba^  britte  S^^^^wnbert  berlegt.  Gr 
fül^rt  ate  Setoeiö  neben  ber  grunbfc^lec^ten  3Ketrif  (fc^led^te  33erfefc^miebc  aber  ^at^  boc^ 
tool^l  gu  o&m  3^iten  gegeben!)  an,  bafe  nad^  b.  161  ba^  ^ßartl^eneic^  (SReic^  ber  Slrfa^ 
ciben)  ber  Vergangenheit  ange^iörte.    Slber  bieje  ^^t'^^ftintmung   l^ängt  an  einem  Su(^= 

10  [taben.  SWeineö  ßrad^ten^  ift  na(^  bem  gamen  3wfö*nn^^n]^ön9  "i^t  ^^^f]  jutjxvvero 
nÖLQ&og  gu  lefen,  fonbem  junxvvezai  (bic  fd^lec^te  SKetril  ift  burd^  koißriaetai  201  ge= 
becf t).  3m  übrigen  toüfete  id^  nid^t,  toa«  für  einen  ©inn  bie  gange  SBeiöfagung  im  britten 
nac^(^riftlid^en  3iöi^tl^unbert  noc^  gel^abt  l^aben  follte.  3)enn  ber  Sibl^uift  läfet  feine 
aöei^fagung  in  eine  ©d^ilberung  be^  ^z\ia\i^^  ber  Äleoj}atra  unb   be^  Untergang^  be^ 

15  äg^))tif^en  9lei(^ed  au^münben  unb  barüber  l^inau^  reicht  feine  SBei^fagung  nic^t.  Unb 
fo  fc^le^t  er  in  ber  älteren  ©efc^id^te  untenic^tet  ift,  fo  „toa^nfmnig"  feine  6(iarafteri= 
fierungbe«römif(^en9leic^e^ift,  beffen  ©efc^ic^teer  auf^uliu^gäfar  (267)  unb2luguftu^(27fi) 
^erabfül^rt,  in  ^g^jjten  unb  ber  ^zxi  ber  Äleoj}atra  toeife  er  Sefc^eib.  ©effcfen  felbft  geftel^t  i^m 
iu,  bafe  er  l^ier  „gar  nic^t  einmal  fo  fc^led^t"  fd^ilbert.    2öir  iuerben  alfo  biefen  ©ib^t 

20  liften  ettüa  in  ba^  augufteifd^e  g^i^alter  verlegen.  Seine  SBeiöfagungen  fmb,  tüaö  ibren 
Snl^alt  betrifft,  nal^eju  toertlo«.  SSor  allen  fe^lt  i^nen  jeglicher  f^jejififc^  religiöfe  ©e^alt. 
3Der  SSerfafJer  l^at  übrigen^  ba^  britte  ©ibl^Kenbuc^  toeitl^in  au^gefc^rieben.  Semerfen^^ 
toert  ift  babei,  baft  er  bie  SBeiöfagung  III,  388  ff.  —  bietteid^t  unbetüufet  richtig  (f.  o.) 
—  auf  ällejanber  ben  ©rofeen  beutet  215  ff.,  tüäl^renb  er  bie  angel^ängten  SJerfc  über  bie 

26  nad^folgenben  Äönige  III,  397  ff.  auf  bie  SBirrenm  3tgt;^ten  unter  ben  testen  ^ptolemäem 
ju  beuten  fc^eint  (277  ff.). 

Über  ba«  Suc^  XII  l^at  (Seffcfen  (SRömifc^e  Äaifer  im  SJolfömunbe  ber  ^roi^ing 
®g9J  1901,  1—13)  ba^  95efte  gejagt.  93on  einem  Sl&riften  fann  ba3  8uc^  mit 
feiner  rul^igen  3)arftellung  ber  römifcpen  Äaifergefd^id^te  toon  Sluguftuö  bi^  älejanber 

30  ©eberug  nid^t  ftammen.  @^  ift  gefc^rieben  „bon  einem  regierungstreuen,  ganj  unb  gar 
nic^t  me^r  ortl^obojen,  f on))ern  rec^t  reic^Sbürgerlic^en  in  ber  ^zxi  nai^  Stlejanber  ©eberuiJ 
bic^tenben  3[uben".  6§  jeigt  fid^  in  feiner  2)arftellung  oft  in  rec^t  bemerfenStoerter  SBeifc 
baS  Urteil  be«  öftlic^en  ^robingialen  über  bie  römif^en  Äaifer.  Sin  einigen  fünften  ift 
e«  befonber«  intereffant.     9)lan  bergleic^e  baS  in   einer  urftorünglid^  (^riftlic^cn  ©ib^Hc 

36  ganj  unmöglid^e  Urteil  über  2)omitian  (126—132.  135—138).  2)ann  ^at  ein  Gl^rift  bie 
©ib^He  abaptiert  unb  in  b.  28—34  bei  ber  3)arfteHung  beS  SRegimentei^  beS  Sluguftuö 
eine  SBeiefagung  auf  Cl^rifti  ©eburt  eingebracht  (bgl.  v.  232).  Übrigen^  giebt  fid^ 
95uc^  XII  (bgl.  b.  1  ff.)  erfid^tlid^  afe  ^Jo^tfe^w"?  "om  Suc^  XI.  3Bir  berbanlen  eS 
tüo^l  bem  SSerfaffer   Don  XII,    baf;  uni5   mit  feiner  gortfe^ung  ba«   ältere  Suc^  auf= 

40  betoa^rt  ift. 

eine«  ber  intereffanteren  fib^Hinifd^en  ©tüdPe  ift  Suc^  XIII.  Suc^  XIII  fe^t 
tüieberum  zi^coa  ba  ein,  h)o  XII  aufgehört  l^atte.  6«  bringt  eine  SBeiSfagung  über  btc 
5?ac^folger  beö  Stlejanber  ©cberuS  bis  ©atlienuS.  2)eutlid^  erfennen  toir  (öietteic^t  fc^on 
©orbian  I.  b.  7)  ©orbianuS  III.  (15  ff.),  ^^ilip^uS  2lrabS  unb  beffen  ©o^n  (21  ff.  ba^ 

46  3al^lenrätfel  b.  24f.  gef^t  auf  <PiXuinog  Kaiaag  Avyovaxog),  3)eciuS  (84  eoaetai  ix 
xETQddog  x£Qau]g)^  ®aHuS(102),  SlmiliuS  ^Jlmilian  143— 145,  Sturelian  unbSaHicnu^ 
(156  f.).  SefonberS  intereffant  aber  ift  jum  ©c^lufe  bie  Serl^errlid^ung  Dbaenatl^  bon 
^alm^ra,  beS  fonnenentftammten  SletterS  (150  ff.).  @r  ift  auc^  ber  £öh?e  (1G5),  ber 
nad^   aiurelianö  3iicberlage  unb   ©efangenfd^aft  (158  ff.)    ben   jjerfifd^en  $irfd^  unb  bic 

60  römifrf)cn  Ufur})atoren  (QuietuS,  Salifta)  fd^lägt.  ^i)m  tüirb  bie  ^enfq^aft  über  bic 
■Wömer  ber^eifecn.  3JJittcn  ^erauS  auS  ber  3^'^  ^^^f^^  furchtbaren  ©irren  l^t  ein  ^6U 
gcnoffe  unfcrc  ©ib^Hc  gefc^ricben,  fo  bafe  er  an  met^rcren  fünften  unfere  ^iftorifc^cn 
Äcnntnifje  biejer  3eiten  ergänjcn  fann  (©effcfen,  ÄomtJofition  59  f.).  6r  h>ar  g^rift. 
2)cciuS  tommt   in  ber  ©dbilbcrung   fd;lcc^t  iocg,  unb  bie  G^riftenberfolgung   unter   i^m 

56  h)irb  ertüä^nt  (87  nac^  2i5ilamoh)i^  Äonjcfur  morwv  re  Xef]Xaalai).  2lnf})rec^cnb  ift 
©cffcfenS  a3crmutung,  ba^  ber  äJcrfaffer  bon  ©ib.  XIII  ber  3nteri)olator  bon  ©ib.  XII 
ift.  es  toürbc  bann  anjunc()mcn  fein,  bafe  er  ©ib.  XI— XII  jugleic^  mit  feiner  2BeiS= 
fagung  neu  cbicrt  ^ättc.  ©ib.  XIII  gcl^ört  fomit  in  einen  ganjen  ÄreiS  bcrhmnbtcr 
SBciSfagungcn  l^incin.  2tuS  bcrfclbcn  3^it  ftammen  bic  (bon  Suttentoiefer  l^erauSgegebfnc) 

60  ^ebräifcä^e  unb  loa^rfc^cinlic^   aud^   bie  ©runblage  ber  foj)tifc^en  eiiaSatJoIol^fe;   femer 


Stb^Oen  tiitb  Stb^Uttttf^e  »filier  279 

(cth)a«  \ipäUx  Icbcnb)  bcr  Seatbcitcr  bon  ©ib.  I.  II  unb  ©ib.  VIII  (f.  oben).  3luc^ 
ßommobian«  Carmen  apologeticum  unb  Sactanj  cH)o!al^ptifc^e  SKJci^fagunöen  gehören 
^ier^er.  ^mz  totrte  ^ext  toar  alfo  rctd^  an  SBctgfagungcn  aller  3lrt.  Semerfen^toert  ift 
babei,  toic  bcr  c^riftlid^e  38crfaffer  ben  Obaenat^  ber^errltc^t,  mä^renb  biefer  in  ben  jübifc^cn 
äjjolal^jjfen  ate  antic^riftlid^c  ®rfd^einung  gilt.  & 

©agegen  ift  bog  14.  S3u(^  ein  toottfommener  ©attiniatbia^.  „^n  Sud^  XIV  aber 
tobt  ein  Ignorant,  ber  gar  nic^t«  lennt  aU  9iamen  ber  33ölfer,  fiänber  unb  ©täbtc  unb 
biefe  beliebig  burc^einanbertoirft"  (®effcfen  66).  3)er  3Serfaffer  fd^eint  einen  Stbrife  ber 
römifd^en  Äaifergefc^id^te  ju  geben,  aber  eö  ift  eben  atte^  in  l^offnungötofer  3Serh)irrung. 
SKöglid^  bleibt  ^,  bafe  er  in  ber  furd^tbaren  Rüt,  bie  über  SSg^tJten  nad^  Dbaenat^^  (unb  lo 
^enobia^)  lob  l^erborbrad^en,  toei^fagte.  3)aJ5  er  ein  ^v!t>t  toax,  tüie  (SeffdEen  annimmt, 
n>itt  mir  rcd^t  untoa^c^einlic^  erfc^einen.  SKJeber  ift  „bie  ©tabt,  bie  biel  erbulbet  l^at" 
(t).  350)  mit  irgenb  einer  ©ic^erl^eit  auf  3i^nifalem  ju  bejiel^en,  noc^  349  ber  SBieber^ 
au^bau  be«  lem^jetö  gctoei^fagt.  3)ie  ©ib^De  ift  eine  3)ro^rebe  gegen  bie  unerfättlic^en, 
f(^Ie(^tgefinnten,  gottlofen  Äönige  tiber^uj)t.  3R,  @.  fünbet  ftc^  ^ier  bie  ©timmung  beö  i5 
ß^riftentum«  lurj  bor  bem  ®nbe  be«  l^eibnifc^en  3"^?>^w»"^  «n.  Unb  ba«  äyvdv  S^og 
360  fmb  ba^er  nid^t  bie  3"^^"/  fonbem  bie  ß^riften.  ©ib.  XIV  mag  am  ßnbe  be« 
3.  ^öWwnbertg  entftanben  fein.  i)ie  interefjante  ßrtüäl^nung  ber  ^av^ä  xdQtjva  (346) 
giebt  leine  3^'tbeftimmung  ab.  SSietteid^t  l^aben  tüir  in  bem  aSerfaffer  be^  Öuc^e^  ben 
Sammler  bon  XI— XIV  ju  feigen.  »> 

6nblid^  fmb  un^  angeblid^  au^  einem  ^ßroömium  ber  ©ib^Ile  bei  Theophilus 
Antiochenus  ad  Autolycum  II,  36  jtoei  umfangreiche  fib^ttinifd^e  ^agmente,  in 
bcnen  in  breiter  SBeife  ber  eine  ioa^re  ®ott  ber^errli^t  unb  bie  Siorl^eit  be^  (Sö^en^ 
bienfted  betDtefcn  ft)irb,  er^Iten.  ^er  allgemeinen  9lnf(^auung  nad^  befägen  n)ir  l^ier 
ba^  alte  ^roömium  ber  ©ib^tte  III.  Sla^  l^at  in  feiner  Überje^ung  in  Äau^fc^'  ^feub-  25 
tpxQxapl^m  fogar  unter  Unterbrüdtung  be«  im  S3uc^  felbft  ftc^  finbenben  $roömium«  biefe 
ajerfe  an  ben  Stnfang  bon  ©ib.  III  geftettt.  9Jeuerbing^  l^at  ©effdten  entfc^eibenbe  Se* 
beuten  gegen  biefe  SBertung  ber  ©tüdfe  geltenb  gemacht,  ©einer  SJleinung  nac^  gel^ören 
—  tüegen  ber  jal^Ireic^en  SSieberl^olungen  —  bie  beiben  Fragmente  über^aujjt  nid^t  aU 
ein  ©tüd  jufammen.  (S.  I^ält  eö  femer  für  unbenfbar,  bafe  biefe  ©türfe  burc^i  ba^  öiel  30 
fürjere  unb  mattere  ©tüdt  III,  Iff.  bitten  berbrängt  fein  f ollen,  ©ie  feien  bielmel^r 
eine  Weitere  unb  me^r  Jjj^ilofojjj^ifdj^e  2lu«fü]^rung  be^  bort  angefc^lagenen  Il^ema^.  ©ie 
l^dtUn  niemals  in  einem  ©ib^llenbud^  geftanben,  fonbem  ftammten  au«  einem  gloritegium 
öon  gefälfc^ten  SJerfm  ^eibnifc^er  3)i(^ter  unb  ^ProtJl^eten,  ba«  ju  aj)ologetifd^en  gh^^tl^« 
verfertigt  fei.  3""^  Setoeife  ioeift  ®.  barauf  ^in,  bafe  il^eopl^ilu«  im  folgenben  RapM  35 
nad^^tüei^lic^  bon  einem  folc^mglorilegium  (bier  mit  allerbing«  echter  Überlieferung)  abhängig 
fei,  unb  namentlich  barauf,  bafe  (Stemen«  2llejanbrinui3  einige  3Serfc  biefer  Fragmente  (I, 
10—13.  28—35)  an  ©tetten  bringe  (Stromat.  V,  14.  109;  Protrept.  VI,  71;  VIII, 
77),  ft)o  er  nac^toeiölid^  ganj  unb  gar  bon  gefälfd^tcn  glorilegien  abl^ängig  fei  (t)gt. 
Gtter,  De  gnomologiorum  Graecorum  historia  atque  origene,  93onn,  Unib.-^rogr.  40 
1894—95;  ßl^rift,  $l^ilotog.  ©tubien  ju  gtemen«  Sllejanbrinu«.  213D121  I.A.,  XXI,  3, 
©.22  ff.).  ®.  mag  Vielleicht  mit  feiner  Vermutung  SRed^t  l)ahm,  ^mmerl^in  \px\dft 
gegen  ®.  ber  Von  ©c^ürer  III,  439  j^erborge^obene  Il^atbeftanb,  bafe  fiactanj  gerabe 
Seife  unfere«  ^ßroömium«  unb  bcr  britten  ©ib^Ue  unb  nur  folc^e  33erfe  al«  axii  ber 
er^tl^äifc^en  ©ib^He  ftammenb  citicrt.  fiactanj  mufe  alfo  biefe  äSerfe  fd^on  al«  ^roömium  46 
\)on  ©ib.  III  angefel^cn  l^abcn.  S^^^^f^^^  vermag  ic^  ®.  barin  nic^t  beijuftimmen,  bafe 
bie  beiben  ©ib^uenftüdte  d^riftlid^en  Urfjimng«  fein  foUen.  ©ie  fmb  e«  fo  toenig,  tüie  bie 
©ammlungen  gefälfdf^ter  SBerfe  bei  (Siemens  unb  tüie  ber  gälfd^er  2lriftobul.  2)er  2lu«s 
brurf  (^i^agm.  III,  47)  C(oijv  xkrjQovo/ui^aovoiv,  ben  ®.  ate  einzigen  ©etoei«  für  feine 
I^efe  anfüi^rt,  belveift  gar  nic^tg  für  nic^tjübifd^en  Urfjjrung  (Vgl.  meine  SRel.  be«  50 
^ubentum«  263).  2lber  mol^l  i^cigt  bie  tran^cenbentc  ©«d^atologie  ^agm.  III,  43—49, 
ba^  bie  Fragmente  nid^t  von  bem  S?erfaffer  Von  ©ib.  III  ftammen  lönnen. 

SIU  auf  einen  3lu«läufer  bcr  ftbi^Üinifc^cn  Sitteratur  fei  ^ier  enblic^  auf  bie  tibur= 
tinifd^e  ©ib^tte  bingetviefcn.  Unter  bicfem  -namcn  ift  ein  Vertvirrenbe«  SJielcrlei  von 
mittelalterlichen  eng  miteinanber  vcrloanbtcn,  ivicber  unb  tvieber  überarbeiteten  SBcii^fagungen  v. 
ersten,  ©adur  ^at  in  einer  meiftcr^aft  geführten  Unterfuc^ung  (ftb^Uinifd^c  a:e£te 
u.  ^orfd^.  III)  bie  ®efc^id^te  ber  Überarbeitungen  biefer  ©ibi^lle  Verfolgt.  Unb  eö  ift 
i^m  ber  9Jac^tvei«  gelungen,  bafe  bie  tiburtinif^e  Sibt^lle  auf  eine  SKei^fagung  jurücf« 
ge^t,  bie  balb  nad^  bem  lobe  be«  Saifer«  Äonftantiuö  I.  (361)  im  älnfang  ber  SHcgierung 
^ulianig  gefc^riebcn  ift.  3lte  ber  tvieberf e^renbe  Äaif er  tvirb  ^ier  Von  einem  rechtgläubigen  go 


280  etb^tteti  mA  Sib^ainifdie  Sfic^er  Stktnter 

(Sänften  ber  350  acftorbcnc  Äonftam  crtDartet.  3lbcT  bamit  juxb  totr  immer  noc^  nid^t 
am  Slnfang  bcr  ©efd^id^te  eine«  ftb^ttinifc^en  Sc^iftftücfe«,  bie  fic^  beinah  über  ein 
^al^rtaufenb  erftrecft.  ^leuerbing«  f^at  Raffet  Qea  apocryphes  6thiopiennes  X)  au« 
bem  ät^ioj}ifc^en  unb  arabifd^en  ein  2lJ)ofrvi)l^on  „la  Sagesse  deSibyDe"  t)eröffentlic^t 

6  6«  fann  bemnac^  fein  ^tvÄ^A  fein,  bafe  bie  beiben  Schriften,  bie  Jiburtina  unb  bie 
arabifc^=ätl^iopifc^e  Sibylle  auf  eine  gemeinfame  (Srunbfd^rtft  jurücfge^en.  ®enn  in  beiben 
tüeiöfagt  bie  Sibylle  bie  Oefc^ide  ber  neun  SBeltalter  unter  bem  Silbe  t>on  neun  ©onnen. 
gemer  beftätigt  bie  neuentbetfte  IQuette  auf  ba«  glänjenbfte  bie  Sluöfc^eibungen  ber  mittel 
alterlid^en  Übermalungen  ber  2:iburtina  burc^  Bainx.    änbererfeit«  ift  bie  arabifd^-ät^io^ 

10  jjifc^c  (Sibylle  un«   toieber  nur  in   einer  Ueberarbeitung   au«  ber  3«*  "^^  ^lad^folga 

tarun-al'Slafc^ib«  erl^alten.  3)ie  gemeinfame  (SrunbqueHe  toirb  ftc^  alfo  mit  bottfommener 
id^er^eit  nic^t  mel^r  feftfteKen  laffen.  ^mmer^in  toirb  fw^  fagen  laffen,  bafe  in  il^r  aud^ 
bie  gigur  be«  toieberlel^renben  Äonftanj  fi(^  noc^  nid^t  pnbet  unb  bafe  toir  t>ietteic^t  mit 
bcr  3^it  i«"^  ©runbfd^rift  toerben  bi«  an«  6nbe  be«  3.  ^fll^t^unbert«  jurüdEge^en  muffen. 

15  SBir  gelangen  bamit  an  bie  S^^^^^h^f  ^^^  toetc^er  bie  poetifc^e  ©ibl^ttifti!  aufhört  unb 
in  bie  profaifc^e  übergebt  unb  toieberum,  toenn  toir  bie  (Sefc^idS^te  ber  SCiburtina  »erfolgen 
bom  4.  bi«  in«  12.  S^v^^^nbert.  Unb  toir  begreifen  bon  l^ier  au«,  bafe  aud^  bem  SKitteU 
alter  bie  Sibylle  noo)  eine  )}opuläre  ^igur  \üax:  Dies  irae,  dies  illa,  solvet  saeclum 
in  favilla,  teste  David  cum  Sibylla.  Über  bl^jantinifc^e  unb  mittelalterliche  ftb^Dinifd^e 

20  aQ8ei«fagungcn  bgl.  befonber«  nod^  %.  Äamjjer«,  3)ie  beutfd^e  Äaiferibee  in  ^rop^etie  unb 
6age  1896.  »snffet. 

Sibottter.  —  fiittcratur:  ^.gorbigcr,  ^onbbu^  ber  alten  ®cogra>)^tc  II  (1844) 
634 ff.  659 ff.;  g.  e.  9Rot)cr«,  3)ic  Wnijicr  1, 1841;  II,  1—3,  1849—56  (ob  I,  5)ic  9leUgion 
bcr  $^.,  ift  unbrauchbar;    Ab  II  muß  mit  SSorftd)t  f\cbraucbt  werben);   6.  9tittcr.  (Srbfunbc 

26  XVI  u.  XVII,  1852—1855;  e.  »lenan,  Mission  de  Ph^nicie,  <ßori«  1864;  «.  ®u^rin,  De- 
scription  de  la  Palestine  III,  Galil^e  2,  1880;  Survey  of  Western  Palestine,  Memoire  etc. 
I,  Galil^  1881;  ®.ebcr«  u.  ©.  ®ut^c,  ^aläftinn  in  Silb  unb  ?Bort  II,  1884;  ©b.  «ic^cr, 
®cfd)id)tc  bc«  Altertum«  I,  1884;  bcrf.,  Slrtifcl  Phoenicla  in  Encycl.  Biblica  III  (1902); 
gricbricb  3)clitf(^,   SSo  lag  ba«  ^arobic«?  1881;   SB.  3Raj3KüIIcr,  ?lficn  unb  Europa  nad) 

80  altä9t)ptif(^cn  3)cnfmälcrn  1893;  JR.  ^ictfcfimann,  ®cfc^.  ber  Wni^^icr  1889;  «.  t)on  ®ul= 
fc^mib,  S)ic  $^önljicr,  qu«  ber  Encyclopaedia  ßritannica  vol.  XVIII,  801—810  beutfcb  in 
§t.  t).  öJutfcömib«  kleine  ©cöriftcu  ^crau«geg.  üon  granj  SRü^l  II  (1890),  36—80;  $.  SBincflcr, 
mtoricntalifc^c  gorf^ungen  I,  5(1897),  421  ff.;  II,  1(1898),  65—70;  2  (1899),  295 ff.;  bcrf., 
ÖJcfdiic^tc  Söroel«  I  (1895),   114 ff.;    bcrf.,   3)ic  ^cilinfd)riften   unb  ba«  %%*  (1902),    125 ff. 

86  176 ff.;  bcrf.,  3)ic  SBcbcutung  bcr  ^^önij^icr  für  bie  Äulturen  bc«  9Rittclmccrc«  in  ßcitfcbrift 
für  ©ocialroiffcnfcftaft  VI  (1903),  337 ff.  434 ff.;  3B.  ü.  ilanbou,  3)ic  ^^önii^ier  (3)cr  alte 
Orient  II,  4)  1901;  bcrf.,  3)ic  SBcbcutung  bcr  ^^önijiev  im  SSöIf erleben  1905  (Ex  Oriente  lux 
I,  4);  Itinera  hierosolymitana  saec.  IV— VIII  rec.  %  ®e^cr  1898.  —  S^r  Sprache  bcr 
¥^. :    ?5.  ©(ftröbcr,   3)ic  p^.  Sprache  1869;    33.  ©tabe,    (Erneute  Prüfung   beS  jloifcbcn    bem 

40  ^^önijifcbcn  unb  4'>cbräifcöcn  befte^enben  ^eriüanbtfcftaft^grQbcö  in  ^orgcnlönbifcftc  gorfcbungcn, 
ficipjig  1875,  167 ff.;  Corpus  inscriptionum  semiticarum  (CIS)  I,  1 — 4  (^ari«  1881—1887); 
2^.  TOtbcfe,  2)ie  femitifdjen  Sprachen  (1887),  25—27;  3R.  fiibibar«!i,  ^anbbu^  ber  norb^ 
iemitifd)en  (Spigrap^i!  1898;  bcrf.,  (£pt)cmeri§  für  femitifcbc  ©pigrap^if  1900 ff.;  SR.  ?l.  2c\Ji), 
i^^öntiifcbe«  ©örtcrbucö  1864  (mit  ^iacbtrag  in  ben  ^^öniiifcftcn  ©tubicn  IV,  1870);  ^.  »lodj, 

46  <ßl)üniäifd)e§®loffar  1890;  ®.  ^offmann,  Ucber  einige  p^.  Snfc^riften  in  510®  XXXVI  (1889). 
—  Qur  ^unft  ber  <P^.:  ÖJ.  i^errot  u.  S^.  ©^ipic.v  Histoire  de  Tart  dans  Tantiquit^  III, 
Ph^nicie-Cypre  1885.  —  Qur  ^Religion:  B.  (SJraf  SBaubiffin,  ©tubicn  jur  fcmitifcbcn  9JcIi^ 
gionögefc^ic^te  I  unb  II  (1876.  1878);  ©oet^gen,  SBeiträqe  jur  femitifcöen  9lcligion«gcfcbic^tc 
1888;    a^antepie  be  la  6aufial)e,   Sc^rbudi   ber  JRcIigionögefcöicöte«  I  (1905),  348—383  (gr. 

50  3eremia§,  2)ie  femitifc^en  SSöIfer  im  nörblid)en  ^orberafien).  —  8"  ii)ru«  unb  Umgebung: 
^ünQtöberid)te  bcr  berliner  ®efenfd)aft  für  ©rbfunbc,  ^5  «b  I  (1844),  234 f.;  $.$ruVr 
%n^  ^f)önijien  1876;  g.  9i.  ©epp,  aJicerfal^rt  nod)  ^l}ruS  1879  unb  boju  gb^ßSJ  II,  108ff. 
254  ff.  257  f.  —  3u  b^n  3)enfmn(ern  am  Nähr  el-kelb  Sepfinö,  2)enfmäler  III,  197; 
iBo^^caiDcn   in  Transactions    of   the  Society  of  Biblical  Archacology    VII   (1881),    331  ff.; 

66  8tep6en  üangbon,  Les  inscriptions  du  Wadi  Brissa  et  du  Nähr  el-kelb  in  Recueil  de  tra- 
vaux  relatifs  il  la  phil.  et  ä  Tarch^ol.  dgypt.  et  assyr.  Vol.  XXVIII  (^art«  1906],  26—61 ; 
5-  .&.  ^Seifebod),  S)ie  3nfd)rifteii  9^ebu!abnejar^  II  im  Wädi  Brisä  unb  am  Nanr  el-kelb, 
l*eip/\ig  1906.  —  harten:  Carte  du  Liban,  d'apr^s  les  reconnaissances  de  la  brigade  topo- 
graphiquc  du  corps  expdditionnaire  de  Syrie  1800—1861,    dress^c  au  d^pöt   de  la  guerre 

60  itant  directeur  le  g^n(5ral  Blondel  ot€.  1862;  .^.  Kiepert,  Nouvelle  Carte  g^n^rale  des  Pro- 
vince»  Asiatiques  de  lern  p  Ire  ottoman,  SBerlin  1864  (1 :  15(X)000);  Oüu  ber  großen  cnglifcftcn 
liforte  beo  $3eftjorbQnIanbeö(Map  of  Western  Palestine,  1880)  m.  1  u.  3;  9)?.  »landcnboni. 
Äarte  üuii  ^Jorbfijricn  (o.  Q.j  1  :  500000,  53erlin,  9t  Srieblänber  u.  8o^n;  6ijricn  u.  3Rcfo-- 


®ib9iiter  281 

potamicn  ^m  !3)arftcnun9  ber  SHcifc  bc«J  Dr.  3W.  gr^rn.  uon  Dppcn^cim  t»om  9}iittclmccre 
j^um  »crftfc^cn  ®olt  1893.  S3earbcitct  x>on  Dr.  SR.  ^ic|)crt.  I  (3BcftIi(i^c8  S3lalt),  1 :  850000, 
Scrün,  2)ictricö  9lcimcr. 

2)cr  5Ramc  ©ibonicr  bcjctc^net  im  212  in  bcr  SRegcl  bic  ^pi^önijicr  übtt^au^t  ©o 
iüirb  bcr  Äönig  ©t^baal  üon  2:^ru^,  ber  3Satcr  ber  bon  Sl^b  geheirateten  Sf^lE^^I/  ^ 
Äönifl  ber  ©ibonier  genannt  1  Äg  16,  31,  unb  in  einem  Sriefe  ©alomo«  an  ben  Äönig 
$iram  toon  2;^ru^  |eif;t  e«  1  Äg  5,  20,  eö  gebe  in  3^racl  feine  Seute,  bie  ftd^  fo  auf 
ba^  3wrid^ten  bon  Saul^olj  berftönben  tüie  bie  ©ibonier.  SBir  finben  bort  benfelben 
©tjrac^gebrauc^,  ber  bei  §omer  borl^errfd^t,  too  bon  ben  ©iboniem  ober,  ben  fibonifc^en 
3Jtännem  bie  3flcbe  ift  (Ob.  15,  415;  17,  424;  3I.  6,  289;  23,  743).  ß«  ift  balj^^r  ^ier  10 
toon  ben  ^pi^öni^iem  überl^au})t  ju  l^anbeln,  bie  unter  biefem  5Ramen  in  ber  33ibel  niemals 
toorlommen.  5Rur  ber  Sanbe^name  ^pi^önice  ober  ^l^önicia  pnbet  fxd)  in  einigen  0^)0= 
hVJJ^ifc^en  »üd^em  (3  ßör  2,  17ff.;  2  mal  3,  5.  8  k.)  fotoie  in  ber  21®  (11,  19; 
15,3;  21,2;  27,12). 

1.  3)a3  2anb,  bie  Stäbte  unb  bie  Sauten  ber  ^l^önijier.    3)ie  ©renjen  16 
be«  Sanbe^  laffen  ftd^  au^  berfc^iebenen  ©rünben  nid^t  genau  beftimmen.    ®ie  bürftigen 
Slai^rid^ten,  bie  toir  über  bie  Sß^.  beft^en,  geben  un^  nur  5!unbc  bon  il^en  toid^tigften 
©tobten  an  ber  f^rifd^en  Äüfte,  laffen  e«  aber  ungetoife,  toie  toeit  fic^  beren  Oebiet  ju 
ben  berfd^iebenen  3riten  lanbeintoärt«  erftredEte.    3)afe  fte  2:eile  be^  Sinnenlanbe«  be* 
l^errfc^t  ^aben,  unterliegt  feinem  3^^^M»   ^^^  fönnte  fonft  ©alomo  burc^  fte  ba«  juao 
feinen  Sauten  nötige  $oIj  an^  bem  Sibanon  bejogen  j^aben  (1  %  5,  21ff.)V     Unb 
3ofe})^u^  bejeic^net  bie  ©tabt  Äebafa  ober  Ä^b^ffa  aU  eine  geftung  ber  2!^rier  an  ber 
©renje  ©alilöa«  (Antiq.  XIII,  5,  6;    BeU.  jud.  II,  18,  1;  IV,  2,3;    bgl.  33b  VI, 
340, 28).    SBie  toeit  ftc^  aber  bie  §errf(^aft  ber  einzelnen  Stäbte  in  ba3  2anb  l^inein 
erftredtt  ^t,  toiffen  toir  nid^t.    3)er  BpxaAt  ober  ber  2lbftammung  nad^   läfet  ftc^  nac^  26 
©üben  ober  ©üboften  ^in  jtmfd^en  ben  5p^.  unb  il^ren  5Rac^baren  feine  ©renjUnie  jie^en 
(f.  ©.  295,  25),  unb  e«  ift  bon  boml^erein  toal^rfd^einlid^,  bafe  ber  Umfang  il^re^  ©ebiet«  in 
ben  S^^^wnberten  il^er  ©efd^id^te  getoed&felt  l^at.   2lber  aud^  barüber  geben  bie  Duetten, 
bie  un«  JU  ®ebote  ftel^en,  feine  2lu^funft.    ß^  bleibt  ba^er  nic^t^  anberc^  übrig,  al^ 
naä)  ben  toi^tigften  ©täbten  ber  ^f).  im  ©üben  unb  9Jorbcn  nur  bie  ©trecfe  ber  f^rifd^en  ao 
Äüfte  p  beftimmen,  bic  ate  ber  eigentlid^e  ©i§  ber  ^f),  ju  gelten  1)at    3)a^  Serfal^ren 
ber  griec^ifd^en  unb  römifc^cn  ©d^riftftettcr  ift  tn  Diefer  ßinftd^t  ba«  gleid^e,  nur  bafe  fte 
\xd)  öortoiegenb  nac^  j}olitifd^en  ©intcitungen  richten.  3Sgl.  bafür  ^orbiger,  §anbbuc^  ber 
alten  ®eograj)l^ie  II,  659;  ^ietfc^ntann  a.  a,D,  16  ff.    5Rac^  ber  natürlid^cn  Sefd^affen* 
^cit  läfet  ftd^  bie  b^.  Äüfte  im  eigentlid^en  ©inn  in  brei  Seite  jerlegen :   in  ba«  fübtid^e  36 
^^.  bom  toeifien  äSorgcbirge  (f.  u.)  bi^  jum  nähr  el-'awali  nörblidj  t)on  ©ibon ;  in  ba^ 
mittlere  ^1^.  bom  nähr  el-'awall  bi^  jum  ras  schakkä  unb  in  ba^  nörblic^e  ^1^.  bon 
ras  schakkä   bid  jum  ras  ihn  häni  ober  bi^  jum  ras  el-basit.    ^n  ber  alten  ©c- 
fc^ic^te  treten  nur  baö  füblic^e  unb  baö  nörblid^e  ^f).  ^erbor.  6^  fmb  bie  ©tredten,  auf 
benen  ftc^  fleinc  gbenen   hinter  ber  flüfte  ausbreiten,  unb  too  toieberl^olt  felftge  ^nfeln  40 
ber  Äüfte  borgelagert  finb,  bie  ben  ^1^.   für  i^ren  ©ee^anbel  bon   großer  Sebeutung 
n?aren.    3)aS  mittlere  ^i).  f)at  einen  fel^r  fc^malen  ober  tocnig  fruchtbaren  Äüftenfaum 
unb  l^at  für  ben  ^1^.  ^anbel,  fobiel  fid^   erfennen  läfet,  feine  nennenStoerte  Sebcutung 
gehabt.    2)ie  folgenbc  Sefd^reibung  greift  im  ©üben   unb  5Rorben  über  biefe  ©renjen 
hinüber,  toeil  bie  ^b.  namentlich   in  .ber  ^erfcrjcit  über   bie  natürlid^en  ©renjen  il^reS46 
eigentlid^en  ©ebietS  hinaufgegangen  fmb. 

3)ie  ©täbtc  ber  ^^ilifter  i)atUn  urft)rünglic^  biefclben  (Sintoo^ner  toie  baS  übrige 
Äanaan,  ba«  bejeugen  ung  bie  äg^ptifd^cn  2)enfmäler  (bgl.  Sb  XV,  339,  4«).  2lber  bie 
©roberung  burd^  bie  ^bilifter  l^at  bie  füblic^cn  ©täbte  auf  immer  au^  ber  SSerbinbung 
mit  ben  v^f),  gelöft  unb  bie  nörblid^crcn,  toic  ^ap^o  unb  3)or  (bgl.  33b  XIV,  340, 42 ;  50 
XVII,  427,  66),  auf  längere  ^üi.  6rft  unter  bcr  $crrfc^aft  ber,  ^erfer  ftnb  bie  ^^. 
toieber  als  J^errcn  in  biefe  Drtc  eingebogen  (f.  unten  ©.  300,  eo).  Über  Sa^l^o  toar  fc^on 
33b  XV,  346, 15  bie  Siebe,  über  2)or  33b  XVII,  427,  55,  über  ben  fiarmel  33b  X,  80 ff.; 
über  bie  33cfc^affcn^cit  bcr  Äüfte  bis  jum  dschebel  el-muschakkah  bgl.  ^aläftina 
33b  XIV,  571  ff.  9Jur  jioci  alte  Drtc  ftnb  f^ier  furi^  }^l  crtoäl^nen,  e^c  tbir  ben  33obcn  66 
beS  eigentlichen  ^^.S  betreten,  nämli^  2lcco  unb  2ld(^jib.  2lcco,  i^cute  ^akkä,  liegt  auf 
einer  mäfftg  l^o^en  ©teilfüfte,  bie  fübirärts  inS  3)Jccr  borfjjringt  unb  mit  bem  inneren 
öftltd^en  SRanbe  ber  ©t.  ©corgSbai  einen  bon  9iatur  bortrcfflid^cn  §afen  bon  mittlerer  ©röfee 
(12  km  :  4  km)  bilbet.  gr  ift  icbod;  ftarl  berfanbet  unb  bemac^läfftgt,  fo  bafe  fic^  bcr 
^anbelSberfel^r  gcgentoärtig   mc^r  bem   gegenüber  liegenben  Halfä  jugetoenbet  bat  (bgl.  eo 


282  Stbonter 

95b  X,  83,  31)).  3*"  älltcrtum  tuar  bic  ©tabt  burd^  il^rcn  guten  §afcn  unb  burc^  i^rc 
Qnim  Straficn  nad^  bcm  3i»^«cm  bc^  Sanbc^,  befonbcr^  bte  via  maris  =  2;^  ^n  ^cf 
8,  23  (f.  33b  VI,  337,  20)  bon  SKJid^tigfcit.  3«racl  t;at  biefc  „Stabt  ber  Äanaanitcr"  nie 
befeffen  5Ri  1,  31.    aud^  menn  ^of  19,  30  ftatt  be«  überlieferten  'ummä  toirllic^  'akkö 

6  gu  lefen  ift,  toie  man  Vermutet  l^ai,  fo  toäre  bamit  ba^  ©egenteil  nic^t  beriefen,  fonbem 
bie  3tuf jä^lung  2tcco^  unter  ben  Stäbten  2tffer«  toäre  ju  beurteilen,  tüie  j.  33.  bic  Er- 
toäl^nung  ßfron^,  Slebob^  u.  f.  to.  unter  ben  ©täbten  3[uba^  3«^f  l^r  ^^ff-  ©won  Setl^o«  I. 
ertüäl^nt  äcco  um  1320  b.  6l^r.  unter  ben  SJamen'Aka;  bie  Slffl^rer,  berenÄönig  äffur* 
banipal  bic  ©tabt  beftrafte,  nennen  e«  Akkü;   bie  LXX  fe^en  'Axxco,  tüä^enb  fid^  bei 

10  3ofei)l^u«  Antiq.  IX,  14,  2  in  bem  33erid^te  3Kenanber^  (f.  unter  IV)  über  bie  Äämjjfc 
©almanaffar^  IV.  ""AQxri  \xn\>''Axtj  finben.  %üx  bie  33ebeutun0  unb  ben  Umfang  ber  ©tabt 
toar  e^  fe^r  förbcrlic^,  bafe  fie  unter  Slrtajerjeö  3Jlnemon  um  380  jum  ©tüfe^unft  be^ 
Jjcrftfc^en  Slngriff^  auf  Slg^tJtcn  gemacht  tüurbe.  3)urd^  ^tolemäu^  IL  ^9ilabel^)hu« 
tourbe   fie  neu  gegrünbet  unb  erl^ielt   ben  9iamen  ^tolemai^.    3^^^  S3lüte  bauertc  fort 

16  auc^  unter  ben  ©eleuüben,  benen  fte  198  b.  6^.  jugef allen  ioax.  3"  ^^"  9Jac^ric^tcn 
über  bie  3Jlaf f abäerlriege  tüirb  fie  ate  hjic^tiger  S5}affenj)Ia^  ertuäl^nt  1  3KaI  11  f.  togl. 
3of.  Antiq.  XIII.  SDurc^  ^ompeju«  tam  fte  65  to.  6l^r.  unter  bie  §errfc^aft  ber 
3lömer,  für  bie  fte  gerabeju  ber  erfte  §afenort  ^aläftina«  toar,  troft  ßäfarea«  (33b  XVII, 
427, 1»).    ®ic  ©tabt  red^nete  fpäter  nac^   einer  Sira  toom  ^af)x  47  b.  6^r.    3"  ii)ttm 

3o„®ebiet"  l5Waf  10,39  bergleid^e  man  bie  Angaben  3of.Bell.  jud.  II,  10,2,  h)ou.a. 
ber  glu|  B^keog,  —  bei  Stacituö  Hist.  V,  7  unb  ^piin.  h.  nat.  XXXVI,  190  Belus 
—  crTDäl^nt  tüirb,  beffen  Uferfanb  bie  $^.  jur  ®la«bereitung  bertoenbet  ^ben  foUcn. 
aßa^rfd^einlic^  gehörte  baju  ber  nac^  3of.  Bell.  jud.  III,  3,  1  unb  Onom.  272  J)^ö^ 
nijifc^e  Äarmel.    3)ie  flämjjfc  um  Sicco   jur  2i^\i  ber  Äreugjügc  ftnb  berühmt.     1103 

25toon  SJalbuin  I.  erobert,  1187  an  ©alabin  übergeben,  1189  toieber  burd^  bie  Äreujfal^rer 
bcjtüungen,  tourbe  e«  1291  nac^  heftigen  Äämtjfen  burc^  ben  ©ultan  3KeIiI  el^äfd^^raf 
erobert  unb  ^erftört.  3)ur4  ben  ©d^öc^  Dahir  el-'amr  1749  toieberl^ergeftettt  unb  burc^ 
Dschezzär  Pascha  berfd^önert,  l^at  ftd^  2lcco  lanjfam  gehoben,  tro^  be«  angriffe 
9laj)olcon^  1799  unb  bc^  33ombarbcmentö  ber  bercintgten  englifc^en,  öfterreic^ifc^en  unb 

aotürlifc^en  glotte  1840,  unb  yxijlX  jc^t  cttoa  11000  ©intoo^ner.  —  ßttoa  15  km  nörb:: 
lid^cr  liegt  untoeit  ber  Äüfte  ba^  Heine  3)orf  ez-zlb  auf  einem  braunen  §ügel,  ber  bie 
SRcfte  bc«  alten  Drte«  Stc^fib  3ofl9,  29  bcjcic^nct.  (gr  ift  niemals  i^raelitifc^  getoefen 
9li  1,  31.  Sebenft  man,  bafe  m  bicjcr  Segcnb  bic  jtoanjig  ©täbtc  ber  Sanbfdj^aft  Äabul 
gelegen   l^aben,  bic  ©alomo   an  ben  König  3!^ru«  abtrat   1  Jlg  9,  10—13  (f.  33b  VI, 

36  338,  32),  fo  tüirb  c^  fc^r  toa^rfc^einlic^,  bafe  Slc^ftb  bamafe  unb  too^f  fd^on  frül^er  unter  ber 
§crrfd^aft  bon3:^ru«  gcftanbcn  ^at  (bgl.  ©.299,65).  auf  ben  aff^rifdS^en  Snfd^riften  ^eiftt 
e«  akzibi,  bei  ben  ©riechen,  g.  33.  Onomastiken  ed.  bcfiagarbc  224;  95,  Ekdippa  (Dgl. 
3ofc})l^u«  Bell.  jud.  I,  13,  4;  Antiq.  V,  1,  22).  gine  a5icrtelftunbc  nörblid^er  befinbct 
\x6^  neben  ® arten  bie  Duelle  'ain  el-mescherfe;   auc^  eine  f leine  Sluine  baneben   unb 

40  ba^  im  9Jorbcn  ftd^  er^cbcnbc  35orgcbirgc  tragen  ben  glcid^cn  SJamen.   JRan  ^t  bamit 

ben  9?amen   misr^föt  majim  ^o\  11,  8;  13,6  bcrghrf^en,   ber  eine  Drtlic^feit  an  ber 

Sfficftgrcnjc  Don  ©aliläa  unb  an  ber  ©übgrcnje  ber  $^.  bejetd^net.    fiutl^er^  Überfe^ung 

„toarmc  SBaffcr"  ift  nic^t  richtig,  aber  bie  33cbcutung  be^  alten  SJamen^  ift  unllar. 

3n   ber    9Jä|^c    bon  '^ain   el-mescherfe    treten   bic  2lbbänge   be^    dschebel  el- 

45  muschakkah  nä^cr  an  bic  Äüftc  ^cran,  unb  ber  Sluffticg  ju  bcm  SSorgcbirgc 
ras  en-näküra  (69  m)  bringt  ung  in  baö  eigentliche  ^^.  $ie  SRcftc  eine^  äiJad^t= 
turm^  unb  Ortsnamen,  bic  mit  ber  frül^crcn  ßr^ebung  t>on  3^11=  ober  SBeggebül^rcn 
(ghafr)  jujammcn^ängcn,  erinnern  baran,  ba^  toir  ung  auf  einer  alten  ©renjlinic 
bcfinbcn.    3)cr  SBcg   fü^rt   über  ben  nacftcn,   njcife  Icud^tcnbcn  Reifen   l^art  am  9lanbe 

60  ber  Älippc  ^in,  an  ber  fid^  unten  bic  ffiogcn  bred^cn.  3ln  ber  9Rorbfeite  bcl^nt  ft(^ 
ein  formaler  ftcinigcr  Äüftcnftrid^  in  gorm  eine«  §albmonb§  bi«  ju  bem  jtoeiten  S^or^ 
gebirgc  aw^,  bcm  ras  el-abjad  ober  Promontorium  album,  bem  „toeifeen  3Bor= 
gebirgc",  beffcn  Spifcc  bon  bcm  crftcn  cttoa  10  km  in  ber  Suftlinie  entfernt  ift.  2)ic 
©cnfung  ^irijc^cn  bciocn  trägt  bic  ©})urcn  ^tocicr  alten  Drtc,  bon  benen  ber  erfte  umm 

55  el-'araüd  (ober  el-'awämid),  ber  jtocitc  iskenderüne  Reifet,  '^tn^  l^at  feinen  9lamcn 
t)on  ben  ©äulcnrcftcn,  bic  fic^  bort  a\x^  ber  gricdbifc^cn  ^t\i  ^er  pnben.  SRcnan  ^t  ieboc^ 
1861  unb  anbcrc  nac^  i^m  burd^  2tu«grabungcn  nad^gctoicfcn,  bafe  fc^on  bie  %^.  bier 
gebaut  f^aben.  2)cr  a\ii  DJame  bc«  Drtc«  lä^t  fid^  nid^t  fic^cr  nad^toeifen.  gn  einer  bort 
gcfunbcncn  Jjbönijifd^cn  Snfc^rift  fd^cint  üon  „bcm  33c^irf  Saobicca«"  (OIS  I,  29—32) 

60  bie  iKcbc  ju  fein ;  ob  bamit  ber  9lamc  gcrabc  bicfcr  ©tätte  gemeint  ift,  fielet  frcilid^  ba^ 


eibonter  283 

l^in.  6g  ift  aber  baburd^  bie  ^agc  neu  angeregt  tporben,  oh  bic  Jjj^önijijc^^gried^tfc^en 
3Rünim  a\x^  ber  Seit  be^  Stntiod^u«  IV.  Qpipi^ant^  (175—164  bor  ßl^r.)  mit  ber  J)^. 
Sluffd^rift  ,,£aobifeia,  3Jlutter  (b.  i.  §aiH)t[tabt)  in  Jlanaan"  ber  norbf^rifc^en  ©tabt 
Saobicea  (ad  mare),  bem  l^eutigen  Lädkije  (f.  ©.  293, 55),  angel^ören  ober  ber  alten 
©tabt,  bie  einft  an  ber  Stelle  bon  umm  el-'amüd  gelegen  ^at.  Segen  bie  erftere  Sin*  6 
na^me  ^rid^t,  bafe  feine  ber  alten  SJefd^reibungen  ^1^.^  eine  ©tabt  biefe«  5Ramen«  nennt. 
3u  ©unftcn  ber  jtoeiten  annähme  l^at  ^ietfc^mann  a,a,D.  74  ff.  barauf  ^ingetoiefen, 
bafe  e^  nad^  bem  Äommentar  be^  ©rjbifc^ofg  ©uftat^io^  (12.  Sa^f;.)  jur  5ßeriegefig  be^ 
S)iontofiog  unb  nac^  ©tepj^anu«  bonS^janj  in  ^1^.  eine  Stabt  gegeben  l^at,  bie  urfj}rüng5 
lic^  Stamanti^a  ober  Slamit^a  ^ie^  (^-  *•  SRamatl^  ober  SRama,  „§ö^e'Or  toon  ben  ©riechen  10 
levxh  äxnfi  unb  fpäter  Saobifeia  genannt  tourbe.  3)iefe  Slngabe  auf  ba^  norbft;rifc^c 
gaobileia  ju  bejiel^en,  emjjfie^lt  fic^  burc^aug  nid^t.  2)enn  ber  5Rame  kevxi]  äxtij,  b.  i. 
h)ei^e  ©teilfüfte,  paf^t  auf  bie  Sage  bed  Saobicea  ad  mare  in  einer  @bene  gar  nid^t,  h)o^l 
ober  5U  ber  (Segenb  bon  umm  el-'amüd,  toeil  bie  toeifeen  JUi^jJjen  ber  beiben  SJorgebirge 
U)eit  in  bie  ©ee  l^inau^leuc^ten,  h)ie  fein  anberer  ^unlt  ber  Äüfte  ©^rien^.  3)a^er  ift  15 
e^  nic^t  untoal^rfd^einlid^,  baft  fid^  bie  oben  ertoä^nte  2lngabe  toirltic^  auf  bie  ®egenb 
;^h)ifc^en  bem  l^eutigen  ras  en-näküra  unb  ras  el-abjad  be^iel^t  unb  Stamit^a  ber  alte 
3tame  für  umm  el-*amüd  ift.  35ie  ^age  betreffe  Saobifeia  ift  bamit  freiließ  nic^t  böHig 
geflärt;  nur  pa^t  bie  ätngabe  ber  3Ktinjen  „in  Äanaan"  (=  in  5pi^.)  beffer  für  biefen 
äeil  ber  Äüftc  afe  für  bie  Sage  toon  Laodicea  ad  mare.  —  Äurj  bor  bem  äSorgebirge  20 
ras  el-abjad  finben  fxd)  bieSlefte  eine«  anberen  alten  Drte^,  bie  l^eutc  ben5Jamen  isken- 
derüne  tragen,  ^m  4.  ga^rl^unbert  nac^  6^r.  ertoäl^nt  i^n  ber  ^Pilger  bon  Sorbeaus 
(t)gl.  Itinera  hierosolym.  rec.  $.  ©el^er  p.  19)  aU  mutatio  Alexandroschene  = 
Aie^avdQooxYivrj,  3)amit  berbanb  fid^  bie  SSolf^fage,  bafe  l^ier  2llejanber  b.  ®r.  toäl^enb 
ber  Belagerung  bon  ^^ru^  fein  Rdt  aufgefd^lagen  l^abe.  3n  SBal^r^eit  gel^t  ber  9Jame  26 
icbo(^  auf  ben  römif^en  Äaifer  2llejanber  ©eDeru«  (222—235)  jurürf,  ber  toie  fc^on 
früher  Garacalla  (211—217)  ben  befc^toerlic^en  SBeg  über  ba^  Vorgebirge  in  ben  gelfen 
l}ai  einbauen  laffen.  3)er  Äönig  Salbuin  I.  bon  3^«!^^  li^fe  m^  bie  f leine  ^eftung 
toieber  aufbauen,  um  fie  atö  ©tü^tjunft  für  feine  Singriffe  auf  I^ru^  gu  benu^en;  fie 
toirb  unter  bem  9lamen  Scandarium  ober  Scandalium  ertüäl^nt.  2)er  SBeg  über  badao 
,,h)eifee  SSorgebirge"  fül^rt  ettoa  40  SJlinuten  lang  ^art  an  bem  Slbl^ang  ber  Älit)J)cn 
entlang,  balb  l^ö^er,  balb  niebriger  über  bem  3Keeregfpiegel,  beffen  SBetten  in  einer  iicfc 
uon  cttüa  70  m  bie  fteil  abftünenben  Reifen  umbraufen  unb  jum  leil  bereit«  unter^ö^lt 
^aben.  ®iefe  ©trafee  an  ber  Äufte  ift  uralt,  fd^on  bie  äg^ptifc^en  $eere  unb  bie  aff^s 
rifd^en  gröberer  j^aben  fie  betreten,  toie  ftc^  avA  il^en  2)enfmälem  am  nähr  el-kelb  bei  35 
Seirut  (f.  u.)  ergiebt.  3lber  fie  ift  im  Saufe  ber  Sa^rl^.  me^rfac^  beränbert  tüorben,  j.  %. 
in  ben  ^^Ifen  einge^auen  unb  an  befonber«  ftcilen  ©teilen  gerabeju  ju  einer  %t^pz,  p 
gelfenftufen  geftaltet.  3Kan  bemerft  auc^  l^ier  unb  ba  noc^  bie  ©Jjuren  ber  SBagengleife 
in  bem  ^eteboben.  gofejjj^u«  unb  ber  ^|atmub  l^aben  un«  ben  Flamen,  ben  biefe  ©tra^e 
im  älltertum  l^attc,  überliefert,  nämlid^  2;re^)j}e  (ober  3^rejjj}en)  ber  3^^rier,  mie  fc^on  40 
Sb  XrV,  558,  4  ertoä^nt  ift;  bafür  fagte  man  bei  ben  Äreujfa^rem  scieda  Tyriorum, 
boc^  finbet  fic^  auc^  ber  3(u«brudf  passepoulain. 

SRörblidj^  öom  ras  el-abjad  be^nt  fid^  eine  fleine  (Sbenc  jtoifc^en  bem  ©tranbe  unb 
bem  ^ufee  ber  Serge  bon  ©aliläa  a\x^.  2)ann  ^ebt  fic^  nod^  einmal  bie  Äüfte  ettoa« 
f(^roffcr  au«  bem  Speere,  bod^  ftcigt  fie  im  attgemeinen  je^t  fanft,  o^ne  fteilen  3lbfall,  45 
a\xi  bem  SKeere  an.  I)ie  SKünbungcn  ber  S^üffe,  bie  a\x^  bem  Serglanbe  bon  Dber« 
galiläa  ^erabfommen  (t)gl.  Sb  XIV,  571,  2),  finb  feiert  unb  führen  tocnig  ober  gar  fein 
aSaffer,  aber  an  einigen  ©teilen  tritt  ba«  ©runbtoaffer  in  guten  unb  rei^lid^en  Duetten 
^u  iage.  2)a«  ift  namentlich  ber  galt  ti\oa  eine  ©tunbe  füblid^  bon  3:^ru«  in  ras 
el-'ain  unb  10  SWinuten  nörbUd^er  bei  bem  Sanbgute  er-reschidije,  beibe  ^Xoa  eine  50 
aSiertelftunbe  t>om  ©tranbe  entfernt.  3)er  2Bafjeneic^tum  bon  ras  el-^ain,  b.  i.  Ä'opf 
ber  Duelle,  ift  erftaunlic^.  3)tan  i^ai  bie  Duetten  mit  fel^r  ftarfen  ÜJlauem  umgeben  unb 
biefe  bi«  ju  einer  anfel^nlic^en  §ö^e  aufgeführt,  jo  bafe  ba«  SBaffer,  bon  il^nen  feft  um- 
fc^loffen  unb  bon  bem  unterirbifd^en  Xruct  getrieben,  in  einer  gewaltigen  fünftlid^en 
Säule  auffteigen  mufe.  3)er  größte  Se^älter,  unmittelbar  füblid^  bon  bem  fletnen  55 
gleid(^namigcn  SDorfe,  ift  ac^tecfig,  jebod;  mit  ungleichen  ©eiten,  angelegt  unb  7,50  m  l^od^; 
er  \^i  einen  2)urcJ^meffer  bon  2()  m  im  Sid;tcn,  unb  feine  SBänbe  ^aben  oben  eine 2)idfe 
öon  fafk  2,50  m.  "^ijxz  Söfd^ung  ift  fo  breit  aufgemauert,  bafe  man  felbft  ju  5}ferbe 
bi«  oben  an  ben  SRanb  be«  33edEen«  reiten  fann.  3)ie  innere  ©eite  be«  3)JauertDer!e«  ift 
ftarf  cementiert.    3)a«  flare  unb  fc^öne  äüaffer  toirb  burc^  ben  ©))rubel  üon  unten  ftet«  60 


284  Stbottter 

in  ?3eh)C0unö  gei^altcn;  e^  f)at  im  Saufe  bcr  Jl^^rc  fogar  bcn  Üragfranj  bc^  ©cmäuer^ 
untertDül^It  unb  jic^  baburc^  einen  freien  Slbflufe  tn^  SKeer  eröffnet.  2fn  beni  3)?aualDn:! 
ift  oft  gebeffert  tüorben,  fo  bofe  bie  Seftimmung  feina^  Sllter^  fc^toierig  ift  SBenn  man 
nad^  bem  urteilt,  toa^  je^t  ftcftbar  ift,  fo  toirb  man  nic^t  über  bie  römifd^e  ^e\t  f}man^ 
5  geführt.  6g  ift  aber  fe|r  mal^rfd^einlid^,  bafe  ältere  Sauten  tooranaegangen  finb.  ^n 
unmittelbarer  9läl^e  giebt  e^  nod^  brei  anbere  äl^nlic^  angelegte,  bod^  nid^t  fo  grofee  Se^älter, 
bie  ^.  %,  burd^  fieitungen  mit  einanber  unb  mit  bem  großen  95erfen  berbunben  toaren.  3)icfe 
Seitungen  fmb  offenbar  toieber^olt  geänbert  unb  ergänzt  toorben.  (Sine  nac^  ©üben 
fül^renbe,   nur  lurje  Seitung   ift  arabifc^e  Slrbeit,   eine  anbere  nad^  5Rorben  gerichtete  ift 

10  römijd^.  (Sie  brad^te  einft  ba^  SBaffer  nad^  bem  Äügel  el-ma*^schük  öftlic^  (lanbetn^ 
toärtö)  t)on  %\)xn^,  t>on  bem  au^  in  alter  RÄt  UxU  mxi)  oberirbifc^e,  teife  burd^  (ältere) 
unterirbifd^e  Seitungen  bie  ©tabt  mit  SBaffer  berforgt  tourbe.  ®egentoärtig  lommt  ber 
foftbare  ^nf)aU  biefer  ftattlic^en  95el^älter  nur  ber  unmittelbaren  Umgebung  ju  gute; 
ba^  2Baf[er  treibt  einige  3Kü^len  unb  beriefelt  bie  in  ber  3lä^c  angelegten  (Särten,  bann 

16  fliegt  e«  ungenu^t  in^  3Keer.  9loc^  im  ^Mittelalter  tourbe  l^ier  biel  3w*^««>^y  gebaut. 
2)ie  SBafferleitungen  getoä^ren  einen  •  Jjräd^tigen  Slnblidt  fotoobl  burc^  ba«  üppige  ®rün, 
bag  ben  Soben  beberft  unb  au«  ben  ©tjalten  be«  3Kauerh)erI«  in  unjäl^ligen  SJanfen 
l^ertoorftjriefet,  aU  auc^  burc^  bie  feltfame  SJerjierung  mit  ©talagmiten,  bie  ba«  lalf^altige 
SBaffer  an  ba«  SKauerioerl  angefeftt  l^at.    Sttoa   15  3Kinuten  nörblic^  t)on  ras  el-'ain 

20  befinben  ftc^  neben  bem  neueren  Sanbgute  er-reschldije  noc^  brei  toeitere  Se^älter,  auc^ 
ein  Slquäbult,  ber  ber  Sauart  nac^  römifd^  ju  fein  fc^eint.  3Serf(^iebene  angaben  au« 
bem  ailtertum  melben  bon  ben  SBafferleitungen  unb  Duellen,  bie  Z\)xvi^  toerforgten;  fo 
5Wenanber  bei  Sofep^u«  Antiq.  IX,  14,  1,  älrrian  Anab.  II,  20,  Putard^  Vita  Alex. 
24,  5Ronnu«  in  Dionys.  XL,  359  ff.    3)a  e«  anbere   bebeutenbe  Duellen  in  ber  9Jäl^e 

26  bon  %\)xn^  nic^t  giebt,  fo  toirb  e«  eben  ber  SBafferreic^tum  bon  ras  el-*^ain  fein,  ben  bie 
5ßl^.  juerft  gefaxt  unb  für  bie  Sebürfniffe  i^rer  ©tabt  bertoertet  l^aben. 

3)ic  (Entfernung  bon  ras  el-'ain  nad^  3:^ru«  beträgt  eine  ©tunbe.  3)ie  ebene 
neben  ber  fanbigen  Süfte  ift  bon  SBeften  na^  Dflen  nid^t  ganj  2  km  breit.  3"  ^^ 
3lä\)t  ber  ©tabt  meieren  fid^  bie  ©anbanl^äufungen.  3)a«  je^ige  I^ru«,  ein  unbebcutenber 

80  Ort  bon  ettoa  6000  einit>oI^nem,  liegt  im  9Jorben  einer  §albinfel,  bie  ungefähr  iVskm 
über  bie  anftofeenbe  Jlüfte  in«  SKeer  l^inau«ragt.  ®ie  alte  Jjbönijifd^e  ©tabt  lag  bagegcn 
auf  einer  ^nfel.  5Wac^  bem  ^ajj^ru«  Anastasi  I  brad^te  man  ba«  SBaffer  in  Schiffen 
5U  ber  ©tabt;  ber  aff^rifd^e  Äönig  älffurbanijjal  fagt  bon  bem  Äönig  Saal  bon  SC^ru«, 
er  tool^ne  inmitten  be«  5Keere«;   ber  $roj)^et  ©jed&iel   läfet  ben  gürften  bon  S^ru«  ftd^ 

35  rül^men :  6in  (Sott  bin  id^,  einen  ©ötterft^  betoo^ne  ic^  inmitten  be«  3Kecre«  (28, 1), 
unb  bergleic^t  bie  ©tabt  treffenb  mit  einem  ipanbel«jc^iff,  ba«-  „mitten  im  Weere"  gebaut 
fei  (27,  3 f.;  bgl.  auc^  26,4.  14.  17 ff.)  —  ba«  fmb  fidlere  3eugen  bafür,  bafe  St^ru« 
urfjjrünglid^  eine  3»^f^^ftöbt  gctbefen  ift.  SBie  bei  arwäd  im  9lorben  (f.  u.)  unb  im 
Heineren  5!Jla6ftabe  bei  ©ibon  unb  a:ri))oli«,   fo   ^aben   auc^  ^ier  einige  felfige  ^n\dn 

40  nabe  bor  ber  Äüfte  gelegen;  ioenn  toir  bon  ben  Heineren,  bie  aud)  je^t  noc^  in  jiem- 
lid^er  9lu«bel^nung  unb  ^a^  an^  bem  STOeere  bei  2:^ru«  ^erborragen,  abfeilen,  in  ber 
§au})tfac^e  ^toei  größere,  bon  benen  bie  nörblic^e  bie  umfangreichere  getoefen  unb  juerft 
Ubaut  tüorben  ju  fein  fc^eint.  Da«  läfet  fic^  einerfeit«  au«  bem  9Jamen  erfc^liefeen:  ba« 
gried^ifc^e  Tvgog  ge^t  jurüdE  auf  ""ii:  ober  geh),  "li:,  aff^r.  surru,  äa\}pt  sar(a),  l^eute 

45  sür,  unb  bebeutet  „?5elfen"  (gel«infel);  ber  5Jame  fc^eint  ju  ben  ©riechen  nidj^t  um 
mittelbar  bon  ben  ^^.,  fonbem  burc^  Sermittelung  eine«  anberen,  bieHeid^t  fleinaftatif(^en 
Solle«  gcfommen  m  fein,  ba«  ben  s-Saut  ^art  au«f)3rac^,  fo  bafe  bie  ©riechen  ein  x  nu 
^ören  glaubten.  2lnbererfeit«  teilt  3ofe>)l)u«  c.  Ap.  I,  17  §  113;  Antiq.  VIII,  5,3 
§  117  au«  bem  SBerte  eine«  fonft  nid}t  belannten  2)io«  über  bie  ©efd^id^te  ber  ^^.  mit, 

ö()  bafe  Äönig  §iram  (I)  bie  ©tabt  felbft  bergröfeert  unb  bcn  bi«  ba^in  auf  einer  gnfcl  für 
[\^  ftcl^enben  SCempel  bc«  Reu«  Clbmpio«  (bgl.  S3b  II  ©.  328,  4)  burd^  Stuffc^üttungen 
mit  bcr  ©tabt  berbunbcn  oabc.  Xer  eigentlid^e,  größere  leil  ber  ©tabt  lag  bal^er 
nid^t  auf  ber  burd^  biefen  2:em})cl  auögcjeid^neten  ^n\ü,  fonbem  auf  einer  anberen,  bie 
offenbar  größer  ^u  bentcn  ift.    I)ie  Unterfud^ungen  be«   je^igcn  Untergrunbe«  ^aben  e« 

56  mal^rfc^cinlic^  gemacht,  ba^  bie  größere  '^n\d  im  nörblic^cn  2^eile  ber  je^igen  §albinfel 
XU  fucf)cn  ift,  alfo  bort,  ioo  fid^  auc^  bie  moberne  ©tabt  lieber  crl^oben  fyit  Denn  bie 
3tu«grabungcn  bc«  Wünd^cner  ^rof.  Dr.  3-'JJ-®W  1874  Ijaben  erliefen,  bafe  bicÄirc^en- 
ruine  an^  bem  93Jittclnltcr  an  bcr  ©übfeite  be«  beutigen  3:bru«  nod^  auf  J^eUboben  ftel^t; 
bagegcn  ift  (S.  Mcnan  1860/61  locitcr  nad^  ©üben  bin  nic^t  überall  aufhelfen  geftofeen. 

60  Überhaupt  fc^cint  im  ©üben  ber  jc^igen  ^albinfcl  bie  bicHeic^t  fünftli(^  oefeftigte  ©renjs 


@tboititr  286 

linic  bcr  alten  ©tabt  burd^  ben  SlrH)raD  bc«  SKcere«  ober  aud),  tüic  ^ru^  meint,  burd^ 
@vbbeben  ftärfer  gelitten  gu  l^aben.  Über  bie  93auten  bed  alten  %\)xui  h)iffen  ton  nur 
toenifl.  3?ac^  SRenanber  öon  e))^efu«  (ögl.  Sofej)^  c.  Ap.  I,  18;  Antiq.  VIII,  5,  3) 
l^at  §tram  I.,  ber  3^'^Ö^"öjfe  ©alomo«,  bie  alten  2:embel  neu  gebaut.  Sefonber«  ge- 
nannt toirb  ber  Tempel  be«  ^eralle«,  b.  i.  be«  3Jlelfartb  (f.  unten  ©.  297  f.),  unb  ber  6 
2lftarte,  femer  öon  §erob.  II,  44  ber  2eni))el  be«  tbaftfc^en  $erafle3,  ber  loieHeic^t  mit 
bem  Slflenorium  Slrrian«  (Anab.  II,  25  f.)  gufammenfättt.  3lad)  SOienanber  unb  3)io« 
(bei  3ofej)l^u«  a.  a.  D.)  I^at  §iram  bie  ©tabt,  b.  ^.  toobl  bie  gnfel,  nac^  Dften  ^in  er= 
h>eitert  unb  l^ier  ben  großen  ^la^,  (Sur^d^oron,  gefd^affen.  2)ad  alte  3:^rud  l^atte  )h)ei 
^äfen  (©trabo  XVI,  2,23;  ?Jlin.  V,  17;  3lrrian.  II,  20f.;  6?  27,  3).  5Der  nörblic^e,  lo 
ber  ftbonifd^e,  ift  in  ber  $auj)tfad^e  big  ^eute  erl^alten,  iebod^  an  ber  inneren  Seite  ftarl 
toerfanbet  unb  für  größere  ©eefc^iffe  nid^t  jugänglid^.  ®er  füblic^e  §afen,  ber  ä0^))tifd^e, 
ift  bagegen  gang  )oerfc^n)unben.  3lad)  9ienan  unb  $ru^  l^at  er  n^a^rfd^einlid^  füböftlid^ 
))on  ber  fc^on  erh)ä^nten  5{irc^enruine  gelegen,  too  no|^  l^eute  ein  gut  ben^ac^fener  ©arten 
burd^  feine  tiefe  Sage  mitten  in  ber  SSerfanbung  auffällt.  is 

3)er  Snfdftöbt  gegenüber  auf  bem  geftlanbe  lag  ein  toeit  au^ebe^nter  Ort,  bem 
3Kcnanber  öon  ®)[)l^efu«  nac^  bem  ®rie(§tf d^en  bei  3ofe))l^u«  Antiq.  IX,  14,  2,  femer 
©trabo,  ^liniu«  u.  a.  bm  9Jamen  naXattvgog^  b.  i.  SKltt^m^,  gebm.  Daburd^  ift  bie 
ätuffaflung  Veranlagt,  ba^  ed  au^er  ber  ^nfelftabt  aud^  auf  bem  ^^eftlanbe  eine  ©tabt 
%\li\x^  gegebm  ^abe.  ©ie  l(^at  jeboc^  in  bm  übrigen  älteren  92ad^n4ten  !eine  ©tü^e ;  20 
nac^  il^nm  ift  eg  üielmel^r  toa^rfd^einlic^,  bafe  ber  Ort  an  ber  Äüfte  bm  5lamm  uschu 
^atte,  ber  in  ben  ^Amärna-iafeln  unb  in  bm  afl^rifd^en  gnft^riftm  öorlommt  unb 
lüol^I  mit  bem  authu  ber  ägl9))tifd^m  3)mfmäler  jufammmuiftellm  ift.  ©ein  ©c^u^l^err 
ift,  U)ie  ^raSel  unb  Gi^e^ne  öermutet  l^m,  Ufoo^,  ber  Oöocbog  be3  ©anc^unia^on, 
ber  guerft  auf  einem  S3aumftamme  bad  ^eer  befahren  ^abm  foQ,  toäl^renb  fein  93ruber25 
©amemrumo«  (SafxrifjLQovfiog)  in  S^ru«  ^üttm  au^  Slo^r  erbaute,  ©iefe  ©age  nimmt, 
tüte  ^  fc^eint,  an,  ba^i^  S^f^lf^^t^^  ^om  geftlanbe  a\xi  beftebelt  tüorbm  ift.  3)a5  ift 
o^ne  3^^^f^I  rid^tig,  aber  baburc^  toirb  bie  Übertragung  beg  9iamen^  I^ru«  auf  bm 
Drt  am  ^eftlanbe  boc^  nid^t  gered^tf ertigt ;  öielleid^t  toiD  3Wenanber  burd^  ben  2lu«brudf 
nur  fagm,  bafe  ber  Drt  ju  feiner  3^^  W^"  jerftört  toar.  3)ie  Slngabm  über  feine  Sage  ao 
gelten  fotoeit  au^einanber,  ba^  e«  fel^r  jtoeifelpaft  toirb,  ob  man  an  einm  ober  mel^rere 
Orte  }u  bmim  l^at,  ober  ob  ^  ftd^  um  Drte  ^anbelt,  bie  öerfd^iebmen  3riten  angel^ören. 
3la6^  ©trabo  foH  $alaitt;rug  30  ©tabim,  b.  i.  eine  ©tunbe,  füblid^  bon  3:^ru«  gelegm 
l^abm,  bemnad^  =  ras  el-^'ain ;  nad^  $liniu^  Jollen  2:^ru^  unb  ^alait^ru^  jufammm 
einm  Umfang  t>on  22  ©tabim  =  4100  m  gel^aot  traben,  ba«  toäre  nur  tomig  me^r  afö  35 
ber  Umfang  be«  altm  2t;ru«  betragm  l^at.  Die  ©bene  auf  bem  geftlanDe  ber  SnfeU 
ftabt  gegmüber  ift  in  alter  3^^  ö^ne  3^^M  0wt  bebaut  unb  rei$  mit  Sanb^äufem 
unb  Dörfern  befe^t  gehjejen.  Darauf  toeifm  au^  bie  gwnbe  ^in,  bie  bort  im  33obm 
gemacht  toorben  ftnb :  Ölleltem,  Sffiafferbel^älter  unb  ®rabf ammem,  in  gelf m  au^gel^auen, 
fotoie  ©teinfärge,  nirgmb«  aber  bmtlic^e  Überrefte  einer  eigmtlic^m  ©tabt,  mit  2lu«s  40 
nal^me  ber  unterirbifd^en  unb  oberirbifd^m  SIBafferleitungen  (bgl.  obm  ©.  284,  5).  am 
teil  el-ma^schük  fd9eint  ein  bebeutenber  SSorort  bon  I^ru«  gelegm  ju  Ij^aben. 

Da«  alte  i^ru«  ^örte  auf,  eine  3inf^Ifl«bt  ju  fein,  infolge  ber  Belagerung  burd^ 
aiejanber  b.  ®r.  332  (ögl.  3lrrian  Anab.  II,  17  ff.),  ßr  fuc^te  ber  bi«  ba^in  niematö 
bejtoungenm  3"f^lf^fl^  (^ßl-  w"l^  IV,  ©.  300,  ao)  nad^  einer  Selaaerung  bon  fteben  45 
3Honatm  baburd^  beijufommen,  ba^  er  öon  bem  ^eftlanbe  a\x^  auf  einem  ^fal^lrofte 
einm  Damm  au«  ©teinen  unb  @rbe  auffc^üttcn  lie|,  um  bie  Dftjeite  ber  S^f^l  jw  er« 
reid^en.  Die  (gntfernung  jtoifd^en  ben  bciben  ^ßunften  foH  4  ©tabien  (ettoa  600  m)  be« 
tragm  ^aben,  ber  9Beere«arm  in  ber  9läl^e  ber  ^nfel  mel^r  al«  3  Älafter  tief  getoefm 
fein.  Die  ©reite  be«  Damme«,  für  ben  eine  feierte  ©teile  mit  moraftigem  Untergrunbe  bo 
t)on  ber  Äüfte  a\x^  benu^t  tourbe,  totrb  bon  Diobor  17,  40  auf  2  ?pietl(^ren  (=  61  m) 
angegeben.  SRit  SRed^t  ^at  fc^on  ba«  2lltertum  biefe«  fül^ne  Unteme^mm  Sllejanber«  al« 
ein  SBunbertoerl  gepriefen.  2lber  bie  ©rftürmung  ber  ©tabt  gelang  i^m  boc^  nic^t  öon 
bem  Damm  a\x^,  ba  l^ier  bie  SRingmauern  angeblid^  me^r  al«  150  Äu^  ^od^  empor* 
ragten  unb  fel^r  breit  unb  feft  toaren.  Die  ja^Ireid^en  ©d^iffe,  bie  bie  benad^barten  ©ee*  55 
mäd^te  aie^anber  b.  ®r.  gur  Verfügung  geftellt  batten,  jtoangm  bie  t^rifd^e  flotte,  fic^ 
in  bie  beiben  §äfen  jurüdjujieben,  unb  ermöglichten  e«  baburd^,  ba^  ba«  gried^ifd^c  §eer 
bon  ©iibm  l^er  auf  bie  bort  fcptoäc^eren  9Jlauern  ber  tJ^Pung  «inm  regelrechten  Sturm* 
angriff  au«fül^rm  lonnte,  ber  aber  aud^  erft,  al«  er  toieber^olt  tourbe,  ©rfolg  ^atte. 
ärrian  giebt  an,  baft  8000  Seute  bei  ber  ©roberung  i^ren  lob   gefunben   l^ättcn   unb  co 


286  @tbonter 

30000^crfonen,  cinl^cimifd^c  unb  frembe,  ate  ©Haben  Verlauf t  toorbcn  tüären.  3)tcfc3öWen 
erlauben  un^  einen  SRüctfd^Iu^  auf  bie  ßintoo^nerjal^l  ber  bamaligen  Stabt  in  friebli^en 
Seiten;  fte  toirb  cttoa,  toenn  lüir  10—15000  auf  ©olbatcn  unb  SJflüd^tlinge  abrechnen, 
25000  betragen  ^aben  —  eine  f)o\)t  ^ai}l  für  einen  Slaum,  ber  nad^  neueren  SKeffungen 
6  57,6  ^eftaren  umfaftt.  3)er  2)amm  ift  naiS)  2200  Qjal^ren  in  feiner  S3reite  bebeutenb 
getüad^fen,  öcrmutlicp  befonber^  an  feiner  ©übfeite,  ba  biefe  ber  regelmäßigen  3Heere^ftrömung 
au^gefe^t  ift,  unb  mit  ber  anftofeenben  Äüftenlinie  in  bereite  böQig  abgerunbeten  gormen 
berbunben.  3)er  QaU  —  um  in  einem  Silbe  ju  reben  —  ber  gegenwärtig  bcn  Äo})f, 
bie  frül^ere  gnfelftabt,   mit  bem  Stumpfe,  bem  ^eftlanbe,  öerbinbet,  l^at  im  SBeftcn  bie 

10  93reite  bon  600  m,  im  Dften  ober  fd^on  bie  Sreite  öon  2  km  eneic^t,  b.  i.  mel^r  atö  bie 
Stuöbe^nung  be^  Äopfe^  bon  ©üben  nad^  5iorben  einft  betragen  \^at 

ällejanber  ^at  ibru^  nid^t  böllig  jerftört.  3)ie  toeit  reid^enben  §anbetöberbinbungen 
ber  ©tabt,  mod^ten  fte  aud^  burc^  bie  ^fJeugrünbung  2llejanbriag  mannigfach  bebrol^t 
toerben,  fü^rteit  i^r  neue«  2Am  ju  •    i^re  ^eftigleit  toar  noc^  immer  fo  bebeutenb,  bafe 

löfie  316/15  öon  Slntigonu«  bierjclj^n  SWonate  lang  bergeblid^  belagert  tDurbe.  (gineSra  be« 
38olfö  bon  Il^ru«  bom  ^al^re  274/3  tüirb  CIS  I,  1,  9lr.  7  ertoäl^nt;  bie  ©tabt  mufe 
bai^er  bamate  toieber  größere  Siedete  erl^alten  ^aben.  SSon  ben  ©eleuctben,  unter  bcren 
§errfd^aft  fte  198  lam,  erfaufte  fie  fid^  toa^rfd^einlid^  126  boHftänbige  9lutonomie,  bie 
$onH)eiu«  betätigte  (©trabo  XVI,  2,  23 ;  3iofej)^uö  Antiq.  XV,  4, 1),  3luguftu«  jeboc^ 

20  20  bor  6^r.  toieber  einfd^ränfte.  ^aulu«  fanb  auf  feiner  Seife  bon  3Wilet  nac^  S^^f^lcn^ 
in  I^rug  fd^on  Gl^riften  31®  21,  3—6.  Sin  Sifd^of  bon  3:^ru«,  Safftu«,  toirb  gegen 
®nbe  be«  2.  ^jabrl^unbert«  auf  bem  Äonjiil  bon  ßäfarea  ertoäl^nt.  Äierom;mu«  nennt  ju 
©j  26,  7  unb  27,  2  Tqxn^  nod^  bie  bomel^mfte  unb  fd^önfte,  toeitfin  §anbcl  treibcnbc 
©tabt  ^^.g.  2)ie  Äreujfal^rer  l^atten  fie  bon  1124—1291  inne.    Sine  ungenaue  Äunbe, 

26  baß  bie  ©ebeine  be«  beutfd^en  Äaifer«  griebrid^«  I.  Sarbaroffa  nac^  feinem  3:obe  am 
9.  Suni  1189  in  ben  SIBogen  be«  gluffe«  ©elef  burd^  feinen  ©ol^n,  ben  §erjog  griebric^ 
bon  ©d^toaben,  in  Sbrug  beftattet  toorben  feien,  benu^te  ?Profeffor  Dr.  3-  91  ^tpp  in 
9Rün(^en,  um  für  ftd9  unb  ben  il^m  beigegebenen  ^rof.  Dr.  $.  5ßru^  auö  Äönig^berg 
burd^   ben  SReid^^Ianjler  gürft  Sigmare!  bie  ßrlaubni«  ^u  Slulgrabungen   ju  crtoirfen. 

90  <B^p  toä^lte  bie  berfcbüttete  Äird^enruine  an  bem  ©übranbe  ber  l(^eutigcn  ©tabt  unb 
träumte  fc^on  babon,  bie  „©ebeine"  Sarbaroffa«  na^  bem  fd^önften  9Rünfter  in  3)eutfc^lanb, 
bem  Äölner  3)om,  bringen  ju  fönnen.  3lber  er  fanb  nur  Stefte  einer  ftattlic^en  ßirc^e  auö 
bem  SJlittelalter,  in  ber  er  bie  mittelalterlid^e  Äatl^ebrale  „ jum  ^eiligen  Äreuj"  er!ennen  tbiö, 
bie  an  ber  ©teDe  ber  altd^riftUd[>en  Safilifa   be«  Sifc^of«  ^jjaulinu«  (um  330)   errichtet 

36  tporben  fei,  toäl^renb  ^ru^  bie  Sluinen  auf  eine  burd^  bie  Senetianer  in  i^rem  Quartier 
erbaute  ©t.  3KarfugIird^e  beutet.  5kc^  bem  Slbjuge  ber  Äreujfabrer  1291  befc^te  ber 
©ultan  3)Jelif  el=2tfd^raf  bie  ©tabt  unb  ließ  il^re  geftungötoerfe  f^leifen.  3)ie  ®ef(^t(^tc 
be«  l^eutigen  %\)xu^  beginnt  erft  mit  bem  g^l^re  1766,  alö  [xd)  ein  getoiffer  $anjar,  ein 
&6)e6)  ber  2Ketäh)ilcfefte,   unter  bem  ©c^u^e  Dahir  el-'^Amr's   mit  feinen  Seuten    in 

40  ben  Xrümmem  nieberließ  unb  fte  lieber  aufbaute.  3?ad^  ber  S^^f^'^^Ö  ^"^<^  ^<»^ 
(Srbbeben  bon  1837  trug  ^lE^wl^im  ^ßafc^a  für  bie  ßmeuerung  ber  Sauten  ©orge.  ©eit 
ber  3eit  ift  %\}xvi^  langfam  bi«  ju  einer  befc^cibenen  Jlüftenftabt  mit  6000  ©intool^nem 
l(^crangeh)ad^fen,  bie  teil«  Sateiner,  teil«  ortl^obo^e  unb  unierte  ©riechen  ftnb. 

&äJ)renb  bie  unmittelbare  Umgebung  bon  I^ru^,  fobiel  bi^^er  belannt  geworben  ift, 

45  nur  burd^  gelfengräber,  Äeltern  unb  Söafferleitungen  an  bie  alten  ?P^.  erinnert,  finb  un^ 
im  ^nnern  be«  Sanbe^  einige  bemcrfcnötüertere  2)cnf mäler  erhalten  geblieben.  Slnbert^alb 
©tunbcn  füböftlid^  bon  3:i;ru^  erl^cbt  fic^  neben  bem  Keinen  3)orf  hanäwi  auf  einer 
maffiben  äafi^  ein  mächtiger  ©arfoj)l^ag,  ber  einen  unregelmäßig  )[)^ramibal  geformten 
3)ectel  bon  1,50  m  ©tärfe   gu  3,60  m  Sänge  trägt.    35a^  ©anje  ift  eth>a  6'/,  m  \^od}, 

60  hinter  bem  I)enfmal  ift  eine  getüölbte  Sammer,  bie  6. 5Henan  unterfu^t  l^at,  o^ne  j^od^ 
irgenb  tücld^e  3^^^^"  ^^  Stlterö  ober  ber  Seftimmung  be^  eigentümlid^en  93auh>erfe^  gu 
finben.  6^  trug  im  5Uunbe  be^  Sollet  ^en  ^Jiamen  kabr  hairän,  an^  bem  burc^  ben 
englifd^en  entbcdtcr  ^lonro  1833  unb  anbere  habr  kiram,  b.  i.  ®rab  be^  §iram 
(be^  befannteften  Hönig^  bon  3:i;ru^,   f.  u.  ©.  299,  56)  gemacht  toorben  ift.    3)aß  ba^ 

55  35enfmal  älter  ift  afö  bie  5lömer;|eit,  leibet  leinen  3^^ifcl-  —  2luf  l^albem  ffiegc  jh)ifc^[en 
bem  kabr  hairän  unb  bem  ßl^riftcnborfe  känä,  ba^  fd^on  S3b  VI,  339,  48  ertüd^nt  ifl, 
finben  ftc^  oberhalb  be^  wädi  el-'akkab  an  ben  gelötoänben  robe  ©fulj)turen  in  me^r 
affvrifd^em  aU  ägbptifd^em  ©efd^madt,  bie  bielleic^t..bon  ben  el^emafe  in  ben  na^enStein^ 
brüd^en  befd;äftigten  §anbJocrtern  ^crrü^rcn.  —  Öftlic^)  bon  bem  3)orfe  känä  ^at  man 

00  in  bcn  oberen  Slnfängcn  be^  wädi  el-'äschür  eine  urf))rünglic^   fein  aufgeführte,  jejt 


eibonttr  287 

aber  jicmlic^  berh)ittertc  Silbl^auerarbeit  cntbcdt,  eine  ©rm)})c  bon  fünf  ^Jigurcn,  bcren 
mittlere  bon  ben  übrigen  D))fergaben  ju  em))fangen  fc^eint,  barüber  bie  geflügelte  ©onnen^ 
fc^eibe  mit  ben  Uräuöfc^langen,  baö  belannte  ägt;j)tifc^e  ©^mbol. 

3)te  Äüfte  nörblic^  bon  2^ru^  ift  bon  äl^nlic^er  Sefc^affenl^eit  U)ie  in  ber  füblid^en 
3Jä^e  ber  ©tabt:  am  3Jleere  6anb,  bann  ebener  ©oben  mit  SReften  auö  bem  ältertum  6 
1—2  km  lanbeintoärt«,  bann  bie  unterften  ©tuf en  be«  ^od^lanbe«  öon  ®aliläa  (S3b  XIV, 
570  f.),  bie  ebenfaH«  ^äufig  nod)  ®rab!ammem  unb  anbere  Bearbeitungen  be«  Reifen« 
auftoeifen.  3lx6)t  ganj  jtoei  ©tunben  nörblid^  bon  2^ru«  trifft  man  auf  bie  SKünbung 
be^  nähr  eUkäsimije,  ber  in  einem  nid^t  breiten,  aber  }iemlid^  tiefen  unb  ftar!  ge^ 
tounbenen  33ette  bie  SBafjer  ber  füblid^en  bikjf  gtoifd^en  Sibanon  unb  §ermon  bem  lo 
aRittelmecrc  jufübrt  (bgl.  ben  2lrt.  Sibanon  S3b  XI,  433, 22 ;  434,  47).  3)er  ebene 
Streifen  an  ber  Hüfte  toirb  nac^  9iorben  ju  eth)a«  f(^mäler;  bie  unteren  ©tufen  ber 
Serge  ftnb  au^erorbentlid^  reid^  an  Orablammem  öerf^iebener  3^^^^"  ""^  ^formen,  an 
i^rem  gu^e  finben  fid^  Bpnxm  ber  alten  Slömerftrafee,  auf  ber  man  nad^  bem  Iti- 
nerarium  Antonini  Aug.  in  24  röm.  9Reiten  (=  36  km)  öon  2^ru«  au«  ©ibon  er=  i6 
reichte,  unb  SReftc  bon  alten  SRofaifböben,  bie  einft  ben  ja^lreic^en  ßanb^äufem  biefer 
®egenb  jur  3'^^^  gebient  Ij^aben.  3lörblic^  bon  bem  wädi  abu'l-aswad  trägt  eine 
2^rümmerftätte  ben  Flamen  'adlün,  ben  man  burc^  ben  latcinifc^en  Sludbrucf  (mutatio) 
ad  nonum  (lapidem)  —  freilid^  im  SBiberfprud^  mit  ben  5Diafeen  be^  SBege«  jtoifd^en 
©ibon  unb  3^l9ru«  —  l^at  erllären  tooDen  (ögl.  ®u6rin,  Oalil^e  II,  472  ff.).  SBa^rfd^einlic^  20 
^at  Ij^ier  ba«  bon ©trabo  ermähnte ©täbtd^en  Drnitl^jopoli«,  eineÄolonie  ber©ibonier, 
gelegen.  6in  ©tunbe  toeiter  nac^  9lorben  trägt  ein  SSorgebirge  unb  ein3)orf  ben3iamcn 
sarafand;  ba^  ift  baö  S^^J^^^^  (^^^^-  sär«fät),  h)o  (Sliaö  bei  einer  armen  SBittoe 
fic^  auffielt  1  Äg  17, 9  f.  (ober  ©arejjta  £c  4,26),  baö  Db20  aU  lünftiger  ©renjort  ^i^raetö 
bejeid^net  toirb.  3)er  alte  Ort  lag  am  SSorgebirge  unb  bid^t  am  3Jleere,  toie  nocp  l^eute  20 
Sluinen  unb  ein  in  ben  gelfen  ge^auene^  Heiner  ^afenbafpn  betoeifen.  Später  l^at  man 
ben  Ort  an  einer  mel^r  nörblid^  unb  lanbeintoärt«  gelegenen  ©teile  aufgebaut;  bie  Äreuj« 
fairer  mad^ten  rÜ^n  ju  einem  ©ifd^of^ft^,  unb  ein  weli  el-chidr  (=  ©t.  ®eorg  =  ©lia«) 
bejeid^net  bort  l^eute  ben  SQo^nort  bed  ^rop^eten.  äJon  sarafand  an  tritt  bie  5{üfte  in 
einem  flad^en  Sogen  nad^  SBeften  jurücf.  3)ie  erften  größeren  glüffe  bom  toeftlic^en  so 
atb^ang  be«  Sibanon  öffnen  ftd^  in  breiten,  tiefen  ©infc^nitten  ju  ber  Äüftenebene,  ber 
nähr  ez-zaheränl  unb  ber  nähr  senlk.  Sei  biefem  beginnen  bie  ®ärten,  bie  immer 
ja^lreic^er  unb  fc^öner  toerben,  je  nä^er  man  ber  ©tabt  saidä,  bem  alten  ©ibon,  fommt. 
Slud^  einige  gifd^erboote  beleben  ben  ©tranb. 

3)a^  Ij^eutige  ©ibon  liegt  auf  einem  flachen,  ettoa  2— 300  m  breiten  Sorgebirge,  35 
bem  nac^  SBeften  eine  fd^male,  600  m  lange  felfige  §albinfel  borgelagert  ift.  ^fyct  nörb^ 
lic^e  $älfte  unb  bie  angrenjcnben,  in  norböftlic^er  Slid^tung  jie^enben  g^^f^nriffe  unb 
3nfeln  umfd^lie|en  ben  inneren  §af en,  beffen  9iorboftecf e  burc^  ein  Heiner  gort,  kaFat 
el-bahr,  0.  i.  bie  SReerburg,  betoac^t  toirb.  6ö  ftammt  fieser  au^  bem  3Bittelalter,  iool^l 
aud  bem  13.  ^ö^J^^w^t^^lf  ip  "lit  einigen  Ileinen  Kanonen  armiert  unb  mad^t,  obtoo^l  40 
e^  fd^on  im  SerfaQ  begriffen  ift,  jufammen  mit  ber  ad^tbogigen  Srücfe,  bie  ju  bem  füb- 
lic^  gegenüber  liegenben  g^f^^^nbe  fü^rt,  mitten  in  ben  braufenben  SBogen  einen  Iriege- 
rifd^en,  malerifd^en  ©inbruct.  hieben  ben  Sliffen  unb  ^n]dn  ftnb  bie  SRefte  bon  ge* 
mauerten  2)ämmen  fi(t^tbar,  beren  ©teine  ^ad^r  eb-3)in  ju  Sauten  in  ber  ©tabt  ^at 
bertoenben  lafjen,  fo  bafe  nun  bie  SBellcn  mit  bem,  toa«  fie  mit  ftc^  ju  fül^ren  J)flegen,  45 
unge^inbert  in  ba^  alte  §afenbecten  l^ineinfluten.  DfttüärtS  baran  fd^lofe  fid^  ber 
äußere,  offene  §afen,  ber  im  ©ommcr  al^  3lnfert)la^  benu^t  tourbe.  2)afe  ©ibon 
einen  füblic^en  (äg^jitifd^en)  §afcn  gehabt  ^abc,  ift  ein  3"^^"/  ^^"  ^ietfd^mamt 
a.  a.  D.  54  ff.  auf  ®runb  einer  Sefd^reibung  be^  2ld^ille^  latiuö  befeitigt  f)at  §ier 
fann  man,  toenigften«  toa«  bie  füb))^önijiyc^cn  ©täbte  anlangt,  ben  Unterfd^ieb  jtoif^en  00 
bem  je^igen  unb  bem  ehemaligen  3uftanbe  be^  ©tranbe^  am  fic^erften  ftubieren,  toenn 
man  fi^  enttoeber  auf  einem  Soot  an  bie  ^n\dn  unb  SRiffe  l^eranrubern  läfet  ober 
auc^  nur  auf  einem  ber  ein^eimifd^en  Süftenbam^ifcr  mit  geringem  Tiefgänge  gan^  nal^e 
an  i^nen  borbeifä^rt.  3)ie  $albinfel  meift  nod^  berfd^iebene  ©puren  babon  auf,  bafe  fte 
einft  ben  reid^en  Kaufherren  öon  ©ibon  für  i^re  3^^*^  gebient  l^at  ©ie  trägt  bie  50 
Slefte  alter  3Jlauem,  beren  ©teine  ftd^  freilid^  in  ber  garbe  nid^t  im  ®eringften  mel^r 
toon  bem  gelfen  unterfd^eiben,  auf  bem  fie  rul^en.  3tu^  ber  gerne  betrad[>tet  feigen  fie 
felbft  n>ie  ein  ©tücf  gelpad^fenen  gelfen^  au!^,  fo  täufd^enb,  ba^  man  ^u  ber  Slnna^me 
neigt,  SBoffer  unb  ffietter  ^aU  im  iaufe  ber  S^^^^wn^crte  ba«  ®eftein  fo  jemagt,  ba^ 
e^  je^t  toie  lünftlid^  gefc^ic^tct  erfc^eine.    älbcr  je  loeitcr  man  fw^  umfielt,  befto  fieserer  eo 


288  @tbo«ter 

erfennt  man  biefc  annähme  ate  eine  läufc^ung.  Auf  einer  toor  bem  ^en  im  9Jorben 
liegenben  3nfel,  bie  je^t  mit  einem  ttl)'6\)iai  £eu(t^tf euer  öerfe^  ift,  läfet  fic^  ba«  SRouer^ 
toert  mit  einer  jeben  3*^^H  augfd^Ii^enben  SJeutlid^feit  erlennen.  %ttntx  piebt  eö  an 
ber  Dftfcite  ber  §albinfel.  jtoei  rec^tedige  ßinf^nitte  in  ben  g^Ifen,  burd^  bie  fünftlic^ 

6  Safftn^  ^ergefteüt  finb,  bie  toermutlic^  bem  fog.  2eid^tert>erfel(^r  ^ben  bienen  foDen.  Äu^» 
baraue  Ipürbe  ju  fcf^Ue^en  fein,  ba^  Aauf^äufer  unb  2Barenf)}ei(^er  einft  bier  geftanben 
l^ben.  ^äl^nlici^  ift  e^  mit  ben  %cl]m,  bie  i^ru^  umgeben.  9ln  ber  9lorbfeite  biefer  Stabt, 
bor  bem  fibonifd^en  §afen,  liegen  brei  Sliffe,  bie  no^  Slefte  )Don  aJlauertoerl  tragen,  an 
ber  9brbh)eftecfe  liegt  eine  änja^I    größerer  unb  Ileinerer  ©äulen   im  SBäaffer,   ettt>a 

10  30—40  m  aufterl^alb  ber  mittelalterli^en  SRingmauer;  ba  fte  fc^toerlid^  alle  bort^in  gu= 
fammengeroUt  ober  sgefd^le))))t  h>orben  ftnb,  fo  ift  angunel^men,  baft  fte  früher  neben 
i^rem  je^igen  ^la^  geftanben  ^en,  b.  \).  aufeer^alb  ber  Slingmauer  ber  Äreugfa^er. 
©aburq  tüirb  auc^  für  St^ru«  eine  größere  Sludbel^nung  nac^  ber  ©eefeite  ju  fei^r  loa^r- 
fd^einlic^  gcmad^t.     3)afe  am  ©übranbe  alter  ©tabtboben  berloren  gegangen   in  fein 

15  f(|eint,  tourbe  fd^on  oben  ©.284  f.  gefagt.  äl^nlid^e^  ift  auc^  auf  ben  brei  ^el^ff en,  bie 
öor  ez-zlb  (f.  o.  ©.  282,  so),  ungefä^  1  km  bom  ©tranbe  entfernt,  au^  bem  3Reere 
aufragen,  ju  fe^en;  feitbem  ic^  im2Jlail904  jtoifd^en  i^nen  unb  bem  g^tlanbe  ^inbun^^ 
gefahren  bin,  jtoeifle  id^  nic^t  mel^r  baran,  bafe  auc^  auf  il^rem  SRüdfen  no(^  Stefte  toon 
^auertoerl  bor^anben  fmb.  3)ag  alte  aid^fib  tpirb,  toie  einft  Slrtoab  ©.  293,  2«,  feine  SCnfer^ 

ao  unb  £ab(^lä^e  unter  bem  ©c^u^e  jener  Kliffe  gel^abt  l^aben.  3)at)on  ift  aOed  bi$  auf 
tpinjioe  3tefte  berfd^tounben ! 

$)ie  aiu^grabungen  Slenan^  1862  ^aben  erliefen,  ba^  ftd^  ba^  p\^,  ©ibon  nad) 
Dften  ^in  um  700  m  toeiter  afe  bie  l^eutige  ©tabt  au^ebel^nt  l^t.  darüber  l^inau« 
begann  im  3lltertum  bie  ®egenb  ber  ©arten  unb  ©räber,  le^tere  namentlich  an  ben  äb= 

25  Rängen  be^  Sibanongebirge^,  bie  ^iemlid^  fteil  unb  ^oc^  au^  ber  @bene  anfteigen.  '3)en 
Safaltfarfopl^ag  be^  ÄönigS  ©fc^munajar  (mit  ^"f^rift)  fanb  man  1855  unh>eit  ber 
mughärat  ablün  (^öJ^le  be«  a))ollo?)  10  ^Minuten  füböftlic^  bon  ber  ©tabt.  I)ic 
franjöftfc^e  ®a)ebition  unter  Slenan  ^at  berfd^iebene  9leIro})olen  bon  ber  §öl^e  seijidet 
el-mantara  im  ©üboften  bi^  gu  ben  Dörfern  el-helällje  unb  el-baramlje  im  9torboften 

80  feftgefteÖt.  ^ieje  Unterfud^ungen  ber  ^angofen  veranlagten  bie  6inh)ol(^ner  bon  saidä 
gu  einem  fd^toungl^aften  Setriebe  ber  ©d^a^gräberei,  burc^  bie  in  erfter  2inie  jal^lreit^c 
)[)räd^tige  2ilejanbermün>en  ju  läge  geförbert  lourben,  bie  je^t  il^ren  ^la^  in  euro})äif(t^en 
unb  amerifanifd^en  3Kufeen  gefunbcn  baben.  2)ann  ftiefe  man  1887  unterl^alb  bc^  2)orfc^ 
el-helällje  auf  17  J)räd^tige  ji^önijifd^e  unb  gried^ifc^e  ©arfot)|^age,  unter  benen  fid^  ber 

36  be^  Äönigg  labnit,  be^  3?ater«  beö  ©fc^munagar,  unb  ber  angeblid^e  ©arg  Sllejanber^  b.  ®r. 
befanben,  beibe  je^t  im  faiferlid^en  5!Kufeum  in  Äonftantino))el.  ©eit  1900  ^at  biefe^ 
3Jlufeum  toieber  bei  ©ibon  graben  laffen  unb  u.  a.  am  nähr  el-^awall  einen  3^em)[)el 
be«  efd^mun  aufgebecft  (bgl.  Revue  Biblique  1902,  490ff.;  1903,  69ff.  410ff.-  1904, 
390  ff.  547  ff.).    Slud^  SQSafferleitungcn  au«  alter  geit  finben  ftd^;  felbft  an  ben  Duetten 

40  ber  Sibanonflüfje,  j.  8.  be«  nähr  ez-zaheränl,  l^at  man  Äanäle  in  ben  gelfen  genauen, 
um  i^r  SBaffer  nac^  ©ibon  ju  fül^rcn.  ^m  kz  ift  bon  einem  ©ro^^Sibon  bie  Siebe 
3of  11,  8:  19,  28;  biefer  äuöbrud  fommt  auc^  auf  bem  fed^^feitigen  I^ond^linber  3:a^lor« 
bor  unb  t)ai  bort  neben  fu^  „Älein=©ibon" ;  aber  biö^er  lüei^  man  nic^t,  U)ie  biefc  Untere 
fd^eibung  ju  beuten  ift. 

46  2)a«  alte  ©ibon,  'oon  bem  nad^  bem  Obigen  nur  toenig  auf  un«  gelommen  ift,  be- 
ftanb  mit  toed^fclnber  Slüte  (f.  unter  IV)  bi«  jur  ß^^rung  burc^  Slrtajerje«  Dc^u« 
348  bor  6^r.  auf  biefe«  ßreigni«  bejiel^t  fid^  toa^rfd^einlic^  bie  Älage  ^ef  23, 1—14, 
bie  burd^  35.  1.  5.  8  auf  Stbru«  gebeutet  toorben  ift.  3)oc^  blieb  ©ibon  nad^  älejanber 
unb  unter  ben  SRömern   nocp   immer  eine  bcbeutenbe  ©tabt,   toie  auc^  bie  gunbe   ber 

50  neueren  Reit  beriefen  traben,  ^aulu«  fanb  l^ier  auf  feiner  ga^rt  nac^  0tom  fc^on 
G^riftcn  Sä©  27,  3,  unb  auf  bem  Äonjil  bon  9itcäa  325  tritt  ein  Sijc^of  t)on  ©ibon  auf. 
2)od^  bcrlor  fie  mc^t  unb mel^r  an Slcid^tum  unbScbeutung ;  ben 3KueIimen  ergab  fie fic^  637,8 
ol^nc  ffiibcrftanb.  ^n  ber  ^di  ber  SEreujjüge  ift  fie  loieberl^olt  erobert  unb  neu  bef^Ö* 
lüorbcn,  ^ulc^t  burd^  Submig  IX.  tjon  granfretd^  1253.  9?ac^bem  fie  1260  bon  ben  ©d^aren 

56  ber  iDJongolen  ber^cert  fear,  fiel  fie  1291  in  bie  §änbc  be«  ©ultan«  3ReliI  etSlfc^raf, 
ber  bie  Sefeftigung^tücrfc  fd^leifen  lic^.  2)er  2)rufenfürft  Fachr  ed-Din  l^alf  i^r  im 
ainfang  bc«  17.  3al^rl;unbcrt«  tüiebcr  emj)or;  al«  §afenftabt  bon  3)ama«fu«  gelangte  fie 
j\u  Steid^tum.  Stud;  ^lE^i^ö^ioi  ^afd^a  bon  3tgVJ>t^n  förberte  fie.  1840  tourbe  bie  Heine 
$afcnfcftung  bou  ber  bcrbünbctcn  glottc  ber  europäifd^en  3Räc^tc  befd^offen.   ®ie  älteren 

CO  ©cbäube  ber  ©tabt  reichen  nid^t   über  bie  ^ni  ber  Jtreujfa^rer  hinauf.    3i^^Ii^  «"* 


@tbomtr  289 

fc^nlic^  ift  ber  %\xxm  bct  S'^öt^cH^  i»"  ©üboften  ber  ©tabt,  kaPat  el-mu'ezze  genannt, 
l^od^  auf  einem  ©c^uttl^ügeT  gelegen  unb  ba^er  il^r  SOSa^eid^en  •  in  bem  ©c^utte  lagern 
3)iengen  bon  ^urj)urmufd^eln.  $)ie  ©arten  ftnb  in  ben  legten  ^ai^tjel^nten  eine  l^errlid^e 
3ierbe  ber  ©tabt  getoorben;  fte  ^oben  faft  eine  Slu^bel^nung  U)ie  bie  \)on  ^a^a  33b  XIV, 
571, 59  unb  bringen  reid^e  ©rträge  an  Orangen,  ßjtronen,  ?ölanbeln  unb  äl^rifofen.         5 

3)ie  Heine  Sbene  um  ©ibon  erftrecft  ftc^  nad^^orben  ^ttoa  big  jum  nähr  el-'awall, 
toon  beffen  9lorbfeite  an,  ettoa  V/»  ©tunbe  öon  ber  ©tabt,  baö  ®ebiet  beiS  Sibanonbiftrift« 
(f.  S3b  XI,  437,  u)  bie  Äüfte  in  ft^  einfd^Uefet  big  furj  bor  taräbulus  =  2:ri))oIig  (f .  u.), 
mit  aiugnal^me  ber  ©tabt  beirut  unb  i^rer  näd^ften  Umgegenb.  35iefeg  Il^al  unb  bie 
toerl^ältnigmä^ig  niebrigen  5ßäffe  in  ber  9iä^e  feiner  Slnfänge  bei  el-bärük  fmb  hjol^l  10 
fd^on  im  3lltertum  ju  bem  lürjeften  SQSege  bon  ©ibon  nac^  3)amagfug  benu|t  loorben. 
3)er  %l\xi  l^iefe  bei  ben  SRömem  Softrenug,  bermutli*  nac^  einem  Orte  33oftra  (bosrä), 
toon  bem  fid^  jeboc^  fonft  feine  ©j)ur  gefunben  ^at.  2)ie  Äüfte  toirb  nun  toieber 
ftciniger;  für  eine  ßbene  am  gufte  ber  Serge,  bie  aümäl^lic^  fteiler  unb  f)ö\)^x  ftc^  er- 
geben, bleibt  fein  Slaum,  ober  ber  ©oben  ift,  fotoeit  er  fic^  nic^t  l^ebt,  mit  l^ellbraunem  15 
©anbe  bebecft,  toie  füblid^  bon  Seirut.  35er  füblid^e  %exl  ?P^.g  mit  feinen  frud^tbaren 
Äüftenebenen  ift  öorüber,  ber  mittlere  bietet  ber  Stnftebelung  toeniger  Vorteile  unb  l^at 
ba^er  im  Slltertum  nur  ©täbte  bon  geringerer  Sebeutung  getragen.  3*^if^^"  "^^^  ras 
dschedra  unb  bem  ras  ed-dämür  muffen  bie  Orte  ^latanoö  (?piatana)  unb  ^or« 
^l^l^reon  gelegen  ^aben,  bei  benen  3lntioc^ug  b.  ®r.  ben  ^elbl^erm  ^ptolemäug  IV.  20 
qS^iloj)ator,  3?ifolaog,  im  gjal^re218  bor  6^r.  beftegte  (Polyb.  V,  68  f.).  SBir  erfennen 
au^  bicjem  SSorgange,  ba^  auc^  bamate  biefe  unbequeme  Äüftenftra^e  bon  Iriegfü^renben 
beeren  benu^t  tourbe.  9lörblid^  bom  ras  ed-dämür  münbet  ber  nähr  ed-dämür,  ber 
unter  ben  9Jamen  3)amurag,  3)emarug  ober  Sam^rag  bei  ben  2llten  borfommt.  Sei 
bem  chän  el-chulde,  ber  an  bie  ,,mutatio  Heldua''  beg  ^ilgerg  bon  Sorbeau^  er- 25 
innert,  liegen  bie  SRefte  einer  auggebe^nten  ©räberftabt  ju  3:age.  ©in  toeit^in  ouffaHen« 
ber  ?Punft  an  berÄüjle  ift  bag  SSorgebirge  bon  Seirut,  ras  beirüt  genannt  (101  m).  @g 
bietet  bon  9Jorben  l^er  gefe^en  ein  pxäd)txQ^  Silb:  an  feinem  gu^e  bie  auggebel^nte, 
freunblid^e  ©tabt  Seirut  bon  mobemem  ätugfe^en;  toeiter  nad^  Dften  eine  fleine  gut 
bebaute  ßbene  (es-sfihil)  an  ben  Ufern  beg  nähr  beirüt,  beg  3Jlagorag  ber  5llten,  unb  so 
an  ber  Äüfte,  bie  bon  ber  ©j)i^e  beg  SSorgebirgeg  an  im  SBeften  ungefähr  10  km  nac^ 
Dften  jurüdftritt  unb  bie  ©übfeite  ber  fog.  ©eorggbai  bilbet;  ate  §intergrunb  bie  fteilen 
natürlichen  2!erraffen  beg  Sibanon,  unten  mit  grünen  ©arten,  fc^mucfen  Sanbl^äufem  unb 
flcinen  3)örfem  befe^t,  l^ö^er  l^inauf  nod^  einige  Slefte  ber  einft  fo  berühmten  SBälber 
tragcnb,  toä^renb  ber  la^le  fd^arfe  SRücfen  in  toei^em  ©lange,  mag  er  befd^neit  fein  ober  35 
nid^t,  toeit  auf«  3Kcer  l^inaug  ben  ©d^iffern  entgegenleud^tct.  ©0  toid^tig  ber  Ort  gegem 
toärtig  ift,  im  ^.  3lltertum  f)at  er  feine  SRoHe  gefpielt.  3)er  9iame  bebeutet  toa^rfd^einlid^ 
Srunnen  (bgl.  Seerot^  im  212  93b  IX,  577,  ög)  unb  finbet  fid^  fc^on  in  ben  'Amärna- 
Sriefen,  bie  ben  Ort  aU  ©i|  be^  ägqpti]6)m  SafaHentönig«  älmmunira  bejeid^nen  unb 
jum  ©ebiet  ber  ©ibliter,  ber  ßintoo^ner  bon  ©ebal  (f.  u.),  red^nen.  3)ie  erfte  JBlüte  40 
erlebte  bie  ©tabt  aU  römifc^e  Kolonie,  Colonia  Julia  Augusta  Felix  Berytus ;  fte 
toar  berühmt  burd^  il^re  SWed^t^fd^ule  unb  burc^  il^re  ©eibentoeberei,  bi«  fte  burd^  ba^ 
erbbeben  bon  529  ftarf  mitgenommen  tourbe.  '3)ie  jtoeite  Slüte  beginnt  mit  bem  SReic^ 
be^  flugen  2)rufenfürften  Fachr  ed-Dln  (1595—1634),  ber  ^ier  l(^au))tfäc^lid^  reftbierte. 
©eine  Serbinbungen  mit  ben  5?encjianern  unb  SJlebiceem  l^oben  ben  $anbel  ber  ©tabt  45 
mit  Quxopa  jum  ©c^aben  bon  2:ri})oli^  unb  ©ibon,  unb  bie  golgc  babon  ift  getoefen, 
ba^  Seirut  ^eute  ber  2Kittelj)unft  be«  ^anbete  unb  SSerfe^r^  an  ber  gefamten  f^ritten 
Äüfte  getoorben  ift,  bcfonberö  feitbem  e«  mit  3)amaöfuö  anfangt  burd^  bie  franjöfifc^e 
^oft,  1895  burd^  eine  ©ifenbal^n  berbunben  tourbe.  (g«  barf  aber  aud^  atö  ber  aWittel- 
)[)unlt  ber  unter  bem  Sinflu^  besf  ß^riftentumg  fte^enben  S3ilbung  in  ©^rien  bejei^net  50 
tüerben.  3)ie  amerifanifcpen  ^Preöb^terianer  legten  1823  ben  ©runb  ju  i^ren  l^erbor^: 
ragenben  a^nftalten,  bie  aufeer  berfc^iebenen  3iw0C«t>Wwl^n  i"  t)em  fog.  „College"  ein 
tl^eotogifd^e^  ©eminar,  eine  ^räj)aranbenanftalt,  ein  aftronomifd^e«  Dbferbatorium,  eine 
mebijinifd^e  ^afultät  unb  eine  35rucferci  umfaffen.  3)ie  ©t.  3iofc))^^uniberfttät  ber  ^^e^ 
fuiten  ift  mit  einer  t^eologifc^en,  mebixinifd^en  unb  orientaliftifd^en  ^afultät  au^eftattet  55 
unb  befi^t  eine  2)rucferei,  au^  ber  fcpon  bebeutenbe,  namentlich  arabifd^e  SBerfe  ^erbor* 
gegangen  ftnb.  3)er  beutfd^e  ^ßroteftanti^mu^  ift  burc^  ba«  ^reu^ifc^e  3ol^anniter^ofj)ij, 
\>\xxd)  ba«  SBaifenl^au^  unb  ^t^enfionat  ber  Saifer^mertl^er  3)iafoniJfen  unb  burd^  eine  ^rren* 
anftalt  bertreten.  35ie  britifd^-fi;rifc^e  9Kiffion  unterhält  eine  Sleil^e  bon  guten  ©^ulen, 
bie  fc^ottifc^e  aJlijfton  arbeitet  ^aui)tfäc^lici^  für  bie  ^liOm,  aWueJlimen  unb  3)rufcn.  aSer=  go 

maUdnctiUopmt  ffit  XtftoloQit  unb  mxäit.    3.  9t.  xviir.  ^9 


290  Sikonttr 

jd^iebcne  frangöftfc^c  9Jlänncrs  unb  ^aucnorben  fmb  für  bic  @rjiel(;un0  bcr  ßingcborcncn 
unb  für  Äranfcni)fleöc  t^ätig.  3)tefer  ©tfer  l}at  and)  bie  einl^cimifd^en  Äreifc  angcft)omt, 
©dualen  für  ben  Unterricht  ber  Sugcnb  ju  grünben.  S3etrut  ift  ©i^  eine«  türfifc^en 
SßJali  unb  iä^lt  titoa  120000  (gintoo^ner. 
5  Ungefähr  4  km  öftlid^  bon  S3eirut  gel^t  bie  Äüftenlinie  toieber  in  i^re  fübnörblid^e 
SRid^tung  über  unb  fül^rt  un^  balb  an  bie  3Wünbung  be«  nähr  el-kdb,  be3  $unb^ 
fluffe^,  ber  bei  ben  ©ried^en  unb  Stömem  Si^lo^  (Lycus)  l^iefe,  b.  i.  SBoIf^flu^,  unb  in 
einer  engen  ©d^lud^t  bon  bem  dschebel  sannln  (33b  XI,  433, 38.  58)  l^erabfommt. 
3)aö  ©ebtrge  tritt  unmittelbar  bis  an  baS  9)ieer  bor,  ift  aber  bennod^  feit  ben  älteften  3^iten  bon 

10  ber  Äüftenftrafee  überfd^ritten  toorben,  freilid^  in  toec^felnben  Salinen,  bie  un«  bie  ted^nif(^en 
Sortfc^ritte  in  ber  Übertoinbung  öon  natürlid^en  ßinbemiffen  fel^  lel^neic^  bor  bie  äugen 
führen.  3)ie  je^ige  3Serbinbung  öon  33eirut  naq  bem  9?orben,  ©tra^e  unb  @ifcnba|n, 
l^ält  ftd^  am  abrang  beS  SJorgebirgeS  bem  2Keere«f))iegeI  am  ndd^ften.  Dann  folgt 
ettoa  30  m  über  bem  SJeere  bie  Slömerftrafee,  bie  nac^  einer  in  ber  9läl^e  beS  S'^ff^  '"  ^^^ 

16  getetoanb  eingemeißelten  lat.  ^nfci^rift  ber  Äaifer  3Jl.  3lureliu«  3lntoninu«  um  176—180 
nad^  (Si}x.  ^at  ^erftellen  laffen.  3lod)  \)'6f)tt  finben  ftc^  brei  äg^t)tifd^e  unb  fet^  öff^ritoc 
Snfc^riften  ober  ©!ulj)turen;  fte  bezeugen  unS,  bafe  bie  auf  i^nen  genannten  i&errfcper, 
barunter  Slamfe«  II.  um  1300,  Siglattoilefer  I.  um  1140,  ©almanaffar  IL  um  850, 
©anl^erib  702  unb  2lfjarl^abbon  670,   ipre  §eere   auf  einem  biel  fteileren,  aber   leid^^ter 

20  jugänglid^en  SBege  über  biefeS  Vorgebirge  gefülj^rt  l^aben.  Sffield^e  ftegreid^en  dürften 
unb  $eerfül^rer,  toetd^e  ^a^lreid^en  ÄriegSfd^aren  ftnb  über  biefen  fc^malen  5ßfab  gebogen! 
ailejanber  b.  ®r.,  bie  Segionen  berSlömer,  bie  tobeömutigen  ©c^aren  ber  Äreujfal^rer  unb 
ber  3Ruglimen  —  fie  alle  ^aben  fc^on  öertounbert  ju  ben  ilj^nen  unbefftänblid^en  3)enf- 
mälem  ber  Sg^t)ter  unb  ber  Slff^rer  emt)orgefd^aut.    3)ie  legten  ftnb  bie  ©olbaten  ber 

26  franjöfifd^en  6|ct)ebition  öom  ^afyct  1860;  auc^  fte  ^aben  eine  eiserne  lafel  mit  3nfd^rift 
gum  (Sebäc^tniS  il^rer  Slntoefenl^eit  Ij^interlaffen.  3ln  bem  ^elfenabl^ang  be«  nörblid^^en 
glußufer«  tourben  burd^  Slrbeiter  1878  ©c^riftgeic^en  entbecft,  bie  Dr.  ÜB.  ^artmann, 
bamate  Äanjler  be«  beutfd^en  Äonfulat«,  aU  aff^rifd^^bab^lonifc^e  Äeilfd^rift  feftftellte. 
3)ie  3"f<^i^fi  if*  Pörf  bertvittert  unb  fc^toer  lesbar;  boc^  l^at  man  ben  Siamen  9lebu- 

ao  fabnc^arö  II.  bon  S3ab^lonien  crlannt.  3)ie  ßifenbal^n  fü^rt  neben  ber  ©trafee  bi«  gur 
malertfd^en  SSuc^t  bon  dschünije,  bi^  gu  bem  Orte  ma^ämilten.  9Son  Bier  ob  gie^t 
ftd^  toieber  allein  bie  alte  ©trafee  an  oer  Äüfte  l^in.  ©ic  ift  an  bem  Slorbenbe  ber 
33ud^t  in  baö  ©eftein  be^  bortretenben  ©ebirgcö  cinge^auen,  jule^t  bon  ben  Slömem, 
bie  and)  für  ?Pflafterung  geforgt  ^aben.    93ci  Strabo    l^eifet  ba^er  biefe  ©teHe  xUßiaSf 

35  b.  1^.  %x^p\>t;  in  i^rer  JJä^e  nennt  er  ben  Ort  ^Palaibl^blo«,  ber  tool^l  üYoa^  füb^ 
lieber  gelegen  ^at. 

Slnbert^alb  ©tunben  nörblid^er  eilt  ber  nähr  ibrähim,  am  enger  unb  toilbcr 
©^lud^t  l^erborlommenb,  in  baö  2Keer:  er  ift  ber  2lboni«fluß  ber  ©riechen  unb 
SRömer,  bcr  mit  bem  TO^tl^enlreife  ber  Sl^^robite  in  eigentümlid(>er  SBeife  berlnüi)ft  toar. 

40  ailiäi^rlid^  im  §erbft,  fo  ergä^lte  man,  tocnn  ba^  SBaffer  be«  ^l.  g'wffe«  fxd)  blutrot 
färbt,  erfd^allt  in  bem  naiven  S3t;blo^  (ober  ©ebaO  bie  Sotenflage  um  ba«  33erfc^h)inben 
beö  fc^önen  ©otteö,  be^  ,,§enn"  {pi}.  Slbon,  banadj)  grie^.  2lboni^);  ein  toilber  6ber  fyit 
ü}n  auf  ber  gagb  getötet,  fein  Slut  l^at  fid^  mit  bem  Ilaren  SBaffer  ber  DueHc  ber^ 
mijd^t,   ba^cr  finb  bie  äßeDen   be^  ^luffc«  blutrot  getoorben;   ^Jy^uen  unb  ^""öf'fflw^ 

4ö  \nd}Qn  nun,  gleid;fam  in  ben  ^^ufetapfen  ber  befümmcrten  ©öttin,  ben  ©cliebten ;  fte 
l^attcn  fein  I^öl^erne^  Silb  in  ben  fog.  äbonii^gärten  üerftedEt,  in  tl^önenien,  mit  ©rbc  an^ 
gefüllten  ©efägen,  bie  mit  allerlei  raf$  auf|>riefeenben  ©ämereien  befäet  unb  ben  ©tra^lcn 
ber  l;eifecn  Sonne  bor  ben  lüren  ber  Käufer  au^gefe^t  tourben;  fobalb  fte  nun  unter 
biefen  Sinnbilbern   ber  SJergänglid^fett,    ben  fc^nell  grün  geworbenen  unb  fernen  bcr: 

50  brannten  ^flanjen,  baß  Silb  bc^  ©otteig  gefunben  ^aben,  beginnen  fte  bie  fiebentägtgc 
Iraner  unb  lotenflage  mit  'Üänjen  unb  ©efängen;  aber  am  ad^ten  läge  erf(^allt  bcr 
SHuf  „aiboniö  lebt",  er  bertüanbclt  bie  3:rauer  unb  ßntl^altjamfeit  ber  grauen  in  bie 
gügellofefte  5?reube;  fte  Wollen  nun  bie  Sffionne  ber  ©öttin  barftellen,  mit  ber  fte  an  bcr 
DucHc  be*J  5l"ff^^  h^^^  erftcnmal  in  bic  2(rme  beö  ©otte^  gefunlen  toar.    3)a«  ift  un« 

65  gefä^r  bie  ©cftalt,  bie  ber  9}lv^M  ^^'^  fpäteren  ©c^riftfteHem  ber  gricdjfifc^srömifc^en  3«^ 
angenommen  i)at ;  )oon  feinem  eigentlid^en  ©inn  foQ  f)jäter  bie  Stebe  fein  (f.  ©.  298,  »»)• 
2)ic  ©öttin,  bei  ben  ^1^.  bie  Stftarte,  l^atte  i^ren  berühmten  3:em))el  neben  ber  hniffcrrcic^ 
Duelle  be^g  Jluffe^g,  bie  unter  einer  fteilen  unb  ^oben  aSanb  be^  dschebel  el-mune- 
tira  (93b  XI,  4:]:],  r.s)   au^  einer  .^öt^le   hervorbringt.     Slaufd^enb  f})ringt  bod  SEBoficr, 

00.  mit   anbcrn  ^äc^en  t^ercinigt,  bie  ©tufcn  ber  Jlalffteinfd^ic^ten  in  ba^  grünbetoad^fcnc 


Sibomtr  291 

%fyA  f)mai,  3)er  ^'6ffU  gegenüber  i^aben  ftd^  auf  einer  ^el^latte  noä)  Siefte  eined 
5Cem)[)etö  erl^alten,  ber  30  m  lang  unb  15  m  breit  toar.  33ermutlic^  fällt  er  mit  bem 
3:cmi)el  ber  33enu^  t>on  aipl^ala  (3lt)l^el)  jufammen,  ben  Äonftantin  b.  ®r.  im  4:.^af}X' 
l^unbert  gerftören  liefe;  ba«  l^eutige  ©orf  afkä  liegt  nur  15  ^Minuten  l^öl^er  ate  bie 
jQueHe.  Menan  l^at  in  ber  51%  be«  3)orfe«  el-ghlne  an  ber  ©übfeitc  be«  ^luffe«  5 
@ful))turen  gefunben,  bie  ben  %oi  bed  älboni^  burc^  einen  @ber  unb  bie  h)einenbe  ®öttin 
borfteOen  (Mission  de  Phönicie  292  ff.,  PL  XXXVIII).  3lud^  in  bem  ©lauten  be« 
Solfö  f)[)ielt  bie  „grofee  grau"  —  ba«  ift  bie  ,,$errtn"  2lftarte  —  noc^  eine  grofee  SRoIle. 
S)ie  aiboni^rö^en  blül^en  jai^rau«  jal^rein  im  3:i^ale,  unb  öon  ^txt  ju  ^di-  färben  ftd^ 
bie  aEBojfer  ber  Duelle  öon  afkä  nod^  immer  blutrot,  befonberö  im  $erbft  unb  im  grül^s  lo 
Itng,  fo  oft  ftarle  Siegengüffe  ober  ©d^neetoajler  ben  roten  ©anbftein  im  Sett  beg 
glufje«  auftüül^len  unb  infolgebeffen  burd^  feine  eifenl^altigen  SBeftanbteile  rot  gefärbt 
tocrben,  eine  ©rfc^einung,  bie  man  aud^  in  bem  naiven  nähr  fedär  Wahrgenommen  ^at. 
3)er  9Bittelj)unft  be«  3lboni«fultu«,  bie  ©tabt  S3^blo«  bei  ben  Oried^en  ober  ®e* 
bat  bei  ben  $1^.,  liegt  l'/i  ©tunben  norbtoärt^  bon  ber  ^ünbung  be^  nähr  ibrähim,  i6 
^eute  dschebeil  mit  öieDeid^t  1000  ©intDobnem.  3)ie  ©tabt  ^tte  für  ben  §anbel 
feine  33ebeutung  —  bie  größte  Sreite  be^  ^alfmi  beträgt  nur  160  m  — ,  um  fo  mel^ 
für  ben  Äultu«,  toie  fd^on  in  bem  ärt.  Oebal  Sb  VI,  385  f.  gefagt  toorben  ift  Über 
einige  neuere  gunbe  bort  f.  Rev.  Bibl.  1903,  404ff.  5E)er  meip  felfige  Äüftentoeg  fül^rt 
bann  ju  bem  ©täbtc^en  batrün,  ba«  bem  alten  33otr^«  entft)rid^t.  9ieuerbing^  ift  20 
bie  ^Reinung  aui^ef^rod^en  toorben,  ba^  bie  ©tabt  sumur,  bie  nad^  ben  ^'Amärna- 
Sriefen  ber  ämurrufürft  3lgiru  auf  feinem  3w0«  öon  3lrta  gegen  ®ebal  bebrol^t,  an 
ber  ©teile  Don  batrün  gelegen  l^abe,  ba  biefer  $unft  ben  9Beg  um  ben  ras  schakkfi 
be^errfd^t  (bod^  bgl.  u.).  9Jörblid^  öom  nähr  ed-dschöz  nämlid^  erl^ebt  ftd^  ein  breite« 
äSorgebirge  Ui  gu  200  m,  ba«  bon  ber  alten  ©tra^e  unter  93enu^ung  tleiner  S^äler  35 
burcp  eine  93tegung  lanbeinn^ärtd  umgangen  n^irb.  @«  l^ei^t  l^eute  ras  schakkfi  nac^ 
einem  naf^t  gelegenen  Orte  schakkfi  (^Robtnjon,  ^al.  III,  954)  bie  ©ried^en  nannten  ed 
&€ov  TtQÖocoTtoVf  ba«  allem  3lnf(^ein  nadp  bie  Überfe^ung  eine«  pf^,  b»n2s  ober  b«*^» 
(t>gl.  ®en  32,  31;  1  Äg  12,  25)  ift.'  SRan  l^at  berfud^t,  in  ben  Sinien  be«  Serge«  eine 
3lel^nlid^f eit  mit  einem  menfc^lid^en  @efic^t  l^erau«)|ufinben ;  aber  toa^rfc^einlid^  l^atte  ber  30 
Ort  al«  berühmte  Äultu«ftätte  ben  5Wamen  „Slntli^  ®otte«";  bafe  er  ba«  getoefen  ift, 
barauf  toeift  noc^  l^eute  ^in  bie  grofee  ^ai)l  ber  griec^ifd^en  Älöjler,  bie  auf  i$m  er* 
baut  ftnb. 

3Dltt  biefem  aSorgebirge  fc^liefet  ba«  mittlere  5p^.  ab.  3)er  9Beg  an  ber  Äüfte 
füi^rt  noc^  über  einige  fleinere  38orgebirge,  toie  enfe  („-Jlafe",  ^ebr.  q«)  unb  ras  en-  35 
natür,  neben  benen  bie  Orte  friere«  unb  ßalamo«  {l)^uU  kalamün)  lagen,  bann  aber 
in  bie  Sbene  bon  Sri)}oli«,  bie  ftd^  an  ber  ^ünbung  be«  nähr  abu  'all  ober  be« 
nähr  kadlschä  au«breitet,  ber  a\x^  ber  ®egenb  be«  alten  Sebem^ain«  bei  bscherre 
^abfommt  (bgl.  Sb  XI,  434, 10).  2Bir  öerlaffen  bamit  juglei^  ben  Sibanonbejirf  (f.  0. 
©.289,7)  unb  betreten  toieber  fold^e  3:eile  ©^rien«,  bie  bon  türfifd^en  Beamten  ber^  40 
toalUi  n>erben.  3)ie  je^ige  ©tabt  jerfäQt  in  jtoei  2:eile,  in  bie  ^afenftabt  d-minä,  bie 
an  bem  9Jorbranbe  eine«  niebrigen,  jeboc^  felftgen  Vorgebirge«  liegt,  t)on  einem  Äranji 
fleiner  3"!^"  umgeben,  bie  ben  flachen  §afen  einfd^lie^en,  unb  in  bie  eigentliche  ©tabt, 
bie  bei  ben  @intoo^nem  taräbulus  l^ei^t.  3)iefe  liegt  an  beiben  Ufern  be«  nähr  abu 
'all,  2  km  lanbeintoärt«  öon  ber  3Jlünbung  unb  3—4  km  bon  ber  ^afenftabt  entfernt, « 
mit  ber  fie  je^t  burc^  eine  Sßferbcba^n  berbunben  ift,  ju  ben  güfeen  einer  S3urg,  bie  ber 
®raf  SRa^munb  bon  ©t.  ®ile«  1104  auf  einen  SSorfj)rung  be«  ®cbirge«  (Mons  pelle- 
grinus)  bei  ber  Belagerung  ber  alten  ©tabt  erbaut  \)at  3)icfe  je^ige  ©tabt  berbanft 
i^re  ©ntftel^ung  erft  ben  3Jlu«limen,  bie  bie  frül^ere,  am  3Heer  gelegene  ©tabt  unter  bem 
©ultan  Kiläwün  1289  eroberten  unb  jerftörten.  2)ic  ©tabt  ber  ^9.  unb  ber  Äreujfal^rer  so 
^at  ol^ne  3*^^if^I  ^^  2Keere  gelegen,  ettoa  an  ber  ©teile  be«  l^eutigen  d-minä,  toirb 
jeboc^  gröfecr  getoefen  fein.  Sie  foH  näinlid^  brei  berfc^iebene  Quartiere  umfafet  l^aben, 
in  benen  bie  I^rier,  ©ibonier  unb  Slrabier  getrennt  für  ftc^  too^nten.  3"  "^^^  ^erferjeit 
)[)flegten  bie  brei  3Jlutterftäbte  nad^  2!ri)joli«  Vertreter  ju  fenben,  bie  ben  3tuftrag  l^atten, 
gemeinfame  älngelegenl^eiten  ^u  bzxattn  unb  ©treitigfeiten  )u  fd^lic^ten.  3)aburc^  erlangte  55 
bie  ©tabt  ein  po^e«  älnfel^en.  Vor  biefer  ^Ät  toirb  fie  nid^t  eriväl^nt,  toir  fennen  aud^ 
ibren  pi).  Flamen  nid^t  (bod^  bgl.  3)eli|fd^,  ^arab.  283).  2)a  in  bem  c^ronologifc^en 
Kanon  be«  ©ufebiu«  (eb.  ©(|öne  II,  80)  bie  Seficbelung  ber  „gjnfel  3lr(a)bo«''  auf  ba« 
3fl^r  761  bor  6l^r.  angeje|t  toirb,  fo  fd^liefet  man  barau«,  bafe  3^r^oli«  fpäter,  balb 
pl^er  entfkonben  fei.    ^^Sietfc^mann  a.  a.  0.  41f.   ^at  bie  Unfid^erl^eit  biefer  annähme  üo 

19* 


292  eibomtr 

mit  Sed^t  betont  unb  gctüinnt  au^  ben  alten  3lad)xxd)im  nur  baö  ©rgebni^,  bafe  '3^ri^)olte, 
eine  fefunbäre  ©d^öj)fung,  fd^toerlid^  aug  früher  3^^  ftammc.  einige  gelfengemät^er 
unb  SKauerftüde  in  el-mlnä  ftnb  bie  einzigen  SHcfte  aug  bem  Slltertum. 

3)a  bie  §öl^enjüge  be^  ßibanon  in  ber  ®egenb  be«  ras  schakkä  nac^  Dften  ab- 

B  fd^toenlen  (bgl.  S3b  XI,  434,  56),  fo  tritt  aud^  bie  Äüftenlinie  bei  taräbulus  in  einem 
flad^en  Sogen  bebeutenb  nad^  SBeften  jurüdE.  3)iefe  Sinbud^tung  \)ai  nad)  bem  nörblid^en 
SHuöIäufer  be^  ßibanon,  bem  dschebel  'akkär  (Sb  XI,  433,  40),  unb  feinem  ,§auj)torte 
ben  3?amen  dschün  'akkär,  b.  f),  Sud^t  öon  'akkär.  3)a^  ©ebirgc  ift  bebeutenb  niebriger 
unb  breiter  ate  ber  mäd^tige  Oebirg^toaH  be^  eigentlid^en  Sibanon,  ba^er  l^at  bie  fiüftc 

10  ^ier  au6)  einen  milberen  ß^arafter.  2)ag  ift  namentlich  ba  ber  goU,  too  ber  nähr  el- 
keblr,  ber  ©leut^ero«  ber  ©riechen  (banac^  bi5U)eiIen  noc^  je^t  nähr  lefterä  genannt), 
auö  bem  Zinnern  be^  Sanbe^  in  einem  offenen  3:i^al  ben  SBeg  nac^  ber  ßüfte  genommen 
bat  3)te  ßbene  an  feiner  SRünbung  ift  jiemli^  au^ebe^nt;  burd^  fie  fül^rte  ftct«  tpic 
l^cute  bie  ©tra^e  in  baö  %al  be«  Dronte^,  ju  ben  ©tobten  ßmefa  (höms)  unb  i^amat^ ; 

16  fte  tüar  jugleic^  eine  tüid^tige  Sanbeiggrenje,  ber  3w9öng  nac^  Jpamatl^  (bgl.  33b  XIV,  559,  r>6). 
3U)ifd^en  2ri})oli^  unb  bem  nähr  el-keblr  ^aben  einige  alte  ©täbte  gelegen:  am  ©üb= 
ufer  be^  nähr  el-bSrid  (Sruttu^  bei  bem  ?pilger  öon  Sorbeauj  ed.  ©e^er  p.  18) 
Drtl^ofia,  arabifd^  artüsija  (3i>$3S  III,  247)  ober  artüsi,  femer  an  ber  9iorbfeitc 
be^  nähr  'arkä  ettoaö  lanbeintoärtg  2lrfa  ober  Slrfe  (gof.  Ant.  I,  6,2),  ate  römifc^e 

20  Äolonie  Caesarea  Libani,  ber  ©eburt^ort  be^  Äaifcr«  älejanber  ©eöeru«,  l^eutc  no(^ 
teil  'arkä  (JRobinfon,  91.  93ibl.  gorfd^ungen  755).  auf  biefen  Ort  begießt  man  auä}  bie 
®xnp)p^  ber  Äanaanitcr,  bie  in  ber  SSölfertafel  Slrfiter  CPTH»  LXX  *Agovxaiog)  genannt 
tpirb.  3)er  beutfd^e  Sleifenbe  Sern^arb  Don  33reibenbad^  berül^rtc  1483  faum  Vj  SKeile, 
b.  i.  5  km,  nörblid^  )oom  nähr  '^arkä,  mithin  füblic^  )oom  l^eutigen  nähr  'akkär  einen 

26  ^lecfen  ©^n.  3)amit  ^at  man  bie  Slngabe  be«  §ieron^mu«  in  feinen  Quaestiones  in 
Genes,  ju  10, 17  berglid^en,  bafe  nid^t  t^eit  bom  Sibanon  eine  Drt^lage  noc^  ben  9iamen 
ber©tabt©ini  erhalten  Ifjabe.  2)ie  ©initerftnballcrbing^  nac^  bem  ^ufammenl^ng  ber 
©teffe  im  nörblid^en  5|il^.  ju  fud^en,  unb  bie  Äeilinfd^riften  nennen  einen  Drt  Siänu 
(^riebr.  3)eli|fd^,  ?Parab.  282)  neben  Simira  (f.  unten)  unb  'Arkä  (i)gl.  auc^  ba«  2ivra  be^ 

30  ©trabo  XVI,  755).  3*"  9Jorben  be«  nähr  el-keblr  fteigt  ber  dschebel  el-ansärije  auf, 
ber  mons  Bargylus  ber  Sateincr,  l^eutc  benannt  nad^  ber  eigentümlichen,  ^u  ben  ©c^i'itcn 

Sel^örigen  ©efte  ber  3?usairier,  bie  l^auj)tfäd^lid^  auf  biefem  ©ebirge,  aber  aud)  norbtoärt^ 
i«  in  bie  abhänge  be^  3:auru«  l^inein  too^nen.  3)er  Slücfen  be«  ©ebirge«  erlj^ebt  fic^ 
l^öd^ften«  bi«  ju  1200  m,  ift  alfo  um  2000  m  niebriger  atö  ber  Sibanon,  ebenfall«  breiter 

35  nad)  Often  l^in,  h)o  e«  jum  Orontc«  abfällt.  Sil«  feine  9lorbgrenje  barf  ber  anbere,  bei 
el-lädiklje  in«  3Keer  gcl^enbe  nähr  el-kebir  angefel^en  U)erben.  3)ie  Äüftenlanbfd^aft 
ift  im  allgemeinen  freunblid^er  unb  milber,  al«  im  mittleren  unb  füblic^en  ^\),,  and} 
grüner,  ba  bie  SBenge  be«  jä^rlid^en  3?ieberfd^lag«  nad^  Siorben  l^in  junimmt.  2)ie  Qaljl 
ber  pb.  ©täbte,  bie  toir  au«  biefer  ©egenb  fennen,  ift  ba^er  au^  auffaHenb  grofe.    3)ic 

4onäd^ftc  ift  ©im^ra  ober©imt;ro«(Ptolem.  V,  15,  4;  Plin.  V,  17),  auf  ben  äg^})tifd^en 
^nfd^riftcn  samar,  in  ben 'Amärna-Sricfen  sumur  (0.  f.  ©.291, 21),  auf  ben  aff^^rifd^en 
^nfc^riften  simirra,  too^l  ibentifc^  mit  bem  3)orfe  sumra,  ba«  toie  ärfa  lanbeintoärt« 
in  ber  dbmt  jtoifd^en  bem  nähr  el-keblr  unb  bem  nähr  el-abrasch  gelegen  ift.  9lac6 
l^toei  bi«  brei  ©tunbcn  befinben   toir  un«  in  ber  ©egenb  ber  alten  Slrabicr  unb  ftofeen 

45  bei  bem  nähr  el-kible  unb  bem  nähr  amrit  auf  eine  gro^e  Slnjalj^l  bon  ©räbem, 
Dcnfmälcrn  unb  ©cmäd^ern,  bie  enthjeber  ganj  in  ben  Reifen  genauen  ober  au«  großen 
Slöctcn  errichtet  tüorben  finb.  6«  fmb  bie  SRefte  ber  ©tabt  3Jlarat,  gried^ifc^  ÜRaratl^o«, 
bie  bon  ben  2lrabiern  gegrünbet  toorben  fein  foll.  ^thod)  fmb  in  ber  SSölIertafel  Slrla 
(ober  6ref),  ©in,  2lrt)ab  unb  ©amar  (ober  ©imir)  offenbar  al«  felbftftänbige  ©röfeen  neben^ 

50  einanber  genannt.  ^\x  2tlejanber«  be«  ©rofeen  ^eit  toar  3Maratl^o«  grofe  unb  reic^,  ftanb 
bamal«  allcrbing«  fc^on  unter  ben  2trabiern.  ©eme  Slütejeit  toürbe  bemnad^  toa^c^einlic^ 
in  bie  3eit  ber  'ißerfer^errfd^aft  fallen,  ß«  fd^eint  in  ben  Ääm))fen  am  6nbe  be«  ©eleuciben^ 
rcid^«  jerftört  Sorben  gu  fein,  ©in  bemerfen«h)erte«  ©robmal  ift  ber  burdsch  el-bezzäk, 
„ber  ©d^ncdenturm",    füblid^  öon  bem  nähr  el-kible,  ein  bicredRge«  ÜRauertocrl  t)on 

66  11  m  §öl^e,  au«  gut  bcl^auenen  anfel^nlic^en  33lödEen  jufammengefügt,  ba«  jiüei  ©emäc^er 
übereinanber  umfd^Iicfet,  in  bie  bie  Scid^cn  burd^  jtüei  fd^male  ßinläffe  ^ineingefc^obcn 
toerben  tonnten;  tüo^l  al«  fünftlic^er  ßrfa$  eine«  gelfengrabe«  gebac^t  2)en  Sttfc^lufe 
l^at  öermutlid^  ein  )jt?ramibcnartigcr  Slufbau  gcbilbct,  ber  je^t  jerftört  ift.  9lörblic^  t)om 
nähr  el-kible,  untüeit  ber  fog.  ©df^langenquette  ('ain  el-haijät),  fte^en  ettoa«  erl^öl^t  bie 

fo  merftoürbigen  „©^jinbeln",  arab.  el-maghäzil,    ebenfaH«  ©rabbenimäler,  bie  iebod^  i^ 


@tbonter  293 

Scid^enfammetn  neben  ftd^  i^abcn.  2luf  einem  breiten  ^iebeftal  ergeben  fic^  monolit^ifd^e 
Slöcfe  ober  ß^Iinber  (2—4  m  l^oc^),  bie  öon  |)l9ramibenförmi0en  ober  oben  gerunbeten 
Slöcfen  gehont  ftnb.  9iörbUci^  bon  biefen  ©rabmälern  ftel^t  ein  au^  bem  Reifen  ge^auene^ 
$au^,  beffen  SJront  30  m  lang,  beffen  SBänbe  ungefäl^r  6  m  l^od^  unb  80  cm  biet  ftnb. 
3)a«  gnnere  pat  brei  (Semädber,  beren  SDSänbc  ebenfalls  auö  bem  anfte^enben  gclfen  auö«  6 
gcfj)art  ftnb.  9iur  an  ber  9Jorb=  unb  ©übfeitc  be«  §aufe^  i}ai  man  mit  93au[teinen 
nad^gej^olfen.  ©üblid^  bom  nähr  amrlt  befinbet  ftd^  ein  großer  in  ben  Reifen  gel^auener 
$of,  in  beffen  SWitte  ein  gewaltiger  3Q3ürfel  au^efj)art  ift,  3  m  \)od)  unb  5,50  m  im 
©et)iert,  ber  eine  gebedftc,  nac^  9Jorben  offene  ßella  trägt.  3)ie  älraber  nennen  il^n  el- 
ma'bad,  ben  ^ultu^ort;  fte  ^aben  bie  Seftimmung  be«  §ofe«  ju  einem  Heiligtum  rid^tig  lo 
geal^nt.  3ln  bem  Siorbufer  be^  Meinen  ?fluffe^  ftnb  Slefte  öon  äJ^nlid^en  Heiligtümern, 
foloie  eine  2lrena  bon  125  m  Sänge  unb  30  m  S3reite,  teite  in  ben  Reifen  gel^aucn,  teilö 
auö  Duabem  aufgebaut,  nac^  Dften  burd^  ein  2lmj)l^it^eater  abgefd^loffen. 

eine  ©tunbe   nörblid^er    liegt   am  ©tranbe  tartüs,    Slortofa    beg  ^Mittelalter^, 
3tntarabu^be«  Slltertum^.    3^iW^w  amnt  unb  tartüs  l^at  nac^  ©trabo  bie  pi),  ©tabt  i5 
ön^bra  (6nl(^V^ra)  gelegen,  öon  ber  big  je^t  feine  ©puren  gefunben  toorben  ftnb.  änta« 
rabug  toirb  erft  öon  ^ptolemäu^  im  ^Weiten  ^ja^rl^unbert  nac^  6^r.  ertoä^nt  unb  fommt 
ba^er  für  bie  ?P^.  nid^t  tnSetrad^t.    ©er  aKittel))unIt  ber^^.  an  biefem  2:eile  ber  Äüfte 
tvax  tpieber  eine  3jnfelftabt,  nämlic^  Slrabu«,  Ij^ebr.  3lri)ab  ei27,  8.  11,  in  ben^Amärna- 
Sriefen  ärtoaba  (über  bie  ägt;))tifd^e  gorm  tjgl.  SQ3.  3Kaj  ÜKülIer  a.  a.  D.  186),    l^eute  20 
ru'äd  ober  arwäd.  ©ie  liegt  ber  Äüfte  jtoifd^en  amrit  unb  tartus  in  einer  ©n^emung 
t)on  3  km  gegenüber  unb  toirb  bon  bem  (enteren  Drte  auö  burd^  Sluberboot  in  einer 
Ileinen  ©tunbe  erreicht,    ©ie  beftel^t  aug  einem  gelfen  öon  unregelmäßiger  gorm,   ber 
ettpa  800  m  lana  unb  500  m  breit  ift.  3)ie  5P^.  j^aben  bie  Äante  be«  ^elfenö  fenlrec^t 
bel^auen  unb   auf  i^ren  SRanb  eine  3Mauer  au^  mäd^tigen  Duabem  gefegt,    ©ie  umjog  26 
einft  bie  ganje  ^n\ü,  mit  Slu^na^me  ber  Dftfeite,  auf  ber  ber  Heine  §afen  fic^  au^bei^nte. 
3im  SBeften  jic^t  nod^  ein  ©tücf,  baö  9—12  m  l^oc^  ift  unb  Slöde  Don  3  m  §öl^e  unb 
d— 5  m  Sänge  enti^ält.    ©onft  ift  t>on  ben  alten  Käufern,  bie  nac^  ©trabo«  Angabe 
toiele  ©todftoerfe  l^od^  toaren,  nid^t«  me^r  übrig  geblieben.    35ie  33aufteine  ftnb  toal^rs 
fc^einlic^  nad^  anberen  Drten  berfc^ifft  unb  bort  toieber  bertoertet  toorben.   9Jur  ßiftemen  so 
unb  gelfengemät^er  finben  ftd^  jal^lreid^  im  ©oben,  aud^  einige  ©tüde  bon  ©ranitfäulen 
liegen  in  ber  9?ä^e   be«  Ufer«.    Sluf  bem   l^öd^ften  ^ßunfte  ber  ^n]ü  ftelj^t  ein  ©d^lofe 
an^  faracenifd^er  ^^xt;   bie  je^igcn  S3etool^ner  öon  ru^äd,  titoa  2—3000,  fte^en  in  bem 
SRufe,  tüd^tige  ©c^iffer  ju  fem  (gj  27,  8),  unb  treiben  ©d^toammfifd^erei.     2lrh)ab   hjirb 
fc^on  um  1500  bei  ben  äg^ptifc^en  Ärieg^jügen  ate  eine  ©tabt  be«  pf).  Sanbe«  ertoä^ntsö 
(2B.  3BaE  SKütter  180);   a:^iglat^j)ilefer  I.  befäl^rt  mit   artoabifd^en  ©d^iffen  ba«  große 
aJieer.    ©j)äter  toirb  Slrtoab  toieberl^olt  in  ben  aff^rifd^en  ^nfd^riften  al«  ein  Drt  „mitten 
im  3Keer"  ertoä^nt.   ©eine  S3ch)o^ner  toaren  ba^er,  äj^nlid^  toie  bie  be«  alten  SEt;ru«,  in 
öielen  3)ingen  öom  gefilanbe  abhängig,  5.  33.  in   frijd^em  SBaffer,  ba«  fic^  bie  reichen 
Seute  je^t  täglich  in  Ärügen  öom  ^eftlanbe  jufü^ren  laffen,  in  §ol}  unb  Lebensmitteln.  40 
©trabo  (XVI,  754)  u.  a.  erjä^len,  baß  fte  ba«  SQSaffer  einer  fußen  Duelle  im  3Keer 
ghjifc^en  ü^rer  ^n\A  unb  bem  geftlanbe  burd^   einen  au«  Slei  Verfertigten  TOantel,  ber, 
über  bie  Duelle  geftülj)t,  al«  §eber  biente,   unb  burd^  einen  lebemen  ©d^lauc^  au«  ber 
liefe  be«  3Weere«  ju  fd^öj)fen  öerftanben.    3)a«  ift  ba«felbe  Serfal^ren,  ba«  für  bie  jjaffung 
ber  Duellen  bei  S^ru«  nad^  ©.  283, 52  angetoenbet  tourbe.    ^^U  giebt  e«  folc^e  fubmarine  45 
Duetten  in  ber  9iä^e  öon  2:ortofa  unb  norbtoärt«.  3)er  näd^fte  §afen  am  ^eftlanbe  bon 
Slrtoab  au«  toar  Äarne  ober  Äarno«,  l^eute  karnün,  eine  ©tunbe  nörblic^  t>on  tartüs,. 
Wo  nod^  SRefte  Von  alten  Sefeftigungen   bor^anben  ftnb.    3lnbere   gu  3lrtoab  gered^nete 
^afenftäbte  be«  nörblic^en  ?P^.  finb  Salania«  ober  aud^  £eu!a«  (Rev.  Bibl.  1904, 572ff.), 
im  3)littelalter  ein  ©i$  ber  Si^^onniterritter  namen«   3Salania,    ^eute  bänijäs,   femer  so 
?Jalto«,  ^tuk  beide,  unb  ©abala,  l^eute  dseheble. 

®«  ift  nid^t  toa^rfc^cinlid^,  baß  bie  Seöölferung  biefe«  nörblid^en  Äüftenftrid^«  eine 
gefc^loffme  pf).  toar,  ober  baß  barübcr  ^inau«  noc^  ^i).  il^re  eigentlitf^e  §eimat  gehabt 
^bm.  ©inigc  $afenftäbte  auc^  be«  nörblid^ften  ©^rten«  freilid^  toerbm  i^nen  jugefd^rieben. 
Db  ba«  für  ßaobicea,  ba«  ©eleucu«  I.  5Jifator  (312—282)  feiner  S'Jutter  Saobice  5U  b5 
6|ren  fo  genannt  ^aben  fott,  zutrifft,  ift  fd^on  oben  ©.  283, 1  bef))roc^en  toorben.  §eute 
l^eißt  ber  Drt  el-lädikije  (lädklje).  3lnber  9iorboftfeite  be«  Vorgebirge«  ras  ibn  häni 
lag  ein  ^eracleia,' beffen  9iame  pf}.  anmutet,  unb  betreff«  ber  ©tabt  Sl^ofu«,  ^eutc 
arsüz,  tm  9?orben  be«  Promontorium  rhosicum  (ras  el-chanzir),  fott?ie  über 
9)l^rianbro«  (5)J^rianbo«)  Ijahcn  Wxx  bie  au«brü(flid^e  Angabe,  baß  fie  in  ben  §änben  eo 


294  @tbo«ttr 

bct  ^\).  öctocfen  ftnb.  3)iefer  le^itcrc  Ort  toor  ber  Sorgänger  be«  l^cuttgm  aicjanbrettc 
ober  iskenderün,  f)at  ober  toiellrid^t  cttoa«  fübltc^er  flclegen  (t>gL  Slitter  a.  a.  D.  XVII, 
2,  1815  f.). 

IL  9Jame  unb  §crf unf t  bcr  ^l(^.    2)er  5Rame  ^1^.  ge^t  auf  btc  ©ried^cn  ^urüd, 

5  *omf,  ^olvixeg;  fo  fc^on  bei  ^orner  (Od.  14,  288;  15,  41f9),  aud)  bei  ^crob.  I, 
1—8  2C.  ®abon  ift  abgeleitet  ber  3lame  be«  2anbe«  ^oivUrj  (Od.  4,  83;  14,291; 
.§erob.  II,  44  ff.),  Phoenice;  bie  gorm  Phoenicia  ift  jünger.  2öelc^en  ©inn  biefc 
Senennung  ^abe,  ift  öielfac^  erörtert  toorben.  2)er  geleierte  ©rjbifc^of  euftat^iuö  t)on 
%l}^alonx6^  im  12.  ^al^i^unbert  bertritt  ju  Dionys.  Perieg.  912  bie  SReinung,   bafe 

10  0oTviS  bon  (jpoivög  =  ioy^Qog  l^erlomme,  alfo  ben  roten  ober  rötlidj^sbraunen  SKenfc^en 
bebeute.  Ru,  il^rer  S3eftätigung  läfet  fxd)  anfül^ren,  bafe  ber  SBäortfiamm  toon  (poivdg  unb 
*o?v«f  offenbar  in  Poenus,  „^unier,"  toieberfel^,  in  einer  »ejeic^nung,  bie  bie 
italienifd^cn  ©tämme  toermutlic^  bon  ben  ©riechen  in  ©übitalien  ober  in  ©ijilien  für 
bie  Selj^errfd^er  9?orbafrifa«  übernommen  Ij^aben.    SJaburt^  toirb  ^uj)tfäc^lic^  bie  Deutung 

15  au^efd^Ioffen,  bie  SBober«  leblj^aft  bertreten  f)at,  ba^  nämlid^  0oiv(xtj  nid^t  bon  0oZvi^, 
„bcr  5ßl^.",  fonbem  bon  qxHvii^,  „bie  2)attellialme",  l^erfomme  unb  ^oivixtj  ba«  „Sanb 
ber  3)attel))alme"  bebeute;  au«  bem  5lamen  bed  Sanbe«  foH  bann  erft  0oTviS  afe  Sflamc 
ber  Setoo^ner  abgeleitet  (!)  fein.  3)iefe  3)eutung  l^at  burd^fd^lagenbe  fjjra^Ud^e  Sebenfen 
gegen  f\d)  unb  grünbet  ftd^   auf  bie  irrtümlid^e  3Sorau«fe|ung,  ba^  ?P^.  ba«  Sanb  ber 

20  Dattelpalme  fei.  ^n  bem  eigentlichen  ^1^.  ift  ber  Saum  nur  bereinjelt  bertreten;  einen 
Ileinen  ^almen^ain  giebt  e«  bei  Haifa,  nörblic^  barüber  l^inau«  l^abe  ic^  einen  fold^en 
nidbt  gefeiten,  ^n  Haifa  toerben  bie  35atteln  nod^  reif,  aber  fie  ftnb  für  ben  §anbel 
nic^t  gut  genug.  3ln  ben  nörblic^eren  Äüftenorten  ftel^t  e«  mit  ben  Datteln  ettoa  n>ic 
mit  bem  SSein  in  ©d^lefien  ober  Dftjjreufeen.    6«  ift  alfo   nic^t  gut  benttar,   ba^  man 

25  baiS  Sanb  unb  bie  SBetool^ner  nad^  einer  grudbt  benannt  l^aben  follte,  bie  bort  gar  nic^t 
reif  toirb.  Die  ßrllärung  an^  bem  ägVl[)tif(9en  Fenchu  ift  bon  SB.  3Ka£  SJlüDer  a.  a.  D. 
208—212  böllig  toiberleat  toorben.  Über^au^)t  ift  e«  fel^  untoal^rf(^einlid(^,  ba^  bie  $^. 
in  il^rem  frül^eften  93erfel^  mit  ben  ©ried^en  ein  äg^^tif^e«  SBort  benu|t  ^aben  follten, 
um  über  fid^  felbft  3lugfagen  ju  mad^en.    Diefe  ©rtoögung  trifft  jum  %6l  aud)  bie  Ser- 

9ofud^e,  bie  D.  3Kel^er  in  feiner  ©efd^id^te  ber  Äartl^ager  I  (1879),  ©.  5  f.  unb  31.  $. 
©at;ce  in  The  Ancient  Empires  of  The  East  (1883),  ©.  406  jur  ©rflärung  be^ 
9lamen«  gemacht  l^aben.  Die  'ilggpUx  nennen  um  1500  bie  )p\),  Äüfte  3al^i,  3a^e,  ba« 
Sanb  mit  ben  ©tobten  bon  3lrtoab  im  9lorben  an  bi«  in  bie  ©egenb  bon  SlRo  im 
©üben;  toie  ber  9Jame  ju  beuten  ift,  bleibt  bunfel  (2B.  3Jlaj  ^üDer  a.  a.  D.  176 ff.). 

86§ür  bie  Sab^lonier  gehört  5ßl^.  ju  bem  Sanbe  ätmurru;  bgl.  barüber  ben  3[rt.  ^läftina 
Sb  XIV,  561.  aSon  I^iglat^^^ilefer  III.  an  toirb  für  ©l^rien  unb  ^aläftina  neben  bem 
älteren  aiuöbrudf  aud^  „Sanb  Haiti"  gebrandet,  toeil  e«  al«  ben  Haiti  ober  ben  ^etbitern 
entriffen  angefe^en  tourbe  (bgl.  ben  3lrt.  Ranaan  93b  IX,  737  f.).  ©in  befonbcrer  9iame 
für  $^.  finbet  ftc^  nic^t. 

40  auf  bie  ^Jrage,  toie  bie  ^^.  ftc^  felbft  genannt  ^aben,  geben  \päU  gried^ifc^e  ©c^rift-- 
fteller,  tote  au^  ?p]^ilo  bon  93i;blo^  (um  100  nac^  6l^r.)  bie  2lnth)ort:  Äanaaniter.  Die 
33elcge  bafür  finb  in  bem  3lrt.  Ranaan  93b  IX,  732  f.  angeführt,  too  aud^  ber  BpraA- 
gebraud^  ber  ägb))tifd^en  gnf^j^'^^ftcn  unb  ber 'Amärna=93riefe  l^inftc^tlic^  biefc«  Sanbe ^^ 
namens   befJ)rod9cn  toorben   ift.    §ier  läfet  fic^   ^injufügcn  ber  SSerloei^  auf  bie  oben 

45  ©.  283, 1  befj)rod^encn  ^Künge  bon  Saobicea  unb  auf  bie  2lngabe  äluguftin«,  baf;  [\i} 
noc^  ju  feiner  ^dt  bie  93auern  in  bem  ehemaligen  ©ebiet  bon  Äartl^ago  ate  ßl^anani, 
b.  i).  aU  äanaaniter,  bejeicbnet  bätten.  ^^n  ber  aSölfertafel  (f.  b.  ärt.)  toirb  ©ibon,  b.  b. 
baö  aSolf  ber  ©.  =  ^l^.,  al^  ber  ßrftgcborene  Äanaan«,  ate  ber  mäd^tigfte  unter  feinen 
9[kübcnt  bcjcid^net  (©cn.  10, 17).  2lber  bamit  ^aben  toir  nur  bie3lu«fage  bor  un«,  bafe  bie 

60^^.  iu  bem  Sanbe  ßanaan  gehören;  ctl^nograJ)l^ifd^e  93cbeutung  ^at  fie  nic^t.  SBenn 
baö  212  an  mebreren  ©tcDcn  (f.  93b  IX,  736,  g)  ben  Sluöbrucf  Äanaaniter  in  bem  ©inne 
bon  Kaufmann,  Ärcimer  gebrandet,  fo  entl^ält  baö  getoife  eine  3lnf))ielung  auf  bie  ^1^.; 
aber  bie  gragc  t^rer  Slbftamnmng  mirb  bamit  nid^t  berührt.  SBie  einerfeitä  ber  Bpiad^- 
gebrauch  bcr  3[?ölfcrtafcl,  anbcrcrfcitg  bie  Slcbetocifc  §omcr«  bermuten  läfet,  l^aben  fic^  bie 

55  ^4$^.  felbft  in  bcr  Siegel  nad^  il^rer  58aterftabt  benannt,  alfo  ©ibonier,  3:^er,  ärabier. 
Den  'JJamcn  bcr  angefcl^cnftcn  unb  mäd;tigften  ©tabt,  ber  am  ^äufigften  genannt  tourbe, 
l^abcn  bann  au^tüärtigc  isolier  gctoä^lt,  um  bie  5ji^.  überlf^aupt  bamit  gu  bejeic^nen. 
Dal^cr  ift  im  21X  bcr  5iame  „©ibon"  unb  „©ibonier",  ioenn  nic^t  ber  ßwföJnn^cn^ng 
beutlid)  auf  bie  ©tabt  ©.  unb  ibre  93etD0^ncr  bintoeift,  toie  j.93.  ©en  10, 19;  9ffi  1,  31; 

60  2  ©a  24,  ü;  1  %  17,  9  (bgl.  Sc  4,  26);  ^ef  23,  2.  1.  12;  ßj  28,  21  f.,  ftetd  bon  ^. 


Gibomtr  295 

unb  ben^i^.  überl^uj)!  ^^u  öerfte^en ©t  1:3,9;  3ofl3,  1.6;  9li3,3;  10,12;  18,7.28; 
1  Ä0  5,  6  (20);  11,33;  16,  31 ;  (gj  32,  30;  fibonifd^  1  Äfl  11, 1  bebeutet  ba^er  p^önijtfd^. 
2)a«  ift  ber  &pxad^^Axa\xi^,  ben  bie  Sl^^öeliten  im  Sanbe  borfanben  unb  fortfei^ten.  @r 
f)at  jur  nottoenbigen  3!5oraugfe^ung,  bafe  ©ibon  jur  3eit  feiner  ®ntftc^una  bie  anflefelj^enfte 
unb  mäc^tiflfte  ©tabt  ber  $9.  getoefen  iji.  SBSir  ftnoen  i^n  ebenjo,  toie  fd^on  «efagt,  bei  5 
§omer,  bei  griec^ifcl^en  unb  felbft  römifd^en  2)id^tem,  bie  bamit  o^ne  3*^^m^'  ^i"  ^^' 
rülj^mte«  SSorbilb  nac^a^men  tooHen.  ^n  ber  ^erfergeit  ge^t  biefer  Sprachgebrauch  alls 
mä^lid^  öerloren.  5We^  13, 16  toerben  bie  pf).  $änbler  in  gerufalem  2:^rier  genannt. 
$erobot  gebraucht  ^1^.  im  allgemeinen,  ©ibonier  fmb  il^m  bie  Setoo^ner  ber  ©tabt  ©.,  Syrier 
bie  Setoo^ner  ber  ©tabt  %,  3n  jungen  ©teilen  be«  312:,  toie  ^oel  4,  4;  ©ac^9,  2  — 10 
toielleic^t  fmb  auc^  3er  25,22;  27,3;  47,4  fo  ju  beurteilen  —  femer  1  3»al  5, 15 
unb  im  9M  gjlc  3,  8;  7,  24.  31;  3Jlt  11,  21  f.;  15,  21;  2c  6, 17;  21®  12,  20  tritt  bie 
formell^afte  SSerbinbung  „Slbruö  unb  ©ibon"  auf,  um  bie  $1^.  überl^uj)t  ju  bejeid^nen; 
l^ier  fte^t  alfo  3:^ru^  an  crfter  ©teile. 

3Roberö  l^at  bie  3Weinung  bertreten,  bafe  bie  ^^.  in  il^rem  ©ebiete  \)pn  3lnfang  an  16 
j^eimifd^  getoefen  toären.  ©r  beruft  ftd^  barauf,  bafe  nac^  angeblid^  pf).  Überlieferungen 
bie  ^f),  felbft  fo  bon  fid^  gebac^t  Ratten,  aber  ba«  älter  unb  bie  S^berläffigleit  biefer 
Angaben  ftnb  fe^r  unftc^er;  fie  totirben  aufeerbem  nur  betoeifen,  bafe  bie  $1^.  in  ber 
l^eHeniftifd^en  ^üt  unb  fpäter  biefe  Slnfc^auung  über  i^re  3Sergangenl(^eit  gei^obt  ^aben. 
Sie  erjäl^Ien  babon,  ba^  bie  ©ottl^eiten  ber  ©täbte,  benen  biefe  ibre  ©rtinbung  ju  ber«  20 
banlen  Ratten,  an  biefen  Orten  urf))rtinglic^  ju  $aufe  feien,  bafe  jte  ^ier  auf  ©rben  ge« 
toanbelt  toären  unb  bie  erften  3Wenfc^en,  bor  aüm  bie  ©tammbäter  ber  ^i).  gefc^affen 
hätten.  3)iefe  Slngaben  jeugen  getoife  bon  einem  l^ol^en  älter  ber  p\).  9lieberlafjungen, 
aber  fie  betoeifen  junäd^ft  nur,  baft  ftd^  bie  ?pi^.  felbft  einen  Zeitraum,  in  bem  biefe  nod^ 
nid^t  borl^anben  Uraren,  nic^t  mel^r  borfteHen  fonnten.  Um  über  bie  grage  ber  §erfunft  25 
ber  ^f).  einen  fic^ereren  33oben  ju  gewinnen,  mufe  man  fid^  baran  erinnern,  bafe  bie 
Setüol^ner  ber  j)!^.  Äüfte  bon  ber  älteren,  bori^raelitifd^en  Seböllerung  Äanaan«  nid^t  ge^ 
trennt  toerben  lönnen.  SQ3a«  fte  mit  biefen  feft  berbinbet,  ift  bor  aHem  bie  ^^atfadje, 
ba^  i^re  ©J>rac^e  eine  gemeinsame  toar.  SBir  fennen  bie  ))b.  Bpxad)t  gegenwärtig  au« 
ben  belannt  geworbenen  ^nfcbriften,  au«  ben  j)^.  ßigennamen,  au^  einzelnen  SBSörtem,  bie  so 
©ried^en  unb  SHömer  geleaentlid^  anfül^ren,  unb  au^  ben  ©ä|en,  bie  ^lautu«  in  feiner 
Äomöbie  Poenulus  ben  Äart^ager  ^anno  fbred^en  lä^t.  Obgleich  biefe  ^Kittel  nid^t  gcs 
nügen,  ju  einer  Wirllic^en  Äenntni«  ber  p\).  ©prad^e  ju  gelangen,  fo  geben  fte  bocj^ 
barüber  bolle  ©etoife^eit,  ba^  i^re  Bpxa6)t  mit  ber  „©J)rad^e  Äanaan«"  g^f  19, 18,  b.  i. 
mit  ber  „^ebräifd^en",  im  toefentlid^en  jufammenfiel,  fid^  bon  i^r  ettoa  U)ie  eine  ^JKunbart  86 
bon  ber  anberen  unterfd^ieb  (bgl.  S3b  IX,  734, 53).  SJamit  ift  für  bie  gefd^id^tlid^en  Reiten 
fui^ergeftellt,  bafe  bie  ^f},  mit  ben  übrigen  33eh)o^nem  Äanaan«  f))rad^lic^  eine  ©ml^eit 
gebilbet  l^aben.  6«  ift  barum  freiließ  nid^t  nottocnbig,  an  eine  gemeinsame  äbftammung 
;u  benfen,  ba  ein  2:eil  ja  eine  ©j)rac^enänberung  borgenommen  I^aben  tonnte;  aber  biefe 
annähme  liegt  bod^  na^^,  jumal  toenn  e«  an  entgegenfte^enben  ^eben!en  fel^lt.  3Ran4o 
iDtrb  nun  angefid^t«  ber  natürlichen  äSefc^affenl^eit  Kanaan«  ben  3ufammen^ang  jtoifc^en 
ben  Setoo^nem  ber  Äüfte  unb  benen  bc«  Sinnenlanbc«  nid^t  fo  auffaffen  bürfen,  al«  ob 
bie  Setüo^ner  ber  Äüfte  bon  bort  au«  ba«  Ser^lanb  ^aläftina«  befe^t  l^ätten.  3)a« 
S5eif))iel  ber  ^^ilifter  barf  man  bafür  nic^t  ^eranjtel^en ;  benn  bie  ^P^ilifter  toaren  ein 
^erborragenb  megerifd^e«  SSolf,  unb  bie  Serge  ^aläftina«,  in  bie  fie  fd^lie^lic^  boA  nid^t  46 
einbrangen,  toaren  für  fie  ba«  unmittelbare  $interlanb;  e«  bebarf  feiner  äu«fül9rung, 
ba^  nac^  beiben  ©eiten  l^in  bie  ©ac^c  für  bie  551^.  anber«  lag.  3)ann  toirb  man  ben 
umgef eierten  %a\l  in«  2luge  f äffen  muffen:  bieÄüjte  ift  bon  bem  füblic^en  Serglanbe  au« 
befe^t  toorben.  Da«  toürbe  in  ber  %\)at  ber  SRid^tung  entfj)red^en,  in  ber  fic^  bie  33öller 
unb  ©tämme  be«  füblid^en  ©^rien«  bortoiegenb  betüegt  ju  ^abm  fc^einen,  ber  SHic^tung  so 
bon  Dften  nad^  SBeften,  au«  ber  SQSüfte  nac^  bem  Serglanbe  unb  an  bie  Äüfte  l^inob. 
3)ie  anbere  ©trömung  bon  SJorben  nad^  ©üben,  bie  baneben  ftd^  geltenb  mad^^t  —  id^ 
benfe  an  bie  Slmoriter,  an  bie  3>turäer  unb  3)rufen  —  tritt  entfc^ieben  fc^toäd^cr  auf 
unb  f ommt  fc^on  im  nörblic^en  $aläftina  jum  ©tißftanb ;  für  fte  ift  ba«  ®ebirge  SKtttet 
ftorien«  bon  großer  Sebeutung.  Cb  jtoifcfjcn  beffen  Setoo^nem  unb  ben  5P^.  an  ber  55 
Äüfte  ein  ^wfammen^ang  beftanben  i)at  unb  toelc^er  3lrt  er  getoefen  fei,  liegt  im  3)unfeln. 
S)a  fic^  aber  ein  folc^er  jh)ifd^cn  ben  alten  33eh)o^nem  be«  füblid^en  ©^rien«  unb  ben 
^^.  ^erau«geftellt  l^at,  fo  ift  anjune^mcn,  bafe  bie  pl).  Äüftenftäbte  bon  ©üben  ber  bc^ 
fiebelt  h>orben  fmb  unb  il^ren  Ärci«  mel^r  unb  mel^r  nad^  5Rorben  l^in  au«gebe^nt  l)abcn. 
3)ie  Slnttport  auf  bie  ^age,  ob  bie  ^1^.  in  ©t;rien  über^au^)t  ein^eimifc^  ftnb  ober  nicf^t,  ro 


296  eikonter 

ift  bälget  nic^t  gu  trennen  t)on  ber  Weiteren  %xaQt,  ob  bic  boriöraeKtifc^e  53ct)öKerung 
Äanaan«  atö  einJ^cimifd^  ^u  bctrad^tcn  tft  ober  nic^t.  B^^^c^ft  fmb  j^toei  eingaben  au^ 
bem  ailtertum  m  bcrüdfid^tigen.  a)ie  eine  finbet  fic^  Jperob.  1, 1 ;  VII,  80  unb  lautet 
bal^in,  ba^  bie  ^if}.  el^emate  an  bem  (gr^t^räifc^en  3Jleer  getüolj^nt  Ratten  unb  bon  ba  an^ 

5  quer  burd;  Sorten  nad^  il^ren  je^iöcn  ©eftabcn  geloanbert  tüären.  i)k  Sejetd^nung  bcr  e^c= 
maligen  ^eimat  ber  ^^.  ift  freilid^  jei^r  ungenau;  benn §erobot  benft  fic^  ba^  ©rtit^täifc^e 
SDieer  in  einer  3tuöbel^nung  bom  perjifd^en  3Keerbufen  biö  jum  ^ft^mu^  bon  ©uej  al^  tJaraDel 
^jum  5RitteImeere;  aber  man  barf  bod^  im  aHgemeinen  an  Arabien  benfcn.  2)ic  anbere 
fte^t  bei  ^uftin  XVIII,  3,  2  f.  unb  melbet  (nad^  ^ontj)ciu«  3:togug),   bafe  ba^   :5Bol! 

10  ber  I^rier  bon  ^1^.  abftammc,  bie  urfprünglic^  ad  Syrium  stagnum  (fo  ift  ^u  lefcn) 
gctool^nt,  bann  aber  am  ©eftabe  bc^  3KitteImeere«  bie  ©tabt  ©ibon  (=  „gif^")  gc= 
grünbet  Ratten.  Unter  Syrium  stagnum  ift  too^l  fidler  ba^  lote  3Keer  gu  Derftel^en 
unb  bann  ein  3"fönimenl^ang  biefer  ©rjäl^lung  mit  ber  urf)[)rünglid^  lanaanitifc^en  ©agc 
bon  bem  Untergang  ©obomg  unb  ©omonlfja^  in  ber  SBeife  angunel^men,  bafe   baö   ge= 

16  toaltigc  ©otte^eric^t  ben  2lnla^  ju  einer  3^t^«"wn0  «"*>  SBanberung  ber  aSöIfer  ge- 
geben f)aU  {äf}nl\i)  toie  ®en  11,  Iff.;  togl.  ©en  19,31).  Damit  toäre  biefer  3:eil  ber 
3RitteiIung  ^wftin«  ate  böttig  fagenl^aft  erlannt.  Die  3lngabe  §erobot^  f(t^cint  me^r 
n>ert  ju  fein;  tDcnigftenö  läfet  fte  fic^  J)afjenb  einfügen,  toenn  man  bie  grage  ber  ^erfunft 
ber  ?pi^.  im  3wfö»"wi^'^ö'^9c  ber  ©efd^id(>te  be^  t)orberen  Orient«  überl^aupt   bctrad^tet. 

20  3)a«  ^at  neuerbing«  §.  SQSincfler  getl^an  unb  barüber  bie  Vermutung  au^cf))rod^en,  bafe 
bie  „))l^önijifd^=fanaanäifd^e"  ßintoanberung  bie  jtoeite  fei,  bie  an^  Slrabien  nadj^  ben  an- 
grenjenben  Äulturlänbem  ftattgefunben  l^abe,  ungefäl^r  in  ber  3rit  t>on  2800—1600  öor 
6^r.  (SBindEler,  ©ejc^.  3«raefö  I,  126—132). 

Die  ^1^.  ate  ein  befonbere«  Soll  ju  betrad^ten,  ba«  bon  ben  übrigen  Selüol^nem 

26  Kanaan«  nad)  Stbftammung  unb  ©torad^e  m  unterfd^eiben  jei,  ^at  nac^  bem  Obigen  in 
ben  et^nograjp^ifd^en  33er^ältnif{en  feinen  ©runb.  SBenn  e«  bennoc^  in  ber  ©efct^ic^tc 
üblid^  getoorben  ift,  bon  bem  3SoIf e  ber  5ßl(^.  ju  reben,  fo  muft  bie  ^Berechtigung  baju  auf 
einem  anberen  ©ebiete  nad^getüiefen  toerben.  3Son  einer  folc^en  lä^t  ft4>  fcrec^en,  n>cnn 
man  bie  2lrt  unb  2Beife   in«  2luge   fafet,   toie  bie  35^.  ben  anberen  3Söuem  gegenüber 

30  getreten  ftnb,  unb  bie  Sebeutung,  bie  fte  baburd^  für  bie  SBeltgefc^id^te  erlangt  ^aben. 
Die  ^1^.  tüurben  in  il^ren  3Q3o^nft^en,  in  benen  fte  auf  ber  einen  ©eite  ba«  offene  ÜKeer, 
auf  ber  anberen  ©eite  ba«  toenig  zugängliche,  fd^toer  ju  be^errfc^enbe  ©ebirge  l^atten, 
tttoa^  anbere«  al«  Säuern  unb  SSie^j^ü^ter,  fie  tourben  ©eefal^rer  unb  ^anbel«Ieute. 
Daburd^    lodferte  fic^  auf  ber  einen  ©eite  il^r  3"f^'""^^"^öng  mit  ben  bori«raeIitifc^en 

36  33eh)o^nem  5?anaan«,  auf  ber  anberen  ©eite  öerbanben  fte  bie  gleid^en  3h)ecfe  be«  ^anbete 
j|U  einer  neuen  3i»itereffengemeinfd^aft.  ^n  ber  §eimat  l^aben  fte  e«  nid^t  ju  einer  ein^ 
l^eitlid^en  SRec^t«^  ober  S3olf«gemeinfc^aft  gebrad^t.  @«  l^at  bort  ftet«  eine  3)lel^a^l  öon 
3Kittelj)unIten  gegeben,  bie  größeren  ©täbte  mit  i^rer  naiveren  ober  entfernteren  Um^ 
gebung.  Danad^  jbflegten  bie  $1^.  fid^  felbft  ju  nennen,  ©ibonier,  Slrabier,  ©ibliter  ober 

40  im  SQSeften  be«  3JcitteImeere«  Jlart^agcr,  ©abitaner  u.  f.  h).  @«  ift  nid^t  richtig,  in  biefen 
Unterfd^eibungen  befonbere  Stämme  ber  'iß^.  ju  erlenncn,  iDic  man  auf  ©runb  bon 
©en  10,  17;  1  ßg  5,  18  unb  ^of  13,  5  getDoIlt  l^at;  bie  Slamen  bejeid^nen  fämtlicf^  nur 
S3eh)ol^ner  berfc^icbener  ©täbte.  3lber  brausen  erfd^icnen  fie  ben  gremben  al«  Seute  t)on 
einem   ©c^Iage,   al«  fül^ne  ©ecfa^rer,   al«  fc^laue,   getoiffenlofe  fträmer.    Durc^  ihren 

45  5ä^cn  Untcme^mung«gcift  unb  bur^  bie  ©unft  ber  jeitlid^en  5?erl^ältniffe  l^aben  fte  in 
ber  I^at  eine  grofee  älrbeit  für  bie  ©cfd^id^te  ber  alten  SBelt  geleiftet:  fie  ^aben  bießr- 
rungenfcbaften  unb  bic  ©d^ä^e  bcr  beiben  grofecn  Äultur^eerbe  be«  öorberen  Orient«, 
Sabiilonien«  unb  2igt;j)tcn«,  nac^  bem  3lbenblanbc  gcbrad^t  unb  baburd^  bie  f))ätere  gemein- 
famc  Äultur  bcr  ^Blittelmeerööüer  tücfcntlic^  gcförbert.    Unter  biefem  ©eftc9t«})un!te  barf 

60  man  Don  einem  3}oIIc  bcr  ^f).  unb  tjon  feiner  iücltgcfd^ic^tltc^en  Sebeutung  reben. 

III.  Religion  bcr  ^^.  ©crabe  für  bic  fragen  bcr  Sleligion  unb  be«  Äultu« 
mac^t  fid^  bic  Dürftigfeit  unferer  9Jac^rid;ten  über  bie  ^i),  fcbr  fühlbar.  Die  3nf4^riften 
bieten  faft  nur  ©oltcrnamcn,  bcrcn  2lu«fi>rad^c  nid^t  feiten  unftd^cr  bleibt,  unb  manche 
formell^aftc  SBcnbungcn,  bcrcn  ©inn  unflar  ift.    Daju  flammen  bie  gnfd^riften  au«  ber 

66  f)jätcrcn  3^^^  bcr  'iß^.,  bic  Wunden  DoUcnb«,  iüic  fd^on  äu^erlic^  il^r  griec^ifd^cr  %\)pu^ 
erfenncn  läßt.  9hin  ^abcn  h)ir  frcilid^  ein  2Bcrf,  ba«  bic  I^cogonie  unb  Äo«mogonic 
ber  ^^i),  abfi^tlid^  bcf^anbclt,  nämlicf^  bic  „j^fiönijifcf^c  ©cfd^ic^te"  be«  angeblich  im  13.  ga^r^ 
l^unbcrt  D.  6f)r.  fd^rcibenbcn  93ciruticr«  ©ancf)uniat^on,  bic  ^^Jl^ilo  §erenniu«  toon  S^blo« 
im  2.  3öt;r^unbcrt  n.  6f?r.  an^  bcr  '^Ncvborgcnficit  (;crt?orgc^ogcn   l^abcn  tüill,   in  SBabr^ 

60  l(;cit   aber   felbft   unter  Scnu^ung   ein^cimifc^cr  ©toffc   unb   mit   eigenen  3"t^ten   an= 


etbonttr  297 

gefertigt  f)at  (ed.  6.  aJlüHcr  in  Fragm.  histor.  Gr.  III,  1849).  2)a^  biefe«  im  3)ienfte 
bc^  ßul^emetigmu^  gcfc^riebcne  SQSerl  für  bic  alten  ^^\tm  gar  nic^t  ober  bod^  nur  mit 
grofeer  ä?orfic^t  benu^t  toerben  fann,  liegt  auf  ber  $anb. 

3Kerfh)ürbig   ift,  bafe   bei   einem  burd^  feine  ©cefal^rten  belannt  getüorbenen  SJoHe 
ber  Äultug  ber  SWeergott^eiten  nid^t  fd^ärfcr  ^erbortritt.    ©eit  ber  2)iaboc^emeit  Ij^aben  6 
lüir  eine  3lnga^l  öon  ?Blünjen,   bie  in   gried^ifd^er  SIBeife  eine  ©ott^eit  be^  SReereö  ab= 
bilben,   $ef^d^iu^   ertoä^nt  einen  ^akdoaiog  Zeug,    unb    für  S3eirut    werben  bie  ad^t 
,,Äabiren"   (bie  ®rofeen,  bie  SKäd^tigen)    ate  ßrfinber  unb  Sefc^i'ifeer  ber  ©d^iffa^rt  er^ 
Jüä^nt.    6«  ift  h)a^rfc^einli(t^,  bafe  mit  ben  3h)^09^P<^^ten  biefer  (Sott^eiten  bie  ^atäfen 
be^  $erobot  III,  37  jufammen^ängen  (ögl.  S3b  XVII,  570,32).     Jjn  ben  Siamen   ber  lo 
©Otter,  bie  bi^^er  befannt  getoorben  ftnb,  lä^t  fic^  eine  Segiel^ung  ju  §anbe(  unb  See* 
fa^rt  nid^t  bemerlen.    2)iefe  ©igentümlid^Ieit  ift  too^I  fo  ju  berfte^en,  bafe  bie  ^1^.  i^re 
@otte^t)orfteHungen  nic^t  erft   am  ^Jlittelmeer  unb  atö  ©eefa^rer,  fonbern  urft)rüngli^ 
in    einer  anberen  (Segenb   unb   atö  Sie^jüd^ter   ober  Säuern  auSgebilbet    l^aben,    toie 
bie    übrigen    i^nen    bertoanbten  Äanaaniter;  fie   toürbe    bemnac^  bie    oben  ©.  295,  i5  15 
au^ef})roc^ene  Slnna^me  beftätigen,   bafe  bie  ^1^.  in  il^re  SBol^nftätten  am  3Jleer   ein^ 
getoanbert  finb. 

3)ie  ©ott^eiten  ber  ^i),  fmb  junäd^ft  Oottl^eiten  be^  Drte^,  ber  afö  i^r  ©igentum 
gilt,  ben  fic  befc^ü|en,  ben  fie  nad^  ber  f))äteten  3}J^tl^e  l^äufig  aud^  begrünbet  l^aben. 
Sieben  ben  ©öttern  ber  ©täbte  finben  toir  ©ötter  ber  Serge,  aife  „95efi|er"  biefer  20 
Statten  ^eifeen  fte  ba^al,  al^  „©ebieter"  adön,  afe  „^errfd^er"  (mit  unumfd^ränlter 
©etoalt)  melek,  Äönig.  3)em  entf))rid^t  e^,  toenn  fid^  i^re  .SJerel^rer  al^  gerlm,  ate 
©c^u^befol^lene  (urfj)rüngti^  öielleid^t  in  bem  befonberen  ©inne  bon  2:em))elange^örigen), 
unb  aU  'abadim,  al^  Änec^te  ber  ®ott^eit  bejeid^nen  (ögl.  ^f  39, 13  unb  ©igennamen 
trie  Obabja,  Slbbiaö).  3)er  ®egenfa^  bon  3Wann  unb  SBeib  ^at  für  bie  ©otte^öorfteQung  25 
grofie  Sebeutung ;  neben  bem  el  giebt  ed  eine  ilät,  neben  ben  alonim  „®öttem''  alonot, 
neben  ba^al  eine  ba'alat,  neben  melek  eine  milkat.  3)ie  jeugenbe  unb  gebärenbe 
9?aturfraft,  baö  ©e^eimni«  be«  ßeben«,  geigt  ftd^  barin  atö  bie  ©runblage  ber  ©otte«« 
auffaffung.  3)ie  ©ott^eiten  toerben  in  ber  Siegel  genannt  nad^  bem  Orte,  an  bem  fie 
toerel(^rt  toerben,  fo  ba'al  sör,  ber  ©ott  bon  2:^rug,  ba'al  sidön,  ber  ©ott  öon  ©ibon,  30 
ba'al  lebanön,  ber  ©Ott  beö  Sibanon,  ba*^alat  gebal,  bie  ©öttin  Don  33^blo^  k.  3)as 
mit  ift  auc^  ber  urfj)rünglid^e,  befd^ränfte  Sereid^  i^rer  SQSirffamfeit  beftimmt.  Siefeen  ftd^ 
bie  ^1^.  an  einem  anberen  Orte  nieber,  fo  begrünbeten  fte  bort  eine  neue  Äultu^ftätte 
il^rer  ^eimifc^en  ©ott^eit;  aber  beren  Sereic^  ging  aud^  bort  nic^t  über  bie  ©renjen  ber 
neuen,  unter  il^ren  ©d^u^  gefteHten  2lnftebelung  ^inauö.  ^m  getoöl^nlid^en  Seben  rebete  35 
man  nur  öon  bem  93aal  ober  öon  ber  Saalat,  ol^ne  jebe  naivere  Seftimmung;  e^  toar 
felbftöerftänbtic^,  toeld^e  ©ottl^eit  in  bem  Ärei«  il^rer  SSere^rer  gemeint  toar  (bgl.  1  Äg  18, 
19  ff.).  ^TOan  mufe  ftd^  Dor  bem  S^tum  büten,  afö  ob  e«  ^ottl^eiten  mit  bem  ©igen* 
namen  Saal  ober  Saalat  gegeben  l^abe.  35ie  toeiblid^e  gorm  ba'alat  fommt  fettener 
toor ;  toä^renb  ©igennamen,  mit  ba''al  gebilbet,  fel^r  ^äufig  ftnb,  j.  S.  hanniba'al,  40 
"^azruba'al,  adoniba'^al,  ba^^alhanan,  finben  ftc^  folc^e  mit  ba^alat  nid^t.  ©etoöl^nlid^ 
n)irb  bafür  *^aschtart  gebrandet*  toie  in  'abd'aschtart,  ger^aschtart.  3)a^  SBort  ent* 
fpric^t  bem  befannten  viarmn  ber  babi;lonifd^en  ©öttin  ischtar  mit  ber  ^emininenbung  t. 
SBie  fte  im  Sab^loniftf^en  jum  2llppetlatiönamen  für  „©öttin"  getoorben  ift  (bgl. 
KAT',  420),  fo  aud^  im  $^.  3lber  ber  alte  (Sl^arafter  ate  ©igenname  jeigt  ftc^  barin,  45 
bafe  fte  eine  naivere  Seftimmung  bcö  Drte«  neben  fic^  nid^t  nötig  f)at,  toie  bag  bei  ba'al 
unb  ba'alat  üblid^  ift.  Slftarte  (2lft^oret)  erfd^eint  im  äS  aU  bie  ©oUl^eit  ber  ©ibonier 
=  ^f).  über^au^t  1  %  11,  5.  33;  23,  13.  Sgl.  nähere  angaben  in  b.  Slrt.  Slftarte 
unb  aifc^era  Sb  II,  147  ff.  unb  Saal  II,  323  ff. 

9lur  toenige  pi}.  ©ott^eiten  fennen  toir  nad^  bem  ©igennamen.  3)er  belanntefte  so 
ift  aRelfartl^  (§erafle«),  urfj^rünglid^  freilid^  auc^  3lj)j)cllatiöum  rrnp  ^b?:,  ber  Äönig 
ber  ©tabt  (I^ni^);  ^on  bem  nod^  naiver  bie  Siebe  fein  toirb.  ©fc^mun,  '{n^t^,  geniefet 
grofeeiS  Stnfe^en  in  ©ibon,  er  toirb  bem  Asclepios  ober  Aesculap  gleic^gefe^t  unb  fc^eint 
ba^er  aU  ein  ©ott  ber  Seben^fraft  unb  §eilfunft  aufgefaßt  toerben  jju  muffen,  ^n 
©igennamen  finbet  fid^  nic^t  feiten  bie  ©ott^cit  li:,  sad  ober  sid  (mit  ©ibon  bcrtoanbtV  66 
2)er  3«9W  ober  gifc^erV  bgl.  ^^ilo  2,  9),  ferner  ©äffün  ipo]  ^12^  ^ßumaj*^,  aud^  t:?c. 
2)ie  ©öttin  n:n  loirb  geiüöl^nlid^  Tanith  au^ef)jrod^cn.  Sßon  au^länbifd&en  ©ottl^citen, 
bie  in  ^1^.  Sere^rung  fanben,  ftnb  gu  erioäl^nen  gfi^  unb  Dftri^,  bie  mit  ber  „$crrin 
toon  S^blo«"  t)er!nüj)ft  tourben,  $oruö,  Saft,  2bot,  ber  afö  Tdavxog,  al«  ßrfinber  ber 
©c^rift  unb  Sater  aller  aSSei^l(;eit,  bei  ^^5l;ilo  eine  grofee  SloDe  f))ielt  —  fämtlic^  ägV^Jtifd^;  eo 


298  Stbomtr 

9lef(i()q)^  unb  "Stnat  au<^  ©^cn ;  3:l^animu},  bcr  (Sott  bc^  erU)ac^cnben  ^rül^lingö,  ^bab 
unb  ^agon  au^  93ab^lomcn. 

2)en  3:em))el  bc«  3KcI!artl5>  in  3:^ru«  ertoäi^nen  §erob.  II,  44  unb  3ofe))l^ud  c.Ap.1, 18. 
Der  crfterc  fagt,  er  f)aU  au^cr  btclen  SBei^gefc^cnfen  barin  g^^en  „jtpei  ©äulcn,  bic 

6  eine  bon  lauterem  ©olbe,  bie  anbere  au«  ©maragbgeftein,  ba«  be«  9?(tc^t«  ))räc^tig  leuchtete", 
©ie  fc^einen  bie  ©teile  be«  ©otte^bilbe«,  ba«  $erobot  gar  nid^t  erlüä^nt,  bertreten  ju 
l^ben.  6«  toar  bei  ben  ?P^.  (tpie  bei  ben  Äanaanitem  93b  IX,  735,  u)  ^eimifc^c  ©itte, 
neben  bem  ältar  l^eilige  ©teine  aufzurichten,  bie  afe  ffio^nft^e  ber  ®ottl(^eit  angefe^en 
tpurben.    3)en  nattirli^en  ©tein   vertritt  ^ier  bie  bel^auene   unb   lunfttJoH   übertleibete 

10  ©äule.  ©old^e  ©teinj)feiler  ober  ©teinfegel  nannte  man  massebä  (CIS  I,  44)  ober 
nasib  (CIS  I,  139)  ober  auc^  hammänim  (ögl.  ^ef  17,  8;  27)  9;  2  6^r  34,  4).  ©ic 
toerben  öon  ^^ilo  2, 19  ßairvha  (b^rr^n  ögl.  ®en  28, 10  ff.,  tat.  baetulus)  genannt  unb 
al«  befeelte  ©teine  aufgefaßt,  ^fftitn  entfj)rici^t  im  Äuitu«  ber  toeiblic^en  ©ott^eit  ber 
^eilige  ^fai^l,  ber  a!5ertreter  beiS  l^eiligen  SBaum«,  für  ben  ber  9Rame  Slfd&era   (rr-CN) 

16  übli$  ift  toie  im  312:.  (gr  ailt  ate  ber  Sffiol^nft^  ber  äftarte.  Tt,  Dl^nefalfd^  9?ic^ter 
l^at  in  6VJ)em  (f.  R\)pxo^,  bte  S3ibel  2C.  I,  171;  II,  2:af.  17,  2)  ba«  a3ilb  einer  ©öttin 
gefunben,  bie  au«  bem  33aumftum))f  j^erau^toäd^ft;  ba«  barf  tool^I  afe  S3eleg  für  bic 
SBenbung  ber  S^f^^f^  bon  Ma'süb  „3lftarte  in  ber  3lf(^era"  aufgefaßt  n>erben.  S^Qltid} 
beranfd^aulic^t  biefer  gunb  fel^r  beutlic^,  U)ie  ba«  ©^mbol  ber  ®öttin  in  il^r  93ilb  über^ 

20  ge^t,  unb  tote  ber  5Rame  be«  ©^mbol«  jugleic^  SRame  einer  ®öttin  toerben  lann  (i)gl. 
b.  Slrt.  Slftarte  unb  Stfc^era  »b  II,  147  ff.).  3)ie  Stoeija^I  ber  ©äulen  beutet  n>obI 
auf  ben  in  ber  3?atur  m^f)x^aA  toieberlel^renben  jtoiefältigen  ®egenfa^  l^in,  bcr  fw^  am 
fc^ärfften  in  ben  betben  §älften  be«  ^al^re«,  in  ben  SBirfungen  ber  ^rü^jal^r«»  unb 
^erbftfonne,  jeigt.    Sin  anberen  Orten  begegnen  ®ru)j})ierungen  bon  je  brei  ©äulen,  bic 

26  öielleid^t  auf  eine  au^  brei  Vorgängen  ftc^  jufammenfe^enbe  9iaturerWeinung  ^inh>eifen 
follen.  2)ie  betebenbe  ilraft  ber  §rül^ja^r«fonne  feierte  man  im  3KelIart^tem)[)el  bon 
Il^ru«  in  bem  macebonifc^en  3Konat  Peritios  (^ebruar/ü)iärj)  gof.  c.Ap.I,  18  lyegoig 
Tov  'HgaxUovg,  Sil«  ®egenfa^  baju  ift  bie  93erbrennung  be«  $eraIle«53Relfartb 
Recogn.  Clem.  X,  17  in  %)cix\x^  anjufül^ren.    ^n  S^blo«  fanb  bie  Älage  um  ben  ^^ob 

30  be«  3lboni«  (f.  o.  290, 4o)  im  ^erbft  ftatt.  SJa«  SSerftegen  ber  DueDen,  ba«  Serbonen  ber 
^flamen,  ba«  Äa^ltoerben  be«  Sanbe«  im  ^od^fommer  unb  $erbft  berftanb  man  fo,  bafe 
eine  ®ottl^eit  il^re  "^ai^i  verloren  ober  i^rc  gürforge  jurütfgejoaen  l^abe.  Sluf  bie  S^agc: 
toe«M6'^  Ööt  ^  jal^lreid^e  Slnttoorten.  Sinige  einfachere  ftejfien  1  Äg  18, 27,  aber  man  l^at  bic 
©ac^e  aud^i  mit  ber  Äraft  ber  ^oefie  angefaßt.   2)ie  ®öttin  t^ut  nid^t  mel^r  h>ic  geh)ö^n= 

86  lid^  (fie  lä^t  nic^t  mcl^r  grünen  unb  toad^fcn),  toeit  fte  2iebe«!ummer  \^ai\  i^r  ©eliebtcr 
(bie  3^wgung«Iraft  ber  SJatur)  ):}at  fte  oerfct^mäl^t,  fic^  felbft  entmannt  unb  babei  ben 
2:0b  gefunben.  Ober  ber  ®runb  ift  bcr,  bafe  bie  ®öttin  i^r  gro^e«  ®lü(f  öerloren  ^t, 
toeil  toilbe  Siere  i^ren  fiiebling  umgebracht  l^aben  ober  toeil  ein  eiferfüd^tiger  ®ott  il^n 
ermorbet  l^at;  ober  man  erjäl^lt,  ba^  bic  ®öttin  entführt  toorben  fei  u.  f.  h). 

40  §ier  tritt  toieber  toie  oben  ©.  297,27  unb  298, 21  ba«  natürlid^e  Sebcn  ber  Srbe  ate  ®runb= 
läge  be«  ®ottc«gebanfcn«  ^erDor.  Daneben  mad^en  fic^  aftrale  3SorfteHungcn,  abgefeben 
Don  A starte  =Istar,  bemerfbar.  3)ie  fiebcn  Äabiren,  beren  ^alfi  burd^  ©fc^mun  auf 
ad^t  gcbrad^t  toirb,  fmb  Dermutl^lic^  bie  ficbcn  ^lanetengottl^eiten  (ber  33ab»;lonier),  nac^ 
benen  fic^  bie  ©eefal^rt  rid^tct.    Über  bie  urfjjrünglid^c  ®nge  ber  Solalfulte  fü^rt  l^inauö 

46  bie  ©otte^bcjeid^nung  ba'al  schamem,  Saal  be«  Äimmcl^,  bcffen  3)ienft  toeit  Verbreitet 
toar  (gried^.  Zevg  tiovgdviog).  ^\x  ü}m  gehört  „oie  ®öttin  be«  $immeU  be^  Saal^" 
(f.  S3b  II,  150f.),bei§erobot  I,  105  \)k*A(pQodiTr]  ovgdviaf  mit  bcr  bie  „^immetelönigin" 
^cr  7,  18  unb  bie  „Caelestis"  in  Äartl^ago  §u  öerglcid^en  ift.  2)ie  Sebeutung  ber  ®ott= 
l^cit  ei  ift  nid^t  buvd^ftd^tig ;   ift  ei  bic  Slbfürgung  einc^  öottcren  5Ramen8  ober  ^tte  ber 

60  ®ott  übcrl^aupt  leinen  ©igennamen'!;  6r  fcf^cint  urf))rünglid^  in  33^blo«  berel^rt  toorbcn 
gu  fein.  3)ic  ®riccben  fc^cn  i^n  bem  Ärono«  glcid^  unb  crjäl^len,  bafe  er  in  ^1^.,  Aar- 
tl^ago  unb  ©arbinien  burd^  Äinbcrojjfcr  bcrcl^rt  toorbcn  fei  (bgl.  b.  2trt.  5Woloc^  Sb  XIII, 
269  ff.).  3)cr  eigentümliche  ©J)racbgcbraud^  bon  ba'al  lf>at  befonberg  grembe  ju  ber 
?)lcinung  gcbrad^t,  ba^  33aal  bcr  ^öd^fte  @ott  bcr  ^f).  fei.    gür  ben  ®lauben  unb  ben 

66  Äultu«  bcr  ^.  felbft  trifft  ba<^  nicf^t  gu.  2öcnn  3.  S.  ^I^ilo  in  feinem  ®ötterf#em  fo 
bcrfäbrt,  fo  gicbt  er  bamit  f})ätcrc  ©)jcfulationcn  toiebcr,  au^  benen  für  bie  @rfenntni^ 
bcr  eigentlichen  ^Icligion  birclt  nid^t^  ju  gewinnen  ift.  ^ür  Äartl^ago  ift  toon  SSJid^tigleit 
bic  aiuf^ät^lung  Dort  ©ott^citcn,  bic  ^annibal  ju  3^"0^"  "^^  i^ertrag^  mit  ^P^Ui^)))  Don 
Wacebonicn  anruft  (^ol^b.  VII,  9). 

60         ^m   ^ultuc$    treten    befonbcre  Untcrfd;icbe    gegen   bie  ®ebräud^e   ber  ftanoaniter 


Sibomtr  299 

(Sb  IX,  734  f.)  nic^t  l^aDor.  ^eilige  Sejirtc  mit  äHtärcn,  ©tcinen  unb  Säumen  (5ßfäl^Icn), 
eine  6ella  ober  ein  flröfeere«$au«  für  ein  Ootte^bilb  (f.  oben  ©.288, 37 ;  393, 7)—  fol^e  »eigen 
ftarle  älb^ängigieit  bon  ägvt)tifd^en  aWuftem  —  bie  nttjsn  (CIS  I,  9Rr.  5)  atö  Slbgabe 
an  bie  (Sott^eit  bon  jebem  ©etoinn,  aud^  bon  ber  Ärieg^beute,  3:teroj)fcr,  ^eilige  3:änje, 
©ottgeloeii^te,  ^riefter,  SBafd^ungen,  Sef^neibung  finb  un«  bezeugt.  Über  Dj)fergebül^ren  6 
ber  $riefter  ^anbeln  bie  beiben  D^fertafeln  bon  ÜRarfeille  unb  Äorti^go  (CIS  I,  3lx.  165. 
167).  3n  ber  Äo^mogonie  liegt  eine  3>reiteilung  berSBelt  bor,  ^immel,  ®rbe  unb  SReer, 
h)ie  i.  SB.  ®en  1,  28;  ©i  20,  4;  ^ßf  69,  35  x. 

IV.  ©efc^id^te  ber  ^f).  3u  bcn  Duellen  bgl.  6.  aßad^ömut^,  Einleitung  in  ba« 
©tubium  ber  Alten  ©efc^id^te  (1895),  403—412.  a)ie  ©tüdfe  au«  3Jlenanber  bon  lo 
Qpi}^u^  (2.  Sa^rl^unbert  b.  6^.)  finben  fic^  3ofe^)l(^u«  Antiq.  VIII,  5,  3  §  144—146  = 
c.  Ap.  1,  18  §  116—120;  Antiq.  VIII,  13,  2  §  324;  IX,  14,2  §  284—287.  SBa^r« 
fc^einlid^  gelten  aud^  bie  SReü^en  bon  Königen  unb  §errfc^em  über  %\)x\x^  c.  Ap.  I,  18 
§  121—125  unb  I,  21  §  155—158  auf  aRenonber  jurtid  ®io«,  ber  Serfaffer  eine« 
Antiq.  VIII,  5,3  §  147— 149  =  c.  Ap.  I,  17  §  113—115  mitgeteilten  ©tücfe«,  unb  i5 
?P^Uoftrato«,  ber  fürger  afö  §euge  genannt  toirb  Antiq.  X,  11,  1  §  228  =  c.  Ap.  I,  20 
§  144,  fmb  nid^t  toeiter  befannt.  SBal^rfc^einlid^  l}at  jeboc^  S^f^^u^  «Be  i>H^  ©tüdfe 
an^  ben  ©ammeltoerlen  be«  Sllejanber  $oIt;l^iftor  gefc^ö^ft.  2)ie  2)enlmäler  be«  borberen 
Orient«,  befonber«  bie  (Entzifferung  ber  aff^nfc^^n  3»^f^^^"/  ^«^^  ^^^\^  btirftigen 
5Rotijen  tttoa^  erweitert.  ao 

3)ie  erfte  ©rtoäi^nung  ber  p^.  Ätifte  ift  bi«l^er  in  ben  angaben  über  ben  Äönig 
©argon  bon  Slgabe  au«  ber  9)litte  be«  3.  ^ö^^wf^w^^  bor  Qi^x.  cntl^alten;  er  foll  bie 
pf).  Äüfte  unterworfen,  ba«  „9Beer  überfc^ritten  unb  im  SBSeften  feine  93ilbfäulen  errid^tet" 
^aben.  gaß«  e«  fxd)  babei  toirllic^  um  eine  gef(^id^tK(^e  3lai)xxi^t  l^nbelt,  fo  jeigt  fte 
un«,  bafe  fc^on  bamal«  ©c^iffa^rt  an  ber  pf^.  Äüfte  getrieben  toorben  ift.  Seiber  erfal^en  26 
n>ir  nid^t:  bon  toem  unb  tool^in?  SBindfler  (bgl.  oben  ©.  296, 20)  bermutet,  baf;  bie  $1^. 
erft  jj)äter  eingetoanbert  feien,  bafe  fd^on  bor  il^  3lnfunft  §anbel  unb  ©d^iffabrt  bon 
biefer  Äüfte  au«  getrieben  toorben  unb  auc^  bie  fj)äter  burd^  i^ren  5Ramen  berül^mt  ge« 
toorbcnen  ©tobte  bereit«  bor^anben  getoefen  feien.  Die  au«  ber  SQSüfte  ftammenben  ^f). 
tpürben  bann  in  bie  3:l^ätigfeit  unb  in  bie  Jtultur  ber  Äüftenbetoo^ner  l(^ineingeload^fen  so 
unb  felbft  il^e  3:räger  getoorben  fein,  toie  ba«  j.  95.  f))äter  ^jtoifc^en  bem  eintoanbemben 
3«rael  unb  ben  fanaanitifc^en  Säuern  ebcnfo  gegangen  ift.  Um  bie  ^eit  ber  'Amärna- 
Sriefe,  um  1400  bor  6l^r.,  fe^en  toir  bie  Äüfte  in  großer  33ebrängm«.  2)ie  ^errfd^aft 
ber  ägt^J)ter,  ber  bie  ^1^.  feit  1500  bur(^  il^utmoft«  III.  unterworfen  toaren,  gerät 
ftarl  in«  ©d^toanfen.  3)ie  §etl^iter  (f.  93b  IX,  737  f.)  brängen  bon  9?orben  Ifjer  in«  Sanb;  86 


i^ilfe  gelaffen.  ©ctl^o«  I.  unb  SRamfe«  II.  ftcllten  ba«  Slnfe^en  ber  äg^))tif(^en  Dber'= 
^errfd^aft  toieber  ^er,  leffterer  burd^  einen  Vertrag  mit  ben  §etitl^em  (um  1320),  ber  40 
jeboc^  nur  ben  füblic^en  ieil  ©i^rien«,  bienei(^t  bom  nähr  el-kelb  ab,  ben  ägi^ptem 
überlief.  35ennod^  jerfiel  bie  Dberl^errfc^aft  ber  ^l^araonen;  ber  Stnfturm  ber  „©ee* 
böller"  jur  3eit  SHamfe«^III.  (bgl.  b.  ärt.  ^^ilifter  93b  XV,  340  f.)  toarf  ftc  böHig  über 
ben  Raufen  unb  fül^rte  fd^Uefelic^  ju  ber  2lnftebelung  ber  ^l^ilifter.     3)a«  SReid^  ber 

tet^iter  löfte  fic^  im  12.  gal^r^unbert  in  einjelne  §enfd^aft«gebiete  auf.  2)a«  @rf (feinen  46 
igIatl(^))Uefer«  I.  in  ©i^rien  bctoirlte  feine  Umloähungen  auf  j)olitifd^em  (Sebiet,  ebenfo 
toenig  Wie   ber  3ug  ©ifaf«  (f.  93b  XVI,  555).    SBeber  Slff^rien  no^  ^Q\)ptm  griffen 
für  längere  ^^xi  in  bie  f^rifd^en  SSlngelegenl^eiten  ein;  ba^er  begann  nun  bie  erfte  93Iüte 
ber  pf),  ©täbte. 

3m  Slnfang  biefe«  2lrtifel«  ©.  281,4  ift  barauf  aufmerifam  gemacht  Worben,  bafe  60 
„©ibonier"  im  10.  unb  9.  3«^^^«"^«^^  bor  6^r.  ben  allgemeinen  ©inn  bon  $^.  ^at, 
unb  ba^  barau«  auf  ein  aSorred^t  ©ibon«  aud^  bor  S^ru«  gefd^Ioffen  Werben  mu^.  gin 
SJorred^t  J)oIitifc^er  2Rad^t  läfet  ft*  in  ber  ®^d}xd)k  nxd)t  erfennen,  Wa^rftf^einlic^  l^at 
man  ba^er  an  ein  alte«  9Sorrcd9t  mc^r  auf  bem  ©ebicte  be«  Äuitu«  unb  ber  ftultur 
^u  beulen.  3)ie  ©tabt,  bie  um  1000  bor  6^r.  in  bcn  9?orbergrunb  tritt,  ift  3:^ru«.  3)cr  55 
Äönig  $iram  I.  (969—936,  bgl.  meine  ©cfc^.  3«racl«  §  49)  läfet  ftd^  für  bie  ©alomo 
gewäl^e  Unterftü^ung  ba«  i«raelitifd^c  ©cbict  bonSabuI(f.  95b  VI,  338  f.)  abixctm,  betreibt 
mit  i^m  gemeinfame  §anbe(«unternc^mungen  (f.  Dp^ir  93b  XIV,  400  ff.  unb  2:arfi« 
99b  XVII,  751  f.)  unb  grünbet  bie  pl}.  Äolonie  Äition  auf  6VJ>^nt,  bie  ben  9?amen  Karta 
hadascht,  b.  i.  5Reuftabt  (Äart^ago),  erhielt  {^iatt  hvxaioig  [=Uthika?]  ^of.  Ant.  XIII,  eo 


300  (Stbonter 

5,  3;  c.  Ap.  I,  18  I.  Kmeotg),  Unter  bcm  Äönigc  ^P^gmalion  3>of.  c.  Ap.  I,  18  (l>gl. 
ba^u  meine  ©efd^.  3[ör.  §  49)  foH  8U  bie  jmette  „SJeuftabt",  ba^g  belannte  Karthago  in 
SRorbafrila,  Don  I^ru^g  auö  gcgrünbet  tvorben  fein.  35iefe  ©rünbung  ift  nac^  ber  ©itte 
be^  ailtertuniö  gu  öerfte^en:  ein  bereite  beftel^enber  Ort  erl^ält  einen  neuen  §errn,   einen 

6  neuen  Äultug  unb  neuen  5Ramen;  tviebiel  babei  tvirflic^  neu  gebaut  tüirb,  ift  eine  untere 
georbnete  ^age.  6eit  biefer  3cit  ift  Äartl^ago  mit  I^ru^g  fo  öerbunben,  bafe  lefetereö 
ate  'öiutterftabt  gilt,  Äart^ago  ate  abhängige  Kolonie.  3Kan  })flegte  biö^er  biefeö 
„jjunifd^e"  SReid^  an  ber  SJorblüfte  3lfrilag  cX^  eine  betüunbem^lüerte  ©d^öjjfung  j)^.  Äraft 
unb  3Ä^igIcit  anjufe^en.    5Weucrbing^  l^at  jeboc^  ^.  SQäintfler  bie  grage  aufgetüorfen,  i>h 

10  ein  fo  tvenig  ja^Ireic^e«  SRanböolf  toiebie^l^.  mirflic^  einen  foIc^enÜberf(^u^an3)Jenfc^en 
gebabt  i)cb^,  tüie  er  für  bie  93efiebelung  eineö  umfangreid^en  ©ebiet^  nötig  fei,  m.  a.  äS. 
ob  fic^  Äartl^ago  lebiglic^  ate  ®c^öj)fung  ber  $^.  begreifen  laffe.  ßr  l^at  im  ^ufammen- 
l^ang  bamit  bie  3Sermut^ung  aus^geflpro^en,  ba^  biefelbe  SöIferbeUjegung,  bie  bie  ^1^.  u.  a. 
nad^  Äanaan  gebrad^t  ^abe,  öon  Slrabien  aud^  eine  i^rer  SQäeHen  an  bie  9JorbIüfte  Don 

15  Slfrila  unb  bielleid^t  nod^  tveiter  bi^  in  ba^g  füblid^e  ßurojja  gefanbt  ^abe;  baburd^  fei 
bie  „})unifc^e"  ^errfc^aft  in  äCfrifa  entftanben,  unb  bie  „Srünbung"  Äartl^ago«  l^abe 
barin  il^re  93ebeutung,  ba^  I^rug  biefe  Stabt  unb  il^r  ©ebiet  i)on  fid^  abl^ängig  gu 
mad^en  i)erftanben  l^abe.  2Bie  man  barüber  a\xä^  urteilen  mag,  ftd^er  ift,  bafe  bie  Unter- 
orbnung  Karthago«  unter  ^^^niö  ben  ööttigen  ©ieg  be^  leftteren  im  mefUic^en  5WitteImeere 

20  bejeic^net,  unb  bafe  biefem  ßrfolge  eine  lange,  barauf  gerid^tete  Slrbeit  Vorangegangen 
ift.  X^ru!^  fc^eint  Vermöge  feiner  fteigenben  ^Dlac^t  aud^  bie  SSorl^crrfc^aft  über  einen 
ieil  ber  l^eimifc^en  ©täbte  erlangt  ju  l^aben.  aSä^renb  §iram  I.  im  212  ftet«  „Äönig 
Don  3:i;ru«"  genannt  toirb  (2®a  5,  21;  1  Äg  5,  15;  9,10),  Reifet  ©t^baal  1  Äg  16,:31 
„Äönig  ber  Sibonier".    3"  ^^  3*^'W^"J^it  fd^eint  bemnad^  eine  3Serbinbung  von  %\ft{x^ 

26  unb  ©ibon  unter  ^ül^rung  von  St^ru^  ftattgefunben  ju  l^aben.  35aö  tvirb  beftätigt  burc^ 
bie  aingabe  SRenanber^  bei  3of.  Antiq.  VIII,  13,  2  §  324,  ba|  etbbaal  Sotr^«  an 
ras  schakka  (nörblic^  Von  ®ebal!)  gegrünbet  ^ahz  (au^  2luja  in  Sib^en).  3)ie  nörb^ 
liefen  Orte  um  2lraboö  toerben  burd^  biefe  33or^errfd^aft  Von  li^ru«  ni^t  berührt 
Ivorben  fein. 

30  2)ie  aingriffe  ber  aff^rifc^en  Äönige  3lffumafirj)al  unb  ©almanaffar  II.  im  9.  3ö1^^' 
^unbert  toufeten  bie  })l^.  §anbelgftäbte  burd^  mieberl^olte  Xributgal^Iungen  Von  fic^  aJo- 
jutoenben.  2;^iglat^})ilefer  III.  bilbete  738  auö  ben  Stäbten  be«  ©leut^crueft^Ic^, 
©im^ra,  3lrla,  ©iana  (Vgl.  oben  ©.  292)  bie  afft^rifd^e  ^roving  ©im^ra.  2)ic  übrigen 
J)]^.  ©täbte  —   airaboö,   93^blo«   unb  2:i9rug  fmb   bie  ÜJlitteljjunfte  —  fuc^en  toieber 

36  burd^  2;ribute  i^re  gnt^^ff^n  ju  ftd^em.  35od^  gel^t  Äition  auf  6^})em  gunäd^ft  auf 
fürjere  ^t\i,  bann  unter  ©an^erib  enbgiltig  für  2;^ru«  Verloren.  35iefer  ilönig  ver-- 
fu^te  iv^uig  burc^  fünfjälfjrige  Belagerung  (701—696)  ju  untertverfen;  aber  bie  ^n\A' 
ftabt  tviberftanb  i^m.  J^i^eili^  verlor  fie  i^re  93efi|ungen  auf  bem  geftlanbe,  unb  ©ibon 
erl^ielt  einen  neuen,  gum  2;ribut  Verjjflid^teten  Äönig  Von  ©an^erib^  ©naben.    2llö  fi(^ 

40  biefe  ©tabt  unter  3lfar^abbon  emjjörte,  h)urbe  fie  675  jerftört  unb  eine  „äfarJ^abbon^- 
ftabt"  an  anberer  ©tette  erbaut,  in  ber  Sluölänber  angefiebelt  tvurben  unb  ein  aff^rifd^er 
Beamter  repbierte.  ©päter  tourbe  aud^  ber  Äönig  Sa'al  Von  SC^ru«  angegriffen;  er 
mad^te  unter  2tffurbanij)al,  ebenfo  tvie  äCrabu^,  feinen  ^rieben  mit  ben  Slffi^rem.  äte 
bie  3)Jac^t  be^  affl;rifd^en  3ieid^e^  in  ber  gtüeiten  §älfte  be«  7.  ^ö^rl^unbert«  fani,  mögen 

45  fid^  bie  })l^.  ©täbte  eth)ag  erl^olt  iiahm.  3(g^t)teng  33erfud^e,  feine  Dberi^crrfc^aft  über 
©t;rien  Joieberl^erjufteHen,  h)aren  nur  furj  unb  nid^t  Von  entfd^eibenbem  ©rfolge.  3)ic 
93abi;lonier  unter  JJebufabnegar  II.  Verjagten  bie  3ig^i)ter  auö  ©^rien.  I^ru«  Vcrtoeigertc 
bie  UnterJoerfung  unb  tvurbe  585—573  auf^  fc^ärffte,  bod^  Vergeblid^  belagert  (Vgl. 
gj  27—29).    Slber   eine   Volle  ©elbftftänbigfeit   ber  ©tabt  in  bem  großen  bob^Ionift^en 

60  Sleic^c  tvar  unmöglich.  SJagu  brachen  balb  nad^^er  ©treitigfeiten  unter  ben  Vomel^men 
gamilien  Von  2;^ru^  au^;  an  bie  ©teile  ber  Könige  traten  ©uff eten  (Slid^ter,  Vgl.  c-^ps^ 
im  312:);  um  biefe  2lnard^ie  los;  gu  h)erben,  berief  man  einen  Äönig  au^  Sab^Ion,  too- 
l^in  Vermutlid)  einige  ©lieber  bc^  frül^eren  ÄonigiSgcfd^led^tg  Von  2^ruö  al^  (Seifein  ober  ate 
©cfangene  Verpflanzt  iDorben  tüaren.  Unter  ber  ^errfc^aft  ber^erfer,  bie  in$^.  o^ne  2Biber= 

56  ftreben  aufgenommen  tüurbe,  tritt  ©ibon  an  bie  ©tii^c  ber  p^.  ©täbte  (Vgl.  §erob.  VII, 
96.  98;  VIII,  67).  ©eine  Sevölferung  unb  befonber^  feine  Könige  Iverben  üicbl^aber 
unb  ^45p<^Ö^'^  l^cHenifcbcn  3Befen^.  ffiä^renb  |\ur  ^^\i  Sllejanber^  be^  ®ro^cn  ol^  bie 
Vier  .^auptorte  3:|9ru^,  ©ibon,  St;bluö  unb  Slrabu^  genannt  tverben,  ertvä^nt  ^erobot 
(VII,  98)  nur  ©ibon,  2:i)ru^  unb  3lrabu^,  unb  biefe  brei  finb  e^  aud^,  bie  für  2:rij)oIi^ 

60  in  Setrad^t  lommen  (f.  o. ©.291,72).   Slrabu^ bel^nte  in  ber  ^ßerferjeit  feine  SWa^t  an  ber 


Sibonter  301 

fiüftc  toeiter  an^  aU  früher;  im  ©üben  gehörten  SlIIo  unb  bcr  Äarmel  ju  %t}ux^,  35or 
unb  3oö})e  gu  ©ibon,  Sl^^bob  unb  ä^Ialon  mieber  gu  2:^01«  (böl.  Sb  XV,  345,37),  bic 
gange  Küfte  gut  fünften,  ©atro^jie  md)  Aerob.  III,  91.  ^m  ßinöerftänbnte  mit  bcm 
fiönige  9teItanebo§  öon  SÜg^jjten  erl^oben  ftd^  bie  pf).  ©täbte  unter  bem  Könige  %mnt2 
t)on  ©ibon  350  gegen  bie  Jjerftfd^e  §crrfd^aft,  beren  Vertreter  fel^r  gehjaltt^ätig  bort  5 
aufgetreten  toaren.  äCrtajerie^g  III.  aber  erftidfte  mit  getoaltiger  ^eere^mad^t  ben  Slufs 
ftanb  in  Slut  unb  ^euer;  befonber«  l^atte  ©ibon  gu  leiben.  35oc^  finben  toir  fjjäter 
iDieber  einen  bon  ben  Verfem  eingefeftten  Äönig.  3llejanber  ber  ©rofee  fanb  nur  bor  i^ru« 
a^iberftanb,  unb  il^m  gelang  e«  enblid^,  bie  ^nfelftabt  gu  erobern  (bgl.  0.  ©.  285, 43).  ©ie 
erhielt  eine  macebonifd^e  93efa§ung.  .  10 

SJac^bem  au^  ben  SQäirren,  bie  auf  Sllejanber^g  2^ob  folgten,  bie  'Sleic^e  ber  ^tole^ 
mäer  unb  ©eleuciben  im  öorberen  Orient  hervorgegangen  toaren,  famen  bie  pf).  ©täbte 
j^unäd^ft  unter  bie  Äerrfd^aft  ©eleulu^g'  I.  ©eine  9Jac^foIger  bel^ielten  auc^  3lrabug  unb 
fein  ®ebiet  ol^ne  SBed^fel,  toäl^renb  bie  ©täbte  füblid^  öom  eieut^eru«  öon  281—198 
unter  ber  §errf(l^aft  ber  ^tolemäer  ftanben.  3"  ben  Königen  bon  ©ibon  im  3.  ^oi)Xi  15 
^unbert  gel^ören  toa^d^einlic^  ©fdbmunagar  I.,  3^l^abnit  unb  Sfd^munagar  II.  SBir 
iDiffen  il^re  9?amen  burd^  bie  ©arfojj^age  ber  legten  beiben,  bie  in  ©ibon  gefunben 
hjorben  fmb  (©.288,26.36).  grüner  Jjflegte  man  fie  in  bie  Jjerftfc^e  ^eriobe  gu  fefeen  (fo 
noc^  Sb  XV,  345, 38).  ^laq  Sfc^munagarö  II.  SCobe  fd^eint  ©ibon  bie  rejjublifanifdpe 
Serfaffung  getoäl^It  gu  I^aben,  %\)xvi^  ti)at  ba^felbe  274.  2lud^  bie  anberen  pf),  ©täbte  ao 
hjufeten  fic^  bon  ben  ©eleuciben  bie  Autonomie  gu  ertüerben.  3)iefe  Privilegien  tvurben 
in  ber  Snegel  von  ben  Slömem  (nac^  ^omjjeju^  64  borßl^r.)  bcftätigt.  35ie  pf).  ©jjrad^e 
toar  aHmäpd^  burc^  bie  aramäif4>e  öerbrängt  toorben.  35ie  oberen  Älaffen  ber  Se« 
töllerung  fa^en  eine  ß^re  barin,  gried^ifc^e  ober  römifc^e  Silbung  angunel^men. 

V.  ßanbel,  Kunft  unb  Äultur.    35er  ßanbel  ber  $^.  toar  teite  Sanbl^anbel,  25 
teite  ©ee|anbel.    3)er  Sanbl^anbel  fül^rte  öon  llrabien,   Sabi^Ionien,  Armenien,  fjjäter 
auc^  öon  ^erfien  unb  ^nhxm  bie  ßrgeugniffe  unb  ©d^ä^e  biefer  Sänber  an  ba^  SWittet 
meer ;  feine  Sluöbe^nung  l^at  mit  bem  Seftanb  ber  großen  „SBeltreid^e"  el^er  gu^  aU  ah 
genommen.    3Kit  Sa[gl^>)ten  öoHgog   ftc^  ber  35erfel^r  tvo^I  mel^r  gu  SBaffer  aU  m  2anbe. 
^l}x  ©eel^anbel  toar  m  SBirlli^feit  nic^t  fo  bebeutenb,  tvie  man  fic^  i^n  auf  ^runb  ber  30 
griec^ifd^en  3lad)xxd)tm  öorguftctten  jjflegt.    Sigentlit^e  Kolonien  l^at  ^  nur  auf  (^\}pctn 
unb  in  SRorbafrifa  gegeben;   ®abe^  im   fübli^en  ©j^anien  (togl.  93b  XVII,  571)  tann 
noc^  ^ingugefügt  toerben,  obtool^l  bie  3Sermutung  nal^e  liegt,  ba|  biefe  ©egenb  urfjjrüngs 
Ixd)  öon  äfrita   an^  befiebelt  tvurbe.    Äition  unb  Äart^ago  tverben  auf  %\}m^  gurürfs 
geführt;    überfeeifd^e  Kolonien  anberer  p^.  ©täbte  fennen   toir  nic^t.    35ie  $1^.  befafeen  ss 
an  ben  Ufern  be«  SWittelmeere^  getvi^  eine   grofee  2lngal^I  öon  §anbetenieberlaf[ungen 
ober  galtoreien,  bie  aber  ben  SJamen  Kolonien  ni^t  öerbienen.   ^n  3Kemj)l^i^  l^atten  fte 
ein  eigene^  Quartier  §erob.  II,  112.    ^^^f^^''*^^  ^P  ^^  ©c^iff^öerfe^r  in  bem  öftlic^en 
3Jlittelmeer  fel^r  alt,  aber  er  loar  bur$au^  nic^t  ein  3Konoj}Ol  ber  5pi^.     ^n  ber  fog. 
m^Ienifc^en  ^eripbe  finb  Don  ben  ©riechen  öiele  SQäaren  nad^  bem  Dften  oebrad^t  toorben;  40 
in  ßbpern  fmb  fie  el^er  getvefen  al^  bie  $1^.    Site  X^xu^   burd^    feine  S3erbinbung  mit 
Karthago  bie  ^errfc^aft  über  iai  toeftlic^e  3KitteImeer  erlangte,  tvurben  bie  ©ried^en  bie 
§errcn  in  feinem  norböftlic^en  2:eile.   3lte  I^ru^  tvä^renb  ber  ^erfergeit  anfing  gu  finfen, 
tourbe  Kartl^ago  mäd^tig,  öiel  mäd^tiger,  alö  bie  3Kutterftabt  je  getvefen  toar. 

3)lan  mufe  Smft  bamit  machen,  fid^  bie  ^^.  aU  Kauflcute  m  benfen,  ate  §änbler,  46 
bie  ftetg  banad^  trachteten,  i^ren  3Karft  mit  bem  93eften  unb  9leueften  gu  gieren  (ögl. 
6g  27),  unb  immer  barauf  bebad^t  toaren,  bie  SBünfd^e  i^rer  Kunben  gu  erfüllen.  93ei 
fold^en  2euten  loirb  man  nic^t  nad^  eigentlid^er  Kunft  fragen,  unb  bie  })l^.  2)enfmäler, 
bie  toir  fennen  gelernt  l^aben,  freilid^  erft  öon  ber  Jjerfifc^en  3^^^  ^b,  ftnb  aud^  nid^t 
bagu  geeignet,  einen  befonberen  Kunftftil  gu  belegen.  3!Han  finbet  öerfc^iebene  SJlotiöe  60 
miteinanber  berbunben,  äg^>)tifc^e,  bab^lonifd^e,  Jjerfifc^e,  gule^t  audb  gried^ifd^e.  3)ie 
Slrt  i^rer  SSertvenbung  berftö^t  jeboc^  gar  nid^t  feiten  geaen  i^ren  urfj)rünglici[>en  ©inn 
(tjgl.  ^ietfc^mann  a.  a.  D.  265  ff.).  Sefonberg  lel^rreic^  für  biefe^  SSerfal^ren  fmb  bie 
pl^.  SJlüngen.  ©ie  loerben  ge>)rägt  feit  bem  Snbe  be^  5.  S^^tl^unbert«,  in  3trabo§  nad^ 
perfifdf^em,  in  93^blo^,  ©ibon  unb  2:^ru^  nac^  J)^.  ®ch)ic^t;  benu^t  toerben  jebod^  bagu  65 
griec^ifc^e  3Wufter.  ©^er  öerbienen  bie  Seiftungen  ber  ^^.  auf  bem  (Sebiet  ber  Saufunft 
betounbert  gu  toerben.  2)ie  Stnregung  bagu  tocrben  fte  freiließ  öon  ben  Sg^j>tem  erhalten 
^aben,  aber  bie  Sel^anblung  bc^  gclfen^  i}at  bei  i^nen  boc^  eine  gang  anbere  Sebeutung 
gewonnen  (ögl.  "IRman  a.  a,  0.  822.  824).  3)a|  fte  bie  ^nfelftabt  I^ru«,  toie  e«  fd^eint, 
gegen  6nDe  be^  8.  g^^^unbert^  bur^  unterirbifc^e  Seitungen  mit  frifd^em  SBaffer  öont  go 


302  Sibonter  Stboitittd  ^oUiuaxi» 

geftlanbc  ^er  öcrforgtcn  —  freiließ  n\6)t  burd^  3:l^onröl^rcn,  fonbem  burc^  eine  auö  be? 
pauencn  ©teilten  jufammengefc^te  Slöl^re  (ögl.  93b  VIII,  682, 42),  bie  no^  ^eute  i^rcn 
S)ienft  Ü)Vin  foH  —  jeugt  öon  großer  ©efc^idflid^Ieit  in  SäSafferbauten.  3^^^  Sieifter* 
fd^aft  in  ber  §erftettung  ber  ©eefc^iffe,  bie  tüegen  il^rer  runben  gorm  yavix)i  genannt 

ötourben,  toar  im  ältertum  berül^mt  (ögl.  (£»27;  §erob.  VII,  96.128;  i)gl.  b.  ärt. 
©d^iffalrt  93b  XVII,  568  ff.),  ©ie  öerftanben  fid^  borauf,  3Jleere«Iüften  ju  unterfu^cn 
unb  aiifjunel^men  ($erob.  III,  136).  ^I^r  9luf  Wax  nid^t  ber  beftc,  tüie  bie  in  bie 
Db^ffee  eingefd^alteten  ©rjäl^lungen  über  ph,  ©d^urfereien  betoeifen. 

^ie  griec^ifc^en  Slngoben  ^aben  ben  ^if).  and)  ben  9lu^m,   gro^e  (Srfinber  getoefcn 

10  5u  fein,  eingebracht,  aber  biefer  Slul^m  ift  l^infättig;  er  erflärt  fid^  fo,  ba^  bie  Oried^en 
bie  Sleuigfeiten,  bie  bie  ^^.  i^nen  Vermittelten,  al^  il^re  ©rfinbungen  anfallen;  ganj 
unfd^ulbig  iperben  aUerbing^g  bie  fd^lauen  ^1^..  an  biefem  3if>^»n  tool^l  ni^t  gelpefen  fein, 
©la^^flu^ ,  unb  ^a^encefad^en  l^at  man  in  äg^^ten  früher  l^ergefteQt  atö  in  $^.  (t)g(. 
6rman,  '^ggpUn  607—609).    $urj)urh)aren  nannte  man  in  3lom  farranifc^  (sarranus, 

15  öon  ©orra  ober  ©ara  =  sör,  %\}xvi^),  unb  bie  Seute  öon  %\}xn^  fotten  fi^  in  ber  Ti^t 
auf  bie  ^Purjjurfärberei  am  beften  öerftanben  ^äbm;  ögl.  b.  3lrt.  garben  93bV,  757,i6. 
S(ber  bie  älu^brüdte,  bie  h)ir  au^  bem  $ebräifc^en  für  $ur^ur  fennen,  finb  nic^t  j^ebröifd^ 
ober  >)l^önicifd^,  el^er  babblonifc^  (Dgl.  KAT',  649);  alfo  ftammi  bie  ©ad^e  nidf^t  auS 
^^.    3"^  Äabmo^fage  bei  ben  ©ried^en  gel^ört  ber  3^0/  ^<^i  ^"^  %^xn^  bie  93  uc^^ 

aoftabenfd^rift  nad^  ©ried^enlanb  gelommen  fei.  SSermutli^  fte^t  baö  im  ^wf^mmen- 
bang  bamit,  bafe  bie  5Wad^t  öon  X^xu^  um«  ^al^r  1000  bor  6^r.  bebeutenb  ftieg. 
3)er  ©inn  ber  ©age  tDürbe  bann  barauf  ^inaudfommen,  ba^  ^ru«  bie  ©cbrift,  toie 
fte  bamate  bort  gel^nbl^abt  tourbe,  nämlic^  bie  93uc^ftabenfd^ft,  ben  ©rieben  über= 
mittclt  l^abe.    Über  ben  Ort,  too  biefe  ©d^rift,  im  ©egenfa^  jur  Äeilfd^rift,  entftanben 

25  fei,  ift  bamit  gar  nid^t«  au^efagt.  3Ran  nimmt  neuerbmg«  an,  ba^  bie  SSud^ftaben^ 
fd^rift  in  93ab)^Ionien  au^gebilbet  toorben  fei  unb  bon  bort  i^ren  SBeg  na^  bem  99ieften 
genommen  l^abe.  (Stt^e* 

©ibonnid  3I)ioIIttiartd,  ber  le^te  bebeutenbe  9lej)räfentant  antiler  93ilbung  in  ben 
gattifd^en  SRI^etorenfd^uIen,  geft.  aU  95ifd^of  t)on  (Slermont  ca.  480.  —  «u§floben:M8L 

30  58,  435—751  mit  ben  unentbehrlichen  9?ütcn  6trmonb«.  —  Oeuvres  de  Sidoine  ApollinaiFe 
Texte  latin  par  E.  ßaret.  $ariS  1879  (einiges  Srauc^bare  in  ben  beiaefügten  3)iffertationen; 
blc  angeblid^  cöronologifcftc  Drbnung  ift  bilettantifd)).  —  Gaii  Sollii  Apollinaris  Sidonii 
Epiatolae  et  Carmina  ed.  Luetjohann  MG  A.  a.  VIII  (Praefatio  unb  Indices  üou  3Rommfcn ; 
Loci  similes  auctorum  Sidonio  anteriorum  uon  (S.  Deisler),   SBevIin  1887.  —  ?lu§gabc  üon 

35  $aul  'äWol^r,  fieipgifl  1895.  —  iJittevatur:  Gennad.  Mass.  c.  92  (baä  l^eißt  ber  Sntcrpolator 
im  cod.  Paris,  saec.  VII);  Greg.  Tur.  h.  Fr.  II,  21  ff.,  giebt  bie  bereite  legcnbarifcftc  fiofaI= 
trabition  ber  ^utjergne  (ügl.  Sb  VII,  153,  3«  34  n.  43).  —  XilTemont,  M^m.  pour  servir 
ä  rhist.  eccl.  des  six  prem.  si^cles  XVI,  195—284.  —  ®ibbonS  S3cf)anb(ung  beS  @iboniu5 
(Ch.  30)  ^ält  fi*  nidjt  ganj  auf  ber  fouftigen  ^ö^c  feine«  5G8er!«.    tll.  ©crmain,  Essai  litt^- 

40  raire  et  historique  sur  Ap.  Sid ,  3RontpeUier  1840;  SSfl.  Scrtifl,  ©.  @.  9lp.  @ib.  unb  f.  3cit 
nadf  f.  SBerfen  borgeftcnt,  I  5G8üriburg  1845,  II  ©ürjburg  1846,  Ill^affau  1848.  —  OJrunb-- 
legenb  üier  9lrbcitcn  üou  ©eorg  Kaufmann:  3)ie  503erfe  beä  6.  ©.  ?(.  @.  alS  eine  Oiieüe  für 
bie  ®ef(6id)te  feiner  3cit,  ©öttinaer  2)iff.  1864  (I);  berf.  im  92.  ©d^meiaer  3Ruf.  V  (g3afcl 
1805)  8. 1—28  (II);  berf.  im  ®gm  1868,  ©.  1001—1021  (III)  unb  in  SRaumcr«  ^ift.  Xafdjenb. 

46  4.  5.  10.  Sa^rg.,  fieipäig  1809,  „$Rf)etorenfd)ulen  unb  ^lofterfdjulcn"  bef.  6. 30—40  (IV).  — 
©^aij,  Saint  Sidoine  Apollinaire  et  son  sifecle  I.  II  Clermont  Ferrand  1866.  —  3)a]^n, 
Könige  ber  Germanen  V  (©ütäbura  1870)  8.  82—101;  gjj.  SBübinger,  %  @.  a(«  ^olitifcv, 
eine  untt)erfal^iftürifcf)c  (Stubie,  Qmi  97.  «b  (1881)  ©.915—953  (inl^altrcicft,  aber  mit  «or= 
ftd)t  ju  benagen;    DchrB  IV  (1887)  p.  049—061    tjon  $.  2B.  ^^irfott   (cingc^enb,    aber  ju 

öoab^ngiq  üon  d^aif);  2lb.  ebcrt,  ^Ilg.  ßJefcfi.  ber  ^^iitterotur  beS  Mittelalter«  im  tlbenblanbe 
I«  (1889)  @.  419-448;  M.  Manitiu«,  Oefc^ic^te  ber  d^riftl.  kt.  ^oefie  biÄ  jur  «Ritte  beS 
8.  3a^r6.  (1891)  ©.  218—225;  ^aurf,  m  2)eutfd)IanbS  P  (1898)  @.  79  ff.,  83  ff.  u.  ö.; 
3)u(l)eöue,  Fastes  ^piscopaux  de  ranciennc  Gaule  II,  ^oriS  1899,  p.  12,  34  u.  ö. ;  ©atten= 
bad)=3)üm(er,  5)cutic^Ianb^  ®efc^ic^t§qucaen  im  'iölittelalter  V  (1904)  @.  97  f.;    (S.  ©racman, 

55  Sidoniana  et  Boethiana,  Utrcdbt  1904;  Dr.  91.  ^oKanb,  Studia  Sidoniana  ficipjig  1905 
(^rogr.  "Dk.  650,  ber  fieipaigev  X^omaöfc^ule). 

I.  Seben^efd^ic^te.  6.  SoHiu^  3)tobeftu^  3tpottinari«,  öon  i^m  fclbft  unb  3«tflcnoffen 

meift  mit  bem  felbftgemä^lten  Seinamen  (signum)  Siboniu^,  ober  aud^  ©ottiu«,  flcnannt 

—  iDurbc  um  ba«  3abr  430  gu  £^on  (ögl.  ep.  IV,  25,  5,  c.  XIII  v.  23  f.  u.  ö.)  in 

CO  einer  üorncl^men  gamilic  geboren  (Stammtafel  MG  VIII  p.  XLVIII),  ögl.  ep.  VII,  9, 15; 

I,  3,  1.    ©ein  ^rofeöater  üertoaltete  in  ©allicn  ba^  oberfte  Sleic^mt  unb  tourbe  ber 


iSibotiitii»  npDOinari»  303 

erfle  ßl^rift  in  ber  fjamilie.  3luc^  bcr  SSatcr  brad^tc  ^  unter  SSalentinian  III.  im  ^aÜ^x^ 
448/9  5um  praefectus  praetorio  Galliarum  (ep.  V,  9,  2  VIII,  6,  5).  3)a«  ®eburl3* 
iafyc  be«  ©ib.  föDt  nad)  ep.  VIII,  6,  5  ztfüa  430—433  n.  6^r.;  aU  ®eburt«tag  ßiebt 
et  fclbft  c.  XX  ben  5.  Sloöember  an.  Stuf  feine  förjjerlid^e  aiu^bilbung  unb  geiftiße 
©d^ulung  tourbe  bie  attergröfete  ©orgfalt  öertoanbt  (ep.  VIII,  6,5;  c,  IX,  313;  ep.  VI,  5 
1,  3;  tjßl.  c.  II  V.  155).  35er  Unterrid^t  in  ben  bamate  nod^  blül^enben  ©rammatilera 
unb  Sl^etorenfd^ulen  trug  einen  au^e^rägt  formalen  ß^arafter.  3^^^  ^öd^fte^  3'^  ^<*^ 
f))ielenbe  Seid^tigleit  t)irtuofer  ^m))rol?ifation  in  £»anbl^abung  aQer  überlieferten  Jtunftf ormen 
unb  ©tilgattungen  ber  lateinifc^en  $oefte  unb  $rofa.  ßrfüllt  ^on  bem  bo|)^eIten  Streben 
nad^  fc^riftfteDerifd^em  JRul^m  unb  l^o^er  BUÜuriQ  im  ©taat^bienft,  beteiligte  fxd)  ©ib.  10 
eifrig  an  ©i^gjjutation^übungen  unter  Seitung  be«  ^Sre^bi^ter«  9Jlamertu«  ßlaubianu«  (f. 
ben  3lrt.  IV,  132  f.),  bem  er  ep.  IV,  11  5Rad^rufe  in  $rofa  unb  SSerfen  toibmet  (ögl. 
ep.  V,  2,  1),  an  einer  jjoetifd^en  ©efeUfc^aft  unter  bem  öielfeitig  gebilbeten  2lntl^ebiu8 
(c.  XXII  ep.  §  2),  burd^  2lnf^Iufe  an  ben  burbigalenftf^en  Stbetor  Samjjribiu«  unb 
anbere  litterarifd^e  (Sröfeen,  befonber«  ober  burd^  2lbfaf[ung  i)on  ©elegenbeit^^bid^tungen,  15 
h>eld^er  Slrt  fie  immer  ertoünfc^t  tüaren  (ep.  VI,  21).  ©eine  §eirat  mit  ^Pat)ianitta,  ber 
%od)in  be«  2tt)itu^,  eine«  öorne^men  3lrt)ernerd  (c.  VII  v.  119),  mad&te  il^n  in  berSanb« 
fdfiaft  ^eimifd^,  bie  i^m  jum  SSaterlanbe  toerben  fottte  (ep.  1, 11,  3  f.  11,2  c.  XVII,  20). 
3)er  il^m  Don  feiner  ®attin  ju^ebrad^te  Sanbfi^  in  ber  2luöergne  (ep.  II,  2, 3)  unb  fein 
glüdflid^e«  Familienleben  l^ätte  il^n,  toie  fein  t>oetifc^e«  SSorbilb  ©tatiu«,  uu  einem  3)id9ter  ao 
bed  t)omel^men  l^äu^lid^en  äBol^lbe^agen«  ma^en  lönnen.  ©ein  Sl^rgei)  lie^  il^n  aber 
ba«,  toennglei^  mit  ben  ©ütern  berÄultur  gefd^müdfte,  Seben  eine«  inglorius  nisticus 
öerac^ten  (ep.  I,  6,  4).  35ie  ßr^ebung  feine«  ©d^toiegeröater«  jum  römifd^en  ©d^atten« 
laifer  (c.  VII  v.  540)  leitete  feine  ftet«  burd^  äußere  änläffe  beftimmte  5Wufe  auf  bie 
3)id^tung«art,  toeld^e  bamal«  ba«  l^eroifd^e  ©jjo«  öertrat:  ben  5Paneg^ricu«  (®bert  ©.  419).  26 
Sr  begleitete  feinen  ©d^toiegeröater  nad^  3lom  unb  trug  bort  bei  bef[en  Äonfulat«antritt 
am  1.  S^nwör  456  fein  Sob^ebic^t  auf  biefen  toor  (c.  VII).  S«  \pmAi  bie  3«itgef^ic^te 
feit  ca.  420  auf  feine  Slrt  toieber;  beutli^  ift  ^u  erfennen,  bafe  bie  Sr^ebung  be«  2li)itu« 
einer  gaUifd^en  SBetoegung  entf^rang,  bie  nid^t  ol^ne  Bpxi^t  gegen  Italien  toar  (boc^  f. 
Äaufm.  III  ©.  1017).  33emerlen«h)ert  ift  ber  befonber«  bei  ben  ^Partien  über  Sitoriu«  30 
(v.  246—302)  ^ortretenbe  ©egenfa^  jur  S3eurteilung«loeife  ©alöian«  de  gub.  Dei  VII^ 
9,  10,  loie  ©ib.  übttfyiyupt  beffen  2lntij)obe  ijl  (ögl.  $audf,  Ä®  35.  V,  ©.  18  f.).  SSon 
c^riftlic^er  Sluffaffung  feine  ©J)ur.  3)a«  SQäerl  be«  jungen  3)ic^ter«  tourbe  fo  beifällig 
aufgenommen,  baB  man  il^m  eine  Sronceftatue  bei  benen  ber  berül^mteften  ©d^riftfteller 
in  ber  3:raian«l^tte  fefete  (ep.  IX,  16  c.  v.  25).  3lber  ber  in  bem  ^aneg^ricu«  (c.  VII 35 
V.  116)  ate  neuer,  gauifc^er  Irajan  gefeierte  Sletter  be«  ßrblreife«  (v.  317  tibi  pareat 
orbiB,  Ne  pereat)  tourbe  nad^  17monatlic^cr  ^Regierung  burc^  ben  ©ueöenfürften  ^icimer 

Seftürjt  unb  ftarb  balb  barauf.  3lm  1.  Sluguft  457  er^ob  Slicimer  ben  aKajorianu«  jum 
!aifer,  ©ib.  loiberfe^te  fid^  mit  feiner  3Saterftabt;  al«  aber  2t)on  gef aßen  toar,  gelobte 
ber  2)id^ter,  fortan  feine  3w"9^  i"  *^^  2)ienft  be«  ©ieger«  ju  fteHen,  ber  il^m  großmütig  40 
ba«  Seben  gefd^enlt  ^e  (c.  IV,  13  f.).  ®r  cmbfing  i^n  458  in  S^on  mit  einem  Sob« 
gebiegt  (c.  V),  ba«  aud^  ben  2;^ronräuber  be«  Jtaifer«  2lt)itu«  in  nieberträd^tiger  SSäeife 
öer^errlid^t  (v.  266).  §iftorifdg>  h)ertt)oll  ift  aber  bie  ©c^ilberung  ber  granlen  v.  238— 254. 
3lad)  ber  ßrmorbung  SRajorian«  am  1.  2luguft  461,  toä^renb  ber  §errfc^aft  be«  Äaifer« 
©eoeru«461— 466,  toirb  für  un«  bie  2cbcn«gefc^ic^te  be«  ©ib.  unbeutlicp.  SQäal^rf^erhli^  46 
lebte  ©ib.  in  biefen  ^ai)xm  al«  fianbebclmann.  3)ie  au«fü^rlic^e  Sef^reibung  feine« 
@ute«  ätoitäcum  ep.  II,  2  ift  lulturgefd^id^ttid^  ebenfo  toertööD,  loie  bie  v.  263—306 
be«  bamat«  entftanbenen  c.  XXIII  gelieferte  Sefd^reibung  ber  5}}antomimen,  bie  le|te  ein« 
gel^enbe,  bie  au«  bem  Altertum  überliefert  ift  (erläutert  t)on  ßottanb  ©.  30—33).  2lu^ 
bie  ©rjä^lung  v.  69  ff.  öon  bem  33errat  9iarbonne«  an  bie  ®oten  ift  bead^ten«loert,  bes  50 
barf  aber  fel^r  ber  ©rgänjung  burd^  bie  Vita  Lupicini  A.  S.  ^Kärj  21  p.  263  f.  35ie« 
Sobgebid^t  e.  XXIII  auf  ben  al«  ©efanbten  toeit  gereiften  9Jarbonenfer  ßonfentiu«  fü^rt 
ben  Sefer  burd^  bie  ganje  bamalige  Äutturtoelt.  ©0  lange  ber  SBeftgotenIi)nig  i^coborid^  II. 
(453—466)  regierte,  na^m  ©ib.,  ber  beffen  formale  Slb^ängigfeit  öon  Slom  c.  V  v.  562  u.  ö. 
freiließ  übertreibt,  eine  gotcnfreunblic^e  ©tettung  ein.  Ep.  I,  2  (^ara^)l^afe  öon  ®ibbon,  55 
eh.  36;  Überfe^ung  öon  »fertig  I,  28  ff.)  liefert  er  eine  au«fübrlid^e  ß^arafteriftif  jene« 
gfürften,  berülj^rt  §  4  auq  ben  arianif(|en  §ofgotte«bienft.  211«  aber  Äönig  ®urid^ 
(466 — 485)  auf  ben  I^ron  lam,  ber  nac^  Qi^^^^ö"^  c-  45  Gallias  suo  iure  nisus  est 
oceupare  (ögl.  ©ib.  ep.  VII,  6,  4;  VIII,  3,  3),  fc^lofe  ftc^  ©ib.  ber  entgegengefe^ten 
$(artei  an.   @r  trennte  fid^  bamit  Don  feinem  greunbe  3lrt)anbu«,  ber  al«  ^räfeit  ®aQien«  00 


"m  "j"  %ii'i' 


Stbontttd  9I)ioI(iitartd  306 

jiel^t,  bafe  er  mel^r  ate  ScItcnl^aiH)t,  benn  al5  SSolfefönig  baftcl^t.  ©d^on  [teilen  9  SSifc^of^« 
ftüf^le  t^ertDatft.  Salb  fann  ed  bal^tn  !ommen,  ba^  clericalis  non  modo  disciplina, 
sed  etiam  memoria  perit.  (3Son  Einrichtungen  ber  SBifd^öfe  fagt  ©ib.  fein  SBort:  erft 
bie  Segcnbe  bei  ©regor  i)on  %o\xx^  l^at  auö  ßurid^  einen  blutbürftigen  3Büteri(^  gemalt.) 
Surgunber  unb  ®oten  bro^en  ba^g  Sanb  aufjuteilen  (fo  ift  VI,  10,  5  mit  35a^n  V,  91  6 
ju  erllären,  gegen  Sübinger  ©.  946;  ba^g  gm^jerium  Reifet  bei  ©ib.  nie  regnum). 
2)arauf  mu^  aUe  2lnftrengung  gerid^tet  toerben,  bafe  Suric^  lieber  Sifd^öfe  hjei^en  lä^x, 
ut  populos  Galliarum  .  .  .  teneamus  ex  fide,  etsi  non  tenemus  ex  foedere. 
Sßicber  bie  Carole:  SRettung  be^  Slömertum^  in  bie  fatl^olifc^e  Äirc^e,  h)enn  e^  jjolitifd^ 
toon  ber  res  publica  (fo  nennt  ©ib.  öfter  baö  Sleid^)  abgetrennt  tvirb!  3)afe  e^  foh)eit  lo 
tarn,  gab  ©ib.  ben  Äird^en^ämjtcrn  ber  Slrelatenfer  35iöcefe  ©d^ulb.  Sifc^of  ®räcuö 
mufe  ep.  VII,  7  bie  l^eftigften  3Sortoürfe  ^ören.  3)ie  5Kaffilienfer  feien  au^  ben  ßrften 
(i)gl.  2)u(l^e^ne,  Fastes  p.  101)  bie  Seilten  gelüorben,  hjeil  pe  i^ren  $rii)ati)ürtetl  über 
ba^  Oemeintvo^I  fc^en  unter  ^rei^abe  „unfere«  unglücflic^en  SQäinlete"  (nostri  infelicis 
anguli;  ögl.  III,  1,  4).  ßlermont  toar  öerloren.  ©ib.  flagt:  f actus  est  servitus  i6 
nostra  pretium  securitatis  alienae,  b.  1^.  \>ai  Sleid^  trat  bie  Slutoergne  gegen  ben 
Äüftenftrid^  ijon  ben  $^renäen  biö  jur  SR^onemünbunp  ab  (MG  VIII,  446).  Surid^  aber 
geigte  fic^  nic^t  aU  ber  ep.  VII,  6  gefd^ilberte  ^anatifer.  ßlermont  tourbe  nid^t  jerftört, 
©ib.  öerbanite  abermals  feinem  litterarifc^en  9lu]  eine  milbe  Sel^anblung.  35er  gotifc^e 
§of  tvax  nid)t  bilbung^feinblic^er  ate  ber  9)taioriang.  3n  2;ouloufe  toar  nad^  bem  Äönig  20 
Üco  t)on  9?arbonne  ber  einflufereid^fte  5Kann,  Slac^Iomme  be^  3K.  gronto,  be«  Se^rer^g 
3JJarf  aiurete  in  ber  Serebtfamleit,  felbft  gefeiert  aU  Slec^tigantoalt,  ä)id^ter  unb  ^olitiler 
(ep.  IV,  22,  3;  VIII,  3,  3;  Ennod.  vita  Epiph.  e.  85,  N.  A.  XXIV,  119 f.;  ?!Jlommfen, 
Sieben  ©.139).  ©ib.  fd^icfte  i^m  eine  äCbfd^rift  ber  lateinifd^en  Überfe^ung  ber  S3iogra))^ie 
be^  2l})ottoniu§  t).  %\)ana.  2lu«  ber  milben  §aft  balb  entlaffen,  burfte  er  nid^t  fofort  nac^  20 
ßlermont  jurüdtfel^ren,  fonbem  foHte  feine  Soi^alität  erft  in  einem  nid^t  qrjjonierten  ©d^ein^ 
amt  bctoä^ren  (per  officii  imaginem  solo  patrio  exactus  ep.  IX,  3,  3).  3)er  be= 
rüt^mtefte  aller  Sriefe  be^  ©ib.  (ep.  VIII,  9)  fällt  in  biefe  gcit;  ba«  barin  enthaltene 
©ebic^t,  gtüeifello«  gur  SKitteilung  an  ben  Äönig  beftimmt,  fc^ilbert  bie  ffleltmad^t  be^ 
Sffieftgoten^errfc^er^,  bie  an  feinen  ^of  ftc^  brängenben  jai^Ireic^cn  aSölfer;  bie  Sinleitungso 
geigt,  tvie  ©ib.  jUjei  SKonate  lang  auf  bie  in  eigener  Slngelegenbeit  erbetene  Slubienj 
lüarten  mu^te.  3^"^  ©cbid^t  lönnte  man  ben  ijierten  öon  ©ib.  öerfa|ten  ^JJaneg^ricu^ 
nennen,  er  ift  gugleic^  eine  ^alinobie,  hjie  ber  c^aralterfc^toanfe  3Kann  öiele  gefungen  l^at. 
(Über  bie  bamalige  ©ituation  beö  ©ib.  am  Ilarften:  Saufm.  III,  ©.  1007 f.;  anbere 
atuffaffung:  Sübinger  ©.949 ff.;  Überfe^ung  be«  (Sebid^te  Don  v.  12  an:  gertig  II,  23 f.;  35 
aSertvertung  ate  ©efd^ic^tgqueHe:  9JJommfen,  Sieben  ©.  136 f.;  ögl.  aud^  2)al^n,  Ä®  3). 
V,  90).  —  9lac^  längerer  S^'it  burfte  ©ib.  auf  feinen  Sifc^of^Pl  jurücffel^ren  unb  \)at, 
in  feiner  Strt  Jjflic^ttreu,  feinet  Stmte^  getoaltet.  211«  amtierenber  Sifc^of  (peragratis 
dioecesibus)  nimmt  er  in  bem  legten  Srief  ber  ©ammlung  Dom  Sefer  2tbfd§>ieb.  Siel 
älter  aU  50  ^ai}x^  fann  er  nic^t  geh)orben  fein.  3)ie  c^ronologifc^en  Slngaben  be«  fc^on  40 
Don  ©irmonb  au«  bem  cod.  Cluniacensis  saec.  X/XI  mitgeteilten  ß})ita^)l^«  taffen  ftc^ 
nidf^t  leicht  mit  ep.  IX,  12,  2  unb  IX,  13,  6,  foh)ie  anbern  ©teilen  bereinigen.  9limmt 
man  fic  tüörtlid^,  fo  mu^©ib.  minbeften«  noc^  ben  Anfang  be«  3i<»^re«  481  erlebt  ^aben; 
ältere  gorfc^er  gingen  fogar  bi«  jum  ^S^l^re  490  ^inab  (ögl.  u.  a.  MSL  58,  437  f.). 
dlad^  bem  Vorgang  2Kommfen«  MG  VIII  p.  XLIX  büxad^ict  man  ^eute  jene  Srief-  45 
auefagen  al«  ungenau  unb  beftimmt  nac^  bem  Spita))^  ben  21.  äluguft  479  al«  Xag 
feine«  Segräbniffe«.    3luc^  Suc^eöne  II,  34  entfrf^eibet  fic^  für  479  al«  2;obe«ia^r. 

II.  ©iboniu«al«  ©d^riftfteller.  „Son  allen  ©c^riftftellern,  in  benen  fonft  biefer  nationale 
Äonflift  (jtoifc^en  ben  unterliegenben  Slömern  unb  ben  ©ermanen)  fic^  ffi^clt,  ift  an 
öome^mer  $erlunft  unb  gciftiger  3)urc^bilbung  feiner  mit  ©ib.  aud^  nur  entfernt  ju  50 
Dergleichen,  unb  tvie  gering  man  auc^  Dom  abfoluten  ©tanbjjunft  über  feine  litterarifc^en 
arbeiten  benfen  mag,  nirgenb«  ijerfolgt  man  fo  beutlid^  h)ie  bei  il^m  ben  merftvürbigen 
^Projcfe  nid^t  fo  fe^r  ber  ©ermanifierung  ber  Stömer,  al«  ber  9lomanifterung  ber  3)eutfc^en." 
®icfe  getoi^^tigen  Sföorte  3Rommfen«  (Seben  ©.  139)  finb  l^ier  fur^  ju  erläutern,  äft^etifd^ 
betrad^tet  ^at  bie  ^Joefte  be«  ©ib.,  obgleich  fententiöfe,  foh)ie  fatinfc^e  ober  auc^  anmutige  bö 
©teilen  i^m  mand9mal  gelingen,  einen  nod^  geringeren  SBert  al«  bie  be«  Slufoniu«.  §od^ 
ift  aber  i|re  litterar^iftorifrf^e  Sebeutung  einjufd^ä^cn :  teil«  formal,  toeil  fie  ben  Übergang 
gur  mittelalterlid^en  lateinifd^en  $oefie  bilbet,  in  ber  §äufigfeit  be«  Sleim«,  ber  2lIIitteration 
unb  ä^nlid^er  flunftformen  (ögl.  3)Janitiu«  ©.  225);  teil«  material,  toeil  man  cinerfeit« 
au«  i^r  erftel^t,  toeld^e  ^i^ter  unb  ©d^riftfteQer  man  bamol«  la«  (©c^anj,  @efc^.  b.  60 

ftcaI<(hicDr(opabtc  far  a:^eo(oaie  unb  tiix^t.    3.  K.  xviii.  20 


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V  iidt  X  ^f^cläai  *Ti.yr:OTca!  botroi  i^cfloat  jl  o.  £.  p.  1—16:  De  cmmimis  noiii 
argtuiKxttif  lasSUynas  et  mitfakis,  toL  Sctefr.  De  indieibiis  deomm,  lipsUe 
K«*^»/'  .ftz^as^oehfhfkfr  tiwvcflfr  d«  he  eamiimi  «oib  he  9iiefe.  Sb^  fti^  fdb^ 
k£crn  Sc,  Sso:  mm  Setanfcn  (o^L  fiasne.  IT,  S.  ISf.i.  S(te  feinem  eiregboren, 
iz^zz^mai  %CBrdI  ctefo,  trenn  tocnunbe  etci^nne  e#  tieften^  in  ber  mit  manierietta 

'Xi  Stns^^ci:  ^ctfle^ten  iwdb^efrifbeten  Srmfre  em  fnr  Ht  lenmcB  %uncen  ouigearbeilete^ 
^jjmsincem  va  ^rmspm^  ScH  eigeH  er  nct,  bn  infeaüsoxmeB  Sitnationen,  nnb  tpeitn 
er  trennenren  ?ycma%m  im  @efüH  »einer  £<lhräi!^  oastoeiil^t,  feitenlon^  in  bcblen 
^ßtenen;  irc  ]eo(6  ber  fRcmem  ihi  iradt,  bennag  a  mit  bn^  9n&^yrä6en,  bie  fett 
Cirtbitn  (wtJL  eh.  '^  n.  1  u6er  ep.  II,  13 1  jder  OeWiMctteib«  Jena  3^  toteber^ 

ts  Mt,  treneiä  bie  xa%t  m  Memfoen.  2ie  9  9iiba  Sriete  iinb  in  9Kä^  beraudgegcben. 
Xad  eine,  grcBtoueiB  um  \ilfy  in  Slcm  geftbrieben,  beginnt  mit  ber  aS^ung  an  ben 
^ogbunenükben  iUerifer  flonnamin^,  tem  eine  $ita  be#  (ben  Stb.  ep.  Vlll,  15,  1  cr^ 
iMLbnten;  9th^0V6  @ennanu6  b.  Xioene  ^efcbrieben  unrb  (f.  benSd.  ^  VI  S.  606). 
--  Xie  Sriefe  te$  II.  9iub$  fc^oi  erft  noib  ber  !Nitte  b.  ^  472  beroffentlid^t  ju 

»fein;  üe  tbib  aber  \dM  fämtÜc^  älter,  ba  fie  teineiiei  Snbeutung  auf  bot  flertiEalcn 
3taitb  entboüen.  Sie  beibnifc^  Sib.  bomai^  bacbte,  ^eigt  bie  @iabinf(^rift  für  bie  jung 
berftcrbene^bilomotbia  (togL  ^iaud,  Ä@  I.  P,  g.  23>,  H?e%  in  bem  Sudfimu^  9i»)feü, 
ungerecbtertreife  bobe  bod  @rab  So  fräb  fein  Stecht  genommen  (bgL  ep.  IV,  11).  S^iefc 
25  Srtefe  ber  i^toet  elften  Sä(^  finb  Mibörberfi  ebiert  tDoiben.    S^ie  folgenbe  @ru))pe, 

a  J8u(^  III— VII  ^etgt  eine  beränbeite  Situation.  S^iefe  70  Sriefe  beginnen  mit  ber  Se^ 
meitung,  bei  3?erfatiei  fei  untourbigenoeife  Sif<^of  bon  SIermont  gekooiben  unb  f(^Iie|en 
ben  an  jenen  obigen  genannten  flonfiantiud  gerichteten  S))iIog  mit  ber  Sntfc^ulbigung, 
baB  er  ed  tooge,  if^n  bon  frommer  Settüre  ab^ugieben.  ^n  biefer  Sammlung  bilben  bie 
an  »ifiböfe  gerichteten  »riefe  (VI,  1  bi^  VII,  11)  toiAer  eine  befonbere  ®rul))>e.    6^ 

ar;  finb  ijloei  3^u^b,  toemt  man  beachtet,  bafe  VII,  12  fca^  g*ört,  ein  Schreiben  an  ben 
Senator  unb  Sitteroturfreunb  lonantiuö  J^rreoluö,  (Snlel  jene^  Xfraniud  gi^griu«,  bem 
Sufoniu^  t)or  ettoa  90  "^obim  feine  Epigrammata  getoibmet  ^atte.  Sib.  motibiert  bie 
SteQe  biefed  Sc^eiben^  am  Sc^Iu^  ba  bifc^ofüc^en  @ni^  c^aralterifüfc^  fo:  9Ber  bei 
einem  öffentli^en  Sanlett  an  ber  erften  lafel  i^ule^  fi^t,  toirb  me^  geehrt   ate  burd^ 

36  ben  elften  ^lo^  an  bei  jtoeiten :  sie  absque  (X)nfl]ctatione  praestantior  secundum 
bonorum  sententiam  (K)mputatur  honorato  maximo  minimus  religiosas  (bgl. 
ben  aiuebruct  c}jiöfo>)aIen  Selbftbetoufetfein^  ep.  IV,  14,  4  unb  bie  bon  ®eorg  Äaufm. 
in  r^eljere;  $iot.  3Konatßbl.  1868  S.  107  f.  angeführten  ^attelpeDcn).  —  St)ätei 
buic^niufteite  Sib.  auf  ffiunfc^  bei  ^eunbe  (boc^   bgl.  Äaufm.  IV,  20)  feine  Sc^ieine 

4f)  ju  äibemum  nac^  Stüdcn,  bie  für  ein  acbte«  33uc^  geeignet  tooien  (VIII,  1,  1  bgl. 
IX,  13,  6),  unb  fteüte  nac^  längerer  3^*  aud^  ein  neunte«  jufammcn,  „um  ben  ©j)uien 
bee  ^liniu«  ju  folgen"  (IX,  1,  2).  SDie  ßl^ionologie  bei  entfteljfung  ift  in  bei  9lei^en= 
folge,  auc^  innei^alb  bei  (Siu^ijen,  nic^t  ftieng  feftgebalten,  obtoo^I  eine  getoifje  foit^ 
laufenbe  Cibnung  bcabftc^tigt  ift.    2)ic  ate  Supjjlemerite  übeiliefciten   toid^tigcn  Sricfe 

45  VII,  0  unb  VII,  7  unteibrec^en  ben  3wf<»»"ni^"^ön9/  ^^  jtoifc^en  VII,  5  unb  VII,  8 
befiehl;  äf^nlic^  ift  e«  mit  IX,  2.  3)er  le^te  SBrief  ber  gangen  Sammlung  toeift  auf  1,1 
juiücf. 

3)iefc  147  ©riefe    ^aben  junäc^ft  be^^alb   giofeen  f^iftorifd^en  SBSert,   toeil  fie  bie 
SJtanicr   bei  lateinifd^en  SRI^etoienfci^uIc   fuij  boi  il^iem   Unteigang,  in  i^er  äufeerftcn 

60  ilonfequen;^,  fo  rein  barfleücn,  toie  fein  anbere«  litteiarifc^e«  3)oIument.  3"  Wefer  ^in^ 
ficf^t  ift  jebesJ  Stücf  iDeitöott,  unb  bie  inl^altleerften  oft  am  meiften.  3Bie  bid  ^ier  für  ba« 
gef(^id;tlid;e  i^eiftänbnie  bei  gangen  gallifcl^=})atriflifc^en  Sitteiatui,  abei  au^  äuguftin«  unb 
feinei  (Gegner,  gu  gctoinnen  ift,  IjaX  Äaufmann«  ba^nbied^enbe  Slb^anblung  IV  nur  an- 
beutcn  fönncn.    Unter  ben  3lbicfjaten   bei  Siiefc   finben  fic^  gtoei  fjjanifd^c  Jl^etoien 

66  (VIII,  5.  IX,  12);  fonft  ftnb  e«  aufeei  bem  Slfrifanei  2)omnuIu«  (fo  ri^tig  3Ro^ 
p.  \\iy\  8.  V.  Africa  gegen  -Dlommfen)  unb  ein  )^aax  Setoo^nem  bei  Sl^^ennins^albinfel, 
mit  benen  ei  auf  feinen  SRomieifen  in  35eiü^iung  fam  (g.  33. 1,  10  unb  I,  8,  too  ei  fic^ 
^bf;cic  äUeitfd^ä^ung  bei  1ran«al>)inei  au^bittet),  (autei  ©alliei  im  loeiteften  Sinne  bc« 
ai^oit«.    Ep.  IV,  17  ift  an  einen  g^anfen,  ben  comes  Treverorum  Arbogastes,  ge< 

60  rid;tet,  an  ben  a\x6^  bei  Äonefponbent  be«  Sib.  Sifc^of  2luf))iciu«  b.  SIouI  einen  »rief 


Stbontit»  fMioatnan»  307 

gcfc^eben  f)at  (MSL  61,  1006),  ögl.  Raufm.  IV,  ©.  23,  30.  —  ^n  3lric«  lebte 
girminug,  an  ben  ep.  IX,  1  unb  IX,  16  gef daneben  fmb,  ber  (Sönner  be^  Eäfatiu« 
(2lmoIb,  6äf.  ö.  3lrle«  ©.  79 ff.;  3)laInor^,  ©t.  G^faire  p.  16 f.).  (gttoa  ein  3)rittel 
ber  Sriefe  be«  ©ib.  ift  an  Äleriler  gerid^tet;  36,  bie  ade  mit  bergormel  memor  nostri 
esse  dignare,  domine  papa  fd^He^en,  an  Sifc^öfe.  3Son  31  laffen  ftd^  bie  ©i^e  feft«  ß 
ftetten.  2)afe  leiner  au«  ben  5Diöcefen  Sorbeauj,  Sourge«  unb  Sauje  barunter  ift,  lä^t 
fic^  nad^  ep.  VII,  6,  7  ertüarten  (jeittoeilig  feine  SBäieberbefe^ung  erlebigter  ©tül^le  unter 
@urid^  Dgl.  VII,  6,  8  in  illa  ecciesia  sacerdotium  moritur,  non  sacerdos) ;  l^in- 
gegen  Xouv^  toar  nod^  römifd^  (i)gl.  §euffi*5KuIert,  3ltla3  jur  St®  V  A).  3toifd^en  ben 
Kird^en  t>on  %o\xxi  unb  Sourge«  beftanben  alte  enge  Sejie^ungen  (35uc^e«ne  II,  301).  lo 
©ib.  fc^idft  be^l^alb  an  $erj)etuu«,  ben  fec^ften  Slad^f olger  be«  1^1. 3Kartinu«  (ep.  IV,  17, 5), 
feine  bemerlen^tüerte  Siebe  bei  ber  SBa^I  be«  3Ketroj)oIiten  ber  Situriger  unb  gtebt  i^m 
getoiffermafeen  SRec^enfd^aft  (ep.  VII,  9  ögl.  SKommfen,  Sieben  ©.  138;  Äaufm.  IV, 
©.  31;  $aucf  P,  ©.  79).  2lud^  bie  2)iöcefe  ©en«  toar  ben  SBeftgoten  nic^t  unterworfen. 
2Bir  pnben  bal^er  Sriefe  an  bie  ©tül^Ie  bon  ©eng,  Slujerre,  Drl^an«  unb  befonber«  an  ib 
2ut)ug  b.  Xxoifti  (bgl  3)ud^e«ne  II,  449).  2)ie  an  Sla^jjl^emie  ftreifenbe  SSerel^ng, 
toeld^e  ©ib.  i^m  joDt,  —  er  loenbet  ep.  VI,  1,  2  auf  i^n  2c  5,  8  unb  5, 12  an  — 
crflärt  fi^  großenteils  au«  bem  altfird^lid^en  a[ltcrgj)rimat:  jur  S^t  ber  ©eburt  beS 
©ib.  toar  2ut)ug  fd^on  ein  berül^mter  Sifd^of.  Um  fo  auffaDenber  finb  bie  gefjjannten 
Sejiel^ungen  ju  2eontiu3  b.  2lrleS,  ber  ipiquierte  3:on  in  ep.  VI,  3,  3,  bem  einzigen  20 
an  il^n  gerid^teten  Sriefe.  Sleligiöfe  Stic^tungSunterfc^iebe  mögen  ^ier  mitaetoirlt  ^aben 
(§aucf,  m  3).  I*,  ©.  79);  jebenfaa«  l^at  ©ib.  ben  Slrelatenfer  ^rimat  (f.  9b  I  ©.  56  ff.) 
tjöttig  ignoriert.  2)ai3  ift  um  fo  auffaHenber,  ba  einzelne  Äorref})onbenten,  toie  Sifd^of 
gonteiu«  ö.  Saifon  (ep.  VI,  7;  VII,  4)  an  ber  Slbreffe  ber  19  Sifd^öfe  ju  (Sunften 
beS  arler  Primate«  beteiligt  getoefen  toaren  (3)ud^e«ne  Fastes  I,  254,  119),  faft  alle25 
aber  an  bem  Jtonjil  gegen  2ucibug  IX  474  teilnabmen,  bei  bem  2eontiu«  jjräftbierte 
(t)gl.  MG  VIII,  290  geile  9—14).  3Kit  Slrler  ©uffraganen,  ju  Drange,  SSaifon  unb 
SWarfeiUe,  ftel^t  ©ib.  in  engem  3SerIel^r ;  ben  mit  ber  ©eeftabt  Vermittelt  ber  §anbetemann 
unb  2eItor  Slmantiu«.  3"  ^^  3Wetroj)ole  2toon  ^at  er  ate  gebomer  2ugbunenfer  ein 
^ietätSberl^ältniS;  feine  Serl^errlid^ung  beS  Sifc^ofS  ^ßatienS  l^at  aber  aud^  in  beffen  30 
2eiftungen  unb  Serbienften  ®runb  (§aud,  Ä®  3).  P,  ©.  84).  2)ie  Srjäl^lung  öon  ber 
burc^  biefen  öottjogenen  Sinfe^ung  cineS  Sifc^ofS  ju  ßl^alon  für  ©aone  (ep.  IV,  25) 
bilbet  ein  ©eitenftüdf  ju  ber  Sifd^ofStoabl  ju  Sourge«  (ep.  VII,  9).  3ln  bie  2ugbunenfer 
©uffragane  m  Slutun  unb  2angreS  rietet  ©ib.  ebenfo  ©(^reiben,  toie  an  ben  SKetro* 
))oIiten  t)on  2lij  unb  beffen  ©uffraganen  ^u  9liej.  Öftlic^  unb  nörblic^  gel^n  bie  93riefc  35 
an  Sifd^öfe  bi«  SReimS  (Slemigiu«  ep.  IX,  7),  SCoul  (3luf})iciu«,  bgl.  IV,  17  unb^audt, 
Ä®  3).  P,  ©.  107),  93ela^  unb  ®enf.  Dl^ne  gtoeifel  l^aben  biefe  93riefe  öiel  beigetragen, 
ben  3wfömmenl^ang  ber  auf  lateinifd^e  Silbung  SBert  legenben  Äir(^enl^äuj)ter  ®allien« 
ju  ftärlen.  —  Slac^getoirft  l^aben  feine  ©cbriften  junäc^ft  in  ben  Sleften  ber  St^etoren^ 
freifc  unb  ©d^ulen.  93ifc^of  SluriciuS  ö.  SimogeS  fc^rieb  in  feiner  üJlanier,  mit  noc^  40 
gefteigertem  gormaliSmug  unb  o^ne  feinen  ®ebanlen  folgen  ^u  lönnen  (Rur.  ep.  II,  26 
cuius  lectio  prae  obseuritate  verborum  non  accendit  ineenium).  SllcimuS  älDitud, 
mit  feinem  §aufe  öertoanbt,  ging  in  bcnfelben  fd^riftfteHerif^en  Salinen.  SnnobiuS  ift 
in  ber  SR^etorenfc^ule  an  xi)m  unb  ßaffiobor  gcbilbet;  ^erreolu«  t).  Ufej  (f  581)  tourbe 
burc^  bie  S3riefe  be«  ©ib.  gur  9Ja4>a^mung  gereijt.  3n  Glun^  ertoad^te  fjJäter  ein  neue^  45 
3ntereffe  für  il^n.  globoarb,  §elinanb,  ©igbert  t).  ©cmbtouj,  Sincentiu«  b.  93eaubai3, 
$etrud  SSenerabiliö,  ^ßeter  ö.  $oitier«,  3«>^-  ^-  ©ali^bur^  lefen  unb  betounbern  i^n. 
$etru«  2)amiani  fd§>öj)fte  tciltocife  au^  bem  ^aneg^ricu^g  auf  ^ajorian,  um  feine  Ser« 
^errlic^ung  ®regor«  VII.  augjubrüdfen  (211.  ®ermain  p.  114).  ^ann  l^at  er  auf  bie 
§umaniften  getoirlt,  mnn  ano)  Petrarca  fanb,  er  toerbe  bem  ßicero  nid^t  geredbt.  üJlit  60 
2:ilIemont  beginnt  ba^  l^iftorifc^e  Serftänbni^g  biefer  toic^tigen  3)oIumente  be«  Stuflöfunggs 
))rojeffe«  ber  alten  SBett. 

III.  ©ib.  ate  e^rift,  93ifc^of  unb  ate  Ideologe.  6«  l^at  bem  ©ib.  an  religiöfen 
3ugenbcinbrtidEen  nic^t  gefehlt;  aber  fie  ^aben  i^n  nur  oberfläd^lid^  berül^rt  (V,  17,  3 
®otte«bienft  am  ®rabe  be«  ^l.  Suftu«,  14.  93ifc^of;8  t).  2^on  um  381).  ©eine  ®ebid^te  55 
fönnten  faft  aDe  bon  einem  SJid^tc^riften  gemacht  fein;  bie  l^eibnifd^e  SR^t^ologie  ift  i^m 
anbererfeit«  nur  fc^müdfenbe«  SScitoerf,  unb  er  erj^ebt  ftc^  ep.  IX,  13  v.  103  (Überfe^ung 
Don  fertig  I,  12  ff.)  -jur  §öbe  monotf^eiftifd^^-d^riftlid^er  ©ebanlen,  je^t  auc^,  afö  feine 
Zo^itt  erfranit,  feine  Hoffnung  me^r  auf  ba^  ®ebet  )u  ß^nftu«  aU  auf  bie 
Ätjte  (ep.  II,  11).    Slber  bie  c^riftlid^en  ©cbriften  gelten  il^m  offenbar  atö  nid^t  öornel^m  eo 

20* 


308  Stbonttid  9()iolItit«ri9 

genug  (ijgl.  Äaufm.  IV,  36  mit  ep.  IV,  11).  äln  bicfcm  Urteil  i^aben  tüeber  ßlaubianus 
iIKamertu^  noA  gauftug  öiel  änbem  lönnen,  fo  l^o^^  er  an  erfterem  bie  ©elc^rfamleit,  an 
Ie$»terem  bic  39erebtfamfeit  fd^ä^te.  Äatl^olifd^e  Äirc^eni^iftoriler  nel^men  mcift  einen  ent^ 
fc^iebenen  religiöjen  Umfc^Ujung  i)or  antritt  be^  (^p'x^lopat^  an.    ^n  3BirfIid^Ieit  ftctttc 

6  er  nur  feinen  S^ätigleit^trieb  in  ben  2)ienft  ber  Iirc^Kd9en  Drgantfation,  beren  ©influB 
bamate  fo  grofe  mar,  toie  laum  je  f onft,  unb  in  ber  er  eine  gortfe^ung  ber  res  publica 
fielet.  9Jur  in  biefem  Sinne  ifi  Sübinger  ©.  935  jujuftimmen:  „©eine  gange  geiftigc 
ßjiftenj  ru^te  in  bem  fatl^oUfd^en  SRömerreic^."  3tad)  2lnaIogie  be^  Sifc^of«  SRuriciu^ 
b.  Simoge^,  ber  aUerbingö  burc^  bie  Seitüre  beö  gauftu^  b.  Stieg   jur  ännal^mc  be^ 

10  flerifalen  2^bm^  gefül^rt  gu  fein  fc^eint  (Rur.  ep.  I,  1,  1),  lönnte  man  eine  ä^nlic^c 
©nttoicfelung  bei  ©ib.  toa^rfd^einlid^  finben.  Sgl.  MG  VIII  p.  LXIII  unb  p.  LVII. 
2)ie^  toäre  fogar  fic^er,  hjenn  Ärufd^  beiguftimmen  toäre,  ber  1.  c.  fd^reibt:  Faustus... 
Sidonium  ,,pridem  Reios  venientem"  (c.  XVI,  78)  hospitio  accepit,  quin  immo 
effecity  ,,ut  sanctae  matris  sanctum  quoque  limen  adiref'  (c.  XVI,  84).    Id  de 

15  matre  Tillemont  XVI,  p.  408  aliique  interpretati  sunt,  sed  Fausti  nescio  an 
,,saneta  mater"  sit  ecclesia  etc.  Slber  1.  Jjflegt  ©ib.  in  folgen  gäHen  felbft  bie 
aillegorie  gu  erllären,  toie  ep.  IX,  9,  12,  too  er  bie  fc^öne  ^au,  um  bie  gauftu«  ge- 
toorben  l^abe,  felbft  begeic^net:  philosophiam  scilicet.  2.  2Ba^  c.  XVI  t)or  unb  nac^ 
V.  84  ftel^t,  fmb  lauter  lonfrete  3)inge.     gauftu«  l^atte  einen  leiblid^en  Sruber  bc«  ©ib. 

30  ergogen  (v.  72,  toa^  Ärufd^  ebenfo  erüärt),  unb  e^  gel^t  auf  bie  tüirflic^e  5Wuttcr  bes 
berühmten  3Kanneg,  toenn  er  fortfährt,  ein  ©efü^I  ber  ßbrfurci^t  ^abe  i^n  ergriffen,  toie 
tomn  \\)n  ^aloh  gur  SRebelfa,  ober  ©amuel  gu  panm^  gefül^rt  ^ätte.  3.  äöie  bei 
Slufoniu«  ift  aud^  bei  ©ib.  ber  anf>)rec^enbe  3wg  ^o^er  SBertf^ä^ung  älterer  toeiblic^er 
gamilienglieber  öor^anben;  bie  gange  jjrauentoelt  fte^t  bei  le^terem  auf  einem  nod^  ^öl^eren 

25  SRibeau  afe  bei  jenem.  4.  Sluriciu^  ift  eine  biel  toeic^ere,  bestimmbarere  SRatur,  ate  ©ib.;  bei 
i^m  lommen  bie  9Jlotibe  be^  Unteren  gar  nic^t  in  5^age.  5.  SSääre  ©ib.  öon  gauftu^ 
für  feinen  Serufötoec^fel  gewonnen,  fo  l^ätte  er  fiqi  für  baiJ  Seben^ibeal  biefe^  ent= 
fc^iebenen  3Jianne«  gang  anber^  m^  3^"9  0^I^9^-  ®*^^i  h^^m  fyit  er  fid^  nic^t  einmal 
ÜJlü^e  gegeben,  feine  ©ebanfen  gu  berftel^en;   fo  oft  er  auf  ^rebigten  ober  ©c^riften  be^ 

30  atejenfer^  gu  reben  lommt,  überfd^üttet  er  nur  beffen  ©til  mit  Sobfjjrüd^en,  Dom  gn^alt 
erfahren  toir  n\d)ii  (Ep.  IX,  3;  II,  10  u.  ö.;  bgl.  31.  Stod),  3)er  ^I.  gauftu^  (1895) 
©.  14,  17,  23).  6r  Jjreift  gauftu^  unb  bie  übrigen  Seiter  ber  Serinenfer  ©remitenfolonie, 
er  „begönnert  bie  SJlönd^e"  (§aucf);  aber  obtoobl  er  fid^  bor  i^ren  gorberungen  beugt, 
bleibt  er    il^nen  innerlid^  fremb.    6r  fel^nt  ftc^  gurüdf  nac^  ber  ^errlic^Ieit  ber  Slntife, 

35  obne  Hoffnung,  ba^  ftc  je  tüieberfel^ren  toerbe.  ©o  lange  man  jung  ift,  fott  man  bic 
3eit  nu^en  unb  Älaffif er  lefen,  el^e  ba^g  2llter  lommt,  ba^  ba  mal^nt  an^  etoige  Seben  gu 
beulen  (ep.  VIII,  4,  3).  —  ^m  ©runbe  berad^tet  er  bie  niebere  5Wenge,  bie  meift  au^ 
personae  despectabiles  befte^t  unb  fd^Iec^te^  Satein  fjjric^t  (ep.  IV,  7);  aber  fein  e^r= 
geiziger  ^ätigfeitöbrang   öerbunben   mit  lieben^toürbiger  ^ilf^bereitf^^aft  leiftet  in  jener 

40  3cit  be^  SSerfagenö  ber  ftaatlid^en  unb  fommunalen  Organe  ber  il^m  unterfteHten  SSolfe 
gemeinbe  toertöolle  ^ilfe.  3lU  ©eelforger  unb  ^rebiger  toar  er  (tro^  Greg.  Tur. 
h.  Fr.  II,  22)  nur  ein  mittelmäßiger  Sifd^of;  aber  er  ftelltc  feine  93ilbun^  unb  focialc 
©eltung  in  ben  Sienft  De^  fiirc^enamte^  unb  übte  baburd^  einen  fegen^reic^en  (Sinfluß 
au^.   —   erinnert  feine  Sifd^ofötoal^l   an  bie  be«  Stmbroftu«,  fo  ^atte  er  bod^  tocber 

46  9Jeigung  nod^  ^{uße,  noc^  Segabung,  fic^,  toie  biefer,  bie  fel^lenbe  t^eologifc^e  Silbuna 
nachträglich  angueignen.  ©eine  Sibelfenntni^g  blieb  ebenfo  lümmerlic^  toic  feine  Dogmatil 
ffienn  er  c.  XVI  v.  42  leiert,  in  G^riftuö  fei  ber  l^eilige  ®eift  gleifc^  getoorben,  fo  ift 
baiS  fein  Slrd^ai^mu^,  fonbem  einfach  30"'^'^<»"8-  *«>"  ^^"  Äird^enbätem,  aud^  ben  latei- 
nijc^en,  gilt  ba^felbe,  toa^  3Kommfen  (Sieben  ©.  137 f.)  bon  feiner  ftenntni«  be«  §cDcni^- 

öomuö  fagt:  „®riec^ifc^  fonnte  er  toenigftenö  fo  Diel,  um  bie  berühmten  5Ramcn  aDer 
©attungen  auf  feine  r^etorifd^en  ©c^nüre  gu  giel^en,  unb  für  jeben  berfelben  einen  ©emein^ 
)i>la^  gur  öanb  gu  ^aben  (Dgl.  ep.  II,  9,  4  unb  5;  IV,  3,  7;  IX,  2,  2).  Den  bog= 
matif(^en  ÄontroDerfen  feiner  3^^^,  motten  fie  aud^  fjpegiett  bic  gaDift^c  Äirc^e  lebboft 
erregen  unb  il^m  Don  guten  ^reunben  gerabegu  aufgebrängt  toerben,  ging  er  gefliffentli^ 

56  au^  bem  fflcge  (ep.  IV,  2;  IV,  3;  IX,  3;  IV,  9;  Äaufm.  IV,  32  f.).  3^m  fcl^aeba^ 
Sntercffe  ebenfo  fe^r,  ioie  baö  Serftänbni^.  SBieberl^oIt  lourbe  er  aufgeforbert,  ftd^  an 
l^iftorifc^e  DarftcDungen  gu  mad^en  (ep.  IV,  22  bon  bem  ©taat^gmanne  Seo  b.  Siarbonne, 
ep.  VIII,  15  t)on  bem  Öifct^of  ^rüf>)er  D.  Drleanö).  ^n  ber  ric^ti^en  ©rlenntni«,  baß 
feine  ^eber  bagu  nic^t  geeignet  fei,  hat  er  ba«  abgelehnt,  ©ein  SSerbienft  ift^  ben  beffem 
Zeil  bed  gaUifc^en  älbel«  um  bie  Sofung  gefd^art  gu  ^ben:  „Der  römifd^e  Staat  bricht 


Sibontttd  9I)ioOitiartö  Stebenf^Hfer  309 

jufammcn;  rettet  eure  Slobilität  in  bie  Äierarc^ie,  betl^ätigt  euer  Slömertum  im  Äirc^en^ 
amt!"  ^äik  er  nur  t)on  ha  bie  Srücfe  gefunben  ju  feinem  litterarifc^en  Seben^ibeal! 
SQääre  öon  bem  ©emai^I  einer  ftaifertod^ter,  bem  gefeierten  ©c^riftfteDer,  bem  angefel^enen 
Sifdfiof,  bem  ©d^üler  eine«  3Ramertu«  unb'^reunb  eine«  gauftu«  ade  Äraft  bafür  ein« 
gefegt,  bie  formale  Z^d)nxl  ber  SH^etorenfd^uie  mit  c^riftli^em  Seift  m  erfüHen,  ben  s 
©eaenfa^  jhjifd^en  tüeltlid^er  3Q3iffenf4>aft  unb  ber  Äirc^e  aufiu^eben:  bann  ^äiU  x^n  nid^t  ba« 
Oefü^I  verfolgt,  aß  feine  SSäerte  feien  eigentlich  lauter  ©rabinfd^riften  (ep.  I,  9,  7  bgl. 
Oermain  ©.  130).  SBa«  ^alf  e«  il^m,  bud^ftäblid^  mit  öer^ängtem  ^ü^A  (pernicibus 
equis)  l^inter  ber  neueften  ©c^rift  be«  gauftu«  j^ergujagen,  unb  fie  fofort  nad^fteno? 
0ra^)l^ieren  ju  laffen,  tüa«  nü^te  e«,  bafe  i^m  ber  anbere  bebeutenbe  Sil^eolog  ®allien«  lo 
ein  Sud^  toibmete,  tpenn  er  unb  bie  Seinen  verborum,  non  rerum  amatores  bleiben 
tooHten'f  (ögl.  Äaufm.  IV,  29).  6rft  nad)  ^a^rje^nten  fanb  nid^t  blofe  bie  fjorm,  fon- 
bem  auc^  ber  ^nl^alt  jene«  bem  ©ib.  bebijierten  Sud^e«  2lnerfennung  unb  Serh)ertung 
(f.  9b  III,  750, 19).  2)a«  gefc^al^  burd^  ben  SJlann,  ber  (um  bie  3eit  ettoa,  ba  ©ib. 
ftarb,  in  Unteritalien  geboren)  unter  oftgotifc^er  §errfc^aft  au«fü^rtc,  toa«  unter  n)eft==  i5 
gotifd^er  ber  an  ßl^aralter  unb  3!alent  fc^toäc^ere  ©ib.  fic^  unb  ber  Äirc^e  öerfagt  ^atte: 
ßaffiobor.  9(nto(b. 

©iboiittt«,  aWtc^oel  f.  §elbing  93b.  VII  ©.  610. 

©tebenfdiiafer,  bie  l^eiligen.  —  ©ull. ©uperu« (©m)pcr«)  in  AStVI,  p.  375-397. 
Photii  Biblioth.  c.  235  (bei  MSG  CIV,  99).    ©l)m.  SKetap^rafte«  in  M8G  CXV,  427—448  20 
(ügl.  bie  lat   Bearbeitung  bei  (Jup.   I.e.,    p.  392 sqq.).    SSeftc  frit.  ^uSgobe  bcS  uon  ®rcgor 
üon  2our«    feiner  iRotij    in   De  gJor.  martt.  c.94    ju   ©runbc   gelegten   unb  aud)  al«  bcf. 
Xraftat  bargebotenen  lot.  Xcjt«  ber  Passio  sanctorum  martyrum  septem  dormientium  apud 
Ephesum  auctore  Jo.  Syro  ift  bie  tJon  S3r.  Sfrufcft  in  f.  9tu«g.  be«  Tregor  u.  Xour« :  Scrip- 
tores  rcr.  Meroving.  I,  2,  847—850;    ügl.  Anal.  BoU.  XII,  371—378.    3)er  Xejt    in   AS  26 
p.  :^5— 387  fu6t  auf  einer  fl)r.  ^omilic  be«  Sacob  0.  @arug.    ?lnbere  fl)r.  SSerfionen  ber  ©agc 
bieten  Sanb,    Anecd.  Syr.  III,  87  u.  $.  Jöcbjan  in  S3b  I   feiner   fl)r.  Acta  martyrum,  1890 
(ogl.  bie  SSerbeutfrfiung  oon  5B.  gfl^p:    „S^rifd)c  üueöen  abcnblänbifd)cr  erjä^IungSftoffc", 
im  9lr(^iü  f.  b.  ©tubium  neuerer  (5prad)en  unb  Sittcraturen  ©b  93,  @.  241  ff.;  94,  ©.369 ff.; 
95,  ©.  1 — 54).    SSgl.  ferner  Sgnacio  ®uibi,  Testi  orientali  Bopra  i  Sette  Dormienti  di  Efeso  ao 
publ.  e  tradotti,  $Rom  1885  (ane^  ben  Elften  ber  R.  Accad.  dei  Lincei  1884),  famt  ber  9tn= 
Scigc    oon  X^.  5RöIbefc:   ®®5(  1886,  ©.  453—459.    3.  Äo*,   3)ic  ©icbenfcftläfcrlcgenbc,   i^r 
,   Urfprung  unb  i^re  Verbreitung,  ficipAig  1883.     ^auluS  ßaffel,  ^armagcbbon:   apüfall)pttfd)e 
Beobachtungen,  ©erlln  1890  (intcreff.  SBcrfucft  einer  3urücffü()rung  ber  Segenbc  auf  eine  jübifcfte 
Unourjcl  in  ber  Assumptio  Mosis;  ogl.  unten).    3-  ßlermont=®anneau,  El  Kahf  et  la  ca-  35 
vemo    des   Septs  Dormants:    C.  R.  des  S^ances   de    TAc.  d.  Sc.    et  BL,   4«  S^rie,   t.  26 
(1899),  p.  564—576  (ba^u   Anal.  Boll.   1900,  p.  356— 357).    SBernoutti,  3)ic  ^eiligen    ber 
^eroüinger  (Tübingen  1900),  @.  160-169. 

©egcn  fonfttger  ^icrf)cr  gehöriger  fiittcratur  ogl.  nocft  UI.  ß^eoalier,  Rupert,  s.  v.  Maximien 
d'Eph^e  (col.  1547)  unb  bcfonbcr§  ^ott^aft,  Bibl.  II,  1568.  40 

3lad)  ©regor  bon  Xour«  (beffen  Slelation  in  De  glor.  mart.  c.  94,  fotoie  in  bem 
au«fü^lic^en  Iraltat:  Passio  ss.  martyrum  etc.  [f.  o.J  au«  einem  alten,  urfprünglic^ 
f^rifd^  überlieferten  ^^ejt  ber  Segenbe  gefloffen  ift)  flüchteten  ftc^  fteben  c^riftlicJ^e  S^ng^ 
linge  ju  ©pi^efu«,  nac^bem  fte  ijor  Äaifer  3)eciu^  i^ren  ©lauben  ftanb^aft  belannt,  in 
eine  $ö^le  aufeerl^alb  jener  ©tabt,  beren  ©ingang  bie  Reiben  auf  be^  Äaifer^  93efel^l  45 
berntauerten.  35ie  tro^bem  nid^t  ettoa  (Srfticften  ober  33erl^unaerten,  fonbem  nur  (tm 
gefc^Iafenen  erioac^en  a\x^  i^rem  nal^eju  200iä^riaen  ©^lafe  unter  Äaifer  Xl^eobo- 
fiu^II.,  belennen  bor  bem  §errfc^er  unb  bor  Sifc^of  ^Kajimuö  i^ren  Gl^riftenglauben 
auf^  5ieue  unb  entfc^Iafen  bann,  angeftd^t^  ber  baö  gefd^el^cne  SBunber  mit  Sobbrei^ 
ber^errlic^enbcn  ep^efinifc^cn  Gl^riftengemeinbe,  abermals  bi^  gum  6nbe  ber  irbifd^en  SBelts  50 
geit.  2)ie  berfc^iebenen  Überlieferungen  ber  Segenbe  ergeben  mebrerlei  Varianten,  betreffenb 
1.  bie  3cittiflw^i^  3toif4^en  bem  ßinfd^Iafen  unb  bem  SQSieberertoac^en  ber  ©ieben  (nad) 
ber  furjerften  Slngabe  175,  nad^  ber  tocitge^enbften  197  3ö^re);  2.  baig  Äalenbcr- 
batum  ober  bie  firc^Iid^e  Oebenfjeit  be^  SÖunbcr^  (bei  ben  ©riechen  ber  4.  2lug.  ober  ber 
22*.  [nac^  bem  Menolog.  ber  23.]  Dftobcr;  bei  ben  Sateinem  ber  27.  3uli  ober  nac^  66 
SRab.  3Jlauru§,  ber  27.  ^uni);  3.  bie  ba^  Scfannttocrben  be^SSäunberg  begleitenben  Um  = 
ftänbe  (toobei  namentltd^  bie  bei  ^l^otio^  überlieferte  ©agc  bom  Sifd^of  2^^eoboro^  bon 
äegeä,  beffen  Seugnung  be^g  c^riftlic^en  Sluferftebung^glauben^  burc^  baö  3Biebererh)ad;cn 
ber  fteben  3w"9J'"9^  toiberlegt  toorbcn  fei,  eine  toic^tige  SloDe  fpielt);  4.  bie  ^ai}i  ber 
J^d^Ienfcf^Iäfer  (nämlid^  ftatt  ©ieben  bielme^r  Slc^t  —  nac^  ber  burc^  Slffcmani  B.  O.  II,  eo 


310  Stcftenf^Hfrr  @tc»eiisi|I 

335  unb  burc^  eine  f^rifc^e  ^anbfd^rift  be«  6.  ^af)xf),  (im  Sritifc^en  3Rufcum  [CataL 
Syr.  Mss.  1090J  überlieferten  SlngaJbe);  5.  ben  9iamen  be«  jum  3^9^  ^^  28ieber^ 
ertüedfung  getoorbenen  e})^efm.  Sif^of^  (gctüöl^nlici^  3Karinug;  nac$  be«  5p^otio«  9lela= 
tion  3Karo«);  cnblid^  6.  bie  9?amen  ber  fieben  ©d&Iäfer  felbft.  2)iefe  lauten  in  ber 

6  obenblänbif^en  Überlieferung :  37tacimianud,  3J2aIc^u^,  SRartinionud,  ^ion^fuid,  S^'^^n^f 
©era^ion,  Äonftantinu^,  bei  ben  ©ried^en:  SWajimUiano«,  ejahiftobiano^,  SomMic^o^, 
SRartimo«,  SJion^fio«,  Spanne«,  Slntonino«  (ö^nlid^  in  ber  ruffifc^en  ©eftalt  ber  Segcnbe, 
bie  aber  bem  ©jaluftobian  einen  SRarceHu^  fubftituiert) ;  in  ber  ätl^iojjifd^en  ©age:  är^ 
l^alebe^,  35iomebe^,  Sugeniu^,  2)iniatl^eu^,  Sronat^eu^,  ©tet)l^anu^,  ßV^acuö.  —  2)ie 

10  neueren  SSerfud^e  jur  3w'^*füJ^nin0  ber  Segenbe  auf  i^ren  urfi)rün^Iic^en  Äem  unb  ©inn 
bleiben  enttoeber  ftel^fen  a)  bei  ber  9(nna^me  il^red  rein-c^riftlt^en  Urf))run0^,  Sa- 
roniu«;  Gu^^jer«  in  AS  p.  386,  ©tabler  im  „^eiligenlesilon"  IV,  356,  ober  fie  fuj)^ 
jjonieren  b)  einen  öorc^riftlid^-l^eibnifc^en  Urlem  ber  Büm,  beftel^enb  tttoa  in  einem 
fortleben  t)on  Überlieferungen   be^  Äabirenbienfte^  Sorberajtenö  bi«  in  bie  altd^riftlic^ 

16  3rit  hinein,  toelc^e  Überlieferungen  bann  ein  l^iftorif^e^  galtum,  beftelj^enb  im  3:obe  einer 
ämai^l  »erfolgter  Soften  in  einer  ßöl^le  j^ur  3^  be«  3)eciu«,  mit  einem  m^ti^ifd^en 
©qleier  umtvoben  Ratten  (fo  Äod^  unb  ö^nlic^  ^emouHi,  1.  c),  ober  beftel^enb  m  einer 
Umbilbung  be^  ^eDenifd^en  ©nb^mion^SK^ti^u^,  öerbunben  mit  Übergetoanbertfcin  ber 
©age  au^  il^rer  f^rif4>en  §eimat  nad^  ber  ®egenb  bon  ®})^efug  (fo  6lermont=®anneaU; 

20  ber  bie  im  Dorän  enthaltene  mol^ammebanifd^e  (Seftalt  ber  Segenbe  beöorjugt,  ba^er  bie 
tounberbare  ©c^lafl^öl^le  [im  Dorän  er-Raqlm]  in  Dftjjaläftina  fut^t  unb  i|re'3bentität 
mit  ber  ^öl^le  el  Kahf  bei  3lmmön  annimmt  [bgl.  bagegen  Anal.  Boll.  1.  cl) ;  ober  eg 
tüirb  c)  einer  bord^riftlic^sjübifd^en  Ur^eftalt  ber  ©age  nad^gefj)ürt;  fo  öon  Gaffel  a.a.£,, 
ber  ben  laut  Assumpt.  Mosis  c.  9  mit  fteben  ©ö^nen  l^or  ber  SSerfolgung  bedX);|rannen 

26  D  fid^  in  eine  Äöl^le  flüd^tenben  2ei)iten  %aio  [Tie]  burd^  fjjätere  ©age  jum  c^riftlid^en 
SRärt^rer  umgejtaltet  unb  au«  ber  QAi  be«  ^laöifd^en  Äaifer  [D  =  35omitianu« !]  in  bie 
be«  3)eciu§  ober  gar  be«  SJioHetian  ^erabgerüdft  toerben  läfet.  ®g  fönnte,  faß«  eine  ber- 
artige  2lnnal^me  burd^ftil^rbar  toäre,  ettoa  bie  c^riftlic^e  ^J^tcita^fage  (ögl.  gof.  gu^er, 
Seitrag  jur  Söfung  ber  ^Jelicita^frage,  Seijjjig  1890)  in  i^em  SSer^ältni«  jur  jüb.  Über^ 

30  lieferung  öon  ben  fieben  9JlaIfabäermärt^rem  (2  5KaI  7)  ate  ^Parallele  ^erbeigejogcn 
toerben;  aud^  lie^e  fic^  l^ierbei  an  jene  Se^eugung  einer  äld^tjal^l  ber  f^lafenben  SRört^rcr 
burd^  mand^e  Orient.  Duellen  t?ielleid^t  ennnem.  BScfftr  f. 

Stebenja^I,  l^eilige.  —  I.  ^eilige  §e})taben  in  bor-  unb  aufecrd^rift^ 
lid^en  ^Religionen,    gerbinanb  ü.  Slnbrian,  3)ie  ©iebeni^al^l  im  ©ciftc^leben  ber  SSöIfcr: 

36  3JlittciIungen  ber  Slnt^vopol.  ©cfea^aft  in  SSicn,  93b  XXXI  (1901),  ©.  225—274.  ©.  .v>. 
iRofcftcr,  5)le  SBebeutung  ber  ©iebenja^l  im  ^ultuS  unb  3JlQt^u§  ber  ©riechen:  Philologus 
1901,  260—373.  5)erf.,  9lrt.  ,,«ßlanctcn  unb  «ßlanctengötter"  im  ficjifon  b.  gnecft.  u.  rbm. 
^^t^ologie,  III.  3)crf.,  3)ie  enneabifcftcn  unb  öebbomabifc^en  griftcn  unb  3Bo4en  ber  ältcftcn 
®rie*en:  9{@öJ,  «b  XXI,  i«r.4.    5)crf.,  35ic  ©iebenja^I  u.  S^cunj^al^l  imIhiltuS  u.  3R^t^u§ 

40  ber  ©riechen:  ebb.  SBbXXIV. 

gaft  allen  altoricntalifc^cn  3Sölfern  galt,  ebenfo  toie  ben  ©ried^en  unb  Sömem,  bie 
©ieben  al«  eine  t)orjugöh)eife  l^l.3ö'^I-  6^  '^f!^^  f»4>  i>öfür  un^ä^lige  Selege  beibringen 
(f.  bef.  bag  bei  ö.  Slnbrian  ©efammelte).  ©tettt  man,  junädg^ft  ol^ne  Slüdffi^t  auf  ba«  au^ 
fd;laggcbenbe  Stlter  unb  3lnfel^en   ber  befragten  3^9^"/  ^^^  flüd^tigeö  3^W0^^^^.ör  in 

46  ber  Seife  an,  baft  man  bei  ben  öftlid^ften  Söllern  beginnt,  fo  getoinnt  man  bereit«  bei 
ben  ß^inefen  öerfd^iebene  bebeutfamc  93elege  für  bie  X^atfac^e  (Sinteilung  be«  alt^ 
d^incfif^en  5Weid;«  in  7  ^roöinjen ;  ßinfargung  be«  öerftorbenen  Äaifer«  am  7.  Sag  nac^ 
bem  iobe  unb  Scgrabung  im  7.  SKonat  na^l^er ;  D^ferbarbringungen  ber  Äaifer  auf 
7  Slltärcn  für  bie  7  §au))tgru>)toen  t)on©eiftem;  Snt^altenfein  i)on  7  Heineren  3;em)>eln 

60  in  bem  großen  3ll^nentem})el  be«  Äaifer«  2c.;  f.  Stofc^er,  Snneab.  u.  I^e})t.  SWftcn  jc,  ©.35, 
unb  t)gl.  §.  5Hitter,  Slfien  I,  199).  3"  i>cr  religiöfen  Überlieferung  oer  alten  3  «ber 
lennt  bereit«  bie  Sligljeba  7  2lbit^a«,  7  ^riefter,  7  Slifc^i«  al«  mi^tl^ifc^e  Sorfa^ren  ber 
7  grofeen  S3ral^minengef4)ted^ter,  7  (Srbteilc,  7  ^inboftanifd^e  ©tröme,  7  Serge  be«  ^ra^ 
biefc«,  aud^  üier  7tägi0c  2ßücf)en  al«  ^ufammen  einen  ^Konbmonat  bilbenb,  2c.  (p.  Sohlen, 

66  5D.  alte3;nbien  II,  247;  §oj)fin«,  Thereligion  of  India  [5Jeh)^2)orI  18951,  p.32ff.).  Sei 
ben  Werfern  entf^jrad^  jenen  7  inbifd^en  Slbit^a«  bie  gleiche  ©iebeitjal^l  öonSlmefd^afJjenta«; 
aud;  fic  l^atten  7tägi0c2Bod^en  [entlehnt  Don  ben^nbernl,  7tägige Stiften  für  t>crfd^iebene 
if^rer  j^eft|jeiten,  aud^  7iä^rige  Jyriften  2c. ;  im  3J?itl^ra«fult  \p\dtm  bie  7  ^Pforten  bc«  5D?itl^ra« 
eine  n)ic^ti9e3lolle((Sumont,  Mithra,  Introd.  p.  114:  ijgl.  ©Jjiegel,  6ran.  aUertumelunbe 


Stciienja^I  311 

111,668;  SRofc^er,  ©.33 f.).  ^m  altgermantfd^cn  unb  altnorbifc^cn  Solf^bcrglaubcn 
tüirb  überaus  ^äufig  nad)  Ttägigm  unb  Tjä^rigcn  griften  gercdg^nct  (befonbcr?^  bei  Äranf- 
leiten  unb  beim  ^Muna^tx^a^xtn)  tinb  fommen  aud^  fonft  bebcutfame  ©iebenjal^Ien 
bielfad^  öor  ((Stimm«  SBörterbut^  s.  v.  „©ieben":  SJBcinl^oIb,  9133^,1897,  ©.40 ff.; 
SHofd^cr,  ©.  36—41).  ^a^xÄd)^  ^eilige  §e})taben  ^attc  bie  bruibifc^e  Überlieferung  bei  5 
ben  altleltif d^en  aSölIem  (©lene,  Celtic  Scotland,  1877,  II,  112 f.).  ^n  ber3)l^t^o:: 
logie  ber  alten  ©riechen  begegnen  faft  unjäl^tige  ©iebenjal^Ien,  namentlich  in  ben  auf 
ben  a^JoDoIultu«  bezüglichen  ©agen;  fo  bie  7  ©aiten  ber  Seier  be«  §elio«,  bie  7  §elioös 
fö^ne  auf  Sl^obo«,  bie  7  geheiligten  Slinber*  unb  ©c^af^erben  auf  Irinafria,  bie  7  l^ei^ 
ligen  ©^rüc^e  be«  betjjj^ifc^en  ätooDotemjjete;  be^leid^en  aud^  in  anberen  Überlieferungen,  10 
g.  S.  im  aW^t^u«  bon  ben  „(Sieben  gegen  Il^eben",  in  ber  ©age  Don  ben  „©ieben 
SBeifen",  in  ben  7  2llterdftufen  be«  §lenfd^enleben«  nac^  ©olon  unb  §i))poIrate«  2c. 
(SHofd^er  1.  c,  ©.  41  ff. ;  auc^  in  f.  frül^eren  ©c^rift  „Wpoüon  unb  3Rar«",  £t)j.  1874). 
Sei  ben  alten  SRömern  bilben  bie  7  §ügel  ber  ^eiligen  Stoma  nid^t  bie  einzige  bebeuts 
fame  §e^)ta§;  allerlei  Selege  für  eine  befonbere  Sebeutfamleit  ber  ©icben  fteHte  bei  il^nen  is 
3K.  a:erent.  S3arro  in  f.  §ebbomabe«  jufammen  (21.  ©ettiu«,  Noct.  Att.  III,  10;  bgl. 
aSarro,  De  ling.  lat.  I,  255). 

SBid^tiger  afö  biefe  3^W0"'ff«  öu«  i>c*"  altaftatifd^en  unb  alteurojjäifd^en  3Sölferleben 
ber  beiben  testen  gö^ttaufenbe  bor  ßl^riftu«  ift,  toa«  bie  in  ein  noc^  ^öl^ere«  2llter  jurüdE? 
reic^enbe  Überlieferung  ber  Sab^lonier  (unb  2lff^rer)  betreff«  ber  Äeiliglcit  ber  3abl2o 
Sieben  ergiebt.  3lu«  i^r  fd^einen  ftd^,  )n>mn  nid^t  abfolut  ftd^ere  3luffcflüf[e,  bod^  manche 
mel^r  ober  Weniger  toa^d^einlid^e  Slnbeutungen  über  bie  mutma^lid^e  gemeinfame  Statur* 
grunblage,  biefer  vielerlei  l^eiligen  §ej}taben  be«  2lltertum«  gewinnen  gu  laffen.  6«  barf 
al«  geft^erte«  ßrgebni«  ber  neueren  bab^lonifc^en  gorfd^ung  gelten,  oafe  nid^t  ettoa  bie 
©iebenjal^l  ber  Planeten,  fonbem  bie  7tägige  95auer  eine«  jeben  ber  bier  33iertel  be«  26 
28tägigen  SKonbmonat«  (ober  lürjer:  bie  ©lebenjal^l  ber  läge  be«  3Wonbbiertel«)  al«  ein 
nic^t  untoid^tiger  ®rllärung«grunb  für  ba«  ^pi^änomen  be«  toeiten  SSerbreitetfein«  l^eiliger 
l^ej)tabifd^er  griften  im  toorc^riftlic^en  SSölferleben  gu  betrad^ten  ift.  2)ie  Sab^lonier  l^atten 
feit  alter  3^tt  eine  ^ebbomabifc^e  aKonat«teilung,  fie  l^atten  aber  fo  frül^jeitig  nod^  nic^t 
bie  3lnnal^me  einer  ©iebemal^l  bon  ^kneten.  3)ie  bi«l^er  in  ber  orientaliftifc^en  gorfc^ung  90 
öielfad^  beliebt  getüefene  aJleinung,  al«  liege  ber  $eiligl^altung  ber  ©iebenja^l  bie  be« 
fannte  oftronomiBe  (rid^tiger:  aftrologifc^e)  3:^eorie  bon  einer  5pianetenl^eipta«  (©onne, 
ÜKonb,  !IWerfur,  SSenu«,  aJlar«,  ^ujjiter,  ©atum)  urfj)rünglid^  gu  ©runbe  —  eine  neuer- 
bing«  j.  93.  nod^  bon  Sb.  SJle^er  (®efd^.  b.  Altertum«  I,  148),  5Rölbecfe  (26531 1902, 
©.  901),  auc^  bon  %.  tj.  Slnbrian  (a.  a.  D.  ©.  271)  au«gefj)rod[>ene  ännal^me  —  mufe  35 
aufgegeben  toerben;  biefe  ^lanetentl^eorie,  ba«  lünfttid^e  ^robuft  einer  jünaeren  aftrono* 
mif^en  ©t)eIulation  (f.  bef.  ®.  ©d^ia))aretti,  35ie  Slftronomie  im  313:,  beutf^  burd^  Sübtfe 
[(Sieben  1904,  ©.  113  ff.],  fotvie  ©c^ürer  in  ber  unten  [II]  angeg.  äb^blg.)  jc^eint  erft 
im  alejanbrinifd^en  3^itölter  «ine  3Serbreitung  in  Weiteren  Äreifen  erlangt  ju  pöben.  3)ie 
auf  i^r  berul^enbe  ^Benennung  ber  7  SJBoc^entage  al«  „3:ag  ber  ©onne,  be«  3Wonb«"  2c.  40 
fc^eint  ben  alten  Sab^loniem  nod^  unbelannt  getvefen  gu  fein,  mäl^renb  fie  bagegen  jene 
3eitcinteilung  nad^  7tägigen  5Konat«bierteln,  toie  urlunblic^  erh)iefen  ift,  fqon  frül^e 
rannten  unb  übtm.  ^mmerl^in  lann  auc^  biefe«  S^f^'^w^  ^^  l^ebbomabifd^en  3Konat«* 
biertel  f^tverlic^  al«  alleiniger  ober  urfprüglic^fter  @rllärung«grunb  für  ba«  reic^lic^e  Sor« 
fommen  aud^  bon  fonftigen  bebcutfamen  ©iebenja^len  in  ber  bab^lonifc^^aff^rifc^en  Äultu««  45 
Überlieferung  in  Setrad^t  fommen.  2)ie  2lu«geid^nung  je  be«  7.,  be«  14.,  be«  21.  unb 
be«  28. 3Ronat«tag«  al«  fd^limmer  Xage,  too  manche  3)inge  nic^t  i)errid^tet  tverben 
burften,  f^eint  bo^  bei  toeitem  nic^t  fo  tief  in  bie  2eben«anfc^auung  unb  ^jjraji«  ber 
Sab^lonier  eingegriffen  gu  l^aben  al«  ba«  mit  il^r  ijarattele  unb  bertoanbte  ©abbatl[^«s 
inftitut  in  bie  ber  ^nhm  (3immem,  in  S>SX.\  592  ff.).  6«  muffen  noc^  tveiter  rüdf-eo 
toärt«  gelegene  unb  bebeutung«Dotterc  SÄomente  ber  älteften  religiöfen  unb  fulturellen 
gnttoidfelung  be«  6uj)l^ratool!«  geioejen  fein,  bon  tvelc^cn  bie  beträc^tlid^e  3^^'  w"i> 
aWannigfaltigfeit  ber  teil«  guten  teil«  üblen  ©eptenare  in  feinen  Xrabitionen  —  bctreffenb 
j.  S.  bie  7  ^öttentore  im  3K^tf^u«  bon  ber  ^^iax,  bie  7  böfen  ©eifter,  bie  öfteren  3"=^ 
fammcnfteHungen  üon  7  ©ötterbilbem,  7  2lltären,  7  Släuc^erbedfen,  7  ©egalen,  7  jjadfetn  Jc,  66 
au<^  mancherlei  3lnorbnungen  unb  Sinrid^tungen  in  ber  religiöfen  Äunft  —  fid^  ^er- 
f^rcibt  (bgl.  Senfen,  Äo«mol.  ber  93abt;lonier  171  ff.;  3'"^"^«^/  Seiträge  jur  Äenntni« 
ber  babbl.  Sleligion  I,  23 ff.;  .Slojd^er,  ßuneabifd^e  u.  ^ebbom.  Triften;  ©.  30 f.).  ©n 
^o^e«  Sllter  ift  bielen  biefer  Überlieferungen  auf  jeben  %aü  jujufc^reibcn.  Unb  h)ie  bie 
unten  be«  5Jä^eren   ju  betrac^tenben  {^ebräifc^^jübifd^cn  §ej)taben  auf  eine  UrberlDanbt?  eo 


312  Siebctisa^I 

fd^aft  bcr  3Sort)äter  S^racfö  mit  bcr  BaB^Iontfci^en  ^Rationalität  unb  Äultur  bcutlid^  ge* 
nug  l^intocifcn,  fo  toirb  ein  entfjjrcd^enber  Urjufammcnl^ang  mit  SSabcl  (nic^t  grabe  nots 
tüenbig  ein  3*"^5ort  an^  Sabel)  für  bie  auc^  fonft  in  öorberafiatifc^en  unb  norboftafrifa? 
nifd^en  Sleligionen  I^ie  unb  ba  toal^mel^mbaren  l^ei)tabifc^en  ^l^änomene  al^  ßrflärung^runb 

5  anjunebmen  fein.  So  für  ha^,  \oa^  Sucian  De  Syra  Dea  (c.  7  u.  20)  über  7tägige 
^nften  imJlultu^  unba)J^t^u§  ber  ^J^öniüer  berichtet;  be^gleic^en,  toa«  bie3ig^j3tcr 
angelet,  für  i^re  ©iebenjal^I  bon  Äaften  (nac^  $erobot  II,  164),  and)  too^I  für  bie  2lc^t= 
ial)l,  b.  b.  bie  erweiterte  Siebenjal^I  i^rer  älteften  ®öttergru|3t)e  (nad)  §er.  II,  145) 
unb  für   mand^e«  ä^nlic^e.     3^^^//^^'^^"  ^pianetengötter"   freilid^  Derbaniten  fte  iüo^I 

10  erft  fjjätercr  Überlieferung,  Vermittelt  burd^  „d^albäifc^e"  äftrologic  (ögl.  35iob.  ©ic. 
II,  30);  aber  für  baö  ^ol^e  älter  fonftiger  ^ejptabifd^er  ^irabitionen  bei  il^nen  ^eugen 
ba«  SCotenbud^  u.  a.  Wichtige  Quellen;   ögl.  ©ber«,   Sleg^jjten  unb  bie  93b.  3Jlofe,  1868, 

5.  339  f. 

IL  2)ie  Sieben  jal^I  in  ber  biblifd^en  Überlieferung  3llten  unbSlcuen 
löXeftament«.     S3al.  b.  ^Trt.  „Numbers"  tjon  S-  (g-^önig   in  ^ftingö  u.  @elbin,  Dict.  of 

the  Bible   III,   562.  565;   au*  »arton   in    e^epne   unb  »lad  Encycl.  III,  3436.    ferner 

9t.  Samuel,  Seven,  the  sacred  Number;  its  use  in  Scripture  and  its  application  to  biblical 

criticism,  fionbon  1887  (unioiffcnfdjaftlid)  xmb  pl^antaftlfd)  —  f.  u.).     Segen  bcr   altteftam. 

eabbat^gefe^gebung  inäbcf.  f.  b.  91.  „©abbatV  t)on  ü.  Drelli  ob  XVII  ©.283.  S^gl.  im  übrigen, 
20  Jütt«  ba«  912:  betrifft,  (g.  @d)raber,  3).  Äcillnf^riftcn  u.  ba«  "äZ,  3.  9tufl.,  bcarb.  tJ.  3immcm 

unb  ^Biucflcr,  1883;    ®unfel,  ©*öpfung  unb  S^ao«  k.  (1895),    ©.294 ff.;    gercmia«,   3)a§ 

912  im  filmte   bc«   alten  Orient«,  1904  ff.   ©.86  (nebft  ber  ^ritif  Drefliö  im  %f)2^{  1904, 

©.482  ff.). 

[2Begcn  bcr  ©icbcnja^l  in  bcr  nacftbiblifdj'jüb.  fiittcratur   f.    bcf.   au*  3R.  Srieblftnbcr, 
26eJcfd).  b.  iüb.  9(t)oIogetir,   Süri*  1903,  ©.30,  ©.364  ff.,   fomie   bie   unten  (iRr.  III)  im  Zeit 

angcg.  9lrbeiten  tjon  SSünf*c,  ©trorf  k.]. 

S-crner,  toa«  ba^  9^2:  betrifft:  ^übef,  Komment.  5.  ^Ipofal^pfe  (in  ©trad  u.  3ödf(.  S^uxy^ 

gcf.  Komment.),  2.  ^lufl.,  ©.  179  f.    6JunfcI,  8nm  rcligiouSacfd).  SScrftänbni«  bc«  9^5:«  1903; 

i.  Ä.  ©l^c^ne,  Bible  Problems  and  the  new  material  for  their  Solution,  ßonb.  1904,  p.  57  ff. 
30  —  fomie  gegenüber  man*cr  bcr  ©jtratjaganjcn  in  ben  9(nna]^mcn  bcr  bcibcn  Icfetcren :  91. 3c= 

rcmio«,  93abi)Ionifd)e«  im  9?2:,  ficipäig  1905.    genier  (i.  ©*ürcr,  3)ic  7tfigige  feo*c  im  ®c^ 

brou*c  ber  diriftl.  tir*c  bcr   crften  Sa^r^unberte :   S^m  1905,  ^.I,  1—66  (toofclbft  nod) 
.  reid)Ii*crc    fiitteraturangaben,    betr.   foioo^l   bie   jübif*c  2öo*e,    wie    bie  S3crbrcitung    bcr 

^Ianctcmoo*c  im  SRömerrei*  foioie  bie  ©tellung  bcr  Äir*c  ju  bcrfclbcn). 

35  3)a^  ba«  Äultu«h)efen  unb  ba«  gefamtc  religiöfe  Äulturleben  be«  altteftament= 
li^en  ®otte«t)oII«  eine  güDe  Don  Sejie|ungen  auf  bie  Sieben  al«  ^eilige  3^^^  barbot, 
jeigen 

1.  ja^Ireic^e  Seftimmungen  be«  mofaifc^en  ©efefee«.    2)iefelben  betreffen  a)  ba« 
®ebiet  ber  §eortoIogie,  \üo  öor  allem  ba«  ®ebot  ber  Sabbat^feier  (ßj20,  9— 11; 

40  35t  5,  12)  af«  prin^ijjieH  bebeutfame  ©runbforberung  l^erijortritt,  baju  al«  Weitere  ^ep^ 
tabifc^e  griften:  bie  7  2;age  be«  ^affal^  unb  be«  Saub^üttenfcft« ;  bie  7tägige  35auer  ber 
^riefteriüeil^e ;  bie  3tu«jeic^nung  be«  7.  3)Jonat«  Durc^  geier  nid^t  nur  ber  Saubrüft, 
fonbem  aud^  be«  33erfö9nung«tag«  unb  be«  ^ofaunenfeft«;  ferner  ba«  Sabbat^a^r  nac^ 
7  Sauren  unb  ba«  ^aüjal^r  na^  7X7  S^^ren;  —  b)  ba«  Heiligtum,  beffen  2)la^= 

45  öer^ältniffe  üerfc^icbene«  §et)tabifc^e  ^erbortreten  laffen  (7X8  Säulen  im  SSorl^of  bcr 
Stift«l^ütte,  7  airme  be«  ^I.  fieud^ter«,  7  §anbbreiten  al«9)lafe  ber  ^l.  SDe,  md)  gj  40,5; 
43,  13  K.);  —  c)  ba«  ®eric$t«Derfal^ren,  foUjobl  beim  Sc^toören  (toobei  7  al« 
Sc^lDurjal^I  bie  üoHgiltige  Sejeugung  einer  Sad^c  au«brücft  [^^'^r  fd^toören  =  „ftd^  bc^ 
ftebencn,  ®cn21,  24;  St  4,  31  2c.),  tote  bei  ben  auf  ©enugt^uung  unb  SSergeltung  ab- 

50  i^toedfenben  §anblungen  (j.  S.  £e  26,  18 ff.;  ©t  28,  7 ff.;  bgl.  ®en  4,  24;  ©j  7,  25;  epx 

6,  3 1 ) ;  —  d)  ba«  91  e  i  n  i  g  u  n  g  « t)  e  r  f  a  ^  r  e  n  in  Derfd^icbenen  auf  Äranll^eit,  ® eburt 
unb  Sterben  bezüglichen  gällen  (bef.  7malige  Slbtoafc^ung  be«  3tu«fä§igen  [Sc  14,51; 
2  Äg  10, 11],  7tägige  3)auer  ber  3^^»^  gtoif^en  ®eburt  unb  93efd;neibung  be«  Äinbe«; 
7tägigc  ^riftcn  in  fällen  bon  üKenftruation,  Samenflufe,  Serü^rung  eine«  loten;  7tägigc 

55  Sraucr^eit  2c.);  —  e)  bie  3l!te  ber  Sunbfd^liefeung  unb  3?erföl^nung  im  Cjjfcr^ 
ritual  (7maligc«  Sjjrcngcn  be«  D))ferblut«  bei  Sünboijfern  nac^  £e  4,  6.  17;  16,  14 ff.; 
SiebenAal^I  ber  j^u  opfernbcn  ^arren,  SÜibbcr  unb  Sd^afe  bei  feierlid^en  Slnläffen,  tt)ie 
t.  äl  m  23,  2;  §i  12,  18;  2  (S^r  15,  11;  17,  11 ;  29,  21;  Siebenga^l  ber  Cj)fergegen= 
ftänbc  übcrl^auj)t/  nämlid;  viererlei  2:iere  I^Hinbcr,  Sd^afe,  3^egen,  3iauben]  unb  brcierlei 

60  ^flanjenprobufte  [®etreibc,  Öl,  SBein],  k.).  —  ferner  tritt  bie  Sieben  al«  gel^eiligte, 
iebenfall«  al«  bebeutfame  ^ai}l  f;ert)or: 


etebenja^I  313 

2.  in  mand^crlct  f))ric^n)ö rtUd^en  3lu«bru(f^tüeifcn  bc«  alltäglichen  Sc6cng; 
a.  ».  3cf  4,  11;  11,  15;  30,  26;  3cr  15,  9;  m  5,  4;  @px  6,  IG;  9,  1;  26,  16.  25; 
^f  12,  7;  119, 164:  §i  5, 19;  Sir  7,  3;  20,  12.  M;  37, 18  u.  f.  f.  3)c^leic^cn 

3.  in  ber  f)l  ©cfd^id^t^übcrliefcrung,  tocld^c  balb  ©iebenl^eitcn   ^ufammcn« 
gcl^örigcr  ^ßerfonen  ober  Sachen,  balb  f onftigc  §ci)tabcn  ^erborl^ebt.  ©o  7  ©ö^nc  3at)l^ctg  6 
(®en  10,  2),  ©ante  (2  ©a  21,  9),  3ofai)bat!g  (2  6^r  21,2),  ^\oU  ($i  1,  2),  ber  frommen 
SJkllabäermutter  (2  3WaI  7) ;    fo   in  ber  ©efd^i^te  ber  ©rjbäter  ba«  7iäl^ri9e  3)ienen 
^alobig  um  bie  3:öcl^ter  Saban«  (®en  29),  ba«  7malige  ©ic^öerneigen  ^alob^  t>ox  @fau 
(®en  33,4);  bie  7  fetten  unb  7  mageren  ^al^re  in  ber  (Sefd^ic^te  3ofej)l^«  (®en41),  in 
fpäterer  Reit  bie   7  S^^te  Neuerung,   tüomit  3)aDib   bebrol(>t    tvirb  (2  ©a  24, 13),    bie  lo 
7iäl^rige  ®auer  bon  ©alomo^  2:em})elbau  (1  Äg  6,  38),  u.  f.  h).   —   Slud^  bie  berjel^n« 
fachte  ©iebenjal^l   fpielt  eine  tvid^tige  SloIIe   auf  nic^t  tvenigen  ^Sunlten  ber  altteft.  ©e* 
fc^ic^te;  f.  ®en  46,  27  (ba«  $au^  ^alob«  gä^lt  70  ©celen);  Sj  15,  27  (bie  ^almbäume 
gu  eiim),  ^n  11,  24  (70  ältefte),   SRi  9,  2  ff.  (70  ©ö^ne  ^crubbaal^g)  2C.   unb  bgl.  bie 
„70  Sal^e"  in  5Pf  90, 10;   3ef  23, 15;   ger  25, 11  2C.  —  auc^  jene  anbere  ©teigerung  is 
ber  ©iebengaf^I  in  Samed^^  ©c^Iac^tgefang  (,,77  mal"):  ®en  4,  24. 

5lici^t toenige  biefer  Strten  i)on§e^taben  begegnen  auc^  im  9!euen  Xeftament.  ©o 
in  gefc^id^tlic^en  angaben  ber  Sbangelien  unb  ber  Stpoftelgefd^ici^te,  betreffenb  teite  @xvcppm 
^ufammengel^öriger  $erfonen  (fo  bie  7  jünger  S^fw  in  ^o  21,  2;  bie  7  X  ^0  jünger  in 
Sc  10, 1;  bie  7  Srüber  unb  beren  SBeiber  in  ber  berf anglichen  ^age  ber  ©abbujäer:  20 
mt  12,  20  unb  $ar.;  bie  7  2)iaIonen  in  Serufalem  31®  6,  5;  bie  7  ©feuaöfö^ne  21® 
19,  14),  teite  7tägige  3eiten  (3Kt  17,  If.;  21®  20,  6;  21,  4.  27;  28,  14).  gerner  in 
fprid^toörtlic^en  Slebetveifen,  tvie  3Kt  18, 31  ff.  (too  in^befonbere  bie  ©teigerung :  70  X  7  mal 
,^u  b^ad)im  ift),  5Kt  19,  29  nad^  ber  2:eEtüberlieferung  be^  cod.  D  (ber  l^ier  ftatt  nol- 
Xcmlaolova  btianXaoiova  bietet;  bgl.  5Reftle,  Philologia  sacra  1896,  p.  21);  59it26 
12,  45  (nebftber  Baratt.  Seil,  26);  auc^  Sc  8,  2  (3Kar.  SWagbalena,  bontvelc^er  7  SCeufel 
au^gefal^ren  toaren).  —  SSon  befonberer  93ebeutung  ftnb  bieJJäDc  bon  2tneinanberreil^ung 
t)on  fieben  jjufammenge^örigen  3)ingen  ober  ^erfonen,  bie  jloar  nic^t  au^brüdflic^  ate 
©ieben  bejeic^net  tverben,  aber  jtoeifello^  eine  bebeutfame  ©iebenjal^l  barfteüen  fotten. 
©olc^er  latenten  §e})taben  ioeijt  auc^  fd^on  ba«  212  einige  auf.  S)ie  hjid^tigfte  ift  bie  90 
7fad^e  Sejeid^nung  be«  ®eifteö  ®otte^  in  3ef  11,  2  (bgl.  unten);  neben  i^r  berbienen  bie 
7  Sitten  in  ©alomoö  SCemtoetoei^gebet  (lÄg8,  29— 53;  1  6^r.6,  21— 40)  unb  bie 
7  Su|))falmen  im  ^jalter  l^erüorge^oben  ju  tperben.  3Ser^äItniömä|ig  i)iel  xal^lreic^er 
finb  bie  latenten  ©iebenjal^len  im  515E.  ^l^rer  laffen  fic^  namentliti^  im  SWatt^äu^et^ans 
gelium  mehrere  nad^tveifen.  35ie  7  SSatenmferbitten  ber  3Watt^äu§relation  ber  Sergjjrebigt  35 
(fi.  6,  9—13),  bie  7  ®Ieid^niffe  in  K.  13  unb  bie  7  SBe^e  in  ber  großen  9lebe  toiber 
bie  ^l^arifäer  Ä.  23  ftnb  bie  offenfunbigftenj  betreff!^  einiger  anberen  bebarf  e^  einiger 
^reffung  be«  %te«  ober  (gintragung,  bamit  bie  ©iebenjal^I  j^erau^^lomme  (fo  bei  ben 
äRaiari^men  in  Ä.  5,  3  ff.,  beren  e^  eigentlid^  8  ober  9  fmb;  bei  ben  bem  reid^en  Jüngling 
vorgehaltenen  ®eboten  in  Ä.  19,  18,  beren  nur  6  ftnb;  bei  ber  2lufgäl^lung  ber  Siebe«- 40 
toerfe  in  ber  SRebe  be«  SBeltrid^ter«  an  bie  ®uten  unb  bie  ®ottlofen,  Ä.  25,  31  ff.;  bei 
ben  legten  Sorten  beö  ®efi:eujigten,  bie  nur  bei  If^armoniftifd^er  Senu^ung  aller  ©bangeliens 
tejte  5ur  ©iebengal^l  ergänjt  hjerben  fönnen).  aSid^tige  latente  §e})taben  ber  ajjoftolifc^en 
Sriefe  ftnb :  im  SRömerbrtef  bie  fiebenerlei  3:rübfale  im  Ä.  8,  35  (Dgl.  §i  5, 16)  unb  bie 
7  G^ariömen  in  Ä.  12,6—8;  bei  $^afobug  bie  7  ßigenfd^aften  ber  f^immlifc^en  SBei«- 45 
f^cit:  9ia3, 17;  bei  betrug  bie  7  au«  bem  ®lauben  ^erborge^enben  2:ugenben:  2  5pt 
1,5—8.  —  aSor  c&zn  reid;  an  ©iebcn^eiten  ift  bie  2l))o!aI^j)fe.  ©tarier  bertreten 
al«  bie  nur  ftittfd^toeigenb  angebcuteten  §e})taben  (toie  5,  12;  6, 15;  7,  12;  19,  18; 
21,  8),  ftnb  in  \i}X  bie  au^brüdflid^  naml^aft  gemad^ten,  in  beren  Slei^enfolge  ber  ftufen« 
mäßige  2tufbau  ber  fc^riftftellerifd^en  ßonH)ofition  be«  Sud^e«  fic^  bargeftettt:  bie  7®es«) 
mcinben  (2  u.  3),  7  ©icgel  (5, 1  ff.),  7  ^ofaunen  (8,  2  ff.),  7  SJonner  (10,  3  f.),  7  (Sngel 
(15,  Iff.),  7  ^omfd^alen  (16,  Iff.).  2luc^  h)o  eine  ric^tenbe,  fd^redfenöerbreitenbe  ober 
jerftörenbe  SQäirfung  m^  bem  ©ingreifen  biefer  lonftitutiD  bebeutfamen  ipejjtaben  ^erbor^ 
ge^t,  öerbicibt  benfelben  immer  bte  Sebeutung  ijon  guten,  in  ®ott  originierenben  ^0= 
tenjen.  ^):}mn  fteben  fd^Iimmc,  toiberc^riftlid^e,  bem  Stcic^  be«  Söfen  bienenbe  §c})taben  bö 
gegenüber,  bie  itöjjfe,  §ömer  unb  3)iabeme  bc«  Xiere«  (ß.  12,  3;  13,  1;  17,  7  ff.),  auf 
beren  ©eficgung  unb  ^Sernic^tung  ber  aj>ofaIt;})tifc^e  ^ro^efe  fd^Iiefelid^  abhielt.  i)a«  ge= 
mcinfame  Urbilb  unb  bie  allbel^crrfd[;enbe  ®runbfraft  jener  guten  l^et)tabifc^cn  ^otcn^en 
ift  ber  7fältige  ®otte«geift,  bejeid^net  balb  al«  bie  „7  ®eifter,  bie  ba  finb  t)or  ®otte« 
©tu^I"  (1,  4),    balb   al«  bie  „7  ©elfter  ®ottcö"   lur^tveg  (3,  1 ;  4,  5),   balb   al«   bie  m 


314  &tituiüffl 

„1  (Seiftet  ®otte«,  au^cfcnbct  in  atte  Sanbe"  (.5,  6).  3)icfc  göttliche  ©ciftcr^to^  ift, 
fo  getvife  ate  fie  in  1,  4  mit  (Sott  bem  S3atcr  unb  mit  3cfu  ß^rifto  (bcm  „treuen  3^9^" 
unb  (Srftgeborenen  öon  ben  2loten"  2C.)  ju  einer  trinitorifd^en  (Sinl^eit  jufammengeft^Ioffen 
erfc^eint,  nid^t  ettoa  d^  eine  @(^ar  t)on  7  bienenben  (Sngeln  ^eba^t,   fonbem  ald  obfo^: 

6  lute  Jjneumatifc^e  (Sinl^eit,  öon  bcr  eine  7foItig  toirlenbe  ©eifle^oft  airöfhal^It.  95ct 
©c^Iüffel  jur  richtigen  3)eutung  ber  bna  nvevfwxa  rov  &eov  liegt  toeber  in  ben 
„7  Sternen"  ft.  1,  16  (toelc^e  öielme^r  laut  1,  20  unb  2, 1  Bilblic^e  »ejeic^nung  ber 
„®ngel"  ober  $irten  ber  7  Ileinafiatifd^en  ©emeinben  ftnb),  nod^  in  ben  7  ^Ianeten= 
göttem   ber  bcw^Ionifd^en  Jto^mologie  (toie  bie  mobeme  9a6bIoniften[d^uIe  annimmt), 

10  fonbem  in  ber  für  ben  neuteft.  a^)ofaI^j)tifer  mafegebenben  ^ro})^etenfteDe  gef  11,  2, 
toelc^e  ben  auf  ben  3Weffta§  fid^  ^erabfenlenben  ©ottelgeift  7fältig  —  mit  bem  3?amen 
„®eift  bc«  §erm,  (Seift  ber  ffiei^g^eit  unb  ber  (ginful^t,  (Seift  be«  9lat«  unb  bcr  ©torfe, 
®eift  ber  (Srienntnie  unb  ber  gurd^t  beö  §erm"  —  bejeid^net  35em  Sl^olal^^tifer  ift, 
gemä^  bem  loa«  fd^on  jener  bomel^mfte  ber  altteft.  ^Projjj^eten  anbeutete,  bie  ©iebenja^I 

i6©ianatur  be«  göttlid^en  (Seifte«.  (£r  bejeid^net  ®ott  felbft,  fofem  berfelbe  im 
®eifte  ftd^  gefd^ic^tlic^  unb  gerid^tlid^  offenbart,  al«  eine  ©ieben^eit  öon  ®eiftem,  o^ne 
bamit  bie  göttli^e  (Sin^eit  !prei«)ugeben.  Sag  bob^lonifd^e  ober  ög^))tif^e  ober  fonftige 
orientalifd^e  ^lonetengott^eiten  ibm  )um  3Rotio  für  jene  ^ejeicpnung  gebient  ^en 
fottten,  ift  unbenibar.    2)ie  Sntfc^ieben^eit,  toomit  er  in  feinen  Sc^Iufel^iteln  (Ä.  16  ff.) 

20  aDe«  bab^lonifd^sj^eibnifc^e  SBefen  über^u))t  ate  SSerlörjjerung  be«  SBiberc^riftentum«  unb 
be«  fatamfc^  Söfen  öerurteUt,  verbietet  jcbe  berartige  2(nna^me. 

@«  ift  ixb^^aupt  unjuläffig,  bie«  $l^änomen  ber  religio«  bebeutfamen  ©iebenl^eiten 
ber  1^1.  ©d^rift  einfeitig  Io«mif(^5naturaliftifd^,  ju  beuten,  b.  \),  bie  ^et)tabifc^en  ®ebilbe  alt^ 
^eibnifc^er  Äo«moIogie  unb  üK^tl^oIogie  al«  a  11  e  i  n  i  g  e  ertlärenbe  Urfad^e  für  fie  ju  bcrtoerten. 

26  3n  nebenfät^lid^erSBeife  mag  immerl^in  au«  bem©c^a^  ber93orfteDungen  unb2^rabitionen 
ber  ^eibnifd(>en  9Jad^barijöHer  2llti«rael«  auf  bie  SJenl*  unb  ©pretptoeife  be«  le^teren 
unb  toeiterl^in  aud^  auf  bie  ber  Urd^riftenl^eit  manche  (Sintoirlung  ergangen  fein.  Sn«- 
befonbere  für  bie  95erftnnbilblid^una  il^rer  religiöfen  Segriffe  unb  ?Kotibe  mag  bon  ben 
$roj)l^eten  unb  ^Pfalmiften  be«  3uten  S3unbe«  einige«  —  unb  fo  aud^  biefe  ober  jene 

ao  l^ej)tabifc^e  ^ormel  unb  $rafe  ~  öon  bal^er  entnommen,  unb  bann  auc^  in«  913)  über^ 
geaangen  fem  (fo  bag  bem,  tüa«  21.  3«^"iiö^  Lf/33abvIonifc^e«  im  9KE"  a.  a.  O.]  Dom 
„Ssermitteltfein  auc^  ber  tieferen  ®ebanlen  ber  neuteft.  Offenbarung  burc^  bie  2)arfteIIung 
ber  ben  3Kenf(^en  belannten  SQBelt"  fagt,  eine  getoiffe  SEBal^r^eit  jujugefte^en  ift).  9lbcr 
me^r  al«  im  Seeinflugtfein  ^infic^tlid^  il^rer  S)arfteIIung«5  unb  Se^r formen   fann  bei 

86  ben  biblifc^en  ©d^riftftettem  überl^au))t  nic^t  angenommen  Serben.  2)ie  3lnna^me,  bafe 
toefentlid^e  Qtixit  and)  Dom  S^^^It  ber  biblifd^en  Offenbarung  au«  ber  2lftralm^t^o= 
logie  be«  orientalifc^en  Slltertum«  ftammten,  fül^rt  m  ungel^euerhd^en  §^i)otl^efen  unb  ift 
mit  bem  Seifte  be«,  ade«  berartige  toie  ©eftirntult  unb  Vergötterung  ber  (Elemente 
entfc^ieben  jurücfftogenben   biblifc^en  3Konot^ei«mu«   fc^led^t^in  unvereinbar.    6«   muft 

40  be«l^alb  auc|>  für  bie  I^atfad^e,  bag  ber  ©ieben  al«  ber  ©ignatur  be«  ®otte«geifte«  eine 
befonbere  ^eiliglcit  in  ber  biblifc^en  Überlieferung  julam,  eine  tieferliegenbe  Urfad^e  al« 
bie  be«  ßntle^ntfein«  au«  c^albäifd^er  2lftrologie  ftatuiert  toerben;  flad^e  Deutungen,  toic 
j.  33.  bie  t)on  ^l.  ^ofe^i^u«  De  B.  Jud.  V,  5,  5  in  Segug  auf  ben  7armigen  Seuc^ter 
öerfuc^te  (ivicpaivov  ol  /Jikv  ijrcä  i.vyvoL  xovg  nlavrjrag,  ol  dk  im  z^ff  TQOTtiCrjg  ägroi 

46  ÖMexa  xov  Ccodiaxov  xvxXov  ml)  fmb  al«  müßige  $^antaftej)robufte  o^ne  gefd^^tc^t^ 
lid^e  Unterlage  abjulcl^nen.  (5«  mug  jugeftanben  tücrben,  bag  in  einer  ©teile  h)ie  3ef 
11,2  ein^intvei«  auf  eine  religiöfe  Urtrabition  vorliegt,  bie  einft  gemeinfamer  Scft^ 
ber  beiben  femitifc^en  Sruberftämme  \oax  unb  beren  monotl^eiftifc^e  ®runbgebanfen  bei 
bem  tvefttoärt«  au«geh)anberten  ©tammc  treuer  unb  reiner  behja^rt  blieben  al«  bei  bem 

50  frü^jeitig  im  ©ö^enbienft  berfunlenen  (5u>)|^ratvolIc.  2)iefelben  trübenben  unb  entfteHen- 
ben  (Sinflüffe  be«  ^ol^tl^et«mu«,  h)cld^e  beim  3Sergleid^  ber  feilfd^riftlic^  überlieferten  oft^ 
femitifc^en  Seric^te  über  bie  3Beltfc^ö))fung,  bie  ©intflut,  bie  SSölIertrennung  2C.  mit  bcn^ 
jenigen  ber  Hebräer  ftd^  bemerflid^  mad^cn  (Vgl.  bie  2lrtifel  „$ol^t^ei«mu«"  (Sb  XV, 
545  ff.)  unb  „©d^ö»)fun0"  (33b  XVII,  681  ff.),  treten  in  ber  bab^lonifd^en  Slelation  über 

66  ben   religiöfen   Sinn   unb  Schalt  ber  ©icbenjal^l  ya  3:agc.     äftralm^t^ologifd^er  unb 

i^ol^bämoniftifd^er  3lbcrglaube  i)aX  bie  fd^lic^tere   unb  reinere  Sebeutung,   toelc^e  biefer 
tnnbilblic^cn  ^^Jotenj  urf^jrünglid^  eignete  unb  tveld^c  in  ben  bebr.  Urfunben  (Vor  allen  in 
®en  1;  @e  20;  St  5  u.  3<^f  H)  "^^  Mar  erpc^tlic^  ift,  Verbrängt  unb  me^r  ober  toeniger 
bi«  gur  Unfenntlic^feit  entfteHt. 
60         III.   3)ie    ©iebenja^l    in    bcr  religion«))^ilofoj)l^ifc^en,   bogmatifc^^ 


Siebenjafpl  315 

ct^ifd^cn  unb  litutgijd^cn  Überlieferung  ber  Äird^e.  g.^iper,  Xie^immelö^ 
leitet:  &.  Sa^rb.  »b  VII  (1856),  6.  67—75.  3)uvfci),  ©t^mbolif  b.  c^r.  S^elig.  (1858f.),  II, 
536.  Gniel,  ®cf(^.  ber  ^rebigt  Im  9KittclaItcr,  passim,  bef.  @.  522  ff.  fiinfenma^er,  ®ejc^. 
ber  $rebigt  in  3)eutJ4Ianb  big  (S.  be^  14.  So^r^.,  1886.  e.  Äicfctoctter,  ®ef4.  b.  neueren 
OccuItiSmuS,  5BbII  (1891),  @.  16  ff.  59  ff.  ©cf^idP,  3)ie  ^iftor.  SSorauSfe^ungcn  ber  @onntog8=  6 
feier:  "öltS  V  (1894),  bef.  @.  748—760.  3of.  6auer,  ©^mbolif  b.  SHrt^engebftubeö  unb 
feiner  5luöftattung  2C.,  greiburg  1902,  6.  61—78.  Sörfler,  3)ie  Sugenble^re  beS  ©^riften^ 
tumS,  gef4ic^t(i4  bargefteüt  mit  bef.  9f}ücfft(t}t  auf  bie  S^^^^nftimbolit  i^rer  iSel^rformen, 
®üter«Io^  1904,  bef.  6. 99  ff.  243  ff. 

3ur  neueften  tl^cofop^ift^en  fiitterotur  über  bie  ©iebenja^l  ügl.  aujcr  Samuel,  Seven  etc.  lo 
(oben  II)  aud^  bie  om  ©djiuffc  b.  ^rtifelö  önge^.  Schriften  öon  SDlartcnfen,  S3ettcj  2C. 

©djon  bie  Äirdbcnöätcr  ^aben  um  Deutung  unb  ft)elu(atit)e  SSertoertung  ber 
©iebenjol^I  ftd^  öielfad^  bemüht,  ©ie  fonnten  babei  anfni4)fen  an  iübifd^sj^etteniftifd^e 
unb  neiH)Iatonif(i^e  3^rabittonen  au^  jum  Seil  fd^on  öord^riftlid^er  ß^t,  j.  93.  Slrtftobul 
(bei  ®ufeb.  Praep.  ev.  XIII,  12  —  ögl.  ^eblänber,  ©efd^id^te  ber  jüb.  ä[))oIogetiI  k.,  iö 
©.  30),  5P^ilo  (ber  u.  a.  t)om  7tägigen  S^xlxx^  ber  Sßod^e  fagt:  berfelbe  fei  ndvdrj/Liog 
xal  xov  xdofiov  yeviaiog  [De  opiif.  mundi  c.  27],  unb  ben  Sogo^  aU  ©runblage  ber 
geiftigen  SQBelt  mit  ber  ©iebenja^l  öergleid^t  [Leg.  alleg.  I,  8]  u.  f.  f.),  SKacrobiu«  (Comm. 
in  Somn.  Sdp.  c.  6:  Tot  virtutibus  insignis  septenarius iure  plenus  ha- 
betur et  dicitur),  3Jtartianu^  ^cC^tüa  (De  nupt.  Philol.  et  Mercur.  11^  108:  quiao 
numerus  [sc.  Septem]  rationis  superae  perfectio  est  etc.).  Sie  ®intt)trlung  biefer 
unb  ä^nlid^er  S)eutungen,  befonber«  ber  3luffaffung  be^  Btptmox^  ate  be^  ©innbUb« 
ber  SoMommenl^eit  unb  ber  2öeItt)oHenbung,  tritt  an  gal^Irei(|en  ©teffen  ber  jjatriftifd^en 
Sitteratur  ju  2:age.  SSiele  bleiben  toefentlid^  fte^en  bei  biefer  Sluffaffung;  fo  3lmbroftu3 
(De  Noa  c.  12:  septenarius  numerus  plenus  etc.),  ^[uguftin  (De  cons.  evang.  36 
2|  '^f  3)9  ^ieron^mu^  (Comm.  in  Ezech.  12,  41:  Aeternam  requiem,  quae  in 
septenario  numero  demonstratur),  ®regor  b.  @r.  (Moral.  I,  1,  18:  Quid  in 
septenario  numero  nisi  summa  perfectionis  accipitur?),  aud^  Sl^foftomud,  beffen 
Slu^brudt  TiX^&og  ädiögiarov  (Adv.  Judaeos,  VIII)  nicpt  ettoa  ba8  Unbeftimmte, 
fonbem  ba«  unenblid^e,  SlHumfaffenbe  ber  ©iebenjal^l  bejeid^nen  foH.  2lnbere  ©teilen  so 
befunben  ein  ©treben  nad^  Vertiefung  unb  mel^  ober  Weniger  lünftlid^e  2lu^beutung 
be^  ©inne«;  fo  6^))rian  De  exhort.  mart.  adFortunat.  c.  11  (Septenarius  iste  ... 
ternarius  creatorem  propter  trinitatem  enuntiet,  et  quaternarius  creaturam 
propter  quattuor  elementa);  äl^nlid^  äluguftin  De  div.  quaest.  81  unb  De  civ. 
Dei  XI,  31  (an  toeld^er  le^teren  ©teile  in  bie  ©iebcn  al8  2BeItfd^ö))fun5«f^mboI  fotool^l  85 
bie  göttlid^e  SBoIIIommenl^eit  toie  bie  UnöoHIommen^eit  ber  Äreatur  ^ineingebeutet  toirb: 
Ibi  requies  Dei,  qua  requiescitur  in  Deo;  in  toto  quippe,  i.  e.  in  plena  per- 
fectione,  requies;  in  parte  autem  labor,  etc.).  9tic^t  feiten  toirb,  nad^  bem  SJor« 
^ng  9S^iIo^  (De  opif.  mundi  c.  40;  Quod  det.  pot.  ins.  46,  etc.),   ber  menfc^ilid^e 

iholo^mo^  nad^  l^ejjtabifd^em  ©d^ema  anal^ftert ;  fo  bei  ämbroftug  (De  Ab.  et  Cain  40 
IIp  10:  octavus  est  homo;  habet  rationabile;  quo  praestet  ceteris,  habet  et 
quinque  sensus  corporis,  habet  etiam  vocem,  habet  et  generandi  gratiam) 
unb  in  ettoa«  anberer  3lu«fü^rung  bei  ®regor  b.  ®r.  Mor.  XXX,  16  (Homo,  qui  ex 
anima  constat  et  corpore,  in  Septem  qualitatibus  continetur;  nam  tribus  spi- 
ritaliter  et  quattuor  corporaliter  viget).  45 

®ie  Iird^Iid^=bogmatif^e  unb  set^tf(|e  Sitteratur  be«  3WittcIaIterd  fä^rt  fort,  ju* 
näd^ft  mit  äl^nlid^en  2lu«fül^rungen  tote  bie  ^ier  angegebenen;  fo  ^\ü>ox  ^iip.  De  diff. 
rer.  et  verbor.  1.  II,  3isq.  unb  Lib.  numeror.  c.  8.  9;  and)  Sent.  1.  II,  35sq.; 
$rabanu«  üJlauru^  De  univ.  XVIII,  3;  bie  $feubo-3WeIitonifd(>e  Clavis  (bei  ^ßitra, 
Spicil.  Solesm.  III,  282  ss.),  folüie  bie  fl)ätercn  6ncv!Iol)äbifer  toie  ^onoriu^  äugufto*  60 
bun.,  Selet^,  ©icarbu^,  Duranbu^  (ögl.  ©aur  a.  a.  D.).  ©tc  fügt  aber  j^u  ben  Jjatriftifd^ 
überlieferten  l^et)tabtfd^en  Äonftruftionen  noc^  vielerlei  neue  ^ingu,  inbem  fte  befonber^  au« 
bem  ®ebiet  jener  latenten  ©tebemal^Ien  bc«  21  unb  31%^  folgte  au«  ben  §ej)taben  ber 
2l})oIaIVJ)fe  5DJotit)e  für  bie  betrcffcnben  9JeubtIbunaen  entnimmt.  ©0  lüirb  benn  ber 
trabitioneHe  §eptabent)orrat  um  mehrere  toid^tige  mmmem  aHmä^Iid^  öerme^rt.  9lod^  65 
bi«  in  bie  jjatriftifc^e  $eriobe  reicht  bie  93ilbung«gefd^id^te  be«  ©el)tenar«  ber  Safter  ober 
^au))tfünben  jurüd,  für  beffen  abfc^Iie^cnbe  2lu«geftaltung  namentlid^  ©regor  b.  ®r.  unb 
Sfibor  t^ätig  lüaren  (f.  3ödler,  3)a«  Sc^rftüd  t)on  b.  7  $au))tfünben,  1893,  fotoie:  2). 
d^r.  3:ugenble^re  k.,  ©.  109  ff.),  ©cit  bem  11.  ^Q^i^^unbert  reil^en  ftc^  nad^  unb  nac^i 
an :  bie  7  $auj)ttugenben  (in  ftrenger  fd^ematifd^er  gijicrung  erft  bei  $ugo  t)on  ©t.  SJictor  so 
unb  $etr.  Sombarbu«,  f.  3i)dler  ®.  148  ff.),    bie   7  ®eifte«gaben  (nac^  3ef  11,2),    bie 


316  eiebenja^l 

7  ©efigfcttcn  (anftatt  bcr  8  \n  3Sli  5,  3  ff.),  bic  7  2BorU  ß^rtfti  am  Äreu3,  f oiote  bie 
7  ©alramcnte  —  biefc  le^tercn  ate  am  ttcfflcn  in  bic  gcfamlc  lird^Hd^c  2!^coric  unb 
$raji^  cingrcifcnbc  ^cjitabtfc^c  Silbung.  Slllerlci  öon  mcl^r  nur  fclunbärem  93clang  gebt 
ncbcnl^cr;  fo  in  ber  mariologifd^cn  ^ßrebigt«  unb  ^bmnenlitteratur  bic  7  ^rcubcn  unb  bic 

6  7  ©c^mcrjcn  SRariä ;  in  bcr  Sittcratur  bcr  Sctcptfpicgcl  unb  moralif^cn  erbauungö- 
fd^riftcn,  bic  7  93arml^crjiglcil^h)crlc  Iciblid^cr  3lrt  (nad^  3Kt  25,  31  ff.)  famt  7  gcifllic^cn 
35arml^crjigfcit^h)crfcn,  u.  bgl.  m. 

©Icid^  bcr  Dogmatil  unb  ©tl^il,  unb   jum  2:cil  nod^  frül^cr  alö  bicfc  t^corctifc^cn 
©cbictc  tourbc  bic  Siturgif  mit  vielerlei  ^ci)tabifci^cn  Silbungcn  bcrcid^crt.    S)ic  alttcft. 

10  Äultu^gcfc^gcbung  bot  i^icrfür  eine  SJüHc  toon  SSorbilbcm  unb  SKotiben  bar ;  au6)  lagen 
bcm  bereite  frül^jcitig  in  bcr  JllofterJ)rajig  üblid^  gctoorbcncn  3"f*'^^  ^^  7  lagc^- 
anbad^tcn  ober  lanonifd^cn  §oren  alttcft.  3Jlotitoc  ju  ®runb  (5ßf  119,  164,  fombiniert 
mit  5ßf  55, 11  unb  Da  6, 10)  unb  rcid^t  bc^glcici^cn  bie  S^^^w^Ö  t^^  3lmt^rabc  bc^ 
Älcru^  atö  einer  ©icbenjal^l  fd^on   in  bie   altlirc^Iid^e  3^*   l^inauf.    2)er  faframentalc 

15  ©cjjtcnar  griff  felbftbcrftänblic|  in  bic  (Snttoidclung  aud^  biefe^  ©cbiete«  mäd^tig  ein; 
bod^  ioar  fc^on  öor  feiner  ßntftc^ung  (toie  bic  SBcrfc  jener  liturgifd^en  ®nc^noi)äbifcr 
^onoriu^,  Selct^  k.  jcigen)  bielcrici  ^icrl^er  ©c^örige^  in  Übung  gelommen;  fo  bic 
7maligc  Segrü^ung  be«  Sßolfö  burd^  ben  5ßricftcr  bei  ber  SKcffc,  bie  S^^'w^fl  ^^  ©onn^ 
tage  bcr  gaftenjeit  alö  einer  ©iebengaj^I,  bie  7  2)iaIoncn  bei  ber  5Paj)ftmeffc  2C.  —  SScr- 

20  fd^iebene  l^cjjtabifc^c  ®ruljpcn  toon  ^eiligen  im  Äird^cnlalenber  öerbanfen  bcr  ficgcnben^ 
bilbung  be^  3JlittclaItcr^  il^rc  (gntftelung;  einige,  toie  bie  ©iebcnfd^läfcrfage  [f.  b.]  unb 
bicOcic^t  aud^  bic  bon  ben  2  X  7  9lot^cIfem  (f.  b.  3lrt.  Sb  XIV,  217)  loffcn  fxc^  bi^ 
in  bic  altlir^lic^e  S^xi  jurüdEbatiercn.  —  Slud^  in  jcbem  ber  brei  §au})tgn)eige  ber  bilben= 
ben  Äunft  bc«  3JlitteIaIter^   fjjielcn  l^cjjtabifd^c  Äonj^cjjtioncn  eine  me^r  ober  tücniger  bc- 

26  beutcnbe  SloIIe ;  bc^glcid^cn  in  ber  mittelalterlichen  ^ocfic.  Die  Icfetcre  l^at  namentlich 
bic  lugenbcn-  unb  bic  iobfünbcns§ct)ta^  öiclfad^  afö  9JJotito,  fotool^f  für  ei)ifd^=bibaftif(bc 
unb  l^rifd^c  afö  aud^  für  bramatifc^ic  2)idg>tungen  benuftt  (f.  3ödfl.,  3:ugcnbl.  jc,  ©.  259—280). 
SBcfcntlic^  auc^  bcm  l)oetifd^cn  33ercid^  ange^örig  ift  bic  im  3W31.  ungemein  beliebte  2?cr= 
toertung  l^ci)tabifc^cr  Scgenbenftoffe  für  Erzählungen  balb   in  5ßrofa,  balb   in  metrifd^er 

30  gaffung.  2lu^cr  bcr  ©icbcnfc^läferlcgenbe  gel^ört  l^ier^er  ber  toielbel^anbclte  ©agcnftoff 
bon  Äaifer  Diolletian  unb  ben  „7  iDcifen  3Kciftcrn"  ate  (Srjiel^em  für  bcffen  $rinjen  (i)gl. 
bic  barauf  bcjjüglid^cn  3Konogra})l^icn  toon  3Jluffafia,  3WurIo  u.  a.  älteren  2lutorcn,  fo-- 
toie  au^  jüngfter  3^'^  b^l  §crm.  gifc^er,^  Beiträge  jur  Sittcratur  ber  7  toeifen  3Keiftcr, 
©rcif^toalb  1902). 

36  Siö  in  unfere  ^zxt  hinein  reid^t  bic  f^cIulatit)^j)l^ilofo))l^ifd^e  (tl^eofo))^ifd^e) 
33e^anblung  bcr  l^e))tabifd^en  Probleme,  tüclc^c,  gleich  ber  fird^lic^  bogmatifd^en,  an  bic 
bctr.ÄonjcjJtionenbc^l^etleniftifc^cnSubcntum^  unbbcg9Jcuplatoni^mu^  anfnüi)ft.  SBä^rcnb 
be3  3Jlittclalter^  unb  nod^  bi^  in^  17.  ^a^rl^unbcrt  hinein  trägt  bicfc  Scl^anblungötoeifc 
bortüiegenb  naturt)^ilofoj)^ifc^en  ßl^araf tcr ;  ftc  erborgt  toä^rcnb  biefer  3^it  toiclcö  axx^  ben 

40  pl^antaftifc^cn  ©rübclcicn  be^  talmubifc^en  unb  fabbaliftifc^en  ^wbcntumg,  ba^  u.  a.  auc^ 
im  ^unlte  abenteuerlicher  l^el)tabifc^er  3<^^'[c"n^#it  ®rofecg  Iciftete  (f.  SBünfd^e,  ärt. 
„Äabbala",  in  Sb  IX  b.  ©nc,  bef.  ©.  681,  i— 7;  togl.  aud^  ©tradf,  Prolegg.  crit.  in 
V.  T.  hebr.  p.  73  u.  91,  foh)ic  be^felbcn  Art.  „St^almub"  in  5ß5R®»  XVIII,  ©.  356). 
9lod^  bei  ben  tl^cofojj^icrcnbcn  9Jli;ftifcm  bc^  16.  u.  17.  3io^i^^wnbert^,  toie  ägri^^ja  toon 

45  9?cttc^^eim,  ^aracclfu^,  3[}.  SBcigcl,  3-  33öl^me,  D.  §elmont  k.  fi)ielt  bicfc  SeJ^rtDcifc,  bic 
i^re  ^cj)tabifd^cn  Äonftruftioncn  auf  bcm  ©runbc  bcr  7  ©ciftcönamcn  in  3^  H,  2  unb 
bcr  ©icbcn.^^al^lcn  bcr  2lj)of.  ju  cnic^tcn  liebte,  eine  gro^cSlollc;  ögl.  bic  7  ^ßaracclfifd^en 
„©nmbgeiftcr"  im  3Kcnfc^cn  („Slcmentarifc^cr  Seib;  3lrd^eug  ober  3Kumia;  ftberifc^cr 
3Jlenfc^  ober  Evestrum;  ticrifc^cr  ®eift ;  tocrftänbigcScele;  (Sciftfee;  3Jlcnfd^  beö  Olympi 

öo  novi"),  bic  Sö^mfc^en  „7  DuaHgciftcr"  u.  bgl.  m.  (Äicfctoctter,  2).  alt.  Dcculti^mu^  I, 
297 ff.;  bc^felben  ,,9icuerer  Dcculti^m."  I,  16.  59 ff.).  Dbfc^on  bie  ©nttoidfelung  ber 
Slaturtüiffcnfc^aft  unb  bcr  3lntbroj)ologic  toä^rcnb  bcr  jtoei  legten  3iai^rl^unbertc  berartigcn 
2lnfcf)auungcn  jeglichen  ®runb  unb  93obcn  entzogen  ^at,  ift  in  t^cofo})l^ifd^  gerid^teten 
Äreifcn  bi^  in  bic  jüngftc  ^cxt  l^inein  ba^  ^eftl^altcn   an  getoiffen  ©runbgcbanfcn  icner 

65  bcm  Mittelalter  entftammcnbcn  1^cofoi)^cnh)etg^cit  unb  il^rcr  3«^Icnni^ftil  berfuc^t  toorben. 
3lod)  1887  fonnte  ein  Mc.  ©amucl  c^  untcrncbmcn,  in  einem  c.  500  Seiten  ftarlen 
93uc^c  mittele  unglaublid^  fünftlid^er  Gjpcrimcntc  bic  ©icbcn^a^l  al^  ben  „©c^lüffel  ju 
allen  SWiiftcricn  bcr  ©cbrift"  ^u  crU^cifcn  („Seven,  the  sacred  number"  etc.,  f.  o. 
b.  Sitt.  unter  5Rr.  11,  u.'bgl.  Gü.ft3.  1887,  ©.  512  f.).  9Joc^  gu  2lnfang  be^  20.3a^r= 

60  l^unbcrt^  tonnte  ein  §r.  ^.  diaai^  (in  'JJr.  3  bcr  ©c^riftcnfcric  „Stl^cofojj^ifd^e  ©tral^len", 


Siebeitja^l  Sieffert  317 

Serlin  1901)  e^  toagen,  btc  „©iebcnfad^c  Äon[titution  bc^  3Rcnfci^cn"  tocfcntlic^  gcrnä^ 
jenem  $aracelfu^fc^en  ©d^ema  bar^ut^un;  tote  benn  über^au})t  ber  mobeme  Dcculti^mu^ 
au^  ber  älteren  fabbaliftifc^en  3)rabition  ^u  retten  bemül;t  ift,  toa^  ftc^  irgenb  retten 
läfet  (f.  b.  3lrt.  „3J?agic",  XII,  68,  46  ff.).  —  6^  ßicbt  baneben  aud^  befonnenere  3?ertreter 
tl^eofopl^ifd^er  ©Refutation,  beren  ablel^nenbe«  aSerl^alten  gegenüber  ber  l^eutigen  toiffen=  5 
fd^aftlid(^en  SBeltanfid^t  n\d)i  bi^  gu  extremer  Sjntranfigeng  fortfc^reitet  unb  an  beren  Äon* 
5ei)tionen  eine  auf  gune^menbe  SSertiefung  ber  Ootte^ctfenntni^  gerichtetem  c^iriftlid^eg 
©treben  nic^it  of;ne  3lu«ftc^t  auf  günftigen  ©rfolg  angufnüjjfen  bermag.  SQBir  rechnen 
ba^in  u.  a.  §.  SBJartenfen^ :  3:i^eofoj)^if(9e  ©tubien  über  gal.  93ö^m  (au«  bem  3!)änifc^en 
burd^  2t.  üKi^elfen,  £ei*)jig  1882);  SR.  SRod^ofö  ©tubie  „®er  4nftRcbe  ®otte«begriff",  10 
©öttingen  1900  (toorin  freilic^i  grabe  im  fünfte  l^eptabifd^er  ©pelulation  nic^t  überall 
bie  nötige  Sorftd^t  getoa^rt  erfc^eint  [f.  bef.  ©.  122 ff.];  Ä.  Sed^Ier«  „Siblifd^e  Se^re  bom 
bl.  ®eift",  ©ütcrglo^  1899 ff.  (bef.  I,  59 ff.);  gum  Steil  aud^  g.  Sette?'  „Sieb  bon  ber 
©d^öjjfung",  ©tuttgart  1900  (too  namentlid^  bie  2lu«füf;rungen  über  bie  „7  ©eifter  bor 
®otte«  I^ron"  auf  ©.  128  f.  bead^tet  gu  toerben  berbienen).  3ötfler  t-     iß 

Sieffett^  gricbrid^  Subtoig,  geft.  1877.  —  gf.  ©ieffcrt,  5. fi.  ©icffcrt.  eineerijjc 
feine«  ficbcnS.    Königsberg  1880. 

5.  2.  ©ieffert,  ein  befonber«  um  bie  görberung  ber  (Sbangelienlritif  unb  um   bie 
eb.  Äird^e  Dft^reu^en«  berbienter  Ideologe,  tourbe  am  1.  gebruar  1803  afö  ©ol^n  be« 
Kaufmann«  S^i^ann  ©ieffert  in  ®Ibing   geboren  unb  auf  bem  bortigen  ®bmnafium  au«s  20 
gebilbet.   5Da|  er  3:^eologe  toerben  foHte,  toar  bon  Slnfang  an  ber  äBunfcp  ber  frommen 
3)lutter,  ben  er  felbft  aHmäl^lic^  mit  immer  boDerem  33etou|tfein  gu  bem  feinigen  mad^te, 
befonber«   nad^bem  feine  religiöfe  ©tellung  ftd&  befeftigt  ^atte.    3iltere6rbauung«bü(^er, 
bie  i^m  gufättig  in  bie  $änbe  fielen,  führten  il^n  in  ein  tiefere«  ßl^riftentum  ein,  atö  e« 
f onft  in   ber  burd^  ben  9lationaIi«mu«  beeinflufeten  ©tabt  ^errfd^enb  toar.    Unb  al«  er  25 
beim  Seginn   feine«  Äonfirmanbenunterrid^t«,  obfd^on  bon  einem  lut^erifd^en  ©eiftlid^en 
getauft,  [xi)  ber  reformierten  ©emeinbe  anf(|lofe,  toeld^er  bie  SKutter  angehörte,   beran« 
lafete  il^n  bie«,   [\d}  über  bie  fonfefftoneHen  Unterfd^iebe  ber  beiben  ebangelifd^en  Äird^en 
genauer  gu  unterrichten,  unb  fid^  banad^  ein  Jfelbftftänbige«  Urteil  ju  bilben.    daneben 
befd^äftigten   i^n   fd^on  auf  ber  ©d^ule  aud^  ^Probleme,  bie  fid^  auf  bie  ©efdbic^tc  ber  so 
Äird^e  bejogen.   3)l\t  feinen  religiöfen  ^ntereffen  berbanben  jtd^  überl^au})t  bie  toiffenfd^afts 
liefen  ungetoöl^nlic^   frü^   fo   enge,   bafe  er  baburc^  ftd^  nic^t  blofe  gur  SBal^I  be«  tl^eo^ 
logifc^en  ©tubium«,  fonbem  aud^  gu  bem  SBunfd^e,  bie  alabemifd^e  Saufba^n  gu  betreten, 
getrieben  füllte.    Diefer  ©ntfd^Iufe  getoann  fofort  auc^  auf  bie  ©eftaltung  feine«  ©tubium« 
bcftimmenben  ßinflufe.   Um  fo  me^r  nämlid^  erfannte  er,  al«  er  Dftem  1821  bie  Äönig«^  35 
berger  Uniberfität  al«  ©tubent  ber  Ideologie  begog,  bie  Slottoenbigfeit,  fid^  gunäd^ft  fefte 
))^Uofoj)^ifc^e  unb   })]^iIoIogifc^e  ©runblagen  gu   ertoerben.    Qn  ber  $^iIoJo})]^ie  tourbe 

Serbart  fein  gü^rer  unb  in  immer  fteigenbem  3Kafee  tourbe  er  ebenfo  fe^r  öon  beffen 
aralterboUer,  cbler  $erfönlic^feit  al«  bon  ber  fd^arfen  unb  nüchternen  3lrt  feine«  pj^ilo^ 
fop^ifd^en  gorfd^en«  angegogen.  2luf  j)^ilofo^^ifc^em  ®ebiet  ift  er  immer  §erbartianer  40 
geblieben  unb  ba«  nähere  jjerfönlid^e  SSer^ältni«  gu  ^erbart  tourbe  nod^  fj)äter,  al«  ber= 
fclbe  nac^  ®öttingen  ging,  burd^  Sefuc^e  unb  Srieftoed^fel  aufrecht  erhalten.  Unter  ben 
t^eologif^en  S)ogenten  fd^ä^te  er  am  meiften  3luguft  ^a\)n,  burd^  ben  er  fic^  befonber« 
in  ba«  aSerftänbni«  be«  Sil«,  fotoie  in  orientalifc^e  ^l^ilologie  einführen  liefe.  Jlament^ 
lic^  ba«  ©tubium  be«  ©^rifc^en  betrieb  er  fo  eifrig,  bafe  er  fc^on  1824  mit  ^af)n  gu*  46 
fammen  an  ber  §erau«gabe  einer  ©ammlung  öon  f^rifc^en  ©ebic^ten  mit  Iritif^en  31ns 
merfungen  unb  einem  ©loffar  arbeiten  lonnte  (Cbrestomathia  syriaca  sive 
S.  Ephraemi  carmina  selecta  edd.  21.  §a^n  unb  g.  £.  ©ieffert  1825).  ®egen  Dftem 
1824  Jjromobierte  er  nac^  Überreid^ung  einer  2lrbeit  über  bie  tran«cenbentare  grei^eit 
gum  5DoItor  ber  ^P^ilof oi)l^ie.  5Dann  ging  er  nad^  Serlin ,  um  ftd^  je^t  gang  bem  tl^eo-  50 
ogifc^en  ©tubium  gu  toibmen.  §ier  toar  e«  9Jeanber,  ber  ben  bleibenbften  ©influfe  auf 
leine  toeitere  ßnttoidelung  au«übte.  3"  entfd;iebenem  biblifd^en  Dffenbarung«glauben,  in 
xeier  ober  befonnener  Äritil,  auc^  in  ber  33erel^ning  für  $lato  unb  ©c^leiermad^er  blieb 
er  immer  mit  Sleanber,  bem  er  auc^  })erfönlic^  bauernb  na^c  trat,  in  Übereinftimmung. 
3m  ©ommer  1825  unterbrad^  er  feinen  gtoeijä^rigen  berliner  2lufentl^alt,  um  mit  einem  bö 
5Heifefti})enbium  be«  i)reufeifc^en  3Jlinifterium«  au«gerüftet  nad^  ffiien  gu  ge^en.  3)er 
3toedf  feiner  Steife  toar,  in  eine  §anbfc^rift  ber  SBiener  Sibliot^el  ßinfic^t  gu  getoinncn, 
toelc^e  ben  Kommentar  be«  Sifc^of  SEl^eoboru«  bon  ^J)lo})fueftia  gu  ben  Ileinen  $roj)]^eten 
cntl^ielt.   5Rac^bcm  er  bicfelbe  e£cerj)iert  l^atte,  leierte  er  na^  SJerlin  gurüdf,  um  l^ier  1826 


318  eieffert 

gum  Stcentiatcn  ber  ^^l^eologic  ju  jjromoDieren,  unb  bann  nai)  Äöntg^berg,  too  er  ftd^ 
burd^  SSetteibigung  einer  ©^rifi  über  3^^eobor  (Theodorus  Mopsuestenus  veteris 
testamenti  sobrie  interpretanti  vindex)  1827  aU  ^ribatbojent  in  ber  t^eologif d^en 
^alultät  habilitierte. 

6  5Da  bieje  ©d^rift  ©.«  aHgemeine  Stnerlennung  fanb  unb  feine  afabemifd^en  SSorlefungen 
feine  fie^rtüc^tigteit  betunbeten,  fo  befd^Iofe  bie  S^afultät  fc^on  1828,  il^n  bem  3Jliniftertum  jur 
Seförberung  ^u  einer  au^erorbentlid^en  ^ßrofeffur  ju  emjjfe^Ien.  Sereitg  im  Df tober  1828 
erfolgte  bie  ßrnennung.  1829  übernahm  ©.  aud(>  bie  fieitung  be^  ejegetifd^^Iritifc^en  ©eminar^ 
unb  im  folgenben  Qal^re  berlie^  i^m  bie  Äönig^berger  galultät  bie  t^eol.   3)oftortoürbe. 

10  SBäl^renb  beffen  toar  er  in  feinen  toiffenfd^aftlid^en  ^Priöatftubien  toon  ber  3lu«Iegung^= 
gefd^id^te  jur  ßjegefe  felbft  unb  jur  Sibelfritil,  toon  bem  äl  jum  9?euen  übergegangen, 
unb  al^  eine  %ivii)t  berfelben  erfd^ien  nun  feine  ©d^rift:  Über  ben  Urfjjrung  be^  erften 
lanonifd^en  ©toangelium^,  Äönig^b.  1832.  SSon  berfelben  urteilt  eine  Slutorität  auf 
bi^fem  ©ebiete,  S3.  SQBeife  (3:^01 1861,  94),  i^re  e^)od^emad^enbe  Sebeutung  lönne  nic^t 

15  genug  ^erborge^oben  toerben.  g^^^f^ß^  ^^^  ^  ^"  jeitgemä^e«  Untemel^men,  bie  bun^ 
ben  bi^^erigen  ©tanb  ber  Söangelienlritil  me^rfeitig  naf)^  gelegte,  aber  noc^  nic^t  ein- 
ge^enb  unterfud^te  tJ'^age,  ob  ba^  erfte  ©Dangelium  in  feiner  l^eute  borliegenben  ©eftalt 
Don  bem  Stj).  üJlattl^äu«  berfafet  fei,  jum  ©egenftanbe  einer  bejonberen  ©(^rift  m  mad^en. 
3)er  ®ang   berfelben  ergab  ftc^  niqt  fd^toer.     2luf  eine  3Jcufterung  ber   altlird^lid^en 

20  Seugniffe  über  ba«  üJlattj^äu^eb.  folgt  eine  forgfältige  3Sergleid^ung  mit  ben  anberen 
ßbangelien,  namentlid^  mit  bem  ate  jol^anneifd^  unb  l^iftorifd^  anerfannten  bierten.  93eibe^ 
fül^rt  ju  bem  ©rgebni^,  bafe  unfer  erfte^  (Sbangelium  eine  Überarbeitung  ber  bom  3lp. 
3Jlatt^äu«  in  ^ebräifd^er  ©jjrad^e  berfa^ten  ©d^rift  fei,  toeld^e  beren  Seftanbteile  im 
toefentlid^en   unDerfe^rt  erhielt  unb  nur  burd^  3«!^^^  erweiterte.    3)a  aber  ni(^t  blofe 

26  bie«  Slefultat,  fonbem  aud^  bie  Iritifc^en  Unterfud^ungen,  toeld^e  e«  borjüglid^  mit  ben 
SKängeln  be«  erften  (gDangeliumg  ju  tl^un  Ratten,  bieten  anftö^ig  fein  lonnten,  fo  bemühte 
[xd)  ®.  in  ber  SSorrebe  gerabe  auf  bem  ©tanbjjunft  eine«  entfd^iebenen  Offenbarung«^ 
glauben«,  auf  bem  er  au«brüdflic^  ju  [teilen  erllärt,  ba«  9ted^t  ber  bon  t^m  geübten 
Äritif  ju   toal^ren.    SKand^e«  in  biefen  aHgemeinen   SSorbemerfungen   bürfte   audp  no(^ 

30  l^eutjutage  red^t  bead^ten«h)ert  fein.  ©.  erinnert  baran,  tote  e«  gerabe  jum  SBefentlicben 
be«  d^riftlid^en  Setoufetfein«  gel^öre,  bafe  ba«  ©öttlid^e  unter  SKenfd^en  au6)  in  ber  ®e^ 
ftalt  ber  menfc^lid^en  ©d^toac^l^eit  erfd^iene,  unb  toie  ba«  etoige  SBort  in  ber  gütte  ber 
3eit  in  3efu  Gl^rijlo  in  ber  gamen  ©d^toad^^eit  be«  ^leifd^e«  erfd^einen  mufete,  fo  aucb 
ba«  überlieferte  ®otte«toort  al«  ^ibetoort  bie  ganje  ©c^mäd^e  be«  überlieferten  SKenfd^en^ 

36toorte«  an  fid^  trage,  alfo  nottoenbig  aud^  SSerfe^en  finben  laffe,  bie  eben  au«  ber 
©d^mac^^eit  menfd^lic^sftnnlid^er  SBa^me^mung  unb  ^Mitteilungen  ^erborgegangen  feien. 
3h)ar  ioa«  eigentlid^  ba«  Äeil  ber  Äird^e  beh)trle,  fei  ja  ba«  ©öttlid^e  in  jenem,  aber 
eine  flare  ©rlenntni«  be«felben  fei  nid^t  möglid^,  toenn  nid^t  jubor  bie  fd^toad^e,  unboH* 
fommene  gorm  erfannt   fei.    3n  93egug  auf  ba«  in  ßl^riftu«  })erfönlid&  erfd^ienene  SBJort 

40  ®otte«  ^abe  ba«  aud^  bie  Äird^e  immer  anerfannt.  3)agegen  an  bem  gefc^iriebcnen  SBortc 
®otte«  i)aht  fte  bie  menfd^lid^e  gorm  be«  ®öttlid^en  jur  redeten  3lnerlennung  gu  bringen 
berfäumt  unb  fo  e«  felbft  öetfd^ulbet,  toenn  ber  9laturali«mu«,  al«  er  jene  entberfte,  biefc« 
infolge  baöon  bertoarf.  Irofe  biefer  toerföl^ncnben  Sorbemerlungen  blieben  Slnftöfee  an 
ben  fritifd^en  Stefultaten  be«  Sud^e«  in  ben  Äreifen,  mit  benen  ©.  burd^  biblifc^en  Dffen- 

46  barung«glauben  toerbunben  toar,  nic^t  gänjlid^  au^,  ^m  gangen  aber  tourbe  bie  ©c^rift 
mit  lebhafter  3lnerfennung  aufgenommen,  unb  jufammen  mit  ber  fte  ergängenbcn  b^ 
lannten  2lb^anblung  ©d^leiermad^er«  t)on  bemfelben  ^af)x^  über  bie  3^0"ifr^  ^^  ^ojjia« 
bon  unferen  beiben  erften  ©öangelien  f)at  fte  gu  einer  SReil^e  mel^r  ober  tocntger  toert^ 
boller  arbeiten  auf  bem  ®ebiet  ber  ßbangelienfritif  ben  2lnftofe  gegeben.    $ier  tpurben 

50  il^re  Slefultate  mobifijiert,  begrenjt  ober  meitergubilben  öerfuc^t,  toäl^renb  bo«  ^aupu 
ergebni«  unter  ben  begonnenen  neuteftamentlic^en  gorfd^em  giemlic^  aHgemein  angenommen 
blieb.  ®cgen  bie  rabifale  Äritil  aber  erflärte  ft^  ©.  balb  barauf  in  einer  alabemtfd^en 
®elegenl^eit«fc^rift,  beren  5?eröffcntlic^ung  mit  feiner  1834  erfolgten  Seförberung  gum 
orbentlic^en  ^rofeffor  in  3wfammen]^ang   ftanb  (de  singulorum  librorum  sacrorum 

66  auctoritate  canonica,  Regiom.  1836).  2Bä^renb  er  aud^  Bier  ba«  Siecht  ber  SibeU 
fritil  an  fid^  fcl^r  beftimmt  bei^auptet,  erfennt  er  eine  ©d^ranfe  berfelben  in  ber  SSer^ 
binbung,  in  Welcher  fte  gum  ®lauben  unb  gur  ®lauben«le^re  [teilen  muffe.  Unb  gum 
93eh)eife  bafür  giebt  er  einen  Seitrag  burc^  ^iftorifc^e  Sefämjjfung  einiger  an  ©emier 
ftd^  anfc^liefeenben  2lnfd;auungen  über  ben  Segriff  be«  Äanon«  al«  eine«  Scrgeid^niffc« 

60  t)on  Iird[|lid[ien  @rbauung«bü(^ern.    ^ngtoifd^ien  ^atte  ©.  aber  aud^  feine  ©tubien  über 


eieffert  319 

2:i^eobot  t)on  5iKoj)fueftia  fortgcfe^t  unb  ein  gröfecre«  SBerl  üBcr  fein  Seben,  feine  Sibel« 
audlegung  unb  feine  G^riftobgie  öOTbereitet.  ®er  erfte  Seil  \oax  1837  brudfertig,  für 
bie  Beiben  anbeten  toar  ba«  3KatertaI  in  großer  Sonftänbigleit  gefammelt.  Unb  toä^renb 
fid^  fo  feine  äußere  ©teHung  einigermaßen  befeftigt,  feine  £el^rt|ätigleit  unb  feine  f(|rifts 
ftellerifcpe  2lrbeit  guten  tJo^gang  genommen  l^atte,  toar  aud^  ^äu^lid^e^  ©lud  ij^nt  auf«  6 
fd^önfte  erblül^t,  nad^bem  er  fd^on  1833  burd^  Sermä^Iung  mit  ßmma  3)unler  fid^  einen 
^öu^Iid^en  ^erb  gegrünbet  l^atte. 

®a  gepel  e«  GJott,  i^n  öon  biefer  $öl^e  be«  irbifd^en  ©lüdfe«  mit  fd^toerem  ©daläge 
l^erabjufitirgen.    3n  jenem  ga^re  1837  entftanb  plöiilxi)  ein  2lugenübel,  ba«  eine  lange 
9leibe  t)on  Seiben  mit  ftcb  führen  follte.  3lad)  einigen  ©d^toanlungen  in  bemfelben  jeiate  lo 
e«  fw^  jtoei  3a^re  barauf,   bafe  ba8  linle  ä[uge  t)on  unl^eilbarer  2lmaurofe,   ba«  redete 
öon  einer  9lefel^autablöfung  ergriffen  toar.    SSor  aHem  toar  ©.   je^t  in  feiner  fd^rift* 
ftetterifd^en  Slpätigleit  gehemmt.   9lur  Heinere  Slrbeiten  toaren  i^m  je^t  allenfattS  möglid^ 
(toie  bie  äbl^anblung  toom  Slbenbmal^I  im  Dfterj)r0gramm  ber  Uniöerfität  t)on  1839). 
Sin  größere  litterarif^e  5piäne  toar  laum  mebr  ju  beulen.    S)amit  toar  aber  ein  redete«  is 
SBeiterlommen  in  ber  alabemifd^cn  Saufba^n  tiberbaut)t  abgefd^nittcn,  unb  ba  l^iermit  aud^ 
bie  ä[u«ftd^ten  auf  balbige  Serbefferung  be«  äußerft  fd^malen^Profefforengej^alte«  fd^toanben, 
fal^  fi(^   ©.  Veranlaßt,  an  bie   Bereinigung    ber    alabemifd^en   Il^ätigfeit   mit   einer 
Weniger  bie  äugen  in  3lnf^jrud^  ne^menben  praltifd^en  ju  beulen,    ©o  na^m  er  1839 
eine  bamate  gerabe  öafantc  Äoft)rebiger-  unb  ^farrftette  an  ber  beutfd^^reformierten  ©e«  ao 
meinbe  ber  Surglird^e  an,    SBalb  barauf  tourbe  feine  93eruf8toirffamleit  nod^  erweitert, 
inbem  er  1841  atö  3lffeffor,   1842  ate  dlat  in  ba«  Äonftftorium  ber  ^Proöinj  ^Preußen 
eintrat,    ©o  l^at  er  feitbem  Qal^re  lana  brei  öolle  Ämter   nebeneinanber  tjertoaltet,  in 
allen  breien,  obh)ol^l  i^m  ba«  alabemifme  Sel^ramt  ba«  liebfte  blieb;  bod^  bie  gleiche  &^ 
h)iffenl^aftigleit   beh^eifenb,   in  allen  aber   freililc^  aud^  immer  burd^  fein  STugenleiben  26 
be^inbert.    ä[ud^  fein  Vortrag  auf  Äanjel  unb  Jlat^eber  mußte  barunter  leiben,  baß  bers 
felbe   bloß  im  Äotofe   o^ne   fd^riftlid^e  gijierung  ber  ©ebanlen  entworfen  tourbe.    2lber 
gegen  ben  baburd^  bebingten  üJlangel  einer  etloa«   abftralten  unb  breiten  3)arfteHung 
bilbete  ber  Umftanb  ein  ©egengetoic^t,  baß  gerabe  infolge  ber  3lbgejogen^eit  t)on  ber  i^n 
umgebenben  ffielt  fein  SJenlen  eine  l^ertoonagenbe  Konzentration  erhielt,    äud^  öertoidEelte  ao 
©egenftänbe  loiffenfd^aftlid^er  ober  })raltifd^er  3lrt  toußte  er  ungctoö^nlid^   fd^nell  aufs 
^ufaffen  unb  bie   lic^tt)olle  illar^eit  be«  SSortrag«  jeugte  t)on  angeftrengtefter  geiftiger 
Slrbeit.    Söenn  er  ba^er  aud^  um  ber  berül^rten  3Wängel  toiHen  in  feinen  $rebigten  auf 
eine  ))o^juläre  SBirfung  öenid^ten  mußte,  fo  feffelte  er  bod^  forttoä^renb  Heinere  Äreife 
Don  hrarmen  SSere^rem.    S)abei  toirfie  ber  ©inbrudt   feiner  ^erfönlid^Ieit   immer  mit,  85 
befonber«  feiner  großen  SBal^r^aftigleit,  vermöge  bcren  man  in  allen  feinen  2lu«laffungen 
immer  nur  bie  eigenfte  Überzeugung  ju  ^ören  getoiß  toar.  Unb  ba«  Derfd^affte  i^m  atte* 
zeit  aud^  bei  feinen  ®egnem  Sichtung.    5Denn  an  Ääm})fen  l^at  e«  il^m  bei  feiner  Dffen« 
|eit  unb  Unerfd^rodfen^eit  nid^t   gefehlt,   jumal  in  ben  lirc^lid^en  SBirren,   bie   in   ben 
öierjiger  unb  fünfziger  Qa^ren  aud^  in  Äönig«berg  ftarl  l^ert)ortraten.    Qnnerl^alb  feiner  4o 
©emeinbe  l^atte  er  toor  allem  fe^r  energifd^  ba«  })ofttit)e  S^riftentum  gegenüber  auflöfens 
ben  Seftrebungen  z«  öerteibigen,   am  mü^famften  bamal«,    al«  ba«  Äirc^follegium  bie 
Berufung  be«  fl)äteren  3Jlitbegrünber«  ber   freien  ©emeinben  Dr.  3lu})J)  in  eine  öalante 
$farrftelle  bcfd^loffen  batte,  unb  er  bagegcn  entfc^iebene  Sertoa^rung  einlegte,    daneben 
aber  betäm))fte  er  aud^  überall  unb  fo  befonber«  in   feiner  !onfiftorialen  ©teKung  ben  45 
ungefunben  $ieti«mu«  unb  Drt^oboji«mu«,  loie  er  in  ber  Rtxt  ber  Jjplitifd^en  unb  lird^« 
liefen  Sleaftion  aud^  in  Dft))reußen    ftc^  breit  z«  niad^cn  begann.    Übrigen«  lonnte  @. 
fe^r  leidbt  jid^  auc^  mit  3Jlännem  bon  gam  DerfAiebener  SRic^itung  öerftänbigen,  loenn  er 
nur  aufrichtige«  9Ba^r^eit«ftreben   fanb.    ätuc^  bei  ben  ©tubierenben   gab  er   ftd^  aHe 
3Kül^e  bie«  anzuregen.    3"^*"^^^  toieber  loie«  er  feine  Äu^örer  barauf  ^in,  baß  ba«  tl^eo«  w 
logifc^e  ©tubium  ztoar  nid^t  ben  ©lauben  erzeugen   tonne,   ber   au«  anberen  Duellen 
bertoorgel^en   muffe,   ober  aud^  nid^t  bloß  Äenntniffe  Derfd^affen  ober  für  ba«  pxatti\i)t 
2tmt  breffteren  foUe,  fonbem  toor  aHem  bazu  beftimntt  fei,  ben  ©lauben  zu  läutern  unb 
loiffaifd^aJFtlid^  Z"  befeftigen,  alfo  eine  perfönlid^e  t^eotogifc^e  Überzeugung  z«  gewinnen. 
Unb  biefer  3*^^*  bel^errfc^te  erlennbar  auc^  ba«  &an^^  unb  ßinzelne  in  ber  3)arftellung  66 
be«  ©toffe«  bei  feinen  SSorlefungen,  toelc^e  in  Serbinbung  mit  })erfönlid^em  Serle^r  il^m 
immer  bie  t)erel^rung«t)ollfte  5Danfbarfeit  feiner  gui^örer  ftd^erten.    %\xx   ifyn    fclbft  aber 
f^iegelte  fid^  bie  Ilare  Wct  feine«  5Denfcn«  auc^  in  ber  ^eiteren  Älar^eit  feine«  ©lauben« 
loieber,  bie  i^n  aud^  in  3:rübfal  aufrecht  erhielt  unb  eine  linblid^e  ^rö^lid^feit  zu  feiner 
©runbftimmung  mad^te,  toenn  e«  aud^  nic^t  ganz  t'^ue  innere  Jtäm^fe  bei  feinem  fc^toeren  eo 


3a0  ©icffcrt  Sicflfrlcb 

Seiben  abging.  Da^  fortfc^reitenbe  äugenübel  mad^te  ^  \l}m  fd^Iiefelid^  jur  SJottoenbig^ 
feit,  ein^  naq  bcm  anbcm  \>on  feinen  Ämtern  aufjugeben.  3w"öci^P  ^"^^^  ^  1857  au^ 
bem  ftonftftorium  au^,  bei  toeld^er  ©elegen^eit  i^n  bie  reformierte  Oeiftlid^feit  bcr  ^roUing 
burd^  ein  fcl^r  anerfennenbe^  ®anff einreiben  eierte.  6^  l^ie^  barin:  „3Sa^  imferc  @e- 
6  meinben  noc^  in  unferer  $robinj  t)on  ©elbftflänbigfeit  unb  gemeinfamem  fieben  bcft^en, 
toerbanfen  fte  ^f}x^  33erh)enbung."  Später  beantragte  er  eine  teiltoeife  Duie^jierung  in 
feinem  Pfarramt.  (S^e  er  aber  alle  S^ätigfeit  aufgab,  machte  er  nod^  einmal  am  Slbenbe 
feine«  Sebenö  einen  fd^riftftellerifci^en  SSerfuc^.  6r  biftierte  unb  Veröffentlichte  ba^ 
©c^riftAen  „3lnbeutungen  über  bie  a^jologetifdg^e  gunbamentierung  ber  c^riftlici[»en  ®lauben^= 

10  Jüiffenfdbaft",  ®üter«lo^  1871.  3)er  ©runbgebanle  be^felben  ift,  ba^  bie  ®lauben^= 
Jüiffenfd^aft  auf  ben  ®runb  unb  SKafeftab  alle«  ßl^riftlic^ien,  auf  6^ftug  unb  beffen  eigene 
Intention  jurüdfgel^en  muffe.  Unb  jtoar  fei  e«  nai)  lefeterer  h)ieberum  bie  eigene  ^JJerfon 
ß^rifti  mit  allem,  toa^  xu  il^r  gehört,  feine  ganje  ^erfönlic^e  Srfd^einung  mit  ßinf^lu^ 
t>on  aBort,  SBerl  unb  (Sefd^idt,   toorin  bem  menfd^lid^en  93eh)ufetfein  bie  lebenbige  ®ott= 

16  ^eit  erfennbar  fein  folle,  toobei  in^befonbere  ß^rifti  ©ünbloftgleit,  SBunber,  Ser^ältni^ 
)ur  altteftamentlid^en  SBei^fagung  unb  3Bir!ung  auf  bie  ©efci^id^te  ber  imenfd^l^eit  al^ 
Btüi^m  be^  ®lauben^  in  ^etra(|t  lämen.  SBo^l  nid^t  mit  Unred^t  fanb  man  bierin 
„fel^r  bebeutfame  Fingerzeige  für  einen  umfaffenben  a^jologetifc^en  33au"  (fo  §.  ©c^mibt 
in  feiner  SRecenfton  ber  ©^rift  in  2:^©tÄ  1873).    S3alb    aber  fa^  fid^  ©.  in  bie  3loU 

20  toenbigfeit  t)erfe|t,  ben  geierabenb  feine«  Seben«  anzutreten.  SJad^bem  er  1873  auf  fein 
änfuc^en  aller  feiner  gunitionen  im  afabemifc^en  toie  im  geiftlid^en  3lmte  entl^oben  toar, 
zog  er  nad^  Sonn  am  9t^ein,  too  er  nad^  langen  quatooUen  Seiben,  bie  in  bem  früber 
fo  mäd^tig  jjulfierenben  nun  aber  gefd^mäd^ten  ^erjen  i^re  Duelle  Ratten,  am  2. 9Jotoember 
1877  ^eimgerufen  Jourbe.  g.  @ieffert. 

25  Sicgfrieb,  Äarl  2lbolf,  geft.  1903.  —  SBgl.  ©.»ftntfc^,  8um ®cbft(^tiii« ^rl  Sicg^ 
frieb§  in  bcr  StoX^  ©b  46  (1903),  ©.  580—589  unb  boS  „Ecce  bcr  Äöniglit^cn  SanbeSf^ule 
^forta"  für  ba8  3a^r  1903. 

Ä.  21.  ©iegfrieb  toar  geboren  am  22.  ganwör  1830  in  9JJagbeburg,  ate  ältcfter 
©ol^n  be«  Saurate«  Äarl  Söil^elm  ©iegfrieb.    6r  befud^te  ba«  3)omg^mnaftum  feiner 

30  SSaterftabt,  ba«  er  im  IJa^re  1849  mit  bem  3^"Ö"'^  ^^  ^l^f^  herliefe.  (Sr  h)ibmete  ftcb 
3Jlid^aea«  1849  bi«  Dftem  1851  in  ^atte,  toon  Dftem  1851  bi«  SKi^aeli«  1851  in 
Sonn  unb  bon  3Kic^aeli«  1851  bi«  SKid^aeli«  1852  lieber  in  $alle  bem  ©tubium  ber 
2:^eologie  unb  $l^ilologie.  3Son  ben  tl^eologijd^en  Di«5il)tinen  naj^m  bie  altteftament= 
lic^e  fein  3"^<^^^<^ff^  ^^  befonberer  Söcife  in  2lnfi)ruc^.    ^n  ber  5ßl^ilologie  bcfd^ränfte  er 

35  [xd)  nic^t  nur  auf  ein  grünblic^ie«  ©tubium  be«  $ebräifc^en  unb  ber  bamit  toertoanbten 
orientalifc^en  Bpxa^cn,  foh)eit  il^re  ßenntni«  für  ben  Slltteftamentler  nottoenbig  ift, 
fonbem  er  befd^äftigte  ftc^  aud^  mit  bem  ©tubium  be«  griec^ifc^en  unb  römifc^en 
ailtertum«  unb  feiner  ©^jrac^e  unb  Sitteratur.  5Die  grünblid^e  l)^ilologifd^e  ©c^ulung,  bie 
er  ftc^  h)äl^renb  feiner  ©tubiengeit  ertoorben,  fam  bem  Il^eologen  fjjäter  in  ^ertjorragenber 

4o3Beife  ju  gute.  3lad)  2lblegung  ber  t^eologifd^en  (Sjamina  unb  ber  Dberlel^rerj^rüfung 
abfolöierte  er  im  ^ai)xt  1856  fein  ^robejal^r  am  ®^mnaftum  jum  Älofter  Unferer  lieben 
grauen  ju  3Kagbeburg.  2luc^i  im  folgenben  Saläre  (1857)  mar  er  an  biefem  ©^mnafmm 
nod^  al«  Seigrer  tätig,  z^Ö^^'^  ^^^  ^^  i"  biefem  ^af)xt  3)Jitglieb  be«  t^eologifc^en 
Äanbibatenfonöilte«  z"  5Wagbeburg.   ^m  3a^re  1858  h)urbe  er  al«  ®^mnaftalld^rer  nad^ 

46  ©üben  berufen,    too   er  bi«  1860  tätig  ioar.    Son  l^ier  au«  ))romotoierte  er  im  ^aj^re 

1859  in  §alle  zwn^  2)oftor  ber  $]^ilofoi)^ie  auf  ®runb  einer  S)iffertation,  beren  5Citel 
bie  für  i^ren  Serfaffer  fo  c^aralteriftifd^e  Serbinbung  tl^eologifc^en  unb  J)l^ilologifc^en 
2Biffen«  bezeugte.  S)er  2;itel  lautete:  De  sacrificiorum  Hebraeorum,  Graecorum, 
Romanorum  et  originis  et  rituum  similitudine.   9tad^bem  er  fo  feinen  ©tubien  in 

50  äußerlicher  Steife   einen   getoiffen  3lbfd^lufe  gegeben,  »erheiratete  er  fic^  am  2.  DItober 

1860  mit  ainna  ©c^neller,  ber  Xod^ter  be«  bamaligen  Dberj)faner«  in  ®uben,  mit 
ber  er  42  ^ai}xc  ^inburcb  in  glüdElid^er  l^armonifc^er  6^e  berbunben  bleiben  burftc.  3" 
ben  Sauren  1860—1865  toirfte  er  al«  Se^rer  am  5Domg^mnaftum  z"  2)lagbeburg, 
alfo  an  bemfelben  ®bmnafium,   bem   er  bie  ®runblage  feiner  eigenen  toiffenfc^ftlit^en 

55  Silbung  öerbanfte.  Son  bort  tourbe  er  im  3a^re  1865  in  ba«  fd^toierige  Sboj)j)clamt 
eine«  ^rofeffor«  unb  z^^citen  ®eiftlic^en  nac^  ber  Sanbe«fd^ule  ^forta  berufen,  too  er 
bi«  zum  ^a^re  1875  eine  überau«  anregenbe  unb  fru^tbare  lätigfeit  entfaltete,  ©iegfrieb 
^at  bie  10  ^a\)xc  feiner  ^fortenfcr  SKirtfamfeit  ftet«  z"  ben  glüdflid^ften  feine«  Sebcn« 
flczö^lt. 


@ie«frteb  321 

Über  ber  ©rfüflung  feinet  fc^uIamlUd^en  ^flic^ten  ^atte  ©icßfricb  feine  tüiffenfd^afts 
Ud^e  SSJeiterbilbung  nid^t  t)erfäumt.  Sefpnber^  intereffierte  i^n  bte  ©ejc^id^te  ber  3(u^ 
legung  be^  313;«,  unb  l^ier  \t>ax  ti  t)or  aUem  triebet  ber  alejanbrinifc^e  $^iIofo))l^  $^Uo, 
beffen  Sebeutung  al«  3lu«Ieger  be«  213;«  t)on  ©iegfrieb  jum  ©egenftanb  cinge^enbfter 
©tubten  gemad^it  tourbe.  Sereit«  im  3^^^  1863  öeröffentlic^e  ©iegfrieb  eine  ^Programms  5 
ob^anblung  über  ,;^ie  ^ebröifd^en  3BorterIIärungen  be«  $l^ilo  unb  bie  @))uren  i^rer  Sin^^ 
h)irlung  auf  bie  Äird^enöäter".  gm  ^al^re  1873  erfd^ien  t)on  ibm  in  $ilgenfelb«  S^%1) 
33b  16  eine  älbl^nblung  über  ,,$l&iIo  unb  ber  überlieferte  %^  ber  ©^tuaginta"  unb 
im  3a^re  1874  im  17.  S3b  berfelben  3eitfd^rift  ein  2luffa^  „3ur  Äritif  ber  ©d^riften 
^l^ilo«".  Sine  S^fammenfaffung  feiner  $biloftubien  gab  er  im  3^1^^^  1875  in  bem  be- 10 
beutenben,  nod^  l^eute  h^erü^oQcn  äüJerfe  „^^ilo  t)on  älle^anbria  al«  9lu«leger  be«  9(3;« 
an  ftd^  felbft  unb  nad^  feinem  gefd^id[|tlid^en  ©influffe  betrad^tet.  SJebft  Unterfud^ungen 
über  bie  ©räcität  ^pi^ilo«".  gür  ben  Ideologen  bebeutete  biefe«  SBerl  einen  fei^r  tocrt« 
t)olIcn  Seitrag  }u  ber  ©efd^id^te  ber  9(u«legung  be«  9(3:«,  für  ben  $^ilofo))^en  eine 
tDiUIommene  görberung  ber  @rlenntni«  ber  eigenartigen  ))^ilonifd^en  ®ebamenh)elt  unb  15 
il^re«  3ufA^tn^^^n0^  >ntt  ber  altteftamentlic^en,  für  ben  ^^ilologen  bilbeten  f))e2iell 
bie  Unterfud^ungen  über  bie  ©räcität  ^l^ilo«  eine  fd^äÄen«toerte  SSorarbeit  für  ba«  neuer* 
bing«  ju  neuem  Seben  ertoad^te  ©tubium  ber  gried^^ifi^en  ©^rac^e  im  ^elleniftifc^en  ®e- 
h)anbe.  ©onft  feien  au^  ber  öoralabemifc^en  ^ßeriobe  feiner  litterarifd^en  SBirffamleit  nod^ 
folgenbe  ^Programmabl^anblungen  genannt:  „de  inscriptione  Qerbitana",  4'',  1863  20 
unb  „©))inoja  al«  Äritiler  unb  3(u«leger  be«  3(3:«",  4^  1867. 

^ie  eben  erh>äl^nte  bebeutenbe  ©d^rift  über  SS^ilo  fül^rte  eine  bebeutfame  SQenbung 
im  geben  ©iegfrieb«  ^erbei,  fofem  fie  i^m  eine  e^renöotte  SJerufung  auf  ben  ^mai^i^m 
Se^rftul^l  für  oltteftamentlic^e  3;^eologie,  ber  bamal«  gerabe  burd^  ben  SBeggang  ©ber^arb 
©c^raber«  nad^  SJerlin  öertüaift  toar,  eintrug,  ©iegfrieb  folgte  im  ga^re  1875,  alfo  in  25 
einem  älter  toon  45  3?^^"/  biefem  Stufe  unb  ift  bann  ber  Qenaifd^en  Uniöerfität  bi« 
IM  feinem  3;obe  über  ein  äSiertelja^r^unbert  treu  geblieben,  ©leid^jeitig  mit  feiner  93e« 
rufung  erfolgte  feine  Ernennung  jum  3)oItor  ber  3;^eologie  feiten«  ber  t^eologifdbcn 
galultät  ber  Uniöerfität  3ena.  ®ie  gülle  ber  Slufgaben,  ber  ber  au«  bem  jjrafiifdben 
©c^ulamt  33erufene  fu^  ^ter  auf  einmal  gegenüber  geftedt  fa^,  unb  ber  übergroße  @ifer,  so 
mit  bem  er  [xd)  in  bie  nun  feiner  l^arrenbeit  9(rbeiten  l^ineinftürjte,  führte  leiber  gleid^  in 
ben  erften  Sauren  feiner  alabemifd^en  2BirffamIeit  m  einer  ftarfen  Überarbeitung.  ®r 
verfiel  in  eine  fAtoere  langwierige  Äranf^eit,  bie  i^n  }u  feinem  größten  ©c^merje,  ber 
oft  in  SSerjtoeiflung  überjufc^lagen  bro^te,  auf  brei  Qa^re  (1878—1880)  feinem  lieb^ 
gewonnenen  Serufe  cntgog.  ©eine  Vertretung  tourbe  t)on  feinen  ÄoHeaen,  in«befonbere  30 
t)on  bem  aud^  in  altteftamentlid^en  fingen  befd^lagenenen  9(bolf  ^ilgenfelb  übernommen. 
3m  ^af)x^  1881  lonnte  er  mit  boUftänbig  toiebergetoonnenen  geizigen  Gräften  feine  ala* 
bemif^e  3;^ätigleit  h)ieber  aufnehmen.  Slderbing«  ^atte  er  al«  bauembe  ^^olae  feiner 
ßrfrantung  eine  Sä^mung  be«  linlen  Seine«  baöongetragen,  bie  il^m  mannigf ad^e  S3c* 
f(^h)erben  unb  unliebfame  Hemmungen  bereitete.  3Son  ba  an  toar  ©iegfrieb  faft  ganj  4o 
an  feine  $äu«lid^Ieit  gefeffelt;  aufeer  ||u  ben  SSorlefungen,  ju  benen  er  fic^  regelmäßig 
fahren  li^,  l^at  er  fein  §au«  nur  feiten  öerlaffen.  gür  bie  ntand^erlei  ©ntbel^rungen 
unb  @ntfagungen,  bie  i^m  bamit  auferlegt  toaren,  fanb  er  aber  reid^en  3;rofi  unb  6rfa^ 
in  feiner  toiebergetoonnenen  geiftigen  ^rifc^e  unb  in  intenfitoer,  toiffenf(^aftlic^er  3lrbeit, 
bie  fid^  nun  in  toielfeitiger  äöeife  auf  bie  ©cbicte  ber  ^ebräifd^en  ©rammatil  unb  Sejifos  45 
grap^ie  fotoie  ber  biblifd^en  Äritif  unb  Sjcgefe  erftredEte,  babei  aber  and)  bie  ©ebiete  be« 
^elleni«mu«,  be«  ©pätjubentum«  unb  ber  ©efc^ic^te  ber  3lu«legung  be«  3(3;«  nic^it  bei 
feite  ließ.  ®ie  erfte  größere  Slrbeit,  bie  er  md)  feiner  ©enefung  Dollenbete,  toar  ba« 
„Se^bu^  ber  neu^cbräifc^en  ©prad^e  unb  Sitteratur"  (Äarterul^e,  Sleut^er  1884),  ju 
beffcn  Slbfaffung  er  ftd^  mit  bem  ^ebraiften  $.  2.  ©tradt  in  93erlin  jufammenget^an  50 
l^tte.  SSon  ©iegfrieb  felbft  ftammt  ber  lid^tDoHc,  fein  geglieberte  2lbriß  ber  ®rammatil, 
toä^renb  ©tradE  bie  f orgf ältig  gearbeitete  bibliogra))l^ifc^e  Überfielt  ju  t)erbanf en  ift.  Salb 
barauf  toerbanb  er  ftc^  mit  S.  ©tabe  in  ®ießen  jur  äbfaffung  be«  „^ebräifd^en  3Börter= 
buc^e«  jum  3(3:",  ba«  im  ^a^rc  1893  öoflenbet  h)urbe  (2ei»)jig,  Seit).  S)iefe«  SBörter* 
bu4  löm  feiner  S^t  einem  tief  empfunbenen  Sebürfniffe  entgegen,  ©ein  eigentlid^er  unb  60 
bleibenber  SSäert  liegt  in  ber  })einlic^  genauen  Sle^iftrierung  be«  altteftamentlid^en  ©^rad^- 
gebraud^e«.  Daß  bie  $erau«geber  bie  et^mologif^e  ßrllärung  ber  SBörter  geflijfentlid; 
au«gef<^loffen  ^aben,  erfd^eint  ^eute  al«  SKangel,  Wax  aber  bei  bem  bamaligen  ©tanbe 
ber  femitifd^en  ©jjrad^lüiffenfc^aft  nid^t  ungerechtfertigt,  ""^ad)  ben  3lngaben  be«  isor^ 
toorte«  ftammt  ber  größere  3:eil  be«  SBerle«  axx^  ©iegfrieb«  geber,  ber  3)iit^erau«geber  go 

fatal'(hi09tiopmt  ffir  {Ideologie  unb  fiirc^e.    3.  «.  XVIII.  21 


322  Siegfrieb 

S3.  ©tabe  f)ai  aber  naä)  Sieöfrteb^  2!obe  Slnlafe  genommen,  bte  betreffenbe  angäbe  etn^ 
xufd^ränlen  (p^l  SatSJB  »b  14  (1904),  ©.  145.  3)tc  übrigen  größeren  2lrbeitcn  ©ieg= 
trieb«  liegen  auf  bem  ©ebiete  ber  biblifd^en  Ärittl  unb  ©regefe.  3m  ^afyct  1893  erf(^ten 
feine  toerttootte  Iritifd^e  Sejtau^abe  be«  ^iobbud^e«,  bie  ben  17.  3:eil  ber  Don  ?J.  ^avapt 

6  in  Baltimore  l^erau^egebenen  Sacred  Books  of  the  Old  Testament  ober  ber  fog. 
Stegenbogenbibel  (Seijjjig,  ^inrid^)  bilbet.  Qn  ber  1894  erfc^ienenen  t)on  6.  Äaufefd^  in 
^aUe  öeranftalteten  Ueberf^ung  ber  1^1.  ©d^rift  be«  3iX^  (Tübingen  unb  Seijjjig,  SRo^r) 
toar  öon  ©iegfrieb  be«  an  te^tlritifd^en  ©d^toierigleiten  befonber«  reid^e  Sud^  be«  ^ßro^ 
))^eten  ©ged^iel  bearbeitet  toorben.    ^m  Saläre  1898   erfd^ien  afe  grud^t    einbringenber 

10  ©tubien  ©iegfrieb«  Äommentar  mm  ^ßrebiger  ©alomoni«  unb  jum  ^o^enliebe  (^anb^ 
lommentar  jum  31%,  l^erau^gegebcn  t)on  SB.  9?otoadf,  2.  Slbt.,  3.  9b,  2.  %l,  ®öttingen, 
SSanbenl^oedt  unb  9tu))rec^t).  Slerti^  er  ftd^  in  ber  9luffaf[ung  be«  ^ol^enliebe«  al«  einer 
©ammlung  erotifc^  Sieber  t)ielfad^  mit  Subbe,  fo  gel^t  er  in  ber  Seurteilung  be«  rätfel^ 
reid^en  9u<^e«  be«  ^ßrebiger«  burc^au«  eigene  SBege.    ®r   öertoirft   bie  3Keinung,   bafe 

16  biefe«  Sud^  eine  organifdpe  (Sinbeit  bilbe,  unb  fuqt  e«  toielme^r  toermittelft  einer  jtoar 
ettoa«  lom^jlijierten  unb  öielleicpt  ber  SSereinfadjjung  fälligen,  jebenfatt«  aber  l^ö(^ft  fcparf* 
finnigen  3nter))oIation«^^bot^efe  al«  au«  t)erf(^iebenen  S9eftanbteilen  erttHic^fen  begreiflich 
)u  mad^en.  92ad^bem  er  bann  noc^  im  ^ai)x^  1899  für  bie  Don  @.  ilau|f4  t>eranftaltete 
Ueberfejung  ber  altteftamentlid^en  3lpoit\}pf)m  unb  ?Pfeube|)igraj)^en  bie  Sapientia  Salo- 

20  monis  überfejt  unb  burc^  9loten  erläutert  l^atte,  mad^te  er  ftd^  im  Solare  1900,  al« 
bereit«  bie  SSorboten  einer  fd^toeren  ßrlrantung  ftd^  einteilten,  no(^  an  oie  Ausarbeitung 
eine«  Äommentar«  ju  ben  an  ^Problemen  fo  reid^en  Suchern  ®fra  unb  9le^emia  unb 
jum  93ud^e  (gftl^er  (^anblommentar  jum  äS,  l^au«gegeben  Don  2B.  9lotoadt,  1.  äbt., 
6.  9b,  2.  3:1.,  ©öttingen,  SSanbenl^oedf  unb  9tuj)red^t).    ?!Kit  3)lü^e  gelang  e«  i^m  nodf, 

25  ba«  SQerf  }um  9lbfd^Iu|  )u  bringen,  er  mu^te  e«  jebod^,  ba  in  ber  SBeil^nad^t«h)0(^e  1900 
eine  töblid^ie  ilrant^t  i^n  auf«  Sager  toarf,  einem  anberen  überlaffen,  bie  le|te  ^le  an 
ba«  äSert  )u  legen  unb  e«  jum  3)rudf  }u  bringen. 

9leben  biefen  größeren  SBerlen  Derbanfen  toir  ©iegfrieb  eine  ftattlid^e  ^af^l  Heiner 
©(^riften  unb  Stbl^anblungen,  beren  loid^tigere  l^ier  nad^  ber  SKaterie  georbnet  angeführt 

30  fein  mögen.  BpcmU  auf  ba«  ^%  bejiel^en  ftd^  folgenbe  3(uffä^e:  Gad  Meni  unb  Gad 
Manasse,  ^px%^  1  (1875),  ©.  356—367:  ©ötterglaube  unb  ®otte«gIaube  im  alten 
3«rael,  ^ßrot.  Äird^enjeitung  1882  5Rr.  2;  ©te  ^ßrobebtbel  (»30,  ebb.  1884  9lr.  38;  aRil* 
unb  Äontg,  ebb.  1887  9lr.  15;  bie  tl^eologifd^e  unb  l^iftorifd^e  9etrad&tung«toeife  be«  8t3:«, 
granff.,   3)iefterh)eg  1890  (axx^  SP^%^  S^  12  [1890]    ©.  97—120);    ©tettcnfe^Ier  in 

86  ^Kanbellem«  Äonlorban^  jum  SISC,  R\ü%^  33b  40  (1897),  ©.  465—467.  2luf  (Srammatit 
unb  Seji!ogra))^ie  l^aben  folgenbe  mbeiten  Sejug:  S^x  ©efd^id^te  ber  neu^ebräifd^en 
Sejifograj)^ie,  3atSB  S3b  2  (1882),  ©.  177—192;  3)ie  ^ebräifc^ien  SBJorterflärungen  be« 
Sofejj^u«,  ebb.  S5b  3  (1883),  ©.  32—55 ;  S)ie  2lu«f^)rac^e  be«  ^ebräifd^en  bei  ^ieron^mu«, 
ebb.    S5b  4  (1884),  ©.  34—83;    Sleuefte   j^ebräifd^e   ßlementargrammatilen ,    aUgem. 

iöÖfterr.  Sitteraturjeitung  1886,  9lr.  7;  Seiträge  mx  Seigre  Dom  jufammengefe^ten  ©a^e 
im  gjeul^ebräifc^en,  in  ben  Semitic  Studies,  geftfd^rift  für  Äo^ut  (1897),  ©.  543—556. 
Stuf  bie  ©efc^id^te  ber  3lu«Iegung  begießen  fic^  bie  Slb^anblungen:  ®ie  aufgäbe  ber  ©c^ 
fc^id^te    ber    altteftamentlid^en  3lu«legung   in  ber  ©egentoart  (1876);    3Dlibraf<^ifdjfe«  ju 

tieron^mu«,  ^pt%f)  Sb  9  (1883),  ©.  346—352;  9Ki«ceaanea,  R)n>%^  »b  26  (1883), 
.  235—239,  93b  27  (1884),  ©.  355—359;  33^oma«  Don  3lqutno  al«  3lu«leger  be« 
213:«,  ebb.  93b  37  (1894),  ©.  603—625.  3luf  $cneni«mu«  unb  ^ßl^ilo  begießen  ftc^: 
3)er  jübifc^e  §eneni«mu«.  6in  SlüdEblicf  auf  feine  gefd^id^tlid^e  ©nttoidfelung  mit  95e- 
jie^ung  auf  bie  neueften  gorfd^ungen  innerhalb  feine«  ©ebtete«,  3*d3:^  9b  18  (1875), 
©.  465—489;   Sebeutung  unb  ©c^idffal  be«  ßelleni«mu«  in  bem  Seben  be«  jjübtfc^en 

50  aSoIfe«,  ^px%f)  9b  12  (1886),  ©.  228—253:  3)er  jübifdbe  ßeneni«mu«,  StOgcm.  8«W- 
b.  Subent.  1890,  11.  u.  18.  3uli;  Die  (gjjtfobe  be«  jübif^en  §elleni«mu«  in  ber  na(^ 
ejilifd^en  Gnttoidtelung  be«  ^ubentum«,  gja^rbuc^  für  jüb.  ©efd^id^te  u.  Sitteratur,  9b  3 
(1900),  ©.42—60;  Über  bie  $^iIo  jugefd^riebene  ©c^rift  Dom  befd^uli(^en  Seben,  t^i^ot 
Äirc^enjcitung  1896,  5Jr.  42.  3luf  ^ubentum  unb  jübifdbe  Sitteratur  baben  9ejufl:  9labbi- 

55  nifc^c  ainalefien,  3iDr3:^  9b  2  (1876),  ©.  476—480;  5ßro^^etifdJe  SRifftonöflebanlen 
unb  bie  jübifd^en  5)iifrton«beftrebungen,  ebb.  9b  16  (1890),  ©.  435—453;  ?Probc  au« 
ben  3nafamcn  bc«  ^^^mmanuel  3lomi,  ebb.  9b  11  (1885),  ©.  289—298;  ^efhebe  jur 
afabemifc^cn  ^rci«DerteiIung,  UniDerfität«programm ;  IJena  1895.  gcmer  feten  folgenbe 
Slbbanblungen  Dcrmifc^tcn  ijn^altc«  crh)äl^nt:  ©ine  arabifc^e  Äreu|igung«gefd9idjfte,  ^pxfXb 

60  9b  3  (1877),  ©.  537—539;  9ibel  unb  9Jaturtoiffenf(^aft,  ebb.  9b  7  (1881),  ©..1—59; 


Stegfrteb  ®ietia  323 

3)a«  3tX  im  l^eBt.  ©etoanbe,  ebb.  Sb  13  (1887),  ©.  160—169;  a:i^eol00if(^e^  ©tubtum 
unb  ^Prüfung^toefen,  ^ßrot.  Äird^enaettuna  1887  9lr.  37,  1888  9lr.  3;  SrieftDec^d 
jtotfd^en  ©oetl^c  unb  ©ie^,  ®oetbc=3al^r6u(i&  11  (1890),  6.  14—41.  3)a}u  lommen 
eine  SReil^e  t)on  2lrtiWn,  bie  Siegfrieb  für  ©utl^e^  Äune^  Sibeltoörterbud^  unb  für  bie 
Jewish  Encydopedia  gefd^rieben  ffat,  ferner  eine  ftattlic^e  9(n)al^l  bioaro^jl^ifc^er  ä(rttfel  5 
in  ber  äUgem.  Seutfd^en  9iogra))^te,  bie  aiihufül^ren  ^ier  ju  toeit  fül^ren  toürbe.  — 
3n  SSerbinbung  mit  ^.  ®eljer  in  3ena  gab  ©iegfrieb  im  ga^re  1884  l^erau«:  Eusebii 
canonum  epitome  ex  Dionysii  Telmaharensis  chronico  petita  (SeifDjig,  Xeubner); 
jufammen  mtt  S3.  ©euffert  beforate  er  1888  bie  (Sbition  ber  5Woten  unb  Slb^anblungen 
p  ®oetl^e^  SBeftöftlicbem  ^i\>an  für  ben  7.  93b  ber  SBeimarer  @of?^ienaui^abe.  ®rn)ä|nt  lo 
fei  fc^Iie^Iid^  nodb,  ba|  er  1893  bie  ^erau^abe  eine^  SQerIed  feineiS  berftorbenen  ^eunbed 
6.  Äa^fer,  betitelt:  Sud^  ber  ©rlenntni«  ber  SBa^rl^eit  [ani  bem  ©Vrifd^en],  (©tra^burg, 
2:rübner)  beforgt  1^1 

Sie  SBürbigun^  ber  litterorifcben  SSerbienfte  ©iegfriebd  toäre  aber  nic^t  boSflänbig, 
tpenn  nid^t  auA  femer  überaus  fruchtbaren  älecenfentent^äti^Ieit  gebac^t  toürbe.    ©ein  15 
^erbonogenb  fc^arfer  SSerftanb,  fein  feiner  9B^,   feine  fatinfd^e  9(ber  mad^te  i^n  jum 
Stecenfenten  in  ^o^m  ®rabe  geeignet    ©eine  Siecenfionen  fmb  j.  I.  SJleiftertoerle,  bie 
bem  Sefer  nid^t  nur  einen  äftl^etifd^en  ®znvi^  getoä^ren,  fonbem  bie  aud^  in  toiffenfc^aft^: 
lid^er  Sejie^ung  oft  meijjr  afe  einen  e)>^emeren  Söert  befi^en.   ©ie  finben  [xd)  namentlid^ 
in  ber  2^23  wnb  in  ber  ®£3-    ®in^"  bleibenben  SBert  befi^en  Dor  allem  feine  jjäl^rs  20 
liefen  Seric^te   über  bie  in  ben  einjelnen  g^ren  erfc^ienene  Sitteratur  betreffenb  bie 
orientolifd^en  ^ilfdtpiffenfd^aften  unb  ba^  WH,  bie  er  für  ben  ^39  t)erfa|t  l^at.   3l^un' 
je^n  3a^  binburc^  (für  bie  ^afyc^  1881—1889)  ift  er  einer  ber  ^eröorragenbften  unb 
begabteften  aWitarbeiter   birfe«  3al^re«berid^te«   getoefen.     Slm  ®nbe  beö  gal^re«  1900 
jtoang  i^n  feine  fd^n^ere  Srfranlung,  bie  i^m  befonber^  an^  $er)  gett^ad^fene  Mitarbeit  25 
am  X^S^  nieberjulegen. 

^m  9(nfange  be^  ^af)x^  1901  mu^te  ©iegfrieb  aud^  feine  Sei^rtl^ätigleit  einfteKen. 
6^  ^oMi  ein  ra})iber  SSerfall  ber  Äräfte.    ®iefe«  unb  baö  folgenbe  Qa^r  1902  toaren 
für  il^n  ga^re  furd[|tbarer  Iör))erlid^er  Dualen  unb  feelifc^er  $ein.  2lm  9.  ganuar  1903 
erlöfte  i^n  ein  fanfter  2ob  bon  fernen  namenbfenÖeiben;  am  12.  Januar  tourbe  er  auf  30 
bem  neuen  gtiebl^ofe  ju  gena  aur  etoigen  SRu^e  beftattet. 

©iegfrieb^  ©tärle,  fotpeit  {te  ftc^  menigftend  in  ber  ©^l^öre  feiner  öffentlid^en  ^^ätig« 
leit  b.  f),  bei  ü^m  in  ber  ber  litterarifd^en  ^robultion  unb  ber  Se^l^ätigleit  geltenb  mad^te, 
lag  iDortpiegeti^  auf  bem  ®ebiete  be^  ^nteUettd.  @r  befa|  eine  ungeh^öBnlic^e  ©d^ärfe 
be^  SSerftanbe«  unb  beiJ  Iritifd^en  SlidEe«.  3"^^^  berftanb  er  c^,  ben  Siagel  auf  ben  35 
Stop\  )u  treffen.  ^Daneben  eignete  i^m  in  ^o^em  ®rabe  bie  ®abe  eine«  treffenben  2öi^e«, 
einer  beifeenben  ^ronie,  eine«,  toenn  ee  fein  mu|te,  fd^onung«lofen  ©arla«mu«,  eine  &Qbz, 
Don  ber  er  namentlid^i  in  feinen  Stecenfionen  xtxd)lxi)  ®ebraud^  mad^te,  toenn  er  auf^ 
geblafene  Sefc^ränltl^eit,  anf))ruc^«t)oae  llntt)if(enl^eit  unb  ^ol^le  3Bid|tigt^uerei  aei^eln  ju 
muffen  glaubte.  3^0^^^^  ^^^  ©iegfrieb  eine  in  äft^etifd^er  93e)ie^ung  fe^r  feinfühlige  40 
3latux,  ber  aUe«  ^äpd^e,  Ungefc^idte,  $Ium^e  unb  Unmanierlid^e  xn  ber  ©eete  ^utoiber 
toar.  ®erabe  ba«  äft^etifd^e  Moment  jetgt  fic^  beutlid^  auc^  in  jetnen  litterarifc^en 
9(rbeiten;  ber  gefällige  ©til  unb  bie  feine  ))ointierte  SarfteQung^toeife  mad^en  bieSe!türe 
feiner  ä[rbeiten  oft  gerabeju  ju  einem  ®enu^.  S)a«  gleiche  tou^tcn  feine  3w^örer  toon 
feinen  SSorlefungen,  bie  jugleid^  SKufter  an  Älar^eit  maren,  niät  genug  ju  rühmen.  45 
©einer  tl^eologifc^en  SRic^tung  nad^  loar  ©iegfrieb  im  loefentlid^en  ein  Sln^änger  ber 
naif  SHeu^,  ®raf,  Äa^fer,  SDäeH^aufen  benannten  ^iftorifc^-Iritifd^en  ©d^ule,  o^ne  bafe  er 
jeboc^  fein  2luge  loie  t)or  ben  ©d^loäd^cn  ber  eigenen  SRid^tung,  fo  toor  bem  SSortrefflid^en, 
ba«  in  anberen  Sägern  geleiftet  tourbe,  berfd^Ioffen  l^ätte.  SBie  toenig  er  ettoa  ein  ein« 
gefleifd^ter  ^ßarteimann  loar,  jeigt  in  d^aralteriftifd^er  SBeife  bie  S^atfad^e,  bafe  er  ftd^  50 
mit  3Kännem  Don  fo  grunbtoerf^iebener  Slic^tung,  toie  $.  ß.  ©tradf  unb  35.  ©tabe  gu 
gemeinfc^afllid^er  ä(rbeit  jufammenfd^Ue^en  fonnte. 

3)ie  SSerbienfte,  bie  ©iegfrieb  fic^  aU  afabemifc^ier  Seigrer  um  bie  Jenaer  tl^ologifd^e 
^ohiltät  unb  jbejieU  audb  um  bie  SBeimarifc^  unb  bie  anberen  X^ringifd^en  Sanbe«Iirc^en 
ertDorben  l^t,  ^aoen  an  oen  maggebenben  ©teilen  me^rfad^  bie  gebü^enbe  älneriennung  55 
erfabren.  3m  Anfang  ber  ad^tjiger  ^al^re  be«  öortgen3ia^rl^unbert«hmrbe  er  jum®ro^^erjogn(| 
©äd9ftf(^en  Äird^cnrat,  im  gjal^re  1892  jum  ®e^eimen  Äird^enrat  ernannt.   ».  »aewtfc^. 

©iena^Äonjil  Don,  1423—24  (Synodus ßenensis).  —  ^louptqucUc  finb  bie  9(iu 
goben  M  Sol^ann  öon  SRagufa  (deputierter  ber  Unberfitftt  ^ri«,  ba^r,  trofr  feiner  {laüifc^cn 

21* 


324  Siena  Sienettitg 

S^ationalitöt,  3JiitgIieb  bcr  franjbfifdicn  9iation),  in  feiner  ©c^rift  „Initium  et  proeecutio 
Ba8il.  CoDcilii  in  Monumenta  Conciliorum  general.  saeculi  XV.,  Vindob.  1857,  Tom.  I. 
p.  12sqq.  ^a^u  ^anft,  CoUectio  conciliorum  Tom.  28.  9?al)nalbud,  Annales  ad.  aon.  1423. 
—  fiittcratur:  ^efclc,  ÄonjitiengcWic^te  5Bb  1,  392—409  u.  beSf.  %x\,  „©icna"  in 
6  t2*  11,  290ff. 

2lm  22.  3wni  1423  l^atte  bö^  Äonjil  Don  ^ßaDia  (f.  b.)  feine  SSerlegung  nai^  ©tena 
befc^Ioffen,  too^in  bte  Äonjttemitglieber  aud^  atebalb  fa[t  aHe  abreiften,  feie  cinft  in 
Ronftan^,  fo  erfd^einen  fie  aud^  biet  in  Stationen  eingeteilt;  e^  giebt  öuf  bent  ©enenfer 
Äongil  eine  italienifd^e,  franjöftfc^e,  beutfc^e,   englifd^e  unb   f))anifd^c  „Station";   in    ber 

10  franjöfifd^en  (gallifd^en)  madpte  fid^  u.  a.  ber  ^ßrofcffor  ^ol^ann  Don  SRagufa,  O.Pr.,  ein 
Dalmatiner  Don  ®eburt,  befonberg  bemerllid^.  3lm  21.  guli  1423  tourbe  e«  unter  ben- 
felben  $räftbenten,  bie  ba^  Äonjil  in  ?ßak)ia  gehabt  ^^^f  feicrlid^  eri)ffnet;  aber  ben 
gan}en  ©ommer  Derbrad^te  e^  bie  3^^  ^i^  nu|Iofen  93erl^anblungcn  über  einen  salvus 
Conductus,  toeld^en  bie  ©tabt  ©icna  au^jufteuen  batte,  ben  aber  ber  ?Paj)ft  möglic^ft 

15  ju  feinem  eigenen  Vorteile  geftaltet  toiffen  toollte.  3)ie  3)e!rete,  toeld^e  Don  ben  3Sätem 
tn  ber  enblid^  am  8.  9loDembcr  1423  gu  ftanbe  gelommcnen  gleiten  ©i^ung  Dcröffent^ 
lid^t  iDurben,  toieberl^olten  bie  SScrurteilung  SOäiclif^  unb  §u«',  aud^  bie  be§  ?Peter  Don 
Suna  unb  betrafen  toeiter  bie  Union  mit  ben  (Sried^en  unb  bie  SScrttIgung  ber  Äeftereien 
über^au^)t.  68  toaren  babei  aber  nur  2  Äarbinäle  unb  25  infulierte  ?BräIaten  antocfenb. 

20  3)ann  begannen  SSerl^anblungen  über  bie  Sieformation  ber  Äird^e,  toobei  bie  franjöfifc^e 
Station  mand^e  bead^ten^merte  SSorfc^Iäge  mac^ite.  ©ie  Derlangte  u.  a.,  ba^  bie  Äarbinäle, 
bem  Äonftamer  Äonjil  gemäfe,  avi^  aHen  3)eilen  ber  G^riften^eit  genommen  unb  i^re 
3a^I  18,  l^öcpftend  24  betragen  foQte.  %cS  SSorfd^Iagdred^t  gum  Jlarbinalat  aber  f outen 
bie  Stationen  l^aben,   ber  $^ft  nur   ba$  Seftäti^ungdred^t.    Obaleid^  biefe  93orfd^läge 

25  toeber  ba$  Dogma  nod^  bie  Slserfaffung  ber  l^ierard^tfd^en  Jlird^enanftalt  trgenbtoo  tvefent^ 
lic^  änberten,  ftiefeen  fte  bennod^  auf  ben  l^eftigften  SBiberftanb  ber  ))oj)ftIid^en  Segaten. 
Diefe  arbeiteten  Je^t  ben  Seftrebungen  ber  entfc^iebenen  9teformfreunbe  heftig  entgegen 
unb  fud^ten  ba$  Hongil  aufgulöfen.  @^  lam  )u  @))altungen;  man  fal^  batb  ein,  bag 
man  ju  feinem  ^\th  lomme  unb  bie  game  Sleform  einem  neuen  Äongile  überlafjen  muffe. 

30  Dafür  tourbe  am  19.  gebruar  1424  al«  Ort  bie  ©tabt  Safel  beftimmt.  Der  ^fi 
SJlartin  V.  Ke^  fid^  biefe,  eine  beutfd^e  ©tabt,  gefallen,  toeil  il^m  mit  einer  frangöfifcben 

Sjebro^t  toorben  toar;  in  granlreid^  aber  toar  bie  anti^)ä})ftlid^e  ©eftnnung  bamate  toeit 
tärfer  ate  in  Deutfc^Ianb.  Sereit^  am  7.  SRärj  fd^Iugen  barauf  bie  fiegaten  einDefret 
an,  in  toeld^em  fie  erllärten:   fd^on  am  26.  gebruar  fei  ba8  Äongil  Don  il^ncn  aufgeloft 

35  Unb  aUen  ©rjbifd^öfen,  Sifd^öfen  u.  f.  to.  fei  ftrengften«  Derboten,  eine  gortfe^ung  be^- 
felben  ju  Derfuc^en.  3[n  bemfelben  2iige  reiften  fie  nad^  S'^'^^^S  ^^'  Damit  \oax  ba^ 
Äonjil  tro|  aller  55rotefte  ber  franjöftfqen  Station  gu  6nbe.  (Srreid^t  aber  ^tte  e^  gar 
nid^t^.  SJtit  toeldpen  GJefül^Ien  bie  reformfreunblid^en  üJtitglieber  bemfelben  au^einanber 
gingen,  befd^reibt  ^ol^ann  Don  Siagufa:   ,,Multae  habitae  fuerunt  deliberationes/' 

40  fagt  er, ...  et  tandem  propter  vitandum  ecclesiae  scandalum  . . .  ac  propriarum 
personarum  periculum,  propter  propinquam  temporalem  Papae  potentdam 
(Ställe  be^  Jtirc^enftaatS)  deliberarunt  res  ecclesiae  Deo  committere  et  unusquis- 
que  ad  propria  remeare"  (Mon.  pag.  61  f.  u.,  bei  §efele  f.  u.  ©.  408).  Der  $a})ft 
Slartin  V.  aber  fe^te,  um  ben  ©c^ein  ber  SleformtDiUigleit  Dor  ber  öffentlid^en  ÜReinung 

45  ju  lüal^rcn,  in  Slom  an  ber  Äurie  eine  Äarbinal^Iommiffton  ein,  toeld^e  Don  aDen,  bie 
geeignet  feien,  SteformDorfc^Iäge  entgegennehmen  foHte.  @r  unb  fein  Stad^f olger  Sugcmu^IV. 
\fahm  bie  ©^nobe  Don  Siena  nocp  „generalis"  genannt,  ba8  gleid^e  gefd^a^  a\x6^  Don 
feiten  be^  Safeler  itonjilö;  bie  ft)ätere  Äird^e  aber  ^at  il^r  toie  ber  Don  ?|JaDia  biefe« 
^räbifat  Dorent^alten.  ^.  Sfdlaifert« 

50  ©teDefing^  Slmalie  SB.,  geft.  1859.  —  fiittcratur:  (©mma  ^ocl)  5)cnhüürbia= 
fetten  auS  bcm  fiebcn  üon  §lmalic  Sicocfing.  ^it  Vorwort  oon  ©id^cm.  ^omburg  1860. 
%\t^  SBerf  rourbc  inS  granjöfifdje  unb  inS  ©ngllfc^c  überfett.—  «bS3,  ©b34,  6.  217  ff.  — 
gü^ann  ^mx\6)  ^öcf,  SBilber  au§  bcr  (S>cf(^id|tc  ber  ^amburgif^cn  Äirc^c  feit  bcr  Slefonnation. 
Hamburg  1900,  @.  353  ff.  —  Ucbcr   bie  gamilic  6tct)cftng  ügl.  SJtc^cr  unb  Xc«borpf,   ^am-- 

56  burglfc^c  SBappcn  unb  ©cncalogien,  C^amburg  1890,  @.  385  ff.  —  ficcfcnbcrg,  %\t  3pamiüc  ©ictjc- 
fing.  9llö 3)tanuffrlpt  gcbrucft,  S^erlin  1886,  ©.23 f.— Ucbcr  ben  »atcr  SlmoHcn«  unb  bcffcn 
5Bnibcr,  beten  im  ^(rtifel  gcbac^t  roirb,  ugl.  bie  ?lb93  im  34.  93anbe. 

Slmalie  SEBil^etmine  ©icDefing,  ©rünberin  unb  Seiterin  be«  „SBeiblid^en  SSerein«  für 

airmen-  unb  Äranfenpflege"  in  Hamburg,  tourbe  am  25.3uli  1794  gu  Hamburg  geboren. 

60  3^r  äJater  toar  ^einrid^  ß^riftian  ©ieDefing,  Kaufmann,  unb  feit  bcm  S^^re  1800  auc^ 


6ietifKit0  325 

Senator  in  §ömbutg.  ®te  gamilie  ©tctoeling  ftamntt  au«  SOäcftfalcn,  loofelBft  im 
16.  unb  17.  ^A^^^unbert  ju  i^r  gel^ötige  lut^ertfc^c  ©eiftlid^c  nac^tDcidBar  ftnb.  äSon 
bort  loar  ber  ©ro^batcr  2lmalien3,  $cter  5Wic(ac8  ©.,  bor  bcm  3a^rc  1747  nac^  ^am^ 
bürg  gebogen;  er  l^atte  ^ier  eine  ^ud^^anblung  unb  heiratete  ilat^arina  üRargaret^a 
m\6),  eine  Goufme  be«  berül^mten  ^ßrofeffor«  Solenn  ®eorg  m\i)  (geft.  1800).  3la^'^  6 
bem  er  in  bie  nieberen  firc^Iic^en  Saienämter  (älbjuntt,  bann  ©ubbialonu«)  eingetreten 
toar,  toürbe  er  jtd^er  a&mö^lic^  )u  angefel^eneren  @teSungen  in  feiner  neuen  i^eimat 
gelangt  fein,  toenn  er  nid^t  fd^on  im  ^a^re  1763,  erft  45  3al^e  alt,  geftorben  toäre. 
2)rei  feiner  ©ö^ne  tourben  bie  ©tammt>äter  ber  feitbem  in  brei  3*^^0^  ausgebreiteten 
unb  eine  2lnjal^I  au^ejeid^neter  ?!KitgIieber  auftoeifenben  gamilie;  bon  bem  älteften,  lo 
®eorg  ^einrid^,  einem  Kaufmann,  ber  eine  iod^ter  be«  3o^.  WA,  Äeinr.  Sleimaru« 
(bgl.  95b  VI  ©.  138, 7  ff.)  heiratete  unb  beffen  §au3  in  9?eumü^Ien  ber  befannte  ©ammel* 
ißla^  ber  bebeutenbften  3Wänner  toar,  ftammt  ber  Hamburger  3*^rig ;  bon  bem  mittleren, 
bem  aSater  2lmalien«,  ftammt  ber  Sonboner  S^^^fl  ^^  ©iebenng;  unb  bon  bem  britten, 
bem  Hamburger  ©^nbituS  Qol^ann  ^ßeter  (geft.  1806  in  ^anau,  erft  43  ^a!f)x^  alt),  i6 
ftammt  ber  Slltonaer  ^\oäq,  —  2lmalie  berlor  fd^on  im  Qo^e  1799  il^e  3Wutter;  ate 
bann  aui)  im  Sal^e  1809  i^  SSater  ftarb,  o^ne  3JlitteI  ju  ^interlaffen,  tourbe  fie  bon 
i^ren  beiben  S3rübem  getrennt  unb  lam  in  ba«  ^au&  ber  gräulein  3)im^jfel,  einer  bamate 
fd^on  giemlid^  bejahen  ©d^toägerin  ÄlojjftodfS.  SBäl^renb  fte  bi«  ba^in  böHig  im  SRatio- 
naliSmu«  erjogen  loar  unb  ben  f})ejififd^sd^riftlid^en  Se^ren  bott  3*^^fd  gegentiberftanb,  20 
lernte  fie  l^ier  loenigfteng  bie  biblifc^e  ©efd^id^te  genauer  lennen;  fte  felbft  unterrid^tete 
bie  9{id^ten  ber.^äulein  ^im^fel  unb  begann  bamit  eine  Xl^ätigteit,  bie  fie  bis  turj 
bor  i^rem  ®nbe  mit  nur  geringen  Unterbred^ungen  fortgefejt  $at.  2lte  il^r  älterer  ©ruber 
ßbuarb  ^mxid)  auf  ein  Jlom))toir  in  Snglanb  fam,  htqann  ein  Sriefloec^fel  ber  ©e^ 
fd^toifter,  ber  aud^  bi«  ju  Slmalicn«  lobe  fortgeführt  ift  unb  für  beibe,  namentlid^  aber  25 
auä)  für  fte,  bie  an  bem  geliebten  ©ruber  einen  treuen  Statgeber  unb  fjreunb  ^atte  unb 
au6)  ^ernad^  an  ber  ^amilie  beSfelben  mit  inniger  Siebe  l^ing,  bon  ^ro^er  Sebeutung 
toar.  @inen  angenel^men  ^amilienanl^alt  fanb  9lmalie  in  bem  ^aufe  i|rer  feit  bem 
Sa^re  1799  bertoittoeten  Siante  ©iebeling  in  9leumü^Ien;  im  übngen  toar  fte  meiften« 
auf  ftd^  felbft  angetoiefen  unb  burd^  bie  3lb^ängigleit  i^rer  Sage  babor  betoal^rt,  fid^  30 
mei^  gefettige  S^^t^^wnfl  8«  fud^en,  aU  xf}x  für  il^re  innere  Snttoidfelung  ^eilfam  toar. 
Sm  ^Jal^re  1811  nal^m  eine  SSertoanbte  il^er  ?Rutter,  bie  bertoittoete  grau  33runnemann, 
abmalte  ju  fid^  in«  iQavi^,  junäd^ft  bamit  fte  il^r  bei  ber  5ßflege  eine«  Iranlen  ©o^ne« 
bel^ilflid^  fei;  al«  biefer  aber  fd^on  nad^  toenigen  Monaten  ftarb,  blieb  älmalie  bei  il^r 
unb  fanb  in  i^  eine  treue  mütterlid^e  f^eunbin,  ber  fte  fbäter  aud^  ben  3Jtuttemamen  35 
nid^t  vorenthalten  burfte;  28  ^af}xt  lang,  bi«  m  bem  %cltt  berfelben  im  3al^e  1839, 
hat  fte  bei  i^r  getoo^nt  unb  bet  il^rer  ftc^  attmä^lid^  immer  toeiter  au«breitenben  I^ätig* 
reit  an  biefem  $äu«lid^en  SSerl^ältni«  mit  ben  au^  i^m  il^r  ertoad^fenben  ^Pflid^ten  ben 
Müdfl^alt  gel^abt,  ber  il^r  einerfeit«  ein  felbftftänbigere«  Sluftreten  ermöglid^te  unb  fte 
anbererfeit«  babei  innerhalb  ber  toeiblid^en  ©renjen  l^ielt.  S^näd^ft  loar  ber  Unterrid^t  40 
junger  3Jläbd^en  i^re  S3efc^äftigung;  |ie  l^atte  ftet«  eincÄIaffe,  nur  gang  turge  3<^i*  i*^^J 
im  ©ommer,  too  il^re  ^Pflegemutter  auf  bem  Sanbe  (in  Dtl^marfc^en)  tool^nte,  lam  fte  gu 
ben  ©tunben  breimal  toöd^entlid^  gur  ©tabt.  älu^erbem  unterrid^tete  fte  aud^  in  einer 
bon  einigen  S)amen  errid^teten  greifd^ule  für  arme  SKäbd^en.  ®a«  ^afyc  1815  brac^ite 
i^r  bie  Irennunp  bon  i^rem  jüngeren  Sruber  ©uftaö,  ber  bi«l^er  in  §amburg  in  einer  45 
belannten  gamilie  ergogen  loar  unb  nun  jum  ©tubium  ber  Ideologie  nad^  SeitJjig  ging. 
2Bir  toürben  feiner  nicft  gebenlen,  toenn  nic^t  bie  tl^eologifd^e  ©ntmidfelung  be«felben  unb 
bann  [ein  Jjlö^lid^er  frül^er  3:ob,  ~  er  ftarb  am  1.3Wai  1817  in  Serlin  an  einer  Unterleib«* 
entjünbung,  —  auf  bie  ©d^toefter  bon  befonberem  ©influ^  getoefen  loäre.  S)a^  bie  blofee 
SSemunftreligion  tot  fei  unb  ba«  $erg  falt  laffe,  ^atte  fie  fd^on  erfahren  unb  fanb  babei  00 
felbft  lein  ©enüge  an  bem,  toa«  fic  im  Unterrid^t  ben  Äinbem  bot*  bennod^  fürd^tetc 
fte,  ba^  il^r  ©ruber  jum  ÜJl^ftilw  neige,  unb  erllärte  i^m  fd^riftlid^,  ba§  fte  fid^  nie  ben 
©lauben  an  bie  Serföl^nung  (S^rifti,  toie  ber  Sruber  il^n  ^abe,  f)ai^  aneignen  lönnen. 
©^jäter  batierte  fie  bie  SSeränberung  in  i^rem  ^nnern  bon  bem  3:obe  ©uftab«.  3)urc^ 
X^oma«  a  Rtmpxi  jur  93ibel  geführt,  fud^te  fie  bergeben«  nad^  i^r  iufagenben  ©rllärungen  65 
berfelben,  bi«  fte  burd^  31.  §.  grandfe«  Slntoeifung,  toie  man  bie  feibel  lefen  muffe,  ber* 
anlaßt  toarb,  bie  Sibelftetten  untereinanber  gu  bergleic^en  unb  atte«  ©elefene  in  ®ebet 
unb  Slntoenbung  auf  fi(^  felbft  gu  bertoanbeln.  „3)a  legte  id^  alle  Sudler  tveg  unb 
mad^te  mic^  attein  an  bie  33ibel,"  fo  äußerte  fte  ftd^  barüber  fl)äter,  „unb  ber  ^err  liefe 
ftd^  finben  bon  mir.  ^6)  lann  alfo  mit  Säa^r^eit  be^au))ten,  bafe  mein  ©laube  fic^  nid^t  eo 


326  Stetietiiig 

auf  mcnfc^Itd^e  Slutottlät,  jonbem  blo§  auf  bcn  §errn  grünbet.  3d^  ftanb  fe^r  allein, 
ba  e«  bcm  ganjcn  Ärcifc,  in  toclc^m  i(^  lebte,  toie  au^  meiner  öere^rtcn  ?ßflegemuttet, 
an  eigentltd^  eöan^clifc^er  (SrfenntniiS  gebrad^  . . .  ßinige  ^^^^^M  6Kcben  mir  anfang« 
noc^  übrig  über  bte  3Serfö^nung«Iel^re,   iod^  tourben  fie  mir  fpäter  aud^  gelöft"  {^tä^ 

6  ipürbigfeiten  ©.  80  f.).  ®em  Sebürfniffe,  fw^  burd^  eigene  Slrbeit  Älar^it  über  STbfc^nitle 
ber  ^L  ©(^rift  ju  öerfd^affen,  entftammte  auc^i  Ido^I  junäd^ft  il^  6ntf(^lu^,  „S5etrac<^ 
tungen  über  einjelne  ©teÜen  ber  l^eiligen  ©d^rift"  auf ju|d[|reiben,  bie  fte  bann,  ba  fie  mit 
Stecht  glaubte,  in  jener  ^Ai  be^  lüicber  crtoa^enben  lirc^Iid^en  Seben^  aud^  anbem  mit 
benfelben  nü^en   iu  lönnen,  im  ^af)xc  1823  anonym  l^erau^ab.    Um  biefc  3rit  reifte 

10  aud^  in  il^r  ein  ©ebanle,  ber  fte  lange  befd^äftigt  ^at,  ben  in  biefer  SKeife  au^^ufü^ 
fte  felbft  \xd)  bann  bo(^  nic^t  entfd^Io|,  h)eil  fte  baju  eine«  SBBinle«  ®otte«  bebürfe,  ben 
aber  fpäter  (im  ^a^re  1836)  a:^eobor  glicbner  bertoirllid^t  f)at  (bgLSbVI  ©.108),  ber 
©ebanfe  nämli^,  eine  barmherzige  ©c^tvefterfd^aft  in  ber  ebangelif^en  Äir(^e  }u  grünben. 
(£«  toar  einerfeit«  ba«  Serlangen,  burd^  einen  fold^en  „int  9Jamen  be«  $erm  gefc^loffenen 

15  ßiebe«berein"  ba«  bamal«  in  ber  Äirc^e  neu  crtoac^te  ÜAm  ju  befeftigen  unb  ju  förbcm, 
toa«  fte  eine  fold^e  ©tiftung  für  h)ünfd^en«toert  l^alten  liefe,  anbererfeit«  bic  ipoffnung, 
ben  bielen  einjelftel^enben  ^auenjtmmem,  bie  il^re  ^üi  unb  Äraft  gröfetenteil«  auf  um 
nüfee  unb  im  ©runbe  fc^äblic^e  3)inge  bertoenbcten,  einen  toic^tigen  unb  fte  innerlid^  be^ 
frieoigenben  93eruf  )u  toerfd^affen.    2)er  erfte,   ber  öon  biefem  ?pian  erfuhr,  toax  (Sorl 

20  griebr.  äug.  ^artmann,  ^ßrof.  ber  ©ef^id^te  am  afabemifd^en  ®V*""<^P«'"  ""^  Siblio= 
tj^elar  (geb.  1783,  geft.  am  23.  Wpxxl  1828),  mit  bem  3lmalie  im  grübja^re  1823  münb^ 
lid^  unb  fd^riftlid^  bie  ©a<^e  befprad^  unb  bei  bem  fte  lebhafte«  ^ntereffe  unb  SJerftönbni« 
für  biefelbe  fanb.  §artmann  forberte  fte  auf,  f(^on  Vorläufig  Siegeln  für  bie  ©d^loefter- 
fc^aft  ^u  entwerfen,    ©ie  fd^rieb  bann  auc^  i^rem  ©ruber  in  Sonbon  barübcr.   Sefonber« 

26  förberlid^  Waxm  xfyc  aber  Unterrebungen  über  bie  ©ad^c  mit  Qol^anne«  ©ofener,  ber  im 
©ommer  1824  nai)  3lltona  lam  unb  l^ier  einige  SKonate  bertoeilte  (togl.  Sb  VI  ©.  770, 
h)o  e«  aber  ©.  771, 57  ftatt  §ambura  „Slltona"  ^eifeen  mufe).  ®«  toar  begreiflich,  bafe 
©ofener  ftd^  lebl^aft  für  biefen  $lan  tntereffterte;  er  fd^rieb  bann  aud^  no^  to>eiter  Don 
2^Pm  öu«  an  ämalie  über  bie  Slngelegen^eit  unb  fd^idte  il^r  ©nbe  1824  bie  ©tatuten 

90  ber  barmj^erjigen  ©c^toeftern  in  SKünd^en.  S)urd^  ©ofener  tourbe  fte  aud^  in  i^rer  än^ 
ftc^t  beftärlt,  bafe  fte  bie  Bad^t  nid^t  übereilen  bürfe  unb  ftd^er  „einige  ^af)x^  minbeften«'' 
nod^  toarten  muffe,  ©ie  h)eift,  too  fte  babon  \px\ä)i,  auf  ba«  SSorbilb  be«  SSincentiu^ 
bon  5Paulo  in  biefer  §inftd^t,  ber  anfang«  langfam  ju  2Bege  gegangen  fei  unb  ben  2Bitlen 
©otte«  mand^mal  lange  ju  l)rüfen  pflegte.    2)a«  Seben  bc«felben  bon  griebrid^  ©tolberg 

35  (SWünfter  1818)  la«  fte  um  biefe  3eit.  3)abei  arbeitete  fte  an  einem  jtoeiten  eigenen 
aSerle,  ba«  fte  unter  bem  2;itel  „Sefd^äftigungen  mit  ber  ^l.  ©d^rift"  im  ^a^re  1827 
^erau«gab,  in  toeld^em  fte  2lbfc^nitte  au^  bem  erften  leil  ber  Offenbarung  go^nni^ 
erflärte.  S)er  Ärei«  bebeutenber  2eute,  bie  fte  lennen  lernte,  erweiterte  ftc^  immer  me^r; 
©eibel  (ber  SSater)  unb  Sleanber  traten  je^t  in  benfelben  ein;   erfteren  fa^  fte  mel^at^ 

40  in  SübedE.  gi^re  2;i^ätigleit  blieb  babei  borgüglid^  ba«  Unterrid^ten  junger  SMäbc^^en, 
beren  fte  immer  ettoa  12  bi«  15  unterrid^tete,  fo  bafe  fte  nad^  Seenbigung  eine«  Äurfu^ 
einen  anberen  anfing,  äl«  bic  ßl^olera  im  ^al^re  1831  nac^  Hamburg  lam,  glaubte  fte, 
jc^t  fei  e«  3eit  ntit  ber  3lu«fü^rung  i^re«  5piane«,  eine  barm^erjige  ©d^toefterfd^aft  ^u 
grünben,  ben  3lnfang  j|u  machen.    SBaren  3lntafe  unb  Umftänbe  au$  gang  anber«,  ale 

46  fte  c«  fid^  bi«l^er  gebad(>t,  fo  ;ih)eifelte  fte  bod^  nid^t  baran,  bafe  e«  ein  SBinl  i^re«  §ei* 
lanbe«  fei,  bem  fie  folgen  muffe;  unb  al«  auf  il^ren  3lufruf  an  d^riftlid^e  ©eelen,  ftc^  mit 
i^r  3ur  Äranfen})flege  im  c^riftlid[>en  ©eifte  ju  bereinigen,  ftc^  niemanb  melbete  {pml 
tDürbigfeiten  ©.  179),  melbete  fie  ftd^,  nad^bem  fte  öon  i^rer  Pflegemutter  baju  bie  Cr* 
laubni«  crl^alten,   bei  ber  3)ireItion  bc«  für  bie  G^olerafranlen  erbauten  ßof))ital«  unb 

50  ioarb  gerufen,  al«  bic  erfte  tueibltc^e  Äranfc  aufgenommen  mar,  am  13.  Dltober  1831. 
5öarb  fic  anfang«  aud^  toon  benarbten  be«  §ofj)ital«  al«  eine  ©d^h>ärmerin  betrachtet, 
fo  crtuarb  fie  fi^  bod^  burc^  il^r  berftänbige«  unb  einftc^t«bolle«  Senel^men  unb  bie  rüd- 
fid;t«lofc  Eingabe  an  ben  übernommenen  93eruf  balb  ba«  toolle  SBertrauen  berfelben,  fo 
bafe  fic  balb  gur  Dberauffcberin  über  ba«  gan^e  männlid^e  unb  h>eiblid^e  aBärterperfonal 

55  ernannt  ioarb.  3lm  7.  SDcjembcr  »erliefe  fie,  nad^bcm  fie  il^re  Aufgabe  bort  böflia  ju 
(£nbc  geführt  ^atte,  ti?iebcr  ba«  öofi)ital.  Unb  al«  fte  nun  öon  ber  äd^tung  unb  Siebe 
be«  gcfamten  ,ö'^f>>ital«j)crfonal«  unb  einer  grofeen  Sln^al^l  genefener  Äranlen  begleitet, 
felbft  toöKig  gefunb  unb  frifd^  tuiebcr  in«  ii^^b^n  ^urüdtrat,  ba  Jjric«  man  allgemein,  hwt« 
man  frül^er  getabelt  l^attc.    ©ie  felbft  aber  l^attc  aufecr  bielen  anberen  6rfal^ungen,  bic 

60  fte  gcmad(^t,  bie  Überjcugung  gehjonncn,  bafe  e«  boc^  noc^  nic^t  für  fte  bie  ^üi  fei,  eine 


etendtng  327 

etHingeltfc^e  batmJ^erjige  Sd^^n^eftecfc^ft  )u  grünben;  ftatt  biefe^  früheren  j^tte  nun  ein 
anbetet  t)etn>anbtet  ^lan  getabe  in  biefet  3^  ^^  i^^  f^^  au^ebilbet,  nämlic^  bet  bet 
©tünbung  „eine«  toeiblid^icn  SSetein«  füt  2ltmens  unb  Ätanlent)flege".  liefet  3Setcin, 
bcn  ämalie  bann  im  Sollte  1832  in«  SeBen  tief  unb  bet  nid^t  nut  nod^  in  ^arnbutg 
in  38itl[am!eit  ift,  fonbetn  nad^  toelc^em  aud^  eine  gto^e  ^(ngal^l  öJ^nlic^et  93eteine  in  6 
Dielen  anbeten  ©tobten  gegtünbet  jmb,  toutbe  fottan  fo  ted^t  eigentlich  bet  Wittel^^unlt 
ii^te«  SSitlend;  et  ift.e«  aui)  Dotjüglic^,  bet  fte  übet  i^te  SSotetftabt  ^inau«  belannt 
gemacht  l^at  unb  i^ten  9Jamen  neben  benen  einet  ©lifabetl^  gt^,  eine«  ^liebnet  unb 
eine«  SJBit^etn  genannt  toetben  läfet.  ®et  23.  3Jlai  1832  ift  al«  bet  ©tiftung«tag  be« 
)iBetein«  }u  bettad[|ten ;  nac^bem  ätmalie  mit  einet  äln^a^l  ^auen  unb  ^ungftauen  au«  lo 
ben  ^ö^eten  unb  mittleten  @tänben  übet  bie  @adbe  gefi)toqen  unb  il^tet  12  baju  ^e« 
h)onnen  l^atte,  mit  i^t  biefen  äSetein  )u  gtünben^  tamen  fte  an  bem  genannten  ^ge  tm 
i^aufe  il^et  ^Pflegemuttet  jufammen,  unb  ä[malie  etöffnete  bie  SSetfammlung  mit  einet 
Slntebe,  bie  ftc^  im  je^nten  3al^te«betic^t  be«  SSetein«  (^ambut^  1842,  ©.  56—68)  ge* 
btudt  befinbet  unb  tn  n^eld^et  fte  in  Ilatet  unb  nücBtetnet  SBetfe  bie  allgemeinen  ^ttn- 15 
ixpim  be«  gjetein«  feftfteHt.  Sefonbet«  beutlid^  fjjtic^t  fte  e«  untet  ^intoei«  auf  3ef  58 
unb  3Kt  25  au«,  bafe  e«  auf  Übung  einet  Satm^etjigleit  abgefe^en  fei,  bie  au«  bem 
®lauben  lomme;  ©oben  lönnten  nut  ©egen  bringen,  \omn  ba«  $etg  be«  ®ebet«  unb 
be«  ßm^jfänget«  nid^t  lalt  bleibe;  bet  fd^önfte  ©egen,  bet  ©egen  bet  Siebe,  toetbe 
fid^  nut  offenbaten,  too  toit  bem  @lenbe  bet  Stübet  nic^t  nut  ben  Seutcl,  fonbetn  aud^  20 
bie  ^etjen  öffnen  unb  i^nen  nid^t  nut  ben  t)etgängli(^en  SJlammon,  fonbetn  aud^  S^xt 
unb  ittäfte  o))fetn.  3)ie  ))etfönlid^e  Sejiei^ung  ju  ben  Sltmen  unb  Jttanlen  foQte,  fo 
beftimmten  e«  bann  bie  ©tatuten,  but(|  »efud^e  bei  i^nen  gewonnen  toetben,  unb  jtoat 
foöte  eine  unb  biefelbe  gamilie  abtoed^felnb  t)on  öetjd^iebenen  3)amen  befuc^t  toetben. 
@efunbe  9ltme  foEen  toomöglid^  lein  ällmofen,  fonbetn  Sltbeit  etl^lten.  ^ie  motalifd^e  25 
unb  teligiöfe  @intoitfung  auf  bie  Pfleglinge  folle  \>ox  allem  t)on  bem  3Bitfen  bet  Siebe 
im  ©eifte  be«  ©tauben«  au«ge^n;  baneben  foll  eigentlid^et  teligiöfet  3wf<>ifud^  ftattfinbcn 
unb  jut  Sefung  bet  1^1.  ©^tift,  jum  ^t\ui)  be«  ©otte«bienfte«  unb  jum  ©enufe.be« 
^l.  Slbenbmo^l«  etmuntett  toetben.  3)a«  3led^nung«toefen  be«  SSetein«,  bet  gut  Untet^ 
ftü^ung  bet  atmen  ftd^  fteitoiHig  Seittäge  anöetttauen  lie^,  ftanb  untet  bet  Slufftd^t  so 
Ijtoeiet  Stitget;  fonft  toutbe  bie  ganje  Settoaltung  u.  f.  f.  Don  ben  3)amen  felbft  befotgt. 
3)ie  ganje  mannigfaltige  Sl^ätigleit  (au^et  ben  Sefud^ien  bie  SSetteilung  toon  8eben«mitteln 
unb  geuetung,  bie  2lntoeifung  bet  Sltbeit  füt  bie  ättmen  nad)  i^ten  öetfd^iebenen  Rtoeigen, 
bie  Sluffid^t  übet  bie  Slo^ftoffbeftänbe,  bet  SSetlauf  bet  Sltbeiten  bet  3ltmen,  bie  Set^ 
toaltung  bet  Sltmen^öufet  unb  be«  ilinbetl^of))ital«,  bie  bet  äSetein  f))ätet  gtünbete,  unb  35 
Diele«  anbete)  toutbe  auf«  genauefte  geotbnet;  toöd^entlid^e  unb  monatliche  SSetjammlungen 
bet  aSetein«mitgliebet,  beten  3lma^l  balb  ftc^  fel^t  Detgtö^ette,  toutben  füt  bie  Detfd^iebenen 
Slbteilungen  gellten,  in  toelc^en  toid^tige  ©egenftänbe  betaten  unb  übet  bie  Sefd^lüffe 
ein  genaue«  $totoIoll  gefü^tt  tvatb;  unb  biefe  bi«  in«  einzelne  hinein  fotgfame  Otgani= 
fation,  bie  Don  einem  nicj^^t  geringen  ©efd^ide  9[malien«  füt  bie  Seitung  be«  ©an^  40 
ieugte  unb  butd^  toeld^e  alle  SKitgliebet  be«  33etein«  in  ilatet  2;^ätigleit  getegelt  unb  ju* 
fammen^el^lten  toutben,  ^at  nicbt  jum  minbeften  baju  beigettagen,  bem  SSeteine  mit 
Stecht  ein  gto|e«  3Setttauen  in  oet  ganjen  ©tabt  ju  Detfd^affen.  3luf  einjelne«  lann 
^iet  nic^t  toeitet  eingegangen  toetben;  toet  fic^  einge^enb  übet  Dtbnung  unb  aöitlfamlcit 
be«  Setein«  untetri^ten  toill,  ift  auf  bie  Seti^te^u  Dettoeifen,  bie  2lmalie  iä^tlidjf  45 
l^ctau«gab.  ®«  blieb  natütlic^  nid^t  au^,  bafe  bie  3Jcitgliebet  be«  Sctein«  oft  Don  ben 
Sttmen  bittet  getäufd^t  unb  bafe  bie  Untetftü^ungen  ttofe  allet  SSotftd^t  Untoütbigen  gu 
teil  toutben;  ja  e«  fc^eint,  al«  toenn  getabe  bie  Dotttefflic^e  Dtganifation  be«  ©anjen  bet 
betec^nenben  ©d^led^tigfeit  Jpanb^aben  bot.  Sefonbet«  ^öufig  ift  bann  bem  Setetn  Dot« 
getootfen,  bafe  et  bie  §eud^elei  bei  ben  2ltmen  begünftige,  fo  bafe  ftd^  fogat  in  D)))ofition  so 
gegen  biefen  ein  anbetet  bilbete,  bet  geflijf entließ  Don  jebet  teligiöfen  unb  fttd^lid^en 
©teUung  bet  gu  Untetftü^enben  abfa^  unb  nun  au«  feinet  Unlitdl^lidjleit  fid^  ein  93et= 
bienft  mad^te;  abet  im  gtofeen  unb  ganjen  toitb  man  boc^  fagen  müjfen,  ba|  3lmalie 
©ieDeling  füt  bie  Übung  c^tiftlid^et  Satml^etgigfeit  an  Sltmen  unb  Ätanlen  butd^  ©tün= 
bung  il^te«  SSetein«  einen  Säcg  beschritten  l^at,  auf  toelc^cm  e«  im  toefentlic^en  möglich  66 
ift,  bie  bet  d^riftlic^cn  ©emeinbe  auf  biejem  ©ebiete  in  gto^en  ©tobten  gefteHte  3lufgabe 
ju  löfen,  unb  iebcnfaH«  f^at  biefet  3Screin  in  ungä^ligen  einzelnen  fällen  geiftlidpe  unb  leibliche 

Silfe   gebtac^t,  in  toclc^cn  o^ne  i^n  einzelne  nic^t  ju  l^elfen  im  ftanbe  getoefen  ioärcn. 
>ie  felbft  l^atte  in  biejet  3ltbcit  i^te  Dolle  Scfriebigung;  e«  toat,  al«  tvenn  mit  bem  Um- 
Itei«   i^tet  5ßflic^ten    auc^   il^te  2eiftun9«fä]^igfeit  junäl^me.    ®et  SJetein  brachte  fte  in  eo 


328  Stetiding  eigebnrt 

3Scrfe^  mit  Königinnen  (j.  S.  Caroline  Smalie  toon  3)änemarf)  unb  mand^en  berühmten 
Scutcn;  fic  h)urbc  erfud^t,  au^h>ärtg  (in  Sternen,  SKagbebutö  u.f.  f.)  Vorträge  über  biefc 
Strbeit  ui  galten,  um  jur  ©rünbung  äl^nlici^er  33eretne ben 2lnfto^  ju  geben;  fic  h)urbe  aber 
burd^  alle  3lu^geid^nung,  bie  i^r  ju  teil  hjarb,  nid^t  t)on  il^rem  fd^lid^ten  einfachen  SMefen 

6  abgebrad^t.  —  ®egen  dnbe  i^re«  Seben^  gab  fie  noc^  einmal  ein  93ud^  l^etau^,  ba^  ben 
beiben  Vorigen  äl^nlicb  ift:  „Untetl^altungen  über  einzelne  2lbf(^nitte  ber  l^eiligen  ©c^rift/' 
Seijpjig  1855,  2.  2lufl.  185G.  3"  ben  legten  |\h)ei  ga^ren  füllte  ftc  eine  2lbna^me  i^er 
Äräfte  infolge  eine^  fiungenleiben^  unb  ftarb  am  1.  %pnl  1859  im  65.  S^l^re.  Sie 
l^atte  angeorbnet,  bafe  fte  ganj   fo  begraben  tverbe,    toie  bie  Slrmenanftalt   oamate  bie 

10  3lrmen  begrub,  in  einem  niebrigen  ©arge  mit  ganj  pad^em  Dedtel,  um  babur(^  bae  SJor- 
urteil  gegen  biefe  Seerbigung^tueife  bei  i^ren  Strmen  ju  befäm^jfen.       Sar(  Sert^ean. 

Stgebnrt  tion @embIonc, geft.  1112.  —  ^lUgcmcinc  Sitteratur:  6.  ^irfcö,  De  vita 

et  ßcriptis  Sigeberti  monachi  Gemblacensis,  Berolini  1841.  —  ©.  SBattcnbac^,  3)cutfÄlQnb^j 

®cfd)ic|t§queaen   im  3R91.  IP,  154—163.  —  (£'ine  große  «In^o^l  bcr  SSertc  ©igcbcrtö  (aud) 

16  bie  ei^ronif  aitS  MG  SS  VI)  fitib    in  MSL  CLX   abgebrudtt,   bie  ©injelaudgabcn    unb  bie 

Spejionitteratuv,  fotoeit  fie  ^icr  anjufüliren  nüjjlic^  fc^ien,  fmb  unten  genonnt. 

©igebert  ift  einer  ber  berborragenbften  ßiftoriler,  ber  bielfeitigften  unb  fruc^tbarften 
©d^riftfteHer  be^  frül^eren  SKittetalterg,  ein  5Kann,  ber  burd^  feine  litterarifc^e  2:^ätigleit 
nat^^altig  auf  bie  S/)lgejeit  eingeh)irft  l^at.    ^n  bem  9enebiftiner!lofter  ®emblou£,  ba^ 

20  in  ber  billigen  belgifc^ien  $rot)ing  9Jamur,  untoeit  ber  ®renje  öon  Srabant  lag,  ^atte 
W)t  Dlbert  (1012-1048),  ein  tüchtiger,  auc^  litterarifd^  t^ätiger  3Wann,  bie  Älofterjuc^t 
^ergefteHt,  eine  gute  iöofterfd^ule  unb  eine  nid^t  unbebeutenbe  SBibliot^el  gef(^affcn.  §ier 
erl^ielt  ©.  nod^  bei  fiebjeiten  Dlbert«  feine  erfte  Sluöbilbung  unb  trat  frü^  al«  9Rönd^  in 
ba«  Älofter  ein.    SQBir   bürfen   annehmen,  ba^  er'  in   ber  9?ä^e  bon  (Semblour,  too^l 

25  e^er  um  ba«  ga^r  1035  afe  um  1030,  geboren  h)ar.  63  ift  toa^rfd^etnli(^,  bafe  er 
romanifd^er  Stblunft  h)ar,  er  fc^eint  ftd^  nid^t  für  einen  3)eutfd^en  gehalten  ju  ^aben. 
3)o(^  \pxa6)  er  h)ol^l,  toie  e«  in  biefen  ©renjgcbieten  ber  beiben  Slationalitäten  natürlich 
ift,  foh)o^l  ben  franjöfifc^en  3)ialeft  jener  ©e^enb  h)ie  bie  Dlämifc^e  ©))rac^e.  3lo6)  in 
frül^er  Sugenb  h)urbe  er  bon  bem  Slbte  J^olqum,  bem  Sruber  bc«  Slbte^  SKadceUn  (au(^ 

30  SKat^elin,  9R^fad^  genannt,  1048—1071)  bon  ©emblouj,  aU  fiel^rer  ber  Älofterfc^ule 
nad^  bem  ©.  Sincenjflofter  ju  2JJe$  berufen  unb  leierte  bort  längere  3^'^  ^^^  gro|em 
(Erfolge,  ©eine  erften  litterarifc^en  arbeiten,  bie  er  ^ier  öerfafete,  galten  ben  ^eiligen 
unb  ben  gntereffen  biefe«  Älofter«.  6r  fc^rieb  ba«  Seben  be«  SBifd^of«  S^eoberic^  l.  Don 
3Re^  (964—985),  ber  ba«  SSincenjIlofter  im  ^a^re  968  gegrünbet  l^atte  (ed.  ®.  ö.  ^Pcrff, 

36  MG  SS  IV,  461—483).  ©c^on  in  biefe  flei^iae  unb  in  i^rer  2lrt  red^t  tüchtige  arbeit 
fügte  er  me^rfad^  3Serfe,  namentlid^  ein  Sobgebid^t  auf  bie  ©tabt  3Jle^  ein.  3)a«  näc^fte 
aSJerf  h>ar  ein  ganj  jjoetifd^e«.  3m  ^a^re  970  batte  ber  ©tifter  be«  Älofter«  Sifc^of 
3:^eoberid^  bie  ®ebeine  einer  angeblichen  ^eiligen  fiucia  au«  ber  Verfallenen  ©tabt  ßor^ 
finium  nad^  bem  SSincenjflofter  gebraut,   um  feine  ©tiftung  mit  ben  unumgänglid^  not= 

40  h)enbigen  §eiligenreliquien  ju  berforgen.  3)iefe  Sucia  l^ielt  man  für  bie  f^rafufanifc^c 
3Rärt^rerin,  beren  Acta  man  lannte.  3*"  cngften  3lnfdS>lu6  an  biefe  berfafete  ©.  nun  ein 
umfangreiche«  ®ebid^t,  Passio  S.  Luciae  virginis,  in  aleäifc^en  ©trojjl^en,  bon  boren  toicr 
33erfen  je  ;|h)ei  meift  miteinanber  gereimt  finb  (ed.  6.  Dümmler  in  31S331  1893,  ©.  1—43), 
unb  lie|  biefer  Slrbeit  noc^  einen  Srief  über  eine  ^roj)]^e5eiung  ber  ^l.  Sucia  unb  einen 

46  ©ermo  ju  il^rem  fiobe,  in  meld^em  er  auc^  bie  Übertragung  t)on  i^ren  ®ebeinen  nac^ 
ßorfinium  unb  t)on  ba  nad^  3Jle^  bel^anbelte,  folgen  (ed.  Dct.  (Saietanu«,  Vitae  sanct. 
Siculonim  I,  100—102).  gür  ba«  ©.  aRartin«flofter  bei  aWe^  toerfa^te  ©.  nod^  bie 
Vita  Sigeberti  III.  regis,  ber  bie«  Älofter  geftiftet  ^aben  foHte  (fie  liegt  in  gtüeifac^er 
gaffung  öor:  ed.  2)ud^ne«ne,  Hist.  Franc.  Script.  I,  591—593  unb  MSL  LXXXVII, 

60  303—314;  CLX,  725—730;  togl.  ©.  ^irfc^  a.  a.  D.  ©.  239ff.).  6«  ift  toa^rfc^eim 
lid^,  bafe  bie  Übertragung  ber  angeblichen  ®ebeine  be«  Äönig«  im  ^af^x  1063  änlafe  jur 
(Sntfte^ung  biefe«  SBerld^en«  mar,  ba«  al«  gefc^ic^tlid^e  Dueue  natürlid^  nid^t  in  Setrac^t 
fommen  fann.  2)anacf),  ettoa  um  ba«  ^ai}x  1070,  lehrte  ©.  nac^  ®emblou|  gurüd  unb 
übernahm  aud^  ^ier  bi«  ^u  feinem  2;obe  bie  Seitung  ber  Älofterfd^ule,  aui  ber  mehrere 

66  un«  befannte  litterarifc^  t^ätige  3Jlänner  ^ert)orgingen.  Sföie  in  3Ke$  toanbte  ©.  au(^  l^ier 
feine  1|^ätigfeit  ^^unäc^ft  barauf,  bie  .gjeiligen  unb  ben  ©tifter  be«  l^eimifc^en  Älofter«  ju 
berl^enlidfien.  ^k  3JJ5nd^e  tjon  ®emblour  glaubten  bie  ®ebeine  be«  ^l.  (55U}>eriu«,  eine« 
angeblichen  gü^rer«  ber  2:bebäifc^en  Legion,  ju  befi^en.  Dal^er  berfa|te  ©.  im  Sllter  Don 
14  3öbren  ein   gro^c«  ®cbic^t,   Passio  SS.  Thebeorum,   t)on  brei  Suchern  in  §eja: 


(Sigebert  329 

metern  (bte  (Einleitung  in  ^iftid^en)  auf  ®runb  ber  nad)  ben  Acta  be^  (Sud^eriu^  gemad^ten 
jäteten  Searbeitung  ber  Segenbe  (ed.  6.  3)ümmler,  äS93l  1893,  ©.  44—125).  ®iefe« 
®ebic^t  giebt  ungtoeifel^afte«  3^9"^^  ^on  ))oetif(i^ef  Segabung  be^  S^td^ter«.  6«  folgte 
bie  Seben^befc^retbung  SBBicbert«  (©uibert«,  geft.  962),  be^  ©rünber^  ber  äbtei  (Semblous 
(ed.  ®.  §.  ?Per^,  MG  SS  Vni,  507—516).  Unb  bamit  in  engem  3ufammen^ange  ß 
fte^t  bog  folgenbc  SJBerl,  bie  ©efd^id^te  ber  tbte  bon  ©emblouj  (ed.  ®.^.  $er^,  MG 
SS  VIII,  523—542),  ba«  S.  aber  nur  bi«  ju  ben  anfangen  be«  3lbte«  3Ra«ceHn  1048 
fül^rte.  (6^  tourbe  f))öter  bon  feinem  ©(^üler  ®obe«caIc  fortgefejt.)  ®a  er  für  bicfe 
airbeit  neben  ber  münblid^en  Überlieferung  unb  einem  Sruc^ftüd  in  SSerfen  über  ba^ 
Seben  beö  erften  9lbte«  ®rluin  anberer  DueDen  für  bie  ältere  gfit  entbehrte,  l^alf  fid^  lo 
©.,  ber  ftet«  atted  eneid^bare  ?!JlateriaI  für  feine  gefc^id^tlid^en  ffierle  l^eranjujie^en  b^ 
mü^t  toar,  baburd^,  bafe  er  bie  im  Älofterard^ib  aufbetoaJ^rten  Urlunben  burd^forfd^te  unb 
aufnal^m.  3n  biefem  Sud^e  fe^te  er  bem  toerel^rten  Slbte  DIbert,  ben  er  tool^l  nodb  ge- 
launt ^at,  in  bem  Seric^t  über  feine  Xl^ätigleit  ein  fd^öned  unb  ))ietätt)o(Ie^  ^enlmal. 
3)a  man  in  ®emb(ouj  aud^  bie  ®ebeine  be«  ^l.  3KacIobiu^,  eine^  »ifc^of«  ber  Bretagne  is 
im  6.  S^^'f^wnbert,  ^atte  ober  ju  befi^en  meinte,  mu^te  ©.  auf  ©el^eife  be^  2lbte^ 
Sn^ietmar  beffen  bor^anbene  ältere  2eben«befd^reibung  überarbeiten,  um  fte  lesbarer  ju 
mad^en  (nad)  ©uriu«  abgebrudft  MSL  CLX,  729—746),  ebenfo  bie  Siten  ber  beiben 
alten  Süttid^er  (HKaaftric^ter)  »ifd^öfe  SCI^eobarb  (AS  Sept.  III,  593—599)  unb  Sambert 
(geft.  708),  bie  le^tere  fogar  ^toeimal  in  berfd^iebener  gorm  (MSL  CLX,  759—810).  20 
^ie  beiben  legten  toaren  jtoar  feine  ©jjejiall^eiligen  t)on  ©emblouj,  aber  bod^  fold^e  ber 
Süttic^er  S)iöcefe,  in  tpeld^er  ®embIou|  lag.  3lSd^  mag  ertoäl^nt  toerben,  bafe  ©.  Sinti* 
^l(^onen  unb  3lef]ppnforien  jur  ^eier  ber  ^eiligen  3Jlaclobiu«  unb  SBicbert  in  5KufiI  feftte. 

aber  ber  grofee  ©treit  jtotfc^en  Äöntgtum  unb  5Pa})fttum,  toeld^er  ben  größten  leil 
ber  Seben^jeit  ©.  erfüllte,  jtoang  feine  gefd^idtte  §eber  t)on  ber  Sefc^äftigung  mit  25 
ben  l^mifdpen  heiligen  unb  ber  Äloftergef^id^te  ^intoeg  in  eine  anbere  Stid^tuna.  ®r 
felbft  toie  fein  Älofter  unb  ba«  ganje  9i«tum  Süttid^  ftanb  treu  auf  feiten  be«  König«, 
unb  fo  trat  er  aud9  mit  feiner  g*^  für  beffen  Sted^t  unb  gegen  bie  neuen  änf})rüd^e 
be«  5PaJ)fttum«  auf.  ®r  felbft  fagt,  ba^  er  eine  Slnttoort  berfafet  l^at  auf  ben  ©rief 
^ilbebranb«  (5Paj)ft  ®regor«  VII.)  an  Sifc^iof  ^ermann  toon  ?!Jle^  toom  ^abre  1081  so 
(Sieg.  VIII,  21),  in  toeld^em  biefer  nad^juh)eifen  öerfud^t,  bafe  bie  ^ßäjjfte  ba«  Siedet  l^aben 
Äönige  ju  ejlommunijieren.  ^mc  ©d^rtft  fd^eint  berloren.  3*^^^  glaubte  S.  Set^mann 
fie  toieberjucriennen  in  bem  SBerld^en,  loel^e«  bie  Überfc^rift  trägt  Dicta  quaedam  de 
discordia  papae  et  regia,  bad  je^t  in  brei  t)erfd^tebenen  Raffungen  (MG  Lib.  de  lite  I, 
454—460)  borliegt,  unb  91.  Saud^ie,  La  querelle  des  investitures  dans  les  dioc^ses  so 
de  lAhgß  et  de  Cambrai  (Soutoain  1890),  I,  66—99  trat  bafür  ein,  bafe  bie  in  einer 
au^  ®emblouj  ftammenben  öanbfc^rift  überlieferte  Slecenfion  be8  SBerfd^en«  h)irllid^ 
bie  gefud^te  ©d^rift  ©.  fei,  aber  ba«  ift  bod^  unmöglich,  benn  jener  lejt  befaßt  fid^ 
burd^au«  nid^t  mit  bem  genannten  55riefe  be«  $aj)fte«.  5Da8  verlorene  SBerfd^cn 
fte^t  l^eute  nod^  neben  einer  anbem  unten  ju  ertoäl^nenben  ©treitfd^rift  ©.  auf  bem  40 
römifd^en  gnbej  librorum  prohibitonim,  bod^  ift  m  bebauem,  baf{  toir  nid^t  in  ber 
Sage  ftnb,  ba«  3Serbot  ju  übertreten.  3lber  erl^alten  finb  un« jloei  anbere  ©d^riften,  mit 
benen  ©.  in  bie  großen  Streitfragen  ber  Reit  eingriff,  äfö  ©regor  VII.  1074  verboten 
l}atU,  bie  3Jleffen  toerl^eirateter  Sßriefter  ^u  boren,  unb  nun  eine  loüfte  Slgitation  im  33oH 
gegen  biefe  einfette,  öerfafete  ©.  ein  Süc^lein  jur  SSerteibigung  ber  3Weffen  fold^er  ^ßriefter  (eb.  ®.  46 
©adtur,  MG  Lib.  de  lite  IL  436—448).  ©d^on  ui  biefer  ©d^rift  h)ie  ju  ber  borl^er^ 
genannten  berlorenen  ©treitfcprift  unb  ben  beiben  Bearbeitungen  ber  Vita  Lamberti 
botte  ber  fiüttid^er  2lrd^ibiaIon  §einric^  ben  SBerfaffer  angeregt.  3118  nun  ben  Süttic^em 
ber  »rief  be«  $a))fte8  ^afc^aliö  II.  Dom  21.  Januar  1103  (Saffö,  Sieg.'  Sir.  5889  jum 
3.  1102)  betannt  tourbc,  in  loeld^em  ber  ^atoft  ben  ®rafen  SRobert  II.  bon  glanbemso 
aufforberte,  bie  fiüttid^er,  toie  fd^on  früher  bie  Seute  bon  gambrai,  toegen  il^rer  Sln^äng* 
li(^feit  an  ben  Äaifer  ßeinrid^  IV.  ju  jü^tigcn  unb  ben  Äaifer  felbft  }u  befnegen,  fc^rieb 
©.  auf  Seranlaffung  be^felben  3lrq>ibtafon8  im  Slamen  ber  Süttid^er  Äird^e  eine  fel^r  ge- 
fd^idEte  unb  trofe  aller  SKäfeiguna  unb  ftetö  betonter  SSerel^runa  bor  ber  römifd^en  ÄirS^e 
bo<^  red^t  fd^arfe  unb  beifeenbe  3lnth)ort,  in  ber  er  bie  Und^riftlic^Ieit  beö  SSorgel^enö  be8  5b 
^ßa))fted  geißelte  (Epistola  Leodiensium  adversus  Paschalem  papam  ed.  @.  ©adhtr, 
MG  Lib.  de  lite  II,  449—464).  ebenfalls  auf  Sitten  be«  Süttid^er  9lrd^ibiafon8 
Äeinrid^  fd^rieb  ©.  bann  noc^  jtoei  ©riefe  über  bie  Duatemberfaften  an  bie  2:rierer  ®eift= 
fi(^Ieit  (SRartene,  Thesaurus  anecd.  I,  295,  306). 

©4on  im  ®reifenalter,  too^l  nal^e  bem  70.  ^a\)xc,  untemal^m  ©.  ba8  SBerl,  toelc^e^  eo 


330  iSitthnt 

feinen  92amen  b\^  l^eute  berül^ntt  gemad^t  f)at,  bie  SBeltc^tonif,  nac^bem  er  t)or^er  noc^ 
ein  öerlotcne«  ©ebidj^t  in  ^ejametem  t)erfa|t  l^atte,  toelc^e«  eine  äu^legung  be«  gcciefiafted 
enll^ielt.  2)ie  gl^ronil  fc^rieb  er  im  $inblirf  auf  bie  SBcItc^ronif  be«  SMarianu^  ©cotu«, 
mit  beffen  c^ronologifc^em  Softem  er  fxä)  nid^t  ;iufrieben  geben  modj^te.  6r  fügte  fic  als 
5  f^ortfe^ung  an  be^  Jpieron^mud  lateinifd^e  Überfe^ung  unb  f^ortfe^ung  Don  @ufebiu^' 
ßl^ronif  unb  begann  fie  mit  bem  gal^re  381  (ftatt  379).  @r  folgte  bem  ^ieron^mu^ 
audj^  barin,  bafe  er  jebem  ^af)xt  bie  S^egierung^jal^re  ber  Äönige  ber  toerfc^iebencn  SJeic^e 
(^ule^t  ber  SRömer  [2)eutfc^enJ,  granjofen  unb  ©nglänber)  beifügte,  jum  fü^enben  c^rono= 
logifcl^en  ©d^ema  bie  3"Iömation«ial^re  toie  ?Blarianu«  ©cotu«  nal^m.    @g  ift  leidet  er= 

10  Härli^,  meldte  großen  ©c^toierigleiten  er  bei  3)urd^fül^ng  biefer  öielfac^en  Sal^r^ä^Iung 
ju  überh)inben  ^aiU.  3liä)t  ©efd^ic^te  l^at  ©.  in  biefem  Söerl  fd^reiben  tootten,  fonbem 
nur  eine  d^ronologifd^e  Überfu^t  ber  für  il^n  toid^tigften  ©reigniffe  gegeben  mit  möglid^fta 
SerüdEfid^tigung  ber  öerfd^iebenen  SReid^e,  toenn  auc^  naturgemäß  in  ber  il^m  näl^cr 
liegenben  3rit  bie  9lad{>ric^ten  über  ba«  römifd^sbeutfdf^e  3leidE>  unb  bie  belgifd^e  ^cimat 

16  überwiegen,  aber  aud^  für  bie  bon  i^m  felbft  burd^lebte  ^eriobe  bringt  er  nur  eine 
bürftige  3lu«loal^l  furjer  9?ad{>rid^ten,  nur  für  bie  le^te  3«t  bon  1105—1111,  bercn 
^ajjlrberid^te  er  too^I  jum  Xeil  nac^  äSoQenbung  ber  S^onil  allmä|^(i(^  l^injugefügt  ^t, 
giebt  er  eine  tttoa^  au^fül^rlid^ere  2)arfteIIung  ber  loid^tigften  ®reigniffe  im  Stei^  unb 
^t  l^ier  auc^  einige  3lltenftüde  aufgenommen.    TOit  bem  ^afyct  Uli  fd^^liefet  ba«  SBcrf. 

20  3)er  ei^ronil  l^atte  er  eine  längere  Einleitung  t)on  brei  Seilen  in  Dialogform  borau^ 
gefc^idft,  in  ber  er  über  ben  3^^*/  9lu^en  unb  ba«  d^ronologifc^e  ©Aftern  be^  SSerfe^, 
bad  er  felbft  Decennalis  über  benannte,  l^anbelte.  ^on  biefer  Einleitung  fmb  bi^^er 
nur  toenige  3^^«  befannt.  Die  ßbronil  geloann  fel^r  fc^neU  ba«  größte  Slnfe^,  fic 
tourbe  in  überaus  jal^lreid^en  Sbfc^riften  namentlich  in  Belgien,  granlreic^  unb  ben 

25  9Jieberlanben  verbreitet,  an  bielen  Orten  burd^  3wf%  ""^  gortfe^ungen  ertoeitert,  au^ 
i^r  fd^öt)ften  bie  genannten  ©ebiete  in  ben  folgenSen  3^1^^«"^^*^"  bomel^mli(^  i^rc 
Renntniö  ber  mittelalterlichen  ©efdj^id^te,  fie  tourbe,  oft  fdpon  burc^  3"?^^^  bereichert  unb 
fortgefe^t,  bie  @runblage  einer  faft  unüberfel^baren  9{ei^e  \)on  ft)äteren  @efc^id^t^toerfen, 
toie  ber  be^  Stöbert  bon  2^origni,  ^elinanb,  Slnbrea^  öon  3Kard{>ienne«,  Stöbert  i)on 

aoSlujerre,  3Sincenj  bon  Seaubai«  u.  f.  lo.  unb  f^at  fo  eine  ungeheure  Sebeutunggetoonnen, 
einen  nic^t  ^oc^  genug  ju  fd^äfeenben  Einfluß  auf  bie  3laä)\odi  au^eübt.  Die  einzige 
^eute  braudjfbare  äu^abe  ber  ß^ronil  ift  bie  öon  2.  Set^mann  in  MG  SS  VI,  268 
bi«  374  (bie  gortfe^ungen  unb  3ufä$e  bafelbft  ©.  375—535).  Slber  ba«  Slefultat  ber 
OueUenunterfuc^ung,  ba^  bort  vorliegt,  ift  l^eute  ganj  unjulänglid^.     ©e^r  Diele  Hein 

35  gebrudEte  ©teilen  fmb  leine^toeg^  ben  bort  am  Staube  angegebenen  JQueQen  entnommen, 
).  93.  finb  bie  oft  angeführten  Annales  Leodienses  nic^t  Duelle  ber  E^ronil,  fonbem 
au«  i^r  ejcerj^iert. 

©c^on  ate  bie  ßl^ronif  im  toefentlidj^en  boUenbet  toar,  begann  ©.  fein  l^te«  SBerf, 
bag  näd^ft  jener  für  un«  ba«;  loertbotlfte  ift.   ^m  älnfd^luß  an  §ieron^mu«'  unb  ®ennabiu«' 

40  ©c^riften  de  viris  illustribus  unb  al«  beren  gortfefeung  fd^rieb  er  ein  8u^  über  bie 
©d^riftfteUer  (man  braucht  nid^t  l^injujufe^en  ,ber  Jtirc^e',  benn  anbere  gab  e«  nic^t)  unb 
beren  3Berfe  bon  ©ennabiud  an  bi«  auf  feine  3cit  (de  scriptoribus  eccüesiasticis  ed. 
J.  A.  Fabricii  Bibliotheca  ecclesiastic^a  p.  93—116;  abgebrudtt  MSL  GLX,  517 
bi«;  592).    Oetoiß,  bie  ßl^ronif  mie  biefe«  SBerf  ftnb  reid^  an  UJerfel^en,  geilem,  c^rono^ 

45  logifd^en  ^trtümem,  aber  toer  ben  SSerfaffer  be^^alb  l^art  tabeln  tooUte,  al^nt  nic^t,  toelc^c 
©d^toierigfeiten  ein  5)lann  ju  übertoinben  ^atte,  ber  foldf^e  2Ber!e  fd^affen  tooDte.  ^in= 
gebenber  gleiß,  ^arte«  Slingen  gur  Seloältigung  bcö  mafjenl^aften  Dueuenftoffe«,  eine  für 
bie  3«t  ftaunen^toertc  Selefenl^eit  jeigen  ]\i)  jebem  Äunbigen  in  beiben  SBerfen,  bal^ 
barf  i^m  unferc  ^nt  ben  Stu^m  nicpt  berfagen,  ben  il^m  bie  S^itgcnoffen  unb  bie  folgen= 

60  ben  3a^r^unbcrtc  reid^Uc^  juerfannt  ^aben.  3n  bem  legten  RapxUl  ber  Scriptores 
ecKjlesiastici  jäl^lt  er  feine  eigenen  SBerfe  auf,  c«  ift  beö^alb  ba«  toertboUfte  für  un«. 
^fyn  unb  einem  ^a^itel  in  @obe«calc«  Gesta  abbatum  Gemblacensium  t)erban{en 
toir  faft  alle«,  toa«  tüir  über  fein  Seben  unb  feine  ©c^riften  toiffen.  3"  ^^^  äufjiäl^ 
lung  bin  i^  ber  ^Reihenfolge  ©.  felbft  faft  ganj  gefolgt,  ba  id^  ber  SReinung  bin,  bafe 

55  er  fie  toenigften«  innerhalb  ber  einzelnen  ®ruipj)en  ber  3^i^ol0C  nac^  auffül^tt,  toenn 
er  fte  auc^  nic^t  burc^h)cg  ftreng  d^ronologifc^  anorbnete.  Diefe«  SBerf  ^t  er  etfl  in 
feinem  leisten  2eben«jal^rc  bollcnbet.  ^^m  ^ai}xc  1110  l^atte  er  e^  noc^  burd^efe^t,  bafe 
bie  ©ebcine  be^  ©tiftcr^  beö  Älofterö  ©emblouj,  SBicbert,  mit  Billigung  be«  2üttic^ 
93ifc^of^  feierlich  erhoben  unb  biefer  bamtt  al^  ^eiliger  offi/^ieH  anerfannt  toutbe.    ^oc^ 

60  betagt  unb  ^od^t)ere^rt   Don   jcinen  ©c^ülcm,   \)on  ben  ü)lönc^en  öon  ©embloug,  beren 


Stgebert  Stgtdmttttb  331 

einet  ii^n  ba«;  Sfuge  be«  Älofter«  nannte,  öon  öiclen  9RUIcbenben,  ftarb  er  am  5.  Sflobember 
1112.  ©.  ift  ba«  9RufterbUb  be«  tüd^tigen,  braöen,  geleierten  Senebiftinermönd^eö  alter 
Süd^tuna  unb  alter  ©4ule,  \)oü  ed^ter  unb  toal^rer  grömmigleit,  aber  abgeneigt  jeber 
übertriebenen  a«fefc,  t>oü  be«  eckten  unb  emfien  toiffenfd^aftlidben  Streben«,  ein  lauterer 
©(uralter,  über^u))t  eine  ^'6ä)\i  liebendtoürbige  unb  fvi^t^atl^ifcve  Srfc^einung.  6 

C.  $o(ber^C^00er. 

Sigtdmttiib,  gol^ann  unb  bie  Sinfül^rung  be«  reform.  33elenntniffe«  in 
ber  3Karf  Sranbcnburg.  —  Duellen  unb  ßitteratur:  Urfunben  in  „2)cö  5)ur*= 
Iaud)tigften  . .  .  ^rm  3i>^anu  @igmunbd . . .  Setäuntnid  $ou  ie^tgen  Dnber  ben  ^uangelifc^en 
fdjtüebcnbcn,  unb  in  ftrcit  gezogenen  punctcn...",  1614;  Initia  Reformationis  Marchicae,  lo 
1615;  2)cV  e^ur  Sranbcbiirg  Stcfornmtion  «krd,  ©crlin  1615;  SWt)Iiu8,  Corpus  Constitu- 
tionum  Marchicarum  I,  351  ff.;  ß.  Äcder,  S)ie  ©egeureformation  in  ©eftfofcn  unb  am  ^iieber* 
x\)t\\\  III,  ßcipjig  1895,  6.  219 ff.;  Anton  d^rouft  in  fjorfcftungen  jur  branbenb.  u.  <)rcu6. 
®ef4i(l)tc  IX  (1897),  12 ff.;  bie  ßeid)enpreblgten  auf  3-  @.  oon  m.  »üffel,  »rantf.  1620 
unb  oon  3o^.  33ergiu8,  3rran!f.  1621;  ouf  bie  Äurfürftin  ^nna  oon  3o^.  83crgiu«  am  is 
4.  3uli  1625  im  ©erlincr  3)om  (bei  bcr  Ucberfül^rung  ber  ßcid^c  nocft  Äöniqöbcvg).  — 
fiitteratur:  3*  <^rift.  93ecmann,  Oratio  secularis  in  memoriam  a  divo  Pnncipe  Job. 
Sigismundo . . .  introductae  Bcformatae  Beligionis,  Francof.  1713;  ^.  &.  gering,  ^iftorifd)e 
9?acöri(ftt  oon  bem  crftcu  Anfang  bcr  coang.-rcform.  Äirc^c  in  öronocnburg  u.  ^reufeen, 
^IIc  1778;  bcrf.,  ^Beiträge  jur  ®cf(b.  bcr  cüattg.=ref.  Äirc^c  in  bcn  $rcu6,5S3ronbcnb.  ao 
Sänbcm,  »rcälau  1784;  Suliu«  @(ftmibt  in  4  ©(ftiocibniftcr  ®^mn.=3reftf Triften  unb  $ro= 
grammen  1858,  1859,  1863  unb  1866;  Ä  ^öacr,  ^of^.  6.8  Ucbertritt  jum  reform,  ©e* 
tenntni«  in  5)eutf4c  3citf(ftrift  für  c^riftl.  «ßiffcnfcftaft  1858,  @.  189 ff.;  3)ro^fcn,  ®cfd).  bcr 
prcuft.  ^Jolitit  II,  2  (1859),  @.  510f.;  SW.  trcnfcl,  3Bie  würben  ^rcufienS  gürften  refor^ 
micvt?  fieipjig  1873;  S.  o.  Slanfc,  Sioölf  öü*cr  ^rcuftifc^cr  ®cf((ii(btc,  Sci^^ig  1874,  1,25 
185 ff.;  3Bangemann,  3.  S.  u.  ^aul  ©erwarbt,  «crlin  1884;  2:^.  i^ix\(b  in  «b«  14,  169 ff.; 
eb.  eiauSnijcr,  S)ic  märfifdjen  @t«nbe  unter  Sol^.  @.,  ^aflcl895;  gronj  3)ittri(ö  in  Scitfcftr. 
f.  b.  Ökfcb.  bcr  «ItcrtumStunbc  (grmlonbS  XIII  (1900),  72 ff.;  JR.S^nicbc,  3)cr  ©(^riftenftreit 
über  bie  SRcformation  bc8  Äurfürftcn  3.  @.  feit  1613,  ^aUc  1902.  —  S)ic  Confessio  Sigis- 
mundi  außer  In  bcn  ^ucrft  genannten  bcibcn  ©d^riftcn  in  5)ic  brci)  Confessiones,  3Bcl(6c  in  ao 
ben  c^urfürftlid)  $ranbcnburgif(^cn  bie  97cligiün  bctrcffcnben  Edictis  ju  beobachten  bcfobtcn 
mcrbcn,  ©üftrin  1695;  hti  gering,  ^iftor.  92a(^ricftt  Im  ^In^angc;  juleft  bei  tarl  SKüOcr,  3)ic 
Sk!enntni8f(6riftcn  bcr  reform.  Äircfie,  ficipjig  1903,  @.  LVIff.,  835 ff.;  baju:  Otto  ©cgcr, 
3ur  Confessio  Sigismundi,  ©crlin  1899.  —  Uniücrfität  fironffurt:  ^ftcn  u.  Urfunben  bcr 
Unio.  grantf.  a.  O.III  (»rcSlau  1900),  S.  79f.  —  Ucbcr  ^clargu«  Seidjcnprcbigt  u.  Vita  oon  35 
X^oj)]^.  (gbcrt,  granff.  1633;  Spittex,  ©cfcfircibung  u.  ®ef(6.  ber  aWarien*  ober  Obcrfircbc 
ju  granffurt,  3rran!f.  1835,  @.  246 ff.;  3?.  Sc^loari^c  in  ?lb93  25,  328 ff.;  Slcttbcrg  in  @vfd) 
u.  ©ruber  III,  15,  108  ff.  —  3)ümfir(^e  in  SBcrIin:  9^.  aRüfler  inSal^rb.  für  branbenburgifd^c 
Ä®.  II/III  (1906). 

®ie  2KarI  ^tte  loäl&renb  be«  16.  ^al^r^unbert«  je  nac^  ber  toerfbnlic^en  ©teKung  40 
ber  Äurfürften  mand^erlei  ©d^loanfungen  m  ber  religiiJfen  grage  burc^gemac^t.  Soad^im  I. 
(1499—1535;  t)gl.  »b  IX,  220  ff.)  batte  mit  ©etoalt  jebe  lutl^erifd^  SRegung  im  Sanbc 
toie  in  feiner  ^amilie  }u  unterbrüc!en,  ja  nod^  über  feinen  ^b  l^inau^  burd^  $er)}fli(i^- 
tung  feiner  ©öl^ne  fein  Sanb  ber  lat^olifdben  Äirc^e  ju  er^Iten  öerfud^t.  Unter  ^oad^irn  II. 
(1535—71;  S3b  IX,  223  ff.)  loaren  nac^  anfänglichem  S^gcnt  biefe  ©c^ranlen  gefallen,  46 
bie  SReformation  l^tte  i^ren  Sinj^ug  galten  lönnen.    2)ocl^  öerfud^te  er  nod^  längere  ^Äi 
Iircl^en})oUtifclSl   eine  mittlere  ©teÜung  jtoifcl^en  9tom  unb  SBittenberg  innejul^alten,  unb 
feine  92eigung,  im  Jtultu^  mi^glid^ft  \)xd  t)om  lat^olifd^en  9litual  ju  behalten,  fd^uf  Un- 
Hörweiten.     5Die  SJertoirrung  toucb^  in  ben  S^^ten  be^  2lug^burger  Interim«,    ^ann 
folgte  feit  beffen  Sefeitigung  eine  fräftige,  aber  red^t  äufeerlid^e  SRealtion   in«  Suti^ertum  50 
au^  Slnlafe  ber  Dfianberfc^en  ©treitigfeiten.     3la6)  me^rjäl^rigem  Äamjjf  unterlagen  bie 
SRelanc^t^onianer  in  ber  gRarl.     »nbrea«  ?Ku«cuIu«  (93b  XIII,  577  ff.)  toirb  ber  SRe^ 
>)räfentant  ber  je^t  ^um  ©iege  gelangten  SRid^tung.    2)artn  folgte  unter  go^ann  (Seorg 
(1571—98)  bie  3eit  unbeftrittener  ^crrfd^aft  be«  ftrengen  Sutl^ertum«.     2)a«  1572  er= 
fc^ienene  Corpus  doctrinae  Brandenburgicum  (33b  IV,  296)  ^ebt  in  gefj>errtem  2)rudE  ^ 
iSut^erd  SBort,  bafe  er  3*^'"ö'i  ^^^  ^^^  \^^^^^  Se^re  für  einen  Und^riften  ^alte,  nad^- 
brücflicb  l^ertor;  lanbe^l^errlic^e  93efel^lc  Derfc^Ioffen  baö  Sanb  geaen  ba«  Sinbringen  cal^ 
t)iniftif(i^er  93üd^er.    S)ie  Äonforbienformcl,  an  hjeld^er  feine  2;9eologen  3Ku«culu«  unb 
S^ftoj)]^  ßomeru«  mitgearbeitet  Ratten,  h)urbe  —  5.  %,  mit  ©etoalt  —  eingeführt,  bie 
®eiftli<i^leit  in  i^rem©inne  J)urifiprt.    Äan^^ler  2)iftelme^er  ift  befannt  burc^  feinaOSort:  eo 
impleat   nos  Deus  odio  Calvinianismi !     3(uf  ^^'^^n'^  @eorg«  93efel^l   l^atten   fein 
©o^n  3«>ö^i»w  griebridSi  unb  aud^   fd^on  ber  ßnlel  ^o^ann  ©igi^munb  burd^  5Rei)er« 


332  StgUtnttttb 

(27.  3^"-  1593)  geloben  muffen,  bei  ber  lutJ^erifd^en  Seigre  (in!l.  Äonforbienformcl)  ju 
bleiben,  „and)  lünftig  in  @cl^ulen  unb  ^itd^en  biejem  jutDiber  leine  äSeränberung  machen 
nod)  bcrettDegen  einen  Untertl^an  ober  ixmz  Sekret  befd^loeren  nod^  berfolgen"  j^u  tooHen 
(Sc^mibt  II,  7).    3lber  fd^on  unter  ^oad^im  griebrid^  (1598  bi«  18.  guli  1608)  änberten 

6  fic^  bic  SBerl^ältniffe,  tocnn  aud^  bie  Untert^anen  nod{>  menig  babon  mertten.  ©eine  ^ßolitif 
fc^Iug  eine  anbere  9tid^tung  ein.  ^er  (atl^olifd^en  9{eaItion  im  SReid^e  gegenüber  em))fanb 
er  e«  ah  ^flid^t,  für  bie  ©efamt^eit  ber  ^roteftanten  einzutreten ;  feine  ^olitif  trennte 
[xd)  bon  fiurfac^fen  unb  bem  Äaifer  unb  fud^te  S^i^Iung  mit  ilur})falj  unb  3?af[au-Dranien. 
Damit  bahnte  er  in  feinem  §aufe  eine  berfö^nlic^e  unb  freunblic^e  Stimmung  bcn  Gal- 
lo biniften  gegenüber  an,  Setreff«  feiner  fortgelegten  SBemü^ungen  um  eine  SReform  ber  noc^ 
immer  ftarf  fat^olifierenben  Äultu^formen  in  ber  berliner  SDomlird^e  bgl.  31.  3)JülIer 
©.  349ff.  —  ©ein  ©o^n  ^ol^ann  ©igi^munb,  geb.  8.  (18.)  9lobember  1572  ^u 
$alle,  too  ber  Sater  ate  Sftminiftrator  be«  ßrjbi^tum«  SRagbeburg  refibierte,  toar 
ftreng  lutl^erifd^  nai)  ben  Slnorbnungen  be«  ©rofebater«  erjogen  toorben.    Der  ftreitbare 

16  Sutl^eraner  ©imon  ©ebidte,  bamate  ^oft)rebiger  in  $alle,  l^atte  il^n  untertoiefen.  aber 
1588  l^atte  ii^n  fein  SSater  jufammen  mit  feinem  93ruber  go^ann  ®eorg  auf  bie  Uniber^ 
fität  ©trafeburg  gefenbet,  too  beibe  Crimen  bereit«  bem  6albini«mu«  freunblid^er  gejtnnt 
tourben.  1605  ^nben  toir  i^n  in  §eibelberg  (©d^mibt  1,22;  11,8;  $.  $agen,  3"^  ®^ 
fd^idjfte  ber  $^ilol.  199.  204.  206),  h)0  er  in   enge  g^eunbfd^aft  ju  bem  ^fal^rafen 

20  »Jriebrid^  IV.  unb  feiner  ®attin,  ber  3:oc^ter  SBill^elm«  bon  Dranien,  trat  unb  feinen 
Sol^n  ®eorg  aSill^elm  mit  ber  J)fälgifd^en  ^rinxeffin  Slifabetl^  ß^arlotte  berlobte.  Der 
t)erfönlid^e  Serlel^r  mit  reformierten  gürften  uno  Il^eologen,  beren  ^^ömmigfeit  auf  i^n 
tiefen  SinbrudE  mad^te,  aud^  ber  feinere  %on  unb  bie  ^ö|eren  geiftigen  gntereflen,  bie  er 
bort   fanb  —  ba«  alle«  führte    eine  Umgeftaltung  feiner  Überzeugungen   ^erbei.    Die 

26  Seitüre  bon  §ofj)inian«  Concordia  discors  (1607)  mit  il^rer  einfdjneibenben  Äritil  bc« 
Äonlorbientoerle«  (bgl.  93b  VIII,  393)  mad^te  i^n  fortan  ju  einem  entfd^iebenen  ®cgner 
ber  Äonlorbienformel  unb  ber  Ubiquität«lel^re.  6r  l^at  fj)äter  ettoa  ba«  ^afyc  1606  al« 
ba«  bejeid^net,  bon  bem  an  er  reformierter  Überzeugungen  geloefen  fei;  1609  bezeichnet 
il^n  Sodann  ®eorg  bon  Slnl^alt  fd^on  al«  „ber  SReligion  lool^l  affectionirt  unb  zugeti^n", 

30  toünfd^t  i^m  aber  SRäte,  „bie  e«  mit  ber  Sfleligion  treulid^  meinen",  benn  „er  reutet,  toie 
man  il^n  fe^et"  (3K.  SWitter,  ©riefe  u.  äfften  II,  532);  bod^  jögerte  er  no(^,  feinen 
©tanbjjunit  öffentlid^  flar  l^erbortreten  z«  IcL^^n,  Dafe  fein  93e!enntni«toe(^fel  auf  p^-- 
fönlic^er  Über^ugung  beruhte,  lann  gar  nid^t  bezweifelt  toetben  (bgl.  befonber«  fein 
©d^reiben  an  bie  ©tänbe,  9laumburg  28. 5Wärz  1614).    'SHan  lann  nur  fragen,  ob  ettoa 

36  ba«  öffentlid^e  $erbortreten  mit  feinem  Äonfejfion«loedMel  burd^  jjolitifd^e  ®rtoägungen  b^ 
ftimmt  loorben  fei.  ©eine  lutl^erifc^en  3^i^0^"*^R^  i}abm  il^m  jebod^  biefen  SSortourf 
nic^t  gemad^t  —  erft  in  gramer«  „^omrtfd^en  Äirc^en^ronifon"  1628  toirb  er  laut,  t>gl. 
©4niibt  II,  16f.  — ,  bielmel^r  umgefe^rt  feinen  ©4ritt  al«  jjolitifc^  berlel^rt  unb  gefa^r^ 
bringenb  betrad^tet,  ba  er  93ranbenburg  unb  Äurfad^fen  au«einanbertreibe.   Unb  toenn  toir 

40  geneigt  fein  möchten,  bei  biefem  Jlonfejfion«n)e(^fel  bie  jülic^sclebifd^e  ßrbfd^aft  al«  )fi)lu 
tifc^en  Setoeggrunb  l^ineinzuziel^en,  inbem  er  baburc^  bei  ben  Slieberlänbem  Südf^alt  gc- 
fud^t  l^abe,  fo  barf  nic^t  überfe^en  toerben,  ba^  berfelbe  ©c^ritt  il^m  feine  ^ofttion  nic^t 
nur  in  ber  5WarI,  fonbem  bor  allem  auc^  im  Herzogtum  ^reu^en,  mit  bem  er  am 
16. 9lot)ember  1611  burc^  $olen  belehnt  toorbcn  toar,  auftcrorbentlid^  erfc^toerte.  ©r  felbft 

45  l^at  erflärt,  bafe  i^m  fein  ©eloiffen  nic^t  länger  Stulpe  lajfe,  unb  iebenfaU«  geftaltcten  ftd^ 
1613  bie  Dinge  in  ber  5WarI  fo,  bafe  er  notgcbrungen  garbe  belennen  mufete.  ©c^on 
am  §immelfa^rt«tage  1613  mar  in  ber  berliner  ©d^lofifat)eue  für  ben  zum  93efud^  antoefenben 
Sanbgrafen  3Wori$  z"  großem  SJerbrufe  ber  lut^er.  ®eiftlid^feit  reformierter  ®otte«bienfl  ge= 
l^alten  toorben.   311«  bann  fein  Sruber  SWarfgraf  (Smft,  ber  bereit«  1610  in  Düffelborf  bic 

50  ßonfeffion  getüec^felt  Ij^atte  (3lbr.  ©cultetu«,  gbang.  3ubelia^r«>)rebiat,  gftanff.  1617,  ©.36); 
im  ^nl\  1613,  zum  3^obe  crfranft,  bon  einem  reformierten  ®eiftli$en  ba«  äbenbma^I 
emj)fangen  tüoHte,  tourbe  ber  ^nb^t^  ©ut)erintenbent  3Kartin  Rüflel  (bgl.  über  i^n 
©c^mibt  III,  9  f.)  nac^  Serlin  berufen,  unb  e«  fanb  im  ©d^lofe  ]üx  il^n  unb  fein  ®^ 
folge  eine  reformierte  2lbenbmal^l«feier  ftatt.    Der  Äurfürft  felbft  blieb  jebod^   in  ßl^orin 

56  unb  lie^  fic^  ^Jüffel  nur  bort^in  zu  einer  ^rebigt  fommcn,  bermieb  alfo  no(^  borfid^tig, 
feinen  Übertritt  zu  bolumentieren ;  benn  eben  toar  ber  5Reid^«tag  berfammelt,  bei  bem  ber 
Äaifcr  bie  jülid^^fc^c  Streitfrage  jum  3lu«trag  bringen  h)olIte.  Slud^  trat  je^t  fc^on  ^- 
bor,  bafe  in  ber  ^erfon  ber  Äurfürjtin,  Herzogin  3lnna  bon  ^reufeen,  bem  RonfefTton«* 
toed^fel  eine  entfc^iebene  ©cgnerin  entftanbcn  toar.    ®egen  jene  3lbenbmal^l«feier  in  Serlin 

60  er^ob  ber  Domj)roj)ft  ©imon  ©ebicfe  am  27.  3luli  eine  bittere  Sefd^toerbc  toegen  Ser- 


Sigtdnittttb  333 

le^ung  ber  ^arod^ialtcdbte  unb  „SBerbad^t  bc«  leibigcn  Calvinismi"  an  ben  btc  Statt« 
l^altcrfc^aft  in  ber  2Karf  fül^rcnbcn  3Jlarfgrafen  Sol^ann  ®coxq,  bie  bicfer  am  8.  ©c)}tcmber 
in  einem  au^fübrlid^cn,  öon  bem  Slat  ^iftori«  Derfafeten,  fcl^r  beftimmten  Scfdbeibc  ab« 
fertigte;  barin  belannte  er  [lä)  felbft  offen  jum  6albini«mu«  (bgl.  ©d^mibt  II,  9 f.).  ®ic 
©rregung  ftieg,  ate  ber  1612  bon  Äönig^berg  nac^  Serlin  berufene  $ofj)rebiger  ©alomo  6 
ginrf  (t)gl.  ©dpmibt  III,  10)  fid^  in  feinen  ^rebigten  burd^  Serteibigung  be^  Srotbred^en« 
atö  golöinift  bohimentierte ;  ber  Slu^fd^ufe  ber  ©tänbe  fül^Ite  M  öeranlafet,  ben  (Seneral- 
fu^jerintenbenten  ber  SKarl  ßl^rifioj)]^  ^elargu«,  $rof.  b.  I^eol.  in  granfurt  a.  D.,  ju 
amtlid^em  ©nfd^reiten  gegen  il^n  aufjuforbem  (7.®ejember  1613).  2)iefer  oberfte  ©eift* 
lid^e  ber  9Rarf,  bon  $aufe  au^  bem  $^ilij)t)igmu3  jugetl^an,  l^tte  fu^  unter  S^l^^^nn  ®eorg  lo 
bem  ftrengen  Sutl^ertum  anbequemt-  er  l^atte  j.  35.  1591  in  einer  SJigjjutation  ertoiefen, 
„bafe  Suti^eraner  unb  (Salbinianer  faft  in  aßen  Slrtileln  ber  d^riftlid^en  Se^re  toiber  einanber 
unb  mit  nickten  bertragen  toerben  lönnen/'  unb  noi)  1606  ff.  mit  einem  Ealbiniften  über 
ba^  33rotbreci^en  beim  ätbenbmal^l  ©treit  aefü^rt,  unb  tUn  [e^t,  Wo  er  ftd^  um  bie  erfte 
^farrfteHe  an  ber  Warienürci^e  in  ^an!furt  betoarb,  fein  Sut^ertum  feierlich  bejeugen  i6 
muffen,  obgleich  er  im  ^er^en  bem  Salbinidmu^  geneigt  toar.  ^d^t  anttoortete  er  borfic^tig 
au^eid^enb  (17.  ®ejember):  man  möge  auf  eine  öffentlid^e  2)i^utation  toarten;  er  l^abe 
je^t  ju  biel  9(mti^efc^äfte  u.  bergl.,  unb  mad^te  ftc^  felber  baburd(|  im  Sanbe  grünblid^ 
öerbäc^tig.  (Sebicfe  f)aiU  bie  Slufregung  gefc|ürt  burd^  eine  ©c^rift  bom  15.  DItobcr 
„SSon  ben  ßeremonien  bei  bem  1^1.  3lbenbma^l"  „tüiber  bie  nmm  ©c^meifebögel,  bie  äße«  20 
berunreinigen  toollen".  äHg  nun  ber  Äurfürft  im  2)ejember  bom  Slbein  in  bie  5DlarI 
gurüdHel^e,  ftanb  er  bor  ber  Slltematibe,  enttoeber  nac^  bem  3Bunf4  ber  ©tänbe  ben 
©tattl^alter  ju  be^t)ouieren  unb  gegen  ^ind  unb  $elargu^  eimufc^reiten,  ober  mit  feinem 
93efenntni«  offen  l^erborjutreten.  ®r  toä^Ite  trofe  ber  Sebenlen  feiner  Släte  ba«  lejtere. 
3lm  8.  ®ejember  j>etitionierten  bie  ©tänbe  bei  i^m,  er  möge  gind  abfc^ffen,  ^PelarguS  26 
unb  bod  Jtonfiftorium  ju  il^rer  älmtd))flic^t  gegen  irrige  £e^re  anl^alten,  aud^  felber  feinet 
9ieberfed  eingebenl  fein.  @Ieid^)eitig  toenbeten  fte  ftd^  an  bie  Aurfürftin  ^nna  mit  ber 
Sitte,  fie  möge  ü^ren  ®ema^l  t)or  bem  gefürd^teten  ©d^ritte  toamen,  ben  fie  mit  ^intoeid 
auf  bie  für  jüngere  ©lieber  bed  $aufed  ^toa  px  erlangenben  Si^tümer  aU  l^öc^ft  unIlug 
barfteHten.  3-  ©•  «nttoortete  bamit,  bafe  er  am  12.  SJe^cmber  bon  feinem  S^fl^fci&lt^l  9o 
@rimni^  an^  an  eine  bleibe  bon  boc^gqteOten  ^erfönlicpfeiten  bie  @inlabung  ergeben 
liefe,  am  SBei^nad^t^tage  fit?  in  ber  S)omfird^e  ui  Äöln  a.  b.  ©J)ree  an  einer  Slbenbmal^fe 
|eier  „o^ne  J)ät)ftlid^e  S^]ät^  nad^  gorm  unb  2Bdfe,  toie  e«  m  ber  3l|)oftel  ^Aim  unb 
m  ben  reformiertsebangelifc^en  Äird^en  bräuc^lic^  fei",  ju  beteiligen  (f.  ©d^mibt  III,  8 f.; 
Äellerlll,  219f.).  gemer  citierte  er  am  18.2)ejember  bie  (Seiftlid^en  ber  ©täbte  SBerlin  36 
unb  6öln  auf^  ©d^lofe,  liefe  i^nen  burc^  ben  (reformierten)  ilanjler  93rudmann  (^Prudf« 
mann)  anlünbigen,  er  beanfprud^e  leine  ^errfd^aft  über  bie  @etotffen  feiner  Untertanen, 
aber  ebenfo  toenig  bürften  biefe  il^m  feinen  ®laubm  borfd^reiben ;  er  t)erbiete  aQed  un« 
jeitige  ©d^reien  auf  ben  Hameln  unb  laffe  fte  toiffen,  bafe  er  bemnäd^ft  Äommunion  nad^ 
reformierter  SBeife  toerbe  balten  laffen.  ^aiu  tourbe  toieber  güffel  an^  3^'^P  berufen,  40 
ber  am  (S^riftabenb  einen  SJorbereitung^gotte^bienft  ^ielt  unb  bann  am  1.  SBei^nad^tStage 
im  S)om  an  eine  Heine  (Semeinbe  öon  55  Äommunifanten,  unter  benen  ber  Äurfürft 
toar,  ba«  ©ahament  nai)  ber  ^fäljer  Siturgie  fj)enbete.  ®er  SRitu^  toar  babei  ber,  bafe 
bon  getoöl^nlid^em  SEBeifebrot  bie  Slinbe  abgefc^nitten,  bie  Jtrume  in  länglid^e  ©tüde  ge- 
fc^nitten  unb  biefe  bann  bei  ber  Slu^teilung  in  äSroden  gebrod(|en  tDurben.  @ntfei^t  46 
melbete  ®ebide  ba«  Sorgefattene  nad^  2)re«ben  an  ben  $of]prebiger  $o§  bon  ^oenegg, 
toorauf  nic^t  nur  biefer  aUbalb  bie  3)iärler  in  einer  ©treitfd^rift  t)or  ben  gräulid^en  S^le^ren 
ber  ßalbiniften  toamte,  fonbem  auc^  berÄurfürft  t>on©ad^fen(l.  gebr.  1614)  ein  bringenbe« 
3lbmal&nung«fd^reiben  an  ©igi^munb  rid^tete.  3)iefer  liefe  le^terem  burd^  feinen  Sßruber 
^ol^ann  ®eorg  barauf  antb>orten:  er  l^abe  bie  SSeränberung  nid^t  um  jeitlid^en  ®viM,  fonbem  60 
um  feiner  ©eligleit  loillen  Vorgenommen,  ©ein  (Slaube  fei  ber  ber  berbefferten  Conf .  Aug.  unb 
biefe  Se^re  fei  im  SReic^e  jugelaffen.  3Sor  feinem  Sanbe  erflärte  er  fidj  in  bem  9Ranbat  bom 
24.gebruar  1614,  in  toeld^em  er  aUeö  ©gelten  unb  Serbammen  auf  ben  Äanjeln  berbot 
unb  ate  Sel^grunbtage  für  äße  ^rebiger  „bie  Seigre  be«  göttlid^en  SBort«  naq  ben  bier 
^au^tf^mbola  (er  jäl^It  bad  Ghalcedonense  mit),  ber  berbefferten  älugdburger  Jtonfeffton  66 
unb  berfelben  3lt)oloaie"  jjrollamierte.  2)ie  Äonforbienformel  toirb  nidpt  genannt,  ifi  aber 
gemeint  unb  aufeer  Kraft  gefefet,  toenn  er  mhm  biefen  öon  il^m  aneriannten  Sefennt- 
nijfen  alle  barüber  ^inau^el^enben  lutl^erifc^en  2)oftrinen  atö  „SJerfälfd^ungen,  felbft^ 
erbic^tete  (Sloffen  unb  mm  Sel^rformeln  etlidjier  müfeigen,  bortot^igen  unb  l^offärtigen 
X^eologen''  verbietet.    3Ber  batoiber  ^anble,   foUe  pi  $ofe  citiert,  ebentueU    abgebanft  eo 


334  Stgtemitiib 

unb  nod}  fc^ärfcr  bcftrafl  toerben.  Übrißen^  märe  i^m  ertoünfd^t,  toenn  fic^  bic  „xin- 
jettigen  ®ifcrer  unb  ^^loim  aufeer^alb  unfcrö  Äurfürftentum«  in  fold^en  Örtem  nieber^ 
laffcn,  bic  i^ncn  fold^  unc^riftlid^  SBütcn  juflclajfen".  Offenbar  toaltet  ^ier  noc^  ber 
®ebanle  ob,  feine  Untertl^en  nai^  ftc^  ^^u  jiel^en,  fein  Qan}^^^  Sanb  unter  Sefettigung  ber 

5  Äonf orbienformel  unb  mit  Unterfd^icbunfl  ber  Aug.  Var.  in  ein  reformierte«  umjus 
toanbeln.  (Sin  boQftänbiger  ^lan,  toie  biefe  Umtoanblung  jielbetou^t  au^jufü^ren  fei, 
toor  bon  bem  SRarfgrofen  gol^onn  (Seorfl  unb  bem  (Se^.SRat  am  21.  S^bruor  1614  au^ 
gearbeitet  toorben.  3)em  Kurfürften  tourbe  barin  em^oi^Ien,  iiunäd^ft  ben  SBäiberf^ruc^ 
ber  Äurfürftin  bur*  ©rmaJ^nungen  ju  übertüinben,  güffel  unb  nod^  anbere  reformierte 

10  ©eiftlic^e  nad^  ber  SWarl  m  berufen,  bie  ©d^ulen,  fonberlidb  bie  gürftenfc^ule  unb  bie 
t^eologifc^e  gohiltät  ju  ghfönffurt  mit  „2euten  t)on  ber  Sleligion"  ju  befe^en,  einen 
„Äird^enrat"  nad^  ^ßfäUer  SKufter  einjurit^tcn,  burc^  2)ru(f jenfur  alle  angriffe  gegen  fein 
Unternehmen  ju  berl^inbem,  ben  @£orci«mu«  bei  ber  ^ufe  ahufc^ffen  ober  toenigften« 
für  falultatib  ju  erHSren,  bie  SJlarienfefte,  Fronleichnam  (bie  Sfranbenb.  ägenbe  b.  1572 

16  behält  biefe«  unter  bem  Slamen  „2^g  coenae  domini"  bei)  unb  3Ric^aeIi«feft  abjufd^en. 
2)agegen  toamten  fie  i^n  baöor,  ein  eigene«  ®lauben«belenntni«  aufjufkeHen  (f.  ©i^mibt 
IV,  11;  ®angemann  ©.40  ff.).  9lu«  ®ebide«  ©d^riften  unb  ?Prebigten  fyitt^  man  an= 
flöfeige  ©teilen  jufammengetragen.  6r  tourbe  am  9.  9Rärj  jur  iBeronttoortung  öor= 
geforbert  unb  foQte  am  nöc^ften  ©onntag  eine  SrHörung  bon  ber  Jtanael  borlefen,  ba^ 

30  er  mit  feinen  Singriffen  bie  Umgebung  be«  Äurfürften  nid^t  gemeint  l^abe.  ©r  toeigerte 
M  befjen  unb  berliefe,  bon  ber  Äurfürftin  getoamt,  nod^  am  11.  9Jlär^  l(^mU(^  Berlin. 
Salb  barauf  ergiff  aud^  ber  Slrd^ibiafonu«  ®illid^  bon  ©t.  ?Petri,  gleicMaD«  bur(^  bic 
Äurfürftin  getoamt,  bic^lud^t  (©<^mibt  III,  17  ff.).  Um  ba«  3BerI  ret^t  in  ®ang  ju 
brinaen,  l^attc  fid^  3-  ®-  bom  Äurfürften  bon  ber  $falg  ben  angefel^cnen  ^etbelbergcr 

26  $rofef[or  äbral^am  ©cultetu«  erbeten.  3)iefcr  forberte  atebalb,  bafe  ber  Serliner  SDom 
„gefäubert,  ben  Unferigen  gam  cingetl^n  toerbe".  auf  feinen  fRai  gefd^ol^  e«  too^il  and), 
bafe  am  10.  9)lai  ein  „®lauben«bdcnntni«  ber  reformierten  Äird^en  2)eutf(^Ianb«"  ber^ 
öffentlic^t  tourbe,  beffen  bon  i^m  berfafete,  bon  93rudtmann  ^üoa^  ßcmilberte  Sorrcbc 
ben  @cbanlen  au«ft)rid^t,  burd^  ^oad^im  II.  I^abc  jtoar  ba«  $a))fttum  tn  ber  3Jlart  einen 

90  gewaltigen  ©tofe  bclommen,  e«  fei  aber  noc^  mand^erlei  bon  J)ajjiftifc^cm  SBefen  bcr^ 
blieben;  bal^cr  fei  e«  nötig,  bic  märlifd^c  Äird^e  „anbcm  ebongclifd^en  Hir(^en  unb  ber 
alten  ojjoftolifc^en  gleid^förmig  ju  madjfcn".  3)iefc  löblid^e  „Slcformation"  ^labc  jje^t  ber 
Äurfürft  borgenommen.  SBcil  aber  biel  böfe  9lac^rcbe  über  bie  Se^re  ber  Sieformierten 
im  ©<9h)ange  ge^e,  toürbe  in  biefem  Sefenntni«  aüm  ®ut^erjigen  unb  ®otte«für(^tigen 

36  ®elegen^eit  gegeben,  [xi)  m  überjeugen,  bafe  il^r  Äurfürft  fte  nur  untem>eifen  tooDe,  „toic 
fte  red^t  glauben,  c^ftlicp  leben  unb  feiig  fterben"  lönntcn.  2)iefe«  Sdenntni«,  ba^ 
nid^t  mit  ber  Confessio  Sigismundi  bem>ed^felt  tbcrben  barf,  mar  ber  Slbbrudt  eine« 
juerft  1562  (bgl.  gering,  §iftor.  9?ad^rid^t,  ©.  114  f.)  in  ßeibelberg  gebrudtten,  bann 
h)ieberl^oIt,  j.  S.  §erbom  1601,  1605  unb  1619,   nac^gebrucrtcn  reformierten  ©lauben«^ 

40  belcnntniffe«  (20  ärtilel  in  55  äbfd^nitten),  ba«  leiber  in  Äarl  9RülIer«  ©ammlung  ber 
reformierten  Selcnntni«fd^riften  feine  aufnähme  gefunben  f^at  (2)ie  äu«gabe  ^omfurt 
1617  trägt  ben  35ermcrl:  „3wm  9.  mal  gebrucft".  ®cgen  biefe«  Seicnntnt«,  nit^t 
gegen  bie  Confessio  Sigismundi,  ift  2eonl^arb  ^utter«  „Examen"  SBittenberg  1614 
gerid^tet,  f.  93b  VII,  499.)    9lod^  in  bemfelbcn  ga^rc  liefe  aber  audji  ber  5hirfürft  fein 

46  eigene«  Scfcnntni«  au«gc^en,  ba«  aber  nid^t  ein  boBftänbigc«  Scl^rbclcnntni«  ift,  fonbem 
nur  bie  ^unlte  ^erborl^ebt,  bie  fontrobcr«  toaren.  Sil«  3)atum  be«  ßrfc^einen«  biefer 
Confessio  Sigismundi  ftnbet  man  faft  allgemein  ben  ^ai  ober  nod^  genauer  ben 
10.  3Jlai  1614  angegeben.  Slber  fämtlid{>e  mir  befannt  getborbenc  3)rudte  entölten  ein 
berartige«  Saturn  nid^t.    6«  ift  j^u  bermuten,  bafe  man  irrtümlid^  ba«  SDatum  be«  „Sc- 

60  lenntniffe«  ber  reformierten  Äirc^en  3)eutfd^lanb«"  auf  ba«  Sefenntni«  3-  ©«^  übertragen 
^at.  3"  ^i^f^  f^^"^  Äonfeffion  bcrfolgt  ber  Äurfürft  bie  bem  beutfc^en  6albini«mu« 
eigene  lenbenj,  feine  Se^ranfd^auung  al«  ba«  toa^re,  bon  ber  „pojjiftiftpen  ©uJ)erftttion" 
unb  bon  ben  „abgöttifd^en  ober  bon  menfd^Iic^er  Slnbac^t  erbid^tcten  Gercmonien"  ge* 
reinigte  Sut^ertum,  al«  ba«  legitime  Selenntni«  jur  3lug«b.  Äonfeffwn,  „fo  anno  1530 

66  Äaifer  ßarolo  V.  übergeben  unb  nac^mal«  in  etlid^en  fünften  nottoenbig  überfe^  unb 
berbeffert  toorben",  au«gugeben.  35er  Äurfürft  befennt  ftd^  ju  ben  allgemeinen  ^aupt^ 
f^mboli«,  nämlic^  Apostol.,  Athanas.,  Nicaen.,  Ephes.,  Chalcedon.,  unb  )ur  Conf. 
Aug.  (Variata).  ^u  ben  anbem  „bon  3Rcnfc^en  fonji))icrten"  ©c^riften  toolle  er  toeber 
fic^  fclbft  noc^  feine  lieben  Untert^anen   mit  Scbrängni«  ber  ®eloiffen  berbinben  laffcn; 

eo  bie  ©d^rift  allein  foUe  regieren.    3"  S3ejug  auf  bie  ftrittigen  Slrtilel  bertoirft  er  a)  in 


®%Uiitiuib  336 

ber  S^riftologte  bie  Ubiquttät^Iel^te  unb  bte  lut^etifd^e  Oommunicatio  idiomatum  al^ 
„^\xt\^xanx\d)zn  Stttum".  b)  ^n  SSejug  auf  bie  laufe  lebnt  er  bte  „abergläubifc^e  6ere* 
monie  be«  Siorcidmu«"  ab.  ®ie  laufe  ifl  i^m  „toa^r^fttg  einSSab  ber  SBiebergeburt'', 
b.  f),  „ein  S^d^m  unb  SBerf  @oited,  barinnen  unjer  ®Iaube  geforbert,  bur^  toel^en  tütr 
toiebergeboren  toerben".  c)  3"  ^^i^fl  ^"f  ^^^  äoenbma^I  lel^  er  bie  ßoincibenj  be«  s 
leiblid^en  ©enuffe«  bon  SSrot  unb  SBein  unb  bc«  burd^  ben  (Stauben  »ermittelten  bon 
2eib  unb  Slut  (Sl^rifki.  Srot  unb  SBein  finb  „ftd^tlid^e  Scid^en  ber  unftc^tbaren  ®nabe", 
eingefe^t  „jum  ©ebäd^tni«  ßl^rifti",  nämlid^  j|u  einem  „Xroft*,  2)anl-  unb  Siebedgebäc^t« 
ni«".  2)a  ber  ®laube  ber  SKunb  ift,  ber  2eib  unb  Slut  emj)fängt,  lönnen  Ungläubige 
folc^e^  nic^t  emj)fangen.  3)ag  SSrot  mufe  natürliche«  ungefäuerte«  ©rot  fein,  nic^t  Oblaten  lo 
(§ofKen),  bie  nur  ,,©(l^einbrot"  pnb.  2)a«  33rotbredffen  mufe  nac^  bem  Sjemjjel  ßl^rifli 
unb  ber  äl^oftel  ate  „33ilbni«"  bc«  lobe«  6^rifK  beibehalten  Serben,  ©r  toill  jtoar 
niemanb  mit  ©etoalt  ju  fold^er  Slbminiftration  be«  älbenbmabld  anbalten,  giebt  aber  ben 
Untertl^anen  ju  bebenfen,  ob  e«  befjer  fei  „S^fto  ober  bem  Sintie^rip"  }u  folgen,  d)  2)ie 
Se^re  t>on  ber  ©nabentoa^l  ift  einer  ber  aUertrdftlic^ften  SCrtilel,  benn  er  fagt  un«,  bafe  15 
„®ott  au«  })urlauterer  ®nabe  unb  Sarm^erjigleit  ol^ne  aKe«  SSerbienfl,  e^e  ber  SSBelt 
®runb  gelegt  \oax,  gum  etoigen  Seben  Derorbnet  unb  au«ertoäl^lt  babe  aKe,  fo  an  S^riftum 
beftonbig  glauben".  ;;ffiie  er  fie  bon  Stoigfeit  geliebet,  alfo  fdyenft  er  au4  il^nen  au« 
lauter  ®naben  ben  re^tfd^affenen  toa^en  ®lauben  unb  Iräftige  Seftänbigfeit  bi«  an^ 
@nbe."  „^n  fagen,  ba^  ®ott  propter  fidem  praevisam  etlid^e  au«ertoö^lt  f)Qb^,  ift  20 
|)elagianifd^."  ,,urfad^e  ber  @ünbe  unb  be«  äSerberben«  ift  allein  bei  bem  @atan  unb 
in  ben  ®ottlofen  }U  fuc^en,  tDeld^e  toegen  ü^e«  Unglauben«  berftogen  toerben."  „3)er  "SiaU 
fd^lu^  ber  SSertoerfung  ift  nic^t  ein  absolutum  decretum,  fonbem  gefd^ie^t  um  i^e« 
Unglauben«  toillen."  6«  ift  fc^toierig,  biefe  3[u«fagen  ju  bereinigen,  ©c^lie^id^  erllärt 
er,  bafe  er  jtoar  biefer  Se^re  al«  ber  fdbriftgemäfeen  in  feinem  J^erjen  genugfam  berjtd^ert  26 
fei,  er  aud^  nic^t«  Siebere«  toünfd^te,  al«  ba^  ®ott  feine  Untert^anen  mit  bem  Sid^t  ber 
unfehlbaren  Sa^l^eit  erleud^ten  tDoOte;  aber  ber  ®laube  fei  nic^t  jebermann«  ^ing,  ba« 
^  toerbc  er  niemanb  öffentlid^  ober  ^eimlid^  toiber  feinen  SBiUen  ju  biefem  Selenntni« 
gtoingen,  fonbem  tooKe  ben  itur«  unb  Sauf  ber  SBa^rl^eit  ®ott  allein  befehlen.  @r  be< 
fe^le  aber  emftlid^,  ba^  alle,  toeld^e  bie  ftreitige  9teligion«fad^e  nid^t  berftünben  ober  nod^  90 
nic^t  genug  barin  informiert  toären,  fid^  be«  Softem«  unb  ©d^mäl^en«  toiber  bie  „Ortho- 
doxos  etReformatos",  bie  man  ge^äfftg  ,,calbinifc^"  nmnte,  gönglidb  entl^alten  foOten. 
(©^mbolifd^e«  Slnfe^en  erlangte  biefe  Conf.  Sig.  fortan  bei  ben  Sieformierten  in  ben 
öftlic^m  ieilen  be«  branbenb.^jjreuf;.  ©taatc«.) 

%xoii  biefer  6rllämng  ging   er  boc^  auf  bem  ffiege   einer  ,,3leformation"  feine«  35 
Sanbe«  junäd^ft  toeiter  fort.    6r  fc^ritt  jur  Äonftituierung  eine«  „Äirc^enrate«",  ju  bejfm 
^räftbentm  35Jolf  3)ietric^  bon  Siod^oto  am   11.  guli  1614  emannt  tourbe.    ^ie  neue 
^e^örbe  foOte  al«  Organ  be«  iturfürften  fein  9leformation«red^t  im  Sanbe  au«übm.  ©ie 
follte  allem  toel^ren,  „toa«  bm  Sauf  unferer  toal^m  SReligion  berl^inbern  möd^te";  bor 
aDem  follte  fie  auf  bie  Slnftellung  bon  ^crfonen  „reiner  Sefre"  Sebadjt  nehmen.  Sjamen  40 
unb  Orbination  atter  ®eiftlic^en  follte  nur  nod^  in  fjranffurt  gefd^e^m  unb  le^tere  nur 
folc^en  erteilt  toerben,  toeld^e  „unfer  (^riftlic^e«  ®lauben«belenntni«,  reformierten  Äate« 
(^i«mu«  unb  Äirc^enorbnung  beloben  unb  banac^  il^re  ?Prebigm  ju  birigierm  angeloben" 
tbürbm ;  bur(^  Sieber«  fottten  fie  ba«  @bift  bom  24.  gebmar  anerlennen.    SSor  allem 
follte  in  granffurt  fein  ^rofeffor  angeftellt  toerben,   „ber  unferer  d^riftlic^m  Sieligion  46 
ge^äfftg   ober  h)iberft)enftig"   h)äre.     3)ie  3tbfid{>t  toar,  burd^   bie  ©ttj)enbiaten  an  ber 
^oadi^im«t^aler  ^ürftenfc^ule  unb  ber  ^ranlfurter  Uniberfttät  ben  6albini«mu«  in«Sanb  ein« 
gufül^m.  etliche  ©tijjenbiaten  tourbcn  fogar  nad^  $eibelberg  jum  ©tubium  gef^idft.  gn 
balante  ^farrftellm  tourben  calbinifc^  geftnnte  ©eifüic^e  eingefc^obm. 

(Sine  Slnnäl^emng  ber  ®eiftli^m  an  feine  ^nfd^auungen  hoffte  3.  ©.  burd^  ein  60 
9leli9ion«geft)räc^  ju  erreichen.  2lm  21.  ^uni  lub  er  bie  lutl^erifd^en  ®eiftlid^n  bon 
Serlm  unb  Äöln  ju  einem  folc^en  bor,  mit  ber  (Srlaubni«,  aud^  nod^  anbere  märfifc^e 
®eiftlic^e  mitzubringen.  3)ic93erliner  boltm  fid^  in  SBittmberg  Slat  unb  bege^irtm  barauf 
Sorlabung  fämtlic^er  geiftli(^en  ^nf>)eItoren  (©ujjerintenbentm)  ber  3Jlarf.  3)a«  aef(^al^, 
unb  fo  follte  am  3.  DItober  auf  bem  ©d^loffe  bie  2)i«j)utation  ftattpnben.  Slbra^m  66 
©cultetu«  toar  bon  il^m  baju  auf«  nm^  na^  Serlin  bemfm  toorbm.  3)er  ®eneral5 
fujyerintmbent  ^elargu«,  ber  bon  3lmt«h)egcn  jefet  al«  ffiortfti^rer  ber  Sutl^eraner  ^ätte 
l^ortreten  muffen,  fc^ü^te  Äranl^eit  bor  unb  blieb  an^.  3lod)  einmal  beduc^tm  bie 
SBerliner  ®eiftlic^m,  ben  gefürd^tetm  9lcbefamj>f  ju  bcrtagen,  ba  bie  QAi,  um  fxd)  mit  ben 
3nf)>e(toren  }u  bef^rec^en,  gu  lurj  bemeffen  fei.    3lber  bie«  ®efuc^  tburbe  abgefc^lagm.  go 


336  Sigidnittiib 

Gdetd^tool^I  toteber^olten  {te  ben  SSertagung^ntrag  nod^  in  legtet  @tunbe,  h>urben  aber 
toicbcr  abgetDtefen ;  ebcnfo  blieb  eine  Petition  ber  @tönbe  )u  @unften  be^  älnttaged  ber 
©eiftlic^en  unbcrüdfid^tigt.  ©o  erfc^ienen  am  3.  DItober  45  märfifc^c  3nfj)cItoren  unb 
Pfarrer  bor  bem  Äurfürften  unb  feinem  ©ruber.    2)er  Jlurfürft  befc^toerte  ficl^  \>ox  i^nen 

5  über  ba«  Säftem  unb  3Serbammen;  er  toäre  bereit  bon  feiner  Sleligion  abmtrcten,  toenn 
er  au^  ®otted  3Bort  überfül^rt  toürbe.  ^lägüd^  lautete  bie  9(nttDort  ber  ^orgelabenen : 
fte  fc^euten  fid^  in  beutfd^er  S^rad^e  über  biefe  tl^eologifc^en  Sachen  )u  ber^nbeln,  bie 
bod^  lateinifd^er  lermini  bebürften;  pe  berftänben  fid{>  nic^t  aufd  Di^utieren,  unb  ba 
ber  Äurfürft  au^länbifd^e  Ideologen  l^be  fommen  laffen,  fo  möge  er  aud^  für  fic  au^ 

10  tDörtige  lut^erifd^e  Xl^eologen  atö  i^re  SBortfül^rer  julaffen.  ®ie  feien  ftc^  übrigen^  nid^t 
betou^t,  gefc^mä|t  ju  baben.  3)araufl^in  fteQte  ber  jlurfürft  ba^  angefagte  SoOoquium 
ein  unb  ber))fli(^tete  fte  nun  imä)  ^anbfc^lag  auf  bie  Beobachtung  bed  @bift^  bom 
24.  gebruar  (©c^mibt  III,  20  ff.). 

2)ie  ßoffnung  ber  (Seiftlic^en  berul^te  jefet  auf  bem  (Singreifen  ber  ©tänbe.    liefen 


16  l^atte  ber  Kurfürft  auf  il^e  SSorfteOung  ^in  ]d(|on  am  28.  3Jlör)  bie  3ufage  gegeben,  er 
tooUe  i^re  Oetoiffen  „unberftridft  unb  unbeirrt"  laffen,  toobei  er  fic^  freiließ  nic^t  ^tte 
berfagen  tonnen,  i^nen  borjurüden,  ba^  bie  unberönberte  Slug^b.  Jtonfeffton  „ben  ab- 
fd^eulic^en  unb  gotte^läfterlic^en  ©d^toarm  ber  ^ajjiftifc^en  3!ran«fubftantiation  gutl^eifee", 
bafe  bie  Äonlorbienformel  ba«  Söerl  be«  „ehrgeizigen  ^Pfaffen"  ^atob  Änbreä  getoefen,  bafe 

ao  Sut^er  nod^  „fel^r  tief  in  ber  ginftemi«  bc«  ^ajjfttum«  geftedt"  unb  feine  äbeubmaJ^fe 
leiere  nic^t  bom  ^l.  ®eift,  fonbem  bom  Jtarbinal  älliaco  gelernt  ^be.  3(te  nun  aber 
anfangt  1615  bie  ©tänbe  )u  neuen  ©elbbetoiHigungen  nac^  93erlin  berufen  tpurben,  be^ 
fd^toerten  fie  fid^  emftlic^  barüber,  ba^  i^nen  berbäd^tige  ^rebiger  ie^t  aufgebrungen 
toürben,  forberten  unberbäc^tige  Sutl^eraner  an  ben  ©d^ulen  unb  ber  Unibetfität  unb 

26  toeigerten  fu^,  5ßelargu«  aU  einen  lut^erifc^en  ®eneralfu{)erintenbenten  anjuerfennen.  (Sr 
foBe  toenigften«  befragt  toerben,  ob  er  noc^  am  Äonlorbienbuc^e  feft^olte.  S)er  Äurfürft 
antwortete  am  22.  Januar,  bafe  er  bon  feinem  (Slauben  nid^t  laffe,  auc^  toenn  fie  ü^m 
bie  geforberten  Selber  bertoeigerten.  3^r  @ifer  für  bie  SReligion  fei  (Sott  mißfällig,  ba 
fte  bie  Invariata  ut  ^od^  ftellten.    (Sr  fönne  boc^  nic^t  $elargu«  barum  abfd^affen,  ba^ 

80  er  ein  3)2ann  beiS  Rieben«  fei.  9(ber  bie  ©tänbe  ruhten  ni$t.  ©ie  berlangten  bom 
Äurfürften  bie  (Smeuerung  unb  93eftätigung  ber  frül^er  uim  ©c^u^  be«  Sut^ertum«  er^ 
teilten  SReberfe  unb  ba«  Serfj)red^en,  feine  berbäd^tigen  $rebiger  ben  ©emeinbcn  aufju^ 
brängen,  ba«  Äonfiftorium,  bie  ®eneralfut)erintenbentur,  bie  Uniberfttät  unb  bie  gürftenfd^ulc 
mit  Sutl^eranem  ju  befe^en.    ^elargu«  foHe  ftd^  bi«  Dftem  über  feine  SRedJtgläubigleit 

86  au«toetfen.  ä(l«  fte  jum  biertenmal  il^re  gorberung  toieber^olten,  er!annte  ber  Jtur^rft, 
bafe  er  nad^geben  muffe,  unb  erllärte  nun  (5.  gebr.,  ©d^mibt  IV,  10  f.),  bafe  „ein  jeber 
im  Sanbe,  ber  ba  tooUe,  bei  Sut^er«  Seigre  unb  ungeänberten  ä(ug«b.  Äonfefflon,  au(^ 
bei  bem  Äonforbienbucb  berbleiben  foBe".  (5r  betonte  jtoar,  bafe  er  nac^  bem  Siechte 
aSoBmad^t  ^abe,   eine  Sieligion  einjufül^ren,   aber  auf  bie  2lueübung  biefe«  Siechte«  ber= 

40  wd^ten  looBe.  Unb  abermal«  erteilte  er  am  G.gebruar  benSReber«  (bei  ©d^mibtlV,  14  f.), 
oafe  er  ber  lutl^erifd^en  SReligion  „il^ren  freien  ®ang  unb  Sauf  ol^ne  allen  3*^ö**0  w"^ 
2)rang  ber  (Setoiffen"  gönnen  looBe. 

©leid^loo^l  gingen  bie  Serfud^e,  ba«  reformierte  93elenntni«  burc^  aBerlei  Singriffe 
ju  beförbem,  junäc^ft  noc^  loeiter.    2)er  Äird^enrat  fe^te  feine  Il^ätigteit  fort,  3Kar!graf 

46  Sodann  ®eorg  riet  feinem  Sruber,  bie  ©taat«bel^örben,  befonber«  ben  (Sel^eimen  Slat, 
bor  aBem  aber  bie  2anbe«uniberfität  unb  bie  gürftenfd^ule  nur  mit  Sieformierten  ju  be- 
fe^en.  3n  ber  2:^at  liefe  ftd^  ber  Äurfürft  bie  ©tatuten  ber  granffurter  Uniberfttät  ein^ 
reid^en,  ftrid^  ^ier  betreff«  ber  tl^eologifc^en  ^rofefforen  bie  JJerjjflic^tung  auf  bie  Formula 
Concordiae,   ba  ba«  Ubiquität«bogma   ein   „jämmerlid^er  Setrug  ber  Äir(^c"  fei,  ba« 

60  ^er  er  niemanb  mit  biefen  ,,moiistrosae  opiniones''  belaften  tooBe,  unb  erflärte: 
,,Sufficiat  schoHs  et  ecclesiis  nostris  iuxta  Biblla  sacra  et  Symbola  atque  CSonf. 
Augustanam  corpus  doctrinae  a  Philippe  traditum  (bgl.  93b  IV,  294),  ad  cuius 
normam  ecclesiarum  et  scholarum  professores  et  ministri  sese  componanf' 
(17.  2luguft  1616).    3m  2)oItoreib  blieb  ^toar  bie  Conf.  Aug.,  aber  bie  Form.  Ck)iic. 

66iourbe  geftric^en;  ftatt  ber  Sertoerfung  ber  Sacramentarii  tourbe  je^t  bie  ber  Ubiqui- 
tarii  eingefe^t  (Slften  unb  Urfunben  III,  76.  80).  2)aburc^  toar  bte  Sanbe«uniberfttät 
il^re«  reinen  lutl^erifc^en  ß^aralter«  berluftig  gegangen;  unter  ben  neu  angepeilten  ?ßro^ 
fefforen  befanben  fid^  fortan  aud^  reformierte,  Rüffel  tourbe  bon  granffurt  jum  D.  theol. 
bromobiert.    2)er  Äird^jenrat  ful^r  fort,  reformierte  ©eiftlid^e  an  lutl^erijc^e  ©emeinben  ju 

60  fe^en,  ^elargu«  orbinterte  in  feiner  {!^ieben«liebe  auc^  reformierte  @ei|tli4ie.    Stuf«  muc 


eigidmttttb  337 

tücnbeten  fid^  bic  ©tänbc  1616  mit  einer  fc^r  cmftcn  SSorftcHung  an  ben  ßurfürften, 
forberten  für  il^rc  Äonfeffion  ben  t)er|t)roc^enen  ©c^u^,  bie  Sefeitigung  be^  abtrünnigen 
unb  unbeftänbigen  ^elargu^  unb  bie  Sefteßung  ^jeblid^er"  Sutl^eraner  ju  ©uberinten= 
benten  unb  ^aftoren.  $ie  gro^e  3Jlcngc  bcr  ©eiftlic^en  rüftete  ftc^  ju  entfc^icbenem 
aSiberftanb  ge^en  bie  Steuerungen  unb  ertüiberte  bie  angriffe  auf  il^re  Seigre  unb  i^re  5 
ßeremonien  mit  bitterer  unb  gel^äffiger  ^olemif  gegen  ben  6atoini«mui§.  ^\xi)  ber 
©täbtetag  (^ebr.  1617)  befd^Io^  eine  2)et)utation  an  ben  Äurfürften,  umfu^  über  bieSScr* 
getüaltigung  ber  lutl^erifc^en  Äirc^e  ju  befd^meren.  Slngefid^t^  biefer  Haltung  be^  Sanbe^ 
entf(^Jo|  [x6)  ber®el^eime  9lat  am  23.  3Jlärj  1617,  bem  in  ÄönigeJberg  toeilenben  Äurfürften 
über  ben  @mft  ber  Sage  Serid^t  ju  erftatten.  3)a«  gange  Sanb  ftel^e  in  biefer  Bad)^  toiber  10 
ben  Äurfürften  unb  feinen  SRat.  SBoHe  man  bie  Slufregung  ftiHen,  fo  möge  man  ben 
Äirc^enrat  toieber  abfd^affen,  benn  bie  Hoffnung,  „bie  Sieligion"  im  ganjen  Sanbe  ein« 
jufül^ren,  fei  gu  fd^anoen  geworben.  3ln  be«  Äird^enrat^  ©ebote  unb  3Serbote  lel^re  fic^ 
fein  3Kenfd9,  aufeerbem  ^abe  ber  ^räfibent  öon  Slod^oh)  fein  Slmt  ju  feiner  J)edönlic^en 
93ereid^erung  übel  mifebrauc^t.  3)emgemäfe  tourbe  ber  Äird^enrat  1618  aufgelöft  unb  15 
bamit  ba«  „SWeformationgtoerl"  in  ber  5)larf  eingefteHt.  Jrok  mand^er  Unllarl^eiten  be« 
Sefenntnigftanbe^  blieb  bod^  bie  lut^erifd^e  Äirc^e  in  ber  5DcarI  erl^alten;  ber  Äurfürft 
blieb  mit  feinem  Selenntni^iüec^fel  fo  jiemlid^  allein.  3)ie  2)omlirc^e  freilid^  mürbe  mit 
reformierten  §of))rebigem  befefet.  ©d^on  am  30.  SJlärj  1615  tDurben  Silber  unb  SlrujifiEe 
unb  beibe  SHtäre  au^  if)x  entfernt,  ein  SJorgang,  ber  ju  einem  Solfötumult  in  93erlin  20 
2lnla|  gab.  Übrigen^  blieb  ber  lut^erifc^e  Äofiprebiger  5Küller  bi^  an  feinen  lob  im2)ienfte, 
unb  bie  ©dE>loyaj)elle  biente  je^t  ben  lut^.  ©liebem  ber  Jpofgemeinbe  al^  Äirc^e.  SSgl.  5R.  SKüÜer 
S.  104.  200f.  351  f.  ©onft  bilbetenfid^  nur  fj)ärlid^e,  jum  2^eil  nur  fümmerlid^  befte^enbe  re« 
formierte  Oemeinben,  befonber^  an  benDrten,  too  furfürftlid^e  ©d^löffer  ftd^  befanben.  3)ie 
Äurfürftin  felbft  famt  il^ren  Zbd^ttm  blieb  bem  lut^erifd^en  Sefenntni«  treu  (©d^mibt  26 
I,  25;  II,  11);  fie  ftarb  1625  mit  ber  le^ttoilligen  ©rJElärung,  ber  calbinifd^en  Seigre 
f einb  leben  unb  fterben  ju  looHen.  Iro^bem  fj)rac^  bei  ber  Überführung  i^rer  Seid^e  nad^ 
Königsberg  ber  reformierte  §of})rebiger  ^ol),  33ergiu«{  an  il^rem  ©arge  unb  beloieS  babei, 
bafe  bie  reformierte  Seigre  bie  redete  fei. 

©c^loierigleiten  bereitete  bem  Äurfürftcn  fein  ÄonfeffionSmed^fel  im  ^erjogtum  ^reufeen.  ao 
Um  bie  Unterftü^ung  be«  ^olenfönigS  gegen  bie  angriffe  Der  Sut^eraner  auf  bie  Slefor^ 
mierten  ju  erlangen,  mu^te  er  biefem  in  fat^olifd^en  fragen   entgegenfommen,   unb  fo 
liefe  er  eS  gefc^e^en,   bafe  ber  Äönig  am  10.  ^vlx  1616   auS  bem  Corpus  doctrinae 
Prutenicum  (S5b  IV,  295),   f>)cjiell   auS  ben   ©d^malfalbijd^en  2lrtileln,   alle  für  bie 
fatj^olifdj^e  Äir^e  em>)finblic^en  ©teilen  auömerjen  liefe.    S)ie  jjreufeifd^en  ©tänbe  erhoben  35 
gegen  3-  ®-  ben  Sortüurf,  bafe   er  burd^  Slnna^me  be«   reformierten  SelenntniffeS  bic 
gunbamentalgcfe^e  beS  §ergogtumg  berieft  l^abe.     2)em  geaenüber  toagte  er  in  feiner 
^nttüort  Dom  29.  3Kai  1617  nur  [\6)  auf  fein  Siedet  gu  berufen,    in   feinem   eigenen 
„©aale"  im  ©c^lofe,  aber  nid^t  in  loco  publice  reformierten  ®otteSbienft  fid^  l^alten  ju 
laffen.    2)ur(^  biefe  feine  ^ritoatgotteSbienfte  merbe  ber  Äonfeffionöftanb  be«  SanbeS  ni^t  40 
im  minbeften  geänbert.    2ln  biefem  ©tanb>)unft  ^ielt  er  feft  aud^  gegen  ben  König  Don 
^olen,  ber  jene  ©otteSbienfte  in  ber  ©d^lofefa}>elle  boc^  als  öffentliche  SluSübung  einer 
neuen  SReligion  betrad^ten  toolltc.    ßr  fonnte  eS  aber  nid^t  ber^inbern,  bafe  ber  Sanb^ 
tagSrejefe  öom   5.  Sluguft  1617   erneut  fc^arfe  Seftimmungen  gegen  bie  Sieformierten 
erliefe,  bie  als  ©törer  ber  öffentlichen  Stulpe  ju  be^anbcln  feien.    Rnx  S)orbrec^ter  ©^nobe  46 
1618  eingelaben,  looBte  3-®-  f^i"^  3:^eologen  ^elarguS  unb  SJ.  S3ergiuS  bort^in  fenben; 
aber  beibe  entjogen  fic^  burc^  mand^erlei  ©rünbe  biefem  Sluftrage;   ber  toal^re  ©runb 
i^rer  SBcigerung  mar,  bafe  fie  ber  Sc^re  ber  ©omariften  nid^t  beitreten  fonnten.    2)en 
Sefc^lüffen  ber  ©^nobe  mürbe  ^emad^  bon   branbenburgifd^er  ©eite  nic^t  miberfjjrod^en, 
fie  erl^ielten  ^ier  aber  a\x6)  feine  ©iltigfeit  (©c^mibt  II,  18-  III,  6 ff.;  oben  93b  IV,  799).  eo 
infolge  eines  ©c^laganfallS,  ber  i^n  im  ^wni  1618  traf,   fa^   fxi)  X  ©.  genötigt,  am 
22.  9lot)ember  1619  bie  Slegicrung  an  feinen  ©ol^n  ©eorg  SBil^elm  abzutreten.    SBenige 
SlBod^en  barauf,  am  23.  ^De^ember,  entfc^licf  er  (9iä^ereS  f.  bei  ©c^mibt  I,  27  f.).  güffel 
^ielt  il^mam  3.Dftober  1620  bei  ber  Überführung  berSeid^e  inS  Erbbegräbnis  im2)ombie 
®ebäd^tniS})rebigt.  2ln  bemfelben  S^agc  t^at  3«>^ann  SergiuS  baS  gleiche  bor  bem  bamalS  66 
in  ^reufeen  befinblid^en  Jpoflager.    2)er  ScfenntniStoed^fel  3-  ®-^  ""*>  ^^  '^^^^  l>wrd^  bic 
5Kac^t  ber  Ser^ältniffe  aufgcbrängte  ä^er^ic^t  auf  fein  territoriales  9leformationSredE>t  ^at 
feinen  9JadSifolgem  ben  UnionSgebanlcn   nahegelegt,  ber  feitbem  fird^lid^e  3^rabition  ber 
J^o^enjoDem  getoorben  unb  geblieben  ift. 

S)er  ÄonfeffionSloe^fel  öeranlafete  eine  faft  unüberfel^bare  ©treitfd^riftcnlitteratur.  eo 

KeaUiSnc^nopable  fttr  ^^cologie  unb  ßixäft.    8.  ».  XVIII.  22 


338  (gigidmttttb  (gUneßtr  t.,  $a)ifl 

Änicbc  ^at  in  bcr  anöcfü^rtcn  Sd;rift  allem  für  bic  ^ai)XQ  1613—1619  2:31  ©c^riftcn 
bicfcr  3lrt   genau  öerseic^net.     3tufeer   ©ebicfc  beteiligten   fid^   lutl^erifd^erfeit«  Sconbarb 

tutter,  §oe  Don  C)o^"<^00/  ^^iebric^  ä3albuin  unb  biele  anbcre  geringeren  9Jamen^  an  ber 
ontroi>erfe.    Sieformicrterfeit!^  fäinj)ftc  man   faft  nur  in  anonymen  Streitfc^riften,    al^ 

5  ,,£ieb^aber  be^  gricben«^  unb  ber  ®a^r^cit".  it^  ift  üblid^,  babei  bie  Sutl^eraner  toegen 
i^rer  ©rob^eit  unb  i^rer  mafelofen  SJerläfterung  ber  ©egner  al^  bie  eigentlichen  Stören- 
triebe  ^u  betrachten;  ah^  e^  barf  boc^  ni^t  Dergejfen  Serben,  bafe  l^icr  bie  reformierte 
^IJartei  bie  ber  Angreifer  toar,  bie  no^  baju  unter  ber  ®unft  be^  Äurfürften  i^re  ^i>ox' 
ftö^e  machte,  unb  ba^  gerabe  bie  laf tif,  i^re  Se^rtüeife  al^  bag  t)om  ^at)i«mud  gereinigte 

10  iJutl^ertum  ^in;\uftellen  unb  fic^  in  beffen  33efi^ftanb  einjubrängen,  unb  bie  2lrt  unb  SKeife, 
toie  fic  fic^  aU  „bie  bon  ber  Sieligion"  gebärbeten,  eine  ftaric  ©ntrüftung  auf  bcr  @egen= 
feite  berüorrufen  mufete.  3:^eotogifc^  toar  ber  ©treit  DöHig  unergiebig.  aSJenn  Seonfyarb 
^utter  feinen  „Calvinista  aulico-politicus  alter"  bamate  aulgc^en  liefe  (SBittenbcrg 
1614),  fo  traf  er  bamit  eben  jene  Äirc^enjjolitif,  bie  unter  bem  äJortoanbe,  ba^  Sut^ertum 

16  reinigen  ju  motten,  fic^  in  jeinen  Äirc^en  feftjufe^en  öerfuc^te.  &.  Statotxan. 

®iJ|oti  f.  b.  31.  älmoriter  33b  I  S.  459,45. 

(Bila»,  SUnamiö  f.  b.  21.  ^ au luig  33b  XV  ©.  80,  co. 

©tltimutS,   ^^C^jft,   536—537.  —  Vita  Silverii  im  Lib.  pontif.  9lu§g.  n.  SKommien 

I,  @.  144;  Liberati  brcvianum  causae  Nestorianorum  et  Eutychianorum  c.  22;  ^vocopiuo, 

20  De  belle  Gothico  I,  25;  ^a^6  I,  S.  115;  Söomcr-SRambact»,  lluport^.  ^liftorie  bcr  römifd)eii 

$äpfte  III;  öJregoroüiuö,  C^efcf).  bcr  @tabt  diom  II;    ^cfclc,  (5onciUcnge|(ftic^te  II;  Sangen, 

®efct)icf)te  ber  ront.  toct}e  1885,  8.  341  ff. 

©iberiu^  tDar  ber  ©o^n  be^  ^ajjftcig  §ormi^ba^.  ©ein  furjer  ^ontififat  fiel  in 
bie  3<^i^  ^^  Äämpfe  be^  oftrömifd^en  SReic^e^  mit  ben  (Soten  unb  bcr  ©treitigfcitcn  um 

26  bie  ®eltung  beö  (S^alcebonenfe.  6r  üerbanfte  feine  (Sr^ebung  bem  ©otenfönige  2:beobat, 
ben  er  nacl>  bem  33eric^t  beö  Lib.  pont.  burc^  ®elb  für  ft^  getoann;  eine  orbentlicbc 
3äai}l  fanb  nic^t  ftatt;  ber  lag  feiner  Drbination  ift  ber  8.  ^\xn\  536.  3)urc^  bic  balb 
barauf  erfolgenbe  Sanbung  Selifar^  in  ijtalien  unb  beffen  rafc^e  ßrfolge  hjurbc  bieiiagc 
beö  ^ajjfte^  ^öc^ft  fc^toierig.    9^un   trat  ber  ©c^ü^ling  be^  ©otenfönige  in  3Scrbinbimg 

somit  bcmgelbl^erm^uftinianiS;  im  6ini)erftänbnii§  mit  i^m  befc^te 33elifar  am  9. S^ej^cmbcr 
536  Stom.  2lber  bie  3?erbinbung  \mx  nic^t  bon  3)auer.  ©iltoeriuö  nalj^m  bie  Äaiferin 
Il^eobora  baburc^  gegen  fic^  ein,  bafe  er  ber  SBiebcrcinfc^ung  be^  Don  feinem  iNorgänger 
ägapet  geftür^ten  $atriard^en  3lnt^imuö  (f.  S3b  XIII  ©.393,  39  ff.)  Sffiibcrftanb  Iciftetc; 
er  fud^te  be!?l;alb  hjieber  eine  ©tü^e  an  ben  ®oten.     ^tnn  man   fann   faum   5h?eifcln, 

36  bafe  er  fid^  in  gcbeime  Unter^anblungen  mit  93itigi^,  bem  5Zac^folgcr  S^^cobat«,  einlief, 
um  il^m  bic  ©tabt  in  bie  ijänbe  ju  f))iclen,  bercn  I^ore  eben  crft  auf  feinen  antrieb 
ben  ©ried^en  geöffnet  toorbcn  toaren.  S^ax  crflärt  ber  33iograJ)^  bc^  ©ilDeriu^  biefe 
älnflagc  für  faljc^;  cbenfo  auc^  Siberatu^  in  feinem  33ret)iarium.  3lbcr  fic  ift  an  fic^ 
nicbt  umoabtfc^einlid;:  bcr  ^apft  mocbtc  l^offen,  unter  gotifc^cr  §crrfdE>aft  leichter  an  bem 

40  (Sbalccboncnfc  fcftbaltcn  .^u  fönnen,  al^  unter  griecbifd;er,  unb  Regierungen  j\u  ben  ©otcn 
battc  er  ja  bereite;  bcr  "Jortfc^er  be^  ^Biarccttinuö  (Someö  berichtet  fic  al^ i^atfac^c,  unb 
^^roco^),  !^iberatuö  unb  ba^  $aj)ftbuc^  jcigen  ipcnigftcn^,  bafe  bcr  SScrbac^t  allgemein  »ar. 
J^clifar  hielt  i^n  für  gegrünbet,  bcnn  im  "DJfärj  537  entfette  er  ©iltocriu^  be^  ^ontifif at^ 
unb  fanbte  ibn  alö  33töncb  in  bie  SJerbannung  nai)  ^atara  in  Speien,   ©ein  9lac^folger 

46  tourbc  iUgiliu'^,  bcr  fic^  burc^  3Jacl>giebigteit  in  ber  bognmtifc^cn  Jf'^agc  bie  ©unft  bcr 
Äaiferin  erlauft  battc.  'JJadE»  einiger  $üi  h)urbc  ber  ^rojefe  gegen  Silt)eriu«  toicber  auf= 
genommen;  man  brachte  i^n  nad^  Italien  ^urüdE:  aber  ba^  6nbc  toar  eine  jtücitc  3Jcr= 
urtciluug,  er  lourbc  nac^i  bcr  ^n]d  $ontiä  im  t^n^enifd^cn  9Rcerc  t>ertt)iefcn.  §ier  ift 
er  gcftorben;  bae  ^obcöjabr  ftcl;t  nicht  feft.  ^and. 

50  ©ilücpcr  I.,  "]iap]i,  314—335.  —   SSertlofe  :öiogra^f}ten  im  Lib.  pontif.  I,  S.  47 

bcr  ^JCuvJq.  u.  9JZümmien.  im  Sanetuarium  be^  3Jlombritiu^  II,  931.  279  unb  bei  Suriuö,  V. 
Sanct.  ^oj.  e.  368;  ^ü]i6  l,  8.  28  f. ;  fiipfiuö,  e^ronolüftie  b.  rom.  SBifc^öfe  @.  259;  S)öningcr, 
<lJap)*tfabeIu  2.  ^Jlufl.,  8.  Ol  ff.;  3BeiIanb,  &orjcl)ungen  XIV,  6.467;  Dgl.  b.  9lrt.  fionftant. 
Sdicnfuug  ^b  XI,  3.  1  ff. 

65  ^)n  bic  3cit  bc^  ^oniifitatö  ©ilücftcr^  I.  fättt  ba^  tDid^tigftc  ßrcigni^  bcr  ©efc^icbtc 
bcr  alten  S\\xd)c:  bcr  Jyricbcnefd^lufe  jioifc^icn  bcni  römifd^cn  ©taat  unb  bem  6l(^riftcntum 


burd^  bcn  Übertritt  Äonftanting,  fäKt  bcr  Slnfang  bcö  arianifd^cn  unb  be«  bonatiftifd^en 
Streit«.  Slirgenb«  aber  tritt  ©itoeftcr  mitl^anbelnb  l^ertjor.  6rft  bie  römifd^e  ^apftfagc 
l^at  i^n  in  Se^ie^ung  ju  Äonftantin  gefegt;  ba«  einzige,  toa«  über  feine  Seteiligung 
am  arianifd^en  ©treite  belannt  ift,  ift  bie  burd^  ßufebiu«  (Vit.  Const.  III,  7)  bezeugte 
S^atfad^e,  bafe  er  einige  römifd^e  ^reöb^ter  al«  ©ejanbte  jum  nicänifc^en  Äonjil  f^itfte,  6 
tüä^renb  er  felbft  ^(d  vrJQag  ferne  blieb.  3lud^  auf  ber  ©i^nobe  bon  Slrlei;  War  er  nur 
burd^  eine  (Sefanbtfc^aft  vertreten  (Mansi  II,  476);  bie  S^nobe  teilte  i^m  i^re  SSe* 
fc^Iüffe  mit,  aber  nic^t  jur  SBeftätigung,  fonbem  jur  2)anac^ac^tung  (quid  decrevimus 
communi  consilio,  caritati  tuae  significamus,  ut  omnes  sciant,  quid  in  futurum 
observare  debeant,  ©.  471).  lo 

9lad^  bem  Catalogus  Liberianus  begann  ber  ^ontifilat  ©ilöefter«  am  31.  ^^nuar 
314  unb  reid^te  er  bi«  31.  SDejember  335.  ^otiif. 

©tlHeptr  II.,  ^at)ft,  999—1003.  —  Sittcratur:  Oeuvres  de  Gerbert  par  A.  01- 
leris,  eiermont  1867;  Lettres  de  Gerbert  p.  p.  J.  Havel,  $ari«  1889,  MSL  SBb  139;  Opera 
mathematica  ed.  ^l,  ^ubnoü,  93crlin  1899;   unter   bcn   ^iftorifc^cn  ©Triften  bcS  10.  3a^r=  iß 
^unbcrtä  fmb  für  ®erbert  am  loic^tigftcn  bie  ^iftonen  feincä  @(^ülcr«  SHid)er,  bcr  W6nS)  im 
$Rcmigiu«!Ioftcr  in  9l6cim«  war.    ©ocf,  ©crbcrt  ober  $apft  ©ilücftcr  II.  unb  f.  3Q^r^.,  1837 ; 
SSübingcr,  Ucbcr  ©crbcrt«  ioiifcnfd)aftIic6e  unb  polittfc^c  ©teflung,  1851 ;  Scrncr,  ®crbcrt  üon 
^uriQac,  1878 ;    S(^ulte6,  ?apft  ©ilDcfter  II.  al§  Sc^rcr  unb  @taat§monn,  Hamburg  1891 ; 
bcrf.  in  b.  ?lbS3;    ^icaDct,   Gerbert,    un   pape  philoeophe  d'apr^  Thistoire   et    d'apr^s   la  20 
legende,  $ari8  1897;  Sair,   Etudes  critiques  I,  (5.  94  ff.,  «Paria  1899;  ed^Iocfroerbcr,  Unter- 
fuc^ungen  jur  S^ronologie  ber  S3ricfe  ®crbcrt§,  ^allcl893;   SBubnoi),  5)ic  Briefe  Herberts  alS 
l^ift.  ducflc  (ruffifcb),  3  SBbc,  ^etcröb.  1888—90;  ®icfebrccf)t,  ®efcf)ic^te  bcr  bcutfc^en  Äoifcrjcit 
I,  5.«ufr.  1881;    Silman«,   3a^rbü(6er   beö   beutfc^cn  SRcic^ä  unter  Otto  III.,  1840;    fiuy, 
6ilt)efterö  II.  einflufe  auf  bie  ^olitif  OttoS  III.,  SBreSIau  1898;  6cpct,  Gerbert,  et  le  change- 25 
ment  de  dynastie  (Rev.  des  quest.  bist.  VII f.,  1869 f.);  Ui)Uxi,  So^rbb.  b.  bcutfc^cn  SRcIc^e 
unter  Otto  II.  u.  III.,  1.  SBb  1902;  3Battcnbocb,  3)cutf(^I.  ©cf^icfitäqucacn  1.  336,  7.9luf(.  oon 
Xixmmkx  1904,  @.  460 ff.;   Saimoun,  $olitif  ber  «Päpfte  II,  1869;  ®rcgorooiu«,  ®cfd).  ber 
©tabta^om  im3)l9(.  III,  4.9tufI.1890,  6. 447 ff.;  ü.SRcumont,  ®ef*.  ber  @tabt9Rom  II,  1867; 
.{löflcr,  3)ic  beutfc^cn^äpfte  1,1839;  ^efcle,  6onciUengefcij.,IV,  2.$(uff.,  1879;  9tcuter,  öJefd).  30 
ber  rclig.  $(uf!lfirung  im  ^?l.  I,  1875;  «ßrantl,  ©cft^ic^tc  bcr  fiogi!  II,  ©.53,  1861;  92agl, 
Herbert  unb  bie  9?cct)cnfunft  bc§  10.  Sa^rl^unbcrt«,  ©©"31  1888,  S3b  116,  @.  861;  ^Seifeenborn, 
öJcrbert.  »citr.  jur  ^cnntni^  ber  ^at^emotif  be§  ^91.,  «erün  1888;    berf.,  8ur  (A)ejd)id)tc 
ber  (Sinfü^rung  ber  iefiflcn  Siff^^*^  ^"^^  Herbert,  S5erfin  1892;    ßantor,   SJorIeJungen  über 
(iJef*.  ber  3Rat^em.  1.  33b,  2.?lufl.,  ©.  797;  5)üainqcr,  ?5apftfabeln  beö  m^^.,  1863;  ©d^ulteft,  35 
^ic  ©agen  über  ©ibefter  IL,  Hamburg  1893. 

2)a^  ©eburt^ja^r  ©erbert«  ift  unbefannt;    ba   er  fic^  afe  ©rjbifc^of  bon  Slatjenna 
(998—999)  al«  alten  ?Kann  fd^ilbert  (ep.  208  nac^  ber  gä^lung  Don  §at)et),  fo  mufe  er 
toor  950  geboren  fein,    ba   aber  Stierer  i^n  970   nod^  alg  adolescens  unb  iuvenis  be« 
jeid^net  (Hist.  III,  43  f.),   fo   !ann  man  mit  bem  STnfa^  feiner  ©eburt^jeit  nic^t   über  40 
ba«  ^af)x  940  jurüdEgel^en.   ©eine  §eimat  ift  bie  Slut^ergne,  toietteid^t  bie  ©tabt  3luriIIac 
(2)et).  Gantal),  beren  Senebiftinerflofter  er  fc^on   alö  Änabe  übergeben  mürbe:   er  blieb 
auc^  alö  3Kann  in  SSerbinbung  mit  bem  3lbte  ©eralb  (geft.  986)   unb  mit  beffen  "ilad)- 
folger  Slaimunb:  ba^Älofter  inSlurittac  betrachtete  er  aU  feine  Jpeimat  (togl.  bcf.  ep.  194). 
§ier  luurbe  er  juerft  in  Da«  SBiffcn  ber  3^'^  eingeführt,   l^ier  murbc   man  auc^  atebalb  45 
auf  fein  ^erborragenbe«  S^alent  aufmerffgm.    2)ie  3lnh?efen^eit  be«  fj)anifc^en  2)uE8orett 
im  Älofter  (um  967)   gab  Slnlafe   jur  Überfiebelung  ©erbert«  nac^  ©jjanien.    2Bar  ber 
Unterricht  in  SluriUac  in  erfter  Sinie  grammatifd^,  fo  boten  fic^  i^m  in  (Bpanim,  beffen 
geiftige«  2eben  burc^  bie  Serü^rung  mit  ben  Slrabem  angeregt  unb  befrud^tet  toar,  reichere 
Silbung^mittel  bar :  an  bem  SBifc^of  §atto  bon  23id^  in  ßatalonien  fanb  er  einen  Se^rer,  50 
ber  ben  ©runb  ju  bem  matf^ematifc^en,   aftronomifc^en  unb   mufifalifc^en  ®iffen   legte, 
ba«  i^m  fj)äter  ben   ^öd^ften  Su^m   gebracht   ^at.     2tber  nur  ben  2)ienft   einer  ^open 
©c^ule  leiftete  il^m  ©Jjanien  (bgl.  and)  ep.  24  u.  25);   feine«  Sleiben«  toar  nic^t  bort, 
fein  ©efd^idt  führte  in  h)eiter  nad^  9lom.    ^n  ber  Segleitung  be«  S3ifd^of«§atto  fam  er 
970  an  ben  i)äi)ftlic^en  §of.    ©eine  Äenntniffe  in  ber  3lftronomie  unb  ?!Kufif  nal^mcn  55 
ben  ^apft  3io^ann  XIII.  für  i^n  ein;  er  emj)fal^l  il^nDttob.  ©r.    ©0  tüurbe  bie  folgen- 
reiche aSerbinbung  ©erbert«  mit  bem   fäc^fifd^en  Äaifcr^aufe  angebahnt.    2)oc^  aud;  ber 
2lufentf|alt  in  SRom  toar  nur  eine  @j)ifobc  in  feinem  2eben;   noc^   reijte   i^n   nic^t  bcr 
2)ienft  ber  ©rofien  unb  ber  9?er!el^r  mit  i^nen,    fein  ©inn  ftanb  nac^  3Biffen:  bcr  bia= 
leltifcJ^e  5Ru^m  eine«  SR^eimfer  ärc^ibiafonu«  ©.,  bcr  al«  ©efanbter  Äönig  Sot^ar«  üon  go 
granfrcic^  bamal«  nac^  SRom  lam  (i^crmutungen   über  feinen  9tamen  bei  Sübingcr  unb 


340  eUnefitr  n.,  ^ap^ 

unb  ^ranll,  bgl.  aud)  ^icabct  S.  40),  bciüog  i^n,  fid^  an  i^n  anjufc^Iiefecn  unb  ibm  na(^ 
SJ^eim«  ju  folgen,  um  fid^  in  feiner  ßunft  untermeifen  ^n  laffen  (6nbe  972  ober  Snfang 
973,  toeil  üor  bem  2:obe  Ctlo^  I.,  ögl.  ep.  187  unb  Stid^.  III,  45).  S«  ^Hlj^eim«  aber 
traf  er  ben  Mann,  ber  me^r  ate  irgenb  ein  anberer  beftimntenb  auf  fein  Seben  einge^ 
5  loirft  l)at,  ben  erjbifdj^of  3lbaIbero.  Sifc^of  einer  franjöftfc^en  Stabt,  aber  S^rö^Iing 
einer  lotl^ringifc^en  gamilie,  f}atk  er  fein  Siötum  burc^  ben  ßinflufe  Dtto^  b.  ®r.  erlangt, 
unb  i^m,  loie  feinem  So^ne  unb  ßnfel,  toar  er  mit  loanbellofer  Ireue  ergeben.  6r 
fül^lte  fid^  minbeften^  ebenfofe^r  ate  ^ürft  toie  al^  Sifd^of,  in  ben  Jjolttifc^en  3)ingen 
loar  er  biel  unb  mit  ®lücf  tf^ätig.    Ginem  5Kanne  be^  großen  öffentlichen  Seben^  trat 

10  ber  6c^üler  ber  SJBiffenfc^aft  fomit  naf)^;  e^  fonnte  nic^t  fel^len,  bafe  fein  beweglicher  (Seift 
baijon  einen  ginbrucf  emjjfing:  ber  toiffenfc^aftlici^e  SRu^m  blieb  nicpt  ba«  einjige  ^h^ai 
©erbertg;  e^  erl^ob  [xi)  baneben,  barüber  bie  Suft  an  einer  großen  ©tettung. 

3unäc^ft  beftimmte  i^n  Slbalbero  nic^t  nur  ju  lernen,  fonbem  ju  leieren;   er  unter= 
toie^,  loie  in  ber  5Dlat^ematif,  fo  auc^  in  ber  neu  erworbenen  Äunft  ber  2)ialeftil,  toobl 

16  bamafö  bereite  mit  bem  ©ebanf en  fic|  berul^igenb,  ben  er  fj)äter  einmal  au^fprad^ :  SBir 
lehren  toa^  Wir  Wiffen,  unb  Wa^  Wir  nic^t  Wiffen,  lernen  Wir  (ep.  44).  Slic^er  (III, 
46—54),  teilt  ben  ©tubiengang  mit,  ben  er  einfielt:  er  erllärte  in  feinen  SSorlefungen 
©d^riften  berSllten;  ben  beginn  machte  er  bem  §erIommen  gemäfe  mit  ber  Sf^goge  be^ 
^orp^^riug  (bgl.  ^rantl  II,  ©.  7);  e«  folgten   bie  Äategorien  be«  äriftotele^  unb  ba^ 

2oSud(i  negl  igfÄtivElag,  alle«  natürlich  in  lateinifc^erÜberfe^ung;  bann  bie  ^^opif  ßicero« 
unb  eine"3lnja^l  logifc^er  ©c^riften  be«  SBoet^iu«.  Site  35orbereitung  jur  Sil^etori!  Würben 
bie  Dichter  gelefen:  SSirgil,  Qtaim^,  ^iereng,  ^w^^nöl,  5ßerftu«,  §oraj,  Sucan;  nac^  bem 
rl^ctorifc^en  Unterrid^t  übergab  ©erbert  feine  ©d^üler  einem  2)il>)utator,  bamit  fie  bei 
il^m  fic^  ©d^lagfertigleit  unb  ©eWanbt^eit  im  Wortgefecht  aneigneten.    ®ie   e«  fc^eint, 

26  Würben  —  tva^  für  bie  ßntftel^ung  ber  fc^olaftif^en  5Ket^obe  bemerlen^Wert  ift  — 
Sled^t^fälle  be^anbelt.  Slic^er  fagt:  in  contro versus  exercjerentur;  controversia 
aber  ift  terminus  technicus  für  ben  Sle^t^faH.  2)en  älbfc^lu^  be«  Unterricht«  bilbeten 
bie  bier  matl^ematifd^en  gäd^er:  Slritl^mctil,  5Kufif,  Slftronomie  unb  ©eometrie.  Slic^er 
erjäf^lt,  bafe  (Serbert  mit  glül^enbem  ßifer  bei  ben  ©tubien  geWefen  fei;  auc^  fein  mec^a-- 

80  nifc^e«  (Sefc^idf  lam  i^m  ju  ftatten:  er  rife  feine  ©d^üler  jur  93eWunberung  ^in  burcb 
Anfertigung  Don  allerlei  aftronomifc^en  ^nftrumenten.  ©o  ftieg  nid^t  nur  bie  ^a^l  feiner 
©d^üler:  auc^  fein  Slu^m  erfüllte  balb  Wie  granheic^,  fo  2)eutfd{>lanb  unb  Italien,  ßr 
berWidfelte  il^n  in  ein  gelehrte«  lumier  mit  bem  ©a^fen  D^trif,  ber  bi«  furj  Dörfer 
Seiter  ber  9JJagbeburger  2)omfc^ule  geWefen  War.    6«  Würbe  in  SRaöenna  in  ©egenWart 

a«-,  Äaifer  Otto«  II.  au^gefod^ten  (980).  "^aö^  Slic^er«  »eric^t  (III,  56—65)  enbete  e«  febr 
el^rentJoH  für  ©erbert,  ber  bon  bem  Äaifer  reid^  befd^enft  nac^  granlreid{>  ^urücHe^rtc. 
SDoc^  Wa^rfc^einlic^  ift  bie  le^tere  5Wad^ric^t  irrig,  Wie  Stierer  auc^  aufeerbem  über  ba« 
©efpräd^  Unmöglid^e«  berichtet:  er  berlegt  e«  noc|  unter  Otto  b.  ®r.'  Unb  foHte  ©erbcrt 
auc^  Wirflic^  üon  9lat)enna  na^  granfreic^  jurüdtgefel^rt  fein,  fo  löfte  fid^  boc^  balb  fein 

40  SSer^ältni«  ju  S^eim«.  3)enn  in  biefer  3cit  erhielt  er  t)on  Dtto  II.  bie  Slbtei  Sobbio  bei 
$at)ia.  3)a«  Sa^r  fte^t  nic^t  feft.  3)a  ©erbert  »obbio  im  ©pätjobr  983  berliefe,  mufe 
er  bie  2lbtei  fpäteften«  älnfang  bieje«  3a^r«  erhalten  \)abm.  3)ie  3Serlei^ung  fann  aber 
anä^  in  ben  3tu«gang  be«  bor^ergc^enben  ^a^x^^  fallen  (Dgl.  ep.  19).  2)er  quondam 
scholasticus,  Wie  fic^  ©erbert  al«  aibt  Wo^l  bejeic^net,  trat  bamit  ein  in  bie  ^Rei^e  ber 

i:»  ©rofecn  be«  9teic^«:  nic^t  nur  bie  3}erWaltung  be«  Älofterbefi^e«  lag  i^m  ob,  er  mufetc 
auc^  in  ben  politijc^en  35tngen  ©teßung  nehmen,  Partei  ergreifen.  Sie  berühmte  Stifs 
tung  be«  ^1^^"^^^^^  ßolumba  War  überau«  reic^  begütert  in  ganj  ^^^^^^^^^  (®P-  12 :  Quae 
pars  Italiae  possessiones  beati  Columbani  non  (K)iitinet  ?) ;  aber  bie  ©üter  Waren  ^um 
großen  Xeil  bem  Älofter  entfrembet,  biejDlönc^e  litten  gerabe^u  5Rot  (ügl.  bef.  ep.  2).  Die 

6)Semü^ungen  ©erbert«,  ^ier  SBanbel  m  f(^affen,  ni^t  minbcr  feine  3:reue  gegen  ben 
Äaifcr,  matten  feine  Sage  äu|erft  fcpwierig:  ^n  Weld^em  2^eile  Italien«,  jammert  er 
balb,  l^abe  ic^  nic^t  geinbe'^  meine  Sraft  ift  ben  Gräften  Italien«  nid^t  geWac^fcn  (ep.  12, 
bgl.  ep.  5).  (Sr  Würbe  feiner  ÜBürbe  niemal«  fro^ ;  fein  frühere«  Seben  bünite  il^n  t>er= 
lorene  ^rei^eit  (ep.  1:   Gerbertus  quondam  über)   unb   er  Wünfc^te  fid^,   lieber  in 

65  Äranlreic^  allein  arm  gu  fein,  al«  in  Italien  mit  fo  t^ielen  2lrmen  ju  betteln  (ep.  2). 
3)er  Xob  Dtto«  II.  (7.  Dej.  983)  brachte  i^n  tooUenb«  gur  SerjWeiflung:  Ätrc^e  unb 
©taat  fd^icnen  i^m  bom  Untergange  bcbro^t,  jeber  fernere  ffiiberftanb  gegen  bie  Italiener 
bergcblic^  (ep.  16).  ©o  fam  er  ju  bem  öntj^Iufe,  au«  Sobbio  ju  Weid^en;  er  platte  ba« 
Älofter  im  §erbft  983  bcrlaffen  (ergiebt   [xd)  au«  ber  Urf.  Dtto«  III.  bom    1.  DIt  998 

'-»  Dipl.  III,    ©.729,    'Jlr.  303:    abbatia    per  XV  annos   viduata),    unb    fic^   nac^ 


eUnefÜtr  II.,  ^ap^  341 

$at)ia  begeben;  im  Dcjember  entfc^lofe  er  fic^,  ftatt  in  feine  Slbtei.jurücf^uf eieren,  nac^ 
^ranheid^  ju  gelten  (ep.  16  ögl.  91);  er  entjog  ftd^  bamit  ber  5Roth)enbigfeit,  in  9Ser= 
llanblungen  mit  ben  ^einben  beö  Äaiferö  einjutreten  (ep.  92). 

©ein  S33eg  führte  i^n  jurtirf  nao)  Sl^eim^,  ju  ben  Stubien,   bic  er,   eine  ^c\t  lang 
unterbrochen,  nie  Dergeffen  ^atte  (ep.  16),    „ju  ben  füfeen  ^d^ten  ber  freien  Sünfte"  6 
(ep.  92).    ®r  fammelte  eine  möglic^ft  reid^e  SSibliot^el  (ep.  44),  trat  h)ieber  ate  2e^rer 
auf  unb  fanb  babei  ben  früheren  Erfolg;  aber  trofe  aller  Siebe  ju  bem  toiffenfc^aftlid^en 
Seben,  nur  scholasticus  tooHte  unb  fonnte  er  nidpt  toieber  fein;  bie  3lbtei  SBobbio  aufs 
zugeben,  fonnte  er  fic^  nic^t  entfd^Iie^en,  ja  Wa^  il^m  borf^er  nur  mie  eine  Saft  erfc^ien, 
tüurbe  i^m  je^t  toertboH  (ep.  34) ;   er  bürftcte  nac^  einer  neuen  firc^lic^en  ©teHung,  ber  lo 
Äaiferin  3:i^eo)5^ano  lie^  er  fic^  für  irgenb  einSi^tum  emj)f eitlen  (ep.  117).  Unb  au^  ju 
einer  ruf^igen  Se^rt^ätigfeit  gelangte  er  nid^t  toieber;   ate  ©efretär  Slbalbero^  tourbe  er 
2^eilne^mer  an  beffen  j)oIitif(^er  Il^ätigfeit.  2)er  ©rjbifd^of  Don  SR^eim«  betoie^  ftd^  in  biefen 
für   bie  §errfc^aft  Dtto^  III.   gefal^rbollen  ^a^xm  aU  ein  überaus  toic^tiger  93unbe^s 
genoffe  be^  laiferlic^en  Äinbe^ ;  fein  3^^^  ^^^f  Sotl^ringen  il^m  gu  erl^alten,  bie  3lbftd^ten  i5 
.§einridE>g  Don  Saiern  unb  bie  gntriguen  Sot^ar«  bon  granlreic^  m  bereitein.    ©erbert 
biente  il^m  babei  mit  feiner  ftetö  getoanbten  geber  (ijgl.  bie  ja^lreicpen  SSriefe  ex  persona 
Adalb.  26 f.,  29 f.,  36  u.  a.).    ^m  einzelnen  ift  ber  ©egenftanb  ^ier  nic^t  m  Verfolgen; 
auc^  ift  ©erbert  babei  faum  ettoaö  anbere^,  al^  ber  Vertraute  SDiener  unb  ©e^ilfe  feine« 
J^erm,  ber  beffen  3lnorbnungen  au^füf^rte.    SBar  ba«  Slugenmert  ber  SRfieimfer  $oIitifer2o 
^unäc^ft  auf  bie  beutfc^en  33er^ältniffe  gerichtet,  fo  bod^  nic^t  au^fd^liefelid^ :  balb  tourben 
bie  franjöfifc^en  2)inge  noc^  toic^tiger  alg  bie  beutfc^en.  3)er  3:ob  Sot^ar«  (2.  3Rärj  986) 
unb   lurj  barauf  ber  feine«  ©o^ne«  Subloig  V.  (22.  5Wai  987)   betoirfte   eine  toic^tige 
aSenbung  in  granlreic^:  befonber«  burd^  ben  (Sinflufe  Slbalbero«  tourbe  unter  Serle^ung 
be«  (Srbred^t«  ber  lotl^ringifd^en  Äarolinger  $ugo  6aj)et  auf  ben  franjöfifc^en  J^ron  er=  25 
^oben  (1.  3iuni  987);   aud^  babei  toar  ©erbert  mittoirfenb;   nid^t  of^ne  eine  getoiffe  SBe« 
triebigung  erjäl^lt  er  ba«  ©erebe  feiner  ©egner,  bafe  er  Äönige  abfege  unb  ergebe  (ep.  163  b. 
989).  IDlit  bem  neuen  Äönige  ftanb  er  in  freunblic^en  Sejie^ngen ;  auc^  für  i^n  fc^rieb  er 
einzelne  ©riefe  (ep.  107,  111,  112  \),  987  unb  988),  feinen  ©o^n  SRobert  jäl^Ite  er   ju 
feinen  ©^ülem.    Um  fo   ungünftiger  freiließ   geftaltete  fid^  fein  SSer^ältni«  ju  ^erjog  so 
Äarl  bon  Sotl^rtgen. 

3lm  23.  Si^nuar  989  —  toenn  bie  getoöl^nlic^e  annähme  richtig  ift ;  nac^  Sair  990 
—  ftarb  (Srjbifc^of  2lbaIbero;  ©erbert  burftc  erwarten  unb  l^atte  gehofft,  bafe  er  ba« 
33i«tum  SRbeim«  erhalten  toerbe  (ep.  152);  aber  er  tourbe  übergangen.  §ugo  dap^t 
beranlafete  bie  S33a^I  3lmulf«,  eine«  illegitimen  ©o^ne«  be«  Äönig«  Sot^ar;  fo  fuc^te  er  85 
bie  Äarolinger  ben  diaub  ber  Ärone  üergeffen  ju  mad^en.  ärnulf  leiftetc  i^m  ben  (Sib 
ber  2^reue,  \pklU  bann  aber  Sl^eim«  feinem  Df^eim  Karl  bon  Sot^ringen  in  bie  §änbe ; 
c«  bauerte  nic^t  lange,  bi«  er  offen  auf  be«  ^erjog«  ©eite  trat  (Stierer  IV,  25 ff), 
©erbert,  ber  cine3€it  lang  bebenflic^  in  ber2^reue  gegen  $ugo  gefc^toanf t  ^atte  (ep.  164  f., 
Gnbe  989  tjgl.  ep.  172),  erllärte  fid;  bann  boc^  gegen  Slmulf  (ep.  178)  unb  begab  fxä)  40 
an  ben  ©of  §ugo«  (ep.  172). 

2)iefer  l^atte  atebalb  nac^  ber  ginna^me  ber  ©tabt  burc^  Äarl,  al«  2lmulf  no(^ 
unfc^ulbig  fd^ien,  eine  SW^eimfer  3)iöcefanf)^nobe  in  ©enli«  abflauen  unb  bie  ©tabt 
mit  bem  3"^^^^^^/  ^*^  Verräter  bc«  8ifc^of«  mit  bem  Sänne  belegen  laffen  (Act. 
conc.  Rem.  14).  5Wac^bem  nun  aber  an  ben  2^ag  fam,  ba^  2lmulf  felbft  ber  33er-  46 
räter  toar,  forberte  er,  bafe  JS^^ann  XV.  gegen  i^n  einfc^reite  (ib.  24);  ba«  gleiche  Sßer^ 
langen  fj)rac^en  bic  Sifc^öfe  be«  SJ^cimfer  ©j)rengel«  au«  (ib.  25).  Unb  man  toartete 
ba«  j)äj)ft(ic^e  Urteil  nic^t  ab:  aJ«  Äarl  unb  3lmulf  bur(^  üßerrat  in  bie  ©etoalt  be« 
Äönig«  gefommen  toaren,  liefe  er  eine  ©^nobe  in  ber  Safilifa  be«  ^l.  Safolu«  bei  Sl^eim« 
^ufammentretön  (17.  u.  18.  3uni  991),  um  über  ben  gefangenen  @rjbifd^of  ju  rid^ten.  so 
Ginen  au«fül^rlic^en  Seric^t  über  biefe  3Serfammtung  geben  bie  bon  ©erbert  rebigierten 
Acta  concilii  Remensis  ad  s.  Basolum.  35a  ber  ^^riefter  3lbalgar,  ber  bem  |ierjog 
fiarl  bic  I^ore  üon  5R^eim«  geöffnet  ^atte,  al«  ^^^9^^  ^'^'^^^  feinen  33ifc^of  auftrat,  fo 
War  beffen  ©(^ulb  rafc^  fonftatiert;  e«  fragte  fic^  nur,  ob  man  toagen  hjürbe,  ein  Urteil 
über  il^n  gu  fällen.  3luf  ber  St;nobc  gab  e«  eine  9Jlinorität,  loelc^c  bie  Berechtigung  65 
^ierju  beftritt;  fie  beftanb  au^  ben  bcibcn  3lbten  Somulf  bon  ©cn«  unb  3lbbo  bon 
^leur^f  unb  bem  Sc^olaftilu«  ^o^annc«  bon  Slu^erre;  fic  ftü^tc  fic^  auf  ben  )3feubo= 
tfiborifc^en  ©a$,  bafe  3lnflagen  gegen  Sifc^öfc  bor  ba«5orum  be«^a|pfte«  gcl^örtcn,  unb 
forberte  bemgemäfe  bie  Sleftitution  Sirnulf«.  6«  läfet  fid;  nun  nic^t  bcl^aujjten,  bafe  bie 
93if(^öfe  ymm  ©aJ  ^feuboifibor«  ^)rinjij)iell  leugneten,  obglcidji  i^nen  bie  Erinnerung  an  eo 


342  Sitoeper  IL,  ^^ 

ba^  SSerl^altcn  ber  Sffrilancr  gegen  bic  ?18äj)ftc  3«>finiu«  unb  Sontfa^  tarn;  fic  urteilten 
bielme^,  bafe  i^m  burd^  bic  ©(^reiben  an  ^o^^nn  XV.  ©enüge  gefd^e^cn  fei,  unb  fie 
fteüten  bic  93e^aut)tung  auf,  bafe  ba«  ^ojjfttum  fic^  in  einem  ^uftanbe  fo  tiefen  aSerfaflö 
befinbe,  bafe  bic  Äinl^c  fid^  nid^t  an  ba^felbc  unb  feine  Siedete  gebunben  l^alten  tonne.  3)ie 

6  fül^nften  Söortc  f)at  naä^  ©etbert«  Script  babci  ber  gül^rer  ber  ©l^nobc,  ämulf  öon 
Drl^n^,  gcfl^roc^en;  er  c^aratteriftcrte  bic  legten  römif^en  $ä^fte,  „biefe  monstra  i)on 
a){enfc^en,  öoÜ  allcö  Sc^mä^lid^en  unb  o^nc  eine  Bpux  ber  Äenntni«  göttlicher  unb 
menfd^Iid^er  2)inge".  2Bofür  ^abc  man  einen  folc^en,  auf  erl^abenem  3:^rone  fifeenbcn, 
in  J)uq)umem  unb  golbenem  ©ctoanbc  ftral^Ienben  3Jlenfc^en  ju  l^alten:   „3Jlangeft  il^m 

10  bic  Siebe  unb  ift  er  aufgeblafcn  blofe  burc^  ba«  SBiffen,  fo  i|t  er  ber  Slntic^rift,  ber  im 
Xtmptl  @otte«  ft^t  unb  ful^  ^i^gt,  ate  toäre  er  (Sott.  3f*  ^  ^^  ^^'^^  i"  ^^  2i*^ 
gegrünbet  noc^  burd^  ©rienntni«  erl^oben,  bann  ift  er  im  2;em>)el  (Sottet  gleid^fam  eine 
©tatuC;  ein  ©ö^cnbilb,  t)on  bem  änttoort  begehren  einen  SJlarmorblodE  fragen  ^ei^t." 
2)er  frangöfifc^c  Sj)ifIoj>at  öere^re,  toie  er  bon  feinen  35ätem  emt)fangen,  bic  römifc^c 

lö  Äirc^c  in  ber  ßrinncrung  an  ben  3lt)ofteIfürften ;  ol^ne  SBürbigleit  ober  Untüürbigf eit  ber 
?Pä>)fte  ju  (prüfen,  erhole  er  i^re  Scfcpcibe,  toenn  e«  bic  Sage  be«  9leid^  geftatte ;  fic 
mögen  bann  eine  gerechte  ober  eine  ungerechte  SJorfc^rift  geben;  im  erfteren  gatte  toerbc 
SWebe  unb  (SintradJ^t  ber  Äird^en  erl^alten,  im  (enteren  aber  toerbe  man  auf  bedä)>oftel^ 
^udf^rud^  l^ören:   3Scx  euc^  ein  anbereS  @bangc(ium  bertünbigt,  fei   cd  auc^  ein  (Sngel 

30  t)om  ^immel,  ber  fei  bcrfluc^t.  3Kan  toar  cntfc^Ioffen,  öictteid^t  burd^  ben  Äönig  gc- 
;|h)ungen;  ol^ne  9lüdEfid^t  auf  9lom  gegen  3lmulf  ju  tjcrfal^ren.  2)iefcr  fud^te  anfangt  ju 
leugnen,  tpurbe  bann  }u  einem  ©eftönbniffe  genötigt  unb  t)erftanb  fic^,  nad^bem  i^m 
Äönig  §u^o  ba^  2tbtn  jugeftc^ert,  jur  ßntfagung.  2ln  feiner  ©teile  tourbe  ®erbert 
^um  ßr^bifc^of  bon  SRI^eimg  getoäl^lt  (ep.  179).     ©ein   bei  bicfcm   Slnlafe    abgelegte^ 

26  ®Iaubeni§bcfenntni^  ep.  180  ift  faft  toörllic^e  SBiebcrl^oIung  ber  gormel  ber  4.  fart^ag. 
©t^nobc  bon  398  (Srung  I,  ©.  140  f.).  ©clbft  bic  gegen  bic  9)ianid^äer  gerichteten  ©ä^c 
fmb  tüieberl^olt.    ®«  ift  bei  il^nen  alfo  ni^t  an  franjöftfd^c  Äatl^arer  ju  benfen. 

(Serbert  ^tte  ba«  ^\tl  feinet  (Sl^rgeije«  erreiit,  eine  neue,  ^öl^cre  lirc^lic^c  ©tellung. 
Slber  fein  (Srfolg  führte  ju  bem  Unglürf  feinet  Sebend.   S)enn  er  fam  burd^  bic  Slnnal^me 

30  ber  SBal^l  nij^t  nur  in  3^Mi>öIt  mit  Slom,  fonbem  aud^  mit  ben  entfc^iebcn  tirc^Iic^ 
gefinnten  5Dlänncm  S^anircid^^  unb  S)eutfc^Ianbg,  toeld^c  in  ber  Slbfe^ung  Slmulf^  ein 
Unrecht  erblidtten.  (Sr  mufetc  ben  5Bortourf  ^ören,  bafe  bic  Iriebfeber  feinet  SSer^Itenö 
bic  Hoffnung  getücfen  fei,  Slrnulfg  ©teile  ju  erhalten  (ep.  197.  217).  2)od^  t>erlor  er 
ben  9Kut  nic^t.     2)ic  93cbcnfcn  ber  2)eutfd^cn  meinte  er  befeitigen,   gegen  9lom  fic^  be- 

36  ^auj)tcn  JU  lönnen.  SDcm  erfteren  3h)ec(e  biente  nic^t  nur  bic  Sicröffentlic^ung  ber  3Hten 
ber  SRI^eimfcr  ©t^nobe,  fonbem  ®erbcrt  liefe  e«  ftd^  nid^t  Derbriefeen,  in  einem  ©rief  an 
aSilberob  öon  Strasburg  fein  SBer^altcn  einge^enb  ju  red^tfertigen  (ep.  217).  aber  er 
mufetc  crfal^ren,  ba|  bic  berebteften  SBorte  mad^tloiS  fmb  gegen  eingetourjcite  Über^ 
Beugungen;   in  ©eutfc^Ianb  l^ielt  man  baran  feft,  bafe  ba«  Serfal^en  gegen  3lmulf  un= 

40  rcc^tmäfeig  fei;  man  agitierte  bei  bem  ^JaJ)fte  gegen  ©erbert  (SRic^.  IV,  95).  ©agegcn 
ftanben  bie  franjöfifd^en  Sifc^öfe  treu  m  i^m ;  auf  einer  ©^nobe  m  ßJ^cUe«,  992  (?),  bc- 
ftimmte  er  fic  ju  einem  Sefc^Iufe,  ber  Partei  für  i^n  ergriff,  fclbft  auf  bic  ©cfai^r  eine^ 
Srud^e^  mit  bem  ^a>)fte  (9lic^.  IV,  89:  Placuit  quoque  sanciri,  si  quid  a  papa 
Romano  contra  patrum  decreta  suggereretur,   cassum  et  irritum   fieri,  iuxta 

4r>  quod  apostohis  alt :  Hereticum  hominem  et  ab  ecclesia  dissentientem  penitus 
devita.  Nee  minus  abdicationem  Arnulfi,  et  promotionem  Gerberti  prout  ab 
eis  ordinatae  et  peractae  essen t,  perpetuo  placuit  sanciri).  3Jlan  l^ört  je^t  bic 
lü^nftcn  ^iufecrungen  gegen  9lom  a\x^  feinem  5)lunbe;  er  tücnbet  UnQpmd):  3Ran  mufe 
©Ott  mel^r  ge^or^en  aU  ben  3Jlenfc^en,  gegen  ben  ^^ft;   er  btf^avipttt:  ©ünbigt  ber 

60  $at)ft  an  einem  Sruber  unb  ^ört  er,  öfter  ermahnt,  bie  Äirc|e  nic^t,  fo  ift  er  nac^  (Sottet 
©ebot  für  einen  Reiben  unb  ^öKncr  ju  I^alten;  belegt  er  ben,  ber  il^m  nid^t  beiftimmt, 
bann  mit  bem  33anne,  fo  fann  er  i^n  baburd^  nic^t  bon  ber  ©emeinfcbaft  mit  ß^riftu^ 
trennen  (ep.  192  an  ©iguin  t)on  ©en^  toor  ber  Stta^ener  ©Vnobe  bon  992,  t)gl.  ©.181: 
Concilia  numquam  devitastis,  unbConc.  Mosom.  ©.  ()90:  Causa  synodi  ad  Aquisgr. 

66  palat.  invitasse  et  eos  illo  venire  noluisse).  3lber  ber  ^ann,  auf  biefent 
aWege  h^citerjufc^reiten  unb  bie  Äonfcquenjen  feiner  SBorte  ^u  jie^en,  \oax  ©erbert  nic^t. 
Sodann  XV.  I^attc  tpal^rfc^einlic^  fc^on  991  ben  Slbt  Seo  Don  ©t.  93onifatiu«  in  9lom 
(t>gl.  Ann.  CoL,  Corb.  u.  Bern.  ehr.  3.  992,  Ann.  Weissenb.  j.  993  mit  bem  8f. 
iJeo^  an  Äönig  $ugo  MG  SS  III  ©.  090)   al^  Segaten   nac^  ^ranheic^  unb  2)eutf(^^ 

60  lanb  gefanbt,  um   bie  Ul^eimfer  ©ac^e  ju  unterfuc^en  unb  ju  entfdjieiben.    S)iefer  ^ielt 


eUneficr  II.,  ^apfi  343 

nad^  ÜbcrtDinbung  mancher  ©c^tüicrigfcilcn  am  2.  ^\xn\  095  ju  'ÜWoujon  in  bcr  Si^citnfcr 
2)iöccfc  eine  S^nobc,  ^u  h)elc^er  fid)  jcboc^  nur  Dicr  bcutfd^c  SBifc^öfe  cinfanbcn,  ipä^rcnb 
[xd)  bic  granjofen  auf  änlafe  be«  Äönig«  ferne  hielten.  ®ie  3[}erteibigung^rcbc,  h)cld;e 
©crbert  l^ier  ^ielt,  ift  bereit«  ber  93eflinn  be«  Stücfjug«;  man  ^ört  fein  Slöürt  be^S  3lns 
griff«  auf  SWom,  öielmcl^r  legt  ©erbert  ben  9la(^brucf  lieber  barauf,  bafe  nac^  Stom  be-  6 
richtet  tDorben  fei  unb  bafe  man  18  3}lonate  lang  ijergeblic^  auf  3lnth)ort  gehjartet  i^aU; 
er  gibt  ju,  bafe  bei  feiner  9öa^I  möglic^ermeife  eine  firc^lic^e  3Jorfd;rift  berieft  fein  möge; 
nur  bel^aut)tet  er,  ba«  fei  unter  bem  S^anQt  ber  Umftänbe,  nid^t  au«  übler  Slbfid^t  ge= 
fc^cben.  ßr  backte  offenbar  an  eine  23erftänbigung  mit  5Rom.  3)ie  ^ortfe^ung  be«  3{ücf= 
^ug«  h)ar  e«,  ba|  ©erbert  fic^  ber  Stnorbnung  be«  Segaten,  tüoburc^  i^m  geiftlic^e  3tmt«s  lo 
hanblungen  borläufig  unterfagt  maren,  fügte  (Conc.  Mosom.  ©.  245  ff.  unb  SRic^.  IV, 
1)9  ff.).  3)a  in  äbtoefen^eit  ber  franjöfifc^en  Sifc^öfe  eine  Sntf^eibung  nic^t  gefaßt 
luerben  tonnte,  ^ielt  ber  Segat  am  1.  ^uli  995  eine  neue  ©i^nobe  hja^rfd^einlic^  in  ober 
bei  SR^eim«.  Bpxai)  ©erbert  ^ier,  toenigften«  in  ber  ^Jorm,  toieber  ettoa«  fc^ärfer,  fo 
crflärt  fic^  ba«  barau«,  bafe  er  ber  franjöfifc^en  Sifd^öfe  fic^er  \vax  (Orat.  episc.  habit.  i6 
in  conc.  Gauseio  ©.  251  ff.  Sair  S.  245  erflärt  ba«  rätfel^afte  Causeio  al«  ©c^rcibs 
fehler  für  Varseio  ober  Verseio;  ift  ba«  richtig,  fo  fanb  biefe  ©^nobe  tDieber  in  ber 
Sajolusfird^e  \iatt),  3"  einer  3}erurteilung  fam  e«  nid^t;  ©erbert  bielt  bie  ©ad)Iage  für 
fo  günftig,  bafe  er  ftc^  J)erfönlic^  nac^  Slom  begab,  um  eine  ßntfc^eibung  ^erbeij;ufübren. 
Offenbar  jtoeifelte  er  nic^t,  bafe  fie  gu  feinen  ©unften  auffallen  h)ürbe.  3fea«  ibm  biefe  20 
ßuiJerfici^t  gab,  toar  ^öc^ft  toa^rfd^einlic^  bie  3lnh?efen^eit  Otto«  III.  in  Italien  feit  5JJär|i 
99f):  er  burfte  borau«fe^en,  an  i^m  eine  ©tü§e  ju  finben.  3)ie  2)inge  nal^men  aber 
einen  gan^  unerwarteten  Sauf;  benn  im  äjjril  996  ftarb  5lof|ann  XV.,  i^m  folgte,  bon 
Dtto  erhoben,  ©regorV.  2)er  erfte  beutfc^e  ^aj)ft  mar  erfüllt  bon  ben  '^^ytcn  ber  firc^- 
lid^en  Sieform ;  tro^  ber  SBerloanbtfc^aft  mit  Dtto  III.  fonnte  ©erbertbei  i^m  tDeit  Jc^tocrer  25 
cttoa^  erreichen,  al«  bei  ^o^ann  XV. ;  fc^on  im  5Kai  f^jrac^  ber  $aj)ft  bei  bcr  SBei^e 
§erluin«  \}on  Äamerij!  bon  ©erbert  al«  einem  Sinbringling  (Gest.  p.  Cam.  I,  111. 
MG  SS  VII,  449).  95am'it  l^iatte  er,  genau  genommen,  feine  CSntfc^eibung  fc^on  feierlich 
üerfünbigt.  3luc^  in  granfrcic^  geftaltcte  fid^  -bie  Sage  für  ©erbert  ungünftiger,  inbem 
ber  Segat  bie  greilaffung  2tmulf«  toon  Äönig  Stöbert  erlangte;  feine  Steftitution  fc^ien»> 
fcine«h)eg«  unmöglich;  ©erbert  felbft  fat^  bie  i^erF^ältniffe  je^t  fo  ^offnung«lo«  an,  bafe 
er  bie  3lufforberung  jur  Sücffel^r  nac^  -W^eim«  beftimmt  ablehnte  (ep.  181  ^ü^fommer 
997).  2)aju  tDirfte  nun  freilich  ein  anberer  Umftanb  mit;  ©erbert  fear  in  ein  na^eö 
Jjcrfönlic^e«  33erl^ältni«  ju  Dtto  III.  getreten,  eine  Stellung,  bie  feinem  ®^rgeiäc  toeiterc 
3(u«ftc^ten  eröffnete,  at«  bie  Slücffel^r  nad^  JR^eim«.  Sc^on  bie  Mitteilung  Dtto«  über  35 
feine  Ärönung  (21.  9)iai99C))  an  bie  Äatfer«n)itn)e  3lbel^eib  ift  bon  feiner  §anb  (ep.215); 
balb  ift  er  bauemb  in  ber  Umgebung  be«  jugenblid^en  Äaifer«:  ber  beh)unberte  ©ele^rte, 
üor  bem  ber  Äaifer  fic^  feiner  fäd^fif^en  Slbfunft  beinahe  fc^ämte,  ber  grofee  SJJann,  Don 
bem  er  Sat  auc^  in  ben  fingen  be«  BiaaU^  begehrte  unb  annahm  (ep.  186  b.  997), 
ber  treue  ^reunb,  ben  er  mit  mancherlei  ©unft  unb  ®aUn  überhäufte  (ep.  183  §erbft  -lo 
997).  ©erbert  fonnte  fic^  in  ber  Seh)unberung,  bie  i^n  am  beutfc^en  .sjofe  umftra^tte; 
er  bergalt  fie  mit  fc^mei^el^aftcn  Sobfj)rüd^en  auf  bic  Äatfermac^t  unb  bie  Äaifertaten 
(ep.  183  u.  187),  auf  bie  göttliche  Rlug^eit  Dtto«  (de  rat.  et  rat.  uti,  praef.).  ^n 
Welchem  lonc  er  bon  ber  §eirlic^feit  feine«  SReid^e«  f^rad^,  jeigt  bie  SBibmung  ber  ©c^rift 
de  rationali  et  ratione  uti,  in  ber  toir  ein  2)enfmal  be«  geiftigen  Seben«  am  ^ofc  46 
Dtto«  beft^en :  Unfer,  ruft  er  i^m  gu,  unfer  ift  ba«  römifc^e  SWeid; ;  c«  geben  Äräfte  ba« 
früd^tereic^e  Italien,  ba«  friegerreic^e  ©aHien  unb  ©ermanien,  axiä)  bie  taj)fem  SWeic^e  ber 
©cbt^en  fehlen  un«  nid^t.  Unfer  bift  bu,  ßäfar,  ber  SRömer  Äaifer  unb  Sluguftu«,  ber 
bu,  geboren  au«  bem  eblen  Slute  ©ried^enlanb«,  an  ^errfc^aft  bie  ©riechen  übertriffft, 
über  bie  Slömer  traft  (Srbrcc^t«  gebieteft  unb  beibe  an  ©eift  unb  Serebtfamleit  übenagft.  so 
(S«  ift  ein  oft  gerühmte«,  in  ber  ll^at  fcl^ir  tpcnig  crfreulid^e«  Silb,  ba«  biefer  3?erfe^r  be« 
Äaifer«  unb  be«  ^^ilofo})^cn  bietet:  ber  ßnfel  Dtto«  b.  ©r.  mit  einem  franjöfifc^cn 
©oji^iften  bi«putiercnb  unb  pl^antaftifc^e  $läne  au«benlenb,  toäl^rcnb  ba«  Jteid;  Dtto«  b.  ©r. 
eine«  3J?anne«  bcburfte,  ber  c«  ju  erl^alten  berftanb. 

35od^  ©erbert  lebte  nic^t  fo  gan|\  in  ber  ^^^cube  an  bcr  SSJiffenfd^aft  unb  bem  ^bcal  65 
be«  Steid^«,  ba^  er  feine  ^jcrfönlic^en  ^ntercffcn  babei  bcrgcffen  bättc.  ^^näc^ft  fain  feine 
Stellung  am  $ofe  i^m  im  i^erbältni«  jum  ^^Japft  ^ugut.  aSä^renb  ©regorV.  bic  fran= 
xöfifc^en  Sifc^i^fc,  bic  an  3lntulf«  3lbfe^ung  teilgenommen  Ratten,  auf  einer  ©bnobc  ju 
^4Jabia  (997)  fu«i)cnbierte  (can.  1  abgebrudt  bei  Dlleri«  ©.  545),  tourbe  gegen  ©erbert 
n\d)ti  unternommen,    g«  bauerte  nid;t  lange,  fo  beförberte  ber  Äaifer  feinen  greunb  auf  eo 


344  eUneper  II.,  ^apfi 

baiJ  erjbfetum  Slaöenna;  bct  $aj)ft  erteilte  i^m  am  28.  3lt)ril  998  baö  ^Dtum  (Clleri^ 
©.  547).  ©erbert«  ©etft  toar  betDefllid^  ö^"9/  M  f«>f«>^  *"  ^^^  "^"^  Sage  gu  finben; 
er  erfd^eint  nun  ate  äifdj^of  ber  9lefomtj)artei,  aU  görberer  ber  ^läne  ©regor«  V.  ©c^on 
am  l.yHax  l^ielt  er  in  SRaöenna  eine  ^roöinjialftonobe  ^ur  äfiftettung  getoiffer  5IKifebräiu^ 

5  unb  ©infd^ärfunö  ber  älteren  ürc^Kc^en  Sorfd^riften  (Dtteri«  ©.  257)j  bann  finben  toir 
il^n  auf  einer  ©i^nobe  in  ^aöia,  too  SKafereaeln  jum  ©d^u^e  be«  Ätrc^engut^  getroffen 
tourben  (©et)t.  998,  DHeri«  ©.  261) ;  enblid^  ift  er  2:eilnel&mer  an  ber  legten  römifd^cn 
©^nobe,  hjelc^e  ©regor  V.  ^ielt;  er  unterfd^rieb  bcn  93efc^lufe,  in  toeld^em  fein  el^emaliger 
©d^üler  Stöbert  r)on  granfreic^  loegen  feiner  6^e  mit  bem  Sänne  bebrol^t  toarb  (Mansi 

lü  XIX,  225).  aiber  fo  toenig  loie  einft  in  Jt^eim«  bermod^te  er  nun  in  Stabenna  unge= 
^inbert  ju  loirlen,  er  fanb  SJBiberftanb,  ben  er  nid^t  ju  bred^en  bermod^te  (Vit.  Heriberti  4 
MG  SS  IV,  742) ;  e«  betoie«  fid^  and)  l^ier,  bafe  bem  talentboHen  unb  geloanbten  Sitte* 
raten  ba3  Talent  ju  ^errfd^en  fehlte. 

®r  foDte  ba^  nod^  an  einem  bebeutenberen  ^Ia§e  erfal^ren.    ^m  Februar  999  ftarb 

16  ©regor  V.  unb  im  Wfxxl  b.  3.  folgte  if^m,  erl^oben  burc^  ben  ©influf;  Dtto«  III.,  ©crbert 
ate  ©ifeefter  II.,  ber  erfte  ^^anjofe  auf  bem  })ä))ftlid^en  ©tul^I.  Säeld^e  ©tellung  er  cim 
nehmen  toürbe,  lonnte  nic^t  jtoetfel^aft  fein.  Senn  axid)  ber  sermo  de  informatione 
episcoporum  mit  feinen  Sleformgebanfen  (DUeri^  ©.  269  ff.)  nid^t  t)on,i^m  geilten  ift, 
(f.  u.  3.  54),  fo  belüie«  boc^  fein  SSerfa^ren  gegen  Smulf  bon  Sll^eim^,  bafe  ©ilbefter  IL 

Ä)  (Serbert  bon  St^eim^  nic^t  me^r  lennen  looHte ;  er  verleugnete  feine  35ergangenl^eit,  inbem 
er  bie  Slbfe^ung  3lmulf3  al«  ber  g^fti^^w^w^Ö  Slom«  entbel^renb,  aufl^ob  unb  il^n  bur(^ 
äüieberberlei^ung  bon  SRing  unb  ©tab  al«  ©rjbifc^of  anerlannte  (ep.  IV.  app.) 

Unb  nun  lonnte  ©ilbefter  bem  Äaifer  bie  §anb  (eilten  bei  ber  SJertoirflic^ung  bc^ 
$Ian^,  ba^  9teid^  neu  ju  lonftituieren,  lo^gelöft  bon  feiner  nationalen  93aftö  im  beutfc^ 

25  ajolle.  3"  ^^  2^t  gefd^al^en  ba^in  jielcnbe  ©d^ritte:  bie  ©rünbung  be«  ©rjbi^tum^ 
©nefen  (2;^ietmar,  Chron.  IV,  45)  unb  bie  bamit  gegebene  2o«Iöfung  ber  norböftlit^en 
Äirc^cn  ani  il^rer  Serbinbung  mit  SKagbeburg,  bie  Dr^anifation  ber  ungarifc^en  Äirc^c 
(3:bietmar,  Chron.  IV,  59),  looburd^  ^affau  feinen  3Jlifrton«fj>rengeI  berlor,  tonnten  als 
ßrfolge  betradj^tet  toerben ;  tatfäc^lid^  bienten  fte  freilid^  nur  ber  ©cptoäc^ung  35eutfc^Ianb^ 

»0  unb  ixai^Un  Äaifer  unb  5ßaj)ft  il^rem  unenei^baren  3*^'^  "i^^  "ä^^-  3SoIlenb^  un* 
befriebigenb  geftalteten  fid^  bie  näd^ften  SerJ^ältniffe;  in  2)eutJd^Ianb  toiberftanb  6rjbif(^of 
©iefeler  bon  3Kagbeburg  bem  2)rängen  be«  $aj)fte«  auf  SJBieberl^erftellung  be«  Si^tum^ 
3)lerfeburg  bur(^  at)>)eBation  an  eine  allgemeine  ©l^nobe.  Sluc^  SBiUigi«  bon  3Rain^  ber 
trat  feine  Siechte  auf  ©anber^f^eim  o^nc  biel  9lüdffi(|t  auf  ben  5ßaj)ft  unb  feinen  Segatcn, 

36  unb  er  l^atte  babei  ba«  Soll  auf.  feiner  ©eite  (2:i^angmar,  V.  Bernw.  Uff.  MG  SS  IV, 
764 ff.),  gjid^t  einmal  miteinanber  loaren  ^ajjft  unb  Äaifer  ftet«  einig;  bafe  eö  an  Sei* 
bnnam  nic^t  ganj  fel^lte,  ergiebt  bie  berül^mte  ©c^enlung^urlunbe  über  bie  ac^t  ©raf* 
fc^aften  MG  DI  II,  2  ©.  818  ?Rr.  389  (über  bie  grage  ber  ©d^t^eit  f.  ©idtel  in  ber  Sot= 
bcmerlung  ju  ber  Urfunbe).    Sollcnb«  ber  ^ircue  ber  SRömer  toaren  Äaifer  unb  ^P 

10  niemals  ^d^er;  am  17.  gebruar  1001  mufeten  fte  SRom  berlaffen;  Otto  fyit  bie  ©tobt 
ni(^t  lüicber  betreten,  am  23.  ^anmx  1002  ift  er  in  ^aterno  geftorben.  2)em  ^pe 
gelang  c^  jtoar,  fid^  mit  ben  ^Römern  gu  bertragen;  aber  mit  bem  lobe  Ctto^  hniren 
alle  großen  ^läne  unb  ^h^aU  jergangen,  axxd)  feine  Äraft  loar  gebrod^en,  am  12.  9Rai 
1003  folgte  er  Ctto  im  2;obe  na^. 

46  l^on  ©erbert«  ©d^riften  ift  bie  bialeltifc^e  ©c^rift  de  rationall  et  ratione  uti  bereite 
ertoä^nt;  anbere  ©c^riften  fallen  in  ba^  mat^ematifc^c  ©ebict  (Regula  de  abaoo  com- 
puti;  libellus  de  numerorum  divisione;  Liber  abaci;  Epistola  ad  Adalboldmn 
de  causa  diversitatis  arearum  in  trigono  aequilatero ;  über  bie  Geometria  Gerberti 
f.  ^^iicabet  ©.  80  jf.).    auf  bie  Ideologie  bejüglid^  ift  bie  ©erbert  jugef(^ebene  ©«(nrift 

u)  de  corpore  et  sanguine  domini.  ©ie  bcfc^äftigt  fic^  mit  ber  grage,  ob  ber  eu(^i' 
riftifdjic  unb  ber  l^iftorifc^c  Seib  G^rifH  ibcntifd^  fei.  2)er  SJerfajfer  beanttoortet  fie  in  be- 
ial^cnbem  ©iunc,  erflärt  fic^  alfo  für  bie  Sbeorie  be«  ^afc^afiu«  Slabbert  Sfta  bie  Sm 
nal?mc,  ©erbert  ^abe  biefen  Iraftat  berfeblt,  ift  fc^toerlic^  rid^tig.  2)er  SSerföff«  ^^ 
H)al?rfdl>eiulid^  ein  5Dcutf(^cr  (f.  Ä©.  S^eutfc^lanb«  III,  3.  äufl.,  ©.  319  «nm.2).   ßbenfj^ 

66  toenig  gehört  ©erbert  ber  sermo  de  informatione  episcoporum,  f .  ^orttung  929  If 
©.587  ff. 

©erbertüJ  ©elebrfamfeit  genofe  unter  feinen  3eitgenoffen  ben  ^oc^flen  Stul^m.  3>on 
ber  ©ottbeit  felbft  läftt  ibn  SJic^er  nac^  SRbeim«  gefübrt  loerben,  toie  ein  ftroblenbee 
Vict)t  ^abe  er  burdb  ganii  J^ranfrei*  geleucbtet  (bist.  III,  43).    9lod^  eine  gro^  mi 

m  bigung  brac^^te  i^^m  bie  golgejeit  bar;  feine  SKiffenfc^ft  fc^ien  i^  boÄ  mei^ic^  5KaB 


Stlnefiler  II.,  ^apfi  SiMa  nt^nitam  345 

^u  übcrfteigen,  fic  lonntc  fic  nur  begreifen,  tuenn  ©erBert  ein  ^auUx^  iüar.  3[}gl.  Be^ 
fonbcr«  Wüh.  Malmesb.  Gest.  Reg.  Angl.  II,  167  ff.  Unb  in  ber  %at  läfet  ftd^  nid^t 
bejiüetfeln,  bafe  ©erbert  feine  gelehrten  3«itgenoffen  übenö^te;  ba«  beiüeift  nid^t  nur  ber 
3flu^m,  ben  er  fanb,  fonbem  mel^  nod^  bie  Älar^eit  unb  gielbeit)u|te  ©d^ärfe  bcfjen,  iüa« 
er  fd^rieb,  bie  umfaffenbe  Stnftd^t  öon  SBiffenfd^aft,  ber  man  bei  i^m  begegnet,  ^reilid^  b 
fc^öj)ferifd^  toar  er  fo  tuenig,  ate  irgenbein  5Dflann  biefer  ^t\t  Er  toieber^olte  bie  ©e^ 
bauten  unb  erllärte  bie  ©d^riften  ber  Sllten.  3)od^  man  barf  ©erbert  nid^t  nur  afö 
aRann  ber  SBiffeufd^aft  beurteilen.  Sänge  '^al^x^  toar  er  bolitif^  tbätig,  unb  toenn  nid^t 
feine  Mi,  fo  l^at  um  fo  mel^r  bie  ©egentoart  ben  $olitifer  ©erbert  gerühmt,  l^at 
man  i^n  bod^  einen  Sirtuofen  in  ber  realiftifd^en  ^Politil  genannt.  2lber  ftd^er  mit  lo 
Unred^t.  35enn  Erfolg  ^atte  ©erbert  nur  fo  lange,  afö  er  burd^  Stbalbero  öon  Sl^eim« 
geleitet  tourbe;  bann  öerfül^rte  \i}n  feine  Segeifterung  für  ben  9lamen  be^  Äaifertum«, 
einem  bolitift^en  ^xtk  nad^jutrad^ten,  ba«  unerreid^bar  toar.  35a«  gbeal  „eine«  friebfam 
burd^  Kaifermat^t  unb  ^ai)ftgeh)alt  regierten  ßrbenrunbei^"  tonnte  nur  ein  3Kann  l^aben, 
ber  unfähig  toar,  bie  Äräfte,  bie  in  ber  SBelt  toirften,  m  öerfte^en  unb  ju  beurteilen,  i5 
unb  barum  nod^  unföl^iger,  fte  ju  belj^errfd^en.  9Kan  tput  ©erbert  lein  Unred^t,  toenn 
man  il^n  me^r  für  einen  getoanbten  ^ublijiften  al«  für  einen  großen  SJolitüer  erllärt. 
Unb  er  toar  aud^  in  ber  ^oliti!  nit^t,  toa«  er  überl^aut)t  nid^t  toar:  ein  fefter  unb  flarer 
G^aralter;  abgefel^en  üon  feiner  Segeifterung  für  ba«  Äaifertum  unb  üon  feiner  2;reue 
aegen  ba«  fäd^ftfd^e  §au«  —  ber  einjige  ganj  reine  3^*0  i^  S5ilbe  ©erbert«  —  l^atte  er  20 
feinen  jjolitifd^en  ober  ürd^lid^en  ©tanbj)unlt;  er  tourbe  ein  anberer,  toenn  er  an  einen 
anbern  ^la^  geftettt  tourbe.  35iefer  SBanbel  iüurbe  i^m  möglid^,  iüeil  fein  Ser^alten  ftet« 
bebingt  toar  burd^  egoiftifd^e  aWotiüe,  burd^  jjerfönlid^en  ß^rgeij.  ©ein  ^kl  ^at  er  er^ 
rcid^t;  er,  ber  fxd^  felbft  gelegentlid^  aU  einen  armen  unb  fremben,  toeber  reid^en  nod^ 
toomei^men  SJlann  bejeid^nete  (ep.  217),  na^m  fd^liefelid^  ben  l^ödbften  ^la^  ein,  ben  ein  26 
3J?enfd^  be«  SKittelalter«  eneic^en  tonnte.  2lber  für  SBelt  unb  Äird^e  l^at  er  bort  nid^t« 
geleiftet.  SDer  ^ontifitat  ©ilöefter«  II.  in  ber  ©efd^id^te  be«  ^ai)fttum«  fo  in^alt«lo« 
toie  ber  ber  unbebeutenbften  ^öp\U.  ^auä. 

Stfticper  m.  f.  b.  Strt.  »enebitt  IX.  »b  II  ©.  563, 50. 

©tltita  Sqttttana,   ^il gerin,    um   385.   —    Unter    biefcm,    na^    ben    neucften  ao 
5orf(ftungcn  nt(^t  mc^r  jutrcffenben  ©titfitüort   foH   über   bie   unter  ber  ©ejeic^nung   Pere- 
grinatio  S.  Silviae  Aquitanae  ad  loca  sancta  berül^mt  gctoorbcne  SReifc  in«  §ciltgc  fianb  c^e- 
^anbelt   unb   einige  Sf^otijen    über   toeitcrc  ©allfa^rt^bcnc^te   beigefügt  werben.    SÄan  finbet 
bicfc  Seridjtc  am  bcftcn  herausgegeben  bei  $.  feiger,  Itinera  Hierosolymitana  saec.  IV — VIII 
(CSEL  Vol.  XXXIX),    SSien  1898.    3)ie  ^ier  gemachten  fiittcraturangaben   finb   wicber^olt  30 
unb  eraänjt  bei  ^JK.  ©cftanj,  ®efd)ic^te  b.  röm.  Sitteratur,  4..  21.,  ^Künc^en  1904,  365  f.   3m 
JJüIgcnocn   toerben   folcfte  Eingaben   nur   be^üglidj    ber  Peregrioatio   gemacht.    ?lu« gaben: 
3»  U'  ©amurrini,    8.  Hilarii  tractatus  de    mysteriis   et   hymni  et  S.  Silviae  Aquit.  pere- 
griDatio  ad  loca  sancta;    acc.  Petri  Diaconi   liber   de    locis  sanctis,    Rom.  1887  (2.  üerb. 
Su«g.  1888;    ital.  Uebcrf.  Don  ®.  3R.,  ^ail  1890);  3.  «ßomialom^h)  (mit  ruff.  Uebcrf.  unb  40 
.^omm.),    Petersburg  1889;    3-  -&•  3Jcrnarb    (mit   englifc^er  Ucberfc^ung    unb  Kommentar), 
i^onbon  1891;    %  ®ci)cr    (f.  0.);    ^btt).  5J.  93ed)tel,  '  S.  Silviae  Peregnnatio    (auf   ®runb 
einer    notfimaltgen   Äottation  ber  ^anbfcftrift  burcf)  O.  3K.  SSaf^burn),   ©^icago  1902.    3)a« 
auf  (Sbeffa  bcjüglicftc  @tiic!  aucf)  bei  ©.  ü.  3)obfd)ü0,  e§riftu«bilber  (2U  925  3),  ßcipjig  1899, 
167 ff.    fiitteratur:  3:^.  gjiommfen,  in  69391  1887,  357—364;  g.  ©ölfflln,  in  ^Hr*.  f.  lat.  46 
Scj.  u.  ®r.  4,  1887,    259-277  u.  388;    6.  »i)nian,    in  X^D©  70,  1888,  38—50;    S.  bc 
(Baint^^ignan,    Le    pfelerinage   de   sainte  Sylvie  aux   lieux  saints  en  385,   Orleans  1889; 
@.  trüger,  in  $3  66,  1890,  491—505;    $.,  ®ei)er,   trit.  ©emerlungen  ju  S.  Silviae  Aquit. 
peregr.  ad  1.  s.,  9lu^§b.  1890;  g.  Sobrol,  Etüde    sur  la  Peregrinatio  Silviae.    Les  ^glises 
de  Jerusalem,   la  discipline  et  la  liturgie  au  IVe  sikjle,    $art§    1895;    3-  ö-  b.  93(iet,   in  50 
2:^col.  ©tubien  14,  1896,  1—29;  ^l.  g^rotin,  Le  v^ritable  auteur  de  la  P.  Silv.    La  vierge 
espagnole  Etheria,  in  ber  Rev.  des  Quest.  Hist.  74,  1903,  367—397  (auc^  fcparat,  «ßartS  1903); 
9t.  »lubau,  3)ic  93erfaffcrtn  ber  Peregrinatio  „Silviae",  in  tat^.  84, 2.  SBb,  1904, 61—74;  81—98; 
167 — 179;  3»  5lnglabe,  De  latinitate  libelli  que  inscriptus  est  Peregrioatio  etc.,  $ari8  1905. 

a)er  Irieb,  bie  ^eiligen  Stätten  ^aläftinag  auf jufud^en ,  ift  im  4.  ^ölS^rlbunbert  55 
mäd^tig  ertoad^t  unb  balb  m  einer  Iranfl^aften  ©ud^t  geiüorben,  öor  ber  einfid^tige  Äird^en^ 
leerer  toie  ©regor  bon  3l)i)\\a  (Ep.  3  MSG  46,  1016—24)  toamten,  iüä^renb  ^ieron^'- 
mu«  im  9lamen  feiner  frommen  ^eunbinnen  (Ep.  46  ad.  Marc.  MSL  22,  489)  bie 
r^etorifc^e  Se^au^tung  aufftetite,  bafe  nicmanb  „c^ne  biefe«  unfer  Sltl^en"  bag  3iel  feiner 
Seftrebungen  erreichen  lönne.    2lu^  ber  erften  §älfte  be«  4.  ga^r^unbert«  (333)  befx^en  eo 


346  SilUta  Squitana 

toir  eine  3lrt  9lci|cl[;anbbuc^,  ba^  üon  einem  G^riften  l^errül^renbc  Itinearrium  Bur- 
digalense  (Hierosolymitanum),  in  bem  eine  Steife  üon  Sorbeauj  nad)  J^crufalem  mit 
ber  Siücfreife  über  SRom  nai}  5Dlailanb  !urj  \tx^\ttt  ift  (®ever  1—33).  6^  mcrben  bic 
Stationen  (mutationes)  unb  bie  ©aftl^äufet  (mansiones)  angegeben,   gelegentlid^  aud^ 

6  einige  3KerIh)ürbigfeiten  ertuä^nt.  aber  t^  ^anbelt  fxd^  babei  nic^t  um  eine  Seife- 
befd^reibung.  (Sine  fold^e  liegt  erft  üor  in  ber  fog.  Peregrinatio  S.  Silviae  ad  loca 
sancta  (©e^er  35—101).  ^n  einem  Äobej  ber  Sibliotbel  ber  5Karienbruberfcbaft  j\u 
3lre;;go  (saec.  XI)  in  langobarbifd^er  ©dbrift  entbedfte  ber  bortige  Stabtbibliot^efar  3-  %- 
©amunini  1884  auper  Srud^ftücfen  ber  ^)^mmn  be^  $ilariug  üon  ^oitier^  unb  feinet 

10  3:raftate^  de  mysteriis  (ügl.bom  SbVIII,  65,  i5ff.  unb  je^t  §.  Sinbemann,  be«  bl.6il. 
ü.  ^.  „über  mysteriorum",  ^ünfl.  1905)  bie  Sefd^reibung  einer  Steife  in«  f>eiligc 
Sanb  in  gorm  eine«  95riefe«,  ben  bie  ^ilgerin  an  i^re  „sorores  venerabiles"  (p.  (»5, 
21),  b.  l}.  an  bie  Slonnen  il^re«  l^eimatlid^en  Älofter«,  aefd^rieben  l^at:  ber  eigentlicben 
9leifebefd;reibung  (®e^er  37—71)  folgt  babei   bie  Sefc^reibung   be«  ®otte«bienfte«  ber 

i6Äird;e  in  3^ufalem  (71— 101).  Seiber  ift  bie  Sd^rift  nur  unöollftänbig  überliefert 
—  ©ingang  unb  ©d^Iufe  f eitlen  unb  in  ber3Jlitte  flafft  einefiüdfe  — ;  jum  ©lue!  läfet  fic^ 
aber  ba«  ^el^Ienbe  an^  ber  Sd^rift  de  locis  sanctis  be«  Sibliot^efar«  öon  3){ontc  (Safftno 
^etru«  3)iaIonu«  (ca.  1037),  ber  aufeer  95eba  (f.  u.  ©.  347,36)  unfer  lagebud^  benu^te, 
einigermaßen  ergänzen,    ©^on  ©amunini  l^at  bie  Stbfaffungöjeit  annäl^emb  richtig  auf 

20  385—388  gefegt;  bod^  bürfte  bie  S^xi  üon  379—387  üorjujie^en  fein,  ba  unter  bem 
episcopus  confessor  üon  (Sbeffa  (p.  61,  20)  fd^toerlic^  ein  anberer  al«  ber  um  biefc 
Reit  amtierenbe  Gulogiu«  gemeint  fein  !ann,  ber  al«  $re«btoter  unter  ber  3?erfoIgung  be«; 
ajalen«  ju  leiben  gel^abt  i)atU.  35ie  SSerfolgung^jeit  felbfi  ift  Vorüber.  211«  äufeerfte 
®ren;e  nac^  unten  mufe  ba«  ^ai}x  394  bejei^net  ioerben,  bcnn  in  biefem  ^al^xc  lourben 

26  bie  (äebeine  be«  2lj)ofteI«  Il^oma«  in  bie  $auj)tlird^e  ju  ßbeffa  übertragen,  ijon  ber 
unfere  ^ilgerin  ba«  öon  il^r  befud^te  SWart^rium  (p.  60,  14 ff.;  61,  28 f.)  unterfd^eibet. 
©amurrini  glaubte  bie  Sleifenbe  mit  ber  bei  ^atlabiu«,  Hist.  Laus.  cp.  143  (Sutler, 
cp.  55,  p.  148  f.)  ertoä^nten  ©ilöia  (©ilbania)  ibentifijieren  ju  f ollen,  unb  fc^lofe,  ba  er 
biefe  ©ilöia  auf  ©runb  falfd;er  £e«art  für  bie  ©d^ioefter  (ftatt  für  bie  ©d^ioägcrin)  bc^ 

80  2lquitanier«  Slufinu«,  be«  fipätercn  3)lini[ter«  l^ielt,  auf  ©aHien  al«  i^re  $eimat.  ©eine 
©rünbe  reid^ten  nic^t  ^n  (f.  barüber  je^t  95utler,  TheLausiac  History  1,296;  2, 229 f. 
unb  95lubau  a.  a.  D.  84  ff.)  unb  fmb  l[;mfällig  geworben,  nac^bem  görotin  c«  jiur  l^öc^ften 
SBal^rfc^einlid^feit  erhoben  f)qt,  bafe  unfere  Peregrinatio  feine  anbere  ift  al«  bie  ber 
f))anifd^en  9Jonne  (üielleit^t  Stbtiffxn)  ßuc^eria  (fo  Slubau  169;   ^rotin   betoor^ugt   bic 

36  ?^orm  ßtberia;  fall«  ßuc^eria  fic^  beiüä^ren  foHte,  bürften  auc^  bie  95emerlungen  33lubau!ö 
173  ff.  über  ein  mögliche«  3[}ertoanbtfc^aft«öer^ältni«  jioifd^en  i^r  [ber  3:od^ter  be«  Äon= 
ful«  ßud^eriu«]  unb  Äaifer  I^cobofiu«  ju  beachten  fein),  ijon  ber  ber  f^janifc^e  ßremit 
SSaleriu«  im  7.  3iö^^^w"t>^  in  einem  33rtefe  ad  fratres  Bergidenses  (SRönd^e  t)on 
SBierjo    in   Hispania  Tarraconensis ;    f.  öübner   bei  ^^JaulV^SiJiffotoa  3,  291)   ergä^lt 

40  (ügl.  g^rotin  15—24).  3^^^"f<^tt«  ift  „©.  ©ifcta  au«  Stquitanien"  „a  purely  mythi- 
cal  personage"  (Sutler  230).  (Sine  angefel)ene  ^erfönlic^feit  mufe  bie  SReifenbc  getoefen 
fein,  benn  man  lommt  i^r  überall  jutjorfommenb  entgegen:  Älerifer  unb  SKönd^e  begleiten 
fie  (47,  7;  51,  5 f.;  55,  26 f.  u.  ö.),  SifAöfe  emj)fangen  fie  mit  g^ren  unb  bieten  fic^ 
al«  gü^rer  an  (49,  20—25:  54,  24 f.;   60,  3;  62,  2 ff.;   65,  7;   69,  19);   gelegentlich 

45  tüirb  3Jlilitär  ju  i^rem  ©dputf  beorbert  (47,  18 f.;  49,  25 ff.),  ©ie  reift  mit  mancber 
Sequemlirf)feit,  h)enn  auc^  bie  2tu«baucr  gu  betüunbcrn  ift,  mit  ber  fie  ftc^  ben  ©tro^jajen 
ber  anftrengenben  Steife  unterjiel^t. 

^ctru«  Dialonu«   entnel^mcn    h)ir,    baft   bie  Steifenbe   fi^  ^erufalem   jum  ©tanb- 
quartier  für  i^re  3lu«flüge  getüäblt  ^atte.    ©ic  l^at  in  Sctlc^em  an  ben  ©räbem  SDatoib^ 

60  unb  ©alomo«  unb  in  ber  §irtenlaj)etlc  i^rc  Slnbac^t  berric^tet.  ©ie  tvax  in  Hebron 
unb  an  ben  anberen  burd^  bic  ^^^atriarcbengefd^id^tc  geheiligten  ©tobten,  ©anj  ^läftina 
l^at  fie  burcl^rcift,  ben  Xl^abor  unb  Äarmcl,  Sjta^arct  unb  9tain,  2:iberia«  unb  Äo^jemaum 
gefe^cn.  Xann  bat  fie  il;rc  ©cl^rittc  nac^  Slgt^ptcn  gelenft,  ift  lieber  nac^  S^^f^lem 
xurüdgcfcf^rt,  aber  bic  ©cbnfud;t  treibt  fie,  ben  ©inai  ju  fe^en  unb  bie  ©tätten  auf jufuien, 

66  oenen  ber  5^anie  53tofe«  ben  ©lan^  tjcrleibt.  $icr  fe^t  ber  erbqltcne  2:eil  be«  äßerfcben« 
ein.  Söir  ijcrfolgcn  unfere  !fleifenbc  auf  bem  Sinai,  beffen  Crtlid^feiten  fie  genau  be- 
fd^rcibt.  2luf  bem  ©ipfcl  ^ält  fie  :^Hunbfd;au.  ^ic  5Rönc^c  jeigcn  il^r  ben  3)ombufc^; 
fie  fcnncn  and)  ben  Sl^afferfclfcn,  tüiffcn,  iüo  cö  Lianna  regnete,  h)o  bie  3Bad^teln  er^ 
fc^ienen,  Wo  5J2ofc«  ba«  %c\x^x  löfdfttc.     >\W(\  Inge  raftct  fie  in  ^^J^aran,  J)affiert  Äl^ma 

60  (©uej;  f.  'JJJommfcn  ©.  361)  unb  bcfuc^t  Stameffe  im  Sanbe  ©ofen  (terra  Oesse  p.  46, 22). 


Stlnia  üqttthiita  Sttttler  347 

3)cr  aSeg  mä)  %anx^,  ber  ©eburt^ftabt  bc^5Kofc«,  crfd^cint  i^r  afö  ber  fc^önfte,  ben  fie 
je  gemacht  f^al  9?on  bort  gel^tö  über  ^clufiuni  nad)  gerufalem  jurüd.  2)0(i^  bic  SRul^cs 
lofe  l^ält  c^  nu^it  lange.  Sie  befteigt  ben  95erg  9lebo  unb  läfet  fxd^  ba«  ®rab  SKofi« 
jeigcn.  (Sine  Steife  üon  ac^t  2;agemärfci^en  fü^rt  fie  jum  Orabe  §iob«  im  §auran 
(regio  Ausitis  p.  55,  20).  3)er  SBeg  fü^rt  an  ßnon  Vorüber,  tüo  ber  leid^  gezeigt  6 
tDirb,  mit  beffen  SBaffcr  gol^anne«  taufte,  ©o  Dergel^cn  brei  ^a\)xt  (p.  60,  8).  3)ie 
ÜHeifenbe  mad^t  fid^  auf  ben  §eimit)cg.  2lber  il^re  jäl^e  SBi^begier  (ut  sum  satis 
curiosa,  fagt  fte  felbft,  p.  58,  31)  ift  nic^t  erf(i^öt)ft.  ©ie  reift  über  Slntiod^ien  nat^ 
§ierat)oIi«  unb  üon  bort  an  ben  6uj)brat.  ^n  ßbeffa  btUt  fie  in  ber  Orabfird^e  be^ 
l;I.  Il^oma«  (f.  0.©.  346,26)  unb  läfet  ftq  eine  Slbfd^rift  be«  SrieftDed^fete  jtoifd^en  älbgar  lo 
unb  ß^riftu«  mitgeben,  ß^anae  (§anan)  ift  ber  äufeerfte  ?ßunlt,  bi«  ^u  bem  fxe  Vor- 
bringt. 3)en  Slücfhoeg  nad^  Äonftantinojjel,  üon  too  ber  Serid^t  abgefenbet  ift,  nimmt 
fie  über  Äleinafien:  ^u  ©eleucia  lieft  fie  bie  I^ellaolten,  in  ß^alcebon  befud^t  fie  bad 
@rab  ber  1^1.  @u)}l^emia. 

35a«  atte«   ift  au^erorbentlid^  anfd^aulid^  gcfd^ilbert,   unb  ber  Serid^t  legt  3^w9"i^  iß 
ah,  fotüo^l  üon  ber  ©id^er^eit,  mit  ber  bie  ©d9reiberin  bad  ©efe^ene  erfaßt  toie  üon  ber 
2^rcue  unb  ©etoiffenj^aftigleit,  mit  ber  fie  e«  aufgejeid^net  l)at,  nid^t  jule^t  freilid^  aud^ 
Don  i^rer  leid^tgläubi^en  ©infalt.    Sefonbere  95caqtung  üerbient  aber  ber  ©d^Iufeteil,  in 
tüeld^em  bie  3Serfaffenn  il^ren  Sieben  (affectio  vestra  p.  44,  16  u.  ö.)  Sluffd^lüffe  über 
ben  ©otte^bienft  ber  jerufalemifd^en  ©emeinbe  giebt,  bie  um  fo  toertüoHer  fmb,  toeil  il^r  ao 
Scric^t  bie  einzige  Urlunbe  ift,  bie  fid^  jumal  über  ben  5^t0Otte«*>J^ft  an  einer  Äirc^e 
im  4.  3[ö^^^w>t^^  eingcl^enb   Verbreitet,    ©efd^ilbert  toerben   bie  ©otte^bienfte  an  QpU 
pl^anxm  (noA  nid^t  Von  SBei^nad^ten   gefd^iebcn;   Vgl.  Sb  VI,  55,i6ff.),  35arftettung  im 
lemjjel  (nod^  am  14.  gebruar),  Dftern,  §immclfa^  unb  ^fingften;   aud^  über  laufe 
unb  3)aufunterri(^t  tocrben  iüir  genau  unterrichtet  (über  ba«  Sinjelne  ögl.  Gabrol).   2>ie26 
(Srjäl^Iung  bricht  ab  in  einer  95ef(^reibung  be«  am  13.  Se^jtember,  bem  2iage  ber  Äreuj* 
aujfinbung,  gefeierten  Äird^iüeil^fefte«. 

§inter  biefem  trepd^en  unb  in  mancher  §infi(^t  einzigartigen  plgerberid^t  ftc^t 
Wa^  h)ir  üon  berartigen  ßrjeugniffen  nod^  befi^en  toeit  jurüdE,  jumal  bann,  toenn  e«  fi^ 
nic^t  um  Slugemeugenfd^aft  ^anbelt:  fo  ift  be«  Sudlerin«  (Sifd^of  üon  %on,  geft.  450;  ao 
bic  ätutorfd^aft  Dürfte  fteftftelS^en,  aud^  ©e^er  l^at  [p.  XVIII  feiner  Slu^gabe]  frühere 
^^toeifel  fatten  laffen;  f.  bef.  guner  in  %\)2S  20,  1896,  ©t).473)  de  situ  Hierosoly- 
mitanae  urbis  atque  ipsius  Judaeae  epistola  ad  Faustum  presbyterum  (©e^er 
123—134)  nur  eine  Äom^jilation  au«  münblic^en  unb  fd^riftlid^en  Serid^ten;  ba^felbc 
gilt  üon  bem  im  6.  S^W""*^^*  entftanbenen  fog.  Breviarius  de  Hierosolyma  35 
(®.  151—155)  unb  öon  bem  über  de  locis  sanctis  bc«  95eba  SSenerabili«  (299—324) 
ber  aud  ©uc^eriu«,  Slbamnanu«  (f.  u.  347,43)  unb  ^egefi))))  ejzerj)iert  ift;  enblid^  aud^  üon 
$etru«  3)iaIonu«  (©.103—121;  f.  0.  ©.  346, 17).  ©elbftftänbigen  SSBert  befi^en  Xl^to-^ 
bofiu^  (fo  nur  in  einer  Jpanbfd^rift)  de  situ  terrae  sanctae  (©.  135—150;  ögl.  au^er« 
bem  ©ilbemeifter^  Stu^gabe,  Sonn  1882)  au^  ber  5)litte  be«  6.  3<*^^'^WJ^*>^^^/  ^^^  nat^  40 
Stntoninu^  ^Placentinuö  (3)lart^r)  QmannU,  aber  öon  einem  feiner  Sleifebegleiter  um  580 
Ijerfafete  Itinerarium  (©.  157—191;  baju  ©rifar,  3"*^  ^aläftinareife  be^  fog. 
ä.  smarter,  3f2^  26,  1902,  760—770)  unb  be^  äbamnanug  (f.  b.  2lrt.  »b  I,  166) 
de  locis  sanctis  libri  tres  (©.  219—297),  bie  auf  ben  Sendeten  be^  gaDifc^en  Sifd^of« 
airculfu«  ru^en.  .    (^.  Shrftger.      45 

S'mtm,  ©tamm,  f.  b.  21.  5Wcgcb  Sb  XIII  ©.  695,49. 

©tmler,  Sofia«,  geb.  6.  9loöcmber  1530,  geft.  2.  3uli  1576.  —  Sitteratur: 
Jo.  Guil.  Stukius,  Vita  Josiae  Simleri,  Tiguri  1577.  ®.  D.  5Bd6:  ^^^cuja^rsJblalt  jum  «eftcn 
bcö  ©atfcn^aufc«  in  8ürirf|  für  1855,  unb:  ?(b«  S3b  XXXIV,  6.355-358;  &.  mtt}tx 
von  Änonau:  3ofia§  8imlcr  qI^  SSerfaffev  ber  „VaJlcsiae  descriptio"  unb  bc^  „Commen-  50 
tarius  de  Alpibus'*  (Sa^rbuc^  beö  8ct)n)c^cr  ^Upenflub,  3a§rg.  XXXII,  @.  217—235); 
Ä  ?l.  53.  ßoolibge:  Josias  Simler  et  les  origines  de  rÄlpinisme  jusqu^en  1000, 
©rcnoble  1904. 

Site  ber  ©ol^n  eine«  ehemaligen  3Jlönc^e«,  ber  mit  bem  2lbte  SBolfgang  S^ner  unb 
bem  ganzen  Äonöente  be«  Giftercienfcrflofter«  (lappd  burdf^  ben  jungen  Se^rer  SuUinger  &6 
1526  für  bie  Sieformation  getüonncn   hjorben   h)ar,    bc«  ^rior«  ^^Jeter  ©imler,  ber  feit 
1529  at«  Pfarrer  bon  (^appd,  al«  i^eripalter  ber  föinfünfte  unb  Sorfte^er  ber  im  Älofter 
burc^  S^'^^fl^i  ^^  ^<*^  S^^bm  gerufenen  Sateinfc^ule  h)irlte,  toar  ©.  in  &appd  geboren. 


348  Stmler 

unb  bic  (SItem  erbaten  Sullingcr  aU  3^auft)atcn  bc^  Änabcn.  3)er  iktcr  crl^ielt  15:^3 
—  er  ftammte  au^  9ll[;cinau,  iüo  feine  ä5orfal[;ren  bic  ©immeler,  bie  Älcinbäder,  bc^ 
bortigen  Senebiftinerflofter^  öetuefen  h)aren  —  iur  Slnerfennung  feiner  treuen  ^ienfte  in 
ber  3<^i^   fd^iüerer  Sebrängnig  —  ba^  ©efec^t  bei  dappd  11.  Dftober  1531  unb  beffen 

5  folgen  —  bag  S^xd)cx  Sürgerred^t  gefc^enlt,  unb  er  blieb  bid  ju  feinem  3:obe  1557  im 
$farramte  feiner  ©emeinbe.  2)er  So^n  bagegen  befuc^te  jtuar  big  ^um  14.  ^ai}x^  bic 
6aj}J)eIer  ©d^ulc,  tuo  er  fc^on  burc^  ^leife,  95c|arrlici^iEeit,  trcfflid^c  fittlic^e  Haltung  fx(^ 
augjeid^netc,  fam  bann  aber  1544  nad^  S^^^^  ^"  bag  §aug  SuHingerg  unb  fe^te  naiver 
in  Safel  unb  Strasburg  feine  ©tubien   fort.     Dieben    bem    tl^eologifd^en    gac^ftubium 

10  iüibmete  er  fic^  ^jj^ilologifc^cn,  matbematifd^en,  naturiüiffcnfd^aftlic^en  ^äc^cm.  1549  bc^ 
cnbigte  er  in  S^rid^  feine  ©tubienjeit  unb  mar  nun  teite  au^^ilf^mcife  atö  ^rebiger  in 
ber  ©tabt  benachbarten  fianbgemeinben,  femer  ate  Seigrer  an  ben  [täbtifc^en  ©c^ulen 
t^ätig;  bem  großen  9Jaturforfd^er  Äonrab  ®e«ner,  beffen  garte  ©efunbl^eit  öftere  ©c^onung 
er^eifd9tc,   l^alf  er,  ju  beffen   isolier  Sefriebigung ,  al^  ©tettbertreter  im  Sel^ramte  au^. 

löSKit  ber^rofeffur  für  neuteftamentlic^e  ©jegefe  am  ßarolinum,  bie  i^m  1552  übertragen 
tourbe,  üerbanb  ©.  big  1557  bag  Pfarramt  in  bem  3wric^  nal^eliegenben  ®orfe  3«>öifon, 
fotoie  1557  big  1560  bog  35iafonat  an  ber  ©tabtfirq^e  ©t.  ^eter.  ©c^on  ju  bicfer3<^it 
toaren  befonberg  ßnglänber,  bie  jur  3^it  ber  Verfolgung  burc^  bie  Königin  3Jlaria  big  1558 
in  Mxid)  teilten,  fo  ^eiüel,  ^arl^urft,  bie  nac^l^erigen  Sifd^öfe  üon  ©aligbur^  unb  DJor^ 

20  h)t^,  feine  eifrigen  ßwi^örer-  1553  begleitete  ©.  ben  nac^  SBürttemberg  ftd^  begebenben 
33ergeriug  ju  §erjog  ß^rifto^l^,  burd^  ®mj)feblungen  Suttingerg  in  ©tuttgart  unb  in 
Tübingen  it)ol[;I  eingefül^rt;  mit  ^eter  DKart^r,  ber  fd^on  in  ©tra^burg  fein  Se^rcr  gc= 
toefen  tuar,  ber  1556  in  S^xid^  fein  2lmt  antrat,  [tanb  er  in  üertrauengüoHem  3lug' 
taufd^e.    Stber  ganj   befonberg  tüar  er  forttoäl^renb  mit  95ullinger,  beffen  britte  Zod^icc 

25  6li|abetl^a  1551  fic^  mit  ü)m  üermä^Ite,  in  engfter  33erbinbung.  3(lg  Stblianber  loHO 
in  ben  Jlul^eftanb  entlaffen  tuurbe,  gab  ber  9lat  bie  9Jac^foIge  an  ©.  ©o  trat  biefcr 
ööllig  aug  bem  firc^Iic^en  ämte  gurüd  unb  teilte  fid^  big  ju  SKart^rg  2^obe  —  1562  — 
mit  biefem  in  bie  tl^eologifd^en  SJorlefungen.  Sluf  ben  SBunfd^  beg  SSerftorbenen  iüurbe  er 
beffen  SJad^foIger  unb  beforgte  fobann  im  üollen  Umfange  bie  ^rofeffur  beg  9l3:g.    3" 

ao  biefer  3:i^ätigfeit  ber^arrte  ©.  big  ju  feinem  frül(;en,  fd^on  im  46.  Stltcrgia^r  cintrctenben 
lobe,  ©eit  1559  litt  er  —  bamalg  batte  bag  ®erüc|t,  er  fei  geftorben,  feine  ^eunbc 
in  ßnglanb  in  ©t^redfen  gefegt  —  lörjierlid^  fc^tüer,  unb  immer  bon  neuem  feffelten  ibn 
©id^tfd^merjen  oft  2Bo(^en  l^mburd^  an  bag  Sager.  3!)aju  iüurbe  fein  hjeic^eg  ®emüt 
burd^  Serlufte,  burc^  ben  lob  DJlart^rg,  bann  1565,  alg  er  burc^  bie  ^eft  feiner  ^rau 

86  beraubt  tourbe  —  1566  öere^elic^te  er  fi^  tüieber,  mit  ber  3)oc^ter  5)targaret^a  beg  f}}ätercn 
aintifteg  Slubolf  ©hjalter  — ,  gam  befonberg  burc^  ben  $infc^ieb  SuDingerg  1575,  tief 
erfd^üttert.  Dag  burc^  ben  3"^^^^  Äünftler  Äonrab  DKe^er  1662  re>)robuuerte  Silb 
xeigt  in  feinen,  gütig  milben  ©efic^tggügen  bag  3{ugfel^en  eineg  tüeit  l^ö^eren  Sllterg,  aU 
bie  Saläre  beg  Iranfen  3Kanneg  jaulten.    3lber  eg    ftimmt  ju  ber  G^arafteriftil,  bie  ber 

40  aimtggenoffe  unb  Siogra}}^  gol^.  SBil^elm  ©tufi  bon  ©.  entmarf,  feiner  Siebengmürbigleit, 
feiner  ^rö^Iit^Ieit  tro^  ber  Seiben,  feiner  3i^'i^I^i*  w"^  gaftfreien  SBeife  bei  atter  9c= 
fd^eibenl^eit  ber  SSer^ältniffc,  ber  9)Jilbe  unb  greunblic^feit  in  einer  3^'*  toielfac^  bitterer 
g^^ben. 

©erabegu  erftaunlic^  ift  nun  bie  grofee  unb  mannigfaltige  litterarifd^e  2^^ätigleit,  bic 

45  ber  fo  tjielfat^  burc^  feine  2lmtgfun!tionen  in  2(nfprud;  genommene  unb  burc^  feine  Äränf= 
lirf)feit  gehemmte  ©elel^rtc  entfaltet  l}ai.  3)ag  SJcrjei^nig  feiner  im  35rurf  erfd^ienencn 
©rf^riften  umfaßt  26  5Jummern. 

Sclbfttjcrftänblid^  liegen  bie  ga^Irci^ften  arbeiten  beg  tf^eologif^cn  Se^rerg  auf  bem 
©ebietc  ber  2!(^eoIogie  unb  ber  ftir^e.    CJrftlic^  überfe^te  er  beutfd^e  ©c^riften,  nament= 

öo  lic^  üon  SuHinger,  in  bag  i^m  öorjüglic^  Vertraute  Satein,  1556  bag  Gompendium 
Christianae  Religionis  X  libris  comprehensum  —  1559  eine  äl^nlic^c  Summa 
fidel  beg  3^^^<^^^  Otto  SSJerbmüUer  — ,  1560  bie  ©^rift  ad  versus  anabaptistas 
libri  VI  unb  SuUingerg  ©d^u^fd^rift  —  Institutio  (etc.)  —  für  bie  bebrängten  bairifc^en 
^roteftantcn,  1566  ben  lert  ber  tjon  ?)ullinger  auggegangenen  j^ioeiten  belbetifc^en  Äon= 

55  feffion  (boc^  mit  eigener  isorrebc),  1572  bic  Adhortatio  ad  omnes  in  Ecclesia 
Domini  nostri  Jesu  Christi  Verbi  Dei  ministros,  1573  bie  burd^  bie  95art^oIomäugs 
narf)t  beranla^te  ©c^rift  De  persecutionibus  Ecclesiae  Christianae,  1575  bic  gegen 
3RugcuIug  burc^  SuHingcr  gericbtctc  Ad  Septem  accusationis  capifÜEi .  . .  responsio. 
Slug  Wartt;rg  9?ad&(a6  gab  er  15()3  unb  1564  mcl^rcre  ©d^riften  ^eraug,   unb  big  1569 

60  befdf^äftigten  i^n  3[}orarbeiten   für  eine  ©cfamtauggabe  ber  SÖäcrfe  SKart^rg,   h>ag  ober 


®itttler  349 

teil«  hnxd)  bcn  lob  bc«  in  Stu^jid^t  genommenen  SJerlegerö  ^^of^auer,  teife  burd^  feine 
eigene  Äränflid^feit  berl^inbert  iourbe.  3)aneben  aber  gehen  felbftftänbig  Don  S.  ^erau^s 
gegebene  t^eologifd^e,  mel^rfac^  a))oIogetif(^  gelj^altene  ©d^riften.  SJefonber«  nal^mcn  i^n 
fragen  ber  f^ftematifd^en  Ideologie  in  2lnft)rud^,  burdj^  iüeld^e  bie  reformierten  ©emeinben 
be«  öftlid^en  ©urojja,  gumal  bie  in  ^olen  unb  Ungarn,  jum  %^\l  aud)  biejenigen  ©rau^  6 
bünben«,  l^au^tfäd^lid^  bon  antitrinitarifc^en  StaUenern,  beunnii^igt  iourben.  ©emäfe  ber 
©tettung  3üric^^  in  jener  3^'*  f"«^^^  ^  ^'^  öß^"^  S^cifee  unter  ben  obtoaltenben  Sel^rs 
ftreitigfeiten  bie  gefunbe  unb  ioal^re  Seigre  toiffcnfc^aftlid^  ^u  unterftü^en  unb  üerberblit^e 
2tbirrungen  abjutüe^ren.  äte  bie  Jjolnifd^en  Sieformierten  unter  i^rem  ©uj)erintenbenten 
gelij  ßruciger  in  ben  burd^  ^^ance^co  Stancaro  erregten  Ääm})fen  [xd)  an  bie  Ideologen  lo 
in  3^^^  ""^  ®^"f  flcioanbt  unb  üon  ben  ^ixxd)^n  jioei  ©d^reiben  erl^alten  Ratten, 
gegen  tüelc^e  ©tancaro  1561  feine  §aiH)tf(^rift  rid^tetc,  fo  toar  e«  ©.,  ber  1563  beffen 
£e|re,  bafe  S^riftud  nur  feiner  menfd^lic^en  9Jatur  nad^  SWittler  fei,  toiberlegte,  burd^  bie 
Responsio  ad  maledicum  Francisci  Stancari  Mantuani  librum  adversus  Tigu- 
rinae  ecclesiae  ministros  de  Trinitate  et  Mediatore  Nostro  Jesu  Christo.  ®a«  15 
Serl^ältni«  ber  beiben  9Jaturen  in  ß^rifto  bebanbeln  au6)  feine  ferneren  ©d^riften,  unb 
^tryax,  toie  fein  Äollege  ©tufi  anbeutet,  fo,  oafe  bie  einen  gegen  biejenigen  fic^  ritzten, 
toelc^e  bie  ©ott^eit  ß^rifti  beftreiten,  bie  anbem  me^r  gegen  folc^e,  toelc^e  feine  SKenfd^s 
l^eit  abfd^iüäd^en  ober  jtoeifel^aft  mad^en.  3"  ^^  erftcren  Klaffe  gehört  ba«  1568  er« 
fc^ienene,  burc^  bie  ©enbung  be«  t)oInifc^cn  ^Prebigerd  I^rctiu«  in  bie  ©d^toeij  ücran*  20 
lafete  95ud^  De  aeterno  Del  filio  Domino  et  Servatore  nostro  Jesu  Christo  et  de 
Spiritu  sancto,  adversus  veteres  et  novos  Antitrinitarios,  id  est  Arianos,  Tri- 
theitaSy  Samosatenianos  et  Pneumatomachos  libri  IV,  mit  einer  SSonebe  ^nU 
linger«,  ben  5Kagnaten  5ßoIeng,  Slufelanb«  unb  Sittl^auen«  geioibmet.  9Jac^bem  ©.  bie 
p^'6nl\6)t  5ßräejiftenj  ß^rifti  bargelegt,  beftreitet  er  bie  Seigre  bom  ©oj^ne  ©otte^  ate  20 
einer  öortoeltlic^en  Kreatur,  bie  er  aU  Dccd^ino^  SKeinung  bejeid^net,  foioie  aud^  bie  fog. 
tritl^eiftifd^e  Sluffaffung,  afe  beren  ^aut)tfä(^lid^er  Serf echter  ber  im  ga^re  1566  in  Sem 
l^ingerid^tete  Salentino  ©cntile  genannt  toirb ;  fd^^lie^it^  toirb  ba^  SJerjf^ältnid  be«  ^eiligen 
©eifte«  j|um  SSater  unb  jum  ©ol^ne  bel^anbelt.  ^n  bemfelben  ©inne  erfdj>ien  1575 
©.^  Assertio  ortbodoxae  doctrinae  de  duabus  naturis  Christi  opposita  blas-  so 
phemiis  et  sophismatibus  Simonis  Budnaei,  nuper  ab  ipso  in  Lithavia  evul- 
gatis  (93ubnäu^  tourbe  al^  ^au^t  ber  Semijudaizantes  im  ^a^re  1582  abgefegt  unb 
h)iberrief  fjjäter).  SWel^r  nad^  ber  anbem  ©eite  l^in,  gegen  „älnaba))tiften,  ©d^toenl* 
felbianer  unb  Ubiquiften",  rietet  fid^  ©.g  1571  erfd^ienene  ©d^rift  Scripta  veterum 
latina  de  una  persona  et  duabus  naturis  Christi  adversus  Nestorium,  Eu-  35 
tychen  et  Acephalos  olim  edita,  benen  er  eine  narratio  veterum  controversiarum 
una  cum  collatione  controversiarum  nostri  temporis  beigab;  ba  Sünben  gerabe 
burc^  ben  ßinflufe  italienifd^er  Flüchtlinge  üon  fold^en  ©treitigleitm  betoegt  toar,  toibmete 
er  bicö  aSerl  ber  bortigen  Stegiemng.  ®benfo  erfd^ien  \)on  il^m  im  3^1^^^  1574  De 
Vera  Christi  secundum  humanam  naturam  in  his  terris  praesentia  orthodoxa  40 
expositio  nebft  einer  Responsio  ad  duas  disputationes  Andreae  Musculi,  bed 
fc^on  ertoä^nten  5ßrofeffor«  in  granffurt  a.  b.  D.,  foioie  1575  bie  o^ne  ©.^  5?amm 
herausgegebene,  aber  öon  ihm  öerfa^te  Ministrorum  ecclesiae  Tigurinae  ad  confu- 
tationem  Jacob!  Andreae  apologia,  fotoie  als  3ln{^ang  }u  SuQingerS  Sebm  eine 
nochmalige  SQSiberlegung  beSfelben.  ©.S  Commentarii  in  Exodum  lamm  nad^  feinem  45 
2;obe  1584  ^erauS.  —  ^n  engem  3wfommen^ange  mit  biefen  t^eologif d^m  ©d^riften 
fte^en  bie  biogra^j^ifc^en  arbeiten,  bie  ©.  feinen  Se^rern  unb  ^reunben  toibmete  unb  bie 
feine  eble  ^jietätboQe  ©efmnung  in  f^önfter  SBeife  barlegen.  1563  fc^rieb  er  bie  Oratio 
über  ^art^r;  1566  folgte  bie  Vita  beS  clarissimus  philosophus  et  medicus  ex- 
cellentissimus  flonrab  ©eSner;  bie  1575  erfd^ienene  Narratio  über  fieben  unb  2iob  50 
SuDinaerS  enthält  jugleic^  einen  älbri^  ber  ©ef^ic^te  ber  ^üxd)^  Sieformation. 

SEBar  ber  9lame  beS  3^^^^  2;i^eologen  burd^  biefe  ©d^riften  h)eitl[;in  in  ber  pxoU^ 
[tantifdf^en  SBelt  befannt  unb  geachtet,  fo  liegt  boc^  feine  bis  \)^\xtt  fortbauembe  toiffen« 
fc^aftlid^e  §au})tleiftung  nod^  auf  anberem  ©ebiete,  unb  gerabe  hierin  erfc^eint  feine  be« 
tounbemStoerte  SSielfeitigfeit.  65 

Einige  ^ublifationen  frül^erer  ^ai)x^  jä^lm  noc^  ju  ben  burt^  ©.  betriebenen  matl^e« 
matifc^fen  unb  naturtoiffenfc^aftlid^en  ©tubien.  1550  gab  er  bie  lateinifd^e  Überfe^ung 
ber  ©d^rift  beS  beutfd^en  Slrc^itelten  ^o^.  Silum  über  bie  fünf  ©äulenorbnungen 
^erauS.  1559  folgte,  nad)  Vorträgen,  bie  er  felbft  gehalten,  baS  95uc^  De  Principiis 
Astronomiae  libri  duo,   atterbingS  nod^  ol^ne  jebe  ©})ur  ber  burd^  6oj)emicuS  ^erbci=  eo 


350  @ttttlet 

geführten  Umgcftaltungen  biefer  SBiffenfd^aft.  ^tv^\  äu^crft  gctüiffcnl^aft  unb  mit  grofeem 
Sluftoanb  üon  %k\^  gcfc^affene  ffierfc  fc^loffen  fic^  an  bic  Slrbeit  bc^  geehrten  Öcl^rer^ 
Äonrab  ©e^ner  an.  ©c^ner^  umfaffenbe«  SJetjcici^nte  ber  ganzen  SSäcItlittetatur:  Biblio- 
theca  universalis,  bon  1545,  l^attt  S.ö  Se^rer  in  Safel,  Monrab  SBolfl^art  (Sl^foftbcne^), 

5  in  einen  2tugjug  gebrad^t,  ber  aber  nid^t  genügte,  fo  bafe  je^t  ©.  1555  in  ber  Epitome 
bibliothecae  Conradi  Qesneri  .  .  .  nunc  denuo  recognita  (etc.)  eine  neue  Stu^abe, 
mit  einer  SSorrebe  ©e^ner^  unb  einer  SSerme^rung  ber  aufgeführten  ©t^riftfteller  bi^  auf 
4500,  beranftaltcte  unb  biefe  bem  ^faljgrafen  Otto  §einri(^  afe  einem  befonberen  ©önner 
ber  ®elel[;rfamleit  toibmete.    3lo6)maU  liefe  ©.  1574    biefe  Bibliotheca    instituta  et 

10  coUecta  primum  a  Conrado  Oesnero  (etc.)  erft^einen,  bod^  je^t  in  boj)J)eItem  Umfange, 
mit  7500  Slutomamen,  geiuibmet  bem  ^faljgrafen  Subtüig;  ba^  treue  ©ebäd^tni«  be^ 
fammeinben  ©ele^rten  iüufete  ben  ^n\)ali  be«  getoaltigen  ffläerle«  faft  au^hjenbig. 

3(IIein  bie  §aut)tfd^öj)fung  be«  S^eologen  ©.,  mit  ber  er  eine  SBirlung  größter  ärt 
geiüann,  entftanb  auf  bem  gelbe  ber  geogra<)l^ifd^4iP*>^ify^^  ©tubien.    ©.  toar  fd^on  feit 

16  1570  mit  bem  großen  franjöfxfd^en  ©ele^rten  ^etru3  ^itl^öu«  t)erfönlid^  befannt,  unb  in 
freunbfc^aftlid^em  Slu^taufd^e  fanbtc  biefer  an  ©.  tuerttjolle  Hilfsmittel,  bie  bereits  1571 
bei  bem  über  bie  ^erfon  ß^rifti  üerfa|ten  t^eologift^en  SBerle  ©.  bienlid^  tüurben.  1575 
gab  nun  ©.  auf  ©runb  bon  §anbf(^riften,  bie  er  teils  bon  ^itl^öuS  erhalten,  teils  felbft 
in  ber  3ür(^er  ©tiftSbibliot^el  gefunben  f)atU,  geograjjj^ifd^e  SBerfe  beS  ältertumS  l&erauS: 

20  Aetnici  Ck)smographia  —  Antonini  Augusti  Itinerarium  provinciarum,  eine  ©bition, 
bie  bis  in  baS  18.  S^l^^i^unbert  nod^  brei  2Iuf lagen  erlebte.  Slber  fd^on  öorl^er  ^atte  S. 
feinen  gleife  aud^  näl^cr  liegenben  2luf gaben  gef^enlt.  ©eit  1561  gab  er  fxc^,  nac^beni 
er  bie  1548  erfc^ienene  gro|e  ©d^toeijer  ß^ronif  beS  ^o^anneS  ©tumt)ff  burd^gearbeitet, 
l^iftorifd^en  ©tubien  l^in  unb  trat,   angeregt  burd^  feinen    ja    auc^  als  ©eft^id^tsfc^reiber 

26  l^ertoorragenb  betl[;ätigten  ©^h)iegeröater  SuHinger,  1566  in  nähere  SJerbinbung  mit  2legibiu6 
ifd^ubi,  tüobei  gleid^ertoeife  bei  bem  fonft  fo  auSgej^rägt  fatl^otif^  geftnnten  ©larner  bic 
fonfeffionett  trenncnben  ©efü^le  jurüatratcn.  ©erabeju  auf  ©.S  Slufmunterung  bin  fafetc 
3:fc^ubi  1568  ben  ?pian,  bie  ganje  „§iftoric"  ber  ®ibgenoffenfd^aft  feit  ben  älteften  3^ten 
ui  fd^reiben,  unb  banfbar  nal^m  er  nad^^ier  bon  ©.  baS  anerbieten  an,  baS  SBerf  in  baS 

30  Sateinifd^e  üu  übertragen,  iüonac^  Original  unb  Überfe^ung  gleid^jeitig  l^erauSgefommcn 
toären.  3lber  Sfc^ubiS  %o\)  1572  l^inbcrte  ben  3lbfc^lufe  ber  arbeit,  unb  bie  Unvernunft 
ber  3:fd^ubifd^en  ©rben  öerfd^ulbete,  bafe  erft  tjon  1734  an  an  eine  3)rudflegung  bcS 
beutfc^en  2;erteS  gefAritten  h)urbe,  eine  lateinifd^e  Überfe^ung  aber  niemals  ^u  ftanbc 
fam.    ©.  jebod^  tjerl^arrtc  auf  bem  einmal  betretenen  9Bege.    @r  arbeitete  an  einer  ®e-- 

36  fc^id^te  ber  eibgenoffenfd^aft  bis  1519  unb  an  einer  ausführlichen  Sefc^reibung  berfelbcn 
in  lateinifd^er  ©J}ra4>e,  bie  freilid^  bei  ber  großen  ©efc^äf tsbelaftung  beS  3SerfafferS  nur  lang- 
fam  öorrürften.  1574  erfd^ien  bie  Descriptio  Vallesiae,  als  ein  ^robeftüdt,  h)ie  ©.  fid» 
auSbrürfte,  mit  ber  95emerfung,  er  entfage  gern  ber  Slufgabe,  tüenn  ein  anberer  fie  aufnehme. 
3)iefe    l[;iftorifc^=to})ogra))^ifd^e  Sefc^reibung  beS  3BalliS  mit  einem  Sln^ang:    Commen- 

40  tarius  de  Alpibus,  ift  alS  baS  3Berf  eineS  5ß^ilologen  amufe^en,  ni^t  auS  felbft^ 
ftänbiger  ÄenntniS  ermad^fen;  aber  burd^  gute  StuStoa^l  beS  ©toffeS,  burt^  überfic^tlid^e  unb 
elegante  3!)arftellung,  bur^  bie  Einfügung  eigener,  meift  richtiger  unb  ^efunber  Urteile  bat 
eS  einen  bebeutenben  Söert.  ©.  entfd^lofe  fic^  je^t,  auS  ber  beabfid^ttgten  großen  Slrbeit 
iüenigftenS  einen   gebrängten  SluSjug  ju  tjeröffentlid^en,  unb  biefe  lur^e  3)arftettung  ber 

46  ©efc^i^te  ber  eibgenöffif^en  93ünbe,  il)rer  SSerfaffung,  ber  j)olitifd(>en  unb  gefeDf^aftlic^en 
3uftänbe  ber  ©d^iüeij  unb  il^rcr  einzelnen  leile  f^atte  er  f^on  bis  1573  in  jih?ei  Suchern 
gefd^riebcn.  ^n  feinem  lobeSja^re,  1576,  erfd^ienen  biefe  De  Re  Publica  Helvetionim 
libri  duo,  in  benen  bie  nat^  ber  ©efamt^eit  unb  nat^  ben  einzelnen  ftaatlic^en  ®nH)j)en 
geteilte  ©taatsbcfd^reibung  gerabeju  unübertrefflich  ift,  fo  bafe  bie  gro^e  3^^^  immer  ficb 

50  iüieberl^olenber  9leuauSgaben  —  jufammcngered^net  überl^au))t  fxeben  lateinift^c  bis 
1738,  5tüölf  beutfc^e  bis  1735,  ac^t  fTanjöfif^c  (in  ©enf,  ^ariS  äntit)er»)en)  bis  1639, 
jtoei  ^oHänbifc^c  bis  1644  —  boDfommen  begreif lid^  ift.  SiS  in  baS  18.  ^i^^r^unbert, 
h)o  eben  1735  ber  3wtc^^  2^"  ^^"^  "^"^  2luSgabe,  mit  3Jad^trägen,  beutft^  ^erauSgab: 
„3Son  bem  SRegimente  ber  Söblic^en  ßibgenoffenfc^aft",  toar  ©.S  95ud^  baS  unenblid^  oft 

56  gebrauchte  unb  tjicl  Von  fremben3tutorcnbcnu^te§auj)tauSlunftSmittel  über  ben  fomJ)li}ierten 
t)olitiJd^en  S3au  ber  ßibgenofjenf^aft,  unb  bis  ju  beren  Untergang  im  ^a^x^  1798  bebielt 
eS  biefe  SSebeutung.  ©.  mibmete  bicfeS  fie^rbuc^  eibgenöffxfc^en  ©taatSrec^tcS  Sürgcr^ 
meifter  unb  ^ai  ijon  ©t.  ©allen,  ba  beren  untemebmenbe  Sürger  als  ^anbeltreibenbc 
tueit  burd^  @uro|}a  fämen  unb  fo  ben  3luSlänbern  richtige  Segriffe  üon  ben  f(^h>ei5enf(^en 

60  SJer^ältniffen  beibringen  tonnten.    Seiber  fa^  ©.  felbft   nur  erft  ben  Anfang   beS  grofe- 


Stmler  Sttttott  ber  SKagier  351 

artigen  GrfoIgciS  bicfcr  feiner  ©eiftc^arbeit.  ©einen  l^anbfc^riftlid^en  biftorifc^en  9Jac^Ia6 
fammelte  ber  lOOO  geborene  fj)ätere  SSürgermeifter  3t>^önn  ^einrid^  2Bafer,  fein  @nlel, 
unb  er  liegt  mit  beffen  Bd^x\\tm  auf  ber  ^üxd)^  ©tabtbibliotl^ef. 

ein  JJac^fomme  be«  ^o^xa^  in  fünfter  ®efc^Ied;tgfolge  ift  ^o^ann  3«! ob  Simler, 
geb.  1716,  geft.  5.  Stuguft  1788,  3nf)c)eftor  ber  Sllumnen  unb  Se^rer  an  ber  ©tiftöfc^ule  ju  6 
3üri(^.  ©eine  in  i^rer  3lrt  einjige  älbfd^riftenfammlung,  35ofumente  unb  95ücber, 
19ß  %ol\antm,  nebft  62  Sänben  cine^  boj)J)elten  Stegifter«,  auf  ber  3ürc^^  ©t^btbiblio* 
tbef,  ift  eine  ber  reic^ften,  ftet«  toieber  benu^ten  Cuetten  für  firc^engefd^ic^tlic^e  %ox^ 
fd^ung,  üorgüglic^  ^ur  ßjjod^e  ber  Slefomtation.  1759  bi«  1763  üeröffentlid^te  er  au^ 
feinen  ÄoIIeftaneen  jtüei  Sänbe  einer  „©ammlung  alter  unb  neuer  Urfunben  jur  Se-  lo 
leuc^tung  ber  Äirc^engefc^i^tc  üomel^mlid^  be«  ©d^iüeijerlanbe«". 

(€.  ¥efta(05$it)  ®*  SRe^ertioti  jhtotian. 

Simon  ber  äRagter«  —  l.  Sitte ratur.  911^  aRunograp^ien  fornmcn  in  Setrac^t 
.i>.  Simfon,  Sebcn  unb  fic^rc  ©.§  in  36^1)  H»  Seip-^ig  1841;  ©c^luricf,  De  Simonis  magi 
fatis,  beißen  1844;  3.  ®rimm,  3)ie  ©amariter,  3Kün(^cn  1854,  125—175;  ®.  SSolImar,  15 
lieber  bcn  ©.  iKagu^  in  Zilh.,  2:^353  185C;  S.  '}load,  ©.  ber  "ölagier  in  ^fpcfte,  3,  Seipjig  1860; 
5.^.,  Ucber  ba§  SJenfmal  bc§  ^JKagierg  @.  in  ^iftor.^polit.  ©tötter  47,  ^JKünd^cn  1861; 
91.  .^ilgenfetb,  3)cr  Magier  8.  in  S^"^^  1^»  fieipj^ig  1868 ;  ©ülfcn,  Simonis  magi  vita,  Berlin 
1868;  3.  3)eli^fc^,  3ur  aueUenfritif  ber  ftitcften  ^erid)tc  über  Simon  $ctru8  unb  ®.9Kagu8, 
2^@tÄ47,  ®üt^al874;  9?.  91.  fiipfiu«,  8.^Ugu^  in  Sdjeufel,  ^öibellejüon  V,  301  ff.,  Seipjig  20 
1875;  3)ieterlen,  L'Apötre  Paul  et  S.  le  Magicien,  9Mnci)  1878;  5ß.  Wolitx,  @.  3Kagu§  in 
ip^HiS.*  XIV;  91.  $a(rnacf),  S.  "iD^agu^  in  Encycl.  Brit.»  XXII,  (£binburgU887 ;  *.Sugano, 
I^  memorie  leggendarie  di  S.  Mago  in  Nuovo  Bulletino  di  archeologia  crist.  VI,  Koma 
1900;  %  SB.  ©(cfjmiebcO.  ©•  ^^gu^^  in  Encycl.  Bibl.,  fionbon  1903;  ^.  5Saif,  ©.  9JJngu§ 
in  ber  altc^riftt.  fiitteratur  in  3nt^  V,  (^Jicfeen  1904.  25 

3u  ogl.  finb  augerbem  bie  allgemeinen  5)arftcUungen  ber  Äir(^en=  unb  ^ogmengcfcfiidite 
foioic  bcS  ®noftici§mu^  (f.  b.  91. 93b  VI,  728,  toobci  narf)jutragen  ift;  3.  ^rcQcnbü^I,  3)a4J  doans 
gcliumbcr  Säa^rfieit,  I,  174-265,  II.  100 ff.  u.ö.,  33crlinl900.  1905;  9l.fiic*tenftan,  3)ic  Offene 
i)arungim©noftici§muö,®öttingenl901,5ff.,56f.);  ferner  bie  fiitteraturjur9lpoftelgcfcfti(^tc  (91®), 
(S.  BcUer,  5)ie  91®,  Stuttgart  1854,  158 ff.;  9(.  3afob)en,  2)ie  CueOen  ber  9(®,  SBcrIin  30 
1885,  11  ff.;  J£).  $)oltmann,  {Jorfc^ungen  über  bie  91®  in  QtüX^  28,  ficipjig  1885,  430f.; 
%  Seine,  3)ie  alte  Duelle  in  ber  erften  $)ä(ftc  ber  91®  in  3pr2:ö  16,  SBraunfcfjroeig  1890, 
109 ff.;  SW.  Sorof,  5)ie  (Sntfte^ung  ber  91®,  SBcrlin  1890;  g-r.  Spitta,  3)ie  91®,  it)re Cueaen, 
.{)one  1891,  145 ff.;  ß.  Giemen,  C£t)ronologic  ber  paulin.  ^Briefe,  .JiaHe  1893;  3.  3üngft,  5)ic 
Cueflen  ber9l®  ®ot^a  1895;  91.  ^ilgenfelb,  3)ie9l®na(l)  iljren  Cueflenfcftriflen  in  3^3:5  38. 39.  35 
i'eipjig  1895.  96 ;  enblld)  bie  iJitteratur  ju  ben  apo!rt)pöen  9l!ten  unb  ben  ^feuboüementineu 
(f.  b.  91.  Glementinen  33bIV,  171,  nad)5ut ragen:  $.  U.  9)iet)boom,  ^e  Slemen«=9loman  I.  II, 
®roningen  1902.  04;  ^.  ma%  3)ie  ^feubotlementinen,  %n  925  10,  fieipjig  1904,  170  ff. 
202ff.  u.  ö.;  91.  i>aruad,  G^ronologie  ber  altd)rtftlid)eu  fiitteratur  II,  1904,  518—540; 
3B.  ©üuffet  in  ®g9l  1905,  425—447;  91.  C)ifgenfelb,  $feubo=eiemen§  in  SroX^  47,  1904,40 
545—567;  berf.  3)er  eiemenSromau  Sio^MÖ.  1*^06,  66—133). 

2.  Quellen.  Schriften  S.ö  e^iftiereu  nid)t.  Db  unter  htn  assertionibus  ber  ©.ianer(3reu.I. 
23. 4.)  Schriften  berfelben  ju  oerftet)en  finb,  ift  fraglic^.  3)ocb  ift  auö  i!)rem  Greife  bie  d:t6ffaoig 
fifyah)  Ijeroorgegangen,  oon  ber  .t>ippoll)t,  Phil.  VI,  7  — 18  91u^jüge  giebt  (ogl.  ba^^u  $.  Stä:6e= 
lin,  3)ie  gnoft.  Clueüen  ^ippüll)t§  in  XU  VI,  Seipjig  1891  foioie  u.  6.  360  48  ff.).  3öaS  46 
.t)ieron.  Comm.  in  Mt.  24,  5  au§  b.  voluminibus  @.*  anführt,  bejie^t  ficb  raobl  auf  biefelbc 
Scbrift  (f.  u.  S.  360i6ff.).  mn  ben  Rec.  2,38  ermähnten  scriptis  ©.ö  finb  @d)riften 
^iarcionS  gemeint.  5)arauf  loeifen  iüol)l  aud)  bie  bei  ^ion^f.  9lreop.  De  divin.  nom.  6, 2  ge^ 
nannten  it}?  jtagavoiai  ^füfiono^  dvziooriiixoi  /Jyoi.    2)ie  apoft.  Äonftitutionen  VI,  16  nennen 

ßißUa,    bie    oi    negi  Zi/itO)va    y.al  Klfofiiov    tn,^    orofiaTt  Xotoxov    xai    tcDv    inai}rjTd)v  aviov  50 

oerfafet  ^aben  follen.  öejiel^t  fitfi  bieä  ebenfall^S  auf  marcionitifcbe  Schriften  ober  auf  3Wit= 
teilungen  über  @.  unb  illeobiu^  in  bem  apofnjp^en  Äorint^erbrief  ber  ?5auluSa!ten  ?  Moses 
Barcepha,  Comm.  de  paradiso  III,  1  bringt  91u^5füf)rungen  S.^  über  ben  3)emiurgen,  bie  auS 
ben  ^feuboflementinen  gefcftöpft  finb  (ogl.  Rec.  2,  53  unb  ^o^^cim.  Inst.  bist.  Christ.  I,  ^elm= 
ftäbt  1739,  403).  9^acl)  einer  arabifd)en  33orrebe  5U  ben  .tanoneä  beä  9iicänif(6en  Äonjilö  66 
follen  bie  S.ianer  ein  in  uier  9lbfcftuitte  geteilte^  (Suangelium  gel)abt  l)aben,  über  quatuor  angu- 
lorum  et  cardinum  mundi  genannt,  vllä  Gueflen  fommen  ba^er  übermieaenb  S3erid)te  über 
e.  in  33etrad)t:  91®  8,  5—24;  3uft.  Ap.  I,  26,  56;  Dial.  c.  Tryph.  120;  ^egefipp.  hei 
euf.  H.  E.  IV,  22,  5;  delfu«  bei  Orig.  c.  Cels.  V,62;  3reu.  Adv.  haer.  I,  23,  1-4  u.  ö.; 
Xert.  Apol.  13;  De  anima  34,  57,  u.  o.;  ,&ippüll)t.  Syntagraa  (nad:!  ^feubotert.  1,  ©pip^an.  go 
Haer.  21,  1-6;  «P^ilaftr.  Haer.  29);  .J)ippoh)t,  Phil.  VI,  7—18.  19.  20;  X,  12;  IV,  51; 
(£lem.  9lle?.,  Strom.  II,  11,  52;  VII,  17,  107.  108;  Drig.  c.  Cels.  I,  57;  VI,  11  u.  ö.; 
Didascal.  VI,  8,  9;  Const.  ap.  VI,  7,  8,  16;  Act.  Pctr.  unb  bereU  SSerroanbte  öfter*^.  ^Icm. 
Hom.  2,  18—34;  3,  2;  4,  2.  4;  6,  26;  7,  9.  11;    8,  3;  11,  35;  18,  4—12;  2ü,  11  ff.  u.  i).; 


352  6tttt0tt  ber  SRagter 

Rec.  1,  70.  72;  2,  7-15;  3,  47.  69;  4,  1-3;  10,  53  u.ö.;  Guf.  H.  E.  II,  1,  12-15; 
^feubotcrt.  Carra.  adv.  Marc.  I,  157—159;  ^Irnob.  Adv.  gent.  II,  15;  $fcuboci)pr.  De 
rebapt.  16;  ^feuboaug.  De  haer.  1;  3)tbQmu§  ?Uc;r.  De  trin.  III,  19,  42;  ei)r.  ^icrof. 
Cat  VI,  14,  15;  XVI,  16;  öJrcg.  ^iaj.  Orat.  23,  16;  44,  2;  X^eobor.  Haer.  fab.  I,  1. 

5  3)cr  SJlagiet  ©.  [teilt  bie  ©cfd^ic^t^Betrad^tung  be«  at)oftolifc^en  unb  naci^aj)o[toUfc^en 
Zeitalter«  üor  eine«  ber  intereffanteften,  aber  auc^  fd^iüierigften  Probleme.  SBa«  ift  biefer 
©amariter  geiüejen,  ber  nn^  jugleid^  ate  ßi^rijt,  3"*^^  wnb  §etbe,  afe  SKagier  unb 
®oet,  aU  ($riftlic^ier  5Reliöionej)l^iIofoj)^  unb  3lrc^i^äretiler,  al«  ^feubocujoftel  unb  5ßfeubo= 
meffta«,  afe  Steligiondftifter  unb  ^nlamatton  ber  ®ott^eit  entgegentritt? 

10  I.  SBoQen  toir  biefen  ^roteu«  ber  altd^riftUc^en  Sitteratur  faffen,  bamit  er  un«  fein 
toal^reö  ffiefen  ent^üttt,  fo  müfjen  tuir  un«  üor  allem  an  bie  Seric^te  über  i^n  ^Iten. 
S^re  Äritif  foll  babei  §elfer«bien[te  leiften. 

1.  aSir  beginnen  mit  31®  8,5— 24.    5Ric^t  SBenige«  fättt  babei  bem  Iritifc^en  Stuge 
auf,  junäd^ft  in  33. 5— 13.  ©d^on  l^ier  liegen  jtoei  berfd^iebeneänfci^auungen  bon  ©.  \)ox. 

15  ©0  tuirb  er  33.  9  aU  ein  SKagier  Bejeic^net,  ber  mit  feinen  3<Jw6w^J^»i  *>i^  95eböl!crung 
ber  ©tabt  ©amaria  für  fi^  ju  getoinnen  fut^t,  inbem  er  fagt,  er  fei  ettoaö  ©rofee«. 
Unb  h)ie  nad^  93. 11  ba«  SJoIf  um  feiner  Söwbereien  tuiHen  an  i^m  ^ängt,  fo  i}Qlt  er 
[\d)  felbft  naä)  93.  13  ju  ^^ili|)t)us;  an^  bem  gleid^en  ©runb,  aui^  95etüunberung  über 
bie  bon  biefem  üoDbradf^ten  3^^«"  ""*>  großen  SBunber.    ®anj  anber«  toirb  er  93.  10 

20  d^arafterifiert,  inbem  er  ^ier  ^  dvva/Lug  tov  ^eov  fj  xakovjuhn]  jueyakrj  genannt 
toirb.  5Wag  man  bad  SBort  /leydXtjin  feiner  eigentlid^en  95ebeutung  fcft^alten  ober  al^ 
eine  Übertragung  be«  aramäifd^en  SBorte«  «bra  ober  '^ba?:  =  ber  Offenbarer  auffaffen 
(fo  21.  Äloftermann,  Probleme  im  3lj)ofteltejt,  ®otl^a  1883,  15—21),  fo  ift  er  bod^  ^ier 
nid^t  me^r  ber  ^Magier  unb  ®oet,   fonbem   eine  ^immlifc^e  ^otenj.    Sead^ten  h>ir  baju 

26  bie  aOäieber^olung  be«  Slu^brurf«  jigooeTyov  in  93.  10  bejto.  93.  11,  toeld^e  fic^  alö  eine 
rebaltioneQe  9Jat  üerrät,  fo  toerben  ioir  93. 10  ate  eine  f^jötere  3"*^«*  betrad^ten  muffen. 
SBenn  nun  ©.  in  ber  Srjäl^Iung  93.  14—19,  in  ber  er  fxd^  nid^t  mebr  toie  in  93.  5 
unb  9  in  ber  ©tabt,  fonbem  im  fianb  ©amaria,  aud^  nid^t  me^r  bem  ^9ili^)t)u«,  fonbem 
bem  ^etru«  unb  3i<>^ö>^w^  gegenüber  befinbet,  nit^t  ettoa,  toie  man  au^  feiner  (Strafte-' 

30  riftil  ate  3öwberer  f(|liefeen  möd^te,  um  bie  ^raft  bittet,  and)  fold^e  SBunber  ju  t^un 
toie  5P^ilij)t)ug,  bielmel^r  nur  noc^  bon  bem  9Bunf(^  befeelt  ift,  bie  a))oftoIifc^e  ®abe  ber 
®eifte«mitteilung  ju  erlangen,  fo  ioirb  man  biefelbe  §anb  toie  in  93. 10  nic^t  berfennen, 
jumal  bie  l^ier  toie  aud)  ä®  19,  6  ju  2Aige  tretenbe  j^ierarc^ifc^^faframentale  Stuffaffung 
bon  bem  a^oftolifd^en  Slmt  unb  ber  §anbauflegung  in  eine  fjJätere  3^^*  *^><^ip-    3)«  ^ 

85  ftd^  babei  um  eine  Umarbeitung  be«  SKotib«  in  ber  95itte  ©.i^  l^anbelt,  lönnen  biefc 
fbäteren  3wtl^aten  nic^t  einem  3tbf(^reiber,  fonbern  nur  bem  Sßerfaffer  bejh>.  legten 
SHebaftor  ber  21®  ju  Saft  gelegt  toerben,  ber  eine  il^m  borliegenbe  DueHenfd^rift  benü^t 
unb  »erarbeitet  f}ai,  bie«  mit  um  fo  me^r  ®runb,  ali  ber  93erfaffer  ber  21®  nad^toci^li^ 
aud)  fonft,  befonber«  R.  1—12,  Ductlenft^riftcn  in  fein  SBer!  aufgenommen  unb  frei  ber- 

40  arbeitet  i)at.  35arauf  ioeift  aber  nod^  ein  anbre^  l^in.  SQääl^renb  nämlit^  93.  14  jtoei 
2l})oftel,  ^etrug  unb  goi^anne^,  auftreten,  ift  93.  20  ff.  nur  einer,  5ßetrug,  in  2^ätigfeit. 
©oute  nic^t  berfclbe,  ber  bem  ©.  bie  Sitte  um  bie  &aU  ber  ®eifte^mitteilung  in  ben 
5Kunb  legte,  bem  5Petruö  ben  ^o^anne^  beigegeben  ^aben?  ^oi^anne«  ft^ielt  überall  in 
ber  21®,  h)o  er  mit  ^Petru«   jufammen  auftritt,  biefelbe  SRoUe   eine«  ©tatiften  (bgl.  :3, 

45  1.  3.  4.  11.;  4,  13.  19),  toä^renb  ^etru«  ber  2lltör  ift.  (3,  6.  7.  12ff.;  4,  8;  5,  l.ff.; 
9,  32 ff.  36. ff.;  10,  9. ff.)  95.2Beii  (ßinlcitung  in«  913:*  573  2lnm.,  unabl^ängig  toon  i^m 
and)  xd)  in  ^fcubollementinen  224)  l^at  be^^alb  Vermutet,  bafe  er  ^ier  überall  erft  nad}-- 
träglid^  üon  bem  93erfaffer  ber  21®  in  eine  il^m  borliegenbe  ^etru^gefc^ic^te  eingefügt 
fei.    ®g  ioirb  barum  bie  ^injufügung    be«  ^of^annci,   toie    über^aujjt  bie    ©rjä^lung 

60  93.  Uff.  al«  feine  rebaftionette  Sciftung  anjufcl^en  fein.  Äommt  93.  14—18*  {nvevfia) 
unb  $}.  19»>  auf  feine  3fled^nung,  fo  ift  33.  18»>  unb  S.  19»,  20— 24  ber  Quettenfc^rift  ju= 
mioeifen.  5Rur  mufe  ftatt  bc«  $lural«  {amoig  93.  18,  doxe  Sß.  19,  dsi^^xe,  eigtjxare 
93.  24)  ber  entf^jred^enbe  ©ingular  gefefet  toerben.  ä5ergleid^en  toir  nun  ben  ©(^lufe  ber 
Dueaenfd^rift  3J.  18^  19%  20—24  mit  il^rcm  2tnfang  S.  5—9, 11  -13,  fo  finben  toir  noc^ 

65  eine  ^nfongruenj.  Jöä^renb  xule^t  ^etru«  bem  ©.  gegenüber  fte^t,  befinbet  fic^  im  2lm 
fang  $l^ili))))u«  an  feiner  ©teile,  um  93.  14  ganj  unvermittelt  ju  üerfd^toinben  unb  93.26 
ebenfo  unvermittelt  in  ^^^^wf^lem  toieber  aufjutau^en.  ©ottte  nid^t  berfelbe,  ber  ben 
So^anne«  bem  ^etruiS  bcigefeHt  unb  beibe  ju  ben  .öierar^en  in  S^wföt^^  gemad^t  ^at, 
ben  5ß^ilij)t)u«  an  ©teile  be«  betrug  eingefe^t   Ij^abcn?    35aft  ber  93erfaffer  ber  Ä®  aU 

60  eine  $au))tquelle  in  Ä.  1—12  eine  ?|Jetru^efd^id^te,  ^etru^afien,  benu^t  fyit,  fyAcn  bie 


®tttt0tt  ber  attagter  353 

quettenfritifd^en  Untetfuc^ungcn  bcr  21©  im  toefcntlic^cn  übetcinftimmcnb  barget^an 
(ögl.  aufeer  95.  SBeife  a.  a.  0.  bie  gorfc^ungen  bon  §.  §oI^mann,  5ß.  geinc,  9)1.  Sorof, 
6.  Giemen,  3-  Süngft).  ßine  ^^ilit))iu«0ef(^ic^te  fann  bagegen  bagegen  au^er  l^icr 
nirgenb^  aU  Duelle  nat^getuiefen  tuerben  unb  erfd^eint  aud^  fonft  üerbädf^tig,  ba  fie  bem 
3)iafon  ?ßpij)t)u«  (bgl.G,  5;  21,  8)  txo^  ber  2lbmac^ung  6,  3  f.  eine  at)oftolifc^e  aSirffam?  5 
feit  jutoeift.  35arf  ba^er  mit  ©id^etl^eit  nur  eine  ^etru^efd^idf^te  atö  DueBenfd^rift  ber 
2t®  angenommen  tocrben,  fo  liegt  fie  in  unferm  2tbfc^nitt  in  S8.  20—24  offen  ju  Jage. 
3)a  nun  33.  18^  19»,  20— 24  auf^engfte  mit  93.  5—9,  11—13  jufammen^ängt,  mufe  auc^ 
biefe  ©teile  auf  biefelbe  ^etru^cfd^id^te  ^urüdfgefül^rt  ioerben,  inbem  ^ier  für  ^^ilijj^ju« 
^etru^  eingefe^t  ioirb.  2)ann  aber  mufe  H}x  and)  93.  26—40  jugetüiefen  Serben.  2Bir  10 
fommen  ju  bem  Ergebnis,  bafe  ber  33erfaffer  ber  2t®  in  8,  5—24  (be^h).  40)  eine 
Duettenfd^rift,  Sßetru^Iten,  »erarbeitet  ^al,  inbem  er  für  ben  ^Petru«  junäd^ft  in  93.  5.  6. 
12.  13  ben  5ßl^ili))j)u«  einfette,  aUbann  in  93.10  feine  2tuffaffung  S.ö  al^  ber  großen 
2)^namig  ju  25. 9  erllärenb  einfc^altete  unb  fd^liefelid^  in  93. 14  ff.  bieSReife  ber  beiben  ©äulen:= 
a!po\Ul  unb  bie  95itte  ©.g  um  bie  &abt  ber  ®eiftedmitteilung|injufügte.  gn  biefer  Duellen- 15 
fc^rift  ftel^en  fi^  allein  ©imon  ^etruö  unb  ©imon  ber  ÜRagter  gegenüber,  ber  fid^  nur 
be^^alb  taufen  läfet  unb  bem  ^etru«  ®elb  bringt,  toeil  er  burc^  i^n  biefelbe  i^ovoia 
gu  erlangen  ^offt,  orj/tieia  xal  dvvd/iieig  jueydXag  ju  t^un,  toie  biefer.  3)edbalb  h)irb  er 
öon  5ßetru«  ani  ber  d^riftlic^en  ©emeinbe  au^eftofeen,  bi^  er  Sufee  t^ut.  2tl^  93es 
[tätigung  biefe«  ßrgebniffe«  barf  betrad^tet  Serben,  ba|  foiool^l  bie  93eric^te  ber  Äird^enöäter  20 
al«  aud^  bie  ^etru^aften  (f.  u.  2  unb  3)  ben  $l^ili^l|)u«  unb  ^[ol^anne«  nid^t  ertoäl;nen, 
h?o  fxe  auf  ben  Vorgang  21®  8,  5—24  anfpielen,  alfo  eine  ©arftellung  öorau^fe^en,  ioie 
fxe  bie  DueHenfc^rift  ber  2t®  in  unfrer  Slelonftruftion  bietet. 

2.  ßine  eigenartige  gortfe^ung  ber  $etru«5©.gcfd^ic^te,  2t®  8,  5—24,  bilben  bie 
a^ottt)pf)tn  ^etru^ften  in  il^ren  üerfd^iebenen  Slebaftionen  (Act.  Petr.  c.  Sim.,  getoöl^ns  25 
lid^  Act.  Vercellenses  genannt;  Act.  Petr.  et  Paul.;  Dgt.  Acta  apostolorum  apo- 
crypha  ed.  Lipsius  et  Bonnet,  Lips.  1891)  unb  bie  bamit  k^ertoanbte  Sttteratur 
(Dgl.  baju  6lem.  2tlcE.,  Strom.  Vn,  17;  ^\ppol%  Phil.  VI,  20;  Didascal.  VI,  9; 
Const.  ap.  VI,  9;  ßufeb.,  H.  E.  11,  14,  15;  2trnob.,  Adv.  gentes  II,  12;  ^^ilaftr., 
Haer.29;  ®))i))b.,21,4;  2tmbrof.,HexaemeronIV,8;  ^feubo^egefipj).,DebelloJud.III,2;  30 
Act.  Ner.  et  Achil.;  Sul^.  ©el>.,  Hist.  II,  41;  ^fxb.  ^\^p.,  Chronic,  ©^r.  ^rebigt 
be«  ©imon  Äe>)^a  in  Sflom,  Hypomnema  be«  ©imeon  SKetajj^rafte«;  ^0.  3Jialala, 
Chronogr.X;  ©d^olienbuc^  be«  ^^eoboroö  bar  Äöni,  lurmbu^  be«  3Wär(j)  ibn  ©ulai« 
man,  f)ion^ftud  bar  ©alibi,  93ieret)angelienIommentar;  5R.  2t.  Sijjfiu«  2tj}ofc^j}^e 
2tj)oftelgefc^ic^ten,  95raunfd^h)eig  1887 ;  2t.  93aumftarl,  2)ie  betrug-  unb  ^aulueaften,  35 
2eij)jig  1902).  2tuc^  il^r  2:^ema  ift  ber  Äam^jf  be«  ©imon  ^etru«,  neben  bem  erft  in 
bäteren  95earbeitungen  ^aulu«  genannt  toirb,  mit  ©.  SKagu«,  toobei  ber  2t®  8  jju 
®runbe  liegenbe  95erid^t  legenbarifd^  ioeitergebilbet  ift.  2tte  ©^auj)la$  ber  §anblung  er^* 
fd^eint  nur  üereinjelt  ©amaria  (Act.  Verc).  ©tatt  beffen  h)irb  3wbäa,  bejto.  3^^f^'<^"i 
unb  ßäfarea,  öor  altem  aber  Slom  genannt.  2tte  S^xt  ber  §anblung  toirb  übertoiegenb  40 
bie  be«  9Jero,  baneben  bie  be«  ßlaubiu«  (Act.  Verc.)  angegeben.  Da«  Silb  be«  ^Petru« 
unb  fo  auc^  ba«  be«  ©.  ^at  im  großen  unb  ganjen  biefelben  ^üqc.  ^etru«  ift  ber 
grofee  3)ämonenau«treiber,  Äranfen^eiler  unb  SQSunbertl^äter.  ©benfo  ift  ©.  bor  allem 
3Ragier  unb  ®oet,  beffen  ^anbct^  unb  93efd^tüörung«fünfte  jebod^  im  einzelnen  au«s 
gemalt  toerben.  ©0  legenbarifc^  aud^  biefe  ßrjä^lungen  finb,  fo  fnüt>fen  fxe  le^tlid^  an  4ß 
bie  DueDenfc^rift  in  2t®  8  an.  2)aneben  h)irb  ©.  toie  im  gegeniüärtigen  2!ejt  bcr  2t® 
bie  grofee  Äraft  ®otte«  genannt.  2tl«  neue  3üge  in  feinem  93ilbe,  bie  ^ier  fel^len  unb 
auf  bie  95erid(^te  ber  §ärefeologen  (f.  u.  3)  jurüdge^en,  finb  nur  fein  ^^}feubomeffia«tum, 
ba«  fxd^  u.  a.  and)  in  feiner  burd^   ba«  ®ebet  bc«  5ßctru«  vereitelten  Himmelfahrt  jeigt, 

f oh>ie  feine  93egeid^nung  al«  be«  iatcog  anjufel^en  (ügl.  Act.  Verc. ;  Act.  Petr.  et  Paul.).  50 

3.  @in  üötlig  anber«artige«  Silb  bieten  bie  ^ärefeologen  ber  alten  Äirt^e.  ©0  fc^on 
ber  ältefte,  auf  ben  bie  f})äteren  Seric^te  g.  gr.  3:.  jurüdgel^en,  ^n^tin  ber  3Ilärt^irer. 
Seiber  ift  fein  ovvtay/bia  xaxd  naacbv  xGiv  y€yevvt]/bL€v(ov  algiaecov  Verloren  gegangen 
unb  lann  mit  ©ic^er^eit  in  feinem  größeren  Umfang  miebcr^ergefteHt  ioorben,  al«  e«  feine 
2tu«aüge  barau«  (Ap.  1,26.  56;  Dial.  c.  Tryph.  120)  erlauben.  (93gl.  3ft.  2t.  2i))fiu«,  65 
3ur  DueHenfeitif  be«  (gt)i))^anio«,  2Bien  1865,  77 ff.;  2t.  §amadE,  Rur  DueHenfritif  ber 
®efd^id^te  be«  ®noftici«mu«,  2eiJ)jig  1873  unb  in  3^2:^  1874;  91.  2t.  Sijjfiu«,  5)ie 
Duetten  ber  ölteften  Äird^engefc^i^te,  Sei^jjig  1878,  74 ff.;  3- ^wnje.  De  hist.  gnost. 
fontibus  Lips.  1894).  galten  h)ir  un«  l^ieran,  fo  finben  ioir  benfelben  3}f agier  tvk  in 
ber  8t®.,  ber  üiele  burd^  feine  3öuberlünfte  betrügt.    2tber,  toie  ber  ganjje  93organg  2t®  8  eo 

9ttaU9nttitlot>at>\t  ffir  Z^toXo^it  unb  Stitdit.    B.  91.  XVTIT.  23 


364  Stttt0it  ber  SKogter 

mit  feinem  SBorte  berührt  iüirb,  fo  ftnbcn  fid^  anbere  9la(^ric^ten  über  ©.,  bie  Suflin 
auö  ber  l^eimatlid^en  Überlieferung  über  feinen  Sanb^mann  aefd^öjjft  i}at  ©o  hjeife  er 
Don  il^m,  bafe  er  au^  bem  famaritifd^en  3i)orf  ©ittä  (®itta)  ftammt  unb  unter  Glaubiu^ 
md)  iRom  gefornmen  ift.  3Son  ben  SWömern  fott  er  burd^  ein  auf  ber  3:iberinfel  erric^^ 
6  tete^  ©tanbbilb  mit  ber  Snfd^rift  Simoni  deo  sancto  geehrt  tuorben  fein.  Sediere 
3la^x\i)t  berul^t  freilid^  auf  einem  3^tum  S^P^*^^/  ^^/  ^^^  ^^^  ^^  "^aJjxt  1574  an  ber 
üon  il^m  befd^riebenen  ©teile  gefunbencr  ©odfel  mit  ber  3nf4>rift  SEMONI  SANCO 
DEO  FIDIO  SACRUM  SEX.  POM  PEI  US  . .  DONUM  DEDIT  betueift,  auf  ©. 
bejogen  ^at,  toa«  ^ier  üon  ber  fabinifc^en  ©ottl^eit  ©emo  gefagt  tuar.  2lber  l^at  er  auc^  l^ierin 

10  geirrt,  fo  mufe  er  be^^alb  nod^  nic^t  ben  ganjcn  2lufent^alt  ©.«  in  9tom  a\x^  bicfer  3"= 
fc^rift  gefc^loffen  ^aben,  fonbern  ^at  i^n  ebenfo  tuie  bie  t^ronologifd^e  Seftimmung  (inl 
KXavdiov  Kaloagog)  anberhjeitig  bejeugt  gefunben.  2Iuf  berfelben  famaritift^en  S^rabi- 
tion  beruht  tüo^I  au^  bie  5lad^rid^t,  ba|  faft  alle  ©amariter  il^n  d)g  xov  nganov  ^eov 
(Ap.  I,  26),  ber  ynegdvo)  ndarjg  ägrv^^  ««i  i^ovalag  xal  dvvd/iecog  (Dial.  120)  fei, 

16  befennen  unb  \)ml}xm  unb  feine  Segletterin,  eine  getoiffe  §elena,  bie  fxc^  früher  in  einem 

Sorbett  t)rei^egeben  ^abe,  ate  rtjv  an  avrov  hn^oiav  7iQd)Tt]v  bejeid^nen  (Ap.  I,  26).  — 

(Sin  toertbotte  Ergänzung  ber  3wpi"f^^n  9Jad^rid^ten  ift  bie  l^ärefeologifc^e  ©d^rift 

römifd^en  Urfjjrungg  au«  ber  3«it  bor  175,  toeld^e  S^^wäu^  ^n  fein  aSerf  Adv.  haer.  I, 

11.  12.  22,2—27,4  aufgenommen,  aber  tüolS^l  and)  ßelfu«,  'Akrj^g  löyog^  2;ert.,   De 

2oanima  34;  §toj)ol^t,  Syntagma  unb  ^feubotert.  (=  Äommobian),  Carm.  adv.  Marc. 
I,  157  ff.  nocf  benü^t  l^at.  (98gl.  bie  oben  ©.  353, 56  ff.  angefül^rte  fittteratur,  aufeerbem  meine 
©(^rift  über  35ad  t)feubotert.  ®ebid^t  adv.  Marc,  3)armftabt  1900.)  2luc^  l^iemad^  ift 
©.  noc^  ber  3Kagier,  babei  toirb  au^brüdflic^  auf  21®  8  bertoiefen.  (3>ten.;  iert.;  ^tppol 
bei  ^feubotert.,  Adv.  omn.   haer.  unb  Qpxpi}an,).     aber  biefe  Sluffaffung  ©.^  ge^t 

26  faft  böttig  in  einem  gnoftifd^en  ©^ftem  auf,  in  beffen  9KittdJ)unIt  ©.  fte^t.  §icr  ift  er 
ber  summus  deus  (^Pfeubotert.,  Adv.  omn.  haer. ;  '^xm.  II,  9)  bejto.  pater  (3ren. 
I,  23.  1;  lert.).  ®Ieid^5eitig  nennt  er  ftd^  im  SBiberfj)rud^  hiermit  bie  sublimissima 
bejh).  summa  virtus,  ^  jLteydXrj  dvvafug  ®otte«  (ß^f-;  3^^n.;  Carm.  adv.  Marc; 
(Sjpit)l[;an.).     ©eine  ©enoffin  ^elena,  bie  l^ier  mit  3:^ru«  in  3Serbinbung   gebracht  ift 

3o(3;ren.;  S^ert.,  6})i))^an.),  ift  ferne  hvoia  (3ten.),  bie  aud^  prima  mentis  ejus  con- 
ceptio,  mater  omnium  (3ren.),  prima  injectio  (3^ert.),  sapientia  (^feubotert.,  Adv. 
omn.  haer.),  nvevua  äyiov,  Jigovvixog  {Qpxphan.)  Reifet.  35urd^  fte  l^at  er  ben  6nt= 
fd^Iu^  gefaxt,  bie  6ngefömäd[^te  ju  fd^affen.  3lber  im  Seft^  biefe«  ßntft^Iuffe«  ift  fic 
bem  SSater  entft)rungen  unb  in  bie  unteren  $Hegionen  niebergcftiegen.    3)em  SBJitten  be^ 

86  aSater«  juöorf ommenb  (lert. ;  fcl^It  bei  ^xm.)  i}at  fie  l^ier  bie  ßngetemät^te  ^erbor- 
gebrad^t,  iüelAe,  o^ne  ^t\üa^  öon  bem  SSater  /\u  toiffen,  bie  SBelt  (unb  bie  ?Kenfc^cn, 
6t)i))^an.)  erfc^affen  ^aben.  SBeil  fte,  bie  2Beltfd^ö})fer,  nid^t  aU  ein  ®efc^öj)f  gelten 
tüotten,  ^aben  fxe  ilj^re  5Kutter  in  ber  SBelt  gefangen  gehalten  unb  in  toeiblidj^e  Seiber 
eingefc^Ioffen.    ©o  l^at  fie  Don  einem  Seib  gum  anbern  tuanbem  muffen,    ^n  ber  troja^ 

40  nif^en  unb  ^ule^t  in  ber  t^irifc^en  §elena  erfc^einenb,  ift  fie  ba«  berlorene  ©d^af,  gu 
beffen  ^Rettung  ber  SSater  (©.)  erfd^iencn  ift,  um  fte  unb  bamit  aud^  bie  ÜJlenfc^en 
au«  ber  fnec^tenben  ®eh)alt  ber  fo«mifd^en  ßngetemäd^te  ui  befreien.  3)urd^  bie  ^immel 
l[;erabfteigenb  unb  fid^  il^nen  in  ber  ©eftalt  ieh)eilen  an})affenb,  um  bie  ^ier  ^errf^cnben 
@ngcl«mäd^te  ju  täufc^en  ( Jert.;  @))h)^an.;  fe^It  bei  ^xtn.),  ift  er  unerfannt  auf  bie  ßrbc 

46  ^erabgefommen  unb  ben  5Kenfd^en  aü  5Kenfc^  erfc^ienen,  ben  ©amaritcm  al«  SBater,  ben 
gubcn  al«  ©of;n  (lert.;  §i}}}}ol.,  Phil.  VI,  19;  Q)(>'ipl}an.]  ^l^ilaftr.),  ber  l^ier  jum 
©d^eine  gelitten  f^abe.  (^ren. ; §ij)j)oI. ;  ^Pfeubotert.,  Adv.  omn.  haer.;  ßj^i^jl^an.).  ^wnäu« 
fügt  ^u  biefer  3!)arftettung  noc^  i^inju,  ba|  er  aud^  ben  Reiben  ate  j^eiliger  ®eift  er^ 
fd^ienen  fei.   3tu«  ber  Duettenfc^rift  f^at  er  biefe  Semerlung  nid^t  gefd^öt)ft.    Sffiic  fte  bei  ben 

50  übrigen  fe^It,  fo  hjiberfjjrid^t  fte  ber  SJad^rid^t  be«  (^\>xpi)an,,  tüonaö)  bie  Helena  al«  ^l. 
®eift  ju  gelten  l}aU,  foh)ie  ber  fonft  Verbreiteten  2tuffaffung,  hjonad^  ber  ^I.  ®eift  ba« 
toeibli^e  H^nnjij)  ift.  35a  3^^<^nöu«,  h)ie  ein  SSergleid^  mit  ben  anbern  ^Relationen  geigt, 
bie  ganjc  ©teile  tjon  ber  ©elbftoffenbarung  S.«  ate  be«  SSater«  unb  ©o^nc«  au« 
il^rem  urfj)rünglic^en  3ufö»"n^cn^ang  ^erau«geriffen  unb  bom  ©c^lu^  an  ben  Slnfang  feiner 

66  2)arftettung  be«  fimonianifc^en  ©^ftem«  (I,  23,  1)  gefefet  l^at,  toirb  er  glcic^jettig  biefen 
3ufa^  öon  ber  ©elbftoffenbarung  ©.«  al«  be«  1^1.  ®eifte«  hinzugefügt  paben,  tnbem  er 
ftc^  baju  burrf)  ben  älnflang  an  bie  d^riftlic^^trinitarifc^e  go^n^^^I  berleiten  liefe,  ft^enäu« 
I;  23,3^.  4  unb  6j)i))l^amu«  (=  §ij)J}olt;t'0  21,4  bringen  noc^  einige  anbere  5la^ric^tcn, 
bie  i^rcm  ^nl)ali  nad)  in  ben  Stammen  ber  Duettenfc^rift  fel^r  gut  ^incinj)affen,  aber  au« 

60  äußeren  ®rünben  i^r  nic^t  mit  ©id^er^eit  jugef^jroc^en  toerben  lönnen.    SBic  bie  SBelt 


Sittt0tt  ber  SKagier  356 

unb  bie  ÜJlenfd^cn,  fo  ftnb  anä)  ba«  ®efcj  (®j)it)l^n.)  unb  bie  ^rot)l^eten  ntd^t  'öon  bem 
oberften  ®ott,  fonbctn  üon  bcn  SBcItmäd9ten  gegeben  tuorben  unb  jtoar  jebe«  ^ud^  üon 
einer  anbem  dvvauig  ober  dp;^jy,  um  bie  ■ilKenfc^en  baburd^  in  i^re  Äned^tf^aft  j|u  bringen. 
3Q3ie  bal^er  jeber,  ber  biefen  SSüc^em  glaubt,  bem  %o\)  Verfallen  ift  (®i)ij)^an.),  fo  muffen 
bie,  toelt^e  üon  ben  aSeltmäc^ten  befreit  fein  tuollen,  gefe^e^frei  leben.  9?ur  burc^  bie  b 
®nabe  be«  SSaterd,  aber  nid^t  tuvä)  SBerle  be«  ©efe^e«  lönnen  fte  enettet  iüerben  (Sten.). 
SDäirb  bal^er  eine  toöttige  ©rlöfung  erft  mit  bem  ®nbe  ber  SBelt  erfolgen,  fo  jeigt  bie 
3RVftagogie  fc^on  je^t  ben  SBeg  jum  §eil.  SBer  bie  9lamen  ber  loiSmifd^en  SJläc^tc  unb 
t^re  Sef^toörungen,  bie  ^a\xh^pxixd)t  unb  Dj)ferbräuci^e,  lennt,  beffen  ©eele  toirb  üon 
bcn  aSeltmäd^ten  errettet  toerben  (3ren.I,  23.  4;  (^pip^an.  21,  4).  lo 

4.  6ine  toefentlid^  anbere  ©arftettung  be«  ©.ianidmu«  finbet  fic9  anbeutung^iüeife  bei 
(Element  unb  DrigeneS,  toeiter  au^efül^rt  in  ben  fog.  Philosophumena,  bie  bann  toieber 
für  3^^eobor.,  Haer.  fab.  1  Duette  loaren.  Sin  2)o^j)eIte^  ift  ^ier  d^aralteriftift^ :  bie 
ijöttige  Unlenntni«  ber  ^elena-ßnnoia  einerfeit«  unb  bie  ©elbftbmid^nung  ©.«  al«  be« 
ioTcog  anbrerfeiti^.  ßlemen«  toeife  nur,  bafe  ©.  ein  ßw^örer  be«  ^Jetru«  toar  unb  bafe  is 
feine  Anhänger  il^n  aU  ben  iGX(6g  bereiten.  Drigene«  lennt  i^n  jiüar  aud^  ate  ben 
Magier  au«  ©amarien,  ber  üon  ben  ©einen  bie  grofee  3)tonami«  genannt  toerbe;  aber 
bie«  nur  auf  ®runb  ber  21® ;  bo(^  üerrät  er  einige  Äenntniffe  über  i^n,  bie  er  nic^t  au« 
ber  31®  gefd^öt)ft  l^at,  inbem  er  \)on  i^m  be^aujjtet,  er  l^aU  ben  ®ötfenbicnft  al«  ein 
Slbia<)l^oron  angefe^en  (c.  Geis.  VI,  11).  35afe  er  \>on  ber  §eIena=®nnoia  leine  Sll^nung  20 
gehabt  ^at,  ge^t  an^  feiner  ^olemif  gegen  ßelfu«  l^erbor  (c.  Gels.  V,  62). 

2lud^  bie  Darftettung  be«  fxmomanifc^en  ©t^ftem«  Phil.  VI,  7—18.  X,  12,  toelt^e 
größere  3[u«jüge  au«  einer  fxmonianifd^en  ©d^rift,  ber  &n6<paoig  jixeydXrj  =  „grofee  Dffen^ 
barung",  bringt,  jeigt  nic^t  bie  geringfte  Äenntni«  ber  §eIena-6nnoia.  ©tatt  beffen  rücft 
fie  bie  Sejeid^nung  ©.«  al«  be«  iarcog  in  ben  3KitteIj)unIt.  3)ie  SBurjel  atte«  ©ein«  ift  25 
bie  äjiigavTog  dvvafug,  bie  auc^  im  2lnfd^lufe  an  bie  ftoifd^e  ^^ilofojj^ie  unter  bem 
95ilb  be«  geuer«  erfd^eint.  2i^z\  ©eiten  ^at  fie,  eine  überiüeltlic^e,  ba«  unfaßbare  fclige 
©c^toeigen,  unb  eine  inncrtoeltlid^e,  bie  ber  SSater,  ber  Icrrai?,  axäg,  artjod^ievog,  ge« 
nanni  toirb,  &v  ägaevö&tjkvg  dvvajuig  xaxd,  ti]v  TigovjtdQxovoav  dvvauiv  ojiiQavrov, 
fjTig  (Ai  ägxv^  ovre  niqag  ix^i  h  /lov&irjn  ovoa  (VI,  18).  ^nitm  fie  in  ben  SKelt^  30 
Jjrojefe  eingebt,  entfaltet  fie  fic^  f^j^gientoeife  in  fec^«  9BeItj)otenjen,  bie  nad^  i^rer  geiftigen 
©eite  vovg  unb  inlvoia,  cpcovr}  unb  dvo/na,  Xoyio/btög  unb  iv^vjurjaig,  nad)  i^rer 
materietten  ©eite  ovgavog  unb  yfj,  ^hog  unb  oeXi^rrj,  ä^g  unb  vdcog  Reiften  (VI,  12. 
13.  18),  bleibt  aber  toieber  al«  fiebente  ^otcnj  bon  i^nen  untcrfd^ieben  (VI,  14.  X,12).  Unb 
biefe  ift  eben  ber  brcifat^e  iotcog,  ber  iarcog  al«  bie  änegavrog  dvva/üLig  in  ibrer  SJor^  35 
toeltlid^leit  {iarcog  ävco  h  xfj  äyewrjrcp  dvvd/bisi),  ber  atdg  al«  biefelbe  Äraft  in  ber 
®eftalt  be«  SBerben«  (prdg  xdro)  iv  tfj  gofj  tcov  vddtcov  h  elxövi  yewri^eig),  ber 
ortjoöfuvog  biefelbe  Kraft,  infofem  fie  jur  enblic^en  SJertoirflid^ung  gelaifgt  (axrjad^ievog 
ävco  Ttagä  rrjv  fiaxaglav  &7iigavxov  dvvafuv,  idv  i^etxovioi^ij,  VI,  17).  ^iefe  3Ser* 
toirllidj^ung  aber  üolhie^t  ftd^  in  bem  9Jlcnfc^cn.  SBie  bie  unenblic^e  Äraft,  bie  in  i^ren  4o 
fe(^«  toeltbilbenben  ^otenjen  ßimmel  unb  @rbe,  ©onne  unb  9Jlonb,  fiuft  unb  SBaffer 
in«  3)afein  ruft,  il^rer  2lrt  nacf  nid^t«  anberc«  ift  al«  bie  Äraft  be«  menfc^lid^en  ®eifte«, 
(vovg,  inivoia,  (pcovT],  ovojua,  koyiojnög,  hd-vjurjaig),  fo  ift  ber  SJlenfd^  nidbt«  anberc« 
al«  bie  aSerhJirflic^ung  ber  unenblid^en  Äraft,  ber  be«balb  aud^  ju  i^r  fagen  fann:  iyä) 
xal  av  €v,  Jigo  ijuov  av,  x6  de  jtiezd  as  iyco  (VI,  17).  @r  ift  ba«  Ic^te  ^kl  be«  45 
SBelttorojeffe«,  in  bem  bie  ®ottj^cit  ju  i^rem  ©elbftbeioufetjcin  fommt.  2)cnn  ba«  ift  biefe 
J)ant^eiftifd^  gebadete  ®ottl^eit  in  il[;rer  ©elbftentmidEelung  övra/tug  jula  dirjgrjfxevr]  ävco 
xdxcOf  avxfjv  yewcooa,  avxrjv  av^oi^oa,  avrijv  C^xavoa^  avxrjv  evgiaxovaa,  avxtjg 
IJtrjXYig  ovoa,  avxfjg  naxijp,  avxrjg  ädektpijt  avxfjg  ov^vyog,  avxtjg  'dvyaxYjg,  avxfjg 
vlog,  firjftrjg,  Jiaxijg  ?v,  ovoa  §lCa  xcßv  öka)v  (VI,  17).  ßO 

5.  eine  SRelajJitulation  att  bicfcr  35arftettungen  ©.«,  baiu  ein  neue«  ©.bilb  geben 
bie  Jjfeubollementinifc^en  §omilien  (H.)  unb  5Refognitionen  (R.)  (unb  6j)itomc).  2lud^  l^ier 
ift  er  5Kagier  unb  ®oet  (ögl.  H.  2,  22.  32.  34.  4,  4.  R.  2,  9.  3,  47  f.  60);  in«be^ 
fonbere  ift  bie  5Wefromantie  fein  §anbtt)crl  (H.  2,  26—31.  4,4;  R.  2,  13  f.).  Sil«  folc^er 
ift  er  ber  üon  ^jjetru«  »erfolgte  ®egncr,  ber  bon  ßäfarca  nac^  2Intioc^ien  unb  julc^t  55 
nac^  SRom  flicl^t,  um  überall  al«  ©auflcr  entlarvt  unb  burc^  gottgctoirlte  Ärafterh)cifungcn 
übertounben  ju  iücrben.  Slud^  al«  bie  obcrfte  Äraft  ®otte«  (H.  2,  22;  R.  1,  72.  2,  7. 
3, 47),  ja  al«  ber  obcrfte  @ott  (R.  2,  7.  22)  tüitt  er  ^icr  gelten  unb  tritt  and^  al«  ßl^riftu«  unb 
ioxcog  auf  (H.  2,  22«  R.  2,  7.  3,47).  SBie  ba«  ©.bilb  ber  Stiten,  fo  fefeen  bie^fcubo= 
Itementinen  and)  ba«  oer  §ärefeologen  öorau«,  in«befonbcre  ba«  S^f^n«.   3)a«  betocift  bie  go 

23* 


m  ^jm  H.  2,  2:7:  ß.  2.  r.  :i,  •>*  nnnie  3«  fzsämmzn^  3c:  ^^eLeaa  .H-2,  25?.;  R2, 
12).  5iifit  P^wvTMtr  'aasenc  «k^«1t  :3Brzi&iAifri!m}.  29:0^1  jrTiuHiiL.  de  fu  cccs  cbfiflen 
Jiovnmd  3uk6  3«  cnmiK^äczsnnssc  Scsfr^snar^  (H.  2. 2^:  R.  2«  12 .  3^to  Gngd  bot  fte 
$  aa6<|€us&t^  3<3  ^nnfiT.  3ie  hiäz  ^  n&sW  3ec  mficx  3io5  i8eM|  ts  Jpetei  iH.  18, 12, 
IK^  '^,  2  v  Stt  nifi  i6<r  jfsie  sie  ^fytnyiah  äfe  le  ifityrnuy  5iifeiL  Sc  Ku  fic  in  bn 
tr0«iräK6<!C  ans  2icU€3j^<£aix  erifieineg  mäsksL  3nD  ^se&c  aus  acr  3.  aoiher  (H.  2,25). 
—  X<cu6€ic  *in36c  ^nfi  Jtficr  jik6  bx  3d  iSciPofri^'.iiii!i '  lUigt  SomilaiBiiaL  iDclcbc  nic^t 

iTi  iinMtv'jai  nA  xrtiefi^e  Scfhni;  amyr^pgr.  ^öer  amc  3«  ^I*  Bärida  (IcKmiic^  be» 
Xitst^r^  o^ßCSTiDiDSiy  iaz  <c  ^k6  ]ikii&  50Mi  Xj^  i^xbb  ^hzisc  d<i  Sc&c  oiu»cik^cKbtDim9fn 
IOC  9C«  ifo  sie  %medacBaa%  da  scs  «ct^;^  cLbb^H.  2.  2Sr.;  R  2,  7.  11  f.),  bcr  ouc^ 
staiM  is  actennnm  rB.  :3;,  47»  nte  «;n^«9&a£F0i;^  -H.  IS.  12.  U*  ^aumt  irist.  Ser^ 
tottii  tiek  SetJUEsEagcK  eine  ^€iBcm  j?<ni;aBKo6iXF:  onr  ^a  Xamflmig  ba  SUcranbriner 

M  htf».  tn  i:9/j^fan€i,  ^  mct  catsta  ^sq  CTjnMTtig;  Bc  'A  a  mai  H.  2,  22  Scrtreter 
M  ia»antij«i<s  Sbdzt^  off  ttm  9^  &an:fai,  t<r  bal  6ck^  oilA^rnicb  auslegt  unb 
Mc  Xctoavfetiicfaoi^  bngsft,  nsb  H.  4—^;  R  9.  1*>  Sotictä  ber  hahriktet  ^tilo- 
^tfpbk,  taiMaCttu  iti  jfmaCtf^IkSca  %aij£ema&,  msi  H.o,  :^.  45.  49.  16,5fT.;  R.2, 
2^ß^,  t^fi.  ^  tcrlkrtco^o:  der  ouxdcsxtmbai Siimbm  ccb  bos  jstoi  unb  gerechten 

»  (fictL  Xu»  altti  btittbt  naxiaüA  md^  auf  'n^aßt  tedAm  dxm  tbtd^aun^m,  f onbem 
fiiit<t  bte  eiitf«frtte  (Eifionaig  in  tcn  UaasaSdm  gmiud'uu^^yrojCB  bi<f(r  Sänften. 
^  tKttimtt  er  feinen  knnoxmk^  Xi^m  ba  5<be  ber  3anuzitcr,  R.  l,-54.  57,  baen 
iubttti  cxi  fbn  vxooA  ätenzo^en  tooiten  finb,  Kincn  bribnlktai  un^  nuzcuHiUi^c^en  X^))u^ 
ba  XaakSLvm%  b<$  fyauaxami  nnbfRardimitienniS,  tcdibeccnbon  ^exfanor  ber  filententtncn 

9  <iu^  {^nttt  C  iieffenk^m  ten  bfnnt  auf ^encnnnen  iinizbf ,ba^  er  S.  «u  ibicni  dt<)?Täf entonten  machte. 

Sottte  ti  fifb  nid^  dbnlicb  mit  ben  Steffen  bieter  Scbcinen  iKxboUen,  an  benen  er 

bie  fRoele  bed  ^oulu^  trä^^tr  Unoeriennbar  i^  toerauf  fcbcn  9.  5Ieanba,  @enet  OnU 

tMdun^,  9et(tn  1818,  Z^A  bingetüieien  bat,  ber  iz^gog  Sw&goKMo;,  in  £p.  Petr.  ad 

Joe,  2,  beffen  /trofu/r  xal  ffivaooßdf]  öidaaxaAiar  einige  tcJf  dm  i&rwr  an  Stelle 

'jfß  be«  t^etrintfi^  rö/ufu/r  xrjgvvßia  annobmen,  ber  ^mar  6  noo  Ifiov  (=  IHtqov) 
ek  r/i  fihn)  Tiomog  IXOdir  m  H.  2,  17;  bgL  R.3,  61,  ber  ämxeißierog,  ber  ben 
^etru*  xfar/r(öofurar  nennt  in  H.  17,  13—19  (ijgL  0a  2,11;  2  Xb  2,  4)  lein 
onberer  de  ber  bon  $etru0  befamt^fte  ^MIu5.  9u<^  an  anbem  Steffen  (H.  2,  23.  11, 
35.  18,21;  R2,23.  36.  63.  65.  3,12.  4,35)   ifi   eine  >>olemifc^  Sugfinanbcricjung 

86  mit  (Kiulinifc^  9[nf4fauungen  unb  Sl^orten  tpabme^mbar.  9ber  fo  koenig  bied  geleugnet 
toerben  tonn,  So  unruhig  ifi  ed,  bae  S.bUb  ber  Alementinen  mit  ber  Xäbinger  Schule 
(öaur,  ^ilgenfelb,  fci^fiuä,  ^We^boom,  S(^mid)el,  ÄreVenbübl  u.a,)  überhaupt  unter  bem 
Wefu^t^toimel  «jubaiftif«^  ^olemif  ate  ein  3^üb  beö  großen  ipeibenaj)ofietö  ju  bc 
trachten,  bad  ber  fyi%  be«  Subaiemu^  berfertigt  hebt,  inebefonbere  in  bem  Äamj)f  jtoifc^en 

¥)  $etru0  unb  Simon  eine  9uu^bi(bung  ber  Aam))fe  gtoifc^  ^[ktru^  unb  ^ulud,  in  ber 
Uebertptnbung  S.0  burc^  ^etru^  ben  Sieg  be^  petrinifc^  ^w^^^P^^"^^  w6^  ^ 
bauüntfc^e  d*Hbenc^riftentum  5U  erfennen.  2)ad  tpiberfprid^t  bem  gangen  ©runbgebanlen 
ber  ^etrud^S.Iegenbe  in  ben  Älementinen;  benn  ^Petruö  benft  gar  ni^t  baran,  ben  bon 
xifm  Wehrten  Reiben  ba^  ©efe^  aufzulegen,  h)ie  auc^  S.  nirgenb^  ein  gefe^c^freie^,  no(^ 

46  über^auj)t  ein  G^riftentum  berfünbigt.  3P  «wc^  S.  ber  SSorläufer  bc«  $etru«,  fo  toill 
er  nur  burc^  feine  bämonifc^en  3flu^^^icn  bie  Reiben  für  fxd^  gewinnen.  $ctrud  abet 
l^at  nur  bie  aufgäbe,  a\^  ein  9)(agter  ^ö^ercr  Chrbnung,  burc^  göttliche  Ärafterh>cifungen 
ba«  G^riftentum  in  ben  l[;eibnifd^en  Stäbten  aufzurichten.  2Bie  ber  ©runbgebanfe,  fo 
lalfen  aud^  bie   einzelnen  3üge  biefer  Segenbe  feine  berartige  3)eutung  auf  ^aulu«  ju. 

ßo  Xie  })autinifrf)en  ßüge  in  bem  S.bilb  ber  Älemcntinen,  foh)eit  folt^e  toirflic^i  nad^^utoeijen 
finb;  erflären  fid^  nic^t  burc^  bie  2Innal^mc,  bafe  S.  urf))rünglid^  nur  $aulu^  fei,  beflen 
SBitb  f^jäter  eine  Übermalung  mit  ben  garbcn  ber  ä®  bejh).  ber  ^örcfeologen  erfa^n 
^abe,  fonbern  umgefe^rt,  baft  er  urfjjrünglic^  nur  ber  SKagier  bejto.  ^feubomeffia«  toat, 
ber  nac^träglid^  ^jaulinifd^c,  iüie  auc^  ^eibnifd^e  unb  marcionitifd^e,  ßüge  erhalten  l^t   35ie« 

66  beruht  aber  nic^t  auf  einer  jubaiftifd^^anti^jaulinifcben  Xenbenj  ber  Klementinen,  fonbern 
auf  ilS^ren  litterarifc^en  Gntfte^ung«JberbäItniffen.  9li(^t  ein  ^feubot)auIu«,  fonbern  ein 
^Jcubocbriftu^  unb  be^^nlb  ein  äntij)etru^  —  ba«  ift  bie  urfj)rüngli(^e  ©efialt  be^  S. 
tt)ie  in  ben  a^ofrl)))^en  2(ftcn,  fo  auc^  in  ben  ^fcuboflcmentincn. 

II.  ©tc^t  aber  bie«  Grgebni^  unfrer  quellenlritifc^cn  Unterfud^ung  ju  rec^t,   toeld^c« 

flo!öiIb  erhalten  toir  bon  S.  bem  5IRagicr? 


(Bimnn  ber  aRagier  367 

1.  2Bie  in  bcn  ^pfcubollemcntinen,  fo  glaubte  bte  lübinger  Schule  bic  iubatftifd^e 
$oIemif  gegen  ^aulu«  and)  in  bet  21®  unb  in  ben  apott^pf^m  ^etru^ften,  ganj  be^ 
fonber^  aber  in  ber  ?Petru^=©.fage  tüieberjufinben.  ©ie  iüottte  barum  in  ©.  nid^t^  anbere^ 
feigen,  ate  ein  jubend^riftlid^e^  3^^^^^"^  ^^  §eibenaj)ofteB  (fo  aufeer  ben  ©enannten 
©d^toegler,  3^ß^^/  SSolfmar),  ober  aber  UfyxvüpkU  toenigften«  bie  ^^Jriorität  biefe«  Silben  6 
öor  bem  ber  §ärefeoIogen,  too  fie  unter  bem  2)ru(!  ber  %f)a^ai)m  jene  ^iItion«I^V)><>*W« 
nid^t  mel^r  ganj  aufrecht  erl^alten  lonnte  (fo  §ilgenfelb  feit  1878,  &\p[xu^  feit  1887, 
Äre^enbü^I,  ©c^miebeO-  3p  «^^  ^^  ®-  ^^  Klementinen  urfj)rüngli^  lein  ^feuboj)auIu« 
bann  fann  ber  ©.  ber  übrigen  fiitteratur  bie«  nod^  iüeniger  fein.  2)ic  anti^jaulinifd^e 
Deutung  biefe«  ©.bilbe«  ^at  il^r  gwnbament  in  bem  ^feubot)auIug  ber  Äleinentinen  unb  lo 
mufe  mit  il^m  jufammenftürjen.  ^tnn  toa«  junäd^ft  bie  21®  anlangt,  fo  fann  bie  Sitte 
©.«  um  bie  ®abe  ber  ®eiftegmitteilung  ft^on  be^^alb  nid^t  auf  bie  öon  ^aulu«  erftrebte 
©leid^fteDung  mit  ben  Urat)ofteIn  gebeutet  toerben,  toeil  fie  ni^t  ju  ber  urfjjrünglic^en 
©rjjä^Iung  gehört,  unb  lann  bal^er  nur  auf  ben  SBunf^  be«  3Ilagier«  begogen  toerben, 
biefetben  SBunber  toie  ^etru«  ju  Vollbringen.  Damit  fällt  bie  Deutung  be«  ®elbaner5  ib 
bieten«©.«  (21® 8, 18)  auf  bie  Äottelte  be«  ^aulu«  für  bie  2lrmen  in  ^erufalem  (Solt 
mar)  toie  bie  ber  —  gnoftifc^en  —  Segcic^nung  ©;«  al«  ber  ßjieydXtj  dvvauug  auf  ©tetten 
h)ie  SRö  1, 16.  2lud^  in  ben  a^o!r^))^en  2lften  ftnb  nirgenb«  anti^jauiinifd^e  ßüge  ju 
entbedfen,  toeber  in  ber  Di«J)utation  über  bie  Seft^neibung  (Act.  Petr.  et  Paul,  sect. 
63—66;  in  ben  Act.  Verc.  unb  in  ber  armenifc^en  Überfe^ung  ber  Act.  Petr.  et  Pa.  20* 
fe^It  biefer  2lbfd^nitt),  nod^  in  ben  ®aufeIftüdEen  ©.«  toon  feiner  (Sntl^aujjtung  unb  ^immel^ 
fa^rt,  bie  il^  ®egenftüdt  nit^t  in  ber  ®efc^ic^te  ^auli,  fonbem  ß^rifti  ^aben.  Da«  gilt 
nod^  üiel  me^r  toon  bem  ©.  ber  Äird^enüäter  (t)gl.  3-  Deli^fd^  a.  a.  D).  Db  ©.  unter 
bem  95eliar  %\x  berftel^en  ift,  bec  nac^  ©ib^II.III,  63  ff.  ix  Heßamrjvcbv  lommen  unb 
öiele  3^i^^  om  $immel  unb  auf  Erben  t^un  tüirb  (ügl.  ®.  ^reufd^en,  5ßaulu«  al«  2lnti5  25 
c^rift  in  3ntaB  II,  1901,  174f.),  mufe  ba^ingefteHt  bleiben.  Dod^  \px\6)t  mand^e«  für 
bie  Deutung  auf  ©ebafte=©amarien.  9Beniger  emj)fiel^It  e«  fid^,  ba«  2^ier  in  ber  Offen* 
barung  ^0  13,  11—17  auf  i^n  ju  begiel^en  (ügl.  ©Jjitta,  Die  Offenbarung  go^., 
^alle  1889,  380  ff.).  2tber  auc^  angenommen,  bafe  beibemal  ©.  al«  2lnti^rift 
gebac^t  ift,  fo  barf  er  be«l(;alb  nid^t  mit  5Paulu«  ibentifigiert  toerben,  aud^  toennao 
fic^  biefer  fonft  ba  ober  bort  al«  2lntid^rift  nad^iüeifen  tiefte,  ©onat^  ift  überatt  ©.  al« 
3crrbilb  bc«  ^p^uiyg  j^eiter  nid^t«  at«  ein  ^i^antafxegebilbe  ber  iübinger  ©d^ule, 
ba«,  ^erau«geit)ac^fen  an^  bem  Dunftfrei«  ber  j)fcuboIIementinif(^en  fiitteratur,  mit  biefem 
fic^  in  Slicft«  auflöft.  Dann  aber  fann  er  nur  al«  eine  geft^ic^tlit^e  ®röfte  getoertet 
toerben.  Da«  3^ugni«,  ba«  bie  21®  begto.  beren  Duelle  unb  l^ierbon  unabbängig  ber  35 
©amariter  ^wftin  feinem  £anb«mann  ©.  au«[tellt,  barf  al«  genügenbe  Beglaubigung  für 
il^n  angefel^en  toerben,  beren  ©iegel  bie  l[;inreic^enb  betätigte  ßjiftenj  einer  ©elte  ber 
©.ianer  ift  (f.  u.  ©.  359, 31  ff.). 

2.  2Bie  aber  öcrl^ält  ftc^  biefer  ©.  ?Dlagu«  gu  bem  ©.  haereticus,  üon  bem  bie 
Äirt^enbäter  berichten  V  3Son  ber  3Sorau«fe^ung  au«ge^enb,  baft  jener  ©.  nur  eine  Aar- 40 
rifatur  be«^autu«,  alfo  eine  ungefd[>i(^tlid^e  ®röfte  fei,  ^at  Äre^enbül^l  (a.a.O.  I,  199 ff. 
217  ff.)  bie  Sel^au^tung  aufgefteut,  baft  neben  i^m  ein  ©.  bon  ®ittä  al«  ©tifter  ber 
fimonianifc^en  ©elte  unb  2^erfaffer  ber  ändq^aoig  jueydXrj  feftjul^alten,  aber  al«  folc^er 
in  ben  2lnfang  be«  2.  ^a^iflS^wnbert«  ju  öerfe^en  fei.  SÜl^nlid^  l^at  ©d^miebet  (1.  c.  4557) 
h)ie  fd^on  früher  33itringa  unb  Seaufobre  (bgl.  ^o«^eim  1.  c.  390  sq.)  ©.  ben  5Kagter,  46 
ben  3^i*9^noffen  bc«  $etru«,  al«  gcft^id^tlic^e  ^erfönlid^Ieit  öon  bem  ©.  öon  ®ittä  am 
2lnfang  be«  2.3iai^tl^unbert«  unterft^ieben.  2lber  biefe  2lnnal^me  ift  unhaltbar,  guftin 
fann  nit^t,  toie  Äre^enbül^l  annimmt,  feinen  ©.  um  V2  S^^^IS^""^^  J"  f^^  angefe^t 
l^ben.  Da«  95u(^  biefe«  ©.  aber,  bie  äjioq^aaig  jtieydkrjy  lann  ebenfo  toeni^  öor  bie  3^t 
be«3uftinberlegth)erben,  ba  fic^  ^i^f**"  ""^  felbft  S^enäu«  barüber  au«fd^h)eigen.  Daft  e«60 
aber  üon  biefen  jur  Dqrftcllung  be«  ftmonianifd^en  ©vftcm«  benufet  fei,  tüirb  niemanb  aufter 
Äre^enbü^l  glauben.  Überbie«  ^aben  mir  3^ugniffe,  bie  üon  3iUitin  unabl^ängi^  ftnb,  tüie 
ba«  ber  21®  unb  be«  Giemen«  2lle£.,  bie  bie  ^bentität  beiber  beftätigen.  @«  ift  alfo  ein 
unb  berfclbe  ©.,  ber  nac^  21®  8  unb  ßlemen«  2llej.  ein  3^i*0^"offe  be«  ^etru«  unb 
nad^  Swftin  ein  3^it9^"<>n«  *^^  ßlaubiu«  mar  unb  in  ©amarien  fein  SBefen  trieb.  55 

3.  Da  öon  S^f^J^^"^^  Antiqu.  XX,  7  ein  jjübif^er  3)lagier  ©.  au«  ß^pem  cr^ 
)n>äf)ni  toirb,  ber  bcn  ^rofurator  ^eliir  mit  DrufiÜa,  ber  grau  be«  Äönig«  Stjiju«  t)on 
ßmefa  üerlu^j^jelt  b^be,  ift  bie  grage  aufgeworfen  Sorben,  ob  er  mit  bem  famaritifd^cn 
3Wagier  ibcntifd^  ift.  Äann  man  if^n  Ieine«fall«  (tjgl.  Äre^enbü^l  a.a.O.  205 ff.)  Weber 
bem  cV>)rifd^cn  3)fagier  ®t^ma«  21®  13,  6.  8  noc^  auc^   mit  biefem  bem  $aulu«  gleich  eo 


3Ö8  @tiii0ti  ber  aRagter 

fcfeen,  fo  toirb  nmn  mit  ber  anbcm  5Kö0Rd^fcit  rechnen  bürfen,  bafe  er  btefelbe  ^erfön= 
li^feit  ioie  ber  ©.  ber  ä®  ift,  jumal  er  in  berfelben  3^'^  wnb  ©egenb  lebte  unb  auc^ 
öffentlid^  l^erüortrat.  35ann  toirb  man  ober  bie  angäbe  feine«  Sanb^mann«  gwf^"  über 
feine  §eimat  (®ittä)  atö  juöerläfftg,  bie  feine«  3^it0^"oft^  ^^f^M  ^^^  ^i"^  ^rrtum 

6  betrachten,  ber  auf  einer  ^ertoed^felung  be«  unbeTannten  ^lecfen«  (Sittä  (—  ^ebr.  ®ittim) 
mit  ber  c^j^rifd^en  ^aiH)t[tabt  ßittium  (=  ^ebr.  Äittim)  beruht.  SBie  für  bie  ©efd^ic^tlit^f ett  fo 
toürbe  and)  für  bic  ^Ät  be«  ©.  bie  Slngabe  ber  altd^riftlid^en  ©d^riften  burd^  ben  jübifc^en 
®efd^ici^t«fd[>reiber  eine  Seftätigung  erfahren.  9Jad^  21®  8  mufe  er  f^on  im  Slnfang  ber 
breifeiger  gal^re  in  ©amarien  fein  SBefen  gel^abt  ^aben.  9iaci^  ^n^ün  ift  er  unter  Glaubiu« 

10  (41—54)  nad^  9iom  gefommen.  3P  ^  bon  gelij,  ber  52—60  ^rofurator  in  Gäfarea 
tpar,  ate  öeirat«öermittler  hmni^i  Iporben,  fo  fann  er  erft  jtoift^en  52  unb  54  nad^  9tom 
gefommen  fein.  35a  ^üii  nai)  S^acitu«,  Annal.  VII,  54;  Hist.  V,  5  fdjjon  lange  öor 
62  neben  feinem  2lmt«t)orgänger  SSentibiu«  Gumanu«  einen  leil  ber  ^robinj  ©amarien 
Dertoaltete,  lann  er  l^ier  i^n  fennen  gelernt  i}abcn.    SBie  ^ol^  römifd^e  95eamte  folc^c 

16  Seute  an  f\i)  ^eranjogen,  jeigt  bie  ßrjäl^Iung  bon  bem  3<^uberer  Sar  ^efud  unb  bem 
Statthalter  ©ergiu«  fawM,  31®  13. 

4.  ©einer  gefd^td9tli(^en  Sebeutung  nat^  ift  er  ate  ba«  ju  bejeid^nen,  h>a«  fein 
ftänbiger  SSeiname  fagt,  ate  SKagicr  b.  ^.  ^anbtttt,  3)amit  ftimmt,  bafe  au^  feine 
3(nl^änger  ftd^  mit  3^^^^^^  abgegeben  l^aben.    ^afe  er  feiner  3Ragie  ju  lieb  mit  ^etru« 

ao  ($l^ilü)))u«)  in  ©amarien  SSejiepungen  anfnü))fte,  um  fo  in  ben  93eft|  ber  6^ari«men 
ju  gelangen,  toirb  man  al«  gefd^id^tlid^e  ^atfa^e  feft^alten,  toenn  man  nid^t  ber  31® 
bejh).  i^rer  CueDenfd^rift  jeben  gefd[>i(^tlid^en  SBert  abfjjredf^en  tuitt.  Db  ©.  me^r  al«  ba« 
l^at  fein  tuotten,  ift  nid^t  ftc^fer  ju  entfd^eiben.  5Rad^  3(®  8,  9  unb  3uft.,  Ap.  I,  26  ift 
e«  hjal^rfd^einlic^,  bafe  er  fx4>  auf  ®runb  feiner  magifd^en  Äünfte  nid^t  nur  al«  ^tttyai 

28  ®rofee«,  fonbem  im  |eibnifd^en  ©inn  afe  einen  ®ott  bejeic^net  ^at,  ber  in  3)lenfc^en- 
geftalt  erfd^ienen  ift.  »litfd^l  (©ntfte^una  ber  altlat^.  Äirc^e,  »onn  1850^  158 ff.;  1857=, 
228),  3loai,  §amad,  £ij)ftu«  (a.  a.  C.)  laben  i^n  be«^alb  aU  einen  famaritift^en  aJleffxa^ 
betrachtet,  toie  aut^  ber  ©amariter  3)ofit^eu«  fxd^  al«  ben  toon  ?Kofe«  3)t  18, 18  getoei«^ 
fagten  ^rot)^eten  unb  Slleffia«  (lal^eb)  ausgegeben  ^abe.    3lber  für  ein  9)leffw«tum  ©.s 

80  bieten  tueber  bie  3t®  no^  S^ftin  bie  geringfte  §anb^abe.  3)ie  a^oIr^j)^en  Sitten  d^axah 
terifxeren  i^n  jiüar  al«  ^feubod^riftu«,  aber  nur  auf  ®runb  ber  SSorfteHungen,  bic  eine 
fj)ätere  ^tit  \\d)  bon  bem  ßrftgeborenen  be«  ©atan  (Pseudoignat.  ad  Trall.  11)  gc^ 
mac^t  ijat ;  ä^nlid^  bie  ^feuboflementinen.  3"  *>^"^  gnoftifd^en  ©^ftem  ber  §ärefeologen 
ift  er  aUerbing«  nid^t  nur  ber  oberfte  ®ott,  fonbern  auc^  ber  ßrlöfer,  ber  in  ©amarien 

85  ate  3Jater  unb  in  ^u!täa  ate  ©ol^n  erft^ienen  ift.  3lber  l^at  er  ftd^  aud^  ate  einen  ®ott 
bejeic^net,  tuetterge^enbe  SluSfagen  lann  er  nid^t  üon  fi^  gemad^t  l^ahm;  bann  müfete 
er  ja  aud^  bon  fid^  gefagt  ^aben,  bafe  er  nur  gum  ©c^ein  gelitten  ^abe  unb  geftorben 
fei.  SBie  er  eine  berartige  9JleffiaSbebeutung  au^  in  bem  ©^ftem  ber  öjiöcpaaig 
fjieydXrj    n\d)t    l)at,    fo    l^at    er    ftc  über^au}3t  nic^t  für  fid^  in   Slnfbrud^  genommen; 

40  fonbern  erft  feine  2tnt>änger,  bie  i^re  SSerei^runQ  ©.S  jur  gnoftift^en  fie^re  auSbilbeten, 
^abcn  fie  ibm  —  nid^t  ol^ne  ®influfe  c^riftlid^er  ^^been  —  beigelegt.  ®erabe  an 
biefem  fünfte  ^at  ba^er  bic  SJortcntiridfclung  beS  ©imonianiSmud  cingefeftt.  3)aö 
jcigt  fd;on  grcnäuS,  ber  i^n  afe  Ij^l.  ®cift  ftc^  offenbaren  läfet,  fotoie  G^riH.  §ierof., 
Cat.  VI,  14,    ber  ate  Sc^rc  ©.S  auSgicbt  iavrdv  ^  elvai  rdv  ijil  oQovg  2Vvd  (hg 

46  Tiaieoa  (pavivra,  nagä  de  ^lovdalotg  voiegov  ovx  h  oagxi  älXd  doxrjaei  d}g 
Xqiütov  ^Ifiöovv  wavevxa  xal  juerd  ravra  (bg  Jivevjua  äyiov  x6  vno  xov  Xqigxov 
cbg  naQGLxiijxov  anooxeXkeo^ai  ijiayyek'&ev.  ^a^u  ift  ju  üerglcid^cn  3lug.,  De  haer.  1 
dixerat  enim  se  in  monte  Sina  legem  Moysi  in  patris  persona  dedisse, 
Judaeis  tempore  Tiberii  in  filii  persona  apparuisse,  postea  se  in  Unguis  igneis 

60  spiritum  sanctum  super  apostolos  venisse. 

SBic  aber  fein  3KcffiaS,  fo  ift  er  aud)  nid^t,  iüic  ®.  SRcnan,  I-ies  Apötres,  ^ariö 
1860,  154  fagt,  le  chefd'un  mouvement  religieux  parallele  ä  celui  du  christia- 
nisme,  noc^  h)ic  §arnadE  (a.  a.  D.  unb  3)ogmcngcfc^.^  179)  bc^au^tet,  ber  ©tifter  einer 
Uniljerfalrcligton  beS  l^ö^ften  ®ottcS.    3)cr  IWrfud^,  ein  berartige^  mit  bem  6l^riftentum 

66  ribalifiercnbeS  iHcligion^f^ftcm  auf^uftcUcn,  l)at  aUcrbing^  in  jener  3^*  t>^  ©tjnfrctiSmuS 
unb  gcrabe  aud;  in  ©amarien  nic^ti^  UnglaubtüürbigeS.  Slbcr  l^at  ©.  fid^  nid^^t  ate 
Gl^riftuS  be^tü.  ate  SSater,   ©o^n  unb  l;l.  ®eift  bejeic^net,   fo  ift  er  aud^  fein  Slcligion^i 

firünber  geiocfen,  nod^  aud;  ber  ©tifter  einer  Unitjcrfalrcligion,  t^atfäd^li^^  ^at  er  ja  aucb 
aft  auöfd;liefelic^  nur  in  ©amarien  "Jln^änger  gefunben  (f.  u.  ©.  359,  82  ff.), 
tiü         (Jbenfo  fann  er  aud;  nic^t  ate  S^egrünber  einer  ©cftc,  fei  e^  einer  famaritifd^en  ober 


®im0tt  ber  aRagter  359 

(^riftlid^cn,  betrachtet  iDerben,  iüic  c^  \.  95.  SKarcion  iüor.  35a  er  in  bem  gnoftifd^en 
©toftem,  ba«  na6)  t^ni  genannt  tft,  felbcr  Dbjeft  ber  gnoftifd^en  ©})cfulation  ift,  iüoju 
fiep  SKarcion  nie  geniad^t  l)at,  iann  er  nid^t  Urheber  be^felben  fein.  3"  *>c"  älteften 
SBcrid^ten  erfd^eint  er  auc^  niemals  ate  fold^er.  (grft  feine  2ln^änger  ^aben  ü^n  baju 
geftem^jelt  unb  bamit  gum  ©e!ten^au})t  erl^oben.  6d  ift  barum  eine  tüilllürlic^e  Oe*  5 
fc^id^tdlonftruftion,  iüenn  ^u^tin  i^n  an  bie  ©))i^e  ber  d^riftlit^en  Äe^er  geftcttt  unb  ba^ 
mit  }\um  ©tammöater  ber  t^riftlid^en  ©nofiig  gemad^t  f^at  ©.  felbft  ift  fein  ©noftiler, 
ba«  gnoftifd^e  ©Aftern  ber  ©.ianer  ift  lein  d^riftlid^e«  getoefen.  G^riftu«  ^at  barin 
feinen  ^la^. 

5.  3P  <*Ifo  ®-  geft^ic^tlic^  betrad^tet  nid^t  me^r  afö  ein  S^wberer,  ber  fid^  für  einen  10 
©Ott  angegeben  H^at,  tuie  f}ai  er  bann  bai^  ^immlifc^e  SBefen,  bie  ©ottl^eit  toerben  fönnen, 
beren  Äultu^  in  ©amarien  3iuftin  nn^  bejeugt  (Ap.  I,  26)?  3)ie  ^ol^e  SJere^rung,  bie  er 
nac^  21®  8  in  ©amarien  genofe,  mu^te  baju  h)efentlid^  mittoirfen.  ©ie  tourbe  bur^  ben 
2lnft)rud^  gefteigert,  ben  er  für  ftd^  erl^ob,  ein  ®ott  ju  fein,  ©t^liefelid^  üerfd^molj  fie  — 
barauf  tueift  un«  ©.«  Segleiterin  Äelena  l^in  —  mit  bem  Äuitu«  be«  ©onnengotte«  ©em  15 
(©(^emefc^,  $erafle^,  9BoIo^,  3KeIfart,  95aal)  unb  ber  5Konbgöttin  2lftarte  ($elena, 
©elene,  Suna),  ber  in  bem  benad^barten  5ßl^önijien  ^eimift^  unb  auc^  in  ©amarien  in 
griec^ijc^er  unb  römifd^er  ^Ät  ni(|t  ganj  erlofcpen  tuar  (Dgl.  21.  Äil^enfelb,  3)ie  Äefeer* 
gef^ic^te,  Sei}) jia  1884,  153  f.).  2)enn  aU  gefd^id^tlid^e  ^erfönli^fext  toirb  man  biefe 
^elena  nic^t  auffaffen  bürfen,  ba  fte  toeber  ber  fanonifc^en  21®,  noc^  ben  apotti^pbtn  20 
äiften,  no(^  ben  2llejanbrinen,  noc^  an^  ber  än6<paaig  jueyäkrj  befannt  ift.  Seacptet 
man  aber  i^ren  9lamen,  ij^re  ßriinöt  (S^^ni^)/  i^te  SJergangenl^eit,  fo  toirb  man  barin 
bie  Sejie^ung  auf  bie  t^rifd^e  lUlonbgöttin  unb  il^ren  fTttenlofen  Äult  nid^t  berfennen. 
3ft  aber  §elena  nid^t«  anberö  al«  bie  ))l^önijifc^e  ®ott^eit  2lftarte,  bann  ift  ©.  überall 
ba,  iüo  er  mit  i^r  genannt  unb  göttlid^  öere^rt  tuirb,  nic^t  mel^r  blofe  ber  Vergötterte  ober  25 
f\d)  felbft  üergötternbe  3)lagier,  fonbern  ber  ))l[;önijifc^e  ®ott  ©em^Sc^emefd^,  mit  beffen 
kvdt  fxc^  ber  ©.fult  üerfd^molj.  ©0  ift  ©.  —  jebenfattg  lange  öor  ^wpin  —  ber  fa^ 
maritifc^e  Sanbe^ott  gctoorben,  bon  bem  ^n^ün  fagt:  ^aft  alle  ©amariter,  aber  aud^ 
einiae  in  ben  anbern  Sölfem  verehrten  il^n  aii  ben  oberften  ®ott  (ügl.  baju  95aur, 
Gl^rtftl.  ®nofx«  304 ff.;  fetter  a,a,D  169;  £i})fiug  a.  a.  D.  II,  1.  35.  ao 

6.  SBie  lange  biefer  ©.fult  in  ©amarien  unb  in  ben  anbem  Sänbern  beftanben  ^at, 
toiffen  iüir  nid^t.  Sebenfallg  ift  er  fc^on  balb  nac^  ^wpi"  i^^  Ba6)t  einer  ©efte  ju- 
fammengefc^moljen,  beren  2lnl^änger  ©.ianer  genannt  tourben.  SBie  lange  fte  in  il^rer 
^eimat,  in  ©amarien,  beftanben  f)ai,  toiffen  h)ir  ebenfatt^  nit^t.  3"  ^öläftina  bejit).  in 
ben  angrenjenben  Sänbern  gab  e^  nod^  jur  ^t\t  be^  Drigene^  ©.ianer,  aDerbingdsö 
o(p6dQa  iXdxKnoi  (c.  Geis.  I,  57).  S^x  ^rit  be«  @})i})^aniug  (Haer.  22,  2)  iüaren 
fie  fc^on  erlofd^en.  ®ufeb.  H.  E.  ,11,  13  iüei^  noc^  babon  ju  reben,  ba§  fie  big  ju  feiner 
3eit  beftanben  (elg  devgo).  ^n  Slg^i^ten  ift  i^re  ®Eiftenx  burd^ßlemen«  üon  2lIeEanbrien 
bezeugt,  ber  auc^  eine  2lbjh)eigung  berfelben,  bie  ^\ii\)qxtm,  nennt  (Strom.  VII,  17). 
3ur  ^^xi  be«  Drigene^  mufe  jeboc^  i^re  ^aijl  an^  ^ier  fe^r  flein  getoefen  fein  (c.  Gels.  40 
I,  57;  an  einer  anbern  ©teile  VI,  11  fagt  er  gar:  ovdafxov  yäq  xrig  olxov/ihrjg 
2:tjLLCüviavoi)*  2)od^  ^aben  fxe  fic^  üor  200  auq  im  2lbenblanb  au^ebreitet  unb  ^ier 
längere  >^t\t  beftanben,  iüie  h)ir  au^  ^xzn.  I,  23,  4;  lert.,  De  anim.  57;  §i})})ol., 
Phil.  VI,  19  {ecogvvv);  $feuboc^J)r.,  De  rebaptis.  16  entnel^men  fönnen.  9Jad^  biefen 
©d^ilberungen,  tüoju  auc^  @})ij)l^an.,  Haer.  21  ju  Dergleichen  ift,  ^at  biefe  ©efte  einen  45 
toefentlid^  off ultiftifd^=libertiniftifd^en  ß^araf ter  gehabt.  2Benn  fie  mit  ©.  nac^  Orig.  c.  Gels, 
ben  ©ö^enbienft  al^  ein  3lbia^^oron  angejei^en  l^at,  fann  fie  faum  ate  eine  d^riftlid^e 
bejeic^net  Voerben.  ^^re  SSere^rung  l^at  auc^  nac^  ^xm.  I,  23,  4  nur  ©.  gegolten.  2lber 
in  berfelben  SBeife  toie  baö  ^i^bentum  unter  bem  ©influfe  5ß^iloö  feine  gnoftifc^en  ©eften 
^erüorbrac^te  (bie  3Jiinim  togl.  9K.  grieblänber,  35er  borc^riftlic^e  jübifcle  ®nofticigmug,  50 
©öttingen  1898),  tüte  ba^  ß^riftentum  feit  ben  lagen  ^irajang  fi(^  feine  gnoftif^en 
©Vfteme  fc^uf  unb  barin  bie  ^erfon  ßl^rifti  in  ben  3!)ienft  gnoftifc^er  ©J)efulationen 
ftetlte,  fo  ^at  au^  ber  ©.iani^mu^  feine  gnoftifc^en  ©^fteme  au^ebilbet  unb  barin  ©. 
jum  3:räger  beg  SBBeltprogeffe^  unb  ber  ©rlöfunggibee  i^ugleic^  gemad^t.  35ag  ift  in  üer- 
fd^iebener  SDBeife  auf  alejanbrinifd^em  unb  ft^rifc^em  Soben  gefc^el^en.  ©0  fmb  bie  beibcn  65 
un^  befannten  fimonianifc^=gnoftifd^cn  ©^jfteme  entftanben,  ba^  ber  &n6(paoig  /tieydXrj 
unb  baö  ber  auf  ^wftin  jurücfge^enben  §ärcfeologen.  ©0  ift  ber  famaritift^e  ®ott  ©.  in 
bie  ®efc^id^te  be^  ©nofticiiSmu^  eingerücft. 

7.  2)ie  &7i6(paaig  fieydXr]  ift  freilid^  mit  anberen  gnoftift^en  Duellen  §i^))oh;t^  al« 
eine  gälfdj^ung  üerbäd^tigt  ioorben  (l>gl.  §.  ©täl^elin  a.  a.  D.),  unb  jtoar  au«  einem  bojjj^elten  eo 


360  ®nMK  bcr  Slagter 

®runb:  (Sinmal  jeigc  fic  eine  aufföBifle  Übereinftimmung  im  Orunbgebanfen  toic  in 
einzelnen  SBcnbungen  mit  anbem  gnoftifc^cn  S^ftemen,  bie  in  §i^t)oll?tö  Phil,  toibe^ 
Uöt  toerbcn.  ©obann  ftimme  fie  niö^t  in  ber  ajarftettung  bc«  fimonianif^fcn  ©i?pem^, 
toie  toir  fte  bei  bcn  anbem  §ärcfeoIoöen  finben.    3ft  c«  aber  Don  Doml^erein  fe^  toenig 

6  toa^rfc^einlic^,  bafe  ein  fo  tieffinnige«  unb  eiflenartige«  ©i^ftem  toie  ba«  ber  djuitpaotg 
eine  gälfd^ung  neben  bieten  anbem  fei,  fo  jeigt  e«  vbttfyaiapi  nur  eine  geringe  )8er= 
toanbtfc^aft  mit  bm  anbem  ©i^ftemm,  bie  i&H)i)oIi;t  beft)ri(^t.  SBo  fie  ober  Dor^ben 
ift,  ertlärt  fie  fic^  babur(^,  bafe  ebm  bie  änoq^aaiq  l^ier  bie  ©mnblage  für  anbere  ©i^ftemc 
getoefcn  ift  (Dgl.  Phil.  IV,  51 ;  V,  9).  SBa^  il^r  Ser^ältni^  ju  ben  übrigen  a^arftellungcn 

10  be^  ©.iani^mu^  anlangt,  fo  lann  ber  grofee  Unterf^iieb,  ber  ^ier  befielt,  ni^t  geleugnet 
toerbm.  2tber  f o  anber^rtig  ba«  ©^ftem  ber  an6(paau;  ift,  fo  finbet  e^  fic^  bod&  au^^  fonft 
bejeugt,  toie  fd^on  bei  6Um.  Älej.  II,  11  (ber  iarcog),  fo  au(^  in  ben  ^Pfeuboflementinen 
(l^ier  aud}  ber  arrjaofievog),  fotoie  bei  Gregor.  Naz.,  Orat.  44,  2,  ber  Dier  ftott  brei 
©V5t;gim  aufjä^lt  (bgl.  baju  eiia«  6ret.,  Comm.   in  Greg.  Naz.  Orat.  23,  16  fotoic 

15  9liceta^,  Comm.  in  Orat.  44,  2)  unb  bamit  betoeift,  baft  er  feine  Äenntni«  nic^t  ou^ 
&iip\>olt}i  gefc^öj)ft  l^at.  ^a^^n  bringt  j^ieron^mu^,  Comm.  in  Mt  24,  5  em  gitat  aud  einer 
fimonianifc^m  ©c^rift,  bag  feinem  ©til  unb  Sn^^It  nac^  nur  au&  ber  djiöqxiaig  gef(^öj)ft 
fein  lann:  Ego  sum  sermo  Dei,  ego  sum  speciosus,  ego  paracletus,  ego  omni- 
potens,  ego  omnia  Dei.     2)iefe  3^0"^^^  betoeifen,  baft   ein  ftmonianifc^^noftifc^ 

20  ©^ftem,  tüie  ba«  ber  AjioqyaoK;  tjKxtfäc^Iid^  ejiftiert  ^at.  2)er  bor^nbme  Untörfc^i* 
biefe^  ©^ftem^  unb  be«  burc^  SwfKn  bejeugtm  erllärt  fic^  ba^er  ni(^t  burc^  bie  abi- 
nal^me  einer  gälfc^ung,  fonbem  burc^  bie  einfache  ^tfac^e,  baft  e^  jtoei  Dcrfc^iebenc 
fimonianifd^^e  ©Vfteme  gegeben  Ifai.  2)iefe  Si^atfac^e  aber  finbet  toieber  i^rc  ertldrung 
in  ben  öerf(^iebenartigm  ßinflüffen,  bmm  ber  ©.iani^mu«  inälejanbrim  bejto.  inS^^rien 

26  unterworfen  toar. 

Sft  nun  für  bm  aleianbrinifc^en  ©.iani^mu^,  toie  toir  i^n  in  ber  &3i6(paau;  g^ 
funben  ^abm,  nebm  bem  gei^Im  ber  ^elma^^ßunoia  befonber«  ber  Segriff  be«  lairnq 
(^aralteriftifc^,  fo  toeift  biefer  unberlmnbar  auf  bie  alqranbrinifc^e  9leIigiong|)^iIofoj)bic 
jurücf.    ©0  fte^t  er  toieber^olt  bei  ^l^ilo  ate  Seiname  ber  ©ott^eit  {6  juev  [t?w] 

30  xarä  lä  avxd  ioKog,  De  nom.  mut.)  unb  bejeic^net  fie  al^  ba^  Untoonbelbare,  bo^ 
bem  unauf ^örlic^m  gluff e  ber  ySveoig  gegenüberfte^t  (xo  juiv  oiv  äxlivak  iaxcbg  i^eo; 
ioTi,  x6  de  xivrnbv  ff  yheoig^  De  poster.  Cain.  ögl.  baju  feine  ©d^rift  Quod  Deus 
Sit  immutabilis).  2)a^felbe  bebeutet  er  bei  6Iem.  äle|.,  Strom.  I,  24,  163:  d^ildl  xh 
iaicog  xal  judviiiov  Tov&eov  xal  tö  äxQeJttov  9?a>g(bgl.  (pa>g  lax6g  Strom.  VIII,  10. 

86  57).  ©an^  ba^felbe  ift  aber  ©.  ate  ber  loxd>g  im  ©^ftem  ber  äjiöqniaig.  ©o  fagt 
ba^er  ^i^ilo.  De  poster.  Cain. :  6  tiqooiojv  ^ecß  oxdoexog  i(pUjai,  6  dk  &ncüJü(m6fi£- 
vog  äre  yevioet  rfj  xQeJitofihj}  ngooicbv  xatä  xo  elxög  (pogevezai.  3)amit  fümmt 
toieber,  toa^  bie  ä7i6<paoig  aU  iai  3^^'  ^^  SKmfc^i^eit^enttoicfetung  l^inftellt,  fotoie  too^ 
6Icm.  2lIeE.  II,  11.  52  aU  ba^  Sebm^ibeal  ber  ©.ianer  bejeic^net,   ä^nli(^   ju  toerben 

40  bem  eorcog,  bcn  fte  Dere^ren.  gft  aber  ber  ©influfe  ber  aleianbrinifc^m  Sleligion^^ilo- 
fo))^ie  in  bicfem  ©^ftem  be^  ©.iani^muö  unöerlennbar,  fo  fann  feine  §eimat  nur 
SJIejanbrien  fein,  tool^in  ung  fd^on  feine  litterarifc^e  Segeugung  bei  ben  alejanbrinifc^cn 
Äir^cnlcl^rem  gefül^rt  ^at.  2)iefe  emt)fängt  aber  toieber  ein  befonber«  l^elle^  2\^t  inxi} 
bie  SJtitteilung    ber  j)feuboIIementinifd^m  ^omilim  (H.  2,  22 — 24),  bafe   für  bie  ©eftc 

46  ber  ©.ianer,  bie  in  2lle|anbrien  beftc^t,  ber  SJegriff  iatcig  gerabegu  grunblegmbe  35cs 
beutung  ^atte.  2)ie  Icgenbarifd^e,  grob  finnlid^e  ©rllämng,  toelc^e  ber  Sctfaffcr  ber 
Älemcntinen  l^ierfür  gicbt  (t>gl.  aud^  R.  2,  7),  betoeift  nur,  bafe  er  nic^t  me^r  ein  richtige« 
a?erftänbni«  für  bie  i^m  fonfttoic  getoorbene  3KitteiIung  l^attc.  Ob  in  älqranbrim  aud^ 
ba«  Suc^,  bie  äjiocpaotg  fieydXtif  gefd^riebm  ift,  mufe  bal^in  gefteHt  bleibm.    2Benn  c^ 

60  ,,ganj  unfamaritifc^"  ^rot)^eten  oe«  "äXi  unb  bie  ©))rüd^e  ©alomo^  bmu^t,  lann  c^ 
iebrnfaD^  nic^t  t>on  Simon  fclbft  noc^  aud^  im  Äreife  feiner  famaritifc^m  än^änger  ber* 
fafet  fein.  2tn  bie  j)]^iIonifc^e  ©c^riftau^Iegung  erinnert  bie  rein  allegorifd^e  9Ket^obe, 
mit  ber  bie  Sibclfteüm  für  reIigion«t)^iIofo^^if c^e  ^bcen  ausgebeutet  toerbm.  2)afe  bei  ber 
äbfaffung  auc^  d^riftlid^c  ßinflüffc  mitgetoirft  l^aben,  berrät  bie  Sertoertung  fc^riftlic^er 

66  ßoangelien,  ber  ©riefe  beS  ^auIuS  unb  5ßetruS  (t>gl.  ^ilgenfelb,  Äe|ergef(^i(^te  a.  a.  0. 

453  f.). 

Unter   toefmtlid^   anbcrSartigen   ©inflüffen   l;at  fic^  bagegm  ber  ©.ianiSmuS  ent* 

toidfclt,  üon  bem  uns  $);uftin  unb  feine  9^ad^a^mer  Äunbc  geben.  3"  feinen  Orunbjügm 

mit  anbern  älteren  gnoftifd^en  ©^ftemcn  Dcrtoanbt,  ift  fein  ©^ftem  toie  baö  alejanbri^ 

eo  nifc^e  barin  eigen^^  unb  einjigartig,  bafe  eS  ben  oberftm  ®ott  einer  ^iftorifc^en  $erfön- 


Simon  htt  SRagirr  Simon,  Sitd^arb    .  361 

lic^Icit  glcic^fc^t.  ©iS  ift  ballet  unbcnibar,  ba^  c^  ©.  fclbft  crfonnen  unb  auögebilbet 
f)ai,  @«  finb  biclmcl^  aud^  ^ter  feine  Stn^änger  gelDcfen,  toelc^c  ben  bon  i^nen  gött= 
lic^  öerej^rten  ©.  =  ©em-©c^emefc^  unb  bie  ^elena^Slftarte  ju  Objelten  gnoftifc^er 
©Ipefulationen  mad^ten.  3ft  biefe^  ©Aftern  md)  Suftin,  Ap.  I,  26  in  ©amarien  ent^ 
ftanben,  fo  \)at  e^  feine  JjoHe  Slu^bilbuna  erft  ba  gefunben,  too  e^  fotoo^l  mit  ber  babl^=  6 
lonifd^en  aU  aud)  mit  bei  ^ettenifc^en  ©ebanlentoelt  in  SJerü^rung  treten  lonnte;  \mx 
t)ermuten  in  ©^rien.  ßier  in  äntio^iien,  l}at  ftc^  ba^  ©bftem  be^  SJlenanber,  eine^  au^ 
bem  famaritifd^en  %Uam  Rauppaxataxa  ftammenben  Bö^mni  ©.g,  ju  feiner  SJIüte  ent= 
toidfelt.  ^itv  tvax  aud}  ber  günftigfte  SJoben  für  bie  ftmonianifc^e  ©nofi^,  in  ber  fotoo^I 
in  ben  ©runbgebanlen  h)ie  aud^  in  ©injeli^eiten  ber  ßinfc^Iag  bab^Ionifc^er  5K^tboIogie  lo 
fotoie  l^ellenifc^er  ällegoriftif  unberlennbar  ift.  9?ic^t  blofe  auf  ben  J)l;önigifc^en  ©ö^en« 
bienft,  fonbem  le^tlic^  auf  ben  bab^Ionifc^en  5Kvtl;u^  bon  ber  §immcl«göttin  IStar,  ber 
©(^ö^ferin  ber  SJlenfc^i^eit  unb  2el;rmeifterin  ber  Unguc^t,  gel^t  bie  j5^I^"ö-3lftarte  gurüdf; 
auf  bab\^Ionifd^e  SSorftettungen  öon  ber  §errfc^aft  ber  ©eftimmäc^te  bie  ©d^ilberung  öon 
ber  iperrfc^aft  ber  ßngel  über  bie  gefallene  ®nnoia  unb  5Wenfc^l^eit,  auf  ben  3!urm  gu  is 
93abel  mit  feinen  fieben  ©todtoerlen,  ben  „S^urm  ber  fieben  ^jSIanetcn",  h)ie  er  in  ben 
Äeilinfc^riften  ^ei^t,  ber  lurm,  burc^  beffen  ©tocfiDerl  man  einft  bie  $elena  (=  Qn^ 
noia)  l^erunterftürgen  fa^  (R.  2,12;  H.  2,25;  l)gl.  baju  SB.  3lng,  3ur  grage  nad^ 
bem  Urft)rung  be«  ®noftici«mu«  in  %VL  XV,  4,  Sei^jig  1897).  aiuf  ^eDenif^je  Tlf 
tl^ologie  toeift  bie  SJemerlung  be«  3^^"öu^  1/  23,  4  (t>gl.  6t)i))^.,  Haer.  21),  bafe  bie  20 
©.ianer  ben  ©.  unter  bem  Silbe  be^  3^ug  unb  bie  §elena  unter  bem  SJilbe  ber 
SKinertoa  berel^rt  Ratten.  SBo  man  bie  ^ejiel^ung  ber  (Snnoia  gu  ber  ^elena^Slftarte 
nod(^  lannte,  ^ätte  man  fte  unter  bem  Siloe  ber  2lrtemigs2)iana  bargeftettt.  ßrft  ba, 
tüo  man  biefen  gwfönimen^ang  nic^t  me^r  burc^fc^aute,  lonnte  man  fte,  bie  ©nnoia,  mit 
ber  ait^ene^aJlinertoa  ibentifijieren,  bie  ate  ber  erfte  ©ebanle  bem  paupU  be«  3^^  ^**  25 
fj}rang.  auf  l^ettenifd^er  Sluegoriftil,  in^befonbere  auf  ber  attegorifierenben  Deutung  ber 
^elena  bei^omer,  Odyss.  IV.  121.  122  \>nxd}  bie  gried^ifc^en  5ßl^iIofot)^en,  h)ie  ©uftat^iu«, 
Comm.  in  Hom.Od.  IV,  121  sq.  berul^t  bie  3ibentifigierung  ber  ßelenasennoia  mit  ber 
trojanifc^en  ^elena  (bgL^ren.  I,  23,  3;  SEert.,  Deanim.  34;  Qpxpt^an,,  Haer.  21,2—3). 
Sluf  aiu^fül^rungen,  h)ie  tüir  fte  bei  ^lato.  De  republ.  9  (bie  unt)emünftigen  üRenfd^en,  so 
unbelannt  mit  ber  toa^ren  ^dovi^  ftritten  für  ein  Srugbilb,  toie  nad^  bem  ©teftd^oru^ 
in  bem  troj.  ürieg  für  ein  etdcolov  ber  §elena  geftritten  tDorben  fei,  au^  Unlunbe  ber 
toal^en),  aber  au^  fonft  tüie  bei  ©ejt.  emj)iricu«,  Adv.  Mathem.  7,  Slriftibe«,  Orat. 
Plat.  I,  Orat.  Panathen,  6uri))ibe^,  Helena  31  sq.  finben,  alfo  auf  iXXrjvixol  uv^oi 
(H.  2, 25),  greifen  bie  t)arallelen  ©ebanfen  be«  ftmonianifd^en  ©Vftem^  gurüdf,  bafe  36 
bie  ©riechen  unb  Barbaren  nur  um  ba«  Silb  ber  ßunoia  gelämj)ft  l^ätten,  o^ne  fte 
felbft  JU  lennen,  toeil  fte  bei  bem  oberften  ®ott  teilte  (H.  2.  25 ;  R.  2, 12  ögl.  bagu 
5leanber  a.  a.  D.  348 f.;  ©imfon  a.  a.  D.  63 f.).  33on  ben  ©ebanfen  bab^Ionifc^er  ^K^tf^o* 
logie  unb  griec^ifc^er  ätttegoriftil  in  gleicher  SBeife  befruchtet,  ift  fo  ba«  fVrifd(^e  ©^ftem 
be«  ©.iani«mu«  entftanben.  S)afe  babei  auc^  d^riftlid^e  ©inflüffe  mitgetüirft  ^aben,  betoeift  40 
foh)ol^I  ber  Serglei^^  ber  §elena  mit  bem  verlorenen  ©d^af  (^i  18, 12;  2c  15,  6),  afe 
auä)  bie  Semerlung,  bafe  '©.  in  ^nhäa  ate  ©ol^n  erfc^ienen  fei  unb  l^ier  gelitten  l^abe. 
3m  übrigen  ift  auc^  ba«  f^rifd^e  toie  ba«  alejanbrinifc^e  ©Vftem  o^ne  jebe  innere  SJegiei^ung 
gu  bem  ßl^riftentum. 

®a«  ift  barum  nur  bie  biftorifd^e  SJebeutung  be«  ©.iani«mu«,  bafe  er  eine  ^ßaraüele  46 
gur  ©nttoidfelung  be«  ßl^riftentum«  barfteHt :  ^ier  toie  bort  eine  gefc^ic^tlid^e  ^ßerfönlic^s 
feit,  bie  il^re  geit  in  ©taunen  fe|t  unb  fic^  felbft  eine  göttliche  SBefen^eit  beilegt,  ^ier 
loie  bort  i^re  göttlid^e  Sere^rung  unb  Sergottung,  l^ier  toie  bort  i^re  33erfd^meljung  mit 
Glementen  orientalifd^cr  SK^t^oIogie  unb  griec^ifdj^er  5ß^iIofot)l^ie,  l^ier  toie  bort  i^re  Ser- 
toenbung  im  SDienfte  gnoftif^er  5BeItentloidfeIung«s  unb  aBeIterIöfung«tl^eorien.  00 

©tmon,  ber  aWoffobäcr  f.  b.  ä.  $a«monäer  »b  VII,  ©.  466,46. 

Simon,  SWid^arb,    geb.  1638,   geft.  1712.  —  fiittcratur:  51.  S3crnu«  (cjcft.  1904), 
Kichard  Simon  et  son  Histoire  Critique  du  Vieux  Testament.     La  Critique    Biblique   au 
8ik;le  de  Louis  XIV.  Th^se;     I^usanne  1869,  144  pp.;     bcrf.,  Notice  Bibliographique  sur  66 
Kichard  Simon  (Extrait  de  TEssai  de  Bibliographie  Oratorienne,   par  le  Pfere  A-M-P.  In- 

fold)  BÄle  1882,  48  pp.  (Notice  biographique ;  Liste  chronologique  des  publications  de  S.; 
ravaux  sur  TAncien  Testament  ÜJh.  1—92;   sur   le  NT  '^x  93—147;    relatifs  aux  ^glises 


362  Simon,  Sltc^tb 

orienUles  92r.  148  —  175;  ouvrages  divers  92r.  176—242;  o.  projet^s  par  Ö.  'Kr.  243—256; 
faussement  attribu^s  k  S.  ^x.  257—261;  sur  R.  Simon  ^x.  262—296;  in  hex  Icjiteii  «b= 
tcilung  ?lrbcitcn  r>on  SRcnan,  3)laffon,  Jroc^on,  St.  ^.  (äJraf);  3)icftel,  ©cfdjicfttc  bcd  «X  in 
ber  c^Tiftüd)en  ^irc^e,  passim;  bie  alt^  unb  neuteftamentlid^en  Einleitungen;  bie  (^na)f(opöbien, 
5  aulc&t  bie  JE  X,  374  (3acob«);  über  eine  Ginjcl^eit  91.  S3IubQu,  9».  Simon  unb  baö 
Comma  Johanneum  (1  3ü  5,  7)  in:  ^er  Rotbolif  1904,  1,  ©.  29—422,  2,  @,  114—122). 

au  ber  eigentliche  Segrünber  ber  l^iftorifc^4ritifd[)en  biblifd^en  einleitungötüiffcnfc^aft 
tüirb  31.  ©imon  l^eute  nod)  mit  SRed^t  biel  genannt.  (Seboren  in  ^xtppc  in  ber  9lor= 
manbie  ben   13.  3Wai  1638,   1658  9?obije  ber  Dratorianer,   toieber  jurücfgctreten,  im 

10  September  1662  in  $arid  aufd  neue  eingetreten,  aU  i^m  bie  Sriaubnid  gugeftc^ert 
tourbe,  feine  Stubien  and)  toä^renb  bc«  ^lobijiat^  fortjufeften,  am  20.  ©qjtember  1()70 
jum  Sßriefter  getoei^t,  am  21.  Mai  1678  infolge  ber  33cröffentlic^ung  feiner  Histoire 
critique  du  Vieux  Testament  au^  ber  Kongregation  au^efc^loffen.  ©r  pg  fxö)  auf 
bie  ^Pfarrei  SJoHebitte  in  ber  5lormanbie  jurücf,  bie  er  1676  erl^Iten  l^atte;  fj)äter  lebte 

15  er  in  ^'xtppt,  Slouen  unb  5ßari«  unb  ftarb  in  2)ie))j}e  11.  3lt)ril  1712  (nid^t  21.  Sfril 
1721,  tüie  e^  in  ber  Jew.  Enc.  X,  374  ^ei|t).  3lfe  Oratorianer  toar  er  eine  ß^t  lang 
^rofeffor  ber  ^^ilofojji^ie  in  3uiII^;  mel^r  feinen  Steigungen  cntfj}rad^  e^,  bie  orientalifc^en 
^anbf^^riften  ber  Drben^btbltot^el  ju  fatalogifteren  unb  babei  btblifd^e,  rabbinifd^e  unb 
J)atriftifd^e  ©tubien  gu  treiben,    ©einer  ganjen   9latur    unb  ©eifte^rid&tung   nac^   S?er- 

20  ftanbe^menfd^^,  Slattonalift,  ^atte  er  toenig  Bt)mpaÜ}U  mit  ber  mj^ftifc^sjanfeniftifd^en 
grömmigleit  feiner  Oefettfc^aft,  mel^r  mit  i^ren  ©egnern,  ben  3^"^^^"/  ^i^  fi^  ^^^ 
g(etc^faU^  }u(e^t  bon  ibm  abtDanbten,  aU  fte  ber5tt)eifelten,  ftc^  i^n  ganj  bienftbar  ^n 
machen,  ©eine  neuen  erfenntniffe,  aber  auc^  fein  atteaeit  angriff^bereiter  ß^arafter  tm- 
h)idfelten  tbn  in  ungä^Iige  ©treitigleiten.   2tm  belannteften  unb  tüic^tigften  ift  ber  ©treit, 

25  ber  ftc^  an  feine  Histoire  critique  du  Vieux  Testament  antnü})ft. 

enbe  1677  ^atte  \>a^  SBerl,  an  bem  er  feit  fieben  Salären  arbeitete,  glüdflic^  bie 
3cnfur  ^Jaffiert,  lag  aud^  fc^on  im  5Dlärj  1678  bi^  auf  3:itel  unb  Su^iflnunö  ^^  "^ 
König  gebrudft  bor,  ate  burd^  ben  Serleger  3lbgüge  ber  ^nbaltgüberfic^t  unb  SJorrebc  in  frembc 
§änbe  lamen,  ein  Qitmplav  über  Slenaubot  aud^  an  SJoffuet.    2)ie  Überfd^rift  öon  Ä.  5 

30  'Moyse  ne  peut  ötre  Tauteur  de  tous  les  livres  qui  lui  sont  attribu^s'  genügte, 
noc^  am  ®rünbonner«tag  fein  ©infc^reiten  ^n  beranlaffen  unb  am  19.  ^nnx  bie  3Jer= 
nic^tung  be^  SBerfö  gu  ertüirlen.  äUon  ben  1300  6jemj)laren  be«  700  ©eiten  ftarlcn 
Sanbe^  l^aben  ftc^  nur  tüenige  erbalten.  3lad)  einem  berfelben  öeranftaltete  ber  ämftcr- 
bamer  35uc^brudfer  Daniel  6Ijet>ir  1680  eine  ungenaue  Slu^abe  (in  mel^reren  Auflagen), 

35  bi^  1685  in  SRotterbam  (anbere  ejcmj)Iarc  ^aben  3lmfterbam  auf  bem  Sitel)  eine  aus- 
gäbe folgte,  bie  jtüeifello^  bon  ©.  felbft  berrübrte,  tro^bem  eine  SSonebe  au^  angeblich 
j)roteftantif^er  ^anb  unb  ätnmerlungcn,  bie  Don  ©.  in  britter  ^erfon  ft)rad^en,  aud^  eine 
gleichzeitig  erfc^emenbe,  einem  reformierten  ©eiftlic^en  in  ben  SRunb  gelegte  'Reponse 
de  Pierre  Ambrun'    ineleiten    foHte,    tciltoeife   aud^    inegeleitet    F^at.     Über  bie  Se^ 

40  ftreiter  be^  SBerf^  (6^.  3)1.  be  35cil,  ein  jum  ilatl^olicigmu^  befel^rter  ^nht  bon  aHc|, 
bann  2lnglilanifc^er  ^rieftcr  bon  ^ull^am,  jule^t  S5aj)tiftenj)farrer,  (gjec^iel  ©)>an= 
^eim,  9ifaal  SJofe,  5ßaul  Golomie^,  3-  Sa^nage,  g.  ßlericu«,  SK.  le  Saffor  unb  anbete) 
f.  SJemu^  3lx.  13—86.  Der  neutefiamentlic^c  2^eil  tüurbc,  gum  3;eil  burd^  SRad^träac 
jium  altteftamentlid^en,  fo  au^fül^rlic^,  bafe   er  in  brei  Quartbänbe  mit  befonbem  iitein 

45  gerfiel:  Histoire  critique  du  text  du  NT  1689,  des  versions  1690,  des  princi- 
paux  commentaires  1693  (»ernu^  3lx.  92—110;  111—118;  119—122).  2)aran 
^loffen  fid^  1695  Nouvelles  Observations  sur  le  text  et  les  versions  du  NT, 
bie  fogar  unter  bem  ©d^u^  be^  ben  ^önf^nip^n.  feinblid^en  ßrgbifc^of^  bon  ^arief  er= 
fc^einen  burften  (S3ernu^  3lx.  123  f.),    enblid^  eine  Überfe^ung  be^  3tZ^  ind  fjranjöfifc^c 

50  au^  ber  Sulgata  (SJemu«  3lx.  131—147).  ©ine  fold^e  tüar  ein  tüirllid^e^  33ebürfniö 
(f.  33b  III,  135,  57),  eine  anbete  ^rage  freiließ,  ob  gerabe  er,  ber  ju  ber  Slufgabe  jtoar 
eine  größere  ©clcbrfamleit  ate  anbere  mitbrachte,  aber  fcl(}r  Irenig  an  anberen  ni^t  minber 
nötigen  (Sigcnfd^aften,  ber  3Kann  Wax,  fic  glüdflid^er  m  löfen,  ate  feine  jal^Ireid^en  5Rit- 
betüetbcr  um  bie  ß^rc  be^  ©elingen^.    ©clbft   fein  Irangöfifd^er  ©til,    ber  übrigen^  im 

55  bcften  ^aüc  noc^  nid^t  bie  ^ä^igieit  verbürgte,  ben  biblifc^en  tüibergugeben,  fo  bebeutenb 
er  abftic^t  gegen  bie  gelehrte  Unbeboifcnbeit  ber  Schreibart  ber  au^länbifd^en  ä^i^fl^noffen, 
fann  nic^t  ah  ein  üon  tieferem  ©tubium  ber  3)lutterfJ)rad^c  jeugenber  gelobt  Serben. 
Slllein  ©.  ^atte  fein  fieben  lang  fo  unenblic^  Diel  an  jebem  anberen  Überfe^er,  befonberö 
an  ben  bamaU  bcliebteftcn,  ben  ^^^anfeniften,  ^\x  tabeln  gefunben,  bafe  e«  getoiffermaften 

60  für  i^n  eine  (S(?renfad^e  h)ar,  burc^  bie  i^at  ju  jeigen,  bafe   er  ein  Slec^^t  baju  gel^t. 


SimoK,  Slid^arb  363 

Gr  fing  mit  bcm  3fX  an,  tüoju  er  ble  SSuIgata  ju  ®runbc  legte,  in  untcrgefefeten  Stn^ 
merfungen  aber  tei(d  bie  griec^ifc^en  Se^rten  b^pxad},  teil^  Bad^i  unb  äBorterHärungen 
gab  mit  l^äufiger  (toir  bürfen  tüol^l  fagen  affeltierter)  SJerüdtfic^tigung  ber  Äirc^enbäter. 
2)a^  SBerf  erfc^ien  1702  in  bier  SJänb^en  ol^ne  ben  9?amen  be«  Serfafferg,  unb  tourbe 
^u  mehrerer  ©ic^er^eit  in  bem  ©täbtc^en  Iröboui,  toeit  bon  5ßari^  hjeg  unb  unter  bem  6 
©d[)u^e  be^  bort  regierenbcn  fouberänen  3)uobejfürften  gebrudft.  5Wic^t^beftoh?cniger  toufete 
man  tn  ber  ßauj)tftabt  Jof^^^^f  ^^^  ^  t^^^^i*  für  eine  SJctüanbtniö  ^abe,  unb  ber  grofte 
93offuet  gab  jtc^  bie  SKül^e,  bie  gehörige  3^^'  ^^^  ile^ereien,  befonber^  foctnianifc^en, 
unb  bie  aQerbing^  ^^ablretd^en  9lbtt)eid^ungen  t)on  ber  trabitioneUen  @rllärung  barin  auf- 

iuf^üren,  um  juerft  burc^  bifc^öflid^e  9lutorität  in  einjelnen  ^iöcefen,  balb  aud^  burd^  lo 
öniglic^e,  im  ganjen  SReic^e  bg^  33ud^  ju  unterbrüdfen.  33ergeben«  fuc^^te  ©..burcb  ben 
S)rudf  einzelner  Äarton«  mit  änberungen  in  Überfe^ung  unb  Srflärung  ba^  ^ufeerfte  ju 
t)ermeiben;  er  lonnte  ba^  Serbot  mä^t  abtoenbcn,  gab  aud^  bie  gortfe^ung  feinet  Unter- 
nehmend auf,  aQein  er  lieg  ftd^  bod^  nid^t  ju  äBiberruf  unb  bemütigem  93e!enntnid  feiner 
Srrtümer  l^erbei.  Übrigen«  ift  fein  SJKE  je^t  beraeffen  unb  feiten  geworben,  l^at  auc^  15 
nur  burd^  feine  ©d^idEfale  ein  3"^«!^^«  für  ben  Sitterärl^iftoriler,  leine«  für  ba«  größere 
^ublifum,  eth)a  ate  unberbient  Jjerfolgte«,  eine«  befferen  SoF^ne«  toürbige«  38olwbud^. 
3n  bem  @jemj)Iare,  toeld^e«  @.  SHeufe  befafe,  fmb  bieilarton«  nid^t  eingefügt,  fonbern  am 
ßnbe  nur  beigebunben,  fo  bafe  man  bie  gemad^ten  Snberungen  neben  ber  erfien  tjaffung 
febr  leidS^t  überfeinen  unb  beurteilen  lann.  20 

SBir  ertüäbnen  bon  ©.«  arbeiten  nur  nodj^  jtoei  ©ammlunaen  bon  ©riefen  unb 
t)ermifd[^ten  Sluffä^en,  bie  er  gegen  ba«  ßnbe  feine«  £eben«  beranjtaltete:  Lettres  choi- 
sies  de  M.  Simon,  1700—1705,  3  3!eile  unb  Biblioth^ue  critique  ou  recueil 
de  diverses  pi^ces  .  .  .  publi^s  par  M.  de  Sainjore,  1708  ff.,  4  Xeile.  ^n 
beiben  berftedte  er  ftc^  nadj^  feiner  ©etüo^n^eit  hinter  bie  ft)anifdne  SBanb  ber  Slnon^mis  26 
tot,  ol^ne  irgenb  jemanb  gu  täufd^en;  beibe  enthalten  biele  beitrage  }ur  Sitteraturgefc^ic^te 
jener  geit  unb  fc^öne  5ßrobcn  ber  umfaffenben  (Selel^rfamleit  be«  5Wanne«.  3lad}  ©.« 
2!obe  erfc^ienen  noc^  jtoei  S3änbe:  Nouvelle  biblioth^ue  choisie,  1714  etc.  — 
älKe  biefe  SBerle  tragen  hoHänbifd^e  S)rudforte  auf  bem  3!itel,  lamen  aber  au«  Dffijinen 
t)on  XxiiDOui,  3lancg  unb  5ßari«.  30 

©.  brad^te  feine  I^ten  2eben«ia^re  in  feiner  33aterftabt  3)te})t)e  ju,  jiemlid^  abs 
gefd^Ioffen  unb  o^ne  nähere  greunbe.  S)ie  ^efuiten  brad^ten  e«  ba^in,  bafe  if;m  bon 
feiten  ber  SBe^örbe  mit  einer  Unterfud^ung  femer  5Pat)iere  gebro^t  tourbe,  unb  fo  fafete 
ber  geängftigte  5Wann  ben  entfd^Iug,  bicfelben  eigenbänbig  ju  gerftören.  ©0  berid^tet 
toenigften«  bie  Überlieferung,  einige«  jeboc^,  unb  nid^t  Unbebeutenbe«,  bel^ielt  er  jeben-  86 
fall«  jurüdf,  Slnbere«  l^atte  er  in  Sloucn  unb  $ari«  bei  gi^eunben  untergebracht,  ©eine 
litterarifd^e  Äinterlaffenfd^aft,  bie  fd^öne  SJibliotbel  inbegritfen,  bermad^te  er  ber  Äatl^ebraU 
lird^e  öon  SHouen,  toeldj^e  aud^  nad)  feinem  17i2  erfolgten  Sobe  biefe«  loftbare  SJeft^tum 
an  fid^  gog.  9tu«  einer  Notice  des  MSS.  de  la  biblioth^ue  de  T^glise  m^tro- 
politaine  de  Rouen  öon  2lbb6  Qaai  1746,  fie^t  man,  toie  gal^Ireic^  bie  Don  ©.40 
lommenben  §anbfc^riften,  eigene  unb  alte,  unb  bie  bon  feiner  $anb  annotierten  SBüd^er 
toaren.  Seiber  ging  ba«  meifte  baüon  in  bem  (S^^ao^  ber  SHeDoIution  fjjurlo«  Verloren, 
barunter  beifj)iel«h)etfe  ein  ejcmt)Iar  ber  Sonboner  ^ßol^glotte,  toelc^e«  ©.  mm  Se^ufe 
eine«  neuen  Dereinfad^enben  unb  bequemeren  3)rudEc«  (einzelne  Segte  überilebenb  unb 
bafür  beren  Varianten  einfül^renb)  cigenl^änbig  jugerid^tet  ^atte.  3lod)  gab  ©ouciet  1730  46 
in  toier  33änben  au«  ©,«  5Pat)ieren  eine  grünbli(|c  Jlritil  ber  Biblioth^ue  des  auteurs 
ecclesiastiques  unb  ber  Prol^gom^nes  de  la  Bible  t>on  2.  @.  bu  $in  ^erau«. 

2)er  ^attenfer  3:i^eoIoge  ©.  §•  Saumgarten  befafe  in  feiner  SJibliotl^el  Le  Pentateuch, 
traduit  par  R.  S.,  avec  des  remarques,  ein  9)lf.  öon  726  goliofeiten,  ba«  feit  bem 
aSerfauf  feiner  S5ibliotl;eI  1765/66  t>erf(|oIIm  gu  fein  fc^cint  (SJemu«  SWr.  246).  %üx  bie  so 
SBürbigung  feine«  §auj}th)erfc«  unb  feine«  gangen  ©tanbjjunlte«  behalten  toir  am  beften 
bie  SBorte  be«  erftcn  Bearbeiter«  biefe«  2t.,  ßb.  9leu^  bei,  ber  urteilte:  6«  toar,  um  e« 
mit  einem  SBorte  gu  fagen,  ber  erfte  emftlic^  gemeinte  unb  bi«  auf  einen  getoiffen  ®rab 
auc^  toiffenfd^aftlic^  überbac^te  aSerfud^  einer  ©efc^ic^te  ber  Sibel  al«  eine«  Sitteratur* 
loerfe«.  SBenn  man  bebenit,  Irie  gering  bamal«  bie  3Sorarbciten  gu  einer  folc^en  ®es  66 
fd^id^te  toarcn,  befonber«  aber,  toie  noc^  beute,  nad^  taufenben  öon  grünblic^en  unb  ber- 
bienftt)onen  gorfd^ungen,  biefe  nid^t  gefd^rieben  ift,  fo  erhält  man  einen  Segriff  Don  ber 
Äü^nbeit  unb  Originalität  be«  ©ebanlen«  unb  einen  billigen  5Ka6ftab  für  bie  Beurteilung 
ber  2iu«fübrung;  benn  biefe  barf  aUerbing«  nicbt  nad)  ben  Begriffen  unb  gorberungen 
unferer  ^t\t  gcfd^ä^t   toerben,   h?enn  man  bem  SSerf.  irgenb  gerecht  hjerbcn  Irill.    2)afe60 


364  (Simon,  Sflic^arb 

S.  Don  bcm  Sin^öltc  ber  93ibcl  gang  abfielet,  alfo  burd;au^  feine  SHüdffid^t  nimmt  auf 
ba^,  tua^  \mx  bie  ©nttridtelung  ber  religiöfen  ^been  nennen  tüürben,  bog  i^er^ältni^  ber= 
felben  ju  Staat  unb  Äird^e  einerfeit^,  anbererjeit^  gur  Sitteratur,  ba^  barf  un^  nic^t  be^ 
fremben.    SDa^er  ba^,  ioa^  \m  bie  fi)eycne  Einleitung  gu  nennen  t)flegen,  tüenigften^  im 

6  311,  tüo  e^  jubem  noc^  \)on  größerer  SBid^tigleit  ift,  gerabeju  tuegfättt,  mit  äu^na^me 
einiger  geringen  unb  tüenig  befriebigenben  änfä^e.  2)a^  toirllid^  in  bie  Unterfuc^ung 
hereingezogene  3JlateriaI  teilt  fic^  beim  91  tüie  beim  913:  in  bie  brei  9tubrilen  einer  ©cfd^ic^tc 
be«  2^ejte^,  ber  Überfe^ungen  unb  ber  ßrllärungen.  3"*^'^^"  """  ®-  V^^^  überall  fid^ 
beflife,    ftatt  ba^  bon   ber  Überlieferung  ©ebotene  einfad^  iufammcnjufteHen,  n^ie  feine 

10  SSorgänger  meift  get^an ,  bie  2;i^atfad^en  burc^  Vorläufige  unb  grünbUc^e  Unterfuc^ungen 
ju  ermitteln  unb  t>anai)  in  eine  jtüedmä^igc  unb  natürliche  Drbnung  ju  bringen,  burfte 
er  aUerbingg  feine  ©efc^id^te  eine  Iritifdj^e  nennen  unb  ihr  baburc^  eine  l^ö^ere  ©teile 
neben  ber  öerhjanbten  Sitteratur  öinbigieren.  SlHein  bei  biefer  Äritil,  tüufete  er  fid^  boc^ 
nic^t  ju  l^ö^eren  ©efic^t^unftcn  m  erl^eben;    in  ber  ©efd^idf^te  ber  Überfe^ungen  ^,  33., 

15  h)o  e^  mit  Slnerlennung  i^crtjorge^oben  tüerben  mufe,  bafe  er  biefelben  nic^t  blo^  aU 
Hilfsmittel  ber  3!c|tlritil  betrad^tet  unb  folglich  aui),  ja  borgüglic^  bie  ju  feiner  3«t  ge^ 
bräuc^Iic^en,  in  lebenben  Bpxad)m  berürfftd9tigt,  bertüenbet  er  einen  ber|ältnigmäfeig  biel 
ju  großen  9laum  auf  bie  Äritil  ber  Art  unb  SBeife,  tüie  bie  ober  jene  eimelne  Stelle 
toiebergegeben  ift.  S)ie  ^ßarteiftettungen  feiner  3^i^9^"öf?^"#  befonber«  in  granfceic^,  fallen 

20  babei  gar  gu  ftarf  inS  ©etüid^t  unb  feine  Ileinlid^en  Änti^pati^ien  toerlümmem  tl^m  bie 
objeltiöe  SJel^anblung  feinet  ©egenftanbeS.  ©anj'bie  gleiche  Semerlung  trifft  feine  ®c= 
fc^id^te  ber  ©c^rifterllärer,  too  er  einen  leitenben  ©ebanfen  gar  nid^t  bat  unb  ebenfalls 
nur  bann   tiefer,  ing  gingeine  eingebt,  tüenn   er  feinem  SJebürfni«,   gu  tabeln,    einmal 

![enügen  tüiH.  Übrigen^  toar  il^m  bie  beutfc^e  unb  bie  englifd^e  Sitteratur  fremb;  er 
onnte  l^ier  nur  gum  S^eil  unb  auS  gtüeiter  §anb  nehmen  unb  geben.  2)efto  länger  ^ält 
er  ftd^  bei  ttalienifd^en  unb  frangöfifd(^en  ©d^riften  auf.  gu  tüirflic^em  2obe  gereicht 
bem  2Berl  bie  berftänbige  unb  tüirllic^?  frittfd^e  Unterfud^ung  über  Urft)rung,  SBert  unb 
©d^irffale  ber  alejanbrinifd^en  33ibel  unb  ber  SJuIgata,  gegenüber  bem  trabitioneKen  unb 
bogmatifc^en  Vorurteil,  ebenfo  feine  Serteibigung  ber  SJibel  in  3SoItefj)rad^en.    ^nä)  ben 

80  allegorifc^en  ©d&tüinbeleien  ber  patriftifd&en  @regefe  gel^t  er  l^erjl^aft  ju  Seibe,  ja,  tro^ 
attem  Sebürfniffe,  burd^  gelegentlid^e«  ^erfiflieren  be«  j)roteftantifd^en  ©c^rift))rinjit>S  fic^ 
ben  SHüdEen  gu  bedfen,  ift  er  unbefangen  genug,  Galbin«  ©jegefe  ©ered^tigleit  toiberfa^ren 
gu  laffen,  unb  gu  fe^r  SRationalift,  um  nid^t  f clbft  für  bie  f ocinianifd^e  eine  getoiffe  ©^m= 
paü}k  gu  berft)üren. 

85  3n  bem  erften  Seile,  ber  eigentlichen  Slejtgefdbid^te,  enthalten  bie  beiben  Slbteilungen 
beS  9BerIeS,  tüelc^e  aU  histoire  du  texte  eingefül^rt  tüerben,  nid^t  nur  bie  eigentliche 
bon  uns  je^t  nod}  fo  genannte  (Sefc^id^te  beS  (^anbfd^riftlid^en,  benn  bom  gebrudften  ift 
nid^t  bie  Siebe)  3!ejteS,  fonbem  auc^  baS  SBJenige,  tüaS  ©.  bon  ft)egietter  Sitteratur^ 
gefd^ic^te  unb  öon  ber  6ntftel?ung  beS  ÄanonS  fagt,  fotüie  ßrörterungen  über  bie  bib- 

40  lifd^en  Bpxad^m.  SSon  ber  burd^  bie  ^roteftanten  ^auj)tfäd^Iid^  unb  gtüar  auS  bog= 
matifc^em  ^ntereffe  Vertretenen  SorfteHung  bon  ber  SReinl^eit  unb  ©etüi^eit  beS  Orunb^ 
tejteS  ift  er  burc^auS  frei  unb  tüeift  auc^  fe^r  gut,  freiließ  noc^  nic^t  mit  ber  heutigen 
©rünblic^Ieit  ber  Äritil,  bie  Urfac^en  unb  ben  ®ang  ber  SSerberbniS  nac^;  allein  er 
nimmt  bod^  ben   maforetl^ifd(^en  iejt  gegen  bie  93erunglimj)fungen  t)atriftifc^er  Untüiffen^ 

45  l^cit  unb  mobemer  Übertreibung  gu  ©unften  ber  LXX  in  ©d^u^  unb  erlennt  toillig  in 
bemfelben  eine  mit  relatit)  guten  §iIfSmitteIn  gemad^te  geleierte  Slccenfton,  bie,  obgleich 
ber  9?ad^befferung  bebürftig,  bod^  ben  Sergleid^  mit  ieber  anberen  ClueHe  ouS^alte. 
@benfo  erflärt  er  bie  3Sofalj)unftc  für  eine  Jüngere  @rfinbung  geleierter  ^u\>m,  bie 
Cuabratfd&rift  für  f^äter  eingeführt,   unb   ftellt  fid^  auf  bie  ©eite  einer  richtigen  i)^ilo= 

50  logifd^en  ßrfenntniS  in  ber  Beurteilung  beS  l?elleniftifc^en  ^biomS  gegenüber  ben  fünften, 
äöeniger  tüirb  man  üon  benjenigen  ätbfd^nitten  befriebigt,  in  tüel^^en  ©.  ein  nod^  brac^ 
liegenbeS  gelb  gu  bearbeiten  l^atte.  S)abin  rechnen  tüir  gubörberft  bie  fjjegiette  Einleitung 
in  bie  ©cfriftcn  beS  9KCS  unb  bie  ©efc^id^te  beS  ÄanonS  beSfelben.  Se^tere  fe^lt  eigent^ 
lic^  gang,  tro^bem  ba^  ber  Serfaffer  trefflich  in  ben  ©d^riften  ber  Äird^enbäter  bctoanbert 

65  tüar,  man  mü^te  benn  bie  beiläu^gen  unb  gang  bagen  Berufungen  auf  bie  Xrabition 
in  ätnfd^lag  bringen  tüoHen,  tüeld^e  bei  ber  Unterfd^eibung  lanonifc^er  unb  aj>ofr^^)^ifc^fer 
©c^riftcn  tbätig  getocfen  fein  foH,  bon  lücld^en  man  aber  nirgenbS  eine  Hare,  an  ^ßerfonen 
unb  SC^atfad^en  [\d)  anlebnenbe  2lnfcl)auung  bcfömmt  unb  bie  tüojjl  eigentlicj^  nur  öor- 
gebalten  tüirb,  um  bie  anbertüeittgc  Äritif  gu  bec!en.    3"  ^^  fpegiellen  Einleitung  bleibt 

60  bie  SBiffenfc^aft  beS  aJerf.S  iüirllic^  auf  bem  33oben  ber  t)atriftifdeen  Srabition  fte^ 


366  SiniOK,  Sttc^rb  Simon  3ebteil 

rechnen  bürfcn.  S)ic  ©d^tüäd^cn  feine«  G^aralter«  aber  fatten  grofeenteifö,  tüenn  auc^ 
ni4t  burd^au«,  bem  feinigen  jur  Saft,  ba«  für  freie«  gorfd[^en  feinen  Sinn  ^atte  unb  fi(^ 
im  h)iberlid[)en  ©ejänle  lorjjoratiber  ^ßarteiintereffen  bergel^rte.    (eb.gieit§t)  (&ff.9ltftU. 

Stmoit  tion  2^0ltnta9,  um  1200.  —  fiittcratur:  Hist.  lit^r.  de  la  France  XVI, 
5  ©.394;  91.  gjeanbcfr  ^lügcmeine  ®cfd)ic^tc  ber  (ftriftl.  9lcligiün  u.  tircfie  V,  2.9lbt.,  ©.557  f., 
^mburfl  1845;  g.  S.  fi.  ©iefcler,  fie^rb.  bcr  ^irc^enaef*.  II,  2.  ^bt.,  ©.  143  u.  409,  «onn 
1848;  2B.  gWöUcr,  fic^rb.  ber  tir^engef*.  II,  ©.  414,  greiburfl  i.  S^r.  1891;  $).  iRlttcr, 
®c[tf).  bcr  ^^ilüfop^ie  VII,  ©.  623,  Hamburg  1844;  gr.  Uebcrtoeg,  ®runbri6  bcr  ®e)*i(fttc 
bcr  ^^ilofop^ic  II,  7.  9luf(.,  ©.259,  ©crlin   1886;    ^aur^au,   Hist  de  la  phil.  scol.  II,  1, 

10  ©.  58  ff.,  <Parl8  1880;  Söuläu«,  Hist.  univ.  Paris  III,  ©.  8;  3)cnif(c=e^atclain,  Chartul. 
univ.  Paris.  I,  ©.  45  u.  71,  «ßari«  1889. 

33on  ben  Seben^beri^ältniffen  Simon«  ift  nur  befannt,  bafe  er  um  1200  ein  gc^ 
feierter  Seigrer  ber  Sorbonne  toar;  e«  läfet  fic^  nid^t  einmal  fagen,  toe^^alb  er  „bon 
3!oumaV"  genannt  toirb.  SP  ^  loirllic^  unter  bem  Simon  gemeint,  ber  in  einem  Sriefc 

16  6tej)l^an«  toon  lourna^  (f.  b.  ärt.)  an  ben  grjbifc^of  bon  SW^eim«  (MSL  CCXI,  S.  353) 
bem  le^teren  emj)fobIen  toirb,  toa«  atterbing«  burd^  nid^t«  toirllid^  gu  betoeifen  ift,  fo  loirb 
2ouma^  auf  ben  ®eburt«ort  gelten:  benn  ber  33rief  ift  jebenfatt«  (gegen  bie  2)atierung 
a.  a.  0.),  toeil  an  SBil^elm  bon  SR^eim«  (feit  1195  ©rjbifd^of :  Sd^ulte,  S)ie  6umma  be« 
®tej)l^anu«  Somacenfi«,   ©iefeen   1891,  ©.  XXII   3lnm.3)   gerichtet,   gefd^rieben,  al« 

2oStei)^an  fd^onSJifiof  bon  Souma^  toar;  bann  mufe  aber  ber  im  ©riefe  ertoä^nte  33ifd[)of, 
mit  bem  ber  betreffenbe  Simon  entjtoeit  toar,  ein  anberer  Suffragan  be«  ßrjbifd^^of«  öon 
SR^eim«  unb  infolgebeffen  auc^  ba«  Äanonilat,  ba«  Simon  nac^  bem  ©riefe  gu  beileiben 
teeint,  an  einem  anberen  Orte,  al«  S^ourna^,  gelegen  fein,  fo  bafe  le^tere«  al«  bermaliger 
SBol^nort  Simon«  au«gefc^loffen  toäre.    Übrigen«  toürbe  für  Simon  öon  Xoumai;  bic 

25  ß^aralteriftit  be«  im  ©riefe  6mj)fo^lenen :  „gratiosus  et  commendabilis,  hinc  auc- 
toritate  morum,  hinc  peritia  literarum"  nur  fc^meid^el^aft  fein  unb  toürbe  bie  o^nc= 
^in  g.  %.  fagenl^aft  gefärbten  unb  einanber  toiberfjired^enben  ©endete  anberer  3citgenoffen 
über  jenen  no6^  me^r  al«  bö«toillige  ßrfinbungen  toerbädbtigen.  3)lattl^.  ^ari«,  ©enebif- 
tiner  in  St.  Älban«,  geft.  1259,  auf  ben  ©erid^t  eine«  Slugenjeugcn  fxd^  berufenb,  ber 

90  in  ?ßari«  ftubiert  l^ätte  unb  nad^^er  ©ifc^of  bon  ©ur^am  getoorben  fei,  erjö^lt  bon  i^m 
(Hist.  maior,  ed.  Gull.  Wats,  2onb.  1640,  S.206),  bafe  er  in  einer  ©orlefung  im 
3a^rc  1201  biele  ^toti^d  über  bie  2:rinität«lel^re  aufgetoorfen,  für  ben  anberen  2iag  aber 
li^re  Söfung  t)erft)roc^en  l^abe;  al«  er  bann  feinem  ©erfjJredf^en  nad^gelommen  fei  unb 
reid^en  ©eifaH  geemtet  l^abe,  fei  er,  fold^en  6rfolge«  fid^  überl^ebenb,   mit  großem  ©e- 

86  läc^ter  in  bie  Sßorte  au«gebrod(^en:  ,,0  Jesule,  Jesule,  quantum  in  hac  quaestione 
confirmavi  legem  tuam  et  exaltavi;  profecto  si  malignando  et  adversando 
vellem,  fortioHbus  rationibus  et  argumentis  scirem  illam  inürmare  et  depri- 
mendo  improbare";  bann  ^abe  er  Bpxai^t  unb  Cäebäc^tni«  Verloren  unb  jtoei  Sa^rc 
baju  gebrandet,  ba«  iHlpf)abct  toieber  gu   erlernen,    ein    jüngerer  3^*0^*^R^f  2^^oma^ 

40  6antij)ratanu«,  ein  SDominilaner,  geft.  1263,  lä^t  il(}n  bagegen  fagen  (Bonum  univer- 
sale de  apibus,  IIb.  II  c.  48,  5):  „Tres  sunt,  qui  mundum  sectis  suis  et  dog- 
matibus  subiugarunt,  Moyses,  Jesus  et  Mahometus"  (f.  b.  ä(.  De  tribus  Im- 
postoribus,  ©b.  IX,  S.  72,8'?  ff.)  unb  lä^t  il;m  bann  ba«felbe  toiberfal^ren,  toa«  9K. 
^ari«  il^m  gcfc^e^en  lä^t.     Unb  §enricu«  ©anbarenft«,  um  1280  Se^rer  an  ber  Sor- 

46  bonne,  berichtet  einfad^  t>on  i^m  (Lib.  de  scriptor.  eccles.  c.  24 :  g^briciu«,  Bibl. 
eccl.  II,  121) :  „Dum  nimis  Aristotelem  sequitur,  a  nonnullis  modernis  haereseos 
arguitur".  9^eanber  toirb  be«^alb  ba«  Slic^tige  treffen  mit  feiner  ©ermutung,  baft  „ein 
Unfall,  ber  Simon  mitten  in  feiner  rul^mrei^en  alabcmifd^en  I^ätigleit  betroffen  unb 
biefer  ein  6nbe  gemacht  l^atte",  bie  ©eranlaffung  ber  legenbenl^aften  ßrjä^lung  getoefen 

50  ift,  unb  biefe  nur  3^9"^^  bafür  ablegt,  toie  „bie  neue  bialeltifd^e  9lic^tung  —  ber  Simon 
l^ulbigte  —  bem  religiöfen  3^'^0^ift^  crfd^ien".  ^n  ä^nlid^er  SBeife  fc^^liefet  Übertoeg,  bafe 
Simon  bermöge  feiner  2)ialcftil  „mit  gleicher  Seic^tigfeit  ben  Iird[^lid^en  (älauben  (öffent^ 
lic^)  al«  toa^r  unb  (in«ge^eim)  al«  untoal^r  ju  ertoeifen"  fällig  getoefen  fei.  Unb  SRötter 
finbct  in  ben  ßrjä^lungen  Don  Simon  einen  d^aralteriftifd^en  9lu«brudf  bafür,  bafe  —  obgleic^^ 

6G  bie  bialefttfc^c  ©c^anblung  ber  2)l^eologie  im  12.  3;ol(iri^unbert  fic^  burd^efe^t  ^tte  — 
„boc^  ber  (Sinbrudf  einer  großen  ©efal^r  für  ben  (Slauben,  ber  auf  biefe  SBaffe  ftd^  ftü^tc, 
nic^t  oerfc^tounben  fei".  gferblttattb  Go^rd. 

Simon  S^loM.  —  SBgl.  bie  betr.  9lrti!el  in  ben  ^^örtcrbüc^crn  Oon  ©Incr,  ©t^nfcl. 
SSebc  u.  SBeltcr,  9iie^m,  C£^ct)ne,  u.  gal^n,  Jorfc^ungen  j.  öJefc^.  b.  neut.  Äanon«  VI,  1900, 
60  ©.  293.  321.  361. 


368  Stmoitte 

burd^  bte  ^efinttton  au^brüdt,  bie  Simonie  fei  determinata  voluntas  ad  emenda  et 
vendenda  spiritualia  iisque  annexa.  SSorjug^tDeife  galt  aber  immer  al^  Simonie 
ber  Äanbel  mit  geiftlic^en  Ämtern,  alfo  ba^  bem  römifc^en  crimen  ambitus  (SSerbrei^en 
bet  Slmt^erfc^Ieid^ung)  analoge  Äitc^entoerbrec^en,  ba^  aud^  burd^  bie  römifc^e  Äaifergefe^ 

6  gebung  (L.  31,  C.  de  episcopis  et  dericis  1,  3  bon  2eo  unb  änt^emiu«  469)  be= 
fonber^  ber^önt  toar:  „ad  instar  public!  criminis  et  laesae  majestatis."  3)ie  3$er^ 
bammlic^Ieit  ber  ©imonie  in  biefem  befonberen  Sinne  be«  SBorte^  tourbe  bann  mit  bem 
obfic^tliclften  3?ac^brudf  bon  ben  5ßä))ften  gegenüber  ben  Äaifem  im  Snbeftiturftreit  geltenb 
gemacht  unb  ate  §au})ttüaffe  in  biefem  Streite  gebraucht,  toa^  in  neuerer  3^^  5"   ber 

10  bon  3.  §.  Söl^mer  (J.  E.  P.  IV,  5,  3,  §§  10  sqq.)  mit  ber  unbefangenften  ®rünblic^= 
!eit  toiberlegten  Weinung  füj^e,  ali  fei  bie  93e$anblung  bed  lirc^Iic^en  ambitus  al^ 
Simonie  überl^au))t  eine  gu  jenem  ^to^dt  erfonnene  ©rfinbung  gcloefen.  Vermöge  ber 
ebangelifd^en  ßrfenntni^  be«  toa^en  SBefen^  ber  Orbination  muft  e^  allerbingg  al^  ein 
3ntum  betrachtet  toerben,  toenn  il^re  Spenbung  unb  ßrtoerbung  unb  folgetoeife  auc^  bie 

16  aierlei^ung  unb  ©rlangung  bon  geiftli(^en  Slmtem  für  ®elb  bem  grebel  Simons  glei(^^= 

Steftettt  toirb.  aber  ebenfofel^r  fann  nur  eine  l^^i)erj)roteftantifc^j  äuffaffung  e^  ber^ 
ennen,  bafe  ber  S^^ac^er  mit  geiftlic^en  aimtem  ein  bie  gemeine  ämtererfd^leidf^ung  toeit 
überbietenber  (Sreuel  unb  in  ber  2:at  ber  Sünbe  Simon«  ä^nlic^  fei.  3)enn  toenn  auc^ 
bie  Orbination  nic^t  eine  9KitteiIung  besJ  1^1.  ®eifte«  ifi,  fo  ift  bocp  getoi^,  baft  ber  33e= 

20  ruf,  ben  fte  feierlicl  überträgt  unb  ber  h)efentli(^er  Snl^lt  jebe«  geiftlid^en  Amte«  ift,  bie 
SSerloaltung  ber  gottgeftifteten  SJlittel  ber  SBirIfamleit  be«  1^1.  ®eifte«  jum  ®egenftanbe 
fyii.  3e  el^rtoürbiger  l^iemac^  biefe«  Slmt  bem  toal^r^aft  c^riftlid^^en  Sinne  erfc^^einen 
mufe,  um  fo  fd^änblid^er  ift  bie  ßnttoei^ung  be«felben,  bie  e«  al«  eine  berläuflic^e  unb 
!äuflic^e  SBare  bejubelt,  eine  ©nttoei^ung,  bie  leine^toeg«  barum  toeniger  fd^änblic^  ifl, 

26  n>eil  man  babei  nur  bie  mit  bem  9lmte  berbunbene  geitlic^e  SSerforgung  im  ä(uge  l^t. 
@«  ift  aQerbing«  an  Simon«  Sünbe  befonber«  graueni^aft,  bag  er  in  bem  ©lauben,  er 
toürbe  burc^  bie  a^oftoUfd^e  ^anbauflegung,  toeld^e  er  erlaufen  tooQte,  übernatürliche 
®nabengaben  erlangen,  feinen  33eftec^una«t)erfud^  toagte.  aiUein  offenbar  begehrte  boc^ 
ouc^  er  eigentlich  nur  bie  äufeerlid^en  ®üter,  loelc^e  er  mittelft  jener  übematürlid^en 

80  ®aben  %u  ertüerben  l^offte.  Unb  barin  toirb  immer  ber  eigentlid^e  eintrieb  )u  bem,  loa« 
bie  Äircpe,. Simonie  benannt  l^at,  liegen,  bafe  geiftlic^e  ®üter  im  eigentlichen  Sinne  ober 
lirc^lic^e  2tmter  unb  Stetlungen  al«  ÜKittel  ber  ßrlangung  i^eitlic^er  äußerlicher  Sorteile 
erfc(^einen  unb  e«  auc^  erfa^rung«gemäfe  fein  lönnen.  2)ic  Simonie  ift  immer  eine  im 
Sereid^e  be«  firc^lid^en  Seben«,  toobon  fte  am  meiften  fem  bleiben  foHte,  ^erbortretenbe 

86  Äußerung  ber  cpdaQyvQla^  bie  merftoürbigertoeife  5ßaulu«  gerabe  in  einem  feiner  ^Paftoral- 
briefc  (1  a:im  6, 10)  al«  bie  „SQäurjel  alle«  Übel«"  branbmarft,  toie  er  bie  fte  in  ftc^ 
fd^ließenbe  nhove^ia  toieberl^olt  (6^)^5,5;  Äol  5,13)  fogar  al«  eldcoXoXaxQia  be= 
jeic^net.  ©ben  barum  mußte  bie  Simonie,  feit  bie  SBei^en  nic^t  mel^r  on  fid^  SSedorgung 
berfc^afften,  fonbern  ben  Seft^  einer  aSerforgung  borau«fe$ten,  toeniger  bie  SBei^en  all 

40  bie  mit  ^Pfrünben  berbunbenen  üird^enämter  gum  ®egenftanbe  ^aben. 

3)er  berechtigte  ßifer  ber  alten  Äird^e  jcipte  ftcp  toa^rl^aft  unerfc^öt)flid^  in  ^erbei^ 
jiel^ung  biblifdj^er  ®cfd^id^ten  unb  3Borte,  um  in  beren  Sichte  bie  Simonie  bon  möglic^ft 
Dielen  Seiten  al«  l^äßlic^  unb  berabfd^euen«toert  erfc^einen  gu  laffen.  Sie  tourbe  mit  ©fau« 
33erlauf  be«  erftgeburt«rec^t«,   mit  Sileam«  „SJelicben  am  So^n  ber  Ungerec^tigleit",  ja 

45  felbft  mit  bem  äSerrat,  ben  ^nhai  am  §erm  beging,  berglidj^en;  e«  tourbe  barauf  bie 
Vertreibung  ber  S^aubenlrämer  au^  bem  %impA  burd[)  ß^riftu«  bejogen  (toeil  bie  iaube 
bo«  Sinnbilb  be«  ^l.  ®cifte«  fei),  unb  enblic^  auc^  bie  SSJorte  be«  §erm  (3Rt  10,  6): 
„Umfonft  ^abt  i^r  e«  empfangen,  umfonft  gebt  e«  auc^",  unb  (3o  10, 1):  „SBer  nic^t 
pr  i^üre  (ß^riftu«)  bineinge^et  in  ben  Sd^afftaH,  fonbern  fteigct  anber«h)o  hinein,  ber 

eotft  ein  S)ieb  unb  ein  3Kbrber."  —  Sgl.  g.S5.  im  Decretum  Gratiani  can.  11.  16.  20. 
21.  113.  117.  caus.  1.  qu.  1.  can.  8—11.  c.  1.  qu.  3.  Die  fe^r  häufige  Seaeic^fnung 
be«  Serbred^en«  ber  Simonie  al«  simoniaca  haeresis,  ja  al«  bie  Äej^erei  atter  Ke^ercien 
erllärt  fic^  befonber«  barau«,  baß  man  baburc^  in  bie  gußftajjfen  jene«  Simon«  tritt, 
loeld^er  ber  alten  Äirc^e  al«  ber  eigentlid^e  §ärefiard^,  ber  Urfefeer,  galt  (bgl.  b.  ärt.  Simon 

66  oben  S.  351).  —  änbercrfeit«  l(}aben  xl}xt  eigene,  jpft^c^ologifc^  unb  etl^ifc^  intereffante  ®cfd^ic^te 
bie  Seftrebungen,  9JJittel  unb  SBegc  gur  Umgcl^ung  be«  Verbot«  ber  Simonie  ju  er^ 
finben,  toeld^er  nac^jugcljien  ^icr  ju  toeit  führen  tüürbe  (bgl.  ban  6fJ)en,  Jus.  Ecdes. 
Univ.  P.  II,  t.  30,  cap.  3—5,  unb  3-  ®-  ^^i^tfd^/  I^iss-  de  involucris  simoniae 
detectis,  1715). 

60        Unmittelbar  mit  bem  Urbegriff  ber  Simonie  ftcl(^t  e«  im  S^fammenl^gc,  baß  al« 


370  Stfume  ®tiiMPltcbi9,  ^§p^ 

toibcr,  bafe  c^  afe  ein  SSctmögenebcftanbtcil  bctrad^tet  toerbe,  unb  lann  eg  fAon  bc§balb 
nic^t  ©egcnftanb  einc^  SauftHertrag^  fein.  6^  tft  aber  and)  im  j>roteftantifcben  Äird>en= 
red[)t  ancrtannt,  baß  ein  onerofc^  @efd[^äft  über  ein  ^tronatre<^t  ate  Simonie  anjufehen 
fei  unb  bal^er  ben  Serluft  bcefelben  betoirle. 

B  3"^^  SoHenbung  bc^  SSerbrec^en^  ber  Simonie  gehört,  bafe  für  ein  geiftlid^  ®ut 
jeitlid^e  Sorteile  (aud^  toenn  fie  nic^t  ju  ®elb  angef^^Iagen  toerben  fönnen,  toie  obse- 
quium  ober  favor:  c.  114,  C.  1.  qu.  1)  auf  ©runb  einer  Übereinfunft  toirllic^  ge= 
iDäl^rt  unb  angenommen  toorben  finb.  älufeerbem  lann  nur  Don  einem  SJerfuc^  ber 
Simonie  gerebet  toerben,  ber  (toenn  nic^t  blofe  bie  gntbedung  feine  äuefü^ng  ber^inbcrt 

10  l^at)  bIo|  arbiträr  gu  al^nben  ift.  auf  bie  blofee  Vermutung  ^in,  bafe  ein  jeitli(^er  9Sor= 
teil  gelDä^rt  toorben  fei,  um  baburd^  ^n  einer  res  spiritualls  ^u  gelangen,  lann  über^ 
^anpt  nic^t  mit  Strafen  eingefc^ritten  toerben,  obtoo^l,  toenn  bie  Vermutung  begrünbct 
ift,  baburd[)  eine  mentalis  simonia  unb  alfo  immerhin  eine  Sünbe  begangen  h>urbc. 
SBoUenbete  Simonie  giel^t  für  bie  fämtlic^en  SJlitfc^uIbigen  nac^  fanonifd^^em  Siedet   eine 

15  excommunicatio  latae  sententiae  nac^  pc^,  iDObon  nur  ber  ^Jaj)ft  abfobieren  lann  (c.  6. 
X.  de  simonia  5,  3;  c.  2.  Extra v.  comm.  eod.  5,  1).  9?ur  toenn  bie  Simonie  geheim 
geblieben  ift,  fönnen  babon  bie  Sifd^öfe  in  foro  conscientiae  abfolbieren  (CJonc.  Trid. 
Sess.  24.  c.  de  reform.)  35ei  ber  Drbination  fyii  bie  Simonie  überbie^  für  ben  Crbi- 
nierten  Su^j)enfbn  bon  ber  emjjfangenen  SBei^e  unb  Irregularität  j^ur  golge;   für  ben 

20  Drbinator  ebenfall«  Suetjenfton  bon  ben  ^ontififalien  (c.  37.  45.  X.  h.  t.  c.  2  Extr. 
comm.  eod.).  Sllle  5ßrobifionö^anbIungen,  bei  toelc^en  Simonie  begangen  n^orben  ift, 
ftnb  ungültig,  toer  eine  5ßfrünbe  burd^  Simonie  fid^  berfd^afft  fyii,  toirb  inegulär,  bes 
Slmte«  entfe|t  unb  ber  ©riangung  eine«  anberen  unfähig;  ber  SSerluft  ber  ^Pfrünbe  trifft 
felbft  ben,  ber  fte  burd^  eine  o^ne  fein  3Jlittoiffen  unb  feine  ®ut^eifeung  bon  anberen  bc= 

26  gangene  Simonie  erlangt  l^at,  nur  fann  er  fie  burc^  3!)i«t)enfation  toiebererlangen,  aufecr 
toenn  er  fte  burd^  eine  fimonifc^e  SBa^I  erlangt  l^at  (c.  11.  22.  25.  27.  3-4.  X.  h.  t.  c,  12. 
59.  X.  de  elect.  1,  6).  3)en  ülofterlonbent,  ber  ftc^  bei  einer  Slufnai^me  in  ba«  Älofter 
ber  Simonie  fc^ulbig  Qcmad^t  i)at,  trifft  bie  Su«))enfion  bon  aßen  Ia})itularif(^en  Smtem 
unb  bon  allen  guri^biltion^rec^ten  (c.  1.  Extr.  comm.  h.  t.).    5leuefte  Seftimmungen 

80  in  ber  Const.  Pii  IX.  Apost.  sedis  bom  12.  Dttober  1869.  Über  bie  ©iltigfeit  ber 
bon  i^nen  boUgogenen  Sah:ament«l;anblungen  bgl.  ©igafefi,  I^S  79,  216. 

"llud)  in  ber  t)roteftantifc^cn  Äirc^e  gelten  aUc  $robifton«^anbIungen,  bei  meieren 
Simonie  begangen  Irorben  ift,  al«  nichtig,  unb  toirb  bal^er  bie  barauf  ^in  erfolgte  8lmt^= 
berleil(}ung  fafftert ;  bei  Patronen  toirb  too^l  bie  Simonie,  toenigften«  im  3Bieber^olung«= 

35  falle,  mit  ßntjie^ung  be«  ^räfcntationöred^t«  für  i^e  5ßerfon  beftraft ;  auc^  3l^nbung  ber 
Simonie  mit  ®clb=  unb  ©cfängnieftrafen  lommt  bor.  ^^t  ift  bie  Simonie  burätocg 
nur  aU  3(mt«erfd^Ieic^ung  frimineU  ftrafbar  unb  lommt  infofem  bie  ilognition  barübcr 
nur  ben  tocltlic^en  ©eric^ten  ju.  Stufeerbem  ift  fie  aud^  l^infid^tlid^  ber  latl^ofift^en  Äirtbc 
blofe  ©egcnftanb  ber  Äird^engud^t  unb  ber  2!)i«jit)linargctoalt  ber  Äird^enbe^örben  (f.  C. 

40  3Keier,  ginftitutionen  be«  gem.  beutfc^.  Äird^cnrec^t«  §  117,  9?ote  11 ;  §  159,  9lr.  2;  §  160, 
3lx.  2'  bgl.  mit  §  158,  änm.  3lx.  V). 

^in  eigentümlicher  ^all  ber  Simonie  toar  ber  in  ^Pommern  üblich  getoorbene  ©rtoerb 
eine«  Sirc^cnamte«  burd^  ßl^eberftjrec^en  (bgl.  3Bolter«borff,  in  griebberg  unb  ©e^ling, 
2).  ^mu,  177ff.  12,  Iff.  182 ff.). 

46  ^ux  3Scr^ütung  ber  Simonie  tourbc  fd;on  burc^  S^nobalftatuten  be«  13.  3abr= 
l^unbcrt«  borgefc^rtcben,  bafe  ^robibcnben  bor  ber  institutio  canonica  einen  6ib  fc^toören 
foHen,  fid^  in  Scgie^ung  auf  bie  i^ncn  §u  berleil;cnbc  5ßfrünbe  feiner  Simonie  fc^ulbig 
gemad^t  ju  l;aben  unb  früher  aud^  in  tjroteftantifd^cn  2anbe«fird^en  ein  folc^er  Simonieeib 
gcforbert  (f.  3.  §.  Sommer,  J.  E.  P.  T.IV.   L.  V,  T.  III,    §§  27,  28;    Sa^me,  De 

50  iuram.  simoniae  a  candidatis  S.  minist,  in  consist.  regni  Prussiae  praestando. 
[Regiom.  1719]).  3!)a«  lanonifd^c  Siedet  fennt  biefen  gib  nur  al«  einen  ba«  33or^anben= 
fein  F)inrci(^cnber  3Serbad^t«grünbe  borau«fe^enben  9leinigung«eib:  c.  38.  X.  de  electione 
(1,  6).  (Si^enrlt)  6e^Uitg. 

(BimpVxcxn»,  ^at)ft,  468—483.  —  SBriefc  bc«  ©im^ticiu«  bei  X^icl,  Epistolae  Ro- 
65  manorum  pontificiim  I,  @.  174 ff.;  Jaff($  I,  6.  77 ff.;  53iogrQp6ic  im  Lib.  pontif.  I,  @.  112 
bcv  Vhb^c^abe  u.  ^Kominfen;  Liberati  breviar.  caus.  Nest,  et  Eutych.  16—18,  MSL  68, 
8.  lOlO'ff.;  (iuagriu«,  h.  c  III,  4ff.;  gadjariaö  9i()ctor,  Ä®  V,  9f.,  @.  79f.  ber  9(udgabc 
Don  9ü)ven§  u.  Mvüqer;  .t)efele,  C£ünci(lciigefdjicl)tc  II,  6.  602 ff. ;  ©rcqoroöiud,  ©cfcb-  ber 
Sabt  JHom  im  'Wi ,  1,  8.  24()ff.;  fianqen,  (yefd)ic6te  ber  römifcftcn  ^iv*c  1885,  @.  126  ff. 
tt)3Jian  ugl.  b.  ?lrt.  ^J}bnop^i)fitcn  u.  bie  bort  angegebene  fiitteratur,  33b  XIII,  ©.  372  ff. 


372  Stmfoit 

bcrSBürbc  eine«  ®otte^Iämt)ferg  nid^t«  an  fic^  tragen;  aud^  bic  emfteren  Ääm))fe  bleiben 
ol^ne  ßwfanimen^ang,  bie  blutißen  ©iege  o^iie  jene  %tud)t,  bie  ein  Solfebefreier  barau« 
f)äiit  gctüinnen  muffen.  6«  l^eifet  itoax,  ©tmfon  l^abe  3;^rael  „gerid^tet"  203«^^^  Iö"9 
(15,  2U;   16,31);   aber  nur  um  ber  ©leid^förmiglcit  mit  ben  übrigen  „9lid^tcm"  neiden 

5  fdf^cint  biefer  2lu«brud  gebraucht,  nic^t  öon  bem  eigentüd^en  ßrjäljiler  ber  ©imfonötbaten, 
fonbem  bom  SRebaftor  be«  Slid^terbuc^e«.  S)enn  t)on  ber  Stu^übung  einer  ©erid^t^barfeit 
fej;en  Irir  nic^t«;  ©imfon  \)ätU  fic^  baju  auc^  laum  geeignet.  9Jic^t  einmal,  bafe  er 
feinen  Stamm  anführte,  tuirb  befttmmter  bezeugt.  SBa«  er  tl^ut,  tl^ut  er  auf  eigene 
gauft,  bonbringt«  attein  huxö)  feine  t)erfönlid[)e  gottgefd^enfte  Jlraft  unb  ju  feinem  SRubm. 

10  ©einem  S3olf  ertüäc^ft  me^r  mittelbar  ein  ®en?inn  barau«  unb  jjtvax  nur  ein  befc^ränlter 
(13,  5).  6r  felbft  aber,  ber  mit  ganjen  ©c^aren  öon  geinben  ftc^  furc^tlo«  meffen  burfte, 
iDirb  burd^  Icibenfc^aftlid^e  unb  ungeorbnete  SKeibcrIiebe, .  h)orin  er  pc^  nie  ent^altfam 
Ö^jjcigt,  fd^Iicfelid^  ju  %aU  gebrad^t.  ©0  geigt  biefe  ©eftalt  allerbing«  einen  getoijfcn 
3)uali«mu«,  aber  e«  ift  ba«  nid&t  ber  3Biberft)rud^  gtoifc^en  ^eibnifc^em  3?aturm^tbu«  unb 

16  monotifjeiftifd^er  Überarbeitung  (©einedEe),  aud^  n\d)i  blo^  ber  gtüifc^en  berb  öolf^tümlid^em 
©toff  unb  reIigiö«=nationaIer  ^orm  (SBelll^aufen),  fonbem  im  ®runb  ber  SBiberf^ruc^ 
ijt)if4)en  göttlichem  Seruf  unb  menfd^li^er  9?atürlid^feit,  tüeldj^e  bei  noc^  fo  au«gegeic^netcr 
S3egabung  bon  oben  ftc^  unfäl^ig  ertoeift,  il^re  ^öl^ere  Seftimmung  gu  erfüflen,  h?o  fic 
nicpt  t)om  göttlid^en  ©eifte  gang  unb  gar  burc^brungen   unb   geheiligt   ift.    2)iefer  felbe 

20  SBiberftreit,  ber  fic^  an  ©imfon  fo  t)erfönlid^  barfteHt,  jeigt  ftc^  t)erl^ängni«botI  an  feinem 
gangen  SSolIe,  gumal  in  jener  ©türm-  unb  2)rangbenobe  ber  Slid^tergeit:  obtoo^l  bon 
bem  $erm  großartig  au«gerüftet  unb  erftaunlic^er  Saaten  fä^ig,  erlag  e«  al«  ein  in  feiner 
natürlichen  (Sigenart  unbraud^bare«  SÖerfgcug  göttlichen  ^Regiment«. 

ÄaJ).  13  tüirb  guerft  eine  glreifai^e  ®rfc^einung  be«  ßngel«  ®otte«  berichtet,   loelcbe 

26  an  bic  ^atriarAengeit  unb  ben  Slnfang  ber  ®ef^id^te  ®ibeon«  erinnert.  2)en  lange 
bergeblic^  auf  itinberfegen  l^anenben  Sltem  ©imfon«  tüirb  babei  bie  ®eburt  unb  ber 
33eruf  ibre«  ©o^ne«  angelünbtgt  unb  feine  SBei^ung  an  ben  $errn  eingefc^ärft.  6r  h?ar 
(13,  5)  gum  Siamp^  tütber  bie  ^l^ilifter  beftimmt,  bie  übermütigen  35ebrängcr  feine« 
©tamme«  unb  SSolIe«,   tüeld^e  gerabe   in  biefer  3^^^  offenfib  gegen  3i"^<*=3^^^c'   ^^^'' 


30  gegangen  toaren  (13, 1.  3um  Reitjjunlt  bgl.  33b  XVI,  767,  isff.).  6«  tuar  ber  33eginn 
ber  t)l;iliftäifc^en  35ebrüdfung,  tüelc^er  erft  ©amuel  unb  bie  crften  Äönige  ein  6nbe  mad^ten. 
6in  erfter  ß^flu«  bon  ^elbent^aten  ©imfon«  betregt  ftc^  um  fein  löcr^ältni«  gu  einer 
^l^ilijtertod^ter  gu  SCimnat^.  2luf  bem  SBJege  gu  feiner  Sraut  geneigt  er  einen  Sömen, 
ber  i^^m  ftjäter  bei  ber  §od^geit  ben  ©toff  giebt  gu  feinem  SHätfel,  toomit   er  bie  ®efett= 

85  fc^aft  ber  Unbcfd^nittencn  in  SSerlegenl^eit  fe^t,  bi«  feine  gutmütige  SRac^giebigfeit  bem 
SBeibe  gegenüber  i^m  gum  erftenmal  9lad^teil  bringt,  ben  er  iebod^  burc^  einen  fübnen 
Seutegug  au«guglcid^en  it?ei^  (Äaj).  14).  gn  biefem  Jlaj)itei  entfernen  b.  Doomind, 
©tabe  (3at5B  IV,  250  ff.),  SKoore  bie  a3cteiligung  ber  (gltem  ©imfon«  an  ber  »raut= 
Irerbung  unb  §od^geit  burdE»  tejtfritifd^e  ©treid^ungen.    ©imfon  f)aU  nad^  ber  SBeigcrung 

40  ber  genannten  (3S«.  3)  eine  au«tbärtige  6^e  eingel^en  tboHen,  toobei  er  ftc^  im  §aufc 
feiner  %xan  gu  3:imnatl(}  niebergelaffen  ^ätte  unb  ^l^ilifter  getDorben  toäre.  3)c«tt)egen 
feien  auc^  feine  ®enoffen  an  ber  §od^geit  ^l(}ilifter  getDefen,  älHein  biefe  2tu«fc^cibung 
gelingt  ^«.  9  unb  16  fc^lec^t,  ift  bal^er  gtbeifel^aften  Siedet«.  Unabhängig  babon  ift 
©tabe«  Sonjeftur  33«.  18  ftatt  nc-nn  gu  lefen  nnnnn  toie  15,  1.    Dann  ift  bie  §ocb= 

45  geit  bor  ber  abfc^liefeenben  33rautnad^t  abgebrod^en  tüorben.  S^^^^M^  ^^^¥  ^^<^ 
©im Jon  15,  1  bie  ^^ilifterin  al«  fein  rechtmäßige«  ß^etDeib  an.  SJimmer  berlegcn,  tüo 
e«  galt  einen  §anbel  au«gufed^ten,  räd^te  er  burd^  ^ertbüftung  ber  gelber  am  gangen 
^l^iltfterbolf  ben  i^m  angetl^anen  ©c^im^f,  baß  man  feine  33rauttberbung  unb  §oc^= 
Kit   nic^t  tbeitcr  gelten   ließ,    fonbern    feine  S3raut   einem   anbem  gab.     Unb   al«  bie 

50  ^^ilifter  i^ren  ©^aben  ben  ©c^tbiegerbater  unb  fein  §au«  entgelten  ließen,  no^m 
er  babon  einen  neuen  Stnlaß,  i^nen  ben  ftärleren  gu  geigen.  3)ie  größte  3?iebcrlagc 
ricbtctc  er  balb  barauf  unter  il^nen  an,  al«  bie  feigen  gwbäer  il;n  ben  ^l^iliftem  al« 
untDiHfommcncn  3?ubeftörer  au«gcliefert  Ratten  {^ap,  15).  (Sin  ©iege«lieb(^cn  (15,  16) 
erinnert  an  biefe  §elbentl(}at,  bie   mit  ber  unboUIommenen  SBaffe  eine«  ®fel«finnbacfen« 

55  boHbrac^t  tborben  tDar,  ebcnfo  bie  Örtlic^Ieit  bon  Slamat^  Sec^i,  tbo  man,  tbic  e«  fd^eint, 
ben  Äinnbadfcn  noc^   in  ben  g^l^Ö^^tlben   gu   erfennen  glaubte.    9lud^  ben  33etPol^cm 

•  bon  ®aga  fj)icltc  ©imfon  einen  gtDar  l^armloferen,  aber  für  fte  gar  fd^imt)flid^en  ©treid^, 
inbem  er  i^nen  bie  3;l)orflügel  i^rer  ©tabt  näd(^tlic^ertDeile  au«fü^rte,  al«  fte  ben  in 
2icbc«luft  berftricften   gelben  tbo^l   eingefd^loffcn  gu  l^aben  glaubten.     SSer^ängnidboH 

60  tburbe  i^m  bie  Siebe  gu   einer  anbern   ^^iliftäerin  Delila,   toelc^e  il^m  ba«  ®e^mni« 


374  Stmfon         Stmnltaiteititi 

^cUenifd^er  ^^antafte  fid^  tuic  9öirflid^leit  unb  3beal  untcrfc^cibct.  S)a^  Scbcn  ©iinfon« 
ift  lolal  bcftimmt  unb  in  enge  (Srenjen  gefc^Ioffen  bom  erften  auftreten  (13,  25)  bte  ^um 
©rabc  (16,31);  bgl.  14,1.  5.  19;  15,  17 ff.;  16,1.  3.  4.  SJgl.  lu  ben  Sololitäten 
and)  3b^i8  1887,  ©.  156.     ebenfo   ift  bet  t)erfönlic^e  ßl^aralter  ein  naturtüa^r  inbU 

ööibueuer;  „bie  ^üge  gelten  jur  ©inl^eit  eine«  ß^aralter«  gufammen"  (§t^ig).  S)ie  ganic 
©eftalt  ift  eine  ec^t  l^ebräifc^e;  bie  Segebenl^eiten  ftü^en  f4  toie  auf  beftimmte  Örtlic^= 
feiten,  fo  auf  unüberfe|bare  l^ebräifd^e  ©t)rü(l^e  14,4.  18;  15,  7.  16  unb  fonft.  ©iebc 
über  bie  babei  l^äufigen  Steinte  unb  Alliterationen  ©ommer,  SJibl.  3[b^anblungen  I,  ©.86  f. 
2fuc^  baö  religiöfe  SJloment,  ba^  atterbing«  in  ber  tüeitem  ©efc^i^te  ni^t  mel^r  fo  ^er^ 

10  bortritt  toie  in  ber  SSorgefd^ic^te  Roj).  13,  ift  boc^  nic^t  blofe  fj)äter  in  eine  ))rofane 
§elbenfage  l^ineingetragen,  fonbem  burc^giel^t  ba«  ®anit.  ©imfon  ift  jtoar  fein  „i)er= 
rücft  geworbener  ©fftatifer  unb  Slnac^oret"  (illoftermann,  ©ef*.  ©.  120),  too^I  aber 
ein  ^iafiräer,  unb  nur  be«l(}alb,  toeil  er  ®ott  getoei^t  ift,  ein  «raftl^elb  o^ne  gleid^^en. 
aiiit  biefer  SBeii^e  fc^toinbet  feine  Äraft,  bie  alfo  feine  rein  fleifc^Iic^e  ift,  toenn  fic  auc^ 

15  nid;t  ^ö^erem  3h)ccfe  bienftbar  toirb.  u.  OreOt. 

Simnltanenm.  —  aJlajer,  Scutfcftcö  geiftl.  ©taatSr.  1773;  ^infd^iuS,  Äirc^cnr.  4,  358ff.; 
C)ir[d)cl,  in  ^rdiio  für  !at^.  tirc^cnr.  25,  Iff.,  46,  329 ff.;  u.  b.^lurodi,  3)ic  fir(ftl.©imultan-- 
uer^ältniffc  in  ber  ^falj  am  SR^cin,  9Wann^eim  1866;  Wartung,  2)a«  fird)t.  9Jed)t  ber  $ro- 
teftontcn    im   üormoligcu  ^crjoat^um  ©uljbad),  (Srlongcn  1872;   Äöl^Icr,  Simultan fiv^cn  im 

ao^cräofltum  Reffen,  ^armftabt  1889;  beif.,  C>cffif*eS  Rir^cnvcd&t,  3)annftabt  1884 ;  SBagncr, 
Unter'fuc^ung  über  bie  SRt)8mi(ffci)c  SRetigiongf laufet,  93crlin  1889;  Slraiö,  Itirc^l.  ©imuitan= 
ucr^ftltniffe,  inSbcf.  nac^  bo^r.  gfJcdit,  ©üti^burg  1890;  ajlcurcr,  Ärit.  SJicrtcIJQ^rf(^r.  1891, 
6.  133;  ©e^Iing,  lieber  firdjL  @imu(tant)cr^«ltni|fc,  fjreiburg  1891  (auc^  tm^rc^io  für  öffcntl. 
mcdjt  7,  C>cftl);  bcrf.,  in  9^f3  2,  777 ff.;    fiautcr,   3)ic  ©ntftc^ung  ber  !ir*I.  ©imwltanccn, 

26  SBür^iburg  1894;  Äal^I,  fie^rfi)ftcm  beö  ^ird)cnr.  unb  ber  Äirc^enpolitif  1  (^rciburg  1894), 
8.  405 ff.;  ©Quer,  S3eitr.  ^um  SJcdit  ber  ©imultancen,  mit  bef.  ©erudri^tigung  ber  «cr^.  ber 
©tabt  Reiben  ((gvlonger  3)iffert.  1905);  ©tolj,  3)a8  ©imultancum  in  $Rcppcrnbovf  («^ürjb. 
3)if[.  1905);  iOampcrt,  in  ^rd).  f.  fat^.  Äircftcnr.  85,  375 ff.;  ©cftön,  3)a§  eo.  Äirc^cnr.  in 
^ircuficn  S3b  1  (33erlin  1903),  ©.  197;   Siittgcrt,  ©o.  Äivc^cnr.   in  9fJ^cinIanb  unb  Scftfalen, 

30  ®üterSlo§  1905,  ©.  51.  489  ff. 

©imultaneum  (seil,  religionis  excercitium).  I.  ©o  bejeid^nete  man  im  frül^ercn 
beutfd^en  Sleic^  ba^  SSerl^ältni^,  toeld^e«  entftanb,  toenn  mel^rere  SReligion^jjarteien  bcred^tigt 
toaren,  il^re  SReligion  nebeneinanber  in  ein  unb  bemfelben  Territorium  au^juüben,  unb 
^Irar  ber  ärt,  bafe  ba«  "^a^  ber  Sleligion^übung  ber  etlra  fc^Ied^ter  geftellten  Sleligion^- 

85  ipartei  über  ba«  Siedet  ber  blofeen  §au«anbac^t  ^inau^ging. 

3Som  ©tanbt)unft  ber  römifd^-fat^olifc^en  Äirc^e  au«,  welche  allen  anberen  Äird^en 
unb  SleligionggefeUfd^aften  bie  ejiftengberec^tigung  abft)rid^t,  erfd^eint  ba«  ©imultaneum 
afe  ein  Unbing.  3"  2)eutfd^Ianb  ift  e^  erft  möglid^  getoorben,  nad^bem  ber  Slugöburgcr 
SReligion^friebe  (f.  b.  ärt.  »b  II   ©.  250)  für  bie  SWeic^^ftänbe  bie  grei^eit,  fid&  ^u  bem 

40  in  ber  ätuguftana  niebergelegten  ebangclifdf^en  ©lauben  ^u  befennen,  anerfannt  ^atte  unb 
benmäc^ft  im  toeftfälifc^en  gi^ieben  Don  1648  beftimmt  toar,  bafe  ba^  in  bem  erftercn 
griebcn^fd^lufe  anerfannte  jus  reformandi  ber  Sleid^^ftänbe  in  Sejug  auf  ba^  2?er^ält= 
ni^  ber  ßüangelifd^en  unb  fiat!;olifen  barin  feine  ©c^ranfe  ^aben  foHte,  baft  ben  3ln= 
bangem  ber  einen  ober  anberen  Äonfeffton  il^re  bi^^erige  Sleligion^übung,  toann  unb  toic 

46  fic  bicfelbe  in  einem  g^'^i^i^ntte  be«  fog.  ^Kormaljal^re^  (b.  ^.  be^  3^^^^  1624,  f.  auc^ 
Sb  I  S.  560)  gehabt  Ratten,  belaffen  bleiben  unb  bafe,  fo  toeit  ba«  SSerl^ältni^  jtoifd^en 
2utl;eranem  unb  9teformterten  in  ^rage  fam,  in  ber  gebac^ten  Senie^ung  ber  S^ftanb 
^\xx  ^cxt  beö  ^rieben^fd^Iuffe«  entfd^eiben  fottte  (Instrum.  pacis  Osnabrug.  Art.  V, 
§  31.  32  unb  Art.  VII,  §  1.  2). 

60  SÖä^renb  unter  ben  erlräl^nten  Sorau^fefeungen  bie  Sln^änger  ber  einen  ober  anberen 
9teligionöj)artei  t)on  bem  anber^gläubigen  dürften  gebulbet  toerben  mußten,  erl&ob  fic^ 
balb  nac^  bem  gricben^fc^Iuffe  bie  ©treitfrage,  ob  bei  einer  Serfc^iebenl^eit  ber  Sieligion 
beö  Sanbcöl^cnn  unb  ber  Untertl(}anen  ber  erftere  aud^  feiner  Äonf effion  bie  freie  SleUgions^ 
Übung  über  ba^  "ißla^  be^  §aui^otte^bienfte^  l^inau^  jiu  geftatten  befugt  fei,  felbft  toenn 

66biefc  im  9Jormalj[al^r  eine  fold^c  nic^t  befcffen  batte.  ^raftifc^e  Sebcutung  l^tte  biegrage 
namcntltd;  für  ben  J^aH,  bafe  ber  Siegent  eine^  J)roteftantifc^en  fianbe«  nad)  feinem  lieber-- 
tritt  Dorn  ^^rotcftanti^muö  jum  5^at^olici^mu^  nunmel(}r  and)  ber  lat^olifd^en  Äirc^e  freie 
(Entfaltung  im  Sanbc  gcioä^ren  tooütc  ober  geioä^rte,  ba  ber  ioeftfäIifc(^e  grieben  (cit. 
•3(rt.  VII)   für  ben  ^all   cinc^  34.^ed^fel^  bcö  2anbe€^!;errn  ^toifd^en  ben  beiben  ebange= 

60  lifc^en  Äonfeffionen   nic^t  allein  biefem   felbft  bie   (Sinric^tung  eine«  ^ofgotteöbienfte«, 


376  Simultauettm 

ntd^t  ancrfanntcn  Älaufcl  tüar  guglcid^  bcftimmt  hjorbcn,  bafe  bic  hjiberrcd^tlid^  cingc- 
brungcncn  Äatl^olifcn  in  i^rcr  bamal«  bcftel^cnbcn  Steligiongübung  bclaflen  tücrben  f olltcn. 
3ur  aSoIIjielfiung  btefcr  Älaufcl  fülfirtc  ber  fatl^olifc^e  Äurfürft  Sodann  aBil^clm  burd^  baö 
ebift  ijom  29.  Df tober  1698  aBgcmcm  ba^  fog.  ©tmultancum  ein,   b.  1^.  er  crflärtc  aUc 

5  reformierten  Äirc^en  unb  Äird^J^öfc  für  alle  brei  Äonfeffionen  gemeinfc^aftlid^,  trogegcn  er 
bie  Äatbolifen  im  SlBeinbefi^  i^rer  Äird^en  beließ.  3"^  3"fö"^"^^"^^"9  ^amxt  tourbc 
ferner  bie  3Serh)altun0  beg  allgemeinen  Äirc^eni^ermögen^  einer  au^  Äat^olifen  unb 
^roteftanten  gemifd^ten  fog.  Slbminiftration^Iommiffion  (1699)  übertragen.  Sefd^tocrben 
ber  Steformierten  über  biefe  93ergeh)altigungen  beim  Steic^^tagc  blieben  erfolglos  unb  erft 

lü  al^  ^reufeen  mit  gleid^er  Sel^anblung  ber  Äatl^olifen  in  feinen  Sänbern  bro^te  (3JI.  See- 
mann, ^reufeen  u.  bie  fat^.  Äird^e  feit  1640,  1,  386)  toerftanb  fic^  ber  Äurfürft  baju, 
burd;  bie  fog.  SReligion^beflaration  öon  Düffelborf  (öom  26.  9loi)ember  1705)  ba^  cin^ 
geführte  ©imultaneum  im  allgemeinen  lüieber  auf^ul^eben.  9lu«genommen  tourbcn  bie 
Äird^en,  an  benen  eg  fc^on  \)ox  bem  9lu^fterben  ber  t^falj^fimmemfc^en  Sinie  (1673)  bt- 

15  ftanben  l^atte,  femer  foÜte  in  ben  §au})tftäbten  mit  mehreren  ilird^en  hjcnigften^  eine  ben 
Äatl^olilen  verbleiben,  in  ben  übrigen  Dberamtöftäbten  mit  einer  Äird^e  aber,  folüie  in 
^eibelberg  bei  ber  ^eiliggeiftlird^e  bie  Senü^ung  be«  £anglfiau|e«  ben  ^Reformierten,  bic 
be^  6^ore^  ben  Äatifiolifen  jufommen.  S)ie  Äird^en  in  ben  übrigen  ©tobten  unb  auf 
bem  Sanbe,  fotoie  bie  ©infünfte  be^  allgemeinen  reformierten  Äirc^enöermögen^  trurbcn  ju 

20 »/,  ben  Sieformierten,  ju  '/^  aber  ben  Äatl^olifen  jugeioiefen  (S.  ®.  ©truöc,  ^fäljifcpe 
Kird^en^iftorie,  ^ranffurt  a.  5K.  1721,  ©.  768  ff.). 

Die  red^tlid^e  H()eorie  be«  ©imultangebraud^e«  bon  lird^lid^en  ©inrid^tungen,  in^be= 
fonbere  i)on  Äirc^engebäuben,  ift,  ba  meiften«  gefe^lic^e  Seftimmungen  barüber  fehlen 
(nur  ba«  ^^reu^.  2lllg.  £.91.  II,  11,  §§  309—317  unb  ba«  baierifd^e  9leligion«cbift  bom 

26  26.  3)Jai  1818  §§  90—99  enthalten  fold^e,  ba«  le^tere  im  h)efentlic^en  änfd^lufe  an  ba« 
^reufeifd^e  Sanbrec^t),  toenig  au«gebilbet  unb  fe^r  beftritten. 

35ie  red^tlid^e  ©runblage  für  ben  gemeinfd^aftlic^en  ®ebrauc^  einer  Äirc^e  fann 
einmal  ba«  ^Miteigentum  beiber  ©emeinben  an  bem  ©ebäube  bilben,  ein  %aü,  bei  toelc^em 
auc^  ^ugleic^  mel^rfac^   ein  SRiteigentum   am  Äird^enöermögcn  öorlommt.     ß«   ift  aber 

30  auc^  möglid^,  bafe  bie  Äird^e  im  Sllleineigentum  ber  einen  ©emeinbe  fte^t  unb  bafe  bic 
S3ered?tigung  ber  ©emeinbe  ber  anberen  Äonfeffion  fic^  blo^  al«  ein  ®ebraud^«re(^t 
c^aratterifiert.  Db  ba«  eine  ober  anbere,  unb  im  lefeteren  fjalle,  loelc^e  3trt  be«  ®ebrau(b«= 
re^te«  an^une^men  ift,  läfet  ftd^  nur  unter  Serüdffidbtigung  ber  Slrt  ber  ©ntftebung  bc« 
©imultaneum«,  in«befonbere  ettoaiger  jloifd^en  ben  ©emeinben  gefc^loffener  SBerträge  (fo 

36  auc^  a.2.!JH.  II,  11,  §  309  unb  9leligion«ebtft  §  90)  bejto.  nad^  bem  ^errfd^enben  S3eft^ 
ftanbe  feftftellen.  6«  ftel^en  fid^  in  biefen  fällen  ftet«  gh)ei  ©emeinben,  al«  öerfd^iebeiic 
9lecbt«fubiefte  gebac^t,  gegenüber  unb  e«  ift  unl^altbar,  h)enn  neuerbing«,  fo  öon  |)irfd^cl, 
bie  rechtlichen  Sßerbältniffe  bejüglid^  ber  ©imultanlird^en  im  2lrd^ti)  für  fatl^.  Äirc|enrec^t 
46,  ©.  365  bel^au})tet  h)orben  ift,  bafe  bie  betreffenben  5Religion«gefeIlfd^aften  bejüglid^  ber 

40  ©imultanürc^e  nic^t  al«  ijoneinanber  getrennte  (Sefellfd^aften,  fonbern  al«  eine  einzige,  in 
Sejug  auf  bie.  betreffenbe  ilirc^e  bie  ©emeinfd^aft  unb  bie  Q\ni}t\t  ber  SWeligion  noc^  feft= 
baltenbe  ©emeinbe  betrachtet  toerben  müfetcn.  I)er  Berechtigung  gum  3Kiteigcntum  ober 
5DJitgebraud)  ftel^t  e«  aber  gleich,  h)enn  nur  bie  t^atfäd^lidbe  SRitbenu^ung  burd^  eine  be= 
fonbere  Seftimmung,  h)ie  j.  S.  ber  be«  lüeftfälifc^en  gi^ieben«  über  ba«  SJormaljabr,  eine 

45  rcc^tlid;c  Slnerfennung  erl^alten  ^at.  (Sin  ©imultaneum  im  9iec^t«fmne  entfielet  aucb, 
iücnn  bie  eine  9leligion«)3artei  ber  anberen  blofe  bitttoeife  (precario)  bie  3Ritbenü^ung 
einräumt,  unb  bie  ßrlaubni«  ba^u  ieber3cit  h)iberrufen  fann  (f.  91.2.91.  II,  11,  §§314. 
317;  9{eligion«bift  §§  94.  97).  Dagegen  fann  —  felbft  nic^t  burc^  geitablauf  —  ein 
©.  entfte^en,  menn  bicDulbung  ber  SJlitbenü^ung  gegenüber  ber  bered^tigten  Partei  burc^ 

6o(3etoalt  erjnjungen  ift  (ügl.  ben  9ied;t«fall  in  ber  3Ä91  17,  ©.326).  Die  crtoal^nten 
beiben  ©efe^gcbungen  beftimmen  für  ben  %ali,  bafe  bei  einem  ©treit  bie  Berechtigung 
beiber  ©emeinben  nid^t  feft^ufteHen  ift,  bafe  bie  Senüftung  berjenigen,  toeld^e  am  f^äteften 
5um  3JJitgebraud^e  gelangt  ift,  nur  al«  eine  lüiberruflic^e  unb  bitttoetfe  eingeräumte  gilt, 
unb  ba^,  menn  bagegen  ba«  3?erl^ältni«  ber  5!Ritbenü^ung  nid^t  flar  ju  fteßen  ift,  beibe 

55  ©emeinben  al«  gleid;berec^tigt  j^u  betrad^ten  fmb.  ©oioeit  feine  befonberen  gefe^lic<^en 
5Rormen  beftel^en,  muffen  bie  ©runbfä^e  be«  ^rit)atrec^t«  über  3)litctgentum  ober  @cs 
brauc^«red^te  an  frember  ©ac^e  in  ©eltung  treten.  (9Sgl.  ©ebling,  ©imultant>cr^ältniffe 
©.  62  ff.) 

Die  9lrt  unb  ba«  '3JJa^  ber  bciberfeitigen  Benü^ung  fann  fel^r  toerfc^ieben  fein,  ©o 

eo  fommt  eine  räumliche  2:rennung  \)ox  in  ber  SBJeife  j.  S3.,  bafe  bie  eine  ^rtei  ba«  ©d^iff, 


378  Sintttltaueitm 

fclbc  QCöcn  ben  Ifieutc  ancrianntcn  ©runbfa^,  bafe  er  ben  Äirc^cn  unb  ScIigion^cfeHs 
fd^aftcn  in  i^rcn  inneren  Slngelegcnlfieiten  Slutonomie  geioä^ren  unb  feine  ju  Seiftungen 
unb  j\u  Saften  ju  ©unften  einer  anberen  jitüingen  foll,  berftofeen,  iüenn  er,  fei  eö  auf  bem 
aSertpaltung^hjege,   fei   e^  burd^  bie  Oefe^gebung   einen  ©imultangebrauc^   bon  Äirc^en 

6  erjtüingen  tooBte.  (Über  eine  3tu«na^me  f.  unter  IV.)  I)a^  I.  babifd^e  Äonftitution^- 
ebift  toom  14.  3J{ai  1807  beftimmt  in  §  10,  toeld^er  nic^t  aufgel^oben  ift,  in  biefer  ^infuf^t: 
„9luc^  ein  geteilte«  ober  gemeinfd^aftUc^e«  SRed^t  be«  ©ebraud^e«  ober  ©enuffe«  bcr  Äirc^en, 
ber  ^Pfarrs  unb  ©c^ulgebäube  ober  be«  lird^Iic^en  SJermögen«,  ba«  ben  Äirc^fj)ielen  einer 
ober  ber  anberen  Äonfeffion  angel^ört,  foH  unter  leinerlei  SSortoanb  eingeführt,  noc^  mit 

10  irgenb  einer  Slngabe  ber  Unfd^äblid^feit  gerechtfertigt  toerben  . . .  %üx  einen  Verbotenen 
3Dlitgebrauc^  foH  jebod^  berjcnige  nid^t  geartet  toerben  bürfen,  ber  nur  für  einen  SJotfaH 
auf  eine  lurje  3^^/  h-  ®-  ^^Ö^"  Sranbfc^äben,  Ätrd^enau^bejferung  ober  für  tranbeinbe 
©emeinben,  mithin  für  öorübergel^enbe  2lnläffe,  j.  83.  für  eingelegte  Ärieggüölfer  Verlangt 
hjtrb.    hierüber  bleibt  ber  ©taat^getoalt  jebe  3lnorbnung,  hjeld^er  ben  ©enufe  ber  cigen= 

15  tum^berec^tigten  Äird^e  nid^t  fd^mälert  ober  Ifiinbert,  unbenommen". 

dagegen  [xni  bie  Staate,  inöbefonberc  bie  ^olijeibe^örben  befugt,  3tnorbnungen 
ju  treffen,  hjenn  bie«  im  ^ntereffe  ber  3tufred^terl^altung  ber  SRul^e  unb  Drbnung  bei 
öorfommenben  ©treitigfeiten  unter  ben  9leligion«>)arteien  erforberlic^  toirb  (Strc^iö  f.  lat^. 
Äird^enrec^t  12,  470),   unb  biefe  loerben  unter  Umftänben   bei  fc^lüeren  Störungen  unb 

20  ©efälfirbungen  ber  öffentlichen  Drbnung  aud^  auf  jeittoeife  Unterfagung  be«  ©imultan^ 
gebrauche«  gelten  fönnen.  6ine  birefte  ©rjloingung  ber  2lufl^ebung  be^felben  tüiberSBillcn 
ber  beiben  ^eligion^parteien  hJürbe  aber  gegen  bie  ©tellung  öerftofeen,  toeld^c  ber  mobemc 
©taat  gegenüber  ben  Sleligiong^efellfd^aften  einzunehmen  l^at.  3lnber«  ftel^t  e«  freiließ 
nac^  ^artifularrec^t.     I)a«  baterifd^e  9leligion«ebift  §  99   beftimmt:    „Slu^    lann   eine 

26  fold^e  Abteilung  öon  ber  ©taat^gehjalt  au«  })oligeilid^en  ober  abminiftratitoen  ®rmägungen 
ober  auf3lnfu(|en  ber  beteiligten  toerfügt  Serben" ;  unb  ba«  citierte  babifc^e  ßbüt  a.a.O,: 
. . .  „5lur  ba,  \üo  ein  folc^e«  ©imultaneum  jefet  fd^on  beftebt  ober  angeorbnet  ift,  bleibt 
e«  femer,  fo  lange  nic^t  bie  2^eillfiaber  unter  fic|  eine  Abteilung  einöerftänblid^  befd^liefeen, 
ober  bie  ©taat«geh)alt  burd^  eine  2lu«Iunft,  bie  jebem  leile  gleic^l^eitlic^  unb  billig  feine 

30  fefarate  Äirc^enfonDenienj  jutüeifet,  fic^  in  ben  ©tanb  gefegt  ^at,  il^re  3:eilung«anorb= 
nungen  gegen  ettoaige  §mbemiffe  burc^jufe^en,  inbem  jebe  noc^  befte|enbe  ©emcinfc^aft 
nic^t  jtoar  burd^  gerid^tlic^e  Ätagen,  hjol^l  aber  burc^  3tufforberung  ber  ©infc^reitung  ba 
oberften  ©taat«t)oli^ei  aufgelfioben,  aud^  ijon  einem  Xeile  allein  auf  Teilung  gebrungcn 
toerben  fann,  fobalb  billige  Ieilung«i)orfd^läge  gemacht  tüerben  fönnen." 

36  III.  %ixx  Äird^lfiöfe  ift,  abgefe|en  bon  ben  bi«l^er  beft^roc^enen  fallen,  toieber^olt 
burd^  bie  toeltlid^en  ©efe^gebungen  ein  befd^ränfter  ober  et)entueller  ©imultangebrauc^ 
feftgefe^t  hjorben,  eine  Sorfc^rift,  toeld^e  im  toefentlic^en  3ufö^""^^"^^"9^  "^^t  ^^"^  ft^^^^ 
lid^en  SRed^te  auf  §anbl^abung  ber  Seichen*  unb  S3egräbni«})oli^ei  ftelfit.  ©c^on  ba^ 
Instrum.  pac.  Osnabr.  Slrt.  V,  §  35  l^atte  angeorbnet,  bafe  2lnge|>örige  einer  ber  Sleicb^ 

40  tonfeffionen,  toenn  biefelben  feinen  eigenen  Sird^^of  am  Drte  befäfeen,  auf  bem  ber  anberen 
il^r  33egräbni«  finben  fotlten,  unb  biefe  2tnorbnung  ift  mit  teilloeifen  ©rtoeiterungen  auc^ 
burd^  eine  Steige  bon  ^artifulaned^ten  tüieberl^olt  toorben,  ijgl.  breu^.  2ltlg.  2.31.  II,  11, 
§  189:  Sludf;  bie  im  ©taate  aufgenommenen  Äird^engefellfd^aften  ber  berfd^iebencn 
3fleligion«>)arteien  bürfen   einanber  lüec^feltoeife,   in  Ermangelung   eigener  Äirc^l^öfe,   baö 

45  Öegräbni«  nid^t  öerfagen" ;  baier.  9leligion«ebift  §  100 :  „SBenn  ein  5Heligion«teil  feinen 
eigenen  ftird^l^of  befiftt,  ober  nid^t  bei  ber  2^eilung  be«  gemeinfd^aftlid^en  Äirc^enDermögeii^ 
einen  fold^en  für  fic^  anlegt,  fo  ift  ber  im  Drte  bepnblic^e  al«  ein  gemeinfc^aftlic^cr 
S3egräbni«pla|  für  fämtlid^e  ©intoo^ner  be«  Drte«  ju  betrachten,  ^u  beffen  Stnlage  unb 
Untcrl^altung  aber  aud^  fämtlic^e  9leligion«t)erh)anbte  toer^ältni«mä6ig  beitragen  muffen." 

50  §  103:  „Der  ©locfen  auf  ben  Äird^l^öfen  fann  fid^  jebe  öffentlid^  aufgenommene  Äird^en- 
gemeinbe  bei  il^ren  Seid^enfeierlic^feitcn,  gegen  33e|;al^lung  ber  ®ebü^r,  bebienen";  tüürt^ 
temb.  3S.  ijom  12.  ©e>)tember  1818,  S.  IV,  9k^fd(>er,  ©ammlung  9,  432;  öfterr.  intcr* 
fonfeffionelte«  ©efe^  Dom  25.  3JJai  1868,  Slrt.  12:  „Äeine  9leUgion«gemeinbe  fann  ber 
Seid^e  eine«  il^r  nid;t  aingel^örigen  bie   anftänbige  Seerbigung  auf  ilfirem  ^rieb^ofe  tm- 

55  tüeigern  .  .  .,  menn  2.  ba,  ioo  ber  2:obe«fatl  eintrat  ober  bie  Seiche  gefunben  tuarb,  im 
Untfrei«  ber  Drt«gemeinbe  ein  für  ©enoffen  ber  Äirclje  ober  9leligion«genoffenfc^aft  be«  9Jer- 
ftorbenen  beftintmter  5riebl;of  fid;  nidit  befinbet".  Sie  ^onfequen^  biefer  3Sorfc^riften  bebingt 
e«,  bafe  ba«  i^cgräbni«  in  ber  ber  betreffenben  Äonfeffion  eigentümlichen  2Beife,  alfo  auc^ 
unter  S3egleitung  eine«  ©eiftUcl^en  berfelben  gefd;iel^t,   fofern   nur  babei  aße«  ettoa  bie 

<io  anbere  Äonfeffion   i5erle^enbe   üermieben   ioirb.     2)ie   eüangelifd^e  Äirc^e  crfcnnt  biefe 


Stnmltoiteiiitt  Sin,  Stobt  379 

©runbfä^c  an,  cbcnfo  ift  biefcr  ©tanbt)un!t  and)  meiften«  ftaatüd^crfcit«  eingenommen 
Sorben  (bgl.  für  ^reufeen  Roi),  Äommentar  ^um  äüg.  2.91.,  6.  2lu^.,  Sb  4,  ®.  389 ; 
für  Saiem  ©tlbemagl  a.  a.  D.  ©.  303),  bagegen  bertoeigert  bie  lat^oUfc^e  Äirc^e  ba« 
Segräbntö  ))rtnji})iett.  9iur  bann,  tpenn  e«  ni^t  ^u  bcrmeiben  ift,  toleriert  fic  ba^felbe, 
of)m  inbeffen  bem  Oeiftlic^en  ber  anberen  Äonfeffton  bie  SSoma^me  ber  lird^lid^cn  gunfc  5 
tionen  ju  geftatten,  bgl.  ärd^ib  für  lat^.  Äirc^enred^t  40,  20,  ©.91  unb  ebcnba  3,  486, 
auc^  toirlt  fie  toomöglid^  auf  ^erfteüung  einer  befonberen  Abteilung  für  bie  3l\d)U 
latl^olilen  auf  ben  Äird^l^öfen  l^in  (toie  bieö  jj.  S.  in  öftenei(^  unter  Äonnibenj  ber 
Staat^regierung  gefdjiel^en  ift,  bgl.  3Dlin.::6rIa6  bom  21.  ÜRai  1856,  ^orub^jl^/ 
9le(t>te  ber  ^roteftanten  in  Öfterreid^,  SBien  1867,  ®.  272  ff.  unb  in  ber  3^  9,  lo 
©.  30ff.). 

IV.  ßtn  Sebürfnig,  neue,  ben  frül^eren  ©imultanberlflältniffen  ä^nlid^e  ju  begrünben, 
unb  eine  Sered^tigung  be«  ©taate«,  in  biefer  ^infid^t  einzugreifen,  liegt  in  heutiger  ^cit 
nur  in  bem  galle  bor,  toenn  ein  unb  biefelbe  Sfleligion«))artei  ftd^  toegen  Differenjen, 
trelc^e  in  il^rem  ©d^ofee  entfte^en,  f^altet.  tiefer  ^aH  ift  in  ©eutfd^lanb  nac^  bem  is 
batifanifd^en  Äomil  bon  1869/1870  infolge  ber  aSerhjerfung  ber  Dogmen  be^felben  burc^ 
bie  fog.  Sntlatifiolifen  eingetreten,  ^n  Saben  (®tfe^  b.  15.3unil874)  unb  in  ^reufeen 
(®efe^  b.  4.  ^ü  1875)  ift  ben  altfat^olifd^en  ©emeinfc^aften  unter  befttmmten  3Sorau«* 
fe^ungen  ein  med^t  auf  5Kitgebraud^  ber  biö^erigen  latl^olifc^en  Äird^en,  ürc^Iic^en  ®eräts 
fc^aften  unb  Äird^lfiöfen  unb  auf  SKitgenufe  be«  firc^lic^en  9Sermögen«  eingeräumt  toorbcn.  20 
3;nbeffen  ift  e«  ju  einem  ©imultangebraud^e  bon  Ätrc^en  burc^  bie  SRömifc^^Äat^olilen 
unb  bie  SÖtlatIfiolilen  nid^t  gelommen,  hjeil  ber  t)äj)ftlid^e  ©tu^l  ben  erfteren  ben  toeiteren 
5Jlitgebraud^  ber  ben  lefeteren  übertoiefenen  ilirc^en  unterfagt  l^at.  3Sgl.  5ß.  $infd^iu«, 
3)ie  preufe.  ftird^engefe^e  ber  SJa^re  1874  unb  1875,  »erlin  1875,  ©.  179.  184;  2trc^ib 
für  lati^.  Äird^enre^t  29,  434  unb  46,  333.  (*.  ^ittfi^ifid  t)  ©c^Iiiig.     26 

©In,  ein  Ort  in  äg^))ten  (®j  30,  15f.).  —  fiittcratur:  5)ie  Äommentare  jum 
S3u(^  ejc^iel  öon  9?.  @menb,  e.  öon  Drcfli.  ?(.  ©ert^olet  unb  91.  Sir«M*niov;  6.^.  eomitt, 
S)aö  SBucö  $cf.  herausgegeben  (1886)  unb  ®.  3a^n,  2)a8  93ud)  ^ef.  auf  ®runb  ber  6cptua= 
ginto  iergeflcat,  überlebt  unb  fritifc^  erflävt  (1905);  bie  Serfe  über  5le9i)ptcn8  (5Jcfd)tc^tc, 
namcntlicp  ha^  öon  3ö6-  3)ümi(jftcn  in  DndtcnS  9ScItgefci)ic^tc  in  ©injclborflellunaen ;  bie  so 
9?caltt)ürtcrbüc^cr  hi^  ju  S3lac!=(5§eQneS  Encyclopaedia  Biblica  (1903)  unb  ber  Jewish  Ency- 
clopedia  (1905). 

Setreffg  ber  Sage  be«  in  ©j  30, 15  f.  genannten  Drte^  VP  ift  junäd^ft  ein  ^^f^tum 
JU  bcfeitigen,  ber  fxd)  bei  ®.  ©ber«  in  SRie^m^  ^anbtoörterbud^  be^  bibl.  Slltertumg, 
©.  1487  geltenb  mac^t.  6r  ft^ric^t  nämlid^  bie  5Keinung  a\x^,  man  lönne  au«  ber  ge=  86 
nannten  $roj)l^etenfteE[e  nid^t  erfennen,  ob  ©in  einen  unteräg^t)tifd^en,  ober  ob  e«  einen 
oberäg^t)tifd^en  Ort  bejeid^nen  folle.  (gntfc^ulbigt  toirb  biefer  grrtum  burd^  bie  je^ige 
Abteilung  ber  SSerfe  14.  15.  16.  Slber  biefe  Seröabgremung,  bie  freilid^  ©menb  im 
Äurjgef.  ejeg.  §anbb.  i.  ©t.  afe  „olfine  3*^eifel  richtig"  anfielfit,  ertennt  man  ate  ^toeifet 
lo«  unrichtig,  toenn  man  bie  in  jenen  brei  SSerfen  genannten  äg^>)tifc^en  Drtfc^aften  j|ä^It.  40 
3)enn  beren  jtnb  4X2,  unb  bon  biefen  jlüeien  ift  immer  ber  erfte  ein  oberäg^))tif(^er, 
ber  jtoette  em  unteräg^t^tifc^er:  l.  ^jSatlfiro«  unb  ßoan;  2.„9?o  unb  ©in;  3.  3?o  unb 
©in;  4.  3lo  unb  9?oj)^.  Q,omxü  fe^t  3.  "^SRmp^x^  unb  ^g^t^ten  unb  4.  ©^ene  unb 
Hieben,  aber  ba  auc^  er  bie  SBiebcrl^olung  bon  lieben  (3?o)  nic^t  bermeiben  lann,  fo 
ift  bie  Slufjä^Iun^  be«  MT  üor^uj^ie^en.  Sert^olet,  ber  ebenfalls  mit  LXX  in  15**  45 
3)fem})^i«  lefen  toiB,  geftel^t  felbft,  bafe  man  bamit  auf  ba«  SBortfpiel  bergic^ten  muffe, 
ba«  in  bamon  No'  (15^)  unb  Nd*  amon  (9?a  3,  8)  liege.  Xro^bem  fc^reibt  ^al^n  in 
15^  lieber  einfad^  3lopf)  (5)iem)3^i«).  S)a  alfo  ber  überlieferte  |ebräifd^e  2:ejt  borju- 
jie^en  ift,  fo  ift  fd^on  banad^  ba«  Urteil  rid^tig,  baj  ©in  eine  ©tabt  in  Unteräg^))ten 
bejeic^net.  SBenn  ©ber«  fobann  al«  ^toeiten  ®runb,  ©in  nad^  Dberägt^ptcn  gu  berlegen,  50 
bie«  anfül^rt,  bafe  ftd^  mit  bem  ^ebräifd^en  3lu«brudf  am  beften  ba«  altäg^})tifd^e  ©un, 
ber  9lame  be«  gried^ifc^en  S^ene,  bedte,  fo  i}ai  er  überfeinen,  bafe  biefer  Ort  auc^  bei 
ben  Hebräern  unbjtpar  gerabc  bei  Sjed^iel  (29,  10  u.  30,6)  in  ber  3?%  unferer  ©teile 
in  ber  gorm  ©etoene^  eriftiert.  ^ux  Unterftü^ung  feiner  annähme  ^ätte  ©ber«  ftc^  auc^ 
nid^t  barauf  berufen  fönnen,  ba^  auA  ba«  in  6j  30, 14—16  bem  ©in  barallele  ^oan  65 
(9?u  13,  222c.)  toa^rfc^einlic^  bei  ben  Hebräern  noc^  unter  einem  anbem  3?amen  (nämlic^ 
Sla'mfe«,  ®en  47,  11  k.)  üorfommt.  2)cnn  biefer  9Jamc  ift  ja  ein  SBeiname  ^oam  ge^ 
toefen,  obgleid;  aÖerbing«  biefe  Don  Srugfcl)  im  Dictionnaire  göographique  begrünbete 
unb  bon  ©ber«  u.  a.  gebilligte  2lnnal;me  bon  2Ö.  3Rai  SKüller  in  ber  Enc.  Bibl.  s.  v. 


380  ein,  Stabt  Sin,  »fifle 

Rameses  (c,  4013)  bcftrittcn  h)irb,  inbcm  er  öiclmcl^  jtüci  ©täbtc  Sla'mfc^  annimmt. 
—  Sfficld^c  Örtlic^fcit  Unteräg^t^ten^  aber  ©jed^icl  mit  ©in  gemeint  ^at,  h)irb  barau^ 
erfid^tlid^,  bafe  er  ©in  afe  jtpeimalige  parallele  öon  lieben  ju  ben  bebeutenbften  Drten 
Unteräg^^teng  gerechnet,  unb  bafe  er  e«  ,,bie  J^eftung  !äg^>)ten«"  genannt  ^at.     35ana(^ 

6  lann  ©in  nid^t  ein  unbebeutenber  Drt  be^  öpiid^en  Unterägi;pten  fein.  I)aran  fc^eitert 
bie  annähme  SB.  5K.  ^Küllerg  (Enc.  Bibl.  c.  4629),  bafe  „Ezekiers  Sin  was  a  fortress 
similar  to  (perhaps  not  very  far  from)  Pelusium,  but  of  a  somewhat  ephe- 
meral  importance",  unb  ein  fold^e^  9?eben=^elufium  öorau^pfe^en,  ift  bod^  überhaupt 
fel^r  pxMx,    ©ic  lann  aber  femer  auc^  nic^t  ba«  Don  ben  LXX  gefegte  I^ätg  fein,  toeil 

10  biefe^,  im  toeftlic^en  Unteräg^jjten  gelegen,  ber  militärifd^en  Sebeutung  entbehrte,  hjeebalb 
au(^  SB.  3W.3Jlüner  biefc  angebliche  „fie^art"  öon  LXX  nid^t  anjuerfennen  öermag.  älö 
„bie  ^eftung  Sg^))teng"  ^at  ftc^  aber  im  Saufe  ber  ©efc^ic^te  bie  am  öftlic^ften 
5nilarm  liegenbe  ©tabt  ^elufium  beh)äl[irt.  Denn  im  Dften  biefer  ©tabt  iüar  ein 
l^o^er  Orenjtpan   aufgeführt  (2)ioborug  Siculu^  1,  57),  unb  bie  ©tabt  felbft   toar  mit 

15  3Kauem  t)on  20  ©tabien  Sänge  umgeben  (©trabo,  ©.  803).  Die  öon  Dften  ber  ein- 
bringenben  §eere  lonnten  biefcn  bebeutenben  3Q5affen)3la^  äg^pten^  (bgl.  Caesaris  Bellum 
dvile  3,  108),  biefen  ©c^Iüffel  Sg^))teng  (öirtiu^.  Bellum  Alexandrinum  26  unb 
Sibiu^  45,  11)  nic^t  ignorieren;  bgl.  5.  85.  über  ben  Äriegö^ug  be«©an^erib  bei  ^erobot 
(2,  141)  unb  bei  3iofe})l^u«  (Antiq.  X,  1,  4),  über  bie  be«  äntiod^u«  Qp}!p^.  bei'Siöiu^ 

20  (45, 11).  SBie  aber  in  ber  ftrategifd^en  2Bi(|tigfeit,  fo  ftimmen  ©in  unb  ^eluftum  and) 
in  ber  SBortbebeutung  (SKoraft  0.  ä.)  jufammen,  benn  fc^on  ©trabo  bejiel^t  ben  'D'iamen 
^elufium  auf  bie  fc^Iammige  Umgebung  biefer  ©tabt.  ^elufium  tourbe  fc^on  t>on  §ieron. 
unb  toirb  toon  GomiH,  Sertifiolet,  gal^n,  ©ocin  in  (Suti^eö  Ä93SBS.  angenommen.  —  S®ic 
aber  ^iefe  ©in^^eluftum   bei  ben  äg^lptemV    9lun  fc^on  Srugfd^  i)at  im  9Jad^trag  ^u 

26  feinem  Dictionnaire  g^gr.  bie  Stnfi^t  afce})tiert,  bie  ber  bebeutenbe  äg^))toIog  Dümic^cn 
in  feiner  „®efd^.  be«  alten  äg.",  ©.  74  (1878)  unb  ©.  263  begrünbet  ^at.  Die  ^aupU 
ftabt  be^  19.  unteräg^t^tifc^cn  ®aue«  toar  banad^  3tm.  ©0  h)ar  biefe  ©tabt  nad^  ben 
beiben  Slugenbrauen  be^  Dftri^  benannt,  bie  im  Xcmj)el  biefer  ©tabt  al^  ^eilige  JHeliquien 
berel^rt  tourben.     SB.  5Kaj  3RnM  (Enc.  Bibl.,  c.  4628)  giebt  ate  3flame  ber  „grofecn 

30  befeftigten  ©renjftabt"  öielmel^r  2lme(t),  beffen  offizielle  ©t^mologic  in  „^ürft  t>on  Unter- 
äg^lpten"  lag,  toag  er  aber  felbft  ate  „toietteid^t  fünftlic^"  bejcid^net.  3m  ältäg^))tif(ben 
^at  nun  femer  ein  2Bort  am  {topt  ome)  bie  Sebeutung  beö  nrjXdg,  alfo  üKoraft  =  V^- 
Db  fc^on  bie  alten  3tg^|)ter,  bie  eine  befonbere  aSorliebe  für  2Bortf})iele  l^atten,  gelegent^ 
lic^  für  „©tabt  ber  beiben  Augenbrauen"   bie  ^toeite  Sebeutung  be^  3BorteiS  am   bei 

86  9lennung  be^  ©tabtnameng  in  benfelben  legten,  ober  ob  ©riechen  unb  ©emiten  nur  in 
falfd^er  Deutung  beö  SBorte«  am  eine  ^toeite  Deutung  benfelben  für  bie  erfte  einfetten, 
bag  mufe  bal^ingeftellt  bleiben.  3i^^^"f«ß^  Ratten  2tg^J)ter,  (Sried^en  unb  ©emiten  ben 
ftärfften  Slnlafe,  mit  bem  ©tabtnamen  3lm  ober  aime(t)  ein  SBortfjpiel  ijor^une^men,  iocil 
bie  Äau^jtftabt  be«  19.  unteräg^jjtif d^en  ®aue^  bon  Süm})fen  umgeben  mar,  bie  na(6 

40  ©trabo  (p.  803)  ßdga&ga  „Slbgrünbe"  l^iefeen.  6in  3^0"^^  babon,  bafe  ©in  eine  Se^ 
nennung  bon  ^elufium  toegen  beffen  fum})figer  Sage  getoorben  ift,  liefert  aud^  ber  Um= 
ftanb,  ba^  nod)  je^t  ein  norbtoeftlid^  bon  ben  tüenigen  Sluinen  be^  alten  ^elufium  bc^ 
finblic^ei^  berfallene^  Äaftell  Tinel^  (Se^m,  ©d^mufe)  (reifet,  ^n  biefer  Benennung,  an 
bie  ÜKüIler  mit  Unrecht  ben  3)Ja6ftab  ber  h)iffenf(|aftlid^en  ©t^mologie  legen  ioill  (bei 

45  ®ef.=53ul^l,  §ebr.  SBb.,  1905,  492  a),  mufe  aud^  er  eine,  tomn  anö)  nad)  feiner  anficht 
nid^t  ^inreic^enb  tragfäl^ige  Safig  für  bie  ^bcntifijierung  bon  ©in  mit  ^elufium  aner= 
lennen  (Enc.  Bibl.,  c.  4628).  Da^  l^eute  füböftlid^  bon  ^^elufiumg  SRuinen  liegenbe 
^l^aramel^,  ba^  mit  ^elufium^  fo})tifc^em  9?amen  ^eremun  gufammenflingt,  brücft  nic^t 
benfelben  ©inn  toie  $elufium  au^,  toeil  jener  Ioj)tifc^e  3?ame  nid^t  mit  bem  atterbingö 

50  in  ber  to})tifc^en  ©J)rad^e  ate  ome  k.  erl^altenen  altägtoptifc^en  am  (Ttrjlog)  gufammem 
bangt,  fonbern  bielmel^r  einen  anbem  9Jamen  ber  $aut)tftabt  3tm  (nämlic^  ^omen)  bur(^ 
i^orfe^ung  be^  3lrtifelg  pa  miebergiebt  Da  toir  (fagt  Dümid^en,  ©.  264)  in  ber  üon 
ben  ^"f^^iftcn  2lm  genannten  $au)3tftabt  be^  19.  ®aue«  bie  nac^mate  in  ber  ®cfc^i(^tc 
be^  Oriente  unter  bem  9?amen  $elufium  eine  ^ert)orragenbe  Slolle  fpielenbe  ©tabt  ju  er- 

66  fennen  l^aben,  fo  lann  biefelbe  nid^t  mit  ber  neben  i^r  al^  befonbere  ©tabt  genannten 
§t^ffo^feftung  $at=uär  (3lüari^)  ibentifd^  fein,  bie  ettoa  10  km  fübtoeftlid^  bon  i^r  lag, 
nac^  Sejjftu^'  annähme  an  ber  ©teile,  ioo  l^eute  bie  ©c^uttl^ügel  bon  %tü  el  Ä^r  ft$ 
befinben.  ».  Mmg. 

©in,  aBäfJe,  f.  b.  31.  ffiüftentoanberung. 


Sinai  381 

Siltoi.  —  fiitteratiir:  G.  SRittcr,  OTgcmcinc  erbfimbe,  93b  XIV;  &.  SRobinfon, 
$Qlä|HnaI  (1841),  145  ff.;  SepftuS,  Steife  öon  i^eben  nod)  ber  ^albinfel  bcd  6inai,  1845; 
berfelbc,  ©riefe  ou^  9(ej\t)ptcn,  ^letl^iopien  unb  ber  .^albinfel  bee  Sinai,  1852;  ®.  (Sber^, 
2)urd)  föüfcn  jum  8inai^  1881;  (SJ.  @ber§  unb  ^.  ÖJut^e,  ^alöftina  in  ©ilb  unb  ^ort  II 
(1884),  255 ff.;  für  bie  Kenntnis  ber  ©inoil^albinfcl  ift  grunblegenb:  Ordnance  Survey  of  6 
tho  Peninsula  of  Sinai.  Bv  Capt  Ch.  W.  Wilson  and  H.  S.  Palmer,  @üutt)Qmpton 
1869—72,  5  93be  (mit  t<irten.' ?lbbilbungen  k.);  ^.  ©.  Volmer,  The  Desert  of  the  ExoduB, 
C£nmbribge  1871,  beutfd)  unter  bem  3^itel:  3)er  ©c^au^Ioti  ber  40jä^rigen  2Büftcntt)anberung, 
1876;  ®rft^  in  3J?onQt§fd)r.  für  ®ef(t).  bc«  3ubenti  1878,  327 ff.;  Itinera  hierosolymitana 
saec.  IV — VIII,  rec.  %  ®e^cr  1898;  Qu^erbem  bie  Kommentare  jum  ^entateuc^.  —  gür  lO 
bie  5Ber(egung  beS  @.  in  ba§  i!anb  ^iibian  ober  nad)  3(rabien:  (S^arle^  S3efe,  Discoveries  of 
Sinai  in  Arabia  and  of  Midian  (fionbon  1878),  45 ff.  124 ff.  285 ff.  387 ff.;  9Uct)arb  g. 
5Burton,  The  Land  of  Midian  (revisited)  I  (1879),  144 ff.,  235  f.;  g.  ^SeD^aufen,  ^rolego-- 
mena',  359;  ©eorge  &.  3Koüre,  Commentar>^  on  Judges  (1895),  140.  179;  93.  6tabe.  ^nU 
fte^ung  bcö  9SoI!cS  Sfi^racl,  12;  Sl.  grei^.  Don  mn,  9lltiöraelitifcf)c  Äultftätten  (1898),  lff.;i5 
(Sb.  äRei^cr,  2)ie  3Kofcfagen  unb  bie  ficöiten  in  @939(,  1905  (XXXI),  640 ff.;  berfelbe,  3)ie 
3^rnelitcn  unb  i^rc  9?ac^barft«mme  (1906),  60,  67  ff.;  $.  ©unfcl,  ?ludgctt)«^Itc  $falmen*, 
80 f.,  116  f.,  180f.,  216;  Jp.  ©rej^mann,  5)er  Urfprung  ber  igraelitifdj^jübifcben  eScDatologic 
(1905),  40  ff.  Ucber  bie  SSuIfane  im  norbmeftlidicn  §lrabien  ugl.  ©.  SRitter,  ©rbfunbe  SBbXIII, 
165 ff.  unb  O.fiot^  in  ßbmöXXII,  365 ff.;  .£>.  ^Sinctler  Derfuc^t  in  ber  ^(b^anblung  „Sinai"  20 
in  ben  «ritorientalifdjen  5orfd)ungen,  britte  fWei^e,  S3b  II  (1905),  360—380,  benS3erg  ber  ®e^ 
fe^gebung  alS  fo^mifc^en  ^Begriff  ju  beleuchten. 

©cit  ettüa  1500  ^afycm  gilt  atö  ber  Scrg  Sinai,  an  bcm  nad^  ber  ©arftcHung 
be«  ^entateud^^  3Kofeg  bie  5Kc^rjal^l  feiner  ©cfe^c  ben  ^^^öclitcn  gegeben  ^aben  foH, 
einer  ber  ®ij)fel  be^  (Scbirgftocf«;  ber  ben  3KitteI})unft  ber  ^albinfel  ;\iüif(^en  ben  bcibcn  25 
ni>rbac^cn  armen  be«  SRot^en  3Keere«  (f.  b.  2trt.  Sb  XII,  497  ff.)  bilbet;  fie  f)at  banac^ 
ben  Flamen  ©inai^albinfel  erhalten.  Um  ein  annä^ernbe«  Silb  bon  ber  Sage  biefe« 
^od^gebirge«  ju  geben,  ift  e^  geraten,  in  aßer  Äürje  bie  SBege  ju  nennen,  auf  benen  c« 
cneid^bar  ift.  35on  bem  6nbt)un!te  beö  ©ue^fanalc^,  bon  ber  ©tabt  ®ue^  au^  fül^rt 
ber  erfte  3Beg,  ber  f)m  angcfülfirt  toerben  foB,  brei  Xagereifen  am  Dftufer  be^  ÜKeer«  so 
bufen^  fübtüörtg  über  ^iemlid^  ebenem,  mcift  bürrc^  Sanb,  bann  in  füböftltd^er  Slic^tung 
enttoeber  über  bie  frud^tbare  Dafe  firän  unb  am  dschebel  serbäl  Vorbei  ober  ettoa^^ 
nörblid^er  burc^  ben  wädi  esch-scbech  in  öier  big  fünf  2^agcreifen  ju  ber  S3erggru})))e  beö 
dschebel  ed-der  (2055  m),  be^  dschebel  müsä  (b.  i.  9Jlofe«berg,  2244  m)  unb  beö 
dschebel  käterin  (Äatl^arinenberg,  2602  m),  tn^gefamt  215—220  km.  ©in  jtoeiter  35 
SBcg  fü^rt  öon  bem  Weinen  35Jad^t)}often  kal'at  en-nachl  am  oberen  wädi  el-*^arisch 
in  ber  bädijet  et-tih  (f.  b.  »rt.  ^aläfttna  35b  XIV,  564, 49—55),  cttoa  in  ber  5Kitte 
j;h)ifd^en  ©ue«  unb  ber  kafat  el-^'akaba  (=  eiat^  35b  V,  285  ff.)  gelegen,  in  füblid^er 
Stiftung  auf  biefelbe  S5erggruj)))e  ju,  fünf  lagereifen  gu  etma  150  km.  ©in  britter,  toenig 
benu^ter  3Beg  gelfit  t)on  ber  kal'at  el-'akaba  an  bem  öftUd^en  2lrm  be^  Sloten  9JJeercg  40 
an^,  läuft  anfangt  fübtoärt^  an  bem  SBcftufer  beö  5Keerbufeng  unb  toenbet  fid^  bann  in 
füblüeftüc^er  Slic^tung  nac^  bem  mittleren  GJebirg^ftodE,  ebenfalls  5  3:agereifen  ^^n  150  km. 
35er  vierte  SBeg  beginnt  toon  bem  fletnen  Drte  tür  an  ber  9i5eftfüfte  ber  $albinfel ;  man 
erreicht  biefen  gu  ©c^iff  in  jlüei  lagen  toon  ©ue^  unb  gelangt  bann  auf  jtoei  i)erfd^ie= 
benen  SBegen  in  tcilg  öftlid^er,  teilg  nörbli(f|cr  Sltc^tung  in  brei  Ziagen  an^  ^\d,  \)on  tür  45 
brei  2;agereifen  ju  ettüa  100  km.  2)ag  (Sebirge  ift  alfo  fc^tüer  ju  eneiqen,  e^  liegt 
ööllig  abfeit«  öon  allen  größeren  ©trafen  unb  ift  nad^  aÜen  ©citen,  befonber^  nac^ 
9?orben  Don  tüüften,  böHig  bürren  ©treden  umgeben. 

3)er  mittlere  ©ebirgeftodE  felbft  ift  auf  brei  ©eiten  Don  2:^älern  umgrenjt,  nur  nad^ 
©üben   ^ängt   er  mit  ben  anftofeenben  §i>l;en5ügen  o^ne  tiefere  (Sinfc^nittc  jufammen.  50 
I)er  dschebel  ed-der  fc^iebt  feinen  %\x^  in  ®eftalt  eine^  3)reiedfö  am  toeiteften  nad^ 
3?orben  Dor.   6r  ift  im  Dften  öon  bem  wädi  es-sadad  begrenzt,  bag  in  feiner  füblid^en 
gortfe^ung  ben  9?amen  wädi  es-seba'ije  annimmt.   9ln  ber  ^lorbtoeftfeite  be«  dschebel 
ed-der  jie^t  ber  wädi  esch-schech  mit  nörblic^  gerichtetem  (SefäHc,  an  ber  ©übtocft^ 
feite  ber  furje  wädi  ed-der,  b.  i.  ba^  I^al  be^  ^lofter^,  nämlic^  be«  je^igen  ÄatJ^arinen*  65 
flofter«,  ba^  in  feinen   oberen  2lnfängen   auc^   ben  Flamen  wädi   schu'aib  (=  ^etl^ro 
@j  18)  trägt  unb  fein  3legentoaf|er  bem  wädi  esch-schech  ^ufü^rt.    2)ie  anbcre  ©eite 
bcö  wädi  ed-der  hjirb  burc^  bte  Slb^änge  bc^  jtoeiten  gelüaltigen  SSergrüdfen«  gebilbet, 
beffen  fübi>ftlid^er  ®ij)fel  dschebel  müsä  l^ei^t,  beffen  norbtoeftli^er  ©i^fet  ras  es-safsäf 
(ber  „3Beibento^f",  1994  m)  genannt  h)irb.    S)ie  norbtocftlid^en  Slbl^änge  biefe^  Ic^tercn  so 
®i^)fete  liegen   in  |\iemli(^  gleid^er  2inic   mit   benen   bee  dschebel  ed-der   gum  wädi 
esch-schech.    9lud^  biefe^^  Xl^al  finbet  nad^  @übU)eften  if^in  feine  ^ortfe^ung  in  bem 


382  Sinoi 

ftarf  anftcigenben  wädi  el-ledschä,  bag  fid^  halb  nad^  ©üboftcn  hjenbet  unb  ^u  bcm 
5h)eiten,  je^t  ijcriaflenen  Äloftcr  der  el-arba'ln  („Slo\kx  bcr  SJierjig"  Don  bcn  SKuelimen 
erfd^lagcnen  d^rtftHd^cn  5Kärt^rcr)  .fül^rt.  6«  liegt  fübtocftlid^  unterhalb  ber  Sj>i$e  bc^ 
dschebel  müsä,  in  bcn  oberen  älnfängen  be^  wädi.    ©üblid^   t)om  dscbebel  müsä 

6  unb  bem  eben  genannten  Älofter  erl^ebt  fic^  bie  bebeutenbfte  ^öf)t  be«  ganjen  ©ebirgc^, 
ber  dschebel  käterin  2602  m,  ber  35erg  ber  \)l  Äatl^arina,  beffcn  niebrigere  Sorbö^ 
ftd^  unmittelbar  an  ben  dschebel  müsä  anfc^Ue^en. 

I)ag  je^igc  Äatifiarinenllofter  ift  au^  einem  Äaftell  entftanben,  ba^  bcr  Äaifcr 
^uftinian  526  jum  (S(|u$e  ber  ©infiebler  am  dschebel  serbäl  bauen  liefe,  unb  mac^t  nod? 

10  l^eute  ganj  ben  ©inbrudf  einer  geftung.  ©g  enthält  SRaum  für  20—30  SDlönd^e,  einige 
^rembemimmer,  bie  ÄajjeHe  bcr  ^anagia,  in  beren  erftem  ©todf  ftd^  ber  gröfete  icil  ber 
Älofterbibliot^ef  befinbet,  unb  bie  Äirc^c  ber  SScrflärun^,  neben  ber  fiep  eine  einfache 
SRofc^ee  erificbt,  bie  jum  ©ebrauc^  für  bie  bem  Älofter  btenftbaren  Sebuinen  beftimmt  ift. 
^inter  ber  kp[\^  ber  Äird^e  toirb  bie  ÄajJcHe  be«  feurigen  Sufc^c«  ßejeigt,  ber  nac^  ©i  3, 5 

15  bie  befonbere  (Sl^re  be«  3lugjie^en«  ber  ®d)ni)c  erliefen  toirb.  3"^  SBcften  be«  ftlofter^ 
bel^nt  ftd^  ber  forgfam  ge^)flegte  ©arten  aug.  3Dlan  ^at  bie  in  ben  Jfiartcn  ®ranit  ge= 
kiuenen  2;enaflen  mit  6rbe  belegt,  bie  au^  tür  ober  fogar  au^  Kairo  Äamellaft  für 
ftamellaft  l^erbeigefd^afft  lücrbcn  mufete!  2)a^  fefte  Urgeftein  tritt  überall  ol^ne  eine 
.giumu^bccfe  ;u  3:age.  ffield^  eine  ©rquicfung  für  2luge  unb  (Semüt  biefer  ©arten  f^jcnbct, 
läfet  ftc^  benlen. 

35er  dschebel  müsä  ober  ?()lofe«berg  läfet  ftd^  bom  Älofter  au^  in  brei  ©tunben 
^in  unb  gurüÄ  befteigen.  9Jlan  toäl^lt  enttoeber  bie  untooHenbete  gal^trafee,  bie  Slbbä«  I., 
98icelönig  \)on  ^gqpUn,  für  einen  auf  ber  p'6i}t  gej)lanten  ©ommerj)alaft  ^at  anlegen 
lafjen,  ober  bie  befd^toerlic^e,  ettoa  3000  ©tufen  jä^lenbe  ^ilgertrq)))e.  3ln  t^r  liegt  eine 

26  Heine  Duelle  (!  bgl.  ßj  2, 15),  an  ber  3Rofe«  bie  ©c^afe  g^^^^^g  gehjcibet  l^aben  foll. 
3n  ber  $ö^e  bon  2097  m  fte^t  bie  f leine  eiiagfajJcHc  (Dgl  1  Äg.  19, 11  ff.),  auf  bem  oberften 
©ij)fel  hjicber  eine  ÄajjcBc  unb  eine  fletne  9Jlofc^ee,  neben  benen  bie  Slefte  einer  einfügen 
Ätr^e  bemerfbar  finb.  ©er  anbere  ®ij)fel  biefe«  SRüdfen«,  ras  es-safsäf,  ift  fc^toer  ju 
erflimmen.    6r  trägt  feinen  SRamen  t>on  einer  alten  „2öeibe",  bon  beren  §ol}  3Rofc« 

30  feinen  tounbertoirlenben  ©tab  ©j  4,  2  gefc^nitten  l^aben  foB  (!).  2)ie  Sefteigung  be^ 
dschebel  käterin  erforbert  öom  ©inaiflofter  au«  l^in  unb  jurücf  jtoölf  ©tunben.  2)er 
SBcg  fü^rt  burd^  ben  wädi  ed-der  l^inab  in  ben  wädi  el-ledschä  unb  in  bicfem  auf- 
toärt«  über  ba«  Älofter  ber  40  'Btärt^rer.  Untertoeg«  hjirb  ber  "BJofe^ftein,  hadschar 
müsä,  gejeigt,  au«  bem"3JJofe«  ben  DucH  l^erborf})rubeln  liefe  9lu  20,  8 ff.,  cm  rotbrauner 

85  ©ranitbloa  bon  3,60  m  §ö^e;  er  foll  mit  feiner  Duelle  bie  ^^weliten  auf  t^rer  83?an= 
berung  begleitet  l^aben  (1  Äo  10,  4)  unb  bann  Ifiierl^er  jurüÄge!e^rt  fein.  Sin  bie  ©teile, 
h)0  fi^  ber  wädi  el-ledschä,  wädi  ed-der  unb  wädi  esch-schech  bereinigen,  tritt 
t>on  9Jorbh)eften  l^er  ber  wädi  er-rähä,  ber  ftc^  ju  einer  Keinen  ©bene  jtoifc^en  bcn 
ftcilen  unb  l^ol^^cn  ©ranittoänbcn  ertücitert.    3l\ä)t  toeit  bon  ber  SSercinigung  ber  I^älcr 

40  hjirb  bie  ©teile  gezeigt,  loo  bie  ©rbe  bie  Slottc  iloral^  berfd^lungen  l^aben  foH  5Ru  16,  unb 

ein  gelfcnlod^  toirb  aU  bie  ©ufeform  be«  golbenen  Äalbe«  6j32   ausgegeben.    3*^  bcr 

©bene  er-rähä  f)at  man  gern  ben  Ort  für  ba«  Säger  ber  3j«taeliten  gefe^en  ©5 19, 2. 17. 

3la^  ber  üblichen  3tnnal^me  ift  ber  dschebel  müsä  ber  ®otte«berg,   an   bem  fic^ 

SJal^toe  juerft  5Kofe«  geoffenbart  l^aben  ©j  3,  auf  ben  er  in  SBSolfen  unb  5^^  ^^^ab= 

46  geftiegen  fein  foB  ©?  19,  toon  bem  an^  er  bie  „je^n  SIBorte"  ©5  20  unb  ^t  5  ^u  bcm 
SJolfe  gerebet,  unb  iio  er  9Jlofe«  bie  40tägige  Untertoeifung  geacben  l^aben  foB®j24, 18; 
3)t  9,  9.  3?erfud^te  man  nun  ernftlid^,  bie  Grjä^lungen  be«  $entateuc^  mit  feiner  llm= 
gebung  gu  bergleic^en,  fo  geriet  man  au«  einer  SJcrlcgenl^eit  in  bie  anbere.  9la^m  man  bie 
hjaff erarme  ©bene  er-rähä  für  ben  Ort  be«  Sager«,  fo  fam  man  nac^  ©j  19, 17;  24, 17 

60  folgerichtig  ju  bem  ©rgebni«,  bafe  bann  ber  ras  es-safsäf  ber  ©inai  fein  muffe,  toeil  ber 
®ij)fcl  bc«  dschebel  müsä  t>on  jener  ©bene  au«  nid^t  ftc^tbar  ift.  ^te  jerriffene  unb 
gcfä^rlid^e  ©pi^e  bc«  ras  es-safsäf  eignet  fic^  aber  nid^t  ju  einem  längeren  äufentbalt 
?Kofe«'  toor  ^aljtvc.  Sllfo  mufe  boc^  ber  dschebel  müsä  ber  ®otte«berg  fein!  SBo 
fann  man  aber  ^icr  ba«  )8olf  unterbringen,  ba«  unmittelbar  au«  feinem  Ssager  an  bcn 

oüSerg  gefül^rt  toirb  ©j  19, 17?  9JJan  griff  nac^  bem  öftlic^  angrenjenben  wädi  es- 
seba'ije.  2lber  ba«  2:^al  ift  felftg,  mit  Sic«^ügeln  unb  ©tcinblöcfen  angefüBt,  baju 
iüafferarm,  aud^  nic^t  geräumig  genug.  ©«  fam  (>inju,  bafe  man  fid^  bie  offenbare  %baU 
fad^e,  bafe  biefe  fcrtlic^fcit  unb  bie  angaben  ber  SBibel  ni(|t  jueinanber  pa^m,  nic^t  ein= 
gcftc^en  tvoBtc.    ©ine  3Serfc^iebung  ber  Bad)^  t>erfud^ten  bann  2q)fm«  imb  namentlich 

60  ©ber«.    2)er  erftere  trat  in  feinen  Briefen  au«  3ig);^tcn  u.  f.  to.  lebhaft  für  ben  dschebd 


®inat  383 

serbäl  ein,  unb  6bct^  l^at  biefcn  SSorfd^Iag  in  bcm  Sud^c  ,,3!)ur(i^  ®ofcn  jum  ©inai" 
au^fü^rlid^  bcgrünbct.  2)iefer  majcftätifd^e,  fünf0ij)Pt0C  Serg  (2052  m)  liegt  im  ©üben 
be^  2;l^a(e^  unb  ber  Dafe  firän.  ©eine  SSefteigung  ift  felfir  befd^ioerlic^  unb  nimmt  öom 
wädi  firän  au^  l^in  unb  jurüd  einen  Xag  in  9lnfj)ruc^.  an  feinen  Säblfiängcn  befinben 
ftc^  öiele  gremiten^ölfilen  ober  Slefte  öon  i^ren  Selfiaufungen,  ©})uren  alter  ffiege  unb  6 
ber  Xx^pa,  bie  jum  ®ij)fe(  führte.  3*^  ^^"^  wädi  firän  ftö^t  man  nod^  l^eute  auf  bie 
Sluinen  eine^  Älofter^  unb  einer  ftattlid^en  Äirc^e,  fotpie  auf  ja^Iretd^e  Irümmer  öon 
J^äufem.  e^  unterliegt  ba^er  feinem  3*^^^f^^  ^^fe  ^^^f^  '^^^^  ^i'^P  9"^  bebaut  unb 
bid^t  betpo^nt  tpar.  Sie  ältefte  ©rtoä^nung  einer  ©tabt  5ßbaran  unb  eineg  gleichnamigen 
3Sorgebirge«,  ba^  am  3)ieerbufen  Don  ©ue^  lag,  pnbet  fid^  bei  bem  ©eograjjl^en  ^tole^  lo 
mäu«  (V,  17,  3)  aus  bem  jtoeiten  galfir^unbert  nac^  &)x.  35a  aud^  bie  ^almen  be« 
Drte^  ertüä^nt  toerben,  fo  fann  laum  ein  anberer  ^la^  aU  bie  i^^tige  Dafe  firän  ge^ 
meint  fein,  jumal  fte  nic^t  toeit  Don  bem  toeftlid^en  arm  be«  SRoten  3Keere«  gelegen  ift. 
35a  eö  im  4.  ^^^tlfiunbert  Sifd^öfe  bon  ^Ifiaran  gab,  fo  toirb  6ufebiu^  Don  Säfarea  ben 
5Ramen  be«  Drte^  tool^l  gefannt  ^aben;  aber  bie  2lngaben  in  feinem  Onomasticon  215, 15 
298, 301  jeigen,  bafe  er  Don  feiner  Sage  nid^t^  ©id^ere«  toufete,  ba  er  xf)n  mit  bem  biblifc^en 
$aran  (f.  b.  9lrt.  Sb  X}Y,  684  f.)  in  aScrbinbung  bringt,  ba«  Leiter  nac^  Dften  ober  9lorb= 
often,  nad^  bem  wädi  el-'araba  l^in  gelegen  toar.  ^m  5.  ^a^t^unbert  erhielt  ^l^aran  \>nx6)  bag 
Äonjil  ju  Gl^alcebon  einen  eigenen  grjbifc^of ;  e«  Ifiatte  burd^  feine  jal^lreid^en  Slnac^oreten 
eine  grofee  Sebeutung  für  ba«  fird^licpe  2eben  erlangt.  3)ie  ÜKönd^e  hielten  e«  jebod^  20 
mit  ben  2Konot)lfi^fiten  unb  üJlonotl^eleten.  35eö^alb  entzog  il^nen  ber  faiferlid^e  §of, 
befonbcr^  ^wf^^^^^^^^^  \^^^^  ®unft;  bie  ort^obojren  5Könd^e  begaben  ftc^  nad^  bem  Don 
^uftinian  am  gufee  be^  dschebel  müsä  gebauten  Äaftell  unb  übertrugen  nun,  fo  meint 
@ber^,  bie  bi^  ba^in  am  dschebel  serbäl  l^aftenbe  Xrabttion  nad^  bem  dschebel  müsä. 
@rft  feit  biefer  ^txi  foB  biefer  S3erg  atö  ber  ©inai  bejeic^net  toorben  fein,  toäl^renb  frül^er  25 
bei  ben  ^Könc^en  ber  §albinfel  ber  dschebel  serbäl  bafür  galt,  ^iefe  SJleinung 
Derträgt  fid^  jebod^  nid^t  mit  ber  1884  Don  ®amurrini  entbedften  unb  jule^t  Don 
^.  ®eDer  l^erau^egebenen  ^ilgerfc^rift  ber  ©ilDia,  bie  um  385  gefc^rieben  fein  loirb.  ©ie 
unterfd^eibet  p.  45  beftimmt  gtoift^en  ^aran  unb  bem  mons  dei  (=  ©inai  unb  §oreb) 
unb  giebt  bie  (Entfernung  jtoifc^en  betben  fünften  auf  35  römifc^e  3Keilen  an,  b.  i.  so 
52  km.  3la^  ben  Ifieutigen  ©c^ä^ungen  gebraucht  man  Don  ber  Dafe  firän  burd^  ben 
wädi  seläf  bi^  jum  ©inaiflofter  12— 13  Äamelftunben;  ba§  finb,  bie  Äamelftunbe  ju 
4  km  gered^net,  48—52  km.  35ie  Übereinftimmung  ift  bal^er  fo  gut,  toie  man  fxe  fid^ 
nur  h)ünfc^en  fann.  Sebenft  man  nun,  ba^  ©ilDia  Don  ^aran  nad^  bem  ©inai  reift 
unb  Dom  ©inai  naä)  %axan  ju  ben  3Könc^en  jurüdHe^rt,  fo  ift  fxd^er  au^gefd^loffen,  bafesö 
man  bamal^  in  ^^aran  ben  dschebel  serbäl  al^  Serg  ber  ®efe$gebung  betrad^tet  l^at, 
ganj  abgefel^en  baDon,  ba^  ber  serbäl  Dom  wädi  firän  nur  fünf  ©tunben  ju  ^u^  ent« 
fernt  ift.  2)ur(^  ba^  3^0"*^  ^^^f^  ^ilgerfc^rift  ftel^t  bemnad^  feft,  bafe  ber  dschebel 
müsä  in  ber  jtoeiten  öälfte  be«  4.  ga^rlfiunbertg  für  ben  Sinai  ber  Stbel  gelfialten 
iüorben  ift.  SBie  e^  nac|  ber  35arftellung  ber  ©ilDia  ben  2lnfc^ein  l^at,  fa^  man  in  bem  40 
ras  es-safsäf  bamal^  ben  §oreb.  §öl^er  ^inauf  lönnen  toir  big  je^t  biefe  ^Keinung 
nic^t  Derfolgen;  benn  h)ag  g^^f^)^^"^  Antiq.  II  12,  1;  III  5,  15  baju  bemcrft,  ift  Diel 
ju  allgemein,  afö  baf;  fxc^  barau«  ein  ©rgebni^  für  bie  Sage  be^  ©inai  getüinnen  liefee. 

35te  §aut)tfrage  ift  felbftDerftänblic^,  toeld^c  angaben  ftc^  im  äX  über  bie  ®egenb 
be«  „®ottegbergeg"  finben.  2Bir  begegnen  bort  gmei  Derf^iebenen  9iamen  für  biefe  ©tätte,  45 
nämlid^  ©inai  unb  §oreb.  5)fan  ^)flcgte  fic^  früher  biefen  auffallenben  Umftanb  fo  ju 
erflären,  ba^  man  §oreb  ate  ben  allgemeineren  3?amen  ber  ®egenb,  ©inai  bagegen  alg 
ben  eigentlid^en  9Jamen  be«  Sergej  anfa^.  Slber  biefe  2luglunft  befriebigt  nic^t.  2lte 
man  bie  einzelnen  QueHenfd^riften  im  §ejateuc^  ju  unterfd[;eiben  begann,  hjurbe  man 
barauf  aufmenfam,  bag  ber  9lame  §oreb  bem  ßlol^iften  unb  bem  35euteronomifer  (35t  18, 6),  60 
ber  9?ame  ©inai  bem  Qa^toiften  unb  bem  ^rieftcrlobeE  eigentümlich  ift.  6^  eröffnen  ftd^ 
bamit  jugleic^  jtüei  3Jlögli(^Ieiten,  nämlid^,  enttveber  bafe  berfelbe  93erg  jtoei  Derfd^iebene 
!Ramen  gel^abt  l^at,  toie  j.  93.  ber  §ermon  93b  VII,  758,  ober  bafe  bie  Quellenfd^riften 
Jtüei  Derfd^iebene  fünfte  meinen. 

Über  bie  Sage  be«  §oreb  fd^einen  einige  ©teilen  be^  35t  am  beften  äu^Iunft  ju  ge^  55 
toäl^ren.  3"  35t  1,  2  liegt  Dermutlid^  baö  ©tüdf  eine«  3l^^"^örg  ^^r  un^;  e«  red^net 
Dom  iQOxtb  auf  bem  5öege  (ober  in  ber  9lic^tung)  nac^  bem  ®ebirge  ©eir  ,big  Äabeö 
elf  2iage.  SBenn  man  nun  auf  b  i  e  f  e  m  aSegc  nac^  Äabe^  f ommt,  fo  betoegt  man  fid^  Don 
SBeften  nad^  Dften;  benn  bag  ®ebirge  ©eir  liegt;  öftlic^  Don  Äabe«.  35arin  liegt  bcm= 
nac^  bie  SSorau^fe^ung,  bafe  ber  ^oreb  toeftlid^  (nic^t  aber  füblid^)  Don  Äabe«  liegt.   9Jac^  eo 


384  Sinai 

Dt  1,6  f.  19  f.  tpanbert  S^racl  Dom  §orcb  burc^  bte  SBüftc  auf  bcm  5Ißegc  nad^  bem 
»crglanbe  ber  Slmoriter  nac^  Äabc«  (bgl.  85b  XIII,  698  ff.)  unb  ift  bamit  an  ber  (Srcnjc 
be«  gelobten  Sanbe^  angefomnien.  4)icfe  Slngabe  fönnte  ju  ber  Sluffafjung  führen,  bafe 
e^  fic^  l^ier  um  einen  3^0  JJon  ©üben  l^er,  alfo  au^  ber  ©inai^albinfel,  burcb  bie  3Büftc 

6  bädijet  et-tlh  nad^  Äabe«  banble.  2öenn  man  ba«  ju  S5eh)cifenbe,  bie  Sage  be^  $orcb, 
nad)  ber  üblid^en  3(nnal^me  aU  betpiefen  borau^fe^t,  fo  toirb  man  allerbingg  ju  biefer 
9luffaffung  fommen.  6^  ftcl^t  aber  in  aBirflid^teit  fo,  bafe  feine  ©teile  be«;  313:  barauf 
^inbeutet,  bafe  '^^xad  auf  feiner  SIBanbcrung  ba^  ©ebirge  ber  ©inail^albinfel  betreten  \:}at 
(Dgl.  b.  Slrt.   9Jteer,  rote«,  Sb  XII,  499  f.  unb  b.  3lrt.  SBüftentoanberung).    man   i^at 

10  ba^er  ju  jener  äuffaffung  im  211  felbft  feinen  SlnlaJ  unb  mufe  3)t  1,  6f.  19f.  fo  öer- 
ftel^en,  luie  bie  übrigen  ©teilen,  j.  S.  Dt  1,  2  e«  f orbern,  nämlic^  ben  §oreb  in  ber 
2Büfte  tpeftlic^  t)onÄabeg  anfe^en.  dlad)  bem  eiol^iften  gj4,  27  foU  3taron  t?on  Sg^t^ten 
au«  Slofe«  nac^  ber  2Büfte  ju,  alfo  nac^  Dften,  entgegengelfien,  unb  er  trifft  il^n  am 
„Serge  ®otte«",  am  §oreb,  h)o  ftd^  ÜKofe«  na^  Qiß,  1  aufl^ält.    9lucl^   l^ier  liegt  ein 

16  §inh)cie  barauf  bor,  bafe  ber  §oreb  am  SBege  bon  3tg^})ten  au^  nad^  Dften,  nai)  Äabe« 
jii  gebadet  ift.  6j  17,  6  fe^t  ben  §oreb  bei  5Diaffa  unb  SJleriba  an;  ba  aber  3)Jeriba 
fonft  ^  Äabe«  ift  (f.  S3b  XIII,  699, 20),  fo  mufe  ber  2lu«brudf  ^,am  §oreb"  l^ier  it)a^r= 
fc^einlid^  al«  eine  falfd^  erflärenbe  (Sloffe  au«gefd^ieben  h)erben  (ögl.  bie  Kommentare). 
Die  ©teile  1  Äg  19,  8  ift   für  unfere  ^^tdi  unbraud^bar;   il^r  ©inn  ift  tool^I  ber,  bafe 

20  6Iia«  nac^  langem  ©uc^en  enblid^  ben  „S3erg  ©ottc«",  ben  §oreb,  gefunben  l^at. 

SBenben  h)ir  un«  nun  ^u  bem  ^a^toiften!  (gr  nennt  ben  ^erg,  auf  bem  3^^*^^ 
mit  5Kofe«  rebet,  ©inai  ßj  19,  11.  18.  20.  (23);  34,  4.  3n  ©e  3,  18;  5,  3;  8,  23  ift 
baijon  bie  Siebe,  bafe  ÜKofe«  bie  g^taeliten  brei  iagereifen  tüeit  in  bie  SBüfte  führen  foll, 
bamit  fie  i^rem  ®ott  an  feinem  Serge  Dt^fer  barbringen.    Da  bie  SBallfa^rt  mit  grauen, 

26  Äinbem  unb  3Sie^  unternommen  tperben  foII,  fo  barf  man  nac^  9?u  21, 12—20  (f.  ben 
airt.  aOäüftentüanberung)  l^öd^ften«  10  km  auf  ben  3::ag  rechnen.  W\t  ber  fic^  barau«  er- 
gebenben  ©ntfemung  ijon  30  km,  bie  au«  bem  oben  angegebenen  (Srunbe  nic^t  nac^  ©üben, 
fonbem  naö)  Dften  ju  gerechnet  tperben  mu^,  gelangt  man  faum  in  bie  ©egcnb  ber 
hjenig  befannten  §öi^en  dschebel  mughära   unb  dscbebel  jelek  öftlid^  \)on  bem  ^eu- 

30  tigen  isma'iiije  in  ber  Slic^tung  auf  Äabe«.  6«  hjäre  \a  möglich,  bafe  ^JDJofc«  im 
©inne  be«  6rjä^Ier«  bie  (Entfernung  abfi^tlid^  gering  bemeffen  l^ätte,  um  bie  ©rlaubnie 
gum  3"öe  befto  el^er  ju  erlangen.  2lber  tro^bem  müfete  man  boc^  babei  fte^en  bleiben, 
bafe  für  femitifd^e  5Romaben  bie  „SBüfte"  an  ber  Orenje  bon  2ig^j)ten  im  Dften  be» 
Delta«  ju  fud^en  ift,  nic^t  innerl^alb  ber  ©inai^albinfel;   man  müfete  alfo  boc^  an  einen 

35  33erg  i)ftli(^  i)on  llnteräg^))ten  benfen. 

Der  ^^riefterfobeg  fe^t  3?u  10,  12  neben  bie  SBüfte  ©inai,  bie  offenbar  Don  bem 
Serge  i^ren  Flamen  erl^alten  ^at  unb  oft  erhjä^nt  toirb  (6?  16,  1 ;  19.  1;  5Wu  1,  1.  19; 
3,  4  2c.),  bie  SBüfte  ^ISaran  (f.  Sb  XIV,  684  f.).  Da«  tpäre  i)om  dschebel  müsä  au^ 
ein  grofeer  ©t^rung,  ber  burc^  fein  SBort  be«  X^M  angebeutet  ift.    Der  SSerf.  I^at  fic^ 

40  h)al^rfd^einlid^  ben  ©inai  nid^t  fe^r  tüeit  üon  Äabe«  gebadet,  innerifialb  ber  nörblic^  bon 
ber  eigentlid^en  §albinfcl  liegenben  3Büfte. 

9tun  bleiben  noc^  einige  ©teilen  be«  312^  für  unfere  JJrage  übrig,  bie  \}on  SRi  5,  4 f. 
abhängig  finb,  nämlic^  Dt33,2f.;  §ab  3,3;  ^f  68,  9.  Da«  Sieb  ber  Debora  rebct 
bat>on,  bafe  fid^  ^al)W^  öon  feinem  befannten  SBo^nfi^e,  bem  ©inai  33.  5,  au«  aufmacht, 

46  um  3«rael  im  Samj)fe  gegen  bie.  Äanaaniter  gu  §ilfe  ju  fommen.  3tl«  bie  Ocgenben, 
t)on  benen  er  l^erfommt,  Serben  S.  4  genannt  ©eir  unb  ^elb  (ober  ©ebirge?)  6bom^. 
Diefe  2lu«brüdEe  fönnen  fotüol^l  ba«  Sanb  ber  ©bomiter  im  Dften  al«  au<$  im  SBcftcn 
be«  wädi  el-^araba  begeid^nen.  Da  nun  ber  ©inai  getüife  nid?t  im  Sanbc  ber  6bomitet 
felbft,  am  lüenigften  in  feinem  öftlic^en  leile,  gefudit  toerben  barf,  fo  muffen  ©eir  unb 

50  SJelb  6bom«  ^ier  al«  Sejeic^nung  ber  ©übgrenje  be«  Sanbe«  Äanaan  ober  bc«  Serg- 
fonbe«  ber  2lmoriter  (f.  0.)  ijerftanben  h)erben.  3"  biefem  ©inne  ift  ber  8(u«bru(f  be« 
alten  Siebe«  9li  5  auc^  in  ber  Diel  jüngeren  Dichtung  Dt  33,  2  f.  berftanben  toorben.  Da 
finben  mir  al«  ^Parallelen  gu  bem  ©inai:  ©eir  unb  ^^aran,  lüäl^renb  al«  ba«  ^xd  ber 
(grfd^einung  Sa^toe«  Äabe«  (l.  ^-p^  ftatt  ^i?)  genannt  ift,  Örtlid^feiten,  bie  ben  Slicf 

66  auf  bie  ©übgreme  Äanaan«  gegen  @bom  rid^ten.  gn  §ab  3,  3  ift  Vt'^k)  nxdft  9lame 
be«  Sanbc«  im  9iorboften  ijon  ©bom  tüie  3lm  1,  12;  63  25,  13;  Db9,  fonbem  bebeutet 
al«  ^araKele  gu  $aran  „©üben"  h)ie  So  15,  1.  Die  le^te  ©teile  $f.  68,  8  f.  bietet 
feinen  lüeiteren  aiuffc^lu^. 

Ueberblidfen  tüir  bie  angeführten  ©teilen  be«  211,  fo  ergiebt  fu^,  bafe  bie  gu  9li  5, 

60  4  f.  ge^örenben  ©teilen  ben  ©inai  in  bte  füblid^e  ober  el^er  füböftlid^e  @egenb  bon  Jtabe« 


Sinai  Sittecttre  385 

fe|fen.  2Bäl^renb  bic  Stngabc  bcö  ^ricfterfobej  ftd^  leidet  bamit  bcrcmigen  läfet,  fd^cint 
bcr  S^^^if^/  bcutlic^cr  jeboc^  bet  ©lolfitft  unb  bcr  2)eutcronomilcr  me^t  in  bie  tüeftlic^e 
©cgcnb  t)on  Äabc^  ju  hjcifcn.  SÖiH  man  ben  ©inai  be^  ^alfiiüiften  auf  benfclbcn  Serg 
tric  bcn  6inai  öon  ^li  5,  4  f.  bcgieJ^en,  fo  mufe  man  bic  brci  ^^gcreifen  bon  Sj3, 18  2c. 
ate  eine  ^d)x  ftartc  SScrfürjung  ber  tüirflic^en  Sntfernung  anfe^en.  ^ält  man  an  bcn  5 
brci  S^agereifen  fcft,  fo  fommen  bic  Stngaben  be«  S^I^^U^^/  ^^  ®Iol^tftcn  unb  bcö  Dcu^ 
teronomiumg  toefentlid^  auf  ba^felbc  Ifiinau^  unb  fpred^en  ju  ©unftcn  ber  3tnna^mc,  ba^ 
biefe  QueHenfc^riften  Sinai  unb  §oreb  ate  jtoei  öerfc^iebene  Flamen  bc^fclben  Sergej  be- 
trad^tet  ober  toenigflcn^  bie  Serge  jiemlid^  in  berfelben  ®egenb  gefud^t  Ifiaben.  3)ag  ältefte 
3eugni^  9li5,  4f.  fe^t  ben  ©inai  ^toeifeno«  öftUc^er  an,  atö  bie  möglid^e  ober  toal^r- 10 
fc^einlid^e  Übereinftimmung  ber  älteren  Quellenfd^riften  bcö  ^entateu^^  erfennen  lä^t. 
(S^  liegen  alfo  im  WX  Derfc^iebene  Slngaben  über  bie  Sage  bc«  Serge«  ber  ©efe^gebung 
toor.  3lm  el^eften  tatin  nod)  9li5,4f.  ben  2lnft)rud^  auf  eine  toirllid^e  Überlieferung  er« 
^cben.  I)a  aber  bic  ganje  in  Setrad^t  fommenbe  ®egenb  nur  loenig  belannt  ift  unb 
eine  örtlid^e  Überlieferung  bort  !aum  ertoartct  toerben  barf  (ügl.  ben  9lrt.  ^aläftina  15 
33b  XIV,  563  ff.),  fo  finb  bie  SJemü^ungen,  ben  ©inai  ober  §oreb  aufjufinben,  bei  bem 
gegcntoärtigen  ©tanbe  unferer  Äenntnifje  au^ftd^tölo«.  ©er  dschebel  müsä  ate  ©inai 
unb  bie  ©inail^albinfel  toerben  in  unferem  ©))rad^gebraud^  ibren  Flamen  belfialten,  aber 
mit  3)lofe«  unb  ber  ©tiftung  ber  i^raelitifc^en  Sieligion  ^at  iai  granbiofe,  einfame  ©e^ 
birge  ber  ^albinfel  nid^t«  ju  t^un.  Über  3lu  33  Dgl.  bcn  Slrt.  SBtiftentoanberung.  ©ic  20 
;,fmaitijd^en  ^nf^^f^^"/  teite  nabatäifd^e,  teil«  gried^ifc^e,  tcitö  lot^tifd^e  unb  arabijc^e 
©c^riftgeic^en  mit  rollen  Silbern,  rül^ren  öon  burc^gie^enben  aBanberem  au«  bem  1.  bi« 
4.  Sabrbunbert  nac^  6^r.  ^er.    Sgl.  3.  ©uting,  ©inaitifc^e  gnfc^riften  (Serlin  1891). 

Sluf  (Srunb  eigentümlicher  l^orau«fe^ungen  (g.  S.  ®a  4,  25)  entbedfte  ber  ©nglänber 
6^.  Sele  1874  ben  toalfiren  ©inai  in  bem  dschebel  bäghir  Xbarghir  ?)  ober  dschebel  26 
en-nür  4—5  ©tunben  norböftlic^  t)on  kal'at  el-'akaba.  Stl^nli^c  5Keinungen,  freiließ 
mit  tücfentlic^  anberer  Segrünbung,  ftnb  neuerbing«  bon  beutfd^en  ©elelfirten  geäußert 
iDorben.  SBSeB^aufen  erfennt  ben  beften  2ln^alt  für  bie  Soge  be«  ©inai  in  6j  2,  unb 
©tabe  betont  ebcnfall«  bie  Serbinbung  ÜKofc«'  mit  bem  ^Ribianiter  '^tÜ)xo  (6e  3,  1 ; 
18,  1;  ?Wu  10,  29ff.;  SRi  4,  11;  1, 16):  3i«rael  ^abe  üon  Äabe«  au«  ben  3ug  jum  ©inai  30 
unternommen  unb  bort  bie  göttli^e  Sele^rung  erl^attcn.  '"Ulan  Vermutet  bal^er,  ba^  bcr 
©inai  füböftlid^  bon  @bom  im  Sanbe  3Jlibian  gelegen  i}aU,  3P  SKofc«  tüirftic^  mit 
einem  mibianitifd^en  (nic^t  fenitifc^en)  ^rieftergef^le^t  in  Serbinbung  getreten,  jo  ift  ba= 
mit  burc^au«  noc^  nid^t  gefagt,  ba^  e«  nur  fe|^afte  9)libianiter  für  bic  ©rgäl^ler  be«  31X 
gegeben  |abc,  unb  bafe  ^Kofe«  bie  gerben  be«  ^riefter«  aud^  im  „2anbe"  'JJJibian  fclbft  35 
gemeibet  ^aben,  ba^  alfo  bcr  ©inai  auc^  innerl^alb  be«  „Sanbe«"  2)libian  gcfud^t  mcrben 
muffe  (t)gl.  bcn  2lrt.  3)libian  Sb  XIII,  59,  25).  ^J3iit  bcr  für  bic  gragc  ioic^tigftcn  ©teUe 
9li  5,  4  f.  t)erträgt  fi^  biefe  annähme  nid^t.  ©unlcl  f erliefet  in  ber  2)23  1903,  ©.3058  f. 
au«  bcr  ©(fiilberung  ber  %l}^opl}ank  (gg  19,  16.  18;  2)t  9, 15;  4,  11,  bafe  ber  ©inai 
al«  ein  Sulfan  gebac^t  fei,  unb  l^at  bamit  bic  3Jlcinung  erneuert,  bic  6^.  Scfc  1873  in  40 
bcr  ©c^rift  Mount  Sinai  a  Volcano  ijcrtrat.  Db  man  im  alten  ^^xad  bon  fcucrfpcicn= 
bcn  Sergen  cttoa«  getoufet  Ijai,  läfet  ftc^  nic^t  fieser  au«mac^en.  Sicltcid^t  ftnb  einige 
Ärater  be«  Haurän  ober  bcr  Harra  öfttic|  öon  2)ama«fu«  no^in  ^iftorifd^cr  ^nt  tl^ätig 
getrefen.  i)ic  ertüä^nten  Slngabcn  be«  211  nötigen  nic^t,  an  fcucrf^cienbc  Serge  xu 
bcnfen,  fic  laffen  ftc^  au«  ®eh)ittcrerf(^cinungcn  ijcrfte^en.  6b.  3[Rct;cr  Vermutet  ebenfaU«  45 
in  bem  ©inai  einen  Sulfan  unb  fud^t  biefcn,  inbcm  er  im  Slnfc^lu^  an  SBeHl^auicn  bcn 
3ug  nac^  bem  l^eiligen  Serge  6jl9  — 5Ru  10  al«  f})äterc  ertociterung  be«  S^^^ift^n 
(J'O  auffaßt  (Dgl.  bcn  Slrt.  SBüftenmanbcrung),  in  einem  ber  au«gebrannten  Krater  be« 
norbh)cftlid^en  Arabien«  füböftlic^  öon  ^Jlibian  in  ber  ®cgenb  jtüifc^cn  3:cbüf  unb  ÜKccca. 

&uifit.         50 

Sinaita  f.  3iolE;anne«  Älimafu«  Sb  IX  ©.305. 

Sinecure  (sine  cura)  nennt  man  eine  ^frünbe  (praebenda,  beneficium),  t)crcn 
®enufe  nic^t  an  ©icnftlciftungcn  (ein  2lmt,  officium)  gefnü^)ft  ift.  SBä^rcnb  orbcnt^ 
lic^erttjcifc  ber  ®runbfa^  gilt:  Beneficium  datur  propter  officium  (BonifaciusVIII. 
in  cap.  3  de  rescriptis  in  VI«  [I.  3J),  tritt  bei  ©inccure  ba«  ®egenteil  ein,  bcnn  fic  55 
ift  ein  beneficium  sine  officio,  ©ie  ift  ba^er  nic^t  ibcntifc^  mit  einem  beneficium 
ober  officium  non  curatum,  simplex  (f.  b.  21.  „Scnefi^ium"  Sb  II  ©.  592),  ba 
cura   bei  einem  fold^cn  bic  engere  Sebeutung  bon  cura  animarum  ^at.    SBcnn  aber 

ffttaU9ttt)9nopmt  für  Zytologie  unb  ftirc^e.    8.  «.  xvili.  25 


386  Stiitcitre  Stnint 

ber  .^nl^abcr  einc^  officium  unb  beneficium  non  curatum  pgletc^  bic  SefugntS  bat, 
fxd^  entfernt  i)on  ber  Slmt^ftette  aufju^alten  unb  burc^  einen  ä^tfartu^  bertrcten  ju  laffen 
(beneficium  non  residentiale),  fo  tpirb  fein  Sencpjiunt  baburc^  felbfl  jur  ©inecure 
(m.  f.  üb^f)aupi  b.  21.  „SReribens"  55b  XVI  6.  674).     SDie  3uläfftgleit   einer   foldben 

6  ^ängt  baijon  ab,  bafe  jemanb  ein  anbere^  3lmt  belleibet,  bejfen  ©infünfte  ^u  feinem 
Unterl^alte  nid^t  Ifiinreic^en.  3)ie  ©inecure  tpirb  bann  ein  beneficium  compatibiie 
(J.  33b  II  e.  594),  aber  auc^  h)o^I  eine  commenda  (f.  Sb  X  ©.  656).  SBää^renb  in 
ber  römifc^sfatlfiolifd^en  Sirene  folc^e  ©inecuren  h)ol^l  nur  feiten  borfommen,  finben  fie  ftcb 
noc^  öfter  in  ber  ebangelifc|en  Äird^e.    ©tifter   unb  Älöfter  hjurben   infolge   ber  91efor= 

10  mation  gctüö^nlic^  gleich  aufgelfioben  unb  'ii)xt  ®üter  für  Äirc^en  unb  ©d^ulen  t>ertoenbet, 
fotocit  nid^t  bie  dürften  biefelben  aud^  bem  fjisfu^  eini^erleibten.  ..6in  ieil  ber  Älofter- 
unb  ©tift^fteHen  mürbe  aber  erhalten  unb  entlüeber  mit  getpijfen  Slmtem  Derbunben  ober 
aud^  felbftftänbig  afö  ^frünbe  öerliel^en.  9lur  einzelne  berfclben  fielen  an  bie  Unitjerfttäten 
atö  2)oItorJ)frünben   (praebenda  scholastici  u.  f.  U). ;   f.  3-  $•  Soel^mer,  Jus  eccles. 

15  Protestantium  libr.  III,  tit.  I,  §  L  u.  a.),  bic  meiften  aber  tourben  i^rem  urf))rüng' 
lid^en  3h)ede  ganj  entfrembet.  6«  bemerft  barüber  ganj  rid^tig  gic^^om  (beutf^^c 
©taatg=  unb  Slec^t^gefd^id^te,  2:eil  IV,  §  558) :  „Die  Älöfter,  in  toeld^en  man  bie  $räla^ 
turen  unb  Äonijentualftellen  al«  Äird^ent^frünben  bergab,  tourben  ebenfo  h)ie  bie  Äollegiat: 
[tifter  toeber  ber  Äirc^e  nod^  bem  ©taatc  befonberlid^  nü^lid^.    2)enn  bie  le^teren  behielten 

20  in  Slüdffxc^t  ber  S^or^erren  im  ganjen  il^re  bi^^erige  Serfaffung,  nur  fo,  bafe  biefe  gan^ 
aufiflörten,  Oeiftlid^e  ju  fein,  toeil  ba«  S^P^^^t  unberänbert  mx  ))roteftantifc^en  Äir^en^ 
berfaffung  nid^t  pa^U,  Die  })roteftantif^en  ©tift«=  unb  Älofterjjfrünben  tourben  ba^er 
jiu  ©inecuren,  bie  gar  feine  toa^re  firc^lic^e  SJejie^ung  me^r  Ratten"  (m.  f.  aud^  no* 
eic^lfiorn,  Äirc^enred^t  II,  599.  600.  626.  627).    ßine  Aufhebung  biefer  ©inecuren  unb 

25  Sierloenbung  für  Äird^e  unb  ©d^ule  ift  fd^on  öfter  beantragt  (m.  f.  g.  35.  ^inber,  Über 
bie  ebangelifd^en  Dom«  unb  Äottegiatfajjitel  in  ©ac^fen,  SBeimar  1820.  Die  ebangelifcben 
Dom!aj)itel  in  ber  ^robinj  ©ad^fen,  $alle  1850).  Rum  %dl  ift  eine  folc^e  auc^  bereite 
erfolgt  ober  toenigften«  in  Sluöfid^t  geftettt  (m.  f.  Denlfd^rift  be«  ebangelifd^en  Cbcr!ird^en= 
rat^,   betreffenb  bie  3Sermel^rung    ber   Dotation  ber    ebangelifd^en  Äirc^e   in  ^reufeen, 

aogSerlin  1852). 

Sei  toeitem  mel^r  al«  in  Deutfc^lanb  giebt  eö  aber  in  ©nglanb  biele  §of^,  ©taat^= 
unb  Äirc^enftcHen,  bie  nur  ©inecuren  finb.  3Ran  f.  barüber  SJad^toeifungen  bei  ©neift, 
Dag  l^eutige  englifc^e  SSerfajfung^s  unb  äSertoaltungeret^t,  3:eil  I  (SSerlin  1857),  ©.61. 
62.  159.  297.  537f.  603.    Derfelbe  bemerft:  „Die  ©(Reibung  ber  cnglifd^cn  (Seiftlic^fcit 

35  in  orbentlic^e  ^frünben  unb  Sifare  ift  unter  ben  5la^h)el^en  be^  3Serfallg  ber  Äirc^e  bi^ 
l^eute  bie  fü^lbarfte;  unb  bie  englifc^e  Rirc^enijerfaffung  l^at  nic^t  bieÄraft  gel^abt,  fte  |iu 
überlüinbcn,  ba  fte  im  näc^ften  gntereffe  ber  regierenben  Älaffen  ift.  Die  älteren  ®efe^c 
gegen  bie  mifebräuc^lid^e  ©c^eibung  ber  3trbeit  unb  be^  ©infommen«  in  ber  Äirtbc, 
15  Ric.  II.  c.  b.  unb   fpäter   tourben   fc^tüac^  gelfianb^abt,    bei  2lufl^ebung  ber  Jtlöfter 

40  unter  §einric^  VIII.  ging  bie  3Kaffe  ber  ejj3roj)riierten  ^farreinfünfte  in  frcmbe  $änbc 
über  unb  tourbe  fpäter  nur  teiltoeifc  reftituiert.  3e  me^r  bann  bie  Äird^e  mit  ben  3n= 
tereffen  ber  regierenben  ©cntr^  jufammentüuc^g,  um  fo  mel^r  griff  ba^  Untocfcn  ber  nit^t 
refibicrenben  Pfarrer  um  fid?,  iveld^e  irgenbtüo  bie  ©intünfte  tjerjel^rten,  tüä^renb  ein 
äxmlii}  bcfolbeter,  oft  untoiffenber  iUfar  ber  ©eeljorge  oblag,    ©rft  ber  ftarfe  SlbfaH  ber 

4o  Setjölfcrung  bon  ber  ©taatelirc^e  unb  bag  reformierenbe  (Sinfc^reiten  ber  ©taat^etoalt 
l^aben  im  19.  ^o^rl^unbert  fic^tbare  95cfferung  ^ertjorgerufen.  3?od^  im  3^^^^  18^^ 
tuaren  4000Äuraten  furniert  refibente  Pfarreien  borl^anben,  1854  nur  nod^  1800  u.  f.  to." 
a?gl.  I^ieju  3)lafotoer,  Die  35erfaffung  ber  Äird^e  t)on  ©nglanb  (S5erlin  1894),  ©.  342  ff. 
345 ff.;  tjgl.  auc^  ebenba  ©.  282  3lnm.  12.  (^.  gf.  Sacofifoiit)  Schling. 

60  Stmrn.  —  ßittcvatur:    ©efeniu^,  ßornm.  ju  3cf.,   III.  Je«    (1821),     @.  151  unb 

^QUptfnd)Iicl)  im  Thesaurus  linguae  hebr.,  p.  948—950;  ^i0ig,  Scf.  (1833)  j.  @t.;  egli  in 
.^ilflcnfelbS  3jü3:^,  53b  VI  (1863),  S.  400—410;  ßmalb,  2)ie  ^ropf).  beS  $(.  ^.,  «b  III  (1868), 
S.30.81;  9?ÖIbefe  in  Scftenfelä  SBibclleyifon,  SbV  (1875),  6.331;  9ieu6,LaBible,  VoI.III,  2 
(187G),  p.  263:  mnel^bacf),  5)er  ^rop$  3e).  (1877),  6.570;  3)ea&f(^,  S3ibl.  (Jomm.  über  ben 

66  *rüpf).3ef.(1889),  6.488 f.  m\)  bcfonberö  1879  6.  688—692;  e;i;fur^  Don  SJictor  oon  6trau6'' 
iornei)  (ugl.  aud)  be[)en  ^^luffalj  über  bie  SBcj^iefiung  be§  Sö^Dc^nomenS  ^^u  ®^ina  in  ber 
Qam  1884,  6.  33);  ^aü{\\ö),  ?(rt.  „6inim"  in  J)tie^mö  ©ibl.  ^anbmörtcrbu*  (1882);  bic 
Äommentave  uon  5)u^m  (2.  9hifl.  1902),  gWorti  (1900),  o.  Orefli  (2.  ?lufl.  1904):  9(Ib. 
Gonbamin,  Le  libre  d'Isaie  (190.'));  6ocin  in  6Jittl)e§  ihir^cm  S3ibeIioörter bu(^  (1903);  S^l^nc 

GO  in  ber  Eucyclopaedia  ßiblica  (1903). 


Siitim  387 

3;n  3^f  49,  12  bcriünbigt  bcr  ^ropl^et,  ba^  ^alpc  fein  je^^t  jcrftrcutc«  33oIf  au^ 
bcn  Drten  feiner  ©efangenfd^aft  hiebet  fammeln  merbc,  unb  fagt  in  bem  citierten  33erfe: 
„Sic^e,  biefe  Serben  bon  fem  fommen,  unb  fte^e,  biefc  toerbcn  Don  9Jorben  unb  öom 
3Reere  lommen,  unb  biefe  öom  Sanbe  ber  ©iniler"  (©inim,  D-^rD).  Sringt  man  nun 
bei  biefer  gang  tpörtlic^en  Überfe^ung  ber  ^ropl^etcnioorte  nod^  bie  untücfentlid^en  3}Jobis  6 
filationen  an,  bafe  bag  jtpeite  unb  britte  „biefe"  in  „jene"  unb  „h)ieber  anberc  (LXX: 
äXkoi  d£)  öcrlDanbelt  toirb,  fo  [teilt  fte  bie  5Heinung  be«  ^ropl^eten  genau  bar.  3)enn 
bie  3.  S3.  t)on  5lägeföbac^  3.  ©t.  Vertretene  anfielt,  bafe  bie  ^eimfe^renben  Sgulanten  ijom 
JRebner  erft  im  aßgemeinen  atö  i)on  fernl^er  fommenbe  bejcid^nct  unb  bann  nur  in  jtüci 
(ober  brci)  Scharen  jerlegt  toürben,  ijerträgt  fic^  nid^l  mit  bem  2^ejte.  ^mn  ha  breimal  10 
ber  gleid^e  2ludbru(f  „biefe"  unb  überbieg  beim  erften  unb  jh)eiten  ©a^e  ebenbiefelbe 
^nterjeftion  „fiebe"  gefegt  ift,  fo  fmb  brei  einanber  loorbinierte  3üge  bon  ijeimle^renben 
gemeint.  2)icg  lann  hjebcr  babur^  geänbert  toerben,  bafe  beim  britten  ©a^e  ba^  „fie^e" 
toeggelaflen  ift,  noc^  baburc^,  bafe  ber  generelle  Slu^brudf  „öon  fern"  gu  ben  folgenben 
f})ejieBen  Ort^egeic^nungen  lein  (Segenftücf  bilbcn  gu  lönncn  fc^eint.  SDenn  nac^  jh)ei=  15 
maligcr  SBieber^oIung  lonnte  ba«  jur  2)eterminierung  feiner  Slu^fage  glcid^giltigc  „ftel^c" 
bem  Siebner  überflüffig  erfc^einen,  unb  biefer  fonnte  aud^  erlüarten,  ba^  ber  genercHe 
Sluöbrud  „bon  fem"  nac^  ben  folgenben  fpegiellcren  Drt^bejeic^nunaen  inter})retiert  toerbc. 
—  SBie  bemnac^  brei  (fo  je^t  aud^  ö.  DrcHi  unb  ßonbamin  auc^  bom  ftro})^ifd;en  ®e- 
fic^t^t^unft)  unb  nid^t  jtoei,  fo  fmb  femer  aber  aud^  nic^t  t)ier  3wge  i)on  l^eimfe^renben  20 
S^raelitcn  unterfc^ieben  (gegen  ®u^m  unb  5!Jlarti,  bie  ba^  „bon  SJorben  ^er"  ftreic^en 
unb  bafür  ben  ©a^  „unb  jene  üom  6nbe  ber  6rbe"  einfc^alten  lüollen).  2)enn  h)eil 
bag  „biefe"  nur  breimal  ftel^t,  fo  ift  „bon  5lorben  unb  i)om  5Keere"  afe  gufammengcfc^te 
Sefd^reibung  eine«  unb  be^felben  2lu^angi^ebieteg  ^eimfe^renber  ©efangenen  gemeint: 
bie  ganje  ®egmb  be«  Storbtoeften«,  b.  \).  bie  Sinncnlänber,  ©eftabe  unb  gnfcln  ^^önijien«,  25 
©Vrien«,  Äleinaften«,  alfo  bie  'ijjim,  bie  ber  SRebner  (49, 1)  jum  2ln^ören  ber  aSerlünbigung 
aufruft  unb  toolfiin  fd^on  feit  bem  9.  ^o^^^^un^^^t  ©efangcne  t?erfauft  lüurben  (ber  erfte 
©aft  t)on  Dbab.  19  gel^ört  jur  Urfd^rift,  togl.  meine  ©inlcitung  in«  ^%,  ©.  361).  3)er 
^rop^et  tüollte  alfo  ^ier  nic^t  (h)ie  43,  5  f.)  bie  öier  §immel^egenben  nennen.  2)iefc 
breiteilige  2luffaffung  ber  ©teile  h)ar  auc^  ber  griec^ifd^en  unb  ber  aramäifc^en  ^ubenfc^aft  30 
(in  LXX  unb  iargum)  ba«  fidlere  Slement  ber  SCrabition.  ß«  liegt  alfo  aud^  fein  2ln= 
lafe  bor,  für  2;??  (meerfeit«,  b.  ^.  öon  SBeften  ^er)  ^ier  au«na^m«h)eife  mit  6^et;ne 
(The  prophecies  of  Isaiah  1884,  II,  p.  16:  „from  the  South")  bie  SJebeutung 
„bon  ©üben"  anjunelfimen.  —  Um  ben  xat  i^oxrjy  „fern"  genannten  Slufcntl^altöort 
beftimmen  gu  fönnen,  mufe  man  bebenfen,  ba^,  U)ie  ba«  geiftige  ßentmm  aud^  ber  in  aUc  35 
aBinbe  ierftreuten  3!«raelitm,  fo  bie  ibeelle  Slebnerbülfine  auc^  be«  in  SJab^Ionien  mirfen^ 
ben  (ögl.  mein  The  Exiles'  Book  of  Consolation  1899,  p.  124—142)  SBerfaffer«  öon 
3cf  40ff.  ^aläftina  toar,  h)ie  man  j.  33.  au«  40,  9;  49,  14;  52,  7  erfie^t.  SSon 
$aläftina  au«  h)aren  nun  bie  norbtveftlid^en  ©eftabe  ^^önijien«,  ©^rien«  u.  f.  W.  ijer^ 
^ältni«mäfeig  benachbart,  ijerglic^cn  mit  ben  SÜgri«^  unb  6ut)l^ratgegenben.  3)a  nun  40 
^ierbin  bie  ©efangenen  S^rael«  unb  3!wba«  beportiert  Sorben  h)aren  (2Äg  17,  6;  24, 15; 
lo  i,  10.  14:  TOnibe,  ^Öiebien),  fo  toaren  biefe  öftlid)en  ©ebietc  ber  §au})taufentl^aIt«ort 
ber  @Eulanten  unb  mußten  unter  ben  ©i^en  ber  @EuIantenfc^aft  juerft  in  Setrad^t 
fommen,  unb  e«  tourbe  be«^alb  auä)  ganj  felbftüerftänbtic^  beim  §bren  unb  Sefen  bcr 
in  Siebe  fte^enben  lejtmorte  juerft  an  fie  gebad[;t.  33on  bort  ^er  alfo  toerben  biejcnigen  46 
ßjulanten  lüanbern,  bie  „bon  fern"  fommen  follen.  —  3)ie  „fernen"  ©egenben  aber 
ümf äffen  nic^t  blofe  nad^  ber  oben  bargelegten  rid;tigen  3!)i«po[ition  bon  49,  12  ba«  Sanb 
ber  ©inim  nic^t  mit,  fonbern  biefc«  Sanb  lag  auc^  an  fic^  nid^t  im  fernftcn  Dften  ober 
©üben.  2)a«  ergiebt  fid^  au«  folgenber  Grioägung.  9Jämlid^  bie  fieser  batiertcn  ^ro^ 
bl^etien  geigen  einen  ^aralleli«mu«  ber  ©efc^ic^te  unb  bcr  9Bei«fagung  (ögl.  barüber  meine  so 
Einleitung  in«  Sil,  S.  322  f.).  3llfo  fönnen  üom  ^rop^eten  nur  fold^e  Sänber  genannt 
fein,  bie  al«  3lufentl^alt«orte  üon  ejulantcn  bereit«  im  ®cfc^ic^t«^orijonte  feiner  ^u^brer 
ober  2efer  lagen.  (Semäfe  biefem  ©runbgcfe^e  muj  id^  ba«  Sanb  ber  ©inim  al«  ba« 
(Sebiet  ber  Setoolfiner  toon  ©in  (Dgl.  biefen  3trt.),  alfo  ber  ^elufioten  unb  bc«Sanbe« 
2igW)ten  anfe^en,  tooöon  ©in  bie  nörblic^e  ©renjfcftung  unb  ber  ©d^lüffel,  ber  ainfang«-  55 
pnnit  unb  ba«  ©mbtem  (ügl.  3^f  l^^  1^0  h)<i^-  l^nb  toelc^e  relatit)  ^eröorragenbc  Se= 
beutung  l^atte  ba«  mit  ©in  beginnenbe  Unteräg^pten  für  bie  (gjulantcnfdhaft ! 
3Dlan  üergleic^e  boc^  nur  3cr42,  Iff.!  Sluc^  bejeic^net  (um  bie  getoö^nlic^cn  ßinmänbc 
abjufc^neiben)  7"^«  ganj  flcine  Se^irfc  (mie  ba«  „Sanb  3Ja^^taIi"  ^ef  8,  23),  unb  biefc« 
aSort  tüirb  aui)  bertoenbet,  h)o  fein  aiu«bmd  ber  feftftel^enben  geogra^j^ifc^en  Icrmino^  eo 

25* 


388  Stnint  Stunbilber 

logic  vorliegt  (togl.  ,,bctn  Sanb,  o  gnin^anucl!"  3i^f  Ö,  8).  3)iefc  toon  mir  burd^  ben  oben 
fligj^ierten  ©cbanlcngang  gctüonnenc  Sluffafjung  t)ertrat  aber  auc^  ba^  3:argum  mit  „t)om 
Sanb  be«  ©üben«"  (w^^^^'i^'J  n^fp,  bgl.  a.  berliner,  Scittäge  jur  ^cbr.  ©ram.  u.  f.  h)., 
©.  56);    §ieron.   „de  terra  australi";    SRafd^i   „bom  Sanb  ber  ©übUd^en";    ebenfo 

öSDaöib  Äimc^i,  gbn  g^ra;  SSoc^art  (Phaleg  4,  27):  ©tüalb;  Sunfen«  SJibcItoerf  bei 
3ef  49,  12.  2)ie  ^efd^ita  behält  Sinim  (?©enim)  bei,  nur  bafe  bie  ^anbfd^riften  ^trifc^en 
„bom  3Hcere  ©inim"  unb  „bom  2anbe  ©inim"  tped^fcln  (bgl.  ®.  ©iettric^,  Apparatus 
critieus  jnr  ^eSitto  bc«  ^xopf).  3ef.  1905,  ©.  169).  Übrigen«  a"^5.19  (Setoenim)  ober 
C"»?!?    (©etoinim)   mit  Äloftermann    (Deuterojefaia    1893),    G^e^ne  (ginl.  in  b.  S3uc^ 

io3ef.l897,  ©.279f.),  3Karti (1900),  6obb  (On  Integrating  the  Book  of  Isaiah  1901, 
p.  82)  unb  ©ocin  (in  ®ut^e«  ÄSSBb.  1903)  ju  forrigieren,  ift  um  fo  hjeniger  rid^tig, 
ba  J7?:^5  (©5  29,  10  u.  30,  6)  unb  7?  (30,  15  f.)  jtoei  t^erfc^tebene  Drte  ägVJJten« 
jtnb.  —  I)a«  oben  ertoälfinte  Ifiermeneutifd^e  ®runbgefe|  betreff«  ber  ^rot^^etenreben  lie^c 
e«  gtoar  aud^  ju,  bafe  biein®enlO,17  genannten  ©initer  ber  })lfiönijifd^en  Äüfte  gemeint 

15  toären  (2)ul^m);  aber  biefe  ift  fd^on  in  bem  3tu«brudE  „bom  5Keere"  mit  inbegriffen,  unb 
bie  bon  35ul^m  aufgeteilte  ^\^poti)t\^,  bafe  Sieuterojefaia  felbft  unter  ben  „Jj^önijifc^en 
©initern"  gelebt  Ifiabe,  ift  in  meinem  The  Exiles'  Book  etc.,  p.  122  f.  gc))rüft  Sorben. 
9lad^  jenem  l^ermeneutiteen  ®runbgefe^  fönnte  aud^  ber  Äurbenclan  ©in  gemeint  fein, 
für  ben  @gli  pläbiert  l^at  („bie  ©in  im  9legierung«bejirf  Äerfü!  in  ber  ^robinj  S3agbab")r 

20  loenn  nur  biefer  ©tamme«name,  faß«  er  toirllic^  alt  ift,  für  bie  ®efangenen  S^rael«  bon 
befonberer  Sebeutung  unb  barum  für  bie  §örer  ober  Sefer  biefer  $ro))l9etie  eine  belannte 
®rD6e  toar.  ^ann  iüäre  aber  ju  ertoarten,  ba^  t)on  ben  ©kulanten  in  bie  fem  ©in 
mc^r  bie  9kbe  fei.  Sei  bem  befannten  ©in  al«  einem  Vertreter  Unteräg^})ten«  lag  bie 
©ac^e  anber«.  —  ©d^on  jene«  ®runbgefe$  ber  9Bei«Jagung«au«tegung  geftattet  aber  hrnd}-- 

26  au«  nid^t,  an  ß^ina  jiu  beulen.  S)enn  jur  3<^i^  ^^  ©ntftel^ung  bon  3^  49#  12  batte 
e«  nod^  leine  ßintoanberung  öon  ^v!t>cti  in  ß^ina  gegeben,  unb  aud^  ß^e^ne  toagt  nid^t 
mel^r  gu  fagen,  al«  bafe  nac^  3"f^^f^^"  ^^  ©^nagoge  t?on  Äai-fung^fu  (ber  §au))tftabt 
bon  ^onan,  ber  centralften  ^robing  be«  d^inefxfd^en  SReic^e«)  ^uben  in  ßl^ina  fic^ 
„lüenigften«"  im  3.  borc^riftlic^en  ^^^^^wnbert  niebergelaffen  ^aben,  unb  je^t  fagt  er  in 

30  ber  Enc.  Bihl,  c.  4644  einfad^  y,Ghina  became  known  too  late".  @«  ift  aba 
überl&au})t  unmöglich,  bafe  ber  SSerfafjer  bon  gef  49,  12  mit  C'rP  ben  heutigen  Flamen 
ber  Setoo^ner  be«  Sleic^e«  ber  3Jlitte  meinen  unb  tranfcribieren  fonnte.  3)enn  ber  mit 
einem  tönenben  (fog.  toric^en)  ©ibilantcn  anlautenbe  9lame  ©inefen   !am   crft   feit  255 

.  b.  Gl^r.  auf.    3luc^  31.  b.  ®utf^mib  fann  in  ßbm®  34,  208   (öal.  39,  132)   nicbt  bc= 

35  hjeifen,  bafe  bie  ß^inefen  überl^au})t  fd^on  toorl^er  nad^  ber  nörblic^en  ^^robinj  2:l^in  ge= 
nannt  toorben  ftnb,  unb  auc^  in  ber  Jewish  Encyclopedia  IV  (1903),  p.  33  f.  lann 
nic^t«  toeiter  gefagt  toerben  al«  folgenbe«:  Die  Irabition  ber  d^ineftfd^en  guben  felbft 
fül^rt  bie  erfte  ßintoanberung  bi«  mr  ^an^D^naftie  (206  b.  —201  n.  ß^r.)  unb  nod^» 
genauer  auf  bie  ^t\i  be«  Äaifer«  ^King^ti  jurüdf  (9JJöllenborf,  9Jlonat«f(^rift  für  ®efc^. 

40  unb  SBifJenfd^aft  be«3ubentum«  1895,  ©.329),  unb  fie  leiten  i^re  Religion  bon  3«^icn 
ber.  SBenn  33ictor  toon  ©trau^-Siorne^  femer  meint,  bie  SJetoobner  be«  Sleic^e«  ber 
5Dlittc  fönnten  fd^on  toorbcr  naä^  bem  ijon  ihnen  l^äufig  gebrauchten  schin  burc^  bie 
9iac^barn  genannt  unb  biefe  Benennung  fönnte  a\x^  ben  inbifc^en^äfen  ober  burc^  2anb= 
faralüanen  ober  burc^  ©Haben  nac^  Säbel  getragen   toorben   Jein,  fo   hjürben   h)ir  im 

45§ebr.  ein  c-^rd  (schinim)  ober  tocnigften«  c-^ri  (zinim)  ertuarten,  toeil  c  i>on  bem 
genannten  ©elel^rten  unrid^tig  al«  ber  fog.  „lüeid^e"  ©ibilant  aufgefaßt  toirb.  2Bic 
ß^e^ne  in  ber  Enc.  Bibl.,  c.  4644  fagen  lann  „toir  toürben  c-ri:  eriüarten"  ift  un= 
toerftänblid^,  ba  ^  ja  ben  em^j^atifc^en  Sibilanten  (s)  unb  jebenfatt«  auc^  nid^t  ben  ^ril- 
fatiülaut  ts  bejeic^net.    2llfo  bie  l^auptfäc^lic^  ijon  ®efeniu«  unb  feit   t^m  bon  melen 

50  ^nte^reten  ($i^ig,  Änobel=S)ieftel,  9?äg.,  2)el.,  früher  auc^  ßl^e^ne,  b.  DreHt  1904),  au* 
bon  Hau^fd^  foh)ie  Saffen  vertretene  2tnfid)t,  bie  in  bie  %mi^  fd^toeifenb  ©inim  mit  ben 
ß^inefen  ibentifii^iert,  mufe  al«  nid^t  Weniger  un^uläffig  erfc^einen,  toie  bie  nac^  bem 
näc^ftliegenben  Quidproquo  greifcnbe  Interpretation  ber  LXX:  „au«  bem  Sanbe  ber 
^erfer".    9?ac^  ben  obigen  2)arlegungen  fann  e«  mir  aber  auc^   nid^t  einleud^ten,  baft 

56  man  mit  9?ölbefe  unb  SReufe  bei  einem  non  liquet  fte^en  blriben,  alfo  j.  S.  mit  bem 
erfteren  urteilen  müfete:  2Bir  fönnen  unmöglich  äße  ®cgenben  unb  SSölfer  fennen,  bie 
bem  Hebräer  bamal«  al«  im  fernften  Cften  ober  ©üben  liegenb  erfc^ienen.   &.  ftSnig. 

Stnnbüber   (^erfonififationen)  ber  c^riftlid^en  Äunft.  —  g.  $ipcr,  ®tut6u= 
logie  inib  ©ijmbolir  ber  d)riftli(^en  ^m\t,  Scimav  1847,   2  3Jbe;    ^.  Otte,  Äunftardjäologic 


Sinnhüitt  389 

beö  bciitfcfjcn  Mittelalter^,  5.  ?(iifl.  fieip-^ig  1883—85,  2  ©be;  QJrimouarb  be  ©aint^fiaurent, 
Guide  de  Fart  chretien,  $Qri<^  1872  ff.  5  ©bc;  9(uber,  Histoire  et  th^orie  du  symbolisme 
religieux  avant  et  depuis  le  christiaDisme,  2.  9lufl.  ^ariö  1884,  4  Öbc;  3-  ^'  *lflen,  Early 
Christian  Symbolisme  in  Great  ßritain  and  Jreland  before  the  13^  Century,  fionbon  1887 ; 
)ü.  öloquct,  Elements  d'iconographio  chr^tienne,  SiÜe  1900;  3-  ^-  ©effell),  3^»J"ograpöie  5 
(öotteö  imb  ber  :^iligen,  Seipjig  1874;  &.  ^e^el,  ei)riftUcf)c  3fünograp^ie,  grciburg  1894.06, 
2  33bc;  $).  ^ergner,  Äird)Iici[)c  Äunftaltcrtümer  in  2)cutfc^Ianb,  fieipi^ig  1903—1905.  3)a^ii 
bie  großen  funftgcfd)ic^tlid)en  ®cr!e,  baruntcr  in  erfterfiinie  g.  3f.^raii$,  ÖJefc^i(^te  ber  d)rift- 
litten  ^unft,  greiburg  1896  ff.,  3  ^be,  unb  ^Q^lreidjc  3)lonograp^ien. 

35ur(i^  bie  ganje  ©efc^ic^te  ber  d^riftlic^en  Äunft    gel^t  neben  ben  auf  unmittelbare  lo 
aSirlung  geftimmten  ©arfteUungen  ba^  feinen  '^nf)ali  me^r  ober  minber  nur  anbeutcnbe, 
ein  getpifJciS  innere«  SSerftänbni«  jtoifc^en  jtd^  unb  bem  Sefd^auer  öorau^fe^enbe  ©^m= 
bol,  ©innbilb.    35te  ^riftlid^c  Äunft  befinbet  fu^   in  btefer  ^inftd^t  auf  ber  einen  Seite 
in   Übercinftimmung  mit    ben  ^ejc^id^tlic^en  ©rfc^einung^formen  ber  Äunft   überlfiau})t, 
anbererfeit«  aber  l^at  ber  ber  relxgiöfcn  ^^antafie  unb  ©t^rad^c  be«  ßbnftentum«  unb  ber  i6 
Äirc^e  eigenartige  aufeergehjöl^nlic^e  JReid^tum  an  Symbolen,  ©leic^niffen,  aillegorien  unb 
X^pologien  auc^  eine  befonber«  fräftige  unb  erfolgreid^e  SBirfung  auf  bie  Äunft  ausgeübt; 
aud^  bie  Xl^eoloaie  ^at  il^ren  beftimmten  Slnteil  baran.    SSorjüglid^  ertoie«  fw^  ber  ftarl 
au«ge})räate  t^raftifd^-religiöfe  3ug  ber  mittelalterlid^en  Äunft  m  biefer  SRiAtung  frud^tbar. 
3n  frü^^riftlic^er  ^^it,  bereinjelt  aud^  nod^  in   ben  anfd^Iiefeenben  ^a^r^unbertcn,   finb  20 
neben  genuin  c^rifthd^en  SSorftellungen  auc^  antue  Überlieferungen  toirffam  getpefen. 

3n  ber  2luffinbung  unb  35eutung  ber  Äunftf^mbole  ift  nid^t  immer  bie  nottüenbige 
aSorft^t  in  ber  Unterf^eibung  beffen,  h)a«  auöfc^liefelid^  ber  Sitteratur  unb  tpa«  ber 
Sitteratur  unb  ber  Äunft  ober  biefer  allein  angel^ört,  geübt  tporben.  35ie  Siturgiler  j.S3. 
bc«  3BitteIalter«,  §onoriu«  toon  3tuguftobunum,  ©icarbu«,  Duranbu«,  um  nur  bicfc  ju  25 
nennen,  bedfen  fid^  in  i^ren  f^mbolifc^en  2lu«beutungen  nur  ju  ganj  geringem  leile  mit 
ber  fmnbilblid^en  ©^rac^e  ber  Äunft.  %üx  ba«  ^Mittelalter  ^aben  m  erfter  Sinie  fran« 
jöfifc^e  ©elel^rte  (Sanier,  Dibron  u.  a.),  für  bie  frül^c^riftlid^e  ^eriobe  beutfd^c  t^roteftan^ 
tifc^e  ^orfd^er  an  ber  Söfung  ber  aufgäbe  gearbeitet. 

I)ie  frül^d^riftlid^e  Äunft.  —  gricbr.  gjluntcr,  6innbilber  unb  Äunftüorftenungcu  30 
ber  alten  C^^riften,    9lItona  1825    (veraltet);   @mitö  unb  (S^eet^am,   Dictionary  of  Christian 
antiquities,  Sonbon  1876 ff,,  2  5Bbc;  g.  X.  .#rau§,  9leaIenct)fropäbic  ber  d)ri|tlid)en  ^Utertumcr, 
Sreiburg  1882 ff.,  2  ©be  (fatöolifdi^trabitionefl);   ^Bictor  Sd^ultc,  ^trc^SoIogifcfte  ©tubien  über 
nltd)riftnd)e  Monumente,  5Bien  1880    (I:   ^volegomena    über  bie  @t)mboIif  bt^  alt(^riftnd)en 
iöilbcrtreifee);  ^Irdjöologic  ber  altd^riftUc^en  »tunft,  9Kün(6en  1895;  (iJ.  ^einrici,  3"^*  2)cutung  35 
ber  iöilbiücrte  alldjriftlidjer  QJrabftätteu,    Xt}<Bi^  1882,  IV,  720 ff.;    91.  ^afencleuer,  2)er  alt= 
d)riftlid)e  ÖJräberfc^miicf,  S3raimfd)iüeig  1886;  S.  4)cnne(fe,  ?lltd)riftlic^e  Malerei  unb  oltürcft^ 
lic^c  IMtteratur,  Seipjig  1896;  <^.  md^d,  ®ebet  unb  93ilb  in  früt)d)riftli(6er  Seit,  Seipjig  1902; 
3.  "©ilpert,  3)le  SJialereien  ber  Äatafomben  JRom«,  Sveiburg  1904,   2  5Bbe;   g.  Gabrol,  Dic- 
tionnaire  dWchdologie  chrdtienne  et  de  liturgie,  ^Qri§19Ö3ff.  (im  (Srfc^einen) ;  ß.  3K.  ilaufs  40 
mann,  .^anbbud)  ber  cftriftlirfien  9(rd)(ioIogie,  ^aberborn  1905. 

5ür  bie  Dorfonftantinifc^e  ^c\t  ift  man  faft  au^fd^liefeltd^  auf  bie  fe})ulfrale  5Kalerei 
angetoiefen  (f.  ben  2lrt.  TOalerei  XII,  111).  2)ie  ©efd^ic^t^ergäl^lung  berfelben  ift 
toef entließ  f^mbolifd^:  bie  barin  auftrctenben  alt=  unb  neuteftamentlid^en  ©cenen  bringen 
in  öoHem  3wfö"^'"<^^an8<^  ^^^  ^^"^  religiöfen  6mj)finben  ber  ©emeinbe  3^"!^*^^^'^^*  ^ 
ftellungen  unb  3«"f^it«^offnungen  gum  2lu^brudE  (fo  juerft  ber  SSerfaffer  a.  a.  D.).  Sigen^ 
Reiten,  bie  mit  biefem  ©toffe  gar  nic^t  ober  nur  lofe  jufammen^ängen,  fügen  fic^  mit 
bcmfelben  3n^alte  an.  2)ie  3al^l  ber  aufeer^alb  bicfe^  fe})ulIral=f^mbolifc|en  6i;^lu^  faßen« 
ben  ©tüdfe  ift  anfangt  fel^r  gering.  3)ie  früher  allgemein  ijorauögefefeten  unb  in  ber 
^olemif  gern  t)ertüerteten  le^r^aften  Se^ie^ungen  auf  bie  jeitgenöffifc|e  3)ogmatif  unb  so 
et^il  —  bie  fat^olifd^e  trabitioneHe  2lnfc^auung  unb  ^rajig  —  fmb  ebenfo  unifialtbar, 
U)tc  birelte  3tn!nü))fung  an  einen  beftimmten  neutcftamentli^en  ©cbanfen  (§einrici)  ober 
bie  Seugnung  einer  urft^rünglic^en  ftombolifc^en  3h>^dt6eftimmung  überl^aujjt  (§afenclet)er). 

9lofen,  Slütenjtpeige,  blumige  3lucn  unb  Säume,  befonber^  bie  $alme,  öerfmnbilben 
ba^  ^arabie« :  feinen  ßingang  bejeid^nen  jmei  Pfeiler  ober  aud^  (in  fpäterer  ^^t)  ^tüei  55 
mächtige  ficucpter.  3lod)  beutlic^er  tüeift  bal^in  ba^  2amm,  auf  einem  Serge  fte|enb,  au^ 
bem  bie  öier  §8arabiefe^ftröme  fid^  ergießen;  auc^  ber  3orban  tommt  in  biefem  3ufan^n^cn- 
l^ange  i)or.  (Ä.  DJJaria  Äaufmann,  2)ie  fe)3ulfralcn  3cnfcit^benfmäler  ber  2lntiYe  unb  be^ 
Urc^riftentumö,  5Kainj  1900).  3"  unmittelbarem  innem  3"f^^"^^"^ö"Ö^  ^^"^^^  ^^^¥ 
ber  ®ute  §irt,  biefe«  beliebtefte  ©innbilb,  gebac^t  al^  §err  unb  Sefd^irmer  ber  SEotcn  60 
(§.  Sergner,  Der  (Sute  §irt  in  ber  altd;riftlic^cn  Äunft,  Serlin  1890).  Die  .^erbe,  bie 
futf  um  i^n  fammelt,  ift  bie  (Semeinbe  ber  (Sntfd^lafenen,  unb  ju  i^r  ge^ijrt  baö  Sc^af 


390  @ttitibilber 

auf  feiner  Sd^ulter.  ^o^  fommt  ba^  ©c^af  aud^  lo^elöft  Ijon  biefem  ^wfömmenl^angc 
afe  Sinnbtib  Uor:  bie  ^tDöIfjal^l  be^eid^net  bie  at)ofteI  (Dgl.  9Rt  10,  16),  ba«  Samm 
in^befonbere  ßl^riftuö  unb  jtüar  ate  ba«  Dt)fetlamm;  augnal^nnSh?cifc  tritt  auf  bem  be^ 
lannten  ©arfo^j^age  bc^  3""^"^  Saffu^  ba^S  Samm   für  ben  h?unbert^ucnbcn  3cfu^  ein 

5  (3iSIl©  1896).  2)er  %i]d),  eine«  ber  ältcften  ©^ni^ole,  gel^ört  ebenfall«  l^icrl^er,  infofem 
er  bie  nUiftifd^e  ©cmeinfc^aft  auöbrüdt,  tüelc^e  baö  1^1.  SJia^l  mit  bem  §errn  l^erftcHt  unb 
bejjen  ^vruc^t  bie  ä(p&aQoia  ift  (SJictor  ©c^ul^e,  ärc^äologie  b.  altc^riftl.  Äunft  ©.173; 
3(cbeli«,  3)a«  ©i;mbol  be«  gifc^e«,  ^Karburg  1888).  ^ie  Umfe^ung  in  ein  Sefcnntni«: 
JXOY^  =  'Ir]öovg  Kgiorog  Geov  Ylog  Zcoxyiq  ift  erft  im  4.  3io'^^'^w"^<^  nac^tvei^- 

10  bar.  ^ie  Sejeid^nung  pisciculi  für  bie  ßl^riften  (3:ertuH.  de  bapt.  1)  fc^cint  in  bie 
Äunft  nid^t  übernommen  ju  lein,  ©er  SBeinftodE,  fc^on  im  2.  ^o^'^'^wnbert  auftretenb, 
be^ie^t  fid;  enttüeber  auc^  auf  ba«  9lbenbma^l  in  ber  angegebenen  SBirfung,  ober  er  fteflt 
bie  £eben«gemeinfc^aft  mit  G^riftu«  über^aujjt  Dor  nac^  3^15/^ff-  3)ie  laube  afe 
©Vmbol  be«    l^immlifc^en  ^rieben«  mit   ober  o^ne  Öljtoeig  orbnet  fic^  ^ier  Ijcrftänblic^» 

15  ein;  öfter«  freiließ  ift  fie  blofec«  Ornament,  unb  baneben  fteHt  fie  ben  bl.  (Seift  bar.  2)a«' 
felbe  gilt  bon  ben  ©innbilbem:  $alme  (Dffenb.  7,  9)  Äranj  bejh?.  Ärone  (1  Äo  9,  25; 
2  sei  4,  8)  unb  3(nfer  (§br  6,  19).  3)en  $fau  befi^t  bie  antife,  jübifc^e  unb  c^riftlic^c 
Oräbcrf^mbolif;  bie  Deutung  ift  unfid^er  ($.  ©c^ul^e,  Slrd^äologie  ©.  180),  aber  ieben= 
fall«  nid^t   a\x^  ber  d^riftlid^en  3SorfteIIung«h?elt  ju   erl^eben.     3!)a«felbe  gilt    toon   ben 

20  ©irenen,  ®io«furen  unb  6ro«  unb  ^ßf^c^e,  too  ber  attgemein  fet)uI!ral5f^mbolifc^e  3^^'^ 
ol^ne  9lefle?ion  unb  abgeblaßt  au«  ber  2tntife  ^erübergenommen  ift;  be«gleid5^en  Don 
ber  Crp^eu«figur,  bie  feinerlei  Sejug  auf  ß^riftu«  nimmt,  fonbem  enth)eber  a\x^  ben  Dr^ 
^l^ica,  ben  angeblicben  Sejeugungen  be«  d^riftlid^en  3JlDnotl^ei«mu«  ober  a\x^  ben  bie  Un= 
fterblic^feit  Uergetoiffernben  or))l^ifcl^en  3W^fterien  fid^  erllärt    (31.  Jpeufener,   ^ie   altd^rifl= 

26  Iid;en  Drt)l^eu«barfteIIungen,  6af[el  1893).  ©c^iff  unb  Seuc^tturm  berfinnbilben  bie  gabrt 
jur  (Stoigfeit,  ber  §irfd^  ba«  ©eignen  ber  ©eele  nac^  bem  einigen  ^rieben  ($f  42,  2),  l^er= 
nad^  lüurbe  er  nid^t  in  bemfelben,  aber  in  äl^nlid^en  ©inne  eine  beliebte  2)arftenung  in 
ben  Sa})tiflcrien.  Ob  bie  betenben,  meift  toeiblid^en  »^iguren,  bie  fog.  Dranten,  bie  in 
ber  Stegel  Porträt«  ber  2^oten  fmb,  bereinjelt  ba«  c^rijtlid^e  Oebet  al«  folc^c«  au«brüdtcn, 

30  ift  nic^t  untoal^rfc^einlidf);  ^erfoniplationen  ber  Äird^e  fmb  fie  in  feinem  ^atte.  SReligiöfc 
Bd)m  bermieb  bie  })erfönli(^e  ^^arfteHung  Ootte«;  bafür  trat  bie  aui  ber  $öl^c  gererftc 
§anb  ein,  toeld^e  in  f})äterer  ^z\i  ein  9Jimbu«  umjiel^t  ober  bon  toeld^er  ©trabten 
au«ge^en. 

i)em  toeltlic^en  ©ebiete  gehören  an  unb  nehmen   i^ren  ^vüiali  a\x^  bem  SJamen, 

35©tanbe,  ©etoerbe  u.  a.:  Sötoe  (Leo),  äbler  (Aquilina),  5ßferb,  SBage,  Sot,  gafe, 
Snftrumente  (B^nge,  Jammer,  ©äge,  ^Keifeel  u.  f.  h?.,  frül^er  al«  SKärt^rerinftrumcnte 
angefeuert),  ®efd^irr,  ©^iff  u.  f.  to.  (c.  2.-5.  3^1^^^w"^^0- 

W\i  bem   3lu«gange  be«  4.  S^br^unbert«  beginnt  bie  äuflöfung   ber  fc})ulfaalen 
Walerei  unb  bamit  ber  faft  böUige  Untergang   i^rer  ©^mbolif.    änbererfeit«  treten  in 

40  unb  nad^  bem  fonftantinifd^en  3^^*^'^^  neue  ©tüdfe  auf.  ^ie  toic^tigeren  fmb:  ba^ 
3Konogramm  ßl^rifti;  h?elc^e«  mit  bem  ©icg  Äonftantin«  über  SRajentiu«  auflommt  (f.  b. 
Slrt.  Sb  XIII,  :i67),  ba«  Äreu^,  A—ü,  allein  ober  in  SJerbinbung  mit  jenen  beibcn 
(f.  b.  3Irt.  93b  I,  1),  ba«  §afenfreuj;,  fog.  ©Daftila  PJJ  («.  ©c^ul^e  in  G^riftl.  Äunftbl. 
188:],  ©.  50  ff.),   ein   antife«   })ro^^^Iaftifc^e«  3^^^^"/    ^^^  ©bangeliftenf^mbole  (6ngcl, 

45  Sütoc,  ©tier,  3lbler),  cnttoidfelt  a\x^  ©ii  1,  10  unb  3l^f  4,  7  (I^.  3a^n,  gorjd^ungen  jur 
@cfd)icbte  b.  ncut.  Äanon«  unb  ber  altfird^I.  SJitteratur  1883,  ©.  257  ff.),  ber  $^ijnir, 
ioeld^e  bereit«  im  1.  ÄIemen«brief  c.  25  mit  ber  c^riftlic^en  3luferftel^ung«l^offnung  in 
i^erbinbung  gebracht  ift,  ber  3lbler  in  bemfelben  ©inne.  35er  Äantl^aru«,  a\xi^  toelcbem 
älUnnranten  ent))ortoac^fen  (oft  auf  rabennatifc^en  ©arfo^l^agen)  toill  an  ba«  1^1.  Slbenb^ 

Bo  ma(;l  erinnern.  3;m  Dlimbu«  (f.  b.  airt.  93b  VII,  559,  befonber«  aber  31.  Ärüde,  3:^er 
Üümbu«  unb  bcrtoanbtc  3Jttribute  in  ber  frül^d&riftlid^en  Äunft,  ©trafeburg  1905),  toirb 
feit  bem  4.  !3al^rF)unbert  ^uerft  bie  ©öttlid^feit  ß^rifti,  bann  bie  l^öl^ere  SDSürbe  bergngel, 
ber  3(voftel  unb  ber  ^eiligen  beutlid)  gemacht,  ©erlangen,  3)rac^en  unb  anbere«  Ungetiet 
}}x  ben  güfeen  (Sbrifti  ober  Dom  ga^nenfpeer  be«  Äaifer«  burc^bo^rt  ftetten,  gemäft  bei 

6r>  @cfd»id;te  be«  ©ünbenfaD«,  XKxi)  $f  91,  13  unb  nac^  geläufiger  93ilberft)rac^c  bc«  5J2e 
(31))!  12,  9;  20,  2  u.  fonft)  ben  SCeufel  unb  feine  ®ef eilen  bor. 

3in  ber  Skgel  toerben  aufeerbem  in  grijfeerer  ober  geringerer  3^^!  2)arftellungen  biet 
einbezogen  (fo  auc^  in  bem  Slrt.  ber  2.  SlufL),  bie  enttreber  über^au})t  feine  ©innbilba 
finb  ober  bem  -ÜJittcIalter  angefroren  (ßibedbfe,  ßic^l^orn,  6^>^reffe,  93runnen,  §unb,  Sling 

60  u.  f.  to.).    3tu«jufc^eiben  finb  a\x6^  bie  rein  ](>eibnifc^en  ©^mbole,  Xodift  bem  ^\x]cSl  unb 


(SititibUber  391 

einem  rein  meci^anifd;en  SJer^alten  il^r  3SorIommen  in  ber  alte^riftlid^en  Äunft  bcrbanfcn 
unb  leinerlei  Sljfimilierung  erfahren  ^obcn:  bcr  6roö  mit  gefenfter  g^adel,  ber  äöWc  a(g 
S\)n\bol  be«  atte^Derfc^Iingenben  lobe^ungel^euer^  (93eif})iele  bei  ©arrucci,  Storia  dell'arte 
cristiana  V,  295.  297.  299  u.  fonft),  bo«  ®oxQomnf)aupt,  ber  Oranata^fcl  (Attribut 
ber  ^erfe}}^one).  ^oc^  mufe  jugeftanben  h?erben,  bafe  bie  innerlich  trennenbe  Sinie  l^ier  6 
nic^t  mit  Sid^erl^eit  ju  jielj^en  ift. 

eine  ^ö^ere  entlüidelung^ftufe  ber  lünftlerifc^en  ©^mbolif  bejeic^net  bie  ^ßerfoni* 
fifation,  bie  ßrfe^ung  be^  einfadj^en  gcid^end  burd^  eine  menfd^lid^e  %\^nx.  ©ie  ift  inJ^altg- 
t)oIIer  unb  rubt  auf  tieferer  (Srlpägung.  3)ie  Slntife  bot  ber  c^riftli(|en  Äunft  eine  reiche 
?füUe  bon  ^erfonififationen,  unb  biefe  f)ai  ^id)  bemgegenüber  faft  nur  reje})tib  berl^alten.  lo 
öine  nacfte  ^albfigur,  bie  einen  ^e})Io^  im  Sogen  über  bem  ^aiüpic  gefjjannt  ^ält,  auf 
toclc^en  ber  tl^ronenbe  ß^riftug  feine  Äüfee  fe^t  {Bavtopi)aQ  be^  ^wniuö  Sciffu^),  ift  ber 
§immel  (2t®  7,  49).  ©onne  unb  SWonb  erfqeinen  ate  ©c^eibe  unb  ©c^eibenteil,  aber 
and)  auf  einem  äöagen  mit  beflügelten  Slofjen  fä^rt  ©ol  am  girmament  auf,  ober  er 
U>irb  ate  33üfte  gebilbet  mit  ©tra^IenJ^autot  unb  ebenjo  Suna  mit  ber  ©id^el  auf  bem  i6 
§aar  ober  ein  ©eloanbftüdf  im  Sogen  über  fic^  fd^toingenb.  3Weer  unb  glüffe,  im  be^ 
fonbem  galle  ^ier  bag  9lote  SReer  unD  ber  ^orban,  jeigen  fic^  afö  Eingelagerte  mann« 
lic^e  ©eftalten,  baneben  eine  3Safe,  au^  ber  SBaffer  f})rubelt.  2lud^  bte  DueHn^m))l^e 
fe^lt  nic^t  (33.  ©c^ul^e,  airc^äologie  ©.  189,  gig.  58).  ßine  fi^enbe  grauengeftalt  mit 
3Wauerfrone  giebt  bie  ©tabt  h?ieber.  ^n  ber  ^ßerfonifilation  ber  3iaEi^^^J^i*^i^  fitt^  bi<5  20 
$oren  bermieben,  bafür  fmb  ^utti  eingeführt.  SBenn  in  aüm  biefen  fallen  bie  2lntife 
ma^gebenb  getoefen  ift,  fo  bietet  un§  ber  ßobej  SRoffanenfi^  in  ber  $erfon  ber  SBei^^eit, 
genauer  ber  Snfriwtion  (2tugg.  Don  ^afeloff  3:af.  14),  eine  eigentlich  ^riftlic^e  ©c^öjjfung; 
ein  c^riftlic^e^  (Sebilbe  ift  axid)  bie  ben  iob  ^erfonifijierenbe,  auf  einem  ©arIo]pl^age 
fi|enbe  l^albnadte  ^üngling^geftalt  in  ben  ^Kuftrationen  jur  „ßj^riftlic^en  %o)ßOQxapl)xe"  26 
be^  Äo«ma8  3nbifo})leufte«  (®arr.  III  2:af.  142  ff.).  3Son  ber  ^ßerfonifilation  be^S  ®ebet« 
n>ar  oben  bie  Siebe;  anbere^  ift  unfid^er  (S.  Bd)\xl%  Slrd^äologie  ©.  377). 

2) ad  9)littelalter.  —  e^.  eal)ier  unb  91.  SKartin,  M^langes  d'arch^ologie,  d'histoire 
et  de  litt^rature  sur  le  moyen-age,  $arid  1847 — 1856;  Nouveaux  m^lanees  1874—1877; 
Xib ron,  Iconographie  chr^tiennc.  Histoirc  de  Dieu,  $ari§  1843;  Manuel  d'icoiiographie  30 
chr^t.,  grecque  et  latine;  ®.  .J)eibev,  Heber  2:icril)mbolif  unb  ba§  ©l^mbol  be§  ßöiocn  tu  ber 
djriftlicöen  Äunft,  58ien  1849;  51.  Springer,  Ucber  bie  üuellen  ber  ÄunftbarfteHuugcn  im 
Mittelalter  ,(«cr.  über  b.  SBer^anbl.  b.  ^qI  @äd)f.  ®ef.  b.  3B.  XXXI,  @.  1  ff.,  Seipstg  1880; 
S.  iJiüntj,  Etudes  iconographiques  et  arch^ologiques  sur  le  moyen-age- 1,  ^ariö  1887; 
Saucftert,  @\efcöict)te  besJ  $f)l)fiologu^,  Straßburg  1889;  3o^.  @trai)gott)§tt,  ^er  iöilberfreiö  beö  35 
gricdiifc^en  ^JJ()i)fiüIogug  be§  Äoema«  3nbifopleufte§  unb  Oftateud),  Seipaigl899:  e.<B.  (Süonö, 
Animal  symbolism  in  ecclesiastical  architecture,  fionbon  1896;  @m.  5JiäIc,  L'art  religieux 
du  Xlllsi^le  en  France,  ^ariö  1896  (inbaltrcid)) ;  3o^.  6auer,  @t)mboIif  bc§  Äird)cns 
c^eböubed  unb  feiner  9lu§ftattunn  in  ber  ^luffaffung  beS  SKitteklter^,  Jreiburg  1902. 

^m  3Wittelalter  erfolgt  ein  mäd^tiged  ©inftromen  neuer  Silber  unb  3t>ccn  in  bie  40 
Äunftf^mbolif.  Slu^er  ber  ^l.  ©d^rift  unb  ber  ^rebigt  Serben  bie  Siturgie  unb  bie 
liturgifc^en  ©c^riftfteHer,  bie  Jpeiligenlegenbe,  ba^  geiftlid^e  B6^au\pkl,  bie  5!Koralitäten, 
bie  2:ierfabeln,  unter  le^tem  befonberg  ber  antif^d^riftlid^e  $l^l;fiologug,  bie  boll^tümlic^e 
^^antafie,  aber  auc^  bie  ®elel^rfamfeit  ergiebige  Cluellen.  StUerbingg  ift  bon  bem  über= 
axi^  reichen  SWaterial  nur  ein  Heiner  Srud^teil  in  bie  Äunft  umgefe^t  toorben,  bod^  übers  45 
l^olt  biefer  an  Umfang  loeit  ben  Sefi^  ber  borl^ergel^enben  ^eriobe. 

3)a«  3)l^fterium  ber  2^rinität  umfd^rieb   man    je^t    burd^   ein  gleid^feitige^  SJreied, 
burc^  brei  ineinanbergefd^lungene  Slinge  ober  auc^  brei  gleid^mäfeig  geftaltete,  f^mmetrifc^ 
aneinanbergefügte  liere,  trä^renb  bie  ältere  ©i;mbolif  baran  borübergegangen  tpar.    ^n^ 
fc^riften  berbeutlic^en  gelegentlid^  ben  ©inn.    (Srft  gegen  2lu^gang  be«  3Kittelalter^  f ommt  60 
ba«  breilö})fige  ®ebilbe  auf,    gegen   Wild)^  bie  Äirc^e  fic^  au^fj)rad[^  (3)ibron  a.  a.  D.; 
göcfter,  Srinität^fvmbole  in  Senjei^  be^  ©lauben«  1881  ©.289  ff.).    2)ie  gal^l  3  fpiett 
aU  l^eilige  ^ai)l  aufeerbem   eine  3lolle  in  ber  2trd^iteftur  unb  lünftlerifc^en  Äomjjofition 
über^auj)t.    SJreilid^  ift   aud^   ^ier  Dielet   nad^träglid^  erft   l^ineingebeutet  tüorben.    ^er 
^l.  ®eift  berbleibt  im  ©^mbol  ber  Staube,    unb   aU  lauben  n?erben  auc^  bie  bon  i^m  65 
au^e^enben  fieben  ®aben  boraeftetit.   9Jur  aui^na^mi^tpeife  fa^te  i^n  bie  Äunft  in  menfd^s 
lid^er  ®eftalt,  ^.  33.  aU  ein  Änäblein,  ba^  auf  ben  2öaffem  fd^mebt  (®en  1,2).     ßine 
reiche  ©l;mbolif  umgiebt  ba^  i^bcn  IJcfu.    gür  bie  9)ienfd^h)erbung  lieferte  ber  d;riftianis 
fierte  ^iJS^^fiologu^  bie  ßinl^omlegenbe:   ge^e^t  bon  bem  (Sngel  ®abriel  unb   feinen  bier 
$unben  misericordia,  veritas,    pax,   justitia  (nac^  $f  81,  11)   ftürmt  baö  gin^om  60 
in  ben  ©d^ofe  ber  fi^enben  ^w^öf^^"  (©d;neiber,  La  l^nde  de  la  licorne  in  Revue 


392  ®mttbUber 

de  l'art  chröt.  1888  I,  ©.  16 ff.;  and)  ^ipn  im  euang.  Äalcnbcr  1859  ©.  34 ff.). 
®ic  jungfräultdj^c  ®cburt  tüirb  auf  mannigfaltige  3Bcifc  in  äJetbinbung  mit  ber  3ung= 
fröulid^fcit  5)lariag  übct^amjt  jum  äu^brudf  gebracht.  3)al^in  tocift  bic  Silic  in  bcr 
©cene  bcr  3ScrItinbigung;  au^  bcmJpSfinb  entnommen:  fons  signatus  (4,  15),  hortus 

6concluBus  (4,12),  turris  (4,4;  7,4);  6j  44,  2  gab  an  bie  i^^nb  ba^  bcrfc^Ioffene 
%\)ox,  9ti  6,  37  ba^  93Iieft  ®ibeon^  (j^immlifd^e  Sefrud^tung).  6^  lommen  baju:  bcr 
brcnnenbc  ^ombufc^  (Unbcrlcfet^eit  burd^  bie  ©eburt  ^^n),  ba«  ©efäfe  mit  3)Janna 
((Sm})fängni«  bom  ^l.  ©eifte),  ber  fj)rofeenbc  Biob  3laron^  (9Ju  17,8,  bie  o^nc  SRann 
^ruc|>tbare)  u.  a.    9Ran   ertennt  l^icran  bie   l^ol^e  SBcrtfd^ä^ung   biefc«  Se^rftücfö  in  bcr 

10  mittelalterlid^en  2:l^eoIogie  unb  ^^ömmigfeit. 

3!)ag  Seiben  unb  ©tcrben  ßl^rifti  öerfmnbilbet  nac^brücflid^  ba^  ©ottc^Slamm  mit  bcr 
Äreujeöfa^ne  unb  bem  auö  ber  ©ruft  j^erborbred^enben  Slutftrome,  eine  beliebte  ^arfteHung  an 
romanifd^en  portalen.  3^  ^'"^"^  felbftftänbigen  Silbe  Iperben  in  ben  legten  ^^tm  bcö 
SJlittelalterö  bie  Seiben^tücrljieuge  (arma  Christi),    befonber«   feitbem  [id)  ber  älblafe  an 

16  fie  ](>eftete  (SDSintmer  im  Organ  für  d^riftlid^e  Äunft  1868  9Jr.  14).  ^n  bcr  Saumform 
be«  Äreuje^  tritt  bie  Segenbe  bom  Äreuje^^olj,  in  ber  menfc^lic^en  ^igur  ober  in  ben 
©ebeinen  am  gufee  be^  Äreuje^  bie  ©age  bom  ©rabe  Slbam^S  auf  ©olgatl^a  toor  ba^ 
äuge  ($ij)er  in  (gb.  Menber  1861  ©.  17ff.;  1863  ©.  17ff.).  3ur  fc^arfen  äuö^rägung 
be^  D^fertobe^  Gl^rifti  bient  ber  bem  5ß|tofiologu«  entnommene  ^clifan,  ber  fic^  bie  ©ruft 

20  aufrißt,  um  feine  Sangen  gu  tränien.  38on  bort^er  ftammt  au^  bie  Söloin,  bie  il^r  tot= 
geborene^  3unge  burc^  Slnl^uc^en  gum  Seben  ertoedft  (bic  SlufcrtDcdfung  ßJ^ifti).  ^a-- 
neben,  um  ba^  gleich  '^^^J"  bemerlen,  fennt  bie  mittelaltcrlid^e  Äunft  ben  Sötocn  aU 
9let)räfentanten  bcr  böfen  5DRäd^te,  be«  SCeufel«  nac^  $f  22,  22;  91, 13;  1  5pt  5,  8,  unb 
in  biejem  ©inne  ift  er  ate  bienenbc^  Sauglieb  bei  portalen  bertoanbt. 

26         %nx  ben  §erm   in   feiner  l^immlifc^cn  ©r^öl^ung  ^at  [xd)  eine  eigene  Äomjjofition 

Scbilbct,  bie  fog.  Majestas  domini,  tocld^c  ü)n  auf  einem  ^^rone  ober  auf  bem  Stegen- 
ogen  fi^cnb  geigt,  umgeben  bon  mancherlei  giß"^^"  (Ottc  I,  ©.  514).  3)er  Silicnftcngcl, 
iüclc^cr  rec^t^  bon  feinem  ßau))te  auSgcI^t,  berfinnbitbet  bie  ©nabe,  bad  ©c^toert,  ba^  fic^ 
nac^  ber  entgegengefe^ten  SWid^tung  l^in  ftrcdft,  ba«  ©cric^t. 

80  3!)ie  l^o^e  SBürbe  bcr  3Karia  ]pxxd)i  fic^,  abgefe^cn  bon  ben  thm  crtüäl^nten  ©inn- 
bilbcm  il^rer  ^ungfräulic^feit,  au^  im  3)iabem  (baneben  auc^  ©ccjjtcr  unb  Sl^ron),  toclc^c^ 
fte  ate  regina  coeli  d^aralterificrt;  ©onne,  ©terne  unb  3Wonb  fmb  mit  i^  berbunbcn 
(21})1 12, 1).  ^cr  ©nabenmantel,  ber  bon  il^ren  ©c^ultcm  l^crabflicfet  unb  ^ilfefuc^cnbe 
bebedft,  cmj)fie^lt  fte  ate  mater  misericordiae.    Slufecr  ber  Silic  ift  il^r  bic  Slofc  ^cilii^. 

36  3n  ben  Siofenfrangbitbem  bejeid^ncn  bie  roten  Slofcn  i^re  Seiben,  bie  h?eiftcn  il^re  greubcn. 
2äic  fie  auf  ber  einen  ©eite  in  ben  ©tammbaum  Q,\)x\\ii  bcrflod^ten  h?irb,  fo  cneicfet 
fie  tnhlid)  in  ber  Ärönung  burd^  ©Ott  ober  ßl^riftug  ben  §ö^e))unft  i^rer  rcligiöfcn 
SBürbigung. 

Die  $rot)^eten  unb  2l})oftel,  bann   aber  auc^  fonftigc  Seigrer  ber  Äird^c  tücrbcn  al^ 

40  SBortbcrlünbigcr  burd^  ©d^riftroHc  ober  ^nd)  eingeführt;  jene  trägt  ^öufig  einen  bcgctc^- 
nenben  ®pxnd),  feltencr  ben  SJamen.  S)ic  genauere  Senennung  boHgic^t  fic^  burc^  bc^ 
fonbere  älttributc,  loeld^e  enttpcber  auf  ben  Seruf  ober  ©tanb  anf})ielen  (3)at)ib  mit 
Ärone  unb  Scier,  ^etru^  mit  bem  ©d^lüffcl),  ober  h>ic  baö  instrumentum  martyrii 
auf  3)lartcr  ober  ba^  Scben^enbe  tücifcn    (^auluö  mit  bem  ©c^locrt,  bie   1(^1.  Äatl^arina 

45  mit  bem  ^erbrochenen  $Rabe),  ober  ba^  rcligiöfe  ^atronat  begeid^nen  (^afobu^  mit  ^ilgcr-- 
ftab  unb  3)lufd;ell^ut).  Daneben  laufen  gal^lreic^e  anberc  Sejic^ungen;  baö  ©ebiet  ift 
fcl^r  inl^altrcic^.  ^krfoncn,  bie  mit  einer  Äird^cngrünbung  berbunbcn  fmb,  tragen  (fo 
fd^on  in  altc^riftlic^cr  Seit)  ba^  SJobcH  ber  ^ir^c  in  ber  §anb.  Sgl.  baö  SBerjcic^niö 
bei  Cttc  I,  ©.554 ff.;  bagu  b.  $Raboh?i^,  3fonogra})l^ic  bcr  ^eiligen,  Serlin  1834;  neue 

6o2lufl.  in  ©efammelten  ©d^r.  I,  Iff.   Serlin  1852;  3Beffel^  unb  Dc^el  a.  a.  D. 

©clbftbcrftänblic^  f)at  and)  bie  Äird^e  i^rc  ©^mbolif.  3"  ^^  bicllcic^t  fc^önften 
^^crfonififation  bc^  3Kittelalter^  erfd^eint  fte  ate  eine  föni^lic^c  ^rau,  auf  bem  ^au^>tc 
bic  Ärone,  in  ber  $anb  ba^  ficgreic|e  S?reujc^j)anicr  unb  ben  Äel^  (©lul^tur  am  ©trafen 
burger  ^fünfter).    Ober  bom  Äreuge   l^crab  frönt  fic  ßj^riftu^,  ober  im  Kcld^c  fängt  fte 

65  baisJ  au^  ber  ©eitentounbe  ftrömcnbe  Slut  auf,  ein  "ipropl^ct  begleitet  fte.  ^f)xt  ^dU- 
bebeutung  brängt  fic^  unmittelbar  auf  in  bem  Silbe  be^  ©d^iffe^,  ingbefonbcrc  bcr  ärc^e. 
3im  ©cgcnfaj^  gu  i^r  ftc^t  bic  ©l;nagogc,  baö  ungläubige  ^w^^n^wm,  eine  jufammen- 
brec^enbc  h)ciblic^c  ©cftalt,  bic  in  bcr  ^Kec^tcn  einen  gefnidften  Qiah,  in  ber  Sinfen  bic 
gur  @rbc  gleitenben  ©cfc^c^tafcln  trägt.    Sine  Sinbc  bedtt  il^re  Slugcn.    3)ic  Ärone  fällt 

(io  bom  $au})tc.    Der  3wfammenl;ang  mit  bem  geiftlic^en  ©d[^auf))iel   tritt   überall  beutlic^ 


(SinnbUker  393 

l^ertoor  (^.  SEBebet,  ©ciftltc^c«  Sd^aufricl  unb  firc^Iic^c  Äunft  in  il(^rem  9Serl^ältntg  ct= 
läutert  an  einer  Slonograjjl^ic  ber  Äird^e  unb  Synagoge,  Stuttgart  1894;  einige«  SBeitere 
bei  Sauer  a.  a.  D.  ©.  246  ff.),  ^er  ijolfötümlid^e  Bpott  über  ba«  ^ubentum  berfd&affte 
fic^  äuöbrudf  in  ben  3)arfteIIungen  eine«  ©c^loein«,  an  toelc^em  ^vä>m  fangen  (Dttc  I, 
S.  494).  6 

Äelc^  unb  äbre  nel^men  33ejug  auf  ba«  Slbenbma^töfahament.  3)a  nun  bie  2lmt«5 
iDürbe  be«  ^riefter«  in  bem  SRed^te  ber  3lbenbmal^I«f})enbung  unb  in  ber  SSoUjiel^ung  ber 
3)ieffe  am  l^öc^ften  jum  2tu«bru(l  lommt,  fo  bexeic^net  auf  Orabfteinen  ber  Äelc^  ba« 
^rieftertum  be«  loten.  SDie  2:ran«fubftantiation  ift  populär  gemad^t  in  ber  fog.  Jpoftiens 
mü^le:  bie  ©bangeliften  fd^ütten  S^rud^bänber  in  einen  9)lü|llaften;  unten  fommt  afö  lo 
(Srgebni«  eine  in  einem  Äeld^  fte^enbe  fleine  6l^riftu«pgur  l^erau«  (S3eif})iel  u.  a.  in  Irieb» 
fee«  unb  SJoberan).  Sluf  einer  ^ö^em  Sinie  [te^t  in  berfelben  Sebeutung  Gl^riftu«  in 
ber  Äelter  (3ef  63,  2;  bgl.  SBemidfe  im  (S^riftl.  Runftblatt  1887  ©.  36;  auc^  »ergner, 
Äirc^lic^e  Äunftaltertümer  ©.  543  ff.). 

2)er  moralifierenbe  Gl^arafter  ber  mittelalterlid^en  Äirc^e  mac^t   e«    begreiflid^,    bafe  is 
bie  2^ugenben  in  ben  Äunftbarftellungen  einen  breiten  Slaum  einnehmen.    9tn  portalen, 
Äanjeln,  ©rabbenfmälem,  al«  gu^bobenfc^mudf  unb  fonft  jeigen  fie  jid^  bem  ©laubigen 
in  ber  ®rut)))ierung,  h)el4>e  bamate  geläufig  toar.  gaft  au«nal^m«lo«  treten  fte  ate  grauen* 
geftalten  auf:  Fides  mit  Rdd)  unb  Äreuj,   Caritas,   einen  Settier  befc^enlenb  ober  ein 
Äinb  näl^renb,  Spes  auftoärt«  blidfenb  ober  bie  §anb  nad^  einer  Ärone  au«ftredfenb  (bie  brei  ao 
t^eol.  lugenben),  Pnidentia  mit  einem  Sud^,  Justitia  mit  ber  SBJage,  aud^  mit  Sc^loert, 
Fortitudo  in  Sltiftung,  Temperantia   mit   einem  9Jiefeinftrumente  (bie  bier  SarbinaU 
tugenben).    Über  biefen  Ärei«  l^inau«  l^aben  natürlid^  auc^  noc^  anbere  3:ugenben  eine 
f^mbolifc^e  3lu«^rägung  erlangt,  loie  Castitas  (^Jalme,  ^l^önij,  niftenbe  laube),  Humi- 
litas  (iaube),  Perseverantia  (Ärone),    Concordia  (Öhloeig)  u.  f.  lo.     ^ie  moralifd^e  26 
SBirfung  toirb  berftärft  burd^  bie  ©egenüberfteHung  ber  Safter,  h?ie  Idololatria  (3Jlenf(^ 
einen.  ®ö^en  anbetenb),   Avaritia    (5!Kann   ober  %xaM  bor  einem   ©elblaften  fi^enb), 
Desperatio  (SWann,  ber  fic^  mit  einem  ©c^toert  burc^ftöfet),  Inconstantia  (ein  a\x^  bem 
Älofter  flüd^tiger  Möndf)  u.  f.  to.  Slufeerbem  nod^  anbere  2lu«t)rägungen  (Gloquet  ©.  232  ff. ; 
bie  inftrultibe  SCabeße  bei  Ärau«  II,  ©.  394,  ferner  S^iln,  2)ie  SCugenble^re  be«  e^riften*  30 
tum«  mit  befonberer  Slüdffid^t  auf  beren  jal^Ienf^mbolifc^e  ßinlleibung,  ®üter«Iol^  1904). 
3:ugenben  unb  Safter  Serben    auc^   im  Äam})fe    gegeneinanber  baraefteHt,    ein  SWotib, 
h)eld[^e«  juerft  ^rubentiu«  mit  feiner  ^f^d^omac^ia  erfolgreid^  in  bie  Äunft  einführte. 

SBie  bie  3iöi^re«jeiten  ben  allgemeinen  toe4>feIboIIen  Verlauf  be«  menfd^lid;en  Seben« 
f^mbolifieren,  fo  ba«  ®IüdE«rab  nod^  im  Sefonbem.  ^a«  Silb  ift  in  ber  SorfteHung  35 
unb  in  ber  Äunft  bord^riftlic^,  boc^  ift  bie  altc^riftlic^e  Äunft  baran  borübergegangen, 
bagegen  im  5KitteIaIter  tourbe  e«  al«  moralifd^e«  ^Kittel  beliebt,  unb  man  finbet  e«  mit 
biefer  ghjcdfbeftimmung  an  Äirc^engebäuben  (^eiber,  2)a«  ®lüdf«rab  unb  feine  Slnmenbung 
in  ber  d^riftlid^en  Äunft,  in  b.  5KitteiI.  b.  Ä.  Ä.  ^entralfommiffion  IV,  1855  ©.  113  ff.). 
2)ie  gerftörenbc  3Wad^t  be«  3^obe«  tpirb  anfd^auli^  gemad^t  burc^  einen  ?Kann,  ber  ben  4o 
(*^arten  be«  Seben«  jätet  ober  Säume  fällt,  ober  na^  änmeifung  bon  31})I  6,  8  al«  SReiter 
mit  gefj)anntem  Sogen,  bor  aßcm  aber  al«  ein  abgemagerter  ®rei«,  ber  fic^  fc^Iie|lic^ 
unter  bem  6influf[e  ber  Slenaiffance  jum  ®erij)j)e  mit  §i^})e  unb  ©tunbengia«  meiter* 
bilbet.  9Kit  ben  ber^eerenben  3ügcn  be«  fd^h)arjen  Sobe«  tpirb  in  Serbinbung  gebrad(;t 
bie  ©ntftel^ung  be«  lotentanje«,  ber  rafd^  grofee  Verbreitung  geh)ann  unb  ba«  TlitttUib 
alter  toeit  überbauert  \)at  (SiJeffel^,  2)ie  ®eftalten  be«  2:obe«  unb  be«  leufel«  in  ber 
barftettenben  Äunft,  Seidig  1876;  Dtte  I,  ©.  503  ff.,  tpofelbft  auc^  bie  Sitteratur  ber 
2:otcntänge;  §ornung,  Seitr.  pr  3Jonograj)F^ie  be«  lobe«,  ^^^eiburg  1903).  Die  bem 
Röxptt  entfc^tpinbenbe  ©cele  h>irb  regelmäßig  al«  eine  fleine  naote,  gef^led^t«lofe  9Jlenfd(;ens 
figur  geformt,  bie  axi^  bem  SJJunbc  l^erau«tritt.  ©0  am  ^äufigften  bei  ben  Bi)äd)txn,  öo 
gn  ben  StBeltgeric^töbilbem  fommt  toeniger  bie  ^arabiefe«borfte&ung  al«  bie  braftifc^e 
Sotf«))l^antafie  in  Sc^ie^ung  auf  bie  ©öUe  ^u  i^rem  JRed^te  (S^ffcn^  Die  Darftellung  be« 
aBeltgeric^t«  bi«  auf  9J}ic^eIangelo,  Serlin  1883;  ®.  Soft,  Da«  jünafte  ®eric^t  in  ber 
bilbenben  Äunft  be«  frül^en  Mittelalter«,  Scip.vg  1884;  Ärau«  II,  6.  373 ff.;  ©auer 
©.  319  ff.).  Den  2JlitteIbunft  barin  bilbet  ber  aufgefjjerrte  Stadien  be«  §öllenungel^euer«,  55 
lüofür  bor  allem  ber  Sebiatl^an  Jrjiob  40.  41  bie  ^üge  lieferte,  unb  in  ben  $enen  unb 
Änec^te,  -Dlännlid^  unb  SBeiblic^,  ®ciftlid;  unb  SBeltlic^  l^inabgeftofeen  h)erben.  2lllerlei 
leufel  treiben  l^ier  ba«  ®efd^äft  be«  §ohn«  unb  ber  ^Jarter  unter  bem  SHegiment  be« 
JJürften  ber  .ööUe.  2luf  biefen  2^cufcl  fammelte  bie  Solf«i)^antafte  alle«,  toa«  fie  Don 
Un^olben  tou^te,   unb  fo  entftanb  ber  biclgeftaltige  9)iann  mit  Soct«^örnem,  ^^Jferbefufe,  eo 


394  ®ttttibilber 

glcbcrnmu^flügcln  unb6c^tDam;  ja  and)  ol^  jcbnjari^cr  33ogel  tDirb  er  fici(;tbar  unb  fäbrt. 
fo  bcm  ^uba^  bei  bem  legten  ma^l  in  ben  3Kunb  ober  inf})irtert  ben  rid^tenben  ^ilatii^. 
2lu(i^   ber  ^Jolfel^umor  ift  l^ier  nicf^t  leer  au^egangen  (SBcfJel^  a.  a.  D. ;   ty.  Slombcrg, 
SDer  2:eufel  unb  feine  ®ef eilen  in  ber  bilbenben  Äunft,  Serlin  1867). 

6  So  tpenig  ak  in  ber  Sitteratur  ift  im  5KittelaIter  in  ber  Äunft  btc  3lntilc  Der- 
ftunnnt.  ©irenen  unb  ßentaurcn  berfinnbilben  bie  berfü^rerifc^en  3Räd)ic  innerhalb  unb 
aufeer^alb  ber  3fienfc^enfcele,  bie  Sib^Ke  reil^t  fic^,  legitimiert  burd^  bie  fibl;Uinif(^en 
Drrtfel,  ben  $ro})l^eten  an  ate  ^roj)l^etin  be^  §eibentumg  (Teste  David  cum  Sibylla 
im  §l;mnu^  Dies  irae ;  S3arbier  be  SWontault,  Iconographie  des  Sibylles  in  Revue  de 

loTart  chr^t.  1874),  nic^t  minber  SSirgil  al^  SJici^ter  ber  vierten  ©flöge :  jam  redit  et 
virgo  (granjöfifc^e^  ^Di^pöre  be^  11.  ^^I^rl^unbert^:  Maro,  vates  gentilium  I  Da 
Christo  testimonium,  bgl.  $ij)er  im  ®b.  Äalenber  1862  ©.  17 ff.;  6omj)oretti,  Vergilio 
nel  medio,  Sibomo  1872,  beutfc^  Seipjig  1875).  Slud^  bie  ^^ilofo^J^en  ^lato  unb 
äriftotele^  fel^len  nic^t.    Sie  ftnb  aufgeboten,  foloo^I  um  bie  ©uj)eriorität  ber  c^riftlic^en 

15  Sieligion,  ak  aU  and)  bie  äBal^r^eit  berfelben  ju  bezeugen. 

Orofee  ©d^loierigleiten  bereiten  bem  SSerftänbni^  bie  })l^antaftifc^en  ober  toirflic^cn 
2:iere  unb  lierfcenen,  bie  fid^  oft  in  Änäuel  jufammentoinben  unb  in  loilbem  5lan^)fc 
mitcinanber  begriffen  fmb  ober  in  ruhiger  Spaltung  fteben.  ©ie  fmb  befonber«  auf  ger= 
manifci(;em  33oben  beliebt  geh?efen:   portale,  5la))itäle,  Äonfolen,  Miniaturen,  ?|Jaramente 

20  bieten  fie.  @g  mag  in  manchen  gäUen  ber  ©ebonte  ber  fflamung  bor  ben  teufclifc^en 
SWäc^ten,  9Serfud^ungen  unb  ©ünben  unb  Seibenfd^aften  bag  3)lotiD  obgegeben  l^obcn, 
meiften^  bagegen  lam  e^  too^l  nur  barauf  an,  eine  padtnbt,  bie  ^ßl^antafie  feffelnbe  S^elo- 
ration  ju  fd^affen.  ©ine  eigene  ®ru})j)c  bilben  biejenigen  3)arftellungen,  toelc^e,  h?ie  ber 
bor  §ül^nem  })rebigenbe  %nq^,  ba^  Seic^cnbegängni«  beö  %^^d)\^,  ber  SBolf  in  ber  Äuttc, 

25  bireft  ber  3:ierfabel  entnommen  fmb.  §ier  läfet  fic^  eine  ironifierenbe  2:enbenj  laum  in 
aibrebe  ftetten. 

®ie  angefül^rten  2)arfteHungen  erfci^ö))fen,  auc^  abgefel^en  bon  ben  ^ier  nic^t  in  9c= 
trad^t  ju  jie^enben  toeltlic^en  ©tüdfen,  ben  ^n^alt  ber  Äunftf^mbolit  be«  obenblänbifc^cn 
9Jiittelalterö  nic^t  böHig,  mo^l  aber  fül^ren  fie  feine  mic^tigen  Seftanbteile  bor,  unb  biefe 

30  geben  eine  beutlid^e  SSorfteHung  bon  ber  großen  SKtiöität  ber  auf  ©innbilber  unb  $er= 

fonififationcn  gerid^teten  religiöfen  ^l^antafie  unb  i^rem  ftarfen  Sinttjirfen  auf  bieÄunft. 

3)ie  b^jantinifc^e  Äunft  fann  f\d)  mit  biefem  ^^etc^tum  nid^t  im  entfemteften  meffcn. 

6«  entf})ric^t  ber  lonferDatiben  Slrt  beg  öftlid^en  Äirc^entumg,  bag  nac^  3^^^*^"^*"<^"9 

be«  fejiulfralf^mbolifd^en  Silberfreife«   ein  6rfa^,  eine  9Jeufc^ö})fung  nur   in   geringem 

35  5Ka6e  berfud^t  ift.  ®a«  gefd^a^  aber  nic^t  in  3lnle^nung  an  bie  Sitteratur,  bie  an 
©Embolen,  SlHegorien,  ^erfonififationen  unb  ^V^ologien  ber  abenblänbifc^en  nic^t  nai- 
ftanb,  fonbern  im  Äreije  ber  Sier^  unb  ^flanjenf^mbolil.  3Kit  Sed^t  ift  geurteitt  Sorben, 
„bafe  bie  altd^riftlic^e  Äunft  be«  SBeften«  im  loefentlic^en  f^jmboUfc^  W^fft  mit  ber  ^ilfc 
ber  5!Kenfd^engeftalt,  ioie  bie  2lntife,  ba^  bagegen  bie  altd^riftlid^e  Kunft  be«  Dften«  ftom- 

40  bolifc^  fcbafft  mit  ^ilfe  Don  lier  unb  $flame  mie  ber  Orient  bon  3llter«  ^cr"  (©trü^^ 
goh)«fi,  a)er  S3ilberfrei«  be«  gried^ifd^en  "iJJl^^fiologu«,  ©.  98),  nur  gilt  bie«  toeniger  öon 
ber  altc^riftlic^en  al«  ber  frül^mittelalterlid[)en  ^eriobe  ber  b^jantinifd^en  Äunft  2)iefc 
Slic^tung  erlag  jebod^  im  Silberftreite  unb  bamit  toax  bie  Äraft  i^rer  ©^mbolil  gebrochen, 
unb  fo  erflärt  ftc^  bie  toeit  geringere  SBirhing  be«  ^^vP^Iogu«  auf  bie  Äunft.    3nbc« 

45  aud^  bie  fiegreid^e  antl>ro})omor))l^e  ©Emboli!  ertpie«  fid^  nic^t  fruchtbar,  unb  fo  ift  ba« 
ßrgebni«  ein  t)er^ältni«mä6ig  fleiner  Sefife  an  ©Embolen,  ber  ftc^  in  ber  §au^)tfac^e  mit 
bem  abenblänbifc^en  Seftanbe  bedft.  ©elbftt)erftänblic^  fe^lt  e«  nid^t  an  (Eigenartigem. 
3n  einem  3Beltgeric^t«bilbe  fie^t  man  einmal  ben  gefrönten  §öllenfönig  auf  einem  greifen*^ 
artigen  2:iere  reitenb,  auf  feinem  ©c^o^e  eine  natfte  (Seftalt,  eine  ©eete  tragenb  (Ärau«  I^ 

50  ©.  588).  ©benbal^in  gehört  bie  fog.  ßtimafie  (t]  hoijuaöid  rov  '&q6vov  nad)  %\  88)^ 
ein  I^ron,  auf  h)eld^em  fireuj,  £amm,  'iBuc^  ru^en,  toomit  beutli^  bie  S3cjiel^ung  ju- 
Gl^riftu«  l^ergeftellt  ift,  toäf^renb  ber  leere  Ttfim  ber  2lu«brudf  ber  SKajeftät  ®ottc«  ift 
(be  9ioffi  im  Bull,  di  archeol.  crist.  1872,  ©.  123 ff.;  Ärau«,  9fleal=encVfIo))äbic  I^ 
©.  4:52  ff.,  beibc  nur  ynwx  Jcil  richtig).    2)ie  bei  ben  (Sried^en  nie  übertounbene  urc^rift- 

55  lic^e  ©rf»eu,  ®ott  al«  ^^Jerfon  bar|;uftetlen,  ift  l^ieran  erfennbar,  h?ie  fie  benn  auc^  ba^ 
ganj;e  9J}ittelalter  j[;inburd^  beim  ©Vmbol  ber  ,,$anb  ®otte«"  berbleiben,  (Snger  enbli(^ 
al«  in  ber  abenblänbifd(>en  Äunft  bat  fic^  ber  3wf<^"^wicn^ang  mit  ben  antifen  ^erfonifi^ 
fationen  erl^altcn.  I^s"  Voller  3"^<?9^itöt  ^^*<^t^n  S^^  jutoeilen  l^erbor.  8eif))iele  fmb:  ber 
in   einer  ibt)llifd^en  Winiatur  be«  9.— 10.  3<^l^r^unbert«  bie  §arfe  f})ielenbe  ^irtenfnabe 

60  2)abib,  bem  Mekwdia  bie  redete  ffieife  angiebt,  toä^renb  in  ber  gerne  hinter  einer  Säule 


®ttittbUber  Shrtcttt«,  ^iMifl  395 

bie  Drcabc  7/;^oi  bcn  Ion  aufnimmt  unb  im  Sorberörunbc  bct  l^albnadEtc  Scrggott  be^ 
quem  ^ingcftreat  ^ord^t.  (9i.  Äonbaloff,  Histoire  de  l'art  byzantin,  consider6  prin- 
cipalement  dans  les  miniatures,  $ari«  1886  ff.,  II,  ©.31;  Äraug  I,  ©.  569);  bets 
fclbc  ^abib  aU  föniölic^cr  Sänget;  il^m  jiir  ©ette  ftel^en  bie  grauengeftalten  I^owla 
unb  IlQoq)rjTeiaf  h?ä^renb  über  feinem  §aut)te  ber  ibn  inf})ierierenbe  I^I.Seift  in  ©eftalt  6 
ber  2:aube  fd^lpebt  (Äonbafoff  II,  ©.  35) ;  bie  ^räd^tige  33ifion  be^  (Sged^iel  jtoifd&en  9tac^t 
unb  2}lor0en,  h?ie  bie  linfö  ftel^enbe  l^ol^eitgbolle  ©eftalt  bet  Nv^  unb  bet  red^t^  f(^rei= 
tenbe  Änabe  mit  bet  ^ödfel,  O^qoq,  betbeutlid^en  (II,  ©.  37 ;  eine  äl^nlic^e  35arfteIIunfl 
be^  3)?ot9en^  bei  ©ttj^gotpöfi  laf.  32,  1,  tpoju  bie  Slu^fül^tungen  be^felben  ju  biefcm 
©egenftanbe  ©.  72  ff.  ^u  betgleic^en  fmb).  3)er  getingfügiöe  auf  urnS  gefommene  Seftanb  lo 
ber  bVjantinifc^en  Äunft  an  Silbtpetfen  (faft  nut  3Kiniatuten)  fc^Iiefet  leibet  eine  genaue 
einfielt  in  i^te  f^mbolifd^e  (Sigenart  a\x^,  fo  fe^t  auc^  bie  (Srunbjüge  fic^tbat  ftnb.  2)a8 
^aletbudj)  bom  S3etge  2tt^o«  (f.  S3bXII,  116,35)  f})iegelt,  fo  h?enig  aud^  e«  ate  frftet 
Äanon  ongefe^en  Ipetben  batf,  bie  alte  Situation  noc^  gut  Ipicbet,  oblpo^l  injh?ifd9en 
Dielet  betloten  gegangen  ift,  i6 

^ie  tömifc^e  Äitc^e  bet  ©egentpatt  ift  befttebt,  mit  bet  f^mbotifc^en  Äunftf))tad&e  be^ 
SJJittetaltet^  tüiebet  ^w^^^^^^G  X"  getoinnen,  in  ^anlteic^  unb  auf  getmanifd^cm  S3oben, 
einfc^lieftlid[^  (Snglanb^,  mit  gtofeem  Stfolge,  toä^tenb  Stalten  unb  bie  })^tenäifc^e  ^alb« 
infel  noc^  jutüdfju^alten  fc^einen.  SBa^  in^befonbete  Italien  anbetrifft,  fo  ^at  bie  SRc= 
naiffancc  bott  bie  3wfammen^änge  mit  bet  3Setgangenl^eit  ju  Jel^t  jetftött,  ak  ba^  eine  20 
SBiebetanInü})fung  tafd^  bot  fic^  ^eben  lönnte.  ®ie  Unmittelbatfeit  unb  Ätaft  bet  alten  Äunft 
muf;  fic^  abet  in  biefem  ^Jtojef  oft  genug  eine  ftarfe  SJetbünnung  unb  SRobetnifietung 
gefallen  lafjen,  lootübet  bie  bei  Gloquet  unb  3)e$el  mitgeteilten  S3eif})iete  l^inteid^enb  3lu«s 
ifunft  geben.  6«  fe^lt  auc^  nid^t  an  SBetfuc^en  },\x  9Jeubilbungen,  unb  ;\u  biefen  jäl^It 
ba^  abftofeenbe  „§etj=3iefu"  unb  „§eti=3Karia"  (^toben  Sloquet  ©.83 ff.;  ©.  145 ff.;  25 
2)e^et  I,  ©.91  f.;  bgl.  ©timouatb  be  ©aint^Sautent,  Les  Images  du  sacrö  coeur  au 
point  de  vue  de  Thistoire  et  de  Tart,  ^ari^  1880;  ©e})atatabbtudf  a\x%  Revue  de 
Tart  chr^t.,  übet  ben  Äultu«  f.  b.  Sltt.  Sb  VII,  777).  3m  «ßtoteftanti^mu«  ift  ebem 
faH«  neuetbing«  ein  etfteutic^e^  3?etftänbni«  füt  bie  ©innbilbet  unb  il^te  Slntoenbung  in 
bet  ebangelifd[^=fit(^lidE)en  Äunft  ettüac^t.  2Belc^e  ©d^tanlen  jeboc^  l^iet  innejul^alten  fmb,  »^ 
batübet  i^aht  \ii  mic^  gelegentlich  bet  ^atamente  S3b  XIV,  681  ff.  beteitg  au^gef})toc^en. 
^n  bet  anatolifd^en  Äitd^e  fmb  befonbete  Sefttebungen  nic^t  ju  bemetfen. 

Sictor  ^^Viliit. 

©mtfint  f.  b.  a.  51  oa^  93b  XIV  ©.  139. 

©irai^  f.  b.  31.  a})oft^})^en  be^  älSC  93b  I  ©.  650,20.  35 

®iriritt9,  %a\i\i  384—398.  —  SBriefe  bei  douftant,  Epistolae  Romanorum  |)onU- 
ficnm,  M8L  XIII  unb  .f)infcöiu-3,  Decretales Pseudo-Isidorianac  S.  520 ff.;  Jaff(5 1,  8. 40 ff.; 
Lib.  pontif.  ^uö(^.  u.  g)ionunfen  I,  S.  85 f.;  ^roöper  Chron.  5.  384;  S3owcr=9?amba(f), 
4;)iftoric  b.  röm.  Ißfipfte  I,  ©.  360;  iJanc^en,  ©efd).  bev  röm.  ^ird)e,  1881,  S.  611;  4>cfclc, 
aoncüicngefd).  II,  2.  9IufI.,  6.45 ff.;  9tQui(^cn,  3at)rbb.  b.  d)r.  Äirdje  unter  2:]^eobofiu§,  1897,  40 
e.  197  u.  ö. 

©iriciu«,  ein  JRömet,  h)utbe  im  2)ej\embet  384  obet  ganuat  385  j^um  SJad^folget 
be«  93ifd^of<S  3)amafu«  geioäl^lt.  6t  ge^ötte  j\u  ben  tömifd^en  Sifc^öfen  btittet  obet 
Uiettet  ®töfee  (t)gl.  Hier.  ep.  127,  9  MSL  22  ©.  1093:  Simplicitati  episcopi,  qui 
de  suo  ingenio  caeteros  aestimabat),  bie  gleic^tool^l  füt  bie  Cnth>idEelung  be«  i^a})fts  45 
tum«  nic^t  ol^ne  93ebeutung  finb.  (£«  h?at  nic^t«  ÜJeue«,  bafe  bie  tömifd&c  Äitc^e,  bie 
einzige  o^oftolifc^e  Äitc^e  be«  älbenblanb«,  übet  ^Jtagen  be«  fitc^lid^en  ©lauben«  unb 
fit(|tid(;en  Siedet«  intet})elliett  toutbe.  ©.,  bet  nic^t  geting  t)on  ftd^  backte  (Dgl.  Paulini 
Nol.  ep.  5,  14  ©.  33:  Urbici  papae  superba  discretio),  Ivat  butc^btungen  bon  bet 
Übetjeugung,  Sted^t  unb  ^flid^t  jut  3luffid^t  übet  bie  ganje  Äitc^e  ju  l^aben  (ep.  ad  so 
Himer.:  Portamus  onera  omnium  qui  gravantur,  quin  immo  haec  portal  in 
nobis  b.  Petrus;  Nr.  7:  Quibus  praecipue  secundum  b.  Paulum  instantia  quo- 
tidiana  et  sollicitudo  omnium  ecclesiarum  incumbit,  u.  0.).  ^n  biefet  Übet^eugung 
etteilte  et  auf  betattige  gtagcn  ^ilnttoott  in  einet  ^orm,  bie  i^n  al«  ben  oberften  Seiter 
bet  Äitd[^e  unb  feine  (Sutac^tcn  al«  toerpflic^tenbe  Gebote  erfd^einen  lie^  (a.  a.  D.  9?r.  2 :  56 
Hactenus  erratum  in  hac  parte  sufficiat,  nunc  praefatam  regulam  omnes 
teneant  sacerdotes).  3(ucl»  ofine  Dorbergel^enbe  3lnfrage  richtete  er  Sia^nungen  an 
bie    Iat^olifd[^en  93ifc^öfe  (Ep.  ad  orthod.   per  divers,   prov.:    Perlatum   est  ad 


396  6mcttt0,  ^apft  ®initPttb 

conscientiam  apostolicae  scdis  contra  ecciesiasticum  canonem  praesumi  etc.). 
3ft  bic  Stngabc  bcö  Lib.  pontif.  rtd^tig,  fo  Verlangte  er  bic  aiufbcmaJ^rung  feiner  (Jr- 
lafjc  in  bcn  lirc^Iic^en  älrd^itoen.  ^oburd^  mugte  ber  ßinflufe  be«  römifd^en  »ifc^of^ 
er^^ö^t  tperben:  ©.  bereitete  fo  ben  ©rünbern  be^  ^<H)fttum^,  Q^^^ocenj  I.   unb   Seo  I., 

6  bic  SBal^n. 

3Ba«}  bag  eimelne  anlangt,  fo  toar  fein  crftcr  SSrief  Dom  10.  gcbruar  385  bic  ant^ 
toort  auf  eine  nod9  an  3)amafug  gerichtete  anfrage  be^  Sifd^ofS  .^imeriu«  toon  larraco 
(jc^t  2^arragona  in  ©panien) ;  e^  ^anbelte  fid^  barin  um  bic  SBiebertaufe  übertrctenbcr 
ärianer,  um  bie  Beobachtung  ber  alten  3:aufjeiten,  Dftern  unb  5ßfingften,  ba^  ©erfahren 

10  gegen  reuige  abtrünnige,  gegen  ^önitenten,  bie  bie  $önitenj  brachen,  unjüc^tige  SReligiofcn, 
verheiratete  ^riefter,  um  bie  äuflöfung  ijon  SSerlöbniffen,  tücld^e  ben  jjriefterlici^en  Segen 
erjialten  Ratten,  enblic^  um  bie  3!)i^ji})Kn  ber  Älerifer.  ^[nl^altlici^  bcrtoanbt  mit  bcn  an 
Jpimeriu^  gefanbten  Sorfc^riften  finb  bie  Sefd^Iüffe  einer  bon  ©.  am  6.  ganuar  386  ge^ 
faltenen  römifd^en  ©V"obc;   neu  fmb  nur  einzelne  Äanone^,  tüic  ber  erfte,  h)onac^  feine 

16  Drbination  ol^ne  3Sorh?iffen  be^  5ßa))fte^,  bejlo.  be^  $rima^  (fo  in  ber  9)?itteilung  an  bic 
Stfrifaner,  f.  u.)  ftattfinben  foHe,  unb  ber  gh?eite,  toomä^  nie  eine  Drbination  burc^  einen 
einzigen  !öifci(;of  Vorgenommen  toerben  bürfe.  Die  Sefc^Iüffc  biefer  römifc^en  ©V"<>bc 
teilte  ©.  bcn  afrilanifd^en  Sifd^öfen  unb  tool^l  auc^  anberen  ^roVinjiiaßirci^cn  jur  Scob^ 
ac^tung  mit. 

20  3"  ^i"^  allgemeinen  3)elret  forberte  er  Beobachtung  ber  lanonifd^en  Borfc^riften 
bejsüglidj^  ber  Befe^ung  ber  Bistümer  unb  ber  äufnal^me  unter  ben  Äleru^. 

6nblid&  ift  ju  crtoäl^ncn,  bafe  er  ^tt^rien  gegenüber  bie  ^olitil  be^  3)amafu^  forts 
fe^te,  bic  Bedienungen  gu  ^ll^effalonic^  ;iu  j)flegen,  um  burc^  ^l^effalonic^  3"'^^^^"  h^  ^^' 
^errfd^en  unb  burdj)  ^H^^cn  fid^  eine  SCI^üre  in§  3)iorgenlanb  offen   ju  galten  (über  bcn 

25  j)ät)ftlid^en  Bifariat  bon  SC^effalonic^  f.  SRaufd^cn  ©.  469  ff.),  unb  bafe  er  390  ober  392 
auf  einer  römifc^cn  ©^nobe  S'^binian  mit  ad^t  (Senoffen  qritommunijierte,  f.  Sb  IX 
©.  399,  31,  unb  über  ba«  ^al^r  Slaufd^en  ©.  378  f.  Dap  ber  Brief  Gouftant  ©.  679 
Jaffö  3lx.  261  ©.  angehöre,  l^alte  ic^  für  loenig  toal^rfd^cinlic^ :  er  berftöfet  gegen  bic 
oben  ©.395    ertvä^nten  (Srunbfci|e.  ^ancT. 

30  Sirmotib,  ^alob,  neben  ^etabiuö  ber  bebeutenbfte  latJ^olifc^e  3:l^eologc  graul- 
reic^«,  geb.  ben  12./22.  Oft.  1559  ju  SNiom,  geft.  ben  7./16.  DIt.  1651  ju  ^ariö.  - 
Sitteratur:  Henr.  Valesii  oratio  in  obitum  Jac.  Sirmondi,  ^ar.  1651;  loieber^olt  üor 
bem  1.  Saube  ber  Opera,  bem  ber  Herausgeber  be  In  S3aune  baS  ^ortrftt  6.Ö  unb  einen 
QiiUn  fiebenöabriö   uorauöflcfc^icft  l&at;    5t.    be  53acfer  =  ß.   ©ommcrüogel,    Biblioth^que  de  la 

36  comp,  de  J(58us,  VII  (1896),  1237—1261  (fe()r  üerme^rt  gegen  bic  9lu^g.  üon  1876,  III, 
801—814),  100  fämtüd)c  (au(ft  bic  ungebrudften)  ©djrifteu  uon  @.,  feine  Beiträge  ^u  bcn 
5luualen  bcö  S3aroniuS,  ju  ben  Acta  SS,  feine  abriefe  unb  bic  ßitteratur  über  ii)n  \>tx-' 
^eid^nct  finb. 

3im  ^a^rc  1576   in  bcn  3^f"itenorbcn   eingetreten,  lourbc  ©.   nac^  3lbfobicrung 

40  feiner  ©tubien  unb  fünfjäl^rigcr  3Serh>enbung  im  Scl^ramt  (unter  feinen  ©c^ülem  toar 
aud^  'J^ran^  Don  ©alc^)  1590  nac^  SRom  berufen,  loo  er  16  ^aljxt  l^inburc^  ©efretär  bc^ 
Crbcn^gcncral^  2lquabiba  toar,  nebenbei  aber  unermübet  bie  ©d^äfee  Der  batitanifc^cn 
Bibliot^cf  unb  anbcrer  ©ammlungcn  burc^forfc^tc  unb  neben  Bergfeic^ung  bon  3;ejtcn 
nod;  ungcbrudfte  §anbfd^riften  mit  fad^funbiger  älu^tüa^I  unb  in  folc^er  3Waffe  abfd^ricb, 

46  bafe  er  nid^t  nur  bem  Baroniu^  biete  bon  biefem  mit  öffenttid^em  3)anl  anerfannte  Bei- 
träge ju  feinen  Stnnalen  lieferte,  fonbern  aud^  nad^  feiner  1608  erfolgten  SRüdfle^r  na^ 
granlrcid^,  Wo  er  neuerbing^  biete  glüdftid^e  ^anbfc^riftlid^c  gunbe  mad^te,  feit  1610  faft 
aUc  ^al}x^  irgcnb  eine  DJobität  beröffentlid^te  unb  überbie^  anbere  Drben^enoffen  bei 
i^^ren  ©tubien  unb  3(rbcitcn   untcrftü^te.  —  ©.  ivar  nur  ©elel^rtcr;  toa^  feine  jiolitifc^c 

50  ©tcUung  betrifft,  fo  geborte  er  |\u  ben  ^cfuiten,  toelc^e  fid^  am  22.  ^cbruar  1612  bor 
bem  Parlamente  bereit  erttärlcn,  bie  Se^rc  ber  ©orbonne  aud^  bcjügfic^  ber  ©rl^altung 
bc^  Könige  unb  ber  ^rei^citen  ber  gatlifanifd^cn  Äirc^c  ju  befolgen,  bgl.  ^errcn^,  L'^Ilse 
et  l'ötat  II,  92;  über  feine  Icilnat^mc  an  ber  Äonbemnation  be«  ©uarej  burc^  bae 
Parlament  ibid.  p.  230,  über  bcibc^  and)  '^oux't^am,  Hist.  de  l'univ.  de  Paris  p.  67. 

66  78,  unb  Ji.  M,  i^rat,  Recherches  sur  la  comp,  de  J^sus  III,  563  u.  ö.  —  ©cit 
1612  in  bem  „(Slcrmontcr  ÄoUcgium"  in  ^^arig  tpo^ncnb,  h?urbc  ©.  1617  Stcftor  bc^- 
felbcn  (f.  Stanonif,  5^ion.  ^ilSctabiu^,  ©.  27 f.  unb  108)  unb  feit  1637  Bcic^tbater  bc^ 
Äi)nig«J  ifubh)ig  XIII.  "^m  ^a^rc  1045  reifte  er  |\um  brittenmalc  nac^  9lom,  um,  toic 
cinft  1615  nac^  Slquabiba«  Xob,  aud)  jc^t  an  ber  Sßa^l  eine«  neuen  Drben^eneral^ 


Stmtottb  ®ife(ttt  397 

teiljunel^men.    ^n  ungebtod^encr  Äraft  beö  5tört)Ct^  unb  ©etfte«  blieb  er  litletarifd^  tl^ätig 
bi«   an  fein  (gnbe.    ©J   crfle  ^ublifation   brachte  bie  SBerfe  ©ottfrieb«  Uon  aingeri^, 
Scnebiltinerabtö  ju  2?enbome,  ber  bon  ?5a^ft  Urban  II.  jum  Äarbinalat  erhoben,  bon 
Äönig  Subiüig  bem  liefen  bon  f^anfrei^  unb  bon  ben  ^öjjften   m  uerfd^iebcncn  ®e= 
fd^äften  üertDenbct  tourbe  unb  aufer  bieten  anberen  fd^ä^baren  Straftaten  auc^  einen  de  6 
investitura   gefd^^rieben  l^at:   Goffridi  abbatis  Vindocinensis  epistolae,   opuscula, 
sermones  (^ar.  1610);    fd^on  im  näd&ften  ^a\)x  erfd[^ien  feine  äu^abe  be^S  dnnobiu^, 
in  ber  er,  tro^bem  il^m  nur  i5ö"i>W^ft^«  bon  geringem  SDSert  ju  ©ebote  ftanben,  burdS; 
©ele^rfamleit   unb  rid^tige^  fcitifqe«  Urteil  einen  erträglid^en  %tjct  lieferte,  ben  erft  in 
unferen  SCagen  bie  ausgaben  uon  2B.  §artel  (1882)  unb  gr.  55ogeI  (1885)  antiquiert  lo 
I^aben.    darauf  folgten,  größtenteils  bis  bal^in  ungebrudft  unb  bon  ©.  mit  trefflichen  Sr« 
löuterungen    auSgeftattet,  Flodoardi  bist,  ecclesiae   Remensis  (1611),    Fulgentius 
(Ruspensis)  de  veritate  praedestinationis  et  gratiae  (1612)  unb  librorum  contra 
Fabianum  Excerpta  (1643),  Valeriani  epise.  homiliae  XX  (1612),  Petri  Cellensis 
epistolae  (1618),  bie  äl^erle  beS  Apollinaris  Sidonius  (1614),  Pascbasii  Radberti  i6 
opera  (1618),  beS  galläjifd^en  S3ifd[^ofS  g^atiuS  Chronicon  etfasti  consulares  (1619), 
Marcellini  comitis  Illyriciani  chronicon  (1619),    Anastasii  bibliothecarii   collec- 
tanea  (1620),  Facundus  episc.  Hermianensis  pro  defensione  trium  capitulorum 
concllii  Calchedonensis  (1629),  S.  Augustini  novi  sermones  XL  (1631),  bie  SBerle 
bon  SC^eoboretu«  G^renft«  in  4  golianten  (1642,  S3b  5  Don  3.  (Sarnier  1684),  älcimuig  20 
Slbitu«  (1643,  je^t  burc^  %  ^ßei^erS  3lu^.  [1883]  abgelöft),  §inlmar  bon  SR^eimS 
(1645),  I^eobulfuS  2tureIianenfnS  (1646).    3!)ie  bamalS  biel  erörterte  ^räbeftinationSlel^re 
beranlafete  ©.«  Praedestinatus  (1643)  unb  Historia  Praedestinatiana  (1648),  foloie 
feine  3tu^aben  Derjd^iebener  barauf  bezüglicher  ©d^riften  be«  SlabanuS,  3lmolo,  Sluguftinuö 
unb  ©eröatug  Su})uS.  —  äuSfc^Iießlidp  firc^enrec^tlic^en  ^jn^fllteS  »ft  bie  ©ammlung  Don  25 
18  Äonftitutionen,  Iveld^e  ©.  unter  bem  Xitel  Appendix  codicis  Theodosiani  novis 
constitutionibus  cumulatior  (^ar.  1631,  befte  äu^abe  bon  ®.  öänet,  Sonn  1844), 
bercn  ©d^tl^eit,  ^nl}alt  unb  Scbeutung    augfül^rlid[^   erörtert  tft  Don  ®.  §änel   in  ben 
Prolegomena  unb   bon  %x.  5Kaaffen,  ®efd^.  ber  Duellen  unb  ber  Sitter.   be^  fanon. 
Slec^t^  I,  792—796.  —  S&id^tig  für  bie  fiird[^engefd^ic^te  toaren  bie  bier,  in  ben  opera  ao 
varia  IV,  1—244   lieber  abgebrudtten   ©d^riften,  toorin  ©.  1618—1622   gegen  ^al. 
©ot^ofrebu«  unb  61.  ©almafiu«  (f.  oben  Sb  XVII  ©.  398,  too  axii)  bie  Sitteratur  ber« 
jeid^net  ift)  ber  Segriff  unb  bie  Slu^bei^nung  ber  regiones  unb  ecclesiae  suburbicariae 
feftgeftettt  tourbe.    3Rad^  Seenbigung  biefe^  ©treite^  toanbtc  er  ftd^  jur  ^erau^abe  toic^ttger 
^a))itularien:  Karoli  Galvi  et  successorum  aliquot  Franciae  regum  Capitula  (1623).  86 
1629  liefe  er  bie  ©ammlung  ber  meift  noc^  unebierten  Concilia  antiqua  Qalliae,  cum 
epistolis  pontificum,  principum  constitutionibus,  et  aliis  Gallicanae  rei  ecclesi- 
asticae  monimentis  in  brei  Folianten  (©u})})lementbanb  bon  5ß.  ^elalanbe,  ©.^  ©rofes 
neffen,  $ar.  1666),  mit  trefflichen  9Joten  am  ©c^lufe  jebe^Sanbcg  folgen;  biefelbe  gelj^ört 
m  ben  beften  DueHentoerfen  ber  früheren  ^i\i  unb  \)ai  ©.  ftc^  bamit  einen  bauernben  40 
9?amen  gemacht  (Don  ber  neuen  2lu^gabe  ber  3Kauriner  erfd^ien  nur  ber  l.Sanb,  5ßar. 
1789).    ©c^on  frül^er  ^attc   er   bie  ßinlcitung  gefc^rieben  ju  ben  bon  il^m  unb  berf^ic? 
benen  anberen  unter  })(H)ftlic^er  3tgibc   herausgegebenen,  al^  CoUectio  Romana   jube* 
nannten  Concilia  generalia  ecclesiae  cathoUcae  (9lom  1608—1612,  Dier  ^oliobänbe). 
äufeerbem    ertoäl^nen    h?ir:    Antirrbeticus  I  et  II  (1633)    de   canone   Arausicano  46 
(©^nobc   Don   Drange),  Diss.   in   qua  Dionysii  Parisiensis   et  Dion.  Areopagitae 
discrimen  ostenditur  (1641),  Diatribae  duae  de  anno  synodi  Sirmiensis,  foh)ie 
bie  treffliche  Historia  poenitentiae  publicae,    item  disquisitio   de  azymo,    bie  ©. 
im  älter  Don  92  ^a^xm  (1651)   Dcrfafete.     3«  >)rac^tDoller  äluSftattung  finben  ftd^  bie 
fämtlid^en  ^robufte  ©.fc^cr  ©ele^rfamfeit   Dereinigt  in  feinen,   bem  Äönig  Subh?ig  XIV.  60 
getoibmeten,   mit  trefflichen  ©inleitungen  Don  bem  Herausgeber  be  la  S3aune  berfel^enen 
Opera  varia  nunc  primum  collecta,  ex  ipsius  schedis  emendatiora,  notis  post- 
humis,  epistolis,  et  opusculis  aliquibus  auctiora.    Accedunt  S.  Theodor!   Stu> 
ditae  epistolae,   aliaque  scripta   dogmatica,   nunquam  antea   graece   vulgata, 
pleraque  Sirmondo  interprete  (5ßar.  1696,  toieber^olt  [unb  um  2  ©tüdfe  Dermc^rt],  66 
3?eneb.  1728,  fünf  goliobänbe,   beren  Ic^ter  ganj  bie  ©c^riften  2:i^eoborg  bon  ©tubium 
entl^ält).  @.  Saubmaim. 

©ifebttt,   f))anifdbcr    äöeftgotenfönig   (612  bi«  620),   jumal  feine  Su^enber^ 
folgung  unb  ©teHung  jum  ®t)iffo})at.  —  üuellcn   unb  ßittcratur:  I.  S)cv  Api^ndix 


398  ®tfebttt 

j^um  chronicon  Marii  Aventicensis,  ed.  Guil.  Arndt,  Lipsiae  1878,  @.  16,  Isidori  Hispalensis 
chronica,  ed.  Tli.Momm8en,M.  G.H.,Berolini  1894  =  auct.  aut.  XI,  3.  479  j.,92r.  414*  »>,  416, 
41G»>,  Isid.  Hisp.  bist.  Gothoriim,  ed.  Momnisen  a.  n.  0-,  ©.  291  f.,  c.  60.  61.  62,  bic  86d|rciben 
Sifebutä,  baruntCT  fein  iuterefjanter  S3riefn)ed)fcl  mit  bcm  oftrömifdicn  ^atriciuS  ©ifariud,  ed. 

6  W.  Gundlach,  MG,  Epistol.  III,  Berolini  1892,  epistolac  Wisigoticae,  ep.2— 9,  8.662— 67r^; 
Sifebutg  61  red)t  fc^ttJÜlftijje  latcinifdje  ^ejameter  über  ©onneu-  unb  ^Dionb^finftcrniffe,  ed. 
G.  Goetz,  Index  scholarumjenensium  1^7/88,  8  p.;  bic  Sftronit  b.  fofl.  grcbcgar,  ed.  Bruno 
Krusch,  Scriptor.  rer.  Merovingic.  II,  Hannoverae  1888,  lib,  IV,  c.  33,  @.  133,  c.  73  [nur 
mit  äugcrftcr  58or|icf)t  ;^u  benutzen,  loeil  üiclfac^  fngen^aftc  3"9C  «nb  toirreS  8cw9  bictcnbll, 

10  leges  Visigothorum,  ed.  Karol.Zeumer,  Hannoverae  et  Lipsiae  1894,  lib.  XII,  tit.  2.  13. 
14,  ©.  305—309  incl.,  chronica  seu  series  regum  Viaig.  (uon  680),  ed.  Zeumer  a.  a.  0. 
©.316,  Sifcbutö  ^ün^cn  bei  Alois  Heiss,  Monnaies  des  rois  Wisigoths  d'Espagne,  ^ari-ä 
1872,  6.  103—106  unb  planches  V.  XIII;  Aem.  Hübner,  Inacr.  Hisp.  christ.,  Berol.  1871, 
'^x.  171    unb  mieberbolt,  Supplementum  (1900),   S.  4(X)  (biefe  Snfc^rift  üom    13.  gebr. 

15  614,  worin  Äönig  ©ifebut  ermähnt  wirb,  ift  nur  für  bic  S^ronoloflic  bebeutfam !).  ^©eitere 
üueaen,  oud)  getrübte,  im  ^trtifel  fclbft. 

II.  5c!ij5)aön,  Könige  V,  @.  177-184,  233,  242,  VI  (1.91.),  @.  422  f.,  442  f.,  «rt. 
©iftbut,  9lb53,  XXXIV,  ßcip^ig  1891,  ©.418—421;  granj  ®örreS,  Äönig  aiefarcb  unb  ba^ 
gubentum,  3id3:^,  40.  S3b,  ©.284—296;    berf.,  Sifdjof  6«ciliu«  üon  ^3Kentcfa,  cbenba,  41.  »b, 

20©.  105— 111;  berf.,  Äi)nig  SReforeb  bcrÄat^olifdje,  ebenbo,  42.  m  ©.270-322;  berf.,  ©ifc^ 
but§©(§rciben  an  ©ufcbiuö  üon  Xarragona,  cbcnba,  42.  S3b,  ©.442—450;  berf.,  2)er  fpanif^^ 
roeftgotifdje  ©piffopat  unb  boS  römifc^e  ^apfttum  . . .,  (586—680),  ebenbo,  45.  ©b,  ©.41—72; 
öJeorg  Älaufmann,  9lppenbijr  be«  3Rariud  .  . .,  fjb®  XIII  =  1872,  ©.418—424;  9lfdjbad3, 
3Beftgoten,  Sranffurt  a.  3K.  1827,  ©.236—241;  g.  ®.  ßembfc,  ©panicn  [I],  C)amburg  1831, 

26  ©.88— 90;  9lb.  ^elfferi4  2Beftgoten^5Red)t,  iBerlin  1858,  ©.68-71;  berf.,  3Seftgotifd)cr«lria- 
niSmuS,  ©erlin  1860,  ©.  .54f.,  68 f.;  ^ott^aft,  Bibliotheca  bist.  IP,  ©.1023  f.;  SRariana, 
De  rebus  Hispaniae,  Moguntiae  1605,  1.  VI,  c.  3,  p.  213—216;  ®amS,  m  ©panienS  II,  2, 
©.  78-80.  85—90,  101 ;  gcrrera^^SSaumgarten,  Ä®  ü.  ©panicn  U,  |)allc  a.  ©.  1754,  III.  X-, 
§469,  ©.339f.,    ©.340  §470,  ©.341,  §472,   ©.  341  f.,  §473,   ©.342-345,   §§474—481, 

30  §  485,  ©.  347—350,  ©.  350,  §487,  ©.  352  f.,  ^§  492—494;  ^iobcfto  ijafuentc,  Hist  gen.  de 
Espana,  Seg.  ed.,  I,  ^iabrib  1869,  ©.503—505  (unfritifc^!);  SSicente  be  la  fjucntc,  Hist 
eccl.  de  Espaiia,  Seg.  ed.,  II,  3Rabrib  1873,  ©.  254 f.;  ®ibbon,  History  of  the  De- 
cline...  of  tbe  Eoman  empirelV,  ißariS  1840,  cbap.  XXXVII,  p.289f.;  ©ilft.  ©attcm 
bad),  S)cutfd)Ianb«  ®cf4i(f)t«quellen  im  gjlittelalter   I''  (1904),    ©.92 f.;  Soft,   ®cfc^id)te  bcr 

36  3«racliten  V,  SBerlin  1825,  ©.  110—120;  ®rac&,  Suben  V,  3.«.,  ßetpjig  1895,  ©.  60 f.; 
^efcle,  (5unc.=(Sef(fticl)te  IIP,  ©.  72 f.;  iCarl  3cumcr,  Sfl%  XXVII,  1902  (©.  409-441), 
©.  429 f.,  443 f.;  2:cuffel.©d)n)abc,  ®cfd)id)te  bcr  römifc^en  ßitteratur  I^  Scip^ig  181K), 
©.1291,  §495,  1. 

3)cr  Sßcftgotenlönifl  Stfebut,  ©unbcmarig  9lac^foIger,  fonfl  ein  t)ortrcffltci(;cr  §errf (^cr, 

40  milbe,  gerecht,  t)on  glül^enber  grömmigicit,  im  JBoHbcfi^c  ber  bamaligen  geleierten  33ü= 
bung,  gleich  auggejeid^net  ate  Sc^riftftcUcr,  mie  al^  ^dt>,  f)at  fid^  tro^  aü  biefcr  fc^öncn 
®igcnfd^aften  aU  bcr  erfte  f^anifd^c  3iubcnt)erfoIger  einen  büfteren  SJamcn  gcmad^t. 

3!)ic  Äinber  3i^wcl^  tparen  auf  ber  ^ß^renäens^albtnfel  feit  ber  frül^crcn  römtft^cn 
Äaifer^eit  überaus  jal^Ireic^  vertreten  unb   h>egen  tl^rcS  Sleic^tumg   fel^r  angefel^cn.    2)ic 

45  bulbfamcn  SBeftgotcn  hielten  bie  Don  ben  3ii">>^ratorcn  übcrfommenc  ftaat«rc(^tlici(;e  an- 
erfennung  bcig  ^wbcntum^  tvä^renb  iF^rer  gangen  arianifc^en  ^ßcriobe  uncnttoegt  auf* 
rec^t.  erft  Slcfareb  ber  ÄatF^olifc^c  legte  ben  ^ubcn  eine  folgenf^tperc  Scfc^räntung  auf, 
inbcm  er  ben  auf  bie  c^riftUc^en  ©tlaüen  bejüglid^en  ©c^Iu^affu^  be^  cap.  14  bc^ 
Tolet.  III    t)on  589   in   folgenber  er^eblid^  toerfc^ärfter  gorm   in  bie  „Leges  Visi- 

50  gothorum"  aufnahm  (Leg.  Visigothor.  ed.  3«""^^^^  li^-  XII,  tit.  2,  9Jr.  12,  p.  305): 
„Äetn  3iube  barf  einen  cf>nftlicieen  ©Haben  bcfd^neiben.  Äein  ^ube  barf  einen  c^riftlic^en 
©flauen  burd^  Äauf  ober  ©d^enfung  crtverben.  $ift  bie^  bennod[^  gcfc^el^en,  unb  $at  er 
i^n  gar  befc^nitten,  fo  foH  ber  Äne^t  ol^nc  Grftattung  be^  Äaufjjreifeg  frei  tocrbcn.  3)er= 
jenige  aber,  ber  einen  d^riflltc^en  Stla\)m  befd^nitten  l}ai,  foH  fein  gefomte«  3?ermögen 

56  einbüßen  unb  Seibeigener  beögi^fui^  Iperben".  aSon  biefer  Sefttmmung  ging  ©ifebut,  al« 
er  gletc^  bei  Seginn  feiner  SHcgierung  (612 '13)  ben  antifemitifd^en  gelbjug  eröffnete,  im 
erftcn  feiner  berü^tigten  Subengefe^e  au«  (Leg.  Visig.  1.  XII,  tit.  2,  13,  p.  305f.).  Seibc 
eifebut=(SbiIte  (a.  a.  D.  9lr.  13  u.  14,  ©.  305—309)  finb  einanber  ergänjenbe  lang= 
atmige  Slftenftüdfe.     Ireffenb  unb  fad^funbig  fenngeid^net  3)a^n  bie  SCenbenj  unb  3:ra0= 

eotoeite  ber  beiben  ©ifebut=(Sefe$e  (ÄönigcVI  11. 3(.],  ©.  422  f.  u.  SlbS  a.  a.  D.  ©.  420): 
„©eine  [©ifebut«  |  bcibcn  ^u^cngcfe^e  .  .  .  befc^äftigen  fid^  junäd^ft  mit  ben  d^riftli<i^en 
Unfreien  bcr  ^uben.  3!)icfc  foHen  ba«  röniifd^e  33ürgerred(>t  erlangen,  burd^  (Sefei^  frei' 
gelaffen,  unb  gleic^tuo^l  lieber  3SerIauftc  h)erben  für  frei  erflärt,  ebenfo  unter  33elaffung 
i^re«  ^efulium«  (®elb,  ipeld^e«  ber  ©flabe  fid^  unterbe«,  b.  ^.  falld  er  frei  getoorben 


®tfebttt  399 

W&xt,  ^ättc  crtoerben  fönncn)  entlaufene  jübifc^e  Äned^te,  bie  ftd^  taufen  laffen  trotten; 
nic^t  einmal  ate  freie  3WietIinge  barf  beraube  c^riftli(^c  Diener  galten;  d^riftlid^c  Äned^te 
mufe  er  binnen  borgeftredter  ^\\i  („bi«  ^um  1.  ^ulV\  be^  näc^ften  ^ai^rc^'O  ""t  il^^^m  ^elu^ 
lium  an  Sänften  bcrfaufen;  (S^en  jtpifd^en  G^riften  unb  ^uben  Ujerbcn  getrennt,  G^riften,  bie 
jum  Subentum  übertreten,  fd^^toer  geftraft.  SJad^foIger  auf  bem  I^ron,  iüeld^e  biefc  ®efe^e  5 
aufgeben  . . .,  toerben  famt  ben  Stuben  am  jüngften  3^age  in  bie  ^öHe  Derfluc^t".  ©ifebut 
richtet  fein  erfte«  ®efei  natürlich  an  bie  9lic^ter  („iudices"),  aber  nur  an  brei  Sifc^öfc 
(f.  ben  eingang  bon  1.'  XII,  2,  3lx,  13  bei  ^eumer  a.a.D.  ©.  305f.  unb  2)abn,  Könige 
V,  ©.  183,  2lnm.  2).  3^*>^  ^^^  i'^^^  ^"  f«^"^  bereite  615  berfafeten  ßl^ronif  noc^  lein 
$Kort  be«  labete  für  bie  ^wben^e^e  feinet  föniglid&en  greunbe^  (ed.  SKommfen  a.  a.  D.  10 
S.  480,  9ir.  416),  l^ält  aber  in  feiner  626  beröffentli^ten  „historia  Gothorum"  bei 
aller  anerfennung  ber  frommen  Slbfic^t  be^  §errfd^er^  mit  feiner  3)iipittigung  biefcr  3lrt 
ber  Sefebrung  nid^t  jurücf  (ed.  ÜJJommfen  a.  a.  D.  ©.291,  c.  60).  3)afe  bie  ©ifebutfc^e 
^ubenl^c^c  in  i^rer  SBirfung  tüeit  über  bie  ben  Äinbem  3|graete  in  ben  beiben  Oefe^en 
auferlegten  freilid^  unerhörten  Sefc^ränfungen  ^inauöging,  erbeut  fc^on  au^  ben  Slnbeutungen  i6 
bc^  §ift)alenferö.  UnjtüeifellJ^aft  fanben  jal^lreic^e  3^a"9^^awfen  ber  ^uben  ftatt.  Die^ 
befagt  ber  Appendix  Marii,  eine  fc^on  bem  ^abx  623/24  ange^örenbe  DueHe.  ferner: 
JJanon  57  beö  bom  Sruber  Seanber^  geleiteten  Toletanum  IV  bon  633  (Mansi  X,  ©.  633) 
erhjä^nt  unb  berh?irft  auöbrücflic^  bie  unter  ©ifebut  Dorgefommenen  3^an0^taufen.  ©ic^ 
ftüfeenb  auf  bie  bicr  Duellenbelege,  nimmt  ^o\t  a.  a.  C  ©.110  gar  ein  britte^  ^n^tm-  20 
ebift  ©ifebut«  an,  tüelc^e«  bie  3l^^aditen  gerabeju  bor  bie  SBal^l  jlpifc^en  laufe  unb 
Sjil  ftettte,  mol^I  ol^ne  9lot.  Die  maffenl^aften  3h)ang«taufen  tafjen  ]\d)  auereic^enb  auc^ 
"tvLxä^  erfd^ö})fenbe  2lu§beutung  ber  beiben  9lejfrij)te  unb  burc^  anbere  unerträglidj^e 
g^ifanen  im  SJertoaltungötoeg  erflären;  e«  h?irb  alfo  bamal«  in  Spanien  bielfac^  ein 
t^atfäd^Iid^er  Sauf jtpang,  nirgenb«  aber,  abgefe^en  bon  ben  HJlifd^e^en,  in  Setreff  beren  25 
ba«  xtüixtc  ®efe^  (ed.  3^wmer  a.  a.  D,  ©.  309)  für  ben  jübifd^en  ieil  bie  3:aufe  bei 
©träfe  etoiger  Verbannung  ^eifd^t,  and)  ein  formeller  gel^errfc^t  l^ciben,  unb  bie  unbeftimmten 
3Serf})red^ungen,  iDoburc^  baS  jtoeite  Defret  aUe  ^n\>in  jum  Übertritt  ju  lodfen  ijerfuc^t, 
ermangeln  h?o^I  be«  })raftifc^en  fflerte«.  Durc^  glud^t  in«  granlenreid^  fuc^ten  fic^  biele 
ju  retten.  30 

Unter  einem  fo  eifrig  latl^olifd^en  dürften  lonnte  bie  Äird^e  eine  au«gebel^nte  S^ätig« 
feit  entfalten,  t)or  attem  aud^  auf  f^nobalem  ©ebiet.  Unter  bemSorft^  be«  3JJetro})oKten 
©ufebiu«  bon  2^anagona  tagte  am  13.  ^an.  614  ein  ^robinjialfonjil  ju  ®gara,  toelc^e« 
lebiglic^  im  2tnfc^lufe  an  ba«  Oscense  ($ue«ca)  bon  598  ben  Äleru«  erneut  jum 
ßölibat  Derjjflic^tete  (Mansi  X,  ©.  531  f.).  auf  bem  Hispalense  II  (Mansi  X,  ©.  555—570)  36 
t)on  619  })räfibierte3ftbor;  aufeer  i^m  h?aren  ad^t  ©uffragane  jugegen.  Sei  aller  leiben- 
fd^aftlic^er  grömmigfeit  toar  ©ifebut  boc^  burd^au«  fein  „^faffenfönig",  berftanb  e«  biel= 
me^r,  gelegentlid[^  auc^  bem  ©jjiffo^at  gegenüber  ein  urfräftige«  SDSort  ju  f})red^en. 
ßäciliu«  bon  5Dlentefa  (gaen  im  füböftlic^en  ©j)anien),  toar,  toie  e«  fc^eint,  ju  Anfang 
be«  atebalb  ju  erörtemben  ©ifebutfc^en  ^elbjuge«  gegen  bie  ©riechen  in  bie  ©efangen»  40 
fd^aft  berfelben  geraten  unb  fpielte  bann,  el^rent)oII  freigelaffen,  al«  gotifd^er  griebeng^ 
unterl^änbler  eine  nid^t  untpic^tige  SRoHe.  3"  ^^^^^"^  ©(^reiben  an  ben  Sifd^of  (ed. 
®unblad(;  a.a.D.  ep.  2,  ©.  662  f.)  rüdft  nun  ber  Äönig  bem  Dberl^irten,  ber  fid^  anfang«, 
ftatt  fic^  feiner  (tüol^I  bon  ben  S^antinern  bebrängtcn)  2)iöcefanen  anjunel^men,  in  ein 
Älofter  eingefc^Ioffen,  in  marfigen  aSorten  a«Icfe  jur  Unzeit  bor.  gerner  richtet  ©ifebut  40 
einen  l^öd[^ft  ungnäbigen  Srief  an  ben  3)letroj)oüten  bon  iarragona  (ed.  ®unblac^ a.a.O. 
ep.  7,  ©.  668  f.). 

9Ja(bbem  ©ifebut  burc^  feine  gclbl^errn  Slefila  unb  ©bint^ila  mit  ben  SRucconen  unb 
anberen  Siebellen  be«  9lorben«  blutige  abred^nung  gehalten,  begann  er  615  im  ©tile 
eine«  Seobigilb  ben  3Semid^tung«fam^f  gegen  ba«  oftrömifc^e  ©jjanien.  3BirIfam  unterftüfet  eo 
t)on  ©bint^ila,  befiegte  er  bie  8^5^"^'"^  ""^^  ^^^  ^atriciu«  ßäfariu«,  einer  i^m  felbfi 
fongenialen  ritterlichen  9tatur,  in  gtrei  grofeen  ©c^lad^ten  unb  fc^lofe  bann  nad^  längeren 
Unterl^anblungen  mitßäfariu«  unb  bem  Äaifer  §erafleio«  einen  el^renboHen  ^rieben,  ber 
nur  noc^  jtoei  Äüftenftäbte  im  l^eutigen  aigarbe  in  ben  §änben  ber  ®ried^en  beliefe. 
3)iefer  Iläglic^e  Sleft  ber  einft  fo  anfe^nlid^en  oftrömifd;en  ^eft^ungen  tourbe  fc^on  624  55 
burd^  Äönig  ©bint^ila  h?ieber  erobert,  ©iefebut  jeigte  ft^  al«  ©ieger  fo  menfd^en^ 
freunblic^,  bafe  er  bie  oftrömifc^en  ®cfangcnen  bon  feinem  eigenen  §eerbann  abfaufte  unb 
in  bie  Jpeimat  entliefe.  8ran§  ©örreö. 

©ifera  f.  b.  a.  5Debora  Sb  IV  ©.524,49. 


400  (Stftitittit0  Sitte,  Stttlti^Iett,  (Stttengeff« 

Stfititttud.  aSon  ?inänncm  biefc^  9lanicn«  fmb  j;u  ermähnen:  1.  Der  '^o^jft  ©ifm^ 
niu^.  ®r  h?ar  bon  (Scburt  ein  ©^rer,  bereit«;  ein  hanfer  'äWann,  aU  er  nad)  einer 
©ebii^bafanj  Don  brei  5!Konaten  Qttoahlt  tüurbe;  er  fül^rte  ben  ^ontififat  benn  ouc^  nur 
bom  18.  Januar  bi^  7.  gebruar  708.    3)a^  5ßaj)ftbuc^  tüeife  bon  ibm  nic^t«  ^u  berichten, 

6  atö  bofe  er  Vorbereitungen  j|ur  aBieber^erfteflung  ber  ©tabtmauer  traf.  —  2.  Der  noba- 
tionifc^e  Sifc^of  ©ifinniu«  bon  Äonftantino})eI.  -ßr  toar  SKitfc^üIer  ^ulian^  bei  bem 
5pi^iIofo})^cn  SRajimu«,  trat  bann  in  ben  fird[^Ii(i^en  Dienft  unb  h?ar  fd^on  ate  Sehor  ein 
einflu^reid^e^  Olieb  ber  nobatianifci(;en  ©emeinbe;  fc^liefelidi^  h?urbe  er  395  i^r  Sifc^of. 
©ofratc^  \px\d)i  bon  feiner  fdj^riftftcllerifc^en  3:]^ätialeit,  inbem  er  fein  ^n6^  über  bie  Sufec 

10  gegen  (Sl^r^foftoinu^  unb  feine  ©ci(;rift  gegen  bie  ^Kefjalianer  eigene  anfül^rt ;  bod^  bemerft 
er:  leycov  uaXXov  f)  ävayivcooxöjuevog  i&avjudCeio.  Qx,  tbie  ©ojomeno^  überliefern 
eine  2lnja^l  bona  mots  be^  nobatianifci(;en  Äird^en^aubt«.  Socr.  h.  e.V,  10;  21.  VI,  1; 
21.  Soz.  h.  e.  VII,  12.  VIII,  1.,  bgl.  Skufc^en,  ^al^rbb.  b.  d^riftl.  Äirc^e  1897  ©.465  f. 
3.  ©ofrate«  erh)äl^nt  einen  ort^obojen  S3ifci^of  ©ifmniuö  bon  Äonftantino))eI  426—427; 

15  bebeutenber  fdj^eint  ber  jüngere  ^atriarc^  ©ifmniu^  995—999  getoefen  ju  fein.  Sluf  ibn 
gelten  einige,  auf  ba«  g^ered^t  bemglid^e  ßrlaffe  jurücf,  MSG  119  S.  728,  'i'itra, 
Spicüeg.  Solesm.  IV,  ©.  464,  bgl.  Gabe,  Scr.  eccl.  bist,  litter.,  ®enf  1720  ©.  510 
S(uc^  berfafete  er  eine  ^EyxvxXiog  huaxolt}  jigog  rovg  rrjg  ävaioltjg  ägxisQfiTixovs 
'ägovovg  negl  rrjg  ixjiogevoeojg   lov   äyiov   jivevjuaTog,    f.  2)cmetrato})uIo^,  ^Og^o- 

20  do^og  "EXXag,  2eiJ)jig  1872  ©.  4  f.  ^oucf. 

Sitte,  @tttltl^lctt,®tttetigefc^.  —  ßittera tut:  3ur  oII(jemcinen  Dricnticrunt;:  9ixU 
„(gt^i!"  oben  V,  532  ff.  —  £).  SRitfd)!,  '3)ic  ^tW  ber  ©cgenioart  in  ber  bcntfc^cn  2:^colo(iie, 
St^col.  atunbid).  VI,  ©.399  ff.  445  ff.  491  ff.,  1903.  3)ie  mit  ber  ©egcnnjart  in  ber  bcutfdicn 
^^ilofop^ie.  (Sbenba  VIII,  @. 309  ff.  407  ff.  451  ff.,  1905.  -  X^'S%  „miV\  feit  1882.  —  Rr.  ^oK 

26  (iJcfcfti(^te  ber  ©t^i!  in  ber  neueren  ^ftilofopl^ic,  2  ÜBbe,  Stuttgart  1882/89. 

3u  1 :  ^ant,  (SJrunblegung  j^ur  3KetQp^l)fif  ber  6ittcn,  1785.  ^riti!  ber  praftifc^en  Ver- 
nunft, 1768.  JHcIigion  innert)alb  ber  blofeen  Vernunft,  1793.  (Seitenja^len  nad)  ber  Dtcclomfdjcn 
9luögabc.)  —  SBr^Saud),  Sut^er  unb  tant,  Scrlin  1904. 

Qu   2:    @dilciermad)er,    ©runbUnien     einer   iö^riti!    ber    bisherigen    Sittenlehre,   18C».'? 

aoCföerfelll,  1).  ^Ib^anblungen  über  ben  Unterfdiieb  ^roifd^en  9?atur  unb  ©ittcngcfcU,  über  ben 
aJegriff  beS  ^öc^ften  ÖJute«  u.  a.  (3Bcrle  III,  2).  <B^iIofüp^ifd)c  (St^if,  no(ft  ben  öorlefunc^en 
^crauSg.  bon  ©djtociäer  1835  (SSerfe  III,  5),  oon  %tüe\tcn  1841  (fclbftftftnbig).  3)ic  d)riftlid)c 
Sitte  (feerle  I,  12).  —  ©.  5ud)§,  S3om  35erbcn  breier  ^^enfer,  Seipjig  1904.  —  ©.^ift^en, 
2ehtn  Scftleiermac^erS  I,  S3erlin  1870. 

36  3u  3.:  38.  4'>errmann,  et{)if,  Tübingen  1901.  »1904.  SRömiftfte  unb  eoan9eIifd)c  Sitt 
lic^feit,  *3Karburg  1903.  3)ic  fittlidien '^öeifungen  gefu,  öJbttingen  1904.  —  (5.  Stange, 
Einleitung  in  ber  Et^if,  2  93be,  i'eipjig  1900/01.  —  58.  Äoppclmann,  .^tritit  bcv^  fitt- 
Ucften  33etou6tfein«,  33erUn  1904.  -  m.  '28entfd)er,  (Stt)i!,  2  5öbe,  ficipjig  1902/05.  - 
.&.  So^cn,    üti)it   beS   reinen  28iUenS,   SBerlin  1904.    (^efonbcrS  gegen  pfi^d)olo(\ifdi^anl^ro= 

40poIogifd)C  JBegrünbung  ber  (St^il  S.  8—78.)  —  gür  bie  ÖJüteret^Ü:  uor  aacm  (5.  Xrocltfd), 
©ruiibprobleme  ber  (£tt)if,  ?,%m  XII,  S.44ff.  S.  125  ff.,  1902.  <ßülitifd)e  (St^if  unb  C£t)riftcn^ 
tum,  öJüttingen  1904.  ^roteft.  ß^riftentum  unb  Äirdie  in  ber  92eujeit.  3n:  ^ic  Äultur  ber 
©egentoart  1,  S3crlin  1900.  —  9(rt.  „'3)a§  f)b6))k  ®ut"  oben  VII,  S.  257  ff.  —  91.  Slotl^e, 
X^eologifdie  CSt^if,  4  g3be,  'Wittenberg  1845/48  (M868/71).  —  ö>.  SRümelin,  Ueber  ben  «egrif? 

45  eineö  josialen  ÖJcfe^eö.  JReben  unb  9Iuffä^e  I,  S.  Iff.,  befunberd  29 ff.,  Jyreiburg  1875. 
Ueber  ben  begriff  ber  05efeflfd)aft  unb  einer  (iJefeUfd)QftöIe()re.  91.  u.  91.  III,  S.  248  ff.  @bcnba 
1894.   —  ö).  einfj,  3beale  unb  ©üler,  Erlangen  1886. 

3u  4:  ^^  0.  Stjering,  5?er  3tüed  im  9?ed)t,  2.^,  Seipjig*  1898,  S.  241— 281.  38.  ©unb t, 
El^it,  2.  i&b,  'Stuttgart  1903,  S.  107—243.    51.  3Butt!e,    .^anbbndj  ber  cftriftlidicn  Sitten- 

50  Ic^re,  2  ^^be,  Berlin  1862.  I,  §  133,  156,  159;  II,  §  215,  239,  269,  286,  307,  315. 
(M886).  ^.  fiüje,  'imifrofüömu^,  Seipjig  «1869,  II,  391  ff.  dt.  JHümcIin,  Ueber  ba§  ©efcn 
ber  CMewo^n^eit.  9?eben  unb  9luffft|e  II,  S.  149  ff.,  8-reiburg  1881.  —  fi.  ©iefe,  lieber  ben 
rittlidjen  ©crt  gegebener  formen,  Söcriin  1878.  X^.  öoppc,  S^riftlidie  Sitte,  ^annooer  1883. 
0.  grid,    Ueber   ba§   38cfen   ber  Sitte.   |)eiIbronn  1884.    '^.  9teif(^Ie,    3)ic  SBebcutung  ber 

66  Sitte  für  ba§  «riftlic^e  Seben,  32:t)i^V,  S.  244  ff,  1895.  —  3ur  Sittcngcfc^i*tc  unb  Sittcm 
funbe  feien  nur  bie  midjtigften  3eitfd)riften  genannt:  3citid)rift  beö  SSereinö  für  SSoI{*!unbc. 
Seit  1891.  (gortjet^ung  ber  feit  1860  ^erauggegebenen  3eitfd)rift  für  5Bbtfcrpf^(öoIogie  unb 
Sprad)n)iffenfd)aft.)  SBe'rlin,  ^Iftjer.  —  .1pcfiifd)e  »lätter  für  ^^olf^funbe.  Seit  1902.  (gort^ 
fej^ung  ber  feit  1899  beftef)enben  3^Iätter    für   öeffifd)c  ^oIf«funbc.)    fieipi^ig,   2:cubncr.    ^er 

GO  Sa^rgang  1903  enthält  eine  Uebcrfid)t  über  fftmtlid)c  fünft  in  33etra^t  !ommenbc  3eltfd)riftcn. 
3u  5:  i^orrefpünbenjblatt   jur  '^^efämpfung    ber  öffentlichen  Sittenlofigfeit.    Seit    1888. 
93erlin,  (iJcfdjäftöfteUc  ber  S8ercinc  i\ur  ^cbung'^ber  Sittlid)feit.    —    '3J?uttcrf(^ut.      3«itW^"ii* 
^ur  SReform  ber  feiueücn  (£t^if.    Seit  1905.    granffurt  a/IDt.,  Saucrlänbcr. 


®itte,  (Sittlii^Ieit,  Sittengefe^  401 

ßö  banbelt  fid^  um  bie  begriffe  unb  t^r  i^crJ^ältni^  jueinanber.  SBiriperbcit  am 
fic^ctflen  Älor^eit  gewinnen,  tücnn  toir  bei  bicfcr  (Srörtetunö  bon  Äaitt  unb  ©c^leier^ 
mad^er  au^el^en. 

1.  Äant^  ©Vftcm  ift  Iritifd^cr  9lationaIi<Smu8.  Scroti  au^  biefem  ©runbc  muffen 
bie  Segriffe  bei  i^m  befonbcr^  Hat  fein,  ßr  lueife  feinen  anbem  SBeg,  ,,bie  ©itten  auf  6 
il^re  cd^len  $rinjij)ien  ju  grünben",  al§  jjunäd[^ft  SKoral  „a\x^  bem  attgemeinen  Segriffe 
einc^  Ijemünftigen  ffiefen^"  abzuleiten.  6^  gilt,  fie  junäcbft  afe  ,,reine  ^l^ilofo})l^ie", 
al^  „3Weta))l^^fiI"  aufzurichten,  banac^  erft  fann  man  fie  auf  ben  9Jlenfc^en  ber  3lntl^ro= 
jjologie  mit  ßrfolg  antoenben.  Sitte  bi^l^erigen  Semül^ungen  um  baS  „^rin^ij)  ber  ©itts 
lic^Ieit"  l^aben  fel^Ifd^lagen  muffen,  h?eil  man  enttoeber  blofe  emjjirifd^,  ober,  toenn  rational,  lo 
bann  o^ne  Äritil  Ijorgina.  Unb  fo  fc^reibt  Stant  in  bem  Seloufetfein,  einen  böttig  neuen 
©runb  für  bie  3)loraIh?iffenfc^aft  toic  für  bie  moralifd^e  ßrjiel^ung  ju  legen,  erft  feine 
„®runblegung  jur  3KetÄ()l^^riI  ber  ©itten"  unb  fobann  feine  „firitil  ber  ^raltif d^en  Ser= 
nunft."  ©itten  (immer  m  ber  SWe^rja^O  unb  ©ittlic^Ieit  (ober  SKoralität)  fmb  i^m 
babei  ©^non^ma.  is 

©ittlid^Ieit  begreift  Kant,  inbem  er  ba^  ©itten^efe^  entbecft.  ©ittengefefee,  b.  i. 
negative  ober  })ofttii)e,  ba^  Jpanbeln  unb  axii)  bie  (Sefmnung  ber  3Wcnfci^en  in  ^nf})nfc^ 
ne^menbe  ©ebote,  ffat  eS  ijor  Sant  in  unüberfel^barer  3Kenge  gegeben  unb  giebt  e^  feitl^er 
o^ne  atte  SRüdtftc^t  auf  Äant,  ja  o^ne  jebe  Äenntni^  feiner  begriffe.  ®efe|^eber  toaren 
©Otter  unb  ^Religionen,  ^ürften  unb  &aaim,  Se^rer  unb  ©c^ulen,  Säter,  5Dlütter,  20 
©ijjpen,  ©tänbe  unb  SSereine,  2lutoritäten  bon  jegli^er  9lrt.  ^en  ^rü^alt  ber  ©efe^e^s 
t)orfci[^riften  leitete  man  ab  a\i^  ber  9Jatur  ober  a\i^  bem  ^erlommen  ober  au^  öermemt^ 
lid^er  Söitttür.  2tud^  gab  baö  3u*>i^ibuu"i  f^^  f^^&^^  ©efe^e  moralifdj^en  gnl^altig,  loo 
irgenb  e^'ftdj^  auf  eine  eigne  le^te  ©etoiffen^entfAeibung  geftettt  fa^,  fobalb  e«  fic^  au^ 
©etoiffen^grünben  aud^  toirflid^  entfd^ieb.  Slber  «ant  juerft  l^at  bei  feiner  Iritifd^en  2lnas  25 
l^fe  be^  Söemunftbermögen^  ba§  ©ef^eimni«  ber  ©ittlid^Ieit  erfannt,  mbem  er  ba^  SBefen 
ber  fittlid^en  ©efe^gebung  entbedfte  ate  ©elbftgefe^gebung  (älutonomie).    ©ittlic^  ift  eine 

tanblung  (©eftnnung),  bie  ber  aSitte  fi^  felbft  auferlegt,  in  bem  Seloufttfein,  bafe  bie 
iaiime,  ber  er  bamit  folgt,  ju  einem  attgemeinen  ©efe^  taugen  toürbe.  ßine  folc^e 
tanblung  ift  })flid^tmäfeig,  toirb  ate  ^flid^t  emj^funben  unb  geti^an.  3!)ag  vernünftige  so 
kfen,  ba^  fid^  fo  ba^S  ©ittengebot  felber  giebt,  ift  im  SReid^e  ber  ©itten  ^ugleid^  Ober- 
f)ai\pt  unb  Untert^an:  atö  gefefegebenbe^  Dber^aujjt  bel^au})tet  e^  eine  beftimmte  SSJürbe, 
al^  gel^ord(;enber  Üntertl^an  erfüllt  ed  feine  ^flid^t.  ^n  ben  Äorrelatbegriffen  ber  ^flic^t 
unb  be^  ©ittengefefee  atmet  bie  Äantfc^e  SRoral.  3"  i>^^  berühmten  3[})oftro})l^e  an  bie 
^^flic^t  (i)r.  aSn.  ©.  105)  bejeugt  Äant  bon  ber  Wx(i)i,  bafe  fie  nic^tg  h?eiter  t^ut  atess 
ein  ©ef4  aufftetten,  ba^  bon  felbft  im  ©emüte  ßingang  finbet,  aber  einmal  angenommen, 
aud^  toiber  SBitten  unb  tvenn  loir  eö  nid^t  befolgen,  Derel^rt  loirb;  nic^t  ßinfd^meid^elung 
nod^  ^rol^ung  ftel^en  i^r  babei  gu  2)icnfte:  Steigungen  mögen  il^r  babei  entgegentoirfen, 
muffen  aber  berftummen,  too  eö  fi^  bielmcl^r  um  ba§  einzige  SWittel  jur  drlangung 
unferer  SKenfc^enloürbe  ^anbelt.  ©ut  ift  ber  SQäitte,  ber  bie  $flic^t  tl^ut  um  ber  ^flid^t  40 
iüillen,  ber  ba^  ©efe^  erfüllt  au^  Sichtung  bor  bem  ©cfe$,  ber  fo  ^anbelt,  bafe  bie 
3Rajime  feinet  ^anbelnig  iebergeit  jugleid^  afö  ^ringi^j  einer  attgemeinen  ©efe^gebung 
gelten  fönnte  {px,  3Sn.  ©.  36).  gür  bie  ©ittlic^feit  ift  alfo  fonftitutib  bie  Segiel^ung  be« 
^anbelne  (ber  ©efinnung)  auf  ein  Slttgemeingiltige^  unb  SJotlocnbige«.  ®ag  ©ittengcfe^ 
ift  barin  bem  SfJaturgefe^  gleich,  bafe  e^  mit  abfoluter  äUgemein^eit  für  atte  bemünftigen  45 
SBefen  ol^ne  Slu^na^me  nottpenbig  gilt,  älber  eö  ift  ber  2lu§brudf  einer  SJottoenbigleit, 
bie  nid^t  S^^^^Ö  H^-  ®^  ^ft  ^'"  fflittenggefe^,  ein  3i"i>>cratib.  Äein  ](>^))ot^etifd(;er  blofe, 
ber  hnxd)  irgenb  einen  bon  feinem  S^i^alt  unabl^ängigen  ^\ü^d  bebingt  loäre,  fonbern 
ein  tategorif^er,  unter  atten  Umftänben  unbebingt  giltiger.  2tber  immer  nur  für  ben 
fittlic^en,  b.  i.  für  ben  bemünftigen  ©eift.  ®en  giebt  e«  eben,  unb  barum  atte«,  Wa^  so 
bie  fritifd^e  2lnal^fe  in  xi^m  finbet.  ©0  geh)ife  e^S  bernünftige  SBefen  giebt,  fo  geUjife  ift 
j)flic^tmä^ige§  Jpanbeln,  §anbeln  einzig  au^  Sld^tung  bor  bem  ©ittengefe^,  Ij^atfac^e. 
2)iefc  Il^atfac^e  fc^liefet  atte  em^jirifd^en  äriebfebern  a\x^.  ©ie  ift  aber  ni^t  möglid^  o^nc 
greil^eit.  ©ittlid^feit,  Slutonomie,  SffiiHcn^frei^eit  finb  ein  unb  ba^felbe.  ©er  Urf})rung 
ber  ^flid^t  ift  ein  ber  reinen  tl^eoretifd^en  Vernunft  berborgener  (Slpoftro^be  px.  3?n.  55 
©.  105) ;  nur  fo  biel  lann  unb  mufe  man  fagen,  bafe  er  in  ber  greil^eit  gegeben  ift,  bie 
attein  ©elbftgefe^gebung  ermöglid^t.  3)l\i  ber  ^eil^eit  ^at  bie  ©ittlid^feit  il^rc  §eimat  in 
einer  anbern  SBelt  ate  ber  bem  Kaufalgufammen^ang  unterlDorfenen  ßrfd^einung^trelt; 
aber  loeil  nur  fo  bie  3:l^atfac^e  ber  autonomen  ©ittlic^fcit  möglid^  ift,  fo  ift  ebenbarum 
grei^eit  %\)at\ad)t.    SBo^lberftanben :  grei^eit  ate  Sebingung  unb  ßrmöglid^ung  fUtUc^er  «o 

Keal'dnci^nopabic  für  Xfttoloqlt  unb  ßird^c.    8.  K.  xviii.  26 


402  Sitte,  ®tttl^feit,  eitttngefe^ 

autononiic.  SEtr  9Jlcnf(^cn  l^abcn  eben  nic^t  nur  unfern  enH)trtfc^en  S^araftcr,  o(«  bem 
Äaiifal^ufammenl^ang  unterworfene  9Jaturh>efen,  fonbem  tüir  ^abcn  jiugldd^  auc^  unfern 
inteHigtblen  ßharafter,  gehören  einer  fittlid^en  überfinnlic^en  SBelt  an,  bie  mit  feiner  ihrer 
SBirflid^Ieiten  fo  jtüingenb  in  unfere  fenftble  SSelt  fiereinrogt  ote  mit  biefer  3:^atfad&e  ber 

5  ^ei^eit.  2)ic  grei^eit  be«  SBiUeng  jur  fittlic^en  ©elbftgefe^gcbung  bcfi^t  —  unmittelbar 
für  bie  ))raftifc^e  SSemunft  —  bolle  ^Realität.  9Jic^t  auf  bem  SBcge  t)f^d5^olo0ifc^er  ober 
l^iftorifc^jCT  gorfci(;ung  fönnte  man  ju  biefem  ßrgebni^  tommcn,  mit  ibr  bliebe  man  im 
®egenteii  im  Serei^  be«  ßm^irifd^en  unb  SwfäHigen.  grei^eit,  ?5pic^t,  ©ittengefeh  er-- 
lennt  man  einjig  Dermittelft  ber  5Dietl^obe  be«   tran^fcenbentalen  Äritici^mue,   b.  i.  jener 

10  ^et^obe,  toeld^e  burc^  Slui^fc^eibung  alle«  (Srfenntni^ftoffe«  bie  in  ber  SBentunft  gegebenen 
allgemeinen  gcifttgen  Scbingungen  ergrünbet,  unter  benen  ©rfcnntni«  ju  ftanbe  fommt, 
ober,  auf  bie  SJcoral  angetoanbt,  bie  allgemeinen  geiftigen  Sebingungen,  unter  benen 
3KoraI  ju  ftanbe  fommt.  ©o  finbet  man  ba«  3lj)riori  ber  Semunft,  bem  allein  dloU 
ioenbigfeit  eignet.    ÜJJan   fann  nid^t   au^  ber  6rfci(;cinung  einer  SBelt  ber  Sitten  obnc 

iBloeitere«  ablefen,  toag  ©ittlic^feit  fei;  man  mufe  erft  burc^  bie  6rfci(;einung  Iritifc^  bin= 
burc^bringenb  ba«  2l})riori,  bie  ^orm  gefudj^t  unb  gefunben  l^abcn,  meldte  ©egenftänbc 
ber  erfd^einunggioelt  (in  biefem  %aa,  ^anblungen  unb  ©efmnungen)  ju  fittltc^cn  macbt. 
©0  lann  baiS  $rinji})  ber  ©ittlicpeit  nur  ein  formale«  fein,  h?ie  e«  eben  im  fategorifd^en 
3m})eratii)  gegeben  ift,  im  (Sebanlen  ber  $flici(>t,  ber  ^reil^eit  unb  ber  ©elbftgefe^cbung. 

20  aiber  biefe«  formale  ^rinji^j,  ba«  burc^  bie  Stbfd^eibung  jebe«  ®ef(bid^tli^s3ufäUig= 
©tofflid&en  geloonnen  ift,  ertoeift  fic^  a(«  ein  überau«  geftaltenbe«  unb  fd^öpferifc^e«.  2^ic 
erfte  gaffung  be«  fategorifc^cn  3"i^^ötibe«  lautete  ba^in,  bafe  toir  bie  3Rajimen  unfere^ 
^anbcln«  (unb  unferer  Oeftnnung)  fo  toä^Ien  muffen,  ate  foUten  fie  gelten  toic  allgemeine 
^aturgefe^e.    6«  l^anbelt  ftc^  aber  im  SReid^e  ber  ©itten   nic^t   blofe  um   iftatur,    um 

25  ©ad^cn,  fonbem  um  eine  ©efe^gebung  für  ^erfonen,  um  SBillen  unb  3^^*^/  unb  barum 
bietet  fid^  für  benfelben  ))raftif(|en  3ini>)cratito  bie  nh?eite  gaffung:  §anble  fo,  bafe  bu  bie 
3Renfc^^eit  fotool^l  in  beiner  ^erfon  aU  in  ber  ^iperjon  jebe«  anberen  jeber^cit  jugleid» 
ate  3h?edf,  nicmal«  blofe  ate  5DlitteI  braud^ft.   (®rblgg.  ©.  65.) 

aSeld^e  Sejiel^ung  finbet  nun  Äant  Don  ber9Koral  jur  Steligion?   2tuf«  bcftimmteftc 

90  bat  er  au«  ber  Don  i^m  Vertretenen  ©ittlic^feit  jeben  Subämoni«mu«  au«gefc^loffen.  ^aö 
SSerlangen  nad^  (Slüdtfeligleit  barf  niemal«  3:riebfeber,  ÜJJotib  be«  §anbeln«  fein.  3^en= 
nod^  enennt  er  ein  SJemunftbebürfni«  an,  für  ba«  ©ittengefe^  unb  feine  gorberungen 
„ben  ganzen  in  einer  SfiJelt  möglid^en,  jum  ftttlic^en  gnbjtoedf  jufammenftimmenben 
ßffeft"  p  ^joftulieren.   $ienu  bebarf  bie  })raltifc^c  3?ernunft  ba«  Dafein  (Sötte«  unb  bie 

86  Unfterblid^feit  ber  ©eele.  55.  i}.  ber  fittlid^e  3Renfd^  fann  nic^t  anber«,  al«  biefe  für  bie 
t^eoretifd^e  Semunft  nur  benfbaren,  nur  jenfeit«  ber  (Srenje  be«  ©rfa^r^  unb  ffiSifebaren 
auftaud^enben  ^been  für  real  annel^men.  3)Jan  t^ut  aberÄant  unrecht,  toenn  man  babci 
auf  bie  ©^ntl^efe  Don  3:ugenb  unb  ©lüdffeligfeit  unb  bamit  auf  ba«  §ereinlaf[en  ber 
©lürffeligfeit  in  ben  Segriff  be«  gnbjtoedf«  ober  be«  böd^ften  CSute«  fc^eltcnb  ben  ginger 

40  legt:  tooran  i^m  liegt,  toenn  er  Unfterblid^feit  unb  ©Ott  })oftuliert,  ba«  ift  bie  ©rreic^um] 
eine«  bem  ©ittengefe^  angemeffenen  Sffeft«  fotro^I  für  ba«  ein^^elne  bemtinftige  ffiefeii 
ioic  für  i^re  äH^eit.  3)iefer  ©ebanfe  ift  relatiD  unabhängig  Don  bem  bem  3^ttgef(^macf 
angel^örigen  ber  ©lüdtfeligfeit.  3lu«  bem  ©ebanfen  be«  unentbel^rlic^en  6ffeft«  ergibt  fid^  bae 
Sernunftbebürfni«,  eine  Mad^t  anjune^men,  bie  jugicicb  oberfte  Urfad^e  ber  5Watur  ift  unb 

45  jugleid^  au6}  il^rerfeit«  ba«  ©ittengefe^  troHen  fann,  bamit  alfo  bie  moralifc^c  ©etoifebeit 
©otte«.  Sieligion  ift  bann  =  5Woral,  Derbunben  mit  bem  Segriffe  be«ienigcn,  h)a«  ihrem 
legten  3iü^dte  ßffcft  Derfd^affen  fann,  bem  Segriff  Don  ©ott  al«  moralifd^em  SBcItur^eber, 
unb  belogen  auf  eine  I)auer  be«  ?)ienfci^en,  bie  biefem  ganjen  3*^^^  angemeffen  ift 
(91el.  inr^.  ©.183).    Ober  auc^:  fubjeftiD  betrad^tet,  bie  (Srfenntni«  aller  unfrer  ^flit^ten 

50  al«  (bie«„al«"  Don  Äant  gef))ent  gebrudft)  gottlid^er  ©ebote  (ebenba  ©.  178).  ^at  Äant 
bamit  bie  ^Religion  ju  einem  9lnl^ängfel  ber  3Koral  gemad^t?  Sei  folc^er  9lcbe  toürbigt 
man  nic^t,  h>a«  e«  für  Äant  biefe,  toenn  er  bie  fittlic^e  ©efe^gebung,  bie  Srfenntni«  ber 
^flid^t,  toeld;e  bem  Sermögen  be«  Demünftigen  3)lenfd^en  al«  feine  freie  %f^t  jujueignen 
Äern  unb  ©tern  feiner  ßt^if  toar,  nunmehr  al«  reine  D^f ergäbe  ©Ott  barbringt  —  in 

5^.  aller  9tüc^tern^eit  be«  ©ebanfen«,  ol^ne  bie  Don  i^m  fo  fe^r  Derabfc^eute  ©c^toärmerei: 
bennoc^  03ott  ber  moralifc^e  2Beltur^eber  unb  ©efe^geber  fatejoc^en,  ol^ne  ben  aü  ba^ 
©rfcnnen  unb  ^anbeln  nid^t  ^um  3^^'^  fommt  imb  ber  auc^  ben  3Wenf(^en  autonom 
gctooHt  f}at  3)a«  Sleid^  ber  ©itten,  ber  3toedEe,  ba«  9teid^  ber  ©utcn  te^tlic^  ©otte« 
9leid^,  beffen  Url^eber  nur  er  felbft  fein  fann  (ebenba  176). 

60        ©0  beantwortet  ^ani  bie  grage  nad)  bem  SBefen  ber  ©ittlid^tcit,  Dom  ©tanb))unftc 


®ttte,  ^miifitti,  ®ittetifleft^  403 

be«  frommen  ^n^itoi^wwm^,  ba^  feine  ^flid^t  fennt  unb  fein  (SeUjiffen  l}at  gnbem  er 
bie  %\)ai\a6)^  ber  fittlic^en  ©elbfigefe^gebung  in  il^m  entbedft,  ift  ha^  Stätfel,  bem  er  nad^s 
gc^t,  für  i^n  gelöft.  3)er  autonome  3Wenf^  fielet  nun  mitten  in  ber  SBelt  mit  ber  ätufs 
gäbe,  au^  il^r  feine  fittlid^e  SBelt  ju  fd^affen.  ®afür,  bafe  eö  eine  fittlic^e  SBelt  toirb, 
ein  Sleid^  ber  ©itten,  forgt  ber  3n^J>ctatiD,  ber  i^m  unabläfftgt  fagt,  bafe  er  nic^t^  looHen  6 
barf,  Uja«  nxi^t  jeber  an  feiner  ©tette  h?oIIen  foHte.  3)ie  änerfennung  biefe^  ,,3"^P^^^' 
iir>^  ber  Sitten"  ober  be«  „©ittengefe^e^"  ober  ber  „^flic^t"  lonftituiert  ben  Segriff  ber 
fittUc^en  $erfon;  inbem  i^re  (Seftnnung  bem  Oefe^e  gemäfe  ift  axi^  äc^tung  bor  bem 
®efe^,  l^at  fte  lugenb;  bamit  toirb  freiließ  ba«  8eh?ufetfein  eineö  bleibenden  §ange^  jur 
Übertretung  berbunben  fein,  ba^  eingetüurjelte  S3öfe ;  baS  tDirb  fie  mißbilligen,  aber  ^u^  lo 
gleid^  ftc^  an  ber  i5t>ffnw"0  ^i"^^  gortfc^ritt«  m^  Unenblici(;e  aufrid^ten:  für  ben  legten 
effett  h?irb  ®ott  forgen.  Rani  \iü}lt  fid^  babei  in  Übereinftimmung  mit  ber  „moralifd^en 
33orfc^rift  be«  ©Dangclii",  h?elc^e  „bie  fittlid^e  Oefmnung  in  il^rer  ganjen  SJoIIfommenl^eit 
barftcttt,  fo  mie  fie  ate  ein  ^h^al  ber  ^eiligteit  bon  leinem  ®ef(^ö})fe  erreichbar  bennod^ 
ba^  Urbilb  ift,  h?elc^em  loir  ung  m  nä!i)txn  unb  in  einem  ununterbrod^enen,  aber  un=  i5 
enblic^en  ^rogrefJuiS  gleich  ju  loerben  ftreben  foHen"  (px.  SSn.  ©.101,  b^l.  oben  VII, 
263, 39 ff.).  3"  ^^  ^W  iüurjeln  bie  fittUc^en  Segriffe  Äant«  in  ber  ©efmnung^moral 
Sut^er^,  $auli  unb  3iefu.  Unb  leine  Qti)it  ftel^t  mit  ibren  allgemeinen  Segriffen  ber 
d^riftlid^en  5!Koral  in  unferm  Solfe  naiver  aB  bie  ßt^if  Äant«.  Stud^  ba«  fc^lvierigfte 
©tüdf  feiner  Seigre,  ba^S  bon  ber  inteüigiblen  SBelt,  bom  inteHigiblen  G^arafter  unb  bon  20 
ber  ^rei^eit,  betoegt  ftc^  genau  jiugefel^en  in  einer  merftoürbigen  Sertoanbtfc^aft  mit  ber 
et)angelifd(;en  3Jloral.  Unb  feine  Sinbe^ie^ung  ber  ©lüdEfeligfeit  l^at  il^re  überrajd^enb 
ä^nlic^e  parallele  in  ber  Serloertung  be^  Soi^ngebanlen^  burc^  3^fu^-  S^ölric^  06er 
ftel^t  bie  Äantfc^e  HJloral  h?egen  il^rer  rationaliftifd^en  bualiftifc^en  ©runblagc  unb  h?egen 
i^rer  Äonjentration  auf  ba«  eigentlich  })ralttfc^c  Problem  ber  perfönlid^en  ©ittlic^feit  in  25 
einem  fe^r  na^en  Ser^ältni^  ju  unferer  beutfc^en  ))o))ulären  3Woral  überl^au})t,  fofern 
biefe  6mft  in  fic^  f)ai,  ©er  Sinflufe  ift  babei  ein  gegenfeitiger;  tüie  fie  au^  beutfc^* 
^)roteftantifd^em  3Befen  ^erau^eh)ad(;fen  ift,  fo  ^at  fte  ii^rerfeitö  toieberum  auf  bieje^  tief 
eingctoirft:  man  bergegcnh?ärtige  fic^  bie  fittlic^e  atmof})l(|äre  in  ben  3:agen  ber  Se= 
frciung^friege.  30 

2.  3"  eine  ganj  anbere  SegriffiStoelt  fül^rt  ©d^leiermac^er.  ©eine  ©t^if  ift  oben 
XVII,  610,89—614,19  eingel^enber  d^arafterifiert  h?orben.  2luc^  ber  Iritifd^en  3lbloägung, 
bie  612,62—60  an  ©^leiermad^cr^  unb  Äant^  5ßrin]\i^)ien  boUjogen  ift,  ftimmen  toir  ju. 
©d^Ieiermac^er^  Serl^ältnig  ju  Äant  au^fü^rlic^er  iu  be^anbeln,  tüäre  I^ier  nic^t  am 
^lafee.  Sgl.  and)  oben  VII,  263, 54 ff.  Um  fo  fräftiger  bürfen  toir  bie  2lrt,  h?ie  ©d^Ieier^  35 
mac^er  bie  et^ifc^en  §au})tbegriffe  beftimmt,  mit  ber  ärt  Rani^  in  Äontraft  fteHen.  3ift 
er  t>o6)  bamit  ber  X'gpn^  geh>orben  für  eine  große  9Zac^folge.  Som  ©ittengefe^  unb  bom 
©ollen  unb  bon  ber  ^reil^eit  ift  nur  loenig  nod^  bie  Siebe;  biefe  SJloral  erlennt  er  jUjar 
an,  aber  fie  ift  i^m  gar  ju  banaufifd;.  ©eine  Qü}\l  l^anbelt  bom  ftttUc^en  ©ein,  bom 
fittlid[^en  SBerben,  bom  futlid^en  irieb,  Dom  fittlic^en  ©efül^I,  bon  fittlid^er  3:i^ätigfeit  40 
unb  bor  aDem  bom  fittlid^en  ^rojeß.  3)effen  ^nl^alt  ift:  Sernunft  ibirb  9Jatur  unb 
9Jatur  tbirb  Sernunft.  6in  2lnfang^})unft  biefe«  ^^rojeffe«;  ift  fc^on  immer  unb  überaß 
bor^anben,  ber  '^kU  unb  SoHenbung^jJunft  immer  unb  überall  nod^  nid^t  erreicht.  3)ie 
botle  ßin^eit  ber  Sernunft  unb  ber  5tatur  ift  ba«  ^öd^fte  Out.  ^n  bem  ^ro^eß,  ber 
auf  bie«  ^kl  l^in  läuft,  muß  jebe«  tba^r^aft  frei  gebadete  ^anbeut  and)  objefttbc  9Jot=  45 
h)enbigfeit  ^aben  (Itbeften  ©.  212).  3^^?^^"  9Jaturgefe§  unb  ©ittengefefe  befte^t  fein 
fVejififd[^er  Unterfd^ieb.  3)er  ©egenfa^  bon  9Jatur  unb  Sitte  tbirb  erfe^t  bur^  ben  anbern : 
9latur  unb  Sernunft.  ©0  fte^t  bem  9Jaturgefe§  ba«  Semunftgefefe  gegenüber.  2lber  ber 
Unterfc^ieb  liegt  nidj^t  barin,  baß  ba«  9?aturgefe|  eine  3lu«fage  enthielte  über  @tlba«,  ba« 
gefc^e^en  muß  unb  mirflic^  ö^fc^i^^t,  ba«  Semunftgefe^  eine  2lu«fage  über  ßtma«,  ba«  bo 
itvax  gefc^el^en  foH,  aber  bielleic^t  auc^  nid^t  gefd^ie^t,  alfo  über  Qitoa^,  ba«  gelten  mürbe, 
auc^  toenn  niemals  gefc^ä^e,  Wa^  e«  gebietet.  3Rein,  ßttba«  gef^iej^t  unb  muß  gefc^el^en 
auc^  unter  bem  Semunfts  ober  ©ittengefe^.  I)a«  Sittengefefe  ift  ja  ba«  Oefei,  ba«  bie 
Sernunft  fid^  felbft  giebt  (im  fünfte  ber  Autonomie  ift  ©c|leiermac^er  mit  Kant  gan|\ 
einberftanben).  Die  ^d^tung  bor  bem  ®efe^  fonftituiert  barum  eigentlid^  erft  ba«  ®cfei  55 
unb  ift  bie  JBirflid^feit  be«  ©efeöe«.  ®«  ift  ein  unb  berfelbe  3lft,  iboburd^  bie  Sernunft 
praftifd^  Ibirb,  b.  1^.  al«  ^'"l^"!^  beftc^t,  unb  tooburd^  e«  ein  ©ittcngefe^  giebt  (SBerfc  III, 
2, 408).  SBirb  bem  ®cfe^  gemäß  getboUt,  fo  ift  bamit  eine  innerfte  Seftimmtl^cit  be«  3^ 
gegeben,  bie  tbeit  me^r  ein  ©ein  ift,  al«  bie  äußere  %\)at  unb  loa«  ani  xf)x  l^erborge^t. 
^enn  bie  beftimmenbe  Äraft  ber  (Seftnnung  ift  ba«  eigentlid[^e  unb  urf))rünglid[^e  fittlic^e  Sein,  ßo 

26* 


404  (Sitte,  (Stttlii^Iett,  ®tttettflefe^ 

tüoburd^  allein  bic  crfc^cinenbc  %f}at,  fei  fie  mm  boHfommener  ober  untooHfornmcner,  an 
ber  ©ittlid&feit  teilnimmt,  ^a^  ©itten=  ober  Sernunftgefe^  ift  alfo  nur  ®efe^,  infofem 
e^  aud^  ein  Sein  beftimmt  (tüie  ba^  ^Jaturgefe^),  unb  ift  nid^t  nur  ein  blofte^  ©otlen, 
„tt)ie  benn  ein  folc^e^  ftreng  genommen  gar  nic^t  nac^getoiefen  h?erben  fann"  (a. a.D. 409). 
6  6in  ©otten  ift  nur,  Ipo  ein  TOci(;tfein  ift,  unb  infofem  (^^toeften  ©.  27).  ©ittlic^fcit  ift 
eben  biefe^  bom  ©ittcn=  ober  Semunftgefefe  geforderte  ©ein  ober  SDSerben,  baö  immer 
\d)on  angefangene  aber  immer  aud)  noc^  nxii)t  bollenbete  9?aturlperben  ber  Vernunft 
(ebenba  ©.  24).  2)ie  ©ä^e  ber  ©ittenlel^re  bürfen  nic^t  ®ebote  fein,  fonbem  muffen  ba^ 
mirflic^e  §anbeln  ber  2]emunft  auf  bie  9?atur  au^Sbrüden  (ebenba  ©.  28). 

10  So  fragt  ftc^,  ob  benn  ba«  ©ubjeft  biefe«  ©ein^  ober  SBerben^  noc^  ber  9Kenfcb 
ift.  ©ic^er  mad^t  bie  ©ittlic^teit  be«  menfd^lic^en  SJnbibibuumg  einen  Icil  be^  etf^ifc^^en 
^ßrojeffe«  an^.  (Sinen  fel^r  ftarfen  fogar,  fofem  ©($leiermac^er,  ber  3!)id[^ter  ber  „3Kono= 
logen",  mit  ben  SRomantilern  ba^  Siedet  unb  bie  ^flic^t  ber  ©igentümlid^Ieit  (toir  fagen 
l^eute:  be^  Sled^tg  auf  ein  ©id^au^Ieben  ber  ^nbibibualität)  auf«  fc^ärffte  betont,    aber 

15  biefe«  Stecht  binbijiert  er  nic^t  nur  ber  6injeI})erfon,  fonbem  in  Diel  l^öl^erem  ®rabe  ben 
bie  6injel})erfon  überragenben  unb  um^üHmben  ®efamt))erfonen  ber  gomilie,  be«  ©taate«, 
ber  Äirc^e  u.  f.  h).  3!)ie  ©ittlic^Ieit  ber  ©injelmenfc^en  ift  jebenfaU«  nur  ein  2eil  unb 
®lieb  be«  SBed^felleben«,  ba«  38emunft  unb  9Jatur,  bie  beiben  ^ole  atte«  ©ein«,  mit= 
einanber  fül^ren.    Si«^er,  meint  ©c^leiermad^er,  l^at  man  ju  Unred^t  ba«  ?jnbiDibuum  ^um 

20©ubielt  unb  ©ubftrat  be«  ftttlic^en  Seben«  gemacht;  il^m  toerben  $fli($ten  jugef^oben, 
l^interbrein  fd^lie^ic^  aud^  3Serl^ältniffe  nac^gefagt:  aber  fein  ganje«  3)afein  unb  ^bun  ift 
ja  burd^  93erbältniffe  bebingt;  fo  muffen  feine  §anblungen  j^ueqt  ate  Elemente  einer  c« 
tüeit  überragenben  ©efamttl^ätigfeit  begriffen,  alle«  Rufammengel^örige  mu^  umfaßt,  bie  „9e- 
bingung",  bie  „Sefd^ränlung",  bie  „^ugnal^me"  al«  ba«  9lormale  et^ifd(;  begriffen  toerben. 

25  ®ie  (Sinjetoefen  fmb  nur  al«  bic  Organe  unb  ©^mbole  ber  SSemunft  gu  fe^m;  ibr 
Jpanbeln  lann  ni^t  ifoliert  toerben;  loa«  lebt  unb  l^anbelt  in  ber  etl^ifd(;en  ©))^ärc,  ift 
„bie  gan^e  SSemunft",  bie  auf  „bie  gange  9Jatur"  l^anbelt  (Xh).  ©.  255).  Unb  bic  h?a^ren 
organifc^en  ßlemmte  fmb  niAt  bic  ))l^^rtfd^en  ^erfönlic^feiten,  bic  ^"^ibibuen,  fonbem 
bie  moralif(^en,  bie  ®cmeinf4aften.  —  Xro^  ber  unermüblic^en  2)ialettil,  in   ber  ba« 

30  Jlscd;feneben  jtoifd^en  SSemunft  unb  Statur  bon  ©c^leiermac^er  ergriffen  unb  befc^ricben 
tüirb,  l^at  fein  ©^ftem  einen  au«gef})roc^enen  moniftifc^m  ®mnbjug,  unb  man  fielet  nidbt 
ein,  h?e«l^alb  ni^t  einfad^  ®ott,  ber  Urgmnb  be«  ®egenfa^e«  Don  3Semunft  unb  SJatur, 
gum  ©ubjeft  be«  ftttlid[^en  ^^rogefje«  unb  mitl^in  ber  ©ittlid^feit  gemacbt  toirb.  35ic 
©d;leiemiad^erfd^e  6t^if  ift  me^r  SBeltanfc^auung,  ®efc^id^t«s  unb  Äulturt)l^ilofoj)^ie,  aucb 

35  5Religion«t)^ilofo})^ie,  al«  SKoral,  ©ittmlel^re.  ©ie  toitt  ja  auc^  gar  niqt«  anbere«  fein 
al«  bie  aSiffenfd^aft  bon  ben  ^ringi^jien  ber  ®efd^id^te,  bie  ®mnblcgung  unb  3i*f^w^*"<^' 
fafjung  aDlcr  ®eifte«h>iffenfc^aft  im  UnterWieb  bon  ber  ®efamtnaturh)iffenfd[^aft.  ©ie  bc= 
^anbelt  genau  ba«,  toa«  Äant  in  feiner  ÜKoral  nid^t  bel^anbelt:  ben  ©toff,  mit  bem  eö 
ber  SKcnfc^  be«  fittlic^m  ^n^^^cratib«  gu  t^un  l^at,  bie  Gräfte,  ®üter,  ^toti^  ber  i^n  um= 

40  gebcnbcn,  aud^  in  il^m  felbft  feine  fittlid^e  ®efinnung  unb  ^anblung  umgebmben  SBclt. 
2)a«  atätfel  ber  ©ittlid^feit  ijat  Rani  mti}üüt  im  SJad^toei«  be«  2öefen«  ber  ^^flid^t  ober 
ber  ©elbftgefe^gebung  bc«  Demünftigen  3>^biDibuum«;  ©d(;leiermad^er  l^at  bo«  ®ebiet 
au«gcforfd^t  unb  au«gemeffen,  auf  ba«  ber  ^flid^tmäfeig  $anbelnbe  angelpiefen  ift,  ba^ 
auf  i^n  angelegt  ift:  feine«lDeg«  ein  Gl^ao«,  fonbem  ein  fd^on  geftaltete«,  fic^  immer  ac- 

45  ftaltenbe«,  aud^  auf  be«  3"^^^^^""^"^  h)eitergeftaltenbe  einh?irlung  toartenbe«  organifcm 
©ange.  ®etoi6  eine  toiUfommme  Sereid^emng:  borauggefe^t,  baf  Äant«  Sntbedtung  be^ 
3;m})eratiD«,  ber  ^flic^t,  ber  2lutonomic  feft  beftel^en  bleibt;  t)orau«gefe^t,  ba^  bie  ^^Jfli^ten^ 
leiere  nic^t  bon  ber  ®üterle^re  berfc^lungen  Ipirb.  2)iefe  ®efa^r  ift  bei  ©(^leicrma<i^er 
felbft  bieUeic^t  noc^  ebm   bermiebm,  aber  h)0  fie  afut  Ibirb,  pc^t  bie  ©ittltc^feit  felbft 

00  auf  bem  ©})iele.  3Kan  erlennt,  Ipcnn  man  mit  ©(^leierma^er«  äugen  fte^t,  ftaunenb 
ba«  organifc^e  äBac^^tum  überall  in  ber  2Belt  ber  ®efd^ic^te;  ba«  Söfc  ift  ba«  9licbt= 
feienbe,  aUe«  ©eienbe  nimmt  teil  an  ber  3Semunft  be«  SBcrbenbcn;  nid^t«  ift  fertig,  aber 
e«  gilt  für  ba«  fittlic^c  Urteil,  nur  jebem  einzelnen  ben  rid&tigcn  $lai^  im  ^ufammen^ 
l^ng  be«  ®angen  anjumeifen  —  unb  fie^c,   alle«  ift  gut.    3)a«  ^räbÜat  bc«  ©tttlicben 

55  beftet  fic^  auc^  an  ©ad^en  unb  3)inge,  an  bie  2i5elt  ber  Grf^cinungm,  an  bic  Sflatur, 
freilid^  immer  nur,  fofem  i^emunft  bilbenb  auf  ftc  toirft.  2lud^  btefer  ©t)rad^ebrau(<| 
f)ai  fic^  in  ber  ©^rad(>e  unferer  Öilbung  h?eitl|in  burd^gefe^t;  er  ftcHt  fic^  bon  felbft  rin, 
too  bic  ©ittenlel^rc  bon  bem  ®ebanfen  ber  ®üter,  SBJerte  unb  ^Wtdc  bcl^errfd^t  toirb: 
benn  ein  ®ut  fein,  einen  üüert  l^aben,  einem  3*bedf  bienen  lann  aud^  eine  ©ac^e.    ©o 

fio  lange  e«  [xd)  babei  um  h)iffmfd(;aftlic^e  Terminologie  l^anbelt,  ift  fein  emfte«  Sebenten 


Sitte,  Sittlic^fett,  Sittengefe«  405 

babct;  aber  Rani  ^at  mit  feiner  Iritifd^en  Unterfud^ung  ber  3KoraIität  ma^rlid^  rein 
toiffenfd^aftlicl^e  Slrbeit  get^an  unb  bod^  bamit  ^jugleid^  ber  ^raji«;  beffer  gebient.  Son  bem 
^orfa^,  ba^  ganje  enblid^e  ©ein  ,,unter  ber  ^oten^  ber  SJernunft"  ^u  betrad^ten,  biö  ju 
ber  ^irtuofität,  aHe^  ©eienbe  bemünftig  ju  finben,  ift  nur  ein  ©d^ritt.  ^egel,  ber  barum 
nie  eine  ed^te  (Stl^if  juftanbe  brad^te,  f}at  biefen  ©d^ritt  Dottenb^  get^an.  6in  me^r  äftl^e^  5 
tifd^er  ate  et^ifd^er  C)J)limigmu^  bro^t  afe  ®nbe  biefer  Setradfitung. 

älber  fe^ren  tüir  jurüc!  ju  ©d^Ieiermad^er.  3)a^  ^öd^fte  ©ut  ate  (gin^eit  be^  ©ein^ 
ber  SSernunft  in  ber  vtainx  fommt  nad^  i^m  nur  ^um  Setüufetfein  im  g^^i^^nber  unb 
3)ur^einanber  aDer  einzelnen  ®üter.  Unb  nun  meiftert  ©c^Ieiermad^er  n)unbert)ott  bie 
©efamt^eit  be^  ivirllid^en  Sebenö  in  feinen  ©rfd^einungen ;  im  ,,3Serfe^r"  j.  33.  ba^  Siecht,  lo 
ben  ©lauben,  bie  ©efeÖigfeit  unb  bie  Offenbarung  ber  9Jienfd^en  untereinanber  (Xw.  ©.  60 
bi^  65);  fd^einbar  äufeerft  abftraft  rottt  er  bie  güHe  beg  itonfreten  öor  ung  auf.  3WerI= 
iüürbig  genug  ift  bie  SloHe,  bie  babei  in  feiner  })^iIofo})^ifd5>en  (Stl^il  ba^  2öort  ,,©itte" 
fpielt;  bie  fittlid^en  ©runbbegriffe  finb  i^m  alle  früher  ba  atö  ber  93egriff  ber  ,;©itte", 
obtoo^I  il^m  eigentlid^  biefer  befonber^  liegen  müfete.  5!Jlitten  unter  ben  naiveren  33es  i5 
ftimmungen  über  bie  ©efettigfeit  (©aftfrei^eit,  ^reunbfd^aft,  ©tanbe^gemeinfd^aft)  l^eifet 
e^  bann:  „2)ie  burd^  alle^  ^inburd^gel^enbe  ^^^ntität  be^  %\^pn^  in  ben  3:^ätigfeiten  ber 
bilbenben  ^unftion,  h>eld;e  burd^  ben  G^arafter  einer  beftimmten  S3ilbungöftufe  ober  eineg 
©tanbe«  pjiert  ivirb,  ift  bie  ©itte.  3^^^  tüal^re  ti)k  ©itte  ift  alfo  gleid^  gut  (!).  2)ie 
Stärfe,  mit  h>eld()er  bie  ©itte  heraustritt,  b.  f),  mit  tüelc^er  jeber  einzelne  feine  ©igen-  20 
tümlic^feit  nur  in  biefem  SC^Jju«  offenbart  unb  mit  ioeld^er  bie  ©tufe  i^re  2)ignität  au^= 
brüdt,  ift  ber  Ion  ber  ©efellfc^aft"  (SEto.  ©.  173).  SBä^renb  fo  in  ber  J)^ilofoj)^ifc^en 
(St^it  ber  Segriff  ©itte  nur  beiläufig  am  begremteften  Orte  jur  ©eltung  fommt,  fc^eint 
er  in  ber  d^riftlid^en  ßt^if  Safi«  unb  ^ringij)  bilben  ^u  foHen.  Serfte^t  boc^  ©c^Ieier^ 
mad^er  unter  d^riftlid^er  ©ittenlel^re  ,,eine  georbnete  ßwfömmenfaffung  ber  Stegein,  nad^  25 
bcnen  ein  ?!Kitglieb  ber  d^riftlid;cn  Äird^e  fein  Seben  geftalten  foÜ".  2lber  ber  litel  feiner 
nac^gelaffenen  SSorlefungen  barüber  „Die  dfiriftlic^e  ©itte"  ftammt  nid^t  bon  ©dE^leier- 
mad^er,  unb  i^r  Slufbau  folgt  anberen  ©efic^t^})unften  (f.  0.  XVII,  ©.  613).  3"^"^^]^*" 
melbet  fic^  bie  ©itte  gelegentlich  afö  „bie  Sele^rung  ber  ©c^rift  ergän^^enb",  ba  näm^ 
lii^,  too  bie  1^1.  ©d^rift,  h)ie  über  ben  §au!ggotte^bienft  ate  organifd^eö  ©lieb  beö  d^rifts  30 
liefen  geben«  in  (Srmangelung  d^riftlidfier  gamilien,  nodfi  feine  Siegel  unb  gorberung  auf- 
fteßen  tonnte  (2Berfe  I,  12'  ©.228),  unb  e«  gilt  ber  ©runbfa^:  „3äa^  un«  in  ber 
(Srfa^rung  nid^t  fann  gegeben  fein,  toorauf  e«  feine  2lntoenbung  giebt,  bem  ift  leine  fitt^ 
Iid;e  Siegel  ju  entnehmen"  (ebenba  ©.  532). 

3äa^  ba«  ^er^ältni«  ber  ©ittlidfifeit  jur  ^römmigfeit  betrifft,  fo  ^at  ©d^Ieiermad^er  35 
in  feinen  Sieben  1799  bie  böllige  Unab^ängigfeit  ber  Sieligion  bon  ber  3Koral  öerfünbigt 
unb  ber  Sieligion  il^re  eigene  ^roüin^  im  9)lenfd^engcmüte  getoa^rt  (bgl.  oben  XVI,  594,  eo). 
aber  toie  feine  et^ifal«IaIle©eifte«toiffenf(^aften  umfaffenbe  ©efamttoiflenfd^aft  bie  Sleligion«- 
ioiffenfd^aft  felbfttjerftänblic^  einfdf^Uefet,  fo  ift  i^m  feine  c^riftlid^e  Sittenlehre  im  iüefent- 
liefen  mit  feiner  d^riftlid^en  ©lauben^le^re  ibcntifd^.  ßr  ^at  in  ber  Sieligion  ein  bon  4d 
Äant  nic^t  böttig  überfd^aute«  unb  getoürbigte«  ©ein  fräftig  jur  ©eltung  gebrad^t,  aber  ba« 
Äant  fo  ^ell  unb  ttar  aufgeleudfitete  ©ollen  ber  ©ittlic^feit  ift  i^m  mel^r  ober  minber  im 
©ein  untergegangen. 

3.  ßrlebigen  toir  junäc^ft  bie  Segriffe  ©ittlic^feit  unb  ©ittengefe^.  Unfere  SBieber^ 
gäbe  ber  Äantfc^en  unb  ©d^leiermad^erfc^en  Se^re  l^at  fd^on  gezeigt,  ba|  \mx  bie  iüic^tigere  45 
unb  reinere  (Srfenntni«  bei  Äant  finben.  ^ant  allein  leiert,  h)a«  ©ittlic^feit  fei,  iva«  iüir 
at«  ©ittlid()feit  begreifen  muffen,  Ujenn  W'ix  auf  fittlid^cr  §öl^e  bleiben  Collen.  SBo^l 
Derftanben,  e«  ^anbelt  fid^  f|ier  nid^t  um  bie  rid^tige  öeftaltung  ber  ®tl^if  al«  toiffenfd^aft= 
lieber  2)i«jii)lin.  Diefc  fann  man  auc^  auf  ©d^leierma^erfc^er  ©runblage  aufbauen  unb 
Sant  babei  bod^  geredet  toerben.  S«  ^anbelt  fid^  in«befonbere  nid()t  um  bie  gorberung  60 
einer  normativen  ßt^if  aufteile  einer  beffrijjtitjen,  bie  toir  un«  feine«n>eg«  aneignen.  Da« 
finb  fragen  ber  njiffenf^aftli^cn  2:aftif.  6«  l^anbelt  fi^  für  un«  um  bie  jjorberung, 
bafe  ber  Segriff  ber  „©ittlic^fcit"  fo  ftrcng  fategorifd^  gefaxt  toerben  mufe,  toie  er  bur$ 
Äant  gefaxt  tuorben  ift,  toeil  jcbc  anbere  Raffung  einen  Serluft  unb  Slüdfd;ritt  gegenüber 
ber  Äantfc|en  gntbedung  bebeutet.  ^\t  crft  ber  3ni)>^ötib  ber  ©ittlic^feit  in  feiner  ein-  55 
^eitlid;  gefd;loffenen,  jebe«  Äom))romi6  auöfdfiliefeenben,  ben  ganjen  SJlenfdfien  unter  allen 
Umftänben  in  Slnfprud;  ne^mcnben  3lrt  erfannt,  bann  mag  man  ba«  erfennenbe  ^ntereffe 
getroft  in  bie  SKannigfaltigfeit  ber  ©üter,  Gräfte,  SBcrtc  unb  ^\oti^  ^inau«  cntlaffen. 
aber  bie  ftarfe  §altbariEeit,  bie  fie  betoäl^ren  muf;,  ivenn  fie  über^auj)t  ettua«  taugen  foll, 
befommt  bie  ^loralität  allein  im  Setoufetfein  ber  ^flid^t,  unb  biefe«  rul^t  im  gaftum  be«  go 


406  Sitte,  SitU^fett,  Sittengefe« 

©ittcngejcfecd,  bcr  fittlic^cn  2lutonomic.  S)tc  ^crhinft  bcö  ^fltc^tbctoufetfcin«  ift  bun^ 
leinerlei  ))fvc^olo0ifci^e  ober  ^iftorifd^c  ^orberuitö  ju  crörtinben.  ©etoife  f)at  bic  5ßfli(bt 
and)  il^rc  emj)irif(i^c  ©jiftcnj,  aber  fic  tüirb  au^  t^r  nid^t  begriffen.  5Jlan  fann  ba  bie 
mannigfaltigften  Seobad^tunaen  beibringen,  bie  allefamt  rid^tig  fmb :  bie  genetifd^e  3Ret^obe 

6  rcid^t  bod^  einfach  an  ba«  ^Problem  ni^t  ^inan.  Sie  fü^rt  nid^t  jum  2lIIgemein=®üUigen 
unb  ©ittlid^s^Rotiüenbigen,  fonbem  löft  eö  auf  in  ba«  mit  ben  3riten,  SSölfem  unb  ^^er= 
fönen  immer  SBed^felnbe.  Ober  fic  bleibt  im  SJaturgefe^Iid^en  fangen ;  3^ö"0  ^f*  ^^^  "^^ 
bie  anbere  SBeife,  bie  Sittlid^Ieit  ju  jerftören.  ^\t  mxüjxn  ©ittlic^feit  al«  ba«  ®ine  äfl- 
gcmcins®iltige  unb  Slottoenbige,  ba«   ol^ne  3*^^"9   ^^"^  3lu«nal^me  über  bic  ©eiftcr 

10  ^errfd^t,  bejtü.  I^errfd^en  Wxü,  mittelft  ber  ^iftorifd^^genetifd^en  SRetl^obe  nid^t  feftmfteUen, 
fo  ift  l^ier  biefe  3)Ml^obe  falfd^.  ®ie  ©a^e,  bie  toir  ergrünben  Collen,  rid^tet  ftd^  nicbt 
nac^  ben  3}let^oben,  fonbem  bie  SRetl^oben  ^aben  fid^  nad^  ben  ©ad^en  ju  rid^tcn.  ^a, 
tüo  §eteronomie  ftattpnbet,  ba  tritt  fofort  bie§iftorie  in  i^r  $Hed^t.  Unb  unenblid^  oft  l^at  äuto^: 
nomie  mit  §eteronomie  ben  ©toff  gemeinfam,  für  ben  fd^Iid^ten  ©terblidfien  faft  immer,  inbem 

15  er  nur  frei  ftd^  felbft  jum  ®efe|  mad^t,  toa«  anbere  al«  fittlid^e  ^orberung  aufgeftcUt 
l^aben.  ^nfofem  bleibt  ber  ©top  ber  ©elbftgefe^gebung  jeber  genetifd^en  gorfd^ung  au«- 
geliefert,  aber  ba«  ©el^eimni«  ber  3lutonomie  felbft,  ba«  SEJefentlid^e  alfo  bicfc«  3?or= 
juge«  vernünftiger,  fittlidj^er  SKefen  fann  nid^t  l^iftorifd^^genetifd^  aufgetoiefen,  „erflärt" 
iperben.    2)a«  Sefte  fann  man  nid^t  erflären.     (Senug,  bafe  e«  ba  ift.     SBenn  e«  aßen 

20  biologifc^en,  j)fvd^ologifd^en  unb  fojiologifd^en  ®rflärung«berfud^en  tro^t,  fo  ift  ba«  felbft 
le^tlid^  Ünbegreiflidj^e  barum  erft  red^t  ber  f efte  3lu«gang«)[)unft  für  ba«  Segreifen  bcr  gc- 
famten  2i}elt  be«  ©ittlidfien.  2)a«  Problem  fällt  genau  jufammen  mit  bem  ^roblem  bcr 
greibeit.  ©o  lange  man  öerfud^t,  ^e  biologifc^,  t)fVc^ologifd^,  l^iftorifd^,  emj)irifdb  ,^u  a? 
forfd^en,  fann  man  nur  gu  negativen  Slefultaten  fommen.    ^^eil^eit  im  Äaufalgufammcns 

26  ^ang  auffinben  toollen,  ift  enttoeber  ein  nidfit  ernft  gemeinte«  ober  ein  nid^t  emft  ju 
ne^menbe«  Unterfangen.  3""^'^ö''&  ^^  SRatumottPcnbigfeit  giebt  e«  feine  fjrci^cit.  aber 
ba«  ^at  niemanb  flarer  gefe^en  al«  Äant,  inbem  er  ben  9laturjufammenl^ang  unb  bic 
SRaturcrfenntni«,  bie  mat|ematifd^e  3laturh)iffenfd^aft,  gegen  ^ume  feft  auf  bie  ilaufalität 
grünbete.    2)erfelbe  flant  l^at  ber  ^ii^  bcr  ^i^ei^eit  eine  Sleahtät  ol^neglcid^cn  jugef})rod^cn, 

80  inbem  er  unter  ^eil^eit  berftc^t,  loa«  allein  im  })^ilofo})^ifd^en  ©inne  greil^cit  fein  fann: 
bie  gäl^igfcit  be«  9)lenf4en,  feinen  9leigung«toillen  burc^  ben  fittlic^en  SBJiHen  p  ber- 
brängen.  Ober  m.  a.  SB.  bie  gäl^igfeit  be«  menfd^lic^en  2lUlIen«,  [\i)  fittlidfte  ®efe^e  ju 
geben.  S)iefe  gä^igfeit  mufe  t)on  allen  ßt^ifem  immer  neu  begriffen,  öon  aßen  emftcn 
2Kenfd^en  jeitleben«  immer  neu  geübt  tocrben,  fonft  l^ört  ©ittlic^fcit  auf.    ©o  allein  gc^ 

35  beil^t  ber  SKut  jur  $flid()t,  ju  })flid^tmäfeiger  ©efinnung  unb  §anblung.  Unb  ben  brauchen 
toir  l^eute  in  Äird^e  unb  ©taat  toie  ba«  täglid^e  Srot :  toie  anber«  f ollen  toir  bie  fd()toeren 
Sluf gaben  unferer  3"^""!^  betoältigenV 

aiber,  fagt  man,  bie  im  ©ittengefe^,  toeld^e«  ber  freie  SBiHe  fid^  felbft  giebt,  be= 
grünbete  ©ittlid^feit  ift  eine  rein  formale!    9lun,  inbem  bie  grei^eit  fid^  ®efe^c  giebt, 

40  Drbnung  unb  (Semeinfd^aft  njill,  entfielet  ein  SReid^  ber  ®uten,  ber  freiwillig  ))flid^ttrcucn 
^erfonen,  bie  nid^t«  anbere«  ftatuieren,  al«  tva«  aud^  ^ur  5Kajime  eine«  jcbcn  taugt.  So 
ift  e«  ni^t  ber  jufällige  ßimelmenfc^,  ber  al«  ©ubjeft  biefer  ®efe^gebung  fungiert,  fonbcrn 
mit  ßo^en  ju  reben,  ber  3)cenfc^  ber  ätlll^cit,  ber  feinem  Segriff  genügenbe  SRcnfdj^.  Unb 
ba«  fittli^e  ^hzal  bleibt   befte^en,   auc^  wenn   e«  t^atfä^lic^   nid^t  eneid^t   toirb,  toebcr 

45  t)om  3i"bit)ibuum,  nod^  t)on  ber  Stillzeit.  ®erabe  barum,  ba^  e«  beftefien  bleibt,  Rubelt 
e«  [\d). 

6«  fragt  [xä)  nur,  ob  man  bicfem  autonomen  3;nbiDibuum  ber  ^flic^tenle^rc  nic^t 
bod^  JU  .^ilfe  fommen  foU  mit  einer  bie  ganje  3ßelt  ber  S^^^e,  3Berte  unb  9)lDglic^ 
feiten   crfc!>ö})fcnben  ®üterlc^reV    ^a  toarum  nid^t?    2)ie  innere  2ogif,  bie  ben  SJatur- 

60  unb  l'eben«erf^cinungcn  bcr  un«  umgcbenbcn  2Belt  innetoo^nt,  unb  ber  fompliucrte 
6^araftcr,  ben  fie  im  Saufe  ber  ®efd^id^tc  erlangt  ^aben  —  ipie  foH  e«  nid()t  öon  j^öj^pcm 
gntercffc  fein  für  ba«  jur  fittlic^cn  ©elbftgefc^gebung  berufene  3ittbit)ibuum,  biefe  innere 
SJcrfaffung  feiner  Umtoelt  grünblid^  fennen  ju  lernen  1?  3)lan  toirb  gang  gctüife  feine 
^fli^t  bcffcr  tl^un,  tocnn  man  bie  2)inge,  3wpnbe,  9Jlcnfd^en  um  ftd^  ^er  fennt,  al«  toenn 

66  man  fie  nic^t  f ennt ;  locnn  man  mit  bem  Stoff,  ben  man  xn  bilben  i}at,  gciftig  iKrtraut 
ift.  §ier  liegt  eine  gro^c  Slufgabc  für  ßrgie^ung  unb  Sete^rung  ieber  ^rt.  3lber  bcr 
Stoff  ift  nid^t  an  fic^  fittlid;,  fonbcrn  ift  teil«  9tour,  teil«  gefd^id^tlid^e«  ßrbe.  ^n  jenem 
%a\i  f}at  xljrx  bem  t^corctif^cn  ßrfcnncn  bie  9iaturh)iffcnfd^aft  (cinfc^licfelid^  Slnt^rojjologic, 
^oxiologie  unb  9iaturi)l^ilofo})bie),  in  bicfem  gall  bie  ®efc^id^te  unb  il^re  Bearbeitung  al^ 

60  Äultur=,  9le(^t«=  unb  3lcligion«t)^ilofo})l^ie  barjubieten.    9latürlid5>  entl^ält  bie  ©cfd^ic^te 


Sitte,  Stttltc^Irit,  Sittengefe«  407 

ungcmencncn  etJ^ifd^cn  Stoff,  ^n  \i)x  liegt  bic  6tf|ificrung  bc^  ^Raturgcgebcncn  in  taufenb 
formen  unb  I^atfad^en  ^u  %a^,  lauter  ,,98entunfttücrbcn  ber  9?atur":  bic  Slrbeit  Dieler 
©enerationen  fittlid^  tl^ätiger  Ullenfd^en  (Äultur)  unb  bic  Slrbeit  cine^  bon  uncrgrünb* 
lid^en,  Dorgcitlid()cn  Slnfängcn  ^er  [li}  offcnbarcnbcn  l^eiligcn  ©otte^  (®nabc).  SBitt  unb 
fann  man  ba^  alle«  bewältigen  in  bcm  (ginen  umf})annenben  Sla^mcn  einer  ,,®t^if"  —  6 
iüarum  nid^tV  Slber  ba«  ^f^änomen  ber  Sittlic^feit  mufe  bor^er  begriffen  toerben,  el^e 
Don  bem  aßen  aud)  nur  bie  Siebe  ift.  3?ielme^r  bie  ©ittlidj^feit  mu|  gefunben  toerben 
unb  erfannt  werben  burd^  fritifd^e  2lu«fc^eibung  all  biefe«  Stoffe«,  bi«  nid^t«  übrig  bleibt 
al«  bie  rein  fd^affenbe  unb  bilbenbe  S?orm. 

3Kan  forgt  fidj^  aber  unt  ben  auf  Autonomie  geftellten  SKitlcn,  bafe  er  nun  bod^  nid^t  lo 
Wiffe,  Wie  er  ^u  ^anbeln  l^at.    3ja  fül;rt  nid^t  bie  If^iftorifd^  funbierte  ©üteret^il  crft  red^t 
ben  SKillen  in  lauter  9Jelatit)i«men*?    3"  lauter  ©rabe,  Stufen,  SSerj^ältniffe,  ©egenfä^e? 
gür  ben,  ber  alle«  in  feinem  äüerben  unb  SBad^fen,  in  feinen  relativen  SßJerten  berfte^t, 
giebt  e«  fein  aut  aut,  fein  ©ut  unb  )8dfe.    Tout  comprendre,  c'est  tout  pardonner! 
3)ie   Sittlic^feit  lebt    unb   ftirbt  mit  ber  ^äl^igfeit  be«  SIBillen«,  bie  Unterfc^eibung  bon  i6 
gut  unb  böfe  ju  boDjiel^en.     3!)iefe  gäl^igfeit  aber  mufe   in  ilf^m   liegen,   fie  Wirb   nidbt 
burd^  bic  2)inge  an  \f}n  ^crangebrad^t.     Igcbc  ebolutioniftifd^e,  moniftifd^e,  beterminiftifd^e 
Betrachtung  berträgt  fid^  mit  ber  ©üteret^if.    2)abei  fann  biefe   irreligiö«  unb   auäge« 
fprodj^en  at^ciftifd^  fein,  ober  rein  religio«  bi«  ^ur  äufterften  Äonfequen^  be«  ^räbeftina^ 
tiani«mu«.    9Jac^  beiben  Seiten  l^in   jeigt  fxd)  nur,  baft  bie  Seigre  bon  bem  fflefcn  ber  20 
2cbcn«güter,  auc^  ber  ^o^en  unb  be«  l^öd^ften,  ftreng  genommen  in  bie  SBcltanfd^auung 
^ineinge^()rt  unb  nid^t  in  bie  ftttlid^e  ©efe|gebung,  in  bie  Sieligion  unb  nid^t  in  bie 
iSloxal    fiollifionen  ber  5ßflid;t  giebt  e«  für  bie  ftreng  al«  Slutonomie  begriffene  Sittlid^s 
feit  nic^t,  fonbem  nur  5ßroben,   in  benen  ba«  ^flid^tbeWufttfein   feine  33irtuofität,  feine 
©cfc^lofjenfieit  unb  ®ntf^loffenl^eit  ju  beWäl^rcn  ^at.    §ierju  l^ilft  Übung;  bic  Wieberl^olt  20 
getroffene  ßntfd^cibung  be«  ^flid^tgefü^l«  (bie  Wicber^olte  Selbftgefe^gebung)  bilbet  fertig« 
feit,  iugenb;  entfc^eibet  man  in  fraft  biefer,  o^ne  feine  fittlic^c  greifieit  erft  in  SeWegung 
ju  fe^en,  fo  bebeutet  ba«  Ärafterfpami«.    Slber  e«  ift  gut,  ba^  Wir  au«  foldj^er  lugenb^ 
i^aftigfeit  immer  Wieber  aufgerüttelt  Werben.    (Sielte  unter  4.) 

3tuc^  d^riftlic^c  Sittlid^fcit  ift  junäc^ft  Slutonomie,  fonft  Wäre  fte  feine  Sittlid^feit.  so 
3;m  centralen  ©ebot  ber  Siebe  ift  il^r  ba«  befonber«  aufge})rägt,  benn  Siebe  läfet  fid^  nid^t 
fommanbieren.     ^a^u  S^fu  Äamjjf  gegen  bie  ^cteronome  Strenge  ber  ^l^arifäcr  unb 
®d{)riftgele^rten,   be«  ^aulu«  Äam^f  gegen  bie  jübifd^e  ©cfe^lidfifcit   überl^auj)t.    2lllc« 
brängt  in  ^^\u  ^loral  auf  ßin^eit,  ^[nnigfeit,   2;iefc,  Slcinl^cit  unb  Sreue  ber  fittlid^en 
©efinnung.    hierauf  berul^t  ba«  ewig  .Slnjiel^cnbe  unb  Slcibenbe  ber  bon  ^cfu  gewollten  86 
unb  bargeftcHten  Sittlid^feit.     '^\)xt  3tuf;erung  im  ein;\elnen  ift  felbftberftänblid^  bcbingt 
teil«  burd^  feine  religiöfe,  teil«  burc^  bie  geitgefc^id^tlid^e  9Sorftellung«Welt.  gür  bie  religiöfc 
üBcftimmt^eit  genügt  e«,  an  bie  e«d^atologifcbe  Erwartung  gu  erinnern,  für  bic  ^citgefc^ic^t^ 
lid^e   an  bie  ^n^iff^^^J   Ö^Ö^n  Stanb,   ^amilie,   Äird^e.  —  3)ic  fat^olifd^e  Sittlid^fcit 
mac^t  fid^  au«gefJ)rod^cnerma^en  abl^ängig  Don  Slutoritätcn  bi«  in  bic  intime  ©cfmnung  40 
j^incin  unb  bi«  jur  fafuiftifc^en  Siegelung  ber  äußeren  §anblungen  in  ber  ganzen  Summe 
i^rer  benfbaren  SJlannigfaltigfeit.    S)ennod^  fann  Autonomie  bamit  Derbunben  fein,  fofem 
ber  freie  äÖiHc  fid^  inncrlidfi  becft  mit  bem,  \\)a^  bie  anerfannte  äußere  Slutorität  forbert, 
teil«  im  einjclnen  ber  §anblung,   teil«  in  bem  einen   3lft  ber  Slnerfennung   be«  fatj^o« 
lifd^en  ^rinjip«  felbft.  SBo  jeboc^  ber  münbige  3)lm]d)  rein  abl^ängig  ^anbclt,  ift  nic^t  Sittlid^s  45 
feit,  fonbern  Unfittlidj^fcit.    2)a«  D^fer  ber  Slutonomie  au«  "Jrömmigfeit  ift  „böfe" ;  man 
fann  nur  bor  3)ienfcf)en  für  milbernbe  Umftänbe  pläbicren,  Dor  ©ott  mit  S^fu  bitten: 
3?ater,  bergicb  i^nen,  benn  fte  Wiffen  nic^t,   toa^  fie  tl^un.    3)a«felbe  gilt  Don  unfreier 
©ebunben^eit  an  ben  Sc^riftbud^ftaben  auf  proteftantif^em  Soben:  fie  ift  im  beften  ^aHe 
Sieligion  auf  Äoften  ber  3JJoral  unb  bann  im   ftreng   Wiffenfd^aftlic|icn  Sinne  unfittlid^.  50 
Sut^er  f)at  in  ben  Übcrfd^riften   ber  beiben  leite  feiner  Schrift   Don  ber  SJreil;cit  eine« 
ßbriftenmenfd^en  bie  moralifd^e  Situation  be«  ß^riften  paraboj  unb  bod^  Wa^r  formuliert. 

4.  3Son  biefen  ©runbfä^en  l^aben  Wir  nun  auf  ba«  3Serl^ältni«  Don  Sittlic^feit  unb 
Sitte  bie  StnWenbung  ju  madf^cn.  2iSa«  Sitte  fei,  barum  ^aben  fid^  Dor  anbem  S^cring 
unb  9Bunbt  eingcfienb  bemüht  (f.  0.  Sitteratur).  S)cn  gefc^ic^tlid^cn  Scftanb  ber  Sitte  55 
aufzunehmen,  ift  eine  junge  gorfdf)ung  eifrig  bei  ber  2lrbcit  (ebenba).  6tt;mologifd5>  ftel^t 
e«  nac^  bem  „Deutfd^en  aBorterbud;"  Don  ^atob  ©rimm  unb  SBilj^clm  ©rimm  X,  1 
(Sei^j^ig  1905)  fo:  „Sitte"  ift  ein  gcmcingermanifc^e«  SBort,  gotif^  sidus,  altl^odf)bcutfd; 
situ  unb  sito,  mittel^od^beutfd^  site.  "DJJan  Dcrmutet  3SerWanbtf(^aft  mit  edog  ©ewol^n^ 
^eit,  Sitte,  eico&a  bin  gewohnt,  fjOog  Sitte,  33rau(^,  ^erfommen,  iplur.  SBo^nort,  i)&Eiog  w 


408  Sitte,  SUtlic^frtt,  Sitteitgefe« 

traut,  sodalis  &^^äfycU,  suesco  tverbc  gctoo^nt;  San^Irit  svadha  @ett)ol^nl^ett,  Sitte, 
Se^agen.  2)a^  ©cbraud^egebict  bc^  (urf})rünölid^  ma^Iulinifd^en)  3Bort^  \vax  früher,  bc^ 
fonbct^  in  mittclJ^od^bcutfc^er  ^tit,  größer  ate  l^eute.  ^cil«  t)om  einzelnen  au^efagt, 
tcitö  auf  größere  Ärcifc  bon  ^crfoncn  belogen,  bebeutet  e«  Seben^elüo^n^eit,  ©cj)flogen= 

6  l^eit,  Sraud^  1.  im  allgemeinen  äufeerlid^en  Sinne,  2.  afe  Set^ätigung  einer  inneren  ärt 
unb  ©efmnung,  jumal  im  ^inblic!  auf  5!Jloral  unb  Sdj^icflid^feit,  bann  meift  j)luralif(^f 
gebraucht  (Sutl^er  1  Äo  15,  33);  aud^  ber  Singular  gufammenfaffenbe  Sejeic^nung  gc= 
tool^nl^eit^mäfeiger  9lrt  ju  leben  unb  ju  ^anbeln.  2)a^  in  größeren  Äreifen  ®eh)öl^nli(^c 
toirb  in  ältefter  3rit  naturgemäß  aU  ba^  ®ute  unb  Sc^icHi^e  aufgefaßt ;  in  bicfcr  px%' 

10  nantcn  Sebeutung  lann  bal^er  bie  Sejiel^ung  auf  größere  Äreife  gegenüber  ber  Sejic^ung 
auf  einjelnc  afe  ba^  grünere  be^eid^net  toerben.  Sluf  einzelne  bcjogen  ge^t  ber  Sinn  be^ 
aiSorte^  bann  über  in  ben  öon  maßt)ott  im  Senel^men,  ^öflid^,  fittig.  „Sittig",  alti^od}- 
beutfdj)  sitig  =  Sitte  ^abenb,  gefittet.  „Sittlich",  aIt^od;beutf(i^  situlih  ober  sitilih  = 
ber  Sitte  gemäß,  jur  Sitte  gehörig;   ben  guten  Sitten  gemäß;  ben  allgemein   giltigen 

16  ©efe^en  beö  guten  menfd^lid^en  Äanbeln«  unb  ber  il^m  ^u  (Srunbe  liegenben  inneren 
menfc^lid^en  2lrt  gemäß,  moralif^  im  prägnanten  Sinn.  „Sittlid^feit"  =  ba^  Sittlit^f 
fein,  moralitas.  2)ie  SEJcnbung  in«  SejueHe  l^aben  ,,ftttlici^"  unb  „Sittlic^lcit"  nac^ 
bem  ©rimmfc^en  SBörterbud^  erft  neuerbing«  befommen:  bgl.  unfittlid^,  Sittlic^Ieit^ercin, 
Sittlid^Ieit^öerbred^en.    2)od^  ba;^u  fiel^e  unten  5.   2)ie  5IKenge  ber  mit  „Sitten"  jufammen^ 

20  gefegten  SBörter  ift  groß  (ba«  aiSörterbud^  fül^rt  130  auf)  unb  intereffant.    3)cr  Slu^brud 

„Sittenlel^re"  ift  1659  jum  erften  9Rale  be^^eugt:   Se^re  bon  ben  guten  Sitten,   ethica. 

SBir  bürfen  ^ier  abfegen  bon  ber  Sitte  al«  Sitte  be«  einzelnen,  bie  toir  bodj^  befler 

©etoöl^nung  ober  ©etoo^nl^eit  nennen.    Sobalb  ber  einzelne  fagt  „S)a«  ift  meine  Sitte" 

ober  nod^  bejeid^nenber  „2)a«  ift  bei  mir  Sitte",  benft  er  gar  nic^t  nur  an  fic^  unb  feine 

26  Gktoo^nl^eit,  fonbem  baran,  baß  biefe  feine  (Setoo^nbeit  audj^  öon  anbem  anerlannt  unb 
berücffid^tigt  loirb,  baß  fie  ®efe|  ift  ober  fein  toiH  aud^  für  bie,  bie  mit  i^m  ju  t^un 
l^aben.  SEJir  öerftel^en  alfo  unter  Sitte  ba«  innerl^alb  einer  5IKel^rl^eit  unb  burd^f  beren 
Uebergeiüid^t  über  ben  ein;\elnen  ^errfd^enbe  ^erfommen.  Sie  erl^ebt  immer  ben  3lnfl)ru(^ 
auf  2lllgemeingiltigleit,  toenngleic^  nur  für  emen  begremten  Ärei«,  für  bie  ^an^-,  2)orf=, 

so  Stanbe^s,  S?olwgemeinfd^aft  u.  f.  to.,  beren  öorjüglid^en  Äitt  fte  bann  bilbet.  Sie  begnügt 
fid^  im  9?otfall,  too  fie  leine  innere  9Jad^folge  finbet,  mit  Slüdfid^t  unb  Sd^onung;  aber 
fie  bejie^t  fic^  feinc^toeg«  nur  auf  äußeren  S3rauc^,  fonbern  fe|t  aud)  Segriffe,  Urteile, 
©efmnungen  öorau«  unb  p^amt  fie,  too  fie  fann.  3Son  biefer  Sitte  fagen  toir  in  Über= 
einftimmung  mit  bem  S})rac^georaud(> :  fie  fann  beibe«  fein,  gut  unb  böfe,  Sitte  unb  Un= 

86  fitte.  Unfitte  bleibt  immer  Sitte,  dagegen  ift  Sittlid^feit  immer  gut,  unb  Unfittlic^feit 
ba«  35}ibcrfj)icl  ber  Sittlid^feit.  Sitte  fann  auc^  böllig  inbifferent  fein,  toeber  gut  no* 
böfe.  Sitte  ift  eben  i^rem  llrfj)rung  nad)  nid^t«  anbere«  afö  9latur.  Sitte  toar  üor 
gamilie,  Staat  unb  5lird^e.  3)lan  fann  gamilie,  Btaai,  ©efcUfd^aft,  SBirtfd^aft,  aBifjen" 
fd^aft,  flunft,  Äird^e  —  getoiß  nid^t  i^ren  Oberbegriff  erfc^öj)fenb,  aber  einen  ftarlen  Icil 

40  xfyctd  Sl^efen«  begreifcnb  —  gerabe;iu  auffaffen  ate  Sitte,  ate  3)iffcren5ierungen,  ßnt- 
faltungen  öon  Sitte.  Sie  fmb  felbftgetoad^fene  5Raturformen  für  menfd^lic^eg  ©emeinfc^aft^ 
leben,  bie  in  ber  Slu^breitung  be«  gefd^id^tlid^en  SSerlauf«  immer  reid^ere  ©lieberung  unb 
unterfd^iebeneren  Gl^arafter  annehmen.  Sittlid^feit  arbeitet  in  biefen  formen,  toirlft  auf 
biefe  formen,  aber  fd(^afft  fie  nid^t.    ßbenfo  toenig  aber  fd^afft  Sitte  Sittlic^tcit.    3Han 

46  müßte  benn  ba«  Ser^ältni«  t)on  Sd^ö))fer  unb  ®efd^ö})f  ftatuieren  ^toifd^en  gtoei  SBefen, 
t)on  benen  baö  ^toeite  infraft  ber  2lufle^nung  toiber  ba«  crfte  entftanben  ift.  Sitte  ift 
ate  gefetigebenb  unter  allen  Umftänben  f^eteronom.  3)abci  ift  fic  toanbelbar,  mitl^in  toic 
räumlich  fo  aud^  jeitlidfi  begrenzt.  3llte  unb  neue  Sitte  ringen  bann  um  bie  ^errftf^iftf 
toicberum  mcl^r  in  ber  Slrt  t)on  S^aturmäd^ten  ate  t)on  fittlidj^en  5ßerfönlidj^feiten.    ■älur 

50  baß  in  biefen  Äamjjf  bie  fittlid^cn  ^erfönlid^feiten  einzugreifen  in  ber  Sage  fmb.  2)a^ 
Sittlid^c  bc^to.  Unfittlid^e  fommt  in  biefe  Hergänge  baburd^  hinein,  baß  c«  fw^  um  ^er 
fönen  ^anbclt,  bie  gur  Sittlic^feit  berufen  fmb.  Unb  ba  ift  t)rin5i})iell  Sitte  immer  ba^ 
Sllte,  Sittlid)fcit  ba«  9Jeue.  Sittlic^fcit  toirb  in  bem  ßinj^elmenfAen  geboren,  inbem  er 
fid^  t)on  ber  Sitte  cman,^it)iert.  2)iefe  ibat  ber  grei^eit,  biefe«  ginfe^en  ber  Selbftgefe^ebung, 

66  ba«  3)Jünbigtoerben  be«  3JJenfd^cn,  ift  bie  ®eburt  ber  fittlid^en  ^erfönlid^feit,  feine  „:föieber= 

?ieburt".  !öon  Sobrebnern  ber  Sitte  toirb  ba«  2llte  oft  bem  ®uten  gleic^  gefegt.  3lber  ba«  $ep 
onmien  ift  al«  folc^c«  minbeften«  fittlidfi  inbifferent.    3^  ^^"^  ^'"^  ®egenb  in  unfenn 
l^aterlanbc,  too  t)on  Süb  nad;  9?orb  bie  3^^'  i>^  2lbenbmal^l«gäfte  genau  in  bemfelben 
^laßc  junimmt  toie  bie  ^a^  ber  unel^elic|en  (tjorcl^elid^en)  Äinber.    3"  beibcm  toirJEt  bie 
(30  nämliche  firaft  alter  unb  ältefter  Sitte,     ^n  ber  S))rac^e  neuteftamentlic^  dtiß  fyd 


Sitte,  Sittltc^fcit,  Sittengefe^  409 

ba^  SBort  „alt"  fafi  burc^iüccj  bie  üble  Scbcutung  be^  Veralteten,  bem  Untergang  Ser« 
fattenen,  ift  j^utoeilen  fcl()Icc^tJt)eg  fo  öiel  toie  ,,böfe";  umgelel^rt  ift  neu  =  gut.  ^m 
fird^Iid^en  3)ogma  ift  ba^  Q^d)\qtl\d)i  Urbatum  bie  ßrbfünbe,  ba^  Söfe  überall  früher 
ate  ba^  ©Ute.  ®er  Äampf,  ben  3^M  *"  feinem  35oIfe  geführt  l^at,  lann  burc^au^  auf= 
gefafet  toerben  ate  ein  flam^f  gegen  bie  5!Jläcl^te  ber  Sitte.  ^JJic^t  jtoar  l^at  er  bie  ©itte  5 
an  fid^  befämjjft,  fo  toenig  lüie  bie  ^Jlatur.  2l6er  bie  ©itte,  fofem  fie  SittlidE^^cit  fein 
tüoUte  unb  ba«  Sleid^  ©otte«  am  flommen  ^inberte.  6r  fülf^rte  ben  Ramp^  pxmixpwü, 
tüäl^enb  er„  Iraft  })erfönlici^er  grei^eit  ftd^  ber  Sitte  j)raftifdE>  in  ber  SRegcI  fd^Iid^t  ein= 
orbnete.  äfinlicl^  ^aulu^.  3)a«  3leue,  ba«  ber  münbig  aelüorbene  2)lenfc^  bem  3llten 
entgegenfe^t,  braud^t  gar  nid^t  ü\oa^  bem  Stoff,  bem  ^w^alt  nad)  9leue^  ju  fein ;  e^  10 
liegt  alle^  an  bem  formalen  6infa|  ber  fjrei^eit.  2luc^  ift  ber  2öert  biefe«  ©infa^eö  nid^t 
grabueD  größer  nad^  ber  3Jlenge  ber  jerfj)litterten  ©injelentfd^eibungen ;  bie  i^at  ber 
Sntfc^eibung,  im  bejafienben  ober  bemeinenben  Sinne,  lann  gro^e  Äomj)Ieje  umfaffen  — 
nur  bafe  fie  eigen  unb  frei  fei.  3^  ^^^^  ^^^  "^^^  ®^*^^  ^»^^^  §öufe^,  einer  ©emeinbe 
frei  unterwerfen  auf  einmal  aU  einem  ©anjen,  ober  fd^ritt*  unb  ftürftoeife:  ba^  iftSac^e  16 
be^  3"i>ibibuum^,  feinet  ^emj)erament^  unb  feiner  ©efd^ic^te.  2lud^  ba^  Setoufetfcin  bon 
ber  greil^eit,  mit  ber  man  Stellung  nimmt,  ift  feinem  ©rabe  nad)  überaus  berjdffieben 
unb  nur  für  einen  aUtoiffenben  Seobat^ter  meßbar,  ©enug,  bafe  bie  Sittli^Ieit  um 
fold^  eine  fonferüatibe  ober  revolutionäre  SteHungnalj^me  nid^t  ^erumfommt,  toeil  [k  nur 
fo  lebt  unb  immer^  neu  toirb.  Silier  Sturmlauf  toiber  bie  Sitte,  bon  Slouffeau  unb  ben  20 
Slomantilem  bi^  ju  9lie|fd^e,  ^iel^t  l^ierau«  feinen  fittlid^en  2Bert.  Slber  auc^  bie  gorbe« 
rung  einer  rabifal  bemeinenben  Stettungnal^me  ju  Sitte  unb  Überlieferung,  mag  fie  nod^ 
fo  fe^r  im  9?amen  be^  ^d)  unb  ber  greil^eit  erhoben  toerben,  ift  ^eteronom  unb  loirb 
unfittlic^,  toenn  fie  bem  3ni>ibibuum  bie  freie  (Sntfd^eibung  toe^rt.  2)ag  autonome  3d^ 
toirb  bielmel^r  bann  ;\ur  Sitte  bie  rid^tigc  Stellung  finben,  toenn  e^  fid^  betou^t  toirb,  25 
bafe  e^  jtoar  Sitte  fo  toenig  ju  fd^affen  braucht  (toeil  fie  ba  ift)  toie  e^  fic  abfd^affen 
fann  (toeil  il^m  baju  bie  Äraft  fe^lt),  bafe  e^  aber  allerbing^  Sitte  fd^affen  lann,  inbem 
e^  bie  Sitte  beeinflußt.  3[ft  Sitte  toanbelbar,  fo  l^at  Sittlid^feit  ben  Seruf,  i^re  Sffianb:: 
lungen  ;\u  beftimmen.  2)er  2)Jann  unb  bie  grau,  bie  bei  ©rünbung  i^re^  ^aufe^  beffen 
Sitte  beftimmen,  j.  93.  S^ifd^gebet  ober  3Korgenanbad^t  einführen,  geben  bamit  i^ren  S3ei=  so 
trag  ^ur  ©efamtfitte  aud^  eine^  größeren  Äreifeö.  2)ie  ungeheure  Ümtoäljung  unfrer  38er:: 
fe^r^er^ältniffe  unb  bie  nibeHierenbc  2lrt  unfrer  allgemeinen  Silbung  toirft  Sitte  ftörenb 
unb  jerftörenb,  aber  überall  toäd^ft  bod^,  Wo  alte  Sitte  fiel,  naturnottoenbig  Sitte  nac^. 
3)ie  So|\ialbemoIratie  l^at  in  il^ren  Äreifen  nic^t  nur  Sitte  jerftört,  fonbem  auc^  Sitte 
gefd^affen,  auf  bie  ber  Äenner  jä^len  fann.  §üten  toirb  fid^  ber  fittlid^  feinfühlige,  35 
Sitte  JU  brechen,  e^e  er  fie  fennt  unb  öerfteljt.  51Jland^er  junge  $aftor  ift  eifrig,  abjus 
fc^affen,  too  ^erlömmlic^c^  beffer  befte^en  bliebe  ober  fein  gortbeftanb  bod^  ganj  ^arm« 
log  toäre.  ®er  9leuembe  Dertocd^felt  leidet  et^ifd^e  unb  äftf^etifc^e  3"*^^fl^"-  ^lud^ 
äft^etifdf^e  Sieformen  ^aben  nur  bann  ein  Stecht,  tomn  ba«,  toa«  toei(|en  fotl,  toirflid^ 
berftanben  ift,  40 

Sitte  JEann  ebenfo  eine  2)omäne  ber  Unfittlic^feit  fein  toie  ber  Sittlid^Ieit.  Sie 
getoinnt  etl^ifd^en  SBert  in  bem  Slafee,  aU  fittlid^e  ^crfonen  fie  mit  il^rem  ©eift  unb 
geben  erfüllen.  Unb  jtoar  gegenwärtige  \)mi  Icbcnbe  ^erfonen.  S)enn  aud^  Srabitionen, 
bie  vergangene  ©efc^lcd^ter  frei  unb  gut  ^interlaffcn  ^abm,  toerben  fittlid^  toertlo«  ober 
gar  bcbenflic^,  toenn  nid;t  ba«  neue  ©efc^lec^t  fie  frei  unb  gut  fid^  aneignet.  5Der  Ärieg  45 
ift  eine  Sitte;  jeber  3)ienfd5>  toirb  ^cute  tjor  bie  ßntfd^eibung  geftellt,  ob  er  il^n  bejal^t 
ober  verneint;  in  beiben  gällen  ^at  er  bann  cntf))red;cnb  ju  ^anbeln;  fommt  er  ju 
feinem  getoiffen  Urteil,  fo  ift  ba«  fittlic^e  Unreife.  Sitte  ift  überall  nur  $ülle,  in  ber 
ba«  fittlid^e  Seben  fid^  regen,  Stoff,  an  bem  bie  fittlic^e  Selbftftänbigfeit  jic^  üben  unb 
betoäl^ren  foll.  ''IHad)t  man  fie  jum  Cuell  ber  Sittlic^feit,  fo  gerät  man  rettung«lo«  auf  60 
Untiefen,  toie  in  §erm.  Äurj'  SRoman  „5Der  Sonnentoirt"  ber  junge  Sonnentoirt  unb  ber 
3igeuner  fid^  barüber  ftreiten,  toa«  moralifd^er  fei,  feinen  3?ater  ju  befte^len  ober  einen 
fremben  Sienfd^en.  3lber  al«  ein  Sobcn,  auf  bem  Sittlid^fcit  guß  faffen  unb  erfolg= 
reiche  2lrbeit  tl^un  fann,  ift  fie  nic^t  leid;t  ju  überfd^ä^en.  Unfer  oft  blöber  unb  blinber 
beutfd^er  3;n^ibibuali«mu«  fann  ba  Diel  lernen  von  bem  3flef})eft  bor  ben  3laturformen  55 
unb  irabitionen,  ber  bei  ben  2lngclfad;fcn  ju  §aufc  ift. 

SReligion,  felber  au«  urf^rünglid;cm  Grieben  geboren,  ift  in  l^o^em  ©rabe  überall 
Sitte  bilbenb.  Unb  too  fie  nun  k\xä}c  gctoorben,  in  l^oj^em  ©rabe  Sitte  fonfervicrenb. 
©erabe  unfrer  eVangelifc^en  Äird^c  ift  aber  burd()  ba«  eigentümlid^e  Sünbni«,  ba«  ber 
reformatorifc^c  ©laube  mit  ber  autonomen   ©efinnung«et^if  gefdj^loffen  l^at,  bie   atuf^  <3o 


410  Sitte,  (BiMidftüi,  Sittettgefe«  6t£tttd  IL,  ^ofip 

gäbe  bcfonbcr^  bringcnb  gcftcttt,   innerhalb  ber  ©ittc  bcr  ©ittlid^fcit  frcteftcn  (2l)ielraum 
ju  lajfen. 

5.  3n  ber  Sprache  ber  l^eutigen  Silbung  ^at  „Sittlid^Ieit"  unb  „fittlid^"  eine  Se- 
grengung  auf  ba«  (Sebiet  be^  (Sej^Iec^tlid^en   ^in  belommen.    ©o   neu  aber,   tote  ba^ 

6  ©rtmmfc^e  SBörterbud^  meint,  fann  biefe  Sebeutung  nid^t  fein.  SQäenigften^  toirb  bcr 
5ßrebiger,  ber  auf  ber  Äanjel  gegenüber  feiner  2)orfgcnteinbe  bon  biefen  äu^brüdfen  ©c^ 
brauc^  mac^t,  erfahren,  baß  fte  bom  SSoIfe  im  feEueÖen  ©inn  berftanben  toerben ;  meint 
er  e^  anber«,  fo  toirb  ba«  ^'^embtoort  „moralifd^"  eineg  rid^tigen  SSerftönbniffeö  fid^cra 
fein.    Sudler  toie  ,,3)ie  ©ittlid^Ieit  auf  bem  Sanbe"  förbem  biefen  ®l)rad^gebraud^.   5)ic 

10  Jße^anblung  ber  fejueHen  grage  ift  in  ber  römifd^sfati^oüfc^en  6tl^il  bani  iVem  ©ünben= 
begriff  unb  il^rer  S3eid^tj)ra^«  unbergleid^lidj)  l^eimifd^er  aU  in  ber  Jjroteftantifd^cn.  9Jeucr- 
bing«  ^aben  ßrfc^einungen  toie  bie  fog.  3Wutterfd^u$betoegung  unb  ^enffenö  SRoman 
^iHigenlei  ju  aufgeregten  SJerl^anblungen  barüber  geführt,  benen  l^offentlidf^  eine  cmflcrc 
unb  tiefere  Sefc^äftigung   mit  ben  einfd^lägigen  Problemen  folgen  toirb.    9)ie  l^crcine 

16  jur  J&ebung  ber  ©ittlic^feit  l^aben  tro^  aller  aufo})femben  Semül^ung  eine  allgemeine 
leilnal^me  nid^t  erjielt;  faft  fd^eint  i^nen  auf  l^umanem  Soben  eine  günftigere  3^^"?^ 
befdffieben  ate  auf  d^riftlid^sfird^lid^em.  5Die  ©d^toierigleit  für  au^cfjjrod^ene  G^riftcns 
leute,  mitl^in  für  bie  $aftoren,  liegt  angefiAt^  biefer  Slufgabe  barin,  bafe  fie  gar  nic^t 
in  ber  Sage  finb,  bad  ©ebiet  ber  Unftttlid^ieit  au^  @rfa^rung  ju  fennen  ober  rennen  ^u 

20  lernen.  Slu^nal^men  betätigen  nur  biefe  SRegel.  ©o  ^aftet  ber  Slrbeit  ettoa^  Äünftlic^es, 
Unmotivierte«  unb  Unfolibe«  an,  2)amit  foH  ba«  Serbienft  berer*  nid^t  toerlümmert 
toerben,  bie  unermübet  auf  biefe  brennenbe  SBunbe  ben  fjinger  gelegt  unb  um  berfäumtc 
5ßflid^t  bie  ©etoifjen  getoedt  l^aben.  SBie  unb  too  man  aber  an  bie  aufgäbe  heran- 
treten mag,  bie«  ®ebiet  neu  ju  regeln,   überall  toirb   man  fic^  barauf  gefafet   machen 

25  muffen,  einer  güHe  fd^toer  genießbarer  unb  fontroUierbarer  Sorf^läge  ju  begegnen.  6in 
Ilajfifd^c«  Seif))iel  bafür  ift  bie  Siebe  t)on  einer  „neuen  ßt^il",  mit  ber  bie  ?II(utterfd^u^ 
betoegung  fid^  gefd^mücft  unb  fid^  fo  unenblid^  gefc^abet  f)at  ®ilt  e«  bei  biefer  Setoegung 
eine  Sleugeftaltung  ber  2eben«lage,  in  ber  fid^  ba«  une^elid^e  Äinb  unb  feine  SRuttcr 
innerl^alb  ber  f^eutigen  OefeHfd^aft  befinben,  fo  jilt   e«  bamit  eine  9leugeftaltung   t)or= 

30  ^anbener  ©itte,  ni^t  eine  neue  ©ittlid^feit.  ©ittlid^Icit  giebt  e«  nur  eine:  bie  unter 
bem  fategorifd^en  3'">>^ötit)  be«  ©ollen«  fid^  jur  %^ai  aufraffenbe  ©etbftgefe^gebung  bcr 
^erfönli^feit.  O^ne  bie  toirb  aud^  bie  neu  geftellte  —  unb  einmal  gefteflt,  nic^t  länger 
ju  umgc^enbc  —  ®etoiffen«frage  nidfit  beanttoortet  toerben  fönncn.  6«  ift  alfo  bie  „alte 
St^if"  Völlig  au«reic^enb  unb  tompetent,  bie  ©ac^e  m  erlebigen.     Db  in  fonfert)atibcm 

35  ober  reformerifc^em  ©inne,  entfd^eibet  für  jeben  einj^elnen  feine  fittlic^e  greil^eit,  für  ba^ 
®anje,  alfo  für  bie  ©efettfd^aft  unb  i^re  ©itte,  ba«  3wt^"^"^^'"*^i^^^"  ^^^\^  fittlicbcn 
(Singelentfc^eibungen.  Um  bie  5!Jlonogamic  brandet  einem  babci  nid^t  bange  ^u  fein, 
©ic  liegt  fo  fel^r  in  erfter  Sinie  bcr  J)raftifd^en  Slntoenbung  be«  fategorifd^en  3"^1P^ö^H 
bafe  bie  aJlenf^^eit  biefe«  fittlid;en  ^ortf^ritt«  nic^t  toieber  toirb  berluftig  gelten  fonncn. 

40  aiber  um  bie  heutige  (Sinc^c  ^er  ift  fo  Diele«  nur  ©itte  unb  fo  mand^e«  Unfitte,  bafe  bcr 
einen  etoigen  ©ittlid^fcit  ba  ein  große«  gelb  gegeben  ift,  noc^  ju  arbeiten  unb  I^aten 
ju  Ü}nn.  äKartin  9iabe. 

©ittengefc^  f.  b.  31.  ©itte  oben  ©.  401. 

©t^tu«  I.,  ^^a})ft,  toar  nad^  ben  ^aj)ftt)er|;eid^niffen  ber  9iad^f olger  be«  Sifc^of^ 
45  ällcjanbcr.  5Der  Sibcrianifd^e  ^aj)ftIatalog  Verlegt  feinen  ^ontififat  in  bie  9lcgierung«;;cit 
.^abrian«  a  consulatu  Nigri  et  Aproniani  usque  Vero  III  et  Ambibuio,  b.  \}.  Von 
117—126.  $Da  aber  bie  monard^ifd^e  i>crfaffung  in  Stom  fic^  nid^t  Vor  ber  3)llitte  bc^ 
2.  ^a^rl^unbert«  Völlig  burd;gcfe^t  ^at,  fo  barf  man  ©ijtu«  für  einen  ^rc«b^ter  bcr 
römifc^cn  öemeinbe  galten,  beffcn  3Jame  toof|l  be«l^alb  nid^t  Vergeffen  tourbe,  toeil  er  al^ 
öo  aJJärt^rcr  galt.  ^aud, 

©i^tu«  II.,  $apft,  257—258.  —  «ipfia«,  Gl)ro^o(üc^ie  bcr  röm.  »iftftöfe  6.213; 
fiaiiöcn,  ÖJcfd).  ber  vom.  ftivcöc  1881,  8.347;  .^aimd,  XU  XIl'l,  1,  6.1ff.;  XX,  3,  e.llüff.; 
beif.,  ®efd).  bcv  Qltcf)vi)t(.  fiilteratuv  II,  2,  8.  387  ff.  lieber  bie  bem  ^apftc  jugefcöricbcncn 
©e;Ltii^=Spiü(t)e  f.  .^'>ainafr  11,  2,  3.  190  ff. 

ö5  ©iirtu«  II.,  bcr  SJacbfolgcr  ©tc))^an«  I.,  ftcHte  bie  im  ©treite  über  bie  Äe^ertaufc 
von  feinem  i>orgängcr  abgcbrod^cnc  Äird^cngcmcinfd^aft  jtoifd^cn  9lom  unb  ber  afrifanif(^en 
unb  orientalifc^en  Äird^e  toieber  ^er  (Pontii  Vit.  Cypr.  U.  Euseb.  h.  e.  VII,  5  u.  9), 


fiel  aber  fdj^on  am  6.  Sluguft  258  ate  ein  Dj)fer  bcr  SJalerianifd^en  SScrfoIgung  (Cypr. 
ep.  80,  1).  31m  10.  Stußuft  folgte  il^m  fein  ©iafon  Saurentiu«  im  SCobe,  beffen  Slul^m 
ak  5IKärt^rer  atebalb  ben  be^  ajajjfte^  überflral^Ite.  %od)  fmb  alle  9Jacl^rici^ten  über  il^n 
bereite  burdj)  bie  Segenbe  —  man  fann  fagen,  getrübt  ober  berflärt,  f.  Prudent.  Perist.  H.  2, 
Ambr.  de  offic.  1,205;  II,  140  f.,  August,  serm.  302—305,  Leo  M.  serm.  85,  5 
Petr.  Chrysol.  serm.  135."  Über  bie  2)auer  be«  ^ontififate^  ©i|tu«'  IL  finben  pd^ 
miberftorec^enbe  unb  unmöglid^e  Slngaben  bei  Eus.  h.  e.  VII,  23  unb  im  Catal.  Liber., 
f.  Si^jftu«  ©.  213. 

§amad  ^at  in  ber  oben  angefül^rten  2lbl^anblung  in  ben  211  XIII  bie  Slnnal^me 
aufgeftellt  unb  begrünbet,  bafe  ©ijtu«  ber  SSerfaRer  ber  j)feubocVJ)r.  ©d^rift  ad  Novatia-  lo 
numfei.  SlDgemeine  guftimmung  ^at  er  babei  nic^t  gefunben  (f.  bie  Sluf jäf^Iung  ber  ein* 
fd;lägigen  9Reinung«äufeerungen  ®efc^.  ber  altd^rift.  Sitt.  II,  2,  ©.  387  2lnm.  3).  9lber 
er  ift  itoeifello«  im  fÜ^i^U,  toenn  er  bie  ^rage,  ob  eine  ©c^rift,  bie  jtoifdj^en  253  unb 
258  t)on  einem  Sifd^of  in  SJom  gefc^rieben  tourbe,  einen  anberen  SSerfaffer  aU  ©ijtud 
^aben  lann,  berneint.  ^aud.     i5 

@tstitdIIL,  5ßaj)ft,  432—440.  —  3aff4  I,  @.  57;  Lib.  pont.  I,  @.  9ö  StuSg. 
oou  SKommfcn ;  Sangen,  (äJcfd).  b.  röm.  Äircöe,  @.  387 ;  ®regoroöiuö,  @cfd).  bcr  @tabt 
9lüm  im  3R9(.  I,  6. 432.  Uebcr  bie  Gesta  de  Xysti  purgatione  öal.  3)uc6cönc,  Lib.  pont.  I, 
©.  CXXVL 

©ijtu«  IIL  tourbe  am  31.  3uli  432  fonfefriert  unb  ftarb  19.  Sluguft  440.   ßr  \vax  20 
ein  3<^*9^ofl^  ^^  neftorianifd^en  unb  J)elagianifc^en  ©treitigf eiten ;  an  ber  dj^riftologifd^en 
^tage  fanb  er,  toie  e^  fd^eint,  nid^t  öieljjntereffe;  e^  lag  if|m  ^ai^jtfäd^Iid^  an  ber  mog* 
lid^ft  rafd^en  §erftettung  be^  griebeng  ^toifd^en  6t;riII  unb  ben  ©^rem  (Sriefe  an  &i}xxü 
unb  Sol^ann  öon  Slntiod^ia   bei  Gouftant  p.  1231  ff.),    ßntfd^iebener  ergriff  er  im  Jjela« 
gianifdj^en  ©treite  5ßartei,  inbem  er  fid^  Julian  t)on  ßclanum  fd^roff  ablebnenb  gegenüber  25 
ftellte,  Prosp.  chron.  j  439  ©.  477  ber  Slu^gabe  t).  ÜKommfen.    ^Jacpbrüdtli^  bertrat 
er  bie  })äj)ftlic^en  9ted()te   auf  ^H^nen   unb  be^^alb  bie  Stellung  be^  6rjbifd()ofg  öon 
^i^effalonid^  ate  ^avüpt  ber  iD^rifc^en  Äirc^en  (©riefe  an  ^erigene^  bon  Äorint?,  ^ßroHu^ 
Don  Äonftantinopel,   eine  S^nobe  ju  Il^effalonid^  unb  an  bie  itt^rifd^en  Sifd^öfe  ßouft. 
p.  1262  ff.),   ©eine  S3iogra})l^ie  im  !Paj)ftbuc^  btx\i}Ui  t)on  ber  ©rbauuna  \)on  ©.  ?!Karia  30 
3Kaggiore  unb  ©.  Sorenjo  t).  b.  5!l  (gemeint  ift  bie  größere  bcr  beiben  itirdj^en)  unb  ben 
reichen  SBeifigefc^enfen  für  beibe  Äird^en,  toie  t)on  ben  ®aben,   bie  SSalentinian  III.  auf 
©.g  Slnlaft  für  ©.  5ßeter  unb  bie  lateranifdf^e  Safilifa  barbrac^te.  ^aud. 

StjtllÖlV.,  5ßaj)ft  1471—1484.  —  Sitteratur:  ^bgcfc^en  tjon  bcr  oIlQcmcinen 
LMttcratur  ^ur  ^opft=  unb  Äir(^engefc§id)te,  mc  fic  u.  a.  ^u  ben  §lrtt.  ,,¥aul  lt.,"  unb  36 
„Snnocenj  VIII."  notiert  ift,  üfl(.  Infessiira,  Diario  della  Cittä  di  Roma,  9liiSg.  uon  2^om- 
maffmi,  SRom  1890;  Burchardi  "Diarium  (ed.  Thouaenc,  2  S3be,  ^avi§  1883—85)  fc^t  1483 
ein  imb  berichtet  über  %ob  unb  53eftQttung  be§  ^opftcfiJ;  Diario  di  Roma  del  Notajo  .  .  . 
(14S1— 1492)  bei  9RurQtori,  E«r.  Ital.  Scr.  II,  p.  III,  col.  1071  ff.  SRcic^^altige  «eriüci= 
fungcn  auf  Sitteratur  jur  glcicft^^citigcn  6Jefd)id)te  ber  ^unft,  ßittcratur  unb  ^oliti!  f.  hei  ^ 
^^aftor,  ®cf*.  b.  ^äpftc  III  (3.9IufI.'^1904,  8.  XXXI— LX,  foioie  in  bcnlliotcn);  inäioifci)cn 
ift  1904  Don  SBurcf^arbtd  ®ef(^ici)te  ber  SRenaiffance  in  Stauen  bie  4.  9luf(.  (bcarb.  üon 
.Öol^inger)  erfcbicnen. 

grance^co  bella  SKobere  iourbe  am  21.  3;uli  14:14  in  einem  3)orfe  bei  ©at)ona  ges 
boren,  ©eine  gamilie  ioar  berarmt,  ^ing  aber  mit  bem  alten  (Sefd^Ied^te  ber  })iemons  45 
tefifc^en  Stöbere  jufammen;  i^m  unb  feinem  Steffen  (Siuliano,  ber  auc^  ben  })ä})ftlid^en 
etu^l  beftiegen  ^at  (f.  b.  3lrt.  ^uliu«  IL  SBb  IX,  621  ff.)  berbanft  [xt  'ifyt  aBieberemt)or=: 
!ommen.  grance^co  trat  frül^e  in  ben  ^ranui^Ianerorben  ein,  ftubierte  in  ß^ieri,  5Jflt)ia 
unb  Bologna,  erlangte  in  ^abua  ben  2)iagiftergrab,  bann  ben  2)oltorgrab  in  ber  SC^eo^ 
logic,  lefirte  an  üerf^iebenen  Unibcrfitäten  unb  tourbe  1464  ^\im  ©eheral  feinet  Orben^  50 
getoÄ^lt.  2)rei  ^[aj^re  fpäter  berlie^  i^m  $aul  IL,  too^I  auf  ben  9tat  be«  i^m  tool^Igetoogenen 
Äarbinate  Seffarion,  ben  roten  ^ut.  2)er  neue  Äarbinal  üon  ©an  5ßietro  in  3}incoIi 
galt  afö  eineiS  ber  gele^rteften  (er  nahm  an  einer  ^n  Sßei^nac^ten  1462  in  SRom  öor 
^45iu^  IL  gcl^altenen  2)iöJ)utation  teil,  in  toeirfjcr  Don  il^m  gegen  bominifanifd^e  2;l^eoIogen 
bie  Sel^au^Jtung  be^  ^^co^jo  bcIla  9Rarco  aufredet  erhalten  tourbe,  bafe  baö  bei  bcr  55 
©eifeelung  unb  Äreugigung  Dcrgoffcnc  93lut  6^rifti  lein  ®egenftanb  ber  älnbctung  fein 
bürfe.  3"  ^^"  „Äommentaricn"  ^iu^'  IL  l^eifet  c^  barübcr:  Maior  pars  sententiam 
Praedicatorum  probavit,  pauci  cum  Minoribus  sensere.  Plus  quoque  in  maiori 
parte  fuit,   sed   non  visum  est   eo  tempore  decretum    fieri  declarationis,  ne 


412  S'^tn»  IV.,  $a)ifl 

multitudo  Minonim,  cuius  erat  contra  Turcos  praedicatio  necessaria,  offen- 
deretur:  in  aliud  tempus  decisionem  referre  placuit.  3llfo:  burc^  äußere  diüd' 
fid^ten  liefe  ber  ^^Jo^ft  fid^  ab^lten,  in  bcr  Icibenfdj^aftlic^  l^üben  unb  brübm  tocntilicrtcn 
^age,  bic  nid^t  Icbiglid^  ©d^ulftagc,  f onbcrn  au6)  t)on  Sebcutung  fiir  bic  fird^lid^c  ^rojisf 

5  toax,  bic  crtoartctc  (Sntfc^cibung  m  geben)  unb  fc^lagfertigftcn  ^Ritglieber  bc^  ^eiligen 
ÄoHegium^ ;  er  Wax  me^r  —  er  patte  aKe  ßigenfd^aften  eine^  rüdtftd^tsJlofen,  nie  um  bic 
aüa^l  ber  9Rittcl  berlegenen  2luto!raten.  Sttte  i^n  bie  eigene  Sebeutung,  bog  ®ch)i(^t 
feinet  Drben^  unb  bie  ©efügigfcit  ber  übrigen  fiarbindle  im  ^df)x^  U71  auf  bcn  J)ä^)ft= 
©tul^I  gehoben  ^atte,  belohnte   er  gunäc^ft  bie  Sci^ilfe  feiner  g^eunbe,   ber  5larbinäle 

10  Drfmi  unb  Sorgia,  burc^  ämt  unb  ^frünben  unb  begann  fobann  feine  Steffen  in  einem 
ganj  aufecrgetoöl^nlid^cn  Umfange  mit  SBürben  unb  Senefijien  au^juftatten.  3lod^  in 
bcmfelbcn  ^a1)x^  ernannte  er  beibe  ju  Äarbinälen.  Der  eine,  ©iuliano,  toar  mittlertoeilc 
fd^on  bon  i^m  gum  Sifc^of  bon  ßatipentra«  in  ber  Slbignonefcr  $errfd^aft  gemacht  toorben 
unb  erhielt  nun  ber  Steige  nac^  ba^  ©rgbi^tum  bon  Slbignon,  bann  ba^  bon  Sologna, 

löbaju  bieleSiMmcr,  mel^rcre  Slbtcicn  unb^frünben  über  ^JSfrünben,  cnblid^  ateÄarbinaI= 
bifd^of  ben  l^öd^ften  litel,  bcn  bon  Dftia  unb  3Settetri.  6in  anbcrer  9Jeffe,  ^ßietro  9tiario, 
ftanb  nod^  ^ö^er  bei  Sijtu«  in  ®unft.  er  ^atte  al«  Äonflabift  (f.  95b  XIV  ©.  665, -k^) 
jur  ßrreid^ung  be^  günftigen  3lefuItate«J  beigetragen:  je^t  tüurbe  er  in  berfd^toenbcrifc^cr 
2Beife  belol^nt  mit  SBiiStümem  unb  flommenben,  berfc^leuberte  aber  äße  ©inlünfte  in  un= 

20  erl^örtcmSuju^:  fo  j.  93.  blieb  ba^  geft,  toclc^eö  ber  Äarbinal  bon  ©an  ©ifto  ber  95raut 
be^  ßrcolc  bon  Gfte,  ßleonora  b*3lragona,  bei  beren  3)urc^reife  bon  3ttccpd  nad)  gcrrara 
im  3a^re  1473  gab,  im  ©ebäd^tni^  ber  3<^it9^"of5en  al«  ba^jenige  l^aften,  toeld^eö  ben 
@ii)fel  aller  SSerf^toenbung  erreid^t  ^abe.  „3"  ^^(^^  »«wfe  ber  Sleid^tum  ber  Äird^c  bienen", 
fe^t  ber  95erid^terftatter  Snfeffura  ^inju.   „mt  5.  g^nuar  1474  aber",  fä^rt  berfclbe  fort, 

25  „ftarb  ber  Äarbinal  bon  ©an  ©ifto  an  ©ift.  ©o  nabmen  unfere  ^efte  ein  ®nbe,  toc^- 
fydb  ba«  9SoIf  i^n  fe^r  beiveinte."  3toäf  jtoci  9lej)oten  mad^te  nun  bcr  ^ctp^t  ju  Äar^ 
binälen,  für  einen  fünften,  ber  bon  il^m  jum  ©tabtj)räfelten  bon  9lom  ernannt  toorben 
toar,  Sionarbo  betta  SKobere,  erfaufte  er  bie  S^^a^a  ber  ipanb  einer  natürlichen  io(^[tcr 
be^  Äönig^  genante  bon  9leaj)el  burd^  98erjid^tleiftung  auf  ben  feit  S^W^nberten  üb- 

30  liefen  £el^n;|in^  unb  bie  Sel^en^f^errlid^Ieit  über  ©ora,  toomit  nun  Sionarbo  bom  Äönigc 
belehnt  tourbe.  ßbenfo  toufetc  er  für  einen  ©ruber  ©iuliano^  bie  Äanb  ber  loc^ter 
unb  ©rbin  geberigo^  bon  Urbino  ju  gewinnen  unb  bamit  bem  ©efc^fed^tc  betta  Stöbere 
ba«  iperjogtum  Urbino  ju  fidlem,  toelc^eg  il;m  bi§  j^um  6nbe  beö  16.  ga^^^unbcrt^  ber= 
blieben  ift.    ©eine  ganjc  SSorliebe  aber  fd^icn  fid^  auf  bie  ^Jerfon  be^  ©irolamo  9liario, 

36  ber  ein  ©ruber  be^  berftorbenen  Äarbinal^  toar,  ju  f ongentrieren :  nic^t  nur  ernannte  er 
i^n  gum  9?ifar  bon  ^mola  unb  1480  gum  „®eneralfaj)itän  ber  flirdfie",  fonbem  „^eftattetc 
il^m  aud^  auf  bie  römifd^en  unb  attgemeinen  })oIitifd^en  Slngelegenl^eitcn  toie  auf  feine  6nt= 
fd^Iiefeungen  einen  öinflufe,  bcr  bic  traurigften  folgen  nac^  p^  gebogen  ^at".  6o 
ging  fein^  ber  ja^Ireic^en  Äinber  feiner  93rüber  unb  ©d^ioeftem  leer  au^;  „atte  befc^attetc 

40  ber  ßid^baum  (ba^  3amilicnU>aj)))en ;  rovere  =  ©teineid^c),  bon  bem  golbene  grüc^tc 
in  i^ren  ©c^ofe  fielen"  ©c^marfoio,  Melozzo  da  Forli,  1886,  ©.  36). 

Slbgefe^en  bon  ber  gürforge  für  feine  gamilic  ioaren  e^  ^toei  aufgaben,  toeld^e  bcr 
$a})ft  fi^  gcfteHt  ju  ^abcn  fc^ien :  bie  Drbnung  ber  2lngelegen^citen  im  Dften  ®uro})a^, 
alfo  bic  Slbtocnbung  ber  burd^  ba^  SSorbringen  ber  2^ürfcn  bro^enben  ©efal^ren,  fobann 

45  bie  ©icfjcrung  bcr  })äpftlic^en  Slttgcioalt  im  2lbcnblanbc  nebft  ber  möglid^ft  intenfiDcn 
})cfuniärcn  Slu^bcutung  bcr  burdfi  fic  ^crbei  geführten  fird^lid^en  SScr^ältniffc.  Äaum  ^ttc 
er  ben  Xl^ron  bcfticgcn,  fo  licfecn  i^m  bic  bei  ber  ©ad^c  in  erfter  Sinie  intereffierten 
9Senctianer  burd^  eine  ©cfanbtf^aft  Dorftetten,  toie  nötig  e^  fei,  gegenüber  ben  ©roberungen 
•äJinhammcbg  II.  l^orfcl^rungcn  ju  treffen,    ©ijtuig  IV.  berfud^tc  burd^  Segaten  in  granf- 

60  rcid(),  ©panicn  unb  2)eutfd;lanb  fei  c^  einen  curo})äifd^en  flongrefe  gegen  bie  S^ürfen, 
fei  c^  bircitc  Untcrftü^ung  ju  erlangen:  bie  Untcrl^anblungcn  fd^eiterten,  attein  bie  mit 
Slürffid^t  auf  bic  lürfcngcfa^r  fd^on  lange  überaß  geforbertcn  unb  in  ©cutfc^lanb  bctoittigten 
fird^lid;cn  ©cfällc  tourben  nad^  ivie  bor  bcjal)lt.  3tug  biefen  unb  anberen  ©elbem  rüftctc 
©.  im  i^crcin  mit  'OJcapcl  unb  Ikncbig  eine  glottc  au^.     Unter  bem  98cnetianer  ^ietro 

65  3)Joccnigo  unb  bem  Äarbinal  Dlibicro  Garaffa  (f.  b.  31.  $aul  IV.,  g3b  XV  ©.  40,  lo)  liefen 
im  ^rül^jal^r  1472  l^unbcrt  ©alccrcn  au§,  loclcbc  einzelne  ©rfolgc  enangen,  j.93.  bie 
©J)errlettc  au^  bem  §afcn  bon  ©nuima  mitbrad^ten,  auc^  bcn  Stömern  1473  bic  lang 
entbehrte  93cfricbigung  einc^  Xriumi)^^ugc^  (mit  25  türfifc^cn  ©efangenen  unb  einem 
2)u^cnb  ilamclcn)  Dcrfd^afftcn,  eine  bur^grcifenbc  Seflerung  aber  um  fo  hjcniger  onbalj^ncn 

60  tonnten,  aU  bai^  ^ntcreffe  be^  $a^fte^  fi4  nun  bottig  auf  bie  ^änbel  ber  ttalienif(^ 


St^tit«  IV.,  ^iMifi  413 

^Nolitil  rid^tete,  in  bte  il^n  bic  ©orge  für  bie  9?e})oten  ^ani  toerftricftc.  ©.  toax  unter 
bcn  Sßöjjftcn  bc^  15.  3«l^i^^unbertg  bcrjeniöe,  Ivelc^er  am  unöenierteften  in  eine  ganj 
toeItIicl^s})ontifci^e  Sabn  einlenfte  unb  ber  fic^  am  ungefd^euleftcn  bic  3)littcl  ju  ben  })oIi5 
tif^en  ailtionen  burd^  gefteigcrten  StmtcrF^anbel  unb  ©nabcntjerfauf,  burd^  f ird^lid^e  ^inanjis 
f})c{uIationcn  unb  rticf jid^t^Iofe  Slu^nü^ung  ber  j)äj)ftlid^en  SteDung  ju  öerfc^affen  hjufete.  6 
„Sd^on  in  furjer  3^'*"/  f<^0*  ©regoroDiu^  t)on  i^m,  ,,Dcrlor  er  ba^  SKlgcmeine  au«  bem 
Slid,  um  fw^  in  bie  italienifd^e  lerritorialjjolitif  gani  unb  gar  ya  öerfenfen,  um  mit 
raftio«  ränfet)ottem  ®eift  barin  3?ern)idtelungen  ju  fd^affen,  beren  ^\oci  bie  ßrtoeiterung 
ber  ^$at)ftmac^t  in  ^talxm  toax  . .  .  ®ie  3lej)otcn  tüaren  ber  Slu^brucf  ber  ^erfönlidf^en 
©ouberänetät  ber  $äj)fte  unb  ^uglei*  bie  Stuften  tpie  SBerljeuge  if^rer  toeltlid^en  ^err*  lo 
fc^aft,  i^rc  Vertrauten  3Kini[tcr  unb  Generale.  5)er  9iej)otigmu^  lüurbe  jum  ©Aftern  beg 
römifd^en  ©taate^.  6r  erfe^te  bie  in  if^m  fef^Ienbe  ßrblic^feit;  er  fd^uf  für  ben  5ßa})ft 
eine  9legierung$})artei  unb  aud^  einen  2)amm  geaen  bie  Oj)J)ofition  be^  Äarbinalat«  . . . 
25ie  9Jet)oten  übernahmen  ben  3Semid^tung«fam))f  gegen  bie  noc^  im  Äird^enftaate  be« 
fte^enben  geubal^äufer  unb  9Je})ubItfen;  fie  Ralfen,  benfelben  in  eine  SRonarc^ie  ber^  i5 
tüanbeln,  unb  fie  bienten  am  ®nbe  bod^  immer  ber  römifd^en  Äird^e  . . .  3)er  3l^oi\^ 
mu^,  im  ^rieftertum  ober  in  ber  Äird^e  eine  2lu^artung,  i}at  ba^er  im  Ätrc^enftaate  feine 
politifd^e  Berechtigung  ober  bieUrfad^en  feiner  notivenbigen  ©ntfte^ung  gehabt"  (XIII.  S3ud^, 
3.  Äaj).). 

3Son  ber  völligen  SJertoeltlid^ung  be^  römijd^en  §ofeg  fonnten  ftd()  bie  ^ilger  über*  20 
^cugen,  toeld^e  1475  jum  Jubiläum  nad^Slom  famen:  9Jej)0ti«mu«,  SBud^er  unb©imonie 
tüaren  bie  borfted^enben  6|aralterjüge  in  ber  ^^^fiognomie  ber  ©tabt  9lom.  Unb  i^r 
§err  fügte  je^t  aU  Vierten  nod()  ben  beö  ?!Keuc|elmorbe^  bin^u.  Sängft  mit  bem  blülf^en^ 
ben  $aufe  ber  3Jlebici  in  ^lorenj  Verfeinbet,  Verbanb  fid^  ©.  mit  ber  bortigen  ^af tion  ber 
^a^ji  jum  ©turje  Sorenjo^  il  3JlagnificO;  nac^bem  er  Vergeblid^  öerfuc^t  ^atte,  ba^  Sunbe^s  25 
tocr^ältni^  benfelben  ^u  3?enebig  jiu  ftören.  ©elang  i^m,  fo  beregnete  er,  ber  ©turj  ber 
SRebici,  bann  mod^te  aud^  2^ogcana  il^m  al«  Seute  für  feine  3t^otm  jufatten.  SSergeben^ 
ift  t)erfud^t  Sorben,  ben  $aj)ft  reinjutoafdfien ;  felbft  D.  SReumont  gefteF^t:  ,Mi  er  um 
bie  3Serfd()toörung  tou^U  unb  fie  nid^t  ber^inberte,  baf;  feine  SJertoanbten  in  biefelbe  toer^ 
h)i(!elt  toaren,  ift  eine  traurige  %f)ai^acS)^"  (8b  III,  ©.  171).  2)ie  3Serfc^U)örung  ber  30 
^agji  fjjielte  fid^  in  folgenber  3ßeife  ab  (bgl.  (Sa})})oni,  Storia  di  Firenze,  II,  cap.  ^: 
§rance«co  be'^ajji  fommt  nad^  9lom,  berftänbigt  fi^i  mit  bem  fj)äteren  ®enerallaj)itän 
©irolamo  Sliario  über  ben  au^jufü^renben  SJlorb  ber  beiben  Mupttx  ber  3Jlebict,  ©iuliano 
unb  Sorenjo;  ber  $aj)ft  ftimmt  il^rem  3Jlorbj)Iane  ju;  bie  SBerfc^toörer  treffen  in  glorenji 
iE^re  3?orbereitungen,  unb  ber  junge  Äarbinal  SKiario  Ujirb  nad^  ^Jlorenj  gefd^idt,  um  mit=  35 
jutoirfen;  am  26.  3lj)ril  1478  beim  §od^amte,  afö  berRarbinal  gerabe  bie  getoeil^te  §oftic 
erl^ob,  fielen  bie  5IKörber  in  ber  ffirc^e  über  i^re  D})fer  l^er  unb  töteten  ©iuliano,  n)ä|renb 
2oremo  fic^  rettete.  Die  Äunbe  t)on  bem  üKifeglüien  be^  2lnfd^lage^  brad^te  ©.  inSBut; 
ben  florcntinifd^en  ©efanbten  na^m  er  gefangen,  belegte  allc^  florentinifc^e  ©igcntum  im 
Äirc^enftaat  mit  Sefdfilag  unb  bie  3le})ublif  mit  bem  3"terbift,  lüeil  burd^  bie  ©efangen=  40 
na^me  be^  Rarbinal^  SKaffaele  bie  geiftlic^c  Immunität  berieft  toorben  fei.  3)er  3le})ublif 
erflärte  er  ^ugleid^  ben  Sricg,  ber  fidfi  o^ne  nennen^toerte  Sqolge  l^injog,  bi^  am  3.  Des 
^ember  1480  unter  Sebingung  ber  leilnal^me  an  bem  bringenb  erforberlic^  getoorbenen 
Sürfenjuge  triebe  gefc^loffcn  tourbe.  3)Jan  rüftetc  nun  aHerfcit^  —  ba  befreite  ber  ^ob 
3Jlo^ammebg  II.  im  3)lax  1481  bie  abcnblänbifd^e  G^riftcn^cit  öon  i^rem  2)ränger,  unb  45 
ba^  Sanner  mit  bem  §albmonb,  ioelc^c^  fcfjon  in  Otranto  aufgej)flanjt  ivar,  öerfc^toanb 
für  immer  Don  bem  33oben  beö  italienifd^en  geftlanbe^.  Diefer  ©orge  entlebigt,  ivanbte 
©.  feinen  Slicf  auf  bic  SRomagna,  um  enblidj)  feinen  9Jeffen  ©irolamo  bie  erfe^nte  Äerr= 
fc^aft  ju  ertoerben.  5Diefer,  fc^on  im  Sefi^c  Don  ^mola  unb  gorli,  fd^lofe  im  2luftrag 
be^  $a))fte^  mit  3?cnebig  ein  Sünbni^,  um  ben  $erjog  Don  6fte  au^  ^^^^^^^  i^  ^^'  ^ 
brängen.  Um  ba^  „®lcid;getoid^t"  in  Italien  aufredet  ju  erhalten,  traten  3)(ailanb, 
^lorenj^  unb  9Jea})el  auf  örcoleö  ©eitc.  9Jeaj)olitanifd^e  ^nH)})en  brangen  j)lünbemb  in 
diom  ein  (9JJai  1482);  erft  nad^  SJonaten  gelang  e^  ben  ^erbeigerürften  benetianifd^en 
©ölbnem,  bei  Selletri  einen  ©ieg  baDongutragen  unb  3lom  gu  befreien;  im  Dejember 
erfolgte  ber  grieben^fd^tufe,  ber  boq>  bem  ^ergog  Don  6fte  fein  gerrara  fidperte,  aber  auc^  55 
bie  greilaffung  ber  ))aj)ftfeinblic^en  Äarbinäle  ßolonna  unb  ©aDcHi  feftfe^tc.  ^n  91om 
folgte  balb  ein  gräfelid^e^  9Jac^fpiel  in  ©eftalt  eine^  Saronenlriege^  für  unb  toibcr  bic 
freigetaffencn  Äarbinäle  unb  i^re  gamilien,  beren  ©egner  fic^  um  bie  Drfmi  fc^artcn. 
9ia^  ©tra^enfamjjf  unb  3Jlorbfccnen  tuarb  ber  ßolonna  gefangen,  gefoltert  unb  ^in^ 
gerid^tet,  ber  ^alaft  ber  g^milie  niebergeriffcn;   ©aDeUi  l^atte  beim  Äam})f  ba^  Scbeneo 


414  St£htd  IV.,  ^iMift  Ststnd  V^  f^ft 

eingebüßt.  ®ag  öefd^al^  im  grül^ial^r  1484;  lüäl^rcnb  man  noä)  b^\ä)ä^iiQt  toax,  bic 
Surgcn  ber  ßolonna  ring^  im  Sanbe  m  jcrftören,  ftarb  ber  ^cüp^i  —  am  12.  äuguft 
1484.  a)em  römifd^en  ß^roniftcn  ^nfeffura  erfcbicn  biefer  2:a0  a(«  ein  ©lüd^tag  für 
bie  ganjc  6^riften|cit:  feine  Siebe  ju  feinem  3SoIfe  Jei  in  ©.  aetoefen,  nur  SffioHuft, 
6®eij,  5ßninlfuc^t,  gitelfeit;  aug  ©eftgicr  F^abe  er  atteämter  t)erlauft,  mitÄorn  geh)u4>ert, 
abgaben  auferlegt,  ba^  SKec^t  feilgeboten ;  treulos  unb  graufam,  f)ab^  er  jal^IIofe  ^JKenfc^en 
burd^  feine  Jtriege  umgebrad^t.  Setirat^. 

Si^tltd  V.,  5ßa))ft  bon  1585—1590.  —  ßitteratur:9(ufjci(ömmgenuon8.Sei(jencr 
^nnb  biencn  old  ÖJrunblage:  Memoric   autografe  di  papa  Sixto  V.,  Bibl.  Chigi  I.  III.,  72 

10  ugL  5Raufe,  SRöm.  ^äpftc,  III,  6.  65  ff.  [G.  ^Xufl.l;  jc&t  üeröffcutHd)t  bur^  eugnoni  in 
bcm  Archivio  della  Soc.  Rom.  di  Storia  patria  (1882).  —  De  vita  Sixti  V.  ipsius  manu 
eraendata.  Bibl.  Altieri,  57  ÜBI.,  »gl.  SRanfc  a.  a.  D.  @.  G8*.  —  Sixtus  V.  PoDt  Max. 
ebb.  6. 09*  unb  Meraorie  del  Pontifi'cato  di  S.  V.,  6.  72*.  —  Sixti  V.  Pont.  Max.  vita  a 
Guido  Gualterio  Sangenesiuo  deacripta,  ebb.  6.  73*,    uon   lücld)cr   je^t  ha^  Arch.  Stör.  It. 

16  1874,  @.  345  bcn  Eingang  üeröffcntlidjt  fiat    —    lieber    fonftigeS  ftanbf(ftriftlid)cö  «tateriol 

f.  9lanfc  0.  n.  D.  S.  75*  ff.  unb  |>übncr,  Sixte-Quint,  33b  II  unb  III.  —  9?eu  cbiertc  53nefe 

bei  ßugnoni  o.  a.  D.  @.  548 ff.;  einige  bei  ^übncr  Sb  II,  ein  S3vicf  öom  Sö^re  1565  an  ben 

Äarbinal  ©iricto  uon^oftor  gebnicft  (^t.  b.  3nft.  für  i3fterr.  (SefcöiditSforfcftung  1882,  ©.  635). 

2)ic  erfte  fiebcn^befcbreibung,  ipeld)c  gcbrucft  crfd)ien  unb  weite  ^Verbreitung  gefunben  bat 

20  ift  bic  Vita  di  S.  V.  Pont  Rom.  scritta  da  .  .  .  Gregorio  Leti,  2  Ȋnbc,  Losanna  1669, 
u.  ö.  JRanfe  ^at  nodigeiuicfen,  bafe  fie  gum  größten  2^ei(c  nid)t§  anbereö  alö  3Siebergabe  über 
^aropftrafe  üon  2)aritcflungcn  ift,  njeld)c  noc^  in  römi(d)en  SSibliot^efen  cjiftiercn  (f.  a.  a.  C 
S3b  TU,  @.  59*  ff.)  unb  nur  in  beftöränftcm  3Raftc  glaubmürbig  finb.  Um  ficti  ju  luicber 
legen,    fdjrieb    ber  gran^idfaner   3:cmpefti    feine   Storia   della  vita  e  gestc  die  papa  S.  V., 

26  Roma  1755.  SRomS  ©ibliot^cfen  unb  ^rd)it)e  boten  i^m  gutcS  SRoterioI  —  befonberö  cin- 
gc^enb  finb  bic  S3cri(^tc  bcg  9?untin8  in  granfrcic^,  5Worofinl,  nenpcrtct  — ,  aUcin  ber  Wofe 
ftab,  meieren  er  anlegt,  ift  ein  cngl^cräigcr  unb  bie  t^oxm  ift  trorfen  fd)oIaftifrf|.  9?orf|bem  nun 
JHanfc,  <P«pfte  53b  I,  mit  S^orlicbe  unb  aReiftcrft^aft  ha^  ©ilb  ber  ^^erfon  unb  bic  «Sirtfamfeit 
bc§   geiualtigcn   $Qpftc§   maftgcbenb   gcicii^nct   ^attc,    ift   ^umeönil,   Hist.  de  Sixte-Quint, 

30  <|Sarid  1869,  unb  bann  bie  3)arfteüung  \)on  S3aron  .&übner  (Sixte-Quint,  $ari3  1870,  3  »be; 
ba§f.  bcutfd),  fieipjig  1871,  ital.  1888  f.)  gefolgt,  welche  mit  nod)  reicherem  biplomatifcbcm 
^Jateriale  ba^  5Biib  auSmalt  unb  j^ugleicb  hk  ganje  3citgcfc^icf)tc,  fo  weit  erforbcrlid),  in  bcii 
JRal^mcn  faßt,  .^at  Sharon  ,^übner  üornc^nilidö  ?lrd)iüaIifd)cS  au§  @imanca§,  alfo  von 
fpanifdjcn  SBeric^tcrftattem,  bcige,^ogcn,  fo  fuib  tjon  93rofd)  in  ber  ®efd)id)tc  bed  Äirdienftaatco 

36  55b  I  [1880],  ^ap.  7  (^ie  fi;rt.  Steformcn  unb  öJetualtfdirittc)  aud)  für  bie  8eid|nimg  unfcre-^ 
^apftcö  befonbcrö  bie  ücnetianifd)en  ^cpcfd)en,  bic  übrigen^  fd)on  JRanfc  ucru»crtct  ^tlf, 
Ciploitiert  wovben.  —  S3gl.  Capranica,  Papa  Sisto,  storia  dcl  s.  XVI,  Milano  1884,  3  voll. 
—  lieber  ha^  5^crpitniS  @.d  ju  ?iepoü  tianbclt  auSfü^rlid):  (ö.  ©oäüabini,  Giov.  Pepoli  c 
Sif«to  V.,  93oIogna  1879.  —  lieber  bie  8.fd)c  9?euorbnung  ber  .^urialbe^örbcn  ugl.  bcjonbcr> 

40».  JRcumont,  ÖJefdiic^tc  Storno,  III,  8.  584 ff.  —  SRcid)e§  'üJJatcrial  über  bic  ®eftaltung  ber 
Xingc  in  2)cutfd)lanb  unter  öijiluö  V.  unb  über  feine  Stellung  in  ben  betr.  g-ragen  bieten  bie 
t)on  ber  eJörre<^gefcnf(ÖQft  iierüffcntlid)tcn  'ü^untiaturbericftte  a.  S)eut(d)(anb  nebft  crgän.v  ?lft. 
1585—1590.  I.?(bt.  SDie  tölner  iRuntiatur;  erfte  C)älftc  ^er.  oon  (S^c^  nnb  3Keifter  (189:.), 
jtüeite  .^älfte  ber.  oon  (S^feS  (1899). 

46  5Jelicc  ^eretti  tourbe  am  13.  2)e5embcr  1521  in  ©rottamare,  eine  3Dieilc  fübltc^  ücn 
2lncona  an  ber  abriatif^en  Äüfte,  geboren,  ©ein  3Sater,  ber  einer  einft  angefc^encn 
balmatifc^en  gamilic  angel^örenb  \id)  burc^  bie  ort^übtt^^c  ©ärtnerei  mü^fam  ernährte, 
übergab  ben  neunjährigen  Änaben,  toon  bem  man  fpäter  in  SHom  toof;!  nid^t  o^ne  ®runb 
erjä^lte,  er  l^abe  öorbem  bie  ©c^h)einc  gelautet,   bem   benad^barten  Stanjiefancrflofter  in 

60  3)Jonta(to,  n)o  fein  Dl^eim,  %xä  Salöatore,  Drben^bniber  tvax.  §o($begabt  unb  ftrebfam 
^ei^netc  ^elice  fid^  balb  öor  allen  ani,  unb  ragte,  nac^bem  er  feit  1540  in  genora 
unb  93oIogna  ftubiert  unb  in  germo  j)romoDtert  If^atte,  fd^on  frti^e  ate  beliebter  äbt>ent^' 
unb  gaftenprebiger  ^ertoor.  SRüdfid^t^loö  tabelnb,  toa«  i^m  unred^t  fd^ien,  caegte  er  ju 
guliu^'  III.  Reiten   in  3iom   burd^   heftige  2lu^Iaffungen   gegen  bie   ^olttif  Raxli  V., 

66  ^erbinanbg  unb  ^einrid^g  II.  t)on  ^ranfreic^  Sluffe^en  unb  jog  ftd^  Slnllage  unb  i^ertüci^ 
ju.  aiber  er  gewann  \>uxd)  biefelben  göpenprcbigten  öon  1552  ba«  Vertrauen  unb  bic 
93eit?unbcrung  t)on  5Känncrn  Wk  ?5l)ilipp  9Jert  (f.  b.  2lrt.  Sb  XIII  ©.  71 5  ff.)  unb  ber 
fpäteren  Äarbinäle  ®l)iglieri  (f.  b.  »rt.  ^iu«  V.  93b  XV  S.  439  ff.)  foluie  5ßio  bon  6atpi, 
toeld^e  ibm  bcn  ffieg  ju  bcn  l^örfjften  ©teilen  erijffnet  ^aben.    5Der  gürfl)rad^c  be«  Rav 

eo  binal^  ßarpi  tjcrbanlte  er  e^  junäc^ft,  ba^  man  il^n  ber  Steige  nad^  jurit  Siegen«  t>on 
granjt^fanerflöftem  in  ©icna,  9Jeapel  unb  (1556)  in  93enebtg  mad^te.  6in  3?ernei(^ni^ 
ber  Sucher,  toelc^e  fid;  bamal«  in  feinem  33efi|e  bcfanben,  ift  erhalten  unb  je^t  bcröffent- 
lid^t  (Don  gugnoni,   Docum.  Chig.  conc.  F.  Peretü,  f.  o.).    ^n  SBmebig  ertuorteten 


&iftn»  V.,  3^0^ft  415 

i^n  fd^tpicrige  Stufgaben.  3l\d)t  attein  toeJI  er  ba^  5Reftorat  be§  großen  Äonöenteö 
be'  %xax\  unter  bcm  geheimen  SBiberflanbe  einer  ganzen  ^artei,  bie  feiner  Strenge  ent= 
gegen  \oax,  führen  mufete,  fonbem  axxd),  toeti  er  ^ugleid^  ba«  ber^a^te  Slmt  be^  SSers 
treter«  be«  ©t.  Uffiuo  beim  Senat  übernommen  ^atte.  3Kaci^inationen  im  Älofter  unb  bcr 
Untoiüe  ber  S3et)öIIerung  über  bie  rüdfid^t^Iofe  §anb^abung  ber  ^nquifition  burc^  grä  6 
J^elice  führten  ju  feiner  SHücfberufung  nac^  9lom,  too  er  bann  im  Älofter  bei  St.  Slbouoli 
erft  al«  ©eneratorofurator,  bann  afe  ajjoftolifc^er  lUfar  be«  Drben«  eine  au^eoe^nte 
Syirtfamlett  entfaltete,  bie  nur  burd^  feine  ieilnal^me  an  ber  Segation  be«  Äarbinatö 
8uoncomj)agni  (f.  b.  3lrt.  (Sregor  XIII.  S5b  VII,S.126ff.)  nad^  Bpamm  jeittoeife  Unter« 
bred^ung  erlitt.  211«  er  t)on  ber  feanifd^en  Slcife  ^urüilel^rte ,  fanb  er  feinen  (Sönner  lo 
©^i^lieri  auf  bem  })äj)ftli(^en  Stuhle:  jefet  beginnt  bei  i^m  eine  ^eriobe  be«  energifc^ften 
SBBirfen«  ju  (Sunften  be«  in  $iu«  V.  t)erfört)erten  (Sebanlen«  ber  SReftauration  be«  Äatlf^olis 
ci«mu«  im  Sinne  be«  abfoluten  $aj)ali«mu«,  getragen  öon  bem  Seifall  be«^aj)fte«  unb 
äufeerlid^  bejeid^net  burd^  bie  SSerlei^ung  be«  95i«tum«  Sta.  3lgata,  bann  §^i^»"<>  wnb 
enblid^  be«  «arbinalate«  (1570).  3^^  liefe  ^  ^"^  fei"^  55ö"'if'e"ö"0e^ö^\0e'*  "^^  3<om  15 
fommen.  Seine  t)crlt)itu>ete  S(^tüefter  ßamilla  ift  bi«  ju  feinem  lobe  bei  i^m  geblieben: 
il^ren  ©ebeten,  fagte  er  too^l,  berbanfe  er  feine  3äai}l  jum  $a})fte.  3)eren  Äinber  unb 
nod^  günftiger  il^re  t)ier  Gnfel  brad^te  er  burc^  $eirat  in  bie  öorne^mften  römifd^en 
gamilien.  (gr  felbft  lebte  einfad^,  faft  ärmlid^:  ben  größten  Xeil  feiner  nid^t  ^o^en  6in= 
fünfte  öertoanbtc  er  fc^on  bamal«  auf  Sauten.  SBenn  er  ba«  SBerf jeug  unb  ber  SBer«  20 
traute  puS'  V.  bi«  ^um  lotenbette  getoefen  toar,  fo  l^ielt  i^n  beffen  9iad^folger,  mit  bem 
er  fid^  enttoeber  öor  ober  auf  jener  9ieife  nad^  Si)anien  berfeinbet  ^atte,  bon  allen  ein= 
Pu^reid^en  ©efd^äften  fern.  6r  entjog  i^m  fogar  ben  „piato",  b.  ^.  ba«  ga^rgelb,  toelc^e« 
i^m  al«  einem  ,,armen"  Äarbinal  au«  ber  })äj)ftlid^en  Äaffe  gejal^lt  tourbe,  unter  bem  9Sors 
geben,  bafe  arm  nic^t  fei,  toer  toie  er  eine  33illa  ^eretti  bauen  fönne.  ^n  ber  3:^at,  25 
biefe  3}illa  auf  bem  ©«quilin,  toeld^e  er  ftet«  ju  öerfd^önem  unb  ju  bergröfeem  bemüht 
toar,  bilbete  neben  ber  greube  an  Suchern,  bie  tl^n  feine  einft  fe^r  befc^eibene  Sammlung 
al«  Äarbinal  bebeutenb  öergröfeem  liefe,  feine  einjige  noble  5ßaffion.  ^n  bie  Stille  feiner 
gejhjungenen  3wi^*0CS<>9e"|ei*  wnter  ®regor  XIII.  fiel  bie  ©reuelt^at  ber  ßrmorbung 
feine«  9Jeffen  grance«co  burc^  ben  eigenen  Sc^toager  3Karcetlo  3lccoramboni  auf  2lnftiften  90 
be«  in  grance«co«  fd^öne  ®emal^lin  aSittoria  tjerliebten  ßerjog«  ^aolo  ©iorbano  Drfmi 
(Dgl.  ®noli,  Vitt.  Accorambona,  Firenze  1870),  ber  fid^  bann  aud^,  bie  Serbote  be« 
aufgebracbten  5ßaj)fte«  berl^ö^nenb,  furj  nad^^er  im  (Se^eimen  mit  ^ittoria  bermäl^lte. 
Über  bie  Umftänbe  bei  ber  5ßa})ftn)al^l  ^eretti«  l^at  fid^  in  ber  römifc^en  S5et)ölferung 
felbft  eine  Srabition  gebilbet,  toelc^e  ©regorio  2eti  fixierte:  2)er  Karbinal  3Jlontalto  ^ahc  35 
bie  Stimmen  ber  übrigen  burc^  erl^eud^elte  Sanftmut  unb  ©ebred^lid^feit  unb  ben  fünft« 
liefen  ainfd^ein  ^ö^eren  £eben«alter«  ju  getoinnen  getoufet  —  getoä^lt,  i}aU  er  bann  bie 
Ärüdfen  ober  ben  Stab  ioeggefd^leubert  unb  fei  in  feiner  toafiren  ©eftalt  al«  leben«« 
fräftiger  energifc^er  Wann  jum  Staunen  ber  getäufc^ten  Kollegen  aufgetreten.  Die  ©e« 
fd^id{)te  be«  «onflatje  nad^  ©regor«  XIII.  3^obe,  toeld^c«  am  21.  2lj)ril  feinen  Slnfang  40 
na^m  unb  fcbon  am  24.  mit  ber  SBa^l  bur^  Slboration  unb  Il^ronbcfteigung  Sijtu«'  V. 
enbigte,  liegt  un«  in  ben  Sendeten  ber  bei  ber  Äurie  beglaubigten  ©efanbten  unb  anberen 
Slftenftücfen  unb  3lu«fünften  flar  genug  t)or,  um  jene  ©rjä^lung  al«  ein  SKärd^en  er« 
fd^cinen  j^u  lafjen.  Stber  biefe«  3Wärd^cn  l^at  feinen  tieferen  Sinn:  in  ber  2:i^at  fteigt 
^ier  ein  3)lann  auf  ben  päj)ftlid^en  Stu^l,  toeld^er  bi«  ba^in  o^ne  Ginflufe,  toie  im  Ser«  45 
borgenen,  gelebt  l^at,  ben  fleinen  Verfolgungen  J)rei«gegeben,  ivie  fie  bie  5lid^tbegünftigten 
an  ber  Äurie  fo  gerne  treffen,  unb  ftet«  gejtoungen,  ben  feurigen  ©eift  jurüdjul^alten, 
ber  i^n  treiben  möd^te,  ^erüorjutreten  unb  bie  il^m  gebü^renbe  SKitioirfung  ^u  bean« 
fpruc^en.  Unb  je^t  fie^t  er  gegen  feine  ®rtoartung,  infolge  bon  Kombinationen,  toie  fie 
fid^  nid^t  feiten  beim  ÄonflaDe  einftellen,  fid^  auf  bie  ^iJc^fte,  mafegebenbe  Stelle  erhoben  60 
—  ba  bricht  fein  feurige«  2emj)erament  burc^,  toeit  toirft  er  bie  Ärüden  be«  Sd^toeigen« 
unb  ber  SRücffid^tna^me  fort  unb  jeigt  fid^  ber  2Belt  al«  geborenen  §errfd^er. 

3unäd^ft  ftellte  S.  o^ne  Sluftoenbung  befonberer  SKadfitmittel,  aber  mit  einer  Strenge, 
bie  [x6)  toeber  burc^  SHücffic^ten  auf  bie  ^^üerfoncn  nodf^  burd^  ©efü^l«erregungen  je  bcein« 
Puffen  liefe,  bie  Sid^er^eit  im  Äird^enftaate  toieber  l^er.  ^m  Serlaufe  bon  nic^t  ^hjci  bö 
Salären  rottete  er  ba«  Sanbitentoefen  grünblic^  au«:  fd^on  an  feinem  Ärönung«tage 
ftarben  bier  junge  Scute  au«  6ori,  ioel^c  gegen  ba«  Verbot  SBaffen  getragen  l^attcn, 
am  ©algen.  3tuf  bie  Jlöj)fe  ber  Sanbiten  unb  il^rer  §elfer«l^elfer  toaren  greife  gefegt; 
bie  rettenbe  gluckt  in  bie  benad^barten  Strid;e  t)on  2;o«fana  unb  Senebig  toaren  il^nen 
burd^  befonbere  Slbmad^ungen  abgefd^nitten.    „flein  iag  toar  ol^ne  $inrid^tung:    aller  eo 


eingebüßt.  2)a«  gefd^al^  im  grü^jal^t  1484;  mäl^rcnb  man  noc^  bcfc^äftigt  toar,  bie 
Surgen  bcr  ßolonna  ring^  im  Sanbe  m  jcrftörcn,  flarb  bcr  ^ßojjft  —  am  12.  äuguft 
1484.  3)em  römifd^cn  G^roniften  gnfcffura  erfd^ien  bicfcr  SCag  aU  ein  ©lüfetag  für 
bie  gan^e  ßl^riften^eit:  feine  Siebe  ju  feinem  SSoIfe  Jei  in  ©.  aetoefen,  nur  SBoDuft, 
6®ei3,  ^runlfud^t,  gitelleit;  au«  ©elbgier  l^abe  er  atteSlmter  berlauft,  mit  Äom  geh)u4>ert, 
W)Qabm  auferlegt,  ba«  SRed^t  feilgeboten ;  treulos  unb  graufam,  ^abe  er  jal^IIofe  ^Kenfc^en 
burd^  feine  Äriege  umgebrad^t.  f&tntatf^. 

Si^tltd  V.,  $aj)ft  bon  1585—1590.  —  ßitteratur:9(ufjeic6nimgenUün6.§eigcncr 
^nnb  bleuen  olö  ÖJrunbiage:  Memorie  autografe  di  papa  Sixto  V.,  Bibl.  Chigi  I.  III.,  72 

10  üfll.  JRaiife,  !Wöm.  ?Jäpfte,  III,  @.  65ff.  (G.  ^Uifl.];  je^t  üeröffentUdjt  bur^  ©ugnoni  in 
bcm  Archivio  della  Boc.  Rom.  di  Storia  patria  (1882).  —  De  vita  Sixti  V.  ipßius  manu 
emeiidatÄ.  ßibl.  Altieri,  57  3^1.,  »gl.  JRanfc  a.  a.  D.  6.  68*.  —  Sixtus  V.  Pont.  Max. 
ühh.  8.Ü9*  unb  Memorie  del  Pontificato  di  S.V.,  ©.  72*.  —  Sixti  V.  Pont.  Max.  vita  a 
Guido  Gualterio  Sangenesino  descripta,  ebb.  (2.  73*,    üon    ipcldjcr  iej^t  ha^  Arch.  Stör.  It. 

16  1874,  6.  345  ben  Eingang  t)erbffentli(l)t  ^at.    —    lieber    fonftigcS  t)anbfd)riftIidt)eS  Material 

f.  SRanfc  a.  a.  D.  6.  75*  ff.  unb  ^übncr,  Sixte-Quint,  33b  II  unb  III.  —  9?eu  cbicrte  53nc(e 

bei  (Juguoni  o.  a.  D.  6.  548ff.;  einige  hei  ^iibncr  ©b  II,  ein  ©rief  tjom  Sa^re  1565  an  ben 

Äarbinal  Siricto  Hon^^aftor  gebrucft  (^it.  b.  3nft.  für  öfterr.  ©efdjiditSforfc^ung  1882,  ©.635 1. 

^ie  erftc  Sebcn^befcöreibung,  n)cld)e  gcbrurft  crfd)ien  unb  weite  ißerbreitung  gefunben  ^ot. 

20  ift  bie  Vita  di  S.  V.  Pont.  Rom.  scritta  da  .  .  .  Gregorio  Ixjti,  2  93änbe,  Losanna  1GG9, 
u.  b.  9?anfe  ^at  nad)geiuicfen,  bafe  fic  jum  gri36ten  2:eile  nidjtS  anbereö  alö  3Siebcrgabe  ober 
^arapftrofe  üon  2)or)tcIIungen  ift,  iueld)c  nod^  in  rbniifd)en  93ib(iot^efcn  cjiftieren  (f.  a.  a.  C 
5öb  III,  6.  59* ff.)  unb  nur  in  befd)ränftem  3Waftc  gloubwürbig  finb.  Um  £cti  ju  luiebcr- 
legen,    fdjrieb    ber  granäi^fancr   3:empefti    feine   Storia   della  vita  e  geste  die  papa  S.  V., 

26  Roma  1755.  $Rom§  ©ibliot^efen  unb  9lrd)iüe  boten  i^m  guteö  gRoterial  ~  befonberö  ein 
gcftcnb  finb  bie  SBeric^tc  be§  9?untiu8  in  granfrcic^,  3Jiorofinl,  uenücrtet  — ,  aUcin  ber  ^Mfe 
ftob,  njeld)en  er  anlegt,  ift  ein  engl^ctiiger  unb  bie  gorm  ift  trocfen  fd)oIaftifrf).  9?a(^bem  nun 
SHanfe,  ^ßpfte  53b  I,  mit  Söorltcbe  unb  •©eeifterfrf)Qft  i>a&  53ilb  bcr  ^Jerfon  unb  bie  ©irtfamfeit 
he^   geiualtigen   $apfteö   niaftgebenb   gejetd)net   ^atte,    ift   ^umeSnil,   Hist.  de  Sixte-Quint, 

30  <paril  1869,  unb  bann  bie  3)arfteüung  üon  93Qron  ^übner  (Sixte-Quint,  $ari«  1870,  3  53bf; 
ba^-f.  beutfd),  fieipjig  1871,  itol.  1888f.)  gefolgt,  roelc^c  mit  nod)  reicherem  biplomatifctem 
•iDJateriale  baS  ©ilb  ausmalt  imb  i^ugleidj  bie  ganje  3citgef(^id)te,  fo  lueit  erforbcrlic^,  in  ben 
JRal^men  fafjt.  .£)at  Sharon  .f>übner  nornef)mlid)  9lrc&it)alifd)e§  auS  8imanca§,  alfo  von 
fpanifd)en  93eric^terftattern,  beige.^ogen,  fo  finb  üon  53rofd)  in  ber  GJcfd)id)tc  be§  Äirdienftante? 

36  ^b  I  [IHSO],  5lap.  7  (2)ie  fi^t.  JKcformen  unb  (iJeiüaItf(t)ritte)  and)  für  bie  ß^idmung  unfere-^ 
^apftcö  befonbcrö  bie  üenetianifc&en  ^epcfd)en,  bie  übrigen^  fd)on  Jlianfc  uermertet  b«ttc, 
eiploiticrt  morben.  —  S3gl.  Capranica,  Papa  Sisto,  storia  del  s.  XVI,  Milaiio  1884,  3  voll. 
—  lieber  ba^  SScrb«Itni§  @.d  ju  ^epoli  l)anbclt  nuöfü^rlid):  (.^.  C^ojjabini,  Giov.  Pepoli  e 
Siftto  V.,  33oIogna  1879.  —  lieber  bie  6.fd)c  9ieuorbnung  ber  ^urialbe^brben  Dgl.  bcfonberv 

40  1).  JRcumont,  (iiefd)id)te  SHomS,  III,  S.  584 ff.  —  SReid)e§  'iDJaterial  über  bie  ©cftaltung  ber 
3)ingc  in  3)eutfd)Ianb  unter  Si^tuö  V.  unb  über  feine  Steflung  in  hen  betr.  5'ragen  bieten  bie 
üon  ber  ÖJbrre^gefefifc^aft  verüffentlid)ten  "iRuntiaturberic^te  a.  S)eutfd)lanb  nebft  crgän^v  ?lfi. 
1585—1590.  I.9[bt.  SDie  ^lölner  «Nuntiatur;  crfte  C^SIfte  ^er.  uon  G^feS  unb  g)?cifter  (1895), 
5toeite  pifte  !)er.  non  (Sftfeö  (1899). 

46  JJclicc  ^cretti  tüurbe  am  13.  S^ejcmber  1521  in  ©rottamare,  eine  3)Jeile  füblid^  ben 
aincona  an  bcr  abriatifd^en  Äüftc,  geboren.  Sein  3iaUx,  ber  einer  einft  angefe^encn 
balmatifdj^en  gamilic  angel^örcnb  fic^  burcb  bie  ort^üblicJ>c  ©ärtnerei  mülj^fam  ernährte, 
übergab  ben  neunjäl^rigcn  Änaben,  l)on  bem  man  fpätcr  in  5Rom  n)o^l  nid^t  ol^ne  ®nmb 
er^äl^lte,  er  l^abe  öorbem  bie  ©d^n)einc  gelautet,   bem   benad^barten  granjißfanerllofter  in 

60  ^iontalto,  Wo  fein  Ol^eim,  %xk  ©albatore,  Drben^bniber  mar.  §o^begabt  unb  ftrebfani 
jcid;nete  ^clice  fid^  balb  tjor  allen  au^,  unb  ragte,  na^bem  er  feit  1540  in  gerrara 
unb  SBologna  ftubiert  unb  in  germo  promobicrt  l^atte,  fc^on  frü^e  al^^  beliebter  3lbbcnt^= 
unb  ^aftenprebigcr  l^erbor.  ^RüdEfid^tölo^  tabclnb,  mag  iijm  unred^t  fdfiicn,  erreate  er  ju 
^uliug'  III.  ^^eitcn   in   3Jom   burc^   i^eftige  Slu^laffungen   gegen   bie   ^olitif  Äarl^  V., 

66  gcrbinanbg  unb  ^cinrid^g  II.  Don  ^ranfretc^  Sluffe^en  unb  ^og  fid^  Slnllage  unb  i^crn>ciö 
ju.  2lbcr  er  gewinn  burc^  biefelben  ^aftenprcbigten  bon  1552  ba^  Vertrauen  unb  bie 
93ch)unbcrung  t)on  ^3Jtänncm  Wk  ?Jl^iliW  SRcri  (f.  b.  3trt.  93b  XIII  S.  71 5  ff.)  unb  bcr 
f))ätercn  Äarbinälc  (55l^iglicri  (f.  b.  ärt.  ^iuö  V.  93b  XV  ©.  439  ff.)  fotüie  po  bon  6arpi, 
tocld^e  ibm  ben  SBeg   ju  ben  l^bd^ftcn  ©teilen  eröffnet  l^aben.    5Der  gürfj)rac^c  be^  Sar= 

eo  binaB  (Eaxp'x  üerbanfte  er  cö  jundd^ft,  ba^  man  i^n  ber  Slei^e  nac^  jum  Siegen«  bon 
granjiigfancrflbftem  in  Sicna,  5ica))cl  unb  (1556)  in  iscnebig  mad^te.  6in  i^crjeic^ni^ 
ber  93üc^er,  ioclc^c  fic^  bamalö  in  feinem  53cfi^e  bcfanben,  ift  erf^alten  unb  jc^t  bcröffent- 
lid^t  (bon   gugnoni,    Docum.  Chig.  conc.  F.  Peretti,  f.  o.).    3«  SSencbig  crtDartctcn 


Sictitd  V.,  ^apft  415 

i^n  fd^tüierigc  3lufgaben.  3lxä)t  attein  h)eil  er  ba^  Slcftorat  bc^  großen  Äonbenlc^ 
be'  grari  unter  bcm  geheimen  SBibcrftanbc  einer  ganjen  ^artei,  bie  feiner  Strenge  ent^ 
gegen  \oax,  führen  mu^te,  fonbern  axxd),  toeil  er  jugleic^  \>a^  berl^a^te  Slmt  bc^  Ser* 
treter«  be^  St.  Uffi^io  beim  Senat  übernommen  ^atte.  9Jlad5>inationen  im  Älofter  unb  ber 
Untüille  ber  Sebölferung  über  bie  rüdtjtd^t^lofe  §anb^abung  ber  S^Quifition  burc^  %xä  0 
5?e(ice  fül^rten  ^u  feiner  SRüdberufung  nad^  SRom,  too  er  bann  im  Älofter  bei  St.  Sl^popoli 
erft  ate  ®eneraIj)roIurator,  bann  afö  a})oftoIifd^er  lUIar  beö  Drben«  eine  auggebel^nte 
ayirtfamfeit  entfaltete,  bie  nur  burc^  feine  ieilnal^me  an  ber  Segation  be^  Äarbinafö 
»uoncomjjagni  (f.  b.  Slrt.  ©regor  XIII.  S5b  VII,S.126ff.)  nad^  Sjjanien  jeitiveife  Untere 
bred^ung  erlitt.  Site  er  öon  ber  f})anifd^en  5Reife  jurüdfe^rte ,  fanb  er  feinen  ©önner  10 
©l^i^lieri  auf  bem  j)äj)ftlic^en  Stuhle:  jefet  beginnt  bei  i^m  eine  ^eriobe  bc§  energifc^ften 
3Birfen«  ju  (Sunften  be^  in  ^iuö  V.  öert ört)erten  (Sebanlenö  ber  SReftauration  be^  watfioli^ 
ci^mu«  im  Sinne  be«  abfolutcn  ^apali^muö,  getragen  t)on  bem  Seifall  be^^^aj)fteö  unb 
äu^erlid^  bejeid^net  burd^  bie  3Serleif;ung  be^  Si^tumg  Sta.  Slgata,  bann  germo  unb 
enblic^  be^  «arbinalate^  (1570).  3^^  ^^^^  ^  <^"^  f^i"^^  ^amilienangel^örigen  nad^  9lom  15 
fommen.  Seine  berlDittoete  S(^tüefter  GamiDa  ift  big  ^u  feinem  3:obe  bei  if|m  geblieben: 
il^ren  ©ebeten,  fagte  er  too^l,  öerbanfe  er  feine  SBa^l  jum  5ßaj)fte.  5Deren  Äinber  unb 
nod)  günftiger  il^re  t)ier  ßntel  brad^te  er  burd^  §eirat  in  bie  öome^mften  römifd^en 
Familien.  (£r  felbft  lebte  einfad^,  faft  ärmlid^:  ben  größten  2:eil  feiner  nic^t  ^ol^en  Gin:: 
fünfte  öernjanbte  er  fc^on  bamate  auf  Sauten.  SBenn  er  ba«  9Berf jeug  unb  ber  Ser*  20 
traute  puS'  V.  bi«  gum  lotenbette  getoefen  toar,  fo  l^ielt  i^n  beffen  9lad()folger,  mit  bem 
er  fid^  enttoeber  t)or  ober  auf  jener  Steife  nac^  Si)anien  berfeinbet  ^atte,  t)on  alten  ein^ 
flufereid^en  ©efc^äften  fem.  6r  entjog  il^m  fogar  ben  „piato",  b.  f).  ba§  S^^'^Ö^l^r  toeld^e^ 
i^m  ate  einem  ,,armen"  Äarbinal  au«  ber  })äj)ftnd^en  Äaffe  gejal^lt  tourbe,  unter  bem  SSor* 
geben,  bafe  arm  nid^t  fei,  toer  toie  er  eine  33itta  5ßeretti  bauen  fönne.  ^n  ber  %\)ai,  25 
biefe  SiUa  auf  bem  ®«quilin,  toelc^e  er  ftet«  ju  t)erfd()önem  unb  ju  bergröfeem  bemül^t 
toar,  bilbete  neben  ber  ?freube  an  Südfiem,  bie  i^n  feine  einfi  fel^r  befc^eibene  Sammlung 
ate  Äarbinal  bebeutenb  t)ergrijfeem  liefe,  feine  einzige  noble  ^affion.  3;n  bie  Stille  feiner 
gejhjungenen  ^wnidfgejogenleit  unter  ©regor  XIII.  fiel  bie  ©reueltl^at  ber  ©rmorbung 
feine«  Steffen  grance«co  burd^  ben  eigenen  Sc^toager  3JlarcelIo  9lccoramboni  auf  Slnftiften  90 
be«  in  grance«co«  fd^ijne  ©ema^lin  SSittoria  Verliebten  ßerjog«  $aolo  ©iorbano  Drfmi 
(t)gl.  ©noli,  Vitt.  Accorambona,  Firenze  1870),  ber  fid^  bann  auc^,  bie  i^erbote  be« 
aufgebraßten  ^a})fte«  berl^öl^nenb,  furj  nac^^er  im  ©e^eimen  mit  Sittoria  öermäl^lte. 
Über  bie  Umftänbe  bei  ber  ^a})fth)a^l  ^eretti«  l^at  fid^  in  ber  r()mifd^en  Setoölferung 
felbft  ixm  Srabition  gebilbet,  toelc^e  ©regorio  Seti  fixierte:  ©er  Äarbinal  3Kontalto  ^abe  35 
bie  Stimmen  ber  übrigen  burdfi  er^eudj^elte  Sanftmut  unb  ©ebred^lidf^feit  unb  ben  fünfte 
liefen  3lnfc^ein  ^ö^eren  Seben^alter«  ju  gewinnen  getoufet  —  geh)ä^lt,  l^abe  er  bann  bie 
Ärüdfen  ober  ben  Stab  toeggefc^leubert  unb  fei  in  feiner  toal^ren  ©eftalt  ale  leben«^ 
fräftiger  energifc^er  TOann  jum  Staunen  ber  getäufd^ten  floDegen  aufgetreten.  Die  ©e^ 
fd^ic^te  be«  «onflatoe  nad^  ©regor«  XIII.  3^obe,  toeld^e«  am  21.  3lj)ril  feinen  Slnfang  40 
nal^m  unb  fc^on  am  24.  mit  ber  SEJa^l  bur^  2lboration  unb  Il^ronbefteigung  Sijtu«'  V. 
enbigte,  liegt  un«  in  ben  Seric^ten  ber  bei  ber  Äurie  beglaubigten  ©efanbten  unb  anberen 
Slftenftücfen  unb  2lu«fünften  flar  genug  t)or,  um  jene  ©rgäblung  al«  ein  SKärd^en  er^ 
fd^einen  ^u  laffen.  2lber  biefe«  ÜJlärd^en  l^at  feinen  tieferen  Sinn:  in  ber  %fyit  fteigt 
^ier  ein  3)Jann  auf  ben  })ä^ftlidE>en  Stu^l,  tüel^er  bi«  bal^in  o^ne  ©influfe,  toie  im  Ser*  45 
borgenen,  gelebt  l^at,  ben  tleinen  Verfolgungen  jjrei^gegeben,  toie  fie  bie  9tid()tbegünftigten 
an  ber  Äurie  fo  gerne  treffen,  unb  ftet«  ge^toungen,  ben  feurigen  ©eift  jurüdju^alten, 
ber  i^n  treiben  möchte,  ^erborjutreten  unb  bie  il^m  gebül^renbe  3Kith)irfung  ^u  bean« 
fj)rud^en.  Unb  je^t  fielet  er  gegen  feine  6rJt)artung,  infolge  t)on  flombinationen,  toie  fie 
ftc^  nid^t  feiten  beim  Äonflabe  einftellen,  fid^  auf  bie  ^öd^fte,  mafegebenbc  Stelle  erhoben  60 
—  ba  brid^t  fein  feurige«  2:emj)crament  burc^,  toeit  toirft  er  bie  Ärüden  be«  Sd()ipeigen« 
unb  ber  SRürffic^tna^me  fort  unb  jeigt  fid^  ber  SBelt  al«  geborenen  §errfc^er. 

Runädf^ft  ftetlte  S.  o^ne  Sluftüenbung  befonberer  3KadE>tmittel,  aber  mit  einer  Strenge, 
bie  fi$  toeber  burd^  SKücffic^ten  auf  bie  ^erfonen  nod^  burd^  ©efü^l«erregungen  je  beeins 
Puffen  liefe,  bie  Sid^er^eit  im  Äird^enftaate  toieber  l^er.  ^m  Serlaufe  t)on  nid;t  jtoei  55 
Sauren  rottete  er  ba«  Sanbitentoefen  grünblic^  au«:  fd^on  an  feinem  Ärönung«tage 
ftarben  bier  junge  Seute  au«  6ori,  toel^e  gegen  ba«  Serbot  SKaffen  getragen  Ratten, 
am  ©algen.  3tuf  bie  Jlö})fe  ber  Sanbiten  unb  il^rer  $elfer«^elfer  toaren  greife  gefegt; 
bie  rettenbe  glud^t  in  bie  benad^barten  Strid^e  t)on  2o«fana  unb  Senebig  toaren  i^nen 
burc^  befonbere  Slbmad^ungen  abgefc^nitten.    „Jtein  ^ag  Wax  ol^ne  ^inrid^tung:    aller  eo 


416  SiCtttd  V.,  ^dpft 

Drtcn  in  SBalb  unb  JJcIb  traf  man  auf  ^fäMc,  auf  bcnen  S3anbitenlö})fc  ftalen.  9tur 
biejenigen  t)on  feinen  Segaten  unb  ©oöematoren  lobte  ber  $apft,  bic  xi}m  hierin  genug 
traten  unb  tjiele  Äö})fe  einfenbeten  .  .  .  5Die  3?erf})rec^ungen  beö  5ßaj)fte^  l^atten  bie 
Sanbitcn  unein^  gemad^t;  feiner  traute  bem  anbern;  fie  morbeten  ftd^  untereinanber". 
5  3lucl^  für  bie  Sanbiten  unter  ben  oberen  3c^ntaufenb  fd^lug  je^t  bie  Stunbe:  ein  @raf 
^ejjoli  au^  Sologna,  ber  am  Sanbitentoefen  Slnteil  genommen,  tourbe  im  ©efängni^ 
erbroffclt;  bie  Slu^lieferung  beö  Samberto  3)ialatefta  öon  bem  befannten  toilben  ©efc^Ied^te 
au^  Stimini,  ben  man  nebenbei  befd^ulbigte,  mit  ben  Hugenotten  SSerbinbungen  gu  i)pegen, 
fefete  ©.  bei  ber  9let)ublif  3Senebig  burd^,  um  \l}n  l^inric^ten  ju  laffen;   bei  bem  3Rörber 

loScarcetto  Slccoramboni  (f.  o.)  übernahm  ber  9lat  ber  3^^"  f^jfbft  bie  SJerurteilung;  feine 
©c^toefter  iUttoria,  jum  ^toeiten  5WaIe  SKittoe  feit  bem  9iot)ember  1585,  h)arb  o^ne  S.^ 
gutl^un  im  ©e^ember  b.  3.  «uf  3lnftiften  ber  Erben  Drfmi  in  ^abua  ermorbet. 

aJiittlertüeile  ^atte  ber  '^ap\i  and)  für  bie  Sefferung  ber  Staat^bertoaltung,  junäcbft 
für  bie  Drbnung  ber  ^inanjen,  Sorge  getragen.    „D^ne  Strenge  unb  bicl  ®elb/'  fagte 

15  er,  ,,lä6t  fid^  nic^t  regieren".  Sei  ber  i^ronbefteigung  ^atte  er  böHige  6rfd^ö})fung  i)or= 
gefunben:  ba^  (Sinfommen  toar  bereite  bi^  jum  nädfiften  Dltober  toeq^fänbet.  ©})arfam 
toie  er  in  feiner  §au^l^altung  getoefen  toar  —  mit  alleiniger  Slu^na^me  feiner  33auten  — , 
jeigte  er  [xä)  ancS)  in  ber  ©taat^t)erU>attung:  im  erften  ^a^xi  f})arte  er  bereite  eine  ?Wißion 
©cubi  auf,  bi^  jum  6nbe  be^  brüten  beren  brei  —  in  ber  ßngeteburg  legte  er  ba^  ©elb 

20  nieber,  ber  ÜHutter  ®otte^  unb  ben  2l})ofteln  5ßetru^  unb  $aulu^  e^  lüeil^enb,  b.  b.  bamit 
e^  für  ettoaige  genau  t)on  il;m  befinierte  5Jotfätte,  bie  an  \f}n  ober  an  feine  9Ja(^f olger 
herantreten  lönnten,  jur  §anb  fei.  3)urd^  blofee  @rf})amiffe  ettoa  am  $of^alt  ber  Äuric 
freiließ  liefen  ftd^  fo  bebeutenbe  ©ummen  nid^t  anfammeln:  fo  er^öl^te  er  benn  ben  Äauf^ 
breig  vieler  ämter,  j.JB.  ben  be«  ©d^a^meifter«  ber  Kammer  bon  15000  auf  72000  ©cubi; 

25  fobann  berlaufte  er  Smter,  bie  man  bi^l^er  umfonft  hergeben  ^atte,  unb  fd^uf  neue  ber- 
läuflid^e  ©teilen  — ,  fo  ergab  fid^  ein  ©efamtbetrag  Don  iVi  3)linionen  ©lubi.  gemer 
enid;tete  er  neue  toerfäufli^e  „9Jlonti",  eine  Slrt  bon  Slftienuntemel^men,  beffen  änteil= 
fd^cinc  meift  t)on  reid^en  ©enuefen  gefauft  tourben  unb  beffen  ©inlünfte  an^  bem  ©rtrage 
t)on  neu  aufgelegten  ©teuem  bcftanben,  j.  53.  auf  Srennl^olj  unb  2Bein,  ober  bon  6in= 

30  fu^rjöllen.  ^er  ßrtrag  ber  elf  Don  i^m  gcfd^affenen  „-iUlonti",  bon  benen  brei  „vacabiii" 
toaren  —  b.  1^.  fol^e,  beren  litel  nad^  Slrt  ber  Seibrenten  mit  bem  2obe  be^  Säufer^ 
erlofd^en  —  ad^t  aber  „perpetui"  (fte^cnbe)  tuaren,  belief  fid^  in  ben  fünf  3^^^"  f^i"<^ 
^ontifüateö  auf  2V2  Millionen,  g^eilidfi  tourben  burd^  biefe^  ©^ftem  bem  2anbe  ft^liefe- 
lic^  gcrabcju  unerträglid^e  Saften    aufgebürbet;    §anbel  unb  ^^buftric  tourbcn   geläl^mt 

36  unb  ber  2:obeöfeim  in  bie  bolfetoirtfc^aftlic^en  3Jerl)ältniffe  gelegt  —  aber  ber  ^ojjft  fyit 
für  feine  ^tit  ba^  unmöglid^  fd^einenbe  möglid^  gemad^t  unb  t)on  furjpd^tigcn  3)l\U  unb 
9lad^lebenben  baö  ^öd^fte  2ob  geerntet;  er  ^at  fid^audfi  felbft  ein  3a^r  bor  feinem  2^Dbe  febr 
ftoli;  unb  befriebigt  über  feine  ßrfolgc  bem  benetian.  ©efanbten  gegenüber  au^ef})rod^cn 
(bgl.  Äübner  a.  a.  D.  I,  ©.  355  [1.  Slufl.]). 

40  Siernjenbung  fanben  bie  3JJel^rcinnal^men  ^unäd^ft  nur  nadf^  einer  ©eite  ^in:  bie 
alte  Sauluft  regte  fic^  bei  ©.  unb  tourbe  nun  im  grofeartigften  Waftftabe  befriebigt.  ©ein 
Saumeifter,  2)omenico  ^ontana,  ein  erftaunlid^  erfinberif^er  Äo})f,  leiber  fein  Äünftlcr 
bon  feinem  ®efül)l,  l^at,  getrieben  bon  bem  geftrengen  $erm,  ber  ©igantifc^e^  in  ©tein 
auögcfübrt  feigen  tooHte,  bic  römifc^e  Sauart  in  ben  ©til  be^  Saroden  hineingebracht,  ben 

45  fie  bon  ba  ab  unter  ben  $ä))ften  ftet^  bel^alten  ^at.  3^^^"f«fl^  f)ahcn  bcibe  fid^  burcb 
gemcinnü^ige  2lnlagen,  befonber^  ben  grofecn  9Ju^bau  in  9lom,  bie  9iJieberl^erftellung  ber 
bon  aiejanber  ©cberu^  cinft  errid^tcten,  je^t  3lqua  gelice  benannten,  SQBaffcrlcitung  auf 
baulid^em  ©ebiete  i^r  gröfete^  Serbienft  eriüorben.  ^n\>^m  n)ir  betreffe  näherer  angaben 
über  biefe  ©eite  ber  Sl^ätigfeit  be^  ^ajjfte^  auf   ba^  fec^fte  Sud^  bei  Äübner  fotoie  auf 

6o3leumont,  ©efc^ic^te  9lom^,  III,  ©.  588  ff.  unb  733  ff.  bertoeifen,  ge|en  toir  ju  ben 
anberloeitigen  Sleformen  in  ber  Sertoaltung  über. 

3luf  biefem  ©ebiete  ioirb  bie  3^^ätig{cit  beö  ^ajjfteö  meift  überfd^ä^,  inbcm  man 
bie  ganjc  einri4)timg  ber  fomplijiertcn  Scrnjaltungömafd^inc  ber  lird^hdj^en  3lngelegcn= 
l^eitcn,  fo  toie  fie  bon  ba  an  unb  bi^  auf  ben  l^eutigen  iage  fungiert  l^at,  auf  @.  ^urüd= 

66  fül;rt.  3)a^  ift  nic^t  genau.  2)ie  meiften  (Sinjelbe^örbcn,  „Kongregationen,"  fanb  er  bor: 
er  l^at  fie  in  eine  feftc  ©lieberung  gebracht  unb  burd^  bie  SuUe  Immensa  aeterni  Dei 
auf  fünf|\c^n  erböl;t  unb  ^Wax  in  ber  2Beife,  bafe  bie  für  bie  römifc^e  ©taatgs  unb  bie 
für  bic  allgemeine  Kird^cnbcrtoaltung  bcftimmten  ncbencinanber  beftanben  unb  rangierten. 
2)a  nun  bic  Ernennung  ber  berfd;icbcncn  Äarbinäle  cinjig  ber  6ntfd()eibung  be^  ^Pojjfte« 

60  unterlag,  fo  toar  fc^on  baburc^  bafür  gcforgt,  bafe  feine  ©utad^ten  ober  ©nifd^eibungen 


St^tttd  V.,  $a)ifl  @t(atierrt  ict  bcn  Hebräern  417 

in  irgenb  einer  Äongregation  ergingen,  tpeld^e  ber  Slic^hmg  ber  ))ä^ftli*en  ^^olitif  nid^)! 
entfjjred^enb  getoefen  njären.  3"9'^^^  ^^fe  ^^  ^^P^^  ^i^  fommunalen  ''M^d)U  ber  Stabt 
SKom  bi^  auf  SBenige^  an  fid^:  ben  bom  ^ajjfte  ernannten  Stonferbatoren  blieb  nur  bie 
Siegelung  ber  5!)Jarft})olijei,  ber  Seben^mittel^ufu^r,  ber  Srot-  unb  2Kel^l^reife;  ber  ©oDer= 
natore  ber  Stabt  übte  bie  flriminaljuftij  im  5?amen  be^  $a})fte^,  jebod^  blieben  einige  5 
gäHe  bem  fraftlofen  Raupte  ber  fläbtifd^en  ÜSertoaltung,  bem  Senator,  Vorbehalten.  Slud^ 
ben  übrigen  Stäbten  tüurben  bie  SRed^te  il^rer  fommunalen  Selbftftänbigfeit  entriffen.  2)a§ 
^ßrin^ij)  ber  Älerifalifterung  ber  ganjen  ©taatöbertüaltung  tourbe  feit  S.  mit  ftet^  geringer 
iDerbenben  Slu^nal^men  burd^gefüj^rt,  uimal  in  ben  Drtf^aften,  iuelc^e  Sifcbof^fi^e  toaren. 
2)er  fo  ber  33erh)altung  aufget)rägte  ßl^arafter  ift  il^r  in  ber  ^olge,  fo  lange  bie  tueltlic^e  10 
^errfc^aft  beflanb,  Verblieben,  tüä^renb  ba^,  toaS  S.  für  bie  Säuberung  ber  moralifdben 
3ltmof})^äre  im  Sanbe  getrau  ^at,  fe^r  balb  Vertue^te,  fogar  bie  Sanbiten  gegen  (Snbe 
feiner  ^Regierung  tüieber  gefäl^rlid^  tüurben,  unb  feine  auf  Kräftigung  be^  Staat^toefen^ 
abjlüedtenben  finanziellen  (Einrichtungen  ju  großem  ©d^aben  be^  SBo^lftanbe^  fo  lange 
fortgetoirft  l^aben,  bi^  fie  enblic^  in  fid^  verfallen  [xn\>,  15 

SKerltüürbig,  tüie  berfelbe  S.,  toeldfier  in  allen  fragen,  bie  fid^  auf  feine  Staat^= 
ober  Äird^envertoaltung  bejogen,  „bie  ©etoalttl^ätigfeit  felbft  toar,"  anberen  Staaten  gcgen= 
über  bi})lomatifd^e  9la^giebigfeit,  ja  Sd^toanfen  unb  Unentfd^ieben^eit  jeigte.  5Mit  9?enebig 
^ielt  er  gefliff entließ  bie  beften  Sejie^ungen  aufredet;  ben  §erjog  Von  gerrara  liefe  er 
gegenüber  ber  9le})ublif  im  Stid^ ;  in  fird^lid^en  tJragen  gab  er  allen  SBünfd^en  be^  20 
Senate^  nad^  bei  Sefe|ung  Von  Sifc^of^ftüblen,  inbem  er  bie  Drben  in  ber  Serj^flic^tung 
jur  3^^(^^t""0  bon  3)ecimen  bem  aSeltfleru^  gleid^ftellte,  einen  Soften  unter  ben  Uditori 
di  Rota  (f.  b.  21.  Äurie  93b  XI  S.  183 ff.),  je  für  einen  SSenetianer  refervierte,  ben 
hjeiteren  ©ebraud^  be^  alten  flalenber«  in  ber  SeVante  j^ugab  u.  f.  h).  Selbft  ate  l^eftige 
©nt^tveiung  au^mbred^en  bro^te  infolge  baVon,  bafe  bie  i^enetianer  ol^ne  toeitere^  ben  25 
fran^öfifd^en  ©efanbtcn  aU  ©efanbten  beö  Von  i^m  ejfommunijierten  Äönig«  §einrid;ö  V. 
anerfannten,  gelang  e^  bem  nac^  9lom  gefd^idEten  Seonarbo  Donato,  ben  ^a))ft  ^u  be^ 
fc^toic^tigen  (Vgl.  Slanle  II,  I36ff.  [1874]).  blieben  nun  bie  guten  Sejiel^ungcn  j;u 
l^enebig  aufredet  erhalten,  fo  fam  e^  freilid^  mit  Sj)anien,  obtüol^l  ber  ^a^ft  anfänglich 
aUe^  gct^an,  felbft  auf  bie  angeblid;en  Se^en^nfprüc^e  auf  5leapel  unb  Siijilicn  —  iüic  30 
übrigen^  fd^on  anbere  ^äp\U  Vor  i^m  (Vgl.  b.  2lrt.  Siirtu^  IV.)  —  verjid5>tet  l^atte,  jum 
offenen  Srud^.  3)en  erften  Slnlafe  gab  ba^  Scheitern  ber  „großen  2lrmaba".  I)er  $aj)ft 
f)aiU  einen  ^o^en  93eitrag,  angebli(|  700000  Scubi,  ju  ben  firieg^foften  Verfprod^en,  |\ai)lbar 
nac^  erfolgter  Sanbung  an  ber  englif^en  Küfte.  Obgleid^  bie  le^tere  Vereitelt  Sorben  tüar, 
ref lamierte  ^^iliVJ)  11^  bie  Unterftü^ung  —  natürlid^  Vergeben«.  Xa^u  tarn  noc^  ba<^  freilief»  35 
grunblofe  ©erüd^t,  ber  $aj)ft  ^abe  im  gel^eimen  ber  Äijnigin  ßlifabetl^  ben  Sieg  getüünfc^t 
(Vgl.  §übner  I,  338).  SSiJHigen  93ruc^  führte  bie  franjöfifcfje  Slngelegenl^eit  ^erbci.  9iod^ 
unter  bem  30.  Se))tember  1589  ^atte  S.  bem  Segaten  ßaetani  ben  2luftrag  erteilt,  fic^ 
an  bie  Sigue  ju  l^alten  unb  auf  allgemeinen  Slbfall  ber  ^rinjen  imb  be«  3lbclö  von 
^einrid^IV.  I^injutvirfen  (f.  bie  ^nftruftion  bei  §übner  III,  S.  303  ff.),  unb  ^atte  barauf=  40 
l^in  bem  Äönig  von  Bpanxm  3}erftänbigung  angeboten.  6^e  aber  noc^  ^ß^ilipp«  ixi- 
ftimmenbe  3lnth)ort  in  SRom  eintraf,  l^atte  S.  bereit«,  belogen  burc^  ben  Slbgefanbten 
Öeinrid^«  IV.,  fic^  bem  entgegengefe^ten  $lane  angefd^loffen,  nämlic^)  bem:  bie  gan^e 
fat^olifd^e  2lbel«})artei  granfreic^«  unter  bem  Sanner  be«  fatl^olifc^  ©etoorbenen  ju  Ver- 
einigen. Dbgleid^  nun  trofbem  aud^  je^t  S.  fi^  nic^t  offen  für  bie  5{ac^f olge  be«  Sear^  40 
ner«  auf  bem  franjöfifd^en  2;brone  crflärt  l^at,  brad^te  biefe«  Saviercn  ben  f^3anifdf»en 
Äönig  fo  fel^r  in  SKut,  bafe  er  i^m  bur^  feinen  ©efanbten  DliVare«  mit  Dbebienjentjie^ung 
unb  offener  ^einbfc^aft  bro^en  liefe.  9Jic^t  gemißt,  ben  „fat^olifct^en  Äijnig"  ju  Verlieren, 
machte  S.  tvieber  eine  Sd^lvenfung  nact^  Seiten  ber  f})anifc^en  Stejjublif  ju  —  ba  ereilte 
i^n  noc^  Vor  ber  Sntfc^eibung  ber  SCob,  27.  Sluguft  1590.  S^eitrat^.      50 

©fottklnavifc^e  »ibelfiberfc^nnflen  f.  b.  21.  Sibelüberfe^ungen  Sb  III  S.  MO. 

@f<Hm«er  f.  b.  21.  Karmeliter  Sb  X  S.  85,35ff. 

Sflaveret  bei  ben  Hebräern.  —  3.  ^.  ^id)aeli^,  g}Jüfaifd)e§  SRet^t  (1777),  §  127 f.; 
3.  fi.  @oalf(t)üt,  ^ö^  mofaifcöe  JKec()t  mit  5öerücf|id)tigung  be§  fpütcrn  jübifdjen  1848,  unb 
^rdjäologie  ber  ^ebr&ex  II  (1856),  S.  23« ff.;  ^^  9Jlicl;>iner,  '3)ie  SBerpltnific  bev  Stlauen  55 
bei  bcn  ölten  |)ebräern,  ilopen^agen  1859;  ^.  3abüc  .Vfa^n,  L'Esclavagc  selon  la  Bible  et 
le  Talmud.  ?oti«  1867;  aW.  «Wonbl,  3)00  ©tloucnrec^t  bc^  9liö,  i&omburg  1886;  91.  C^rüu^ 
KcaI«<lttct)rio)>ab{e  fttr  tf^tolo^U  unb  lliT(4e.    8.  8.  XVIII.  27 


418  Sflatirret  bei  ben  ^ebrSent 

fclb,  1)\t  SleHimg^  ber  Stlnuen  bei  bcn  3uben  und)  bibl  uiib  tolmub.  OucIIen,  Scna  1886: 
3.  Söinler,  ^ie  vöteUimg  ber  ©flauen  bei  ben  3uben  in  red)tl.  unb  flefeüfdjaftl.  ©Ci^ic^unfl 
nada  tolmub.  Quellen,  ^nUe  1886;  ^oni)  ?lnbr6,  L'Esclavage  chez  les  aociens  H^breux, 
^Qvig  1892;  91.  58ertt)olct,  a)ie  SteOunci  ber  3örneliten  unb  berguben  ju  ben  gremben,  1896; 
6  Dgl.  auc^  %  Äleinert,  3JaS  3)cuterünomium  unb  ber  5)eutevonüm!fer  1872,  6.  55  ff.  ©icbe 
ferner  bie  ^anbbüc^er  j^ur  l^ebräifdien  9lrd)ftülügie  üon  ^c  Sette=$Räbi9er  (4.  9lufl.  1864), 
ir  ßwalb  (^Utertümer  3.  9(uf(.,  @.  280  ff.),  t-  &r.  ftcit  f2.9lufl.  1876),  ^otoad  (1894),  »en^ 
.^inger  (1894).  58(il.  ®.  gr.  C^lcr,  ^Uttcftomentl.  3:^eülo9ic  (3  «lufl.  1891)  6.  382  ff.  3ur 
babi)lonifd)en  Öiefefgebung  ^ugo  Sincfler,    3)ie  ©efe^e  ^ammurobiS  1902.    SSon    bcmfelben, 

10  ?luögabe  ber  ®e{e0e  ^ammurobiS  in  Umfd)rift  unb  Ueberfe^ung  1904;  ^.  ^.  'JKüUer,  ^ie 
(SJefe'^e  .^ammurabid  unb  i^r  SSerftältniS  jur  mofaifdjen  ©efcfgcbung  foroic  ju  ben  XII  Xofeln, 
1903;  6.  Cettn,  3)qä  ®efe|5  CJöinntwrobiÄ  unb  bie  X^oro  3grQel§  1903,  S.  30 ff.;  3ob. 
3cremia8,  Wofeö  unb  ^ommurabi  1903.  Ueber  bie  Stellung  beS  9?X§  unb  ber  nlten  Ä'irAe 
jur  Sflouerei  3:^eobor  806",   ©fiiSen  an^  beut  üeben    ber  alten  Äirdje  1898,   S.  116—159. 

16—  6ief)e  audj  ben  9lrt.  6abbatf)=  unb  3obeljal)r  93b  XYli,  292  ff.  unb  bie  9lrt.  ©flatjerei 
u.  f.  U).  in  bcn  Si3rterbüd)crn  öon  SBincr,  6^cnfel,  9?ict)m,  Hamburger  u.  f.  10. 

2>tc  Sctbeigcnfci^aft  finbct  jtd^  bei  bcm  i^raclitifd^en  SBoII  Don  ben  anfangen  be^ 
Stammlcbcng  burd^  aDc  ^ixUn  ber  nationalen  ©ntlüidfelung  bi^  jur  Sluflöfung  be^ 
jübifd^cn  (Semeinioejeng,   meiften^   übrigen^  in  einet  gorm,  für  toeld^e  ber  heutige  ä[uö= 

20  brurf  „©flat)erei"  mit  feinem  SBeigefd^madf  untüürbigcr  Srniebriaung  unb  ©raufamieit  ^u 
^art  ift.  Sut^er  braud^t  ftatt  „©IIat)e"  unb  „©flatjin"  regelmäßig  ,,Änec^t"  unb  ,,9Kagb". 
3n  ber  ^jatriard^alifd^en  ^zit  bereit«  feigen  lüir,  baß  ba«  ©efinbe  h)ie  bie  SSie^^erben  einen 
leil  be«  Sermögeng  be«  gamilien«  ober  ©tamm^aujjte«  bilbet  (®en24,  35;  26,  14; 
$i  1,  3),  baber  aud^  ©flatjcnl^anbel  nic^t  fe^It  (®en  37,  28),  ber  befonber«  bon  ben 

26  $^önijicrn  fd^lüungl^aft  betrieben  lüurbe.  33ei  ben  reid^en  SWomaben^äujjtlingen  h>ar  bie 
©^ar  ber  Seibeigenen  xal^lreic^.  2lbram  t)erfügt  ®cn  14, 14  über  318  „§au^eborene", 
lüaö  erlennen  läßt,  baß  bie  Seibeigenjd^aft  jtd^  tjeretbte.  S)aju  famen  bie  um  ®elb 
getauften  Änec^te  unb  50tägbe  (17,  23.  27).  2>ie  ?!Rägbe  erfd^einen  jum  leil  al«  f^jejielle« 
Eigentum  ber  ®attin  ober  ber  3^öd^ter,  folüie  ate  9lebenh)eiber  beg  §etm  (16,  1 ;  29, 24u.a.). 

30  aiDcin  jd^on  bie  Jjatriard^alifd^e  SJerfafJung  unb  Seben^toeife  begünftigte  ein  perfönlid^e« 
unb  ctl^if^e«  SSer^ältni«  ^u  biefen  Unfreien,  toeld^e«  red^t  t^erfd^ieben  ift  \>on  bem,  lüa« 
man  im  mobemen  Dccibent  aU  ©Ilaöerei  bejeic^net.  S)ie  „im  i^aufe  (Geborenen"  toaren 
im  allgemeinen  ber  gamilie  anl^änglid^  unb  einjelnen  fd^enfte  ber  §en  fein  trotte«  Ver- 
trauen.   Sgl.  ben  Äned^t  2lbramö  15,  2  f.,  ben  er  fogar  m  feinem  Unit)erfalerben  einfe^en 

35  toitt,  ba  er  linberlo«  ift,  unb  bie  jutrauen^Dotte  SRifjion,  bie  er  toa^rfd^einlic^  cben= 
bemfelben  ®en  24  überträgt.  311«  red^tlofe  SBare  tourben  bie  Seibeigenen  fc^on  auf  ber 
nomabifd^cn  ©tufe  biefer  fcmitifc^en  ©tämme  nic^t  angefc^en.  ©ie  lüuc^jen  in  ben  ©tamm 
unb  in  bie  gamilic  l^inein,  bcren  fittlic^  religiöfer  ®eift  bei  ben  SSätern  3«rael«  auA 
i^nen  ju  gute  fam.    2>aß  fotüol^I  bie  im  5Dicnft  geborenen  al«  bie  burd^  Äauf  ertoorbenen 

40  befd^nitten  fein  foBtcn,  fc^ließt  in  fid^,  baß  fic  al«  ©lieber  be«  ©tamme«  aufgenommen 
lüarcn  unb  al«  folc^e  aud^  il^re  rcligiöfcn  JHed^te  unb  ^flid^ten  f)aiim, 

2lud^  in  ber  nationalen  ^eriobe  blieb  man  ben  übernommenen  9led^t«grunbfä$en  treu, 
toddjc  ätyüxd)  in  ®cfe^e^})aragra})l^en  formuliert  tourben  toie  in  93abl;Ionien  (§ammurabi); 
nur  baß  feit  3)iofe  bie  ct^ifd^^religiöfen  3KotiDe  fic^   im   iöraelitifc^en  ®efe^  burt^  i^rcn 

45  milbcrnbcn,  menfc^enfreunblic^cn  Sinfluß  bebcutcnb  flärfer  fül^lbar  mad^ten  ate  bei  jenem 
Solfc.  Der  mofaifd^e  ®ebanfe,  baß  ba«  gan^e  '^^xad  in  ^ig^J^ten  ©Ilat)c  getüefen  unb 
bon  3a^be^  au«  bem  Sncc^tfc^aft«^aufe  befreit  tvorben  fei  (©£  19,  4f.;  20,2;  ©t  5,  6 
u.  f.  m.)  f(I;loß  bie  2lnerfennung  in  fid^,  baß  ba«  33olf  je^t  ^al^tje^  Äned^t  unb  ßigen^ 
tum  fei  unb  führte  ju  ber  Äonfequen^,  baß  eigentlid^  feine  ©lieber  nid^t  lüieber  ©Ilaben 

50  ber  3JJenfcbcn,  namentlid;  nic^t  Änec^tc  bon  gremben  fein  fodten,  toa«  befonber«  P  geltenb 
mac^t,  2e  25,  42.  55;  2(),  13.  2(nberfeit«  ertouc^«  au«  ber  ßrinnerung  an  bie  felbft^ 
erlebte  unlicbfame  §ärte  ber  ftned^tfd^aft  bie  Wal^nung,  gegen  bie  Untergebenen  rücfficbt«-- 
boU  unb  menfd^cnfreunblic^  ^u  fein,  toa«  D  befonber«  einfc^ärft  2)t5,  15;  15,  15. 

Sei  ber  ©tärfc  be«  nationalen  Seioußtfein«,  ba«  jugleic^  religio«   begrünbet  h?ar, 

56  fann  nic^it  bcfrentben,  baß  ^tüifc^en  Seibeigcncn  i«raelitif^en  ®eblüt«  unb  folc^en  au« 
anbern  äiölfcrn  in  ben  ®efe^cn  burd^tocg  ein  Unterfd^ieb  gemad^t  tourbe,  ber  in  ber 
^raj^i«  freilid;  Weniger  mag  eingel^alten  toorbcn  fein  al«  in  ber  Xij^eorie.  3)ie  ®efetfc 
be«  '^iJentateud)«  jcigen  felbcr  eine  gctpiffe  Jortbilbung  biefer  Drbnungen  unb  Sräuc^e. 
2)ic  ältefte  Formation  berfelben  bietet  ba«  S3unbe«buc^  öe  20.    Singer  ift  ba«  2)eutero= 

60  nomium,  ba«  ficb  burd;  einige  S^i\ä1^c  baDon  unterfc^eibet.  ©tärfer  tpei^^t  P  ab,  beffen 
9{ec^t«orbnung  (Se  25,  39—46)  ^eute  geiüi)^nlic^  al«  bie  jüngfte  gilt.    ®«  ift  aber  nic^t 


SKaurret  bei  ben  ^ebräcrti  419 

öu^cfd^Ioffcn,  bafe  biefc«  ^Pricftergcfc^  jum  %q\1  alte,  auf  5J?ofe  jurüctöc^cnbe  ^bccn  aibS- 
gebilbet  I^at.  —  S)cr  lalmub  ^at  alle  biefc  ©efe^e^beftimniungen  auefü^rlic^  erörtert 
unb  nä^er  ^räjifiert.  S)oci^  fmb  bei  ber  ]paUn  ßntftel^ung  biefe^  ©c^rifttumö  feine  2(ns 
gaben  nid^t  al«  autbentifd^e  3i"terj)retationen  be^  alten  ®efe^e^  nad}  ma^gebenber  2ras 
bition  unb  aud^  nid^t  ali  fidlere  8^W0"iff^  für  bie  ^rajiö  anjufe^en,  fonbcrn  nur  mit  6 
großer  3Sorfid^t  ju  t)erh)erten.  Einen  Xraftat  über  bie  D"»nnr  \)ai  aud^  3)taimonibe^  ge^ 
fdirieben  (lateinifd^e  Überfe|ung  be^ielben  t)on  5-  6.  Äatt,  De  servis  et  ancillis  1744). 

ßntftel^ung  ber  Seibeigenf c^aft.    6ine  §auj)tquene  berfelben  iüar  gu  allen  ^nim 
ber  Srieg.    9Benn  aud^  bei   ber  gerabe  im  alten  ^^rael  in  ber  frül^eften  ^c\t  üblid^en 
Äriegfül^rung  bie  tpe^r^aften  50länner  feltener  ui  ©efangenen  gemad^t,  alö  getötet  iüurbcn,  lo 
\o  gab  e^  felbfttjerftänbli^  9lugnal(;men,  unb  grauen,  befonber^  3""0^ö"^"/  bilbeten  bei 
Äriegg^   unb  Saub^iügen   eine    gefc^ä^te  SBeute,   ®en  14,  12.  16;   9«  5,  30;  2  %  5,  2; 
I)t  20,  14;   21,  lOff.  u.  f.  f.    ©tetten  toie  ^oe  4,  3.  (];  2lm  1,  G  jeigen,  bafe  man  folc^)e 
erbeutete  ©efangene  l^äufig  in  anbere  Sänber  berlaufte.    2)abei  lüaren   namentlid^  bie 
^l^öni^ier  be^ilf lid^ ,  burc^   beren  reifenbe  ^änbler  tool^l   ja^lreic^e  au^lüärtige  ©Ilaben  i6 
unb  ©Hat)innen  ate  „um  (Selb  gefaufte"   m  ben  33efi$  Don  g^raeliten  gelangt   fmb. 
eine  anbere  Quelle  für  nid^ti^raelitifc^e  ©flatjen  nennt  2e  25,  45  (bgl.  33.  44):   ß^  gab 
9iiebergelaf[ene  fremben  ©tammeö  im  Sanb,   toeld^e  in  biefeö  2>ienftber^ältni^  geraten 
lonnten.    Sefanntlic^  fmb  bie  fanaanitifd^en  SintDoI^ner  nidbt   ausgerottet   tDorben,    tvk 
3)t  20,  16  ff.  tjerlangte,  fonbern  mit  bem  ©rftarlen  g^raete,  befonberS  unter  ben  Königen,  20 
in  ein  §örigfeitst)erl^ältnig  ju  biefen  gefommen.    ©^on  nadi  bem  9luSjug  tparen  ftamm^ 
frcmbe  Elemente  ju  niebrigen  2)ienftleiftungen   im  Sager,  befonberS  am  Heiligtum  tjer^ 
iüenbet  Sorben  2)t29, 10.    ©0  entftanben  ©Hatten  beS  Heiligtum«,   über  tüeld^e  fiebe 
93b  XI,  421,42ff.    2)aDib  unb  befonber«  ©alomo  gogen  ^u  ben  öffentlid^en  arbeiten  in 
erfter  Sinie  bie  nid^tiSraelitifd^en  Selüol^ner  ate  ^ö^ner  l^eran  1  %  9,  20  f.    2)iefelben  25 
njerben  2  6l^r  2,  16  ju  153600  Äö^fen   gefd^ä|t.    SBenn  aud^  1  ftg  9,22  nic^t  mit  5,27 
ftimmt  (f.  bie  Äommentare),  fo  ift  boc^   nic^t  ju   bejlüeifeln,  ba^  biefe  l^albfreien  l>ln= 
fäffigen  rücffid^tSlofer  für  bie  ©taatSlaften  bcigejogen  tvurben  als  bie  3;^taeliten,  unb  eS 
ift  nid^t  unlüa^fd^einlid^,  bafe  and)  im  ^rit)atleben  baS  3SerI^ältniS  biefer  görlm  fid;  oft 
ju  eigentlidier  Seibeigenf(^aft  geftaltete.  2)al^er  foU)ie  im  ^ufammenl^ang  mit  ®en  9,  25  er*  30 
ilärt  fid^  tüol^l,  bafe  im  rabbinifd^en  ©Jjrac^gebrau^  ■^:r:2  i^y  bie  allgemeine  Sc^^eid^nung 
ber  nic^t^ebräifd^en  ©flatjen  ift.    Sgl.  j.  SB.  bie  gKifd^na  Äibbujd^in  1,  3. 

ßinen  3Renfc^en  toiberredj^tlid^  ber  greif^eit  ju  berauben  unb  ju  tjerlaufen  iüirb 
fJenfd^enbiebftal^l  genannt  unb  t)om  ®efe$  mit  bem  lobe  beftraft  6^21,  16;  2>t  24,  7. 
^Übnlidi  ij^eifet  cS  im  bab^lonifd^en  (§ammurabi  14):  „SBenn  jcmanb  ben  uncrn)ad;f enen  35 
©ol^n  eines  anbern  ftiel^lt,  fo  tüirb  er  getötet".  ^ReditSgiltig  ging  bagegen  ein  ^^^^clit 
in  Seibeigenfcbaft  über,  toenn  er  beS  2)iebftaI^lS  übertüiefen,  ben  tjorgcf^riebenen  (5rfa^ 
für  baS  ©eftol^lene  nid^t  leiften  fonnte  ®j  22,  2.  SBa^rfd^einlid^  lüurbe  er  junäc^ft  bem 
©efto^lenen  jugejprod^en  (^of.  Ant.  4,  8,  27),  ber  i^n  in  ber  Siegel  tüeiter  tjerlauft  haben 
tpirb.  9ln  SÜuSlänber  follte  er  ibn  nad^  ber  Irabition,  bie  aud^  getoip  ber  ^ntenlion  40 
bcS  Oeje^eS  entj^rid^t,  nic^t  t)erfaufen.  2)a6  §erobeS  Derorbnete,  2Diebe  feien  inS  SluS^ 
lanb  ju  t)erfaufen  (^oj.  Ant.  16,  1,  1)  tourbe  i^m  mit  ®runb  als  fd^toerer  SJerftofe  gegen 
bie  tjäterlid^e  ®efe|eSübung  angerechnet.  Jpäufiger  aber  Wax  eS  bie  DöHige  Verarmung 
unb  3nf*>l*>^"i^  tüeld^e  ben  iNerluft  ber  ^rei^eit  nad^  fid^  jog.  ^n  folc^er  9tot  fonnte 
ein  SJater  junäd^ft  feine  3:od|ter  tjerlaufen.  2)ie  barauf  be^üglid^e  SSerorbnung  beS  SunbeS^  40 
buc^eS  (B)  ej21,  7—11  benft  babei  nur  an  Serfauf  ^ur  unfreien  9itebenfrau  ober  grau 
beS  ÄäuferS  ober  feines  ©ol^neS  unb  tüal^rt  i^r  auSbrüdlidi  baS  Sed^t  eineS  gamilien* 
glicbeS.  D  bagegen  rebet2>t  15,  12  ff.  t)on  5Rägben,  bie  5um  §auSl^errn  (ober  ber  ÄauS^ 
frau)  in  einem  blofeen  2)ienftt)erbältniffe  fte^en  lüie  bie  ftnec^te,  toaS  o^ne  3^^^f^l  ^^" 
je^er  auc^  tjorfam.  Db  ein  3Sater  aud^  feine  ©öl^ne  tjerfaufen  fonnte,  babon  fagt  baS  oo 
Oefe^  ni^tS.  2)od^  flcfd^a^  eS  o^ne  3*^^ifcl  i»n  9JotfalI,  el^e  er  feine  eigene  jjerfönlic^e 
grei^eit  preisgab.  2>a^  bem  ©laubiger  baS  SHed^t  juftanb,  auf  bie  gamilienangel^örigen, 
unb  tpenn  bieS  nic^t  genügte,  auf  ben  ©c^ulbner  felbft  ju  greifen  unb  i^n  ju  öerfaufen, 
bctoeifenSeifJjiele  auS  ben  berfd^iebenften  ßeiten  9lm  2,  6;  8,  6;  2  Äg  4,  1 ;  t)gl.  ^ej  5o,  1 ; 
3ltf)  5,  5;  3Bt  18,  25  ff.  ^Slan  fagt  freili^,  ein  fold^eS  Siedet  beS  ©läubigerS  fei  in  ben  55 
pentateuc^ifc^en  ©efe^en  nirgenbS  fanftioniert,  Die  öielmebr  für  ben  ©(^ulbner  ^inficbtlid» 
beS  ^Pfanbrec^tS  fe^r  milbe  unb  l^uman  lauten  6^22,  25 f.;  ®t  24,  10 ff.  Mein  baS 
Äaufen  (ej21,2)  unb  93erfaufttoerben  (Dt  15,  12;  Se  25,  :59.  47f.)  imrb  boc^  in  ber 
Siegel  biefen  ®nmb  gel^abt  \)abm.  2)ie  2luSleger  berftel^en  eS  in  Übereinftimmung  mit 
b«r  talmubifc^^en  2^rabition  aUerbingS  bon  einem   ganj   freiwilligen  ©ic^uerfaufcn   beS  o) 

27* 


420  Sflatierct  bei  ben  ^ebrSerii 

airnicn,  bcr  iüegcn  feiner  ßntblöfeung  fid;  nid^t  felbftftänbig  balten  lonntc  unb  be^^Ib 
bor^og,  „fid^  für  leibeigen  in  erflären".  ^ann  I^ätte  ja  ein  h)irllidicr  ,,3Serfauf "  gar 
nid^t  [tattgefunben;  ba|  e^  fid^  aber  um  einen  fold^en  l^anbelt,  beh)eift  £e  2b,  50  f.,  too 
bon  ber  Äauffumntc  bie  Siebe  ift,  bie  bei  bcr  2lu^löfung  in  3lnfc^lag  gebrad^t  h)erbcn  foD. 
6  2)iefe  Summe  ift  fid^erlid^  nid^t  in  ben  33efi^  be«  Änec^tcg  übergegangen ;  fonft  ^ätlc  er 
fidi  ja  jeber^eit  felber  toiebcr  freifaufen  fönnen.  2>er  2llt  läfet  fi^  im  allgemeinen  nur 
bcnlen,  wznn  bcr  Sctrcffenbc  tücgcn  einer  ©ummc,  bie  er  jurüdfbcjal^Ien  foHtc,  unb  nicbt 
erftatten  lonntc,  unfrei  geworben  ift  (ate  ©d^ulbncr,  au^nai^m^Jücifc  2)icb),  in  tocld^em 
SJalt   el^cr   ju  überfe^en  lüärc:    „totnn  bir  öcrfauft  tüirb"  al^  „iDcnn  fid^  bir  bcriauft". 

10  Se^tereö  ift  immerhin  aud^  benfbar  im  Slidf  auf  3lm  8,  ß,  tvo  l^abgicrigc  Äorn^änblcr 
ben  ^reig  fo  in  bie  §öl^c  treiben,  bafe  ber  3(rme,  um  nid^t  ju  bcr^ungcrn  ober  um 
feinen  Slcter  befäen  ^u  fönnen,  fid;  ober  bie  Seinigen  il^nen  leibeigen  juf^red^en  mufe  für 
ben  ©elbtücrt,  ben  fie  i^m  an  ©ctreibe  liefern.  Sgl.  bie  SScrarmung  alö  ©runb  bcr 
Unfrcil^cit  audb  Sc  25,  39.  47. 

15  2>er  ^reiö  eine«  ©Ilaben  fd^ioanlte  natürlid^  nac^  feinen  ©igenfd^aften  (®cfd^lcc^t, 
3lltcr,  ©efunbl^cit,  Sciftung^fäl^igfcit)  unb  nad)  bem  3Scrl^ältnig  t)on  9lngcbot  unb  9Ja*= 
frage.  9iad^  bem  5Durc^fc^nitt^^rei«  ift  (S?  21,  32  bie  ©umme  t)on  30  ©ilbcrfc^cfel  ak 
SBctrag  bcr  iscrgütung  an  ben  ßigentümer  für  ben  burc^  ben  Dd^fen  eincö  anbcrn^crrn 
getöteten  Seibeigenen  männli|^en  ober  iDciblid^cn  ©cfd^lcd^t^    angefefet.     ®inc  genauere 

20©fala,  bie  auc^  für  bie  ©d^ä^ung  bcr  Scibeigenen  Icl^rreic^  ift,  ftcut  P  für  bicjcnigcn 
auf,  lücld^e  fid^  fetbft  bem  ^ienft  bc^  ^ciligtum^  gelobt  l^abcn  unb  eine  äuglöfung  cnt= 
richten  f ollen  Sc  27,  2 ff.:  Unter  5  Sauren Änabc  5, 5Wäbc^en  3  ©c^efcl;  bon  5—20  ^abrcn 
Jünglinge  20,  Jungfrauen  10  ©d^ctcl;  bon  20— GO  Jahren  3Känncr  50,  SBcibcr  30; 
©d^cfcl;  Don  GOaufiüärtö  3Känner  15,  grauen  10  ©c^cfcl.    2)icg  ftimmt  lücfentlic^  mit 

25  jenem  i)urc^fd^nitteijreig  bon  30  ©d^elcl  (B)  übcrcin.  3lu(^  bcr  $rci«,  ben  3of.  Ant.  12, 
2,  3  für  gefangene  '^nhm  nennt,  120  3)rac^mcn  ^er  Äojjf,  ^ält  fxö^  nod^  faft  auf  bcr^ 
fclben  ^ö^e.  ®cr  3:almub  betont  aber  mit  9lcd;t  bie  gro^e  3Scrfd^icbcn^cit  bc^  9Scrfcbr^= 
Jücrt^  einc^  ©Haben  je  nacb  feinen  (gigcnfd^aften  unb  ben  SScr^ältniffcn. 

2^ie  3)  au  er  ber  Scibcigcnfc^aft  \vax  bei  ben  ©Haben  i^raclitifc^cn  S3lut^,  nicbt  aber 
^  30  bei  ben  übrigen,  eine  burd;  ba^  ©efe^  begrenzte.  ®g  entfj)rid^t  iai  ber  oben  angcbcutctcn 
3^ee,  ba^  bcr  IJ^raclit  feiner  Jytci^cit  nie  gänjlid^  entäufecrt  tbcrbcn  foHtc.  6^  lommen 
bafür  jtbcicrlei  SScrorbnungen  in  Sctrad^t:  cinerfeit«  @J  21,  1—11  (B)  unb  St  15, 
12— 18  (D),  anberfeit^  £e25,  39— 55  (P).  2>ic  beiben  crftern  bcftimmcn  folgcnbc^: 
2Öenn  ein  J^^^^^i^^   c^"^"  3Solfegcnoffcn  gefauft    ^at,    fo    fott    bcffcn   3)icnftj\cit    nur 

35  fed^^  ^cd}X^  betragen,  im  fiebcntcn  foll  er  frei  au^gel^en.  3)a^  biefcö  ®efc§  aucb  ben 
tbcgcn  2)icbftal^te  SJcrIauftcn  ju  gute  lommen  fotlte,  ift  ioa^rfd^cinlic^.  Sic  jübifcbc 
Irabition  bc^og  c^  fogar  blof;  auf  folc^c.  3Sgl.  auc^  ^o\.  Ant.  16,  1,  1;  $^tlo,  de  spec. 
leg.  M.  II,  336.  .^ammurabi  beifügt  §  117  für  ben  infolbcntcn  ©d^ulbncr  brci  ^al^n: 
Ribang^arbcit   im  ^aufe  be<J  „5läufer^",   im   bicrtcn   foll   er  freigegeben  iDcrbcn.    Sic 

40  ^eben  ^al}x^  mögen  auf  altem  $er!ommcn  berufen  (bgl.  ®cn  29,  18),  finb  aber  im 
®cfc^  bcr  ©abbatl^pcriobc  nac^gcbilbet,  oblDobl  natürlich  bie  grcilaffung  nid^t  gcrabc  mit 
bem  ©abbatbja^r  pfammenfiel.  2öic  biefei  fd^cint  bie  greilaffung  bcr  Äncdbtc  im 
fiebcntcn  $^^l^re  meiftcne  berfäumt  hjorbcn  ^u  fein.  Über  ben  aufecrorbcntlid^cn  gall 
!5cr  34,  8  ff.,   ber  bamit  ;|ufammcn^ängt,   fic^e  meinen  Kommentar  j.  b.  ©t.    Sic  Gnt= 

45  laffung  im  fiebcntcn  ^aljx  bcljnt  D  au^brüdlicb  aud^  auf  bie  5)Jagb  auö,  iüä^rcnb  B 
babon  fc^toeigt,  tocil  er  nur  bon  in  bie  ßt;c  trctcnbcn  tociblid^cn  Scibeigenen  l^anbclt,  bei 
hjclc^en  biefclbc  natürlid)  tocgficl.  ©bcnfo  ift  bem  D  cigentümlid^  bie  bun^cinc  Scftini^ 
mung,  bafe  bie  ßntlaffcncn,  Äned^t  unb  SUtagb,  eine  Sluöftcucr  an  Siaturalicn  (bon  Älein= 
bicb,  3;cnne  unb  5!clter)   mit   auf   ben  SBcg  betommen   foBcn,  um  leidster   fic^   toicbcr 

50  felbftftänbig  einrichten  ju  fönnen. 

^iluf  bicfc  grcilafjung  im  fiebcntcn  ^ahx  !onntc  jcbod^  ber  Äncd^t  nad^  B  unb  D 
freiwillig  ber;id^ten.  B  fü^rt  für  fold)cn  2?cr|^id^t  ate  na^elicgcnbcn  ®runb  neben  bcr 
Siebe  jum  93(ciftcr  an,  ba^  er  grau  unb  Äinbcr  in  ber  Äncc^tfc^aft  befommcn  (nicbt 
^ttva  mitgcbracbt)   }:}at,   fo   bafe  er  biefc  jurüdlaffen   müfetc.     6^   ^anbclt   fic^  babci  um 

55  eine  nic^ti^raclitifd;c  !3iiagb  feinet  §crrn,  bie  ibm  jur  ®^c  gegeben  loorben.  Siefc  ^ttc 
fein  -"Ke^t  auf  grcilaffung,  cbcnfoibcnig  bie  Sinber.  3lud;  eine  ^cbräifd^c  ®attin  $ättc 
übrigen^  bor  bcr  grcilaffung  nad;  St  15,  12  iljrc  fcd;^  ^al}XQ  abbiencn  muffen.  D  meint 
bafi^fclbc,  iocnn  er  allgemeiner  bie  Vicbc  ^um  .sjcrrn  unb  bcffcn  $aufc  al^  ®runb  angiebt, 
bcr  ben  Äned^t   ^um  JMcibcn   bctocgen   fönnc.    Siefer  3?er|;ic^t   foll  nac^  B  jucrft  „bor 

GO  ©Ott",  b.  f).  urf^jrünglic^  am  Heiligtum,  bann   über]^auj)t   an   bcr  ©cri^t^ftättc  erflärt 


@Hatierct  (et  ben  Hebräern  421 

tücrbcn,  tüo^l  namentlid^  um  bic  grcilüilliöfeit  jcnc^  @ntfd[;Iuf[c^  aufecr  3^^^^*'  5«  fcbcn. 
9Jac^  B  unb  D  foll  fobann  bcr  §err  ben  Änec^t  an  bic  2:üre  ober  ben  lürj^foften 
(feinet  §aufe^)  füllten  unb  il^m  ba^  D\)x  (hjal^rfc^einlid)  ba^  rechte)  mit  bem  Pfriemen 
an  benfelbcn  ^eftcn  jum  ©l;mboI  feiner  bicibenbcn  ^"Ö^^örigfeit  gunt  .^aufe  unb2>ienft- 
pflid^t  in  bemfelben.  Äonfequent  läfet  D  aud^  bcr  3Waab,  bic  ba^  Qan^  nic^t  tjcrlaffen  5 
\mü,  bicfc^  SScrfal^ren  ajjjjlijiercn,  obgleid^  bie  talmubifcpe  Irabition  c^  nic^t  SKort  l^aben 
\mü.  3)urcl^  bic  annähme,  mit  bcr  Xürc  unb  bem  lürjjfoftcn  feien  6^21,  6  bicjcnigen 
bc^  ©tabttore^  (^bn  (g^ra,  'Jlbrabancl  u.  a.)  ober  bie  be^  Heiligtum«  (eiüalb)  gemeint, 
cntftünbc  nic^t  nur  eine  Differenz  mit  D,  fonbem  and)  eine  unt)erftänblidie  Sejie^ung 
ber  .f)örigfeit  auf  bie  ©tabt  ober  ba^  Oottc^^au^,  toä^rcnb  bie  ^anblung  felbftrcbenb  ben  lo 
.Hne^t  für  alle  3eit  an  baö  §au«  feffeln  foII.  2)a^  cbyb  ©r  21,  0  unb  abir  -iiar 
®t  15,  17  lann  nid^tnac^  3of.  Ant.  4,  8,  28,  5Rafd^i  u.  a.  erflärt  toerben:  bi^  jum  3iobeU 
jal^r,  fonbem  bebeutet  Icbenölänglid^.    ©ie^e  Dretti,  ©^^nont^ma  ber  S^xt  ©.  77  f. 

5(nber^  begrenzt  bie  Äncd[;tfci^aft  be^  §ebräcr^  ba«  gobeljal^rgefe^  £e  25,  39  ff.  (P). 
®er  i^raclitifc^e  Sefi^er  fott  einen  folc^en   nur  big  jum  ^obclja^r  (f.  93b  XVII,  294)  10 
behalten  unb  bann  famt  feinen  Äinbern  frei  au^c^en  laffcn,  bafe  er  ^um  33cft^tum  feiner 
i^dter  jurüdfc^re.    2luf  ben  %ati,  bafe  bie  iWuttcr  eine  ^eibnifd^^e  Unfreie  toar  (6^21,4) 
ift  babei   fein  93cjug  genommen.    2)ie  talmubifc^e  Irabition   freilid^   meint,    in  biefem 
Jall  feien  bie  Äinber  in  bcr  Äncd^tfci^aft  geblieben.     2)er  i^raclitifd^e  Seibcigenc  eine« 
beibnifd^cn  Sefi^er«  fott  in  biefem  ^cftjal^r  ebenfalls   frei   lücrbcn;   too   immer  möglid^,  20 
foUcn  i^n  aber  gamilien=  ober  3Soltegenoffen  fd^on  frül^er  au^Iöfen.    2)ie«  gefc^ie^t  burd^ 
iJa^lung  eine«  ber  Äauffummc  unb  ben  35ienftial^ren  entf^ree^^enben  greife«:  iene©umme 
um  bie  ber  ©flatjc  gelauft  lüorben   ift,  follte  nad^  £e  25,  50 ff.  burd^  bie  ©umme  ber 
ga^rc  t)on  bcr  3?erlauf«jeit  bi«  ^um  Sobeljal^r  biDibiert  unb  bie  fo  gewonnene  3^^!  iwit 
ber  ^a\)\  bcr  bi«  jum  ^obtl  nod^  au^ftcl^cnben  ^a\)x^  multijjlijicrt  lücrbcn  (5loioad).  —  j5 
3)ie  i^crorbnung  be«  P  ftel^t  ganx  unvermittelt  ntbtn  ben  im  ganj^cn  übercinftimmenben  bc« 
B  unb  D.   isgl.  bic  ^ufammenftcBung  bei  Äleinert,  3)eut.  ©.  55  ff.  '^Slan  i)ai  ben  5IlUber= 
f)jrud^  auf  tjcrfc^icbcnc  SÖcifc  au«;\ugleidf^cn  gefud^t,  bod^  ol^ne  einleud^tenben  ßrfolg.  9)?an 
nal^m  gelüöl^nli^  an,  £e  25,  40  fei  nur  in  ben  lefeten  fec^«  ^a\)xtn  ber  gobclperiobc  ^ur 
3tnn)cnbung  gcfommen ;  tüäl^rcnb  bcr  crften  44  ^al)xt  bcrfelbcn  ^aben  B  unb  D  gegolten.  30 
©0  3.  2).  SWic^acIi«,  3JJof.  Siecht  §  127;  ^cngftcnbcrg,  Beiträge  III,  440;  Ö^lcr,   Sältt. 
2:^coI.  3.  aiufl.  ©.  389.    2)ic«  ftimmt  aber  nid^t  mit  Sc  25,  40.  —  Ober  man  erflärte, 
c«  l^anblc  fid^  um  Derfd^icbenc  Klaffen  t)on  Unfreien.    ©0  fafet  ©aalfd^ü^,   9)lof.  ""M^ä^i 
©.  703  ff.   unb  etn)a«  anbcr«  2lrd;äoI.  II,  240  ben  »cgriff  „§ebräer"  dg  21,  2  eigene 
artig.    2)ittmann  ju  (Sj  25  bagegen  bcnft  bei  P  nur  an  fold^c,  bic   lücgcn  SScrarmung  35 
fidi  frcilüiüig  tjcriauften  unb  bencn  frül^cre  greilaffung,   bie  i^nen  felbftt)erftänblid^  frei^ 
ftanb,    ebenbe«^alb  ^  t)or  bem  ^obd  feinen  Sinken   gebrad^t  hätU.    ©0  liege  eine  3(b= 
toeic^ung  blo«  in  abirb  (B  D).    3(Kcin  biefer  grcihjittigfcit  ftc^t,  ioie   oben  gejeigt,  bie 
auc^  bei  P  crnftlic^  gemeinte  3;i^atfad^e  eine«  3Scrfauf«  gegenüber.    Stuf  einen  3lu«gleid^  Der- 
jiic^tcnb  ncl^mcn  anbere  an,  bafe  biefe  3)iffcrenj  lebiglic^  auf  Derfd^iebene  ?P^afen  bcr  ©efe^s  40 
gebung  jurücfjufül^ren  fei,  ioeld^c  tjcränbcrtcn  ß^i^berl^ältniffcn  entfprac^cn.    ©0  Äleinert, 
bann  Äuenen,  SBcU^aufcn  unb  bie  meiften  9leuem.    S)iefe  tjcrtocifcn  in  bcr  Siegel  P  in 
bie  nac^CEÜifc^c  ^eit,  lüäl^renb  Sillmann  Sc  25   für   älter  anfielet  aU  D.    S)a6  £e  25 
nad^CEilif^cn  Urf^rung  tjcnatc,  ift  aber  nid^t  ju  bel^aujjten.    SBoi^lI^abenbc  9lid^ti«raeliten, 
bie  ^ebräifdie  £cibeigene  I^aben  mod^ten,  gab  e«  in  Äanaan  ju  aütn  Seiten,    äuc^  fc|en  46 
3J.  47  ff.  t)orau«,  bafe  ^^xad  bie  ®crid^t«barfcit  über  folc^e  ^remblinge  bcfi^c,  toä^renb 
jjerftfc^c  unb  gried;ifd^c  2>icnftl^crm  fic^  fic^erlid^  nid^t  fold^e  Sorfc^riften  mad^en   liefen. 
Unaufgc^ellt  bleibt,  toenn  P  ba«  jüngfte  ®cfe^  toar,  ber  auffällige  Umftanb,  ba^  biefer 
ben   i«raelitifd^en   £eibeigcncn   fo  frcunblid^   gefmntc  ®efc^e«le^rer  bie  3Sorfd^rift  Dom 
fiebcnten  ^af)x  nid^t  erneuerte.    2)a6  biefe  in   ber  $raji«  fic^   fd^lücr  burd^fül^ren  liefe,  eo 
fonnte  für  iij^n  nic^t  mafegebenb  fein,  ba  bcr  2>urdS^fü^rung  bc«  Sobeljal^r«  nod^   h>eit 
größere  ©dj^lüierigfeitcn  entgcgcnftanben. 

2)ie  gcfc^iditlic^e  ©nttoidclung  ber  Skc^tö^raji«  erflärt  bal^cr,  für  fid^  allein  gc^ 
nommen,  biefe  ftarfe  Slblücic^ung  bcr  ©cfc^c  nic^t  gcnügenb.  SBäa^rfd^einlid^  l^anbclte  c« 
[\d)  in  biefen  9Serorbnungen  ioirflid^  urf^rüngli^  um  DerfdS^iebene  9lrtcn  bcr  Unfrcil^eit,  65 
mag  bie«  aud^  in  bcr  I^eutigen  Siebaftion  be«  P  ettoa«  Dcrtoifd^t  fein,  ^n  BD  ^anbclt 
e«  fid^  um  fold^e,  bie  einem  anbern  ju  perfönlid^cr  ^icnftleiftung  herfallen  fmb,  ä^nlic^ 
tüie  bei  jenem  babi>lomfc^en  ©d^utbnergefe^.  ^m  ^ntcreffe  i^rer  Jjerfönlid^cn  grei^eit, 
bie  nid^t  lcben«länglicl^  aufgehoben  fein  foH,  lüirb  im  ilnfd^lufe  an  bie  3^«^  ^^^  Babbati}- 
'\af)x^  bie  S)ienftjcit  auf  fe(^«  '^af^xt,  alfo  bojjj)elt  fo  lang  h)ie  in  Sab^lonicn,   angcfe^t.  w 


422  SHaucret  bei  bcn  Hebräern 

ßinc  CSntlaffung  nad^  annäF^crnb  einem  falben  Sa^^^unbert  (P)  bagcgcn  toäre  bon  biefem 
®cfidbtö})unft  aus>  gan^  unangemeffen  unb  meift  toertlo«  getocfen.  2)ö^  ®efe^  bc^  P 
baßegen  i)at  agrarifc^en  6f;arafler  unb  3ufa"^"i<^nl^ang.  6^  tpirb  eigentlich  auf  bäuerliche 
üeibeigcnfc^aft  gc^cn,   ivobei   bie  Oüter   famt  ben  erblid^en  3"^flt^"  "öd^  ^i"w  langem 

6  ^iSetiobc  hjieber  unabhängig  iuerben  foBen.  Seibe  Stec^t^grunbfä^e  fönnen  auf  biefc  2Beife 
in  frü^e^g  2(ltcrtum  jiunicfreic^en  unb  fogar  mofaifd^en  Urfjjrung^  fein.  2)ie  Snftitution 
be^  Sabbathja^rs;  h)ie  bie  ebenfalls  auf  einem  gabbat^c^Ilu^  beru^enbe  Igobeljjeriobe  bünft 
un^  nod^  immer  üerftänblid^er  afö  ibealer  Gntlüurf  be«  großen  ©c^ö^ferö  ber  i^raclitifc^en 
Station,  benn  aB  eine  nid;!  emft  ju  ne^menbe  ^^antafte  eineö  gw^Ö^^- 

10  I^ie  Sie^anblung  ber  Seibeigenen  iüar  in  biefem  SSolfe  eine  Diel  milbcre  ate  ettüa 
im  alten  öettaö  ober  Slom,  ober  aud^  in  ^^J^öni^ien  unb  Sab^lonien,  in  beffen  ^ißraji^ 
§ammurabi^  ©efe^  einen  nähern  ßinblidt  getüäl^rt.  2lllerbing^  toirb  aud^  barin  toom 
mofaifc^en  ®efe^  ein  Unterfc^ieb  jtoifd^en  Seibeigenen  au^  S^rael  unb  folc^^en  fremben 
Urfprung^  gemad^t,  am  ftärfften  in   ber  J)riefterlic^en  ©efe^gebung  (Se  25),   lüonacli  ber 

15  unfrei  getvorbene  Hebräer  gar  nid^t  al^  Btla'oc,  fonbem  lüie  ein  lagelöij^ner  ("i-^sr:  freier 
Slrbeiter,  ber  fid^  um  Sol^n  auf  beftimmte  ^Ät  berbingt  f^at)  angefc^en  unb  bejubelt 
lüerben  foll(l^.  :39f.  40).  ?!Ran  foU  il^m  nic^t  atlguftrenge  ober  ben  3Wann  enttoürbigenbe 
arbeiten  auflegen,  toäl^renb  ber  frembe  ©Habe  bafür  jur  33crfügung  geftcllt  toirb.  aber 
allen  ol^ne  äu^nal^me  lam  boc^  ba^  Sabbat^gefej^  ju  gut  alö  eine  im  ältertum  ein^ig= 

20  artige  äöol^ttl^at  gerabe  für  bie  bon  I^arter  3lrbeit  Selafieten.  gerner  lüurben  nic^t  nur 
bie  im  2)ienft  geborenen  ©Haben,  fonbem  in  ber  Siegel  auc^  bie  getauften  befc^^nitten,  alfo 
in  bie  ©emeinbe  S^i^be^^  aufgenommen  unb  erlangten  baburd^  ba^  Siecht  an  ben  rcligiöfen 
geften,  j^umal  bem  ^affal^  teilzunehmen  dx,  12,  44;  bgl.  ®en  17,  12.  gür  i^re  3:eil= 
nabme  an  ben  Cfferma^l^eiten   bgl.  I)t  12,  12.  18;  16,  11.  14.    9?ad^  ber  rabbinifc^en 

25  Irabition  burfte  ^tbar  ein  l^eibnif^er  ©flabe  nid^t  ^ur  Sefc^neibung  gegtoungen  lüerben, 
tuar  aber,  \vmn  er  ftc^  be^arrlic^  bagegen  fträubte,  nac^  einem  ^a\}x  Ibieber  gu  berlaufen, 
au^cr  \mnn  er  beim  Eintritt  in  ben  3)ienft  bie  ^reil^eit  bon  ber  SBefd^neibung  ftd^  au^- 
brüdtlid^  au^bebungen  l^atte;  im  le^tern  %aü  burfte  ber  §err  i^n  für  immer  behalten. 
(Sin  befc^nittener  ©Habe  burfte  nid^t  mel^r  an  einen  Reiben  berlauft  lüerben.    ©.  TtkU 

30  jiner  S.  58.  —  211^  ©lieb  ber  religiös  getüei^ten  aSofl^enoffenfd^aft  lonnten  bie  Änec^^te 
felbftberftänblid;  nid^t  lüie  bei  anbern  isöllern  lüie  eine  red^tlofe  Söare  ober  lüie  ^au^ 
tierc  geachtet  lüerben.  Die  ßrmaljnungen,  einen  ©Haben  nid^t  ju  järtlic^  gu  bejubeln, 
i^r29,  19.  21;  bgl.  ©i  30,  33  ff.  [33,  25  ff.  |  finb  bom  ^äbagogifd^en  ®efic^|t^unft  auö 
gegeben,  bon  lüelc^em  au^  ja  aud^  ftrenge  Äinber^uc^t  empfoj^len  lüurbe.    3!)afe  ber  faule 

35  5{nec^t  mit  bem  ©toc!  gejüd^tigt  lüirb,  l^ält  man  für  unerläßlich,  lüeil  burd^  Drbnung  unb 
3uc^t  gcforbert.  2lber  ®raufamfeit  lüurbe  gea^nbet,  unb  jlüar  nid^t  blofe  lüie  in  ^aht}- 
lonieu,  iüo  man  nur  ben  35efi$er  entfd;äbigcn  mufete,  lüenn  man  feinem  ©Haben  ein 
3luge  auggefd;lagen  ober  einen  Snod^en  gebrochen  I^atte  (^ammurabi  199.  bgl.  219), 
fonbern  ber  .v>err  felber  mufite,  lüenn  er  feinem  Änec^t  ober  feiner  3Bagb  eine  emftlic(»c 

40  i>erki3ung  bcibrad;te,  Stuge  ober  ^al}n  auöfdilug,  bicfelben  unentgeltlich  freilaffen  6j21,26. 
Über  baö  Sebcn  beö  Seibeigenen  l^atte  ber  $err  feine  ®elüalt,  6j21,  20f.  „SEBenn  ein 
$err  feinen  ftncd;t  ober  feine  3)iagb  mit  bem  Qiabc  fd^lägt  unb  er  ftirbt  unter  feiner 
.s^anb,  fo  foll  c^  geräd^t  lüerben."  -JJac^  ber  jübifc^en  Irabition  ^ätte  ber  $err  in  biefem 
J^alle  bie  2:obe^ftrafe,   unb  gloar  burd^  ba^  ©c^loert,   gu   erleiben  gehabt   (f.  ^ottinger, 

4ö  Juris  hebr.  leges  p.  (iO).  2^od^  ift  ba^  cpr  allgemeiner  auf  eine  bom  ®eric^t  je  nacb 
iöefd)affenl?eit  be^  J^atle^  ,^u  beftinmienbe  ©träfe  gu  begiel^en.  @^  ift  aber  m  bead^ten, 
baf;  bie  ©teile  nur  bon  ber  Rötung  eine^  ©Haben  mit  bem  BtaU  au^  änla^  einer 
^vjüd^tigung,  nic^>t  bon  borfä^lic^er  lötung  ^anbelt  (bgl.  bagegen  bie3lu«brüdfe9?u85, 16—18). 
5Dicfc  fiel  of?ne  ^loeifcl  unter  ba^  ©efe^  (Sj  21,  12;  Se  21,  17;  bgl.  ben  ®egenfa$  4n.  18 

50  unb  2 1,21  f.  SiUirbc  bodh  axid)  nad)  ägi;ptifd;em  Steckte  (Diod.  I,  77)  bie  lötung  eineö 
©Haben  gicid)  ber  eine^  freien  gea^nbet.  2)agegen  bei  bem  %aü,  ben  ba^  borlicgenbe 
©cjcl^  bevüd)'idt)tii3t,  foüte  ^ioar  auf  feinen  ^all  ©traflofigfeit  ftattfinben,  aber  e^  lüaren 
bod;  bie  llniftanbe  unb  nad;  i^nen  ba^  ■JJJa^  ber  ©träfe  bon  bem  Slid^ter  nö^cr  ju  er- 
lüägen.    il>enn  jebod;  ber  ©flabe  bie  ,,^üdj)tigung  einen  ober  j^Ujei  läge  überlebte,  foll  e* 

55  nad>  iv  2 1  nicl)t  geaf)nbet  toerben,  benn  „c^  ift  fein  ®elb",  b.  1^.  ber  §ea  ift  bur^  bie 
(Sinbufje,  bie  ihm  ber  2üb  be^  iined^te^  bringt,  bereite  |^ur  ®enüge  beftraft.  3)ie  ^Ibficbt 
ju  töten,  fonnte  hier  obnebin  nicl)t  borau^gefe^t  lüerben.  Übrigen^  lüirb  audf^  biefc  9e= 
ftininuing  burd[)  bie  l:vabition  bei|d>ärft;  nad;  biefer  follte,  lüenn  ber  $err  fid^  jiur  3^^= 
tigung  cinci5  'Ii>crf,^cugcö  bebient   hatte,    mit   bem  äugen fd^einlid^  eine  töblic^c  3Scrlc|ung 

«()  .zugefügt  iüerben  mubte,  aud)  in  bem  galle,  loenn  ber  2^ob  be«;  ©flauen  crft  nad^  längerer 


SHatieret  bei  btn  ^ebrarm  SHatieret  itnb  S^rtfÜeiititm  423 

3cit  erfolgte,  bic  3:obe^ftrafe  über  ben  $errn  Derij^ängt  toerben.  —  SBie  ber  ©Habe  britten 
$erjonen  öcgenüber  in  ftrafred^tUc^er  SBejie^ung  geftellt  tvax,  barüber  ift  im  Oefe^e  nic^tg 
beftimmt.  3iad^  ber  Irabition  h)urbc  Rötung  unb  SSertDunbung  eine^  ©Haben  burd^ 
einen  dritten  ganj  be^anbelt,  lüie  toenn  fie  an  einem  ^eien  berübt  toorben  iüäre;  ebenfo 
njurbe  natürlidj  umgeleij^rt  ber  ©Habe  be^anbelt  (t)gl.  3JtieIjiner  ©.  55).  dagegen  iüar  5 
nad^  Mischna  Jadajim  4,  7  ©treit  unter  ben  5ßl(;arifäem  unb  ©abbuiäem  barüber,  ob 
für  ben  ©d^aben,  ben  ein  ©flat)e  einem  2)ritten  angerichtet  F^atte,  er  felbft  ober  fein  ^en 
beranttDortlic^  fei.  2)ie  ©abbujäer  befc^^toerten  fiep  barüber,  ba^  nad)  ber  2lnfic^t  ber 
^^arifäer  ber  Äerr  too^I  jum  Srfafe  be«  bur*  fein  33ie^  angerichteten  ©d^aben^  uer^ 
^flid^tet  fei,  ni^t  aber  DeranttDortIi(|  fein  foue  für  ba^  Unheil,  bag  fein  ©Habe  an^  10 
gerietet;  Wogegen  nun  bie  ?pi^arifäer  ben  Unterfc^ieb  be^  mit  35emunft  begabten  Söefen^ 
unb  be^  SJie^e«  geltenb  machten;  fonft  lönnte  ber  ©Habe,  toenn  i^n  fein  §err  erjümt 
ij^at,  ^inge^cn  unb  baS  (Setreibe  eineö  anberen  an^ünben,  toa^  bann  ber  §err  ju  be* 
jaulen  ^ätte. 

3n  33egug  auf  bie  in  bie  engere  S<»"^iK^  aufgunel^menbe   i^raelitifc^e  Seibeigene  be^  15 
ftimmt  (gg  21,  7—11  (B):  SBirb  fie  ß^egenoffm,  fo  berbleibt  fie  immer  bei  iij^rem  §erm. 
Wifefättt  fie  biefem  l^inter^er,  fo  foll  er  fie  lo^faufen  lafjen  (enttoeber  burd^  ben  SJater 
ober  burd^  einen  anbem  g^raeüten,  ber  fie  heiraten  lüitt);  ^  ift  aber,  nad^bem  er  an  xfyc 
treulos  getuorben,  nid^t  befugt,  fie  an  frembe  Seute  m  berlaufen.    §atte  er  fie  nic^t  für 
fid^,  fonbem  für  feinen  ©o^n  beftimmt,  fo  foII  fie  i^m  h)ie  eine  lod^ter  gelten,    ^at  er  20 
fie  für  fid^  felbft  genommen,  nimmt  aber  eine  anbere  baju,  fo  barf  er  fie  bod^  nid^t  in 
ben  brei  debita  conjugalia   berfürjen:  9{a^rung,  ^leibung  unb  ^ein^o^nuna.  —  Sine 
Rumäne  Seftimmung  finbet  fic^  auc^^  ju  ©unften  ber  im  Ärieg  erbeuteten  3un9Trau  (eö  ift 
babei  an  eine  nid^tiöraelitifc^c  gebac^t),  tpclc^e  jemanb  jumSBeibe  nimmt:  er  foII  i^r  erft 
einen  3Ronat  ^Ät  (äffen,   i^re  SBertpanbten  gu  betoeinen,   e^e  er  fic^  mit  i^r  e^elic^  ber^  25 
binbet,  2)t21,  10—14.  —  Sin  fciöneg  3^W0"^^  bafür,  ba^  man  bon  altera  l^er  e^  al^ 
ein  göttlid^eö  Oebot   anfa^,  bie  lÖeibeigenen   nid^t  in  i^rem  9led;te  ju    Iränfen,    bietet 
$i  31,  13—15.   @in  im  &anim  recbt  erträgliche^  £0«  ber  leibeigenen  Wiener  finbet  man 
^eute  nod^  im  Orient  bei  ben  bertbanbten  ^ölferfd^aften  unter  bem  g^Iam. 

3ur  böHigen  3lufl^ebung  ber  ©Haberei  ift  e«  auf  bem  33obcn  be«  antifen  ^ubcntum«  ao 
nur  bei  ben  ©ffenern  unb  Il^eraj)euten  gefommen.   ©ie  bertoarfen  bie  ©Haberei  ate  eine 
mit  ber  allgemeinen  iNerbrüberung  ber  3Jlenfc^en  ftreitenbe   unb  barum  tDibernatürlid^e 
©ac^e  (f.  5p|ilo,  Quod  omn.  prob.  M.  II,  457;  de  vit.  contempl.  II,  482).  —  ^m 
in%  feigen  h)ir  bon  G^rifto  unb  ben  Slpofteln  bie   bei  ben  ^n\>m  unb  ben  i^^ben  l^er^ 
gebrachte  JRedj^t^etoo^nl^eit  ber  Seibeigenfd^aft  nid^t  auf  bem  SBege  rec^tlid^er  Sorfd^riften  36 
belämjpft  unb  aufgel^oben.    SBo^l  aber  mufete  bie  Offenbarung,  be«  3Renfd^enfol^ne^  jur 
öefeitigung  eineö  'i^er^ältniffe«  fül^ren,  ba^  mit  ber  anerfc^affenen  unb  burd^  bie  (Srlöfung 
^ergefteßten  aöttlic^en  SBürbe  be«  3Renjd^en  im  SBäiberfprud^e  ftanb.    3""äc^ft  ermahnen 
bie  ajjoftolifc^en  Sriefe  bic  d^riftliclien  Änec^te  unb  3Bägbe  gu  unge^eud^eltem  Oeborfam 
gegen  i^re  ©ebieter  (1  $t  2,  18 ff.;  Qp\)  6,  5 ff.;  Äol  3,  22 ff.),  ba  berßij^rift  aOe  ^Pflic^ten  40 
be^  Seben«  getoiffen^aft  ju  erfüllen  ^at,   unb   feine  innere  SBürbe  bor  ®ott  burc^  eine 
äufeerlic^   abhängige  Sec^t^fteHung    nic^t  beeinträd^tigt  toirb    (1  Äo  7,  21f.;  ®a  3,  28; 
Äol3, 11).    2)0^  betonen  fie  auc^  ben  §erren  gegenüber  bie  ^flic^t  ber  9Kenfd^enfreunbs 
lid^feit  (gp^  6,  9;  Äol  4,  1).    $aulu«  beutet  aber  bereit«  1  Äo  7,  21   (nac^  ber  rid^tigen 
SrHärung)  an,  bafe  bie  bem  (S^riftenftanb   beffer  entfjjred^enbe  Stellung  bie  ber  bürgere  46 
lid^en  ^ei^eit  fei,  unb  l^at  im  ^pi^iF^monbrief  ein  muftergiltige«  Sorbilb  bafür  gegeben, 
tt)ie  ber  c^^riftlid^e  Seigrer   unbillige    ober  ber    tieferen  Drbnung  ®otte«  jutDiberlaufenbe 
®eh)o^nbeitdrec^te  nid^t  burd^  3*^^"0/  ^^^  bon  innen  ^erau«  burd^  ben  ®eift  ber  Siebe 
foll  JU  burd^brec^en  ibiffen.  ».  Orelli. 

©Hoberci  unb  Gij^riftentum.  -  fiitteratur:  $.  3)cjuft,  L'esclavage,  ^ori«  1873;  50 
Xourmogne,  Histoire  do  Tcsclavage  ancieo  et  moderne,  $avi^l880;  (Sbeling,  3)ic  @Hoüevei 
Don  ben  ältcftcn  Reiten  bi§  auf  bic  ©ecjcntüart,  ^obcrb.  1889.  —  1.  ^.  ©allon,  Histoire  de 
Tcsclavage  dans  Fantiquitö  1847,  3  ^bc ;  *©.  JRic^ter,  3)ic  @!laDcrci  im  gricrfjiWcn  'Jntcrtumc 
1886;  (^ttorc  (Siccotti,  II  tramonto  della  schiavitü  nel  mondo  antico  1899  (boj^u  SR.  fiange 
in  ^H^ö  XVI,  761— 770);  ©b.  gjeei)er,  ^ie  ©tlaoerci  im  ^lltcrtum,  ga^rb.  ber  ©c^cftiftung  66 
III,  1899,  191  ff.  (ugl.  i^nv  ^^ebeutunfl  ber  Sflaoerei  in  ber  Äaifcrjett  (Sonrob«  3a^rb.  f. 
9kt.:0cf.  64,  1895,  696  ff.  748);  %  QJuiraub,  La  main  d'oeuvre  iodustrielle  daos  Fancienne 
Gr^,  ^Qtid  1900;  Ü.  3eMtfc|,  3)ie  ©Houcrei  bei  ben  antifen  2)icbtern,  in  3)rci  ©pajicrgftngc 
eincd  Süicn  Inö  rioffifd)e  9(Itertum  1900,  119—178.  300—306;  ftermann^Slümncr,  ©riect). 
^rioataltcrtiimcr*,  80 ff.;  3.  ©urcft)arbt,  C^riecl).  Äiilturgcfcft.  1, 152 ff.;  aRavquarbt, Privatleben  eo 


424  SHanerci  unb  S^riftentitiit 

bei  ^Hbmev^  1886,  135 ff.  175 ff.;  möm.  etaat^uenualtung-  II,  123 ff.;  2:t).  ^Rommfcn,  mh 
mifd)e  CMefd)ic^te  II,  74—77;  i!.  grieblänbev,  ©ittengefd).*  I,  126 ff.  479ff.;  3R.  ©c^ncibcipin, 
'ifliitife  .tnimanität206ff.;  S.?.  QJarbt^aufen,  ^;iluguftu§  I,  907;  II,  528 f.;  G.  SBcffea),  3)cnf- 
fd)rijteu  b.  Sieiier  9lfabemie  47,  4.  81  f. 

B  2.  ^J3iö()Ier,  53vud)ftiicfe  au^  ber  (^efdjic^te  ber  ^luf^ebung  ber  ©ftaücrci  1834  (®ef.  ©cfirr.  II, 

54—140);  (f.  8d)mlbt,  3)ic  bürgerlidic  ®efcafd)aft  in  bcv  altrom.  ^clt  unb  i^rc  llmgcftoltung 
bind)  ha^i  (Sl)rifteutum,  1857,  67  ff.  194 ff.  364  392;  91.  JRiDiferc,  L'^glisc  et  Tesclavage, 
"^axi^i  1864;  .f).  SSii^fcmonn,  2)ie  ©flaociei  (^aagev  ^reis>fd)rift)  1866;  ^lOarb,  Lee  esclaves 
chnHions  1875;    gr.  Duerbec!,  lieber  ha^  SScr^äJtniiJ  ber  alten  kird)t  ^ux  6fIaDerei  im  röm. 

lOJRcidic,  8tubicn  .^ur  Ö)efd)id)te  ber  alten  ^ird)e  1875,  158  ff.;  ©.  85.  fiec^Ier,  ©flauerci  unb 
(iöviftentimi,  1877—78,  2  33be;  3:^.  gaftn,  ©flaüerei  unb  (J^riftentum  in  ber  alten  3öelt  1879 
(©ri^jeu  au-j  bem  fieben  ber  alten  Sfirdjc»  62-105.  290—296);  (S.  fi.  93race,  Gesta  Christi, 
1882  41—71;  &.  lU)I!)ürn,  ^ie  c^riftl.  fiiebeöt^ätigfeit,  1882;  2:.93redjt,  Sird)e  u.  ©flauerei, 
1889;  (sj.  ^)lbil^llcntc,  La  schiavitü  nei  siioi  rapporti  coUa  chiesa  e  collaicato,  1890;  @.  2^cidi^ 

16  miiöer,  ^tx  ^influjs  t>c^  (£&riftentnmö  auf  bie  ©flaüerei,  1894;  ?(.  SerouScF,  3)ie  anlif- 
I)cibnitdie  ©flauerei  unb  ba$  6l)riflentuin,  1903;  91.  .&arnacf,  gjliffion  121  ff.  'I,  145 ff.;  e.  Don 
a)übf(^iit^,  Urc^riftlic^e  03eineinben,  31  ff.  87  ff.  245.  266—269;  91.  Änopf,  9?ad)apoft.  3eitaltcr, 
67  ff.  428. 

3.  ?)anüföfi.  De  Tabolition  de  IcBclavage  ancien  au  moyen-dge  et  sa  transforroation 
20  en  servitudc  de  glebe,  $ari^  1860;  ^ournier,  Lee  affranchissementa  du  V«  au  XIII©  siMe, 

Kev.  bist.  XXI,  1883  ;  O.  Sanger,  ©tlaüerei  in  (Suro^a  ioä^renb  ber  legten  Sö^rftunbcrte 
be^  ^ittelalter<äi,  1891 ;  6J.  g.  Änapp,  ^ic  fianbarbeiter  in  ßnecfttfdjaft  unb  grcifteit,  1891 ; 
g.  ^.  gngram,  History  of  Slavery  and  Serfdom,  1895  (beutfcft  üon  fi.  Äatfd)er  1895). 

4.  91.  .t)iiuf,  SBerönberungen  beö  9Jegerfflaoen]^anbeI§,  ©öttinqen  1820,  2$3bc;  5>.  tapp, 
25  ®etd)id)te  ber  Stiaüerei  in  bcn  ^er.  ©tdaten  von  9?orbamerifa,  1861 ;   SKargraf,  Äircfte  unb 

©flauerei  feit  ber  ©ntbecfung  9(merifa^,  1866;  3-  91.  33racfett,  The  Negro  in  Man^land, 
1889;  9l^.  C£-.  33.  bu  ^üiö,  The  suppresßion  of  the  Afriean  Slave  trade  to  the  Uoited  States 
of  America,  y^eiu^^orf  1896;  $).  91.  gieblcr,  3)ie  9?egerfragc  in  ben  SJer.  ©taatcn  uon 
9lmcrifa,  $3  CXVI,  1904,  65—108;  3.  91.  Xiüing^aft,  The  Negio  in  Africa  and 
30  America,  1902. 

5Bgl.  bie  au§fü^rlid)en  9(rt.  ©flauerei  in  S3rocf§auö  u.  3)?et)erö  5?ünu.:ficf.,  bei  Scfcr 
unb  "©ehe  {(iJnipp),  Encyclop.  Brit.  (Sngrani)  unb  ^Unfrei^eit"  in  donrabö  $)anbn)brterbucö 
ber  ©taatöiuijfenfij^aften  (Örünberg). 

^k  ncuefte  nationalöfononiifci^   orientierte  ©cfd^ic^t^forfd^ung   i}at  bie  lanbläufigen 

35  SBorftcIIungen  über  Urfprung,  SBcfen,  SlugbeF^nung,  ©cftaltung  unb  ätuf^cbung  ber  ©IIat)crei 
einer  fo  grünblid^cn  Unibilbung  unterzogen,  ba^  batjon  anä^  bie  ^age  nad)  bem  6in= 
flufe  be<>  ßbriftcntunt!^  auf  bie  ©flatjcrci  [tarl  berührt  U)irb.  ©laubte  mön  frül^cr,  ihm 
o^ue  ioeitereö  bie  3luf^ebung  biefe^  3"P'^i»*^  «'^  SJerbienft  jufd^reiben  ju  fönnen,  fo 
iüollcn    il;m   je^t   nmnd^e  jebcn  ©influfe   in   biefcr  rein    lüirtfd^aftltcl^   ju   bctrac^tenben 

40  J^ragc  abfprcd^en.  §iftoriIcr  unb  9iationalöIononicn  überfc^en  börin  jum  ©d^aben  ber 
Sa^e,  ba^  bie  tbcologifd;e  3Kttarbeit  längft  einen  richtigen  3RittcliDeg  eingcfc^lagcn  fyit 
2(ufgabc  biefeö  2lrtifcl^  n)irb  e^  fein,  ben  Ideologen  bie  neueren  tDirtfd^aftgcfc^ic^tlic^en 
3lnfd;auungen  ^u  übermitteln,  i^ugleid;  aber,  bie  je^t  mcift  unterfc^ä^ten  religiö^-fittlic^cn 
gattoren  jur  ©eltung  ^^u  bringen. 

45  I.  Über  bcn  Don  bem  G^riftentum  Dorgcfunbencn  ^i^P^"*^  ^^^  llaxz^  Silb  ju  gc- 
iDinncn  ift  nid)t  ganj  leidet.  1.  I)er  Umfang  ber  ©flaDerei  im  9lltcrtum,  frül^cr  bicl- 
(cid;t  übcrfdiii^t,  luirb  ncuerbingö  e^er  ^u  gering  öugefe^t.  @r  fc^toanftc  fcl^r.  gür 
Cs3ricd)cnlanb  bilbet  ben  .^öl;epunft  bie  ^cxt  nadj  ben  ^^crfcrfriegen ;  ba  fonnte  ein  reifer 
Ü^ürgcr  9(tl?cn^  allein    lOoO  ©Haben   in  bie   t^ratif^cn  Scrgiüerfe  Vermieten  (•l'eno^b. 

bo  jTOQoi  IV,  11).  ^^n  ^Hom  ift  cö  ba^  (Snbe  ber  Slepublil  unb  ber  2lnfang  ber  Äatferjeit; 
bamalö  luurbcn  auf  2}clo^,  bem  $auftpla^  beö  ©flabcnmarltc^,  täglich  3){V^iaben  um= 
gcfctjt  (Strabo  XIV,  5,2).  9iad;^er  nimmt  bie  ©tlaDcnjuful^r  fc^r  [tarf  ab.  Sc^ä^t 
iBiarquarbt  mit  9()(ii)0u  bei  GOU 000  freien  bie  3abl  ber  ©Ilaben  in  ber  ©tabt  Siom 
IM  hod),  fo  33clod;mit2— ;]00  000  gcioif;  ,^u  niebrig;'grieblänber  I,  GOf.,  ^ält  bie  3)Jittc. 

65  ®ic  400  im  .<)aufc  bc^  ©tabt^jräfcftcn  ^i?ebaniu^  ©ecunbu^  fönnen  nic^t  fo  überburt^- 
fdjnittlid)  fein,  ti>cnu  äluguftu^  burc^  bie  lex  Furia  Caninia  (®aiu^  1,  42,  ba^u^oncl, 
Corpus  legum  2:{f.)  bie  tcftamentarifc^cn  greilaffungen  auf  l^öc^ftcn^  jebc^mal  100 
cinfd>ränf t.  ikin  anftänbigcr  3)tann  gebt  o^ne  ©flabcnbcgleitung  au^ ;  bie  Slömcr  l^ielten 
iücit  \\kI)x  X?uru^f!laDcn  al^  bie  auf  Wcioinn  au^gc^enben  ©riechen  (Slt^enäu^  VI,  272d). 

60  SDic  '3J(affc  ber  ©Üabcu  iv>ar  aber  bod;  im  lanbh)irtfd;aftlid;en  unb  inbuftriellcn  ©ro6= 
betrieb  bcjd^äftigt. 

©cunfe  ift  ber  freie  9(rbcitcr  nie  gan^  Don  bem  ©Haben  bcrbrängt  tborben,  am 
lücnigftcn   in  bcn  ^^irobinjcn.    gür  'jigt;)3tcn   l;aben  U.  2i}iWen,  Oftrafa   I,   695 ff.  unb 


SHatierei  uub  ^^rifietttitiit  425 

6.  aBad^gnmtl^,  ^a\)xh,  f.  3Jat.-ÖI.  74,  1900,  798  (Sb.  3)kl;cr^  3luefü{;runöcn  bcftätigt; 
für  ^aläftina  t^un  bic^  bic  etjangclien,  bic  un^  neben  bcn  davXoi  3)k  13,  3 1  u.  ö.  bic 
egyarai  3Kt  20,  1  ff.,  jluo ßcoroi  "iJlc  1,20,  fAio^ioi  Sc  15,  17  ^ciöen.  ©rcilid;  tpar 
grofeer  Sflal^enbcfi^  aud^  ein  jübifc^e^  S^cal,  Oen  12,  16;  14,  14;  §i  1,  ;5;  ÄoF^  2,  7; 
nad^  @^r2,  64;  9Je^  7,  67  lamen  mit  42360  ^^raeliten  awi)  7337  ©flauen  aw^  bcm  5 
(Sjil  jurüct).  2lber  bic  billigere  2(rbeit«Jlraft  ^ai  bod^  bem  ©Habenbetrieb  auf  bcn  Sanb^ 
gutem,  in  Sergtpericn  unb  ©teinbrüd^cn,  in  gabrifen  unb  aud^  im  §anbn)erl^=  unb 
©cnjerbebetrieb  ber  ©rofeftäbte  ba«  Übergetoid^t  Derfc^afft.  ©flauen  finben  fid^  in  allen 
möglichen  ©teUungen. 

2.  ßbenfo  ftel^t  e^  mit  ber  Sel^anblung  ber  ©Ilaben:   tuurbc  f rüber  bic  ®rau=  10 
famleit  überfd^ä^t,  inbem  man  fid^  aa  einzelne,  bod^  nur  atö  auffatlenb  überlieferte  Sei- 
fpiele  ^ielt,   fo  fällt  man  je^t  in  ben  entgegengefe^ten  ??e^lcr;   nad^  3<^"*f^  f*^"^  "i  ^<^ 
2tntile  bic  ^ragiö  fo  I^od^  über  ber  2:^eorie  al^  bei  un^  unter  i^r.    Sluc^  ^ier  mu|  man 
örtlich  unb  jeitlid^  fd[;arf  unterfd^eibcn.   3"  ^^^  ^atriard^alifd^en  3icr^ältniffen  ber  dlteften 
^>^eit  gel^ört  ber  meift  frieg^gefangene  ©Habe  ^ur  ^amilie  unb  iuirb  alö  fold^er  gel^alten.  15 
Gö  bat  bon  ben  2;agen  be^  ©umaioö  an  immer  unb  überaß  freunblic^e  .s^errn  unb  treu* 
ergebene  ©Haben  gegeben,   auc^  aU  bie  ä5er^ältnif[e  fid^   umgeftaltet  l;atten  (f.  bie  Sei^ 
fpielfammlung  für  ©elbftauf Opferung  treuer  ©Haben  bei©eneca,  de  benef.  III,  18—28, 
^ij?aaob.  I,  11,  16—40)    3"  ®riec^enlanb  l^atten  aud^   fpäter  bie  ©Haben  grofee  J^rei- 
Reiten,  jumal  in  9ltl^en  (Xenoj)!;.,  rep.  Athen.  1, 10).    3"  ^^lom  bagegen  I^errfc^te  eifeme  20 
(Strenge,    fd^on  im  §aufe:    mand^e  §enen  bcrboten    jebe^    unaufgeforbcrte    ©pred^en 
(^lutard^,  degarrul.  18;  ©eneca,  epist.  47,3;  SJacrob.  I,  11,  15).  SJollenb«  imföro^- 
betrieb,  h)o  fid^  jlbifc^en  §crm  unb  ©Haben  ber  meift  bem  ©Habenftanb   entfjjroffene, 
natürlid^  graufame  äuffe^er   cinfc^ob  (bgl.  ?!Rt  24,  49).    3*^^^  arbeitete  aud^  ber  ätdter^ 
ftlabe  auf  ben  Satifunbien  für  gelbö^nlid^  ungefcffelt  unb  ioar  leiblid^  gehalten ;  3)iommfen^  25 
bcfanntcr  SJergleic^   mit  ben  Jie^erfHaben  ber  ameritanifd^en  ^lantagen   trifft  faum  basJ 
richtige,    ©raufam  ioaren  nur  bie  ©trafen,  ioelc^e  bie  ©efügigleit  fiebern  unb  bon  bem 
entlaufen  abfc^tecfen   foDten:   fd^toere  ßü^tigung,  ^^fl^I""9^   9lrbeit  in  ber  2:retmül^le, 
im  3*binger,   in  ©teinbrüd^en   unb  SBergtoerlen.     3lber  bie  ©Habenaufftänbe  betoeifen, 
h)el^  übermäßiger  ©ebrau^  bon  biefen  „©trafen"  gemad^t  tburbe.    6in  ©jjrid^tbort  mie  30 
totidem  hostes  quot  servi  (©eneca,  ep.  V,  6  [471,5;  3Racrob.  I,  11,  13)  fagt  genug. 

©etoife  l^atte  e^  mand^er  ©Habe  beffer  loie  biele  ^eie,  h)enn  er  in  bomel^mem  ^aufe 
;;u  jjerfönlic^er  Sebienung  be^  §erm  beftimmt,   oft  großen  ßinflufe  erlangte;   bie  ©unft 
laiferlic^er  ©Haben  tburbe  bon  ©enatoren  umtüorben.    2lu(^|  ber  felbftftänbig  in  ipanbel 
unb  ©etoerbe  arbeitenbe  ©Habe,  ber  bem  $erm  nur  eine  beftimmte  älbgabe  ^u  entrichten  35 
l^atte,  baneben  aber  für  fid^  bcrbienen  fonnte,  mar  ^iemlid^  frei.  Siele  iocrben  bon  gugenb 
auf  an  nid^t«  anbere^  getoöbnt,  i^r  ©Habenlog  atö  felbftberftänblid^  l^ingenommen,  mand^c 
avi6^  bei  ber  38er))flegung  burc^  ben  .^errn   fic^  in  relatib  forgenlofer  ßjiftenn   XodifX  bc« 
funben  ^aben  (^^ilemon,  Xagaeg  227,  II,  536  Äodt).    Slber  jebcr  Xag  fonnte  il^n  in 
anbere  ^änbe  bringen.     Unb   toenn   auc^   gefc^riebene^  unb   ungefd^riebeneö  Siedet  bem  40 
©ftaben  n\ani)m  ©c^u^  bot,  er  blieb  red^tlid^  bod^  nur  Sefi^gegenftanb  (res  corporalis 
©aiu«  2,  13),   rec^tlog  ber  SBittfür  bee  ^enn  J)reiggegeben,  ber  ij^ärtefte  ©träfe  um  beg 
geringften  JJerfel^eng  hjiHen,  ja  aug  Saune  berl^ängen  fonnte.   2)aft  SJebiuö  ^oDio  ©ftaben 
njegen  Heinftcr  Ungefc^idElid^feiten  feinen  SDfuräncn  al«  gutter  bortperfen  lieg,  fanb  jlbar 
Stabel,   gefd^al^   aber   boc^  (2)io  (Saffiug  54,  23 ;    ©eneca,  dem.  I,  18;  dial.  V,  40, 2;  45 
^liniug  h.  n.   IX,   23).     Söag  bon   ©raufamfeiten   eitler  grauen   berichtet   Ibirb,    ift 
getüife  ebenfo  tüenig    übertrieben,  aU  )n)mn  bie  Äomöbie  ben  ©Haben  meift  aU  faul, 
gefräffig,  berfc^lagen,  biebifd[^,  auf  ben  ©d^aben  beg  Aperm  bebac^t  .^eid^net.  SKie  foUte  ber 
©Habe  auc^  anberg  fein*:?    Sittliche  9)lenfc^entüürbe  iourbe   an  iljm  nid^t   geartet,   ioie 
fic^  am  meiften  in  ben  gefd^led^tlid^en  fragen  ^eigt.     ©ein  2eib  ioar   preisgegeben  (2)io  50 
G^rVfoft.  or.  XV,  5).    2ln  alleg,  iüag  mit  gamilie  jufammcn^ängt,  l^atte  er  fein  Siecht; 
Ibag  beg  §enn  ©unft  il^m  in  biefer  §infid[^t  berftattetc,  toar  ftetg  tüiberruflic^ ;  bonSöeib 
unb  Äinbcm  fonnte  er  getrennt  toerben.    2llg  3^"0"i^  ^^^  ©cric^t  galt  nur  bie  3lug= 
fagc   auf  ber  golter  (3Jlommfen,  ©trafrec^t  416f.).     daneben   fdieint  boc^   h)ieber   in 
rcligiöfcr  §infu^t  grei^eit  getoäl^rt   unb  Siüdtfic^t  genommen  toorben  ^u  fein  (Surcf^arbt  05 
II,  134;  fierdfenrati^,  ©rabinfd^riften  49). 

2)ie  Sttntife  fommt  eben  nicbt  ^inaug  über  ben  a^iberfprud^,  baß  ber  ©flabe  ein 
SRenfc^  ift  (^l^ilemon,  ßjoifig.  22,  II,  484  Äod,  bgl.  bie  ©ammlung  bon  3)ic^ter= 
toorten  bei  ©tobäug,  florileg.  62  unb  aJJacrobiug  I,  11)  unb  boc^  nur  ein  ^ing, 
ävÖQdnodoVf  mancipium,  ein  ögyavov  ober  xifjjLia  e/üiipvxov  i^^\ioi.,  ethic.  Nicom.  eo 


426  Sflatierct  nnb  S^riftetttitiit 

VIII,  11,6,  polit.  I,  2,4).  %üx  Pato  (legg.  VI,  10)  ift  er  ein  SBefen  nicberer  Crb= 
nung,  Don  bcr  5latur  nur  mit  Äörjjerlraft  unb  I^alber  SSemunft  (§omcr,  Od.  17,  332) 
au^ßeftattet.  grcilid^  tüarcn  bie  ©Haben  ber  3)te^rjal^l  nad^  Sarbaren  {^lat,  rep.  V,  15, 
p.  469 ;   Xmop\).,  mem.  II,  7,  6),  alfo  für  ben  ©riechen  nur  ^albmenfc^en.  ^er  alt= 

srönüfc^c  6ato  rechnet  fieju  ben  STctergeräten  unb  iveift  jte  jum  SJie^  auf  bie  ©preu. 
Äne^t  unb  3?ie^  fte^en  6^20,  10;  ®t  5, 14  fo  gut  jufammen  h)ie  im  altgermanift^en 
unb  Icltifc^en  Siedet  (MG  LL,  III,  660.  662;  'I,  2,  1, 112;  aBafjerfd^Ieben,  »ufeorb^ 
nungen  124  ff.). 

3.  ®egen  @nbe  ber  $Rcpublif  ba^nt  fid^   ein  Umfc^toung   in  Beurteilung  unb  8e= 

10  I^anblung  ber  ©flatjen  an.  SRom  lernt  aud^  hierin  bon  ©ried^enlanb.  SWufeten  boc^ 
bie  römifd^en  Ferren  bie  überlegene  Silbung  ber  iij^nen  maffentoeife  in  bie  Äänbc  faHen- 
ben  gried^ifc^en  ©Ilatjen  (Orac.  Sib.  III,  525)  einfac^^  anerfennen.  3)iefe  brad^ten  aud^ 
ba^  freiere  Senel^men  Der  ©riechen  mit.  Unb  bie  ben  JRömem  fo  imjjonierenbc  ftoif(^e 
^l^ilofop^ie  t)er^alf  mit  iij^rer  Se^re  bon  ber  natürlid^en  ©leic^^eit  atter  9Kenf(^en  oucb 

16  ben  9)lenfd^enrec^ten  ber  ©Matten  m  immer  allgemeinerer  älnerlennung.  ^attc  boc^ 
ß^rvrw  ben  ©flauen  für  einen  „Öol^narbeiter  auf  2)auer"  mercenarius  perpetuus 
(©eneca,  debenef.  III,  22, 1)  erllärt.  3^)^?^^"  Cicero  unb  uro  enttpidtelt  jtc^^  ein  ec^tc^ 

Sreunbfd^aft^berbältni^.    Der  Sanblüirt  ßolumella  tjerlel^rt  fo  famerabfd^aftlic^  mit  feinen 
Hatten,  toie  eö  fd[^on  .teno^jl^on  im  Difonomifo«  Verlangt  l^tte.    piniu«  betrachtet  pe 

20  afö  feine  bienenben  greunbe  unb  Iä|t  il^nen  bie  grei^eit  nac^  ^Belieben  ju  berfd^enlcn 
unb  teftamentarifc^  ju  t)erfügen,  freilid^  mit  ber  d^arafterifttjc^^en  Sefc^^ränlung  dumtaxat 
intra  domum;  ber  ©Ilatjebarf  bieSrenje  ber  familia  nid^t  überfd^reiten  (ep.  VIII,  16). 
©eneca  befämpft  bie  grauf ame  Sel^anblung :  homo  res  sacra  homini  ep.  95  unb  be^ 
ftreitet  bie  I^eorie,  bafe  alleö,  tva^  ber  ©Ilat)e  tlj^ue,   nur  fd^ulbige  ^Pflic^^t  fei  (t)gl.  £c 

25  17,  10),  er  fönne  bem  §erm  audj^  SBol^lt^at  enoeifen,  benef.  III,  18—28;  dem.  I, 
17  f.  (Sjjiftet,  einft  felbft  ©flatje,  beflamicrt  über  bie  innere  fittlic^e  greij^eit  unb  Unfreie 
l^eit,  bie  mit  bem  äußeren  ©tanb  nic^t^  gu  t^un  f}ab^  (Diss.  I,  13).  Über  bie  in  Sil- 
bung  i^ertjorragenben  ©flatjen  fc^reibt  §ermij)p,  einer  aug  ibrer  ÜRitte,  ein  eigne«  SBerf 
(©uiba«  s.  V.  "Eg/uiTuiog  unb  ^largog;  FHG  III,  35;  bgl.  SKacrob.  I,  11,  41—45). 

80  ^lutarc^  berlangt  2lIter«bcrforgung  für  abgearbeitete  (6ato  5).  2)er  S^nft  Uip'xan  (geft. 
228)  fü^rt  biefe  Sluffaffungen  auc^  in  ba«  Siecht  ein,  inbem  er  Dig.  I,  1,  4,  au^brüd^ 
lic^  formuliert :  iure  natural!  omnes  liberi  nascuntur ;  quod  attinet  ad  ius  ci vile 
servi  pro  nullis  habentur  (b.  l).  nad)  bem  ^iftorifd^en  Siecht  ift  ber  ©flatoe  leine 
$erfon),  non  tarnen  et  iure  natural!,  quia  quod  ad  ius  naturale  attinet  omnes 

86  homines  aequales  sunt. 

Den  Umfc^iüung  ber  3Solf^uffaffung  ^xi  ©unften  l^umaner  S3e^anblung  ber  ©IIat>cn 
jeigen  bie  3Sorgänge  nad^  ber  ©rmorbung  be«  ©tabniräfeften  ^ebaniu«  ©ecunbu«  im 
3;al^re  61  (lacituö,  ann.  XIV,  42 ff.):  nur  mit  SDlül^e  JEonnte  ber  ©enat  bamal«  no(^ 
ba^  alte  ftrcnge  Siecht,  tDonac^  alle  im  Slugenblirf  ber  %f)at  im  ^aufe  antoefenben  ©flauen 

40  —  c^  ioaren  400  —  bem  lob  berfaUen  njaren,  burd^fü^ren.  Unter  $abrian  ttjurbc 
ba^  ©cfc^  abgcänbcrt;  biefer  Äaifcr  ent^iel^t  aud^  ben  §erren  ba«  lötung^red^t :  bcr 
Sflat)e  ift  —  toie  ba^  in  ®ried[^entanb  bon  je^er  Siedeten«  toar  (äntipl^.,  de  caede 
Herod.  48;  I)cmoft^.,  de  foed.  c.  Alex.  3)  Dom  öffenttid^en  ©eric^t  abjuurteilen. 
3?erfauf  in  bie  ©labiatorcnfd^ule  ober  baö  Sorbett   ift  nur  unter  Slngabe  eine«  triftigen 

45  ©runbcg  geftattet.  ^ic  ^oltcr  fott  cingefd^ränft,  bie  ergastula  fotten  befeitigt  toerbat 
(©partian,  vita  Hadr.  18,  7—11;  Inst.  I,  1,  8,2  fül^rt  bie«  auf  eine  Äonftitution 
bc^  Slntoninu«  ^iu«  j^urüdt).  ?!Rarc  3lurcl  gicbt  ben  ©Itatjen  fogar  ba«  Siecht  in  ©ac^cn 
Dcrfprod;encr  greilaffung  ben  §errn  t)or  ©eric^t  ^u  forbem  unb  tpegen  Ünterbrürfung 
cine^^  gu  ibrcn  ©unften  lautcnbcn  3;eftament«  ju   Ilagen.    greilaffungen   toerben   immer 

5()  mc^r  crlcii^tcrt,  unb  bie  gcfc^enfte  ober  ertüorbene  greil^eit  toirb  gegen  ben  SSerfuc^,  fie 
toicbcr  ^u  nickte  gu  mad^en,  gcfd^ü^t  (Cod.  Theod.  IV,  8). 

©0  ift  in  ber  ©cfe^gcbung  be^  bcibnifd^en  ))iom^  eine  fortlüä^renbe  Stufbefferung 
bcr  i?agc  bcr  ©flauen  nic^t  ;\u  Dcrfcnnen.  G^rifttic^c  ©inflüffe  fmb  babei  nic^t  nac^ju- 
hjcifcn  unb  tbatfäd>lid;   cbcnfo   unn?abrfd;cinlic^   aU  ber  t)on   anberer  ©eite   be^aujjtctc 

55  ]übifd>e  (Sinfluift.  ©ci  ben  ^ubcn  ift  frcilid;  bcr  bumanc  3ug  ^^cit  älter:  er  finbct  fic^  fdjon 
in  bcr  bcutcronomiftifd}cn  ©cfct^gcbung  ^t  15,  14  ff. ;  23,  16  ff.  (t)gl.  9?oh)adf,  ^ebr.  3lr(bäoI. 
I,  173—180),  ,sSi31,  13—15  ift  ba^  Wenfcbcnrcd^t  bc^S  ©flaben  ali  eine«' gleic^ertücifc 
t)on  ©Ott  crfd;»affcncn  tiefer  crfafet  aU  irgcnbiüo  in  bcr  ©loa.  2lber  e«  ift  jjunäd^ft  nur 
bcr  Stlaüc  aui^  ben   eignen  iU^lt^gcnoffcn,   bem  bie  gürforge  gilt :  er  mufe  im  7.  ^obrc 

(50  toiebcr  frcigclaffcn  tocrbcn,  CS]c21,2ff.;  .5er34,  8ff.    ^en  nic^ti^raelitifd^en  ©Haben  bc- 


SHatiem  nub  S^rifientitm  427 

urteilt  and)  noc^  bcr  lalmub  nid^t  önbcrö  atö  ba^  SJicl^  (Aboda  zara  I,  4,  fol.  13*»). 
Sotocit  fi(^  bei  ben  bon  "iRatur  J^arten  Sömem  ein  l^umaner  3^9  fleltenb  mad^t,  ift  er 
auf  ben  öerebclnben  ©influfe  ©ried^enlanb^  ^urücfgufül(iren.  25ie  ^a^Ireid^en  greilaffungen 
fmb  h)ic  bie  großartigen  Sauten  unb  bie  glän^enben  Sjjiele  Sluöfluß  ber  großt^uerifc^en 
9Jeigung.  3"  ^i"^  llbfd^affung  ber  ©flat^erei,  h)ie  Dberbedt  meint,  toäre  e^  bon  biefen  6 
Siorau^fe^ungen  au^  bo^  nid^t  gefommen. 

(Sinen  3^f*<*"t^  *>^"^  ©Hatten  fann  bie  äntife  ftd^  nic^t  benfen.  5Jur  aU  ^j^ilo- 
fojj^ifd^e  Utoj)ie  erfd^eint  er  ^ie  unb  ba  (Dgl.  SRoij^be,  ®ried^.  3loman\  196  ff.)-  3"  ^^"^ 
golbenen  ^^'italt^,  toic  eg  Äomöbienbid^ter  (^ufammengefteDt  bei  Stt^enäu^,  deipnos.  VI, 
94— 98)unb$l^ilofo})^en(5.Ö.  ^piato  imTimaeus  u.Kritias)f(^iIbem,  brandete  man  freiließ  lo 
feine  ©Hatten  (3J?acrobiu«,  saturn.  I,  7,  26),  ebenfo  tüenig  in  bem  ©dj^laraffenlanbe 
Sucian«  {äXt]&.  lax,  II,  11  ff.)  ober  bei  ben  ©t^mnofojj^iften  be«  $f.  Gattift^.  III,  6.9. 
3)er  Erinnerung  an  jene  golbene  3^^*  foUten  bie  römifc^en  ©atumalien  unb  äl^nlid^e 
©Ilat)enfefte  in  Sitten,  fi^bonia  unb  fonft  getoibmet  fein,  auf  gried^ifd^e  SJorbilber, 
nid^t  flJejiett  d^riftlic^e  3^^^*^^  Ö^^t  aud^  bie  ©d^ilberung  beö  Ootte^Ianbe^  in  ben  arab.- 15 
ät^io^.  uRatt^äu^aften  (p.  104  2en>i«,  119  Subge)  jurücf;  bgl.  Orac.  Sib.  VIII,  110 
(jübifc^):  ©leid^^eit  im  $abe«  =  II,  323  (d^riftli^):  gleic^^e  ©eligfeit.  aCBo  ber  Serfud^ 
gemad^t  lüorben  ift,  jene  Utojjien  in  Ileinem  Äreife  gu  DertDirllic^en,  bei  ben  ©ffenem  im 
Dftjorbanlanbe  (^ofejjl^u^,  arch.  XVIII,  21),  bei  ben  äg^j)tifc^en  3:^craj)euten  (^^ilo, 
de  vita  contempi.  p.  109  Gon^beare),  unb  in  gnoftif^en  ©eften  toie  bem  Äommu=  20 
niftentjerein  beö  Äar^)o!ratianer«  ©pijjl^ane«  (Slem.  älej.,  ström.  III,  2,  6),  tritt  meift 
auc^  ber  Oebanfe  ^erbor:  leine  ©Hatten!  S)ie  noth>enbige  Sebienung  beforgen  bie 
jüngeren,  ganj  fo  toie  eö  limäu^  (bei  2lt^enäu«  VI,  86)  bon  ben  ^I^olem  unb  ßofrem 
fdiilbert. 

II.  2)a«  S^riftentum  l^at  mit  fold^en  SBeftrebungen  nid^t«  gemein.    SBie  falfd^  ber  26 
^erfud^  (Äalt^off«)  ift,   e«  an^  fojialiftifc^^en  lenbenjen,  au^  ®manjii)ation^eIüften  be« 
Proletariats  herleiten  ^n  tootten,  erl^ellt  grabe  l^ier.    ®ag  (S^riftentum  übernimmt  einfad^ 
bie  ©flat)erei  ate  einen  nottoenbigen  Seftanbteil  ber  antifen  Äultur.    9lid^t  einmal  ber 
®ebanfe,  bafe  ©Ilaöerei  im  ^rtnjip  berttjerflid^  unb  i^e  Slbfd^affung  nur  mit  SRiidtfic^t 
auf  bie  3Ser]^ältniffe  ^inauSj^ufAieben  fei  (5)töl^lcr,  33aur,  6l(;riftentum  unb  Äird^e  369)  30 
läfet  ftd^  irgenbtoo  in  altd^riftlid^en  Duellen  belegen.    3efu«  fe^t  in  ben  Oleid^niffen  ba« 
aScr^ältni«  t)on§erm  unb  ©Hatten  einfad^  t)orau«:  3Jlc  13,  34;  3Rt  18,  23 ff.;  25, 14ff.; 
Sc  12,  42ff.;    17,  7 ff.;  lein  2Bort  über  Unred^tmäfeigtett!    ^aulu«   erllärt  au^brücflic^, 
baß  ba«  Sl;riftentum  bie  beftel^enben  SSerl^ältniffe  nic^t  aufl(;ebt:   toer  ate  ©Habe  berufen 
tourbe,  foU  ©Itoe  bleiben,  felbft  toenn   er  bie  greil^eit  erlangen  fönnte  (biefe  fc^on  t)on  36 
ben  SSätem  Vertretene  allein   rid^tige  3)eutung  be«  /näUov  xQV^^f^  i"  ^  ^^  '^f  2^  f^* 
fid^  tro|  Sutber,  Galüin,  3Jeanber,  §ofmann,  ®obet  u.  a.  neuerbing«  immer  allgemeiner 
burc^^,  f.  U^l^om,  SBeijfärfer,  §einrici,  ©d^miebel,  §amacf  u.  f.  f.).    9lud^  in  bem  Srief 
an  ^^ilemon  beutet   er  nirgenb«  ben  Söunjd^  an,  Dnefimu«  frei^iulafjen,  auc^  nic^t  in 
V.  16;  nur  milbe  93el^anblung  be«  nac^  ®efe^  unb  Srauc^  ftrengfter  ©träfe  SSerfattenen  40 
h>ill  $aulu«  burd^  feine  gürfjjrac^e  erjielen.     ©0  finben  toir  überaß  in  ben  j^eibend^rift« 
liefen  ®emeinben  —  über  bie  jubencpriftlid^en  ftnb  lüir  troft  31®  12,  13  (bagegen  ettoa 
3a  5,  4;   aJlt20,  Iff.)   nic^t  l;inreic^enb  unterrid^tet  —  ©Iiat)en,  unb   fivax  in  großer 
3abl;   l^ierij^er  gehören  bie  Seute  ber  S^loe  1  Äo  1,  11,  bie  au«  ben  ©Ilabenfamilien 
be«  äriftobul,  be«  Siarcife  9lö  16,  10.  11,  be«  faiferlic^en  §aufe«  5p^i  4,  22.    Iro^bem  16 
ift  e«  falfd^,   fid^  bie   älteften  ®emeinben  überlüiegenb  al«  ©Ilatjentjereine  borjufteHen. 
ßelfu«  l^atte  ba«  Gbriftentum  gerabeju  al«  Sieligion  ber  Ungebilbeten,  ©Hatten  unb  5Keiber 
bejeic^net;  Drigene«  c.  Geis.  III,  44—49   na^m   ben  SSortpurf  in  ber  jVorm  auf:   e« 
toenbet  fic^  aud^  an  ©Hatten !  ©flatjen  in  c^riftlid^en  §äufem  fefeen  bie  5Kal^nungen  an 
bie  $erm  Äol  4,  1 ;  @pb  6, 9  unb  befonber«  1  %\  6,  2  tjorau«.   j|ella  erfd^eint  na^  xfycn  50 
©nettung  mit  großem  ©Ilaöengcfolge  bei  ^aulu«  (Acta  apost.  apocr.  I,  266  Si^jftu«). 
Giemen«  9llej.,  paed.  III,  4, 26  t^erlüirft  toie  anbem  Suju«,  fo  aud^   eine  ga^lreic^e 
35ienerfd^aft ;  aber  er  fe^t  boc^  and)  im  d^riftlid^en  ^an\t  ©flatjen  t)orau«  paed.  III, 
11,  73;  12,  84.  ßine  gute  SHuftration  ^ierju  bieten  Acta  Philippi  66  (p.  27  Sonnet), 
U)o  ^ireo«,  ber  3?orne^mfte  ber  ©tabt,  nac^   feiner  SBefe^rung  ni^t  me^r   mit  grofeem  5f» 
®efolge  {jxera  dwixiov  xal  dyXov\   fonbem  nur  bon   jloei  ©Haben  begleitet  erfd^eint; 
t)gl.  nod^  ßl^r^foft.  in  I  Cor.  hom.  40  opp.  X,  385. 

Const.  Apost.  II,  62  ftnb  unter  ben  nottüenbigen  £cben«bebürfniffen,  xn  beren  ßinlauf 
ber  ß^rift  ben  3al?rmarlt  befuc^en  barf,  auc^  ©Haben  genannt.  2:^oma«aIten  c.  2  (p.  101 
Sonnet)  öerfauft  gar  Gi^riftu«  felbft  feinen  „©Haben"  Jl^oma«  al«  Säaumeifter  an  einen  inbi^  co 


428  SHilieret  nnb  (S^ti^tmhm 

fd^cn  iT^änblcr  (na(f»(5ebilbcl  in  bcr  arob.  ^rcbißt  bc^  Sart^olomäu^  p.  70  Sclüie) ;  Sobanne^ 
bicnt  al^  ©IIat)C  in  einem  Sabe^u^  (Acta  Joh.  p.  15  ff.  i\a!^n).  SDen  ettoa  burd^  bie  $rcbigt 
t)on  ber  (^riftUc^en  ^ci^cit  angeregten  ßman^i^ation^elüften  ber  ©Hatten  toitb  bun^toeg  ent- 
gegengetreten, befonber^  beni  2?erlangen,  au^  ©enieinbemitteln  lo^elauft  ju  n^erben  (Ign.  ad 

5  Polyc.  4,*0.  2)ie^  ^ätte  nic^t  nur  bie  ©emetnben  finanziell  überfaftet,  fonbcm  aud)  eine 
bebenfUc^e  -Diaffe  fc^toer  ^u  untcr^altenben  ^Proletariats  gefc^affen;  mu^te  boc^  ber  Jvrei= 
gelaffene  für  fic^  felbft  forgen,  tpeS^alb  ber  ^reilaffung  meift  eine  Dotierung  beigefügt 
tourbe  (Saltoian,  ad  eccles.  III,  7  CSEL  VIII,  278).  9?ur  in  einzelnen  gäflen,  tt)o  ba^ 
(S^^riftentum  beS  ©Haben  gefäbrbet  fc^ien,  ift  bie  Oemeinbe  biw^  eingetreten  (f.  g.  3).  mart. 

10  Pionii  9) ;  öfter  mögen  too^l^abenbe  ©laubige  il^re  ?(Kitbrüber  gefauft  ^aben,  um  ftc 
freijulaffen  (§erm.  mand.  VIII,  10;  sim.  I,  8;  Didasc.  18,  p.91,  26  =  Apost.  Const. 
IV,  1);  mxi^  Perist.  IX,  1  MSG  79,  801  a;  §ieron.  ep.  47).  Sej^eugt  ift  aber  aud? 
bafe  Gbriften  fic^  freilüittig  aU  ©Haben  ijerfauften,  um  mit  bem  6rlöS  arme  in  fpeifen 
(I.  Clem.  55,  2 ;    baj^u  bie  Gr^ä^Iungen  Don  bem  ^atrifioS  ^etruS  j.  3-   S^ftinian^ 

15  [SeontioS,  i^eben  beö  ^l.  3;oI;anneS  b.  Sarml^.  22,  p.  43  ff.  (Selber ;  Synax.  Const.  20  Jan., 
p.  408  2)ele^!ave|  unb  bem  Wönd^  2eon  um  58n  |3o^.  OTofc^o«,  prat.  spir.  112,  MSG 
87,  29751;  ®reg.  Xur.,  bist.  Franc.  III,  15,  p.  122  ff.  »mbt). 

2.  ©0  bleibt  e^  äu^erlid^  beim  alten;  innerlid^  aber  änbert  fidi  bod^  biele^:  ba^Ser- 
l^ättni«  bon  $erm  unb  ©Halben  erlangt  einen  neuen  fittlid^en  3"^öl^f   ^^^^  neuen  reli= 

20  giöfen  .öintergrunb.  9)lilbe  be^  §erm  unb  Streue  beö  ©Hauen  erfd^einen  im  i^^»^^"^""! 
afö  läu^flufe  ^jerf önlic^cr  Outl^er^igfeit,  bei  ben  G^riften  gehören  fic  jum  ^Prinjij) :  bie  §erren 
toerben  angel^alten,  ben  ©!taben  ^u  getoäl^ren  h)a^  red^t  ift  Äol  4,  1,  ba«  ©dielten  nacbju^ 
laffen  CS^)l^  6,  9 ;  2)ib.  4,  1 0  (l^arte  3ücbtigung  gilt  al«  I^eibnif^  $erm.  sim.  IX,  28,  8),' bie 
©Hatten  iocrbcn   fel^r  energifc^  ^u   freubigem  ©e^orfam  Äol  3,  22 f.;   ©p^O,  5ff. ;   2)ib. 

25  4,  11  unb  lüiDigem  ßrbulben  aud^  unberbienter  ©träfe  1  ^t  2,  18  ff.  ermahnt,  beibe  aber 
auf  bie  üBeranttoortung  bor  bem  ^immlifd^en  ^errn  l^ingelüiefen.  3!)a^  brüberlic^e  l^cr= 
l^ältni^  n)irb  ernft  genommen  ^^m  16,  ?!Rifebräud^  feiten^  ber  ©Hauen  aber  getoebrt, 
1  Ix  iy,  2.  §eibnifd^en  §erren  gegenüber  fidf^  burc^  treuen  2)ienft  au^jujeic^nen,  ift 
Qad}C  ber  CSl^riftene^re   IJiö,  1;   2:it2,  9f.    Gl^riftu^   l^at   nid^t  au«  ©Haben  greie, 

ao  fonbern  au^  fc^led^ten  ©Haben  gute  gemacht  (3luguftin,  enarr.  in  Ps.  124,  7,  MSL 
37,  U)53;  bgl.  conf.  IX,  8,47  bie  ©^ilberung  ber  d^riftlic^^en  Äinbermagb  feine«  grofe^ 
t)ätcrli(I;cn  §aufe«). 

3m  §eibentum  bleiben   bcftimmenb  boc^  bie  materietten  Sjjntereffen:   ber  §cn  forgt 
für  fein  Äa^ital  burc^  gute  Se^anblung  be«  ©flaben,  ber  ©Habe  für  fein  SDSol^l  but^ 

35  treuen  2)ienft  be«  .^erm.  I)a«  ß^riftentum  ftellt  bem  l^öl^ere  ^ntereffen  entgegen:  $aulu^ 
fd^eut  fid^  nic^t,  ben  ©eioinn  ber  §erren  ^u  fc^äbigen  burc^  2lu«treiben  be«  2Ba^rfagc= 
geifte«  au«  ber  5Jiagb  ju  $l^ilip>)i  31®  16,  16  ff.  Die  Stettung  ber  3Kenfd^enfecle,  auc^^ 
im  ©flauen,  ift  ba«  .Hauptanliegen.  I)al^er  c^riftlid^e  ,?>erren  bemül^t  finb,  il^rc  noc^ 
l^eibnifc^en  ©Haben  bent  (S^riftenglauben  j^u  gewinnen,    burc^  Überrebung,  o^ne  S^anc^ 

40  (Slriftibe«,  apol.  15,  p.  37  ^cnnerfe);  le^tere«  bcftätigt  burd^  bie  3;^atfa^e,  bafe  e«  auc^ 
bcibnifd)e  ©HaDen  in  cf^riftlid^en  .Käufern  gab;  6uf.,  h.  e.  V,  1,  14;  3lt^enagora^, 
8uppl.35;  Apost.  Const.  IV,  12;  Cbrvfoft.  in  Eph.  hom.  XXII,  op.  IX,  753.  '^Jlaö) 
aiuguftin  (serm.  dorn,  in  monte  I,  59;  civ.  dei  XIX,  16)  foH  ber  §au«bater  toie 
feine  .sUnber  fo  and)  feine  ©flaben  jur  redbten  SSercl^rung  ©otte«  erjiel^en. 

45  I)cr  d^riftlid^e  ©laubc  lieferte  aber  nic^t  nur  etbifc^e  5Wotibe:  er  gab  bem  ©Haben 
auc^)  etioa«,  \va^  er  fonft  nid;t  fo  leicht  fanb:  innerhalb  ber  ©emeinbe  fonnte  er  ju  einem 
©efübl  glcid;bered;tigten  9Jtcnf4)fcin«  fommen.  aöenn  ©Haben  aud^  in  anberen  religiöfen 
i^crcinen  ^niüii  Ijatim  (goucart,  Associations  religieuses  6  ff. ;  ^atd^^^amadt,  ©efell- 
fd;»aft«t)erfaffung  23,  14),   fo  tbut  ba«  bem  feinen  Slbbrud^,  baft  im  (Sl^rtftentum  mit  ber 

60  prinj^ipieacu  ©leid)fteUung  Dor  ©Ott  (1  Äo  12,  13;  ©a  3,  28;  Äol  3,  11,  ber  Unterfcbieb 
Uon  /freien  unb  ©flauen  ift  ebenfo  aufgel)oben  toie  ber  oft  bamit  jufammenfallenbe  i)on 
©ried^cn  unbi^arbarcn !)  UnrHic^  ßrnft  gemad;t  iourbe,  aud^  im  jlufteren  ber  3?erfammlungen. 
3ur  laufe  eine«  SHaDen  iuar  allerbing«,  ioic  ,^u  jebem  Seitritt  ju  einem  SSerein  Dig. 
47,22,  3,2,    bie  ©cnebmigung    be«  .sjerrn    erforberlid^   (Can.  Hippol.    X,  63;    noä 

55  l^ubtüig«  b.  5*rp»""nni  iöeamte  urteilen  fo,  5lgobarb,  epist.  ad  proc.  palatil  MSL  104, 
175);  iinirbe  fie  Derioeigert,  fo  galt  ber  ©HaDc  al«  aufeerorbentlic^e«  ÜKitglieb.  Xer  ge= 
taufte  ©!lat)c  aber  gcnoji  alle  fledUe:  Unterfd;ieb  ber  ''^Uäfee  gab  c«  nic^t.  ©Haben 
treten  in  ben  Mleruo  ein.  3lUc  ioir  v>on  bem  römifc^en  33ifc^of  ÄaUift  burc^  feinen 
©egncr  .<piW«^lVl  (Philos.  IX,  12)  beftimmt  ioiffen,  baf;  er  früher  ©flabc  toar  (er  battc 

60  bie  Iretmü^le  unb  bie  3*^fl"9^^'i^t><?i^  tn  ben  33ergn)erfen  ©arbinien«  lennen  gelernt))  fo 


SHatieret  unb  S^riftetttnm  429 

fönnen  toir  für  bic  '?Bl^f)x^af)l  bcr  crftcn  römifc^cn  SBifc^öfc  bicfcn  Urfprung  crfd^Iicfecn : 
ßuöreftog,  3lnifeto^  finb  ©flabcnnamcn.  ^iu^  ift  33ruber  be^  früheren  SHabcn  $erma^. 
^reilid^  lücrbcn  fic  meift  erft  öte  beigeladene  in  Icitenbe  ©tettung  gelangt  fein,  lüie  bae 
ja  au6)  in  ber  faiferlid^en  SScttoaltung  gefc^ab.  ©Haben  unb  ©flabinnen  aber  Iperben 
aU  SDläxi\)xcic  bon  ben  (Semeinben  t)ere^rt  unb  ge^riefen;  man  benfe  nur  an  Slanbina  5 
(ßufeb.,  h.  e.  V,  1,  17),  gelicitag  (Acta  Perpetuae),  ^otamiäna  (nac^  ber  SSerfion 
bei  ^ßattabiu«,  bist.  laus.  3),  $orj)I^V^iu^  (ßufeb.,  mart.  pal.  p.  78  SSioIet),  SJitali« 
(aimbrofiug,  exh.  virg.  1,2).  3n  ben  Canones  Hippolyti  VI,  46 f.  (p.  68  Sld^cli^) 
ift  beftimmt,  ba^  ein  tüegen  feinet  Gl^riftentum^  bon  feinem  Jperrn  (alfo  nic^t  öor 
bem  öffentlid^en  ®erid|t)  ge^üd^tigter  ©flaöe  Äonfefforenred^te  unb  ^reSbhlerrang  baben  10 
foB.  XertuBian,  de  idolol.  17  ertuartet  Don  bem  d^riftlid^en  ©Haben  unb  ^rei=j 
gelafjcnen,  bafe  er  feinem  ^etbnifd^en  §errn  bei  beffen  Djjfem  feine  3)ienftleiftung 
t^ue,  unb  5jJetru«  2lle|.,  can.  6  unb  7  belegt  bie  (^^riftlid^en  Ferren,  bie  i^re  ©flauen 
t)eranla^ten  für  fie  ju  ojjfem,  mit  l^ärterer  Su^e  aU  bie  ©flauen  felbft.  2luf  ben®rabs 
infc^riften  ber  d^rifllid^en  ßömeterien  finbet  ftc^  nie  bie  Sejeic^nung  „©flat)e"  (beSioffi,  15 
Bullet.  1866,  24);  umgefe^rt  ift  e«  fe^r  gebräuc^^lid^,  bie  ß^riften  ate  fold^e  „©flat)en 
©otte«"  ju  nennen  (1  ^t  2,  16;  3ljjf  1, 1;  §erm.  —  ein  ©ebrauc^  ber  fic^  übrigeng  a\x6^ 
in  einjelnen  tjorc^riftlic^en  Äulten  finbet). 

Kräftiger  atö  bie  2)eflamationen  eine^  ©eneca  unb  @j)iftet  toirfen  bie  furzen  SÖäorte 
2!atiang  orat.  11:     „Sin   ic^  ©flabe,    fo   trage   ic^   bie  ©flat)erei;    bin  id^   frei,  fo  20 
rül^me  ic^  mid^   ber   ebeln  ®eburt   nid^t";  tvomii  ^^^enäu^  IV,  21,  3:    „9lug  JJreien 
unb  au^  ©flatjen  mad^t  ß^riftu^  ©otte^finber,  aüm  gleid^ertpeife  ben  Seben  fd^affenben 
©eift   fc^enfenb"   unb   Drigene^  c.  Geis.  III,  51   ju   t)ergleid^en  ift:    „2)en  ©flat)en 
i^cigen  lüir,  h)ie  fie  eine  freie  ©efmnung  erl^alten  unb  burc^  ben  Sogo^  geabelt  toerben 
fönnen".    „grei^eit  unb  Rnec^lfc^aft  ber  2BeIt  fmb  nur  ©c^ein"    fagt  2!ertuttian  de  25 
Corona  13;   ß^r^foftomu^  (opp.  I,  784;    XII,  346)  bejeidj^net  fie   nur  afö  Flamen; 
©ünbe  unb  ©erec^tigfeit  ma^en  bie  Baä)^  au^.   „3)er  ©flabengeftalt  annal^m,  öerad^tet 
bie  ©flaben  nid^t",  le^rt  H^ritt  bon  ^erufalem   catech.  XV,  23,  MSG  33,  901.    3)ie 
d)riftnd^en  ©flaben  tperben  unterfd^iebSlo^  SBrübcr  genannt  (2lrift.,  apoL);  nobis  tarnen 
servi  non  sunt,  sed  eos  et  habemus  et  dicimus  spiritu  fratres,  religione  conservos  30 
Sactan^  inst.  V,  15,3.     2)ie  ^ra^i^  mag  biefem  ^^eal  nic^t  immer  entf^roc^en  l^aben; 
aber  bie  Äirc^e  f^ält  boc^  auf  gute  Se^anblung  ber  ©flaben  aud^  im  $aufe  (2)ibagc.  18, 
p.  89  —  Apost.  Const.  IV,  6 ;  ©l;n.  bon  (Slbira  c.  5). 

SSor  allem  i}ai  baö  ß^rtftentum  mit  boDer  (gnergie  bie  ©ünbcn  befämpft,  tpeld^e  bie 
©flaben  beiberlei  ©efd;led^teö  ju  SBerf^eugen  ber  Safter  mad)tm,  "Slan  lefe,  \va^  3"Pi"  3^ 
apol.  I,  27;  ^atian,  orat.  28;  Giemen«  2lle£.,  paed.  III,  4,  26,2  über  bie  gerben 
bon  Sul^lfnaben  u.  ä.  fagen  (übrigen«  auc^  fd^on  ©eneca  ep.  XV,  3,  24).  ßl^rifts 
liebem  ©influfe  finb  bann  a\x^  bie  2lbfd^affung  ber  Äreujigung«ftrafe  unb  ba«  Sjerbot 
be«  Sranbmarfen«  ber  gugitibi  burd^  bie  fonftantinifc^e  ©efe^gebung  (3Kommfen,  SRöm. 
©trafre(^t  921;  "BJarquarbt,  ^ribataltert.  184)  ju^ufd^reiben.  40 

III.  2)ie  d^riftlic^e  Äird;e  l^at  bie  ©f laberei  al«  einen  Xeil  ber  antifen  Äultur  über- 
fommen,  unb  aud^  jur  Äerrfd^aft  gelangt  i:}at  fie  nid^t  baran  gebadet,  fie  abjufd^affen. 
3)ic  Drbnung  ber  Ibirtfc^aftlic^cn  ^erf^ältniffe  überliefe  fie  bem  Staat,  \päta  l}at  fie  biel^ 
fac^  beffen  6rbe  angetreten  unb  bamit  bie  ^flid^^t,  befte^enbe  Siedete  ju  fc^üften.  9lid^t 
bic  'ÜKenfd^enred^te  im  ©flaben,  nur  fein  d^riftlid^er  ©laube  intereffierten  fie.  ^a  man  46 
mufe  fagen,  bafe  je  mef^r  ba«  d^riftlic^e  Seben  berlüeltlicbtc,  befto  ftärfer  auc^  tüieber  bcr 
feciale  Unterfd^ieb  unb  bie  .^ärte  be«  3"f^^*w^^  f^erbortreten,  allen  Semül^ungen  um  einen 
äu«gleid^  unb  eine  Seffcrung  bon  innen  ^erau«  jum  3:ro^.  9iur  in  ben  Älöftem  erhielt 
fic^  in  eigenartiger  3Kifd^ung  antitftoifd^er  unb  altc^rifthd^er  3)lotibe  ber  ©ebanfe  ber 
©leic^bered^tigung,  ber  3Renf^enh)ürbe  audi  be«  ©flaben.  SSon  l^ier  ging  bann  fj)äter  50 
bic  UmtDäijung  au«. 

1.  ©d^on  in  ber  römifd^en  Äaifer^eit  toar  al«  ^olge  ber  im  ^rieben  ftarf  ab? 
ne^menben  ©flaben^uful^r  unb  be«  baburd^  bebingten  Übergang«  bon  ber  Satifunbien^ 
toirtfd^af 1 5um5}ieiereibetrieb  an  bie  ©teile  be«  alten  ©flabenre^t«  ba«  ber  ßoloncn  getreten, 
b.  ^.  ber  jtoar  ^jcrfönlid^  freien,  unberfäuflid^en,  ^ribatred^tlid|^  red^t«fäl^igen,  aber  boc^  an  65 
bic  ©c^oUe  gebunbenen  §albfreien,  §örigen  (Cod.  Theod.  V,  17;  Just.  XI,  48,  50). 
Oft  mögen  ©flaben  gu  Colonen  aufgerürft,  öfter  no^  freie  Säuern  baui  l^erabgebrüdft 
toorbcn  fein,  tiefer  ^rfc^einung«form  be«  3uffli""^«"6nid^«  ber  antifen  Äultur  fteUt  fidf» 
bann  in  ben  neu  entfte^enben  germanifd^en  Slcic^en  bie  §örigfeit  ber  untertborfcnen  ^e- 
böltcrung  jur  ©eite,  bic  jtoar  anber«  begrünbet,  boc^  ou«  ber  gleichen  agrartoirtfc^^afts  60 


430  SniHerei  nttb  S^riflttittim 

liefen  Setricb^form  l^erau«  ju  t)crftcl^cn  ift:  bicr  tDtcbcrl^oIt  fic^  bie  §eIotie  bcr  botifc^cn 
3SöIfem)anberun0.  211^  ßrbuntcrtl^äntgfcit  l^at  fid^  biefe  ärt  ber  Unfreiheit  biclfa(<^  bi^ 
in  bie  neuere  ßeit  erhalten  unb  ift  grabe  nad)  bem  breifeigiä^rigen  Äriege,  im  18.  ^a^x- 
l^unbert    fteDenlüeife   tpieber    ju   einer  an   ©Ilat^erei   erinnernben   gorm  ber  £eibeiflen= 

6  fd^aft  entartet  {Rna!pp  23  ff.).  2)ic  fiird^e  ift  an  alle  bem  fo  gut  h)ie  unbeteiligt,  fte  bat 
gelegentlid^  ber  Unterbrüctten  fid^  angenommen;  au^  ben  ßalbfreien  f^ai  fic^  ^etttpeife 
il^r  Äleru«  refrutiert  (3;i^eganu^,  vita  Ludov.  imp.  20,  MSL  106,  4U;  ßj^robegang, 
reg.  5);  fie  l^at  aber  felbft  ^^errenrec^te  au^eübt  unb  fd^Iie^lic^  fid^  toenig  fällig  crtüiefen 
ju  einer  fittlid^en  Seeinflufeung  unb  Umgeftaltung  be^  Ser^ältnijfe^. 

10  daneben  aber  l)at  e«  big  in*  fpätere  3)littelalter  I^inein  überall  auc^  lüirflic^e  ©flatoen 
gegeben  (baservus  beibe  arten  ber  Unfreiheit  bejeic^net,  ift  bie  ©ad^lage  nic^t  immer  Mar  |iu 
erfennen;  ba«  englijd^e  serfdom  ift^örigfeit;  erft  feit  bem  lO-^a^r^unbert  fommt  im  Untere 
fd^ieb  baju  ©flat)e  auf  [nac^  ber  bi^^er  üblichen  änfid^t  infolge  ber  beutfd^en  ©labcnfriege, 
nad^  Sanger  ^uerft  bei  ben  3Senetianem,  bie  t)om  fc^toar jen  *3)ieer  l^er  Slaben  imjjortierten]  unb 

15  verbreitet  fic^  feit  bem  13.3jfl^ri^.  über  alle  Sjjrad^en).  2)ie  Äird^e  felbft  befafe  folc^e  unb 
machte  i^r  Sec^t  auf  fte  f o  nad^brüdlid^  geltenb  ate  irgenb  ein  ©flabenbefiler.  ßntflol^enc 
muffen  ^urüdtgebrac^t  unb  feftge^alten  h)erben  ((Sregor  I.,  epist.  IX,  30;  conc.  Drl6ang541 
c.  32);  bie  an  ©teile  ber  SBranbmarlung  getretenen  eifernen  §aUringe  fürgugitibi  tragen 
mel^rfad^  d^riftlic^e Embleme  (be  Sloffi,  Bullet.  I,  49— G7).  3)er  ©flat)e  blieb  nac^  mittclalter= 

20  lidj^er  SRed^t^anfc^auung  toerfäuflid^e  Söare  (fird^lid^e  Äanone«  bon  SBale«  unb  ©d^ottlanb 
fe^en  ba«  SBJergelb  in  ©flauen  anl)  unb  in  ben  toid^tigften  Seben^entfd^eibungen  h)ic 
bem  ©inge^en  einer  Q^^  an  bie  S^ftimmung  bc^  $erm  gebunben  (Drlßan^  514,  c.  24); 
aber  er  erhielt  (lüie  fd^on  bei  ben  ©riechen  unb  in  ber  fjjäteren  römifc^^en  ©efe^gebung) 
eine  befd^ränfte  Stec^tg-  unb  SSermögen^freii^eit  unb  ben  ©d^u|  be«  SBergelbe«.  3)te  Äirt^e 

25  nal^m  fid()  feiner  infofem  an,  al^  fte  biefe  JRcd^tenormen  unter  il^ren  ©d^u^  ftetttc,  bem 
©d^u^lofen  ein  2lf^l  bot,  auc^  auf  milbe  SBel^anblung  brang  (Drlßan«  511,  c.  3;  (S^aon 
517,  c.  34.  39;  Drl6ang  549,  c.  22;  3)lacon  585,  c.  8;  ßlid^^  627,  c.  9;  G^lon^ 
813,  c.  51),  i^m  bie  ©onntagörul^c  fid^erte  (Serg^amfteb  697  u.  ö.).  ©ie  fuc^t  ben 
§erm  für  bie  ©ittlic^Ieit  feiner  ©Hatten  Deranttoortlid^  gu  machen  (SBenebif 1 2et)ita  I,  9) 

30  unb  ftellt  j.  33.  ben  Äonfubinat  mit  ber  ©flaüin  unter  Äird^enjud^t  (ginnian«  Poenit. 
39.  40,  p.  117  SBafferfc^leben;  S.  Ä.  m%  ältruff.  ftirc^enrec^t  278).  3Ba«  früher  ba^ 
faiferlidie  ®efe^  getrau  l^atte,  ba«  übernimmt  je^t  bie  Äirc^e,  bor  allem  bie  ©idierftcllung 
ber  greilaffung  gegen  toiHfürlic^e  Slücfnabme  (Drl§an«  549,  c.  7;  9leud^ing  772, 
c.  9).    3)ie  einjelne  Äird^e  übt  eine  2lrt  5ßatronat  über  bie  in  il^r  greigelaffenen  (^ri^ 

35  556/73,  c.  9). 

^eilaffungen  tparen  bei  ben  Reiben  fd^on  in  au^cbe^nteftem  ?!Ka^e  üblic^,  jumal  bei 
lobe^fätlen,  Ido  fie  tjietleic^t  al«  Umgeftaltung  be^  urfprünglid^en  ©flat)enoJ)fer«  anjufe^en 
fmb:  bgl.  Acta  Philipp!  81,  p.  32  Sonnet;  ActaPetri  c.  Simone  28,  p.  77  i'ipfiu^. 
Sei  ben  ßl^riften  nehmen  fie  befonbcr^   feit  bem  Übertritt  ber  ©ropen  unb  Sleic^en  im 

40  4.  $ja^rl^unbert  ungel^euern  Umfang  an.  Slber  man  erfennt  beutlic^^  fd^on  in  ben  apctx. 
3lj)oftelgefd^ic^ten (Petri  etAndreae20,  p.  126  Sonnet;  ät^.  ^etru^aften  p.  11  Subge), 
bafe  fie  nic^t  al^  (E^riftcnpflic^t,  fonbcm  al^  aefetifc^e  Überleiftung  getoertet  toerben,  auf  einer 
©tufc  mit  3Sermögengt)er|^ic^t ;  nid^t  um  ber  ©Ilaöen  toillen  gefd^el^en  fie  — im  ©egenteil, 
bicfc  iüoHen  fie  oft  gar  nid^t  (Hist.  Laus.  61,   p.  156  Sutler)  —  fonbem  gur  ©clbft= 

45  cntäufeerung.  ©ie  gehört  nic^t  jur  Selcl^rung  jum  Gl^riftenglauben  (bie  greilaffungen 
Don  1250  U^tv.  1400  ©flauen  au^  ainlafe  ber  2;aufe  in  ben  Slften  be«  $a))^eö 
äleianber  V.  unb  beö  l^l.  ©ebaftian  ["üJiöljler  100]  fmb  burd^auö  apoitopf)),  fonbem  pxx 
Conversio  in  bem  fpäteren  ©innc  beig  Sintrittö  in  ben  3Könd^öftanb,  f.  bie  ©efc^icbte  be^ 
©ilbcrfd^mibtö  3lnbronicuö  in  ber  vita  abb.  Daniel  lo  ed.  ßlugnet,  Revue  de  TOrient 

50  ehr6t.  V,  372.  377;  3luguftin,  serm.  356,3.6.7;  vita  Melaniae  34,  p.  19  ed. 
9{am^oaa,  ba^u  p.  219ff. ;  ^aulin.  5iül.,  carm.  XXI,  256;  vita  Piatonis  a.  Theod. 
Stud.  8,  MSG  99,  809;  vita  Theodori  Stud.  5,  MSG  99,  241.  121;  vita 
Sampsonis3,  MSG  115,  281;  Synax.  CPtanum,  p.  714,23  3)cle^aVe.  greilaffumj 
gel;ört  übrigen^  auc^  im  ^Üam  ju   ben  Derbienftlid^en  SBcrfen.    2)er  SKt   boD^ie^t  fic^ 

55  loie  einft  in  ben  2:cnij)cln,  fo  im  c^)riftlid;en  ^Heid^  meift  t)or  bem  Sifc^of  in  ber  fiircl»c 
(©ojom.,  h.  e.  I,  9,  (>;  Cod.  Theod.  IV,  7,  p.  179  ^IKommfen).  Slud^  bie  eigentüm- 
lid^e  3lrt  ber  Jyreilaffung  in  gorm  einc^S  ©d()einberfaufö  ober  einer  ©d^einfc^enlung  an 
einen  ©ott,  einen  icmjpel,  \vk  fie  nn^  bie  bclj)l^ifd^en  3;nfd^^if^<^"  fennen  gelehrt  ^ben 
(J^oucart  186f;;  ©c^mrcr',  III,  5:J),  tüieberbolt  fic^  ^ier  (Seifpiele  bei  3Ki)^ler  126f.  unb 

60  MSL  99,  659:  AquUeja  1351!). 


@f(atierei  nnb  S^rifletttitm  431 

2.  3l\6)t  bic  offizielle  Rird^e,  bie  ftd^  afö  8ejc^ü|crin  be^  beftel^enbcn  JRcc^tcg  fü^It, 
f onbem  bic  5Dlöncl;^trcife  ^aben  auf  SBefeitigung  ber  ©f laöcrci  Eingearbeitet  unb  fie  fc^lic^- 
lid^  erreicht.  3)abei  fmb  e^  antife  3Kotit)c  ftoifd^-f^^nifci^er  ^P^ilofop^ie,  bie  fic^  l^ier  mit 
c^tiftlid^en  Oebanfen  Dcrbinben.  ©o  fd^on  in  ber  übereinftimmenb  Don  G^r^foftomu^ 
(opp.  I,  782;  IV,  290;  IX,  141.  165.  177;  X,  385)  unb  äuguftin  (civ.  dei  XIX,  6 
15)  Dorgetragenen  I^eorie,  bafe  bie  SIIat)crei  ber  Urzeit  fremb  getpefen  (f.  oben  6.  427 
golbene^  3^^^*"^^^)  w"*^  ^P  ^^rc^  bie  ©ünbe  i\p^,  ®en  9,  25)  in  bie  SKelt  gelommen 
fei.  3)iefer  mönd^ifd^en  X^eorie  toirb  t)on  ben  Äird^enmännern  ^raftifc^  feine  golge  ge* 
geben,  bielmeij^r  burd^toeg  ba^  Siedet  beö  §enn  an  feine  ©flaöen,  aud^  ba^  3^^^*0""9^- 
red^t  anerlannt  (f.  bie  ^atriftifc^en  Äommentare  g.  1  Äo  7,  21;  ^fioox  $eluj.  epist.  IV,  lo 
12,  MSG  78,  1060).  311^  mönd^ifc^er  ©eelforger  greift  ©regor  I.  epist.  VI,  12  in 
©orten,  bic  an  bie  ftoifc^cn  ^wi^iftcn  erinnern,  bic  greilaffung  al^  gute^  SBcrf ;  al^Sifc^of 
^ält  er  bi^  jur  ©raufamleit  S)i«jij)lin  über  bie  ©Haben  feiner  Äird^e  (ep.  IX,  200); 
ja  fird>lid^e  Kanone^  t)erbictcn  ben  Sifc^öfen  unb  Slbten  bie  greilaffung,  bamit  ba« 
fiirc^cngut  nid^t  Verringert  toerbe  (ägbe  509  c.  7  u.  o.) ;  tro^bem  fommt  fte  oft  Dor  15 
(f.  u.  a.  §atcE-§arnadf,  Orunblegung  36  f.).  Äird^lid^e  Äanone«  fid^ern  ba^  Scfi^rec^t 
ber  i^enen  gegen  (gnteignung  unter  bem  33orh)anbe  ber  Sleligion  (®angra  343,  c.  3); 
o^ne  3uftimmung  be^  §crm  barf  lein  ©flabe  in  ben  Äleru«  eingereiht  ober  in  ein  Älofter 
aufgenommen  toerbcn  (Seo  I.  epist.  4  MSL  54, 61 1 ;  ßl^alfebon  451,  c.4;  Can.  apost.  81 ; 
Oelafiu«  ep.  9,  14  MSL  59,  52);  entlaufene  müfjen  jurüdgebrad^t  toerben  (DrI6an«2o 
541,  c.  32).  Der  3Könd^^roman  Der^enlic^t  bie  fromme  Don  ®ott  bcfd^ü|tc  ^luc^t 
(Jpieron.,  vita  Malchi).  SDic  ftird^c  rid^tete  balb  aud^  ben  fojialen  Unterfc^ieb  bei  fid^ 
toiebcr  auf:  felbft  greigelaf|ene  fottten  bom  Äleru«  au^gefc^lofjen  fein  (Slöira  e.  80)  — 
fpäter  traten  freiließ  Diele  porige  ein!  —  im  Älofter  fanben  aud^  ©flauen  unterfd^ieb^Io^ 
aiufna^me  (3l\M,  epist.  IV,  4,  MSG  79,  552).  3ftbor  Don  ^Pelufium  ft)rid^t  in  25 
einem  mit  ^^m  ju  Dergleic^enben  @mj)feElung^brief  für  einen  toegen  eine^  Ssergel^eng 
entflogenen  ©HaDen  gerabeju  fein  SBefremben  au^,  bafe  ein  Gl^rift,  ber  bic  aDbefrcicnbe 
®nabe  fenne,  no^  ©flaDen  1)ah^  (ep.  I,  142,  MSG  78,  277);  iebenfaD^  fmb  fie  al« 
3Kenfd^en  ju  be^anbeln  (ep.  II,  471,  p.  440) ;  Sj^^Änncö  ßlcemon  toci^  J^art^crgigen 
§erren  einbringlid^  jur  3Jlilbc  jugureben  unb  im  9iotfatl  ben  ä5erlauf  beg  ©IlaDcn  ju  30 
crgtoingen  (vita  33,  p.  65  ®eljer).  S)ie  Äirdj^e  befx^t  ©Haben,  bic  Älöfter  foHcn  bie« 
nic^t.  ©d^on  ^piaton  l^attc  für  ©aflubion  feine  ©flaben  gebulbet(MSG  99,  825)  unb 
Il^eobor  Don  ©tubion  jjrotcftiert  in  feinem  leftament  energif*  gegen  ba«  ©flaDen^alten 
mit  bem  beac^tcn^toerten  B^f^l-  ^^"  SKcltc^riften  ift  e«  erlaubt  n)ie  ba«  heiraten!  (c.  4, 
MSG  99,  1817).  Il^eobor  Don  Santcrburv,  poenit.  8,  MSL  99,  931  erflärt  —  übrigen«  35 
nid^t  jutreffenb  —  bie  gried^ifc^en  3Bönd^e  l^aben  feine  ©flaDen,  bie  römifd^en  ^aben. 
Senebift  Don  äniane  nimmt  j.  33.  bie  ©d^enfung  Don  porigen  mit  ben  ©ütern  für  fein 
Älofter  nid^t  an  (AS  Ord.  Ben.  I,  197).  I^eobor  fe^t  auf  ?!Kenfd^enraub  unb  ^^anbel 
«ird^enbufee  (MSL  99,  962.  966). 

3.  2)ie  Äirdj^e  intcrefficrt  fic^  nic^t  fo  fej^r  für  ben  ©flaDen  aU  fold^cn,  fonbem  nur  für  40 
ba«  ß^riftentum  bc«  ©flaDen :  bal^er  ba«  feit  Äonftantin  immer  erneute  SSerbot,  ba^  3jwben 
c^riftlidic  ©flaDen  befi^en  (gufeb.,  vita  Const.  IV,  27;  Cod.  Theod.  XVI,  9  =  Just.1, 
U)\  ©regorl.,  ep.  II,  6;  111,37;  IV,  21;  IX,  104.  213.  215;  Drl6an«538,  e.  14;  541, 

c.  30  u.  f.  f.).  2lud^  ba«  35crbot  ber  ©f laDenau^fu^r  au«  ben  Derfc^iebenen  c^riftlid^en  SJeic^cn 
(ß^alon«  639/54  c.  9;  ©cfc^c  Äarl«,  I^affito«  u.  a.)  ^at  nid^t  nur  toirtfc^^aftlid^e  Sc^^is 
beutung,  fonbern  ^ängt  jufammen  mit  bem  3Serbot,  c^riftlid^e  ©flaDen  an  Reiben  m 
Derfaufen  (£e>)tine«  743,  c.  3;  än^am  1009,  c.  77 ;  9Hcäa  787,  c.  8;  £.  Ä.  ®ö^,  ält= 
ruff.  Äirc^^enrec^t  152;  Dgl.  3ofe)>l^.,  arch.  XVI,  1.  2).  Sonifaj  flagt,  ba^  ben  Reiben 
©flaDen  ju  i^ren  3Renf(bcnopfern  geliefert  toürben  (MSL  89,  578).  3"^^  3^'^  Swbs 
h)ig«  b.  gr.  trieben  jübifdpc  §änbler  Don  St^on  einen  fc^lpungDolIen  $anbcl  mit  ßijjriftens  so 
fflaDcn  nac^  ©^anien  unb2lfrifa  (2lgobarb,  de  insolentia  iudaeorum  MSL  104,  72. 
76  u.  ö.).  3)aneben  tparen  bie  3?enetianer  berüchtigt,  bcnen  5paj)ft  3fld^fltia«  einmal  bic 
geraubten  Sbriften  abfaufte,  um  fic  frci^ulaffen  (lib.  pontif.  22,  p.433  S)ud^c«ne).  SRom 
tpar  fonft  gerabe  ein  §au})t^anbel«jjla^.  Über  ben  ©flaDcn^anbel  Don  9lorb  nac^  ©üb  f. 
^aulu«S)iac.  Gesta  Langob.  I,  1.  ©r  fteigerte  [xd^  beträd^tlid^  feit  ben  ©laDcnfriegcn  6b 
unb  ben  ^rtareneinfäUen.  2)ie«  toaren  meift  Reiben.  2lm  ftrengften  Der^)önt  tuar  bie 
(Sntmannung,  unb  boc^  tourbe  fie  j.  S.  Don  ben  §änblem  in  Serbun  eifrig  geübt  unb 
SiuH^ranb  bringt  al«  faiferlid^e«  ©cjd^cnf  Dicr  au^gcjeid^nctc  ©unud^en  nad^  S^janj  (leg. 
VI,  6,  MSL  136,  896). 

@rft  im  12.  unb  13.  ^al^rl^unbcrt  fommt  bic  eigentliche  ©IlaDerei  im  norbn)eftlid^en  eo 


432  SHatiern  itnb  S^rifietthiiit 

©uropa  ab  —  bic  ßrbuntcrtbänißfcit  (Scibci^jcnfc^^aft)  bleibt.  "^Stan  mufe  bic^  ate  ^robuft 
bcr  neuen,  l>on  ber  älntifc  rclatto  unab^ängicjen  c^riftUd^cn  Äultur  auf  nationaler  ©runb- 
läge  be^eic^nen,  bcren  tüefentlic^fter  Iräger  bamal^  ba^  3)tönd^tum  toar.  S)a^  DJeue  i[t,  bafe 
je^t  nic^t  «lel^r  ber  3JerIauf  bon  ß^riftenfflatjen  an  .Reiben,  fonbern  ber  3J?enfci^en^nbel 
6  a(^  folc^er  verboten  tpirb;  fo  in  einem  ®rlaf;  Äonrabg  II.  bom  ^^^re  1031  (MG  LL 
II,  38*)  unb  auf  einer  ©^^nobe  ju  Sonbon  1 102,  c.  27.  2)ic  ^ormel  ift  homines 
sicut  bruta  animalia  venundari;  ebenfo  bei  ®uibcrt  bon  ^logent,  Gesta  dei  per 
Francos  I,  2. 

Dagegen  erhält  fic^  bie  ©Ilaberei  im   ganjen  ©üben  ©urojja«,  l^auptfäc^lic^  burd^ 

10  bic  fortbauernbc  feinblid;e  ScrüF^rung  mit  ben  Sänbem  be^  3«Iam.  2)en  Ungläubigen 
gegenüber  gilt  beiberfeit^  ba^  alte  Ärieg^rec^t:  ber  Ärieg^efangene  toirb  ©Habe.  ®ie 
Giraten  Reifen  mit  TOenfd^enraub  nad).  2)ie  ®eh)o^n^eit  lä^t  bann  bie  ©flaDerei  axidi 
auf  6^riften  au^be^nen,  Wogegen  bie  Äird^e  (j.  93.  ^nnocenj  IV.  1246)  ijcrgeben^ 
Jjroteftiert,   ^umal   fie   felbft  ©flaberei   aU   ein  ©trafmittel  gegen  Äefeer  (conc.  Later. 

16  1179  c.  24)  unb  gcinbe  be«  aj)oftolifcl^en  ©tul^Ie«  (j.  93.  bie  Scnetianer  1309.  1483, 
Florentiner  137(),  Snglanb  1535),  aber  aud^  für  Äinber  am  ^ßrieftere^en  (lolcbo  655, 
c.  10,  tüieber^olt  ^ama  1022  unb  aufgenommen  in  ba^  2)ecr.  ©rat.  II,  c.  15,  q.  8,3) 
anerfennt.  2)ie  Äreu^fal^rer  nahmen  im  Orient  al^balb  bie  bortige  ©itte  an;  bic  £a= 
teiner  fd^euten  ftd&  nid^t,  gried^ifd^e  Gl^riften  ju  Btia\)tn  ju  machen.   3)ic  9?ac^h>irfungcn 

20  be^  römifd^en  5Hed^te^  in  93^jani  unb  ©panien,  fein  SBieberaufleben  in  S^^lien  erleid^terten 
bie  <Ba6)^\  baö  anfeilen,  baö  miftotele^  bei  ber  ©c^olaftif  genofe,  bcranlafete  biefe  fogar 
ju  einer  t^eologifc^cn,  ftc^  mit  2luguftin  becfenben  ^Rechtfertigung  (Aegidius  de  reg. 
prine.  III,  2,  13—15;  Il^omaö  Siquin.,  Summa  I,  96,4;  äntonin  bon  ^lorenj, 
Summa  III,  3,  6,   nod^  ®ur^,  Compend.  theol.  mor.  *1868,  238).   Steic^c«  urfunb= 

26  lic^eö  3Katerial  ift  gcjammclt  bei  D.  Sanger.  2)anac^  l)at  nic^t  nur  33vjanj  bie  ©flaberei 
aU  ftänbige  Sled^töcinrid^tung  gelaunt  —  meift  ©flaben  au^  bem  Orient  unb  bom  fd^tbar^en 
SJlecrc  ^er  — ,  fonbcrn  aud^  Italien.  SDic  grei^eit^bwHamationen  griebricf|g  IL  für 
©i^ilicn  1231,  ber  ©täbte  Sologna  1250,  glorenj  1289  begießen  [xd^  auf  hörige  Sauem. 
©rabc  im  14.  unb  15.  !3a^rf)unbert  fam  e^  in3Kobe  ©Haben  ju  galten,  fretli^  nur  aB 

30  Suiu^fadf^e,  in  geringer  3^^!^  ^^^^  oud^  bei  ©ciftlid^en  unb  am  ^jä^ftlid^en  §ofe.  5Jo(6 
1518  beftätigte  ^^iaul  III.  Saien  unb  Älerifem  ba^  SRed^t  ©Haben  ^u  [galten.  3Senetiancr, 
l^ifaner  unb  ©enuefen  finb  mcl^r  ©Haben^änbler  al^  Sefi^er.  dagegen  ^at  in  ©panicn 
bi^  in«!  16.  S^^i^^wttbert  fjinein  eine  ©flabeniüirtfd^aft  im  altrömifc^en  ©inne  beftanben, 
mit  laufcnbcn  bon  Waurcnftlaben,  bie  bei  bem  Unterfd^ieb  ber  ^Religion  unb  SJaffe  aucfc 

35  mit  aller  §ärte  bebanbelt  tourben.  9icger,  bie  bon  jel^er  unb  überall  atö  ©flaben  ju 
finben  toaren  (fd^on  im  alten  !ägbj)ten,  in  93i;5an3  unb  3t<*li<^")  ""^  ^'^  i^^^  ©Haberei 
gefc^affen  erjdjiencn,  tocrbcn  feit  i441  bon  bcn  ^ortugiefen  bireft  eingefül^rt. 

Umgefebrt  gerieten  freiließ  auc^  ß^riftcn  in  bie  ©Haberei  ber  Ungläubigen.  3^icö 
führte  ju  bcr  ©tiftung  gtocicr  Orbcn,  ber  "ilrinitaricr  (1198)  unb  3Kercebarier  (1230)  pro 

40  redemptionecaptivorum(f.  SbXIV,  150  ff.).  Soöfauf  bon  ©efangenen  galt  bon  altera  ale 
gute^  äöcrf,  f.  "iM)  5,8;  1  TOa  3, 41 ;  2Ü)la8,l  1 ;  Smbr.,  ep.  18;  ©ocr.,VII,21 ;  ©rcgorl., 
epist.  IV,  31;  VI,  32;  vita  s.  Remberti  18.  Äird^lid^e  ©infünfte  tburben  ba^u  bcr- 
tocnbct  (Gl^alon^  (i50,  c.  9).  ^^ctru^  Jiola^fu^  na^m  mit  feinen  3)lercebariern  fogar  ba» 
iknfpiel  ber  ©clbftcntäufeerung  (f.  oben  ©.  428,  12)   be^uf^  Befreiung  ber  in  ©efa^r  ber 

40  3l>)oftafie  fd)tbcbcnbcn  ßbriftcnftlaben  iüicbcr  auf.  Die  Orben  l^aben  bi^  in  bie  Sieujcit 
bincin  fcgen^rcid)  gctoirft. 

IV.  3luö  bcr  bargcftelltcn  Gntibidtclung  begreift  fic^  nun  ani),  ba^  nad^  Gntbecfung 
unb  ßroberung  bcr  neuen  2Uelt  ©j)anier  unb  ^ortugiefen  fein  93ebenten  trugen,  bort  bic 
SHabcrci   cinjufül^ren,  ^unäc^ft  burd^   baö    an    bie    ^elotic   erinnernbe    repartimento 

50  bcr  ^)bthäutc ;  ebcnfo  begreift  fid^  ba^  Gintreten  bc^  ^ominifaner^  2a^  ßafa«.  „ßr  tbat 
c^  au^  bem  ©cift  bcr  Alirdf>c,  ober  bielmcljr  ibrer  gciftlid^en  Orben  beraub"  (Ana))))  10), 
md)t  ak^  6l)rift,  and)  nod)  n\d)t  al^  SBelt^ricftcr,  fonbern  erft  unter  mönc^ifd^em  Ginflu^. 
3!)af{  aud)  bic  Sieger,  bic  man  feit  1506  alg  befjere  3lrbcitöfräfte  einführte,  ein  gleic^e^ 
9tcd>t  auf  Freiheit  Kitten  ioie  bic  5"^^«"^!^/  '^^^  (Sebante  fc^eint  Sa^  6afa^  erft  am  Gnbe 

65  feinet  t^cbcn^  in  bcr  ftiltcn  Mloftcr.^cltc  gctommcn  ju  fein ;  er  blieb  untbirlfam  (0.  ^ali, 
Fra  Bart,  de  las  Casas  1905,  27).  Salb  toettciferten  bic  eurojjäifd^en  ^anbcB- 
ftaatcn  in  bcnt  cinträglid)cn  ©cfcbäft  bcr  SHabcncinful;r.  2)aö  ©l;ftcm  ber  SJcger' 
ftlabcrci  ficht  in  cngftcr  Ü^crbinbung  mit  bem  agrarifd^-'inbuftrieUen  ©rofebetrieb  ber 
^Uantagcntbirtfd)aft  (iina^p),  aber   bic  ©raufanitcit   bcr  öcbanblung   ift   bod^   nur  jum 

CO  Heinften  Seil   baburd^  bebingt,  gum  bei  toeitcm   größeren  burc^   ben  Slaffcgegenfal  unb 


Stlatierct  nn\>  (S^rtftetttum  @fitl)ititr  433 

bcn  9lcIigiongunterfci^icb,  burrf»  bic  borgefa^tc  3Weinung,  bafe  bicfe  9JJcnfd;en  eben  feine 
5)Jenfci^en  feien.  2luc^  für  bic  |eit  1727  Don  ben  Dualem  ^ennfl;lbanieng  au^e^enbe 
Sleaftion  mögen  toirtfc^aftlic^e  3Kotit)e,  eben  ber  ©egenfa^  gum  ^lantagenf^ftem,  mit- 
beftimmenb  getoefen  fein,  au^fc^Iaggebcnb  toaren  fie  nic^t  (f.  Sb  XVI,  379).  3laiS)  langem 
ftampf  brachte  1865  ber  Sieg  ber  9?orbftaaten  über  bie  fflaben^altenben  ©übftaaten  5 
bie  ©manjipation  für  faft  toier  3KiIIionen  ©Haben,  bamit  freilid^  üwglcid^  eine  neue 
^Kaffenfrage. 

e^  fear  bie  germanifci^=}jroteftantifci^e  Äultur  im  ©egenfa^  gu  ber  romanifd^-Iat^o- 
lifd^en,  toelc^e  biefe  ©ntmidEelung  betrieb.  3)a«  jeigt  fid^  auc^  in  ber  fü^renbcn  Stellung 
englanb«  bei  UnterbrüdEung  be^  3JegerfRabenl^anbeU.  ®a^  aber  c^riftlic^e  Siebeömotibe  10 
unb  nic^t  nur  national=öfonomifc^e  gn^ereffen  babei  auöfc^laggebenb  toaren,  bafür  bürgt 
ber  9Jame  SBilberforce  (f.  b.  3lrt.).  1807  tourbc,  nac^bem  ©änemarf  1792  mit  gutem 
33eifpiel  borangegangen  n^ar,  im  englifd^en  Parlament  bie  Abolition  act  of  slavery 
burc^gefe^t,  1841  lam  ju  Sonbon  ber  fog.  Duintujjelbertrag  ber  ©rofemäc^tc  jur  Se^^ 
fämpfung  be^  ©flabenl^anbelö  ju  ftanbe,  ert^eitert  unb  berftärtt  1885  burd^  bie  berliner  15 
Äongoaftc.  ®urd^  Sabigerie  ift  bann  aud^  ber  Äatl^olici^mu«  in  er^ö^tem  3)ta6e  in  bic 
iBctücgung  l^incingejogcn  tporben.  1889  fanb  ^u  Srüffcl  ein  3lntiff labereif ongrefe  ftatt. 
3)urc^  3wfcimmenh)irfen  aller  beteiligten  TOäd^te  ift  bic  3"^"*>^ÖJ^0""9  ^^  ©flabcn^: 
banbelö  auf  ein  enge^  ©ebiet  gelungen,  hieben  ber  ftaatlic^en  SKirffamfeit  ift  babei  aber 
bic  freie  ^Mitarbeit  ber  c^riftlid^en  3Kiffion  nic^t  ju  überfc^en.  ooit  2)olifc^fi^.     20 

(Btopitn  f.  b.  2t.  Sla^folnifcn  »b  XVI  ©.  441,  uff. 

Sfrutititen  f.  b.  ä.  Äatcc^umenat  Sb  X  ©.  177, 12  u.  ©.  178,  38  ff. 

SMptnt.  —  ßittcratur:  5B.  fiübfe,  ®cfd)id)tc  ber  ^laftif.  3.  9luf(.,  @tutt(^art  1880. 
—  5)ie  5)arftcnun9en  ber  ®efd)icl)te  ber  c^riftlic^en  llunft  (5-  i'.  Äxaug,  greiburq  189Gff.; 
ii.  öJrabmann,  Stuttgart  1902)  unb  ber  allgemeinen  ilunft(jcfct)icöte  (?(.  8prinflcr,  4.  ?lufi.,  25 
^^b  2 ff.,  fieipjig  1895 ff.;  Sübfe^Semvau,  12.  »(ufl.,  53b  2 ff.,  Stuth^art  1901  ff.;  ÄnocffuB^ 
Zimmermann,  iBicIejelb  1897  ff.,  S3b  1—3,  u.  91.).  (5inc  oortrefflic^e  Üebcrficl)t  bei  ©ölcr  non 
JHaueneburg,  CVJriuibriB  ber  S!unft9efd)icf)te,  2.  $lufl.,  ©erlin  1903.  ©eitere«  53b  XU,  6. 110, 37  ff. 
iKeid)e«  bilblicficö  Material  in  „Iunftgefd)ic^te  in  S3tlbern",  SübU  2—5,  fieipi^ig,  e.  91.  Seemann, 
unb  S.  V.  lieber  u.  91.    58al)crsJborfer,  $ila|fifd)cr  6fulpturauffa^,  'tWunct)en  1890 ff.  30 

Unter  ben  brei  großen  ©ebieten  ber  bilbenben  Sunft  ^aben  ßl^riftentum  unb  Äirc^e 
ber  3)talerei  unb  ber  2lrd^iteftur  ben  SJorjug  bor  ber  ^laftif  gegeben,  ^m  3Kittelalter 
bient  bie  ^laftif  toef entließ  aU  ßrgänjung  ber  2(rd^iteftur;  in  ben  babor  liegenbcn  ^abr? 
l^unbcrten  ift,  offenbar  unter  ben  9Jac^h)irfungcn  ber  Stntifc,  i^rc  ^ofttion  p)ax  eine 
freiere,  aber  feinc^tücg«  eine  felbftftänbigc.  6rft  bie  SWenaiffance,  tpelc^e  eine  neue  Äunft-  35 
anfc^auung  burc^fe^t,  berl^alf  x^x  ju  einer  ben  übrigen  Äünften  ebenbürtigen  SBertung. 
gür  bie  3lnfänge  unb  ebenfo  für  ba^  ^Mittelalter  ift  jum  3Serftänbni«  biefer  "i^atfac^^e 
o^ne  3*^^^f^^  ^^^  fünftlerifc^e  Ünbermögen  monumentalen  ätufgaben  gegenüber  innerbalb 
biefe^  ^Ha^men^  in  Setrac^t  gu  gießen,  aber  bie  eigentliche  SBurjel  mufe  in  ben  33ebenfen 
gefuc^t  werben,  h)elct;e  ba^  enge  'iNcrfloc^tenfein  ber  ^laftif,  ingbefonbere  ber  ©tatue,  mit  40 
bem  ©ötterfult  crmedtte.  ©0  erflärt  fid^,  ba^  bic  altc^riftlid^e  ^eriobe.  Wo  fie  Jjlaftifd^ 
fc^afft,  ftc^  faft  ganj  auf  ba^  SHelief  befc^ränft,  unb  bic  gried^ifc^e  Äirc^e  ^eute  nod^  bie 
©tatue  au^  ben  gottc^bienftlid^en  Släumen  au^Wlicfet.  Überl^aupt  aber  liegt  bie  ©cbor^ 
gugung  ber  3Kalerei  bor  ber  $laftif  in  ber  auf  ben  -Heic^itum  feclifc^er  ©ttmmungen  an^ 
gelegten  religiöfen  Gigenart  be«J  Gl^riftentumsJ  (f.  b.  21.  aJJalerei  S3b  XII  ©.  110).  46 

1.  ailtd^riftlic^c  ^eriobe.  —  fiittcratur:  53ictor  Scbul^c,  9lrcf)äologic  ber  alt= 
cbriftUcben  Äunft,  ^üncf)enl895:  .Starl  "Ovaria  Äaujmann,  ^onbbud)  ber  d)riftlid)cn?lrc^äoloflic, 
•^Jaberborn  1905;  9i.  ÖJarrucci,  Storia  della  arte  cristiana,  vol.  V.  VI  (1879.  80);  Qo^  girfcr, 
3)ic  Qltd)viftlicf)en  SBübrocrtc  im  cbriftUdien  ^JKufcum  bcd  fiatcranS,  ficip^ig  1890. 

31m  umfaffcnbften  unb  bcutlic^ften  bet^ätigt  ftc^  bie  frül^d^riftlic^e  ©fuljjtur  im  60 
©arfo})^agrelief  unb  in  Slfcnbcinmerfen.  'Die  unterirbifd^en  ßömeterien  finb  auf  ba^ 
grbgrab  ^in  fonftruiert;  ba^er  beginnt  bie  eigentliche  ©efc^ic^te  be^  ©arfo})^ag«  erft  im 
4.  gö^'^^i^tti^^^  /  ^«^  "cue  Seftattung^formen  gefud^t  tDurben.  3"  ^^"  Äirc^en  unb  bcn 
jeftt  immer  ja^lreid^er  tücrbcnbcn  coemeteria  sub  dio  (bgl.  S3b  X  ©.  813ff.)  finbct  ber 
©tcinfarg  feine  aSertbcrtung-  ber  in  gal;lreic^cn  Gjem|plaren  —  im  3lbenblanbe  bilbcn  55 
9tom,  Slabenna,  Slrle^  bie  ^cittel})unfte  —  auf  un^  gefommen  ift.  3ln  bei  %xont,  feiten 
an  bcn  ©citentbanbungen,  reiben  fic^  meift  in  fräftiger  Stcliefau^arbcitung  bibufc^e  ©ccncn 
in  freier,  meift  l^iftorifc^er  golge  aneinanber.    Die  $au))tfigur  tritt  imtncr  beutli^  ^erau^. 

KeaI«(lnc))no)>abie  fflr  Zfftoloqit  unb  INr(te.    3.  «.  XVIII.  28 


434  &u\pinT 

2)ic  cinjcincn  9?orgän(^c  finb  bid^t  ancinanber  ßcrücft;  nur  jutoeilcn  Serben  ©äulen  unb 
Sääumc  unb  anberc  3)littcl  ai^  ©c^cibung  benu^t.  ®cm  toirb  in  antifer  SSJeifc  baö 
Porträt  be^  2otcn  cingcfü0t.  3)ic  latcinifd^c  2rabition  j^eigt  eine  größere  Steigung  für 
ba^  gigürlid^e,  bic  ^ettcniftifc^-orientalifc^e  für  lier^  unb  ^flanjenomament.  Site  Duellen 
6  bienten  bic  ältere  fe})ullrale  Äunft,  t)on  ber  5.  S.  ber  ®ute  ^irt  ftammt,  unb  bie  jeit- 
genöjfifc^en  Äirc^cnmalercien.  3""^^'^^^'^  ^"^^  flarfen  (Sinl^eitlic^Ieit  laufen  lolalc  Strö^ 
mungen,  bie  fid^  aug  ©c^ulüberlieferung  erflärcn.  ^Jeucrbingg  ift  burc^  glüdlic^e  %0X' 
fd^ungen  unb  SntbedEungcn  baö  Silb  ber  ^eHeniftifd^^orientalifc^en  5piaftif  bcutlic^er  l^erau^- 
getreten,  beren  ©igenart  barin   befielet,  bafe  in  \i)x  in   toec^felnber  3Jlifc^ung  gricc^ifc^c, 

10  f^rifc^e  unb  aud^  äg^Jjtifc^ie  SIemente  jufammenfliefeen.  Sin  fünftlerifd^cm  SBert  überholt 
fie  toeit  bie  meift  ^anbhjerf^mäfeig  arbcitenbe  abenblänbifc^4atcinifd^e  ©arfo})^agfhilptur. 
2)ie  3^ec^nif  ift  bie  antife;  ba^er  auc^  bie  älnfärbung. 

3)ie  fü^renbe  Stellung  ber  altb^jantinifd^en  Äunft  tritt  noc^  bebeutfamer  bcrüor  in 
ben  ©Ifenbeinfd^nitfereien  (®.  ©tu^Ifautb,  ®ie  altc^riftlic^e  Slfcnbeinj^Iaftif,  grei^urg  unb 

16  £ei})jig  1896).  SBJenn  auc^  bie  barin  hjirffamen  ©c^ulric^tungen  noc^  ni(^t  in  bolle^ 
Sid^t  getreten  fmb,  fo  fte^en  boc^  5i^^anj,  2lntiod^ien  unb  äliejanbrien  ate  tpic^tige  2tu^= 
gang^Jjunfte  feft.  Sin  biefen  ©rjeugniffen  lä^t  fid^  bie  Seiftungefä^igfcit  ber  ^laftif  be^ 
4.-6.  Sa^r^unbert«  am  fid^erften  ericnncn.  3)ie  3i*f<^"^»"^"^^"0^  "^'^  ^<^  Slntife  ftnb 
nod^  innige;  Sluffaffung  unb  Slu^fül^rung,  ja  auc^  jeile  be^  3"'^^^^^  fj"*^  ""^  ^<>"  ^^rt- 

20  l^er  Derftänblic^.  ©in  fxifc^er  3^9  9^^^  ^inburc^.  SBenn  fic^  im  figürlichen  bie  ab- 
fteigenbe  6nth)idtelung  au^jjrägt,  fo  lebt  ba«  Ornament  nod^  ganj  in  ber  rei^bollen  9Jatür= 
lic^feit  ber  ^elleniftifc|cn  Äunft.  2)ag  Oebiet  ift  ein  reid^e«:  3)H)t^d^en  (f.  b.  31.  Liber 
vitae  33b  XI  ©.  446  ff.),  Ä'äftd^en  gu  treltlic^em  ober  falralem  ©ebraud^  (bie  fc^öne  fog. 
Sijjfanot^ela  in  33re<gcia),  platten  jur  SScrjierung  t)on  bifd^öflic^cn  Äat^ebrcn  (bic  Äat^ebra 

26  be^  a)lajiminianug,  geft.  556  ober  557  in  SRaDenna),  ^igürd^cn  unb  anberc  ßrgeugnijfc 
ber  Äleinlunft.  2)ic  Seid^tigfeit  be^  3:ran^})ort^  regte  bic  ^ßrobultion  mächtig  an.  dinen 
eigentümlid^en  Stu^fc^nitt  bilbet  bie  fojjtifc^c  ^laftif,  in  tDcIc^cr  äg^jjtifd^c  Irabitionen 
ftarl  nac^h)irlen  (3.  ©tr^^goto^fi,  Sojjtifc^c  Äunft.  Catalogue  g6n6ral  des  antiquit^ 
6gyptiennes  du  Mus^  de  Caire,  vol.  XII.    SBien  1904). 

30  gür  bic  §oIj}jlaftiI  bieten  bie  S^ürrcHef^  bon  @.  Bab'ma  in  9lom  ein  J^ertjonagcn-- 
be^  Seifl^icl,  aKerbing^  nid^t  in  fünftlerifc^er,  fonbem  in  ard^äologifd^er  Schiebung 
(3.  SBieganb,  3)ag  altc^riftlic^c  ßaujjtportal  an  ber  Äirc^e  ber  1^1.  ©abina  ju  9tom, 
SEricr  1900).  Sluc^  lerracotta  uno  ebelmetalle  ftnb  gur  ^ßcrtDcnbung  gelommcn.  2)a^ 
^au^gerät   unD   ba^  fird^Iic^e   ^"^^"^^^   gaben  reid^Iic^e  ©clcgcnl^cit   gur  Sctl^ätigung. 

36  Jsoran  ftel^en  bie  Sampen,  beren  2)i^fuö  mit  Äreuj,  3)lonogramm,  lieren,  ^flangen,  toclt- 
lid^cn  unb  biblifc^en  Figuren  ober  ©cenen  §u  Dergicren  toaren  ober  bie  felbft  eine  fünfte 
lerifc^c  gormengebung  erful^ren  (Safilifa,  ©c^iff  u.  f.  h).);  ferner  bic  lange  Steige  Don 
3:^on::  unb  3}letallgcfä6en,  toeld^e  bie  religiöfe  DeDotion  (3)Jena^fIäfd^d^en,  ^IMonjaamjjuIIen) 
unb  bic  liturgifc^e  Drbnung   forberten,    bie  Jjlaftifd^en  gi^Püdfc  an  ^Portalen,   ©äulcii, 

40  ©d^ranfen,  Slmboncn,  ©c^mucfgegcnftänbe,  barunter  Dor  allem  bie  gefc^nittenen  ©teinc, 
bic  ^JJünjen  u.  f.  h).    2)ag  ®ebiet  ift  treit  unb  mannigfaltig. 

3Son  ber  ftatuarifc^cn,  alfo  eigentlid^  monumentalen  '^ia\i\t  ift  un^  nur  ein  gering^ 
fügiger  Scftanb  überliefert.  3)a6  bicfer  einft  reicher  tDar,  ift  felbftberftänblid^  unb  auBcr^ 
bem  burd;  littcrarifd^c  3^"9"fl^  9^fic^crt,   inbc^  litt  biefeö  ©ebiet  ber  ©ful^tur  in  erfta 

46  2inie  unter  ber  oben  criüäbnten  Ungunft  unb  mufe  ba^er  nur  mäfeig  gepflegt  tüorben  fein. 
Unter  bem,  toa^  auf  un^  gefommen  ift,  nehmen  an  ^af)l  bie  erfte  ©teue  ein  bie  ©tatucn 
bcö  ©Uten  §irten,  übrigen^  l^anbtocrfgmäfeige  Seiftungen  bi^  auf  bie  befannte  fc^^öne  3)ar= 
fteüung  im  2ateranmufcum,  beren  d^riftti^er  Urf})rung  inbc^  nid^t  aufecr  R^^eifcl  ftc^t 
C4S.  ©c^ul^e,  Slrc^äologie  ber  altc^riftlic^en  Äunft,   ©.  285  f.).    3)ie   eiserne  ^etru^ftatue 

ßo  in  ©t.  ^eter  (Slbb.  Slrd^äotogic  ©.  287)  ift  aU  ein  2öerl  be^  13.  ^a^r^unbert«  ertoiefen, 
eine  gtoeitc,  ftarf  ergänzte  bagegen  auö  3Karmor  in  ben  batifanifc^en  ©rotten  (Slbb.  Äaui- 
iitann  ©.510)  n)obl  ed^t,  n)ie  auc^  ba^  Silbniö  bc^  ft|enbcn  ^i}j})oI^tu«  im  Satetait 
ftd^crtid^  ein  jcitgenöffifd^eö  ffierf  ift,  ba^  fid^  genau  an  antile  Sorbilbcr  anlehnt  (Slbb. 
Kaufmann  ©.  511;  ber  CbcrIörVer  ergänjt). 

66  2.  Da^  !DMttcIa(ter.  —  Sitteratur:   %  (Kernen,  g)?eroüingifc^c  unb  farolinglj*« 

^laftif,  ^i^onu  1892;  51^.  53bcje,  3)ie  ^:?(nfän9e  beö  moimmenlalen  Stile«  im  Mittelalter^  <Bu4- 
hnv(\  1894;  ,^.  Dtte,  .S)anbbud)  ber  fircl)ticl)en  Slunftardiäülogie  be§  bcutfcften  MittelaltcrvS 
5.  'Hiüi,  2  93bc,  i!cip,vi]  188:^.  85;  .^%  «Beniner,  iianbbucl)  ber  rird)Ild)eii  ifunftaltertiinicr 
in  Teut)d)lanb,    idei\>sh\    1905;   'h^.  ^obc,    bJefd)iditc   ber   bcutfd)en    ^laftif,    Berlin    ISS.'i: 

60  ^^U  SBentiiri,    Storia  dell'arte  il^aliana,  3}iallaub  1901  ff.;    M.  gimmcrmann,    Obcritalienij^c 


^Slaftif  im  frühen  imb  \)o\)tn  «Mittelalter,  ficip,Vil  18*^7 ;  (£•.  «Jä(e,  L'art  rcligieiix  du  XIII^ 
si^Ie  eo  France,  ^ariiJ  1898;  (^onfe,  La  sculpture  franyalsc  depuis  le  XIV^  si^cle,  ^^arie 
1895.  —  (SiujcIncS  am  gehörigen  Orte. 

SQSic  ba^  öanjc  ©cifte^Icbcn  ber  farolingifd^en  ^cit  feinen  §alt  unb  ^nf^ali  in  ber 
flaffifd^en  Überlief erung  l^al,  fo  and)  bie  Äunft.  3)ie  gertnanifc^cn  ©tämme,  n^elc^e  in  b 
ben  Ärei^  unb  ©influfe  ber  römifc^en  Äultur  traten,  emjjfanbcn  bicfe  junäd^ft  ate  eine 
imjjonierenbe  SKad^t,  ber  fte  ftc^  beugten,  anbererfeit^  jebod^  tüar  il^re  natürli(^e  (Sigenart 
fo  au^e})rägt  unb  n)iber[tanb^fräftig,  bafe  fie  mit  größerem  ober  geringcrem  ßrfolge  ftc^ 
burc^jufe^en  t)erftanb.  3)ie  ^laftif  ift  bortpiegenb  ßlfenbeinfc^ni^erei  unb  ^at  ü)x  ®e= 
^räge  t)on  ber  römifd^en  Äunft,  tooburd^  i^rc  ber^ältni^mäfeig  l^ol^e  Seiftung^fä^igfeit  bers  lo 
ftänblid^  h)irb.  Slber  nic^t  feiten  ift  barin  bie  frifc^e  9Jait)ität  unb  ba«  eigene  SBagen 
be^  germanifc^en  ßlemente«  erfolgreid^  getüefcn.  ^n  Sänbem  toie  ^xlanh  unb  ßnglanb, 
tüo^tn  bie  antifen  ßinflüffe  nur  f})orabifc^  unb  abgefc^toäd^t  gelangten,  nimmt  natürlich 
ba^  aSoIfötümlic^  noc^  einen  Diel  breiteren  9laum  ein.  ^n  ^ranlreic^  ftnb  mel^rere 
3RitteI})unfte  ber  6Ifenbein})Iaftif  erfennbar  (bgl.  Giemen  a.  a.  D.);  in  ©eutfd^Ianb  blübt  15 
ber  Setrieb  befonber^  am  9Jieberr^ein,  aber  aud^  Dberbeutfd^Ianb  ))atU  in  bem  Wönqc 
3:uotiIo  t)on  ©t.  ©aßen  (geft.  nac^  912)  einen  lunftfertigen  ©c^ni^er  (3of.  3Kantuani, 
3:uotiIo,  ©tra^burg  1900).  i)ie  ftatuarifd^e  ^laftif  bebeutete  iDenig,  bagegen  erfreute  fid^ 
bie  Äleinfunft  in  6rj  unb  ©belmetall  einer  eifrigen  Pflege. 

3m  11.  3iö^.r^w"^^rt  gewinnt   ber  auö  ber  aItd^riftIic^=IaroIingifd^en  Überlieferung  20 
em>ac^fene  romanifd^e  Sauftil  feine  c^aratteriftifd^e  älu^bilbung.    ®arin   liegt   befd^Ioffen 
ber  })Iaftifc^e  ©c^mud.    SBä^renb  bi^^er  bie  Silbnerei  ftd^  toefentlic^  in  ben  Äleinlünften 
abf^ielte,  gen^innt  fte  jefet  eine  unmittelbare  unb  l^ö^ere  Sejic^ung  jur  3lrc^iteftur.    9Son 
bem  '3:^m})anon  au^  be^nt  ftc^  bag  5iilbh)erf  über  ba«  portal  an^  unb  barüber  l^inau«; 
im  3"nc^  reil^en  ftc^  ^eilige  ©eftalten,  am  Äa^itäl  fammeln  ftd^  gefc^ic^tlic^c  unb  pf)an'  26 
tafttfd^e  S^guren,  ber  2iiufftein,  ber  3lmbon,  bie  fultifc^en  ®eräte  nel^men  ben  Silbner 
lebl^aft  in  Slnfi^rud^.    3)ie  ^laftil  tüurbe  neben    ber  SÄalerei   afö  ein   tüirifame«  3JlitteI 
erfannt,  bie  großen  ^läc^en  ju  beleben  unb  gugleic^  ber  9Jcigung  für  lel^rl^afte  ©Emboli! 
gu  genügen.    3lm  fräftigften  äußert  ftd^  biefe  Stimmung  unb  Setüegung  in  ©eutfd^Ianb, 
ba^  unter  ben  fäc^ftfc^cn  Äaifem  aufblühte  unb  ba^  6rbe  ber  SSergangen^eit  mit  frifd^cm  30 
©inne  erfaßte  unb  tüanbelte.    SQSie  ^od^  man  fc^on  je^t  bie  Slufgabe  fteßte,  bereifen  bie 
reliefierten  ©rgtüren  in  $ilbe^^eim  (1015)  unb  2lug«burg  (ca.  1060)  unb  bie  gleichfalls 
aus  beutfd^er  §anb  l^ert)orgegangenen  Spüren  in  9loh)gorob,  ®nefen  unb  an  ©.  3^"o  in 
aSerona.    ^n  ber  SerntoarbSfäuIe  in  ^ilbeSl^eim  (1022)  ir>urbe    in   fü^nem  ®riff   eine 
9Jac^abmung  ber  S^rajanSfäuIe  Derfuc^t.    6«  ift  bead^tenStoert,  ba^  bie  neu  an^cbenbc  35 
^laftif  ftc^  mit  Sorlicbe  bem  ©rggu^  jutoenbet  (®rab}jlatten).  ©teinfluljjturen  ftnb  noc^ 
feiten  (Slelief  ber  ©gternfteine). 

3)ie  aiuffaffung  ift  gebunben,  o^ne  gn^i^i^uöli^w^"^/  t>^n  Sinicn  ber  Slrd^iteftur  an« 
gelernt  unb  gang  in  ber  beforatitoen  ßhJ^^'&eftimmung  gehalten.  3Jlan  tviH  bie  antile 
^ormengebung  be^aujjten,  bie  lenbenj  gel^t  nic^t  auf  9JcueS,  fonbem  auf  5lonfert)icrung,  40 
aber  bie  lünftlerif^e  gä^igfeit  reicht  nic^t  auS,  unb  fo  ift  bie  golgc  ein  §eruntcrgleiten. 
9inbeS  l^ahm  biefe  äußeren  3JlängeI  nid^t  bie  ©rreic^ung  be«  ^\A^  gel^inbert,  bie  ®cs 
h)innung  einer,  auf  ben  3*^^*  ""^  '^^^  S*^^^  angefel^en,  toirIungSt)oIIen  ^laftif.  9lur  in 
ber  lebhaft  betriebenen  ©Ifenbcinfd^ni^erei  (Suc^bedfel,  3)i}jt^c^en,*  Ääftc^en,  Sifc^ofSftäbe 
*u.  f.  fo.)  tüirfen  farolingifd^e  Überlieferungen  oft  ganj  ungebrochen  nac^,  anbererfeitS  führen  45 
ein  felbftftänbigeS  ©tubium  ber  SQSirflic^feit  unb  au«brudESt)oIIe  ß^araftcriftif,  bcfonberg 
auf  fäc^ftfd^em  Soben,  l^äufig  barüber  ^inau«.  2)ie  Äunftübung  ift  im  11.  unb  \2,^af)Xi 
l^unbert  ©ad^c  ber  3Könd^e  unb  ber  ®eiftlic^feit,  ba^er  finbct  ein  Überfd^reiten  beS 
trabitioneHen  S3tlberfreife«  nur  auSna^mStoeife  ftatt. 

3la6)  einer  langfamen  SSornjärtöbetoegung  im  12.  Sia^rbunbert  erl^ebt  fic^  im  IS.^o^ts  50 
^unbert  bie  beutfc^e  ^laftif  beS  ^Mittelalter«  unter  ben  Anregungen ,  treidle  bie  ^eran* 
gic^enbe  junge  ®otif  brachte,  ju  il^rer  flaffifd^en  i^oHenbung  unb  ju  eigcntlid^, monumen- 
talen ©d^öl^fungen.  Die  gü^rung  i)abm,  h)ie  in  ber  t)or^erqe^enben  ^eriobe  bie  fäd^ftfc^en 
Sänber.  SBec^felburg  (Äangel,  ältar,  Ärujifij;  j.  t)gl.  3Wonumente  be«  3Jl2t.  unb  ber 
Slenaiffance  au«  bem  fäc^f.  ßrjgebirge,  DreSben  1875),  ^reiberg  (bie  ®oIbene  Pforte;  55 
j.  togl.  21.  ®oIbfc^mibt,  3)ie  ^reiberger  ®oIbene  Pforte  in  b.  S^'^^'^w^ä^  ^^  h^-  i^J^cufe. 
Äunftfammlung,  Serlin  1902),  ^Jaumburg  (Settner,  ©tifterbilbcr;  g.  bgl.  ä.  ©d^marfom 
unb  (g.  b.  glotttDell,  a)Jciftcrh)erfe  beutfc^er  Silbncrci  in  9Jaumburg,  ^JRagbeburg  1892) 
bieten  un«  bie  ^enlic^ften  unb  älteften  Slu^i^rägungen  ber  Äraft  unb  ßm))finbung  bicfcr 
^eriobe.    2tber  auc^  ©übbcutfc^Ianb   tritt  mit  -Dlciftcrtoerfen  l^or,  hod)  ftnb  ^icr  bie  eo 

28* 


436  6hil)itur 

franj^öfifc^cn  ßinflüfjc  ftärfcr,  inbireft  im  3)om  ju  33amberg  (jün^jcrc  ©n4)t)e;  n.  bgl. 
21.  jyeefc,  2)ic  Samberger  Somffulpturcn,  ©ttafeburg  1897;  SB.  S^öge,  5)ie  Samberger 
3)omftatuen,  i^rc  3lufftcKung  unb  Deutung  in  ^eitfc^r.  für  c^riftl.  Äunft  1902),  bireft 
in  Strasburg  (lob  3Jlariä,  Äird^c  unb  ©^nagoge  am  5Rünftcr;  @.  Sicher,  3)ic  ©fulp= 

sturen  be«  ©trafeburgcr  3Künftcrö,  Strasburg  1894;  Ä.  grand,  ©er  3Jleifter  ber  ecclepa 
unb  Synagoge  am  ©trafeburger  3Jlünfter,  2)üffclborf  1903).  aber  barin  befte^t  ©leicb^ 
förmidteit,  bafe  bic  e^eierlid^feit  be^  Äir^enftil^  ju  ber  25irflid[|feit  ber  (Srjd^einung  in 
enge  2?erbinbung  gcfeftt  ift.  3"^^^*^"^^^  2^hm  burc^flutet  bic  ©eftaltcn.  2)er  äu^^ 
brud  fud;t  ben  ßontalt   mit    ber  gefc^ic^tlid^cn  Sebcutung   ber  ^erfönlid^feit   unb   ber 

io$anblung.  3)aö  5Kaffige  gerät  in  Setpcgung,  ba^  lote  toirb  lebenb,  %WiS6^  unb  Slut. 
$)ie  3KitteI  ^u  biefem  ^totd  finb  nic^t  immer  glüdlic^  getüä^It  —  bad  pereol^t)e  Säckeln, 
bie  ftarfe  Einbiegung  be^  fd^Ianfen  Seibe^  —,  aber  barquf  fommt  ^  an,  bafe  ba^  j^Iaftifcbe 
Sbeal  nic^t  me^r  nur  in  ben  unfreier  geworbenen  Überlieferungen  einer  fernen  SSer* 
gangenl^eit   gefud^t,    fonbem   burd^  bie  Seobad^tung  ber  5^atur  rebibiert  unb  mit  bem 

16  6m})finbung^leben  ber  3^'^  erfüllt  n^irb.  3n  ber  Harmonie  ber  burc^  Drt  unb  ^tvcd 
be^  SBerleö  bebingten  SoHemnität  mit  bem  inbibibueÜen  ©ein  unb  Seben  —  barin  fanb 
biefe  Äunft  i^r  I^o^e«  ^kl.  2Bie  fie  jeitlic^  bem  Übergange  bon  ber  romanifc^en  jur 
gotifd^en  ^eriobe  angel^ört,  fo  ^at  fte  ibren  feften  ©tanbort  noc^  in  ber  emften  ^]Konu= 
mentalität  be^  12.3ö^t^unbertfi^  unb  nimmt  baö  neue,  fubjeftiberc  unb  lünfUerifc^ere  ^beal 

20  in  fic^  auf,  o^ne  jene  ^ofition  gu  berlaffen.  ßrft  eine  jtoeite,  mäd^tigere  SBeße  t?on 
granfreic^  l^er  rife,  fie  babon  lofe  (&.  ©olbfd^mibt,  ©tubien  jur  ©efc^id^te  ber  fäc^ftfc^en 
©fuljjtur  in  ber  Übergangszeit  t)om  rom.  jum  got.  ©til,  Scriin  1902). 

granfreic^  toax  bereite  im  12.  S^^^l^wnbert  in  eine   lebhafte  95eh)egung   ber  ^laftit 
eingetreten,   in  n^eld^er  berfc^iebene  ©d^ulen    (^robence,   2!ouloufe,  Surgunb),    bie  auc^ 

25  nad)  ©Jjanien  ^inübergriffen,  fic^  anregten  unb  befruchteten,  ©ie  fnüjjften  jum  3:eil  an 
römifc^e  Überlieferungen  an  unb  Jjflegten  mit  3?orliebe  ben  ^ortalfd^mud.  3)ad  13.  ^ahx'- 
^unbert,  baS  3<t^r^unbert  beS  gotijd^en  Äat^ebralftite,  brad^te  einen  entfd^cibenben  Um- 
fc^tüung.  35ie  mächtigen  Sauten,  Welche  je^t,  bome^mlic^  in  ben  mittlem  ^^Jrobinjcn 
9iorbfranfreic^S  entftanben,  forberten  für  ibre  imjjofanten  I^ore  unb  ^oc^ftrebenbe,    rcicb= 

3()  geglieberte  Strc^iteltur  eine  gütle  üon  ©tatuen  unb  SRcliefS.  3Kit  ent^ufiaeniuS  ging  bic 
$laftil  auf  bie  neuen  aufgaben  ein,  i^re  beften  Äräftc  gab  fic  in  bicfen  3)ienft,  unb  bae 
(Ergebnis  fear  bie  flafftfd^e  SoHenbung  ber  c^riftlic^^en  Silbnerei  über^auj^t.  ©er  9Ralerei 
na^^eifernb,  befc^ränlte  fie  fi^  nic^t  mel?r  auf  55i9u^^n#  ©cenen,  &x\xppm,  fonbem  ibrcn 
^öc^ften  3:riump^  fanb  fie  barin,  baS  ganje  Drama  ber  $eilSgefc^ic^te  bon  ben  Slnfängcn 

36  ber  3)lenfd^l^eit  bis  jum  ffieltgeric^te  Dor  bem  33efc^auer  auszubreiten.  @ine  uncrfc^öpf' 
lic^e  ^^antafie  läfet  fte  nac^  allen  ©eiten  l^in  aufgreifen.  Sibel,  Scgenbe,  bolfötümlichc 
unb  gelehrte  SSorfteHungcn,  ©efcl^ic^te  unb  3:^})ologie  fammelt  fte  ju  großen,  tiefftnnigcn 
unb  anregenben  ©rjä^lungen.  6S  feien  nur  bie  Äat^ebralen  bon  (S^artreS  unb 
JHl^eimS  genannt,    ^n  ben  ©ful^turen  ber  le^tern  liegt  Dielleid^t  bie  l;ö4>fte  Seiftung  ber 

40  franjöfifc^en  $laftif  bor.  2luc^  je^t  noc^  ift  überall  baS  Semü^en  beutli^,  bic  5^9"^^^" 
ben  ©efe^en  ber  3lrci)iteftur  untergcorbnet  ju  l^alten :  gerabe  unb  fcl^lanf  fteigen  fte  auf, 
bie  Setüegung  ift  auf  baS  3^ottüenbigfte  bcfd^ränft.  ^nht^  innerhalb  biefer  ©c^ranfcn 
tpirfen  fic^  eine  2lnutut  unb  §ot;cit,  eine  iiefe  ber  ßmpfinbung  unb  eine  geinbeit  ber 
5Katurbcobad}tung  auS,  loelc^e  eS  geftatten,  biefe  ©c^öjjfungen  m  ber  2lntife  in  liergleicf) 

45  ju  fe^jen.  3^iel  mebr  alS  in  ber  fonferbatibcren  beutfd^en  Äunft  ift  bie  emfte  ©timmung 
unb  bie  ^ol^citSboUe  Haltung  einer  ftarfen,  auf  baS  Augenblicke  unb  ^Heijbolle  geftimmtcn 
3iid^tung  getoic^en.  ^n  ber  2)arftellung  ber  $erfon  ß^rifti  überholt  bie  franpfific 
^laftif  beS  13.  ^^^rbunbertS  alle  frühere  Ijal^r^unberte  unb  finbet  auc^  Sa^r^unbcrlc 
nac^^er   nid^t  ©leic^n)ertigeS.    Unb  h>elc^e  äöürbe   atmen   bie  3l>)oftelgeftaltm !    Oft  er- 

60  fc^eint  in  biefcn  SBerfen  bie  SKenaiffance  borauSgenommen.  3)ie  Sluffaffung  ift  frei  unb 
aus  träftigent  9)iitmirfen  beS  inneren  GmpfinbenS  beS  ÄünftlerS  gefc^affen. 

Sie  biefe  ^laftif  mit  ber  Slütejeit  ber  franjöfifd^en  ®otif  aufS  engfte  berfloc^tcn 
ift,  fo  gcl)t  fic  mit  ber  2lrc^iteftur  im  14.  3a(?J^^"n^crt  ben  2öeg  abtoärtS,  nac^bem  i^t 
ßinflufe  nac^  allen  ©citen   ^in   auSgeftral^lt  h>ar.    2luc^  ©eutfc^lanb  ftel^t  im  14.  ^aW 

66  ^unbert  unter  biefem  Ginfluffe  unb  jtDar  in  bem  aJlafee,  bafe  fein  originales  änfc^aucn 
unb  Äönncn  baburcf)  gebrod;cn  toirb.  ^a^n  fommt,  bafe  in  ben  Saul^ütten  bie  ©fulptur 
mel?r  unb  mehr  in  baubtocrfSmäfeigen  53etricb  geriet.  Der  ©fulpturcnfc^imud  in  ber 
^isorl^alle  bcS  ^reiburger  ^3JJünftcrS  (ca.  1270;  z"  bgl.  ft.  ^Jtoriz-'ßid^bom,  Der  ©ful^jturcn^ 
cbtluS  in  ber  l^orballe  bcS  grciburger  3JJünftcrS,  Strasburg  1899)  fte^t  ber  früi^otifc^ien 

00  iöilbncrei  nod^  na^e,  bagegen  treten  an  bem  toirlungSboHen  SBef^ortal  beS  ©trafeburger 


Sfnltitur  437 

^JDiünftcr'g  unb  am  Äöincr  2)om  unb  am  fünfter  ju  Ulm,  h)ie  grofe  aud^  bic  Unterfd;icbc 
im  einzelnen  fein  mögen,  bic  franjöfifc^en  (ginflüfjc  ftarf  ^crbor.  ^n  granlen  (9Jümber0) 
unb  anberh)ärt«  mifc^t  fic^  ein  bürgerlicher,  jirofaifd^er,  oft  berber  3^9  ^i"-  ©i"^  6«* 
fonbcren  Pflege  erfreute  ftd^  in  3)eutf erlaub  im  14.  3^^r^unbert  bie  ©rabffuljitur. 

3)ltt  ber  ®otif  tüudj^^  bie  greubc  an  ber  t)Iaftifc^en  2lu^geftaltung  be«  firc^^Iic^en  b 
^nbentars;;  aud^  baö  Unbebeutenbe  ^.  8.  ber  liturgifc^e  5tamm,  fanb  babei  SSerüdfs 
fid^tigung  (f.  bie  Hrt.  33b  VI  S.  412ff.;  X  ®.  25ff.;  XI  ©.  155ff.;  464ff.).  ^m  reichen, 
farbigen  Slufbau  be«  gotifc^cn  fjlügelaltar«  fteHte  fic^  biefe  Set^ätigung  glanjDoII  bem 
3(uge  bar  (f.  b.  2lrt.  2lltar  Sb  I  ©.  398  ff.).  3)enn  h)ie  bor^er  bebiente  fic^  bie  ?ilafttl 
aud;  je^t  ber  3Kit^iIfe  ber  garbe.  3«  fteigenbem  SKafee  toerfc^affte  fid^  im  14.  ^al}X'^  lo 
l^unbert  bie  §oIjbiIbnerei  ©eltung.  2)er  alte  ®ebrauc|  be«  ©tudf^  bauerte  fort.  J^ür 
bic  aintoenbung  Don  (SbelmetaH  in  SJerbinbung  mit  ©mail  boten  befonber«  bie  Steliquiens 
bel^älter  ©elegen^eit. 

9lod^  [tarier  alö  2)eutfc^lanb  erfuhren  bie  5>JieberIanbe  bie  6j))anfton«fraft  ber  fran^ 
jöfifd;en  ^aftif.    2)er   ^ertoorragenbfte  SSertreter  in   f})ätgotifd^er  ^tit  ift  ber  am  §ofe  i6 
öon  Surgunb  t^ätige  6lauj  6luter  (ßlauö  ©lütcr)  geft.  1411  (3)lofe^brunnen  unb  ©rabs 
benlmal  ^^ilii)pö  be«  ftül^nen  in  ©ijon).    dagegen  mifc^ten  ftd^  in  ßnglanb  franjöftfd^c 
unb  ein^eimifc^e  Ginflüfje;  ^ier  t)orgug^h>eife  Setrieb  ber  ®rab}jlaftil.    gn  Italien  ge^en 
im    11.  unb   12.  3«^^^""^^    berfc^iebene  Strömungen   bt^jantinifd^er,  römifc^er   ober 
lombarbifc^er  2(rt  ncbeneinanber   unb   gelegentlich   aud^   ineinanber,   in   benen  bic  ober=  20 
italienifd^c  ^laftif  t)oranfte{^t  (3R.  ®.  ginimermann,  Dberitalienif^c  5piaftif  im  frühen  unb 
l^o^en  3KitteIaltcr,  Sei^jjig  1897).    2)er  au^gang  einer   neuen   Gnttoidelung   h)urbe   im 
18.  3<^^^^w"^^t  ba«   ju   l^o^er  ?!Jlac^t   emj)orgcftiegene  ^ifa.    §ier  liefe  5^iccolo  ^ifano 
(geft.  1260)  in  fein  burc^bac^ten,  Don  flafftft^em  ©c^ön^eit^ibeal  be^errfc^ten  SBerfen  bie 
aintife  unmittelbar,  oft  nur  in  leifer  Umbeutung,  tpirffam  Serben  (Äan^el  im  33aj)tifterium  20 
i^u  5pifa  unb  im  3!)om  ju  ©iena).     „9?id^t  tr>ie   bic  anberen  Äünftler  be^  romanifd^en 
i^eitalterö  i)at  er  bie  J^ormenfjjrac^e  ber  2lntife  unt)crftanben  nad^geftammelt,  fonbcm  ihre 
©c^ön^eit  unb  ©röfec  ift   il^m  aufgegangen."    ©0  toeift  er,   obgleid^  feine  Äunft  in  ber 
romanifd^en  ^tit  tour^elt,   bod;   fc^on  auf  bie  lommenbe  SRenaiffance.    ^nbe^    fein  toeit 
einflußreicherer  ©ol^n  ©iobanni  5Pifano  (geft.  ca.  1328)  öerläfet  baö  ^'t^al  abgcHärter,  30 
rul;enber  ©c^önf^eit;   bei  il^m  brängt  alle«  auf  belegte  §anbtung,   feine  reid^en  Äombos 
fttionen  ge^en  in  Icbenbigem  glufe  (Äanjel  in  ^iftoja  unb  im  3)om  ju  $ifa;  ju  bgl.  Wa% 
©auerlanbt,  3)ie  Silbtoerle  be«  (Siotoanni  ^ifano,  3)üffelborf  1904).    fflenn  barin  ba« 
fünftlcrifc^e  ©mpfinben  ber  ®otif  ftc^  au^fprid^t,    fo   nod^   mel^r   ba^   inbibibuelle  lems 
perament  bc«  TOanne«   fclbft.    2lber   in    feinem   ©c^üler  2lnbrea  ^ifano    (geb.  1273)  35 
tücnbct  [\d)  unter  bem  (Sinfluffc  ®iottog  bie  to^Ianifc^c  ^laftil  toieber  einer  ruhigen  unb 
^armonifc^cn  Stbgeftimmt^eit  jju  unb  toirb  tpieber  auf  bie  ©rjbilbnerei  getoiefen  (Slelief^ 
ber  ©übt^ür  be^  Saptifteriumö  in  glorenj). 

3n  ber  öftlic^en  ß^riften^eit  betl^ätigte  fic^  bie  Äunft  t)orh)iegenb  in  ber  2lrc^iteltur 
unb  in  ber  3)lalerei,  tüä^rcnb  bie  frü^c^riftlid^e  ©timmung  gegen  bic  ^laftif  fortbauert.  40 
'3Jur  bie  ßlfcnbeinffulptur  blü^t  Leiter  unb  ergebt  ftd^  nicpt  feiten  ju  ^eröonagenben 
Seiftungen;  nod[|  mef^r  aber  toirb  bie  ^laftif  in  änfprud^  genommen  in  ber  lujuriöfcn 
firc^lic^en  Älcinfunft,  beren  l^o^e  Seiftungen  ja^lreid^e  auf  und  gelommene  (Srgeugniffe 
und  verbürgen,  ^n  ber  ^ala  b'oro  in  ©.  3Karco  in  35enebig  ^aben  toir  ein  c^arafte? 
riftifc^ed  SBcrf  mittelalterlid^er  b^jantinifc^er  QmaxU  unb  ®olbfc^miebefunft.  Sefonberd  45 
le^tere  erreid^te  eine  l^o^e  2ludbilbung  (Überfielt  unb  Sitteratur  bei  Äraud  I,  ©.  538 ff.; 
bagu  „S^gantinifd^e  3^itfc^rift"  an  toerfc^ieb.  Do.). 

3.  3)ie  ^Icugeit.  —  Sitteratur:  3.  93urd6arbt,  2)ie  Kultur  ber  Slcnatffance  in 
Stniieii,  7.  9(ufl.,  Seipjiq  1899;  ^.  «Solfflin,  ^ic  flaffifcöc  Äunft.  (Sine  (Sinfü^rung  in  bic 
itolienifdic  ^cnaiffance,  i  ?lufl.,  gnünd)cn  1901;  eorncliuö  ©urlitt,  ®cfd)ic^te  bc§  Sorodf,  50 
JHofüfo  unb  Älaffijiöttiuö,  Stuttfl.  1887—89;  ?(b.  SRofcnbcvg,  ®efd)i(]ötc  ber  moberncn  Äunft, 
2.  9[uH'  S3b  1--3,  Seipjig  1892'ff.;  91.  |)eilmcl)er,  3)ic  mobcrnc  $laftit  in '2)cutf(^Ianb,  Seipj. 
1903  (ÄünftIermonügrapt)ien).  —  3)ie  njicl)ti9erc  ©injellittcratur  im  Verlaufe  ber  3)QrftelIung. 

3;m  15.  ^a^r^unbert  löft  ftc^  in  3;*^^^^"  ^^^  Äunft  t)on  ben  Überlieferungen  bed 
3Rittclaltcrd.  3!)er  ^n^i^i^ualidmud,  toelc^en  ber  jtcgrcic^c  ^umanidmud  für  bie  ®eiftcd5  r^ 
bilbung  unb  bad  Äulturleben  ald  ein  ?Dienfd^cnrec^t  in  Slnfpruc^  nal^m,  tourbe  auc^  für 
bie  Äunft  ber  SBeg  ber  Befreiung,  ©ie  toenbet  ftd^  ju  ben  Duellen  jurüd,  auö  benen 
i^r  toa^red  Seben  quillt,  gur  9iatur,  unb  fofort  ertoäc^ft  aud  ber  mannigfaltigen  dic^ 
flejion  ber  Jöirflid^feit  in  ben  ©eelen  ber  ßünftler  eine  güHc  bon  Slnregunaen,  unb  aud 
biefen  ein  immer  mcl;r  tnd  Sreite  ftrebenbcr  Sleid^tum  bon  ©c^öpfungen.   3lber  bie  3?atur  eo 


438  Sfnl^ititr 

h)irb  in  ber  fd;öncn  gornt  crfafet,  bod^  nic^t  fo,  bafe  nac^  gricd^ifdfi^flaffifc^cr  SBcifc  bic 
©d^önl^cit  an  ftc^  in  bolllommencr  ©rfd^cinung  gefugt  mürbe,  fonbcm  fo,  bafe  bic  toon 
einem  tiefen  Seben^in^alt  erfüllte,  fcelifd(i  öeftimmte  ©c^ön^eit  afe  Qkl  gilt.  3)enn  tocnn 
über{^au))t  barin  ein  toefentliid^er  Unterf^^ieb  jtoifc^en  ber  d^riftlic^en  unb  ber  gricdbifc^en 

5  Äunft  befielet,  bafe  biefe  bomel^mlic^  bie  fc^öne  ßrfd^einunggform,  jene  baö  3""^"'*^^^" 
fud^t,  fo  mu^te  biefe«  le^te  3Jloment  um  fo  Iräftiger  fic^  geltenb  mad^en  in  einer  ©cne^ 
ration,  in  tüeld^er  bie  ^erfönlid^Ieit  in  entfdfieibenber  SBeife  in  ben  SSorbergrunb  getreten 
toar,  fo  bafe  man  in  ber  ,,entbe(fung  be«  ?!Jlenfd^en"  eine  bebeutfame  (Sigentümlid^feit 
bwJ  15.  Sal^r^unbert«  mit  SRed^t  )^at  finben  motten.    SBid^tig  toar  femer,  bafe  bic^ßlaftil, 

10  in  (Srtenntni«  il^rer  eigentlid^en  Slufgabe,  fic^  bon  bem  3)ienfte  ber  2lrdf|iteltur  löfte,  aber 
fte  gab  bann  fofort  einen  2:eil  ber  toiebergetoonnenen  ^ei^eit  an  bie  SKalerei  ^in,  o^nc 
§h)eifel  unter  bem  3)rudEe  ber  fie  bel^errfd^enben  inbibibualiftifc^en  Stimmung,  für  toelc^e 
fte  in  ber  3)ialerei  einen  tocit  bottlommeneren  2lu«brudE  fanb.  ©ie  ift  tpefentlid^  malerifc^ 
unb  nimmt  and^  barin  eine  bon  ber  antilen  ^laftif  fic^  toeit  entfemenbe  ^ofttion  ein. 

15  ßinter  ben  Äünftlem  ftanb  ber  6ntl^ufta«mu«J  be«  Sanbe«.  ©eiftlid^e  unb  treltlic^e 
§erren  Wetteiferten  in  ber  ©önnerfc^aft.  @o  ftarl  hjar  bie  Äraft  be«  neuen  3^<^öte, 
bafe  bie  Äirc^e  toibcrftanb^lo«  bie  mittelalterlid^e  Äunft  fal^ren  liefe  unb  ba«  3""<^c  i^^^ 
©otte^l^äufer  ber  jungen  ^laftif  überliefe.  2ln  ben  Äanjcln,  ben  ältarfd^ranlen,  ben 
Slltären,   bem   G^orgeftü^l,  ben   ©rabbenimälem  —  h)o   immer   bi^l^er  ber  alte  Stil 

aol^eimifd^  getoefen  toar..—  fe^t  ftd^  bie  neue  Äunfttoeife  feft.  ©ic  fd^müdft  bie  ^Portale, 
ftattet  3""^^^  wnt>  Stufeere«  mit  il^ren  ©tatuen  au«,  aud^  ber  fonfertoatibe  Äloftcrbau 
giebt  i^r  gegenüber  bie  3iö^i^!^wnt*^^  «l^^  Äunftübung  auf.  ^n^l^d)  gcl^t  auf  attcn  ®c= 
bieten  ber  Äunftbetrieb  in  Saienl^anb  über,  ättterbing«  lebt  in  biefen  Äünftlcrn  ein  ^obcr 
Sbealiömu«,  ber  Don  bom^erein  il^r  SBcrl  fi;mj>atl^ifd^  mad^en  mufete.  3)ag  JHingcn  i^rer 

26$l^antafie  unb  bie  Slrbeit  i^re«  3Keifetö  fud^en  bie  (£l^re®otte«  unb  ber  ^eiligen;  fünft- 
lerifd^e«  ©d^affen  gilt  i^nen  aU  ein  l^eiliger  2)ienft.  ^f)U  ^af){  ift  grofe,  aber  ba«  neue 
3jbcal  binbet  fte  feft  jufammen,  ol^ne  bie  ^nWbibualität  au^gufc^alten.  5Deutlic^  treten 
©Ovulen  l^crtoor  unb  in  ben  ©d^ulen  tr>ieberum  ©onberl^eiten. 

Die  SRenaifJances^laftif  l^at  t)on  bem   t)erfd^iebenften  3Kateriat  ©ebraudfi   gemacht; 

30  bod^  galt  ber  3Karmor  ate  ba«  ebelfte  ®eftein.  (Sine  grofee  Beliebtheit  enetdjfte  bie  polt»= 
d^romierte  2^enacotta,  hjeld^e  burd^  ©lafterung  ober  ©mailierung  an  5Dauerl^aftigfeit 
toefentlid^  gewann. 

3)ie  ?(JJeifterfc^aft  f)ai  ^lorenj.    2)ie  Steige  eröffnet  ber  ©rjgiefeer  Sorenjo  ®l>iberti 
(geft.  1455),  in  bem  noc^  bie  gotifc^e  Söeife  nac^flingt  (JJorbtl^ür  unb  $au})tj)ortal  be^ 

35  33a})tifteriumg);  in  feinem  jüngeren  gcitgcnoffen  35onatetto  (geft.  1466,  gu  bgl.  ©c^marfoto, 
3)onatetto,  Sei|)jig  1886)  entfaltet  jid^  bann  fofort  bie  ganje  ©rfmbunggs  unb©c^ajfen^ 
fraft  ber  neuen  3^^^-  3Sotte  Eingabe  an  bie  9?atur  unb  fouberäne  Se^errfc^ung  ber 
SBirflic^feit,  .C^o^eit  bi«  gur  ^erb^eit  unb  2lnmut  big  gur  2öeid^l^eit,  bomel^me  ©röfec 
unb  greube  an  reigbotten  2)etaifö  fliefeen   in  biefem   fc^affen^frol^en,   bielfeitigen  5)iannc 

40  gu  einzigartiger  Harmonie  jufammen.  SSon  beiben  beeinflufet  ift  ber  biefe  ältere  ®nH)))c 
abfc^liefeenbe  £uca  beUa  SJobbia  (geft.  1482),  aber  bie  feine,  auf  ruhigen,  fd^önen  äu^= 
brud  gerii^tetc  unb  bon  frommer  ©timmung  be^errfd^te  (feine  3)labonnen)  5)arfteQung^rt 
ift  fein  ßigentum.  Sr  bor  aüem  ^at  ber  glaftcrten  bemalten  lerracotta  SJerbreitunß 
Dcrfc^afft,  in   ber  fein  ©c^üler  unb  5ieffe  9lnbrca  betta  SRobbia  (geft.  1528)  t)orh)iegenb 

46  fd)afftc.  aöürbig  fc^liefet  ba«  Quattrocento  in  glorenj  ab  änbrea  bei  l^errocc^io 
(geft.  11 88),  ber  bie  ^laftil  be«  ^^^^^""^^^^^  ?\"  monumentaler  §öl^e  er^ob  (ßbriftue 
unb  Xl^omag  in  glorenj,  Sleitcrbilbni«  bc«  gotleoni  in  SJenebig).  2luc^  im  übrigen 
Stauen  (©icna,  ^abua,  Sombarbei)  treten  bie  SBirlungen  be«  neuen  ßunftgeifte«  ^ert)or. 
gaft  überaU  ftc^t  neben  ber  3)Jarmorbilbnerei  ber  ßrjgufe. 

&o  ®oc^  biefe  ßnttüirfelung  toar  nur  bie  38orbereitung  eine«  ©röfeeren.  3lue  ber 
9)fannigfaltigfeit  unb  bem  fröl^lid^en  ©d^affen  ber  ^rül^renaiffance  ergebt  ftd^  feit  bem 
!i^lufangc  bc«  KJ.  ^al^r^unbert«  ber  gefc^loffene,  monumentale  33au  ber  §od5>renaiffancc. 
Die  bcibcn  ^^^fciler,  auf  bencn  jene  ruF)t,  5?atur  unb  ©m^finben,  bleiben  unberrüdft,  aber 
bic  ©cbanfcn  unb  Kräfte  ftrcbcn  über  bie  naibe  ©d;önl;eit  unb  bie   frei   ftd^    erge^enbe 

55  ^^il^antafic  l)inau«  auf  ein  l^ö^erc«  ^kl  Die  Dkbcnbinge  bleiben  am  SBege  liegen,  aUes 
ftrcbt  in  ftraffcr  3wf^"^"icnfaffuug  be«  gangen  Äönneng  einem  ®rofeen  gu.  3Rit  einem 
SBortc,  baö  9JJonuinentalc  fc^t  fi^  in  Weitung.  Die  unter^altenbe,  bel^aglid^e  ©d^itberung 
ber  l^ciligen  ©cfcbiAtc  Dcrfcl>iüinbct  hinter  ber  unmittelbaren,  mirlungebotten  ©rfaffung 
ibreg  entfd)eibcnbcn  :3n()<Jltc«.    Die  frommen  ©cftalten  ber  Äirc^e  toerben  öeroen.    3(1^ 

60  bie  l^öd;ftc  Aufgabe  ber  ^laftif  ipirb  ber  3)ienfc^  erfannt.    ^nbem  ft(^   in   biefem  ^beol 


&Mpinx  439 

bic  Äünfticr  bc«  16.  3[öl^tl^unbcrtö  mit  bcm  ^bcal  bcr  3tntilc  bcgcönctcn,  \mx  ^iJJöglid^- 
feit  unb  SBirflid^Icit  einer  Seeinfluffung  öegeben.  ^nh^^  l)at  fic^  btefer  ©influfe  nie  in 
ber  ^otm  ber  cinfod^en  9Jac^al^mung  Dolljogen,  fonbern  ift  ftet^  burc^  baö  inbiöibucHc 
(SnH)pnben  bcd  Äünftler«  ^inburc^ge^angen  unb  afftmilicrt  tDorben. 

SBa«  Slorenj  für  bie  grü^renaiffance  mar,  tourbc  für  bic  ^od^rcnaiffance  SWom,  h)o  6 
nid^t  nur  erhabene  Slefte  be^  Slltertum«,   fonbern   a\xd)  bie  Erinnerungen   einer  großen 
©cfc^idfjtc  fortlebten. 

2)ie  3^een  unb  Äräfte  ber  ^od^renaiffance  ftrömen  jufommen  unb  bereinigen  fic^ 
|\u  geiDoItiger,  einzigartiger  SBirfung  in  SKid^elangelo  Suonanoti  (1475—1564).  2)er 
(Sturm  unb  ©rang  ber  ^At  erfüllt  ganj  fein  Seben.  2lte  bcr  grofee  9Jeuercr  ftebt  er  lo 
unter  feinen  3^it0^noff<^n-  Äeiner  ^at  ben  9Jlarmor  in  bem  3Jla6e  bem  6igenh)itteh  ju 
unterwerfen  berftanben  h)ie  er.  3)ie  ©egenfä^lid^Ieit  unb  ber  fc^arfe  Subieftitoi^mu«  feiner 
$erfönlid^Ieit  geben  feinen  SBerfen  ein  inbiüibuette«;  ©ejjräge,  unb  bodp  toirfen  fic  mit 
unh)iberfte^lic^er  ©etralt.  „S5}a^  bic  Äunft ,  be^  Quattrocento  l^au})tfäd^Iici^  auszeichnet, 
bie  uncnblic^e  greube  am  3"f^ßi0^"  ""^  SBielgeftaltigen  ber  9?atur  unb  beS  SebenS,  i5 
baS  ift  il^m  in  tieffter  ©eele  Der^afet;  er  fd^afft  fid^  ein  ©efc^IedS^t  t)on  ©emaltmenfc^en, 
in  bcm  alle  getüöl^nlid^e  gorm  inS  ©igantifc^c  geftcigert  ift,  baS  einerfeitS  ber  einfallen 
9Jatur  nä^er  fte^t  aU  bie  zit)ilifierte  3Renf(^l^eit,  anbererfeitS  bie  in  i^r  tool^nenben 
geiftigen  Äräfte  auf«  l^öd^fte  enttüicfelt  ^ai",  3n  ber  „^ietä"  in  ©t.«ßcter  (1499)  Hingt 
bcr  ©d^merz  ber  üHutter  über  ben  2:ob  be«  ©o^neS  ergreifenb  auS  in  ber  ftitten  ^Jügung  20 
in  baS  unbegreifliche  ßrlebniS.  ^m  ,,3)aDib",  bem  fd^önen,  lamjjfeSfro^en  Jüngling, 
grüfet  baS  frifd^e  Seben  felbft.  3)er  „9Kofe«"  am  SuHuSbcnlmal  erfd^eint  ate  bcr  %\^pn^ 
eines  bon  gewaltigem,  ^eiligem  gonte  erfd^ütterten  ^enifc^en  9KanneS,  unb  bcr  „fterbcnbc 
©fiaDc"  Wieberum  bcSfelben  ©enimals  ftellt  unS  baS  langfame  unb  mübc  ßrlöfd^en 
eines  jungen  ^Kenfc^enlebenS  erfc^üttcmb  bor  bie  ©eele.  3)er  auferftc^enbc  ß^riftuS  in  25 
©.  3Karia  fojpra  SKinerba  in  -Wom  burd^bric^t  äße  jungen  unb  alten  2^rabitioncn  beS  i^})uS: 
Wie  ein  antifer  (Sott  tritt  er  in  boller  9JadEt^eit  mit  bem  fd^önften  9Kenfc^cnIeibe  fiegreid^ 
l^erbor.  Unb  Wcld^e  güHe  bon  eigenartigen  ©ebanlen  unb  ßmjjfinbungen  fammelt  fid^  in 
ben  e5^0W^^«n  ber  ®rabla}jelle  ber  3Kebici  in  glorenj.  9lIleS  lag  in  bem  9Kad^tbereic^  beS 
(SmpfinbenS  unb  ÄönncnS  biefcS  bon  ben  ebangelifc^en  ©cbanlen  ber  ^At  ergriffenen  ao 
großen  ÄünftlerS;  auc^  bie  jarten  3:öne  beS  ©celenlebcnS  Wufetc  er  ju  finben,  fo  fe^r 
bie  ^Ric^tung  feineS  ©eifteS  auf  baS  3Käd>tige  unb  äufeergeWö^nlid^e  geWanbt  War  (bic 
Sitt.  f.  8b  XII  ©.  121, 4(),   baju  je^t  3:i^obc,  Michelangelo,  2  95be,  Serlin  1902  f.). 

es  ift  felbftberftänblic^,   bafe  ein  folc^er  3Kann  nid^t  nur  bic  l^Iaftifc^e  Äunft  feiner 
©cgenWart  beftimmte,   fonbern  nod^   lange  nad^^er  leben  grofee  unb  Heine  ©eifter  unter  35 
bem  ©Ratten  feiner  Äunft. 

3nbem  Wir  bie  SBirfungen  bcr  italienif^en  9lenaiffance  unb  berburdfi  fie  gegebenen 
Anregungen  auf  bem  ©ebietc  ber  ©ful})tur  in  ben  romanifd^en  Sänbem  beifeite  laffen, 
Wenben  Wir  unS  3)cutfd^Ianb  ju.  2)ie  ©cfd^id^tc  ber  ^aftif  in  Deutfc^Ianb  bcrläuft  im 
15.  ^ai}xi}.  o^ne  jegliche  33crü^rung  mit  ber  Slenaiffance.  Stuf  biefem  95oben  bcJ^aujiteten  40 
nic^t  nur  bie  SBeltanfc^auung,  fonbern  auc^  ber  fojiale  unb  über^au))t  tuItureHe  DrganiS* 
muS  beS  9)JittelaIterS  faft  ungebrochen  i^re  ©cltung,  unb  Wo  neue  SRegungen  unb  Sil* 
bungen  f^erbortraten,  waren  fic  religiöfer  9?atur.  6S  fel^Iten  bie  fiil^nen  ©eifter,  baS 
freigebige  9Jläcenatentum  unb  bie  unmittelbaren  mäd^tigen  SQSirlungen  beS  3lltertumS. 
2)a^er  berbleibt  bie  Äunft  in  bürgerlid^em,  jumeift  l^anbWerfSmäfeigem  §erfommcn.  3)er  45 
3ug  auf  baS  ©ro^e,  ?!JlünumentaIc  gel^t  if^r  ab.  2lber  fic  bilbet  je^t  foWo^I  in  ber 
gorm  bcr  ^laftif  Wie  bcr  3!JlaIerei  Iräftiger  auS,  WaS  fie  fc^on  borbem  als  Eigentum 
befafe,  ben  ©inn  für  bie  aKirHid^feit  unb  bie  SBaf^r^eit  bcr  ßrfd^einung.  äHerbingS  ift 
ber  9?aturaKSmuS,  in  bem  fte  fic^  bewegt,  ein  naiber,  ol^ne  JReflejion  auf  baS  Stilgemeine 
unb  o^nc  ernftlid^eS  33emü^en  um  ein  ©c^önl^eitsibeal.  3)er  3)arfteIIung  beS  5Racften  so 
gej^t  fie,  gebunben  burd^  alte  religiöfc  Sebenfen,  gern  auS  bem  SBege,  ja  ftc  bcrl^üllt  ben 
Äörtoer  mit  fd^Werer,  reid^^altiger  ©ewanbung,  für  bie  fte  in  ber  zeitgenöfftfd^en  ?DJobe 
bic  Vorlage  finbet.  ^mmer  aber  fud^t  fic  mit  bcr  äußern  SBal^rl^eit  bie  innere  SBa^r^eit ; 
ber  jjcrfönlic^en  ©timmung,  bem  feelifcbcn  6m})finben  ftrebt  fte  ju,  unb  in  bem  l^o^en 
©dingen,  mit  Weld^cm  fte  gerabe  bie  religiöfc  3;nnigleit  auSjuJjrägen  berftel^t,  bcfunbet  66 
fte  ben  engen  3wfammen^ang  mit  einem  religiöfcn  SolfStum.  Unb  barin  liegt  ein 
Weiterer  3Sorjug:  fte  ift  SolfSfunft,  fte  rebet  bie  Bpxa6)t  beS  SSolIeS,  em>)finbet  mit 
feinen  ©m^jfinbungen.  ©ie  burd^ftreift  nid^t  ferne  uttb  frembe  JRegionen,  um  bort  gi^embs 
artiges  ju  fuc^en  unb  f^eimjutragen,  fonbern  in  ben  ©ebanfen  unb  in  bem  Seben  beS 
SBoIteS  fuc^t  unb  finbet  ftc  i^rcn  ^n^alt.    3iox  allem  bie  l^eiligc  ©efc^ic^te  unb  bic  ©c^  eo 


440  ®fttl)itiir 

fc^id^tc  bcr  öeiligcn  fc^Itc^t  ;;u  cr^äl^Ien,  toerftc^t  fic.  Sicbcr  bcnn  aU  ^immcl^^fonicjin 
erfaßt  fie  'üJiaria  aU  liebliche  ^w^öftau  ober  ak  fc^mcrjen«Jrcic^e  3)Jutter  unb  ben  ^ci^ 
lanb  in  bcn  ergrctfcnbcn  3"9^"  ^^^  35ulbct«.  3l\d)t  feiten  toerirrt  fic^  bicfcö  ©u^ien 
nad)  SBaF^rf^eit  in  gerben,  ja  abftofeenben  Sleali^mu^,  aber  man  barf  nid^t  überfebcn,  ba§ 

5  bic  ©emüter  ber  ©d^auenben  auf  l^ärtere  löne  geftimmt  lüoren  unb  burc^  bie  geiftlic^en 
Sc^auf>)iele  immer  tpieber  bafür  geftimmt  tourben. 

"iDlit  biefem  ftarl  au^gejjräöten  3Serftänbniö  für  ba^  ^nnerlid^c,  ©ubjeftitoc  ^änc^t 
üE^ne  3*^eifel  jufanimen  bie  malerifc^c  Slbfümmung  ber  ^laftif.  3lufecrbcm  gefeilte  fid^ 
bem  ^ilb^auer  in  ber  3(u«fü^rung   ber  reichen  Semalung   unb  ikrgolbung   immer  ber 

io5JlaIer  gu;  bie  Slltäre  unb  manc^e^  anbere  SBerf  ftnb  gemeinfame  älrbeit  ber^ßlaftif  unb 
bcr  5KaIcrei.  äud^  bie  gunel^menbe  Seborgugung  be^  ^olge^  bor  bem  ©tein  toirftc  l^icr 
mit,  ba  bie  Sefc^affenbeit  biefe^  3Kateriatö  pi  einer  malerifc^en  Se^anblung  unmittelbar 
brängt. 

%a^t  man  ba«  ®anje   in«  2tuge,   fo   mu^  bie  ^eriobe  ettoa  1450—1530  aU  bie 

15  j^toeite  33lütegeit  ber  beutfc^en  ^laftif  begeic^net  Serben.  (Sin  rege«  ©c^affen  ge^t  burc^ 
alle  Sauen  Deutfc^lanb«.  ältlerorten  erfte^en  grofee  ailtartoerle  mit  reichem  malerifc^cn 
unb  Jjlaftifd^en  ©d^mucf.  2)ic  3""ft^^0iP^  ^^Q^^  ga^lreic^e  Äünftlernamen,  h)ie  immer 
auc^  bie  iräger  einjufc^ä^en  fmb.  ^reilic^  ?Wittel})unfte  toon  fo  beftimmenbem  ßinflufe 
toie  glorenj  unb  5Rom  in  ber  italienifc^en  Slenaiffance  fmb  nic^t  bor^anben,  Ido^I   aber 

•M  ©tätten  genug,  bon  benen  in  bie  9?äl^c  unb  in  bie  gerne  getoiffe  SBirfungen  au«gel^en. 

2)arin  nimmt  9iürnberg  al«  3lu«gang«))unlt  ber  fränfifd^en  ©d&ule  ben  erften  ^Ua^  ein. 

2)ie  ©c^ni^toerfe,  bic   au«   ber  SBerfftatt    be«  3RaIer«  aJlic^ael  SBo^lgcmut   (t>gl. 

5Jb  XII  ©.  122)  ^erborgingen,  geboren  ju  ben  erften  3^"0^  ^i^f<^  gel^obenen  Silbnerci, 

aber  bereit«  in  feinem  jüngeren  ß^itgenojfen  Seit  ©to|  (geb.  ca.  1440,  längere  3^'^  i" 

25  Hradtau  tl^ätig,  gcft.  1533)  entfaltet  ftd^  bie  neue  JHic^tung  t)oB.  (£r  ift  in  erfter  Sinic 
^oljfd^ni^er.  ©ein  3'^^  Ö^l^t  auf  fd^arfe  g^aralteriftif  unb  unmittelbare  ßrfaffung  bcr 
Säirflic^feit  (ber  ungered^te  Stic^ter  im  ©ermanifd^en  3Hufeum).  ®er  unruhige  3^9  ^" 
fcinent  erften  §au})th)erle,  bem  3Karienaltar  in  Äradtau  (1477—1484),  ift  in  bem  ©ngc- 
lifc^en  ©rufe  (1478)  in  ber  Sorenjlirc^c  einem  bome^men,   aber  ettoa«  inl^altlofen  3lue= 

3(.)  brudf  geh)ic^en.  ©eine  2:^ätigfeit  greift  h)cit  an^  (^öfob«fird^c  in  5Wümberg;  ju  ögl. 
S.  3)aun,  Seit  ©tofe  unb  feine  ©c^ule,  Sei^gig  1903).  3lAm  \f)m  fte^t  ebenbürtig  al^ 
ÜReifter  ber  ©tein^laftif  abam  Sraft  (geb.  ca.  1450,  gcft.  1509).  3n  fieserem  ©angc 
l^at  er  [xd)  bom  ©teinmc^  gum  Äünftler  cm})orgearbeitet.  3lu«  feiner  Sergangenbeit  gc|t 
mit  i^m  ein  ard^aiftifd^er  3w9-    2lb^olb  allem  Seibenfc^aftlic^en,  breitet  er  über  ^erfoncn 

36  unb  §anblungen  eine  faft  anbac^t«t)olIe  SRul^e  unb  läfet  au«  il^nen  feine  treul^ergige,  ju^ 
iDcilen  aUerbing«  auc^  etn^a«  l^au«badtene  2lrt  h>iebcrfc^einen.  ©eine  fieben  ©tationen  bor 
bem  3:iergärtnertore  unb  bie  Äreugigung«gru))}je  auf  bem  3o^anni«frieb^of  laffen  feine 
fünftlcrifc^e  Scfonbcr^eit  am  beften  errcnnen,  tDäl^renb  in  bem  berül^mten  ©aframent^ 
l^äu«d;en  in  ber  2orengIird^e  (1492—1496)  fein   beforatibe«  Serftänbni«  unb  feine  tec^^ 

10  nifcbc  gjlcifterfd^aft  glängcnb  ^crDortreten  (I)aun,  Sbam  Äraft,  Serlinl897).  311«  brittcr 
rci^t  [\6)  an  ber  ©rggiefeer  $cter  SSifc^er  (geb.  ca.  1455,  gcft.  1529),  au«  beffen  ©icB- 
l}\xiU,  unter  9){ith>irlung  bcr©öl^nc,  gablrcid^c  SBerf e  hervorgingen.  3ln  großer  äuffaffung 
unb  ©c^önl;cit«emj)finben  übenagt  er  feine  beiben  3^itgcnoflen,  obtoo^l  jh)ifd^en  i^m  unb 
Slbam  Kraft  beutlid^e  Scjie^ungen  befte^cn.    ^n  feiner  fpäteren  £eben«geit  gclüinnt  bic 

45  iHenaiffance  Ginflufe  auf  il^n,  ol^ne  i^n  bon  bem  mütterlichen  Soben  ju  löfen.  5)afür 
^icugt  fein  .v^aujjttücrf,  ba«  l^errlic^e  ©ebalbu«grabmal  (boHenbet  1519)  m  bcr  ©ebalbuß- 
firc^c,  in  mcld^em  alte  unb  neue  SBJcifc  in  fc^öncr  Harmonie  gufammenflingen.  2)afe 
ba«  ©cl)affcn  biefer  3)Jänncr  Iräftigc  unb  erfolgreiche  Anregung  gab,  befunbcn  treffli(^c 
Sßcrfc  jener  3^^^,  bcrcn  ©d^öpfer  unbefaunt  geblieben  fmb  (j.  S.  SWaria  mit  bem  gcici- 

öi)  nam  Qi)x\\i\  in  bcr  3flfob«firc^e,  bie  fd)merjcn«reic^e  SKutter  im  ©ermanifd^en  3){ufcum). 
3n  Untcrfranfcn  ragt  bcr  au«  9liebcrfad^fcn  gebürtige  unb  in  SSBürxburg  gur  ^öt^ftcn 
ftäbtifd;cn  ffiürbc  aufgcftiegcnc  Jilmann  SRicmenf^nciber  (gcft.  1531)  ^erbor,   gleich  er- 
fahren in  bcr  ©tcinfful^tur  ioie  in  bcr  ^oljbilbnerci.    ©c^ön^cit«gefül^l  (©iKi  am  portal 
bcr  3}iaricnfird^c  in  SBür^burg)  unb  Sornef^m^cit  berbinbcn  fid^   in   feinen  ©dbö})fungen 

55  mit  feiner  G^araftcriftif  (^al^lrcidE)e  Stltartocrfc  unb  ©rabbenfmäler,  barunter  ba«  itaifcr 
.^cinrid;«  II.  unb  feiner  ©cma^lin  im  I)om  m  Sambcrg).  ©ine  grofee  ^üng^jf^^f^ 
fammcltc  fid;  um  il^n  (G.  Jönnic«,  iJcbcn  unbS^erfc  be«  Silbfd^ni^er«  3^ilmann  9licmcn= 
fc^ncibcr,  ©trafeburg  1900). 

Slud)  ©c^hjabcn  bat  an  biefer  Gnttoidclung  bcr  beutfd^cn  ^Uaftif  einen  l^erborragcnbcn 

ö)  3lntcil,  oblt)ol;l  l;icr  bic  Vorliebe  für  bic  5Jfalcrci  tiefer  haftete,    ^n  Ulm,  bem  ^Kittel- 


(BMptnt  441 

Jjunfte  bcr  fc^luäbifd^cn  Sd^iilc,  entfalten  ^örg  Sl;tlin  (geft.  1491)  unb  fein  gleidbnaniiöer 
©o^n  eine  bebcutfamc  ^^f^ättgfeit.  Sc^tercm  toirb  —  ob  mit  Sted^t,  bleibt  ba^ingefteüt 
—  ber  .öoc^altar  gu  33Iaubeuren,  cine<^  ber  3)Jeifterh)erfe  c^riftlic^cr  ^laftil,  jugefd^rieben, 
neben  bent  aber  auc^  ber  Ärujipju^  in  ber  ^auptfirc^e  gu  SRörblingen,  ein  2öerf  Don 
F^o^er  SJoHenbung  genannt  Serben  nmfe.  5 

SEiroI  l^atte  um  biefe  3eit  in  3Jli(|aeI  ^adf^er  (geft.  1498)  einen  9!)teifter  Don  großen 
lünftlerifd^en  ßigenfc^aften.  2)agegen  tourbe  am  Jlieberrl^ein  unb  in  9lorbbeutfc^Ianb  baö 
lofale  Sd;affen  burd^  ben  maffenl^aften  3;"it^öi^^  ^^^  ©d;ni$altären  unb  anbem  plaftifd^en 
(Srjeugniffen  au^  ben  TOeberlanben  ftarl  beeinträchtigt  ober  gerabeju  la^m  gelegt,  äöo 
man  felbft  fd^uf,  lel^nte  man  ftc^  faft  immer  an  biefe  auölänbifc^en  SSorlagen  an.  Slber  10 
bie  blü^enbe  ©d^ule  in  Äallar  ift  anbererfeit^  ein  Setüei^,  baß  in  biefer  2{bf;ängigfeit 
boc^  aud^  eine  gehjiffe  Selbftftänbigfeit  nid^t  gefel^It  ^at.  So  ift  aud^  ber  große  9)leifter 
ber  Silbnerei  in  9iorbbeutfd^Ianb,  .^an^  Srüggemann  au^^ufum,  jtoar  bur^  bie5iiebers 
(änber  angeregt,  aber  feine  ßigenart  —  feine  Slbtönung  be^  ©mjjfinbung^Ieben^  unb 
Äraft  biö  jur  ©erb^eit  —  gaben  feiner  Äunft  ©epräge  unb  SBirfung.  ©r  ift  ber  ©d^öjjf er  15 
be^  größten  unb  arc^iteftonifd^  am  feinften  em})funbenen  2lltarn)erl^  im  3?orben  (im  2)om 
}^u  Sc^le^lüig,  urf^jrünglid^  für  bie  Älofterfirc^e  ^u  Sarbe^l^olm  gearbeitet,  1521;  ju  Dgl. 
31.  Qad),  §an^  Srüggemann,  Sd^Ie^mig  1896). 

3m  SSerlaufe  be^  16.  ^al^rl^unbert^  beginnt  bie   italienifd^e  SRenaiffance   aHmäi^lid^ 
über  3)eutfc^Ianb  fic^  auszubreiten ;  bie  t?oIge  ift  bie  Sluflijfung  ber  beutfd^en  *$laftif,  an  20 
beren  Stelle   nun   ein   manierierter  ÄlafftciSmuS   trat,    ber   in   ber  §anb  auSlänbifd^er 
eingetDanberter  3)leifter  noc^  juna^m.    ^n  Italien  felbft  fe^t  bann  am  ßnbe  biefeS  ^al^r^ 
l^unbertö  baS  95arod  ein  unb  getoinnt  l^ier  unb  überall  bie  §errfc^aft.    3)er  Sal^nbrec^er 
ift,   aud^   in  ber  ^laftif,  ber  j)ä>)ftlic^e  Saumeifter  Sorenjo  Sernini  (geft.  1680).    2)a« 
äeftreben  ge^t  auf  Jjatf^etifdbe  Sd^ilberung,  affeftöoHe  SarfteDung.    DaS  Seelifd;e  brängt  25 
ficf)  leibenfc^aftlic^  Dor,   aÜk  flutet   in  unrul^iger  Setoegung.    2)a  biefeS  Rid   nur   mit 
ben  5)fitteln  ber  3)Jalerei  DöHig  ju  errei^en   ift,   fo   unterftetlt   fid^   bie  ^laftif  ben  ©e^ 
fe^en  berfelben  unb  giebt  i^re  ©igenart  auf.    So  entftel^en   bie  tl^eatralif^  fom^onierten 
.^eiligengefd^id^ten,  befonberS  3)Järtt;rerfc^ilberungen,   in   n^eld^en   bie  fc^tDärmerifc^sjefuis 
tifc^e  gj^ömmigleit  ber   fat^olifc^en  Sieftauration,    fritoole  Sinnlic^Ieit  unb    abftoßenber  30 
SlealiSmuS  fi^  jufammenfinben.    SJatur,  SBal^r^eit    unb  S^lic^tl^eit    finb    au^efc^altet 
unb  bafür  regellofe  ^l^antafie,  ©jaltation  unb  Lanier  ate  bie  ^errfd^enben  'Släd)^  eins 
geführt.  Die  religiöfe  Äunft  erlebt  in  biefer  ©nttridelung  i^re  böHige  Sluflöfung.  Deutfc^* 
lanb  tpurbe  baüon  um  fo  l;ärter  betroffen,  ba   ber   breißigjä^rige  5triea  SBo^lftanb  unb 
ißollehaft  aufS  tieffte  erfc^ütterte,  unb  ba^er  frembe  9)leifter  herbeigerufen  mürben.  Slbersö 
berjenige  Staat,  ber  ^uerft  fraftöoB  unb  jufunftSfreubig  auS  ben  Irünnnem  fic^  lieber 
aufbaute,  Preußen,  i}ai  and)  ben  erften  l^erDonagenben  beimifc^en  93arodfünftler,  3lnbreaS 
Sd^lüter  (geft.  1714).    SKaS   feine  ßigenart  bilbet,   ^l^antafie,  SBal^rl^eit,   monumentaler 
Sinn,  tritt  leuc^tenb  l^erDor  in  feinem  5Reiterftanbbilbe  beS  ©roßen  Äurfürften  inSerlin. 
(Sine  anmutige  unb  bejeic^nenbe  beforatiüe  Äom^jofttion   ift   feine  ^Karmorlanjel  mit  ben  4o 
jubilierenben  (Sngeln  in  ber  3J?arienfirc^e  ju  Serlin  (6.  ©urlitt,  änbreaS  Schlüter,  Serlin 
1891).      • 

3)aS  auf  franjöfifc^em  33oben  entftanbene  SRofofo,  bie  «erliefe,  fjjielenbe  Umbilbung 
beS  93arod  berfolgte  beloratitoe  3^^^^  unb  fommt  für  bie  ©roßjjlaftif  ni(f)t  in  Setrac^t. 

3)lit  bcm  aiuSgange  etira  beS  18.  ^la^rbunbertS  ^ört  bie  Selbftftänbigleit  berÄunft45 
auf.  „es  beginnt  ber  Slunblauf  burd^  alle  3^iten  unb  Stile,  ber  inSbefonbere  ber  "Hxd^'u 
tettur  unb  ben  beforatioen  fünften,  bann  aber  aud^  ber  3Kalerei  unb  33ilbl?auerei  be« 
19.  ^ö'^^'^w"^^^^^^  c^"^"  föft  c^aotijd^en  G^arafter  Derlei^t".  3)er  mobeme  SBerfcl^r,  bie 
äuSfteHungen,  bie  erleichterte  9Je})robuItion  fül^rcn  ^erfonen  unb  Scf)ulen  aller  Sänber 
^ufammen  unb  fc^affen  bie  große,  in  forth>ä^renber  Setoegung  befinblic^e  Stilmifc^ung,  00 
bie  h)ir  @egenh>ärtigen  erleben.  3""^^!^  f^"^  man  in  ber  2lntife  baS  SJorbilb.  2)er 
Italiener  Antonio  GanoDa  (geft.  1822)  unb  ber  3)äne  »ertel  SJ^ortüalbfen  (geft.  1844) 
vertraten  fie  glän^enb  unb  einfcf)meicl)elnb.  3"  ^^^  c^riftlic^en  Äunft  lebt  biefer  ^eute 
noc^  mit  einem  äÜerle,  melc^em  fic^  an  Popularität  nur  n^enige  an  bie  Seite  ftellen 
fönnen:  ber  einlabenbe  G^riftuS,  begleitet  Don  bem  &)ox  feiner  Singer,  in  ber  ^auen=  55 
lirc^e  JU  Äojjenl^agen.  ^o^eit  unb  9Jiilbe  ftral^lt  biefe  in  antife  Sd^ön^eit  gefaßte 
©eftalt  an^,  35ie  leicht  erl^obencn  'Jlrme  unb  baS  ftreng  ebenmäßig  gebilbete  '2lntli^ 
bringen  bie  ffiorte  3Jlt  11,28  ju  liebeDoHem  2luSbrud.  Stber  inbem  biefer  treidle  3"9 
unb  eine  mitteibSDolle  ipingabe  bem  Silbe  fein  eigentliche^  ©ejjräge  geben,  bagegen  bie 
gcbieterifc^e  ©röße  unb   bie  toeltübertüinbenbe  3JJac^t   bcS  §enn   ganj   im  §intergrunbe  »10 


442  6fiiT)ihtr 

bleiben,  niufe  bic  9(uffaffunö  afö  eine  cinfeitiöe  bcjeidfjnct  tverbcn,  bic  ntd^t  an  bem  qc- 
fc^id;tlid;cn  6I;rtftu^,  fonbem  an  bem  leib=  unb  bemut^DoHen  ^^eilanb  bcr  fünftlcrifd?cn 
Stomantif  bcr  fog.  9lajarcner  orientiert  ift.  (3lb.  SfJofcnberg,  3:^om)aIbfen  1896  inÄünftIer= 
monograt)I)ien.)    ®er  ^erDonagenbftc  SSettreter  be«  Älafftciömu«  in  ©eutfd^Ianb  ift  Gl^riftian 

5  2)aniel  SKaud;  (geft.  1857).  3)a«  glatte,  refleftiertc  ©c^önl^eit^ibeal  etne^  6anot?a  unb 
2;l^orn>aIbfen  erhielt  in  feiner  lünftlerifc^en  ^nbibibnalität  einen  fräftigen,  greifbaren  Sn^^It. 
Seine  JJeigung  unb  bic  an  i^n  ^erantretenben  3(ufträge  feffelten  il^n  faft  au^f(f>Iie6(ic^ 
an  bie  h)eltlicl)e  ^laftil.  aber  feine  ®ru}j})e  bc«  betcnben  3Kofe^  in  ber  grieben^firc^c  ju 
•^Jot^bam  criücift  aud^  fein  feinet  Serftänbni^  für  bie  aufgaben  ber  rcligiöfen  ©!ulj>tur, 

10  unb  er  ^at  ba«  SBort  gefjjrod^en,  bafe  bie  ^"^"f^  '^^  beutfc^en  ^laftif  auf  religiöfcm 
®ebiete  liege,  unb  babei  auf  feinen  ©d^üler  JHietfc^cl  getoiefcn  (%.  unb  ß.  ©gger^,  6br. 
2).  $Raud;,  5  93be,  S3erlin  1873  ff.).  3n  ßrnft  3lietfc^el  (gcft.  1861)  t)oajiel^t  fxd}  eine 
beutlid^c  älnnä^erung  an  ben  SReali^ntu^.  SBä^renb  bic  cm})finbungöt)oIIe  $ietä  in  bcr 
^-ricbenefirc^c  ^u  ^ot^bam  (18^7)   nod^   im   ibcalen  Älafftci^mu^  ru^t,   ift  im  Sutbcr^: 

15  bcnfmal  ju  SBorm^  (DoUcnbet  erft  nac^  bem  Sobe  SRietfc^etö  1868)  bic  gclr>altigc  ^^cr= 
fönlic^fcit  be^  9leformator«  in  bcr  gan.^en  SBud^t  i^rer  gcfd^ic^tlid^cn  ©rfc^cinung  erfaßt, 
unb  biefer  ©inbrud  ift  ftarf  genug,  bic  unleugbaren  SJlängel  ber  Äom})ofttion  be^  ©anj^en 
jurüdjubrängcn  (21.  SBoltmann,  I)ic  bcutfc^c  Äunft  unb  bic  Sieformation,  Serlin  1867. 
Dj)J)ermann,  ©ruft  Slictfd^el,  2.  aiuft.  Seijjjig  1873). 

20  5^njloifd;cn  i)at  bic  Situation  ftc^  böHig  getpanbelt.  35er  Älafftciömu«  ift  in  bcr 
bcutfc^en  ^laftil  Dereinfamt;  fein  naml^afteftcr  SJertreter  ift  gur  R^xt  äbolf  ^ilbebranb 
(geb.  1847),  Don  großer  SReifterfd^aft.  ^m  übrigen  erfd^öj^ft  [xq  bicfc  Äunft  in  alloi 
möglichen  Stimmungen  unb  Strömungen  Dom  Jjj^antaftifcl^cn  S^mboli^mu^  an  bi«  jum 
cdigftcn  Slcaliömu^   unb   bijanften  3i"i}>^«fPoni^mu«.    ^n  ^ranfreid^   ift    fte   bcnfelbcn 

2ö  Äkg  gegangen.  2)en  fc^ärfftcn  i^rud^  mit  ber  flafficiftifc^en  58ergangen^eit  bcjcid^nct  bort 
nac^  feinen  i>orläufern  granQoiö  Stube  unb  2)at)ib  b*3lnger§  bcr  geniale  äuguft  Sobin 
(geb.  1840),  locld^er,  Subjeltit)ift  burd^  unb  burd^  unb  ab^olb  allem  "^Ola^  unb  fc^licbt 
9iaiürlid;cm,  feine  (Scftalten  mit  bcrCSlut  leibcnfd^aftli^cn  Seben^  erfüllt,  imb  bicfc  ®lut 
ift  Dorh)icgenb  bic  Sinnlic^feit.    „äbftofecnb  unb   unl^eimlid^  angie^enb  guglcic^   crf(^cint 

30  ba^  Sc^^affcn  biefeö  3Kanne^."  2)oc^  mit  Siecht  gilt  nid^t  er,  fonbem  älbcrt  Sart^o- 
lomö  (geb.  1848)  atö  ber  größte  fran^öftfc^c  33ilbl^auer  bcr  ©egentoart.  ®roßc  2(uffaffung, 
$armonic  unb  3Jlai  d^aralterifiercn  fein  Schaffen  unb  Dor  allem  fein  §au|)th)crf,  ba^ 
Monument  aux  niorts,  aB  ®rabbenlmal  bcr  Siamcnlofcn  1899  aufgeftcUt  auf  bem 
^rieb^ofe  ^^Jörc   la  (S^aife  in  ^iari«.    Sic  Snfd^rift  (3Kt  4,  16)  unb   ein   (gngel  ober 

35  ®cniuö,  ber  einen  "Soten  jum  Seben  ruft,  f})rec^en  eine  3"t"nft^^offnung  au«,  aber  auf 
ben  ®cftalten,  bic  gur  bunfeln  3:obe«pforte  tvanfen,  liegt  ber  ®eift  bumpfer  Slefignation 
ober  troftlofer  ^JScr^tDcifelung.  ^n  Belgien  ftettte  Äonftantin  3)lcunier  (gcft.  1905)  fein 
große«  3:alcnt  in  ben  2)ienft  ber  fogialen  ^rage,  inbem  er  marfige  ®cftaltcn  au«  ben 
arbeitenben  klaffen  in  jjadenber  £eben«lt)af;r^eit  Dorfül^rt.  2)ic  übrigen  eurojjäifc^cn  S?änt»cr 

40  fte^en  jurüd. 

211«  ©anjc«  betrad^tet  erfc^cint  bie  5tunft  ber  ®egenh)art  elleftifd^  unb  original  iu= 
gleid).  ^nbc«  aud^  \vo  fie  efleltifd;  ftc^  Der^ält,  ift  fie  um  ben  ©infaft  eigener  ®eban!cn 
bemüf^t.  (Sin  ftarler  3)rang  bel^ervfd;t  fte,  Jjcrfönlic^,  inbiöibueÜ  in  fein,  unb  ibre  3"^^- 
bibualität  bcr  i>crgangenl^eit  gegenüber  burd^jufe^en.    ^rcilic^   läuft   oft  genug  Sclbft- 

45  täufc^ung  mit  unter.  3)ie  angeblid;c  gretl;eit  ift  gcfd^idt  ober  ungefcbidt  toerbedte  3lb- 
^ängigfcit.  2lnbcrcrfcit«  lebt  ber  ^Ktleni«mu«  in  ber  ^laftif  nod^  fort,  aud^  romantific 
2lntüanblunnen  unb  fircf^lid^e  3:rabition  ^aben,  befonber«  in  ber  fatl^olifc^en  Äunft,  noc^ 
®eh)id;t.  2lbcr  bic  ®efamtric^tung  gcl^t  in  ben  regellofcn  S3a^nen  eine«  taufenbfac^ 
fd»itlcrnbcn  Subicftit)i«mu«.    2)ic  geiftige,  et^ifc^e  unb  religiöfe  ßcrfal^rcn^ctt  ber  ®cgcn' 

50  iuart  fiiibet  lt)ic  in  bcr  Sitteratur  fo  auc^i  in  bcr  ß'unft  il?ren  unmittelbaren  aSiberfcbein. 
2(uf  einem  fo  burd}ioül^lten  unb  fd;toanfcnben  33oben  aber  fann  feine  religiöfe,  am  aUcr' 
ivcnigftcn  eine  firdblic^e  Äunft  gcbciFjen,  benn  jene  n)ic  bicfc  toäc^ft  nur  au«  großen, 
tiefen  unb  crnftcn  ®ebanfen,  ni^t  au«  bem  <Bpxd  ber  Saune  unb  au«  gerriffcnen  Stim- 
mungen.   Siefcn  SdE)tuß   bcftätigcn   tro^  mancher  2lu«na^me  bie  3^^atfac^en.    Übrigen^ 

55  l}ai  bic  lird^lid^c  2lvc^iteftur  für  bic  ftatuarifc^c  ^laftif  nur  noc^  geringe  fficrtocnbimg ; 
ber  enge  Sunb  ^tvifd^en  33i(bncrci  unb  23aufunft,  ben  ba«  DJiittelaltcr  geigt,  f>at  fw^  längft 
gclöft.  2)agcgcn  bietet  bic  ®rabbcnfmalfunft  bcr  rcligiöfen  ^laftif  ncuerbing«  tDi^tigc 
2lufgabcn,  2lufgabcu,  in  bcncn  aber  aucf^  große  ©cfabren  bcfd^loffcn  liegen,  h)ic  man  an 
ben  j?runfi>oIIcn  Twicb^öfen  in  roinanifd^cn  Säubern  lernen  fann.    Die  bcforatit)e  ^laftif 

»io  cnblid;    erfreut    fid;    innerl^alb    ber    tird^Ii^Kn   Äunft    gur  ^cxi    einer   lebl^aften  ^^flcgc, 


@titl)ihtr  Sletbanud  443 

allcrbing«    faft    au^fc^Iicfelid^   in  Slnlcl^nung    an   bic    Iirci^Iid;c  ftlcinfunft   bcö  WxtkU 
altere.  Sictor  Sf^ull^e. 

Slaiiett,  Sefe^rnng  jnm  (S^nfitetttuttt,  f.  b.  äl3(.  e^^illud  unb  3Rctl^obtu$ 
»b  IV  S.  384ff.,  aniecj^^IaD  Sb  XIII  @.  60ff.,  SRufelanb  Sb  XVII  6.  2d7, 
^fc^cc^en  unb  SSienben.  5 

Sloötfc^e  »tbelflbcrfe^ungen  f.  b.  31.  Stbelübcrfc^unöcn  Sb  III  ©.  151  ff. 

SIeibanud,  ^ol^«""/  ^^  C^if^^^^ögra^)^  bcr  bcutfd^cn  Sieformatton,  geft.  1556.  — 
3)ic  früheren  ^^(rbeiten  (^antaleon,  Prosopographiae  heroum,  ßasilcae  1565/()6  III,  392 f.; 
'üDMdiacI  S3cut^er,  Äiir^cr  S^cvid)!  üom  8tonbc  unb  üebcn  3-  ®I-S  i"  feinev  Üebcrfc^ung  ber 
Comraeiitarii,  ©traftbiirg  1568;  €d)abäuö  in  ber  JJ^T^tfc^ung  bcr  Coraraentarii,  Strafebiirg  10 
1625;  X.  ^.  "iDioncr,  Disputatio  circularis  de  Jo.  Sleidano,  Slltborf  1697;  «ßft.  föclt,  Etüde 
siir  öleidan,  ©ifc^meiler  1862  u.a.)  finb  antiquiert  burd)  ^crm.  SBaunigartenö  ©diriftcn:  lieber 
©I.§  fieben  unb^riefiüecfifel,  @trQ6burgl878;  8I.§  öriefroedjfel,  ©trafeburg  1881 ;  ?Jb53  34,  354 ff. 
S^aju  fcitbem  9iad)träge:  in  Stra^burg^  politifcfte  Sorrefponbeni^  S3b  III;  üou  ^Ilfuin  .^oflftuber 
in  ^orrefponben^blatt  b.  ^löeftb.  3eitfd)r.  f.  ®cfd).  u.  ^unft  VII  (1888),  150 ff.;  bcrf.  in  3eitf4r.  16 
f.  b.  ®efd).  b.  Oberrbein«  IV,  337 ff.;  XIV,  428 ff  ;  ix  XUmann  thh.  X,  547 ff.;  £,  mndcU 
mann  ebb.  XIV,  565 ff.;  $lb.  ^afencleoer  ebb.  XX,  224ff.,  bef.247ff.;  berf.,  ©Ieiban=@tubien, 
»onn  1905;  33üurinD.  Jean  Sl.  et  le  Cardinal  du  Bellay  in  Bulletin  bist,  et  litt.,  ^arig  1901, 
225 ff.;  berf.,  Guillaume  du  Bellay,  <ßariöl904;  g.CüKüaer,  $luS  ben  ©ifelbergen,  ijangen^ 
berg  1887.  *       20 

©I.ö  Schriften:  3)ie  fleineren  @d)riftcn  gefammelt  in  btw  Opuscula,  Hanoviae  1608.  ™ 
©eine  JReben  neu  berauögeg.  üon  @b.  Sommer,  Qujei  ditben  an  Äaifer  unb  SRcid),  ©tnttgorter 
litt,  herein  CXLV,  Tübingen  1879.  —  gu  de  quatuor  suramis  imperiis:  ©eift^irt,  Epistola 
historico-critica  ad  celeb  Heumannum,  Isenaci  1726.  gortfe^ungen  Pon  ?legibiuö  ©traud) 
(—1668),  Sranffurt  1672;  oon  Äonrab  ©am.  ©d)uri^fteifd)  (—1678),  Seipjtg  1697.  —  3u  25 
ben  Commentarii:  SBefte  9lu8gabe  üon  (Iftr.  9t.  am  ©nbe,  3  59be,  granffurt  a.  ^.  1785/86; 
berf.  in  ©dielftorn,  ergötlid)!eiten  II,  414 ff.;  653 ff.;  IIJ,  900 ff.;  1029 ff.;  berf.,  S8ermifd)te 
9lnmerfungen  über  ben  berühmten  ®ef(^id)tfd)rei6er  3.  ©l.,  9?ürnberg  1780;  X^.  $aur,  3-  ^t.ö 
i^ommentare  über  bie  Sf^egierungöjeit  ^arlS  V.,  ßeipjig  1843;  ß.  üianfe,  ^ur  Äritif  neuerer 
®ef(^i(^tfd)reiber;  fi.  ©cnben,  De  J.  Sleidano  reformationis  Coloniensis  .  .  .  scriptore,  30 
Coloniae  1870;  tampfd)ulte  in  3rorfd)ungen  ^ur  beutfdjen  ®efd)id)te  IV  (1864),  57 ff.;  "üKauren* 
brec^er,  ©tubien  unb  ©fi^en,  ©.  212 ff.;  C.  ©incfelmann  f.  0.;  ®.  S^oigt,  3)ie  ®efd)idit- 
fd)reibung  über  ben  fdjmalfalb.  ^ieg,  fieipjig  1874;  SR.  gefter,  ©leiban,  ©abinuö,  ^eland)- 
t^on  in  C)3  89  (1902),  Iff.:  3Qnffen=?Jaftor,  Cttcfd).  b.  beutfd)en  «olfeS  VII,  287  ff.;  it^at^olif 
1895,  II,  573 f.;  2R.  fien^i,  ®efd)id)tfd)reibung  unb  ®efd)id)t§auffafiung  im  (Slfaf?  jur  3eit  ber  36 
SReformation,  ^allc  1895,  ©.  13 ff.;  SReufd),  5)ie  Indices  libr.  prohib.  beS  16,  3a^r^unbertö, 
Tübingen  1886,  ©.60.—  gortfe^ungen  ber  Ck)mmentarii :  öon  3"ftin  ®übler.  Sranff.  1568; 
oon  ©hd).  aSeut^er  (8  53ü(öer  ergänjungen.  ba«  9.  53ucb  gortfe^ung  bi«  1566;  ©traftb.  1568; 
Pon  3R.  6.  ßunborp,  granff.  1610;  oon  Slrtl)ufiu§,  Sleidanus  redivivus  1618;  Pon  Oöfar 
©c^aböud  1625.  40 

2)cr  berül^mtc  2lnnalift  ber  Sleformation^efd^ici^te  3ol^ann  ©leibanuö  tourbc  toal^r» 
fc^cinltdfi  1506  ju  Sd^leiben  in  ber  (Sifel  geboren  (bgl.  S^itf^'^-  f-  ®^^-  ^-  Dberrl^ein«  XIV, 
430;  Sentker:  1508),  ein  Sllterögenoffe  unb  £anb«mann  be^  am  1.  DItober  1507  bort 
geborenen  ^oi^ann  ©türm,  ©ein  gamütenname  toar  ^^ilij)bi  (0.  3-  Füller,  3lu«  ben 
©ifclbergen,  Sangenberg  1887,  2lnbana  ©.  57  ff.).  6r  befud^tc  bic  l^eimifc^e  ©d^ule  unb  46 
cmj)fing  bann  toeitere  Slu^bilbung  in  Süttid^.  (5r  fc^eint  in  Äöln  ftubiert  ju  ^aben  (bie 
■iDJatrifcl  ^at  feinen  SJamen  nid^t);  benn  er  ift  tool^I  ber  Serfaffer  t)on  Überfe^ungen 
griec^ifd^er  @})igramme,  bie  in  einer  bei  S^l^ann  ©oter  in  Äöln  crfd^ienenen  ©ammlung 
(1528)  mit  bem  9Jamen  ©leibanu^  gejeic^nct  finb.  $ter  toirb  er  ©d^üler  be«  ßäfariu« 
getocfen  fein.  Son  Äöln  foll  ©türm  feinen  Sanb^mann  gur  gortfc^ung  feiner  ^uma^  öo 
niftifc^en  ©tubien  nad^  £öh)cn  mitgenommen  ^aben.  35ann  finben  toir  il^n,  toa^rfc^cinlic^ 
alö  §ofmeifter  feinet  S^ölino^f  be«  ®rafen  %xan}i  bon  SJlanberfd^eib,  in  Süttic^.  3)ag 
ältefte  fidlere  3)ofument,  ba^  toir  toon  i^m  beji^en,  ift  ein  ©rief  an^  bem  ©ommer  1530, 
in  bem  er  afe  era^mianifd^er  ^umanift  erfd^eint,  ber  aber  aud^  für  9Reland^t^on  toarmc 
aScrel^rung  jeigt;  mit  Harem  Slicf  burd^fc^aut  er  ben  fd^arfen  (Scgenfa^  ber  fqifcrlid^cn  55 
$olitif  jur  cDangelifc^cn  33ch)egung  2)cutfc^Ianb^.  3"^  3<^l^re  1533  fiebcite  er  nad; 
^anlrei^  über  unb  blieb  ^icr  längere  ^ai)xc  in  ©tettungen,  bie  ibn  mit  bem  Jjolitifc^en 
Seben  bertraut  machten.  3öir  finben  tl^n  1534  in  ^ari^  bei  3^^^""  ©türm,  im 
9lot)ember  1535  toirb  er  in  Orleans  inffribicrt,  too^I  um  bort  |\um  Lic.  ber  Slec^^tc  ^^u 
j)romoüicren.    Sei  feinem  Fortgang   bon  ^ari^  emjjfa^l  i^n  ©türm  @nbe  1536  bem  w) 


444  Slcibnnitd 

Äavbiiial  '^can  bu  SJcUai),  53ifci^of  Don  ^]iax\^,  al«  feinen  9Jac^foIger,  um  beffen  Äorte= 
fj?onbenj  mit  ben  beutfc^en  ^roteftanten,  f^je^icH  mit  Strafeburg  ^u  beforgen.  %ün^  gabre 
bientc  er  fo  teil^  bicfem,  teil^  bcffen  älterem  Sruber  ©uiÖaume  bu  95etla^,  ©etgneur  bc 
S?angcV.    33eibe  marcn  23ertreter  einer  gegen   ba«  §auö  §abgburg  gerichteten  unb  bal^er 

5  mit  bem  beulfc^en  ^roteftantiemu^  SSerbinbung  fud^enben  ^olitif  am  Äöntgö^ofe  grang'  L, 
ber  felber  ben  3tuftrag  erteilte,  ©letban  für  tjolitifc^e  3)ienfte  in  franjöfif^en  ©olb  ju 
nel;men.  Diefe  Sefolbung  f)ai  ©leiban  big  gum  3^obe  ^ranj*  I.  belogen.  6r  gehörte  ^u 
jenen  praftifc^^en  ^olitifern,  bie  ftd^  über  bie  ©eftnnungen  Äaifer  Äarte  gegen  ben 
^yroteftanti^mue  nie  l^atten  täufd^en  laffen  unb  ba^er  o^ne  Sebenfen  mit  ber  burc^  bie 

10  iserf^ältniff e  gen?tefenen  'JlottDenbiglett  rechneten ,  in  ^ranfreic^«  aintagoni^mu^  gegen 
bie  fpanifcf).'^abgburgtfdE»e  y)lad)t  einen  ©c^u$  für  ben  $roteftanti§mug  ju  fuc^en,  in^'- 
befonbere  ben  ©d^malfalbifc^en  33unb  mit  ^ranfreid^  in  feftc  i^erbinbung  ju  bringen. 
®a§  ©tubium  ber  ©d^riften  GalDin«,  bem  er  ^toax  in  $arig  nid^t  begegnet  toax,  mit  bem 
er  aber  balb  in   brieflichen  3?er!ef;r   trat,   tourbe  für  feine   gange  Seben^auffaffung  ent^ 

löfd^eibenb  (Dg(.  §afencleber,  ©leiban.  ©tubien  ©.  13  ff.).  Gr  tDanbte  je^t  fein  g^^^^ff^ 
ber  (Sefcf)ic^tfc^reibung  ju,  irelcbe  bie  Greigniffe  ber  ©egentüart  jum  ©egenftanbe  nimmt. 
15:37  gab  er  in  lateinifc^er  Bearbeitung  einen  Slu^gug  Don  groiffarfo  ©cfc^id^t^^erf 
^erau^:  Johannis  Frossardi  Historiärum  Epitome.  3"  ^^  SSorrebe  J^reift  er  bie 
Sebeutung,   irelc^e  bie  ©efd^ic^te  ber  ®egenh)art   für  ben  Staatsmann  ^abe.    6r  ^alf 

20  iüo^I  qud^  ©uiHaume  bu  S3ellaV  bei  ber  Drucflegung  feiner  ©treitfd^rift  für  ^xan^  gegen 
Sari  V.  (Exeniplaria  litterarum  etc.,  ^ariS  1537)  unb  bei  beren  SBerfenbung  nac^ 
2)eutfc^?lanb.  3(te  bie  franjöfifd^e  ^olitif  1540  ben  Stnfc^lufe  ber  ©c^malfalbener,  »er 
allem  Sanbgraf  ^f;ili))pg  an  ben  Äaifer  ju  l^inbern  fud^te  unb  ju  biefem  3^^^  ^"  ®^= 
fanbter  jum  3:age  Don  §agenau  abgefanbt  tDurbe,    tDurbe  ©leiban  in  geheimer  3Rifficn 

25  biefem  gur  Überwachung  beigeorbnet.  53ei  biefer  ©elegen^eit  fam  er  guerft  in  ^agenau 
tüie  in  ©trafeburg  mit  ben  SJännern,  tDelc^e  bie  eDangelifd^e  Setoegung  leiteten,  in  pn\br\' 
lic^c  Serü^rung.  $ier  reifte  h)o^l  in  i^m  ber  Gntfd(>lu6,  Jjubligiftifc^  an  bem  grofeen 
Äamjjfe  teiljunel^men  unb  bie  ^Materialien  gu  einer  ©efd^ic^te  ber  beutfd^en  SRcformation 
gu  fammeln.    §eimgefel^rt  fc^rieb  er:  „93efc^eibener,  l^iftorif^er,  unfd^mä^lidfier  Seric^t  an 

30  aüc  Äurfürften  unb  ©tänbe  bcS  9leic^g  Don  beS  ^a))fttumg  äluf-  unb  abnehmen/'  eine 
mächtige  ©treitfc^rift  gegen  ben  ^a>)ft  als  baS  „9ieben^au})t",  ber  „tDeber  Äaifer  no* 
feinem  ^otentat  auf  ßrben  ^olb  ift,  fonbern  allein  unb  über  allen  ^enfcl^en  toitl".  Gr 
fei  ber  geborene  unb  gefdE)h)orene  ^einb  beS  ftaifertumS,  ber  ftd^  baju  als  2lntic^rift  offen- 
bare in  feiner  blutigen  Verfolgung  beS  GDangeliumS.  §ier  Derl^üHte  ©leiban  noc^  feinen 

35  5Jamen  in  Sa>)tifta  SaSbenuS.  Salb  liefe  er  eine  gtieite  Dration  an  ben  Äaifer  nad»-- 
folgen,  bie  er  biefem  frangijfifc^  überfanbte,  bann  aber  auc^  beutfd^  (1514),  fpäter  aud» 
lateinifd;  brudten  liefe,  ^ier  fud^it  er  bem  Kaifer  ©otteS  SBalten  in  feinem  Seben  gu  beuten,  ber 
if^n,  fo  oft  er  im  Sunbe  mit  bem  -^.^ajjft  baS  GDangelium  i}ahc  unterbrüdfen  tDolIen,  ftel^ 
burd;  Sriege  an  ber  9luSfü^rung  gel^inbert  \:}ab^.    ©eine  S3eftimmung   fei,    ben  recfeten 

40  ©lauben  tüieberl^erjuftellen ;  bagu  muffe  er  ficb  aber  Dom  $apft  loSfagen,  beffen  3tnf))rü(^c 
fid)  nur  auf  Setrug,  nic^t  auf  giltige  3lec^tStitel  grünbeten. 

©eine  erftc  biplomatifc^e  -iJjiffion  blieb  erfolglos,  ^^iliW  ^on  §effen  näherte  W 
bem  ßaifer.  1541  iourbe  h>ieber  eine  3J?iffion  bireft  an  bie  .sjäu})ter  beS  ©d^malfalbifc^cn 
33unbeS  unternommen,  bem  ©cfanbt^n  3Korlet  tourbe  ©leiban  als  3)olmetf^er  beigegeben; 

40  aber  fcbon  untertoegS  erfuhren  fie,  bafe  i^re  SRiffion  gefc^eitert  toar.  ^^ilii)J)  toie  QolKinn 
5*riebric^  lel^nten  58erl;anblungen  mit  ^^^"^^i^  ^b-  3)ie  ©efanbten  begaben  ftc^  ^irav 
noc^  nad)  SRegenSburg,  aber  ol;ne  beffcren  Grfolg.  ©tatt  eineS  SünbniffeS  mit  granfreii 
erfolgten  53efci)ioerbcn  über  bie  !öebrüdungen  ber  frangöfifc^en  Protestanten  burc^  Rom 
gran^.    2)aburdi  fam  ©leiban  in  ä5crbad^t,   als  l;abe  er  felbft  berartigc  95ef(^h)erben  in= 

50  f>)iriert,  aber  ber  ©trafeburger  JHat  recf^tfertigte  ibn  in  auSfü^rlid;em  ©c^reiben  bei  König 
5^rang.  2Jic  "ilJrotcftantenDcrfolgungen  Dericibeten  il^m  aber  feine  ©tellung  in  granfrei*; 
er  feinte  fid;  nad>  feinem  beutfcbcn  i^aterlanbe  unb  J^roteftantifc^er  llmgcbung.  3'" 
©ommer  1512  begab  er  ficl^  auf  einige  ^c\i  nad)  2^eutfc^lanb  (h>ol^l  in  feine  |»fi"iöÖ; 
feierte  aber  loiebcr  nad>  granfreicb  gurüd   unb   begleitete  nun  lieber  1544  ben  Harbinal 

55  bu  Seüai;  auf  eine  ©cfanbtfc^aftSreife  gum  ©peierer  SleidbStage.  ©ie  famen  aber  nur 
bis  ^3iancD,  ba  freies  ©cleit  Derii^eigert  tourbe;  unb  nun  fc^eint  ©letban  in  gel^eimer 
^JJtiffion  olmc  ©elcit  fic^  nadj  Deutfd;Ianb  begeben  gu  l;aben,  um  im  gntercffe  eineSän- 
fcl^luffeS  ber  ©cbnialfalbcner  an  ^ranfreic^  t^^tig  gu  fein.  Gr  rebet  fjjäter  Don  biefer 
Steife  als  ber  „bei  Weitem  gefährÜcbften",  bie  er  je  unternommen  l^obe.  ^i^i  blieb  er  in 

60  2)eutfcl?lanb,  unb  g\uar  in  ©trafeburg  unb  unter(;ielt  Don  ^ier  auS  SSerbinbung  mit  granfreic^- 


SfeiDauttd  445 

S3u^cr,  beffcn  „lür^crn  ßatcd^temu^"  ©leiban  1514  in^  Sateinifc^c  übertrug 
(Catechismus  ecclesiae  et  scholae  Argentinensis),  toanbtc  ftc^  baniofö  an  Sanbgraf 
^4?^tlij>t)  mit  bem  i>or|c^Iag,  t^n  aU  ©cfd^id^tfc^reibcr  t?on  ,,©otte^  SBimbertoerf  unb 
©uttaten"  in  ben  SReformation^taöen  an^uftcllen.  ßr  berichtete  babei,  ©leiban  l^abe 
fc^on  bie  ;,t)omel^mften  Stüde  bicfer  §iftorie"  gefammelt,  unb  bat,  bafe  fic^  ber  ©c^maU  6 
falbifc^e  Sunb  biefer  Sac^e  annehmen  möchte,  ©dbon  feit  mehreren  Saferen  trug  fid^ 
©leiban  mit  einem  fold^en  ^lane.  2lber  einfttoeilen  brängte  ber  Ärieg  mit  granfreic^ 
ben  SJorfc^lag  prücf.  ^njlDifc^en  bearbeitete  er  bie  ÜKemoiren  be^  franjöfifd^en  §iftorifer« 
^4?^.  (Somine^  über  2ubh>ig  XI.  unb  Äarl  bon  Surgunb  in  lateinifc^er  Bpxad)Q,  toobei 
er  fic^  in  einer  angefügten  Descriptio  Galliae  al^  forgfältiger  Seobac^tcr  öffentlicher  lo 
Ginric^tungen  geigte.  6r  toibmcte  bie  3lrbeit  ben  ipäuptern  be^  ©c^malfalbifc^en  93unbe^, 
bie  je^t  enblid^  auf  ^afob  ©turm^  unb  Su^ersJ  2)rängen  (Dgl.  3R.  Scnj,  Sriefloec^fel 
be«  Sanbgrafen  ^i^ilipj)  mit  Su^er  II,  262  u.  ö.;  Saumgarten,  Sriefh)eci;fel  ©.  42 ff.; 
33ranbenburg,  ^JSolit.  Äonefponbenj  3)lori^'  b.  ©ac^fen  II,  224  f.,  267)  fid^  ^u  einem  ${er= 
trag  mit  ©leiban  atö  Sotfc^after,  Dolmetfc^er  Don  2lftenftüden  unb  (S^roniften  be^  i6 
?)teligionß^anbel«  beftimmen  liefen.  Slüftig  ging  er  an  bie  Slrbeit,  fo  bafe  er  baö  erfte 
Suc^  fc^on  am  11.  ^liii  1545  an  ^j^tob  ©türm  fenben  fonnte.  §ier  l^atic  i^m  ber  fo« 
eben  erjc^ienene  erftc  93anb  Der  Opp.  Luth.  Viteb.  bie  nötigften  Urlunben  geliefert. 
6in  ©c^reiben  an  Sutl^er  felbft  um  autl^entifc^e^  3Jlaterial  au^  ben  ^a^ren  1517—21 
(33ricfmec^fel  ©leiban«  ©.  60  unb  64)  fc^eint  erfolglos  geblieben  gu  fein.  Slber  nun  20 
beburftc  er  be«  3"^^^^^^  J"  ^^n  Slrc^tben.  SDie  2lrbeit  h)urbe  auf  furjje  ^t\i  unterbrod^en 
burd^  eine  freili^  Döttig  ergebni^lofe  ©efanbtfc^aft^reife  an  ben  englifc^en  $of,  ba  bie 
©c^malfalbener  jirifc^en  Snglanb  unb  granfreic^  vermitteln  Sollten  (©))ät^erbft  1545). 
^od)  fammelte  er  bort  manche«  ^Material  unb  Inüpfte  toertbolle  litterarifc^e  Sefannt- 
f haften  an.  ^ux  S3eric^terftattung'über  biefe  Steife  befuc^te  er  gebruar  1546  ben  %xanh  23 
furter  Sunbe^tag.  35ann  folgte  feine  gl^efc^liefeung  mit  ler  2:oc^ter  be«  Dr.  ^of^ann 
i>on  SRiebbrucf  in  3Keft,  barauf  feine  Sleife  jum  SJormfer  93unbe«tage  unb  ein  Sefud;  in 
ber  §eimat.  ^m  ©ommer  1546  Sollte  er  bie  Slrbeit  fortfe^en  (»gl.  ©ecfenborf,  Com- 
ment.  de  Lutheranismo  1692  III,  665).  Sanbgraf  ^^ili})}?  lub  i^n  auc^  nac^  SKar^ 
bürg  ein,  um  bort  Slrc^ibalien  ju  benu^en,  toä^renb  Äurfac^fen  i^n  befd^ieb,  in  3^orgau  .jo 
ober  SBittenberg  feien  nur  toenig  für  i^n  brauchbare  Stiten  toor^anben,  bon  biefem  iocnigen 
fotte  er  Stbfc^riften  ober  2lu«güge  erl^alten.  ®a  brac^  ber  Ärieg  an^,  ber  auc^  i^n  in 
bie  übelfte  Sage  brachte.  Die  3^Iw"0cn  be«  Sunbeg  blieben  au«,  ebenfo  bie  Sefolbtng 
an^  granfreic^ ;  ba  fuc^te  er  neue  ©ubftbien  in  ©nglanb,  aU  Su^er  unb  t^agiu«  bort^in 
feieren.  ®r  bebi^^ierte  ben  bortigen  3Kac^thabern  berfd^iebene  ©c^riften:  aufeer  ber  nunmehr  35 
DoUenbeten  Überfe^ung  be«  Cominaeus  eine  Summa  doctrinae  Platonis  de  republica  et 
legibus  (1548),  fotoie  Claudii  Sesellii  (Claude  de  Seyssel)  et  de  rep.  Gall.  et 
Regum  officiis  libr.  duo  (1548).  6nbtic^  im  ^Dlärj  1551  Derfc^afftc  i^m  ßranmer 
Don  ©buarb  VI.  ba«  2Serf})red^en  einer  jä^rlic^en  ^enfton.  SSom  §erbft  1551  bi« 
Sll^ril  1552  toeilte  er  afe  ©efanbter  in  Irient.  Salb  barauf  nabm  er  an  einer  ©efanbt*  40 
fc^aft  gu  Äönig  ^einrid^  II.  teil.  SJunmehr  (©eptember  1552)  berfd^afften  ihm  feine 
®önner  eine  Slnftetlung  al«  ©efanbter  ©trafeburg«  mit  150  ©ulben  auf  bier  gal^re. 
(Der  i^crtrag  jurüdtbatiert  auf  ^ol^anni«  1552.)  3Kit  biefen  3JJitteln  ioar  e«  il^m  aber 
unmöglid^,  Steifen  für  fein  ®ejc^ic^t«h)erl  ju  unternelf^men.  6r  blieb  auf  ba«  befc^ränlt, 
h)a«  i^m  ©trafeburg,  ba«  ärc^iö  be«  ^fal^grafen  Dtt^einric^,  feine  t)erfönlic^en  ßrinnes  45 
rungen  unb  ©ammlungen  unb  bie  ^Mitteilungen  feiner  bortigen  greunbe  boten.  6rft 
f^äter  famen  tool^l  noc^  9lrc^iüalien  au«  SBeimar  bingu.  3Kan^e«  fteuertc  i^m  befonber« 
im  '^ai)x^  1554  noc^  SSergerio  bei  (Srieflocc^fel  gtoif^en  §erjog  G^rifto}?^  unb  aSergeriu« 
©.  69 ff.;  Hubert,  SSergerio«  publijiftifc^e  2:l^ätigfeit,  ©öttingen  1892,  ©.  150 ff.). 
3öä^renb  be«  Äriege«  toar  er  (alfo  o^ne  Senu^ung  bon  2lrc^iDalien)  bi«  gum  6nbe  be«  so 
metten  33uc^e«  gelangt  (Otlober  1547).  Seim  fünften  Suc^e  na^m  er  im  ©et)tember  1552 
bie  Strbeit  lieber  auf.  2lm  2.  2li)ril  1554  melbet  er:  „Absolvi  totum  opus",  ^m 
SWai  pnben  h)ir  ihn  al«  Stbgefanbten  ©trafeburg«  auf  bem  Äonbent  ju  5Raumburg  (CR  VIII, 
282 ff.;  t>.  2)ruffel=53ranbi,  »riefe  unb  äften  IV,  461;  ^.  glemming,  *  »eiträge  jum 
93rtefh>ed^fel  3Kelanc^tl^on«  1904,  ©.  70  f.).  Unter  fc^toerem  bäu«lid^em  2eib  —  feine  55 
grau  mar  1553  geftorben  —  unb  >)efuniären  93ebrängniffen  ma^te  er  im  §erbft  fein 
Opus  brudffertig.  3m  SBinter  1554/55  ging  ber  2)rucf  bei  ffienbelin  9li^el  in  ©trafen 
bürg  bor  ftc^  —  ba  bro^te  nod;  in  le^ter  ©tunbe  ber  ©tra^urger  9lat  (auf  anregen 
bc«  Äaifer«)  bie  ^erau«gabe  ju  berbieten;  enblic^  lam  bie  ©ene^migung.  2lber  $erjog 
ß^rifto})]^  bon  SBürttemberg  lehnte  bie  Debifation  ab  unb  riet,  ba«  8uc^  nic^t  au«ge^en  co 


446  @(eibauud 

ju  laffcn,  obolcid^  SIciban  fd^on  au^  Stüdfic^t  auf  tl^n  fein  SBcrf  überarbeitet  l^attc. 
Äurfürft  aiuguft  Don  ©ac^fen  bagegen  nahm  bie  SBibmunö  an  (bom  23. 3Kär3  1555,  idqI 
to.  3)ruffel=Sranbi,  Sriefc  unb  3ltten  IV,  655).  aber  nun  gab  e«  bon  allen  ©eiten  9lumor. 
Äeinem  battc  er  e^  rec^t  gemacht.    3lm  faiferlid^cn  §ofe  gümte  man;    3)iana  bon  ^oi= 

6  tier^  fül^tte  fid^  bcleibigt.  3lber  aud^  in  ben  toerjc^tebenen  Sägern  ber  ßlKingelifc^en  fühlte 
man  fic^  burd^  feine  ßruil^Iunö  berieft  ober  hielt  hjeniöftend  ba«  ©rfc^einen  feinet  Sud^e^ 
für  nic^t  geitgemä^.  „^ßon  Jjroteftantifc^er  tpie  fatl^olifc^er  ©eite  tüurben  i^m  2ügen, 
entfteUungen  unb  bö^tüiHige  äu^Iaffungen  borgetüorfen  ...  Die  9Ke^rja^I  berer,  bic 
in  ben  gefc^ilberten  ^al}Xi^^ntm  Jjolitifc^  thätig  getpefen,  toar  eben  noc^  am  Seben  unb 

10  nur  tüenige  unter  i^nen  l^attm  ftd^  in  biefen  tüed^fcboßen  äjitlöuften  ftet«  fo  benommen, 
bafe  fte  ba«  Sid^t  in  feiner  SBeife  ju  fd^euen  brandeten,  mit  tiefem  SKi^be^agen  fa^en 
fie  burc^  ©leiban  fo  mand^e«  an  bie  breite  Öffentlid^feit  gejogen,  toag  fie  am  liebften  für 
immer  mit  bem  3RanteI  ber  SSergeffenheit  bebcdft  Ratten"  (SBindelmann  in  3*f^^*  für 
b.  ®efc^.  be«  Oben^ein«,  31%  XIV,  569).     gharafteriftifd^   ift  9Relanc^tbon«  ©euf^cr: 

16  er  lönne  ba«  Suc^  nid^t  loben,  benn  unfc^öne  §anblungen  foBten  nid^t  in  fc^öne  9Sortc 
gefleibet  tperben;  ©leiban  erzähle  biele«,  toa^  beffer  mit  etDigem  ©tillf(^h)eigen  bebcrft 
tüürbe.  aBenigften^  bie  jungen  Seute  möd^ten  bie  (Sefd^id^te  biefer  SSertoirrungen  nic^t 
lefen,  bie  bod^  nur  unfere  3^^orl^eit  unb  (Srbärmlic^Ieit  zeigten  (CR  VIII,  483). 

©leiban^  3)ienftjcit  in  ©trafeburg,  h)o  er  feit  1553  aud^   an  ber  ©d^ufeertoaltung 

20  eifrig  teilgenommen  unb  auc^  ber  franjöfifd^en  ©emeinbe  fid^  Iräftig  angenommen  hatte, 
lief  im  ^\xn\  1556  ab.  Sei  bem  Serbrufe,  ben  er  mit  feinem  Suc^e  angerid^tet,  hiolltc 
il^n  niemanb  in  feine  Dienfte  nel^men.  3)od^  afö  in  Duisburg  eine  Unibcrfttät  gegrünbet 
tperben  foBte,  gebac^te  man  i^n  bortl^in  al^  ^rofeffor  ber  ©efd^id^te  ju  oerufen.  aber 
injirifc^en  \)atk  il^n  im  2luguft  1556   eine  Äranfl^eit   ergriffen,  ber   er  am  31.  Cftober 

26  erlag.  Äurj  juDor  Quni  1556)  tDar  noc^  feine  ©(^rift  De  quattuor  summis  imperiis 
lib.  III  erfc^ienen,  bie  aföbalb  ber  beliebtefte  Seitfaben  ber  SBcItgefd^id^te  (bi^  jum  SRcgics 
rung^antritt  Sarld  V.  reid^enb)  tüurbe  unb  nic^t  allein  in  3)eutfc^lanb,  fonbem  auc^  in 
ber  ©c^toeig,  $ollanb  unb  (Snglanb,  ja  fogar  Don  baierifd^en  3^1"^*^^  tn  Überfe^ungen, 
Bearbeitungen  unb  gortfe^ungen  al^  ©c^ullel^rbuc^  bi^  in«  18.  ^fl^^^wnbert  toicl  gebraucht 

80  loorben  ift.  3loi)  ^^iebrid^  Sffiil^elm  I.  bon  ^reufeen  ]^at  au«  i^r  SBeltgefc^ic^te  gelernt. 
©ie  erjäl^lt  me^r  Äird^en^:  ate  SBeltgefd^id^te,  betont  bie  Unred^tmäfeigfeit  unb  ben  3:rug 
be«  $aj)fttum«,  toelc^e«  im  SJerein  mit  bem  dürfen  bag  3Kenfd^engef(|led^t  bi«  gur  SSieber^ 
fuffft  G^rifti  plagen  h)irb.  Die  beigefügten  Quetlencitate  gehören  übrigen«  erft  fjjätcrcn 
Herausgebern  an. 

35  ©ein  $au}jth)erf  De  statu  religionis  et  reipublicae  Carolo  V.  Caesare  Com- 
mentarionim  libri  XXVI  (ba«  XXVI.  Suc^,  ba«  bi«  jum  ©ejjtember  1556  reicht, 
fanb  man  in  feinem  9Jad^lafe  unb  fügte  c«  1558  an)  ift  ba«  grunblegenbe  ©efd^ic^t«h>crf 
über  bie  beutfc^e  SReformation  getDorben.  6«  ift  ber  §au})tfad^e  na^  eine  Slneinanbcr- 
rcil^ung  bon  Ürlunben  unb  urlunblic^en  ^Relationen,  bie  er  in  halb  längeren,  balb  lürjercn 

40  GjcerVten  loiebergiebt  in  einer  an  ßäfar  gebilbeten  ©})rac^e,  bie  freiließ  an  ben  Urfunbcn 
unt  be«  Gbenmafee«  Tillen  manche«  glättet  unb  abfc^tüäc^t.  3)ie  Jjolitifc^en  ßreignijfc 
fmb  anfangt  nur  ioenig,  fpäter  immer  auSfül^rlid^er  berüdtfid^tigt.  3?erfe^cn  unb  ^IKi^- 
bcrftänbniffc  laffen  fic^  nac^toeifen.  Über  manche«  ge^t  er  abfi^tlid^  mit  ©tiUfc^toeigcn 
^inhjeg,  h)obei  JlüdEfic^ten  auf  nod^  Sebcnbe  mitf^ielen,  and),  h)ie  beim  ©c^tüeigen  über 

45  be«  Sanbgrafen  3)o>)pelcl?e,  biellcic^t  ba«  Qntereffe,  ben  ÜKalel  bergeffen  ju  machen. 
„2(ber  fc^n)erlid^  möd^tc  e«  jemanb  gelingen,  i^n  einer  abfid^tlid^en  Süge  ober  auc^  nur 
einer  3Serbrebung  ober  unreblid^en  93enü|ung  eine«  2lltenftücfe«  mit  (Srunb  gu  jei^cn." 
©einen  förunbfa^:  Historiam  nihil  magis  decet  quam  veritas  atque  candor,  bat 
er   miffcntlid;   nic^t  verleugnet.    @«   \vax   ein  2lft  ber  ©elbftberleugnung,  toenn  er  aue 

00  ftaat«männif^cn  ©rünben  über  manche«  fcf)lt)ieg,  h)a«  i^m  mo^l  befannt  toar.  ßinjelnce 
überging  er  auc^,  hjeil  er  beffen  Scbeutung  ju  gering  tarierte,  fo  nac^  feiner  eignen  S?er- 
fid;crung  ben  ganzen  ©c^h>enffelbiani«mu«.  Über  feine  Ducüenbenuftung  urteilt  ®.  2?o»9^ 
(a.  a.  D.  S.  141):  ,Man  crfennt,  ba^  ©leiban  bic  if^m  jugeftedten  3Raterialien  feinet- 
locg«   mit   gutem  ©laubcn   hinnahm,   fonbern   nad^  2tutl;cntie   unb  SBert  rec^t  loo^l  ju 

65  fiepten  tjerftanb."  ""Man  hat  neucrbing«  bon  fatl^olifd^er  ©eite  i^n  baburd^  bi«frebitiercn 
n)oUcn,  ba^  man  ^eitgenöffifd^e  2lnflagen  toiber  feine  SBa^rf^aftigfeit  l^erborgog,  fyit  aber 
feinen  Scmci«  bafür  erbracht,  bafe  biefe  älnflagen  begrünbet  toaren.  9JJan  j^t  ferner 
i^ormürfe  gegen  ihn  crl^ohen  bon  ber  unbilligen  gorberung  au«,  ba^  er  mit  unferer 
itcnntni«  ber  3(rc^iDc  unb  für  bic  93cbürfniffc  bc«  ^iftorifcr«   bon   l^eute   l^ättc  fc^rciben 

6ö  fotlcn,   an\tait   i^n  an  ber  ^iftorif  feiner  3<^it  }^n  meffen.    3)Jan  bermi^t  femer  bei  i^ni 


Sfeibauud  Smaragbttd  447 

bic  Uninittclbarfcit  bcr  aiiifd^auunQ,  folltc  aber  nic^t  Ucrgcffen,  bafe  er  bei  langen  3lbs 
fd^nitten  biejer  ©efc^ic^te  im  2lu^Ianb  gelebt  l^atte,  ober  t)ermi6t  bie  3){itteilunö  feiner 
i^erfönlidfien  (SrlcbniRe,  um  bie  e^  ftd^  i^m  gar  ni^t  I;anbelle;  man  h)irft  il^m  Dor,  bafe 
er  bie  grofee  3JoIfeben)e(^ung  ber  erften  SWeformation^jal^re  gar  nid^t  ,^ur  Slnld^auung 
bringe,  ©etoife  faßt  un«  auf,  bafe  g.  S.  Sutl^er^  ©c^rift  „3ln  ben  c^riftlid^en  3lbel"  in  5 
feiner  2)arftcllung  fe^lt,  bafe  $utten  unb  fein  ©inlreten  in  bie  Setoegung  übergangen 
tpirb  (au«  Slücfftc^t  auf  SBürltemberg  ober  beeinflußt  t)on  bem  ainbenlen  an  (Sra^muö?). 
äfber  neben  ber  le^neic^en  ©rfd^einung,  baß  ber  ^^Jroteftantie^mu!^  fd^on  nad^  toenigen 
Sa^rje^nten  bie  Äunbc  t)on  ben  ©türmen  feine«  erften  Stuftreten«  faft  Da*Ioreu  I;atte, 
bezeugt  un«  feine  ©efd^id^tfc^reibung  bod^  auc^  ba«  (Erfreuliche,  baß  e«  3){änner  gab,  bie  10 
im  ftanbe  toaren,  jenen  al«  eine  einl^eitlid^e  ßrfc^einung  auf jufaffen  unb  in  einer  ^tit,  too 
er  fic^  in  mancherlei  SRid^tungen  ;ierf))Ktterte  unb  berfeinbete,  i^n  al«  eine  folc^e  ein^eit^: 
lid^e  ®röße  Ieibenfd^aft«lo«  ben  ®Iauben«genoffen  bor  äugen  ^u  ftetten.  311«  Diplomat 
^atte  ©leiban  ju  fd^toer  bie  Sd^h)ä(^ung  be«  ©c^mallalb.  Sunbe«  burc^  feine  innere  Um 
einigfeit  erfahren,  al«  baß  i^m  nic^t  ber  3uf<i»nwi«nfc^lwß  ber  römifc^en  3Jlac^t  gegenüber  am  ib 
^erjen  gelegen  ^aben  foHte.  ©einSefenntni«:  „licet  hancEvangeliidoctrinam,  beneficio 
dei  restitutam,  libenter  profiteor  et  ad  eum  coetum  aggregatum  esse  me  vehe- 
menter gaudeo,  tarnen  ab  omni  acerbitate  verborum  absBneo,  remque  totam, 
sie  ut  est  acta,  simpliciter  expono"  (ed.  am  @nbe  I,  15)  offenbart  eine  in  feinen 
2^gen  feltene  SRul^e  unb  ©ad;lic^feit.  3)er  ©eneration,  für  bie  ©leiban  fc^rieb,  ift  feine  20 
3)arftellung  bon  außerorbentlicl^em  SBerte  getoefen,  benn  fte  bot  ein  ®efd^ic^t«bilb,  ba« 
nic^t  al«  ©treitfc^rift  bie  ©egenfä^e  berfd^ärfen,  fonbem  in  ebler  ßinfad^l^eit  „®ottc« 
5IBunbertt)erI  unb  ©uttl^aten"  auftoeifen  unb  bamit  jur  ©inigung  unb  9Serföl;nung  ber^ 
Reifen  toollte.  —  ©ein  ®efd^ic^t«toerf  tourbe  al«balb  Don  ben  berfq^iebenften  in«  2)eutfc^e 
überfe^t.  3)ie  eingige  toon  ©leiban  felbft  autorifterte  unb  untcrftüfetc  38erbeutfc^ung  toar  2b 
bie  bon  3Karfu«  ©tammler.  2)ann  lamen  bie  Überfe^ungen  in  anbere  ©j)rac^en,  ebenfo 
bann  bie  gortfe^ungen.  Slber  auc^  bic  ®egenfd^riften  bon  fat^olifc^er  ©eite  blieben  n\d)t 
am  (^ontaine  1558,  Äa«par  ®enne})  1559,  Saurentiu«  ©uriu«  1564).  Wilan  fc^rieb  i^n 
nad^  Kräften  au«  unb  fc^mä^te  il^n  gugleid^.  ©c^on  1558  lam  fein  Sud^  auf  ben  ^nhcTc. 
3lud^  biefe  ®egnerfc^aft  bej^eugt  ben  ©inbrudt,  ben  feine  2lrbeit  auf  bie  3«i*9<^noffen  ao 
gemad^t  l^atte.  &.  Staiucratt. 

Smaragbu«.  —  "üKabiUon,  VetcraAnalocta,  <ßar.  1723,  p.SöOsqq.;  Histoire  lit^r.  de 
la  France  IV,  439—447  unb  708;  ^aurdau,  Singularit^s  historiques  et  litt^raires,  $ari« 
1801,  p.  100 sq.;  itarl  '©cmer,  Wlfuin  uiib  fein  3a^rftunbcrt  (1876),  @.  25  u.  317 f.;  ?lbülf 
ebcrt,  (Sefd)icl)te  bcr  ßitteratur  bc«  gKittcIaltcr«  im  ?lbcnblaubc  II  (1880),  @.  108— 1J2;85 
53cnnett  im  DchrB  IV,  708 f.;  ßaucf,  ^irc^engefdiic^tc  3)cutf(ölanb«  II,  113 f.  303.  536. 
592—594;  2Berminiit)off,  5)er  Sürftenfpicgel  bcr  ÄaroIingcv;icit :  C^Q  1902,  6.  193—213; 
Böcflcr,  55ie  2:u9enblet)ve  bc«  ß^riftcutum«  k.  (1903),  @.  133 f.;  ^.  ^urtcr,  Nomenciator 
lit.  theol.  cath.,  3.  ed.,  I  (1903),  p.  738  unb  762. 

SSon  ben  berfd^iebenen  mittelalterlichen  3Rönc^«fd^riftftelIem  Flamen«  ©maragbu«  toar  40 
ber  bebeutenbfte 

1.  ©maragbu«,  Slbt  be«  Älofter«  ©t.  3Mi^iel  (2)iöcefe  SSerbun)  an  ber  3Raa^,  einer 
ber  gele^rteften  i>ertreter  ber  fränfifc^en  ^l^eologic  im  larolingifc^en  3«^töl^W-  %^^  ^«^ 
l^o^e  anfeben,  ba«  er  unter  Äarl  b.  ®r.  genoß,  j^eugt  ber  Umftanb,  baß  er  810  mit  ben 
Sifc^öfen  $^effe  unb  Sernariu«  unb  bem  '^bU  Slbel^arb  bon  ßorbie  al«  ®efanbter  be«  45 
Äaifer«  bic  Sefd^lüffe  ber  ©t)nobe  gu  Stachen  b.  3.  809,  betreffenb  ben  3ufa$  Filioque 
im  ©^mbolum,  an  $apft  £eo  III.  gu  überbringen  unb  bei  ben  bamal«  geführten  2jcr= 
^anbtungen  über  ben  2lu«gang  be«  ^l.  ®eifte«  unb  ben  liturgifc^en  ®ebrau(i^  be«  ©^m* 
bol«  al«  ©elretär  ju  fungieren  ^atte  (f.  bie  bon  i^m  aufgejeid^neten  Acta  collationis 
Romanae  bei  Saroniu«  Ann.  a.  809,  num.  54—63,  in  Labb.  Coli,  concil.  Tom.  VII,  w 
foh)ie  MSL  äu«g.  be«  ©maragbu«,  $ari«  1852,  ©.  971  ff.).  3lu4  bei  Subioig  bem 
frommen  muß  er  biel  gegolten  l^aben,  h)ie  i^m  benn  berfelbe  nidfit  bloß  ga^lreid^c  ©d^en^ 
fungen  unb  Privilegien  für  fein  Älofter  erteilte  (f.  Chart.  Ludovici  Pii  et  Lotharii 
filii  ejus  pro  monast.  S.  Michaelis  bei  Saluj.  Miscell.  1.  IV,  unb  barau«  bei  3Kigne 
©.  975  ff.),  fonbem  auc^  i^n  nebft  bem  Sifc^of  ^rotl^ariu«  bon  lout  (geft.  um  837)55 
lum  ©c^ieb«ric^ter  in  bem  Streite  be«  mailänbifd^en  2lbt«  3«munbu«  mit  feinen  SJJönc^en 
befteHte  (Dgl.  bie  bon  il^m  unb  Don  grotl^ar  gemeinfd^aftlic^  berfaßte  Epist.  ad  Ludo- 
vicum  Augustum  bon  825—830  MG  EE  V  ©.  290  3lr.  21,  au^  bei  2)uct;e«ne 
Script,  rer.  Franc.  Tom.  II,  p.  713  sqq.).  ©ein  2obe«ial^r  ifi  unbelannt.   3)oc^  fd^eint 


448  Smarrtgbni^ 

er  2ubh)ig  b.  ^r.  nid;t  überlebt  gu  ^aben.  —  Seine  ©d^riften,  bte  gum  größeren  2eilc, 
bon  3Rtgne  unb  ^^itra  in  be^  erfteren  ^atrologie,  1.  102  (1851)  gcfammelt  ^erau^ 
gegeben  fmb,  Derraten  eine  nic^t  unbebeutenbe  Jjatriftifc^e  Selcjenl^eit  unb  einen  prafttf(6= 
frommen  ©eift,  ber  Don  ber  frifc^en  unb  bib(ifci^=nü4)temen  ©runbric^tung  ber  fränfifcb= 

5  beutfc^en  3:i^eologie  unter  Staxi  b.  ®r.  nid^t  unberührt  geblieben  ju  fein  fd^eint.  SlUein 
fie  entbehren  faft  aKer  Originalität  ber  geiftigen  Äonjejjtion.  3)er  i^erfaffer  gehört  |^u 
jenen  rejjrobuftiöen  9Jaturen,  beren  Vermögen  über  eine  ^Wax  getoanbte,  aber  burcbau^ 
trodene  Äom|)ilatton  ber  Seiftungen  grünerer  nic^t  l^inau^Iangt.  —  6r  fann  be^l^alb  mit 
mand^en  anberen  tl^eologifd^en  Autoritäten  ber  älteren  Äarolingerjeit,  h)ie  ällfuin,  2:beobulf 

10  unb  ^ona^  Don  Crl^anö,  3lgobarb  Don  £^on,  Älaubiuö  Don  3:urin,  bie  toenigften^  auf 
einzelnen  (Sebieten  l^robuftiD  ju  fein  beftrebt  maren,  nic^t  auf  eine  Sinie  gcfteUt  toerben. 
Sein  ejegetifc^e^  §aupth)erf:  Commentarius  s.  Collectiones  in  Evangelia  et 
Epistolas,  quae  per  eireuitum  anni  in  templis  leguntur  (perft  Strafeburg  1536, 
bann  toicber  bei  SDJigne  a.  a.  D.'  S.  1—594)    ift    eine  Äom))iIation  für   ben   ©ebrauc^ 

16  ^rebigenber  ^riefter  (bal^er  Dom  )ßerfaffer  al«  Liber  Comitis  bejeid^net),  in  tpcld^er  bic 
ejegetifd^en  Semerhingen  ^a^lreid^er  älterer  firc^lic^er  Sd^riftftelter,  namentlid^  bc^  Origenc^, 
§ieront)muö,  Stmbrofiuö,  ätuguftin,  (Sregor  b.  ®r.,  Gajfiobor,  ©uc^eriu«,  ^f^^^^^^  ""^ 
Seba,  Iritilloö  in  ber  fjjred^falartigen  ffieife  früherer  ßatenenfc^reiber  gufammcngctragen 
finb.    3Jiel^r  (Sigene^  bietet  fein  j|h)eite^  Jj3au|)th)erf  bar:  einÄommentar  ^ux  3){önc^regcl 

20  beg  ^l.  Senebift  Don  9lurfia  (Expositio  s.  Commentari  in  reg.  S.  Bened.,  I^erau^- 
gegeben  Äöln  1595;  bann  in  |)rabanuiS  Wauru^  Opp.  Tom.  IV,  p.  246 sqq.;  bei 
3Kigne  S.  090—932),  toorin  Smaragbu^  fid^  ate  äln$ängcr  unb  ©önncr  ber  ftrengen 
monaftifd^en  SHeformgrunbfä^e  feinet  3^i^9<^"offen  Senebift^  Don  2lniane  lunbgiebt  (Dgl. 
^aurf,  m  2)eutfc^lanbiS  II,  S.  643  unb  Rödler,  ml  unb  SJlönc^tum,  S.  393  ff.).   (Sine  ä^n= 

25  Itc^e  ienbeng  Derfolgt  brittenö  ba^  Diadema  monachorum,  eine  Sammlung  a^fetijier 
Siegeln  unb  Setrad;tungen,  betreffenb  bie  Dorne^mften  ^flicbten  unb  lugenben  bc^  2RiJnc^= 
lebend,  au«  ben  Ä.^SSätern,  bef.  au«  (Safftan  unb  ©regor  b.  ®r.  gufammengetragen  unb 
in  100  Äa^iteln  angeorbnet  (nac^  ben  früheren  ausgaben,  ^^Jar.  1532,  äntto.  1540  unb 
^:i5ar.  1040,   in  ber  B.  m.  Tom.  XVI,   unb  bei  SDligne  S.  593—690).     (Sin   ^^n^^ 

30  barau«  ift  getriffermafeen  bie  Via  regia,  eine  für  Äaifer  2ubh)ig  b.  %x.  beftimmte  unb 
bemfelben  burd^  eine  befonbere  Epistola  nuncupatoria  getoibmete  moralifd^e  ^obegelif 
in  32  Äajjiteln,  h)orin  bie  nur  für  bie  SKönd^e  geeigneten  acfetifc^en  3Sorfc^rif ten  toeg; 
gelaffen,  bie  übrigen  aber  je  nac^  Sebürfni«  eripeitert  ober  in«  Äurje  gepgen  fmb  (j;ucr|t 
bei  SDad^erD,  Spicileg.  Nova  ed.,   ^ari«  1723.  Tom.  I,  p.  238 sqq.;  bann  bei  5Diignc 

35  S.  932—970;  Dgl.  |)aud  II,  S.  113f.,  foh)ie  befonber«  aS^ermingl^off  a.  a.  C).  §ierju 
fommen  noc^  bie  oben  angegebenen  Acta  collationis  Romanae  unb  Ep.  Frotharii  et 
Smaragdi  ad  Ludov.  Aug.;  be«gleic^en  eine  Epistola  Caroli  M.  ad  Leonem  III. 
Pontif.  de  proeess.  Sp.  Sancti  (bei  9Jiigne  Tom.  98,  eol.  923),  tüelc^e  eigentli* 
Smaragbu«  abgefaßt  l^aben  foH,  \o\vk  einige«  Ungebrudfte,  5.  93.  ein  Commentarius  in 

40  Prophetas  unb  eine  Historia  monasterii  S.  Michaelis,  tüorüber  3JJabiIton  Anall. 
350sqq.  ju  Dergleid;en.  I)ie  Grammatica  major  s.  Comment.  in  Donatum,  m 
njelc^er  ^JOJabiFon  a.a.O.  S.  558f.  groben  au«  einer  Gorbieer  Jpanbfc^rift  mitgeteilt 
l}at,  fd;eint  t»tc  frübefte  feiner  3lrbeitcn  ^u  fein,  Derfafet  Dor  feinem  ©elangcn  gur  Slbt- 
mürbe,  mä^tenb  er  nod;  3Kagifter  ber  Sd^ule  feine«  Älofter«  toar  (jtoifc^en  800  u.  805). 

45  Sie  ift  i\mx  feine  l^erDoaagenbe  i^eiftung,  läfet  i^n  aber  bod^  al«  einen  ber  ftrebjamcrcn 
mittelalterlichen  Bearbeiter  ber  latein.  ©rammatit  evfd^ienen  (Dgl.  Äeil,  De  grammaticis 
quibusdam  latinis  infimae  aetatis,  (Erlangen  1864).  —  3?on  bem  bi«^er  Se^anbeltcn 
finb  Dcrfc^ieben: 

2.  Smaragbu«  ober,  n)ie  er  mit  feinem  eigentlichen  Üiamen  l^ief;,  2trbo,  ein  ^reunb 
51)  unb  Sd)üler  Öencbitt«  Don  Slniane,  ber  al«  5(ugen^euge  feine«  2:obe«  bic  Slbfaffung  einer 

Seben«gefcl)id;te  biefe«  ^eiligen  aufgetragen  befam,  fi^  bicfer  Slufgabe  mit  ©ejcbid,  in 
fd;licf»ter  2)arfteÜung  eine  reiche  gülle  interefjanten  biograp^ifc^en  ^IJtaterial«  Derorbeitent», 
unterzog  (gebrudt  bei  "SlabiUon,  ASB,  Saec.  IV,  part.  I,  p.  191  sqq.;  auc^  bei'iDttönc 
%l  103,  S.  354  ff.)  unb  im  ^al^re  813,  eojä^rig,  Don  feinen  Äloftergcnoffen  al«$eili9^ 
55Devel)rt,  ftarb.    ÜJgl.  (Sbert,  S.  346  unb  A^urter,  p.  762,  n.  2.  —  ^ierju  fommt: 

3.  Smaragbu«,  i?lbt  eine«  Älofter?  ^u  Süneburg  in  Sacf)fen,  ber  erft  um  ba^ 
^al)x  1000  gelebt  haben  fann,  ba  fein  Slofter  972  Don  §erjog  ipermann  Siflung  fiC" 
grünbet  tourbe.  Über  feine  etmaige  fcbriftftellerifd^e  Xl)ätigfeit  ift  nic^t«  9?ä^cre«  betannt. 
einer   nicl)t    binreic^cnb    fieser  begrünbeten  l^ermutung   ?iufolge   Ujäre   er  iNerfajfer  jener 

üo  Grammatica  major  gelDefen  (Dgl.  Sachen;,  Spicileg.  I,  p.  238).  S^^^^^  t- 


Smit^,  g.  $.  449 

@mitf),  gol^n  $V^  (1774—1851),  englifc^cr 3:^coIo(5  unb  (Seolog.—  fiitteratur 
über  i^n:  iicbroai),  Memoire  of  the  Life  and  Writings  of  J.  P.  S.,  fionbon  1853;  fiebeii^s 
abri6  in  5Bo^n,  The  Relation  between  Holy  Scripture  and  some  parte  of  Geological  Science ; 
Congregational  Yearbook  1851,  (&.  223  ff.;  Gentleman's  Magazine  1801,  II,  @.  864;  1843, 
I,  <B.  312;  1851,  I,  @.  668;  6.  See,  Dictionary  of  Nat.  Biography  vol.  LUX,  @.  86.  b 

9lm  25. 9Wat  1774  al«  einziger  So^n  bc^  ^^^l^"  ®v  ^i"^  tletncn  Sud^^änbler^  in 
S^effielb,  geboren,  entbehrte  ©.  in  feinen  jugenblid^en  ^ja^ren  bie  SBoi^lt^at  georbneten 
Unterrichte;  h)a«  er  an  geiftigem  ®ute  getoann,  eine  nic^t  fc^r  ttefge^enbe  SSertrautl^eit 
mit  ber  englifc^en  unb  franjöfifc^en  Sitteratur  unb  ber  Ilaffifd^en  Silbung^toelt,  berbanfte 
er  im  toefentlid^cn  feinem  Sefel^unger,  ben  er  burd^  toa^llofe  Seftüre  in  einem  SBinfel  lo 
be«  bätcrli^en  Sud^Iaben«  ju  befriebigen  fud^te.  SReligiöfe  ©inflüffe  fc^einen  auf  i^n 
irgenbtüic  tief  ntc^t  getoirlt  ju  l^aben.  ©eine  ©Item  gehörten  ber  longregationaliftifc^m 
©cmeinfd^aft  an,  in  bie  er  felbft,  gegen  bie  fird^Iic^e  Sitte  ber  3^^^/  ouffäHig  \pät,  erft 
in  feinem  19.  Sa^re,  ate  üJlitglieb  aufgenommen  tourbe.  Snjhjifd^en  ^atte  er  ben  Sud^^ 
^anbel  erlernt  unb  öerfuc^te  juerft  feine  litterarifc^en  ©c^tüingen  in  ber  £uft  ber  ib 
Deffentlid^feit  burc^  bie  llebema^me  ber  Slebaftton  ber  Sri«,  einer  ß^^^ft^rift/  beren  §er» 
auägcber  eben  eine  ®efängni«ftrafe  abjubüfecn  ^atte.  Um  bicfe  3^^^  fd9etnt  er,  —  burd^ 
tDcI^e  SScrmittelungen,  ift  ungetoif;,  —  in  bie  Äreifc  öon  ßoleribge  unb  SRo^coe  gefommen 
in  fein,  au^  benen  er  ftarfc  Anregungen  ju  cr^öbten  2ebengjielen  mitnal^m.  ©eit  1796, 
nac^bcm  er  ben  bud^l^änblerifd^en  Seruf  aufgegeben,  ftubierte  er  unter  ber  2eitung  öon  20 
Dr.  ©btoarb  SBäiHiam^  auf  ber  nonfonformiftifd^en  2lfabemie  bon  SRotl^er^am  Ideologie 
unb  erl^ielt  im  ^a^re  1800  bie  ©tellung  eine^  Sntematlc^rer^  (resident  tutor)  an  ber 
3nbej)enbenten=2uabemie  in  §omerton-2onbon,  beren  aufgeben  in  ba«  auf  njiffenfd^aft- 
lic^^erem  ©runbe  errichtete  inbe^enbentifc^e  3lc\t>  (SoUege  in  ©t.  go^n'^  2Boob  er  nac^  faft 
fünfäigjä^rigem  35ienfte  noc^  mit  erlebte.  3?ac^  ben  flaffif^en  35i«ji})linen  (literae2B 
humaniores)  ber  erften  fünf  ^a^x^  übemal^m  er  in  ben  folgcnben  toieber^olt  bie  2Jor= 
Icfungen  über  bae9ieue2ieftament,  l^ebräifc^e  ©rammatil,  2ogif,  Sl^etoril  unb  aJlatl^ematil, 
in  feinen  fjjätercn  2cbeneial^ren  au^  naturtDiffenfd^aftlic^e.  ©eine  gange  2ebcngarbeit  in 
i^ren  ^erfönlic^en  formen  ber  ©rjie^ung  unb  bc^  Unterricht«  ber  jungen  3lfabemifer 
l^at  er,  nac^bem  er  1804  bie  Drbination  empfangen,  ate  t^eologifd^er  ßoHegeleiter  (feit  90 
1806)  burc^  45  ^ai^xt  l^inburc^  bi«  ju  feinem  3:obe  biefer  änftalt  geh)ibmet. 

3luf  Weitere  Greife,  auc^  über  bie  ©rengen  Snglanb«  l^inau«,  l^at  er  burc^  feine 
fc^riftftellerifc^^en  arbeiten  getoirlt.  3)urc^  eifemen  %U\^,  bctüunbem^njerte  Sßielfeitigfeit 
unb  tiefe  ^römmigf eit,  aber  iueber  burc^  jp^ilofopbifd^e  2:icfe  noc^  (Slam  ber  ©jjrad^e  au^ 
gejeic^net,  l)at  er  feine  Äraft  gtoar  im  toefentlic^en  in  ber  litterarifc^=j)otemifc^en  leil^  35 
na^me  an  ben  fragen  be«  ^age«  öerbrauc^t,  aber  boc^  auc^  burd^  jtoei  SBcrfe  ber 
biblifc^en  SBäiffenfd^aft  in  ßnglanb  9lic^tung«linien  gegeben,  bie  für  bie  SBege  ber  ftaat^^ 
fird^lid^en  unb  nonfonformiftifc^en  ^l^eologie  eine  3^'^  Iö"0  mapgebenb  toaren  unb  au« 
biefem  ©runbe  i^m  eine  ©teHe  auf  bicfen  93lättem  fiebern. 

©ein  t^eologifd^e«  Jpau^ttoerf,  ba«  i^m  feiner  ^eit  einen  6^ren))la|  in  ber  firc^)^  40 
lid^en  SBiffenfcl^aft  bc«  Jjroteftantifd^en  ©nglanb«  fc^uf,  trägt  ben  3:itel:  The  Scripture 
Testimony  to  the  Messiah:  an  inquiry  with  a  view  to  a  satisfactory  determi- 
nation  of  the  doctrine  taught  in  the  Holy  Scriptures  conc^rning  the  person 
of  Christ  (4  Sucher;  1.  3tu«gabe  1818  unb  1821;  6. 5Reubrud  1871).  SJeranlafet  burc^ 
bie  ©ocinianifd^c  Äontroüerfe,  bie  fein  toarme«  cDangelifd^e«  ©m^finben  in  jener  3^it  ber  45 
troftlofeften  ^Jlac^^eit  einer^,  unb  beg  l^oc^gefjjannten  gormettum^  m  ber  Djforber  Geologie 
anbererfeit^  geaen  bie  unitarifc^en  ,,5Rüdfic^t^lortgfeitcn"  emjjortricb,  \t>nd)^  ba^  SBerf  [\6) 
HU  bem  SSerfuc^e  einer  miffenfc^aftlic^en  9?eugeftaltung  be^  c^riftologifc^en  (Slauben^in^alt^ 
axii  ber  ^l.  ©c^rift  au«.  SSon  betoegenben  ßinflüffen  ber  jum  Stoangelium  fic^  eben 
gurüdtfinbenben  beutfd^en  2i^eotogie,  al«  beren  banfbaren  unb  überzeugten  ©c^üler  er  fid^  00 
f))äter  befannte,  lann  ju  biefer  3^i^  "i^^  hjol^l  bie  Siebe  fein;  öielmel^r  au«  feinem 
junger  nad^  religiöfer  SSertiefung  unb  feiner  Segeifterung  für  bie  biblifc^e  2i^eologie 
^erau«,  bie  in  ©taatefird^e  h)ie  ©eftentum  um  bie  3Benbc  be«  ^a^r^unbert«  i^ren  lief^ 
panb  erreicht  ^atte,  toarf  er  feine  ©ä^e  auf  ben  3:ifc^  ber  3^^*/  wm  ben  eben  gebrudten 
angriffen  be«  ju  ben  Unitariern  übergetretenen  SleD.  5p^.  S3cl«^am  (in  beffen  Calm  In-  55 
quiry  on  the  Person  of  Christ)  auf  (Sl^riftu«  mit  bem  3^W9"i^  ^^  33ibel  ju  be- 
gegnen. 3n  engem,  je  unb  bann  ermübenbem  3lnfc^lu6  an  bie  abtoeid^enben  ^uf- 
fteltungen  ber  englif^en  Unitarier  unb  ber  rationaliftifc^en  beutfc^en  Ideologie  ((Sefeniu«, 
Sretfc^neiber,  ©emier,  3Kic^aeli«,  SHofenmüHer,  SBäegfc^eiber,  Äuinöl  unb  ®e  SBette)  ge- 
haltet er,  unöerbroffen  bemüht,  mit  ben  gemäfeeften  SßJorten  allen  ©eiten  be«  ^Problem«,  co 

9tttiU%iu^tlopmt  ffir  Geologie  unb  IHrd^c    8.  n.  XYili.  29 


450  (Smitfi,  %  ?p. 

allen  Slbtönungcn  bcö  ©cbanfen«  jum  Siechte  }^x  üerl^clfen,  in  bömafö  bielBchJunberter 
ftraft  unb  ©d^ön^eit  baiS  gefamtc  3^"9"i^  ^^  ^^^^^  f"^  ^^^  SBJunbcr  ber  $crfon  be^ 
©ottmcnfc^cn  ju  einer  hjuc^tigen  änflagc  bet  d^riftu^Iofen  ä^'^t^^ologie.  —  ©eine  ©e* 
banlenfül^rung  0el;t  (I.  93uc^)  öon  met^obifd^en  (Erörterungen  über  SBert  unb  Umfang  ber 
5  c^riftocentrifd^en  Sd^riftau^legung  ani,  beren  Vertreter  gefc^ic^tlic^  getoürbigt  toerben, 
unb  fü^rt  ben  JJad^mei^  ber  JJottoenbigfeit  unb  SBirllid^feit  eine^  großen  SBeltbefreierö, 
nac^  bem  bie  SRenf^^eit  (pon  i^ren  Slnfängen  an  in  ber  flajfifc^en  ^rofanlitteratur)  burc^ 
äße  (Sntiüicfelung^ftufen  ^inburc^  bi«  jur  %ixüc  ber  ^^^'xt  i^re  ©e^nfud^t  getoenbet.  — 
II.  93uc^ :  3«  ®ebet,  Djjfer  unb  ©el^eimlult  f)ai  bie  ©eele  beö  §eibentum^  (bet  ^ßerfer, 

10  äg^pter,  3"^^/  SRömer  unb  ©ried^en)  atemlos  auf  ben  fommenben  Selben  gelaujc^^t;  ba^ 
3llte  Xeftanient  fü^rt  in  ben  SBäei^fagungen  bie  ^age  an  bie  ©d^hjeUe  ber  änttoort.  Ta^ 
grgebniö  biefer  mit  bem  ^ßrotebangelium  ©en  3,  15  einfe^enben  Unterfud^ung  ift  ber 
5Jac^h)ei^,  bafe  burd^  bag  gefamte  altteft.  ©c^rifttum  bie  J^offnung  auf  einen  toon  ©ott 
berl^eifeenen,   im  eminenten  ©inne   afö  ^Reffia«  bezeichneten  §elfer  gel^t,   ber  afö  Slac^- 

15  fomme  9lbamg,  2lbra^amg,  SJabibö,  alö  „Söeibe^fame"  (hjofür  auc^  ^ct:M,22  bertüanbt 
toirb),  al^  treuer  „Änec^t  ©otteö",  aU  ber  aKe  anberen  an  SBürbe  überragenbe  ,,®efanbte 
©otte^"  (hjobei  ©.  mit  Jj^ilologifd^er  3lfribie  ben  !7in^  m^?^»  ben  Angel  of  Jehovah 
al^  üDeite  ?ßerfon  ber  ©ott^eit  nad^jutoeifen  fuc^t),  a\k  ^Jrieben^ftifter  ^hjifc^en  ©ott  unb 
ber  aöelt,  al«  Sefreier  bom  Übel  (bon  ffieltelenb  unb  ©ünbe),  enblic^  afe  ©ol^n  ©ottc^ 

20  (5Pf  2,  7  unb  3^f  9/  6),  bem  bie  2lnbetung  ber  (Sngel  unb  3Menf(^en  gulommt,  feftgeftcflt 
toirb.  —  3"i  in.  Sud^e  iuirb  ber  inbuftibe  Setoeiig,  baf;  alle  Am  feftgeftellten  3i}efen^= 
jüge  in  bem  ©c^rifttum  be^  SReuen  leftamentg  fid^  toieberfinben,  burd^gefül^rt:  nac^  S^fu 
©elbft^eugni^  ift  er  ber  ©otte^fol^n,  ber  über  alle«  menfc^lid^e  ©rfennen  (3Kt  11,27; 
3o  10,  15)  unb   gleicher  e^^re  unb  3}la^t  mit  bem  SSater  ift  (3o  5,  17—30;  36),  unb 

26  ber  3Kenfd^enfo^n,  ber,  bom  §immel  in  ber  ^^xt  l^emiebcrgefommen,  öor  ber  2BeIt  in 
^errlic^feit  beim  SSater  toar  (9iol7,  5;  8,58)  unb  etoig  gegenwärtig  bleibt  (?Kt28, 
19—20;  18,20),  bie  3:oten  aufertüedft  unb  bie  2Belt  richtet;  toobei  aud^  bie  X^efc,  baB 
3eM  r/^inc  ben  Slnfd^ein  öon  religiöfer  SSere^rung  annel^menbe  §ulbigung  fid^  gefallen 
liefe",  auftritt  (auf  ©runb  t)on2Rt2,  2;  11;  5,8;  8,2;  9,18;  14,33;  15,25;  20,20; 

80  28,  9 ;  3o  20,  28).  —  ^m  IV.  33uc^c  enblic^  toirb  bie  2e^re  ber  %po\Ul  unter  bem 
d^riftologifc^en  ©efic^t^^junft  erörtert,  in  einer  auggebe^nten  Unterfuc^ung  ber  3(u«fagen 
ber  9lj)oftelgefc^ic^tc  (über  bie  Anbetung  3efu  2,21;  1,24;  20,32),  beg  ^o^anne^^ 
})rologiS  unb  ber  Offenbarung,  ber  Slpoftel  ^ßetru«,  ^uha^,  ^atobn^  unb  ^45flulu«  über 
Gl^riftu«  alö  ben  ©eber  geiftlic^en  Seben«,  al«  bie  Duette  ber  Autorität  unb  ber  SBunbertraft 

85  ber  2lj)oftel,  al«  ben  §enn  eine«  cUjigen  Königreiche«,  enblid^  al«  ben  ©egenftanb  religiöf«^ 
3(nbetung,  bem  auc^  ber  9?amc  ©ott  beigelegt  ioerbe  (bie  Sejie^ung  be«  deog  ddoytjro: 
9lö  9, 5  auf  G^riftu«  h)irb  einge^enb  unterfuc^t  unb  Derteibigt  unb  baju  §brl,8; 
3,  1—5;  2  %i}  1,  12-  (£»3^5,  5;  2:it2,  13;  1  3:i3,  16  ^eigc^ogen).— ®a«(gnbergcbni^ 
ift  bie«:   nac^   ntl.  Sie^re  laufen  bie  beiben  Sinien  ber   aufgenommenen  Unterfuc^ung  in 

40  (Sl^rifto  ^c\vL,  ber  cinerfeit«  mit  bem  SSater  „ein«  ift  in  ffiillen,  Slbfic^t,  3:i^ätigfeit  unb 
©cin«ioeifc",  bem  göttlid^e  Gbre  unb  Anbetung,  göttliche«  SJBefen  unb  göttlicher  9Janic 
jugeft^rod^cn  Serben  unb  ber  anbererfeit«  in  üoHem  unb  toa^rem  3Renf^entume  ftanb, 
^ufammen,  b.  1^.  in  ber  ^erfon  be«  3)Jenjc^enfo^ne«  ftettt  fic^  nad^  bem  3^"9"^^  ^^^ 
Schrift  31  unb  9JI«   in  einzigartiger  Seife  bie  gottmenfc^lid^e  ßin^eit  bar;  er  ift  „ber 

45  im  311  I3erl;ci6cnc  Söeltcrlöfer,  ber  im  9iX  geoffenbarte  (i^rift".  — 

2)iefe  Unterfuc^ungen,  mit  ben  ?liitteln  ber  tl;eologifd^en  Srienntni«  ber  3^^^  0?' 
führt,  lönnen  an  ©c^ärfe,  liefe  unb  ^cinfinn  mit  ben  Slrbeiten  3-  31. 35orner«  unb  t).  §of- 
mann«  nic^t  in  2?ergleic^  geftettt  Serben ;  ju  il^rer  3^^*  i}ahm  fie  in  ©nglanb  al«  W 
Standard  work  über  bie  d^riftologifAc  g^rage  gegolten,  nac^  bem  3^"Ö"'^  ^^  Dxforba 

50  Sifcf^of«  Dr.  2loi;b  al«  „bie  befte  ©c^u^fc^rift,  bie  in  ßnglanb  gegen  bie  mobcrnen  6nt= 
fteflungen  ber  Unitarier  e^iftiert";  axid)  ba«  SJerbienft,  ber  fird^li(|en  I^coloaie  in  ßng^ 
lanb  neue  2öcge  gen)icfcn  unb  bie  biblifc^e  Setrac^tung«h)ei|e  burc^  3?ertiefung,  Äraft 
unb  3Bärmc  auf  gefunbe  ©runblage  gcftettt  ^u  l^aben,  Derbleibt  i^nen;  aber  ^e  l^bcn 
ioebcr  ben  3lnfpru^  auf  eine  c^jod^emac^enbe  Sciftung  noc^   auf  bleibenben  toiffenfc^ft^ 

55  lid;en  SBcrt.  — 

^n  2?erfol0  biefer  biblifc^cn  ©tubien,  bie  in  ber  ^aubtfad^e  ba«  ©rträgni«  feiner 
mittleren  Scben«ia^rc  finb,  manbtc  er  fic^  fpäter,  au«  bem  Scbürfni«  ^erau«,  bie  imma 
brol^enber  an  bie  ^fortcn  ber  biblifc^en  (Srfenntni«t^eorie  poc^enben  Singriffe  ber  neu 
ermad)enbcn  5Jaturioiffenfcl)aft  in  i^re  ©d;ranfen  ju  ioeifen,  bem  geologifc^en  ©tubium  ju. 

cjo  ßr  oeröffentlic^te  1839,   Don  ben  Äongregationaliften  jur  Übernahme  ber  fog.  Congre- 


Smit^,  3.  $.  (Smt4  aSJ.  ^J{.  45i 

gational  Lecture  gebrängt,  eine  a^ologettfd^e  Untersuchung  ber  Se^tel^ungen  jtDifc^en 
ber  ©eologie  unb  beni  altteft.  Sc^ö^fungdberic^t  u.  b.  I.  Ön  the  Relation  between 
Holy  Scripture  and  some  parts  of  Geological  Science  (5.  9lup.  1852),  in  ber  er 
Dorurteitefrci  bie  bon  ber  Jlaturtoiffenfc^aft  gewonnenen  2i^atfacl^en  in  ben  §am3tjüaen 
auf  ba«  t^eologifc^c  ©ebiet  ^erübcmö^m  unb  jjugleid^  bie  SSereinbarleit  ber  mofaifc^en  6 
©arfteltung  mit  \mm  Si^efen  nac^toie«.  3"  I^"^  3^^^  ^"^  ötelbetounberte  Seiftung, 
bie  ©.  nid^t  nur  in  bie  öorberc  Sleibe  ber  c^riftlid^en  2l})oIogeten  ©nglanbiJ  rüdte, 
fonbem  and)  auf  ber  ©egenfeite,  bon  3Jlänncm  toie  §erfci^ell,  SK^etoell,  Sebgtoicf  unb 
33aben::^oh)eII,  toarmen  SSeifaH  fanb.  6«  toirb  ber  3lac^h)ei^  üerfuc^t,  baf;  bie  3lnna^me 
einer  micberl^olten  ©^ö^fung,  eine^  allgemeinem  (Si}ao^,  ber  ^rei^eit  ber  nieberen  ^iüer^  10 
tüelt  Dom  Xobe  (Dor  bem  galle  be^  SKcnfd^en),  bie  Slbleitung  ber  3:;ier=  unb  ^flanjen^ 
toelt  au«  einem  einjigen  ©c^öjjfung^centrum,  enblid^  eine  geograjjj^ifc^  allgemeine  ©intflut 
gcologifc^  nic^t  faltbar  fei,  toä^renb  eine  i)räabamitif(i^e  SBäelt,  mit  2eben  unb  %oh,  ein 
örtlich  abgegrenzte«  6^ao«  unb  eine  in  fed^«  ©tufen  (Don  ungefäl^r  24  ©tunben  3«itbauer) 
fid^  öoHjie^enbc  ^jartieHe  9Jeubilbung,  enblid^  eine  lebiglid^  auf  bie  menfc^lic^en  fflo^nfi^e  16 
befc^ränfte,  „ant^robologifc^,  aber  ni^t  geogra^^ifd^  allgemeine"  glut  in  „Übereinftim^ 
mung  mit  ben  örgeoniflcn  ber  Oeologie  toie  ber  ©d^riftle^re"  geforbert  toirb ;  alfo  liefen, 
bie  Don  bem  Süeltbilbe  ber  mobernen  5WaturerIenntni«  ^toar  überholt  fmb,  aber  feiner  ß^it 
auf  il^rem  ©ebiete  bal^nbrec^enb  toirlten.  — 

ßnblid^   ^at  ©.   auc^  in  bie  jtoifd^en  ©taat^fird^e  unb  3)iffent   fc^toebenben  ^^iU  20 
unb  ©treitfragen  je  unb  bann  eingegriffen,  immer  mit  ebenfo  begonnenem  ioie  entfd^ie- 
benem  Urteil  unb  einem  au«  feinen  freieren  2lnf(^auungen  l^erau«  fic^  ergebenben  uniberfetten 
»tidte.  — 

3luf  toiffenfc^aftlic^em  ©ebiete  auc^  über  bie  Äreifc  feiner  Denomination  ^inau«  al« 
ein  fü^renber  (Seift  anerlannt,  bon  feinen  ©tubcnten  al«  the  blessed  Doctor  geliebt  23 
unb  l^od^öere^rt,  aber  al«  ^ßrebiger  tocgen  feine«  le^rl^aften,  bie  ©aiten  ber  ©emüter  nic^t 
treffenben  ©))rad^e  o^ne  ©rfolg  geblieben,  ging  ©.,  ein  ^od^betagter,  taub  geworbener 
®rei«,  nac^bem  er  eben  feine  ämter  niebcrgelegt  l^atte,  am  ö.^cbruar  1851  im  Olauben 
an  feinen  ©rlöfer,  beffen  ©ad^e  lcben«lang  geführt  ^u  ^aben  feine  greube  unb  fein  ©tolj 
toar,  l^eim ;  im  SlbneV  ^arl  Äird^^of  (im  9Jorben  Sonbon«)  liegt  er  begraben.  ^ 

92ttbolf  »nbbenfieg. 

©mit^,  SBilliam  SRobertfon,  geft.  1894.  —    fiittcratur:    (Sine  luirfücfte  93io^ 
f(rapl)ic  \)on  SB.  JRob.  6mit6  giebt  eö  nicftt.  3)ic  äu&ereu  3)aten  feine«  ficbcii«  loic  inancftevJ 
über    feine  ^erfönlicftfeit  ({tben   folgenbc  9?adirufe:    Athenaeum,    1894,    ?lpril  7,   @.  44r)f. ; 
Academy,  1894,  iBb  45,  ©.289;  Saturday  Review.  <Bb  77,  6.359 f.;  Nation  (N.Y.)  ©5  58,35 
S.  308—10;     ebtu.  ®.  ©roiüu:   Journ.  of  the  Roy.  As.  Soc.  1894,    @.  594—603;    JV-  ^^ 
©urfitt.    Engl.  Hist.  Rev.  IX,    6.  684—89;     3.  &.  Rrajer,    Fortnightly  Rev.,  N.  8.  55. 
S.  800-807;    3.  @.  ©lad,  Dictionary  of  National  Biography,  Vol.  LIII  (1898),  S.  160 
bl<J  162  (njcrtüoller  biograp^.  Vlrtifcl  nad)  •ajlitteilungen  ber  gamilic).  —  lieber  bie  ©tellung 
SRob.  Smitö«   in  ber  ®cfd)irf)te    ber  cngtifc^cn  J^cologie  f.  D.  ^ffciberer,    3)ic  ©nttüirfelimg  40 
ber  protcft.  X^eologic  in  3)eutfc6lQnb  fei't  ^ani  unb  in  (VJvofebritannien  feit  1825,  6. 187  f.  — 
CSinc  bibnoc^rapt)ifd)  uoüftänbige  ^lufiö^Iung  aUer  35crfe,  ?lrtitel,  ^Ibl^anblun^en  unb  fiirjcren 
9iüli,^en  üon  dioh.  8mitt)  ift  bei  bcm  (^roöen  Umfang   ber  fiiftc   an  biefcr  «Stelle  unmöglid). 
3nbe«  werben    in   bem   folgenben   9(riifel   alle  midjtigevcn  9lrbeiten  genannt  unb  —  föwcit 
moglid)  —  in  S^üv^t  djaiafterificvt.    (g«  fei  nod)  bavouf  bingewiefen,  büfe  bie  jQ^lreic^cn  93e-  45 
fpred)ungcn  ber  ^auptroerfc  üielfod)  oon  groBcm  Serie  finb  imb  micblißc  (Srgäni^ungen  bieten. 
(£«  gilt  ba^  befonber«  üon  ben  $efpred)ungen  ju  „Kioship  and  marriagc  in  the  exirly  Ara- 
bia",  unter  bcnen  bie  wirbelten  \)on  ?(ug.  ^üQer  (ÖJg?!  1886,  ©.  329—41);    %  bc  Üagarbc 
(md)r.  ü.  b.  %l.  ®ef.  b.  33ifienfd).  ^u  ®i)tt.  1886,  @.  262-277);  3gn.  ©olb^i^er  (fiittcva= 
turbl.  f-  Orient,  ^^ilol.,  53b  III,  S.  19-28)  unb  befonber«  $^.  9?ölbcfe  (ßbrn®  40,  6.  148  50 
bi«  187)  ^crüorjut)ebeu  finb. 

I.  Seben«gang  unb  ^erfönlic^feit.  SBittiam  Slobertfon  ©mitl^  ift  geboren 
am  8.  5Woöcmber  1846  ju  9leh)  ^Jarm  bei  fteig  in  3lberbeenf^irc  (©d^ottlanb)  al«  ©ol^n 
eine«  ^rebiger«  ber  fd^ottifc^en  ^reifird^c  (3Billiam  ^ßirie  ©mit^).  3)urd^  ben  Unterrid^t 
feine«  SSater«  Dorgebilbet,  befud^te  9lob.  ©m.  feit  9?oöember  1861  bie  Uniöerjität  2lber=  55 
been,  an  ber  er  1865  feine  ©tubien- mit  ^öc^fter  a[u«jei(^nung  abfc^lofe.  %ixx  feine  njiffen^ 
fd^aftli(^c  ©nttoirfelung  tourben  feine  ©tubien  in  3)eutfd^lanb  (©ommer  1867  in  95onn, 
©ommer  1869  in  ®öttingen)  öon  entfc^eibenber  Sebeutung.  §ier  getoann  er  bie  ^rin= 
^ipitn  toiffenfc^aftlic^er  J^orfd^ung  übcr^auj)t;  befonber«  übernal^m  er  bie  fritifd^c  3)?etbobe 
ber  altteftamcntlid^cn  J^orfd^ung,  beren  (Srgebniffe  er  fj)äter  erfolgreich  vertreten  ^at.  Dieben  60 
feinen  tl^eologifd^en  ©tubien  trieb  er  in  Sonn  (unter  $lüder)  matl^ematifc^e  ©tubien. 

29* 


452  @mttf|,  SB.  9i. 

3n  ©öttingcn  toirlten  auf  t^it  neben  So^e^  t)]^tIofo))^ifc^en  Sorlefungen  auf«  nac^^tigfte 
bie  äJorlefunöen  Stitfc^^B  über  6t^if.  3)ie  SBielfeitigfeit  feine«  2Biffen«  unb  feine  geiflige 
Setoeglid^iEeit  ermöglid^ten  il^m  auf  gang  berfd^iebenen  2Biffen«gebieten  tljfätig  ju  fein, 
©in  3^9"^^   ^^f"^   f^"^   ^i^  mat^ematifd^en    unb   ))^^fi!alifc^en  arbeiten,  bic  er  aH 

saffiftent  am  jj^^filalifc^en  ^nftitut  ju  Sbinburg^  unter  ^rof.^.  ®.  3:ait  (1869—1870) 
beröffentlic^tc  (Proceedings  of  the  Royal  Society  of  Edinburgh.  Vol.  VI  unb 
VII  unb  Transactions  of  the  R.  Soc.  of  Edinb.  XXV).  3m  go^re  1870  tourbc 
er  auf  ben  Se^tu^l  für  ^ebröifc^  unb  altteftamentlic^e  ©jegefe  am  Free  Church 
College  in  3lberbeen  berufen,    ©eine  antritt^borlefung  bel^anbeltc  ba«  2^ema  „What 

to  history  teaches  us  to  look  for  in  the  Bible"  (erfd^ienen  9tobember  1870).  3loib 
einmal  lehrte  er  (©ommer  1872)  nad^  (Söttingen  uirüdf,  too  er  unter  5ß.  be  Sagarbe 
^au^tfäd^Iid^  ärabifd^  trieb.  3ngh)ifd^en  tourbe  SR.  ©m.  bon  ©))encer  93e^ne«  jur  3)lit= 
arbeit  an  ber  9.  Stuflage  ber  „Encydopaedia  Britannica"  oufgeforbert.  ©eine  erftcn 
ärtifel  ,,Angel"  (vol.  II)   unb   „Bible"   (vol.  III)   erfdjiienen  im  ^afyct  1875.    ©ie 

16  erregten  in  ben  ortl^obojen  Äreifen  ber  f(^ottifd^en  greilird^e  ftarle«  üRifefaHen  unb 
boten  bie  (Srunblage  ju  einer  Stnflage  toegen  ^ärefie.  3)er  fird^ilid^e  ^rojefe  jog  fic^ 
mehrere  ^f)x^  (bon  1876—1880)  ^in  unb  rief  in  ganj  ©d^ottlanb  bie  tieffte  ©rrcgung 
^erbor.  iR.©m.  forberte  in  ben  ©d^riften  „Answer  to  the  form  of  libel  now  be- 
fore  the  Free  Church  Presbytery  of  Aberdeen"  (1878)  unb  ,,Additional  answer 

20  to  the  libel"  (1878)  eine  Prüfung  ber  „Äe^ereien  unb  S'^tümer",  beren  man  i^n  bc^ 
fd^ulbigte.  3n  biefen  ^al^ren  be«  fiam^feö  erfc^ienen  in  ber  Encycl.  Brit.  feine  ärtilel: 
Canticles,  Chronicles  (voLV,  1876),  David  (vol.  VI,  1877),  Eva  (vol.  VIII,  1878), 
Haggai,  Hebrew  Language  and  Literature  (vol.  XI,  1880).  ©ie  foHten  na(^  ber 
offiziellen  2lnllage  bon  ^.  ©m.  Derfafet  fein,  um  gu  geigen,  bafe  „the  Bible  does  not 

25  present  a  reliable  Statement  of  the  truth  of  God  and  that  Gk>d  is  not  the 
author  of  it."  ©eit  1878  ^atte  SH.  ©m.  feine  Se^rt^ätigleit  eingeftettt,  im  Suni  1881 
erfolgte  feine  ©ntfemung  bon  bem  fie^rfhil^l  ju  Stberbeen.  91.  ©m.  fonnte  felbft  biefen 
äußeren  ©ieg  feiner  Oegner  aU  einen  borüberge^cnben  ©rfolg  bejeid^nen.  ©eine  glän- 
jenbe  (Sele^rfamfeit,  bie  ©ic^er^eit  unb  93erebfamfeit  feiner  SSerteibigung,  bor  allem  bic 

30  unbeftreitbare  Sauterfeit  feiner  ^ßerfönlic^Ieit  unb  bie  2:iefe  feiner  religiöfen  ©efmnung 
l^atten  i^m  ga^lreic^e  greunbe  gewonnen. 

SJBäi^renb  31.  ©m.  bon  feinem  Se^ramte  in  Slberbeen  fu^benbiert  toar,  traten  ja^I= 
reidbe  {^i\t>a  600)  angefe^enc  3Ritglieber  ber  fc^ottifd^en  ^reifircpe  an  il^n  l^eran  mit  ber 
äutforberung,   einige  SÖorlefungen   über  bie  altteftamentlic^e  Äritif  ju  galten.    S.  Sm. 

35  folgte  i^rem  SBunfcye  unb  j^ielt  imSlnfang  be^S^l^re^  1881  ^u  ©binburg^  unbSla^oh? 
bie  SSorlefungen,  bie  in  beiben  ©täbten  bon  ^t\oa  1800  3w^örem  befud^t  unb  mit  an- 
l^altenbem  ^nt^^f!«  gehört  tourben.  3lu^  biefen  Sßorlefungen  entftanb  ba«  Suc^  „The 
Old  Testament  in  the  Jewish  Church",  1881  (2.  äufl.  1892.  3)eutfd^  bon  3.  » 
aiot^ftein,  1894).    3m  hinter  1881/82  ftettte  91.  ©m.  in  ad^t  «orlefungen  juSla^oto 

40  unb  (gbinburgb  ben  altteftamentlic^en  ^Projjl^etigmu^  bar.  6r  fefete  bamit  fort,  toa^  in 
bem  borigen  Sfeerle  begonnen  h)ar.  3lber  burc^  bie  ge^altreid^e  5)arftellung  ift  ba^  SBcrt 
„The  Prophets  of  Israel  and  their  place  in  history  to  the  clothe  of  the  eight 
Century,  1882  (2.  3lufl.  1895)  toeit  über  feine  näc^fte  2ienbeng  ^inau^etoac^fen.  äl^ 
ü)iit^erau^eber  ber  „Encyclopaedia  Britannica"  (feit  1881)  beröffentlic^te  91.  ©m.  bic 

45  Slrtitcl  Levites,  Messiah,  Nahum,  Nineveh,  Obadiäh,  Palmyra,  Passover,  Phi- 
listines, Priest,  Prophet,  Psalms,  Ruth,  Sabbath,  Sacrifice,  Samaritans,  Tithes 
(in  Vol.  XIV— XXIII,  1882—1888).  Slufeerbem  erfc^ienen  in  biefen  ^o^ren  Heinere 
ejegetifc^e  3lrbeitcn  (Old  Testament  notes.  =  Journ.  of  philol.  vol.  13;  On  the 
forms  of  divination  and  magic  enumerated  in  Deut.  18,  10.  11  =  ib.  vol.  13) 

50  unb  ber  Sluffa^  „3n  ben  Siebern  ber  ^ub^ailiten"  (3bm®  Sb  39).  Sn^toi^en 
l^atte  fic^  91.  ©m.  bem  ©tubium  beg  arabifd^en  Slltertum«  gugetoanbt  ©in  längerer 
Slufentf^alt  in  äg^|)ten,  ^paläftina,  ©^rien  unb  Arabien  (1879—81)  l^atte  i^m  burt^  um 
mittelbare  Serül^rung  mit  bem  arabifd^cn  Sebcn  einen  tieferen  ßinblicf  in  bejfen  ©igenart 
crfc^loffen.    3llö  Seigrer   be«  Slrabifc^en   an  ^almer«  ©teile   tourbe  9t.  ©m.  1883  naij 

56  6ambribge  berufen.  33ei  feinen  Unterfud^ungen  über  bie  arabifd^e  ©tammegberfaffung 
Wax  SR.  ©in.  ^n  bem  (Srgebni«  gefommen,  bafe  bie  ®emeinfc^aft  be«  gleid^en  93lutc«  aU 
©runblage  ber  ©tamine«gemeinfd)aft  urf))rünglic^  burd^  äbftammung  bon  berfelben 
9)iuttcr  bcgrünbct  \vax.  SDiefc«  fojialc  ©^ftem  finbet  feinen  religiöfen  aCuSbrudf  im  lote- 
mi«ntu«.    9Jo(^  in  Ijiftorifd^en  ^dtm  glaubte  9i.  ©m.  ©^uren  •be«  ehemaligen  aRatriat- 

eoc^at«  unb  Xotemi«mu«  aufgetuiefen  ju  ^aben  in  feiner  älb^anblung   ,,Animal  worsbip 


(Bmiifi,  3S.  91.  453 

and  animal  tribes  among  the  Arabs  and  in  tbe  Old  Testament  (Sambttbßc, 
Journal  of  Philol.  IX,  1880,  S.  75—100).  3n  größerem  3wf<^"^n^^«^^n9<^  Ö^b  er 
bann  ein  93tlb  ber  altarabifc^en  ©efellfc^aft  in  bent  SBäerle  „Kinship  and  marriage  in 
the  early  Arabia"  1885.  5Ja^bem  er  t)on  1886—1889  ba^  i^m  toentg  gufagenbc 
2lmt  eineö  Sibliotl^elarö  ber  Untberjität  EamBribgc  geführt  ^atte,  tourbe  er  nad)  SBiH.  6 
3Brigl^t^  2iob  1886  ^ßrofeffor  ber  arabifd^en  ©J^rad^e  unb  Sitteratur  am  Christa  College 
ju  Gambrtbge.  ^"i^'^if^cn  toar  SR.  ©m.  ber  attetnige  Seiter  für  bie  §erau^abe  ber 
Eneyclopaedia  Britannica  geworben.  3)ie  Sßollenbung  be^  jrofeen  SSäerfeö  im  ^aj^re 
1888  ift  toefentlic^^  feiner  Umfu^t  unb  ©nergie  ju  banlen.  ©eine  umfaffenbe  unb  tief« 
cinbringenbe  fienntni^  ber  arabifd^en  Sitteratur,  be«  213:;  toie  ber  übrigen  femitifc^en  Sitte*  lo 
raturen  führten  SR.  ©m.  ju  allgenteinsfemitifd^en  ^Problemen.  6r  üerfud^te,  au^  ben 
X^atfac^en  ber  j^iftorifc^  belannten  SSolföreligionen  bie  grunblegenben  (Sebanfen  unb 
formen  be«  religiöfen  ©lauben^  ber  ©emiten  überl^aujjt  ju  erfd^Iiefeen.  93ei  bem  8e* 
ftreben,  eine  innerlich  gefc^loffene  ©nttoidelung  feftiufteHen,  toar  ba«  §ilf«mittel  ber  2lna= 
logien  nic^t  ;^u  umgel^en.  ^nxä)  ja^lreic^e  ^arauelen  aud  anberen  @ebieten  fud^te  er  i6 
bie  bei  ben  ©emiten  bezeugten  i^atfa^en  ju  ergänzen  unb  bie  religiöfen  SSorftellungen 
ber  ©emiten  aU  atten  ^jrimitiöen  SRetigionen  gemeinsam  ju  erhjeifen.  3)urd^  bie  95umetts 
Stiftung  in  3lberbeen  hjurbe  3fl.  ©m.  beranla^t,  bie  ©rgebniffe  feiner  umfaffenben  reli* 
aion«gefd^ic^tlid^en  g^rfd^ungen  über  bie  femitifc^en  Slefigionen  gufammenfaffenb  barju- 
ftcHen.  6r  tourbe  eingelaben,  in  brei  SSSintem  SSorlefungen  ju  galten  über  „bie  urf^jrüng*  20 
liefen  Sieligionen  ber  femitifc^en  SSöIIer  in  i^rem  SSer^ältni^  ^u  anbern  Religionen  beö 
atltertumg  ""^1^  ^^  flriftigen  SReligion  be^  213:;  unb  be«  G|rtftentum3". 

3)ie  erfte  Sleil^e  biefer  Sßorlefungen  ^ielt  SR.  ©m.  im  SBinter  1888/89.  ©ie  um* 
faxten  au|cr  ben  allgemeinen  SSorau^fe^ungen  unb  ben  ®runbgeban!en  ber  femitifc^en 
3iolföreligion  bag  ®ebiet  ber  religiöfen  ^nftttutionen,  b.  1^.  in  ber  §auj)tfa(^e  bie  3)ar=  25 
fteHung  bed  D})feng,  toö^renb  bie  %^U  unb  ba«  ^ßrieftertum  —  bei  ber  übergroßen  güHe 
be^  ©toffe^  unb  ber  ©d^toierigleit  ber  in  i^m  liegenben  ^Probleme  —  in  bie  jtoeiten  SJor* 
lefung^rei^e  berlegt  tourbe.  I)iefe,  gehalten  im  ^ärj  1890,  l^tte  jum  §auptgegenftanb 
ben  religiöfen  ©Tauben,  toä^renb  bie  britte  SSorlefung^reil^e  (3)ejember  1891)  bie  gc- 
fd^id^tlic^e  äcbeutung  unb  2Bir!ung  ber  femitif^en  SReligion  barfteUte.  Seiber  ift  nur  bie  30 
erfte  SJorlefung^reil^e  erfc^ienen  in  bem  großen  SBerfe  „Lectures  on  the  religion  of 
the  Semites,  First  series:  The  fundamental  institutions.  @binburgH889/  2.  2lufl. 
1894.  ©c^toere«  Seiben  f^at  ben  SSerfaffer  gel^inbert,  auc^  bie  jtoeitc  unb  britte  Sleil^c 
5um  3)rucf  fertig  ju  ftellen.  ©0  bringenb  ju  toünfc^en  toäre,  ba|  auc^  bieie  beibenSSor* 
lefungen  aug  ben  Slotijen  unb  ettoa  öorl^anbenen  ftenogra|)l^ifc^en  SRad^fc^rtften  ^ergeftetttss 
toürben,  fo  fd^eint  baju  boc^  leine  2lugfic^t  me^r  ^ju  fein  nac^  ben  3Witteilungen,  bie 
Ä.  93ubbe  (I^SB  1895,  554)  gemacht  ^at.  93ereit«  im  Seginn  be«3aM  1890  Ratten 
fid^  bei  SR.  ©m.  ©|)uren  eineö  organifc^en  Seiben^  g«jcigt,  ba^  il^m  fd^on  feine  SSor= 
lefungen  über  bie  SReligion  ber  ©emiten  fe^r  erfd^toerte  unb  eine  Slu^rbeitung  ber  SSor« 
träge  öer^inberte.  f^m  ©e^jtember  1892  führte  er  noc^  ben  Sorft^  auf  bem  ^ntematio-  40 
naien  Drientaliften^ongre^  ju  Sonbon  unb  toar  an  bem  ^lan,  eine  6nc^Hoj)äbie  ber 
orientalifc^en  Söiffenfd^aften  gu  fc^affen,  lebl^aft  beteiligt,  ©eine  le^tc  2trbeit  galt  ber  alt* 
femitifc^en  3"f^^^ft  <^wf  einem  GJetoic^t  au^©amaria;  fte  erfd^ien  am  18.  SRoöember  1893 
in  ber  „Academy"  (©.  443—45).  ©0  toeit  feine  firäfte  nod^  reichten,  arbeitete  er  an 
ber  SSottenbung  feiner  „Religion  of  the  Semites".  2lm  17.  SKärj  1894  übergab  er  46 
ba«  burd^gearbeitete  §anbeEem})lar  ber  1.2luflage  nebft  einem  §eft  mit  ?Rac^trägen  feinem 
greunbe  6lj;e^ne,  ber  bie  ©orge  für  bie  2.  2luflage  übemal^m.  3t,  ©m.  ^at  fein  SSSerl 
nid^t  üollenbet  gefe^en.  2lm  31.  3Rörj  1894  ftarb  er.  ©eine  Sebeutung  ging  nid^t  auf 
in  bem,  toa^  er  ate  ©elel^rter  toar;  er  l^at  aud^  ate  eine  eigenartige  ^erfönlic^fett  Don 
fd^arfer  ^Prägung  einen  tiefen  ßinbrud  l^interlaffen.  S^  bereinigte  ^c^  in  i^m  ber  glän^  50 
ienbe  ©c^arffinn  unb  ber  unerfd^rotfene  SBa^rl^eit^rmn  be^  gorfc^er«  mit  öome^mer  ©e^ 
ftnnung  unb  ed^ter  SQSärme  eine«  tiefen  religiöfen  ©efü^te.  Unb  biefe  ^ßerfönlic^feit  tritt 
aud^  in  feinen  toiffenfd^aftlid^en  Söerlen  oft  fühlbar  lebenbig  na^c. 

II.  3)ie  toiffenfd^aftlic^en  2lrbeiten.  @ine  feltene  SSielfeitigleit  unb  2:icfe 
be«  2Biffen«,  eine  aufeerorbentlid^e  Setoeglic^feit  be«  ©eifte«  öerbinben  fic^  bei  SR.  ©m.  mit  66 
uncrmüblic^er  ©orgfalt  in  ber  SDetailforfd^ung,  ber  burc^  eine  grofee  ©efamtauffaffung 
ftet«  3wf^'""'^"^<^I^  w"^  3^^^  gegeben  ift.  Sie  ©ic^er^eit,  mit  ber  er  in  ber  ^üUe  ber 
®injelunterfud^ungen  fogleid^  einen  ©efamteinbrutf  getoann,  ermöglid^te  i^m,  bei  jeber 
Unterfuc^ung  ba«  SBefentlid^e  mit  öoHer  Älar^eit  unb  ©d^ärfe  ju  erfaffen  unb  neben^ 
fä(^lt4;e  3i»9^  ^^>n  untcrjuorbnen.    3)a^er  ber^üHt  bie  güUe  be«  3)etaite  niemal«  ben  eo 


454  ^nxitt),  9B.  9i. 

i^au^jigebanfcn;  fic  h)irlt  fauni  jemals  bebrücfenb.  ^ür  bic  tDiflcnfd^aftlid^c  ßnttoidclung 
di.  ©m.ö  ift  fobann  bic  ©tciocrung  unb  6rh)citeruna  feiner  Sirbeilen  d^aralteriftifc^,  bic 
immer  umfaficnbcr  toerbcn.  6r  gcl^t  au^  bon  alttcftamcntlid^en  St\ibicn.  ®iefc  ©tufc 
ift  bcgcic^nct  burd^  bic  SfiJcrIc  The  Old  Testament  in   the  Jewish  Church,    1881, 

5  The  prophets  of  Israel,  1882  unb  burc^  bic  Slrtücl,  bic  er  für  bic  Encyclopaedia 
Britannica  geliefert  i}at  ^n  biefen  SBcrfcn  fafete  er  bic  ©rgebniffe  ber  gorfd^ung  ju= 
fcimmcn  ju  einer  allgemein  berftänbli^en  2)arftellung,  toie  fic  burc^  bic  Sntfte^ung 
ber  3BerIc  bebin^t  toar.  ©eine  iviffcnfcl^aftlici^c  Sebeutun^  geigen  erft  bic  SBerte  bcr 
legten  ^af)x^,   mit  benen   er  ali  bal^nbrcc^cnber  gorfc^cr  m  ber  Oefd^id^te  ber  aBiffen? 

10  fd^aft  leben  toirb.  3"  *^*^^"  erfolgt  gugleic^  jene  (grtociterung  be«  ©efic^t^lreifc«,  in 
bcn  er  bic  einzelnen  Probleme  rücft.  ^n  „Kinship  and  marriage"  rid^tet  fw^  bic 
Unterfud^ung  gtoar  in  ber  $am)tfad^e  auf  ba^  arabifd^c  ©tamme^lcbcn ;  aber  e^  er= 
öffnet  fic^  fd^on  ber  2ludblta  auf  bic  ältcftc  go^*"  '^^^  femitifd^cn,  ja  ber  mcnfdblic^cn 
OcfcHfdpaft  über^au<)t.    2)en  ©emiten   in  i^rer  ©cfamt^eit  gilt  bann  ba3  SBerf  „Reli- 

16  gion  of  the  Semites" ;  gleic^;ieitig  aber  ift  toieberum  ba$  Silb  ber  älteften  femi= 
tifd^en  3uftänbe  in  bcn  tociteften  SRa^men  allgemeiner  etl^nogra))l^ifd^cr  SBcr^öltniffc  l^incin= 
geftcHt.  3n  ber  ®efd^id&tc  ber  t^eologifd^cn  Söiffenfc^aft  bejcic^net  ba^SßJirlen  öon^H.©m. 
für  bic  englifc^cn  SScrl^ältniffe  einen  SBcnbcjjunft.  @r  berl^alf  ^ier  bcr  gcfc^id^tlic^m 
3luffaffung  be^  3t2i  jum  ©iege.    31.  ©m.  felbft  befennt  fic^  afö  ©d^ülcr  SBcHlj^aufen^  unb 

20  Äuenen^,  benen  er  fic^  in  aßen  cntfc^cibcnbcn  litterarfritif(^en  änfc^auungen  anfc^liefet. 

1.  The  Old  Testament  in  the  Jewish  Churchl881.   35ic 9SerInüi)fung 

biefe^  SBerfeiJ  mit  5K.  ©m.^  jjcrfönlic^em  &t]d)\d  bebingt  bcn  ?|iJlan  unb  ba^  ®e))rägc. 

SH.  ©m.  tooHte  ber  ^iftorifd^en  2luffaffung  be^  all  ju  i^rem  SRcc^te  berl^elfen  unb  burd^  eine 

^ufammenfaffenbe  3)arftellung  ber  litterarifd^cn  unb  rcligion^gcfd^id^tlic^en  $au))tj)robleme  il^c 

26  3Betl^obc  unb  ©rgebnijjc  al^  fac^lic^  begrünbet  ertoeifen.  3m  SJortoort  jur  1.  Sluflagc 
legt  er  feinen  ^crfönliqcn  ©tanb^unlt  bar:  „6^  ift  bon  ollergr()|ter  Sebeutung,  bafe  bcr 
Scfcr  h)irllic^  einfielet,  ba^  bic  biblifc^c  firitil  burc^au^  nic^t  eine  ©rfinbung  mobemcr 
©clel^rtcn,  fonbem  bic  berechtigte  ßrtlärung  gcfc^id^tlidgier  I^atfac^en  ifi.  . . .  a)er  ^obc 
5ßJcrl  ber  gefd^ic^tlic^cn  Äritif  befte^t  barin,  bafe  ftc  un^  ba«  211  lebenbigcr  nahebringt. 

30  2)ag  6f;riftentum  lann  fic^  nimmermehr  bon  feiner  gefd^id^tlic^cn  Segrünbung  auf  bie 
SReligion  S^taete  lo^löfcn*  bie  Offenbarung  ®otte«  in  ßbrifto  fann  unmöglid^  öon  bcr 
frül>eren  Offenbarung,  auf  ber  unfer  §err  aufgebaut  ^at,  getrennt  hjcrbcn.  3"  ^^^^ 
magren  SHcligion  beruht  ba^  5Jcue  auf  bem  2tltcn.  2)cmgemä|  fann  fic^  aud^  nicmanb, 
für  bcn  ba^  (S^riftentum  eine  Slcalität  ift,   o^ne  ©cfa^r  bei   einer  ber  SBirflid^fcit  nid^t 

35  cntfjjrcd^cnbcn  äluffaffung  ber  ®efc^id&te  bcö  alten  93unbe«  bcrul^igen,  unb  in  einem  ^txt' 
alter,  in  bem  äße  ber  gefd^id^tlic^en  ^orfc^ung  boll  3:eilnal^me  gegenüberfte^en,  ift  feine 
3tj)ologetif  im  ftanbe,  nad^benfenbe  ®eifter  baüor  gu  betoa^ren,  fw^  bom  ®laubcn  ab- 
hjcnbcn  ju  laffen,  faHg  bie  gefc^ic^tlid^c  (Srforfc^ung  beö  2li^  bon  bcr  Äird^e  öerbammt 
unb  bcn  Rauben  Ungläubiger  überlaffen  tüirb."     35ie  2.  Sluflagc  be«  Söerfe^  (1692) 

40  l^ält  an  bcn  grunblcgenben  älnfc^auungcn  über  bie  (Sntftc^ung  bcr  alttcft.  ©Triften  bun^^ 
auö  fcft,  h)obci  mand^e^  einzelne  nad^  fd^ärfcr  begrünbet  toirb.  3)ic  ®efcbi(^tc  bc^ 
Äanonö  ift  (al«  Sßorl.  VI)  ein  fclbftftänbigcr  Slbfd^nitt  getvorben.  3la6)  feinem  2lrtifcl 
„Psalms"  in  bcr  9.  aufläge  ber  Encyel.  Britan.  ift  ba«  fiajjitcl  über  bie  ^^falnicn 
(5?orl.  VII)  neugcftaltet,  too^u  befonber^  burd^  (Sl^e^ne^   „The  Origin  and  Religous 

46  Contents  of  the  Psalter"  1891  ein  2lnlafe  gegeben  Wax.  SSor  allem  ift  ganj  neu  bic 
ä?orl.  XIII  „2)ie  ©cfd^ic^ts^cr^ä^lung  bcö  $eEateud()"  eingefügt.  Sluf  biefer  2.  Auflage  bcruH 
bic  üortrefflii^c  bcutfc^e  Überfeiung  Don  3.  2B.  Slot^ftein  (1891).  SR.  ©m.  fnü^ft  an  bic 
i^orftcKungen  be^  fc^lic^tcn  Sibelleferjg  ber  ©cgennjart  an,  um  ij^nen  gegenüber  gunä#  bic 
3lufgaben  h)if jcnfd^aftlid^cr  Sibclforfc^ung  flar  gu  mad^en.  ®er  biblifd^e  Sc^t  felbft,  ba^  0^ 

50  er  in  bcn  ferf^^  erftcn  3?orlefungcn,  ftellt  fold^c  burd^  feine  üorliegenbe  ®cftalt  unb  bie  binter  ih 
liegcnbe  ®ef(^ic^te.  3luf  einem  rüdfh)ärtö  fü^renben  Sfi^ege  burd^  bie  ®cfd^id^te  ber  Über- 
fc^ungen  näbcrt  fic^  biej^orfc^ung  bem  Problem  bc^  ®runbtcjtc^.  älbcr  bcr  i^atbcftanb,bcr 
firf^  au^  bcr  Xejtgcf^irf^te  ^nlc^t  ergiebt,  fü^rt  bereite  jur  Sittcrarfritif  unb  bamit  jur  Unter- 
fu^ung   über   bic  Öntftc^ung  bcr   einzelnen  53üd^cr.     SDiefe  fragen   barjufteHen  untcr- 

55  neunten  bic  fiebcn  legten  a?orlefungen.  3)ic  ^aulpt|)robleme  in  ber  Gntftcl^ung^cfd^id^tc 
bcr  gcjc^ic^tlidj?cn  unb  gcfc^lic^cn  Sürf^cr,  ber^falmcn  unb  bcn  ^^ro^^eten.  3)a^  litteror^ 
gefd^i(btlid)e  ^roblcm,  ba^  bicfe  ©d^riftcn  ftellen,  ift  jeborf»  nid^t  unmittelbar  ju  löfen;  ^ 
crfc^cint  junäc^ft  al^  eine  2tufgabc  bcr  littcrarfritifd;cn  Slnallifc,  bic  bie  Äom))ofition  bcr 
©dmftcn   3u   ermitteln  l)at    2lnbcr^  liegt   cö  beim  ^^falmbud^;    ^ier   fucbt  S.  ©m.  auf 

bu  einem  anbern  Si^eg  3U  gefd;ic^tlic^em  ikrftänbniö  ber  ^falme  ju  gelangen,  dl  ©m.  betont, 


Smit^,  SB.  31.  455 

ba^  bcr  Stu^angejjunlt  bcr  Unterfuc^ung  bic  Scftimmung  bc^Stlter^  bcr  cinjclucn  Sicbcr^ 
famnilungen  fein  mufe.  35ann  crft  lann  man  nad)  bem  3llter  bcr  einzelnen  ^falmc  fragen. 
Öicr  ift  er  nun  geneigt,  bie  93üc^er  I— III  fo  l^oc^  hinauf  ^u  rüden,  bafe  maHabäifc^e  Sßfalme 
in  i^ncn  nic^t  ipalj^rfc^einlic^  fmb.  Sefonber^  beac^ten^toert  ift  in  biefem  3"f«»^"^<^n^<inö 
bie  annähme,  bafe  bie  Überfc^riften  ber  ^Pfalme  urferünglic^  nic^t  ju  bem  einzelnen  ©ebid^tc  5 
gehören,  fonbem  gange  Sammlungen  bejeid^net  ^aben.  311«  bann  bie  jal^lreic^en  Keinen 
Sammlungen  einem  größeren  6orj)u«  eingefügt  tourben,  Verloren  fic  il^ren  felbftftänbigen 
G^araf ter,  aber  il^re  allgemeine  Sejeid^nung  tourbe  bor  jebe«  eingelne  Sieb  gefegt  (©.  203, 
3)eutfc^e  9lu«g.  ©.  190).  3)afür  benu^t  31.  ©m.  bie  Segeic^nung  mby^in  n-^d,  bie  mit 
,,bte  äßaUfa^rtglieber"  überfe^t  toerben  mu^  (©efeniuS-Äau^fd^,  §ebr.  ®ram.  27.  2tup.,  lo 
§  124'  unb  127").  3)ann  toerben  aud^  Überfd^riften  toie  mib  u.  a.  nic^t  ben  SBerfaffer 
begeic^nen  tooUen,  fonbem  Sejeic^nung  Don  ©ammlungen  fein.  3jn  lüeld^em  (Sinne 
bann  biefer  3:itel  ju  berfte^en  ift,  barübcr  fann  man  nic^t«  Sichere«  fagen.  Söa^rfd^ein- 
lid;  foH  bamit  nic^t  ber  lejt  atö  babibifd^  bejeic^net  hjerben,  fonbern  eine  ältere  Ueber^ 
lieferung  mag  bie  fiunftform,  bor  allem  bie  SKufil,  auf  3)aöib  jurüdfgefü^rt  ^aben.  35ie  i5 
ä5orlefungen  VIII  unb  IX  fteHen  bie  SReligion  ber  Äönig^geit  bar;  baran  fc^lie^t  fi^ 
mit  3Sorl.  X  ber  5proj)l^eti«mug,  ber  in  feinem  SSer^ältni«  jur  SSolI^religion  unb  jum 
Siitualgefefe  h)ie  in  feinen  grunblegenben  religiijfen  Oebanlen  gefd^ilbert  toirb.  35ie  litte^ 
rarifc^cn  ^Probleme,  bie  bie  j)roj)l^etif(^e  Sitteratur  ftellt,  treten  bem  gegenüber  jurüd.  3)ic 
brei  legten  SJorlefungen  gelten  bem  ^ßentateuc^  unb  fteUen  bie  ®efe|gebung  bar  auf  ben  20 
brei  Stufen,  bie  aU  litterarifc^e  Corpora  im  ^entateud^  borliegen  (gj  21—2:3,  3)eus 
teronomifc^e  ©efe^gebung,  ^Priefterfobeg).  ^n  bcr  legten  3Sorlefung  toirb  ba«  ©anjc  be« 
Jf^ejatcuc^  burc^  eine  jufantmenfaffenbe  (Srörtcrung  feiner  GJcfd^ic^t^crjä^lung  unb  feiner 
Seftanbtcile  bargeftcHt. 

2.  The  Prophets  of  Israel  1882.  Sine gortf e^ung  ju  biefem Söcrfc  bilbet  ba«  25 
93uc^  „The  Prophets  of  Israel"  (1882.  2.  9lufl.  1895).    $ier  ift  bie  auf  Saien  berechnete 
2)arftellung  bcr  l^orlefungen  burd^  umfangreiche  änmerfungen  ergänjt,  bie  totffcnfd^aftlic^  fe^r 
iücrtboU  fmb.    an  Schärfe  unb  Älar^eit  überragt  biefe«  SJBert  biellcic^t  nod^  ba«  33oraufs 
ge^enbe.    3)ie  beiben  erften  Sorlefungen  betitelt  „Israel  and  Jehovah"  unb  „Jehovah 
and  the  Qods  of  the  Nations"  bereiten  bie  3)arftellung  be«  5proJ)^etentum^  bor,  ba^  30 
in   feiner  Sluffaffung   be«  Scrl^ältniffe«  bon  gal^be  gu  ^ixad  unb   jur  3Sölfertoelt   im 
ganzen  an  einen  in  ber  bor^roJ)^etifd^en  SSolföreligion  gegebenen  ©ebanfcnfrciö  anlnü})ft. 
2)iefe  beiben  aSorlcfungcn  fmb  na^eju  eine  fna^)j)e  ©efd^ic^te  ber  borproj)^etifd^en  Sieligion. 
2)ie  fed^^  folgenben  ^orlefungen  fteUen  bie  j)roJ)^ettfc^e  SSetoegung   bar  bi^   m  i^rer 
Überfül^rung  in  bie  gefe^lid^e  ^o^m  burd^  ba«  2)euteronomium  unb  bi^  auf   i^rc  lefetc  86 
t)crfönltc^e  ®rij^e,  ^i^^niia.    3)abei  toirb  ftetig  ber  3wfö"^"^€"^öng  mit  ber  3«itgefc^ic9tc 
betont,  bie  me^r  bebeutet   ate  nur  ben  ßintergrunb  unb  Stntrieb  ber  })ro^^ctif^en  93e= 
toegung.     3)icfe  ©nttoidclung  gru))))iert  5K.  Sm.  in  folgenbe  9lbfd^nitte:  Arnos  and  the 
house  of  Jehu;   Hosea  and  the  fall  of  Ephraim;    The  kingdom  of  Judah  and 
the  beginnings  of  Isaiah's  Work;    The  earlier  prophecies  of  Isaiah;    Isaiah  40 
and  Micah  in  the  reign  of  Hezekiah;  The  deliverance  from  Assyria. 

3.  Kinship  and  marriage  in  earlyArabia  1885.  3)ie altteft. ^orfc^ung 
ftanb  für  SH.  Sm.  biigl^er  im  SKittel^unlt;  feine  S^eilnal^me  ^at  fie  bauemb  behalten, 
atber  er  ift  auf  biefem  ©ebiet  mc^r  3)arftelter  ate  %ox\6)^x.  Seine  bolle  hjiffenfc^aftlid^e 
Scbcutung  liegt  crft  in  ben  SJBerfen,  bie  ben  allgemein  femitifc^en  ^i^agen  gelten,  ßier  45 
entfaltete  er  fein  ßntbedtertalent  unb  feine  Sombination^abe  im  a[ufft)üren  unb  ^ßers 
fnüpfen  bon  2:Mf ac^cn,  bie  nic^t  an  ber  Oberfläche  lagen.  Unb  au8  i^nen  fuc^te  a*bann 
ein  äilb  ältefter  femitifc^er  Seben^ber^ältniffe  p  relonftruieren.  3)ie  genaue  Äenntni^  b©^ 
212  berbanb  fid^  bei  i^m  mit  umfaffenber  93elefen^eit  in  ber  arabifc^en  Sitteratur  unb 
mit  lebenbiger  3lnf^auung  be^  arabifd^en  Seben^.  95or  allem  ^atte  er  ba^  grofee  3lcj)er-  00 
torium  bcr  altarabifc^en  Äultur,  ba«  Kitäb  el-agänl,  genau  ftubiert;  au^  ber  alten 
^Poefic,  au^  ber  „S^rabition"  unb  ben  arabifc^en  Kommentatoren  getoann  feine  ^Jorfc^ung 
ein  'Slaterial  an  2i^atfac^cn,  h)ic  e^  fic^  feiten  in  einer  $anb  bereinigt,  unb  ba^  bi^ 
ba^in  nad^  nic^t  luttur^iftorifc^  bertoertet  unb  geftaltet  ioar.  5K.  Sm.  tourbe  auf  bog 
Problem  gefül^rt,  toie  ba«  gefettfc^aftlid^e  Seben  im  bori^lamifc^en  Slrabicn  aufgebaut  66 
toar.  @r  untcrfuc^te  be^^alb  bie  fojialen  3wftä»i^<^  ""^  '^^^  gamilienberpltniffe  im  alten 
Arabien.  Sc^on  ber  3tuffa^  „Animal  worship  and  animal  tribes  among  the 
Arabs  and  in  the  old  Testament"  (Cambridge  Journal  of  Philology  IX, 
S.  75—100)  fam  j|u  bem  grgebni^,  bafe  fic^  bei  älrabern  unb  ?[«raeliten  Sjjuren  beö 
3)iatriard^at^  finben.    3"J^^W^"  W  ®-  21.  aSBillen  in  feinem  Su^e  „Het  Matriarchat  eo 


456  (Smiifi,  2B.  9fl. 

by  de  oujde  Arabieren"  (2(mftcrbam  1884.  ^cutfd^c  ÜBerfc^ung  Scibjig  1884)  unter 
Senufeung  be^  bon  SH.  ®m.  Beigebrachten  9Kateriafö  bte  annähme  beö  3Katriard^at^  bei 
bcn  Slrabern  neu  ju  begrünben  toerfu^t  bor  allem  burc^  Senufeung  eine^  reid^cn  etl^no- 
gra^)^ifci^en  3JiateriaIg  au«  ber  malavifd^en  ffielt.  3)arauf  erfcpien  ba«  SBert,  in  bem 
6  91.  ©ni.  feine  ©rgebniffe  in  abfd^lie^enber  gorm  barftettte :  „Kinship  and  Marriage  in 
early  Arabia,  6ambribge  1885.  91.  ©m.  ^at  ^uerft  mit  ben  9Kitteln  ber  femitifc^en 
^P^ilologic  bie  foi^ialen  Seben^formen  ber  femitifd^en  ©tämme  ju  erforfc^en  gefuc^t.  2)ie 
etl^nologifd^cn  unb  f ulturgefd;id^tli(i^en  ©rgebnifle  toerben  burc^  eine  fc^arflinnigc  Srflorung 
unb  Äombination  öereinjelter,  toeit  berftrcuter  unb  öer^ältni^mäfeig  f))äter  Slngaben  ge- 

10  iponnen.  ^n  i^nen  fie^t  91.  ©m.  bie  SRac^Ilänge  au«  einem  älteren  fojialen  ©cfüge  be« 
arabifc^en  Seben«.  Unb  toa«  er  al«  Urform  arabifc^en  Seben«  erliefen  ju  l^oben  glaubt, 
barin  fie^t  er  unfraglic^  im  toefentlid^en  ben  femitijc^en  Urjuftanb.  9lu«  ben  toorliegen= 
ben  9Kitteilungen  läfet  fic^  freiließ  eine  Oefamtanfqauung  Dom  altarabifd^en  Sebcn  erft 
bann  gewinnen,   toenn   man   bie  ßinjell^eiten   nad^   einer  allgemeinen  3:^eorie   über  bie 

16  älteften  gwftänbe  ber  menfc^lic^en  ®efellf(^aft  beutet  unb  fte  in  eine  etl^nologifc^e  ®runb- 
anfd^auung  eingliebert.  Unb  eine  fold^e  bilbet  bie  9Sorau«fe$ung  für  ba«  SBerf  Don 
91.  ©m.  6r  ift  abl^ängig  Don  bem  ©^ftem  ber  })rimitiöen  ©efettfc^aft,  bo«  ber  gurift 
9K.  %.  3)lc  Sennan  feinen  „Studies  in  Ancient  History",  Sonbon  1886  (befonber« 
2eill:  „Ancient  Marriage")  enttoicfelt  ^at.    91.  ©m.   finbet  bie  2luffteHungen  biefee 

20  ©ele^rten  burd^  bie  3:^atfad^en,  bie  in  ber  femitifd^en  Überlieferung  Vorliegen,  bi«  in«  einzelne 
beftätigt.  9Ja^  9)Jc  Sennan  nimmt  91.  ©m.  al«  älteften  S^fiöitb  ber  arabifd^en  ©cfcH- 
fd^aft  ba«  üJlatriarc^at  mit  ejogamifd^er  ^ßol^anbrie  unb  eine  totemiftifd^e  (Slanötocrfaffung 
an.  derartig  toären  aud^  bie  älteften  JlulturDer^ältniffc  ber  ©emtten  über^ai4)t  ju 
beulen.    3^  ^^^f^  Slnnabme  führen  bie 'parallelen,   bie  bie  arabifd^en  SSer^ältniffe  bei 

26  ^pebräern  unb  2lramäem  finben.  35a«  ift  ba«  §auj)tergebni«  be«  SBerte«.  25a«  ©d^toer- 
geioic^t  ber  93eU)ei«fü^rung  liegt  barin,  ba^  91.  ©m.  bie  innere  3wfcimmengel^örigfett  bon 
9Katriard^at,  Iotemi«mu«  unb  $eterogeneität  ber  älteften  ©tämme  erloeift.  2)ic  9Ret^obc 
ift  babei  eine  logifd^*bebuItibe ;  unb  in  ber  3:^at  ergiebt  fie  ein  93ilb  ber  ©nttoidfelung,  ba^ 
burc^  feine  innere  ©efc^loffen^eit   unmittelbar  überjeugenb  toirlt.    9Kan  toirb   ni^t  be- 

30  imcifeln  fönnen,  ba^  c«  bei  einzelnen  arabifc^en  ©tämmen  unb  unter  getoiffcn  SScrl^ältniffcn 
$oli^anbrie  mit  3Ratriarc^at  gab;  ob  ber  3:otemi«mu«  ebenfo  fic^er  angune^men  ift,  fann 
^toeifel^aft  erfd^einen.  35ie  2lrt,  toie  91.  ©m.  bie  überlieferten  3^^atfac^en  gnH)^iert  unb 
au«  i^nen  mit  einbringenbem  ©d^arffinn  ©c^lüffe  jie^t,  erzeugen  junäc^ft  ben  (Sinbrucf, 
ba^  bie  ^ier  fonftruierte6nth)idEelung«gefcbic^te  ber  altarabifqen  ©efellfc^aft,  ber  ©tammc^- 

35  berfaffung  unb  ber  ^amilie,  rid^tig  fein  muffe.  2lber  bie  etl^nologifd^en  Si^eorien,  bie  bie 
©runblage  be«  ganj^en  S3aue«  bilben,  bebürfen  noc^  öielfac^  ber  ^Prüfung  unb  fmb 
Ieinc«iDeg«  unbeftritten.  3lud^  ^at  bie  bergleic^enbe,  mit  Analogien  arbeitenbe  ÜRet^obe 
einen  9)langel:  fic  erfc^lie^t  oft  eine  urf|)runglic^c  unb  einl^eitlic^e  gorm  ber  2lnfd^auung 
au«  Sl^atfad^en,  bie  erft  für  h)eit  fpätere  3^^^  bezeugt  finb.     ®a«  SQSerl  ^at  ein  berec^^ 

40  tigte«  Sluf feigen  cnegt;  mit  il^m  l^at  firf^  fogleid^  auq  ber  SQBiberf^ruc^  gegen  bie  öautJt- 
gcbanfcn  erboben.  35cr  bogntatifd^e  G^arafter  feiner  attgemeinen  3Sorau«fe^ungen  ift 
nic^t  ju  Dertenncn  unb  ebenfotoenig  bie  Äül^n^eit  ber  Äonftruftionen.  ©e^r  üielc  h)crt' 
Dolle  Beiträge  für  einjell^citen  loie  für  bie  ©runbfragen  ^aben  bie  93ef))rec^ungcn  m 
%f).  9Jölbcfc,  $.  be  Sagarbe,  äug.  9)Jüller  unb  3gn.  ©olbjil^er  gebracht    auf  fie  ntu6 

46  öor  allem   öertoiefen   toerben.     2)er  bkibenbe  SlÜert  be«  Sffierfe«  liegt  bor  allem  barin, 

ba^  e«   eine  metl^obifc^e  3lu«nu^ung    ber   einzelnen  2;]^atfac^en  für   ein  Iulturgef(^i(^t= 

lic^c«  ©cfomtbilb  gelehrt  l^at,  ioie  bie  femitifc^e  ^l^ilologie  fie  bi«  ba^in  nic^t  caeid^t  ^attc. 

4.  9JJit  feinem  legten Söcrfe,  Lectures  on  the  religion  of  the  Semites, 

1889(2.2lufl.l894,  bcutfc^  b.  91. ©tübe  1899)  l^at  91. ©m.  fein  reiche« Söiffen  unb  fein  gan^c^- 

50  iüiffenfd^aftlid;e«  35enlen  am  DoUcnbeftcn  bargeftettt.  Seiber  ift  ba«  2öerf  ein  Sorfo ;  e«  fehlen 
bie  beiben  Sänbe,  mit  bencn  c«  jum  2lbfc^lufe  gef ommen  ioäre.  3)a«  Söerf  gehört  tro^  feiner 
unüoKcnbetcn  ©cftalt  in  bie  erftc  9Jeil^c  religion«h)iffenfd^aftlic^er  2)arftellungen.  gür  baö 
gefc^id^tlic^c  2?erftänbni«  ber  femitifc^cn  91eligion  ift  e«  ejjod^emad^enb  geworben.  & 
2.  2luflagc  be«  2öerfe«  l^at  Diel  neue«  5ltaterial  aufgenommen.    Singeine  älbfd^nitte  fmb 

55  neu  l^injugef ommen,  fo  bie  njic^tige  2)arlegung  über  ^eiligleit  unb  tabu  (©.159—164), 
über  bie  Übertragbarfeit  ber  „§ei(igfeit"  (herem.,  ©.  231  f.),  über  SBafferlibation 
(©.411  ff.).  3)ic  Scbeutung  bc«^2lkrfe«  im  gangen  berul^t  barauf,  bafe  9i.  ©m.  ben 
urfjjrünglid^en  ©inn  unb  bie  Scbeutung  ber  älteften  religiöfen  ^nftitutionen  erfd^loffen  ^at. 
^amit  n)erben  allgemeine,  funbamentale  Probleme  ber  antifen  9leligion  bel^nbelt.  3)enn 

60  alle  religiöfen  Segicl^uitgcn  finb  in  ben  ä5olf«rcligionen  be«  Slltertum«  on  feftc  3"PitU' 


@mit!|,  2Ö.  91.  457 

tioncn  gebunbcn.  2)ic  ©cjc^id^tc  bcr  antticn  Slcligioncn  mu^  alfo  öon  bcn  S^ftitutionen, 
b.  f).  hjcfcntlic^  bom  Äultu^,  Djjfcr  unb  l^cUigcn  Stecht,  au^gc^en.  2luf  biefem  Söege 
bcrfuc^t  SR.  ©m.  bic  Sleügion  al^  einheitlichen,  gemeiiifamen  SSefifc  be^  öotgefci^ic^tUci^cn 
fcmitifc^en  SSoItetum«  barjuftellen.  ^eilid^  tft  bie  fcmitifd^e  3Solfegemcinfc^aft  nur  eine 
l}t}pot^^t\]d)i  ®rö^e;  toir  fennen  bie  ©emiten  nur  ate  einzelne,  na^c  Dertoanbte  SSöIIer,  5 
bic  längft  in  t)olfötümli(l^er  (gigenart  befielen  unb  bic  ftc^  in  i^rer  Äultur  fc^on  fe^r 
toeit  bon  einem  ettoa  gemcinfamen,  urfemitifd^en  Äulturbefife  entfernt  ^abcn.  Unb  bem 
entfpric^t  bie  SReligionggefd^ici^te.  äud^  bie  jemitifd^en  SSofföreligioncn,  bon  benen  \\d) 
allein  eine  annä^emb  julänglic^e  ^iftorifc^e  SBorftellung  gewinnen  lä^t,  l^aben  ein  inbi- 
öibuelI=nationale«  ®ej)räge.  Unb  boc^  tritt  babei  —  toie  in  SRaffe  unb  ©J^rac^e  —  eine  10 
güUe  be^  Oemeinfamen  i)Mox.  üiegt  barin  ein  gemeinjemitifc^er  Sefife  unb  läfet  fic^ 
ein  93ilb  ber  urfemitif^en  SRetigion  unb  mit  i^m  eine  SSorfteHung  bon  urfemitifc^er  Äultur 
unb  ben  geiftigen  SBefen^jügen  ber  9laffe  aetoinnen?  SBenn  man  baS  ^Problem  jo  [teilt 
—  h)ie  eö  SR.  ©m.  tl^ut— fo  liegt  barin  freiließ  eine  9?orau^fe|ung,  ba|  nämlid^  gleiche 
2tnfc|iauungcn  unb  ^nftitutionen  ate  gortfülj^rung  einer  urf))rüngli(^en  Äulturgemeinfd^aft,  16 
bcr  eine  SJolfeein^eit  entf^rad^,  ju  betrachten  fmb. 

%üx  bie  ©rf or jc^ung  bcr  altfemitif^en  SReligtonen  liegt  aber  eine  befonbere  ©c^toierigs 
Icit  barin,  ba^  fie  ung  nur  in  einzelnen  3üg«t  burd^  toeit  berftreute,  gelegentliche  2lns 
gaben  entgegentreten.  3)a^  urf^rünglic^fte  unb  ber^ältni^mä^ig  reid^fte  5Dlaterial  bietet 
bie  altarabifc^e  2itteratur,  baneben  treten  bie  älteren  Btüdt  be^  212:^.  Slber  ein  ge^  20 
Jd^loffene^  Silb  bon  ber  altfemitifd^en  SReligion  ift  au^  i^nen  nic^t  ju  gewinnen,  ^aiu 
ift  eine  breitere  ©runblage  nötig.  9lac^  ben  ®efe|en  Jjrimitiöen  3)enfen^  überl^aujjt 
fuc^t  5R.  ©m.  bie  erhaltenen  SRefte  ju  beuten  unb  ein  ©efamtbilb  ber  gemeinfemitifd^en 
Sieligion  ju  gewinnen.  2)aju  ^at  er  in  toeitem  ^a^c  ^ParaHelen  au^  anbem  SSölJEem, 
bie  eine  torimitibe  Äultur  f^u  bertretcn  fd^einen,  j^erangcjogen.  2)ie  33orftelIungcn  unb  26 
ba«  3)enlen  j)rtmttiöer  3Sölfer  fd^eint  ftc^  toeit  naiver  ^u  [teilen  ate  ba«  gciftige  Seben  in 
f)od)  enttüidtelten  Äulturen;  bie  Differenzierung  ber  Seben^formen  ift  nod^  nic^t  toirffam 
geworben.  3)arin  liegt  eine  getoiffe  Berechtigung  für  bie  t)f^d^ologifc^e  ^nt^i^^ö^ion 
ber  I^atfac^en  einer  toenig  belannten  ))rimitiöen  Äultur  burc^  ^eranp^ung  bon  ^Parallelen 
aug  anberen,  ä^nlic^en  Äulturjuftänben.  2lber  fo  fe^r  bie  SJerl^ältniffe  auc^  baju  nötigen,  ao 
biefen  SBeg  ^u  befd^rciten,  fo  lücnig  barf  man  il^n  im  ®efül^l  öoller  ©ic^erl^eit  ge^en. 
6«  liegen  biefem  3Serfa^ren  eine  Steige  allgemeiner  9Sorau«fe^ungen  unb  3lnalogief^lüffe 
in  ®runbe,  burc^  bie  man  t)on  ber  gefd^id^tlid^en  SBirlltd^feit  fc^r  toeit  abgefül^rt 
toerben  lann. 

35a^  SBefen  ber  urfemitifd^en  SReligion  fuc^t  5R.  ©m.  ju  gewinnen  au«  ben  Äultur^  ss 
formen  ber  urfemitifc^en  ©efellfd^aft  unb  au^  ber  2lrt,  toic  ber  3Kenfc^  biefer  ©tufe  bie 
umgebenbe  5Ratur  unb  fid^  felbft  auffaßt.  3)er  Iräger  ber  SReligion  ift  nämlid^  ber  burc^ 
Slut^bertoanbtfc^aft  aller  feiner  ©lieber  geeinte  ©tamm;  feine  toirtfd^aftlid^e  fiulturform 
ift  ein  J)rimitiber  Äommuni^mu«.  Demgemäß  ^ebt  fic^  bie  ^ßerfönlid^Ieit  überbaut)t  nod^  nid^t 
au«  ber  feften  ®cmeinfc^aft  ^erau«.  3n  bem  ®efü^l  biefe«  ^^"t^*"*"^^^"?^  oetoegt  fid^  äße«  40 
t)rimitibe  3)enlen.  ©0  fafet  e«  nic^tnurbiemenfd^lid^e®emeinteaft  auf;  bie ganje 5Jatur,  mit 
ber  ber  5Kenfd^  in  toirlfamer  Scjiel^ung  ftel^t,  loirb  in  ben  ÄreiS  ber  menfc^li^en  ®emcins 
fc^af t  einbcjogen.  3)a«  ift  nid^t  eine  2lnalogie,  fonbem  für  ^rimititoe«  3)cnlen  eine  boUe  3lealität. 
Die  ganjc5Ratur  ift  belebt  unb  bilbet  einen  großen  3ufö»nmen^ang  gemeinfamen,  toefen^s 
gleichen  Seben«.  (£i5  giebt  faum  fc^arfc  ®renxen  jtoifd^en  befeelten  SBefen  unb  Dingen.  46 
Der  ©tamme^berbanb  erweitert  fic^,  er  umfaßt  ben  ©tamme^gott,  feinen  ©tamm  unb 
aÜQ^,  toa«  in  beffen  Sereic^e  lebt  unb  borl^anben  ift.  %\xx  bie  religionSgefc^id^tlic^e  gor- 
fc^ung  rid^tet  ftc^  ba«  3i"^^^fi^  «^"f  ^i^  ©teHung  beö  ©tamme^gotteg.  6r  ift  burc^au« 
in  t)^^ftf(^er  SBeife  ate  ber  Url^eber  be«  ©tammee  gebadet  unb  bamit  ein  ®lieb  in  ber 
natur^aft  begrünbeten  ®emeinfd^aft.  Dem  alten  9Ratriard^at  entfjjric^t  eine  toeiblic^e,  ateeo 
SRutter  gebadete  ®ott^eit.  Durc^  bie  @ntlt)idelung  be«  ®efe^eö  ber  männlid^en  3Ser= 
toanbtfd^aft  tritt  ber  ^Batergott  an  bie  ©teile,  ^n  \l)m  refleftiert  fic^  ba«  altfemitifc^c 
5?amilienred^t;  bamit  erl^ebt  fid^  bie  ®otte«borftettung  ate  „SSater"  über  i^re  JjI^^PI^^^ 
©runbbebeutung  ju  einem  et^ifc^  h)ertt)otlen  Segriff.  SR.  ©m.  gel^t  biefem  ®ebanfen 
(©.  49  ff.  unb  59  ff.)  mit  befonberer  SSorliebe  nac^  unb  ivitt  bic  %nxd}t  ate  3Motiö  zur66 
au^cftaltung  ber  ©ötterborfteUung  abtoeifen.  5Rit  bem  Seben  be«  ©tammeö  ge^t  bai5 
feine«  ®otte«  jufammen.  ®eh)innt  ein  ©tamm  burc^  3?erbinbung  mit  anberen,  burc^ 
Untcrtoerfung,  eine  größere  SDiac^t,  fo  enttoidfelt  fic^  ein  ®efü^l  für  bie  erweiterte  ©tetlung 
in  ber  2Belt,  ba«  Soll  entftel^t.  ^^m  entf>)ric^t  bie  Sorfteltung  öom  ©tamme«gott  ate 
Äönig.    3)lxi  bem  fiönigtum   ift  überall  eine  er^ö^te  Sebeutung  be«  SRec^te«  öerlnü})ft ;  eo 


458  (Bmlift,  SB.  9{. 

ba^  9lcd;t  fiiibct  im  Äöntg  tjiclfad^  feinen  llrf))rung;  an  il^n  tritt  bic  5PfIi(^t,  Sd^ü^a 
bc^  Slec^tö  in  fein.  2)er  äußeren  SMad^tertoeiterung  bc^  ©ottee  entf))ric^t  bamit  nnc 
et^ifc^e  ©teigerung  ber  ©otte^üorfteHung.  25te  ^\)z^  ber  ©ercc^tigleit  toitb  in  fte  auf- 
genommen. 

5  2)iefc  alte  Glanö^SReligion  ftellt  [xi)  nun  bar  in  feften  Snftitutioncn  unb  finbct 
il^ren  Stu^brudf  bor  allem  im  Djjfer.  3)er  aUe^  erfüHenbe  Segriff  in  i^r  ift  ,,$eiligleit". 
3n  biefem  S3egriff  liegt  ^unä^ft  leine  etl^ifc^e  Qualität,  fonbem  eine  älrt  5He(^t^= 
DorfteHung,  bic  auf  einem  Sefi^Der^ältni^  berul^t.  91.  ©m.  ^at  ben  urf^jrünglic^en  8e= 
griff  ,,^eilig"   burd^   ba^   Tabu     t)ol^nefifc^er    unb    auftralifd^er   SReligionen    erläutert. 

10  „$eilig"  ift  aUe^,  lt)aö  ber  ®ott]^eit  berfatten  ober  gugetoiefen  ift.  9Rit  biefem  .^eilig^ 
feitöbegriff  ift  befonberö  bie  ©nttoidtelung  ^eiliger  Orte  unb  ©ebiete  t)erfnü<)ft. 

6ine  ganj^  anbere  (Snttoicfelungglinie,  bie  in  ber  urfemitifc^en  Äultur  feine  3ln= 
fnüpfungifpunfte  ^at,  fie^t  ^H.  ®m.  in  ber  Sa^atSleligion.  ©ie  ift  bie  ^Religion  ber 
fcmitifc^en  Äutturlänber;  in  äderbau  unb  ^Wbatbefit  liegen  ilj^re  SSorau^fe^ungen.  ©c^on 

15  bie  Se^eid^nung  beö  ©otte^  alö  Sa'al  =  §err,  Sefi^er  beutet  auf  bie  öeränbcrten  h?irt- 
fd^aftlic^en  unb  recbtlic^en  Ser^ältniffe  ^in.  ®er  Slderbau,  ber  inbibibuett  betrieben  h?irb, 
fü^rt  jum  ^ribateigentum.  ,,§en"  eine^  ©ebietc^  ift,  toer  e«  burc^  Setoäfferung  unb 
Seftellung  in  ein  drtrag  liefcmbe^  Sldferlanb  öertüanbelt.  2Bo  aber  bie  Siatur  felbft 
burd^  Duellen  unb  ^Jlüffe  bem  3Renf(^en  3Baffer  fj)enbet  unb  ^flanjentouc^^  ermöglicht, 

20  ba  ift  e^  ber  ®ott,  ber  ben  S3oben  fo  beftellt  l^at;  er  ift  bamit  93efi$er  fold^er  ®ebietc 
t)on  natürlicher  ^rud^tbarfcit.  9?atürlic^  loerben  biefe  ©ebiete  bie  beborgugten  ©tättcn 
mcnfd^lic^er  ©iebelung;  aber  fie  bleiben  ^enfc^aft^ebiete  be^  Srfal,  öon  bem  bie  Se-- 
too^ner  bie  ®aben  be«f  £anbe^  empfangen,  ©o  tritt  auc^  ber  9Menfd^  al^  Stdferbauer 
unter  bic  §crrfd^aft  be^  Ferren  be^  gruc^tlanbe«,  bem  er  im  begetabilifd^en  D^)fer  feinen 

25  2:ribut  barbringt.  3)cr  93a' al  ift  ber  ©c^öjjfer  aller  grud^tbarleit,  urfprünglic^  bc^ 
^flanjentüuc^fe^,  bann  aud^  ber  tierifc^en  unb  menfc^li^en  gruc^tbarfeit.  2)ie  95a'al= 
Skligion  ift  alfo  au«  bem  £eben  ber  2lderbau  treibenben  SSölfer  ertoac^fen  unb  reflefticri 
bie  Sebenöformen  einer  agrarifc^cn  Äulturftufe.  Söenn  fic^  freiließ  ber  33a'ol!ultu«  ani} 
in  Slrabien  finbct,  fo  ift  er  —  lüie  91.  ©m.  annimmt  —  ^ierl^in  erft  übertragen.    Stuc^ 

ao  ^ier  fmb  e«  bor  allem  bie  Dafen,  itjo  er  93oben  finbet.  2)urc^  feinen  G^aralter  aU 
®runbl^crr  ift  ber  Sa'al  örtlich  gebunben.  25iefe  ^h^^  fe|t  fid^  bi«  in  bie  flöten  ©tufcn 
ber  ^iftorifc^en  ^Religionen  fort  in  ber  SSorftettung,  bafe  ber  ®ott  einen  feften  2Bobm 
fi^  i}at 

91.  ©m.  I^at  fomit   nid^t   eine  gemeinfemitifd^e  Urreligion  gewonnen,    fonbern  jlDci 

35  burc^au«  berfc^iebene  J^ormen  ber  Religion,  bie  35ater59leligion  ber  9lomaben  unb  bie  93rfal-- 
9leligion  ber  3ldferbauer.  Seiben  9leligionen  ift  ba«  D^fer  aU  35arftellung  biefer  Sc^ 
jiel(^ungen  eigen;  aber  e«  ^at  naturgemäß  in  beiben Religionen  eine  gan^  öerfd^iebene  Sc- 
beutung.  3"  ^^  53a'^al59leligion  bebeutet  ba«  D|)fer  bie  bem  ®otte  ate  ©runb^erm 
bar0cbrad;tc  »^ulbigung;   e«   ift  alfo  ein  Iribut,  ber  bon  ben  ©rträgen  be«  Slder«  bem 

40  ©i^enbcr  ber  ^ruc^tbarteit  bargebrad^t  ioirb.  ^i)xc  gortbilbung  finben  biefe  „(grftlinge" 
an  üegctabilifd^en  Dj^fern  im  3e^"ten  unb  in  ber  minha.  —  ®anj  anber«  fmb  Her- 
gang unb  ©inn  beim  Djjfer  ber  9tomabcn.  2)a«  C^fcr  beftelj^t  l^ier  in  ber  ©d^lac^tung 
eine«  liere«,  bcffcn  33lut  bem  ®otte  al«  fein  2lnteil  burci^  93efi)rengung  ober  Sibation 
bargcbrad;t  ipurbe,  iüäl^renb  ba«  ^Icifc^  —  urfjjrünglic^  ro^  —  öon  ben  0))femben  ijer- 

45  i^cl^rt  iourbc.  2)ic  gorm  be«  Djjfer«  ift  alfo  ba«  faframentale  9Kal^l  ber  ©tammc^ 
gcmcinfcf^aft,  ba«  burc^  ®cnuß  bc^felben  Dpfertiere«  ben  ®ott  mit  bem  ©tamme  t?cr' 
binbct.  T>ie  ^\>^c  bc«  Dbfer«  ift  l^ier,  bie  natürlid^e  Slut«gemeinfc^aft  innerbalb  bce 
©tammc«  h)ic  mit  bem  i^atergott  ^u  erneuen  unb  ju  fcftigen.  35iefe  ®emeinfc^aft  bc- 
grünbenbe  Äraft  fann  aber  nur  ba«  53lut   eine«  ftammberloanbten  2;iere«   l^aben,  b.  b. 

50  ba«  Dpfcrtier  ift  ba«  ^^otemtier  be«  ©tamme«,  ba«  nur  für  ba«  faframentale  Djjfcrmabl 
getötet  mcrbcn  barf.  —  93i«  auf  bicfcn  ^^unft  ergiebt  fid^  ba«  SBefen  be«  D})fer^  «"^ 
ben  rcligiöfcn  ©runbanfc^auungcn.  ^n  ber  gefc^id^tlid^en  (Sntioidelung  be«  Dpfer«  aber 
möd^tc  9(.  ©m.  bie  gortbilbung  be«  faframentalcn  9Jla^le«  feigen ;  banac^  fuc^t  er  ab- 
tüeid;cnbe  (Srfd;einungcn  auf  9Jiißt)crftänbniffcn  unb  falfc^en  Deutungen  ju  erflären.  2)ic 

55  erftc  Sdt)n)icrigfeit  mad;t  ba«  5Dlenfd;enoj)fcr,  über  ba«  91  ©m.  folgenbe  Jl^eoric  ent^ 
ioidelt:  G«  blieb  für  bic  faframentale  SBirfung  be«  Dpfer«  bie  gorberung  ber  SJluts^ 
Derioanbtfc^aft  be«  geopferten  Sycfem:^  bcftel^en,  verloren  aber  ging  bic  SBorftetlungJJon 
ber  Scrtoanbtfcbaft  ber  ^icrc  mit  beut  9JJenfd^en.  SBcnn  man  tro^bem  liere  opferte, 
fo  fonntcn    fie   nur  (Srfa^  für  ein  mirflicf)  blut«i)erit)anbte«  3Befen  fein,  b.  1^.  für  einen 

(io  3Jtcnjcbcn,  am  bcftcn  für  einen  iJcriüanbtcn.    3tuf  ©runb  biefer  I^corie  Dom  2;iero))fet 


@mi%  38.  dl  ®ocin  459 

lam  man  ^n  bcr  anfd;auun0  bon  bcr  l^öd;ftcn  2BirIun0«!raft  bc^  9}icnfci^cnoj)fcrö  in 
befonbcr^  fd^iuieriöcn  fingen.  SSon  ber  %i}com  an^  crft  tarn  man  ^ur  ^Pra^i«.  2)ann 
aber  War  \>a^  Dp\ttmaf)l  au^gefd^Ioffen,  an  feine  ©teile  trat  bie  S?ernid;tung  be^  Dj)fer«, 
meift  burc^  ä>erbrennen.  ©o  toirb  ba^  geuero^fer  bie  ^orm  für  bie  Übergabe  be^ 
£)>)ferg  an  bie  ©ottl^eit,  obtüol^I  bag  SSerbrennen  urf>)rün0li(^  nur  ben  ^w^d  ber  3Ser=  b 
nic^tung  ^atle  unb  beö^alb  and)  n\d)t  auf  bem  2lltar,  fonbem  an  abgelegenen  Orten 
erfolgte.  3)aö  Sranbopfer  aber  fonnte  bie  ^-orm  ber  2)arbrtngung  iuerben,  toeil  fid;  bie 
©otte^borftellung  bergeiftigt  ^atte.  6^  mar  ber  §intmeIggott,  ju  beui  ber  D})ferrauc^ 
enipqrftieg.  —  SDamit  ift  bie  Ü^erbinbung  jiüifd^en  bem  Dj)fer  aU  9)ial;l  unb  bent  Djjfer 
aU  Übergabe  an  bie  ©ott^eit  j^ergefteUt.  2)iefe  le^te  Sluffajfung  tritt  burc^  bie  Slugs  lo 
bilbung  be^  ^IJritjateigentumg  immer  mel^r  in  ben  SSorbergrunb  unb  iDirb  enblic^  bie 
be^errfd^enbe  ^hcc.  Sluö  feinem  Sefi^  erteilt  ber  3Kenfci^  bem  ©otte  einen  Slnteil.  Um 
fo  tDOJ^IgefäHiger  ift  aber  ba^  Cjjfer  bem  ©otte,  je  reid^er  fein  Stnteil  ift;  bag  tüirifamfte 
0^?fer  ift  alfo  ba«,  toelc^e«  bem  ©otte  aHein  unb  ganj  jufäHt.  25amit  aber  gclüinnt 
ba^  D^fer  aHmäblid^  eine  ganj  anbere  öebeutung;  e^  toirb  ju  einem  3Rittel  auf  ben  i5 
©Ott  einj^ulüirfen.  25aö  Opfer  befommt  einen  magifc^en  3"9;  ^  ^wdt  in  bie  bebenfs 
lic^e  9Jäbe  ber  3«ubermittel.  greilic^  ^atte  biefe  I^eorie  beö  £)t)ferö  nic^t  auf  femitifd^em 
©oben  il^re  legten  Ä'onfequenjen  gefunben,  fonbern  in  3"t^i<^n-  —  ®o  bebeutenb  biefe 
3luöfül^rungen  unb  i^re  ©rgebnijfe  im  einzelnen  fuib  —  bei  bem  ©treben,  eine  ein^eit^ 
lic^e,  urfemitifd^e  SKurjel  aöer  ßrfd^einungen  ju  gelvinnen  l^ält  %  ©m.  ben  |)rinjit)ieHen  20 
Unterfc^ieb  jtüifi^cn  einer  Sieligion,  bie  ©Ott  aU  ßr^euger,  unb  einer,  bie  ilm  afö  ®runb= 
l^erm  beult,  nid;t  aufredet.  6r  tü'xü  au«  einer  gorm  —  au«  bem  fatramentalen  ©emein^ 
fd>aft«ma^l  —  aUe  gormen  be«  D>)fer«  ableiten,  hierbei  gebt  e«  —  ebenfo  toie  bei  ber 
(Einfügung  bcr  Sämonen  in  ba«  ©^ftem  be«  S^otemiömu«  —  nid^t  obne  ©ctpaltfamleiten 
ab.  5t.  ©m.  neigt  baju,  atte  ©rf^cinungen  auö  einem  Urfprung  herzuleiten.  3i)a«  tpirb  25 
auf  bem  Soben  ber  femitifd^en  SReligionegefc^id^te  für  un«  biellei^t  niemals  möglid^  fein, 
©iel^t  man  bie  Il^atfat^en  unbefangen  an,  fo  h)irb  man  in  il^nen  nic^t  bie  ^ortbilbung 
einer  einzigen  ©runberfd;einung  fe^en  bürfen,  fonbern  toir  muffen  jtoei  fclbftflänbig  neben^ 
einanber  bergel^enbe  SReiben  annehmen,  bie  au«  öerfc^iebenen  Äulturtjcr^ältniffen  ertoad^fen 
fmb,  fomit  einen  felbftftänbigen  Urf))rung  l^aben.  Seibe  fmb  Jjrinjijjietl  gefc^iebenao 
in  ber  Sluffaffung  be«  Ser^ältniffe«  ^hjifc^en  ©Ott  unb  3)ienfc^.  SÄud;  für  ba«  Dj)fer 
mufe  man  bann  eine  5n)eifad^c  i^orau«fe^ung  unb  ©runbbebeutung  i;ugeben.  3)ie  innere 
Äonfequcnj  in  ber  ©ntloidfelung  ift  gehjifj  mannigfach  gebrod^en,  aber  nic^t  burd^  allerlei 
9Jliftt)erftänbniffe  unb  falfd^e  ©d;Iüffe,  —  toic  m,  Sm.  annimmt  —  fonbern  burc^  ge* 
fc^i^tlid^e  Serül^rungen,  gegenfeitigen  ä[u«taufc^,  Äreujung  unb  ^ulc^t  aud^  burc^  3^-35 
fammenge^en  in  einer  gemeinfamen  SKeiterbilbung.  üßor  allem  ift  bie  i^eorie  t)om 
3Kenfd^eno})fer  ganj  unhaltbar.  333cnn  e«  in  ben  3[nfc^auung«frei«  gebort,  für  ben  ba« 
Opfer  bie  älutögemeinfc^aft  feftigt  unb  bc«^alb  ein  blut«t)erh)anbtes;  2Uefen  forbert,  fo 
toirb  man  fic^  nic^t  fc^euen  bürfen,  ba«  9Jienf(^enot)fer  für  ba«  ällefte  unb  eigcntlid^e 
0>)fcr  in  galten,  an  beffen  ©teile  ba«  Xiero^ifer  getreten  ift.  3nbe«  beftel^t  ivobl  tein  40 
j)rin;;it)ieller  Untcrfc^ieb  i^toifc^en  5DJenfc^en-  unb  3:iero})fer  gu  einer  3cit,  für  beren  2)enfen 
ade«  Scben  ©emeinjc^aft  be«  gleid^en  ?3lute«  ift.  2lud^  bie  9?erbrcnnung  be«  Opfer« 
h)irb  nic^t  lebiglic^  bie  äefeitigung  be«  itörjjer«  bcjlocden  —  berartige  ^n^^^ff^"  Ik^m 
Söllern  Jjrimitiüer  Äultur  ganj^  fem.  2Öa^rfc^einlic^  ift  e«  bod^  al«  eine  ^ot"t  ber 
Übergabe  ju  faffen.  (Snblit^  h)irb  man  fragen  bürfen ,  ob  nhcxl)an!pt  alle  SorfteUungen  45 
unb  ©ebanfen,  bie  eine  jjrimitiüe  Sieligion  erfüllen,  ju  einem  feften  ©cfüge  jufammens 
gefc^loffen  hjerben  muffen,  ob  fie  in  ein  ©^ftcm  ;4U  orbnen  finb,  ober  ob  ni^t  neben  un= 
fraglich  öorbanbenen  ©runbgebanten  jal;lreid^e  iNorftcKungen  nebenber  ge^en,  bie  i^re 
befonberen  33orau«fe|ungen  ^ab^n,  2)ie  Unlerfud^ung  jjrimitiöer  SHeligionen,  fotoeit  ivir 
fold^e  bi«^er  überhaupt  rid^tig  berfte^en  fönnen,  üermag  barauf  laum  fc^on  eine  feftew 
älnn^ort  ju  geben.  9i.  @tfibe. 

Societö  övangcllqnc  f.  b.  ä.  ^ranlreic^  93b  VI  ©.  196, 8ff. 

Socitt  itnb  bcr  ®ociiitaiii«mui9.  I.  äußere  ©efd^ic^te  be«  ©ociniani«- 
mu«  bi«  um  bie  3JJitte  be«  18.  3«^'f'^w"t)ert«.  —  (£uifte^uiiii§3e{d)icl}ic  imb  53iü= 
9ropl)i|d)e«  über  bie  bciben  Sociiie:  8Qiio=^>r5l)füiDfi^f!,  Vila  Faiisti  S<>cini,  Ävafau  H)3H;  56 
&corQC  9l§btt)en,  De  Socino  et  Socinianismo,  Oifovb  1680.  Vlbral).  CSalot),  Scripta  Auti- 
sociDiana,  III  voll.,  Ulm  H384  (t»fl(.  b.  Vlrt.  6aIoü  i>^b  III,  651).  IMutl).  Histoirc  du  Bo- 
ciniaoisme,  $ari^  1723.    ^am.  [yriebv.  ^autcrbad),  Ariano-iSociiiianisQius  olim  in  PoloDia, 


460  @ociit 

über  et)cinal.  vo(nifd):ananiJ(öcr  ©ociuiauiSmuö,  granffuvt  unb  ficipjig  1725.  gr.  S.  ^ocf, 
Historia  Antitrinitarionmi,  maxime  Socinianorum,  Regiomont.  1774—84,  2  t  3-  *äÄ. 
©cftröcfö,  ^lird)engc|c^.  feit  ber  SRefürmotion,  Sb  V  (523—631).  gilqen,  Symbola  ad  vitam 
et  doctrinam  Fausti  Socini  (3  ^efte),  fipj.  1826—40.  g.  Xrerfjfel.  ^ic  pvoteftant.  ^Intitrini^ 
5  tarier  üor  Sauft.  @ocinu<J,  2  ZU.,  4)cibeI6crö  1839—44  (ingbcf.  Sb  II,  2tiio  ©o^sini).  C.  ^od, 
3)er  ©üciniani^mu^  nad)  feiner  ©tcüung  in  ber  öJefomtenttoicflung  bc^  4nftl.  ®cifted,  fein 
mov.  53erlauf  unb  f.  fie^rbegriff,  2  XIc,  Äict  1847  (inSbcf.  I,  121—263).  «Baflacc,  Anti- 
trinitarian  Biography,  fionb.  1850.  (5.  il^.  ^enfe,  SSorlefungcn  über  neuere  ^irdjengefc^ic^tc, 
l)erau§cj.  uon  ®af}  (1874),  I,  453  ff.    3ofep6  Scvenc^,   kleiner  Unitarierfpieflel,    beiitfdi   t)on 

10  9^  ^e^mann,  SBicn  1879.  O.  toniecfi,  ®efd)id)te  ber  SRcformation  in  $oIcn,  2.  91.,  »rcöl. 
1901,  @.  198—120.  @.  ßurffiet,  3)er  ©ociniani^muö  unb  feine  ©ntmirflunfl  in  (SJro&poIen; 
atfd)r.  ber  ^ift.  ©ef.  b.  ^roo.  ^ofen,  1892/93.  6cmbrjit)(fi,  3)ie  polnifc^en  9lcformicrtcn  unb 
Unitarier  in  iPreuften:  ?lltpreuft.  3Ronat^fd)r.  1893,  Iq,  1  unb  2  (au*  fcp.).  g.  ^.  9(ncn, 
Hist.  of  Unit.  (f.  unten  III),  p.  49—120.    ©urnat,  Lelio  Socin,  Vevey  1894.     «3.  3.  unn 

16  3)oruiüen,  Socinianen  en  Doopgezinden:  Th.Tydsciir.  1898,  I— III.  .&.  5)aIton,  Lasciana, 
S3erlin  1898  (bietet  luertooUe  Urfunben=Sciträge  jur  SSorgefrfjicftte  beS  poln.  ©ocinianiömu§; 
f.  bef.  @.  388  ff.).  &.  Äroufe,  9?eformation  unb  ®egenveformatton  int  ehemaligen  Äönigrcic^ 
^olen.  «ßofen  1901. 

[©pei^ieüere  fiitteratur,  bef.  aut^  betr.  b.  heutigen  fiebcnbürgift^en  UnitariSmud  f.  unten 

20  im  Xejte.] 

SDie  Steformalion^fird^en  bc^  16.  ^ö^^^uitbcrts  fa^cn  fd^on  toä^tenb  ber  crftcnSa^^- 
je^ntc  t^rc«  ©cftel^cn«  fic^  jur  Slbtoe^r  einer  bo^)>)elten  ©egncrfd^aft  öon  ultrasreforma^ 
torifc^er  Sicnben^  geni)tigt.  2luf  ber  einen  ©eite  tourben  jte  üon  ber  Dt)^)ofition  ber 
SBtcbertäufer  gegen  t^rc  fonfertjatibc  2;auft)ra^«  bebrol^t,  auf  ber  anbcrcn  richteten  fn^ 

25  bie  2lngriffe  antitrinttarifd^er  ©c^toärmer  unb  Selten  gegen  il^ren  ©otte^bcgriff  unb  i^r 
fird^lic^st^cologif^e^  ©Aftern  übcrl^aupt.  ®egner  ber  le^teren  ärt  traten  — ,  bon  jenen 
frü^eften,  jugletc^  auc^  anaba>)ttfti{ci^  gerichteten  SBiberfac^em  ber  3)retcinigfeit^Iel^re  h?ic 
®enl,  §e^er,  Äau$  2c.  an  btö  ju  ©erbet  unb  beffen  näd^ften  5Jad^folgem  (Ocntili^, 
Slanbrata,  Sllciatt  2c.)  in  beträd^tlic^er  Sq!S)1  l^erbor;   boc^  fehlte  eö  benfelbcn   furo  erfte 

30  noc^  an  jeber  feftercn  einheitlichen  Drganifation.  2lu(^  ber  ältere ©ocin  (fiel io  ©ouini)— , 
geb.  in  ©iena  1525,  geft.  1562  ju  S^xi6)  (nad)  einem  unruhigen  SBanberleben,  bast 
i^n  feit  1547  in  toieberl^olte  Serül^rungen  mit  ben  SSorfämJjfem  ber  SReformatton  in 
3üri(^  [Sullinger],  (Senf  |6alt)in],  SJBittcnberg  [OTelanc^t^on]  gebracl^t  unb  i^n  u.  a.  auc^ 
jtüeimal   [1556  unb  1558]   nac^  ^olen  geführt  ^atte),   gel^örte  ju  biefen   noc^   ifolicrt 

3ö  fte^enben,  auf  ©ammlung  einer  (Scmeinbe  i^rer  ©lauben^enoffen  nid^t  au^el^enben  änti^ 
trinitariern.  SJBirb  ber  9?ame  ber  focinianifc^en  Partei  ^utoeilen  mit  aud^  toon  il^m  ^a- 
geleitet,  fo  gefd^ie^t  ba^,  toenn  auc^  nid^t  gan^  mit  Unrecht,  bod^  ungenauer  SBJcifc. 
Segrünber  ber  großen  Slntitrinitarierfelte,  bie  man  atö  ©ocinianer  ober  ältere  ())oInif(i= 
fiebenbürgifd^e)  Unitarier  Dom  mobemcn  (englifd^en  unb  amerifanifd^en)  Unitariertum  ^u 

*o  unterfd^eiben  ^at,  tourbe  erft  Sclioö  9Jeffe  gauftu^  ©octnu«,  über  beffen  ©d^idffale  unb 
Sc^rtüirfen  je^t  Dor  allem  nä^er  ^u  l^anbeln  ift. 

5?aufto  ©ojjini,  geb.  1539  in  ©ina,  bon  mütterlicher  ©eite  mit  bem  ©efc^IcAte 
ber  ^iccolomini  öerhjanbt  (bgl.  Sitten,  1.  c.  p.  50  ff.),  tourbe  frü][^e  jurSBaife  unb  gcno^ 
eine  nac^läfRge  ^uö^^^^il^unö  ^^^  giemlic^  mangelhaftem  Unterricht,  ben  fein  l^eller  Scr- 

^  ftanb  nie  ganj  m  erfe^en  bermod^tc.  S)em  Seiftjiele  ber  2ll^nen  unb  in^befonbere  au(^ 
feinet  Dl^eimö  fielio  folgenb,  lüibmcte  er  fid&  anfangt  ber  SHed^tiStoijfenfd^aft,  Befc^äftigte 
fid^  aber  bancben  mit  religiöfen  unb  tl^eologifd^en  ?fragen.  3)er  Unterricht  in  t^eologi- 
feigen  2)ingen,  ben  er  genofe,  Wax  antirömif^  nac^  feinem  eigenen  ©eftänbni«,  6^  fcficint 
aber  bicfer  Unterricht  |au|)tfäc^lid^  ober  faft  auöfd^liefelic^  in  ben  Belehrungen  beftanbcn 

w  ;;u  ^aben,  bie  er  uon  feinem  D^eim  Selio,  fei  e^  burd^  93riefe,  fei  eö  bei  ^)erfönli(bcr 
ainioefen^cit,  emj)fing.  3)enn  Selio  erfannte  frül^e  ben  ©eift,  ber  fic^  in  feinem  5Jcffen 
regte,  unb  fagtc  oftmals,  biefcr  hjerbe  fein  angefangene^  2Berf  jur  SJoHcnbung  führen. 
Sei  2lnlafe  ber  Verfolgung,  bie  1559  über  feine  ^amilie  einbrach,  begab  fic^  %au\tiii 
nad)  2^on  unb  nad;  breijä^rigem  3lufent^alte  bafelbft  nac^  S^rid^-:  1*"^  ^'^  5PaJ)iere  feine» 

5&  bafelbft  Derftorbcnen  D^eim^  in  ©ic^erl^eit  ju  bringen,  fie  ju  ftubieren,  fic^  in  bie  barin 
nicbergelcgtcn  Slnfc^auungen  l^inein^^uleben ;  e^  loaren  toenig  ^ufammeni^ängenbe  äb^nb- 
lungen,  üiele  einzelne  ^JJotijen  (^odt  ©.  161).  J)a  aber  ber  ^nf)ali  mit  bem,  )mi  wn 
3lnfang  an  in  be^  Jyauftu^  ©eiftc  fic^  geregt,  übereinftimmte,  lüurbe  er  fo  in  ber  ein- 
gefcf;lagencn  31icf^tung  bcfeftigt  unb  feine  Überzeugungen  runbeten  fic^   ju   einem  ©anjen 

60  ah.  itx  rül^mtc  ba^cr,  auger  ber  bl.  ©c^rift  nur  feinen  Dl(^eim  jum  Selber  gehabt  ^u 
l^aben. 

T^amalö  begann  er  feine  litterarifc^e  2:^ätigfeit  mit  ber  Expli(»tio  primae  partis 


Soritt  461 

primi  capitis  Evang.  Joa.  1562,  todd^e  anonym  crfcbtcn  unb  bon  bieten  bem  Selio 
uigeWriebcn  tourbc ;  fc^on  fie  fonn  aU  eine  Slrt  5Pro0ramm  be^  2lntitrinitati^muö  gelten, 
gauftu^  leierte  hierauf  in  fein  3SaterIanb  gurüd  unb  Derbrad^tc  jitjölf^al^re  (1562— 1574) 
am  §ofe  be^  ©rofe^cnog^  %^c^^  bon  3Webici  in  tJI^renj,  burq)  ^mter  unb  6^ren  au^^ 
geieiqinct,  babei  freilicp  berfunfen  in  bie  3^ft^^ww"0^"  '^^  SBäeltlebeniS,  lt)ie  er  fic^  felbft  5 
beften  anflagt.  3n  biefer  langen  3^^^  bcrfa^te  er  nur  eine  einjigc  Heinere  Stb^anblung 
t^eologifc^en  3"^ölt^-  ^  S.  S.  Script,  autoritate.  ©nblic^  tonnte  er  ba^  §of leben 
nebft  ben  vielerlei  Hemmungen,  bie  e«  feinem  t^eologijt^en  orange  auferlegte,  nid^t  me^r 
ertragen.  D^ne  feine  ßntlaffung  öom  ©rofe^er^og  gu  nel^men,  \t>of)l  au8  Seforgni«,  fie 
nic^t  gu  erhalten,  Verliefe  er  ^''«^'^^"J  wnb  g^ol'^"  wnb  toiberftanb  allen  noc^  fo  freunb=  10 
lid^en  ©inlabungen  be«  freifinnigen  dürften  aur  iRücKe^r.  3)ie  näc^ften  bicr  3öi(^te  (1574 
bi«  1578)  verlebte  er  meift  in  Safel,  befd^öftigt  mit  ber  9lui5bilbung  feine«  Softem«  unb 
mit  ber  ^raltifd^en  95eh)ä^rung  unb  9lu«breitung  be^fclben  in  Unterrebungcn  unb  3)i«s 
^)utationen.  ©0  entftanben  gtoei  feiner  bebcutenbften  Schriften :  „De  Jesu  Christo  Ser- 
vatore"  gegen  ben  franjöfifc^cn  ref.  ®eiftli(^en  ßobet,  unb  „De  statu  primi  hominis  16 
ante  lapsuni"  gegen  ben  Florentiner  $ucci.  Unter  fold^en  Sefc^äftigungen  traf  ilj^n 
Slanbrataö  ©inlabung  nac^  Siebenbürgen  gur  Seläm^fung  be«  bortigen  Dtonaboranten 
granj  3)aöibi«.  ©eine  3)i«j)utationen  mit  bicfem  Ij^artnätfigcn  ®egncr  ber  änbetungS* 
ipürbigfeit  3^fw  blieben  olj^ne  (Srfolg;  an  bem  graufamen  SJerfal^ren  gegen  i^n  ^at  er 
feinen  Slnteil  gelj^abt,  obfd^on  er  erflärte,  bafe  biejenigen,  toeld^e,  toie  ^aöibi«,  bie  gött^:  20 
lid^e  Screening  6lj;rifti  öertoarfen,  be«  d^riftHc^en  9lamen«  untoürbig  feien.  ®er  über 
biefc  ©ac^e  entftanbene  $aber,  fotoie  eine  bamate  in  Siebenbürgen  au^ebrod^ene  ^eft 
belogen  i^n  fd^on  1579,  biefe«  £anb  gu  berlaffen  (aiHen  p.  63).  Sr  begab  fic^  fofort 
nac^  '^okn,  too  feit  feine«  Dlj^eim«  bojj^elter  äntoefen^eit  ber  9iame  ©ocin  einen  guten 
Älang  ^atte  unb  \üo  hnxd)  nambafte  2lnlj;änger  ber  unitarifd^en  Se^ren  (namentlid^  burd^  26 
ben  bei  ber  Umgeftaltung  ber  2anbe«öerfaffung  im  rcj)ubliIanif(^5ariftofratifd^en  ©innc 
im  ^a^xc  1573  eine  §au))troHe  f})ielenben  äbetefü^rer  SJitolau«  ©iniedti)  bie  unitarifc^e 
SRic^tung  aud^  Jjolitifc^  gu  ©influfe  gelangt  toar.  fortan  toar  er  big  an  fein  ®nbe  im 
3(a^re  1604  unabläffig  bemüht,  bie  berfc^iebenen  au^einanberftrebenben  ^Parteien  ber 
bortigen  Unitarier  in  (Sine  ©emeinfd^aft  gu  bereinigen.  30 

SSorerft  freiließ  fc^ien  feine  Hoffnung  öor^anben,  bafe  feine  93emü^ungen  6rfoIg 
fyibtn  toürben.  3n  Ärafau,  too  er  t>ier  ^a^x^  t)ertüeilte,  melbete  er  fid^  bcrgeblic^  gur 
aufnähme  in  ben  SSerein  ber  Unitaricr  ober  „^ßolnifd^en  93rüber"  unb  gur  3"^^ff""9 
gu  i^rer  Kommunion.  3)a«  §au^)t^inbemi«  beftanb  barin,  ba|  er  ftc^  Weigerte,  fid^  einer 
neuen  3)aufe  gu  untergie^en.  3)ie  SBiebertaufe  tourbe  nämlic^  bon  aßen  Sintretenben  35 
ber(angt  unb  niemanb  ol^ne  biefelbe  gum  ^benbma^Ie  gugelaffen.  ^auftu«  mi^biQigte  gtvar 
bie  Äinbertaufe,  meinte  aber,  bafe  nur  bie  bon  anberen  Sieligionen  gum  (S^riftentum  Ueber= 
tretenben  getauft  toerben  foHten;  toenigften«  foHe  e«  jebem,  ber  fc^on  einmal  bie  3!aufc 
empfangen,  freiftel^en,  ob  er  fic^  toieber  taufen  laffen  toofle  ober  nid^t.  SKit  jener  ana= 
bajjtiftifc^ien  Stid^tung  Ij^ing  ber  (Srunbfa^  gufammen,  bafe  e«  bem  g^riften  berboten  fei,  40 
obrigfeitlic^c  3tmter  gu  bcfleiben,  ^ßrojeffe  gu  führen  unb  Jlrieg^bienfte  gu  leiften,  toelc^en 
®runbfä$en  bie  unter  ber  t^eologifcpen  ^ü^rung  eine«  getoiffen  ©onionb^fi  fte^enben 
Unitarier  ^ulbigten  (bg(.  über  beren  ®(aubengbefenntni«  Catechesis  et  Confessio, 
Cracoviae  1574,  jjocf  I,  152  f.  fotoic  2lIIen,  1.  c.  p.  76  f.).  änbere  3)ifferengen  be« 
trafen  bogmatifc^e  ^ßunfte  unb  traten  Weniger  in  ben  3Sorbergrunb :  fo  ber  ©egenfa^  46 
glvifd^en  ben  eine  reale  t)erfönlid^e  ^ßräejifteng  G^rifti  be^aut)tenben  2lrianern  ober  ^amo^ 
bianern  (änl^änger  beö'Stani^lau«  gamoü^fi)  unb  ben  biefelbe  leugnenben  übrigen  Uni« 
tariem;  nid^t  minber  bie  fiontroberfe  toiber  eine  ^Partei  öon  6lj;iliaften  (üJliHennariem) 
unter  S3ubgin«fi,  ©regor  $auli  2c,  fotoie  enblid^  bie  toiber  ben  audSi  in  5ßolen  bamatö 
nod^  ftarf  verbreiteten  3lonaboranti«mu«  unter  ß^ftian  granfen,  3^-  5ßaläoloaug,  50 
©imon  Subne^  ober  Subneu«  (in  Sitauen,  ^ülj^rer  ber  bort  Verbreiteten  5ßartei  ber  SSub^ 
neiften)  u.  a. 

fieid^t  Ij^ätte  ein  anberer  6^arafter  burc^  biefe  ©d^toierigfeiten  fid^  bon  einer  fold^en 
©emeinfc^aft  gänglid^  entfremben  laffen.  ©ocinu«  tourbe  aber  um  fo  me^r  gereigt,  fid^ 
ber  ©emeinfc^aft,  bie  \f)n  verfto^en,  gu  nöbem  unb  i^r  feine  ®runbfä$e  eingup^en.  (Sd  55 
ertlört  fid^  ba«  eine^teild  au«  ber  ^eftialeit  feine«  S^aratter«,  anbemteit«  au«  feiner 
Übergeugung,  baf;  bie  unitarifd^e  ©emeinf^aft,  ungeachtet  fie  Vielerlei  il^m  unf^m^jat^ifc^e 
(Elemente  in  fxi)  fd^lo^,  bod^  bie  eingige  religiöfc  ©emeinfd^aft  fei,  an  bie  er  fic^  an^ 
fd^liefeen  fönne.  ©0  Vertoenbete  er  benn  alle  feine  Äraft  barauf,  ben  Unitari«mu«  gu 
^cboi,  nac^  feinem  ©inne  gu  einigen  unb  gu  verteibigen  —  in  SBort  unb  ©c^rift  auf  eo 


462  Socitt 

S^nobcn  unb  in  bcfonbercn  Untcrrcbungcn,  foloic  in  einer  9lei^c  öon  Schriften,  ßr 
tourbe  bie  §öw})tftü^c  be^fclben,  unb  fc^on  bicö  mufete  toefenttiA  bagu  beitragen,  bafe 
feine  befonberen  Slnficbten  ©ingang  fanbcn.  3lm  9lbenbe  feine«  Ißeben«  ^atlc  er  bie  ®e- 
nugtl^uung,  ^u  feben,  bafe  in  ben  ;§aiH)tpunftcn  ©inigleit  gewonnen  toar.   ©eine  anficht 

6  \)on  ber  3:aufe  er(;ielt  160:3  auf  ber  ®l;ni>bc   Don  3?afoh)   ben  Sieg,    ©aniit  ivar  bie 

anaba>)tiftifc^e  SRit^tung  auögcmerjt.  3lud^  in  jenen  bogntatifd^en  ^ßunften  f^aitt  ©ocinu^ 

bie  3Ke^rjal^l  feiner  ©egner  ju  feiner  anfielet  belehrt  ober  boc^  num  ©d^ioeigcn  gebracht. 

3lu«  bem  ^Pritjatlcben  be«  3Ranne«  ift  nod^  an^ufübren,  ba^  er  1583  Ärafau  ber- 

liefe  au«  gurd^t  t»or  Verfolgung  bon  ©eite  be«  König«  Btcpf)ün  Sat^or^.    auf  ben  Stat 

10  2)ubit^«,  mit  bcin  er  in  freunbfd^afllid^er  3Scrbinbung  ftanb,  fiebeltc  er  fic^^  in  einem 
2)orfe  na^e  bei  Äralau,  ^atolifotüicc,  an  unb  beiratete  bafelbft  bie  2iod^ter  bw  abeligen 
©orfbefi^er«  6^rifto>)^?D?or«3t^n;  feine  35erbinbung  mit  biefer  angefef^enen  f^^mitie  biente 
ba^u,  feinen  ©influ^  auf  bie  ^olnifd^en  9tbeligen  gu  cr^ö^en.  3)am  trug  aber  aud^  feine 
licben«h)ürbige  ^erfön(id;feit,  ber  feine  3(nftanb  feiner  3Kanieren  bei.  ßr  toerlor  um  biefc 

15  3eit  feine  ®üter  in  ^töHen.  2)iefer  ©d^Iag  ioar  für  ilj^n  um  fo  emjjfinblic^er,  aU  er 
ben  (grtrag  berfelbcn  auc^  auf  Sefolbung  Don  Slbfd^reibern  bertoenbete;  fortan  mufete  er 
felbft  feine  Sudler  abfc^reiben,  toenn  er  fie  für  feine  ja^Ireid^en  greunbe  DcrDielfältigen 
tüoltte,  o^ne  juni  35rudE  ju  relurricren.  3;n  ben  ^jal^ren  1585  unb  1587  fam  er  na* 
firalau  jurüdE.     1588  befuc^te  er  bie  ©l;nobe  ju  S3rje«c   in  Litauen,   h)o   er  burd^  ben 

20  glänjenben  ßrfolg  feine«  t^cologifd^en  2)i«})utieren«  feinen  ßinflufe  auf  bie  Unitarier 
bauernb  befeftigtc.  2ln  39life^anblungen  fel^lte  e«  nid^t,  juerft  1594.  burd^  eine  a:ru^)>c 
SKilitär,  bann  am  $immelfa^rt«fefte  1598,  h)0  er,  Iran!  unb  bettlägerig,  bon  Äralauer 
©tubcnten,  bie  burc|  römifrf^e  ^^Jriefter  fanatifiert  toaren,  au«  bem  Sette  getooi*fen,  fydb 
nadt  burc^  bie  ©tabt  gefd^le^jjt   unb  blutig  gefd^lagen  tourbe  unb  nur  mit  genauer  9?ot 

25  burd;  SSermittelung  eine«  ^ßrofeffor«  ber  UniDerfität,  SJlartin  SSaboDita,  ber  t^n  in  fein 
$au«  aufnahm,  bem  2;obe  ber  ©rtränlung  entging.  SBälj^renb  be«  2:umulte«  toaren  aüc 
Rapiere,  ©d^riften  unb  Sucher  ©ocin«,  bie  man  in  feiner  SBol^nung  gefunben,  auf  bem 
3Karft^la$  Derbrannt  toorben.  Si«  ju  feinem  3:obe  im  ^af)xt  1604  lebte  er  nun  toiebcr 
aufeerl^alb  Äralau«  in  einem  benachbarten  ®orfe  Suclatüice,  beffen  Sefi^er  i^n  bcberbergte. 

30  ©eine  Söerfe  erfd^ienen  fpäter  gefammelt  in  33b  I  unb  II  ber  Don  feinem  ßnlet  ®if||o- 
\mt\}  1656  ff.  ^erau«gegeOenen  Bibliotheca  fratrum  Polonorum  (Dgl.  unten  II),  foh>ic 
auc^  unter  ^em  bef.  litel:  Fausti  Senensis  opera  omnia  in  duos  Tomos  distincta. 
6«  befinben  fic^  barunter  ©d^rifterflärungcn,  >)olcmifd^e  ©d^riften  gegen  Mat^olilcn,  X^xo-- 
tcftanten  unb  Unitarier,  foh)ie  ^jofitiD-bogmatifc^^e  SBerfe.    35on  biefen  letztgenannten  fmb 

35  bie  bebeutenbften:  1.  Praelectiones  theologicae  (babei  bie  toegen  i^re«  fj>äter  er- 
langten ßinfluffe«  auc^  auf  bie  ort^obo^^reformicrtc  2e^rbilbung  toic^tig  geioorbene  Sorl. 
De  J.  Christo  Servatore),  2.  Christianae  religionis  brevissima  Institutio  per 
interrogationes  et  responsiones ,  quam  Catechismum  vulgo  vocant ,  unb 
:].  Fragmentum  Catechismi  prioris  F.L.  S.,  qui  periit  in  Cracoviensi  rerum  ejus 

40  direptione. 

Unmittelbar  nac^  feinem  3:obe  erfc^ien  ber  Don  il^m  Dorbereitete  Slafotofd^e  (5Kafaucr) 
Äate(^i«mu«,  ba«  §au^tf^mbol  ber  ©ocinianer.  ©ocin  toar  nebft  einem  anbeven  Unitaria, 
©tatoriu«,  beauftragt  Sorben,  eine  neue  Derbcfjerte  3lu«gabe  be«  älteren  Äated^i«nm«  im 
1571  5u  bcforgcn  (f.  god  a.  a.  C.  ©.  152).    Seibe  Siänner  hJoBten   aber   eine  felb^ 

45  ftänbige  Slrbeit.  gauftu«  fd^rieb  bie  oben  angegebene  Institutio,  beren  2>otlenbung  buri 
feinen  Xo't)  unterbrocf^en  tourbe.  3iac^bcm  and)  ©tatoriu«,  ber  fid;  nac^  ©ocin«  %o^i 
mit  ber  ©ad)c  befdjäftigte,  geftorben  mar,  ttjurbe  bie  2trbeit  Don  Valentin  ©c^mal^,  .{^if- 
ront;mu«  ^3Jioefor30it)«ti  unb  SSölfel  ju  6nbe  gefül^rt,  auf  ®runb  ber  ©d^riftcn  ©ociii^. 
©0  erfd)icn    1605   ber  genannte  Älated)i«mu«   in   polnifd^er  ©|)rad^e.    3m  Safere  1608 

50  erfc^ien  eine  bcutfd;e  ^i(u«gabe  be«  größeren  Jiatcd;i«mu«,  1609  eine  lateinifc^e,  Don  5Ri>ö^ 
lori^oioöfi  Dcrfafetc  unb  mit  S^fä^cn  bcreicbcrte,  ^atob  I.  Don  ßnglanb  getoibmete  äuv^' 
gäbe  unter  bem  d^arafteriftif(^en  2:itcl:  Catechesis  ecclesiarum,  quae  in  Regne  Po- 
loniae,  m.  ducatu  Lithuaniae  etc.  affirmant,  neminem  alium  praeter  patrem 
Domini  nostri  J.  Christi   esse   illum   verum  Deum  Israelis,    hominem   autem 

55illum,  Jesum  Nazarenum,  qui  ex  virgine  natus  est,  nee  alium  praeter  aut 
ante  ipsum  Dei  filium  unigenitum  et  agnoscunt  et  confitentur  —  neuerbind^ 
geiüö^nli^)  furj  al«  Catech.  Racoviensis  citiert  (Dgl.  über  i^n :  3-  ^f-  ©c^mibt,  De 
catechesi  Racov.,  llelmstad.  1707;  Äöc^cr,  Älatecl)ct.  ®cfc^.  ber  SBalbenfcr,  böbm- 
S3rübcr  2c.,  '^cm  17()8).    Ginc  jUnntc   latcinif(^c  3lu«gabc  erfd^ien  1665  ju  atmfterbam, 

60  mit  iBerbefferungen    unb  3ufä^en   Don  '^ol).  ßrcK  unb  3o^.  ©c^lic^ting,  tt)a^rf(^einli(^ 


®ocin  463 

bon  2Bifjoh)ati^  unb  ©tcgmann  beforQt.  (Sine  3.  unb  4.  Slu^gaSc  crfc^ienen  nI^i<^föB^ 
in  2lmfterbam  1680  unb  1684,  tootjon  befonberö  btc  leitete  toicle^  ©igcntümltd^e  bietet. 
9lac6  ber  Sfuggabe  bon  1609  bcforgte  Debet  eine  mn^,  mit  lut^erif^-'ort^obojer  SKiber^ 
(egu'ng  begleitete  ßbition  1793,  Jfranff.  a.?K.  unb  Seiip^ig.  S5ci  ber  unten  ju  bietenben 
©fine  be^  focinianijc^en  SeJ^rbegriff«  Serben  h)ir  borju0öh)eije  bie  Slu^gabc  bon  1609  ^ 
^u  ©runbe  legen. 

95i^  5um  lobe  ©ocin^  ^atte  ber  Unitari^mu^  in  $oIen  einen  bebeutenben  9luf= 
fc^h)ung  getoonnen  (togl.  hierüber  foh)ie  für  ba^  fjolgenbe  bef.  Sudfiel  a.  a.  D.).  6^ 
gab  ja^lreic^e  jocinianifc^e  ©emeinben,  bie  freiließ  an  5)?itgliebem  nic^t  ftarf  tüaren;  ben 
faft  au^fci(|liefelic^en  8eftanbtei(  bilbete  ber  äbel,  ber  ftc^  bamal^  burc^  ^umaniftifc^e  8ils  lo 
bung  auöjiei^nete.  gaft  äße  bieje  ©emeinben  befa^en  melf^r  ober  minber  bebeutenbe 
©c^ulen.  3!)ie  bebeutcnbfte  ©emeinbe  unb  ©c^^ule  \üax  bie  bon  JRaloh)  im  ^alatinat 
©enbomir.  3)ie  ©tabt  toar  urf})rünglici(i  bon  einem  SReformierten,  3o^.  ©ieningfi, 
Äaftellan  toon  göif^öh),  im  ga^re  1569  begrünbet  Sorben,  ©ie  h)urbe  balb,  ba  bicie 
Unitarier  ftc^  in  i^r  anftebelten,  gu  einem  §au})t^erbe  freiftnnigen  ©eiftceleben«,  befon*  i6 
ber^  feitbem  ^atoi  ©ieninöfi,  ber  ©o^n  be^  Segrünber«,  gum  ©ocinianiömu«  übertrat 
(1600)  unb  bafelbft  eine  Bd^nU  (Gymnasium  bonarum  artium,  nac^  ©anb«  Slu^^ 
brucf),  grünbete,  ^n  ben  ^ö^eren  Älafjen  biefer  rajc^  aufblülf^enben  änftalt  h)urbe  }3^iIos 
fo})^ifc^er  unb  tj^eologifc^er  Unterricht  erteilt,  fo  bafe  bie  fünftigen  ©eiftlici(ien  barin  bie 
3?orbilbung  ju  il^rem  Slmte  erhalten  tonnten.  5Dlit  biejer  ßoc^fc^ulc  toar  eine  toon  Ärafau  20 
ba^in  t)ert)flan;|te  33uc^bruc!erei  tjerbunben,  iDorin  faft  aue  §au})tfc^riften  ber  jjolnifc^en 
©ocinianer  gebructt  iDurben.  3)ie  änftalt  erl^ielt  balb  einen  aufeerorbentlic^en,  toeit  über 
bie  ©ren;^en  $olen^  unb  ber  Partei  reic^enben  JRuf.  ^n  i^rer  SSIütejeit  ^ä^lte  fie  an 
taufenb  ©c^üIer,  unter  il^nen  faft  brei^unbert  ©5^ne  abeliger  ßltem.  ßtoangelifc^e  unb 
Äat^olilen  ftubierten  in  SRaloh)  neben  3(nabat)tiften  unb  Unitariem.  alle  burc^  mufter=25 
bafte,  ftrenge  3!)i^5i})lin  toerbunben.  3)ie  33ebeutung  SRaloh)^  h)urbe  noc^  gehoben  burc^ 
bie  ®eneraljt;nobe  ber  ©ocinianer,  bie  ftc^  bajelbft  aDjä^rli^  auf  bie  3!)auer  bon  8  bi^ 
I4  3:agen  Derfammelte,  jufammengefefet  aug  jämtli4»en  ©eiftlic^en,  älteften  unbajiafoncn 
ber  berfc^iebenen  ©emeinben.  ©ie  befc|äftiaten  ftc^  mit  allen  Slngelegenlj^eiten  unb  fragen, 
h)elc^e  bie  äußeren  unb  inneren  55erl^ältniffe  ber  ©emeinben  betrafen;  neben  ben  ©eneral- 30 
f^noben  unb  unter  i^nen  ftanben  bie  ^attifularf^noben,  gebilbet  aug  ben  ©eiftlic^en, 
äelteften  unb  3)iafonen  eine«  geh)i|fen  2)iftriltg.  j)iefe  h)oblorganifierte  Äirc^entjerfaffung 
trug  Diel  jur  Hebung  unb  f^^ftigung  be«  ©emeinbeleben«  oei. 

3Ba«  aber  noc^  h)efentlici(ier  bie  S3lüte  be«  ©ociniani^mu«  förbem  ^alf,  haaren  bie 
Dielen  auggejeic^neten  ©eiftlic^en,  2:^eologen  unb  ©ele^rten,  bie  an^  ber  Slafotoer  ©c^ule  35 
l^crDorgingen  ober  auf  biefelbe  einmirften.  —  35er  fc^on  genannte  Valentin  ©c^mal^, 
geboren  in  ©ot^a  1572,  1591  in  ©trafeburg,  h)0  er  ftubicrte,  burc^  aBoiboh)gIi  für  ben 
Unitari^mu«  geiüonnen,  bann  nac^  ^^Jolen  übergefiebelt,  \vo  er  bie  2;aufe  noc^mafö  emfing 
unb  jucrft  Sieftor  ber  ©c^ule  5U  ©gmigel,  bann  1598  ^rebiger  in  Sublin,  enblic^  1605 
^rebiger  unb  Se^rer  in  ikatoto  tourbe  (geft.  1622),  gehört  ju  ben  eifrigften  unb  tl^ätig-  ^ 
ften  SBeförberem  be«  Unitari^mug.  ^m  ?;ntereffe  be^felben  machte  er  Diele  Steifen  unb 
fcbrieb  im  ganzen  52  ©c^riften,  bie  eine  heftige  ^olemil  atmen  unb  h)orunter  bie  bebeu^ 
tenbften  eine  über  bie  ©ott^^eit  6l;rifti  foh)ie  bie  gegen  ben  SBittenberger  $rof eff or  f^if^ns 
gerichteten  fmb.  3)er  ebenfalls  fc^on  genannte  ^o^ann  3Sölfel,  geb.  in  ©rimma,  trat 
nac^  58olIenbung  feiner  ©tubien  in  SBittenberg  jum  ©ocinianiömu«  über  1585,  iDobei  46 
er  fic^  toieber  taufen  liefe,  tourbe  SRettor  ber  ©c^ule  in  SBengroh),  balb  barauf  ^rebiger 
ber  ©emeinbe  $bilij3})on)  in  Sitauen,  fjjäter  in  ©jmigel.  @r  ftarb,  nac^bem  er  h)egen 
SBiberfe^lic^Ieit  Don  ber  allgemeinen  ©^nobe  für  furje  ^tii  fu^jienbiert  ^etDefen  War,  im 
3a^re  1618.  ©ein  öau})th)erf:  „De  vera  religione",  eine  f^ftematifc^e  35arftellung 
be«  ©ocinianijc^en  Sef^rbegriff«,  ^at  in  feiner  Partei  ein  faft  f^mbolifd^e«  Slnfel^en  erlangt  eo 
(nac^  feinem  iobe  Don  ^o^.  (Sreß  j[^erau«gegeben,  Slafoh)  1630,  unb  DerDollftänbigt  burc^ 
bie  Se^re  Don  ©ott  unb  feinen  ßigenfc^aften).  —  G^rifto})]^  Dftorobt,  geb.  in  ©o«lar, 
ftubierte  in  Königsberg,  h)arb  barauf  Sleftor  ber  ©d^ule  in  B\xd)o)n>  in  ^Pommern  an  ber 
i)olnifc^en  ©renje.  §ier  trat  er  in  33erbinbung  mit  Unitariem  unb  h)urbe  1585  nac^ 
Smjjfang  ber  Saufe  in  i^re  ©emeinfc^aft  aufgenommen.  @r  flüchtete  mit  5Kutter  unb  55 
95ruber,  bie  er  für  feinen  (Stauben  gewonnen,  nac^  $olen,  \t>o  er  ft^  balb  grofee  Sld^tung 
ertDarb.  ßr  Wax  eine  ^cxi  lang  ^rebigcr  in  Stafoh)  unb  ftarb  1611  aU  ^rebiger  ber 
©emeinbe  SuSfotD  bei  3)an5ig.  gn  i^m  regte  [xd)  Dor5ug«h)eife  ftarf  ba«  anabaj)tiftifc^c 
©lement  be«  UnitariSmuS:  Kriegführung,  Öefleibung  öffentlicher  Slmter,  9{ec^t«fac^en, 
eibedleiftung,  SReic^tum,  ba«  alle«  toar  i^m  ein  ©reuel.    ©0  ftritt  er  auc^  ^eftig  toiber  eo 


464  Socitt 

aSalcntin  Sc^malj,  ber  be^aujjtct  f)atic,  bafe  nic^t  qKc  3Sorfc^rif tcn  ß^rtfti  unb  bcr  ajjoftd 
jur  ©eligfeit  nötig  feien.  Dftorobt  toax  be^f^alb  im  Segriffe,  au«  bem  äSerbanbe  bcr 
focinianifc^en  ©cmeinben  auszutreten,  aU  ein  burc^  2)e})utierte  ber  ©eneralf^nobe  i>cram 
ftalteteg  ÄoDoquium  h)enigftenS  äufeerlid^i  ben  ^rieben  l^crfteHte,  fo   bafe  Dftorobt  toegen 

5  feiner  §ärte  unb  Übereilung  um  aSerjei^ung  bat.  I)ie  bebeutenbfte  unb  belannteftc 
©c^rift  Dftorobt«  ift  bie  „Unterric^tung  toon  ben  toome^mften  §au^t))unlten  bcr  c^rift^ 
liefen  Sieligion",  toelc^e  in  j)0})ulärcr  2)arftellung  unb  o^ne  Driginalität  bic  ©ä^eSoctn« 
reprobujiert.  —  2)er  gleichfalls  fc^on  genannte  §ieron.  ?Ko«forjoh)«fi  (3Ko«corot)iu«),  feit 
1595  3U  ben  Unitariem  übergegangen,  8egrünber  unb  ^atron  ber  unitarifc^cn  ®emeinbe 

10  be«  i^m  ange^örenben  ©täbtd^en«  (Sjarfoto,  geftorben  1625,  öerf afete  öerfc^iebene  J)ole= 
mifc^e  6ci(iriften,  fotpie  eine  „3l})o(ogie  ber  Socinianer",  an  ben  j)oInif(^en  Äönig  unb 
©enat  gerichtet.  —  Über  9Ibam  ®o«lato,  2lnbr.  3Boiboh)«Ii  unb  einige  anberc  focinia^ 
nifci(ie  Ideologen  berfelben  ©eneration  togl.  godE  I,  193  f. 

3n  ber  folgenben  ©eneration  ber  focinianifd(ien  Selj^rer  nimmt  burd^  ausgezeichnete 

16  Begabung,  tüd(|tige  8i(bung  unb  unermüblic^en  glei^  3^1^*^»^  6^^D  *^'c  ^^^  ©teDc  ein. 
©eboren  in  §clmerS^eim  in  fj^onfen  1590,  erhielt  er  in  Siümberg  feine  35orbiIbung  unb 
ftubierte  feit  1606  auf  ber  Uniberfität  Slltorf.  ßier  lourbe  er  burc^  ^rofeffor  ©oner 
unb  ben  ©ocinianer  ©üttic^  (®ittic^iuS),  ber  bafelbft  ftubierte,  für  ben  UnitariSmuS  ge= 
toonnen.    ©^on  toar  er  SSaccalaureuS  getoorben  unb  ftanb  im  53egriff,  mit  bcr  ^n^pd- 

20  tion  ber  ftubierenben  3"0^»^^  betraut  ju  toerben,  als  man  SScrbac^t  gegen  i^n  f^ö^ftc; 
benn  gu  jenem  ämte  toar  bie  SSerjjflicptung  auf  bie  Sluguftana  erforberlic^,  bic  6reH  nic^t 
leiften  tonnte,  unb  ba^er  jenes  Slmt  bon  fic^  h)ieS.  @r  entflog  1612  l^eimlic^  nac^  $olen, 
h)o  man  i^n  mit  offenen  Slrmen  emjjfing;  1613  erhielt  er  in  Slafolo  eine  ^rofcffur  ber 
griec^ifci(ien  ©jjrad^e,  1616  baS  Sleltorat  über  bie  ©d^ule,  1621  bertaufc^te  er  bicfe©tellc 

25  mit  bem  2lmte  eines  ^rebigerS  in  Slafoh),  toelc^eS  er  bis  an  feinen  1631  erfolgten  2ob 
belleibete.  6reD  ift  ein  äu|erft  frud^tbarer  ©c^riftftcDer  gch)efen,  feine  SBSerfc  füHen  ben 
3.  unb  einen  beträchtlichen  leil  beS  4.  S5anbcS  ber  Bibliotheca  Fr.  Polon.  6S  fmb 
biblifd^e  Kommentare,  jtoei  93üd[ier  De  uno  Deo  patre  (ber  fc^ärffte  focinianifc^e  Slngriff 
auf  bie  ortl^oboje  IrinitätSlel^re),  femer  bie  33erteibigung  ber  ©c^rift  ©ocinS  „de  Christo 

30  Servatore"  gegen  ©rotiuS,  fotoie  mehrere  ©c^riften  moraltl^eologifc^en  3n^<»l^^-  —  3^»" 
rei^t  ftc^  toürbig  an  bie  ©eite  ^onaS  ©c^li^ing  bon  93uf oh)iec  (Sauc^toi^),  beffen  5>atcr 
fc^on  fid^  ber  unitarifc^en  ©emeinbe  angefd^loffen  ^atte.  @r  loar  geboren  1592  unb  bejog 
nad)  35olIenbung  ber  l^orbereitungSftubien  in  SRaloto  1616  bie  Unitjerfttät  3lltorf,  loo  er 
jeboc^  nur  mit  5Kü^e  äufnal^me  fanb,  infolge  ber  bereits  begonnenen  Unterfuc^ung,  bc= 

36  treffenb  ben  bafelbft  graffierenben  Kr^ptofocinianiSmuS.  9lac^  $olcn  gurüdEgele^rt,  h)urbe  er 
juerft  ©eiftlic^er  in  Slafoto,  unternahm  aber  balb  im  ^ntereffe  feiner  Partei  toeite  Steifen. 
3im  3a^re  1638  reifte  er  nac^  ©iebenbürgen,  um  bie  ©treitigteiten  mit  ben  9lonaborantcn 
beizulegen,  aber  o^ne  Erfolg.  2luf  SJeranlaffung  eines  im^^^^fc  1642berfa^ten®lauben^ 
befenntniffeS  ber   })olnifd(ien  ©ocinianer  tourbc   er   1647  bom  SRcic^Stage    geächtet  unb 

40  fein  ©laubenSbefenntniS  Derbrannt,  ^m  ^al)xc  1658  berliefe  er  ^olen  unb  ftarb  1661 
ju  ©elc^oto  in  ber  5KarI.  6r  ^interliefe  Kommentare  jur  3Kelj;rja^l  ber  neuteftament- 
lid;en  ©d(iriften  (gefammelt  in  t.  IV  ber  Bibl.  Fr.  Polon),  foh)te  jene  Äonfeffton  öon 
1G42,  toelc^e  nad^  unb  nac^  inS  ^olnifd^e,  2)eutfd^e,  granjöf^fc^e,  ^oDänbifc^c  überfc^t 
tourbe.    2lud^  i^at  er  mel^rere  apologetifc^e  ©cbriften  öerfa^t.    Son  bef onbcrer  Sebeutung 

45  ift  fein  SBerf  gegen  ben  Sßittenberger  ^rof effor  3KeiSner :  De  trinitate,  de  moralibus 
V.  et  N.  Test.,  itemque  de  eucharistiae  et  baptismi  ritibus,  1637. 

3?on  ben  übrigen  focinianifd^en  Il^eologen  mögen  ^ier  noc^  folgenbc  ertoö^nt  loerbcn: 
5DJartin  5HuaruS,  geboren  in  Krempe  in  ber  Sübermarl  1589,  in  3lltorf,  loo  er  ftubierte, 
für  ben  ©ocinianiSmuS  burc^  ©oner  getoonnen,  barauf   in  Sialoto   in  bic  focinianifc^e 

50  ©emeinbe  aufgenommen,  nad)  mehreren  Steifen  Steftor  bcr  Bd^aU  in  SRafoto  als  9?ac^' 
folger  i)on  ßreH,  fpäter  in  3)anjig  angefiebclt  (1631),  h)urbe  bon  ba  nad^  fteben  Qa^ren 
toermiefen,  burfte  aber  unter  ber  Öcbingung  bleiben,  ba^  er  feine  Slnfid^ten  nic^t  üet- 
breitete,  ©päter  mu^tc  er  bie  ©tabt  toirflict?  öerlaffen  unb  lebte  fortan  in  ©traSjin  na^e 
bei  Danjig.    @r  ftarb  1657,  ein  SKann  bon  fel^r  toielfeitiger  Silbung,  ber  u.  a.  h)i(^ti9e 

65  änmerfungen  jum  Slafomfc^en  Jlated^iSmuS  fotoie  einen  t^eologifc^  unb  gefc^ic^tlii^  in- 
tereffantcn  Sricftocct^fcl  f^interliefe.  —  ^oac^im  ©tegmann,  juerft  Pfarrer  ju  ^rlanb  in 
ber9)Jarf,  1626  tocgen  feiner  Hinneigung  jum  ©ocinianiSmuS  abgefegt,  bann  als  refop 
miertcr  ©ciftlic^cr  in  2)an5ig  angcftcUt,  aber  aud;  l^ier  ioegen  feiner  3icigung  ^um  Soci- 
nianiSmuS  abgefegt,  l^ierauf  ^){e!tor  ber©c^ule  in  3{af oto  bis  1631,  bon  ba  an  ©ciftlit^ier 

60  in  Älaufenburg,  too  er  1633  ftarb.    ßr  fd^frieb  eine  ©c^rift  gegen  Sotfadt,  ^tebiger  unb 


Soctn  465 

JReltoT  in  2)angtg,  ber  bic  foctnianifc^c  Sc^rc  angegriffen  l^atte,  fotDie  eine  über  ba«  Äri* 
terium  unb  bie  9Jorm  ber  ©laubenöfontroöerfen,  ate  meiere  9iorm  er  bie  9Semunft  bar^ 
gutlf^un  \vid)t  —  ©ein  ©o^n,  ^öcici^int  ©tegmann  jun.,  geft.  1678  aU  ©eiftlic^er  ber 
unitarifc^en  (Semeinbe  in  Älaufenburg,  ift  nebft  SBi^gotoat^  3Jerfaffer  ber  33orrebe  m  ben 
fpäteren  2lu^aben  bc^  focinianifc^en  ^atec^i^mu^;  fc^rieb  au6)  eine  „Unterfud^ung",  5 
\üiAci)Q  bon  ben  beiben  über  bie  irinität  bi^putierenben  Parteien  Siecht  l^abe,  eine  lurje 
I)emonftration  ber  SBa^r^cit  ber  ^riftli(^en  SReligion  u.  a.  —  S3ebeutenber  ift  ^o^.  2ubh). 
r>on  SBolpgen,  g^ei^err  bon  9leu^äufe(,  geb.  1599,  urfjjrüngli^  reformiert;  er  h)anberte 
au^  Öfterreic^  na6)  ^oUn,  trat  ^ier  jur  unitarifci(ien  ©emeinbe  über,  \üax  eine  3^'^  I^»^0 
in  95afel,  ftarb  1661.  211^  ßjeget  nimmt  er  burd^  feine  biblifc^en  Äommentare  feine  10 
©tette  neben  6rett  unb  ©c^Iic^ting.  6r  fc^rieb  au^erbem  ein  Gompendium  religionis 
christianae  unb  eine  fc^arfe  Äritil  ber  ^reicinigleitöle^e.  —  ©amuel  5Prj^})foh)ö!i, 
geb.  1592,  ftubiertc  in  Slltorf  (1614—1616),  h)urbe  (nac^bem  er  burc^  feine ^eirat  einer 
^JJac^fommin  be«  %.  ©ocin  jum  Urenlel  be^  berühmten  i^eologen  geh)orben  toax),  Ig(. 
>)olnifc^er  SHat,  mufete  aber  mit  ben  übrigen  ©ociniancm  um  bie  5Diitte  be^  17.  ga^r^  15 
bunbertö  $o(en  berlaffen  unb  ftarb  ate  furfürftl.  branbenburgif(^er  SRat  1670.  @r  f^rieb 
ein  Sebcn  bc^  %,  ©ocin,  eine  SSergleic^ung  be^  a))oftoIifc^en  ©^mbol^  mit  bem  heutigen, 
einen  Sraftat  über  ©emiffen^freüf^eit  unb  eine  ©efc^idpte  ber  unitarifd^en  Äirc^en  bon 
^olen,  bie  leiber  berloren  gegangen  ift  (bgl.  %od  I,  204  f.  unb  SlDen,  p.  66  f.  92  f.). — 
änbrea«  SBi^jotüat^  (aBiffotoatiu«),  bon  mütterlicher  ©eite  ßnfcl  be«  %,  ©ocinu«,  geb.  20 
1608,  ftubierte  in  SHaloh)  unter  SRuaru«  unb  ßreD,  f))äter  in  Seiben  unb  ämfterbam, 
wo  er  SSerbinbungen  mit  @})ifcobiug,  (SurceDäu^  (fj)äter  bei  einer  Steife  nac^  J^anlfurt 
auc^  mit  ©rotiu^)  fnü^jfte.  3laa)  au^gcbebnten  Steifen  leitete  er  feit  1643  aU  ®eift(ic^er 
berfc^icbene  ©emeinben  ber  Ufraine,  Sol^^nien^  unb  Älein^^PoIen«,  bi«  er  1648  burc^ 
ben  Ärieg  bon  bort  bertrieben  h)urbe.  Stac^bem  er  nod^  mehrere  ©emeinben  bebient  25 
^atte,  h)urbe  er  1657  ani  $oIen  berjagt  burc^  ba^felbe  Sbilt,  toeld^e^  bic  focinianifc^en 
©emeinben  biefe«  Sanbe^  über^au})t  ju  ©runbe  xxd^ttU.  6r  fe^rte  1661  nac^  5ßolen 
prürf,  um  bie  jurücfgebliebenen  Sleligion^enoffen  ju  tröften.  ©citbem  lebte  er  bi^  1666 
in  9)iann^eim  aU  ©eiftlic^er  ber  au^  $oIen  bafelbft  angeftebelten  ©ocinianer,  fpäter  in 
Slmfterbam,  h?o  er  1678  ftarb.  6^  h)erben  bon  i^m  62  ©d(iriften  genannt,  tpobon  bie  30 
bcbcutenbfte  ben  Xitel  fül^rt:  Religio  rationalis  seu  de  rationis  judicio  in  contro- 
versiis  etiam  theologicis  ac  religiosis  adhibendo  Tractatus.  älu^erbcm  beran« 
ftaltete  er  mel^rere  9Iu«gaben  be^  9flafoh)fc^en  Äated^iemug  unb  bie  ber  Biblioth.  Fr. 
Polonorum.  —  ©tani^lauö  Subienif  ober  Subienicfi  (ber  jüngere),  geboren  1623  ju 
Älaloh),  nad^  unruhigem,  an  ßjilen  unb  Verfolgungen  reic^fem  Seben  geftorben  ju  §am*  .15 
bürg  1675,  erlangte  Slu^m  burc^  feine  (unboKenbet  gebliebene)  Historia  Reformationis 
Polonicae,  in  qua  tum  Reformatorum  tum  Antitrinitariorum  origo  et  pro- 
gressus  in  Polonia  et  ünitimis  provinciis  narrantur;  Freistadii  (=  9(mfterbam) 
1685  —  bie  h)ic^tigftc  ältere  ©efc^id^t^queHe  be«  l^olnifd^en  ©ociniani^mu^  (bgl.  %odl, 
209—212).  —  3^0^  nennen  toir  5ßeter  9Kor^foh)«ti,  einen  ©c^üler  6reH«,  ^rebiger  an '40 
mehreren  ©emeinben,  SSerfaffer  ber  Politia  ecclesiastica  ober  focinianifc^en  Slgenbe, 
gef (trieben  im  Sluftrage  eine^  Äoni^ent^  bon  I)a5n)ie  1646;  fie  blieb  3Ranuffri})t  unb 
lüurbe  erft  bonDeber  1745  mit  3(nmerfungen  l^erauögegeben.  ©ie  If^anbelt  in  3  Suchern: 
1.  de  membris  Ecclesiae,  2.  de  officiis  eorum  qui  regunt  Ecclesiam,  3.  de 
modo  et  ratione  omnis  Ecclesiae  membra  in  officio  continendi.  40 

3)er  h)ä^renb  ber  erften  3i<J^i^3^^nte  be^  17.  3io^r^unbert^  fo  fräftig  erblülfjte  ©0- 
cinianigmu^  erlag  ber  lat^olif^en  Sleaftion,  bie  unter  ©igi^munb  III.  il^r  $aupt  erhoben 
l^attc.  Unter  feiner  SRegierung  tüurbe  fc^on  1627  bie  ©emeinbe  in  Sublin  hnxi)  ben 
tjon  S^fwi^^  fanatifterten  ^öbel  bernic^tet.  Die  ^efuiten  richteten  nun  i^r  $auj)taugens 
mer!  auf  bie  Slalohjer  ©c^ule.  Unter  ber  Slegierung  3Blabiglah)g  IV.  (feit  1632),  bot  fic^  50 
ber  änlafe  and)  ju  i^rer  g^ftörung  (Stilen,  p.  88  f.).  35er  Äönig  toar  jtoar  SRdigion^s 
Verfolgungen  abgeneigt,  aber  in  ben  ^änben  ber  ^cfuitenfreunbe  toaren  alle  ^o^en  Slemter, 
befonber^  bie  ©eric^t^ftetlen.  -Da  gef^a^  e^,  baft  einige  S^glinge  bon  Slafoh)  ein  bor  ber 
©tabt  fte^enbe^  Ärujifij  mit  ©teinen  bewarfen,  ©ie  hjurben  toegen  biefer  Slo^eit  au^  ber 
©c^ule  entlaffen.  2lber  bie  Äat^olilen  xid^Uim  eine  3(nflage  gegen  bie  gonjc  ©emein=  55 
fc^aft  ber  ©ocinianer.  ©ienin^Ii,  ber  ©runb^err  bon  SRaloh),  h)urbe  be^  Serbred^en^  ber 
bcleibigten  göttlid^en  5Kajeftät  angeflagt.  Sitte  möglid^en  SBerleumbungen  h)urben  an^- 
geftreut.  3!)er  SBarfd^auer  9teid(|gtag  bon  1 638  befd(|äf tigte  fxd)  mit  ber  ©ac^e  unb  orbnete 
bie  Unterfuc^ung  an,  fid^  bie  Sntfc^eibung  tjorbel^altenb.  ©ie  lonnte  laum  j^toeifel^aft 
fein,  ba  bie  Stafotofd^e  ©emeinbe  unfc^ulbig  tDor.    Slber  bie  jefuttifc^e  Partei  tougtc  e^  go 

ReaUdttc^nopable  fOr  2:^eotoflic  unb  fiMc.    8.  «.  XVUI.  39 


466  Socttt 

babin  ju  bringen,  bafe  ber  Btnai,  entgegen  ber  ©rtlärung  be^  Slett^tageg,  unb  o^nc  bie 
ängellagten  angehört  gu  ^aben,  olj^ne  B^jic^ung  ber  Sanbbotenfammer  ba«  Urteil  fällte 
(im  3.1638).  e«  lautete  ba^in,  ba^  bie  ©c^ule  in  JRafoh)  jerftört,  bic  Äitc^c  ben 
Slrianern  genommen,  bie  Suc^brudferei  aufgehoben,  bie  ®eiftlici(ien  unb  Sekret  atö  infam 
5  erilärt  unb  geächtet  h^erben  foKten.  3!)ie  SSerle^ung  ber  ftaatlic^  getoä^rlciftetcn  pax 
dissidentium  befd^önigte  man  mit  ber  @rflärung,  ba^  fte  fid^!  nur  auf  bie  3)ifftbenten  in 
ber  Sleligion,  nic^t  auf  bie  über  bie  SReligion  erftrccfte.  2)er  alte  ©ienin^fi  ftarb  balb 
barauf  au^  ®ram.  3lad^  feinem  2;obe  ging  SRaloh)  in  fat^olifc^e  $änbe  über,  ^ute  ift 
e«  ein  armfeligeg  2)orf.     9Mit  fc^lauer  ^olitil  fe^te  bie  jefuitifc^  Partei   i^re  angriffe 

10  gegen  bie  ©ocinianer  fort,  bie  toegen  i^rer  3>foIiert^eit  um  fo  leichter  gu  unterbrücfen 
Waren.  6«  Wax  aber  auf  bie  Unterbrücfung  aller  3!)iffibenten  abgrfcl^en.  Unter  SSla- 
bi^Iab  IV.  gelang  e^ Jener  Partei  noc^,  bie  Hirc^e  unb  ©c^ule  tjon  Äiefelin,  bie  fic^  au^ 
ben  Krümmern  ber  9taIoh)f(|en  gebilbet  ^atte,  ju  jerftören  unb  bie  Unitarier  öon  bcm 
3leligionggef))rä(^e  in  %f)otn  in  bemfelben  Sa^re  (1646)  au^jufd^liefeen. 

15  Unter  Sodann  Äafimir,  ber  1648  ben  Il^ron  ^olen«  beftieg,  gef^al^en  im3ufammen= 
^ange  mit  ^olitifc^en  6reigniffen  bie  legten  entfc^eibenben  Schläge  toiber  bic  unitarift^en 
©emeinben.  Sd^on  im  ÄofaJEenlriege,  ber  bejonber^  bie  füblici(ien  ^Protjinjen  öertüüftete, 
tüurben  bie  bafelbft  befinblic^en  fodnianifd^en  ©emeinben  Don  ben  Äofalcn  l>crfj)rcngt  unb 
öemic^tet.    2)ie  übrigen  ©orinianer  atmeten  lieber  auf,  all  bie  ©d^locben  in  bal  £anb 

20  lamen.  Siele  ergriffen  bie  5ßartei  bei  ©ci(|h)ebenlönigl,  bon  bem  fie  Sinberung  il^rer  Seiben 
hofften,  ©eitbem  tourben  fie  all  2anbe«t>erräter  angefe^en;  fte  erlitten  unfäglic^  5^rang= 
fale.  3Mit  bem  Slbjuge  ber  ©c^h)eben  1658  \üax  bal  ©c^itffal  ber  ©ociniancr  cntf (Rieben. 
Sttuf  bem  Sleic^ltage  in  SßJarf^au  (1658)  fam  i^re  Slultoeifung  jur  SJerl^anblung.  ®cr 
focinianifc^e  Sanbbote  ©h)anlfi  legte  fein  35eto  ein;    biefel  Sorrec^t,  burc^  eine  cinjigc 

25  ©timme  ben  Sefd^lufe  bei  ganjen  Jteic^ltag«  aufju^lten,  toar  1652  jum  erften  Wale 
in  2lnh)enbung  gefommen;  je^t  fe^te  man  fic^  barüber  ^inloeg.  ©o  fam  ber  Sefc^lufe 
gu  ftanbe,  ba|  bal  Sefenntnil  unb  bie  götberung  bei  „ärianilmul"  bei  Sebeniftrafc 
verboten  unb  ben  Beamten  bie  aSoUjie^ung  bei  Sefc^luffel  bei  38erluft  i^rer  ©tetten  gc= 
boten  h)urbc.    35er  Termin  Don  brei  3<^^if^"/  '^^^  ^^  Äönig  anfänglid^  ben  ©odnianem 

30  getüäl^rt  f)aiit,  bamit  fie  ilj^re  ®üter  üeräu|ern  tonnten,  lourbe  balb  auf  jtoei  Sa^re  ht- 
fd^tänlt.  SSergeblic^  blieben  bie  ^rotefte  feitenl  Äurbranbenburgl  unb  ber  ©c^toeben. 
SSicle  ©ocinianer  toanberten  an^  nad)  Derfd^iebenen  ©egenben  unb  unter  man^crlci 
I)rangfalen,  Diele  tuurben  latbolifc^,  Diele  blieben  bem  SJaterlanbc  unb  il^m  ©laubcn 
getreu,  ^eimlic^  befci(|ü^t  Don  Jtatl^olifen  unb  ^ßroteftanten,  h)orauf  1661  ein  neud  @bift 

35  bie  Befolgung  ber  gegen  jene  erlafjenen  ®cfe^e  einfc^ärfte.  33alb  fam  bie  Slei^e  an  bic 
übrigen  ^roteftanten ;  bal  Slutbab  Don  %i}oxn  im  2>a^re  1724  loar  bie  ^olge  ber  ©r- 
ftarlung  bei  jcfuitifc^en  Äat^oUcilmul  (Dgl.  %xani  g^cobi,  ^a^  Isomer  Slutgeric^t  bon 
1724,  §atte  1896;  and)  beljelben  „9?eue  gorf^ungen  über  b.  3:iS;omer  Slutgcrid^t:  3tf(^r. 
b.  n)eftt)reuft.  ®efc^.=3?er.  §.  35,  Xanm  1896). 

40  2)ie  weitere  ©nttüicfelung  bei  ©ocinianilmul  fül^rt  un^  junäc^ft  nac^  2)eutfc^Ianb, 
bal  bemfelben  in  ber  ^erfon  Don  ^rof.  ©oner  in  Slltorf  einen  fe^r  einpiufereit^en  Se- 
förbcrer  getüäl^rt  ^atte. 

grnft  ©oner   ^atte   in   2eiben,  mo  er  1597  unb  1598  ftubierte,  bie  33efanntf(6aft 
Cftorobtl  unb  SBoibotolfil  gemad^t,   tüax  burc^   fie  für  ben  ©odnianilmul  getoonncn 

45  iüorbcn,  l)attc  feitbem  enge  i^erbinbungen  mit  ben  $äu})tcm  belfelben  in  $olen  angc- 
Inüpft  unb  fuc^tc  feit  feiner  2lnftctlung  all  ^^rofeffor  ber  5JJebijin  unb  ^l)t}\{l  beimlid» 
für  fein  Selenntnil  ju  mirfen.  Der  -iKuf,  ben  er  unter  ben  ©ocinianem  genofe,  jög  eine 
grofee  2tn;^a^l  berfclben  aul  Siebenbürgen,  Ungarn  unb  $olen  nac^  2lltorf.  6r  prägte 
il^ncn  in  ^l^ilofo})bifd?en  ^^^riDatiffima  feine  2lnfict?ten  ein  unb  gewann  einige  feiner  nid^t^ 

50  focinianifct^en  ^n\)öx^  für  biefe  Seigre,  fo  Grell  unb  Stuarul.  6r  iDufetc  fo  gefd^idtt  ju 
biffimulicrcn,  ba|  er  bil  ^u  feinem  Xobe  1612  im  unangefod^tenen  9lufe  ber  Or^oborie 
blieb.  Unter  fdnen  ©c^riften  ift  l^auptfä^lic^  ju  nennen  eine  äb^anblung  über  bie 
ßmigfeit  ber  ^öUenftrafen.  (Srft  einige  ^txi  nac$  ©onerl  lobe  toarb  mm  grofeen  ©t^ 
ftaunen  bei  beutfc^cn  ^ublifuml  ber  §erb  bei  ©ocinianilmul   in  Slltorf  cntbedtt.    3)er 

55  )){at  ju  9iürnber0,  j^u  beffen  ®ebiet  bie  UniDerfität  gehörte,  inquirierte  bie  ©tubcntcn; 
manche  toiberriefen,  anbcre  mürben  Derbannt,  bie  $olen  tDurben  aulgetoiefen,  bie  fori« 
nianifd^cn  Sd^riften,  beren  man  bab^aft  merbcn  tonnte.  Derbrannt.  3Man  tourbe  auf' 
merlfam  auf  bic  ^Verbreitung  focinianifc^cr  2lnfid^ten;  el  erfd^ienen  mehrere  polemifie 
©cbriften  gegen  fie,  Don  iklbuin,  ©c^cr^cr,  ©c^omer,  2lbr.  ßaloD.    Unterbeffen  fyittc  eine 

60  aibtcilung  ber  i^olnifc^en  ©iiilanten  in  ©^Icfien  ein  Unterfommen  gefunben  in  ben  pol« 


®octii  467 

ntfc^cn  ^ii^ftcntümern  D))})eln  unb  SRatibor  unb  im  ©ebictc  be^  ^er^og^  toon  Srieg, 
h^oju  Äreujburg  gehörte.  2)iefc  ©julantcn  J^ieltcn  in  Ärcujburö  xh)ci©^noben  1661  unb 
1 663.  ^ic  crftc  crlie|  ein  6irt u(arfci(irciben,  tocld^e«  bic  ungerccptc  SBertrcibung  fc^ilbcrte 
unb  bic  gcgm  bic  ©ociniancr  erhobenen  Scfc^ulbigungcn  gu  toibctlcgcn  fuc^tc;  bic  j\h)ettc 
fanbtc  SBi^jolDat^  unb  bcn  jüngeren  ©tcgmann  nad)  ber  ^falg,  um  bcn  SSctbanntcn  5 
bort  einen  fieberen  Slufent^alt  au^jutoirlcn.  Äurfürft  Raxl  Subtoig  geh)ä^rtc  bcn  poU 
nifc^cn  (Splantcn  in  ber  %l}at  ben  Slufent^alt  in  5Kann^cim.  SBcnn  fte  nid^t  gejuckt 
f)ätUn,  i^rc  Slnfid^ten  ju  Verbreiten,  fo  h)ürbe  man  fie  geh)ife  in  9flul^e  gelaffen  ^aben. 
2)a  fte  aber  burd^  ©c^rift  unb  3Bort  ^rofcl^ti^mu^  tricbenj  fo  lourbe  il^ncn  ba«  toer* 
boten  unb  balb  verloren  fie  auc^  bic  Stu^fic^t  auf  Erlaubnis  ju  fernerem  Sfufent^altc.  lo 
©ic  Dcrliefeen  ba^er  1666  ba^Sanb  lieber  unb  jerftreuten  ftc^  nac^  tocrfc^iebenen  Sänbem, 
^oüanb,  ^reu^en,  ©c^Icfien,  nac^  ber  3MarI.  $ier  bilbeten  fid^  einige  fociniantfd(ie  ®e= 
meinben ;  in  einer  berf clben,  Äönigeh)albe  bei  J^anlfurt  a.  D.,  toar  Samuel  6reB,  ßnlcl 
be^  3ob.  SrcK,  ®eiftlid(ier.  ©amuel  Grell,  geb.  1660,  tourbe  juerft  Don  feinem  Sater 
unterridptet,  ftubierte  barauf  im  arminianifd(ien  (S^mnafium  Don  Sfmfterbam  1680  unb  tuurbe  i6 
f))äter  (Seiftlic^er  in  Äönig^hjalbe.  6r  Verliefe  bie  ©emeinbc  in  ber  legten  ^eit  feine« 
£eben«  unb  ftarb  1747  in  3lmfterbam.  ^n  ber  ©rlöfung^Ie^rc  neigte  er  jum  armtnianifc^en 
Sc^rbegriffe.  ^n  mehreren  Schriften  fud^te  er  ju  bctücifcn,  ba|  bic  trinitarifc^c  2lnfi(^t 
ber  Domicänifd^en  Äird^cnle^rcr  öerfc^ieben  geh)cfen  fei  Don  ber,  bie  nac^  ber  ©^nobe 
Don  3?icäa  gelommen.  Unter  bem  5Wamen  ärtcmoniu«  fd^rieb  er  eine  3lb^anb(ung  über  3o 
bcn  ^Prolog  be«  4.  ©Dang.,  toortn  er  unter  SSergeubung  Dielen  gelehrten  ©c^arfftnne« 
ba«  ©efälfc^tfein  beg  %tict^  biefe«  Slbfc^nitte«  ju  crtücifcn  fud^te  (f.  bagegen  b.  ©c^rift 
Don  ^of).  $^il.  SaDater,  Anti-Artemonius  s.  initium  evangelii  S.  Joannis  vindi- 
catum,  Norimb.  1785).  grüner  (1716)  ^atte  ßrcll  auc^  ein  Olaubcn^bclenntni«  feiner 
©citc  in  bcutfd^er  Bpxa6)t  herausgegeben,  h^elc^c«  bamafö  bie  J)rcu6ifc^en  Unitarier  bem  25 
Äurfürften  übencic^ten  (Dgl.  unten).  2lu«  feinem  bogmatifd^en  Sraftat  über  3lö5, 12ff.: 
Cogitationes  novae  de  primo  et  secundo  Adamo  (9lmfterbam  1700)  ^at  ber 
§elmftebtcr  (fj)äter  berliner)  3;^coIoge  3tbral^am  leHer  mand^e  ber  ^etcrobojen  Sc^r* 
h)eifen  cntlel^nt,  bie  er  ju  einem  ©^ftem  bereinigt  in  feinem  „Sc^rbuc^  beS  ^riftlic^cn 
©laubene"  (1764)  Dcröffcntlic^te;  fo  bie  ®Ieid(^fe$ung  be«  Don  ®ott  (®en  2, 17)  bem  90 
Sttbam  angebro^ten  %oi^  mit  „eloiger  3^^'^^w"9"^  f^^^^  *>'^  ä!uSfc^eibuna  ber  Se^r^ 
ftüdfc  Don  ß^rifti  beiben  9laturen  unb  Don  ber  2!rinität  au«  bem  bogmatifqen  ©^ftem 
(Dgl.  b.  ärtifel  „Setter"  foloie  ben  Suffa^  Don  g.  SBoIff,  „3)er  gaU  SEctter",  in  ßD. 
A3  1905,  5lr.  35. 

9Ilit  bem  lobe  ©amuel  6rett«  Derfd^toanb  ber  UnitariSmu«  in  ber  SRarf,  aber  36 
nic^t  in  ben  übrigen  ©cbicten  ber  j)rcufeifd^en  3Jlonard^ie.  ©c^on  in  ben  legten  35e;iennien 
be«  16.  9ia^rl^unbert«  batte  er  ftc^  in  gch)iffe  ®ebiete  be«  branbenburgifd^cn  ^reufeen« 
Derbreitet,  fo  bafe  ?Kar!graf  §erjog  ®eorg  griebric^  e«  nötig  fanb,  ein  9)canbat  gegen  bie 
SBJiebertäufcr  (folc^e  toaren  bic  Damaligen  Unitarier)  unb  ©aframenticrer,  gu  crlaffcn.  ^n 
ber  9läl^e  Don  35anj%ig,  S3u«Ioh)  unb  ©tra««n  bilbeten  ftd(i  focinianifd^e  ®emcinben.  ^n  40 
Sangig  l^ielten  fic^  Diele  unb  gum  2!eil  fc^r  bebeutenbc  ©ociniancr  lürjcre  ober  längere 
3eit  auf.  6«  tuurben  gu  i^rer  Syertreibung  Dom  ©tabtmagiftrat  eigene  ßbifte  crlaffcn. 
Um  bicfclbe3eit  (1640)  befahl  bcrÄurfürft  ®eorg  SBil^elm  auf  anbringen  ber  Jjrcufeifc^cn 
©tänbe  auf«  fc^ärffte,  über  bie  Vertreibung  ber  2lntitrinitaricr,  ©ociniancr,  5JJ^otiniancr 
m  hjac^en.  änber«  geftalteten  fic^  bic  SSer^ältniffc  unter  ber  Slcgicrung  be«  grofeen  Äur^  45 
fürften.  @r  l^atte  bcn  ®runbfafc  ber  3!)ulbung,  h)omit  fic^  bie  abfielt  Dcrbanb,  fein  Sanb 
ui  bcDölfem.  93on  glcid(ier  ®eftnnung  toar  fein  ©tatt^alter  in  ^reufecn,  gürft  Sogu«laD 
SlabgilDil  befeclt.  ©0  tuurbe  alfo  jenem  ©biltc  be«  Derftorbenen  Äurfürften  toeiter  feine 
golge  gegeben  unb  bic  ©ociniancr  ftcbeltcn  fic^  in  ben  ämtem  2^1,  SH^ein  unb  So^nni«^ 
bürg  an,  boc^  o^ne  ba«  JRec^t,  ®runbbert^  gu  crtDcrben.  ^m  ^af^xc  1665  Riehen  bie  so 
©ociniancr  fogar  eine  ©l;nobc  gu  3io^^""i^^w^0 ;  *>o(^  kbUn  \k  in  bcfiänbigcr  Un- 
fii^er^eit.  Um  be«h)itten  überreichten  fie  1666  bem  Äurfürften  eine  Don  ©amuel 
?ßrjV^foh)«Ii  Dcrfafetc  3lpologie,  h)orin  fte  ben  ®runbfa^  au«fi)rad^cn,  bafe  e«  ber  Dbrig^ 
feit  nic^t  jufommc,  bie  ®ch)iffen«frci^eit  ^u  becinträd^tigen.  ©t3äter  übergaben  fte  il^m 
auc^  ba«  oben  crtDä^ntc,  Don  ©am.  6rctt  (1716)  beutfc^  l^erau«gegebcne  ®lauben«5  55 
befenntni«,  al«  beffen  3Serfaffer  ncuerbing«  be«  älnbrca«  SfBiffotDatiu«  93ater  Sencbift 
aSifjotoat^  ertüicfcn  h)urbe  (f.  0.  Giemen  in  ber  M®  XVIII  [1897],  ©.  140  ff.). 
3nt  ^alfxi  1670  ertotrf ten  aber  bie  ©tänbc  ein  Slcffript,  h^clc^c«  bie  Vertreibung  ber 
©ociniancr  in  nal^c  2lu«ftd^t  ftettte;  fte  gaben  bem  Äurfürften  eine  ©u))})lifation  ein, 
biefcc  liefe  fte  bcn  ©tänben  Dor^alten,  „ob  fte  ettoa  auf  anbere  ©cbanfen  fommen  eo 


468  @ocin 

möchten".  35a  ^ugleic^  ber  Äönig  toon  ^^olcn  für  ftc  tnterccbicrtc,  iDurbc  ber  ©türm 
bcfc^toic^tigt,  aber  immer  auf^  neue  toieber^olten  bie  ©tönbe  i^rc  9(nträge  auf  Suß= 
treibung,  fo  1679  unb  1721,  1729  unter  griebrid^  2ötll^elm  I.  (Über  Spencr^  anti= 
focinianifc^e  Schrift  „Scrteibigung  ber  etoigen  ©ottbeit  ß^rifti",  35ernnl705,  fotoic  über 

6  bereu  Vorläufer,  ben  1689  toon  b*äbbabic  Veröffentlichten  Srattat  De  la  divinum  de 
N.  Seigneur  J.-Christ  l^anbelt  %  ©rünberg,  5^^.  3.  Bpmtt  k.  [1893],  346  f.  494  ff.). 
3)ie  ©ocinianer  erl^ielten  fu^  in  fümmerlid^cn  SSer^ältniffen  unb  in  fe^  Heiner  3^1  6i^ 
in^  19.  ^al^r^unbert.  (gigentlid^ie  ©emeinben  gab  e^  nur  in  Slutoto  unb  Stnbrea^albe, 
)\h)eien  35örjfem  im  Dle^Ioer  Äreife.   ^ene  ging  nac^  ber3Mitte  be^  18.,  biefe  juänfang 

10  be«  19.  S^i^if^wnbcrt«  ein.  1833  aab  ^  in  ^reufeen  nur  noc^  jtoei  alte  ^länner  aU 
©ocinianer,  h^obon  ber  eine  ©c^lid^tling  ^iefe  (bgl.  ©embr^t^tfi  a.  a.  D.). 

3n  ben  9JieberIanben  regten  fid^  antitrinitarifc^e  gbeen  jugleic^  mit  anabajjtijiifc^cn, 
tüic  benn  beibe  anfangt  bielfaci(i  unter  fic^  berbunben  erfd^einen.  gm  ^af)xt  1569  tourbc 
ein  Sttntitrinitarier,  §ermann  bon  SSIedhj^df,  in  53rügge  berbrannt  gn  ben  Sorten  1597 

15  unb  1598  getuannen  Dftorobt  unb  SBoibotoiSfi  in  Slmfterbam  unb  Seiben  bielen  Sln^ng. 
3)ie  ©eneralftaaten  erliefen  1599  cinöbift,  bafe  bie  aufgefangenen  f ocinianifc^en  ©c^riftcn 
in  ®egenh)art  jener  ^toei  9Känner  t>erbrannt  unb  fic  felbft  au^  bem  ganbc  bcrtoiefen 
Serben  foUten;  boc^  fonnte  bie  ganje  JHid^tung  baburd^  ni(^t  unterbrüdft  toerben.  3)cr 
©ocinianigmuö  breitete  fic^   fo  fel^r  au^,   bafe  bon  1628  an  bie  ©^noben   fu^   mit  ber 

20  Bad^t  emftlic^  befd^äftigten  unb  ^u  toieber^olten  ?Kalen  bie  ©eneralftaaten  um  '^a^ 
regeln  angingen,  bie  neue  Se^re  ;\u  bertreiben.  3lttein  äße  (Eingaben  ber  ©tonoben 
blieben  o^ne  SBirfung  bi^  1653.  abanmte  Verlangten  bie  ©eneralftaaten  auf  eine  neue 
©Vnobaleingabe  ^in  ein  ©utac^ten  bon  ber  t^eologifd(ien  gafultät  in  Seiben,  toorauf  ber 
Sociniani^mu^  burc^  ein  eigene^  @bift  Verboten  h)urbe.    35iefe^  6bift  tourbc  aber  ni*t 

25  ftreng  au^efü^rt,  unb  bie  um  biefelbe  ^üi  erfolgte  33ertreibung  ber  ©ocinianer  au^ 
^olen  führte  einen  3"*^«^^^  ^^^^  Partei  in  ßollanb  ^erbei. 

Unter  ben  ©ingetoanberten  berbienen  brei  iDJänner  eine  bef onbere  6rtt)äl^nung.  3crc= 
miag  gelbinger,  geb.  1616  in  S3rieg  in  ©c^leften,  eine  ^^\i  lang  ©eiftlic^er  in  ©tra^^in, 
bcrmeilte  ft)äter  in  ^olcn,  ^reufeen,  jule^t  in  Slmfterbam,  h)o  er  1687  in  grofeer  Sürftii»' 

30  Icit  lebte.  @r  tvar  nic^t  ein  ftrenger  ©ocinianer ;  in  ber  ßrlöfungöle^re  backte  er  armi- 
nianifc^  unb  lehrte  bie  Sluferftel^ung  ber  ©ottlofen  jum  ©eric^t  @r  ^at  Viele  ©(^riftcn 
gcfc^rieben.  —  6^r.  ©anb,  ber  3lii"9^^/  5"^"  Unterfc^iebe  Von  feinem  SJater,  ©eiftlic^cr 
in  Äönig^berg,  toegen  feiner  Hinneigung  jum  ©ociniani^mu^  abgefegt,  auf  ber  Unitocr- 
Tität  Königsberg   gebilbct,   verliefe  er   im   ^al}x^  1668  ^reufeen   unb   begab   fic^  mi 

35  Slmfterbam,  h)0  er  1680  ftarb.  Unter  feinen  jal^lreic^en  ©d^riften  ift  bie  bebeutenbftc  bie 
Bibliotheca  Antitrinitariorum,  erjcbienen  nad)  beS  Serfafferö  3:obe  1684,  eine  rei^c 
gunbgrube  für  bie  litterarifc^e  ©efd(|id[>te  feiner  ^artei.  —  i)aniel  ^toxict,  geb.  in  SMn^ig, 
1612  burd^  glorian  Grufiug  für  ben  ©ocinianifiJmu«  gewonnen,  mufete  mit  i^m  unb 
••HuaruS  1643  bie  SJaterftabt  Verlaffen,  lebte  feit  1657   in   ben  9Jieberlanben   unb  ftart 

ü)  1678  in  3lmfterbam.  ©ein  Sl^erl  „Irenicum  Irenicorum"  mad^te  grofee^  äuffckn; 
eS  ift  ben  Dbrigfeitcn  unb  geiftlicbcn  Häuptern  aller  Äonfeffionen  getoibmet.  3)ie  Ver- 
nunft, bie  ric^itig  aufgelegte  1)1.  ©c^rift  unb  bie  tva^re  3^rabition  fmb  ate  bie  brei  ©runb= 
normen  ber  SteligionStva^rl^eit  aufgefteHt.  —  Übrigen^  erlangte  ber  ©ociniani^mu^  in 
ben  9Jicberlanbcn  niemals  freie  SlcligionSübung ;   er  Verjc^molj  fic^  bal^er  aHmä^lic^  mit 

15  ben  Stcmonftrantcn,  ober  aud?  mit  ben  laueren  3^aufgefinnten  ober  ben  fiollegianten. 

gn  Siebenbürgen  l^altc  ber  UnitariSmuS  faft  gleichzeitig    mit   feiner  crften  3lu«Brei^ 

tung  in  ^olcn,  unb  jioar  burd;  bie  SBSirffamfcit  beS  abtoec^felnb  in  beiben  Sänbem  öcr^ 

ioeilenbcn   t^cologifd^   gebilbeten   air^teS   ©eorg  Slanbrata  (f.  b.  Srt.  53b  III   ©.  250), 

ßingang  gefunben.  2:^eologifc^er  §auj)tanmalt  berfelben  tuurbe  bemnäc^ft  %xam  5)atoibi^ 

50  (f.  b.  3trt.  »b  IV  ©.  517).  3iac^bem  1568  burd?  8efc^lufe  be«Sanbtag«  i|u  ^borenburg 
baS  unitarif4)e  53cfenntniS  unter  bie  religiones  receptae  2)rangf^lvanieng  aufgenommen 
tüorbenS  ioar,  fehlen  baSjelbe  gegen  6nbe  ber  Stegierung  Rapolt^a^  IL  jur  berrf(^enben 
SanbcSrcligion  hjerbcn  ^u  f ollen.  2luc^  unter  ©tej)^an  ^atbori  feit  1571  trat  no(^ 
nid;t   fofortigcr  3(ü(!gang  ber   unitarifd^en   ©ac^e   ein,  ba  Slanbrata  auc^   bei  biefcm 

66  S"^f^c"^  obfd;on  bcrjelbe  Äatl^oli!  ivar,  fic^  in  ©unft  ju  belf)auj)ten  toufete.  allein 
f4)on  banmls  liefe  beS  2)avibiS  Übergang  ^um  9JonaborantigmuS  einen  inneren  3h)i^{P^^ 
im  unitarifdien  Säger  bcrvortrcten,  ben  bie  fatl^olifc^en  ©egner  am  §ofe  be«  gürften  mit 
ßrfolg  );u  benu^en  Vcrftanben.  58ergebenS  fuc^te  ber  Von  Sölanbrata  ju  jpilfe  gerufene 
©ocin  2)avibi!^  famt  feinem  3lnl)ange  auf  bem  2öege  beS  t^eologifc^en  3)i^J)utierenS  liuni 

m  aBiberanfd^luffe  an  bie  befonnenere  Slic^tung  ^u   betvegen  (9lov.  1578  b\^  3M  1579). 


@ocra  469 

Xro^bcm  Ifjicit  ftd;  bie  unitarif^c  ©cmcinfc^aft  noc^  mel^rere  ^^^^J^^ntc  ]^inburc^  in 
^iemlic^cr  ©tärtc,  mufete  aber  freilid^,  bent  einfluffc  bc«  j)olnif(^cn  ©ocintani^mug  mi)-- 
gcbcnb,  bag  nonaborantifc^c  ßlcmcnt  aHmö^Hc^  unterbrücfcn  unb  (e^tlic^,  1638  —  burc^ 
bic  fog.  Complanatio  Deesiana  (eine  SSereinbarung  auf  bem  Sanbta^e  ju  3)eefc^,  n)0= 
nac^  bie  unitarif(^en  Sirenen  fic^  gur  Slntufung  ß^rifti  im  ®cbete  fotoie  jur  Slntoenbung  6 
ber  3:aufformeI:  „^m  Flamen  be«  SJater«,  be^^  ©ol^ne^  unb  beö  ^I.  Seiftet"  ber})flicl^ten 
mußten)  —  e«  boUftänbig  bon  [id)  au^jc^Iie^en.  Um  eben  biefe  ^Ät  erfolgte  bie  Unter- 
brüdung  be^  fabbatierifci(ien  3^^^Ö^  ^«^  trangf^Ibanifc^en  Unitarier  (bgl.  b.  3[rt.  „©onn^ 
tag^feier").  allein  eine  faft  ununterbrochene  SRei^e  bon  Sebrüdungen,  Seraubungen  unb 
^Verfolgungen  rebujierte  bie  Partei  h)äl^renb  be^  17.  unb  18.  ^ö^^^wn^^^t^  unb  be*  lo 
förberte  jugleic^  i^re  june^menbe  ?!Kag^arifierung.  3)ag  anfänglich  in  jiemlic^er  ©tärfe 
bei  i^r  Vertretene  beutfc^e  unb  J)olnifci^e  Slement  ift  feit  @nbe  be^  18.  ^^^t^unbert^ 
DoUftänbig  erlofd^en;  \d)on  1792  tourbe  ju  Älaufenburg^  bie  le^te  beulfc^e  ^rebigt  ges 
If^alten.  Site  einigermaßen  l^ertoonagenber  t^eologifd^er  Vertreter  be^  tran^f^labanifc^en 
Unitari^mu^  tuä^renb  biefer  feiner  f))äteren  @nth)ic!elung  toirb  ber  h)ä^renb  ber  ^oi}xt  is 
1737—58  atö  8ifci(|of  loirfenbe  Sifd^of  ©entabral^ami  (2)licbael  ©t.  äbra^am)  genannt, 
^erfaffer  einer  Summa  universae  theologiae  christianae  secundum  Unitarios, 
iüeld^e  freilid^  erft  lange  nad^  feinem  lobe,  unter  Äaifer  ^o\^f)  II.  (Claudiopoli  1787) 
5um  3)rud  gelangte,  ©eit  1821  ift  ber  Unitariömu«  Siebenbürgen^  mit  bemjenigen 
©nglanbg  unb  feit  1834  mit  bem  5lorbamerifag  in  eine  engere  SSerbinbung  getreten,  20 
iüelc^e  förbernb  auf  feine  materielle  \vk  geiftige  ©ubftftenj  eingutoirfen  begonnen  l^at. 
2)ie  ©ejamtja^l  ber  ftebenb.  Unitarier  betrug  (nac^  bem  6enfu^  bon  1881)  53862  ©eelen 
in  106  Äirdjfgemeinben,  barf  alfo  je^t  —  bie  tttoa  1000  ungartfc^en  Unitarier  mit« 
gerechnet  —  auf  gegen  60000  gefc^ö^t  Serben.  SJgl.  über^aul}t  ®.  b.  SRat^,  ©icben- 
bürgen;  JReifebeobad^tungen  unb  ©tubien,  ^eibelberg  1880,  ©.80—108  (famt  ber  I^ier26 
©.  U9  angegebenen  älteren  Siiteratur);  3lllg.  eb.  lutb.  A3  1882,  ©.  108  ff. ;  3.$. 
atHen,  Hist.  of  the  Unitarians,  p.  113—120;  gramKan^arö  (^rof.  in  Älaufenburg), 
Unitarier  in  Ungarn,  mit  Serüdftc^tigung  ber  aQg.  ©efd^.  be^  Unitari^mud,  ^laufenburg 
1891  (baju  bie  Slnjeige  im  3:^233  1892,  ©.  124). 

II.  Se^rbegriff  be«  ©ociniani^mu^  ober  älteren  Unitariömu^.  $as  30 
Sammlung  ber  ftitcren  OueUenfdjriften  ift  üor  allem  tt)id)tig  bie  \>on  9(nbr. SifimoatiuS 
bcrauögegebcne  Bibliotheca  Fratrum  Polooorum,  quos  Unitarios  vocant,  Irenopoli  (b.  i. 
9lmfterbam)  1656 ff.  Xie  fünf  ©änbe  enthalten:  bie  fömtlic^cn  3Bcrfc  bcd  Sauft.  ©ocinuS 
(t.  I.  II),  bie  @d)riftcn  3o^.  ®ren§  famt  ben  ejeget.  SSerfen  Sonaö  ©cblidjtingS  (t.  III.  IV),  bie 
©crfc  "©oKjogen^J  ncb|t  einigen  ©cbriften  \)on  8tecjmann  jun.  u.  t)on  Siffowotiu^  (t.  V).  ?(lö  35 
ob  VI  crfdiiencn  nadjträglidj  bie  Ser!e  <ßrjl)pon)öfig  (Eleutheropoli,  b.  i.  ?lmfterbam  1692). 
^gen  ber  eini^elnen  ^auptfcf)riften  bogmatifc^en,  ejegct.  unb  fatec^et.  Qn^altd  f.  bie  obigen 
eingaben  im  2lejt. 

3)arftenungen.  ?lld  reicft^altigfte  unb  prftjifeftc  ÖJefamtborftellung  ftat  immer  nocft 
bie  üon  god  ju  gelten;  f.  ?lbt.  II,  @.  291—722  beö  oben  gen.  SBcrfS.  SSgl.  ouc^  51.  §ilgen=  40 
felb,  5^ritifc^e  Stubien  über  bie  ©ocinianer:  2:^eol.  3^33.  o.  iöauer  u.  3eUer  1848,  6. 371  ff. 
9JJ.  Sdjnecfenburger,  SSorf.  über  bie  Se^rbcgviffe  ber  fleineren  prot.  l^iTd)enparleien  (^ernuög. 
u.  .t)unbe<>^a9en  1863),  @.  27—68.  8.  ^ieftel,  3)ie  focin.  §lnfd^anung  00m  «2  (3b3:^  1862, 
IV.  91.  mtW,  3).  fie^rc  o.  b.  9ie(^tf.  u.  S3er[ö^nung  I\  324—335.  91.  ^ornad,  fiebrb.  b. 
3)®  III»,  @.  702—725.  45 

gür  bie  Se^re  be^  ©ociniani^mu«  in  feiner  früheren,  hrnd)  mobcm  rationaliftitee 
©inflüffe  noc^  nic^t  mobifijiertcn  ©eftalt,  finb  ^ai^)tqueHen,  bie  3BcrIe  beg  gauftu^ 
©ocin,  ber  $RaIoh)fc^e  Äated^igmuö,  foiüie  bie  ©c^riftcn  ber  bebeutenbften  focinianifd^en 
3:l^eotogen  bid  um  2Ritte  be«  17.  ^^^i^^utt^^tg^  namentlich  bie  in  t.  III— VI  ber  Bibl. 
Fratrum  Pol.  entl^altenen.  3)iefer  ältere  ©ociniani^mu«  ^ält  burc^au^  bie  älutorität  50 
bc^  göttlichen  SBorteö  feft;  er  ift  entfc^ieben  fujjranaturaliftifdff.  2lber  er  l^at  afö  hinter- 
grunb  einen  ÄomJ)lej  bon  3^^^  ^"^  änfc^auungen,  h^elc^e  aufeer^alb  bed  ß^riftentum^ 
pe^cn  unb  burc^  gejjoungene  Sjegefe  in  bag  SBort  ®otte«  hineingelegt  Serben,  nic^t  o^ne 
ba|  fte  felbft  einige  UJlobififationen  erleiben  unb  einen  geh)iffen  biblifd^en  3lnftrici(i  annehmen, 
gn  ben  neueren  ßüolutionen  be^  ©ociniani^mu«  löfen  ftc^  biefe  aufeer^alb  be^  Gl^riften»  65 
tumd  ftel^enben  ^been  unb  3tnfc^auungen  toom  ©c^rifttuorte  ab  unb  treten  in  beftimmterer 
Älarl^eit  unb  Äonfequen^  ^erbor. 

(S^  gilt  juerft  bie  grunblegenben  allgemeinen  $rinji^)ien  be«  ©ociniani^mu^   ^u 
flijjieren,  alfo  feine  Segriffe  i)on  Sieligion,  Offenbarung  unb  ^l.  ©c^rift. 

®en  attgemeinen  Segriff  ber  ^Religion  läf;t  ber  ©ociniani^mu«  gang  beifeite;  er  fafet  «o 
bie  Religion  lebiglic^  al^  c^riftlic^e  auf.    3)er  Cat.  Racov.  ^ebt  an  mit  ber  Definition 


470  ©icttt 

(qu.  1) :  Religio  christiana  est  via  patefacta  divinitus,  vitam  aetemam  con- 
sequendi.  ätfnlic^  <Socin^  Brevissima  Institutio  }u  SCnfang  (Rel.  ehr.  est  via  di- 
vinitus  proposita  et  patefacta  perveniendi  ad  immoriEÜitatem  sea  vitam 
aeternam).    3(uget  ber  ^riftltc^m   ift  nur  noc^  bte  fübifc^  ^leltgton   biejfed  i^Iomen^ 

5  tvürbtg,  fofem  and)  fte  auf  äußerer  ))oftttt)er  Cffenborung  berul^t.  SOetn  bie  mofaifcbe 
Slcltgton,  ^u  ber  fxd)  bte  Uroffenbatung  unb  bte  ^leligton  "Xbxafyim^  enttoidelt  ^tte,  tüax 
in  fi^  felbft  unfäl^ia,  bie2Rac^t  be^gletfc^ed  gu  brechen,  ba  fte  bic  Hoffnung  ber  Unfler^ 
l\i)U\t  nxd)i  auef^raq  unb  bie  ßrfüDung  t^er  ® ebote  nur  auf  aSeri^ei^ngen  ttbtf^er  ®lü(ffelig= 
feit  grünbete,  ^^fyalh  toar  eine  ^ö^ere  ©tuf e  ber  Sieligion  nötig,  toelc^  burd^  äufftettung 

10  einer  ^ö^eren  33elo^nung  bie  3Menf(^en  ^ur  ©otteeliebe  ent^ünbete.  5"^  6^rificntum  fmb 
bie  ceremonieQen  unb  juribifd^en  ®ebote  ber  mofaifc^eil  9leligion  abgetan,  bie  ftttlid>en 
bagegen  beibehalten,  berfc^ärft  unb  i^re  ßrfüUung  burc^  ^öl^ere  Ser^feungen  ermöglicht 
©0  ift  ba«  ß^riftentum  lebigli(^  ein  toerboHfommneter  SRofai^mu«,  laut  ^t  5,  17,  »gl. 
3o  1 7,  3.    ®er  ®laubc  an  Gl^riftum   nihil   novi  attulit, sed  novas  tantum 

15  qualitates  religioni  addidit,  quatenus  Christus  perfectiora  et  praestantiora  tum 
praecepta  tum  promissa  Dei  nomine  proposuit  (Fragm.  catech.  prior.  F.  Socini, 
Biblioth.  fratr.  Polonor.  I,  677).  %xoii  biefe«  feine«  grunblegenben  35erl^tniffe«  lur 
ntl.  9leligion  gilt  ba«  31%  ben  ©ocinianem  faftifd^  al«  überflüffig  unb  entbehrlich  für 
ben  G^riften.    G«  enthält  nad)  i^nen  nic^t«,  loa«  nic^t  aud^  im  SKE,  unb  jtoor  ^ier  oicl 

30  tiarer  unb  beffer,  gelehrt  toäre ;  e«  f ommt  al«  Dffenbarung«quelle  für«  ß^ftentum  nic^t 
mit  in  Setrad^t,  ^at  oiclme^r  nur  noc^  ^iftorifc^e  Sebeutung.  Übrigen«  toirb  txoi 
biefer  Jperabje^una  be«  212«  boc^  eine  S^ft^^^^^^^»^  ^wc^  '"  S5^U0  öwf  biefe«  gc= 
leiert.  3)te  ^l.  ©c^rtftfteller  ^aben  nac^  ©octn  divino  spiritu  impulsi  eoque  dictante 
gef (^rieben;    freiließ   fei  nur  ba«  jum  religtöfen  S03al^r^eit«ge^alt  ©el^örige  al«  infpiricrt 

26  px  betrachten ;  in  9Jebenbingen  Ratten  and)  bie  3lj)oftel  iaen  fönncn.  ©emäg  bicfcm 
bebingten  unb  befc^ränften  3infl^i^ötton«begriff  (ju  toelc^em  noc^  bie  3Sorau«fe^ung, 
bafe  Oerfc^tebene«  Üned(;te,  mtttelft  Äritif  ju  Sefeitigenbe,  fic^  in  ben  ©(^rifttejt  ein: 
gefc^lid(ien  i}aU,  l^in^utritt)  le^rt  bann  ber  ©ociniani«mu«  in  feiner  SSBeifc  getoiffe  3>or: 
^üge  ober  feoltlommenl^eiten  ber  ^l.  ©c^rift:  i^re  3ljioj)iftie,   fofem  pe  bie  allein  loa^rt 

80  unb  göttliche  Sieligion  berfünbige ;  femer  il^re  ^erfj)icuität,  il^re  ©uffijienj  jc.  Siegt 
hierin  eine  gcloifje  Unterwerfung  unter  bie  Autorität  ber  95ibel  al«  einer  göttlid^  einpe^ 
gebenen  Urfunbe,  fo  ftellt  anbererfeit«  ber  ©ocintaner  fid^  toieber  über  bie  ^l.  ©c^rift. 
Sr  beanfpruc^t  für  fic^  bie  ©elbftentfc^eibung  über  ba«,  h)a«  al«  echter  ©c^riftinbalt 
anguerfennen  fei.    hierfür  bebient  er  fid^  jtoeier  Kriterien:   1.  be«ienigen  ber  3Semunft-- 

85  gemä^l^eit:  e«  fönne  in  ber  93ibel  jloar  manche«  supra  rationem  et  humanum  captum, 
aber  nic^t«  contra  rationem  sensumque  ipsum  communem  enthalten  fein  (i?gl. 
Bibl.  fratr.  Pol.  II,  617);  2.  be«  Kriterium«  ber  moraltfc^en  Sebeutfamfeit  unb  3lni^ 
barfeit:  gum  Dffenbamng«gel^alt  ber  ^l.  ©c^rift  fönne  nid^t«  moralifc^  Unnü^e«,  nic^tl 
praftifd^  Unoertoertbare«  gefrören  (ijgl.  ^arnacf  ©.  705  f.).  —  2)iefer  ^albe  9lationali«mu^ 

40  bc«  focinianif d;en  $RcIigion«prinjip«  entioidtclte  fic^  im  Saufe  ber  Q^xt  in  einem  immer 
cntfd^Kibcnberen  ä5emunftglauben ;  Dgl.  bcf.  ffiif^iotoatl^«  Religio  rationalis.  Iro^cm 
bleiben  j^ioijcbcn  ber  religiöfen  Söeltanfic^t  ber  focinianifd^en  unb  bcrjenigcn  ber  mobemcn 
euglifc^cn  unb  neucnglifd^en  Unitarier  erl^eblid^e  Differen;;en  jurücf.  ^ei  ben  legieren 
erfd;cint  ade«  ©ujjranaturaliftijc^c  i)icl   ooUftänbiger  au«gefc^ieben ;   i^r  ©J)iritua(i^mutf 

45  jcigt  einen  me^r  ober  Weniger  jpantf^eifiercnben  G^arafter. 

2öir  betrad^ten  l^iema^   in  Äürje  bie  einzelnen  c^arafteriftifd^en  §auj)tlel^ren  bie  fo- 
cinianifd;en  ©Iauben«t^ftem«. 

1.  Sc^reoon©ott.    ©ie  ;;erfäKt  in  bie  Seigre  toom SBefen (essentia)  ®otte«  unb 
Oon  feinem  SÜitten.    2)a«  Sein  ©otte«,  loelc^e«  mefentlic^   mit  bem  2)afein  ®otted  ju^ 

50  fanmicnfäHt,  toirb  nicl^t  abftraft  meta^^t^fifcl^,  fonbem  in  fonfreter  33ejie^ung  auf  bie 
jydt  be«  enblid^cn  ©ein«,  beftimmter  au«gebrü(ft,  in  8e^ie^ung  auf  ben  3Renfd^en  auf- 
gefaßt. „2Ba«  Reifet  crfennen,  baß  ®ott  fciV"  fragt  ber  Cat.  Rac.  qu.  54  unb  ant^ 
ioortct:  „crfennen,  ober  oor  allem  feft  überzeugt  fein,  bafe  er  an^  [xd)  felbft  über  uns 
göttlicl^c  d)lad)t  i}ahc".  —  ©o  ift  ©ein  unb  6errf4»aft  ®otte«  al«  ibentifd^  gefegt;  abfo- 

55  (utc  5rcil;cit  ber  2lUllcn«bcftimmung  fommt  ®ott  über,  un«  ju;  abfolut  auc^  in  bcm 
Sinne,  baf^  er  fie  an^  fid)  felbft  (ex  se  ipso)  hat  ä^nlic^  toie  in  ber  2^eologie  ber 
fcotifcl^cn  Sd^olaftif  toirb  ®ott  al«  abfohlte  SKiUfür  gebac^t  (§amacf  ©.  707).  —  2öB 
aber  ©Ott  fei  unb  loa«  er  fei,  nebft  allen  ba;\u  gel^örigen  Seftimmungen,  ba«  fann  ber 
^3JJenfd;  nur  burd)  >)ofitioe  Offenbarung  ioiffen.    Unb  fo  muffen  ftd^  bie  Seioeife  für  boö 

Go  2)afein  ©otte«  in  bem  Öeloei«  ber  Ülutorität  ber  ©c^rift  lonjentrierm. 


®9Cttt  471 

3n  S3cjug  auf  ®ottce  (Siöcnfdjiaften  h)trb  aU  attgemcmcr  Ration  aufgcftcKt,  ,,bafe 
bie  tocfcntlidfcn  ©igcnjc^aften  ®ottc^  (ea  quae  naturaliter  Deo  insunt)  in  SBirllic^Ieit 
niemals  tjoncinanbcr  getrennt  h^erben  lönnen,  fobann,  bafe  \t>ix  nic^t  um^in  fönncn,  fic 
al^  öerfc^ieben  unb  unterfc^ieben  auf^ufaffen,  fo  bafe,  h>enn  nur  bie  eine  erlannt  unb  er? 
läutert  ift,  bamit  nid(|t  eo  ipso  auc^  bie  anberen  erlannt  unb  erläutert  ftnb."  SBa^  bie  6 
einzelnen  ßigenfc^aften  betrifft,  fo  l}at  ben  ©ociniani^niu«  in^befonbere  baä  ^Problem  ber 
göttlichen  3ltth)iffen^eit  befc^äftigt.  3)iefe  (Sigenfc^aft,  fofem  fte  ein  3Sorau^h)iffen  and) 
beö  3w*^"f*^Ö^"  i"  W  ftä^l'^fet,  betrachtet  er  al^  eine  befci(iränlte;  ba^  noth)enbige  3"- 
fünftige  tüiffe  ®ott  tjorau«,  ni^t  aber  ba^  SJlöglid^e,  fo  toeit  e^  toon  ber  menf^ti^en 
grei^eit  abfängt.  9?ac^  biefer  ©eite  ^in  fei  ®otte«  SBiffen  befd^ränlt,  benn  fein  tooH«  lo 
ftänbige«  unb  genaue«  33orau«erIennen  unferer  freien  ^anblungen  toürbe  unfere  greil^eit 
felbft  aufgeben  (Dgl.  %,  Socin,  Praell.  theoll.  c.  8— 11;  3.  Grell,  De  Deo  et  eius 
attributis,  c.  24;  bgLgorf  ©.  438ff.).  ©in  ä^nlic^e«  antij)räbeftinatianifci^e«  3"^^^<^/ 
h)ie  bei  biefer  ßigenf^aft,  beftimmt  bie  ©ocinianer  bei  i^rer  (grörterung  be«  SBefen«  ber 
©ered^tigleit  ®otte«,  h)o  fte  ba«  aWoment  ber  ©trafgereci(|tigleit  fe^r  jurüdftreten  laffen  is 
unb  bielme^r  bag  ber  33illigleit  (aequitas),  ®üte  unb  3Ba^r^aftia!eit  tjoruig^toeife  be« 
tonen.  —  SSor  attem  einge^enb  Dermeilt  ber  ©ociniani^mu«  beim  Slttribut  oer  göttlici(ien 
ßin^eit.  2)a«|elbe  fällt  nac^  il^m  mit  ber  göttlichen  Slfeität,  ja  mit  bem  ®otte«begriff 
felbft  jufammen.  ^ie  Äenntni«  ber  ©in^eit  ®otte«  ift  jur  ©eligleit  nötig,  tocil  loir  fonft 
ungenjife  h)ären,  toer  un«  bie  ©eligleit  eröffnet  ^at  (Cat.  Rac.  qu.  66).  ^a^er  in  ber  20 
©c^rift  fo  oft  gefagt  h)irb,  baft  ®ott  (giner  fei  (5Dt  6,  4;  SKc  12,  29;  3)t  32,  39;  1  3:i 
2,5;  e»)M.  6;  ®a  3,  20).  gerner  ift  e«  iur  ©eligleit  nüfelic^  gu  toiffen,  bafe  ®ott 
nur  (Sine  5perfon  ift  (Cat.  qu.  71).  ©0  milbe  J^icrin  ber  (äegenfa^  gegen  bie  ortlj^oboje 
2)reieinigfeit«le^re  au«gef})rod[)en  ift,  fo  ftarl  unb  entfc^ieben  ift  bie  ^ßolemil  bagegen,  ja 
fie  bilbet  rec^t  eigentli^  ben  9)Uttel})unft  ber  focinianifd^en  DlpJ)orttion  gegen  bie  (lat^o*  25 
lifc^e  h)ie  J)roteftantifc^e)  ort^oboje  Seigre  über^aujjt.  ©d^on  ber  Äatec^i^mu«  ift  fe^r  au^s 
fü^rlici(l  barüber;  biefelbe  Dj)i)ofttion  bilbet  ba«  il^ema  bieler  focinianifc^er  ©c^riften.  6« 
iDirb  babei  fo  berfal^ren,  bafe  bie  Dreieinigfeit^le^re  xunäc^ft  aU  fc^rifth)ibrig  bargefteHt 
iDirb.  Äcine«  ber  belannten  Dicta  probantia  au«  bem  212,  loelcf^e  bie  ältere  Drtl^o= 
borie  aufjufül^ren  liebte,  h)eber  ®en  1,26;  3,  22;  18  2c.,  noc^  3ef  6,  3.  8  k.,  h)irb  ateao 
beiüeiölräftig  anerfannt.  6«  n^irb  geleugnet,  bafe  in  ber  ©c^rift  ber  f)l  ®eift  irgenbh)0 
®ott  genannt  toerbe  (Cat.  qu.  80);  tDenn  i^m  bi^toeilen  göttlid^e  Attribute  beigelegt 
njerben,  fo  fomme  biefe«  ba^er,  h)eil  er  eine  Äraft  unb  SBirIfamfeit  ®otte«  fei  (2cl,35; 
24,49);  unter  bem  Flamen  be«  ^l.  ®eifte«  loerbe  ba^er  oft  ®ott  felbft,  fofern  er  Wxxlt, 
öerftanben.  Sßenn  toon  ort^obojer  ©eite  al«  Seloeife  ber  ®ottlj;eit  be«  ©ol^ne«  unb  be«  36 
©eifte«  ©teilen  angefül^rt  lourben,  Wo  33ater,  ©o^n  unb  ®eift  auf  Sine  Sinie  geftellt 
h)erben  (Sit  28,  19;  1  Äo  12,  4—6;  1  30  5,  7),  fo  h^erben  aud^  biefe  ©teHen  }u  ent* 
Iräften  toerfuc^t.  §ieran  fc^liefet  ftc^  tüeiter  ber  9Scmunftbeh)ei«  gegen  bie  35reiemigfeit. 
e«  \oax  nid)i  fc^toer,  manche  ©d(|h)ierigfdten,  toeld^e  ba«  firc^lic^  formulierte  Srinität«« 
bogma  ber  JJemunft  barjubieten  fc^ien,  auf^ubedfen,  unb  fo  eine  Slei^e  logifd^er  ©c^ein«  40 
grünbe  für  bie  Sl^efe:  Plures  numero  personae  in  una  essentia  div.  esse  non 
possunt  (Cat.  qu.  72)  inö  gelb  ^u  fülfjren.  ©oh)o^l  ba^  gel^len  ber  Slu^brüdEe  per- 
sona, substantia,  aeterna  generatio  Filii,  praeexistentia  u.  f.  f.  in  ber  1^1.  ©4tift, 
h)ie  bie  mancherlei  angeblid^en  SBiberfjjrüc^e  unb  Sn'onfequenjen  in  ber  bogmatifd^en 
Formulierung  be«  SJer^ältniffe«  ber  brei  ^^erfonen  jueinanber  hjerben  angelegentlich  be*  45 
tont  (bgl.  gocf  ©.  454 ff.;  i^axnad  708 f.;  auc^  21.  tj.  Dettingen,  Sut^.  S)ogm.II,  1, 
©.  228f.). 

2.  Seigre  tjon  ber  ©d^öj)fung  unb  Dom  3Kenfc^en.  3)em  ©ociniani^mu«  fallen 
bei  ber  ©c^öj)fung  ®ott  unb  2Belt  me^r  ober  Weniger  au^einanber.  3)ie«  jeigt  ftd^  be« 
fonber^  barin,  ba^  bie  ©c^öpfung  aug  3l\d)i^  geleugnet  unb  eine  })räejiftente  SKaterie  so 
gefegt  toirb,  toorau^  ®ott  bie  SQSclt  gebilbct  l^abe;  fo  jmar  nic^t  ber  Äatec^i^mu«  ober 
über^au})t  ©ocin  felbft,  tool^l  aber  35ölfel  (de  vera  religione)  unb  bie  folgenben  (GreD, 
5Ko^orotj,  SBif^otoat^  k.,  f.  %od  ©.  482).  &x  ge^t  batjon  an^,  bafe  bie  ©teHe  2  3)lal 
7,  28,  h)onac^  ®ott  bie  9öclt  ex  nihilo  gefc^affcn,  nad^  2lnalogie  ber  ©tette  SBeiö^eit 
©alomod  11,  17,  bafe  ®ott  alle^  ex  informi  materia  gebilbet,  erllärt  h^erben  muffe.  66 
3)a^  9iic^t0  ber  erften  ©teHe  fei  ibentifc^  mit  ber  geftaltlofen  ?Katerie  ber  jtoeiten,  b.  f). 
einer  folc^en  9Jiaterie,  bie  tueber  in  ffiirllidjileit,  noc^  nad)  einer  natürlicJ^en  2lnlage  ba« 
toar,  iüaö  fj)äter  auö  ibr  gebilbet  ioarb,  fo  bafi,  h)äre  nic^t  eine  unenblic^c  Äraft  l^inju^ 
gefommen,  niemals  ettoa^  an^  'd)x  geworben  h)äre.  2lu^  $br  11,  3  foH  angeblich  erhellen, 
ba^  bog  ©ic^tbare  au«  tttoa^  \d)on  SSor^anbenem,   freiließ   Unftc^tbarem  Ij^eröorgebrac^t  ^v) 


472  @9cw 

tüorbcn.  SSon  h)clc^cr  3lrt  biefc^  toor^anbenc  Qt\va^  gelDefen,  Ul^re  am  bcftcn  bie  mofaifc^ 
Ro^moöonic.  3m  crftcn  Sa^c:  „im  Slnfang  fc^uf  ®ott  $tmmcl  unb  6rbc",  fei  bie  nad^ 
folgcnbe  erjälfjlung  fummarifdjf,  glcic^fam  in  eine  Überjci(irift  jufammengefa|t.  äüc^ 
golgenbe  enthält  leine  neuen  SMomente,   fonbem  ift  nur  ber  Äommentar  gu  jenem  aü- 

5  gemeinen  3(u«f})ruc^e.  ©o  ift  alfo  ba^  Tohu  wabohu,  toeld^ed  öon  ber  ©rbe  in  ibrem 
urfj)rün9lid[iem  ß^ft^^^c  au^efagt  loirb,  bie  geftaltlofe  3Katerie,  bie  belegen  in  ber  ge* 
nannten  neuteftamentlic^cn  ©teÜe  ein  ni^t  ©rfc^einenbeö  genannt  h)irb,  toeil,  h?ie  e^  Reifet 
(®en  1,2),  ^inftemi^  auf  ber  3^iefe  lagerte.  3Kofe^  unb  bie  Schrift  über^au^t  fagen 
nic^t,  bafe  biefe^  Tohu  wabohu  gefc^affen  h)orben,  ba^er  l^en  toir  öoHfommene  grei^ 

10  l^eit  angune^men,  h?a^  ber  SSemunft  gemä^  ift.  @^  tritt  ^ier  berfelbe  3)ualidmud  ^u 
iage,  ber  ba^  ganje  ©^ftem  bel^errfd^t  (ögl.  3^*1^^  ©efd^ic^te  ber  Sejiel^ungen  gtoifc^cn 
%i}tol  unb  5naturh).  I,  716  ff.  766). 

®er  aWenfc^  ift  nac^  bem  Silbe  ®ottc«  gefc^affen.  S)iefe«  »Mb  ®otte«  im  aJienfc^en 
befte^t  toefentlic^   in  ber  ^enfd^aft   über  aHe  i^m  untergeorbneten,  toor  i^m  gefc^ffenen 

15  SBefen.  ®eift  unb  Vernunft  finb  in  biefe  §errfci^aft  eingefc^Ioffen,  ba  fie  bie  betoirtcnbe 
Urfac^e  biefer  §errf(^aft  fmb;  fomit  ift  ba^  Silb  ®otte«  nid^t  gerabeju  ®eift  unb  SJcr^ 
nunft  (mens  et  ratio)  be^  9!Kenfci(ien,  fonbem  barau«  ergiebt  ft$  erft  ba«  ©ottebenbilb- 
lid^e.  I)iefe  3^if^"wng  be«  Silben  ®otte^  meint  ©ocin  ®en  1,  26  beutlic^  au^ebrücft 
gu  finben,    fo  bafe  bie  SBorte:   ,,er  möge  ^errfd^en  über  bie  gifc^e  be«  9Reere«"  nur  aU 

20  6})ejegefe  ber  toorigen  anjufe^en  feien;  jene  Sßorte  müßten  fo  öerftanben  Serben:  „aU 
ber  ba  ^errfd^e,  qui  scilicet  dominatur''  (©ocin,  De  statu  primi  hom.  ante  lapsum 
adv.  Puccium,  in  ber  Bibl.  Fr.  Pol.  II,  p.  286).  gemer  ift  ber  3Kenfc^  nac^  foci^ 
nianifc^er  Seigre  (ebiglic^  fterblic^  gefc^affen  unb  l^at  öon  9Jatur  mit  ber  Unfterblid^lcit 
nic^t^  gemein.    2)ie  natürliche  Unfterblic^Ieit  bed  5Blenfd^en  folgt  nic^t  barauö,  ba|  er 

25  na6)  ®otte^  Silbe  gefd^affen  ift,  benn  and)  nad)  bem  ©ünbenfaDe  ift  ®otte$J  Silb  in  li^m, 
toie  bie^  gegenüber  ber  ortl^obojen  ßrbfünbele^re  auf  ®runb  tjon  ©teilen  h)ie  ®en  9, 6; 
3a  3,  9  feftftelE^t.  Suc^  bafe  ®en  1,  31  atte«  Don  ®ott  ®ef(^affene  gut  genannt  mt, 
fbric^t  nic^t  für  bie  natürlid^e  Ünfterblic^Ieit;  benn  gut  Reifet  feinem  3h>eae  entf})red[>cnb. 
i)er  gan^e  mofaifc^e  33eric^t  fjjric^t  für  bie  urf})rünglid^e  ©terblic^feit  be^  SKenfc^en.  So-- 

30  fem  ber  üKenfc^  au^  einem  ßrbenllo^  gcbilbet,  hjar  er  fterblid^  gefc^affm  (Cat.  qu.  41), 
bie^  ergiebt  fxc^  auc^  barauö,  bafe  er  t)om  3Koment  feiner  (grfd^affung  an  bie  Seftimmung 
5um  6jfen  unb  ^ur  3^"0""9  W^^'k  —  f^'^^^  barau^,  ba^  erft  ber  93aum  beö  Sebcn^ 
bie  Unfterblid(|feit  Derleil^en  foDte.  Überbie^,  tuäre  bie  ©terblic^feit  erft  infolge  ber  ©ünbc 
entftanbcn,  fo  lönnte  fie  über  biejenigen  nic^t  mel^r  ^errfd(ien,  bie  an  G^riftum  glauben, 

36  fofem  biefer  bie  ©trafm  ber  ©ünbc  getilgt  ^at.  3!)ie  ©tette  Sflö  5,  12  aber,  toona^f  burt^ 
bie  ©ünbc  ber  lob  in  bie  3Belt  gefommcn  ift,  tuiH  fagen,  bafe  2lbam  toegen  feiner  ©ünbc 
bem  etoigen  3:obe  toerficl  (Cat.  qu.  44.  45). 

®cgen  bie  ort^obojen  SJorftcDungcn  i)on  ber  l^oben  SÖei^l^eit  unb  ©rienntnig  2lbam^ 
mad)t  ©ocin  geltcnb,  bafe  e^  gar   nic^t^  Scfonbere^  luar,  bie  liere  mit  9Jamm  ju  be^ 

10  nennen,  ba  biefe  \\d}  nur  auf  ba^  bcn  ©innen  SBa^mcl^mbare,  nic^t  auf  ba^  innere 
fficfen  ber  lierc  begiel^cn  lonntcn.  3lud^  be^cid^ne  bie  Benennung  be^  SBeibe^  al^  SKutter 
ber  iJcbenben  ober  alg  3Kännin  nur  ba^  in  bie©inne  gallenbe;  e^  fei  alfo  nur  finWicbc 
Untoiffcn^cit  gctocfcn,  ba^  2lbam  unb  6i)a  urfjjrüngli^  an  ber  9iadt^eit  feinen  änfiofe 
nal^men.    Scfonberö  eifrig  h)irb  ferner  tjom  ©ocinianiömu«  gegm  bie  anerfc^affene  ©e- 

45  rcd;tigfcit  unb  ^ciligleit  Jjroteftiert.  Dafür  lönnc  bie  ©tette  ®en  1,  31,  h)0  Don  0ott 
aUc^  gut  genannt  toirb,  cbcnfo  menig  angcfül^rt  locrben,  al^  für  bie  natürliche  Unfterblicb' 
feit;  bie  2Üortc,  bafe  ®ott  ben  ajJenfc^cn  rcd^t  crfd^affen  (Sap.  Sal.  7,  20),  befagen  nur 
fo  biel,  bafe  tjon  2lnfang  nid^t^  äJerfef^rte^  im  9)knfc^en  toar.  3!)er  9Renfd^,  fo  toic  er 
aus  ber  ©cf?ö>)fer^anb  @otte^  J^eri^orgegangen  loar,  bcfaft  nur  ba^  posse,  nic^t  ba^  velle; 

50  il^m  eignete  nur  bie  ^^Jotcn^  be^  freien  SBitten^,  nietet  h)irflid(ie  3Bitteni^frei^eit  (Cat. 
Rac.  qu.  41  sqq.). 

®em  aüm  entfprac^  nun  bie  focinianifc^e  (Srflärung  be^  ©ünbmfaDe^.  3)a  bie 
ürfenntni^  fd^load;,  ber  fittlicl^c  SöiHe  ber  erften  9)Jenf(^en  ungeübt  toar,  ba  bie  Sinn- 
Iid;feit  über  i^re  Jkrnunft  bieCber^anb  l^atte,  fo  mufete  ber  burc^  ba^  SJerbot  angeregte 

55  finnlic^e  Steig  fic^  geltenb  mad;cn,  bie  fd;ioa^e  S^cmunfl  betören  unb  bie  5Dlmfd^en  ^ur 
Uebertretung  be^^  Serbote^  fortreiten,  ßö  ift  bamit  im  ®mnbe  nur  in  bie  äufecre  Gr- 
fc^einung  getreten,  \va^  \n  i^nen  t)erborgen  ioar.  3)oc^  ift  ber  ©ocinianiSmu^  möglich? 
barauf  bcbad)t,  bie  ©ünbc  al^  1l)at  ber  ^rei^eit,  bie  fid;  gum  ®uten  ober  jum  Söfen 
tücnben  fonnte,  ;^u  begreifen,  \va^  i^m  frcilict?  unDoHfommen  genug  gelingt. 

r.u         2)urd^  bie  ©ünbc  3lbam^  l^at  loeber  er,   no^  ^aben  feine  5Ra4ffommen  bie  grei^it 


®ocin  473 

tjcriorcn,  b.  1^.  ba^  9Scrmögcn,  bic  rechte  SBal^I  jtoijc^cn  ®ut  unb  33öfc  gu  treffen  (Cat. 
qu.  422).  Sofern  bic  ßrbfünbe  bte  Seugnung  bicfer  ^ei^eit  ift,  beftrcitet  fie  ber  ©oci^ 
niancr  auf  bag  älDerentf^iebenfte  (Cat.  qu.  423).  Die  ©teilen  ®en  6,  5;  8,21  bejiel^t 
ber  Ratec^i^mu«  lebiglic^  auf  altuette  Sünben,  5Pf  51,  7  blofe  auf  3)abib,  unb  gtoar  unter 
nur  bilbUc^er  gafjung  berSBorte;  eth)a«  tueniger  Derle^rt,  immerbin  aber  boc^  auc^  o^ne  6 
rid^tige^  aSerftänbni«  ber  J)aulinijci^en  ^eitele^re  (Dgl.  ©.472,35),  h)irb  über  3lö5, 12ff. 
gel^anbelt  (Cat.  qu.  424—426).  Überl^aujjt  h)iberf})rec^e  bie  (Srbfünbe  al^  9?egation  ber 
grei^eit  jum  Outen,  ate  über  ben  3Kenfc^en  ber^ängte  ©träfe,  buri^au^  ber  ©c^rift, 
tücld)c  in  i^ren  ßrma^nungen  gur  Sufee  unb  Umle^r  überall  bie  ^rei^eit  be^  -JRenfdJien 
öorau^fe^e  unb  nici(|t  minber  entfd[|ieben  toiberfprec^e  fie  ber  9Semunft.  Die  ÄonfuJ)i^5en5  lo 
unb  ©cneigt^eit  ^ur  ©ünbe,  toorin  man  bie  Srbfünbe  fe^t,  ift,  nac^  ©ocin,  Woi)l  ate 
SDJöglid^feit  in  allen  bor^anben,  aber  nic^t  ertoiefenermafeen  in  aüzn.  ©efe^t  aber,  e^ 
bcftünbe  biefe  SlHgemeinl^eit  be^  $ange^,  fo  toäre  fxe  noc^  nic^t  afö  golge  ber  abamitifci(ien 
©ünbe  amufe^en:  unb  tuäre  bie^  ber  gaÜ,  fo  toürbe  bie  ßrbfünbe  bamit  aufhören,  ©ünbe 
5u  fein.  Denn  bie  ©ünbe  ift  nur  ba,  \t>o  ©c^ulb  ift;  nun  aber  loäre  bie  ©ünbe  in  ben  i6 
tjon  2lbam  abftammenben  3Kenfc^en  o^ne  i^rc  ©c^ulb.  Demnach  giebt  e^  nic^t  einmal 
im  uneigentlic^en  ©inne  eine  Srbfünbe,  b.  ^.  h^egen  ber  ©ünbe  be^  erften  3)lenfc^en  ift 
feinen  SJac^fommen  feine  Sefledfung  unb  ©c^Ied^tigleit  (labes  et  pravitas)  auferlegt 
h)orben.  35ie  9lac^fommen  3(bam«  tuerben  in  bemfelben  gwftonbe  geboren,  in  h^elc^em 
er  felbft  h)ar;  benn  e^  toar  ilj;m  nic^tg  genommen,  toa«  er  Don  5Ratur  l^atte  ober  ^aben  20 
foHte.  —  gmmer^in  loirb,  öermöge  einer  eigentümlichen  S^lonfequenj,  bie  allgemeine 
©terblic^feit  be^  9Renfci(|cngefci^lec^te  auf  bie  ©ünbe  3lbam«  jurücfgefül^rt,  ate  ba^  einzige 
a\x9^  \f)x  refultierenbe  Übel.  SSor  bem  galle,  lel^rt  ©ocin,  \üax  eö  natürlid;  unb  aUen 
(Scfe^en  ber  menfc^lid^en  9iatur  angemeffen,  bafe  ber  3Kenf(^  ftarb;  nac^  bem  gatte  iüurbc 
barau^  eine  9Joth)enbigIeit,  ber  bon  -Jlatur  ftcrbli^^e  ?Kenfci^  tuurbe  um  jener  ©ünbe  h^iHen  25 
feiner  natürli^en  ©terbli^Ieit  überlaffen.  W\t  biefer  Slnnal^me  ^ängt  Leiter  bie  eine^ 
geiüiffen,  burd^  ba^  fortgefe^te  ©ünbigen  atter  ©enerationen  erzeugte  habitus  peccandi, 
einer  2lrt  bon  fünblic^er  De^jraDation  ber  9Renfc^^eit  jufammen.  Cupiditas  ista  mala, 
quae  cum  plerisque  hominibus  nasci  dici  potest,  non  ex  peccato  illo  primi 
parentis  manat,  sed  ex  eo  quod  humanum  genus  frequentibus  peccatorum  so 
actibus  habitum  peccandi  contraxit  et  se  ipsum  corrupit,  quae  corruptio  per 
propagationem  in  posteros  transfunditur.  Demgemäß  ift  bie  grei^eit  be^  9Jlenfd^en 
hoäf  nic^t  me^r  in  normalem  gwftanbe;  fie  ift  gefd^toäd^t,  fann  aber  mit  ber  ^ilfe 
(Sottet  ba«  §eil  fid^  aneignen.  Diefer  göttlichen  Kräftigung  bebarf  er  ^auj)tfäci(|licl)  jur 
SJcrmeibung  ber  minber  groben,  jügellofen  unb  bemunfttoibrigen  ©ünben,  ber  peccata,  36 
quae  ipsi  rationi  per  se  non  omnino  adversantur.  ©oD  ber  3Kenfc^  aud)  biefer 
Älaffe  Don  ©ünben,  über  bie  feine  natürliche  Vernunft  i^m  feinen  bejltimmten  äluffc^lufe 
bietet,  §err  h)erben,  fo  mufe  (Sott  il^m  burd^  getuiffc  bcfonber«  fräftige  unb  ^o^e  SJer^ 
l^eifeungen  ju  fiilfe  fommen  unb  bie«  ftnb  eben  bie  ©nabenber^eifeungen  in  ^^u  G^rifto 
(©ocin,  Opp.  III,  p.  463).  40 

3.  2)ie  Gl^riftologie  bejiel^t  ftc^  auf  bie  befonbcren  3Bitten«bct]^ätigungen  ®otte«, 
toelc^c  nic^t  aüm  SÖlenfd^en  inggefamt  gelten,  fonbem  nur  benjenigen,  toelc^e  ba«  eioige 
Sebcn  erlangen  follen.  2)a  nun  (nad^  bem  Obigen)  bie  aufeerbalb  be«  Gl^riftentum« 
©te^enben  bem  Untergange,  ber  eigentlichen  SSerni^tung  berfallen,  geh)innt  ba«  (S^riften^ 
tum  unb  bie  i^er^ei^ung  be«  etuigcn  geben«  eine  ganj  eigentümliche  Sebeutung.  ®ie  46 
focinianifc^e  §eil«lel5;re  behielt  nur  einen  beDor^ugten  3;eil,  eine  ßlite  be«  SKenfc^em 
gefc^lec^t«;  fie  trägt  einen  etl^ifc^-ariftofratifc^en  G^arafter  (bgl.  $amarf  ©.  709  f.  unb 
bic  bafelbft  mitgeteilte  Semcriung  bon  3!)ilt^e^,  iücld^e  auf  ben  inneren  3wf<^w^"^<^^önö 
biefe«  et^ifc^en  ariftofrati«mu«  mit  ber  cinfeitig  If^umaniftifc^en  ©runbrid^lung  be«  ©ocis 
niani«mu«  l^inh?eift).  ($«  ift  eine  plus  quam  human  a  vitae  ratio,  bie  S^riftu«  Uor^  60 
fd^reibt;  ber  3lu«brucf  „neue  Kreatur"  toirb  jum  3lu«brudE  eine«  neuen  Seben«  ber  ganjen 
menfc^lid^en  9Jatur.  2)a«  ßbangelium  beh)irlt  eine  totale  Seränberung  in  ber  geiftigen 
9?atur  be«  3Jlenfc^en,  infofem  e«  i^m  eine  ©igenfc^aft  Derlei^t,  bie  il^m  fonft  fd^lecf)ters 
bing«  abgebt,  er  mag  gottlo«  ober  fromm  fein.  ©0  geh)innt  aud^  ber  ©a^,  bafe  G^riftu« 
nic^t  gefommen  ift,  um  un«  in  ben  ©tanb  h)ieber^erjuftellen,  in  totld)tm  äbam  Dor  bem  66 

tittc  fid^  befanb,  fonbem  um  un«  ju  einem  tueit  Dorjüglid^eren  ju  ergeben,  eine  ungeahnte 
cbeutung:  ba«  (S^riftlic^e  ift  mel^r  al«  ba«  toabr^aft  9Kenfc^ltc^e.  SP  ^^^  berjcnigc, 
ber  bie  Slcnfc^en  über  xfyc  üRenfd^ifein  l?inau«^ebt,  me^r  al«  ein  5DTenfd(i?  2luf  biefe 
grage  giebt  ber  ©ociniani«mu«  bie  2lnth)ort,  bafe  (Sl^riftu«  einerfeit«  toa^rer,  fterblic^  ge^ 
borener  ÜRenfc^  getoefen,  fonft  lönnte  fein  $eil  ni(|t  bem  3Wenfd^en  jugeeignet  toerben;  oo 


474  ®ocm 

anbcrcrfeit^  aber  fei  er  aud^  me^r  ate  ein  blofeer  3Menf(^  ßetoefen,  ein  ^Jlenfc^  öon  um 
getDöl^nlic^en  Stgenfd^aften,  au^gerüftet  mit  äBei^^eit  o^ne  Ma^  unb  t>on  ©Ott  }u  irn^ 
bcfd^ränlter  3)Ja^t  erl^oben  unb  mit  Unfterblic^Ieit  begabt. 

SBatum  mufete  dl^riftu«  toal^r^aft  unb  toefentlic^  5Dlenf(^  fein?    2)ie  9?oth>cnbigfeit 

6  bQt)on  ift  gegeben  in  ber  für  bie  (Srlöfung  nottüenbigen  ©leid^artigleit  mit  ben  5IKenf^en. 
3)ag  Snbjiel  ber  d^riftlid^en  Sleligion  ift  nämlid^  bie  Unfterblid^feit,  toelc^c  bun^  bic 
Sluferfte^ung  Slj^rifti  vermittelt  toirb.  9lun  aber  toäre  biefe  leine  Sürgfdjfaft  für  unferc 
Sttuferfte^ung,  menn  (S^riftug  feiner  SRatur  nac^  njefentlid^  öon  un^  öerfc^ieben,  tocnn  feine 
äuferfte^ung   ein  f})e^ietter  SSorjug   feiner  9Jatur  loäre  (tjgl.  hierfür  1  Äo  15,  13. 16). 

loßätte  anbererfeitg  G^rifti  SSorjug  tjor  atten.aJlenfc^en  in  feiner  ©ottl^eit  beftanben,  bann 
tonnte  er  n\d)t  fterben.  ^n  beiberlei  §infxc^t  ftel()t  e^  alfo  feft,  ba^  ß^ftu^  h>efent(i(^ 
nic^t^  anbere^  afö  ein  ^JJlenf^  loar. 

3)iefer  §auj)tfa^  ber  focinianifc^en  ßl^riftologie  ^at  aber  ben  ©inn,  bafe  er  nic^t  auc^ 
göttlici(ie  3latur  ^atte;  ber  Cat.  Rac.  leiert  auöbrüdflic^,  bafe  bie  ©c^rift,  fofem  fic  S^rifti 

16  3)knfc^fein  bejcugt,  il^m  bie  göttli^e  SRatur  abftreite  (Qu.  100:  ...  Scriptura  testatur, 
J.  Christum  natura  esse  hominem ;  quo  ipso  naturam  illi  adimit  divinam). 
35ie  ^Polemif  gegen  bie  göttliche  9Jatur  ß^rifti  bilbet  ben  anberen  §auptbeftanbteil  ber 
^olemil  be^  ©ociniani^mu^  h)iber  bie  ort^obo^e  Se^re  über^aujjt. 

ausführlich    toirb    auc^  l^ier  j|unäci(ift  beim  ©c^riftbeloeiS  tjertoeilt    3)ie   ©ott^cit 

2og|j;rtfti  folge  nid^t  barauS,  bafe  er  So^n  ©otted  genannt  loirb;  benn  bie  Schrift  nenne 
auc^  anbere  3)lenfci(ien  fo,  j.  33.  §o  1, 10;  3ftö  9,  26.  SBenn  So  3,  16;  9lö  8,  32  gefagt 
tüirb,  bafe  ©Ott  feinen  ©ol^n  in  ben  3:ob  bal^in  gegeben,  fo  folgt  barauS,  bafe  bicfer  ©obn 
toon  5latur  nic^^t  ©Ott  ift,  benn  fonft  tonnte  folc^eS  öon  i^m  niit  au^efagt  toerbeit. 
3luci^  um  beSmiBen  lann  ber  ©o(^n  nid^t  ©Ott  fein,  toeil  fonft  ©ott  fi^  felbfl  Sobn 

26  märe.  SBenn  aber  GbriftuS  ber  eingeborene  ©o^n  ©otte«  l^eifet,  fo  loiH  baS  fo  biel  fagen, 
bafe  er  unter  aü^n  ©ö^nen  ©otteö  ber  borjüglic^fte  unb  ©ott  liebfte  fei,  fotoie  3faal 
unb  ©alomon  um  ä^nlic^er  ®igenfc^aften  tüiuen  in  ber  ©c^rift  auc^  eingeborene  ©ö^nc 
genannt  Serben  ($br  2,  17;  Bpx,  Bai  4,  3.  Cat.  qu.  166).  ©er  9iame  ©o^n  ©ottc^ 
begicl^t  fic^    (ebiglic^   auf    ben    ^iftorifc^en  ß^riftug.    gür   bie   etoige  3^flW"0   ^""<^ 

30  5)ii  5,  1  nic^t  angeführt  h)crben,  h)o  ber  ^rop^et  nur  fo  biel  fagen  toiH,  bafe  ba 
Urfprung  G^rifti  in  baS  2lltertum  hinaufreiche,  in  bie  Rutm  35at)ibS,  beS  Urahnen  be^ 
©tammeS  G^rifti.  gn  ber  ©teile  1  go  5,  20  feien  bie  äÖorte:  „biefer  ift  ber  tua^r^ftigc 
©Ott"  u.  f.  U).  nietet  auf  (S^riftum  gu  bejie^en;  ä©  20,  28  fei  ba«  S5Iut,  loomit  ®ott 
fic^  feine  ©emeinbc  ertoorben,    junäc^ft  ßbrifti  33Iut,   baS  ©otte«  S3Iut  genannt  tperbe 

36  h)egen  ber  innigen  SBerbinbung  ßbrifti  mit  bem  SJater  (Cat.  qu.  116—126).  3o  1,  1 
unb  -fiö  9,  5  fei  baS  (S^rifto  beigelegte  ^räbifat  ©ott  als  aj)j)enatit)ifci^e  Sejeic^nung  be^ 
ainfel^cnS,  ber  SKact^t  ju  faffen,  bie  and)  auf  ©efct^ö^fe  übertragen  Mrben.  SBaS  ba^ 
^räbitat  ffiort,  SogoS  betrifft,  fo  merbc  eS  (S^rifto  beigelegt,  fofern  er  ber  Sertünbigcr 
ber  göttlichen  Offenbarung  ift,  fofern  er  baS  jut)or  in  ©ott  35erborgene  auefjjric^t;  Süb 

40  beS  unfic^tbaren  ©otteS  tüirb  er  in  bemfclbcn  ©inne  genannt  (Äol  1,  16).  ©ott  gictti 
ift  er  3o  5,  18;  ^^i  2,  6  in  $inf4t  ber  3)iac^t  unb  SKirtfamfeit.  3)ie  SBorte:  .,'ii} 
unb  ber  3?ater  finb  6inS",  muffen  nac^  3tnalogie  berjenigen  ©teilen  tjerftanbcn  toerbcn, 
Wo  gefagt  mirb,  baft  bie  ©laubigen  unter  fiel?  einS  fein  follen,  h)ie  er  felbft  unb  ber 
^atct  eins  finb  (^o  17,  11.  22),  b.  1^.  fic  be^ie^en  ftc^  auf  gin^eit  beS  SBittenS  unb  ber 

45  ^JJJacl;t.  3luf  (Einheit  ber  'Slad^i  bc^iel^en  fic^  aud^  bic  ©teilen  ^o  16,  15:  „SlDeS,  ttwis 
ber  äJatcr  l;at,  ift  mein",  ^o  17,  10,  folüie  bie  ^räbitate  ^err,  Äönig  u.  f.  lo. 

Über  bic  ©c^ioicrigteitcn,  mclct^e  für  ben  ©ocinianiSmuS  an^  ben  ©teilen  fic^  p 
gabcn,  tuo  Gl^riftuS  als  j)räc5iftcntcS  SKcfen  erfc^eint  unb  morauS  man  auf  feine  6h)i9' 
reit,  folglid;  auf  feine  ©ott^eit,  einen  ©c^Iufe  ^og,   J;alf   er  [xd)  jiemlid^   leicht  ^intocg; 

50  nirgcnbS  frcilid;  jcigt  feine  lünftclnbe  (£?cgefe  fid?  in  grellerem  iJic^te  als  ^ier.  3Bcnn 
CS  Reifet:  im  Stnfange  tüar  baS  2öort,  —  fo  loill  baS  fagen,  am  anfange  beS  ßtwn* 
gcliumS,  baS  eben  burc^  ben  SluSbruc!  ,,2Bort"  bcjcic^net  hjirb,  gemäfe  ber  SRegcl,  toomi^ 
in  ber  ©d^rift  baS  2Bort  „Slnfang"  auf  bie  bc^anbclte  3)Jaterie  bejogen  toirb  (^o  15,27; 
IG,  1;  %&  11,  15).   2)a  nun  in  ^o  1,  1  baS  (Sijangclium,  beffen  Sefc^retbuna  So^annc^ 

66  übernommen,  bic  subjecta  materia  ift,  fo  l^at  er  ol^ne  3^^^f^I  ""^^  ^^"^  Sporte  „An- 
fang" ben  Slnfang  bcS  (SDangcliumS  ^o^anniS  ijcrftanben  (Cat.  qu.  104).  SBenn  ferner 
gelehrt  ioirb,  bafe  burd)  baS  JiJort  ober  burd;  G^riftum  3llleS  gemacht,  gefc^affen  toorben 
{^0  1,  3;  ^lol  1,  HO,  fo  tüirb  baS  äBort  „5lllcS"  md)  berfelben  SRegel  toieber  auf  bie 
subjecta  materia  bc.^ogcn  unb  mufe  nun  alleS  baS  bebeuten,  h)aS  jum  (StKingelium  ße- 

tio  ^ört;   bemnad;  locrben  jene  SluSfprüc^c  'oon  ber  fittlic^en  9Jeufc^öJ)fung  beS  G^riftentum^ 


Socin  475 

öcrftanbcn.  3)ie  ©tcHc  3io  1,  10,  toonac^  huxd)  ba«  SBort  bic  SBelt  gcmad^t  ift,  tann 
nad)  bcm  ©ociniantemu^  auf  xtocicrlci  3lrt  ouggclegt  tocrbcn;  enttueber  fo,  bafe  baö 
menfc^Uc^e  ©efc^Icd^t  burc^  G^rtftum  neu  gcbilbct  unb  glcid^jam  tutcbcr  gcfc^affcn  Sorben 
(reformatum  et  quasi  denuo  factum),  ober  fo,  bafe  jene  Unfterblicllcit,  bie  toir  er^ 
tparten,  burc^  ßl^rtftum  ju  ftanbe  gebracht  jet,  —  hjonac^  ber  Slu^brudE  „SBcIt"  im  ß 
Sinne  bon  julünftiger  SBclt,  futurum  seculum,  genommen  h)irb  (Cat.  qu.  127—131). 
So  mufe  and)  bie  SteHe  §br  1,  2,  ®ott  Ij^abe  burci(i  ßbriftum  bie  al(bvag  gefc^affen,  ben 
Sinn  geben,  bafe  6lj;riftu«  burd^  feine  Sluferftel^ung  Srbe  atter  2)inge  geh)orben  ift;  bie 
alcüveg  bejiel^en  [\d)  nämlic^  auf  bie  3"'""f^  ^-  ^-  ^"f  *^i^  ^"^^  G^riftum  eingeführte 
l^ö^ere  SBeltorbnung  (Cat.  qu.  134).  —  9lun  aber  fd^ien  ber  Segriff  ber  SKenfc^toerbung  lo 
felbft  auf  eine  ^räepftenj  G^rifti  ju  führen.  ®a^er  h^erben  alle  barauf  be^üglid^en 
Stellen  anber^  gchjenbet;  bag  6  loyog  oäg^  iySveio  Qo  1,  14)  befagt  nur,  ba|  ber« 
jenige,  burc^  ben  ®ott  feinen  SBillen  geoffenbart  ^at,  unb  ber  be^^lb  toon  3«>i^önne^ 
„aSäort"  genannt  loorben,  aDem  menfc^Iici(ien  SIenbe  unb  bem  5Cobe  unterworfen  getuefen; 
^Icifc^  bebeutet  ^icr  ba^felbe  loie  in  ©en  6,  3;  1  ^^Pt  1,  24,  unb  iyeveio  f)at  ni6)t  bie  i6 
Sebeutung  be«  SKerbeng,  fonbem  be^  Sein«,  toie  in  ^o  1,  6  unb  Sc  24,  19  (Cat.  qu. 
144.  145).  gn  ber  St.  $^i  2,  6  fönne  göttlid^e  ©eftalt  nic^t  fo  biel  fein,  aU  göttlic^fc 
9Jatur,  ba  e«  ijÄ^t,  baft  G^riftu«  berfelben  fic^  entäufeerte,  toä^renb  boc^  ®ott  fxq  feiner 
DJatur  nic^t  entäufeern  fann.  Änec^tögeftalt  bebeute  auc^  nid^t  bie  menfdjflic^e  9latur  an 
fic^,  fonbem  einen  befonberen  3wf^^"*>  ^^^  ^Kenfdjfcn;  bemnad^  fei  ber  Sinn  ber  SteHe  20 
biefer,  bafe  ßl^riftuö,  ber  in  ber  SKelt  gleic^h)ie  ®ott  bie  SBerle  ®otte«  Derrid^tete,  unb 
bem,  gleid^tuie  ®otte,  alle«  untert^an  toax,  unb  bem  göttlid^e  Slnbetung  bargebrac^t  tourbe, 
al«  ein  Änec^t  unb  SHatoe  geworben  ift,  al«  ein  ganj  vulgärer  SRenfd^,  ba  er  freiwillig 
fic^  ergreifen,  binben,  geißeln  unb  töten  liefe  (Cat.  qu.  147—149)  u.  f.  f. 

au«  ben  SteHen  30  3,  13.  31;  6,  36.  62;    16,  28  folgert  ber  Sociniani«mu«  eine  25 
zeitweilige  Sierfe^ung  G^rifti  in  ben  ^immel.    Gr  fott  nämlic^   furj   bor  bem  Antritte 
feine«  Sel^ramte«  auf  Wunberbare  3Beife  in  ben  §immel  entrürft   toorben  fein,    um   l^ier 
bon  ®ott  in  eigener  ^JJerfon  in  ben  2ßa^rl^eitcn  be«  Gl^riftentum«  Unterrid^t  ju  emjjfangen. 
3)er  Cat.  qu.  194  berü()rt  bie  Sac^e  fe^r  furj  unb  fü^rt  nur  jene  Sc^riftgeugniffe  bafür 
an.    6inge$enber    ^anbelt  Socin  in  ber  Brevissima  institutio  p.  675  bon  biefem  30 
raptus  in  coelum.    2luc^  $aulu«  fei  in  ben  britten  §imme(  entrüdtt  toorben  unb  ^abe 
bafclbft  unau«f})rec^Iic^e  SEBorte  gehört,  Warum  nic^t  aud^  Gl^riftu«?    CS«  fei  möglich,  bafe 
biefc  ©egenWart  im  §immcl  unförjjerlid^  War;    Wa^rfcbeinlic^  jebodji   fei  Gl^riftu«  nic^t 
blofe  bem  ®eifte,  fonbem  auc^  bem  £eibe  nac^  bafelbft  geWefen,  —  Wie  benn  aud^  9Jlofe, 
t>or  33eröffcntlid^unp  be«  ®efe$e«,  40  %aQt  lang  auf  bem  Serge  Sinai  mit  ®ott  Don  35 
^Ingeftc^t  ju  3lngefid(|t  Derfc^rte  unb  bon  i^m  Unterricht  über  ba«  ®efe^  emj)fing.    SKie 
3Kofe«  äntittoj)u«  G^rifti,  fo  ift  Sinai  äntitVJ)u«  be«  ^immcl«. 

3ur  Sc9riftbeWei«fül^mng  Wiber  bie  ®ott^eit  Gbrifti  gefeilt  ber  Sociniani«mu«  feine 
SSerfuc^e  ^ur  GrWeifung   ilj^rer  SemunftWibrigfeit.    3(1«  J)ofttit)e  33eWeife  berfelben   l^ebt 
ber  Cat.  Rac.  u.  a.  IfjerDor:  1.  ^\m  abfolut  Derfc^iebene  Subftan^en  lönnen  unter  feiner  40 
Sebin^ung  in  Giner  $erfon  jufammengel^en.  Weil  Sterblic^Ieit  unb  Unfterblic^feit,  SSer^ 
änberltd^teit   unb  Unberänberlid^Icit  burd^au«  nic^t   in  berfelben  ^crfon   bereinigt  fein 
fönnen,  unb  Weil  bann   ftatt   einer  jWei  ^erfonen  ^erau«Iämen,  Wir  alfo  ^Wei  G^riftu« 
anzunehmen  l^ätten  (qu.  98).   2.  Soll  bie  Union  ber  beiben  9?aturen  eine  unjertrennlid^e 
fein,  bann  lonnte  Gl^riftu«  unmöglid(i  fterben,  ba  ber  3:ob   eine  3:rennung  borau«fc$t ;  46 
benn  Wie  lonnte  ber  Rör^)er  G^rifti  tot  fein,  Wenn  bie  ©ottl^eit  mit  i^m  bereinigt  blieb? 
3.  äl«  §ö^ej)unft  ber  9SemunftWibrigfeit  erfc^ien   ben  Socinianem  bie  communicatio 
idiomatum  be«  lutl^erifc^en  Se^rbcgriffe«.    SBon^ogen   meinte  mit  33ejug   auf  bie  Ubi^ 
quität  be«  Seibe«  G^rifti,   bafe  nac^  biefer  Seigre  G^riftu«,    nad^bem   er  fc^on  bon  feiner 
SMutter  geboren  Worben,  ftc^  boc^  nod?  im  uterus  berfelben  befunbcn  ^be  (Declaratio  so 
duarum  contrariarum  sententiar.,  in  ber  Bibl.  Fr.  Pol.  V,  c.  17). 

3)oc^  begnügt  ber  Sociniani«mu«  \xd)  nid(|t,  G^riftum  al«  blofecn  SRenfc^en  ju  be^ 
Rubeln.  35a  er  benn  boc^  an  ber  Schrift  feft^ält,  fo  tann  er  nxd)i  umlj^in,  G^riftum 
über  bie  Sinie  ber  3Kenfd^^eit  ju  ftellcn.  Der  iStat  bemeint  e«  entf trieben,  bafe  ^c\u^ 
ein  3Kenfc^  geWefen  fei  Wie  alle  anberen  ^3)lenfc^cn,  ein  purus  et  vulgaris  homo.  55 
Dftorobt  brüdt  ba«  fo  an^,  bafe  G^riftu«  etwa«  me^r  War  benn  alle  anbere  3)lenf4)en. 
3)iefe«  „me^r"  begießt  fic^  nicbt  auf  ba«  SBefen,  fonbem  auf  bie  Gigenfc^aften  be« 
aSefen«.  G^riftu«  ^at  nämlic^  gcwiffc  i^or;;üge  bor  allen  anberen  3)lenfc^en.  G«  ift 
t)^^fif(^  anber«  erzeugt  al«  alle  anberen  3Renfc^en,  b.  f},  ohne  ^wtlf^un  be«  9Kanne«,  wobei 
borau«gefe^t  wirb,  bafe  ®ott  ben  bcfruc^tenben  männlidj^en  Samen  auf  Wunberbare  3Beife  go 


476  Sms 

gcfd^affcn  l^abc  (Cat.  Rac.  qu.  9G;  Soctn,  Breviss.  inst.  p.  654»;  Cjbrobt,  Untere 
rid^t  Ä.  fi,  S.  18  2c.).  äufecr  bicfcm  Jj^tofifc^cn  ^t  (^frifUi^  einen  moTalif(^  3?otju|H 
tjor  aüen  anbeten  Slenfc^en,  nämlidSf  ben  ber  tjoDfommenen  ^eiliflfeit  unb  @ered»tig!ett 
unb  ber  barau^  fu^  ergebenben  ä^nlic^feit  mit  ©Ott.    6in  bntterSor^g  S^nftt  tfl  ber 

6  ber  Wac^t.  Me  Singe  fmb  i^m  unterworfen;  h)ie  Die  i^errf(^ft  be^  iRenfc^  über 
bie  (Srbe  ba^  Qbenbilb  @otte^  in  i^m  lonftituiert,  fo  bie  t)on  ®ott  G^fto  übertragene 
Wac^t  beffen  ©ott^eit.  3nfofem  Reifet  er  Um^r^ftiger  ©Ott  1  ^o  5, 20  (Cat  qu.  120). 
Sofern  G^fto  in  biefem  Sinne  ©ott^eit  ^ugef^rieben  tourbe,  forbert  ber  eodnionidmu^ 
für  i^n  göttliche  SJere^rung.    G«  gab  eine  Partei  unter  ben  Unttariem,  toelc^e  übrifto, 

10  lüeil  er  nic^t  eigentlich  ©Ott  fei,  bie  göttliche  SSere^rung  toertoeigerten.  SBie  fc^on  Socin 
um  be^n)i(Ien  ben  $ü^er  biefer  9{onaboranten)>artei  aU  bed  c^ri^tc^  9tamen^  untoürbtg 
bejeidjinet  ^atte,  fo  erflärte  auc^  berÄat.  biejenigen,  qui  Christum  non  inTocant  nee 
adorandum  censent,  für  Unc^riften,  ba  fie  in  ber  Zfyit  ßbriftum  nic^t  ^tten  (Pror- 
sus  Don  esse  christianos  sentio,  quia  reipsa  Christum  non  habeant,  qu.  246). 

15  35ie  Rauptet  biefer  ^artei  loaren  ^alob  5PaIäoIogu«,  3o^.  Sommer,  üKatt^u^  ©liriu^, 
granj  3)at)ibig,  (S^riftian  granfen.  Socin  befämt3fte  bie  beiben  legten  in  35i^utationcn, 
ben  erften  1578  unb  1579,  ben  jtoeiten  am  14.  SKärj  1584,  unb  gab  bie  Ser^blungcn 
im  3)ruc!e  ^erau^;  fie  finben  \id)  in  ber  Bibl.  Fr.  Pol.  Vol.  II.  ©egenüber  ibrem 
S^ttogi^mu«^:  „Xk  Anbetung  gebührt  allein  ©ott,  ßl^riftu«  ift  nic^t  ©Ott,  olfo  barf  er 

20  auc^  nic^t  angebetet  toerben",  Werben  focinianifc^erfeit«  bie  Stellen  in^  gelb  gefübrt,  too 
bie  ©laubigen  aufgeforbert  Würben,  ben  So^n  ju  e^ren.  Wie  fie  ben  3Sater  e^rcn:  3o5, 
22.32;  5ß^i2,9— 11;  ^o  14, 13;  15,  16;  16,23—26;  ^br4, 14  k.  (Cat. qu. 239— 243). 
2)iefe  göttliche  Sere^runa  G^rifti  fei  feine  äJerlefeung  be«  ©ebote«,  ©ott  allein  anzubeten. 
3Denn  alle  G^rifto  bargebrac^te  Serc^rung  gereiche  jur  G^c  bed  3Sater«  (in  Dei  Patris 

•jögloriam  redundat,  Cat.  qu.  244);  ba«  ©ebot,  feine  fremben  ©ötter  ju  ^aben,  gelte 
|ier  nic^t,  ba  G^riftu^  fein  frember  ©ott  ift,  fonbem  bie  93ere^rung,  bie  Wir  i^m  bar- 
bringen, ber  bc^  aiJater^  untergeorbnet  ift.  ©ott  Werbe  bere^rt  aU  erfte  Urfac^e  unferc^ 
§eile^,  jener  aU  bie  ;\Weite;  biefer  al^  bcrjcnigc,  au^  bem  äUed,  Gbriftu«  ali  berjenige, 
burc^  welchen  aiBc^  ift  (Cat.  qu.  245). 

90  1.  3)er  focinianifc^en  Se^rc  bon  Gl^rijti  SBcrf  gebü^  ein  befonberer  Slbfc^nitt. 
3)er  Äcm  beffen,  tva^  Gl^riftu^  jum  §eile  ber  -iKenfc^beit  gcWirft,  brängt  ftdjf  für  ben 
Soctniani^muö  in  fein  })ro))^etifc^c^  unb  föniglici(ie^  Slmt  jufammen.  3)0^  bohc= 
pricftcrlic^e  Slmt  ift  nur  ein  3tccibenj  be^  föniglic^en,  unb  Wirb  nic^t  Wegen  feiner  eigen- 
tümlid^en  Sebcutung,    fonbem   nur  ber   trabitioneHen   ©eWo^nbeit   ^ulieb   mitbe^nbclt 

86  (Cat.  qu.  191).  3"  feinem  i^ropl^etifc^cn  Slmtc  Würbe  G^riftu«  burc^  jenen  Unterricht, 
ben  er  im  §immcT  crl^alten,  befäl^igt.  2)er  gnl^alt  ber  burc^  i^n  un^  mitgeteilten  Offen- 
barung ift  Wcfentlid?  ©efc^,  beffen  ^Wei  ^eftanbteilc  ©ebote  unb  SSer^eifeungen  finb 
(praecepta  et  promissiones ;  togl.  oben).  Stufeer  bem  neubeftätigten  unb  burd^  bielc 
neue  SBorfd^riften  erweiterten  3Koralgefe^e  be^  Sllten  33unbe^  lj;at  Gbriftu^  auc^  ein  eigen-; 

40  tüutlic^ee  Gcrcmonialgebot  gegeben,  nämlic^  ba^  ^l.  2lbenbma^l.  35er  !^at  gicbt  auf 
bie  S^agc  333,  „Weld^c^  fmb  bie  gemeinhin  fog.  Geremonialgebote  G^rifti:!;"  bie  Slnttoort: 
„cö  giebt  nur  cine^,  nämlic^  baö  'BJal^l  bc^  ^erm".  ©a^er  berfelbe  Äat.  ba«  äbenb^ 
maf^l  iJoranftcUt  unb  crft  nac^^er  bie  2:aufe  berül^ret.  Diefe  Drbnung  ift  in  ber  Stu^abe 
Don  1684  umgcfebrt,  unb  ftatt  bafe  baö  3lbenbma^l  ba«  einzige  Geremoniatgebot  genannt 

15  wirb,  finbet  fid;  l)icr  bie  2lntWort,  bafe  „in  ber  Sirene  G^rifti  immer  jWei  äufeerlicl^c 
rcligiöfc  Blüten  im  ©ebraucf^c  geWcfcn  finb,  nämlid^  2:aufe  unb  ©rechen  be«  Srote^/' 
2luf  beibc  3lfte,  ben  be«  Untertauchen«  in  ber  'Xaufe  unb  ben  be«  Srotbrec^en«  beim 
2lbenbma^(  Wirb  ibrc«  ft;mbolifc^en  Sinne«  Wegen  ber  ftärffte  9Jac^brud  gelegt.  3Ba^ 
bie  Se^rc  Dom  !:Ubcnbmal?l.  betrifft,   fo  Wirb  gleic^erWeifc  bie  fat^olif^e,   lutberifc^e  unb 

M)  ca(oinifd;e  DerWorfcn.  atl^nlid)  Wie  bei  ^Wingli  rebujiert  ftc^  alle«  auf  eine  blo^e  ßr- 
innerung  an  ben  Xob  Cl)rifti  (commemoratio  mortis  Chr.);  babei  Wirb  ber  3lamc 
Safranient  für  biefc  Geremonie  al«  unftatt^aft  abgelel^nt  (Cat.  qu.  334—338;  ^^• 
Dftorobt,  i^ölfc(  :c.).  —  2)a«felbc  gilt  für  bie  iaufe,  Don  ber  obenbrein  be^uj)tet  trirb, 
fie  fei  gar  nid;t  al«  Geremonie  Don  bleibenber  ©iltigfeit,  fonbem  nur  für  bie  erften  ^Ätm 

55  be«  Gbriftentum«  cingefe^t  Worben.  Sie  ift  ihrer  urfjjrünglic^en  93ebeutung  nat^  nickte 
al«  ein  äufjerlic^ier  ')(itu«,  Woburd^  biejenigen,  Weld;e  Dom  ^wbentum  ober  Dom  Jpeibentum 
^ur  d;riftUd;cn  3{eligion  fid)  Wenbeten,  öffentlich  befannten,  bafe  fie  G^riftum  al«  t^ten 
^crrn  anerfanntcn  (Cat.  qu.  olfJ);  bie  i)eflaration  eine«  inneren  SSorgange«  berSBiebct- 
gcburt,   bie   mit  bem  finnlicben  Glemente  in  feinem  3iaj)>)ort  fte^t.    3)a^er  bebürfen  bie 

60  im  Sd;o^c  ber  d;riftlic^en  ftird;e  ©eborenen  ber  I^uf e  nic^t ;  bieSBorte:  „Wer  ba  glaubt 


Soctti  477 

unb  getauft  toirb,  ber  h)irb  fclig  toerbcn"  ftnb  tjon  ber  Sufee  ju  Dcrfte^cn,  meiere  bic 
©cclc  rein  toäfd^t  unb  be^to^gen  bie  ajer^ctfeung  be«  ch)i0en  ficbenö  f^at.  gür  bie  Äinber 
ift  biefer  SHttug  auf  feine  SBeife  beftimmt,  ba  bic  ©c^rift  hierfür  lein  ®ebot  unb  lein 
Seifpicl  gicbt,  unb  ba  bic  Äinber,  h)ie  \id)  öon  felbft  Dcrftel^t,  nic^t  fä^ig  finb,  (S^riftum 
al^  il^ren  §erm  anjjuerlcnnen;  obenbrein  feien  nac^  1  Äo  7,  14  bie  Äinber  c^riftlic^er  ß 
ßltem  fd^on  o^ne^in  beilig.  3"*^^ff^"  f^i  ^i<^  Äinbertaufe,  toenn  auc^  ein  Irrtum,  bod^ 
nic^t  ©ünbc  (Cat.  1.  c).  35icfe  3luffaffung  ber  3:aufc  ^atte,  fotoeit  ftc  ber  lonfequenteren 
tpiebertäuferifd^en  entgegenftanb,  9Mü^c,  burc^^ubringen ;  ftc  erlangte  1603  ben  Sieg  auf 
einer  (B\)noU  Don  SRafoto.  3n  ben  fj)äteren  ausgaben  be«  Äatec^ilmu^  iüurbe  gelehrt, 
bafe  bic  3^aufe  auf  Äinber  angetoenbet  jtDar  feinen  ©inn  habe,  man  aber  bic  Äinbcr=  lo 
taufe,  aU  uralten  (Sebraud^  ber  Äirc^e,  nid^t  abfolut  Derbammen  bürfe. 

3)a^  ßl^riftentum  l^at  aber  nic^t  blofe  ©ebote,  fonbem  auc^  ^Ber^ctftungcn.  35iefc 
fxnb  1.  ba^  eh)ige  Seben,  eine  bem  31%  eigentümliche,  bem  312  aber  unbefanntc  3Ser- 
^eifeung;  benn  nur  ein  §offen  auf  etoige^  §eil  olj^ne  göttlichen  aier^eifeung^runb  fanb 
bei  ben  altteftamentlid(ien  frommen  ftatt  (Cat.  qu.  352.  355).  2.  3)er  l^eilige  ®eift,  i6 
ber  nic^t  aU  $erfon  gu  benfen  ift,  fonbem  lebiglic^  ate  Äraft  ober,  SiJirffamfcit  (Sottet, 
bic  Don  biefem  auf  bie  3Menfc^en  übergebt.  6^  giebt  eine  bo^^cltc  äufeerung  be^  ^eiligen 
©eifte^,  eine  temporäre,  in  ben  erften  Seiten  ber  Äirc^e,  in  bie  Slugcn  fattcnb,  beftel^enb 
in  ben  aSJunbergaben,  gum  Schüfe  ber  Sefeftigung  be^  ßj^riftentum«.  3(1^  biefer  S^e^ 
encid^t  toax,  ^örte  fic  auf  unb  e«  trat  bie  jtüeite  3lrt  ber  2lu^erung  ein,  bic  nic^t  in  bic  20 
atugen  faDenbe.  3!)iefe  ift  teite  objcftito,  teifö  fubjeftit),  b.  1^.  fic  ift  teitö  ber  ©eift  ber 
Offenbarung  (spiritus  revelationis),  ber  mit  bem  ßtoangclium  ;\ufammenfäDt,  tcil^  bie 
in  ben  ^erjen  ber  ©laubigen  getoirfte  ©ctoifel^eit  ber  ctoigen  ©etiglEcit. 

3n  ben  Sercic^  be«  }3rop^etifd;cn  Sfmte«  Gl^fti  gel^ört  ferner  fein  3:ob,   unb  ba^ 
ift  eben  bie  tocfentlicljc  93ebeutung  be^felben.  3)er  ^npali  ber  neuen  Offenbarung  beburftc  25 
einer  Seftcgclung;    biefe  gefc^ie^t  auf   breifad^e  SBcife,   burc^  G^rifti  ©ünbloftgfeit  unb 
^eilige«  Seben,   burc^   feine  ffiunber,  burc^   feinen  2ob.    3!)arauf  toirb  bie  ©teile  1  ^0 
5,  8  belogen:  brei  ftnb  bic  ba  jeugen  auf  Srben,  ©eift,  SBaffer  unb  93lut;    ber  ©eift 
iüirft  SBunber,  ba«  Söaffcr  bebeutet  bie  SRcin^eit  be«  Seben«,  ba«  Slut  ben  3:ob  (Cat. 
qu.  374);  ba«  §au)3tgch?ic^t  in  jenem  ©efc^äftc  ber  Scftcgelung  toirb  aber  auf  benS^obao 
gelegt.    2)ie  fati«faftorifc^e  ©eltung  be«felben  al«  einer  Seiftung  be«  $o^en})riefteramte« 
G^rifti  tüirb,  mit  DicIfadS^cn  Slnflängcn  an  ba«  Stäfonnement  ber  fcotiftifc^en  ©c^olaftifer, 
nac^brürflici(i   beftritten  (godt  II,  615ff.;   Sitfc^l  I,  316 ff.:   i^amacf  III,   717f.).    5Wur 
al«  Seftätigung  be«  bur^  \f)n  pxopi}^ti](i)  Dcrfünbigten  aJJiuen«  ©otte«  toar  ber  SLob  bc« 
^erm  nottoenbig  j\um  §eil  ber  SKenfc^en.    33eftätigcn  aber  mu^te  er  ©otte«  §eil«h)illen  35 
in  bo}3j)cIter  ffieife:   juerft  fo,  bafe  er  un«  ber  großen  Siebe  ©otte«  tocrfic^erte,  toermöge 
tDcIc^er  biefer  un«  fc^enfen  toiH,  ma«  er  im  9t.  93unb  Der^eifet  Qo  3,  16;  9lö  5,  8  2c.); 
fobann  fo,  bafe  toir  burc^  bie  Slufcrftcl^ung  G^rifti,  toclc^e  nottoenbig  ben  lob  toorau«^ 
fe^t,   unferer  eigenen  2luferfte^ung   unb  be«  etüigcn  Seben«  Derfid^ert  tuerben,  unter  ber 
Sebingung,  bafe  W\x  ben  ©eboten  be«  $erm  ^cfu  ©e^orfam  Iciften.    ^enn  baburc^  h)irb  40 
un«  gegeigt,  bafe  bieienigen,  bie  ©ott  ge^ord^cn,  au«  jebcr  2lrt  be«  3:obe«  erlöft  h)crben, 
unb  ba|  G^riftu«  biejenigc  2Kad(|t  erlangt  ^at,  toermöge  toeld^er  er  benen,  bie  ilf^m  golgc 
leiften,  ba«  eh)igc  Seben  geben  fann.    §terau«  folgt,  bafe  unfer  §eil  eigentlich  me^  bon 
ber  äuferfte^ung  G^rifti  al«  üon  feinem  3:obe  abfängt;    fc^reibt  bie  ©c^rift   e«  nic^t«s 
beftotoeniger  bem  lobe  G^rifti  gu,  fo  fommt  bie«  bal^er,  bafe  ber  lob  ber  Uebergang  jur  45 
2luferfte^ung  \vax,  unb  baft  Dorgüglic^  ber  lob  Gl^rifti  un«  bic  Siebe  ©otte«  bor  3lugen 
ftettt  (  Cat.  qu.  386.  387).    3Öie  benn  ©ocin  G^rifti  2luferftel?ung  gerabeju  caput  et 
tanquam  fundamentum  totius  fidei  et  salutis  nöstrae  in  Christi  persona  nennt 
(gemäfe  1  Äo  15, 14ff.).    a)ie  3luffaffung  be«  3:obe«  al«  einer  ©cnugt^uung  für  unfere 
©ünben  beftreitet  ber  ©ociniani«mu«  al«  falfc^,   inig  unb  tocrbcrblic^  unter  Beibringung  50 
ja^lreic^er  Slr^umcnte  au«  ©d(irift  unb  Semunft  (Cat.  qu.  388—414). 

2)a«  föniglic^e  ätmt  Gl^rifti  befte^t  barin,  bafe  ber  Don  ben  loten  Slufcrtoecfte  unb 
in  ben  $immcl  atufgenommene  jur  Siechten  ©otte«  ft^t,  bafe  i^m  alle  ©etoalt  im 
§immel  unb  auf  Grben  übergeben  ift,  ba^  alle  feine  geinbe  i^m  ju  güfeen  gelegt  ftnb, 
fo  bafe  er  bie  ©einen  regieren,  fc^ü^cn  unb  in  Gtüigfcit  betua^ren  fann.  G^riftu«  ift  nun  55 
gch)iffermafeen  ©tattl^alter  ©otte«.  9luf  bie  grage:  toa«  Reifet  e«,  jur  Siedeten  ©otte« 
fi|cn?  giebt  ber  Cat.  qu.  472  bie  älnttoort:  an  feiner  ©teHe  regieren,  vices  Dei  ge- 
rere;  bodjf  ift  biefer  3lu«brudf  in  beraiu«gabe  Don  1684  au«gelaffcn  toorben.  35ie  fönig^ 
Itdj^e  §errfc^aft  Gl^rifti  ift,  h)ie  Oftorobt  bcmerft,  „bie  Dorne^mfte  Urfac^e,  unt  tuclc^er 
toiJDlen  er  unfer  $etlanb,  unb  ©ott  unb  ©otte«  ©o^n  tft  unb  genennet  toirb''.  ©ie  boQs  eo 


478  Soctn 

mbct  fxd)  barin,  bafe  6^ri[tu^  bic  ©einen  tüicber  in  bag  fieben  ruft  unb  i^nen  llnfter6= 
lic^Ieit  f^enlt,  bafe  er  über^auj)t  al^  SRid^ter  über  Die  Sebenbigen  unb  bie  2üten  iebem 
md)  feinen  Söerlen  vergelten  toirb.  3)ie  Sr^ö^ung  ßbrifti  unb  fomit  auc^  fein  löniglic^e« 
ämt  beginnt  nic^t  mit  ber  äuferftc^ung,  fonbem  crft  mit  ber  äuffal^rt,  ba  er  ben  t)er- 

5  Härten  Seib  empfing  unb  jur  Siedeten  be^  SSatcr^  ftd^  fe^te.  3)er  ©ociniani^mu^  nä^c 
anfangt  and)  c^iliaftifc^c  3been;  burc^  ben  ©influfe  Socin^,  ber  fte  fc^riftlic^  belämjjfte, 
gcfic^a^  e«,  bafe  fte  toenigftcn^  t)on  ben  bebeutenbcren  focinianifc^en  Il^cologcn  nic^t  t)or= 
getragen  tourben,  h)ic  bcnn  auc^  im  Äat.  feine  Bpux  babon  fic^  finbet. 

3)a«  ^ol^e^)riefterlic^e  2lmt  l^ängt  mit  bem  löniglic^en   enge   jufammen.    SSermögc 

10  biefe^  le^teren  fann  ßl^riftu^  ung  in  allen  9Jötcn  ^u  Äilfc  lommen ;  bermöge  jenc^  erfteren 
to'iil  er  ung  ju  $ilfc  fommen  unb  fommt  ung  h)irfli4  J^u  §ilfe,  unb  biefe  2lrt  feiner 
§ilfelciftung  ^eipt  (figürlich)  fein  Dj)fer.  3)cmnac^  ift  ba^  l^ol^ej)ricfterlici^e  2lmt  nur 
fubjcltit)  t)om  löniglic^cn  berfc^ieben,  nur  beffcn  boHe  SBirllic^feit.  3)ie  Urfac^e,  toarum 
ßbrifti  l^ol^ej)rieftcrlic^e«  Dj)fer  erft  im  §immcl  gebracht  tpirb,  ift,  ba^  e«  ein  Xabemafel 

15  erforberte  angemeffen  ber  Sefc^affenl^eit  be«  §ol^enj)riefterg.  ©o  lange  ß^riftu^  auf  ßrben 
toax,  toar  er  noc^  nic^t  §o^er})riefter,  nad^  $ebr  8,  4;  7,  26  k. 

5.  S)ag  foteriologifc^e  Se^rgebict  jeigt,  cntf^red^enb  ben  bargelegten  antf^xopo- 
logifc^en  unb  d^riftologifc^en  ^Ißrämiffen,  eine  mcfentlic^  j)clagianif(^e  ©eftalt.  2)em  SWenfc^en 
toirb  ®otte«  SBiHe  funbget^an   mit  feinen  Ser^eifeungen ;    barauf  folgt  bic  SBUIcn^ 

20  beftimmung  be«  3Renfc^cn,  bem  göttlichen  ©efe^e  ©el^orfam  ^u  leiften ;  barauf  crgicbt 
ftd^  bie  innere  SSerftegelung  ber  äufeerli^  bemommenen  3Serl^ci^ung,  tüorin  fic^  bic  gött- 
liche Unterftü^ung  boHcnbet.  3"  cinjelnen  bcfonberen  Ratten  tritt,  na^  ©ocin^  Slnft^t, 
ein  unmittelbare^  (gingreifen  in  bie  ©elbftbcftimmung  be«  SJlenfc^en  ein.  2)a«  ©chjö^n- 
lic^e  aber  ift  ber  angegebene,  bie  tücfentlicl^e  Autonomie  be«  menfc^lic^en  SBittcn^  borau^ 

25  fe^enbe  ^rojefe. 

3)ie  ^Rechtfertigung  burc^  ben  ©lauben  mirb  gelehrt,  aber  freilid^  mit  ftarfen  Stb^ 
tücicl^ungen  bom  ortJ^oboj-cbangelifc^en  fiel^rbegriffe.  35er  ©laube  entl^ält  in  ftd^  brci 
SJlomente:  1.  ben  2lffenfug,  tüobur^  iüir  ^^fw  S^^c  aU  \üa\)x  belcnnen;  biefcr  (Slaubc 
bringt  nic^t  notmcnbig  ba^  §eil;  2.  bag  2^crtrauen  auf  ®ott  burc^  ßl^riftum,  h)a«  auc^ 

30  bag  Vertrauen  auf  6|riftum  in  fic^  enthält ;  baran  rei^t  ftd^  3.  ber  ©el^orfam  gegen 
®ottc^  ©cbote.  6rft  fofem  ber®laube  audj^  bie^  lefttere  leiftet,  bringt  er  baö  §cil  unb 
ift  rec^tfertigenb  (Cat.  qu.  416—421).  2)er  Segriff  ber  ^Rechtfertigung  mirb  junäcbft 
fo  gefaxt,  mie  bei  ben  9lcformatorcn  im  ©egenfa^e  gu  ber  lat^olifc^cn  Scftimmung. 
Justificatio  est,  cum  nos  Deus  pro  iustis  habet,    quod  ea  ratione   facit,    cum 

35  nobis  et  peccata  remittit  et  nos  vita  aeterna  donat  (Cat.  qu.  453 ;  bgl.  ©ocin^ 
Praelectt.  c.  15  unb  Tr.  de  iustificat.,  Opp.  I,  p.  602).  SlDein  ba«  ©ered^tge^altcn= 
ober  sgefprod^enmcrbcn  um  Gl^rifti  miHen  l^at  bei  ben  ©ocinianern,  tbcil  i^nen  bcrSati^^ 
faltion^begriff  in  ber  (Srlöfunggle^rc  fe^lt,  einen  tvefentlic^  anbercn  ©inn  ate  bei  ben 
übrigen  cbangclifc^cn  Äird^engemeinfd^aften.  „©Ott  ber^eil^t  un«  auc^  fc^on  o^ne  blutigen 

40  Dpfertob  ß^rifti,  au«  Siebe,  unb  ß^riftu«  fül^rt  un«  nur  gu  i^m  l^in"  k.  3)er  ©laubc 
toirtt  unfere  ^Rechtfertigung  toefentlic^  nur,  fofem  er  ©el^orfam  gegen  ß^rifti  ©ebote  unb 
Vertrauen  auf  Ser^ei^ung  be«  eh)igen  Seben«  ift.  S^ie  Üöerfe  finb  ba«  eigcntlid^  ^)iec^t^ 
fertigenbe;  bafe  fie  immer  unbotlfommen  finb,  mac^t  bie  Slecl^tfertigung  nicf)t  unmöglich, 
g«  fommt  auf  ba«  33cftreben   an,  (S^rifto  ge^orfam   fein  ju  tooHen,   auf  ba«  im  ©eiftc 

45  SBanbcln,  nid^t  nad)  bem  glcifd^e.  3)ie  ^"^^^"""Ö  ^^"^  fremben  ©ered^tigfcit  ift 
nid^t  biblifc^  begrünbct;  ba«  ©rgreifen  ber  ©erec^tigfeit  ß^rifti  ift  ein  menfc^lic^e«  günb= 
lein  2c. 

().  Die  Se^re  bon  ber  Äirc^e  bietet  manche  äl^nlicl^leit  mit  ber  ebangclifc^cn, 
befonbcr«  in  iljrer  reformierten  gaffung.    35er  Cat.  qu.  488  ff .  erörtert  in  J)roteftantifc^cr 

50  JiJcife  ben  Unterfc^ieb  ber  fic^tbarcn  unb  ber  unfic^tbaren  itird^e.  211«  Äennjeic^en  ber 
maljren  Äirc^e  loirb  bic  gefunbc  Seigre  angegeben ;  bie  fid^tbare  Äirc^e  ift  „coetus  eorum 
hominum,  qui  doctrinam  salutarem  tenent  et  profitentur."  2llfo  ein  cinfeitig 
boftrinärcr  Äirdbcnbegriff!  3)ie  ^ird^e  gilt  ben  ©ocinianern  al«  ein«  mit  ber  Bd^nU 
magrer  ©otte«ertcnntni«.    „Der  ©ociniani«mu«  ^at  in  ber  gangen  3^^^  \^xnt^  Sefte^cn« 

55  h)efent(iA  bic^orm  einer  t^eologtfd^cn  Slfabemic  befcffen"  (§arnad  ©.722, 91. 1).—  Setreff« 
be«  Sird^cnregiment«  (Cat.  qu.  491—508)  mirb  bon  bem  ©runbfa^e  au«gegangen,  bafe 
ba«fclbc  bom  li^ltlid^en  9legimcntc  forgfältig  j^u  untcrfd^cibcn  fei.  35a«  Äirc^enregimcnt 
ift  infofcrn  monarcl)ifcl),  al«  ß^riftu«  ber  König,  ba«  ipaupt  ber  Jlird^e  ift,  aber  unter 
i^m  finb  alle  gleid^;    alle   ftc^cn  gu  i^m  in  bcmfelbcn  i>er^ältniffe  unb  l^aben  bicfclben 

CO  Jlcd^te.  2)a«  öebürfni«  ber  ©emeinfd^aft  ruft  nun  berfd^icbenc  fird^lic^e  Ämter  ^erbor,  bie 


Socin  479 

aber  immer  ber  ©emdnfc^aft  untergeorbnet  bleiben.  6ö  tverben  breierlei  Stmtcr  unters 
fc^ieben:  ^ajtoren,  Sältefte,  S)iaIonen;  bie  erften  bertpalten  ba«  Se^ramt,  bie  jmeiten  be^ 
faffen  ftc^  mit  ber  allgemeinen  Seitung  ber  ©emeinbe  unb  mit  ©c^licl^tung  bon  ©treitig^ 
leiten;  ben,2)iaIonen  lommt  bie ginanjijertüaltunö,  bie  Strmem,  SBittoens  unb  aBaifenj^flege 
;\u.  Xk  älteften  unb  35iaIonen  hjerben  bon  ber  ®emeinbe  getpä^It,  bie  ©eiftlic^en  ober  6 
^aftoren  bon  ber  ©^^nobe.  3)ie  Vertreter  ber  brei  genannten  ämter  bilben  bereinigt  ben 
58orftanb  jeber  ®emeinbe,  beren  3Ser{ammIung  bi^toeilen  für  bie  Äirc^engud^t  unb  ben 
ginanjftanb  l^erbeigejogen  toirb.  3)ie  l^öcl^fte  unb  Ie|tc  Snftanj  für  fircl^lic^e  Slngelegen« 
Reiten  bilbet  bie  allgemeine  ©^nobe,  beftepenb  au«  ben  SSorftänben  ber  einzelnen  ©e- 
meinben.  —  Der  ©ociniani^mu«  ^ält  ftreng  auf  ftird;enjuc^t  (Cat.  qu.  509— 521).  ©ic  lo 
ift  il^m  eine  boJ)j)elte,  fofem  fie  teitö  bon  aÖenß^riften  geübt  toirb,  teil«  bon  benjenigen 
^erfonen,  bie  ber  ©emeinbe  borftel^en;  femer  toirb  fx^  teil«  al«  Jjribate,  teil«  al«  öffent^ 
Ixd^c  au«geübt,  je  nac^bem  bie  SBergel^ungen  jur  öffentlichen  Äunbe  gelangt  fmb  ober  nic^t. 
2)ie  öjfentlid^e  Äircl^enjuc^t  befte^t  „verbis,  oratione  et  facto",  b.  f),  junäc^ft  au«  einer 
öffentlicl^en  ©rma^nung  unb  3w^^^th)eifung  (1  %i  5,  20 ;  2  3:i  2,  6),  fobann  au«  2lu«*  15 
fc^liefeung  bon  bem  Umgange,  enblic^  au«  ©Efommunifation  (1  Äo  5,  11;  2  2M#  6ff-; 
5)it  18,  17).  3*^^*  ^P  ^^^  Sefjerung  ber  fo  ©eftraften;  tüenn  fie  fic^  beffern,  Serben 
fie  iüieber  aufgenommen.  S)ie  ©etbalt  ju  binben  unb  ju  löfen,  bie  ber  $err  ber  Äirc^e 
gegeben,  ift  bie  erflärung  nac^  bem  SBorte  ©otte«,  tbcr  tbürbig  fei,  toer  nic^t,  SJlitglieb 
ber  Äird^e  gu  fein.  —  9Kit  löblicher  ©orgfalt  tourbe  ber  ©runbfa^  feftgel^alten,  bafe  ft^  20 
ber  Biaai  in  bie  Jtirc^enjud^t  nic^t  5U  mifc^en  l^abe.  3)er  ©taat  foute  überl^au^t  bie 
§äretifer  nic^t  mit  bürgcrli^en  ©trafen  belegen;  bie  ©ocinianer  l^atten  ein  na^e  liegen« 
be«  ^"tereffe,  biefen  ©runbfa^  auf^ufteHen,  ber  fo  oft  gegen  fie  beriefet  tüorben  mar. 
3)amit  berbanb  fic^  anbererfeit«  bie  ftrengftc  Untertoürfigleit  unter  bie  njeltlid^e  Dbrigfeit. 
©ocin  berbammte  fc^led^t^in  aßen  altiben  SBiberftanb  gegen  biefelbe,  felbft  h)o  er  ben  25 
©c^u^  ber  religiöfen  Überzeugung  betraf;  ba|^er  erfd^ienen  il^m  bie  ÄämlJ)fe  ber  ^rotc« 
ftanten  in  fjranlreici^  unb  in  §olIanb  für  il^rc  religiöfe  ^^ei^eit  al«  frebel^afte  äufs 
le^nung.  2)er  ß^rift  ift  alfo  berflic^tct,  alle«  \\x  leiben,  tt>a«  bie  toeltlic^e  Dbrigleit  über 
i^n  ber^ängt;  aber  t^ätigen  ©e^orfam  i^r  ju  leiften  ift  er  nur  in  ben  fällen  bert)flic^tet, 
n)o  bie  ©ebote  bem  SBorte  ©otte«  nic^t  toiberftreiten.  2)er  ©runbfa^,  lieber  Unrecht  30 
leiben  al«  Unred^t  t^un,  toirb  auc^  auf  bie  ^ribatberl^ältniffe  angetoenbet;  man  foH  nur 
in  bringenben  gäHen  ein  ©cmeinbeglieb  bot  ber  it>eltlic^en  ®eric^t«barfcit  bcrfolgen;  auc^ 
auf  ben  Ärieg  mirb  jener  ©runbfafe  angetoenbet,  unb  ber  Jlrieg«bienft  bertüorfen,  bo4 
mit  einer  gemiffen  3)Jobififation.  ^0  tüie  e«  erlaubt  ift,  SBaffen  bei  fid^  ju  tragen,  um 
bie  Släuber  bon  fxd)  abju^alten,  fo  barf  man  auc^  bem  geinbe  in  Steige  unb  ©lieb  ent=  36 
gegenge^en,  bie  SBaffen  gegen  i^n  fc^tüingen,  um  i^m  gurc^t  einzujagen,  aber  niemal« 
bie  SKaffen  felbft  gebrauchen  (Socin.  ad  Palaeolog.  p.  81  sq.;  ad  Eliam  Arcissev. 
etc. ;  bgl.  %oi  II,  ©.  708).  —  3n  biefelbe  Äategorie  gehört  and)  bie  ^rage,  ob  e«  bem 
ßbriften  erlaubt  fei,  ein  obrigleitlic^e«  3lmt  ju  beileiben,  ©ocin  unb  bie  ^Ke^rja^l  ber 
focinianifc^en  3:^eologen  beantworten  ftc  bejal^enb,  unter  ber  SBebingung,  bafe  babei  bie  40 
©ebote  G^rifti  niemal«  übertreten  tberben.  ^nfofern  nun  bie  Äriminaljuftij  unb  ber 
i^rieg  al«  ben  ©eboten  ß^rifti  abfolut  jutüiberlaufenb  angefe^en  tpurben,  fear  baburc^ 
bie  Sefleibung  eine«  öffentlichen  Slmte«  jur  Unmöglic^Ieit  gemacht  (^od  ©.  709  f.).  -— 
3m  §inblic!  einerfeit«  auf  biefe  gefe^lic^  cna^erjige  unb  meltflüc|)tigc  Slic^tung,  bie  fte 
mit  ber  ©efte  3)lenno«  teilten,  anbererfeit«  auf  i^re  geleierten  Seftrebungen  ^at  ber  ^^ilo«  46 
löge  3.  Sipftu«  über  bie  ©ocinianer  einft  aeurteilt:  „Sunt  docti  Menonistae''  (bgl. 
bie  hierauf  bejüglid^e  3lnc!bote  bei  Slitfc^l,  »lec^tf.  2c.',  I,  323). 

7.  3n  ber  ©«c^atologie  fommen  ^aujjtfäc^lic^  ^iüei  ^unlte  in  35etrac^t.  1.  3)ie 
Sluferftel^ung  be«  »Jleifc^e«  mirb  al«  fold^e  aufgegeben,  b.  i}.  al«  Sluferftel^ung  berjenigen 
Seiber,  bie  tbir  auf  6rben  gehabt  ^aben;  toir  tperben  tool^l  toieber  Scibcr  erl^alten,  aber«) 
geiftlid^e,  toie  $aulu«  le^rt,  1  Äo  15.  S^aburd^  ift  bie  ^bentität  ber  ^erfon  nic^t  in 
3meifel  gefteHt;  benn  baju  bebarf  e«  nur  ber  ©rl^altung  ber  eigentlichen  ©ubftanx  be« 
ajJenfc^en,  unb  biefe  ift  nic^t  ber  berh)e«lic^e  Äör})er,  fonbem  ber  ©eift.  2.  3)ie  ©Ott* 
lofen  nebft  bem  3:eufel  unb  feinen  ßngeln  toerben  ber  enblic^en  Vernichtung  j)rei«gegeben 
unb  barin  befte^t  i^re  ©träfe.  3)ie  ä[u«brüde  emiger  2ob,  ctoige  93erbammni«  ^aben  65 
biefen  ©inn.  ©c^ienen  2lu«f})rüd^e  ß^rifti  unb  ber  2lj)oftel  biefer  2luffaf[ung  ju  tüibers 
fj)rec^en,  fo  be^alfen  fic^  bie  focinianifq)en  Sl^eologen  mitSlnnabme  bon  Slccommobationen 
(S^rifti  unb  beräj)oftel  an  bie  3eitborfteaungen  (bgl.  %oi  ©.714—721).  ©0  fü^rt  un« 
ba«  @nbe  be«  Se^rbegriffe«  an  beffen  Slnfang  jurüc!,  mo  al«  3h>etf  ber  c^riftlic^en  ^eli« 
gion  angegeben  tourbc,  bem  fterblic^  erf^affenen  SWenfc^en  unflerblic^e«,  etoige«  3)afein  go 


480  Socttt  (So^tt 

5u  fid^ern.  2)ic  Unftcrblic^feit  bcr  Seele  gel^ört  ju  ben  öom  Unitari^mu^  btö  in  ba^ 
19.  3a^i'*^""^ert  hinein  mit  iJoKer  Gntfc^ieben^ett  feftQe^altertert  ©lauben^artifcln.  8e= 
lannt  ift,  h)a^  ber  fterbenbe  ^rieftlc^  (geft.  4.  gcbruar  1804)  ju  ben  fein  Saget  um^ 
fte^enben  ©nleln  unb  übrigen  Slngef^örigcn  tröftenb  fagte:  „3^  fc^lafe  jeftt  ein,  toic 
6  auc^  i^r  einft ;  aber  Wir  toerben  alle  bcreinft  ju  neuem  geben  aufttjac^en,  unb  ic^  l^offc 
auf  eine  nimmer  enbenbe  Seligleit!"  (^eraog  t)    3örflcr  f. 

Sobpm  f.  b.  ä.  ^aläftina  Sb  XIV  @.  580, ai. 

®ol)or  f.  b.  21.  Äabbala  93b  IX  S.  G85,i2ff. 

@oI)n,  ®eorg,    reformierter  2:^eoIog,    1551—1589.  —    3o^.   eoloin    (^rof.   in 

10  .{)cibelberfl),  Oratio  de  vita  et  obitu  Georgii  Sohn,  ^eibclberg  1580,  abcjcbrurft  alo  ^onport 
in:  Opera  Gcorgii  Sohnii,  tom.  I,  ^crbovn  IT)!)!;  fie  ift  bie  ©runblagc  für:  Melchioris 
Adami  Vitae  cruditorum,  Francofurti  ad  Mocnum  170G,  p.  296—301;  Joh.  Tileinanui, 
dicti  Schenck,  Vitae  professorum  theologiae  qiii  in  academia  Marburgensi  dociierunt.  Mar- 
burgi  Cattorum  1727,  p.  129—140.  ^eräcicf)ni«  feiner  ©diriftcn:    ??r.  5S.  ©trieber,  ®ruub- 

15  lofle  ^u  einer  ^^effifctien  e)elef)rtcn=  unb  @c^riftfteacrflefcf)icftte,  15.  ©b,  ßoffcl  180G,  8.  IGT* 
bi^  112;  :£).  ^eppe,  ®c(cl)icftte  ber  ^cffifdjen  ©cneralfijnoben  üon  1568—1582,  2  ^be,  Gaffel 
1847  (I,  ©.  119.  168;  II,  @.  25.  45f.  62.  107.  159—170.  219-221). 

®eorg®ol^n,  einer  ber  angefel^enften  ^effifc^en  X^eologen  im  IG.  3^ Wunbert,  tourbc 
am  31.  Se^ember  1551  gu  Siofebac^   in  Cberl^effen   ate  ber  ©o^n  cineil  lanbgräf liefen 

20  35eamten  geboren.  Sluf  ber  lateinifd^en  ©d^ule  m  griebberg  für  bie  alabemifc^en  ©tubicn 
vorbereitet,  bejog  er  im^ö^te  15GG  bie  Uniberfität  SJlarburg,  bon  ba  ging  er  1569  nac^ 
SBittcnberg.  ©r  ftubierte  bie  SRed^tgtoiffenfc^aft,  trat  aber,  na^bem  er  bafelbft  1571 
5)lagifter  ber  freien  ftünftc  getüorben  toar,  jur  If^eölogie  über;  feine  t^eologifc^en  ©tubien 
begann  er  in  SKarburg,  h)o|in  er  1572  ^urürfte^rte.    ©eine  ungetpöl^nlic^e  ©ele^rfamfeit 

25  eröffnete  i^m  fc^on  im  Sllter  Don  23  ^al^xm  1574  bie  aufnähme  in  ben  Se^rlöri)er  ber 
Unibcrfität.  1575  h)arb  il^m  bie  ^rofeffur  ber  ^ebräifd^en  ©J)rac^e  mit  ber  aufläge 
übertragen,  bafe  er  nic^t  blofe  „grammaticalia,  fonbern  auc^  res  ipsas  theologicas 
trattieren  follte".  Drei  ga^re  fpäter,  am  9.  3«*^"^^  1^78,  erteilte  i^m  bie  t^cologifc^c 
gafultät  bie  Sürbe  eine^  35ottor^  ber  i^eologie. 

30  3"  ben3o^ten  1578—1582  nal^m©ol^n  faft  an  allen  ©eneralf^noben  ber  J^effifcf^en 
Äird^e  teil,  ällerbing^  griff  er  in  bie  J^er^anblungen  h)enig  ein,  aber  fein,  namcntli* 
burd;  ben  Sanbgrafen  aiSil^elm  bon  9Jieber^effen,  beranlafete^  ©rfd^einen  auf  ben  ©^nobcn 
trug  boc^  baju  bei,  ba^  er  in  bie  lonfefftonetlen  Äämpfe  jener  ^tit  mitten  ^incingeftellt 
iüarb.  ©ein  t^eologifc^er  §auptgegner  toar  fein  ÄoIIege  3lgibiu^  §unniu^,  ber  157(»  (Dgl. 

35  S3b  VIII  ©.  455)  au^  SBürttemberg  berufen  h)orben  toar.  3"  bemfelben  SJafee,  alö 
Sanbgraf  SBilfjelm  bon  .^iaffel  A^unniu«  feinen  ^oxn  erfahren  liefe,  machte  iJanbgraf 
£ubn)ig  ju  3)larburg  beffen  ®egncr  ©oF^n  für  bie  Kreislichen  ©irren  beranttoortlic^,  ioc^- 
l)alb  Subtüig,  al^  Sanbgraf  SBill^elm  im  3^^^^  ^  580  auf  bie  3)ienftentlaffung  bc^  §unniuö 
brang,  biefen  nur  unter  ber  Sebingung  i^erabfc^ieben  iüollte,  bafe  gugleid^  aud^  ©o^n  bon 

40  ber  ÜniDerfität  entfernt  h)ürbe. 

Unter  fold^en  Sierf^ältniffen  lonnte  für  ©o^n  bag  2Am  in  Harburg  nic^t  allju 
bicl  2lnj^ief)enbeg  ^aben,  unb  er  leiftete  ba^cr  einem  bon  ^faljgraf  3olscinn  Äafimir  1584 
an  \l)n  ergangenen  9luf  nac^  §cibelberg  ^olge;  afe  ^rofeffor  ber  i^eologie  unb  3"= 
fpettor  be^  ©apienjIoHegiumg  ^ielt  er  am  18.  3"li  f<^in^  S^^UQU^^^^"^"^^^^^-   3"^  3^^^^ 

45  158H  mürbe  ©of^n  im  5iebenamt  aud^  5Diitglieb  be«  Äirc^enratg.  9Jur  eine  furj  baucrnbe 
ffiirtfamfeit  tvax  ©of^n  befd^ieben,  er  ftarb  bereite  am  23.  Slpril  1589  im  älter  üon 
37  3«)^^^"- 

©eine  ©d^riften,  fotveit  fie  bogmatifc^en  3"^ö^tö  f^nb,  be^anbeln  bortüiegenb  bie 
bamalg  5lüifd;en  Sutl^eranern  unb  SHeformicrten  erörterten  Streitfragen  (3tbenbma^l,  6brifto= 

60  logie,  freier  a^illc),  iücnbcn  fic^  aber  auc^  gegen  bie  römifd^e  Äird^e  (Anti-Christus  Ro- 
manus seu  quod  papa  romanus  sit  Anti-Christus).  3"  feinen  gefammelten  ffierfcn 
(3  Sbe,  ^erborn  1591.  1592;  2.  Sluflagc  ©iegen  1598;  3.  Auflage  §erbom  1609) 
bringt  tomus  I  bie  „scripta  methodica" :  De  verbo  Dei  et  eius  tractatione  libri  II ; 
Synopsis  sive  delineatio  methodi  theologiae;    Methodus  theologiae;   Idea  loco- 

56  rum  communium  theologicorum ;  tomus  II:  Exegesis  praecipuorum  articu- 
lorum  Augustanae  confessionis ;  tomus  III:  Exegesis  interpretationis  scholasti- 
cae  et  theologicae  super  selectos  aliquot  Psalmos  Davidis.  3lufeerbem  ift  noc^ 
l^erbor}ut)ebcn  feine  „Synopsis  corporis  doctrinae  Phil.  Melanchthonis",  §eibelberg 
1588.  (*.  ^tppt  t)  ^^  SKirbt. 


&üttaM  481 

Sofrated.  —  9lu§gabcn  uon  9?.  6tcp6anu§  ^ari§  1544,  Gftriftopljürfon  ®cnf 
1612,  25alcfiu§  $ovi§  1G68,  Dteobinfl  ©ombribae  1720  (nact)9cbru(ft  in  bcr  Djforbcr  @cf)ul= 
auSflobc  uon  1844  unb  bei  MSG  LXVII),  Ruffel)  Dj^forb  1853  (nodigcbrucft  uon  ©rig^t 
1878).  ßinc  cngliicl)c  Uebcrfefung  uon  3«"^  nnb  ^artranft  in  bcn  Nicene  and  Post- 
üicene  Fathers  edit.  by  Schaff  and  Wace,  II  Series,  Vol.  II.  —  6on)t  ift  neben  anberem  5 
.V  Z.  im  2:cjt  (öcnonnten  ju  ucr9leid)cn:  jum  Ztp:  9?oIte  in  bev  2:t)Cl@  1859,  308.  518; 
i^um  fiebcn:  bie  Testimonia  veterum  (om  uoüftänbigftcn  in  bcr^luSgobc  Uon  .ßuffcl))  wnb  bic 
ben  9t umgaben  uorgefcjjtcn  58iten,  bcf.  58olefiuS:  De  vita  et  scriptis  Socratis  atque  Sozo- 
meni;  ferner:  3)iipin,  Nouvelle  Biblioth^que,  IV,  78;  deiHicr,  Histoire  g^n^rale,  XIII, 
069;  6auc.  Hist.  lit.,  1,427;  &abriciuS=$arIe6,  Bibliotheca,  VII,  423;  ©orben^cmer,  ^otro=  lo 
logic,  332f.  unb  bie  üblichen  enct)!Iopäbif(^cn  SGBerfc;  ju  ben  du  eilen :  3ccp, -iiiicncn» 
unterfud)ungen  j^u  ben  griec^ifc^en  Äirc^en^iftorifem  (=  S^cdeifenö  Qal^rbb.  für  claff.  ^bilol., 
@uppl.  XIV)  105 ff.,  feJeppcrt,  3)ic  GueHen  be«  Äird)cn§iftorifcrS  Socrole«  ©c^olofticu«  = 
6tubien  jur  ÖJefc^.  ber  2^^eofogie  unb  ber  Slirc^e,  ^rög.  uon  ©onroetf^  u.  ©ccbercjIII,  4;  pr 
allgemeinen  ß^arattcriftif:  ^arnacf  in  bcr  2.  9(ufi.  biefer  ©ncijMopfibic;  jur  ©rflärung  15 
unb  ^ritü:  bic  im  3.  93anb  bcr  ^luSgobc  öuffcl)8  gefommcltcn  9lnnotQtioneS  unb  bic  gc- 
fc^i(^tlid)en  3)arftettungen  bcr  uon  @ofrote§  bc^onbeltcn  QtiU 

93on  bcm  Sebcn  bc^  Äirc^en^iftorilcr^  ©olratc^  fd^eint  fd^on  ba«  Slltcrtum  nic^t  bicl 
me^r  gctoufet  ju  \)abtn,  ate  ftd^  a\x^  gelegentlichen  9Jotijen  feiner  Äirc^cngefc^ic^te  crgiebt. 
®r  toar  nac^  V,  24,  9  in  Äonftantinojjel  geboren  unb  aufgetoad^fen;  ate  feine  Seigrer  20 
nennt  er  V,  16,  9  bie  ©rammatiler  ^ellabiug  unb  Slmmoniu^;  fie  [tammten  an^  Sllejan^ 
brien,  h)o  fte  l^eibnifc^e  ^rieftet  getoefen  haaren;  einSlufftanb  ber  dejanbrinifc^en  ß^riften, 
bei  bem  bie  ®ö|entem})el  geftürmt  tüurben,  jtoang  beibe  jur  5'w4*I  P^  toanbten  fid^ 
nac^  Äonftantinopel,  tpo  ©.  in  noc^  fe^r  jungen  Sauren  i^ren  Unterricht  genofe.  3)er 
alejanbrinifc^e  3lufftanb  ift  auf  zitoa  390  ju  batieren.  (3Sgl.  bie  2lnnotatione«  SReabing^  unb  25 
§uffe^«  ju©oIr.V,16,  1  fotpie  SRaufc^en;  ^a^rbüc^er  ber  c^riftlid^en  Äird^e,  534  ff.)  2)afe 
S.  \päitt,  toie  aSalefiu^  bel^auj)tet,  ben  Unterricht  be«  ©ojjl^iften  Sroilu^  genoffen  f^i,  ift 
nic^t  ju  erhjeifen.  ©inb  tüir  boc^  nic^t  einmal  über  bcn  S3eruf,  ben  ©.  fd^Iie^lid^ 
ergriffen  ^at,  ^öüia  ftd^cr  unterrichtet,  ©ein  SBerl  ergiebt  burc^  feine  ©efamt^altung  nur  fo 
ijiel,  bafe  er  nic^t  Äleriler  toar.  ^n  bem  2itel  be^  SBerle^  toirb  er  ijon  unferen  ^anbfc^riften  30 
al^  ©c^olaftifu^  b.  f).  ©ac^hjalter  bejeic^net.  S)a«  lann  richtig  fein.  3)oc^  tpirb  man,  ba 
^^otiu«  Bibl.  28  bie  2lngabe  in  ber  i^m  borliegenben  Überlieferung  nid^t  gefunben  %\x 
^aben  fc^eint,  borfic^tig  fein  muffen,  ^n  bem  Seruf  felbft  mag  man  SJalefiu«  ju  ©oir. 
VI,  6,  36,  ^abriciug=$arlefe  VII,  423,  &üppttt  133  dergleichen.  a)afe  ©.  in  fpäteren 
3ial;ren  gereift  unb  u.  a.  nac^  ^ßapl^lagonien  unb  Supern  gelommen  ift,  ift  hjal^rfd^einlicl^ :  35 
h.  e.  I,  12,  8  lefen  h?ir:  Tavra  de  iyo)  xal  äxon  nagä  noXXcbv  KvjiqIcov  nage- 
Xaßov  unb  II  38,30  l^cifet  e^:  xavxa  iyo}  Jiagd  aygoixov  llafpXaydvog  Sua&ov,  og 
tkeye  nageivai  rfj  fJidxj]-  Uyovoi  de  xavxa  xal  äXXoL  UacpXaydvcov  noXioi 

3)ie  Äirc^engefc^icI^te  be^  ©.  ift  gried^ifc^  jum  erftenmal  ijon  St  ©tej)l^anu«  ^erau^^ 
gegeben  tüorben;    feine  Slui^gabe  benufet  einjig  ben  cod.  Regius  1443.    6^  folgte  bic  40 
lateinifc^e  Überfe^ung  be§  S^^^^^^J^^  ^v^ftop^orfon,  toic^tig  burc^  bie  (in  bem  mir  einj;ig 
jugänglid^en  ©enfer  S)rudf  bon  1612  p.  905  ff.)  angehängten  variae  lectiones.    ©ie 
gingen,  leiber  toeber  boUftänbig  noc^  juberläfftg,  in  bie  in  bemfelben  3^^^^  1612  gleic^^ 
faH^  ju  ®enf  erfc^ienene  gricc^ifc^-lateinifc^e  Slu^abe  über.    3^^^  $enunft  ift  tro^  ber 
33cmcr!ungen  9Jolte«  3:^D©  1861,  422  3lnm.  nod^  immer  jiemlic^   bunfel;    ju   einem  45 
3:eil  ift  allein.  9Jluf.  59,  465  3lnm.  gu  bergleid^en.    Sieben  biefen  lectiones  Christo- 
phorsoni  buc^t  bie  ©enfer  3lu^abe  nac^  lectiones  Scaligeri;  9Joltc  308  tyit  barauf 
lingemiefen,  ba^  [k  bon  ©caliger  faft  alle  au^  be^  Vulcanius  Castigationes  in  histo- 
riam  ecdesiasticam  Eusebii  Pamphili  et  aliorum  entnommen  ^nb;   bie  castig^i- 
tiones  liegen  l^eute  nod^  in  Serben  (bgl.  aud^  §uffe^  praef.  in  Soz.  VII).  3)ie  fc^lie^lic^  so 
noc^  beigegebenen  tvenig  ga^lreic^en  lectiones  Curterii  fmb,  toie  ^uffe^  praef.  in  Soz. 
VI  gegeigt  l^at,  iücrtlo^.  —  3)ie  grunblegenbe  älu^abe  be^  ©.  tourbe  bon  Saleftuö  gc^ 
fd^affen ;  au|er  bem  Regius  be«  ©tej)^anu«  benu^te  er  einen  cod.  Vaticanus  unb  einen 
cod.  Florentinus  (bei  $uffeV  F)  unb  gog  toenigften^  jeittoeilig  bie  inbirelte  Überlieferung 
be«  3:^eoborug  Seftor  (codex  Leonis  AUatii)  ^eran.    3luc^  auf  bie  anbem  ^Plagiatoren  05 
bcig  ©.,  6affiobor-ej)it)^aniug  unb  9Jicet)^orug  Sattifti,  nal^m  er  gebü^renbe  Sltidfftc^t. 
9leabing  fügte  bann  au^gemä^lte  Se^rten  eine^  codex  Domini  Jones  unb  eined  codex 
Castellani  episc.  ^inju,  unb  ^uffe^  foUationierte  auger  einem  in  bcm  cod.  Barocc. 
142   {}^\x  biefer  §anbfc^rift  bergleidjje  man  bie  3lu^fü^rungen  6.  be  93oor«  in  ber  3^® 
VI,  478ff.)  erl^altencn  gragment,  einen  jtoeiten  codex  Florentinus  (M).  6ine  ausgäbe  co 
ber  berliner  Äird^enbäterlommiffion  toirb  borbereitet.  35i«  fte  borliegt,  toirb,  toer  ©.  unb 

8lra(<9ncDfIopAb<e  für  ^eotogic  unb  ffir^e.    8.  S.  XVIii.  3X 


482  @ofratcd 

bcfonbcrg  §uffc^^  9tii^gabc  bcnu^en  tviü,  folgcnbc^  ^u  bcbenlen  l^aben:  1.  bic  Goßa^ 
tioncn  unb  bcfonbcr^  a\x6)  bic  bw>  bon  Ä^ufjc^  neu  l^crangcjogencn  cod.  Florentinus  M 
fmb  unjubcriäffig  (bgl.  9?oItc  521);  2.  bic  beibcn  ötunbicgcnbcn  ^Florentiner  §anb' 
fcf)riften  (saec.  X  et  XI)  fmb  auf  ba^  näc^ftc  bertoanbt ;  unfere  birelte  gricc^ift^e  lieber^ 

5  licfcrunö  ift  alfo  jung,  ^m  attgemeincn  ift  cod.  F  bem  cod.  M  rjorju^ie^en;  M  bat 
ganj  iDitlfürlid^  gcänbcrt;  bgl.  Dor  allem  ben  ©cl^lufe  bon  35uc^  VI,  Wo  M  bic  in  F 
erhaltene  ^araHelrecenfton  getilgt  f)ai  (bafe  e^  fxc  gefannt  l^at,  bciDcift  XI,  11,  too  c^ 
bie  erftc  Stecenfion  nac^  bcr  itüciten  interjjolicrt  l^at)  unb  II,  22,  5  bc^to.  23,  3  too  M 
in  äl^nlic^er  SBeife  ben  mit  2ltl^anafiug  im  ßjil  h?eilenben  5ßaulu«  geftric^en  ^at;  11,23, 

10  39.  43  ^at  e«  i^n  Derräterifd^crtücife  fte^en  laffen;  3.  bie  1897  bon  3)ie«roj)  Dr.  3:6r  3)J6fe^ 
fcan  (publizierte  armenifc^c  Überfe^ung  be«  ©.  ift  bi^^cr  jur  Äritil  noc^  gar  nic^t  bcr= 
iücrtet  tüorben;  ba  fie  au^  bem  7.  ^al^r^unbert  ftammt,  toirb  fie,  obtoo^I  ba^,  h?a« 
?5reufci^en  Xl^S^  1902,  209  au«  i^r  mitteilt,  fie  nic^t  fonbcrlic^  emjjfie^It,  toielleidit 
boc^   Sead^tung   ijerbicnen;    4.  bon    bcr  inbireften  Überlieferung   ift  ba«  B^^Ö"*^  ^^^ 

15  5Jicej)^oru«  unb  anberer  6.  gelegentlich  au«fc^reibenber  Jtomj)ilatorcn  (bgl.  5.  35.  ba«  bon 
6.  ©oeHer  im  Oriens  Christianus  I,  82  ff.  (publizierte  neftorianifc^c  Srud^ftüc!  jur 
Rirc^engcfc^ic^te  be«  4.  unb  5.  ga^r^unbert«)  it>enig  toert,  ba«  be«  Gajfioborsß^itJ^niue 
unb  2:^eoboru«  Sector  um  fo  mel^r.  %üx  bic  SRelonftruf tion  be«  3:e5te«  ift  e«  nodS^  lange 
nid;t  genügenb  bertücrtet,  ja,  ba  il^eoboru«  Sector  gar  nicl^t,  (Safftobor  ungenügenb  ebicrt 

20  ift,  j.  3-  noc^  ni^t  einmal  boH  berh?ertbar.  §uffe^«  2lu«gabe  ift  h)ic  überl^u^jt  fo  aucb 
in  biefem  $unft  ganj  ungurcicl^enb.  Eine  Steige  bon  ©tcHen  ^at  9Jolte  524  ff.  gu  beffem 
gefud^t. 

3)ie  Äirc^engefd^ic^te  be«  ©.  umfafet  bic  ^ai}xc  305—439,  b.  1^.  ftc  umfj^annt  einen 
3citraum  bon  135  ober,  mie  ©.  felbft  VII,  48,  8  abrunbenb  rechnet,  140  ^^^i^^^-  ^^^ 

25  toirb  439  ober  balb  na4>^er  jum  äbj^lu^  gebracht  fein,  iebenfaD«  nocl^  ju  Scbzciten  bc« 
ßaifer«  SE^eobofiu«,  alfo  bor  450  (bgl.  VII,  22,  1 ;  ba«  9iä^erc  bei  ^cc))  137,  ®ej3j)ert  7, 
©ülbenjjenning :  3)ie  Äird;engefc^id^te  be«  il^eoborct  bon  R\)xxf}0^  10).  ^f)x^  abfielt  ift, 
eine  ^ortfe^ung  ju  bem  Söerf  be«  ßufeb  px  geben  (I,  1);  fic  Wxü  in  einfacher  ©^racj^c 
unb  ol^ne  )3anegl;rif^  ju  tverben  (1,1,  bgl.  prooem.  in  libr.  VI)  berichten,  h>a«bicÄir4c 

3()  bon  ben  lagen  Äonftantin«  bi«  jur  (IJegentüart  erlebt  l)at  3>m  3Sorbcrgrunb  ihre«  3nter= 
effe«  ftel^en  babei  bie  lircl^lic^en  Unrul^en.  3)enn  menn  bic  Äirc^c  ^rieben  ^at,  fo  l^at,  loic 
VII,  48,7  (bgl.  aucl^  1, 19, 15)  fagt,  ber  ilird^en^iftorifer  feinen  ©toff  zu  feiner  3)arftelIunoi ; 
er  lann  bann  nic^t  biel  me^r  tl^un,  al«  bie  Sleil^enfolge  bcr  Sifc^öfc  fonftatieren  unb 
atnefboten  erzählen.    3)afe  aufeer  über  bic  ©efc^i^tc  bcr  Sirene  auc^  über  ben  3lnani«mu£^ 

35  imb  bie  politifc^e  ©efdiicvte  berid^tet  ioirb,  meint  ba«  SSormort  zu  Suc^  V  entfd^ulbigcn 
ZU  muffen.  —  S)en  3lnfto6  Z"  feinem  ^^lan  berbanit  ©.  einem  z-  33.  im  prooemium 
ZU  Sud;  VI  genannten  fonft  unbetannten  3:^eoboru«.  S)a  er  hge  rov  ^eov  äv&Qcom 
angerebet  toirb,  mu^  er  ein  5Wönd^  ober  ^öl^erer  Älcriler  getoefen  fein;  eine  JJcrmutunc; 
über  feine  ^erfon  z-  33.  bei  §uffe^  z"  ^^1/  '^8,  7. 

40  2)ic  Äird>engcfd)idbtc  be«  S.  liegt  un«  nid^t  in  erfter  3luflagc  bor.  !Da«  bctoeift  ba^ 
5>oriüort  zu  ibrcm  zitJcitcn  33ud),  too  ©.  erzäblt,  iüie  er  ba«  erftc  unb  z^Jcite  33ud^  einer 
burd)greifenbcn  Umarbeitung  unterzogen  I;abe.  Der  (Srunb  fei  folgenber  gelocfcn:  er  fei 
in  ben  bciben  erften  33üd^crn  urfprünglic^  bem  9tufin  gefolgt,  unb  l^abe  bom  3.  bi«  7. 
einige«  bem  >Hufin  entnommen,   anberc«   au«  anbern  Duellen   gefc^ö^jft.    2)a  fei  er  auf 

45  bie  Söcrtc  bc«  2(tl)anafiu«  imb  auf  33riefc  bamal«  fübrenber  9)iänner  geftofeen  unb  babc 
a\\<6  bicfcn  Urfunbcn  gelernt,  bafi  $Kufin  ein  unzubcrläfftger  ^ü^rer  fei.  ©0  ^aht  er  fid^ 
bcnn  zur  Umarbeitung  entfd^loffen  unb  ber  neuen  2(uf(age  aud;  bie  zal^lreid;en  burc^  bic 
Zioei  erften  93ü4>cr  zcrftreuten  Ürtunbcn  eingefügt.  3)a^  bie  Umarbeitung  fic^  nid^t  nur 
auf  bie  z^i^ci  erften  $3üd}er  befd^räntt  F^at,  fonbern  ftd^,  toenn  auc^  in  geringerem  Umfang, 

w)  C[\\d)  auf  bic  folgenben  33üd^er  erftredt  ^at,  zeigt  bie  oben  erh)ä^nte  in  bcr  z^üciten  glo= 
rcntincr  .C^anbfd;rift  geftrid;ene  3)ublette  am  (Snbe  be«  6.  93ud)e«.  S)ie  zweite  Raffung 
ift  ein  ^-Itcft  ber  erften  Sluflage:  §  K).  11  ber  erften  ^^affung  erfc^eint  §  3  ber  z^v^iten 
Raffung  gegenüber  fcfunbär:  ba«  xQovlCeiv  be«  ^c^l^anne«  ift  im  3lnl^ang  biel  bcffer 
motibiert.    Die  ©teile  beioeift  zugleich,  ba^  bie  erftc  Stuflage  nic^t  nur  borbereitet,,  fon- 

55  bern  aucb  Jjubliziert  loorben  ift.  ©onft  mürbe  fid;  fd^h)erli^  ein  9left  bon  i^r  erhalten 
ijahm  (bgl.  6ej)pert  130;  toa«  Ruffel;,  annotationes  p.  495  borbringt,  ift  nic^t  hc- 
iücifenb). 

Der  'Iserfud^^  feftzuftellen,  u>a«  ©.  für  feine  Darftellung  für  Duellen  benufft  i)ai,  ift 
in  gvöfu^rein  ^iJiaf^ftab   erft  bon  ^ecp   gemad^t  iüorben;    i^m   folgte   beftätigenb,   }urüd= 

CO  loeifenb,  ioeiter  fül;renb  ©ebj^ert«  Slrbcit,  bie  113  ff.  eine  bequeme  Slnal^fc  bc«  gcfamten 


484  iBottaM 

folgen  fon  (\d)  tü'iü  fc^rciben  äre  avrbg  i&eaodfjitjv  ...  äre  Tiagd  twv  ecDgaxojon' 
fjduvrj^rjjbtEv  fxadeiv)  unb  ©ej))3crt^  ^abcDcn  geigen,  bafe  bie  Kttetarifd^cn  Quellen  je^t 
toirfli^  ^urürftreten  unb  bie  münblic^e  Überlieferung  bie  §auJ)lrone  f^ielt. 

2Ba^  bie  3lrbcitigh?eife  be^  ©.  anQQf)i,  fo  ift  fte  tüenigften«  jeittüeilig  ^iemlic^  met^a- 
5  nijc^er  9(rt.  ßufeb  unb  Slt^anaftu^  (11,  37)  citiert  er  g.  %.  toörtlic^;  bafe  er  feine  Duetten 
ftillfc^tüeigenb  mel^r  ober  minber  toörllic^  au^fc^reibt,  ift  nic^t  feilen;  für  Gutroj)iuö  ift 
oben  ein  Seif^jicl  gebracht,  für  SRufin  fann  JR^ein.  3Jluf.  60,  599  berglic^en  toerben,  für 
Sltl^anaftu^  ift  3.  35. 1,  31  Ic^rreic^:  baö  RapM  ift  ein  dicctpi  au«  ber  Apologia  c.  Ar. 
Qccp  111,  ®e^)pert  117).    3)abei   fann  ©.  ftc^  manchmal  fo  toenig   bon  feiner  Duette 

10  freimachen,  bafe  er  auf  früher  ©efagte«  gurürfijcrtoeift,  nur  toeil  feine  Duette  ba«  Don  i^m 
fcl^on  frül;er  ©efagte  jeftt  erft  bringt;  bgl.  ©ofr.  II,  25  mit  Qnixop.  X,  9  (3ee))  124). 
3n  anbem  Ratten  ergänzt  er  bie  au^efc^riebene  Duette  aber  auc^  mit  §ilfe  anberer  Über= 
lieferung;  fo  I,  2  (gutroj)  au«  ben ,  Mtcn  (©ejjjjert  13  bgl.  auc^  See})  124),  I,  10 
(Sufeb,  Slufin  u.  f.  tp.  an^  münblic^er  Überlieferung.    S)ie  äntoenbung  bon  Äritif  feinen 

IG  Duetten  gegenüber  ift  nic^t  feiten:  an  ©abino«  ^t  er  biel  au«jufe^en,  befonber«  auc^ 
(II,  17),  bafe  er  für  feine  Partei  ungünftige  Urfunben  unterfc^lägt,  mit  5P^ili^j)u«  ©ibete^ 
gebt  er  (VII,  27)  fc^arf  in«  ©eric^t,  bie  ©rfenntni«  bon  ber  Unjuberläffigleit  be«  Stufin 
pat  i^n  jur  9Jeubearbeitung  feine«  SBerle«  beranla^t:  lyvcojLisv  delv  maxeveiv  jnäUov 
Tcß  7i£7iov&6xi  xal  rocg  yivofiivayv  xwv  nQayfx&twv  nagovaiv,  fj  roig  xaxaGxoxaaa' 

20  jiiivoig  avxcov  xal  did  xovxo  nXavn&eTaiv  (II,  1).  I,  14  fd^reibt  ©.  fogar  unab^ 
gängig  bon  jeber  j^ufammen^ängenben  Duette,  attein  auf  ®runb  einer  bon  il^m  au« 
©abino«  ober  fonft  tool^er  l^erborgeiogenen  Urfunbc  ©efc^ic^te;  er  bringt  ben  Srief  be« 
eufebiu«  unb  St^eogni«  an  bieSSifd^öfe  bon  9Kcäa  unb  fä^rt  bann  fort:  xal  xovxo  fih 
xo  xTJg  Jiahvfpdiag  ßißkiov  Evaeßiov  xal  OeöyvMg  iaxiv'  änb   dh  xcbv  qtj^tcov 

2B  avxov  xEXjLialQoiLiai,  Sxi  ovxoi  jbtsv  xfj  vnayoQBV&elon  Jiloxei  vjteatj/xfjvavxo^  xf}  de 
xa^aiQEOEi  'Ageiov  ovjbttprjcpoi  yeveavai  ovx  ifiovlrfOrjoav '  xal  oxi  ''Ageiog  ngo 
xovxiov  (paivexai  ävaxXrj&elg,  ä?d*  et  xal  xovxo  ovxcog  ex^iv  doxei,  B/Licog  xrjg 
^AXe^avögeiag  ijiißaiveiv  xexcokirxo'  xovro  de  deixwxai,  &tp^  cor  vaxegov  eavrco 
xd(}odov  elg  xrjv  ixxXrjaiav  xal  elg  xrjv  ^AXe^dvögeiav   ijievorjaeVf   hiuiXdaxfp   //£- 

30  xavola  xQ^od/bLei'og,  cbg  xaxd  xcogav  igovjusv, 

S)ie  erfte  unb  bi«  ^eute  bome^mfte  attgemeine  Gl^aralteriftif  ber  ^erfi)nli(^Ieit,  ber 
Sntereffen  unb  be«  SBerle«  be«  ©.  berbanlen  mir  31.  §arnarf.  —  ©.  jäl^lt,  mag  er  nun 
©c^olaftitu«  getüefen  fein  ober  nic^t,  ju  ben  ,,®ebilbeten"  feiner  ^tit  unb  h>eife  bie 
^EUrjvixrj  naidevaig  too^l  ju  fc^ä^en.  ^a  er  füf^lt  ftc^  fogar  m  i^rem  Slntoalt  berufen, 

85  unb  berteibigt  fic  III,  16,  8  ff.  bei  ©elegen^eit  be«  befannten  dbilte«  be«  Äaifer«  Julian 
au«brüdflic^  gegen  folcf^e,  bie  bon  i^r  nic^t«  h)iffen  tootten.  6r  meint,  man  muffe  gmeierlci 
feft^alten:  junäd^ft:  ß^riftu«  unb  feine  3lj)ofteI  ^aben  fie  tüeber  al«  göttlich  noi^  al« 
fc^äblic^  betrachtet ;  ba^er  mufj  e«  auc^  ^eute  noc^  bem  Urteil  eine«  jeben  einzelnen  über= 
laffen  toerben,  h)ie  er  fic^  ^u  i^r  ftetten  h)itt;   fobann:   bie  ^eiligen  ©c^riften  offenbaren 

40  un«  h)o^I  göttliche  2)ogmen  unb  tüirfen  in  un«  grömmigfeit,  redete«  Seben  unb  ©lauben, 
aber  bie  koytxrj  xixv^,  ntit  ber  U)ir  ben  ®egnern  ber  ^föal^rl^eit  begegnen  muffen,  geben 
fie  un«  nid^t;  unb  bod;  ift  pe  nü^lic^;  benn  am  beften  befämpft  man  ben  geinb  mit 
feinen  eigenen  SÖaffen.  —  2Bie  biel  ©.  bon  ^eibnifc^er  unb  c^riftlicl^er  Sitteratur  gelefen 
^at,  (äfet  fid;  tro^  ber  jiemlid^  ja^Irei^ien  ßitate  (ber  index  auctorum  bei  Mignel6lH 

45  ift  unboUftänbig)  fc^mer  feftftetten ;  aber  ba«  fpürt  man  fogleic^ :  eigentliche  ©ele^rfamteit 
bcfi^t  ©.  nic^t.  (Sr  erjäfjlt  f^lic^t,  ben  gaben  ber  2)arftettung  nur  feiten  burc^  Sieflejionen 
burd;fd;neibenb,  h)ie  5.  33.  III,  7,  16  ff.,  Wo  über  ben  ©t)racl^gebrauc^  bon  ovala  unb 
vTToamoig  ge^anbelt  h)irb,  V,  22,  h)0  fircl^lid^  liturgif^e  Differenzen  unb  äl^nlic^e« 
bcfprod;en  toirb,   VII,  32,    \vo  bie  ße^erei   be«  SJeftorio«  loiberlegt  unb  auf   feine  Un- 

50  h)iffenl^cit  jurüdgcfü^rt  h)irb,  VII,  36,  9  ff.,  mo  firc^enred^tlic^e  fragen  erörtert  Serben 
unb  h)ir  eine  gifte  ber  33ifd(>i)fc,  bie  il^ren  ©i^  geh)ec^felt  ^aben,  erl^alten.  3)a6  6. 
ba«  9)Jaterial  für  bicfc  ß^Iurfe  felbft  gefammelt  ^at,  ift  untüal^rfc^einlic^ ;  ^axnai 
412  3(nm.  toirb  rcd^t  l^aben,  bafe  V,  22  unb  VII,  36  „au«  lirc^enrec^tlic^en  ®utac^tcn 
ftammen." 

65  3luc^  ba«  eigentlid^  t^eologifd^e  gntereffe  be«  ©.  ift  gering.  35ie  §auj)tfac^e  am 
ßbriftcntuni  ift  i^m  (bgl.  §amact  409)  bie  3:rinität«lel^re;  aber  fte  berftanbe«mä^ig  fc^arf 
jiu  faffcn  unb  ^u  formulieren  ift  i^m  fein  33ebürfni«;  er  bittigt  im  Orunbe,  toa«  er  au^ 
(Suagriu«  monachicum  citiert  (III,  7, 23):  jräoa  nqoxaaig  tj  yevog  exei  xaxtjyogovuevov 
i)  eldog  i)  diar/ogav  f)  tdtov  i)  avjußeßfjxdg  i)  xo  ex  xovxcov  avyxel/xevor*'  ovoev  de 

60  ejtl  xijg  ayiag  xgiddog  xcbv  eigTj/ui^vajv  eoxi  iaßeTv  OKOJifj  ngooxwela&o}  xo  äggrj- 


486  SritüM 

lönnen:  9(u]ranon  toax  einft  t)on  ben  üRacebonianem  ^ufammen  mit  einem  ^^^blagonier 
(3llerartber)  in«  ©efönöniö  getoorfen  toorben ;  et  felbft  fyd  S.  Don  bicfem  grcimb  er- 
imi  (11,  38). 

3)afe  bon  einem  3Jlanne  bon  bcr  ärt  be«  ©.  trofe  allen  guten  SBiOen«  (unb  baß  » 

6  an  i^m  nid^t  fel^Ite,  geigen  allein  fc^on  bie  fritifd^en  SSerfuc^e,  t)on  benen  oben  bic  ^ebe 
toar)  nic^td  Sebeutenbe«  ju  ertuarten  \oax,  ift  faft  felbftoerftänblic^.  ©eine  firaft  rei4»tc 
l^öd;ften«  baju,  Stiebte«  ju  et^ö^Ien;  nac^  f(l>tiftnc^en  SllueOien  ©efc^ic^te  fc^teiben  {onntc 
et  nic^t.  2)a«  l^at  fc^on  3Salertu«,  bet  gum  golgenben  ftet«  ju  t>et9leic^en  ift,  gcfebcn, 
unb  bie  aitbeit  bet  ©(jäteten  ^t  e«  beftätigt.   2oof«  fyd  oben  in  bem  ätt.  iöiaceboniue 

10  Sb  XII  ©.43,37  übet  bie  3ladjfnd)tm,  bie  ©.  unb  il^m  folgenb  ©ogomeno«  übet  3Kacc= 
boniu«  bringt,  mit  Med^t  geutteilt:  „fiebiglid^  mit  ben  Sendeten  be«  ©oftate«  unb  ©ogomenoe 
ift  nid^t«  5U  machen,  unb  bie  t>on  U^nen  berici^teten  6teignif[e;  ioie  e«  bid^et  gumeift  gc^ 
fd^el^en  ift,  mel^t  obet  toeniget  fämtlic^  itgenbtoie  in  ben  nad^  fu^etn  Duetten  berid^tigtcn 
^iftorijc^en  SRal^men  einzufügen,  ift  unmetl^obite.  9lut  ba«  lann  t)etn)enbet  toetben,  toa^  ]\6 

16  ungegtoungen  al«  au^fül^tlic^ete  Itabition  übet  fonft  fidj^et  feftfte^eibe  6teignif[e  auffaffcn 
läfet."  3)cit  ben  Stac^ric^ten,  bie  ©.  übet  Slt^anafm«  unb  bie  ariatiifc^e  Setoegung  bietet, 
fte^t  e«  um  nici^t«  beffet:  II,  11  etgä^lt,  ioie  ®tegot  nac^  bet  341  in  Stntiod^ien  gebol- 
tenen  ©^nobe  butc^  ©^tiano«  in  Slejanbtien  eingefü^tt  toitb;  in  SBitHic^feit  jog  (Stegor 
nac^  bet  antioc^enifc^en  ©^nobe  öon  339  in  aiejanbrien  ein  unb  eteigneten  fu^  bie  t?on 

20©.  im  cinjelncn  gefc^ilbetten  ©cenen  357  bei  bet  ©infü^tung  beeOeotg;  ba«felbe  Äai>itcl 
fe^t  bie  ©efanbtfc^aft  bet  Gufcbianet  an  ^ulin^  ^intet  bie  Äitc^toei^J^nobe;  t^tfäc^lic^ 
fiel  fic  babot.  II,  14  berichtet  bann  bon  bet  Slbfe^ung  be«  ©tegot  unb  bet  Sinfe^ung 
©eot^«;  in  SBitflic^feit  l^at  (Stegot  ben  S3ifc^of«ft$  bon  Sleianbrien  bi«  ju  feinem  lob 
345  mncge^abt  unb  ift  ®eotg  357  eingefe^t  tootben;  II,  15  etjä^It  bon  einet  antio^c= 

25  nifd^en©Vnobc,  bie  9[wliu«  gefc^rieben  l}abt  fxrj  detv  xavovi^eo'&ai,  nag  avtov  ei  ßov- 
Xoivto  i^ekavveiv  nväg  rcbv  ixxkrjoicbv'  jurjöe  yciQ  atrtovg  dvreiJieiv  Sxe  Navarov 
xfjg  lxxit]olag  fjXavvov;  tbatfäc^licl^  ift  biejet  S5rief  341  gefc^rieben  tootbcn.  II,  ITtoeife 
gegen  atte  beglaubigte  ©efcpic^te  babon,  bafe  ätl^anaftu«  ein  gtoeite^mal  gu  Sw^iw«  bon 
$Rom  geflol^cn  fei.    II,  20  batiett  bie  ©^nobc  bon  ©atbica  auf  347  ftatt  342/43  unb 

80  bettoed^fclt  fie,  toenn  e«  bon  ben  ßntfcl^ulbigungen  bet  toenig  gal^Itcic^  etfd^iencnen  Cxicn^ 
taten  \px\d)t,  übetbie«  mit  bet  tömifc^cn  ©l;nobe  bon  340.  II,  29.  30  toitft  bie  bet= 
fd^iebenen  fttmifd^en  ©^noben  butc^einanbet  u.  f.  to.  —  ^n  ben  folgenben  Süc^etn  fd^cint 
bie  3wbetläffigfeit  be«  ©.  bann  langfam  gujune^men;  abet  c^ataftetiftifc^  ift  e«  boc^, 
ba^,  ioo  h)it  il^n  einmal  ioiebet  fc^atf   lonttotticten  lönnen,  mie  in  ben  Sendeten  über 

86  3)afiliu«,  ©tegot  bon  9Jagiang  unb  ©tegorio«  3:^aumatutgo«  (IV,  26.  27),  et  faft 
gang  berfagt:  bic  beiben  Ra^xid  fmb  in  bem  beliebten  Stnelbotenftil  gcfc^riebcn  unb 
toa«  übet  bie  2lnefboten  ^inau^ge^t,  ift  gtöfetenteil«  falf(^.  Stud^  ba«  fünfte  93u(^  bcö 
©.  ift  noc^  mit  gtofect  23otfic^t  gu  benu^en-  9laufd[)en:  ^af)xbixd)cx  2,  f^ai  einmal  bic 
J^c^lct  gufammengeftellt,  bie©.  nut  in  bem  33eric^t  übet  bie  tiai}xz  384—388  mac^t;  er 

40  fcl^tcibt :  „V,  14  nennt  et  ben  ©^mmac^u«  für  ba«  ^al}X  389  äjid  vjidxmv^  obfc^on  er 
etft  391  ba«  ßonfulat  beflcibctc;  ebenfo  l^at  et  bafelbft,  loic  auc^  ©ojomcnoö  VII,  15, 
einen  gum  3:eil  falfd^en  ©ctic^t  übet  bie  lefcten  ©c^idffale  be«  9)iajmiu«;  V,  15  bcr^ 
iüed;fe(t  er  ben  ^a^ift  3)amafu«  mit  feinem  5iac^folger;  loa«  etV,  18,  10  übet  bie  Se^anb- 
lung  ber  (Sbebred^crinnen  gu  Slom  etgä^lt,  ift  anefbotenl^aft  unb  ftimmt  nid;t  bagu,  bafe 

15  biefe  feit  Äouftantin  mit  bem  S^obc  bcfttaft  iourbcn ;  VI,  3  berichtet  et  gang  falfd^,  (S^rv- 
foftomo«  fei  bon  (Sbagrio«,  bem  5tad;f olger  be«  ^Paulino«,  gum  ^^rieftet  getoet^t  tootbcn; 
bie  6(;arafteriftif,  bie  er  ebcnba  bon  biefem  ilird^enbatet  giebt,  ift  gc^äffig  unb  ungetcd^t." 
^m  fec^ften  unb  fiebenten  ^Sud;  fd^reibt  ®.  3^itgefd^ic^te;  er  ^at  fefteten  SSobcn  unter 
ben  ^üfecn  unb  feine  3)atftenung  geioinnt  a\x6^  füt  un«  an  SBett.   ©etnc  l^ött  man  if?m 

50  gu,  login  et  ^^^^Ö^^offen  d^araftcrifiert  unb  nid;t  ol^nc  3"^<^cff<^  beobachtet  man,  ioic  er 
e^  erfaßt  ^at,  bafe  politifd(>c  (Srloägungen  ftärfer  \o'\z  bogmatifd^c  finb,  ^olitif  oft  auc^^ 
ba^  3^ognta  gemad;t  IfaX.  3(ud^  im  3)etail  fmb  feiner  ^atftellung  ^iet  iocniget  gel^lcr 
nac^igetüiefen  loorben;  immerbin  finben  fid;  nod;  in  ber  ©d^ilberung  bet  ^JJcftoriu^ 
6l)rittimb  ^Vienmon  berbammenben  epl^efinifcben  ©bnoben  nic^t  unbebeutcnbe  ^ntümer 

55  (VII,  31). 

^JJiit  bem  ©cfagten  ift  baö  Urteil  über  ©.  alö  Sird^enbiftoriter  gegeben.  3"  ^^ 
erftcn  53üd(?ern  feinet  aiU^rte^  ma^]  fid;  mand;e  fel^r  gute  JJacI^rid^t  berbctgen  (©.  ^at 
g.  2.  aufiJgegeidinetc  Duellen  gut  .^anb  gehabt),  aber  allein  auf  baö  3^"0"i^  ^^^  ®-  W 
loirb  man  fic  bod;  nur  in  (Srnuingehing  eine^  beffercn  annel;men;  gu  ben  legten  S)ü(^em 

a)  toirb  man  etloa^  me^r  3^^^^u^>^  l^aben  bürfen.  ®et)otb  l^oefc^cfe. 


Solitartud  Somadfer  487 

Solttanud,  ^^ilij^tJU«.  —  ^itteratuv:  Sombeciu^,  Comiuentar.  de  Aug.  bibl. 
Caesar.  Vindob.  ed.  altera,  Sien  1778,  1.  V,  7(5—84;  Dubiiii,  Comiuentar.  II,  ©.  851; 
(Soue.  Öcriptores  eccle«.  histor.  litt.,  Oxon.  1743,  II,  S.  IGG;  55?e|jcr  uub  3BeIte,  ftiid)eu= 
leiifüM,  SHxühl  uoii  5(.  (iövf)arb,  S5b  9,  @.  2023.  8onftic|c  üittcratur  bei  Struiubad)ev,  Öc= 
jd)id)te  bcr  S3i)5antinifd)en  fiittcratur,  1897,  namentlid)  @.  742  ff.  6 

3)cn  9Jamcn  ^^ilitJ^JU^  ©oUtatiu^  (o  MovdxQonog)  fül^rtc  ein  gric^ifc^cr  3)iönc^ 
bort  unbcfanntcr  ^ctlunft,  tücld^er  m  ßnbc  bc«  11.  Sal^r^unbcrtsf,  toal^rfc^einlid;  in  Äon^ 
ftantino^jcl,  ein  ni^flifc^'a^lctifc^eg  ©cbic^t  unter  bcm  Stttel  Alomga,  ©Riegel  bei^  d;rift= 
liefen  aiäefeng,  berfa^te.  ^^  ift  gerichtet  an  ben  9Könc^  ßallinicu^  unb  in  |)olitifd;en 
'-yerfcn  gefc^rieben.  3)ie  gorm  ift  bialogifd^,  Seib  unb  Seele  iüerben  öerfonifijiert  unb  lo 
treten  aB  ^otenjen  ber  mcnfd^lic^en  9Jatur  einanber  gegenüber,  um  fiq  über  i^re  93es 
ftinunung  gegenfcitig  aufjuflärcn  unb  auf  ba^  @nbe  be^  ^Azm  borjubereiten.  Stu^  bem 
Sc^Iufe  ge^t  ^erbor,  bafe  bie  Seenbigung  ber  ©^rift  in  ba«  3a^r  1095  fäDt.  a)aS  SBerf 
niufe  fc^on  unter  ben  gri^Ö^ioff^?"  2(uffel^en  erregt  unb  SeifaK  gefunben  l^aben,  ba  e^ 
bon  ber  $anb  be^  3Jüc^ael  ^iJjellug  mit  Sorrebe  unb  ©^olien  berfe^en  tDurbe.  S)er  grie^  i6 
d^if^e  3'ejt  ift  big  auf  tbcnige  ©teilen  ungebrudtt  geblieben,  ^n  lateinifc^er  $ro{a  ba^ 
gegen  tpurbe  biefe  Dioptra  sive  amussis  fidel  et  vitae  Christianae  bon  bem  ^efuiten 
^alob  ^ontanug  famt  ber  Sorrebe  unb  ben  ©c^olien  be«  ^PfeHu^  unb  mit  9Joten  bon 
©retfer  au^  einer  unboKftcinbigen  Slug^burger  ^anbfc^rift  (Ingolstadii  1604)  in  Quart 
l^erau^egeben,  tvelc^e  Slu^abe  bann  in  bie  Biblioth.  Patr.  Colon.  Tom.  XII  unb  in  20 
bie  Biblioth.  Max.  Patr.  Lugdun.  Tom.  XXI  überging.  3luc^  bei  MSG  B.  127, 
©.  701—902.  ^n^altlid;  berivanbt  ift  mit  ber  Dioptra  ein  Heinere«  ©ebicl^t  beö  ^l;i= 
lit)j)uö,  bie  „Älagen"  (xXav&fxoi)  genannt.  3Sa^rf(|einli(^  l^at  e«  ba«  ac^te  (bei  ^om 
Xan\x%  au^elajjene)  S3uci^  ber  Dioptra  gebilbet.  3m  12.  Jlfl^^^wn^c^t  beranftaltete  ^^ia^ 
(itet^  auf  SJeranlaffung  be«  3)ion^fiuö,  (grjbifc^of«  bon  Öl^^ilene,  eine  neue  Slebaltion  26 
ber  beiben  ©ebic^te  (bei  ^Pontanuö  ©.  4).  '^n  ben  SBiener  §anbfc^riften  ber  Dioptra 
finben  fid^  einige  merftüürbige  Sln^änge,  namentlich  ^iftorifd^e  SJotijen  über  2)ogma  unb 
^Heligiondgebräuc^e  ber  Armenier,  g^l^biten  unb  SRi)mer  ober  ^ranfen,  fie  toerben  bon 
l^ambeciu«  aufgejäl^It  unb  finben  ftd^  gried^ifc^,  obtoo^l  mit  SBeglaffung  be«  auf  bie  Slömer 
lüejüglid^en,  in  Combefis.  Auctar.  nov.  II,  p.  2öl.  271.  2tu«  ber  Dioptra  felberao 
ioerben  lur^je  gried^ifc^e  ©teilen  bon  Dubin,  Sambeciu«  unb  bei  ßoteleriu«  ad  Constitt. 
apost.  libr.  VIII,  cap.  42  mitgeteilt.  SUa«  ben  ^xüioXi  be«  SBerfö  betrifft,  fo  mufe, 
fo  lange  ftatt  ber  unguberläffigen  Überfe^ung  be«  ^ßontanu«  nid^t  eine  3lu«gabe  beö  Ur^ 
terte«  borliegt,  bie  Semertung  genügen,  bafe  e«  im  befferen  ©inne  be«  gried^^ifcl^cn  93tönc^= 
tum«  unb  nid;t  ol^ne  religiijfen  ®eift  gefc^rieben  ift.  (£«  toürbe,  iwenn  e«  gricc^if^  be^  35 
lanni  iuäre,  in  ber  a^fetifd^en  9iic^tung  ber  gried^ifc^en  3)l^ftif,  bie  tpir  au«  biefem  ;>^eits 
alter  nic^t  biel  belegen  fi)nnen,  eine  ©tette  einnel^men.  (®og  t)  ¥i-  SWc^cr. 

®oma«fcr  (SRegularlleriler  bon  ©t.  SJlajolu«,  a\xi^  SRajoliften).  — 
Vita  Hicronymi  Aemiliaui  auct.  Augustino  Tortora,  in  ASB  t.  II,  Febr.  p.  217—274. 
I^iefelbe  Vita  aud)  ital.  \>\\x6)  ^icgabi  1865.  Sßgl.  bie  ölteren  ©iu^rapöien  beö  6tiftev«  oou  40 
Scipio  ^Jllbaiii  (9)iai(anb  1()00)  unb  üun  5lnbvea«  StcIliU^enebig  1G05);  aud)  3B.  (S.  ^ubcrt 
in  b.  „iJebeuobilbcrn  fat()oIifd)er  (Svi^ie^cr",  ^b  IV:  „3)cr  1)1.  ^Mef.  ^leniilianu«",  ^iaiui^  1895. 
!^ün  pvotcft.  Seite  ift  iuid)tig  bie  6ti5jc  bei  (£ber§.  Wut^ein,  ^ci^w^h  y-  fiiJt)oIa  unb  bie  ÖJci]cn= 
refuimotion  [^aWt  1895),  8.  193—198;  09I.  aud)  Ütanfe,  3).  *äpfte  I,  175f.  —  5)ic  Stün= 
ftitntiuncn  beö  Crben«  f.  bei  .l^oIftcniuS^örucfie,  Coilex  rcgul.  mon.  III,  p.  199—292.  3ur  46 
nufjercn  ÖJcfd)id)te  bc^5  Orben«  ogl.  ÖJiucci,  Iconografia  storica  d.  ord.  rel.  VII,  160 sqq.; 
"üJi.  .^eimbud)ev,  Crben  u.  Äongreg.  II,  262—264. 

3u  ben  bebeutenbften  ©tiftungen,   toelc^e   bie  lontrareformatorifd^e  3tenai?^ancc  be« 
3)lönd^tum«  im  1(5.  3«^^^"«i><^i^t  ing  Seben  rief,   ge^i)rt  bie  Kongregation  bcx  ©omaöler 
(©omaöc^er)  ober  ber  regulierten  Hlerifer  be^  l^l.  9Kaiolu^  (Clerici  regularea  S.Majoli  w 
Papiae  congregationis  Somaschae).    ©ie   l^at  ipren  9Jamcn   toon  bcm  Dxtd^cn  ©o* 
maiJd^o  ^ioifc^cn  5)iailanb  unb  Sergamo,  ioo  il^r  ©rünber  ©irolamo  ?[H\am  CftVetonymus 
Aemilianus)  bie  befinitibe  ©tiftung   feiner  geiftlic^en  ©enoffcn^d^aH  üotcxvcäiv^  uvfe  du 
erfte  Siegel  für  bicfelbe  fc^rieb.    3)erfelbe  h)urbe  ate©o^n  be^Senatova  2i\%<^^^^^^^^iJ^^ 
ju  äJenebig  geboren  1481.    Söä^rcnb  ber  gelb^üge  gegen  Äarl  VUi    ^x^  ^\Äi\\i\V^^- ^ 
bon  granfretcb,  bie  er  afö  Offizier  feiner  aSaterftabt  mitmachte,    cxaa^    cX    "^^  '^'^''^'^^ 
©inn   unb   üppigem  Sebeneitoanbel,   biö   feine  ©efangennel^muuci    ^ »     ^g^t^VxÄXWW».^  ^^ 
©c^loffe«  (Saftelnuobo  untoeit  Slrebifo  feine  Sefebrung   ^erbeifubtt^^\i&^^^^*    w 
finftem  Äerfer,   in  ioelc^en   er  getDorfen  iourbe,   empfanb   er    cmfti^rf.^\vl^'^'^ 


«^\tUä)^9** 


488  Somadler 

©ünbm  unb  gelobte  ®ott  grünblid^c  Sefferurta  feinet  SBanbcte,  toenn  er  if)n  befreien 
toerbe.  SDiag  nun  aud)  jeine  balb  barauf  erfolgte  Befreiung  auf  anberem  3Bcge,  aU 
burd^  bie  h)unbcrbare  §ilfeleiftung  ber  1^1.  ^w^öfi^öw  S"  ftanbe  gelommen  fein,  jebenfall^ 
h)ar  unb  blieb  er  öon  jenem  3Komcnte  an  ein  bon  ®runb  au^  umgen)anbelter  3){enfc^, 

6  ber  fid;  ftrengc  Sl^Iefe,  eifrige^  ®ebet  unb  aufotjfembe  2lrmen=  unb  Äranlenjjflege  über 
aKe^  angelegen  fein  lie^.  3)ie  eJ^entooHc  unb  einträgliche  Stellung  eine^  ^obcfta  bon 
ßaftelnuobo,  toomit  man  feine  2iij)ferleit  belobnt  l^atte,  öertaufd^te  er  ali^balb  mit  einer 
befc^eibeneren  in  SJenebig  felbft.  —  6r  trat  pier  in  bcn  geiftlid^en  ©taub,  empfing  im 
Sa^re  1518  bie  ^rieftertoei^e  unb  begann  balb  eine  großartige  Siebe^t^ätigleit  an  5Zot= 

10  leibenben  aller  2lrt,  namentlich  in  ber  großen  ßunger^not  unb  ©euc^e  beö  S^l^^^^  ^^'-^ 
au^juüben.  3)ie  fd(^toere  Grfranlung,  bie  er  ful^  felbft  bei  biefer  ©elegen^eit  burc^  än^ 
ftedung  jujog,  er^ob  i^n  nur  auf  eine  nocl^  l^ö^ere  ©tufe  bemütiger  ©elbfttoerleugnung. 
@r  begann  mit  gänjlic|»er  35arangabe  feiner  h?ol^l^abenben  SebeniSftellung,  im  bürftigen 
Slufjuge  eine^  bettelnben  Sleligiofen  einl^er]\ujie^en  unb  ftd^  auiSfd^ließlic^  mit  ber  ^Pflege, 

15  (Srjie^ung  unb  Selel^rung  armer  SBaifenlinber  unb  gefallener  grauen^erfonen  ju  befc^äf^ 
tigen.  3Kit  ber  ©rünbung  eine«  SBaifen^aufe«  bei  ber  ©t.  SRoc^u^Iird^e  ya  3?enebig 
(1528)  machte  er  ben  3lnfang  gu  ben  jal^lreic^en  too^ltl^ätigen  ©tiftungen,  bie  feinen 
9iamen  rjeretvi^en  fotlten.  93alb  folgte  bie  ©rridf^tung  ä^nlic^er  Slnftalten  in  Sergamo, 
SJerona,  S5re«cm;  bann  bie  eine«  §aufe«  uir  2lufna^me  unb  Sefferung  lieberlic^er  SBeib«^ 

2o))erfonen  ju  35enebig  1532;  enbli^  im  Vereine  mit  mehreren  gleicpgefmnten  Älerifem, 
bie  fic^  injtoifc^en  il^m  angefc^loffen  Ratten,  bie  ©rünbung  einer  Kongregation  ju  gemein-- 
famer  Sebienung  jener  3lnftalten  unb  jur  3lu«bilbung  jüngerer  3öglinge  für  ben  gleicben 
^ioec!.  S)er  §au)3tfi^  biefe«  gleich  bei  feiner  ©tiftung  (1532  ober  1533)  Don  ^ajjft 
Giemen«  VII.  mit  befonberer  greube  begrüßten  unb  begünftigten  SQ3o^ltJ^ätigIeit«orbenö 

26  h)urbe  ba«  $fleges  unb  @rjie^ung«^au«  ju  ©oma«c^o,  \)on  tüo  am  ©miliani  nocf^  bie 
$äufer  ju  $abia  unb  3)lailanb  grünbete  unb  h)o  er  am  8.  fjebruar  1537  ftarb.  —  ßr 
tüurbe  toon  Senebilt  XIV.  feiig  gefJ)rod^en  unb  ijon  Giemen«  XIII.  (1761)  lanonifiert, 
unter  geftfteUung  be«  20.  ^\xl\  }^\xi  geier  feine«  ©ebäc^tniffe«.  SSon  ben  al«  Sal^nbrecbcr 
für  bie  Gegenreformation  ju  Slu^m  unb  ©influß  gelangten  ^eiligen  be«  neueren  ßat^o= 

30  lici«mu«  ift  er  —  ben  man  too^l  aud^  einen  „2lug.  6erm.^anc!e  be«  16.  ^öi^^^unbert«" 

genannt  ^at  —  jebenfaH«  einer  ber  bebeutenbften.    ä)a«  5Ölarmorftanbbilb,  ba«   i^m  in 

ber  9leil;e  ber  großen  Drben«ftifter  (neben  ßamillo  be  ßatli«,  ^o\tpl)  Galafanje,  SSincenj 

b.  5ßaul  2c.)  in  ber  $eter«lircl^e  ju  SRom  erricf^tet  tourbe,  ift  ein  nic^t  unberbiente«. 

©miliani«  9laci^folger  al«  SSorftel^er  ber  Kongregation,  3lngelu«  SWarfu«  Oambarana, 

36  erlangte  nac^  ber  borläufigen  ))ä|)ftlid^en  Seftätigung  bon  1540  (burc^  ^aul  III.)  im 
^a^re  1568  unter  ^iu«  V.  bie  feierlid(^e  ©r^ebung  feiner  ©emeinfc^aft  ^u  einem  nad) 
ber  SHegel  3luguftin«  berfaßten  Drben  regulierter  Klerifer  mit  bem  5Wamen:  Älerifer  bon 
©t.  93{ajolu«,  nac^  einer  in  ^JJabia  bcfinblid^en  Kirche,  bie  il^nen  lurj  mbor  erjbifcbof 
Äarl  Sonomeu«  bon  3Jlailanb  gefc^enft   l^atte.    2)er  Drben  —  beffen  Sjereinigung   mit 

40  bem  ber  3:^eatiner  (1546—1555)  unb  fpäter  mit  ben  SSätem  ber  c^riftlid^en  2e|re  in 
l^ranlreicl^  (1616—1247)  nur  bon  borübcrge^enbem  Seftanbe  h?ar  —  touc^«  fotoo^l  an 
innerer  Scbcutung  burc^  ben  geiftlic^cn  ßinfluß,  ben  feine  gal^lreic^en  Kollegien,  namentlich 
ba«  1595  unter  Giemen«  VIII.  in  SRom  gcftiftetc  Glementinum,  auf  ben  3ugenbunta= 
rid;t  au«übten,  al«  auc^   an  SKitglieberja^l.    3)er  toad^fenbe  Umfang  ber  Kongregation 

45  nötigte  ^u  einer  Teilung  in  brei  ^ßrobinjen,  eine  lombarbifc^e,  benetianifc^e  unb  römifcl)e; 
iüogu  fj)äter  nod;  eine  franjöfifd;e  fam.  Son  biefen  ^JJrobin^en  ift  je^t  bie  römifc^e  bie 
^enfc^enbc  getoorbcn,  toie  benn  ju  5Rom,  in  SSerbinbung  mit  jenem  nac^  Giemen«  VIII. 
benannten  unb  nod^  gegemoärtig  al«  l^olje  3lbel«fci^ule  blü^enbcn  Kollegium,  ba«  ^avapU 
^au«  be«  Drben«  beftel^t. 

60  a)ie  auf  ©runblage  ber  eigenl^änbigen  Sluf^eic^nungen  be«  ©tifter«  aDmäl^li^  ent= 
ftanbenen  Konftitutionen  ber  Kongregation,  toie  fie  1626  bom  ©eneralJ)rofurator  Sin- 
toniu«  ^aulinu«  gefammelt  unb  bon  ^a^ft  Urban  VIII.  beftätigt  tourbcn,  ftnb  obnc 
ioefentlid()e  Stbänberungen  ober  ^Keformen  bi«  in  bie  neuefte  ^c\t  in  ©eltung  geblieben. 
Sie  fd;rciben  einfache  unb  ärmliche,   fid;  burd^  nic^t«  bon   berjenigen  ber  getoö^nlic^en 

55  regulierten  Kleriter  imterfd;eibenbe  Kleibung  (Lib.  II,  11;  III,  11),  ftrenge  Ginfacbbeit 
ber  Koft  unb  ber  §au«gerätc  (II,  11.  14),  jal^lreid^e  fromme  ©ebet«übungen  bei  2ag 
unb  bei  9iad;t  in  ^^erbinbung  mit  l^äufigcn  gottc«bienftlid^en  ^a\Un  unb  ©elbftgeißelungen 
(II,  3—7.  14),  fotüie  bie  Sefd^äftigung  mit  ^anbarbeiten  (III,  17),  Kranfen-  unb 
Sffiaifenjjflege  (III,  13.  20.  21)  unb  gelehrtem  ^ugenbunterric^t  (III,  10.  19)  bor,    3>gl. 

60  bie  Sa^ungen  bei  §olfteniu«,  1.  c.  Sf^ditt  j. 


Soner  Sonne  489 

©oner,  erufl  f.  b.  31.  ©ocin  oben  6.  466,43. 

Sonne  bei  Den  Hebräern.  —  aj(jl.  bic  ?lrtifel  „@onnc"  imb  „©onncnfinftcmiß" 
uun  Siner  in  bcffeu  JR5S.»  II,  1848,  ,,@omte,  ©oniienbicnft"  öon  3-  CV).  3}Jüner  in  $>erao9^ 
JHG.S  XIV,  1861,  ,,@onnc,  eonnenfinftcrniB"  uon  ©Araber  in  @d)enfclö  330  V,  1875,  „©onne" 
üün  JRiefim  in  bcijen  i)2S.,  Sief.  16,  1882,  2.  «(.  ob  II,  1894;  $incfteö,  ?l.  Sun  in  t^uftingö*  ß 
Dictiouary  of  the  Bible,  8b  IV,  1902;  6^et)nc,  91.  Sun  in  ber  Encyclopacdia  Biblica  üon 
St)el)ne  unb  SBIocf,  S3b  IV,  1903;  @.  ®.  ^irf«  unb  3.2).  ©ifenftein,  91.  Sdn  in  The  Jei^vish 
Encyclopedia  Ijög^b.  öon  ©ingcr,  ob  XI,  1905. 

3u  §  I  unb  II:  ©cf)iaparcüi,  2)ic  9lftronomie  im  Eilten  2:cftamcnt,  bcutfd)c  Ubcrfcfung 
1904,  befonbcrS  6.  35  ff.  101  ff.  lo 

8u  §  III:  «oüer«,  3)ie  folarc  ©cite  beS  olttcftomcntlic^en  ©ottcöbcgviffcS,  9lrcl)iu  für 
JHeliQionSmiffenfc^aft  IX,  1906,  ©.  176—184.  UnmiffcnfcÖQftlirf)  unb  iuertloä  ift  ©cbvift  uon 
2.  ^bt),  Les  adoratcurs  du  soleil;  juifs  et  chr^tiens  —  Etüde  philosophique  populaire  sur  les 
origines  du  judaisme  et  du  christianisme,  ^ariö  1903. 

ß.  SR.  ßonbcv,  Sun  worship  in  Syria  in:  Palestine  Exploration  Fund,  Quartcrly  State-  16 
ment  1881,  ©.  80—84  gicbt,  obgefc^cn  öon  einer  aKittcilung  über  Xempelorientierung  (fie^e 
unten  §  III,  2,  g),  über  fi)rifc5cn  ©unnenbienft  feblglidt)  ^^antafien.    3)uffQub,  Notes  de  my- 
thologie   Syrienne,    ^oriS  1903  unb  1905   (ugl.  ba.^u  ©reftmann,   ®g9l  1904,   ©.  282  bi§ 
293;  2^03  1906,  l^o[.294ff.)  ^onbelt  im  erften  l:eil  auöfdjlicfelic^  öon  ©onnengöttern  unb 
©onnenfijmbolen;   ber  SSerfaffer  ge^t  ben  Äombinotionen  femitif^er  ©ott^eiten  mit  griccfiifcö- 20 
römifcftcn,  befonber^  auf  ben  9Ronumenten,  nad^,  o^ne  einge^enber  bie  Qltfenutifd)en  ®runb- 
(agen  ju  ermitteln,   »öfirenb   unfer  9lrtifel  ficö  ouf  bie  früher  ober  fpäter  ouf   fcmitifcftem 
S3ubeu  auäbrücflid»  oI§  ©onnengott^eiten   bezeichneten  ÖJbttergeftalten  unb  bie  birefte  (£noät)= 
nung  ber  ©onne  auf  fultifd^em  ÖJebict  befc^rftnfen  muß,   um  eine   9(nfcf)Quung  j^u  gewinnen 
über  ba^  9Hter  be§  ©onnenbienfteS  bei  ben  femittfc^en  93ölfern  unb  bie  3Bege  feiner  SSerbrei*  26 
tung  unb  bamit  über  bie  ^orau^feßung  beö  ©onnenbienfteö  auc^  bei  ben  älteften  $)ebröem. 
—  ^J?ic^t    ungenannt  mag  §ier  bleiben  5^^obentu§,    3)aS  3^^*^^^^^  beä  ©onncngotteS,   S3b  I, 
1904,  obgleid)  ber  Unterzeichnete  nicftt  in  ber  Sage  ift,  ber  SWetl^obe  beä  S^erfaffer^  ^u  folgen 
unb  uon  feinen  9(uffteflungen  an  biefer  ©teile  ctnjaS  ju  uermerten.    3"  ben  n>enigften§  teil- 
meife  nicftt  unrichtigen  ©eobad^tungen  Oon  g.  51.  ^aktf,  Gold-worship  in  ita  relation  to  sun-  30 
worehip  in  The  Contemporary  Review,  S3b  XLVI,   3uli— 3)eä.  1884,   ©.  270—277   finbet 
fic^  nicfttö  für  unfer  2:^ema. 

3)er  gctüöl^nltci^e  9lame  für  bie  ©onnc  iji  im  211  ^7;?  (^axti),  SJominalbilbung 
§  19  c),  h)ie  auc^  im  ^^önigifd^cn,  2lramäifc^cn,  ©^rifc^en;  Slff^rifc^cn  unb  Slrabifd^en 
bie  biefem  SBort  entf))rec^enben  SejeicI^nungen  bie  berbreitetften  ©onnennamcrt  fmb.  SJac^  35 
gleifc^er  (bei  3.2ebV,  6^alb.  SBörterbuc^  über  bie  ^argumim  1867  f.,  35b  II,  ©.  578  f.) 
toäre  bie  ©onne  fo  benannt  toorben  ate  bie  „gefd^äftigc"  (bienenbe),  b.  f}.  bie  „laufenbe", 
„ioanbeinbe",  alfo  ate  0ri)feter  SBanbelftem  im  Unterf^ieb  t)on  ben  |fijftemen;  \va^  in 
ber  3lnna^me  ber  ©runbbebeutung  bc^9Jamen«  unfic^er  unb  in  ber  SJorfteHung  \>on  ber 
Sebeutung^tüanblung  red^t  unloa^rfc^einlic^  ift.  ©erabeju  unbenibar  finbe  id^,  bafe  ber  40 
Sonnengott  „3)iener"  ober  „Untergebener"  genannt  toärc  toegen  feiner  „untergcorbneten 
Stellung"  im  bab^lonifc^en  ^ant^eon  (Saftroto  [f.  unten  §  III,  1]  ©.  66).  2)ic  „unter- 
georbnete"  ©tctlung  mirb  nic^t  urfj)rünglid^  fein.  3)ie  im  airamäifd^cn  für  ia^  SScrbum 
■d72'd  borliegenbc  Sebeutung  „bienen"  ift  Diclleic^t  felunbär  ober  ^at  bod^  anbemfall« 
mi)glic^ermcife  mit  bem  9Jamen  ber  ©onne  nic^t«  p  t^un  (f.  ©efeniu^^gSuJ^l  >*,  ©.848).  46 

3)aö  l^ebräifc^e  "^1^4  ift  balb  3)la«!ulinum;  balb  Femininum,  toäl^renb  ba«  aff^rifdjie 
samsu  immer  9Ka^Iulinum,  ba^  arabifc^e  §ams  bagegen  immer  unb  ba«  l^rifc^e  semsft 
jutoeilen  Femininum  ift  (f.  SUbrec^t,  ^a^  ©efc^lcc^t  ber  ^cbräifc^en  §au|)ttoörtcr,  ^ai3S 
XV,  1895,  ©.  324).    3lad)  3lnalogic  be«  3lrabifc|en  liegt  e^  na^c,  amunc^men  (tooui 
Sllbrec^t  öcneigt  ift),   bafe  ber  femininifc^e  ©ebrauc^  bei  ben  Hebräern  ber  urfjjrünglidpe  50 
loar  (anber^  SBindfler  in:    ©d^rabcr,  5Die  Äeilinfc^riften  unb  ba«  %%\  1903,  ©.  139). 
2lu^  bem  Traume  3ofe|)^«  ©en  37,  9  f.  (in  ber  QueHenfc^rift  E)  ift  ba«  fenjinlrnjc^e 
©efd^lec^t  ber  ©onne  nic^t  ju  erfe^en,  ba  f^c  l^ier  getoife  nic^t,  itie  SJBindler  („8am8  = 
©öttin",  3bm®  LIV,   1900,  ©.  417,  änmig.  2)  annimmt,   bie  pultet  ^onbexn  ben 
^ater  rejjräfentiert;    auf  \>a^  ©efc^lec^t  ber  9Jamen  für  bie  ^immetelbt\>et  \\t  an  bieget  55 
©teile  leine  JHürffid^t  genommen,  ba  ber  Slufgä^lung:    „bic  ©onne    t)cx  '^Slijvfe  un\>  ^\\ 
t  anbere  entfjjric^t:   „ic^  (ber  ä5ater),  beine  gjluttet  unb  fe^tv^  *'^^^"  •  ^^'' 


Btexne''  bie  anbere  entf})ric^t:   „ic^  (ber  ä5ater),  beine  3Jluttet  unb 

gleich  ni;,  tooburc^  bemnad^  bie  SJluttcr  rej^räfenticrt  fein  iüitb,  ^(.afuvvwxw  m^- 

3n  )30ctifd^er  ©))rac^e  fommt  für  bie  ©onne   auc^  bic  Sö^x^X^ut^^  ^\^^V\v.«^  ^ 
„glü^enbc".    ©^non^^m   hiermit  foH  nac^  ©efeniuö  (Thesaur    J^^   ^-^^^^^^t^^^ 
©onnenname  cnn  fein  (ijgl.  -nn  „beife  fein";  f.  jeboc^  3R'^^%ie^  V-  ^CS  ^vN ,  \^v.v), 
©.  422  f.).  ^'  S^ 


4iK)  @onne 

I.  3)ic  Sefd;affcnl^cit  bcr  ©onnc  unb  il^r  ©influft  auf  baö  3^^'f^<^- 
^a^  F)crrUd;ftc  unter  bcn  SBJcrten  beö  ©c^öt)fcr^,  bertünbct  bic  Sonne  nad)  altteftament- 
lic^er  i^orfteDung  neben  ben  übrigen  ©eflirnen  unb  an  il;rer  ©J)i^e  ba«  £ob  ©ottes 
C^Jf  148,  3).    ^f}x  Sauf  iüirb  gebac^t  bon  bem  einen  ©nbe  ber  äöelt  fic^  crftredenb  bi^ 

5  an  ba^  entgegengefe^te ;  bort,  ioo  (grbe  unb  §imniel  fxd)  berül^ren,  fte^t  ber  2)i(^ter  l>f 
19,  5ff.  ba^  ^di  ber  ©onne  (Dgl.  §ab  3,  11),  tporau^  ber  ©onnenbaK  aömorgenblic^ 
l^erau^tritt,  um  mit  ber  greubigleit  be^  Sräutigam^g  unb  ber  Äraft  be«  gelben  feinen 
bie  SBelt  umf^jannenben  SBeg  jurüdjulegen.  3)ie  SJorfteKung  bon  bem  ^elte  ber  ©onne 
liegt  ben  Stuöbrüdfen  ns:"»  „^erauöge^n"  für  ba^  Slufge^n  unb  «^^'J  „ßinfel^r"  für  ben 

10  Untergang  bcr  ©onne  juSrunbe.  5Prbl,5  pnbet  ftd^  bie  me^r  refleltierenbe  SSorfteDung, 
bafe  bie  ©onne  nac^  il^rem  Untergang  fic^  an  ben  Ort  (im  Dften)  begiebt,  öon  ioo  fic 
aufgellt.  Sei  ben  Sab^Ioniem  i)at  ber  Fimmel  3^^üren  „an  beiben  ©eiten":  au^  einer 
tritt  bie  ©onne  am  3Worgcn  l^erau^  unb  in  eine  anbere  gel^t  fte  be«  2lbenb^  hinein 
(3cnfen,  2)ie  Äoömologie  ber  Sabl;lonier  1890,  ©.  9).    ©ine  2tbänberung  beö  gu  ftetigcr 

16  aicgelmäfeigleit  bon  ®ott  georbneten  ©onncnlaufe«  (bgl.  noc^^f74,  16;  104, 19)  ba(|tc 
man  nur  aU  burc^  aufeerorbentlicl^e^  ©ingreifen  ber  ©ott^eit  betüirft  (§i  9,  7),  loic 
bei  bem  ©onnenftiüftanb  unter  ^o]ua  {^o\  10,  12  f.)  unb  bem  Slürfgang  bc«  ©c^atten^ 
an  ben  „©tufen  bc«  St^ag"  (2Äg20,  11)  ober  (im  ^arattelberic^t  3;ef38,  8)  ber  ©onne 
felbft  unter  $ii$fia  (f.  über  bie  ßinric^tung  biefer  „©onnenu^r"  ©c^ia^jareDi  a.a.  £.,  ©.87  ff. ; 

20  Qd)Waü\},  ©emitif(^e  Ärieg^altertümer  I,  1901,  ©.  23ff.  beutet  ba^  äöunber  Sofuaö 
unb  bag  3icf<Jiö^  ol^  einen  „©onnenjauber"  —  jene^  lann  man  etwa  fo  anfeilen,  biefcö 
faum).  SSerfinfterung  ber  ©onne  \vax  ein  beängftigenbe^  B^^^^n  unb  ift  be^^alb  ein 
ftel^enber  3ubef^ör  ber  ©c^redfen  be«  gnbgeric^te«  (3ef  13,  10;  3oe2, 10;  3,  4;  4,  15 
[togl.  arm  8,  9;   anberö  9Ki  3,  6];  mt  24,  29 ;   3Kc  13,  24  [bgl.  Sc  21,  25];    2lj)I  6,  12 ; 

26  8,  12). 

3ioci  ©eiten  be^  t)^^fifc^en  (Sinfluffeö  ber  ©onne  auf  bie  (Srbloelt  toerben  im  312 
befonberö  ^erborge^oben:  (Srleud^tung  unb  ßribärmung  —  jene  bie  SBebingung  aü^ 
irbifd;en  Sebeng  (3)t  33,  14;  2  ©a  23,  4),  be^^alb  ate  bag  erfreulic^fte  in  ber  3fiatur 
bargeftcUt  (2  ©a  23,  4;  bgl.  $rb  11,  7);    biefe,  ben   Ilimatifc^en  SSer^ältniffen  ber  füb^ 

30  lid^ern  ©egenben  entf^jrec^enb,  mel^r  fc^äbigenb  ate  förbernb  gebac^t.  3m  ©cgenfaft  ^um 
aJionbe,  bem  baö  SBac^^tum  erjeugenben  ©eftim  (f.  31.  3Jionb  33b  XIII  ©.341  f.),  gilt 
bie  ©onne  ate  Derfengenb  unb  tötenb  (©i  43,  3 f.;  3lJ)I  7,  IG;  16,  8 f.). 

Daft  man  bie  ©lut  ber  ©onne  (^f  19,  7),  nac^  ber  pe  in  ber  ^JJoefie  benannt 
tourbc,  bon  einer  feurigen  9Jatur  be«  ©eftirn^  au^ge^enb  bacj^te,   fommt   im  213:  nid^t 

35  mr  (Sriüäbnung.  ©en)ife  aber  ^at  man  fic^  bie  ©onne  feurig  borgefteüt,  toie  bei  bcn 
^abl;lonicrn  ber  ©Ott  9Jergal  gugleic^  ©onne  unb  geuer  re^jräfentiert  (f.  3i*""^cni  in: 
©d^raber,  ltciün{d;r.  u.  b.  StSC',  ©.  412,  3lnmfg.  3).  3luf  berfelben  Kombination  bc= 
rul^t  e^,  bafe  ber  ^jcrfifc^e  ^JÖJit^ra,  ber  aU  ba^  SicI^t  ber  ©onne  bere^rt  unb  bei  bcn 
3lramäem  mit  i^rcn  ©onnengöttern  ibcntifijiert  tüurbe  (f.  unten  §111,  3,  c,a),  bei  bcn 

40  3trmcniern  ali  mWjx  mit  .öepI;aiftog  glcicf^gefc^t  ioirb  (f.  3l.3Janaia  93b  XIII,  ©.  642, 1  ff.), 
alfo  aU  ein  ©ott  be^  %cntx^  gilt.  Stud;  ber  Jj^önijifd^e  3)klfart  l^at,  ioenn  nid^t  t)on 
§aufc  au^,  fo  bod;  bei  ben  ©^Jätern  eine  Se^iel^ung  jur  ©onne  unb  bicDeic^t  guglctc^ 
i\um  gcucr  (f.  3t.  a)JoIod;  33b  XIII,  ©.  291, 43  ff.),  ßu  toergleic^en  finb  bic  feurigen 
$innnel«^n)agcn  ber  @lia=  unb  (SIifas©ef^ic^te  (f.  unten  §  III,  5,  e),  beren  geuer  fc^ipcrlicb 

4b  auf  bcn  33(i^  bcrlocift,  fonbern  c^er  auf  bie  ©eftime,  bie  aU  ein  ftc^  am  §immcl  bc= 
iocgcnbe^  gcuer  crfd;cincn. 

2)ic  ^f  19,  6  au^gcbrüdtc  3?orfteC[ung  bon  ber  ©onne  ate  einem  gelben  C^-^) 
unb  bon  i^rcr  g^rcubigteit  Hingt  in  ber  ^oefie  aud^  fonft  noc^  an:  ben  3<>^ibc  Siebenben 
ioirb  gcioünfd^t,  ba^  fic  glcid^cn  ber  ©onne,  iocnn  fie  aufgebt  in  i^rer  Kraft  (^^T?^^  di\ 

50  5,  31);  oF^nc  Sonnen fd;cin  ift  feine  greube,  bcr  Srauernbc  ift  fonnenlo^  (^i  30,  28). 
5DJit  bcr  Sonne,  iDcnn  fic  (crfrcucnb  unb  bcicbcnb)  aufgebt  am  tooüenlofen  ,^immel  nadb 
näc^tlid;cm  9kgcn,  loirb  bcr  gcrcd;tc  König  bcrglic^cn,  toeil  fein  Siegiment  ^rcube  unb 
©cbcit)cn  bcrbrcitct  (2  Sa  23,  4).  ^n  il^rcm  mafeüofcn  ©lang  ift  bie  Sonne  33ilb  bcr 
Slcinbcit  bc^  ^Wcnfd;cn  (§2  6,10;   bgl.  Mi  13,  1:3).    9Jur  einmal  toagt   e^  ein  fbätcr 

65  ©ic^tcr,  aud;  bic  (5^ottE;cit  unter  bem  33ilbc  bcr  Sonne  barjuftellen  mit  Säe^ug  auf  bic 
bon  il^r  auögcl;cnbcn  looblt^ätigcn  Süirtungcn:  „Sonne  unb  Sc^ilb  ift  ga^ioe  (globim; 
©nabc  unb  .N>crrlic(ifcit  bcrkif^t  ^^aljioc"  (^[81,  12;  bgl.  ^cf  60,  20:  „^a^toc  tpirb  bir 
fein  ^^ium  cioigcn  Sid;tc").  (5bcnfo  mirb  bic  göttlid^c  (Snabc  mit  ber  Sonne  berglic^cn 
53ial  3,  20 :  ,,3(ufgcbn  luirb  cud\  bie  \l)x  meinen  9iamen  fürchtet,  bic  Sonne  ber  ©nabc 

üo  (©crcd;tigtcit)  unb  .Teilung  unter  il;rcu  g-ittigcn"  (bgl.  gcgcnfä^lic^  3)Ji  3,  6).    —    "DJic^t 


4»2  S9MMt 

unb  nad)  il^m  ba^  SRonbjo^  mobifijicTt,  bamit  bie  t)on  ber  ©onnc  ab^genben  3ö^ws= 
jdtcn  immer  toieber  auf  bicfclben  Reiten  bc^  Äalcnberjo^  fielen.  Süc^u^tnobme  auf 
ben  Sonnenlauf  erfie^t  man  fc^on  Jux  bie  ältere  ^6i  beutlic^  auS  ben  alten  9Ronat^ 
namen,  bie  auf  beftimmte  ^afyct^itiim  t)ertDeifen.    Grft  au^  \pättt  3«t  be^  3"^«^>"^ 

6  toiffen  mir,  toie  bie  2lu^lei<^ung  be«  3Ronbial^e«  mit  bem  Sonnenlauf  ^geftefft  tourbe, 
nämlid^  burc^  9nn)enbund  eine^  @<^tmonate^.  filoftermann  (Ueber  bie  falenbarifc^  Se^ 
beutung  beö  Sobelja^reö,  "XfjStSt  1880,  ©.  720—748)  fiebt  ba«  Sobeljabr  (^obd  = 
„au^louc^"?)  an  cdi  ein  Bd^^afyc,  baö  ber  äu^leic^ung  bee  SHonbjo^re^  mit  bem 
©onnenja^r  bienleCO-    2..  übcdfoupt  8.  ,,^afyc  bei  ben  Hebräern"  93b  VIII,  ©.  524  ff. 

10  III.  Äultifc^e  aSere^rung  ber  Sonne  bei  femitifc^en  Sölfern.  öei 
faft  allen  SSölfem  be^  9(ltertumd  tuar  ber  Sinbrud  ber  Sonne  fo  getoaltig,  ba^  fte  in 
i^  ein  göttlii^e^  3Befen  ju  erfennen  glaubten  ober  fie  bod^  ju  einzelnen  ®öttergeftalten 
in  irgenbtoetc^c  93egie^ung  fe^en.  3)ie  alten  ^nbogermanen  benannten  i^re  ®ötter  toic 
nac^  bem  ^immel  fo  au^  nac^  ber  Sonne  unb  bem  Sid^tglanj,  ber   fte  t)erfunbet  unb 

15  begleitet.  Unberechtigt  unb  ergebnislos,  toie  bem  Unterzeichneten  \d)zmt,  ^t  man  boruba 
t>erl^anbelt,  ob  in  ber  Snttoidfelung  ber  SleligbnSgefc^ic^te  über^u^t  ober  boc^  in  ber 
ber  femitifd^en  aSölfer  Sonnen-  ober  aber  3Dlonbbienft  als  baS  primäre  anjufe^  fei 
Sei  einjelnen  SSölfem  ober  Stämmen  toirb  eS  ber  SJlonbbienft,  bei  anbem  ber  Sonnen- 
bienft  gehjefen  fein  (»gl.  3t.   9Ronb  S.  344  ff.).    Sonnenbienft  läfet  fic^   nic^t   mit  Sc= 

ao  ftimmt^eit  bei  aOen,  ober  bod^  bei  ben  meiften  femitifd^en  93öllem  als  feit  l^o^em  ällter= 
tum  beftel^enb  nad^mcifen,  bei  ben  SBeftfemiten  für  bie  ältefte  Q6t  nid^t  mit  ber  fclben 
Sic^cr^eit  tüic  namentlich  bei  Sab^loniem  unb  äffVrem.  ®ieS  fönnte  inbeffen  nur  auf 
ber  bcrfc^iebenen  Sefc^affen^eit  unfercS  3KaterialS  für  bie  ©efc^ic^te  ber  h)eft=  unb  ber 
oftfcmitifd^en  Sieligionen  berul^en. 

25  2luS  ben  altteftl.  SluSfagen  ijon  ber  Sonne  l^aben  toir  gefe^en,  bafe  fie  jugleic^  als 
erfreuenb  unb  lebenförbemb  unb  als  berberbenb  aufgefaßt  tourbe.  3)ie  Bereinigung 
biefcr  ©egenfä^e  entfpric^t  burc^auS  ber  SSorfteHung  bon  ber  ©ott^eit  bei  ben  femitifc^en 
JJölfem.  (SS  ift  irrig,  toenn  man  i^nen  ober  fJjejieH  ben  Hebräern  früher  h)o^l  bie 
SSorftcHung  einer  lebiglid^  ijemid^tenben  ©ott^eit  jugefjjrod^en  unb  bieS  gelegentlich  mit  einer 

30  analogen  anfd(;auung  bon  ber  Sonne  in  Serbinbung  gebracht  f)at 

1.  Sab^lonier  unb  Slff^rcr.  S5ei  ben  Sab^loniem  unb  3lffVtem  ift  ber  ®ott 
äamag  burc^  feinen  9Jamen  =  '^^'4  als  ein  Sonnengott  d^aralteriftert.  Sama§  ift 
einer  ber  menigcn  femitifc^en  ©otteSnamcn,  morin  bie  naturaliftifc^e  Sebeutung  unber- 
lennbar  ift,  unter  ben  norbfemitifd^en  ©otteSnamen,   fo  biel  icl^   fel^e,   tpo^l   ber  einzige, 

36  h)eld()ter  mit  ber  im  Sprad^gebrauc^  fortbauernben  Sejeic^nung  eines  SlaturgegenftanbcS 
ibentifd;  ift.  3)er  ©Ott  SamaS  ift  in  'ißerfoncnnamen  feit  uralten  ß^ten  bezeugt.  3m 
alten  Sab^lonien  tüaren  Sarfa  unb  Si}))3ar  §auptfi^e  feines  ÄultuS.  2)afe  SamaS  in 
bem  auSgebilbeten  ©ötterf^ftem  bem  ^JKonbgott  nac^georbnct  ift,  als  fein  So^n  erfc^eint, 
ift  noc^  fein  93ch)eiS  für  baS  ^ö^ere  3lltcr  beS  3JlonbbicnfteS,   fonbem  lann  auf  lofalen 

*o  ÄultuSberl^ältniffen  berufen,  bie  für  bie  f))ätere  ^dt  altgemein  mafegebenb  tourben.  — 
SRebcn  SamaS  fxn\>  aud^  anberc  ©ötter  beS  babl^lonifc^-aff^rifc^en  ^ant^eonS  ent- 
loeber  urfprünglic^  Sonnengötter  getDcfcn  ober  nachmals  ^u  ber  Sonne  in  eine  33€= 
jlie^ung  gefegt  morbcn,  fo  9){arbuf,  5Jinib  unb  9Jergal  (f.  3^"^"^^^  ^"-  Sc^rabcr, 
Äeilinfc^r.  u.  b.  2tX^    S.  367 ff.;  Saftroh),   S^ie  Seligion  »abtolonienS  unb  äff^rienS, 

*5beutfd;e  2luSg.  93b  I,  1905,  S.  66—71.  134.  220—222;  bgl.  Änub^on,  Slff^rifd^e  ®e^ 
bete  an  ben  Sonnengott  2  93be,  1893;  The  Samas  religious  texts  classified  in  the 
Brit.  Museum  catalogue  .  .  .  coUected  by  C.  D.  Gray,  ßl^icago  1901  —  mir  nicbt 
jugänglic^ ;  baju  noc^  bie  oben  §  I  angeführten  93emerfungen  über  ben  Solar  disk 
bon  ai^arb,  Americ.  Journ.  of  Theology,  93b  II,  S.  115—118).    ^n  ber  aff^rifcben 

50  Xarftettung  eincS  pfeilfd^iefeenben  ÄriegcrS  über  einer  geflügelten  Sd^eibe,  bie  als  ^eiliges 
3eid;cn  bcin  ÄricgSljeer  Dorangetragen  tüurbe,  iocift  bie  Sd(^eibe  boc^  iüo^l  auf  ben  fic^ 
beh)cgcnbcn  SonncnfrciS.  93cjieF)ung  unb  ^erfunft  biefer  ©arftettung,  bie  an  ben  dajifp' 
tifc^cn  SonnenbiStuS  erinnert,  fmb  jtoeifel^aft.  ©etoöl^nlic^  fie^t  man  barin  ein  Silb 
beS  3iationa(gottcS  2lfur,  ber  alfo  au^  feinerfeitS  ju  ber  Sonne  in  einer  93ejiel^ung  ge^ 

ööftanbcn  tjättc  (ügl.  gaftrolo  a.  a.  D„  S.  206  f.). 

Saums  ift  als  ber  alleS  anS  Sidj^t  bringenbe  „ber  obcrftc  5lid;ter",  ber  mit  gerechtem 
®erid;t  bem  ©iitcm  jum  Siege  Dcrl^ilft  unb  baS  93öfe  ftraft,  jugleic^  ein  93eförberer  ber 
3Bal)rF)cit,  ber  ^S^^^^f^'^  ^öft  unb  auf  Drafelfragen  3lntioort  giebt".  6r  gilt  auc^  als 
„fiebcn  unb  ©cfunbbcit  fpcnbcnb"  (3imntcrn  a.  a.  D.,  S.  368).    ^d}  bejtpeifle,   bafe  bie 

öo  ^eilenbe  äüirfung  abgeleitet  morben    ift   bon   bem  Sichte,  baS  bie  Sonne  verbreitet,  als 


@otttte  493 

bcm  tDol^ll^ucnben  (fo  3^»"*"^^" ;  ^ßl-  *>ö5U  oben  §  I).  35icfc  SSorftcHung  bcrul^t  )okU 
Uid)t  toiclmc^r  barauf,  bafe  bie  ©onnc  in  il^rcm  jä^rlid^en  Saufe  mit  bem  SBed^fel  bon 
SÖäinter  unb  ©ommer  abftirbt  unb  toieber  ertoad^t,  alfo  in  fic^  eine  ben  lob  übertoinbenbe 
3nad)t  ret)räfentirt.  ®ben  biefe  l^ätte  man  bann  bom  Sonnengott  aud^  aufeer^alb  feiner 
felbft  befunbet  gebadet  in  Äranlenbeilungen,  bie  ate  eine  Übertoinbung  be«  3:obe«  auf*  6 
gefaxt  tourben.  Sei  ben  5ßl^önijiem  toenigften«  fd^eint  jum  f})ejieKen  ^eilgott  gctDorben 
m  fein  ein  @ott,  ber  mit  ber  @onne  tool^l  junöd^ft  nid^td  ju  tl^un  l^at,  fonbem  ba^  älb* 
fterben  unb  SBieberaufleben  ber  Vegetation  barftettt  (f.  Saubiffm,  35er  )3^önijifd^e  ®ott 
e^mun,  gbm®  LIX,  1905,  6.459  ff.  unb  ,,g«mun=3l«!lej)io«"  in  ben  Drientalifc^en 
©tubien  [9lölbele*geftfd^rift],  1906,  ©.  729  ff.).  gnttDeber  tool^I  fmb  ft)äter  ber  ©onnen*  lo 
gott  unb  ber  SSegetationögott,  ben  aud^  bie  Sab^lonier  fennen  (f.  ä.  3:ammuj),  ber« 
fd^molgen  tDorben,  ba  ba«  3""^»"^  ^^  ©onne  mit  bem  Sluftoad^en  ber  SSegetation  ju* 
fammenfättt  unb  e§  bebingt,  ober  aud^  berfelbe  ^ßrojefe  ber  älu^legung  be^  auferftel^enben 
©otte«  atö  eine«  §eUgotteö  l^at  ftc^  fj)ontan  für  ben  ©onnengott  einerfeit«  unb  für  ben 
$egetation«gott  anbererfeit«  bottjogen.  i6 

Unter  ben  anbem  gu  ber  ©onne  in  eine  Segiel^ung  gefegten  bab^Ionifd^^aff^rifd^en 
©Ottern  rej)räfentiert  ber  bab^Ionifd^e  30larbul  (3immem  a.  a.  D.,  ©.  370  ff.)  borjug«* 
njeife  bie  too^Itl^ätigen,  bagegen  Slinib  (ebenb.  ©.  408  ff.)  unb  Slergal  (ebenb.  ©.  412  ff.) 
me^r  bie  fd^äbigenben  SBirfungen,  bie  bon  ber  ©onne  au«^el^n.  Starbul  ift  ein  „§eiU 
gott  in  allen  Äranl^eiten  unb  fiöfer  jeglid^en  Sänne«"  (3tmmem  ©.372 f.);  ba«  mag  20 
bon  i^m  in  feiner  ©igenfd^aft  al«  ©onnengott  ju  berfte^n  unb  in  ber  einen  ober  anbem 
aScife  ebenfo  ju  erflärcn  fein  toie  bie  äl^nlic^en  3lu«fagen  bon  ©ama«. 

®otte«namen,  bie  bem  bab^lonifd^en  ©ama«  entf})red^en,  begegnen  toir  bei  ben 
Slrabem  unb  aud^  bei  ben  SBeftfemiten,  bei  biefen  in  beutlid^en  Seiegen  erft  ber^ältni«« 
mäfeig  f})ät.  Sei  ben  SBeftfemiten  liegt  babei  jum  Seil  beutlid^,  biefieid^t  überall  baby-  25 
lonifd^er  ßinflufe  bor.  3lber  bie  toeiblid^e  ©onnengottl^eit  Sams  bei  ben  Slrabem  ift 
toal^rfd^einlic^  toeber  Sorbilb  nod^  Slad^bilb  be«  männlid^en  ©ama«.  35a«  berf^iebene 
©cfd^Icd^t  entfd^eibet  atterbing«  nid^t  unbebingt  bagegen,  auc^  nid^t  gegen  einen  urfemi* 
tifd^m  3wfanimenl^ang  (bgl.  bie  toeiblid^e  IStar  bei  ben  Sab^loniem  unb  ben  männlid^en 
'Attar  bei  ben  ©übarabem),  ift  aber  immerl^in  ber  Slnna^me  günftig,  bafe  ber  ©onnenbimft  so 
ober  boc^  bie  Senennung  ber  ©onnengottl^eit  nad^  ber  ©onne  auf  beiben  ©eiten  fj)ontan  ents 
ftanben  ift.  (SBinrfler  [©efc^ic^te 3«rael«,  Sbll,  1900,  ©.  70f.,  Slnmlg.  4]  toiC  änjeic^m 
einer  toeiblid^en  3luffaffung  ber  Sonne  auf  affi^rifdbem  Sobm  gefunben  l^aben  unb  erfennt 
barin  fanaanäifd^en  ßinflufe,  obgleich  fid^  bodp  auf  lanaanäif^em  Soben,  abgefel^en  bon 
bm  jule^t  eingetDanberten  $ebräem,  eine  toeiblid^e  3luffaffung  ber  ©onne  ebm  nid^t  86 
nac^njeifen  läfet.)  Sei  ben  $ebräem  finb  ©t)urm  be«  ©onnenbienfte«  für  ba«  j^öc^fte 
ailtertum  gar  nid^t  unb  für  bie  3eit  be«  3lufentbalte«  in  Äanaan  mit  ©id^erl^eit  erft 
feit  ber  aff^rifd^en  5ßeriobe  m  erfmnen.  35ie«  noq  mel^r  läfet  einen  bei  bm  Urfemitm 
allgemeinen  ©onnenbienft  al«  jtDeifell^aft  erfd^einm. 

2.  Äanaanäer  unb  5ßl^önijier.    a)  ^Paläftinifd^e  Drt«namen.    3luf  h)eft5  40 
femitifc^em  Sobm  begegnen  ioir  im  312^  bem  5Wamm  eine«  Drte«  an  ber  ©renje  3uba« 
*fin-§emeS  „©onnenqueUe"  (3of  15,  7;  18, 17),  ber  möglid^ertoeife  bon  Sere^rung  ber 
©onnengott^eit  an  einer  Duelle  gu  berfte^n  ift.     Sgl.  ben  l^eutigcn  Drt«namen  2lin= 
©c^cm«  an   ber  Äüfte  nörblid^  bon  ©ibon  (Saebefer,  5ßaläftina*,  Äartc  ju  ©.  320). 
©benfo  ift  ber  im  312^  oft  toorfommenbe  9lame  mel^rerer  })aläftinifc^er  ©täbte  B6t-§eme8  46 
(barunter  ber  Ort  in  35an  ioo^l  ibentifd^  mit  bem  einmal  3of  19,  41   genannten  "Ir 
§eme§  „©onnenftabt")  bieHeic^t  auf  ©onnmbienft  ju  bejielSim   mit  ber  nä^ftliegmbm 
aiuffaffung  bon  bet  in  bem  ©inne  „%^mpd'\     35arauf,  bafe  ft^  in  bem  jubäifd^m 
Set5fd(>emefd^  (je^t  3lin=©d^em«,  Saebefer*,  ©.  16)  ein  Heiligtum  befanb,  mag  bie  3lufs 
aäl^lung  be«  Drte«  unter  ben  fiebitenftäbten  (3jof  21, 16)  bertoeifen.     3)iefe  Drt«namm  so 
finb  getoife  fanaanäifd^  unb  bon  bm  jpebräem  borgefunben  ioorbm.    ©ie  fönntm  mög« 
lid^ertoeifc  auf  bab^lonifc^em  ©influfe  in  ber  bori«raeliti|cl^en  $eriobe  berufen.    SBal^rs 
fd^einlid^  ift  ba«  aber  nid^t,  ba  ic^  fonft  nur  eine  bereinjelte  ©^)ur  für  bie  iperübemal^me 
bab^lonitem  ©onnenbienfte«  bei  ben  alten  Äanaanäem  toeife  (in  ben  %^zn  au«  Xell 
Sa^'annel,  f.  unten  §  III,  2,  b),  fold^e  ßntlel^nungm  ftdfi  auc^  nid^t  ^o  leicht  gerabe  in  56 
Drt«namen  befunbet  ^abm  ioerben,  toenigften«  nid^t  in  9iamen,  We  ^a^en  bU^en,  unb 
namentlid^  nic^t  in  Drt«namen  be«  plattm  fianbe«. 

3nbeffen  bie  Sejiel^ung  jener  jtoei  ober  brei  Ortsnamen  au^  ©onnwblcn^t  \^t 
bod^  überl^au})t  nid^t  ftc^er;  bot  in  Drt«namm  ift  nt^t  tinwex  ^e}f\(!^nunö  eine« 
Xmpdi,  unb  für  jene  Stamm  liefem  ftc^  nod^  anbere  5tomb\nat^^^  P'\^^  „Sonne"  eo 


494  Sonne 

cincrfcitg,  ^^Quettc"  unb  „^am"  ober  „Bta'bV*  anbcterfeit«  benlen  ate  bie  auf  bem  ilultu^ 
berul^enbe. 

^Jlod)  tücniger  fid^cr  läfet  ftd^  auf  alttanaanäifc^cn  ©onnenbienft  fc^Hepen  au^  bem 
in  Drtönamcn  angctoanblen  o*;n^  tüeil  bie^  ®ort  nid^t  borlommt  al«  9iame  einer  ©onnen= 

6  ßott^eit,  h)ie  e§  für  '«^'"v.  =  SamaS  ber  %aü  ift,  unb  in  ben  Ortsnamen  überl^am)t  eine 

.     anbere  Scbeutung  l^abcn  tonnte  ate  ,,©onne"  (bgl.  arab.  hars  =  ,,Seh)al^rung")-    3" 

ber  ganj  f})äten  ©teile  3ef  19,  18  ift  aUerbing«  ^öd^fttüa^rfd^einlid^  p  lefen  cnnri  ^,^ 

unb  bic^  bon  bem  ä0^t)tif(i^en  §elio})olig  j\u  toerftel^n.    Unter  t)aläfttnif(i^en  Ortsnamen 

fommt  toor  s";inn  (in  pausa)  für  einen  Ort  bei  ©ulfot  9li  8, 13,   too  aber  bie  Sefung 

10  ^h)eifcll;aft  ift,_  ferner  ^"".T*""  9li  1,  35  für  einen  Ort  im  ©tamme  35an,  möglic^ertocifc 
ibentijcfi  mit  'Ir  Semos.  3n  bem  ct)^raimitifcl^en  Ortsnamen  s"in-n:rri  3li  2,  9  ift  na^ 
3of  19,  50;  24,  30  bie  £e«;art  onn  nid^t  ganj  fidler,  unb  iebenfatt^  ift  e«  nic^t  toal^r= 
fd^einli^,  ba^  eine  Benennung  nad^  ©onncnfult  nur  afö  eine  nähere  Seftimmung  ^u  bem 
eigentlichen  Ortsnamen  (nrsn)  ^inj^ugefügt  toäre.     (einigermaßen  analoge  Ortsnamen 

16  lauten  5)faria  ©inftebeln,  SKaria  Xafert,  SJariaj^efl,  ni^t  umgelel^rt:  Sinftebeln  ber 
9Jlaria.)  3(ug  biefen  ©rünben  lann  ic^  ber  Sic^erl^eit  nid^t  juftimmen,  toomit  6bu.  fDJcber 
(Die  Se^raeliten  1906,  ©.  476,  änmfg.  2 ;  ©.  528)  au«  ben  Ortsnamen  B§t-§eme§, 
Harheres,  Timnat-heres  auf  ©onnenlult  ber  t)ori«raelitif(^en  „d^oritifd^en"  Se= 
böHenmg  fd^Iiefet.    9lod^  toeniger  toal^rfc^eintic^  ift,  bafe  in  bem  moabitifd^en  Ortsnamen 

20  b'7n"'n''p  ba«  b^in  ibentifd^  mit  onn  ift,  namentlid^  ba  baneben  bie  gorm  r.b'^n-n-'i: 
borfommt. 

b)  ©ama«.  2^cm})eIorientierung.  9Kel!art.  3n  nr.  4  ber  ileilinfc^riften  au^ 
2:cII  3:a'annct  (^rojny  bei  ©ellin,  leH  ^'annef,  Denlfd^r.  b.  ffiien.  Slab.,  ip^ilof^iftor. 
AI.,  Sb  L,  1904,  4,  ©.119)  toirb  (ilu)  Sam[a§J  genannt.   Diefe  bereinjelte  ßrtoäl^nung 

25  befagt  nocfi  nic^tg  für  §erüberna^me  babi;Ionifd^en  ©onnenbienfte«  in  h?eiterm  Umfang 
bei  ben  alten  Äanaanäem. 

gür  bie  ©alomonifc^e  3eit  aber  l^aben  h)ir  ein  ganj  beutlic^e«  3^'^^/  *^^^  ^"f  ©onnen- 
bienft  bei  ben  ^^önijiern  ober  bod^  auf  Seeinfluffung  i^rer  3;em})elbautcn  burd^  ben  ©onnen^ 
bienft  eine«  anbern  l<oIte«  ^intoeift,  in  ber  Orientierung  be«  ©alomonifd^en  3:emj)ct«  na* 

30  bem  ©onnenaufgang.  ©ic  ift  nic^t  zufällig,  ba  fie  für  bie  fiofalität  be«  jerufalemijcben 
2:em^cl0  burd^au«  nid^t  j^afet,  unb  ift  t>on  bem  })^öniiif(^en  SSorbilb  be«  ganzen  Sauc§ 
l^erjuleiten,  ba  n)eber  ber  ©Ott  ©alomo«  nod^  ber  ber  altem  Hebräer  3üge  eine«  ©onnen= 
gotte«  an  fid^  trägt.  Da«  9[5orbilb  be«  ©alomonifc^en  Semj^el«  ift  in  2:^ru«  gu  fuc^en, 
tDoI^er  ber  Saumeifter  ©alomo«  !am.   ^öd^fttüal^rfd^einlid^  toar  bie«  3?orbiIb  ber  3:em}}el 

35  be«  ^au^tgottc«  bon  I^ru«,  be«  ®ottc«,  für  njelc^en  n)ir  au«  |})äterer  3^^^  ^^"  9lamen 
3)ielfart  fenneh.  (Sr  mag  alfo  fc^on  gu  ©alomo«  3^^^  ^^^  ©onnengott  angefe^en 
tDorben  fein. 

^ür  biefc  Scbcutung  laffen  ftd^  aud^  in  ben  2lu«fagen  über  ben  ®ott  einzelne 
©J)uren  gcltenb  mad^cn.    ©ie  gehören  f})ätcr  3^^^  o"-   ®i"^  angäbe,  bie  man  ju  biefen 

40  ©jjuren  gered^net  I;at,  fönnte  freilid^  bi«  in  bie  3^^^  ©alomo«  ^urüdfiDeifen.  ©.  barübcr 
91.  Saal  a3b  II,  ©.  331  f.  3lber  e«  ift  bod^  nid^t  fid[>cr,  bafe  biefe  eine  angebliche  ©})ur, 
ba«  bi«  auf  ©alomo«  3^itgenoffen  §iram  jurüdfbatiertc  2luferftel^ung«feft  be«  3DJelfarl, 
fic^  auf  ben  ©onnenlauf  bcjog ;  bie  3tngabc  be«  3;oJ^i>^u^  ^^^  3Renanber  (Antiq.  VIII, 
5,3;  bgl.  C.  Ap.  I,  18),  bafe  e«  im  3)lonai  ^ßeritio«,   b.  i.  im  gebruar=3)lärj,   gefeiert 

46  hjorbcn  fei  (nad;  ber  für  2:i;ru«  bezeugten  Sere^nung,  an  bie  ^ier  bod^  tüol^l  gu  benfen 
ift,  begann  ber  ^eritio«  mit  bem  16.  gebruar  unb  ^äl^lte  30  läge,  f.  Sbeler,  §anbbud^ 
ber  Chronologie,  95b  I,  1825,  ©.  435),  pa^i  faum  ^u  biefer  ^nnal^me,  ba  ba«  3Kieber= 
crlüad^en  ber  ©onne  mit  ber  2Binterfonncnh)enbe  beginnt,  unb  fd^eint  fid^  el^er  auf  bae 
SiJiebcrerhjad^en  ber  ^flangenn)elt  gu  belieben.  —  aßenn  toirflid^  unter  bem  Zevg  fui- 

50  UxKK  be«  ^^ilo  S^bliu«  (Fragm.  histor.  Graec.  ed.  6. 5WülIer,  Sb  III,  ©.  50() 
fr.  2/.0  Weifart  ^u  berfteljn  fein  foQte  (91.  Saal  ©.332,  30 ff.;  31.  ©anc^uniatbon 
Sb  XVII,  ©.  463,  34 f.;  468,  24 ff.;  bgl.  Saubiffin,  ©tubien  ^ur  fcmitifc^en  9{eligion«^ 
gefd^id^te  I,  1876,  ©.  36;  II,  1878,  ©.  174),  n)a«  allerbing«  unfi^er  bleibt,  fo  belöge 
fic^  bie  2)arftellung  be«  3^"^  3)Jeili^io«   al«   eine«  ©d;iffer«  bei  ^P^ilo   faum   auf  bie 

56  ^-a^rten  be«  foloniengrünbenben  3:i)ru«  fonbern  eljcr  auf  bie  be«  ®otte«  felbft,  ber  ak> 
©onnengott  über  ba«  9)icer  l^in  nac^  bem  fernen  SBeften  ^k^.  9lber  aud^  biefe  2luf^ 
faffung  fönnte  nad^  ber  9{rt  ibrer  Sejcugung  für  alte  i>orftelIung«h)eifc  nic^t  in  Sctrad^t 
fommen.  isgl.  baju  eine  allerbing«  ebcnfaH«  fel^r  unfic^ere  Vermutung  3^"f^^  bon  bem 
babt^lonifc^en  ©onnengott  auf  einem  ©d;iffc  (bei  3"""^^!^  ^-  ^-  D.,  ©.  632).  —  auf  alten 

60  fanaanäifcl;en   ©onnenbienft   unb   f^ejieH   auf  bie  äSorftcHung   be«  ?)lelfart   al«   eine^ 


496  Sotttte 

35t«fu§  im  ^albmonb  auf  bie  ©onnc  \>qL  eine  i)alm^renifc^e  SJarfteHung  ber  Süftc  be§ 
©onnengotteö  im  §aIbnionb  unten  §  III,  3,  e  SKorbtmann  n.  80). 

^6)   mufe  mi^  barauf   befd^ränten,  toeitere  Silber  gu  nennen,   tDorin   man  Dor^ 
fteHungen  bet  ©onne  in  93erbinbung  mit  bem  3Konb  ober  ber  ©onne  für  [x6)  aflein  unb 

6  möglic^ertoeife  eine  Se^ieJ^ung  auf  ©onnenbienft  erlennen  tonnte.  35em  3)i^Iu^  im  §alb= 
monb  entf})rici^t  auf  })l^önijif^en  SKünjen  bie,  fo  biel  id)  fe^e,  nur  feiten  tjorfommenbc 
35arfteIIung  eine^  ©tra^lengeftim^  (ber  ©onne?)  im  ^albmonb  (Wünge  toon  ©ibon 
44—117  n.  6^r.  bei  Sloubier,  Journal  International  d'arch^logie  numismatique, 
»b  V,  1902,  ©.238  n.  1354;  3»ünje  t>on  polemai«  mit5lo})f  be«  3Jero  ebenb.  SblV, 

10  1901,  ©.  215  n.  996).  ©ofem®abaIa  noc^  l^ier^er  gejogen  toerben  barf,  feien  ertoä^nt 
auf  beffen  9)Jünjen  ©onne  unb  ^albmonb  nebeneinander  (SBrot^,  Catalogue  of  the 
Oreek  coins  of  Oalatia,  Gappadocia,  and  Syria,  Sonbon  1899,  ©.  245  n.  11.  12 
mit  S3üfte  be^  ßaracafla),  auf  anbem  5Ölünjen  toon  ®abala  ©tem  ober  ©onne  allein 
(ebenb.  ©.  244  n.  4.  5  mit  Rop^  beö  S^rajan).    aJlel^r  ate  biefe  f})äten  %if)ßm  ^ätte  ^u 

15  bebeuten  bie  toeit  ältere  unb  i^äufige  SJarfteHung  eineö  „©onnenglobu^"  unb  $aIbmonbe^ 
am  Hinterteil  einer  ®alere  auf  9Jcünjen  toon  ©ibon  au^  t)erfifd^er  3^^^/  ^^^"  P^  ^^ 
©onnenglobu^  toirflid^  al«  fold^er  erfennen  läfet  (460—450  t).  6|lr.  unb  f^)äter,  bei 
SRoutoier  a.  a.  D.,  »b  V,  ©.  100  ff.  n.  1082,  1083  unb,  h?ie  e«  fc^eint,  auf  allen  folgern 
ben  9lummem  bi^  n.  1170).    6in  ©tra^Iengeftim,  ba«  ein  ©tem  ober  iool^l   auc^   bie 

20  ©onne  fein  lann,  lommt  nod^  f onft  auf  })l^önijif^en  3Wünjen  toor  (ic^  l^abe  bafür  bemerft 
bei  Sloutoier  a.  a.  D.,  »b  III,  1900,  ©.  307 f.  n.  603.  604.  604  bis;  35b  IV,  ©.  62 
n.  735;  S3bV,  ©.  130  n.  1274;  ©.267  n.l527;  »bVI,  1903,  ©.22  n.  1647;  ©.24 
n.  1651;  Sb  VII,  1904,  ©.  80  n.  2387;  ©.  87  n.  2434;  ©.  100  n.  2507;  ©.  lOOf. 
n.  2511).    Sei  allen  biefen  Darftellungen  bleibt,   auc^  toenn  fte  rid^tig  al^  ©onnenfrei^ 

26  ober  StraJ^lenfonne  aufgefaßt  fmb,  j^toeifel^aft,  inioietoeit  fte  einen  5lult  ber  ©onne 
toorau^fe^en.  Sttud^  bag  Silb  toon  ©onne  unb  9Konb  an  ber  ©alere  fönnte  [\6)  lebiglic^ 
barauf  bejiej^en,  bafe  bie  ^a^rt  be«  ©c^iffc«  bom  ©onnen^  unb  9Konbfci^ein  abhängig  ift 
unb  begünftigt  toerben  foll.  —  ^ebenfaü^  lä^t  ftd^  au«  allem  bi^l^er  toon  un«  ängegäenen 
nic^t  mit  ©id^erl^eit  erfel^en,  bafe  ©onnenbienft  ben  5lanaanäem  toon  $aufe  au«  eignete. 

90  d)  Saal  ßl^amman  unb  G^ammanim.  SKöglid^ertoeife  fönnten  ein  toeiterc^ 
3lrgument  für  lanaanäifd^en  ©onnenbienft  bie  im  3l2i  unter  bem  Flamen  ß^ammanim 
ertüä^nten  l^eiligen  ©äulen  fein,  benen  in  })unifd^en  ^^f^^ft^"  ^i"^  ©ott^eit  jizn  Vrn 
entftoric^t.  3lber  e«  ift  boc^  fraglid^,  ob  biefer  9lame  mit  n?:n  ^,©onne"  in  Scrbinbung 
ju  bringen  ift.    6r  toäre  bann  aU  Slbjeltibum  mit  ber  Sebeutung  „^eife"  junäd^ft  eine 

35  Sejeid^nung  bc«  ©onnengotte«  felbft,  erft  fetunbär  feiner  ©äule.  Sgl.  31.  »aal  ©.  330f. 
3u  ber  anbem  5Köglici^!eit,  i^^n  al«  einen  Ortsnamen  („Saal  toon  i7:n")  ju  tocrftel^n,  ift  je^t 
nod^  in  Setrac^t  ju  jie^en  bie  bem  jtDeitcn  nad^d^riftlid^^en  g^^^^wnbert  ange^örenbe  3"' 
f^rift:  MeQxovQio)  Acofuvco  xco/itjg  Xdjii(ov[og]  au«  bem  Drte§am  in  ber  9iä^e  bon 
S3aalbe!  (juerft  begannt  gemad^t  Don  6lermonts©anneau,  Recueil  d'archöologie  orien- 

40  tale,  93b  I,  ^ari«  1888,  ©.  22),  n)orin  ^fib.  S^to^  (Cultes  et  rites  Syriens  dans  le 
Talmud  in  ber  Revue  des  Stades  juives  XLIII,  1901,  ©.  188f.)  ben  ®otte«namen 
•;7:n  brn  ^u  ertennen  glaubt.  Db  bann  ^ier  ba«  SJorbilb  be«  lartl^agifc^en  ®otte«  ju 
finben  n)äre,  toirb  man  jebenfaH«  beffer  mit  3-  2^^^  ba^ingeftellt  fein  laffen,  namentlich 
ba  bie  3"f^^ift  burc^  ba«  5n)ifc^en  bie  (Sotte«namen  gefteHte  xco/urjg  bie  3Sermutung  ertoedt, 

46  bafe  l^ö^ftcn«  ein  3Bortf})iel  mit  bem  jufäHig  an  ben  (Sotte«namm  v:n  anlUngenbcn 
Ortsnamen  vorliegt  (jo  Sagrange,  fitudes  sur  les  religions  S^mitiques*,  ^ari«1905, 
©.  87  f.).  ®enn  ycn  in  "i?:n  brn  Drt«begeici^nung  fein  follte,  fo  toären  bie  (S^am^ 
manim  fd^tüerlid^  bamit  in  SSerbinDuna  ju  bringen,  ©ie  fönnten  bann  aber  i^rerfeit^ 
faum  au«  bem  3Jamen  ber  ©onne  erfiärt  toerben,  ba  i':n  [id)  nic^t  toon  iT'?"  fonbem 

50  nur  ci\üa  bire!t  bom  ©tamme  zun  ableiten  läfet.  %\xx  fcbr  alten  ©onnenbienft  fmb  bie 
G^ammanim  fcincnfall«  geltenb  ju  mad^en,.  ba  eine  ©rtoä^nung  toor  ©jec^iel  nid^t  nac^- 
j^utoeifcn  ift;  bie  in  gef  17,  8  ift  fc^toerlid^  gcfaianifd^.  —  3"'«%^  aUerbing«  ift  Saal 
ß^amman  ein  Sonnengott  gen)efen;  er  ift  abgebilbet  al«  ftra^lenumfränjte«  ^auüßi  auf 
einem   bei  2^l;ugga   gefunbenen  Denfmal   mit   neu^unifd^er  3i"W^if^  ((Sefeniu«,  Script. 

55  linguaeque  Phoen.  monumenta  1837,  laf.  21).  Slber  ba«  ben)eift  nic^t«  für  feine 
urfjjrünglid^e  Sluffafjung,  ba  in  ber  3^i^  ^^  neuj)unifd^cn  gnfd^riften  bie  t)]^öni5iWen 
©Otter  faft  allgemein  ju  Sonnengöttern  geloorben  toarcn.  ®a  93otibfteine  für  Saal 
(Sl^anmian  mit  ©clp^incn,  Slumcn  unb2:rauben,  ben3cid^en  ber  ^rud^tbarleit,  gefd^müdt 
fmb  (f.  ä.   Saal  S.  328, 51  ff.),   fo  bad;te  man  babei   menigften«  in   f})äterer  3eit  bie 

60  ©onne  al«  bie  ^rud^tbarteit  förbemb  (f.  barüber  oben  §  I). 


498  ®0tiiie 

^nri^  1804,  S.  172)  in  einer  SnfArift  ju  S^blo«  fanb,  t)^önijifc^em  CTitmn?  ent^ 
fprcd;en,  ferner  ebcnfo,  h)ie  6Iermonl=©anneau  (Recueil,  S3b  III,  ©.  145  ff.)  gcfc^  ^t, 
IlkiodcoQog  al^  Slame  eine^  au«  Ser^to«  gebürtigen  ©ibonicr«  in  einer  ^"f^'^ft  ju 
^Q\pf)i  (lIXio\dcoQog]y  Bulletin  de  correspondance  hellßnique  1898,   ©.409)   unb 

6  eine«  ©ibonier«  in  einem  2)e!ret  ber  Söotier  toon  3lro})o«  (bic  beiben  lefttgcnannten  5n= 
fc^riften  8.  bi«  2.  3a^r(^unbert  t).  6^r.). 

3tuf  ©onnenfult  toertoeift  bielleid^t  aud^  ber  Ortsname  'Ä72C"T3p72  auf  maurctonifc^ 
SKün^en  (£.  3)Jüner,  Numismatique  de  Tancienne  Afrique,  Äoj^en^gen,  35b  III, 
1862,  ©.111.  124.  164  ff.).    SÖäenn  ber  9lame  bebeutet  „©onnenort",  ift  aber  boc^  bic 

10  S3ejie^unö  auf  ben  ©onnengott  jtoeifell^aft,  unb  jene  Sebeutung  ift  unpd^er,  ba  für  ben 
Crt  aud^  ber  9lame  'Ciz'O  o^ne   7:p?2  borfommt  (a.  a.  D.,  ©  98—100.  165  n.  247). 

g)  ^elio«.  ßine  S^f^^ft  gu  SScirut  au«  ber  Äaiferjeit  lautet:  Kq6vov  'HXiov 
ßcojuög  (Golonna  ßeccalbi,  Stöle  inßdite  de  Beyrouth  in  ber  Revue  archßologique, 
Nouv.  S^rie,   S3b  XXIII,    1872,   ©.  253—256);    toeld^er    t)^önijif(^e  ®ott   l^ier  mit 

16  Kqüvog  gemeint  ift,  mufe  ba^ingefteHt  bleiben. 

$Henan  ^at  gu  5)lafc^na!a  in  ber  Umgegenb  bon  95^blo«  einen  Keinen  ältar  gefunben 
mit  ber  Stcliefbarftcllung  be«  ftral^lenumgebenen  Äo})fe«  eine«  jugenblic^en  ©onncngottee 
(Mission  de  Ph^nicie,  laf.  XXXII,  2),  toielleic^t  ein  »ilb  be«  ju  S3^blo«  toerebrten 
2lboni«,  ber  aUerbing«  urft)rünglici^  fein  Sonnengott  toar  (f.  31.  S^ammuj).    3)arauf,  ba| 

20  man  i^n  in  f})äter  ^z\\  al«  ©onnengott  badete,  mag  3}lartianu«  6a))etla  II,  192  "o^x- 
tocifcn :  unter  toielen  ®otte«namen,  bie  er  in  einer  SReil^e  mit  Sol  al«  berfelbcn  ©ottbeit 
geltcnb  aufgäl^It,  nennt  er  Byblius  Adon.  30lacrobiu«,  ber  überall  ©onncngöttcr  ficht, 
fagt  (Saturn.  I,  21,  1)  au«brüd(lici^:  Adonin  .  . .  solem  esse  non  dubitabitur.  &r 
giebt  (1,21,1  ff.)  eine  au«fül^rlid[>e  Deutung  be«  3lboni«  al«  ber  im  SBinter  fmfenben,  mit 

25  bcm  grü^ja^r  toieber  fteigenben  ©onne  unb  toiU  biefe  Deutung  bereit«  borgefunben  ^ben. 

6lermont=®anneau  (Rapports   sur   une  mission  en  Palestine  et  en  Ph^nicie 

entreprise  en  1881,    Cinquiöme  rapport,  in  ben  Archives  des  missions  seien ti- 

fiques  et  litt^raires,  S^rie  III,  Sb  XI,  1885,  ©.  172  n.  23)   ^at  ben  abgebrod^encn 

Sopf  einer  Sronjeftatuette  au«  bem  f^rifd^en  2^ri^oli«  befannt  gemacht:   ein  jugenblic^cr 

30  ©onnengott  mit  fteben  ©tra^len,  Duffaub  (©.  62)  eine  ä^nli^e  Heine  Sronjebüfte  boj 
©onnengotte«,  ebenfaH«  au«  2:rit)oli«.  3"  Slimat  bei  ©ibon  ift  in  einem  ©aceHum  bic 
Sronjcftatuette  eine«  einen  ffiibber  tragenben  Jüngling«  gefunben  toorben,  umgeben  toon 
^hjei  Süften  be«  ©onnengotte«  (2)uffaub  ©.  60  f.).  Dem  Drte  ©d^alabun  bei  cb-Duh)er 
in  ber  Umgegenb  t)on  2^i;ru«   gehört  an  ein   mit  gried^ifc^er  Sy^f^^f*  berfe^ene«  Selicf 

35  au«  fcbr  fjjäter  3^*^/  ^^^  ^"  barbarifc^en  formen  9l})ollon  unb  3lrtemi«  al«  ©onnengott 
unb  *jDJonbgöttin  barftellt  mit  teil«  gried^if^en,  teil«  f^ro^j^l^öni^ifd^en  Attributen  (SRenan, 
Mission,  ©.  677  unb  SEaf.  LVII,  3;  Duffaub  ©.  88 ff.). 

3(uf  j)^öni^ifc^en  Wunden  \:}C[hz  xij  nur  für  Slrabo«  bie  beutlid^e  DarfteHung  einc^ 
©onnengotte«  bemerft,   in  bem   bort   mel^rfad^  au«  ben  "^oifx^n  101—116  n.  6^r.  bcr^ 

40  fommenbcn  2^l>t)u«  ber  flra^lenumtränjtcn  Süftc  be«  jugenbli^en  ©otte«  (SRoubier  a.  a.  C, 
©b  III,  ©.  251  f.  n.  378-382).  Der  Sictoer«  biejer  ^Künp  |;cigt  einen  Äorb  mit  i;n>ci 
iäbren  unb  eine  Jlcbenrnnfc  mit  einer  Traube,  boc^  tool^l  ein  .^inmei«  auf  ben  ©onnen- 
gott al«  ^örberer  be«  ©rntefegen«  (bgl.  ba|\u  oben  §  III,  2,  d  über  Saal  ß^mman  unb 
§  I).    ©onft  fenne  id^  nur  nod^  auf  einer  3Künje  ber  ©tabt  ©abala,  bie  aber  bo(^  toobi 

45  fd^on  bcm  aramäifrf)cn  Screicb  jujujäl^lcn  ift,  einen  ftral^lenumfränjten  jugenblic^en  Äo))f, 
t)icncid>t  ein  ©onnengott  (fflrotl;,  Coins  of  Galatia  etc.,  ©.  143  n.  1,  nad^  Sörotb 
2.  ^abrbunbert  D.  (5^r.),  unb  auf  einer  9)iünje  t)on  Saobicea  ad  mare,  ba«  ebenfalls 
e^cr  al«  aramäifd;  anjufc^cn  fein  toirb,  einen  ftra^lenumfränjten  jugenblid^en  SDJannc^- 
fopf  (ebcnb.  ©.  248  n.  12,  nad^  fflrotl^  1.  ^a^r^unbert  b.  6^r.). 

50  (Sin  ©d^olion  ju  &;fopl^ron  v.  1300  (ed.  Sac^mann  ©.  263):  7i6hg  0oivixi]c 
ZnQaqxVi  l\dci)vh]g,  Ilklov  olxrjTtjQiov  i)at  mit  §elio«  nid)t«  gu  tl^un,  h)ie  man  c^ 
aUcrbing«  Dcrftanben  l;at;  'Ilkiov  öiclmeljr  =  7/Aftot;  1  %  17,9. 

9iid>t  nur  au«  jenen  gricd}ifc^=römtfci^cn  3tbbilbungen  be«  ©onnengotte«  auf  ^^böni- 
^ifdbcm  33obcn  fonbcrn  bcftimmter  nod^  au«  ber  ©Icic^fe^ung  be«  w7rc:  mit  ^elio«  in  ber 

5K  ^^entifi|\icrungbcr^crfonennamen  •::?r^-nny  unb  IlXiodcogog  unb  femer  au«  ben^erfonen- 
namcn  -wric-r-iN  unb  ^V-c- w?rw'  ergicbt  fid;  jiocifello«,  ba^  bie  ©onnengott^eit  ber  \päim 
^^böni^icrials^^männlidf)  gebadet  iinirbe. 

Dafür,  ba^  ber  fiult  eine«  bcftimmten  ©onnengotte«  bei  ben  ^^öni^iem  auc^  in  ber 
fpätcrn  S^it  mdjt  ftarf  bcrüortrctenb  getüefen  ift,  fprid^t  ber  Umftanb,  bafe  5P^ilo  öv^iu^ 

60  einen  befonbern  ©onnengott  nic^t  nennt,    gr  berichtet  aUerbing«,  bafe  bic  ^^önigier  a(^ 


500  8otitte 

toor  in  ber  ^abab^  {R.  2.  3.  11.  18)  unb  ber  ^anammu^Snfc^rift  (3.  22)  au«  Senbf(^irli, 
bie  bciu  ai)tcn  ^(^xi}nn\>cxi  angehören,  unb  in  einer  ber  Snjc^riflen  au«  9terab  bei 
"ilUppo  (1,  9)  ungefähr  au«  bem  fiebenlcn  ^a^t^unbcrt.  3)er  ©ott  ;ö73'i5  toirb  ^ier  überall 
neben  anbcrn  ®ott()eiten  genannt  unb  niemal«  an  erftcr  ©teile.  3n^  bcn  ^"W'^f^^ 
5  au«  ©enbfc^irli  ift  bie  Slci^enfolge  ber  ®ö|ter:  Hadad,'El,  Rekub'el,  Semes,  (Reseph) 
iinb:  Hadad, 'El,'Reseph,  Rekub'el,  Semes,  in  ber  S^W^f*  ^"^  9lcrab:  öahar, 
SemesjNikal  (br:),  Nusk  (7^:52;  bie  l^ier  ber  ©eutlic^feit  liegen  gegebenen  3^ran«f!rij)tioncn 
fönnen  auf  Äoneftbeit  feinen  3lnfj)ruc^  machen).  §ier  ftel^t  ber  Sonnengott  l^inter  bem 
9)ionbgott    "^rrc.    3)abei  fonimt  aber  in  Sctrac^t,  bafe  biefe  ^nfc^rift  ber  ©rabftelc  eine« 

10  ^riefter«  be«  9){onbgotte«  gu  9Jerab  angel^ört,  bafe  ()ier  alfo  eine  befonberc  SSeranlafJung  toor= 
lag,  bcn  3)ionbgott  tooran^ufteDen.  ^n  einer  ^toeiten  Snfd^rift  au«  Slerab,  au«  berfelben 
3eit  unb  cbenfaü«  auf  ber  ©rabftelc  eine«  ?[Jriefter«  be«  3)lonbgotte«,  ift  ber  ©onnen- 
gott  übcrbau})t  nid^t  genannt  (f.  bie  ^nfci^riftcn  bei  fiibjbar«!!,  9iorbfemit.  @^)igra})bif 
1898,  ©.440  ff.).    Sluf  Fjöbcre«  2llter  be«  SKoubbienfte«  bor  bem  ©onnenbienft  bei  bcn 

15  SBeftaramäem  ift  au«  bicfer  ©teHung  be«  3Wonbgotte«  leincnfafl«  j^u  fd^liefeen;  Dielmebr 
fd^cint  ber  -BJonbgott,  ber  in  jenen  beiben  Snfd^riften  au«  ©enbfd^irli  ni^t  borlommt, 
jur  3cit  ber  um  einige«  Jüngern  3infci^nften  bon  9lerab  erft  fürjlic^  au«  iparan  imt>ortiert 
ioorben  ju  fein  (bgl.  2l.3Wonb  ©.  347, 12  ff.),  ^rgenbtoelc^e  ©})uren,  bie  bireft  barauf 
binn)iefcn,  bafe  au^  ber  ©onnenfult  au«  bem  Dften  in  biefe  ©egenben  eingefül^rt  tüorben 

20  n)äre,  hjüfete  id^  nic^t  geltenb  ^u  machen.  2lber  foöiel  toir  bon  ben  aramäifc^en  Äulten 
n)iffcn,  jeigcn  fie  über|au})t  toenig  au«get)rägtc  ßigenart  unb  befunben  \>on  Anfang 
an  3lbbängigfeit  bon  bab^lonifd^en  ßinflüffen.  3)anad^  ift  aud^  für  ben  ©onnenbienft 
eine  ßntle^nung  feinc«n)eg«  au«gef(^Ioffen.  ^n  ber  ^Rerabs^nfd^rift  folgen  auf  ben  9Jamcn 
be«  ©onncngotte«  unberfennbar  bab^lonifc^saff^rifd^e  ©otte«namen  (bgl.  Glermont=®anneau, 

25  fitudes  d'arch^ologie  Orientale,  S3b  II,  in  ber  Biblioth^ue  de  Tficole  des  Hautes 
fitudes,  fasc.  113,  1897,  ©.  215ff.). 

3n  '^niws;::  ber  Snfc^rift  2  bon  9lcrab  3.  1  ift  wSD,  ba«  ftc^  in  t)alm^renifd&en  3m 
fc^iriften  am  6nbe  bon  ^erfonennamen  beutlic|  al«  Slbhir^ung  für  N'w?:c  finbet  (f.  unten 
§  III,  3,e),  getoife  nidbt  ebenfaH«  eine  Slbfürjung  für  ben  Siamcn  be«  ©onncngotte«,  bie 

30  fic^  am  Slnfang  eine«  !om})oniertcn  5ßerfonnamen«  nid^t  rechtfertigen  liefee.  6«  fd^eint  firf» 
bielmel^r  m6)  2ibjbar«fi«  3(nnaf)me  (6})l^emcri«  f.  femitifc^e  6j)igraj)^if  I,  ©.  318f.) 
um  bie  gorm  be«  })^öni;^ifd^en  ober  be«  aff^rifd;en  Sielatiüum«  tid  ju  ^anbcln  unb  ber 
^crfonnamc  •n:!«  ju  lauten. 

c)  ßbcffa,  Gmefa,  §eIio})oli«,  §icra})oIi«,  9lijib.    3lufeer  in  ©cnbf(^irli 

35  unb  3lcrab  begegnen  irir  bem  ©otte«namcn  c::'*::  auf  aramäifd^em  SSoben  infc^riftlic^  unb 
birc!t  nur  no^  in  ^almvjra  (f.  unten  §  III,  3,e).  äBobl  aber  ift  burc^  ^erfonennamen, 
bie  mit  r^rc:  jufammengcfe^t  fmb,  biefer  ©otte«name  aud^  noc^  für  anberc  aramäifcfcc 
©cgcnbcn  bezeugt,  ebenfo  burc^  3(ngabcn  ber  ©c^riftftetter  ©onnenbienft. 

3)iefc  Sclcgc  unb  3Jac^rid;tcn  ftammen  au«  fj)ätcr  ^6t,  fo  bafe  ftc^  babci  tok  für 

40  bcn  J)bönijifd^en  ©onnenfult  an  frcmben  ßinflu^,  bab^lonifd^cn  unb  biellcid^t  auc^  äg^i)?^ 
tifd;cni  bcnfcn  läfet.  2)en  ©onncngott  bc«  f^rifd^cn  ^clio^oli«,  b.  i.  Saalbcf  (f.  über  ihn 
unten  i^  III,  3,  c,  y),  bringt  5JJacrobiu«  au«brüdtlic9  mit  bem  ©Ott  be«  ägl)t)tif(ben 
§cliovoli«=Cn,  bem  ©onncngott  9la,  in  SJerbinbung,  toa«  auf  toittfürlic^er  Kombination 
ber  Crt«namen  beruhen  mag  (fo  S)uffaub,  Notes,  ©.  49  ff.).    Übrigen«  fönntc  boc^  fck 

45  alter  äg^ptifdf)cr  ßinflufe  auf  ben  Äult  t)on  ^clioj)oli«  an^unel^men  fein,  hjcnn  hjirflic^ 
ba«  Dunip  ber  3{mama=S3ricfe  für  .?>elioi)oli«=53aalbcf  an^ufc^en  fein  foHtc  (f.  in: 
©d^rabcr,  Äcilinfrf^r.  u.  b.  ä2:^  ©.  44  Stnmlg.  2;  ©.  472  3tnmfg.  2),  ba  in  einem  ber 
S3riefe  Don  ben  ©öttern  be«  Äönig«  Don  "äQijptm,  bie  „in  ^\xn\p  fi^en",  bie  5Rebc  ift 
(41,  9,  ©.  103  ed.  aSinilcr). 

60  a)  ©beffa.  Wit  bem  ®otte«namen  ^iJ^rc  jufammengefc^tc  ^grfonennamen  lommcn 
in  ßbcffa  Dor:  ;::t:w-7:x  =  a::c-n?:5^,  Ajuaooajuotjg  „*Ü)Jagb  bc«  Sms"  in  einer  bilin= 
gucn  3nfd;rift,  bie  bem  2.  ober  3.  nad^c^riftlic^cn  3öl;r^unbcrt^  ju^utoeifen  ift  (©ac^au, 
3bm©  XXXVI,  1882,  ©.  145  ff.  n.  1);  c-;r-n  ,,©o^n  bc«  Sms"  infc^riftlic^  (©acbau 
a.  a.  £.,  ©.  163  n.  (i),  ferner  al«  9iame  eine«  (Sbeffener«  in  ber  Doctrina  Addai  (ed. 

55  ^^U;illip«,  Sonbon  187(),  ©.  39)  unb  cbcnfaH«  für  6beffa  in  ber  ßbeffenifd^en  (Sbronif 
(ed.  aiffcnmnu«,  Bibliotheca  Orientalis  I,  ©.393)  für  ba«  3al>r  201n.  6l^r.  (f.2)uDal, 
Histoire  d'Edesse  im  Journ.  Asiatique,  S^rie  VIII,  93b  XVIII,  1891,  S.  217  f.), 
loo  inbcffcn  in  bem  9Jamcn  be«  ©c^rciber«  tionebcffa:  'iiarjal^b  93ar=©d^mcfc^  c^:c  ber 
5}amc  bc«  5>aler«  ift,  \\d)  alfo  ,nid;t  notioenbig  auf  bcn  ©onncngott  (al«  §^})oforiftif on)  bc= 

eojicbt;  'r-ic-i^r    „Wiener  bc«  Sms"  in  ber  Doctrina  Addai  (©.  16);    C-u-;::?:'»^,    ein 


Sotine  501 

a\xd)  anberlüärt«  auf  aramäifd^cm  ©oben  oft  toorlommenbev  9iame,  in  einer  3nf<i?'^ift/  bie 
anfd^cinenb  älter  ift  aU  411  n.  ß^r.  (Sad^au  a.  a.  D.,  ©.  158),  berfelbe  5lame  ferner 
in   ber  Doctrina  Addai   öfter«  (©.  If.  16  f.  18.  31)   aU  ebejfenifd^er  3lamc,  Wk  eö 

fc^eint  t)on  ein  unb  berfelben  ^erfon.  Slud^  ber  n*T:i-c:7:^  (falfc^  jjunftiert  >Oi.^wAiaA),  ber 

in  beni   bcm   Sarbefane«   juflefd^riebenen   Sud^e   ber   „®efe^e   ber  Sänber"   (ßureton,  5 
Spicilegium  Syriacum,  Sonbon  1855,  ©.  1.  77)  afe  ein  3^i^9^"<>ff^  ^^^  Sarbefane« 
erU)äl^nt  toirb,  ift  getDife  ein  ©beffener  (anbertoeitige  Selege  biefe«  9lanien«  f.  unten  §  III, 
:3,  c,  /^;  d  unb  e;  III,  4,  b;  über  Sebeutung  unb  .?>erlunft  §  III,  4,  b). 

3n  ber  Doctrina  Addai  (©.  24)  h)irb  toon  ben  ©beffenem  gefagt,  bafe  fie  3?er= 
el^rer  ber  Sonne  (Nd^ra)  unb  be«  SKonbe«  feien  „as  the  rest  of  the  inhabitants  lo 
of  Harran"  (fo  ^f^iHi})«,  mit  einer  Äoneftur)  ober  „comme  d'autres"  (f.  ju  ber 
Sefung  Slcrmont=®anneau,  fitudes  d'arch^ologie  Orientale,  Sb  II,  ©.  219).  ftaifer 
Julian  (Orat.  IV,  ©.  150  CD  ed.  ©})anl^eim)  nennt  gbcffa  iegöv  i^  atcovog  "HUov 
XcoQiov,  6r  fügt  l^ingu,  bafe  bie  ßbeffener  ben  9Konimo«  unb  Sljij^o«  bem  $eIioö  ovy- 
xa&iSQvovoiv  unb  bejeid^net  beibe  aU  'HXltw  jidgeögoi.  9{a(i^  ber  (Sbeffenifc|en  ßl^ronif  i5 
gab  e«  in  ßbeffa  im  6.  ^oi^i^^wnbert  ein  Jl^or,  ba«  ben  Flamen  „3;i^or  be«Bßt-Sme§", 
b.  1^.  be«  ©onnentem})efö,  trug  (ed.  Stffeman.  a.  a.  D.,  ©.  405). 

ßumont  (Le  culte  de  Mithra  ä  £desse  in  ber  Revue  arch^logique,  S^rie  III, 
Sb  XII,  1888,  ©.  95—98)  ^at  in  ben  ndtQedgoi  be«  §e(io«  ju  (Sbeffa  bie  beiben 
3üngling«geftalten  er!ennen  tooDen,  bie  auf  ben  Slelief«  ber  SKit^räen  neben  9){it^ra  ^u  20 
ftc^n  })flegen.  3Rir  fd^eint  bie  ^Kombination  fel^r  nal^eliegenb  ju  fein  tro^  ber  3"^*- 
^altung,  mit  ber  Gumont  felbft  neuerbing«  fte  be^anbelt  (Textes  et  monuments  figurös 
relatifs  aux  myst^res  de  Mithra,  S3b  I,  SBrüffel  1899,  ©.  207,  änmfg.  3;  togl. 
jeboc^  ©.  231,  Stnmfg.  8  unb  ben  31«^  neben  3Jlit^ra  ©.  260,  3lnm!g.  2).  2)arau« 
loürbe  fid^  3Wit^rabienft  gu  ©beffa  ergeben,  aber  feine^tDegö  bie  $er!unft  be^  ebeffenifd^en  25 
©onnenbienfte^  auö  bem  3)lit^rafult  unb  fomit  fein  J^erfifd^er  Urfprung.  äluc^  ßumont 
(Rev.  arch.  a.  a.  D.,  ©.  98)  ift  ber  aJleinung,  bafe  ber  \päUxc  3)lit^ra  unter  femitifd^em 
Öinflufe  „ce  caractöre  astronomique"  erhalten  l)abc,  ben  er  im  Slbcfta  nid^t  in  bem= 
felben  ®rabe  jeige.  SBa^rfc^einlic^  ipäre  ber  3Jlitl^ra  üon  ©beffa,  toenn  er  mirllid^  an^ 
^une^men  ift,  mit  einem  ©onnengott  femitifd^cr  §erfunft  ibentifijiert  toorben.  I)afür30 
fpric^t,  bafe  ber  ebeffenijd^e  ©onnengott  in  ben  ^erfonennamen  bie  femitifc^e  S3e5eid;nung 
c?:'»::  trägt  unb  bafe  toir  neben  bemÄuItu^  ber  bab^Ionifc^en  ©ottl^eiten  9Jebo  unb  ^aU 
Mtal  ju  ebeffa  fjjc^iell  toon  bem  Äultu«  be^  Sei  toiffen  (Dutoal  a.  a.  D.,  ©.  228  f. 
232  f.),  ioorin  nad;  jenen  Analogien  fraglos  ber  babblonifc^c  ©onnengott  SeI=5Warbuf  ju 
erfennen  ift.  3!)ie  beiben  ©eftalten  be^  3ljijo^  unb  3Konimo^  fmb  feinenfaü^  an^  bem  35 
^arfi^mu^  entlel^nt,  fonbeni  femitifd^en  Urfj)rung^,  am  untoerlennbarften  Slji^o^  (t''^^). 
©ic  finb  toa(^rfd;einIic^  beibe  arabifd^er  §er!unft  (SJuffaub,  Notes,  ©.  10).  S)arau^  ift 
aber  nid^t  gu  entnel^men,  ba^  aud^  ber  eoeffenifd^e  $eliog  bieg  toar,  bem  fie  beigefettt  er^ 
fc^einen ;  benn  bie  2lraber  fannten  nur  eine  toeibli^e  ©onnengottlSieit  (f.  unten  §  III,  4, 
a  unb  c).  SlHem  2(nfc^ein  nad)  ftel^t  toielme^r  ber  ebeffenifc^e  ©onnenbienft  in  einem  40 
2lb^ängigfeitgüerl^ältnig  ju  bem  bab^Ionifd^en.  6inc  Sejiel^ung  be«  3Ritl^ra  ju  aramäifc^em 
©onnenfult  ift  bod^  too^I  femer  in  feiner  SSorftellung  ate  „fcl^eborener"  5U  erfennen. 
ISlan  toirb  babei,  nid^t  allein,  aber  bod^  auc^,  gebac^t  l^aben  an  ben  ^eiligen  ©tein,  ber 
in  aramäifc^en  2em})eln  afö  ba^  3^*^^  be«  ©onnengotteg  galt,  toie  toir  e^  au^brüdtlid^ 
öon  ©mefa  toiffen.  40 

ß)  (Smef  a.    3"  ©n^^f«  (für  beffen  ®egenb  öieUeid^t  fd^on  in  ben  SlmamasSriefcn  au^ 
2lgVJ)ten    imjjortierter    ©onnenbienft    nad^tDei^bar    ift,    f.  oben  §  III,  3,  a)  fommt  ber 
52ame  ©amfigeram  in  gried^ijd^er   unb   lateinifd^er  Ümfd^reibung   me^rfad^   toor.    (ginen 
^a/LwiyeQajuog  nennt  eine  Snfd^rift  bom  ^ai)x  78/9  n.  6^r.  (Äalinüa,    3nfd^riftcn  au^ 
©Vrien,  in  ben  ^a^rc^l^eften  beg  Öfterr.  ard9äologifd;en  ^nftitute^   III,   1900,  S3eiblatt,  50 
Sol.  26   n.  13  =  JÖabbington  n.  2567  =  CIG  4511).    ©trabo   ([.  XVI,  2,  lOf.  C. 
753)  nennt  einen  ZaixxpixeQafiog  afö  ^^Vjlard^en  ber  (Smifener  unb  jeine  fiyefwvia  alö 
3U  2lJ)amea  ge^örenb ;    nad)  bem  3wföJ""^^n^^"0  ^^"tt  er  an  bie  3^i)xe  46—42  to.  6^r. 
(f.  «iarquarbt,  9{ömifd^e  ©taat«berh)altung,  Sb  I^  1881,   ©.  403,   ^nrntQ.  9).    eben 
biefen  '']H)\}laxd}m  \o\xh  3)iobor  (Diod.  Sic.  Excerpta  bei  6.  ?Dlüttci,  Fragm.  bistor.  55 
Graec.,  33b  II,  ©.  XXIV  f.)  meinen  mit  bem   Don   i^m   crtDä^t^ten  \siV<W'^  ^ext^^ct 
i:afiifnyeQajuog  (in  ber  §anbfd^rift  J^afiipvxegafxog).    3)iit©eiua   ^^^  *^^  xxQXXXXt  (i'vccxo 
ad  Attic.  II,  14.    16.    17.  23    ben  5Pomj)eiu!g   toegen    feinet  ^^c%^^^^'^^^^  ^^  ^^^^^^ 
Sampsiceramus.    3ofe}}^u^  (Antiq.  XVIII,  5,  4;  XIX,   8,  l)  ^UJÖS^^^  ^^^^^  ^^"^^^ 


602  ®o««e 

„König"  ZajtnfHyegafAog  toon  gmcfa  um  41  n.  6l^rifto.  Sbcn  biefcn  f}>ätcm  meint  eine 
lateinifc^e  ^nfcprtft  gu  ^aalbet  mit  „  .  .  .  regis  magni  Samsigerami"  (CIL  III, 
1 4^587  a)  unb  too^I  aud^  eine  in  ber  9lä^e  toon  Slom  gefunbene  S^Wrif*  «i«^  2hfci= 
gelaflenen :  C.  Julio  regis  Samsicerami  l[iberto]  Olago  (SR.  Gagnat  unb  3R.  Se^nier, 

6  Revue  archÄ)!.,  S6rie  III,    »b  XXXVII,    1900,    ©.  491    n.  134).    Sei  9Rala(a^ 

(Chronogr.  1.  XII,  3910)  toirb  ein  Ha/niptylgaßiog  oI«  5ßrieftet  ber  „3^^obite"  |;u 

(gmefa  unter  fiaifer  SSalerianu^  genannt.  —  2luf  ben  Sonnengott  t)ertoeift   femer  ber 

für   (Smefa  infd^riftlic^   erhaltene  3?ame   Aßdaoajtwolv]  (®enet.,  SBabbington  n.  25(59). 

2)er  ©Ott  t)on  ßmefa  eiagabal,  b.  i.  bsri-nb«  *,  beffen  Äult  Äaifer  §eliogabaI  nad} 

10  9lom  brad^te,  tourbe  toon  ben  Slbenblänbem  ate  ein  Sonnengott  angefe^en,  ioorauf  id^on 
bic  Umformung  feine^g  3?amen«  toertoeift  (f.  über  ben  ®ott  unb  feinen  Äult  3-  <&•  9Korbt= 
mann  jr.,  ämmubate«  eiagabalu«,  3bm®  XXXI,  1877,  ©.  91—99;  gr.  genormant, 
Sol  Elagabalus  in  ber  Revue  de  Thistoire  des  religions,  Sb  III,  1881,  ©,  310 
biö  322  mit  rctl^t  untoabrfc^einlid^er  3?amenderflärung  unb  me^rfad^  ioiHlürlid^en  Äom= 

16  binationcn;  @b.  SDle^er,  21.  ©lagabal  in  SRofd^er«  fiejifon  ber  griec^.  u.  römifc^en  3)lVtbo= 
logie,  95b  I,  fiiefer.  7,  1885).  35ie  35arftettung  be«  ©otte^g  in  einem  lonifd^en  Steine 
(f.  2(.  ?)ta(fteinc  35b  XII  S.  135, 23  ff.)  unb  fein  aramäif^er  (fd^toerlic^  arabifd^er)  3lame 
beuten  in  feiner  SBcife  auf  bie  Sonne  (über  ben  9iamen  „®ott  bon  bni"  f.  3bm®  LVII, 
S.  817;   übrigen^  ift  bna  l^ier  bod^  tool^l  =  &abala  unb  nid^t  =  S^blo«,   ba  befjcn 

20  alter  9lame  laum  Oabal  au^gef^rod^en  tourbe:  neben  aff^rifc^em  Oubal  unb  Bvßkog 
finbct  fid^  nod^  FoßiX  bei  ßufebiu^,  Onomast.  ed.  Äloftermann  S.  58  f.,  ^icron^mu^ 
Gobel;  bagegen  3:i^eobotion  6^27,9  reßaX\  über  bie  annähme  ®b.  SKe^er«,  bafeßla^ 
gabal  ein  arabifd^er  ®ott  toar,  f.  unten  §  III,  4,  b).  3)ie  Vita  Heliogabali  (Script, 
bist.   Augustae  ed.  5ßeter  1,  5)  nennt  mit  unbeftimmter  3)eutung  ben  Äaifer  Helio- 

26  gabali  vel  lovis  vel  Solis  sacerdos  (togl.  c.  17,  8);  ebenfo  fagt  bie  VitaCaracalli 
(11,  7  ed.  ^eter)  bon  ipeliogabal:  sibi  vel  lovi  Syrio  vel  Soli  —  incertum  id  est 
-—  templum  fecit.  dagegen  toirb  in  Snfd^riften  unb  auf  SKünjen  Elagabalus  ober 
Alagabalus  birett  a\^  deus  Sol  bejcid^net  (3Rorbtmann  S.  95  f.).  2lud^  §erobian  (ed. 
35effer  V,  3,  4  f.)  erllärt  ben  'EXaiaydßaHog  toon  ßmefa   beftimmt  al^  ^elio^  unb  fagt 

30  t)on  bem  l^eiligen  Steine  feinet  %tmpm,  bafe  man  i^n  afö  dxöva  fjUov  ävegyaorov 
an\ai}'  togl.  Vita  Macrini  9,  2  ed.  ^ßeter:  Heliogabalum  Foenices  vocant  solem 
unb  2)io  Gaffiu«  78,  31:  vtzö  tov  Miov,  dv  'EhydßaXov  hitxaXovoi  (toeitere  3^cm 
tifijierungen  Don  Elagabalus  unb  Sol  bei  SKorbtmann  a.  a.  D.,  S.  93).  3luf  ben 
SKün^en  toon  ßmefa,   aud^  benen  be«  ©egenfaifer^  Uraniu^,  unb  auf  ben  r(>mifd^en  bc^ 

36  Äaiferig  §e(iogabaI  fommt  ba«  S5Ub  eine«  Slbler«,  be«  3SogeI«  be«  3^^«  ober  be«  Sonnen^ 
gotte«,  bor,  in  3Serbinbung  mit  bem  l^eiligen  Stein  ober  auc^  für  ftd^  allein  (3)lorbt= 
mann  a.  a.  D.,  S.  95 f.;  Seuormant  a.  a.  D.,  S.  311  f.;  ffirot^,  Coins  of  Galatia  etc., 
S.  237  ff.  n.  1  ff.),  ebenfalls  auf  ^Dlün^en  toon  ©mefa  ber  Äo})f  bc«  Sonnengottes  mit 
bem  StraJ^Ienfranj  (Scnormant  S.  311;    SBrot^  S.  238  n.  8)   ober  ber  l^cilige  Stein, 

40  bem  ba«  Silb  eine«  ®eftim«  aufgezeichnet  ift,  icbenfaH«  bie  Sonne  (SBrot^  S.  2:57 
n.  ()).  3)a«  t)ern)eift  barauf,  ba|  fd^on  in  Gmefa  (Slagabal  al«  Sonnengott  galt; 
bicjc  2)cutung  bei  ben  3tbenblänbern  beruht  alfo  nid^t  nur  barauf,  bafe  ba«  Ela 
ober  FAaia  bc«  ®otte«namen«  an  "IRiog  erinnerte.  Sluc^  bie  Segenbe  HXta  (neben 
JIv{>ia)   auf   einer  3Wünje  Don  ßmefa   mit  bem  Äo^f  be«  Äaifer«  §eIiogabal   (Si^rotb 

*6S.210  n.21)  öcrn)cift  auf  bie  J^orfteHung  be«  ®otte«  ßlagabal  al«  Sonne  (nad^  5örotb 
S.  LXV  ttje^ictt  auf  Stiele,  bie  if^m  ^u  (S^rcn  gefeiert  tourben).  SBenn  ber  ®ott  ioirflitb 
au«  bem  Drte  ®abala  flammte,  fo  j^af^t  ju  feiner  folaren  Sebcutung  bie  SJarfteÜuncj 
ber  Sonne  unb  bc«  Sonncngottc«,  bie  toir  auf  ^Künjcn  toon  ®ciboX<i  ju  erfennen  glaubten 
(f.  oben  §  III,  2,  c  unb  g).    6«  fann  faum  einem  3^<^iM  unterliegen,  bafe  bieftönigc 

60  Don  (Snicfa  mit  bem  9lamcn  Samfigeram  nad^  bem  §auj)tgott  ber  Stabt,  ©lagabal,  bc= 
nannt  ioarcn,  biefer  alfo  mit  'Ciy::  be5eid^nct  h)urbc. 

}0  ^clio^oli«  unb  ß^alci«.  ^n  f^ätcr  3^^^  *f^  ^wd;  ber  ®ott  üon  Saalbcf 
in  6ölefl;ricn  al«  ein  Sonnengott  angefe^en  n)orben,  toa«  ber  griec^ifd^e  9lame  be«Ortc«, 
$cUoj)oIi«,  j^hjcifcllo«  mad)t  unb  anbete  2{u«fagcn  beftätigen  (f.  21.  35aal  S.  331,  15 ff.; 

6-^'  2)uffaub,  Notes,  g.  29—51 :  Jupiter  H^Iiopolitain).  (Sin  Selief  au«  »aalbe!  fteüt 
ben  Äojjf  bc«  Sonncngottc«  bnr  über  j^mei  3lb(ern  (®uffaub  S.  20).  @ine  je^t  im 
berliner  'DJhifeum  (i^orbcrafiatifd^c  Slbtcilung)  bcfinbüd^c  95rongeftatuette  be«  ^u^itcr 
.Öeliopolitanu«,  bic  au«  Äefr  SDf^cjjin  fübfid;  üon  S^blo«  flammen  foH,  geigt  einen 
3(blcr    auf   ber  ^Küdfcitc  bc«    ^^anjcr«    (^uerfl  barüber  6lermont=®anneau,    Comptes 

üorend.    de    l'Acad.   des    Inscr.    1903,    S.  385,    togl.  S.  89 ff.;    2)uffaub    S.  125f. 


Sonne  503 

55*10. 31),  ebenfo  eine  ä^nlid^c  Sromeftatuette  ber  ©ammlung  be  ßlercq  (2)uffaub©.  126f. 
^ig.  32).  Duffaub  (©.  33.  38)  pat  an  bcm  §aföbanb  bc«  ^npxUx  §clioj)olttanu«J  auf 
j^tüci  Steliefbarftettungen  einen  35tefu^  erlannt  mit  ben  Uräui^fc^langen,  ba^  ©onnen^eid^cn. 
Unter  ben  Süftcn,  bie  ben  ^ßanger  be^  ®otte«  fc^müdten,  finbct  fic^  auf  bem  einen  Slelief 
(©.  35)  unb  ebenfo  auf  toier  Sronjefiguren  §eliog  neben  ©elene  ober  für  fic^  allein  5 
(Duffaub  ©.  41.  125  f.  127.  128;  auf  ber  einen  biefer  toier  S3ron|;en,  ber  berliner,  finb 
bie©tra^len  be^  ©onnengotte^  ganj  beutltc^,  Weniger  bagegen,  auc^  iüeniger  ate  in  ber 
äibbilbung  bei  35uffaub,  ein  §aIbmonb  auf  bem  Rop^c  ber  ,,©elene" ;  bie  ©tatuette  jcigt 
^efte  bon  33ergoIbung,  bie  für  ben  ©onnengott  pa^m  toürbe).  3luf  3)Jünjen  toon  $eIios 
^jolifi;  fommt  toor  bie  ftra^Ienumfränjte  Süfte  be^  ©onnengotte«  unter  einem  Slbler  lo 
(SSrotl^,  Coins  of  Galatia  etc.,  ©.  291  n.  5  mit  Silb  ber  Sulia  SDomna,  n.  7—10 
mit  Äo})f  beg  ßaracafla).  (Sine  ber  Äaiferjeit  angel^örenbe  SBeil^infcl^rift  für  I.  O.  M. 
H(eliopolitanus)  augSaalbe!  (CIL  III,  14386  d),  bie  öon  ber  ©rric^tung  bon©tatuen 
für  Sol  unb  Luna  rebet,  fc^eint  §eIio^oIitanuö  unb  ©ol  m  unterfc^eiben. 

35er  §aut)tgott  toon  §eliot)oIig  toirb  BaXdviog  ober   ood^   fein  33ilb  BaXdviov  gc- 15 
nannt,  toorin  jtoeifello«  ber  allgemeine  (Sotte^name  brs  ftecft  (obgleich   ic^  bie  (Snbung 
aviov  nid^t  ju  erflären  toeife,  ba   in  biefer  93erbinbung  ba^  ©uffe  ber  1.  ^lur.  h)enig 
iüa^rfd^einlicl^  ift  unb  ebenfotoenig  bie  Slbjeltitoenbung  an:  BaXdviov  =  ^baö  bem  33aal 
©e^örenbe").    '^twx  biefer  93aal  ber  aramäifd^e  .§abab  h)ar,  ioie  mit  einiger  ©ic^erbeit 
anjunc^men  ift  (f.  31.  §abab=3limmon  S3b  VII,  ©.  289, 33  ff.),  fo  ^at  er  bon  ^aufe  au^^Jo 
mit    ber  ©onne    nic^t^    gu    t^un;   benn  §abab   ift   beutlid^   ein   ®en)ittergott    (ebenb. 
e.  291,  48ff.;  292, 34 ff.).    3)iefer  %oXi  ^eigt  bann,  bafe   bie  folare  Sebeutung  auc^  ben 
aramäifc^en  ©öttem  jum  2^eil  erft  in  ft)äterer  ^{ii  beigelegt  tDorben  ift.  (Sbenfo  h)ie  mit 
bem  Saal  toon  |)elio})oli^  erfd^eint  in  einer  bilblic^en  2)arftettung  be^  S^t^^^^^  2)olic^enu«, 
einer  gorm  be^  aramäifd^en  §abab,  mit  biefem  ®ott  unter  anbem  ©öttergeftalten  auc^  25 
Sol  toerbunben  (SJuffaub,  Notes,  ©.  44,  3lnmlg.  1). 

3n  einer  3infc^rift  au^^Tiagluto  öftlid^  bon  35aalbef  toom  ga^r  182/3  n.  ß^rifto 
fommt  ber  9?ame  lafxoiyeQa[jx]og  bor  (SBabbington  n.  2564),  ber  ^ierl^er  el^er  unter 
bem  ©influfe  bon  Smefa  gelangt  fein  toirb  ate  unter  bem  be^  allerbing^  nic^t  um  Dielet 
tociter  entfernten  5ßatm^ra,  h)o  toir  bcmfelben  5lamen  begegnen  toerben  (unten  §  III,  so 
3,  e).  —  (gin  3klief  toon  rollen  »formen  ju  %^x};ix\  im  Sibanon  fübtoeftlic^  öon  Saalbet 
ftellt  in  feiner  einen  ?[igur  einen  9(eiter  gu  ^ferbe  bar,  ol^ne  3*^^M  ben  ©onnengott, 
ba  ba^  §au^t  be^  SReiter^  toon  einem  ©trablenreif  umgeben  ift.  (Sr  trägt  oricntalifd^eö 
Äloftüm  mit  toeiten  Seinfleibern  (2)uffaub,  Notes,  ©.  53  ff.). 

Stuf  einer  Wxay^  bon  6^alcig  finbet  fic^  bie  Segenbe  Ilhooeigog  (boc^  tool^l  —  as 
^elioö  +  Dftri^)  mit  ber  DarfteHung  eine«  ftel^enben  §elioö.  SSielleid^t  ift  toegen  be^ 
bamit  bezeugten  ©onnenbienfte^  an  G^alci^  im  Sibanon  in  ber  Siäl^e  toon  §elio})oli^  ju 
bcnfen  unb  nid^t  an  (S^alci^  bei  Stleppo,  n)o  ©onnenbienft  aber  ebenfalls  bentbar  toäre 
(togl.  unten  §  III,  3,  c,  6;  im  übrigen  f.  2)rejler,  21.  §eliofeiro«  in  Slofd^er^  Sejifon  ber 
gried^.  unb  röm.  aK^t^ologie  Sb  I,  Siefer.  12,  1887;  ffirotl^,  Coins  of  Galatia  etc.,  ©.  LV).  40 

d)  ^iitapolx^  unb  5Jigib.  93on  ©onnenberc^rung  ju  $iera})oli^  am  gu^j^rat, 
beffen  Äulte  5U  bencn  toon  §elio})oliö  in  Segiel^ung  geftanben  ^n  f)abm  fd^einen,  ift  mir 
infc^riftlic^  nid^t^  befannt.  Sucian  (Syria  dea  §  34)  rebet  toon  einer  bilblofen  33erel^rung 
be^  $elio^,  beffen  2^^ron  im  bortigen  2:em})el  fte^e,  o^ne  bafe  Silber  be«  §elio«  ober 
ber  ©elene  gejeigt  toürben,  toeil  ©onne  unb  aJlonb  an  fw^  böflig  offenbar  feien  unb  toon  46 
allen  erblidt  toürben. 

3tu^  9Ji3ib  bei  3tintab  nörblid^  toon  §iera})oli^  ftammt  eine  Heine  3!)arftellung  eine« 
Slbler«  in  Sronje  mit  ber  3"l^^^f^  Hhog  (2)uffaub,  Notes,  ©.  22  f.).  ©onnenbienft 
fanben  toir  in  bicfen  ©cgenbcn,  im  Sereid^  be«  älmanu«  unb  in  ber  9läbe  toon  2lle^J)0, 
fd^on  in  alter  ^nt  bezeugt  burc^  bie  ^nfd^riften  toon  ©enbfd^irli  unb  9lerab  (f.  oben  so 
§  III,  2,  b).  3)er  Srongcabler  ift  nac^  feiner  Snfd^rift  gerabeju  Vertreter  be«  ©onnen« 
gotte«.  3öir  fanben  ben  Slbler  in  35crbinbung  mit  bem  ©onnengott  gu  S3aalbef 
unb  toieUcid^t  j;u  (Smefa,  unb  er  toirb  un«,  ebenfall«  al«  Slttribut  toon  ©onnengöttern, 
noc^  in  ^alnu;ra  begegnen  (f.  unten  §  III,  3,  e).  6«  ift  barau«  nic^t  unbebingt  ju 
fd^liefeen,  bafe  er  auf  f^rifd^em  Soben  überall,  toie  I)uffaub  annimmt,  ben  ©onnengott  66 
be^eid^net;  biefe  Slnnal^me  i}at  aber  boc^  öiele  Söa^rfd^einlic^feit.  SJafe  ber  Slbler  in 
©Vrien  ;\u  bem  i^ogcl  be«  mit  3«"^  ibentifi^ierten  ©onnengotte«  gen)orben  ift,  nad;^ 
bem  er  urfprünglid^  ber  be«  ^m^  gcioefen  tt>äre  (3)uffaub  ©.  16),  fd^eint  mir  nic^t 
au«gefc^loffen  ;;u  fein  (tro^  ber  ©egenbemerfungen  toon  GJreJmann  a.  a.  D.,  ©.  285  ff.). 
Slber  allerbing«  ift  ber  Slbler  bei  ben  SßJeftfemiten  too^l  nid^t  erft  unter  gried^ifd;em  (£in=  go 


504  @9WMt 

flufe  gum  ^eiligen  %im  getuorbcn,  fonbcrn  fc^eint  ba«  fc^on  frü^  gctoefen  ju  fein, 
entf})TC(^enb  bcm  arobifc^cn  ©eicrgotl  Nasr  (f.  «.  SRtörod^  »b  XIV,  S.  122  ff.).  2)a§ 
im  ärabifd^en  nasr  beit  ©cict  bqeid^net,  bcr  Sogcl  bcr  f^rifc^^en  Sonnengötter  abct 
beutlid^  ein  Stbicr  ift,  enlfc^eibet  nid^t  gegen  biefen  Sufammen^mig;  benn  ba  im  $ebräi= 

6  fc^cn  *""??;  fotool^I  ben  ®eier  a\^  aui)  ben  äbler  ^u  be^eic^^nen  fc^t,  lonnte  unabhängig 
öon  gricd^ifd^em  ßinflufe  eine  SQSanblung  in  ber  Sorflettung  be«  ^igen  äJogelö  üor  f4 
gegangen  fein.  2Benn  nun  bei  ben  ©übarabern  „ber  öftlid^e  SRafr"  unb  ,,bcr  toeftlid^c 
9iafr"  mit  6b.  aKct^er  ju  berftel^n  fein  foHten  bon  ber  aufgelS^enben  unb  ber  untergel^enben 
©onne  (Dgl  unten  §  III,  4,  c),  fo  toäre  e^  aUerbing«  toafyc^dfmilid^,   bafe   ber  (Seier 

10  ober  Slbler  aud^  bei  ben  SBeftfemiten  bon  ipaufe  a\x^  folare  Sebeutung  ^tte. 

d)  3lramäifd^e«  unbeftimmter  ^erfunft.  Sei  ^^otiuö  (Biblioth.  Cod.  181, 
©.  126  a  H)  ioirb  ein  lafifpiyigajuog  genannt  aU  SJorfal^r  be^Samblid^,  toomit  ioo^l 
Samblid^  au^  6l^alcig  in  ßölcf^rien  gemeint  ift  Slud^  fein  %^n  ©am}>figeram  h>ar  ftc^er 
ein  S^rer. 

16  äu«  bem  ajerfonnamen  07:t:"inbr)  in  aramäifc^er  ©c^rift  auf  einem  ©icgelj^linbcr 
unbefannter  ^erfunft  au«  t)erftfd^er  ^eit  (CIS II,  n.  97)  ift,  ba  ber  9lame  toa^d^einlid^ 
aff^rifd^  ift,  für  aramäifd^en  Kult  nic^t«  ju  entnel^men.  3)ie  giguren  be«  ©iegete  geigen 
einen  t)erfifd^  gelleibeten  ^Priefter  in  anbetenber  ©teHung  bor  einem  gfeueraltar,  über 
feinem  ^avapU  oer  gune^menbe  3Ronb  unb^  bie  ©onne.  —  ©benfo  ift  nid^td  ©idf^eresJ  ju 

2üentnel^men  au«  bem  3lamcn  ^^t-ctz'D  „8m§  ift  meine  $ilfe"  (CIS  II,  n.87;  ^n  nic^t 
gang  ftc^er)  auf  einem  ©iegelj^linber,  ba  toir  beffen  iperlunft  ebenfatt«  nid^t  lenncn,  alfo 
aud^  ^ier  troft  ber  aramäifd^en  9lamen«form  an  bab^lonifd^e  iperftinft  unb  ben  bab^loni- 
fd^cn  ©ama«  beulen  lönnen. 

3lu«  ©Vrien  ftammt  ein  bei  3)uffaub,  Notes,   ©.  8  nad^  be  35ogü€   abgebtlbeter 

25  Sntaglio  mit  aramäifd^er  ©c^rifi:  über  bem  §albmonb  ein  grofeer  3)i«Iu«,  toorin  eine 
männlid^e  ©oltl^eit  fte^l,  unb  toieber  barüber  ein  geflügelter  Ärei«;  in  bcr  SSerbinbunci 
mit  bem  SKonbc  badete  man  gtoeifello«  bei  biefem  geflügelten  3)i«Iu«  unb  bieHeid^t  au| 
bei  bem  in  ber  9Jlitte  an  bie  ©onne. 

e)  $alm^ra.    @ine  ©onberfteQung  nimmt  auf  aramäifd^em  Soben   au6^   in  ful^ 
30  tifd^er  Seüe^ung  5ßalm^ra  ein.  2Bie  überaß  im  ^alm^renifc^en,   geigt  ftd^  in  ben  SJamen 

unb  6})itbeten  ber  ®öttcr  eine  9)lifd^ung  bon  Slramäifd^,  3lrabifd^  unb  Sab^lonif^. 

Stile  unferc  Slqc^rtc^ten  au«  j^alm^renifd^en  ^nfci^nften  beginnen  crft  in  ben  le^teit 
3al^ren  bor  unferer  ära.  @ine  unter  bcm  9lamcn  ^?:r:  bercl^rtc  ©ott^cit  toirb  inf^riftli(^ 
mit  §elio«  ibcntifijiert,  ift  alfo   ein  männlicher  ©Ott  unb  be«l^alb  enttoeber  aramäif^er 

35  ober  bab^lonifd^er  §erf unft,  ba  bie  Araber  nur  eine  ©onncngöttin  Icnnen  (f.  unten  §  III, 
4,  a  unb  c).  aJlit  bem  ®ott  SmS  toed^felt  al«  9lcj)räfentant  bcr  ©onne  ber  in  männ= 
tid^er  ©eftalt  abgebilbete  aJlalalbel.  2)aneben  toerben  nod^  anbcrc  (Söttcr  gu  bcr  ©onne 
in  eine  Segie^ung  gefegt. 

auf  jjalm^rcnifd^en  3JJüngen  finbet  fid^  i^äufig  bie  93üfte  be«  ©onncngottc«  mi} 

40  aJlorbtmann,  9feuc  Seilrägc  gur  Kunbe  ^alm^ra'«,  ©9W31,  J)]^ilof.=^)^ilol.  unb  ^ift.  Qi 
1875,  ©u))})lcment-'$eft  III,  ©.  74ff  •  bgl.  ben  ftra^lenumlrängten  bärtigen  3Kanne«i= 
foj)f  auf  J)alnmrenifd^en  aJlüngen  bei  SBrot^,  Coins  of  Galatia  etc.,  ©.  149,  n.  3.  4. 
aud^  auf  ben  icfferä  begegnen  toir  in  ^alm^ra  toicbcr^olt  bcm  Silbe  ber  ©onne.  3^ 
nenne  gunäd^ft  fold^e  gäHc,   too  infd^riftlid^   auf  ben  ©onnengott  nid^t  bertoiefen  ioirb: 

45  2)arftcllung  eine«  ©tral^lengeftim«,  boc^  n)ol^l  ber  ©onne,  unb  be«  ,§albmonbe«  (ol^nc 
©otte«namcn)  bei  be  3Sogü6,  Syrie  Centrale,  Inscriptions  Sömitiques,  ^Pari«  1868 
bi«  1877  n.  136.  147,  Süftc  be«  ©onnengotte«  ebenb.  n.  139.  157  (n.  157  mit  um 
berftänblic^en  ©d;riftgeid^en  auf  ber  anbern  ©eite),  35arftcllung  be«  ©onnengotte«  bei 
5)Jorbtmann  a.  a.  D.  n.  67  (gur  S^W^ft  Ogl.  2ibgbar«fi,  9lorbfemit.  ®t)igraj)^i!,  ©.  489), 

60  S3üfte  be«  ©onnengotte«  in  einem  großen  §albmonb  ebenb.  n.  80  (gur  gnfdf^rift  i>gl. 
2ibgbar«ti  a.  a.  D.,  ©.  490).  ©in  ©onnengcic^en  ift  aller  ffia^rfd^einlid^Icit  nad^  au(^  ber 
oft  oortommcnbe  Ärci«  mit  brci  Stn^ängfeln,  ben  £ibgbar«fi  unb  nac^  ii^m  ©uffaub  fo 
gebeutet  l^aben. 

35er  5Jame  be«  })alm^rcnifd^cn  ®otte«  *^7:t3  fommt  t)or   in  ben  S^f^nften  bei  be 

66aSogü6  a.a.O.  n.  8,  5;  108;  123a,  6  (Oxon.  1);  135;  137  (mit  ©tra^lertgeftim  unb 
girei  Ajalbmonben);  138  (mit  93üfte  be«  ©onnengotte«);  SRorbtmann  a.  a.  D.  n.  69  (tjgl. 
Sibgbar««  ©.  490).  3(ud^  auf  ber  Xljontafel  bei  3Korbtmann  n.  54  (bgl.  2ibgbar«fi 
©.  489)  hjirb  ^-z'C  5?ame  ber  ©onne  ober  be«  ©onnengotte«  fein.  Son  bem  'ötic, 
toeld^e«  "JJJorbtmann  auf  ben  Sljontafcln  n.  80—85  lefen  hJoHte,  bleibt  nai)  2ibgbar«fi 

60  ©.  490  mit  ©id;er^eit  nur  n.  82  übrig,  öieüeic^t  n.  83  unb  ferner  n.  85  ^"cd:  .  .  ., 


506  ®9««e 

bcr  jugeJ^örigcn  Snfd^rift  aU  lagißcoXog  ^u  tocrftcbn  gu  fein  (f.  Mongctnittc,  Comptes 
rendus  de  rAcad.des  Inscr.  190:5,  ©.276 ff.;  togl.  Sagrongc,  Relig.  Somit.',  S.  451, 
änmlg.  8;  2)u|faub,  Notes,  S.  73  f.).  gbcnfo  finbct  fi§  ein  3Wünj^}>uö  mit  berSüfic 
be^  jugenblic^en  Sonnengottes  unb  ber  fiegenbe  AyXiß(oko[g]  (HRorbtmann,  9ieue  9ri= 

6  träge  a.  a.  D.,  S.  74),  toö^renb  fonft  äglibol  beutlid^  als  3Konbgott  batgeftcttt  toirb. 

3lu^  bet  t)alm^renifcl&e  Sei  (bn)  fc^eint  als  Sonnengott  angefe|en  toorbcn  gu  fein, 

obgleich  er  gelegentlich  als  ^^n^  bcjei4net  toirb  (SibjbarSfi,  @))^em.  I,  ©.  255).    2BaS 

Sact^gen  (^Beiträge  gur  jenutifc^en  SleligionSgefd&ic^te  1888,  ©.  86  f.)  für  bic  folarc  8c= 

beutung  angefügt  l^at,  ift  atterbingS  ni^t  betoeifenb,  e^er  ber  Umftanb,  bafe  eincXeffera 

10  (äJogüö,  Syr.  Centr.  n.  137)  auf  ber  einen  ©eite  ben  9lamen  ctic,  auf  ber  anbem 
eine  Stnrufung  an  SScl  barbietet.  SBeiter  bertoeift  fiibjbarSli  (6t)^em.  I,  ©.  255  f.)  auf 
jenes  anfd^einenb  bic  ©onne  barftettcnbe  3^^^^#  ^^S  ben  9lamen  bs  auf  ben  JEleincn 
2efferä  begleitet.  Sticht  unbebingt  barf  bagegen  für  folare  Sebeutung  beS  Sei  geltenb 
gemad^t  toerben   eine  leffera  bei  be  9Sogü6  n.  156,  beren  ^nf^nft   eine  3tuSfagc  über 

16  Sei  barbietet,  toä^renb  auf  ber  anbem  ©eite  ein  35iSfuS  im  ^albmonb  abgebilbet  ift ; 
bieS  Silb  lä^t  fic^  l&ier  als  ein  allgemeines  ©ottl^eitSgeic^en  toerfte^n,  unb  ber  S)iSfu^ 
im  9Ronb  ift  nic^t  nottoenbig  bie  ©onne  (bgl.  oben  §  III,  2,  c).  SBol^l  ober  fd^eint 
bie  Serbinbung  ber  ©ötter  Sei  unb  gariboloS  j\u  einem  ^aar  als  ^eol  nargcoot  in 
einer  grteci^ifci^'t)alm^renifd^en  SilinguiS  gu  SRom  (be  Sogüö,  Syr.  Centr.,  Inscr.'  S6m., 

20  ©.  64)  bem  fonft  toorfommenben  ^ar  Slglibol  unb  3Jlalafbel  ju  entft)re(i^en.  Sei  ^icr 
alfo  neben  bemSWonbgott  S^^t^ibol  ber  ©onnengott  gu  fein,  ebenfo  toie  3)lalafbel.  I^icfcr 
ift  bcmnac^  tool^l  nur  eine  befonbere  gorm  beS  fd^led^tl^in  Sei  genannten  ©otteS.  31tlcr= 
bingS  toerben  auf  ber  3:^ontafel  3Worbtm.  n.  61)  nad^  SibjbarSfi,  @}>igr.,  ©.  490  Vn  unb 
•j:?rj  nebeneinanber  genannt,  unb  toon  Äaifer  3lurelian  erfahren  toir,   bafe   er  in  feinem 

26  ©onnentem})el  auS  ben  Seuteftüdfen  bon  $alm^ra  bie  Silber  beS  §elioS  unb  beS  Selo^ 
aufftcHte  (^ofimuS  bei  Sagrange,  Religions*,  ©.  468),  alfo  beibe  unterfd^ieb.  §icr  toirb 
für  "IlXiog  an  Sms  ober  aud^  an  SKalafbel  ju  benfen  fein. 

Unfere  ÄenntniS  ber  Sebeutung  ber  balm^renifd^en  ©ott^eiten  berul^t  nod^  immer  als 
auf  einer  ©runblage  auf  ber  35arfteHung  oc  Sogü^,  Syr.  Centr.,  Inscr.  S6m.,  befonbere 

80  ©.  f)2  ff.  ;^ür  baS  Ser^ältniS  ber  ©ötter  jueinanber  lafjen  ftc^,  feitbem  bieHei^t  bo(^ 
einige  nähere  Seftimmungen  unb  ^JDJobifilationen  geltenb  mad^en.  Über  bie  ©onncngöttcr 
I^anbelt  35uffaub,  Notes,  ©.  58—65:  Les  dieux  solaires  de  Palmyre  unb  cbenb. 
©.  73  ff.  2)ic  Öottl^eiten  Sms,  Sei  unb  3){ala!bel  fmb  geh)i^,  h>eil  fie  alle  ©onnen= 
göttcr  tDarcn,  nic^t  ober  boc^  nic^t  immer  genau  auSeinanbergcl^alten  njorben;   eS  fcbeint 

36  mir  aber  na^  bem  borliegenben  Material  nic^t  an^une^men  ^u  fein,  bafe,  h)ie  I)ujfaub 
(©.  73)  meint,  bie  9Jamen  Sms  unb  Sei  nur  ©ipitl^eta  beS  einen  ©onnengotteS  äja- 
tafbel  gcioefen  feien.  S>aS  ift  um  f o  tDenigcr  n)al;rfc^einlid^,  als  bei  ben  Sabbloniern 
Sei  unb  ©amaS,  bic  allem  Stnjc^cin  nac^  in  ben  })alm^renifc^en  ©öttem  bn  unb  crc 
fopicrt  finb,  unterfd^ieblicbe  ©ott^eiten  maren.   ^reilid^  floffen  fte  aud^  bei  ben  Sabbloniern 

40  j^ulc^t  ineinanber  über.  Sib^barSfi  (®})l^em.  I,  ©.256  f.)  bringt  bie  berfd^iebenen  ©onncn- 
göttcr in  ber  SBeife  in  einen  3wf«»""^^i^^<»"9f  ^^6  «  ü){alafbel  für  eine  anbere  Se)\etc^- 
nung  bcS  Sms  ^ält  unb  feinen  9Jamen  als  bn  ^fi^b?:  beutet,  als  Sote,  „ftc^tbare  Dffcm 
barung",  beS  Sei.  Sei  alfo  toäre  ein  bcfonberer  ®ott  neben  SKalafbel  =  ^Sms.  £b 
rb":  in  bnzb?:  als  ^n^^:  aufgufaffen   ift,   ift  aHerbingS  immerhin  jtoeifel^aft  (bgl.  31. 

ibmoiod)  ©.  276, 17 ff.,  tüoju  nod^  gu  berüdtftd^tigen  ^unifc^eS  -]Nb72b7n  CIS  I,  n.  1373, 
4;  bgl.  n.  182,  2  f.). 

S)aS  Ik^rpltniS  beS  Sei  ju  Sms  unb  ^u  3KalaIbel  fd^eint  mir  nid^t  beutlic^  jiu 
fein.  2BoI;I  aber  möd^tc  id^  annehmen,  bafe  ber  nur  in  jufammengefe^tcn  ©ottcS=  unb 
^}}erfoncnnanicn   bovlommcnbe  fpcjififd^   palmi;renifc^e  ©otteSnamc  bis  böl  eine  hieben- 

60  form  für  bz  bei  ift  unb  \v'k  bicfcS  einen  ©onnengott  be^icidinet.  Der  bab^lonifc^c  Sel- 
^JJiarbut,  bod^  ioo^I  baS  i>orbiIb  bcS  palnu;renifd;en  Sei,  ift,  ioie  auc^  ©amaS,  ein  «peilgott 
(f.  0.  §111, 1);  in  ^^ilm^ra  aber  !ommcn  bor  bic  ^crfonennamcn  bins*",  Peq^aßcolog  m't} 
NE-m  (aus  wNr--b-n)  „Sol  f}at  gebellt",  I)icr  fcbeint  alfo  bin  bic  ©teile  bcS  babbloni^ 
fd;cn  Sei  cinjuncf)incn.    2)ic  Umbcutimg  beS  3)JonbgottcS  ^^tcbibol  unb,  toie  eS  fcbeint, 

66  and)  bcS  ^glibül  |;iim  ©onnengott  mag  barauf  beruhen,  baj  bm,  urfj^rünglicb  eine  aU- 
gemeine  ©ottcSbc^ciduuiiu';,  fv^Htcr  für  einen  9{amen  beS  ©onnengotteS  galt.  Sieücic^t 
aud;  \vax  bei  bcr  UlH^cutlllU'^  bcr  "DJionbgöttcr  in  ©onncngöttcr  bon  ßinflufe  bic  tocrnQ- 
ftenS  in  bcr  ipiiUxn  ^ai  bei  ben  Semiten  bcr  'DJ^ittclntccrfüfte  berbreitete  älnfc^auung 
bon  bem  "ilJbnb    ah  bcni  Öcftirn   einer  tociblid^cn  ©ottl^cit,    obgleid^   ic^  ©t>urcn   biefer 

oo  3(uffatfung  in  *ipalml;ra  nid;t  nad;5uh)ei|cn  bcrmag. 


®ott«e  507 

Äctnc  biefcr  tocrfd^icbcnen  formen  bc^  Sonnengottes  ju  5ßalmt?ra  fd^eint  ben  bem 
i)(ange  nac^  ^öc^ften  unter  ben  bort  toere^rten  ®öttem  gu  rej)räfentieren.  3)aö  toax  biel- 
mc^r,  h)ie  be  SBogüö  boc^  too^I  mit  iRtd^i  angenommen  f)at,  anfd^einenb  Saalic^amen. 
GS  ift  faum  anberS  benfbar,  als  bafe  ber  ÄimmelSgott,  too  beffen  SorfteHung  benimmt 
auSget)rägt  toar,  im  B\)\Um  ben  SBorrang  patte  bor  bem  Sonnengott.  2)afe  nid^t  ^aaU  5 
Jd^amen  fonbern  öielmcf^r  3)ialafbel  „an  ber  ©t)ifte  ber  ein^cimifc^en  ©ötter  ftanb"  (2ibg- 
barSli,  ej)^em.  I,  ©.  255),  fc^eint  mir  auS  ber  oben  angeführten  römtfc^en  ©ölbncr« 
infc^rift  nod^  nid^t  l^erbor^ugcl^n  fonbern  nur,  bafe  im  ÄuItuS  SWalatbel  enttoebcr  über^auj)t 
ober  in  bem  f})egieKen  ^alle  bctoorgugt  tourbe.  2)aS  mag  barauf  berufen,  bafe  man  Saat 
fd^amen  gelegentUd^  mit  bem  Sonnengott  SKalafbel  ibentifijierte,  toogu  ftimmen  toürbe,  10 
ba6  35aalfamen  bei  ^pi^ilo  S^bliuS  als  9lcj)räfcntant  ber  ©onne  erfc^eint  (f.  oben  §  III, 
2,  g).  Db  Saalfc^amen  gemeint  ift  in  toicber^olt  toorlommcnben  Anrufungen  eineS  un- 
genannten, allgemein  als  «rrbN  bezeichneten  ©otteS,  ift  jtüeifell^aft,  ba  biejer  ungenannte 
©Ott  ^räbilate  beS  bab^Ionifc^en  SetfDIarbu!  ju  tragen  fd^eint  (f.  3l.Saal  ©.339,21ff.) 
unb  bicfem  bem  Flamen  nad^  ber  })alm^renifc^e  33el  entfjjric^t.  3)a  S3el  in  ben  offiziellen  10 
^nfd^riften  ju  ?5alm^ra  nic^t  genannt  toirb,  fo  mag  er  unter  jenem  namenlofen  «nb« 
ZU  toerfte^n  fein.(fo  fiibjbarSfi,  @})l^em.  I,  ©.  255 ff.)  unb  ^ätte  alfo  too^I  in  ber  refc 
giöfen  $rajiS  in  ber  Segel  bie  erfte  ©tette  eingenommen. 

^m  ©ötterfvftem,  fotoeit  batoon  für  ^alm^ra  bie  Siebe  fein  !ann,  fc^eint,  um  unfere 
red^t  unbeftimmten  unb  unfid^em  Kombinationen  zwfanimenjufaffen,  neben  einem  mel^r  in  20 
ber  Il^eorie  l^öd^ften  ®ott  Saalfc^amen,  als  erfter  ber  ©ötter  ju  gelten  Sei  (ober  Sol), 
mit  bem  bab^lonifc^cn  3KarbuI  ibentifd^  unb  tote  biefer  3üge  eineS  ©onnengotteS  tragenb. 
Unter  i^m  fc^einen  zu  fte^n  bie  f})ezietten  ©onnengötter  ?lKalafbel,   als  mit  biefem  öiet 
leicht  ibentifc^  Öms  unb  gelegentliqj  als  zh)eiter  ober  britter  ©onnengott  S^^^^bol  (ftatt 
feiner  einmal  auc^  3lglibol).    ffiie  immer  man  bie  toerfc^iebencn  9?amen  z^einanber  in  25 
Sezic^ung  fe|en  toitt,   fo  biel   ift  beutlid^:  ber  ÄultuS  bon  ^Palmi^ra  gel^t  faft  ganz  i" 
'  ©onnenbienft  auf,  unb  z^ar  ift  bie  Sorftettung  beS  ©onnengotteS  untoerlennbar  toac^fenb 
in  i^rer  SluSbel^nung ;    er  ift  auf  bem  SBege,  anbere  ©otteSborfteHungen  z«  abforbieren. 
Gbenfo  beutlid^  ift  ber  3w|oi"n^^nbang  ber  J^alm^renif^en  ©onnengötter  mit  bab^lonifd^cn 
'^orftettungen.    6S  ift  banad^  nic^t  unmöglich,  bafe  ber  j)alm^renifd^e  ©onnentult  über-  an 
havcpt  aus  Sab^lonien  ftammt.  —  3)en  ©onnengott  l^at  man  in  5ßalm^ra  nac^  bab^to^ 
nif(^em  Sorbilb  als  eine  too^lt^ätige  ©ott^eit  gebadet,  ba  ber  ungenannte  ®ott,  toorin 
tüir  ben  ©onnengott  Sei  zu  erfennen  glaubten,  als  „gütig"  unb  „barmherzig"  bezeichnet 
toirb   (f.  31.  Saal  ©.  339,  21  ff. ;    fiibzbarSfi,  ßj^^em.  I,  ©.  80  ift  geneigt,  «n^n  ftatt 
xi"*n    zu  lefen)  unb  ber,  toie  toir  glaubten  annel^men  zu  muffen,  mit  il^m  ibentifd^e  Sol  36 
als  ^eilgott  gilt. 

f)NDin5Pcrfonennamen.    I)ie  gorm  NC,   bie  h?ir  in  $alm^ra  in  ^ßerfonem 
namen  als  3tbfürzung  beS  SiamenS  N'»3?:t:  fanben,  fommt  auc^  aufeerl^alb  ^almtoraS  am 
@nbc  t)on  ^erfonennamen  toor,  bieHeid^t  imSöert  eineS  ©otteSnamenS.  3^  itOQv\U  aber, 
ob  h)ir  fte  in  biefen  fällen   ebcnfo  zu  er!lären   l^aben.    3öefll^aufen    (Stefte  arabifd^en «) 
.^eibentumeS»,  1887,  ©.62;  in  9lufl.  2,  fo  toiel  id^  fe^e,  nic^t  toieberl^olt)  l^at  vermutet, 
baS  })alml;renifc^e  iv::,  über  beffen  S^entität  mit  no?:;^   er  fid^  nid^t   auSfpric^t,  möd^te 
ZU  erfennen  fein  in  bem9Jamen  beS  iSraelitifd^en  ÄönigS  N'jrn  (fi<"^?5  ober  «9??)    als 
cntftanben  auS  NC-b:?n.   liefern  9lamen  entfj^rid^t  getoife  ber  feilfd^riftlic^  erl^altene  eineS 
ammonitifd^en  ÄönigS  Ba*sa   unter  ©almanaffar  II   im   9.  ^ö^^^unbert  (SBindtler  in:  46 
©c^raber,  Äcilinfd^r.  u.  b.  212: ",  ©.  42)  unb  too^l   auc^  ber  neut)unifd^e  ^erfonname 
Ncrs  (SibbarSÜ,  ßpigr.,  ©.  242).    ßS  ift  toenig  toa^d^einlic^,  bafe  bie  nur  auS  bem 
Slramäifdbcn  öerftänblic^e  lUbfürzung  auS  nc?:o   in  einem  fo  alten  Siamen  bei  ben  gSrae^ 
Uten  tooriommen  follte.    Saefa  toon  S^racl  toar  auS  bem©tamme  Sföf^^^-  3)cr  ammo* 
nitifc^e  Äönig  biefeS  9lamenS  fd^eint  aUerbingS  ein  3tramäer  getoefen  zu  jetn.    S^ciS  ö^t:  00 
am  6nbe   t)on   ^erfoncnnamen    lie^e    fid^  auc^  auS  ber  bab^lonifcl^en  ^\)^)olox\\t\\d)m 
(gnbung  sha  (f.  SibjbarSfi,  e^^em.  II,  ©.  314,  älnmfg.  2)  erHätcn.     ^jn    5^'C^""^^^* 
tüäre  aber  N'»2  toa^d^cinlid^  gar  nic^t  ©otteSnamc,  ba  für  fo  alte  ^eit  bie  au^cwimw* 
fe^ung  bon  brn  mit  einem  zweiten  ©otteSnamen  nic^t  toal^rfd^einlic^  \\i  (tü\x  ba^n   ^^^^^ 
25o})j)eInamen  nur  auS  toicl  fj)äterer  ^dt)  unb   auS  z^ei  ©otteSnamen  tomtooni^^^  v^'-^ 
fonennamen  fic^   bei  ben  aSeftfemiten   überl;auj)t   faum  nac^toci^m  laRen     S^e*  ä^^^' 
Zifc^e  ^}}erfonname  -bT^-brn  gcl^ört   nid^t   ^ier^cr;    er  toirb  bcbcutcn     ^^m    >ct    ^- Iv  \w 
(k>gl.  3bm©   LIX,    1905,    ©.  517 ff.;     2t.  moloi)   ©.  283,  27  ^.y" iSj^^^J^t       J^  V 
Ncrn  baS  n  ^^räpofition   unb  nc:^  ©otteSname,   aber  fd^tocrUcb    Vxe  cSÄ!r^^/ih.^\vam-^ 
Bommel,  2lltiSracatifc^e  Überlieferung  1897,  ©.  274  2lnmlfl.)    ^onbetti   oi/^^'^ 


608  Sotttte 

l\i)Q^  ^ßenbanl  ju  ü}x,  clhja  =  "J'iL-r  (tjgl.  a.  (gbom  »b  V,  S.  166, 37  ff.).  SDer  9Zamc 
N'^rrn  h)ärc  hanai)  ju  i^erftc^n  na^  Slnalogic  bc^  fübarabifd^cn  -innrn  „in  at^tar",  bcö 
))a(m^renifci^en  '»öTr^Db  unb  bc^  t^rifd^en  Aedozagtog  =  n'in*::^  „bcr  äftartc  gc^örcnb" 
(ju  bicfcn  IRamen  ijgl.  9Jölbcfc,  Seittößc  jur  fcmitifci(|cn  S))raci(|tpiffcnfc^aft  1904,  ©.  104  f.). 

5  g)3Kutma6li(i(^3lramäifci^cg.  2Bag  hjir  auf  oftiotbanifd^cm  33obcn  au^  \pätax 
3eil  Don  ©onncnbicnft  berid^tct  finbcn,  toirb  hjol^l  allcd  atamäifc^m  Urfjjrung«  fein, 
iDa^rfd^cinlic^  auc^  h)a^  fid^  baüon  pnbct  in  nabatäifc^en  ^nf^^ftcn  unb  in  griec^ifd^en, 
bic  i)on  5?abatäern  l^erjurü^rcn  fc^cincn.  2)a  aber  bic  5iabatäer  Slraber  n^arcn  unb  fic^ 
nur  unter  bem  ©influfe  aramäifc^er  Äultur  in   il^rem  nörblid^  big  nac^  3)amag!ug  au^= 

10  gebe^nten  SReic^e  ber  Bpxai)t  ber  äramäcr  für  il^re  ^nf^^^^if*^"  bebienten,  fe^c  ic^  üon 
ben  Snfc^riften  in  nabatäifc^ier  S})rac^e  an  biefer  ©teile  ab.  3luc^  tva^  \d)  ^ier  au^ 
griec^ifd^en  ^infc^^ften  be^  Dftiorbanlanbe^  mitzuteilen  l^abe,  bie  feine  beutlic^e  ^in= 
toeifung  auf  nabatäifc^e  §erfunft  entl^alten,  ift  too^I  teilh)eife  ober  aud^  gan;  bcn  SJaba^ 
täern  ^u^utoeifen.  SBenn  ^ier  ba^  3KateriaI,  hjofür  fid^  bieg  nid(|t  mit  boller  Seftimnit^eit 

16  augmad^en  (äfet,  unter  „3lramäifd(iem"  gegeben  h)irb,  fo  ift  bag  in  jebem  gälte  fac^Iidb 
nic^t  unrichtig.  35ie  religiöfen  SSorfteHungen  ber  9iabatäer  fmb  beutlid^  beeinflufet 
toorben  i)on  ben  3lramäern,  unter  benen  fte  \\d)  nieberlie^en,  unb  gerabe  bie  gorm  i^rc^ 
©onnenbienfteg  ift  aramäifc^en,  nic^t  arpbifc^en,  Urf})rungg  (bag  fj)ejififc^  9Jabatäif(bc 
f.  unten  §  III,  4,  b). 

20  am  h)eft(id^en  Sore  öon  2)fd^erafc^  finbet  fid^  eine  Sjnfc^rift:  .  . .  Aiog  HXiov  .  . . 
(5»t  u.  5Rac^r.  b.  b5ß33  1899,  ©.  2),  tooraug  man  bielleid^t  mit  ©d^umac^er  (cbenb. 
1900,  ©.  55)  folgern  barf,  „bafe  ber  grofee  'Semjjel  in  35fc^erafd^  bem  ..§eIiDg  getoeif^t 
hjar".  eine  ^nfcfrift  aug  ©uf  bei  2)fd^erafd^  bom  ^a^r  161  (eth)a  ber  ära  beg  ?}om= 
Jjejug?)  nennt  ben  §eliog:  Ad  ayiq>  Bee{Xß)o}od>Q(p  [tit)^  Dekhc)o>a(jDQcoi\  xai'Hüco 

26  ((SIermont*®anneau ,  Palestine  Exploration  Fund,  Quarterly  Statement  1902, 
©.  15  ff.  135).  a)ag  geh)i6  richtig  ergänzte  Beeil)  ift  aramäifd(|  (^3?a).  —  Sor  ber 
©tabtmauer  bon  eUÄanah)at  finben  fic$  SRuinen  eineg  2:eiiH)ete,  ber  nac^  einer  !3nfc^nft 
bem  §eIiog  öeh)ei|^t  toar  (Saebefer,  ^aläftina»,  ©.  191).  (Sine  S^ff^^ft  au«  9limct= 
^a^im    in   2luranitig    lautet    r//|>UV/>    '&ec5   jLieyia[tcp]  ,  .  .  (SBabbington  n.  2407). 

30  3u  gjra  (3oroa)  in  2:rad^onitig  nennt  eine  ^nf^rift  vadv  'Hkiov  7iQO(p(fixov)  (SSabb. 
n.  2497).  §eIiog  ift  l^ier  aljo  tvie  aud^  fonft  noc^  unter  d^riftlid(iem  ©influfe  in  ben 
$rot)^eten  ©liag  umgetranbelt  tporben  (f.  SBabbington  j\u  n.  2497).  9SgI.  nod^  bie  i^rer 
§erfunft  nad^  nid^t  gan^  ^uDerläffige  gemalte  9;"f^^ft  on  einer  ?Wofc^ee  ju  9{ebf(bran 
in  Iradjionitig  SBabb.  n.  2430 :  *Aya^  Tv^yj.  "Hhog,  ZeXrivri.    2)er  .^eliog  beg  Tft^ 

36  jorbanlanbeg  mag  j^um  2^eil,  bieUcic^t  überall, "ibentifd^  fein  mit  bem  ^eliog=3lum(og),  ben 
h)ir  in  biefen  ®egenben,  bcfonberg  in  3!)er'el=£eben,  xdi^i  toeit  nörblfd^  bon  eI=Äanatoat, 
aU  nabatäifd(|en  ®ott  bezeugt  finben   (f.  über  i^n  unten  §  III,  4  b). 

2llg  aramäif(^  ift  too^l  an^ufe^en  ber  9?ame  "'^'f^,  ben  in  SB.  @gra  (c.  4,  8  f.  17.  23) 
ein  TOc^tjubeJrägt;  ein  ©ruber  beg  ©imeon  ©t^liteg  ^iefe   ''d?:d,  unb  in  Sab^lon  ift  ein 

40  aramäifd(^eg  Öamsai  gefunben  hjorben.  2)ie  ©nbung  bejeid^net  l^ier  boc^  tüol^I  eine 
9{i^be=S3ilbung  (9iölbeife,  Seiträge,  ©.  105,  3lnmfg.  2).  ©räcifiert  fommt  ber  3iaine 
tjor  alö  ZafjLoaiov  (®cnct.,  3nfd;rift  ^u  9lad^Ie  am  $ermon  in  ber  Umgegenb  bon  ^a^ 
ma^Stuö,  2l?abbington  n.  2557  c)  unb  Hajuoeog  (3|nfd^rift  ju  ©ald(|ab  im  §auran, 
3yabb.  n.  2007  =  CIG   4642).    S)er  ^Jiame   be^ie^t    fid^    nid^t    nottrcnbig    auf   ben 

45  Sonnengott ;  bcnn  er  lann  bebeuten  „ber  ©onnige"  unb  üergleic^ung^tüeife  bie  Slrt  bc^ 
mcnfd;lid;en  5?amen^träger^  bejeid^nen  toie  ber  arabifd^c  ^erfonname  Sumeis  „Heine 
©onnc".  2)a|  ""d^rd  bebeuten  fönne  „ber  bem  ©onnengott  ©c^örenbe",  läfet  fid^  bc- 
jtoeifcln.  aycnigftenö  fcnne  ic^  fonft  feinen  mit  ber  (Snbung  aj  ober  i  üon  einem  ®ottc^- 
namen  gcbilbctcn  ^erfonnamen,    man  müfete    benn   ettDa   an    ben   t)almVrenifc^en    unb 

50  l^cbrciifd^cn  "^ni^  (lagator)  benfen  hJoHen ;  aber  nn-^  für  fid^  allein  fommt  nid^t  al^ 
®ottc«Jname  t)or  (nur  bmn-^).  ginc  analoge  9ii^be=Silbimg  fönnte  fein  aartga^iomii 
=  ^:-rc;wX  'n-^iin  (3bm®  LIX,  ©.  462).  3)aö  "^  in  t)almVrenifd;cm  ^x::'!2C^  fafet  3Jölbefc 
(a.  a.  D.,  ©.  105)  anbete  auf  als;  baö  in  -^tiz-c,  l^ält  e^  für  bie  Segeic^nung  be^  ata= 
bifc^en  ©enctib^;  aber  bie  ncuerbingö  gefunbene  Iran^ffrijjtion  inSilinguen  burdj^  .liöa/i- 
66  acKot»  (öcnet. ;  Sib^bar^ft,  ej)l^em.  II,  ©.  282.  296)  ^cigt  bod(|  tpo^l,  ba|  ba«  i 
^ier  fein  anberc^  ift  alvü  bort,  alfo  too^l  an  w^zvjb  angehängt  tvurbe  nad^  3lnalogie  uon 
rr:"w\  3"  i^^^"i  ?v^itlc  fännut  mir  ^-^.-iwb  nur  bebeuten  |^u  fönnen  „bem  ©onnengott" 
sc.  gel)örenb.  ^3?ad;  l'ib.^barv^ü  Icivjc  in  biefcm  1  überall  eine  J^i^jjoforiftifc^e  Gnbuncj 
i)or;    ba^  ioäre   für  ^w'-:d  bcnlbar,   \d}  toeift  mir  aber  feine  möglid^e  aSertJoUftänbigung 

60  eineö   abgetürjten  ^^Jerjonnamen^  'cizd-:  Dorjuftellen.    Sei  iJib^bariSfi«^  9luffaffung  Ipürbe 


510  @oittte 

bcn  9Jamcn  Bei  „§en"  trägt,  unb  ftcl^t  in  ^uf^nimcnl^anö  mit  bcr  auö  bcm  ^X  bdaimten 
SSorftettung  ber  ©onnc  al^  eine«  §e(bcn  ^f  19,  G;  ^Hi  5,  31.  ®amit  ftimmt  überein  bie 
Sejeic^nung  bcd  nabatäifc^en  ''HJiiog  ^edg  Avju\og]  aU  deajidrrjg  (f.  unten  §  III,  4,  b), 
be«  §clio«  aU  ^eog  fiiyiaxog  in   ber  l^auranifc^en  S'^ff'^rift    3Babb.  n.  2407    (f.  oben 

6  §  III,  3,  g)  unb  bc«  ))alml;renifc^en  Sonnengottes  Sei  mit  fieyiarov  &eov  Aiög  Bri[kov] 
(fiibjbargfi,  ej)l^em.  II,  ©.  304).  a)ie  in  ber  Snfd^rift  Don  a^ire  auf  bie  änrebe 
folgenben  Sitten:  Yka^i  xal  dldov  jiäaiv  fifxelv  vyirjv  xa^agdv^  ngri^ig  äya'&ag  xdi 
ßiov  TÜog  io&Xöv  erinnern  fe^r  beftimmt  an  ba«  bei  ben  Sab^loniem  bon  gamas 
unb  3Karbuf  äu^efagte  (bgl.  oben  §  III,  1).   SBir  Serben  l^ier  ben  ©influfe  bob^Ionifc^er 

10  3been  ju  erfennen  ^aben.  333ie  in  biefcn  entbehrte  nad^  jenen  Sitten  aud^  auf  ara= 
mäifd^em  ®ebiet  ber  ©onnenbienft  nic^t  eine«  etl^ifd^en  d^after«.  3)er  bab^lonifc^^ 
aramäifd^e  ©onnenbienft  toirb  feine  in  ber  Sleligionigefc^id^te  befunbete  getoinnenbe  firaft 
baburd^  erlangt  ^aben,  bafe  bie  ^"ttcn  bcd  Steinen,  ®uten  unb  6be(n  ii^m  bie  ^erjcn 
ber  3Men|d^en  erfc^Ioffen.    Sn  bie  in  ber  3"W^'f^  bon  ätl^ire  bem  ®ott  ebenjo  toie  bem 

16  Jjalm^renifd^en  So!  (f.  oben  §  III,  3,  e)  jugefjjrod^ene  @abt  ber  ©efunbl^eitberlei^ung 
hingt  an  iila  3,  20,  too  bilblic^  bon  ßeilung  («r*?'^)  unter  ben  gittigen  ber  (^icr  aUer^ 
bingg  femininifd^en)  Sonne  bie  Siebe  ift  unb  biefe  als  „©onne  ber  ®nabe"  (^7^)  6«= 
jeic^net  h)irb.  ®efunbl^eitberleil^enbe  Äraft  toirb  and)  bon  anbem  femitifd^en  ©öttem 
auSgefagt,  bie  junäc^ft  mit  ber  ©onne  nid^tS  ya  tl^un  i}abcn  (bgl.  „@Smumälbf(et>ioS''  in 

aobenDrientaIifd^en©tubien  [SJöIbele^geftfc^rift],  ©.  729 ff.;  aud^  fürSMarbuI  [f.o.§  III,  1] 
läfet  fic^  bielleid^t  bejtüeifeln,  bafe  er  bon  §aufe  auS  ein  Sonnengott  h)ar).  3)iefe  55or' 
fteHung  l^at  in  mancherlei  ®eftalten  bon  ®ottl^eiten  mit  bem  5ßräbilat  ücon^g  bie  ©ebn= 
fud^t  ber  'äJJenfc^l^eit  bcS  ju  @nbe  ge^enben  §eibentumS  nad^  ©rlöfung  bon  Rranfbeit 
unb  ?lot  j\u   hjedfen   unb  burd^  Hoffnung  ju  befd^hjic^tigen  bermod^t.  *  $)ie  Segeic^nung 

26  ber  ®efunbbeit  als  xa^agd  in  ber  ^"Wi^ft  bon  Sll^ire  geigt,  ba^  man  fie  als  bem 
„guten  X^un"  bertDanbt  anfal^.  —  2öie  biel  bon  biefen  SSorfteÜungen  ettpa  fd^on  bem 
^öl^em  Slltertum  ber  2lramäer  angehört,  fmb  h)ir  gu  erlennen  (eiber  nxi^t  in  ber  Sage; 
aber  bie  bab^Ionifd^en  3luSfagen  geftatten,  als  nid^t  unh)a^d^ein(ic^  an^ufel^en,  bafe  biefc 
SSorfteHungSreibcn  auc^  bei  ben  äramäem  alt  tvaren.    Si)ät  bagegen  ift  bie  mit  feiner 

30  Segrcnjung  berfe^ene  Sitte  ber  S^W^ft  bon  9l^ire  für  „unS  alle",  bie  lautet,  als  ob  ein 
uniberjaliftifc^er  ®otteSbegriff  gu  ®runbe  liege.  3luS  bem  bab^lonifc^=aramäif(^en  unb 
bem  ägVJJtifd^en  ©onnenbienft  f}at  [li)  in  ber  X^at  eine  3lrt  monot^eiftifd^er  Uniberjal- 
religion  enttvidfelt.  35ie  ©onne  h)ar,  h)eil  fic  me^r  als  irgenbein  anberer  Slaturgegcnftanb 
ununterbrochen  bie   gange  Grbtoelt  glcidjimä^ig  beberrfd^t,  bor  anbem  ©rfd^einungen  gc- 

36  eignet,  einem  unibcrjali[tifd^en  ®otteSglauben  als  ®runblage  gu  bienen. 

j)  Sfabicr  unb  SKanbäer.  3luf  altaramäifd(|en  ÄultuS  trirb  gurüdfgc^n,  tüa\? 
bon  ©onnenbienft  ber  ^aranifd(|cn  ©fabier  berid;tet  hjirb.  3nh)ieh)eit  toir  eS  ^icr  aber 
mit  einem  ÄultuS,  ber  bon  .^aufc  aus  aramäifc^  hjar,  gu  tt^un  ober  bielmel^r  an  bab^lonifc^cn 
©influfe  gu  benfcn  l^aben,  läfet  fid;  nod(i  Weniger  entfc^eiben  als  überall  fonft   auf  ara^ 

40  mäifc^em  ®ebiet.  2lud&  ift  f^iper  gu  jagen,  h)ic  biel  bon  bem,  toaS  bon  iSlamifc^cn 
3lutoren  ben  „Sfabiern"  ober  „§aranicrn"  gugejd(irieben  h)irb,  ben  Semo^nem  bon  ^aran 
gilt,  ba  bcibc  Scgeid^nungen  biclfad^  in  einem  hjeitern  ©innc  bon  ben  Reiben  über^aujjt 
gebraucht  Serben,  "ilad)  6n=9lebim  (087  n.  &)x.)  feierten  bie  „d^albäifc^en  §aranict" 
ober  „©fabier"  an    einem    beftimmt   genannten  5KonatStag  bie  Segrüfeung   ber  ©onne, 

46  bcS  ©aturnS  unb  bcr  i^cnuS  unb  fafteten  einmal  im  '^abxe  fieben  2;age  lang  gu  (Sbren 
bcr  ©onne,  „beS  großen  §errn,  bcS  §errn  beS  ®uten"  (6l^h)olfol^n,  a)ie  ©fabier, 
©t.  ^^ictcrSburg  1856,  Sb  II,  ©.  30.  35 f.).  Dbglcid^  aud^  en=9lebim  bie  Scgcic^nung 
„©fabicr"  in  jener  allgemeinen  Scbcutung  gu  gebraud[>en  fc^eint,  lauten  bodj)  feine  SJac^- 
richten  über  bie  ,,^aranifd(|en"  ©fabicr  ni^^t  nur  fe^r  beftimmt  unb  betaiHiert   (^ier  bie 

60  Slngabcn  über  SJJonatStage),  fonbem  tragen  üielfad^  fo  unberlennbarc  lolale  gärbung, 
bafe  fid;  n\d)t  an  ber  Scrcc^tigung  gh)eifeln  läßt,  fie  auf  bie  toirflic^en  §aranicr  gu  be- 
giehcn.  2)ic  Scncnnung  bcr  ©onne  als  bcS  „großen  §errn"  unb  beS  „^errn  be^ 
©Uten"  erinnert  bcutlid;  an  baS  unS  auS  Sabl;lonien,  ^almi;ra  unb  ber  gried^ifd^en  3"' 
fc^rift  bon  3lhirc  (f.  oben  §  III,  1 ;  3,  e  unb  h)   über  bcn  ©onnengott  Sefannte.    Scr 

66  ©onnenbienft  bcr  ,,©fabicr"  barf  bcmnad^  üon  bcn  tüirtlic^en  §araniern  toerftanben 
iücrbcn.  3luS  bcr  Sc^cic^nung  bcr  ©onne  als  beS  ,,$crm"  ift  bod^  tool^l  gu  entnebmcn, 
baß  bei  6n=9lcbim  bie  3lnfd^auung  bon  einem  männlid^cn  Sonnengott  mic  bei  Sab^- 
lonicrn  unb  aücn  SBcftfcmitcn  ;;uin  SluSbrud  gcbrad^t  Serben  fofl. 

©cl^r  ;ioeifcll)aft  ift,  inioicJocit  anbcriocitige  3lngabcn  über  ©onnenbienft  bcr  ©fabicr 

60  auf  trirflid^e  ^aranier  gu  begießen  fmb.    3lad)  ajimefd^li  l^aben  fie  einen  golbfarbigcn 


512  Sonne  . 

Äu^fjjrac^e  mit  i  auf  einer  falfd^en  Slnalogiebilbunö  md)  anbem  ate  ein  ®enetit>öer^alt= 
ni^  gebilbeten  ©igennamen,  h)ic  baö  auc^  für  bic  ©otte^namen  lagipcoXog  unb  Ayh- 
ßioXog  anjune^men  fein  mag,  bie  ebenfalls  laum  ate  ®cnetiüöer^ältni^  ju  berftebn  fmb 
{IaQißo)kog  =  „Jarch[i],  ber  Bol" ;  anber«  Derl^ält  e^  fic^  öielleid^t  mit  bem  i  ber  tjer^ 

6  einjelt  üorfommenben  ^orm  Malachibe[lusJ  bei  Gumont,  Textes  et  mon.  II,  ©.  1 14 
n.  123).  Unbebingt  entfc^eibenb  ift  bie  ma^Iulinifc^e  SSerbalform  too^l  ni(^t;  ba«  SSer= 
bum  lönnte  Qt\Da  a\xd)  beim  femininifd^en  9lomen  in  ber  ®runbform  fte^n  (in  bem 
jjalm^renifc^en  5Kanne^namen  nb'-i::  =  nb^-^x:  ift  ':  atterbing«  laum  3.  5ßcrf.  bc^  2?er= 
bum«,  el^er  =  „Semal^rter  ber  2lIIat").    2)er  ©tamm  grm   ift  arobifc^   unb   aramäif* 

10  unb  lommt  toie  im  ärabifc^en  ebenfo  auc^  im  Äramäifc^en  unb  ©^rifc^en  in  Sebeutungen 
bor,  bie  [xi)  auf  eine  ©ottl^eit  bejie^en  laffen  (ögl.  ragfirjXog  —  bH-72^  ju  ®mefa  bei 
Äalinifa,  ^a^re^beftc  b.  Öfterrei*.  ard^.  3nft.  III,  Seibl.,  Äol  27  n.  15,  ba«  §vpo= 
foriftifon  ■•7:^5  Garmai  in  ßbeffa,  Doctr.  Addai,  ©.  31  unb  fonfl,  f.  ^a^ne  ©mitb, 
Thesaur.  s.  v  •    "^'^Ti-Ln  i  gbr  4,  19,  ift  h)ol^l  bon  einem  Ortsnamen  abxuleiten).    g«  ift 

16  aber  bod^  auffauenb,  bafe  ber  Slame  Smsgrm  nur  ba  Dorlommt,  too  fi($  arabifd^er  6in= 
flufe  annebmen  (äfet,  in  §ebfd^ra,  ^Palm^ra,  (gbeffa,  ©rnefa.  3öir  toerben  toeiterl^in  fcben 
(f.  unten  über  AviJ^og\  unb  2)ufare«),  bafe  bie  5labatäer  ben  männlichen  ©onnengott  in 
öerfc^iebenen  formen  bon  ben  äramäem  entlel^nten.  SSielleic^t  tourbe  ber  9iame  D^:i-cr:c 
nac^  aramäifd^er  3lrt  gebilbet  üonälrabem,  bie   unter  aramäifc^em  ©influfe  ftanben  unb 

20  ben  aramäif^en  ©onnengott  afjejjtierten;  ben  9lamen  bilbeten  fie  mit  bem  ©tamme  grm, 
h)eil  er  ii^nen  in  arabifqen  9iamen  geläufig  h)ar.  ®ie  Sebeutung  be«  9lamcn«  läfet  fi(b 
Derfd(|ieben  beftimmen,  mag  man  nun  an  ba«  Slrabifd^e  ober  3lramäifc(?e  beulen.  9Ja(6 
be  3Sogü6,  Syr.  Centr.,  Inscr.  S6m.,  ©.54  bebeutet  er:  Sol  confortavit  (feine  anbere 
aiuffaffung  ebenb.:  Solls  robur  ift  unmöglid^),  nad^  ©.  31.  6oof  (Glossary,  ©.  116): 

26  ,/o  has  caused";  beffer  be  SSogüö  ju  CIS  II,  n.  355:  radix  D^^s  chald.,  syr.  et 
arab.  „abscidit"  significat,  tropice  vero  „decrevit,  statuit".  gür  unmöglid^  ^(tc 
tc^  bie  ßrflärung  l)on  9tenan  (M^tnoires  de  Tlnstitut,  Acad.  des  Inscript.,  Sb  XXIII, 
2,  1858,  ©.  334):  „cultor  solis",  nic^t  nur  h)egen  ber  Überfe^ung  Don  grm  fonbem 
namentlich  h)egen  ber  gflnorierung  ber  9Bortftellung. 

80  2luc^  ben  ®otte^namen  (Slagabal,  ber  neben  bem  ^erfonnamen  ©amfigeram  ju 
©mefa  Dorfommt,  \jOX  man  für  arabifd(i  gel^alten  (f.  oben  §  III,  3,  c,  ß).  ©d^h)erli(fc 
ift  er  eg  h)irflid^,  h)eil  er  bie  ©onnengott^eit  mit  einem  männlichen  9iomen  bc^eic^nct. 
SKan  mü^te  benn  annel^men,  erft  auf  aramäifc^em  ©oben  l^abe  ber  ®ott  bie  folare  S3^ 
beutung    erhalten.    3lber  „®ott  be«  Serge«",  h)ie  ber  9?ame  al«  arabifd^er  toerftanbett 

36  tüerben  müfete,  träre  eine  %\x  allgemeine  Sejeid^nung  \\oXi  ber  Benennung  nac^  einem 
beftimmten  Serge. 

3)er  9iame  be«  ©onnengotte«  ift  trol^I  nod^  ju  finben  in   einem   unöoBftänbig  cr= 
l^altcnen  nabatäifd(|en  ^erfonnamen  .  .  .  -c:?:'^  CIS  II,  n.  260. 

211«  §eIio«    tvirb    bcjeidjinet    ein    im  Dftjorbanlanb  üorlommenber  ®ott  Avp^o^] 

40  äßabbington  n.  2392,  2394,  2395:  UXiov  ^eov  Avjuov;  2393:  Hhov  »eov  Av/iov; 
2441:  &ECÜ  Avljtio)];  2455,  2456:  '^eco  Avfiov.  3luc^  ber  in  n.  2398  mit  Hlu( 
angcrcbete  ©Ott  ift  2lumo«,  ba  bie  ^nfc^rift  ebenfo  hjie  n.  2392—2395  bem  Orte  2)er^ 
eingeben  in  Sluraniti«  angehört;  $clio«=3lumo«  befafe  bort  nad^  n.  2393  einen  Xem)?el. 
3)Jan  bcad^te  in  ber  2lnrcben.  2398:  EloeX^k  x^'^Qoyv  "HXie  rov  xöauov  ben  änöan^ 

45  an  bic  aiuffaffung  ^f  19,  (>  C^""^;).  Sgl.  ani^  Avuog  al«  männlichen  ?ßerfonnamen 
n.  2393  unb  nod;  ^äufig  (f.  Sactl^gen,  Sciträge,  ©.  101,  3lnmfg.  5  unb  ba^u  fema 
Sib5bar«fi,  ejjj^cm.  I,  ©.  329).  S)er  ®ottc«name  trirb  arabifd^  fein  unb  ber  Äult 
ben  9iabatäern  angehören,  ba  ber  -iWamc  aud^  bei  ben  ©übarabern  Dorfommt  (f.  unten 
§  III,  4,  c)  unb  in  SBabb.  n.  2455  unb  2456   (au«  Slgräna  ober  2)fd^uren  in  Xratbo- 

60  niti«)  {}eco  Avjuov  bie  arabifd^c  ©nbung  jcigt  (fo  Sact^gen  ©.  101,  fc^h)erlid^  ©cnetiD: 
„©Ott  bc«  3lumo«"  [fo  Sagrange,  Relig.  S6mit.%  ©.  462,  3lnmfg.  2;  bgl.  bei  ©d^ürer, 
©cfd;id;te\  Sb  II,  ©.  34,  3lnmfg.  56],  h)a«  burd^  ba«  öftere  Sorfommen  biefer  ®ottc«= 
bc^cid^nung  unb  auc^  burc^  ben  fübarabifd^en  ®ottc«namen  mx  untral^rfd(ieinlic^  gemacht 
tvirb,    au^    mü^te  bann   in  Söabb.  n.  2393  i^ov  Avjuoi'   al«  Derfd^rieben   angefe^cn 

65  hjcrbcn ;  ba«  überall  bor  Av/u  . .  ftclienbe  ^eog  ift  freilid^  einigermaßen  auffaßenb  unb 
fd^cint  für  bie  2tuffaffung  al«  genetiDifc^c  Serbinbungju  fjjrcd^en,  i)gt.  aber  j.  8.  Deo 
Soli  Hierobolo  unb  deo  Apollini  Dys|ari]).  3"^^fr?"  ^<^""  ^<^^  9lame  ein  arabifc^cr 
©üttc«name  ift,  fo  mirb  bocf»  bie  Sorftcltung  be«  fo  benannten  ©otte«  al«  ©onnengott 
i)on  ben  Slramäcrn  ber  cntlcl^nt   fein,  ba  bic  3lrabcr  nur  eine  tveiblic^e  ©onnengottbcit 

60  gefannt  ^u  l^aben  fd^einen. 


@ottite  513 

'Tlhog  i?€oc  Avfi  .  .  trägt  toic  aud^  fonft  bie  Sonnengötter  unb  befonber«  SKit^ra 
ba^^räbifat  ävixrjtog:  2Babb.  n.  2392, 2394, 2395  Aiög  ävixi^Tov  {dveixmov)  'HXiov 
§€ov  Avfxov,  n.  2393  ävixrjiov'^HXiov  ^eov  Av/liov.  6^  ift  mir  nid^t  toaJ^rfdjieinlic^,  ba^ 
biefe  93e^eici(inung  crft  auf  ®runb  üon  Scrü^rung  mit  bem  3Kit^rabienft  bcn  fcmitifc^en 
Sonnengöttern  beigelegt  hjorben  ift,  ba  fie  ber  anfc^einenb  altfemitifc^en  SSorftellung  ber  6 
Sonne  aU  eine^  gelben  entft)rici^t.  3lu(^  ba^  ^räbifat  deanoTrjg  für  ben  'Hhog  ^eög 
Avfi .  .  in  2Babb.  n.  2393  {jov  deojtönjv  [xal]  ävixi]Tov  "Hhov  '&e6v  Av/xov) 
ftimmt  überein  mit  femitifdjier  äuffaffung  ber  Sonne  (f.  oben  §  III,  3,  h). 

Strabo  (1.  XVI,  3, 26  C.  784)  berichtet  öon  ben  9?abatäern,  bafe  fie  für  bie  Sonne 
oben  auf  ben  §äufem  Slltäre  erbauten  unb  Dj)fer  barbrac^ten,  h)ie  ba^  213^  Don  ben  lo 
Subäern  bie  3Serel^rung  be^  §immefö^eere^  auf  ben  ©ackern  erh)äl^nt  (3e  1,  5;  3^  19, 
13;  ögl.  2  Äg  23,  12;  ^er  32,  29).  SOäeC^aufen  (9^efte^  S.  61)  jtpeifelt  an  ber 
Äorreft^eit  ber  Se^iel^ung  biefer  Djjfer  auf  ben  $elio«,  ba  fid^  Sjjuren  eine«  Sonnen^ 
gotte«  in  ben  nabatäifd^en  ^nfc^riften  bi«  je^t  nic^t  gefunben  Ratten.  9Jur  bod^  ettoa  in 
bem  einmal  barin  ijorfommenben  Flamen  d"i5-o?:i::.  3lud^  ber  ^edg  Avjulog]  ate  $elio«  i6 
ift  boc^  h>oI;l  fidler  ein  nabatäifd(ier  @ott. 

3|n  bem  nabatäifc^en  ®ott  35ufare«  trollten  Ärel^I  (Sleligion  ber  üoriölamifd^en 
2traber  1863,  S.  48  ff.);  3-  §•  5Korbtmann  (35ufare«  bei  e»)ij)^aniu«,  gbm®  XXIX, 
1875,  S.  99—106),  Saetbgeh  (Beiträge,  S.  92  ff.)  unb  neuerbing«  toieber  ö.  35oma«5 
geh)«fi  (Srünnoh)  unb  D.'S).,  35ie  ^roi^incia  ärabia,  Sb  I,  1904,  S.  189),  einen  20 
Sonnengott  erfennen.  2lu«  bem  9iamen  be«  ®otte§  ift  biefe  Sebeutung  nic^t  ju  erfe^en 
(Saubiffm,  Stubien  II,  S.  250 f.;  SBett^aufen  a.  a.  D.,  S.  48 ff.;  i)gl.  noc^  Slöfc^,  SJa« 
ft;nfretiftif4>e  Süeibnac^tgfeft  ^u  ^ßetra,  gbm®  XXXVIII,  1884,  S.  644  f.,  mit  bejfen 
2)eutung  Dom  „Sü^funfeln"  Isolier«  a.  a.  D.,  S.  419  übereinftimmt).  35afe,  h)ie 
to.  ©oma^^etü^fi  annimmt,  ber  Äult  auf  ben  35äd(iern  bei  Strabo  bem  35ufare«  gegolten  26 
I^abe,  ift  nic^t  erfic^tlid^.  (J^er  mit  SRec^t  mad^t  er  für  folare  Sebeutung  geltenb  bie 
„Sbole  bed  2)ufare«  an  ben  ®räbem  unb  Steinbrüchen,  bie  boc^  mit  ätbjic^t  bie  ^orm 
ber  äQ\)pt\\i)m  Dbeli^fen  \)ahm'\  9lod^  beutlid^er  ift  3)ufare«  aU  Sonnengott  d^aralte^ 
rifiert  in  einer  ^^f^^^f*  ^on  ed=Suh)eba  in  Satanäa  (®abbington  n.  2312), 
h?orin  trofe  i^rer  SSerftümmelung  ba«  ^ßräbifat  ävixrpov  ju  [dojvodgeog  feftfte^t;  bie«  90 
^räbifat  be^eidjinet  überall  Sonnengötter,  ©er  Urfjjrung  ber  folaren  Sebeutung  ift  für 
2)ufare«  ^meifello«  auf  aramäifd(iem  93oben  ju  fuc^en,  au«  bem  felben  ®runbc  mie  bei  bcnt 
©Ott  3lumo«.  2)a  ber  arabifd^  gebilbete  viamc  nac^  ber  2lrt  feiner  Sejeugung  in  ber 
arabifd^en  Sittcratur  nid^t  erft  unter  aramäifd^em  ©influfe  bei  ben  9Jabatäem  aufgefommen 
fein  fann,  ^atte  ber  ®ott  urfjjrünglid^  eine  anbere  Sebeutung.  Sei  ben  9labatäem  galt  35 
Sufare«  al«  ein  bie  ^uc^tbarfeit  förbernber  ®ott,  ba  er  mit  3)ionbfo«  ibentifi^iert  toirb 
unb  bie  Xraube  fein  Symbol  ift  (j.  Saet^en  a.  a.  D. ;  altarabifc^  ift  bie  äuffaffung  al« 
biom^fifd^er  ®ott  be«  Söeinbau«  nid^t,  f.  SBeHl^aufen  a.  a.  D.,  S.  50f.;  übrigen«  mürbe 
auf  ben  Sjjenber  ber  gtuc^tbarfeit  auc^  ba«  al«  anberer  9lame  be«  3)ufare«  Dorfommenbe 
wS^rwS  üertüeifen  [N^rx  N-^cn],  toenn  £ib;bar«fi,  @p^m.  II,  S.  262  e«  richtig  40 
beuten  foHte).  äßir  l^aben  in  ber  ft)ätern  3luffaffung  be«  3)ufare«  a(«  Sonnengott  bie 
felbc  SSorfteÖung  tjon  ber  Sonne  al«  ber  bie  gruc^tbarleit  förbemben,  hjelc^er  toir  in  ber 
3tuffaffung  be«  Saal  ß^amman,  trenigften«  ber  fpätem,  unb  auf  3Münjen  Don  2lrabo«  gu 
begegnen  glaubten  (f.  oben  §  III,  2,  d  unb  g  unb  baju  §  I). 

c)  Sübaraber.  Son  Sonnenfult  ber^imjaren  toeift  2lbulfarabfc^  in  ber  Historia  45 
dynastiarum  (ed.  ^ocodf  S.  160).  ^n  ben  Jübarabifd^en,  l^imiarifd^en  ober  fabäifc^en, 
Snfd^riften  ift  ber  Äu(t  einer  Sonnengottl^eit  Sams  Dielfac^  bejeugt,  aud^  l^ier  toie  fonft 
bei  ben  2lrabern  h)eiblid(ien  ®efc^led^te«  (fic  trirb  bejeid^net  mit  bem  (Slpitl^eton  nbrn). 
3c^  gebe  bie  Selege,  bie  fid^  im  Corp.  Inscript.  Semit,  finben  für  ben  ®otte«namen 
üoiz'ä  of)m  Suffij  ober  mit  einem  auf  bie  SSere^rer  Dertoeifenben  5ßronominaIfuffij:  IV,  50 
n.  11,  l;  41,4;  43,2;  74,  12f.;  106,5;  132,3;  143,5;  149,2;  172,  2f.;  180,  2; 
241,3;  288;  293,2;  294,2;  unboUftänbig  n.  223;.  261.  3)er  Pural  •,7:nc73dK  „i^rc 
Sonnengöttinnen"  n.  46,  5  unb  in  ber  Sauinfd^rift  Don  §alir,  f.  £ibjbar«Ii,  S))l^em. 
II,  1, 1903,  S.  98.  S"  ^^^^  ^^^^^  fom))onierter  Sßerfonennamen  ift  ber  ®ottl^eit«name 
enthalten:  co^rdn-i  CIS  IV,  n.  31,  4;  67,  8;  104,  6.  8f.;  153,  1:  164,  6;b-, 
276,  1;  287,  7.  12;  300,  1;  306,  2;  Dgl.  145,  1;  OC?r::nn-i  n.  43,  1;  üOizx-vz  „®Iücf 
ber  Sc^am«"  n.  3,  If.,  9;  102,2;  154,  1;  224,1;  285,2;  E:D?:v:-inr  „3)iener  ber 
Sc^am«"  n.  81,  1  unb  ju  n.  40,  1;  üoirciz'-^y  n.  40,  1;  c?:dnm  „®abc  ber  Sd^am«" 
n.  226,  1.  3n  c-:c.xn-:  „3)Jann  ber  Sd(|am«"  n.  287,  If.  ift  DicIIcic^t  nid^t  ein  9lame 
fonbern  ein   cfircnbc«  @j)it^cton  ju   erfennen.    (S.  treitcrc«  über  ben   Sonnenfult  ber  on 

Kealst^c^riopäbie  ffir  Zl^eoloflie  unb  fiird^c.    8. 81.  XYIII.  33 


514  Sonne 

eübaraber  bei  Drwnber,  ^bm®  VII,  1853,  ©.  468  unb  cb,enb.  XX,  1866  [„3ur  Km-- 
jari|c^cn  Qpxad)'^  unb  9lltert^um«funbe"],  ©.283—286:  ,,8am8  (c::c),  bte  ©onne"; 
3.  §.  3Jlorbtmann  unb  35.  &.  3RüUex,  ©abäi|c^c  ®cnfmäler  1883,  ©.  55  ff.)  3lu«  bcr 
Serbinbung  be«,®otte«nammöO7:dmit©uffijcnJol0ert  SBindf Icr ftulefet 3bm(S  LIV,  1900, 

5  ©.408—420:  „Sams  =  ©öttin")/  bafe  l^icr  Sams  in  bem  at)eDattöen  ©innc  „®öttin" 
flcbraud^l  hjcrbc  hjic  I§tar  im  Slff^tifc^cn  (f.  bic  fiitteratur  über  biefc  fjrage  bei  Sib^-- 
bareli,  Qpf)m.  I,  ©.222  f.). 

35ie  beiben  ®ötterbilber,  ben  „?Rafr  be«  Dften«"  unb  ben  „3la\x  bed  aBeften«"  in 
einer  fübarabifd^en  ^nfcl^rift  ^t  ©b.  5»e^er  (3bm®  XXXI,  1877,  ©.  741)   erHört  aU 

10  ben  ©onnengcier  be^  älufgana«  unb  be^  Untergang«,    äbfolut  fidler    fd^etnt   mir   biefc 

freilici(l  fe^r  na^e  liegenbe  ßrllörung  noc^  nic^t  ju  fein  (iJgl.  91.  $Ri«rod^  ©.  123,  20  ff. 

unb  über  ben  3lbler  ate  SSogel  bed  ©onnengotte«  bei  ben  äranmern  oben  §  III,  3,  c,  6). 

^n  3;nW^ift«n  2:iglatj)ilefer«  III  unb  ©argon«  ani  ben  S^^ren  733  unb  715  toirb 

eine  Königin  be«  Sleid^e«  Aribi,   b.  i.  ber  2lraber,    mit  Flamen  Samse   (Samsij'e)  gc- 

16  nannt  (SQäincfler  in:  ©c^raber,  Äeilinfc^r.  u.  b.  ax*,  ©.  150;  ®.  $.  9JlüIIer,  QpxQxcüpb. 
ajenfmöler  au«  Arabien,  35enlfc^rift.  b.  SBien.  3lfab.,  »j^ilof.^iftor.  61.,  9b  XXXVII,  2, 
1889,  ©.  45  f.  glaubt,  il^en  9Jamen  in  einer  fübarabifd^en  S^f^ft  gefunben  ju  ^en: 
■'[bl7rc-i).  35er  9Jame  lönnte  auf  ©onnenbienft  üertoeifen  unb  toäre  bann  ber  ältefte 
Seleg  für  ©onnenlult  bei  ben  ärabem. 

20  Sei  ben  ©übarabem  lommt  ein  bem  nabatäifc^en  Av/j[og]  (f.  oben  §  III,  4,  b) 
bod^  h)o^l  entfjjrec^enber  ®ott  din  (Aum)  bor  in  ben  ^erfonennamen  aiN-TTO  unb 
mws-nm  (3bm®  XXX,  1876,  ©.  116;  3»orbtmann  unb  3RnM  a.  a.  D.,  ©.  10.  12; 
§ommel,  2luffä$e  u.  Slbl^anbl.  II,  1900,  ©.  184;  aiKnro  CIS  FV,  n.  103;  153,  1; 
226,  2;   278;  OiNnm  n  1,  2;   4,  1;   24,  1).    Sluc^  al«  Ortsname  lommt   anx  üor; 

25  ber  Ort  fci(ieint  alfo  „ate  ®ott  })erfonifijiert"  gu  fein  (fo  3).  §.  SKüHer,  3bm®  XXX, 
©.  116),  ober  iDol^I  beffer:  bie  ©c^ufegottl^eit  be«  Drte«  trägt  beffen  giamen,  toetl  e«  ein 
alter  ©tamme^name  h)ar  unb  ber  ®ott  ein  ©tamme«gott.  Wxt  bem  ©onnengott  hat 
alfo  ber  5?ame  al«  folc^er  nici(|t«  ju  tl^un,  unb  ba^  ber  fübarabifc^e  Dix  ein  ©onnengott 
hjäre,  ift  ani)  fonft  in  feiner  äBeife  erfic^tlid^.  3)er  nabatäifc^e  Avju[og]  fd^eint  biefe  Sc- 

30  beutung  Jj)äter  erlangt  ju  l^aben. 

d)  3ltl^io})en.  SSon  ©onnenbienft  bei  ben  alten  ätl^io})en  ift,  fo  toiel  id^  fcbc, 
bi«  jefet  nid(|t«  befannt.  §atetj^  (Journ.  Asiatique,  Sßrie  VIII,  8b  II,  1883,  ©.46«;) 
l^at  aUerbing^  in  einer  ajumitifc^en  3"f^^f.t  ^"^^  ©rgän^ung  nad^  unfid^em  än^lt&= 
jiunften   ben  9?amen   ber  ©onnengott^eit  Sams  lefen  iDolIen;   f.  aber  bagegen  9Jölbc!e, 

3ß3bm®  XLII,  1888,  ©.  475f. 

5.  Hebräer.  3)a|  bie  Hebräer  ober  einer  il^rer  ©tämme  in  älteften  Reiten  ber 
©onne  gebient  I^ätten,  ift  nid(|t  ertoei^bar  unb  bei  bem  geilen  irgenbh)eld(^er  auc^  nur 
inbirefter  ©J)uren  nic^t  einmal  toal^rfd(ieinlid^. 

a)  Ortsnamen,   ©imfon.      Über  bie  Jjaläftinifc^en  Ortsnamen  „©onnentempcl" 

40  unb  „©onnenqueHe"  f.  oben  §  III,  2,  a.    gür  bie  Hebräer  jebenfaUg  befagen  fie  nidbt^. 

3!)er  5Jame  be^  gelben  ©imfon  ift  getoi^  bon  semes  abzuleiten  (bgl.  ju  arab.  sams: 

LXX  l^ajuymv;  in  bab^lonifd^en  „contract  tablets"  au^  ber  ^^^^'^  ärtajerjed*  I  Sam- 

sänu  al^  ^rüeifello^  nic^tbab^lonifc^er  unb  ^öd(|fth)al;rfc^einlid^  jübifd^er  9iame,  f.  ^ilpreit, 

Babylonian  Expedition   of  the  University  of  Pennsylvania,  Series  A,   Sb  IX, 

46  ^^tlabcl^j^ia  1898,  ©.  27.  70;  in  einer  c^riftlid^en  3nfd(|rift  m^  Äatabfc^el^  in  9iubicn 
CIG  9115,  :].  9  2:a/io(jov).  aillerbing^  toäre  bie  üon  9lo«foff  (2)ie  ©imfon^fage,  1860, 
g.  110)  unb  Slenan  (Histoire  du  peuple  d'Israel,  Sb  I,  ^jjari^  1887,  ©.  348)  nacb 
bem  i^organg  anberer  baneben  üorgefc^lagene  ©rflärung  al^  9lebuj)liIationgform  uom 
©tanime    yrö  „fett,  ftarf  fein"  (SofejJ^ug,  Antiq.  V,  8,  4  laxvgdg)   nic^t  gerabe  un- 

ßo  möglid^ ;  für  jene  2i[blcitung  aber  \px\d)t  bie  3lnalogie  anberer  bon  semes  abgeleiteter 
^crfonennanien.  ©imfon  erinnert  in  feinen  Staaten  an  ben  gried(|ifc^en  ^eratle^.  3>a^ 
fönntc  auf  einem  3wfö^"J"cn^öng  mit  bem  Jj^önijijc^en  5Kelfart  (bgl.  oben  §  III,  2,  b) 
berufen,  ber  mitt^erafkö  ibcnttfii^iert  toorben  ift  (f.  21.  Saal  ©.  331  f.),  betoeift  aber  auc^i 
bann   ntd^t^  für  einen  ©onnengott  ber  Hebräer.    Serül^rung  ber  Srjä^Iung   unb  bc^ 

65  Diamenö  mit  einem  ^j^önijifc^en  ©onnengott,  tocnn  3Kelfart  über^auj)t  ein  ©onnengott 
toar,  liejie  fid;  au^reid^cnb  erflärcn  au^  einer  3Sermengung  ber  ^ebräifd^en  §elbenfagc 
mit  ^3(;öni,vfd^cm  llit;tl^o^\  2tber  fold^e  Berührungen  fmb  mit  irgenbmeld^er  ©ic^er^eit 
nij^t  nad()3utoctfen.  3)a  ©imfon  ein  ©d^oJ)^ct  bon  ber  3lrt  ber  anbem  gelben  be^ 
Stidbterbucbe^^  nid^t  ift,   fo  lä^t  fid;  bcjtoeifeln,  ob  ben  ßrjäl^lungen  bon  i^m  toie  anbem 

60  Süd^tergefd^id^ten  bie  ®eftalt  eineö  l^iftorifc^en  Reiben  ^u  ©runbe  liegt.    3ft  e8  ber  eJafl, 


@otttte  516 

fo  f}ai  bic  Srinncrung  i^n  au^gefc^müdEt  mit  fagen^aften  S^ö^n  unb  h)o^I  and)  frei  ct^ 
funbenen  Sc^mänlen.  Unter  bcm  ©agenl^aften  ift  l^iclleic^t  folc^e«  cntl^alten,  ba«  Don 
einer  m^t^ologifc^en  ^elbengeftalt  entlel^nt  h)ar;  ob  gerabe  üon  einem  ©onnenl^elben, 
bleibt  bie  %xaQt,  (3ltö  einen  Sonnengott  ober  ^ßelben  nad)  bem  SSorbilb  be^  3)leIIart= 
§eraf(e^  l^aben  ben  ©imfon  gebac^t  SSatfe,  35ie  ^Religion  be^  2llten  Jeftamente«  I,  1835,  ß 
S.  369 f.;  ©teintbal,  3i)ic  ©age  bon  ©imfon,  in  ber  S^'^^\^^'  f-  9SölIert)f^ci^oIogie  u. 
©t)raci(|h)iff.,  »b  it  1862,  ©.  129—178;  §.  ^uffon,  La  legende  de  Samson  et  les 
mythes  solaires  in  ber  Revue  arch^lo^que,  Nouy.  S^rie,  Sb  XX,  1869, 
©.  333—346;  aU  einen  lanaanäifc^en,  „c^oritifc^en",  ©onnengott  unb  bann  „folaren 
§ero«"  Sb.  3»eVer,  3)ie  S^raeliten,  ©.  529;  für  bie  SKöglic^Ieit  be«  „hineinragen«"  lo 
einer  „fiberifd^en  33ejiel^ung"  in  bie  ©imfonfaaen  and)  SRo^foff  a.  a.  D.,  ©.  109  f.  unb 
SJenan  a.  a.  D.,  ©.  347  ff.,  ber  noc^  barauf  aufmerifam  mac^t,  bafe  bie  ©imjonfagen  in 
ber  Umgegenb  be«  Orte«  .S3et=©cl^emefd^  „©onnentem))eI",  be«  l^eutigen  3lin=®c^em«, 
f>)iclen.)  ®er  9lame  lTw73p  ober  beffer  ©amfon  mac^t  in  feiner  gorm  bie  Sebeutung 
be«  fo  benannten  ate  ©onnengott  nid^t  unbcbingt  h)al^rf(^ein(icl^.  ®ie  6nbung  ön  i5 
bcjeid^^net  (ebenfo  toie  bie  6nbung  aj  ober  l  in  •*;D7:d,  f.  oben  §  III,  3,  g)  eine  abgeleitete 
gorm;  Wa^  fic  bebeutet,  h)iffen  h)ir  nic^t  fic^er.  ©ie  lönnte  ben  „©onnigen"  bejcic^nen 
(fo  9JöIbefe,  3bm®  XV,  1861,  ©.  806f.)  ober  aud^  ©eminutiüum  fein:  „bic  fleinc 
©onne"  (bgl.  9tölbefe,  31.  Names  in  ber  Encyclopaedia  Biblica  §  77).  2)ie  jh)eite 
unter  biefen  möglichen  SSebeutungen  h)ürbe  auf  ben  ©onnengott  feinenfall«  JJCiffen,  bie  20 
erfte  ^itva  auf  i^n  im  Unterfqieb  üon  bem  (Seftirn.  S«  ift  aber  nid^t  h)al^rfc^ein(icl^, 
bafe  man  fc^on  in  l^ol^em  ältertum  biefe  Unterfc^eibung  machte;  fxt  lommt  über^aujjt 
fonft  nici(|t  Dor.  3)ie  SSab^Ionier  jebenfall«  nannten  ben  ©onnengott  einfach  Samas,  unb 
auc$  auf  aramäifc^em  ^93oben  fd^eint  man  il^n  überall  ^5'^  ober  NU572t5  genannt 
gu  l^aben.  3)er  5?ame  SamSön  fönnte  aber  eth)a  in  ber  SBeifc  mit  ©onnenm^t^o«  in  25 
ißerbinbung  ftel^n,  bafe  an^  bem  urfjjrtinglic^en  ©onnengott  mit  3lnflang  an  feinen 
Flamen  Sm»  ein  3Kenfd^  be«  Flamen«  Samsön  getoorben  h)ar.  9Jeucrbing«  ift  eine 
Sejiel^ung  be«  ©imfon  jur  ©onne  gefunben  toorben  n\d)t  in  3"fö"^"i^"^öng  mit  alU 
^ebräifc^em  ober  ))l^öni^ifd^em  ©onnenbienft  fonbern  a(«  5iac^bilbung  äg^jjtifd^er  9Sor- 
ftetlungen  (ba«  SSorbilb  foH  fein  ber  ©onnengott  9la,  fo  mit  ganj  unl(;altbaren  Segrün^  30 
bungen  2Bie$fe,  2)cr  biblifd^e  ©imfon  ber  aeg^jjtifd^e  $oru«-9ta  1888,  ober  ber  ju  ber 
©onne  in  einer  Segiel^ung  ftel^enbe  ®ott  ©c^u,  mit  bem  and)  3al;h)e  ate  üermanbt  an^ 
gefc^en  toirb,  foSölter,  äeg^pten  unb  bie  ©ibel,  Seiben  1903,  ©.  103—112,  bgl.©.  75  ff., 
unb  inTeyler*s  Theol.  Tijd8chr.l906,  ©.78—89:  Opmerkingen  over  de  Simson- 
sage).  2Öie  mir  fd^eint,  onerieren  auc^  bie  beffern  bafür  geltenb  gemachten  3lrgumente  36 
mit  jerftreuten  Slnalogien,  bie  in  feinen  ^wfammenl^ang  ^u  bringen  fmb. 

b)  Urbäter-  unb  ^ro))^etenfage.  3lud^  bie  Flamen  ber  altteftl.  Urbäter  §enoc^ 
unb  5Dlal^aIaleI,  iDorin  man  5Jamen  Don  ©onnengöttem  ^at  erfennen  tüollen  (f.  Saubiffm, 
Jahve  et  Moloch  1874,  ©.68,  2lnmfg.  2),  fönnen  für  alt^ebräifc^en  ©onnenbienft  nid^t 
entfc^eiben.  S)er  9Jame  5Kal^aIaIeI  ift  ganj  bunfel.  §enod^  mit  feinen  365  ^al^ren  nad^  40 
ber  SCageja^I  be«  ©onnenja^re«  (Dgl.  oben  §  II)  ift  allerbing«  h)ol^(  ein  jum  3Kcnfc^en 
umgeh)anbe(ter  ®ott  be«  ©onnenlauf«,  möglic^crh)eife  be«  ^al^re«anfang«,  h)enn  man 
feinen  9lamen  üon  "^rn  „einh)eil^en"  ableiten  barf;  aber  bic  ©eftalten  ber  borabral^amifc^en 
Urbäter  fmb  offenbar  \ci}x  ücrfd^iebencn,  burc^au«  nid^t  rein  l^ebräifc^en  Urfj)rung«.  Siel- 
leicht  entfj)ric^t,  mie  3""»«^"  0"  •  ©d(|raber,  Keilinfc^r.  u.  b.  2li",  ©.  540)  Dermutet,  45 
§enod^  bem  bab^Ionif^en  Urfönig  ©nmeburanfi,  Äönig  ber  ©onnenftabt  ©ijjjjar,  ber  in 
bie  ©emeinfd^aft  ber  GJötter  ©ama«  unb  9Jamman  aufgenommen  unb  in  bie  ©el^eims 
niffe  beg  ^immete  unb  ber  ßrbe  eingeführt  h)irb  (bgl.  ju  $eno(^  6b.  SWe^er,  I)ie  3^* 
raeliten,  ©.  318). 

3n  hjittfürlid^er  unb  gefuc^ter  3Beife  fmb  eine  grofee  3ö1^I  bon  (Seftalten  ber  ^ebräifd^en  so 
3?orgefc^id(|te  unb  auc^  noc^  ber  mirflid(ien  ©efd^id^te  aU  ©onnengötter  erflärt  Sorben  bon 
®olbgil;er  in  feinem  3>u0enblperf  „3)er  SK^tbo«  beibenßebräem"  1876,  auf  anbernaSegcn 
neuerbing«  einzelne  ®eftalten  ber  SSätergefd^ic^te  bon  ^indfler  (®efc(?i<^te  S^raete,  Sb  II, 
1900,  ©.  70  ff.  78  ff.),  au«  äg^^Jtifd^em  ©onnenbienft  bon  SSöIter  (3legV»)ten  u.  bie  »ibel 
1903).  ©oUte,  mie  ©unfel  (3um  religionggefc^idjjtl.  Serftänbni«  be«  9Jeuen  leftament«  55 
1903,  ©.  80)  tjoraugfe^t,  ber  H5rot)l^et  ^ona  imgifc^baud^  einem  ©onnengott  entfjjrec^en, 
toa«  id^  noc^  md)i  einfel^e  (tro^  grobeniu«),  fo  mürbe  anjunel^men  fein,  bafe  biefe  SSor« 
ftellung  Dom  ©onnengott  Don  au^toärt«;  entlehnt  mar,  mic  ba«  Äeto«  Don  Sojjjjc  e«  un« 
jtDeifel^aft  ift.  3"  ^cn  ©rjä^lungen  Don@(ia  unb  ©Ufa  fc^einen  fi(^  änflänge  ^u  finben 
an  bie  entlehnte  38orfteIIung  Don  ©onnentoagen  unb  s^fcrben  (f.  unten  §  III,  5,  e);  go 

33* 


516  Smne 

ütcr  tc*talb  fmb  &ia  unb  (rlna  nr6  iiid»t  al^  goimengöttcr  ober  aud^  nur  ate  mit 
3cnneiu;cttan  fcmbrnicrtc  0cnalten  an^iuicbcn,  toic  g.  3lorI  in  feinem  biejiplinlojen 
unt  toünen  *u*e  „Ter  t-nn?bct  (rlio«  ein  2cnnen=3H^tbu«"  (Seijjgig  1837)  toollte. 

c)  i*ernieintlid>e  fulttfcfce  unb    icractlic^e  Sefte  Don   ©onnenbienft 
5  Sütnbcle  bes    Salcmcnifdben    2cnn>d#,    rrcrin    man    mit    jtoeifel^aftem    Steckte    §in- 

kreifun^en  auf  bie  Senne  bot  finben  tDcüm,  tonnen  md)i^  für  alt^ebräifc^en  @lauben 
betreifen,  ebenfctoenig  bie  Anlage  b<^  2en^5  mit  bcm  Gingang  nad^  Dflen  (f.  oben 
^  III,  2,  hl  ba  Solcmce  2emi?el  eine  SRacbobmung  ))Böni^fc(?er  5Wufter  toar.  Xic 
Crientierung  ber  )>entateu(fcifcfcen  Stift^tte  t?cn  Cfken  nad^  SKeften    ift  S^^^^ötion  bes 

10  Salcmonifcben  2enn>el6.  S?enn  man  bos  oltbebraifcbe  ober  aud»  in  fel^r  alter  3^^  bon 
ben  Äanaanäem  entlebnte  @ctte*bilb  be^  Stiert^  (f.  S.  ,^alb,  golbeneö"  Sb  IX,  ©.  704  ff.) 
mit  ©olbbletfc  überwog,  fo  gefcfcob  bü#  nicbt  nottoenbig  „ioegen  feinet  bem  ©onnenlidbt 
unb  bem  ^ci  bergleicbbaren  ®lan;c&"  (ihibm,  2beoIogie  ber  ^ro})l^eten  1875,  ©.  51) 
fonbem  bielleic^t  nur  jum  Si^mud;^  auc^  jene  3^eutung  aber  toürbe   nic^t  gcrabe  auf 

15  einen  Sonnengott  t>erti>eifen,  nur  auf  einen  ^immel^ott.  9lic^t  ganj  emftl^aft  fann  man 
ee  nebmen,  toenn  au^  "}iu  25, 4  gefolgert  toorben  ift,  bafe  3^^h>c  gerabep  bie  Sonne  jci 
(Xuncter,  ©efcb.  b. aitertbum6\  Sb  I,  €.324 f.;  anber«a.5).  SQBenn  l^ier  ju ÜRofe  gefaxt 
toirb:  „5^imm  aDeöau^ter  beg3?olfe^  unb  bange  fie  auf  für  ^sa^toe  bor  ber  Sonne,  bamit 
ablaffe  ber  3om  Sabtoe*  bon  gi^rael",  fo  bebeutet  Bier  offenbar  „bor  ber  Sonne"  ni(^t^ 

20  anbere^  ale  ,,öffentlic^",  toie  2  Ba  12,  12.  —  «Ile  Silber  be^  äl«  bon  ber  ©ott^cit, 
toelcbe  fub  ale  Sefte  einer  bormofaifcben  9laturreIigion  ersten  ^ben,  bertoeifen  für  bie 
^l^eriobe  be^  9Jaturbienfte^  auf  eine  anbersortige  "ßorfteDung  be«  §auJ)tgotte«  ber  ^ebräifcbcn 
Stämme.  Gr  toobnt  im  J^unfel  ber  ©etoitterlrolfe.  ^m  g^uer,  ba«  au«  ber  aSoItem 
bülic  auf  bie  Grbe  berabfäbrt,  offenbart  er  ficb,  unb  ber  SJonner  ift  feine  Stimme.  JBoH 

25  erft  aus  fpäterer  3^^  ftammen  J^arftettungen,  bie  ^^^^e  fic^  in  ben  ßrfc^einungcn 
be^  ßimmclölid&te«  offenbaren  laffen,  unb  gan^  üereinüdt  fielet  im  84.  ^falm  bie  Scr- 
glcicbung  ©otte«  mit  ber  Sonne.  3?gl.  «.  3Rolodf  S.  302  f.  Sn  bem  bod^  toobi 
fpäten  $fa(m  19  (v.  1—7)  ift  bie  v.  6  anfd^einenb  ^u  ®runbe  liegenbe  m^t^ologifcbc 
l^orftellung  fcbtrcrlic^  altbebräifc^,   eher  bon   ben  äramäem  l^er  (bgl.  oben  §  III,  3,  h) 

30  entlcbnt. 

Sei  ber  großen  3äbigfeit,  mit  ber  fid?  in  ben  altteftl.  3lu«fagen  bon  ber  ©ottbcit 
ipintocifungcn  auf  ba«  ©etoitter  erbalten  baben,  toäre  e«  in  ^ol^cm  ©rab  auffaUcnb, 
tocnn  alter  Sonnenbicnft  ber  Jg^ebräer  im  Sjjracbgebraucb  fo  ganj  bertoifc^t  toorbcn  fein 
foUte.    SoHcr«  aüerbing«  (a.  a.  £.)  tv'iü  in  ber  äntoenbung  be«  Scrbum«  rTb:i  auf  bie 

35  ©otte«offcnbarung  unb  in  beren  Sejeic^nung  mit  """-s  9tefte  eine«  bergcffenen  Sonnen^ 
bicnfte«  erfennen,  inbcm  er  al«  eine  ber  urfjjrünglic^ften  Sertoenbungen  be«  Stamme^ 
gäläh  nad>  bcm  2trabifd>cn  annimmt  feine  Slntoenbung  auf  bie  Befreiung  ber  Sonne  von 
©eiüötf  ober  anberer  Serfinfterung.  G«  ift  aber  nid^t  nad^n)ci«bar,  bafe  ber  Stamm 
neben  bicfer  einen  befonbem  Schiebung  in  ältefter  ^cxi  anbere  au«fd^lo6,   unb  ba  aufecr 

40  ber  Sonne  nod(^  biele«  anbere  „enthüllt"  toerben  fann,  fo  ift  nid^t  einjufel^en,  loc«balb 
biefer  2tu«brud  für  bie  ©ottc«offcnbarung  gerabe  bon  ber  Seohad^tung  ber  Sonne  ent-- 
lehnt  fein  foll.  5^och  Weniger  fann  ber  Unterzeichnete  e«  toal^rf(^einlid(|  finben,  bafe  für 
"^-^,  arab.  kabid,  bie  53cbeutung«li>anblungen  anjunel^men  feien:  Seher,  Seih,  "Btitte, 
fj)c;\icll  5Kittc  bc«  Sogen«,  bon   ba  au^  Sd^eiteljjunft  be«  §immel«hogen«   unb   enblicb 

45  ,,bic  Sonne  am  ©öl^ebunft  be«  J^irmamcntc«".  5>on  ber  legten  in  biefer  Steige  tüirf= 
l\d)  nad(?toci6baren  Sebcutung  ,/Sc^citelpunft  be«  §immel«"  (im  3lrahifd^en)  fann  man 
frf»merlid>  locitcr  bi«  ^u  einer  Sejcichnung  ber  Sonne  fc^reiten,  ba  bie  Sonne  eben 
nid^t  immer  am  Sd^eiteljjunft  be«  §immcl«  fteht.  ^ie  aufgel^enbe  Sonne  fann  man 
n)ol>l   bie   öftlic^e  nennen,   aber  boc^   nic^t   ein'SBort  für  „Dften"   ftatt  „Sonne"  ge= 

w  hraud;en. 

d)  J^remblänbifd^e  ©eftirnanhetung.  Gjed^iel.  ^^^toietoeit  e«  ftc^  in  ben 
.ftultcn,  toclchc  bie  ^«taclitcn  feit  ber  3cit  i^rcr  Sefe^aftigfeit  bon  ben  Äanaanäem  fenncn 
lernten  unb  biclfa^  annahmen,  um  Sonnenbienft  l^anbelt,  ift  fraglid^  (bgl.  oben  über 
bie  ^^önijicr  i-  III,  2).    Sjjejicll  bafür,  bie  geuer  be«  5Woloc^bienfte«,  hjo^cr  er  bcnn 

65  ftammen  mag,  al«  Sonnenmenbfeuer  anjufehcn  (fo  Wannl^arbt,  2Balb=  unb  gelbfulte, 
Icil  II',  1877,  S.  302 ff.),  haben  ioir  feinerlei  Seranlaffung:  toeber  in  einem  heftimmtcn 
3citvunft,  an  bcm  jene  J^eucthräuchc  ftattgcfunben  hätten,  noc^  in  einem  mit  ben 
Sonncntocnbfcucm  inbogcrmani)4)cr  i>olfer  ühercinftimmenben  Srauc^e  be«  ^inburc^gebne 
burd)  ba«  geucr  (f.  31.  ^JJlolod^  S.  270,  (Iff.).    Gigentlid^er  ©eftimbienft  jebenfall«,  b.  b. 

öobireltc  änhetung  ber  ©cftimc,   fommt  erft  gegen  ba«  Gnbe  ber  Äönig«jeit  in  ^uba  auf 


Sotttte  617 

unb  ift  jipeifcllo«  afft;rifc^cn  (ginflüRen  imufc^reibcn  (ügt.  %  3DJonb  6.  343,  15  ff.). 
2)a^  Sicutcronoinium  Verbietet,  ju  ©onne,  5Wonb  unb  ©tcrncn,  bcm  gamen  ^immete^cer, 
aufjubUdfcn  unb  ftc  ui  Derc^rcn,  inbem  man  fid^  üor  i^nen  niebcrtrctfc  unb  Derbcuge 
(I)t  4,  19;  17,  3).  O^ne  bafe  fjje^icll  ber  ©onnc  gebac^t  hjirb,  bctici(|tct  2  %  21,  3  üon 
^äRanaffc,  ba^  er  bcm  ganzen  §immete^cer  gebicnt  l^abc,  unb  benfelbcn  35icnft  criuä^nt  5 
3ej)l^ania  (c.  1,  5).  2)cm  3)icnftc  ber  ©onnc,  beö  5Wonbc«,  bc«  üerfreifc^  unb  bc^ 
ganzen  §immetöl^eerc^  Ü)ai  König  ^^fia  ©inl^alt  (2  Äg  23,  5).  3;^^"iJ<^  ^ügt  aScre^rung 
ber  ©onnc  h)ic  ber  übrigen  ©eftirne  (c.  8,  2;  ijgt.  c.  19, 13). 

e^ed^iel  fd^ilbert  c.  8, 16  unter  anbcrn  Slbgöttercicn  3)ien[t  ber  ©onnc,  Dor  ber  fic^ 
bic  3lbgöttifc^cn  im  innern  Iemj)eIi)orl^of,  gen  Dften  ftc^  tücnbenb,  ijcmeigtcn.    6r  rebet  lo 
jtDcifello^  t)on  Abgöttereien  ju  feiner  eigenen  ^^\i,  nic^t  ^ttva  \)on  frühem;   c^g  ift  a(fo 
an^  feiner  ©arfteflung  ju   erfe^en,  baf  md)  ber  Äultu^reinigung  3<>f^ö^  <^i"c   P^rf^ 
iHcaftion  be^  fremblänbifc^en  Äultuemefcn^  fid^  gcltcnb  gemad^t  l^atte. 

@inc  verbreitete  ©rllärung  ijcrftel^t  t)on  ©onnenijcre^rung  a\x6)  nod;  ben  @j  8,  17 
unmittelbar  nac^  ber  Sm?äl^nung   be^  Äultu^  ber  Sonne  gerügten  35ienft,   inbem  man  i5 
f^ier   ein  an   bie  9iafc  gehaltene«  9leiö  ("T^D  ertüä^nt  finbet  unb   barin   eine  yiad)- 
a^mung  ber  })errtfci^cn  ©itte  ericnnen  triÖ,  bei  2lnbetung  ber  ©onnc  einen  Süfd;el  t)on 
33aum^h)eigen,  ben  Saregma,  in  ber  linlen  §anb  ju  galten  (f.  ©menb  j.  b.  ©t.  nac^  bem 
iJorgang  bon  be  Sagarbe,  ©efammelte  2lb^anblungen  1866,  ©.  159,  ber  ^T^-1  in  cinn 
=  baftrifc^  baregma  änbern  ober  für  „eine  femitifierung  biefe«  h)orte^"  anfe^en  iDottte ;  20 
bgl.  etralb,  5Die  ^rojj^eten-,  »b  II,  1868,  ©.  383 ;  %  ©c^ol^,  ©ö^enbienft  u.  gauber^ 
n?cfen  bei  ben  alten  Hebräern  1877,  ©.  62;  an  ben  Saregma  beult  auc^  DreHi  3.  b.  ©t.). 
2)iefer  Äultu^braud^  tonnte  ja  ettra  nad^  Sabi^Ionien  unb  i)on  ba   na6)  ^aläjtina  bor- 
gebrungen    fein;    bie    SSorau^fe^ung   ift  aber  boc^   n\i)i  gerabe  hjal^rfd^einlic^.     2luc^ 
^ieltcn  bie  ^Perfer  ben  Süfc^el  niqi  an  bie  9lafe,  toa^  man  millfürlic^  fubftituiert  f}at  für  25 
il^re  ©itte,  bei  ber  Anbetung  ben  5Kunb  ju  bcrJ^üHen.    2)afe  ^T^"^'-!   fic^   noc^  auf  ben 
bei  G^ed^iel  lurj  vorder  (v.  14)  ertoä^nten  3^ammu|\bienft  begieße  (fo  6Iermont=©anneau, 
£tudes  d'arch^logie  Orientale,  Sb  I,  in  ber  Biblioth^que  de  Tficole  des  Hautes 
fitudes,  fasc.  44,  1880—1895,  ©.28),  ift  nic^t  an^une^men,  ba  bajtoifd^en  (v.  15) 
ber   ©onnenbienft   bargeftettt   h)orben   trar,   ber   bom    lammujbienft   ju  unterfd^eiben  30 
ift.    Überbie«  ift  ""•  ^y-],   mobon  3;ef  17,  10,   trie  e«  fc^eint,   mit  Sejug  auf  3lboni^= 
bienft  bie  Siebe  ift,  ein  pi  fc^toac^er  Anwalt,   um  638,  17  an  ben  S^ammuj  3U  benfen, 
ber   jubem  nid^t  unbebingt  mit  Aboni«  ibentifijiert  Serben  barf :   nac^  3i^f  17,  10,  tvirb 
eine  n^.'-j  gej)flanit,   aber   nic^t  an  bie  9lafe  gehalten  (bgl.  3(.  Sammuj).  ~  3öeil  in 
65  8,  17  mit  ber  Sebeutung  „SRanfe,  Sleiö"    laum    auöjufommen  ift,    bermutet  ©unfel  35 
(Sd(|ö))fung    unb    ßl^ao^  1895,  ©.Ulf.    2lnmfg.)    bafür    eine  anberc  Sebeutung   unb 
in    ber   gefd^ilberten  §anblung    einen  ©eftu^  be«  Jpo^ned  gegen  3^^^^/  h)ofür   aber 
eine    entfjjred^enbe ,,  Sebeutung    ober    befriebigenbe   iejtemenbation    nid^t    nad^getoiefen 
njirb.     An   eine  Äußerung   be«  §o^ne«   badete   fd^on  ©^mmac^u«:   xal   cog  äqpievreg 
elolv   t]xov  ü)g  aajua   did   rcöv  juvxti^qcov  avxcbv    nac^    ber   35eutung  bon   ^iero^  40 
n^mu«    (Explanatio   in   Ezechielem   ju    c.  8,  17):    Symmachi  ...  interpretatio 
foedum  raucumque  sonitum  de  naribus  procedentem  in  Dei  contemtum  signi- 
ficat;  aber  bie  Sluffaffung  minbeften«  bon  nsNbN  ift  unmöglich.  3luc^  fonft  ift  an^  ben 
alten  Überfe^ungen  nic^t«  ^u  entnel^men.     ©er  Sorfc^Iog  bon  %o\)  (in  §auj)t«  Sacr. 
books  of  the  O.  T.  j.  b.  ©t.),  nni?:;  nad^  rabbinifc^em  SSorgang  al«  crepitus  ventris  45 
aufijufaffen  (bon  Äraefefc^mar  j.  b.  2t.  ahejjtiert)   ober  bafür   m   lefen  n^T  =  n^t   3l\x 
11,20,    fo  bafe  bie  a^eräd^tlic^feit   be«  Äuitu«   ber  3lbgöttifd^en   jum   3lu«bru4  !ämc 
((.  "'S»),  beruht   auf  h)itlfürlid(ier  Söorterflärung  ober  ^änberung  (ieben^att«  ibnnten  bie 
Djjfer  nur  al«  ©eftanf,  aber  bod^  nid^t  al«  crepitus  bejeic^net  toerben).    ^e^ex  \)\eüe\d)t 
benft  »ert^olet  5.  b.  ©t  (ebenfafl«  "2«  lefenb)  an  eine  (nid^t  ^um  ©onnenVut\\t  ^eVöxen'be)  50 
uni^üd^tige   Sultu«fitte   nac^   ber  bon  ©rae^  (gjionatöfd^rift   für  ®e?dbid)t<^  ^^^  ®\^w* 
fc^aft  be«  ^ubent^um«,  Sb  XXV,  1876,  ©.  507 f.:   „2)ie  euj)f?em\\ti7^e  ^öiwXuxv^ ^t% 
SBorte«  r^rzi  im  Jpebräifd^en")  al«  ßui)^emi«mu«  angenommenen,   (^h^x   oSL^Vm<?>^  \oxv^ 
nic^t  nad;h)ei«baren  Scbeutung  membrum  virile  für  Ti^nizj.      5Öen\cirtC^^  ^^^  ^^^  \^  V 
rid^tig,  bafe  l^ier  nid;t  mel^r  üon  ©onnenbienft  fonbern  bon    cluetn     VtlD^^  ®xm\  ^^^ 
Sebe  ift  unb  jtoar  bon  einem  Slitualgreuel,  ber  nid^t  im3:emj>cl  betv\?\t    Vo>x»^  N^"^^^^ 
'^^  Sanbe.  ^^U\)ci 

3Son  Äufe^änbcn   für  ©onne  unb  3Wonb    ift  bie  JRebe  ^x  ai    ^  O'  f\iM. 

©eftu«bera^ere^nmg2t.  ^onb  ©.343,41ff.).  SBelc^e 3eit  unb  Vx)^{i^\.   ^*^fS^^^^ 
be«  35uc^e«  öiob  babei  im  2tuge  ^at,   läfet  [\d)  nic^t   beftimmt    J?^^^*^ 


518  Sonne 

feine  eigene  ^f:\t  unb  ^iixatl,  ha  er  feinen  Reiben  in  l^o^em  Altertum  im  unbclannten 
£anb  Uj  lebenb  benit  unb  ben  33erfuc^  mac^t,  religiöfc  unb  hiltifc^e  SJer^öItniffc  ber  Ur= 
jeit  in  fd^ilbem. 

e)  ©onnenjjferbe  unb  ^SQäagen.  6ine  eigentümlid^eßinric^tunöbe^Sonncnbienftee 

6  loirb  2  Ä0  23, 1 1  ate  üon  Sofia  abgcfd^afft  ertoci|nt.  3)anad^  ^tten  „bie  Äönige  gubas" 
an  einem  ber  lemjjel^ugänge  im  Sorl^of  ^fcrbe  aufgefteHt,  bie  ber  Sonne  getoeil^t  toaren, 
nebft  ©onnenlDagen.  ^o^ia  liefe  bie  ^ferbe  entfernen,  bie  SBagen  öerbrennen.  gür 
©onnenj)ferbc  unb  ^SBagen  tvar  bi«  bor  lurjem  eine  Analogie  au^  bem  Sercid^  ber 
femitifc^cn  Sölfer  nic^t   beizubringen  (bgl.  bie  geleierte  3)iffertation   bon  ßbrift.  3SiIeIm. 

ioS3oftu^,  De  losia  quadrigas  solis  removente  ad  11.  Reg.  XXIIl/ 11,  £ei))^ig 
1741).  ^dji  hjiffen  toir  aber,  bafe  bie  Sab^Ionier  üon  einem  mit  Sloffen  befpanntcn 
SQäagen  be«  Sonnengottes  rebeten  (S^nfen,  ÄoSmoIogie,  ©.  108 ff.;  3^'«'"^«,  in:  ©{^rabcr, 
Äeilinfc^r.  u.  b.  äSC^  ©.  368).  aUerbingS  ift  bon  SBagen  unb  5ßferben,  bie  in  bcn 
babl;(onifc^en  3^emj)eln  gel^alten  toorben  toären  toie  im  jerufalemifci^^en,  bisher,  fo  öiel  id^ 

16  h)eife,  nichts  belannt.  Sei  inbogermanifc^en  SSöIIern,  namentlid(^  bei  ben  5ßerfern,  toar  bae 
5ßferb  baS  bie  ©onne  in  il^rem  Saufe  barftellenbe  lier.  ® ie  ein  aItinbifd(^eS  2icb  bie  ©onne 
auffaßt  ate  ein  ben  §immel  burc^eilenbe«  Slofe  (9lotl^,  gbm©  II,  1848,  ©.  223),  fo  rebct 
auc^  baS  3^n^öbefta  l^äufig  Don  ber  ©onne  aU  ber  „mit  fc^neDen  ^ferben  begabten" 
(©J)iegel,  ßränifc^e  ältert^umSlunbe,  8b  II,  1873,  ©.  66  ff.).    9ion  äbenblänbem  toirb 

20  berid^tet,  bafe  bie  ^erfer  J^eiüge  SBJagen  unb  ^ferbe  l^ielten.  ©ie  toerben  toon  §erobot 
(I,  189;  VII,  55;  VIII,  115),  Xenojj^on  (Cyrop.  VIII,  3,  12)unb6urttuS  (III,  3  [7], 
11)  afe  bem  3^^  ober  3wj)iter  ^eilig  bejeic^net;  baneben  ift  bei  3£eno))^on  au6)  öon 
D})ferpferben  unb  einem  feagen,  bei  GurtiuS  Don  einem  einzelnen  ?ßferbe  beS  ^erftfc^cn 
$clioS  ober  ©ol    bie  SRebe,   unb  3;wf*^J^  (1/  10)  berichtet  bon  ^eiligen    ?ßf erben  ber 

26  ©onne,  h)ie  biefe  Xenojjl^on  (Anab.  IV,  5,  35)  auc^  bei  ben  Slrmeniem  erloäl^nt  (Dgl. 
baju  S)ibeliug,  35ie  2abe  ^a^be«  1906,  ©.  60  ff.  unb  bafelbft  ©.  63  eine  9lemini^en]| 
bei  apio  (S^rvfoftomu«).  SQäa«  §cIiobor  (Aethiop.  X,  6  ©.  278  ed.  Seffer)  toon 
ben  3it^ioj)en  ju  3Keroe  berichtet:  'HXUo  juhv  ze&Qumov  levxdv  tirjyov,  nämlic^  auf 
einen  3lltar  afe  Opfer,  ift  h)ol^l  entftanben  auS  einer  ©rinnerung  an  baS  SSiergefjMinn 

30  be«  griec^ifd^en  §eHoS,  DieHeid^t  auc^,  ba  ^eliobor  (um  400  n.  6l^r.)  au«  ©mefa,  ber 
©tabt  beig  ©onnenbienfteS  (f.  oben  §  III,  3,  c,  ß),  ftammte,  baran,  bafe  auf  Iateinif(^cn 
9)iünjen  beS  ^eliogabal  unb  beS  UraniuS  ber  l^eilige  ©tein  beS  ©onnengotteS  Don  ßmefa 
auf  einem  SBagen  mit  Dier  ^f erben  gefal^ren  hjirb  (3Morbtmann,  3*>»"®XXXI,  ©.95  f.), 
tpoE^l  mit  Sejug  auf  ben  römifd(ien  Äult  beS  ®otte«.  ffiaS  §eIiobor  l^in^ufügt,  bafe  bie 

86  3(tl^io})en  bie  $ferbe  geo})fert  l^ätten,  xco  Tax^Tdro)  xcov  ^ecbvy  (bg  eoixe,  to  zdxioxov 
xa'&oaiovvreg,  ift  fjjätere  Slu^legung.  —  2lug  @ran  unb  ben  benachbarten  Sanbfc^aften 
belogen  n?al^rfc^einlici(i  bie  femitifc^en  SSöIfer  i^re  ?Pferbe  (§e^n,  Äulturt^flanjen  unb  ^au^- 
ti}xm\  1877,  ©.  33).  ^lad)  ejed;iel  (c.  27,  14)  er^anbelte  %\)xn^  feine  ^ferbe  au^  bem 
Sanbe  logarma,  toomit  DieHeic^t  2trmenien  gemeint  ift.    9JJit  ben  5ßferben  ate  §anbel^ 

40  gegenftanb  toirb  [\i)  il^re  fultifd;e  Sebeutung  Derbreitet  ^aben,  unb  bie  Stoffe  be^  ©ama^ 
hjie  bie  beö  jerufalemifc^en  Iemj)el^  Rängen  getvi^  ^ule^t  irgenbtvie  mit  ber  J)erfif(bcit 
SSorftedung  unb  Äultu^fitte  ^ufammen. 

^n  bem  feurigen  J^agen  unb  ben  feurigen  ^ferben  bei  ber  Himmelfahrt  beö  6lia 
2  %  2,  1 1  erfennen  Äittel  (5.  b.  ©t.)  u.  a.  ben  ©onnenh)agen.   2tud^  tvenn  bie  (grjä^lung 

4ö  auö  ^3JüfeDcrftänbni^  ber  auf  bie  ^erfon  be^  @Iia  ^u  bejie^enben  bilblid^en  Slebelpenbung 
V.  12  entftanben  fein  foUte,  mu|  bod^  bie  3SorfteIIung  Don  l^immlifc^en  SBagen  unb 
^ferbcn  bem  ßr^ä^Ier  irgenblvic  geläufig  getoefcn  fein.  Sie  ift  femer  bezeugt  in  ben 
sterben  unb  Sagen  Don  ^Jeuer  ring^  um  ©Ufa  2  ^g  6,  17,  bie  ebenfafe  aif^  |immlif(^c 
^u  Derfte^n   finb.    S)abci  ift  aber  allcrbing«^  nid^t   nottoenbig   gerabe   an   ben  ©onnen= 

bo  loagen  ju  bcnfen,  fonbern  junäc^ft  nur  an  ein  bimmlifd^c^  §eer  h)ie  ^oj  5,  14;  ©en32,3. 
2)ic  l^iminlifd;en  ^ecrfc^aren  unb  i^re  3luörüftung  fmb  natürlid^  feurig,  toeil  h>a«  man 
am  i^immel  erblidt,  nämlic^  bie  ©eftime,  bie  mit  ben  (Sngeln  ibentifijiert  tourben,  feurig 
erfd(?eint  (Dgl.  oben  §  I). 

3m  Sud^e  §cnod()   l)ai   mdji  nur  bie  ©onne  (c.  72,  5.  37 ;    75,  4)  einen  SBagcn 

65  fonbern  aud;  3Wonb  unb  ©tcrne  (c.  75,  3.  8).  S)er  ©onnentoagen  fommt  auc^  Dor  in 
ber  gried)ifd;cn  2l^3ofah;j)fe  53arud^  6  (Dgl.  Scer  §u  §en.  72, 5,  Steffel  ju  Sar.  6  in  Äau^ft^ 
3lj)o!rV>)ben)  unb  ÄNngcn  ber  7  ^Manctcn  bei  ben  9Jianbäern  (Sranbt,  3)Janbäif4>c  ©c^riftcn, 
©.189  f.).  ^d)  fte^c  nn,  barüber  ju  urteilen,  ob  ber  SBagen,  ber  auf  5Wünjen  Don 
©ibon  bie  Slftarte  bar^^uftcden  fc^eint,  .^ufammenbängt  mit  il^rer  Sebeutung  al«  ©eftirn- 

00  gott^eit,   fei  e^  aU  3JJonb  fei  eö  al^  ä^enuöjjlanet.    SBabrfc^einlic^  ift  ba^  nid^t  nac!;  ber 


Sotitie  519 

!i(rt,  \vk  btefer  äBagen  barge[tellt  iptrb,  ol^ne  @ef))ann  unb  ol^ne  J5inU)eiJung  auf  ein 
®cftlm  (bic  3)arfteIIun0  biefcö  2Bagcn^  auf  einer  3Künje  mit  bcm  Silbe  Äaifer  (Slagabate 
;^n)ifc^n  ^albmonb  unb  ©tem  [3lout)ier,  Journ.  Internat,  d'arch^l.  numismatique 
V,  6.  267  n.  1527]  lommt,  abgefel^en  üon  ber  3^^^^  "«^  t>^  9^^  ^^^  Kombination 
Don  ^üa^m  unb  ©eftimen  l^ier  ni^t  in  95etra(^t).  3^  W^^  ^^^  SKagen  ber  3lftartc  6 
e^er  für  ein  Äultu^erät,  ba^  ber  ^erumfüJ^rung  be«  ©otte^bilbcd  in  ^rojeffioncn  bientc. 

3tlt^ebräifc^  ift  bie  SSorfteQung  Don  ben  ^euerh)agen  @liad  unb  @Iifa^  natürlich 
nic^t,  ba  J^rieg^tüagen  unb  ^ferbe  nic^t  alt^ebräifd^  fmb.  SQäenigften«  inbireft  l^ängen 
alfo  biefe  2Bagen  gehjife  mit  bem  bab^Ionifc^en  ©onnenh)agcn  jufammen.  ®ie  3?or= 
ftellung  mufe  aber,  ba  bie  ©r^ä^Ier  ber  6Iia-  unb  eiifa=®efc^ici^tcn  fte  al«  einen  feftfte^enben  lo 
Seftanbteil  überfommen  l^aben,  öer^ältni^mäfeig  frül^jeitig  ju  ben  S^^^eliten  gefommen 
fein ;  e^  !ann  fraglich  erfd^einen,  ob  erft  hxxxi)  Sermittelung  ber  äff^rer  ober  fc^on  burd^ 
früj^ere  3wfö*"*"^^änge,  bann  toal^rfc^einlic^  bab^Ionifc^sfanaanäifc^e.  Über  ©buren  für 
§eiligfeit  be^  ^ßferbeiJ  bei  ben  ^l^öni^iem  f.  Äerber,  2)ie  religion^efd^id^tlic^e  Sebeutung 
ber  ^cbräifc^cn  Eigennamen  1897,  ©.  36  f.  ^oio  unb  ■^?:co  beh)eifen  n\6)t^  für  3^^^^^);  i5 
S«.  Slobertfon  ©mit^,  ®ie  Sleligion  ber  ©emiten,  beutfc^e  äu^.  1899,  ©.  223 ;  über  ba« 
^ferb  auf  bama^j^enifc^en  3Wünjen  SJuffaub,  Notes,  ©.96;  über  ben  ©onnenh)agen  auf 
fVrifdjiem  93oben  in  römifc^er  ^Ai  ebenb.,  ©.  51  f.  (Quadrige  et  char  solaires).  Über 
brei  f^rifc^e  SJarfteHungen  eine«  Sleiter«  l^anbelt  2)uffaub,  ber  barin  ben  ©onnengott  ju 
erfennen  glaubt,  ebenb.  ©.  52—58  (Le  dieu  solaire  cavalier).  3"  ^^  ^^^^^  t^'^f^  20 
35arfteIIungen,  bem  oben  §  III,  3,  c,  y  ertoäl^nten  SRelicf  bon  ?ferjul,  ift  bie  folare  Se« 
beutung  ^h)eifeIIo«.  6ine  jhjeite  ^arftettung  bietet  ein  Slelief  nic^t  nä^er  befannter  §er5 
lunft  au«  fj)äter  3^^*-  «in  Sleiter  in  Jjerfift^er  Srac^t,  bcm  bie  ^nfc^nft:  Oecp  Fewia 
Tzargcpo)  . . .  gilt,  t^ält  eine  Ocifeel  in  ber  ßanb  toie  ber  3u})iter  §elioj)oIitanu«  (f.  bic 
aibbilbung  bei  §cuje^,  ün  dieu  cavalier  in  ben  Comptes  rend.  de  TAcad.  des  In-  25 
Script.  1902,  ©.  190  ff.),  ift  alfo  h)o^l  toie  biefer  ein  ©onnengott.  2)ie  britte  3)ar- 
ftettung  ift  nur  inbirelt  bie  eine«  ©onnengotte«:  auf  einem  Slclief  öon  c«5©un>eba  im 
^auran  fi^t  Äaifer  SKa^imianu«  ju  ^ferbc;  eine  ©onne  ift  hinter  i^m,  toä^renb  ®io- 
cictian  eine  ©onne  in  ben  3lrmen  l^ält. 

©onft  fennt  ba«  311  am  §immel  al«  SBagen  nur  bie  SBoIIen,  auf  benen  ^ai}\ot  30 
ein^erfä^rt  (^f  104,  3;  Dgl.  ^ef  19,  1;  ?}f  18,  11  unb  and)  ©a  7,  13;  Dietteid^t  fmb 
ferner  bie  abjagen  mit  ^ferben  Bai)  6,  1  ff.  al«  l^immlifd^e  ju  beulen,  aber  l^ier  h)irb 
bab\;Ionifd(ier  ober  i)erfifc^er  ©influfe  Dorliegen).  35ie  SBoIIcn  in  il^rem  rafd^en  3"9  0I« 
ein  ©cfä^rt  Dorjuftetten,  liegt  nal^e,  aud^  mit  SRüdEfw^t  auf  gornten  ber  SöoIIen.  Siet 
leicht  ift  erft  Don  ba  au«  bie  3luffaffung  ber  ®eftirne  al«  mittelft  eine«  ©agen«  fic^  betoegenb  86 
entftanben.  3luf  irgcnbh)eld(jer  SiJorftellung  Don  einem  ®otte«h)agcn  berul^t  boc^  h)ol^I  auc^ 
ber  fonberbare  ®ottc«name  bxnDn  Rekub-'el  ober  Rakkab-*ei  in  ben  ^n^riften  Don 
Scnbfd^irli  (Dgl.  ba^u  ©.  |)offmann,  ^eitfd^r.  f.  3lff^rioIogie,  8b  XI,  1896,  ©.  252)  unb 
bann  Dicttcicbt  and)  ber  ebenbort  Dorlommenbe  ^erfonnamc  nD^r'-n,  nr^nn.  3?gl,  noc^ 
bie  Släber  ber  ßjjec^ielifc^en  I^eojjl^anie  6j  1, 15  ff.  40 

f)  9lad^c5ilifd(ie  3flemini«cenjen  unb  neuteftamentlic^e  9ln!länge.  2tn 
bie  Derfc^iebenen  gormen  be«©onnenbienfte«  bei  ben  Reiben  unb  auc^  ben  gubäem  ben!t  ein 
ätj3ofali;})tifer  ber  fjjätjjerftfd^en  ober  gricc^ifd^en  ^eriobe  3ef  24,  23,  ber  Don  3Konb  unb 
©onne  fagl,  bafe  fie  im  ©nbgerid^t  erröten  unb  \xd)  fc^ämen  toerbcn,  nämlic^  um  ber  Don 
ben  abgöttischen  i^nen  erh)iefenen  ßl^re  h)illen,  bic  allein  '^a\)tt)^  ber  §eerfd^aren  jus  45 
fommt.  2)ie  beiben  ®eftime  merben  babei  al«  reale  bämonifc^c  3R&d)U  Dorgeftellt 
(Dgl.  «aubiffut,  ©tubien  I,  ©.  118  ff.).  ®ie  ärt,  h)ic  J^ier  Don  ©onne  unb  9Konb  al« 
belebten  unb  Deranthjortlic^cn  SQäcfcn  bie  SRebe  ift,  jeigt  beutlic^,  h)ie  fe|^r  noc^  im 
Sctoufetfcin  fpäter  3^'^^"  ^^^  ®ottl^eitcn  Don  ©onne  unb  3)ionb  al«  mit  ben  ©e^ 
ftimcn  ibentifd;  erfdiiienen  unb  h)ic  bireft  fid^  ber  Äultu«  an  bie  ®eftirne  felbft  gclDcnbet  50 
l^aben  tvirb. 

Äeincrlei  ^intDci«  auf  jübifc^^en  ©onnenbienft  lä]&t  Jid^  erlennen  in  bemSiamen  be« 
Stattl^alter«  ber  ^uben  in  ber  erften  nac^c^ilifd^en  ^At  SeSbassar  6«r  1,  8  u.  f.  h).,  ob= 
gleich?  barin  ber  5{ame  be«  ©onnengo^tte«  mti}aUm  märe  nad^  ber  nid^t  unh)al^rfd^ein= 
lid^cn  ßrllärung  be«  9lamen«  =  SamaS-abal-usur  „©ama«  fd^ü^c  ben  ©o^n"  (fo  66 
3immem  in:  ©d^rabcr,  Äeilinfc^r.  u.  b.  213^',  ©.  370).  SBar  ber  2:räger  be«  9lamcn« 
ein  3iube,  tüa«  jtoeifcl^aft  ift  (f.  Saubiffm,  (Sinleitung  in  bie  53ü(^er  be«  212:  1901, 
©.  280  ff.),  fo  tDar  ber  5iame  i^m  geh)i6  beigelegt  al«  ein  in  Sab^lonicn  üblid(|er,  o^ne 
bafe  fid^  barau«  irgenbettoa«  für  ©onncnDercprung  bei  ben  bab^lonifc^en  ^n\)m  ergäbe 
(Dgl.  ben  jübifc^en  ^erfonnamcn  "1";^  =  mr5-,n,  Saubiffin,  ©tubien  I,  ©.314).  eo 


620  Sonne 

3Son  jübifc^em  ©onncnlult  in  bcr  nad^ejtlifd^cn  3cit  iDiffen  toir  nid^tg.  SBol^I  ober 
!ommt  in  bcr  fbätern  jübif^en  ängclologic,  bic  eine  naturaliftifd^e  Seite  an  ben  ©ngcin 
betont,  eine  na^  §enoc^  8,  3  faum  nur  bxMxi)  ^n  berftel^enbe  Sejiel^ung  eine«  (Sngel«  ^ut 
©onne  Dor  in  bem  ©ngelnmnen  Samsaveel,   Simapisiel  =  ^ö<'"»?';'P  $en.  6, 7;   8,3; 

6  69,  2  (i)0l.  bie  33esief^ung  eine«  engeU  ^um  3)ionb  ä.  9Konb  ©.  347,  33  ff.). 

S)a|  naä)  ^o^cpiiu^  bie  jübifd^ie  ©elte  ber  ßffener  il^re  ®ebete  i^enid^tcte,  bet  auf= 
ge^enben  Sonne  ju^etoenbet  (Bell.  Jud.  II,  8,  5),  im  Unterfc^ieb  üon  ber  ©ebetöric^tumj 
ber  ort^obojcn  ^xihm  nai)  ^^xvi\aUm,  ift  IdoI^I  bon  3ofeJ)^u«  irrtümlich  ijerftanben  toorbcn 
fll«  eine  „Sitte  an  bie  Sonne,  fie  möge  aufge^n",  jebenfaH«   nic^t  behjeifenb   für  gött^ 

10  lid^e  Sere^rung  ber  Sonne  (fiuciu«,  S)er  ®fjeni«mu«  1881,  S.  61  f.).  2öo]^I  aber  h>irb 
bie  Sefte  ber  Samjjfäer  bei  @j)l^i))l^aniu«  nac^  i^rem  9?amen  mit  Sonnenbienft  in  3>cr= 
binbung  fte^n.  Wan  i^ergleidbe  gu  ber  Sejeidjinung  G^rifti  bei  ben  mit  ben  Sam))fäem 
Dertoanbten  (gllefaiten  a(«  juiyag  ßaodevg  (f.  21.  (Slfefaiten  93b  V,  S.  315,  59)  bie 
femitifd^en  6j)it^eta  be«  Sonnengottes  (f.  oben  §  III,   3,  h).    §ier  h)irb   toie   bei  ben 

16  3Kanbäem  gntle^nung  au«  aramäifd^^bab^lonifd^em  §eibentum  Dorliegen.  ^afür  aber,  bafe 
fc^on  Dor  ber  djiriftlici^en  ära  ©influ^  be«  Sonnenlultu«  auf  ba«  fj)äte  gubentum  ftc^  gellenb 
gemad^t  l^abe,  finbe  ic^  feine  3lnjeid(|en.  2)ie  in  SBei«^.  Sal.  16,28  iJorauSgefe^tc  Sitte 
be«  (Sebete«  Dor  Sonnenaufgang  braucht  feinerlei  Sqiel^ung  gu  Sonnenbienft  unb  \p^li:\i 
ju  ber  im  au«ge^enben  §eibentum  toeit  Verbreiteten  ^itte  ber  Slnbetung  ber  aufge^enben 

20  Sonne  (f.  I^ierüber  Gumont,  Textes  et  monum.,  33b  I,  S.  128  f.)  ju  l^aben.  So 
gelDife  e«  ift,  bafe  in  ber  ^aiferxeit  unb  i^ieHeid^t  fd(?on  früher,  namentlich  in  Älein= 
afien,  jübifc^e  ©emeinfd^aften  ftarf  Don  l^eibnifc^en  3SorfteIIungen  unb  Sräuc^en  beeinflußt 
hjorben  finb,  tvofür  Gumont  (Les  mystöres  de  Sabazius  et  le  Judaisme  in 
ben  Compt.  rend.    de   TAcad.   des  Inscript.  1906,  S.  63  ff.)   fra})t)ante  Belege  iie= 

25  liefert  i^at,  erjd(|eint  e«  mir  bod^  ^h)eifel^aft,  ob  ba«  J)a(äftinifc^e  ^ubentum  unb  überl^aupt 
ba«  3"^^"^""^^  öw«  h)eld(iem  bie  erften  d^riftlid^en  ©emeinben  ^erijorgingen,  fotc^en  @in= 
flüffen  jugänglid(i  getvefen  ift  (3DJa  3,  20  unb  5Pf  19,  6  l^anbelt  e«  fic^  l^öc^ften«  um  bic 
3lu«brud«h)eije). 

3)ie  d(iriftlid^e  geier  be«  Sonntag«  l^at  getvife  in  il^rer  ©ntfte^ung  mit  Sonnenbienft 

:k)  nid(|t«  ju  tl^un  (h)a«  ©unlel,  ^\xm  reUgion«gefd^id^tl.  3?erftänbni«,  S.  73  ff.  annimmt), 
ba  fie  fic^  au«reic^enb  au«  ben  i)on  il^r  üorau^efei^ten  Sendeten  i)on  ber  äufcrftcbung 
3efu  erllärt;  aber  bafe  ber  Sonntag  in  ben  3Wit^ramt;fterien  gefeiert  h)urbe  (au«  femi= 
tifd^em  ^eibentum  ift  barüber  bi«  je^t  nid(|t«  befannt),  mag  ber  3Serbreitung  ber  Sonn- 
tag«feier   günftig  getoefen   fein.    %ixx  ben  2luferfte^ung«tag   erfd^eint  ber  Sonntag  aU 

36  fold^er  in  feiner  Slelation  bebeutfam,  fonbern  nur  al«  britter  3:ag.  3lud^  in  bem  2)atum 
be«  äluf erfte^ung«tage«  vermag  id^  einen  3nf<n"men^ang  mit  Sonnenbienft  (®unfc(  a. a.D., 
S.  79  ff.)  nic^t  gu  erfennen.  ®a«  ß^fcimmenfallen  mit  einem  altfemitifc^en  ^rüf^lingefcft 
(f.  oben  §  III,  2,  b)  beruht  barauf,  bafe  ber  2ob  Qefu  in  bie  geit  be«  ^^affa^fefte«  fiel  unb 
bafe  ba«  alt^ebräifc^e  ^affal^  au«  jenem  grü{;Iing«feft  beröorgegangen  ift.    Sei  bem  altjcmi^ 

10  tif(|en  grü^ling«feft  ift  ädern  3lnfd^ein  nad)  nid^t  eigent(id(|  an  ein  Sonnenfeft  ^^u  benfen 
fonbern  e^cr  an  ein  ^eft  ber  toiebererttjad^enben  Segetation. 

g)  Stücfblidf.  2Bo  immer  tüir  bei  ben  Hebräern  unb  ^ubäern  beutlic^e S)>uren  bc^ 
Sonncnbienfte«  beoba^ten,  ift  er  enttüeber  bcftimmt  ober  boc^  aflem  2lnfd^ein  nad^  au«  bcr 
grembe  entlel^nt.  gür  alt^ebräifc^en  Sonnenbienft  l^aben  toir  feinerlei  fiebere  Slngeic^en.  äucfa 

45  bei  ben  näcf^ften  5(ac^barn  unb  3§erti)anbten  ber  Hebräer,  ben  Sanaanäem,  lä^t  fid^  alt- 
ein(;cimifc^er  Sonnenbienft  mit  Seftimmt^eit  nid^t  fonftatieren.  2lHerbing«  fommt  fcbon 
üerhältni«mä6ig  frühjeitig  eine  Vereinzelte  Sj5ur  für  ein  folare«  Clement  in  ber  v^öni^ 
gifd^en  Stcligion  t)or,  ba«  aber  entlel;nt  fein  tann.  ^er  Sonnenbienft  ber  fj)ätern  ^^Nt^önijier, 
ber    allem    Slnfc^ein   nacf>   auc^    bei  il^nen    nid^t  gerabe  eine  centrale  Stellung    ein^jc- 

50  nommen  Ijat,  ift  offenbar  unter  aramäifd;em  (Sinflu^  aufgefommen.  ^SBei  ben  Slramäern 
finben  toir  feit  unfern  ältcften  9Jacl^rid;ten  bic  3?ere^rung  be«  ®otte«  Sm§  beftef^enb  unb 
l^aben  au«  fjjäten  Reiten  fel^r  reid()^altige«  5)taterial  für  il^rcn  Sonnenfult.  ©r  mag  gum 
babVlonifd)cn  ÄuUu«  in  einem  3lb^ängigfeit«tjerl;ältni«  ftel^n,  ioie  e«  and)  fo^ft  für 
formen  bcr  aramäifc^cn   -Hcligion  ber  %aü  ift.  93ei  ben  53abl;loniern  ift  ber  (Sott  Sama§ 

55  bon  uralter«  l;er  bezeugt.  CSr  ift  Diellei^t  baö  Urbilb  aller  Sonnengötter  bei  ben  5iorb-- 
unb  ffieftfcmiten.  211^  eine  anfcbcincnb  fclbftftänbige  gefd(?ic^tlic^e  ßrfd^einung  finbet  fic^ 
bancbcn  bei  2lrabcrn  unb  Sübarabern  bcr  2)icnft  einer  Sonnengöttin.  —  Soh>eit  une 
bie  ipenigen  erhaltenen  Slnbcutungcn  über  bic  3?orftcllungcn  bon  bem  norbfcmitifcbcn 
Sonnengott  fül^ren,   ift   c«   bor^ugömeife  ba^  "^B^oment  ber  (Srlcud^tung  gehjefen,   ba^  in 

Go  ber  Sonne  Derc^rt  iourbe  unb  fd;on  frü^geitig  ben  Sonnengott  al«  görbercr  bcr  SKa^r-- 


@otitie  Sotttitagdfeter  621 

^cit  unb  ®crcci(|tiöfcil  ctfd;eincn  liefe;  juglcic^  ftanb  im  aSorbcrgrunb  bcv  33eobaci(|tung  bic 
überhjältigenbe  3)lai)t  bcr  ©onnc,  um  bcrcnltuiUcn  ber  ®ott  gcbac^t  hjirb  ate  ein  §clb, 
ein  $err  unb  j^önig.  9SBo(f  ä^aubiffm. 

Sonntagdfrier.  —  I.  gn  ber  alten  Äird^c  unb  im  3DJitteIaIter.  $.53artel,  De 
stato  die  vcterum  Christianonim,  Viteb.  1727.  3.  ®.  9(bid)t,  De  sabbato  Christianorum,  ib.    B 
1731.  3). $). ?lrnolbt.  De antiquitate  diei  dominici,  Regiomont.  1754;  3.  93.  Gilbert,  Decclebra- 
tione  aabbati  et  diei  dorn,  interveteres  et  recentiores,  Viteb.  1772.    K.  CS.Ü.  granfc,  De  diei 
dominici  apud  vett.  Christt.  celebratione,  Hai.  Sax.  1826  [bie  brei  le^tgcn.  (5d)rifteu  nbgcbrucft 
in  ^4SoI6ebingö  Tbesaur.  commentationum  I,  1826];   (ö.  33.  ©ifenfdjmibt,  ©c|cf).  ber  d)v.  Sonn= 
unb  Sefttoge,  1793.    SBinterini,  2)cnfiüürbigreitcnber  d)riftfat&.  Äirdje  (1825ff.)  V,  1.  g.  ^robft,  10 
Mird)!.  3)ii5jiiplln    ber    brci  erften  3a^röimbeitc  III,   1.     (J.  ©.  .C'>engftenberg,   ^cr  %ac[    bes> 
i^cnn,  ^^erlin  1852  (and    „ßu.   ^3."    1851).     Reffet),   Sunday.  The  Bampton  Lectures   for 
1860  (5.  ed.  1889).    3.  ^l  v^lnbreiod,  Hist.  of  the  Sabbat,  i>onb.  1861  (aud)  franaöf.,  2«  6dit., 
Bäle  1886).  e.  Se&el,  Heber  ben  Urfprunq  ber  ^riftl.  ©onntogÄfcicr,  Stettin  1874.  9(.5^arrl), 
5(rt.  „Lords  Day"  in  DchrA  II  (1880).  'j^cob.  Sobn,  ©efc^i^tc  beö  6onntag«,  uorne^mlid)  16 
in  bcr  alten  ^irdie,  ^annouer  1878  (aud)  in  ßo^n«  „©fii^^ien  auö  bem  lieben  ber  alten  Ikix&ic", 
1893;    2.91.  1898).      ^.  S- ©vaftd,    The  Sabbath   for  Man.    A  study    of    the  origin,  Obli- 
gation,  history  and  present  State  of  the  Sabbath  Observance,  ^elo  ?)orf  1885.    O.  ^enfe, 
3ur  ®efd)l(^te*ber  fie^re  u.  b.  8onntagöfeier,   XfiSt^  1886,  IV.     U.  ©riniehmb,  5)ie  (5Jc|d). 
be<j  ©onntagö.    9hi§  b.  9bnüegifd)en  uon  ^.  C^anfcn,  (SJüteröfo^  1889.     ß.  XöomaS,  I^e  jour  20 
du  Seigneur,  2vol8,  Genfeve  1892f.  (bef.  t.  II:   Le  Sabbat  moßai'que  et  ledimanche).  Sdjicf, 
3:ie   tjiftor.  SSorauöfe^ungen   ber  ©onntogSfeier:   9^f3  1894,    ©.  748ff.  (berf.:   „(Stnjaö  über 
bie  (£ntftet)ung  unb  S3egrünbung  ber  ©onntagöf.",  ebb.  1903 ff.,  6.  883 ff.;  .f).  2:6urftun,  The 
mcdiaeval  Sunday:   The  XIXth  Cent.  Jul.  1889;    3.  $R.  "iDMIne,  Primitive  Christianity  and 
Sundav  Observance,  ßonbon  1900.     .§.  fft,  ®amble,  Sunday  and  the  Sabbath  (The  Clolden  26 
IxKJtures  for  1900),  9?enj  ?)orf   1901.    9i.  3.  5).  S^ite,   9lrt.  „Lords  Day"  in  ^afting^  unb 
@clbie,  Dict.  of  the  Bible  III,  338—350. 

2)te  ftüt^eftcn  ©J)uren  einer  feftlic^en  2lu«jcic^nung   be^  erften  SBod^cntagg  aU  be^ 
Sluferfte^unggtageg  Gl^rifti  begegnen  ung    in    ber  Jjaulinifc^en  (Sjjod^e  be^   Qt)oftoIifci()en 
3eitalter^.     SBä^renb   ber  (cttua  Don   30—50  nad^  6l^r.   ju  erftreienben)  ))etrinif4^n  30 
iipod)t  \)attQ  bic  aj)o[toIifd^c  ßl^riftenl^eit,   in  Befolgung  bc^  bom  $errn  fclbft  gegebenen 
S8eifj)iel^,   einerfeitij  noc^  am  geftcvflug  ber  altteftamentlic^en  Äultu^orbnung  feftge^altcn 
(tjgl.  31®  2, 1 ;  3,  1  2c.),  anbererfeit^  fic^  fd^on  eine  freiere  Stellung  jur  l^erfömmlicl^en 
iübif4)en  Sabbatl^^beobad^tung  —  entf})rcc^enb  bem  ©runbfa^e,  ben  ber  §err  bei  feinen 
©abbat^^eilungen  befolgte  [30  5,  17]  —  ^u  geben  begonnen,  ©ie  ^atte  angefangen,  i^rcm  36 
ft)e^ififci^  djiriftlic^en  (ober  ncutcftamentlic^,  b.  1^.  nid^t  me^r  burd^  bcn  §inblidf  auf  ©otte^ 
©c^ö))fung^orbnung,fonbem  burd^  bantbareSSer^errlid^ung  feinet  6rli)fung^h)erlg  motibierten) 
änbac^t^bcbürfniffe  iuxi)  tägliche  gotte^bienftlid^c  ßufammenlünfte  ®enügc  ju  leiften  (31® 
2, 42—46).     eine  bejonbere  fultifd(ie  3lu^jeic^nung  tourbe,  unb  jtoar  ^uerft  too^l   in 
J)aulinifd^4€i^enc^riftlid^en  Äreifen  (t)gl.  1  Äo  16,  2   mit  21®  20,  7),  bem  erften  SBoc^en^  4o 
tage  baburd^  ^u  teil,  bafe   berlängerte  (bgl.  31®  1.  c.)  unb  burc^   ba^  Sammeln   üon 
Siebe^^aben  (1  Äo  1.  c.)  befonber^  emft  unb  feierlich  geftaltete  ^Bereinigungen  ju  gemein^ 
famer  2lnbac^t  an  i|^m  gel^alten  iDurben.    3)ie  ßua  td>v  oaßßdxoyv  tourbe  fo  jur  xv- 
Qiaxij  fii^äga  —  ein  9iame,  ber  juerft  3l))I  1,  10,  jotrie  bann  bei  30"<J^iwiB  »d  Magn. 
c.  9  begegnet.    2lud(|  bie  Didache  (c.  14)  fennt  ben  ©onntag  al«  ^riftlid(|en  ^eiertag,  46 
unb  iXoax  unter  ben  9lamen  xvQiaxi]  xvgiov,  dagegen  bejeic|net  ber  §eibe  ^liniu^  in 
feinem  Serid^te  an  ^^rajan  il^n  nur  al^  einen  „beftimmten  3^ag"  (Ep.  X,  96).  3)cr  SSer^ 
faffer  be«  Sarnaba^briefiB  aber  nennt   il^n  ben  „ad)Un  S^ag"   unb   l^ebt  afö  ®runb  für 
feine  feftlic^e  Segel^ung  G^rifti   3luferftanbenfein  an  biefem  läge  ^erbor,    unter  3)l\U 
ertoäl^nung  feinet  erftmaligen  ©rfc^einen^  bei  ben  3üngem  (bgl.  ^0  20,  26),  foh)ie  feiner  00 
Ä>immelfabrt ;  ügl.  2c  24,51;  a)ic  16,  14  (Barnab.Ep.  c.  15).   Unter  bem  Flamen  „©onm 
tag"  begegnet  unö  ber  iag  beö  §erm  ^uerft  bei  3wftinu^  3)iart]9r,  ber  biefe  Sejeid(inung 
„'lag  be^  .öelioö"  mit  bem  boJ)J)elten  §intrei^  einerfeit«  auf  bie  ©rfd^affung  be«  Sic^t« 
am  erften  Sd^öpfung^tage  ®en  1,  anbererfeit«  auf  ba«  ^erDorgel^en  6^rifti  („ber  Bonne 
ber  ®erec^tigfeit"  «ia3,  20;    bgl.  Sc  1,  78)    au«   ber   bunllen  ®rabe«nac^t  rechtfertigt  66 
(Apol.  I,  67).    ©eit  3uftin  Raufen  fid^  bie  ©rträ^nungen  be«  $errntage«  al«  be«  SBod^ens 
fefte«  bcr  G^riftcn  immer  mel^r;   Dgl.  nod^  3"^^"  ^^^»1.  c.  Tryph.  c.  138;   Theophil. 
Ant.  ad  Autol.  II,  17;   3)ionvriu«  bon  Äorint^  bei  ©uf.  h.  e.  IV,  22,   fotoie  ßufcb« 
Slott^  über  bie  Gbioniten,  h)eld;c  ben  ©abbatl^  neben  bem  ©onntag  gefeiert  l^ätten  (h.  e. 
III,  27,  5).    3u  erinnern   ift  aud^  an  bie  befonberc  ©c^rift  3Kelito«  bon  ©arbe«  über  m 
bcn  ©cgcnftanb  (ertoä^nt  bon  (Suf.  h.  e.  IV,  26   al«  6  jiegl  xvgiaxfjg  k6yog\    foh)ie 


522  ®oittitag9feter 

an  IcrtuIIian^  Slbtuc^r  bcr  ^eibnifd;cn  acfd;ulbi0un0,  afe  l^ulbiötcn  bic  ßbriftcn,  tocnn 
fic  bcn  Sonntag  ate  ^rcubentag  begingen,  einer  religio  Solis  (Apologet,  c.  16).  — 
®egenüber  ber  Se^aiH)tung  ®unfete  (^um  religion^gefd^ic^tlic^en  SSerftänbni^  be«  "dlX^ 
1903,  S.  71  f.):   bie  ci(irift(ici^e  ®cmeinbe  f)aU,  inbem  fte  ben  Sonntag  feierte,  ,,inbirelt 

6  bie  ^cier  eincg  alten  ©öttertag^  übernommen",  i[t  ju  bebenlen,  bafe  ber  naturgemäße 
aibfc^eu  ber  alten  ß^riften  Dor  attem  gö^enbienerifdpen  Söefen  (1  Äo  10,  22)  eine  ber= 
artige  öe^ie^ung  i^re«  toöd^entlic^en  geiertag^  iebenfaH^  unbebingt  au^fc^lofe  unb  bafe 
Suftin  unb  ^feubobarnaba^S  1.  c.  bie  Sonntag^feier  ganj  unb  gar  anber«  motivieren  (t?g(. 
auc^  t>.  Sobfd^ü^,  ^Probl.  b.  aj)oft.  Zeitalter«,  1903,  S.  48  f.). 

10  Über  bie  3(rt  ber  feftlic^en  Sege^ung  be«  Sonntag«  im  nad^o^^^f^^^lif^^"  3<^^^^I*^ 
erfahren  toir  burd^  StertuKian,  bafe  man  ba«  gaften  fotpie  ba«  tnieenbe  Seien  an  i^m, 
ate  einem  greubentage,  üermieb  (Tert.  de  cor.  mil.  3).  3)ie  erfte  biefer  beibcrlei 
Äußerungen  fonntäglid^er  greube  {sifcpQoovvrjf  Barnab.  1.  c.)  ermäl^nen  aud^  Can. 
apost.  65,    (S))it)^aniug  (Expos,  fidei  c.  22),   fotvie  öerfc^iebene  Äonjilienbefc^lüffe  bc^ 

16  4.  Sabr^unbert«  (Conc.  Gangr.  c.  370,  can.  18:  Conc.  Carth.  398,  c.  64).  3)c^ 
StcJ;en«  beim  fonntäglid^en  ©ebete  gebenft  auc^  \qon  ^tenäu«  (Fragm.  de  Paschate), 
fotpie  treiter^in  Conc.  Nicaen.  can.  20 ;  Constitt.  app.  II,  59  u.  f.  f.  —  SQäenn  2cr^ 
tuHian  einmal  auc^  Sermeibung  tDerltäglid^er  arbeiten  atö  jur  Sonntag^feier  ber  G^riften 
gehörig  ^erbor^ebt,   fo  motiviert  er  ba«,   entfjjrec^enb   bem  ^reubenc^arafter  be«  iageö, 

20  nid;t  ettoa  altteftamentlid^^gefeftlic^  (unter  SSermeifung  auf  Sabbatbgebote  h)ie  6^20, 8 f.; 
31,  13  ff.),  fonbem  fj)ejififc^  neuteftamentlic^,  mit®rünben  d^riftlicper  3*ve(fmäfeig!eit  unb 
SBSoE^lanftänbigfeit  (De  orat.  c.  23).  S)iefe  3luffaffung  bed  Sonntag«  al«  um  feiner 
felbft  toitten  unb  nid^t  citoa  toegen  ber  altteftamentlic^en  Sabbat^orbnung  mit  arbeite- 
lofigfeit  }u  bege^enben  lag«  (gemäß  bem  ®runbfa^  unb  ben  befannten  3ru«fj)rüc^en  bcö 

25§errn  trie  3^  5,  17;  3Kt  12,  3—8  u.  ^ar.,  2C.)  bleibt  noc^  mel^rere  gal^r^unberte  ^in- 
burdf»  in  ®eltung.  9ioci^  ein  Äonjil  m  Saobicea  bon  363  bleibt  bei  ber  milben  gorbc= 
rung,  baß  man  ^xd)  „möglid^ft  ber  mbeit  entl^alten"  folle,  ftel^en.  ga  noc^  bi«  inö 
6.  3i<^^i^^un^crt  hinein  behält  biefe  gelinbere,  bon  ber  3^^^  «ner  „Subftitution"  bc«  Sonn= 
tag«  für  ben  Bahbati)   be«  21.  Sunbe«   gänjUc^   unberül^rte  3luffaffung  be«  'Jag«  bc^ 

30  §enn  angefe^ene  unb  cinflußreid^e  firc^Iid^c  3?ertreter :  bgl.  ba«  CJoncil.  Aurelian.  bon 
538,  tüo  e«  al«  jubaifierenb  bcrurteilt  tt)irb,  toenn  man  meine,  man  bürfe  Sonntag^ 
iDeber  reiten  noi)  fabren,  loeber  5Ka^ljeiten  bereiten,  noci(i  fid^  felbft  ober  ba«  $au§ 
fd^mücfcn  u.  f.  f. 

^ie  erfte  gefe^lid^e  SSerorbnung  jur  Seförberung  ber  Sonntag«rul^e  unb  Sonntagö-- 

35  feier  erließ,  tpie  e«  fd^eint,  ber  alejanbrinif^^e  3KärtVrerbifci(|of  ^etru«  iDäl^renb  ber  9)Jaji5 
minfc^en  ß^riftcnberfolgung  c.  310  (f.  ba«  \)on  6.Sc^mibt  Derbeutfci(|te  fojjtifc^egragmcnt: 
%\X  XX,  4,  b,  S.  39).  ^en  ßf^arafter  ftaatUci(|er  Sdjju^maßregeln  tragen  bie  befannten 
(Sriafjc  Sonftantin«,  über  tocId;e  (Sufeb  (V.  C.  IV)  berichtet.  Da«  erfte  jjolijeilit^e  Sonn- 
tag«gefe^   bom  ^ai)x^  321   ftü^t  fid^   nid^t   ethja  auf   altteftamentlid(|e   ©abbatl^gebotc, 

40  fonbem  barauf,  baß  ber  dies  Solls  gef;eiligt  unb  feftüc^  au«gejeid^net  h>erben  müfjc; 
ber  3nfttin»ncn^ang  ber  ä5erorbnung  mit  be«  Äaifer«  f^nfretiftifc^em  $eIio«fultu«  ift  ba  un= 
üerfcnnbar  (ma«  2:i;oma«,  Le  jour  du  Seigneur  1.  c.  |t.  II,  App.  p.  23]  toergeben^ 
^u  bcftrcitcn  fud()t;  f.  i^m  gegenüber  bcf.  3<^^n  <^-  ö-  D.).  2Bie  biefe«  erfte  lonftantinifcbc 
Sonntag«gcfe^  ^unäc^ft  nur   ben  ®erid^ten  unb  ben  ftäbtifc^en  ©etverben  .©tillftanb  am 

45  erftcn  Sl^oc^cntagc  gebietet,  fo  fügen  gn^ei  f^jäterc  S5erorbnungen  auc^  ba«  Verbot  aller 
bic  3lnba4>t  ftörenbcn  militärifcpen  Übungen  ^in^u  (V.  C.  IV,  18—20).  Strengere 
Salbungen  ließen  bie  f^jätcrcn  d;riftlid;cn  Ätaifer  folgen.  3Jalentinian  unterfagtc  gericbt^ 
lid()c  33eitrcibung  bon  Scbulben  an  Sonntagen  (368).  I^eobofiu«  b.  ®r.  h)ieberl;oitc 
bicfc«  3nnnunität«gcfe^  ju  ®unften  be«  rf>riftlid^en  Feiertag«,  biefe«  „dies  Solls,  quem 

50  dominicum  rite  dicere  maiores",  unb  branbmarfte  jeben  Übertreter  be«felben  aU 
einen  non  modo  notabilis,  verum  etiam  sacrilegus  (Cod.  Theodos.  VIII,  tit.  XII,  2). 
2lud)  bic  3luffübrung  Don  S4)aufj)ielcn  am  Sonntage  ber  (S^riften  unterfagte  bereit«  bcr 
ältere  a^cobofiu«  im  ^al^rc  38()  (Cod.  Th.  XV,  tit.  V,  2),  unb  ber  jüngere  fügte 
bem  125  ein  gänjlicf^c«  i^erbot   irgenbtDclcber  "leilnabme  an   fonntäglid(|en  3^rfu^  ^^^ 

55  2;^catcrt)orftcllungcn  l;ingu ;  felbft  bie  /yeier  be«  faiferlic^en  ®eburt«tage«  muffe  uom 
Sonntag  ^intoeg  Dcrlcgt  tperben,  bamit  beffen  anbäd^tige  9Ju^e  nic^t  geftört  toerbe  (ib. 
XV,  tit.  V,  :>).  (Sin  abermalige«  Scbaufpieberbot  im  3l"tereffe  ber  Sonntag«^eiligung 
ließen  469  bic  .Viaifcr  2co  I.  unb  3lntbcmiu«  au«gel)en;  mit  ftrengen  Strafen  h?erben 
barin   alle   Teilnehmer  an  „obfcöncn"  l^cater-,  ^>^irtu«=  ober  3lmt)^it]^eatert)orftettungcn 

CO  bebro^t   (Cod.  Just.  1.  III,    tit.  XII,  11).   —   (Sin  ®efe$  jur  Sic^erfteUung  ber  &t^ 


@ottittagdfeter  523 

fangcncn  tuibcr  attju  l^artc  Sc^anblung  unb  in^bcfonbcrc  jut  ©ciuä^rung  gctüiffet  fonn^ 
täflUci(;cr  ®rlcici(;tcrun0cn  unb  @tquicfun0en  (bcftc^cnb  in  beffercr  9la^runfl,  in  einem 
Sab  2c.)  an  biefelben  ^atte  fci(;on  ßonoriu«  409  erlaffcn  (Cod.  Just.  I,  tit.  IV,  9). 
äH>nIi(^c  SBerotbnunflen  brachte  bie  Äird^engefelgcbunfl  beö  äbenblanbe« ;  ein  Äonjil  ju 
Ctlöan^  549  bcfal^I  anfonntäglid^^e  Sifitation  ber  ©efängnifle  butd^  einen  ärd^ibialon  6 
ober  $tot)ft,  um  nad^  ben  Sebürfniffen  bet  ©efangenen  ju  fe^en  unb  gegen  inl^umane 
ÜBe^anblung  berfelben  eituufc^teiten  (Labbei  Concill.  Coli.  IX,  p.  134).  —  3Son  SBäid^- 
tigfeit  ift  nod)  ein  bie  ©onntag^^eiligung  betteffenbe^  befonber^  ftrenge«  ©^nobalbetret 
bon  5)Jäcon  au«  bem  ^a^re  585.  3)a«felbe  bebrol^t  Säuern  unb  ©flauen,  toeld^e  am 
Sonntage  gelbarbeiten  tl^un  h)ürben,  mit  ^rügelftrafen,  ©erid^töbeamte,  todd^c  bie  ©onn=  lo 
tag^ru^e  öerleften  würben,  mit  SSerluft  il^rer  ©tetten,  fotüie  Älerif er  im  gleid^en  gaUe  mit 
fcd^«monatIici(;er  ®inf})errung  unb  S)egrabation.  ©er.gefe^Iid^  l^erbe  unb  fd^roffe  6^aralter 
biejer  Stoang^maferegeln  ber  alten  fränfifd(;cn  Äirc^e  jt)iegelt  fid^  auf  lel^neic^e  Slrt  in 
ben  Segenben  öon  allerlei  ©traftounbem  für  Übertreter  be«  ©onntag^ebot«  tüorüber  ©regor 
t)on  3:our«  in  De  glor.  martyrum  etc.  me^rfac^  bn\d)Ut  (t>gl.  SemouIIi,  3)ie  ^eiligen  i6 
ber5Weroöinger,  1900,  ©.330f.).  Slllein  tro^  biefer  gefefelid^en  ©c^roff^eit  finbet  ftc^  anö^ 
^ier  noö)  feine  birefte  Übertragung  altteftamentlid^er  ©abbat^gebote  auf  ba«  ci(;riftlid^e 
öebiet.  3)er  ©onntag  foH  in  ber  bejeid^neten  ftrengen  SBSeife  gefeiert  tüerben  ate  3luf- 
crfte^ungötag,  ber  un« SBiebergeburt  unb ©ünbenfrei^eit  gebrad^t  bat-  nur  nebenjäd^Iid^er- 
toeife  ioirb  berührt,  bafe  er  atö  ein  ©egenbilb  be«  Slu^etage«  be«  31.  Sunbe«  ju  betrachten  ao 
unb  bemgemäfe  ä^nlic^  h)ie  biefer  bon  Slrbeit  frei  ju  erpalten  fei  (Conc.  Matiscon.,  bei 
Sabbele,  IX,  947).  —  2(ud(;  fämtli^e Äird^enbäter  bi«  um  eben biefe geit,  ©regor b.®r. 
nod^  mit  eingefd(;Ioffen,  motivieren  i^re  5Wal^nungen  jur  §eiligl^altung  be«  ©onntag« 
nic^t  altteftamentlid^=fabbat^arifd&,  mittelft  ßurüdfgel^en«  auf«  britte  mofaifc^e  ©ebot, 
fonbem  neuteftamentlic^.  „3)er  ©abbatl^  bebeutet  3lul;e,  ber  ©onntag  aber  äuferfte^ung",  26 
le^rt  aiuguftin  (in  Ps.  CL),  unb:  „Unfer  toa^rer  ©abbat^  ift  ber  §err  ^efu«  6^riftu« 
felbft",  fd^reibt  ©regor  b.  ©r.  ben  SRömem  (Ep.  XIII,  1).  ©o  auc^  ^ef^c^iu«  öon 
Serufalem  (geft.  433)  in  einer  bie  Untoerbinblidpfeit  be«  mofaifc^en  ©abbatl^gebot«  für 
Gl^riften  ^ett)orl^ebenben  §omiIie  über  eine  ©Eobu^ftelle;  be«glei(^en  ber  merftvürbige 
aj)ofrvt)^e  „Srief  G^rifti  bom  §immel",  ber,  toie  e«  fc^eint,  junäc^ft  im  Orient  (fc^on  im  ao 
6.  3jal^r^. '0  auftauchte,  bann  c.  740  bur^  älbebert  in'SBeftfranfreid^  Verbreitet,  unb 
ba^er  burd^  ein  römifc^e«  Äonjilbefret  745  al«  gefälfc^te  Urlunbe  berbammt  iourbe 
(bgl.  $audf,  Ä©  ©eutfc^lanb«  I,  510),  \pixtn  aber  bei  ben  glagettanten  be«  14.  unb 
15.  3a^r^unbert«  auf«  neue  ju  änfe^en  gelangte,  ja  noc^  je^t  tatl^olifd^en  3^tufalem= 
j)ilgem  al«  ein  ioirffame«  2lmulet  jum  Äaufe  angeboten  toirb  (f.  §i})t)oh;te  2)ele^aVe  S.  J.,  86 
Note  sur  la   lögende  de  la  lettre  du  Christ  tomb^  du  ciel,   33rüf{el  1899  [au« 

b.  SuUet.  ber  Ac.  R.  de  Beligique,  5Rr.  2]  unb  bgl.  baju  2Ö.  Äöl^ler  in  2)23  1899, 
9lr.  39,  ber  bie  2)ele^avfd(;e  Slnna^me  eine«  abenblänbifc^en  Urfjjrung«  be«  2(j)ofrV^^on 
beftreitet;  —  auc^  ©. 'iDlorin  in  b.  Rev.  bönöd.  1899,  p.  210— 219  unb  b.  ©obfc^ü^: 
2®BI  1899,  5Rr.  25).  40 

6rft  feit  ber  Äarolingerjeit  (nic^t  fd^on  frül^er  toie  2.  2^^oma«  1.  c.  toiB)  bringt  bie 
3bee  einer  ©ubftitution  be«  ©onntag«  für  ben  altteftamentlid^en  ©obbatl^  im  d^riftlid(;en 
äbenblanbe  jur  §enfd^aft  burd^  unb  toirb  bemgemäfe  bie  Segrünbung  aller  bie  ©onn= 
tag«feier  bctreffenben  SSörfd^riften  mit  bem  ©abbat^gebot  be«  $)e!aIog«  allgemein  üblic^. 
ailfuin  (Homil.  XVIII  post.  Pentecost.)  bemerlt  über  ben  ©abbat^  ber  ^vbm  au«^  46 
brücflid^:  cuius  observationem  mos  Christianus  ad  diem  Dominicum  competentius 
transtulit.  Unb  Raxl  b.  @r.  (787)  leitet  eine  Steige  ftrenger  SSerorbnungen  ju  ©unften 
ber  ©onntag«^eiIigung  mit  ber  c^arafteriftifc^en  gormel  ein:  Statuimus  secundum 
quod  et  in  lege   Dominus  praecepit  (Cap.  Car.  M.  c.  80 ;   Conc.  Mogunt.  813, 

c.  37).    i?on  ba  an  be^errfc^en  fabbat^arifd(;e  ©runbfä^e  bie  ©onntag«gefe^gebung  burc^  ao 
ganjeJKittelalter  ^inburc^  (bgl.  S^urfton  I.e.). 

3(^nlid^  auc^  im  ^Dlorgcnlanbe,  h)o  fc^on  2eo  b.  ^f^urier  mit  befonber«  \d)ax\m 
a[rbeit«berboten  für  ben  ©onntag  borgegangen  h)ar,  unb  h)o  2eo  VI.  b.  ^^ilofo^)!^  (884) 
bie  älteren,  bon  Äonftantin  b.  ©r.  ^errü^renben  ©onntag«gefe|e  al«  ju  lajc  aufeer  Äraft 
fefete,  i^nen  ftrengere  „gemäfe  bem,  ma«  ber  ^I.  ©eift  unb  bie  bon  il^m  geleiteten  3l})ofteI  66 
beftimmt  Ratten",  fubftituierenb  (Constit.  54,  bei  ^e^lin  1.  c.).  —  Über  f))äter  in  ber 
ortl^obojen  Äird^e  in  biefer  Jpinfic^t  ^erborgetretcne  freiere  ^Regungen  bietet  ^f).  3Ke^er  in 
f.  ©efc^icbte  ber  t^eoIogifd(;en  2ittcratur  ber  gried;.  Kirche  im  16.  ga^^l^.  (2etpjiig  1899) 
intereffante  5JlitteiIungen,  fo  über  ein  faft  ganj  lutberifd^  flingenbe«  Sotum  be«  ^^ac^omio« 
9il^ufano«  gur  ©onntag«frage  (©.  52,  —  bgl.  Ärunibat^er,  ^%  2itt.*  137.  593).    SBegen  «J 


526  Sottntagdfeter 

tag§feier!ontrot)erfcn  in  Snglanb^  Ideologie  unb  Äirc^c  lein  6nbc.  ©egen  ein  ßbift 
3afob^  I.,  tooburc^  bem  3Solf  öetoifle  ©onntagöüergnügen  geftattet  tourbcn,  ba^  fog. 
Book  of  Sports  bom  ^af)xt  1616,  erhoben  f\6)  bie  J)rcdbi;terianifci^en  2^eoloaen  in 
^eiligem  6ifer,  toä^tenb  Slnglifaner  h)ie  Sifd^of  SBäbite  bon  @I^,  $eter  §e^Iin  (Äaj)lan 
6be^  enbifc^of«  Saub  unb  93erfaffer  einer  History  of  the  Sabbath  [2.  ed.  1636]), 
^oi}n  "ipocllinöton  (SJerf.  "oon  Sunday,  not  Sabbath,  Sonbon  1636)  u.  a.  für  ben 
fönigli^en  ©rlafe  eintraten  (bgl.  üb^^upi  Schaff  1.  c).  —  Unter  ben  f))ätcren  Stuarts 
rief  ba«  2luftreten  ber  Sam^jpelbs^Kumforbf^en  Sabbat^arierfefte  (feit  1671)  eine  neue 
Äontroberfe  biefer  2lrt  l^erbor,  tüobei  u.  a.  ^o^n  Sun^an  fe^r  miloe,  ebangelifc^  freie  än= 

10  fiepten  enttvicfelte.  @ben  bamafö  toar  e^,  tüo  ^o\)n  Wilton  ba^  erft  nad)  feinem  Xobe 
befannt  getüorbene  Säerf  On  Christian  doctrine  berfafete  (^erau^eg.  burc^  ©umner, 
Gambr.  1825),  toorin  er  ben  in  ber  SSäeftnünfterfonfeffion  oufgefteHten  ©runbfä^en 
jiemlid^  liberale  älnfid^ten  gegenüberfteHte,  in^befonbere  e^  beftritt,  bafe  bie  ©abbat^feicr 
bereit«  im  ^arabiefe  ®efe^  für  bie  3J?enfci^en  gemcfen   fei.    Unter  ben  ängtifanem  ber= 

16  felben  ^t\i  tvax  ^  befonber«  3^^*^  ©t)encer,  ber  in  feinem  großen  SBerfc  De  legibus 
Hebraeorum  ritualibus  (1685)  für  bie  freiere  Slnfid^t  eintrat  (bgl.  übtt^avopt  3o^n 
§unt,  History  of  Relig.  Thought  in  England  etc.  I,  131.  194;  II,  116.  310  2C., 
fotüie  2).  6amt)beII  1.  c). 

3Jerl^anblungen  ö^nlid^er  2lrt  befc^äftigten  teiltücife  auc^  bie  l^ottänbifd^s  unb  fc^toci^ 

20  jerifc^4l^eologifci^en  ilreifc  jener  3^itj  toie  benn  jene  3Bitfiu«fc^e  fabbat^arifd^e  ^rabiefe^ 
t^eorie  u.  a.  burc^  3.  §.  §eibegger  m  ^ixx'xd)  (aeft.  1698),  fotoie  burc^  berfd^iebene  anbete 
ßoccejaner  toon  ber  minber  ftrengcn  Slic^tung  (bef.  Sam})e  x.)  beftritten  tüurbe.  (Sin  ba= 
mate  hervorgetretene«  antifabbat^arifc^e«  ßjtrem  bejeid^net  bie  ©onntag^t^eorie  ^ean 
bc  Sababie«   unb   ber   ©c^ürmann:   ben    ß^riften   fei   leinerlei   geier  eine«  befonbercn 

26  2!age«  toorgefc^rieben,  aDe  Söerfe  eine«  jünger«  G^rifti  feien  2Kte  ber  ®otte«t)ere^rung ; 
man  brauche  be«^alb  bie  alltägliche  arbeit  am  ©onntage  nic^t  ;iu  unterbrechen  ober  aue= 
jufc^en,  öorau«gefe^t,  bafe  bie  redete  feiertägliche  ©efmnung  im  ^erjen  bor^nben  fei 
(^HitHl  a.  a.  D.  I,  229.  253.  269).  »i«  in  ©eutfd^lanb«  lut^erifd^'-t^eologifc^e  Greife 
hinein  läfet  fic^  ber  SöeHenfc^lag  ber  huxd)  ben  Jjuritanifd^en  unb  coccejanifc^en  ©abbatb^^ 

3origori«mu«  erzeugten  ©treitber^anblungen  berfolgen.  ged^t(1688),  ©tr^dt  (ober  bielmebr 
ber  unter  bcffen  Sluf^^i^ien  ^iromoüierenbe  9le^t«fanbibat  SBagener  (in  ber  ^allenfcr 
3)iffertation  De  jure  sabbati,  1702);  auc^  3)ün  in  f.  Compendium  theol.  mor. 
(ed.  3,  1698),  Salbuin  in  f.  Kafuiftif  (Gas.  Consc.  1.  II,  6),  be«gleici(;en  ®raf  3injen= 
borf  2c.  traten  für  bie  freiere  lut^.  Sluffaffung  ein.    dagegen  Derteibigten  ^ufenborf  in 

86  ber  oben  cit.  2lb^blg.,  ©J)cner  (ber  u.  a.  an  Sonntagen  leine  anbere  al«  erbauliche  Seftürc 
geftatten  toottte  fbgl.  5Kat^ufiu«  ©.383),  and)  »ö^mer:  5Rf3  1895,  684),  »ubbeu^, 
2üalcl^  2C.  bie  ftrengere  ©onntag«feiert^eorie  (bgl.  Xi).  $arnacf,  ^raft.  Ideologie  II,  301  f.). 
Unb  auf  cnglifd^^l^eologifc^em  Sobcn  lebte  ber  eine  ^tii  lang  gleid^fam  fc^lafen  gegangene 
©trcit  in  ber  6j)oc^e  be«  3Ket^obi«mu«  Jpieber  auf,   ^ie  unb  ba  ejtrem  rabilale  ©rfc^ci; 

40  nungen  unb  Scftrebungen  IjerDonufenb  (§unt  1.  c.  III,  267). 

9loci^  immer  erfc^einen  bie  brci  ^aujptrid^tungen,  tüelc^e  biefe  gefc^ici(;ttic^c  Überfi*t 
un«  üorgefü^rt  l}at,  bie  fabbat^arifc^=rigoriftifd^e,  bie  ejtrcm  antifabbat^arifc^e,  luelcbe  ben 
©onntag  \vk  jcben  anbern  2ag  ber  SUoc^e  be^anbelt  tpiffen  tüill,  unb  bie  im  ©eiftc 
cDangcüfc^cr  9Jiilbe  tocrmittelnbe,  nebcneinanber  Vertreten  unb  gelegentlich  aud^  in  tl^eoretific 

45  ©trcitvcr^anbhmgen  cintretenb.  2)urd^  Vorjug«n)eifc  ftrengc  §anb^abung  ber  ©onntag«-- 
gefe^c  auf  ®runb  prc«bhterianifc^er  I^corie  ge^en  ©c^ottlanb  unb  bie  neucnglifcbcn 
©taaten  S^orbamcrifa«  allen  übrigen  2änbem  üoran.  Sorgfältige  3Ba^rung  ber  fonn= 
täglid^en  JHube  gilt  ^icr  al«  ju  ben  ©runbrcd^ten  be«  3Solf«  gehörig,  bie  ber  ©taat  auf 
ade  3i>eifc  ju  fc^ü^en  f)aU.    3ln  t(>eologifd^en  ©cgnern  jener  überaÖ  auf   ba«    mofaifcl^c 

60  @cbot  f^urüdtgcl^enben  ©ubftitution«tbcoric  ber  Conf.  Westm.  fe^lt  e«  immerhin  auc^ 
^icr  nic^t.  I)er  berühmte  ®la«gottier  ^aftor  9?orman  5)tacleob  (®rünber  ber  einflu^^ 
XQxd)Qn  relig.  3^itfcl?nft  Good  Words  geft.  1872  al«  fgl.  Äa^lan)  enegte  1865  burt^ 
einen  gegen  bie  engherzigeren  ©runbfä^jc  Dieler  feiner  £anb«leute  fic^  erllärenbcn  Vortrag 
einen  ©türm  ber  ßntrüftung  unb  Dcranta^te  ba«  ßrfc^einen  j^a^lreic^er  ©c^riften  teil«  gegen 

66  teil«  für  feine  freiere  Sluffaffung  (Dgl.  bie  unter  b.  2;itel  ,,6in  fojialer  ^farrer"  ©tuttgort 
1902  crfd^ienenc  2)arftellung  feine«  SBirfen«,  ©.  144  ff.),  gin  ä^nlid^er  ©treit  tüurbc 
\\>ätcx  burc^  ba«  Sluftreten  be«  Sonboner  b^c^btUerianifd;en  ©eiftlic^en  3)onalb  ^tajcr 
erregt  (^Jieue  et).  ^3.  1880,  3Jr.  18,  unb  1888, '^3]r.  2).  Übrigen«  ^at  ba«  ©onntag^^ 
fcbuÜDefen,  befonber«  in  'DJorbamerita,  teiltücife  einen  milbernben  ©influfe  auf  ben  %o^O' 

60  ri«mu«  ber  ©ittc  ^u  ixbm  unb  einer  aßju   abftralten  ©cltenbma^ung   bc^  ®ebot«  b« 


528  Sotttttagdfeter 

auf  fonntäglid^c  Slu^c  unb  Sammlung;  fomic  t>or  aUcm  3Sorangcl^cn  be§  ©taatc^  fclbft 
mit  bem  8eifj)tcl  einer  c^riftlid^en  ©onntag^fcier  in  allen  ä^^^Ö^"  ^^  öffcntltd^en  3)icnftc^. 
Si^nlic^e  3;orberungcn  gelangten  bei  ben  3Ser^anblungen  beö  bcutfc^en  6t).  Kirchentage  ;^u 
Stuttgart  in  bcmfelben  ^af)x^  i^um  Stu^brucf;   bc^gleic^en   in   einer  öon  ben  äuöfc^üRen 

5  bicfe^  Äongrcffe^  ju  3lnfang  1851  erlaffenen  3lnf))rac^e  an  ba^  beutfc^c  SSolf.  ^n  öbn- 
lid^em  Sinne  begannen  bie  2pIalmijfionigöereine  ^a^Ireic^er  ^JSrobinjen  unbStäbtc^  Song- 
ling^s  unb  ©efeuenbereine,  Sonntagöfci(;utocreine  2c.  auf  görberung  ber  g^i^^QQ^^^^^^'öwnö 
^in^ulüirten.  (Sin  SJerein  toon  52  ©rofegrunbbeftfeem  ber  Jjreufeif^en  ^robin^cn  ©ad^fen, 
Sranbenburg  unb  Sommern   erliefe  einen  Stufruf  an  bie  9tittergut«beft^er  unb  größeren 

10  Sanbmirte,  um  auf  SlbfteHung  ber  fonntäglid^en  gelbarbcit,  auf  greigebung  l^inrcic^enbcr 
3cit  an  bie  3:agli)^ner  jur  Scftettung  i^rer  eigenen  Sänbcreien  u.  bgl.  m.  gu  bringen. 
(Sin  jur  görbcrung  chm  biefer  Seftrebungcn  bienenbe^  „3Ronat^bIatt  für  Sonntag^ 
l^eiligung,  Stabtmiffton  2c."  üon  Wann  unb  SBäaltl^er,  begrünbet  1850,  ging«  aUerbing^ 
fc^on  1853  lüieber  ein;   boc^  gcfc^a^  «ud;  öon  feiten  ber  c^riftlid^en  treffe  lüä^rcnb  ber 

16  fünfziger  unb  fccl^jiger  ^a!f)xc  ungemein  biel,  um  bie  öffentliche  älufmcrlfamfeit  auf  ben 
©egenftanb  ^n  lenfen  unb  bie  ffiic^tigfeit  fräftiger  Unterftü^ung  ber  il^m  geltcnben  Se^ 
mü|ungen  barjut^un.  3)ie  betreffenbe  Sitteratur  ift  eine  faft  unüberfe^bare.  3"  ^^ 
l^auptfäcl^lic^  einflußreich  geiporbenen  3lrbeiten  beutjd^er  älutoren  gehört  biejcnige  ^cngften: 
bcrgö  toon  1851  (Dgl.   toegen  ber  \\d)   an  fie  anfc^ließenben  Iitterarifci(;en  3)i«fuffton  bie 

20  §engftenberg=33iograj)^ie  toon  33aci^mann=ScI^maIcnbac^,  Sb  III  (®üter«l.  1892),  S.  231  ff.); 
äxid)  bie  im  i^erlag  be«  Staunen  §aufe«  erfdEjienene  üon  Sierna^fi,  SQ3a«  ift  feit  bcm  gö^rc 
1848  jur  SBieber^erfteHung  ber  Sonntag^feier  in  2)eutfc^Ianb  gcfd^e^en?  Hamburg  1850. 
3)anlen«tüertc  Stnregung  getüä^rten  auc^  mehrere  ber  in«2)eutf^c  überfe^ten  etnfc^Iägigcn 
©r^eugniffe  ber  Sitteratur  (Snglanb«  unb  granlreic^«.    So  bon  ben   erpercn   außer  bem 

25  Straftat   ,,2)ie  ^erle  ber  läge"  (f.  o.,  Sitt.)   ba«  Sc^riftd^en  bon  3j.  3BiIfon,   35er  Xag 

be^  §errn  ((Sot^a  1861),  öon  ben  leftteren  bietüegen  i^rer  §eröor^ebung  ber  fo^iologifc^^ 

utilitarijd;en  (Sefid^t^^junfte  intereffante  2lrbeit  be«  •ißarifer  Äommuniften  ^roub^on  (f.  o.). 

9Jac^bcm  ipä^renb   ber   fed^^iger  ^a\)x^   ein   geh)if[e«  (grmatten  ber  bie  ©onntagÄ^ 

Heiligung  förbernben  Seftrebungen   fic^   bemerllid^  gemacht  ^i^^,   nal^men  biefelben  jcit 

30  ettDa  1871;  im  ^uf^^^n^^n^ang  mit  Derfd^iebenen  fonftigen  Maßregeln  lirc^Iid^cr  ©egen^ 
toirlung  gegen  ben  fog.  Äulturfampf,  einen  neuen  Sluff^toung.  3)er  1875  ju  2)re6bcn 
geF)altcnc  Kongreß  für  innere  3)Jiffton  banbcite  einge^enb  über  ba«  I^ema  (Sleferate  t?cn 
^ögel  unb  9Jictl^ammer).  ^n  Seutfc^Ianb  Jpie  in  ber  Sd^meij  bilbetcn  pc^  jal^Ireictc 
Vereine  ^u  fräftiger  görbcrung  ber  Sac^e,  bie  fic^  feit  1876  ^u  einem  „internationalen 

36  Kongreß  für  Beobachtung  ber  Sonntag^rul^e"  jufammenfc^loffen.  Sin  ber  Sv>i^e  bc§ 
fd^tpeijerifd^cn  ^^^^^G^  ^^^f^^  ©efellfd;aft  tpirftc  mit  befonberem  (Sifer  unb  (Srfolg  Sller. 
Sombarb  (geft.  1887),  an  ber  be«  beutfcf^en  mel^rere  befannte  !Jßorfämj)fcr  ber  inneren 
3JJiffion«fa^e,  namentlid;  ^ofjjrebiger  (ft^ätcr  ®cneralfu))erintenbent)  2B.  Säur  (geft.  1897). 
2(1^  ^)criobifd;c^  Drgan  bient  bem  erftcren  3^^ci0^  ^^^  i"  ®c"f  (4:mal  jährlich)  crfc^einenbe^ 

40  Bulletin  dominical,  famt  ben  jetpcilig  nac^  Slb^altung  ber  internationialen  Äongreijc 
jjublijierten  ,;2lttcn''  (togl.  bie  be^  ^iDeitcn  Äongreffe«  }^u  33ern  unb  ©cnf,  1880).  %i\x 
2)eutfc^)lanb  biencn  bie  beiben  Journale  für  ba«  innere  -DJiffion^gebiet:  bie  Hamburger 
„gliegenben  Slätter  au«  bem  Staunen  .sjaufe"  al«  ältere«  Slatt  (feit  1845),  foiuie  %b. 
Sd;äfer«  ,;^)Jonat«fd;rift  für  innere  3)üf]'ion,  2)iafonie,  2)iafj)oraj)flege  k."  (feit  1877ff.) 

45  jugleid;  ben  Sonntag«beftrcbungen  al«  Organe.  6ine  jtvifd^en  reformierter  Strenge  unb 
alt4ut^erifd;er  aycitl;er5igfeit  befonnen  t>ermittelnbe  Sttc^tung  (entfj)rec^enb  im  ©anjcn 
ben  ©runbfä^en  ber  gemäßigteren  3Sertreter  be«  älteren  ^ieti«mu«)  ^at  bei  ben  einfluß-- 
reic^eren  ^^übrern  ber  betreffenben  öctpegung  nacb  unb  nad^  faft  überall  bie  SSor^errfc^aft 
erlangt.    'Jioc^  um  bie  Wiik  be«  berfloffcnen  ^o^^i^unbert«  maren  j^n?ifc^en  bem  auf  bie 

60  altreformierte  3^rabition  ;urüdgel;enben  ätigoriömu«  mancher  33orfämj)fer  ber  Sonntag^- 
fadic  (3.  33.  !l^icbctrut,  D.  Mröc^er)  unb  ben  SSertretem  ber  ebangelifc^^freieren  ©runbfä^c, 
iDic  fie  bie  Sluguftana  unb  Sutl^cr«  Satec^i«mu«  cnttüidfeln,  l^ie  unb  ba  auc^  im  beutfcb- 
eüangelifd)en  Äircf^engebiet  mand;e  Äonflifte  entbrannt;  bod)  ift  bie  bermittclnbe  än= 
fd;auung«lücifc   fon)ol;l   im  lutl;erifc^en  \m   im   reformierten  Sager  me^r   unb  me^r  ju 

65  maßgebenber  ©eltung  gelangt  (ügl.  auf  ber  erfteren  Seite  befonber«  U^l^om  unb  5Jatbu^ 
fiu«,  auf  ber  Ic^tcvcn  (S.  5^.  Ä.  "üJJülIer  (oben  11,  a).  2luf  Segrünbung  emftcrer  Xrabi^ 
tionen  in  ber  bie  J^cicrtavj^beiligung  betreffenben  3?olf«fitte,  auf  33erminberung  fonntäg- 
Ud;er  gelb=  unb  öctnbarbeit,  auf  (5infd;ränfung  be«  §anbel«toerte^r«  an  ©onn=  unb 
gefttagen,  auf  2lu«bel;nung  ber  Sonntag«rul;e  Don  "il^oft^,   ßifenba^m  unb  'J:clegraj}ben= 

Go  beamten  2c.  ^eigt,  ungead;tet  man^er  t^eoretifcf^er  3)ifferenjen,  ba«  gemeinfame  Seftrebcn 


Sontttagdfeier  @o)i^rontnd  529 

attcr  fid^  flcrtd^tct.  —  Sluc^  bie  beutfd^e  Staat^efc^ßcbung  l^at  feit  bcn  90er  ^a^rcn  für 
ben  ©<i^u$  ber  Sonntagsruhe  mand^^eS  Srfrculi^e  getl^an,  namentlich  burc^  baS  SReic^^s 
gefe^  bom  1.  ^wni  1891  betreff enb  älbänberung,  ber  (Setüerbeorbnung,  fotüie  burc^  baS 
})reu6.  ©taat«gefe|  bom  9.  3Kai  1892  (tüelc^eS  bie  Dberj)räfibenten  jum  6rlafe  bon 
^oligeiberorbnungen  ju  ©unften  ber  äußeren  $eilig^altung  ber  Sonn^  unb  ^J^fttage  er«  6 
mäc^tigt  (f.  bie  oben  angej.  Slrtifel  in  ber  3^*^W^-  ^^^  ©taatStüiffenfc^.  unb  im  Srod^ 
l^augfcl^en  Äonberf.sfiej.).  3di!ter  f- 

Sottiitagdff^iilett  f.  b.  91.  JtinbergotteSbienft  93b  X  @.  287. 

So^rottiitd.  —  1.  ©.,  3eitgenoffe  beS  §ieron^mu«.    SBgl.  ®. SBcn^el,  S)ic 
ßvtec^.  Ueberfe^ung   ber   viri  inlustres   bed  ^teron^mud    (Z\X  13.  $b,  3.  ^,),   fietpj.  1895;  lo 
0.  ü.  ®cb^avbt,  $ieront)mu§  de  viris  inlustribus  in  griet^.  Ueberfefung.  3)er  fogen.  ©opl^ro« 
niu8  ($11  14.  ©b,  1.  $).),  Seipä-  1896;    SR.  @*ana,  ®ef(^id)tc  ber  röm.  Sittcratur,   4.  Xcil, 
mm.  1904,  @.  407  f.,  448,  449  ?t.  1. 

Unter  feine  viri  inlustres  (cp.  134)  \)at  ^ieron^muS  einen  nic^t  tüeiter  belannten 
So)}l^roniuS  aufgenommen,  ben  er  als  einen  vir  adprime  eruditus  d^arafterifiert  unb  i5 
bem  er,  abgefe^en  bon  einer  „laudes  Bethlehem"  betitelten  ^ugenbfc^rif t,  eine  Slbl^anb« 
lung  „de  subversione  Serapis"  (b.  f),  über  bie  3crftörung  beS  atejanbrinifci(>en  ©erat>iSs 
temt)ete  im  ^af^xt  392)  jufd(;reibt.  3)en  SRubmeStitel  beS  3DRanneS  fielet  ^ieron^muS  aber 
offenbar  barin,    bafe  er  einige  feiner  ©d^riften  inS  ®ried(>ifc^e  übertragen  f)aU,  nämlic^ 
de  virginitate  ad  Eustochium,  bie  vita  Hilarionis  unb  baS  „psalterium  et  pro-  20 
phetas,   quos  nos  de  hebraeo   vertimus   in   latinum".    ^ie  Überfe|ung  ber  vita 
Hilarionis  ^at  31.  ^at)abo))uto^5lerameu^  im  5.  Sanb  ber  'Avdlexra  tegoookvßuxixng 
araxvokoyiag,  $eter^b.  1898,  ®.  82—136  beröffentlid(;t.    Unfer  ®.  galt  bi«  bie  jüngfte 
3eit  auc^  aU  SSerfaffer  ber  gried(;ifd^en  Überfeftung   ber  viri  inlustres  be^  ^ierontomu^ 
(f.  Sb  VIII,  49, 7  ff.,  unb  bagegen  Sb  XV,  1,51  ff.).    3)iefe  ännal^me  rul^te   tebiglic^as 
barauf,    ba^  ©ra^mu^  bie  bon  i^m   erftmalig   l^erau^gegebene  Überfe^ung  bem  ©.  in- 
gefc^rieben  ^at    3)ie  Sluffinbung  ber  bon  ©raömu^  benu^ten  §anbfd(;rift  (Cod.  C.  11 
ber  3üric^er  ©tabtbibliot^ef ;  bgt.  b.  ©ebl^arbt  ©.  III  ff.)  ^at  ben  Setüei«  erbracht,  bafe 
bicfer  3lnna^me  bie  l^anbfd&riftlic^e,  bamit  aber  überl^au^t  jebe  ©runblage  fel^lt.    2lu^ 
inneren  ©rünben  ift  bie  Überfe^ung  in  bie  ^z\t  jtvifc^en  bem  6.  ober  7.  unb  bem  9. 3^1^^*  ^o 
^unbert  ju  fefeen. 

2.  ©.,    ber  ©ot)l^ift,    unb  ©.,  ber  ^atriard^  bon  Serufalem    (geft.  638). 
2)er  nacl}ftci)cnbe  ?lrtifel  ift  imter  ber  Sorau^fcftung  aefd)rieben,   bofe  @.  ber  ©op^ift  unb  @. 
ber  ?Jatriardj  ibentijcfte  ^Jerfönlic^ feiten  finb.    ^iefe  SßorauSfefung,  bie  gelegentlich  bcftritten 
»oorben  ift  (fo  Don  ©el^er,  (Sin  griec^ifcfter  S3oIt^f(^riftftelIer  beS  7. 3a^r^.  [SeontioS  uon  9?ca»  85 
poli§]  in  .&8  61.   5?&  25,    1889,    @.  4;    bod)  ^at  QJefjer  in  feiner  ^luSgobe  Don  fieontioS' 
fieben   be§   f)I.  gol^anneä   beö  SBarml^crjigen  in  ^rügerS  ©ammlung  ftrcpen^  unb    bogmen= 
gefcftic^tl.  OucIIcnfcöriften,    ^eft  5,  greiburg  1893.  ©.  117—120    feine  anjttjeifclung  juriidf^ 
gcnouimen),    !ann  aucft  t)eutc  unb  tro^  ber  forgföltigen  unb  unparteiifc^cn  Erwägungen  \>on 
@.  ^a\ifj4i  in   bem  unten  3-  ^5  5U  ncnncnben  ?luffaft   ni|^t  al^  erliefen  gelten.    @ie  löft  40 
ober  bie  ©cfitoierigfeiten  bcffer  alS  bie  Slnna^me  ^»eicr  ißerfönlidjfcitcn.    (Sine  locrtDoHe  ©tü^c 
finbet  bie  ^Inno^mc  ber  Sbentitöt  an  bev  3:rabition,  jofem  jwar  nicfjt  ^^otiuS  (Ckxi.  199  MSG 
103.  668),  iDoql  aber  3ot)anneS  Don  3)amQSru§  (Imag.  oratt.  MSG  94.  1280,   1316,  1336), 
euftat^iuö  3Konac!)ug  (Mansi  13,  60)  unb  go^onncS  gonaroS  (12.  Sol^r^.)  in  feiner  SSita  bcS 
©.  (^r^g.  Don  $apabopuIog=Äcramcu8,  'AvdXexTa   [f.  0.  3-  22J  5,  137—151)   bcn  ©op^iflen  45 
@.  mit  bem  Patriarchen  tbentifisiercn.     Heber  ba^  auS  ber  fd)rtftftellcrif^cn  (Sigentümlid^feit 
ht^  <B.  ^u  entne^menbc  ?(rgument  f.  u.  @.  531, 14.    (ginc  (Sntfcbeibung  ift  nur  Don  einer  ge^ 
nouen,  fritifd)  Dergleid)enbe'n,  gorm  unb  Sn^alt  gleicftmäjig  bcrücfficfttigcnben  3)urc]öarbeltung 
ber  literarifc^en  ^interloffcnfc^aft  bcS  ober   ber    beibcn  ©op^roniuö  ju  erwarten,   unb   biefe 
wieber  fann  nid^t  angefteKt  werben,    e^e  ha^  ^IJJaterial  in  einer  tritif4  brau^baren  ^uSgabe  50 
Dorgelegt  ift,  bie  ju  unternehmen  fid)  qu§  ontiquorifcfjen  wie  littcrörifd^en  ®rünben  fc^r  lol^nen 
würbe.    S3id^er  ift  man  auf  bie  banfenäwerte  Sufammenfaffung  beS  hi^  jur  SKitte  beS  Dorigen 
3al)röunbert^5  33efannten  in  MSG  87,  3.  Xeil,  3115— 4014  unb  auf  ©onberauSgabcn  einzelner 
©cftriften  (Dg(.  Xeyt  be§  9lrtifeI5)  angewiefen.    9lud   ber  fiittcratur  ift   für   bie   allgemeinen 
fragen  bie  Qudge5eid)netc  ^Ib^anblung  Don  ©im^on  SSail^6,  Sophrone  le  sophiste  et  Sophrone  m 
le  patriarche  in  Rev.de  P Orient  Chr^tien  7,  1902,  360—385  u.  8,1903,32—69;  356—387 
tlcrDor^ul^eben    fticr  8,  362   ein  SSerjcidinid   ber  älteren  fiitteratur).    Ucbcr  ben  i)id)ter  imb 
©tiliften  @.  Dgl.  (£.  S3ouDi),   Pontes  et  m^lodes,    iRimcS  1886,   169—182  unb  195  ff.,  fowie 
©.  "^iexjtr,  2)er  afjentuicrte  ©atjfd^lufj  in  ber  gried).  $rofa  Dom  4.  bi«  jum  16.  3o^rl)nnbcrt, 
®ött.  1891  (wicber  abgebrudt  in:  ®efammclte  ?(b^anbtungeu  jur  mittellatcin. $R^l)t^mi!,  2.S3b,  eo 
83erl.  1905,  202—235). 

8lea(s(hic))r(o)}abie  für  Z^toloqlt  unb  illr^e.    8.  K.  xvm.  34 


530  ®o)i^roittitd 

2 eben.  3"  bcn 93crfen,  bie (3o})^romu^  unter  ben©c^Iuft  fernem ^anefl^rilu^  auf  bie 
^eUigcnev^u«  unb^o^anne^  (f.u.©.531,29)  gefefet  l^at  (MSG  3421),  bcrid^tet  er,  bafe  er 
au^  3)amaöfu^  ftamme  unb  feine  (gltem  ^l^ntl^a^  unb  3Jl^ro  genannt  feien;  er  felbft 
^abe  nid^t  grau  unb  nid^t  Äinber,   fonbem  lebe  ate  9Rönci^.    5Da^  ©eburtdjai^r  ift  un= 

5  befannt.  3Benn  SSail^ö  e^  neucrbingg  auf  ca.  550  jurüdffc^ieben  tüiH  (f.  feine  6rörtc= 
rungen  a.  a.  D.  7,  364  f.),  fo  ift  ju  bebenlen,  bafe  be^  ©.  SSer^fältni«  m  bem  um  eben 
biefe  Reit  geborenen  ^o^anne«  5Wofc^u«  (f.  u.  3. 22  ff.  unb  bgl.  ben  älrt.  »b  XIII,  483  ff., 
au^^ail^  Jean  Mosch,  in  fichos  d'Orient  5,  1901,  107—116)  i^n  aU  ben  jüngeren 
erfcbcinen  lägt ;  auc^  ift  nic^t,  tüenigften^  bei  2lnnal^me  ber  ^bentität  (f.  0.  ©.  529,S4),  ju 

10  toergeff en,  ba|  ©.  bei  feiner  ©rl^ebung  jum  Patriarchen  minbc^en^  80,  toietteic^t  85  ^ai}u 
ae^ä^lt  ^aben  müfete,  toa^  jumal  angefic^t«  ber  t)on  il^m  lurj  üorl^er  (f.  u.  3- 54  ff.)  cnt= 
falteten  anftrengenben  Xl^ättg!eit  nic^t  ald  h)a^rfc^einlid^,  tDenn  auc^  geh)ig  nic^t  al^  un- 
möglich gelten  fann.  Süie  gro^e  formale  Silbung,  bie  i^n  au^jeic^nct,  läfet  auf  eine  gute 
©rjiebung  fci(;lieften.    ^er  i^m  in  ben  Duellen  beigelegte  2^itel  „©ot)l^ift"  toeift  auf  feinen 

16  Seruf  ate  Se^rer  ber  Sl^etorif,  ben  er  mit  freiem  Sßitten  aufgab,  um  fid^  im  2^eobofiu^= 
Ilofter  ju  S^tufalem  bem  befc^aulic^en  Scben  ju  toibmen.  Seeinflu^t  tourbe  er  bei  biefem 
6ntfc^lu6  nad^  eigener  3lngabe  (MSG  3816)  burc^  baö  Seift>iel  eine«  jüngeren  Ser- 
toanbten,  ebenfaß«  ©.  gel^eifeen  (auf  biefe  Slamen^leic^^eit  ift  ju  achten,  fofem  bei  Se= 
jjtoeifelung  ber  ^bentität  bie  ^Jrage  aufgeh)orfen  toerben  !ann,  ob  tttoa  in  bem  jüngeren 

20  ©.  ber  ^atriarq  ju  finben  ift),  ber  in  bemfelben  Älofter  bie  Slu^e  gefunben  ^>atte.  Slber 
ber  entfd^lufe  tourbe  nic^t  })lö$lic^  gefaßt.  Sfe  ©.  im  ^aigire  579  (f.  SSail^ö  7,  364) 
mit  ^o^anneö  'äJlofd^u«  in  UnterägV})ten  toeilte  unö  bie  bortigen  9)lönd^«größen  auffuc^tc, 
toar  er  nocl^  nic^t  burc^  ©elübbe  gebunben  (Joh.  Mosch.  Prat.  spir.  cp.  69).  aber 
nac^  berSRücffebr,  too^l  580,  trat  er  in«  Jllofter  (1.  ccp.  102).  §ier  ^t  er  über  30  3a^ 

25  gen>eilt,  nid^t  o^ne  Don  3^^^  5"  3^'*  3öanberungen  burd^  ba«  l^eilige  Sanb  5U  untere 
nehmen,  immer  in  ber  ©efeUfc^oft  be«  3Jlofc^u«,  ber  590  feine  3^0^  «uf  bem  ©inai 
berlaffen  ^atte.  5Koc^  ju  Sebjeiten  be«  Patriarchen  Sulogiu«  (geft.  607 ;  f.  b.  8t.  Sb  V, 
594)  ^aben  fid^  bie  greunbe  tüieber  nac^  Sllejanbrien  begeben  unb  fotüo^l  ju  Gulogiu« 
h)ie  p  feinem  5Rad^folger,  ^c^^ann  bem  Sarm^erjigen  (f.  b.  31.  95b  IX,  300  f.),  in  engen 

30  93ejie|ungen  geftanben.  ^n  Sllejanbricn  tourbe  ©.  öon  einer  quälenben  2lugenentjünbung 
befallen,  beren  Teilung  er  ben  ^eiligen  ß^^u«  unb  3t>^ö>^>^^^  8"  berbanlen  glaubte  (f.  u. 
©.531,29ff.).  3)er aiufent^alt  tpirb  eth)a  lOQja^re  gebauert  ^en.  3)ie SBotfc^aft  Don  ber 
©roberung  ^erufalem«  burc^  bie  ^erfer  im  3)Jai  614  traf  i^n  noc^  in  3(g^j>ten;  feiner 
Iraner  über  ba«  bie  ß^riften^eit  tief  erfc^üttembe  ©reigni«  gab  er  in  einer  erft  fürjlid) 

35  (f.  u.  ©.  532,  49)  tüieber  aufgefunbenen  Dbe  ftimmuna«üollen  3lu«brudf.  Äur^e  3^it  barauf 
muffen  bie  beiben  ^reunbe  Sg^lpten  öerlaffen  unb  fic^  nac^  SRom  begeben  l^aben.  §ier 
\d)mb  ^JJJofd^u«  (Dgt.  gum  ^olgenben  bie  anonyme  Vita  be«  5Wofc^u«  in  gronto  le  2)uctf 
Auctarium  bibliothecae  patrum  2,  $ari«  1624,  p.  1055),  ba«  Pratum  spirituale, 
ba«  feinen  9Jamen  berühmt  gemacht  l^at,  unb  eignete  e«  bem   getreuen  ©enoffen  feiner 

40  SBanberjal^re  ju.  5?ac^  5Rof^u«'  lobe  überführte  ©.  bie  Seiche  nac^  ^aläftina.  Wo  ftc 
auf  bem  ^riebl^of  bc«  St^coboftu^Iloftcr«  beigefe^t  tourbe.  3)a«  gefd^a^  nac^  ber  Slngabe 
be«  ungenannten  93io0ra^)(>en  be«  9JJofd^u«  ju  Slnfang  ber  8.  ^"biftion,  b.  ^.  böc^ft 
h)a^rfd()einlid}  im  §erbft  619,  nicl^t  634,  toeld^e^  ^a\)x  bei  3lnna^me  ber  ^bentität  öon 
©Dipl;ift  unb  ^atriarcl)»  fogar  au^gcfct^loffen  ift.    3)er  Siograp^  fügt  ^in^u,   baß  ©.  ficb 

45  nun  iDicbcr  in  bie  ©title  be^  Äloftcr^  begeben  ^abc,  rov  vjiokoiJiov  xqovov  iv  ainfj 
rfj  /Ltovi]  diavvoag.  2öäre  mit  ©ic^erl^cit  anjuncl^men,  bafe  ber  Slnon^mu^  nac^  bem 
xobe  be^  S.  fd^reibt,  fo  mürbe  au^  biefen  2öorten  folgen,  bafe  ©.  nid^t  lieber  a\x^  bem 
Älofter  l^erauögetommen  ift,  unb  cbm  bamit  tüärc  bie  Slnna^me  feiner  i^bentität  mit  bem 
Patriarchen  (?infäQig.    2)er  Wortlaut  läfet  aber  ebcnfo  gut  ben  ©c^lufe  ju,   bafe  ©.  jur 

60  3^it  ber  3lbfaffung  jener  33iograp^ie  noct^  im  Älofter  lebte,  unb  bafür  fte^t  ein  3ritraum 
Don  14  bi^  15  ^a^ren  offen,  ßnbe  633  nämlic^  (Dgl.  jum  golgenben  bie  auf  bem 
Srief  bc^  ©erging,  ^atriard^en  toon  5!onftantinoj3el,  an  §onoriug  toon  5lom  ru^enbc 
au^fü^rlic^e  2)arfteaung  im  2lrt.  3)Jonot^eleteu  Sb  XIII,  404  f.)  erfc^ien  in  ältejanbricn 
ber  jjaläftinenfifc^e  3Könc^  ©.,   um   bem  feit  ^\xm  631   amtierenben  Patriarchen  ßbrus 

55  3Sorh)ürfe  über  bie  Union  mit  ben  „SljjoHinariften"  5U  machen,  bie  al^  5Wonenergißmu^ 
unb  fjjäter  üJonotl^eleti^mu^  ber  ©d;recfen  ber  Drt^oboric  loerben  foUte.  "Da  er  nic^t 
^um  ^kl  tarn,  ful^r  er  nac^  Äonftantino^^cl.  ^ier  mufetc  er  erleben,  bafe  ber  ^atriardb 
©erging  auf  bem,  mag  er  alg  5^^^^!?^^  em))fanb,  tro^y  aller  ©egenüorftcllungen  bebantc 
unb  babei  fogar  toom  ^apfte  unterftü^t  iourbe.    SDafür  batte  fein  rül^rige^  (Eintreten  für 

60  ben  X^energigmug  ^ur  golge,  ba|  er  im  Saufe  beg  ^al)X(^  634  auf  ben  ^attiar^enftu^l 


532  So^i^rontitd 

3tutorf(^aft  be^©.  frrtci(;t;  5.  in  Cod.  190  bc«  ©abaöflofter«  (nac^  ^JkH)abo})uIo^4tcrameu$, 
^JegoookvjLuuxTj  BißXiod^xrj  4,  $ctcr«b.  1899,  162  f.),  cbenfo  tüie  in  Cod.  Ath.  Dion.  3U 
toctbcn  bem  ©.  Sebcnebcfc^reibunöcn  ber  4  (güangcliftcn  jugefc^ricbcn  (f.  3SaU^  8,  374) ; 
6.  ba^  Pratum    spirituale    bcd  3lol^anne^  3Kof(^ug    f)at  ©.  möfllic^^crtüeifc    rebii^iert, 

5  jcbenfall^  ber  ßffcntlic^feit  übergeben,  ba^er  er  in  ber  3^rabition  j.  S5.  für  go^annei  toon 
2)ama«fu«  unb  (Suftat^iu«  Wonac^u«  (f.  o.  ©.  529,44)  gerabegu  ate  33crfaficr  galt. 
b)  §omilien:  in  MSG  fmb  8  (9)  Orationes  abgebrucft,  nämfic^  1.  in  Christi  na- 
talitia  (p.  3201—12,  nur  lateinifd^),  gried^ifc^  ^r^.  bon  Ufener,  Söeü^nac^t^rebiöt  be^ 
©.,  im  Sl^ein.  Wuf.  41,  1886,  500—516  (bßl.  SReligion^gefc^.  Unterfuc^ungen  1,  Sonn 

10  1889,  326—330),  bom  Patriarchen  ©.  am  25.  3)eüember  634  in  ber  3KarienIirc^e  ju 
Scrufalcm  gehalten;  2.  in  SS.  Deiparae  annuntiationem  (3217—88),  anfc^einenb  ^u 
ber  mönc^ifd^en  ©enoflenfd^aft  im  Älofter  Q^pxod^m;  3.  de  hypapante  (3287—3307, 
nur  lat.),  griec^.  ^rög.  bon  Ufener,  Sophronii  de  praesentatione  domini  sermo, 
SSonner  Unib.s^rogramm  bon  1889;    4.  in  exaltationem  s.  crucis  (3301 — 10),  bom 

16  ^atriard^en  ©.  (bgl.  3304 C)  an  einem  13.  (bgl.  3304 D)  ©ej)t.  gehalten;   5.  de  festo 

8.  crucis  (3309—16),  bon©.  ah  3Rbn6)  gefj)roc^en  (bgl.  bie  Überfd^rift  unb  3312 B); 
6.  de  SS.  angelis  et  archangelis  (3315 — 22,  nur  lat.);  7.  encomium  in  S.  Joannem 
baptistam  (3321—54);    8.  in  ss.  apostolos  Petrum  et  Paulum  (3355 — 64),  unb 

9.  ein  Sruc^ftürf  au^  einem  encomium  in  s.  Joannem  theologum  (3363 — 64).    ^a^u 
20  fommt  10.  ein  bon  $at>abot)ulo^=Äerameu^,  ^Avdlexxa  (f.  o.  ©.529,22)  5, 151—168  beraub 

gegebener  Xoyog  eig  x6  äyiov  ßdmio/xaf  bom  Patriarchen  ©.  am  3^auffeft  (S^rifti 
(6.  3^""^^)  angeftd^t«  ber  ©arajenengefa^r  (cp.  10  p.  166, 13 ff.)  gef})roc^en.  c)  2)og  = 
matijc^e  ©c^riften:  1.  bie  oben  ©.531, i)  erioä^nte  unb  S3b  XIII,  405,  8  ff.  in^Itlicb 
befc^riebene  Epistula  Synodica  beiS  ^atriard^en  (3147—3200);  2.  brei  Sruc^ftüdte  un= 

25  beutlic^er  §erfunft:  de  peccatorum  confessione  (3365—72),  de  baptismate  aposto- 
lorum  (3371—72)  unb  ein  ©c^olion  über  einen  2lugfj)ruc^  be^  Saftliu^  bon  Gäfarca 
(4011—12);  3.  in  ber  bogmatif^en  RaUnt,  bie  ^otm^  Cod.  231  (MSG  103,  1089) 
in  55erbinbung  mit  bem  ©^nobalfc^reiben  be«  ©.  citiert,  o^ne  fie  ü^m  au^brücflid^  juju= 
fc^reiben,  möchte  3Sail^6  8,  378  ff.  gegen  (S^r^arb  bei  Ärumbac^er,  ®efc^.  ber  b^j.  2itt.^ 

80  209,  bie  ci)n>a  600  a3äterf^rüd(;e  ent^altenbe  ©c^rift  erfennen,  bie  ©.  bem  Sifc^of  ®tej)ban 
bon  Sor  (f.  Sb  XIII,  405,2?)  nad^  SRom  mitgab-  4.  nad)  5Pa})abot)ulo^=Äeramuö, 
7eQoa,  BißL  2,  403  ift  in  Cod.  Hieros.  281  ein  koyog  doy/Äanxog  tkqI  mareio^ 
unter  bem  Flamen  be^  ©.  erhalten.  d)2iturgifc^e^:  2)a«  noc^  ^eute  in  ber  griec^ifc^en 
Äircbe  am  gj)i})^anientage  rej^itierte  ®ebet  (MSG  4001—04)  toirb  auf  ©.  ^urüdfgefübrt ; 

35  bagegen  gehört  ber  Commentarius  liturgicus  (3Kai,  Spie.  Rom.  4, 31—48;  MSG  3981 
bi^4002)  in  meit  fj)ätere  geit  (Jßail^^  8,  386).  IL  3)ic^tungen:  a)  3n  ber  ©efc^icbte 
ber  r^^t^mifd^en  Äird^enbic^tung  griec^ifc^er  ©J>rad^e  ^aben  bie  bem  ©.  jugefc^riebcncn 
anafreontifcl^cn  Oben  eine  nic^t  geringe  Sebeutung  erlangt.  Überfd^toänglic^e  Sc= 
urteiler  (ügl.  5!Katranga,  MSG  87,  3728)  tpagten   fogar,  biefe  ^oefien  mit  benen  bc^ 

40  golbcnen  g^i^oltere  ber  griec^ifc^en  SDic^ttunft  ju  bergleic^en.  Söenn  berartige  Über= 
treibungen  fic^  bon  felbft  richten,  fo  tüäre  e^  ho^  ebenfo  Unrecht,  bie  2)ic^tungen  an  bcn 
flaffifc^en  (Srgeugniffen  gu  i^rcm  9Jad^teil  ju  mcffen.  2)aö  ^arte  Urteil  Ärumbac^ert^  {^% 
Sitt.^  672),  ber  ben  ^id^ter  em^^finbungelcer  unb  trodten  nennt,  bürfte  faum  begrünbet 
fein,    '^m  ©cgenteil  gel;t  burc^  manche   biefer  ©efänge  ein  Farmer,   ^erjlic^er,   mit  ber 

45  §ciinat  unb  i(;ren  ^eiltümern  cm))finbcnber,  fojufagen  ))erfönlic^er  3wg  ^inburc^,  unb 
eine  getoiffc  ©clbftftänbigfeit  in  ber  Söal^l  ^üetifd;cr  53ilbcr  toirb  fic^  auc^  nic^t  leugnen 
laffen.  2)ic  22  Cben  mürben  üon  ^^Jetr.  3Katranga  in  3Ra\^  Spicil.  Rom.  4,  184U, 
40—125  (MSG  3725—3838)  herausgegeben,  9ir.  16  aU  Sruc^ftüdt,  bon  5Rr.  15  nur 
ber  2;itel,  üon  9ir.  17  3:itel  unb  (SingangSüerS.    9lr.  14  (in  excidium  sanctae  urbis 

60  a  Persis  captis)  ift  auS  Cod.  Bibl.  Nat.  Par.  3282  bon  2.  ß^r^arb  im  Programm 
beS  ©tc^^anSg^mnafiumig  in  ©tra^burg  1887  unb  üom  ©rafen  ßouret  in  Rev.  de 
rOrient  Chr^tien  2,  1807  (©.  133  ff.  ber  2lb^anblung  La  prise  de  Jerusalem  par 
les  Perses,  en  614)  herausgegeben  ioorbcn.  5Jr.  9  (in  s.  Paulum  apostolum)  13  (in 
8.  protomartyrem  Theclam)    unb  20  (de  desiderio   suo   sanctae  urbis  et  sanc- 

66  torum  locorum)  finben  fic^  auc^  in  ber  Anthologia  graeca  carminum  christianorum, 
Mpi.  1871,  13  ff.,  toon  ßf^rift  unb  ^aranifa^.  3)ie  erften  13  Oben  ftammen  au^  ber 
3eit  be^  erften  2lufcnt(;alte2J  im  X^eobofiußtlofter^,  bie  folgenben  teilö  au«  ber  Söanbcrs 
jeit,  teilg  (9ir  18  ö^mnu^  auf  bie  äBieberaufric^tung  be«  ^reu^e«  628)  au«  ber  ^toeiten 
Klofter^eit.    b)  2)a|  ©.  aud;  ber  ©clegen^cit«bid;tung  l^ulbigte,  geigen  bie  S)iftidben 

60  (MSG  4009)  auf  ba«  eulogiu«^ofj)ital  in  Stlejanbrien  unb  auf^o^ann  benSarm^ergigcn; 


634  Sorbosne 

bic  ^rac^t  ber  ÄIcibung,  ben  S^afeHuju^.  3)abei  entfaltete  er  eine  ^^ntafie,  einen 
©Atoung  ber  Siebe  unb  eine  Äü^n^^eit  ber  Qpxad^t,  bie  ftc^  nic^t  fc^euten,  bie  S)inge  beim 
rechten  3lamm  ju  nennen,  hinter  biefer  Slau^^eit  bed  Sittenrichter^  berborg  fu^  eine 
tDai^r^aftige  @üte.  Qx  tvar  e^,  ber  an  @teOe  SubtDig^  be^  ^eiligen  am  ß^bonner^tag 
5  ben  armen  bie  güfee  tüufc^  unb  i^nen  mit  bem  föniglic^en  SHmofen  ben  griebcnöfu6  gab. 
3ft  e^  ba  nic^t  flar,  ba^  il^m  fein  gute^  ^erj  ben  ®ebanlen  eingab,  ein  $eim  für  un= 
bemittelte  ©tubierenbe  ber  3^^eoIogie  m  grünbenV 

3)a  bie  ^a^  ber  Se^er  unb  ber  ©tubierenben  berartig  getoac^fen  toar,  bafe  fic 
nid^t  me^r  im  SSer^ältni^  ju  ber  ^a!^l  ber  borl^anbenen  SBo^nungen  ftanb,  fo  hmren  bic 

10  9Jtieten  fe^r  geftiegen.  @^  gab  freiließ  biele  Älöfter,  bie  fid^  auf  unb  um  ben  ^ügel 
©te.  ®enebiöi)e  angeftebelt  ^tten,  aber  bie  ©tift^l^erren  bon  ©t.  SSictor,  bie  ^rämpn= 
ftratenfer  unb  fogar  bie  ^o^anniter,  toaren  faft  ebenfo  getoinnfüc^tig  tüie  bie  toeltlitften 
§au^h)irte.  Slufeerbem  toar  bei  il^nen  bie  t^eologifc^e  SBiffenfd^aft  in  fc^olaftifc^e  2)if)er5 
tationen  unb  in  3)i^Iufftonen  über  Ileinlid^e  fragen  au^eartet. 

16  3)iefen  beiben  Übeln,  an  benen  bie  Unibetfität  litt,  toottte  ber  gute,  bcrebte  fianonifu^ 
abl^elfen.  ©ein  Siogra^l^  ^m6x6  fagt  barüber  folgcnbe^:  „3)ag  einjige  unb  ^eilfamfte 
3KitteI  fd^ien  il^m  ju  fein,  ber  tl^eologifc^en  SBijfenfd^aft  in  $ari^  jtüeierlei  ju  bieten: 
einen  feften  unb  tüo^egrünbeten  ß^P^d^t^ort,  tüo  jie  gelehrt  toerben  !önne,  unb  fobonn 
Se^rer,   bie  biefelbe  SBo^nung  miteinanber  teilen,    ein  gemeinjame«  Seben  führen,    unb 

20  biefe  SBiffenfc^aft  ftrebfamen  $örem  auf  uneigennü^ige  unb  aufrid^tige  ®etfe  über= 
mittein."  3)ie^  toar  ber  §auj)tjh)edf,  ben  Stöbert  Verfolgte,  aber  au^erbem  erfc^eint  c^ 
unjtüeifell^aft,  baft  er  bie  Ideologie  bon  ber  Älofter^errfd^aft  freimad^en  tooHte,  benn  bic 
3Kön(^e  Ratten  leinen  t^tträftigeren  ®egner  ate  i^n  unb  feinen  g^f^wn^/  ©uittaume  bc 
©t.  aimour. 

25  3)iefer  fiil^ne  ©ittenric^ter  h)ar  aufeerbem  ein  fluger  ©efd^äft^mann.  3*^iW^"  1'-^^ 
unb  1274  unterzeichnete  er  nid^t  tüeniger  aU  141  Äontralte  betreffenb  Äauf  ober  louft^ 
bon  §äufem,  ©Rennen  ober  ©arten.  Subtüig  IX.  I^atte  in  ber  fog.  „Rue  des  Ma^ons" 
jtoei  ober  brei  ^äuferf om))Ieje,  bie  er  i^m  abtrat.  3)er  bebeutenfte  lag  an  ber  ©trafee  Coupe 
Gorge,  ben  SRuinen    ber  Säber  be^  Äaifer^  Julian  gegenüber.    Stöbert  fefete  e«  burcb, 

90  bafe  biefe  ©trafee,  bie  fel^r  berüd^tigt  h)ar,  be«  3lbenb^  burd^  jtoei  I^ore  gefd^loffen  tourbc; 
unb  bort  gvünbete  er  feine  „95rüberfc^aft  (1254)  ber  armen  Älerifer"  („Communaute 
des  pauvres  clercs")-  6r  übertoie^  i^nen  ein  Heine«  Kapital,  bad  burd^  eine  ©cf»cn= 
!ung  ber  Königin  bon  Slabarra  bergrö|ert  tourbe.  ^a  er  aber  toufete,  toelc^e  ÜRifebräucfec 
bie  Sln^äufung  ber  ®üter  in  ben  Klöftern  erzeugt  l^atte,   fo   mollte  er  nic^t,   ba^  feine 

86  Srüberfd^aft  ^u  reid^  toürbe.  „2)urc^  2lrme  gebilbet,  fott  fie  aud^  arm  bleiben,"  fagte  er; 
unb  am  ftoljeften  toar  er  auf  ben  litel:  „2)a«  arme  ^au^  ber  ©orbonne." 

2)ie  ©ta tuten.  2)ie  3J?itgIieber  foÜtcn  burd^  lein  ©elübbe  gebunben  fein.  Ja« 
Sleglement,  ba«  au«  38  Slrtifeln  befte^t,  beren  jeber  mit  bem  2lu«brudte  „Volo"  beginnt, 
lüurbe  erft  nac^  ISjäbriger  (grfa^rung  bon   i^m  aufgefteUt.    6«  nimmt   bielme^r  Sc^ug 

40  auf  bie  2)i«ii))lin  unb  bie  gute  2eben«art  al«  auf  bie  ®laubcn«lel^re.  6«  toar  ba«  (Sr- 
gebni«  einer  burd^  bie  ^^'it  gereiften  ßrfa^rung  unb  nic^t  ber  3[u«flufe  einer  augenblicf: 
liefen  eingebung.  ^n  biefem  Sleglement  fagt  Stöbert:  „^d)  tottt,  bafe  biefe«,  au«  ber 
2Bei«l;eit  ber  Seften  ,bert)orgegangene  ©tatut  unbcränbert  beftel^e;  bafe  man  fid^  niemals 
ba«  Stecht  lu  einer  Snberung  ncl^me,   um   \päUx  mehrere  borjune^men".     Unb   in  ber 

45  %i)at  blieb  c«  fo  mit  einigen  3"f^^c"  ^i^  i^"^  franjöfif d^en  Stebolution.  ^m  ^ai^xc  1740 
tüurbe  ba«  ®anjc  unter  bem  2itcl  Disciplina  Sorbonae  domus  gefammelt. 

Drganifation.  2)anac^  ioar  bie  Crganifation  folgenbc:  ®a«  §au«  ^atte  brci 
Kategorien  bon  aWitgliebern:  I.  bie  ©ocii  (bic  2lffociiertcn)  bie  nid(;t  bcr))flic^tet  toarcn, 
im  ^aufc  ^u  leben,   fonbcrn  bie  in  ber  SJä^e,  felbft  in  ben  SSorftäbten  too^nen  lonntcn; 

60 II.  bic  §ofj3itc«,  bic  gröfetcntcil«  ^^ricfter  ioaren  unb  III.  bie  Senefi^ianten.  ^icfe 
Ic^teren  beftanbcn  au«  franjbfifc^cn  unbemittelten  ©tubcnten,  bie  fid^  auf  bie  geiftlicfcc 
Saufbal^n  Vorbereiteten,  unb  bie  unentgcltlidl^  SBo^nung,  Äoft  unb  Unterrid^t  erbieltcn, 
unb  au«  3lu«länbern,  bic  gegen  eine  (Sntfc^äbigung,  bort  einen  me^rmonatlic^en  ©tubicn- 
aufcntl^alt  nahmen. 

65  öof))itc«  unb  ©ocii  bilbctcn  bic  Icitcnbc  Klaffe  ber  ©orbonne.  2)ie  ^of})ite«  tourben 
erft  aufgenommen,  nadjbem  fic  fic^  einer  bo^^l^cltcn  ^rüfung  unterj|ogen  ^tten:  nämlii 
einer  ^^Jrüfung  il;rc«  fittlic^cn  Gbaraftcr«,  ber  übcrbic«  burd^  bie  jubor  auferlegte  i^er= 
i^flic^tung  Verbürgt  \vax,  fid;  orbinicrcn  ju  laffcn,  unb  fobann  ein  t^eologifd^e«  ß^amen 
ju  befte^en.  Um  ^u  bcmfclbcn  jugclaffen  ^u  merbcn,  mu^tc  man  Saccalaureu«  ber  2:^C0' 
jg.iogie  unb  Kanbibat  ber  fiiccntiatur  fein.   I)a«  (Sjamen  beftanb  in  ber  SJerteibigung  einer 


536  Sorbonne 

SRobcTt  bc  ©orbonö  6mj)fel^Iun0,  bic  ©tubentcn  bm  $am)t0eban!en  fdbriftlic^  jufammen= 
faffen,  l^ierauf  über  i^n  nad^jubcnlen  unb  im  ®cbet  6rlcuci(;tun0  ju  fuc^en^  um  ba^ 
©c^tücrt  bc^  ffiorle«  ©otte^  ui  \d)äx^m,  o^nc  c^  burc^  ©i)t^finbiglctten  abju[tumj)fen. 
S)ic  3)i^))utation  fanb  icbc  feod^c  ©am^tag^  ftatt;  fie  tourbc  jtotfc^cn  glüci  ©tubcnten 
6  über  ein  bor^cr  bejeic^nete^  I^ema  geführt  unb  bon  einem  ©ociu«  geleitet,  bcr  al^ 
Magister  Scolarium  fungierte.  ®ie  ©tubenten  füllten  fic^  and)  in  ber  ^rebigt  üben, 
aber  über  biefen  ^unft  berichten  unfere  Urfunben  nic^t^,  tüa^  bie  Vermutung  erlpedt, 
ba^  berfelben  tocnig  ^i\t  getoibmct  tourbe. 

Die  erften  £e^rer.    3)ie  erften  2e^rer,  bie  jtoei ^«^r^unberte  lang  (1257—1457) 

10  au«  ben  §of)c)ite«  unb  ©ocii  ^ett)orgingen,  tparen  §reunbe  be«  ©tifter«:  ©uiUaume  bc 
©t.  Slmour,  Dbon  bc  Douai,  ©erarb  be  Sleim«,  ©uiarb  b'SlbbeDille,  Saurent  rstnglaie. 
©j)äter  na^m  man  aud^  Se^rer  au«  anbern  ÄoHegien  ber  Unibcrfität. 

3)ie  Sibliot^ef  unb  bie  3)rudferei.  2)te  Sibliot^ef  f))ielte  in  bem  §aufc  eine 
h)ici(;tige  Siotte;  auc^  galt  bie  erfte  SSerfammlung  be«  ©d^ulja^re«  ber  SBa^l  be«  Siblio-- 

15  t^elar«.  3)er  erfte  ©runbftod  öon  §anbfcl^riften  tüurbe  \>on  SRobert  bon  ©orbon  angelegt 
unb  burc^  freiwillige  ©))enben  bermel^rt;  ©uiarb  b'2lbbeöille  fc^enfte  nid^t  Weniger  al« 
118  ^anbf (fünften.  2)ie  Sibliotl^ef  Wud^«  balb  an  burc^  bie  ßinfü^rung  ber  Suc^bruders 
fünft  in  ^ari«,  an  ber  ba«  ÄoUegium  t^ätigen  Slnteil  nal^m.  ^m  3al^r  1469  liefe  näm^ 
lid^  S^^önn  $e^nlin  (21  Sapibe,  t)on  ©tein   bei  Äonftanj),  $rior  ber  ©orbonne,   ein= 

20  ftimmig  mit  ©uillaume  gießet,  bem  bamaligen  Sleftor  ber  Unitoerfität,  ben  Magister 
Artium  Wic^ael  griburger  (au«  Äolmar),  mit  jWei  Arbeitern  Ulrich  ©ering  au«  Äonftan^ 
unb  3Kartin  6ranj  naö)  ^ari«  lommen.  3)iefe  brei  Wänner  xxd)Utm  im  ©rbgefc^of 
eine«  ber  §äufer  ber  ©orbonne  bie  erfte  S3ucl^bruderj)rene  ein.  3)ie  erften  SBerfe,  bic 
barau«  ^erüoraingen,  Waren  bie  (g^^ifteln  be«  ©af})arino  ba  Sergamo  unb  ein  Sallustius 

26  (1470).  günf  ^a\)x^  fj)äter  Verlegte  Ulrich  ©ering  bie  3)ruderei  in  ein  anbete«  ber 
©orbonne  gehörige«  §au«,  in  ben  „Soleil  d'Or"  rue  St.  Jacques,  Wo  man  bic 
Biblia  Sacra   in  ;|Wei  golianten  brudte  (1478). 

2)iefer  ©ering  War  ein  frommer  unb  uneigennüfeiger  3Kann,  bem  e«  SSergnügen 
maö^U,  fic^  mit  „Messieurs  de  Sorbonne"  ju  unterhalten,    (gr  fd^enfte  ber  Sibliot^cl 

30  mand^e  Sudler.  311«  in  einem  ber  ©äle  bie  3)ede  einftürjte,  gab  er  ber  ©efeüfc^aft 
50  Sibre«  für  bie  3tet)aratur  unb  t)erf))rac^  bie  ©umme  ju  t)erbot)j)eln.  Wenn  bie  Strbcit 
fertig  Wäre,  ^ux  Selo^nung  für  biefe«  ebelmütige  ©efd^enl  unb  in  Setrad^t  feiner 
2^ugenb  Würbe  er,  obwohl  ein  2aie,  al«  ©aft  an  bie  3^afel  ber  ipofj>ite«  be«  gelehrten 
§aufe«  jugetafjen.    3)a  er  unverheiratet  War,  teilte   er  bei  feinem  lobe  fein  Vermögen 

35  jwifd^cn  ber  ©orbonne  unb  bem  ßottöge  öon  3Kontaigü. 

©efd^ic^te  i^re«  ©influfee«.  3lu«  ber  ©orbonne  gingen  im  15.  S^l^^^unbert  bic 
$äu))ter  ber  ^arifer  Uniberfität  l^ert)or,  Welche  bie  SReformation  ber  Äird^e  in  capite  et 
in  membris,  auf  bem  SBege  eine«  allgemeinen  Äonjil«  forberten:  $ierre  b'ätill^,  5Wicola^ 
be  Glamengi«,  (S^arlier  be  ©erfon. 

40  3lber  im  16.3al^r^unbert  änbertcftd^biejer  ©eift;  bie©orbonne  Würbe  jebem  gor  t^d^ritt  bcr 
Ideologie,  in«bef.  bem  ©tubium  ber  ^ebräifc^en  unb  grie(^ifd(;en  ©prac^e,  unb  ber  Wiff  enfd^aft- 
Ixö^m  3lu«legung  ber  ^l.  ©d^rift  feinblic^  gefinnt.  2)ie  3)oftoren  ber  ©orbonne  Verurteilten, 
bon  1517—1534,  mehrere  ©d^riften  be«  6ra«mu«  unb  be«SeföDre  b'6tat)le«,  bcrbammtcn 
bie  Sudler  Sut^er«  unb  Verlangten   bie  SSernic^tung   ber   gebrudten  SBerfe   Don  ®tiennc 

46  2)olet.  2)ie  ©rünbung  be«  College  Royal  burd^  %xani  I.  für  ba«  ©tubium  ba 
flaffifd;en  ©))rac^en  unb  ber  neuen  3Biffenfd^aften  Würbe  ju  ftanbe  gebrad^t,  um  bic 
5Reigung  ber  ©orbonne  ju  befämj)fen,  bie  neue  2e^re  nic^t  unter  bic  bürgerlichen 
bringen  j^u  laffcn.  ^m  17.  3^^^^^^""^^^^  "^N  f^^  ^i^  t5ü^^""9  ^^  Äat^olici«mu«  in 
granlreic^  Wieber  auf.   2)ie  berüj^mteften  ^rälaten  l^ielten  e«  für  eine  6^re  „^roviforen" 

60  ber  ©orbonne  ^u  fein,  5.  33.  bie  Sarbinäle  ßonbö,  Slic^elieu,  3Kajarin,  3^e^,  9Joaillc« 
unb  gleur^. 

^bcr  9{id^elieu  War  e«,  ber  unter  allen  bie  größte  3lufmerlfamfeit  gegen  bie  ©or= 
bonne  jeigte.  2)er  SRegicrcr  granhcic^«  Wählte  al«  33eid^tt)ater  einen  ber  „Messieurs 
de  Sorbonne".    SWel^rere  ber  alten  ©ebäube  ftürjten  ein,   er  lic^  fie  nieberrei^en,   um 

55  ba«  SoDöge  nac^  ben  planen  Don  Scmercier  bauen  ju  laffcn  (1626).  S)ie  Slrbeiten 
fingen  1627  an  unb  Slic^clieu  fd^cute  fein  ©olbobfer,  unt  fte  fc^neU  ju  6nbe  i;u 
bringen.  9!JJan  fielet  au«  feinem  2!agebudEj,  ba^  er  nic^t  Weniger  eifrig  bie  ßrric^tung  bcr 
neuen  ©orbonne  al«  bie  3<^rftörung  Don  Sa  ^Kod)cIle  bcförberte.  S)ort,  in  ber  Äapclle, 
Wählte  er  ben  ^la^  für  feine  ©rabftätte.   2Ba«  bie  ©ebräu^e  betrifft,  fo  änbate  er  nicbt« 

ßo  unb  be^d^ränfte  fic^  barauf,  eine  jjWeite  I^efe  (Slobertine)  bem  3ulaffung«ejamen  beizufügen. 


Sorbonne  Sorte»  Sanctonim  537 

5[m  17.  Sfl^'^^wJ^k^^t  bcftanbcn  Soffuet,  6onb6,  bcr  gtofee  2lmaulb  bic  %f)t]tn  auf 
bcr  Sorbonne,  h)o  ber  3ianf«ni[tifci^e  ©treit  begann. 

gm  18.  3öii>t^unbert  öffnete  fic^  enbUc^  ba^  alte  SoBöge  bem  ©eifte  ber  3^oIeranj 
unb  Humanität,  tüelc^er  ^anfreic^  burc^tüe^te.  infolge  be«  Sefuc^e^  t)on  ^eter  bem 
©rofeen  (üon  SHufelanb)  berfuc^ten  bie  S)oItoren  ber  Sorbonne  bie  3}eretnigung  ber  b 
rufftfc^en  mit  ber  römifci(;en  itird^e  l^erbeijufül^ren.  ^m  ^a\)xc  1730  ^ielt  a^urgot  al^  ^rior 
ber  Sorbonne  feine  berühmte  SRebe  über  bie  „gortfd^ritte  be^  menfci(;lici^en  ©eifte^",  tüeld^e 
ein  ^Ä6)m  ber  neuen  ^^'itm  toor.  Sotoiel  gloneic^e  ßrinnerungen  aber  retteten  ba^ 
$auö  Sobert^  be  Sorbon  nid^t  öor  ber  SBut  ber  3Känner  ber  Sleöolution,  atö  ob  e« 
bie  abfolute  Sebingung  jebe«  gortfd^ritte^  toäre,  aUe  Slnftaltcn  be^  „Ancien  Regime"  gu  lo 
l^erftijren.  ^m  3-  1791  behetierte  bie  „Äonüention"  bie  ©efeUf^aft  ber  „^riefter  ber 
Sorbonne"  aU  aufgelöft.  3)ennoc^  mürben  bie  IGö  Witglieber,  bie  fie  bamate  jä^Ite, 
nic^t  beunruhigt,  ^ie  Äanbfc^riften  unb  93üci(;er  ber  Sibliotl^el  tourben  in  bie  5RationaU 
bibliot^e!  gefd^afft,  h)o  pe  no(^  l^eute  liegen.  SBa«  bie  ©ebäube  betrifft,  fo  bro^ten  fie, 
ba  man  jie  nici(;t  im  ftanbe  er^^ielt,  nac^  Wenigen  ^a^xm  einjuftürjen.  i6 

211^  im  3- 1801  ber  $remier!onfuI  ber  fran^öfifc^en  9let)ublif,  Sonaparte,  bie  SSottenbung 
be^  2ouöre^  befc^loft,  befferte  man  biefelben  ein  tüenig  auö,  um  barin  bie  Äünftler  untere 
jubringen,  bie  bi«  ba^in  in  jenem  ^alaft  getvo^nt  l^atten.  Site  Kaifer  9la)3oIeon  I.,  eine 
einzige  UniDerfität  für  ganj  granfreici(;  (1808)  fd^uf,  errichtete  er  ju  $ari«  eineSafuItät 
ber  Il^eologie.  3)ie  ^Regierung  ber  SReftauration  machte  au^  bem  $aufe  bon  Stic^elieu  ao 
ben  Si^  t)on  brei  ^alultäten:  Ideologie,  SBiffenfc^aften  unb  Sitteratur;  benen  man  feits 
^er  ben  ru^mboHen  5Ramen  Sorbonne  beilegte.  Um  biefe  ^Ät  gaben  SRo^er  ßoHarb, 
©uigot,  Sittemain  unb  ßouftn  biefer  Sorbonne  bon  neuer  3lrt  einen  neuen  ©lang  burc^ 
i^re  au^ejeic^neten  3Sorlefungen.  3)ie  3"Ki^«bolution  1830  brachte  bie  3luf^ebung  ber 
t^eologif^en  gafuttät  mit  fidy!,  aber  fie  tourbe,  im  g.  1841,  tüieber  l^ergeftellt  unb  i^re  26 
Sel^rftü^le  tvurben  berül^mt  burd^  bie  ÄoHegien  ber  $rofef{oren,  bie  ju  ben  gete^rteften  unb 
berebeften  aSertretem  ber  franj.  ©eiftlid^feit  gel^örten,  x.  35.  ber  2lbb6d  2)uj)anlouj),  Sautain, 
^errel^be,  ^erraub,  e5^ej)j3el  2c.  3^r  leftter  3)efan,  W\x,  Wäret  lonftatierte  in  feinem  im 
3.  1883  bem  ^räftbenten  ber  3flei)ublii  übeneic^ten  Seric^t,  bafe  feit  toeniger  afö  einem 
falben  3^^^^""^^^  ^"^  i^^^  $rofef[oren  me^r  afe  20  (Srjbifc^öfe  ober  Sifc^öfe,  30 
1  Äarbinal,  3  SWitglieber  ber  „Acadömie  fran^aise"  2c.  ^ert)orgegangen  toären. 

Unglüdflic^erhjeife  fehlte   i^ren  (g^rentiteln  bie  „Institutio  Canonica",   toelc^e  bie 
$ät>fte,  fogar  2eo  XIII.,  i^r  bi^  jule^t  öerhjeigerten.    SJon  ba  an  toar  fie  nic^t   mel^r 
unentbehrlich  für  bie  Silbung  ber  l^öl^eren  ©eiftli^^feit  unb  bie  Kammer  ber  Slbgeorbneten 
l^ob  fte  1885  auf,  ebenfo  toie  bie  bier  anbem  tl^eologif d(;en  gahiltäten  in  ben  3)e))artement^,  36 
inbem   fie  bie  Krebite  für  i^re  Unterl^altung  bertoeigerte. 

gm  3.  1889,  ate  Dctabe  ©r^rb,  bamate  Sleftor  ber  Unit)erfität  \>on  ^axx^, 
bie  ffiiebererbauung  ber  Sorbonne  mieber  aufgenommen  l^atte,  nac^  bem  ^lan 
be«  2lrd^ite!ten  9l6not,  umfaßte  fie  112  ^rofejforen,  13  ^ribatbojenten,  ungefäl^r 
11000  Stubenten.  Seitbem  finb  bie  ©ebäube  öollenbet  unb  eingerichtet  toorben.  3Son40 
ber  Sorbonne  SRid^elieu«  ift  nur  bie  Äat)ene  übrig,  h)o  fein  §erj,  ru^t  unb  bon  bem 
„armen  §aufe  üon  Stöbert  be  Sorbon"  nur  noc^  ber  Slame.  3!)iefer  Slame  aber  h)irb 
eh)ig  leben,  aU  2)enlmal  einer  burc^  einen  eblen  5ßriefter  gegrünbeten  Se^ranftalt,  toeld^e 
aufeerorbentlic^  öiel  jur  reltgiöfen  unb  fittlid(;en  Silbung  bed  mittelaltcrlid(;en  granlreid^ 
beigetragen  l)at  d^afron  Sonet^V^antti«     45 

Sortes  Apostolorum  ober  Sanctorum.  —  ßittcratur:  A.vanDale,Deoraculi8 
ethnicorum  diss.  II,  1683,  341—78,  n700,  288—324;  3.  ©ofaubonuS  ju  Hist.  Aug.,  $ari« 
1620,  App.  0;  3.  ÖJretier  ju  Anast.  Sin.  MSG  89,  761;  Du  Gange  s.  v.  sortes,  gr.  s.  v. 
gixioXoytov;  $)crd)er,  Astrampsychus  (^vogr.)  1863;  ^artcI=Soc»De,  @93S  113,  1886,  235 f.; 
C>.  l©innefelb.  Sortes  Sangall.  (S)ifi.  ©onn)  1887;  ^cim,  Incantamenta,  3rlecfeifcnö  3a6rb.  60 
Suppl.XIX,  1893,  502.  19;  Xeuffel^gc^lüabe,  $Röm.  Sitt.*506;  $.  (Saffcl,  3Bci6nacötcn274f.; 
5.  JRocquain,  Les  sorts  des  saints  ou  des  apötres  (ßibl.  de  rÄx)le  des  chartes  41)  1880, 
457  ff. ;  3-  ^'  ^cirriö,  The  sortes  sanctorum  in  the  S.  Germain  codex,  Amer.  Journ.  of 
Phil.  IX,  58;  Study  of  Codex  Bezae,  TSt.  II,  1,  7 f.;  The  annotators  of  the  Codex  Bezae 
1901,  45  ff.  —  S8gl.  b.  ?(.  fioS  bei  ben  Hebräern  93b  XI,  642.  66 

3)er  tüo^l  bon  21©  1,  26  genommene  Slu^brudf  be^eicj^net  eine  3lrt  ben  SöiHen  ©otte«, 
bie  3"^*^f^  S"  ^a^^^n.  Unter  ben  mancherlei  ^Jlitteln  hierfür  ift  in  faft  atten  Sieligionen 
ein^  ber  t)erbreitetften  ba^  Sluffc^lagen  eine^  ^eiligen  Sud^e«:  toorauf  ber  Slidt  gerabe 
fättt,  barin  foH  eine  göttliche  §inh)eifung  auf  ba^  Seüorfte^enbe,  eine  2(nh)eifung  für  ben 
9Jlenfd(;en  gegeben  fein,    ^m   ^eibnifc^en  SRom  fonfuttierte  man   fo  aSergil    (Sj^artian  eo 


538  Sorte»  Sanctomm 

b.  §abr.2,8;  3(cl.  £amt)nbiu^  to.  3llcj.  Scto.  14,5).  SlufgcIIärtc  Reiben  nannten  ba^  frci= 
üd^  ein  ©^iel  mit  bem  ^n^aü  (2(ug.  conf .  IV,  3, 5).  35ie  (Soften  t)crtt)arfen  ba^  Crafeln 
mit  fieibnifc^en  Suchern,  machten  e^  aber  mit  i^ren  l^eiligen  Schriften  nid^t  anberS  (Dgl. 
Sluguftin^  Sefe^rung  conf.  VIII,  12,  29  f.),    tro^   mifebiDigenber  Sfufeerungen   bcr  fircfc= 

6  liefen  Autoritäten,  5.  S.  3lug.  ep.  55,  37  (CSEL  34,  2,  212):  qui  de  paginis  evan- 
gelicis  sortes  legunt;  $ier.  ^u  S«^«-  1  MSL  25,  1180.  (Sin  (^arafteriftifcbc^  Seif^icl 
in  ber  Segenbe  ber  f|I.  4f|eobora  p.  27,  SBeffel^:  fte  läfet  fic^  ba«  ©ban^elienbudb 
(t6  ßißUov  xov  äyiov  fieyakeiov)  geben  xal  ävaTuv^aoa  evgev  h  rfj  7igoyga(pij' 
o  yiygafpa  yiygaqya  (3o  19,22).    ©ine  9lec^tfertigung  bafür  bietet  2(naft.*  Sin.  qu.  108 

10  MSG  89,  761 :  e^  fommt  auf  ba^  boranjufd^idfcnbe  ®ebet  anl  Äaifer  ^eraflio^  bcftimmt 
fo  bie  SBinterquartiere  für  fein  §eer  im  ^erferfrieg  614  (I^eoj)^.  308,  15);  2(nbroni!w 
fuc^t  im  ^falter  bie  Söfung  für  alle  Sc^tpierigfeiten  (®regoraö  VIII,  11,8).  Sefonber^ 
eifrig  tpurbe  bie^  3)äumeln  ^ur  3^it  ©regor^  toon  lourg  ge))flegt  (Hist.  Franc.  IV,  16, 
V,  14,  49  p.  154,  203,  240  Slmbt),    obtüo^I   bie  S^n^ben  üon  Sännet  465  c.  16  unb 

16  agbe  506  c.  42  (9)knfx  VII,  955,  VIII,  332),  Drl^anö  511  c.  30  unb  äurerre  573: 603 

c.  4  (MG  LL  III,  1,  9.  180),  ®regor  I.,  ep.  IX,  204,  XI,  33  (MG  192,  20.  302,  21) 
u.  a.  (8.  Corp.  iur.  can.  P.  II,  c.  26,  qu.  5,  c.  7—11)  ed  berboten.  Sgl.  ySS^ox, 
orig.  VIII,  9,  28,  MSL  82,  313:  sortilegi  sunt,  qui  sub  nomine  fictae  religionis 
per  quasdam  quas  sanctorum  sortes  vocant  [in  älnlef^nung  an  Jl(.  1,  12?]  divi- 

20  nationis  scientiam  profitentur  aut  quarumcumque  scripturarum  inspectione 
futura  promittunt  (Dgl.  3;ol^.  gari^b.  polier.  I,  12,  MSL  199,  409).  2)ie  Iir(^= 
liefen  Sierbote  (fc^ondecr.Gelas.  VI,  36  bei  6rebner220  [£ij)ftu^  a^ocr.  a))ofteIgef4 1, 34 
benit  ^ier  j^u  Unrecht  an  bie  SSerlofung  ber  Sänber];  i^eobor  ßantuar.  poenit.  358, 
MSL  99,  973  =  »urd^arb  X,  9;  cod.  Sang.  193  fol.  196)  erneuert,  j.  2.  unter  »erufung 

26  auf  ba^  biblifc^e  3aubereiberbot  2e  19,  26  bie  Äarolingifc^e  Sleic^^efe^gebung;  ögl.  Capit 
V.  789,  20 :  ut  nullus  in  psalterio  vel  in  evangelio  vel  in  aliis  rebus  sortire 
presumat(MG  LL  II,  1, 64,  l,togl.25, 33. 45, 25. 58.  69,  45. 96, 15.  104,5.223, 10;  2,  44, 
35.  345,  10).  ®ie  bäufige  35Bieberf|oIung  be^  Serbot^  jeigt  bie  93eliebtf|eit  biefer  2Babr- 
fagerei  im  SoI!.    äuc^  Slgobarb   bon   S^on  de  imag.  I,  25f.  MSL  104,  220   fämpft 

30  bagegen  an.  2:ro^bem  hjurbe  e^  toeiterl^in  ganj^  offiziell  bei  Sifc^of^hjei^en  geübt,  um 
ben  G^aratter  be«  betreffenben  gu  erfahren  C^ad^^m.  VIII  (II),  15,  [II,  146,  12j 
SBil^.  to.  5KaIme«b.  de  pontif.  Angl.  I,  p.  214.  219  u.  a.).  a)ie  Sebeutung  be^ 
»ibelorateU  für  granj  bon  aiffiffi  ift  befannt  (^gler,  B^^S  VI,  413;  ©abatier  57; 
Ä.  5Wüaer,  SE^Sg  1895,  182;  gioretti,  beutfc^  toon  D.  to.  laube  166).    äBie  gried^if(^c 

35  3Könd^^frcife  neben  ber  Sibel  bad  ^aterifon  benu^ten  (^ofc^o«,  prat.  spir.  55, 
MSG  86,  2909),  fo  griffen  bie  §umaniften  ^u  iJergil  jurücf  (3.  »urcf^arbt,  Äultur  ber 
Slcnaiffance  528).  2)er  ^^lam  treibt  ba^  gleiche  mit  bem  Äoran,  ber  ß^inefe  mit  ben 
©J)rüci^en  be^  ßonfuciu^. 

2)anebcn  giebt  e^  anbere  S^ftemc:    "^an   fd^rieb   einzelne  Stellen  auf  lofe  Slättcr 

40  unb  ^og  bann  ba^  2o^  (sortes  sumere  Cic.  de  div.  I,  58,  132,  II,  41,  86,  Tibull.  I, 
3,  11)  ober  man  baute  ganje  Drafelfvftcme  in  ?^ragc  unb  3lnttoort  auf  (barübcr  f.ßercbcr 
unb  ^arri^).  ©0  erflärcn  fic^  iüo^I  gctrifee  Seifc^riften  am  Sanbe  be^  (3odex  Bezäe  (D) 
unb  be^  Sangermanensis  (g*).  hierbei  bicntc  nic^t  ber  (immerhin  oft  bielbeutige)  Sibel- 
tejt,  fonbcrn  nur  ba^  Sibelbuc^  afe  Drafelquelle.    daneben  fc^rieb   man   fold^e  S^rüc^c 

45  auf  einzelne  3€ttel,  bie  man  mit  blauen  unb  gelben  gäben  50g;  fo  in  ber  nad^  $itf|oeu^ 
t)on  Soquain  lateinifc^  unb  })roüengalifcl^  Veröffentlichten  Sammlung  a\x^  Sllbi.  2)ic 
©riechen  l^attcn  eine  SlntDeifung,  auö  6i>ang.  unb  ^^ßfalter  bie  3wf"nft  l^  erforfc^en,  unter 
bem  92amen  fiaifer  8eo^  be^  2öeifen  (S3erol.  ^^^itli})^  1479);  bgl.  baö  ^ixxoXdytov  Ix 
Tcbv  XOV  äyiov  EvayyeXiov   xE(paXai(jov   in  Par.  gr.  2149,  2243,  2510   (Du  Gonge), 

50  ba^  Xax/^t]ri]oiov  xojv  äylcov  AttooxoXcdv  in  ?DJatrit.  105  (^riarte  I,  424).  So^bü^er 
(sorti)  ir>aren"  aud;  im  fj^ätercn  'JJJittclalter,  bef.  toon  Italien  a\x%,  in  ber  ganzen  ß^riftem 
^eit  berbreitet. 

%m  bie  neuere  3eit  ^at  Siitfc^l  (©efc^.  beö  ^ietiömutg  II,  160  ff.  u.  ö.)  ba«  SJäumeln 
in  ber  Öibel  al^  eine  6igentümlici()teit  pietiftifd^er  Äreife  ertriefen.    (S^  gefd^a^  %u  mand^erlei 

56  3{^ecfen,  felbft  jur  (Srprobung  ber  §eil^gen)i^l)eit  (III,  155);  am  meiften  ba,  too  bcr 
5Dtenfc^,  felbft  unfcf)lüffig,  ein  3ci*en  begcl^rtc,  tpaö  (Sottet  2Bitle  fei.  ©0  ^at  e^  6pener 
bei  ber  Jierufung  nacb  ^rc^ben  ,:^a>ar  nic^t  felbft  ci,^\xhi,  aber  boc^  jugelaffen  unb  ftc^  banac^ 
gerid^tet  ((Srünberg  I,  211).  :3""9  Stilling  öerWrf  e^  al^  3)Jittcl  jur  ®rforfd^ung  bcr 
3ufuuft,    lie^  e^  aber  gelten  ;;ur  ßrlangung  lion  iroftfj)rüc^cn  (Sitfd^l  I,  479).     ©0  ift 

60  ei§  noc^  je^t  manchen  Drt^  üblic^,  in  ber  JJcuja^riSnac^t  fic^  unb  anbem  33ibelf))rüc^e  ju 


540  @oto,  2)omtmhtd  bc  &oto,  ^ettud  be 

Äatfiarinu«  —  f.  5?ä^ere«  bei  $offmann  a.  a.  D.,  bgl.  aud&  Scntatl^,  Art.  „Rat^axxnu^"  X, 
191);  femer  um  bie  Seiten  ion  bet  ©rbfünbe,  toon  ber  Äraft  bc^  ®iDcn^  nac^  bem 
gaDe,  bon  ber  Slec^tfertigung,  ^räbeftmation,  ben  2öer!en  ber  Ungläubigen,  ber  SRefibenjs 
J)flic^t  ber  Sifc^öfe  jure  divino.     S)iefe  Streitfragen   füfirten  ben  3!)omtnifuö  ^ur  2lb= 

6  faffung  ber  tpiber  Äatfiarinu^  gerichteten  Schriften:  De  natura  et  gratia  Lib.  III.  ad 
synodum  Tridentinam,  Ven.  1547,  ed.  2,  Antw.  1550  (togl.  §offmann  1.  c),  unb 
Apologia,  qua  episcopo  Minorensi  de  certitudine  gratiae  respondet  D.  S. 
Ven.  1547;  toäfirenb  jener  i^m  feine  leibenfc^aftlic^  gereiften  Disceptationes  super 
quinque  articulis  (Rom.  1552)    entgcgenfe^te.    93ei   ber  SSerlegung   beö  Äonjife  ^on 

10  2:ribent  nac^  Sologna  (1547)  fe^rte  ©oto  an  ben  J^of  Raxl^  V.  ^urüdf.  Der  Äaifet 
ernannte  i^n  je^t  ^u  feinem  Seic^ttjater  fotpie  1549  ^um  grjbifc^of  toon  ©egoüia;  bod> 
lehnte  ^ominifu^  biefe  2(u^^eidbnung  ab,  ja  er  legte  felbft  fein  Slmt  aH  Seic^tDater 
nieber,  ging  (1550)  in  ba^  Älofter  ju  ©alamanca  gurücf  unb  tpurbe  ^icr  $rior.  Um 
biefe  3cit  toerfafete  er,  im  ©egenfat^e  ^um  ^roteftanti^mu^,  Commentarii  in  epistolam 

16  Pauli  ad  Romanos  (Antw.  1550,  Salm.  1552).  2luc^  griff  er  bamate  im  3luftrage 
Äarte  V.  fc^lic^tenb  in  ben  Streit  ^toifc^en  ©ejjultoeba  unb  £a«  6afag  (f.  ben  Slrt.  XI, 
290,  3  7  ff.)  über  bie  Sefianblung  ber  ^nbianer  ein.  9lac^bem  er  jene^  ^riorat  jh>ei  '^af^xt 
lang  toertoaltet  l^atte,  übemafim  er  toieber  ein  t^eologifc^e^  Se^ramt  ^u  ©alamanca.  Site 
tueitere  ©Triften  erfc^ienen  (|ier  t?on  i^m  De  ratione  tegendi  et  detegendi  secretum 

20  praelectio  theologica  (1551);  Annotationes  in  Job.  Feri  Franciscani  Mogunti- 
nensis  commentarios  super  evangelium  Johannis  (1554).  ^ad^  t)ier  ^a^ren  ging 
er  toieber  in^  Älofter  jurücf,  übernahm  noc^mal^  ba^  ^riorat  unb  ftarb  am  15.9Iot).  1560. 
Slufeer  toerfc^iebcnem  minber  SQäic^tigen  Derfafete  er  noc^  bie  ©c^riften:  De  justitia  et 
jure,  1.  VII,  ad  Carolum  Hispaniae  principem,  Salm.  1556;  In  quartum  libnim 

26  Sententiarum  Commentaria  s.  de  sacramentis.  T.  I,  Salm.  1557;  T.  II,  1560. 
"Sind}  ^interlicfe  er  einen  ungebrucften  Äommentar  über  bag  ©toangelium  3Jlatt^äi,  eine 
älb^anblung  De  ratione  promulgandi  Evangelium  unb  In  primam  partem 
S.  Thomae  et  in  utramque  secundam  Commentarii.         (9leitbe(fer  f)  S^^^^^f^ 

SotO,  ?5ctru«  be,    geft.  1563.  —    audtif-'(£4arb,  Scr.  0. Praed. II,  183 ss. ;  C)ergem 
30  rotier,  Äi®^  II,  417;  ©ein^art,  M^  XI,  531;  gurtet,  Nomencl.  th.  cath.  IV,  1245. 

^etru^  bc  ©oto  ift  ebcnfo  betannt,  h)ie  2)ominifu^  ©oto  burd^  feinen  Stuf  t^co= 
logifc^er  (Selel^rfamfeit,  ferner  burc^  feine  fd^riftftetlerifd&en  arbeiten  unb  burc^  feine 
geinbfc^aft  gegen  ben  ^roteftanti^mu^  unb  bie  SReformation,  ber  er  in  2)eutfc^lanb  unb 
©nglanb  mit  (Sifcr  entgegentrat,   ©eboren  ju  ßorboba  al^  ©o^n  toorne^mer  CSltern,  trat 

36  er  1518  ui  ©alamanca  in  ben  Crben  ber  2)omini!aner.  äHmä^lic^  Verbreitete  fic^  üon 
i^m  ber  9luf  ungcnjö^nlid^er  ©clebrfamteit,  namentlich  in  ber  fcbolaftif^en  3;^eologie,  in 
ber  er  fic^  jum  ftrengen  2;i^omiömu^  bcfanntc.  Äaifer  Äarl  V.  er^ob  i^n  jum  geheimen 
9late  unb  ^\x  feinem  Seid^ttoater,  fein  Drben  aber  hjäl^lte  il^n  jum  35ifar  ber  nieber- 
beutfd^cn  ^rot)inj.    ^n  biefer  ©tetlung  gelangte  er  ^\x   trauriger  Serül^mt^eit  baburc^, 

40  ba|  er  (1543)  ben  cblcn  fjjanifdben  Sibelüberfcj^er  ^ranj  ©njinag  ber  93rüffeler  gm 
quifition  auslieferte  (t)gl.  Soc^mcr,  ?^ran^  GnjinaS;  ®enftt)ürbigleiten,  Seipjig  1807, 
^.4  unb  77 ff.;  aud^  aBilfenS,  (Sef^.  beg  fjjan.  ^roteftantiSmuS  [1888],  ©.  57ff.). 
©J)ätcr  verliefe  er  bie  2)ienftc  bcS  ÄaiferS  unb  übernahm  bie  ©teile  eine«  Se^rerö  ber 
2:bcologic  an  bem  toom  Äarbinal  Dtto  SCrud^fefe  Von  SBalbburg,  Sifc^of  Von  9tug«burg, 

46  in  2)iningen  neu  errid^tctcn  ©eminar.  ,?>ier  fcbrieb  er  im  ©inne  feiner  jürd^e  unb  gegen 
bie  9leformation  fein  fatcc^etifc^eS  2el^rbuc|  Institutiones  christianae  (Aug.  Vind.  1548); 
fj)ätcr  eine  Methodus  confessionis  s.  doctrinae  pietatisque  Christianae  epitome, 
Dill.  1553.  gerner  ein  Compendium  doctrinae  catholicae,  Antw.  1556,  unb  einen 
Tractatus   de   institutione    Sacerdotum,    qui   sub   episcopis  animarum  curam 

60gerunt,  s.  Manuale  clericorum,  Dill.  1558,  —  le^tereS,  eine  Slrt  ^Paftoralt^eologic, 
baS  §au))tn)erf  ©otoS,  tüelc^eS  nod^  geraume  ^cxt  nad)  feinem  2^obe  in  Stnje^en  blieb. 
2Bcgen  feiner  Assertio  catholicae  fidei  circa  articulos  confessionis  nomini  illust. 
ducis  Wurtembergensis  oblatae  per  ejus  legatos  concilio  Tridentino,  Antw. 
1552,  geriet  er  mit  33renj  (f.  b.  9lrt.  III,  385,  seff.)   in  einen  ©treit,   ber  i^n  noc^  ju 

66  ber  ©c^rift:  Defensio  catholicae  confessionis  et  scholiorum  circa  confessionem 
ducis  Wurttemb.  nomine  editäm  adversus  prolegomena  Joanni  Brentii, 
Antw.  1557,  ijcranlafete.  3"  2)il(ingen  fam  er  auc^  mit  bem  fiarbinal  ^olu^  in  S3c= 
rül^rung.  ©Jjäter  ging  er  mit  ^ipbiüj)))  IL  öon  ©^^anien  nad^  Gnglanb,  h>o  i^n  bie 
Äönigin  3)iaria  jur  9i5iebereinfü^rung  be^  ßatl^oliciömu^  toertoenbete  unb  aU  Seigrer  ber 


@oto,  $eint$  be  Sojomettod  541 

Ideologie  nad)  Dxforb  berief.  35er  %o\>  3)laria^  führte  tl^n  1558  md)  2)ilKn0en  jurüdf; 
brei  S^l^^^  \päitx  berief  ifin  $iu^  IV.  nac^  3:ribent,  um  an  bcm  toieber  ju  eröffnenben 
Äonjile  teiljune^men.  6ö  folgte  bem  Stufe  unb  toirfte  bei  bem  Äonjil  mit  bejonberem 
eifer  für  bie  ©infe^ung  ber  J^ierarc^ie  unb  bie  Slefibenj  ber  Sijc^öfe  jure  divino  (für 
hjelc^e«  toic^tige  anliegen  ber  f})anifc^en  Äonjitemitglieber  er  nod^  brei  2^age  bor  feinem  5 
2:obe  ein  bringenbe«  Sittfc^reiben  an  ben  ^ap\t  richtete),  für  ben  faframentalen  (Sl^arafter 
ber  ^rieftertoei^e,  fotoie  für  bie  9loth)enbigIeit  bed  burc^  ben  Sifc^of  gu  boDjie^enben 
ffieil^ealte«.    er  ftarb  noc^  toä^renb  ber  2)auer  be«  Äonjitö  am  20.  Sljjril  1563. 

(9leitberfert)  3örftert. 

@0tt%0te,  3.  f.  b.  31.  ©abbat^arier  »b  XVII  ©.  291, 40.  10 

®oj0meil0d*  —  ausgaben  wie  bei  Sofrate§  (f.  oben  @.  481).  —  @onft  ift  neben 
aubcrm  g.  2^.  im  2^ejt  QJenannten  ju  ücrgleic^en:  gum  Sebcn:  bie  Testimonia  veterum  (am 
DoUftönbigften  in  ber  6ofrates^audgabe  uon  C>ujjet))  unb  bie  ben  $ludgaben  Dorgefe^ten  ^iten, 
bef.  SBalefiuö:  De  vita  et  scriptis  Socratis  atque  Sozomeni ;  ferner:  ^upin,  Nouvelle  Biblio- 
th^que  IV,  80  ff.,  deinier,  Histoire  gdn^rale  XIII,  689  ff.,  Oaüe,  Hist.  lit.  I,  427  f.,  Sabril  16 
ciuö=§arle6,  ßibliotheca'VIl,  427  ff.,  ^arbcn^emcr,  ^atrologie  333  unb  bie  üblichen  enct)lIos 
päbifd)en^erfe;  guXcjt  u.  Uebevlieferung:  92oIte  in  ber  2:^ D@  1861,  417ff.,  e.beSoor, 
gur  Äenntni«  ber  C)anbfd)riften  ber  griecbifc^en  S^ircften^iftorifcr  =  3ft®  VI,  478  ff.,  3.  SS. 
Sarrazin:  De  Sozomeni  historia  nura  integra  sit  =  Commentationes  philologac  Jenenses 
I,  165  ff.,  ^l.  föülbenpcnnino,  S)ie  Äirdiengejc^icfttc  bc«  X^coboret  \>on  ^rr^oS  12  ff.  —  ßu  20 
ben  OucUen:  3eep,  Clueüenunterfud)ungen  ju  ben  gricd^ifcften  Äirc^en^iftorifem  (=  glccf^ 
eifenS  3a^rbü*cr  für  claffifdje  ^^ilologie,  @uppl.  XIV),  137  ff.;  gr.  S(.  C>oIs&aufcn,  Coramen- 
tatio  de  fontibus  quibus  Socrates,  Sozomenus  ac  Tlieodoretus  .  .  .  usi  sunt,  ©öttingen 
1825,  Kaufmann,  Äritifc^e  Unterfud)ungen  ber  Ouetten  jur  QJcfc^ic^te  Ulfilaö  (=  3b?l  XXVII 
[^l^  XVJ),  222  ff.,  ©ülbenpcnning  unb  Sflanb,  2)cr  ^aifcr  Xj^eobopuS  ber  ®ro6e  21  ff.,  25 
3.  SRüfenfteiit,  ^ritifcbc  Unterfuc^ungen  über  baS  SSer^ältnife  jtoifc^en  Olgmpiobor,  3ofimu§ 
unb  @oäomcnu§  =  &böJ  I,  165  ff.,  %  ©otiffol,  Sozom^ne  et  Sabinos  =  93^^.  8eitfd^r. 
VII,  265  ff.  bcrf,  Le  Synodikon  de  8.  Athanase  =  50^ j.  3eitf(^r.  X,  128  ff.  —  3ur  (£r=: 
flärung  unb  Äritif  wie  bei  ©ofrateS. 

3)er  9Jame  be^  ©ojomeno«  ift  nic^t  fieser  überliefert :  5pf|otiu«,  Bibl.  30  f^rid^t  Don  so 
ber  Äirc^engefd^icl^te  ZaXafidvov  'Egueiov  HcoCo/xsvoVf  unfere  §anbfc^riften  fc^reiben 
'EqjusIov  Zcotofjiivov  2aXaiAiviov  {v^to.2!aXaßjii]vlov)  Xöyog  Jigdg  xdv  avzoxQdxoQa 
Geodooiov  xzL,  unb  entf})re(i^enb  fagt  9ltce})lf>oru^  ßallifti  h.  e.  I,  1  'Egjueiag  jLihn^oi 
^(oC6ßjL€vog  6  xai  ZaXauiviog  xrX. ;  bei  SEfieoboru^  Sector  lefen  toir  2akafjuov  "^Eg- 
fieiov  I!(oCofi£vovt  ber  ^utor  be^  t)on  Seunclab  1596  ju  granifurt  l^erau^egebenen  30 
ius  Graeco-Romanum  citiert  p.  293  6  2o)Cofiev(yv  'Eg/ueiag  ygdwei  unb  p*  295  6 
^co^ofievov  Uyei  'Eg/ueiag.  ®ie  richtige  5Ramen^form  toirb  bie  be^^^otiu^  fein:  ©ala^ 
mane^  i^ermeiad  @o^omeno^  (t)gl.  äSalefiu^  in  ben  annotationes  ^u  bem  prooemium 
bei  §uffeV  p.  1  u.  4  f.). 

©.  ift  in  einem  c^riftlic^en  ^Qaxi^^  geboren,  ©ein  Urgrofetoater  toar  noc^  $eibe,  aber  40 
fc^on  fein  (Srofetoater  befe^rte  fic^  jum  Gl^riftentum  pfammen  mit  feinem  gangen  §aufe 
unb  mit  bem  ©efc^Iec^t  be^  3tIaj)^ion,  bie  erften  ßl^ften  in  bem  bamaU  nod^  gang  ^eibs 
nifc^en  2)orfe  Sct^elia  bei  ®aia.  3)er  ®runb  ju  ber  Sele^rung  toar  eine  tounberbare 
Teilung:  ber  9Rönc^  §tIarion  b^tte  au^  bcm  2lIa}}^ion  einen  35ämon,  ber  leinem  anbem 
meieren  tooHte ,  aufgetrieben.  S)ie  ©rftbetel^rten  tuufeten  in  ber  fii  anfd^liefeenben  46 
jungen  G^riftengemeinbe  Don  Setl^elia  fid^  eine  angefefiene  Stellung  gu  fc^affen ;  Sßaj)l^ion 
baute  aU  erfter  JJirc^en  unb  Älöfter,  be«  ©.  ©rofetjater  toar  al«  ©jeget  l^oc^gefc^ä^t ; 
toar  er  bod^,  toie  fein  (Snfel  fagt,  xard  X6yov  fieiglwg  rjyiuivog  (bg  xal  ägi^/xmixtjg 
fxfj  elvai  äjuoigog.  Unter  ^xd'xan  tvax  er  gegtoungen,  um  feine«  Olauben«  toiuen  gu 
fliefien(h.  e.  V,  15).  —  3)er  junge©,  fc^eint  in  ben  Äreifen  be«  SlIaj)l^ion  ergogen  toorben  w 
gu  fein.  SQJcnigften«  l)at  er  in  feiner  3"9^"^  "^i*  5?a(^fommen  be«  äIaj)^ion  berfel^rt 
(V,  15,  17)  unb  tpeife  fic^  3Könd^«freifen  ju  befonberem  S)anl  berjjflid^tet  (1, 1, 19).  Über 
®aga  unb  Umgegcnb  ift  er  gut  untemd^tet:  ba«J  nörbUd^  bon  ®aga  gelegene  S)orf 
%^ahata  (Dar.  %f)anaii:}a)  fennt  er  toie  e«  fd^eint  au«  ä[uto})fie  (III,  14, 21),  ben 
Sifd^of  3c"o  ^on  ^aiuma,  ber  §afenftabt  toon  ®aga,  ^at  er  gefe^en  (VII,  28,  6),  einen  b5 
5Pre«b)9ter  in  3:arfu«  in  Äilifien  ^at  er  gefj)rod^en  (VII,  19,  11),  auc^  in  ^^^J'^m 
(II,  26,  3  unb  $uffev  g.  b.  ©t.)  fc^eint  er  getoefen  gu  fein ;  ©})uren  bon  münblic^er 
SCrabition  üon  ®aga  (V,  9.  10)  unb  ^aläftina  (V,  21,  11;  22,  14,  bgl.  VI,  38,  4) 
jeigen  ftc^  in  feinem  SBerl  beutlid^;  ber  f^rifd^en  Bpxad)t  fc^eint  er  mächtig  getpefen  gu 
fein  (V,  15,  14,  t>gl.  III,  16).  ©})äter  Ijiat  er  ftubiert  unb  benöeruf  eine«  ©ac^toalter«,  eo 


542  SojomniQd 

scholasticus,  ergriffen.    3"^  3^*  f^"^  litterarifd^en  auftretend  tDtrfte  er  in  Äonftan- 
tinopd  (II,  3,  10). 

©.  fyit  jtoei  Itrc^engefc^tc^tliie  SBerfe  gefc^eben;  bo^  erfle  (t>gl.  h.  e.  1, 1,  12)  um? 

fagte  in  )h)ei  S3üc^em  bie  ©efc^icpte  ber  jtin^e  t)on  ber  Himmelfahrt  S^riftt  bid  ^u  Sici- 

5  niud;   ed  fc^eint  au^er  Sufeb  bie  clementinifc^en  ^omilien,  Qwfip'p  unb  @e:rttid  ^uliu^ 

äfricanu«  benu^t  gu  ^en  unb  ift,  fotoeit  toir  j^.  3-  urteilen  tonnen,  fjjurlo«  gu  ©runbe 

^ai  )h)eite,  bem  jtaifer  X^eoboftu^  b.  3-  getDibmete  unb  bie  t^olge^eit  bel^Kntbelnbe, 
größere  SBerf   ift  griec^ifc^  gum   erftenmal  \)on  9t.  Bttp^ann^  gu  $an6  1544  j^eraue^ 

10  gegeben  h^orben;  Qttpf^anu^  benu^te  ju  biefer  Su^obe  einjig  ben  cod.  Regius  1444; 
geittoeilig  forrigierte  er  i^n  nac^  ®utbünf en  (ügl.  5loIte  419  ff.).  Variae  lectiones  Christo- 
phorsoni,  Curterii  et  Scaligeri  (au  i^nen  ift  ba^  im  ärt.  ©ofrate^  ®efagte  gu  öeraleicbcn) 
notierten  bann  im  Sln^ng  ober  am  9tanb  bie  lateinifc^e  unb  grie^^ifc^Jateinifc^e  ©enf er  Stu^ 
gäbe.  9luf  ftc^erere  (Srunblage  ftedte  bie  Xe^geftaltung  aber  erft  9$aleftud;  er  }og  nebenbei 

15  ^anbfd^rift  be^  Ste))^anud  noc^  einen  Don  i^m  l^od^  gefc^ä^ten  cod.  Fucetianus  (je^t 
Paris.  1445)  l^eran;  er  toar  nic^t  alt,  mufete  aber,  toie  aDein  fc^on  ba«  f^^Ien  einer 
Äaj)iteleinteilung  betoie^,  au^  alter  unb  guter  SSorlage  ftammen.  2)aneben  tourben  lec- 
tiones Savüii  unb  bor  allem  bie  inbirefte  Überlieferung  be^  I^eoboru«  Sector  unb 
6affiobors@)}i))l^aniud  an^Atut^,    Sleabing  brudte  bann  bed  Sialeftu^  Slu^abe  ab,  bon 

20  3Rericu^  Safaubonu^  l^erftammenbe  JloQationen  eine^  cod.  Castellani  episc.  unb  eine^ 
cod.  domini  Jones  ganj  toie  in  feiner  ©olrate^udgabe  nac^tragenb;  ber  codex  be^ 
3ione^  fc^eint  mit  bem  codex,  aug  bem  bie  lectiones  Scaligeri  geflojfen  finb,  ibentifA 
ober  ioenigften^  näc^ft  bertoanbt  gu  fein  (pQl  bie  praefatio  gu  $uffe^«  ©ojomeno^  VIII). 
§uf[e^^  Slu^abe  ift  })oft^um  unb  jum  größten  leil  toon  SC^^^^n«^)  S(arroh))  bun^  bie 

26  treffe  gefü^  ioorben ;  Don  S3anoh)  ftammt  aud^  bie  praefatio.  SBic^tig  ift  bie  äu^ 
gäbe  befonber^  baburc^,  bafe  in  i^r  jum  erftenmal  ber  9trc^et^j)u3  Don  be«  Ste^j^nu^ 
Regius,  ber  cod.  Barocc.  142  loDationiert  ift  (pal  bie  praef.  )u  ©uffey^  ©ojomeno^ 
IX).  3tu§fü^rli(^er  unb  g.  2^.  SBarroto  lorrigierenb  ^at  bann  6.  be  Soor  biefc  §anbfc^rift 
befd^rieben.    @r  betont  mit  Siecht,  bafe  bie  J^anbfc^rift  bon  üerfAiebenen  §änben  gu  t^t- 

80  fd^iebenen  ^c'xUn  aefc^ricben  toorben  ift,  unb  ba^er  „unmöglich  bei  ber  2:e5tedrejenfujn 
ate  eine  einheitliche,  in  aßen  2:cilen  gleicbioertige  §anbf(^rift  betrad^tet  toerben"  fann 
(be  Soor  482).  Iro^bem  toirb  t)on  bem  bi^l^er  betannten  SKaterial  neben  il^  ^öd^ftene 
noc^  ber  cod.  Fucetianus  ernftlicl[>  in  Setrac^t  lommen :  9Jolte  425  urteilt,  ba^  er  fajt 
ade  befferen  Se^arten  betS  Bodleianus,  be^  cod.  Castellani  unb  be^  cod.  Jones  entl^It. 

Böfieiber  ift  i^alefxu«  ÄoUation  nid^t  gutoerläffig  (5lolte  424  unb  426  ff.,  too  gelegentlich 
9?ac^träge).  3)a6  fid^  auc^  burc^  eine  emftli^e  Sluöbeute  be^  3:i^eoboru^  Sector  unb  be^ 
Gaffiobor  über^uffeb  ^eraußtommen  läfet,  l^at  3lolU  426  ff.  gezeigt.  429  ff.  finbet  man  %cb- 
träge  ju  §uffe^g  Äotlationcn  unb  2Serfuc|e,  feinen  3:ejt  gu  beffem.  Sitten  jufammen  betoeift 
bie  toöllige  Unbraud^barfeit  ber  englifc^en  2lu^gabe.    3!)ie  berliner  2lu^abe  befinbet  fwi 

40  in  Vorbereitung. 

I)ie  Äirc^engefd^ic^te  be^  ©.  ift  un^,  toie  befonber^  ©arragin  166  ff.  gezeigt  bat, 
nur  t)erftümmclt  erhalten;  ber  ©d^lufe  fe^lt:  IX,  16,  4  tünbigt  an,  bafe  öon  ber  äuf- 
finbung  ber  Slcliquien  be^  ^rojj^eten  3^^^^^^^  wnb  be^  35iafonen  Step^anu^  berichtet 
merben  foH,  cap.  17  beginnt  äg^o/iai  dk  rov  noocprjxov  unb  erjä^It,  toie  ber  2eib  be^ 

45  3ac^öria^  gefunben  tourbe ;  bann  brid^t  ber  3^ejt"  ah,  o^ne  bafe  ©tejj^anu^  auc^  nur  er- 
toä^nt  toirb.  2öic  biel  bon  ber  2)arftellung  be^  ©.  fe^lt,  Iä|t  fid^  a\x^  bem  SSortoort 
in  ber  Äirc^engefc^ic^te  ungefähr  ermeffen ;  nac^  i^m  beftanb  ba^  ganje  23Jerf  au^  neun 
Suchern  unb  reichte  bi^  gum  17. 5!onfulat  S^eobofiusJ  b.  3iv  ^-  ^'  ^^^  l^^  3«^^«  439  n.(SBr. 
Der  \xn^  erj^altene  Xejt  ge^t  bi^  ettoa  425  (ügl.^ee})  140) ;  eö  mag  ein  ^albe^  35uc^  toerloren 

60  gegangen  fein.  (Sülbenjjenning,  2:^eoboret  13  ff.  ^at  atlerbing^  bie  3:^ef e  berfocj[^ten,  ©.  ^bc 
ben  ©c^Iufe  feinet  SlSerfeg  felbft  nod^  unterbrüdft;  ba^  fei  nötig  getoorben,  ba  in  i^m  bie  um 
i^reö  üerincintlid[;en  (S^ebrud^e^  toillen  fjjätcr  in  Ungnabe  gefallene  Äaiferin  ©ubofia  genannt 
tüorbenfci;  „unmöglich  burftc  ein  Äir4>enl;iftorifer,  toel^er  feinSKerl  bem  2^^eobO' 
fiu^toibmcte,  burc^  DJennung  bee  3Jaincn^  gubocia  bie  SBunbe  berühren,  toelc^e  il^m  bun^ 

66  feine  eigene  (Siferfucf)t  fo  tief  gef erlagen  toar."  3)ie  Stnnal^me  ift,  Don  allem  anbem  abgefe^en, 
fc^on  baruni  me^r  n)ie  untoa^rfc^einlid^,  toeil,  toorauf  fd^on  ©arrajin  aufmcrffam  gemacht 
\:}ai,  noc^  9Jicc}3^oru^  bcnSd^lufe  beöSBerfe^  beö  ©.  gelcfen  ^at;  nac^bem  er  XIV,  8  im 
Slnfc^lu^  an  ©.  über  bie  3luffinbung  ber  Seiche  be^  3^^^^'^^  ge^anbelt  l^at,  er^ä^It  er 
XIV,  9  toon  ber  ber  2eicf)e  bcö  ©tejjl^anug.    3tud^  bie  oon  I^eojj^anee  benu^ten  ex- 

60  cerpta  Barocciana  loiffen  öon  ©tei)(^anu^  ju  berichten  (©arrajin  166 f.);    ba  pe  d^^ 


@ojomen0d  543 

21^eoboru^  ficctor  fd^öjjfcn,  f o  mu^  auc^  er  in  bcn  und  Verlorenen  Suchern  ben  verlorenen 
©d^Iu6  bed  6.  0e!annt  unb  benu^t  ^ben  (togl.  be  Soor  487  f.,  Il^eo^^aned  I,  p.  VIII, 
^iftortfd^e  Unterfuc^ungen  21.  ©c^äfer  geioibmet  282).  3)a6  il^n  aud^  ®regor  b.  ®r.  getannt 
i}at,  läfet  fid^  nid^t  red^t  beioeifen;  jtoar  [te^t  bad  £ob  beg  3:^eobor  Von  aRoj)fueftia,  bag 
er  nac^  ep.  VII,  34  bei  ©.  gelefen  ^aben  toitt,  in  unferm  ©.  nid^t;  aber  ed  ift  fe^r  6 
leicht  mögltd^,  bafe  Oregor  ©.  mit  I^eoboret  (V,  40)  toerioec^felt  ^at  (Vgl.  SSalefiuö  ju 
ben  testimonia  veterum  in  §uffe^d  ©ofrated  I,  p.  XIX). 

Sind  bem  (Sefagten  folgt,  ba^  bie  Äirc^engcf^id^te  bed  ©.  nic^t  Vor  439  unb  nic^t 
nad)  450,  bem  2^obedja^r  bed  I^eoboftud,  gefd^rieben  fein  fann.  ©ie  genauer  ju  batieren 
l^ot  befonberd  ®ülbenj)enning,  3:^eoboret  12  verfuc^t.  6r  glaubt  ben  terminus  post  lo 
quem  auf  443,  ben  terminus  ante  quem  auf  447  feftfejen  unb  ald  ioal^rfc^einlic^e 
Slbfaffungdjeit  bad  ^aljx  443/444  beftimmen  ju  fönnen.  Slber  nur  ber  Setoeid  für  bie 
Slbfaffung  nad^  443  ift  Voll  gelungen  (bad  prooemium  bed  ©.  ertoä^nt  ben  mit  $ilfe 
ber  Novell.  Theod.  XXIII  ^bm  auf  443  )\u  batierenben  3^0  ^^  2:^eobofiud  nad^ 
Äleinaften),  bie  2lbfaffung  Vor  447  bleibt  unfic^er.  hingegen  läfet  fid^  fd^on  \)'m  mit  lö 
größerer  Seftimmt^eit  fagen,  bafe  ©.  nac^  ©ofrated  gefd^rieben  ^at.  Setoeifenb  ift  allein 
fd^on  folgenbed:  ©ofr.  1, 38,  9  loeife  ^n  er^ö^len,  ba|  ber  äcpedgcov  auf  bem  älriuö  ge= 
ftorben  ift,  in  Äonftantinojjel  gezeigt  toerbe,  ein  bauernbed  ©rinnerungd^eid^en  an  bie 
lobedart  bed  3lriud ;  ©oj.  II,  30, 6.  7  berid^tet,  bafe,  nac^bem  lange  niemanb  ben  Drt 
^u  betreten  getoagt,  fd^liefeüc^  ein  ärianer  bad  ©runbftüdf  getauft  unb  ein  §aud  barauf  2t) 
gebaut .  ^abe.  3)a  beibe  2lutoren  in  Äonftantinot)el  fc^reiben,  tvirb  man  leinen  eined  ^xx^ 
tumd  geilten  mögen.  SJlan  ioirb  Vielmel^r  annehmen  muffen,  bafe  bad  Orunbftüdf  nac^« 
bem  ©otratcd  unb   bevor  ©.  gefc^rieben  fiat,  Verlauft  unb  bebaut  toorben  ift. 

2)a6  beibe  Sc^riftfteHer  litterarifd^  na^e  verlüanbt  fmb,  jeigt  fi^  auf  ©d^ritt  unb  Iritt, 
bag  ©.  ben  ©o!rated  benu^t  ^at,  i)at  fd^on  SSaleftud  bel^au^tet,  ^uffe^  in  feinen  annotationes  25 
gu  ©.  unb  ®ülbenj)enning  in  bem  von  ifim  unb  Sflanb  ^erau^aegebenen  Suc^  über  2^^eos 
bofiud  b.  ®r.  betoiefen.  ^olg^aufend  ^f)^^,  ba^  bie  SSertoanbtfc^aft  nur  in  ber  gemeinfamen 
Senu^ung  berfelben  Duetten  i^ren  ®runb  ^abe,  tann,  obtoo^l  9lolte  I^D©  1859,  522 
unb  Äauffmann  223  i^r  jugeftimmt  l^aben,  aU  enbgiltig  toiberlegt  gelten.    3)enn  bie  bei 
®ülben)3enning  26  ff.  in  tabettarifc^er  ^orm  gegebene  Überfielt  über  ben  3"^^  von  ©ofr.  ao 
V,  1—26  unb  ©oj.  VII,  1—29  jeigt,  bafe  beibe  ©c^riftfteDer  nic^t  nur  benfelben  ©toff 
Verarbeiten,  fonbem  auc^  „ber  ®ang  ber  2)arftettung  bei  beiben  ein  tounberbar  glei^er 
ift".    ©ogar  einßjIuriJ  über  liturgifd^e  2)ifferenjen  jtvifc^en  ben  Verfd^iebenen  ^roVinj^tal* 
firc^en  finbet  fic^  bei  beiben   an   genau  entf))rec^enber  ©teile  (©o!r.  V,  21.  22  =  ©og. 
VII,  18.  19).    einjelncd  fommt  ^ingu.    ©0  er^äl^lt  5.  S.  ©ofr.  1, 10  eine  i^m  auf  bem  35 
äl^ege  münblid^er  3)rabition  überfommene  2lnefbote;    er  bemerft   audbrüdflic^,  bafe  toeber 
©ufeb  nod^   fonft  jemanb   fie   fennt;    bei  ©oj.  I,  22  finben  tvir  biefelbe  2lnetbote;  ber 
toörtlic^e  Slnflang  an  ©ofr.  betoeift,  ba^  S.  feinerfeit^S   nic^t  auc^  aud  münbli(^er  ^^ra^ 
bition,  fonbem  eben  a\x^  ©ofrate^  fc^ö^ft  (®ülbenj)enning  a.  a.  D.  24,  3;eev  139).  Ober: 
®o!r.  1, 14, 1  ff.  bringt  ben  befannten  93rief  be«  Sufebiu^  unbll^eognid  an  bie  nicänifd^en  40 
Sifc^öfe   unb    fagt  §  7,  bie   Vorliegenbc  Urfunbe    beloeife,    bafe  Slriug    Vor  @ufeb  unb 
SE^eogni«  ^urüdtberufen  ioorben  fei,  ber  gortgang  ber  ®efc^ic^tc  betoeife  aber,  ba^  2lriu« 
bie  ©tabt  aiejanbrien  nic^t  l^abc  betreten  bürfen:  rfjg  ^AXe^avögelag  biißaiveiv  xexcO' 
Xvxo.  2öaö©ofrate«  au^Urfunben  betoeift,  bietet  ©05.  II,  16  (unb  jtoar  mit  toörtlic^em 
Slnflang  an  ben  Ü^i  be«  ©ofrate«)  einfad^  al«  SE^atfad^e :  "'ÄQeiog  fih  hü  xnv  iSo-  4& 
Qiav  djiayöjuevog  dvExXrj&rj'   "'AXe^avögeiag   de  hi  imßaiveiv   xexdyXvTO.     ^ie  Se« 
nu^ung  bcö  ©ofrate«  burc^  S.  liegt  toieber  auf  ber  §anb. 

kältere  gorfc^er  unb  auc^  nodb  31.  ^arnadf  in  ber  2.  2lufl.  biefer  ©ncvfloväbie  (anberS, 
ioie  e«  fd^eint,  2:^23  1884,  632)  ^'aben  auf  ®runb  biefe«  ©ac^ver^alte«  bie  SRicbtigfeit  ber  von 
©.  in  ber  SSonebe  ju  feinem  SKerf  gemad^ten  Slngaben  bejtoeifelt;  benn  bort  fü^rt  ©.  axx^,  bafe  w 
er  für  feine  ®efc^id^t«barftettung  ©^nobalfc^reiben,  faifcrlic^e  Sriefe,  ®efe|e  unb  anbere  Ur« 
funben  eingefe^en  \:)obz.  —  ©ine  genauere  S3etrad^tung  ber  Äirc^engefc^ic^te  be«  ©.  betoeift,  bafe 
bie  angaben  i^re«  9[5erfaffer«  ganj  unb  gar  ju  ^zi^i  befte^en.  3)a^  man  ba«  nic^t  fo* 
fort  gefeiten  l;at,  liegt  ^auptfäd^Iicb  baran,  bafe  e«  bem  Stilgefühl  be«  ©.  toiberftrebt,  ben 
3ufammen^ang  feiner  i)arftettung  irgenbtoie  ju  burc^brec^en,  unb  er  bal^er,  toie  er  I,  1,  65 
14  au«brüd(icb  fagt,  auf  9Ritteilung  ber  i^m  Vorliegenben  Urfunben  im  attgemeinen 
Verjic^tet.  Jl>o  er  bicfem  ®runbfat^  untreu  mirb,  ^at  er  getoöbnlid^  feinen  guten  ®runb: 
er  brandet  bie  Urfunbe  xu  einer  Setoeisfü^rung  toie  5.  S.  ben  IV,  18  au«gefd^riebenen 
S3rief  ber  ©^nobe  Von  Slriminum  (vgl.  IV,  19,  4  unb  §uffe^  5.  b.  ©t.),  ober  er  bringt 
fxe,  toeil  Sofrate«  fie  übergangen  l^at  unb  er  feinen  äJorgänger  erflöngcn  toill ;    fo  g.  S.  go 


544  ®o)omeuod 

Don  J)oUtijc^en  Urhinbcn  IV,  14  einen  Srief  be^  Üonftantin  an  bte  Oemeinbc  bon  3lm 
ttoc^ien  unb  V,  16,  5  ff.  einen  Srief  be^  ^nlxan  an  ben  galatifc^en  93tfc^of  Slrfalio^,  t)on 
lird^Iic^en  Utfunben  III,  22    einen  33rief   ber   ^^^f«'^*"^  ©Vnobe    über   ätl^anafni^, 

III,  23  einen  S3rief  be^  Urfatio^  unb  SSalenö  an  3"'^"^^  m^  24  einen  35rief  berfelben 
5  Sifc^öfe  an  ät^anafiug,  IV,  13  einen  Srief  beg  ©eorgiog  üon  Saobicea,   VI,  23  einen 

Srief  ber  römifc^en  ©tjjnobe  Don  369.  3)afe  ©.  auc^  ©efeje  eingefe^en  fyxi,  jeigt  fic^  bcö 
öfteren ;  Seifpiele  für  bie  3cit  be^  I^eobofiug  bringt  Slaufc^en,  gal^rbüc^er  ber  c^riftl.  Äin^c 
unter  bemÄaifer  2^^eobofiu^  b.  Orofeen,  4:  nac^  il^m  erhjci^nt  ©03.VII,  5  (bgl.  ©olr.  V,  7) 
„ein  ®efe|,  beffen  gnl^alt  er  ju  ®nbe  be^  Vorigen  Äa})itel«  mitgeteilt  l^at  (Cod.  Theod.  XVI 

10  1,  2),  bon  bem  aber  bei  ©o!rate^  ntc^tg  ju  finben  ift",  teilt  er  VII,  9  (bgL©oIr.  V,8) 
„ba«  ®efe^  Cod.  Theodos.  XVI  1,  3  richtig  mit  unb  fättt  nic^t  in  ben  gel^lcr  bcg©o= 
frate^,  ber  in  bem  ®efe$e  bie  ©infe^ung  öon  »Patriarchen  über  bie  fünf  2)iöcefen  bc^ 
Dftreic^e^  finbet."  gerner  fügt  er  VII,  12  „ben  äiu^^ug  eine^  ®efe|e^  bei,  todd)^  ©0= 
Irate^  ni(^t  ertoä^nt",  benu^t  VII,  15  baö  ®efe^  Cod.  Theodos.  XVI  10,  11  unb  er^ 

latoeitert  VII  16  benSeric^t  beö  ©ofr.  V,  19  u.  a.  „burc^  3Kittl^eiIung  be«  ©efefte«  Cod. 
Theod.  XVI  2,27  über  bie  ^ialoniffen."  ä^nlic^  ift  e«  au^er^alb  ber  Slegierung^eit 
beg  SC^eoboftu«.  ©0  j.  93.  gleich  I,  5,  2.  3  ober  I,  8,  14,  h)o  ®efe|e  al«  3eugcn 
angeführt  toerben. 

3)ag  t)on   ifim   bertpertete  lird^lic^e  2lftenmaterial  toirb  ©.  gum  großen  2^cil  ben 

20©ammlungen  entnommen  l^aben,  bie  er  I,  1, 15  (too^l  im2lnf(^lu^  an  ©ofr.  II,  15,  8.  9 
unb  II,  17, 10)  c^arafterifiert.  Die  größte  unter  i^nen  toirb  bie  beö  ©abino^  getoefen 
fein.  ©.  ^at  fie,  ioie  %  »atiffol  in  ber  93^^.  3eitfc^rift  VII,  265  ff.  gezeigt  ^at,  bt- 
ftänbig  gur  $anb  gehabt  unb  grünblid^  benujt.  3)ie  erften  ©^uren  fc^einen  fic^  bei  9cs 
ginn  ber  SJarfteßung  be^  arianifd^en  ©treite^  ju  jeigen  (Satiffol  269  ff.),  bie  legten  bei 

26  bem  S3erid^t  über  bie  367  ju  Slntiod^ien  in  Äarien  tagenbe  mafebonianifc^e  ©^nobe 
(Satiffol  283).  3)ajh)ifc^en  giebt  e«  !aum  ein  „arianifc^e^"  ÄonjU,  ju  bem  ©.  nic^t  ©abino^ 
eingefel^en  ^ätte;  er  fennt  unb  benu^t  Urfunben  gu  ben  ^^noben  bon  3^^^«  (335), 
^erufalem  (335),  Äonftantino})el  (336),  Slntioc^ien  (341),  ^l^ilij)})0}3oa«  (343),  änttocbicn 
(356),  Sirmium  (358),  Slntioc^ien  (358),    änc^ra  (358),  Slimini^Seleucia  (359),   äoru 

30  ftantino^el  (360),  Slntiod^ien  (363),  Samjjfatu«  (364),  SC^ana  (366),  aintio(^ien  in  Äaricn 
(367).  3""^  93eh)eife  nur  toenige  au«  93atiffote  2)arfteIIung  entnommene  35eif^iele:  II, 
25, 11  bertoeift  auf  bie  2lf ten  ber  ©^>nobe  bonl^ruiJ  unb  be^aujjtet,  bie  Slrianer  Ratten 
für  ftd^  Ungünftige«  nic^t  in  fxe  aufgenommen :  ovx  ifjupigerai  röig  Jiengay/uevoig  ^et^t 
e«  bon  ber  t^öri^ten,  toirflid^  ober  angeblid^  gegen  Slt^anafiu«  erfiobenen  Slnflage.  —  II, 

35  27,  14  berid^tet  über  bie  ©i^nobe  bon  ^^wf^I^^"^  wnb  bemerft  xal  Sie  rovro  ijzolTjaav, 
avTCp  re  x(p  ßaoiXsT  eygayfav,  xal  xfj  IxxXrjoiq  ^AXe^avdgelag  xal  TÖig  ävä  xijv 
AXyvTttov  xai  &rjßaida  xal  Aißvrjv  htioxdnoig  xal  xXrjgixoig.  ©otrate«  ertoöbnt 
I,  33  bie  33riefe  an  ben  Äaifer  unb  bie  Stleianbriner  auc^,  ben  an  bie  Sifc^öfe  SgVijtcn^, 
ber  I^ebai«  unb  Sib^en«  fennt  er  nic^t;  S.  ^at  i^n  nachgetragen. —  11,33, 1  bericbtet, 

40  bie  ©^nobe  bon  Äonftantinojjel  l^abe  an  bie  ßJemeinben  ®alatien«  gefc^rieben,  fie  foDten 
dvaCtjT'^oai  xrjv  MagxeXXov  ßlßXov  xal  i^aq^avioai  xal  xovg  xd  avxä  (pgovoima; 
eixivag  evgoiev  fiexaßdXkeiv.    ©ofrateö  (I,  36)  toeife  nic^tö   bon  biefem  ©(^reiben.  - 

IV,  22  erjäl^It  über  bie  ©t^nobe  bon  Seleucia  mit  me^r  2)etaite  toie  ©ofrate«  unb  refe- 
riert befonber«  §  22  über  eine  Siebe  be«  gleufiu«  bon  ß^^icug,  bie  ©ofr.  II,  40, 35  ni(f»t 

40  ertoä^nt.  SBo^er  ©.  feine  Äenntniffe  ifoX,  leigt  §  28 :  6  de  (pdcbv  (3SaIefiu«  bennutet 
h)of)l  richtig  co  öe  (plkov)  dxgißcog  xd  xau^  exaoxov  sldevai,  ix  xcbv  inl  xovioi; 
Tigax&evxcov  vjiofivrjfxdxcüv  eloexai,  ä  xaxvygdcpoi  nagovxeg  dviygaxpav, 

hieben  ©abino«  benu^t©.,  toie  toieberum  35atiff ol  (S^^^.  3tfc^r.  X,  130)  beriefen  bat, 
bie  2)arfteIIung  unb  Urfunbenfammlung  ber  historia  Athanasii :  IV,  9  unb  IV,  10  geben 

50  \'  2^.  öwf  bie  §§  3  ff.  ber  historia  ^urüct.  2)a  ein  SUergleic^  be«  ©.  mit  ber  historia 
für  bie  Strt  feiner  Cueßcnbenu^ung  le^rreid^  ift,  fe^c  id^  ben  Stnfang  ber  ))araffelcn  2cftc 
nebeneinanbcr ;  ber  SSergleic^  jeigt,  toie  ©.  faft  ade  ®aten  unb  Flamen  ^erau^ftreicbt; 
baöfelbe  Äunftgcfc^,  baö  i[;m  berbot,  Urfunben  in  extenso  mitzuteilen,  berbietet  ii^m  au(fi 
biefe^  urfunblic^e  SRaterial  ^u  überncE^men. 

&6  Post  hoc  tempus  Athanasius  audiens  ^Ädavdotog  dk  nei&dßevog  tußov 
adversum  se  turbam  futuram,  impera-  keveo^ai  h  xdig  ßaodeioig  avxbg  /^' 
tore  Constante  in  Mediolano  consti-  ngög  ßaoiUa  ll&eiv  ovxe  h^dggr^oev  orrf 
tuto,  direxit  ad  comitatum  navigium  Ivotxekelv  iöoxljuaoev .  'EjideSajuevog  ^ 
cum    episcopis    quinque,    Serapionem     xcov  h  Äiyvmco  huoxdTKov  tibvxe^  o)v 

CO  Tuitanum,   Triadelphum    Niciotanum,    r}v  Hega7iiü)v  6  Ojxovalog,   drijQ  k  ^^ 


Sojomcilod  545 

Apollonem  Cynopolitanum  superioris  judXiora  xov  ßlov  ^eojiioiog  xal  Xeyetv 
Ammonium  Pachemonensem  et  pres-  deivög,  neunei  (bg  ßaodia,  ngdg  diotv 
byteros  Alexandriae  tres  Petrum  me-  töte  Tfjg  aQxofiivrjg  didyovra.  2vujiifi' 
dicum,  Astericum  et  Phileam.  Post  nei  de  avxdig  xal  Tfjg  vii  avxbv  exx^.1]- 
nicorum  navigationem  de  Alexandria  oiag  TiQeoßmigovg  rgelg  xataXXd^ovrag  6 
consolato  Gonstanti  VI  Aug.  et  Con-  avrcß  tdv  XQarovvtaf  xal  f)v  öeoi,  Jigög 
staute  Caesare  II,  Pachom  XXIV  die:  tag  diaßoXdg  xwv  kvavxloiv  äjiokoytjoo- 
mox  post  IV  dies  Montanus  Palatinus  /Lisvovg,  xal  xä  äXXa  ngd^ovrag  8nr}  äv 
ingresestAlexandriam  Pachom  XXVIII,  r/;  ixxXi^aiq  xal  aincp  ägioxa  yivcoaxco- 
eiusdem  Augusti  littera  Gonstantis  oiv.  ^ÄJionXevodvTCDv  de  avrcbv  fiei  ov  lo 
dedit  episcopo  Athanasio,  per  quas  vi-  noXv  ygd/bifiaTa  xov  ßaodicog  iöi^aro 
cabat  eos  occurre  ad  commitatum,  ex  xaXovyia  avrov  etg  td  ßaoiXeia  (l^ier 
qua  re  nimis  vastatus  est  episcopus,  fc^eint  @o).  vocabat  gelefen  ;|u  l^aben). 
et  omnis  populos  fatigatus  est  valde:  ^Em  de  rovtco  avzdg  'Ai^avdoiog  xal  6 
ita  Montanus  nihil  agens  profectus  kadg  rfjg  ixxXrjalag  hagdx&rjoav  xal  16 
est,  relinquens  episcopum  Alexandriae.  ivaycovcoi  fioav  ovte  nel^eo^ai  rcß  ßa- 
{^lacf)  einer  ^^otogra^^ie,  bie  \d)  ber  odel  hegood^cp  övxi  doqxxlkg  voulCov- 
®üte  t)on  §.  £ie|mann  toerbanfc.  (Sine  IxU  xeg^  athe  äjieii9eTv  dxlvovvov .  'ExQdtei 
tifc^e  ausgäbe  Bereitet  6.  ©(^toar^  toor.         Si  Sjuwg  ßieveiv   xal  6  rd   yQdjujuara 

xopuaag   onqaKxog    dviotgeq^e.  20 

3l^hm  ber  historia  Athanasii  benu^t  @.  auc^  bie  ^erfe  bed  Slt^anaftud;  fo  er- 
gänjt  er  II,  22  ben  Seric^t  be«  ©olrate«  (I,  27)  au«  ber  Apologia  c.  Ar.  59 ff.  (ügl. 
3jeej)  144)  ober  f(^reibt  II,  30  Äthan,  ad.  episc.  Aegypt.  18  f.  au^  (^jecj)  145).  — 
$on  2)arftettungen  ber  ©efd^ic^te  ber  (^rtftK(^en  Äirc^e  fat  er  neben  6ofrate«  fi(^er  noc^ 
^u)zb  unb  SRufin  eingefe^en.  3)ag  ^aben  fc^on  SSaleftu«  unb  §ujfe^  in  ben  Slnmerlungen  25 
^uSo^omenod  erlannt;  ^ctp  141  ff.  i)ai  e«  im  3ufan^nien^ang  bargelegt.  38on6ufeb  lommt, 
h)ie  e«  fc^eint,  nur  bie  Vita  Constantini  in  S3etra(^t.  9lac^  i^r  h)irb  j.  S3. 1,  3  unb 
^toar  unter  au^brücflic^er  Berufung  auf  ßufebiu«  bie  SSifion  be«  Äonftantin  gefc^ilbert, 
unb  11,2  berSerid^t  be^Sofrate«  (I,  17)  über  ipelena«  grömmigleit  unb  SBallfa^rt  nac^ 
3crufalem  ergänjt  (ögl.  Soj.  II,  2,  3  mit  ßuf.  III,  44  unb  Sofr.  1, 17,  13).  —  Öfter  ao 
h)irb  SRufin  benu^t,  fo  j.  S3. 1,  18,  too  bie  bon  ©ofrate«  übergangene  ©efc^ic^te  ber  Se^ 
fe^rung  eine«  arianifd^en  ^^iIofoj)^en  nac^  Stufin  X,  3  nachgetragen  toirb.  S^lereffant 
ift  ber  aUcrgleid^  bonSoj.  II,  17,  6  ff.  «nt  ©ofr.  I,  15  unb  Slufin  X,  14;  alle  brei  erjä^Ien 
biefelbe  3tneIbotc  au«  ber  Äinb^eit  bc«  SltJ^anaftu« ;  Slufin  ift  Original,  ©olrate«  fqreibt, 
tüie  er  au«brücflic^  fagt,  SKufin  au«,  S.  lennt  ©ohate«,  aber  er  f)at  fid^  nid^t  mit  feinem  36 
33erid^t  begnügt,  fonbem  fi^  burd^  il^n  auf  Slufin  fül^ren  laffen  unb  biefen  nac^gelefen; 
in  ber  Rorm  ber  3)arfteUung  fte^t  er  bem  Stufin  nä^er  toie  bem  ©olrate«.  Ob  ©.  ba« 
lateinifcpe  Original  be«  Slufin  ober  toie  ©ofratc«  bie  griec^ifc^e  Überfe|ung  benu^t  f}at, 
ift  meine«  SÖiffen«  noc^  nic^t  unterfuc^t  toorben.  ^m  übrigen  bergleid^e  man  neben  3eej)  aud^ 
bie  annotationes  ju  ©oj.II,7,2;  11,7,8;  11,25,9;  111,2,10;  V,20,3;  VI,18,5;  VI,40 
20,  5;  VII,  13,  5;  VII,  15,  7;  VII,  15,  10;  VII,  22,  5  unb  anö)  too^l  fonft.  —  SJafe 
S.  neben  ben  ort^obojen  2^arftellungen  be«  6ufeb  unb  Slufin  bie  ^eterobojre  be«  ^^ilo- 
florgio«  eingefe^en  ^abc,  ^at  gee})  147  f.  ^u  betoeifen  berfuc^t.  ^eejp  lann  Stecht  ^aben, 
boc^  tpürbe  man  in  ber  ^ad)^  gern  noc^  flarer  fefien.  —  35afe  II,  17,  V,  18  unb  biel- 
leicht  auc^  VI,  22  bie  a})ollinariftifc^e  Äirc^engefc^id^te  be«  SCimotl^eu«  bon  Ser^tu«  benu^t  46 
toirb,  bermutet  $.  Sie^mann,  9lJ)oßinari«  bon  2aobicea  43  f. 

SBon  ^rofan^iftortfem  ^at  ©.  bor  allem  unb  bielleic^t  einjig  ben  Ol^mjjiobor  be« 
nu^t.  2)en  93etoei«  bafür  ^at  3.  Slofenftein  erbracht  (bgl.  auc^  ^^tp  151).  3)urc^fc^J[agcnb 
ift  bie  g.  X.  tt)i>rtlid^e  Übereinftimmung,  bie  fic^  jtoifc^en  bem  Ol^mj)ioborfragment*Corp. 
scriptt.  hist.  Byzant.  I,  451  unb  ©0^.  IX,  11  finbet  (bal.  Stofenftein  171  ff.).  Diefio 
53enu|ung  gc^t  fe^r  toeit ;  bcnn  ein  3[}erglcic^  mit  bem  gleic^faD«  Ol^mj)iobor  benu^enben 
^>^ofimu«  fc^eint  ^u  jeigen,  bafe  ba«  game  neunte 53u(^  be«©.,  fotoeit  e«  nic^t Sleflejionen 
be«  Sc^riftfteller«  enthält  ober  bon  ©oifrate«  abfiängig  ift,  „ein  gebrängter  9lu«jug  au« 
Dl^mjjiobor"  ift  (Stofenftein  201,  Dgl.  178).  —  giften  ^at  ©.  nid^t  eingefe^en,  ja  er 
übergebt  fogar  ba«  bon  So!rate«  aix^  i^nen  Iierau«ge5ogene  SJlaterial  faft  bur(^gängig.  66 
SBieber  toirb  e«  ba«  ©treben  nad^  einer  eleganten  3)arftellung  fein,  bafe  i^n  biefe  chrono- 
logifd^en  Sbtijen  aufzunehmen  l^inbcrte. 

©elegcntlic^    bcnu|t    fd^eint    neben    münblid^er  Irabition    befonber«  folc^er  ^alä= 
ftina«  unb  Äonftantino})cl«  (bgl.  j.  ».  II,  1,  12;  II,  3,  10;  IV,  16,  11.  13;  VI,2,  8.  10. 
14 ;  VII,  15,  9 ;  VII,  17, 8 ;  VII,  19,  11 ;  VII,  26,  5 ;    VIII,  5,  6)  be«  at^nafiu«  Vita  eö 
MiaUdncDnop&ble  für  t%tolo%\t  unb  ffMc.   3.  «.  XYlil.  "^r^ 


546  @0)0ttteii0d 

Antonii  (I,  13  unb  Slcabing  j.  b.  ©t.),  fitften  l)erftf(^er  SKärt^rer  (II,  14,  5  unb  $ujfcb 
j.  b.  et.;  Dgl.  auc^  I,  1, 18),  Xöyoi  be«  guftat^iu^J  Don  Stnriod^icn  (II,  19,  7),  Euseb. 
c.  Marc.  (II,  33,  2  unb  Saleriu«  5.  b.  St.),  bcr  S3ricf  bc«  6t^a  üon  Serujolem  an 
ßonftantiug  über  bic  hjunberborc  Äreu^crfd^einung  (IV,  5,  4),  Sricfe  Sw^an«  (V,  3,  4) 
5  Johannes  Chrysostomos  de  S.  Babyl.  contra  Julian,  et  Gentil.  t.  II  p.  564 
bejh).  bcffcn  Duette  (V,  8,  3  unb  ^uffe^  5.  b.  ©t.),  Otegor  bon  Slajianj  (VI,  27,  2;  V, 
2,  3;  V,  17,  10;  VI,  16,  7  unb  bte  annotationes  ^u  benStctten),  Sibaniu«  (VI,  1,  15). 
3)a^  bie  griec^tfcl^e  Überfe^ung  ber  Vita  Hilarionis  befannt  fei,  fud^te,  ban  ben  3Jen: 
J^rome  et  la  vie  du  moine  Malchus   le  captif  108  ff.  ju  geigen.    Über  ba«  2?er= 

to  l^ältni^  be^  Sojomeno^  ju  ber  historia  Lausiaca  unb  ber  historia  monachorum 
l^anbelten  u.  a.  Suciu«,  3Ä®  VII,  177  ff.,  ^reufc^en,  ^Pattabiu^  unb  Slufinu«  180  jf. 
226  ff.,  SButler,  Texts  and  Studies  VI,  51  ff.,  6.  S^mtbt,  ®g9l  1899,  7  ff.  ßin 
toottftänbiger  überblicf  über  bte  Duetten  be«  ©.  ift  ^ur  3rit  ni(^t  möglic^.  (grft  bte  fcbon 
lange  in  SSorbereitung  befinblic^e  unb  l^offentlic^  balb  erfd^einenbe  Slnal^fc  ®e))})crt«  toirb 

16  il^n  bringen. 

gmmerl^in  genügt  ba^  ©efagte,  um  m  jetgen,  in  toeld^em  ®eift  unb  mit  toclc^en 
aibftc^ten  ©.  feine  Äirc^engefd^ic^te  gefd^rieben  ^at.  @r  l^at  ben  gaben  feiner  SJarftettung 
au«  ©ofrate«  entnommen,  aber  er  fuc^t  biefen  ju  berbeffem  unb  ju  überbieten,  nic^t  nur 
burc^    ßleganj  ber  ^arftettung,    fonbem   auc^  burc^  Äeranjiel^ung  5.  %.  auöge^eid^netcr 

20  Duetten.  Sor  attem  l^at  er  ftc^  bemüht,  bad  il^m  jur  SJerfügung  fte^enbc  9HterimateriaI 
forgfältig  ju  toertoerten.  ®er  Slnfc^Iu^  an  feine  Duetten  ift  getoöl^nlicl^  eng,  h)i)rtU(^e 
3(n!länge  finb  nic^t  feiten.  3Bo  bie  Duetten  au^einanbergel^en,  toerben  ^eittDeilig  bie  toer- 
fc^icbenen  SSerftonen  ncbeneinanber  borgelegt,  fo  5.  S.  II,  1,  4:  lyererö  ye  jurjv  dijko^ 
6  roTiog,  xal  iq)(og(i'&ri  ^  ojtovdao&eioa  jieqI  avzbv  TiXävt) '  <bg  fih  xiveg  keyovoiv 

25  ävögögEßgalov  tcov  ava  tijv  Ico  obcovvrcov  ix  Jiaxgcpag  ygaqnjg  xaTafirjvvoayTog' 
(bg  dh  äXrj&iazEQOv  hvoeiv  iari  xov  {^eov  biidel^avtog  diA  arjjLutcov  xal  övEigd' 
TCOV.  (»gl.  I,  3;  IV,  19,  5.  9.  12;  VI,  12,  12;  VI,  26;  VI,  37,  3.  4;  VII,  5,  3.  4; 
VIII,  7,  2.)  6in  fc^önc«  )Beif}}iel  bon  3wfammenarbeitung  bcrfc^iebcner  Duetten  bietet 
SRaufd^en,  ^af)xbixi)n  4:  „©oj.  VII,  15  über  bie  SßJinen  inSgi9))ten  bor  ber  3crftörung 

80  be«  ©eraj)i«temj)etö  benu^t  offenbar  ben  9luf.  II,  22,  baneben  ben  ©ofr.  V,  16  unb  17, 
aufeerbem  bad  ®efc^  Cod.  Theod.  XVI,  10, 11  unb  beruft  fic^  noc^  jtocimal  auf  münb- 
lic^e  3)Httetlung." 

2)ie  ^erfönlic^fcit  be«  ©.  tritt  hinter  feiner  35arftettung  ganji  jurüdf;  bogmatific 
Urteile  abzugeben   ift,   fo  lefen  toir  III  15,   nid^t   bie  aufgäbe  ber  ®ef(^ic^te  fj  eoyov 

36  i^ova  TGL  övra  d(prjyeTo{}€i  ^irjdkv  olxeiov  ijieioayovot].  SÖenn  ©.  tro^bem  ab  unb  ^u 
Äritif  übt,  fo  ^)flegt  er  ba«  Urteil  feiner  Duetten  jiemlic^  gcbanlenlo«  ui  übemebmcn: 
fo  lobt  er  j.  35.  V,  18  ben  Slvottinari«  mit  feiner  Duette  (bgl.  Sie^mann,  3lt)ottinari^  44), 
unb  urteilt  VIII,  14, 1  über  baö  »erhalten  beö  2:^eo})f|ilu«  gegen  ^ol^anne^ßl^rvfoftomov 
fo  tüic  ©ofr.  VI,  9, 13  e«  i^n  gelefirt  l;at.  3luc^  auf  feine  ^arftettung  bed  arianifc^en  ©treitc^ 

40  ^at  bic  Haltung  ber  i^m  bcrf ügbarcn  5.  X.  arianifd^en  Duetten  f 0  ftar!  eingetoirft,  bafe  ipufjcto 
glauben  fonntc,  er  fei  fclbft  im  ®runbe  ©cmiarianer.  (3?gl.  bie  annotationes  ju  IV,  19, 12; 
IV,  22,  22;  VI,  4,  5;  VI,  11,  1  unb  anbererfcit«  Satiffol,  S^i^.  ^eitfc^rift  VII,  269. 
276  unb  fonft.)  ©ogar  bem  9Jerbad;te  bc^  9Jobatianigmug  ift  ©.  nic^t  entgangen.  3n 
2BaI;rl^eit  befi^t  er  feinem  juriftif^Kn  ©tanbc  cntfjjrec^cnb   in  tbcologifd^en  gragen  übcr^ 

46  \)a\x\>t  !cin Urteil:  III,  15,  10  unb  VI,  27,  7  mac^t  barau^  aud^  gar  fein§cl^l.  Xro^bcm 
ift  er  ein  frommer  3)Jann:  bie  gorbcrungcn  bcr  3lr!anbi^5i})lin  l^ält  er  ftrenge  inne  (fic 
bcrbicteu  i^m  I,  20,  3  baö  nicänifc^c  ©mnbol  ^n  citiercn  unb  ^toingen  i^n  VIII,  5,  1 
fotric  VIII,  21,2  bon  ber  euc^ariftifc^en  geier  nur  anbcutungehjeife  ju  fpred^en),  bae 
3)lön(f;tum  fc^äbt  er  ^od^;   in  bcm  jn^ölftcn  Äajjitel  bc^  erften  33u(^e^  fingt  er  fein  i^ob 

60  unb  in  feiner  ^Bunbcrtoclt  l)at  er  ^citlebcn^  geftanbcn;  an  2)rad^en  unb  äl^nlic^e^  ju 
glauben  l^at  i^m  nie  ©d^toierigfeiten  gemacht,  äluc^  bie  ®efd^ic^te  be^  SRönd^tume  bat 
er  au^fü^rlid^  crjä^lt;  jlrar  gehört  fie  md)  I,  1,  18  eigentlid^  nic^t  in  bie  Äird^engefd^itbtc, 
aber  attcin  fdion  bie  Tanfbarfcit  gegen  mönc^if^e  ^reunbe  unb  (Sr^ie^er  forbert,  bafe  aud» 
über  fie  berid;tct  U^irb. 

66  2)cr  i^crfuc^  bc^  ©.  in  feiner  Äirc^engcfd^id^tc  Sotttommnere^  aU  ©ofrate«  ju  liefern 
ift  nur  3.  %.  gcglürft.  2)ic  ßrgän^ungcn  ^u  bcr  2)arftcttung  be^  ©ofratcd  finb  ja^lrcii 
unb  oft  ivcrtboU,  bic  53cffcrungcn  feiten.  ®ic  grofecn  !Jrrtümer  be^  ©olrate^  in  bcr 
©diilbcrung  bcr  .Slirc^cngcfd;id)tc  bc^  "iWiorgenlanbc^  unb  befonberö  ber  erften  .^>älfte  bcv 
arianifc^cn  Streitet  bat  6.  (;;.  33.  III,  6 ff.)  rul;ig  übernommen;  über  bie  ®efd^id>te  be^ 

eo  Slbcnblanbe«  fc^eint  er  beffer  orientiert  ^u  fein:    fo  fe^t  g.  S.  ©ofr.  II,  37,  91  bie  Ser= 


Sojomeitod  S^alatm  547 

bannung  be«  2ibertu«  l^inter  bic  ©^nobc  bon  Criminum,  Soj.  IV,  11,  3  batiert  fic 
richtig  hinter  bie  ©^nobe  üon  9RatIanb;  ober  ©olt.  VI,  1,  2  be^aujjtct  im  lobe^jafir 
be«  Äaifer«  Stl^coboftu«  fei  3)amafu«  Sifc^of  bon  9lom  getocfen,  ©oj.  VIII,  1,  1  nennt, 
unb  jtpar  obtool^l  er  an  biefer  ©teOe  fonft  offenbar  ben  ©ofrated  augfc^rcibt,  richtig  ben 
©iriciu^.  ®afe  auc^  ganj  ©eringfügige«  geittoeilig  geänbert  ift,  betocift  ber  Serglei^  Don  5 
©ofr.  III,  26,  5  mit  ©oj.  VI,  6, 1 :  nac^  ©ofrate«  i)at  Sobian  7  nac^  ©.  ä/Lupl  öxtco 
Monate  gefierrfc^t;  le^tere^  ift  rid^tig;  ^o\>xan  f)at  7  3Konate  20  läge  auf  bem  3:^ron 
gefeffen. 

3tn  gutem  Söillen  f)at  ^  nad^  aUebcm©.  nxd^t  gefel^It;  aber  bieÄräfte  l^aben  nic^t 
red^t  gereicht.    SQJer  ©.  benu^en  toitt,  mufe   feine  einjelncn  Slac^ric^ten  au^  i^rem  3"'  lo 
fammen^ang  l^erauölöfen,  b.  f).  bie  bon  ©.  benu^ten  unb  un^  Verlorenen  Urfunben  toieber 
gu  getoinnen  t)erfu(^en.  ©er^orb  fioefc^tfe. 

^palaiin,  ®eorg,  geft.  1545.  —  C^^r.  @cö(cgel,  Historia  vitae  Georgil  Spalatini  etc., 
^ena  1693;  3-  SBoflnev,  ®.  ©palotin  unh  bie  SRcformation  ber  5?irc^en  «nb  ©djulcn  in 
9(Uenb«rg,  ?lltcnb.  1830;  6.  (gngel^avbt,  ®.  ©palotinö  i?e6en  in  3R.  9Reuvev§  2thtn  ber  15 
'^atttöter  bev  hit^crifc^e«  Äird&e,  3.  »b,  fitipjig  u.  3)ic§ben  1863;  91.  6eel^eim,  ©.©palatin 
ald  fäd|fijd)er  .J)iftoriOiUftp&.  4)allc  1876;  G).  <Dh*iaer  in  9lb^;  öcrbig,  QJeorg  ©palatinö  »er-- 
!)nltni^  f^u  Dr.  «Wartin  ßut^cr  bi§  i^um  Sa^rc  1518,  <)^  AI.  ^tfc^r.  1905,  ^eft  10  unb  11. 

®eorg  ©))alatin,  eigentlich  93ur!^arbt,  toar  eigener  9(ngabe  }ufolge  geboren  am 
17.  3ö"war  1484  ^u  ©Jjalt  (bal^er  ©jjalatinu«),  untoeit  9lümberg,  im  ^euti^en  Sejirf  20 
3JJitteIfranIen,  too  fein  SBater  baS  §anbh)erl  eine^  Slotgerber^  betrieb  unb  ein  Heiner 
^an^  befaft.  3JKt  13  ^af)xm  gaben  i^n  bie  ßltem  na^  5Rümberg,  too  er  bie  ©c^ule 
^u  ©t.  ©ebalb  befuc^te.  aber  fc^on  im  ©.©.  1198  («Iten  ber  Unit),  ©rf.  II,  204: 
Georius  Borgardi  de  Spaltz),  alfo  erft  14  3^^^^  alt,  bejog  er  bie  Unit)erfität  ©r^ 
fürt  unb  tourbe  bereite  im  3afire  1499  bafelbft  Saccalaureu^.  3)afe  er  bamal^  fd^on  25 
mit  ben  gleid^jeitig  bafelbft  ftubierenben  §umaniften  Serfe^r  l^atte,  jeigt,  ba^  er 
1501  eine  Heine,  bem  ^etrud  ßberbac^  au^  Slot^enburg  getoibmete  ©ammtung  teil^ 
älterer  ©ebid^te,  teilg  fol^er  feine«  ^auj)tfä(i^li(^ften  Se^rer«  Slifolau«  SRarfc^alf  l^eraud= 
gab,  benen  er  in  einem  2lj)l)enbir  eine  ßrläuterung  fc^toieriger  ©teilen  beifügte  (bgl.  ^.  3t. 
(Sr^arb,  Überlieferungen  jur  baterlänbifd^en  ©efc^ic^te,  5Kagbeburg  1825,  ©.  81).  SKitso 
"JJüolau«  3Karfd^alf,  beffen  Slmanuenft«  er  tourbe,  gog  er  1502  nac^  ber  neugegrünbeten 
Unitoerfität  SMittenberg.  ©ogleic^  bei  ber  erften  SWittenberger  ^romotion  am  2.§ebruar 
1503  erhielt  er  bie  fflürbe  eine«  Wagifter«,  fd^eint  aber  toie  fein  Seigrer,  mit  bem  er  in 
Srieftoed^fel  blieb,  fe^r  balb  Wittenberg  toieber  berlaffen  ju  ^abcn.  3^^^"foll«  ftubierte 
er  im  3;a^re  1505  ioicber  in  ©rfurt  unb  gtoar  l^auj)tfä(^lid^  3uri«J)rubenj,  inbem  er  ju-sö 
gleich  in  einer  bortigen  ^atrijierfamilie  al«  $au«le^rer  fungierte,  ©c^on  1502  toar  er 
Don  feinem  Se^rer  an  3)lutian  em})fol^len  toorben,  unb  fo  finben  toir  i^n  benn  im  engften 
3Serfe^r  mit  biefem  unb  mit  ber  ganjen  ^oetenfc^ar,  einem  gobanu«  $effu«,  Grotu«  2C., 
bie  in  bem  Äanonilu«  Don  ®ot^a  i^r  ^axxpt  \ai}.  aWutian,  ber  fic^  be«  jungen  SRanne« 
Däterlic^  annafim  (ego  sum  Uli  |Spalatino]  quasi  pater),  gab  il^m  ah  SBBaj)})en  ben  »0 
©torc^,  ba«  ©innbilb  ber  Siebe  unb  ^^reunbf^aft  (Äraufe,  (gob.  ö^ff"^  ^t  ^4).  35a« 
lärmenbe  treiben  ber  ©enoffen  fd^eint  aber  bem  jungen,  auf  ba«  S3ef(^auli(^e  gerichteten 
©elel;rten  —  prlusquam  ex  seducto  et  philosopho  aulicus  fierem,  fagt  er 
einmal  int  ^inblidt  auf  bie  Erfurter  ^zxt  (Jq.  gering,  Epistolae  Langianae,  Halis 
1886,  $rogr.  ©.2)  —  nic^t  fonberlid^  gugefagt  gu  ^aben,  aud^  3Wutian  erfannte,  baft  ba^  10 
fclbft  nic^t  fein  ^la^  fei.  6r  üerfc^affte  i^m,  ber  gu  gleid^er  ^cxi  einen  äntrag  erhalten, 
©tabtfc^reiber  in  3*i^icfau  ju  toerben  (®illert,  Srieftoed^fel  SKutian«  ©.  10  ff.),  1505  eine 
©teile  in  bem  na^e  gelegenen  Älofter  ©eorgent^al  al«  Seigrer  ber  jüngeren  SRönd^e.  ^m 
Sa^re  1508  tourbe  er  bon  bemfelben  SBei^bif^of,  3»^-  ^otx  £aa«))^e,  ber  Butler  orbinierte, 
jum  ^riefter  gctoci^t.  2)anial«  la«  er  auc|»,  toie  er  in  feiner  ©elbftbiograj)^ie  ergäfilt,  so 
bie  Sibel  jum  erften  3)iak  burc^,  bie  er  ft^  in  ©rfurt  für  einen  CO  ©olbgulben  gefauft 
^atte  (empta  aureo).  9lur  toiberftrcbenb,  im  ©efü^le,  ber  Slufgabe  nid^t  getoac^fen  gu 
fein,  f}atU  er  bie  ©teile  in  ©eorgent^al  angenommen,  unb  ba« ©efürc^tete  trat  ein:  man 
fc^rie  im  Älofter  über  ben  „^oeten",  inbejfen,  geftüjt  auf  ipeinrid^  Urbanu«,  einen  3"- 
faffen  be«  Älofter«,  ber  glei^fall«  ju  bem  (Srfurter  Greife  gehörte,  balb  auc^  bom  2lbte  65 
gern  gefe^en,  ^ielt  er  axi^.  (Sine  Hoffnung,  an  eine  9Jürnberger  ©d;ule  berufen  gu  toerben, 
bie  er  in  einem  ©riefe  axx  'j|iir!^eimer  au«fj)rid^t  (26.  ©ej)t.  1508  bei  §eumann,  Doc. 
litt.  234),  ^erfc^lug  fid^.  Salb  barauf,  nac^bem  bie  SSerl^anblungen  fc^on  1508  begonnen 
^tten,  im  ^a^re  1509,  führte  i^n  eine  @m))fe^lung  9)lutian«  an  ben  lurfürftlic^en  iQof, 


548  @)ialatitt 

h)o  er  btc  cfirenboHc  Aufgabe  crl^iclt,  bie  erftc  erjie^ung  be«  nachmaligen  Äurfürften 
3o^.  JJnebrid^,  bet  mit  fünf  Sllter^genoffen  öon  Slbcl  unterrichtet  tourbe,  ju  übernehmen 
(2:en^el,  Suppl.  bist.  Gothanae,  3ena  1701  sqq.  I,  104.  120).  35er  Umftanb,  bafe  er 
neben  einem  alten,  in  alter  3)let^obe  befangenen  5Dlanne,  ^u  toirlen  \)atic,  toä^renb 
."i  er  mit  bem  6ifer  ber  3"0^"^/  ^^^  f^^'^f*  ^"^"^  3Hutian  ^u  toeit  ging  (Nosti  mores 
Spalatini:  siquis  uno  dicterio  laedat  eius  studia,  hunc  statim  ipsum  gravissi- 
mis  verbis  accusat  et  suam  quasi  iniuriam  deplorat.  Mutian.  ad  Urbanum 
bei  Icnfeel,  Suppl.  I,  109),  für  bie  neue  SBiffenfc^aft  unb  il^re  SÖeife,  hjol^l  auc^  mit 
aH^ugrofeer  ©trenge  eintrat,  brachte  i^m  mand^e  38erbrie^lic^feiten,  fo  bafe  bie  greunbe 

10  9)iüfie  l^atten,  ben  forttoä^renb  über  bie  Si^^riö"^"  ^m  $ofe  Älagenben  feftj;u^Iten  unb 
il^n  oftmals  gur  ©ebulb  malten  mußten.  3)er  JJurfürft  bezeugte  il^m  inbeflen  feine  ^^u^ 
friebenfieit,  unb  f(^on  bamafe  liefe  er  ftd^  öon  ©j)alatin  Überfefeungen  aud  lateinifd^cn 
©c^riftftüdEen  anfertigen,  tooburc^  biefer  f})äter  fo  großen  ©influfe  erlangen  foHte.  3m 
^erbft  1511  ftebelte  er  nac^  SBittcnberg  über,  um  neben  bem  SRagifter  Sgbert  9Hb^rt 

15  bei  ben  ^rinjen  Dtto  unb  6rnft  üon  Sraunfc^toeig-Süneburg,  3leffen  be^  Äurfürpen, 
toeld^e  bie  bortige  Unitoerfität  belogen,  al«  3Rentor  ju  fungieren.  3^  gleicher  S^xt 
erl^ielt  er  ein  Äanonifat  in  2lltenburg.  ©ein  SSer^ältnt^  pm  lurfürftlic^en  $ofe  hjurbc 
baburc^  nic^t  gelöft,  auc^  tpar  fein  ftänbiger  Slufent^alt  in  SBittenberg  nur  t>on  fur^er 
35auer. 

20  3)er  Äurfürft  fonnte  ben  t)ielfeitig  gebilbeten,  auc^  für  bie  bamalige  3^^^  ^^^  ^f" 
griec^ifc^en  Jtlaffilern  ungeh)5^nlic^  Vertrauten  (bgl.  Epistolae  Langfanae  ed.  $.  gering, 
Halis  1896,  ©.  Iff.)  ©elel^rten,  Don  beffen  Siebenötoürbigfeit,  ®efällig!eit  unb  tiefer 
Silbung  felbft  §ofleute  toie  ber  Äan^ler  S)egen^arb  ^Pfeffinger  (lenfeel,  Suppl.  I,  265) 
entiüdft  hjaren,  faum  nod^  entbel^ren.  S^^^^^f^  1512  ernannte  er  i|n  ^u  feinem  Siblio- 

26  t^etar  (praefectus  bibliothecae  ducalis,  bgl.  ©c^eurte  Sriefbuc^,  ed.  t).  ©oben  unb 
Änaate,  ^otÄam  1867  I,  105),  eine  ©teHung,  bie  ganj  feinen  9leigungen  entfprac^  unb 
ju  ber  er  um  feiner  fd^on  bamafö  fel^r  ausgebreiteten  ff onefjjonbenj  toiuen  toie  toenige  anberc 
geeignet  toar.  3)en  Siebfiabereien  feinet  ffui-fürften  entfjJrec^enb  (togl.  3:1^.  ffolbe,  griebric^ 
berSöeife,  ©rlangen  1881,  ©.19)  toaren  eS  juerft  bie  ©c^riften  beS  3^^.  Megtomontanu^, 

30  beö  „dürften  unter  ben  Slftronomen",  bie  er  ju  ertoerben  fuc^te  (©^eurlS  öriefb.  I, 
105  ff.).  2lber  atebalb  entfaltete  er  in  feinem  Slmte  eine  arofee  3:^ätigfeit,  er  !nü))fte  im 
auftrage  feinet  §erm  nad^  aßen  ©eiten  ^in  litterarifc^e  3?erbinbungen  an,  fo  u.  a.  mit 
SllbuS  3)Janutiug  in  38enebig,  unb  berfolgte  mit  befonberem,  ioo^l  t)on  feinem  SJerfcbr 
mit  9J}arfd^alf  ^errü^renben  ^ntereffe  bag  2luffommen  einer  neu  entfte^enben  biftorifcbcn 

35  Sitteratur,  fammelte  aud)  in  jenen  ^al)xm  fd^on  ba«  3Jlaterial  ^u  feinen  jal^lreic^en  c^roni= 
falifc^en  aSerlen,  mit  beren  Aufarbeitung  er  fc^on  1514  befd^äftigt  toar  .(bgl.  3^®  XIX, 
70).  3^  ^^^^  w"^  ^^^^  geioann  er  baö  SSertrauen  feinet  ^^nt«"-  Äufeerlic^  in  ber 
©tetlung  eines  §offa}3lanS,  §oft)rebigerS  unb  ©efretärS,  als  toelc^er  er  u.  a.  im  ^abxi 
1521    im  Stuftrage   feineS  ^enn   einen   eifrigen  Srieftoec^fel   mit   bem  Slftrologen  ^oh. 

40  33üllmar  unterl^ielt  (2trc^.  ju  ffieimar  Skg.C.  p.  881,  I  b),  ioarb  er  balb  ber  Dertrau- 
tefte  SRat  gricbric^S  beS  Jlseifen.  gr  bcforgte  feine  ff  orrefjjonbenjen,  überfe^te  bie  lateinifcfc 
einlaufenbcn  ©d^reibeu  ins  2)eutfd^e,  laS  i^m  bie  „neuen  3citungen"  toor,  b.  ^.  baS,  toa^ 
bie  greunbe  unb  Sefannten  auS  aller  SKclt  über  bie  S^^^^^i^f^^/  ®rofeeS  unb  ÄleineS,  in 
bunter  SOJifc^ung  i^m  fc^rieben.  3)a  toar  nid^tS,  n^aS  berffurfürft  nic^t  mit  i^m  bef^jrad», 

45  fei  eS,  bafe  eS  bie  inneren  Angelegenheiten  bcS  SanbeS,  ben3)ienft  amjpofe,  bieSefe^ung 
ber  ^farrfteClen,  bie  'J^euertoerbung  foftbarer  Steliquien,  bie  Sittfc^reiben  ber  Sebrängten 
betraf,  feien  eS  bie  SBer^ältniffe  im  SWeid^e  unb  in  Slom.  2Sor  allem  aber  ioaren  eS  bie 
Unit^erfitätSangelegen^eiten,  bie  alte  huxd)  feine  .»panb  gingen,  ^n  ffur^em  h>ar  ber  fleinc 
3JJann  mit  bem  ^ellblonben  J^aar,   bem   freunbltd^en,   feinen,   leicht   errötenbem  ®eft(btc 

50  (©d;eurlS  33riefb.  I,  85),  ol^nc  eS  ^u  toollcn,  eine  ber  einflu^reic^ften  ^erfonen  bei  ^ofe 
gen^orben.  DaS  U^ufete  man  balb  in  91  om  ebenfogut  als  in  Söittenberg.  SBer  ettoaS  er-- 
reid^en  tooltte,  toanbte  fic^  an  ©Jjalatin.  Unb  eS  begreift  fic^  bei  bem  oben  gefc^ilberten 
SBerfafjren,  tüenn  eS  beS  ©efrctärS  Aufgabe  toar,  bem  ffurfürften  AuSgüge  ju  machen 
u.  f.  rv.,  toie  toiel  auf  biefe  $erfönlic^feit  antam. 

55  eben  baburd^  ift  feine  Stf^ätigfeit  bon  faum  überfefibarer  SBic^tigleit  für  bie  ©ac^c 
Sut^erS  gcn^orbcn.  2)a^  bie  bciben  fc^on  in  grfurt  als  ©tubenten  miteinanber  näher 
befannt  getoorben  maren,  beruht  lebiglid^  auf  einer  unertoiefenen  3SorauSfefeung  unb  ift 
um  fo  ioeniger  an§unel;men,  als  Sutl^er  jebenfallS  nic^t  jum  SKutianifc^en  Äreife  gebort 
l^atte.    After  aBa^rfAcinlicbfcit  nac^   Reiben   fic   fic^   erft  toä^renb  ©jjalatinS  Aufenthalt 

Go  in  Wittenberg   fennen  gelernt,  unb   beS  le^teren  für  greunbfc^aft  fo   fe^r  cm))fän9li4fc 


Spalaiin  549 

9latur  mufe  foßletc^  in  einjigartiger  SBeife  Don  Sut^cr«  ^crfönlid^Ictt  j^ingcnommen  toorben 
fein.  3)cnn  bei  aller  Jjeinlicl^en  Sebenflic^fcit  be^  ®ele^rten,  „be^  i^cologen,  be«  $ofs 
mannet,  bie  er  ani)  Sut^cr  gegenüber,  jumal  too  e^  fic^  um  ^ufeerlid^e^  unb  gormeDe^ 
fianbelte,  ]^ert)orjufe^ren  toerftanb,  tourbe  er  bod^  je  mefir  unb  nie^r  in  feine  Sahnen  ge^ 
jogen,  beugte  er  ftc^  in  ebrerbietiger  ©d^cu  bor  bem  gewaltigen  (Seifte,  ol^ne  feinem  gluge  6 
folgen  ^u  lönnen. 

6r  toar  ^riefter,  aber  e^  ift  c^arafteriftifc^,  baft  tvir  bon  feinen  tfieologifc^en  ©tubien 
nirgenb^  ettoag  erfal^ren,  unb  e^  fte^t  bal^in,  ob  bie  früfier  ertoä^nte  Seftüre  ber  ^I.  ©d^rift 
nic^t  blofe  einem  l^umaniftifc^en  ^jntereffe  entfjjran^.  3)a^  ^rieftertum  toar  fic^er  junäd^ft 
nur  bie  SSerforgung  für  ben  brotlofen  §umaniften  unb  ^oeten.  SSon  tfieologifd^en  lo 
■}Jeigungen  tpufete  man  nic^tg;  toa^  bie  ^^^^u^i^^  <J"  '^W  ni^ntten,  toar  bie  feltene  §ar= 
monie  Don  rei(|em  ffiiffen  unb  großen  2^ugenben  (huic  homuncioni  concentus  muU 
tarum  literarum  et  magnarum  virtutum  contigit.  Mutian.  ad  Herebordum. 
2:en^el,  Suppl.  I,  205).  3Kan  lobte  feine  leiblichen  Serfe,  ba«  ^ntereffe  für  Sleud^lin, 
ben  3om  gegen  bie  Äölner  Sarbaren  unb  freute  fw^  feiner  fteten  S3ereitfc^aft,  für  bie  i6 
gute©ac^c  einzutreten  unb  feinen  dürften  bafür  ju  gewinnen:  furj  nad)  allem,  toad  toir 
lijren,  toar  ©^alatin  in  jener  erften  ^tit  lebiglic^  ^umanifi,  babei  ein  5Ke6})riefter  tote 
anbere  auc^,  ber  toeit^erjig  genug  mit  einem  3Kutian,  einem  §einrid^  Urbanu^,  ßrotu« 
iHubianu^  unb  ben  anberen  ©j)öttern  be^  ©rfurter  Äreife^  auf  bem  beften  JJufee  ftanb, 
bie  bafür  feine  incomparabilis  gravitas  unb  sanctimonia  vitae  ehrten.  @rft  burc^  20 
ben  engen  Serle^r  mit  Sut^er  tourbe  bad  anber^.  ^tj^t  tourbe  auc^  ©})alatin  auf  ein 
tüirflic^e^  ©tubium  ber  ^eiligen  ©c^rift  gefüfirt,  in  bie  er  ftd^  mit  emfigem  gleite  ber= 
tiefte,  ©eine  Sriefe  an  Sutl^er  ftnb  un«  faft  fämtlid^  berloren,  aber  an^  Sut^erg  'UnU 
loorten  lönnen  h)ir  nod^  entnefimen,  toie  er  bie  Sibel  ftubierte,  h)ie  er  balb  an  biefem,  balb 
an  jenem  fünfte  l^aften  blieb  unb  nic^t  ru^te,  bi^  er  burc^  bie  ©ele^rfamleit  be«  3Bitten=  25 
berger  ^i^^w"^^f  i^^m  SBorte  er  balb  ate  (gt)angelium  ^inna^m,  jur  Älar^eit  gefommen 
tvax.  müi)  e^e  ber  grofte  Äamjjf  begann,  l;atte  er  fid^  baran  getoö^nt,  in  Butler  feinen 
®eh)iffen^rat,  ben  Berater  in  aütn  fingen  ^u  fe^en.  3)aburc^  beftimmte  fi(^  fein  SSers 
l^alten  in  ber  golgejeit.  ®^  lann  feinem  3*^^'f^I  unterliegen,  bafe,  toa^  ^ier  nic^t  im 
einzelnen  Verfolgt  iperben  tann,  bei  feiner  einji^artigen  3Sertrauen^ftelIung  am  furfürft=30 
liefen  §ofe  ba^  J)erfönlic^e  SBerfiältni^  ©j)alatin^  ju  Butler  bon  gro|er  2^ragh)eite 
für  bie  erften  3;a^re  ber  beginnenben  Sieformation  toar.  @r  toar  ed,  ber  ben  Äurfürften 
bafür  intereffierte,  ber  ifin  über  bie  3Bittenberger  38er^ältniffe  unterrichtete,  Sut^erö  ©üc^er 
üorlaö,  überfe^te,  auf  ba^  ß^riftlic^e  in  i^nen  ^intoie^,  bie  Unc^riftlic^feit  ber  geinbc 
Sut^erg  h)ie  ba^  £ob  aller  ©ebilbeten  in«  redete  Sid^t  fe|te;  er  ift  e«  ftc^erlic^  getoefen,  86 
ber  freilid^  unter  ftetem  ginfluffe  Sut^erg  ben  Äurfürften  nac^  unb  nad^  in  jene  ©tettung* 
na^me  l^inüberleitete,  bie  e«  ü}m  möglieb  machte,  bei  atter  Setonung  ber  Untoerlej^lic^Ieit 
ber  ürc^lic^en  Slutorität  boc^  feinen  |od9t)ere^rten  ^rofeffor  aU  einen  unred^tmä^ig  3?er= 
urteilten  in  feinen  ©c^u$  ju  nehmen  u.  f.  h).  3!)ie  Slufgabe,  bor  ber  fid^  ber  fnebfertige 
Scamte  be«  friebliebenbften,  bebäc^tigften  ?^ürften  geftellt  fal^,  toar  riefengrofe.  Unb  ba«  40 
Ungeftüm  be«  ^reunbe«,  bem  bad  Seifetreten,  ba«  ^öfifd^e  3lbtt)ägen  jeben  SBorte«,  bie 
fo  tDo^l  gemeinten  Söamungen,  bie  i^m  ©))alatin  gufommen  laffen  mufete,  jutoeilen  un« 
erträglich  h)aren,  mad^te  il^m  bie  ©ac^e  nic^t  leichter.  @r  n?ar  boc^  fcpon  ju  lange  am 
§ofe,  um  fic^  nic^t  immer  toieber  bie  ^rage  borjulegen,  bie  für  Sut^er  gar  nxd^i  ejiflierte : 
toa«  foH  barau«  tperben?  6r  t^at  fein  ^Ölöglid^fte«,  ben  greunb  ju  befänftigen,  gurüdf- 46 
ju^alten,  il^n  immer  toieber  bur^  J)raftifd&e  aufgaben,  ju  benen  er  bie  Anregung  gab, 
Dom  Kampfe  abjjulenfen.  2)abei  überfc^aute  er  boc^,  toorüber  Sutl^er  Ilagte,  nur  immer 
ba«  3Zäc^ftliegenbe.  2)er  innere  3wfö"^n^^"]S^<Jn0  ^^  *>on  il^m  über  aUed  gefd^ä^ten  ^re* 
bigt  be«  ©bangelium«  mit  ben  Äämjjfen,  bie  Sut^er  ertoud^fen,  toar  i^m  nod;  im  5ja^re 
1520  nic^t  böHig  aufgegangen.  2)ie  fromme,  fc^üc^teme  ©elel^rtennatur  fc^redfte  bor  50 
jeber  emften  i^ertoidfelung  jurüdf,  toie  fein  Äurfürft.  (3Sgl.  2^1^.  Äolbe,  SKartin  Suti^er, 
®ot^a  1881,  I,  243  ff.).  Sluf  feinen  ©influfe  finb  bie  f leinen  ^nfonfequenjen  Sutfier« 
in  ben  erften  S^IS^^^"/  f^'"^  ©rbietungen  jum  ^rieben,  h)o  !ein  griebe  mel^r  mö^lic^  toar 
unb  er  felbft  an  feinen  me^r  glaubte,  gurüdfjufü^ren.  gaft  jebedmal,  toenn  eine  neue 
©treitfd^rift  Sut^er«  erfd^einen  foHte,  geriet  er  in  ©orge  unb  toamte  bor  i^rer  ©eräug-  66 
gäbe ;  ^interbrein,  nac^bem  er  fie  gelefen,  tbar  er  oft  ber  erfte,  ber,  l^ingeriffen  bon  Sut^er« 
geifte^mäc^tigem  Sl^orte,  i^ren  Slu^m  nad^  aufeen  berfünbigte  ober  jie  gar  burd^  Über= 
fe^ungen  Weiteren  Äreifen  jugänglic^  mad^te. 

gaft  mit  allen  nichtigeren  ©reigniffen  ber  9leformationi^jeit  ift  ©J)alatin«  9lame  ber= 
bunben.    ^m  ^a^re  1518  begleitete  er  ben  5turfürften  auf  ben  Sleid^dtag  nac^  älug^burg  eo 


550  S^ialatttt 

unb  leitete  bort  bie  SJetl^anblungen  mit  ßajctan  ein,  tote  et  bie  UnterJ^anblungen  mit 
5roilti^  bermittelte.  ebenfo  finben  h)ir  ifin  in  be«  Äurfürftcn  Segleitung  auf  ber  SRcifc 
jur  Äaifcrtoa^I  unb  ;\ur  «rönung  Raxlü  V.,  toie  auf  bem  Meid^age  ^u  9Bonnö.  SBä{)= 
renb  Sut^erd  Äufenti^alt  auf  bcrSBartbutg  beforgte  er  beffen  Äorrefponbcn^  unb  i^erfe^ 

6  mit  ben  aBittenbergcm.  SBar  feine  ©tettung  ^toifc^en  Sut^er  unb  bem  fturfürften  fd)on 
toäl^renb  ber  3^^^^^^  1517  bi«  1521  eine  fdbloierigc  getoefen,  fo  nod)  mel^r,  afe  man  in 
Wittenberg  toirllic^  mit  -Meformen  anfing,  unb  üutl^er,  toäl^renb  Bpalatm  no^  imnia 
für  feinen  Äurfürften  nad)  neuen  Sleliquien  fud^en  lajfen  mufete,  ftürmifd^  bie  Sluf^bung 
be«  SQäittenberger  Stift«  mit  feinem  Steliquien«  unb  ßeremonienbienft  ju  forbcm  anfing 

10  unb  bie  ©tift^^erren  fc^Iiefeli^  anging,  felbft  gegen  ben  SBitten  be«  gürften  ba«  offent= 
H(^e  ärgemi«  au«  bem  SBege  ju  räumen  (bgl.  ^,  Äolbe,  griebric^  ber  SBJcife,  ©rlangen 
1881,  ©.  33  ff.).  3«*>#"  9rfang  e«  i^m  tool^l,  nad)  unb  nac^  ben  gürftcn  ju  eban= 
gelifd^er  Slnfc^auung  unb  Seben^fül^rung  auc^  in  biefer  Se^iel^ung  l^erüberjufü^ren,  unb 
tote  fel^r  ©t)alatin  felbft  enblid^  im  ^ai^re  1525  überzeugt  toar,  bafe  nunmehr  mit  ber 

16  3leformation  ®mft  gemacht  toerben  müfete,  ergiebt  fein  le^te«  ©id^reiben  an  griebrid^  ben 
SEBeifen  bom  1.9Rai  1525,  in  bem  er  ben  Äurfürften  unter  SJertoeifung  auf  bie  ©(^rift, 
bie  bie«  ber  Dbrigleit  j^ur  ^flid^t  mac^e,  aufforbert,  aUentl^alben  in  feinen  fianben  bie 
abgöttifc^en  unb  gotte«Iäfterlic^en  ®otte«bienfte  abjut^un  (bgl.  %f).  Äolbe  a.  a.  D.  ©.  69), 
unb  toenige  3)lonate  fj)äter  übermittelte  er  in  einem  ©(^reiben  an  Äurfürft  S^bann  bom 

20  1.  DItober  1525  ben  folgenfc^toeren  SBunf^  Sutl^er«:  „ba«  6.  6.  ®.  aDer  Pfarren  guter 
in  3ren  furftentumben  ju  fid^  nemen  bnb  bie  Jjfarrer  })rebiger  (Kaplan  unb  berglcid^en  Äird^en 
biener  bouon  befteHenn."  (ßbenb  ©.  70 f.) 

Sluc^  nac^  bem  lobe  be«  bon  i^m  fein  Beben  lang  betrauerten  (ögl.  &palaim  an 
3ona«  13.gebruar  1543  bei  Äatoerau,  S3rieftoe4(fel   be«  Suftu«  3jona«,   ;g>aHe   1884  f. 

26  II,  95)  griebric^«  be«  SBeifen,  bem  er  bi«  in  bie  legten  ©tunbcn  tröftcnb  jur  ©eitc 
ftanb,  unb  ber  feinem  treuen  3!)iener  in  feinem  2^eftamente  ein  fel^r  bebeutenbe«  2egat 
üerfc^rieben  l^atte,  blieb  ©})alatin  im  §ofbienfte,  bod^  trat  infofern  eine  grofee  Seränbe- 
rung  in  feinem  Seben  ein,  al«  er  fortan  feinen  ftänbigen  SQJo^nfi^  in  ältenburg  nehmen 
burfte,  toa«  i^m  um  fo  lieber  fein  mochte,  al«  er  fc^on  ba«  ^af^x  toor^er  um  mancherlei 

30  üJlifel^elligleiten  toitten,  bie  bieHeic^t  mit  ben  SBittenberger  SJorfommniffen  ^ufammen^ingcn, 
ben  $ofbienft  berlaffen  tooHte,  fo  bafe  Sutl^er  il^n  nur  fc^toer  unter  i^tntoci«  auf  ben 
Iranlen  Äurfürften  barin  ju  l^alten  bcrmod^te.  3«  3lltenburg  foHte  er  nid^t  nur  fein 
jlanonifat  toirllic^  ausüben,  fonbem  auc^  bie  burc^  ben  Söeggang  be«  38ence«lau«  Sin! 
(f.  b.  art.  S3b  XI  ©.  511)   erlebigte  Pfarrei  befleiben.    »m  13.  äuguft  1525  ^ielt  er 

36  bafelbft  feine  3lntritt«})rebigt.  S)a  er  fd^on  frül^er,  mnn  aud)  bergeblic^,  feine  aRitfano^ 
niler  mit  emften  SBorten  mx  Sieformation  be«  Slltenburger  ©tift«  auf^eforbert  l^atte  unb 
bamit  natürlich  al«  erfter  H^^^iß^i^  '^^^  ©tabt  nic^t  auffiörtc,  fo  begraft  e«  fic^,  bafe  cö 
je^t  ju  fd^toeren  Konfliften  f ommen  mufetc,  bie  baburc^  berfd^ärft  tourben, .  bafe  er  am 
19.  9Jot)ember  be«felben  ^a^re«  in  bie  &)c  trat,  unb  ba«  ©tift   tl^n  barauf   l;in  feiner 

40  ©teile  unb  ^frünbe  für  berluftig  erflärte.  9Jur  mit  §ilfe  ber  toeltli(^en  ©etoalt  fonntc 
er  fid^  barin  bel^au}}ten  unb  nad^  unb  nac^  bie  Sieformation  in  ©tabt  unb  ©tift  burc^^ 
fül^ren. 

Übrigen«  mufete  er  jebcn  Slugenblidt  eine«  fürftlic^en  Slufe«  getoärtig  fein,    ©dbon 
1526  ^attc  er  ben  Äurfürften  S^^^nn  auf  ben  Slcic^«tag  nac^  ©Jjeier  ^u   begleiten  linb 

45  3u  beraten.  ^Jlamentlic^  toar  er  ba  tfiätig  bei  ber  geftfteHung  ber  gnftruftion  für  bie 
toom  9leic^«tage  befd^lojfene  ftänbifc^e  ©efanbtfd^aft  an  ben  Äaifer.  ©eine  un«  no^  er- 
l^altenen  93erbefferung«t)orf daläge  (togl.  gricben«burg,  2)er  9leid^«tag  ju  ©peicr  1520, 
Serlin  1887,  ©.  101  f.  unb  ©.  558  ff.)  geigen  bie  ©d^ärfe  feine«  Slidte«  unb  bie  ßm^ 
fc^iebenl^cit    feiner   cbangclifd^en  ©tcllung.    SJielfad^  nal^men   il^n  in  ber  golge  bie  3Jifu 

50  tationen  in  2lnf}3ruc^,  fo  ^uerft  im  ^^nw^r  1526  im  Slmte  S3orna  (t)gl.  Surfl^arbt, 
©cfc^.  ber  fäc^fifd^en  Äird^cn^:  unb  ©c^ultjifitationen,  äcxp^xQ  1879,  ©.  10),  bann  im 
grül^ja^r  1527  im  Äurfreife,  too  er  nad;  Slngabe  feiner  ©clbftbiograj)l^ie  an  ©teile  bev 
urfprünglic^  jum  SSifitator  au«erfel^encn  §ieron^mu«  ©d^urff  trat.  Unb  gerabe  al«  Sifi^ 
tator  betoä^rte  fid;  fein  burd^  ben  §ofbienft  gefcbulter  Jjrattifc^er  ©inn,  fo  bafe  er  immer 

66  toieber  ba^u  berufen  tourbe,  fo  1528  mit  3)iufa  unb  ©tarfc^ebel  für  SRei^en  unb  äJoigt- 
lanb  (t)gl.  Söagner,  ©eora  ©palatin  S.  llOff.),  1529  im  ©ommer  für  ben  tl^üringifc^en 
©aalfrei«  (53url^arbt  82  ff.)  unb  fo  oftmal«.  Unb  fo  toeit  toir  feigen,  ftnb  feine  Seriite 
bie  au«fübrlid;ften  unb  cingebcnbftcn.  Unb  toar  bie  3)Jcl^r3a^l  ber  Sifitatoren  geneigt,  nur 
bie  rein  firdUid?en  unb  veligiöfen  äScr^ältniffe  in  Setrac^t  p  )\ief|en,  fo  gebülj^rt  ©>>alatin 

60  ba«  3?erbienft,  infonber^eit  auc^  für  bie  'Jieugeftaltung  ber  äußeren,  burd^   ben  gortfaB 


(Stiatattii  551 

fo  k)te(cr  ftiftung^mägtgcn  (Sinfommen  überaus  jcrrüttctcn  $aroc^talt)eT^äItnif(e,  in  bte 
feine  Sriefc  einen  reiben  ©inblicf  getoä^ren,  mit  ^rofeer  Unermüblic^Ieit  getoirlt  ju  ^aben, 
tpobei  er,  j;umal  aU  bie  ©teßunö  ber  äJifitatoten  in  ber  gönn  Don  ©uj)crattcnbenten 
nac^  unb  nac^  eine  ftänbige  getootben  toar,  mit  Dielen  SBibcrtpärtigleiten  ju  läm^fen  f^aiU. 

^m  ^ai}xt  1530  finben  mir  i^n  auf  bem  Sleic^tage  ^u  älug^burg  tbätig  (ubi  Spa-  5 
latinus  quamvis  uxori  abieas  pollicitus  non  plus  VII  hebdomades  abfuturum 
ad  XVIII  hebdomades  abfuit,   fo   fc^rcibt   er  in  feiner  Stutob.),   toar  aud^  aRitglicb 
be<^  SluejAuffe^  für  bie  äu^Ieic^öer^anblungcn,    fj)äter    begleitete  er  ben  iluri)rin^en 
auf  ber  Sleife  ^ur  SEBa^I  Äönig  gerbinanb«  na^  Äöln,   1532  finben  toir  il^n  auf  bem 
läge  ju  ©c^^^^i^fu'^f  ^^  ^^   ^^"^  Ö^ofee  ^rebigttl^äti^feit   entfaltete  unb  ba^  befonbere  lo 
Vertrauen  ber  bortigen  ©emeinbe  gen)ann,  ber  er  auf  i^re  Sitte  balb  barauf  eine  ©c^rift 
Jüibmete:  „Gin  getreh)  3Snterric^t,  au^  ®otted  3Bort,  toon  allem  bem,  baö  ein  6{;riften- 
menf(^  toiffen  fol.    2ln  ben  9<at^  önb  gemejne  ©tabt  ^un  ©(^toeinfort,  im  ©lenbt  genant 
1533  (t)gl.  3Ä®  XIX,  502).    gbenfo  tourbe  er  Don  Äurfürft  3o^nn  griebric^  ^u  allen 
tüic^tigen  ©taat^ttionen  ^ugejogen,  fo  5u  ben  SJer^anblungen,  bie  ^  bem  ^rieben  Don  i6 
(Saban  im  ^af)xc  1534  fül;rten.    3m  ^al^re  1535  reifte  er  mit  i^m  jur  93ele^nung  nad) 
aBien,  1538  tourbe  er  xu  ben  SSerl^anblungen  mit  bem  Äarbinal  älbrec^t  Don  Sranben« 
bürg  über  ba^  Surggrafenlum  Wagbeburg  berufen  u.  f.  to.,  gang  abgefeben  baDon,  bafe 
er  bei  fo  ioic^tigen  Beratungen  toie  über  bie. Stellung  ber  ftjäter  fog.  ©c^malfalbifc^en 
airtifel  (Dgl.  S3b  XVII  ©.  611,4off.)  unb  ben  Scr^anblungen  über  bie  Äonjitefrage  auf  ao 
bem  iage  in  ©c^malfalben  im  gebruar  1537  nic^t  f eitlen  burfte.   9la(^bem  er  f(^on  im 
JJal^re  1537  ba«  Heine  ®ebiet  be^  Jpergog«  ^einrid^  Don  greiburg  Difitiert  unb  reformiert 
f)atu,  toarb  i^m  im  3;a^e  15:39  md)  bem  3:obe  be^  .^erj^og«  ©eorg   mit  anberen   ber 
aiuftrag  gu  teil,  nunmehr  in  ben  albertinifc^en  Sänbem  ju  Difttieren. 

Sludi   mit  ber  UniDerfität  Wittenberg   ^atte    er  fein  2d)cn  lang   bie    engftcn  Se^  25 
;\ic^ungen   unb  toibmete  il^r  feine  gürforge  (Dgl.  barüber  ba«  Urteil  Don  ^.  3ona«  bei 
Äatoerau  ^ona^briefe  I,  239).  ©d^on  frü^e,  1518,  gehörte  er  ju  ben  für  bte  UniDerfität 
angeftcHten  Steformatoren  unb  SSifitatoren,  in  fj)äteren  ^af)xm  fc^eint  er  allein  bie  auf- 
gäbe gehabt  ju  ^aben,  jä^rlid^  brei=  biö  Diermal  nac^  SWittenberg  ^n  reifen  unb  über  bie 
in  ßrfüHung  il^rer  Slmt^flic^ten  l^äufig  fel^r  läffigen  SBittenberger  §enen  an  ben  Äur^  30 
fürften  Scric^t  gu  erftatten.    ©eine  barauf  bejüglicben  ©utad^ten  unb  Berichte  mit  i^ren 
3tngaben  über  bie  gehaltenen  SSorlefungen,  ®e^altdDer^ältniffe  2c.,  fotoie  SSorf(^lägen  über 
5Jeubefe^ung  Don  ^Profeffuren  bieten  ba«  rei^fte  ^Material  für  bie  leiber  no(^  immer  ni(^t 
gefc^riebene  ®efd^i^te  ber  UniDerfität  SBittenberg.    2)ic  ©orge  für  bie  SBittenberger  Uni- 
Derfitätebibliot^e!  (bie  Diclfacb  ibentifc^  mit  ber  !urfürftlid[|en  erfd^eint),  fyit  er  h)ol;l  nie^  80 
mate,  tro^  ber  Dielen  ®efd^äfte,  bie  jeittoeilig  auf  i^m  lafteten,  ganj  aufeer  ac^t  gelaffen, 
unb  im  ^af)xt  1533  tpurbe  il^m  bie  fj)ejielle  Cbcrauffxd^t  über  fie  Don  neuem  übertragen 
(MD.  XXXIII  Princeps  illustrissimus  Elector  Saxoniae  Dux  Johannes  Pride- 
ricus  me  denuo  praefecit  Bibliothecae  in  arce  sua  Wittenbergensi  locupletan- 
dae.    Eo  enim  anno  coepit  augere  bibliothecam   llbris  ut   aliis   et    alibi,    ita  -m) 
graecis  et   hebraeis  apud  Venetos  emptis  [3lutobiogra})l^iel),   unb  feiner  Il^ätigleit 
ift  e^  i\u  banfen,  bafe  fo  mancher  ©c^a|  au^  ben  Älofterbibliot^efen  erhalten  blieb.  (Ueber 
feine  anfäufe  Don  Suchern  Dgl.  Suc^toalb,  ©tabtfc^reiber  3)1.  Bttpl).  Slot^  in  gtoicfau, 
Slrc^.  f.  ®efd^ic^te  b.  beutfc^en  Sud&^anbetö,  m  XVI  unb  berf.,   Strc^iD.  3Jlitteil.  über 
Süd^erbejüge  ber  furfürftl.  93ibl.  ®eorgd  unb  ©Jjalatin^,  ebenba  XVIII.    Äemer  &)x. « 
9Jit)liu«,    Memorabilia  bibl.  Aead.  Jenensis,    1736   n.  3  ff.)    9Rit  ben  aSittenberger 
greunben,  ^p^xcü  mit  Sut^er,  blieb  er  fo  in  ftetem  38erfel^r,  unb  Sut^er  blieb  feine  3^= 
flu(^t  in  aüm  fc^toierigen  ©etpiffencffragen,  bie  ben  imSllter  immer  ängftlic^er  toerbenben 
^BJann  nur  ju  häufig  quälten. 

©eine  ©b^  ntit  Äatfiarina  ^eibenreic^  ober  ©treubel,  Don  ber  er  nod^  in  f})äteren  w 
^abren  mit  ^anf  gegen  ®ott  f^reibt:  unicam,  talem  eiusmodi,  quam  diceres  ad 
Ingenium  Spalatini  natam,  factam,  loar  eine  fe^r  alüdflic^e.  ^l^r  entftammten  )h)ei 
löd^ter,  um  beren  loie  um  feiner  ?^rau  3"^"f*  ^  P^  i«  ^^«  I^ten  ^a^ren  feine« 
iJebene  freiließ  alljufel^r  abforgte,  tva^  um  fo  unDerftänblic^er  ift,  ate  feine  eigenen  Sluf^ 
;;ei(^nungen  i$n  al«  einen  für  bamalige  l^er^ältniffe  rec^t  mo^ll^abenben  9)lann  erfc^einen  05 
laffen.  (S^  gab  mand^eö  in  feinem  ^mte  aU  ^Pfaner  unb  ©uj)erintenbent,  loa«  ben 
alternben  Wlann,  über  beffen  JReijbarleit  e«  ju  mand^crlei  ©treitigleiten  mit  bem  2(lten= 
burger  iRaU  fam,  ben  £eben«abenb  Derbitterte,  fo  bafe  Sutl^er  mel^rfac^  fc^lit^tenb  unb 
Derföbnenb  eintreten  muftte.  ©d^on  im  3^^^^  1^^^  toollte  er  in  ben  Slu^eftanb  treten. 
(3ona«briefe  ed.  Äatoerau  I,  234).    ©eine  ©timmung  tourbe  immer  büftcrer,  fc^lie^ic^  eo 


552  ®)ialatttt 

(1544)  bcrficl  er  in  ©i^tocmmi,  toobci  bic  ©otgc  über  einen  fc^iüeren  (S^efaO,  ben  er 
nai)  ber  ^JReinung  ber  SBittenberger  nic^t  richtig  entfd^ieben  f^attt,  mitgett)irlt  ^ben  mocbte. 
aRünbIi(^  unb  f($riftRc^  fud&te  Sutl^er  ju  tröften  (ügl.  be  SBette  IV,  639),  ebenfo  ^e= 
land^t^on  (CR  V,  481.  487).    35er  Äurfürft  fanbte  i^m   too^ltooHenb   feinen  Seibarjt 

5  Sla^eberger.  9(ber  bie  ßraft  \üax  gebrochen.  333abrenb  er  nod^  bi^  )ule$t  tl^ätig  }u  fein 
Derfuc^te,  befonber^  anö)  im  ^ntereffe  ber  ©efamtau^abe  Don  &it^erd  ^mm  (t)gl. 
2^.  Äolbe,  Analecta  Lutherana,  p.  397  sqq.),  fiec^te  er  ba^in.  Slm  16.  Januar  1545 
iP  er  im  ©lauben  an  feinen  ©rlöfer  geftorben.  ^n  ber  SartJ^oIomäifirc^e  m  ältenburg 
^ai  man  i^n  beigefe|t. 

10  ©eine  ©c^riftfteHerei  toar  eine  quantitativ  fel^r  bebeutenbe,  ein  beinoi^e  öoBlftänbige^ 
SJer^eic^ni«  feiner  gebrucften  SBerfe  unb  ?IJlanuffri))te  —  nid^t  SBeniged  befinbet  fic^  nocb 
ungebrucft  auf  ber  Sibliotl^ef  ju  ®ot^a  unb  im  Slrt^ib  ju  SEBeimar  —  bei  ©i^legei 
©.  191ff. 

3Rit  SJorliebe  l^at  er  fid^  in  Überfe^ungen  aud^  bon  ©c^riften  Sut^er^  unb  ©ra^muö' 

16  üerfud^t  unb  l^at  fo.  gu  beren  Verbreitung  beigetragen.  Originell  ift  er  boc^  nur  in  feinen 
ja^Ireic^en  l^iftorifc^en  ©d^riften,  bie  fid|  mit  Vorliebe  mit  ber  ©efc^ic^te  be«   fäc^fifc^en 

taufet  befd^äftigen,   tooju  fc^on  ^iebrid^  ber  SBeife  bie  Anregung  gegeben  l^atte;    eine 
efj)red^ung  berfelben,  bie  nic^t  ^ierber  gel^ören  toürbe,  bei  ab.  ©eelfeim  cl  a,  D.    ©ehr 
tDertt)ott  ftnb  barunter  feine  bie  3^iigefd^i^te  betreffenben  arbeiten,   bon  benen  manc^eg, 

30  aber  längft  nic^t  atte«  für  bie  ©efc^ic^t^forfc^ung  nu^bar  gemacht  toorben  ift,  fo  fein 
Ghronicon  et  Annales  bei  SRencIen,  Scriptores  rerum  germanicarum,  toro.  II, 
590  (SSerbeflerungen  be^  2!ejte^  bei  Veefenme^er,  ber  ba^  bon  3Dlenien  benu^tc  SBeri 
befafe,  in  ©täublin«  Äirc^en^ift.  3trc^.  1825,  ©.  72),  feine  Iciber  berftümmelt  abgebrudten 
beutfd^en  Slnnalen  l^erau^eg.  bon  ß^prian  1718,  bann  fein  Seben  griebric^  be«  Söeifen 

26  in  „®eorg  ©J)alating  ^iftor.  Stad^la^  unb  Briefen  au«  ben  Driginal|anbfc^riften,  ^erau«^ 
gegeben  bon  5Jeubecfer  unb  greller,  ^ma  1851,  8*"'  (einziger  93anb)  unb  manche  einzelne 
©^riftftücfe,  bie  ©reigniffe,  bei  benen  ©palatin  felbft  zugegen  getoefen,  be^anbeln,  bic 
man  l^ier  unb  ba  in  ©ammetoerlen  abgebrudft  finbet  ober  bie  noc^  be«  9lbbrudfe«  Ivanen. 
6ine  fel^r  toic^tige  ®efc^ic^t«quelle  für  bie  ®elel^rtens  unb  2oIaIgef(^id^te  ber  9lcformatione= 

80  Kit  bietet  aber  fein  aufeerorbentlic^  großer  Srieftoed^fel  (bgl.  über  feine  ©d^reibfeligleit 
fd^on  ba«  Urteil  3J2utian« :  Non  tarn  crebras  f requens  pluvia  guttas  habet  quam 
multivagas  ad  amicos  litteras  missittat  Spalatinus.  Nullus  dies  est,  imo  ne 
hora  quidem,  qua  non  sexcentas  nunc  Lipsiam  nunc  Witteburgam  nunc  ex- 
trorsum  nunc  laevorsum  mittat  (bei  len^el,  Suppl.  I,  84),  bon  bem  nur  ein  Heiner 

86  2!eil  bier  unb  ba  gebrudft  ift  (aufeer  bei  3:en^el  g.  S3.  bei  fi.  Traufe,  S)er  Sricftoet^fcl 
be«  gjlutianu«  SRufu«,  ftaffel  1885;  R.  ©iUert,  2)er  Srieftoed^fel  be«  ßonrab  3Rutianuö, 
ÄaHe  1890;  EpistolaeLangianae ed. §. gering, Halis  1896,^rogr.:  35ren)«,©))alatiniana 
^m  »b  XIX.  XX;  Giemen,  ebenba  XXIII,  2c.).  gaft  auf  aUm  Slrc^iben  3)eutf(6= 
lanb«  finben  ftd^  Sriefe  bon  ibm  ober  an  i^n,  bie  meiften  auf  bem  2lrd^ib  ju  SBeimor  (eine 

40  Iciber  nic^t  fel^r  genaue  Slbfc^rift  bon  bicien  berfelben  bon  9leubedfcr  auf  ber  Sibliot^d 
j\u  ®otfia).  2)a|  fie  in  fo  großer  ^al}l  borl^anbcn  finb,  berbanfen  toir  too^I  ber  gür= 
forgc  be«  Äurfürften  3i'^'^<J""  griebnd^,  ber  ©j)alatin«  litterarifd^en  9?ad^Iafe  fogleic^  nac^ 
feinem  Sobe  an  ftc^  na^m;  aber  auf  Slcc^nung  berfelben  gürforge  tperben  tbir  auc^  bie 
Vernichtung  ber  Sriefe  ©Jjalatin«  an  Sut^er  ju  fc^reiben  \)abm,  bie  bi«  auf  ganj  loenigc 

46  unbebeutenbc  fämtlid^  berloren  fmb. 

3!ebod^  nid^t  in  feinen  ©c^riften  ober  in  großen  Ifiaten  ift  ©Jjalatin«  Sebeutung  ^u 
fud^en,  fonbem  barin,  bafe  er  in  großer  ^c'it  auf  einen  beranth)ortung«bollen  ^la^  bc= 
rufen,  nid^t  ol^ne  mand^c  ©elbftberlcugnung  fid^  ©rößerem  bienftbar  gemacht  ^t,  unb  c^ 
liegt  etn^a«  SBal^rc«  barin,  hjcnn  ein  römifd^cr  ©c^mäher  ©Jjalatin«,  SQJolfgang  Stgritola, 

60  i^m  f^jäter  (in  ber  ©d^rift  „(Sin  ßl^riftenlicfje  ^rebig  bon  bem  fie^Iigen  ©fieftanb",  3"9^^' 
ftabt  1580)  bie  Sebauptung  unterfd^ob:  „Sfecnn  id^  nic^t  getoefen  tbäre,  nimmermehr 
ibärc  c«  mit  Sut^er  unb  feiner  2ebrc  fo  toeit  getommen'',  eine  Stufeerung,  bie  freiließ  bei 
einem  Wanne  bon  ber  Scfc^eibenl^cit  ©})alatin«  unbenfbar  ift.  2)erfelbe  Slgrilola  Joeil 
auc^  in  ber  angeführten  ©d^rift  ju  berichten,  baß  ©J)alatin  nac^  bem  2^obe  ^o^ann«  bc^ 

65  Seftänbigcn  auf  bie  Äunbe  bon  bem  SIbleben  feiner  9JJutter  nad^  ©Jjalt  gelommen  ioärc 
unb  bort  unter  tiefer  SJeue  über  feinen  3lbfall  bon  ber  Äirc^e  unb  mit  ber  ©mial^nung 
an  bic  ©^)alter  ©eiftlic^feit,  beim  alten  ©laubcn  unb  ®otte«bienft  ju  ber^arren,  eine 
3Kuttcrgotte«ftatue,  bic  im  Qnn^^ni  ioftbare  JJeliquien  barg,  geftiftet  ^ahc.  3!)aß  biefe 
immer  tpieber  aufgch^ärmtc  ©efd^id^te  (bgl.  Franconia,  2(n«ba^  1813,  I.  8b,  ©.  195; 

09  ^aftoralblatt  be«  33i«tum«  ©c^ftätt  1880,   9k.  27  ff.)   b()«h)iaige  Srfinbung  ift,  ergiebt 


®)ialattit  ®)ialbtng  553 

fd^on  attcin  bcr  Umftanb,  bafe  na6)  ©palaixni  eigener  älngabe  (bei  -BUnim,  Scriptores 
II,  621)  feine  SJlutter  bereit«  am  14.  Slvril  1523  ftarb  unb  er  in  feiner  3lutobiograj)l^ie 
gerabe  ju  btefem  ^a^re  fc^reibt:  Georgius  Spalatinus  divinis  scripturis  praesertim 
il]is[aj  magno  nostro  Reverendo  Doctore  Martino  Luthero  editis  melius  hinc 
etiam  ingenue  professus  se  esse  hominem  i.  e.  peccatorem  et  idololatria  et  6 
nullis  non  vitiis,  sceleribus,  flagitiis  obnoxium  et  tantum  fide  et  fiducia  in 
filium  Dei,  Jesum  Christum  salvändum,  hie  hie  resiluit  Spalatinus  ab  Asino 
Papa. 

eine  Siogra^^ie  ©jjalatin«  giebt  e«  nod^  nid^t ;  ha  er  überaß  hinter  anberen  ^urüdfs 
tritt,  fragt  c«  ftd^,  ob  fte,  au«  bem  Stammen  ber  SReformation^efd^id^te  (oögelöft,  über*  lo 
l^aujpt  möglid^  toäre.    2)ie  SDurc^forfc^ung  feine«  Srieftoec^fete  toäre  baju  erfte  Sebingung. 
3)ie  me^rfac^  herangezogene  (fd^on  toon  ^ortleber,  SSon  ben  Urfad^en  be«  beutfdfien  Äriege« 
1645,  p.  1479  f.  benufete)  fur^e  2lutobiogra^bie,  eine  d^roniIalif4e  gwfammenfteCung  ber 
loid^tigftcn  9Sorfommniffe  feine«  Seben«,  in  ber  Heine,  burc^  gleidfijeitige  Sriefe   ju  öer^ 
bcffembe  S'^ümer  mit  unterlaufen,  finbet  fidfi  abfd^riftlid^  in  ber  S^eubedferfc^en  ©amm^  15 
(ung  auf  ber  Sibliot^ef  gu  ®ot^a.    Sin  fdjiöner  ^oIjfd(^nitt  t)on   1515,  S^alatin  bar« 
fteHenb,  toie   er  t)or  bem  i^rujifir  betet,   mit  ber  Unterfd^rift  Christo   Salvatori  Deo 
Opt.  Max.  Georgius  Spalatinus  Peccator,  toorauf  einige  (ateinifd^e  SSerfe  folgen,  ift 
un«  Don  ber  ^anb  be«  Sufa«  Äranadfi  erhalten  unb  toiebergegeben  t)on  %.  2\ppmann, 
Sufa«  Äranac^,  ©ammlung  t)on  9Jad^bilbungen  feiner  öorjügliqften  ^oljfc^nitte  unb  feiner  20 
Stiche.    Serlin  1895,  81.  48.  5:^cpbor  Äolbc. 

@)ialbtng,  Sol^ann  3>oad^im,  geft.  1804.  —  Ouellen  unb  Sitteratur: 
6clbftbiograp^ic,  herausgegeben  tton  ö) .  2.  ©palbing,  1804 ;  @d)Iid)tcgvon,  92e!roIog  1806; 
«S^rödt^,  t®  feit  ber  9?eforination,  VIII,  138ff.;  ^irfdiinq,  l^iflor.ditt.  ^onbbu*  XII,  1, 
©.298 ff.;  Ä.  ®.@Qcf,  6palbing  al«  ©^riflfteHer  in  ben  X^StÄ  1864,  IV;  berf.,  öef«.  b.  25 
^rebigt  1866,  @.  73ff.;  ^ogenbacb,  IBorlefungen  über  Äirdjengefdiidnc,  VI,  342ff.;  gronf, 
@)efd).  ber  prot.  Xl^eologie,  III,  93 ff.;  S)orner,  ©efcfi.  ber  prot.  X^eologie,  6.  699 f.;  $etri(f|, 
^Pommerfdfte  iJebenSbilber,  .£)amburg  1880,  I;  o.  äcjfdfttoij,  ^raüifc^e  X^eologie  in  3öcflcr« 
C)anbbucö,  III,  369 ff.;  SRot^e,  ®efc^.  b.  «Prebigt  @.  431  ff. 

3.  ^- ®JJöIWng  ift  geb.  1.  9loDember  1714  ju  2^ribfee«  in  3Sorj)ommem;  feine  30 
gamilie  ftammte  au«  Sc^ottlanb,  toon  too  fein  Urgro^tKiter  1625  nad)  9Kcdt(enburg 
eingetoanbert  toar.  ©ein  ^ater,  3*^^^""  ®eorg  ©.,  toar  Sleftor  an  ber  ©c^ule,  fpäter 
^Jrebiger  in  S^ribfeeö.  2)en  erften  Unterrid^t  empfing  er  t)on  feinem  SSater.  9Kit  einem 
älteren  Sruber  befud^te  er  fobann  bie  ©djfulc  ju  ©tralfunb,  feit  1731  bie  Uniöerfttät 
Sloftodt.  $ier  toar  eö  bamate  mit  bem  t^eologifäen  toie  p^ilofop^ifc^en  ©tubium  mangel=  36 
l^af t  beftettt :  bie  5ß^iIofopl^ie  tourbe  ariftotelifc^^fc^olaftifd^,  bie  2^^eoIogie  gebäc^tniömä^ig 
nad)  3.  ^r.  ^önig^  theologia  positiva  acroamatica,  bad  ^omiletifc^e  ©tubium  in  un^^ 
frud^tbarer  SBJeife  betrieben ;  SBolfifd^e  ^^ilofop^ie,  Unioni^mu«  unb  ^ieti^mu^  toaren  bie 
SHid^tungen,  gegen  toelc^e  gelämpft  unb  t)or  benen  getoarnt  tourbe.  ©ennodfi  regten  fidfi 
in  ©palbing  fdpon  je^t  3*^^^f^I  9^9^"  ^^^  l^errfd^enbe  Drt^obojie :  „ber  focinianif^e  fie^r^  40 
begriff  bünfte  il^m  nid^t  untoal(^rfd^einIic^".  Slodfi  niAt  19  Sa^re  alt,  mu^te  er  eine 
gnformatorfteHe  bei  einem  Sanbebelmann  annel^men,  bie  er  aber  balb  toieber  verliefe.  ®r 
iog  fic^  in  ba«  öäterlic^c  $aue  jurüdt  unb  mad^te  mit  ben  ©driften,  t)on  6l^r.  9BoIf, 
33ilfinger,  6an^  nähere  Sefanntfdpaf t :  l^ier  fanb  er  fo  Diel  Sid^t  unb  Überjeuguna,  toie 
faft  nirgenbö.  Sine  ^loeite  ^nformatorfteHe,  bie  er  1734  in  (Sreif^toalb  annoi^im,  bradfiteiö 
i^n  in  SSerbinbung  mit  bortigen  ^rofefforen,  befonber«  mit  $.  äll^Itoarbt  (geft.  1791), 
ber  Am  feine  p^ilofop^ifd^en  ^orlefungcn  eröffnet  l^atte.  ©r  fing  an,  am  SBJolfianigmu^ 
ine  ^u  loerben;  ba  i^m  aber  bie  jRübigerfdfien  ®runbfä|e,  nad^  benen  31.  bojierte,  ju 
fünftlic^  unb  öerioirfelt  fc^ienen,  lehrte  er  bod^  balb  toieber  jur  alten  ^af)nt  jurüdE.  2)ie 
folgenben  ^af)x^  (1735  ff.)  öerbrad^te  er  teil«  ju  ^aufe  ate  ^ilföprebiger  feine«  9Sater«,  bo 
teil«  auf  bem  Sanbe  al«  §au«le^rer  in  mehreren  abeligen  gamilien,  befdfiäftigte  ftd^  audj^ 
nebenl^er  mit  litterarifc^en  2lrbeiten  (bigae  quaestionum  metaphysicarum  1736), 
mit  S^umalleftüre,  Überfe^ungen  au«  bem  Snglifd^en  unb  granjöftfc^en,  Beiträgen  für 
Derfc^iebene  ^^itfc^riften  2c.  SJn  ^aUe,  too^in  er  ftc^  1745  al«  Segletter  eine«  jungen 
$erm  t)on  SKolfrabt  begab,  f^lofe  er  ftd^  befonber«  an  ben  SBolfianer  3.  ©.  Saumgarten  55 
an;  in  Serlin,  Wo  er  1745—46  eine  ^txi  lang  bie  ©efd^äfte  eine«  ©efanbtf^aft«- 
fehetär«  bei  bem  fc^toebifd^en  ©efanbten  ^zxxn  t)on  3lubenfd(^ölb  öerfa^  unb  na^e  baran 
toar,  bie  2:i^eologie  mit  einer  bi})lomatifc^en  Karriere  ju  Dertaufdfien,  lernte  er  ben  ^ofs 
unb  95omj)rebiger  21.  g.  2Ö.  ©adt  lennen,  ber  i^m  fein  Vertrauen  fdfienlte  unb  burc^  feinen 
@mft  unb  3)2Ube  einen  tool^lt^ätigen  @influ^  auf  i^n  ühtt.  ätud^^  ju  ben  2)ic^tem  ®leim  60 


554  ®)ialbtng 

unb  6^r.  6.  D.  Äleift  trat  er  um  jene  ^cit  in  freuubfc^aftlid^e  Sejtcl^uitf^en  (\}qI.  Q>paWm%^ 
Sricfe  an  @kxm,  grantfurt  unb  Set^jj^ig  1771).  9?ad;bcm  er  1747  in  feine  öeimat 
Aurüdgefe^rt  ipar,  um  feinen  Iranfen  SBater  ju  })flegen  unb  im^rebigtamt  ;;u  unterftü^en, 
fafete  er  in  ben  ifläd^tm,  bie  er  an  beffen  Äranf enbette  ^ubrac^te,  ben  (Sntfc^Iufe,  im  ®egen= 

6  fö$  Ö^gen  ben  bamal^  Don  Serlin  au^  ftd^  öerbreitenben  5)iateriali«mu^,  inöbefonberc 
gegen  iia  SRettrieö  Schrift  Thomme  machine  (1748),  feine  ,,®ebanfen  über  bie  8c= 
ftimmung  be^  35ienf(^en"  auf^ufe^en.  95ie  ©d^rift  erf^ien  ju  ©reif^albe  1748,  ctlÄu 
rafc^  f^intereinanber  neue  auflagen  (1749.  1751.  1754  2C.;  13.  äufL  mit  ^wf^i^^*^  ^^- 
me^rt   1794),  tüurbe   1750  t)on  gorme^,    1752   t)on  ^feffel,  1776   Don  ber  Äönigin 

10  (Slifabetl^a  (S^riftine  Don  ^reufeen,  ber  Oemal^Iin  griebrid^  II.,  in^  ^anjöfifc^e,  1 765  Don 
^.  ^t.  .^einje  (u.  b.  %.  Soliloquium  h.  e.  quo  consilio  genitus  sit  homo  deliberatio, 
mit  einer  lat.  SDebifation  ©})albing^  an  bie  Königin  Don  ©c^toeben)  in«  2atetnif(^c  übcr= 
fe^t.  95ie  Heine  ©c^rift  bat  ©jjalbing«  fc^riftfteHerifc^en  Slul^m  begrünbet.  ßr  felbft 
ioiH  in  bem  SeifaH,  ben  fte  in  Seutfd^lanb  toie  im  2luölanbe  fanb,  nur  einen  Setoet^ 

15  baDon  ertennen,  „toieDiel  (SetDalt  eine  geh)iffe  ßinfalt  unb  SBa^r^eit  ber  ©efinnungen 
unb  be«J  Slu^brudte«  nod^  immer  auf  bie  ®emüter  ber  ^RenfdSien  l^at ;  benn  o^ne  3^^^^ 
hjürben  Unjäf^Iige  ebenfogut  fc^reiben  unb  nod(^  mel^r  £ob  Derbienen  lönncn,  tpenn  fie 
nid^t  mit  älufojjferung  biefer  il^nen  DieHeic^t  ju  geringen  Sigenfc^aft  gefünftelt  unb  fc^arf^ 
fmnig  fein  iDoHten".    3)amit  ^at  ©palbing  felbft  ba«  riätige  Sföort  über  fein   fcbrift^ 

20  ftetterifdfie«  3?erbienft  gefjjrod^en.  6«  beftanb  barin,  in  einer  ^Qxt,  bie  mit  ber  fird^Iic^en 
Crtl^obojie  bereit«  gebrochen  ^atte,  bie  allgemeinen  ftttlicben  SBa^r^eiten  bem  3Serftänbni^ 
ber  ©ebilbetcn  nal^e  gelegt  ju  ^aben,  unter  SSer^ic^t  auf  tiefere  j)biIofo})l^ifc^  ober  thco= 
logifd^e  Segrünbung.  gn  biefer  ^o})uIarifterung  ber  5ß^ilofo})l^ie  toaren  bie  ©nglänba 
Dorangegangen,  naq  beren  SKufter  ©})albing  ftd^  bilbete  unb  Don  benen  er  einige  ©i^riftcn 

26  überfe^te  (j.  S.  ©l^afte^burV«  ©ittenlel^re  1745,  be^felben  Unterfudfiung  über  bie  lugcnb 
1747,  gofter«  Setrad^tungen  über  bie  natürlicbe  SReligion  1751—53).  —  SJac^bem  fein 
iJater  geftorben,  erhielt  ©pa(bingl749  baö5ßaftorat  juSaffal^n  in^ommem,  ba«  er  „mit 
alter  2:reuc  feine«  ^er^en«  ^n  führen"  bemüf^t  ioar.  greilidfi  gelang  e«  il^m  nid^t,  „in  bem 
?Ka6e,  lüie  er  e«  hjünfd^te,  ber  ©emeinbe  ju  ©rlangung  d^riftlic^er  ßrfenntniffe  unb  ®c- 

aofmnungen  nüfelic^  ju  fein":  bie  3?erfd^iebcn^eit  feine«  neblogifc^en  ©tanbpunfte«  Don  bem 
noc^  gang  ortbobojen  feiner  gw^örer,  bie  an  bie  alte  „Äanjelfjjrac^e"  gemö^nt  hwren, 
ma6)ic  i^n  anfang«  befangen  unb  ^inberte  i^n,  „in  bem  „Dertrauten  %on  be«  Umganges" 
ju  reben,  ben  er  für  ben  -^uträglic^ften  ^iclt.  ©ein  3tmt  getDä^rte  i^m  9)lu^c  ju  litte- 
rarifd^en  arbeiten  unb  ^u  einer  regen  ÄorrefDonben;;  mit  feinen  berliner  greunben.    (fr 

35  ioanbte  fic^  aud)  je^t  befonber«  ber  englifd;en,  beiftifd^en  unb  antibeiftifc^en,  fiitteratur  jiu. 
©0  überfe^tc  er  eine  anonl;mc  ©d^rift  axx^  bem  3(nfang  be«  18.  Sfll^^l^unbert«:  The 
principles  of  Deism  fairly  states  1754—55,  mit  einem  ansang  Don  „brei  ©riefen, 
ben  ©trcit  über  Stcligion  betreffenb",  bie  f})äter  aud^  in  franjöftfd^er  Überfe^ung  in 
?)raunfd;n)eig  erfc^ienen;  1750  folgte  eine  Überfe^ung  Don  Sutler«  Analogy  unter  bem 

40  litel  „Seftätigung  ber  natürlid^en  unb  geoffenbarten  SReligion  axxi^  i^rer  ©leid^förmigfeti 
mit  ber  (ginrid^tung  unb  bem  Saufe  ber  9Jatur".  —  33on  Saffal^n  hjurbe  ©palbingl757 
al«  erftcr  ^IJrebiger  unb  ^rä})ofitu«  nad;  Sart^  berufen.  3)ie  befonber«  Don  -iDledlenBurg 
a\x<^  fid)  Derbreitenbe  >)ietiftifd^e  Stic^tung  Deranla^te  ibn,  feine  „®ebanlen  über  ben  ffiert 
ber  ®cfül^le  im  ßl^riftentum"   ju  ^ap'wx  ju  bringen.    3)iefe  Schrift,   bie  1761   erft^ien 

45  unb  mcl^rcrc  beträd^tlic^  crlüeiterte  3tuflagen  erlebte  (17G4.  1769.  1775.  1784),  ^atte  bie 
aibfid)t,  bie  ioal^ren  religiöfen  ®efü^le  Don  ben  falf^en  unb  erlünftelten  ju  fc^eiben;  ber 
"SJafjftab,  ben  er  babci  anlegte,  ift  ioefentli4>  ber  moralifc^e:  nic^t  ®efü^l«erregungen  ücr= 
langt  ba«  (ibriftcntum,  fonbern  nur  „ba«  Setou^tfein  rid^tiger  ®efmnungen,  bie  fic^  in 
einem  guten  i?erl;alten  gegen  ®ott  unb  9Kenfc^en  t^ätig  ben)eifen".  2)er  9leIigion«begriif 

50  ©palbing«  ift  ber  einfeitig  moralifd;e  ber  2luf{länmg«jeit:  „Dteligion  l^aben",  fagt  er  in 
einer  fpätercn  ©c^rift,  l?ci|t:  „in  bem  geglaubten  äöeltbel^errfd^er  bie  l^öcbfte  iugenb  l^er- 
c^ren,  ihr  nacbftrcben  unb  fid;  juDcrficbtlid(?  i^re«  Urbilbe«  freuen".  —  ^n  \vü6)  bo^ 
3lcl?tung  ©palbing  fdt)on  bamal«  audt)  im  3(u«lanbe  ftanb,  j^eigt  ber  SJefuc^,  ben  er  im 
"öilai  1 76:]  Don  brci  ©d;iüci;;er  S""9li"9<^"/   ^obann  Äa«j)ar  SaDater,  i^einrid^  güßli  unb 

65  5^clir  öcft  crl^iclt,  iüelc^e  auf  %  &.  ©ulj^cr«  3tat  bieSlcife  ju  i^m  unternahmen,  um  brei 
^iUerteljal^rc  feine«  naiveren  Umgang«  .^ugcniefeen  (über  bieUKotiDe  ber  Seife  f.  bie  gebend 
befdbreibungcn  SaDater«  unb  WS  53b  XVIII,  ©.  784).  ©o  Derfd^ieben  auc^  Saüater 
unb  ©})albing  ihrem  gan^^en  äBefcn  nadt)  trarcn,  fo  blieben  fie  bod»  Don  biefer  S^it  an 
?freunbe,   bie  einanbcr  l)od)\d)ci^tcn,   ba  fie  fic^  Gin«  loufeten  in  benri  ©treben,  i^r  3^^' 

60  alter  burc^  ^intoeifung  auf  bie  l;öc^ften  ©üter  Dor  bem  äJerfmfen  in  ©emein^eit  ^u  b^- 


®)ialbiitg  555 

toaf)xm.  ^m  ^af)xc  1764  Derlicfe  S})albing  feine  })ommerf(i^c  Heimat,  um  einem  Stufe 
nac^  Serlin  gu  folgen  al«  ^tojjft,  erfter  ^aftor  an  ber  'JJilolats  unb  ^JJJarienfird^e  unb 
Dbcrfonfiftarialrat.  ©eine  ^rebigten  fanben  balb  öielen  SeifaU,  befonberd  bei  ©ebilbeten, 
auc^  bei  §ofe,  in^befonbere  ber  Äönigin,  beten  33eic^tt)ater  er  h)ar,  hjä^renb  freiließ  ber 
Äönig  ben  „Pfaffen"  ©})albing  ebenfohjenig  aU  ben  ,,3"^^""  aJlenbeföfo^n  in  bie  berliner  s 
älfabenüe  aufnehmen  tüoUte.  3He^r  afö  i^toanjig  ^ai)xt  lang  h)ar  fein  SRu^m  aU  Ran^tU 
rebner  ein  ungeteilter.  ®ebrurft  fmb  öiele  einjelne  ^rebigten  unb  ©elegenl^eit^reben,  fo« 
h)ie  mehrere  ^rebigtfammlungen,  j.  8.  Serlin  1763;  2.21.1768;  3.31.  1775;  9Jeue 
5ßrebigten,  2  Sie.,  Serlin  1768.  1784;  geftjjrebigten  1792;  ^rebigten  bei  aufeerorbent^ 
liefen  gäHen  gehalten,  granifurt  1775;  Dgl.  bie  (Sl^aralteriftif  berfelben  nebft  3lugj;ügen  lo 
bei  Bai,  ©efd^id^te  ber  $rebigt  ©.  73  ff.  Unter  ben  arbeiten  bed  Dberfonfiftoriumg,  bei 
benen  fid^  ©)c)albing  beteiligte,  fmb  ju  nennen  ber  1765  l^erau^efommene  neue  3ln^ang 
ju  bem  ^orftfd^en  ©efangbuc^ :  gieber  für  ben  öffentlid^en  ®otte«bienft,  an  beffen  3lebals 
tion  jeboc^  fein  ÄoUege  3)ieterid^  ben  meiften  Slnteil  l^atte;  ferner  bie  SSifttation  unb 
9Jeuorganifation  be«  berliner  unb  Äölnifd^en  ®^mnaftumd ;  Beratungen  über  nü^lic^e  i5 
(Sinrid^tung  ber  t^eologifdfien  ÄoHegien  auf  ben  Uniöerfttäten,  hjobei  ©palbing  befonber^ 
auf  3?orlefungen  über  2l})ologetif  unb  tbeologifdfie  @ncvHo})äbie  brang;  1769  na^m  er 
in  fjjejiettem  Stuftrag  be^  Äönig«  teil  an  ben  SSer^anblungen  über  bie  ß^efd^eibung^fac^e 
be^  bamaligen  ^rinjen  Don  5ßreu|en,  1770  ff.  an  Beratungen  über  Slenberungen  be^ 
©otte^bienfted,  bie  aber  nur  teiltüeife  ^ux  Slu^fü^rung  famen.  ©eit  1766  ftanben  i^m  20 
Süfd^ing,  feit  1768  2B.  21.  SCeUer,  beffen  Berufung  au«  §elmftebt  ©jjolbing  befonber« 
betrieben  ^aiU,  ate  Rollegen  im  Dberfonfiftorium  jur  ©eite.  ^m  S^^te  1770  lernte 
©})albing  auf  einer  amtlichen  Steife  nad^  3Ragbeburg  ben  2lbt  ^^ölem,  3-  ®-  ©emier 
unb  einige  anbere  gleic^geftnnte  3Ränner  lennen  —  bei  einer  Swf^^^'wenlunft,  bie  man 
im  5ßublifum  atö  eine  förmliche  33erfc^h)örung  ber  2lufIlärung«tl^eologen  jur  2lbfd^affung  20 
be«  JEird^lid^en  Se^rbegriff«  auffaßte.  —  2luf  feine  bi^^erigen  ©d^riften  liefe  er  1772  bie^ 
jenige  folgen,  bie  i^m  bie  meiften  2lnfed^tungen  jugepgen  l^at :  „Über  bie  9lu^barteit  be« 
^rebigtamt«  unb  beren  Seförberung",  guerft  anonym  erfc^ienen,  bann  mit  bed  äJerfaffer« 
5iamen  1773,  jule^t  in  erhjeiterter  ©eftalt  1791.  Söcit  entfernt,  ba«  d^riftlic^e  ^rebigt* 
amt  I^erabfe^en  ju  hjotten,  jeigt  er  öielmel^r,  h)ie  tüid^tig  unb  nottoenbig  ba^felbe  fei,  unb  30 
ba|  e«  barum  mit  ber  äufeerften  ©orgfalt  öerhjaltet  tüerben  müfje;  bad  eigentliche  ©e^ 
fd^äft  be«  ^rebiger«  aber  fe^t  er  barein,  bafe  burc^  ben  Unterri^t  in  ber  Sieligion  bie 
3Jlenfc^en  teil«  berul^igt,  teil«  gebeffert  unb  fo  in  bie  3?erfaffung  gefegt  toerben,  bie  jum 
®lücffeligh)crben  nötig  ift;  bal^er  t)erh)irft  er  atte  bogmatifd^en  unb  verlangt  au^fc^liefelidfi 
moralifd^e  ^rebigten  2c.  3)iefe  ©d^rift,  befonber«  bie  barin  geforberte  „gänjlid^e  SBeg^  35 
laffung  tl^eoretif(|er  9teligion«le^ren,  b.  ^.  in«befonbere  ber  2^rinität«s,  9?erfö^nung«-,  3lec^t= 
fertigung«lel^re  au«  ber  ^rebigt"  rief  fd^arfe  Entgegnungen  t)on  öerfc^iebenen  ©eiten  l^er= 
t)or,  j.  S.  Don  Demier  in  ^ma,  3)öberlein  in  Slltorf,  ©mefti  in  Seipjig,  befonber«  ober 
Don  §crber,  bamal«  in  Südfeburg,  in  feinen  1774  ju  Sei^g  erfc^ienenen  „funf^el^n 
5ßroDinjialblättem"  (ber  2lbbrucf  in  ^erber«  ©ämtlid^en  SBerfen,  2;übingen  1808, 40 
SBb  X,  293  ff.,  giebt  bie  ©c^rift  nic^t  in  i^rer  urf})rünglid^en  ®eftalt  unb  ^at  gerabe  bie 
polemifc^en  ©teilen,  tüobur^  ftc^  Derfd^iebene  ®ele^rte  beleibigt  glaubten,  toeggelaffen,  f. 
bie  SJonebe  be«  .^erau«geber«  3.  ®.  2)lüller  ©.  VI  ff.).  SDer  farfaftifc^e  SCon,  beffen  ftd^ 
^erber  bebiente,  befrembete  unb  fd^merjte  ©})albing  um  fo  me^r,  al«  fid^  §erber  1767 
in  ben  Fragmenten  über  bie  beutfd^e  Sitteratur  fe^r  anerlennenb  über  ©>)albing«  ^rebigt^  45 
tpeife  au«gefproc^en,  auc^  i^m  feine  ©^rift  felbft  mit  einem  überau«  ^öf liefen  Srief  übers 
fanbt  l)atU,  3)er  Äonflilt  tüurbe  Derfd^ärf t  burd&  bie  unberufene  ©inmifd^ung  eine«  dritten 
(tüa^rfc^einlic^  2;elter«).  ©jjäter  ^aben  beibe  3Wänner  ftc^  miteinanber  5U  Derftänbi^en 
gefuc^t:  .^erber  milberte  ba«  ©c^arfe  feiner  Urteile  in  einem  Srieftüec^fel  mit  ©>>albmg 
(f.  ©ad  in  ben  ^^©tÄ  1843,  ©.  90  ff.),  unb  mit  Siedet  mad^t  ©palbing«  ©o^n  (fieben«^  60 
befc^r.  ©.  94ff.)  barauf  aufmerffam,  toie  fe^r  beibe  bei  aller  9Serfc^ieben^eit  i^rer  Drgani= 
fation  unb  35enfart  bod^  in  Dielen  fünften  fid^  berül^rten,  bal^er  fie  aud^  Diele  gemein= 
fame  SUere^rer  Ratten. 

3)a«  ©treben  ©})albing«  unb  anberer  feiner  B^^tgenoffen,  ba«  ß^riftentum  ber  ^t\U 
bilbung  möglid;ft  geregt  ju  machen,  ^atte  feinen  ®runb  in  bem  aufrid^tigen  3Serlangen,  55 
e«  m  fd^ü^en  gegen  bie  älngriffe  be«  friDolen  Unglauben«,  ber  Don  ßnglanb  unb  granf* 
reic^  ^er  and)  über  25eutfd^lanb  \\d)  Derbreitet  f}atU.  3Kan  toollte  ba«  SBefentlic^e  retten 
inbem  man  ba«  Dermeintlic^  Unlüefentlicbe  J)rei«gab;  man  glaubte  „ba«  ß^riftentum  mit 
bem  3eitgcift  ;\u  Derfö^nen,  inbem  man  bie  "SiloxaU  unb  SBernunftreligion  al«  bie  lo^vOßU 
fad^e  in  bemfelben  ^erDor^ob,  o\)m  feine  j)ofitiDen  Seigren  au«brüdHid^  ju  beftreiten".  Um  w) 


556  ®)ialbtitg 

ber  abfpred^cnbcn  gtcigctfterci  unb  bcr  bon  bicfcr  ju  bcfürd^tcnbcn  SJcrbcrbung  bcr 
SJJoralttät  cntgeöen  ju  treten,  fehlen  e^  bor  altem  nötig,  über  ba^  SBefen  ber  Sleligion 
ftd^  ju  öerftänbtgen  unb  jtoar  mit  SSermeibung  atter  t^eologifc^en  ®(^uIj>oIemif.  $ie^ 
\üi)xiz  ©palbing  jur  2lbfa)fung  feiner  „SJertrautcn  Sriefc,  bic  Steligion  betreffenb",  tpelc^e 

6  1784  anonym  in  Sre^lau  erfc^iencn;  eine  itoeite,  t)on  fünf  auf  neun  Sriefe  bermebrte 
Sluflage  folgte  1785,  eine  britte  mit  bem  9camen  be^  SSerfaffer«  unb  mit  einer  3"9<^^^ 
an  2lbt  ^erufalem  1788;  fie  cntl^alten  „eine  fdfiön  gef^riebene  Unter^Itimg  mit  einem 
greunbe  über  unb  toiber  bie  bamalige  greigeifterei"  unb  fmb  aud^  lultur^iftorifc^  intep 
effant  aU  ein  anfcl(^aulicl^e«  S3ilb  t)on  ber  bamafö  in   ben  böseren  ©tönben  ^errfc^nben 

10  griöolität  unb  religio  fen  ©leic^giltigfeit.  —  Unterbeffen  toar  gnebridSi  II.  1786  geftorben. 
Salb  nad^  bem  SWegierung^ntritt  griebrid^  SBill^elm^  II.  trat  in  ben  fird^Iic^en  Serbält- 
niffen  ^reufeen^  eine  öer^ängniööoue  SBenbung  ein  burc^  ba^  SBöttncrfd^c  Sleligionöebift 
Dom  9.  3iwli  1788  (f.  I^ierüber  ©adt,  äJerl^anblungen  über  ba«  9leligion«ebift  in  ber  3^25 
1859,   6.17 ff.;   unb   ebenbaf.  1862,  ©.  412ff.).     äuc^  ©palbing«  SBirffamlcit  tourbc 

16  bat)on  aufö  ndt^fte  berührt.  6r  beteiligte  fxi)  mit  feinen  Äottegen  SJüfc^ing,  leHcr, 
SDieterid^,  ©ad  bei  einer  Singabe  an  ben  Äönig,  in  toeldfier  fie  biefem  i^re  Sebenlen  unb 
Seforgniffe  toegen  be«  Sbiftö  anzeigten  unb  SJorfdfiläae  ui  einer  beru^tgenbcn  3)eflaration 
madfiten  k.,  tourben  aber  mit  aUm  i^ren  2lnträgen  fcproff  jurüdtgetoiefen.  ©j)albtng  felbft 
bcfürdfitete  md)  bem   ftrengen   2;on   be^  6bift§  eine  berfe^erung^füc^tigc  Beobachtung 

20  feiner  ^rebigten;  er  fud^te  um  feine  Sntlaffung  t)om  ^rebigtamt  nad^  unb  erhielt  fie: 
am  25.  ©e()tember  1788  ^ielt  er  feine  behjeglic^e  äbfc^ieb^rebigt,  bie  gebrucft  ift  ßr 
log  fic^  Don  nun  an  ganj  in  ba«  Seben  ber  gamilie  gurüdE,  banfte  für  ba«,  tva^  er  in 
feinem  langen  Seben  ®ute«  a\x^  ®otte^  §anb  cm})fangen  batte  unb  in  feinem  unge^ 
toö^nlic^  l^o^en  unb  glüdPlidfien  3llter  noc^  immer  emjjfing.    2)aDon  legt  feine  in  gorm 

25  eine^  ^Eagebudfig  geführte  ©elbftbiogra})l^ie  ba«  fd(^önfte  3^wgni^  ah ;  fie  bilbet  bie  §auj)t- 
quelle  für  feine  Seben^cfc^ic^tc.  ©palbingö  le^te  ©c^rift,  bie  er  im  95rudfe  ^erau^ab, 
ift:  Sieligion,  eine  Angelegenheit  be§  3Kenfc^en  (erft  anonym  1797,  bann  1798  unb  mit 
^ufä^en  bermel^rt  1799)  —  gleic^fam  ein  2;eftament  be«  82iä^rigen  ©reife«,  für  ein 
fold^e«  2llter  merltoürbig  flar  unb  Iräftig  gehalten,  aber  an  fi^  fd^toäd^er  unb  ben  9«= 

30  bürfniffen  ber  ^txi  nic^t  me^r  genügenb,  toie  ftd^  befonber«  jeigt  bei  95ergleid^ung  bicfer 
legten  ©d^rift  ©jjalbing«  mit  ben  faft  gleichzeitig  erfd^ienenen,  eine  neue  ©cifte^^eriobc 
anlünbigenben  SReben  über  bie  Sieligion  feinet  jungen  Berliner  Kollegen  unb  §au«freunbe^ 
©d^leiermac^cr  (Dgl.  über  beffcn  i^er^ältni«  ^u  bem  ©adt5©J)albingfc^en  Ärei!^  ©^leicr- 
mad^er^  Briefe  I,  166;  25ilt^e^,  Seben  ©d^leiermac^erö,  I,  197  f.).    3)er  t)on  ben  ongc- 

35  fc^enften  3Kännern  feiner  ^M  ^oc^Dere^rte  ®reig,  ber  fic^  ^toar  längft  t)on  aller  ®efcllig= 
feit  jurüdfgejogen  l^atte,  ju  bem  aber  ein  ja^lreid^er  gamilien=  unb  greunbe^freiö  al«  p 
feinem  geiftigen  SKittel^unh  in  J)atriard^alifd(>er  5ßietät  unb  ßintrad^t  aufblicfte,  ftarb  in 
einem  2llter  Don  faft  90  Sauren  ben  22.  3Kai  1804.  eine  too^ltoottenbe  SBei^^eit  unb 
aufrid^tige  grömmigfeit,  Derbunben  mit  bem  Beftreben,   berfelben  einen  möglic^ft  Haren, 

40  einfachen,  auc^  anbere  überjeugenben  3lugbrudt  ju  geben,  unb  ein  l^o^er,  aber  milber  fitt^ 
lid^er  6mft,  fern  Don  fünftlid^er  geierlid^feit  unb  gezierter  geiftlid^er  SBürbe  ioar  bic 
©celc  feinet  Seben^.  „9Bir  looHen  gut  fein,  bann  toerben  toir  ^  getoife  unter  Oott« 
gügungen  gut  fjaben"  —  ba^  loar  bie  Sofung  feinet  Sebenö.  „Stud^  feine  äbtoeic^ungen 
Don  ^erfömmlid^en  Sefjrmeinungen"  —  fagt  fein  ©o^n  in  ben  Slnmerfungen  ju  feine«  Satcts 

45  Sebenöbefcbreibung  ©.  172  — ,  „toe^l^alb  er  balb  mit  Beifall,  balb  in  Berbammung^form 
m  ben  Slufflärem  ift  ge^äfjlt  toorben,  ioar  nid^tg  anbere«  al«  ein  3^9  friner  aufrichtigen 
^römmigfeit,  jener  fein  gan^e«  Sffiefen  burd^bringenben  Sleblic^Ieit,  bie  burc^au^  emfi 
mad^t  au«  bem,  Wa^  fie  unternimmt.  35ie  ^criobe,  in  ber  ©})albing  öffentlich  le^e, 
beburftc  gerabe  eine«  3Hanne«   in  biefem  ®eift  unb  ^er^en.    Um  t^n  ju  ^ören,  brdngte 

50  fic^  iebe«mal  eine  gro^c  Slnja^l  au^  aßen  ©tänben,  Don  ber  Derfc^iebenften  SDenf-  unb 
®emütgart  i^er^u;  nic^t  burd^  bie  ®eh)alt  ^inrei^enber  9lebe!ünfte,  fonbem  bun^  bie 
rul^ig  iüirfenbe  Kraft  ber  3Baf>rl;eit  jog  er  jebe«  nid^t  Derloilberte  ®emüt  an.  ©o  hwr 
er  burc^  Sc^re  unb  Seben  ein  feftcr  2)amm  gegen  bie  geioaltig  ftrömenbe  glut  eine^ 
irrcligiöfen,  egoiftifd^en  ©eifte«,   unb  gen)ife  Wax  eine  2Bof>lt^at  ber  Borfe^ung  barin  ^u 

55  erfcnnen,  ba^  ©jjalbing  gerabe  in  biefer  3cit  unb  in  Berlin  eine  fo  lange  9lei^  üon 
Sauren  fjinburd;  gelehrt  unb  gelebt  bat." 

©palbing  tüar  fein  großer  2:^colog  ober  "iß^ilofo})]^,  fein  fc^affenber  ®eift,  feine  pof- 
tifd;e  ober  fjjefulatiDc  5Jatur,  aber  aud^  fein  3lufflärer,  fein  SRationalift  ober  35eift;  aber 
er  toar  ein  ':)ioi)ularpl;ilofoj3l^  unb  ^^5oj3uIart(;colog,  ber  bie  göttlidfie  £el(^re  be«  (S^rifien- 

60  tum«  jum  ^^^d  ber  ^erjen^^erfa^rung  unb  2Billen«beh)egung  bem  gefunben  Berftanb,  bem 


®)ialbing  ®)iaitgfitberg,  9(.  @.  557 

®efü^I  unb  SBtUcn  na^e  ju  bringen  tpu^te,  unb  fo,  tt)ic  man  tl^n  genannt  i)at,  ber  ,,@rs 
bauet  feiner  3^^^9^of[en"  getoorben  ift.  „©eine  (lintüirfungen  auf  ba«  S^i^^^^^^  f^"^" 
—  h)ie  ©c^leiermac^er  treffenb  bemerlt  —  „eigcntlid^  Müdftoirlungen :  ©elbftbilbung  toar 
immer  fein  näcMter  3^^*;  ^^^  ^^^  3^^^ö'*<^  anregte,  prüfte  er  nac^  feinen  ©runb« 
fä^en,  um  jur  Klarheit  barüber  ju  gelangen,  unb  ba«  h)ar  bie  SJeranlaffung  feiner  6 
Sd(^riften.  6ben  barauö  erllärt  fiqj  auc^  ber  ungemeine  Seifall,  ben  feine  ©dfiriften  fidfi 
erwarben  burd^  bie  gefällige  unb  reine  SJarfteHung,  unb  fein  unleugbar  fel^r  vorteilhafter 
©influfe  auf  bie  SJilbung  unferer  ©})rac^e,  befonbcr«  jur  j)Oipulären,  fittlic^en  unb  religiöfen 
SOlitteilung.  Dl^ne  ftdb  einen  S^^Q  ^^  (Selel^rfamfcit  ju  feinem  Eigentum  getoä^lt  ju 
^aben  unb  ol^ne  alö  itünftler  Dor  feinen  g^tgenoffen  auftreten  ju  tooHen,  tüurbe  er  einer  lo 
ber  gebilbetften  unb  gerne  gelefenften  ©d^riftfteHer  burd^  feinen  ß^aralter,  inbem  ber  rege 
©inn  für  Harmonie  unb  bie  innere  Älar^eit  feinet  SBefen«  aud^  in  feine  ©prac^e  ftd^ 
ergog''.  (^agenbai^  t)  tBagcnmann  f* 

Span^tnittq,  äuguft  (Sottlieb,  geft.  1792.  —  Cuellcn:    ©ein  ^anbfdjriftlicöer 
9?nd)IaB    im  UnitätSorrfiit)  in  ^errnl^ut,    barunter  brei  eigcn^Snbige  fiebcn§befd)rcibimgcn,  bie  IB 
evfle  tjom  3q^i  1751,    in   ber  brittcn  ^erfon  erjfi^lenb,    bie  jttjcitc  1789  tjcrfoftt,    wcfentlic^ 
3uc;enbge|d)t(4te  bid  ^um  9(nfd)(uf)  an  bie  ^rübergemetne,    für   bie  öffentliche  ^erlefung  beim 
^egrfibni^  beftimmt,   abgebr.  $).  ^^.  (J.  $enfc:  ^rc^io  für  hie  ncuefte  ft'ircftengcfdjicöle  J,  40, 
bie  brittc,  bei  meitcm  auSfü^vIidiftc,  1784  aufgefegt,  mit  ftorfen  SBerlürjunaen  abgebr.   ^cnfe 
a.  a.  0. 11,429—487,  SScimar  1796  unb  «Racfiriditcn  au§  ber  »rübergemcinc  1872,  e.  135— 180.  20 
^on   ber   umfangreirfien  Äorrcfponbcnj    @p.3   finbet    fid)   abgebr.:    Briefe  an  feinen  älteftcn 
!örubcr  Sofob  CiJeorg  gvei^err  üon  ©pangcuberq    au§  ben  3a^ren  1770—1779,   ^atr!otifd)c§ 
9lrct)iü  f.  3)eutidjlünb  VII,  302—372.    53creinielle  «riefe  in  ber  ßeltfc^rift  „3)er  »rüberbole" : 
on  grj.  53oU.  9tcin{)arb,  ben  53uc6^änbler  2:rautmann  in  53rieg,  an  «afeboto,  1872,    @.  9  ff., 
241  ff.    2)en  «riefn)ed)fel  mit  feinem  brüten  ©ruber  ®eorg  «Philipp,  9lrjt  in  2Bal!enrieb,  befi^t  25 
bie  (ijüttingcr  Uniüerfität^bibliotbef,    hit  Elften    über    feine  S3ertrcibung   aiid   ^De   in   bem 
bortigcn  gof u(töt^ard)io  unb  ^rc^io  bed  SBaifen^aufeg,  fpeiiaUfiert  hei  Änapp :  ©citräge  (f.  u.). 
8rf)ilberungen  uon  3citgcnoffen :    (J^r.  ®.  ©a^mann,    Steifen   ber  6a^maunf(^cn  3öglinge, 
2.  35b,  Öeipjig  1786;  Srüberbote  1874,  @.10ff.;  9lub.  3ad).  55ecfer,  3)eutfd6c 3eitung, 49  @tücf. 
1792;    «Hrüberbote  1876,   ©.  309ff.;    gänidjen,    3o^.  SBernouUiS   Sammlung    turjer  9f^eife=  30 
bcfd)reibun9cn    unb  anbrer    jur  ©rtoeiterung    ber  fiänber=    unb  3WenfdjenfenntniS   bienenben 
^Mric^ten,  Sa^rg.  1784,  »b  XVI,  195  ff. 

fiittcratur:  (S:in  9lbri6  feine«  Heben  Don  [3o6.fiorcJ];  fiaupftifdic  SWonatSfc^rift  1793, 
I,  336-358,  II,  13—31,  75—89;  Seremiö  SRi^ler,  ficben  9(.  &.  ©pangenbergS,  «ifc^ofS  ber 
eu  53rüberfird)e,  33arbi)  1794.  fiebigltrf)  auf  i^m  fufeenb  bie  fürjeren  ficbenSbilber,  Ä.  g.  36 
fiebberöofe,  3)ag  2ebcn  ?(ug.  C^5ottI.  @pangenberg§,  S3tfd)ofö  ber  «rübergemeinc,  ^eibelberg  1846; 
e.  3.  ^DM^fd),  ?l.  &.  ©pangenberg  (^iperd  eoang.  3abrbudi  f.  1855,  6.  197).  ©ine  n)iffen= 
fd)aftlid)e,  au#  ben  CucOcn  |erauä  gearbeitete  S3iograp^ic:  ©erwarb  9tei(ftel,  9luguft  (äJottlicb 
Spangenberg,  S3iid)of  ber  ©rübcrtirc^e,  2;übingen  1906.  —  (£ine  attcnmägige  ^arfteUung  he^ 
Äonflift«  in  .^aDe:  ®  e^r.  Änapp,  33citrägc  jur  fiebenSgefc^idftte  ?luguft  ®ottlieb  @pangen=  40 
bergS  (1792).  3um  erftenmaf  herausgegeben  t)on  Dr.  O.  8rricf,  ^Ue  1884;  ®.  fianbau,  Qk-^ 
fdjld)te  ber  gamilic  oon  2!refurt  mit  ibten  SSer^ttjeigungen  2C.,  fowic  ÖJefcftidjte  ber  nod) 
blü^enben  gamilie  tjou  Spangenberg,  Gaffel  1862.  ^Heinere  3lufffite  unb  fjeftfdjriften  finbet 
man  bei  9hid)cl  uerjeic^net.  iögl.  aucft  bie  aflgemeinen  SBerfc  über  33rübergef(^id^tc  (f.  ^rt. 
3in5enbürf).  46 

2luguft  ©ottlieb  ©pangenberg,  ber  l^o(6t)erbiente  Sifd^of  ber  Srüberfird^e,  ift  am 
15.  3wfi  1704  in  Älettcnberg  am  §arj  geboren.  35er  25ater  ®eorg  ©^angenberg,  ber 
feit  1G97  ^icr  ^farrer  mar,  mufe  ber  pietiftifc^en  SHic^tung  na^e  geftanben  ^aben;  er 
backte  baran,  feine  ijier  ©ö^ne  bercinft  ade  nac^  §atte  ju  fc^idten.  aber  fein  frül^  Job 
(15.  Df tober  1713)  ^erftörte  biefe  ^läne.  95ie  5Kutter  35orot^ea  Äat^arina  geb.  5Wefe  60 
toar  ben  Äinbem  fc^on  früher  (10.  2tpril  1708)  genommen  toorben,  unb  eine  jtoeite, 
ß^riftine  (S^arlotte  Söl^mer,  bie  ber  ^ater  i^nen  1709  jugefü^rt,  fd^eint  toenig  §erj  für 
i^re  ©tieffinber  gehabt  ju  J^aben.  ©o  tourben  bie  Äinber  ^erftreut,  bie  älteren  ^alob 
®eorg  unb  3ol^ann  griebrid^  bepgen  fd^on  je^t  bie  Älofterfc^ule  in  ^l^tVt>,  bie  jüngeren 
®eorg  ^^ilipp  unb  Stuguft  ©ottlieb  fanben  junäc^ft  lool^l  Stufna^me  bei  armen  9Ser=  66 
tpanbten  in  bcm  35örfc^en  Sranberobe  bei  Älettenberg.  1717  (10.  ^ebruar)  traten  bann 
auc^  fie  in  ^^f^^b  ein.  9lber  nirgenb«  begegnen  h)ir  einer  ©pur,  bafe  biefe  ©d^ulja^re 
einen  nachhaltigen  Sinflufe  auf  unfern  ©p.  l^interlaffen  Ratten.  ®^  befielet  atte  3äai)X' 
fd;einlid^feit,  bafe  er  neben  S'Hb  nod^  ahbere  ®V"i"öP^i^  befud^t  l^at,  bi«  er  1722  bie 
Unitjerfität  ^ena  bejie^en  tonnte  (30.  3uni  immatrifuliert).  ftier  fanb  er  2lufna^me  im  60 
$au^  be^  ^^Jrof.  3-  %}h-  Swbbeug ;  er  rücfte  offenbar  einfad^  in  bie  ©tette  feinet  älteften 
Sruber«,  ber  bie  Unit)erfität  bereit«  toieber  t)erlaffen  i)atU,  toenn  et  amanuensis  bei 


558  8)iati(|enberg,  91.  &. 

Subbeu^  tpurbc.  ©cit  t^nen  eine  5^"<^^6^"«ft  ba§  Dätevlid^e  Srbtetl  jerftört,  toarcn  fu 
tJoUftänbig  mittellos  gctüorbcn.  2Btr  fennen  baö  $au^  be^  Subbeu^  ate  einen  ©tü^unft 
be^  ^tettemu^  in  ^ma.  Slud^  für  ©^.  touvbe  ber  Sintritt  in  biefe  $au^emeinfc^ 
bon  entfd^eibenber  Sebeutung.    5Jocl^  in  ba^  crfle  ^al}x  feinet  Jenaer  Slufent^Ite^  faßt, 

6  nad^bcm  aud^  er  anfangt  in  ®efal[ir  gefc^tüebt,  in  ben  Strubel  ftubentifd^en  gebend  hinein- 
gezogen ju  tperben,  bie  grunblegenbe  ©rfa^rung  feine«  inneren  fieben«,  bic  er  mit  ben 
SBJorten  befd^reibt:  „3)a  Iriegte  id^  einen  neuen  ©inn",  „ber  |)ei(anb  Iriegte  fein  §erj". 
Segreiflidfiertoeife  beurteilt  Bp,  bon  biefcm  9Bcnbe})unIt  au«  feine  bi^^crigc  SnttDtdelung 
fel^r  negattt),  aber  nad)  allem,  h)a«  toir  ^ören,  l^at  burdfiau«  ba«  Ätnb  f^on  fi^  für  bic 

10  frommen  ©inbrücle  be«  ©Item^aufe«  emtjfänglidfi  gejeigt,  unb  ber  Änabe  ftd^  in  emflem 
fittlic^em  Äamjjf  gemüht.  „S«  ging  aber  inmter  burd^  gaUen  unb  äuffte^en  unb  toax 
ein  S^Jnin'^I^ben".  2Ba«  i^n  j^t  für  fein  Setüu^tfein  auf  eine  ganj  neue  ©tufe  bob, 
ba«  toar  bie  übertoältigenbe  Srfenntni«  ber  „giftigen  Duelle  feiner  ©ünben"  auf  bei 
einen  unb  ber  „SBol^lt^aten  ®otte«"  auf  ber  anbern  ©eite.    3m  ©efolge  biefc«  inneren 

16  ®r(ebnif[e«  ftanb  nun  aud^  ber  ©ntfd^Iu^,  2;beo(ogie  ^u  ftubieren,  anftatt,  h)ie  urfj)rüng= 
lid^  beabftc^tigt,  ^ura.  ®erabe  bie  Semerlung  be«  Subbeu«,  bie  er  gelegentltcb  aU 
^o\p\iant  in  einer  feiner  3}orIefungen  ^örte,  „toer  theologiam  ftubieren  unb  ein  Wiener 
3efu  tperben  toottte,  ber  müf[e  fic^  jum  t)orau«  baju  refolmeren,  um  feine«  9?amen«  unb 
unb  um  feine«  2Bort«  tpitten  atte  Seiben  unb  3^rübfale  über  ftc^  ergeben  gu  laffen"  ^ttc 

20  e«  i^m  anQtif)an  unb  ben  @ntfd^(ug  unmittelbar  jur  ^olge  gehabt.  @r  ^t  bann  im 
Saufe  ber  3^'^  ^^e  Seile  ber  3:^eologie  bei  Subbeu«  gehört.  SÖä^renb  ©j).  un«  in 
biefen  erften  ^hjei  bi«  brei  Sauren  ben  ßinbrudE  eine«  ftiU  gurücfge^ogenen,  fleißigen,  in 
ben  beglüclenben  ©rfaf^rungen  feine«  ©efül^I«  lebenben  ©tubenten  hinterläßt,  bringt  ba^ 
3a^r  1725   feiner  ©nttüidtelung   eine   neue  SBenbung.     ®r  fommt  in  Serü^rung  mit 

26  m^ftifd^^fejjaratiftifc^en  Äreifen  in  ^ma  unb  h)irb  t)on   il^nen  nun  rafdj^  emtjorgetragen; 

Sj  „maq^ten  ettüa«  au«  il^m/'  „abmirierten  ben  ©cgen,  ben  fte  bon  feinem  ®ebet  unb 
eben  l^ätten".  ©^.  gerät  barüber  in  ®efal^r,  feine  ©efüble  nod^  fünftlic^  ju  fteigem 
unb  „in  ^euc^elei  unb  ©elbftgefäHigfeit"  ju  berfatten.  ©ine  ^arte  ©müc^terung  folgte. 
„2)a  ertat)j)te  mic^  ber  «öerr  unb  berlaufte  mid^  tpieber  unter  bie  ©ünbe."    ©eine  Sluf- 

30  rid^tigleit  toenigften«  ju  retten,  jie^t  er  fic^  nun,  allem  3)rängcn  feiner  bi«l^erigen  greunbc 
jum  2^ro$,  hjieber  ijöHig  auf  ftc^  jurüdt.  35oc^  nur,  um  alebalb  toieber  einem  neuen 
^alfd^fü^rer  in  bie  2lrme  ju  geraten:  bem  ®ic^teliani«mu«  (VI,  657 ff.).  3)a«  ^aupi 
ber  ®id^telianer  in  Hamburg  unb  älltona,  ^oi}.  Otto  ®lürmg,  toeilte  eben  bamal«  (1725) 
in  ^ma.    ®erabe  toenn  ©jj.«  Serfe^lung  bem  fittlic^en  ®ebiet  angehörte,  berfte^t  man, 

36  bafe  biefe  ©efte  mit  ifjrer  ftreng  a«fetiÄen  ^orberung  je^t  über  ibn  ®eh)alt  getoinnen 
lonnte.  95abei  em})fanb  er  bie  ®efolgfc^aft,  bie  er  i^r  leiftcte,  bod^  nid^t  al«  Befreiung, 
fonbem  h)ic  eine  fd^hjere  ®efangcnfc^aft.  (Sine  ^6t  äußerfter  9Sern)irrung  ift  über  fein 
innere«  Seben  ^ereingebrod^en;  über  ben  ml;ftifd^=tl^eofo})^ifd^en  ®ebantengängen  feiner 
©efte  bro^t   er  feinen  einfältigen  Sibel=  unb  j^ird^englauben   öoÜftänbig    ^u   t)erlieren. 

40  ©eine  beften  greunbe  j^iel^en  fic^  fd(?eu  t)on  il^m  jurüdE.  3)a  bringt  ba«  ^ai}x  1727  ihm 
Srlöfung.  gn  il^m  trifft  ber  2:ob  jene«  unheimlichen  ®lüfing  unb  bic  erfte  Serübrung 
mit  öcrrnl^utern  jufammen.  35urd;  bie  Subbeu«,  bem  .s>erau«gcber  ber  Srübcrgef^irf»te 
be«  (Someniu«,  t)on  jtoei  ^iperrnl^utcrn  überbrachte  (8.— 10.  Df tober)  „^iftorie  toom  äue= 
gang  ber  mä^rif d;en  Srüber"  crl^ält   er  bie  erfte  Äenntni«  bon  Jperrnl^ut.    Salb  barauf 

45  folgt  bic  erfte  J)crfönli4>c  Scfanutfc^aft;  einer  jener  Sotcn  feiert  auf  bem  Slüdhocg  bei 
ibm  ein.  2)ic  fd^lid^te  (Einfalt  bc«  SlJanne«,  bie  ^armlofigfeit,  mit  ber  er  ibm  aU 
Srubcr  begegnet,  mad^t  auf  il?n  ben  tiefften  ßinbrucf.  Unb  nun  erfolgt  ©d^ritt  für 
©c^ritt  bic  tt>eitere  ®efunbung  feiner  rcligio«=fird^li4>cn  Haltung  unb  bamit  bie  lebenbigc 
einglicbcrung    be«  Sf*-^^^^^^"   ^"   ^^^  ©cntcinfd^aft  crtoeäter  ©tubenten  in  3ena,   beibc« 

50  il^m  tjcrmittclt  burd^  bic  Srüber  in  §crrn^ut.  Sefonber«  bebeutfam  in  biefer  Siic^tung 
h)irb  ein  längerer  2lufcntbalt,  ben  3in^enborf  im  ©ommer  1728  (22.  3!uli  bi«  19.  Sluguft) 
in  '^ma  tnac^t,  nac^bem  er  bereit«  1727  (18.19.  "Dlotjcmbcr)  ein  crfte«mal  l)kx  gcn?eilt 
unb  fcitbcm  immer  erneute  ©cfanbtfcl^aften  ben  i^crfc^r  j^toifcbcn  bem  Ärei«  ^ietiftifcf>er 
©tubenten   unb   ber  ®cmcinc   mäbrifdbcr  3(u«toanberer  unterhalten  l^atten.    ^ci^t  unter- 

56  nimmt  c«  3i"3^'"^«^^f/  ^^  ^^  f^^  bei  naiverer  Sctrad^tung  in  biefcm  Ärei«  ä^nlicbcn 
®cgcnfä^en  t)on  ©cfc^lid»en  unb  5?teien,  Äird^lic^en  unb  Ünfird^lid^cn  ioic  feiner^eit  in 
^crrnbut  gcgcnübcrficl^t,  aud;  hier  einen  lcbcn«t)ollcn  3wfammcnfd&lu6  ^u  berfuc^en.  2)a|iu 
em})fici>lt  fic^  il?m  ba^fclbc  ^Jiittcl,  ba«  fic^  bort  bcioäl;rt:  i^erj)flid^tung  ber  Dcrfcbiebencn 
£anb«mannfd;aftcn  auf  Statuten  al«  ben  ®runbfät^en  ber  brübcrlid^en  i^ercinigung  (f.  bic 

60§erm^uter:  ^o\.  %h.  a)lüllcr,   3i"i<^"borf  al«  (Erneuerer  ber  alten  Srüberürd^e,  £ei})3i0 


S^iattgenBerg,  91.  ®.  559 

1900,  ©.  110  ff.)  unb  SScrteilung  ber  a^oftoüfci^en  Stmter  unter  fxd)  ate  bcn  Organen, 
bie  btejc  ©runbfä^e  c^riftltc^er  Siäc^ftenliebe  in  Äraft  erl^alten  foHten.  ©^.  ift  unter  ben 
,,9Uteften  ber  neuen  ©emeine".  Scbiglid^  S3ebeutung  nad)  au^cn  f)at  eö,  totnn  er  bem 
®ahjen  ,,bie  %om\  eine«  gelehrten  3j"ftitw^^"f  ^ine«  coUegium  pastorale  practicum 
gibt;  e«  ift  ber  SJerfuc^,  feine  ©rünbung  beni  afabemifc^en  Drganidmu«  eimugliebern  unb  5 
fic  baburd^  fidler  ju  ftetten;  SJubbeu«  foHtc  ben  9Sorft$  übemel^men.  Slber  gerabe  ba« 
foHte  für  bie  junge  ©c^ötjfung  ljer^ängni«t)oII  hjerben,  bie  alabemifd^en  Sel^örben  hjaren 
genötigt  ©tettung  ju  nehmen,  unb  2luflöfung  bed  ^nftitut«  tt)ar  bie  ^'^^Ö^-  älber  ein« 
ift  ni^t  h)ieber  in  grage  gefteCt  toorben:  ©>).«  fü^renbe  Stellung  im  Ärei«  biefer 
ftubentifd^en  ©ttlefiola,  bie  i^nt  im  gufömmenl^ang  mit  biefen  ßreigniflen  jugefatten  toar.  lo 
6«  folgen  ^al)xc  angefj)anntefter  2;^ätigfeit  in  il^rcm  2)ienft.  1729  (2.  Sljjril)  ertüirbt 
er  fic^  „an^  Siebe  jum  $eilanb"  ben  Öiagiftergrab.  Sr  l^ält  ^biIoIogifd(^e  unb  ^^ilo- 
fot)^ifd^e  3Sor(efungen;  fein  gan^e«  §erj  gehört  aber  feinem  collegio  ascetico,  in  bem 
er  über  100  3wi(^örer  ^ä^It.  9lebenfer  ge^t  eine  rege  Beteiligung  an  ben  airmenfdSiuIen 
in  ben  SSorftäbten  ^ma^.  3lad^  öereingelten  Slnfä^en  ^attc  fi^  1728  ein  förmlid^er  i6 
©tubentenüerein  gebilbet,  beffen  3)litglieber  fid^  ju  unentgeltlid^em,  regelmäßigem  Unterridfit 
armer  Äinber  t)er))flicl^tetcn.  ©j).  ift  fel^r  balb  bie  ©eele  be«  Unternehmen«.  9)Jan 
i)at  ©tatuten,  regelmäßige  Äonferenjen,  eine  9Jerein«Iaf[e  in  biefem  Seminarium 
catecheticum,  unb  babci  lüirb  ganj  beutlic^,  baß  ba«  Slufblüi^en  biefe«  ©eminar« 
(1729:  36  9Kitglieber,  ISO  ©c^ulfinber)  in  innerem  gufammenl^ang  mit  bem  ^ufammen*  20 
brud^  ber  3in}<^nborfifc^en  Drganifation  ftel^t.  3^"J^"^<>h^  \S^^^f  ^^"^  leben«üoue  (Semcim 
fc^aft  j)u  fc^affen,  fluttet  fic^,  lörjjerlo«  gehjorben,  in  ba«  Seminarium  catecheticum 
unb  finbet  in  i^m  einen  lebensfähigen  Drgani«mu«.  —  2ln  einem  ^unft  fd^eibet  ftdfi 
aber  je  länger  je  mc^r  bie  ®nttt)idEelung  ©p.«  bon  ber  jene«  ©eminar«.  äBä^renb  ba« 
SBer^ältni«  be«  le^teren  5U  ^injenborf  ftarfen  ©d^hjanfungen  untertporfen  ift,  geftaltet  25 
fidfi  ba«  ©j).«  immer  unlöslicher.  Scfonber«  feit  einem  S3efud^  in  ^erm^ut  (21.  bi« 
28.  Sljjril  1730)  gefrört  er  im  ®runbe  fd^on  ganj  bortl^in.  6r  nimmt  fortgefe^t  an  ben 
intimften  ©emeinangelegen^eiten  teil  unb  h)irb  tjerfdfiiebentlic^  t)on  3i"J^'^i>*>^  ol^  3Ki** 
arbeitcr  in  2lnfprud^  genommen.  6«  tüäre  ba«  9?aturgemäBc  getücfen,  toenn  biefe«  9Jers 
^ältni«  nun  auc^  äußerlid)  ftd^tbar  in  bie  6rf((fcinung  getreten  ioäre.  30 

©tatt  beffen  na^m  Bp.  im  grü^ja^r  1732  einen  Suf  nadfi  §alle  al«  Stbjunft  ber 
tl^eologifc^en  g^lultät  unb  ©e^ilfe  am  äBaifen^au«  an.  3^"^^*^*^'^  f^^P  ^^^  ^'"  3^^^^ 
früher  bem  jüngeren  grancle  biefen  SSorfd(^lag  gemad^t  unb  ®p.  unbebingt  ;\ur  2lnna^me 
eine«  ettüaigen  yluf«  jugerebet.  2lber  in^toifc^en  ^attt  ficb  bie  ©ituation  öoUftänbig  geänbert. 
SDie  bamal«  gej^egte  Hoffnung,  ein  Sünbni«  j^toifc^en  §alle  unb  §erml^ut  ju  ftanbc  ju  bringen,  86 
l^atte  fic^  betrügcrifc^  critjicfcn  unb  bei  ben  Sergleic^«t)cr^anblungen  fic^  bie  ganje  firc^« 
lic^e  ©xflufujität  ber  ^aUenfer  erliefen,  ©p.  fonnte  jefet,  öoHenb«  bei  feiner  ganjen  ÜJer« 
gangen^eit  unb  feinem  Serl^ältni«  ju  §errn^ut,  einem  muf  l^ier^er  nur  äußerft  bebenflic^ 
gegenüberftel;cn.  3Bcnn  er  i^n  tro^bem  annal^m,  fo  l^at  ba«  bor  allem  feinen  ®runb 
in  ber  q  uietiftif d;en  .Spaltung  bem  fo  bringlic^en  Stuf  gegenüber.  SDaß  er  ftd^  aber  bon  40 
$errn^ut  nid^t  abbrängen  gu  laffen  gebäj^te,  bofumentierte  er  gehjiff ermaßen  burdj^  einen 
me^rtüöd^igen  Slufcntbalt  bafelbft  unmittelbar  öor  feiner  Überfiebclung  nad)  §altc 
(28.  aiuguft  bi«  18.  ©cjjtember  1732).  6«  mußte  fid)  geigen,  ob  feine«  bleiben«  in 
^atte  tvax,  and)  tücnn  er  biefc  3>erbinbung  aufrecht  erl^ielt.  ^""öd^ft  fud^t  man  fic  ju 
ignorieren,  ©eine  2lnfänge  ftel^en  ^ier  fc^einbar  unter  bem  glüdlid^ften  ©tem.  3"  f^i"^"  ^ 
^rebigten  unb  33orlefungen  finbet  er  „ungemeinen  Seifall".  Slber  feiner  felbft  bemächtigt 
fxd)  eine  i^ac^fenbe  ?Kißftimmung.  3i"S^^*^^  P"*^^^  ^^^  f^*>"  ^^^  ^'"^"^  Sefudfi  im 
5Roüember  „an  ber  causa  Haliensi  jiemlid^  irre".  3)ie  aSeräußerlidfiung,  ber  er  fidj^ 
allentl^albcn  gegenüberftei^t,  ruft  feinen  -ihJiberfpruc^  tvad^  unb  bro^t  feine  ©timmung  auf« 
nt\x^  ju  toerf^ärfen.  ßr  fuc^t  2ln|c^luß  an  einen  Ärei«  ertoedEter  Sürger,  bem  fä)aratiftifc$e  60 
eiemente  angel^ören,  unb  ift  beftrebt,  fid^  ^ier  eine  eigene,  il^m  ^iufagenbc  ipätigleit  nu 
fd^affen.  Slber  biefer  üüerfud^  follte  al«balb  j\um  Äonflift  mit  feinen  ißorgefe^ten  fül^ren. 
(Sine  gemeinfdf>aftlid;e  Slbenbma^ljeit  am  2.  Sä5ci^nadSit«tag,  bie  ©J).  nac^  ^erm^utifd^em 
SWufter  in  einem  ,,2iebc«ma^r'  au«;\ugeftalten  öerfuc^^t  f)aik,  ruft  in  ber  ©tabt  ba« 
&ct\xd)i  i)^x\)ox,  ©p.  I^abe  mit  ben  bürgern  Slbenbmal^l  gehalten.  2)a«  giebt  i^m  Slnlaß,  65 
fidfi  am  näc^ftcn  2:ag  in  bemfelben  Ärei«  über  ben  Unterfd^ieb  Don  Slgaj)e  unb  Slbenb* 
ma^l  ju  Verbreiten,  ^uglcid;  aber  mit  feinen  Slnfc^auungen  t)om  Slbenbmal^l  ^eröorjutreten. 
6r  ^atte  bie  öebenlen  gegen  ba«  fircl^lid^e  Stbenbma^l  in  „üermifc^tem  Raufen",  bie  au« 
feiner  fe>)aratiftifc^en  ^criobe  ftammen  mod;ten,  nie  tüirflic^  überlounben  unb  fic^  in  ben 
legten  ^al)x^n  in  ^ma  nur  bem   „gemeinen  Srauc^^"    anbequemt    3Jon    feinen  3"'  ^ 


560  @)iati0etiBerg,  %  ®. 

I^örem  baju   ermuntert,   mac^t  er  ben  9Serfucl^,  bei  bem  $aftor  t)on  &lan^a,  3Dlartini, 
eine  Jjrtoate  Slbcnbma^tefeier  für  t^ren  Äret^  gu  erh)irlen.    SJlarttni  erftattet  ben  beiben 
35ireftoren  be«  SBaifen^auJe^,  %xanit  unb  g^f^^ling^aujen,   älnjetge  öon  biefem   Segebr, 
unb  nun  toirb  befonber^  auf  betreiben  be«  le|teren  fofort  ein  offiziellem  SJerfa^ren  gegen 
b&p.  eingeleitet.    (Sr  tüirb  gleich  nac^  9ieuia^r  1733  \)ox  eine  Äonfereng  bon  SlngcfteÜten 
am  aSaifen^aum  ijorgeforbert  unb  i^m   eröffnet,   bafe  man,  h)äre  er  eine  ^rit)att)erfon, 
tt)o^l  mit  feinen  ©fni^eln  GJebuIb  ^aben  hjürbe,  aber  atö  Se^rer  muffe  er  mit  ben  ©runb^ 
fä^en   unb  ber  ^rajim   ber  Äird^e   übereinftimmen.    Sinem  Bp.  gegenüber  toar  aber  bie 
tjerfteite  2)rol^ung  ber  Slmtöenlfe^ung,  bie  für  ben  SBeigerung^faH  barin  lag,  ba^  befte 
10  5Dlittel,    il^n   in  feinem  SBiberftanb    ju   Derfeftigen.    Eine  ghjeite   unb  britte  ilonferenj 
(8.,  20.  Sanuar)  üerläuft  ebenfo  refultatlo^.    3)a  fd^eint  nöd^  einmal   bie   Sludfic^t  auf 
frieblid^e  Söfung  aufjutaud^en.    Bp,  fd^reibt,  Deranlafet  burd^  bie  berjlic^en  SorfteHungcn 
bem  "Slbt^  ©teinme^',   einen  überaus  behjeglid^en  Srief  an  bie  ieilne^mer   jener  Äom 
ferenjen.    2lber  fofort  foHte   fid^  burd^  einen  anbem  Schritt  bie  fiage  aufm    neue  J>cr- 
löfd^ärfen;   er  bejud^t  3^^"i>orf  auf  feiner  35urd^reife  in  ©bermborf.    Sei  feiner  SRücffebr 
(6.  gebruar)  finbet  er  bie  il^m  jufommenbe  ^rebigt   einem  anbem  übertragen,    unb  bie 
grage,  ob  i^m  überl^aujjt  nod^  $rebigttl^ätig!eit  ju  geftatten,  h)irb  Slnlafe,  bie  ©ac^e  toor 
bie  gölultät  ju  bringen,    ©m  tritt  ^ier  beutlid^  ju  3:age,  ba^  ber  tieffte  ®runb   für  btc 
3lert)ofität   ber  Jpattenfer  in  ber  begreiflid^en,   obgleich  ungeredfitfertigten  Befürchtung  lag, 
20  ba^  hinter  attem  ber  gefürc^tete  ®raf  fterfte.    Sm  lam  nad^  ©t).m  Slumfage  im  Sauf  ber 
3}erl^anblungen  bim  ju  ber  Srflärung,   em  fottte  altem  gut   fein,  h)enn  er  nur  t)erfj)re<6en 
tooHte,  biefe  33erbinbung  öoHftänbig  aufzugeben.    3n  ben  offigietten  äften  tritt  ba»  frei- 
ließ nicßt  ^erDor;  ßier  ]^äufen  ftd^  bie  Älagejjunfte  je  länger  je  meßr.    3lad)  brei  gaful- 
tätmfonöenten  (8.,  19.,  24.  gebruar)  ift  man  fohjeit,   beim   Äönig   feine  ©ntlaffung  na(b= 
25  5ufudSien.    3lm  ©rünbonnermtag  (2.  2lj)ril)  ift  ber  Sefeßl  ba,  ©J).  I^abe  nocß  t)or  Dftem 
bie  ©tabt  m  öerlaffen.    6r  leiftet   ißm   unmittelbar  ^olge  (4.  2l^)ril).    2)iefer  äumgang 
t)on  ©}).m  3lufentßalt  in  §aHe  tüäre  aufm  tieffte  ju  beHagen,  tomn  er  nicßt  bim  ju  einem 
getüiffen  ®rab  eine  gefd^iqitlicße  5Joth)enbigIeit  barfteHte.    5)er  innerlich  lang  vorbereitete 
^rud^  3^"8^"^*^^^  ^^^  §ött^  mufete  ftcß  an  einem  ^unft  DoHenben.    3)iefer  ^unft  tm 
aoje^t  encicßt;   über  ©p.m  }}erfönli^em  ®efd^id  fcßieben  ftcß  bie  beiben  Äreife.    2lber  au(^ 
auf  ©j).m  ^erfon  gefe^en,   l^atte  bie  furje  ^tit  feinem  äufentßaltm  in  §alle   genügt,   um 
bie  ganje  Unnatur  unb  Ungunft   biefer  3Serbinbung   aufzuzeigen,     ^a^   Unbefriebigenbe 
ber  SJerl^ältniffe,  in  bie  er  \\d)  ßier  gefteHt  faß,   ^ätU   ißn   mit  ber  ^^\t  unfehlbar  auf 
fej)aratiftifd^e  Saßnen  jurüdEgebrängt.    6m  toar  ßerDorgetrcten,  bafe  ftd^  bei  ißm  troö  bei 
35  formellen  Übertoinbung   bem  ©e})aratimmum  nod^  genug  Don  ber  alten  ©timmung  bidt 
SBenn  man  bebenft,  ba^  gerabe  ©}).  em  einft  befdßieben  fein  foHte,  ben  fird^licßen  gbarafter 
ber  Srübergemeine  nacß  au^cn   ßin  fidler  ju  fteHen  unb  im  ^nntxn  ber  9lot  einer  alt- 
hjerbenben  ^^\t  gegenüber,  h)ie  fie  §aHe  je^t  erlebte,  gebulbig  aumjußarren,  fo  ift  beutlii, 
ba^  em  no^  einer  entfcßiebenen  2Beiterenth)idtelung  beburfte. 
40         ©ie  tooU^iebt  ficß  im  Slnfd^lu^  an  bie  Snttüicfelung  ber  Srübergemeine,  ber  er  nun 
förmlid;   beitritt,    g^^i^^i^^orf   hatU   ißn   unmittelbar  nacß  ber    ©ntlaffung     öon  §alle 
(H).  Slpril)  zu  feinem  Slbiunft  berufen,  unb  tüir  finben  ißn  in  ben  näcßften  gaßren  aU 
feinen  ®efcf»äftmträger  mit  ben  toerfcßiebenftcn  bijjlomatifd^en  SKiffionen  betraut.  9lber  toon 
Dornßerein  n)ar  burd^  ben  3^i^punft  feinem  Seitrittm  gegeben,  ba^  fie  Dor  allem  in  einer 
45  9{id^tung  lagen.    'S^a^  ^aßr  1733  ßatte  ben  ©dßlücnff eibern,  bie  ^inj^n^orf  bei  fuß  auf- 
genommen, einen  3lumtt>eifungmbefeßl  gebracht  unb  bamit  bie  Unftd^er^eit  ber  ßeimatlid^en 
6)riftenz    aucß    feiner   3Räßren   offenbart.     2)iem  in   3Serbinbung    mit   bem    fommenben 
afJifftonmeifer  brad^te  rafdß  ben  ©ebanfcn  an   übcrfeeifdße  Äolonien  jur  3lumfüßrung.    3" 
ber  9tötigung,  ben  ©d^tt>enffelbern  neue  SQäoßnfi^e  ju  üerfcßaffen,  toar  ein  unmittelbarer 
60  2tnla6  gegeben.    Sei  ©t.  ßru^  unb  ®eorgien,  ben  erften  brüberifcßen  Kolonien  in  amerifa, 
ioar  in  erfter  Sinie  an  bie  ©d;tt>enffelber  gebadet,  aber  alm  biefe  Dorjogen,  nacß  ^ennf^l- 
toanien  zu  geben,  fanbtc  man  9)läßren  Binaum.    ^n  äßnlicßer  SBeife  lt)ie  ßier  bie  anfange 
bem  ftolonifationeloertm  ber  33rüber  in  2imcrifa  mit  ber  gürforge  für  bie  ©cßtoenffelber  »er- 
fnüpft  finb,  ift  nun  aud^  S^.m  9Jame  t)on  3lnfang  an  mit  beibem  üerflocßten.   ©r  bringt  bie 
66  ßrujer  Äoloniften  nadf>  Äo})enbagcn  unb  fcßlic^t  ßierbie  entfcßeibenben  Verträge  ab  (1733),  er 
leitet  bie  2lnfänge  ber  fiolonie  am  ©atjannaflufe  (1735)   unb   lüenbet   fi(|   enbließ  nacfc 
^^ennf^lt?anicn,   um  bier  ficß  für  bie  ©cßtt>enff eiber  herzugeben  (1736—1739).    aber  ba 
biefer  nädßfte  3n)ed  einer  inncrn  Seeinfluffung   biefer  ©efte  ijötlig   feßlgeßt,    fo  ift  bie 
tßatfädßlid;c  Scbeutung  aud;  biefer  ^al}x^,  ba^  bie  ©dßule,  in  ber  ber  fünftige  Äolonifator 
Gü  ber  Srüber  gebilbet  h)irb,   ficß   DoUenbet,     9Jacßbem  er  manchen  J&anbgriff  gelernt  unb 


^panitnhtti,  %  ®.  561 

ftc^  an  crften  33crfuc^cn  fx^xobi,  erlangt  er  je^t  noi}  genauere  Äenntnte  t)on  bem  Oebiet, 
auf  bem  er  bann  enbgiltig  ben  Sau  aufführen  fottte.  SKä^renb  ©t.  6ruj  unb  ©eorgien 
aufgegeben  Serben  mufeten,  foHte  ^ennftofoanien  gur  Saftö  be^  f})äteren  Äolonifation^s 
tüerfe^  ber  Srüber  tperben.  Unb  ©j).«  6etftung  fottte  e^  fein,  in  ibm  ben  ®runb  jur 
heutigen  amerifanifd^en  ^roüinj  ber  Srüberunität  ju  legen.  3)amit  ift  bie  2lufgabe  be^  s 
jeic^net,  bie  i^n  bi«  über  3i"i^"b*>^^  ^^'^  f}'mani  feftgebalten  l^at.  6^  erfd[>eint  üon 
^öc^fler  ^roötbenj,  bafe  bie  aSer^ältniffe  i^m  bie^  öerl^ältni^mäfeig  felbftftänbige  2lrbeit^ 
gebiet  jugehjtefen  f)aUn.  ©in  engere^  3"fani*n^av6^it^n  ber  beiben  grunbt)crfcbiebenen 
9)Jänner  toäre  nid^t  möglidSi  gehjefen. 

Slber  e^e  er  an  fein  SßJm  ge^en  lonnte,  beburfte  e^  noi)  einer  ©d^ule  ba^eim.  95er  lo 
älufent^alt  brausen  ^atte  gegeigt,  bafe  ber  felparatiftifd^e  ©ebanfe  bei  ©j).  nur  gefd^lummert 
^atte,  in  ber  lebenbigen  ©emeinfc^aft  ber  Srüber  jur  SRul^e  gelommen.  3)ie  ©egenfä^e 
^ennft;lt)anien^  mit  feinem  bunten  ©emifc^  t)on  ©efmntl^eiten  fd^reiten  i^n  tpieber  auf. 
d^  tüar  ®efa^r,  bafe  &p.^  fetjaratiftifc^e  Äritit  [id)  nun  aud^  gegen  ba«  ^eimif^e  Srübers 
tum  hjanbte.  3)a^  lonnte  um  fo  leichter  gefd^e^en,  ate  auc^  biefeö  injtoifd^en  eine  SBeiter^  i5 
enthjidfelung  erlebt  f)att^.  3)a^  ^erüortreten  ber  33erföl^nung3lel^re  (1734)  l^atte  B^'^S^'^* 
borf^  natürlid^e^  ^eimat^gefü^I  ber  lut^erifd^en  Äirc^e  gegenüber  bebeutenb  t)erftärft  unb 
feinen  innerfird^lid;en  planen  eine  n^z  ©tü^e  gegeben.  $anb  in  $anb  bamit  \vax  eine 
entfc^iebene  Umftimmung  ber  brüberifc^en  grömmtgfeit  gegangen.  3)ie  ©trenge  ber  Ru^t 
unb  bie  ängftlic^e  ©elbftüberioad^ung  l^atte  fic^  ermäßigt  unter  bem  frol^en  eJeieruang  20 
unb  bem  Semü^en,  i^n  immer  t)ottIlingenber  unb  reid^er  ju  geftalten.  Ein  breiter,  ftc^erer 
'Jon  ber  §eitegeh)i^^eit  burd^brang  ba^  ©emeinleben.  Umgefe^rt  bro^te  bei  ©p.  im  9?ers 
fe^r  mit  ben  jjrommen  ^ennf^ibanienö  bie  rubelofe,  uneljangelifc^e,  Don  a^Ietifd^en  unb 
quietiftifc^en  5ERotit?en  beftimmte  Jfrömmigfeit  jener  fejjaratiftifd^en  Äreife  toieber  ftärler 
burc^jufd^lagen.  aber  ber  ®efa^r,  bie  in  biefer  gegenfä^lic^en  (gnttoidEelung  lag,  h)urbe26 
bur4  ©p.^  SWüdEfe^r  in  bie  §eimat  begegnet.  SEBä^renb  eine^  längeren  älufent^alte^  l^ier 
(1739—1744)  gelang  ber  Döttige,  innere  2lnfd^(u^  an  ba«  mm  Srübertum.  2lud^  für 
it^n  rüdtt  bie  Serfünbigung  ber  freien  ®nabe  unbedingt  in  ben  3Kittel})unft.  3)amit  ift 
aber  ba^  gefe^lic^e  3)ioment  in  feiner  grömmigfeit  enbgiltig  jurüdEgebrängt.  3)ie  ©efa^r, 
bafe  eine  gorberung  ioie  bie  asfetifd^e  ober,  hjeld^er  3trt  fte  aud^  fei,  eine  §orberung  über*  so 
ijanpt,  je  iüieber  ba^  Übergeh)i4)t  erhält,  ift  befeitigt.  3^0^^^^.  aber  aud^  bie  ©efa^r, 
bafe,  h)o  er  i^re  (Srfüttung  ^el^t,  er  über  bie  nur  >)eri))^erifd^e  Übereinftimmung  in  ber 
religiöfcn  ^J^^age  l^inhjegfte^t.  35ie  33a^n  ift  für  biejenige  Setrac^tung^tüeife  freier,  bie 
ba^  fonftitutiDe  Element  einer  Äird^e  in  i^rer  lauteren  :Berfünbigung  ]iaii  in  ber  aftit?en 
Öeiligfeit  il^rer  ©lieber  fud^t.  I)ie  3)Jögli(^Ieit  einer  })ofitit)en  Beurteilung  ber  ä5olte=  35 
fir4>en  ift  gegeben.  ©}>.  langt  bei  Ringenborfifc^en  ©runbfä^en  an.  @^  tüirb  auc^  für 
il^n  gerabegu  ein  ©tue!  ber  brüberif^en  Slufgabc:  „35ie  ©eelen  t)or  bem  ©et)aratiömo  ^u 
ijerlpal^ren  unb  il^nen  ben  ©enufe  be«  Söorteö  ©otte«  unb  ber  ^eiligen  ©alramente  in 
ber  öffentlid^en  Äird^e  i^re^  Ort«  rec^t  fc^ä^bar  ju  mad^en  unb  ju  erhalten,  bamit  fie 
ftc^  toon  §erjen  al^  treue  SReligionöleute  behjeifen."  40 

Sereit«  biefer  SlufentjE^alt  in  ber  §eimat  ^attc  ©J).  ©elegen^eit  gegeben,  fein 
Drganifationstalent  ju  behjä^ren;  er  Ijattc  in  (Snglanb  (1741—1743)  ßntteeibenbe^  für 
bie  ©runblegung  unb  Drganifation  biefer  Unität^jjroljing  get^an  (cf.  ©.  2l.  SBauer,  SDic 
anfange  ber  Srüberfirc^e  in  Snglanb.  J.  D.,  2zxp^\Q  1900).  äud^  l^atte  er  burdfi  äe^ 
grünbung  einer  ^ilfögefettfc^aft  für  bie  Srübermiffion  in  Sonbon,  ber  society  for  the  46 
furtherance  of  the  Gospel  among  the  Heathen  (S.F.G.)  1741  erh)iefen,  hjeld^c  Se« 
ad^tung  gerabe  bie  finanjiette  ©id^erung  ber  brüberifd[>en  Unternehmungen  bei  i^m  fanb. 
Slber  fein  eigentlid^e^  3Reifterftüdf  ^at  er  in  Slmerifa  geleiftet.  3)ie  9Karienborner  grü^* 
ja^r^f^nobe  1744  ^atte  i^n  gum  Sifc^of  ernannt  unb  mit  ber  Oberleitung  bed  bortigen 
aOBerfö  betraut.  $ier  h)ar  ingtüifc^en  an  ben  ijerfd^iebenften  ßclen  ber  9au  begonnen,  w 
Sfleic^er  Sanbbefi^  U^ar  erioorbcn,  jioei  Srübevniebcrlaffungen,  Set^le^em  unb  9lajaret^,  ents 
ftanben,  in  9Jeh)?)ort  unb  ^^ilabel>)l?ia  ^atte  man  Heine  ©tabtgemeinen,  ring«  im  £anb 
^Jrebigtftationen  unb  ©d^ull^äufer  für  bie  tird^lic^  fc^led^t  ijerforgten  2lnftebler  enid^tet, 
gro^e  ®rjie^ung«anftalten  Waxcn  Qzplant  unb  fd^on  in  Slnfä^en  ijor^anben,  in  ßl^elomefo 
(Gonnecticut)  \)attt  [xd)  bereit«  ein  ^nbianergemeinlein  gefammelt,  bie«  atte«  Slnfänge,  66 
in  ein,  p)d  ^ai}xm  emjporgefd^offen.  2)ie  fc^h)erere  Slufgabe  h)ar,  atte«,  toai  l^ier  jugleic^ 
begonnen,  nun  aud^  gleid^mäfeig  fortzuführen  unb  ju  bauembcm  93eftanb  unb  ni^igem 
a5Jac^«tum  ju  bringen.  3)abei  Wax  bie  gröf;te  ©d^tüierigfeit,  bafe,  tüie  ©}).  ftc^  bei  feinem 
Siufent^alt  ba^eim  fattfam  überzeugt  ^atte,  ber  l^eimifc^en  Äaffe  feine  tüeiteren  Saften  er^ 
toadS^fen  burften.    ^ie  Söfung  be«  Problem«  fanb  ©)).  in  ber  eigenartigen  Drgani^itiQtx  q(\ 

ffttaUdnctfllopmc  fflr  ^^eologie  unb  Aird^e.    8.  a.  XVIII.  <^^ 


562  ®)iaitgfitberg,  91.  ®. 

Setl&Ic^cm«.  ©tc  ftettt  eine  fog.  „gemetn|ci^aftltcl^e  öfonomte"  bar;  bie  ^arxi^  SanbtoiTt^ 
fc^aft,  jebed  ^anbtücrl,  furg  atte2lrbett  tüirb  gum  Seften  ber  ©efamt^eit  betrieben,  bafür 
übernimmt  btefe  bie  ©orge  für  Unterfunft,  Seföftigung  unb  Kleibung  aller  einzelnen; 
babei  gilt  ber  ®runbfa$  burcbgängiger  6igen>)robuftion.    3)iefe  Drganifation  Setblebeme 

6  im  einzelnen  bietet  bie  fd^önfte  SJeranfc^aulid^ung  ber  ©eifte^rt  li^re^  ©<^öt)fer^.  Sie 
^interlögt  t)or  aQem  ben  ßinbrud  eined  h?unbert)olIen  ®leic^geh>t(i(|td,  jba^  @nt^ufta^mul 
unb  9iü(^teml^eit,  ©lauben^mut  unb  SRec^enfunft,  Sn^^Kcl^P^  ""*>  älufeerlic^ftc«,  aber 
aud)  toieber  ©trenge  unb  SBeit^erjigfeit,  Unbeugfamfeit  unb  gnebfertigleit,  Drbnung  unb 
33en)eglicl^feit  fidfi  ^ier  l^alten.  Unb  ba^  ift  Sp.  auf  ber  ßö^c  feiner  ©nttDidtelungl   aber 

logerabe  bamal^  h)ar  nic^t  bie  3eit,  bie  SSerftänbni^  für  feine  eigenartige  Seiftung  gezeigt 
|ätte.  %vix  bie  j^eimatlid^e  Gemeine  tüaren  ^a^re  fcl^h)ärmerif(^er  ßntartung  ^erauf^ 
gelommen;  i^r  Seben  brobte  fic^,  in  ein  arbeitölofe^,  bem  unbefangenen  religiöfen  ©enuß 
bienenbe«  S^ftfP'^'^  jw  tjern^anbeln.  ©}).  fa^  biefe  ßnttüidelung  mit  fteigenber  Seforgni». 
ßine  3)iöglic^feit,  fid^  mit  S^^i^^^borf  ju  ijerftänbigen,  beftanb  nidfit;  ba^  3Ser^ltni^  ber 

löbeiben  l^atte.  fic^  balb  am  änfang  infolge  Heiner  aRifeberftänbniffe  getrübt,  unb 
3injenborf  l)aiU  bie  Äorrefponbenj  fo  gut  h)ie  abgebrochen.  &p.  fa^  fic^  immer  beut= 
lidfieren  änjeid^en  bon  hjeitge^enbem  ^iifetrauen  gegenüber,  mit  bem  man  feiner  $ierfon 
unb  arbeit  begegnete,  bi§  1748  ^o^.  ü.  SBattetüillc,  einer  ber  ^auptträger  jener  fitoärai^ 
rifdSien  SnttDioelung,    felbft    erfd^ien    unb    i^n    jur  5Jieberleguna    feinet  3lmteö  beron^ 

20  la|te.  ©}).  febrte  1749  nad^  @uroj)a  jurüdt,  mit  bem  SBunfcp,  auf  einem  einfamcn 
9Kiffton§>)often  ben  SHeft  feinet  Seben«  ju  Verbringen.  Slber  bie  Serl^ältniffe  felbft  ba&en, 
©c^ritt  für  ©c^ritt,  feine  änerlennung  tüieber  erjtüungen  unb  i^n  toieber  an  bie  ibm  ju= 
fommenbe  ©teUe  gel^oben.  Qbzn  jefet  brad^  bei  3N^^orf  bie  ©rfenntni^  burd^,  baB 
man  fxd}  auf  einem   gefä^rlid^en  äbtoeg  befunben,  unb  bamit  audji  neue  SBertfc^lung 

26  ber  ©igenart  gerabe  biefe«  SKitarbeiter«.  Sei  ©elegenl^eit  ber  einge^enben  fi^nobalcn 
Beratungen  1750  äußerte  er:  „Bp.  foHte  tüo^l  Theologus  Unitatis  fein;  er  felbft 
fönnte  ed  nic^t  fein."  3)amit  toar  ©)i.  eine  ganj  neue  S3eruf«aufgabe  angebeutet,  ßin 
Slnfafe  gu  i^rer  grfüttung  toar  e«  auc^  bereit«,  toenn  er  je^t  atö  t^eologifd^er  Sljjologct 
bie  i^ertretung  be«  Srübertum«  nac^  aufeen  übemal^m.    6«  erfdj^ienen  in   rafd^er  auf- 

80  cinanberfolge:  M.  31.  ®.  ©j).«  3)eflaration  über  bie  jeit^er  gegen  un«  ausgegangenen 
3)efcl)ulbigungen  2c,,  Seijjjig  unb  ®örli^  1751;  3R.  31.  ®.  ©}>.«  95arlegung  ri(|tiger  änt= 
n)orten  auf  mel^r  aU  300  3Jefd^ulbigungen  gegen  ben  Ordinarium  fratrum  2c.,  Sei^jijig 
unb  ®örli§  1751;  M.  31.  ®.  ©jj.«  apologetif^e  ©c^lufefc^rift  2c.,  2  leile,  Seip^ig  unb 
®örUfe  1752.    3lber  biefe  ©c^riften  finb  thatfäd^lid^  öielmei^r  für  bie  Äenntni«  3^"J^' 

söborfifc^cr  2:l^eologie  toon  SBert;  benn  \)on  ber  erften,  fürjeften  abgefel^en,  bcfd^ränlt  fi* 
©>>.«  3lnteil  im  hjefentlid^en  auf  bie  ^wf^ni^^^i^P^ßu^Ö  ^^n  fragen  au«  ben  ©c^riftcn 
ber  ®egner,  bie  er  3i"5C"borf  ^ur  Seanttüottung  üorlegte.  @«  tvax  a\x6)  gar  nid^t  ben!: 
bar,  ba|  fic^  ©j).«  tl^eologifc^e  Gigenart  burd^fe^te,  folange  3in}^borf  noc^  neben  ibm 
ftanb.    2)arum  loar  e«  ein  ®lüdE,  bafe  nocb  einmal  bie  alte  ^lufgabe  fic^  öorfc^ob;  p 

40  glcid^  bebeutete  ba«  5Rcdt)tfertigung  unb  änerfennung  an  einem  ghjeiten  ?5unft.  Jn 
Slmerifa  brobte  man  innerlid^  unb  äuperltcb  abjutüirtfc^aften;  e«  h)ar  l^obe  3^*^  ^i 
„ber  amerifanifc|e  Originalmann",  Wk  ^xn^^an^ox^  \\)n  nannte,  toieber  binüberging 
(©ej)t.  1751).  (£«  gelang  <Bp.  auc^  xa\d},  ben  innern  Unfrieben  ju  übertoinben  unb  in 
raftlofcr  3lrbeit  bie  öfonomifd^e  Sage  iDieber  ju  beffem.    311«  1753  über  bie  ^eimatlidKn 

46  ®cmeinen  al«  cnH)finblid)ftc  5?adt)U)irtung  ber  fd)h)ärmerif4>en  ^eriobc  eine  finanzielle 
Ärifi«  hereinbrach,  bie  fic  bid^t  toor  ben  53anfrDtt  brad^Ue,  ftanb  bie  amerifanifcbe  ^rouim 
loieber  in  fräftiger  ©elbftftänbigfeit  ba.  ^a,  ©j).  l^atte  noc^  eben  (1752  53)  auf  einer 
äu^erft  befc^ttjcrlic^en  unb  gefabröoßen  Sieife,  bie  if>n  monatelang  bon  Setble^em  fctn^ 
^ielt,  bie  erften  ©c^ritte  ju  einer  bcbeutenbcn  Grtoeiterung  be«  ffierf«  t^un  lönnen.    3n 

50  dloxti}  (Sarolina  entftanb  ein  jtüeiter,  großer  Äomple^  brüberif^er  Kolonien,  bie  H 
„ißacf?au"  ober  bie  heutige  füblio^e  'i^^romnj  ber  amerifanifd^en  Srüberunität.  Unbal«  1755 
ber  cnglifd;=fran5öfifd)e  .Hrieg  auebracf?  unb  ben  9Ueberlaffungen  ber  Srüber  neue  ®efabr 
unb  nmc  Saften  bracl^te,  ba  l)abQn  fie  auc^  biefen  ©to^  unter  ©J).«  umftd^tiger  Seitunt; 
nieifter^aft  aufgehalten.    311«  le^te«  tonnte  er  nod^  bie  3luflöfung  ber  „gemeinfc^aftlicfccn 

55  £lonomie"  in  bie  9Sege  leiten ;  e«  beburfte  biefe«  Saugerüfte«  nun  nic^t  me^r. 

17G2  tc^rt  er  enbgiltig  nacb  SDeutfcblanb  jurücf.  6r  U)irb  ^itglieb  ber  gntcrinie^ 
birettion,  bie  fid;  nacb  3in5cnborf«  lob  (17()0)  gebilbet  bat,  unb  gehört  nun  bi«  ^ix  feinem 
2obe  ber  leitenben  Se^örbe  an.  ©J).  toar  toie  gefd^affen  für  bie  3lufgabe,  bie  ftc^  gerabe 
jetu  gebieterifcl^  ftellte.    G«   galt,   bie  Äonfolibierung   auf  aßen  ®ebieten  ^erbeijufübren. 

60  3llle«,  feine  Segabung,  feine  ®emüt«art,  fein  G^ara!ter,  fam  bem  t)or^anbenen  SSebörfni^ 


@)iaitgetiBerg,  %  ®.  @)iatigeitBerg,  3.  u.  6.  563 

nad)  Slul^c  unb  ^cfttgfcit  entgegen.  9Jur  tritt  ba^  ßigentümlid^e  ein,  ba^  bie  Sid^tung, 
in  ber  fid^  feine  Kraft  bisher  ^au>}tfäcl^Iicl^  betüäl^rt  l^atte,  gurürfttitt.  ^^^t,  h)0  bie  äufeeren 
®eftcl^t«})untte  fic^  mit  aller  3Ra6)t  geltenb  machen,  ift  er  unau^gef^t  bemüht,  bie  ent* 
gegengefe^ten  nic^t  untergeben  ^u  laffen.  ©0  l^at  er  bie  eigentliche  Slrbeit  auf  bem  ®ebiet 
ber  ÜBerfaffung^grünbung  unb  öfonomifd^en  äu^cinanberfe^ung  ben  S^riften  unb  ginanjs  5 
ntännem  überlaffen  unb  ift  i^nen  J^aujitfäd^lid^  jur  $anb  gegangen,  tvo  e^  galt,  2Öiber= 
ftänbc  perfönlic^er  9latur  ju  überh)inben.  gn  biefer  SRid^tung  bat  auc^  er  fic^  afö  Seiter 
auf  ©Vnoben,  atö  ÄoHege  in  ber  Se^örbe,  aU  SBifitator  in  ben  ©emeinen  entfd^iebene 
Iserbienfte  um  bie  ^erftcHung  bauember  SSerfaffung^tjerl^ältniffe  erhjorben.  Sloer  feine 
eigentlid^en  Seiftungen  liegen  auf  bem  ©ebiet  ber  9lormierung  ber  Se^re.  ^ci^t  ^at  er  10 
bie  2lufgabe  be^  Unitätöt^eologen  mit  t)ottem  Sehju^tfein  ergriffen,  ©eine  ©d^riften  be^ 
ginnen  bie  ß'^^S^"^*^^^  i^  t)erbrängen.  Slber  er  f)at  biefe  Srfe^ung  be^  3^"i^"^^^^W^'^ 
Sel^rtV})u^'  bur^  ben  eigenen  fo  })ietätDott  tüie  möglic^  vorgenommen.  25ie  erfte  ©d^rift, 
beren  Slbfaffung  er  bei  ber  Sel^örbe  anregte,  h)ar  eine  Seben^befd^reibung  be^  ©rafen. 
9>on  ber  ©i^nobe  1764  bamit  beauftraat,  lamen  i^m  felbft  über  bem  ©c^rciben  bie  15 
fc^tüerfkn  Sebenfen  Dor  ber  38eröffentlic^ung.  Grft  ein  jhjeiter,  ftarl  üerlürjter  ©nttourf 
gelangte  amn  3)rudf  unb  erfd^ien  in  ben  ^afjx^n  1772—1775:  Seben  be^  §erm  TOcolau« 
SubtDig  örafm  unb  öenn  to.  ginj^nborf  2c.,  8  Xeile.  3)ie  2)arftel(ung  leibet  unter  ber 
urfprünglid^  auc^  ni(|t  beabftc^tigten  d^ronifartigen  (Einteilung  nac^  einzelnen  3^^^^"- 
Überbie^  liegt  fein  Streben  nac^  gefd^ic^tlid^er  SBa^rl^aftigleit  mit  feiner  atjologetifd^en  20 
3urücfl^altung  beftänbig  im  Äam})f.  SDamit  ift  ber  offi^ietten  ®efd^id(^t«fd^rcibung  ber 
S3rübergemeine  auf  ^af)X}i^hniz  ^inau§  i^r  ©temj)el  aufgebrüdft.  2lud^  auf  bem  ©ebiet 
ber  eigentlid^en  Se^rbarfteUung  ift  bie  üorftd^tige  gurüdE^altung  ba^  c^arafteriftifc^e  SKerl« 
mal.  2llö  unbebingter  ®runbfa(j  gilt  i^m,  an  feinem  $unlt  über  bie  2tu^fagen  ber 
l^eiligen  ©4>rift  l^inau^juge^en.  ^n  i^m  \)atit  er  getüiffermafeen  bie  mittlere  Sinie  ge^  25 
funben,  bercn  genaue^  g""^'^^^*^"  ^'^  25fung  aDer  ©d^h)ierigfeiten  bebeuten  foHte.  2ttten 
3?orh)ürfen  auf  2lbh)eic^ung  Don  ber  bi^fjerigen  Rini^^i^örfifd^en  Se^rhjeife  ober  auf  2lns 
bequemung  an  bie  ber  Ürd^lic^en  2;beologen  lie|  fid^  entgegnen,  bafe  hjeber  ba^  eine 
nod)  ba^  anbere  beabficbtigt  fei,  bielmel^r  ein  burd^au^  „biblifc^er  Typus  doctrinae". 
2)a^  flaffifd^e  Dofument  biefe^  ©^angenbergifc^en  Se^ttljJ)u^'  ift  feine:  Idea  fidei  fratnim  30 
ober  fur^er  Segriff  ber  d^riftlic^en  Se^re  in  ben  ebangelifd^en  Srübergemeinen  bargelegt 
Don  21.  ®.  ©>).,  äarb^  1779.  35er  bogmatifd^c  3tufri|  bc«  ®anjen,  ber  manche  ßigen^ 
tümlic^feit  auftoeift,  ftammt  übrigen^  niq>t  Don  il^m,  fonbem  ift  einem  Scitfaben  für  ben 
Steligion^unterric^t  Don  ©am.  Sieberfü^n  entlehnt.  ©J).  eigentümlich  im  3Jerf>ältni^  p 
Sieberfüfjn  ift  ba^  beutlid(^ere  Scftreben,  jtüifd^en  ber  jc^t  beDorjugtcn  firc^lid^en  Se^rtoeife  35 
unb  ber  3i»S<^n^oi^f^  ju  Vermitteln,  iro^  bcffen  ift  nic^t  ju  leugnen,  bafe  mand^e  hjert^ 
boHe  Stnfä^c  3ii^5^"^o'^fif4>ct  Ideologie  unter  feiner  §anb  Derfümmert  ftnK  Slber  e^  ift 
bie  Srage,  ob  bie  bamalige  3cit  über^au})t  im  ftanbe  \vax,  fte  i^re^  gufättigen  ®eh)anbe^ 
ju  entfleiben  unb  fac^gemäfe  fortjubilben.  ^^^«"föß^  t)erfügte  ©t).  nic^t  über  bie  tl^eo- 
logifd^e  Äraft  unb  ©elbftftänbigfeit,  bie  ba^  erforbert  ^ätte.  Unb  bann  tüar  e^  bcffer,  40 
bafe  fie  ^unäc^ft  unberüdEfid^tigt  blieben,  afö  toenn  fie  fic^  in  ber  gorm  befeftigt  l^ätten, 
bie  3i"icnborfö  ber  t^eologifd^en  ©cbulung  entbe^renber,  imjjulfiDer  ®eift  il^nen  gegeben 
\)aiU.  6ö  ift  ©}).ö  bleibcnbe^  3Serbienft,  ba^  er  bie  Srübergemeine  Dor  einer  6nttt)ic!cs 
lung  in^  ©eften^afte  gcfid^ert  unb  ein  freunbfd^aftlic^e^  SSerl^ältni^  ber  Äirc^c  il^r  gegen= 
über  herbeigeführt  l^at.  Sieben  feinen  ©c^riften  lüar  e§  Dor  allem  feine  au^ereifte  c^rift*  4ö 
lic^e  ^IJerfönlic^feit,  bie  fo  Dertrauenertt>ecfenb  tüirfte.  6r  toar  unermüblic^  in  ber  Pflege 
Jjerfönlic^er  Se^ie^ungen  ^u  5}ertretern  ber  ebangelifd^en  Äird^e,  unb  niemals  Verfehlte 
feine  bifd^öflid^e  6rfc^einung  Don  h)a^rf>aft  flaffifd^em  ®ej3räge  il^re^  ©inbrudtö. 

O^erliarb  9tct4c(. 

@))angetibcrg,  SSater  unb  ©ol^n,  eDangelifc^e  Ideologen.  1.  ^ol^annw 
©pangenberg,  geft.  1550.  —  "^lud  feinem  S8viefiücc^[cl  ift  elnij^e^  erhalten  c^Miebtn  in 
bc  Seite  V  u.  VI;  CR  VII  u.  X;  l^rie(iDecf)ieI  b.  gonaä  II;  H.  Eobani  Hessi  Epistolanim 
familiarium  Libri  XII,  Marpurgi  1543,  p.  12.  102.  292;  ^idftaffcrt,  U^  jur  9?eformQtion§= 
gef(bid)tc  b.  .^er^ocjt.^reuftenö  III,  47—51 ;  beif.,  Ungcbrucfte  'ijricfe  1894,  S.  24;  befonber^  aber 
in.To.  Manlii  Epistolarum  Ph.  Mel.  Farrago,  Basil.  1565,  wo  p.  422  ff.  .^al^lrcidje  35ricfe  an  it)n  55 
gcjammelt  finb.  —  ^^iüc\rapl)ie:  .^ievon.  Äen^el,  Epicedion  in  memoriam  Jo.  S.,  ^öiltenberfl 
1551,  üud)  53afel  15G1,  luieber  übc\ebvucft  in  ÄinbeiüQtcr,  Nordhusa  illustris,  SBoIfenbüttel 
1715,  S.  26();  beif.,  Narratio  historica  de  statu  ccclesiae  in  comitatu  Mansfeldenai  1584, 
in  3eitf(l)v.  b.  ,£)Qi5ueicinH:s  XVI  (1883),  8Gff.;  M.  Adami  Vitae  theol.  Germ.  p.  98;  3  CS), 
fieucffelb,  ^sBerbefferte  l)i|türifd)e  ^JMc()rid)t  uon  bem  2then  11.  ©djrifften  M.  3.  (Sp.ö  1720  (1.  Vlufl.  co 


564  ®)iangeiiberg,  ^.  u.  6. 

1713);  Äinberüüter  a.  a.  O. ;  (£.  ®.  JJörftenmnn,  Mitteilungen  ju  einer  GJcfcfe.  hex  ^cfiufen  in 
^J^orböaujen  1824,  @.22tf.;  berf.  in  9?cue  TOtteiiungen  qu«  bem  ©cbiet  ^ift.  antiqu. 
Sorfcftungen  II,  543;  berf.,  kleine  @d)riften,  9?orb^aufen  1855,  8.  24 ff.;  ®.  ^.  filippel, 
5)eutfd)e  fieben«-'  unb  e^arafterbilber  I,  1853,  @  Iff.;  SSaterlänbifcfieS  ^rcöit)  b.  ^ift.  3?erctn5 
6  für  9?ieberfad)fcn  1840,  @.  401  ff.;  JJocö,  ®efd).  be§  Äir*enUebd  P,  372 ff.  (unäuoerläffia); 
mc[.  ©ü.  Sutt).  ^ird)eni^eitung  18Si,  9^r.  13;  ©agemnann  in  9fl(£'  XIV,  468 ff.;  Jfcftatfert 
in  km  35,  43 ff.;  Sf).  ^erfcftmonn,  Üicformation  in  ^f^orbl^aufen,  ^aHe  1881,  ©.  19  ff.;  Stum.- 
i)aar,  2)ie  (iJrafjc^aft  3Jlan8felb,  1855,  6.  345  ff. 

Sodann  ©J).  ift  oft,  fc^on  im  16.  Sa^t^unbert  (p^l  6^r.  ©panflcnbcrgg  3Sorrebc  ju  feiner 

10  14.  ^srcbigt  Don  Sutl^er)  mit  bcm  gleichnamigen  2higuftiner  Sodann  [Setl^el  au^]  Sjjongcn^ 
bcrg  tjcrtüed^felt  tüorbcn,  ber  auö  bem  fjeffifc^en  ©täbtc^en  ©pangenberg  flammte,  1504 
in  3Bittenberg  immatrifulicrt  tüurbe  unb  bort  1508  ff.  bie  t^eol.  ©rabe  ftc^  em>arb(Lib. 
Decanonim  p.  4  ff.).  ®r  tüar  au^  bem  6fc^tt)egener  Äonöent  in«  SSSittenberger  Stubium 
gefenbct  hjorben;   er  reformierte  1516   ba^  2)ortrccl^ter  Sluguftinerflofter  (enber^  I,  69), 

15  tourbc  1518  ^rior  in  ©fd^tüege,  gehörte  aber  bann  ju  ber  altgläubigen  gartet  inner^b 
ber  bcutfd^en  Kongregation,  beteiligte  fid^  22.  ^juni  1523  an  ber  ^roteftöerfammlung  bicfer 
Sluguftiner  gegen  bie  lut^erifd^c  Se^re  in  Seipjig,  tourbe  im  ©ejjtember  1523  Don  ber 
fleinen  fat^olifc^en  9Jlinorität  in  5Jlül^I(^eim  jum  Silar  getüä^lt.  ßthja  1529  trat  er  t)Dn 
biefem  ämte  jurürf;   feine  ferneren  ©d^icffale  fmb  unbelannt.    9lur  ba§   6^r.  &p.  t>on 

20  il^m  berid^tet:  „bejfcn  lateinifc^  fc^reibcn  aud^  nod^  üor^anben,  hjarumb  er  ba^  SKünie^ 
leben  berlaffen",  nämlic^  in  ber  ©^rift :  Epistola  consolatoria  super  recessu  suo  ad 
reliquias  ordinis  Eremitarum  S.  Augustini.  2Benn  ßnnen,  ®efc^.  b.  ©tabt  Äcln 
IV,  315  iF^n  nod;  ebangelifc^  unb  Pfarrer  in  9iorbl^aufen  tüerben  läfet,  fo  berubt  baö 
offenbar  auf  i^eriDed^öIung  mit  unferm  3-  ^P-  (^ö'-  Äolbc,  Sluguftinertongrcgation).  35iefcr 

26  3.  ©}).  ift  auc^  ber  Serfaffer  einer  1525  in  £ei})jig  gebrudten  gefc^irftcn  aSerteibigung^- 
fc^rift  für  ba^  gegfeuer:  äSom  gegefeuer  ob  ba«  fe^  ober  ob  e«  bie  t)f äffen  unb  SKönd^ 
erbid^t"  (fficHcr,  Repert.  3lx.  3641). 

Unfern  ©^.^  gamilie  ftammt  au^  DJieberfad^fen;   fie  l^at  freilid^  auc^  i^rcn  5Janicn 
bon  jenem  ^effifc^en  ©t)angenberg  erhalten,  benn  bor  ber  2Ritte  be^   15.  Sabr^unbert« 

30  (;atte  ein  SSorfa^r  Äonrab  ®r})fen,  feinet  ^Äd)m^  ein  ©c^^Ioffer,  in  ©Jjangenbcrg  gearbeitet, 
loar  bann  nad^  feiner  Saterftabt  §arbegfen  (untceit  ©öttingen  im  ßalenbergif^en)  jurüd- 
gelehrt  unb  ^ier  fortan  Äonrab  Bp.  genannt  toorben.  3"  §ötbegfen  tüurbc  ^0^.  Sp. 
am  29.  3JJärj  1484  geboren  (nac^  bem  3^W0"i^  f^i"^  ©o^ne^  ß^riafu«  bom  29.3Jlär5 
1552).    ©ein  i^ater,  Xilemann  ©j).,  ein  ipanbloerfer,  lie^  ben  begabten  ©o^n  bie  ©iule 

35  in  ©öttingen  befuc^en,  Wo  er  ftd?  1501,  um  fein  ®ebäd)tni^  ju  üben,  eifrig  mit  3Rnc-- 
monit  befdiäftigte,  über  bie  er  \pätQX  (1539)  ben  Artificiosae  memoriae  libellus,  in 
usum  studiosorum  collectus,  ebierte,  eine  ©c^rift,  bie  nod^  im  17.  ^a^rl^unbert  in 
SBcrfen  über  3Jinemonif  oft  aU  ba^  SBerf  eine^  „Joh.  Sp.  Herd."  abgebrudt  tüurbe.  > 
folgenben  '^af)x<i  befuc^te  er  nod^  bie  ßinbeder  ©d^ule,  tvo  er  bei  einem  3Kefener  Untp 

40  tt>eifung  in  ber  ©ange^funft  erbielt  unb  burc^  einen  Äürfc^ner  in  ben  3Keiftergefang  ein- 
getüei^t  tüurbc  (bgl.  Scudfelb  §  9).  ©inige  ^cxt  lang  unterrichtete  er  barauf  an  ber 
©tiftöfcbuk  in  ©anbcr^l^eim.  ©oßte  er  ibcntifd^  fein  mit  bem  Joh.  Sp.  de  Stolberg, 
ber  1506  an  ber  eben  erijffncten  granf furter  Unitjerfttät,  unb  jtüar  alö  3"^ft  ^^'' 
matrifuliert  itjurbe,  bann  mü^tc  er  fcf^on  t)or  biefem  '^a\:}xz  aud^  in  ©tolberg  al^  2ebm 

45  tbätig  geiüefcn  fein.  ^ebenfaH^  lourbe  er  im  20.=©.  1508/9  in  6rfurt  al^  Johannes 
Spangenberg  de  Herdegessen  (Grf.  älbum  II,  259)  immatrifuliert,  tourbe  1511 
33accalaureu^,  erioarb  aud;  ^ier  ben  3!}tagiftcrgrab ;  er  gehörte  l^ier  bem  um  Goban  ^effu^ 
fid;  fammcinbcn  greunbe^freife  an.  2)ann  iüurbe  er  t)om  ©rafen  Sot^o  bon  ©tolberg  als 
^)(eftor  an  bie  Sateinfd^ulc  in  ©tolberg  berufen.    Sr  i)ah^,  fcf^reibt  er  fj)äter  (SJonebc  jur 

60  (Sjjiftelau^lcgung  1545),  bafelbft  „t)iel  Qa^re  ©ottlob  jugebrac^t,  beibe  in  ber  ©t^ule  bie 
eble  Öugenb  mit  guten  fünften,  unb  bie  c^rlid^e  ©emeinbe  bafelbft  auf  ber  fian|;el  mit 
©otteö  2Bort  nad)  meinem  2?ermögcn  ijerforget  unb  t)iel  &ntt^  bon  ®eiftlid(^cn  unb9Belt= 
liefen,  3lat  unb  gemeiner  Sürgerfd^aft  empfangen".  6r  \oax  bort  ca.  1520  auc^  3}Jittag»^ 
prebiger  an  ber  3Jtartinifird?e  an  ber  ©eite  2:ilemann  ^latner«  getüorben.    Sr  erhielt  bie 

B5  i^ifarie  beö  Elitär«  ©t.  ßuftac^ii  in  biefer  Äird;c,  beren  Sinfünfte  er  ^eitlcben«  belieben 
burfte,  aud;  al^  er  längft  ©tolberg  berlaffen  batte  (3citf(i^r.  b.  ^arjberem«  II,  2,  206 f.; 
über  fein  93ilb  bafelbft  f.  XXIII,  ^382).  SutberiS  Seigre  na^m  er  freubig  an,  unb  balb  nwr 
er  am  ©übbarj  al^  ein  ^crDorragcnber  ^rebigcr  bcö  (Stjangeliumg  befannt  unb  geartet. 
Traber  berief  ihn  ber  ^Hat  bon  ^JJorbbaufen  1524,  al^  er  ben  toom  I)omfapitel  jum^faner 

w  an  St.  SJlafii  befteütcn  ftreitbaren  ©egner   ber  Sieformation  ©corg  5iederfolb  ^um  Md-. 


@|JOiigcubcrfl,  3.  u.  6.  565 

tritt  Dcranla^t  l^attc,  al^  Pfarrer  an  bicfcÄirc^e,  unb  in  ben  22  ^ai)XQn  feiner  mafeboßen, 
aber  feftcn  unb  erfolgrei^en  3;^ätigfeit  in  biefem  Pfarramt  gelang  i^m  bie  Sefeftigung 
bcr  ebangetifd^^en  Seigre  unb,  nad^  Uebertoinbung  ber  Unruhen  bc«  Sauemtriege^,  and)  bie 
I)urc^fübrung  einer  neuen  firc^lic^en  Drbnung  in  bem  !onferbatibem  ®eift  ber  SRefors 
mation  ^Öut^er^,  unterftü^t  befonber^  burd^  ben  grcunb  9KeIanc^t^on«,  ben  einflufereid^en  5 
©^nbifu^  unb  f})ätercn  Sürgermeifter  SRid^ael  SKeienburg.  einblidt  in  feine  Stellung  ju 
biefem  unb  in  feine  Sluffaffung  ber  Slufgabe  beö  9Jorb^äufer  dlaU^,  bie  reine  Sebre  j^u 
beförbem,  gelüäl^rt  feine  Sd^rift  „SSon  ben  2Borten  ß^rifti  9Rattb.  XIII :  Saffet  beibe^  mit= 
einanber  auftoac^fen  bi«  gu  ber  drnte",  SBittenberg  1541.  Sefonberc  SSerbicnfte  eru^arb 
ftc^  ber  frühere  Schulmann  um  ba^  ^ö^cre  ©c^utoefen  ber  ©tabt.  Die  ©tiftöfd^ule  unb  10 
bie  ftäbtifd^e  3^'öb^fd^ulc  toaren  im  ©türm  be^  Sauernfriegeg  ju  ®runbe  gegangen. 
3.  ©}).  eröffnete  junäc^ft  in  feinem  §aufe  eine  ^ribatfd^ule,  bi^  ber  diät  auf  feine 
Sitte  1525  im  2)ominifanerflofter  eine  neue  Sateinfc^ule  errid^tete;  für  tüd^tige  Se^rer 
forgte  bie  nal^e  Sejie^ung  ju  ben  SBittenberger  SWcformatoren  (S3afi(iuig  "^^ob^,  Sodann 
@iga^,  9Jlic^.  5Jeanber  u.  a.).  Unermüblic^  fd^rteb  ©j).  Se^rbüc^er  für  bie  3h>edEe  ber  15 
©d^ule.  äufeer  ber  bereite  ertpäl^nten  9JlnemoniI  finb  ju  nennen :  eine  Prosodia  in  usum 
juventutis  Northusanae  1535;  Grammaticae  latinae  partes  ...  in  pueriles 
quaestiones  versae,  1541  erweitert  ^u  Trivii  erotemata,  hoc  est,  Grammaticae, 
Dialecticae,  Rhetoricae,  in  beiben  (äeftalten  tüieber^olt  aufgelegt.  3)aneben  gab  er  bie  an^ 
mutige  ©c^er^fc^rift  ätnbrea^  @uamad  Bellum  grammaticale  neu  l^eraud  (1584  u.ö.),  in  ber  20 
Nomen  unb  Verbum  in  ©treit  geraben  unb  i^re  Untertl^ancn  jum  Ärieg^juge  aufbieten, 
big  fd^Iie^lid^^  ^ri^cian,  ©ertjiu^  unb  2)onat  ^rieben  jhjifd^en  il^nen  ftiften;  in  biefer 
fc^eril^aften  6infleibung  h)irb  aber  mit  ber  S^Ö^"^  ^^  9Wteg  ©türf  ©rammatil  ret)etiert 
(1.  2lu%  Cremonae  1511;  über  ft)äteref.  $an jer,  Aünales  X,  388).  3)er  Su^abe  ©}).g 
^at  biefer  atterlei  Seigaben  hinzugefügt,  bie  offenbar  au«  frül^eren  ^a^xtn  ftammen,  j.  S.  25 
einen  Dialogus,  in  quo  coUoquuntur  Huttenus  et  Febris  in  ^egametem,  im  Snftllu^ 
an  ^utteng  Dialog  Febris  Don  1519).  ferner  fd^rieb  er  Quaestiones  musicae  in  usum 
scholae  Northusianae  1536  unb  42.  3)en  Satcinfd^ülem  toibmet  er  aud^  fein  Psal- 
terium  carmine  Elegiaco  redditum  1544;  ebenfo  bie  oft  aufgelegten  Evangelia 
dominicalia  in  versiculos  versa  (SBibmung  öon  1538).  3)er  religio fen  Untertüeifung  ao 
ber  3i"95n^  Went  er  bor  allem  mit  feiner  „^oftiHe  . . .  %üx  bie  jungen  ß^riftcn,  Änaben 
unb  3Keiblein,  \nn  grageftücfe  üerfaffet",  in  Slnfc^lufe  an  bie  ^oftitten  t?on  Sut^er,  Gorbin 
unb  Srenj,  ^u  ber  if>m  Sut^er  felbft  ein  Sornjort  fc^rieb  (@3t  63,  368 ;  bgl.  ©edenborf, 
Comm.  de  Lutheranismo  III,  414);  er  begann  fie  1542  unb  tJoHenbete  fie  1541. 
©ie  tüurbe  oft,  auc^  nod^  im  17.  unb  18.  ^«i^^^wnbert  aufgelegt,  l)on  SRein^arb  Soric^iu^  35 
ing  Sateinifc^e  überfc^t,  auc^  ing  9Jieberbeutf^e  unb  in^  Sö^mifd^e  (1557)  übertragen 
(t)gl.  Seucffelb  §  24—30;  9leu,  £i\xtüm  ^ur  ®efd^.  b.  fird^l.  Untenid^t«  II  [1906],  CIVff. 
601  ff.).  SQää^renb  er  ^ier  h)ic  auc^  in  anberen  feiner  ©c^riften  ba^  bem  Sutberfc^en 
f leinen  Äatec^i^mug  entlehnte  SSerfal^ren  in  ^J^agen  unb  Slnthjorten  antüenbete,  fo  be= 
arbeitete  er  baneben  nodE>  biefelben  ^erifo})entejte  für  bie  ^rebiger  in  „2;afeln",  beren  4o 
jebc  eine  genaue  3<^0l^€^€^"n0  ""^  3)i^porttion  berfelben  bietet;  fein  ©ol^n  ß^riafu^  gab 
biefe  2trbeit,  berme^rt  burd^  feine  eigene  gleid^artige  Sel^nblung  be^  Äated^iömu^  ^erau^ 
unter  bem  ^itel:  Explicationes  evangeliorum  et  epistolarum,  quae  dominicis 
diebus  more  usitato  proponi  in  ecclesia  populo  solent,  in  Tabulas  . . .  redactae, 
Basileae  1564,  fol.  Sin  9Könc^,  Fr.  Laurentius  a  Villavicentio,  beranftaltete  bon  40 
il^r  SSenebig  1566  eine  ab  innumeris  haereseon  erroribus  gereinigte  fat^olifd^e  2tu^ 
gäbe.  2)er  ©d^ule  gilt  femer  fein  „®ro6  Äatec^iömu^  .  . .  Sut^eri  ...  in  g^agftüdte 
berfaffet"  1541  unb  1551  mit  9Jorh)ort  bon  ^om^,  nieberbeutfd^  1558,  lateinifc^  1544 
unb  1546,  t)on  bem  Äölner  ^a\pax  b.  ®mmp  in  einen  fat^olifc^en  Äatec^i^muö  unter 
a)Jifebraud^  be«  9Jamen^  Bp.^  umgearbeitet,  Äöln  1561  (bgl.  dl  ^anlixi  in  Äatl^olif  so 
1895,  I,  41 9  ff.),  ©eine  Bearbeitung  ber  Loci  Welanc^tJ^onö  in  grageform  in  ber  oft 
aufgelegten  Margarita  theologica  1540,  ^unäc^ft  für  bie  Sanbgeiftli^en  in  Sraunfd^toeigs 
©ruben^agen  beftimmt,  ^at  hjeitefte  Verbreitung  gefunben  (bgl.  §e})j)e,  2)ogmatif  bc« 
beutfc^en  ^roteftanti^mu^  im  16.  ga^r^.  I,  47  f.).  ^n  ^^ageform,  in  usum  studio- 
sorum,  ift  aud^  fein  Computus  ecclesiasticus  1539  gehalten,  burd^  ben  er  ein  exer- 65 
citium  olim  in  scholis  frequens,  nunc  fere  sepultum  neu  beleben  möchte,  eine  ©c^rift, 
bie  noc^  oft  aufgelegt  hjorben  ift;  aud^  ^.33.  Ärafau  1546  u.  1568.  3)a«  grageberfa^ren, 
ba^  er  in  feinen  ©d[>ulbüd^ern  erfolgreich  im  ^n^^i^^^ff^  ^^  2)eutlic^feit  unb  Sel^rl^aftigs 
leit  antoenbete  unb  nad?  toelc^cm  er  auc^  einen  bollftänbigen  Äommentar  jur  3lpofteU 
gefc^id^te  (^antfurt  1546)  bearbeitete,  berfuc^t  er  auc^  jur  erbaulichen  Unterhjeifung  ber  eo 


Ö6G  ®)iatigcnbcrg,  :i,  u.  6. 

G^riftcnocmcinbc  nu^bar  ju  mad^cn.  (Sr  fc^rcibt  in  biefcr  ^orm  fein  ,.3lc\v  ^roftbuAIin 
für  bicHranfcn,  Unb  Dom  c^riftlic^cn  SRitter"  (1511/2,1559)  unb  ,,3>e«  cl^clic&cn  Crbcn« 
©picgcl  unb  DJegcl"  (cntftanbcn  au^  ^rebigtcn  über  bie  §au«tafel  im  Äoloff erbrief)  1515. 
^ferner  überfe^t   er  Satjonarolaö  Setrad^tungen  über  ^f  51  unb  80  1541   m^  3)eutf4c 

6  (ba^  Datum  5Jorb^aufen,  1.  ^uli  MDXXI  in  ber  Slu^gabe  £ei^)jifl  1551  ift  ein  2:rud= 
fehler),  be^glcid^en  „Siie  ßjjiftel  ©anct  33em^arb«  t)on  ber  i^au^forge",  SEBittenb.  ir»41, 
cbenfo  Sut^er«  Enarratio  Psalmi  XC,  1546  (bgl.  opp.  exeg.  lat.  18,  261,  Scrfcn-- 
borf  III,  374).  @r  beginnt  noc^  in  9Rorb^aufen  mit  ber^erau^abe  öon  2eic^enj)rebiglcn 
über   altteftamentli^e  S^ejte  (1545);   fein   ©ol^n  G^riafu^  f)at   f})äter   an^   be^  9>atcT5 

10  ^a})ieren,  aber  auc^  unter  Seifügung  eigener  ^rebigten,  in  gleicher  SBeifc  Seic^entyrebi^toi 
über  3:e5te  au«  5Rt,  3Kc  unb  Sc  berau^gegeben  1553  unb  1554.  Siuc^  bie  ctoangclifck 
,f>l;mnologie  bantt  il^m  mel^rfac^e  Sörberung.  1543  erfd(^ien  bie  auc^  junäc^ft  auf  bic 
Sc^uljugenb  berechnete  Sammlung  „211t  unb  neue  geiftlic^e  Sieber  unb  Sob^öefcng  Don  ba 
(Seburt  (S^rifti  ...  für  bie   junge  e^riften"  (SBacfernagel,  Sibliogra^jl^ie   9lr.  CDLVI; 

16  äu^g.  1544  ebb.  3lx.  CDLXXII;  3.  3)tü^ea,  ®eiftl.  Sieber  a\i^  bem  16.  ^al^xf^.  I,  :W0); 
bann  1545  feine  gro^e  Sieberfammlung,  bie  i^ren  beiben  teilen,  einer  lateintfcben  unb 
einer  beutfc^en Slbteilung,  entfpredfienb  ben  2;itel  trägt:  Cantiones  ecdesiasticae  latinae 
simul  ac  synceriores  quaedam  praeculae  .  . .  per  totius  anni  circulum  can- 
tandae  ac  praelegendae  . .  .  Äird^engefänge  beutf(|  burdfi«  gan^e  ^^r  .  .  .    (^(Jagbcb. 

•jofol.  f.  SBJarfernagel,  SBibliograpl^ie  3lx.  CDLXXVII).  Die^bee  be«  Äirc^enia^r«,  genauer 
bie  2tudh)a^l  ber  Sieber  für  bie  einj^elnen  ©onn^  unb  gefttage  nac^  3Rafegabc  ber  kxxdm 
jcit  unb  ber  ^crifo})cn  ift  für  bie  älnlage  be«  Sud^e«  beftimmenb.  2(u<^  bie  Sing' 
toeifen  finb  beigefügt.  33eibe  Sammlungen  entl^alten  auc^  eine  2lnjal^I  feiner  eigenen 
2)ic^tungen,  f.  ajJü^ett  3lx.  207 ff.;,  2BacfernageI,  Äird^enlieb  III,  5Rr.  1103—1125;  Rcä 

26  I,  375;  e«  finb  jum  guten  leil  Übertragungen  lateinifd^er  ©efänge;  boc^  ift  faft  nicbt« 
bat)on  in«  eb.  ©efangbuc^  ber  ®egenh)art  gcfommen.  Seine  Sd^rift  „3h)ölff  ß^riftliic 
Sobgcfenge  unb  Seiffen  . . .  an^^  für^te  aufgelegt"  1545  (SBacfernagel,  Sibliogra^jbic 
9ir.  CDLXXVI),  bie  burd^  SReinf^arb  Sorid^iu«  1550  auc^  in«  Sateinif(|e  überfe^t  tpurbc 
unb  noc^  im  Slnfang  be«  18.  3iaf^r^unbert«  einen  neuen  2lbbrucl  erlebte,   bcjeicbnet  bai 

ao  Slnfang  einer  neuen  Sitteraturgattung,  ber  erbaulichen  2lu«legung  be«  Äirdj^enliebe«. 

Berufungen  nac^>  aufeer^alb  fonnten  bem  berüorragenben  Ideologen  nic^t  fehlen. 
5!JJagbeburg  berief  il^n  1542  al«  2lm«borf«  Slacpf olger  an  St.  Ulrich;  aber  er  meinte, 
grunbfä^lic^  ablehnen  ju  muffen  (3?onebe  j^um  3.  2:eil  ber  ^oftiHe,  1543;  aRanliu* 
Farrago  413  f.).    §erjog  2llbrcd^t  bcmül^te  fic^  1543  für  fein  Äömg«bergcr  „?5artitular" 

36  S>).  al«  SReltor  ju  gen)innen,  aber  er  lehnte  am  22.  9iot)ember  hjegen  3llter«fc^h}ü(f>e  üb 
(Jfc^adtert,  118  I,  247;  III,  46—51.  58).  2)a  gefd^a^  e«  1546,  bafe  Sut^er  bei  jeinci 
legten  3(nU)cfenbeit  in  6i«leben  ben  9)tan«felbcr  ®rafen  riet,  jur  Sefeitigung  t)on  S^'-^W 
feiten  aDcn  Äird^en  unb  Schulen  ber  ©raff^aft  einen  gemeinfamen  ©eneralinfpeftor  ;u 
geben;   bafür  fc^lug  er  i^nen  Sp.  t?or.    (Einmütig  beriefen  i^n  bie  ©rafen,  unb  biefem 

40  legten  Söillen  Sutl^er«  glaubte  er  [\6)  nidbt  entjiel^en  gu  bürfen.  So  ftebeltc  er  noc^  im 
^uni  nad^  Gielebcn  über  al«  ber  vir  pacificus  et  eruditus,  al«  ben  man  ibn  ine 
3tugc  gefaxt  (latte,  nad^bem  er  nod^  im  -iöiärg  bei  ber  ^Reformation  be«  Älofter«  2i^al!en: 
rieb  mitgeloirft  batte.  ^n  n)eldt)cm  3tnfe^cn  er  bei  ben  ©rafen  ftanb,  geigte  ftc^i  im 
Sd^malfalb.   Kriege,   inbem  ©raf  Sllbrec^t  ba«  Stäbtc^en  §arbegfen  al«  „feine«  lieben 

45  '^^fanl^crrn  ©cburt«ort"  t?or  ber  Sranbfd;a^ung  Derfd^ontc  (3eitfc^r.  b.  §arjt)erein«  XVIII, 
3!M)).  aiber  nur  tocnig  fonnte  er  bier  noc^  leiften,  ba  i^n  Seibe«fc^h)ac^l^eit  in  ber  %ui- 
Übung  feine«  2(mte«  mannigfa4>  befjinbertc.  S^cm  il)eologenfont)ent  am  23.  Sluguft  ir)4s, 
auf  toeld^em  5DkId^ior  Äling«  33cmübungen,  bic  ©raffc^aft  |;ur  2lnna^me  be«  ^nteriniö 
^u  bctoegcn,  abgchjiefen  lourben,  mu^tc  er  franfbeit«l?albcr  fernbleiben  unb  SJlid^ael  (Joelius 

50  bic  Rührung  überlaffen  (^eitfd^r.  b.  .C^ar,^t>crcin«  XVI,  88  f.  togl.  ftruml^aar  S.  365  ff.).  3lne 
.s^au«  gcfcffclt,  fucl^te  er  nod)  mit  ber  ^^cbcr  feine«  3lmt«  ju  tüalten  (Sluölegung  bc» 
7:1 '^]}falm«  1550).  2lm  13.:;\uni  1550  cntfd;licf  er,  aHfcitig  betrauert.  Sein  g)jita))biunt 
f.  bei  ©rotier,  Inscriptiones  Islebienses  1883,  S.  7  ff.  5WeIand^tl^on  e^rte  fein  3(n^ 
bcnfen  burd;  ein  Schreiben   an   bic  '93ian«f eiber  G5ciftlicl?teit  (CR  7,  696  ff.),   in  bem  et 

66  ihm  nad;rübmt :  Spangenbergii  niodestia  multum  ad  con(K)rdiam  proderat.  Hie 
cum  eruditione  et  multis  virtutibus  excelleret,  tarnen  ab  ambitione  alienissünus 
erat.  Et  candor  in  eo  erat  eximius.  ^fliclanditbon  fclbft  f)aiU  ben  (Si«lebener£cbul 
mann  .C^icron.  5}}cn.^cl  i^cranlafet,  ba«  Epicedion  j^u  tjcrfaffcn,  ba«  er  bann  mit  feinem 
53cglcitiDort  in  aiUttcnbcrg  ,^um  ^xxid  beförbcrtc,  t)gl.  CR  7,  644  f.    Sj).  hinterließ  IHnc 

60  (Sf^cfrau,  Äatharina  ©rau,  bic  er  1527  gcl;ciratct  (latte  (geft.  1576),  unb  t)ier  Sö^ne,  »on 


©^ittiijciibcrj,  3.  u.  e.  567 

bcnen  ^ona^  feit  1544  in  SBittenbcro  bic  freien  Äünftc  unb5Dlebijin  ftubierte,  aber  fc^on 
1553  in  ßigleben,  Ronrab  1560  afe  §oft>rebiger  be«  ©rafen  Qan^  üon  3Kan^fe(b  ftarb, 
SScrfaffer  ber  ©c^rift  ,,2)er  §eVlige  ^falter  .  . .  35aljibg,  in  gch)iffe  unb  orbentlid^c 
§au^tartifel  ijcrfaffet",  ©trafeburg  15f)0.  TOid^ael  h)ar  1569  Rantox  an  ber  ^Zifolaifird^e 
in  einleben  unb  lebte  nod)  1591  afö  ©m)crintenbent  ber  ©raffdJKJft  ftönigftein;  ber  0 
bclannteftc  aber  ift  ß^riofu^^  i>on  bcm  b<c  nmi^Dlgenbe  Slrtifel  l^anbelt.  (Über  bie  Srüber 
f.  ^fiembe,  93rieftoec^fel  be^  G^r.  Bp,  ©.  3.  4.  65  unb  138 ;  ^eitfc^r.  be«  §arxt)erein« 
XV,  215). 

3lad)  feinem  a:obe  gab  fein  So^n  G^rialu«  noc^,  aufeer  ben  bereite  ern)ä^nten  Seichen* 
l^rebigten  unb  ben  ^eriu)t)entafeln,  ber  SKutter  m  3:rofte  be^  3Sater^  „©4>öne  nü|(ic^e  10 
2:rüft))rebigt  Dom  aSJitioenftanbe"  1552  ^erau^,  ebenfo  be^felben  erbaulid^e  2lI(egorie  ,,@in 
geiftüc^  Sab  ber  ©eelen,  angezeigt  im  leiblid^en  S3abe"  1552.  ©eine  langjährigen  ißox- 
arbeiten  für  eine  gro^e  SBeltd^ronif,  für  bie  ß^rialu^  für  ben  SSater  feit  1543  @£cerj)te 
gefammelt  ^atte,  überlief  biefer  1547  bem  ©o^ne  ju  eigener  Senu|ung  unb  Verarbeitung 
(Dgl.  6vr.  ©^.  äbel«fj)iegel  1591,  Sortüort).  15 

2.  G^riafu^  ©t)angenberg,  gcft.  1604.  —  ducHcn:  ^.9iembc,  3)er  33rieftüed)fel 
bc^  M.  (^i)riaf.  epv  2  Xeilc,  3)re§ben  1887.  88  [=  gWanöfcIber  «lätter  I  u.  II|  (enthält  bic 
^Briefe  bi^  1591,  aber  eö  feMen  auftcr  htn  ©ibmungSbriefcn  hit  in  Conr.  Schlusselburgii 
Epistolarura  Volumen  enthaltenen;  aucf)  einige,  bie  fcfton  bei  Jcc^t,  Historiae  ccclesiasticae 
sacc.  XVI.  Supplementum  1684  c^ebrucft  finb;  eine  f leine  S^ocftlcfe  in  ,,3RanSfelber  S3Iätter"  20 
VII  [1893],  150ff.).  ^odi  ungebrurftc  ^Briefe  in  ^Bolfcnbüttel  unb  aWünc^en.  öJricd)ifd)c  SHcbe 
auf  feine  .^ocö^icit  in  ^id).  ^J?eanbcr,  Orationes  duae,  Basil.  1553,  p.  9ff.  3"^  53iogrQp]^ic : 
auftcr  Adami  Vitae  Äeolog.  Germ.  1653,  @.  731  ff.;  Redit  a.a.O.  Apparatus  p.  107 ff.; 
Äinbctüatcr,  Nordhusa  illustris  p.  279  ff.,  üov  oOeni  3.  Q^.  i!eufffelb,  Historia  Spangen- 
bergensis,  Cueblinburc^  1712;  ^.  JRembe  im  ^leubrucf  oon  6p.ö  5ormuIürbüd)Iein  ber  alten  25 
VlbamMprad)e,  3)redben  1887;  S)önincjev,  3iefüvmation  II  (1848),  270ff.;  ^regcr,  Tfiacin^  II; 
^rnm^aar,  ®raffd)aft  ^Dian^felb  1855,  bef.  357  ff. ;  ?l.  (VJ.  gKel)cr,  3)er  SlacianiSmuS  in  ber 
OJraffdiaft  ^an(^feIb,  ftaüe  1873;  (S.  ©d)mib,  ^e§  &IaciuS  (grbfiinbcnftreit  in  Sötl)  1849  I 
unb  II;  ;|p.  ^Dkn^^cl,  Narratio  historica,  ^citfdjr.  b.  $)ar^uerein§  XVI,  99 ff.;  Rönncrfe  in 
ll^anöf.  ^Blätter  XIV,  42 ff.;  ®.  mMcx,  (Sine  (Spifobc  au8  bem  glacianifcficn  Streite  iu-Sf^^S  80 
1888,  622 ff. ;  mgcnmann  in  5RIS^  XIV,  469 ff.;  ßbu).  @d)röber  in  5lb©  35,  37  ff.;  Äod), 
®efd).  be<5  Äirdienlicbeö  II  ^  258  ff.  58evjieid)niffe  feiner  ©d)riftcn :  ficurffelb  a.a.O.  8.81—87; 
JHcmbe,  JVormularbüc^Iein  6.  LV— LXVI;  (öoebefe,  ®runbri6  II,  171  ff.;  'iDJ.OSbürn,  5)ie 
leufelölitleratur  hei  16.  3a()r^unbeiie,  ^43erlin  1893. 

ß^riafuö  S.  n)urbe  am  7.  3luni  1528  in  'JJorbl^aufen  geboren.  2)a  fein  3?ater  1527  35 
geheiratet  ^atte,  unb  fein  ältefter  ©ruber  ^ona^g  1530  geboren  h)urbe,  fo  ift  er  ber  erft* 
geborene,  nic^t,  toie  oft  angegeben  ttjirb,  ber  jüngfte  ©o^n  go^.  ©J).«.    3)er  begabte  unb 
lerneifrige  Änabe  entloidelte  ftc^  unter  be^  SSaterö  fieitung  unb  bem  Unterrid^t  be^  öortreffs 
lid^en  Se^rerö  SSafiliu«  JJaber  fo  rafc^  unb  glänjcnb,  ba^  er  jugleic^  mit  jtoei  <B'6i)nzn  be« 
Sürgermeifter^  TOeienburg  fd^on  am  2.^ebr.  1542inSBittenberg  immatrifuliert  tourbe,  nocl^40 
nid(^t  lljäl^rig.  35er  Slu^bruc^  be^©c^maIfa(bifc^enÄriege« unterbrach  feine ©tubien;  er  toar 
aber  fc^on  fo  geförbert,   ba^  ilt)n  ber  eben  nad)  gi^leben   übergeftebelte  9Sater  bort  im 
©c^ulbienft  an  ber  Sateinfc^ule  befd^äftigen  fonnte.     3lm   ll.^ebruar  1550  beftanb  er 
mit  Slu^jeid^nung  aU  erfter  unter  42  Seloerbem  in  SBittenberg  ba^  TOagifterejamen,  ju* 
gleid^  mit  feinem  Sruber  ^ona^,  ber  12.  in  ber  9letl(^e  tourbe.   3)urd(^  benSSater  junä^ft4ß 
angeregt,  bann  burd^  9Kelanc^t^on^  SSorlefungen  genährt,  toanbte  ftd^  fein  ^ntereffe  neben 
ber  3:^eo(ogie,  für  bie  i^m  Sut^er  ber  mafegebenbe  Se^rmeifter  tourbe,  —  noster  a  Deo 
nobis  missus  Doctor,  omnibus  Patribus  meo  quidem  iudicio  longe  praeferendus, 
3)riefh)ed;fcl  ©.  147  — ,  bem  ©tubium  ber  ©efd^ic^te,  befonber«  ber  Daterlänbifc^en,  mit 
brennenbcm  Sammeleifer  ju.     5lac^  bem  Sobe  be^  SJater^  (13.  ^wni  1550)  übertrugen» 
i^m  bie  ©rafen  eine  ^rebigerfteHe  an  ber  Stnbrea^firc^e  in  @i^leben;   ate  er  aber  l^ier, 
ein  eifriger  ©egner  be^  5"^<^rim^  unb  ber  2lbiaj)^oriften,  toö^renb  ber  Belagerung  9Kagbe= 
burg^   „für  bie  ^od^bebrängten  Gl^riften   ju  3)lagbeburg,   tote  aud^  für  ®raf  2llbred^t  ju 
^JJJan^felb  |ben  t)om  Äaifer  üon  ber  2lmneftie  auögefdploffenen,  auö  feinem  Sefi^e  ljer= 
triebenen  |  allzeit  ba^  gemeine  ® ebet  getrau",  lüurbe  er  \)t>n  ben  regierenben  ©rafen  2lmtö  65 
entlaffen,   aber   nac^   einem  ^ilufent^alte  in  ©eeburg  unb  ©d^leupngen,  „ba  e^  mit  bem 
Ü)Jagbeburgifd;en  Krieg  t)iel  einen  anberen  Slu^gang,  benn  bie  ^Ri^günftigen  gemeint,  ge^ 
Tonnen",  lieber  angenommen  (tjgl.  §ennebergifcbe  Chronica  ©.  260)  unb  an  ©teile  be^ 
nad;  Wagbeburg   berufenen  ^o^.  SBiganb  nad^  5flan^felb  a(^  ©tabt^  unb  ©c^Iofejjrebiger 
gefeilt,   too  er  fic^   an  ben  alten,   milben  ^id^ael  (Soeliu^  anfc^lofe,  ber  il^n   „ben  ^tab  eo 
feinet  2llter^"  nannte,  beffen  „c^riftUd^e  unb  nü^Iid^e  Auflegungen"   er  auc^  noc^  1565 
ebierte.  ?Ja4>  beffen  lobe  (1559)  tourbe  er  ©eneralbef an  ber  ©raffd^aft  unb  Seifiger  be^ 


568  S^iaiigciibcrg,  3.  u.  (5. 

(Siölcbcncr  Äonfiftorium^.  ©cit  bem  ?f ottgang  bc^  ßraemu^  Sarccriu^  (f.  Sb  XVII,  186) 
h)ar  (Bp.  cntf^teben  ber  fenntni^rett^ftc  unb  befcnntni^ctfrigfte  Scrfec^tct  bc^  reinen 
Sul^ertunig  in  ber  ®raff(^aft,  anfangt  and)  mit  bem  2)i(^ter  be^  Epicedions  auf  feinen 
2?ater,  §ieron^mu^  5Kemel,  ber  1560  ®eneralfuj)erintenbent  ber  Oraffc^aft  gctoorben 
6  \vax,  fefl  berbunben  im  Ramp^  gegen  bie  ©d^ule  SKeland^t^on^,  fo  baf;  bic  ^Kan^felbijAc 
©eiftlid^feit  unter  il^rer  gül^rung  in  ben  einfaDenben  Sel^rftreitigfeiten  feft  gcfd^Ioffen  blieb. 
^aiU  man  unter  ©arceriug  nod^  1554  t)er^ältni^mä^ig  ma|boII  ben  SRajori^mu^  U- 
fämj)ft,  1556  auf  ber  gegen  3- ^Jleniu^  beranftalteten  6ifena(^er  ©t;nobe  ben  bort  öon 
©trigel  aufgcfteDten  ©ä^en  fi^  angef(^loffen  unb  1559  auf  einer  neuen  ©^nobc  in  QU- 

10  leben  gegen  alle  äbtüeid^ungen  t)om  Sut^ertum  entfd^ieben,  aber  o^ne  3SerIe^ung  ber  '$c^ 
fönen  ))roteftiert,  fo  lourbe  je^t  unter  5DlenjeI  unb  Bp.  ber  3:on  fc^ärfer ;  bic  wan^felber 
toaren  bie  entfd^iebenften  Parteigänger  be^  ^laciu^.  SBar  man  auc^  im  römifd^en  Saget 
©J).  feinb  toegen  feiner  berben  ^olemif  gegen  bie  „$a))iften",  jümte  man  i^m  ^eittoeifc 
in  ^ma  unb  am  ipofe  ^o^ann  ^ebric^ö,  biel  nachhaltiger  aber  am  §ofe  be^  Äurfürftcn 

16  Sluguft  unb  an  ben  Üniberfitäten  Wittenberg  unb  £ei))jig,  fo  ^atte  er  boc^  im  engeren 
Äreife  ber  (Sraffd^aft  gute^  6int)erne^men  unb  frieblic^e«  3wfö"i»"^*^irf«"  ^^^  t^i"^ 
2(mtggenoffen,  geno^  bie  Siebe  unb2(d^tung  feiner  (Semeinbe  unb  arbeitete  mit  unermüb^ 
lid^em  gleife  an  t^eologifd^en  h)ie  ^iftorifd^en  ©d^riften.  I)ie  brei  ©rafen  Solrab,  Äarl 
unb  ^an^  6rnft  liefeen  ft^  böllig  Don   i^m    in   il^rer  firt^lid^en  ©teHung   leiten,    ©ein 

20  Slnfe^en  touc^g  überall  ba,  iüo  man  e^  mit  bem  antit)l^ili^j)iftifci^en  Sut^ertum  bielt,  fo 
baf;  e^  i^m  nid^t  an  Berufungen  (nac^  9Jorb^aufen,  SWagbeburg,  Sübecf)  fehlte ;  er  fübhc 
fid^  aber  an  feinem  $la^e  hjol^l  unb  Sollte  feine  ©tellung  nid^t  t)erlaffen.  gteilic^,  aU 
ju  6nbe  beö  ^alfXi^  1566  auc^  an  i^n  ber  9luf  erging,  bie  in  Slnttoertjen  für  eine  furjic 
grift  ju  freier  SReligion^übung  gelangenbe  lutl^erifd^e  ©emeinbe  orbnen  ^u  Reifen,  folgte 

25  er  bemfelben  unb  traf  @nbe  9Jot)ember  bort  ein,  l^alf  mit  bei  ber  3lbfaffung  ber  ägenbe 
für  bie  ©emeinbe  unb  beranftaltete  bon  biefer  iüie  bon  ber  Confessio  ber  Slntioer^jenet 
©emeinbe  eine  beutfd^e  ätu^gabe.  ©nbe  gebruar  1567  erfolgte  bie  SRürfrcife.  Ta^ 
SBäertDollfte  —  freiließ  auc^  9Ser|ängnigt)olIfte  für  fein  fernere^  Seben  toar  bie  ^ier  erfolgte, 
nun  aud^  J)erfönlic^e  33efanntfd^aft  mit  glaeiu^,  bie  i^n  balb   in  beffen  trübe  ©c^idEfalc 

30  bertüidfeln  foltte  (bgl.  ^reger  II,  285  ff.).  §ier  in  3tnth)erj)en  bottenbetc  glaciu^  feine 
Clavis  Scripturae,  mit  ber  gugleid^  fein  2^raltat  De  peccatl  originalis  essentia 
1567  ausging,  ber  ben  3lnla6  jum  ©rbfünbenftreit  bot.  aber  and)  ©J).ö  „^lottoenbigc 
SBarnung  an  atte  .  .  .  beutfd^e  Äriegöleute"  1568  t)erbanft  feinem  Sluf enthalt  in  ben 
5Kieberlanben  if^re  ©ntfte^ung.    ßr  iüamt  ^ier  t)or  Ärieg^bienften  in  ber  fj)anife^en  ärmec 

35  unb  berichtet  über  ätlbaö  „Slutrat". 

(Sine  2Bol!e  jog  für  Qp,  balb  nad^  feiner  ^cimlel^r  auf,  al^  Äurfürft  3luguft  15(>7 
fid^  fe^r  energifd^  über  SKen^el  unb  ©^.  bei  bem  in  2)re^en  iüeilenben  ©rafen  ^ane 
©eorg,  nämli^  über  bie  „©^mäl^büc^er"  ber  5)tan^felber  befd^toerte  unb  beibe  auf  ben 
7.  Januar  1568  nad^  I)re^ben  gur  3Seranth)ortung  toegen  i^rer  ^rebigten  unb  ©d^riflcn 

40  bor  feine  2:f)eologen  eitierte.  3lnlaj5  ^atte  ber  Äam^f  ber  3Jlan^felber  gegen  bie  ^^ili))piften 
gegeben,  bei  bem  eg  an  fd^arfen  3tnfd)ulbigungen  gegen  bie  2^^eologen  in  SBittenberg  unb 
Sei^)^ig  nid^t  gefehlt  l^atte.  §an^  ®eorg  forberte,  bafe  ft^  in  I)reöben  erfcbeinen  follten; 
ba  aber  bie  ®rafen  l^olrab  unb  ßl^rifto^)^  gegen  biefe  (Eitation  afö  eine  SSerfür^ung  i^rct 
))kd)k  J)roteftierten,   toeigerten  fid?  beibe  ®eiftlid^en  nac^  35re^ben  gu  ge^en,  tüorüber  ber 

45  Äurfürft  iüie  ®raf  §an^  ®eorg  ^eftig  gümten.  Xa  um  biefelbe  3^^  ^i"  ^^^^  ^^wf  ^^^ 
Sübedf  bei  ©)>.  eintraf,  mad^te  er  fic^  fc^on  auf  ben  2öeg  nad^  Sraunfd^iüeig,  ioo  a 
etliche  SübedEer  ju  treffen  l^offte,  bereit,  bie  Berufung  anjunel^men.  2tber  auf  ber  %ahxi 
iüurbe  er  anbern  ©inne^  unb  lehrte  iüieber  nac^  5}Jan^felb  jurüdf.  6ö  laftete  aber  feit^ 
bem   ber   ®rolI   eine^  leite  ber  SJlan^felber  ©rafen   auf  tl^m.     Bp.   felbft   batte  ben 

50  fl;nergiftifd^  gefinnten  lurfäd^fifd^en  S^eotogen  befonberö  Slnftojs  gegeben  burd^  fieben  '$re^ 
bigten  de  praedestinatione  (ßrfurt  1567),  in  benen  er  Dom  servum  arbitrium  im 
©inne  ber  altreformatorifcben  S^eologie  lehrte.  @r  fa^  fid;  genijtigt,  fd^on  1568  für 
biefe  ^rebigten  eine  befonbcre  „Apologia"  ausgeben  ju  laffen  unb  no(^mate  1570  ber 
„Slnttoort  unb  ®egenbericbt"  ber  3)Janeifelbcr  ^rebiger  auf  ber  Seij)jiger  unb  SQäittenberger 

56  2:]^eologen  ,,53eric^t  unb  6r!tärung"  eine  „fonberlic^e  3lnth)ort"  beizufügen,  in  ber  er  fid» 
t)or  allem  burd^  ^Berufung  auf  Sut^erö  De  servo  arbitrio  Ucrteibigte  (Dgl.  baju  Döllingcr 
II,  277).  2l$ie  fdE^mer^lid)  toäre  e^  \l}m  gemefen,  \vmn  er  ^ätte  a^nen  tonnen,  ba^ 
]päUx  ^oljann  <Bx(^\^\nnr\'t>  bon  5}ranbcnburg  biefe  feine  fieben  ^rebigten  ingranlfurta.ST. 
1615  ioürbe  neu  bruden  laffen  ate  3)iittel  jur  6nH)fe^lung  be^  Galbini^mu^I 

60         A)ier  in  ^JJanefelb  entiüidcltc  fic^  nun  aber  auc^  bie  Xragöbic  bei^  ßrbfünbcnflreitee, 


(S^iatiflenbetg,  3.  u.  (5.  6G9 

bic  für  fein  fernere^  Sebcn  berl^ängnigbott  cntfc^ctbmb  iüurbe.  %lac\n^  ^atte  fc^on  1560 
(Dgl.  Sb  VI,  88)  gegen  ©trigel  ben  Slu^brucf  gebraucht,  bic  ©rbfünbc  fei  bic  Subftanj, 
ba^  berberbte  SBefen,  bie  bcrfel^rte  3laiux  be«  3)lenfc^en.  ©eine  ^reunbe  in  ^tm  l^atten 
fc^on  bamal^  il^n  Dor  ben  novae  loquendi  formulae  geiüamt ;  man  toerbe  i^m  mani(^äifc^e 
Äe^erei  borit?erfen.  %U  er  ben  Sluöbruc!  1567  iüieber^olte  unb  gegen  bie  33ebenfen  ber  6 
gteunbe  berteibigte,  Ratten  biefe  gundt^ft  aud^  nur  ben  SBunfc^,  er  möge  ben  Sluöbrudf 
,,Subftan5"  Dermeiben,  um  fid^  bor  „Serleumbem"  ^u  fd^ü^en;  aber  bie  93raunfd^h)eiger 
3Jlörlin  unb  6^cmnift  fenbeten  eine  fd^arfe  3^"f"^/  ^^^  "^^  ^"^  ipefei^ufen  fc^arf  machte, 
unb  balb  iüar  eg  faft  auf  ber  ganjen  Sinie  ber  antilpbililp))iftifc^en  Sutl^eraner  eine  au^s 
gemachte  3:^atfad^e,  ba^  jjlaciu^  ben  ^^eufel  gum  ©(^ö))fer  ber  ©ubftang  be^  3Kenfd^en  10 
mad^e  unb  bamit  in  mani(^äif(^e  Äe^erei  gefallen  fei.  3)a  berfu^te  Bp.  aU  SSermittler 
einzutreten  unb  glaciuö  gegen  SWi^beutungen  in  ©c^u^  gu  nel^men.  ©einer  Cithara 
Lutheri  1570  fügte  er  eine  äb^anblung  über  ©ipengler^  Sieb  „2)urd^  2lbam^  ^aü  ift 
gang  t)erberbt"  bei  unb  ^ielt  am  6.  ^^ebruar  1570  in  ©iöleben  eine  3lebe  über  bie  ßrbs 
fünbe,  tDobei  er  bie  SWeinung  be«  ^'^^'"^  f^  t)ortrug,  baf;  bie  ßiölebener  (Seiftlic^Ieit  16 
feinen  Stnftof;  baran  na^m.  ©r  na^m  an  einer  Seflpred^ung  in  ffieimar  teil,  bie  §ergog 
Sol^ann  SBill^elm  beranlafet  l^atte,  iüo  befd^loffen  h)urbe,  im  5Kamen  ber  3KangfeIber  unb 
©i^lebener  ©eiftlid^en  eine  Unterrebung  §e^l^ufeng  unb  SBiganb^  mit  ^laciu^  l^erbeis 
gufü^ren.  Slber  Bp.i  alter  greunb  ^ieron.  Wengel  in  Si^leben  t)erfagte  bie  $Kith)irfung 
unb  fc^lofe  fic^  ben  (Segnem  beö  ^laciuö  an ;  bie  Untenebung  fam  ni(^t  gu  ftanbe.  20 
©inen  S3eric^t,  ben  je^t  ©)>.  über  bie  ©treitfrage  an  $ergog  go^.  SBil^elm  fanbte,  griff 
§<^6^"fcn  ^cftig  ön  unb  bef(^ulbigte  nun  aud^  il^n  be^  3Kanid^äiömuö.  3)ie  ü)lan^felber 
©rafen  SSoIrab,  Äarl  unb  §an^  ßmft  berfud^ten  nod^  hnxi)  eine  3Ser^anbIung  auf  ©c^Iofe 
9)lan^felb  am  15. 5Wai  1571  ßinigleit  unter  ben  ^rebigem  ber  Oraffc^aft  l^erbeigufül^ren. 
9to(^  gelang  e«  ©ip.,  für  feine  „Apologia"  iüiber  Äefi^ufen  im  toefentlic^en  bie  3"P^"^-  26 
mung  9JJenjete  gu  erl^alten,  iüie  ©J).  umgele^rt  fid?  mit  einer  ©c^rift  ber  (Si^lebener 
fad^lid^  einberftanben  erflären  tonnte;  nur  ber  Unterfc^ieb  blieb,  baf;  ©ip.  baran  feft^ielt, 
man  lege  ^laciu^  ©ebanlen  unter,  bie  biefer  gar  nic^t  j^abe  Vertreten  toollen.  @r  errettete 
aud?  iüirflid^,  baf;  3Jlengel  noc^  am  26.  3jwli  1571  in  SBeimar  bie  ßrllärung  abgab, 
glaciu^  l^abe  mit  feiner  SRebe  Peccatum  est  Substantia  nur  bie  redete  Se^re  auö^  30 
brüdEen  iüollen  unb  fei  bal^er  nic^t  afe  5)tanic^äer  gu  t)erbtammen.  9lod^  h)ar  ber  Sruc^ 
unter  ben  ©eiftlid^en  ber  ©raffd^aft  bermieben.  3)a  erfc^ien  30^.  SBiganb«  ©d^rift  „35on 
ber  erbfünbe"  mit  if^rer  Jd^roffen  Verurteilung  be^  glaciu«.  I)ie  ©eiftlid^Ieit  ber  ®rafs 
fc^aft  foHte  il^r  Urteil  barüber  abgeben  (2)egember  1571).  ©Ip.  unb  fein  Sln^ang  (bef. 
M.  G^riftoj)]^  äjenäuö  unb  aOBill^.  ©arceriuö)  erflärten  fic^  gegen  SBiganb«  Beurteilung  36 
be^  glaciu^,  ^Öfengel  unb  bie  ©einen  ixaUn  il^m  bei  (SeudEfelb  ©.  33).  3)amit  iüar  ber 
Äamt)f  unter  il^nen  entbrannt  (Dgl.  SKengelö  SBrief  bei  gec^t  p.  433).  ßö  fanben  1572 
xa^lreid^e  Untcncbungcn  ftatt,  in  benen  man  um  bie  Formeln  „bie  ßrbfünbe  ift  bie 
^erberbung  ber  9Jatur"  ober  fie  ift  „bie  t)erberbte  5Katur"  ftritt,  ol^ne  fic^  gu  einigen* 
auc^  ba^  t)erfönlic^e  ßrft^einen  be^  ^laciuö  unb  eine  gtoeitägige  3)i^utation  mit  i^m  auf  40 
©(^lofe  3)ian^felb  (3.  u.  4.  B^t.  1572)  führte  gu  feiner  Serftänbigung,  nur  baf;  Bp. 
unb  mit  \i}m  ®raf  SSolrab  noc^  entf(^lofjener  fortan  gu  ^laciu^  l^ielten.  3^^  flogen 
Streitfc^riften  giüifd^en  beibcn  ^Parteien  l^in  unb  ^er,  aller  freunbfAaftlic^e  3SerIe^r  l^örte 
auf.  ®raf  SSolrab  fe^te  in  feinem  $Ka^tbereid^  ©egner  Bp.^  ab,  ®raf  $ang  ®eorg  unb 
feine  Srüber  ftanben  auf  ber  ®egen^)artei  unb  hinter  i^nen  ber  3lbminiftrator  tJonWagbe«  46 
bürg  ^oad^im  griebrid^.  9Jun  liefen  bie  3c"fwten  ein,  bie  man  t)on  auötüärtigen  3:9eos 
logen  eingel^olt  l^atte.  ^an^  ®eorg  Verlangte  uon  ©J).  ben  SBiberruf  feiner  Se^rtoeife, 
biefer  aber  liefe  auf  ber  je^t  in  SRan^felb  t)on  ®raf  SSolrab  für  il^n  errid^teten  2)rudterei 
©d^rift  um  ©^rift  au^el^en,  unb  bie  ®egner  antiüorteten  mit  §ilfe  ber  ©i^lebener  treffe. 
ÜJatürlid^  iDogte  aud^  auf  ben  hangeln  ber  Ramp^  ^in  unb  l^er,  unb  au^  baö  3Sol!  ergriff  60 
lebl^aft  t^artei  für  „Stccibeng"  ober  „©ubftang".  Die  ®rafen  beiber  ^Parteien  ful^ren  mit 
ber  2lbfe^ung  Don  ^rebigern  fort,  bie  nid^t  gu  i^nen  l^ielten.  2)a  §anö  ®eorg  unb  ®e5 
noffen  bic  ^^5rebiger  in3Ranefelb  nic^t  abfegen  fonnten,  liefen  fie  fie  iüenigften^  burd^  bie 
©perrung  ber  ßinfünfte  au^  i^rem  ®ebiet  (JBeibeberbot)  i^ren  ^orn  füllen.  3"  ^^^^ 
Situation  fd^ritt  goad^im  ^Jriebrid^,  feit  1570  ©equefter  eine«;  2;eileiJ  ber  ®raffd^aft,  auf  66 
2lnfuc^en  ^an^  ®eorg^  mit  einem  ®eh)altftreic^  ein.  Slm  7.  ©ej)t.  1574  rüdfte  ein  iru))^ 
behjaffnctcr  Sürger  bon  §alle  nac^  5Wan^felb  unb  befe^te  in  ber  9?a(^t  ©tabt  unb  ©d^lofe. 
Bp.  h)urbe  t)on  i^nen  au^getoicfen.  311^  aber  jene  iüieber  abgogen,  lehrte  er  nac^)^3Kang- 
felb  gurüdE  (Sembe,  ?^ormularbüc^lein  ©.  VL).  2lber  m  JJeujai^r  1575  rüdften  abermafe 
Sanböfnec^te  Don  §aile  l^er  in  ©tabt  unb  ©c^lofe  5Wan^felb  ein.  ÜJlit  Ina))lper  9Jot  entflog  so 


570  6)iaitgeiibcrg,  3.  u.  6. 

€^.  ucdf  in  äJerllctbunß,  bod^  )t)urbc  feine  l^oc^f(^n)anoere  %xan  arc)  mi^^nbcd  unb 
toertboDe  3Jl(nniffcij|)le  i^m  fortgenommcn.  2)er  ?Hat  unb  gai^lreic^e  Sürgcr  iüurbcn  al^ 
(Sefangene  nac^  ©iebtti^cnfltiÄ  g^^^^^f  ^^(^  Slnl^änger  Sjp.^  unter  ben  Septem  Sanbcs 
beriüiefen  (bgl.  Sanften,  ©ef(^i^te  be«  boitfd^  Sollet  IV,  347 ff.;  ©."üMüaer  a.a,£.). 

5  ©0  l^atte  bie  Seigre  ber  ©egner  beö  ^laciuö  ben  Sieg  erfand  unb  bic  Sieger  Ratten 
noc^  bie  (Senugt^uung,  ®p.i  3Kutter,  bie  l^oc^betagt  ate  aaSittoc  in  einleben  I*tt,  bmtb 
JJertüeigerung  ber  Stbfolution  unb  be^  Slbcnbmol^I^  bor  il^rem  2:obe,  unb  bann  burt^ 
3?erfagung  ber  SSegräbnidceremonien  für  il^re^SoBne«  Scl^rtocife  bü^en  ju  laffen.  ^reili* 
h)ar  biefer  noä)  längere  3^it  mit  feinem  änl^ange  in  ber  ©raffc^aft  in  briefli^em  3?erfcbr 

10  geblieben  unb  ^atte  a\x6)  in  ber  ^eme  bie  SSerteibigung  feiner  Seigre  burc^  neue  Sd>riftcn 
taj>fer  unb  unermüblic^  fortgefe^t.  6rft  jel^n  ^a^re  f))äter  iüar  bie  gartet  ber  „Sub^ 
ftanjianer"  jiemlic^  berfc^iüunben  (bgl.  I)öIIinger  II,  285  ff.). 

©Ip.  iüar   inö  9lmt  ©angerl^aufen  geflüchtet,  iüo   er,  bon  ®raf  3SoIrab   mit  einem 
^a^re^gel^alte  bon  208  2:l^alem  untcrftü^t,  biö  1577  bertoeilte,  befd^äftigt  mit  I^iftorifcben 

15  arbeiten  unb  neuen  ©Triften  gum  ßrbfünbenftreit.  5Jaci^  feinet  ^reunbe^  g'^aciuö  iobc 
1575  iüibmete  er  beffen  SBittoe  eine  Umbic^tung  be«  88.  ^falm«.  9Kit  3afob  Slnbreä, 
ber  1577  auc^  nad^  ©angerj^aufen  lam,  ^ielt  er  auf  33eranlaffung  unb  in  ®egenn?art  be^ 
©rafen  3SoIrab  ein  ßolloauium,  ba^  aber  bei  ber  airt,  toie  Stnbreä  il^m  babei  eine  ruhige 
ßnttoirfelung   feiner  Slnfc^auungen  unmöglid?  machte,  nur  mit  lebhaftem  ^rotcft  ©p.ö 

20  fc^Iof;.  Site  er  bann  1578  feinen  SSerid^t  bom  ßolloquium  beröffentlid^te,  bertiicb  man 
i^n  tüie  feinen  Patron,  ben  ©rafen  25olrab,  au^  ©angerl^aufen.  3^^  9in9cn  betbc  nad} 
©trafeburg,  aber  am  30.  ©ejember  ftarb  fein  S3efc^ü^er,  bem  er  nod^  bie  Seic^enrcbc  galten 
fonnte.  Sergeblic^  (petitionierte  er  jefet  toieber^olt  um  bie  ©rlaubniö,  fw^  in  3:^üringen, 
etiüa  in  ©aalfelb,  ^ma  ober  ©anger^aufen  nieberlaffen  ju  bürfen,  um  bon  bort  au^  ben 

26  fo  nötigen  Stampf  gegen  bic  „fubtilen  ©aframentfc^tbärmer",  bie  (Ealbiniften  führen  i^u 
fönnen  (SSrieftoed^fel  ©.  117.  121  ff.);  aber  bic  §oft^eologen  iüiberrieten  bem  fiurfurftcn 
Sluguft  energif(^  bie  Slufnal^me  be^  ^annt^,  ber  ftd^  bon  feinen  „gottlofen  manicbäifdbcn 
Irrtümern"  no^nid^t  gereinigt  l^abe.  @rft  1581  bot  fic^  bem  Exul  Christi  burc^  ©intoirfung 
gtbcier  ©bcllcute  auf  ben  Sanbgrafen  SBJil^elm  bon  Reffen  bic  Ober})farre  gu  ©(^li|fec 

30  (©(^U^)  a.  b.  gulba  (in  Dberl^effcn),  h)o  er  bi^  1590  amtieren  fonnte.  Diefer  ruhigeren 
3eit  gel^i^rt  ber  2lbf(^lu6  feiner  großen  ©efd^ic^tötoerle  an  (f.  u.).  3lber  1591  finben  tpir 
il^n  iüieber  in  Exilio.  6r  tbar  in  ©d^li^fee  Slmt^  entfe^t,  aber  ba^  bamalö  befftfic 
SJad^a  a.  b.  fflerra  i^m  ate  SBoJ^nfi^  geftattet  toorben,  iüo  er  nun  „ol^ne  2)ienft",  bom 
3lbenbniaf)l   au^gefc^loffen   unb   noc^   baju   ate  ,,2öinlel)3rebigcr"   argtDö^nifc^   bon  ber 

35  calbinifd^  gefinnten  ©eiftlic^feit  beobachtet  (bgl.  Sriefibcd^fel  ©.  136  ff.),  ein  einfamcö  lieben 
füf^rte,  aber  ungebeugten  ©inneö  in  bem  getroften  ©lauben,  bafe  „©Ott  bic  ©einen  nicht 
berläjt,  bie  fteif  über  feiner  2Bal^r^>cit  galten",  ^ier  trat  er  ate  ein  felbftftänbig  ur= 
tcilcnber  Wann  in  feiner  ©c^rift  „i^om  neuen  comgierten  ßalenber"  1592  ber  gurcbt 
ber  ebangclifd^cn  ^rebiger  entgegen,   ate  tbcnn  man  burc^  Slnnal^mc  be^  grcgorianifcfcen 

40  Äalcnbcr^  ben  ©lauben  berleugnen  unb  fic^  tbieber  unter  bag  t)ä})ftlid^c  ^od}  begeben 
iüürbe.  ©raf  ^olrab^  9Jeffc,  ©raf  Grnft  bon  aJtanöfelb,  ber  gelehrte  Äanonifu«  üon 
Äi>ln  unb  Strasburg,  ermöglid^te  i^m  ca.  1595  bie  StüdEf e^r  nad^  ©trajsburg,  ibo  er  ben 
••fleft  feinet  gebend  frieblicf^  mit  feinen  geliebten  ^iftorifcben  ^orfd^ungcn  berbringen  fonnte. 
6ine  ^reffion  ber  ^ranffurter  ©eiftlid^cn   auf  bie  ©trafeburger,  i^m  baö  ipcimatrccbt  ju 

45  berfagen  unb  if^n  bom  Slbcnbma^l  au^jufd^liefeen,  tbie^  30^.  $a})t)u^  (25.  ÜKärj  1596) 
tüürbig  5urüdE.  ©0  fonnte  er  bort  bleiben,  bi^  er  am  10.  ^ebruar  1604  au^  bem  geben 
fd^icb.  2luc^  fein  ©ol>n  aSolfl^art,  in  Tübingen  1591  3)lagiftcr  getborben,  fanb  bort 
Bürgerrecht.  6r  ift  in  ber  2itteraturgefd^icf^tc  befannt  ate  Bearbeiter  gried^ifdier  2)ramen 
n  beutfd^er  ©Jjrad^c  (Sllcefti^  1604,  .^ccuba  1605,  aijar  1608,  f.  Sibl.  b.  ©tuttg.  litter. 

öoBerein^  83b  211  u.  212,  2;übingen  1896;  anbere«  in  6.  3)lartin,  ©Ifäfftfc^c  gittcratuP 
bcnfmälcr  IV,  ©traj^burg  1887;  bgl.  auc^  5«.  Deborn,  ©.  203 f.;  §.  ^olftein,  Sie  ^^ic- 
forniatiou  im  ©})icgclbilbe  ber  bramatifd;en  Sittcratur  1886,  ©.51  u.  ö. ;  Srieftü.  bce 
(St;riaf.©p.  ©.  1:59,  bor  allem  abcrß.Öoffcrt  in3lb33  35,  46ff.).  Über  feine  übrigen  fiinba, 
nocf>  fünf  ©ö^nc  unb  brei  2ödbter,  bgl.  33ricfioed;fel  ©.138  f. 

65  i)cr  ©d^riften  (5l;riat.  B\>M  ift  eine  faft  unüberfef^bare  güHe.  Sluc^  ba^  mit  grcfeer 
3)Jül)e  aufgcftcUtc  äscrjcid^ni^  bon  ^Tlcmbe  ift  noc^  nid^t  ganj  boDftänbig.  ©J).  ging  in 
biclcn  S3e;;ic(;ungon  gctrculid;  in  ben  Spuren  ber  fd^riftftcUerifc^en  il)ätigf eit  feinet  Spätere 
einiger.  ©0  bor  allem  in  3al)lrcid^en  prattifd()  erbaulichen  ©d^riften.  S)en  Seic^enprebigtcn 
feine«^  isatcr^  fd;licfecn  fic^  feine  eigenen  an  (oben  (©.  566,9);  e«J  folgt  aber  aud^  einegrofee 

60  Sammlung  bon  70  Brautprebigten  unter  bem  litel  „(S^efjjiegcl"  (1561  u.  ö.).    Qx  giebt 


@)iaiigciiberg,  3.  u.  ß.  571 

})rafttfd)c  aiu^legungen  bcr  iJ^cffalomd^crbricfc  (1557),  bcr  ^aftordbricfc  (1550ff.),  ber 
Äorint^erbricfc  (1551)ff.)  I^craud.  6r  bearbeitet  in  tabulae  nac^  bäterlid^em  SSorbilbc 
.  ben  ^entatcud^  (156:j)  unb  anbere  altteftamentlic^e  ^iftorif(^e  Sudler  (1567).  6r  bearbeitet 
benÄated?igmuöin^rebi0ten(1564  U.Ö.).  6r  fe^t  beö  35aterg  l^t^mnologijc^e arbeiten  fort: 
„G^riftlic^^  ©efangbüd^Iein,  Son  ben  fürnembften geften"(137  Sieber,  barnnter  etliche  eigene,  b 
15(58,  t)al.  fflacfernagel,  Sibliogr.  9?r.  DCCCXCVI),  Cithara  Lutheri  (^rebigten  über 
Sutf^erg  Sieber)  1569  u.  70  (9Jeubrucf  bon  SB.  S^ilo,  »erlin  1855);  Über  „gr^alt  un§  §err 
bei  beinern  2öort"(1574);  „Der  ganje^falter  . . .  gefang^iüeife  unb  114  fc^öne  geiftreid^c 
Sieber  ...  ber  lieben  ^atriar^en"  (1582,  gumeift  eigene  Umbi(^tungen,  t)gl.  SBJacfernagel 
9Jr.  CMLXXII).  Sefonbere  §erbor|ebung  unter  feinen  ^Srebigtcn  berbient  fein  3^^"^  bon  10 
21 'ißrebigten  über  W.Sut^er,  bie  er  am  11.9?ot)ember  1562  in  $KangfeIb  begann  unb  1574 
becnbete ;  eine  22.  ging  bei  feiner  gluckt  bon  5)tan^felb  berloren.  Stuf  bie  Veröffentlichung  in 
(Sinjelbrucfen  folgte  1589  eine  ©ammelauögabe  unter  bem  2^itel  Theander  Lutherus. 
6ie  l^aben  bei  iüeitem  nid^t  bie  Verbreitung  gcfunben  h)ie  bie  gleid^fatt^  1562  begonnenen 
berühmten,  glei(^fattg  uor  Sergleuten  gehaltenen  be^  S^^^-^^^W"^;  fie  be^anbem  freiließ  15 
auc^  nx6)t  gleich  biefen  ba^  Seben  Sut^er^  in  fortlaufenber  ©r^ä^lung,  fonbern  l^anbeln 
uon  feiner  2lrt  unb  Sebeutung,  feinen  (Saben  unb  feiner  göttlichen  ?Dtiffion  unter  ber^ 
fc^iebenen  ©efid^tgipunlten  unb  SSergleic^ungen  (^ro^l^et,  aj)oftel,  Se^rer,  5ßriefter;  ate 
2:recfeiunge,  $äuer  unb  ©teiger  in  (Sottet  Sergtoerl  u.  bgl.).  3luf;er  bem,  baf;  fie  einzelne 
lüertuoDe  9ia^rid&ten  bringen,  finb  fie  au^egeicbnet  burc^  bolfötümlid^e  JJrifc^e  unb  Ur*  20 
iüüd^figfeit  unb  berbienen  bie  SSergeffenl^eit  nid^t,  ber  fie  berfallen  ftnb  (Sieubrudf  bcr 
15.  ^rebigt  burd^  §.  9tembe,  einleben  1887;  barin  ©.  I— XXIII  Überblidf  über  fämt^ 
l\d)Q  21  $rebigten;  bgl.  auc^  Söfcbe,  3- ^RatJ^efiu^  I,  548).  —  @inen  befonberen  änteil 
^at  Bp.  an  ber  bolfetümlid&en  3:eufetelitteratur,  bie  in  ber  giüeiten  §älfte  be^  16. 3^^^^^= 
l()unbert^  erfc^ienen  ift.  6r  läfet  1560  ben  „Sagteufel"  au^gel^en  unb  liefert  ju  3«>ö^i"^  25 
9ücft^^ate  „^offa^rtgteufel"  bie  auöfü^rlic^e  abpanblung  „Von  %iau  §offal^rt  unb  il^ren 
iöd^tern";  !flembe  berjeic^net  aud&  jum  S^l^re  1561  eine  ©d^rift  „Vom  ©auf^,  gluc^^ 
BpkU  unb  lan^teufel".  3luf  ©ip.ö  Anregung  h)irb  ^  aber  auc^  jjurüdtgufül^ren  fein, 
bafe  toir  aud^  nod;  anberen  5Wan^f eiber  (Seiftlid^en  in  biefer  Sitteraturgattung  begegnen: 
Äonrab  $orta  mit  einem  „Sügem  unb  Säfterteufel"  1581,  2lnbreaö  §o}))penrobt  mit  einem  ao 
„^urentcufel"  1558,  ^u  bem©}).  baö  Vortoort  fd^rieb,  Slnbr.  ^abriciuö  mit  feinem  „^ei^ 
ligen,  fingen  unb  geleierten  3:eufel"  1567,  ben  glcic^faH^  Bp.  einleitete  (Siäl^ere^  barüber 
in  C^bom^  ©c^rift).  SBaren  e^  bocf?  bor  allem  bie  ©nefiolut^eraner,  bie  biefen  3^^fl 
ber  Volf^litteratur  anbauten,  ber  ^rcbigt  unb  Slnelbote,  SDJarnung  unb  Unterhaltung 
lüirfungebolt  ^u  mifd^en  berftanb.  —  ©)p.ö  Vegabung  für  bolfötümli^e  Wal^nrebe  ertoeift  35 
ftd;  glänjienb  in  feinem  lulturgefd^id^tlic^  toertboDen  „^ormularbüd^lein  ber  alten  SlbamiSs 
fpracle"  1562  u.  ö.,  bon  bem  Slembe  1887  einen  Sieubrudt  beforgte.  @^  geiüä^rt  leJ^r^ 
reid^en  SinblidE  in  getüiffe  toeltlic^  gefmnte  Äreife  ber  ©emeinbe  unb  gei^t  i^ren  SReben 
unb  Slu^flüc^ten  energifd[)  ^u  Seibe. 

Von  feinen  ©treitfc^riften   ift  au^er  ben  gal^lreic&en  ©d^riften  im  ßrbfünbenftreit,  40 
einer  ©c^rift  im  f^nergiftifÄen  ©treit,  mel^reren  ©c^rif ten   gu  (Sunften   ber  lutl^erifc^en 
2lbenbmal|l^le^re  unb  in  einer  Äontroberfe,   ob  bie  Selber  berftorbener  G^riften  beilig  j|u 
nennen  feien  (1583),  befonber^  feine  toud^tige  ©^rift  „SQäiber  bie  böfe  ©ieben  in  leufetö 
Äarnöffelf))ier'  1562  f^erborgu^eben,  in  ber  er  „in  iüilbem  3orn  unb  mit  einer  Äraft  ber 
©prac^e,   bie  Sutl^er^  ©c^üler  alle  Qf)xt  mad^t,"  ^ap\t  ?Piug  IV.,   ben  Olmü^cr  ^^Blbnd)  4ö 
Sim^jriciu^,  bie  ßonbertiten  ^riebric^  ©ta^jl^^lu^  unb  Bt^f)an  2lgricola,  (Sontarini,  3^^^^ 
bon  &cnmp  unb  ©tani^^lau^  §oftu^  h)egen  toerfc^iebencr  bamate  aftuetter  5ßublifationen 
fritificrt  unb  abfertigt  (t)gl.  Ceborn  ©.  131  ff.).  —  gu  ®unften  be^  ßbangelium^  in  Volumen 
Deröffcntlid^te  er  1565  eine  Steige  Uon  3:roftbriefen  Verfd^iebener  an  einen  in  $rag  ing 
©efängni^  gelegten  ebangelifc^en  ^rebiger,   unb  toibmete  biefe  Epistolae  aliquot  con-  öo 
solatoriae  fü^nlic^  Äaifer  3Jlajimilian  II. 

^n  ber  bcutfd()en  Sitteratur  \^at  er  einen  ^lafe  auc^  al^  2)ic^ter  geiftlic^er  Äomöbien, 
bie  ber  ^cii  feinet  ^farramte^  in  ©d^li^fec  angehören:  auf  bie  Sbangelien  bon  Remi- 
niscei'e,  Oculi,  Laetare  unb  Judica  (1589  u.  1590,  bgl.  §olftein  a.  a.  D.  ©.  133). 
—  ©eine  ©c^rift  „Von  ber  3J?ufica  unb  ben  SReifterfängem"  tourbe  au^  ber  ©trajs-  56 
burger  §anbfdE)rift  1861  Don  äbalbert  b.  Heller  al^  Vb  62  ber  Vibliot^  beö  litter. 
Vereint  i;um  erften  5)kle  boBftänbig  herausgegeben.  ~  Unt)ergeffen  bleiben  feine  Verbienfte  auf 
bem  (Gebiete  ber  ©efd^id^te.  2Bie  6^r.  ©}).  felbft  in  ber  Vorrebe  ju  feinem  ,,2lbelS  ©^jiegel" 
erjä^lt,  l?attc  fein  Vater  einft  ^u  9lorbl|aufen  für  eine  gro^e  SBJeltc^ronil  ju  fammcln 
begonnen  unb  jc^on  1543  ben©o^n  angehalten,  täglic^i  etlid^e  ©tunben  in  alten  ^iftorien  eo 


572  ®)iaitgeitbfrg,  ^,  u.  6.  6)iaiil^ettit 

jiu  lefcn  unb  GECcrj)te  ju  mad^en.  3)a^  ^attc  biefcr  lonfcquent  fortgcfe^t,  bann  auc^  mit 
Vorliebe  im  9Jlan«fcIbtf(^en  unb  Umgcgenb  nai)  Urfunbcn  unb  Antiquitäten  geforfc^t  unb 
ärd^ibc  burc^fti^bert  unb  fo  aDmöl^Uc^  reic^l^altigc  Sammlungen  gewonnen.  ?IKit  einer 
2)arfteHung   ber  ©c^Iac^t  am  SBelfe^^oIj  1115   begann  er  1556  bic  Seröffentlid^ungen 

6  aug  biefen  ©tubien.  ß^  folgte  ein  „9Serjeic^ni^,  h)ie  oft,  toann  unb  toarum  ^Rom  toon 
ben  2)eutf(^en  gewonnen"  1558.  ©einer  3(uölegung  ber  Äorintl^erbriefe  fügte  er  ein 
Chronicon  Corinthiacum  bei,  1562.  Xann  gab  er  1572  feine  „9Ran^feIbifc^e  ßbronica" 
in  2)rucf.  2)er  ©rbfünbenftreit  beranlafete  ü}n  gu  einer  Historia  Manicheorum  1578. 
3n  ©c^Ii^fee  erweiterte  er  bie  „"Kangfelbifd^e"  gur  „©äd^fifd^en  Cl^ronica"  1585,  gab  bic 

to  „Duerfurtifc^e  ßl^ronica"  1590  l^erauö,  auc^  eine  ©efd^ic^te  be^  ©efc^Iec^tö  bcrer  t>on 
9Koteborf,  bieSBetter  genannt,  1590;  in3?a(^a  beröffentlid^te  er  bie  jtoei  fjolianten  feinet 
„aibetö  ©J)iegelg"  1591  unb  94.  3n©traj5burg  ebierte  er  bann  nod^  bie  „Jpennebcrgifcbc 
e^ronica"  1599,  feinen  „35onifaciu«  ober  beutfd^e  Äird^en-§iftorie  bon  714—755",  1603. 
9lad^  feinem  3:obe   erf(^ien  noc^  bie  „ß^ronica  ber  ©rafen  gu  §oIftein"    1614,   fotoie 

15  lOO^a^re  fj)äter  (ca.  1720)  bie  „ßj^ronica  aüer  »ifc^öfe  gu  Serben".  2lnbere^  blieb  um 
gebrudft.    SBa^  für   ein  Calendarium  historicum   für  jeben  2:ag  be«  S^^^c^   ^  fi<^ 

Sufammengetragen,    jeigen  biele    feiner  33riefe,    in  benen    er   jum   Datum   eine  %n\k 
liftorifd^er  Stemini^cengen  auömfc^ütten   liebt.    „SQäenn  feine  ^iftorifd^en  ©d^riften   auö^ 
über  bie  ältere  ©eft^id^te  nac$  bamaliger  ©itte  biel  gabel^afte^  entl^alten,   fo  liefern  fic 
20  bo(^,   h)0  ber  9Serf.   fidlere  unb  altenmäfeige  DueDen  benu^en  tonnte,   manche   fd^ä^barc 
SRa^ric^ten"  (SBagenmann). 

G^r.  Bp.  ift  einer  ber  d^aralterbollften  5Känner  ber  gn)eiten  ©eneration  ber  Slefor- 
mationggeit ;  eifemer  glei^  be^  ©elel^rten  berbinbet  fw^  mit  ))raftifd^  erbaulicher  öegabung, 
eine  ftarre  unb  burc^  feine  9?ot  gu  beugenbc  geftigfeit  im  Sel^rbelenntnig  mit  unerft^ütter- 
25  liebem,  finblic^em  ©ottbertrauen,  berle^enbe  ©d^roff^eit  unb  Derbheit  ber  ^olemif  mit 
^i  Sut^erfd^er  l^umorgetüürgter  33oIfötümIic^!eit  ber  Siebe :  ein  glacianer  in  feiner  Sc- 
fenntniöfc^ärfe  unb  feiner  ausgebreiteten  ©ele^rfamfeit,  aber  gugleid^  ein  ec^t  beutft^cr 
3Kann  mit  einem  reichen  2;eil  Sut^erfc^en  6rbeS.  „6in  bemütiger  ©c^üler  Sutl^erS  ju 
bleiben"  h)ar  feinet  SebenS  Sofung  getoefen  (bgl.  SSorrebe  gu  feinem  „flate^iSmuS"). 
*>  @.  Sitottveratt. 

6)ian^etm,  ^riebric^  (ber  ältere),  geb.  1600,  geft.  1649.  —  Abr.  Heidani,  Oratio 

funebris  in  obitum  .  .  .  Frider.  Spanhemii  .  .  .  Lugd.  Bat.  MDCXLIX;    P.  Bayle,  Dic- 

tionaire  historiquc  et  critique,  f).  6d.  9lmft.sfiei)be  1740;    Bulletin  du  Protestanlisme  Fram;. 

tom.  XII,  p.  96 sq.   lieber  Spanl^eimö  ^Beteiligung  om  aml)ralbi)tijd)en  Streit  f.  ^Ue^,  Sc^weiser. 

36  2)ic  proteftantifdieu  (Sentralbogmen,  2.  Sanb,  dixxi&i  1856. 

griebrid^  S^an^eim  tourbe  geboren  gu  Stmberg  in  ber  Dbcr^jfalg  am  1.  30""^^ 
1600  ate  ©o^n  beS  frommen  unb  geleierten  SBiganb  ©^janf^cim,  Dr.  theo!,  unb  5Hit= 
glieb  beö  fut^fäli^ifd^en  Äird^enratS  unter  griebrid^  IV.  unb  V.  ©eine  3Kutter  SRen^e 
2:offan  ober  louffaint  tvax  eine  ^^od^ter  beS  bclannten  ipeibelberger  5ßrofeff orS  ber  3:^cc- 

40  logie  Daniel  loffanuS.  Unter  ber  forgfältigen  Grgie^ung  beS  SaterS  enttoidtelten  ficfc 
frü^  feine  bebeutenben  Slnlagen,  unb  nacbbem  er  baS  ©^mnafium  feiner  Saterftabt  bc= 
fud;t  ^atte,  begog  er  1614  bie  Uniberfität  §eibelberg,  h)0  er  guerft  5ßl^iIoIogie  unb^^l^ilo: 
\o)i>i)k  ftubierte  unb  folc^e  ^ortfcbritte  mad^te,  bafe  man  balb  gro^e  @rh)artungen  bon  ibm 
^egte.    '^aä)  einem  lurgen  2lufent^alt  im  elterli^en  §aufc  ging  er  1619  nad^Senf,  um 

46  Ideologie  gu  ftubicrcn.  2)aS  UnglüdE,  n)eldeetg  mit  bem  Seginn  beig  SOjäbrigen  Äriegc^ 
über  bie  ^falg  ^ereinbrad^,  machte  eS  bem  9?ater  fd^toer,  ben  ©ol^n  auf  ber  Uniberfuät 
ui  unterl^alten ;  aber  auS  ber  Äonefjjonbeng  mit  bem  trefflid^cn  ©o^n  ertoud^S  i^m  manche 
^reube,  rt)clcf;c  il^n  aurf^  in  feiner  ©terbeftunbe  erquidfte;  er  berfc^ieb  (1620),  toä^rcnb 
er  einen  93rief  feines  ©offnes  la^,  ber  i^n  gu  l:ieränen  beioegte.  2)a  ©J)anl|eim  nac^  bem 

60  2übe  feines  ikterS  bie  ©elbmittcl  gur  ^^ortfefeung  feiner  ©tubien  fet^Iten,  na^m  er  1621 
bei  bem  ©ouDerncur  bon  ömbrun  im  ^aupi}xn6,  '^tan  be  93onne,  33aron  be  3SritoIIc, 
eine  §auSlebrerftcIIc  an.  ipicr  blieb  er  brei  ^a\)x^  unb  ^atte  er  gtoeimal  ©clegen^eit, 
einmal  mit  einem  !3«f"^^<^»  w"^  ^i"  anbereSmal  mit  einem  grangiStaner,  3)iSputationcn 
gu  galten,  in  n?eld;cn  er  fic^  feinen  ©egncrn  gcioac^fcn  geigte.  6r  feierte  l^ierauf  nad^  ©cnf 

56  gurüdE  unb  ging  bon  ba  nac^  ^^ariS,  Wo  er  Sefanntfqaft  ma(i)tt  mit  feinem  93lutS= 
berioanbten  ©amuel  Durant,  bem  ^^farrer  ber  reformierten  ©emcinbe  in  ß^arenton,  ber 
if)m  ben  ?fiai  gab,  eine  ü}m  angebotene  ^rofefjur  ber  ^^ilf)ilofobl^ie  in  Saufanne  abgutoeifcn, 
unb  iljm  fjjäter  feine  gange  Süc^crei  Uermad^tc.  5Jac^  einer  Sleife  Don  bier  3Ronaten 
nac^  (gnglanb  feierte   er  über  '^ari^  lüieber  naö)  ©enf  gurüdE,   Wo   er  1626  anlam,  ntiS} 


@)iatil^ritit  573 

in  bcmfelben  ^af^x^  rine  5ßrofcffur  ber  5ß^Uofoj)l^ie  erhielt.  1627  heiratete  er  Gl^ariolte 
bu  5ßort,  gebürtig  aug  5ßoitou.  '^m  ga^re  1631  ging  er  gur  t^cologifc^cn  galultät  über 
unb  iüurbe  ber  9Ja(^foIger  be«  berftorbenen  3:unetini.  ßr  toax  fd^on  ß^renbürger  ber 
Stabt  ®enf  unb  befleibete  1633—37  ba«  SReftorat  ber  3llabemie,  in  hjelc^c  geit  (1635) 
bie  erfte  Jubelfeier  ber  ©enfer  SHcformalion  fiel,  bie  er  bur(^  eine  glänjenbe  Siebe  („Ge-  6 
neva  restituta")  ber^errlic^te,  äJerfc^iebene  Uniberfitäten  fachten  ©Ipanl^eim,  beffen  ge^ 
lel^rterSRuf  bamafö  fc^on  allgemein  toar,  für  fic^  ju  geiüinnen.  ßnblid^  liefe  er  fic^  1641 
belegen,  unter  fe^r  ehrenvollen  Sebingungen  eine  Berufung  nai)  Seiben  ate  5Rad^folger 
be^  fd^on  im  Ja^re  1639  berftorbenen  3lnt.  SBalaei  anjune^men.  9Jlit  bieler  3Jlül^e 
tüurbe  eö  ba^in  gebracht,  bafe  ber  SRat  bon  (Senf,  ber  i^^n  gern  bel^alten  toottte,  i^m  bie  lo 
geforberte  ©ntlaffung  getoäl^rte.  I)a  e^  in  ^oHanb  ©itte  \t>ax  (auf  ben  reformierten 
2l!abemien  in  granfrei^  unb  (Senf  toar  e^  nid^t  ber  %aü),  bafe  ein  t^eologif(^er  5ßro= 
feffor  auc^  ben  t^eologifd&en  2)oItorgrab  befifeen  mufete,  fo  ipromobierte  er  noc^  in  S3afel 
bor  ben  Stntritt  feiner  neuen  ©teile.  6r  fam  nac^  Seiben  am  3.  Dftober  1642  unb 
l^ielt  balb  barauf  feine  Slntrittörebe  „de  officio  theologi".  3"  §oDanb  ioar  ©Ipanl^eim  i6 
einer  ber  entfrf^iebenften  SBerteibiger  ber  calbinifc^en  ?Präbeftination^lel^re  gegen  äim^raut 
(f.  b.  %  93b  1, 477).  ©eine  ^eunbfd^aft  mit  SRibet  (f.  b.  31.)  f^at  bieDeic^t  baju  ni^t  toenig 
beigetragen.  3lufeerbem  fanb  alle«,  toa«  le^erifc^  toar  ober  e«  ju  toerben  bro^te,  in  Bpan^ 
l^eim  einen  entf^iebenen  ©egner.  ©ipan^eim  ioar  unermübli^  in  ber  2lrbett  unb  ein 
geraber  G^aralter,  gegen  greunb  unb  %Är(t>  gleich  e^rlic^,  unb  bon  beiben  geachtet.  3lad)  20 
feinem  3:obe  fagteßmfiu«:  „Majorem  certe  orbitatem  pati  non  potuit  aeademia''; 
unb  ©orbiöre:  „qu'il  avoit  la  teste  forte  et  bien  remplie  d'örudition,  qu'il  estoit 
propre  aux  affaires,  ferme  et  adroit,  ardent  et  laborieux"  (Bayle  IV,  249).  6r 
ftanb  im  SSerle^r  mit  bem  ^^ringen  bon  Dranien,  nai}  beffen  3:obe  er  eine  2;rauer})rebigt 
(Laudationem  funebrem  Frid.  Henr.  Arausionum  Prineipis.  1647)  ^ielt,  ioofür  er  26 
500  2)ulaten  gef(^enlt  belam,  unb  mit  ben  Äöniginnen  ©lifabetl^  bon  33ö^men  unb  6^riftine 
bon  ©d^ioeben.  I)ie  Kuratoren  ber  Uniberfität  in  Seiben  liegten  grofee  äd^tung  bor  @pan^ 
f)m\  unb  gebrauchten  i^n  mel^rmal«,  um  ©treitigfeiten  gtoifc^en  $rofefforen  ober  ©tubenten 
ju  bef eiligen,  ©^jan^eim  ftarb  am  14.  5Kai  (nic^t  am  30.  Sllpril,  toie  ^öä)^,  SlDg. 
©ele^rtensScjifon  in  voce  fagt)  1649,  überarbeitet  unb  gebrüdft  bon  ^äu^Ii^en  Sorgen.  30 
(Sr  ^interliefe  eine  ffiitioe  mit  7  Äinbern.  3)er  belannte  ^olf,  ßocceju«  (f.  b.  St.  Sb  IV 
©.  186)  ioar  fein  3Jad^f olger. 

©^an^eim  ^at  einige  9Berfe  anont^m  unb  anbere  unter  feinem  9?amen  l^erau^egeben. 
3lnont^m  fmb  1.  Le  Soldat  Suedois  (1633),  eine  ®efc^i(^te  be«  30iä^rigen  Äriege«  bi« 
1631,  gefc^rieben  auf  SBlnfuc^en  be«  fc^toebift^en  Äönig«  ((Suftab  II.  Slbolf);  2.  Le  Mer-  36 
eure  Suisse  (1634);  3.  (IJommentaire  historique  de  la  vie  et  de  la  mort  de 
Messire  Christofle  Vicomte  de  Dohna,  gefc^rieben  auf  Slnfuc^en  ber  SBitioe  (1639). 
3m  3^^^^  1645  ^)ubli3ierte  er,  aud^  ol^ne  9Jamen,  aufänfuc^en  berÄönigin  bon  Söl^men 
bie  Oebenffd^riften  i^rer  ©c^loiegermutter  Suife  SuH^na,  einer  3:od^ter  SBill^elmd  bon  Ora^ 
nien.—  ©eine  t^eologifc^en ©d^riften  fmb:  1.  Dubia  evangelica  (3  tom.  in  4".  Genev.  40 
1631—39),  tüoburd^  feine  Drt^obojie,  feine  grofee  S3elefen^eit  unb  feine  lpolemif(^e  (Se* 
toanbt^eit  über  äße  3*^€if^I  erhoben  iourben;  2.  Ghamierus  contractus,  gefc^^rieben  in 
®enf,  mir  aber  nic^t  befannt,  toobon  93a^Ie  (1.  e.)  fagt,  bajs  er  „fut  entrepris  en  fa- 
veur  du  Proposans,  qui  ne  pouvoient  par  se  servir  commod^ment  de  la  vaste 
Panstratie  de  Chamier";  3.  Exereitationes  de  gratia  universali  (3  vol.  in  8*),  gegen  46 
aimt^raut  unb  für  Beurteilung  be«  Sel^r^ertoürfniffe«  fel^r  h)i(^tig ;  4.  Epistola  ad  (3ottie- 
rium  de  conciliatione  gratiae  universalis ;  5.  Epistola  ad  Buchananum  de  eon- 
troversiis  Anglicanis  et  vindiciae  de  gratia  universali,  über  ioelc^em  SBerle  ber 
Xo't)  ü)n  befiel.  (Segen  bie  laufgefinnten  fmb  gerichtet  Variae  disputationes  anti- 
Anabaptisticae  (Lugd.  Bat.  1643)  unb  Diatribe  historica  de  origine,  progressu,  60 
sectis  et  nominibus  anabaptistarum  (bei  Gloppenbureh,  Gangraena  Theologiae 
anabaptisticae,  Fran.  1645,  p.  386  sq.).  Seibe  ©c^riften  ftnb  aber  fel^r  einfeitig  unb 
geben  Setoeife  feiner  unboUftänbigen  itenntni«  ber  ^ufgefmnten. 

(0.  2:4elemanit  t)  ®*  ^*  ^an  S^een. 

^pan^tim,  ß^ec^iel,  greil^err  bon,  geb.  1629,  geft.  1710.—  eine  ficben3befd)rei=  56 
bung  burd)  Sfaac  Verbürg  00 v  ber  ^mfterbonier  ^luäaabc  üon  SpanöcimS  Dissertationes  de 
neu  et  pracstantia  numismatum  antiquorum  (1717);  9[öcfter,  9lflg.  ®cle^rtcn=fiej!fon,  in  voce; 
CSt)auffepi^,  Nouveau  dictionaire  historique  et  critique,  ^Imftcrbam  1750 — 1756. 

e^ec^icl  ©t)ant?eim,  ber  ältefte  ©o^n  be«  borigen,  ift  geboren  in  (Senf  7.  2)ejember 
1629  unb  tourbe  bereite  aU  13iä^iger  Anabe  bei  ber  Überfiebelung  feinet  3Sater^  nad^  oa 


574  ®)iait^ettit 

Seiben  bon  ben  bortigen  ^rofefforen  hjegen  feiner  Äenntniffe  mit  äd^tung  be^anbelt.  Gr 
ftubierte  ^P^ilologie  unb  ibeologic  unb  bcrteibigtc  in  feinem  la.  gebenöja^re  (1645) 
Il^efen  über  baö  älter  ber  ^ebräifc^en  33u(^ftaben,  toorin  er  für  SSujIorf  gegen  Qap^ü 
eintrat.    1649  gab  er  be^  SSater«  unboKenbete«  2Berf  „Vindiciae"  mit  em«m  bon  ibm 

6  berfafeten  Stnl^ang  ^eraug.  3m  ^af)x^  barauf  lehrte  er  nad^  ®enf  jurücf,  h>o  i^m  ber 
3^itel  eine^  ^rofejjor«  ber  ßloquenj  berlie^en  hjurbe,  obgleid^  biefe  ©teile  nic^t  erkbigt 
h)ar,  bal^er  er  auc^  feine  SSorlefungen  an  ber  Slfabemie  ^ielt.  Salb  trat  baö  t|eoIogif(^ 
Sntereffe  bei  i^m  ganj  gurüc!  unb  feine  ©teHung  afö  (Srjic^er  be^  t)fälgifcl^en  Äur^jrin^en 
unb  nachmaligen  Äurfürften  Äarl  (feit  1656),  toobei  er  fid^  ftaat^if]enf^a^lic^en  ©tubicn 

10  l^ingab,  leitete  il^n  in  bie  bi^)Iomatifc^|e  Äarriere  über,  für  n)eld^e  er,  h)ie  bie  golge  geigte, 
eine  grofee  Segabung  l^atte.  ^m  auftrage  be«  Äurfürften  Äarl  Subtoig  reifte  er  1661 
nac^  9lom,  um  bie  gegen  benfelben  angeft)onnenen  ^"triguen  ber  fat^olifc^en  fturfürften 
ju  erforfd^en.  6r  benu^te  bie  ©elegen^eit,  um  gto^i^n  lennen  gu  lernen  unb  römift^e 
3lntiquitäten,  befonber^  Slumigmatif,  ju  ftubieren.    SDort  trat  er  auc^  mit  ber  ©jfonigin 

16  ß^riftinc  bon  ©c^iüeben,  bei  ber  er  tn  befonbere  ®nabe  fam,  unb  mit  ber  ^rinjeffin 
©olpbie,  ber  3Kutter  be^  flpätcren  Äönig^Oeorg  bon  (Snglanb,  in  Segiei^ung.  ^ad^  feiner 
SRürffel^r  1665  gebraud^te  il^n  ber  Äurfürft  ate  Oefanbten  an  berfd^iebenen  §öfen,  gulc^t 
in  ßnglanb,  h)0  i^m  1679  ber  Äurfürft  \)on  33ranbenburg  gugleid^  bie  S3ef orgung  feiner 
äffairen  auftrug.    9Jlit  SetoiHigung  be^  Äurfürften  bon  ber^falg  trat  er  im  ^a^te  1680 

20  mit  bem  Slang  eine^  Staatgminifter^  in  lurbranbenburgifc^e  9)ienfte  über.  311^  (Sefanbtcr 
be«  großen  Äurfürften  am  ipofe  in  5ßari«,  iüo  er  fic^  neun  Sahire  aufgellten,  nal^m  er 
fid^  nad)  ber  Slufl^ebung  be^  ßbift^  bon  SJante«  bieler  ^Reformierten  an,  benen  er  in 
feiner  SBJo^nung  ^wP"^*  getoä^rte  unb  gur  Sluötoanberung  ber^alf.  2)arauf  brachte  er 
einige  ^a\)x^  in  S3erlin  mitStubieren  gu,  ging  aber  nad)  bem  rV^n)^Ifc^en  gricben  1697 

26  toieber  aU  Slmbaffabeur  nac^  granlreic^,  h)o  er  bi^  1702  berblieb.  ^n  biefer  ^t\t  tourbc 
©Ipan^eim  bei  ber  Ärönung  beg  Äönigg  griebric^  I.  (1701)  in  Stnerlennung  feiner  SSers 
bienfte  in  ben  ^ei^errnftanb  erhoben  unb  gum  ©taat^minifter  ernannt,  ^m  ÖJa^r  17<>2 
ging  er  ate  erfter  ))reu^if(^er  (Sefanbter  nac^  ©nglanb,  h)0  er  am  7.  Slobember  1710  in 
Sonbon  ftarb. 

30  3ur  Sc^riftfteHerei  fehlte  if)m  bei  feinen  häufigen  Steifen  al^  (Sefanbter  bie  SRufec. 
Sieben  einigen  ^^ilologif^en  ©c^riften  fd^rieb  er  in  feiner  3iugenb  bie  fd^on  oben  genannten 
Theses  contra  Ludovicum  Capellum  pro  antiquitate  literarum  hebraicarum, 
eine  Disquisitio  critica  contra  Amyraldum,  barin  er  feinen  SSater  tüegen  ber  all; 
gemeinen  ®nabc  bcrteibigte,  unb  Discours  sur  la  Cr^che  et  sur  la  Croix  de  notre 

36  Seigneur  Jesus-Christ,  n)eld&e^  gn)ei  Sieben  fmb,  bie  er  a(^  ^rofeffor  ber  ©loquenj 
lateinifd^  gu  ®cnf  gel^alten.  ^n  feinem  Sllter  gab  er  ^erauiS  Cyrilli  Alexandrini  et 
Juliani  Opera  omnia,  gr.  et  lat.  cum  notis  D..  Petavii  et  E.  Spanhemii,  Lips. 
1696.  ©eine  §au)3tn)erfe  finb:  Disputationes  de  usu  et  praestantia  numismatum 
antiquorum  (Rom.  1664;    beftc  3tu^g.,  2  33be,  Sonb.  unb  2lmfterbam  1706— 17)  unb 

4oOrbis  Romanus  (Sonb.  1704;  §alle  1728).  ^n  feinem  Slat^laffe  fanb  man  „6brift= 
lid^e  Setrad^tungen"  unb  ®^bttz,  loelc^e  er  bei  ben  toic^tigften  ©reigniffen  feinet  gebcn^ 
nicbergefd^rieben  ^alte,  ein  3^^^^^"/  ^<^6  ^^/  *^c""  ^^4  "^^^  ^^^^  3^^eologc,  bod^  ein 
frommer  3)iJ)(omat  toar.  —  ©Jjan^eim  befap  eine  bortrefflid^e  93ibliotbef,  toeld^e  ber  fiöniij 
bon  ^reuftcn  no(^  bei  beffen  Seben  erhjarb.  ( O.  X^clemotin  f)  ®.  2).  »on  »ccn. 

46  @<ian^etm,  griebri^  (ber  jüngere),  geb.  1632,  geft.  1701.  —  J.  Triglandü  lau- 
datio  funebris  F.  Spanhemii  filii,  Lugd.  Bat.  1701  (oud)  abc^ebrurft  im  2.  53anb  uou  5pan- 
^eim^  Opera);  ^^^iceroii,  Memoircs  pour  servir  j\  l'histoire  des  hommes  illustres,  'J5avi<j  1734; 
®()auffepiö,  Nouveau  dictionaire  historique  et  critique,  'illmiterbani  1750—56;  Qödjer,  ^IQi]. 
ÖJeIet)rten=i^eiifün,   in    voce;    Godgeleerde  ßijdragen,    1802  blz.  289  vv.    (loo  ba^    ooUitÜm 

60  bit^fte  Sßerjeictjni^^  feiner  Sct)rifteu  311  finben  ifO- 

griebrid^  ©^^an^eim  ber  jüngere  ift  geboren  am  1.  5Jlai  1632  in  ®enf,  n)o  fein 
3Sater,  gviebridE)  ©panf^eim  ber  ältere,  bamal^  ^rofeffor  ber  Ideologie  toar.  6r  bcrlebtc 
ba  feine  erfte  3^9^"^/  ^i^  f^^"  2?ater  1642  nad^  Reiben  berufen  tourbe.  ^ort  ftubierte 
er  crft  ^^hilofojjbie  unb  ertoarb  fic^  am  17.  Dftober  1648  ben  9Jlagiftergrab  unter  Isorft^ 
66  be^  9lbr.  .{^eibani  (f.  3-  21.  Gramer,  Abr.  Heidanus  en  zijn  Cartesianisme,  Utr. 
1889,  blz.  42).  311^  feine  93hitter  nad)  bem  Sobc  be^  Ikter^  (geft.  1649)  nac^  ®enf 
5urüdEtel;rte,  blieb  Spanl?cim  in  i^eibcn,  loo  er  nad)  bem  SBunfc^,  ben  ber  33ater  auf  bem 
©tcrbebcttc  geäußert,  unb  nad)  eigener  -Jleigung,  X^eologie  ftubierte.  ©eine  Se^rer  toarcn 
:3ac.  Iriglanb  sen.,  glaub,  ©almafiu^,  2lbr.  ^eibanu^  unb  3o^- ßoccejud.  Slac^  rü^mlic^ 


@)iatil^etin  575 

beftanbencm  ti^eologifc^cn  ßjamen  fungierte  er  ate  ^^ro^onent  an  bcrfrf^iebenen  Orten  3^^* 
lanb«  unb  ein  ^a'^x  lang  in  Utred^t,  bi«  er  1655,  nad^bem  er  eine  Serufung  atö  ^ro* 
feffor  ber  Il^eologie  an  ber  §oc^fd^uIe  ju  9Jt;mh)egen  abgelel^nt  ^at,  einem  5Hufe  beg 
Äurfürften  Äarl  Subtüig  bei  ber  Sleorganifation  ber  Uniberfität  ^eibelberg  afö  ?Profeflor 
ber  2;i^eoIogie  bortf^in  folgte.  3"^^^  ^roinot)ierte  ber  23iä^rige  Hanbibat  no(^  in  Seiben  6 
Hum  Dr.  theol.,  toobei  er  in  feiner  3)iffertation  bie  fünf  §au)ptt)unlte  ber  3)orbred^ter 
Sejd^Iüffe  gegen  bie  ärminianer  berteibigte  (Dissertatio  theologica  de  quinquarticu- 
lanis  controversiis  pridem  in  Belgio  agitatis;  aufö  neue  gebrucft  in  Opera  III, 
p.  1107  sqq.).  2)w  Äurftirft  betoie^  i^m  auf  mancherlei  2Beife  fein  SKof^tooIIen;  bie« 
fonnte  i^n  jebot^  n\6)t  abgalten,  bemfelben  baö  JJor^aben,  bon  feiner  ©emal^Iin  Charlotte  lo 
Don  §effen  ficb  ju  f(^eiben  unb  beren  ipofbame  Suife  Don  ©egenfelb  gu  l^eiraten,  furd^tlo« 
unb  auf«  einbringlic^fte,  iüenn  auc^  bcrgeblid^,  j|u  toiberraten.  @«  ergingen  berfd^iebene 
?3erufungen  an  il^n,  u.  a.  nac^  Si^on  ate  ^aftor,  nac^  Saufanne,  Qtanffurt  a.  b.  D., 
^arbertoijf  unb  granefer  aU  ^rofeffor,  unb  na^  Serlin  al«  §of}jrebiger,  bie  er  aber  ade 
ablehnte,  ^m  ^a^re  1670  na^m  er  ben  SRuf  ate  5ßrofeffor  ber  Xl^eologie  in  Seiben  an,  is 
an  ber  ©teDe  be«  berftorbenen  3^^.  ßocceju«,  ber  ber  Siad^f olger  feine«  SJater«  getoefen. 
2)ort  trat  er  fein  2tmt  an  mit  einer  Siebe  „de  prudentia  theologi"  unb  entfaltete 
eine  grofee  Slrbeitfamleit.  1671  mürbe  i^m  ber  Unterricht  in  ber  Äirc^engefd^ic^te  über* 
tragen  unb  im  folgenben  ^al}x^  trugen  bie  Kuratoren  i^m  bie  Sluffic^t  über  bie  afabemi? 
jd^e  Sibliot^e!  auf.  Sil«  SibliotJ^elor  lief;  er  1674  einen  neuen  Äatalog  anfertigen  unb  20 
^iclt,  al«  biefer  fertig  loar,  am  29.  Dftober  eine  SHebe  „Bibliothecae  Lugduno-Batavae 
nova  auspicia".  Die  93ibIiotl^ef  l^atte  bamal«  3725  Sucher  unb  1702  3KanufIrit)te. 
SSiermal  l^at  er  ba«  3{e!torat  befleibet  unb  bie  Kuratoren  ber  Uniberfität  fc^enlten  i^m, 
gleic^iüie  früher  feinem  SBater,  ba«  größte  3Sertraucn.  35ei  bem  2;obe  ber  ©ema^Iin  3ä\U 
^elm«  III.,  ber  i!önigin  3Jlaria  bon  ©nglanb  (geft.  1695)  beauftragten  fie  il^n,  eine  25 
Seid^enrebe  ^n  J^alten  (Oratio  in  obitum  Mariae,  M.  Britanniae  Reginae).  Sßurbe 
fein  äJater  feiner  3^*  gebrüdft  t)on  l^äu«Iid^en  ©orgen,  mit  bem  ©oi^ne  toar  e«  nic^t  fo. 
6r  f}atU  einen  fel^r  großen  ©e^alt:  „quadruplex  accipit  Stipendium,  quorum  primum 
ei  confertur  pro  theologiae,  secundum  pro  S.  historiae  professoratu;  tertium 
pro  munere  bibliothecarii,  quartum  pro  c^oncionibus  Gallicis  singulis  mensibus  :o 
habendis"  (Desid.  Pacius,  Stricturae  breves,  p.  34).  5Reben  feinen  SBorlefungen 
tüar  er  auc^  litterarifcb  fel^r  tl^ätig.  '^m  ga^re  1684  tourbe  i^m  ber  3:itel  Professor 
Primarius  »erliefen  unb  er  bom  galten  bon  Sorlefungen  entbunben,  um  fic^  gang  feinen 
fc^riftfteDerifd^en  2lrbeitcn  iüibmen  ju  fönnen,  tüelc^e  nur  im  ^af)x^  1695  burd;  eine 
fd;lt?ere  Äranfl^cit  unterbrod^en  mürben.    6r  ftarb  am  18.  3Jlai  1701.  35 

©^an^eim«  gal^Ireid^e  ©c^riften  (über  50  ol^ne  feine  gebrudften  5ßrebigten)  fmb  in 
brei  löänben  gebammelt,  beren  erfter  noc^  gu  feinen  Sebjeiten  erfc^ien:  Opera  quatenus 
(K)mplectantur  geographiam,  ehronologiam  et  historiam  saeram  atque  eecle- 
siasticam,  Lugd.  Bat.  1701—1703.  Diefelben  finb  ^iftorifc^en,  ejegetifc^en  unb  bog« 
matifc^en  S^^^lt«.  2luc^  auf  bem  )poIemifc^en  ©ebiete  toax  Bpanf}Äm  fel^r  rül^rig  nac^  40 
allen  ©eiten  ^in;  er  bcfänH)fte  bie  Slrminianer,  ßartefianer,  Goccejaner  unb  S^fw'ten. 
Giner  feiner  (Segner  fd^rieb  barum,  ba^  er  toax  „dictator  academiarum  et  ecclesia- 
rum  totius  Belgii,  alter  Papa,  ex  cathedra  pronuneians  et  doeens  infallibiliter." 
2)arin  ift  jebod^  grofee  Übertreibung.  2)od^  toar  er  ein  heftiger  3lnti=6artefianer.  Süic^tig 
für  bie  Äenntni«  ber  bamaligen  ©treitigfeitcn  ift  fein  „De  novissimis  circa  res  45 
sacras  in  Belgio  dissidiis,  epistola  ad  amicum  responsoria"  (Lugd.  Bat.  1677). 
211«  SDogmatifer  geigte  er  fic^  fci^r  lonferbatib,  feine  Ideologie  \r>ax  bie  Theologia  tra- 
ditiva.  Sr  i)attt  einen  ftarlen  SKibertüitlen  gegen  bie  fogen.  Novatores.  2)ie  9Jamcn 
Arminii,  Vorstii  unb  Episcopii  galten  i^m  al«  „infausta  huic  Reipublicae 
nomina".  ©ein  CJommentarius  in  Jobum  ift  burc^  Oele^rte,  toieSBitfiu«  unb  3l.©c^ut  eo 
ten«,  fel;r  gepriefen  unb  fteDte  feinen  Serbienft  al«  Sieget  in«  Sid^t.  Sefonber«  aber  al« 
Äird^en^iftorifer  f}ai  er  ficf?  um  bie  SJiffenfd^aft  berbient  gemacht,  ©eine  9Sorlefungen 
über  Äird^engefc^ic^te  fing  er  1672  an  mit  einer  „Oratio  paranaetica  pro  commen- 
dando  studio  ecclesiasticae  antiquitatis",  meiere  flpäter  al«  3[^orrebe  gebrudtt  ift  bor 
feiner  „Brevis  Introductio  ad  Historiam  saeram  utriusque  Testamenti,  ac  gö 
praecipue  Christianam,  ad  A.  1598  inchoata  jam  Reformat."  (Lugd.  Bat.  1694, 
in  4").  5Dicfe«  2öer!,  lurg  gefaxt  aber  boBftänbig,  ift  eine  gruc^t  genauer  unb  umfang* 
reicher  Untcrfud^ung  unb  bchjeift,  ba^  ber  3>erfaffer  ein  fel^r  gelehrter  Tlann  ift,  ber  feinen 
eigenen  SBcg  ge^t.  SDiefe  Brevis  Introductio  tourbe  ni^t  aHein  in  Seiben  aber  auc^ 
anber«h)o,  al«  ^anbbuc^  bei  bem  afabemifc^en  Unterricht  gebraud^t  unb  ift  biel  ge^rie^en  m 


576  ®püniinm  S^attien,  fird^I*  StaHfKI 

u.  a.  bon  3Korf^of    („optime  ad  instituendam  juventutem  comparatus,  nam   per 
secula  historiam   deducit,    sub   certis   ejus   capitibus,    adeo  ut  statim  pateat, 
qiiidnam  singulis  seculis  contigerit",   Polyhistor.  II,  518)  unb  ©c^röc!  („lauda- 
tum  merito  hodieque",  Hist.  Rel.  et  Eccl.  Chr.  1828,  p.  l9). 
5  (0.  Xtclcmanit  f)  ®-  ^-  ^an  S^^«- 

Spanitn,   t\xd)l  Statiftil.  —   Sittcratur:  ®uftao  3)ier(fö,  ®ef4id)tc  (Spaniens: 

ÄQt^ol.  Äircöcnlcjrifon  oon  SBcfer  unb  ©che;  •  3ö6vc8berid)te   ber  cd.  ©emcinbcn  ju  "iKabrib 

unb   ju   ©arcclona;   „^löttcr  auS  Spanien''  (güebner)  oon  1895—1905;    Mitteilungen    ber 

«ßaftoren  2^.  Sliebncr,  3S.  5llbred)t  (9Rabrib)    unb  ©raunccf   (93QrceIünQ);   e.  ©rfjfifer,   S^ei^ 

10  träge  5ur  ®efc^id)te  be^  fpQnif(^en  ^JvoteftantiSmu^. 

3)iefe«Äöni0rei(^  umfafet  cin®ebtctbon  497240qkm,  bctüo^ntbon  17540000  ©eelen 
(3ä^lung  bon  1901).  3)a«  £anb  .ift  in  48  ^roPinjcn  eingeteilt,  bon  ©oubcmeurcn  t>er-- 
toaltet,  toclc^e  aber  jumal  bei  äinberung  be«  Winifterium«  nic^t  feiten  h)e(i^fcln.  5Eic 
©taatöregierung  beruht  auf  ber  SSerfaRung  bon  1875,  burd^   toeld^e  bie  lonftitutionellc 

15  Wonord^ie  georbnet  ift,  jugleic^  auq  bie  lat^olifc^e  Steligion^u^übung  alö  bie  allein 
boHbercd^tiate  anerlannt  iüurbe. 

3)ie  Kirche  ^at  o^ne  3^<^if^'  f^^^  f^wl^e  in  ©panxtn  Seftanb  erl^Iten,  toenn  e^  audb 
gang  unverbürgt  ift,  bafe  ber  2lj)ofteI  ^a^obu^  ^ier^er  gefommen  fei  unb  bejüglic^  be^ 
3l^)oftete  5ßaulu«   nur  fein  aSorfa^  fcftfte^t,    in  biefem  Sanbe  gu  iüirfcn  (9li)  15,  24). 

20  3«t>wfoö^  0o6  ^  bereit«  um  200  überatt  im  Sanbe  gal^Ireid^e  ß^riftengemeinben  unb  in 
bertjorragenben  Stömcrftäbten  angefel^ene  Si^tümer,  h)ie  in  Siarragona,  ©aragoffa,  Seon, 
3JJeriba.  ©ine  frühzeitige  äu^bilbung  fanonifc^er  Seftimmung  römifc^-!at^olif(^er  'Stid}- 
tung  geigte  fic^  in  ben  Sef(^lüffen  ber  vielgenannten  ©^nobe  von  ßlvira  (3ifliberi«)  306, 
an  iüelc^er  19  Sifd^öfe  ©ipanicn«  ))erfönlid^  teilnahmen.    Salb  nat^^er  lonntc  ba«  2anb 

26  in  3Ketrolpolitanbe5irfe  eingeteilt  toetben  mit  ben  ^aulptorten  3:anagona,  ^olebo,  ©eViUa, 
Sraga  (in  ©aDijien) ;  im  6.  S^^^^^unbert  tüarb  Sugo  (©attijien)  bagu  erhoben,  toeiterbin 
noc^  ?IJleriba.  D^nc  em^jfinblid^e  Benachteiligung  ber  lat^olifd^en  Dtbnungen  Verfc^afflc 
fic^  ber  Slrianigmu«  ber  Sanbalen  unb  ber  SßJeftgotcn  SRaum  im  Sanbe  (Von  410  an), 
bi«  lefetere  feit  589  md^  bem  Seif)f)iel  il^re«  Äönig«  9leKarcb  bem  Iatl^olif(^en  Sefennt- 

30  niffe  beitraten.  Die  arabifc^^maurifc^e  ßroberung  be«  Sanbe«  füFjrtc  crft  im  9.  unb 
10.  3al^r^unbert  ju  jeitiüeife  fd^toercn  Verfolgungen  ber  G^riften  unb  Seraubungen  ber 
Äird^e,  toeld^  le^tere  aber  immerhin  29  S3i«tümer  unter  mu^ammebanif(^er  Jperrfc^aft  auf- 
redet JU  erhalten  Vermod^te,  fogar  ba«  gortlpirfen  Von  brei  3)letrolpoIien.  3)ie  ^riftlid»c 
ffiiebereroberung  toarb  von  ber  3Jlitte  be«  11.  S^^^^w"^^*^  ö"   immer   erfolgreicher,  fo 

86  bafe  fc^on  1085  bie  einftige  iüeftgotifd^e  $au))tftabt  3:oIebo  bem  5treujc  tviebergetoonnen 
unb  1139  ba«  Äönigreicf;  Portugal  aufgerichtet  tüurbe,  bi«  im  ^al^re  1212  burc^  eine 
mehrtägige  ©c^Iad^t  bie  9)Jad^t  be«  3«lam  auf  bie  Dauer  gebrochen  unb  auf  bie  fübUc^cn 
(Sebiete  befd^ränlt  tvarb.  SBäl^renb  ber  fteten  erbitterten  Äämpfe  bilbete  fid^  naturgemäß 
ein  fraftVoDer  ©lauben^eifer  für  ba«  beftel^enbe  firc^lid^e  ß^riftentum   an^,  h)elc^er  aber 

40  aümäf^üc^  bie  3üge  ber  ^ärte  unb  unbulbfamen  ©ifer«  bezüglicher  religiöfer  ^^ragen  in 
bie  fjjanifc^e  SBolf^fecIe  brachte.  Durd^  bie  SnttüidEelung  c^rifttatl^olifc^er  Stitterorbcn  (Von 
3l(cantara,  Von  ©an  ^aQO  be  ßomjpoftela.  Von  ßalatrava),  baju  von  3)Jönc^^orbcn  n?ic 
feit  1215  be^jenigen  be^  l^eiligen  Dominifu^  mu^te  jene  Stic^tung  Verftärft  h^erbcn,  bie 
ju  ©unften  be^  alleinigen  93eftanbe^  ber  auftS  neue  ausgebreiteten  Äirc^e  aU  einer  glcicf»- 
(am  nationalfpanifd^en  gnftitution  eintrat.  Die  unter  ^^Japft  ^nnocenj  III.  ju  einem 
bleibenben  3"f*i^^  gemachte  3"^"ifi^it>»  (f-  ^i^fO  h>arb  bereite  1233  bem  Domtnifaner- 
orben  übertragen,  burc^  hjelc^en  i^r  33erfa^ren.  feine  tüic^ligfte  SluSbilbung  erl^iclt.  gür 
bie  vereinigten  Äönigreic^e  ©panienS  tourbe  fic  1483  organisiert  unb  junäd^ft  ber  ©roB= 
inquifitor  I^omaS  be  lorquemaba  ju  i^rer  ^anb^abung  aufgcftellt,  U)ic  feine  9Jac^foIger 

60  Vom  Äönigc  ^räfentiert  unb  Vom  ^Ja^)fte  ernannt.  Durc^  bie  oberfte  3"f^"i  ^^'^  o".' 
quifition,  ben  Consejo  de  la  Suprema  am  §ofe,  behielt  ber  Äijnig  bauernben  GinfluB 
auf  biefe  furchtbare  dinridbtung,  tüeldE^e  junäc^ft  gegen  baS  3"^^"^""'/  ^"^  ^'^  ^^^  ^^^'' 
tvalt  befcl^rten  SDlauren,  bann  aber  gegen  ben  ^roteftantiSmuS  fid^  tvcnbete. 

Unb  boc^  betüieS  bie  fjjanifc^e  Rird^e   auc^   ol^ne   biefe  ©inric^tung   Viele  geftigfeit. 

66  ©0  tvar  obne  5Rad^tei(  für  fie  ba«  t)cH}ftUc^e  ©cf)iSma  Von  1378—1417.  äud^  fübrten 
bie  bcfonberS  burc^  ben  fpanifd^en  Äarbinal  unb  ©taatSmann  XimeneS  (1492  Seid^tvater 
ber  Äiönigtn,  1195  ßrjbifc^of  Von  lolcbo,  geft.  1517)  betvirften  Sieformen  be«  fileru!^ 
foloic  be«  äufeeren  Äir^eniüefen<g  ^farrgeiftUc^e  unb  baS  35olf  iveniger  bereit  für 
>)roteftantifc^e  SReformationSbetoegungen  in  ba«  16.  goi^rl^unbert  l^inein,  ol«  bie«  in  ben 


46  fa 


^pmitn,  Kr^I*  Stattfiif  577 

mctften  römtfd^=fat^oüfd^en  Sänbcm  bcr  %aü  toar.  ^v!t>tm  trug  bie  im  '^aifxc  1492 
erfolgte  au^treibung  bon  über  800000  3uben  jur  ür^lic^en  ©efc^loffen^eit  be«  SSoIfe« 
gtoeifellog  bei. 

®lei(^h)o^I  fanben  infolge  bcr-  Icbl^aften  SSegiei^ungen  jtoifc^en  ben  9lieberlanben  unb 
bem  §ofe  RaxU  V.  Iut^erif(^e  unb  calbiniftifd^e  ©ebanfen,  baju  reformatorif(^e  ©c^riften  ß 
ßingang  in  ©))anien  unb  1543  iüurbe  bag  5KE  in  bie  £anbe^fj)racl^e  überfei^t.    35a  unb 
bort  tarn  ^  jur  ßntfte^ung   ebangelifd^er  (Semeinben,  toeld^e  jiüar  nic^t  in  bie  Öffent* 
lic^feit  ixaUn,  aber  bie  Stnl^ängerfd^aft  ber  ebangelifc^en  (Slaubendric^tung  toar  ni^t  gc^ 
ring,  f.  u.  ben  folgenben  ärt.©.  580  ff.  ^m  ^af}xt  1542  begann  ba^er  bie  ^nquifition  i^r 
jj^auerlic^eiS  SBerl,  junäc^ft  mit  ber  ^Verbrennung  eine«  ebangelifc^en  Sürger«  (S^anj  Bau  lo 
iRomano)    in   SSaDabolib    unb   nad)    ettoa  25  ^al^rcn  toax  burd^   biele  ipunberte  bon 
aiutobaf^,  bei  toeld^en  junäc^ft  ®xvi!ppm  bon  „Äe^em"  ben  flammen  übergeben  tourben, 
bie  reformatorifc^e  ©trömung  im  ganjen  jum  SJerfiegen  gebrad^t,  obgleid^  noc^  fo  mand^e 
fraffe   2lfte  biejer   Verfolgung    in    nad^folgenber  3^it  ftattfanben.    Unge^inbert  lonnte 
ber  S^witenorben,  burc^   feine  überfeeifc^e  I^ätigfeit  in  f)panifd^en  Äoloniallänbem  nod^  i5 
gcftärlt,  im  öffentlid^en  Seben  unb  im  amtlidf^en  Äirc^entum  feine  SJiad^t  entfalten,  fotoeit 
nic^t  ber  3lbfoIuti«mu«  fpanifd^er  Könige  ©c^ranlen  jog.    Se^tere«  ö^ft^al^  aud^  geittoeife 
gegenüber  ben    bon  SRom    ^er    erfolgenben  änfjjrüc^en   auf  eine  unabl^ängigere  ©elbft* 
bertüaltung  ber  ftird^e  unb  ßjemtion  be«  a))oftoIifd^en  9?untiu«  bon  ben  3BiHen«meinungen 
ber  flpanif^en  3Jlonar(^en.    So  lam  e«,  baf;  burc^  ba«  Äonlorbat  bon  1753,  toeldSfe^ao 
nai)  mand^em  3*^ift  gefc^Iojfen  h)urbe,  ber  Äönig  ba«  SRed^t  ber  9Jomination  ber  Si«« 
tümer  jugef^rod^en  erhielt,  toie  e«  nod^  jeftt  beftel^t.    9Jur  für  52  5ßfrünben  tourbe  bem 
^a))fte  bae  Sefe^ung^red^t  getoäl^rt. 

aSon  ber  Vertreibung  be«,  3!^wi^^"*>^t>^^  <^^f  Ibelc^e  1767  ftattfanb,  lam  e«  toieber^ 
^oU  ju  3MaJ5regeln,  bie  ba«  Übergewicht  ber  Äird^e  gegenüber  ber  ©taat^bertoaltung  ju  25 
befeitigen  fud^ten.    3"  benfelben  gel^ören   jene  ju  ©unften  })olitifd^er  Dberauffid^t   unter 
Äarl  IV.,  b.  1^.  feinem  Äangler  ü)tanuel  ®obo^,  Welcher  bon   1789  an  aud)  bem  Sin- 
iDac^fen  be«  Äird^engute«  äbbrud^  tl^at.    aCBeiteri^in  liejs  ber  1808  über  ba«  2anb  gefegte 
5lönig  3ofe})I;  Sona)parte  bie  Älöfter  eingießen.    3)ie  ßr^ebung   gegen  bie  napoleonifcbe 
Öerrfd^aft  im  '^af)xz  1812  erllärte  gtoar  in  ber  neuen  SSerfaffung  bon  ßabij  bie  latl^olifdje  30 
Seligion  für  bie  eingig  toa^re  unb  für  bie  SReligion  ber  fbanif^en  5Ration,  Worauf  rafd^ 
ja^lreic^e  Älöfter  neu  entftanben;  aber  1835  Würben  aDe  Heineren  Älöfter  für  aufgehoben 
unb  1837  ba«  gefamte  Äirt^engut  ate  9Jationateigentum  er!lärt.    SDurc^  ba«  Äonlorbat 
bon  1851  unb  bcffen  3wföj^bertrag  bon  1859  bergic^tete  bie  Äirc^e  gu  ®unften  ber  ©e^ 
mcinben   auf  ben  ©üterbefife;   bagegen   Warb  ber  Unterhalt  be«  Äultu«  unb  be«  Äleru«  35 
bon  feiten  be«  ©taate«  gugefid^ert;  ^infi(^tlic^  ber  Sefe^ung  ber  geiftlid^en  ©teilen  erl^ielt 
ber  ^opft  baö  Sted^t,    in  allen  bifc^öflid^en  Äopitcln  einen  geiftli(^en  ffiürbenträgcr  gu 
ernennen;  aud)  Würben  bie  ®rengen  ber  2)iöcefen  unb  ßrgbiöcefen  feftgeftellt.   3ln  le^tercn 
befi^t  ba«  2anb  9,  Weld^en   46  ©uffraganfi^e  unterfteUt  finb.     6«  gehören  gum  ßrgs 
bi^tum  93urgo«:  Galal^ona,  Seon,  Dfma  (am  2)uro),  ^Jalencia,  ©antanber,  SSittoria.    3"  ^^ 
Ban  :^ago  be  6omt)oftela:  Sugo,   $Konbonnebo,  Drenfe,  Dbiebo,  %ut}.    3"  ©ranaba: 
©uabij,  3llmeria,  ^a^n,  ßartagena  (©i$  gu  5DJurcia),  9)JaIaga.    3"  ©aragoffa:    lara* 
gona,  ^a^a,  $ue«ca,  33arbaftro,  ^am^jclona,  2:ubela,   3:eruel.    3"  ©ebilla:   Sabajog, 
ßabig,    ßeuta  (3JlarofIo),    ßorboba,  bie  (Sanarifcben  ^nfeln,  lenerifa.    3"  Xarragona: 
lortofa,  Barcelona,  Vic^,  ©olfona,  Seriba,  Urgel,  ®erona.   3"  3:oIebo:  ßoria,  3Kabrib,  45 
(Suenca,  ©igüenga.     3"  Valencia:   Dribucla  (in  älicante),  ©cgorbe,  9RaHorca,  ^h'^a, 
a)lcnorca.     3"  Valtabolib:   Slftorga,   äbila,   ©alamanca,    ßiubab    Slobrigo,   ©egobia, 
3amora.    I)agu  fommt  nod^  ber  über  bie  ®cbicte  ber  bormaligen  Slitterorben  (einfäliefe* 
lic^   jener  bcr  ^laltcfcr)    geje^te  5ßrior   mit  Vifd^of^rang   (feit  1876)   gu  ßiubob  9leal. 
®iefe  ©iöcefcn  umfc^lic^cn  runb  22000  ^Jfarrcien,    gunäc^ft  eingeteilt  in   fold^e  erfter» 
unb  ,^Weitcr  Älaffc,  fobann  no(^  in  fünf  Slrtcn  nad^  Heineren  bienftlic^en  aufgaben  unter* 
fc^icbcn  unb  unter  (Srgpricfterf^aftcn  ,^ufammengefafet. 

3tu«  bem  3"i^^^  ^^^  firc^lic^en  unb  geiftigcn  Seben«  be«  Sanbe«  lonnte  e«  laum 
gu  irgenb  einem  2Banbcl  ber  fog.  ®laubcn«cinl^cit  fommen.  aber  nac^  ber  5Dlitte  be« 
19.  ^o^r'&wtt^^'^i^  begann  ba«  ebangelifc^e  ß^riftentum  auf«  neue  gu  feimen  unb  bann  6b 
[x6)  mannigfaltig  gu  entwideln.  2)cr  ©Ipanicr  ^anci«co  be  ^aula  SKuet  War  in  ^Jlorcng 
bon  bcr  ^Jrebigt  unb  bem  rcligiöfen  Seben  ber  SBJalbenfer  ergriffen  Worben  (1853)  unb 
berfünbigtc  feit  1855  in  Barcelona  unb  in  ®ibraltar  ben  cbangelifc^en  ®lauben.  Sic« 
regte  anberc  gu  gleid;em  3^"0"^5^  «n,  unter  Weld^en  befonber«  SKatamoro«  ^erbortrat. 
®egen  feine  unb  feiner  näd^ften  GJefinnung«genof[en  ©inlerlerung  Wenbetc  fxd)  eine  Xtpu^  oo 

»eaUatnci)(Io})äbic  fttr  %t)toloQit  nnb  ftir«^.    8.  V.  XVIII.  <^^ 


678  eHmrs,  tMfi.  SttttfKf 

tatton,  tuelc^e  bte  intemattonale  „&xaiQÜi\d)^  90Iian)''  nac^  SRateib  entfanbte,  toorauf 
bie  Strafe  in  Serbannuna  l>ertoanbelt  tourbe  (1864).  Sie  Vertreibung  ber  extrem 
{at^oltf(^en  Aöniain  ^fabeua  fu^e  )ur  Serlünbi^ng  ber  9leltgton^fret^eit  1868  bun( 
bie  ))robtforifc^e  Stegierung;    biefelbe  taHtrb   bann  am  5.  3Rax  1869  al^  flaat^efe^Itc^ 

fiSec^t  genauer  feftgeflettt  3)ie  Südfe^r  ber  »erbannten  (Sluet,  ^Paftor  in  3Rabrib) 
unb  eine  (eb^e  Anteilnahme  englifd^  fnrc^Iic^er  Streife  jum  beften  ber  @t>anaelifattün 
&pamm^  fü^e  bagu,  ba^  balb  an  bieten  Orten  Stationen  ebongelifc^er  ^r^igt  ent^ 
fianben  unb  bie  Beteiligung  <m  ebongetifi^en  ©otte^ienften  ftc^  fe|r  berbreitete.  Xoc^ 
bereite  1874   änberte  fu^  bie  ^tung   ber  Staat^etoalt    em)>finblii^:    bie   Sourbonen 

10  geloannen  bad  jtonigtum  )urü(f  unb  mit  i^en  lam  ber  Sinflu^  ber  ^efuiten  toieber  ^ur 
®eltung.  1875  lourbe  bem  Staate  eine  neue  Serfaffung  gegeben,  beffen  artifel  11  bie 
Sleligiondfrei^t  ber  Sbangelifc^en  in  toic^tigen  S^ingen  bem  ©utbünlen  ber  »ertoaltimg^ 
bel^örbe  überanttoortet.  gr  lautet:  ,,§  1.  35ie  Iatl^oIif(^,  a))oftoIifc^e,  römifc^  Sieligion 
ift  Staat«religion.    3)ie  Station  bert)flic^tet  fic^,    ben  Jlultud  unb  beffen   3)iener  ju 

16  untersten.  §  2.  9{iemanb  foQ  auf  f))anifc^em  ®ebiet  h)egen  feiner  religiöfen  SReinun^ 
ober  \ot{fm  ^u^übung  feinet  betreff enben  ftultu^  beläfitgt  toerben,  unter  »oraud^ 
fe|ung  ber  ber  c^riftlid^en  3Roxal  fc^ulbigen  3(d^tung.  §  3.  Slnbere  Gerimonien  unb 
öffentliche  jtunbgebungen  ald  bie  ber  Staat^religion  finb  nic^t  geftattet/'  Ser  Segriff 
,,öffentlic^e  Äunbgebungen"  tourbe  aber  ungemein  berfc^ieben    je   nac^   ber  firc^lit^cn 

20  Stellung  ber  ^robinjgoubemeure,  9JJinifterien  unb  Stabtober^äuj)ter  gefaxt.  CbtooW 
leine  nachträgliche  »erorbnung  ^urm,  ©loden,  Jtir^enbauftil  unb  ^erfteDung  eine$ 
Airc^eneingangd  bon  ber  Strafe  ^er  t>erbot,  tourbe  boc^  felbft  in  ben  beiben  größten 
Stöbten  be^  Sanbe^  balb  bad  eine  balb  bad  anbere  lird^li^e  Jtennjeid^en  ben  ©Mm- 
gelifc^en  l^atfäd^lic^  unterfagt.    6«  tourbe  balb  burd^  ^intoeid  auf  gefäbrlic^e  folgen 

26  gur  Unterlaffung  aufgeforbert,  ober  man  fertigte  eine  93auIonjeffu>n  nic^t  au«  u.  bgl. 
(So  tourbe  td  j.  S.  unternommen,  ben  6l^oralgefang  in  gotte^bienftlic^en  SRäumen  gu 
bertoel^ren,  toeil  er  auf  bie  Strafte  l^inau«  toirle,  unb  in  9Jlabrib  felbft  muftte  noc^  im 
gal^e  1894  bie  f))auifc^sebangelifc^e  ©emeinbe  bon  il^rer  Äirc^ie  bie  äuffc^rift  ,,3^"^ 
nrc^e"  toieber  entfernen.)    Igmmer^in  lamen  einige  Äirci^en  ober  Rcipdlm  mit  firc^li^em 

ao  dufteren  gu  ftanbe,  in  3^ej,  Sebitta,  SJlabrib  (fjpanifd^sanglifanifc^),  Barcelona  (anglu 
lanifd^);  aber  aud^  bie  Jtird^e  ber  beutfd^en  Sbangelifc^en  in  le^terer  Stabt  muftte  auf 
anbringen  eine«  iürmc^en«  (1903)  berjic^ten. 

So  lonnte  e«  nur  burc^  nachhaltige  götberung  au«toärtiger  ebangelifc^er  Äreifc,  in 
©roftbritannien  unb  S'^lö"^/  i"  $olIanb,  9?orbbeutfc^lanb  unb   ber  Sd^toeij,  ermöglicht 

86  toerben,  bafe  bod^  eine  SSerbreitung  cbangeltfd^en  Olauben«  immerju  errcid^t  tourbe.  3)abcr 
entftanben  in  allen  2anbe«teilen  5ßrebigtftationen  unb  (Semeinben,  beren  ^a^  im  ^abrc 
1905  auf  180  fid^  er]^ob  (barunter  ettoa  40  organifierte  ©emeinben).  ^thod^  bie  fc 
berfc^iebenartige  ©intoirfung  bon  feiten  au«toärtiger  (SefeUfd^aftcn,  toel^e  unter  fid^  leine 
S^erbinbung  l^erftellten,  führte  baju,  bafe  auc^  bie  ©emeinben  ber  ebangelifd^  getoorbencn 

^  Slpanier  in  berfd^iebene  ®ru)p)pcn  fid^  teilen  unb  manche  ©emeinbe  böttig  bereingelt  ftcb 
erl^ält.  (3u  Unteren  gehört  u.  a.  ^ißu^ö^-)  3"^  3^i^  f^"*^  bier  ©emeinfc^aften  ft)anifc^cr 
9tationalität  ^erborjuf^ebcn. 

1.  I)ic  Iglesia  Espanola  Reformada,   toeld^e  t)on  ber  Spanish  &  Portugu^e 
Church  Aid  Society  ber  englifd^cn  §od^!ird^c  gegrünbet   tourbe;    fie  ^at  anglifanifc^e^ 

4^  ©laubcnöbefenntni«  unb  bergl.  (Seremonien.  ^f)x  gcl^ören  jcl^n  ©emeinbcn  an,  beten 
Sijd^of  bon  einem  irlänbifdE^en  ßr^bifc^of  gctocil&t  ift.  (SlHerbingö  erllärte  fic^  bie  Äircfec 
Gnglanb^  mit  ber  Drbination  eine^  f)panifc^en  Sifd^of^  nid^t  eint)erftanben,  ba  fte  eng- 
lifc^c  Staat^ürd^e  fei.)  —  2.  3)ie  5Kel^obiften  ^aben  Jiau^jtfäc^lid^  im  Dften,  in  SSarcclcna 
unb   auf  ben  Salearen,   eine  änga^l   Heiner  ©emeinben.  —  3.  ®en  33fli)tiften  gehören 

w  ©emeinben  in  einigen  großen  Stäbten  an  (befonber^  in  $Kabrib  unb  Valencia).  Sic 
©emeinfd^aft  ber  il^nen  fo  naf^efte^enben  $lt;mout^brüber  l^at  namentlich  im  9lorbtoeften 
gaf)lrcid^e  Stationen. 

4. 2)ic  bebcutenbfte  unb  bie  einzige  felbftftänbig  organifierte  ÄörJ)erfd^aft  ift  bie  Jglesia 
Evangelica  Espaiiola,  je^t  mit  20  felbftftänbigen  ©emeinben  in  ben  größeren  Stäbten 

66  unb  mit  80  '^.kebigtftationcn.  Sej^tere  toerben  jumeift  bon  anfäffigen  „ßbangeliftcn"  (tjer- 
fc^icbencn  'ik'ruf^ftänben  angej^orig)  bcbient,  toä^renb  bie  ©eiftlic^en  ber  ©emeinben  i^rc 
loiffcnfd;aft(icf^=tl;cologifc^c  Silbung  biö^er  in  ber  Scbtoeij,  in  bem  t)on  britifd^en  ^re^- 
bvterinnern  unterljaltcncn  t^cologifcf)en  ^nftitut  tjon  Puerto  Sta.  Maria  (in  änbalufien) 
unb  in  2)eutfc^Ianb  crioorben.    2)er  gwlön^tt^cnfc^lu^  ber  ©emeinben,  toel^e  burc^  Unta= 

6f>  ftü^ung  auö  ben  ertoä^nten  berfc^iebenen  Sänbem  entftanben  finb,  ift  toefentlic^  ba^  9Bcrf 


Spanien,  Krc^L  StattfHf  579 

bc^  um  Spanien«  gcfamtc  ßbangelifation  einätgartig  bcrbicntcn  5ßaftor«  %ix^  gitebner 
(gcft.  25.  iHpxxl  1901),  fo  bafe  er  naturgemäß  auc^  btc  nac^  je  jiüei  S^l^^^c"  ^n  2Jlabrib 
5ufammentretenbe  (Scncralf^nobc  gu  leiten  f^atte.  —  3?telfettig  bemüht  fic^  biefe  Äird^en« 
gemeinjc^aft  um  3"0^J^^"J^terric^t  unb  Verbreitung  cbangelifcpcn  Schrifttums.  J^^iebner« 
tüerbenber  Strbeit  berbanlen  ba«  meifte  bie  Slnftalten  in  unb  na^e  SKabrib:  bie  beiben  6 
ßlementarfc^ulen,  baS  SBJaif en^au« ,  baö  ©^mnaftum  mit  Internat  (a6)t  fiel^rer)  in 
aJlabrib  unb  ba«  SBaiJenl^au«  unb  ßr^olung^eim  in  ßScorial;  jtoei  ©ö^ne  führen  in 
ber  Äirc^e  unb  ben  3lW0^nbanftaIten  bon  ^Rabrib  ba«  SOäerf  beS  3SaterS  fort.  Rfvd 
ebangelifd^e  Äranfenl^äufer  unb  eine  ^öl^ere  S^öd^terfc^ule  bienen  gleic^fattS  ben  (SlaubenS- 
genoffen.  lo 

S3emerlen«toert  ftnb  bie  je^n  ebangelifd^en  S^i^W^ften  ©ipanien«.    SBoc^enfc^riften: 
Äinberfreunb  (gliebner);    ©onntagSfc^uIblatt   (ScH}tiften);     Esfuerzo    Cristiano    (be« 

amerifanifd^en  Christian  Endeavor,eincS  3^0^"^'^""^^)  5  $^olb  (in^ißw^^^);  ß^angelift 
(in  Barcelona);  SQäa^r^eitgbote  (3Rabrib,  pVi"«>"^t^über);  ©c^o  ber  SBal^r^eit  (33a^)tiften); 
el  Cristiano  (Religious  Tract  Society,  Sonbon);  la  Luz  (3lnglilaner).  3*^^i"^^l  ^^ 
im  3)lonate:  SDie  c^riftUc^e  3lunbfc^au  (JJIiebner).  Sitte  biefe  Slätter  bebürfen  aUerbingg 
eines  3"W^ff^^i  ^^^  f^^  bienen  in  reichem  Sllafee  ber  Verbreitung  unb  33efeftigung  ber 
eDangeTifc^en  SSJa^rbeit.  —  3)ieS  gef(^ie^t  aber  auc^  bur(^  bie  I^ätigleit  ber  britifcfcen 
unb  auSlänbifc^en  SBibelgefettfd^aft,  toelc^e  burc^  18  ÄoI})orteure  im  Sanbe  bie  biblifdjen 
©(^riften  Verbreitet.  Sluc^  bie  f(^ottif(^e  Sibelgefettfc^aft  befc^äftigt  mel^rerc  Äoljjorteure.  30 
©})anifc^e  neue  ßrjeugniffe  in  großer  ^af)l  tourben  bon  ber  Religious  Tract  Society 
in  Sonbon  unb  bon  ber  Sud^l^anblung  ber  Iglesia  Evang.  Espan.  in  3Kabrib  unb 
Barcelona  l^ertoorgerufen  unb  unter  baS  Voll  gebrad^t.  2)oc^  fmb  natürlid^  bie  mittel 
baren  ßinflüffe  biefer  Sitteratur  auf  baS  f)panifc^c  VoIfSleben  bon  größerer  33ebeutung 
aU  bie  unmittelbaren.  2)iefeS  ©c^rifttum  finbct  h)ie  bie  ©c^ulen,  ja  Äirc^engefang  unb  26 
^rebigt  neueftenS  auf  latj^olifd^er  ©eite  SRac^a^mung.  D^ne  baSfelbe  toäre  j.  S5.  fic^er« 
lic^  baS  ©efc§;  ben  Slid^tlatl^olifen  auf  Verlangen  in  ben  ©emeinben  einen  griebl^of 
ju  erftetten,  ebenfo  eingefd^Iafen  atö  baS  9le^t  ber  ßibiltrauung. 

©0  gefd^ie^t  fotoo^I  bon  ben  oj)ferh)inigen  ebangelifc^en  Bpanxttn  aU  burd^  bie 
2luSbauer  ioarmer  glaubenSgenöffifd^er  Greife  beS  2luSlanbS  baS  3)lögli(^e,  um  berao 
religiös  jugänglid^en  VolfSnatur  ©ipanienS  überatt  im  Sanbe  baS  ebangelifc^e  ßl^riftentum 
nahe  gu  bringen,  befonberS  auc^  ben  3:aufenben,  U)eld^e  fic^  fd^euen  ^erborjutreten.  SiS 
je^t  toerben  bie  ©üangelifc^en  beS  SanbeS  gegen  12000  ©eelen  jäi^len.  SDurc^  bie  bon 
Äat^olüen  gerne  befuc^ten  et)angelifd^en  ©c^ulen  ift  ein  toeitereS,  borbereitcnbeS  3Rittel 
gegeben,  ein  nac^folgenbeS  litterarifc^eS  Überzeugen  ju  erreichen.  85 

2)en  beiben  beutf(^en  ©emeinben  liegt  naturgemäß  biefe  Slufgabe  nic^t  ob.  2)ie 
ältere  baDon  ift  jene  bon  Barcelona,  n)eld^e  immerl^m  f(^on  1885  fi^  fonftituierte,  jc^t 
in  ber  ©tabt  attein  über  500  ©eelen,  fidler  toeit  über  1000  mit  ber  gefamten  3)iaf})ora 
bcS  9?orboftenS.  ©einergeit  h)efentli(^  burc^  bie  Verbürgung  materiellen  VeiftanbS  bon 
feiten  ^liebnerS  gu  ftanbe  gefommen,  fonnte  bie  ©emeinbe  erft  1903  i^re  eigene  Äirc^eio 
erbauen.  35er  ^aftorierung  t)on  ^ier  auS  ift  bie  gange  beutfc^e  2)iafJ)ora  bon  Äatalonien, 
Slragon  unb  Valencia  unterftcUt,  für  toeld^e  eine  regelmäßige  lirc^lic^e  ^Jflege  in  SDurd^s 
fü^rung  begriffen  ift.  Dicfe  tüurbe  bereits  georbnet  in  ber  gilialgemeinbe  Valencia  (1905 
für  50  (Srtt)a4)fene  entftanben),  hjobei  icborf^  bie  ©ottcSbienfte  no(^  im  beutfd^en  Älub^aufe 
ftattfinben),  foloic  in  Ban  %Am  be  ©uirolS,  einem  ©eeftäbtc^en  im  9Jorboften  beS  SanbeS.  45 
(Sine  bcutfd^e  ©d^ule  ging  in  Barcelona  auS  ber  Äirc^engemeinbe  l^erbor,  feit  1901  unter 
einem  ©c^ulauSfd^uffe  felbftftänbig  gebei^cnb  (80  ©c^üler  unb  (Schülerinnen).  %üx  bie 
im  ,öafen  anlegenben  beutfc^cn  ©d^iffe  beftel^t  eine  „©eemannSmiffton" ,  burc^ 
&aUn  eines  Verliner  ÄomiteeS  unterftü^t;  biefelbe  toirlt  befonberS  burc^  geregelte 
©c^riftcnberteilung  an  bie  ©c^iffsbefa^ungen.  Slud^  eine  georbnete  3lrmenj)flege  unb  bie  so 
l^ätigfcit  an  ber  Enfermeria  Evangelica  (Äranlcn^auS)  im  na^en  ©arcia  gel^ört  jju 
ben  ScbenSäußcrungen  beS  ©eclforgebienfteS  bon  Barcelona.  —  2)ie  ©emeinbe  in  3Jlabrib 
h)urbc  erft  1901  gegrünbet,  ba  bie  gliebncrfd^e  ©(^öt)fung  längere  3^'^  ^wd^  ^^  '^^^ 
cbangelifc^cn  2)cutfd^en  baS  5Roth)enbige  bot.  ^m  britten  '^al}x^  i^reS  Vefte^enS  gä^ltc 
bie  ©emeinbe  186  ©eelen,  für  hjeld^e  natürlich  bie  ©otteSbienfte  noc^  in  einem  gemieteten  66 
Äapettcnraume  abgehalten  tüerben.  Unter  einem  ©d^ulauSfd^uffe  befielet  eine  beutf^e  „9leal= 
fd^ule",  n)eld^e  aber  nur  gu  einem  35ritteil  ebangelifc^e  ©c^üler  beft^t.  (gine  jtoeiflaffigc 
beutfcf;e  VolfSfc^ule  befinbct  fic^  in  :i)Jtalaga.)  2)ie  beiben  beutfc^en  Äirt^cngemeinben 
unterftebcn  bem  Verlincr  Cberfirc^enrat  unb  fül^ren  bie  jjreußifc^e  SanbeSagenbe,  fobann 
baS  r^einifd^=meftfälifc^e  ©efangbuc^i;  ein  Äirc^ienrat  bertritt  bie  ©emeinbe.   3)ie  ^ftoren  eo 

37* 


580  ^panitu,  Vxi)U  Stattfül  Spanien,  rtfomttt  8ttoicgttiig 

Balten   mit  bcnen   bon  Portugal  nac^    je   jtoei  ^Q!f)xm  bie  „beutfc^sibcrifc^c  5PaflotaI= 
lonferenj"  ah, 

SDa^  öffentliche  ©c^ullüefen  beö  ©taate«  tourbe  jtoar  feit  1868  manc^fac^  geförbert; 
aber  ba^  ®efe^  ber  aKgemeinen  ©(^ulj)flic^t  fonnte  nod)  nid^t  burc^gefü^rt  toerben,  ba 
5  e^  an  Se^rem  unb  Saulic^lciten  mangelt,  fo  baf;  noc^  biele  Älofler=  unb  5ßrit)otf(^uIen 
befte^en  unb  bie  Beteiligung  an  ben  ebangelifc^en  ©c^ulen  erllärlic^  ift.  35o(^  befteben 
55  ©eminarien  für  Seigrer  unb  32  für  Sel^rerinnen.  gür  aJlittelfc^ulbilbung  forgen 
70  Slnftalten.  ©obann  toirb  ber  Äleru^  in  68  3)iöcefanfeminarien  erjogen  unb  burt^ 
10  Uniberfitäten  toerben  bie  ^oc^fc^ulftubien  gej)flegt.  SB.  (89$. 

10  ^panitn.  SReformatorifc^eSetoegungen  im  16.3al^rl^unbert.  —  Memoireadc 
Francisco  de  Enzinas  pbl.  p.  Compan.  T.  1.2.  Bnixelles  1862—63.  3)er  in  biefer  ?lu*gQbe 
fe^Icnbc  ?[nfang  bc«  lat.  Original«  ift  ocröffentlicftt  in  3^®  XIII,  1892.  3m  ^Inl^ang  ber 
bcutfcftcn  Uebcrf.  ber  3)cn!roürbigfeiten  1892  oiele  SBcridjti^ungen  uim  lat.  Xejt  unb  9iad): 
trftgc  511  bem  ^vtifel  ©njina«  in  Bibl.  Wiff.,  beibcS  unb  ein  paar  Xejtfapitcl  tueggcloffen  in 

15  ber  2.  §lufl.  1897,  roo  bagegen  Uebcrf.  eine«  ©riefe«  an  Wclancftt^on  (scripserim  beliebt  fidj 
nacb  lat.  ^ricfftil  auf  eben  biefen  S3rief).  —  Sanctae  Inquisitionis  Hispanicae  artes  aliquot 
detectae.  Beginaldo  Gonsalvio  MoDtano  authore.  Heydelbergae  1567.  Matariti  1857; 
Llorente:  Historia  critica  de  la  iDquisicion  de  E^pafia,  T.  1 — 10,  ^abrib  [$ari«].  Histoire 
critique  de  Tlnq.  d'Espagne.     Traduite,   2.  1—4,  $ari8  1817—18,  2e  6d.  2.  1—4,  ^ri^ 

20  1818;  M' Crie:  History  of  the  progress  and  suppression  of  the  reformation  in  Spain  in 
the  16.  Century.  Edinbuigh  and  London  1829.  (Sbenba  1856;  Ad.  de  Castro:  Historia 
de  los  Protestantes  Espaiioles  y  de  su  persecucion,  ©abij  1851,  bcutfcft  bearbeitet,  bocb  mit 
bcbcnflic^cn  &c^lcrn,  granffurt  a.  W.  1866;  öoel^mer,  Bibliotheca  Wiffeniana.  Spanish 
Bcfonners    of   two   centuries.    Vol.  1—3,    Strasburg   1874 — 1904;    Menendez  y  Pelavo: 

26  Historia  de  los  heterodoxoe  espaiioles.  ^nbrib  2.  2  1880,  2:.  3  1882;  SJilfcn^,  ®cfdj. 
bc«  fpanifc^cn  $roteftanttdmu»  im  16.  Sa^rbv  ®ütcrSlo§  1888,  2.  ?lu«g.  1897;  SSon  ficnncp, 
De  hervorming  in  Spanje  in  de  zestiende  eeuw.  ^aarlem  1901;  ©cftSfcr,  9)eiträge  ,^ut 
®cfc^.  beS  fpanifcften  $rotcftanti«mu8  unb  ber  Snquifitton  im  16.  3a^r^.,  3  ©bc,  OütcrSloö 
1902;   bcöfelben,  6cüifla  unb  SBallaboIib,  bie  eöang.  ©cmcinben  Spaniens  im  9?eformation5- 

80  jcitalter,  ^aUt  a.  @.  1903. 

^ojpft  2eo  X.  nannte  in  einer  Untenebung  mit  bem  Sotfc^after  Äarte  V.  ben 
Sifc^of  Slcuna  ben  fpanifc^en  Sut^er.  3)er  SBerglcic^  ift  gönglid^  un^utreffenb.  Slcuila 
fc^n)ang  fic^  gum  Seiter  ber  9let)olution  ber  ßomunerog  auf  unb  liefe  ftd^  in  ^olebo  Don 
feinen  Sln^ängem  jum  $rima«  t)on  @})anien  ernennen;   nad^  ber  SJieberlage  ber  6omu- 

85  nero^  1521  fam  er  in  (äefangenfci^aft,  bi^  er  in  ©imancag,  toeil  er  bei  einem  gluit^ 
DerfuA  ben  Äommanbanten  getötet  l^atte,  l^ingerid^tet  tourbe,  1526.  ßine  Äirc^enreformation, 
bie  fiep  ber  lut^erifc^en  ^ätte  an  bie  ©cite  ftetten  fönnen,  lag  i^m  t)öttig  fem.  6ö  ift  c^araftc- 
riftifd^,  bafe  in  bem  Äonftitutiongjjrojeft  ber  funta  de  las  comunidades  beftimmt  tourbc, 
bafe  gu  ben  Sorten  iebeömal  aud^  ein  Vertreter  ber  grangiöfaner  unb  einer  ber  SJomini* 

40  fancr  gel^ören  foDte;  alterbing^  Ratten  manche  SJiitglieber  biefer  Drben  befonber^  fräftig 
für  bie  ©ad^e  ber  ßomunero^  getoü^lt. 

©d^on  toäl^renb  be^  3lei(^^tageg  gu  SBorm^  forberten  bie  (Sobemaboreö,  ©rauben 
unb  Prälaten  (Eaftilien^  i^ren  Äönig  auf,  Sut^er  ju  beftrafen  unb  fipanifc^e  Überfe^ungcn 
feiner  ©c^riften  unter  ben  fc^n)erften  ©trafen  ju  Verbieten. 

46  2)er  et)angelifd^en  93ett)egung  gingen  in  ©jjanien  gtoei  anbere  t)orau^  unb  teilh)eifc  gcitli* 
paxaüd,  bie  bei  größerer  ^Verbreitung  jener  tüo^l  Ratten  förbemb  toirfen  fönnen:  bie 
m^ftifdje  unb  bie  ^umaniftifc^e.  2)ie  3JJt^ftifer,  SBllumbrabo^,  (Srleud^tete  genannt,  fu(|tcn 
))erfünlic^e  ®ottinnig!eit  unb  ftanben  ben  äufeerlid^en  3Sorfd^riften  i^rer  Äirc^e  mit  einer 
getüiffen  Unab^ängigfeit   gegenüber,    ^ranci^co  be  Dfuna   ging  1527   in  2:eil  3    feinet 

50  Abendario  fo  n)eit,  bafe  er  bie  äJerbienftlofigfeit  aller  guten  &erfe  unb  bie  sola  fides 
^erDor^ob;  im  fed^ften  leil  1554  ift  er  aber  fc^on  fo  eingefd^üc^tert,  bafe  er  fagt:  9Hc^t 
jtt)ei  Ringer  breit  ift  toom  ©c^iömatiler  entfernt,  n)er  feine  ü)ieinung  t)erteibigt  gegen  bie 
©d^ule  t)on  ^Jari^  unb  bie  anbem  Unit)erfitäten  unb  bie  römifc^e  fflei^i^eit,  boc^  untere 
läfet  er  nic^t  barauf  ^inxuhjeifen ,    bafe  ber  ^l.  5ßaulu^   mit  gefunber  Seigre  unb  füfecn 

55  ©rma^nungen  unb  brunftigen  (Sebeten  jum  (Slauben  gurüdfjufü^ren  beftrebt  fei  unb  ni(6t 
„Äe^er!"  rief  unb  mit  bem  ^euer  brof^te.  2)en  lumult  ber  flpanifd^en  aftönd^e  gegen 
(Sra^mu^  bäm^jfte  ber  ©eneralinquifitor  unb  fogar  ber  5ßa)3ft,  unb  am  §ofc  be«  Saifer^ 
l^atte  ber  grofee  $umanift  einen  begeifterten  9?ertrcter  an  bem  faiferlic^en  ©efretär  älfonö 
be  3?alb€«.    2)effcn  3^ißi"9^bruber  ^uan  toxxiU,  bornel^mli(^  in  Italien,  für  ben  refor« 

60  matorifd;en  Sled^tfertigungöglauben  ejjod^emad^enb  no(^  innerhalb  ber  römifc^en  Äird^e,  ba 
SSerfucpe  jur  ajerftänbigung  mit  ben  ^roteftanten  nid^t  aufgegeben  baren;  er  ftarb  1541. 


®)iameti,  reformat.  Setuegititg  581 

aiu^fü^rlic^crc^  über   biefc  ncucaftilifd^en   33rüber  3SaIb^  f.  in  bcnt   bcfonbercn  Stttilel 
über  fie. 

SJJe^r  baiUn  bie  altcaftilifc^en  33rüber  ßminaö,  ^axm^  unb  granci^co,  ju  leiben  t)on 
ber  injtoifc^en  arg  ergrimmten  unb  ju  ©etoaltt^aten  erftarften  römifd^en  Äurie.  ^ranciöco 
be  ßnjina^  (er  ^eüenifterte  feinen  fjamiliennamen  ^u  2)r^anber),  geboren  in  Surgoö  ethja  6 
1520,  tüurbe  jung  m  SSertoanbten  in  bie  9?ieberlanbe  gefc^icft,  aber  fc^on  1537  ^urüd^ 
gerufen,  toeil  feine  ©Item  befürd^teten,  er  toerbe  bort  burc^  feine  ©tubien  fid^  in  Un« 
glauben  berinen.  (Sin  3lnge^öriger  ber  5?ömilie,  ^Jebro  be  Serma,  ber  im  Sluftrag  be^ 
©eneralinquiptor^  bie  SBerfe  bon  6ra«mu«  ju  beurteilen  l^atte,  loar  burc^  fte  für  eine 
fruchtbarere  ^rebigttoeife  gewonnen  toorben,  aber  bon  ber  ^nquiption  nac^  längerer  ©e*  lo 
fangenfc^aft  jum  öffentlichen  SBiberruf  Verurteilt  hjorben.  I)er  70 jährige  unterwarf  fic^, 
ging  bann  aber  nad^  $ari^,  h)o  er  lange  aU  SRitglieb  ber  ©orbonne  gelebt  ^atte.  2lte 
^ranci^co  in  bie  9?ieberlanbe  uirüdEfe^ren  burfte,  bejog  er  1539  bie  Uniberfttät  fiötoen. 

§ier  befud^te  i^n  1541  ^ranciöco  be  Ban  SRoman,  ber  gleid^faH«  au^  SSurgoö  ge* 
bürtig  iüar,  iüo  ©njinag  ben  ein  paax  S^^re  älteren  fc^on  gerannt  l^atte,  mit  bem  er  i6 
bann  aud^  in  Stnthjer^jen  berle^rt  l)aiU,  1541  iüar  ©an  SRoman  mit  einem  anbern  Sin:: 
gefteüten  eine«  2lnth)erj)ener  Kauf^aufe«  nac^  93remen  gefd^idEt,  um  ß^^'fw^Ö^'^  ^'"* 
^ufafrieren.  3)ort  ging  er  in  ben  ebangelifd^en  ©otteöbienft  unb  l^örte  eine  ^reblgt  bon 
^acobu^  ?Probft,  ber  $rior  ber  Stuguftiner  in  3lnttDerJ)en  getoefen  toar.  Sluf^  tieffte  er* 
griffen  eilte  ©an  Soman  ju  bem  ^rebiger.  ©iefer  behielt  i^n  brei  Sage  in  feinem  20 
§aufe,  um  ben  i^eij^en  SBiffen^burft  be«  ^lö^lic^  Sele^rten  mel^r  ju  befriebigen.  ©an 
^oman  blieb  bann  nod^  einige  ffiod^en  in  Sremen,  auc^  bon  einem  ©d^otten  unterrichtet, 
lag  ebangelifd^e  ©d^riften  unb  entiüarf  felber  einen  fjjanif^en  Äatec^iömuö;  mehrere 
9Ka^nbriefe  fc^rieb  er  an  ben  ilaifer  unb  melbete  feinen  2i[nth)er})ener  Selannten,  er  toerbe 
i^nen  näc^ften«  bon  feiner  neuen  ©rienntni«  reben,  bann  aber  feiner  3Saterftabt  bie  25 
3Bal^rbeit  berfünben.  3)iefe  Selannten  berftänbigten  bie  ©ominifaner,  unb  faum  l^atte 
©an  9loman  3lnth)er})en  erreid^t,  afö  er  bom  ^Jferbe  geriffen  unb  in  ein  $au«  gefc^lej)))t 
iüurbe,  h)o  man  il^m  $änbe  unb  güfee  jufammenbanb  unb  i^n  bann  ber^örte.  ^n  einem 
bunleln  ©efängni«  mufete  er  ac^t  SKonate  berbringen;  atö  er  berf^rac^,  fic^  befd^eiben  gu 
beraten,  tourbe  er  freigelaffen.  9Jun  fam  er  nacä^  Söiüen  ju  ßnjina«.  Diefer  mif;«  30 
billigte  e«,  bafe  er  ol^ne  orbnung«mä|ige  Berufung  ba«  ^rebigtamt  ausübe,  jiumal  bei 
feinen  mangell^aften  Renntniffen  unb  feiner  geringen  Erfahrung;  er  folle  fid^  junäd^ft  in 
ben  ©rengen  feine«  J?aufmann«ftanbe«  galten,  ©an  SRoman  fagte,  er  toolle  nun  ein 
tDol^lgefe^te«  Seben  fül^ren,  aber  feine  ungeftüme  33egeifterung  lie^  e«  nic^t  baju  lommen. 
(5r  machte  fic^  al^balb  auf  ben  2Beg  nad^  3legen«burg ,  too  ber  Äaifer  9lei^>«tag  l^ielt.  35 
Gr  fuc^te  breimal  ben  Äaifer  auf  unb  biefer  jeigte  fic^  jebe^mal  IboJ^llooHenb.  Slber  ba 
©an  SRoman  nid^t  ablief;  unb  nod^  iüieberfam,  tourbe  er  berl^aftet,  unb  al«  ber  Äaifer  am 
29.  '^uVx  1541  bon  9legen«burg  abreifte,  nal^m  er  i^n  gefeffelt  mit  nad^  3*^'^^"  w"*^ 
©Ipanien.  3in  3)lallorca  am  13.  Df tober  angelommen,  toirb  er  i^n  bort  ber  f))anifd^en 
Snquifition  übergeben  ^aben,  ba  er  felbft  na^  älgier  toeiter  fu^r.  ©an  Sloman  iüurbe  40 
nac^  SSaUabolib  gebracht,  ber  §aulptftabt  feiner  §eimat  ältcaftilien,  unb  bort,  ba  fid^  äße 
Sefel^rung^berfuc^e  al«  frud^tlo«  erliefen,  gum  geuertobe  berurteilt,  ben  er  mit  betounbe« 
rung«h)ürbiger  ©tanb^aftigleit  erbulbete.  m^  ba«  %m^  angegünbet  toar,  machte  er  eine 
Seiüegung,  bie  man  ba^in  beutete,  baf;  er  reuig  fei  unb  gog  i^n  ^erau«.  Slber  er  rief: 
3Ba«  reifet  i^r  mic^  au«  meiner  ©lorie?  33alb  fvax  er  l^ingerafft.  9)litglieber  ber  faifer*  45 
liefen  Scibtoac^e  fammelten  ftc^  Slfc^e  unb  ber  gleic^fall«  in  jßallabolib  antoefenbe  engliwe 
©efanbte  gal^lte  für  einen  l^albberxo^lten  ©d^äbelft)litter,  h)ie  man  fagte,  mehrere  ^unbert 
©ulben.  2)er  Äaifer  liefe  jene  Seibtoäd^ter  in  §afi  nehmen  unb  ber  ©efanbte  erfc^ien 
mehrere  Wonate  nic^t  bei  $ofe.  6«  fc^eint,  bie  Einrichtung  fanb  ftatt  tüä^renb  ber 
Äaifer  in  SaHabolib  toeilte,  toa«  bom  26.  Januar  bi«  22.  9Kai  1542  ber  gatt  toar.      w 

Salb  nac^  ber  legten  Unterrebung  mit  Ban  Sloman  ging  ßnjina«  auf  SBunfc^ 
feiner  6ltem  nad^  $ari«,  iüo  Serma  fterben«Iranf  toar;  im  Sluguft  1541  geleitete  er  i^n 
gum  ©rabe.  9?unmc^r  eilte  er  nad^  Wittenberg,  ^m  Dftober  tourbe  er  immatriluliert 
unb  ?!Keland^tl^on  nal^m  il^n  in  fein  .ipau«  auf.  ©ort  überfe^te  er  ba«  31%  au«  bem 
©ried^ifc^en  in«  ©Jjanifd^e.  Um  e«  brucfen  m  laffen,  reifte  er  mitten  im  Sffiinter  1542—43  65 
nac^  ben  9Jieberlanben.  I)ie  ^inrid^tung  (Ibangelifd^er,  bie  er  in  Sötoen  miterlebte,  be^ 
ftärfte  i^n  nur  in  ber  Überzeugung  bon  ber  SQäid^tigleit  feine«  Unternehmen«.  2lm 
25.  9Jobember  1543  l^änbigte  er  v^önlid^  bem  Äaifer  ein  ©jem^lar  be«  f))anifd^en  9KE« 
ein.  auf  Seranlaffung  be«  Seic^tbater«  be«  Äaifer«  iüurbe  ©njina«  am  13.  3)egember 
berl^aftet.    ^tod  ®lauben«genoffen  fa^  er  gur  Einrichtung  ^tnau«fü^en.    Sefonber«  ber  eo 


582  CMNurirs,  rrformat.  8ctvcgmg 

eine  t>on  i^nen,  ber  fc^lid^te  ^gibtud,  toax  tbm  Xrdfter  unb  bctDunberter  ^cunb  gctoorbcn. 
grft  foft  ein  3^^^^  "^4^  *^w  ©efanaenna^me  erhielt  gngina^  bie  äntlaöefc^rift  am 
1.  Sjbniar  1545  fonb  er  bie  Äerlertpüren  offen  unb  entflog,  ^m  9)lärg  Umr  er  toicbcr 
bei  uRelan^t^on.    auf  beffen  Sffiunfd^  fc^rieb  er  feine  SJenftoürbigfeiten  niebcr,  eine  Sd)rift, 

5  bie  mit  3Reifterf(^  ein  S3ilb  bon  bebeutenben  ^erfonen  unb  tuic^tigen  ßreigniffen  auf 
bem  ^intergrunb  anfc^aulid^  jejei(^neter  gwftönbe  giebt.  ©eine  6Itcm  liefen  i^m  fagen, 
biel  lieber  toürben  fte  il^m  ®ift  fd^iden  aU  Selb  jum  ©tubieren. 

3u  berfclben  ^cit  enegte  ba^  ©<^i(ffal  eine«  anberen  ©^mnier«  in  3)eutf(^Ianb  Icb= 
l^afte«  auffegen,    ^uan  SJiaj  au«  Guenca,  ber  SSaterftabt  ber  Srüber  9SaIb6ö,  hatte 

10  13  ^afyct  lang  ll^eologie  in  ^ri«  ftubiert,  too  ^aitne  ßnjina«  il^n  gan^  für  ben  etjan^ 
gelif^en  ©lauben  gelüann.  1545  ging  er  nad^  ®enf,  too  er  einige  ^lonatc  blieb  unb 
ßalbin«  $oc^fc^ä^ung  erntete.  Ste  am  6nbe  be«  ^af)xt^  bie  ©tabt  Stra^urg  jum 
beabfic^tigten  9leligion«gefj)räc^  in  3legen«burg  93ufter  fanbte,  erbat  fic^  biefer  unb  er^iielt 
ate  ©e^ilfen  gwan  ©iaj.    SSon  SRegeneburg  ging  %\a^  nai)  Sieuburg  a.  2).,  too  er  feine 

16  furge  ebangelifc^e  Summa  bruden  liefe,  ^nglüifc^en  l^atte  fein  Sruber  Sllfon«,  ber  an 
einem  j)äi)ftlid^en  ®erid^t«l^of  in  3lom  angeftellt  toar,  bon  ^an^  äbfaU  gehört  unb 
mad^te  fid^  auf  bie  Steife  mit  einem  33üttel,  burc^  ben  er  Iguan  meuc^ling«  mit  einem 
Seil  erf dalagen  Hefe,  27.  9JJärj  1540.  S)en  ^rogefe  gegen  2(lfon«  liefeen  ^iap^  unb 
Äaifer  fc^liefeUd^  fotten:  ^uan  f)aiU  bie  3:obe«ftrafe  bertoirlt  unb  fein  Sruber  ^aiU  eine 

20  grofeartige  ®lauben«treue  betoiefen.  @r  lebte  unbel^elligt  in  Bpanim,  boc^  fott  er  ficb 
enblid^  ^e^enft  ^aben.  granci«co  ßnjina«,  ber  gel^offt  l^tte,  nac^  einem  3Sorfc^lag  üon 
©iag  mit  biefen  in  9Jümberg  jufammen  ju  treffen,  ging  nun  im  ^xmi  au«  Sßittenbcrg 
nad^  ©trafeburg,  h)0  er  bei  33u^er  tool^ntc,  bann  befud^te  er  in  ^üric^  SuUinger  unb 
anbcre,   9?abian  in  ©t.  ®atlen,  ©ailcr  in  Sinbau,  Slaurer  in  Äon]tang.    3"  35öfcl  liefe 

26  er  fiA  immatrifulieren  unb  liefe  noc^  in  bemfelben  ^al)x  1546  ben  bon  il^m  bearbeiteten 
Sericpt  über  ben  3)iajmorb  unb  eine  ©d^rift  gegen  ba«  2!rienter  Äonjiil  bruden. 

3m  SöHuar  unb  gebruar  1547  befud^te  er  noc^  einmal  bie  greunbe  in3üri(^  unb 
©t.  ®allen.  33alb  lam  erfd^üttembe  Äunbe  bon  feinem  Sruber  ^axmc,  ©ie  ^en 
einanber  gule^t  in  ben  Slieberlanbcn  gcfe^en.    35ort  l^attc  ^aime  einen  Äatec^i«mu«  m 

ao  ©ipanifc^e  überfe^t  unb  herausgegeben,  fipäter  toar  er  nadf  3lom  gegangen.  Um  ben 
3ai^re«f^lufe  1545  tourbe  er  bafelbft  berl^aftet  unb  um  SKitte  9Kärg  1547  berbrannt. 

3m  3Rax  1547  mad^tc  ^ancißco  einen  2lu«flug  nai)  ©trafeburg,  im  Slobcmber  toax 
er  in  Slemmingcn.  1548  Derl^eiratete  er  fic^  mit  einer  ©trafeburgerin  unb  ftebeltc  nad» 
ßambribgc  über,  too  er  eine  ^rofeffur  für  ba«  ®riec^ifc^e  erhielt.    Slber  fc^on  im  SZobemba 

36  1549  ging  er  iüiebcr  nac^  ^cutfd^lanb.  eine  f))anifd^e  Überfe^ung  bon  i^m  au«^lutarc^ 
tourbe  in  Safel  gebrudt,  in  ©trafeburg  liefe  er  Übcrfc^ungen  au«  ^luton^,  Sudan, 
Sibiu«,  gloru«  bruden.  3Son  bcm  Sibctoerf,  an  bem  er  bielc  S^^re  gearbeitet 
l^atte,  ift  nid^t«  gum  l^orfc^ein  gcfommcn.  3"^  ©ommer  1552  reifte  er  nac^  ®enf  ,;u 
ßalbin,  bann  nad^  3lug«burg.    älm  30.  3)egember  ftarb  er  gu  ©trafeburg  an  ber  i^cft, 

40  unb  einige  ffioc^en  nad^  il^m  feine  grau.  3)kland^tl^on  toünfd^tc  eine  ber  beiben  lö^tcr 
ju  ftc^  ju  nel^mcn,  aber  bie  ©trafeburger  gaben  fic  nid^t  ^er. 

^uerft  bilbeten  ftc^  in  ©ebilta  ebangelifd^e  ®ru}}lpen  unb  Ärcifc,  bie  gu  einer  öc= 
meinbe  j^ufammen^ufliefeen  begannen. 

3uan  ^ereg  be  ^ineba,  ^rior  ber  iürd^c  bon  D«ma,  iüar  1527  faiferlic^er  ®efanbt= 

46  fd;aft«fefretär  in  SRom,  al«  bie  ©tabt  burd^  SBourbon«  §eer  erobert  iüurbe.  ®r  lonnte  fw^ 
glüdli(^  jjretfen,  bafe  er  in  einem  ber  jtoei  ein]\igen  Käufer  toobnte,  bie  nac^  3^^'""? 
einer  ^ol^cn  ©umme  ungej)lünbert  blieben.  @r  berid^tet,  bafe,  um  ben  Slbmarfc^  bee 
§cere«  gu  erlaufen,  ©eine  §eilig!eit  fed^«  Äarbinal«^üte  verlaufen  mufete.  5Pcrej  hatte 
bie  römifc^e  ftird^e  ju  genau  !ennen  gelernt,  al«  bafe  fein  ^o^er  ©inn   fid^   l^ätte  in  i6r 

50  befriebigt  finben  !önnen.  3"  feine  anbalufifc^c  §eimat  jurüdgefe^rt,  übernahm  er  in 
©et)illa  bie  2)ireftion  ber  ftäbtifd^en  6rjie^ung«anftalt,  genannt  Colegio  de  doctrina, 
unb  fuc^te,  ol)ne  angriff«h)eife  borjugeben,  wai}xe  gri^mmigfeit  gu  förbem. 

1533  tüurbe  Gonftantino  $once  be  la  guentc,  gebürtig  aix^  ber  ajiöcefc  Guenca, 
al«  "^^Srebiger  an  bie  ©eüiUaner  Äatl^ebrale  berufen,   ein  gemütboHer  grofeer  SRebner,  ber 

66  bie  .^er^en  ju  rüf^ren  Derftanb.  SBenige  ^al}xc  fjjäter  rief  man  ben  3tragonefen  3^^" 
ßgibto  in  ein  ^rebigtamt  in  ©etjiHa.  ©eine  fd;olaftifd^en  Vorträge  liefeen  falt,  ober  er 
geioann  eine  anbere  SBeifc  burd)  benßinPufe  eine«  Saien,  Sobrigo  be  isalera,  ber,  bur(^ 
eifrige«  ©tubiuni  ber  lateinifc^H^n  SBibel  l)on  römifd^en  £et;ren  abgefommen,  in  ©trafecn- 
^)rebigten  jur  Umte^r  nmt^nte.    2)ie  3"^wifition   fa^  ibn  gunäd^ft  al«  9larren   an,   lon^ 

60  fi«jierte  aber  fein  i>ermögen,  enblic^  lourbc  er,  ba  er  fid^  nic^t  berui^igte,  ya  lebenslange 


®)iaiiteit,  rcformot.  Setoegimg  683 

lid^cm  ©cfängniö  verurteilt,  ägibiu«  unb  ßonftanttno  ipirltcn  nun  freunbfd^aftlidS^  mit* 
cinanbcr,  unb  in  bemfelben  ®eifte  ^ielt  2)e  SSarga^  Sorlefungen  ü6er  ben  SRömerbrief 
unb  bic  ^falmen.  ßonftantino  veröffentlichte  1544—48  in  ©evitta:  Selenntni«  eine« 
©ünberg,  Se^rfumme  mit  ber  SBergprebigt,  fed^«  ^rebigten  über  ben  erften  ^falm,  einen 
Äated^i^mu^  unb  ben  erften  3^eil  feiner  Dogmatil,  ©d^riften,  bie  ate  SMufter  fjjanifd^en  5 
©til^  galten. 

1548  ging  ßonftantino  mit  $rinj  ^P^ilipjb  nad)  Srüjfel  jum  Äaifer,  ber  i^n  jum 
^oflaplan  ernannte.  1550  n>ar  er  mtt  bem  Kaifer  auf  bem  Slug^burger  SReid^gtag.  3m 
näd^ften  3a^r  lelj^rte  er  nad^  ßaftilien  jurüdt,  ging  aber  1554  mit  $^ilij)J)  nac^  ©nglanb. 
6nbc  1555  tüar  er  h>ieber  in  ©evitta.  10 

2)ort  h>ar  ingtDifdj^en  im  ^a\)x^  1552  ägibio  Von  ber  ^nquifition  Verurteilt  loorben, 
jcl^n  3al^rc  lang  meber  ju  j)rebigen  noc^  SSorlefungen  ^u  galten,  unb  l^attc  einen  SBiber« 
ruf  geleistet.    Salb  nad^   einem  Sefuc^  bei  greunben  m  SJaDabolib  ftarb  er  j^u  Slnfang 

1556  in  ©cViDa,  voD  SReue  über  feine  fd^tvä^lidj^e  SRetraftation. 

^ereg  lüar,  c^e  bie  gnquifttion  ilf^m  ben  ^ro^efe  machte,  in  ben  fünfziger  ^f)xm  nad)  is 
®cnf  au^emanbert.  Dort  ^atte  fc^on  1550  ein  ©panier  ben  calvinifd^en  Kated^iömug 
inig  ©>)anifd^e  überfe^t  unb  herausgegeben.  1555  flüd^teten  fieben  ^erfonen,  9Känner 
unb  aSeiber,  au«  ©evitta  ebenbal^in,  jtDei  ^af)x^  fj)äter  jtoölf  SWönc^e  be«  ©eviDaner 
Sfibrotlofter«.  $erej,  ber  Von  ßnbe  1556  b\^  3Kitte  1558  in  ^ranlfurt  a.  SK.  gemefen 
\vax,  erhielt  im  Dftober  1558  in  ®enf  bie  ßrlaubni«,  al^  ^ßrebiger  einer  fjjanifd^cn  ©e^  20 
nieinbc  in  einer  Ä'irc^e  ©otteSbienft  ju  galten.  3"J^if^.^"  toaren  bafelbft  Von  i^m  Ver^ 
öffentlid^t  1556  feine  f>)anifd^e  Überfe^ung  beS  ""JlZi  unb  fein  Sumario  breve  dedoctrina 
Chr.,  1556  unb  1557  ber  Äommentar  Von  ^wan  be  3Salb6«  jum  SRömerbrief  unb  jum 
erften  Äorint^crbrief,  1557  feine  ^falmenüberfe^ung    unb   fein  S3rief  an  Äöni^  ^l^ili}))), 

1557  erfc^ien  bort  auc^  unter  bem  S^itel  33ilb  bc«  2lntic^rift  eine  ^rebigt  Ddj^ino«,  von  35 
Sllonfo  be  ^efiafuorte  in«  ©jjanifd^e  überfe^t.  Söa^rfdjjeinlid^  lag  bamal«  aud^  fdj^on  ba« 
©ummarium  Von  Slbläffen  flpanifd^  gebrudtt  Vor.  ßinige  Von  biefen  ©d^riften  unb  Viel* 
leicht  anbcre  tvurbcn  etu>a  im  3^1'  1557  nad^  ©evitta  gebrad^t  Von  ^nlxan  §emanbej, 
ältcaftilier  au«  SSalVerbe  in  ber  2:ierra  be  ßam^jo«,  ber  al«  3)iaIon  ber  tvattonifd^en 
(Semeinbe  in  granffurt  a.  5K.  t^ätig  getvefen  tvar.  S)ie  eingefc^muggelten  Süc(;er  tourbcn  so 
entbetft  unb  ^wlian  tvurbe  im  Dftober  auf  ber  5^"^^  von  ber  ^nquifition  gefangen 
genommen. 

3)a«  führte  jur  SSer^aftung  einer  großen  i\a^  von  2^uim,  bie  man  ber  „lut^erifc^en 
Äe^erei"  Verbäc^tig  ^iclt.  Slnge^örige  atter  ©tänbe:  ^Männer  unb  grauen,  3Wönd^e  unb 
ÜJonnen,  Saien  unb  ©eiftlic^e,  auc^  ein  ®ranbe  von  Bpanxm,  ^nan  ^ßonce  be  Seon,  86 
manberten  in  bie  Äerler  be«  2:rianafd^loffe«.  ßonftantino  fud^te  fid^  baburd(^  ju  retten, 
ba^  er  ftd^  jum  ßintritt  in  bie  ©efcttfc^aft  3^fu  melbete,  bie  il^m  feinb  h>ar,  aber  er 
tourbe  nid^t  angenommen,  ein  gnquifitor  hatte  abgetoinit.  3"^  ©ommer  1558  gefangen, 
mufete  er  fc^liefelic^  atte  3lu«flü(^te  aufgeben,  al«  man  feine  Verftedften  9Wanuffrit)te  ents 
bcdtt  i}atU,  in  bcnen  er  fic^  offen  über  feine  unrömifd^en  Slnfid^ten  au«fj)rad^.  3)ie  ^af)l  40 
ber  nac^  unb  na^  gefangen  ©efe^ten  betrug  etma  100,  tvöi^renb  e«  einigen  gelang,  ftdj^ 
burc^  bie  Jjluc^t  in«  9lu«lanb  ju  retten. 

2luc^  in  ber  9leid^«^auj)tftabt  Sattabolib  unb  in  ber  Umgebung  Ivar  eine  eVangelifc^e 
Setvegung  entftanbcn.  Slngeregt  loar  fie  burc^  ben  33eronefer  ßarle«  be  ©efo,  beffen 
®cma^lin  eine  SSertvanbte  be«  Äaifer«  loar.  @r  l^atte  in  ^^li^n  reformatorifd^e  2e^e  46 
lennen  gelernt  unb  nannte  ftd^  einen  ©d^üler  Von  ^nan  be  SSalb^,  beffen  fjjanifc^e 
Äonfibcrationen  foloie  mand^e  eVangelifc^e  ©c^riften  anberer  er  nad^  ©Jjanien  mitnahm, 
too^l  balb  nac^  1550.  6r  erhielt  eine  angef eigene  öffentlid^e  Slnftettung.  SRadj^  einigen 
Sauren  begann  er  vorfid^tig  ®lauben«genoffen  ju  getvinnen  unb  befreunbete  fid^  in«» 
befonbcre  mit  ber  gamilie  dajatta  in  ^attabolib.  SKud^  ber  ju  Slnfang  1557  bortbin  60 
übergeficbelte  §ofprebiger3)e  Gajatta,  ber  mit  ben  Äaifer  in  2)eutfd^lanb  geloefen  Ivar,  fc^lofe 
ftc^  mi)  einigen  3Ronaten  an  ©efo  an.  ©in  ga^r  fj)äter  griff  bie  ^nqwif^tion  ein  unb 
am  21.  SWai  1559  fanb  in  SSattabolib  ein  ^roteftantenauto  ftatt,  in  ®egenh)art  ber 
SHegentin  unb  be«  'ißringen  ßarlo«.  3)e  ßagatta  lonnte  fic^  nid^t  genug  tbun  in  reuigen 
Sieben  über  feine  iserirrungen  unb  in  Ermahnungen  an  ba«  3SolI  jum  geft^alten  an  ber  66 
^eiligen  römifd^en  Äird()e.  ^JWan  mufe  glauben,  ba^  feine  Sleue  aufrid^tig  h>ar,  benn  ein 
folc^e«  Slufgebot  Von  §eud()elei  loäre  ni^t  nötig  getoefen,  um  noc$  am  9)larter))fal^l  ^ur 
®arrottierung  begnabigt  ju  tverben.  6in  Sruber  unb  eine  ©d^tvefter  Von  i^m  h?urben 
garrottiert,  ein  Sruber  unb  eine  ©dj^toefter  ju  arbiträrer  ®efängni«ftrafe  Verurteilt;  auc^ 
bie  au«gegrabencn  ®ebeine  ber  3)lutter  biefer  fünf  tvurben  Verbrannt.    3^r  iQau^  tvurbe  eo 


584  Bptmku,  rrformat  Sciofgmm 

nicbcrgeriffen  unb  on  bcr  Stelle  h>urbe  ein  ©df^anbmal  mit  S^fdj^rift  errichtet,  bo^  man 
noc^  im  19.  gö^^^un^^  fö^.  S)er  eingige  bon  allen,  ber  fic^  nidj^t  reuig  geigte,  hnir  ber 
Saccalaureu«  §eregueIo,  ein  Äbbolat.  JJergeblid^  gab  ftd^  noc^  auf  bem  SBege  inx 
Stanbftätte  De  ßflJöDa  3Bü^e,  i^n  gu  belehren.    Ate  er  fd^on  am  $fa^l  befeftigt  toar, 

5  einen  Änebel  im  ÜJCunb,  toarf  i^m  jemanb  einen  ©tein  an  ben  Äopf,  fo  bafe  er  blutete, 
unb  ein  §eDebarbier  ftad^  il^n,  —  er  rührte  fic^  nidj^t.  äDe  3uf<i^ucr  toarcn  tooll  33c= 
U>unberung  über  feine  ©tanb^ftigleit  in  ben  glöi"»««^/  w*  mancher  l^t  feinen  unenblic^ 
tiefen  6mft  nie  bergeffen  lönnen.  äte  er  Dom  äutogerüft  ^erabfteigenb  an  feiner  jungen 
grau  borbeifam,  bie  gu  ©efängni«  berurteilt  loar,  h>enbete  er  fidj^  untotOig  ob.     9leun 

10  ^al^re  \pätzt  ging  fte  aU  rü(ffciOige  5te^erin  freubig  in  ben  glammentob. 

3m  äuguft  1559  h>urbe  ber  grgbifc^of  bon  2:olebo,  Garranja,  ber^aftet;  nac^ 
17  ^afycm  ©efängni«  tourbe  er  ate  ^öd^ft  berbädj^tig  ber  §ärefie  berurteilt,  Iut^erif(^ 
unb  anbere  S^^^ümer  abjufd^tDören. 

6in  SebiDaner  Sluto  fanb  am  24.  ©et)tember  1559   ftatt.    3Serbrannt   tourbe  mit 

15  mel^reren  anbem  SKaria  be  Sol^orque^,  ein  SMäbc^en  bon  26  3^^^"/  ^^^  ^*^  ^^^  ?^^^ 
Gaffioboro  be  SRaina  enH)fangene  SelejS^rung  feft^ielt,  unb  burc^  i^re  Äenntniffe  ini 
Satcinifd^en  unb  aud^  etloaig  im  (Sriec^ifc^en  unb  i^re  93i6eßunbe  in  ßrftaunen  fefttc; 
mel^rere  ©tunben  bor  il^rem  S^obe  fc^ien  fte  ftd^  belehren  ju  loollen,  äußerte  bann  aber 
immer  nod^  3Serbäc^tige^.    6in  §au^,  in  bem  ©bangelifd^e  öfter  Serfammlungen  geilten 

30  l^atten,  h>urbe  niebergeriffen,  unb  eine  S^f^^P  bezeichnete  ben  berfe^mten  ^Pla^. 

Sei  bem  jtoeiten  Sut^eranerauto  in  SSoilaboIib  am  8.  CÖober  1559  toaren  ber 
Äönig  unb  feine  ©dj^toefter  unb  fein  ©ol^n  jugegen.  3)er  Äönig  leiftete  einen  gib,  bafe 
er  ber  l^eiligen  ^nquifition  alle  §ilfe  unb  ®unft  bejeigen  h>erbe.  Serbrannt  tvurben 
ßarloö  be  ©efo  unb  3uan  ©anc^ej,  ber  Äüfter  bon  nod^  einem  ©ruber  2)e  6<igaUa^, 

26  ber  ganottiert  h>urbe. 

3n  ©ebiUa  h>urbe  22.3)ejember  1560  verbrannt  Julian  §emanbeg,  ein  Saienbruber 
be«  SfibroIIofter«  unb  anbere,  aud^  bie  (Sebeine  bon  De  ßgibio  unb  3)e  Gonftantino, 
ber  ber  unerträglichen  §ifee  feine«  ©efängniffe«  erlegen  toar,  unb  bie  ©tatue  bon  ^mn 
$erej  be  ^ineba.    SDiefer  pcitte  1559  eine  fj)anifc^e  Überfe^ung  bon  ©leiban«   gtpei  Seben 

30  an  Kaifer  unb  SReic^  beröffentlid^t,  mit  einem  äSortoort  an  $^ili})j):  toenn  er  fo  fortfahre, 

U>crbe  er  ein  Äönig  über  9lfc^e  unb  ©anbenito«;  1560  eine  Bearbeitung  t)on  Urb.  SRegiu«' 

©c^rift:  Sllte  unb  neue  Se^re,  unb  einen  S^rofibricf  an  bie  fbanifd^en  ®lauben«genoffen. 

3lm  26.  2tJ)ril  1562  berbrannte  man   ebenba  mehrere  Sut^eraner,  unb   in  statua 

jel^n  ^ieron^miten  bc«  Älofter«  ©t.  Sftbro.    2lm  28.  Dftober  be«felben  ^al^re«  erfcbicn 

36  ßJarcia  Slria«,  2lnbalufier  au^  ^a^a,  genannt  3Raeftro  Slanco,  auf  bem  Scheiterhaufen. 
3)urc^  il^n  loaren  bie  erften  Junten  etoangelifd()en  Seben«  in  ba«  3fi^^olIofter  gefaflcn. 
Gr  l^attc  bon  feinen  ?!Könd;cn  ba«  Stubium  ber  ^I.  Sd^rift  berlangt,  freiließ  c«  bann 
loieber  baburd()  berborben,  bafe  er  übertriebene  fiafteiungcn  em>)fa^I  ate  Vorbereitung 
ju  Grleuc^tungen,  toie  geloiffc  älumbrabo«.    ^m  Stuguft  1558  gefangen,  ging  er  fd^neB= 

40  Ixi)  „toegcn  Sut^ertum«"  in  ben  geuertob. 

3?on  aßen  biefcn  3tuto«  ^aben  Irir  alte  Serid^te,  au^  benen  l^ier  nur  tpenige«  mit= 
geteilt  loerbcn  fonnte.  2)urd()  fte  ift  im  tDcfentlid^en  mit  ber  ebangclifd()en  Setoegung  in 
Sjjanien  aufgeräumt  h?orben.  SBa«  fidb  fonft  nod^  in  ben  2lften  ber  Sn^wif^tion  an 
„Sut^eranem"  finbet,  ftnb  burd^loeg  3tu«Iänber,  gran^ofen,  3!)eutfd^c,  Gnglänber,  bie  aU 

45  ^anbeltreibcnbe  unb  Seeleute  Sj)anien  auf^ufud^cn  acjloungen  traren  unb  ber  Snquifition 
in  bie  ^änbc  fielen.  3"  S^olebo  gelang  e«  bem  f^arf  bigilierenben  ^l.  Dffiuum  einmal 
fogar  eine  ganje  (SrubJ)e  franjöfif^er  $roteftantcn  aufjul^eben,  bie  i^re  ®lauben«treue 
im  '^aa)xc  1565  auf  einem  Slutobafe  beja^lcn  mußten,  nid^t  ol^ne  bafe  mand^e  bon  i^ncn 
bebauerlid^c  Sj)uren  bon  Äleinmut    gezeigt    l^ätten.    3)Jit   einer  nationalen  ebangelifc^cn 

50  öciüegung  aber  l^aben  bicfe  3lu«Iänber  nid^t«  ^u  t^un  gehabt. 

2lu«  bem  Srei[e  ber  geflücf;tetcn  3Könc^e  bon  S.  Sfi^^o  ift  ba«  unter  bem  $feubo= 
ni;m  bc«  „9teinalbu«  ©onfalbiu«  DJtontanu«"  erfc^iencne  befannte  Suc^  über  bie  Artes 
Inquisitionis,  ^eibclberg  1567,  l^erborgegangen,  beffen  ßuberläfftötcit  jeboc^  burcb  einen 
ja   [e^r  bcgreiflid^cn  ^afe  bcö  3?erfaffer«  gegen   [eine  ^^ciniger  unb  füblid^e  Seibenf^aft^ 

65  lic^feit  fcF?r  in  ^rage  gcfteflt  ioirb,  unb  beffen  Scridbtcn  bie  neucrbing«  ^n  Jage  geförbertcn 
2lftcn  in  biclcn  fünften  ftrittc  U)iber[j)red^en. 

3)ie  [^)anifd;c  ©efanbtfd^aft  in  Gnglanb  berichtet  il^rcm  Äönig  im  ^nlx  1568  unb 
Sr^jril  1569  über  ba«  2Berf  unb  ben  2>erf.:  G«  ift  ^icr  ein  3Kinifter  H^roteft.  ^rebiger], 
Boljn  eine«  S^janier«  unb   geboren   in  ^oKanb  f§oIanba|,    ber  a)Jönd^  in  ©J>anien  ge= 

60  ioefcn  unb  bor  ber  ^nquifition  gcflol^en  ift,  gegen  bie  er  ein  bIa«))l^emi{dS^e«  S3ud(^  gefc^rieben 


@)iaiiteit,  rcfomtat  Sctuegisisg  585 

l}at,  ha^  f)m  in  brci  SSoIföfjjrad^en  umläuft  [franjöftfd^,  cnglifd^,  l^otlänbifc^].  3)a  ^ottanb 
aud)  in  Weiterem  ©inne  für  SRiebcrIanbe  Dorfommt,  fo  bürftc  c^  ^öc^ft  U)a^rf^einlid; 
fein,  bafe  3Rontanu^,  glorcntu«  bc  SWontcö  in  ?!Konö  geboren  h?ar,  b.  i.  Sergen  im 
^enncgau  (in  berfelben  ©tabt  ift  1522  ®\x\)  be  93ra^  geboren).  SMöglic^ertoeife  ^abcn 
h)ir  ben  SSerfaffer  in  ber  ^erfon  be^  Saienbruberg  bon  6.  ^\it>xo,  grang  Senito,  ju  6 
fuc^en,  ber  im  ^a^re  1559  bon  ber  ©eöiDa^^nquifition  relonjiliiert,  bann  aber  an^ 
©panien  entfommen  ift.    3)od^  lä^t  fid^  ©idj^erc«  barüber  nic^t  mel^r  feftfteDen. 

SSon  ben  fonftigen  flücl()tigen  gftbromönd^en  mar  2lntonio  bei  6ono  ber  erfte,  ber 
1557  in  ©enf  anlangte.  6r  reifte  aber  fe^r  balb  Leiter  nac^  Saufanne,  um  auf  ber 
bortigen  3lfabemie  ju  ftubieren.  Der  bebeutenbfte  ^rofeffor  bort,  I^eobor  93eja,  beel^rte  lo 
i^n  mit  feiner  greunbfd^aft,  unb  bie  SHegierung  bon  Sern,  ber  aud^  Saufanne  untergeben 
tvax,  gab  i^m  eine  greiftetle  in  einem  bom  ©taat  geftifteten  Äonöift.  9luc^  al^  nad^ 
einem  ^a^x  93eja  na^  ®enf  an  bie  neuerrid^tete  Stiabemie  jurüdflel^rte,  blieb  (Sono  nod^ 
ein  ^albe^  ^al)x  in  Saufanne.  3ln  berfelben  2tfabemie  h>ar  fjjäter,  1567  bi^  gu  feinem 
STobe  1580  $ebro  9iufie;i  Sela  au«  ätoila  ^rofeffor  be«  ®ried^ifdg>en.  31«  ftd^  für  (Sono  i6 
bie  3lu«rtd^t  eröffnete,  feinem  3Saterlanbe  nä^er  in  ©übfranfrcid^  feinen  i^olfögenoffen 
nü^lic^  gu  fein,  jog  er  im  SKai  1559  mit  (SalDin«  emjjfe^lung  bort^in.  SBei^nac^t  1563 
lub  er  feinen  ©eDiflaner  Älofterbruber  unb  ^erjen«freunb  ßafftoboro  be  SReina  ein  ju  il^m 
in  tommen  unb  9?alera  mitzubringen,  bamit  fie  ba«  f})anifd^e  912^  brutften,  h>a«  bie 
Äönigin  t)on  9Jabaua  in  einem  i^rer  ©c^löjfer  geftatte.  20 

SHeina  loar  au^  ®enf  nac^  Sonbon  gegangen  unb  ^atte  bort  1559  eine  f^janifd^e 
©emeinbe  gefammelt  auf  ®runb  eine«  bon  i^m  Derfaftten  ®lauben«betenntniffe«.  3!)em 
al«  ©erbetianer  unb  ©obomit  33erleumbeten  entjog  bie  Äönigin  bie  erft  beU>iIligte  Äirc^e 
unb  ^enfion,  unb  er  felbft  bielt  e«  unter  ben  obmaltenben  Umftänben,  in  benen  er  auf 
unbefangene  Seurteilung  nicpt  red()nen  lonnte,  für  ba«  geratenste,  ©nglanb  junäd^ft  ju  26 
bcrlaffen.  9iad^  feiner  Slbreife  tam  jener  Srief  6ouo«  in  bie  §änbe  be«  franjöftfc^en 
®emeinbeborftanbe«,  ber  il^n  öffnete,  toa«  für  ben  SSerf.  t)er^ängni«öoD  h>urbe. 

ßorro  mar  in  ©übfranfreic^  an  mej^reren  Orten  tl^ätig  unb  angefteUt.  3n  2:ouloufe 
fam  er  auf  bie  ^roffrij)tion«lifte  unb  entging  bem  geh>altfamen  2:obe  nur  burq  bie  glud^t. 
3n  33ergerac,n)oil^nSReina  befud&te,  mufete  er  ba«$rebigtamtal«2lu«länber  aufgeben.  2)a«fclbe  30 
©d^idtfal  traf  in  Sloi«  ^uan  $ereg  be  5}ineba.  2)iefer  l^atte  in  ®enf  1561  im  c^ofj)ital 
gelegen  unb  Wax  bann  1562  nac^  granireic^  übergejiebelt;  bie  ©Jjanier  in  ®enf  mürben 
fortan  9Kitglieber  ber  italienifd^en  (Semeinbe.  SlUe  bie  eben  genannten  ©ebiUaner  fanben 
aufnähme  in  ?Kontargi«  bei  kr  franjöfifd^en  Äönig«toc^ter  9len6e,  §erjoginmitme  bon 
gerrara.  9^eina  ging  balb  nocp  2)eutfc^lanb,  5Perej\  na^  5Pari«,  um  ba«  fjjanifc^e  ^1%  36 
JU  brutfen.  3Begen  biefer  Slrbeit  unb  Iör^)erlid^en  Seiben«  lonnte  ber  ®rei«  einem  SRuf 
nad^  Slnttrer^jen  nid()t  ^olge  leiften.  ©tatt  feiner  berief  man  6ouo,  unb  biefer  traf  im 
9Jobember  1566  bort  ein.  3)er  Slegentin  n>ar  ein  ©panier  al«  ebangelifd()er  ^ßrebiger 
ein  ®reuel,  unb  in  berl^at  ^at  er  nid^t  öfter  al«  einmal  prebigen  lönnen.  3)er  ©tatt« 
kalter  Dranien  trünfd^te,  bafe  alle  nieberlänbifd^en  ©Dangelifd^en  fid^  für  bie  3tug«burger  40 
Äonfeffion  erflärten,  ba  nur  fo  eine  9leic^«^ilfe  ju  erwarten  h>ar.  3la6)  einer  Unters 
rebung  mit  glaciu«  veröffentlichte  6ono  einen  franjöfifd^en  35rief  an  bie  Setenner  ber 
3lug«burger  Äonfeffton,  toorin  er  ermahnte,  bie  ©onbcrle^ren  in  ben  §intergrunb  ju 
brängen  unb  ftd^  j^u  bem  einzigen  ©rlöfer  jufammeruufd^aren.  SlDein  er  l^atte  feinen 
j)raftifc^en  ©rfolg.  ^m  SWärj  lie|  er  eine  franpfifd^e  (gpiftel  an  ben  Äönig  bon  ©panien  45 
brucfen,  loorin  er  erjä^lt,  lüie  er  in  ©ebitla  ^lum  ©Dangelium  gelommen,  fein  ®lauben«5 
betenntni«  enttritfelt,  bie  neueften  3Jle§eleien  in  ben  9lieberlanben  berichtet  unb  auf  ©in? 
fteDung  ber  3Serfolgung  ber  CSöangelif^en  bringt.  3)ie  eöangelifd^en  ^rebiger  tourben 
au«  ben  9Jieberlanben  au«geh)iefen  unb  3llba  trat  bie  §errfc^aft  an.  —  6ouo  l^atte  fic^ 
f(bon  nad^  (Snglanb  begeben.  60 

!3n  Sonbon  fanb  er  bie  Seiter  ber  franjöfifd^en  ®emeinbe  gegen  i^n  eingenommen, 
infolge  jene«  Sriefe«  an  SReina,  al«  beffen  intimer  greunb  er  fi(§  jeigte  unb  bei  bem  er 
fic^  nac^  Dfianber  unb  anbern  bon  ®enf  Dertoorfenen  2:i^eologen  erfunbigte.  3^^^  P^^"*^ 
i^m  ber  Sifd^of  \)on  Sonbon  ein  3c"0"i^  füt  feine  Sled^tgläubigleit  au«,  unb  tourbe  er 
in  bie  italienifd[)e  ®emeinbe  aufgenommen,  ju  ber  aud^  ©jjanier  gel^örten,  benen  er  nun  66 
J)rebigte.  Dod^  aud^  bie  Stflli^"^  h?aren  mit  i^m  ni(^t  aufrieben  unb  Dertoeigerten  il^m 
ba«  aibenbmal^l.  2Begen  beleibigenber  Sieben  entzog  ihm  ber  Sifc^of  bie  Äanj^el.  2)ie 
franjöfifd^e  9Jationalf^nobe  toon  1571  unter  Seja«  SSorfift  Verurteilte  (Sorro«  iafel  ber 
SBerxe  ®otte«,  bon  ber  er  eine  neue  Sluflage  im  Sa^re  bor^er  ber  Königin  ^atte  lüibmen 
bürfen.   ör  f^lo^  fidj^  nun  ber  anglitanifc^en  Äirdj^e  an.    SSon  ber  juriftifc^en  Äorj)oration  eo 


3oB  Spsnni^  twfwnML 


6€r  xtmvia  m  tcvltvn  btaumaqn,  bvdt  er  lattw^At  tbfologifc^  S^oriefungcn.  Tm 
oaulhnktei  Mcmabntr  axbtixitu  er  1574  um  pi  einem  ®e{)9röc^  }ta>i|c^  Wm  9))ojtei 
iiii£  einem  5lümer.  XaB  er  Un  tbteloq^dfm  Xcfoorgrab  in  Crforb  eriongte,  binter^ 
trieben  feine  fran^ftKben  Gk^ner.     Seine  lateini{<6e  iSara)>brafe  bed  Ecclesiastes  1579 

;  m  mebrmol^  getnicft  tcciten.  1579  tmnbe  er  iMeitgiondle^rer  in  brei  ^n^ituten  btcfer 
Unioerfttot  1581—85  tDor  a  tbeülogifcber  3^far  tM>n  Christ  Chorch  CoUege. 
1582  eiHeü  er  eine  ^röbenbe,  bie  pt  St  ^Soul  in  Smibon  ge^rte.  @r  fiorb  1591  in 
^nbon.  Sie  9nniniana  Y6ä^en  ibn  old  einen  mo^oSen  X^togen.  93on  ^dbcfti= 
nierter  Serbammni$   tücQte  er  nicbt^  tüiffen.    Unter  feine  ite^creien  tixtr  aud^  gerechnet 

10  tocrben,  baB  er  6ebau)>tete:  ber  Staat  foHe  nii^t  gegen  J^oretiter  einfc^reiten,  fonbcrn 
i^em  i^digion^eibeit  getröbren. 

^eina  batte  jtcb  1565  mit  feiner  ^omilie  in  grtoidfurt  a.  3R.  niebergelaffen,  \üo  er 
J>on  einem  Seibengefcbäft  lebte  unb  an  feiner  Sibdüberfe^ung  arbeitete,  ^ercn  Tmd 
übeitoacbte  er  in  Safel  1568—69.    Qi   ift  bie  erfte  f^KUiifc^  ganje  Sibcl^  bic  ouö  boi 

15  (9runbTpracben  überfe^  ift  ^Jtaib  gfronlfiirt  ^urüdgdebrt,  erj^idt  er  bort  ba^  Sürgenccbt 
157')  t)eröffentlt(bte  er  feine  lateinifcbe  Su^egung  Don  Watt^i  4  unb  t>on  9(bfc^nitten 
bed  ^obaimtöMmQdiame,  1578,  ol^  ber  §nd)e  Don  älnttoert^en  ben  nieberlonbifc^ 
^roteftonten  ^Jrreibdt  gebracht  botte,  folgte  er  einem  9luf  nac^  Xnttoerpen  aU  fran^ö^cber 
^fbr  ber  9ugfi^bttrger  ftonfeffton.    Sorber  iebo(b  fieOte  er  ftd^  ber  föniglid^en  Äommtffion 

20  in  ßnglanb  ^ur  9burteUung  ber  alten  Snflage  auf  Sobomie  unb  tourbe  unf<^ulbtg  er^ 
flärt.  1581  em))f ab(  (Sb^träuS  ibn  ben  9(ntt9er))enem  <d^  Su)>erintenbent,  er  lehnte  iebcdb 
ob.  au  1585  Snttoerpen  fu^  bem  ^rin^en  Don  ^rma  ergeben  botte,  febrte  er  na^  %xmi 
fürt  ^urüd.  Sort  Derf a^te  er  bamd^  bod  Statut  beö  UnterftütiungSfonbi^,  ben  bie  lutbe^ 
rifc^en  5lieberlänber  grünbeten  unb    ber   beute  noc^   in  SBirffamfett  ifi     1594  trat  er 

26  bafdbft  ald  fran^öfifc^er  ^rebtger  ber  9tteberlänber  ein  auf  ®runb  ber  Slugeburger  Ron- 

feffton,   ber  SBittenberger  Äonlorbie    Don  1536    unb  be«  itonforbienbud^ed   Don   1580. 

Sd^on  im  nä6)\icn  ^abr  ift  er  geftorben  unb  ein  So^n  Don  t^m  erhielt  fein  ^rebigtamt 

6ij)riano  be    "l^lera   flüchtete  au^  ©.  ^Titxo  mit   ben  grcuiiben   nac^  ®enf  unb 

tourbc  1502  tote  9{eina  unb  (Sorro  in  statua  Derbrannt    @r  tourbe  1560  in  Sambribdc 

aoSac^dor,  1563  2)lagifter,  unb  toor  bort  au^  %dloto  in  SKagbalen  SoDege.  1566  trat 
er  inforporiert  in  C^forb.  1588  erfc^iencn  feine  jtoei  2;ra!tate  über  ^Pa^)ft  unb  3Ref)e, 
2.  äuf(.  1599;  1594  fein  Iroftbrief  für  bie  f^nifc^en  ©efangenen  in  ber  Serberei, 
1596  eine  neue  3tu^abc  bc^  fpanifd^en  Genfer  Äatei^i^mu«  Don  1559  unb  ba^  9G 
^Heina^,  1597  bic  fjjanifcbe  Überfe^ung  Don  (SalDin^  3"f<i^w^*o"^ti,  1600  fein  Sc^rift^cn 

36  über  ba^  Jjäftlic^e  ^ubdjabr,    1602   Iritetc   er   in  änttüert)cn  ben  3)ruc!  fdner  9leDifu>n 

ber  fjjanifc^cn  93ibcl  Sleinaö.    6r  ift  tool^l  balb  nad^  ber  äu^abe  in  ßnglanb  geftorben. 

iJer  Katalane  ^cbro  &al6^  tourbc  aU  junger  ?!Kann  cttoa  1559  in  9lom  beruftet, 

tocil  er  geäußert  f;attc,  c^  fei  unnötig,  einem  ^ricftcr  ju  bdc^tcn  unb  an  getoiffen  2agcn 

fein  '^U'i\d^   ^u    cffen,   unb   mu|te  abfcbloörcn.     6r  ftubierte   in  SBologna  unb  ^ori« 

4f)  157M  nannte  i^n  ber  bamal^  größte  Äenuer  bc«  altrömifc^cn  Siecht«,  Gujadu^,  doctissi- 
mum  et  acutissimum.  ßbenfo  tourbe  er  fcl^r  ^oc^  gefc^ä^t  Don  bem  ßrjbifc^of  t?on 
lanagona,  2lntonio  atuguftin,  ber  bic  toiffcnjc^aftlicbc  Sel^anblung  beö  lononifd^cn  iWcd^ts 
begann;  er  l^at  einen  latcinifd^cn  3!)iaIog  i^interlaffen,  ben  er  mit  ®al^  über  bü^ 
Decretum  Gratiani  1581  gehalten  bat.     1582   ging  ®al^  ate  ^rofeffor  nad^  ®cnf, 

46  too  fein  ÄoUcgc,  ber  grofee  ^bilolog  Gafaubonuö,  i^m  balb  ßmenbattonen  gu  ben  Äloffilem 
Dcrbanftc.  ÄI^  bic  Stabt  au^  ©clbnot  il;rc  ^^rofcfjoren  cntlaffcn  l^atte,  begab  er  fw^ 
nad)  Sübftanlrcid^  unb  klärte  bort  an  mehreren  Drtcn,  biö  dne  calDinifdi^e  ^ftoral- 
lonfercnj  if;n  bogmatifd;  infortcft  fanb.  Gr  machte  fic^  mit  %xau  unb  Äinbem  nai^ 
5Borbcau)r  auf,   tourbe  aber  untcrtocg^  Don  ben  Siguiften  feftgenommen  unb  an  ©Jjanien 

60  ausgeliefert  1 59:].  ^m  3"Q"ifi^ion^9cfängni^  ju  ©aragoffa  Dertocigerte  er  ben  üWitf^en 
ed;tour,  bafe  er  bic  SKa^r^cit  fagcn  tooKc,  unb  blieb  U\  feinen  ^a  \a,  9Zein  nein.  & 
erflärtc,  bic  fcc^rc  ber  romifc^cn  Sird^c  fei  Diclfac^  im  SQäiberfprud^  mit  ber  ßbrifti  unb 
ber  2l^)oftcI,  toofür  er  nicbrcrcö  anführte,  ''^lad)  bem  jtocitcn  SJerl^ör  tourbe  er  ftetbeiw* 
tranf.    ^toci  2l?cologcn  tjcrfuc^tcn  il?n  ju  belehren,  Dergeben^.    35er  ^rojefe  tourbe  nai} 

66  feinem  lobe  }^u  Gnbc  gcfül^rt,  ber  2dd;nam  tourbe  ausgegraben  unb  nebft  ©tatuc  tjer- 
brannt,  17.  !Mpril  1595. 

^JJicId>ior  ^Koman,  qxw  Slragonicr,  bcffcn  i^atcrmutter  dne  %ttxct  toar,  eine  Ser- 
toanbtc  bc<^  M.  isinccn,^  ^cncrc,  trat  in  ben  Crbcn  ber  ^acobiner.  ^n  ber  ^roüinü 
'XouUnifc  tourbc  er  ^um  Procureur  Provincial  ernannt  unb  nac^  9lom  gefd^idtt;  t)on 

(j()  bort    jurücfgctc^rt    tourbc   er  ^^rooinjialbifar  unb  Sdd()tDater  ber  ®ameö  bu  ßbopeDct 


Spanitn,  rrformat.  ^ciotgiiitg  Qptt  587 

b'aincn.  ßinen  unauelöfd^Iic^cn  ßinbrucf  ijaiU  cig  einft  auf  i^n  gcmad^t,  bafe  er  ate 
Begleiter  cine^  S^^wifi^o^^  in  ©aragoffa  jcinanb  U>e0cn  bct  Steligion  verbrennen  \a!i), 
beffen  SBorte  unb  iajjferfeit  im  3)iartVrium  x\)n  bon  ben  S^"'"^^'^  9iomg  ipegriefen. 
3m  Sluguft  1600  trat  er  öffentlid^  in  Sergerac  jur  reformierten  Rxxi)^  über  unb  ber« 
öffentlicl()te  barüber  ebenba  eine  Heine  ©c^rift.  (5b.  Soe^mer  t  (3<^afer).      6 

@)iatttf(^e  93t6elä6erfe^uitg  f.b.  91.  ä3ibelüberfe$ungen  93b  III,  @.  142,29. 

®P^^f  griebridi;  bon,  geft.  1635.  —  2)iel,  5r.  ü.  @pcc,  eine  biograp^ifd^  Iitterar= 
l^iftüvifdic  ©fi^je,  greiburg  1873,  2.  «tufl.  üon  (53.  3)u^r)  1901;  eorbounS,  g.  ü.  6pee, 
Smnffurt  1884;  (V)oebefe,  öJefd).  bcr  beutfdjen  SXdjtung«  III  (1887),  193—195;  ®.  "iD?. 
^rcücd,  Sr.  1).  Sp.:  ^Iflg.  beutfcf)e  93iogr.,  93b  35  (92  ff-);  ^e  33ocfer=6ommerüO(\cI,  Nouv.  lo 
Biblioth.  des  ^crivains  de  la  Soc.  de  Jdsus,  VIII,  1424 f.;  »lochet,  M'2'  X'l,  575 ff.; 
3gn.  ©eb^arbt,  gr.  6pee  üon  fiongcnfelb,  .^ilbeö^eim  1893;  Gugcn  3SoIff,  3)aö  beutf^c 
S^ird)eulieb  be^  16.  u.  17.  3a6r^unbert«,  1894;  3.  (Bd^aU,  3um  ^(nbenfen  an  5.  l>.  6pee: 
S^cutfdi-'Cü.  5BI.  1899,  G72ff.;  5:^.  (Sbner,  gr.  ©pcc  unb  bic  C)ejenproacffe  feiner  Seit,  $om= 
bürg  1899;  S3ern5.  3)u^r  S.  J.,  3)ie  ©tellung  bcr  Sefuiten  in  ben  bcutfcben  ^cjicnprojeffen,  16 
ilöln  1900;  9?.  gKüfler,  3um  fieben  beS  gr.u.Spec:  ^^oISBI.,  93b  124  (1900),  785 ff.,  «b  125 
(1901),  430  ff. 

f^iebrid^  Don  ©J)ee,  afe  latl^olifd^er  Dichter  geiftlid^er  Sieber  in  beutfc^er  3wn0C 
rü^mlid^  befannt,  h>urbe  alö  ©Jjröfeling  eine«  rl^einifd^en  atbel^efc^ledj^te«  (Ssorfal^r  ber 
ie^igen  ©rafen  bon  ©pee  auf  §eUor^))  1591  juSaifer^loertl^  geboren,  Wo  fein  aSaler2o 
^eter  b.  ©j)ee  afö  lurlölnifd^er  SurgDogt  lebte.  Über  feine  gugenbjal^jre  unb  bie  Slns 
fange  feine«  93ilbung«gang«  ift  nid^t«  ©id()cre«  belannt.  3H«  neunwl^njäbriger  Jüngling 
(1610)  trat  er  in  ben  gefuitenorben,  erlangte  1613  bie  jj^ilof.  3Ragtftcrn>ürbe  unb  mürbe 
nac^  SoHenbung  feiner  ©tubien  unb  erhaltener  ^riefterh)eil^e  1621  Se^rer  ber  Oram« 
matif,  $l^ilofoJ)bie  unb  3BoraI  am  ^efuitenfoHegium  ju  Äöln.  2?on  ba  ging  er  1625  25 
al«  2)omj)rebiger  nac^  ^Paberbom,  bann  1627  nac^SBürjburg,  U)ol^in35ifc^of^lj^ifit)l)2lboI^^ 
i^n  al«  ©eelforger  begel^rt  l^atte.  §ier  l^atte  feine  ©eelforgertl^ätigleit  fid^  ^äufig  ben 
UnglüdEIi^cn  jujuh>enben,  bie,  ate  §ejen  angellagt,  burd^  bie  golter  %\x  ben  unfinnigften 
©eftänbniffen  gebrad^t  lourben  unb  beren  allein  in  ber  ©tabt  SBürjburg  hjäl^renb  be« 
genannten  ^ai}x^  unb  be«  näd^ftfolgenben  158  (babei  3  Domherren  unb  14  anbereao 
®eiftlid^e;  aud^  mehrere  grauen  unb  Äinber)  ben  g^w^tob  erleiben  mußten.  2Bie  er 
biefen  ©egenftanb  feine«  Seruf«  anfal^,  loie  in  i^m  ber  3icfuit  ben  3Renfd^en,  ben  Gl^riften 
nid^t  ju  forrum^ieren  bermodi^t  f)atU,  beloeift  bie  überaU,  h)o  ©J)ee«  gebad()t  loirb,  erjä^Ite 
unb  in  ber  $au>)tfac^e  geh>ife  glaubloürbige  Slnefbote,  bafe  er,  bon  bem  nad^maligen  Äur« 
fürften  bon  Slainj,  ^o^ann  $^i(ij)J)  bon  ©d^önbom,  eine«  3^ag«  gefragt:  lool^er  er,  nodj^  35 
ein  Dreifeiger,  \(i)on  graue  §aare  babe?  bie  3lntU)ort  gab:  bal^er,  bafe  er  fo  biele  §ejen 
muffe  ;^um  geuer  geleiten,  unb  bod^  leine  einjige  befunben  ^abe,  bie  nid^t  loäre  unfd^ulbig 
getoefen.  {^aiU  boc^  er  allein  in  Wenigen  ^a^x^n  3h>ei^unbert  jener  ÜnglüdHidj^en  biefen 
3)ienft  ju  leiften!)  Sauter,  al«  burc^  fein  graue«  §aar,  fjjrac^  er  fräter  fein  Urteil  über 
biefen  bon  t^eologifc^er  Borniertheit  unb  juriftifc^er  ^rojefeluft  mit  gemeinfamem  ©ifer  40 
betriebenen  ®reuel  burc^  bie  lü^ne  ©c^rift  au«,  bie  i^m  einen  ®^renj)la$  in  ber  ©e« 
fd^id^te  ber  3Wenfd^b«t  unb  5Jlenfd()lid()teit  ftd()ert:  Cautio  criminalis  v.  de  processu 
contra  sagas  über,  morin  er  in  gorm  bon  51  dubiis  folool^l  bie  (Srunbfä^e,  bon 
benen  man  au«ging,  al«  aud^  ba«  unberanttoortlid^e  ric^terlid^e  ©erfahren  in  natfter  Slöfee 
l^infteCte.  ßr  h?agte  nic^t  f ogleic^  \\d)  al«  SSerfaffer  ju  nennen ;  anfang«  fc^eint  ba«  45 
S3ud^  fogar  nur  in  9Kanuffrtj)ten  unb  in  Heineren  Äreifen  in  Umlauf  gefommen  ju  fein, 
ßntftanben  ift  e«  mol^l  erft  in  3?ieberfa(^fen,  loo^in  ©pee  bon  feinen  Drben«obem  gegen 
©nbe  1628  berfe^t  h?orben  h?ar  unb  U)o  er  al«  erfolgreid&er  Seiter  ber  tat^olifd^en  ©egen« 
reformation,  befonber«  ju  ^eine  (Si«tum  §ilbe«^eim)  Slul^m  erhjarb.  3tud^  ba«  me^= 
monatliche  Ärantenlager  in  §ilbe«^eim  —  herbeigeführt  angeblich  burd^  einen  3Worbs  00 
anf4>lag  bcU)affnetcr  ^roteftanten  (bei  SBoltorj),  29.  2l>)ril  1629)  auf  fein  Seben,  ber 
übrigen«  anberU)eiter  Stngabe  jufolge  nur  in  einer  argen  ^nfultierung  ober  93er^öl^nung 
beftanben  l^aben  foH  (f.  2:i^onemann  bei  SSloe^er  a.  a.  D.  577,  beffen  2)arftettung  übrigen« 
bon  91.  SKüUer  [§^531.  124  unb  125,  f.  o.|  beftritten  toirb)  —  fotbie  eine  längere  3eit 
ftitter  3"i^"*0<^3ogenl^eit  in  bem  SDörfc^en  galfen^agen  bei  Gorbe^  a.  b.  SBefer  gingen  ^ 
bem  erftmaligen,  nod^  anonymen  ©rfc^einen  ber  Cautio  tu  Slinteln  1631  noc^  borl^er 
(bgl.  b.  2trt.  „^ejcn"  k.  VIII,  35,  42-53,  folüie  loegen  bc«  S3ibliogra))l^ifc^en:  Räuber« 
Bibliotheca  magica  III,  2f.  500f.  783f.  unb  ©oebele  1.  c).  2lud^  bon  feinen  geift^ 
lid^en  Dichtungen  fmb  manche  n>o^l  h)%enb  biefe«  feine«  SBirfen«  im  SBefergebietc  ent^ 


588  &ptt  ®ptitt,  8t9teM 

ftanbcn.  —  ©eit  1G32  le^e  er  U>le^er  in  Äöln  ^Jloraltl^cologic,  unb  ^hjar  mit  bebeutcn^ 
ben  Seifall;  —  ^aiH)tfäc^Iici^  auf  ®runb  t).  ©pcef^er  ÄoOeöienl^cftc  befennt  Sufembaum, 
bie  berühmte  Medulla  theol.  moralis  (1645  —  Dgl.  b.  ärt.  III,  581)  au^carbehet  ju 
l(^aben.    3)en  Sefd^Iufe  feinet  SBirfen^  bilbet   eine  längere  J)aftoraIe  I^ätigfeit  in  Srier, 

6  bie  er  mä^renb  ber  Selagerung  unb  nac^  grftürmung  ber  ©tabt  burt^  ÄaiferUc^e  unb 
©panier  im  ^ai}x^  1G35  ju  üben  ^atte.  Unermübet  ftanb  er  ^ier  ben  Äranfen,  ben  Scr= 
tDunbetcn  unb  ©terbenben,  ben  i^rer  §abc  Seraubten  unb  ©efangenen  bei,  unb  toagtc 
fic^  fogar  in  ba^  Äampfgetümmel,  um  §ilfe  ju  leiftcn.  @r  tourbe  ba^  Opfer  foIAcr 
Seruf^treue:  Don  einem  Äranfen  naf)m  er  ein  anftedenbe^  gieber  mit,  ba^  feinem  Seben 

10  am  7.  Sluguft  be§  genannten  3^^^^  ^i"  ®"^^  machte. 

SRäd^ft  ber  Cautio  er.  ift  e^  ©J)ee^  geiftlic^e  ^ßoefie,  bie  i^m  einen  gcfc^ici^tli4»cn 
9iamen  erworben  ^at.  Diefelbe  trat  an«  2id^t  in  jih>ei  SBerlen:  1.  „3;ru^5flac^tigaü"  — 
eine  SRei^e  bon  Siebem  ber  Siebe  ju  (Sott  unb  G^riftu«  (unter  jenem  fcitfamen  litd 
barum   bereinigt,   lüeil,    h>ie  ber  Siebter  im  aSorh)ort  fagt:    „ba«  Süc^Iein  tru$  aßen 

15  Siad^tigaDen  füfe  unb  lieblid^  finget")-  3"^^  'P  ^  gebrudft  1649  in  Äi)ln,  einige  8(u6= 
gaben  folgten.  3)ann  mar  ^  lange  öergcffen,  bi«  bie  Sflomantiler  unfere«  Sa^^unberts 
an  bem  ^id^ter  einen  gunb  machten;  Srentano  gab  1817  bie  airui^Slacbtigall  ettoas 
mobernifiert  ^erau«;  eine  anbere  Slu^abe  beforgten  ^üppt  unb  3wn*niann,  1841;  bie 
neuefte  §auj)tau^abe  ift  bie  Don  SBalte  (in  „®eutfd9e  2)ic^ter  be«  17.  Sa^rl^unbert^", 

20  l^erau^cg.  t)on  (Soebele  u.  2:ittmann,  93b  14,  Sei^jjig  1879,  obgebrucft  Sieh)  ?)orf  1900). 
2.  3)a«  „(Sülbene  2:ugenbbuc^",  ein  groftenteife  in  ^rofa  Derfa^teö,  au«  geiftlic^en 
Übungen  in  (Sefj)rä(^en  jtoifd^en  Sei^töater  unb  Seic^tlinb,  ^tüifd^en  3efu«  unb  ber 
©eelc,  nebft  (Sleic^niffen,  ßr^äl^lungen  u.  f.  W.  befte^enbe«  6rbauung«bu(^,  in  ba«  aber 
3)ic^tungen  be«  Serfaffer«  Dielfad^  eingefd^altet  finb.    £e|tere«  tourbe    frü^cften«   1643, 

26  tpo  nic^t  ebenfaD«  erft  1649  gebrutft;  in  mobemifierenbcr  Überarbeitung  neu^erau^gcg. 
goblenj  1850;  beffer  burc^  grj.  Rattler,  greiburg  1887  (2.  «ufl.  1894). 

©pee  fte^t  mit  feiner  ^oefie  tfoliert  ba ;  leine  ber  3)ic^terf4ulen  feine«  S^^t^nbert^ 
lann  il^n  ben  S^rigen  nennen.  3Rit  Dj)i^  ^at  ©J)ee  ba«  feine  D^r  für  bie  ^rofobic, 
ben  eu^l^onifc^en  ^'^^»"cnpnn  gemein,    ßntfd^ieben  ^ö^er  al«  Dpi^  fte^t   er   aber  bun^ 

30  ben  in  tiefer  Seele  h)a^rl(^aft  emj)funbenen  ^nl^alt  feiner  Sieber;  toä^renb  jener  fo  mclc 
eitle  3h)ec!e  Verfolgt,  biegtet  biefer  in  aller  2?erborgenl(^eit,  aber  er  tl^ut  e«  mit  Slntoenbung 
aCe«  beften  SBiffen«  unb  Äönnen«,  um  ®ott  bamit  ju  e^ren.  3Rit  ©d^effler  Derglic^cn, 
Verliert  fic^  ©J)ee  ^toar  nie  in  jene«  ®ebiet  be«  „©d^aucrlic^sübergöttlic^en  unb  barum 
Ungöttlic^en",  toic  e«  ^i«lmar  (2itt.=®efcl^.',  431)  nennt,  toa«  ba«  5JlerImal  eine«  ,,t^eo^ 

36  fo>)^ifcl()en  ^ant^ci«mu«"  ift,  baju  ift  er  ju  nüd^tem,  ^u  natürlid^;  um  fic^  nac^  3lrt  ber 
9Jh;ftiter  Don  ber  9Jatur  DöUig  ab^ufel^ren  unb  in  ®ott  flammenb  aufjugel^en,  baxu  hat 
er  eine  gu  gro^e  ^reube  an  ber  9Jatur  unb  i^rer  ©d^önl^eit.  dagegen  i}abm  bie  ©cpeffler- 
fd^cn  Sieber  bie  ^^^iö^^^i^  Q^^^ibi,  eDangclifc^e  ®emeinbelieber  ju  toerben,  tva«  bie  beften 
beute  noc^  finb;   bie«  ift   aber  unferc«  3Biffen«  noc^  leinem  Don  ©pee«  Siebem  tribers 

40  fahren.  2)iefc  tragen  faft  burc^gängig  ben  G^aratter  Don  ®ebid()ten.  9lu(^  beloegt  er 
fid^  nur  in  einem  bcfd^ränf ten  5?reife  gciftlic^en  Seben«:  e«  ift  immer  entn>eber  Dlatur- 
anfc^auung  ober  3tu«brudt  perfönlid^er,  glü^enber  Siebe  ju  G^riftu«,  toa«  toir  Demebmen; 
bem  objeftiDen  aBa^rbeit«^  unb  Seben«gebiete  be«  G^riftentum«  bleibt  er  fem.  3)ef[en= 
ungeachtet  ift  biefer  in  ber  ©tillc  bic^tenbc  Drben«bruber  eine  burc^au«   e^rtoürbige  ßr- 

46  fd;einung.  6r  gebort  al«  cl^rlid()er  beutfd^er  9)ic^ter  ber  9?ation  an  unb  foH  ol«  folc^ 
befto  mel^r  in  (Sl^ren  gehalten  toerbcn,  je  mel^r  e«  bie  3trt  unb  2:enbenj  feine«  Drbens 
i\x  aUen  RÄtm  fvax,  Station  unb  ©jjracbe  für  nid^t«  ju  achten  unb  bie  ebelften  ©ütcr 
ber  rönüfc^en  Äird^cncin^eit  jum  Djjfer  ju  bringen.  ($a(mert)  33<flert- 

©freier,  Si«tum.  —  Urhmbeubud)  ,v  ©efc^icfjte  ber  SBifcftöfc  ju  ©pc^cr,  d.  5.  X.JHein: 
50  Hng,  2  ^^^be,  ^ainj  1852 f.;  llrfunben  ^.  ^^fäljijdjeu  ^ircf)cnflefc^id)te  im  SSl^,  Dcröffcntl.  »on 

5.  X.  Ö>Iaöfd)vöber,  ^BUindieu  1903;   llvtunben   jur  ßJeid)ic^te    ber  ©tobt  @pcl)cr,  ^crau^aea- 
Don  ?l.  .^Mlaarb,  ©trafjburg  1885.    Annal.  Spirens.  MG  SS  XVII,  6.  80ff.  Series  episc  XIII, 

6.  318.   •Jicfrolüiv,  3eitidn-.  f.  ®ejd).  beö  OberreieinÄ  XXVI,  6.  414  ff.  —  3«.  X.  SRemlinci. 
(^e|d).  ber  33ifd)üfe  511  8pei)er,  2  35bc,  gJlaiUi^  1852.  54;  bevj.,  Urf.  C^efc^.  ber  c^emol.  «bteicn 

öö  u.  Silöfter  im  jetucjen  9i^ein6al)ern,  2  iöbe,  Si^euftabt  1836. 

3u  ben  linf«r^cinifc^cn  ®ermanen  gcl^örten  bie  9Jemeter.  ^n  bem  Don  i^nen  be* 
festen  (Gebiet  lag  ba«  fdion  in  ber  Äclten,^cit  gegrünbete  Äaftetl  3?oDiomagu«  am  ©^eier^ 
bac^,  ba«  gur  ^JJhmi3i>)aiftabt  gctüorbcn  ben  9Jamen  (Solonia  'Jlemetum  erhielt.  &  ift 
nic^t  unmöglid(),  ba^  l;ier  fc^on  ioä^renb  ber  Slömerl^errfdS^aft  ba«  ßl^riftentum  gu^  fafete. 


eptitt,  »idtnm  (Spwx,  9Iei(^9tage  589 

2tbcr  bch>etfen  lä^t  c^  fid^  nidj^t:  c^riftlid^c  3"Wriften  auö  bicfcr  ^üt  finb  nic^t  bor- 
^anben,  bie  Sifc^oföltftc  fül^rt  nid^t  in  fic  l^inauf,  unb  ber  angebltclj^e  crftc  Sifc^of  bct 
Stabt,  3i<^ff<^/  3^'"^/  ift  "wt  burc^  bie  gcfälfd^tcn  Slftcn  bcr  angeblichen  Kölner  ©^nobe 
t)on  346  bezeugt.  3)a^  etfte  ficl()ete  B^u^ni^  für  ben  Seftanb  eine^  Si^tumö  in  ©))eict 
faßt  in  bie  fränfifc^e  ^axt  2luf  ber  $arifer  ©l^nobe  Don  614  ftnbet  fid^  bie  Unterfd()rift  5 
Ex  civitate  Spira  Hildericus  episcopus,  MG  CG  1,  S.  192.  ©eitbem  ift  ber  Se« 
ftanb  be^  Si^tumg  nic^t  mel^r  erfc^üttert  lüorben.  ®«  trat  bei  ber  Drganifation  be« 
TOain^er  ßrjbi^tumig  in  biefen  ©jjrenoel.  SDie  Heinere  §älfte  ber  35iöcefe  lag  auf  bem 
linlen,  bie  größere  auf  bem  redj^tcn  5ll^einufer.  ßauterburg  unb  Slltrij)  bei  SMann^eim 
bejeicl()ncn  im  ©üben  unb  9iorben  bie  ©nb^^untte,  im  SBeften  xÄi^U  bie  3tuöbe^nung  bi^  lo 
in  bie  9Jä|^c  Don  ^irmafenj,  melc^er  Ort  jcboc^  fc^on  gum  Sii^tum  SMefe  gehörte,  nac^ 
Dften  eneic^te  bie  3)iöcefe  bie  ®renje  beö  je^igen  h>ürttembergifc^en  ^agfifreife^,  fo  ba| 
Sadnang  noc^  in  fie  fiel. 

Sifd^of^lifte.  ^ilberid^,  614;  ^rincij)iu«  (unter  ©igibert  III.  634—656);  3)ragos 
bob  (unter  6l(^ilberic^  II.  663— 675  u.  700);  SiuboV,  739;  35aDib  744.748;  93arin762,  i5 
um  780;  graibo  782;  g3enebi!t829;  §ettin;  Oebl^arb  I.  847. 877 ;  Gin^arb903,  geft.  918; 
»em^arb;  ämalric^,  geft.  941;  SReginbalb  I.  941—949;  ©otfrib  I.  950—961;  Ctgar 
961—970;  »alberid^  970— 986 ;  ^Huoj)))ert  986— 1004;  SQäalt^er  1004— 1027;  Steginger 
1028—1032;  SReginbalb  II.  1032—1039;  ©igebob  I.  1039—1054;  3lmoIb  I. 
1054—1055;  Äonrabl.  1056—1060;  ßin^arb  II.  1060— 1067;  ^einric^I.  1067— 1075;  20 
Jgjujmann  1075—1090;  ^of)am  I.  1090—1104;  ©eb^arb  IL  1105—1107,  93run 
geft.  1123;  Strnolb  IL  1123—1126;  ©igfrib  IL  1126—1146;  ©untrer  1146—1161; 
Ubalric^  L  1162—1163;  ©otfrib  IL  1163— 1167(?);  3ta))ob;  Äonrab  IL  1176; 
Ubalric^  IL  1178?—?;  Otto?  —1200;  ^onrab  IIL  D.  ©c^arfenberg  1201(0—1224; 
S3emger  to.  entringen  1224—1232;  Äonrab  IV.  b.  San  1233—1236;  Äonrab  V.  25 
t).  eberftein  1237—1245;  §einric^  IL  D.  Seiningen  1245—1272;  griebri^i  D.SoIanben 
1272—1302;  ©igebob  IL  D.  2id()tenberg  1302—1314;  Smic^  t).  Seiningen  1314—1328; 
Sert^olb  b.  Sud^cgg  1329;  SBalram  D.  33elbcnj  1329—1336;  (Ser^arb  b.  (g^renberg 
1336-1363;  Samprec^t  D.  Som  1364—1371;  Stbolf  b.  Siaffau  1371—1381,  bejh>. 
1389;  molau^  b.  SBie^baben  1381—1396;  Slaban  b.  §elmftäbt  1396—1430;  »bolf  ao 
b.e})j)enftein  1430— 1433;  SRein^arb  b.^elmftäbt  1431— 1455;  ©igfrib  IIL  b.  Henningen 
1455—1459;  ^o^ann  i).  §o^enecf  1459—1463;  gjJatt^ia^  b.  SRammung  1463—1478; 
Submig  D.  §elmftäbt  1478-1504;  W^^P  b.  SRofenberg  1504—1513;  ®eorg,  Wk' 
graf  1513—1529.  ^üud. 

S»ictct,  SReid^ötage  in.    1.  1526.  —  ®.  griebcnsburg,  3)er  Sieic^gtag  ju  ©pcicr  36 
1526,  ^Berlin  1887;    ber|.,  8ur  SBorgef^ic^te   bed  Xorgauifd^en  ©ünbniffeö,   SWorburg  1884; 
g.^JM),  S)er  9?cicf)$tag  ,^u  8^.1526,  C>ömburg  1889;  91.  Älucf^o^u,  5)er  JRcidjgtQg  ju  ©p.  1526 
in  ber  C^3  ^^^  193  ff.  %I.  ferner  aufter  Sleibon,  ©ecfcnborf  2c.,  SBuc^oI^,  ®efc^.  gcrbinonbä  I., 
SSien  1831,  SSblL  371  ff.;  SRanfe,  5)cutid)e  ©efcfi.  III,  Sud)  4,  tav.2;   SRommcf,  W^PP  b. 
®ro6mütiae  L  141t.;  II,  101  ff.;  Sleim,  ©d)möbif4c  SReformationdgefcft.  48 ff.;  Sonffen,  ®ef(ö.  40 
bc«  bcutfcpen  SBoIfö  III,  39 ff.;  ^efele=§ergenrbt]^er,  ßon^iillengefc^.  IX,  454 ff  ;  ^aurenbrcd)er, 
®ef4.  b.  fot^.SRef.  I,  259 ff.;  ^43aum9Qrtcn,  öJefd).  Äarl§  V.,  Il)  552ff.;  Äoroerau,  3o^.  ^Tgricola 
90 ff.;  egeIt)Qaf,  5)eutfcf)e  (iJefd).  im  lO.gQ^r^.  I,  632 ff.  —  Elften  2c.  bei  Äopp,  kleine  9?a(^= 
lefejc,  n,  679 ff.;  ^^aldj,  ©Triften  fiut^evö  XVI,  243 ff.;  ü.  b.  Sitf),  ©rläutcvungen  b.  JRefor= 
mation^Öift.  170 ff. ;    Annales  Spalatini   in  3Wenc!enS  scriptores  II,   657  ff.;    3Jecfenmci)er  in  46 
SSaterö  9lrc6iu  1825,   I,   22 ff.;    3. 9h^,   9(naleften   i^ur   öJcfd).   b.  SRei^St.  ju  @p.  1526   in 
RTO  VIII,  300 ff.;  IX,  137 ff.;  XII,  334 ff.  unb  593 ff.;    (5>.3Jircf,  ^olit.  Äorrefponbenj  bcr 
§tabt  6tra{j6urg  I,  253  ff. 

aiHe  Scmü^ungen  Äarfö  V.,  toä^renb  feiner  äbh>efenl^eit  bon  Deutfd^lanb  bei  ben 
©täuben  ben  SSoHjug  be«  SBormfer  ßbite  burc^jufefeen,  blieben  erfolgloig.  3)er  erfte  go 
9lürnbcrger  Steic^^tag  bon  1522/23  lehnte  il^n  ouöbrüalic^  ob,  ber  jh>eite  bon  1524  be^ 
fc^lofe  itvax  bie  Stu^fü^rung  be«  3){anbat«,  madj^te  aber  biefen  Sefd^lufe  burd^  ben  3"!^ 
„fo  biel  afö  möglich"  tl^atfäcl()Iic^  unloirffam.  6in  auf  ben  29.  September  1525  nadp 
Slugöburg  berufener  Steid^^tag  mürbe  fotoenig  befuc^t,  baft  in  bem  aibfdj^iebe  bom  9.3önuar 
1526  nur  bie  9Jürnberger  ^eftimmungen  U)ieber^olt  h?crben  lonnten,  nac^  benen  ba^  66 
i)l.  ei)angelium  nac^  Sluiglegung  ber  bon  ber  Äir^e  angenommenen  Se^rer  geprebigt  unb 
um  balbige  Berufung  eine^  Äonjilig  gebeten  h?erben  follte.  Sluf  einem  neuen  Sleic^^tage 
in  ©peier  foDten  nun  aü^  ©tänbe  erfc^cinen,  um  bie  religiöfen  fragen  jur  ßntfd^eibung 
ju  bringen.  2)ie  fic^  babei  für  bie  greunbe  ber  Sieformation  eröffnenben  Slu^ftd^ten 
toaren  fc^limm  genug.     £ie  @egner  berfelben  n>aren  in  ben  legten  gal^ren  in  engere  go 


590  Spdtt,  9Ici(49tage 

33crbtnbun0  getreten,  "^m  ^uH  1524  l^atten  fid^  in  Stegenöturö  bie  fübbcutft^en,  am 
26.  ^uni  1525  ju  Deffau  bie  notbbeutf^en  latl^olifc^en  dürften  nä^er  ^ufammengefc^lofien. 
grüner  ©d^manfenbe  toaren  burd^  ben  SBauemfrieg  ftuftig  getoorben.  %m  11.  3lot)embcr 
1525   befcl()Ioffen  bie  9}litgliebcr  beö  fci^h>äbifcl()en  Sunoe«,  gegen  6nbe   beö  ^afycti  bie 

6  2)omfat)itel  ber  bem  ßtjbifc^of  t)on  SDJainj  untergeorbneten  Siötümcr  bie  Selämpfung 
ber  lut^erifd^en  ©ehe.  95alb  barauf  traten  bie  3)effauer  Serbünbeten  in  3Haütg  gufammen 
unb  fanbten  Don  ba  ben  §ergog  §einricl^  bon  33raunfdS^h>eig  nac^  ©jjanien^  um  Raxl  um 
häftige  Unterftü^ung  be^  gefäl^rbeten  alten  ©laubeni^  ^u  erfud^en.  3)er  Jtatfer,  toelc^er 
bi^er  nur  burd^  feine  fd^toierige  ^jolitifc^e  Sage  an  ber  SluSfül^rung  feiner  ftel?  gehegten 

10  Slbfid^t,  bie  lut^erifc^e  2e^re  m  Vertilgen,  ge^inbert  n>orben  h>ar,  ging  mit  greuben  auf 
biefe  Slnregung  ein.  3)urd^  ben  am  14.  S^nuar  1526  mit^anSeid^  gefd^Ioffenen  unb 
t)on  ^ranj  I.  burdj^  feierlichen  6ib  befräftigten  ^'^ieben  bon  SMabrib  toor  ii^m  enblit^  bie 
erfe^nte  freie  $anb  gegeben,  ©o  tDoUte  bcnn  Äarl  nunmel^r  im  ^uni  «u^  S^mnien  noc^ 
9{om  aufbred^eU;  bann  nad^  ^eutfd^lanb   lommen  unb   l^ier   aQed  aufbieten,  um  bem 

löSutl^ertum  ein  6nbe  ju  mad^en.  3)iefe  Slbfid^t  fünbigte  er  in  einer  öom  23.3Rärji  1526 
au^  ©et)itla  batierten  ^nftrultion  an,  toelc^e  bem  fierjoge  §einri(^  jur  SKitteilung  an  bie 
norbbeutfc^en  lat^olifc^en  ©tänbe  mitgegeben  h>uroe  unb  audj^  ben  oberbeutfc^en  bun^ 
ben  Sifd^of  bon  ©trafeburg  juging.  3."öl^i^  f orberte  Äarl  jum  geft^alten  an  bem  alten 
®lauben  auf  unb  verlangte  Don  ben  einjelnen  ©täuben  eine  @rflärung  über  i^re  ©tellung 

20  ju  bemfelben.  „6«  lüar,  al^  tDoDte  ber  Äaifer  Jpeerfdj^au  galten,  beöor  er  ben  angriff 
eröffnete." 

Unter  fo  bebro^lic^en  Umftänben  h>urbc  ber  SReid^^tag  am  25.  ^nnx  1526  burc^  ben 
ßrj^erjog  gerbinanb  eröffnet.  SRadj^  ber  faiferlid^en  ^roj)ofition  foüte  befonber«  barüfcer 
ber^anbelt  Serben,  h)ie  bi^  ju  einem  in  älu^ftc^t  gesellten  Jton^il  ber  c^riftlic^e  ©laube 

26  unb  „bie  tpo^l^ergebrad^ten  guten  d^riftlic^en  Übungen  unb  Drbnungen"  ber  Äirc^e  bon 
allen  ©täuben  geJ^anbl^abt,  Übertreter  aber  geftraft  unb  jum  (Sel^orfam  gebracht  toerben 
lönnten,  bamit  ba^  SBormfer  6bilt  bei  jebermann  jur  9lu^fü^rung  fomme.  SSon  ben 
lirc^lic^en  SMifebräuc^en  unb  ben  SBefd^toerben  gegen  9lom,  bereu  Slbfteltung  noc^  bie 
Qnftruftion  ^\x  bem  äug^burger  9leid()ötage  »erlangt  l^atte,  U)ar  je^t   leine  ^ebe  me^r. 

30  9Jac^  bem  ^erlommen  berieten  nun  junäc^ft  bie  beiben  fürftlidj^en  ÄoDcgien  über  bie  auf 
biefen  Vortrag  ju  erteilenbe  Slnttoort.  Obtrol^l  Jiurfürft  ^ol^ann  Don  ©ac^fen  unb  Sanb^ 
graf  ^i^ilij)!?  bon  Reffen,  bie  §äut)ter  ber  eDangelifc^cn  ^artei,  noc^  nic^t  anh>efenb  hwren, 
^el  biefelbe  hod)  für  bie  ©ac^e  ber  SRef orm  nic^t  ungünftig  au«.  3Kan  einigte  ftd^  ju  einem 
am  30.  ^unx  ben  ©täbten  mitgeteilten  SSorfcf^lagc,  nac^  toclc^em  man  ftc^  jn>ar  mit  ber 

35  ^Beibehaltung  ber  lüol^l^ergebra^ten  c^riftlid^en  ©ebräuc^e  eiuDerftanben  erflärte,  aber  au(B 
trofc  be«  anfänglichen  2ßiberf})ruc^«  ber  8ifd;öfe  »erlangte,  baft  über  bie  Sefeitigung  ber 
lirc^lic^en  3Jlifebräuc^e  Der^anbelt  loerbe.  5Rod^  günftiger  lautete  bie  StntVüort  ber©täbtc, 
bei  benen  bie  ®efanbten  ber  cntfd()icben  eDangelifd^en  ©täbte  ©trafeburg,  9iümberg  unb 
Ulm  bie  fü^rcnbe  SRollc   fj)ielten.     3!)icfelben   erllärten   bie  Durd^fül^rung  be«  SBormfcr 

40  (Sbiftö  für  unmöglid^  unb  bemerften,  bie  U)ol^l^ergebrad^ten  d()riftlic^en  Übungen  müßten 
aHcrbingg  in  Äraft  bleiben,  U)eil  c«  feinem  9Kcnf^en  julomme,  in  unferem  auf  ß^ftu^ 
unb  fein  SBort  gegrünbeten  ©laubcn  eine  3lnberung  Dorjune^men.  SOäo^ll^ergebrac^t 
fönnc  man  aber  bod^  feine  Sräuc^e  nennen,  h?elc^e  bem  ©lauben  an  G^riftu«  unb  feinem 
^l.  Sporte  jutoiber  feien  unb  burc^   bie  bie  ß^riften  Don  ©ott  lüeg  unb  auf  menfc^Iic^en 

45  2Bi|  geführt  h?ürben.    ©olc^e  Übungen  tonne   man   nid;t   beibehalten  looHen.    ©e^^ü* 

mü^e   über  bereu   Slbftcllung   b(!xatcn   h^erben.    3lm  4.  ^ulx  lüurbe  biefe  Slnttoort  ber 

©täbte  ben   fürftlic^en   Kurien   mitgeteilt  unb   machte   auf   fie   einen   folc^en   ©inbrurf, 

ba^  ftc  ungeachtet  besl  6inf^)rud()«  ber  ©eiftlid^en  al^balb  unDeränbert  angenommen  tourben. 

Unb  nun  U)ä^lte  jebe«  ber  brei  Kollegien,  ba«  furfürftlid()e,  fürftlid^e  unb  ftäbtifc^c,  für 

60  fid^  einen  Stuöfd^ufe,  ber  bie  abjuftetlenben  iRi^bräuc^e  Don  ben  beijube^altenben  guten 
Uebungen  fc^eiben  foHte.  2)erfelbc  9leic^«tag,  ber  berufen  U)orben  toar,  um  bie  3?er- 
nid()tung  ber  lut^erifd()en  ©efte  Dor^ubereiten,  \(i)'\cn  ju  einem  ®eric^t«^ofe  über  bie  fittf»-' 
Helfen  ^i^bräuc^c  gch^orben  ^u  fein,  ©tatt  Sutl^er«  unb  feiner  Sln^ängcr  h>urben  feine 
©egner  auf  bie  2lnflagebanf  Dcriüiefen.  Die  alten  33cfd()h)erben  gegen  bie  ©eiftlic^Ieit  unb  bie 

66  J)ä)3ftlid^c  Kurie  iourbcn  U)ieber  l^erDorgcl^olt  unb  bie  antirömifc^e  ©timmung  be«  grollen 
3;eilö  ber  beutfcl^en  9?ation  trat  offenfunbig  ju  2^age.  SBelc^^e  ©tärfung  mufete  biefe 
©tröinung  crft  erfal^rcn,  al«  am  12.  3uli  Sanbgraf  ^^ili>)})  in  ©Jjeier  eintraf  unb  ibin 
am  20.  3uli  Kurfürft 3ol;ann  folgte!  ©egenübcr  ben  Sünbniffen  ber  tat^olifd()en  gürften 
l}aiim  fid)  'iji^ili^^  unb  Qo^ann  burd;  einen  ©nbc  gcbruar  1526  ju  ©ot^a  gefc^loffenen, 

60  am  2.  SWai   in  lorgau  unterjeid^neten  Vertrag   eng  Derbünbet.    2)em  Sorgauer  Sunbc 


Stifter,  9let(^9tage  591 

\vaxm  bann  am  12.  ^unx  inSWagbcbutg  noc^  anbete  gürftcn  beigetreten,  n>el(^e  entjcl()Ioffen 
h)aren,  bie  eöangelifcl^e  Sffia^r^eit  offen  ju  betennen.  Unb  pe  traten  baö  in  Sjjeier  mit 
aDer  ©ntfc^ieben^eit.  33or  ilj^rer  äbreife  bal^in  l^atten  fie  eine  Drbnung  aufgefteUt,  burc^ 
toeld^e  il^rem  jal^Ircid^en  (Sefolge  bie  fonft  auf  SReid^i^tagen  üblid(|e  Unmäfeigfcit  unb  Un« 
jud^t  ftrengften«  Verboten  h>urbe.  ^n  i^ren  SBa^jjen  über  ben  Sporen  i^rer  Slbfteig«  5 
quartiere  unb  an  ben  SiDreen  il^ren  SJiencr  liefen  fte  jur  öffentlichen  Segeugung  i^rer 
©efmnung  bie  Sud^ftaben  V.  D.  M.  I.  E.  (Verbum  Domini  manet  in  Eternum) 
anbringen.  3^re  Sßrebiger  ®eorg  6j)alatin,  3«>1^ö""  ägricola  unb  Slbam  Ärafft  Don  gulba 
J)rebigten,  ate  il^nen  bie  Überlaffung  einer  Äirc^e  Derh>eigert  h>orben  h>ar,  unter  aufeer* 
orbentlid^em  S^lan^  be^  auc^  au^  ber  Umgebung  l^erjuftrömenben  Solfö  abtDed^felnb  10 
täglidS^  einmal,  an  geiertagen  jlüeimal  in  ben  §öfen  il^rer  SBo^nungen  unter  freiem 
^immel.  3lu(|  jal^lreid^e  dürften  unb  SSome^me,  foh>ie  ©eiftlic^e  ber  ©tabt  nal^men  an 
biefen  ®otte«bienften  teil,  toäprenb  ber  3)om,  in  toeldj^em  gaber  unb  ein  granji^Ianer^ 
mönd^  j)rebigten,  jiemlic^  berlaffen  blieb.  2)ie  firc^lid(ien  gaftengebote  beadj^teten  bie  eban? 
gelif^en  gürften  nic^t  unb  liefen,  oblüo^l  bie  faiferlidj^en  Äommiffäre  fie  erfuc^ten,  eö  ju  is 
unterlaffen,  öffentlid^  an  greitagen  unb  ©ami^tagen  auf  i^ren  lafeln  gleifd^  auftragen. 
3)iefe  entfd^iebene  Haltung  berfelj^lte  ibre  ©irlung  nic^t  5RodS^  auf  leinem  SReic^ötage  lüar 
fo  freimütig  lüiber  5Pat)ft  unb  Sifdj^öfe  gerebet  h>orben.  ©4on  \pxad)  man  Don  einem 
S3unbe  bon  melf^r  alö  fünfje^n  gürften,  bie  ba«  ßbangelium  ^jrebigen  laffen  tDoDten. 

Unter  biefen  Umftänben  fmgen  bie  ®egner  an  fleinlaut  ju  lüerben  unb  Dermoc^ten  20 
in  ben  brei  3(u^fc^üffen  mit  i^ren  Slbftc^ten  nic^t  burd^}ubringen.    ©elbft  ba^  ©utad^ten 
be^  fturfürftenrate«  gebac^te  be^  SQäormfer  ßbift«  nic^t.     S)er  fürftlid()e  älu^fc^ufe  h>ieber= 
l^olte  itoax  bie  SRümberger  gorberung,  bafe  Sottet  Säort  nac^  Slu^legung  ber  bon  ber 
Äirc^e  angenommenen  Se^rer  berfünbigt  h>erben  folle,  fügte  aber  in  edj^t  ebangelifc^er  SBeife 
bei,  bafe  eine  Schrift  immer  mit  SSergleic^ung  anberer  ©c^riftfteDen  ju  erläutern  fei.  2)od^  25 
foKe  man  babei  nic^t  neue  Slu^legungen   aud  bem  ^ebröifc^en  unb  gried^ifdj^en  ^q^e  bei« 
bringen.    3)ie  fieben  ©atramente  unb  bie  lateinifc^e  3Keffe  tooDte  ber  Slu^fc^ufe   jh>ar 
beibehalten  h?iffen,  erf lärte  aber  bod^  bie  3Serlefung  ber  ©bift^ln  unb  Stoangelien  in  beutfd()er 
©Jjrac^e  für  tDünfc^en^lüert.    Sludj^  bie  gwl^ffung  ber  ^jjrieftere^e  unb  be«  Saienleldj^«,  fo= 
h)ie  eine  ßrmäfeigung  ber  gaftengebote  tourbe  ate  erftreben^toert  bejeidj^net.    6ine  noc^  so 
freiere  ©J)rad^e  führten  bie  ©täbte.     Dbh>o^l   enl(^erjog  gerbinanb  am  28.  ^uli  bie 
©täbtegefanbten  befonber«  ermahnt  ^attt,  bem  SBiuen  be«  Äaifer«  nidj^t  gu  lüiberftreben, 
fteDte  ber  ©täbteau^fd^ufe  noc^   toeiterge^enbe  gorberungen.     6r  beanfjjruc^te  für  bie 
U>eltlic^c  Dbrigleit  ba«  Siedet,   untaugliche  $faua  ju  entfernen  unb  inxd)  anbere  ju  er^ 
fc^en,  fotoie  über  gaften  unb  geiertage  Serfü^ung  ju  treffen,    ßntfc^ieben  erllärte  er  ftd^  36 
gegen  bie  Settelmön^e,  beren  Älöfter  aUmä^lic^  ju  ©unften  bei^  gemeinen  Stlmofenö  ein« 
jujiel^en  feien.    Überatt  foDe  man  ba^  ßöangehum   frei  Jjrebigen  laffen  unb   ei^  über« 
|auj)t  jebcm  ©tanbe  freiftetten,  h>ie  er  e«  bi«  ju  einem  freien  Äongil  mit  ben  geremonien 
^Iten  tpoUe. 

3)aö  fürftlid^e  ©utad^ten  h>urbe  an  30.  3uli  ben  ©täbten  befannt  gegeben  unb  ju=  40 
gleid^  jur  Weiteren  Beratung  ber  ©ac^e  ein  „großer  Stuöfd^ufe"  beftetlt,  in  h>eld^en  auc^ 
bie  ©täbte  jtDei  3Witglieber  berorbneten.  Seborbiefer  aber  feine  I^ätigteit  begann,  trat  ber 
erg^erjog  Iplö^lij^  mit  ber  gorberung  l^erbor,  fid^  in  biefc  Beratungen  ni^t  einjulaffen, 
ba  eine  ben  ©tänbcn  nocl()  nic^t  mitgeteilte  faiferlidj^e  9?ebeninftruItion  alle  berartigen 
Scfc^lüffe  bor  bem  ftonjil  Verbiete.  SJiefelbe  h>urbe  am  3.  Stuguft  ben  Derfammelten  46 
©tänben  jur  Äenntni^  gebrad^t  unb  entl^ielt  in  ber  2:^at  ben  au^brüdtlid^en  S3efe^l,  in  ber 
„furjcn  ^zW*  bx^  jum  Äonjil  nic^t«  borjunel^men,  toa^  bem  c^riftlidj^en  ©lauben,  bem 
alten  genommen  unb  ben  Einrichtungen  ber  Äirc^e  juh>iber  fei,  bielme^r  bem  SBormfer 
aWanbate  einfach  nac^jutommen.  SBenn  gerbinanb  biefeö  bom  23.  ÜBärj  1526  batierte 
©cbriftftüdt  bi^^cr  jurüdE gehalten  ^atte,  fo  tl^at  er  bie^  offenbar  in  ber  Slbftc^t,  ben  ©tänben  60 
ben  ©(^ein  einer  freien  Setoegung  j^u  beloa^ren,  unb  in  ber  §offnung,  bafe  bie  fc^on  in 
ber  ^ropofition  Har  genug  auögefjjroc^ene  SßiUenömeinung  be«  Äaifer^  genügen  U>erbe, 
um  ben  9leid()^tag  t)on  berartigen  S5efd()lüffen  jurüdtju^alten.  äte  er  aber  nun  erlannte, 
ba^  biefe  Hoffnung  fic^  nid()t  erfülle,  50g  er  jenen  SBefel^l  ^ert)or,  um  alle  Weiteren  reform^ 
freunblic^en  Sefc^lüffe  ju  berl^inbem.  50 

35er  erfte  ßinbruct  be«  Sorbaltö  ber  laiferlic^en  Äommiffäre  U>ar  Derblüffenb. 
SDBäl^enb  bie  eifrigen  Äat^olifen  t>axa\x^  neue  Hoffnung  fc^ö^ften,  Dema^m  fte  bie  mtf)x^ 
l^eit  ber  ©tänbe  mit  ©taunen  unb  UntpiCen,  ba  fie  baburd^  ben  §auj)tjh)ec!  be^  Wid)^-- 
tag«  vereitelt  fa^.  ©c^on  rüfteten  fic^  Diele  jur  3lbreife  unb  lonnten  nur  mit  9)iü^e 
burc^  ben  Srj^erpg  babon  abgel^alten  roerben.  Über  bie  auf  bie  SRitteilung  ju  erteilenbe  eo 


592  Sptitx,  9Iet(^9ia||e 

3tnth)ort  Der^anbeltcn  junäc^ft  bic  fürftlid^en  Äutien.  3"  Reiben  lam  cö  längere  ^Ät 
lu  tciner  ßinigung.  enbli4>  griff  man  im  Äurfürftentate,  nac^bcm  bei  brei  erfolglofen 
Slbftimmungen  brei  reformfreunblic^e  gegen  ebenfobiele  gegnerifc^e  (Stimmen  geftanben 
i}aiUn,  auf  Slnregung  be^  ©rjbifc^ofö  bon  Irier  ju  einem  bann  auc^  öon  ber  J&älfte  bc^ 

6  gürftenrat^  gebilligten  3tuöh)eg.  3Kan  fc^Iug  bor,  ben  Äommiffären  gu  ertoibem,  ^in= 
fidj^tiid^  ber  ©laubenigfrage  tüerbe  getoife  jeber  Stanb  i^re^  anbringend  eingeben!  fein 
unb  ftd^  „fo  galten  unb  beme^mcn  laffen,  h>ie  er  ba«  gegen  ©Ott,  auci^(!)  laiferlicbe 
^Kajcftät  unb  baig  SReid^  getraue  ju  beranth?orten."  SKit  biefer  nic^t  neuen,  fc^on  am 
9.  3«""«^  1525  bon  bem  fianbgrafen  gelegentlich  gebraud^ten  SBenbung,  locld^e  ^ier  auf 

10  bem  SReic^^tag  guerft  auftauchte,  ^offte  man  über  bie  ©c^h>ierigteiten  ber  augenblidlicben 
Sage  ^intveggulommen  unb  bie  fac^Iicl()e  @ntfc^eibung  ju  vertagen,  über  h)eld^e  je^t  .^ur 
Einigung  ju  lommen  feine  3tu^fic^t  beftanb. 

6fg  lüar  U)ieberum  bie  Haltung  ber  ©täbte,  toelc^e  in  biefer  fc^toicrigen  Sage  einen 
für  ben  SReicl()^tag  gangbaren  SBeg  jeigte.    Diefelben   überreicl()ten  mit  il^ren  ingh>ifcben 

16  fertig  gefteDten  Sefcpmerbeartifeln  ben  ©tänben  eine  Eingabe,  U>el(^e  il^rem  greimute  unb 
i^rer  ftaat^männifcl()en  6inficl()t  äße  ß^re  mad^t.  9iac^  aSSicber^olung  i^rer  Srflärung, 
bafe  baö  SQäormfer  3Ranbat  nicl()t  DoHjogcn  h>erben  tonne,  bemerlten  fie,  ber  Äaifer  müfje  ba^ 
felbft  erfennen,  menn  er  jjerfönlic^  antpefcnb  h>äre.  3"^^"^  f^'^  ^^^  J)oIitifd^en  S8erbäU: 
niffe  feit  bem  um  me^r  al«  Dier  3)Jonate  jurücfliegenben  ©rlaffe  jener  gnftruftion  bun^^ 

20  au^  anbere  geworben.  Dl^ne  3^^^f^l  iDürbe  ber  Äaifer  i^^uU,  tvo  ber  ^kH)|l  fic^  im 
Äriegöjuftanb  mit  i^m  beftnbe,  anberö  benfen,  ate  bamate.  3!)a«  in  Sluöfic^t  gefteflte 
Äonjil  tüerbe  auc^  in  abfe^barer  3^'*  Ö^^  "'^^  jufammentreten  lönnen.  2)ie  Stäbtc 
fd()Iugen  be^^alb  bor,  bem  Äaifer  burc^  eine  Sotfc^aft  SBeridj^t  über  ben  ©tanb  ber 
35inge  im  SReic^e  ju  erftatten  unb   i^n  um  S3eU)itIigung  ber  in  Siümberg   befc^loffcncn, 

25  bon  i^m  berbotenen  9Jationa(berfammlung,  fotbie  um  ©ue^jenfion  be^  Sffiormfcr  ßbih^ 
5U  erfuc^en. 

3n  ber  I^at  ^atte  ftd^  bie  politifd^e  Sage  in  ben  legten  SKonaten  böttig  geänbert. 
ßlemene  VII.,  bem  feine  ^ntereffen  in  3;tali^n  me^r  am  §erjen  lagen,  ald  bie  Sctba^g 
ber  (Sinigteit  mit  bem  Äaifer  jur  ©r^altung  be^  alten  (Slauben«,  l^atte  ben  Äönig  gran^; 

30  bon  feinem  6ibe  entbunben,  jum  neuen  Äriegc  gegen  Äarl  ermuntert  unb  am  22.  3Rai 
mit  granfreid^,  Senebig  unb  S'^orenj  h?iber  ben  Äaifer  bie  „^eiligfte  Siga"  bon  ßognac 
gefc^loffen.  ©c^on  lagen  bie  laiferlidpen  unb  J)ä^ftlic^en  S^rujppen  aegen  einanber  ju  ^vclbc 
unb  e^  tbar  jtbifd()en  beiben  bereite  gu  einem  blutigen  3wfammenfto6e  gelommen.  äucfc 
in  ©peier  loar  bieg  befannt  geioorben  unb   eig  erfc^ien  be^l^alb  burc^auig  glaublich,  bü|, 

35  n)ie  man  fic^  erj^äl^lte,  ber  Äaifer  feine  ©timmung  geänbert  unb  nac^  ben  9iieberlanbcn 
bie  3Beifung  erlaffcn  ijaU,  in  ©ad^en  beö  ©laubenig  ,,fäuberlic^  ^u  t^un."  —  2)ie  ben 
3;^atfac^en  burc^au^  entfjjred^cnbe  l^orfteUung  ber  ©täbte  berfe^lte  i^re  Slöirlung  ni(6l. 
©^on  am  5.  3luguft  na^m  juerft  ber  grofee  2tu!gfd()u^  unb  bann  ber  SReid^tag  ben 
^orfd()lag   einer  ©cfanbtfc^aft  an  ben  Äaifer  einmütig  an.    Über  bie  ben  ©efanbten  ju 

40  erteilenbe  3"f*^"t^ion  Jburbe  bann  im  2lugfd()uffe  am  7.,  im^!)Jlenum  am  12.  äluguft  Der- 
l^anbelt.  ^ic  enbgiltige  geftftcHung  bcrfelben  erfolgte  nac^  Übertoinbung  einiger  bon  ben 
©eiftlid^en  au^gcl^cnben  ©d^toierigfeiten  am  21.  äuguft.  311^  ?!Ritglieber  ber  93otf4afl 
iburben  neben  bem  2luggburger  2)om^ro>)fte  3)larquarb  bon  ©tein  unb  bem  ftreng 
fatl^oUfc^cn  '^ol).  %abtx  and)  ©raf  3tibrcc^t  bon  OTanefelb  unb  ^alob  ©tunn  bon  StraB- 

45  bürg  beftimmt.  2)icfe  ©cfanbten  foHten  na6)  il^rer  ^nftruftion  ben  Äaifer  baran  erinnern, 
lüaö  fic^  in  ben  legten  '^al)xm  im  Slcid^c  toegcn  be^  ©lauben^itbiefjjalt^  zugetragen  6ak 
3luf  bem  Sleic^^tage  l)abc  man  fic^  nun,  bem  faiferlid;en  Sefe^fe  gel^orfam,  jeber  Sefc^Iufe- 
faffung  in  ber  ©lauben^fragc  enthalten.  5Rad^bcm  aber  ein  Seil  ber  SleidS^öftänbe  ber  bi«f»er 
geübten  Äirc(}enlef;re  unb  bercn  3^^^^"^onien,  ein  anberer  aber  einer  Se^re  unb  3^re"^ö"^^ 

60  anl^angc,  bie  il^re^  Qxad^Un^  au6)  d^riftlid()  feien,  unb  jeber  2;eil  feinen  3Beg  für  bic 
c^riftli^e  Söa^rl^eit  ^alte  unb  babei  beharren  tboÖc,  tonne  ^ebe  unb  ©inigleit  im  SReid'C 
nic^t  bcffer  ge^jflanjt  ioerben,  al^  burc^  ein  frei  ©eneralton^il  ober  toenigften^  eine  9Jational' 
bcrfammlung.  "De^l^alb  follc  ber  Äaifer  gebeten  ioerben,  fo  balb  möglid^  nad^  S)cutfd»= 
lanb  JU  fommen,  ioo  burd^  feine  ©cgenmart  lüo^l   guter  tröfllic^er  SRat   gefunben  tocrbc. 

66  ferner  möge  er  baran  fein,  bafe  gum  fürbcrlid;ften,  fjjäteften^  nad^  anbert^alb  S^^ren  ein 

fiemein  frei  Äonjilium  in  beutf^en  Sanben  ober,  ibenn  baö  nid^t  ^u  erreid^en  fei,  eine 
reic  DJationalberfammlung  aller  ©tänbc  beutfd;cr  3Jation  borgenommen  toerbe,  bei  ber 
ber  Äaifer  aud;  in  ^!J.^erfon  erfd;cincn  möge.  3!)ie  25oUftredung  beg  SBonnfer  @bite, 
h?eld;eg  nid^t  überall  |abe  au^gefül)rt  ioerben  tonnen,  möge  ber  Äaifer  in  Slnbetra^t  ber 
60  „fc^meren  Saufe  biefer  S^'it",  fo  biel  bie  ©träfe  be^felben  belangt,  „gnäbiglid^  in  %x^ 


<Bptitt,  9tcid)dtage  593 

ftctten."  SDaig  merbc  o^nc  3*^^iM  großen  (Sc^orfam  beh?irfen  unb  ju  griebe  unb  eimg? 
feit  l^öc^ft  bienlic^  fein,  ©nbliclj)  foHten  bie  ©efanbten  noc^  Don  bem  ju  ©r^altung  be^ 
grieben^  unb  SSetJ^ütung  lünftigen  äufru^rö  gefaxten  einmütigen  Sefc^luffe  be«  Sleic^^s 
tag^  3Kittcilung  mad^m,  nac^  h?elc^em  fic^  bie  Stänbe  bereinigt  f)ätim,  ,,mitt(er  3cit  beö 
Jlomilii  ober  aber  9iationalDerfammlung  nicl()tgbeftoU)eniger  mit  il^ren  Untert^anen  in  6 
Sachen,  \o  baö  ©bitt,  burc^  Iaijerlicl()e  3)Jaieftät  auf  bem  SReic^etage  ju  2Borm^  au^s 
gangen,  berül^ren  motten,  für  ftc^  alfo  ju  regieren  unb  ju  l^alten,  h)ie  ein  jcber  Sold^eg 
gegen  ®ott  unb  laiferlid^e  SMaieftät  l^offet  unb  vertrauet  ju  öerantioorten."  3)lit  biefem 
SSJortlaute  mürbe  ber  ©a$  auc^  in  ben  SReic^ötagöabf^icb  aufgenommen,  tpele^er  am 
27.  Sluguft  unterzeichnet  h>urbe,  nadSfbem  fianbgraf  W^^^P  f^^n  am  22.  unb  iturfürft  lo 
3io^ann  am  25.  Sluguft  Don  Sjjeier  abgereift  ioaren.  2)erfelbe  fanb  auc^  bie  3uftimmung 
bc^  ©rj^erjog^  gerbinanb,  W^ld^zx,  tnxd)  fcl()limme  9Jaci^ric^ten  über  ben  (jinbruc^  ber 
dürfen  in  Ungarn  beunrul^igt,  bie  ©tänbe  am  17.  Sluguft  bringenb  ju  rafc^er  ßrlebigung 
ber  (Sefd^äfte  aufgeforbert  bait^.  Unter  auöbrütflicber  Berufung  auf  bie  il^nen  au^gefteDte 
SJoHmac^t  erflärte  er  mit  ben  übrigen  taiferlic^en  Äommiflären  „Don  römifdj^er  taiferlic^er  i6 
3Haieftät  tpegen",  ätte^  unb  3ebe^,  ioaö  in  bem  Stbfc^ieb  fte^t  „unb  faif erliefe  3)Jaieftät 
berühren  mag",  feft,  unDerbrü^Iic^  unb  aufrichtig  ju  galten  unb  ju  DoUjie^en. 

?!Jlit  ben  örgebniffen  be^  SReic^^tag^  tonnten  bie  ^reunbe  ber  SReformation  jufrieben 
fein.  SDie  fcl()Iimmen  Slbfid^ten  i^rer  SBiberfac^er  U)aren,  nid^t  jum  U>enigften  infolge  ber 
öerblenbeten  ^olitil  be^  ^ßo^fte«,  vereitelt  tüorben.  35ie  9Joth)enbigIeit  einer  SReform  toax2o 
burd^  bie  3Bieberl^o(ung  ber  Sefc^toerben  U)iber  bie  ©eiftlic^feit  unb  bie  einftimmige  gor« 
berung  eine^  Äon^il^  Don  neuem  anerfannt  tvorben.  $ierju  !am  jene  Seftimmung, 
toelc^e  bem  Sleid^^tage  feine  bleibenbe  gefc^ic^tlid^e  Sebeutung  gab.  Über  ben  Sinn  unb 
bie  S^ragioeite  berfclben  beftel^t  9!Keinung^berfcl(^iebenl^eit.  SBöi^renb  SRanle  in  i^r  „bie 
gcfe^licl()e  (Srunblage  ber  Sluöbilbung  ber  beutfc^en  £anbe^Iircl()en"  ertennt  unb  bem  Steic^^^  >o 
tage  bie  Slbfic^t  jufdj^reibt,  „jebem  9leicl()^ftanbe  in  §infic^t  ber  SReligion  Slutonomie  ju 
geloäl^ren",  bemerlt  S^^ff^"/  ^^fe  "^4^  "^^^  SBortlaute  beö  3lbfcl()ieb«  bon  einer  „red()tlicl()en 
^Jtnerfennung  be^  lerritoriallirc^entumg"  nic^t  bie  SRebe  fein  tonne.  (Setoi^  infofem 
nidbt  mit  Unrecl()t,  a(g  feine^toegg  bie  2lbfic^t  beftanb,  einen  bleibenben  SRed^tö^uftanb  ju 
fc^ciffen,  nac^  U^elc^em  jeber  SReid^i^ftanb  Don  nun  an  befugt  fein  foüte,  in  feinem  Oebiete  ao 
in  ©lauben^fac^en  nac^  feinem  ©efatten  ju  Verfügen.  2)a^  er^eÜt  fd^on  au^  ben  Um^ 
ftänben,  unter  benen  bie  Älaufel  entftanb,  unb  au^  ber  jeitlic^en  Segren^ung  i^rer  (Siltig* 
feit  bi^  jum  Äonjil,  toeld^e^  bie  enbgiltige  6ntfd()eibung  treffen  foHte.  Stuc^  ber  §intoei^ 
auf  bie  SeranttDortung  Dor  bem  Äaifcr  l)aiic  bei  beffen  befannter  ©efmnung  eine  fe^r 
tüefentlic^c  Scbeutung.  2)er  Sj)eierer  älbfc^ieb  brachte  feinen  bauemben  grieben^fc^Iufe,  35 
fonbern,  ioie  ^riebenßburg  fagt,  einen  „SBaffenftiUftanb,  h)ie  er  burd^  bie  Sage  ber  2)inge 
geboten  fd()ien",  eine  3Sertaguna  ber  fd;liefelid()en  6ntfd()eibung,  burd^  Wili^t  man  über  bie 
25erlegen^eiten  ber  augenblictlic^en  Sage  jj^intoeggufommen  l^offte.  9lber  auc^  Staute  l^at 
bag  geloife  nic^t  Derfannt  unb  nxd)t  be^au^^ten  troDen,  bafe  burc^  ben  2lbfd()ieb  ein  für 
äße  3wtunft  geltenber  rcd^tlid()cr  3"P^"^  herbeigeführt  tüerben  tooHte.  SQäenn  er  aber  -u) 
bei  feinen  3tuöfüf)rungen  nic^t  an  bie  formale  SRec^t^lage,  fonbern  an  bie  gefd()ic^tli(^cn 
folgen  backte,  U)elc^e  ber  ©peierer  2lbfd()ieb  tl^atfäd^lid^  nad^  fic^  jog,  fo  entbehren  bie^ 
fclben  nid^t  ber  Sered^tigung.  2)enn  bie  Don  bem  Sleid^ötage  in^  Sluge  gefaxte  enbgiltige 
^Regelung  ber  religiöfen  §rage  blieb  au^,  2)a^  Ronjil  tam  ebenfo  tocnig  toie  bie  9tationals 
Derfammlung.  2)ie  ®efanbtfc^aft  an  ben  Äaifcr  fam  nic^t  ju  ftanbe  unb  tourbe  am  45 
27.  ÜJJai  1527  burd()  biefen  au^brücflic^  Derbotcn.  3!)a  tonnten  fic^  bie  eDangelifd^jen 
©tänbe  burd()  ben  3tbfd^icb  in  ber  I^at  für  berechtigt  halten,  in  i^ren  ©ebieten  nicl[|t 
bloft  bie  bereite  eingeführten  Steuerungen  in  ©lauben^facpcn  beizubehalten,  fonbern  and) 
weitere  inö  SBert  gu  fe^en.  3)enn  fie  toaren  überzeugt,  bamit  nur  i^re  ^flid^t  ^u  erfüllen 
unb  ©otte^  SBiUen  ^u  t^un,  unb  be^^alb  bic^  jeberjeit  Dor  ©Ott  ju  DerantU)orten  bereit,  oo 
i^on  3tnfang  an  ftanb  i^ncn  biefe  Sted^enfd^aft  Dor  ©Ott  in  erftcr  Sinie.  ^n  bem  erften 
©utac^ten  be^  großen  3tu^fd()uffe^  ioar  bic^  mit  ben,  erft  nac^träglid()  geftric^encn,  äBorten : 
„gegen  ©Ott  juDorab  unb  barnad()  gegen  faiferlid()e aRajeftät"  audbrüdflic()  au^gefproc^en 
njorben.  9lud^  bie  Seric^te  über  bie  Slnna^me  jener  ^'^^"^^'^  la^'icn  feinen  3^^if^^ 
barüber,  bafe  man  ben  ©inn  berfelben  allgemein  fo  auffaßte.  ©0  fd^rieben  am  6.  3luguft  60 
bie  furvfäljijclicn  ©efanbten,  man  ^abe  befc^loffen,  bafe  jebe  Obrigfeit  fxd)  galten  foUe, 
toie  fie  baö  i^rer  ©etüiffen  Ijalben  gegen  ©ott  unb  fonft  geaen  taiferlid()e  -iDlaieftät 
unb  ba^  SRcic^  Dertraue  ju  Deranth^orten".  Unb  ber  35enetianer  Songin  beutet  in  einem 
Sriefe  au^  Speier  Don  20.  3luguft  ben  Scfc^lufe  gar  bal;in,  bafe  jeber  glauben  möge, 
toad  i^m  gefalle  (che  ognuno  creda  quel  li  place).    S^a^  bie  @Dangelifc^en  aber  Dor  eo 

VktaUdnc^tlop&hlt  für  ar^eologie  nnb  Rixä^t,    8.  «.  XVUI.  <^<^ 


594  Sputt,  9Ift(49tagc 

Oott  Dcranttüorten  lonntcn,  toaxm  fie  aud^  t)ot  bem  Äaifct  ju  öeranttoortcn  Gerrit,  t)on 
bcm  fie  ftetig  nod^  hofften,  bafe  et  ju  bcfferet  ßinfic^t  lommen  unb  il^nen  ntc^t  t)crti>e^ 
toetbe,  toa^  'if)x  (Selüiffen  il^nen  gebiete.  Slufeer  bem  Äaifet  ober,  beffen  Stbtoefcn^t 
t)om  9{eicl^e  t^nen  ftetö  bie  SRöglidpIett   offen  lie^,  ftd^   t)on  bem  fc^le^t   unterrui^teten 

5  Äaifer  auf  ben  beffer  ju  unterrid^tenben  ju  berufen,  toax  a\xä)  na^  bem  ftrcngften  SBort* 
laute  ber  Älaufel  lein  SMenfd^  bered^tigt,  fie  über  i^r  SScrl^alten  mm  3Sormfer  ©bitt  jur 
Sled^enfd^aft  ju  jiel^en.  ©o  tourbe  in  ber  %\)at  ber  ©peierer  S3ef(^Iu^  Don  1526  bcr 
tl^tfäd^Iic^e  SRed^tgboben  für  bie  nun  betoirften  h)eitcren  SReformen  ber  eiKingcUfc^en  ©tanbe. 
2BeiI  berfclbe  aber  jugleid^  auf  eine  einl^eitlid^c  Söfung  ber  religiöfen  grage  toorcrft  tKt- 

10  jidj^tete,  tonnten  ft^  bie  latl^olifd^en  ©tdnbe  bei  il^rer  Unterbrüdtung  bed  Stoanaelium^ 
ebenfatt«  auf  benfelben  berufen,  ^nfolgebeffcn  batiert  h>irllid^,  h>ie  SRanfc  bemcrn,  t)on 
biefem  Sleic^^tage  bie  ©J)altung  ber  beutfd^en  9iation  in  religiöfer  ^infic^t  unb  toir  fmb 
beredj^tigt;  il^n  mit  Aöftlin  aU  ba$  toic^tigfte  Sreigni^  für  bie  äußere  Snttutdelung  ber 
Sieformation  feit  bem  ßrlaffe  bed  SQäormfer  Sbittig  ju  bejeid^nen. 

15  2.  1529.     3.3.  Mütter,  ®cf*.  üon  ben  eo.  ©tänbe  ^rotcft.  2c.,  3cnal705;  Xtttmann, 

S)ic  ^rot.  b.  CD.  ©täube  auf  bcm  3flci(^gt.  ju  ©pcier,  ficip5igl829;  «-Sung,  ®cfd).  b.  SJcic^t. 
juSp.,  ©troftb.  1830;  3.  ^tX),  ®efd).  b.  mmt  ^u  ©p.  im  3.  1529,  ^mb.  1880;  bcrf.,  S)ic 
^roteft.  b.  CD.  ©t«nbe  ju  ©p.  1529,  ©attc  1890;  G.  ©cujcr,  3)ic  ^rotcftation  t)on  Sp.,  »cu: 
ftobt  n.  ^  1904.   —    Srcrucr  oufecr  ©Iciban  u.  ©ccfcnborf  bie    erwähnten  ©erfe  üon  ©uc^olß 

20  III,  391  ff.,  SRommcII,  233  ff.  unb  II,  213  ff.,  tcim86ff.,  ßorocrau90ff.,  3onffcn  III,  130  fr.. 
aRaurenbrc(^ev  273  ff..  C>efclc=©crgcnröt&er  IX,  568  ff.,  (Sgel^aof  II,  85  ff.  —  «ftcn  u.  «riefe 
beifiünig,  3BaId)  XVI,  315  ff.,  ^uQer,  3ung  unb  <«el)  0.  o.O.,  J.  5)obeI,  ^KinÄ  ©Ringer  Quf 
b.  SRcic^St.  i^n  ©p.  2C.,  9(ugdb.  1877,  im  CR  I,  1038  ff.  bei  SSircf  I,  319  ff.  9tuc^  einige  bie- 
der unbenü^te  arcbioaüfc^e  92ott^eu    fu^b   uerroertet.     ^ie  ^Blppetfationdf^rift    neueftend   bei 

25  3  91et),  3)ie  ^tppcüation  unb  ^roteft.  bev  et),  ©tänbc  2c.,  ßeipi^ig  1906  (in  bcu  Ouettcnfdjr. 
jur  ©efc^.  be8  $rot.  ^.  5).  ßur  Beurteilung  bcr  ^ßroteftation  ogl.  3R.  ©alt^cr,  gür  äut§er 
Wibcr  9»om,  ^ttc  1906,  ©.  321—334. 

3?od^  bro^enber  algl526  h>ar  bie  l)oIitifd^e  Sage  für  bie  SDangelijdS^en  anfangt  1529 
geworben.    Äaifer  unb  ^ccip^i  ftanben  h>ieber  in  gutem  6inDeme|men  unb  ^tten  bie 

30  Ser^anblungen  bereit«  eröffnet,  tüelc^e  am  29.  3uni  1529  in  bem  ^neben  toon  Sarcelona 
i^ren  Slbfc^lufe  fanben.  Äarl  V.  tt>ax  fefter  ate  je  entjc^Ioffen,  „ber  öer))eftenben  Äran!= 
l^eit  be«  Sutl^ertum«"  nötigenfati«  auc^  mit  ®eh>alt  entgegenjuh>irfen,  unb  fein  Sruber 
gerbinanb,  ber  injh>ifc^cn  Äöni^  bon  Ungarn  unb  Sö^men  getüorben  h>ar,  teilte  feine 
©efmnung.    Durc^  baö  übereilte  33orge^en  be«  fianbgrafen  HJ^ili})^)   in   ben   ^cfficn 

35  ^änbeln  erbittert,  \vaxm  Diele  fat^olifd^e  ©tänbe  ebenfall«  ju  entf^iebenerem  SJorge^en  gegen 
bie  Sieformation  geneigt.  9)ie  eöangelifd^en  ©tänbe  U)urben  mit  ber  Ungnabe  bc«  5laifer§ 
gefc^redt.  Sil«  um  biefe3«t  bie  ©täbte  Strasburg  unb  SKemmingen  bieSRcffc  abfc^afften, 
tDurbe  Strasburg  burd^  ba«  SReid^^regiment  ernftlid^ft  öertüarnt,  ber  SJertreter  Don  ilJein-- 
mingen  aber  im  gebruar  1529  au^  bem  fc^U)äbifc^en  Sunbeörate  au^geftofeen.   9Son  bem 

40  am  30.  3loi)cmber  1528  nad^  ©^eier  anberaumten  neuen  5Heid^«lage  U>ar  be^^alb  tocnig 
©Ute«  3u  erlüarten.  3lad)  bcm  3lu«fd(^reiben  foHte  auf  il^m  aud^  barüber  toerbanbelt 
toerben,  h?ic  bi«  gu  bcm  bon  neuem  in  Slu^pc^t  geftettten  Äonjil  „bie  S^f'^"^  ""^ 
^tüeiung  im  ^eiligen  (Slauben  in  Slu^e  unb  ^rieben  gefteHt"  Serben  möge.  393ie  bcr 
Maifer  aber  biefe  3tu^e   b^Ö^ft^Dt  feigen  U)oflte,  mar  au^  ber  $roj)ofitton   ju   erfebcn, 

45  tpelc^c  bie  faiferlic^en  .^ommiffäre,  an  beren  ©J)i^e  lieber  gerbinanb  ftanb,  bei  ber  öt- 
Öffnung  bc«  Skcic^^tag«  am  15.  ^Rärj  1529  ben  ©tänben  mitteilten.  ^  ungetoöbnlicb 
fc^roffer  ^orm  lüurbe  barin  ba«  3Ki^fattcn  be«  Äaifer«  über  bie  in  2)eutfc^lanb  ent- 
ftanbcnen  unb  täglich  tDcitcr  ausgebreiteten  berberblic^cn  Seigren  unb  ^xx^ak  audgefprot^en, 
burc^  h)eld;e  nid^t  nur  bie  löblichen  ©ebräuc^c  ber  Äirc^e,  ®ott  ju  ©c^mac^  unb  Unebrc, 

»0  beräc^tlic^  gemacht,  fonbern  aud)  fc^toere  (Smjjörungen  Derurfac^t  toorben  feien.  2*er 
ßaifer  gcbenfe  bem  nic^t  länger  ^ujufe^en.  35a«  Äonjil  j^abe  bi«^er  nod^  nic^t  berufen 
lücrben  fönnen,  tDcrbc  aber  je^t  „jum  e^eften"  au«gcfd()rieben  tücrben  fönnen,  ba  audi 
ber  '^a'p^i  e«  gerne  förbem  h)erbe.  35i«  jum  Äonjil  aber  Verbiete  ber  Äaifer  bei  ftrengfter 
©träfe,  bei  be«  JHcic^e«  9lc^t  unb  Slberac^t,  irgenb  jemanb,  altem  §erIommen   jjutoibcr, 

56  mit  einjie^ung  geiftlic^er  unb  loeltlic^er  Dbrigfeit  ju  Dergeloaltigen  ober  ju  unrechtem 
©lauben  ju  herleiten,  ßnblic^  U)urbc  bemerft,  au«  ber  befannten  Seftimmung  be«  legten 
©Jjeicrcr  Slbfc^ieb«  fei  „grofjer  Unrat  unb  ^Kifebcrftanb  lüiber  unfern  ^eiligen  d^riftlicben 
©laubcn"  gefolgt.  SDer  Äaifer  l^cbe  benfelben  be«^alb  ^iemit  auf,  laffiere  unb  toemid^tc 
il^n   au«   faiferlic^er  WacbttJoHfümmcn^eit  unb   bcfel^Ie  ben  ©tänben,   an   ©teile  jene« 

60  3trtifel«  bie  erlüä^nte  in  bcr  ^rojjofttion  enthaltene  Seftimmung  ju  fe^en. 

Dffm  3^^'f^l  1^8  ^i^i"  ^i"^  Überfc^reitung  ber  SBefugniffe  be«  Äaifcr«  unb  ein 


Stifter,  Sleif^dtage  595 

ßingriff  in  bte  Siechte  ber  Stänbc.  9ia(^bem  bct  le^te  3tbfcl^icb  in  aller  ^orm  Mec^tcn^ 
bcjc^Ioffen  unb  bon  bcn  SSoHmac^tträgem  be«  Äatfer^  in  beffen  9?amcn  angenommen 
tüorben  U)ar,  ftanb  c^  bem  Äaifer  toeber  ^u,  i^n  einteilig  auf  ju lieben,  noc^  benStänben 
ju  befehlen,  lüa^  an  beffen  ©teDe  ju  fe^en  fei.  5Ricl()t  nur  bie  entfcl()iebcn  (Sbangelijc^en 
erlannten  be^^alb  bie  ^orberung  ber  ^^Jro^ofition  als  unannel^mbar,  fonbern  auc^  ge«  5 
mäßigten  Äat^olifen  erf^ien  fie  bebenflic^.  3luf  bem  SReic^Stag  ^atte  freiließ  bieSmal  bie 
ftreng  lat^olifd^e  Partei  tpeitauig  bie  SWe^rl^eit.  3Känner  h?ie  Äarbinal  2ang  bon  ©alj« 
bürg,  Slbt  ©ertüig  bon  SQäeingarten,  Dr.  3[o|flnn  ^Jaber  unb  ber  baierifd^e  Äanjler  Seon^arb 
bon  (Sd  Ratten  bie  gü^rung  unb  aud^  milber  Denlenbe  folgten  i^rem  ©influffe.  ©c^on 
am  IG.  Wiäxi  fd^rieb  beSI(^al6  3j«fcb  ©türm  nad^  ©trafeburg:  „Seforg,  lüie  x6)  bie  ^ßer«  10 
fönen,  fo  ^ier  [xn\>,  anfe^e,  eS  toerb  nit  biel  ju  erlangen  fein.  In  summa,  Christus 
est  denuo  in  manibus  Caiphae  et  Pilati".  Unb  ber  SWemminger  Stbgeorbnete 
AjanS  e^inger  Ilagte  am  25.  3Rärj,  h?ie  Dr.  ®tf  ben  fd^toäbifd^en  Sunb  regiere,  fo 
regiere  er  auc^  mit  Dr.  %ab^  unb  bem  äbt  bon  SBeingarten  unb  i^rem  Sln^ang  ben 
Sleic^Srat.  15 

3unäc^ft  trat  freiließ  biefeS  Übergeh>ic^t  ber  altgläubigen  nid^t  offen  l^erbor.  ^n 
ber  gleiten  ©ifeung  ber  ©tänbe  am  18.  SDlärj  gelang  eS  fogar,  gegen  ben  3Q3iberfj)ruc^ 
ber  ©eiftlidj^en  oie  Seftellung  eine«  „großen  3lu«fc^uffeö"  jur  35orbereitung  ber  SReic^Stag^s 
befd^lüffe  burd^jufe^en.  Sei  ber  SQäa^l  beSfelben  ftellte  fid^  aber  ^erauö,  toie  ioenig  bon 
bem  JHeic^ötag  ju  hoffen  toar.  Son  ben  18  3Kitgliebem  be«  Sluöfc^uffe«  h>aren  nur  20 
Äurfürft  Sodann  oon  ©ac^fen  unb  bie  SBertreter  ber  ©täbte,  ^aloi  ©türm  bon  ©tra^« 
bürg  unb  ^oij^ann  S^e^el  bon  SRürnbcrg,  ebangelifc^.  ßinige  anbere  neigten  jur  3?ers 
mittelung,  aCe  übrigen  gehörten  lüie  gaber  unb  ®cf  ju  ben  entfc^iebenften  ©egnern  ber 
^Reformation  ober  folgten  boc^  ber  gü^rung  biefer  ?!Känner.  ©0  brangen  benn  „bie 
Pfaffen",  h)ie  fie  ber  ^fäljer  ^letfcnftein  nannte,  tro^  be«  SGBiberfJjrud^«;  ber  ebangelifdjien  25 
•äRitglieber  im  äuSfc^uffe  mit  i^ren  Sorfd^lägen  burd^.  Sc^on  am  22.  9Kärj  bcfd^lofe 
berfelbe  mit  ©timmenme^rl^eit,  bie  Slufl^ebung  ber  belannten  Seftimmung  be«  legten  äbs 
fd^iebS  unb  bie  ßrfe^ung  berfelben  hnxd)  bie  in  ber  ^rojjofttion  geforberte  ju  beantragen. 
9Jur  foHte  biefer  Slrtilel  „ni(^t  fo  l^art",  h>ie  in  ber  Vorlage,  fonbern  „gemitbert"  an  bie 
©tänbe  gebrad^t  Serben.  3"  ^^"^  ©i^ung  bom  23.  3Kärj  h)urbe  ber  Slntrag  nä^er  :ju 
formuliert.  (Sin  3SermittelungSborfd^lag  be«  Äurfürften  S^l^önn,  ber  bi«  an  bie  äufeerfte 
©renjc  be«  für  ebangclifc^e  ©tänbe  SKöglid^cn  ging,  lüurbe  bon  ber  9Ke^r^eit  abgelel^nt. 
^lad)  iljm  foUte  ber  3lbfd()ieb  bon  1526  ba^in  erläutert  h>erben,  bafe  bie  bei  ber  l^cr« 
gebrad^ten  Äird^enorbnung  berbliebenen  ©tänbe  bis  jum  Äonjil  babei  ber^anen,  bie 
anberen  aber  [\d}  nac^  jenem  3lbfd()icb  galten  foHten,  h)ie  fte  cS  gegen  ®ott  unb  ben  .15 
Äaifer  ju  bcranttoortcn  bertrauten,  ba^  jeboc^  Weitere  Steuerung  ober  ©elten  im  d^riftlid^en 
©lauben  aufzurichten  bis  jum  Äonjil  fo  biet  möglich  unb  mcnfdjjlidj^  ju  berl^üten  fei.  3)a 
bei  2tnnal?me  biefeS  SSorfd^lagS  jebe  Ausbreitung  ber  Sieformation  auf  nod^  fatbolifdj^e 
©ebiete  unb  ebenfo  bie  lüeitere  SluSgeftaltung  ber  Sieformation  in  ebangelifc^en  Sanben 
auSgcfc^loJfen  lüorben  h)äre,  U)ar  beffen  3?erU)erfung  burdj^  bie  2luSfc^ufemel(>rl^eit  biel^  lo 
leidet  aucp  für  bie  greunbe  ber  Sieformation  ni^t  j|u  bebauem.  2)aS  ©utac^ten  beS 
SluSfc^uffeS,  h?eld^er  in  ben  näd()ften  Sagen  nod^  feine  Anträge  über  bie  übrigen  SReit^« 
angelegen^eiten  feftfteDte,  U)urbe  am  3.  Stpril  ben  ©tänben  jur  ÄenntniS  gebracht  unb 
am  G.  burc^  bie  fiurfürften,  am  7.  burd^  baS  fürftlid^e  Äottcgium  mit  ©timmen« 
me^r^cit  angenommen.  Da  aber  bie  eöangelifc^en  dürften  bagegen  Sefc^toerbe  erhoben  45 
unb  erflärten,  fie  Jüürben  fic^  bon  bem  borigen  3t6fc^iebe  nic^t  bringen  laffen,  gab  man 
baS  Giutad^ten  ju  nochmaliger  ©rträgung  unb  3Rilberung  einiger  SluSbrüdte  an  benäuS« 
fc^u^  ^urüdf,  mobei  jcbod()  bie  „©ubftanj"  beS  ©utac^tenS  unberänbert  bleiben  fotitc. 
2)aS  führte  axii)  tüirflid^  ju  einer  nic^t  untpic^tigen  Stnberung  beS  33or}d^lagS.  3n  bem« 
felben  ^iefe  eS  juerft,  bafe  lein  ©tanb  ben  anbem  „mit  ßntioe^rung  ber  Obrigfeiten,  co 
Stent,  ^in^  unb  ^ertommen  Dergetoaltigen"  foBe.  Da  biefe  Seftimmung,  h>ie  bie 
faiferli4)e  ^ro})ofition  auSbrüdtlic^  forbert,  auc^  auf  bie  geiftlic^e  Dbrigfeit  ju  bejiel^en 
mar,  fo  h?äre  burd^  fte  bie  ^«riSbiftion  ber  S3ifd()öfe  aucp  über  bie  ebangelifdj^e  ©eiftlid^^ 
feit  irieber^ergefteHt  h^orben.  SDurc^  ©treic^ung  ber  SQäorte  „Obrigleit  unb  §erIommen" 
tourbe  biefer  3:cil  beS  SlntrageS  nun  für  bie  e^angelifc^en  annehmbar  gemad^t.  ©ine  t^^^ 
jtoeite  3tnberung,  nai)  h?elc^er  in  ©ebieten,  in  benen  bie  anbere  ße^re  entftanben  fei, 
niemanb  mie  bon  ber  SJleffe,  aud;  baxu  gebrungen  Serben  foDte,  Hang  jh>ar  fc^r  ent= 
gegenfommenb,  l^atte  aber,  n)cil  [k  in  tat^olifd^en  ©ebieten  nidj^t  gelten  foEte,  leine  reale 
Öebeutung.  2)aS  ©xitaAtm  in  feiner  neuen  gaffung  h>urbe  bann  am  10.  2l^)ril  ben 
ftirftlidj^en  ©tänben  jur  ÄenntniS  gebrad^t.    Dbiool^l  ein  furfäd^jtfd^  9lat  fofort  ertlärtc,  00 


596  &ptitx,  Stetf^dtagc 

ba|  fein  §en  gegen  einen  folgen  Sefcl^Iu|  jjroteftieren  h)erbe,  U>urbe  berStntrag  in  einer 
toeiteren  ©iftung  ^om  12. 2lj)ril  mit  ©timmenme^r^eit  angenommen  unb  ben  ©tobten 
burc^  ben  3Kaimer  Äanjler  jur  SBefc^lu^fafJung  mitgeteilt. 

33i^  bal^in  patten  bie  ©täbte,  getreu  il^rem  ©runbfa^e,  bie  Sefd^toerben  einer  einzelnen 

6  ©tabt  alö  gemeinsame  ©ac^e  aller  ju  betrad^ten,  i^re  ßinigleit  betoal^rt,  obtoo^I  nic^t 
U>enige  unter  t^nen  marcn,  beren  9lat  flreng  lat^olijc^  h)ar.  3)tejelbe  h>urbc  äufeerli(^  fogor 
noc^  feftge^alten,  nacl()bem  Äönig  gerbinanb  am  3.  2lj)ril  bie  Sltgeorbneten  ber  fat^oIif(^cn 
unb  am  4.  bie  ber  ebangelifd^en  ©täbte  bor  ftd^  befc^ieben  unb  jene  burc^  Sobfrrücbe 
unb  3?erf})rec^ungen,  biefe  burc^  H^iö^  5Borh>ürfe  unb  2)rol^ungen  mit  ber  Ungnabc  t>k 

10  Äaiferg  gefügig  ju  machen  Derfud^t  l^atte.  (So  h?ar  ein  Reichen  nicl()t  geringen  3)lui§, 
bafe  fidj^  bie  SJertreter  ber  le^teren,  unter  benen  ftd^  bod^  au^  rec^t  unbebeutenbc  befanben, 
baburc^  nid^t  f(^retfen  liefen.  S^^ob  ©türm  lonnte  bem  Äönige  in  i^rem  9?amen  fofott 
erh>ibem,  fie  feien  in  aßen  jeitlic^en  3)ingen  bem  Äaifer  p  ge^orc^en  bereit;  t)on  bem 
@t)angelium  lonnten   fie  aber  um  be^  @eU)iffend  tviOen  mc^t  abftel^en.    3luc^  bie  lat^o^ 

16  lifdjjen  ©täbte  blieben  junäd^ft  feft.  ©ie  ftimmten  nod()  einer  am  8.  Sl^^ril  ben  fürftli(^en 
©tänben  übergebenen  „©u})i)lifation"  pi,  in  h?elc^er  fie  t)erfd^iebene  Seftimmungen  be^ 
®utad^ten«  ablehnten  unb  baten,  e^  bei  ben  bemä^rtcn  geftfefeungen  be^  legten  äbf(^ieb^ 
ju  belaffen.  9Jad()bem  bie  Sleic^^tag^me^r^eit  aber  i^re  JJorfteHung  nid^t  bead^tet  ^ttc, 
mußten  bie  ©täbte  nunmelf^r  ni  bem  i^nen  afö  enbgiltig  b^c^loffen  mitgeteilten  Sefd^luffe 

20  ©teQung  nehmen.  SBeöor  jte  fic^  aber  noc^  barüber  äufeem  tonnten,  trat  in  jener  ©ifeung 
öom  12.  3tj)ril  ein  furfäc^fifd^er  3{ai  mit  ber  (grflärung  ^ert)or,  bafe  Äurfürft  ^ofymn 
t)on  ©ac^fen,  3RarIgraf  ®eorg  Don  Sranbenburg,  Sanbgraf  ^JJ^ili^j)  bon  Reffen,  ^ürft 
SEBolfgang  t)on  Sln^alt,  foh?ie  bie  (Sefanbten  bc^  Jperjog^  toon  Süneburg  unb  be^  Sifc^ofiS 
öon  $aberborn,  enblid^  ®raf  ®eorg  Don  SBert^eim  für  ftc^  unb  anbcre  ©rafen  bem  Se^ 

25  fc^luffe  nid()t  jugeftimmt  Ratten  unb  in  i^n  nic^t  eintüilligen  fönnten.  5Rac^  lurjer  5Jc= 
ratung  ber  ©täbtegefanbten  toieber^olte  bann  ©türm  in  beren  9Jamen  bie  Sitte,  e«  bei 
bem  borigen  Stbfd^ieb  bleiben  ju  laffen,  ba  Diele  ©täbte  ftc^  befi^loert  füllen  toürben,  toenn 
bie  ©tänbe  auf  i^rem  Sefd^luffe  bebarren  trollten,  ^ci^t  geigte  e^  fid^  aber,  baf;  bie  ein= 
fd^üc^terung!gDerfud()e  be^  Äönigg  boc^  nid^t  erfolglos  geblieben  loaren,  unb  ber  bi^^er  Der- 

80  büDte  3*^iefl^ölt  wnter  ben  ©täbten  trat  offen  ui  Jage.  9Joc^  bebor  ©türm  au^gercbct 
Ipatte,  ergriff  ber  ©efanbte  Don  SRotttpeil,  Äonrab  Wod,  ba^  SBort  unb  erflärte,  e«  feien  aud) 
Diele  ©täbte  Dor^anben,  beren  SKeinun^  eö  nid^t  fei,  jene  Sitte  m  (teilen.  Site  bann  bie 
©täbtegefanbten  aufgeforbert  h?urben,  fic^  einzeln  barüber  gu  erllären,  ob  fic  ben  Slbfcbieb 
annel^men  ober  Derh?eigcrn  U)oUten,  unterlparfen  fid^  nod^  am  12.  unbl3. 3tj)ril  21  ©täbte 

86  bem  93efd^luffe,  anbere  gaben  au^h?eic^enbe  9lnth?orten.  3)ic  übrigen  ©täbte  aber,  unter 
ibnen  a\xd)  einige,  bie  fid^  fpäter  ber  ^roteftation  nid()t  anfd()loffen,  loie  granifurt,  ©o^lar, 
9(orb^aufen  unb  ©c^h?äbifd()=$atl,  Ratten  ben  ?Kut,  auc^  je^t  noc^  il^re  SintoiDigung  j;u 
bem  2lbfd()ieb  ju  Dertpeigern. 

3lod)   in   berfelben  ©i^ung  Dom    12.  3t))ril   liefeen  bie  ben  Sefc^lu^   able^nenbcn 

40  eDangelifd^en  gürften  unb  trafen  buxd)  ben  fä(^fif(|en  Äan^ler  eine  fpäter  aU  erfte^ 
Slftenftücf  in  bie  Sl^j^jcHation^urfunbc  aufgenommene  S3cfc^h?erbcfc^rift  Derlefen.  ©ie  legten 
barin  eingcl^enb  bie  ©rünbe  bar,  au^  benen  fie  nic^t  in  ben  Sefc^lu^  toiHigen  tonnten, 
unb  baim  noc^mate  bringenb  um  beffen  2lbänberung.  2lber  bie  5)le^r|eit  gab  nicbt  na*, 
©ie  lie^  ben  eDangelif4)en  ^ürften  (am  13.  2l))ril)  nur  mitteilen,  [\z  l^ätten  ben  Seftblufe 

46  famt  ber  Sefd()iocrbc  ben  faifcrlid;en  ßommiffären  übergeben  unb  überliefen  e^  biefen,  ob 
fie  „Wittcl  ^u  bequemer  iBcrglcid^ung  finben  mochten",  unb  ging  in  ben  näc^ften  3:agen 
jur  'Beratung  unb  Scfc^lu^faffung  über  anbere  ©egenftänbe  über.  5iod^  immer  l^offtcn 
bie  eDangelifäen  gürften,  baft  auf  äJeranlaffung  ber  faiferlid()en  Äommiffäre  neue  i^ct= 
^anblungen   mit  il^nen   angefnüjjft   iüürben,    um  eine  i^nen  annehmbare  Slnberung  be» 

50  Der^ängni^Dollcn  Sefc^luffe^  l^erbcijufü^ren.  Slber  obioo^l  fie  be^^alb  mel^rmate  ibre 
SRäte  ^u  bem  i^önig  gcrbinanb  fcbirften,  ivarteten  fie  Dergeblic^  auf  Slnttoort.  3"  ^^^^ 
^artnädigfeit  too^l  nod;  burc^  ben  injiüifc^en  angenommenen  })äj)ftliAen  Segaten  3^^^"" 
i^omag  ^icu^,  ©rafcn  Don  ?D{iranbuIa  beftärft,  ber  in  einer  feierlidpen  Sleid^ötag^fi^ung 
am    13.  "^pxxl  bie  Berufung   eine^   ©encralf onjite   für  ben  näc^ften  ©ommer  (I)  |;ufagte, 

65  liefen  bie  faifcrlic^cn  Sommiffäre  bie  Sitten  ber  bef4)h?erbefül;renben  gürften  DöUig  un= 
bead()tet. 

©nblid;  am  19.  Stpril,  bem  3)?ontag  nad^  3"'^^^«^^/  erfd^ien  Äönig  gerbinanb  im 
SHatbofe,  um  ben  Derfammelten  ©tänben  bie  fentfdblicfeung  ber  taiferlic^en  Äommiffärc 
mitzuteilen,    ^n  einem  burd;  ben  "ipfal^grafen  ^riebric^  Derlefenen,   f})äter   in   einer  3lb= 

60  fd^rift  ber  3lj)J)ellation  einDerleibten  ©c^riftflüd  erflärten  biefelben,  feaft  il^rer  SoHmac^^t 


@)ietcr,  9Iei4dtage  597 

im  9Janien  bc^  Äaifcr«  bcn  SeWIufe  ber  ©tänbe  anjunc^nicn,  o6h>ol^I  er  nid^t  alle 
gorberungcn  ber  ^rojjofition  erfülle.  Derfelbe  fei  be^^alb  nunmel^r  in  bie  S^orm  eine^ 
^Reic^^tag^bfcl^ieb^  ju  bringen.  3Son  ber  S5efc^l»erbe  ber  ebangelifc^en  ^ürflen  i)ättm 
bie  Äommiffäre  Kenntnis  genommen  unb  liefen  fie  ,,in  i^rem  ffierte  bleiben",  looHten 
fic^  aber  ju  i^nen  „gänjKc^  berfe^en",  bafe  fie  ben  „burc^  Diel  ben  mel^rem  ieil"  orb=  6 
nung^gmäfeig  befd)(offenen  3tbfci^ieb  nun  aud^  nid^t  loeigcrn  tüürben.  Unmittelbar  nad^ 
biefem  fc^roffen  Sefcbeibc  öerliefeen  bie  Äommiffäre  ben  ©i^ung^faal,  o^ne  bie  (Srlüiberung 
ber  eDangclifd^en  dürften  abnuh?arten,  meldte  ju  einer  lurjen  Beratung  in  ein  9Zebens 
iimmer  getreten  tparen,  unb  lehrten  aui)  nid()t  ba^in  uirüdf,  al^  bie  eDangelifd^en  dürften 
fie  burc^  i^re  ^äU  bringenb  barum  bitten  liefen.  2)er  Äönig  anth?ortete  barauf  nur,  lo 
er  ^abe  ben  taiferlic^en  Sefel^l  au^gerid^tet,  babei  foCe  eö  bleiben.  2)ie  2lrtitel  feien 
bcfc^loffen. 

e^  h)ar  eine  bebenflic^e  Sage,  in  ber  fid^  bie  eöangelifc^en  ©tänbe  nun  befanben. 
Zimmer  flarer  ^atte  ftd^  gejeigt,  h)ie  ifoliert  fte  auf  bem  SReic^^tage  lüaren.  ©elbft  im 
!8crfc^re  ber  dürften  trat  bag  l^erDor.  9Bar  Äurfürft  S<>^^""  ä»"  ^3.  3Wärj  bei  feiner  i6 
2lnfunft  in  Sj)eier  Don  bem  Könige  gerbinanb  unb  ben  anberen  gürften  nod^  in  üb* 
lieber  aSeife  in  bie  ©tabt  geleitet  toorben,  fo  begnügte  fic^  jjerbinanb,  al«  er  fünf  2:age 
fjjäter  bem  Sanbgrafen  ^i^ilit)!?  bor  feinem  (Sinjugc  jufättig  auf  bem  ^elbe  begegnete, 
mit  einer  f(üd()tigen  S3egrü|ung  unb  ritt  auf  einem  anberen  SQäege  in  bte  ©tabt.  Stc^t 
3;age  nac^  ber  änfunft  beig  Äurfürften  S^^ann  lüar  nod^  lein  gürft  ju  'il)m  in  bie  §ers  20 
berge  gefommen.  Sei  ben  Dielen  öon  ben  tat^olifc^en  dürften  gegebenen  Sanletten  fehlten 
bie  eöangelifc^en  regelmäßig.  9lfö  ber  Sanbgraf  fic^  nad^  bem  §erfommen  bem  Rux- 
fürften  Don  ^öim  alg  bem  Sleic^^er^fanjler  DorfteDte,  reichte  i^m  biefer  jlüar  bie  §anb, 
rebcte  aber  fein  9Bort  mit  i^m.  3lu(|  baö  ®efoIge  ber  dürften  em^fanb  biefe  ©^jannung. 
SÖlelanc^t^on,  ber  ben  Äurfürften  ^o^ann  nac^  ©>)eier  begleitet  l^atte,  glaubte  ben  ^afe  ber  25 
aßiberfac^cr  felbft  in  i^ren  SWienen  lefen  ju  fönnen  unb  Oraf  Sllbred^t  Don  9}Iangfelb 
flagte  bem  Äur))rin5en  3iol^ann  griebric^ :  „^falj  fennt  leinen  ©adjjfen  me^r".  Rnx  SSers 
fd;ärfung  beö  ®egcnfa^e^  trug  befonber^  3ö^(?-  S^ber  bei,  ber  toie  1526  im  Sluftragc 
gerbinanbö  im  3)ome  jjrebigte  unb  ben  §afe  gegen  bie  ©Dangelifc^en  auf  jebe  SBeife 
fd^ürte.  (SIeicb  in  feiner  erften  ^rebigt  am  ^almfonntag  (21. 3!Kärj)  fagte  er,  bie  2^ür!en  so 
feien  beffer  al^  bie  Sut^eraner,  h)eil  jene  faftetcn,  biefe  aber  nid^t.  SMm  ©rünbonnerötaae 
rief  er  auö,  lüenn  er  bie  SBa^l  b^be,  cnttoeber  Don  bem  ©Dangelium  ober  Don  berÄirc^e 
ju  faUen,  tpoCe  er  lieber  Dom  ©Dangelium  abfallen,  ba  er  tüiffe,  baß  bie  Äirdj^e  nic^t 
trren  fönne.  ^m  SReic^^tagc  machte  ^aber  auf  Diele  namentlid^  burd^  ben  .^inh>ei^  auf 
bie  Derberblid^en  fjolgen  ßinbrudf,  bie  au«  ber  neuen  Se^re  entfte^en  müßten.  Die  35 
■^n?ifd»en  Sut^er  unb  3*^i"öli  beftcl^enbe  Spaltung  fuc^te  er  für  feine  ^toti^  befonber« 
au^^unü^en.  3"  Äonflanj,  'iBJemmingen,  Ulm  unb  anberen  oberbeutfd^en  ©täbten  h?urbe 
nai)  3*^^"9l»^  3Qc\\^  gejjrebigt  unb  auc^  ©traßburg  ftanb  ben  ©d^lüeijem  nic^t  fem. 
''^lun  galt  e«,  biefe  Don  ben  lutl^erifd()en  ©tänben  ju  trennen  unb  ein  gemeinfame«  äSor« 
gelten  beibcr  Slic^tungen  ju  Der^inbem.  ®anj  au^fic^t^lo«  fc^ien  biefe«  S3eftreben  nid^t,  ba,  40 
loic  Welanc^tbon,  aud^  anbere  emfte  33ebenfen  gegen  ein  3wfönimengel^en  mit  ben  ©c^toeijem 
Ratten.  Slber  bennod^  Derfc^lten  bie|c  Umtriebe  ibren  3^etf,  ba  man  frü^e  crlannte, 
lüorauf  e«  babei  abgelesen  \vax.  ©c^on  am  24.  4)lärj  fd^rieb  ©türm  nad^  ©traßburg, 
man  tDoCe  unter  ben  GDangelifd^en  nur  eine  S^rennung  mad^en,  „ut  oppressa  una 
post  facilius  opprimatur  et  altera".  3Rit  \1)m  Wax  befonber«  Sanbgraf  $^ili^J)  eifrig  45 
bemüht,  bie  Ginigfeit  unter  bcn  ©Dangelifc^en  ju  erhalten.  ©0  brängte  fid^  bie  Über« 
jeugung  Don  ber  9JotU)enbigfeit  bc«  einmütigen  3wfammengel^en«  aller  öDangelifd^en  afis 
mä^lid»  allen  auf,  unb  al«  e«  mUxd)  am  19.  3lpril  galt,  bie«  burd^  bie  I^at  ju  betoeifen, 
jieigten  fid^  bie  eDangelif(^en  ©tänbe  geeinigt  unb  feft  entfc^loffen,  unbefümmert  um  bie 
folgen  gemeinfam  für  bie  ©ad^e  be«  GDangelium«  einjufte^en.  60 

3?on  ainfang  an  Ratten  biefelbcn  in  ©J)eier  Don  i^rer  eDanaelifd^en  (Sefinnung  um 
l\loeibeutig  3^"9"^^  gegeben.  3?on  ber  jur  ßröffnung  bc«  Steiq^tag«  gel^altenen  l)leffe 
blieben  fic  fern,  ebenfo  Don  einer  fpäter  Deranftalteten  feierlichen  ^roKjfion,  an  ber  bie 
anberen  ^)kicl|«tag«tcilne^mer  fid^  beteiligten.  SBie  1526  trugen  bie  2Bat)pen  über  ben 
2:üren  il^rer  Verbergen  bie  3"f<^nf^*  V.  D.  M.  I.  E.  SQäieber  ließen  fie  in  ber^aftem  55 
jeit  auf  il?re  'J:afeln  öffentlich  ??lcifc^  auftragen.  3Bieber  Derfünbigten  bie  Don  ben  eDan= 
gelifd^en  dürften  mitgcbracf^tcn  ^rcbiger  ^ol).  3tgricola,  ßr^arb  ©c|nej)f  unb  3tbam  3Beiß, 
ba  ibnen  bie  Kirchen  Derfd()loffen  blieben,  in  ben  §öfen  ber  fürftlid^en  SKoij^nungen  „lauter 
unb  flar"  ba«  SBort  ©otte«  unb  ftärften  mäd^tig  ba«  eDangelifcf^e  Setoußtfein  ber  außer^ 
orbentIid()ja^lrei(^en  §örer.     35ie  ben  3lbgeorbneten  ber  eDangelifc^en  ©täbte  au«  ber  «i 


598  ®ptitt,  9lcii^dtage 

§etmat  guQefanbten  ^jnftrufttoncn  trugen  baju  ebenfalls  nid^t  tücntg  bei.  SRit  ber  leb-- 
l^aftcften  3:eilna^me  berfolgte  man  bort  bic  i^orgängc  in  ©jjeier  unb  \üai  entfc^loffen, 
in  feinen  2lbfc^ieb  einjutpiÖigcn,  ber  bem  Stjangelium  irgenb  ^itoa^  tjergäbe.  Se|onber§ 
ber  ^at  ber  ©tabt  9Jümberg  toieber^olte  ba^  in  feinen  ©riefen  nad)  ©Jjeier  immer  toieber. 

6  ®r  toax  ber  ,,umtüeifenlic^en  ßuiJerfid^t,  ®ott  tüerbe  fic  an  feinem  333ort  befkinbiglic^  er= 
l^alten,  eö  ge^e  i^nen  barüber,  toie  e^  feinem  göttlici()en  SBiUen  gefatte"  (27.  3Kärj).  3^m 
tüar  „\>kl  lieber,  ®ott  auf  ber©eite  ju  l^aben  unb  ben  nid^t  gu  erjümen,  bennöon  ibm 
abzufallen"  (2.  äjjril).  ,/3)enn  tpcr  ift  fo  furc^tfam  unb  gottlob,  ber  nic^t  t)iel  lieber  fein 
jeitlid^  3Serberben  barauf  fe^en  tpoHte,  benn  fold^e  2lrti!el  angunel^men,   fo   i^m  barau^ 

10  ein  öffentlid^  9?erberben  ber  ©eele  unb  be^  ®ut^  getoiftlic^  ju  ertvarten  fte^tV"  (9.  ä^ril). 
3)a  aud^  ben  ©efanbten  anberer  ©täbte  ä^nlid^e  gwfd^ififtcn  bon  i^ren  SKagiftraten  ^u- 
gingen,  fanb  bie  entfc^eibenbe  ©tunbe  ba^  „Heine  ^äutlein"  ber  6t)angelifd^en  tro^  i^rer 
fd^toierigen  Sage  „guteiJ  9Kute«". 

3)aiS  geigte  ber  Weitere  SSerlauf  jener  ©i^ung  t)om  19.  2(j)ril.   SBäl^renb  bie  ©tänbc 

16  noc^  berfammelt  toaren,  fe^rten  bie  ebangelifc^en  dürften  unb  ©täbtegefanbten  in  ben 
©i^ung^faal  jurüdE.  §ier  |)roteftierten  gunäc^ft  Äurfürft  ^ol^ann,  9Jlarfgraf  ©eorg,  ber 
Sanbgraf,  gürft  SBolfgang  bon  2lnl^alt  unb  im  9iamen  ber  in  ©})eier  noc^  nic^t  ein= 
getroffenen  ^crjoge  @mft  unb  ^^anj  bon  Süneburg  beren  Äanjler  Dr.  ^oi^ann  görftcr 
münblid^   ge^en   jenen  SSefc^Iufe,   toorauf  ^atob  ©türm  ben  2lnfc^Iuft  ber   etoangelifcicn 

20  ©täbte  an  bte  ^roteftation  erllärte.  3^0^^^^  berabfc^icbeten  fic^  bie  })roteftierenben  dürften 
mit  bem  Semerfen,  bafe  fte  an  ben  Weiteren  3Ser^anbIungen  nid^t  mel^r  teilnel^mcn  unb 
o^ne  SSeruig  abreifen  toürben.  3)ann  übergaben  fte  ju  ben  9lei4^^a!ten  eine  injtoifc^en  t)on 
bem  fäd^jtfd^en  Äanjler  rafc^  aufgefegte  ^roteftation^fd^rift,  in  ber  fie  erflärten,  bafe  fte 
nid^t  t)erpfüc^tet  feien,  o^ne  i^re  3witi"^"^""Ö  ou^  ^^"^  legten  einmütig  befc^loffcnen  3lb= 

26  fd^ieb  iu  fc^reiten,  unb  gegen  ben  j^u  ßr^altung  be^  grieben«  unb  ber  ©inigleit  nic^t 
bienftlid^en  üRe^r^eit^befd^lufe  ate  nichtig  unb  unbinbig  groteftierten.  9Jlit  äbfaffung  einer 
jtveiten  au^fü^rlid^eren  ^roteftation^fd^rift  beauftragten  fte,  nad^bem  ein  bon  bem  fäcbfi^ 
fc^en  Äanjler  angefertigter,  in  ber  §au})tfa^e  nur  bie  äu^fü^rungen  ber  erften  ^rotefta= 
tiongfd^rift  h)ieber^oIenber  ©nttourf  i^re  35iHigung  nid^t   gefunben   ^atte,    ben    branbcn= 

80  burgifc^en  Äanjler  ®eorg  3Sogler,  toelc^er  nun  in  größter  6ile  ein  neueö,  fec^jel^n  golioblättct 
ent^aitenbe^,  tm  ÄreiiSart^ibe  Bamberg  nod^  bor^anbene^  Äonjejjt  anfertigte.  3!)a^fclbc 
fd^liefet  fic^  an  bie  ®ebanfen  ber  tool^l  ebenfaHö  toon  i^ogler  berfafeten  Sefd^tocrbefd^rift 
t)om  12.  ätjjril  an  unb  fü^rt  fte  unter  einge^enber  35egrünbung  nä^er  au^.  9Jad^bem  bic 
})roteftierenben  gürften,  aiiä)  ber  eben  in  ©J)eier  angelangte  Aj^ä^Ö  ß'^f^  ^*>"  Süneburg, 

86  biefc  mittleritjeile  in^  Steine  gefd^riebene  ghjeite  ^roteftation  unterzeichnet  l^atten,  fanbtcn 
fte  biefelbe  am  20.  'Hpx'xl,  nachmittags  gn^ei  U^r,  burc^  i^re  9läte  bem  Äönige  ^^binanb 
ZU,  ber  fte  auc^  jur  §anb  na^m,  aber  unfreunblid^erttjeife  nachträglich  ben  et)angelifcbcn 
gürften  ttjieber  jurüdEfd^idtte.  (Sin  burd^  ^erjog  ^einrid^  bon  33raunfd^h?eig  unb  3}laxl' 
graf  ^l^ili^  bon  S3aben  in  le^tcr  ©tunbe  noc^  gemad;ter  aSermittelungi§t)erfud^  fanb  bei 

40  ben  eüangelifc^>en  ^^ürften  bereith)iHigeiS  ©ntgegenfommen  unb  führte  nac^  bierftünbic;cn 
3Scrl^anblungen  ju  einem  3lbfc^iebSenth)urfe,  zu  bcffen  annähme  fte  fid^  tro^  aller  nocf» 
bcftclienben  Scbenfen  bereit  erflärten,  fc^eiterte  aber  an  ber  ^artnädEigfeit  ^erbinanbS,  ber 
biefe  ^yorfd^läge  unbebingt  zurücflüieS.  Dl^ne  jebe  S{ücffid;t  auf  bic  erhobene  ^roteftation 
tourbe  nun  ber  2lbfc^ieb  am  22.  3lj)ril  unterzeichnet  unb  befiegelt.  9iac^bem  auc^  bie  bem 

45  felben  anne^menben  ©täbte,  zu  benen  je^t  unter  anberen  noc^  3lugöburg  unb  Jfranffurt 
famen,  i^re  Unterfd^rift  gegeben  Ratten,  tourbe  ber  Sleid^Stag  am  24.  2l})ril  feierlich  ge-- 
fc^loffen.  2)ie  euangelifd^en  ^"^P«"  nal^men  an  biefen  ©i^ungen  feinen  2lntcil  mehr 
unb  üerfe^rten  ntit  bem  Könige  nur  nod)  burc^  ilire  9iäte  ober  auf  fd[)riftlid[>em  Sßege. 
2)aö  auf  biefe  Söeife  an  fte  gebrachte  3lnfinnen  gcrbinanbS,  ben  ätbfc^ieb  noc^  nachträglich 

60  anzuncbmen,  ,,bamit  fein  3^oi^fJ5<ilt  erfd^öHe",  lehnten  fte  ebenfo  entfc^ieben  ab,  h)ic  feine 
Zumutung,  bie  ^Veröffentlichung  ibrer  ^roteftation  zu  unterlaffen,  erflärten  jeboc^  in 
einem  legten  ©d;riftftücf,  fic^  auf  ©runb  bcS  Vorigen  Slbfd^icbS  gegen  alle  ©tänbe  frieblicb, 
nad^barlic^  unb  freunblic^  z^  balten.  ^\xx  ©ic^erung  gegen  feinblid^e  Singriffe  ^tten, 
bcfonbcrS    auf  Setreiben    beS  Sanbgrafen,    biefer  unb  ^urfürft  3^^^""   ^^^  ^lürnberc^, 

^  ©trafeburg  unb  Ulm  am  22.  3lprtl  ein  ,A<erftänbniS"  gefd^loffen,  in  bem  fte  ftcf»  §ilfe 
Zufagtcn,  falls  fie  üom  fc^toäbifc^en  Sunbe,  bem  Sieid^Sregiment  ober  Äammergericbt  an^ 
gegriffen  toürbcn.  3luf  einem  im  '^nni  zu  diotad)  abzubaltenben  Sage  foDtc  baS  ^Jähere 
barübcr  feftgcfefet  loerbcn.  — ßs  blieb  nun  noc^  übrig,  bor  erhobenen  ^^roteftation  bie  er= 
forberlic^e  red;tlid;c  ^orm  z"  geben.    3"  biefcm  3*^^*^'  erfc^icnen  am  ©onntag  Kantate, 

^  bem  25.  Slpril,   bic  iHäte   beS  Äurfürften  ^^l^ann  öon  ©ad;fen,  beS  üRarfgrafen  ©eorg 


Sptitv,  Wetc^dtage  599 

t)on  Sranbenburg,  ber  ^erjogc  6mft  unb  "Sxawi  t)on  Süncburg,  bc^  Sanbgrafen  ^^tli^}) 
\)on  §cffcn  unb  bc^  gürftcn  SBoIfgang  t)on  2lnl^alt  in  bcr  Sc^aufung  bc^  Äaj)lani^  Sl^citt 
3)Jutterftabt  bei  ber  ^o^anniöfird^c  ,,unten  in  einem  Keinen  ©tüblein"  unb  liefen  l^ier 
burd^  bie  SJotare  £eon(;arb  ©tettner  unb  ^anfcatiu«  ©al^niann  auf  breije^n  Pergament« 
blättern  ein  2lj)})eHationeinftrument  errid^ten,  in  tüeld^ein  fic  unter  35eigabe  aller  geiued^s  5 
feiten  3lftenftücfe  für  ftc^  felbft,  i^re  Untert^anen  unb  33eriuanbten,  auq  alle  jefeigen  unb 
fünftigen  2ln^änger,  in  aller  gorm  Siechten«  gegen  ben  älbfc^ieb  jjroteftierten  unb  an  ben 
Äaifer,  bag  Äonjil  ober  bie  Slationatoerfammlung  unb  jeben  in  ber  ©ac^e  bequemen,  un« 
j)arteiifd^en  unb  d^riftlid^en  Slid^ter  a})})ellierten.  3)ie  Sotfd^after  ber  t)ier^el^n  ©täbte 
©trafeburg,  ^iümberg,  Ulm,  Äonftanj,  Sinbau,  SJlemmingen,  Äemjjten,  9iörblingen,  ^eil-  lu 
bronn,  ^Reutlingen,  ^^n^,  ©anft  ©allen,  SBeifeenburg  in  granlen  unb  SBinbiS^eim  er« 
Härten  fofort  i^ren  Seitritt  ju  biefer  2l<)J)ellation.  dlod)  an  bemfelben  2^age  reiften  bie 
etjangelifd^en  gürften  toon  ©Jjeier  ab  unb  forgtcn  nad^  il^rer  §eimlel?r  atebalb  für  bie 
i>eröffentlic^ung  ber  ^roteftation,  toeld^e  burc^  ben  Sanbgrafen  am  5.,  burd^  ben  Äurs 
fürften  am  12.  3Rai  erfolgte.  15 

©c^on  in  ©<)eier  l^atten  bie  Jjroteftierenben  ©tänbe  befc^loffen,  i^re  3t^})etlation  bem 
Äaifer  burc^  eine  befonbere  ©efanbtfc^aft  überreichen  ju  laffen,  uj  toeld^er  f j)äter  bei  einer 
3ufantmenfunft  in  SJümberg  am  26.  3JJai  §anö  ©i^inger  t)on  uRemmingen,  ber  branben^ 
burgifd^e  ©efretär  2llejiu^  ^rauentraut  unb  ber  3?ürnberger  ©^nbüu^  SWic^ael  Don  Äaben 
abgeorbnet  tourben.  3!)iefe  reiften  ®nbc  3uli  ab,  fonnten  bem  Äaifer  aber  erft  am  12.  ©ej)-  20 
tember  in  ^iacema  bie  Urfunbe  überreid^en.  9Jad^  längerem  §in^alten  erl^ielten  fie 
enblid^  am  13.  Dftober  ben  ungnäbigen  Sefd^eib,  ber  Äaifer  ertoarte,  bafe  bie  ^roteftie« 
renben  bem  Slbfc^ieb  ge^orfamen  tüürben,  unb  muffe  anbemfaHiS  emftlic^e  ©träfe  gegen 
fie  bornel^men.  3"'^^  '^^fe  P^  ^^^rf  V.  fogar  in  $aft  nehmen,  auä  ber  fie  erft  am 
30.  DItober  entlalfen  tourben.  25 

3Son  ber  ©Jjeierer  ^roteftation  l^aben  bie  Sln^änger  ber  Sieformation  ben  92amen 
^roteftanten  erhalten  unb  erlennen  barin  einen  ^oc^c^arafteriftifdS^en  Sl^rennamen.  ®in 
Ujürbige^  äufeere^  2)enfmal  berfelben  ift  neuerbing^  in  bcr  mit  (Saben  auö  allen  etjange* 
lifc^en  Sanben  erbauten  unb  am  31.  äuguft  1904  unter  au|erorbentlid^er  2^eilna^me  ber 
gan;ien  jjroteftantifc^en  (S^riftenl^eit  eingetoeil^ten  ©ebäd^tnii^Iird^e  ber  ^roteftation  in  so 
©peier  crftanben,  toeld^e  t)on  ber  DjjfertoiUigfeit  ber  ^roteftanten  unferer  ^t\i  ebenfo 
berebte^  3^?"^^  ö'^'^^'  ^^^  ^^^  ^^^  ©lauoen^mute  bcr  SJäter.  SSäenn  bie  ©})eiercr 
^roteftation  freiließ  tüärc,  Wai  bie  neuere  tat^olifd^e  ®cf(^i^tfc^rcibung  in  i^r  fie^  fo 
toäre  fic  nur  ein  SJctocid  em})örenber  Unbulbfamfeit  i^rer  Url^ebcr  unb  toürbe  über^au})t 
lein  3)enfmal  ücrbienen.  9iadS^  biefer  (3önf[en  III,  ©.  VIII)  laf[en  ftdS^  bie  Segeben-  30 
Reiten  auf  bem  SRcid^^tagc  in  bie  äBorte  ^ufammenf äffen:  „3!)ie  lat^olifd^cn  ©tänbc  tjcr* 
langen  t)on  ben  lut^erifd^en  3)ulbung  i^re^  ®lauben^.  3)ie  neugläubigen  ©tänbe  bertücigem 
bie3)ulbung  ber  Äat^olifen  in  i^ren  ©cbicten  unb  reichen  eine  ^roteftation  bagegen  ein". 
35er  Sleic^^tag,  fo  er^äl^lt  man  (a.  a.  D.  ©.  132  unb  138)  ^abe  ben  lutl^erifdS^cn  ©täuben 
bie  35cibel;altung  bcr  neuen  Äirc^enform  geftattet  unb  t)on  i^nen  „nur  bie  3)ulbung  40 
ber  Äatbolifen"  verlangt.  3)ie  ©tänbe,  tücld^c  i^r  Äirc^entum  nur  burc^  Unbulbfamfeit 
Rotten  aufrid^ten  fönnen,  bätten  e^  burc^  bicfelbe  Unbulbfamfeit  erhalten  tootlen.  „©ie 
jiroteftierten  gegen  ben  Slcic^iStag^befc^luft,  ber  il^ncn  3)ulbfamfeit  jur  ^flic^t  machte,  unb 
erhielten  bon  biefer  ^roteftation  ben  SRamen  ^roteftanten".  —  3)a  biefc  35arfteHung  immer 
Juieber^olt  unb,  h)ie  c^  fd^eint,  t)on  t)ielen  tüirflic^  aU  gefdbi^tlic^e  SBa^r^eit  betrachtet  46 
toirb,  ift  ci§  nid^t  übcrflüffig,  l(>icr  barjulegen,  hjogegen  fidp  ber  ^roteft  ber  etjangelifd^en 
©tänbe  tl^atfäc^lid^  richtete,  ^n  bem  t)on  ber  3Ke|rl^eit  befc^loffenen  SReic^^tag^bfc^iebe 
h)irb  ^unäc^ft  bie  Sitte  um  balbige  2luiSfd^reibung  eine«  freien  d^riftlic^en  ©eneralfonute 
in  einer  beutfc^en  ©tabt  ober  hjcnigften«  einer  92ationaberfammlung  jur  Erörterung  oe« 
rcligiöfen  3^i«^alt«  ioicber^olt.  6ine  Sitte,  gegen  tücld^c  auc^  bie  et)angelifd^en  nid^tiS  00 
cinjutoenben  Ratten,  ©obann  tvirb  bemerft,  bcr  befannte  Sefc^lufe  be«  Slcid^tagiS  t)on 
152()  fei  Don  Dielen  in  einen  großen  'Bii^Dcrftanb  unb  ju  ®ntfdS^ulbigung  erfd^redtlic^er 
neuer  ile^rcn  gejogen  toorben.  Um  Weiterem  SSlbfaH  ^uDorjufommen,  ^ättm  fic^  be^l^alb 
bie  ©tänbe  cntfd^loffcn,  „bafe  bieienigen,  fo  bei  obgebadj^tem  faiferlid(iem  ßbift  bi«  an^er 
blieben,  nun  l^infüro  auc^  bei  bemfelben  ßbift  bi«  ju  bem  fünftigen  Äonjilio  Dcrl^arrcn  55 
unb  il)rc  Untert^anen  baju  galten  fotlen  unb  tvoUen". 

©egen  biefc  Seftimmung  bc«  äbfd^icb«  tücnbeten  ftd^  bie  ^roteftierenben  in  erfter 
Sinic.  Unb  bafe  fie  i^r  unmöglicb  o^nc  ©ctoiffenöDcrlc^ung  ;\uftimmen  fonnten,  fann 
niemanb  in  2lbrebc  fteUcn,  bcr  ben  ^n\)alt  be«  SBormfer  ßbift«  fennt.  SBcr  e«  galten 
toollte,  toar  Dcr^flic^tet,  nic^t  blo^  Sut^er  felbft  tpcber  )u  laufen,   nod(f  )u  ^öfen,  ä^en  eo 


600  ^ptivc,  Sici^dtase 

ober  tränlen  unb  tl^n  flcfänglid^  anjunel^mcn,  \vo  er  i^n  betrete,  fonbem  axxi)  feine  Än- 
l^änger,  Snt^alter,  gürjc^teber,  ®önner  unb  9iac^folger  ,,nieberjuh)erfen  unb  gu  fabcn, 
t^re  ®üter  gu  feinen  §anben  m  nehmen  unb  ^um  eigenen  9Ju^  ju  hjenben",  bemnacfc 
leinen  ©bangelifc^en  in  feinen  Sanben   ju  bulben   unb  bie  Stn^änger  Sut^er«   auf  jebc 

5  SBeife  ju  Verfolgen.  Unb  nun  fottte  ber  3t6fc^ieb  bie  fatl^oUf^en  ©tänbe  t>er}?flicfeten, 
biefe^  tbatfäc^Ii(p  bon  bcn  meiften  unter  ibnen  nid)t  üoHjogene  ®bi!t  felbft  in  bemjyaüe 
burd^jufü^ren,  bafe  fie,  ^n  befferer  ßinfic^t  gelangt,  eine  fold^e  Verfolgung  ber  et>ange-- 
lifd^en  für  unred^t  erfennen  tpürben.  2)a^  fonnten  bie  Jjroteftierenben  ©tänbe  nic^t 
annehmen,    ©ie  fonnten   eg,    h?ie  fie   erfiärten,    „\)ox  ©Ott  mit  nickten   berantn?orten, 

10  jemanb  ^ol^eiS  ober  nieber^  ©tanbe^  burd^  unfer  SJlitentf^Iieften  bon  ber  Seigre,  bie  ft?ir 
unj^tpeifenlid^  für  göttlich  unb  c^riftlic^  achten,  ab^ufonbem  unb  tüiber  unfer  felbft  ©c^ 
lüiffen  unter  bag  ©bift  ju  bringen".  9Jic^t  aU  ioollten  fte  ben  fat^olifc^cn  ©tänbcn 
öorfd^reiben,  tpie  fie  \xd)  „aufeerl^alb  unferer  3Kitt)ergteic^ung"  nac^  bem  ßbilt  unb  fonft 
galten  lüoHen.    SÖol^l  bitten  fie  ©ott   ,,täglic^  unb  ^er^lid^",  baft  feine  göttliche  ©nabc 

16  alle  jur  tpa^ren  ßrfenntniiS  erleud^ten  tpoue,  aber  fte  überlaffen  t^  i^ncn,  nad^  ibrem 
©etptffen  ju  tjerfa^ren,  h?ie  fte  bag  gleiche  "Si^ä^t  für  ftd^  in  3{nf})ruc^  nehmen. 

3i)er  Slbfc^ieb  beftimtnte  tpeiter:  „Unb  aber  bei  ben  anbern  ©tänben,  bei  benen  bie 
anbere  Se^re  entftanben  unb  jum  Seil  o^ne  merllid^en  3tufrul^r,  Sefc^tperbc  unb  ©efäbrbc 
nic^t  abgelüenbct  Serben  möge,  foll  bod^  ^infür   äße  tüeitere  9Jeuerung  biö  ^u  fünfticjcm 

20  Äonjilio  fo  biel  möglich  unb  menfd;lic^  abgetl^an  tperben."  ©c^on  bie  Iränlenbe  gaffunvj 
biefe^  3trtifel^  nötigte  bie  ebangelifc^e  ©tänbe  jum  ?protefte  bagegen.  SBenn  fte  erflären, 
ba^  aug  i^rer  guftimmung  ba^u  „männiglic^  arguieren  möd^te,  tpir  l^ätten  in  bem  3lbfdE>icb 
befannt,  bafe  unfere  d^riftlic^e  Se^re  fo  unred^t  fei,  bafe,  toenn  fte  ol^ne  Slufrubr  abgcftcllt 
tüerben  fönnte,  e^  billig  gefc^el^en  follte",  fo  toirb  fein  folgerichtig  35enfcnber  bem  toibcr^ 

25  fj)red;en  fönnen.  3)a^  l^iefee  aber,  h)ie  fte  beifügen,  ni($ti§  anbere^,  ate  S^riftum  unb 
fein  l^eilige^  SBort  nid^t  afiein  ftitlfc^toeigenb,  fonbem  öffentlid^  tjerleugnen.  aber  auA 
bem  jjofttiöen  ^n^^I^^  i^'^^  Seftimmung  fonnten  bie  ©öangelifd^en  nid^t  juftimmen.  5Rit 
Unred^t  bel^aujjtet  3!<inff^n  (©.  132),  bur^  fte  fei  il^nen  „au^brücflic^"  (!)  bie  Beibehaltung 
il^rer  Sleformcn  ijugeftanben  tporben.  (Sin  Slicf  auf  ben  Wortlaut  be^  3trtifelö  jeigt,  bafe  in 

30  i^m  nic^t  eine  ©rlaubni^,  fonbern  nur  ba^SSerbot  jcber  h?eiteren  Steuerung  entbaltcn 
ift.  SDag  in  jener  Seftimmung  atlerbing^  enthaltene  inbirefte  g^Ö^f*^"^"*^  ^^  ^^^'' 
läufigen  Beibehaltung  bereite  i^oHjogener  9Jeuerungen  tüurbe  aber  nid^t  nur  burcb  bie 
erti?ä|nte  j?laufel,  fonbern  au($  burc^  ba^  fjjäter  folgenbe  Verbot  ber  2lbt^ung  ber  Sufc 
ivieber  illuforifc^   gemacht.    2)em  im  2lrtifel   j)ofitib   au^gefjjroc^enen    Verbote   h^citcrcr 

3ö  Steuerungen  fonnten  aber  bie  ei?angelifd^en  ©tänbe  gerabc  in  jener  ^tii,  in  tüelc^cr  an 
Dielen  Orten  bie  5?euorbnung  be^  ebangclifc^en  fiir^entücfeng  cbm  begonnen,  aber  nidn 
DoHenbet  iüar,   o^nc  ©ctüiffeu^Derle^ung  ebenfalls  nid;t  nad;fommen. 

SDer  folgenbe  2lrtifel  be^  3lbfcfiicbö  h)cnbcte  fid),  o^ne  fie  au^brüdlid^  ju  nennen, 
gegen  bie  Slbenbmal^l^lel^re  ber  ©d^ioei^cr  unb  lautete:  „Unb  fonberlic^  foU  (Stlic^er  X'eke 

40  unb  ©cftcn,  fobiel  bie  bem  bod^toürbigen  ©aframcnt  be^  iüaljren  gronleic^name  unt> 
Slut^  unfern  §cnn  '^Q\n  Gbrifiti  zugegen,  bei  ben  ©täuben  bc^  l^eiligcn  3Jei(^^  beutfd»er 
SJation  nid^t  angenommen  noc^  l^infüro  ju  ^i^ebigen  gcftattet  ober  ^ugelaffen"  fein,  ^i- 
fanntlid;  tparen  bie  proteftierenben  j^ürftcn  nebft  ber  SReljrgabl  ber  fid;  il^nen  anfcbliefecn- 
beu  ©täbte   lutl^erif4>.    ^^nffeu  (©.  1:58)   rebet   bon    i^rer  „Unbulbfamfeit   gegen  alle 

46  3lnber^gläubigcn".  '^1}X  ^koteft  gegen  bie  fragliche  Vcftimmung  liätte  il^m  ben  Semei-5 
für  bie  Unrid;tigfcit  biefcr  Veljauptung  liefern  muffen.  SBenn  fie  aber  i^ren  ^roteft  bü= 
gegen  bamit  begrünbeten,  bafe  man  eine  ßntfc^cibung  über  fo  tüic^tige  Slrtifel  nid;t  aufeet- 
l^alb  be^  .^onjilg  treffen  bürfc  unb  nid;t,  oljne  bie  gel^ört  ^u  ^jaben,  bie  e^  angebe,  fo 
toirb  man  bie  9^id;tigfeit  biefer  SBcmerfung  unb  be^l^alb  bie  Vered^tigung  i^re^  ^koteftcs 

50  ni4»t  beftreiten  fönnen. 

®er  le^te  2lrtifel,  gegen  ben  bie  (Sbangelifc^en  j)roteftierten,  lautete:  „2)e^leicfcen 
foHen  bie  'Jlmtcr  ber  l^eiligcn  Weffe  nidbt  abgetban,  aud;  niemanb  an  ben  Crten,  ba  bie 
anbere  Scljre  entftanben,  bie  ^Hiefe  ju  boren  i?erboten,  berbinbert,  noc^  ba^^u  unb  bal^on 
gcbrungen   iücrben".    Offenbar   entljält   biejc  geftfe^ung   j;n?ei  älnorbnungcn,    bie  man 

56  jum  Vcrftänbniffe  ber  ^sroteftation  au^^cinanberl;alten  mu^.  3""^^f^  ^^^^  geforbert, 
bafe  bie  3imter  ber  l)ciligen  *i)teffe  nicl>t  abgetban  toerben  foHen.  (S^  liegt  auf  ber  i)anb, 
ba|  bie  (SDangelifd;en  biefcn  3(rtitel  fo,  h)ie  er  lautete  unb  gemeint  tüar,  nic^t  anjunebmen 
im  ftanbc  U>aren.  2)cnn  nac^  ibm  bättcn  bie  römijd;en  'ÜJIeffcn  mit  (Sinfd>lufe  ber  Seelen' 
meffen  aud;  in  l^anben,  in  bcnen  bie  gangen  ©emeinben  mit  ibren  ©eiftlic^en  eüangelijcb 

60  toaren,  nad^  \vk  Dor  iociter  gel;aUen  ioerbcn  muffen,  aud;  tvenn  fein  3Jfenfc^  tnebr  etioae 


®ptitx,  Weti^iStage  601 

i)on  bcr  „Jjäjjftlid^cn  5Keffc"  tpiffcn  tüotttc.  a)ann  burftc  bicfc  nirgcnb^,  tpie  c«  in  bcr 
^roteftation  Reifet,  burd^  bae  „ebcl  föftltd^e  9lac^tma^I  unfern  ^crrn  ^c\n  ß^rtftt"  erfe^t 
h)crbcn,  „jo  bic  cüangelifd^e  3Wcffe  genannt  tpirb."  ©ctpife  mit  t)oHcm  Sted^tc  tücifen 
bic  ^totefticrcnben  barauf  ^in,  hjie  il^rc  ^rebigcr  jene  3Keffen  „au^  göttlicher  unübcr^ 
iuinblid^er  ©c^rift  aufö  ^öc^fte  angefochten  unb  niebergelegt  Ratten."  SBäre  ^  nun  nic^t  6 
eine  unerträgliche  ©etoiffengbebrüaung  getüefen,  tüenn  man  jene  35eftimmung  üoHjogen 
unb  bie  eöangelifd(;en  ©eiftlic^en  ge^h)ungen  ^ätte,  gegen  ibre  Übeneugung  bie  latl^olifc^e 
3)kffe  hjeiter  ju  lefen'-?  ^uUm  fa|en  bie  ^roteftierenben  in  biefer  93eftimmung  nid^t  o^ne 
©runb  ein  birefteö  93 erbot  ber  ebangelif^en  3lbenbmal^föfeier.  3)enn  fie  toertoal^rten  ftd^ 
bagegen,  ba^  bie  anberen  ©tänbe  il^nen  verbieten  („loiber  ba^  fein")  tüottten,  ,,baft  toir  lo 
un^  mit  ben  Unfern  bee  92ac^tma^I^  ß^rifti  aU  ber  eöangelifc^en  unb  aHein  in  göttlid(;er 
©c^rift  gegrünbeten  3Keffe  nad^  ß^rifti  untoiberfpred^Uc^er  (Sinfe^ung  gebraud^en."  9Ber 
bie«  erträgt,  ber  toirb  aud^  in  il^rer  93efd^h)erbe  gegen  biefen  ^unft  nid^t  einen  Setoei« 
i^rer  Unbulbfamfeit  finben  unb  eg  begreifen,  hjenn  fie  in  ber  ^roteftation  bemerfen:  ,,©o 
l^at  e«  be«  ärtüete  falben  bie  3Kefe  berü^renb  bergleic^en  unb  biel  me^r  SSefc^hjerung."  i6 

3lber  and)  gegen  ben  jtüeitenieil  jener  SSeftimmung,  nad^  h)eld^em  niemanb  an  ben 
Drten,  ba  bie  anbere  Se^re  gel^alten  toirb,  bie  SKeffe  ju  ^ören  tjerboten,  tjer^inbert,  nodS^ 
baju  ober  baüon  gcbrungen  toerben  foHte,  rid^tete  fxq  i^r  9Biberf})rud^.  ©ie  erllärten, 
bei  bem  gemeinen  üRanne,  fonberlid^  bei  benen,  bie  einen  red()ten  6ifer  ju  ®otte«  6^re 
unb  Flamen  ^aben,  Sibertoärtigfeit,  Slufcu^r,  ßm})örung  unb  alle«  Unglücf  beforgen  ju  20 
muffen,  tpenn  fie  in  il^ren  ©ebieten  „i^loeierlei  einanber  toibertvärtige  9Kef[en  \)aiUn  laffen 
hjürben".  3)iefe  i^re  ©teHungnal^me  ift  e«,  in  njelc^er  jene  Se^au|)tung  \>on  i^rer  Un= 
bulbfamfeit  il^re  einzige  ©tü^e  finbet,  ba  aUe  anberen  t)on  il^nen  erl^obenen  Sefd^toerbe* 
fünfte  JU  il^r  nic^t  ben  minbeften  2lnlafe  bieten.  9Jun  ^aben  atterbing«  biejenigen  fein 
Siedet,  ftc^  über  biefe  ^ntoleranj  ju  entrüften,  loelc^e  e«  in  ber  Drbnung  finben,  bafe  ber  25 
aibfd^icb  bie  fatJ^olijc^en  ©tänbe  berjjflid^tete,  ba«  Sffiormfer  ßbilt  au«jufü^ren,  alfo  nic^t 
blofe  in  il^ren  ©ebieten  feinen  eöangelifc^en  Äultu«  ju  bulben,  fonbern  auc^  bie  9lnl^änger 
ber  Sieformation  auf  jebe  Söeife  |\u  tjerfolgen.  Unb  e«  liegt  naiit,  auf  fold^e  3tnf(age  ju 
crtüibem,  bafe  bie  jjroteftierenben  ©tänbe  in  biefem  ©tüdEe  eben  nod^  in  ben  mittelalter« 
lieben  Slnfc^auungen  ber  fat^olifc^en  Äird^e  ftanben.  2Bol^l  erhoben  ftd^  bamal«  fd^on  30 
einzelne  erleuchtete  ©eifter  über  biefen  ©tanbjpunft.  ©0  bie  5Wümberger  3;i^eologen,  hjeld^e 
in  einem  ßnbc  3Kärj  nac^  ©jjeier  gefanbten  ©utac^ten  fd^rieben :  „SBer  bie  S^riften  mit 
©etoalt  jtüingt,  ju  t^un,  h)a«  fie  für  unred^t  galten,  jh)ingt  fie  ju  fünbigen.  2llfo  mu^ 
man  in  biefen  ©ac^en  niemanb  jtüingen,  fonbern  in  ©otte«  SBort  leieren  unb  baneben 
j^ulafien,  ba^  niemanb  toiber  fein  ©etoiffen  tl^ue,  er  tl^äte  fonfi  ©ünbe  unb  hjürbe  ber^  36 
bammt".  2luc^  in  ber  $roteftation«fc^rift  felbfi  fel^lt  e«  nic^t  an  ©teilen,  au«  benen 
fic^  bie  gegen  jebermann  ju  übenbe  iolerang  al«  Äonfequenj  ergeben  hjürbe.  ©d^on  ber 
burc^  fie  fic^  binburd^jicl^enbe  ©runbgebanfe,  bafe  „in  ©ad^en  ©otte«  ©l^re  unb  ber 
©eelen  ©eligfcit  belangenb  ein  jeglicher  für  fic^  felbfi  bor  ©Ott  \ki}m  unb  Slec^enfc^aft 
geben  mufe,  alfo  bafe  fid^  be«  Drt«  feiner  auf  anberer  minber«  ober  me^rer«  9Jlad^en  40 
ober  Sefc^liefeen  entfd^utbigen  fann",  müfete  noth)enbig  baju  führen.  2tber  au«brücflid^ 
jogen  bic  J^roteftierenben  ©tänbe  biefe  Folgerung  nid^t.  SfiJir  toerben  ba«  beute  getüift  be« 
bauem;  aber  toir  tjerftel^en  e«  bennoc^,  toenn  [xe  e«  unter  ben  bamaligen  Ümftänben  nid^t 
Ü}aUn,  unb  fönnen  il^rcn  ^rotefi  gegen  eine  tolerant  flingenbe  Seftimmung  be«  2lbfd^ieb«, 
bie  nur  in  i^ren  ©ebicten  gelten,  auf  bie  fatl^olifc^en  ©tänbe  aber  feine  änloenbung  45 
finben  foHte,  nur  gered^tferiigt  finben.  ^^x  aSerlangen,  bafe  man  „boc^  billig  bie©leid^5 
^cit  bebenfen"  foKe,  tuar  ein  geredete«  unb  billige«,  unb  toenn  fie  [\ö)  bagegen  bertoa^rten, 
„bafe  euer  Siebben  fürneljmt,  un«  in  ben  ein  3Jlafe  ju  fe|^en  unb  in  unferen  ©ebieten 
Drbnung  unb  Slegiment  ju  ntad^en,  tüclct^e«  boc^  eure  Siebben  im  ©egenfatl  ungern, 
aud;  gar  nid[)t  leiben  toürben",  fo  toaren  [xz  auc^  bamit  burc^au«  im  Siedete.  2lud^  toer  bo 
bereit  tt?äre,  gegen  3lnber«benfcnbe  jebe  mögliche  3:oleranj  px  üben,  ^ätte  allen  ©runb, 
fic^  .einem  folc^en  ^rotefte  anjufc^licfeen. 

3;m  übrigen  toar  bie  ^'roteftation  eine  l^o^bebeutfame  93ejeugung  ed^t  ebangelifc^er 
©efinnung,  eine  in  ben  fd^tocrfäHigen  formen  jener  ^6i  abgefaßte,  aber  in^altlic^  burd^s 
au«  flare  Darlegung  ber  ^rinjijjien  be«  ^]Jroteftanti«mu«.  ßiner  grofeen  in  fic^  ab=  66 
gefcbloficnen  5)lel}rbeit  gegenüber  bcrtcibigtcn  l^ier  trenige  etjangelifd^e  gürften  unb  ©tänbe 
in  Vollem  Sctoufetfein  ber  ©efal^ren,  bcncn  ^k  fic^  bamit  au«fe^ten,  mit  freimütiger  6nt- 
fc^loffcnbeit  tjor  bem  ganj^en  5Hcic^e  i^re  ©runbfä^e  unb  \k\lim  einem  ungercdfttcn  5)Jel^rs 
beit«befc^lufje  i^r  entfct^iebcnc«,  mutige«  Wxn  entgegen.  3)a6  ber  1526  einftimmig 
befd^loffene  3lbfcl?ieb  nic^t  o^nc   il^rc  ^4wf*i"^n»""Ö  nbgeänbert  toerben   fönne,  toar  bereo 


602  ^ptitr,  Weic^iStage 

äufecrc  Sled^t^ßrunb,  auf  bcn  pc  fid^  ftü^ten.  2l6er  ^öl^cr  nod^  afe  bicfcr  ftanb  i^ncn 
ba«  ®cbot  i^re«  ©ctoiffen^.  Hub  afö  fic  c«  t)or  Äaifcr  unb  SHcic^  öffentlich  bezeugten, 
baft  in  ©ad(;cn  beiS  ©etpiffcnd,  bic  „jeben  fonbcrlid^  bcrül^ren",  j|cbcr  für  ftd^  fclbft  fielen 
mufe  unb  ftc^  ni(^t  burc^  Scrufunö  auf  bic  Sefc^Iüffc  ober  bic  Autorität  anbcrer  öon 
6  feiner  3}crantiüortlid;fcit  t)or  ®ott  befreien  !ann,  ^aben  fic  eine  benftoürbigc  aJlanneöt^ 
Qühan.  ^l}xt  ^roteftation  aber,  t)on  ber  SRcid^^tag^mc^rl^cit  nid^t  bead^tet,  öon  ben  laifer: 
lid^en  SSoHniac^tträgern  bei  feite  gefegt  unb  Don  bem  Äaifer  ungnäbig  gurüdgelüiefen,  ifl 
für  alle  ^Äizn  „xn  i^rem  SBerte  geblieben". 

1542  unb  1544.    3)ic  ertoä^ntcn  ©ev!e  üon  »urfjol^,  SRanfc,  Sanffcn  2C.    egelöaaf  2, 

10  426  ff.  ?(fteii2C.  j.  !ö.  bei  ©alc^  XVII,  1002  ff.  u.  1198  ff.    —    3u  1544:  «.  bc  S3oor/ 5kitr. 

h.  (^efd).  be^  epeicrcu  9leld)öt.  \>,  3. 1544,  6traftb.  1878.   ,&ier  ift  au«  bie  cinfc^Ifigige  ältere 

Öittcratur  genau   üerjcid)uct.     \>.  S)ruffcl,    Äarl  V.  unb  bic  röm.  Äuric  1544— 46 'in  ?IÄ^, 

33b  13,  16  2c. 

6in   britter  am   9.  ^ebruar  1542   burd^  Äönig  fjcrbinanb   in  ©pcicr    eröffneter 

16  SReid^^tag  fottte  bemfelbcn,  junäd^ft  §ilfc  gegen  bic  lürfcn  geh)ä^ren,  toelc^e  in  Ungarn 
eingebrungen  h)arcn  unb  Öfterreid^  l^art  bebro^ten.  3)ic  Jjrotcftantifc^en  Stäube  erflärtcn 
fid^  jeboc^  jur  SctoiHiguna  einer  §i(fc  nur  unter  ber  Sebingung  bereit,  bafe  bic  ^rojeifc 
unb  äc^terllärungcn  be^  äamnicrgerid^t«  gegen  bic  ßDangcIifc^en  eingcftcHt  unb  bafe  ber 
1541  in  JRegeniSburg  erneuerte  9iürnbergcr  Slcligion^friebc  nebft  ber  bort  bcn  ci>angelif(^cn 

20  ©tänben  gegebenen  faiferlic^en  3)eI(aratton  (f.  b.  31.  Slegen^b.  Slcligion^cfpräc^  Sb  XVI 
©.  552)  aufredet  crl^alten  bleibe.  6rft  nac^  langen  3Ser^anbIungen  tarn  e«  cnblic^  am 
11.2lj)ril  iu  einem  bon  beiben  3^eilen  angenommenen  äbfdS^icbc,  in  tücld^cm  eine  anife^m 
lid^e  §ilfc  gegen  bic  2^ürfen  bctoiHigt  unb  ber  SSegen^burger  JJricbftanb  famt  ber  ©uf))cn= 
fion  ber  in  Sleligion^fac^en  bei  bem  Äammergeric^t  anhängigen  ^ro^icffc  auf  fünf  toeitcrc 

26  ^a^x^  erftrecft  iDurbe.  3^ag^  j^uöor  batte  Äönig  gerbinanb  bcn  Jjroteftantifd^en  ©tänben 
eine  33erfd^reibung  au^efteUt,  nac^^  {ücld^er  auc^  bie  Jtegen^burger  3!)ellaration  für  bic 
3)auer  be^  griebftanbiS  in  Äraft  bleiben  fottte.  ^\)x  SSäunfc^,  biefelbc  auc^  öffentlich  tocn 
atten  ©tänben  anerfannt  gu  feigen,  tüurbe  jeboc^  nic^t  erfüttt.  gn  bem  aibfc^iebc  nabmcn 
ferner  bie  fat^olifd^cn  ©tänbe  ba^  burc^  ben  i)ä})ftlid^en  Segaten  gol^.  3JJorone  auf  beiii 

ao  Sleic^^tag  gemad^te  3tncrbieten  beö  ^ajjfte^,  auf  ben  15.  Stuguft  ein  Äonjil  ju  berufen, 
mit  bem  Scmerfcn  banfcnb  an,  ba|  fte  fid^  auc^  mit  ^^rient  aB  üRalftatt  bce  fion^Uö 
begnügen  toottten,  toenn  ftd^  bie  2lb^altung  be^felben  in  einer  beutfc^en  ©tabt  nic^t  cr^ 
reichen  laffe.  2)ic  ©tänbe  ber  Slug^burgcr  Äonfeffion  reichten  inbeffen  ^iegegen  eine 
fc^riftlid^c  ^roteftation   ein  unb  liefeen   eine  5toti|;   barüber  in   ben  3tbfc^ieb  aufnebmen, 

36  ßnblicf;  tüurbe  eine  äJifttation  be^  Äammcrgeri^t^  angeorbnet,  ju  tüel(^er  ber  SJeid^etag 
unter  fieben  SSifttatoren  bier  Jjroteftantifc^e  beftimmte. 

3Jon  größerer  Scbcutung  toar  ber  am  20.gcbruar  1544  burd^  ben  Äaifer  |)erfönli(t 
eröffnete  gfän^cnbe  vierte  ©|)etcrer9lcicf?^tag,  öon  loelc^em  bicfcr  auf;er  gegen  bieiürlen 
befonber^  ju  feinem  firiegc  gegen  ^ranlreic^  bie  Unterftü^ung  beg  Slcid^c«  begcl^rte.  2luc6 

40  je^t  fnüjjften  bie  Jjroteftantifc^en  ©tänbe  bie  33eh)iUigung  bicfcr  ^ilfc  an  bie  Sebingung, 
bafe  il^nen  R^öcf^^^^^^iff^  ^^  ^^^  Sleligion^fragc  gemacht  iDürben,  unb  beftanben  in^= 
bcfonbere  auf  ber  3lufnal^me  ber  Slcgen^burgcr  2)efIaration  in  ben  2lbfc^icb,  toä^reub  bie 
Iatl^oIifd;en  ©tänbe  ba^  unter  atten  Umftänben  ablehnen  p  muffen  glaubten.  SKonate- 
lang  5ögen  fic^  bic  SSer^anblungen  l^in,  bi^  man  fic^  enbltc^  am  27.  3Kai  cntfd^^lo^,  ^n 

46  ©c^toierigfeiten  baburc^  au^  bem  SBcge  ^u  ge^en,  bafe  man  bie  gaffung  ber  betreffenben 
Scftimmungcn  bem  Äaifer  überlieft.  2)ie  JEatl^olifc^en  ©tänbe  cjrllärten  nun,  baft  fie  bulben 
müßten,  tpaö  ber  Äaifcr  ex  plenitudine  potestatis  annehme,  obtpo^l  e^  i^ncn  be- 
fd^tücrlic^  fei.  SDen  tücfcntlic^cn  ^n\)alt  ber  einfc^lägigen  gcftfeöungcn  Ratten  bic  ^ko- 
teftanten  öorl^er  mit  bcn  Surfürften   üon  ber  ^falj   unb   \)on  §3ranbenburg   Vereinbart, 

50  ioelAc  in  ber  ©ac^e  5h)ifc^en  il^nen  unb  bem  Staifer  Vermittelten.  3!)er  am  10.  ^nni  U- 
ficgclte  9{cic^gtag^abfd^icb  ftettte  h)iebcr  ein  freiet  Äonjil  ^ur  35efeitigung  ber  ©laubens^ 
fpaltung  in  nalie  5lu^fid^t.  SDa  cg  aber  boj^  ungctüift  jei,  toann  ein  folc^c^  jufammentrctcn 
fönnc,  fagtc  ber  Äkifer  bereite  auf  ben  näc^ften  §erbft  ober  ffiinter  einen  neuen  Sleic^^tag 
gu,  auf  bem  er  h)icber  ^jcrfönlid;  erfd;eincn  tootte.    35ann  fotte  man  fic^   freunblic^  t>ct= 

65  gleichen,  \m  cö  in  bcn  ftrcitigcn  Slrtifcln  ber  Sieligion  bifJ  ^um  Äonjile  ju  leiten  fei. 
2)urc^  Von  bem  Saifcr  unb  bcn  ©tänben  mit^ubringenbc  ÜRcformation^cnttoürfc  foUte 
man  biefe  ikr^anblungcn  vorbereiten.  83i^  ^ur  Vottfommenen  Serglcidbung  aber  befehle 
ber  ^aifer,  bcn  frül^er  aufgerid)tctcn  Sanbfricben  unverbrüchlich  ^u  l^altcn.  2)ie  ©eiftlic^en, 
©tifte,  Älöftcr,  ©d;ulcn  unb  ©Jjitälcr,  unangefc^en  Ivelc^cr  Sieligion  fte  feien,  fottten  im 

üo  ©cnuffe  ber  ßinlünfte  unb  ©ütcr  bleiben,  bie  fic  gur  ^cxi  bc«  Sicgcn^burgcr  äbfd^icb« 


^ptitv,  gtetdidtagc  Sf'eifesefc^e  603 

Uon  1541  bcfeffen  Ratten.  2)cr  aiug^burger  aibfd^ieb  unb  bic  bor  bem  Äanimcrgerid^t 
tpegcn  bcr  SKeltgion  fd^hjebenben  ^tojeffc  fottten  bte  jur  ^Serglctd^ung  fufjjenbiert  bleiben, 
ßnblicl^  foBte  auf  bem  neuen  Sleic^tage  baiS  Äammergerid^t  bur^»  fromme  unb  gelehrte 
^erfonen  obne  Slücffid^t  auf  ibre  ^Religion  neu  befe^t  ioerben.  —  ®eh)ife  hjar  ber  Äaifer 
ben  ßbangeiifc^en  bor^er  niemaliS  fo  hjeit  entgegengefommen,  hjie  mit  biefem  Slbfd^iebe.  5 
2lu(l^  perfönlic^  trat  er  ben  etoangelifd^en  dürften  auf  bem  Steic^etofje  näljcr,  ate  je  guöor. 
®egen  bie  burd^  ben  Sanbgrafen  in  einer  Äird^e  öeranftatteten  ^^ircbigten  fc^ritt  er  jtüar 
ein,  lieft  e^  aber  getoä^ren,  aU  bie  ^rebigten  teili§  in  bcrt  fütfllic^en  .^crbergen,  teil«  in 
3unfts  unb  SBirtiSl^äufern  fortgefeftt  tourben.  3!)en  ßurfiltftcn  goftann  griebric^  b^i^arii 
belte  Äarl  mit  befonberer  äfuiSxeic^nung  unb  auc^  iianb^töf  ^^^Ui)?p  ofteute  fic^  einer  lo 
e^renöoHen  aufnähme.  Offenbar  h?ar  bem  Äaifer  \>u{  haxan  gete^cn,  beibe  in  guter 
Stimmung  ^u  erhalten,  unb  er  erreicl^te  auc^  hjirflid>,  bafj  tiariKmtic^  bet  Sanbgraf  mit 
berebtem  ßifer  für  bie  Setvilligung  einer  ausgiebigen  §ilfe  eintrat. —  5Kit  bem  2lbfc^iebe 
tüaren  bie  fat^olifd^en  ©tänbe  toenig  jufrieben  unb  ber  ^ojjft  öertoa^rte  ftc^  in  einem 
l^eftigen  S3ret)e  öom  24.  2luguft  1544  entfc^ieben  gegen  bie  ©Jjeierer  35efc^lüffe.  2lber  16 
aud^  bie  ^roteftanten  Ratten  feine  Urfad^e,  burd^  ben  2lu^ang  be«  SReid^gtag«  tJöHig  be^ 
friebigt  gu  fein.  Sie  Ratten  burc^  if^re  35efc^Iüffe  hjefentlid^  ^ur  Sefeftigung  ber  3Kac^t= 
fteBung  be«  Äaiferi^  beigetragen,  toeld^er,  auf  bie  in  ©jjeier  betüittigte  SReid^Sbilfe  geftü^t, 
fiegreid^  in  granlreic^  öorbrang  unb  nac^  bem  grieben  t)on  6re«})^  (14.  Set)t.  1544) 
toieber  freie  §anb  ^atte,  um  feine  3Kac^t  eintretenben  %aü^  and)  gegen  bie  ^roteftanten  20 
5U  gebrauchen.  2ltte  feine  in  ©^eier  gemachten  ßugeftänbniffe,  an  bie  fic^  bie  fat^olifc^en 
©tänbe  o^nebieS  nid^t  gebunben  fül^lten,  hjeil  fic  alle  3Seranttüortung  bafür  bem  Äaifer 
5ugefc^oben  Ratten,  toaren  nur  .einfthjeilige  unb  bie  2luSbrücfe,  in  benen  fie  gegeben 
toaren,  jtoeibeutig.  2)aft  aber  bie  ®efmnung  Karte  gegen  bie  Sieformation  fic^  nic^t  ge^ 
änbert  unb  bafe  er  fid^  Vorbehalten  f}aiU,  nötigenfalls  auc^  mit  ©etvalt  gegen  fie  tjorju«  25 
ge^en,  leierte  eine  nic^t  ferne  3w^""f^^  '"  ^^^  P^  Äurfürft  S^^ann  Sriebrid^  unb  2anb- 
graf  ^^ilij)j)  mand^mal  bie  jjrage  Vorgelegt  ^aben  miJgen,  ob  il^r  jyer^alten  auf  bem 
©Jjeierer  SReic^Stage  nid^t  boc^  ein  aHju  VertrauenSfeligeS  getoefen  fei.  9le^» 

®tietfcgefe^e  bet  ben  ^ebräetw. —  Sitterat ur:  ^?of.  3KaimonibcS  tr.  de  cibis  vetitis 
in  lat.  liog.  vers.  notisque  illustr.  a  Mrc.  Woeldicke  1734;    3.  ^.  .{lottingev,    Jims  Hebr.  30 
Leges  CCLXI  (Tigur.  1055)  p.  204  ss.;  @.  S3ü(6Qrt,  Hierozoicon,  London  1603;  3.@elben, 
De  jure  naturali   (Argent.  1665)  L.  VII,  c.  1;    gji.  ^.  JRein^arb,    De  cibis  Hebr.  prohib. 
(Viteb.  1697);    3-  6pencer,    De   legibus   Hebr.  ritual.    (Lips.  1705)    p.  USss.;    ^anj    in 
3}ieuefen,   Nov.  Test  e  talm.  illustr.    (Lips.  1736)  p.  79588.;    Sujtorf,    De  synagoga  jud. 
c.  33-30  (in  Ugol.  Thes.  tom.  IV.);  3.  3).  ^icftaeliö,  ^ofaifAed  SRec^t  (55ie^I  1777),    IV,  35 
6.  125 f.;  3.  Ci).  ©ommer,  SBiblifc^e  9(b^anblungen  I,    (1846),  @.  183 ff.;   aufeerbem  ügl.  bic 
betreffenben    9(bfc^nitte    in    ben   arcftftologifc^en  ^anbbüc^ern    üon    ^.  @tt)alb    (9Utert^iimer, 
3.  ^ilufl.,    1866),    be  ©ette   (4.  ?tufl.,    ^erau^g.    üon  iRöbiqer  1864),   ^elt    (2.  »lufl.,    1876); 
©aQlfd)ü0  (g)lü)aifd:)eö  9?ed)t,  2.  Sliifl.,  1853,  unb  9lr*äoIogie,  1855,  ia56);  9f?owad  (1894); 
SSenjinger  (1894);    bie  Kommentare  jnm  fieoitifng,    befonberö  üon  3)iümann  ('9tl)ffel)  1897;  40 
SBert^oIet  1901.    gern  er  91.  3öiencr,   3)ie  jübifd)en  ©peifegefc^c  1895;  2Ö.  9?obertfon  @mit^, 
S)ie  SRcIigion  ber  €enütcn,  beutfd)  üon  SR.  @tübe  1899.    ©ie^e  überhaupt  bie  93b  XVI,  564 
angegebene  fiitteratur,    nomentlid)   aud)   bie  4>anbbü(6cr  j^ur  altteftnmentlic^en  2^^eoIogie  üon 
Cebfer,  @d)ult,  Smcnb,  3)illmann,  @tabc  u.  f.  f.;  baju  bie  einfd)Iägigen  $(rtifel  in  ben  9lcal* 
tüörterbiid)em  üon  Sißiner,  €c^enfcl  („©peifcaejete"  Don  SRo^foff),  9?ie5m  („©pcifegefefe"  oon  45 
Stamp^Qufen)  u.  f.  f.  für  baö  3übi(d)e  Hamburger,  (5nci)f(opftbic  beS  Snbentums^. 

SQJie  bei  ben  f^mbolifc^  au^ebilbeten  9{eligionen  be^  2lltertumg  über^auj)t,  finben 
fid^  auc^  in  ben  ^l.  ©efe^en  bei§  212:^  geioiffe  SSorfd^riften,  toelc^e  bie  2lu»h)a^l  ber 
©Ipeifen  befc^ränfen  unb  für  i^re  g^bereitung  geh)if[e  Siegeln  aufftetten. 

I.  2llg  unrein  toerben  manche  liere  genannt,  bie  toom  9Jlenfc^en  toeber  geojjfert  50 
(bgl.  Sb  XVI,  564,43)  nod^gegeffen,  nod^  in  totem  ßuftanbe  berührt  h)erbcn  foHen,  tvä^renb 
bie  afö  rein  bejeid^netcn  ju  effen,  aber  nic^t  alle  ^u  ojjfem  (bgl.  35b  XIV,  390,4)  erlaubt 
finb.  2e  11;  2)t  14,  3—21.  2)ie  Xiere  afc^einen  ^ier  nac^  ber  Jjrimititjen  ^ebräifc^en 
Einteilung  in  4—5  filaffen  georbnet;  bei  mehreren  Älaffen  ift  bie  9lufjä$lung  ber 
einzelnen  2lrten  baburc^  erf|)art,  bafe  allgemeine  SKerfmale  angegeben  h)erben.  Unter  ben  55 
aSierfüfeem  nämlic^  gelten  ali  rein  biejenigen,  tpelc^e  erften^  einen  au^gebilbeten  gefj^altenen 
Öuf  I^aben  unb  jtoeiten^  toiberläuen.  ©enannt  finb  3)t  14,  4  f.  SRinb,  ©(^af,  ^it^^, 
Öirfd^,  ©a^eHe,  3!)am^irf4l  unb  einige  3lntilo}jenarten.  ©iel^e  über  biefe  unb  bie  folgen^ 
ben  Siamen  3)iflmann  ju  2e  11, 2  ff.  Unrein  fmb  bagegen  bie,  tüeld^e  eineö  jener  beiben 
2)ierlmale  ober  beibe  öermiffen  laffen,  loie  baig  Sameel,  ber  ÄIiJ)t)bac^  (isMS  fiel^e  öoc^art,  eo 


«04  et'eifegefe^e 

Hieroz.  I,  p.  1002),  bcr  $afe,  baö  ©d^tücin,  ebcnfo  btc  la^cngängcr  (Sc  11,  27). 
Unter  bcn  äöafferticrcn  fmb'efebat  btc,  hjclc^c  au^gcbilbctc  ^loffcn  unb  B^uppm  haben, 
bagcßcn  ntc^t  bic  anbcm,  ruclc^c  (h)ic  bcr  2lal)  bcm  ©c^Iangcngcfc^Icd^t  ähneln,  übcr^ 
i}anpi  feine  au^gq^rägtc  55if^"ötur  auftücifcn.    SSon  bcn  ißögcin  fmb  ohne  aufftcHung 

5  aHgcnicincr  SKcrfmalc  19—21  2lrten  ju  effen  verboten,  meift  9laubt)ögcl,  tote  Slblcr, 
(Scier,  SRabc,  @ule  2C.,  lüclc^c  bon  2lag  unb  unfaubem  ^Dingen  leben,  in^bcfonbcrc  and) 
©utnjpfs  unb  SßafferiJögel,  toie  bcr  ©torc^  (nn^cn),  Steiger,  ^elifan  u.  ä.;  anö^  bcr 
SBüftcnbogcI  ©trauft.  3ln  bic  i^ögcl  tpirb  nod^  bic  ^I^bcrmau«  angcfd^lofjen,  Jvcicbc  bic 
ärabcr  l^cute  no6)  ju  bicfcn  jä^Ien.   I)aran  rcil^t  fic^  eine  S[}orfc^rift  über  bic  beflügelten 

10  Kriechtiere  (^nfcltcn),  toelc^c  ini^gcfanimt  »erboten  toerben  mit  einer  (nur  Sc  aufgcftelltcn) 
Slu^nal^mc:  bicienigen,  hjclc^c  j^toei  größere  ©))rungbeine  l^aben,  alfo  bic  §cufcbrctfcn 
(Dgl.  Sb  VIII,  28  ff.),  nä^cr  brei  3lrtcn  berfelben  nad^  2c  11,22  fmb  ju  effcn  erlaubt. 
Unter  bcn  eigentlichen  Äriecl^tiercn,_U)clcl^c  nac^  Seil,  41.  42  unrein  fmb,  tocrbcn  be^ 
fonber^  genannt  bcr  9JJaulh)urf  ("^V^  Säod^art  a.a.O.,    I,   p.  1023s8.;    nac^    anbcm: 

15  SBiefel),  2(lau^,  öibec^fc  unb  einige  ä^nlic^c  nid^t  fidler  ju  beftimmenbc  2!icrc,  aucb  ba» 
gl^amälcon,  11,  29  ff.  gu  biefen  toirb  Sc  11,  32ff.  bemerft,  bafe  ftc  auc^  ©cfcbirre, 
Kleiber  u.  bgl.,  ebenfo  ©J^eifen  Verunreinigen,  tpcnn  ftc  in  totem  3"ftanbe  barauf  geraten. 
9iic^t  ate  ob  bic  Unreinigfeit  bei  biefen  gclb^  unb  §au«tieren  befonber^  intcnfit)  toärc 
unb  bci^l^alb  aud^  auf  Icblofc  2)ingc  fic^  forti)flan|\te  (©ommer),   fonbem   tücil   ^icr  bie 

20  Serü^nmg  mit  menjc^lid^en  ©eräten  unb  Vorräten  leicht  ftattfinben  fonnte,  toogcgcn 
bcm  ©d^tac^ten  folc^cr  3:iere  !aum  getocl^rt  toerben  mu^tc  (togl.  S3b  XVI,  567, 43).  Unter 
bcn  Äried^ticren,  toelc^c  ein  „Slbf^cu"  fmb,  hjcrbcn  9?^.  42  bic  Saud^gänger,  b.  (». 
©erlangen  unb  SBürmer,  nod)  bcfonbcr^  angemerft.  3)a^  Slnrü^rcn  Icbenbigcr  „unreiner'' 
3:ierc  verunreinigt  nic^t,  too^l  aber  ba^  ßffen  berfelben,  ebenfo  ba^  3lnrü(^rcn  unb  fragen 

25  i^rci§  3lafe«,  cnblid^  auc^  (au^  einem  unten  anjugebenben  ®runbc)  bic  Serül^rung  einee 
2lafe^  'oon  reinen  Vieren,  üotlcnb^  ba^  (Sffen  ober  2^ragcn  folc^er  gefallener,  niät  ge= 
fcj^lac^tcter  2:iere  Sc  11,  39.  SBaiJ  bie  folgen  bcr  Übertretung  biefer  SJorfc^riften  unb 
bic  baburc^  nötig  ioerbenben  Reinigungen  betrifft,  fo  fmb  fic  einfach  unb  nic^t  all;,u 
läftig,   ba  e^  fic^  um  3?crunreinigungen  niebrigen  ©rabeö   ^anbelt.    SBcr  aia^  t)on  un^ 

30  reinen  ober  reinen  Spieren  anrührt,  foH  unrein  fein  bi^  ijum  3lbcnb ;  tpcr  fold^c^  äa» 
trägt  ober  üon  eßbaren,  alfo  reinen  2:iercn  auc^  ifet,  bat  au^erbem  feine  Kleiber  j;u 
trafc^en  11,  24f.,  28.  31.  39f.  gn  Sejug  auf  Verunreinigte  ©cgcnftänbc  fic^c  ll,32tf. 
aSgl.  »b  XVI,  575  f. 

3)a6  bie  Unterfc^cibung  reiner  unb  unreiner  2^ierc  fotücit  jurüdfreic^t,   al^  bie  ßr- 

35  innerungen  bcr  Hebräer  über^au^^t  jurüdEgcl^cn,  feigen  bie  jjal^bifttfc^cn  ©tcHen,  n?o  foWcr 
Untcrfd;eibung  fd^on  bei  bcr  ©ünbflut  erh)äl^nt  toirb  ©en7,  2;  8,20.  C^nc  ^tva\d 
i}at  bie  mofaifc^e  ©cfe^gcbung  eine  fold^e  nic^t  erft  eingefüljrt,  fonbem  bereite  al^  iÜQlt^ 
braud^  üorgefunben,  bcr  toie  alle  alten  ©tammfitten  eine  getoiffe  religiöfe  2lutorität  ^tte. 
3)Jofe  hat  axxd)  biefen  Srauc^  nur  gefe^lic^  beftimmter  gcftaltct  unb  mit  bcm  3>fl^^#ienft 

40  in  SCj^iie^ung  gefegt.  Daburd^  erlangte  er  ein  um  fo  l^öl;ereiS  3lnfe^cn.  3)a^  babci 
iDaltenbe  3){otib  \mx  nid^t  ein  folc^e^  bloßer  3*^^tf"i^6^9fcit  toicti^o^l  biefe  i^orfc^riften 
geeignet  loarcn,  mcbijinifd^  fel^r  l^cilfam  ju  toirfen,  fonbem  baö  ©cfül^l,  bafe  bcn  m= 
botencn  liercn  eine  J)bt)fifc^e  Unreinigfeit  innctoobne,  \)on  bcr  bic  ©lieber  be^  '^aM 
geii?eil^ten  iNolfeg  fic^  rein  erhalten  follten.    ©iel)e  bcn  ^errfd^enben  tl^eofratifd^cn  ©eft^tö-- 

45j)unft  Sc  11,  44 f.;  ®t  14,  2f.  aSiic  in  feinem  ^nnenleben  foH  ba«  93unbe«üolf  aucb 
an  feiner  Seiblic^feit  fic^  rein  erl^alten  au«  3(üdfficpt  auf  bcn  in  feiner  ?0iittc  toobncnbcn 
(>5ott,  bcm  alle«  Unreine  ^utüiber  ift.  ß«  foll  alfo  nic^t«  Unreine«  in  ftd^  aufnebnicn. 
äöa«  aber  bie  materiale  öeftimmung  be«  le^tern  betrifft,  fo  l^at  fic^  ba«  ®efe^  getoiB 
gerabe   hierin   an  bic  im  S^oltc  üor|anbene  3lnf4)auung  angelcl^nt.    ^u  i^rer  Grflärung 

50  ift  üor  allem  bie  natürliche  5lbneigung,  bie  e«  gegen  getoiffe  ©ijcifcn  l^attc,  bcr  (Stel,  bcn 
e«  bor  geh)iffen  Seren  em>)fanb,  in  ^ilnfcblag  ;^u  bringen.  j)iefcr  gaftor  ift  urf^rüng^ 
lid;er  al«  bcr  3tberglaube,  bcr  fic^  baran  bangen  mod^tc.  3}lan  i}at  hjo^l  bcn  2:otemi«mu^ 
unb  Xabui«mu«  al«  r^ueHe  biefer  Untcvfd^eibung  Vermutet  (Sobertf.  ©mitf^,  ©emiten 
©.  111).    SlUcin  bcr  ^otcmi«mu«,  biefc  bei  amcrifanifcl^en   unb  afrüantfd^en  ©tämmcn 

öö  l^äufigc  (5rfd)einung,  bafe  ein  Xier  al«  9lbnbcrr  be«  ©tamme«  l^eilig  gehalten  unb  nicbt 
i?on  ibm  gcgeffen  ioirb,  foUnc  aucf)  bic  J^ere^rung  eine«  lier«  burc^  eine  ©tabt  ober 
eine  Sanbfd^aft,  in  iveld^cr  c«  nicbt  tjcrjcbrt  tverbcn  barf,  h)ie  im  alten  3igt»Vtcn,  tvürbc 
bod;  nur  auf  ba«  iscrbot  eine«  cin,:^igen  ober  ein.^elner  2:ierc  fübren,  nid^t  aber  bic 
©c^cibung  bcr  licrli^clt  in  ;^iüci  grofec  Älaffcn  crflären,  Don  beuen  bie  gröfeac  al«  unrein 

60  gcad;tct  ift.    ^^n  genügt  audb  t)on  ferne  nid;t  bie  3lnnabme,  c«  feien  bic  t)on  cinjclncn 


S^^etfegefe^e  605 

©tämmen  bem  (Scnufe  entzogenen  3:ierc  bei  t^rer  SSeteinigunö  ju  einem  35oIfe  al^  öer^ 
boten  üufammengefteHt  h)orben  (fo  ©tabe,  5Joh)acf,  Senjinger),  bgl.  35b  XVI,  575.  3)ie 
i^raelitifd^e  Speifeotbnunö  ift  aber  aud^  fel^r  öerjd^icben  bon  ben  labu^Sa^ungen  ber 
Sluftralier,  ^ol^nefier,  3i<^^"^  w-  f-  fv  ^w^c^  hjcld^e  beftimmten  ?perfonen  ober  ©tänben 
getoifle  Sjjeifen,  2:iere  unb  fjrüd^te  al«  einer  ©ottl^eit  gehjeil^t  ganj  ober  ju  beftimmten  6 
Reiten  bertoe^rt  finb.  aSgl.  and)  bie  Sab^Ionier  33b  XVI,  572,  i8.  §ier  liegt  bie  bem 
älberglauben  entfproffenc  3Bitt!ür  auf  ber  $anb.  35ei  ben  3^^«^^^^"  bagegen  ift  bie 
Unterfd^eibung  au«  bem  gemein  menfd^Iid^en  Serlangen  noc^  Sleinigfeit  leid(;t  berftänblid^, 
tüeil  objeltiö  begrünbet.  a)ied  begriffe  ftc^  nid^t,  tüenn  nac^  ©tabe,  2Utt.  a:^eol.  135  f. 
ba«  auf  einer  niebrigem  SWeligion^ftufc  „^eilig"  gead^tete  Am  be^^alb  auf  ber  bö^em,  lo 
Ujo  man  eine  erhabenere  ©ott^eit  öerel^rte,  „unrein"  getüorben  tüäre.  ©oUten  bie  3^* 
raeliten  auf  jener  frühem  ©tufe  gtoar  tpeber  ©tier  no^  Äu^,  hjol^l  aber  ©um|)ft)öge(, 
Snfelten,  SBürmer  u.  bgl.  für  göttlid^  gehalten  l^abenV  3!)er  geiler  ift  ber,  bafe  man 
aUe  mit  ber  SHeligion  in  g^fammen^ang  fte^enben  ©})eifeDerbote  auf  ein  einjige«  3)Jotii), 
bai§  ber  §eilia^altung,  ^urüdEfübren  hjiH.  3Sielmel^r  l)at  man  bei  ber  3lal^rung  h)ie  bei  i6 
ber  fonftigen  Seibe^jjflege  ba»  35ebürfnig  nac^  SReinigfeit  aU  ein  uralte«  religiöfe«  ^oftulat 
anjuerfennen.  35ie  SJertüenbung  be«  SBaffer«  ^ur  35efcitigung  öon  Unreinigfeit,  bie 
burc^  35erül^rung  üon  2la«  ober  unreinen  2:ieren  entftanben  ift,  ^at  nid^t  in  ber  35ors 
ftellung  i^ren  Urfprung,  bafe  ba«  SBajfer  ben  „§eiligIeit«ftoff"  entferne  (©tabe  ©.  143), 
jonbem  barin,  ba^  e«  fauber  mad^t  gener  äBibertoilte  gegen  bie  Unfauberfeit  begegnet  20 
un«  auc^  auf  arifc^em  ©ebiete,  5.  93.  bei  ben  bral^manifc^en  ©})eiferegeln.  3Sgl.  ba« 
©eje^bud^  be«  3Ranu  V,  5—56  (3K.  SDWaer,  Sacred  Books  XXV,  170—177),  tüo 
©c^tüämme,  toeil  au«  unreinen  ©ubftangen  hjad^fenb,  ©um})ft)ögel,  fleifc^freffenbe  35ögel, 
©jjerling,  §au«l^a^n  u.a.  ju  effen  Verboten  fmb. 

3!)ie  im  jjentateud^ifc^en  (Sefefe  öoUjogene  Unterfd^eibung  bon  reinen  unb  unreinen  25 
lieren  ift  bon  ben  genannten  ®efic^t«})unften  au«  im  attgemeinen  mit  ftc^er  urteilenbem 
3:afte  getroffen,  tvenn  e«  aud^  im  einzelnen  nid^t  an  93efonber^eiten  bc«  ©efd^macf«  fe^lt. 
SDie  Don  gefunbem  9Jaturgefül^l  eingegebene  iNolI«anfc^auung  toar  nic^t  untpert,  t)on  ber 
mojaifd^en  Sieligion  aufgenommen,  beftimmter  geregelt  unb  i^r  bienftbar  gemad^t  }u 
h)erben.  2)ic  auf  ben  erften  93licf  befrembenben  3KerImale  gur  ©d^eibung  ber  ©äugetiere  90 
(fie^e  äl^nlid^e  bei  ben  §inbu  a.  a.  D.)  fmb  folgenbermaften  ju  erflären:  ^tm  Sierfü^er, 
bie,  t)on  Kräutern  lebenb,  ba«  reinfte  unb  geniefebarfte,  ba^er  auc^  ojjferbare  ^leifc^  liefern, 
h)ie  5Kinb,  ©c^af  u.  f.  f.,  \)abm  al«  bie  normalen  ©c^lad^ttiere  bie  9Jlerfmale  abgegeben 
uir  Unterfc^cibung  ber  jtoeifel^aften,  g.  33.  be«  fflilbe«.  9lid^t  bon  jenen  9Jlerfmalen  ift 
bei  ber  2)eutung  au«xuge^cn,  fonbem  bon  ben  mit  i^nen  berbunbcnen,  eben  ertoä^nten  35 
6igenf(^aften.  3)ie  Sai^engänger  bagegen  fmb  jugleid^  gleifd^freffer,  meift  SRaubticre 
unb  joldS^e,  bie  fid^  öon  2la«  unb  bgl.  nähren;  fie  finb  au«  biefen  ©rünben  mit  unreinem 
®eru4l  unb  Unreinigfeit  aller  9lrt  öiel  me^r  behaftet  al«  jene  Siormaltiere,  unb  mußten 
ben  3«raeliten,  toelc^en  2la«,  ßerriffene«,  ßrftidte«  unb  bgl.  gu  öerfc^lingen  im  ^öd^ften 
üRafee  anftöfeig  toar,  befonber«  unrein  erfd^einen.  9Jur  ge^t  man  gu  toeit,  tüenn  man  40 
alle«  let)itif(^  Unreine  unb  fo  auc^  ade  bie  al«  unrein  bezeichneten  Sierc  burd^  ein  be^ 
fonbere«  SRaifonnement  fjjejiell  mit  bem  Job  in  SSejiel^ung  fe^en  tüiH.  3)ie  freatürlid^e 
Unreinigfeit,  toelc^e  bie  i^ora  fennt,  gi<)felt  aHcrbing«  im  3:obe,  aber  fie  tritt  auc^  in 
geh)iffen  ßrfc^einungen  unabl^ängig  baöon  auf.  3-  ®-  ^<^^  ©d^toein  ftetlt  biefelbe  o^ne 
jene  fünftlic^e  SSermittelung  anf(|aulid(;  genug  bar,  ebenfo  überl^au|)t  bie  Siere,  toelc^e  in  46 
unreinem  Clement  i^r  2)afein  fül^ren,  n)ie  bie  ©umpföögel,  ober  im  ©taube  friec^en,  lüie 
eibecl^fe,  5)iau«  unb  bgl.,  toä^renb  umgefel^rt  bie  im  reinen  333affer  lebenbcn  ^ifc^e, 
obloo^l  fie  and)  Sebenbige«  berfc^lingen,  nid^t  unrein  fmb.  2lu^  ba«  3Koment  ift  ni^t 
aufea  ad^t  ^n  laffen,  bafe  ba«  ßfebare  einer  au«gej)rägten  SDierf^jegie«  angel^ören  foll. 
3)er  SDUn^d)  l^at  einen  natürlid^en  @fel  öor  bem,  h)a«  „toeber  %\^d)  nod)  gleifc^"  ift,  bor  50 
3tDittergeftalten.  3)a«  fommt  bei  ben  3Kerfmalen  ber  ^ifd^c  in  33etra^t,  bielleid^t  aud^ 
bei  ber  ^lebermau«,  bie  fic^  freilieb  überbie«  in  fc^mufeigen  Söc^em  aufl^ält,  unb  beim 
©traufe,  lüo  ;ur  3lbfonbcrlic|feit  ber  ©eftalt  bie  ber  £eben«art  bicfe«  SBüftenöoget«  ^inju^ 
fommt.  —  aiHzu  fj)iritualiftifd^  f)abm  $^ilo  unb  anbere  atlegorifterenbe  ^nhm,  nad) 
il^nen  aud;  bie  Äirc^enbäter,  au«  allen  ©injeli^eiten  biefer  SSorfd^riften  einen  moralifd^en  &5 
®runb  ober  eine  f^imbolijc^e  33ebeutung  unmittelbar  ^erau«lefen  tooHen.  3lad)  i^nen  foll 
j.  S.  ber  gefjjaltcne  §uf  bie  Unterfd^eibung  g^ifc^en  gut  unb  böfe,  ba«  SBiberfäuen  bie 
ftetige  93efd;äftigung  mit  bem  göttlichen  SÖort  farfteUen,  bie  einjelnen  unreinen  2:ierc 
menfc^lic^e  Seibenfc^aften  unb  Safter,  fo  bie  SRaubüögel  bie  §abfuc^t,  ber  Jpafe  bie  ©eil- 
l^eit  ober  bie  geig^eit  k.    3ft  biefe  SKanier  al«  Äünftelei  ju  öertoerfen,   fo  ergibt  fic^  eo 


606  St'etfegefe^e 

bagegcn  au«  bcm  Obigen,  ba^  aUcrbing«  xtpifc^en  biefer  Unreinheit  ber  Ärcatur  unb  ber 
menfc^Iic^en  Sünbe  eine  Se^ie^ung  t)om  ©efe^e  angenommen  toirb.  5?ic^t  aU  ob  ber 
Jjarftfd^e  2)uaIi«muiS  jtoifc^en  gut  unb  böfe  gefd^affenen  Äreatuten  ju  ®runbc  läge;  toobl 
aber  toirb  in  ber  mofaif^en  SKeltanfd^auung  bie  p^^ftfd^e  Unreinigfeit  ate  ein  Sleper  ber 

6  et^ifcl^en  angefe^en;  mit  bem  ^ienfte  be«  ^eiligen  ®otte«  ift  bie  eine  fo  unvereinbar  irie 
bie  anbere;  an  ber  §anb  biefer  jj^^ftfc^en  ©afeungen,  toeld^e  il^m  eine  getoifle  ©clbft= 
bcberrfd^ung  unb  Übertpinbung  ber  ftnnlid^en  ®ier  gebieten,  fott  ber  9Jlenf^  lernen,  au(^ 
jebe  geiftige  SJerunreinigung  ju  öcrabfd^euen  unb  ängftlic^  ju  meiben. 

IL  SBefentlid^  anber«  begrünbet  ift  ba«  SSerbot,  ba«  Slut  unb  ba«  %^tt  ber  (reinen, 

10  efebaren)  2^iere  ^u  berge^ren.  a)  3)a«  SBIut  ift  nid^t  an  fid^  unrein,  im  ©cgenteil  ift  e^ 
ber  loftbare  Sebenöfaft,  ber  aH  't>a^  lüertöoHfte  am  3^ier  ®ott  geojjfert  toirb.  ®ag  Sebcn 
ift  au«  ©Ott  unb  gehört  ®ott.  Um  feiner  naiven  33ejiel^ung  gum  Seben  toiUcn  foüen 
bie  5DJenfc^en  ba«  35lut,  getviffermaften  ba«  materieUe  ©ubftrat  ber  ©cele,  nid^t  t>er- 
fc^Iingen,  fonbem  ®ott  tüeil^en.     3)a«  cigentlid^e  Seben   anberer  ®ef(^ö})fe  foHen  bie 

16  3Kenfc^en  nid^t  in  fic^  ^ineintrinfen,  fonbem  bem  ©d^öjjfer  jurücfgeben  bei  ber  ©dg^lad^tung. 
3n  ^bm  biefer  6igenfd^aft  ift  benn  auc^  ba«  Slut  ba«  eigentliche  ©ü^nmittel,  lann  für 
bie  SJlenfd^enfeele  eintreten,  an  i^rcr  Btatt  ®ott  bargebrad^t  toerben.  2e  17,  11:  „^'n 
©eele  be«  gleifd^e«  ift  im  35lute,  unb  id^  l^be  e«  euq  gegeben  auf  ben  Slltar  ju  fiibncn 
euere  ©eelen."  35arum  mu^  bei  ber  ©c^lac^tung  barauf  Sebad^t  genommen  toerben,  ba| 

20  ba«  Slut  auslaufe.  2llle«  3^ff^^  ""^  ßrftiote  barf  nid^t  gegeben  toerben,  toeil  babei 
ba«  Slut  nic^t  gel^örig  ausgelaufen  ift.  —  tiefer  ®ebraud^,  ben  Slutgenufe  ju  üermeiben, 
ift  jebenfaH«  uralt.  ®en  9,  4  toirb  er  fc^on  im  noad^ifd^en  3^^^^^^^  ^^  Ü)ienf<^kit 
jur  ^flid^t  gemacht.  3!)ort  toirb  jloar  ber  gleifd^genufj  al«  mit  ber  göttlid^en  £5rbnung 
übereinftimmenb  bejeic^net,  toenn  aud^   in  frü^efter  3^'*  ^^^  SJlenfd^engefd^lec^t  ftc^  mit 

26Äräutern  unb  grüdj^ten  begnügte;  aber  e«  loirb  bie  ©infd^ränlung  aufgeftellt:  gleifcb  in 
feinem  33lute,  feiner  ©eele,  foUt  i^r  nidS^t  effen,  b.  ^.  folc^e«,  ba«  mit  feinem  Slute  unb 
fomit  feiner  ©eele  nod^  bel^aftet  ift.  ©benfo  toirb  bie«  nad^brücflid^ft  cingefc^ärft  in  Der= 
fc^iebenen  Auflagen  unb  Abteilungen  be«  ®efefte6:  2e  3,  17;  7,  26f.;  17,  10;  19,  26; 
2)t  12,  16.  23 f.;    15,  23;   t)gl.  6^  33,  25;   1  ©a  14,  32 ff.     2lu4i   bem   in  «anaan 

90  niebergelaffenen  grembling  lüar  ba«  ßffen  be«  35lute«  t)erbo ten  nad^  2e  17,  10.  15, 
tpäl^renb  3)t  14,  21  toenigften«  gefallene«  SSicl^  bemfelben  überlaffen  toirb.  SBcr  bcni 
®ebote  jutoiber^anbelte,  mufete  fi^  berfelben  83ufte  unterhielten  lt)ie  bei  ben  obigen  JJcr- 
unreinigungen  2e  17,  10.  15,  fonft  f^atU  er  2lu«rottung  burc^  ®otte«  §anb  ^u  ge^ 
toärtigen  17,  IG;  7,  27.  —  Sei  Djjfertieren  !am  ba«  33lut  an  ben  2lltar;   fonft  tourk 

36  e«  einfach  jur  @rbe  gegoffen,  auc^  tool^I  mit  @rbe  bebecft  2e  17,  13.  —  5)ie  SScrmeibung 
be«  Slutgenuffe«  ift  ben  ^nim  fo  ^ur  Statur  getoorbcn,  ba^  man  fte  bi«  auf  bie  ®egcn= 
toart  ftet«  beobachtete.  3^ne  Seftimmung,  bafe  beim  ©c^lacbten  be«  liere«  ba«  Slut 
gel^örig  au«laufen  muffe,  ^at  im  rabbinifc^en  3l"bentum  ju  einem  !omj)lijierten  Sleglement 
(angeblich  ber  2)t  12,  21  erlüä^nten  Überlieferung)  in  Sejug  auf  ba«  ©c^lac^ten  gcfübrt 

40  2e^tere«  foH  burc^  einen  „©c^äd^ter"  gefc^el^en,  ber  bie  talmubifc^en  Seftimmungen  genau 
fennt.  ©iel^e  2)lifc^na  ßi^olin  unb  bie  ©trafgefe^e  bei  Slutgenufe  9Kifd^na  Äerit.  Ä.  5; 
ferner  5!laimonibe«,  jad  chasaka  hilk.  schechita;  ©c^uld^an  äruc^,  jore  dea;  über 
ba«  ©d^äc^ten  togl.  auc^  Hamburger,  Slealenc^fl.  für  Sibcl  unb  lalmub,  II,  1099jf. 
Über  bie  .c^riftlicl^e  3luffaffung  f.  unten. 

45  b)  Äbnlid^  öerl)ält  e«  fic^  mit  bem  gctt  (=i?ri)  ber  ojjferbaren  3:iere,  ba«  tric  bü^ 
S3lut  ju  effen  Verboten  ift  2e  3,  17;  7,  25.  ®emcint  ift  nic^t  ba«  äufeere,  mit  bcm 
gleifc^  i?ertoac^fene  ^^tt,  fonbem  ba«  um  bie  ©ingetpeibe,  befonber«  um  bie  5Jiercn  ([t- 
lagerte,  hjo^u  bei  ©c^afen  ber  gcttfd^toan^  fam  (2c  3, 9).  fficit  entfernt,  unrein  ju  fein, 
ift  ba«  ^iit  getoiffcrma^en  bie  Duinteffenj  be«  2eibe«,  bal^er  ba«  3lu«gefuc^tefte,  h>a«  ber 

eo^err  fic^  Vorbehalten  l^at.  Der  ®efidu«i)unft  ift  alfo  aud;  ^ier  ein  tl^eohatifd^er,  nicfct 
etn?a  ein  mebi^inifc^a,  n?ie  ®rotiu«  unb  ^.  2).  5}lid^aeli«  e«  anfa^en  (ba«  %^ti  fcbabc 
ber  ©cfunb^eit !),  aud^  nxd)t  ein  lanbtoirtfd^aftlic^er  (jur  Seförberung  be«  Clbauc^I 
3».  D.  5Jiic^acli«,  SRofcnmüller).  2)a«  Deuteronomium  rebct  übrigen«  bon  biefem  l^er- 
böte  nid^t. 

&->  c)  2)a^  bie  bcm  §errn  ju  iocibenbcn  ßrftling«früc^te  unb  6rftling«ticre  bem  Jjro' 
fancn  ®enu^  entzogen  toaren,  öerftc^t  fic^  bon  fclbft.    i^gl.  Sb  V,  482  ff. 

III.  6in;;elne  iJcftiminungcn  über  Zubereitung  üon  ©Jjcifen  finben  ftd^  noc^  pm: 
a)  ®en  32,  33,  Jtoar  nietet  eine  3Borfd;rift,  fonbem  ein  in  ^l^^ael  allgemein  anerfannter 
©ebrauc^,   ioonac^  bie  ©cl^nc  aiit  .§üftmu«tel    (nervus   ischiadicus)   ber  ©d^lac^tticre 

0)  nid^t  gegeffen  tourbe.    Sgl.  §ottinger  Jur.  Hebr.  nr.  3.  —  b)  3)a«  au«brüdtli(^e  Ser* 


St'etfegefe^e  Qptnttt  607 

bot,  bag  Söilein  in  ber  3)iUcl^  feiner  TOutter  ju  lochen,  finbet  ftd^  fd^on  im  Sunbe^bud^ 
ßj  23,  19,  toieber^olt  34,  26  unb  2)t  14,  21.  35afe  bamit  ein  ^eibnifc^er  Djjfergcbrauc^ 
(^aimonibe^,  9loiS!off)  ober  fonft  eine  bem  Slberglauben  btenenbe  ©itte  (magifc^er  Sraud^, 
©tabe)  abaefc^nitten  h)erben  foHte,  ift  nid^t  nötig  anjune^men.  SBal^rfd^einlic^cr  ift,  baft 
biefe«  Sßerbot  ä^nlic^  toic  Sc  22,  28;  a)t22,  6  f.  (bgl.  and)  bie  ©abbat^ru^e  ber  liere)  5 
eine  0eh?if[c  ©d^onung  ber  9iatur  aud^  in  ber  üertüelt  jur  ^flid^t  mac^t.  SBäre  e^  boc^ 
graufam,  toenn  baö  3)Jutterlier  felbft  bie  3JWd^  l^ergeben  mü^te,  in  ber  fein  S^nge« 
gefoc^t  loürbe.  ©elbfttjerftänblic^  foHte  biefe  jarte  Se^anblung  ber  3:iere  erjiel^erifd^en 
ßinflufe  auf  baö  SSoI!  ausüben,  feine  eblern  ©efül^le  hjac^erl^alten  unb  Dor  3lbftum^fung 
unb  3Serro^ung  betoa^ren.  ©jjäter  ift  biefei^  SSerbot  t)on  Sarg,  unb  ben  SWabbinen  ba^in  i«» 
ertoeitert  toorben,  man  bürfc  über^aujjt  nic^t  gleifd^  in  3Kild^  ober  35utter  fod^en,  hja« 
ju  ängftlid^er  ©d^eibung  ber  Äüc^engefäfee  unb  ä^nlid^en  bi^  ^eute  bei  ben  ortl^obojen 
guben  geltenben  ^ebantereien  führte,  ^ic^tiger  crfennen  ben  urfprünglid^en  ©inn  nod^ 
bie  ©amaritaner,  tpeld^e  %Ui\ä)  unb  9KiI$  auö  berfc^iebenen  Sanbe^teilen  bejiel^en 
(t).  DreKi,  SJurc^^  ^eilige  Sanb,  4.  2lufl.  ©.  181).  i?» 

3im  31%  finben  Wh  ^unäd^ft  bie  urd^riftlic^e  ©emeinbe  ben  t)on  3Kofe  ^er  über= 
lieferten  ©a^ungen  getreu.  Slber  toaiS  einmal  ben  Unterfc^ieb  t)on  reinen  unb  unreinen 
2:ieren  betrifft,  fo  mufete  biefe  t)ielfac^  national  geartete  ©d^ranle  toie  anbere  9leinig!eit«5 
toorfc^riften,  bie  einen  3^un  um  ^^xa^l  bilbeten,  fallen,  toenn  mit  ber  §etben\oelt  eine 
naivere  35erül[nfnng  ftattfinben  foHte.  3)iefe  SBeifung  hjurbe  $ctro  ju  teil,  21®  10,  11  ff.,  20 
unb  5h?ar  mit  ber  ^3Jiotit)ierung,  ba^  aHe^  t)on  ®ott  ©efc^affene  bon  i^m  gereinigt 
tüerben  fönne.  ^mn  SBegfaH  abfc^lieftenber  ©a^ungen  ift  eben  in  ber  burd^  6l^riftum 
getüorbenen  Offenbarung  innerlid^  begrünbet:  fie  reinigt  unb  heiligt  bie  ganje  Äreatur, 
inbem  fte  öom  ©ünber  ben  auf  il^m  laftenben  93ann  ber  Unreinigfeit  tüegl^ebt.  ©0  t)ers 
liert  jene  äu&erlid^e  Unterfd(;eibung  öon  rein  unb  unrein  i^ren  3)afein^grunb.  3?gl.  25 
übrigen^  gegen  bie  mit  bem  Slu^erlic^en  fid^  begnügenbe  ©elbftgerec^tigfeit  ber  ^l^arifäer 
fc^on  aJlt  23,  25;  Sc  11,  39;  aJlc  7,  8.  5Ramentlid^  aber  ift  ju  bergleic^en  ber  Äanon 
3JJt  15,  11.  17ff.;  9JJc  7,  15ff.,  burd^  toelc^cn  bie  ©peifegefe^c  im  ^rinji^j  bereite  auf* 
gehoben  fmb.  3(m  längften  unb  ftrengften  tpurbe  in  ber  altd^riftlid^en  Äirc^c  ba^  Serbot 
bc«  Slutgenuffe^  aufrecht  gel^alten,  unb  gtoar  (ate  ein  nid^t  ft)ejififc^  igraelitifd^e^,  fonbem  »» 
fc^on  noac^ifd^cö)  aud^  ben  ^eibenc^riften  gegenüber,  2l®15,  20. 29;  21,  25.  2)ieÄirc^e 
ad)Uk  fid^  nod^  in  3:ertulliang  3^^*  allgemein  baran  gebunben  (lertuH.  2lj)ol.  c.  9;  de 
monog.  5;  idol.  c.  24.  —  ßufebiug,  h.  eccl.  5,  1),  bie  griec^ifc^e  Äird^e  blieb  ftet^ 
babci  conc.  Trull.  II.  can.  67;  Suicer.  thes.  eccles.  I,  113.  2tHein  JjrinjijjicH  h)ar 
and)  biefe^  SSerbot  burd^  iene«  SBort  be«  §erm,  3)it  15,  11,  fotoie  burc^  bie  bon  ben  36 
2lj3ofteln,  namentlich  $aulu«  berfünbetc  ebangelifc^e  greil^eit   (1  %x  4,  3  f.),   abgetl^an  aU 

iu  ben  oToixeia  xov  xdojuov  (®a  4,  3)  gehörig,  bie  nur  Jjäbagogifc^  öorbereitenb  fein 
onnten  für  bie  ®emeinbe,  toeld^er  gefagt  ift:  ältle^  ift  euer,  i^r  aber  feib  Gl^rifti.  Über 
ba«  Serl^alten  ber  ß^riften  ju  ben  l^eibnifc^cn  D^jferma^l^eiten  unb  ^eibnifd^em  Djjfer« 
flcifc^  fte^e  Sb  XIV,  399  f.  ».  Drctti.     40 

S^icncct,  Sio^n,  englifc^er  Il^colog,  geft.  1693.  —  Sttteratur:  eQlami)8  Ab- 
ridgement  of  Baxter,  1713,  vol.  II,  118;  CSoopevö  Memories  of  Cambridge  I,  149;  .£>afteb§ 
Kent  III,  9;  Se  92eüe§  Fasti  (.&arM));  ^Kafterö'  History  of  Corpus  Christi  Coli.,  Sambr., 
163  unb  3nbej;  9Hct)oId'  Lit.  Anecdot.  IV,  25.  26,  281;  9?id)arl)fonö  Atheoae  Cantabrig., 
MS  p.  352;  IsBent^am^^  Ely  I,  237;  SBarton*  Life  of  Bathurst  105;  ^afer«  MS26,  p.  281;  45 
Seiüiö'  Antiquities  of  Feversham,  87 ff.;  Dict.  of  Nat.  Biogr.  vol.  LIII. 

©eine  litterarifc^e  3lugbilbung  fanb  ber  im  ^al}i^  1630  in  SSocton  (Äent)  geborene 
junge  ©pencer  im  Corpus  Christi  College,  ßambribge ;  er  burc^licf  bie  ^erlömmlid^cn 
afabemifc^en  ®rabe  mitSlu^^eic^nung  (1665Dr.theol.),  unb  bertüaltete,  aU  Uniberfttät^^ 
^rcbiger  beginnenb,  nac^cinanber  bie  Pfarrämter  ©t.  ®ile«  unb  ©t.  SSenebilt  in  6ams  50 
bribgc,  Sanbbeac^  (gambribgef^ire),  tüciter^in  eine  $frünbe  am  a)om  bon  61^,  ba« 
airc^ibiafonat  öon  ©ubbur^,  ba^  il^m  föniglic^e  ®unft  (1677)  übertoie^,  lourbe  in  bem^ 
felben  3;al^re  jum  SDefan  t)on  ßh;  ernannt  unb  ftarb  l^ier  am  27.  3Kai  1693,  nad^bem 
er  feit  bem  3.  2tuguft  1667  auf  ®runb  einiger  gelehrter  Unterfud^ungen  ber  biblifc^en 
ailtertümer  pm  3iorftanb  feinet  goUcge^  (Corpus  Christi)  erloä^lt  toorben  h)ar.  —     66 

©eine  ®clebrfamfeit,  3)cnff(^ärfc  unb  geiftige  grei^eit  ftd^em  i^m  einen  9?amen  in 
ber  tl^eologifc^en  ffiiffcnfd^aft^gefc^id^te  ßnglanbg.  ^n  ber  ^orm  feiner  gelehrten  Untere 
fud^ungen  toirb  er  jtoar  nod^  bom  SSanne  be^  überlieferten  ©d^cmati^mu«  gehalten,  e^ 
fel^lt  i^m  ber  SReij  })adEenber  ®eftaltung«Iraft  unb  tonH)ofitioncller  ffinergie,  in  ber  ©ac^e 


608  Sptnttv 

aber  trägt  tl^n  fein  ©ebanfenflug  tDeit  über  bte  ©d^ranfen  ber  jeitgcnöfftfc^en  än= 
fc^auungen,  in  beren  ftumjjfe  ©c^hjüle  er  neue^  Seben  brachte.  92ici^t  mit  Unrecht  ift  er 
ber  Segrünbcr  ber  tjergleid^enben  SReligionc^efc^icI^te  genannt  tüorben;  jebenfaH^  i^at  er  in 
Snglanb,  uncrjc^rocfen  unb  bi^  jule^t  in  angriff  unb  äbh)e^r  be^arrenb,    au^  ber  3?cr= 

5  ad^tung  lauer  Äomjjromiffe  unb  eine^  bequemen  ^ro«  unb  Äontraftanbjjunitee  ^erau^  bic 
erften  befreienbcn  äu^blidEe  in  eine  t)on  ber  geitgenöffifc^en  ©ele^rtenjunft  ängftlic^  gc: 
miebene  ©ebanlenhjelt  gehjagt  unb  l^at  ate  erfter  ©ä^e  auf  ben  %\\ö^  fcina  ^c\t  gc= 
iüorfen,  bie  für  bie  forfd^enbe  S^eologie  bi^  in  bie  iüngftc  ©egentoart  l^inein  aScg^eigcr 
geworben  jtnb. 

10  ©leid?  in  feiner  erften  ©d^rift  tritt  bie  neue  2^^efe  be^errfd^enb  in  bcn  33orbergrunb 
unb  giebt  il^r  fofort  i^re  litterarifd^e  35ebeutung,  inbem  er  (in  feiner  Dissertatio  de 
Urim  et  Thummim)  bie  2lnfc^auung  bon  ber  2lb(^ängigleit  jübifc^sfcmitifc^er  Äultu^banb^ 
lungen  bon  ^eibnifc^en  Sinflüffen  burc^  ben  9iac^h)ei^  ber  ^erübemal^me  biefer  m^fttf^cn 
ßmbleme  aui^  äg^jjtifd^en  ®ebräuc^en  energifdS^  tjertritt.    ©ie  tpar  ber  SSorläufer  ^u  bem 

15  grö|eren  SBerle,  ba^  in  feinen  ©runbgebanf en  an  bie  ©d^toeDe  ber  neueren  öerglei^enbcn 
3leIigion^forfd(;ung  fü^rt  unb  ©pencer«  9Jamen  in  iDiffenfc^aftlid^en  Sl^ren  erl^alten  ^. 
3;n  il^m  —  e^  erfd^ien  jum  erften  3Kale  1685  u.  b.  2.:  De  Legibus  Hebraeorum 
ritualibus  et  earum  rationibus  libri  tres  —  iDerben  bie  2lnfänge  ber  mofaift^en 
Slitualien  ber  SRei^e  nac^  einge^enb  unterfuc^t,  mit   bem  genialen  ginberblidt,  ber  burd^ 

20  bie  üerfd(;leiemben  füllen  in«  SBefen  ber  ©ac^en  gel^t,  unb  mit  umfaffenber,  nic^t  ge-- 
tüö^nli^er  ®elel;rfamfeit  in  einer  ^zxt,  in  ber  bie  Drientalifti!  in  i^ren  anfangen  ftanb 
unb  ber  S^Ö^^^Ö  5"  '^^^  DueDenftoffen  in  bem  griec^ifc^en  unb  römifc^en  ©d^rifttum, 
bei  SofejJ^uö,  ben  Äirc^enüätern  ober  in  ber  Sibel  felbft  gefuc^t  tüerben  mufetc.  6^  toirb 
ber  ?Jad^h)eig  unternommen,  bafe  ber  ?Jtofai^muö  in   feiner  2lu^eftaltung,   nad^  ^nbalt 

25  tüie  gorm,  in  ber  göttlichen  ^eil^orbnung  tourjele  unb  jtüar  bie  ©runbibee  be^  ^eil*^ 
Jjlanö  in  35ilb  unb  3^'^^^^  bai^tetle,  nic^t  aber  bie  ©ebanfengänge  unb  ftttlic^  religiöfcn 
2lbftd^tcn  beg  ©efe^gebcr«.  ^n  SSerfolg  biefe^  ©a^e^  ioerben  bie  einen  JEultifd^en  ©efe^c 
au^  ber  9ioth)enbigfeit  einer  3lbh)e^r  be^  ba«  SSolf  ringsum  bebrol^enben  ©ö^enbienftc^ 
bcgrünbet  unb  in  einer  SReil^e  anberer  bie  2)arfteHung  l^immlifc^er  ©e^eimnifie  gcfunbcn 

30  (I.  Sud^),  in  ben  beiben  folgenben,  ben  §auj)tteil  be«  SEBerle^  bilbenben  Sudlern  unter- 

fud^t  bann©toencer  bie  SSertüanbtfc^aft  unb  SSerbinbung^linien  getüiffer  mofaifd^er  9?ormcn 

mit  bem  ©aoäigmu^  unb  toeift  bie  §erüberna^mc,   bejh?.  Umformung  anberer  im  bcib= 

nifd^en  Äultuö  ber  9Jac^barlänber  tjorl^anbencn  futtifd^cn  formen  für  ben  ^entateu^  na*. 

SDie  aufgefc^loffene,  freie  Stu^fjjrad^e  über  biefe  religiöfen  SHeflejerfd^einungen  mit  bem 

36  ©d^lu^fa^e:  ber  ^JJlofai^mu^  ift  nic^t  burd^au^  in  Cffenbarung  begrünbet,  öielme^r  gu  einem 
3:eile  abgeleiteter,  tvenn  auc^^  mobifijierter  ©ö^enbienft,  erregte  natürlich  in  ben  finblicfccn 
Greifen  be^l7.3<ii^rl^-wnge^eure^  auffegen.  §atte  ©Jjenccr  e^  al^  bie2lufgabe  feiner  Strbcit 
be^eid^net,  „bie  ©ottbcit  öon  toiflfürlic^en  unb  Jj^antaftifd^en  SSorftetlungen  gu  befreien", 
fo  gaben  nun  feine  ©cgner  il^m  felbft  ben  ^l^antaften,  in  jenen  ^^\im  unter  allgemeiner 

40  ;>^uftimmung,  jurüdt.  ^ermann  SBitfiu^  (1683  in  feinen  Aegyptiaca)  eröffnete  ben  3(n= 
önff/  3^1}.  aSigerma,  ^.  gennema,  31.  Äemjjfer,  ^olj.  5JJei;er  unb  3.  ©btoarb^  folgten, 
inbe^  o^nc  ©|)encer  ju  h)efentlic^en  3^9cftänbniffen  ^u  bringen.  2)er  SSiberfpruc^  uer^ 
anlaste  il^n  jtoar  ^u  einer  3leuj)rüfung  unb  in  natürlicher  golge  ^u  tieferer  Segrünbung 
feiner  Stnfä^e  unb  in  einigen  ©tüden  ju  ßrUjeiterungen,  bie  er   ^ugleid^   mit  einer  Slb- 

45  fertigung  feiner  ©cgner  in  einem  vierten  93uc^e  aufarbeitete ;  Veröffentlicht  tpurbe  bieje^ 
inbe«  crft  nad;  feinem  lobe  im  3luftrage  ber  Uniberfität  ßambribge,  ber  burc^  6rjbifd»pf 
Stenifon,  ©J)cncer^  grben,  bcffcn  l^anbf^riftlidbe  Slrbeiten  le|tioillig  jugefaHen  toaren,  im 
3;al}re  1727  in  2  ^^oliobänben  (bie  3luggabc  ift  i?on  Seonl^.  d^ajjjjeloh)  beforgt);  ein  beut- 
fc^er  3lbbrud  mit  einer  Dissertatio  praelim.  erfc^ien   burd^  6.  3)1.  $faff  in  Slübingcn 

50  1732.  ©egen  biefe  ^lüeite  aufläge  manbten  fid^  im  18.  ^al^r^.  5!iB.3one«::5Ra^lanb(1789), 
3Koobh)arb  (1776)  unb  (Srjbifcl^üf  9)Jagcn,  auc^  biefe  ol^ne  ßi^olg,  fotoeit  c^  fic^  um 
bie  grunbfä^lic^en  fragen  lianbelte.  2)ie  (Sntioicfelung  ber  biblifc^en  SBSiffenfc^ft,  ber 
altteftamcntlic^en  ;\umal,  bat  ©Jjencer  im  h)efentlid;en  recl^t  gegeben ;  ^ÄeD^aufen^  6^ 
fc^ic^te  3^^<^cl^  unb  lielcö  Histoire  compar^e  des  anciennes  Religions  de  l'Egypte 

55  et  des  Peuples  S^mitiques  gelten  auf  feinen  ©J)uren  einher  unb  Slobertfon  Smitb 
nennt  cö  (in  feiner  Religion  of  the  Semites  1894,  3?orto.  ©.VI)  „tro^  einiger  ^Kängd 
in  feiner  3lrt  ba^  loic^tigfte  2Bcrf  über  bie  religiöfen  SUtertümer  ber  §ebräer".  — 

^lufeer  ben  genannten  SUertcn  l^aben  toir  t)on  ©>)encer  noc^  A  Discourse  concern- 
ing  Prodigies    vvherein    the  vanety  of  Presages  by  them   is   reprehendet  and 

cotheir  true  and  proper  Ends  asserted  and  vindicated,  £onbon  1663;  ber  2.  äluf' 


Stieitccr  'Bptncv  609 

läge  1665  ift  ein  Treatise  concerning  Vulgär  Prophecies  l^injugefügt.  —  2)ie  im 
Xejt  genannte  Dissertatio  erfc^ien  1669  in  (Sambribge,  1670  ^um  ^tvzxtm  3BaIe  unb 
tputbe  1744  öon  Slafiu^  Ugolinug  in  beffen  Thesaurus  Antiquitatum  aufgenommen; 
De  Legibus  Hebrae.  guerft  1685  in  Gambribge,  1686  im  §aag,  1705  in  Seijjjig;  bie 
englifd^e  5?euauggabe  1727  in  2  goliobänben  in  ßambtibge.  Siubolf  öubbcnpeg.      6 

Sjpencr,  ^^ilij)})  S^^ob,  geft.  1705.—  auellen  finb  üor  onem 8.«  ©(Triften  (feine 
6eIbftbioflrai)^ie,  ?5rebigten,  fatec^etifc^e  8d)riften,  crbauliie  ^Ib^onblungen,  SBebenfcn  unb 
^-Briefe,  SSorreben,  polemifd)e  (5ct)riften,  genealogifd)c  unb  ^eralbif^e  3Berfe),  bie,  obgefe^en  uon 
ben  üerfcl)icbenen  ^luflagen,  in  etwa  225  2)rucfn)erfen  erfcftienen  finb.  ^ie  !uirf)tigfteu  unb 
umfangreidiften  finb:  X^eologifcftc  S3ebenfen,  fiepte  2:^coI.  siebenten,  Consilia  et  iudicia  latioa,  lO 
2:()fttigeö  (J^riftentum,  (Sü.  (älaubenölc^re,  ©ü.  fiebenöpflid)ten,  (Sü.  ÖJIauben^troft,  ßautcrfeit 
be*  CD.  S^riftentumS,  SBufeprebigten,  Seicftprebigtcn,  Äated)iSmu§prebigten ,  ßrfte  (öeiftlid)e 
Schriften,  kleine  ö)eiftlid)e  8cf)v{{ten,  ^riefmedifel  S-iQncfe§  unb  8.^,  i^'  uon  ®.  Äramev, 
8.^  $)auptfd)riften,  ^ög.  üon  ^.  l5)rünberg  in  bei*  ^-Bibl.  $:f)eoI.  ^loffifer,  ©anb  21.  ^anb* 
fd)riftlid)  finbet  fict)  uon  8.  ba^  5Sicfjtigfte  in  Jranffurt  a.  '^.,  ©alle  imb  fieip^ig.  —  58on  16 
Söearbeitungcn  nenne  ic^  nur  biejenigen  ^iSerfe,  welcfie  bie  8penerforfd)ung  toefentlic^  Qn= 
geregt  unb  geförbert  ^aben;  bie  bis^  1740  erfc^ienencn  befi^en  üugleid)  CueQcntrert:  Scicl^en= 
prebigt  auf  8.,  1705;  u.  Sanftein,  fiebenöbefd)reibung  8.S,  1729;  biefelbe  mit  9tnmerfungen 
üon  Öange,  1740;  beögl.  mit  ?lnmerfungen  üon  8teinme&,  1740;  3Öe{;eI,  fieben^befd)rcibung 
ber  berül)mteften  Sieberbid)ter,  1724;  ©erber,  ^iftovie  ber  SBiebergeborenen  II,  1726;  ®Ieid),  20 
5!eben§befd)reibung  ber  fäc^fifdien  Ober^ofprebigcr  II,  1730;  SSalc^,  ©inteitung  in  bie  ^teli^ 
gionöftreitigfeiten  ber  lut^er. ^irc^e,  1730ff.;  (Sc^iröcfl,  ^lüg.  SBiogv.  VI,  1787;  .{loSbac^,  8.  u. 
feine  3cit,  1828;  Änapp,  fieben  unb  ß^arafter  einiger  gelet)rter  unb  frommer 'iDiänner,  1829; 
©uericte,  ©anbbud)  ber  f  ir^engefd).,  1833;  8.«  8äeularfeier,  1836;  SKärflin,  3)arftenung  unb 
Äritif  beö  mobernen  <Piet.,  1839;  X^ilo,  8.  alS  Äatec^cf,  1840;  3BiIben§a^n,  «ßb.  3-  ©-26 
1843;  Äliefüt^,  5Beid)te  u.  ^Ibfolution,  1856;  (Öa6,  ®efc^.  ber  prot.  ^ogmatif,  1857;  <«effeU 
mann,  S3ud)  ber  ^rebigten,  1858;-5l;öoluc!,  S)aä  fird)!.  fieben  be«  17.3abrt).«,  1862:  84mib, 
öJefdi.  be^  qjiet.,  1863;  ü.  ^ei^fcbmip,  8i)ftem  ber  tated)etif,  1863:  St^olucf,  ^b.  3.  8-,  in 
^l^iperö  eu.  Menber,  1865:  gronf,  (i^cfd).  ber  prot.  2:t)eüIogic,  1865;  3)orner,  ©efcft.  ber  prot. 
X^eologie,  1867;  ^Brömel,  §omiletifd)e  S^arafterbilber,  1869;  Äramer,  ?t.  $>.  grancte,  1880.  30 
1882;  .J)orning,  8.  in  9?appoIt^iüei(er,  ©olmar  unb  8tra6burg,  1883;  8ad)ffe,  Urfprung  unb 
5Sefen  beö  ^letiSmu^S,  1884;  9Htfdjl,  (53efd)id)te  beg  «Pietismus  II,  1884;  ®afj,  ®ef'diid)te 
ber  diriftlid)en  (£tl)if,  1886;  9?odioü,  ®efc^id)te  ber  eüangetifc^en  Äird)e  S)eutfcftlanb§,  1897; 
•ipering,  ®efd)id)te  ber  prebigt,  1897;  u.  8cbubert,  ÖJrunbjüge  ber  Äircftengcfc^idjte,  1904. 
Xroeltfd),  ^ßroteft.  G^riftentum  unb  Ätrcfte  in  ber  llJeu^eit,  in  „?J)ie  cbriftlidje  ä^eligion"  1906.  36 
—  9iae  bi^^erigen  Jyorfdnuigen  finb  bcnu^t,  ^^ufammengcfaftt  unb  meitergcfü^rt  in  bem  Serf: 
%  ®riinberg,  ^b^ipp  Safob  8pener.  I  (bie  3eit  (&&\  ba§  geben  8.ö;  bie  X^eologie  8.§), 
1893.  II  (8.  olö  praftifdier  ^beologe  unb  fird^Iidier  ^Reformer),  1905.  III  (8.  im  Urteil 
ber  ^3?ad)we(t  unb  feine  (Sinmirfung  auf  bie  golge^eit  [1705—1905];  8pener=©ibIiograpbie, 
fl)ftematif^eö  unb  d)ronolügifd)e^  58erjieid)nid  ber  gefamten  8pener;ßitteratur ;  9?ad)trftge  40 
imb  JHcgifter),  1906.  3n  biefem  3Ber!e  finben  fid)  ausführliche  unb  genaue  Öitteratur* 
angaben '  unb  hie  Belege  für  bie  folgenbe  3)arftellung.  ^ine  furje  populäre  3)arftenung 
bietet  %  (SJrünberg,    8pener=(55ebenfbud^,  1905. 

I.  Seben^s  unb  ©nttpidelung^gang.  —  W^W  S^^ob  ©jjener  (ügl.  b.  2lrt. 
^ieti^mu^  93b  XV  ©.  775  ff.)  ivurbe  geboren  am  13.  Januar  (a.  ©t.)  1635  gu  SRajjpoIt^^  4.', 
tüeiler   im  Dberelfafe.    Sein  93ater  3J>f^^'^«  ^^.i^^W  ®%   ^^^  unb  2lrc^iöar  ber  Ferren 
bon  5RappoItftcin,   ftammte   aug  ©trafeburg,  feine  5)iutter  SlgatF^e,  geb.  ©al^mann,  tüar 
üon  (Solmar.    2)ie  Sltern,  bie  ben  Änabcn  öon  ÄinbE^eit  auf  mm  2)ienft  be^  §crrn  be^: 
ftimmt  Ratten,  liefen  „an  gottfeliger  äluferpl^ung  nac^  il^rem  SSermögen"  nicbt^  an  il^m 
ermangeln,    tlod)  nachhaltigere  religiöfc  ßinbrücfe  erhielt  ber  junge  ©.  burd^  feine  ^atin,  50 
bie  t)crlt)itn?etc  3{gatbe  bon  SRajjpoltftein,  eine  geborene  ®räfin  öon  ©olmg=£auba(^=9Bil5 
benfcfö.    ^x  %o\>  (1648)  i^at  ben  ISjäf^rigen  Änaben   tief  erfd;üttert   unb   ertoedEte  in 
i^m  ben  ^unfc^,  „mit  i^r  bon  ber  SKclt  abjuf (Reiben."  ^n  me^r  männlic^^er,  nüd^temer 
unb  entfd^iebcn  f ird^lic^er  SBcif e  l^at  fein  Seigrer,  ber  $of})rebiger  ^oad^im  ©toll  (geb.  1615 
5u  ®ar^   in   ^ommcrn,   feit    1647   in   9{ap>)olt0h)eiler,   geft.  1678)   auf  ©.  eingetoirft.  &5 
Mufterbem   ^at  ber  ftitte,   lcrn=  unb   lefebegierigc  Sinabt  in   öerfc^iebenen  33üd^crn,   in^^ 
befonbere  in  3lrnbt^  „SBal^rem  ß^riftentum"  unb  in  einigen  cnalifd^en  ©rbauung^fc^riften 
(©ont^om,  Sa^lti,  2)^te,  Sajter)  feine  geiftlic^e  9ia^rung  gcfuc^t  unb  gefunben.  —   ^m 
2(lai  1651   bejog  ©.  bie   Unit)errität  ©tra^burg   mit  bem   au^gcf^rodS^enen  95orfa^,   an 
bem  fogen.  ©tubententeben  fic^  nic^t  ju  beteiligen,   jebc  ®elegenl;eit  jut  Unmä^igfeit  ju  «> 
fliegen,  nic^t  ju  öiel  'Jreunbfc^aften  ju  fuc^cn  unb  namentlid^  ber  toeiblid^en  ßonüerfation 
ftc^  5U  enthalten,  al^  WM)^  ber  acfä^rlid;fte  3^it^crberb  in  fold^em  ©tanbe  fei.  ©.  be= 
fc^äftigte  fic^   junäc^ft  mit  gefc^icptlic^en,   p^ilofojj^ifc^en  unb  ft)rac^Iic^en  ©tubien  unb 

9teaU(incp(Iopäbie  für  £l)eoIoflie  unb  STir^e.    8.  91.  XYUI.  ^<^ 


610  Syenet 

erlangte  bereit«  1653  bie  SJlagiftertüürbe.  ©eine  tJ^eologtfc^en  Se^rcr  toaxm  goBann 
©c^mibt  (1594—1658),  ©cbaftian  ©d>mibt  (1617—1696)  unb  go^ann  Äonrab  3Jann= 
^auer  (1603—1666;  ügl.  b.  2lrt.  Sb  IV  ©.  460  ff.).  2)er  fromme,  emfte  unb  milbe 
3jo^.  ©c^mibt  tpar  tbm  ein  väterlicher  greunb.  ©cb.  ©c^mibt  öerbanft  ©.  namentliA 
5  Anregung  in  ejegetifc^er  Sejie^ung.  3Sor  allem  aber  ift  e«  3)annl^auer,  ein  „Sebenöjeugc 
ber  lutl^erifc^cn  Äirc^e",  ber  öon  größten  ßinflufe  auf  ©.«  religiöfe  unb  lirc^Iic^e  ©teuung 
unb  Haltung  tpar,  ja  beffen  })raftifc^  unb  et^if^  orientierte«  Sutl^ertum  getoife  toefentli* 
baju  beigetragen  ^at,  baft  nac^mal«  bie  religiöfen  Sleformibeen  ©.«  einen  fird^lic^en 
Gbarafter  betüa^rten    unb    er  bor  ben  3Ibh)egen  eine«   unfirc^lic^en  ©cparati«mu«  unb 

10  eine«  fd^ranfenlofen  religiöfen  ©üb je!tiüi«mu«  beh?al^rt  blieb.  3?on  1654 — 1656  befleibete 
©.  nebenbei  bie  ©tette  eine«  3"f ^^^^^^^  ^^^  ^^"  ©ö^nen  be«  ^fal^graf en  Gl^riftian  bon 
3toeibrticfen=93irIenfeIb,  h?a«  i^m  befonbere  Seranlaffung  gab,  feine  genealogif^en  unb 
l^eralbifd^en  2iebling«ftubien  ju  })flegen  (©.  ^at  biefe  ©tubien  bi«  jum  gal^r  1690  fort- 
gefegt  unb  burc^   tjerfc^iebene  SfBerle,  namentlich   fein  gro|te«  Opus  heraldicum,  fic^ 

15  einen  9Jamen  auf  bem  ®ebiet  ber  ©enealogie  unb  §eralbil  gemacht).  aSon  1656  cm 
legte  fid^  ©.  tvieber  ,,mit  6mft"  auf  feine  t^eologif^en  ©tubien,  nac^bem  er  bereits 
1655  feine  erfte  ^rebigt  gehalten,  unb  öottenbete  biefelben  im  Quli  1659  mit  einer  2:bcfc 
über  ben  Sinbefc^lüffel.  2)en  SSorfä^en  gemä^,  mit  benen  er  jur  Uniöerfität  gebogen 
tüar,  führte  er  bort  ein  fel^r  ftitte«,  etngej^ogene«  Seben.    6r  hjo^ntc  bei  einem  linberlofen 

2oD^eim,  bem  ^rofeffor  iuris  3!«>^önn  SReb^an  (1604—1689).  ©ein  Umgang  befc^änfte 
fic^  auf  toenige  gleid^gefmnte  g-reunbc.  S^^^^f^^^^^^^  toaren  bie  ©onntage  emfter  Seftürc 
unb  geiftlid^em  ©efang  mit  biefen  geioibmet,  fotoie  ber  2lbfaffung  öon  Soliloquia  et 
meditationes  sacrae.  —  3!)er  ©itte  ber  3^^^  gemäfe  unternahm  ©.  nac^^  Slbfc^lufe  fcina 
©tubien  afabemifc^e  SWeifen  (1659—1662),  bei  benen  e«  i^m  junäc^ft  um  geld^rte  gort 

26  bilbuna  in  ©Jjrac^en,  Sitteratur  unb  ©efc^id^te  ju  t^un  tpar,  bie  aber  jugleid^  feinen 
ürc^lic^en  ®efic^t«Irei«  erweiterten  unb  feine  religiöfe  ©nthjicfelung  beempufeten.  3n 
S3afel  unb  ®enf  lernte  er  bei  längerem  3lufentl^alt  bie  Serfaffung  unb  ba«  innere  fiebcn 
ber  reformierten  Kirche  fennen  unb  fc^äfeen.  ^n  ®enf  tourbe  er  mit  bem  ehemaligen 
aBalbenfert)rcbiger  änton  Seger   (ügl.  b.Slrt.  33b  XI  ©.349  ff.)   unb  bem   feurigen  üx- 

30  h)ecfung«j3rebiger  3ean  be  Sababie  (togl.  b.  älrt.  35b  XI  ©.  191  ff.)  betannt.  äl«  Seifc^ 
begleiter  be«  ®rafen  3^^^""  ^atob  Don  9laj)j)ültftein  begab  fic^  ©.  im  5Rai  1662  nac^ 
©tuttgart,  too  er  öon  ben  regierenben  §er}ogen  „Viel  ®nabe"  erfuhr.  ®r  ^ielt  fid^  bann 
üier  3Jtonate  lang  lel^renb  unb  lernenb  in  Tübingen  auf  unb  fnüjjfte  in  Diefer  Reit  mit 
lüürttembergifd^cn  Il^eologen  unb  ®ele^rten  (3.  31.  grommann,  2^.  2öagner,  6^.  ^ölfflin, 

35  3i-  31.  Dfianbcr  unb  35.  Stait^)  perfönlic^e  85ej^iel^ungen  an,  Welche  auf  bie  Stellung,  bie 
fj)äter  bie  h?ürttcmbergifc^e  ^Regierung  unb  Uniijerfttät  ju  ber  Jjietiftifc^en  SSetregung  cin- 
nal^m,  getüi^  nic^t  ol^ne  ©influ^  haaren,  ©c^on  backte  man  baran,  ©.  in  SBürttembaii 
feftjul^alten,  al«  il^m  ijon  ©tra^burg  au«  (Dhober  1662)  ein  Pfarramt  angeboten  tourbc. 
2)iefe«  na^m  er  jh)ar  nid^t  an,  tüeil  e«  „ber  SRuin  feiner  ©tubien"  getoefen  Juäre,  bafür 

40  aber  im  Slärj  166:]  bie  Stelle  eine«  grci))rebigcr«  (§ilf«prebiger«)  am3Künfter,  bie  ibm 
3cit  liefe,  feinen  gelehrten  ©tubien  unb  feinen  SSorlefungen  fic^  ju  tpibmen.  Qm  3"' 
faninien^ang  mit  feinen  9Jeigungen  unb  planen,  bie  auf  eine  t^eologifd^e  ^rofepur  qc-- 
ric^tct  ^oaren,  unb  auf  3lntricb  feiner  afabemifc^en  Seigrer  eriüarb  ftc^  ©.  and}  bie  tko- 
logifc^e  2)ottorioürbe.  SDer  3^ag  feiner  ^^5romotion  (23.  guni  1664)  toar  juglcit^  bering 

4o  feiner  iNcrniä^lung  mit  ©ufanna  (Srl;arbt,  ber  locf^ter  eine«  ©trafeburger  5Wat«^erm. 

311«  ftiller  ©ele^rter  backte  ©.  fein  Seben  ju  herbringen.  3lber  ®ott  J^atte  e«  anbete 
bcfdbloffcu.  ^m  gebruar  1666  begannen  bie  äJerl^anblungen,  bie©.  auf  ein  gan^  anbae 
geartete«  3lrbeit«felb  fül^ren  foUten.  311«  bie  toi^tige  ©teile  be«  Senior«  (Cberjifarrere) 
in  granffurt  a.  5W.  frei  tüurbe,  Icnfte  ber  3flec^t«gelel^rte  ^o\).  '^l}xl\pp  ©c^ul§  au«  ßolmor, 

50  ber  bie  elfäffifc^en  ©täbte  unb  aud;  granlfurt  in  bem  3lu«fcl)ufe  ber  ©öangelifc^en  Stänbc 
in  Segcn«burg  bertrat,  bie  3lufmerffamfeit  be«  granffurter  9lat«  auf  ©.,  ber  burcb  ben 
bcfd^eibenen  ßrnft  feine«  Gl^araftcr«,  burc^  33egabung  unb  üielfeitige  Äenntniffe,  auc^  burdi 
günftige  unb  glüdElic^e  J)erfönlid;e  Sejiel^ungen  bereit«  in  tüeiteren  Äreifen  belannt  unb 
gcaci^tet  toar.    9lac^bem  ber  Strafeburger  dlat  il^m  freie  §anb  gelaffen  unb  bie  t^eologifctc 

55  3^atultät  bie  ^Berufung  al«  Don  ®ott  lommenb  crllärt  ^atte,  entfc^lofe  fic^  S.  jur  Slnnabmc 
berfelben.  3lm  3.  Quli  1666  biclt  er  feine  3lbfd;ieb«prebigt  im  5Dlünfter,  in  ber  er  u.  a.  ft* 
gegen  ißerleumbungen  Dcrioaif^rt,  bie  xljn  ber  S^mjjatl^ie  mit  ben  ^Reformierten  bcfcbul- 
bigtcn.  I)ie  freie  3leicf)«ftabt  granffurt  a.  3)1.,  „ba«  ftaufbau«  ber  SDeutfd^en",  mar  ein 
Üiittclpunft  be«  §anbel«  unb  ^^erlelir«.    2)ent   fird^lid^en   unb   fittlic^en  Seben   breiten 

ti"  unter  einer  n)ol(;ll;abenben  unb  leichtlebigen  Seöölferung,  bei  bem  ftarfen  grembenberfc^t, 


&ptntt  611 

bei  bcn  ga^Ireid^en  SDleffcn  unb  S^i^tmärften,  mannigfache  ®efabren.  Sieben  einer  jiem= 
Uelzen  Sln^al^l  3iuben,  tpenigen  Äat^oliten  unb  einer  Meinen  reformierten  ©emeinbe,  be^ 
ftc^enb  auiS  ben  9Jac^Iommen  eingetüanberter  5WieberIänber,  jä^Ite  bie  ©tabt  ettüa  20  000 
Iutl^erif(^e  ßl^riften.  a)a«  3)linifterium  beftanb  au^  12  SKitgliebern,  ^atte  aber  nur  bie 
©teHung  einer  beratenben  unb  jjetitionierenben  SSe^örbe;  bie  Äird^cngetoalt  lag  in  ben  5 
Äänben  be^  9Kagiftrati§,  bcr  ju  biefem  ^Wti^  einen  2luöfc^ufe  (bie  ©d^olarcl^en)  beftettte. 
3)ic  ÄoHegen  ©.g,  \>on  benen  manche  boj)})elt  fo  alt  toaren  ate  il^r©enior,  mad^ten  i^m 
im  allgemeinen  feine  ©c^toierigfeiten,  erlannten  bielmel^r  feine  Überlegenheit  unb  feine 
guten  Stbfic^ten  an,  Ipenn  fid^  aucl^  einjelne  jiemlid^  refertoicrt  berf^ielten.  2lm  1.  3luguft 
1666  ^ielt  ©.  feine  2tntritt«}irebigt  über  9tö  1,  16.  3i)er  junge  ©enior  emjjfanb  e«  an-  lo 
fang«  fcl^hjer,  ba^  fein  nunmel^rige«  9lmt  bie  gehjol^nte  unb  geliebte  toiffenfc^aftlic^e  3Rufee 
einfc^ränfte.  3Jlc^r  ©orge  bereitete  i^m  ber  Umftanb,  bafe  feine  Ortl^obojie  nid^t  unan* 
gef ödsten  blieb.  35a  ^ielt  er  am  8.  ©onntag  nac^  3:rin.  1667  eine  ^rebigt  „t)on  not^ 
hjenbiger  3Sorfel^ung  gegen  bie  falfc^en  ^xopl}ücn'\  nämlic^  gegen  bie  Sieformierten.  ®r 
beröffenttic^tc  bie  $rebigt  ein  ^alb  ga^r  .\patzt,  öerme^rt  unb  toerfd^ärft  burd^  l^iftorif^e  i6 
2lnmerlungen  über  bie  ^ranffurter  Sieformierte  ©emeinbe,  in  benen  er  entfc^ieben  ba« 
äJerlangen  ber  Sieformierten  nac^  3"'^i'I^0W"9  ^^"^  öffentlid^en  ®otte«bienfte^  in  granl* 
fürt  (fie  mußten  i^n  au^erl^alb  be^  granffurter  ®ebiet^  in  SodEenl^eim  abgalten)  be^ 
fäml)fte.  ©jjöter  bereute  ©.  ben  ^ier  gegen  bie  Sieformierten  angefc^lagenen  2:on  unb 
fuc^te  bie  SBeitcrDerbreitung  ber  ^rebigt  nac^  SJlöglid^feit  ju  tjer^inbem.  (Sine  ganj  anbere  20 
unb  iebenfate  fegenöreic^ere  SSäirfung  ging  \>on  einer  ^rebigt  an^,  bie  ©.  am  18.  3^^ 
1669  (auf  ®runb  öon  SJlt  5,  20)  ^ielt  über  „ber  ^^arifäer  ungiltige  ®erec^tigfeit".  95ie 
ungiltige  Jjl^arifäifc^e  ®ered^tig!eit  befd^ricb  er  ate  jene  fleifd^lid^e  ©i^er^eit,  bie  an  einem 
äußerlichen  ©id^sbefennen  ju  ber  rechtgläubigen  lut^erifc^en  Äirc^e,  an  einer  blofe  öer* 
ftanbe^mäfeigcn  Aneignung  ber  reinen  Seigre,  äufeerlid^er  ^Beteiligung  am  ®otte«bienft  unb  25 
©aframent  unb  ßnt^altung  bon  groben  ©ünben  unb  Saftem  fidS^  genügen  läfet.  3)iefe 
^Prebigt  mad^te  einen  geteilten  ßinbrudE.  3)ie  meiften  ßw^örer  fanben,  ©.  forbere  bon 
fc^toa^en  SUenfc^eu  ju  biel,  le^re  „gut  })aj3iftifc^  unb  fc^toäc^e  alljufel^r  ben  ebangelifc^en 
3:roft".  3lnbere  tourben  in  eiii^n  ^eilfamen  ©d^recfen  berfefet,  ju  emftlid^er  Su|e  auf- 
gehjedt  unb  befliffen  fic^  fortan,  nad^  bem  rec^tfd^affenen  SBefen  in  ßl^rifto  S^fu  ju  so 
trad^ten.  2lu^  bem  ©d^oft  biefer  fleinen  ®emeinbe  gingen  ein  ^ai^x  f})äter  (1670)  bie 
Collegia  pietatis  l^erbor  (ögl.  Släl^ere«  35b  XV  ©.  777).  —  ©.  befc^ränfte  fidj^  nid^t 
^ttva  auf  bie  Pflege  biefe«  fleinen  §äuflein^.  @r  bemühte  fid^  mit  gleife  unb  2^reue, 
burc^  feine  ^rebigten  jjerfönlic^e^  unb  lebenbigeö  ß^riftentum  gu  tpedEen  unb  gu  Ijflegen, 
l)rcbigte  gleid^  grünblid^  bie  „ebangelifc^e  ®lauben^le^re"  unb  bie  „ebangelifc^en  fiebends  85 
jjflid^ten"  an  ber  $anb  ber  ^erüojjen  bur^,  immer  bcftrebt,  alle  ®lauben^artifel  fo  ju 
be^anbeln,  bafe  Dantbarleit,  Siebe  unb  ®e^orfam  gegen  ®ott  baburc^  gctoirft  ivürbe. 
©.  bemühte  fi^  auc^  mit  6rnft  um  ^erftellung  fircbli^er  ©itte,  ^nd^t  unb  Drbnung  in 
granffurt.  3tuf  feine  2lnregung  ^in  tourben  feit  1673  bierteljä^rhd^e  Sufetage  in  granf* 
fürt  abgel^alten,  bie  freiließ  für  bie  meiften  mel^r  ^eud^cl«  ate  35u^tage  toaren.  2lud^  40 
äJerorbnungeu  gegen  Äleiberluju^,  ®aftereien  u.  bgl.,  bie  ©.  anregte  ober  boc^  tüitlfommen 
f)x^,  blieben,  toie  i^m  nic^t  entging,  „auf  bem  $aj)ier  ftel^en"  ober  goffen  nur  „Öl  in« 
geuer".  Slac^^altiger  ate  burc^  fold^e  biöjijjlinarifc^e  Semü^ungen  tDirfte  ©.  auf  bem 
®ebict  be«  lirc^lid^eu  ^ugenbunterric^ti^.  ®r  belebte  bie  fonntäglic^en  Äatec^i^mu^ejamina, 
bereitete  burc^  Äatec^i^mue|)rebigten  (feit  1669)  auf  biefelben  bor,  berfertigte  (1673)46 
„Äated^i^mu^tabeHcn",  tüclc^e  ben  ©toff  ber  Sefjjred^ungen  regelten,  unb  fafete  fd^liefelic^ 
(1677)  ben  '^n\)ait  feiner  Äatecl^i^mu^jjrebigten  jufammen  in  feiner  „ßrllärung  ber  c^rift« 
lid^en  Se^re  nad^  ber  Drbnung  be«  Äleinen  Äated^i«muiS  Sut^eriS",  einem  SudS^e,  ba«  bie 
fatec^etifc^e  Sitteratur  unb  ^raji«  bii^  in  bie  ®cgenh)art  beeinflußt  ^at.  ©eit  1667  be^ 
mü^te  fic^  ©.  auc^  um  bie  ©infü^rung  ber  Konfirmation,  unb  er  erreichte  biefelbe  toenig«  50 
ften«  für  bie  granf furter  Saubgemeinben.  '^m  ^al)X  1674  begrüßte©,  mit  greuben  ba« 
3uftanbefommen  eine«  3"^^-  ""^  2lrbeit«^aufe«  für  muth)illige  Settier,  unb  ba«  barau« 
entftanbene  3lrmcn=,  aBaifen=  unb  3lrbeit«l^au«  bleibt  ein  ®egenftanb  feiner  ^ürforge  in 
bcn  f|)äteren  ^a^ren.  (Sinen  au^gcbebnten  Srieftoec^fel,  teil«  firc^lidS^en,  teil«  litterarifd^en 
gragen  getüibmet,  fü^rt  nebenbei  ©.bereit«  in  ben  erften  ^a^ren  feine«  granffurter  Sluf*  55 
enthalt«  mit  l^erborragenben  ®eiftlict^cn  (^o^ann  Subhjig  $artmann,  ®lia«  3Seiel,  ^oi^. 
äöincfler),  mit  ©taat«männern  unb  ^liilofopl^en  (ai^a«beru«  gritfc^  unb  Seibnij). 

3)a«  ßreigni«,  meiere«  in  ©.«  2(h^n  unjtoeifelbaft  (Sjjoc^e  mad^t,  bie  9lufmerf famfeit 
hjeitefter  Äreife  auf  i^n  lenft  unb  feiner  9üirffamfeit  in  g^antfurt  eine  neue  Unterlage 
bietet,   ift  bie  SJeröffentlic^ung  feiner  Pia  desideria,   bie  in .  bcr  Dftcrmeffe  1675   al«  60 

^<3* 


612  Sfiener 

SJorrcbc  gu  einer  neuen  2lu^abe  toon  2lrnbtg  ^oftiHe  unb  in  ber  §erbftmcfle  bc^fclbcn 
3a^re«  ate  befonbere  gd^rift  erfc^ienen  (ögl.  ^n^altöangabe  Sb  XV  ©.  777  f.).  ©.  bat 
in  biefer  ©c^rift  niebergelegt,  „tpaö  i^n,  feit  er  im  SBcinbcrö  be«  §crrn  arbeitete,  öftere 
betrübt,  ibm  ba^  ©etoiffen  befd^toert  unb  öiel  ©orge  gemad^t  batte".    9icu  toarcn  bic 

5  ®ebanfcn  biejer  ©c^rift  nic^t;  fte  foHten  c«  aud^  nid^t  fein;  ©.  felbft  tpeift  überall  auf 
feine  SSorgänger,  öon  Sut^er  an,  l^in.  2lber  bermöge  i^rer  Überftc^tlic^feit,  ©c^lic^tbeit, 
©rünb(id(;feit,  tüeifen  ^Käfeigung  unb  Umftc^t  bilbeten  bie  Pia  desideria  boc^  ein  bc= 
beutfameö,  auffeilen  erregenbe^  SReformjjrogramm.  ©ie  riefen  eine  ganje  Sitteralur  biefer 
2lrt  ^erbor  unb  trugen  ©.  in  bier  ^öi^ren  über  breij^unbert  gwf^nften  tpefentli^^  juftim= 

10  menbcr  3lrt  öon  angefel^enen  S^eologen  unb  gottfeligen  ©taat^männern  ein.  —  greilicfc 
fel^Iten  auc^  öon  Slnfang  an  Sebenflid^feiten  nid^t.  3>"^^^|o"^^^  erregte  bic  toieberboltc 
©mjjfe^lung  ber  ^ribat=6rbauunggt)erfammlungen  in  ben  Pia  desideria,  in  getpiffeni 
©inne  ba^  einjig  unb  h)irllic^  9Jeue  in  benfelben  unb  jugleid^  ber  fonfreteftc  unter  feinen 
35ef|erunggborf^Iägen,  ben  aud^  ©.  in  ber  an  bie  Pia  des.  fid^  anfc^Iie^enben  Äonefpon^ 

15  benj  aU  einen  §au})t})unft  bel^anbelte,  öielfac^  2lnftofe.  35a«  ^ranlfurtcr  ßoDegium,  ba^ 
bi«  bal^in  ftiH  unb  unangefochten  beftanben  l^atte,  hjurbe  ein  ©egenftanb  allgemeiner  Sluf- 
merffamfeit  für  bie  ßinl^eimifd^en  unb  für  bie  ^emben  aliS  eine  Slnftalt,  Die  getoiffer: 
mafien  eine  t^})ifc^e  Sebeutung  für  bie  bon  ©.  erftrebte  Äird^enreform  beanfjjrud^te.  Ser 
anfänglidS^  Meine  unb  bertraute  Ärei«  erh?eiterte  fid^  burd^  ba«  ^injutreten   berfc^iebcncr, 

20  fd^toer  fontroHierbarer,  nic^t  immer  lauterer  unb  nüd^temer  (glemente.  S«  entftanbcn 
aud^  in  ^anffurt  anbere  Äontoentifel,  bie  nid^t  immer  fo  borfic^tig  geleitet  toaren  toic 
ba^jenige  in  ©.iS  ^aufe,  3)ie  tpunberlic^ftcn  unb  ffanbalöfeften  ©erüd^te  über  bie  Äon^ 
öentifelleute  gingen  in  3)eutfc^Ianb  um.  2)ie  ^^^nffurter  5Polijei  mif4lte  ]\d)  ein.  !tic 
böfen  ©erüc^te  unb  falf^en  3ln!Iagen  fuc^te  ©.  ^u  jerftreuen,  inbem  er  (1677)  einerfetl^ 

25  in  70  fragen  über  „bai§  ©eiftlid^e  ^rieftertum"  ^rinji|)iell  SWec^t  unb  ©c^ranfen  ba 
Collegia  unterfud^te  unb  begrünbete,  anberfeitiS  in  einem  „©enbfc^reiben"  bie  SSer^äli- 
niffe  be«  Jy^anffurter  ÄoHegium«  au^fül^rlid^  barlegte  unb  red^tfertigte.  ©leic^lüobl  tpurbc 
1677  fd^on  ber  SBunfc^  in  ©.  lebenbia,  feine  „^auöübung"  in  bie  Äirc^e  ju  t>crlegcn, 
um   Weiteren  ©c^tpierigfeitcn   unb  Anfechtungen  ju  begegnen.    3"  3)armftabt  crtpirftc 

30  (Januar  1678)  ber  Dber^of>)rebiger  Salt^afar  SKen^er  (bgl.  b.  2lrt.  S3b  XII  ©.  635  f.) 
ein  ©bift  feine«  2anbe«fürften  gegen  bie  Äontjentifel,  ba«  erfte  lanbe^l^errlic^e  ßbift  in 
©ac^en  ber  Jjietiftifc^en  Seiüegung.  3lIImäl^Iicf^  nahmen  aud^  bie  Singriffe  auf  ©.  ben 
Gl^arafter  bogmatifc^er  9?erbä^tigung  unb  SSerfe^erung  an,  3laö)  einigen  me^r  toerbccftcn 
unb  ijerftedtten  angriffen  beröffentli^te  1679  ber  2)iafon©eorg  Äonrab  2)ilfelb  in  Djerb- 
as Raufen  eine  „Theologia  Horbio-Speneriana  ober  fonberbare  ®otte«geIal(>rt^eit  ^orb^ 
unb  ©pener«",  tporin  er  ©.«  Se^auj)tung,  ba^  e«  ^um  rechten  ©tubium  ber  Sbeolo^ic 
ber  Sefe^rung  unb  3Biebergeburt  bebürfe,  al«  eine  ßntl^uftafterei  in  fo  ungefc^idfter  34>ci|'c 
befämjjfte  unb  iF^r  eine  fo  grobe  unb  äu^erlic^e  Stuffaffung  ber  S^l^eologie  entgegenfteDte,  ba§ 
e«  ©.  nicf^t  fd^lDer  h?urbe,  in  feiner  „2lßgemeinen  ®otte«geIe^rt^cit  aller  gläubigen  (E^riftcn 

40  unb  red^tfc^affenen  3:^eoIogen"  (1680)  il^n  fo  grünblid^  ab|\ufül^ren,  baft  ethja  je^nSflt"^« 
lang  niemanb  mel^r  ©.«  OrtJ^obogie  öffentlich  anzugreifen  tüagte. 

aBeil  e«  auc^  in  grantfurt  ruhiger  geiüorben  iüar,  glaubte  ©.  fd^on  bon  einem  Sieg 
ber  guten  ©ac^e  reben  gu  fönnen  unb  er  boffte,  in  ber  ©title  unangefocf^ten  ireilcr  »u 
arbeiten.    I)a  trat  lf)82  ba«  greigni«   ein,   hjcld^e«   nac^  ©.«  eigenem  2lu«ft)ruc^  „ba^ 

45  ]d)önc  SBac^etum  be«  ©uten  in  ^ranffurt  gleid^fain  auf  einmal  alfo  nieberfc^lut3,  ba^ 
ic^  bie  ganje  ^^xt  meine«  3tufentl^alt«  in  grantfurt  e«  nic^t  hjieber  in  ben  i)origcn  gc^ 
fcgncten  ©tanb  babc  bringen  fönnen".  @ine  3lnj\al^l  ber  eifrigften  greunbe  unb  än^ 
l)änger  ©.«,  barunter  ber  Siebcrbic^ter  ^o\^ann  ^aloh  ©d^ü^  (1640—1690),  fej)aricrtcn 
fic^  i)on  ber  Sircf^e,  üon  ®otte«bienft  unb  3lbenbmal;l.    ©.  I^attc  fold^en  feparatiftijcten 

50  Steigungen  feit  langem  in  ber  ©tiHc  ju  begegnen  gefud;t,  tüeniger  an^  einem  Haren  fi«^' 
lieben  ^rinjip  l^erau«,  al«  au«  amtlicher  ©etoiffen^aftigfcit,  au«  aufrid^tigcr  Siebe  |iu 
feiner  ^ird^e  unb  au«  bem  inftinftiben  ©efüi^l  ^erau«,  ba^  bie  ©ejjaration  ba«  ^eil  bct 
Äirc^e  nic^t  bringe.  SJad^bem  bie  ^Trennung  3:^atfac^e  getüorben,  jögerte  er  nic^t,  tro^ 
feiner  Jjerfönlic^en  ©^mpatl^icn  für  bic  ©ej^aratiften   unb   i^re  ©mil)el,   ftc^   offen  toon 

55  i^ncn  lo«jufagen,  jcbe  Sfjeranttoortung  für  ibr  %l}\xn  bon  fic^  unb  feinen  Collegia  ab- 
uitücifen  unb  in  einer  au«fü^rlicf)en  ©c^rift  (5Dcr  Älagen  über  ba«  berborbene  Gbriftentum 
äliifebraud;  unb  rccf^tcr  ©ebraucl^,  1685)  ein  auf  ben  unüollfommenen  ß^Panb  ber.Hit(t>c 
begrünbete«  Siecht  ber  ©c^aration  ^u  bcftreiten.  ©.«  2luftrcten  l^at  iebenfaH«  baui  bei- 
getragen,  bem  Umficf)grcifen   ber  ©ejjaration   ju  tüebren.    3?on   unberechenbaren  golden 

CO  toäre  e«  geh^efen,  tvenn  ©.  bie  SBege  ber  ©eparation  mitgegangen  toäre.    ßincn  ©tac^cl 


@)icnfr  613 

l}at  aber  bic  fd^mcr^Iic^c  ©rfa^rung  in  feinem  §er;^en  jurüdEgelaffen.  3"i^^^f«>"*^^^^  P"*^ 
bie  6rn>artun0en,  bie  er  an  bie  CoUegia  für  bic  9tcform  ber  Äitc^e  gefnüj)ft  l^atte,  ent* 
fc^ieben  baburc^  ^erabgeftimnit  n>orben.  —  3)ic  feit  SWitte  ber  ac^tjigcr  ^a\)xt  an^ebenben 
Ufiü,  i\unc^menben  Verfolgungen  ber  SReformierten  in  5fran!reic^  (1685  Sluf^ebung  be« 
gbift^  Don  5?anteg)  unb  befonber«  ber  fiut^erifc^en  im  ßlfafe,  unter  benen  feine  näc^ften  5 
ÜJertoanbten  ju  leiben  Ratten,  gaben  ©.  (Selegen^eit,  gegen  „ia^  überi^anbnelj^menbc  ^oi^ft* 
tum"  fräftig  3^"9">^  abzulegen,  bic  SSerfoIgten  gu  beraten  unb  auf;\umuntem,  bor  ben 
trügerifc^cn  UniondDerfud^en  tjon  feiten  Storni  (2)eg,  ©jjinola)  ju  n>amen,  balj^ingcgcn 
eine  üßereinigung  mit  ben  Sieformierten  inö  Stuge  ju  faffen,  ,,bie  nic^t  um  i^rer  3^- 
tümer  toißen,  fonbem  um  ber  ffia^r^eit  tüiHcn,  bie  fie  mit  ben  Sutl^erifc^cn  gemein  10 
^aben",  Verfolgt  h)ürben.  —  ®.^  Stellung  in  granifurt  War  burc^  bie  ©c^jaration  feiner 
^reunbe  erfd^üttert,  bie  JJreubigfeit  feinet  SBirfen^  in  ^anffurt  iebenfatlö  baburc^  beein* 
träc^tigt.  3)qg  mangell^afte  ©ntgegenCommen,  ba^  er  beim  5Jlagtftrat  für  bic  S3efämt)fung 
öffentlicher  2trgernijfe,  für  bie  2)ur(^fül^rung  be^  regelmäßigen  SSefuc^^  ber  Äatec^i^mud- 
ejamina  unb  für  eine  beffere  ßinricbtuna  ber  Äirc^fj)iele  unb  be^  S5eici^tn>efen^  fanb,  15 
fam  ba^u,  i^m  ben  2lufentl^alt  in  Jwnffurt  ju  berleiben.  So  entfc^loß  er  ftc^  benn 
nac^  längeren  SSer^anblungen,  im  Sommer  1686  einem  3luf  nac^  3)re^ben  ju  folgen  aö 
Cber^ofjjrebiger  be«  Äurfürften  ^oj^ann  ©eorg  III.  (1647—1691).  3)iefe  SteHe  galt 
aU  bie  ^öd^fte  unb  einflufereic^fte  gciftlic^e  ©teße  in  3)eutfd^lanb,  benn  Sac^fen  galt  ate 
bie  3Sorma(|t  be^  5Proteftanti^mu^  in  3)eutfd^lanb  unb  ber  Äurfürft  bon  ©ac^fen  l^atte  20 
ben  Sorp^  im  5Rat  ber  ebangelifc^en  Stänbe. 

Statt  größerer  3lul^e  erh)arteten  S.  inSad^fen  noc^  biel  fc^tücrere  Äämjjfe.  SIU  ein 
munber  ^untt  feiner  amtlichen  Il^ätigfeit  ftettte  [\d}  balb  ^erau^,  bafe  ba^  bomel^mfte 
®lieb  feiner  §ofgemeinbe,  eben  ber  Äurfürft,  mit  feinem  ©efolgc  nur  feiten  in  ®reöben 
unb  nod^  feltener  im  ©otte^bienft  antoefenb  n>ar.  2)ic  Sitten  am  fäd^jxfc^en  §ofe  haaren  25 
momöglic^  noc^  ro^er  unb  juc^tlofer  atö  fonft.  9Rur  bie  1687  t>erftorbene  Äurfürftin* 
"öintter  unb  bie  Äurfürftin  2lnna  Soj)l^ia,  eine  bänifc^e  ^rinjeffm,  h)anbten  S.  il^r3Sers 
trauen  ju.  5la(^bem  bereit«  1687  ein  ®erüc^t  in  ©eutfc^lanb  erfc^otten,  baß  S.  bei 
^ofe  nic^t  mol^l  angcfeben  fei,  erfolgte  im  ^af)X  1689  ber  t^atfäd^lid^e  Sruc^  jh)if(^en 
®.  unb  bem  Äurfürften.  3(n  einem  Sußtag  erlaubte  ftc^  S.,  toeil  er  ju  einer  münb-  so 
liefen  Unterrebung  nic^t  gugelaffen  tüurbe,  bem  Äurfürften  brieflich  bei(^ti)äterlid^e  S}ors 
f)altung  über  feinen  fieben^manbel  ju  machen  (geh)iffen  änbeutungen  j^ufolge  ^anbelte  eö 
fid^  namentlich  um  bie  2:run!fuc^t  be«  ffurfürften).  2)er  Äurfürft  bätte  bielleid^t  bie 
(Srinnerung  ftiHfd^toeigenb  ]^ingenommen,  aber  atler^anb  (Sinflüfterungen,  3J"triguen  unb 
^JJißberftänbniffe  famen  l^inju,  um  i^n  bergeftalt  gegen  feinen  Dberl^of})rebiger  cin^u^  35 
nehmen,  bafe  er  beffcn  ^Jrebigten  fortan  gänjlic^  mieb  unb  fxd^  einen  anbern  Seic^ttjater 
na^m.  —  ä5on  ber  fäd^flfc^en  (Seiftlic^Ieit  unb  feinen  ÄoQegen  in  2)regben  h)ar  ©.  bon 
ainfang  an  mit  3Kißtrauen  aufgenommen  toorben.  @r  füllte  fid^  ate  ein  ^ember  unter 
il^nen.  S)a«  lag  ni^t  nur  an  ber  ^erfönlic^feit  S.«,  fonbem  f)att^  tieferliegenbc  all- 
gemeine ©rünbe.  2)er  Slfäffer  S.  bertrat  einen  %\)pni  be«  Sut^ertum«,  toic  er  fic^  in  10 
bem  auc^  fulturell  anber«  enth)icfelten  h)eftlic^en  unb  fübh)eftlic^en  3)eutfc^lanb  feit  ber 
SJeformation,  Vermöge  ber  beftänbigen  Serül^rung  mit  ber  reformierten  Äirc^e  ber  Sd^toeij, 
j^ranfreic^«  unb  ber  5lieberlanbe,  l^erau^ebilbet  ^atte  unb  Don  bem  fäc^fifi^=norbbcutfd^en 
ßutl^ertum  cl^arafteriftifc^  Derfc^ieben  hjar.  ®a«  5?erl^ältni«  S.«  j|u  ben  fäc^fifd^en  H^eo« 
logen  befferte  fic^  auc^  nic^t,  al«  S.  im  ^ai}x^  1687  ,,in  d^riftlic^er  ©infalt  unb  tl^eo«  46 
logifc^er  Slufric^tigfeit"  eine  9trt  offenen  Senbbrief  an  bie  fäc^fifc^e  (Seiftlic^Ieit  richtete, 
in  loeld^em  er  bie  ©eiftlic^en  angefleht«  ber  emften  Sage  ber  Äird^e  ermal^nte,  il^r  2tmt 
in  aller  Ireue  ju  führen  unb  ftc^  eine«  tjorbilblid^en  SQSanbete  ju  befleißigen.  3)iefe 
Äunbgebung  eine«  Sleuling«  in  Sac^fen  erfc^ien  jumal  ben  SWitgliebem  be«  Äird^enregis 
mcnt«,  ben  älteren  ©eiftlic^en  unb  firc^lic^cn  SBürbenträgem  anmaßenb  unb  aufbringlic^.  so 
e«  erregte  auc^  2tnftoß  in  3)re«ben,  baß  S.,  o^ne  SSereinbarung  mit  ber  übrigen  (Seift* 
lic^feit  unb  o^ne  eine  3lnorbnung  ber  ffirc^cnbe^örbe  abjutoarten,  gleid^  nad^  feinem 
etn5ug  in  2)re«bcn  in  feinem  eigenen  ^aufe  fatec^etifc^e  Übungen  begann,  ju  benen  auc^ 
balb  ertoac^fene  fic^  einfanben,  ja  fc^ließlic^  §unberte,  barunter  anq  Äabaliere,  ©taat«= 
männer  unb  üorne^me  2)amen,  fic^  brängten,  nac^bem  fte  in  bie  ÄapeHe  ber  berftorbenen  55 
Äiirfürftin=5)tutter  »erlegt  maren.  2öie  menig  33erftänbni«  für  biefe  3lrbeit  man  bamal« 
in  toeiten  Äreifen  nod;  ^atte,  ge^t  barau«  ^erüor,  baß  Stimmen  laut  iourben,  e«  ber* 
ftoße  tüiber  ben  3lmt«refj)eft  eine«  Dber^ofi^rebiger«  mit  folc^er  Äinberarbeit  umjuge^en, 
lt)äl?renb  anbere  fpotteten:  ber  Äurfürft  f)abt  einen  Cberl(|of))rebiger  getDoHt  unb  einen 
Sc^ulmeifter  befommen !    —    2luc^  auf  bie  beiben  fäd^ftfc^en  Uniberjxtöten  (Seipjig  unb  w 


614  &ptntt 

Sffiittcnberg)  fuc^te  ®.,  bcr  atö  5KitgHcb  bc«  Dbcrlonfiftottum«  aud^  mit  bcr  Prüfung 
ber  Äanbibaten  bcfafet  toar  unb  babci  traurige  SSeobad^tungen,  namentlich  l^tnfu^tücb  bcr 
mangelhaften  ejegetifd^en  3lu^bilbung  ber  jungen  Il^eologen  machte,  ©inpufe  gu  gewinnen. 
9?a(^  einer  5KitteUung  i)on  Ganfteinsfiange  fe^te  ©.  1688  ein  9Wonitum  gegen  bie  beiben 

6  ^ßJuItäten  beim  Dberfonftftorium  burc^  tüegen  beö  3Kangel^  an  eregetifc^en  3?orIefungen. 
©eine  ©c^rift  „De  impedimentis  studii  theologici"  (1690)  ^at  getoife  bie  3up^"bc 
an  ben  fäc^ftfd^en  Uniberfttäten  befonber«  im  äuge.  35ie  Unit>erjttät  2eij)jig  foute  benn 
aud^  ber  Drt  fein,  an  bem  ber  Äonflilt  jh)ifd^en  ber  alten  Crt^obojie  unb  bem  neuen 
®eifte  jum  2tu«bru(^  lam  unb  bie  jjietiftifc^e  Setoegung  afut  tüurbe.    2)er  Slnflofe  ging 

lobon  bem  bon  Stuguft  ^ermann  grandte  (bgl.  S5b  VI  ©.  151  ff.)  unb  anbem  im  ^vl\\ 
1686  gegrünbeten  CoUegium  philobiblicum,  genauer  genommen  bon  ben  feit  1681» 
bon  JVrandte  beranftalteten  GoUegia  biblica  au5  (bgl.  über  biefelben  9b  XV  S.  771»). 
3im  3}erlauf  ber  (1689)  gegen  bie  2ei))jiger  33en>egung  auf  Slntrieb  ber  2eij>5iger  gafultät 
gerichteten  Unterfuc^ung  lam  für  bie  än^änger  ber  neuen  93en>egung  ber9lame„^ietiften" 

16  in  Slufnal^me,  ber  bereinjelt  fc^on  früher  gebraucht  h)orben  n>ar  (©.  ertoäl^nt  i^n  ^um 
erftenmal  in  einem  SSriefe  au«  bem  ^al^r  1680,  bgl.  S5eb.  3,  383).  ©leic^jcitig  mit  ben 
inquifitorifc^en  unb  bejatorifc^en  5Kafenal^men  ber  SSe^örben  eröffnete  ^Profeffor  SpfKuin 
SSenebilt  6ar})job  in  £eipj|ig  (bgl.  9b  III  ©.  727  ff.),  nac^  ©.  ber  „bomc^mftc  3)ieiftcr 
be«  ^rama«,   ber  gleid^fam  l^inter  ben  Jtuliffen   agierenb  bie  actores  antipietisticK>s 

20  einen  nad^  bem  anbem  auf  ba«  Il^eater  treten  lie^",  ben  litterarifd^en  gelb^ug  gegen  S. 
unb  feine  ^Inl^änger  mit  berfc^iebenen  afabemifc^en  ^Programmen.  9ei  einer  S3eh)egung, 
bie  ettpa  gleid^jeitig  mit  ber  Seijjjiger  93eh)egung  (ßSläxi  1690)  ©.«  ©d^toager  Johann 
§einrid^  §orb  m  Hamburg  (bgl.  b.  2(rt.  9b  VIII  ©.  353  ff.)  beranlafete,  inbcm  er  mit 
einigen  greunben  fid^  tüeigerte,   einen  t>om  Hamburger  ^rebigerminifterium  oufgefteHtcn, 

26  gegen  laxiores  theologos  unb  anbere  fanaticjos  gerid^teten  SReber«  ju  unterfc^eiben, 
tüurbe  ©.  ebenfatt«  in  9WitIeibenfd^aft  gejogen,  inbcm  er  mit  einem  ©utac^ten  gegen  ben 
Hamburger  „SReligion^eib"  l^erüortrat  unb  fo  ben  gont  be«  geiftigen  ^til^er«  ber  §am= 
burger  Kc^ermac^er,  be«  geh)anbten  unb  ftreitfüd^tigen  3l<^^^'^"  ^eoric^  3Wa^er  (bgl. 
b.  art.  9b  XII  ©.  474  ff.),  auf  jtc^  jog. 

80  SBäl^rcnb  eben  ber  ^ietiftifd^c  gebcriricg  bon  2eij)jig  unb  Hamburg  au«  entbrannte, 
erging  an  ©.  (3Juni  1690)  bon  9erlin  au«  eine  erfte  9lnfrage,  ob  er  bie  ©teile  cinei^ 
^roj)fte«  an  ©t.  9li!oIai  annehmen  toolle.  ©.  erüärte  ficb  bereit,  faQ«  ber  Rurfürft  bon 
©ac^fen  i^n  o^ne  fein  3"^^""  f^^"^  2tmte«  in  2)re«ben  entbebcn  toürbe;  bon  ft*  am 
fönnc  er  getoiffcn«l^aIber  feinen  5Poften  nic^t  berlaffen.    9lun  fc^eute  ftc^  aber  aud^  ber 

36Äurfürft,  ©.  einfach  gu  entlaffen;  ja  er  erflärte,  bafe  er  feine  Sleftbcn^  nad)  lorgau 
ober  greiberg  berlegen  muffe,  h)cnn  ©.  nic^t  frcitüittig  ginge,  ©c^liefelic^  hjurbc  ein 
2(u«h)eg  bal^in  gefunben,  bafe  ber  Äurfürft  bon  9ranbenburg  in  35rc«ben  bie  Übcrlaffung 
©.«  nac^fuc^en  unb  bicfe  al«balb  gugeftanben  tocrben  foHte.  ©o  gefc^al^  e«.  3(m  28.  Tlär^ 
1601  erging  barauf  bon  9erlin   au«  an  ©.  bie  9erufung   jum  Äonfiftorialrat,  ^^ropft 

40  unb  3;nfJ)eftor  an  ©t.  TOfoIai.  3lm  14.  3;uni  1601  trat  ©.  fein  neue«  2tmt  an.  - 
©.  fanntc  bie  unioniftifcf^e  3^enbenj  be«  branbenburgifc^cn  reformierten  ^^ürftcn^aufc«.  ^Tafe 
er  berfelben  f^m})at^ifd;  gegenübcrftanb,  ^at  getoife  bei  feiner  9erufung  nac^  9erlin  mit- 
gcfj)ielt.  35ic  Bad)^  bc«  ^ieti«mu«,  bie  im  lut^erifc^cn  ©ad^fen  eine  fc^roffe  Slblcbnung 
erfahren  f)aiU,  erfreute  fic^  in  9erlin   einer  getoiffen  Ürc^enjjolitifc^en  ^rotettion.    Unb 

45  n?enn  auc^  ber  Surfürft  griebri^  III.  (feit  1701  al«  Äönig  bon  5Preu|en  ^ebric^  I) 
unb  feine  ©ema^Iin,  bie  fc^öngeiftige  ©ojjj^ic  (Sl^arlotte,  für  ©.fc^en  ^Ueti«mu«  })erfönlid' 
nid;t«  übrig  l^attcn,  fo  eneic^te  ©.  boc^  manche«  für  feine  ©ac^e  beim  ^ofe  unb  bei  ber 
^Kcgierung  burc^  einflußreiche  3?ermittler  (b.  S)andfelmann,  b.  %ud}^,  b.  6ani§,  b.  ©c^h)eini|, 
b.  9ia^mer,  b.  Canftcin).    (Sr  bejeid^nete   c«  felbft  al«   einen   befonbem  Sor^ug  feiner 

-A)  ©lellung  in  9erlin,  baß  ,,@olt  il^n  jum  SBerfjeugc  gebraud^t,  ettra«  jur  9eförberung 
bc«  Wüten  tl^un  ^u  fönnen  bermittelft  5Re!ommenbation  bei  boben  SKiniftri«" ;  er  benu^tc 
bicfcn  (Sinfluß,  inbcm  er  ,,gutc  i?cutc  ju  Ämtern  bcfijrbern  l^alf,  bie  mit  ber  3<^i*  ^^ 
äl^Tf  bc«  .^cnn  fräftigcr  j\u  treiben  bcrmöd^lcn",  inbem  er  für  bie  (Sinfübrung  ber 
ftatcd;i«nm«cjamina   in  9ranbcnburg   tl^ätig   hjar  (ßbift  bon  1()02),    an   ben  SSerbanb- 

55  lungcn  über  bie  9cfäinpfung  bc«  ©affcnbcttcl«  unb  bie  i-Hcgclung  ber  Strmenfac^c  in 
©tabt  unb  2anb  fid;  eifrig  beteiligte  (1608.  1605)  u.  bgl.  ©.  bcrfuc^tc  au^  bonScrlin 
an^  eine  2(rt  biploniatifcfjcn  ßin^uß  ju  ©unften  bcr  ^^^ictiftcn  in  ©acf)fen  au«3uüben, 
bod)  bcrgcblic^ ;  bie  'Diacf^folgcr  ^obann  ®corg«  III.,  beffcn  ©öl^ne  gobann  ©eorg  IV. 
(1601—1604)   unb  3Iuguft   bcr  ©tarfe,  bcr   1607  i;um  Äat^oIici«mu«  übertrat,   batt^n 

60  anbere  ^ntereffen.    äUidbtig  unb  frucf^tbar  loar  bie  gürfprac^e  unb  9ermittelung  S.«  in 


Sptntt  615 

©ad^cn  ber  Unti)crfttät  §attc.  ®.  lam  gctabc  nac^  Scrlin,  afe  bcr  Sßlan  ber  ©rünbung 
bct  Unibcrfttät  eifrig  crtüogen  tüutbe;  er  erlannte  unb  benu^tc  bie  ®elegen^eit,  eine 
I^eologenfc^ule  nad^  feinem  ©inn  unb  ®eift  in^  Seben  ^\x  rufen,  jog  (1692)  31.  $. 
grancfe  nac^  Ö^tte  unb  toar  fortan  in  S5erlin  beffen  ftänbiger  ^ürfjjred^er  unb  SSerteibiger 
in  feinen  Äämjjfen  mit  ber  §aUefcl^en  ©eiftlic^feit  unb  (feit  1695)  in  ber  S5eförberung  5 
ber  ^rancfefd^en  2lnftalten  (ber  umfangreid^e  Sßrieftüec^fel  gh)if(^en  grandfe  unb  ©.  legt 
3eugni^  ab  ebenfotüof^l  t>on  bem  treuen  3wfammen^alten  unb  ^wfammentüirfen  bciber, 
h)ie  bon  if^rer  völligen  3^emj)erament«::  unb  (S(^araftert>erfc^ieben]^eit).  —  3Beniger  ^eube 
unb  me^r  ©orge  ate  ^anrfe  bereitete  ©.  fein  jugenblid^er  greunb  unb  35iaIon  3<^^ö"n 
Äafj>ar  ©c^abe  (1666—1698;  bgl.  S5b  XV  ©.  780, 4off.),  ber,  feurigen  2:emj)erament^  lo 
unb  bon  „melanc^olifc^er  Äomj)Ie5ion",  feit  1695  ben  Seid^tftu^l  al«  „©atan^ftu^I  unb 
geuerjjfu^I"  l^eftig  angriff;  bie  ^Äifeftänbe  be^felben  ^atte  ©.  felbft  häufig  genug  bellagt 
unb  befämpft,  feine  äbfd^affung  erfd^ien  i^m  aber  tro^  allen  3Wifebrauc^3  nid|t  nötig 
unb  in^bcfonbere  nic^t  o})j)ortun,  h)eil  fie  unter  ben  gegebenen  3Serl^äItniffen  afö  eine 
Äonjcffion  an  bie  ^Reformierten  bon  ber  lutl^erifcfeen  Drt^obojie  ausgebeutet  U^erben  mufete.  i5 
2lte  gleic^tvol^l  (1 6.  9lobember  1698)  ber  Äurfürft  bie  Stuf^ebung  ber  obligatorifc^en 
^ribatbeid^te  Verfügte  (©d^abe  trar  injjtrifd^en  geftorben),  toar  ©.  bemüht,  bie  neue  Drb« 
nung  ju  rechtfertigen  unb  fic^  rulj^ig  einleben  j|u  laffen. 

2)ie  ))ictiftifd^e  35ch)egung  l)aiU  injtoifc^en  h)eite  Äreife  gejogen;  fte  fjjaltete  ba« 
lutl^erifc^e  3)eutfd)Ianb  in  ;itrei  Heerlager.  3)er  ^ietiSmuS  organifierte  fic^  ju  einer  Slrt2o 
^^Jartei,  mld)cx  t>on  ber  Crtl^obogie  ba«  lirc^lic^e  e^iftcn^rec^t  ftreitig  gemacht  h)urbe, 
loäl^renb  bie  ^ietiften  il^rerfeitS  bebauj)teten,  ber  fogen.  ^ietigmu«  fei  nur  eine  bödiüiUige 
ßrbid^tung  ber  ®egner,  jebenfate  feine  Äe^crei  ober  ©efte.  2)er  ©treit  Iom})lijierte  ftc^ 
baburc^,  bafe  feit  1691/92  c^iliaftifc^e,  entlj^ufiaftifc^e  unb  efftatifd^e  ßrfc^einungen  mit  ber 
J>ietiftif(^en  Setoegung  ftc^  berquidten,  bie  aud^  ernftgefinnte  ®emüter  bebenflid^  mad^en  26 
mußten  unb  naturgemäß  tjon  ben  t^eologifc^en  ®egnern  beS  ^ietiSmuS  ate  bie  genuine 
gruc^t  beSfelben  ^ingefteHt  tüurben.  ©.  tourbc  bon  greunb  unb  geinb  ate  ber  H^ötron 
beö  ^iHietiSmuS  angefel^en,  bere^rt  ober  befäm})ft;  unb  in  ber  2:i^at  n>ar  er,  h)enigften« 
in  ben  ^a^ren  1691—1698,  beffen  geiftige«  ^au^jt.  2)ie  eth)a  50  ©treitfd^riften,  bie 
in  ben  3<^l^ren  1691—1698  jh)ijc^en  i^m  unb  feinen  ®egnem  gcu^ed^felt  tüurben,  bilbenao 
pvax  ber  ^al}l  nad)  nur  einen  Ileinen  StuSjd^nitt,  aber  bem  ^ni)ali  nai)  ben  Äem  ber 
Äontroüerelitteratur  biefer  ^^t  2)ie  litterarifc^en  §auj)tgegner  ©.«  tüaren  1.  bie  fäc^fi* 
fd^en  3:^eoIogen.  Unter  il^nen  ragen  b^rbor  ^oi).  S5en.  Garpgob  (bgl.  oben)  unb  Salenlin 
3llberti  (1635—1697)  in  £eit)jig.  2)ie  Söittenberger  Ideologen  unternahmen  unter 
gü^rung  bonSo^ann  SDeutf ermann  (1625—1705;  tjgl.  S5b  IV  ©.589)  einen  Äotteltib^  36 
angriff  auf  ©.  in  i^rer  ,,6l^riftlut^crifc^en  Sorfteßung"  (1695).  3o^ann  ®eorg  -Jleus 
mann  (1()61— 1709)  griff  aufeerbem  ©.  in  berfc^iebenen  ©c^riften  an.  2.  2tu|er^alb 
©ad^fenS  toar  eS  ber  Hamburger  gol^ann  ®eorg  5Jla\?er  (tjgl.  oben),  ber  in  kmpaxmU 
\>oüm  ©c^riften  unter  effeftboßem  iitel  (5Jlifebrau(^  bcr  greil^eit  ber  ©laubigen  j^um 
3)edtcl  berSoS^eit,  1692.  Scleibigte  unb  tjerteibigte  Unfc^ulb,  1695.  $err  35oftor  ©J)cner,  40 
h)o  ift  fein©iegV  1696)  ©.  jufe^te.  3.  ©amuel  ©c^eltoig  in  S)anjig  (1643—1715:  bgl. 
33anb  XVII  ©.  553  ff.),  tücniger  brillant  unb  tüi^ig,  aber  eth)a«  fac^Iid^er  ate  SKa^er, 
eröffnete  feit  1693  einen  ^clbjug  gegen  bie  „feltiererifd^e  ^ietifterei".  4.  ©.«  „SSe^aup* 
tung  ber  $offnun(j  fünftiger  befferer  ^txtm"  (1693),  ein  fubtiler,  übrigen«  unllarer  unb 
ungefä^rli^er  6^ihaSmuS,  mel^r  ©emütöbcbürfniö  afe  3)ogma,  rief  neben  anbem  naments  46 
lic^  ben  gelehrten  ©uperintcnbenten  unb  Drientaliften  3luguft  ^Pfeiffer  in  SübedE  (1640 
bis  1698)  auf  ben  ^lan,  ber  bann  neben  bem  (S^iliaSmuS  ©.«  aud^  beffen  „Scepticis- 
mus  exegeticus,  dogmaticus  unb  practicus"  belämjjftc.  @S  ift  nid^t  mögli(^,  auf 
ben  ^nf)ali  ber  j^ahlreic^en  ©treitjc^riften  gegen  ©.  unb  ©.S  Entgegnungen  (j.  85.  ^rei^eit 
ber  ©laubigen  1691;  ©ieg  ber  SBahr^eit  unb  Unfc^ulb  1692;  äufri^tige  Übereinfttm«  60 
mung  mit  ber  3lugSb.  Äonfeffion  1695;  grcubigeS  ©ehjiffcn  1695;  Slettung  ber  gerechten 
©ad^c  gegen  Pfeiffer  1696;  3Jölligc  Slbfertigung  ©c^eltoig«  1698)  l^ier  einjuge^en.  SBenn 
bcr  ©treit  im  großen  unb  gangen  einen  fo  unerquidflic^en  ©inbrudf  mac^t  unb  gu  feinerlci 
Älärung  unb  ä?erftänbigung  führte,  fo  rü^rt  bieS  nid^t  gum  toenigften  ba^er,  bafe  bie 
Ci^egncr  ©.S  jmar  baS  bunfle  unb  nid^t  unberechtigte  ®efü^l  l^atten,  im  ^ietiSmuö  fte^e  66 
i^nen  eine  neue  ©eifteSric^tung  gegenüber,  bafe  fie  aber  nic^t  im  ftanbe  toaren,  beren 
eigcntlicbe  9Ratur  gu  crfafjen,  fonbern  fie  in  ben  alten  Slal^men  ber  ©eltiererei  unb  Äe^erei 
einfpanncn  moHten,  in  ben  fte  nic^t  ^ineinj)afete.  ^n  bem  ©cbriftenhjed^fel  mac^t  fic^ 
ba«  Unfertige  unb  baS  Unabgefc^loifene  ber  ©.fc^en  Ideologie,  bie  infofem  allerbingS 
aingriffsjjuntte  genug  bot,  beutlid^  bemerlbar,  noc^  biel  Irafler  aber  bie  Unfä^igfeit  ber  eo 


616  Sptntv 

SQäortfü^rcr  bcr  l^crrfc^cnbcn  21^coIogic,  bie  3^*^^*^  *^^  3^^^  J"  bcrfte^cn  unb  ;ium  min= 
beftcn  bic  rclattbc  33erecbttgung  bc^  B.^^an  ©tanb})un!tg  eintgermafeen  anjucrfenncn. 
3Benn  ®.  [xd)  ti)at\ä^l\d)  bcn  ©ieg  jufi^teiben  fonntc,  fo  berbanft  er  bic^  nic^t  fo  fe^ 
bcr  Äonfequcnj  unb  Äorrcft^cit  feiner  t^eologifc^en  unb  lirc^lic^en  ©teHung   al«    toiclme^r 

6  bem  Unberftanb  unb  bcr  Setbcnfd^aftüc^feit  feiner  ©egncr,  bie  burc^  i^re  Übertreibungen, 
6ntfteBungen  unb  Ungcl^euerlic^feitcn  ibm  Icic^te^  ©))icl  machten.  äUerbingö  ifi  ©.  SBürbe, 
Slu^e,  ©ad^Iic^feit  unb  SBaf^r^aftigfeit  in  ^öl^ercm  ®rabe  eigen,  boc^  nic^t  in  bem  Sinne, 
ate  Ratten  feinen  ©egncrn  beffere  SWotitJC  übcrl^au})t  gefel^It  unb  afö  n>äre  nic^t  au4 
©.  manchmal   Hcinlid^,  Jjcrfönlic^   unb   })arteüfcb    geh)efen.    ßinen  Jjcinlic^cn    Öinbrucf 

10  mad^t  e«  (unb  al^  SBamungögeic^en  für  ben  tbeologifc^cn  Übereifer  aller  3^^^  \^^¥  ^ 
ba),  baft  beibe  Seile  an  bie  bona  fides  be^  (Segnerö  faft  nie  unb  nirgenb^  glauben 
hJoUcn,  tjiclmel^r  mit  gleid^er  ^uberfid^t  be«  ©egner^  Schreiben  unb  treiben  auf  bcn 
leufel  jurüdfül^ren  unb  mit  gletd^em  $at^o^  an  ®ott,  ©eiviffen,  Sortoelt  unb  3lad^tüdt 
a})})eUieren. 

16  ©eit  1698  jog  fic^  ©.  gefliff entließ  bon  ben  litterarifc^cn  ffämj)fen,  n>ie  ühnf^avcpi  t?on 
bcr  öffentlichen  zöertretung  bcr  ipietiftifd^en  Partei  jurücf.  6r  überlief  e^  jüngeren  Äräften, 
ben  (Segnem  ju  anthjorten,  h)eil  er  n>eiterc^  ©trciten  al^  nufelo«  unb  im  (Srunbc  bic 
(Segner  ate  untjcrbeffcrüc^  anfa^.  ^m  ©tillcn  i)erfu(^tc  er  noq),  freilid^  jiemlic^  t>ergcbs 
lic^,  befdbh)ici^tigenb  unb  gurüdfl^altenb  auf  estrabagante  SIcmente  unter  feinen  anlJKingetn 

20  einjun^irten.  ©eine  ftonefj)onbenj,  bie  frül^er  fo  umfangreich  gehjcfcn,  bafe  bei  a&em 
^Icife  i^m  oft§unberte  Don  Briefen  unbeantn>ortet  liegen  blieben,  fc^ränlte  er  nac^  allen 
leiten  ^in  ein.  ©eine  freie  ^üt  h)ibmete  er  ber  ©ammlung  unb  §erau5gabc  berfc^iebencr 
©d^riften  unb  SBerfe  (namentlich  feiner  „S3ebenfen"  unb  Sriefe,  bie  in  bier  Sänbcn  in 
ber  SDruderei   be^  §atlefc^en  SBaifcnlj^aufc^  1700—1702   ate  beffen   erfte«  bebeutenbeö 

25  SJerlag^h)erI  erfc^ienen),  bamit  gleic^fam  ba^  gaj^it  feinet  iJeben^  ^iel^enb.  SBie  h>eit  £i 
©influfe  gerabe  tjermöge  feiner  Äorrefj)onbcn5  mit  fürftlic^en  unb  abeligen  ^erfonen,  mit 
Ideologen,  (Selel^rten  unb  ©taat^männem  reichte,  toeit  über  2)eutfc^lanb«  Orcnjen  hin- 
auf, toürbe  im  einjelnen  biel  leichter  ju  Verfolgen  fein,  n>enn  nic^t©.  felbft  unb  Sanftein 
bei  ber  §erau^abe  bcr  S3riefe  bie  2lbreffen,  bie  })erfönli^en  unb  lotalen  Regierungen  au^ 

30  gelaffen  unb  unterbrüdtt  Ratten.  ©.«  le^tc^  fc^riftftcllcrifc^c^  SBcrf  n>ar  bic  „SJerteibigung 
be«  3^gniffei^  bon  ber  eh)igcn  (Sott^eit  ßl^rifti".  —  i)ie  ©timmung  ©.«  fd^h>anltc  in 
ben  lefetcn  ^af)xm  jtoifc^en  einer  getüiffen  9liebergcfcl)lagen^eit  unb  ber  jpoffnung  in  bie 
3u!untt.  3"  Äatecf^ifationen  unb  $rebigten  hjar  er  unermüblic^  bi^  jule^t.  SBei^nad^tcn 
1699  legte  er  noc^  ein  Iräftige^  cDangclifc^c^  3^^9"^^  ^^  9^0^"   //^^^  römifd^cn  Äircfcc 

85  atblafe  unb  ^ubclja^r".  ^n  bemfelben  ^al)x  ^ielt  er  noc^  befonbere  ^rebigten  jur  8c-- 
lel^ng  ber  ^uben.  Sluc^  fuc^tc  er  immer  noc^  auf  bic  öffentliche  35ig^ij)lin  unb  bic 
SBcförbcrung  c^riftlic^cr  ©itte  cinjumirfen,  inbem  er  j.  S.  im  Cf tober  1703  eine  ßingabc 
gegen  ärgcrlicf^c  ©c^aufjjiclc  in  Scrlin  mad^te.  (Sine  feiner  legten  ^rebigten  l^ieltS.  am 
25. 50^ai  1704  in  Sid^tenburg  bei  ^rcttin  an  bcr  6lbc,  h)o  bie  bcrtüithjctc  Äurfürftin  öon 

40  ©ac^fen  rcfibicrte.  ©elegentli^  biefer  ^Hcife  tüciltc  ©.  in  ®rofel;enner^borf,  n>o  er  fein 
^atcntinb,  ben  Dicrjäljrigcn  3i"J€"borf,  unter  $anbauflcgung  jur  Seförberung  bee  Sücicb^ 
©otte^  einfegnete.  2)ie  legten  fteben  SKonate  üerbrad^tc  ©.  nac^  einem  heftigen  änfaß 
in  guncl^mcnber  ©c^hjäc^c,  ftitt  unb  gcbulbig.  ©ein  crbaulic^ci^  5lranlen=  unb  ©terbc^ 
lagcr  f}at  Saron  Äarl  §ilbebranb  bon  (Sanftein  (bgl.  b.  2t.  S3b  III  ©.  710  ff.)  al«  aiugcn^ 

45  jeuge  befd^rieben.    2lm  5.  gebruar  1705,  einem  ®onner«tag,  berfc^icb  ©. 

II.  ^crfönlid^fcit  unb  ßl^aratter.  —  ©.  erfreute  fi(^,  \>on  Dorübergc^cnbcn 
Äranf^eitganfättcn  abgefc^cn,  bi^  in  fein  3lltcr  einer  bauerl^aftcn  ©cfunbl^cit  unb  eines 
glcicf^mäfeigcn  Sßoribcfinbcn^.  2llle  angriffe  ber  ©cgner  unb  auc^  bic  ©orgc  um  ba^ 
SBo^l  bcr  Äird^c  i}ab^n  \i}n  nur  ;;toci  ober  brcimal  in  feinem  Scben   um   bcn  ©c^laf  ge- 

50  bracht.  3)iefc  glücflicf^c  gcfunbc  3Jatur  ift  bie  ®runblagc  feine«  gciftigen  ©leic^mafic«, 
einer  „®leid(!l;eit  bc«  ©cmütsJ",  ja  eine«  geiDiffeu  ^^^Icgma«,  n>eld^c3  feinem  Seben  ben 
©tcmjicl  rul;igcr  Äontinuität  aufträgt.  ®ercgclte  i^ätigfeit  ift  i^m  äebürfni«;  fü^nc 
^nitiatibc,  ba«  ^croifd^c,  2lggrcffit>e  fcl^lt  i^m,  n?te  er  felbft  Ido^I  ipcife,  ja  eine  getoiffc 
j^ögcrubc  93cbäd;tigfcit  unb  Singftlic^fcit  ift  i^m  eigen.    2ßa«  bcn  bcfd^eibenen,  bon  ^^aufc 

55  au«  pr  „3:ranquillität",  gu  rcje^tiücr  Kontemplation  neigenben  5Rann  über  ftc^  felbft 
l^inauöbebt  unb  aftiü  macl?t,  ift  feine  Icbcnbigc  grömmigfcit,  fein  fittlic^cr  (Srnft,  fein  au^ 
bem  ®lauben  geborene«  ftarfe«  ^flic^tgcfübl.  Ünb  in  ben  2)icnft  biefer  Slftion  fteHt  er 
bann  feine  &aUn  unb  Senntuiffc,  %U\^,  2:rcuc,  &i:bct  unb  Slrbcit.  ©o  intcnfib  aber 
and)  ba«  religiö«=ftttlid^c  Schju^tfein  ©J)cncr«  ift  unb  fo  fül^ne,   freie  unb   toeite  S)li(fe 

60  er  in  33ejug  auf  bic  33ctt;ätigung  be«fclben  manchmal  t^ut,   fo  bel^ält  bodj^  fein  (S^riftcn- 


^ptntx  617 

tum  für  öeiDöJ^nlid^  ctiüa^  ßinfeUigc^,  Scfc^ränlte^,  ßngc^.  ©ein  ©emütg=  unb  ®cifte^s 
leben  tft  nid^t  rcic^  unb  bielfeitig  genug,  er  tft  ju  fel^rSüc^ers  unb  ©tubenmenfc^,  ^oefie 
unb  ^^antafie,  Sinn  für  9latur  unb  Äunft,  .^purnor  unb  Sd^erg,  SSerle^r  unb  ©efeHig« 
feit,  ja  für  intimere^  Familienleben  fehlen  il^m  ju  febr,  um  n^irflicb  ba^  religiöfe  unb 
fittlic^e  Seben  reic^  auöjugeftalten  unb  ;\u  entfalten.  ©.  ^at  eth)a«  ©teife^  unb  ^eban«  5 
tifc^e^  bei  aller  innem  SBärme.  SBie  fein  ©til  fc^hjerfäHig  unb  nüchtern  ift,  fo  fel^Ite 
i^m  erft  rec^t  bie  ®ab^  ber  SRebe  in  ber  ÜJribatunterbaltung.  ^ro^bem  l^at  ©.^  ^erjön^ 
lic^feit,  in  unb  aufeer  bem  3lmt,  ^Wax  nic^t  auf  atte,  aber  auf  biete,  §ol^e  unb  9iiebere, 
felbft  feinen  religiöfen  ^ntereffen  ^ernftel^enbe,  einen  großen  ®inbru(f  gemacht  tjermöge 
jeine^  gleic^bleibenben  ^eiligen  6mfte^,  feiner  pflichttreue  unb  ©emiffenl^aftigfeit,  feiner  lo 
felbftlojen  Sefc^eiben^cit  unb  greunblic^feit.  ©.  ^at  manchmal  Jeine  3^een  unb  SSe- 
ftrebungen  ober  bie  feiner  ^reunbe  mit  ber  ©ac^e  ®otte^  tjorfc^nell  ibentifijiert,  er  \oax  bon 
einer  gehjiffen  @nH)finbIic^feit  unb  frommen  Sitterfeit,  namentlich  in  ben  legten  S^^^^^^^r 
nid^t  gan^  frei;  er  ^at  bon  greunben  fic^  manchmal  tauften  unb  mißbrauchen  laffen 
unb  ben  (Segnern  manchmal  unrecht  get^an ;  er  |at  nic^t  immer  bie  regten  ?KitteI  ju  15 
feinen  3*^^*en  gebraucht  (namentlich  bie  3lrt,  toie  er  gemiffe  ^ol^e§erren  für  feine  lir^s 
liefen  3^^*e  mobil  machte,  ift  nic^t  einhjanb^frei  unb  l^at  ftaat«*  unb  l^oflird^lid^em 
^arteitreiben  in  bebenflid^er  SBeife  33orfd^ub  geleiftet);  aber  ba^  lonnte  er  mit  gutem 
®eh)iffen  be^au^ten,  bafe  er  mit  SBiffen  nicmanb  Unrecht  tl^un  tüoHte  unb  baft  er  auf« 
richtig  unb  el^rlic^  nic^t  ba^  ©eine,  fonbern  ®otte^  S^re  unb  ®otted  ©ac^e  fuc^te.  20 

III.  Sebeutung  für  bie  Ideologie.  —  ©.^  Sebeutung  liegt  nic^t  eigent^ 
lic^  in  feiner  3:^eologic.  @r  toottte  auc^  feiner  ©elbftbeurteilung  nad^  ein  Reformator 
ber  Ideologie  nic^t  fein,  bielmc^r ,  nic^t^  anber^  ak  ein  ort^obojcr  Suti^eraner ;  er 
l^at  feine  boUfommene  unb  ^er^lic^e  Übereinftimmung  mit  ber  Seigre,  mit  ben  S5efenntni«s 
fd^riften  unb  ben  recf^tgläubigen  Seigrem  feiner  Äird^e  ungä(>ligemale  beteuert.  ®r  25 
fonnte  ba^  auc^,  fofern  bai^,  h)a«  man  al^  bie  eigentliche  ©ubftanj  ber  ölumenifc^en 
unb  lut^erifc^en  Örtl^obojie  angufel^en  gehjo^nt  ift,  il^m  in  einer  2lrt  unb  SBeife  in 
^leifc^  unb  Slut  übergegangen  toar,  baft  feine  fritifd^en,  flejjtifd^en,  fubjeltibierenben 
unb  moralirierenben  5ieigungen  unb  3^enben^en  biefen  Äem  feine«  Äirc^englauben« 
nic^t  ju  jerftören  bermoc^tcn  (t)gl.  S3b  XV  ©.  780,  54  ff.).  ©.  ^at  aber  gleic^UJol^I  ba«  30 
ort^oboje  ©i^ftem  unb  bie  lutl^erifc^e  33ogmatif  nad^  aUen  ©eiten  ^in  erf^üttert,  inbem 
er  1.  auögef^roc^enermafeen  jtoifc^en  einer  efotcrifd^en  unb  ejoterifc^en  Se^anblung  ti^eo« 
logifc^er  fragen  unterfcf^ieb,  in  tjielen  ©tüdfen  bei  innerer  Iritifc^er  ©tellung  eine  äußere 
Stccommobation  an  bie  Äirc^enle^rc  au«  3*^^**"^6*öt^t«grünben  für  erlaubt,  ja  geboten 
hielt  unb  fo  bie  naibe  ©leic^fe^ung  ber  Äird^enle^re  mit  ber  j)erfönlic^en  religiöfen  Über-  30 
;^eugung,  ipelcf^e  bie  Drtbobojie  eigentlich  borau«fe|[te,  untergraben  ^alf.  2.  ©.  ftrebte  an 
eine  SSereinfa^ung  unb  fionjentration  be«  bogmatifc^en  ©toffe« ;  an  bie  ©teile  ber  neuen 
theologia  scholastica,  bie  „außer  unb  über  bie  ©cf^rift  flug  unb  mi^ig  fein  h)ill",  mit 
i^ren  ©ubtilitäten  unb  „abfonberlicl)en  determinationes"  tüiu  er  eine  theologia  biblica 
treten  laffen.  3.  3)amit  ^ängt  ^ufammen  eine  größere  ^urüdEl^altung  be«  t^eologifc^en  40 
Urteil«  unb  eine  freiere  Semcgung  gegenüber  ber  bogmatifc^en  irabition,  eine  2tbneigung 
gegen  bie  übliche  „9SerIe^erung«fu^t",  bie  Unterfd^eibung  bon  „Srunblei^ren"  unb 
„§au))tfac^en"  einerfeit«,  anbererfeit«  bon  9lebenbingen,  in  benen  man  greilj^eit  laffen 
unb  ®ebulb  üben  muß.  3*^^^  ^^^  2tuffaffung  ber  ©c^rift  al«  eine«  ein^eitlid^en  unb  in 
fic^  Derbinblicf^en  Se^rfobeje«  taftet  ©.  nur  fc^üc^tem  an,  boc^  fj)rid^t  er  gelegentlich  bon  46 
ber  „Schale"  unb  bon  bem  „Äem  ber  göttli^en  SBa^r^eitcn",  Don  einem  „^nncrlid^en" 
unb  „3iußerlid^en"  an  ber©d^rift,  h)ie  er  benn  über^au^t  bie  Autorität  ber©c^rift  me^r 
geiftig  (testimonium  Spiritus  internum)  al«  äußerlich  unb  mec^anifc^  )u  begrünben 
beftrebt  ift  unb  eine  gefd^ic^tlic^e  Sel^anblung  ber  ©c^rift  anbahnt  (burd^  geflijfentlic^e 
Öerborl^ebung  be«  tjerfd^iebenen  SSJerte«  be«  21  unb  be«  912;«  für  2;f;eologie  unb  religiöfe  50 
(Srbauung).  4.  33er  entfc^eibenbe  ^un!t,  in  bem  bie  eben  bef^rod^enen  fiinien  jjufammen« 
laufen,  ift  fc^ließlic^  bie  beränberte  2Bertung  bogmatifc^er  ©ä^e  unb  t^eologifc^er  ^ro* 
bleme  überl^aujjt,  n?clcl)er  ©.  ba«  9Bort  rebet;  ber  ©c^h)er})unft  be«  ^ntereffe«  h)irb  ber« 
legt  Don  ber  S3el;auj)tung  unb  ©r^altung  ber  reinen  Se^re  nac^  ber  ©eite  ber  jjraltifc^en 
®ottfeligfeit,  Don  ber  objettiöen  ©eltung  ber  §eil«tbatfac^en  unb  |)eil«le^ren  nac^  ber  &f> 
©eite  ber  fubieftiben  Sebingungen,  an  hjeld^e  bie  SSirfurig  ber  §eil«t^aten  unb  ^eife 
mittel  gefnü))ft  ift,  unb  i^rer  fubjettiben  et^ifc^en  3Serj)flicf^tung.  3^^  2öir!lic^Ieit  !ommt 
e«  fc^ließlid;  nicf^t  fohjol^l  auf  bie  fides  quae  creditur,  al«  auf  bie  fides  quae  credit 
ober  qua  creditur  an,  auf  ben  red;ten  Jjerfönlic^en  .§er5en«glauben,  ber  felbft  bei  fc^toeren 
Selj^rirrtümem   üor^anben  fein   {ann.     2)a«  bebeutete   im  5Pringi^>   eine  SHetoolution   ber  eo 


620  (Bptntv 

SQää^rcnb  er  für  feine  greunbe  unb  Sln^ängcr  fd^Iec^t^in  „ha^  3Kuftcr  eine«  rcc^tfc^ffcnen 
fie^rer^",  „ber  um  bie  ganje  ebangcltfc^e  ftirc^e  befttoerbiente  Ideologe"  toax,  tüä^renb  biefc 
(3o.  Sänge,  3.  3.  S5reit^auj)t,  3.  ®.  ^ritiu«,  3.  ©.  ^unl^,  3.  21.  ©teinme^,  3.  3.  Sani= 
bac^  u.  a.)  feine  ©c^riften  in  immer  neuen  2luflagen  gu  berbrciten  unb  ju  em^fc^Ien  fxc^  be^ 

6  mül;ten  unb  i^n  in  ^rofa  unb  ^oefie  gerabeju  verhimmelten,  ^aben  feine  ort^obojen  ©egner 
i^m  itüax  nic^t  bireft  bie  ©eligfeit  abgefJ)ro(^en,  aber  biefe  i^m  bod^  nur  in  fe^r  ^^pot^etifd^cr 
9Beife  jugeftanben  (3^1^.  ^edbt,  De  beatitudine  in  domino  defunctorum  1708).  Xer 
fromme  SDid^ler  ßrbmann  9?eumeifter  (bgl.  b.  21.  93b  XIII  ©.771  f.)  ^at  noc^  1727 
einen  fog.  „fur;\en",  in  SBirllic^feit  fe^r  umfangreichen  „2lu«jug  ©Jjenerifd^cr  3i^^ün^<^r" 

10  Veröffentlicht.  3"^  allgemeinen  aber  befanb  ftc^  bie  Drt^obojie  auf  bem  Slücf^ug ;  3Ränner 
tüie  e.  S.  Söfc^er  (bgl.  b.  21.  S3b  XI  ©.  593  ff.)  machten  fc^on  bebeutenbe  ^ugcftänbuiffc 
an  ben  ©Jjenerfc^en  ©eift.  Sermitteinbe  ©timmen  (3-  ®.  SBald^)  liefen  fic^  ^ören. 
3ingenborf,  h)ieU)ol^I  in  ber  §au))tfac^e  mit  ©.  [xd)  ein^  iviffenb,  übte  bod^  auc^  an  ©.  unb 
bem  ^ietiömu^  Äritil.    3)a^  3"^^^^fji^  0"  ^^"^  ©treit  um  ©.  naE;m  überbau^jt   feit  bcn 

16  30er  3<*l^ren  be^  18.  3ö^J^^"nt>ertd  fic^tlic^  ab;  man  berftanb  bielfad^  laum  me^r,  n>arum 
unb  um  \oa^  man  eigentlid^  brei  bi^  Vier  3öi^rjebnte  Vorder  fo  leibenfc^aftlic^  geftritten 
l^atte.  Um  bai^  3^^^^  1750  ift  ber  ganje  ©treit  begraben.  @ine  neue  ^^t,  bie  ^i\t 
ber  2luftlärung  Wax  angebrod^en. 

3n  h)eld^em  SWafee  man  mit  ben  3ntereffen  ber  SSorieit  gebrochen  l^at,  ge^t  für  un» 

20  barau^  ^ert)or,  bafe  Von  1750—1825  ein  9leus  unb  ^Racpbrud  ©.fc^er  ©c^riften  faft  gar 
nic^t  mel^r  erfolgte;  fie  Ivaren,  tvk  ©c^riftfteßer  biefer  3^it  fagen,  „faft  gan;\  in  2>eri 
geffen^eit  geraten".  9lur  in  §alle  fing  man  feit  1775  an,  fic^  luieber  einge^enber  mit 
©.  ju  befd^äftigen  (Änaj)j),  ^liemej^er,  3Bagni§).  ©.  gehörte  ber  ©efc^ic^te  an.  Unb  bie 
tonangebenben  Äirc^engefcbic^t^fcbreiber  biefer  ^t\t  (t).  3Ko«^eim,  ©c^rödt^,  ©pittlcr,  .^Jenfe) 

25  mit  il^rem  aufgeflärten  ^ragmati^mu^  achten  i^n  ^oc^,  fd^reiben  i^m  in  gch)iRem  ©inn 
eine  epoc^emac^enbe  S3ebeutung  ju,  infofem  er  bie  Sel^rart  in  Kirchen  unb  ©d^ulen  ver^ 
beffert,  SJloral  unb  praftifc^e  grömmigfeit  betont,  bogmatifd^e  unb  fonfeffxoneUe  2Beit- 
^ergigteit  unb  2)ulbung  beförbert  ^abe.  3'^^'^^fönbere  feine  SSerbienftc  um  einfache  unb 
erbauliche  ^rebigt,   um  ftated^efe  unb   jjraftifc^e  3:^eologie  toerben   Von  ÜKonnem  tric 

30  XeHer,  ©J)albing,  ©c^uler  l^oc^,  in  mand^er  Se^iel^ung  m  l}od),  eingef^ä^t.  Äurj,  ber 
SHationali^mud  nimmt  im  allgemeinen  ©.  al^  Sa^nbre^er  für  fic^  in  2lnfpruc^.  3Ran 
rügt  tüol^l  gemiffe  ©c^toac^^eiten  unb  5Jlängel  an  ©.,  j.  S.  feinen  3Kangel  an  }jbiIo= 
fo>)l)ifc^er  Silbung,  eine  getoiffe  Befangenheit  in  ben  Sorftellungen  feiner  ^txt;  au«bnicf^ 
lidi;  aber  unterfcf^eibet  man  in  ber  JRegel  jmifd^en  ©.  unb  ben  obffuren  ^ietiften,  bie  au* 

35  in  ber  3^^^  ^^^  2luftlärung  nic^t  ganj  au^ftarben.  ^BJit  biefer  jjietiftifc^en  Segen-  unb 
Unterftrömung  gegen  ben  ^ationali^mu«  l^ängt  ^ufammen  ber  bebeutfame  ^'^onttoec^fcl, 
ber  fic^  aHmö^li^  ^oUjog,  infofern  ^ietiömu^  unb  Drt^obojie  ein  95ünbniö  eingingen 
gegen  bie  2luf{lärung,  unb  bie  2(ufflärung  i^rerfeit^  in  bem  neuen  ^iett^mu^  einen 
Sunbeegenoffen  ber  ihrer  SReinung  nad)  abgetl^anen  unb  überlebten  Drt^obofie  erfannte. 

40  Äraufe  finbet  in  feinen  „^iftorifc^en  unb  Jjf^^ologifd^en  Semerfungen  über  ben  ^^iieti^mue" 
(1804),  bafe  ber  ^ieti^mu^  ©.^  unb  grandfe^  auf  bem  unbiblifc^en,  unj>f^c^ologifcl>en  unb 
für  bie  moralifc^e  Silbung  gefäl^rlid^en  ©runbfafe  Von  einem  gänjlic^en  moralifc^en  Ser^ 
berben  ber  menfd^lid^en  9latur  beruht;  ber  Sfeürttemberger  Söurfter  umgefe^rt  ftcllt 
(1822)  bie  (Sleicf^ung   auf:    2)ie  ^ietiften   finb   bie  ©laubigen,   unb  bem  Äamjjf  gegen 

15  ben  Unglauben  verbanft  ber  ^ieti^mu^  feine  Sntftelj^ung  (vgl.  gu  ber  ©ntfte^ung  be^ 
„ort^obojen  ^Pieti^muö"  Sb  XV  ©.811  ff.). 

SSerfd^icbene  Umftänbe  l^aben  feit  1825  bie  2lufmer!famfeit  h)ieber  in  erbostem  üJ^afec 
auf  ©.  gelcnft:  §o^bac^^  an^  ber  hjarmen  ©l;mpat^ie  einetS  vertieften  religiöfcn  unb 
!ircl?licl)en  3"^c^cffe^  beraub  gefd^riebene  ©))enerbiograj)l|ie(1828),  bie  200iäl^rige  Sälular- 

50  f cier  ber  ©eburt  ©.^  in  Berlin  unb  im  6lfa6(1835)  unb  bie  in  ben  ^hjanjiger  unb 
brei^iger  3<^^^c"  immer  lebl^aftcr  tvcrbenbe  2lu^einanbcrfe$ung  be^  Slationali^mu^  unb 
bee  mobernen  ^ieti^mu^  über  basi  SBefen  unb  ba^^  9?ec^t  be^  ^ieti^mu^.  Söä^renb  bie 
JRationaliften  (gritffcl^e,  ^33Järflin)  ben  neuen  ^ietiftcn  immer  noc^  ba^  Siecht  abf^jrec^cn 
iooUtcn,  fic^  auf  ©.  ^u  berufen,  finb  eö  boc^  biefc  unb  il^re  Ürd^lic^en  ^reunbe,  bie  baö 

56  2lnbcnfen  ©.^  in  poi)ulären  Sebcn^bilbern  erneuerten  unb  Verfc^iebene  feiner  ©c^riften 
Ivieber  l^erau^gaben.  I?ic  ,,ßrmedfung"  ^at  in  ber  ^^\t  von  1830—1860  eine  SJad^blüte 
©.fcbcn  ©d^rifttum^  gefc^affcn.  —  ^ie  U)iflcnfcf>aftlicf)c  Äird^engefc^ic^t^fd[^reibung  fa^  in- 
beffen  fc^ärfer  ju  unb  begann  an  ©.  mirüicb  l)iftorifd}e  Äritif  ju  üben  bei  aller  Sin- 
er!ennung   im   allgemeinen,     "übolucf  Vermittelte   burd;   feine  Unterfuc^ungen  über  ba^ 

eofird^lic^e  unb  atabemifd^e  Üebcn  be^  1 7.  3ö^J^l;unbert^  (1852  ff.)  eine  genauere  Äenntni^ 


(Sptntt  621 

bc^  jeitgefd^id^tlid^cn  ^intergrunbe«,  t>on  bcm  au^  @.  ju  berftcfecn  unb  ju  beurteilen  ift. 
3n  geh)iffem  Sinn  gebül^rt  ber  neulut^erifc^en  lonfeffioneHen  2!l^eoIogie,  bie  feit  ben 
Dieniger  ^o^ren  ftc^  bom  ^ieti^mu«  abfonberte,  ba^  33erbienft,  eine  h)irfli(^  fritifd^^e  ©e^ 
fc^itpte  beö  ^picti^mu«  (ß.  ©d^mib  1863)  angebabnt  ju  l^aben.  Semerfeni^hjert  ift  aber, 
bafe  ba^  reftaurierte  Sut^ertum  m  ©.  felbft  eine  fel^r  berfc^iebene  ©teDung  eingenommen  6 
i}at,  t>on  fc^rofffter  prin^ij)ietter  Slblel^nung  an  (Äliefot^),  burd^  unflare  unb  h)o^Ih)otIenbe 
35ermittelung  l^inburd^  (©ueridEe,  Äal^niö)  bi^  ju  faft  rüdf^altlofer  Stnerfennung  unb  S3er= 
el^rung.  —  3)ie  lird^engefc^ic^tlic^e  Bp^ixaU  unb  gac^Iitteratur  l^at  bi^  auf  ®afe  (®e[(^. 
ber  j)rot.  Dogmatil  1857)  für  bie  Unterfuc^ung  ber  ©teHung  ©.^  in  ber  ®ef^.  oer 
ül^eologie  unb  3)ogmatiI  h)enia  ©rünblic^eS  geleiftet,  me^r  bie  ©efdbic^te  ber  praftifd^en  lo 
Rheologie  (§omiIetiI,  Äatec^etif).  2tud^  ^ier  haaren  e«  jum  2:eil  lonfeffioneHe  i^eologen 
(Srömel,  b.  3^sW*^'ft)/  ^^^  ^^^  anbere  (9Jeffe(mann,  Il^ilo,  e^renfeuc^ter),  bie  unfere 
Äenntniö  ©.^  auf  biefem  ®ebiet  bermel^rten  unb  ba«  Urteil  fd^ärften.  —  äluc^  bie 
})rofangef(^ic^tIic^e  fiitteratur,  befonberg  beutfc^e  unb  ^reupifd^e,  Äultur^  unb  (Seifte^s 
gefd^id^te,  ift  an  ©.  nic^t  borbeigegangen,  meift  me^r  feine  inbireften  SSerbienfte  um  SSe^  15 
freiung,  gortfd^ritt  unb  lolerang  alg  feine  Jjofitiben  religiöfen  unb  fittlic^en  Intentionen 
tpürbigenb,  in  ber  Siegel  mit  einem  fc^arfen  ©eitenblidf  auf  ben  fjjäteren,  beriümmerten 
unb  fultur^emmenben  ^ieti^mu^. 

®ine  neue  ßpod^e  ber  Beurteilung  ©.^  ^at  eingefe^t  mit  9llbred^t  Slitfd^te  (bgl.  b. 
31.  »bXVII  ©.22)  „Oefd^ic^te  be^^ieti^mu^  (1880ff.).  2)ie  einzelnen  (glemente  fetner  20 
Stuffaffung  unb  Äriti!  M  ^ieti^mu^  tüaren  jtüar  nic^t  neu,  aber  Mitfc^I  \)at  fie,  auf 
©runb  neuer  ©tubien  unb  mit  neuen  litterarifc^en  SKitteln,  gu  einem  ftimmung^  unb 
cinbrudföt)oIIen  ©efamtbilb  bereinigt,  bei  bem  ©.  })erfönlic^  nodb  berl^ältni^möfeig  gut 
tpegfommt,  infofern  ber  fog.  „53egrünber  be^  ^ietii^mug"  eigentlich  felbft  fein  5pietift  ge- 
lüefen,  aber  freiließ  ber  üerantmortlic^e  Patron  unb  görberer  biefer  bem  SBefen  ber  20 
lutl^erifc^en  Äird^e  unb  ebangelifc^sreformatorifc^er  grömmigfeit  h)iberf})re(^enben  Setoegung. 
2)ie  in  bieler  SSej^iebung  fc^arf finnigen  unb  in  manchen  (ginjel^eiten  autreff enben  Urteile 
5litf(^l^  toerben  boc^  im  ganjcn  toeber  ©.  noc^  bem  ^ieti^mu^  geredet;  fie  finb  mel^r 
ft)ftematifc^e  unb  t^eologifcpe  Kombination  unb  Äonftruftion  al^  ein  au3  ber  aHfeitigen 
Betrachtung  unb  SKürbigung  ber  t^atfäc^lic^eu  geitgefd^id^tlic^en  unb  Jjerfönlic^en  Ber^so 
l^ältniffe  gehjonnene^  ©efc^ic^t^bilb.  3)e^^alb  ^aben  auc^  nid^t  nur  t^eologifc^e  ©egner 
Slitfdbfö  (5lij)})olb)  unb  un^arteiifc^e  Sairteiler  (®afe,  (SdEe),  fonbern  aud^  feine  ^eunbe 
unb  ©c^üler  (21.  ^amadf,  Soof^,  b.  ©c^ubert,  SRirbt)  feine  Beurteilung  ©.«  unb  be« 
^ietiömu^  ate  eine  einfeitige  unb  berfel^lte  jurüdfgeh^iefen.  3)ie  ni^tstl^eologifd^e  biftorifd^e 
Sitteratur  ^at  faum  babon  Slotig  genommen.  ®leic^h)o^l  ^at  Slitfc^l^  2trbeit  ju  einer  35 
fc^ärferen  ©rfaffung  ber  in  ber  ®efcf^ic^te  ©.«  unb  be«  5pieti^mu^  liegenben  Probleme 
in  banfenetoerter  Seife  angeregt;  fie  ^at,  toeit  über  ben  Äreiö  ber  mobemen  i^eologie 
binau^,  in  2;i^eorie  unb  ^JJraji^,  ben  Seben^äufterungen  be«  5pietigmuiS  in  Vergangenheit 
unb  ©egenioart  gegenüber  eine  fritifc^sborpc^tige  ©timmung  unb  Haltung  gef^iaffen. 
311«  fraglich  barf  aber  tro^  Stitfc^l  je^t  nid(»t  mej^r  gelten,  ob  ©.«  Seftrebungen  über^  40 
^aupt  einen  gortfc^ritt  unb  einen  ®eh)inn  für  bie  ebangelifc^e  Äirc^e  2)eutfc^lanbg  be= 
beuten;  fraglich  unb  ftreitig  fann  nur  SHafe,  ®rab  unb  3tbgrengung  feine«  ©influffe«, 
feiner  Bebeutung  unb  feiner  Berbienfte  im  gangen  unb  im  einzelnen  fein.  —  fragen,  bie 
nod^  offen  finb,  beren  ^alic  Beantwortung  freili^  ber  Slatur  ber  ©ad^e  na^  entiDeber 
fc^mer  ober  unmöglich  ift,  fmb  l^aujjtfäc^lii^  folgenbe:  3!"^^^^^^^  ^P  ®'  petfönlic^  ber  45 
Bcgrünber  be«  $ieli«mu«  in  ber  lut^erifc^en  Äird[^e  35eutfc^lanb«,  inn>ieh)eit  nur  ber 
Präger  unb  SUortfül^rer  einer  borl^anbenen  Betoegung;  inh)ieh)eit  finb  reformierte  ßin^ 
flüffe  für  il^n  beftimmenb  geh)efen;  inhjietoeit  ^at  er  in  ®lauben  unb  Seben,  3)ogmatif 
unb  Gt^if  UneDangelifc^59)lt;ftifc^e«  aufgenommen,  ßbangelifc^sSlcformatorifd^e«  gefä^rbet; 
in  tüelc^cm  ©inn  unb  Umfang  ift  er  ein  Borläufer  be«  SRationali^mu« ;  tüie  ^oc^  ift  so 
feine  ßintoirfung  auf  bie  3luflöfung  ber  ort^obojen  Ideologie  unb  ^intüieberum  auf  bie 
Stnbal^nung  einer  neuen  3:^eologie  einjufc^ä^en ;  toie  t>er]^alten  ftc^  bei  i^m  bie  ba«  tra= 
bitioneUe  Äirc^entum  auflöfenben  ©lemente  gu  ben  pofttib  lirc^enreformerifc^en;  h)clc^en 
Stu^gleic^  l^at  bei  ©.  ba«  objeftibe  unb  fubjeftibe  Clement  für  ba«  religiöfe  unb  firc^^ 
lic^e  ©cbiet  gefucl^t  unb  gefunben,  unb  inwiefern  eth)a  ift  in  i^m  ein  fird[^lic^  unmög-  66 
lieber  ©ubjettibi^mu«  angelegt;  toeld^e«  ift  im  einzelnen  feine  förbembe  ober  bemmenbe 
Bebeutung  für  bie  tirc^lic^e  ^raji«  (^aftoralt^eologie,  ^rebigt,  Äatec^efe,  Äircbenguc^t 
unb  Sirc^enberfaffung);  inmieh^eit  ift©.  folibarifc^  gu  erflären  mit  bem  fjjäteren  ^ieti«- 
mu«  unb  beranttoortlid^  gu  mad^en  für  beffen  ©c^äben  unb  ©c^h)äc^en?  —  3lu«  Stnlafe 
ber  200iä^rigen  SKieberle^r  be«  lobe^tage«  ©.«  (5.  gebruar  1905)  tourbe  feiner  in  ga^U  go 


624  ®)pfttglfr 

aSiellcid^t  fd^on  au«  bicfer  3eit  ftammt  fein  Sieb  ,,aScroebcn«  ift  att  3Kü^  unb  Äoft"  (t>gl. 
gifc^cr,  Äird^enlicberlesifon  II,  295  f.),  U)äbrenb  fein  anbetet,  befanntere^  unb  feiner  ^^t 
^oc^Oefd^ä^te^  Sieb  „2)ur(^  2(bam^  %aü  ift  aanj  berberbt  menfc^Iid^  3lai\ix  unb  SBefcn" 
(t>0l.  ebenba  I,  144),  h)eld^e^  bie  Äonfotbienfotmel  (ed.  5JlüUer  ©.  378)  ate  bic  richtige 

öSe^te  ent^altenb,  einer  örtDä^nung  für  h)ürbig  bcfunben  f)at,  eth)a«  fjpätcr  cntftanben 
fein  tüirb.  ©»ruc^berfe  Don  il^m  finben  fic^  aud^  ^u  jebem  äbfc^nitt  feiner  an  älbred^t 
SDürer  gerichteten  „©cl^nft=@rmanung  unb  Unbterhje^ifung  ju  einem  tugenl^aften  3öanbel" 
1520  (h)ieberabgebrudft  SJümberg,  9iümberg  1830,  4'').  ^ür  feinen  bamalö  in  S^enebi^ 
fid^  auf^altenben  Sruber  (Seorg   fd^rieb  er  J^eitag   nad)  Sleminifcere   (17.  üKärj   1525: 

10  „®in  fur^er  SSegriff  h)ie  ftc^  ein  mar^affter  ß^rift  in  allem  feinem  h)efen  t>nb  toanbel, 
gegen  got  bnb  feinen  nec^ften  l^alten  fott." 

3J(it  bem  Seginn  unb  ber  allmählichen  ©rftarfung  ber  SHeformation  9Jümbcrgö,  fctoic 
i^rer  jum  Seil  eigenartigen  @nth)idEehmg  ift  fein  9tame  eng  berbunben,  toenn  er  auc^  mit 
immer  babei  in  ben  SSorbergrunb  tritt,  n>ie  ba^  feine  amtliche  Stellung  mit  ftc^  bracbte. 

15  2tber  bie  ärc^ibe  beh)al^ren  fel^r  ja^lreic^e  ©utad^ten  Don  feiner  §anb,  bie  in  bcn  meiftcn 
fällen  au^fc^laggebenb  h)aren,  fo  auc^  bei  ber  tJ^age  beiS  SRcligion^efpräc^^  in  ÜZümberg 
im  üKär^  1525,  hjelcf^e^  ben  ©ieg  ber  et>angelifc^en  Qaä^^  in  ber  9leic^öftabt  em^ 
fc^ieb,  unb  be^  Serfa^ren^  gegenüber  ben  Älöftem  (ögl.  ^reffel  ©.  42 ;  aJlötter,  Dfianbcr 
©.  57 f.;   g.   3lot^,  SDie  ©infü^rung   b.   9lef.   in  SWmberg,  aBürjb.  1885,   ©.  194 ff, 

20  CR  I,  734).  Unmittelbar  barauf  reifte  er  nac^  Wittenberg,  bermutlid^  um  mit  Sutbcr 
unb  5Keland^tbon  tüegen  ber  (Srünbung  einer  ©c^ule  ju  9lürnberg  ju  toer^anbeln,  unb 
ßamerariu^  fc^reibt  ee;  toefentlic^  i^m  ju,  bafe  man  auf  biefen  (Sebanlen  fam  unb  mit 
SJlelanc^t^on^  Jpilfe  ba^  ©c^ottenftift  ju  ©t.  6gibien  in  ein  ebangelifc^e^  ®^mnafwm 
umh)anbelte.    Suf  feinen  5ßorfc^lag  fam  eö  aud^  im  ^af)x^  1528  ju  ber  Äirc^enrnfitation 

25  im  "DWrnbergifc^en  unb  S5ranbenburgif(^en  (Sebiete,  an  ber  toir  i^n  im  Df tober  1529 
felbft  beteiligt  fe^en  (©c^eurlsSlrd^ib  im  germ.  5Ruf.  ju  9lürnberg  XIV,  Sleligionefac^cn). 
Unb  bafe  bag  bamit  im  3"fö"^"^^"^ö"9^  fte^enbe  grofee  Unternehmen  einer  gemeinfaincn 
5lürnbergifc^593ranbenburgifc^en  Äirc^enorbnung  nad^  t>ielen,  langjährigen  9Serbanb= 
lungen  tpirfli^  ju  ftanbe    fam,   hjurbe  nic^t  am  h)enigften  i^m  berbanft.    2)enn  obtooBI 

8f>  er  in  ben  man^erlei  territorialen  ©treitigteiten  mit  bem  SKarfgrafen  bon  33ranbenburg 
bie  SRed^te  ber  JHeid^^ftabt  mit  großer  ß^^iö^^^^  berfoc^t,  bilbete  er  boc^  ob  feiner  \icx\m 
liefen  greunbfc^aft  mit  bem  Kanzler  l^ogler  immer  ben  DJtittel^mann,  unb  mie  er  bic 
eigentliche  ©ecle  ber  9lürnberger  Äirc^enj)olitif  tpar,  fo  t>erftanb  er  e^  auc^,  immer  ben 
gürften  unb  feine  9läte  für  feine  Stuffaffung  ber  ©ad(>lage  unb  für  gemeinfame^  Sorgeben 

35  JU  getoinnen,  unb  fo  loar  er  e^  auc^,  ber,  überzeugt  üon  ber  -Wic^tberec^tigung,  fiel»  bem 
Äaifer  gegenüber  jur  2öcl^r  ju  fe^en,  bie  ©onberfteHung  ^JWrnbergg  unb  Sranbenbuivi^ 
in  biefer  grage  unb  bamit  auc^  gegenüber  bem  fd^malfalbifcf^en  Sunbe  burd^fe^t.  (i^gl. 
©cl^ornbaum  ©.  163  u.  ö.)  ^a^xi  fam,  bafe  er  auc^  bem  9)larfgrafen  perfönlic^  nak 
ftanb,  für  ben  er  @nbe  1529   jtoei  3^roftfd^riften  fc^rieb:   „2:roft   in   ßleinmutigfett  bct 

40  ^eiligen  ©bangelii  fachen  belangenb"  unb  „6l(>riftlic^e  2:roftfd^rift  famt  bem  54.  ^\alm 
aufgelegt."  (9igl.  ©cl^ombaum  ©.  395.)  2luf  SSeranlaffung  be«  SWarfgrafen  arbeitete 
©})englcr  auc^  (bgl.  ^.  Ifc^acfert,  3Ä91  XXII,  ©.  435  ff.)  unb  jtvar  fc^on  feit  bem 
grül^ja^r  1528  (2tngb.  Sleligion^aften  XI,  11.  Ärei^arcf^.  in  mrnberg)  an  einem 
fräftigen   3(ngriff  auf   bie   römifcf^c  §ierarcl)ie,   bic   er   (Snbe  1529   ober  2lnfang  1530 

4oanont;m  ^erau^gab  unter  bem  2:itel:„6vn  tur^cr  aufejug  aufe  ben  Se^ftlic^en  Siechten, 
ber  2)ecret  tonb  3)ccretalen,  3"  ^c"  artirfcln,  bie  bngeuerlic^  ®otte«  hjort  tjnn  (Juangclio 
gemeft  fein,  ober  jum  loenigftcn  nicf^t  toiberftreben",  unb  aU  ßoc^läu^  unb  Jleborfer 
(^Hieberer,  9Jadbric^ten  I,  69f.;  m.  ©pal)n,  ^o^.  ßod^läu«,  Serlin  1898  ©.  151; 
iseefenme^er,  ^l.  Beiträge  jur  (Sefc^.  b.  »leid^^t.  j.  aug«b.,  9lürnb.  1830,  ©.  93),  fi* 

60  bagcgen  erl;obcn,  anttoortete  er  al^  33.  ^ieroni^mu^  bon  SSerc^niö^aufen :  „Slnttoort  aufr 
ba^  untoarliafft  gebid^t:  fo  ^o^an«  ^ocleu^,  ber fid^*J)octor  nennet:  SBibber  ben  gebrüdtcn 
au^j^ug  Scbftlic^er  rechten:  netülicl)  bat  au^gel^en  laffen  (ugl.  baju  SJeefcnmcber  in  Slll(i. 
litt.  ^Injeiger  1800,  9Jr.  25).  99tit  ben  SBittenbergern,  fpejieU  mit  Sutl^er,  ber  ibm  u.a. 
1530  fcuic  ©c^rift,  „bafe  man  foQc  Äinbcr  5ur©c^ule  galten"  (ßTll,  377,  2^.  ßolbc, 

55  3)1.  Sutl^cr  II,  351  f.)  ioibmcte,  ftanb  er  im  fteten  Serfe^r  teil«  bireft,  teil«  burc^  feinen 
jungen  ^reunb  Seit  I)ietrid^  (f.  b.  21. 33b  IV,  653)  ben  befannten  langjäl^rigen  ^amuluö  unb 
cC^au^genoffen  Sut^er«.  Unb  feine  mm  2:eil  recf)t  au«fü^r(ic^en  Sriefe,  in  benen  er  bem 
§reunbe  fein  .^er^  auöfc^üttet  (bei  m.  9JJ.  ^Ka^er,  Spengleriana  ©.  69  ff.),  getoäbren 
einen  fc^i)nen  (Sinblicf  in  ba«  xcxdjc  fromme  ©emütelcben  ©pengier«,  tpie  fte  anbererfeite 

Goba«  äüad^fen  feiner  ebangelifd^en  (Srfenntni«,   unb  loeld^en  2lnteil   er  nidj^t   nur  an  ber 


®)iettgler  Spttatn»  625 

©itttütdEclung  ber  9Rümbcrger  Ser^ältniffc,  fonbem  bcr  gcfamtcn  etjan^eUfd^en  ©ad^c  nal^m, 
erfennen  laffcn,  and)  h)ic  et  gelegentlich  auf  Sut^et  butc^  Seit  2)ictrici^  eingutoirfen  fu^te 
(bgl.  Spengleriana  ©.  71).  ?Ölit  öngftlicl^cr  Sorge  beobachtete  er  bie  Äleinmütigfeit 
3KeIanc^t^on^  tpä^renb  ber  3Serl^anblungen  in  äug^bürg  1530,  aö  biefer  na^e  boron  ju 
fein  fc^ien,  njid^tige  ®rrungenfci^aften  be«  ^roteftanti^mu«  Jjrei^gugeben,  ja  er  braufte  auf,  6 
atö  er  bat>on  ^örte,  mit  l^artem  Urteil  über  5)Zelanc^t^on  („©o  i)erfi^e  3^  ^^^  ^wc^, 
@^  foH  ainer  ober  jh)een  a^genfinnig  Äo))f,  nit  alle  ßl^riften  regim,  füren  ober  labten, 
bo^in  fie  SBöQen")/  unb  l^ielt  e^  für  feine  ^flic^t  („in  meinem  3in(pi  aÖ  ein  ßl^rift")/ 
bagegen  aufzutreten,  ©ofort  (19.  ©ej)tember)  fc^icftc  er  an  Sutl^er  unb  SSeit  Dietrid^ 
einen  33oten  nad^  Äoburg,  um  fte  unter  3DUtteilung  be«  SSorgefoQenen  jur  entjd^iebenen  lo 
Stbtoe^r  h)eiteren  Unreife  ju  ermahnen  (bgl.  ©eibemann,  aud  ©J)englerd  Sneftüed^Jel. 
2:^©tft  1878,  ©.  314ff.).  Sine  getoijfe  ©pannung  in  bem  SSer^ältni«  ju  SWeland^tl^on, 
ber  bon  ©jjcngler^  (Sntrüftung  gehört  Ij^abcn  mod^te,  hjar  bolb  h)ieber  au^eglid^en.  3" 
bem  ©aframetiteftreit  ftanb  ©Jjengler  mit  ®ntfc^ieben^eit  auf  feiten  Sutl^er«  unb  toamte 
tefonberg  bor  bem  2:reiben  93u|er^,  bem  er  bon  Stnfang  an  nid^t  traute  („ber  liftig  \>tv^  i6 
fc^lagen  33u^erug,  ben  id^  bigl^ero  nj^e  sincerum  gefunben  l^ab".  33rief  an  SSeit  Dietri^ 
bom  20.  gebruar  1531,  Spengleriana  81).  3)ie  legten  3abre  feine«  2eben«  toaren 
t)iel  burc^  Äranll^eit  getrübt,  ©d^on  im  ^al^re  1530  liefe  i^m  ber  5Rürnberger  SRat 
„hjegen  feiner  täglichen  ©d^toad^^eit  ein  geringe«  SQSöglein"  machen,  ^m  ^abxz  1531 
glaubte  er  fein  @nbe  nal^e,  aber  er  gena«  noc^  einmal,  bani,  h)ie  er  feft  glaubte,  bem  ao 
treuen  ®ebete  ber  greunbe:  „toa«  Gommunio  sanctorum  Irafft  unb  toürdtung  ^at", 
fc^rieb  er  am  31.  3uli  1531  an  33cit  S)ieteric^,  „l^ab  ic^  in  biefer  meiner  töbtlic^en 
frandti^cit  h)oI  empfunben".  Qx  erlebte  noc^  ba«  enblid^e  3wftanbeIommen  ber  9?üms 
berger  Äird^enorbnung,  unb  l^atte  auc^  bie  greube,  2ut^er«  »ibelüberfe^ung  tJoHenbet  ju 
fe^en  unb  öon  biejem  ein  @5emj)lar  mit  eigenl^änbiger  33}ibmung  gu  erhalten.  3un  25 
7.  ©eptember  1534  U)urbe  er  i)on  feinen  langen  2eiben  erlöft.  „SBenige",  fd^rieb  Game* 
rariu«,  Vermögen  je^t  fd^on  gu  ermejfen,  toie  biel  h)ir  mit  biejem  5Wanne  verloren  l^ben." 
Sn  feinem  Xeftamente  l^atte  er  ein  boUftänbige«  ©laubenebefenntni«  niebergelegt,  toelc^e« 
2ut^er  im  3;a^re  1535  mit  einer  aSorrebe  (621  S3b  68,  ©.  329  ff.)  beraulgab  aU  ba« 
Sefenntni«  eine«  ?Dlanne«,  „ber  U)ie  ein  red^ter  ß^riften,  bei  feinem  fieben  ®otte«  SBort  30 
mit  grnft  angenommen,  ^erjlic^  geglaubt,  mit  ber  SC^at  grofe  unb  biel  babei  getl^an,  unb 
nun  i^t  bei  feinem  Slbfd^teb  unb  ©terben  fold^en  ©lauben  feliglic^  belennet  unb  beftätigt 
l^at''.  2:4eobor  ^olbe. 

Spttatn»,  ^aul,  geft.  1551.  —  CucUcn:  1.  ©^cratuS  5Scrfc  (Xrartatc,  ®utac^ten, 
SSifitotiongoften,  ®ebicf)te  u.  f.  m.,   bit  unten  citiert  tuerbcn);   2.   fein  Sricfmecöfel,    ja^lreic^c  36 
58riefc  t)oii  i^m  unb  an  il^n,  fömtlic^  in  $.  Jfdjadfcrt,  Urfunbcnbud)  jur  SReformationSgeWicfitc 
bce  i)eriiogtumg  ^reufeen    (^ublifationcn  au§    ben   Ä.  ^rcufe.  ©taatSarc^iücn,   S3b  43—45), 
3  S3be,  fieip^lg  1890.    3)aju   fommen   einige  Ü'iac^ richten   au«   ben  ^önig«bergcr   ß^ronifcn 
33eler5<ßlatner$    unb  grclberg«;    bie   au«  ber  G^ronif  Simon  ©runau«  finb   in  ©cjug  auf 
Speratu«  unbrauchbar.  —  fitttcratur:  (5.  3.  ©ofadf,  ^.  @p.  fieben  unb  fiicbcr,  ©raunfdjm.  40 
1861    (ift  nod)  jcjt  in  ^Betreff  ber  fiieber  be«  %  @p.  wcrtooll,   bagegen  würbe  c«  in  SÖejug 
auf   ba^  fieben   be«  3)lcl)ter«  burd)  bie  ja^Ireic^en    in  m.  Urfunbbuc^e  beigebrachten  CucIIen 
üoffftfinbig  überholt);    meine   ©c^rift  „^aul  ©peratu«   0.  ^Rötlen",    coangelifc^er  Sifc^of  öon 
^omefanien  in  SKaviemoerbcr,  ^aüe  1891.   3)aju  fommen:  ®.  ©offert  in  ©fättcr  f.  ^ürttcms 
bergifdie  ^&  4  u.  5,  ^onatSbcilagc  j^um  (So.  Äircf)en=  u.  @c^ulblattc  für  ©ürttcmbcrg  1886;  46 
D.  Xt).  ^olbe,   <ß.  ©peratu«  u.  3.  ^olianbcr  alS  3)omprcbiflcr  in  SBürjburg   (JBclträge    jur 
ba^er.  Ä(*J  VI,  2,  (Sri.  1899,   mit   üiel  neuem  Cucflcnmatcrial  ju  @p.  ©ürjburger  ^lufcnt^ 
ftalt);    D.  93ubbe«  ^Ib^anblung   in   ber   3pr2:^  1892,    @.  12  ff.   (betrifft  bie  9lbfaffung   be« 
fiiebc«  „(£«  ift  ba«  ^cil  un«  fommen  ^er'');   mein  %„  ,,@pcratu«"  in  ber  «b©;  Dr.  »runo 
©d^umac^cr,  9?iebcrlänbifc^e  3lnficb(ungen  im  $)erjogtum  ^rcufeen  aur  ßeit  ^crjog  ^Ibrcc^t«,  60 
fieipjig  1903. 

^aul  ©j)eratu«,  ein  ©d^h)abe  bon  ®eburt,  geboren  toal^rfd^einlid^  am  13.  3)ejember 
1484,  neben  Sutl^er  al«  einer  ber  älteften  ebangelifc^en  Äirc^enlieberbid^ter  belannt,  ^at  fein 
2eben«tt)erf  im  ^erjogtume  ^reufeen  tJoUbrac^t,  beffen  ftird^e  ^au^)tfäc^lic^  burc^  ii^n 
innerlich  in  luti^crifcpe  Salinen  geleitet  tourbe.  6r  ftammte  au«  Slötlen  (niit  3lotth)eil)  66 
bei  (SUhjangen  (in  ©d^h)aben),  ba«  jur  bifd^öflic^en  Diöcefe  2lug«burj8  gelyörte.  3la(i) 
jh)ei  ^anbfcpriftlic^en  9iac^ric^ten  au^  bem  16.  Söi^^^wi^^erte  lautete  fein  Familienname 
„©pret",  ben  er  nid^t  in  ©pretu«  (loa«  einen  omin()fen  Jiebenftnn  ergeben  l^ötte),  fon* 
bem  in  ©jjeratu«  latinifierte.  3P  ^^  ibentifd^  mit  bem  „5Paul  Dffer  be  ©Htoangen", 
h)eld^er  im  3^^^^^  1503   (nad^  Soffert«  gorfd^ungen)  in  ^eiburg  l  33.  immatrimliert  eo 

SHealsChtcoriopfibie  ffir  Zytologie  nnb  ftitc^.    8.  tt.  xym.  ^ 


626  (&pttata» 

War,  fo  bürftc  „Dffer"  =  $offer  ©ermanificrung  bon  ©jjcratu^  fein,  tote  man  ©j)eratu§ 
auc^  in  „Slpibiu^"  gräjifiert  ^ot.  @r  fc^eint  einer  too^l^abenben  gamtlie  cntfproflcn  ju 
fein;  benn  e«  tourbe  i^m  ntöglid^,  noc^bem  er  in  ber  §eimat  bie  nötige  Sotbilbung 
emjjfangen  l^atte,  auf  berfc^iebenen'Uniberfiläten  (in  greibutgV),  in  ^ari^,  in  „SBelfd^^ 
6  lanb"  (Stauen),  tpol^I  aud^  in  2Bien  mannigfachen  ©tubien  objuliegen  unb  nic^t  blofe  in 
ber  ))l^iIofo})^ifd^en;  fonbem  aud^  in  ber  tf^eologifc^en  unb  ber  juriftifd^en  ^alultat  aU 
2)oftor  ju  j)romot>ieren.  6th)a  im  ^ai}x^  1506  emj)fing  er  bie  5Priefterh)etl^e  unb  toat 
bi^  jum  '^af)xz  1517  fo  gut  fatl^olif^,  bafe  er  noc^  in  biefem  ^af)x^  ben  Dr.  3^1^.  6cf, 
Sut^eriS  balbigen  SBiberfa^er,  in  einem  lateinifc^en  (Sebid^te  feierte,    ©o  angefe^en  toar 

10  er,  bafe  er  unter  Umftänben,  bie  n>ir  nic^t  fennen,  bie  SBürbe  eine«  „p&p\tlxd}m  unb 
faiferlid^en  5PfaIjgrafen"  erhielt,  eine  äu^jeic^nung,  bie  i^n  in  „ben  Slbefeftanb  erl^ob  unb 
il^m  ba«  Siecht  berliel^,  anbere  ju  nobilitieren.  ^n  geiftlic^en  SSmtem  begegnen  tüir  ibm 
juerft  in  ©aljburg,  bann  in  ber  freien  SReic^^ftabt  3)inlel«bül^l  in  3KitteIfranIen  (beute 
m  Sägern  gehörig)  unb  bon  6nbe  3uli  1520  an  ate  ^omprebiger  in  SBürjburg.    3)te 

16  Berufung  ba^in  n>ar  nod^  unter  ber  ^Regierung  be«  toleranten  SSifc^of«  Soren^  öon  Sibra 
erfolgt,  unb  ©peratu«,  ber  fc^on  in  2)infetöbül^I  ©c^riften  Sut^er«  auf  ftc^  f}att^  toirfen 
laffen,  fanb  in  SJBürjburg  im  ^ö^eren  Äleru«  ©tomjjatl^ien  für  Sutl^er  Dor :  ber  3)om^cn 
Salob  %\x(iß  fotoie  bie  Stiftg^erren  3iol^ann  aijjel  unb  griebric^  ^ifc^er  tourben  feine 
lutl^erifcpen  ©efmnung^genoffen.    älber   ber  neue  Sifd^of  Itonrab  bon  I^üngen   machte 

20  ber  reformfreunblic^en  Setoegung  in  feinem  ©j)rengel  balb  ein  6nbe,  unb  %  S^)eratu^ 
enth)id^  am  21.  9lobember  1521  unter  3"n»*laffung  feiner  $abe  au«  SBür^burg.  5Ra^ 
Äolbe«  gorfc^ungen  (f.  oben  ©.  58  ff.)  finb  e«  finanzielle  ©c^loierigfeiten  getoefen,  bie 
i^n  bon  SBürjburg  Weggetrieben  l^aben;  fte  Waren  e«  aber  ^öd^fthjai^rfc^einli^  nid^t  au^ 
fd^Iiefelic^,   fonbem  ber  ©egenfa^    feiner  ebangelifc^en  ^ßrebigt  gegen  bie  Senbenjcn  bc^ 

26  Sifc^of«  unb  feine  3Sere^eli$ung  (mit  änna  guc^«  [tjielleid^t  einer  SiertDanbten  toon  ^aloh 
guc^«?],  bie  un«  balb  barauf  in  SQäien  unb  in  39'^"  an  feiner  ©eite  begegnet)  bürften 
Wefentlic^  l^u  feiner  gluckt  mitgewirft  l^aben.  6r  na^m  feinen  SBeg  nac^  ©al^burg,  too 
er  furje  3rit  J)rebigte,  bi«  ber  ßrjbifc^of  5larbinal  SWatt^ia«  2ang  i^n  aU  unbequemen 
©ittenric^ter  „bon  ftc^  bife".    3)a  folgte  er  einer  ^Berufung  nac^  Dfen  in  Ungarn,   auf 

30  bemSBege  bal^in  l^ielt  er  am  ©onntage  nac^  6)jibbania«  1522  (12.3önuar)  im  ©tep^an^ 
bome  ju  3Bien  eine  reformatorifc^e  ^rebigt,  trie  fie  treber  bor^er  noc^  je  nac^^er  tjon  ber 
fiani^el  biefe«  ®otte«l^aufe«  gel^alten  trorben  ift;  fie  berfünbete  bie  9iic^ttgfeit  ber  ^Rönc^- 
gelübbe  in  bemfelben  Seifte,  Wie  ungefähr  gleichzeitig  Sut^er  in  feiner  Wuchtigen  ©treit- 
fc^rift  de  votis  monasticis  argumentierte  {Bp.  bat  fie  1524  in  Äönigeberg  unter  bcm 

36  litel  „©ermon  Dom  l^o^en  (Selübbe  ber  Saufe"  brudfen  laffen).  ®ie  SBiener  t^eologif(fce 
jjafultät  ejfommunizierte  i^n  barauf  am  20.  Januar  1522.  Unter  folc^en  Umftänbcn 
tonnte  er  nic^t  mel^r  auf  älnftetlung  in  Cfen  hoffen,  fonbem  fuc^te  in«  §od^beutfc^e  ^u 
flüchten.  2luf  bem  SfBege  ba^in  blieb  er  CüJiärz  1522)  in  ^^laix,  Wo  er  ©tabtjjfaner 
Würbe  unb  ftc^  angenehm  einlebte.    35a6  er  l^ier  in  fül^nem  ebangelifc^en  ©eifte  geprebigt 

40  ^at,  crfennt  man  au«  feiner  ben  Sö'föwern  geWibmeten  ©c^rift  bom  1.  ganuar  1524, 
bie  ben  3:itel  fül^rt  „2Bie  man  trogen  foH  auf«  Äreu^,  Wiber  alle  SBelt  ^u  fteben  bei 
bem  ©bangelio."  Slber  feine«  bleiben«  War  bort  nicl^t  lange;  auf  Setreiben  be«Sifcf»ofe 
Don  Dlmü|^  Würbe  er  i}kx  gefangen  gefegt  unb  ^um  ^euertobe  Verurteilt;  boc^  rettete 
ibn  bie  gürbitte  angefel^ener  2Ragnateu:   unter  ber  Sebmgung,  bafe   er  ^^lan  unb  gan^ 

46  3)?äl)ren  öerlaffc,  Würbe  er  nad^  einer  §aft  Don  jWölf  aBod;en  entlaffen.  (£r  ^og  je^t, 
feinem  früberen  ^lane  entfprec^enb,  über  ^rag  nac^  SBittenberg.  (35ie  CueHen  ju  Sp. 
aBürjburger,  ©aljburger,  SlUener,  ^glauer  unb  Clmü^er  ©rlebniffen  fxe^e  in  meiner 
©dirift  „$aul  Bp.  D.  9i."  2lnm.  13—38;  ba^u  aufeer  ber  obengenannten  Slb^anblung 
Solbc«    nod^    bie    Don    Subbe   in    ^px^i}  1892,   ©.  12  ff.).      2ln    bem    Dielgeprüften 

50  3!Kärt^rer  be«  SDangelium«  erhielt  Sut^er  ju  guter  ©tunbe  einen  i^m  in  jcber 
^infic^t  ft;mpatbifc^cn  ©cl^ilfcn,  unb  ©peratu«  ging  mit  ganzer  ©eele  auf  feine  Sc- 
ftrebungen  ein ;  bei  SBa^rung  aller  feiner  geiftigen  ©elbftftänbigfeit  War  er  längft  ein 
entfc^iebener  Sutl^eraner  im  beften  ©innc  be«  JBorte«,  !ein  5lac^beter  be«  SBittenberger 
SReformator«,  fonbern  beffen  c^arafterDoUcr  ©efinnung«genoffe.    Sutl^er  tmg   fic^  bantale 

65  gerabe  mit  bem  '^lant,  beutfd^e  eDangelifcf^e  Äird^enlieber  gu  fd^affen;  babei  ging  i^m 
©peratu«  l)ilfreid^  jur  §anb:  ba«  crfte  eDangclifd^e  ©efangbuc^,  ba«  1524  erfcpien,  ba§ 
fog.  „2(c^t=£icberbucf)",  entl^ielt  neben  Dier  Siebern  gütiger«  brei  Sieber  Don  ©peratus, 
Woju  noc^  ein«  Don  einem  Unbe!annten  fam.  211«  ©übbeutfd^er  bic^tete  er  in  ben 
formen  be«  Weiftergefange«;    nur  in  bem  ©lauben«liebe  „@«  ift  ba«  $eil  un«  fommcn 

60  ber"  jeigt  er  einen  bid^terifd^cn  ©c^Wung,  ber  an  Sut^er  erinnert,   unb,    Worauf  Subbc 


a.  0.  D.  aufmetffam  gemacht  l}at,  aud^  benfclben  ScriSbau  h)ie  2\xti)tx,  3lud  feiner  f))äteren 
3eit  ift  unö  nur  bom  gß^^^^  1527  eine  ))octif(^e  SJonffagung  nad^  ber  ^rebigt  unb  eine 
Umbic^tung  be«  37.  ^falm«,  baju  aug  bem  3al^re  1530  ein  toeltlic^e«  Sieb  über  ben 
SReid^^tag  bon  Slug^burg  belannt.  3lu(^  lomponiert  l^ot  ®j)eratu^;  boc^  ift  leine  feiner 
Äom))ofttionen  auf  un«  gefommen.  gn  Sjjeratu^'  Sffiittenberger  3^^^  fetten  bann  noc^  5 
Überfe^ungen  öon  jh)ei  ©d^riften  Sut^er«  au^  bem  Sateinifd^en  in«  ®eutfd^e  („Formula 
missae"  =  ,,@ine  Söeife,  d^riftlid^  SJleffe  ju  galten",  unb  „Ad  librum  . .  .  Antonii 
Catharini"  =  „Offenbarung  be«  ©nbec^rift«  u.  f.  U)/';  beibe  bei  ffiald^).  S)er  ffiittem 
berger  Stufent^alt  tüöl^rte  bom  $erbfte  1523  bi«  jum  ©ommer  1524.  S)a  folgte  ©J)eratu« 
burd^  Suti^erö  SSermittelung  einem  Slufe  be«  ©od^meifter«  be«  beutfc^en  Drben«  ailbred^t  10 
bon  Sranbenburg  aU  ©^lo^rebigcr  nad^  Königsberg  in  ^reufeen.  §ier  toirfte  er 
toon  1524—1529  in  biefem  Slmte  in  ber  §au})tftabt  be«  1525  jum  §erjogtume  um« 
geh)anbelten  Sanbe«,  bon  1530  aber  bi«  an  feinen  Xoh  1551  aU  ebangelif^er  Sifc^of 
in  bem  jtoeiten  33iStume  be«  Sanbeö,  im  93idtume  „^omefanien"  mit  bem  ämtsft^e  in 
3Jlarienh)erber  (im  heutigen  233eft^reufeen).  ?Kit  ber  ^Reformation  beS  §ergogtum5  ^ßreufeen  is 
ift  feit  1524  ©j)cratuiS*  3?ame  aufS  innigfte  i)erbunben.  3^^^  ^^^  ^^/  ^^  ©d^toabe  bon 
ärt  unb  ©ele^rte  bon  Steigung,  fic^  in  bem  ,,farmatifd^en  fianbe"  geitlebenS  nic^t  h)ol^I 
gefüllt  (f.  mein  U39  II,  3lx.  1206);  aber  aU  i^eologe  unb  SSifc^of  l^at  er  bennod^  bort 
me^r  geleiftet  aU  bie  anberen  SReformatoren  be«  OrbenSlanbe«  unb  ^erjogtum«  5Preu|en: 
auf  feine  5Kitarbcit  ift  eö  h^efentlic^  jurüdEjufül^ren,  bofe  bort  bie  Äir^e  eine  lut^erifd^e  20 
®otte«bienftorbnung  erhielt,  bie  ^arod^ien  neu  umgrenjt  unb  funbiert  unb  fo  bie  Sanbed« 
firc^e  rec^tUc^  organifiert,  bie  Pfarrer  ju  ebangelifc^er  ^ßrebigt  angeleitet  unb  tl^eologifc^ 
im  ©inne  beS  (gbangelium«  belehrt  trurben,  unb  bafe  man  fic^  bie  fj)iritualiftif(^en  unb 
freigeiftigen  ©c^hjörmer  emftlic^  bom  Äalfe  l^ielt.  ©0  ift  bie  oft))reufeif(^e  ÄirAe  eine 
genuin  lut^erifc^e  getoorben  unb  geblieben,  biiS  fte  burd^  bie  J)reufeif(^e  Union  in  Äirdben«  26 
regimcnt^s  unb  ©aframentSgemeinfd^aft  mit  ber  reformierten  trat,  toad  aber  für  Oft» 
j>reufeen  n>enig  bebeutet,  ba  reformierte  ©emeinben  nur  in  einer  faft  berfc^toinbenben 
"üRinber^eit  borf^anben  finb. 

3in  Königsberg  fanb  ©j)eratuS  ben  gleichfalls  bon  fiutber  1523  gefanbten  Dr.  ^ol^anneS 
Sriefemann  als  ebangelifc^en  ^rebiger  am  3)ome  bor  unb  erl^ielt  1525  in  ber  ^erfon  ao 
beS  ebenfattS  auf  Sutl^erS  5Rat  berufenen  go^ann  ^olianber,  beS  ^PfanerS  an  ber  alts 
ftäbtifc^en  ftirc^c,  nod^  einen  beh)äl^rten  ©efinnungSgenoffen;  fie  alle  brei  ^aben  eng 
berbunben  als  bie  „gbangeliften"  ^reufeenS  getoirtt,  unb  baS  3Serbienft  beS  eüangelifcp 
gcftnnten  Sifc^ofS  (Scorg  bon  ^olenft  toar  eS,  ba^  er  biefe  ^^errlic^en  SKönner  l^at  un« 
gei^inbert  malten  laffen.  $olen^  ftanb  an  ber  ©j>ifee  beS  SiStumS  ©amlanb,  toä^renb  35 
baS  SiStum  ^omefanien  bamalS  bon  bem  SSifd^ofe  Dueife  geleitet  tourbe.  Seibe  33ifAöfe 
l^atten  auf  einem  ))reufeifd^en  Sanbtage  ju  Königsberg  1525  eine  ebangelifdbe  Kirchen* 
orbnung  eingebrad^t,  bie  am  10.  Dezember  1525  genehmigt  tourbe  unb  im  3Wärj  1526 
im  ®rudE  erfc^ien;  fie  ^at  ben  2:itel  „ärtilel  ber  Geremonien  unb  anberer  Kird^enorbnung". 
3)ie  33if(^öfe  fagen  felbft  in  ber  SSorrebe,  bafe  fte  biefe  Drbnung  mit  Slat  il^rer  9Witbrüber,  40 
ber  5Prebiger  ju  Königsberg",  ju  ftanbe  gebracht  l^aben;  neben  Srie^mann  unb  ^ßolianber 
h)irb  alfo  ©})eratuS  als  33erfaffer  berfelben  angenommen  toerben  muffen.  3llS  nöc^ft 
toic^tigfte  SleformationSarbeit  ergab  fic^  bie  5loth)enbigIeit,  bie  ^ßarod^ien  in  bem  burdjf 
ben  „})olnif(^en"  Krieg  (1519—21)  arg  berh)üfteten  Sanbe  neu  ju  umgrenjen,  ben  Unter« 
^alt  ber  ^faner  feftgufe^en,  bei  jeber  Kirche  einen  „gemeinen  Kaften"  „ber  Strmut  jum  46 
Seften"  unb  „jur  (Srl^altung  ber  Kird^en  5lotburft"  (b.  1^.  alfo  bamalS  junäd^ft  m  bem 
3)o})j)eljh)edte  als  Slrmen«  unb  als  Kirc^enlaffe)  einzurichten,  bie  Pfarrer  ju  prüfen,  ob 
unb  toic  fie  baS  SBort  (SotteS  j)rcbigten  u.  a.  m.  älS  erfal^rener  Kirc^enmann  unb 
juriftifd^  gebilbeter  2:^eologe  h)urbe  ©peratuS  nebft  bem  State  äbrian  bon  Waiblingen 
Dom  ^er^oge  2llbrec^t  unb  ben  bciben  S3ifc^öfen  am  31.  3Körj  1526  als  Kommiffar  mit  go 
aSoDmac^t  ^ur  i^oma^me  biefeS  SBäerleS  beftimmt;  am  3.  kpxü  1526  begannen  beibe 
il^ren  „Um^ug  in  alle  ämter"  beS  fianbeS.  S)aS  hjar  bie  erfte  unb  toid^tigfte  Kirchen« 
öifitation  im  ^erjogtume  ^reufeen;  eine  gh^eite  folgte  1528,  boHjogen  burd^  33ifc^of 
^olen^  unb  ben  injtvifc^en  (am  25.  3uli  1526)  jum  ^erjoglid^en  SRat  ernannten  ©jjeratuS, 
in  bem  früher  jum  SiStume  ©rmlanb  gehörigen  „Slatangifc^en  Kreife"  —  eine  ©rgönjung  66 
ber  Strbeit  bon  1526.  ©in  forgfam  gefc^riebeneS  JjrotofollariteeS  Stftenl^eft  bon  ©j)eratuS 
§anb  orientiert  uns  über  ben  Hergang  biefer  loic^tigen  älttioncn.  —  ^m  3«^^  1527 
öeranftaltete  ©peratuS,  h)obl  gemeinfam  mit  ^olianber,  ein  ebangelifc^eS  ©efangbud^  für 
bie  jjreufeifc^e  Kirche:  „ßtlidS;  CSefang,  baburc^  ®ott  in  ber  gebenebeiten  2Rutter  ß^rifti . . ., 
allen  ^eiligen  unb  gngeln  gelobt  mirb.   SlHeS  auS  ®runb  göttUAer  ©d^rift";  bie  jh)eitc  eo 


628  ^pttam 

3tbteilung  f)ai  bcn  ©onbcrtitel  „Stlid^c  neue,  Detbeutfd^te . . .  d^riftlic^e  §^mnuö  unb 
©efänge"  (abgebrudt  bei  6ofad  a.  a.  0.  S.  268—320);  aber  bieje  fiieber  fmb  nic^t  bon 
©})eratug,  fonbem  Don  bem  9lümberget  ^rebiger  Äaf})ar  Söner  gebic^tct,  auö  bcfjen 
Sammlung  fte  genommen  tourben  (Dgl.  b.  31.  Sb  XI,  591, 4i,  Sertbeau,  2lb93  ärt.  „Sönct" 

6  unb  Subbe  a.  a.  D.)-  6in  6Eem})lar  biefe«  ^eute  äu^erft  feltenen  erften  Äönig^berger 
©efangbud^e^,  bag  bei  SBeinreid^  bort  gebrudt  ift,  befinbet  fic^  auf  ber  R.  u.  Unit)crfttäte- 
bibliot|ef  ju  Äönig^berg.  —  Oleic^geitig  befc^äftigte  ftc^  S})eratug  mit  bem  ^lone,  eine 
Sammlung  antit)ät)ftli(^er  ©d^riften  auö  ber  33ergangenl^eit  ^ufammen^uftetten,  um  baburt^ 
ben  3Sorh)urf  ju  toiberlegen,  afö  ob  bie  ^Reformatoren  eine  nod^  nie  bagelüefenc  Slrt  ber 

10  Beurteilung  be^  ^a})fttum«  ju  ftanbe  gebrad^t  bätten.  ^n\>^  ift  bie  3tu^fü^rung  biefc^ 
^lane«  aug  unö  unbelannten  ©rünben  unterblieben.  1529  erfranfte  er  famt  feiner 
©attin  am  „englifc^en  ©d^toetfee",  einer  })eftartigen  ©eu^e,  bie  bamatö  in  ^eutfc^lonb 
unb  in  ^reu^en  toiele  Djjfer  forberte.  ©Jjeratuö  fam  mit  bem  Seben  batoon.  S)a  nun 
aleid^jeitig  ber  Sifc^of  Don  ^omefanien  ßr^arb  toon  Dueife  an  biefer  gefä^rlid^en  Äranf= 

16  |eit  unerwartet  fc^nell  geftorben  War,  machte  ber  ^erjog  Sllbrec^t  feinen  ©c^lo^ebiaer 
ju  beflen  9Ja(^f olger;  am  7.  S^^^war  1530  lüirb  ©jjeratu«  jum  erften  5Dlale  al^  Sifcbof 
t)on  5ßomefanien  aufgefül^rt,  unb  er  er^äl^lt  felbft,  bafe  er  (um  biefe  3^i0  in  ©egennjart 
t)on  5Rotaren  unb  3^0^*^  i"  ^^  2)omfird^e  ju  3)larienh)erber  toor  ber  öerfammelten  ©c^ 
meinbe  in  fein  3tmt  „eingetoiefen"  Sorben  fei. 

20  35ag  Siötum  ^ßomefanien,  beffen  SSertoaltung  er  toon  ba  an  big  an  feinen  2ob 
(1551)  inne  l^atte,  umfaßte  toon  bem  frül^eren  lat^olifc^en  Si^tume  gleichen  5Jamen^ 
benjenigen  3!eil,  ber  je^t  jum  §erjogtume  ^reufeen  gel^örte  b.  i.  bie  Slmter  ^Rarientoerber 
unb  SHiefenburg,  aufeerbem  aber  nun  aud^  noc^  bag  öftlic^  toon  beiben  gelegene  ©ebict 
unb  ben  lang  geftredten  ©üben  be^  §erjogtumg  biiS  jum  äufeerften  öftlic^en  @nbe  Don 

26  „3D?afuren",  b.  i.  bie  ^mter  unb  Äird^ft)iele  ^reufeifc^man,  ^reufifd(>=§oBanb,  3Ko^rungen, 
Dfterobe,  ©eutfc^^e^lau,  £iebemü](;l,  Äo^enftein,  5Reibenburg,  ©ilgenburg,  ©olbau,  Drtel^= 
bürg,  9?orbenburg,  3;oj^anniöburg,  ©tr(K)auen,  2lngerburg,  9t](;ein,  Slaftenburg,  ©el^ften,  Sö^cn 
unb  2^(f.  2)ie  ^aftorierung  biefer  au^gcbe^nten  2)iöccfe  mufete  bei  bem  bamaligen  SKangcI 
an  33erfe^rgftra|en  unb  bei  ber  SSerfc^iebenl^eit  ber  ^Bpxad^cn,  bie  ftd^  bort  öorfanbcn, 

80  ungemeine  ©c^iüierigleiten  bereiten,  jumal  ba  ©Jjeratu^  fein  SBort  t)olnifc^  öcrftanb,  tva^ 
bie  Qpxad^t  ber  3He^rja^l  ber  33elt)o^ner  be«  ©übeniS  feiner  S)i5cefe  toar.  ©aju  lam 
eine  grofee  öfonomifc^e  ©c^toierigfeit:  er  foBte  feine  Sinfünfte  au«  ben  an  ftc^  unftd^ercn 
©innal^men  be«  2lmte«  3Karienh)erber  unb  ani  ben  Erträgen  begiel^en,  meiere  er  burt^ 
SBelüirtfc^aftung  ber   gu   bem  „bifc^öf liefen  $aufe"   in  ?D(arienh)erber  gel^brigen  Siegen- 

86  fc^aften  unb  be«  Sortücrfö  ©arnfee  eriielen  toürbe.  2)a  fear  ber  geleierte  ©^toabe  nun 
in  feinem  46.  Seben^ja^re  in  bem  l^albjjolnifc^en  SBei^feltale  auf  ben  Setrieb  toon  Sanb- 
tüirtfc^aft  im  großen  ©tile  angetoiejen,  tooju  il^m  aber  aße  SSorbilbung  unb  —  ba^Se- 
trieb^fo^ital  fel^lte.  2)a  fam  er  oalb  in  finanzielle  33erlegen](;eiten.  ^m  ^al)x^  15-32 
toerfd^rieb  il^m  ber  .^erpg  nod^  brei  3)örfer;   aber  biefelben  toaren  „toüft  unb  unbcfe^t", 

40  fonnten  il^m  alfo  auc^  nid^t  Diel  Reifen,  ^m  3lnfange  be«  ^ahx^  1533  ftieg  feine  9lot 
fo  l}od),  ba^  er  nic^t  blofe  ben  Sifc^of  ^olen^,  fonbem  aud^  ben  il^m  nic^t  angenehmen, 
aber  bei  §ofe  Diel  Dermögcnben  Gbelnmnn  ^riebrid^  Don  ^etbed  um  5ütft)rac^e  bei  bem 
^erjoge  bat.  „3)rei  2:age  lebe  id^  noc^";  fd;rieb  er  bamalg:  „tva^  ift  an  mir  gelegen! 
©otte«  SBillc  gefd;el;e!"     1539  l^ören  toir  il^n  feufgen:    „5iic^t  länger  toill  ic^  in  foI(^et 

45  ©efal^r  in  fo  ^oljer  3lrmut  53ifc^of  fjjielen;  ein  anberer  SBeg  mufe  gefunben  h)erben,  ober 
ic^  tücrbe  gan^  in  bie  ä^erbannung  geben,  alt  tüie  id;  bin,  mit  meinem  Sffieibe  in  i^ren 
Dorgerüdten  Seben^ja^ren,  mit  ben  Äinbern,  bcnen  ein  Srbteil  Dom  33ater  l^er  fehlt  unb 
bie  fd^on  bei  meinen  Sebjeiten  SBaifen  finb.  Da«  tüirb  nun  mein  Sol^n  fein,  für  hjel^ien 
id)  foDiel  ^af)xt  in  ^reu|en  gebient  l^abe."    2)iefem  Unmut   cntf})rang    ber  äu^fpruc^: 

50  [„Prussiam]  quam  patriam  utinam  nunquam  vidissem"  (m.  U93  II,  9lr.  120ö). 
3m  grül^ja^rc  1540  backte  er  emftlid^  an  ein  „§inau«jiel^en  nad^  2)eutfc^lanb".  1513 
erging  e«  il;m  in  ber  §auöl;altung,  im  ^elbbau  unb  in  ber  SieJ^^uc^t  fo  fc^limm,  b4 
er  596  TOarf  25  ©d^ifiinge  „3^ürfengelber",  toelc^e  in  feiner  Diöcefe  jum  Äriege  gegen 
bie  Stürfen  gefammelt  hjaren,  nic^t  ön  ben  Äönigöberger  Sanbtag,  bie  „Sanbfc^aft",  ein- 

66  fanbte,  fonbem  Don  i^r  fid^  ftunben  liefe,  ßr  l;at  fie  nic^t  ^urüdnal^lm  fönnen;  babcr 
hDurben  fie  il^m  1550  gef4)cnft.  ^m  ^a^re  1549  mufete  er  auf  feine  ©üter  300  9RarI 
aufnel^men.  ©eine  öfonomifdie  Sage  it>ar  unb  blieb  alfo  eine  mifelid^e  [gegen  6o(ad^ 
SDarftellung  a.  a.  D.  220J.  Um  fo  mebr  mufe  man  ben  burc^  beftänbige  9Jot  gel^emmten 
Wlann    beiuunbern,    bafe    er   bie  moralifc^e  Äraft  unb  ben   ibealen  ©inn  befafe,  eine 

CO  ftaunen^tüerte   eDangelifc^'bifc^öflid;e   2;i(;ätigfeit   ^u    entfalten.     SBir  betrauten 


^pttatu»  629 

Hunäc^ft    feine  Slrbciten  auf  bem  ©ebtcte  ber  2c^rc,  fobann  fein  eigentlid^  jjaftoralc^ 
aÖBirfen. 

3)a  ftc^  bag  Sebürfni«  mi)  einer  Sel^rorbnung  J^eraui^fteHte,  follte  eine  fold^e  auf 
öier.©^noben  (brei  Sejirf^s  unb  einer  Sanbe^f^nobe)  in  ^reufeen  1530  vereinbart  toerben. 
2)en  ©nthjurf  baju  lieferte,  toie  man  mit  l^o^er  35Jal^rf(|einIi(^Ieit  annel^men  barf,  5 
S})eratu^.  @in  Sruc^ftücf  biefe«  Söerle^  liegt  j^anbfc^riftlid^  auf  bem  Äönig^berger 
@taat^rc^iü;  ed  l^at  ben  Xitel  „Episcoporum  Prussiae  Pomezaniensis  atque  Sam- 
biensis  Constitutiones  synodales  evangelicae"  unb  ift  ein  Seitfaben  gur  (linfüJ^rung 
ber  (biiSl^er  latl^olifcl^en)  OeiftUc^Ieit  in  bie  etoangelifc^e  3:i^eoloaie.  SBietoeit  ©t)eratug 
auf  ben  Am  erlüäl^nten  ©^noben  tl^ätig  gehjefen  ift,  entjie^t  fiep  unferer  ßenntni«,  ba  10 
h)ir  toon  i^nen  leine  3lften  befi^en.  ^n  ben  Sauren  1531—1535  l^at  fid^  fobann  ©Jjeratug 
aße  erbenllic^e  3Hül^e  gegeben,  mit  feiner  fd^neHen  geber,  feinem  fräftigen  münblic^en 
aBortc  unb  feiner  bifc^öflic^en  ©ehjalt  bie  in  ©üb})reufeen  um  fic^  greifenbe,  öon  ^erm 
toon  ^eibed  auf  3io^flnniiSburg  unb  Söfeen  ftarf  geförberte  ©c^hjenffelbifc^e  ©eifte^ric^tung 
ju  unterbrücfen.  ßin  3fleIigionggef})räc$  |\u  Siaftenburg  am  29.  unb  30.  2)eaember  1531, 15 
ba^  ©jjeratuö  leitete,  ift  ein  d^arafteriftifc^er  §öl^ej)unft  in  biefem  geiftigen  9tingen.  ©e^r 
erfd^tücrt  tourbe  ©>)eratuiS  feine  3luf^abe  noc^  burc^  bie  Dom  6ergoge  Sllbrec^t  in^  2anb 
aufgenommenen  ^oBänbifd^en  Äoloniften,  bie  „§oBänber"  („Sataöer"),  bie  um  il^rc« 
})rotcftantifcben  ©laubeng  lüitten  au«  i^rer  nieberlänbifd^en  ^eimat  au^getoanbert,  aber 
aße  feine  Sutl^eraner  toaren  (Dgl.  ©c^umac^er  f.  oben).  6ine  gegen  fie  gerid^tete  ©c^rift  20 
be«  ©jjeratuiS  „Epistola  ad  Batavos  vagantes"  ift  bi«  je^t  leiber  nur  bem  3!itel  naii^ 
befannt.  3"  ^^"  Semü|(;ungen  be«  })omefanifc^en  Sifc^of«  traten  noc^  ßintoirfungen  öon 
au^lüärt«;  an  ben  ßreigniffen  bon  5Künfter  1535  erfannten  bie  hjeiteften  Äreife  bie 
fc^liefelic^en  Äonfequenjen  einer  Dertoilberten  ©eifteiStreiberei.  3)a  erlief  ber  §erjog  an 
©t)eratuö  am  1.  äuguft  biefe«  3al^re«  ein  9Jlanbat,  beiS  3"^öItiS,  bafe  in  ^reu|en  bie  25 
(gin^cit  ber  Seigre  im  (Seifte  ber  Iut](;erifc^en  Äird^enorbnung  öon  1525  aufredet  erl^alten 
merben  foHe.  gür  ©>)eratu«  bebeutete  ba«  einen  ©ieg  über  ©^toenffelb  unb  fonftige 
©l)iritualiften.  —  ^m  3a^re  1537,  aU  ^  fic^  um  bie  Sefc^idfung  be«  Äonjitö  toon 
3Rantua  l^anbelte,  finben  h)ir  ©j)eratug  toieber  l^erbonagenb  t^ätig.  6r  tüar  ^u  ben  be= 
jüglic^en  3Ser](;anbIungen  nad^  Äönig^berg  berufen,  unb  ettoa  am  20.  gebruar  1537  ao 
brachte  er  ein  ©utad^ten  über  bie  ^age  ju  ftanbe,  „toaö  ju  t^un  fei,  too  ba«  Goncilium 
etioa«,  ba«  unc^riftlid^  unb  toiber  ®otte«  SBort  toürbe  fein,  beterminieret,  unb  ber  ^aj)ft 
burc^  feinen  Slnl^ang  fold^e«  tooBftreden  tooBte."  S)a«felbe  ift  al«  „3latfd^lag"  in  beutfc^er 
unb  al«  „Consilium"  in  lateinifc^er  Bpxad)t  bor^anben*(m.  U93  II,  3lx.  1067  u.  1068); 
e«  äußert  fid^  ba^in,  ba|  fic^  dürften  unb  ©tänbe,  toenn  fte  um  be«  Söorte«  ®otte«  as 
tüitlen  Derfolgt  Serben,  in  ®otte«  9Jamen  mit  unbefc^toertem  ©ehjiffen  jur  ©egentoe^r 
anfd^idfen  bürfen.  S)em  ^ccp\i  ^ßaul  III.  aber  bezeugte  er  unter  bem  25.  gebruar  1537 
in  einem  lateinifd^en  Sriefe  feine  S3ereith)ißigleit,  oa«  Äonjil  gu  befud^en  in  ber  SBorau«* 
fe^ung,  bafe  e«  al«  ein  freie«,  jebem  frommen  S^eilnebmer  ungel^inberte  5Weinung«äu6erung 
geftatten  unb  bie  ^eilige  ©c^rift  jur  Slic^tfc^nur  feiner  Sefc^Iüffe  machen  hjerbe;  auc$  40 
Derfäumte  er  nic^t  linjujufügen,  bafe  e«  üon  feinem  £anbe«l^erm  abl^ängen  hjerbe,  ob 
i^m  ber  SSefuc^  be«  Äon^il«  überl^aut)t  geftattet  toerben  toürbe.  (3)iefer  33rief  ift  hjirllid^ 
abgefc^idt  unb  liegt  im  ©taat«ard^ib  in  glorenj;  ögl.  grieben«burg,  9luntiaturberic^te 
au«  5Deutfc^lanb,  1.  2tbt.  2.  Sb,  ©ot^a  1902,  ©.  46.)  «on  ba  an  ift  ©>)eratu«  in 
})rin5it)ieß  toic^tigen  2lngelegenl^eiten  ber  Äird^e  nur  nod^  in  ben  ^a^xm  1549  unb  1550  45 
auf  SBunfc^  feine«  2anbe«^erm  al«  Dogmatifer  autoritativ  aufgetreten.  6«  gefc^al^  in 
ben  2lnfängcn  be«  ofianbriftif d^en  ©treite«,  al«  ber  melanc^t^onifc^  geftnnte  SJJagifter 
Sauterhjalb  gegen  ben  ofwnbriftifc^en  $oft)rebiger  TOagifter  gundf  aufgetreten  hjar.  auf 
Anregung  be«  §crjog«,  ber  bie  Unterfud^ung  über  biefen  ©treit  feinen  beiben  Sifc^öfen 
^ßolen^  unb  ©jjeratu«  übertragen  l^atte,  toon  benen  ftc^  aber  ^olen|,  ber  3;urift,  mit  äbftd^t  » 
toon  ber  Ba(i)t  fem  ^ielt,  ^atte  fic^  ©Jjeratu«  1549  nad)  Äönig«berg  begeben,  öerl^örte  am 
4.  Suü  bicfe«  ^al^re«  bie  ftreitenben  3!^eoIogen  in  ber  9lat«ftube  be«  ©d^Iojf e«  bafelbft  unb  er* 
ftattetc  in  einer  60  Sogenfeiten  langen  ^anbfc^rift  bem  §erjoge  Seric^t  barüber.  (3Jlein 
U93  III,  9Jr.  2304.)  ©})eratu«  mar  in  feiner  Sefc^eibenfeit  mit  bidem  feinen  ©(^rift= 
ftüdfe  nic^t  jufriebcn;  e«  jeugt  aber  toon  ber  tüchtigen  t^eologifd^en  Silbung  i^re«  SSer^  66 
f  äff  er«,  bie  er  fic^,  tro^bem  er  20  ^af)x^  al«  t^eologifd^er  ©infiebler  in  SKarienhjerber 
gelebt  unb  bereit«  65  '^ai^xt  ^äl^lte,  bod^  in  fel^r  erfreulicher  SBeife  beh)al^rt  l^atte.  2luf 
ben  Weiteren  ©ang  be«  ofianbriftifd^en  ©treite«  ^at  ©>)eratu«  (ba  er  balb  ftarb)  feinen 
©influfe  mcjE^r  gehabt.  211«  aber  f^jäter  nac^  Beilegung  ber  oftanbriftifc^en  SBinen  ba« 
2ut^ertum  in  '^reufeen  toieber  l^ergefteßt  hjurbe,  trat  aud^  ©iperatu«  £eben«h)erf  hjieber  eo 


630  &pttata9 

in  toollc  SBirIfamfeit  bafclbft  unb  beeinflußte  bie  oftjjteufeifc^e  Äirc^c  btö  in  bic  ^dUn 
be^  Äantifd[>en  SlationaliiSmug  l^inein.  @pttai\i^'  gefamte  boamatifd^c  ^interlaffenfcfcaft, 
bic  ftc^  meift  in  §anbf^riften  auf  bem  R.  ©taat^rd^iüe  ju  ^tönig^berg  befinbet  unb  in 
meinem  Urlunbenbud^e  (f.  oben)    aufgeführt  ift,  mac^t  auf  un«  ben  ©inbrud  ftarfer 

5  ©eifteöarbeit,  aber  baiS  eigentliche  $au>)tftüd  feiner  bifc^öflic^en  SBirffamfeit  beftanb  bo(^ 
in  ber  })aftoraIen  fieitung  ber  ®eift(ic^en  unb  bcr  ©emeinben. 

3al^Irei(^e  Sriefe  unb  Sitten  laffen  uniS  erlennen,  bafe  er  in  feinem  bifc^öflicbcn 
2lmte  mit  >)einli^er  Oetoiffenl^aftigfeit  unb  Drbnung^Iiebe  gehaltet  l^at:  er  l^at  Äirc^em 
toifitationen  unb  ©^noben  abgehalten,   Oeiftlic^e  unb  Seigrer  angefteßt,  bie  S)i^gi^linar= 

10  gemalt,  too  eö  nötig  toar,  ausgeübt,  ßl^efad^en  mit  rid^terlic^er  äJotlmad^t  entfc^icbcn  unb 
taufenb  ^ßerfonalangelegenbeiten,  gute  unb  fd^limme,  geregelt,  bafe  il^n  bie  Slrbeitelaft  faft 
erbrüden  toollte.  Dbgteicp  feine  Steigung  il^n  am  liebften  in  bie  ©title  be^  ^rit>atlebcn^ 
getrieben  ^ätte,  betoie^  er  ate  getoiffenl^after  bifc^öflic^er  ©eelforger  eine  §irtentreue,  trie 
fie  feiten  il^re«  ©teid^en  l^aben  bürfte;  mit  unermüblid^er  ©orgfalt  ging  er  ben  ©cmeinben 

16  unb  il^ren  Oeiftlid^en  nad^  in  einer  S^xt,  too  fein  toeiter  ©t)rengel  ^toifc^en  SWarientperber 
(nal^e  ber  Söeic^fel)  unb  S^d  (nal^e  ber  t)olnif(^4itauifc^en  ©renje)  jum  großen  2:eilc 
nodf^  „Söilbnig"  toar,  toie  ba«  füb})reu^ifd^e  ©ebiet  bamal^  auc^  einfad^  benannt  tpurbe, 
unb  ber  feften  ©trafen  faft  nod^  ganj  entbel^rte.  33ig  jum  ^a^xc  1535  bejh)edtten  bie  tjon 
il^m  gel^altenen  ©^noben  üortüiegenb  bie  TOebertoerfun^  ber  ©c^toenlfelbfc^en  greigeiftcrei; 

20  öon  ba  an  betrieb  er  afö  bifd^öflic^er  Sifitator  toefentlic^  ben  ftiHen  Slufbau  ber  ))reu6ifcbcn 
fianbe^fir^e  unb  beaufftc^tigte  unb  regelte,  le^renb,  ri^tenb,  etoentuetl  aud^  fhafenb,  ba^ 
ganje  Seben  ber  Oemeinben  unb  i^rer  ^faner.  Unb  biefe  brüdfenbe  Slrbeit^Iraft  trug 
er,  obgleich  er  jlüifc^en  1532  unb  1551  öfter  öon  fc^tüeren  Äranf^eiten  ge^jlagt  tourbc 
unb,  nac^  feinem  Silbe  ju  fd^liefeen,   überl^aujjt  leinen    fräftigen  Äör^er   befafe.    Cbne 

25  jeben  Slnflug  toon  Sureaufrati^mu^  haltete  er  babei  mit  väterlicher  5Kilbe  unb  ^alf  ben 
notleibenben  Oeiftlic^en  nic^t  blofe  mit  feinem  ^aU,  fonbem  auc^  oftmals,  h)o  e^  nötig 
toar,  mit Äleibem, Sudlern  unb  (Selb ;  ßigenfmn  unb  %xo^  aber  beftrafte  er  mit  bem  SSottbetouBt^ 
fein  öerleftter  Autorität  unb  in  2luiSbrüdfen,  toie  fte  einem  5Wartin  Sutl^er  gelegentlich  im 
3om  entfuhren.    5Kit  gleicher  ©orgfalt  umfaßte  feine  bifc^öflid^e  ©orge  bie  Angehörigen 

30  ber  berfd^iebenen  Stationen,  bie  in  feinem  ©jjrengel  tool^nten:  3)eutfc^e,  5ßolen,  Sitaucr 
unb  bie  gugetoanberten  Emigranten,  §oßänber  unb  feit  1549  auc^  Söl^men  unb  5Dlä^ren. 
©0  h)altete  er  feinet  toeranttoortung^tooHen  Stmte^  mit  nie  ermübenber  Il^atfraft,  bi^  ber 
3!ob  il^m  ben  ^irtenftab  au«  ber  ^anb  nal^m;  er  ftarb  am  12.  3tuguft  1551  (nid^t  1551) 
JU  SKarienhDerber ;    am  13.  Stußuft,   nachmittag«  2  Ul^r,   tourbe  er  im  2)ome  bafclbft 

36  feierlich  beigefe^t. 

hinter  il^m  lag  ein  ungemein  arbeit«reid^e«  unb  gefegnete«  Seben.  ©ein  Silb 
(Äu}3ferftic^  in  ber  tartograj)l^ifc^en  Abteilung  ber  Ä.  33ibliot|ef  ju  Serlin,  ©ignatur 
Oe  6447)  geigt  ben  emften  SKann,  h)ie  er  ftc^  bereit«  mübe  gearbeitet  ^aben  mag;  er 
^at  einen  milben  ©efic^t^au^brud,  freunblid^e  grofeeSlugen  unb  einen  SoHbart;  auf  bem 

40  §au>)te  trägt  er  eine  2ut](;ermü$e  unb  befleibet  ift  er  mit  lalar  unb  ^ßeljfragen,  in  ber 
§anb  l^ält  er  ein  33uc^  al«  ©^mbol  ber  ©rbauung  unb  ber  SKebitation.  Überfc^auen 
toir  fein  gefamte«  Seben«h)erl,  fo  ^interläfet  ©))eratu«  ben  (ginbrudf  einer  ftc^  ftet«  gleich 
bleibenben  l^oc^gebilbeten,  tieffrommen,  arbcit«freubigen  unb  tüürbeboßen  ^crfönlic^- 
leit;  bon  feiner  SBürjburger  reformatorifc^en  ^rebigttl;ätigleit   bi«  ju  feinem  ^eimgangc 

45  in  SRarientoerber  entbcdft  man  in  feiner  religiöfen  ©efinnung  unb  in  feiner  toilfenfcbaft- 
lid^cn  Überjeugung  nirgenb«  Unfic^erl^cit  ober  ©d^h?anfen;  al«  H^eologe  ein  gefc^lojfencr 
2)enfer  unb  bem  Söittenbcrger  Jlcformator  au«  freier  Überzeugung  guget^an,  ein  lutbc- 
rifd^er  53ibeld^rift  au«  einem  ®uffe.  ©ein  ^rinjip  Wax  bie  33ibel,  ba«  gefc^riebenc  ®otte^ 
ioort,  toeld^e«  er  unter  bem  ®cfid^t«t3unfte  bcr  in  ßl^rifto  un«  ju  teil  geworbenen  freien 

60  ©nabe  ®ottc«  ftd^  au«legtc  unb  folgerichtig  auf  aße  33er](;ältniffe  ber  Äirc^e  unb  ber 
SBBclt  anjutoenben  fud^te,  al«  einbrucf«boBer  Äanj^elrcbner,  al«  getoanbter  S^ic^tcr  in 
beutfd^er  unb  in  lateinifd^er  Bpxad^z,  al«  umfic^tiger  Äirc^enmann  bei  ber  ^crftcHung 
Don  ©otte«bienftorbnungen,  Sird^engefangbüc^ern,  Sel^rorbnungen  unb  red^tlic^cr  (bi^ 
beute  giltigcn)  Slbgrengung    unb  gunbicrung  bcr  ^farrbejirle  unb  ^arod^ien,  in  ber 

65  gcitung  ber  bifc^öflic^en  Diöcefc  unb  in  ber  §anbl?abung  ber  3)i«|\i^lin  unb  bcr  pa|V 
ralcn  ©eclforgc  an  ©cmeinben,  Pfarrern  unb  anberen  einzelnen  Gl^riftenleuten.  SSie  er 
gctüorbcn,  hja«  er  fear,  h?iffcn  lüir  nic^t;  ol)nc  Sut^cr  perfönlic^  j^u  fennen,  toar  er  bcijen 
®crtnnung«gcnoffe  gctüorbcn ;  fobalb  toir  ben  tcmjjcramcntboßen  ©c^toaben  lennen  lernen, 
in  ffiürjburg,  ©al^burg,  ^Qlaxi  unb  Süittcnbcrg,  1520—1523,    fte(|t  er  h)ie  mit  einem 

60  ©c^lagc  fertig  bor  un« ;   unb  toa«  er  bamal«  h?ar,  blieb  er  fein  2^m  lang,  feft  in  ber 


Spttatü»  ^pit^d  631 

©cfmnung,  Ilar  in  ber  ©rIcnntniiS,  ftc^cr  im  Urteil,  ftarfen  SBitlcn«.  6in  9Jlann  Don 
fold^em  entfc^iebenen  Oe^rägc  Wax  er  too^I  im  ftanbe,  ber  >)rcufeif(^en  ©eiftlid^feit  feine 
tl^eologifc^e,  lutl^erijc^e  Oeifte^ric^tung  einjut)rä0cn.  2Bir  motten  bie  SJerbienfte  ber  anberen 
ctoangelifc^en  Sifc^öfe  unb  reformatorifc^en  ^ßrebiger  ^Preufeeng  nic^t  gering  anfd^Iagen; 
ioaö  ein  ®eorg  Don  ^olenft,  ein  ©r^arb  Don  Queife,  D.  ^of).  Srie^mann,  3o^.  ^olianber,  6 
3Kic^acl  9}Jeurer  unb  anbere  bamate  geleiftet  l^aben,  fott  unDergeffen  bleiben,  unb  ber 
eblc  fromme  Sanbe^l^err  ^erjog  2llbrec^t  Don  ^ßreufecn  erft  re(|t;  fte  atte  l^aben  ber 
cDangelifc^en,  >)reufeif(^en  ganbe^firc^e  unfc^ä^bare  ^ienfte  geleiftet;  aber  ber  toefentlid^ 
i^ren  innerften  ßl^arafter  beftimmt  i)at,  ba^  tvax  ^aul  ©>)eratug.  ^.  Sfd^aifert. 

@)piege(  iei  bm  ^ebrftant.  —  fiittcratur:  2^§.  ßarpoö.   De  speculis  Hebraeorum  lo 
(Rostockü  1752);  Oldermanni  dissertatio  de  speculis  Veterum  (Helmstadii  1719);  ^artmonn, 
2)ic  C)ebr«evin  am  ^uftifc^  II,  240 ff.;  III,  245 ff.;   3o^.  »cdCmann,  93cl)trä9C  jur  ®cfd)i*tc 
ber  (frfinbungen,  brittcn  S3anbed  üievtc«  ©tüd  (1792),  (B.  467— 535;  Ä.  S- .^ermann,  fict^rbu^ 
bev  griecf).  Stntiquitätcn,  3.  Steil:    5)ie  ^riüQtaltcrtümer,  2. 9(ufl.   öon  6torf  (1870),   3.^uf[. 
uon  JBIümncv  (1882),  §20  u.  45;  <|SQuh)=5:cuffcI,  SHcaIenci)fIüpäbie  ber  flaff.  9ntcrtumßn)iiicn=  15 
fd)aft  8.  V.  speculum ;  ^anbh,  ber  röm.  9Utertümcr,  VII,  2 :    Q.  ^arquart,  ^a^  ^riüQtlebcn 
ber  mmtv,  2.?lufl.  bcforgt  üon  ^Rau  (1886),  6.690.  758;   groan  D.  <Wüacr,    .&anbbudj  ber 
flaff.  5lltcrtum8n)iffcn|cöaft  VI(1893),  §  227 ;  ®eorge  SRatoIinf on,  Thefive  great  monarchies  of  the 
ancient  castern  World,  2.  edition,  Vol.  1(1871);  ($ÖincfIcr-3immern,  Äcilinfdjr.  u.  9lX  [1903] 
enthält  nicftt^  über  ©picgcl);   3BiItinfon,  Manners  and  customs  of  the  ancient  Egyptians  20 
(1837),   Vol.  III,  p.  385;    S^an  fiennep,   Biblc  Lands,  their  modern  customs   and  manners 
illustrative  of  Scripture  (fionbon  1875),  II,  p.536f.;  The  Jewish  Encyclopedia  VIII  (1904) 
8,  V.  mirror. 

SBaiS  junäd^ft  bag  Sorl^anbenfein  Don  ®})iege(n  bei  ben  Hebräern  anlangt,  fo 
fann  freiließ  nur  mit  Sertounberung  ertoä^nt  derben,  bafe  nad^  ß^arlier  in  ber  3^^!^^^-  25 
b.  S)eutjc^.  morgenl.  ©efettfc^aft  (1904),  ©.  393  bei  jener  ^oc^emften  3tugeinanberfe|ung 
auf  bem  Äarmel  (1  Äg  18)  bie  „^riefter  S^^be«"  unb  fogar  @lia  mit  einem  lonfaDen 
©piegel  opttxnt  Ratten,  aber  ber  Oebrauc^  Don  ©>)iegeln  bei  ben  Hebräern  ift  burd^ 
einige,  tomn  aui)  äuma:eil  fragliche  unb  f})ät  niebergefc^riebene  ©tetten  bezeugt.  Slämlid^ 
in  3^f  3, 23,  \üa^  nur  au«  unjurei^enben  ©rünben  neuerbing«  Scfajja  abgefjjrod^en  so 
toorben  ift,  fann  betreff«  Q^?''^'^  (giljönlm)  nic^t  i^i^aupUt  derben,  bafe  bie  Ueberfefeung 
„S)3iegel"  Dom  Äontejt  Derboten  toerbe;  benn  toenn  auc^  Äleiberarten  bal^inter  folgen, 
fo  ge^en  boc^  bie  „Oelbbörfen"  unmittelbar  Dörfer,  unb  auc^  in  ä}.  18— 21  toec^feln  Steile 
ber  Äleibung  mit  ©c^mudtgegenftänbcn  ab.  gemer  bejeic^net  ber  ©ing.  gillajön  (3icf 
8,  1)  bie  aufgebedfte,  b.  i),  obgefc^abte  (Dgl.  nb.-  feieren,  rafteren),  geglättete  platte  (aud^  36 
nac^  (Sef.^Sul^l«  ^ebr.  2Bb.  1905:  „glatte  5CafeI").  35a^er  fmb  bte  giljönim  in  ^ef 
3,  23  fo  gut  toie  ftc^er  „®})iegel".  Sllfo  l^at  ba«  Skxrgum  ric^tia  mit  machzejätb 
„©e^inftrumente"  überfe^t  unb  fo  faft  atte  3nteri)reten  gebeutet,  aber  unrichtig  l^aben 
bie  LXX,  burc^  ben  fc^einbaren  S^an^  be«  Äontejte«  Derfül^rt,  bie  giljönim  al«  dia- 
q^av^  Aaxcovixd  aufgefaßt.  5Bgl.  über  bie  nad^Iäffige  Äleibung  ber  f})artanifd^en  ^auen  io 
bei  .permann  a.  a.  0.  §  22,  -Kote  4,  unb  in  9lote  18  hjirb  Aristoph.  Lysistr.,  V.  48 
ertoät^nt,  toonac^  rd  diatparrj  prdjvia  5Wittel  ber  SBeiber  hjaren,  um  auf  bie  SKänner 
einjulüirfcn.  S)aß  bie«  aber  nid^t  bie  2lbfic^t  ber  ©))artanerinnen,  fonbem  nur  i^rer 
fofetten  9Jad^a^merinnen  toar,  barüber  Dergleid^e  man  1%.  S.  Söielanb,  2)ie  äbberiten, 
1.  33uc^,  10.  Äo)).  2)ie  ©})iegel  fmb  in  ber  au«fü^rlid^en  Sefc^reibung  toeiblic^er  2:oiletten' 45 
gegenftänbe  bei  gef  3,  16—23  um  fo  untoa^rfd^einlic^er  ju  finben,  ba  ©>)iegel  al« 
©d^mudfad^en  l^ebräifc^er  grauen  fc^on  für  bie  3^^  "^^  ^^«^  3tu«jug  aui  Sägv>)ten  (!) 
in  ber  atterbing«  f})ät  (Dgl.  ^oljinger  im  Äur^en  ^anbf om.  1900  g.  ©t.)  nidöergefd^riebenen 
©tette  ßE  38,  8  Dorau«gefe^t  fmb.  35anad^  tourbe  ba«  Secfen  ber  ©tift«l^ütte  au«  (fo 
richtig  fd^on  im  a^argum  unb  LXX)  ben  nix-iT^  (3!arg.  michzejäth  nad^  ®.  3)alman, » 
9leu^ebr.^aram.  2öb.  1901,  ©.  220)  ber  grauen  bereitet  (bie«  bie  toa^rf^einlid^fte  3)eu= 
tung  auc^  nac^  SSedfmann  a.  a.  0.  ©.  469—471  unb  j.  33.  auc^  nac^  Saentfd^  im 
•öanbfom.  1900  j.  ©t.),  bie  am  Heiligtum  bienten  (Dgl.  1  ©a  2,  22),  toa«  nid^t  mit  bem 
2:argum  ju  „beten"  ober  mit  ben  LXX  ju  „faften"  ju  Dergeiftigen  ift.  gerner  in  §i 
37, 18  ift  "'fi?'*  auc^  Dom  2)argum  mit  ispaqlarja  =  specularia  toieber^egeben,  unb  65 
SeDV  (Gl^albäifc^e«  SÖBb.  s.  v.)  beutet  bie«  unrichtig  al«  „genfter  au^  ÜKanengla«"  unb 
ba«  babei  fte^enbe  P?'^':^  al«  „geläutert".  2)ie  Deutung  „gegoffener  ©>)iegel"  toirb 
richtig  auc^  Don  ben  brei  neueften  Äommentatoren  (35ubbe  im  ^anbfom.,  %\x\^m  im 
Äurjen  ^anbfom.  unb  griebr.  2)eli$f(^,  5Da«  a3uc^  $iob  1902)  Dertreten.  ^toeifello«  fmb 
©Riegel   bann  Don  bem  um  200  D.  6l^r.   fc^reibenben  33en  ©ira  ertpö^nt:    12, 11   „unb  eo 


632  ^pitid 

tüttft  il^m  gegenüber  fein  toie  einer,  ber  einen  BpxtQtl  >)oItert  f)ai,  unb  toirft  finben,  bap 
er  immer  mit  SRoft  überwogen  ifL"  „BpkQzV  ift  bort  im  neuentbedten  ^d&r.  ©trac^tcrt 
0erau«0e0.  öon  $.S.©tra(1 1903)  burd^  n  (too^I  berberbt  au«  ■^N'n  31, 18;  §t  37,  18), 
in  ber  gried^ifc^en  Überfe^ung  feine«  ©nfefe  burd^  etoomgov  au^gebrüdt.  —  Über 
5bie  Sef^affen^eit  ber  öon  ben  ^ebräem  gebrauchten  @>)iegel  enthalten  bie  ge^ 
nannten  ©teilen  a)  bie«,  bafe  bie  ©>)tegel  nic^t,  ober  toenigften«  in  ber  Siegel  nitbt 
aSBanbfbiegel,  fonbem  öon  grauen  benü^te  ^anbf^iegel  toaren.  b)  3)ie  ©picgel  fmb 
nic^t  blofe  afö  „©e^hjerl^euge"  (®j  38,8;  $i  37,18;  ©i  12,11),  fonbem  aud^  ol^ 
polierte  ^platten  (gef  3,  23)  begeic^net.    c)  9?ad^  ßj  38,  8  h)aren  fie  au«  SWetaB,   toic 

10  bort  auc^  ba«  Xargum  ^erufc^almi  au«brüdlic^  „isp&<ll&^j&  (=  specularia)  au«  Qxi'' 
überfefet(ba«gragmententargum,  ed.  3K.@ie«burgerl899,  p.  44  fagt  einfach  t'^th,  ettoa: 
©d^aubinge),  unb  nati)  $i  37, 18  tüaren  fie  „gegoffen".  2)iefe  2lu«fagen  be«  23:  toerben 
aud^  burd9  bie  9?ad^rid^ten  beftäti^t,  bie  in  anbem  ©Triften  be«  Slltertum«  über  bie  S>)tcgcl 
gegeben  finb.    2)enn  a)  fogar  m  ben  an  allem  Äomfort  überreid^en  2Bo^nung«einric^ 

16  tungen  ber  f^äten  ©ried^en  unb  9lömer  gab  e«  feiten  äBanbf^iegel  (t)gl.  ^aul^-^euffel 
a.  a.  D.)/  getüöl^nlic^  blofe  Heine  $anbf>)iegel.  b)  3«  l>wi  griec^ifc^en  ©djriften  ber  S^bcn 
unb  bei  ben  ©ried^en  felbft  toirb  jtüar,  toie  im  Sateinifd^en,  ber  ©>)iegel  nur  al«  Seb= 
tüerljeug  bejeic^net  {xdxoTvtQov^  eiootviqov  ober  iooTttqov^  Svojctgov,  speculum,  toos 
bon  ia„©J)tegel"^erIommt);  aber  c)  bafe  bie  ©>)ie^el  auc^  in  ber  fl)äteren3«t  be«Sntet5 

20  tum«  faft  nur  geglättete  3KetalI>)latten  toaren,  ergiebt  ftd^  teil«  au«  i^rer  Jceigung,  blinb 
ju  tüerben  (©i  12, 11 :  toie  einer,  ber  ben  ®>)iegel  gleid^fam  gelnetet  ober  jjoliert  bat, 
ber  bod^  tüiebcr  SRoft  anfe^t ;  SBei«!^.  ©al.  7,  26 :  toie  ein  unbefc^mu^ter  ©))iegeO  unb 
teil«  au«  ber  SKangel^aftigfeit  il^re«  Slefleje«  (1  Ro  13, 12  [bie  Jewish  Enc.  brucft: 
XXXIII,  12!]),  tüäl^renb  allerbing«  in  2  Äo  3, 18  bem  ©>)iegelbilb  nid^t  bie  eigenf(^ft 

25  ber  Ungenauigleit,  fonbem  nur  bie  ber  3RittelbarIeit  gugefd^riebm  tüerben  foll.  3)icö 
alle«  ftimmt  baju,  bafe  e«  auc^  au^erl^alb  S^^ö^^^  bei  ben  SSölfem  be«  ältertum«  meifl 
nur  3RetalIf^iegel  gegeben  l^at:  3n  %^^ten  toaren  fie  au«  poliertem  Rinn  (Jew.  Enc); 
bei  bm  ©ried^m  na^  Hermann  a.a.  D.  §20,  ©  170  f.  au«  ©rj,  ©ilber,  ®olb  u.f.to.; 
bei  bm  Slömem  tüarm  fie  „getoöl^nlid^  bon  Äu>)fer,  üermifc^t  mit  ^inn,  Qnd  unb  anbetn 

8o©toffm,  öfter«  berftlbcrt  ober  aud^  bon  maffibem  ©ilber"  (3Karquart=9Kau,  ©.690); 
nur  3Retallf)3iegel  hjcrbm  aud^  im  ^Imub  ertoäl^nt  (Kelim  XXX,  2;  Jew.  Enc. 
s.  V.  mirror).  Übrigm«  aud^  „in  ber  lefeten  antiien  ©d^ic^t"  ber  Sluinm  ber  alt- 
lanaanitifd^m  ©tabt  3:i^a*'anad^  (3jof  12,  21)  ift  „!ein  ®la«"  gefunben  tüorbm  (©cllin, 
lett  la'annel  in  bm  3tb^.  b.  Söiener  Slfab.  1904,  ©.  101).    ®la«f>)iegel  (au«  bunflcm 

86  ®la«,  aber  ol^ne  golie)  l^attc  man  nac^  ^liniu«  ftc^  in  ©ibon  au«gebac^t  (Nat.  Hist. 
36,  26:  Sidone  quondam  bis  officinis  fvitri]  nobili,  siquidem  etiam  specula 
excogitaverat).  Über  einm  ®la«f);)iegel  l^aben  toir  erft  bei  Alex.  Apbrodis.  im  ätnfang 
be«  3.  3ja^r^unbert«  n.  6^r.  ein  fidlere«  ^eugni«  (aRarquart^SWau,  ©.  758).  S)afe  ®te 
f})iegel,  bie  mit  ^^ü^  berfel^m  tüaren,  mit  üoHer  ©id^erl^eit  erft  im  13.  S^^^^unbert  er- 

40  lüäl^nt  tocrben,  ^at  Sedfmann  a.  a.  D.  ©.  501  ff.  nad^gehjiefen.  @r  l^at  nad^  Voyage 
de  Cbardin  1723,  IV,  ©.252  au^  bie«  bemerft  (©.523  f.),  bafe  metattene  Spiegel 
auc^  noc^  jc^t  im  Orient  unb  in  ^ßerften  Verfertigt  unb  gebraucht  toerbm,  unb  bafe  man 
fie  fogar  ben  gläfemen  üorjiel^t,  toeil  fie  nic^t  fo  jerbrec^lic^  finb  unb  fic^  in  bcm 
trodcenen,  ^eifeen  ßlima  beffer  al«  ba«  jur  SJolie  toertombete  3lmalgam  ber  gläfemm  ©J)icgcl 

46  erl^alten.  3tber  in  unfem  ^Ätm  finb  bo^  bie  3RetaHfj)iegel  burc^  bie  gläfemen  Spiegel 
toerbrängt  toorben ;  benn  auc^  »an  2ennep  berichtet  a.  a.  D.,  bafe  bie  jefeigen  ®la«li)iegcl 
ber  orientalifc^en  2)amm  in  ®eftalt  unb  ®röfee  ben  SRctattfpicgeln  m^pred^en,  bie  gc^ 
legmtlic^  unter  bm  Sluinen  alter  ©täbte  gefunben  hjerbcn.  —  2Ba«  mblid^  bie  ^er- 
lunft  ber  toon  ben  ^ebräem  gebrauc^tm  ©jpiegel  anlangt,  fo  lönnen  tüir  nur  al^tDobi- 

60  fc^einlid^  annel^mm,  bafe  fie  teil«  toon  ben  l^cbräifd^en  ?!Ketallarbeitem  felbft  gefertigt  unb 
teil«  importiert  toorben  fmb.  3)enn  ßanbfpiegel  l^aben  auc^  bie  2lff^rerinnm  getragen, 
bgl.  Statolinfon  a.  a.  D.  ©.  573  f. :  „eine  bronjene  ©d^eibe,  ungefähr  fünf  3olI  im  2)urc^ 
meffer,  mit  einem  ®riff  bcrfebm,  ift  für  einen  ©piegel  ju  ^altm.  3n  feiner  d-- 
gemeinen  gorm  äl^nelt  er  fotool^l  ben  äg^ptifd^en  al«  auc^  ben  Ilaffifd^en  ©piegeln,  aber 

66  im  Unterf^ieb  üon  biefm  ift  er  üollfommen  eben,  inbem  fogar  ber  ®riff  ein  blofeer 
flad^er  ©tab  ift."  ^a^n  bemerft  er  noc^:  „(Sin  ©piegelgriff,  ber  öon  Sa^arb  juSlitnrub 
gefunben  tourbe,  toar  toerjiert",  unb  auf  ©.  575  giebt  er  aud^  eine  9la(^bilbung  be^  er- 
h)äl^nten  f^rifd^m  ^anbfpiegel«.  ©piegel  truaen  aber  auc^  bie  Ägypterinnen,  toie  3BiI= 
linfon  a.  a.  D.  nad^toeift.     SSon   ber  ©piegelfabrifation   ber  Slg^pter  ift  bereit«  oben  bie 

60  Siebe  gelücfen,  unb  bei  $ermann  a.  a.  D.   ift  erVoäl^nt,  bafe  $u  3lt^en   toiele  mit  ®# 


@)iiege(  ^pitk  Bei  best  Hebräern  633 

fd^mui  unb  SRelicfarbcit  berfel^enc  ©>)iegel,  ferner  anbere  in  bem  burd^  feine  Bp'wQ^U 
fabrilation  berül^mten  5lorintl^,  anbere  )u  ^alifama^,  l^au))tföcl^Iid^  t)ie(e  aud^  in@trurien 
gefunben  toorben  ftnb.  3tber  and)  too  jufäßig  in  ber  litterarifc^en  ober  monumentalen  ^inter* 
laffenfc^aft  einer  9Jation  bie  ©(piegel  nid^t  ertüäl^nt  fmb  (Voie  j.  33.  nic^t  bei  §omer,  toie 
Secfmann  a.  a.  D.  ©.  474  betont),  ba  lann  tro^bem  nic^t  ftd^er  gefc^loffen  toerben,  bafe  s 
ber  ©ebraud^  Don  $anbf))iegeln  nod^  unbe!annt  gett)efen  fei.  (Sb.  ^dnig. 

®p\t%d,  &xal  ©Tjbifi^of  boti  ftölti  f.  b.  31.  2) r  oft e  33b  V  ©.  24,  55  ff. 

@)ite(e  bei  ben  ^ebrSern.  —  ßittcratur:  Sajaru«,  3)ic  SHcijc  bcS  @»jiclc8,  SBcrIin 
1883;  3K.$c^ne  ^eulfdieS  ^Sörtcrbu*  1895,  @.625;  —  Sagcnfcil,  De  ludie  Hebraeorum  in 
feiner  6djrift   De  civitate  Noriberg.  (Altorf.  1697),  p.  1648. ;    @id)l^orn,   De  Judaeorum  re  10 
ecenica    in  ben  CommentatioDes  GottingeDses   rec.  II;    (S.  §.  ^ofmonn,   De  ludis  isthmicis 
in  N.T.  commemoratis  (3Bitten5erg  1760);  SSani?ennep,  Bible Lands,  their  modern  customs 
and  manners  illustrative  ofScripture,  fionbon  1875,  p.  5738.;  @.  ©ellin,  Teil  Ta'annek  (3)cnf5 
fd)riften  bev  2Bicncv  91fabcmie,  Söb  L,  IV,  1904),  6.112;  ?l.®ünfd&c,  ^ie  SRätfcImciS^eit  bei 
ben  Hebräern  im  |)inblicf  auf  onberc   alte  ^ölfcr,  fieip5igl883;   ®. 3)alnmn,   $alöflinifrf)cri5 
3)iüon  (1901):  [Rötfcl  (6.  95 ff.),  ©picllieber  (©.  182ff.),  Xonj  unb  iRcigcn  (@.  254 ff.);    bie 
Jewish  Encyclopedia  (1901  ff.)  ni^t  bei  bem  ^ortc  „Play",  ober  beim  23orte  „Gymnasium"; 
4).  ©ut^c,  ÄurjcS  ©ibcltoörtcrbud)  (1903),  9(rt.  „@picl,  fpicicn",  bcorbcitet  uon  e.@icgfrieb; — 
|)t)be,  De  ludis  orientalibus  1695;  ^cilinfd)riften  unb  SIX  (1903)  entl&ält  nicfitSübcr  „@piclc"; 
^ilfinfon,   Manners  and  customs  of  the  ancient  Egyptians  1837;   ?(nt.  ^uber,   Uebcr  baS  20 
„^eifir"  genannte   8piel   ber  ^cibnifc^en   Slraber,   fieipjigcr  55o!torbiffcrtation  1883,   6. 9  ff., 
ugf.  auc^  ^r.gifc^er  in  S^^®  1904,  ©.800;   SBuc^^oIä,  3)ie  ^omerifd^cn  SRealicn  II.  1(1881), 
©.280—299;   Ä.  griebr.  ^ermonn,   fic()rbud6   ber  gried^.  ^riüatalteitümer,   4.  2tufl.,   bcforgt 
üonSBIümner,  ©.291—301.  501—514;  bie  neue  ?lufl.  üon^ault),  SRealcncijflopäbic  ber  flaif. 
^Itertum§tt)iffcnf4aft,  ^Sg.  üon  SBifforoa,   ift  nod^  nid^t  fo  meit  Dorgefcftrittcn ;  2:^.  ^ommfcn  26 
SRömifdjc  Altertümer,  3.?(ufr.,  II,  ©.517  ff. 

„Bp'xd"  bejcid^net  nac^  3K.  .^e^ne«  S)eutfd^em  SBörterbud^  a.  a.  0.  urf^rünglic^  ein 
unter^altenbe«  3!reiben  ober  eine  Sefd^äftigung  p  ©c^erj  unb  2uft  unb  jum  3eitt)ertreib, 
unb  fiajaru«  a.  a.  0.  ©.21  giebt  folgenbe  S)epnition:  „©>)iel  ift  leidste,  f^toanfenbe, 
gielloö  fc^toebenbe  SCI^ätigleit."  (gr  |^at  bamit  and)  nad)  bem  ^ebräifd^en  ©J)rac^beh;)uf;t5  ao 
fein  ba«{  Sichtige  getroffen.  35enn  biefe  bej^eid^nen  baö  ©Jjielen  am  aUgemeinften  aU  ein 
fortgefe^te^  unb  ftarle^  Sachen  (sichchaq),  bemnad^  atö  ein  ©d^erjen,  feine  2uft  ^aben, 
Ipie  bieg  auc^  üon  ber  >)erfonifijierten  SEBei^^eit  auögefagt  toirb  (5ßr  8,  30).  3nbem  id^ 
aber  Sajaru^  betreffiS  ber  (ginteilung  ber  ©Jjiele,  bie  er  in  „^ufan^s  unb  Sßerftanbeg* 
f>)iele,  Übunggf})iele  unb  ©c^auj})iele"  gerlegt,  nid^t  ganj  beiftimme,  ^anble  xd)  86 

1.  üon  ben  ©>)ielen,  Voeld^e  bie  ©ebanfentuelt  auf  leichte  SBeife  befd^äftigen,  ger= 
ftreuen  unb  au^bilben.  ßg  ift  aber  natürlid^,  bafe  biefe  ©l)iele  junäc^ft  bei  ben  noc^  in 
ber  3lu«bilbung  befinblic^en  (lÄolB,  11:  „S)a  id^  ein  Äinb  tuar  u.  f.  h).")/  bei  ben 
i^inbern  beliebt  toaren,  bie  bon  ber  „ftrengen  2lrbeit"  (b.  f),  ber  alle  ©ebanfen,  Sterben 
unb  ?!KuiSleln  anf^jannenben  3;^ätigfeit)  noc^  befreit  finb  unb  bielmel^r  „ben  im  gaube  40 
ftoielenben  SBogel"  nac^alj^men  (©dritter«  Sieb  öon  ber  ®Iode,  S.  267  f.).  Sgl.  Bad)  8,5: 
Änaben  unb  5)iäbc^en  fpielen  auf  ben  breiten  ^lä|en  ber  ©täbte;  5IRtll,16f.: 
3tuf  bem  ?!KarIte  fi^en  bie  ^inblein  unb  fjjielen.  Söelc^e  furgtoeiligen  unb  barum  ans 
genehm  unter^altenben  ®ebanfcnbefc^äftigungen  bie  Äinber  im  l^ebräifd^en  2lltertum  ge= 
trieben  ^abm,  fagt  ba«  212:  ni*t.  5Rur  im  §iobgebic^t  (40,29  [LXX:  33.24])  ift  bie  46 
grage  aufgehjorfen,  ob  ettoa  ber  9Kenfd^  ba«  ßrof obil,  ba«  freiließ  t)on  feinem  allmächtigen 
Silbner  gleid^  einem ©))iel3eug  be^errfd^t  toirb  (^j  104,26),  toie  ein  Söglein  [LXX: 
tuie einen ©>)erting] al«  einen ©>)ielgegenftanb  für  bie5Wäbc^en  an  etne©d^nur  binben 
fönne.  Slber  natürlic^ertüeife  ^aben  bie  Äinber  ber  Hebräer  im  gangen  ebenbiefelben 
Slrten  üon  ©)3ielen  geübt,  bie  toon  ben  Äinbem  alter  unb  neuer  Söller  au«gefonnen  60 
tporben  fmb.  ^n  ber  %l)at  lann  \)an  Sennej)  a.  a.  D.  erjäl^len,  bafe  äl^nlid^e  ©^ielfac^en, 
h)ie  aSilfinfon  (a.  a.  0.  I,  ©.  196  k.)  tt)dd)t  nad)  äg^jjtifc^en  gunben  abgebilbct  ^at, 
in  üerfc^iebenen  3;eilen  be«  Voeftlid^en  Slfien«  ausgegraben  toorben  ftnb.  ^an  2mntp 
giebt  äbbilbungen  bon  tönernen  ^uj)t)enfö>)fen  u.  f.  h).,  ertoöl^nt  aud^,  bafe  Heine 
$ferbe,  §unbe,  gifc^e,  fiöVoen  u.  f.  h).  gefunben  tourben,  bemerft  bann,  toie  Voenig  ber  66 
3«lam  burc^  fein  Silbertoerbot  üerl^inbern  fönne,  bafe  bie  Äinber  feiner  Selenner  fid^  mit 
SDarfteHungen  üon  ^ferben,  ©d^afen  u.  f.  tu.  befd^äftigen,  unb  er  Vermutet  enblic^  mit 
Stecht,  ba^  ba«  Silberüerbot  be«  912:  um  fo  lueniger  in  Sejug  auf  bie  Äinbertuelt  eine 
ftrenge  2)urd^fül^rung  gefunben  l^aben  toerbe,  at«  @j  20,  4f.  nur  bie  Serfinnlic^ung  ber 
©ott^eit  unterfagt,  luäl^renb  anbere  ^ßrobulte  ber  ©tiderei,  SBeberei  unb  ^laftif  fogar  in  60 


634  @)ite(e  bei  bm  ^fbraont 

©tiftg^ütte  unb  %mpd  anoebrad^t  hjurben  (Qi  25,  19 ;  26,  1 ;  1  flg  6,  23.  32.  35; 
7,  18.  25;  10,  19  f.  K.).  "Hon  „ben  Ilcinen  äffen",  toie  bie  Äinber  felbft  ft(^  in  einem 
artigen  Oebic^te  nennen,  ftnb  femer  felbftt)erftänbli4>  auc^  manche  (St)ielc  „nachgemacht" 
lüorben,  bie  junäc^ft  unb  meift  toon  ben  @rn)a^fenen  al^  mül^elofe  unb  boc^  bie  Sänge- 

5  iüeile  toertreibenbe  Sefc^äftigungen  ber  SBa^rne^niung  unb  ber  3Sorfteßungöh)cIt  getoöJ^It 
tüorben  [xnt.  3Son  folc^en  ©})ielen  ertüä^nt  ba«  213!  nur,  bafe  bie  ÜKäc^tigen  ber  6rbc 
„mit  ben  SSögeln  beg  ^immel^  i^r  (2})iel  getrieben  l^ätten"  (Saruc^  3,  17,  bgl.  ^auptf. 
^ncud er,  2)ag  33u(^  33aruc^,  ©.  285  f.).  ©ettin  l^at  aber  bei  feinen  3lu^grabungen  im  alten 
Zd^anati}  (^of  12,  21  2c.)   „in  aßen  ©c^ic^ten  überaus  ja^lreid^e  menfd&Iic^c  ober  tierifc^ 

10  fjerfenfnoc^en  gefunben,  mit  benen  bie  Slraber  bi^  auf  ben  heutigen  %aQ  ein  bcfanntc« 
®Itictf))iel  \pkUn  (ka^'ab  genannt:  faßt  ber  Änod^en  aufrecht  fte^enb,  fo  ift  getuonncn 
unb  tüirb  in  bie  §änbe  gellatfc^t,  unb  umgele^rt).  2)a  biefe  Änoc^en  nie  ettpa  3u= 
fammen  mit  anbern  lagen,  fo  möd^te  id^  glauben,  bafe  jeneiS  ©})iel  eine  uralte  Söurj^cl 
i}at...  @g  ift  bie  ältefte  unb  })rimitibfte  gorm  ber  SBürfel,  toelc^e  bal^er  im  Slrabifc^en 

16  fc^lec^tl^in  biefen  Slamen  ka^'ab  befommen  ](;aben."  2)er  ialmub  fobann  ertoä^nt  in 
Rosch  haschschana  1,  8  ate  jum  3^wgni^blegen  unfäbige  ^erfonen  bie,  toclc^e  iauben 
abrichten,  enttoeber,  toie  ber  Kommentator  (in  „2)ie  SJiifd^na",  33erlin  1832)  ^in^ufügt, 
jum  333ettfluge  ober  jum  3lnloden  frember  3:auben  in  ben  eigenen  3!aubenfc^lag.  2er 
lalmub  erloä^nt  in   bab.    Sanhedrin  25**   ein  Sretf})iel,    toeld^e^   2eute   treiben,   bie 

20  D'^pp"'D?a  Q'^p.™?:.  ®.2)alman  öolatiftert  in  feinem  9ieu^ebr.saramäifd^en2Börterbu(b(  1901) 
OE'^Ci?  ,,©tein  im  Srelf})iel"  mit  mittlerem  ^ ;  ögl.  aud^  ju  biefem  3tu^brudf  bie  tinjtpwv 
Tiaidid  bei  §ermann  a.  a.  D.  ©.510.  3)a^  aber  bie  Slabbinen  bie  (Srfinbung  bc^ 
©(^ac^fl)ieU  bem  ©alomo  jugef (^rieben  l^ätten,  fte^t  nic^t  im  Liber  Cosri,  ed.  Su|^ 
torf,  p.  379  ober  im  Sud^  Äufari,   ^erauggeg.  Don  S)aüib  (Saffel,  2.  2lufl.  1869,  ©.  42i^ 

26  ober  im  33ud^e  Al-Chazari,  überfe^t  Don  ^artVoig  ^irfc^felb  (1885),  ©.  96.  168.  286. 
3tu(^  verurteilt  fd^on  ber  3;almub  ate  jur  3^"9"^^ßWegung  untüd^tige  ^crfonen  bie 
«•^n^pa  c^i^nip?:  (TOifc^na,  Sanhedrin  3,  3;  bab,  Sanh.  24»>;  »gl.  über  bie  xvßeia, 
hai  SBürfeiflJiet  bei  ^ermann  a.  a.  0.  ©.  511f.).  SSon  benSlabbinen  toirb  auc^  t>ai 
©piel  mit  Ä arten  (ö^P^k  beiSujtorf,  Lex.  thalmud.  s.  v.,  ed.  %x\i)n  1875,  p.  1017; 

90®.  5Dalman,  9?eu^ebr.^aram.  2Börterbud()  1901,  ©.363:  „^^\?,,  ^Pergamentblatt")  »«r: 
urteilt.  „3)a«  burc^  ©jjiele  gewonnene  ®elb  ift,  h)enn  ein  3jube  e^  einem  anbern  3ubcn 
abgetoinnt,  Staub.  ®eh)innt  e^  ein  gwbe  einem  Reiben  ab,  fo  ift  e^  jtoar  nic^t  SHaub, 
aber  ein  ^^erge^en  gegen  ba^  interdictum  de  non  incumbendo  rebus  inanibus. 
©in  9Bürfelfj)ieler  ift  nac^  ben  Slabbinen  ein  ©eelenräuber  unb  barf  toeber  Slid^ter  no4 

86  S^uQc  im  (Seric^te  fein"  (ügt.  aber  aud^  ®.  5Warj=3)alman,  ^übifc^e«  g^embenrec^t  1886, 
©.  8).  aSie  verbreitet  in  ber  alten  33ölIertoelt  folc^e  leichte,  fc^Voanfenbe  Sefc^äftigungat 
ber  ©ebanlemoelt  toaren,  erfiel^t  man  au«  folgenben  Seif jjielen :  Sei  ben  2(g^))tem  \m 
baö  ©Jjiel  „®erabe  unb  Ungerabe"  üblich  (SBilfinjon  II,  p.  417);  aff^rifc^e  SBürfel  m 
33ronje  mit  golbenen  Slugen  fmb  gefunben  loorben  (333ei6,  Äoftümfunbe  I,  ©.  249) ;  Bei 

40  ben  alten  Slrabern  loar  ba«  ©Jjiel  „5Jlcifir"  üblich,  bei  bem  tool^ll^abenbe  Seute  burcf» 
3iel)en  Von  Pfeilen  um  bie  2:eile  eine«  ftameel«  fi)ielten,  um  fie  bann  an  bebürfti(;c 
^erfonen  gu  Derfc^enfen (fo  nad)  ber  grünblic^en Unterfuc^ung  öon§uber  a.  a.  C  ©.  9 ff): 
bei  ben  l^omerifc^en  ©riechen  Vourbe  nac^  Suc^^olj  a.  a.  0.  ba«  ©tein-  ober  Sretft)iel  unt» 
ba«  2Bürfclfl)iel    geübt;    über  bie  ®ermanen  berichtet  lacitu«  (Gtermania,   cap. 24); 

45  Aleam,  quod  mirere,  sobrii  inter  seria  exercent.  —  SBeniger  bie  leidste,  toec^fcl^ 
bofle  unb  barum  unter^altenbe  Sefd^äftigung  ber  Sorfteßungen,  al«  bie  toenig  mü^etoolle 
Setl^ätigung  ber  Urteilötraft  unb  bie  barau«  rcfultierenbe  ©c^ärfung  be«  Serftanbc^  er- 
ftrcbte  auc^  ber  Hebräer,  toenn  er  bei  Unterbrechungen  ber  3trbeit  (unb  Die  ^ugenb  bat 
aud^  bie«  in  i^rer  Dielen  9Wufee^eit  nad^geal;mt)  ficb  an  ben  loren  ber  Drtft^aften  (®cn 

60  19,  1 ;  ^f  69,  13 ;  Älagel.  5,  U)  ober  bei  feftlic^en  ^ufammenfünften  (SRi  14,  10 ff.)  mit 
bem  aufgeben  unb  Söfen  Don  Sätfeln  bcfc^äftigte:  9lil4,  14ff.;  IfiglO,!; 
Öcf  17,  2  ;  "i^r  30,  21  ff.;  ©i  39,  3;  2öei«^.  8,  8;  ^ofepM/  Antiqu.  VIII,  5,  3;  6, 5. 
j^gl.  nod)  Umbreit,  Äom.  über  bie  ©pr.  ©al.,  ©.  LIVf.;  Sl.Söünfd^e  a.  a.  D.  unb  meine 
a3ibli)d;=fomj)aratit)c  ©tiliftü,  ©.12  u.  163.     Stber  bie  ©c^aufpiele,   toelc^e  bie  ©c^ 

56  banlcn^oelt  in  eine  angenel^mc  ©pannung  Dcrfe^en  unb  jugleic^  mit  neuen  ^been  bc- 
reidiern,  finb  bei  ben  Hebräern  nid}t  üblich  gctoefen.  @«  l^at  ja  nic^t  einmal  bie  fpät- 
arabifd;e  2ittcratur,  al«  fie  fc^on  bie  @ried;en  nac^al^mte,  bramatifc^e  3)ic^tcr  auf jutrcifeii. 
2lßerbing«  möcbte  xd)  gegen  ben  f^cuifc^en  (E^arafter  ber  einzelnen  2:eile  unb  gegen  ben 
bramaäbnlic^cn  3"f<^^"»"<^n^ang  bc«  öobenliebe«  mid^  feinc«Voeg«   mit  folc^er  jloeifellofen 

üu  ©id;er^eit  au«fj)red;cn,  loie  e«  j.  33.  3<ob.  Soiot^  (De  sacra  Poesi  Hebraeorum,  prae- 


^pkU  htx  bm  ^eBräertt  635 

lectio  XXX),  X  ®.  §erbct  (©alomon«  Stcber  ber  Siebe ;  SBctfc  jur  aieligion  u.  f.  W, 
1827,  4.  Seil,  ©.  81—84),  ^etnr. Steinet  (Über bicl^^ebr. «ßoefic  1873,  ©.  9f.),  (Sb. »teufe 
(®ej(|.  be«  aa:,  2.  2(ufl.  1890,  §  190f.)  unb  6. 33ubbe  in  Äur^en  §anbIom.  jum  ^o^en* 
lieb  (1898),  ©.  XIV  getl^an  l^aben.  3Kan  öergleic^e  barüber  ben  ©njelbetoeiö  in  m. 
einl.  in«  äl,  ©.  422  f.  3n  f))äterer  ßeit  traten  ^uben  im  3lu«lanb  ate  ©c^auf>)ieler  6 
auf.  2)enn  3lofe))^u«  berid^tet  (Vita  §  3),  bafe  „er  au«  ^eunbj^aft  gu  ailit^ru«  —  ein 
©cl^auj})ieler  (fujuoXöyog)  \oax  aber  biefer,  bei  9lero  auf«  trefflic^fte  beliebt,  ein  gube 
Don  Station  —  gefommen  unb  burc^  il^^n  mit  $ot)))äa  belannt  gehjorben  fei."  2lucb  be^ 
merft  ßlemen«  Sllejanbrinu«  (Stromata  1,  §  155):  „Über  bie  Sluferj^iel^ung  bc«  3Jlofe 
foU  un«  'ECexlrjXog,  ber  SJid^ter  ber  jübif^en  2:ra8öbien,  fingen,  ber  in  bem  mit  lo 
^E^aywyrj  betitelten  2)rama  bem  3Jiofe  folgenbe  Söorte  in  ben  5Kunb  legt".  Über  fjjätere  Se- 
giel^ungen  ber  ^ubenjc^aft  jur  bramatifd^en  5ßoefte  bergleid^e  man  gunäc^ft  grg.  2)eli|fc^, 
3ur  ©efd^id^te  ber  jübifc^en  ^ßoefie,  ©.  309. 

2.  ©>)iele,'  bie  junäc^ft  bie  (Sefü^Utoelt  auf  angenel^me  SBeife  beeinfluffen.  — 
^ier^er  gel^ört  junäd^ft  ber  (Sef  an  g,  ber  ftd^  feinerfeit«  toieber  ju  anbem  2lrten  be«S)3iel«  i5 
^injujugefeßen  pflegt,  tüie  in  d^arafteriftifc^er  SBeife  ber2lu«brud  „bie  Stimme  ber  ©>)ielen5 
ben"  (3ier  30, 19)  bezeugt.  35afe  "^^xad  ebenfo  gern  fang,  toie  e«  feine  ©efüble  gern  in 
l^rifc^er  ^ßoefte  au«brü(fte,  befagen  bie  ©teUen  ßj  15,  20 f.;  3li  11,  34;  1  ©a  16, 16ff.; 
3ef  5,  12;  2lm  6,  5 ;  ©i  40,  21.  ^ntoielüeit  femer  bie  Hebräer  gu  ben  SBol^^Ilauten  ber 
^enfc^enftimme  auc^  bie  leidste  ^anb^abung,  b.  ^.  ba«  ©l)ielen,  ber  mufifalifc^en  3"-  20 
ftrumente  gefügt  M,  barüber  fte^e  ben  3trt.  „SJlufif"  in  Sb  XIII  ©.  585  ff.  SCro^bem 
mar  e«  getuagt,  ba«  ^ol^elieb  al«  ben  Xe|t  einer  Dperette  ju  bel^anbeln,  h)ie  e«  auc^ 
gefc^e^en  ift  (togl.  §erber  in  feinen  SBerlen  jur  SReligion  u.  f.  h).  1827,  ieil  4,  ©.  81). 

3.  ©^iele,  bie  junäc^ft  benÄört)er  unb  toon  ba  au«  bie  2öinen«energie  befc^äftigen 
unb  üben.  —  $ier  mac^t  ba«  „^üj)fenbe  a:angen  ber  Äinber"  (§i21, 11)  ben  3tnfang,  20 
unb  baran  fd^liefet  fic^  „ber  3leigentang  ber  ©>)ielenben"  (ger  31,  4).  ©olc^e  unge^ 
tpöl^nlid^e,  nic^t  toirflic^  anftrengenbe,  mel^r  ober  Weniger  funftreic^e  Sehjegung  ber  Seine 
unb  güfee  liebten  bie  Hebräer  glei^  anbern  SSölIem  bei  ber  bantbar  feiemben  Sin« 
crlennung  be«  jä^rlic^en  9laturfegen«  ober  gefc^ic^tlic^er  ßrfolge  ber  Station  ober  >)erföns 
liefen  ®lüie« :  ^ef  9,  2 ;  SRi  21,  21  f. ;  1  ©a  18,  6f. ;  5Pf  30, 12  2C. ;  2  3KaI  4,  14 :  ao 
XO}Qt]yiat  c^orifd^er  3lufjug,  Voofür  in  SS.  16  auc^  dycoyi^  unb  in  gütiger«  Überfefeung 
beibe  2Kale  „©t)iel"  ftel^t;  3Rt  14,  6;  2c  15,  25.  2)urc^  fold^e«  ^^SCanjen  unter  ©aiten^ 
\pk\  unb  ©efang"  foBte  toa^rfc^einlic^  auc^  ©imfon  feine  geinbe  ergoßen  (SRi  16,25; 
e.  Sert^eau,  35a«  33uc^  ber  aiic^ter  erflärt,  j.  ©t.;  S.  ©iegfrieb  in  ®ut^e«  ÄSffi.  s.  v. 
„©biel":  ipnt  9lil6,  25f.  „im  ©inne  toon  tanken,  fc^erjen").  SBenn  aber  biefer  ^elbsö 
audp  nic^t  fic^  l)att^  angelegen  fein  laffen,  feine  ©d^enfel  im  a:anjen  ju  üben,  fo  l^atte 
er  boc^  jebenfall«  bem  SBJettlauf  gel^ulbigt.  2)enn  bie  3lu«brua«h)eife  „gleidp  einem 
§elb  ben  SBeg  (b.  ^.  bie  SRennbal^n)  ^u  burd^laufen"  toar  fo  gebräuc^lici[>,  bafe  jie  auc^ 
auf  bie  ©onne  angetoenbet  tourbe  (5}j  19,  6).  gebenfatt«  toirb  auc^  bonSaul,  gonat^an 
unb  Slfal^el  berichtet,  bafe  fie  an  ©e^ncHigfeit  ber  güfee  bie  2ötoen  unb  ©ajeuen  über-  40 
trafen  (2  ©a  1,23;  2,  18).  Slber  auc^  älrm  unb  $anb  tourben  minbeften«  im  Sali« 
flpiiel  geübt,  ba  in  gef  22, 18  ber  Saß  ertoäl^nt  ift.  Dh  berfelbe  ^^'i,  ober  '^'^^5  ge^ 
^eifeen  i/ai,  fann  ^hjeifcl^aft  fein.  35ie  gorm  '^'i'^?  ift  aber  fc^on  in  ber  3Kifc^na  (Kdim 
23,  1)  angenommen  unb  lann  boc^  too^l  nid^t  au«  SSerirrung  be«  ©>)rad^beh)ufetfein« 
abgeleitet  Voerben.  3^^^"föß^  ^«t  ftcb  aud^  fc^on  35aü.  Äimd^i  in  f.  Söurjelbuc^  s.  v.  ba^  45 
für  entfc^ieben,  bafe  kaddür  auf  ^rotoenjalifc^  pile  l^eifee.  Sgl.  aff^r.  kudüru,  unb 
"^^12  h)irb  auc^  toon  Sroton-Dritoer^Srigg«  im  ^ebr.^Cgngl.  2ej.,  p.  462  fohjie  öon  ©ef.s 
33ul^l  1905  s.  V.  anerlannt.  Slafc^i  femer  ^at  in  feiner  Semerhing  ju  3^]  22, 18  fein 
Sebenfen  getragm,  in  biefer  ©teßc  eine  ßrtoäl^nung  be«  ©>)iel«  ju  pnbm,  bei  bem  man 
ben  33alI.„forth)irft  unb  Voieber  aufnimmt  toon  §anb  ju  §anb".  Säße  finb  ja  auc^  60 
bei  ben  3lg)9j)tem  (SBilfinfon  II,  ©.  432)  gefunben  toorben,  unb  auc^  fd^on  bei  ben 
^omerifd^en  ©riechen  tourbe  mit  bem  Saß  gefi)ielt  (Suc^^olj  a.  a.  0.).  SBic  beim  SKerfen 
be«  SaBe«  tourben  3(rm,  c^anb  unb  3luge  bejd^äftigt,  hjenn  ber  5ßfeil  nac^  bem  ^'x^l 
gefc^ offen  tourbe  (l©a  20,20;  $i  16  12;  Älagel.  3,  12).  2)a«  ganje  SKu«fel= 
tocrl  aber  fanb  Unterl^altung  unb  ©tä^lung  burc^  ba«  ©teinl^eben,  ba«  in  ©ac^  öö 
12, 3  ertoä^nt  unb  nod^  bon  ^ieron^mu«  g.  ©t.  au«  eigener  3lnfc^auung  fo  bc= 
fc^rieben  toorben  ift:  ,,Mos  est  in  urbibus  Palaestinae  et  usque  hodie  per 
omnem  Judaeam  vetus  consuetudo  servatur,  ut  in  viculis,  oppidis  et 
castellis  rotundi  ponantur  lapides  gravissimi  ponderis,  ad  quos  iuvenes 
exercere  se   soleant   et  eos  pro   varletate   virium  sublevare,   alii  usque  ad  60 


636  @)ite(e  bei  beit  ^fbrftont  (Bpitlt,  grifUt^^e 

genua,  alii  usque  ad  umbilicum,  alii  ad  humeros  et  caput,  nonnulli  super 
verticem,  rectis  iunctisque  manibus,  magnitudinem  virium  demonstrantes 
pondus  extollant.  In  arce  Atheniensium  iuxta  simulacrum  Minervae  vidi 
sphaeram  aeneam  gravissimi  ponderis,  quam  ego  pro  imbecillitate  corpusculi 
6  movere  vix  potui.  Quum  autem  quaererem,  quidnam  sibi  vellet,  responsum 
est  ab  urbis  eius  cultoribus,  athletarum  in  iUa  massa  fortitudinem  comprobari 
nee  prius  ad  agonem  quemquam  descendere,  quam  ex  levatione  ponderis 
sciatur,  quis  cui  debeat  comparari."  Übrigene  bte  ©ittc  be^  Stcinfio|cns  hat 
auc^  6.  t)on  OrcIIi  neucrbing«  in  ^ßaläftina  beobad^tet  (»gl.   fein  Suc^   „^uxd)§  bciligc 

lofianb",  S.  291).  Obgleid^  aberbemnad^  bie  Hebräer  in  mannigfachen  Iör^>erlic^en  Spielen 
(abgefe^en  üon  ben  nic^t  birelt  l^ier^ergel^örigen  SBaffenübungen  im  griebcn  unb  im  Äriege, 
togl.  2  Sa  2,  14)  Unterl^altung  fachten,  fo  erl^obcn  fte  bod^  energifc^en  ^ßroteft,  al^  bic 
(ä^riec^enfreunbe,  ^aut)tfäc^Iic^  ber  §ol^e})riefter  ^a\on,  in  gerufalem  ein  yv^vdoiov  er^ 
bauten  unb  manche  $riefter    eonevdov   fxsxix^iv  xrjg  h  TiaXaloTgq   Ttagavouov  x^' 

16  Qtjyiag  juetä  trjv  tov  diaxov  TtQÖxXrjaiv  (1  5Waf  1,  14;  2  3)taf  4,  9 — 15).  3)ie  ^cto^ 
bianer  ^aben  freiließ  bann  im  ^eiligen  Sanbe,  junäc^ft  gu  ^erufalem  unb  S^J'P^/  ^^" 
^EaxQoVf  ein  äjLKpi&iargov  u.  f.  h).  erbaut,  unb  über  §erobeg  I.  toirb  berichtet,  baB  et 
ov  juövov  Toig  Tzegi  rag  yvjuvixdg  äoHrjöeig,  äUa  xal  röig  h  rfj  fxovoixfj  diayevo- 
juevoig  ngoexi^ei   jueyiata    vixrjtmia   (3ofe})bu«,    Antiqu.    XV*  8,1;    9,6;    XVI, 

20  5, 1  u.  f.  h).).  2lber  in^befonbere  bie  ©Iabiatorenft)ieIe  tüurben  l^eftig  \>on  ben  3"ben 
öertDorfen.  darauf  toeift  auc^  folgenbe«  SBortf))ieI  au«  Pesik  (ed.  Subcr,  fol.  191**) 
l^in,  h)0  gemal^nt  h)irb:  „Oel^öre  gu  ben  Beobachtern  unb  nid^t  )u  ben  ®cfd^uten" 
(Speetati).  9Jämlid^  ein  ©labiator  belam,  toenn  er  bei  feinem  erften^  auftreten  jiegreic^ 
toar,  atö  ß^^S"*^  ^"  Heine«  S^äfelc^en  mit  ber  Sluffc^rift  Speetatus.  (Übrigen«  tüenigften^ 

25  „ber  toeifee  Stein"  in  Offenb.  2,  17  l^ängt  toa^rfd^einlic^  Dielmel^r  mit  tleinen  Steinen 
ber  Erinnerung  an  ein  religiöfe«  ßrlebni«  gufammen,  bie  bie  2luffc^rift  spectat  numen 
getragen  l^aben,  tüte  3H.  SB.  JRamfat;  in  The  Expository  Times  1905,  p.  559  f.  au^ 
einanbergefefet  f)at)  ^m  31%  ertüäl^nt  ^aulu«  ba«  orddiov  be«  SBettläufer«  unb  bait 
ben  forint^ifd^en  greunben  ber  iftl^mifc^en  S>)iele  toor,  bafe  bie  (S^riften  gleich  il^m  um 

30  ben  unvergänglichen  @]^renj)rei«  (ßgaßeiov)  ober  Siege«hang  (pTi(pavog)  ringen  müjfen 
(1  ^0  9,  24-27;  togl.  WI  3,  12 ;  Äol  2,  18;  2  SCi  2,  5;  ga  1,  12;  Dffenb.  2,  10). 
5Pau(u«  felbft  l^at  aber  nid^t  mit  ben  Silben  Vieren  fämpfen  muffen,  fonbem  fagt  in 
1  Äo  15,  32  nur,  bafe  er  auf  SHenfc^cnhDcife  =  in  mcnfc^Iid^en  Ser^ältniffen,  b.  b.  mit 
menfd^Iid^en  SBibertoärtigfeiten  unb  Oegnem  gleid^hjie  mit  Seftien  geftritten  habe.    3.^gl. 

35  barüber  namentlich  3Rai  Ärenfel«  Sluffa^  „3)ie  ^gio/naxia  be«  21}).  ^aulu«"  in  §ilgen= 
f^Ib«  S^%1)  (1866),  S.  368  ff.  db.  mniq. 

^pxtU,  griftltc^e.  —  Qm  folgenben  loieber^ole  id)  in  gebrönfltev  Jorm  bie  drgcbniijc 
ber  Unterfuc^ungen,  bie  id)  in  meiner  „(§)efd)i4te  be«  neueren  5)rama§''  (©b  1 :  3RilteIaIler 
unb  grü^renaiffance,   ^alle  1893,    S3b  II  unb  III :  SRenaiffance  unb  ^Reformation  ebb.  \9(r2, 

40  1903)  niebergclegt  l^abe.  3)ort  ift  aucfi  bie  cinfcl)lftgige  ©pesiallittcratur  citiert.  2)o(^  feien 
cinic^e  ber  bort  citierten  unb  ber  injtt)ifd)en  erfd)ienenen  3Berfe  ^ier  nodj  au§brüc!li(f)  erttJQ^nt: 
e.  k.  at)amber^,  The  mediaeval  8tage  (Oiforb  1903,  2  58bc,  mit  üortrefflic^  gearbeiteter  aü= 
gemeiner  Bibliographie,  wie  aucf)  G^vonologie  bc§  englif^en  ^ramaS);  ferner:  3)u  SK^ril, 
Origines  latines  du  th^atre  moderne  ($ari§  1849);     Souffemafer,    Drames    liturgiqaes  du 

45  moyen  dge  (SRenne§  1860);  fi.  ©autier,  Histoire  de  la  poesie  liturgique  aumoyen  Äge.  Les 
tropes  I  (qjari^  1886);  6epet,  Les  Prophötes  du  Christ  («ßariS  1878.  baS  grunblei]enbe 
3Serf  über  bie^ropftetenfpiele);  berf.,  Origines  catholiques  du  th^atre  moderne  (?ßariö  1901); 
©.  ^el)er,  Fragmenta  burana  (53erlin  1901);  ^Inj,  3)ie  Iateinijd)en  3Kagierfpic(c  {Mm 
1905,  fonnte  l^ier  nid)t  meör  benu^t  merben).    gär  granfreid^   ift  ba8  ^ouptroerf:    $ctit  be 

50  3ufleüiae,  Les  mystßres  (^ari§  1888,  2  53be);  ferner:  fiintil&ac,  Le  th^atre  s^rieiix  du 
moyen  ägc  (^ari^  1905,  eine  grünblid)  unb  gefdimadCooII  gearbeitete  llebcrfidit  mit  groben). 
S'ür  Italien  IU3I.  b'9Incona,  Origini  del  t^atro  italiano,  seconda  edizione  (2^urin  1891,  2^k). 
3ür  bie  9iiebevlanbe:  5öorp,  Geschiedenis  van  het  drama  en  van  het  tooneel  in  Neder- 
land  ($3b  I,  Wroninc^en  1904).  Jür  3)eutfd)lQnb :  C)cin5el,  SBeftiöreibung  bcS  9ciftlid)cn  8djau: 

55  fpielö  im  beutfdjen  ^Mittelalter  (.^amburc^  unb  ^eip^ig  1898,  ftUiftifc^c  Xetailunterfucöunflcn). 
3:ejtfQmmIunflen  qu^  neuerer  3eit:  '2)a§  2)rama  be«<  gjiittelalter^,  ^^erauög.  0.  groning  IM 
bi^^  III  (5)cut{c^e  g^itionallitteratur  S3b  14,  ©tnttcjort  1891);  ^Itbcutfcfte  ^afllonöfpielc  aus 
:2:iroI,  mit  9(b[)anblungen  f)erau^n.  non  ^Sacfernefl  (©raj  1897).  (VJrunbIcgenbe§  3BerI  über 
bie  ^ütentftnje:   ©eelniann,  ^ie  totentftnje  beö  ^Mittelalter^  (9?orben  1893).     Ueber  bie  ^t- 

60  ^ieftungen  ber  'iDMi)fterien  5ur  bilbenben  Äunft  oeröffentlidite  93?AIe  eine  9lci^e  von  51rtifcln  in 
ber  Gazetto  des  beaux  art'^  1904,  53b  II.  ^onograp()ien  jur  ®efd)id)te  be§  Sefuitenbramn^ 
lieferten  53oi)fie,  Siein^arbftöttner,  S^i^^cr,  5)ürrtoäc^ter  u.  a.  (ogl.  aud^  ^ilen,  ©cfc^i^te  bf4 


^pidt,  gftfiltciie  637 

3Biencr  X^coteilucfehS,  SBicn  1901  gol.),  bodö  gicbt  c8  nocft  feine  Befriebigenbe  ©cfamtbars 
fteöuna.  ©ertüollc  9Mcf)ricftten  jur  ®cfcfti(^tc  be^  gorticbcn«  beS  gciftlic^cn  3)rQmQd  im 
fatl&olifrfien  6üben  bei  ©c^iffmann,  ®c[d)i^te  beS  ^bcaterS  in  Deftcacicö  ob  ber  dnn^,  Sinj 
1905.  §luö  ber  reirfi^altigen  Oberammcrgau=2itteratur  crnjä^nc  id)  irautmann,  DberammerflQu 
unb  fein  ^affiongfpiel  (Säomberfl  1890).  3u  bcn  frül^ercn  ^Bei^na^t^fpieljanimlungen  uon  5 
^eint)oIb,  ^aiHcr  u.  q.  ift  je^t  |injuge!ommen :  5Sogt,  3)ie  fc^Icfifc^cn  ^Bcil^nadjtSfpiefe  (fieipjig 
1901,  mit  ausführlicher  litterar^iftorifd^er  ©inteitung).  3"^  S3ibIiograpt)ie  ber  SBei^nQd)t§= 
fpiele  ögl.  »oltc  in  ben  „^«rfifc^en  gorfc^ungen"  18,  @.  211  ff.  SBibtiograp^if^.-fritifcfte 
Ueberfid^ten  über  bie  neue  garfjlitterotur  finbet  mon:  für  3)eutf^lQnb  in  ben  ,,3a5re§berid)ten 
für  neuere  beutfcl)e  fiitteraturgefcftic^te",  ^erauSg.  Don  (StiaS;  für  bie  germonifd^cn  ßänber  lo 
überhaupt,  mit  ©infc^lufe  Don  (Snglanb  in  bem  „3Q^reSberid)t  über  bie  ^rfc^einungen  auf 
bem  Gebiete  ber  germanijd^en  ^öilologie",  ^erauSg.  D.  b.  ®efenfcf)aft  f.  beutfd^e  ^^ilologic  in 
93erlin;  für  bie  romanijt^en  ßänber  in  bem  „Äritifcften  So^i^eSberic^t  über  bie  gortfrfiritte 
ber  romanifc^en  ^^ilologie",  l^erauög.  Don  SSoHmöDer.  SBgl.  andj  ben  ?lrt.  „X^eater"  Don 
®.  ©fiumfer  im  Äat^ol.  ^irdjenleiifon  S9b  XI,  1455 ff.;  ©ifora,  3)a8  SSerbot  ber  53oItS=  i5 
fcf)aufpiele  (1751)  unb  feine  golgen  (gorfc^ungen  unb  ^Jlitteilungen  jur  ®efd^irf)te  S^irolS  unb 
SSorarlbergg  II,  199  ff.). 

S)ic  geiftli(|en  ©c^auf>)tele  J^öngen  in  il^x^n  2lnfängen  mit  bem  fird^Kd^en  ©otte«* 
bicnft  auf^  engfte  jufammen.  2)cnn  bie  lirdblic^en  ©cfänge  entl^ielten  fd^on  feit  ben 
erften  S^^J^^unberten  infofem  einen  bramatifd^en  Äeim,  aU  bei  manchen  Slnläffen  eine  20 
2)eilung  be^  ©ängerd^or«  injtoei  ^albc^ijre  ftattfanb  ober  anö^  bag  SSoII  im  SBec^fet 
gefang  auf  ben  ©efang  bcö  Äleru«  antwortete.  2)od^  l^aben  toir  erft  feit  bem  10.  '^a^x^ 
^unbert  95eifj)iele  bafür,  bafe  mit  bem  SBec^felgcfang  eine  2lrt  üon  t^eatralifc^er  Slftion 
Derbunben  tourbe.  ©eit  biefer  3^*  ^<^"^  immer  me^r  bie  ©itte  auf,  bie  3:ejte  ber  ®es 
fange  burd^  3!ro>)en  ju  erlüeitem.  2)ie  äftefte  ©ammlung  folc^er  %xopm,  bie  au«  ©t.  25 
©afien  ftammt  unb  m  bie3rit  um  900  jurüdEreid^t,  entl^ält  einen  3!ro^ug,  ber  amOfter« 
morgen  in  bem  erften  Seil  ber  SKeffe,  bem  gntroitu^,  eingefd^oben  tourbe  unb  folgenbcr= 
magen  lautet:  Quem  quaeritis in  sepulchro,  oChristicolae? —  Jesum Nazarenum 
crucifixum,  o  coelicolae.  —  Non  est  hie;  surrexit,  sicut  praedixerat.  Ite  nun- 
tiate,  quia  surrexit  de  sepulchro.  —  ßinen  eigentlich  bramatifd^en  ß^arafter  erhielt  30 
biefer  SBec^felgefang  baburc^,  bafe  er  mit  ber  ßeremonie  ber  Äreuje^beftattung  in  SBer* 
binbung  gebracht  Vourbe.  6«  toar  nämlic^  in  manchen  Älöftem  ©itte,  beim  ßarfreitaggs 
gotte^bienft  bor  bem  2lltar  ein  Äreuj  aufzurichten  unb  bie^  Äreuj  in  ein  ©tüdE  3^9  ^^^' 
gebüßt  nad^  beenbigtem  ©otte^bienft  an  einem  Ort  neben  bem  2lltar  niÄerjulegen,  ber 
ba^  l^eilige  ®rab  bebeuten  fotite  unb  mol^t  aud^  bementf>)red^enb  hergerichtet  toar.  3"  ber  36 
9lac^t  öorDftem  Vourbe  biefe^Ärem  toieber  toeggebrac^t,  unb  toäl^renb  be^  Oottcöbienfte^, 
ber  Ij^ierauf  begann,  Ilcibete  ein  Äiofterbruber  ftd[>  in  eine  2llba  unb  Hefe  fid^  mit  einem 
^almjvoeig  beim  Orabe  nieber.  2)ann  famen  brei  anbere  Srüber  in  5la^3ujenmänteln  mit 
äBeil^^rauc^fäffem  in  ber  §anb,  langfam,  mit  ©eberben,  aU  ob  fie  etvoa^  fuc^ten,  in  bie 
9Jäj^e  bcö  ©rabe«.  Unb  nun  tourbe  öon  bem  35arfteIIer  be«  Sngel«  unb  ben  ä)arfteHem  ber  40 
brei  ?f rauen  ber  SBec^felgefang  anaeftimmt.  SBann  unb  \üo  juerft  eine  f old^e  t^eatralifc^e 
3?erli)r})erung  beö  ©t.  ©aßer  2Bec|felgefang«  ftattfanb,  läfet  fid^  nic^t  angeben.  35ie  obige 
©c^ilberung  berul^t  auf  bem  Liber  consuetudinum,  einer  SJorfc^rift  für  bie  Drbnung  be« 
©otteöbienfte«  in  ben  englifcj^en  Älöftem,  bie  a\i^  ber  jVoeiten  ßälfte  be^  10.  3^^ 
l^unbertiS  ftammt,  äJ^nlic^e  ©c^ilberungen  l^aben  ftc^  titoa  an^  berfelben  Q^xt  auc^  anber« « 
tpärt«,  j.  33.  in  einem  Troparium  erl^alten,  baö  in  ber  fgl.  Sibliotlj^el  gu  Samberg 
aufbetoa^rt  toirb.  ?!Kit  ber  3luöbreitung  biefer  bramatifc^en  ©cene  ging  il^re  umänberunß 
unb  grloeiterung  $anb  in  $anb.  ©0  finben  toir  feit  bem  12.  gß^tl^unbert  eine  3uffl$fcene 
gtoifc^en  5Waria  SJagbalena  unb  ^^\\ii,  ber  alf 0  nun  ptxjönlxd^  auftritt  unb  mel^r  unb  mel^r 
al^  be^errfc^enber  ?WitteIt)unIt  ber  fir^lic^en  33ül5^ne  erfc^eint.  ©r  nal^t  fid^  in  glänjenben  50 
toeifeen  ©eVoänbern,  föftlic^  gefd^müctt,  bie  Äreuje^fal^ne  in  ber  $anb,  toö^renb  uRaria 
3Dlagbalena  ftc^  in  xl^xcm  ©c^merj  unb  il^rer  g^eube  lebenbiger  unb  leibenfc^aftlid^er  ge« 
berbet,  ate  bie^  urfjprüngtid^  im  ßl^arafter  ber  liturgifd^en  ©cene  lag.  gerner  belebte 
man  bie  ©cene  burc^  §»injufüaung  be«  SEBettlauf«  gtoifc^en  30^0««^  wnb  ^ßetruiS  unb 
aufeerbem  lourbe  nod^  ein  ©albenfrämer  (uDguentarius)  l^injugefügt,  ber  ben  grauen  66 
auf  bem  9Beg  jur  ©rabftätte  bie  SBeil^raud^fäffer  ober  ©albengef ä|e  übeneid^t,  eine  gigur, 
bie  im  hjeitercn  SSerlauf  ber  ßnttoidfelung  immer  me^r  einen  grote^fcfomifqen  ßl^aralter 
annal^m. 

ßbenfo  "^ai  ftd^  aud^  im  2öcil^nac^t«gotte^bienft  au^  bem  SBed^felgefang   ein   fleincö 
35rama  entvoidfelt.    §ier  fnüt)ft  bie  (gntvoidtelung  an  einem  3:ro>)u«  an,  ber  un«  juerft  eo 
in  jtoei  a:ro>)arien  be«  11.  S^i^'^^wKt^^^  begegnet,  bog  eine  ftammt  an^  ©t  ?lKartiali« 


638  Solide,  gripnc^e 

m2imo0C«,  ba«  anberc,  Don  unbclannter  ^crfunft,  bepnbet  ftd^  je^t  tnDjforb.  ®enn  toir 
ben  3lnfan0  biefe^  2)ro>)u^  betrachten :  Quem  quaeritis  in  praesepe,  pastores,  dicite!  — 
Salvatorem  Christum  Dominum,  infantem  pannis  involutum  etc.  — ,  fo  ftnb  tptr 
jur  ännal^me  bered^tigt,   bafe  bem  33erfaj|er  be^  2öei^nacl^t«tro})ug  ber  Cftertro^u^  bor- 

6  fd^toebte,  benn  bei  biefem  allein  beruht  ber  2)ialo8  auf  bem  lejt  be^  ©öangelium^.  3"^ 
Troparium  öon  Djf orb  hjirb  öorgefd^rieben,  bie  ^^age  foBe  öon  jhjet  35iaIonen  gefangen 
ioerben,  bie  in  Voeite  ®eh)änber  (2)almatifen)  gefleibet,  l^inter  bem  2lltare  fte^en,  bie  ^nU 
tooxt  bon  gVpei  ©ängern  im  6^or.  35urc^  bie  toeiten  ©etüänber  follten  bie  3!)iatonc 
offenbar  old  ^auen  q^araherifiert  Vperben  unb  ^tvax  aU  bie  beiben  Hebammen,  bie  nac^ 

10  bem  a)polxtfpl)cn  ^rotetoangelium  ^alobi  ber  ©otteömutter  jur  ©eite  ftanben.  ä^nli(^ 
bramatifc^e  Söed^felgefänge  finben  lüir  an  anbem  g^^t^Ö^  ^^  SBeil^nac^t^geit ;  am  lag 
ber  Unfc^ulbigen  ftinber  tourbe  ein  SBec^felgefang  aufgeführt  jtoif^en  ber  tlagenben  Sa^I 
unb  einem  ßngel,  ber  fie  tröftet,  am  2)reilöniggtag  famen  brei  Oeiftlid^e,  al^  ftönige  ge^ 
fleibet,  bon  brei  ©eiten  ber  Äir^e  einl^erfd^reitenb  am  Stltar  jufammen  unb  ^ogen  bann 

15  vereint,  inbem  il^nen  ber  ©tern  an  einem  ©tri*  boranfd^hjebte,  in  feierlichem  3u9«  h^"^ 
Rxipp^,  Wo  fie,  ebenfo  toie  bie  §irten  am  SBeil^nac^tiStag  Don  jtoei  ^rieftem  in  ®alma= 
tifen  em>)fangen  tpurben.  9Jaci^bem  fie  il^re  @aben  bargebrac^t  |^aben,  ermahnt  fie  ein 
ßngel  —  ein  toeifegefleibeter  Änabe,  auf  bem  9lücfh>eg  bem  Äönig  §erobe^  au^juh?ei(^en 
unb  fie  jiel^en  burc^  ba«  ©eitenfc^iff  an^  ber  Äird^e.    5Kanc^mal  tourbe  aucb  noc^  bor- 

JS)  geftellt,  toie  bie  Äönige  auf  bem  2öeg  nad^  SetJ^lelj^em  öor  $erobe^  gebracht  unb  öon 
biefem  angefragt  Serben,  unb  nun  lag  e^  auc^  na^e,  bie  ®reignif[e  be«  SBäci^nac^t^tag^, 
be^  3)reiIönigiStag«  unb  be^  3!ag«  ber  unfd^ulbigen  Äinber  in  einer  gufammenfaffenben 
2)arftellung  ^u  bereinigen.  SSor  allem  aber  tourbe  burd^  $erobe^  baiS  böfe  ^rimii)  unb 
bamit  ba^  eigentliche  bramatifc^e  Seben  in  bie  urf))rünglid^e  ^orm  be^  c^riftßc^en  ^rama^ 

25  eingefül^rt. 

2)aneben  enttoidelte  ftd^  eine  anbere  bramatifd^e  gorm  aug  einer  ^rebigt,  bie  bem 
^eiligen  2luguftinug  iugefd&rieben  Vourbe  unb  bie  ju  ben  Seitionen  gel^örte,  toeld^e  beim 
SBei^nad^t^otte^bienft  gum  33ortrag  lamen.  Diefe  ^rebigt  ift  gegen  bie  3uben  gerichtet, 
bie  tro|  ben  Haren  äuöfagen  il^rer  eignen  ^rot)^eten  fic^  hjeigem,  3efum  ate  ben  3Reffia^ 

30  anjuerfennen.  2)er  5ßrebiger  ruft  mit  bramatifc^er  Sebenbigfeit  bie  einzelnen  3^wgen  auf: 
„S^föiö^,  lege  3^"Ö"^^  ^^n  ßj^riftu«  ab"  u.  f.  h).  unb  läfet  fobann  i^rc  Slu^fagen  folgen, 
nac^  ben  ^ro})^eten  citiert  er  noc^  SJirgil  toegen  ber  angeblichen  ^ro^jj^ejeiung  auf 
6](;riftuö  in  ber  vierten  ßf löge,  femer  9JebuIabne5ar  unb  bieSib^ße.  ©c^on  im  11.3abr- 
^unbert  finben  toir  biefe  5Prebigt  in  einem  gereimten  Söec^felgefang  überfe^t,  ber  iociterc 

35  ©c^ritt,  bie  einzelnen  3^0<^"  entf^rec^enb  au^juftaffieren,  toar  balb  getl^an  unb  toenn 
j.  S.  in  biefer  Sleil^e  Dorgefül^rt  Voirb,  h)ie  bem  Sileom,  ber  auf  einer  (Sfelin  reitet,  crft 
}füÄ  33oten  be^  Äönig«  33alac^,  unb  bann  ein  S^ngling,  ate  @ngel  gefleibet  entgegentreten, 
fo  ^eigt  ftc^  barin  fc^on  bie  2)enbenj,  baiS  3luftreten  ber  einzelnen  ^^ro^^eten  gu  befon- 
beren  Keinen  2)ramen  auiSjugeftalten.  Die  bramatifc^e  SSorfül^rung  biefer  Steige  Don  3^0^ 

40  foHte  offenbar  ben  (Sebanfen  beranfd^aulic^en,  ba^  bie  ganje  üorc^riftlid^c  SEBeltgefc^i^tc 
eine  Vorbereitung  auf  bie  ©rfc^einung  beö  §eilanb«  fei. 

aSon  geringerer  Sebeutung  für  bie  toeitere  ßntlüicJEelung  ftnb  bie  bramatifd^en  änfä^e 
im  ©otteöbienft  De«  %aQ^  toon  5Kariä  3?erfünbigung,  be«  Cftermontag«  (®ang  mdi 
6mau«),  unb  be«  ^immelfal^rtötag«;  bei  ben  Dramatif^en  SJarfteßungen,  bie  ftc^  auf  bie 

45  legten  3)inge  bejie^en,  3.  S.  bon  ben  Ilugen  imb  tl^örid^ten  ^i^^öf^^wen,  bcftanb  njoW 
urf^jrünglic^  ein  3wfammenl)ang  mit  ber  3Serlefung  beö  ßüangelium«  toom  jüngften  Sage, 
bie  am  legten  ©onntag  be«  Äirc^enjal^re«  ftattfinbet. 

9Benn  2)icf?tungen  h)ie  ber  §elianb  unb  Otfribg  6toangelien](;armonie  au«  ber  Sen- 
ben^  ^erborgegangen  finb,  bie  h)eitlic^=^eibnifc^e  et)ifc^e  3)ic^tung  burc^   eine  c^riftlic^e  p 

50  toerbrängcn,  fo  l;at  tool^l  aud^  bei  ben  geiftlic^en  ©(^aufteßungen  bie  ienbenj  mitgetoirtt, 
ben  h)eltlic^=l;eibnifd^en  älufjügen,  ©fielen  unb  3Jlummereien  entgegenzutreten  unb  ber 
©d^auluft  be«  3SoliEe«  eine  neue  Sefricbigung  im  ©inne  ber  Äir^e  gu  getoä^ren.  liefe 
lebcnbigen  33ilber  erfüßten  in  erl^öl^tem  3Ka|e  ben  3*^^*/  ^^"  "^^"  ^^^  ^^^  ©emälbcn 
in  ber  Äirc^e  berbanb.    3Kan  fönnte  biefe  Vorführungen  ate  eine  2lrt  t)on  Slnfc^uung^- 

55  unterrid^t  bejeid^nen ;  baö  35olf,  be^S  Sateinifd^en  unf unbig,  fa^te  mit  bem  2luge  auf,  tw^ 
il^m  mit  bem  ®el)örrmn  unzugänglich  toar,  unb  ber  nait)e  3wfc^öuer  toar  geneigt,  bie 
leibhaftige  3!)arftcllung  ber  Gegebenheiten  alö  einen  Setoei«  für  il^re  SBirflic^feit  ju  be- 
trad^ten.  S)aburc^  toirb  au^  ba«©treben  t)erftänblic^,  bie  ganje  Gegebenheit  anfo^aulicfc 
Dorjufübrcn,  auc^  Joenn  fie  fic^  an  berfc^iebenen  Orten  nad^-  unb  nebeneinanber  jugetragen 

col^attc;  ba«  @t;ftem  be«  antifen  3:l^eater«,  h)o  ein  fo  großer  3:eil  ber$anblung  l^inter  bie 


epiüt,  getfUtctf  639 

©cene  bericgt  unb  burc^  Sotcnberid^te  mitgeteilt  h)itb,  lonnte  man  l^ier  nid^t  brauchen. 
©0  erflärt  ftd^  fd^on  au«  btcfen  anfangen  ein  $aiH3tunterJc^ieb  ^tüifd^en  bem  Ilafjtfdben 
unb  bem  romantifc^en  ©til  be^  3)rama^.  2)ie  fe^^  Äomöbien  geiftlic^en  gnl^altg,  toeld^e 
bie  5Jonne  ^rotfuit^a  ettoa  gleichzeitig  mit  ben  2lnfängen  be«  liturgifd^en  3)rama«  ate 
©egenftüde  gu  ben  fec^g  Äomöbien  be^  2)erenj  betfa^te,  fmb  blofec  Sejebramen  unb  l^aben  5 
auf  bie  toeitere  ßnttoidelung  nid^t  eingehjirlt. 

5Wtt  ber  attmäbüd^jen  ©rtoeiterung  ber  %t)^t  tourbe  natürlid^  aud^  bie  bid^terifd^e 
Ü^ätigleit  allmäl^ltc^  eine  immer  felbftftänbigere.  ®ie  ältcften  lejte  finb  burc^  mofaifc 
artige  gwfammenfügung  bon  ©ä|en  an^  ©öangelien  unb  lirc^lic^en  Oefängen  entftanben, 
bann  tüurben  aud^  neue©ä^e  in'ilJrofa  unb  SSerfen  l^injugebic^tet.  ©inegrit  lang  finben  10 
h)ir,  befonber«  in  ben  a)retfönig«f>)ielen,  eine  Steigung  ^ur  Slntoenbung  be«  flaffifd^en 
^ejameter^,  boc^  bel^ölt  bie  immer  fc^öner  unb  reicher  emjjorblül^enbe  lateinifc^c  Sleim« 
pocfte  baiS  Übergewicht.  Unb  unter  ben  Älerifem,  in  beren  Äreife  ftd^  im  12.  ^a\)X' 
^unbert  bie  flangtootle  S5aganten})oefie  enttoidelte,  jeigt  fic^  ba«  Seftreben,  nic^t  nur  bie 
^ormenfütle,  fonbern  au^  bie  ©innlid^feit  unb  SBeltfreubigleit  biefer  ^oefie  auf  ba«  is 
geiftlic^e  ©rama  l^inübertoirlen  ju  laffen.  Seionber«  gtänjenb  entfaltet  ftc^  bie  formen« 
fc^önl^eit  ber  lateinifc^en  Sll^V^l^w^en  in  bem  H5ro>)^etenf>)iel  Daniel,  beflen  Serfaffer  §ilas 
riug,  ein  ©c^üIer  3tbälarbg  bie  erfte  beftimmbare  ^erf önlid^f eit  in  ber  ©efc^ic^te  be^  geift« 
liefen  Drama«  ift.  3"  ä^nlid^em  ©til  ift  ein  2)rama  öom  Slntid^rift  gehalten,  ba«  um 
1060  Derfafet  unb  in  einer  au«  bem  Älofter  3!egemfec  ftammenben  ^anbfc^rift  überliefert  20 
ift.  $icr  ift  ber  ©c^ai4)la$  gu  einem  Slbbilb  be«  ganjen  ßrbheife«  erweitert ;  bie  Söei«* 
fagung  Don  einem  Äönig,  ber  öor  bem  ßrfd^einen  be«  2tntid^rift  noc^  einmal  ba«  ganje 
römifd^e  Äaifenetc^  unter  feiner  ^errfc^aft  bereinigen  toerbe,  giebt  bem  35iAter  Slnlap, 
fic^  im  JHabmen  be«  geiftlic^en  ©c^aufjjiel«  aU  einen  SSertreter  ber  f ül^nen,  ^ocpgefteigerten 
Sbeen  griebric^  33arbarof[a«  bom  §errfc^crberuf  ber  beutfc^en  Äönige  gu  befennen;  bie  25 
©c^ilberung  be«  3lntid^rift  unb  ber  $^>)ofriten,  bie  fein  ©efolge  bilben,  benu^t  er  gu 
bo«^af ten  älnf})ielungen  auf  bie  Oegner  be«  Äaifer«  unb  befonber«  aud^  gegen  bie  >)ä^3ftlid9$ 
gefinnten  9Sorfäm})fer  ber  rigoriftifc^en  SReformtenbenjen  im  Älcru«.  9[u|erbem  ift  feit 
bem  12.  ^ölSirbunbert  in  ben  Dfterjt)ielen  bie  lenben^  erfennbar,  burd^  ßinbegie^ung  ber 
3Sorgefc^id(^te  i^r  ©toffgebiet  ju  erweitern;  ein  Dfterfpiel  in  einer  §anbfc|rift  au«  2:our«3o 
beginnt  bamit,  bafe  bie  Snben  toon  ^ilatu«  eine  Söac^e  für  ba«  @rab  ß^rifti  Verlangen ; 
in  ber  Senebiftbeurer  $anbfc^rift,  biefer  merltoürbigen  ©ammlung  bon  Sr^eugniffen  ber 
33agantent)oefte  (ca.  1225),  ift  ein  ©piel  erhalten,  ba«  mit  ber  Berufung  ber  3lj)oftel 
$etru«  unb  3lnbrea«  beginnt  unb  mit  ben  Serl^anblungen  j^toifd^en  ^ilatu«  unb  Sofe}?^ 
t)on  3lrimat^ia  toegcn  ber  ©rablegung  abbricht,  offenbar  ift  ber  3lbfc^nitt  bon  ba  bi«35 
5ur  Sluferfte^ung  au«gefaBen.  i£)ier  ^aben  toir  alfo  ba«  ältefte  bi«  je^t  befannte  Seif>)iel 
einer  bramatifc^en  SSorfül^rung  ber  ^Paffion,  biefc«  §auj)tgegenftanbe«  ber  mittelalterlid^en 
bramatifc^en  Äunft.  Denn  ba«  5Paffton«fl3iel  l)at  fic^  mc|>t  in  ber  3trt  au«  ber  Äar= 
freitag«liturgie  enthjidelt,  h)ic  ba«  Ofterf>)iet  au«  ber  Dfterliturgie.  Der  @mft  be«  Skxge« 
liefe  offenbar  eine  freie  (gntfaltung  be«  bramatifc^en  ©>)ieltrieb«  nid^t  auflommen,  toenn  40 
audS;  bie  im  12.  S^^^^wnbert  gebic^tete  ©equenj  ,,Planctu8  ante  nescia",  ein  ftlage« 
gefang,  Welcher  ber  93Jaria  in  ben  ^JKunb  gelegt  unb  \päUx  ju  einem  Söed^felgefang  jVoifc^en 
i^r  unb  3ö^«J"tte«  erweitert  mürbe,  in  ben  Äarfreitag«gotte«bienft  unb  au^  in  bie 
^affton«f>)iele  6ingang  fanb.  Diefer  Oefang  begegnet  un«  auc^  im  Senebiftbeurcr  ©Jjiel, 
ba«  im  übrigen  bie  $affion«gef^ic^te  fel^r  fummarifc^  belj^anbelt,  bagegen  bem  ®eifte  ber  45 
3?aganteiH)oefic  entf})rec^enb,  bei  ber  ©c^ilberung  be«  SBeltleben«  ber  SWaria  SWagbalena 
au«fül^rlic^  toerioeilt.  3"  ä^nlic^em  ©til  ift  ein  2öei^nac^t«brama  biefer  ^anbfc^rift  ge* 
galten,  ba«  bie  ^ro})^etenreil^e  unb  bie  ebangelifd^en  ©cenen  gufammenfafet.  hieben  ben 
biblifc^en  Dramen  f)abtn  toir  au«  bem  12.  ^ö^^f^unbert  aud^  ^eiligenbramen,  bie  jebod^ 
junäc^ft,  toie  e«  fc^eint,  für  bie  3tuffül^rung  im  intimeren  Äreife  ber  ©d^ulen  beftimmt  w 
Waren,  ©ie  be^iel^en  fic^  fämtlid^  auf  bie  fiegenbe  bom  finberfreunblic^en  ©t.  5litolau«, 
ber  al«  Patron  ber  jüngeren  ©d^üler  galt,  boA  l)Qbm  Wir  einen  93elei  bafür,  bafe  aud^ 
©t.  Äatl^arina,  bie  ^^Jatronin  ber  älteren  ©c^üler,  in  bramatifd^en  Sluffül^ngen  ge« 
feiert  Würbe. 

Dafe  auf  biefcm  @nttt)i(felung«gang  ba«  getftlic^e  Drama  fid^  bon  ben  urfj)rünglid^en,  66 
feierlid^^ernften  formen  fo  Weit  entfernt  l^atte,  Würbe  bon  manchen  ftrenger  ©eftnnten  al« 
ein  3)li|ftanb  em})funbcn.  ©c^on  im  12.3ial^t^unbert  laffen  fic^Älagen  biefer  Slrt  t)emel^men. 
Der  Stigorift  ©er^ol^  bon  9leic^cr«bcrg  bejeic^net  bie  spectacula  theatrica  gerabem  al« 
ein  2)eufel«Werf  unb  eine  SntWeil^ung  be«  ®otte«l^aufe«;  bie  Slbtiffin  ^enab  toon  !2anb«5 
berg  meint,  bafe  biefe  ©^iele  in  i^rer  urf))rünglid^en  ©eiftalt  löbliq  unb  nü^lic^  Waren,  60 


640  (S^itU,  gri|IUci|e 

bann  aber  in  S^^'^iöi^jn  unb  Slu^fc^hDcifung  entartet  feien.  Seibe  nel^men  offenbar  Stn- 
ftofe  baran,  bafe  bie  Oeiftlic^en  ftc^  nic^t  ntel^r  begnügten,  ben  ß^arafter  il^ret  Wollen 
ft^mboUfc^  anjubeuten:  fte  beflagen  fid^,  ba^  bie  2)arfteIIer  in  förmlichen  Semtummungen 
auftreten,  bafe  ©eiftlicpe  fic^  aU  Ärieger,  ate  ffleiber,  alg  "leufel  öerfleiben.  SBenn  §errab 

5  üon  Sanböberg  aufeerbem  auc^  über  ^offenreifeerei  flagt,  fo  feigen  Voir,  bafe  bamate  fc^on 
in  ben  geiftlic^en  S})ielen  eine  toeitere  toid^tige  SlbVoei^ung  beö  romantifd^en  toom  !laffi= 
fc^en  bramatifc^en  ©til,  bie  enge  SSerbinbung  be^  tragifd^en  unb  be«  fomifc^en  ©lemcnt^ 
^ert)ortrat.  3Jlitunter  loirb  auc^  bel^auj)tet,  bafe  burc^  berartige  Stugfc^reitungcn  bie  geift= 
liefen  Se^örben  üeranlafet  Voorben  feien,  bie  Sluffü^^rungen  in  ben  Äird^en  ju  »erbieten. 

10  3)o(^  f^einl  e^,  bafe  mit  ber  Decretalis  3""oceng'  III.  toon  1210,  bie  fxo)  gegen  bie 
ludi  theatrales  in  ben  Äirc^en  Voenbet,  fotoie  mit  äl^nlic^  (autenben  ©^nobalbefc^lüffen 
auiS  ben  f olgenben  3ölSlJ^5«l^nten  Weniger  bie  geiftlic^en  @pkk,  ate  toielmel^r  bie  3Kummereien 
unb  unvoürbigen  Sjjä^e  getroffen  Voerben  foUten,  beren  ©c^auj^fa^  bie  Äirc^e  öftere,  jumal 
in  ben  SiBeü^nad^tiSjeit  Voar.    2)afe  bieö  bie  ^errfd^enbe  Sluffaffung  loar,  ergtebt  fic|  aui 

16  ber  glossa  ordinaria  ju  ber  betreffenben  ©teile  in  ben  2)eh:etalen  ©regorö  (lib.  III, 
tit.  1,  cap.  12),  h)0  eö  l)t\it:  „Non  tarnen  hie  prohibetur  repraesentare  prae- 
sepe  Domini,  Herodem,  magos  et  qualiter  Rachel  ploravit  filios  suos  etc.  quae 
tangunt  festivitates  illas,  de  quibus  hie  fit  mentio,  eum  talia  ad  devotionem 
potius  indueant  homines,    quam  ad  laseiviam  et  voluptatem,   sieut  in  pascha 

20  sepulcrum  Domini  et  alia  repraesentantur  ad  devotionem  exeitandam."  kleben- 
falte  aber  toar  bie  Decretalis  fo  abgefaßt,  bafe  man  fte  auf  bie  tirc^Uc^en  Aufführungen 
anloenben  fonnte,  Voenn  ftc^  in  il^nen  ba«  Voeltlic^e  Slement  in  ungebül^rli(^er  aÖeife  breit 
machte,  unb  bied  mag  mit  baju  beigetragen  l^aben,  ba^  bie  ßnttoidelung  ber  geiftlic^ 
@})iele  me^r  unb   mel^r  au^  ber  Äird^e  in^  greie  l^inauiSbrängte,  Voo  manc^cö  ^rmlo^ 

25  erfd^einen  mufete,  loa«  in  ber  Äirc^e  änftofe  erregte. 

Seit  bem  12.  ^ö^tl^unbert  jeigen  ftc^  aud^  bie  erften  ©Jjuren  babon,  ba§  bie  SSoll^ 
fjjrac^en  in  baö  geiftlid^e  2)rama  einbrangen.  3"  S)cutfc^Ianb  gefd^a^  bie«  getoö^nlic^  in 
ber  ?form,  bafe  auf  einen  gefungenen  lateinif^en  ©a^  eine  $araj)l^rafe  in  gef^jrot^encn 
beutfc^en  Sleimberfen  folgte.    3Jiit  ber  SSerbrängung   ber  lateinifc^en  &pxad)t  burc^  bie 

30  ä5oIföfj)rad^en  ging  alfo  bie  33erbrängung  be^  G^efang^  bure^  bie  gef})ro^cne  Siebe  $anb 
in  ^anb,  Voenn  auc^  lateinifd^e  ©efänge  ftd^  noc^  lange  ^dt  im  bolföfjjrac^lic^en  I)rama 
erl^ielten.  Da^  erfte  Drama  in  einer  neueren  ©})rac^e  ift  ein  frangöfifc^e^  ^4}ro})l^etenf))ieI 
(§anbfd^rift  beg  12.  ober  13.  ^Q^^^unbert^),  in  Voelc^em  3lbam  aU  ber  erfte  in  berScibe 
ber  Sorboten  erfc^eint  unb  feine  ©efc^ic^te  gu  einem  befonbem  fleinen  2)rama  erweitert 

35  toirb,  toeigl^alb  auc^  ba^  ©})iel  feinen  9?amen  fü^rt.  9luc^  l^abcn  fic^  mehrere  fran= 
göfifd^e  ^eiligenbramcn  erl^alten,  bie  au^  bem  Äreife  ber  geiftlid^en  Srüberfd^aftcn 
^ertjorgingen.  S)a«  bebeutenbftc  ift  ba^  ©J)iel  bom  {^eiligen  9Jifolauö  bon  ^ean  Sobel 
bon  2lna«  (ca.  1200),  loo  bargefteHt  loirb,  Voie  loäbrenb  eine^  Ärieg^  ber  Reiben 
mit  ben   G^riften   ber  ^eilige   einen   feiner  SSercl^rer  tounberbar   befc^ü^t,   ein  2)rama, 

40  in  toelc^em  ganj  in  ber  älrt  be^  f>)äteren  romantifc^en  ©tilg  baiS  religiöfc,  ba^  ritter= 
lid^c,  baö  ))l;antaftifc^e  Clement  mit  ber  realiftif4)  burleöfen  Darfteßung  beö  täglichen 
Sebeng  berfnüpft  erfc^eint.  3lug  f))äterer  ^txi  beft^en  loir  eine  9lei](;e  toon  2*ramcn, 
in  benen  gefc^ilbert  Voirb,  loie  bie  Jungfrau  3)Jaria  burc^  il^r  tounberbare^  ßin- 
greifen  iljren  33ere^rern  in  9?ot  unb  ®efal;r  beifte^t.    ^n  Deutfc^lanb  f^at  fic^  au^  bem 

46  13. 3>al?r^unbcrt  bag  gragment  eineg  Dfterfjjielö  au^  bem  Älofter  3Kuri  in  ber  ©c^tDeij 
erhalten;  e^  geigt  in  feinem  ©til  bie  reinen  unb  gefc^madboßen  formen  ber  gleichzeitigen 
^öfifc^=ritterlia;en  ^^oefie.  2>agegen  ftel;en  einige  beutjc^e  Dfterf^jiele  be^  14.  ^ö^^bunbcrt^ 
burd^aug  unter  bem  ßinflufe  beg  grote^fen  ©tite  ber  ©))ielmann«bid^tung ;  neben  ben 
©albenfrämcrfcenen  tritt  biefer  ßinflufe  befonberg  in  einer  ©cenenrcil^e  f^ctoox,  in  toclcbet 

50  gefc^ilbert  loirb,  toic  ber  ^ößenfürft,  nac^bem  er  burc^  bie  c^ößenfal^rt  ß^fti  fo  Diele 
©celen  berloren  l)at,  bie  ä^eufel  fortfc^idt,  um  @rfa^  gu  fd^affen;  e^  toerben  nun  ein 
©c^ufter,  ein  ©c^nciber,  ein  Pfaffe,  über^au))t  3?ertreter  ber  berfc^iebenften  ©tänbe  ^erein= 
gefc^lepjjt  unb  fatirifd^  burc^gc^ec^elt.  2)ag  e^c^atologifc^e  Drama  ift  in  biefer  $eriobe 
hvLxd)  bag  berül;mte  ©J)iel  bon  ben  üugcn  unb  t^örid^ten  Jungfrauen  bertreten,  bo^  gh>at 

£5  auc^  einige  glüdflic^e  realiftifd^e  3üge  ^ai,  aber  boc^  im  ©eloanb  ber  Sßolföfprac^c  ben 
ftrengen  unb  toürbeboßen  '3;on  ber  alten  lateinifc^en  ©>)icle  in  l^öc^ft  ioirffamer  SSeife  feft^ält; 
biefer  ©jjiel  ift  offenbar  mit  bemjcnigen  ibentifd^,  ba«  bei  einer  Sluffü^rung  in  ßifcnac^ 
1322  auf  ben  SWarfgrafen  griebric^  mit  ber  gebiffenen  SBange  einen  fo  erf^üttemben 
Sinbrucf  machte.    Ju  (Snglanb  l^abcn  fic^  aug  bem  13.  unb  U.  gal^rl^unbert  feine  Sejte 

eo  bon  gciftlic^en  Dramen   er](;alten,   toenn  eö  aud^  fcftftel^t,  bafe  folc^e  bort   in  biefer  ^Äi 


(SpitU,  geifHic^e  641 

aufgefül^rt  h)urben,  au^  ©Jjanien  bcjt^en  toir  blofe  baiS  Srud^ftüd  eine«  2)rcilöni0«f>)iete 
aud  beni  12.  ^al^t^unbctt,  toclc^c^  alfo  neben  bem  franjöfifc^en  2lbam«f})iel  aU  ba«  ältefte 
S3cifl)iel  eine^  S)rama^  in  einer  neueren  Bpxad}^  genannt  werben  mu^.  3"  3^^"^^  ^^ 
toidelten  ftd^  bie  Stnfänge  be^  nationalen  geiftlid^en  ®ramag  nic^t  au^  ber  lateinifd^en 
Siturgic,  fonbern  au«  jenen  Oefängen  ber  Flagellanten,  in  bencn  bie  tiefe  religiöfe  6r==  s 
rcgung  be«  S^^ted  1260  ^um  Sluöbrucf  fam.  3)iefe  Oefänge  toaren,  toie  bie  SSolföbic^tung 
übcr^aujjt  fe](;r  reic^  an  bialogifc^en  Seftanbteilen,  bie  fid^  befonber«  leidet  einftellen 
mußten,  h)enn  ©toffe,  toie  etvoa  ber  ©treit  jtoifc^en  £eib  unb  ©eele  ober  tflaxiä  3Sers 
fünbigung  barin  bel^anbelt  tourben.  6«  fc^eint,  bafe  nad^bem  bie  glageHanten  ftc^  ju 
33rüberf(^aften  mit  ftänbigen  33erfanimlung«orten  organifiert  l^atten,  man  baju  überging,  lo 
bie  bramatifd^en  ßlemente  ber  geiftlic^en  ©efänge  'auc^  burc^  eine  entf>)red^enbe  t^eatra« 
lijc^e  Slltion  l^erbortreten  ju  laflen. 

SBäl^renb  un«  au«  ber  ^txt  ber  SSorl^errfc^aft  be«  lateinifd^cn  2)rama«,  bie  Voir  bi« 
um  ba«  ^QÜ^x  1200  red^nen  bürfen,  fe^  jal^lreid^e  leyte  erl^alten  fmb,  ^at  über  ben 
Xeyten  au«  ber  älteften  ^txt  be«  nationalen  Drama«  —  ethja  1200  bi«  1400  —  ein  um  i5 
günftige«  ©c^iifal  geVoaltet,  fo  bafe  toir  un«  an  ber  §anb  ber  erhaltenen  Seijtoiele  nur 
einen  fel^r  unöoHfommenen  Segriff  babon  bilben  fönnen,  h)ie  bie  großen  SKaffenaufs 
fü](;rungen,  bie  in  ben  legten  S^xtm  be«  ^Mittelalter«  öorl^errfc^en,  ftd^  au«  ben  erften 
2(nfängen  enth)idtelten.  S^^^f^ß^  ^^^  if*  ^^  bic^terifd^e  SBert  öon  Dramen  toie  ba« 
franjö^fd^e  3lbam«j})iel  ober  ber  9lilolau«  öon  ^^an  33obel  ober  ba«  ©))iel  öon  ben  20 
fingen  unb  t^örid^ten  Jungfrauen  öiel  größer  al«  berjenige  ber  5W^fterien  be«  au«gel^enben 
^Mittelalter«,  ba«  ja  in  feinem  ber  curo})äifc^en  Äulturlänber  eine  Jjoetifd^e  Slütejeit  toar. 
Dafür  tourben  bie  3luffül^rungen  je^t  in  ben  mächtig  em})orftrebenben  ©täbten,  h)o  bie 
Steigung  ^u  })runfi>oBen  geftlic^feiten  fo  ftarf  au«gebilbet  hjar,  immer  glänjenber  unb 
farbenjjräd^tiger.  3"^»"^  Ö'^öfeere  5Kaffen  t)on  9Jlith)irfenben  tourben  l^erangejogen;  bie  25 
grofjen  ^lä|e  ber  ©täbte  mit  i^rem  ^intergrunb  toon  ftoljen  Äird^en-  unb  9lat^au«bauten 
geloäl^rten  bie  5Wögli(^feit  einer  immer  Weiteren  3lu«be](;nung  be«  ©d^auj)la$e«,  auf 
tvelc^em  äße  bie  Drte  nebeneinanber  bargefteHt  toerben  fonntcn,  jtoifd^en  benen  fic^  bie 
Öanblung  Jj^in-  unb  ^erbeVoegte,  j.  33.  im  ^affton«fj)iel  ber  3!em]pel  bon  gerufalem,  ber 
Delberg,  ba«  Slic^tl^au«  be«  ^ilatu«,  ber  Äalüarienberg  unb  ba«  l^eilige  ®rab,  e«  tpar  30 
fogar  auf  bicfem  ©c^au})la|  auc^  möglich,  bie  ^anblung  ol^ne  ©cenenhjec^fel  tjon  einer 
©tabt  in  eine  anbere  toeit  entlegene  gu  übertragen;  ferner  erl^ob  fid^  über  bem  ©c^au« 
pla^  ber  fd^öngefc^müdte  ©i^,  auf  bem  ber  ^ttx,  umgeben  bon  feinen  §eerf(^aren  thronte, 
toon  h)o  au«  er  feinen  ©etreuen  bie  ßngel  auf  ben  ©c^au^jla^  l^crabfenben  fonnte,  unb 
Ipol^in  bie  ©eelen  ber  ©laubigen  nac^  ii^rem  §inf^eiben  em})orgctragen  Vourben.  Slufeer^  35 
bem  öffnete  fic^  an  einem  (Snbe  be«  ©c^aut)lcÄe«  ber  ^öHenrad^en,  au«  ioelc^em  jeben 
2lugenblicf  bie  grote«f=fc^auerlic^en  '2eufel«geftalten  ^eröorf^jringen  unb  il^r  SBefen  treiben 
fonnten.  Se^örben  unb  Korporationen  festen  il^ren  ß^rgeij  barein,  ba«  alle«  mögli^ft 
reic^  au«5uftatten.  9Beil  e«  bon  SBic^tigfetl  hjar,  ba^  biefe  geftborftetlungen  im  greien 
bei  günftigcr  Witterung  ftattfanben,  löften  fie  fic^  immer  me^  toon  ber  SiBeil^nac^t«*  unb  40 
Dfterjeit  lo«  unb  tourben  in  bie  fd^öne  J^^^f^J^ii  berlegt,  immer  l^äufiger  Vourbe  ba« 
gange  2Am  gefu  öon  ber  ©eburt  bi«  jur  ätuferfte^ung  öorgefül^rt,  ja  man  fonnte  fogar 
bi«  jur  ©rfc^affung  ber  SBelt  gurüdfgreifen  unb  bi«  j^um  jüngften  ®eric^t  in  bie  3wf«nft 
toorh)ärt«fc^reiten.  3ll«bann  genügte  auc^  meift  einiag  nic^t  mel^r  jur  2tuffül^rung;  ba« 
t^eatralifc^e  SSolf«fcft  mufete  fic^  über  eine  ganje  Slei^e  öon  Skigen  erftreden.  Durcp  bie  45 
grofee  3[u«bc](;nung  unb  ^erfonenjaljl  ber  ©>)iele  erhielt  auc^  ba«  Saienelement  ein  immer 
entfc^icbenere«  Übergetoic^t,  unb  toeil  eine  fo  großartige  ©d^auftellung,  ju  ber  bie  Seute 
au«  ber  na^en  unb  ferneren  Umgebung  ^erbeiftrömten,  aud^  umfaffenbe  Drbnung«maß5 
regeln  erforderte,  fo  trat  ber  Sinflu^  ber  ftäbtifc^en  Sebörben  auf  bie  geiftlic^en  ©>)iele 
immer  entfc^iebener  l^eröor.  2lber  bie  ©eiftlic^fcit,  bie  ]xixf)tt,  toor  allem  in  ber  3^'*  ^^  so 
lateinifc^cn  Dramen,  bie  3Seranftaltung  ber  Sluffül^rungen  au«fc^liefeli^  in  ber  §anb  l^atte, 
liefe  fic^  bod^  aud^  je^t  il^ren  Sinflufe  nic^t  rauben.  Die  2lbfaffung  ber  lejte  unb  bie 
ßinftubierung  blieb  nac^  loie  Dor  in  i^ren  ^änben ;  geiftlid^e  Dramen,  bon  Säten  berfafet, 
finb  in  biefer  ^txt  berfd^toinbenb  feiten.  Unb  e«  l^errfd^te  burc^au«  bie  5Keinung,  bafe 
bie  Stuffül^rung  eine«  geiftUd^en  ©))iel«  ein  fromme«  unb  gottgefällige«  SKerf  fei ;  bie  65 
Sluffül^rungen  tourben  öfter«  toeranftaltet,  um  ber  Sorfel^ung  für  ein  glüdflic^e«  ©reigni« 
ju  banfen  ober  um  fie  bei  einer  bro^enben  Oefa^r  gnäbig  ju  ftimmen.  Die«  gefc^a^ 
namentlich  bei  ejjibemifc^cn  Äranf^eiten,  unb  bie  2:rabition,  bafe  bie  Dberammergauer 
^affion«fpiele  il;re  ©ntftel^ung  einem  ©elübbe  jur  3^'*  brol^enber  ?ßeftgefal^r  toerbanfen, 
ift  burc^au«  glaubtoürbig.    Stuc^  fam  ber  gall  bor,  ba|  ben  DarfteÖem  eine«  ^afrion«^  so 

VttaUdnctitlopmt  ffir  X^eologie  unb  SHt^c.    8.  H.  XVIII.  4\ 


642  ^pitU,  Set|IHci|e 

fjjiefö  ein  2lblafe  bchDittigt  tourbc.  ^n  Slouen  h)urbe  fogar  1445  bie  ©tunbc  bcß  Sottet 
bienfte^  bcrlegt,  bamit  bie  Äanonifer  ber  Sluffül^rung  eine«  geiftlic^en  &pid^  bcihjo^nen 
lönnten;  au^  bem  Äirc^enfc^a^  tourben  öftere  Oetoänber  unb  fonftige  SRequiftten  für 
©))ieljh)ede  ^etgelie^en.  2)ic  religiöfe  SBirfung,  bie  man  fid^  bom  ©d^auf^jiel  berfpra*, 
6  foöte  nad^  ber  and)  bamate  noc^  l^errfc^enben  Sluffaffung  t)or  attem  in  ber  bogniatifc^en 
unb  gejcl^ic^tlici^en  Selel^rung  befielen,  toeld^e  bie  UnVpiffenben  au^  ben  Aufführungen, 
h)ie  aug  einem  großen  lebenbigen  Silberbud^  entnel^men  lonnten.  93on  fittlic^cr  6in= 
tpirfung  ift  Weniger  bie  Siebe,  toenn  h)ir  aud^  einmal  bemerft  finben,  bie  ^enfc^en  toürben 
bon  ber  Sünbe  abgefc^redtt,  toenn  fie  beren  Seftrafung  burc^  ben  3:eufel  im  ©c^ufpiel 

10  erblidten.  3"  ^^  Segenbenbramen  l^errfc^t  oft  ber  beutlic^  auggcft)roc^ene  S^^,  bie 
aSerel^rung  einciJ  beftimmten  ^eiligen  jü  em})fel^len,  bie  SBunberfraft  feiner  SReliquien  unb 
feiner  l^immlifc^en  ^ürbitte  ju  geigen.  3)ie  ^affionfi;bramen  foHten  ju  einer  lebenbigen 
5Kitemipfinbung  beö  marterüoHen  fieiben^  6](;rifti  anregen,  bie  gäl^igfeit,  über  biefe^  Seiben 
mit(eib^t)otte  2:i^ränen   gu  »ergießen,  bie  „gratia  lacrimarum",  beren  ©rtoecfung  bas 

16  §au>)tjiel  ber  ^ßaffion^jjrebiger  toax  unb  bie  öon  ben  3löfeten  in  brünftigem  @d>ti^  ci- 
Pel^t  tourbe,  biefe  ®nabe  lonnte  tpol^I  laum  toirifamer  l^erbeigefül^rt  Serben,  aU  bunfc 
bie  leib](;aftige  2)arfteBung  be^  S)ulber«  unb  ber  ro^en  §enfer«fned^te.  Unb  enbli(^  toirb 
aud^  noc^  ber  O^liortunität^grunb  öorgefü^rt,  bie  ÜKenfc^en  müßten  nun  einmal  ibr 
Vergnügen  l^aben,  unb  ba  feien  bie  geiftliti^en  ©jjiele  jebenfaH^  bejfer  ate  manc^e^  anberc. 

ao  33on  ben  t^eologifd^en  Sebenfen,  bie  in  neuerer  3^'^  9^0^"  ^^^  SDramatifierung 
l^eiliger  ©toffe  borgebrad[;t  tourben,  ift  im  3JJitte(aIter  nur  toenig  ju  berf))üren.  6in  ^aiipu 
bebenlen,  baß  nämlic^  bie  frei  umgeftaltenbe  bic^terifc^e  ^^antafte  fic^  nic^t  an  ben 
©toffen  au«  ber  ](;eiligen  ©efc^id^te  bergreifen  bürfe,  lommt,  h)ie  tüir  nod^  feigen  toerbcn, 
für  ba«  SKittelalter  in  aSegfall.    (gin  anberer  ßintoanb,  nämlic^  baß  e«  eine  Snttoei^ung 

26  fei,  toenn  ß^riftu«  unb  bie  ^eiligen  burc^  jünbl^afte  3Renfd^en  bargeftettt  lüürben,  fommt 
fc^on  au«  bem  ©runbe  für  ba«  3RitteIalter  Weniger  in  Setrac^t,  tüeil  bie  3)arfteIIer  feine 
33eruf«fd^auf})ieler  toarcn,  bie  fic^  geh)erb«mäßig  ben  einen  %aQ  in  eine  l^eilige,  ben  anbcm 
3:ag  in  eine  ))rofane  SloIIe  berfe^t  Ratten;  ber  Sürger  ober  ^anbtoerler,  ber  eine  Soße 
im  geiftlic^en  ©})iel  übemal^m,  füllte  fic^  feiner  3tHtag«h)irffamfeit  entrüdft  unb  ju  einer 

ao  ^ö^eren  älufgabe  erl^oben,  in  ber  er  i^ingebung«bo(I  ganje  ^]Jlonate  l^inburc^  lebte  unb 
h)ebte.  Unb  außerbem  l^at  man  oJ^ne  B*^^^!^'^  ^^  ^^^  mittelalterlichen  Sluffü^rungen, 
ebenfo  tok  5.  33.  ^eute  nod^  in  Dberammergau,  nad^  3Wöglid^feit  barauf  geachtet,  baß  bie 
^Perjönlic^feit  ber  Darfteller  fic^  in  leincm  öerleteenben  ©egenfaft  jur  ißürbe  ber  bar= 
gcfteßten  ^erfonen  befanb;  nod^  1597  Ivurbe  in  £u|\em  für  ben  3)arfteßer  ber  ^"«gfrfl" 

86  3Karia  eine  „inculpata  vita"  jur  33ebingung  gemacht.  Unb  \omn  ber  berührte  3Wi^^ 
ftanb  auc^  einmal  nid^t  ju  bermeiben  ioar,  fo  l^at  man  Voo^l  barüber  in  einer  3^i^/  ^^^ 
bur^au«  nic^t  mm  9tigori«mu«  neigte,  mit  einer  bequemen  Säßlic^teit  ^intoeggefe^en.  3)ie 
fUtlic^en  Scbenfen,  bie  fid^  au«  bem  ^wfö"^^"^"^^^"  ^^  beiben  ©efc^led^ter  ergeben 
fönnten,  l^aben  fc^on  be«^alb  für  ba«  3Kittelalter   feine   große  33ebeutung,   h)eil   in  ben 

40  meiften  ^äHen  bie  grauenrollen  Don  ^J3Jännern  gef})ielt  Würben. 

6«  h)urbe  fc^on  barauf  l^ingebeutet,  baß  e«  in  bicfer  3cit  mit  ber  })oetifc^en  Segabunci 
ber  3:e5tbid^ter  in  ben  meiften  Rotten  fel^r  bürftig  beftcUt  tvar,  bam  fommt  noe^,  bafe  fte 
toegen  ber  unbegrenzten  ^^itbauer  unb  ^erfonengal^l  i^rer  breiten  Stebfeligfeit  ben  freieften 
Sauf  laffen  unb  ba«  Untücfentlic^c  mit  gleid^er  2lu«fül?rlic9feit  toie  ba«  SBefentlic^e  bar- 

45  ftellen  fonnten.  ©0  finben  n?ir  g.  S3.  öfter«  in  ben  ^affion«mt;fterien  bie  SSerl^anblun^ 
barüber,  h)a«  mit  ben  bon  '^u!t>a^  gurücfgebrac^ten  breißig  ©ilberlingen  gejc^e^en  fofle, 
alfo  eine  ßpifobe,  bie  fe^r  mof?I  l}ätu  Wegbleiben  fönnen,  mit  läftiger  2tu«fül^rli^fcit 
bargeftetlt.  ©0  giebt  im  ßgerer  $affion«fpiel  bie  3)arftellung,  lüic  ^ilatu«  fid»  bie  $änbc 
tüäfc^t,  bie  i^eranlaffung   gu   einem   langen   (Serebe  gtvifc^en  ^ilatu«  unb   ben  9Hüitci^ 

50  Saurein  unb  3)ictricl),  bie  i^m  ba«  SBaffer  unb  ba«  §anbtuc^  bringen,  ^infu^tlit^  ber 
))fVc^ologifc^en  ©c^ilberung  ber  .§auptj)erfonen  unb  ber  2lufbedtung  ber  3;riebfebern  ibrer 
§anblungcn  finb  bie  Xo:tbid;ter  überall  i)on  ber  tbeologifd)en  Sitteratur  abhängig,  topr 
allem  Don  ben  ©c^riftcn  ber  fontemj)latiben  "Ideologen,  bie  fic^  in  bie  Setracbtung  ber 
^affion  bcrfentten.    i^on  bortber  finb  Situationen  entlehnt,  h)ie  ber  Slbfe^ieb  ^q\u  bon 

55  Sliaria,  ferner  \vk  bie  ängftlid)  bcforgte  93futtev  il;ren  ©ol^n  ber  Db^ut  be«  SJenätcr» 
^uba«  empfieblt,  h)ic  ^^ol^anne«  nac^  ber  ©efangcnna^me  ^c]\x  m^  Setl^anien  eilt  unb 
bie  e^^auen  benacbricbtigt,  \mc  Waria  bie  ^iMöße  bc«  ©efreugigten  mit  einem  2u(^  bebedt, 
ebenfo  aud;  bie  fd)auerli^en  (Sin^elheiten  ber  ^iiarterjcenen,  g.  S.  baß  ba«  ftleib  nac^  ber 
©cißelung  am  munbenbcbedtcn  Äörjjcr  feftflebte  unb  bann  bei  ber  Äreugigung  getoaltfam 

CO  l^erabgeriffen  ioerben  mußte,  ober  baß  ß^rifti  Seib  auf  bem  Äreuje  getoaltfam  mit  ©trirfen 


&pitU,  getfllt^e  643 

au^cinanbcrgejerrt  toirb  unb  bann  erft  bic  Slägcl  cingcfd^Iagen  tocrbcn.  Gbcnfo  tocrbcn 
aucf^  Segenben  j.  93.  Don  fiongtnuö  unb  93etonifa  ferner  Don  ^tlatu^  unb  Don  ben  ^ugenb« 
fc^iifalen  be«  ^niai  Dertpertet.  2tm  felbftftänbigften  finb  bte  3:e^bt(i^ter  in  ben  fatirifc^en 
unb  fomifc^en  3w[ä|cn,  too  fie  ftd^  ja  and)  auf  einem  ®ebiet  belegten,  ba^  bem  ®eifte 
ber  bürgerlichen  Sitteratur  be^  f^iäteren  SRittelalterö  tpeit  angcmeffener  h)ar  ate  ba^  l^o^*  5 
tragifd^e.  Offenbar  befafe  baö  ^ßublilum  in  l^ol^em  ©rabe  eine  finblid^maiDe  ?^äl^igleit  be« 
Überf))ringenö  Dom  fiad^en  jum  SBcinen.  2)o^  fam  e«  aud^  Dor,  bafe  bie  «omit  fid^  in 
einer  SBeife  breit  machte,  bie  ber  Oeiftlic^feit  älnlafe  jum  einschreiten  gab.  2)er  Sifd^of 
SBebego  Don  §aDeIberg  befallt  1471  ben  (Seiftlid^en,  bie  2)arfteIIung  Don  ^ßaffion^*  unb 
£egenbenf))ielen  in  ij^ren  ^ßfangebieten  ju  unterbrüdten,  hjegen  ber  eingemif^ten  fd^imj)fs  10 
lid^en  ?ßoffen,  bie  nid^t  jur  ©ad^e  gehörten.  Sejonbern  2lnfto6  mußten  bie  hoffen  ber 
genfer  unb  3luben  in  ben  "jpaffton^fcenen  erregen,  fo  fam  e«  hjieberl^olt  Dor,  ba|  toäl^renb 
ß^riftuö  am  Äreuje  l^ing,  bie  3"ben  einen  grote^ten  3kxnj  mit  (Sefang^begleitung  um 
ba^  Äreuj  ^erum  aufführten.  5TatürIic^  hjurbe  in  ben  3lw^<^nfcenen  ber  fomifd^c  Gffeft 
Dor  allem  burc^  farifierte  5Rac^af^mung  be«  Irciben^  ber  jeitgenöffifd^en  ^v!t>tn  erhielt,  is 
2lud^  bie  33ettler  unb  ilrül)^el,  an  benen  bie  ^eiligen  il^re  ffiunberfraft  jeigen,  hjerben 
oft  fomifc^  be^anbelt;  in  einem  franjöfifc^en  ©j)iel  Don  ©t.  äiartin  toirb  bargeftetit,  toie 
man  bie  Seiche  beg  ^eiligen  beftattet,  bie  eine  tounberbare  §eilfraft  befi^t,  h)ie  jhjei 
33ettler,  ein  SBIinber  unb  ein  Säumer,  bie  am  SQSege  fifeen,  in  bie  größte  Sngft  geraten, 
fie  tonnten  gel^eilt  Serben  unb  müßten  atebann  burd^  Slrbeit  il^r  33rot  Derbicnen,  U)ie  fie  20 
atebann  nad^  bem  SBorbilb  ber  befannten  gabel  ftc^  gegenfeitig  bei  ber  glud^t  bel^ilflid^ 
finb,  aber  boc^  an  ber  Seiche  Dorüberfommen  unb  toiber  i^ren  SQSiQen  gel^eilt  Serben, 
hjorauf  bann  bie  2)anfbarfeit  für  ba«  SEBunber  ben  ärger  über  bic  mißlungene  gluc^^t 
überwiegt. 

Übrigen^  muffen  toir  unö  bei  Setrad^tung  biefer  S))iele  Dor  2tugen  l^alten,  baß  bie  2b 
SSerfafJer  gar  nic^t  bie  ^Prätenfton  befa|en,  ein  litterarifd^e^  Runfthjerf  ju  fc^affcn,  fie 
lüollten  nur  bie  biblifd^en  ober  legenbarifc^en  ©efd^ic^ten,  um  bie  e^  fic^  gerabe  ^anbelte, 
au^  ber  er^ä^Ienben  in  bie  bramatifd^e  gornt  umfc^meljen  unb  fo  bie  leibl^aftige  35or= 
fübrung  ermöglichen.  ^v!t>zm  ^abcn  aud^  bie  unbebeutcnbften  unb  fc^toäd^ften  unter  if^nen 
für  un^  ein  Sntc^^ff«  «I^  tWM^^  Vertreter  einer  großen  geiftigen  ©emeinfd^aft,  fie  alle  ao 
laffen  baö  ein^eitlid^  burd^gefü^rte,  ft)mmetrifd^  abgefd^Ioffene  mittelalterliche  2BeIt=  unb 
®efd(^id^t^bilb  f^erDortrcten.  2)ie  Übereinftimmung  ber  brantatifc^en  5KotiDe  in  ben  Der« 
fd^iebenen  Säubern  barf  nid^t,  h)ie  bieg  too^l  früher  gefd^ef^en  ift,  auf  internationale  ©nt* 
iel^nung  jurüdEgefübrt  toerben,  fie  ergab  ftc^  Don  Jelbft  a\x^  ber  gleichmäßigen  Senufeung 
ber  nämlichen  Serie  ber  lateinifd^en  fird^lic^en  Sitteratur,  fotoie  überl^au})t  an^  ber  ©leid^-  86 
mäßigfeit  be^  religiöfen  @m>)finben^  unb  ®enfen«  auf  bem  ganjen  tpeiten  ©ebiete  ber 
abenblänbifc^-c^riftlid^cn  SDSclt.  5Rur  bei  Dereinjelten  tf;eatralifc^en  ©ffeften  liegt  e«  nal^e, 
an  internationale  ©ntle^nung  ju  bcnfcn,  unb  ^ier  fommt  in  erfter  Sinie  ber  ©influß 
^ranfreic^g  in  Setrac^t,  hjo  bie  geiftlicf^e  2)ramatif  am  reid^ften  unb  glänjenbften  ents 
faltet  h)ar.  3Son  bort  ^er  ftammt  auc^  bie  Seieid^nung  ber  geiftlid^en  3)ramen  ate  40 
SK^fterien,  bie  in  neuerer  3^it  Don  ben  Sittcrarpiftorifem  ate  eine  ©efamtbe^eid^nung 
für  bie  großen  geiftlic^cn  ©jjiele  be^  au^gc^cnben  3Hittelalterg  angetocnbet  toirb;  übrigen« 
fommt  baö  ffiort  Dermutlic^  nic^t  Don  ^Jl^fterium  (©el^eimnig),  jonbern  Don  3)linifterium 
(Dorfd^rift^mäßig  burc^gefü^rte  §anblung,  Dgt.  baö  f))anifcf^e  äuto).  Sefonberö  amiej^enb 
unb  mannigfaltig  toirb  bie  franjöfiicf^e  Sitteratur  auf  biefem  ©ebiet  burd^  bie  ja^lreic^en  46 
2)ramatifierungen  Don  §ciligenlegenbcn ;  bic  2)ramen,  in  bencn  nic^t  ba«  Seben  eine« 
«f^ciligcn  Dorgefü^rt  tüirb,  fonbcm  iüie  er  nad^  bem  lobe  burc^  feine  crf olgreid^c  gürbitte 
au«  ber  icnjeitigen  SBelt  in  bie  bic^Jcitige  tounbcrbar  eingreift,  merben  jum  Unterfc^ieb 
Don  ben  Slivfterien  at«  9Kirafelfi)icle  bcjeid^net.  3lu«  2)eutfd^lanb  fmb  un«  mel^rcrc  au«s 
fü^rlid^e  ^Pafftonöfl^ieltejte  überliefert;  tüir  fönnen  in  granffurt  unb  Umgegenb,  h)ie  aud^  ßo 
in  3:irol  nod^  feftftcHen,  h)ie  ein  3:cjt  fic^  in  einer  Sanbfd^aft  Derbreitete  unb  an  ben 
Derfc^iebenen  Orten  umgemobclt  tourbc.  ^m  öftlic^cn  2)cutfc^lanb  hjaren  jur  ^^xt  bc« 
au^gc^cnben  ^Mittelalter«  am  berü^mteften  bie  Dicrtägigen  ^fingftj^iclc  ju  greiberg  in 
©ad^fen,  alfo  in  bem  ©ebietc,  h)o  gegen  XHnfang  be«  16.  Sö^^^^unbcrt«  im  3"f<J»^w^<^n=: 
l^ang  mit  ber  rafc^  cmjjorblül^enben  ^crgmertöinbuftric  bic  fjjätmittelalterlic^e  Äultur  ju  55 
fo  !?o^er  Slüte  gcbiel^.  5Die  Bpkk,  bcren  2!cjt  fid^  Icibcr  nid^t  erhalten  l^at,  toieber^olten 
fid^  aÖe  fieben  ^a^rc  unb  tourben  1516  burd^  bie  9(nU)efenl^eit  be«  §erjog«  ®corg  Don 
©ac^fen,  bc«  treuen  2lnl^änger«  ber  alten  Äirc^c,  auege^eid^nct;  fic  umfaßten  ben  gcfamtcn 
SSerlauf  ber  2)inge  Don  ber  Srfc^affung  ber  SBelt  unb  bem  ©tur^  Sucifer«  bi«  jum 
Äntic^rift  unb  jüngften  ®eric^t.    äudfi  Don  ber  ©ottung  be«  a)lirafelfj)iete  ^aben  fic^  eo 


644  ^pitU,  getfUti^e 

itücx  merltüürbtgc  beutfc^e  groben  crl^alten;  ba«  Bpkl  bon  %f)topyilii^,  too  bic  Se= 
fd^ic^te  bon  bcm  ^Prtcftcr,  ber  ftd^  bcm  leufcl  öcrfc^rctbt  unb  fj)äter  burc^  bic  Sa= 
ilüifc^entunft  ber  gunö^öu  Tlax'xa  gerettet  toirb,  mit  einem  ftarfen  3"f^ft^  ^o"  nieber^ 
beutfd^em  Sßolföl^umor  Dorgetragen   ift,   unb   bag  ©))iel  bon  grau  ^uita   bon  S^ictri* 

6  ©c^emberg,  einem  ©eiftlid^en  ju  3)iül(>I^aufen  in  2;^üringcn  (ca.  1490);  ^icr  h)irb  bic 
lüunberlid^e  Irabition  bon  bem  tüeiblid^en  Sßap\i,  jebod^  ol^ne  alle  fatirifd^e  3!enbenj 
bramatiftert,  am  ©d^lufe  lüirb  bie  ^ä))ftin  auf  bie  gürbitte  3Raria^  unb  bcö  beiligen 
9JitoIauö  au«  ber  §ölle  befreit,  ^n  Italien  iüurbe  bie  „sacra  rappresentazione"  t?cr 
allem  in  glorenj  fultibiert,  boc^  ^anbelt  e«  ftc^  ^ier  um  Stücfe  bon  geringerem  Umfang, 

10  bie  meift  burd^  jugenblic^e  2)arfteIIer  aufgefül^rt  h?urben. 

^njtüifc^cn  toax  eine  neue  gorm  ber  geiftlic^en  ©j)iele  au«  ber  ^onleicbnamö-- 
})rojefrion  entftanben,  bie  ftc^  balb  nad^  ber  (Sinfe^ung  be«  neuen  gefted  (1264)  ju  einem 
glänjenben  2riumj)l^jug  berRird^e  ju  enttüiieln  begann.  5!Ran  liefe  in  biefen  ^ro^effionen 
©ru^pen  einl^erfc^reiten,  bie  in  il^rer  2lufeinanberfolge  bie  gefamte  Krc^Iic^e  ®clt=  unb 

16  ®efc|i(^t«auffaffung  öon  3lnfang  biö  j^u  (Snbe  fi^mbolifd^  barfteHen  foltten,  alfo  §.  93.  SIbam 
unb  (gba  im  ^^arabie«,  bie  3lrd^e,  ber  betl^Iel^emitifc^e  Äinbermorb,  ber  ©ingug  ^ffu  in  Sem- 
falem  u.  f.  \d.  ©iefe  &xvcppm  tourben  unter  bie  einzelnen  fünfte  ober  bie  einj^elncn 
Äirc^enfjjrengel  berteilt,  bie  in  möglid^ft  glän^enber  Slu^ftattung  miteinanber  lüetteifcrtcn. 
©0  ging  man  baju  über,  fte  nic^t  me^r  ju  %vii,  fonbem  auf  fal^rbaren  (Serüften  i?orüfccr- 

20  jiel^en  ^u  laffen  unb  nun  tl^at  man  balb  ben  Weiteren  ©c^ritt  ;^ur  bramatifc^en  äftion, 
bie  bann  auf  ben  öerfc^iebenen  ©tationen  be«  ^ßrojeffton^tücg«  toieber^olt  tpurbe.  3)iefe  bra- 
matifd^en  ^Projefftonen  ^aben  ftc^  befonber«  in  ßnglanb  ^u  ber  c^arafteriftifd^en  nationalen 
gorm  be«  geiftUd^en  Drama«  enttoiielt;  fie  treten  un«  bort  fc^on  im  14.  gö^^bunbcrt 
in  einer  DöHig  auefgebilbeten  unb  feftfte^enben  gorm  entgegen  unb  an^  mehreren  ©täbten, 

26  5.  95.  a\x^  ber  alten  93ifd^of«ftabt  3)orf,  f^aben  fid^  noc^  bie  ent^rec^enben  ©))ielterte  a-- 
i^alten.  3Ran  berteilte  bie  einjelnen  ©cenen,  ioenn  e«  irgenb  anging  in  berärt,  bafe  fic 
mit  bem  Arbeitsgebiet  ber  bctrcffenben  3""f^  ^^  Sejie^ung  ftänben;  fo  n?urbe  bie  Slrdbc 
3loaf)^  ben  Sc^iff«jimmerem,  bie  2tnbetung  ber  brei  «önige  ben  (Solbfc^mieben  übertragen. 
Sn  ©J)anien   ^at  erft  fpäter  ba«  gronleid^nam«f})iel   feine   ^ö^fte  93lütc   erreid^t.    Jic 

80  alten  gotmen  be«  lateinifd^en  liturgifc^en  2)rama«  l^aben  im  f))äteren  3Jiittelalter  unb  bis 
in  bie  9leujeit  l^inein  fortbeftanben,  aber  nac^bem  bie  loeitere  ©ntloicfelung  in«  grcic 
l^inau«gebrängt  (>atte,  fc^rumpfte  e«  innerl^alb  ber  Äirc^e  loieber  in  einfachere  gotnien 
jurüc!  unb  ^örte  fc^licfelic^  ganj  auf,  boc^  tourben  in  ncueftcr  3^^^  i"^  Sencbiftinerflcftcr 
(Smau«  ju  ^rag  aJerfuc^e  einer  ffiieberbclebung  unternommen. 

86  3fJcben  ben  ©fielen  au^  ber  ^eiligen  ©c^rift  unb  au«  ber  Segenbe  lourbcn  im 
fpätcrcn  3Wittelatter  auc^  ?!Jlotiöe  au«  aUegorifc^en  I)id^tungen  geiftlic^en  ^nl^alt«  brantiv 
tifd^  öcrtoertet.  ©eitbem  ^rubcntiu«  in  feiner  $f^c^omad;ie  (ca.  400)  ben  Äampf  ber 
lugenbcn  unb  Saftcr  unter  bem  33ilbe  einer  großen  gelbfc^lac^t  bargefteltt  l^atte,  begegnen 
un«  biefe«  unb  ä^nlic^e  9)totiDe  in  ber  mittelalterlid^en  Sitteratur  fc^r  l^äupg,  balb  ivirb 

40  ber  Äampf  al«  Belagerung  einer  Surg  aufgefaßt,  bie  l)on  ben  lugenben  öertcibigt  toirb,  balb 
ioirb  ber  9Kenfc^  auf  bem  SBeg  i^ur  33ufee  gefdbilbert,  Don  ben  2:ugenben  geleitet,  ioäbrenb 
bie  Saftcr  i^n  Dom  SBcge  fortloden  iooUcn,  balb  toirb  im  Slnfdblufe  an  Gp^  6,  1 1  ff.  bav 
©lei4;ni«  Don  ber  gciftigen  3lüftung  gegen  bie  Anfechtungen  bc«  ieufel«  loeiter  auegcfübrt. 
2)ie  älteftcn  9iac^ric^tcn  barüber,  bafe  biefer  ©ebanfenfrei«  tbcatralifd&  t>erlört)crt  iourbc, 

45  reid;en  nid^t  über  bie  legten  ^lal^rjel^nte  be«  14.  ^a^rl^unbcrt«  juruc!,  bann  enttoirfelte 
fid;  bic  neue  bramatifc^e  ©altung  feit  bcm  15.  3^^^^^""^^^^  befonber«  in  ^antreid«, 
(Jnglanb  unb  ben  OJicbcrlanbcn  ju  l^ol^er  Slütc  unb  toir  finbcn  in  biefcn  ©tüden,  bei 
bcncn  bic  2)id^ter  ben  ©ang  ber  .f^anblung  felber  erfanben,  gar  mand^e  ftnnreidbe  ^üo^i, 
5.  93.  in  einem  cnglifd^cn  ©j)icl  „Mankynd",  loo  ber  3;eufel  bem  50{enfc^en  fein  arbeite^ 

60  tocrfjcug,  einen  S)?atcn,  ^cimlid;  tocgnimmt,  bamit  er  ber  9Scrfud^ung  zugänglicher  n^erbc, 
ober  in  einem  anbern  „Castle  of  Perseverance",  ioo  ber  Wenfd^  in  feinen  jungen 
^al^rcn  ben  i^crlodfungcn  ber  Sujruria,  in  feinem  Stltcr  ben  SJerlodtungcn  ber  Slöaritia 
au«gcfc^t  ift.  ©old;c  ©tücfc  ioerbcn  im  granj^öfifc^cn  öfter«  mit  bem  2lu«bruc!  „Mora- 
lit^"  bc^cici^nct,  ber   übrigen«  für  fittlic^  lcl)rl)afte  Dichtungen  übcr^aui}t  gebraucht  ioirb, 

65  bod;  ^abcn  i^n  in  neuerer  3^it  bic  igitterarl^iftoriiEcr  abojiticrt,  um  bie  aUegorifd^en  Dramen 
gegenüber  ben  fonftigcn  geiftlicben  ©Jjiclcn  mit  einem  gemeinfamen  ®attung«h?ort  ju^ 
fammenf äffen.  Um  ba«  ^abr  1500  entftanben  mcl^rere  3)loralitäten,  bie  fic^  im  (Sc-- 
banicnfrci«  ber  Ars  moriendi  unb  ber  ©tcrbcbüc^lcin  betocgen,  fte  })rebigen  bic  Sor^ 
bereitung  auf  ben  'Xob  unb  ben  SKiberftanb   gegen  bie  böfen  ©cbanten,   bic  ber  Jcufcl 

eonod^   loö^renb   ber   ©terbeftunbe   im   SDtenfcpen   ju   erregen   fuc^^e.     3n  biefcn  Ärei^ 


&pitk,  geiftlii^e  645 

gcl^ört  bic  bcrül^mtc  unb  biclfad^  nad^gcabmtc  cnglifc^c  SDloralität  „Everyman",  h)0 
bargcftcHt  \]i,  tote  bcr  9)lenfci^  auf  feinem  ®ange  ju  bem  Slid^terftu^Ie  ®otte«  Don 
!JBerlüanbtfc^aft,  Sleic^tum,  ^^eunbfc^aft  Derkffen  toirb;  nur  feine  guten  SBerte  folgen 
il^m  nad).  311^  eine  2lbart  ber  2JJoralitäten  fann  man  bie  SEotentänje  bejeid^nen.  2)ie 
crfte  9ibee  ju  bicfer  neuen  ©attung  ftammt  bon  einem  geiftlid^en  Solferebner,  bermutli^  5 
au^  bem  ^ran^ifi^Ianerorben,  ber  in  Serbinbung  mit  einer  ^rebigt  bie  Slßgetoalt  be^ 
3:obe^  anf($aulic^  barfteHen  tooDte  unb  toäl^renb  berfelben  burd^  entf^red^enb  berfleibcte 
^erfonen  borfü^ren  lie^,  h)ie  ber  2^ob  Vertreter  bon  atlen  Stänben  bcr  ©efcDfci^aft,  bom 
^iJa})ft  angefangen,  inö  ®ra6  abführt.  ^\ütx  lejte  auö  bem  15.  3i<J^t^w«^^/  ^in  Sübedfer 
unb  ein  fjjanijd^er  fommen  ber  urf))rünglic^en  gönn  am  näd^ften;  in  beiben  fte^en  |^u  lo 
2lnfang  unb  ju  @nbe  SBorte  be«  ^rebiger^,  ba^toifc^en  gereimte  SBecl^Jelreben  beö  2:obe^ 
mit  feinen  Djpfern.  2Ba^rfc^einlic^  f^at  fic^  baö  SRotib  bon  JJranfreid^  au^  fo  toeit  er- 
ftrecft;  Aufführungen  fmb  1449  in  Srügge  unb  1453  in  SefauQon  (^ier  bei  (Gelegenheit 
cine^  ^robinjiaIfaj)itetö  ber  grangifijfaner)  nad^getoiefen. 

211^  bie  Sleformation^betoegung  ftd^  über  ganj  Quxopa  ju  berbreiten  begann,  lonnte  i5 
natürlich  baö  geiftlid^e  3!)rama  nic^t  unberül^rt  bleiben.  3lu^  granfreid^  ^aben  \v\x  mel^rere 
3"eugniffe  bafür,  baf;  bie  Anhänger  be^  alten  nunmehr  mit  bo>)l)eItem  ßifer  bie  Wt^fteriens 
auffübrun^en  ak  glänjenbe  2)emonftrationen  ber  !ird;lic^en  SBeltanfc^auung  gegenüber  ben 
9Jeuerem  tn  Scene  festen.  2)od^  finben  U)ir  bei  ben  fird^Iic^en  Sel^örben  je^t  nid^t  überaß 
ba^  früf^rere  SBoF^ItüoIIen  gegenüber  biefen  ©J)ielen.  ©ie  2)arfteIIung  ber  Reuigen  ^erfonen  20 
burd^  Seute,  über  beren  ^riDatleben  bielleic^t  manche  unerbaulid^e  2)etaite  inö  ^ublifum 
gcbrungen  toaren,  bie  berben  ©>)äfee  ber  Solföfcenen,  bie  unfreiwillige  Äomif,  bie  bei 
©arfteUung  ber  erf^abenen  (Seftalten  burd^  2)ilettanten  auö  bem  Sürger-  unb  §anbh)er!ers 
ftanb  mit  unterlief  —  aße^  Singe,  bie  man  in  früf^ercr  3cit  l^armlo«  l^ingenommen 
f)attt  —  boten  je^t  einen  gefä^rlid^en  3(ngriff^i)unft  für  bie  gegncrifd^e  Partei.  Unb  25 
aufeerbem  trat  in  granfreic^  unter  ben  leitenben  Greifen  ber  fat^olifc^en  ^Partei  immer 
me|r  eine  Hinneigung  gu  ben  litterarifd^en  ^ienbenjen  ber  flaffijiftifd^en  SHonfarbfd^en 
gcbule  bcrbör,  bie  ba^  mittelalterlid^e  2)rama  ate  ^ttoa^  Stillofeö  unb  Sarbarifd^e^  ber« 
achtete.  SBenn  ba^er  ber  j;.S5.  Sifc^of  Sri^onnet  in  3Jleau|  1527  eine  3^nfur  ber  ©pieltejte 
einführte  ober  1548  ba^  $arif er  Parlament  bie  3luffü^rung  bon  „myst^res  sacr^s"  burd^  90 
bie  bortige  ^affion^brüberfd^aft  verbot,  fo  entfj^rangen  fold^e  9Ka|regeln  fc^toerlic^  ber 
Seforgniö,  e^  fönne  ftd^  üWa^  Äc^erifd^e^  einfd^leic^en,  fonbern  bielme^r  ber  %nx^t  bor 
ungef^icfter  SlofefteDung  ber  alten  Se^re.  Übrigen^  toar  bie  ©teCung  ber  franjöftfc^en 
(Sabiniften  gegenüber  ben  gciftlic^en  Bpkkn  ^unäc^ft  feine  grunbfäl^U^  ablel^nenbe ;  noc^ 
1546  fanb  in  ®enf  bic  Sluffül^rung  eine^  ^tocitägigen  3lj)ofteIm^fteriumö  ftatt,  unb6alt)in35 
mipiüigte  bamal^  au^brüdflid^  ba^  fc^'^offc  3tuftreten  be^  ^ßrebigerö  6o>),  ber  gegen  biefe 
3(uffübrung  eiferte,  grft  ettoa  feit  1570  gelangte  in  ber  catoiniftifc^cn  SBelt  bie  3tnftc^t 
^ur  §errfc^aft,  bafe  bie  2tuffü^rung  bon  2)ramen  auö  ber  l^eiligen  Schrift  nid^t  gebulbet 
werben  bürfe,  eine  3lnfid^t,  bie  in  ben  33efd^Iüffen  ber  ©^noben  bon  Shme^  1572  unb 
t)on  "^ic^^ac  1579  ^um  2lu^brudE  lam.  ^n  ber  beutfd^en  ©d^toeij  f^at  and)  bei  ben  ^ro^  40 
teftanten  bie  greube  an  ben  geiftUc^en  Spielen  noc^  bi^  ioeit  inö  16.  ^ö^tl^wni^^  l^inein 
l^orgel^alten.  Sutl^er  bittigte  auöbrürflic^  bie  bramatif^e  Sorfül^rung  biblifd^er  Segebem 
Reiten,  \r)mn  xijm  and)  gerabe  bei  ben  $affton«fi)ieIen  baö  Streben  nac^  Gnegung  mit= 
leibiger  St^ränen  im  Sinne  ber  früheren  Ä^fefe  unf^m})at^ifc^  toar.  ^m  übrigen  aber 
l^at  er  bie  bramatifd;e  3Sorfül^rung  ber  l^aten  ß^rifti  emj)fo^Ien  (be  SBette  3,  566),  unb  45 
al^  ber  Sc^ulmeifter  unb  Sramatifer  ©reff,  toclc^cr  ber  Slnregung  Sut^erö  gefolgt  toar, 
im  %  1543  in  2)effau  auf  ben  SBiberf^ru^  feinet  bortigcn  ^faner^  ftie^,  l^olte  er  Don 
Sutf^cr,  ^Jielanc^t^on  u.  a.  ©utac^ten  ein,  bie  il^m  beftätigten,  bafe  burc^  folc^e  S>)iele, 
h)enn  fie  o^ne  2eic^tfertig!eit  unb  ^offenrei^erei  borgefü^rt  toürben,  ben  Untoiffenben  auf 
eine  vortreffliche  2lrt  bie  S3efanntfd»aft  mit  ber  (^eiligen  ©efd^id^te  bermittelt  toerben  fönne.  so 
Sie  ja^Irei^en  beutfc^en  3)ramen,  bie  nun  entftanben,  beioegen  fid^  meift  in  einem  äl^ns 
lirf^en  Stil,  h)ie  bie  lateinifd^en  Sc^ulbramen  au^  ber  ^eiligen  ©efc^id^te,  bie  fic^  bem 
terengifc^cn  Stil  annäl^erten  unb  ju  benen  bie  2lnregung  bon  ben  TOeberlanben  an^^ 
gegangen  fear;  ba^  einflufereic^fte  ä^orbilb  bicfer  Stic^tung,  ber  Slcolaftuö  be^  @napf)zn^, 
eine  2)ramatifterung  be^  ©leic^niffe^  Dom  berlorenen  So^n,  lüar  1529  erfc^ienen.  SSon  65 
ber  grote^fen  Suntfd^ccfigfeit,  bie  mitunter  bei  ben  mittetaltertid^en  Aufführungen  ^erbor= 
getreten  h?ar,  ift  in  biefem  proteftantifd^cn  Sd^ulbramen  nic^t^  mel^r  ju  berf>)üren;  h)ie 
©corg  Wajor  fic^  auöbrüdfte,  foüte  man  auftreten  mit  „actionibus  gravibus  et  mo- 
destis,  non  histrionicis,  ut  olim  erant  in  papatu''.  Safür  fe^lt  auc^  je^t  bie 
l^eiterc  $rac^t   be«J   mittelalterlichen  33ül^nenbilbc^;    ober  bie  5IKufif,  bie   fd^on   bei  beneo 


646  SpitU,  gdfUti^e 

9Jl^ftericnauffül^rungcn  eine  gro^c  SloHe  gcfi^iclt  l^attc,  tourbc  bon  bcn  2)i(^tcm  oft  jur 
6rl(>öl^un0  ber  SBirfung  l^crangejogen;  fte  foKtc  im  (protcftantifd^cn  2)rama  toie  im  ^o^ 
teflantifd^cn  Äultu^  für  bcn  mangclnbcn  ©c^mudE  ber  äußeren  (Srfd^cinung  entfc^öbigen. 
3in  ben  biblifc^en  I)ramen  ber  5Öleifterfinger,  j.  33.  in  bcnen  be^.  $an^  ©ac^  tritt  bie 

5  ^ertpanbtfd^aft  mit  bem  mittelalterlid^en  ©til  beutlid;er  l^ertoor.  Öftere  lüirb  anä)  in  bic 
biblifd^en  ©toffc  eine  ))oIemif(l^e  lenbenj  gegen  bie  f at^olifd^e  Äirc^e  gelegt,  toic  bie^  ft^on 
bon  33urll^arb  35}aIbi<S  in  feinem  gaftnac^töfjjiel  t)om  tjerlorenen  ©o^n  1527  gefc^eben 
h)ar,  bor  allem  bcnu^te  man  in  ben  altteftamentlic^en  ©tüien  bie  ©c^ilberung  ber  Saal^ 
j)faffen  gerne  ju  Seitenbliien  auf  bie  römifc^e  ÄlerifeL 

10  3)er  §au))ttummel))la|  ber  lonfefftonetlen  ^olemif  toar  aber  bie  aUegorifc^e  9JloralitdL 
äug  ben  erften  3<^^^J^^"*^  ^^^^  9tef ormationöbcloegung  befi^en  toir  eine  gan^c  bleibe  üon 
franjöftfc^en  ^BJoralitäten,  loo  ber  franfe  (Staube,  nac^bem  er  ftd^  juerft  tocrgeblid^  an 
einen  fd^olaftifc^en  „Theolonginquus"  getoanbt  If^at,  bon  bem  „Texte  de  saincte 
scripture"  geseilt  loirb,  ober  loo  „©imonie"  unb  „Slbaricc"  bie  „SBa^r^eit"  mtfe^nbeln 

löunb  einf>)enen,  bid  ein  bibelfunbiger  £aie  fte  befreit;  auc^  an^  ßnglanb  baben  pd^  ^ahU 
reid^e  5Koralitäten  in  biefem  ©til  erl^altcn.  2)ie  3Roralität  ßljer^man,  bIc  fic^  in  mcb= 
reren  Bearbeitungen  über  ben  kontinent  Verbreitet  IjaiU,  tourbe  jc^t  in  ber  Slrt  ^roteftantifc^ 
umgeftaltet,  bafe  ber  3Jlenfc^  nic^t  mcf^r  burd^  bie  guten  SQ3er!e,  fonbem  burc^  ben  ©laubcn 
SRettung  finbet.  ^\x  biefer  ©üer^man^Sru^^e  fann  man  ben  lat.  „Mercator"  red>nen,  ta- 

20  fafet  t)on  9laogeorgug,  bem  tem^jeramentüoüften  unb  rüdtftc^telofeften  bramatifd^cn  SSertrcter 
ber  reformatorifc^en  ©ac^e  (ögl.  S3b  X  ©.498,35).  2)ie  tat^olifd^e  Partei  batte  ^unäift 
auf  bramatijc^em  ©ebiet  ebenfo  toie  auf  anbern  ©ebieten  feine  fo  ftattlid^c  ängabi  t»on 
energifc^en  unb  braufgängerifd^en  $orfäm})fern,  erft  feitbem  gegen  6nbe  be^  16.  S^^^^- 
^unbert«  bie  3l<^f"it^n  il^re  bramatifc^e  ^ro})aganba  entfalteten   unb   aud(>   für   bic  3lu^ 

25  ftattung  alle  raffinierten  ©ffcttmittel  be^  Sarocfftite  in  Setoegung  festen,  tourbc  bae 
anbere.  3"  ©pflnicn  finbcn  toir  feit  ber  WxttQ  be^  le.^ö^t^unbertd  jal^Ireic^c  Seifpicie 
bafür,  bafe  bie  aBagenf})icle  bcö  gronlcic^namöfeftciS  bic  gorm  Don  3){oraIitäten  annagen. 
Sic  fmb  natürlich  ftrcng  römifd)=fircf>Iid^;  h)ieberl;olt  äußert  fid^  in  i^nen  ein  glübenbcr 
§afe  gegen  bie  Äe^crci;  ber  ^nijali  bient  geioöl^nlid^  jur  aSer^errlic^ung  beö  (Se^eimnijlcs 

30  ber  Iran^fubftantiation.  ©^jäter,  im  17.  $^a^r^unbert,  tourbe  ba^  fljanifc^c  gronleic^^ 
namef})iel  burc^  Galberon  jum  böc^ften  bic^terijc^en  3(ugbnic!  be^  neu  erftarftcn  Äat^oli- 
ci^mug  crF^oben ;  bie  abftraftcn  ©d^eintoefcn,  bon  Drt  unb  ^^\t  loögelöft,  fmb  bier  Don 
bem  magifc^cn  ©lang  ber  f^janifc^en  3)t^ftif  umfloffen;  aiid)  ber  älnberöbenfenbe  füWt 
ftd^  bur^  bic  ftnnreic^cn  SlÜcgorien,   burd;  bie  beraufc(»enbe  -^Jrac^t  ber  Bpxad^c  in  eine 

35  tüunberbare,  toeltentrüdfte  ©timmung  berfe^t. 

2)ie  biblifc^en  unb  Scgenbcnbramen  nac^  mittelalterlid^er  2(rt  erhielten  fic^  toeiter  in 
bcn  fatl^olifd^en  Sänbem  unb  Verbreiteten  fid^  and)  über  Sänber,  ioo  fid^  nur  bürftigc 
©J)urcn  auö  f^jätcrer  3^^^  erhalten  i}abm,  5.  33.  ^olcn  unb  Kroatien,  bod^  fonnen  h?ir 
allenthalben  Verfolgen,  toic  bic  geiftli4»cn  ©j^iele  fid^  Von  ben  ©tobten  aufg  £anb  jurüd- 

40  jogen,  hjo  fic  in  manchen  ©egcnben  nod^)  bi^  Freute  fortbcftebcn.  2)ie  größte  Scrübmt^ctt 
erlangte  ba^  ^affionöf^iicl  von  Cbcrammcrgau,  ba^  guerft  1634  aufgeführt  unb  in  ber 
Siegel  in  jc^njäl;rigcn  3i^i|d;cnräumcn  loieberl^olt  lourbe.  3)er  urfprünglid^e  ©Jjieltcrt, 
Von  bem  fic^  eine  §anbfd&rift  au^  bem  ^^l^re  1662  erhalten  i}at  (^erauög.  V.  ^artmann, 
2ci))jig  1880)    cntftanb   burc^  Kontamination    au^   einem  Slugöburger  ^affion^ft^iel  bce 

45  1  o.  ;i3a^rl;unbert^  unb  au^  einem  ^affion^f})iel  bcö  Slugöburger  3Keifterfängerö  ©cbaftian 
SLUlb  (gebr.  1566),  baö  fcincrfcitö  ioicberum  in  feinem  jtociten  leil  auf  einem  latcinu 
fc^en  §umaniftcnbrama,  bem  Christus  redivivus  beö  ßnglänbcrö  ©rimalb  beruht, 
epätcr  finb  immer  mcljr  bic  (Sinflüffc  bc^  äJarodftil^  in  ba^  Dberammcrgauer  £)?icl 
cingebrungcn,  befonber^  al^  im  '^ai)x  1750   auf  Sitten   ber  Dberammcrgauer  ber  -^Jater 

5<)  ^fcrbinanb  Sto^ner  im  naljcgelcgenen  Scncbittinerftift  ßttal  ben  legt  einer  VoUftänbigen 
Umarbeitung  untcr;^og.  Sson  ibm  tourben  iccnifd)c  Gffefte  im  ©efd^mad  ber  3^!"^^^-' 
bül^nc,  Slrien  unb  ß^örc  im  italienifdien  D^jcrnftil,  Vor  allem  aber  bie  für  ba^  Ober-- 
ammcrgauer  ©ijiel  fo  ^ara!tcriftifd)cn  ^rüfigurationen  eingefügt.  2)ie  äluffaffung  ber 
alttcftamcntlid;cn  (Srcigntffc  al^  i^orbcbcutung   auf  bic   ncuteftamcntlic^en  toar  ja  jcbon 

55  im  9)üttcltalter  tocit  Verbreitet,  für  i^re  bvamatifd;e  93orfül)rung  in  3Serbinbung  mit  bem 
Scbcn  3cfw  M"t  mir  jcbod;  nur  ein  cinjigcö  mittelalterliche^  SeifJ)iel  befannt,  ba^  ^'»cibel- 
berger  $affionö)>icl  (^anbfd^^rift  von  1513),  too  i.  3i  Vor  ber  ©cene  jtoifc^en  ^efu  unb 
ber  iüafferic6ö}jfcnbcn  ©amaritcrin,  bic  3"fa"^»i^cn!unft  ßlieferg  mitSRebeffa  am  Brunnen, 
Vor  ber  ©ccnc  |;ioi)d}en  '^q^u  unb  ber  (Sbcbrcd)crin  bie  greif)>rec^ung  ber  ©ufanna  bur(^ 

60  Daniel  bargeftcUt  loirb.    ^m  ^cfuitcnbrama  fpielen  jcbod^  bie  ^jjräfigurationen  ein  grofec 


@pitk,  griflK^e  647 

SRoIIe  unb  bon  bort  l^at  3lo«ner  offenbar  bie  SCnrcgung  crl^altcn,  in  feinem  Jejt  ^ßrä« 
figurationen  in  ber  gorm  öon  lebenben  Silbern  eimufügen,  bie  atebann  ber  „©d^u^geift 
biefer  ©c^auBül^ne",  bem  anbere  ©c^u^geifter  afö  6^or  afftftieren,  einleitet  unb  erläutert. 
3n  ber  jtoeiten  §älfte  be^  18.  S^^tl^unbertö  feigen  toir  bie  9tegierungen  in  Sägern  unb 
Defteneic^  gegenüber  ben  geiftlid^en  Bp'xdm  eine  äl^nlic^e  able^nenbe  |)altung  einnehmen,  6 
toie  früf^er  in  |JranIreic^  (f.  o.  ©.  645,  is);  toie  bamatö  ben  ©fott  ber  Protestanten,  fo 
fürchtete  man  je^t  offenbar  ben  ©l)ott  ber  Slufflärer;  man  betrachtete  je^t  biefe  ©jjiele 
aU  „mit  ber  SBBürbe  ber  SReligion  unbereinbarlic^"  unb  fo  tourbe  in  Sägern  1770  bie 
Sluffü^rung  Don  ^affton^tragöbien  t)erboten.  3Sergeben^  lüiefen  bie  Dberammergauer  barauf 
^in,  ba^  ju  il^ren  ©fielen  „nic^t  nur  einfältige  Surger  unb  ^aur^^Seute,  fonbem  aud^AO 
in  atbelid^en  ßaracteur«  ftel^ente  unb  Oelel^rte  ^ferfol^nen  anl^ero  eiKen";  erft  1780,  nac^bem 
ba«  ©})iel  burc^  einen  anbem  ©ttaler  ©eiftlid^en  „Don  anfto^lid^en  Ungebü^rlid^feiten 
DoHfommen  gereiniget"  toorben  toar,  geftattete  bie  Slegierung  für  bie  Dberammergauer 
©j)iele  eine  äu^na^me  Dom  allgemeinen  Verbot.  2)ann,  nac^  einem  abermaligen  Sßerbot 
Don  1801,  fonnten  bie  2luöfü^rungen  feit  bem  ^df)xc  1811  alö  eine  „an  unb  für  fid^  is 
unfd^ulbige  ©ad^e"  unge^inbert  ftattpnben ;  ber  ®eift  ber  SWomantif  unb  ba^  immer  mel^r 
erftarfenbe  ^ntereffe  für  d^arafteriftifc^e  SJolfögebräud^e  lam  il^nen  ju  §ilfe  unb  fo  er« 
langten  fie  allmä^lid^  einen  SBeltruf.  1830  fanbtc  ©ull^i^  Soifferee  einen  SJerid^t  über 
bie  Dberammergauer  ©piele  an  Ooetl^e,  1850  lentte  (Sbuarb  2)eDrient  in  einer  befon« 
beren  ©d^rift  bie  Slufmerlfamfeit  ber  Dramaturgen  auf  bie  gewaltigen  Sßjirfungen  biefer  20 
Dolfötümlic^en  Sül^ne.  Der  SCejrt  })aiU  injtoifc^en  unter  ben  ^änben  be^  ©ttaler  ^aitt^ 
3Bei^  eine  neue  ©cftalt  angenommen;  bie  3Serfe  be^  Dialog^  tourben  in  5Profa  aufgelöft, 
auc^  finb  je|t  Sintoirfungen  ber  Äumanitätöanfc^auungen  be^  18.  ^a^tl^unbertö  unb  ber 
Älo>)ftoc!fd^en  religiöfen  ^oefte  erfennbar.  aber  jeber  3wf(^auer  toirb  bie  ©mj)finbung 
Ijahm,  ba|  je^t  nod^,  h)ie  im  ^Mittelalter  bei  biefen  ©l)ielen  ber  %^i  nic^t«  bebeutet,  bie  25 
leibhaftige  Sorfül^rung  aHe^.  ©cenen  toie  ber  6injug  in  g^öl^n^f  Gl^riftud  Dor  ^ßilatu^, 
ber  ÄalDarienberg  toerben  jebem  unDergefelid^  bleiben.  §unberte  Don  Darftellern,  jeber 
Don  ber  33ebeutung  feiner  SloHe  burc^brungen,  gam  anber«  al^  ein  berufsmäßiger  ©^au- 
fpieler  in  il^r  tebenb,  in  äugenbliien,  toie  Dor  allem  hjä^renb  ber  Slbenbma^löfcene,  bie 
eigene  feierliche  Stimmung  Doli  unb  ganj  auf  ben  ^^fd^auer  übertragenb.  Dabei  fd^öne,  30 
fräftige  ©eftalten,  burd^  Irabition  unb  Übung  m  einem  ebeln  änftanb  erjogen,  bem 
(S^arafter  ii)xtv  SloHe  gemäß  au^etoäl^lt  unb  auc^  in  ©injel^eiten,  h)ie  ^aar*  unbSart« 
trad^^t  biefem  S^arafter  entf^^rec^enb,  o^ne  ©c^minfe,  SrifotS  unb  ^erücfen.  änflänge  an 
ben  ba^erifd^en  Dialeft  ober  fonftige  fleine  Ungejc^icflic^Ieiten  fönnen  nur  ben  eigentüm* 
lid^en  dkn  er^öl^en.  Die  3lnorbnung  ber  Sü^ne  ift  nic^t  me^r  bie  mittelalterli^e ;  fte  35 
toeift  benfelben  l^j)uö  auf,  toie  ber  3Jluftertl^eaterbau  ber  SRenaiffance,  baS  Teatro 
Olimpico  in  33incenja,  ein  2!t?l)uS  ber  burd^  Vermittlung  ber  3^fwit^*^6ül^ne  feinen  SQ3eg 
auf  baS  Sauemtj^eater  fanb.  Die  ©cene  fteüt  einen  ^lal^  in  ?j<^f^^<^n^  ^or,  ein  großer 
Sogen  in  ber  ^inberloanb,  burc^  einen  Vorgang  Derfc^ließbar,  lann  tocd^felnbe  SluSbliäe, 
in  ben  ©aal,  ioo  baS  Slbenbmal^l  ftattfinbet,  auf  ben  ÄalDarienberg  u.  f.  h).  getoäl^ren.  40 
9iad^  bem  großen  ßrfolg  ber  Dberammergauer  ©^iele  l^at  man  aud)  an  anbem  Drten 
be«  fatf^olifc^en  ©üben^S,  toie  ju  Srijlegg  in  Jirol,  ju  §ört$  in  Sö^men,  bie  ^affton^ 
f))iele  mit  Derbol)^eltem  Eifer  toieber  aufgenommen. 

einen  anf})ruc^dloferen  ©runbton  l^aben  bie  2Bei^nac^t«fj)iele,  bie  fid^  auc^  in  pxo^ 
tcftantifc^en  ©egenben  bi«  in  bie  9leujeit  binein  erl^alten  l^aben.  SBäl^renb  im  feäteren  45 
SRittelalter  bie  3:enbenj  l^erDortrat,  bie  Darftetlung  Don  ßl^rifti  ©eburt  unb  Äinbpeit  mit 
in  bie  jjrunfDoHen  ct^Ilifc^en  Sluffül^rungen  ber  ©ommerSj^eit  einjubejie^en,  bauerten  bas 
neben  boc^  aud^  bie  Sluffü^rungen  jur  SBei^nac^tSjeit  Weiter  fort,  nur  lag  eS  in  ber 
Siatur  ber  ©ac^e,  baß  man  ftc^  ^ier  Don  ber  urfjjrünglic^en  fc^lid^ten  ßinfac^l^eit  nid^t 
fo  Weit  entfernte.  Diefe  Aufführungen  nal^men  einen  intimeren  unb  ^erjlid^eren  6l[>aralter  so 
an,  Wie  er  gerabe  jumSBefen  biefeö  gefteS  })aßt;  bie  §irtenf|)iele  unb  bie  DreiIönigSfj)iele 
Waren  ja  Dor  allem  banac^  anget^an,  auf  linblid^  unb  einfach  em^finbenbe  $örer  gu 
toirfen.  Unter  ben  beutfcl^en  SBei^nad^töf^ielen  Derbient  befonberS  eines  in  l^effifc^er 
5Wunbart  ©rWä^nung,  baS  in  einer  §anbf4[rift  beS  15.  S^^rl^unbertS  überliefert  ift  unb 
fc^on  manche  3^0^  aufWeift,  bie  in  ben  f})äteren  2Beil^nac^tSfj)ielen  trabitioneU  Würben.  66 
Sor  allem  bie  ^umoriftifc^e  ©c^ilberung  beS  alten  S'^f^t^^f  '^^  jwerft  in  Set^le^em  bei 
mel^reren  groben  SBirtSleuten  Dergeblic^  ein  Unterfommen  fuc^t  unb  jpäUx  ftd^  baju 
l^erbeiläßt,  baS  Äinb  gu  Wiegen  unb  il^m  einen  Srei  ju  !oc^en.  Die  §irtenfcenen  gaben 
Slnlaß  gu  realiftifd&sfomifc^en  ©d^ilberungen  beS  SanbDolIS  auf  (Srunb  eigener  Seobac^s 
tung,    ba;\Wifd^en  finben  fic^  auc^  rofofo^afte  ßinWirlungen  ber  ^aftoralj)oefie.    gn  ben  eo 


648  &pitU,  getflltc^e  ®pttta 

2)rciföni0^s  unb  §crobc^fccncn  finbcn  totr  öftere  Slnflänge  an  ba^  ©j)icl  be^  ^an^  Bad^ 
,,(£nt))fen0nufe  unb  ©eburbt  Soi^anni«  unb  6l^rifti",  bicfe  ©cencn  crfc^einen  aud)  hxritcrbin 
öfter«  mit  ben  aBetl^na^töf^ielen  ju  einem  ®anjen  öerbunben.  äud^  fommt  c«  bor,  bafe 
ba«  SQ3ei^naci^t«fj)ieI  mit  bem  Stbüent^fpiel  bereinigt  tpirb,  bei  toclc^em  ba«  G^tfinb 
5  umF^erjiel^t,  um  jtc^  ju  überzeugen,  ob  bie  Äinber  fromm  unb  fleifeig  fmb,  ein  ©^iel,  bas> 
mit  uralten  germanifd^'l^eibnifc^en  Sorftellungen  ^ufammen^ängt.  g^^^föK^  ftnb  biefc 
finnboHen  ©ebräud^e,  iüie  Sogt  mit  Siedet  bemerft,  lebenötoert  unb  barum  and)  am  geben 
gu  erf^alten.  dretsenai^. 

^pitta,  grance^co,  geb.  1502,  ^eft.  1548.  —  iJittcrQtur:(Vergerio)  LaHistoria 

10  dl  M.  Franc.  Spiera,  11  quäle  per  hauere  in  varij  modi  negata  la  conoeciuta  veritä  deirCuan- 
gelio,  cascö  in  vna  miscra  disperatione  ...  (2.  91uÖfl.)  1551;  9?eubruff:  BibL  d.  Riforina 
It.  II  (Jloren^  1883);  Fr.  Spierae  Civitatulani  horrcndus  casus,  qui  ob  negatä  in  iudiciu 
Evangelii  veritatem  in  miseram  incidit  disperationem  .  .  .  (S3a[el  1547),  ed.  S.  S.  (Surionc: 
ha^\,  mit  geänbertem  ^itel  (Historia  Fr.  Spierae  .  .  .    Basileae  1550),     (3n^aft:    33orroorl 

15  6iiriüne§;  ÖJefcf).  be§  ©p.  nod)  SSevgerio;  Epistola  Gribaldi;  (Salüin  an  ben  gcfcr,  SSonron 
ju  bem  Exeraplum  niemorabile  Henrico  Scoto  auctore  fnu(^  in  Op.  Calv.  Ck)rp.  Reff.  H7, 
855ff.];  ÖJefd).  bcö  @p.  Don  8ig.  öJelouö;  SSergevio  an  SRotta;  93orr^aus>'  ?lb^anblung;  3n- 
be^'.  2)aöf.,  o()ne  0.  u.  3.;  ba^f.,  Tubingae  1558.  ^eut(cl)e  ^lu^g.  1558,  1559,  1630,  mi 
ugi.  Hubert,  SScvgerioä  publicift.  2:f)fttigfeit  1893,  6.  207  f.)  —  9?ot^,  &r.  ©piera^^  fiebcneenbf. 

20  9?üniberg  1829;  Sijrt,  ^.  %  SSergeriu^  (1855),  6.  125ff.;  Somba:  gr.  6p.,  Episodio  della 
Rif.  rel.  in  Italia.  Con  docc.  orig.,  giren^c  1872;  beif.,  I  nostri  Protestant!  II  (girenje  ISlKi, 
6.  257—295;  9?önncfe,  ^x.  8p.,  .^amburq  1874;  Sommevfelt,  &r.  8p.,  ein  llnglii(flicf)er. 
91.  b.  iWornjeg.  Don  Raufen  1896  (ugl.  X^fiS3l  36,  437);  de  Leva,  GH  Eretici  di  attadella 
(Atti  deirist.  Veneto,  vol.  II,   ser.  IV  [1873]);    ^enralt),  ®efd).  b.  ^ef.  in  SScnebig  (18S7), 

25  8.  35  f.  @nt)äE)nt  finbe  id) :  Epistola  di  Giorgio  Siculo  alli  cittadini  di  Riva  di  Trento 
contro  il  mendacio  di  Fr.  Sp.  et  falsa  dottrina  de*  protestanti,  Bologna  1550. 

©piera,  9lec^t€anh)alt  in  ßittabeßa,  tourbe  1548  feilend  bed  3"^wifition^eric^te^  in 
3?enebig  in  Stnflage  h?egen  Äe^erei  berfe^t  unb  baö  3Serl^ör  am  25.  Tlax  begomicii 
2)abei  tritt  bon  boml^erein  baö  Seftreben  be^  Slngeflagten   ^erbor,   feine   äbtvei^ungen , 

90  t)cn  ber  fat^olifc^en  Se^re  fei  eö  ^u  leugnen,  fei  eö  ab^ufd^toäc^en.  Slber  ba«  ^If  niAt, 
jumal  i^m  and}  ber  Sefife  fe^erif^er  ©Triften  nad^getoiefen  tourbe.  3"  ^^  Sefürc^tung, 
fein  3lmt  ju  berlieren  unb  bamit  ber  SKöglid^feit,  feine  fel^r  ja^lrei^e  gamilie  ju  er- 
nähren, beraubt  ju  h?erben,  erfd^ien  er  bann  am  12.  ^uni  B\>.  Dor  ben  SRic^tem,  um  „rcu-- 
mütig"   ein  ©eftänbni^  abjulegen.    @^  tourbe  i^m   am  26.  ^nnx  nad)   geiciftetcr  ^h- 

36  fc^tüörung  bor  bem  "Iribunale  auferlegt ,  öffentlich  ^u  h)iberrufen  unb  gtoar  foh?oM  in 
ber  SKarfu^fird^e  in  33enebig  aU  and)  in  ber  §auftfirc^e  ju  ßittabeHa  nac^  bem  $c*^ 
amte  am  ©onntag  ben  1.  §w^i  1548. 

©iefe  2lbfd;n)örung  mit  ibren  golgen  l^at  bie  ^erfon  B\>.^  ju  einer  Sebeutung  im 
Steformation^jeitalter  erf^oben,  bie  il}x  fonft  teine^hjegö  gugef ommen  fein  mürbe,  älö  Sj). 

40  nad)  »^aufe  jurüdffel^rte,  fo  erjä^lte  er  felbft,  begann  „ber  ®eift",  b.  l).  eine  innere  ©timmc, 
i^m  aiorU)ürfc  gu  mad^en,  bafe  er  bie  ffia^rF^eit  berleugnet,  bafe  er  ©Ott  felbft  ben  ©c^ 
F^orfam  aufgejagt,  in  ber  geleisteten  2lbfcf>n)örung  i|^m  ben  (Sib  gebrochen  i}ahc.  Gin 
furd^tbareö  fingen  begann  in  if^m  jtoifc^ien  S^roftgrünben  aller  3lrt,  bie  er  felbft  fucfctc, 
ober  bie  i^m  bon  ben  ©einigen  unb  §reunben  nalje  gebrad^t  hjurben,  unb  einer  ^offnuncj^ 

45  lofen  äiergtoeiflung,  h)ie  fie  i^n  in  bem  33eh)ufetfein  ergriff,  bie  ©ünbe  toiber  ben  beiligen 
Seift,  bie  nid^t  bergeben  h)irb,  begangen  ju  f^aben.  5Wonatelang  toäl^rte  biefe«  Slingcn, 
ba^  ben  ftarfen  Wann  aud^  i>^^fifc|  auf  ba^  aufeerfte  angriff  unb  Slnla^  gab,  ihn  nad) 
$abua  in  bie  33ebanblung  ber  berübmteften  Slrjte  übergufül^ren.  2ltte^  bergcbenä.  Sis^ 
iüeilen  fc^ien  e^,   al^   machten  bie  jrofttoorte  ber  ^reunbe  ober  gelbiffe  SibelfteUcn  uon 

60  ber  SlUgemeinbeit  ber  ©nabe  ©otte^  ßinbrudf  auf  i^n;  bann  lag  er  ftitl  unb  mortlo» 
ba  —  aber  J)lö^lid^  ergriff  ibn  ioieber  bie  SSerjtoeiflung  unb  jammemb  brac^  er  in  bie 
Älage  an^:  „3luf  mid^  finbet  folcf^e  SSer^eifeung  feine  Slntoenbung,  id^  fann  nic^t  mel^r 
gerettet  toerben:  eö  ift  fc^redlic^,  in  bie  ^änbe  be^  lebenbigen  ©otte^  gu  faBen!" 

2tn  bem  Säger  bc^  Unglücflid^en  in  $abua  fanben  fi^  5JZänner  gufammen,  loclcfcc 

65  innerhalb  ber  religiöfcn  ÖctDegung  ber  ^^t  l^erborgetreten  fmb  —  ber  berühmte  Stet^t^- 
lcl)rer  an  ber  Uniberfität  Siatteo  ©ribalbi  (f.  b.  art.SbVII  ©.159),  ber  ©c^otte  ßemv 
©cringer  (Enrico  Scoto),  ber  ^-)3ole  ©igiömunb  ©elou^  unb  ber  Sifc^of  bon  60^)0- 
biftria  $ier  ^^aolo  i^ergerio  (f.  b.  9(rt.).  3(tlc  biefc  l^abcn  (bgl.  oben)  Sefc^reibun^en 
bcjtb.  3JJittctlungen  unb  Urteile  über  ba^  gegeben,    Wa^  bor  i^ren  Slugen  ftc^  abfpicltc. 

60  ©0  ftnb  toir  über  bie  (Sinjelbciten  bc^  fur^tbaren  Äamjjfc^  unterrichtet,  ber  furj  mi 
erfolgter  StüdEfübrung  in  bie  §eimat  burd^  ben  3;ob  enbigte. 


Spina  Spi^amt  649 

2)cr  ®inbruc!,  toeld^cn  bic  Jragöbie  auf  bic  Umgebung  ©}).«  mad^tc,  fricgclt  ftd^  in 
ben  Seric^tcn  ber  Slugcmeugcn  ab,  Sluf  hjcnigftcn«  einen  unter  il^nen,  3Sergerio,  i)at  fie 
fo  gehjirft,  bafe  er  eine  fru^tbare  3)iaf^nung  für  fid^  f eiber  baüon  trug;  ate  er  ein  ^af)x 
fl)äter  feine«  Siötumö  entfe^t  unb  ju  ben  ^roteftanten  ftd^  toenbenb  nac^  Safel  Tarn, 
fagte  er  bem  ^ßrofeffor  Son^au«:  „^6)  toäre  je^t  nic^t  l^ier,  toenn  id^  ©p.  nid^t  \>ox  6 
3lugen  gehabt  ^äitt  .  .  .  ®erabe  im  redeten  Slugenblicf  f)at  ®ott  mid^  mit  il^m  ju^ 
fammen  gefül^rt,  um  burc^  ben  2lnblicf  feineö  grauenl^aften  Serjtoeifelnd  mic^  in  bem 
SBiberftanbe  gegen  baö  Sleifd^,  bie  SBelt  unb  il^ren  ^rften,  ben  Xeufel,  ju  ftärfen." 
Unter  biefem  (Seftd^t^tüinfel  ift  ber  casus  Spierae  ben  meiften  ber  3)amaligen  erfc^ienen 
unb  i}at  hjeitF^in  atö  tüamenbe«  3^'^^"  aufeerorbentlid^  getoirlt.  Über  fein  ))erfönlic^e«  lo 
SJerfc^ulben  l)at  Galöin  ba«  fc^ärffte  Urteil  gefaßt,  toenn  er  aud^  ,,ienem  Sanbe,  Wo  bie 
?Die^rj^abl  toeber  an  einen  lebenbigen  (Sott  unb  Schöpfer,  nod^  an  ben  ^ufünftigen 
SHic^ter  mel^r  glaubt",  folc^  einen  Sel^rmeifter  gönnt.  „2)enn  biefer  offenbar  tpinbige  unb 
e^rfüc^tiger  Dftcntation  ergebene  3Kenjc^  lüoUte  in  Gl^rifti  ©c^ule  ))^iIofo))l^ieren  unb 
brängte  ftd^  eine  ^txt  lang  unter  bie,  ju  benen  er  nic^t  gel^brte.  Sluö  feinem  ©d^iifal  i6 
mögen  bic  ^töK^ner,  toeld^e  nur  gu  gern  mit  ®ott  \pkkn,  e«  lernen,  bafe  er  feiner  nid^t 
fpotten  lä|t  .  .  .  Slber  auc^  unfere  leichtfertigen  unb  fritjolen  granjofen  mögen  barauf 
ad^ten,  tuie  aud;  bic  2)eutfc^en,  bie  unter  il^ren  gegentüärtigen  ©rangfalen  faft  jebe« 
feinere  ©cfüF^I  öerloren  ju  l^^aben  fd^einen  -—  enblid^  bie  ßnglänber  mögen  erfennen,  mit 
toclc^cr  ©l^rfurd^t  unb  h)ie  eifrig  fie  ßl^riftum  aufnehmen  muffen,  beffen  erfte  Strahlen  20 
ftd^  eben  i^nen  jcigen." 

Über  ba^S  dnbe  Bp.^  h?iffen  bie  ^abuaner  Scric^terftatter  nic^tö  anjugeben.  ©0 
lonntc  fic^  bie  Srabition  bilbcn,  ba^©}).  felbft  fd^liefelic^  $anb  an  fic^  gelegt  l^abe,  unb 
fo  bie  3)tär  Don  feinem  ©clbftmorb  fogar  in  ben  Dizionario  storico  di  Bassano  über^ 
ge^en.  SlDein  bie  öenetianifd^en  3l"<|wif^^on«aften,  toelc^e  über  feinen  ^ßrojjcfe  genaue  25 
äiuSfunft  bieten  (abgebruit  bei  ßomba,  %x,  ©})iera  1872),  laffen  feinen  3*^^W  barübcr 
befte^en,  bafe  er,  unb  xtoax  );h)anjig  Sage  nac^  berSRürffe^r  am  27.  ©ejember  1548,  im 
eigenen  ^aufe  natürlichen  lobe«  tjerftorben  ift.  2)er  Srj^riefter  bon  ßittabella  lüar  burd^ 
ben  3tubitor  bc«  Segaten  beauftragt  iDorben,  über  bie  Umftönbe  bei  bem  lobe  be« 
„SRcuigen"  ju  berichten,  ber  ben  geleifteten  9leinigung«cib  ate  bie  ©ünbe  lüiber  ben  30 
^eiligen  ®eift  anfaf^.  £)b\Doi}l  nun  bie  Slnttoort  bal^in  lanUU,  bafe  ©>).  bi«  jum  ©nbe 
babei  geblieben  fei,  ift  bon  eöentuell  angebro^ten  tüciteren  3Jta|na^men  (dimostrazioni 
a  Chi  tenesse  mala  opinione)  gegen  ben  bereit«  3Scrftorbenen  nid^t«  me^r  erfolgt  — 
man  fc^eint  ftc^  ftillfc^tDcigenb  bem  Urteile  ber  berid^terftattcnben  ^riefter  angefc^loffen  ju 
l^abcn,  ba^  ©p.  nic^t  mel^r  jured^nung«fä^ig  getoefen  fei.  ^cttrat^.     35 

Spi^amt,  gafob  "i^aul,  geft.  1566.  —  La  coppie  du  procfes  criminel  fait  par  les 
tr^-honorcz  Seigneurs  sindiques,  juges  des  cause»  criminelles  de  la  ville  et  cit^  de  Gen^ve 
contre  Jacques  Spifame  avec  la  confession  du  dit  Spifame  ^tant  au  lieu  du  Supplicc, 
Genbve  156G;  lueitere  9^ad)ridUen  über  iE)n:  Memoire  de  Cond^,  Tom.  IV;  2^t|.  be  ©55c, 
Histoire  eccl^siastique  des  Eglises  R^formdes  au  Royaume  de  France,  Tom.  II;  Senöbier,  40 
Histoire  litt^raire  I,  384sq.;  @pon,  Histoire  de  Genbvc,  Tom.  II;  Calvini  opcra, 
5Bb  XVIII— XXI  passim;  $iaafl,  La  France  protestante  IX,  309s8.;  ^.  iSl.  ©airb,  Th.  de 
B^ze  et  Taffaire  Spifame,  in  Bull,  de  la  Soc.  de  Thist.  du  prot.  frany.  1899,  p.  22888. 
(53b  48).  —  9lu6cr  ben  in  M^moires  de  Cond^,  Tom.  VI  enthaltenen  9fieben  fd)veibt  man  i^m 
JU :  Discours  sur  le  cong6  obtenu  par  le  cardinal  de  Lorraine  de  faire  porter  armes  d^fen-  45 
sives  H  ses  gens,  $ari§  1565  unb  bie  lateinifc^e  Uebcrfefung  ber  Refutation  des  folles  res- 
vcries  et  mensonges  de  N.  Durand,  1562. 

^atob  5ßaul  ©j)ifame,  §err  Don  $aff^,  ftammte  au«  einer  angefel^enen  italienifc^en 
gamilie,  bie  feit  bem  14.  S^l^r^unbert  in  ^ranfreic^  fid^  aufl^ielt.  ©r  toar  im  ^a})xz  1502 
in  ^ari«  geboren  alö  ber  jüngfte  öon  fünf  Srübem.  5Rad^bem  er  bie  Slec^t^elel^rfamleit  50 
ftubiert  l^atte,  tourbe  c«  ihm  burd^  ben  ßinflu^  feine«  SSater«  S^bann,  ber  föntglic^er 
©efretär  toar,  leicht,  rafd^  eine  angcfebene  ©tcKung  gu  erringen,  jumal  ba  ©j)ifamc  felbft 
burc^  Xalcnt  unb  ®efc^äft«gch)anbt(>eit,  befonber«  in  ginanjfac^en,  fic^  au^jeid^nete.  6r 
hjurbe  balb  ?Hat  im  Parlament,  bann  pr^sident  aux  enquötes,  maitre  des  requetes, 
juleftt  Staatsrat.  2)a  trat  er  auf  einmal  in  ben  geiftlic^en  ©tanb  ein  —  bei  ben  äufeerft  55 
bürftigen  5lac^ric^tcn  über  fein  lieben  fonnte  ic^  leinen  ©runb  ju  biefer  ^anblung  ent^ 
bec!en;  nic^t  unmöglid^  toäre  e«,  ba^  er  Don  Slnfang  an  conseiller-clerc  im  ^arijer 
Parlament  getDcfen  unb  fpäter  \xd)  gan^  ber  geiftlid^en  Sf^ätigfeit  getoibmet  f)at,  —  Slud^ 
i^ier  öffnete  ficl^  ibm  eine  glänj^cnbe  Saufbabn;  er  hjurbe  Äanonim«  in  5Pari«,  Äamler 
ber  UniDerfität  u.  f.  to.,    ©encralbifar  be«  Äarbinal«  Don  Sotl^ringen,  mit  bem  er  fc^on  eo 


650  ®)itfame 

frül^cr  in  l)crfönnc^cr  Srfanntfd^aft  ftanb  unb  ben  er  auc^  gum  Äonjtl  nad^  Irient  bc^ 
gleitete,  ^m  Dftober  1548  erhielt  er  ben  Sifc^of^ft^  bon  9ieber«;  11  ^al^rc  ^ttc  er 
benfelben  inne  gel^abt,  afe  er  auf  bie  SBürbe  ju  (Sunften  feine«  Sieffen  Ggibiu^  twjic^tetc 
unb  fid^  nad^  ®enf  begab,  h)o  er  balb  öffentlich  ficf^  ;ium  ))roteftantifc^en  ©tauben  be= 
5  tannte.  Sieben  ber  j)erfönlici^en  Überzeugung  —  §ub.  Sanguet  öerftc^ert,  er  fei  fc^on  feit 
i^ücx  3jfl^ren  ber  Äe^erei  Derbäd^tig  getoefen  —  mochten  xi)n  and)  anbere  Setoeggrünbe 
In  biefem  Schritte  getrieben  l^aben;  er  gab  ^toar  ein  Ginfommen  i>on  40000  Sit),  auf, 
tüufete  aber  bod^  einen  fd^önen  2eil  feine«  aSermögen«  ju  retten,  fo  bafe  er  nic^t  nur 
anftänbig  in  ®enf  leben  fonnte,  fonbern  fogar  burd^  feinen  Sluftianb  auffeilen  erregte. 

10  gine  §au})ttriebfeber  ju  jenem  ©ntfd^Iufe  trar  getoife  fein  ajer^ältni«  gu  Äatfcarina  üon 
®a«))eme.  ©ie  toar  bie  ßl^cfrau  be«  löniglid^en  ^Profurator«  Etienne  le  Gresle  in 
5Pari«,  al«  ©jjifame  fie  fennen  lernte;  er  öerfü^rte  fie  unb  fte  gebar  i^m  einen  ©obn, 
Slnbrea«,  t)ier  5Konate  öor  bem  3:obe  i^re«  3Kanne«,  im  %  1539.  ©eitbcm  lebte  fie 
mit  ©))ifame,  unb  er  fd^eint  eine  fog.  ®eh?iffen«e^e  mit  il^r  eingegangen  ju  f^abm,  beren 

lögruc^t  eine  ioc^ter,  3tnna,  tüar.  Um  nun  biefe  gtoei  Äinber  gu  legitimen  (Srben  gumaien, 
entbedfte  er  fein  SJcrl^ältni«  gu  Äat^arine  bem  ®enfer  9lat  unb  Äonfiftorium ,  erfidrtc, 
ba^  er  afö  ©eiftUc^cr  fie  niqjt  f^abe  l^eiraten  fönnen  unb  bafe  er  au«  gurc^t  tyox  9?er= 
folgung  geflol^en  fei  (bie«  Se^tere  toar  aUerbing«  nic^t  unbegrünbet,  benn  ba«  $arifcr 
^Parlament  erliefe  eine  Sorlabung  an  i^n)  unb  am  27.  3«^  1559  lüurbe  feine  G^  für 

20  giltig  erllärt;  aber  ©})ifame  f^atU  fid&  babei  eine«  2?erge|en«  fd^ulbig  gemad^t,  ba«  ibm 
fpätcr  ben  lob  bringen  foltte.  @r  ^atte  eine  Urfunbe  borgeiüiefen,  in  toeld^er  feine 
®ett)iffen«ef^e  mit  Äat^arine  bon  beren  Sater  unb  D^eim  gebilligt  tourbe.  ©iegel  unb 
Unterfc^rift  toaren  öon  ©})ifame  gefälfd^t  unb  ber  Äontraft  bor  ba«  ^al)x  1539  jurücf^ 
batiert,  um  bem  erften  Äinbe  bie  Sd^mac^  be«  ©l^ebruc^«  ;iu  nehmen,  eine  §anblung,  bie 

26  moralifd;  ebcnfo  t^ertoerflid^ ,  al«  xtd)tix6)  unflug  toar.  (gr  führte  al«  §err  t)on  ^afito 
ein  rec^tfc^affene«  2eben  in  ®enf,  feinen  Suju«  berjicl^  man  i^m  lüeaen  feiner  2BobI- 
tl^ätigfeit,  feine  Dielfettige  Silbung  unb  ®eh)anbt^eit  tourbe  l)on  ber  9te))ubKf  unb  toon 
ben  frangöfifd^en  ^roteftanten  mannigfad^  benu^t  unb  ban!bar  anerfannt,  unb  im 
Dftober  erf^ielt  er  ba«  ®enfer  Sürgened^t.    Salb  fel^nte   er  ftc^  nad^  einer  beftimmten, 

30  fcftcn  2^l^ätigfeit  unb  er  Verlangte,  jum  proteftantifc^en  ®eiftlid^en  getoei^t  lu  tperben. 
(Sabin  unb  ik^^a,  bie  il^n  mit  grofeer  Sichtung  bel^anbelten,  fanben  nic^t«  eingutoenbcn, 
unb  fo  berliefe  er  im  ^al^re  1560  ®enf  unb  tourbe  ^rebiger  in  ^iffoubun. 

2tuc^  anbere  ®emeinben  begel^rten  feine  2)ienfte,  fo  feine  frül^ere  ®emeinbe  in  Sletoere, 
unb  ßalöin  fd;rieb  il;m  baju:   toenn  er  früher  nur  bem  Jitel  nad^  Sifd^of  gctoefen  fei, 

85  fo  foHe  er  biefen  %ci)lct  gut  mad^cn  unb  e«  je^t  ber  3:^at  nad^  fein;  boc^  fc^eint  et 
bort  nid^t  gcjjrebigt  ui  ^abcn,  bagegen  finben  ioir  i^n  in  Sourge«  unb  ^}5ari«.  &n 
ungleid^  loid;tigerer  ®ef(^äft«frei«  eröffnete  fid^  i^m,  al«  ber  erfte  Steligionslrieg  au«bra4 
unb  bie  ^rotcftantcn  barauf  bebac^t  fein  mufeten,  eine  Sinmifd^ung  be«  beutfc^en  9leicbc^ 
ju  Derl^üten,  tuenn  fie  nic^t  gerabe  ^u  i^ren  ®unften  ftattfänbe;    6onb^  fd^idtc  Spifame 

40  al«  feinen  ®efanbtcn  ^n  bem  gürftentage  in  ^anffurt  (2l^ril  bi«  5RoDember  15r)2). 
211«  ätbcligcr,  al«  berebtcr  2:^eolog  unb  getoanbter  3Dlann  iüar  er  biefem  auftrage  Doö- 
ftänbig  gctüad;fen.  @r  legte  bem  Äaifer  gerbinanb  ein  ®lauben«betenntni«  ber  &hW' 
gelifc^en  in  granfreic^  bor,  flar  unb  beftimmt  abgefafet,  befonber«  au«fül^rlid^  in  ba 
2cbre  Don  ben  ©aframenten;    ebenfo  übergab  er  öier  Sriefe  Don  Hatl^arina  Don  3)Jebici, 

46  li)c(d;c  an  6onb^  gerid^tct  unb  ioorin  fie  il^n  in  feinem  SBiberftanbe  gegen  bie  ©uifcn 
untcrftü^t  l}attQ]  e«  foHte  bamit  ber  SetDci«  geliefert  tuerbcn,  bafe  6onb^  unb  bie  Seinigen 
nid)t  al«  3lufrül)rer,  fonbern  eigentlich  mit  ^wftimmung  unb  im  Sluftrage  ber  Äönigin- 
SDJuttcr  in  ben  Sl^affen  gegriffen  ^aUn.  3""^  ©dbluffe  bat  er  ben  Üaifer,  bie  'Jln= 
tDerbungcn,  ioclc^e  im  5?amen  be«  2:riumDirat«  gefd^al^en,  ju  unterfagen.   ©^ifame  fonnte 

50  mit  bem  (Srfolge  feiner  5Heife  jufrieben  fein,  er  ^atte  ben  Semü^ungen  änbelott«  unb 
93eja«,  bie  nac^  i^m  2;eutfd)lanb  im  gleid&en  3^^*^  befuc^ten,  ben  3Beg  gebahnt.  — 
Sei  feiner  3"^üd!unft  nac^  granfrei^  tourbe  er  mitten  in  ben  Ärieg«ftrubel  ^ineim 
gejo^en,  unb  al«  ber  öerr  Don  ©oubife  [xd)  V^on«  bemäd&tigte,  übernahm  ©})ifame  bie 
(SiDilDcrivaltung  ber  ©tabt.    ^n  biefer  ©teßung  blieb  er  bi«  jum  ©c^luffe  be«  griebcn^ 

65  Don  aimbüife  (19.  53Järj;  1503),  bann  fe^rte  er  nac^  ®enf  gurüd,  ba«  i^n  iDö^renb  feiner 
älbmcfcnl^eit  in  ben  ^iat  ber  ©ec^^^ig  gemäl^lt  hatte  (9.  ^ebruar),  gerabe  um  biefelbe  ^cxt, 
ba  ba«  ^Parlament  Don  ^^ari«  ibn  in  contumaciam  Derurteilt  ^att^f  auf  bem  ®r^De- 
))la^c  gebenft  ju  hjerben  (13.  ^ebruar).  Slber  noc^  fanb  ber  t^ätige  ®eift  biefc«  5IKanne^ 
feine  ^Ku^e.    ^m  3i«"itar  15G4  reifte    er    auf  ben  äBunfc^  ber  Äönigin    Don   9?aDana, 

60  ^ol;anna  b'2llbret,  nac^  ^^Jau,  um  beren  Angelegenheiten  ^u  orbnen :  ber  Slufcnt^alt  bort 


Sfiifame  Spina  651 

lüurbe  für  il^n  tjerJ^ängni^oII;  unbcfricbigt  unb  im  §abcr  mit  ber  Äönigtn  lam  er  \)on 
bort  im  aij)ril  1565  gurüi.  ^^m  folgte  ein  33rief  öon  Seja  boll  Sortoürfe,  toeld^e 
So^anna  gegen  ben  größten  Sügner  unb  el^rgeijigften  ÜRenfd^en  fc^Ieuberte;  freiltd^  l^atte 
er  fie  and)  auf  eine  Säeife  beleibigt,  toeld^e  ba^  gange  G^rgefü^l  einer  %xa\i  unb  Äönigin 
rege  mad^en  mufete,  inbem  er  ftc^  fo  toeit  öergag,  ju  fagen,  §einric^  (IV.)  fei  nid^t  ber  6 
©o^n  Slnton«  öon  Sourbon,  fonbem  be«  ©eiftlic^en  9Jlcrlin,  mit  toelc^em  ^o^^nna  im 
ßl^ebrud^  gelebt  ^abe.  2Bie  leidet  lonnte  ein  folc^er  SSorlDurf  gegen  il^n  gefeiert  toerben! 
Salb  ^äu^en  [\ä)  bie  Unanne^mlic^Ieiten  feiner  Sage;  man  fagte,  er  ftel^e  in  Unter* 
^anblungen  mit  granfreic^,  um  bag  Sidtum  3;oul  ju  erlangen,  ober  er  tooKe  Ober« 
intenbant  ber  ginanjen  toerben.  ©ein  9leffe  ^aloh ,  ber  bad  ganje  ©e^eimnig  feinet  lo 
3ufammenlebeng  mit  Äat^arine  (äaiptxm  h)u|te,  l^tte  Älage  gegen  if^n  erl^oben  unb 
feine  Äinber  aU  nid^t  erbfäl^ig  bejeid^net.  (Slaube  ©eröin,  ate  Slntoalt  t)on  3ioi^anna, 
f tagte  il^n  ber  93eleibigung  be«  föniglid^en  §aufe^  öon  SRatoana  an,  unb  beibe  gingen 
naq  ber  (Senfer  ©itte  am  11.  3Rärji  1566  in^  ©efängni«.  9luc^  in  (Senf  toaren  ©e* 
rüd^^te  über  feinen  ®^ebruc^  unb  feine  ^älfc^ung  laut  getoorben,  man  orbnete  ba^er  eine  15 
Unterfuc^ung  feiner  5ßaj)iere  an.  2)abei  entbedtte  man  einen  bom  2.  2tuguft  1539  baticrten 
ß^elontralt.  ©})ifame^  grau  mu^te  auf  befragen  geftel^en,  ba^  fte  biefen  Äontraft  crft 
öor  jtoei  ^a})xtn  unterfd^rieben  f)ab^,  unb  ebenfo  leugnete  er  auc^  nid^t,  ba^  er  bie 
übrigen  Unterfc^riften  unb©iegel  gefälfc^t  l^abe;  feinen  ß^ebrud^  glaubte  er  öerjäl^rt  unb 
burcp  feine  nac^^erige  33erl^eiratung  toie  burc^  ein  tabellofe^  2Am  feitbem  gefül^nt.  SJon  20 
jenem  jtoeiten  Äontralte  l^abe  er  überbie^  feinen  ©ebraud^  gemacht.  2)ie^  toar  nun 
rid^tig,  aber  nottoenbig  mufete  ftc^  bie  Unterfuc^ung  aud^  auf  ben  erften  erftrcien,  unb 
biefer,  t)on  bem  ©pifame  t)or  Galtoin  unb  anberen  Seuten  lüirflic^  (Sebraud^  gemad^t 
^atte,  ertoieg  fic^  ebenfalls  ate  falfd^.  3)ie  Slnflage,  ate  l^abe  er  gegen  bad  §au^  SRaöarra 
gefd^rieben,  toied  er  mit  (Sntrüftung  jurüi;  ben  Sifd^ofdfi^  öon  loul  l^abe  er  nid^t  be5  25 
geirrt,  um  toieber  gur  fatl^olifd^^en  Hird^e  überzutreten,  fonbem  um  ate  rechter  Sifc^of  bie 
.v>erbe  ßf^rifti  ju  toeiben.  2)a^  bie^  eine  ©elbfttäufc^ung  h)ar,  liegt  auf  ber  $anb,  aber 
äße  jene  3tnllagen  öcrfd^toanben  bor  bem  Serbrec^en  ber  boj)})elten  gälfc^ung;  ber  (Senf er 
9lat  fjjrac^  ba^  lobe^urteil  über  i^n  an^,  2)ie  Sertoenbung  ber  Serner  unb  6oligni^« 
(iüeld(>e  le^tere  aUerbing^  gu  \pät  eintraf),  bie  Erinnerungen  an  bie  2)ienfte,  toelc^e  er  ber  so 
!iHe})ublif  unb  ber  proteftantifc^en  ©ad^e  überl^au})t  geleiftet  f^aiU,  f^alfen  ni^t^.  3tm 
23.  (25?)  3Rärj  1566  tourbe  er  auf  bem  3Kolarb  entl^au))tet;  mit  großer  ©tanbl^aftig^ 
feit  erbulbete  er  ben  2ob. 

Sei  ben  bürftigen  5lad^ric^len  über  il^n  ift  e^  nic^t  ganj  leidet,  feinen  (Sl^arafter  ju 
fd^ilbem  unb  ein  Urteil  über  il^n  auögufj)rec^en.    ^m   gangen   mad^t  er  burc^   fein  un-  35 
ftäteö  unb  Dielgefd^äftige«  SBefen  ben  ©tnbrucf  eine^  2lbenteurerg. 

(X^eobor  ^djvtt-f)  &.  Sail^cttmantt. 

Spina,  ail^^on«  be,  ä^ologet  im  15.  ^al^rl^unbert.  —  3.  9(.  JabriciuS,  Bclectus 
argumentorum  et  Syllabus  Scnptorum,    qiii  de  verit.  relig.  ehr.  adv.  Judaeos  etc.  etc.  dis- 
putaruut  (.^ambiirg  1725),  p.  575 f.;   ^liM.  '^Intoniuö,  Biblioth.  vet.  Hisp.  X,  1)  (citievt  bei  40 
gabriciuS  1.  c);    jRic^arb    ©imon,     Biblioth.    critique  (1708),    III,    316—322;     Sdbrocfb, 
Ä®  XXX,  573  f. 

Sllfonfu«  be  ©})ina,  einer  ber  naml^afteften  antijübifc^en  unb  antii^lamifd^en  31^)0« 
logeten  Ui  au^el^enben  SWittelalterig,  lüar  bon  jübifd^er  §erfunft.  9Jad^  feiner  Sefc^rung 
trat  er  in  ben  §rangigIanerorben,  tourbe  Sleftor  ber  ^ol^en  ©c^ule  gu  ©alamanca  unb  46 
mleft  (1466)  Sifc^of  Don  Drenfe  in  (Saligien  (geft.  1469).  @x  gilt  tool^l  mit  Siecht  afe 
Serfaffer  beö  apologetifd^en  fflerf^:  Fortalitium  fidel  contra  Judaeos,  Saracenos 
aliosque  Christianae  fidei  inimicos,  toelc^cd  anonym  guerft  1487,  bann  5lümberg 
1494,  fotuie  noc^  öfter  (g.  S.  2l;on  1511,  1524  unb  1629)  erfc^ien.  äu«  ber  angäbe 
in  ber  Sorrebe,  bafe  e^  t)on  einem  berübmten  Seigrer  ber  grangi^faner  im  ga^re  1458  60 
^u  SaHabolib  berfa|t  fei,  fd^eint  fic^  mit  Seftimmtl^eit  fein  §errü]^ren  t)on  Sllfong 
be  ©)).  gu  ergeben.  2)ag  SKJerf  gerfäHt  in  Dier  Sucher,  jebe^  lüieber  in  mehrere  con- 
siderationes.  Sud^  I  betoeift  ausJ  bem  gintreffen  ber  in  ber  SQSeiigfagung  an^ 
gegebenen  3)lerlmale,  ba|  gefu«  ber  toa^re  9Jieffta«  fei;  S.  II  befc^äftigt  fic^  mit  ben 
|)äretifem  unb  fd^lie^t  mit  einer  ©d^ilberung  ber  mancherlei  ©trafen  berfelben.  S.  III  66 
ift  gegen  bie  ^uben  gerichtet,  beren  (ginlüürfe  gegen  ba«  ß^riftentum  e«  in  üblicher 
SBeife  tuiberlegt.  3)a^  le^te  Suc^  lägt  auf  eine  einleitenbe  Äritil  be«  SReligionöf^ftem« 
ber  aJJuf^ammebaner  eine  nic^t  unintereffante,  freiließ  einseitige  2)arfteHung  ber  «äm))fe 
gtüifd^en  ben  ß^riften  unb  ©aragenen  folgen. 


65tj  ^pim  ^pinüla 

Über  Sartolomco  Bpxm  au«  ^ifa  (pöjjftl.  ^alaftmcifter  unter  ^aul  III.  1542— IfJ, 
Serteibtger  be«  §e£entt)al;nö  in  ber  Schrift  De  strigibus  et  lamiis  [t523J  u.  a.  llxaU 
taten,  aud;  äljologeten  be«5  Unfterblid^fett^glauben«  gegenüber  ^etru«  ^om)ponatiu^  (in 
b.  Tutela  veritatis  1518),  ber  irrigertoeife  manchen  aU  3Serfajfcr  be«  Fortalitium 
6  gegolten  ^at,  f.  Duötif^ßcl^arb,  Script.  O.  Pr.  II,  126  sq.  (ögl.  ben  2(rt.  „§ejcn  :c." 
VIII,  33,  59  f.).  («Rattet  t)  S^dUx  y. 

Bpinola,  ßbrifto})^  SRoja«  bc,  latj^olifd^er  Unionift  im  17.  S^^rl^unbert.  — 
iiitteratur:  3n  Söetracöt  fommt  ^imäd)ft  bie  oben  oov  bcm  9lrt.  ,,2eibni.V'  93b  XI  3. 35.) f. 
angegebene  fiitteratnv.    Sobann :    3)Zain5er  5Sor(d)Inge  oon  16G0  jur  SHcIic^ions^ücrciniguncj  in 

10  (Övnber,  (Jommerc.  lit.  Leibnitii  T.  I,  p.  411  sqq.  De  commcrcio  epistolico  Leibnitiano  circa 
reconciliandarum  ccclesiaruin  Protcstantium  opus:  Annal.  lit.  Heimst,  ann.  1784,  vol.  I. 
p.  385.  Union§uovfd)lä(^e  üon  1673:  Unfdi.  ^^ad)!'.  1718,  ©.  947 ff.  itniferl.  S^oÜinad)!: 
llnfd).  ^JJac^r.  1753,  ©.888;  3- ^lanrf,  ÖJefd).  b.  piot.  Xtieologie,  6.314;  ®icfeler,  ÄOM, 
181  ff.;   3.  ©d)mibt,   i^eibni^  nnb  bie  ßirdienuereinigung:    öJrenjboten  1860,    9h-.  44  unb  45. 

16  3. 3k'.  kie^U  3)er  griebenöplan  beö  Seibnij  jnr  SBieberoereinigung  ber  getrennten  d}rlftlict)en 
Ä'ivd)cn,  «Bobevborn  1904. 

<Bp,  h)ar  gran^töfanergeneral  ju  5!Jlabrib,  tarn  aU  33ei(^tDater  ber  Äaiferin  3Kargareta 
Iberefe,  ©ema^lin  Seopolb«  I.,  Stoc^ter  $l^ilt))j)«  IV.,  nac^  SiMen,  tüurbc  auf  ibre  3>cr^ 
hjenbung  öoni  ^a^)fte  jum  3:ituIarbtfc^of  t)on  3:ina  in  Kroatien  ernannt,  erhielt  im  3abrc 

20  1685  t)om  Äaifer  ba«  Si^tum  35Jienerifc^=9Jeuftabt  unb  ftarb  ben  12.2)Jär^  1695.  2öenigcT 
ein  großer  Sl^eolog,  aU  ein  getoanbter  Unter^änbler  unb  aU  folc^er  mebrfadb  mit  bi^lo- 
matifd^en  ©efd^äften  betraut,  t)on  gefälligen,  toeltmännifd^en  5!Jtanieren,  lüobimeinenb  unb 
Don  irentfc^er  ©efmnung,  ioar  er  Don  h)armem  ßifer  für  ben  $Ian,  bie  ^roteftantcn, 
umäc^ft  2)eutfc^lanb^  unb  Ungarn^,  burd^  3"Ö^f^^"^"^ff^  f^^  ^^^  SBieberbcreinigung  mit 

25  älom  JU  geioinnen,  erfüllt  unb  i)at  fid^  in  unermüblic^er  SE^ätigfeit  lange  gabre  bin^ 
burd^  ber  Söfung  biefer  fcf>h)eren  Slufgabe  geh)ibmet.  S3ei  bem  bamal^  an  Dielen  pxo^ 
teftantifd^en  ^öfen  3)eutf4^Ianb^  l^enfd^enben  religiöfen  3i"^iff<^^"^^"^w^^  ^^i  ^^"  ^"f- 
faHenb  milben  ©efmnungen,  toelc^e  ben  ortl^obojen  abloten  gegenüber  bie  S^eologen  ber 
§elmftäbter  ©d^ule  gegen  bie   fat^olifc^e  Äirc^e  funbgaben,  fc^ien  ein  SJerfud^,   bie  i^rc: 

30  teftanten  jur  Sinf^eit  ber  Äirc^e  jurücfjufüF^ren,  h)of?l  äluöftd^ten  auf  ©rfolg  ju  babcn, 
jumal  e^  auc^  in  ber  3^^t  U)äl^renb  unb  nad^  ben  ji>nlretiftifd^en  ^änbeln  nid^t  an  3tuf^ 
fe^en  erregenben  Übertritten  foId;er  fehlte,  bie  eingeftanbenermafeen  t)or  ben  einigen  Sc^ 
febbungen  ber  2:F)eoIogen  Stulpe  unter  ber  infallibelu  Slutorität  beö  ^a^fteö  fucbten,  ober 
auc^  au^brüdlid^  auf  ben  Don  ßalijt  geltenb  gemadf^ten  ©runbfa^  ber  normatiDen  3lutoritat 

36  ber  erften  fünf  c^riftlic^en  ^af^r^unberte  fid&  beriefen  (Dg(.  (^iefeler  a.a.O.  S.  177  ff.). 
Unb  bie  Hoffnung,  DieUeic^t  auf  bem  2Bege  frieblid^er  3?erbanblungen  ein  grofee^^  ^crf 
JU  DoHbringen,  meld^e<^  feine  i>orfabreu  burc^  3Hittel  ber  ©etpalt  nid^t  l}atUn  burcbfc^cn 
iEönnen,  Dermoc^te  aud;  ben  bigotten  unb  Don  ben  g^fwiten  abbängigen  Äaifcr  i'eo^^olb, 
ber  bie  ^roteftantcn  in  feinen  ßrblanben  auf  brutale  9Beife  Derfolgen   liefe,   für  ben  in 

40  ^Hebc  ftel)enben  Union^})lan  günftig  ju  ftimmen.  ©0  begann  ©})inola,  nac^bem  er  ficf» 
fd;on  1671  mit  bem  päpftlid^en  3iuntiuö  ju  Jöien  inö  GinDerftänbni^  gefegt  hatte,  mit 
faiferlid)er  ©enel^migung  feine  mögli4>ft  geheim  gej)flogenen  Serl^anblungen  mit  beutfdKn, 
lutl^crifi^en  mie  reformierten,  gürften  unb  Ibcologen.  3i)ian  ^at  tDo^l  an  ben  mciftcn 
Crtcn   feine  5?orfd)läge  mit  bem    ebenfo   entfc^iebenen   toie  tDo^lbegrünbeten  SRifetraucn 

45  aufgenommen,  treldjeö  mit  bebauernber  §init?eifung  auf  bie  gerabe  auc^  in  ben  öftere 
reid?ifd?en  ©taaten  fortträ^renb  ftattfinbenben  SSebrüdungen  ber  ^roteftanten  ba^  unterm 
27.  !Juni  1682  bem  Alurfürften  Don  Sranbenburg  Don  feinen  berliner  ^ofprcbigent 
eingereid)te  ablel^nenbe  @utad)ten  au%rid)t  (f.  gering,  ©efc^.  ber  firc^li4)en  Unione- 
Derfud^e,  2.53b,  1838,  ©.212  f.).    2)oc^  liefe  aud;  bie  auf  ben  Äaifer  ju  nef^menbe  Md- 

60  ft4»t  nic^t  JU,  ben  öeDollmädt^tigten  be^felbcn  oFjne  hjeitere^  abjuh)eifen.  5Ramentlict) 
aber  fanb  er  auc^  einen  günftigen  ©oben  in  ben  berjoglid^  braunfc^tt)eigifc^4üneburgif(bcn 
Sanben  unb  Dor  allem  in  i)annoDcr.  öier  fanb  er  ben  feit  1651  !atl)olifc^en  ij^rjcii 
^o^ann  griebrid;  mit  feiner  ©emal^lin  33enebifte,  einer  gleichfalls  fat^olifd^en  ^fäl^cr 
$rinjeffin,   obfd;on   freilid;   baS  35erl;ältniö  ju  ben  ijroteftantijc^en  Untertl^anen  bop^citc 

65  i>orfid^t  gebot,  gern  bereit,  baS  Unionöircr!  ju  förbern ;  unb  mit  noc^  gröfeerem  Giicr 
nabm  fid;  beffen  'trüber  unb  9tad;folger  (feit  bem  3-  1679),  ber  in  religiöfen  Singai 
gleid;giltige  unb  einem  )3erfbnlid?en  SonfeffionStDecbfel  burd^>auS  abgeneigte,  aber  gut  öftere 
reid;tf4>  gefinnte  unb  baju  nod;  gerabe  auf  ben  Älurbut  refleftierenbe  iperjog  gmft  Jluguft, 
um  bem  Äaifcr  gefällig  ju  fein,  in  äJerbinbung  mit  feiner  ©emal^lin  Sophie,  einer  Joc^ter 

60  be^  unglüdlic^en  33öl;mentönigS  griebridE;  Don  ber  ^falj,  ber  Sac^e  an.     Unb  ber  erftc 


(Bpinüla  653 

©etftlid^c  be«  Sanbe«,  ber  lüeniger  fd^arffinmge  ate  fricbliebenbc  unb  jfjelel^rtc  lutJ^crifd^c 
2:i^eolo0c  ajlolanuö,  3lbt  t)on  Soccum,  unb  bcr  ^annoberifc^e  ^ofrat  Seibni^,  ber  cttüa  in 
bem  Sinne  eine^  ®rottud  (Dgl.  beffen  Annotationes  ad  Cassandri  consultationem, 
1641,  unb  Votum  pro  pace  ecclesiastica,  1G42,  h)ie  and)  jeine  ©c^rift:  loca  quae- 
dam  N.  T.,  quae  de  antichristo  agunt  aut  agere  putantur,  h)orin  er  bte  pxo^  5 
teftantifd^c  annähme,  ba^  ber  $a})ft  ber  Slntic^rift  fei,  beftreitet)  für  eine  Union  mit  ber 
fat^olifd^en  Jlirc^e  günftig  aeftimmt  unb  gu  Äonjeffionen  bofür  geneigt  tvax,  tpelc^e  bon 
beiben  §erjögen  ju  ben  ^er^anblungen  mit  ©))mola  fommittiert  tuurben,  famen  bem- 
felbcn  mel  nachgiebiger,  ate  rcd^t  tvax,  entgegen.  33ei  bem  erften  Sefud^e  be«  Sifcbof^ 
1676  unter  §erjog  S^^ann  ^t^iebrid^  Wax  e^  toof^l  gam  bei  ®efj)räc^cn  mit  ben  beiben  lo 
(benannten  geblieben.  Slber  bie  Sacf^c  nal^m  eine  bebentlic^ere  ©eftalt  an,  aU  ber  Unter« 
IE>änbler  am  Seginne  b€§  ^af)x^^  1683  toieber  erfd^ien  unb  bie^mal  mit  toeitge^enben 
äinerbietungen,  bie  er  freili^  blo^  münblid^  mad^te:  bie  Kommunion  sub  utraque,  bie 
^riefterel^e  unb  \>ox  allem  ber  unöeränberte  S3efi$  ber  fäfularifierten  geiftlid^en  (äüter, 
ja  bie  Su^enfton  be^  Sribentinumg  follte  jugeftanben,  bie  „9ieuIatf^oliIen"  foHten  ju  i5 
feinem  förmlichen  SBiberruf  genötigt,  fte  foliten  afö  Seifiger  be«  ju  berufenben  aUge« 
meinen  Konzil«;  jugelaffen  toerben  unb  bagegen  nur  bie  Öberl^errlid^!eit  be«  $a^fte^  an^ 
erfennen.  ^ci^t  t>erfammelte  fid^  eine  bon  UWolanuö  >)räfibierte  Äonferenj  t)on  Ideologen, 
lüelc^er  ©J)inola  ein  3JJemorial  überreichte:  Regulae  circa  Christianorum  omnium 
ecclesiasticam  reunionem  (in  oeuvres  de  Bossuet,  ed.  Versailles,  Tom.  XXV,  20 
p.  205,  ber  '^nl)alt  angegeben  bei  gering  a.  a.  D.  6.  2 15  ff.),  unb  bie  9Jlitglieber  ber 
Äonferenj,  hjorunter  au^  %,  U.  Galijt,  einigten  ftd^  5U  einer  ©d^rift:  Methodus  redu- 
cendae  unionis  ecclesiasticae  inter  Romanenses  et  Protestantes,  toeld^e  in 
ber  §au})tfad^e  auf  Spinolag  i^orfc^läge  unb  namentlid^  auc^  auf  ben  })ä})ftlid^en  ^Primat 
einging,  ©lüdflic^ertoeife  ^atte  bie  ^ai)^  in  ber  fatl^olifd^en  lüie  ))roteftantifd^en  Äirc^e  26 
ui  h?enig  Soben,  ate  bafe  fie  fel^r  gcfä^rlid^  l^ätte  toerben  fönnen.  SBa^renb  unter  ben 
^5roteftantcn  ba^jenige,  hjaö  Don  ben  3Serl^anblungen  tro|  aller  SSorftc^t  öerlautete,  auc^ 
bei  ben  gemäßigten  Ideologen  nur  UntoiHen  unb  Slrgtoo^n  erlocdfte,  tparen  bie  Äatbo« 
lifen,  toeld^e  um  ©^inola«  Unternehmen  toufeten,  c^er  geneigt,  ba^felbe  atö  Il^or^eit  ju 
betrachten.  2luc^  in  5Hom,  h?o  bie  bannoüerifc^e  2)enffd^rift  aünftig  aufgenommen  tourbe,  30 
tüar  man  natürlidb  nic^t  im  ftanbe  ^ofttiöe  3"fö0^"  B"  machen,  unb  fo  blieb  bie  ©ac^c 
t)orläufig  auf  fic^  berufen.  2)od^  blieben  Seibnij  unb  3Rolanu«  (außer  il^nen  j.  93.  auc^ 
©ecfenborf)  in  93riefh)ec^fel  mit  ©})inola,  unb  im  ^dl)xc  1691  tourbe  aud^  t)on  il^nen 
mit  93offuet  angefnü^jft.  9Kolanu^  überfanbte  bemfelben  einen  eigene  für  biefen  ^\ü^i 
t)on  i^m  aufgearbeiteten  Xraftat:  Cogitationes  privatae  de  methodo  etc.  ©iesö 
barauf  im  äluguft  1692  erfolgenbe  au^^l^rlic^e  2lnth)ort  be«  franjöftfc^en  Prälaten,  bie 
auf  einmal  runbloeg  aUe^  mit  ©})inola  aufgemachte  ablehnte  unb  al^  conditio  sine 
qua  non  unbebingte  Unterwerfung  unter  bie  unfehlbare  Autorität  ber  Äirc^e  unb  bem^ 
nad^  aud^  unter  bie  3;ribentiner  Sefd^lüffe  forberte,  toar  lüo^l  !lar  genug  unb  geeignet, 
aße  Sttuftonen  ber  ^annotjerifc^en  Union^mad&er  nieberjufd^lagen.  (Sleid(^h)ol^l  fmb  bie  40 
23erbanblungen  nocl^  bi^  in«  ^a\)x  1694,  h)o  Soffuet,  ber  i^rer  längft  überbrüffig  toar, 
enblic^  abbracl^,  fortgefül^rt  hjorben.  —  ©j)inola  l}atU  fid^  inxtüifc^en  mit  ben  ungarifd^en 
Protestanten  befd^äftigt,  nac^bem  er  unterm  20.  ^Jlär^  1691  burd^  faif erliefe«  patent  jum 
®cneralfommifjär  be«  Union^gefc^äftö  innerl^alb  ber  faiferlid^en  ©taaten  ernannt  unb 
beftätigt  hjar,  mit  meld^em  ungel^inbert  fc^riftlid^  unb  münblid^  ^u  t)erfe^ren  aüen« 
^rotcftantcn,  fofern  fie  fid;  al«  2)e^utierte  i^rer  Äirc^en  au«U)iefen,  freigefteHt  tourbe. 
^a«  ^^atcnt  tüurbe  ben  ^jroteftantifcf^en  ©emeinben  in  Ungarn  jugefanbt  mit  ben  oben 
ertoäl^nten  regulae,  inbem  fie  unter  Berufung  auf  bie  3wf*i"^»"wng,  toeld^e  jene  ans 
geblid[)  bei  Dielen  beutfd^en  J^eologen  gefunben  l}ätUn,  eingelaben  tüurben,  fid^  über  bie« 
felben  ju  erflären.  ®j)inola  glaubte  aud^  bielen  Slnflang  gefunben  |\u  l^aben  unb  fe^tew 
große  Hoffnungen  auf  ein  tüieber  gan^  geheim  ju  9Bien  gu  öeranftaltenbe«  Sleligion«« 
gef^jräcl^,  an  tüelc^em  auc^  folcl^e  beutfcl^e  2:^eologen,  in  tuelc^e  bie  Ungarn  Vertrauen 
festen,  teilnehmen  foliten,  unb  für  h)eld^e«  im  Saufe  be«  ^ahx^  1693  bereit«  unter  ber 
.^änb  Vorläufige  (Stnlabungen  an  dürften  unb  2:^eologen  ergingen.  2)a«felbe  ift  aber 
riic^t  mc^r  ^u  ftanbe  gelommen;  ©pinola  ftarb  barüber  lüeg.  ^m  '^al^xt  1698  bat  ber  65 
Äaifer  burc^  ©)>inola«  "DJacl^folger,  Sifd^of  ©raf  t)on  Sud^^eim,  noc^  einmal  in  §annot)er 
lüegen  ber  Äircl^eneinigung  anfragen  laffen,  unb  Seibnij  l^at  noc^  einmal  1699—1701  im  äufs 
trage  be«  nac^^er  nod&  1710  in  feinem  l^o^en  3(lter  übergetretenen  §erjog«  StntonUlri^ 
bon  Sraunfc^ioeig  mit  Soffuet  öer^anbelt,  o^ne  baß  man  5U  irgenb  einem  SRefultate  gef ommen 
ipäre.    Seibnij  ift  aber  auf  ©runb  biefer  3Serl^anblungen  noc^  titoa  l^unbert  S^i^re  naö)  co 


654  ®)ittioIa  Spmii»mn» 

feinem  3:obe  bem  SJerbad^t  tjerfaHen,  im  gel^eimen  Äat^oHI  getoefen  ju  fein.  ®en  8nla| 
baju  bot  ba«  fog.  „Systema  theologicum",  ba^  fic^  in  feinem  vlad^la^  öorgefunben 
bat ;  über  ba^felbe  ift  fc^on  oben  in  bem  ä.  Seibnij  Sb  XI,  ©.  359,  loff.  berichtet  £aB 
Seibnij  aber  unenttoegt  ber  äugdburgifd^en  Äonfeffton  gugetl^an  blieb,  ift  onbertoeitig  bc^ 
6  lannt  genug.  (äRattet  f)  ¥•  Xiäiudttt. 

&pmti9mnd  (auc^  ©})irituali«mug,  9Jlebiumi«mu«).  —  1.  3ur  ®cf(iid)tc 
be§  S.  e.  3B.  CSopron,  Modern  Spiritualism ;  it«  Facts  etc.,  SBofton  1855 ;  'übh^  Xftiboubet, 
Des  esprits  et  de  ses  rapports  avec  le  monde  visible,  $ari8  1854;  ^.  J^otottt,  BListory  of 
thc  Supematural,  2  vola.,  fionbon  1863  (einfeitig    apologctifc^   ju  ®unften    bt^  Spinü^mm 

10  imb  unfritifc^);  "üKaj  ^ertt),  S)ic  ml)ftifd)cn  (Srfdjeinungcn  bcr  menf^Hcftcn  92atur,  ^ibelbfrq 
1861,  2.  ?lufl.  in  2^änbcn,  1873,  —  ncbft  bcn  ^Zac^trögcn:  3)cr  jefigc  6|)intuQliömu«  unö 
öeriüanbte  (Stfcfieinungcn,  1875,  unb :  S)ie  fic^tbore  imb  bic  unpcfttbarc  ©elt,  1881  (fc^r  rcidö- 
faltig  auc^  in  Sc^ug  auf  hie  SBorgefdjicftte  beS  ©piritiSmuS  unb  ber  toenoanbtcn  (Srfdjcinungcn, 
aber  auf  magifd):getftergläubigem  Stanbpunfte  gearbeitet   unb  bed^alb   nit^t   ^tnretc^enb  un^ 

15  befangen  in  frititd)cr  ^inficf)t) ;  3. 33.  2^iffanbier,  Des  sciences  occultes  et  du  Spiritisme, 
^axi^  1866  (bürftig  u.  ueraltet);  SH.  2).Otoen,  The  Debatable  Land,  9Jew9orf  1872;  beulidj: 
3)aö  ftreitige  fianb,  fieipi^ig  1876,  2  93be  (?lpoIogie  bc§  ©piritiSmuS,  mit  intcreff.  beitragen 
)u  \.  (Gefeilteste);  ^.  33.  ^rpenter,  Mesmerism,  Spiritualism  etc.  hlstorically  and  scientifi- 
cally  considered,  fionbon  1877  (ogl.  unten  @.  663,  20) ;  emma  .f^arbingc-SBrttten,  Nineteenth 

30  Century  Miracles,  fionbon  1884  (reichhaltig,  aber  untritifcft,  auf  ä^nlidjem  @tanbpunfte  ge^ 
arbeitet  wie  ^otoittö  History  etc.) ;  ©onftantin  ©utbcrlet,  S)er  ©piritiSmuö  (3^creinöf4rift  h. 
®örre§gefenfd)aft),  ^ölnl882  ;  ®.  ©cftneiber,  5)er  neuere  ©eifterglaube,  X^atfadjen,  Xaufc^ungcti 
unb  Xbeorien,  ^aberbom  1882 ;  2.  ?lufl.  1885  (in  ötftor.  ftinfi^t  befonberS  retc^l^altige  röm.- 
fat^.  S)arfteIIung) ;  Igofepft  3)ippel,  2)er  neuere  (Spiritismus,  in  feinen  ©efen  bargelegt  u.  nad^ 

26  feinem  ©erte  geprüft  (1.  ^Tufl.  1881),  2.  erweit.  9Iup.  3)^ünd)en  1897 ;  %.  ©aftn,  Le  spiritisme 
dans  l'antiquit^  et  dans  les  temps  modernes,  $Qri8  1885;  ^arl  bu$rel,  Stubien  auf  bem 
®ebiet  ber  QJe^eimwiffenfdjQften,  2  93be,  iJeipjig  1890f.;  berf.,  3)er  Spiritismus  (3fleclaine 
Uniuevfalbibl.),  fieipjig  1893;  ^arl  ^iejeroetter,  ©efcfiic^tc  beS  neueren  DccuItiSntuS,  »b  n 
(fieip5ig  1895),  bef.  ©.  369—400  unb  737—780.    ?lu(ö:  „S)ie  enttuidlungSgefdjicfitc  bcS  epiri- 

30  tiSmuS  üon  ber  Ürjeit  biS  gur  ÖJegenroart  (S^ortrag),  ßeipäigl893;  ©aubi  bi  SSeSme,  0efd). 
b.  (Spiritismus,  3  33be.  2(uS  bem  3tQlieni{d)en  burd)  geilgen^auer,  ßeipjia  1898—1900;  ^üuI 
Sd)ana,  5trt.  „©piritualiSmuS"  im  Ä^ß«  XI,  645 ff.;  e.  ^K.  ©ibgmid,  9lrt.  Spiritnab'sm  in 
b.  Encycl.  Britann.  XXII,  402—407;  2:b.  2:raub  (@tabtpf.  in  Stuttgart),  S)er  SpiritiSmue 
—  in  ber  Sammelfc^rift  „ßird)en  unb  Seften  ber  QJegenmart'S  l^erauSg.  oon  Äalb,  Stuttgart 

86  1905,  S.  411—476. 

2.  3iir  ilritif  beS  S.  a)  5Son  naturaliftifd)em  Stanbpunfte  auS:  ©.  53.  2:t)Ior,  S)ie  "Än^ 
fange  ber  Kultur  I,  141  ff.;  II,  Iff.;  ^irdjner,  3)er  Spiritismus,  hk  ^iarrl^eit  unfcreS  QtiU 
alters,  ^^er(inl883;  Simoni),  Ueber  fpirit.  SRanifeftationen,  ©ien  1884;  Stcubel,  3).  Spiri= 
tiSmuS  öor  bem  9?irf)terftut)le  beS  p^ilofopft.  ^BerftanbeS,   Stuttg.  1886.     b)  S^on  p^ilof.  ober 

40  tbeol.  üermittelnbcm  Stanbpunfte  auS:  ^21  fa  "^af^an,  The  phenomena  of  Spiritualisme  scien- 
tifically  explained  and  exposed,  fionbon  1875 ;  ©ottfr.  (iJenfeel,  Spiritifti(rf)e  ©eftänbniilc 
eines  et).  ®eiftlirf)en  über  bie  5Sat)rl)eit  ber  d)riftlid)en  Offenbarung,  fieipjig  1877 ;  5.  3öDner, 
SBi)ienfd)aftlict)c  ^^Ibftanblungen,  i?eip^ig  1878;  gr.  ^offmann  in  ben  ?(i)(^.  Stubien  187(3  fr-r 
unb  $^i(oi.  Srfjnflen,  SBb  VlI  ((Erlangen  1881);  3.,^.  gidjte,  3)er  neue  Spiritualismus,  fein 

46  SBertt)  unb  feine  iäufd)un(^en,  fieipjig  1878;  §.  Ulrici,  Xer  fog.  Spiritismus:  eine  rel.  ^xa^t, 
•Ipalle  1871);  3o^.  ^uber,  '^JKoberne  gjlagie  (in  „5^orb  unb  Süb",  1879);  (XJ.  2:^.  gccftner,  5)ic 
äogeSanfid)t  gegenüber  ber  9?ad)tanfid)t,  2eip,ygl879;  3- ^rei)f)er,  5)ie  mtjft.  (Srfdjeinungen 
beS  Seelenleben«  unb  bie  biblifc^en  SSunber,  2  'teile,  Stuttgart  1880  (S^erfuc^  einer  ^(pologic 
beS  bibl.  53unbergIau6enS  unter  —  nid)t  überall  DorfidJtiger  —  Senu^ung  ber    fpiritiftifd)CJi 

5o¥l)önümc);  (£.  u.'.^-jartmann,  3)er  Spiritismus,  fieipjig  1885;  gegen  i^n  ?l.  ^Iffaforo,  9lnimi'^ 
muv  unb  Spiritismus,  2  S3be,  l'eip^^ig  1890.  c)  ^iom  fatl).=ortboboien  Stanbpun!t  (fftmtlid} 
bcr  bänioni)iifd)en  ^^^covie  bulbigenb) :  Sdineib,  3)er  moberue  (SpiritiSmuS,  p^ilofopbiftft  9^^ 
prüft,  C£id)ftätt  18S0;  1^.  Sd)anj,  ^er  Spiritismus,  iüitterar.  gtunbfc^au  1880,  5^r.  10— 12; 
Hippel,  2)er  neuere  Spiritismus    in    feinem  ©efen    aufgejeigt  ?c.,    ©ür^^burg  1881,    2.?liifl. 

56  1H97;  ^Biefcr,  ^cr  Spiritismus  unb  baS  6l)riftentl|um,  JRegenSburg  1881  (auS  ber  3^^^)- 
(^utbcrlet,  Sdinciber  f.  0.;  (f.  miilicx,  9?atur  u.  ?öunber,  Strasburg  1892.  d)  S^om  pofitio^ 
eunnt^clif(i)cn  Stanbpunft:  ^odUx  im  Sl^eiueiS  beS  ÖJlaubenS  in  üerfdjicbenen  3a^rgfingcn  feit 
1870;  berf.,  (ycfd)id)te  ber  iBe.ye^ungen  .v^ifdjen  Xljeologic  unb  9?atuvmiffenfcf)aft  II,  406  ff.. 
r)()4ff.;    5r.  Cel)ninger,    2)er  ntobcrne  Spiritismus,   ^lugSb.  lasO;    (£.  ©eber,    3)er   mobeme 

60  Sptritt'JnmS,  .'peilbr.  1S8:];  ?;-.  Splittgerber,  3"^'  ^ürbi'gung  unb  ^um  58erftänbniS  beS  mo' 
bcrnen  Spiritismus.,  (£ü.  il3  1882.  83;  i\D.  kan\d),  ^Sort'^u.  (iJeift,  SBerlin  1901,  S.23lff.; 
!Il).  :5:raub,  3Bibcr  b.  Spiritismus,  Stuttgart  1904. 

2)cr  Spiritismus  (©piritualiSmuS),  b.  ^.  bie  „eö^erimentictenbe  ©eifterlunbc",  ber 
ijermittelft  getoiffer  cigentümlidEi  beanlagter  ^ßerfonen  ober  3Kebien  J^ergefteUte  angeblich 


®pititi»mM  655 

SSerlcl^r  mit  ben  ©eiftcrn  bc^  ^i^'^f^i^^  —  "^^"^^  auc^  3Kebiumtemug  —  bilbet  btc  neuer« 
btnfl«  Belieblefte  gorm  ber  3Ragte  (ögl.  bie  art.  Sb  XII,  bcf.  ©.  60  ff.)-  3)a  i^te  faft 
über  alle  cibilifterten  Sänber  ber  ©egentoart  in  giemlid^er  Ra\)l  verbreiteten  2lbel)ten  unb 
2ll)ofteI  tro^  mangeinber  einl^eitlic^er  Drganifation  eine  mt  bon  ©enoffenfc^aft  bilben, 
ber  e«  aud^  an  einer  trabitioneQ  geworbenen  religiöfen  2)oftrin  unb  einer  2lrt  Don  Äuitu«*  6 
pxa^^  nic^t  fel^lt,  fo  barf  mit  einem  getoiffen  Siecht  bie  ßjiftenj  einer  Sefte,  ober,  toenn 
man  U)iK,  einer  SHeligion  ber  ©l)iritiften  bel^au^tet  toerben  (f.  unten).  2)er  Äem  ber 
Qad)^  ift  uralt,  mag  immerhin  ber  9iame  (jurücfgel^enb  auf  spirits  =  abgefd^iebene 
©eelen,  ©eiftererfd^einungen)  feinen  mobemen  angloamerilanifd^en  Urfprung  beutlid^  genug 
benaten.  lo 

I.  2)ie  3Jorgefd^ic^te  beffen,  toa^  man  ^eute  „©})iriti«mu«"  nennt,  läfet  fic^  bi^ 
in^  jtoeite  bord^riftlid^e  Sß^rtöwfenb  gurüclberfolgen,  h)o  ba^  fd^on  im  ®efc|  beö  äl^ 
Verurteilte  3:reiben  ber  niniN  ober  Sotenbefc^toörer  (1  ©a  28;  2)t  18,  11)  ben  ©egen* 
ftanb  rö)räfentiert  unb  too  ba«  ^eibnifd^e  Sruberboll  ber  Hebräer  im  Cften,  bie  ß^albäer, 
tüie  auc^  fd^on  il^re  nic^t^femitifd^en  33orgänger,  bie  2Hfabo-©umerier,  ber  Pflege  ä^n=  is 
lieber  SBa^rfagefünfte  obliegen  (bgl.  ben  ärt.  „3Kagie",  Sb  XII,  59,  5,  fotoie  S?r.  2e« 
normant,  35ie  9Jlagie  ber  Sl^albäer,  1874,  ©.  508  ff.).  Sluc^  in  ber  religiöfen  ^raji« 
ber  ^nVxtt  reicht  totenbefd^toörenbe  Äunft,  ausgeübt  burd^  bubbl^iftifc^e  Slöfeten  (bie 
©ramanen  =  ben  Hapiavaioi  bei  6Iem.  SHej.  ©trom.  I,  359,  unb  =  ben  l^eutigen  ©d^a« 
manen)  too^I  fd^on  in  bord^riftlic^e  3«ten  jurüi;  ebenfo  bie  entf^red^enbe  ^rajiiS  geh)ijfer2o 
3auberfünftler  bei  ben  ßl^inefen,  hjeld^e  abgefc^iebene  ©eifter  ober  Sll^nengötter  bermittelft 
ber  fog.  2)ual^öljer  ober  ©eiftergriffel  giguren  ober  Sud^^ftaben  in  ben  ©anb  fc^reiben 
laffen  (Sodfamj),  Unter  bem  Sanner  be«  2)rad^en  [Serlin  1898],  ©.  24.  61.  70).  Sei 
ben  $eßenen  unb  ^Römern  tourben  nid^t  blofe  Äünfte  be^  ©eiftercitieren^,  fonbern  nod^ 
mel^rere  anbere  3Ranij)ulationen  beö  l(ieutigen  ©piriti^mud  geübt.  2)en  ©oeten  ber  26 
römifd^en  Äaiferjeit  lüar  namentlid^  au4  bie  ©etoinnung  Von  Oraleln  mittelft  flopfenber 
ober  fonfttüie  betoegttoerbenber  2!if^e  tvol^Ibelannt,  toie  bie  merftoürbige  faft  alle  3*^- 
grebienjien  mobern^fl^iritiftifd^er  $raji^  namhaft   mac^enbe  ©teile   bei  2!ertuIIian,  Apol. 

c.  23,  jeigt.  ©))orabifc^e^  Sorfommen  folc^er  3öuberfünfte  läfet  fic^  burd^  bie  ganje 
folgenbe  qiriftlic^e  ©efd^ic^^te  l^inburc^  nac^toeifen.  Slmmianu«  5KarceUinu«  (XXIX,  1,  29)  ao 
tvtxi  Von  antio^enifc^en  5Dtagiem  unter  Äaifer  33aleng  ^u  erjäl^len,  lüelc^e  mittelft  eine« 
aud  2orbeerjh)cigen  geflochtenen  Keinen  Sifd^e«  toeidfagten.  Ungefähr  berfelben  3eit  mag 
baö  bem  5(cu})Iatonifer  S^^mblic^u«  jugefd^riebene  SBerf  De  mysteriis  Aegyptiorum 
entftammen,  ba«  auöfü^rlic^^e  Slntveifung  jum  ßitieren  Von  ©eiftem  erteilt  (noc^  von 
Äiefemetter  1.  c.  II,  804  atö  ec^te  ©c^rift  bem  ^amhl  Verteibigt  —  aber  f.  §einje,  Slrt.  86 
„9ZeupIatoni«mu«"  Sb  XIII,  870,  64 ff.).  5Woc^  im  f^^äten  SDJittelalter  unb  in  ber  näc^ft« 
folgenben  3eit  foH  ba«  lifc^rüien,  ober  toie  e«  bamal«  l^iefe,  ba«  „Slufgel^en  ber  lifd^e", 
im  Äreife  fabbaliftifd^er  beutfd^er  ^n'bm  ald  ein  getoö^nlid^e«  Äunftftüdf  geübt  iüorben 
fein ;  f.  be«  Sonvertiten  ©am.  %,  S3ren^  „^übifd^er  abgeftreifter  ©d^Iangenbalg",  Dettingen 
1614,  fotüie  ben  Srief  6^r.  2lrnolb«  an  fflagenfeil  Vom  ^a^re  1674  (bei  35i.  ®d^neibcrS40 
©.  89).  —  2)a«  18.  ^öf^t^unbert  liefe,  aU  Weiteren  Slnfa^  jur  2lu«bilbung  be«  mobernen 
©piriti^mu«,  ba«  „fanatifc^e  ©c^auen"  be«  fc^toebifd^en  aSifionär«  unb  ©eftenftifter« 
©lüebenborg  famt  ber  barauf  gegrünbeten  abenteuerlichen  ©Teratologie  ber  „3lc\xm  Äirc^e", 
fotüie  bamit  gleichzeitig  ben  an  ben  angeblid^en  m^ftifc^en  SerleJ^r  ber  !ommuniftifd^en 
Seite  ber  ©^afer«  (gwerft  in  ©nglanb,  bann  in  9?orbamerifa  mit  l^immlifc^en  ©eiftem  46 
(Vgl.  Senfeon  in  RdSM.  1897,  15. 5«oV.)  ^erVortreten.  SBoran  f4  ferner  (feit  1784) 
bie  mit  allerlei  abergläubiger  ^nti)at  Verbrämten  magnetifc^en  ÄeiBünfte  3)ie«merg  unb 
feiner  2ln^änger  (ffiolfart,  gnnemofer,  5liefer  2c.),  bie  fedfen  ©aunerftreid^e  be«  italies 
nifc^en  lafd^enf^ielcr«  ßaglioftro  (geft.  1792),  fotvie  ber  ©omnambuliömuö  Von  ^ui^fegur 
in  ©trafeburg  (1807  ff.),  ^uftinu«  Äemer  in  äßein^berg  (feit  1824)  u.  a.  anfd^loffen.         60 

II.  llrf>)rung  be«  ©>)iriti«mu«  in  ben  Vierziger  ^öf^if«"  ^^^  19.3öl^rs 
^unbertö.  aiuf  bie  bejeicl^nete  SSBcife  Vorbereitet,  gelangte  ber  eigentlid^e  ©j)iriti«mug 
tväl^renb  ber  Vierziger  3ia^re  be«  19.  ^ia^r^unbert«  in  9Jeu=englanb  burd^  ba«  Voneinanber 
unabhängige  Sluftreten  mehrerer  mcbiumiftifd^  begabter  ^erfonen  jur  Slu^bilbung.  gür  bie 
tl^eoretifc^e  ©runblegung  beffen,  h)a«  je^t  bie  Subftanj  ber  f})iritiftifc^en  Sel^rtrabition  bilbet,  66 
h)ar  feit  ungefäl^r  1843  ber  tounberlid^  lonfufe  ^eHfel^er  älnbrch)  3jac!fon  2)avi«  ju  ^ougl)feej)fie 
in  9Jeh)  ?)orI  am  §ubfon  t^ätig.  ©eboren  ben  21.  3(uguft  1826  gu  Sloominggrove, 
Drange  6ountv,  51. 5!).,  bon  armen  ßltern  unb  h)äl;renb  feiner  Äinberjal^re  mc^r  mit 
Siel^l^üten  auf  bem  ^elbe  aU  mit  Semen  in  ber  ©c^ule  befc^äftigt,  lourbe  er  1843  jum 
erftenmal  von  jenen  Vifionären  3uftänben  überlommen^  bie  er  dd  Aunbgebungen  au^  eo 


656  ®)iirittdmitd 

bem  3^"?^*^  ober  ,,Sceinbru(fungen"  t)on  ©elftem  auffaffen  ju  muffen  meinte.  66  foll 
ein  magnetifc^e^  ©treic^Derfa^ren  gctoefen  fein,  hjomit  ber  im  3Ke^mertfieren  gefcbitfte 
©c^netber  SBill.  Sebingftone  ba^  in  i^m  fd^lummembe  ^ellfe^erifc^e  SSermögen  juerft 
toeite.    Qn  ben  beiben  näc^ftfolgenben  S^^^'^^"  toaren  eö  getoifje  auffallenbe  fp^änomenc 

5  an  feinem  3awt^rfriftan,  fotoie  an  feinem  ^unbe,  bie  il^m  neue  ©rleuc^tungen  jufubrtcn; 
unb  bereite  1846  begann  er  in  9?eh)  ?)orf  unter  toac^fenbem  3^öwf  mebtumiftifc^c  3?Dr- 
träge  ju  galten,  b.  Ij.  ben  ^riijali  beffen,  h)aö  er  hjäl^renb  längerer  ober  lür^crer  i?er= 
gücfungöjuftänbe  mitgeteilt  befommen  ^atte,  ju  biltieren  unb  fo  ben  (Srunb  m  jener 
ebenfo  feltfam  fonfufen  unb  tüeitfd^toeifigen  ate  bielbetounberten  mcbiumiftifc^en  Sitteratur 

10  ju  legen,  tüelc^e  in  ©eftalt  ^a^lreid^er  Sänbe  unter  feinem  Flamen  Verbreitet  tourbc. 
Sereitö  1847  erfc^ien,  entftanben  auö  157  jener  2)i!tate,  ba^  erfte,  ungefähr  1200  ©eiten 
ftarfe,  biefer  SBerfe:  The  Principles  of  Nature,  her  divine  Revelations  and  aVoice 
to  Mankind,  ba^  1869  eine  3[§erbeutfc^ung  unter  bem  3:itel  „2)ie  ^ringijjien  ber  Siotui" 
(2  S3be)  erfuhr  unb  im  englifc^en  Original  na^e^u  50  Sluflagen  erlebt  ^aben  foll.    gaft 

16  jebeig  Weitere  ^af)x  brad^te  h)eitere  S^^Ö^^*^  i>^  unaufl^altfam  anfd^toeUcnben  fi)tntiftif^en 
Sibüot^ef,  an  beren  3Sermei^rung  f})äter  auc^  bie  ^rau  be«  gefeierten  ©cl^erg,  aWr^.  3Rart> 
g.  2)at)i«,  fic^  beteiligte  (babei  u.  a.  ba^  ^u  monftröfem  Umfang  angefc^tooKene  fet^ 
bänbige  Söerf:  The  great  Harmonia  [jerfallenb  in  bie  fünf  Slbteilungen  „ber  ärjt, 
ber  Se^rer,  ber  ©e^er,  ber  ^Reformator,   ber  Genfer"];   be^leic^en   bie  gtoeimal  [1876 

20  burd^  Äramer  unb  1884  burd^  ®.  6.  SBittig]  berbeutf((|te  „$^ilofo>)^ie  be^  geiftigen  3>er= 
!el^r«";  auc^  jtoei  ©elbftbiogra^)f^icn  be«  Slutor^,  beren  erfte  1857  unter  bem  iitel  „ler 
ßauberftab"  [The  Magic  Staff],  bie  gtreite  1885  u.  b.  %.:  „^enfeit  be«  St^ol«'' 
[Beyond  the  Valley]  inö  Sic^t  trat).  —  3i"5*^if^^  W^^  ^^^  J)raftifd^=tec^nifc^e  SSei- 
fa^rcn  bed  ©})iritigmu^  auf  einem  anbem  fünfte  be^  ©taate^  9?eh)  9)orf   feine  ©runb^ 

26  legung  erhalten,  ^mx  hjeiblid^e  TOebien,  £eal^  unb  Äat^arine  (Äatie)  go£,  erfuhren  in 
noc^  jiemlic^  gartem  2llter  —  bie  eine  gel^n^,  bie  anbere  jtoölfjä^rig  —  auffaKenbe  Äunb= 
gebungen  au«  ber  2Belt  be«  3^"^^^^^  ^^^f^  ^^^^  fi^  ^^"  mebiumiftifd^en  ©eifterberfcbr 
balb  mit  äl^nlic^er  3Sirtuofttät  h)ie2)at)i«,  unb  mit  nod^  rafd^erem  Jjrojpaganbiftifd^em  Gr- 
folge  aU  er  fultiöieren  lernten.   6«  toar  eine  unl^eimlic^e  ©J)ulgefd^id^te,  bie  ba«  ©d^h)efter= 

80  paax  bcrül^mt  machte  unb  betoirfte,  bafe  fie  3)abi«  —  bon  beffcn  Drafeln  fie  übrigen^ 
anfänglich  feine  Äunbe  Ratten  —  ate  uRitftifterinnen  ber  fj)iritiftifd^en  ©efte  jur  ©cttc 
traten,  ^m  ©etäfel  ber  fflanb  i^re«  ©d^lafgemac^«  ^ören  bie  beiben  ÜJJäbc^en  aü- 
näc^tlid^  getoiffe  Älojjftöne.  ©ic  forbem  eine«  2lbenb«  ben  (Seift,  ben  fte  al«  Urheber 
biefer  iönc  mutmaßen,  gum  ^erflo^fcn  ber  3^^^^^"  ^"fi   berfelbe   entf^rid^t  i^rer  auf- 

86  forberung,  flojjft  aud>,  al«  bie  53tutter  ber  Jlinber  ^injulommt  unb  if^n  nadb  beren  Sllta 
fragt,  bie  S^l}kn  öon  beren  '^aljxm  richtig  l^er  unb  tnüp^  fo  eine  förmliche  Äorrefponbenj 
mit  bem  toeiblic^en  ^eil  ber  ^amilie  goj  an,  au«  tpeld^er  man  balb  bie  ^erfonalien  be«> 
®eifte«  fennen  lernte.  2Bäl)renb  biefer  ©>)uf  nad^  einiger  i^cxt  aufhörte,  begannen  ijcr- 
fcf^iebene  anbere  Äloj)fgeifter,  jucrft  in  2l5änben  unb  3:üren  be«  §aufe«,  nac^gerabe  butd» 

40  Derfd[;iebene  ©eräte  unb  SIJöbel,  befonber«  2:ifcl^e,  [xä^  ben  beiben  SWebien  gu  offenbaren. 
I)iefe  erlangten  rafd^  eine  beträd^tlidbe  ©efc^icflic^teit  im  ^erborlodfen  aDer  möglicfcen 
fiunbgebungen  ber  flojjfenben  ©eifter,  inbem  fie  —  möglia;erh)eife  in  ben)u|ter  i^laA- 
bilbung  ber  furg  guöor  in  9?orbamenfa  erfunbenen  eleftrifd^en  Ielegra})l^enfd^rift  —  ein 
förmlid;c«   Äloj)falj)^abet   au«bad^ten,   iDorin   beifj)icl«n)eife   ein  breimalige«  ^oc^en  bie 

46  älnttüort  yes!,  ein  einmalige«  bagegen  no!  bebeutete  u.  f.  f.  2)ie  ßntbedung  ber  balb 
in  gang  9icu=6nglanb  ba«  lebl^aftefte  ^^t^J^cffe  erregenben  unb  in  unjä^ligen  Heineren 
unb  größeren  ^xxtdn  nad;geal)mten  neuen  3Ketl;obe  be«  ©eifterbefragen«  fiel  in  ba^ 
grü^jal^r  be«  ^ReDolution«ial^re«  1848.  ©ie  traf  auf  bemerfen«h)erte  3Q3ei{c  gu= 
fammen   einerfeit«   mit   bem  SefanntiDerben  jener  2)aüi«fc^en  „^ringi})ien  ber  SJatur"  in 

60  toeiteren  Greifen,  fotric  mit  einer  auffe^enerregenben  ©Jjufgefc^ic^te  im  §aufe  eine^ 
Dr.  ^l^elp«  gu  Stratforb  (Connecticut),  anbererfeit«  mit  mehreren  SJorgängen  bertuaubter 
3(rt  in  ber  alten  SBelt ;  fo  mit  be«  frangöfifc^en  Wagnetifeur«  unb  ©eifterfe^er«  ßo^agnet 
ßntbüHungen  in  feinen  Areanes  de  la  vie  future  d^ volles  (^ari«  1848),  fotoie  mit 
ben  erften  3JJitteilungen  be«  33aron«  Don  SReic^enba^  (geft.  1869)  über  feine  6Ö)erimcnte 

55  an  fenfitiDcn  ^^erfonen  unb  feine  barauf  gegrünbete  Se^re  bom  Db  ober  Db\;L 

III.  gortentioicfelung  ber  fj)iritiftifd^en  ^raji«  bi«  ;ium  ©tabium 
il^rer  l;ö$ften  33lütc  (1848—1880).  ©eljr  balb  traten  im  gjjjerimentiertoerfabrcn 
ber  norbameritanifc^cn  ©^jiritiften  Derfd^iebenc  gortbilbung«^  unb  $BerboIIfommnung«= 
berfucbe  l)erDor,   looburd^   ba«  befragen   ber  ©j)irit«  erleichtert  unb   bie  Seiftungen  ber 

60  3){ebien   in  ^unc^menbem  ^IJlafee  reichhaltiger  unb  intereffanter  geftaltet  toerben  foHten. 


@)iiritt«tttitd  657 

3unäc^ft  erfanb  man  jur  ßrletc^tcrung  ber  Äonefbonbcnj  mit  bcn  ©ctjtem  ben  fog. 
^f^c^ogrcu^l^en,  beftc^enb  in  einem  an  einem  ber  ^ifd^beine  befeftigten  33Ieiftift  ober  ©riffel, 
hjeli^er  auf  einem  untergelegten,  mit  ben  Suc^ftaben  be^  2ll})^abetö  bejc^riebenen  ^a))ier- 
ftreifen  I^in  unb  f^er  tanj^te  unb  bie  jur  Silbung  ber  SBorte  miteinanber  gu  öerbinbenben 
33u4)ftaben  anzeigte.  (Sin  ettoa^  !om})lijiertere<S,  aber  angeblid^  toirffamere^  S^f*'^"^^"*  ^ 
für  bie  aufnähme  ber  (Scifterorafel  fonflruierte  1850  ber  berühmte  g^emif er  Stöbert  §are 
(geft.  1858)  in  $l^ilabel>)bia:  ba^  ©})irito{to^,  beftel^enb  in  einem  SRunbtiJc^c^en  mit  be* 
iüeglic^em  S^xQCx,  ber  auf  bie  um  ben  SHanb  ^erumgefc^riebenen  Suc^ftaben  ober  ^x^^ 
l^intüie^.  2)ie  begabteren  3)iebien  beburften  freiließ  folc^er  mec^anijc^er  33onic^tungcn  nid^t. 
©ie  teilten  ba^  im  3wftanbe  ber  SSer^üdtung  (ber  trance)  ijon  ben  ©eiftern  ßrfal^renc  lo 
entiDeber  fo  h)ie  ^a\)\^  dictando  mit,  ober  i*ie  l)robujierten  fid^  alö  „©c^rcibmcbien", 
inbcm  fie  Dor  ßintritt  be«  Jrancej^uftanbe«  ftd^  mit  ©c^rcibftift  unb  ^ßa^ier  ijerfe^en 
liefeen,  um  bann  ba^  h)äl^renb  beg  ^uftanbe^  ü;nen  gingegebene  gleic^fam  al«  med^anifc^e 
SKerfjeuge  ber  fic^  i^nen  offcnbarenben  Spiriti^  nieberjufd^reiben.  —  Salb  jä^lte  man 
^unberte  jolc^er  ©d^reibmebien  in  ben  größeren  lüie  fleineren  ©täbten  ber  Union.  Sea^  i6 
unb  Ratk  %otc  bef^auj)teten  fic^  längere  3^^^  —  ungead^tet  be«  Serfuc^e^  ber  Suffaloer 
^rofefforen  glint  unb  See,  fie  al^  Setrügerinnen,  bie  jene  Älo})flaute  burc^  Rnacfen  mit 
i^ren  Änieen  l^eröorbräc^ten,  ju  ertoeifen  (1851)  —  in  befonberem  Stul^m  auf  bicfem  ©e* 
biete,  auc^  na(f>bcm  beibe  ftd^  Derl^eiratct  Ratten. 

Seibc  3Diet^oben  ober  ©tufen  ber  jl)iritiftifc^en  5Praji^:  jene  me^r  mec^anifd^  geartete  be^  20 
©cifterbefragen^  burd^  lifc^c,  ^f^c^ograpl^en  ober  ©piritoffo^e,  unb  biefe  boltf ommnere  ber 
©d^reibmebien  unb  Irancemebicn,  tpanberten  feit  1850  am  Slmerifa  in  ber  alten  2öelt  ein  unb 
gewannen  aud^  l^ier  ber  Setoegung  Slnl^änger  unb  33eh)unberer  ju  3:aufenben.  6ine  %xau 
§a^ben  au«  Softon  erntete  1852  unb  in  ben  näc^ften  3<^^^^  i"  ßnglanb  bcfonberen 
Stu^m  burd&  il^re  mebiumiftifc^en  ^ßrobuftionen.  —  3^^"^^^^  "^^'^  ^^^  ^^^  ^^"  '^^'"'  20 
^aftcren  5Kebicn  t)on  ^rofeffion  ein  ©trebcn  nad^  möglic^fter  Steigerung  unb  Sermannig« 
faltigung  ber  in  il^ren  ©^ancen  jum  33eften  gegebenen  Sfeunbereffeftc  l^erbor,  tüoburc^  — 
ettoa  feit  3)litte  ber  fünfziger  ^al)x^  —  ber  Steige  nac^  bie  folgenben  gortfc^ritte  in  ber 
Äunft  beig  33erfel^r«  mit  ber  ©eifterluelt  erjielt  iDurben. 

a)  3)ie  (Setoinnung  birelter  (Seifterfc^riften,  ol^ne  bie  öcrmitteinbe  2l^ätig!eit  fc^reiben«  a^ 
ber  ober  biftierenber  5!Jtebien,  gelang  juerft  1856  in  ^ßariö  bem  bafelbft  lebenben  beutfc^« 
ruffifd^en  Saron  £ubU)ig  \).  ©ülbenftubbe  (geft,  1873)  unb  feinem  ©enoffen  bem  ©rafen 
b'Durc^e«.  2(m  1.  3(uguft  besJ  genannten  ^af^x^  ^atte  ber  Saron  ein  unbcfd^riebcne« 
Siüi  33rief))a))ier  nebft  Sleiflifl  in  ein  Derfd^loffene«  ftäftc^en  betoniert  unb  bcn  ©d^lüffel 
bem  ©rafen  jur  3lufbeh)a^rung  übergeben ;  unb  am  13.  be^felbcn  3Jlonat«  tourben  t)on  sö 
bem  erftaunten  greunbe«j)aar  „bereit«  30  birette  ©eifterfd^riftcn  erjielt,  inbcm  fie  jene« 
^apkx  auf  einen  fleinen  ©la«tifd;  legten".  5!)lerth)ürbigerU)eife  fanben  fie  in  biefcn  unb 
bcn  folgenben  ä^nlid;en  fällen  „nie  biejenige  ©eite  be«  ^atoier«  befc^rieben,  too  ber 
Sleiftift  fid^  befanb,  fonbern  bie  gel^eimni«t)oUen  ©^riftjüge  fanb  man  immer  auf  ber 
gegen  bie  (Sla«j)Iatte  gelegten,  t)or  SRcnfc^enblidten  tjcrborgenen  ©eite".  Salb  traten  ju  40 
bem  granjöfifd^  ber  erften  ©eifterfc^riftcn  anbere  S^rad^en  ^inju,  babei  aud^  alte  ^biome, 
ja  fclbft  äg^ptifd^e  §ierogIt?j)l^enfc^rift;  unb  jugleid^  öermel^rten  [xd}  bie  Drte  foh)ic  bie 
3JJetl^oben  jur  ©etoinnung  ber  rätfel^aften  ©c^rciboralcl,  beren  ©ülbenftubbe  binnen 
12  ^a\)xm  nx6)t  Weniger  al«  2000  ©tücf  in  20  tjerfd^icbenen  ©prac^en  erf^alten  l^aben 
to'xü.  ^nx  Äonftatierung  be«  tüirflid^en  ©eiftcrurf^jrung«  ober  tounbcrbaren  G^arafter«  46 
ber  3"|c^nft^n  iüurben  angefel^cne  ^erfoncn  (iüie  ber  Dieter  Sabouta^e,  5Wr.  Sacorbaire, 
ein  Sruber  bc«  berühmten  Sominilaner«  u.  a.)  ^injugejogen,  toeld^e  ba«  ©id^bilben  ber 
©d^riftjüge  burc^  unfic^tbare  §anb  (alfo  h)ie  im  ©aale  Seltfajar«,  SDa  5,  5)  mit  eigenen 
2lugcn  beobad^tet  ju  ^abcn  enlärten.  35ie  @jj)erimenle  tourben  an  berfc^iebenen  öffents 
lid^en  Orten  gcmad^t,  in  ben  ^arfö  ju  SerfaiUe«  unb  ©t.  (Eloub,  im  Srit.  3Jlufeum  unb  so 
ber  SBeftminftcrabtei  in  Sonbon,  fotoie  mit  ßrjielung  befonber«  auffaHenber  Slefultate 
auf  ben  Äönig^gräbern  ju  ©t.  2)eni«  unb  im  3)luf6e  bu  Sout)re.  3ln  ber  §erborbringung 
ber  rätfel^aften  gnfc^riften  fd^eint  ©ülbenftubbe«  ©d^tocfter,  bie  mebiumiftifc^^^begabte 
Saroneffe  3lulie  ©ülbenftubbe,  einen  nid;t  unmefentlic^en  älntcil  gehabt  ju  ^aben.  2)ie 
2lnna^me,  ba^  eine  un^  ober  balbbemufete  magtfc^e  iJ^ätigtcit  be«  ©efc^loifterjjaare«  ber  60 
3JJaffen))robuftion  ber  angeblichen  bireften  ©eifterfd^riften  ^u  ©runbe  lag,  brängt  fic^ 
beim  Slefleftieren  auf  ben  grofeentcil«  feierten  unb  tritjialen  ^ni^alt  ber  Drafel  unmittel- 
bar auf.  ®cr  3lnf(^auung«frei«  unb  ba«  Silbung«nit)eau  be«  belefenen,  aber  fentimental- 
oberflä^lid^cn  unb  fd^öngciftigen  Saron«  unb  feiner  äl^nlic^  gearteten  ©c^toefter  erfc^eint 
in  ber  3lrt,  h)ie  bie  angeblichen  ©))irit«  fu^  au«brüdten  unb  tunbgoben,  auf«  genauefte  gü 

KeaI>(lnc9(lop&bie  fflT  Z^eoloflie  tmb  IHi^c.    8.  81.  XYiu.  d^ 


658  e^ririttdntttd 

abgcf))iegclt.  SBßl.  §.  Seo^  einfd^nctbenbe  Äritif  bc«  Oülbcnftubbefc^en  SBerfd  „Pneu- 
matologie  positive",  $ari«  1857,  in  ^afycQ.  1858  ber  ©t).  A3;  auc^  §r.  St)littgcrbcr, 
ebenbaf.  Sa^tg.  1882,  5Wt.  40  unD  9®I.  9b  VI,  1870,  S.  347—360. 

b)  ®ic  Ociftermatcrialifationen,  ^ucrft  l^crtoot0etreten   um   1860,  bejcic^ncn  einen 
6  tüeitcren  ^aiH)tfortfci^rttt  in  33ert)oIIIomnmun0  ber  ft)iritiftif(^en  %^nil.     2ln  i^  gin- 

fül^rung  in  ba^  SRe^ertoir  bcö  t)on  ^erborragenberen  üKebien  Oeleifteten  toaxm  u.  a.  aucb 
2ca^  unb  Äatie  gog,  inbefonbcre  bie  (entere,  tüäl^tenb  be^  ft)ätcren  ©tabium^  ibre^ 
aBirIcng  beteiligt.  $or  allem  aber  brad^te  35aniel  35ou0la«  §ome,  ber  „§ol^e}jnefler  bc^ 
englifd^en  ©})iritiömu^",  biefe^  Sratoourftüd  be«  ©rfd^einenlaflen«  toermatcrialirierter,  b.l 

lofic^tbat  unb  greifbar  geworbener  GJeifter  in  Übung,  ©eboren  1833  auf  ben  Drfnebinfeln 
(ober  nad^  anberen  angaben  in  ©binburgl^)  foH  berfelbe  fd^on  ate  Äinb  bie  ®Qbc  beg 
gemgefid^tö  unb  be^  9Serfcl^r^  mit  ©eiftem  betl^ätigt  l^aben,  tourbe  bann,  toä^renb  er 
al«  ettoa  jltjanjigjäl^riger  junger  SDlann  im  §aufe  einer  lante  in  5Jorbamcrifa  lebte, 
feine  ungetüöl^nlic^  bebeutenbe  mebiumiftifd^e  Äraft  baran  inne,  bafe  be^  Älopfen^,  Um-- 

16  ^ertoerfenö  unb  Uml^erfliegenö  ber  Wobei  in  feinem  3^'"'"^  ^^n  ®ttbe  toerben  toottte, 
unb  trat  —  einige  3^^  nad^bem  jene  iante  il^n  toegen  biefer  tollen  ©Jjufoorgonge  aviä 
bem  §aufc  getüiefen  —  aU  borfteHunggebenbe^  SKebium  ftunftreifen  burc^  toerfcpiebenc 
fiänber  euro^ja«  an.  ^n  SRom  ging  er,  faöciniert  burd^  bie  Seftüre  Don  ^eiligcnlegenben, 
toorin  il^m  SÖunbereffefte  äl^nlic$  ben   feinigen  entgegentraten,   1856  ;\um  Äatl^oliciömu^ 

20  über,  ^n  SRufelanb  l^olte  er  fxd^  feine  (Sattin,  bie  iod^ter  eine^  ©enerafö  ©troll  (1858). 
3jn  ^ankeid^  aber  erl^ob  er  balb  barauf  fid^  auf  ben  (Sij)fel  feinet  SRul^md  bun^  bie 
aUe^  ^rül^ere  toon  f^iritiftifd^en  SBunbern  toerbunlelnben  ©ikungen,  bie  er  afe  §of;auba: 
fünftler  5iaj)oleonö  III.  in  ©cgentoart  biefciS  ftaifer«,  ber  Äaiferin  ßugenie,  be«  ^rinjen 
SWurat  unb  jal^Ireid^er  anberer  l^ol^er  ^erfonen  abl^ielt.    $ier  foD  ba«  fxd^  Sermateriali- 

26  fieren  ber  <B)ß\x\i^,  junäd^ft  in  ©eftalt  be«  (Srfd^einenö  einzelner  fid^t:  unb  greifbarer 
Äörjjerteile,  befonberö  $änbe  toon  ©eiftem,  burd^  il^n  bewirft  tüorben  fein  (^ert^,  3!^ie 
m^ft.  ßrfc^einungen  jc.  II,  41 ;  ©d^neiber^  120).  Sl^nlid^e  SKaterialifationen,  juerft  bloß 
t)on  ^änbcn  ober  Slrmen,  bann  aber  balb  auc^  toon  ganjen  ^l^antomgeftalten,  betoirfte 
.f)ome  fj)äter  in  feinen  in  Sonbon  unb  anberen  ©täbten  fenglanb«  gegebenen  ©i^ungen, 

ao  iüo  er  u.  a.  an  bem  berül^mten  ^ß^^fifer  SBiU.  ßroofe«  einen  gläubigen  Seobad^ter  biefer 
^l^änomene  fanb.  ©eit  Slnfang  ber  fiebriger  '^ai)xt  berbunlelte  i^n  freilid^  ^Kife  glorencc 
6oof,  toelc^e  juerft  al^  fed^^eJ^njäf^rigeö  5(Jäbc^en,  bann  Verheiratet  aU  3Kr§.  (Somcr,  ben 
9hif  erlangte,  ba^  häftigfte  aUer  3DRaterialifationömebien  ju  fein  unb,  tüäl^rcnb  fie  felbft 
gefcffelt  im  magnetifc^en  3:ieffcblaf  im  9ieben3immcr   fafe,  ben  ebenfo  fd^önen  aU  inter- 

36  effanten  ©eift  ber  9JJrg.  Äatie  Äing  (einftiger  .§ofbame  ber  Äönigin  ftat^arina  toon  (Sn^-- 
lanb  t)or  ettoa  200  3^1)1^^")  in  leibl^after  ©eftalt  erfc^einen  lafjen  gu  lönnen.  3luc^  in 
biefem  JJaHe  ioar  e^  l^aujjtfäc^lic^  (Sroofe^,  ber  ate  iüifjenfc^aftlid^er  ©etüä^r^mann  für 
bie  3;i^atfäc^lic^feit  ber  betreffenben  5ß^änomene  eintrat,  il^nen  für  längere  ^di  ©lauben 
in  Weiteren  Äreifen   toerfd^affte  unb   fo  ba^  ^ertjortreten  immer  jal^lreic^erer  3Katerali- 

40  fation^mebien  t)roD05ieren  ^alf. 

c)  @ine  fernere  SSertooHfommnung  be^  fj^iritiftifd^en  6j))erimentiert)erfa^ren^  befta^^ 
in  ber  ^^robuftion  bon  ®cifterj)botogra>)^ien,  b.  ^.  in  ber  ßr^eugung  t)^otogra^)bif(beT 
S3ilbniffc  toon  tjermatcrinlificrten  (Sciftern.  3^^^^  ^'<^  ^^f^^"  S8erfu^c  biefer  3lrt,  h?ie  fic 
um  Wxtk  ber  fiebriger  ^al}xc   in  ^ari^  ^eroortraten,   tourben   al«   betrügerifd^e  ©pcfu= 

46  lation  eincö  ^Fjotograp^cn  33ouguet  (unb  feiner  ^elfer^l^elfer :  be^  amerilanifc^en  3)icbium^ 
Sllbert  girnmn  unb  be^S  3^i^""0^^^^^^^^"^^  Se^maric)  entlarvt  unb,  nad^  ibrer  Slc^- 
ftcöung  burc^  einen  großen  ©fanbalj)ro|\e6,  gebül^renb  beftraft.  2lber  h)a^  ^ier  miftglüdt 
tüar,  gelang  balb  im  2lnfd^luffe  an  bie  ^robuftionen  berül^mter  ?Dlaterialifation^mebien 
aufö  befte ;  unb  bcfonber«;  bon  jenem  Äatic  Äinggcifte  ber  glor.  6ooI  toermod?te  Groofe^  fett 

5o5liai  1877  eine  gan^^e  älngabl  gut  gelungener  2lufna^men  ju  betüerfftelligen,  beren  ^robufte 
in  ben  Greifen  ber  ßingeloeibten  al^  treue  2lbbilber  ber  „engelfc^önen"  ©eftalt  unb  ^ü^t 
beö  ©eifteö  galten  (toobci  freiließ  bie  grage,  ob  nid^t  ^i\va  beibe,  ©eift  unb  SDlebium, 
eine  unb  bicfelbc  ^krfon  feien,  unbeantioortet  blieb). 

d)  SDen  ®ij)fel  \l)xcx  Sciftungefäl^igfeit  erflomm  bie  fjjiritiftifd^e  ^rajiö  gegen  (Snbe 
66  ber   fiebriger    ^ahxc   in    ben    ftaunencrregenben  ^robultionen    mehrerer   mebiumifrtfcber 

Uniücrfalgenicg,  h)elc^e  bie  angeführten  .fiunftftüdte  be^  Setüirfen«^  birefter  ©eiftcrfc^riflen, 
be^  Waterialifierenö  unb  "ißbotograj^t^icren^  allzumal  mit  SBirtuofität  ausübten,  unter  $inju= 
fügung  nocb  einiger  Weiterer  Söunbereffefte  ber  unlontroHierbarften  2lrt,  befonber^  axx^  bem 
S3creic^c  jener  Sebitationen  ober  §eb=  unb  ©c^toebungejjlfiänomene,  ipomit  $ome  bereite 
60  frül;er  escelliert  l^atte   (bgl.  betreff«  biefer  ©i)ejialität  bie  ©c^rift   Don  31.  3).  ^o6^, 


Sfitritidmttd  659 

Recueil  de  documents  relatifs  ä  la  l^vitation  du  corps  humain,  $and  1897, 
unb  baju  RHR.  1898, 1).  35c^Ici(^cn  au«  bcm  bc«  ©rfc^cincn«  unb  3Biebert)erfc^toinbens 
laffcn«  berfc^iebener  ©egenftänbc  (m^ftifc^er  3l))))ort  bon  Slumcn  u.  bgl.),  ber  ^crbot« 
bringung  ungetüöl^nlic^er  £tc^t})^änomene  unb  auffaHenbcr  %bm  u.  f.  f.  3ilx.  §ome,  ber 
^rotot^})  biefcr  uniberfaliftif^  gufammenfafienbcn  %oxm  bc«  9Jlcbiumigmu«,  h)ar,  bebor  6 
er  eine  größere  ^af)l  ebenbürtiger  5Jebenbu^ler  barin  erl^ielt,  bom  ©(i^aui)lafee  feiner 
%i)aUn  gurüdjutreten  genötigt  tüorben,  ba  jtoet  furj  nac^einanber  erfolgte  Kalamitäten 
—  juerft  1868  ber  SSerluft  eine«  großen  5ßrojeffe«  gegen  bie  ©rben  ber  reidben  SEBittoe 
S^on  in  Sonbon,  bie  i^n  toegen  Sefd^tüinbelung  berfelben  berflagten  unb  gur  SHüdja^lung 
einer  bon  il^r  et^)refeten  Summe  bon  65000  $fb.  ©t.  niJtigten;  fobann  1871  ba«  gäm«  lo 
lic^e  %\aito,  ba«  er  in  einer  ©i^ung  in  ©t.  ^eter«burg  machte,  too  feine  mebiumiftifd^e 
Kraft  '\l}n  faft  böHig  berliefe  —  ilfin  im  Urteil  eine«  grofeen  3:eil«  feiner  frül^eren  S3e= 
tounberer  gu  ®runbe  richteten,  ©tatt  feiner  (geft.  im  ©ommer  1886  ju  äluteuil  bei 
?Pari«)  gelangten  im  Saufe  ber  fiebriger  ^al)xc  mcl^rere  anbere  Uniberfalmebium«  gu 
großem  9lu^me,  fämtlic^  ßnglänber  ober  3lmerifaner  unb  balb  in  ber  einen,  balb  in  ber  ib 
anbem  jener  5ßrobuftion«h)eifen  befonber«  getoanbt,  olfine  barum  be«  SSermögen«  gur  2lu«= 
Übung  auc^  ber  übrigen  ju  entbel^ren.  5Jeben  jener  9)Jr«.  Gomer  (gl.  6oot)  in  Sonbon, 
einer  3Ri6  3Boob  in  35erbvfi^irc,  ferner  einigen  gefc^idften  unb  begabten  männlichen 
a)lebien,  h)ie  SDlonf,  $arrv  35oftian,  ßglinton  (bgl.  ©.  661,i8)  toar  e«  ber  norb« 
amerifanifc^e  Dentift  Dr.  ^enr^  ©labe,  ber  al«  Vertreter  biefe«  ®enre«  befonberen  SRul^m  20 
erntete.  ^l)m  gelang  e«  auc^,  gum  erften  5Jlale  bie  3lufmerffamfeit  ber  naturtoiffenfc^afts 
liefen  unb  j}l^ilofo})l^ifc^en  Äreife  3)eutfc^lanb«  auf  bie  bi«  bal^in  l^ier  übertoiegenb  gering 
gead^teten  ober  ganj  ignorierten  ^l^änomene  be«  ©})iriti«mu«  gu  gießen,  ©eine  Ser« 
binbung  mit  bem  2eiJ)jiaer  ^rofeffor  ber  aiftrojjb^fit  %^'  äöttner  (geft.  1882),  ber  feit 
einem  Sefud^e  bei  ßroofe«  in  ©nglanb  (1875)  biefem  Äreife  bon  ßrfd^einungen  forfc^enb  2b 
nä^er  getreten  h)ar  unb  in  ilfinen  l^anbgreiflic^e  Seftätigungen  für  feine  ibealiftifc^e  Slaum« 
t^eorie  ($V>)otl^efe  bon  toierbimenfionalen  9laumh)efen)  gu  finben  erwartete,  bal^nte  il^m 
^iergu  ben  SBeg.  gn  ben  ©i^ungen,  bie  im  9?obember  unb  S^egember  1877,  fotüie  im 
3Jlai  be«  folgcnben  ^al^re«,  in  gößner«  SBo^nung  ju  Seijjgig,  faft  ftet«  am  ^eÜen  Sage 
(alfo  unter  Sermeibung  be«  bon  faft  allen  übrigen  9Rebien  al«  erfbrberlic^  crad^teten  so 
abenblic^en  ^eHbunfel«  ober  2)unfel«),  foioie  bei  9)litantoefenl^eit  no^  mebrerer  natur« 
toiffenfc^aftli^  gcfd^ulter  3^0^"/  befonber«  ber  5ßrofefforen  Süillfi.  2Seber,  %l),  gec^ner, 
©dj^eibner  jc.  toon  il^m  gegeben  tourben,  ereigneten  fic^  in  ber  %l}at  feltfame  2)inge,  bie 
anber«  al«  burc^  bie  Slnna^me  ber  2l!tion  bon  ©})irtt«  ober  irgenbtoelc^er  gang  neuen 
unb  unerforfd^ten  Diaturfraft  nid^t  erflärt  Serben  gu  fönnen  fd;ienen.  Slufeer  ber  2lu«s36 
fü^rung  auffaUenber  ©c^reibgriffellunftftüdEe  (§ert)orbringung  längerer  ©^riftftüdfe  in 
feftt)erfq)loffenen  2)oj)))eltafeln  u.  bgl.)  unb  Änotenfnül?fung«fünfte  gel^örten  bal^in  feltfame 
©))ufborgänge  t)erfd^iebener  3lrt.  üfd^e  unb  aWagnetnabeln  in  ©labe«  5Jäl^e  fc^toanfen 
l^eftig  Ifiin  unb  ^er;  eine  unmagnetifc^e  ©tal^lnabel  toirb  unter  feinem  ftiHtoirlenben  ©in« 
fluffe  binnen  üKinuten  auf«  ftärtfte  magnetificrt ;  eine  gi^i^l^ötmonila  f>)ielt  o^ne  fi(^tbare4o 
93erü^rung  bcrfc^iebene  9Welobien;  ©tüde  bon  ©teinfo^len,  $olg  k.  fatten  bon  ber35edfe 
be«  3t»nni^^  l^erunter,  o^ne  bafe  man  toeife, .  toer  fie  getoorfen;  jtoei  gebrec^felte  ^olgringe 
(jeber  au«  einem  ©tüdf  ol^ne  irgenbtoelc^e  Öffnung)  befinben  fid^  >>Iö$lid^  auf  unerflär^ 
lid^^e  SBeife  am  gebredE>fclten  gufe  eine«  Slunbtifc^c^en«;  eine  3:ifd^})latte  toirb  auf  nic^t 
minber  unbegreifliche  SKeife  bon  einer  großen  3Jlufc^el  burc^brungen  2c.  2luc^  an  3}roben  45 
toon  3Katerialifierung  geiftiger  ©ubftangen  fe^lt  e«  nic^t.  göHner«  „SBiffenfc^aftlic^e  3lbs 
l^anblungen",  ein  mel^rbänbige«  iUuftrierte«  ©ammeltoerf,  ba«  neben  ejafttoiffenfc^attlid^en 
Seiträgen  gur  3lftrol?l^l;fif,  6leltrigität«te^re  2c.  berfc^iebene«  5taturj3^ilofo})^ifd^e  unb 
Äritifc^s^ßolemifc^e  entf^ält,  erftatteten  toäl^renb  ber  ^a^re  1878—80  ber  geleierten  SBelt 
93erid^t  über  biefe  merftoürbigen  33eobac^tung«ergebniffe  unb  fuc^ten  biefelben  al«  stamina  60 
gur  Segrünbung  einer  neuen  3)i«gii)lin  —  einer  „iran«fcenbental})ie^fil",  ber  ficb  auc^ 
eine  „SCran«fcenbental})ieVf^*'^^0'^"  ^^^  ^'cl^re  bon  ben  ©rfc^einungen  be«  i&anfenfd^en 
2eben«magneti«mu«  ober  §^})noti«mu«  angufc^lieften  l^abe  —  gu  bertoerten.  Sei  einigen 
^^ilofot)f;en,  ioic  Ulrici  in  öalle,  §uber  in  ?Dcünc^en,  grg.  §offmann  in  3Bürgburg, 
teiltoeife  au^  gec^ner  in  Sei^gig,  fanben  biefe  ßößnerfc^en  Sorfcä^läge  banfbare«  ßnt-  65 
gegenfommen  (ogl.  0.  ©.  654,45  bie  Sitt.),  toäl^renb  bie  ^Kel^rgal^l  ber  naturtüiffen* 
fc^aftlic^en  ga^genoffen  fid^  enttoeber  bomel^m  ignorierenb  unb  able(menb  berl^ielt,  ober 
bem  ©tanb>)unlte  jener  abfoluten  ©Ic})fi«  in  53egug  auf  bie  S^j^atfäc^lid^feit  ber  ©labefd;en 
SBunbereffefte  fic^  guneigte,  tüie  i^n  ber  2ei})giger  ^^ilofo})l?  Söunbt  gleid^  nad^  beren 
erftem  Sefannttoerben  in  einem  offenen  ©enbf^reiben  an  feinen  ^oOenfer  Kollegen  Ulrici  60 

42* 


660  &ph\ü»mn» 

Vertreten  l^attc.  einctocfentUc^c9Kitfc^uIbam9Ki6Im0en  bonäöIIneröSBerfud^,  bcn  ©jjirittömu^ 
mittclft  ber  ©labcfd^en  6E^)crtmentc  gum  ©cgenftanbc  emftcrer  unb  an^altcnbercr  Unterfudbung 
feiten^  bcr  bcutfd^cn  SBiffenfd^aft  ju  ergeben,  trug,  abgefe^en  bon  bcr  mafeloö  heftigen 
5ßolcmtf  unb  bcr  ungeorbnctcn  gönn  feiner  „SBiffenfc^aftlic^en  Slb^nblungen",  and}  bos 
6  Serifialten  feinet  5Kebiumö  ©labe.  35iefer  reifte  gerabe  in  bem  5Jlomentc,  too  eine  gort^ 
fe^ung  feiner  eE^)erimente  unter  möglic^ft  tjerf^ärfter  un^arteilid^er  Kontrolle  behufs 
ejafter  ©ic^erfteHung  bcg  tbatfäd^Iic^  bleuen,  2lu|erorbentlid^en  unb  nic^t  Safc^enfpielcr- 
^aften  an  \i}mn  bringenb  toünfd^enötüert  getoefen  tüäre,  ^Wfeli<^  (i^n  «&crbft  1878)  toon 
£et))3ig  ab,  um   fid^,  angeblich   erl^olungdbalber,  nad^  —  Melbourne  in  Slufttalien  unb 

10  ]päicx  bon  ba  nad)  feiner  norbamerilanifc^en  ^etmat  gurüdtjubegeben !  3)er  auf  ibm 
laftenbe  SSerbad^t,  boc^  toefentlid^  nur  mit  3:afc^enft)ielerfünftcn  umguge^en,  fonnte  \o 
nxd)i  tüolfil  befeitigt  toerben.  3)teö  um  fo  Weniger,  ba  er  fc^on  einmal  früher  (1876)  in 
®nglanb,  burd^  ben  ^^^fifer  5ßrof.  91.  Sanfefter,  toegen  Setrug«  angeflagt  unb  tDenigftcnl 
in  erfter  3«Pfl«3  berurteilt  tüorben  h)ar,  unb  ba  manchem,  h)a^  gu  feinen  (Sunften  \pxaA 

16  (—  i.  S.  einer  öffentlichen  ßrllärung  bc«  berül^mten  5ßrofeffor«  ber  2:afd^enfpielerfun^ 
SeHac^ini  bom  6.  3)ejembcr  1877,  toonad^  bie  ©labefc^en  ©ö^erimente  Dom  ©tanbtjunfte 
ber  5ßreftibigitation  an^  fc^lcc^t^in  uncrHärbar  feien  — )  boc^  aud^  toieber  anbercö,  minber 
©ünftigc  gegenüberftanb,  j.  33.  bie  erfolgreiche  Jlad^al^mung  einiger  feiner  i?notcnInü>)funge= 
funftftüdfe  (5Kärj  1878)  bur^  bie  berliner  5ß^^filer  Gl^riftiani  unb  Äronedfcr.     Über  ba^ 

20  fpäter  il^m  toiberfal^rene  SWi^gefd^idE  einer   böHi^en  ßntlarbung  f.  u.  bcn  folg.  äbfc^nitt 

IV.  Seginnenber  SRiebergang  ber  f^jiritiftifc^cn  Setoegung  feit  Stnfang 

ber  ac^tgiger  ga^re.  35ie3cit  ber©labcfc^en  5ßrobuftionen  in  35eutfc^lanb  barf  öjo^I  aii 

ber  ®i^fel})un!t  beffen,  toaö  ber  ©J)iritii5mu^   in  Sejug  auf  toeite  Verbreitung   unb  auf 

geffelung  be^  3"^^^^  !om})etcnter  Beurteiler  bi^l^cr  erreicht  l^at,  gelten,  ©eine  änJ^änger^o^I 

26  burfte  um  ba«  ^a\)x  1880  too^l  auf  etliche  3)lilIionen  gefc^ä^t  tocrbcn.  ^atte  man  bie 
©tärle  ber  Partei  im  britten  ^al)x  il^rer  ©giften j  (1850),  ate  fie  noc^  h)cfentlid^  auf 
9lorbamerifa  befd^ränft  toar,  nac^  mäßiger  ©c^äi^ung  auf  ungefäl^r  50000  5Perfonen  an= 
gegeben  unb  toar  biefelbe  gegen  6nbe  ber  fünfziger  '^a'^xz  bereit«  auf  mehrere  ^unbert^ 
taufenb  getoac^fen,  fo   fonnte  im  BtpUmbtt  1868,    beim  ^^^^^w^^^ti^g    ber   britifc^ 

80  „5l5rogrcffiben  (SefeUfd^aft"  in  Sonbon,  bie  Se^auptung  aufgefteUt  toerben,  bafe  e«  in  b<T 
alten  unb  bcr  neuen  SBelt  gufammen  bier  TOiÜionen  überzeugte  3w"0^  ^^  ©^iritiemus 
gebe.    3;ft  man  feit  ben  fiebriger  ^al)xm  über  biefc  ©c^ä^ung  noc^  toeit  hinaufgegangen 

—  h)ie  benn  bie  getoöf^nlic^c  Sered^nung  ber  ©efamtftärle  aller  ©jJiritiften  eine  3«^  ^«"9 
auf  20  SRillionen  lautete,  ein  bon  bcm  fjjiritiftifc^en  aßanbenebner  Dr.  (S^riaj  1884  in 

86  Serlin  gcf^altener  33ortrag  aber  fogar  t)on  60  ^KiUionen  2tnl^ängern  ber  ©ettc  toiffen 
tooHtc:  fo  fann  bon  irgcnb  toclc^er  ÄontroHc  folc^er  ejorbitanten  g^i^l^nangaben  felbji- 
berftänblic^  nic^t  bie  Siebe  fein,  toeil  gleich  ber  einl^citlic^en  Drganifation  auc^  jebe  ®runb^ 
läge  für  bie  ©tatifti!  bcr  ©c!tc  fel^lt  unb  toeil  bie  ©renje  gtoifc^en  erflärten  3)iitgliebcni 
ber  gciftergläubigen  ^xxld   unb  gtoifd^cn  gelcgcntlid^en  Teilnehmern  an  benfelbcn  überall 

40  gänglic^  fUcfecnb  unb  unfic^er  genannt  tocrbcn  mufe.  ^mmcrl^in  barf  man  Don  einigen 
^unbcrttaufenbcn  eigcntlici)cr  ©>)iritiftcn  toobl  auc^  jc^t  noc^  reben.  allein  in  ben  Vereinigten 
Staaten  9lorbamcriIa«  gab  c«  nad^  ber  legten  Voltegäf^lung  bc«  bor.  9io^^^u"bert«  45030 
erflärtc  S3c!cnner  bc«  ©J)iriti«mu«  (tooju  eben  bamal«  no$  ca.  2000  fog.  „3:^eofoj>^en" 
fanicn).    Unb  aud^  in  3)cutfc^lanb  beftel^cn   feit  bcn  3;agen  ©labe«  unb  Zöllner«  etliche 

46  f))iritiftifc^c  Vereine,  bcfonbcr«  im  Sönigreic^  ©ac^fen,  in  Scrlin  unb  mehreren  anberen 
©rofeftäbtcn,  bcrcn  ©cfamtftärfe  bie  3«^^  ^on  10000  ÜKitglicbcrn  tool^l  übcrfteigen  bürfte. 
^cbenfatl«  bcfi^t  aud)  3)cutfd^lanb  feit  jenem  3citt)unft  eine  3Kc^rl^eit  f))iritiftifc^er  Crgane 

—  aufecr  bcr  1874  bon  -Wu^tanb   au«   (burd^  2tlejanber  3lffätoto,    bgl.  u.)  begrünbeten 
aKonat«fc^rift  „^f^c^ifc^c@tubicn"brei3ßoc^cnblätter:  „Sid^t!  me^r  Sic^t"  [bgl.  ©.662,4 

60  „©biritualiftif^c  Slätter"  unb  „3)cr  ©jjrcc^faal",  fotoie  feit  Df tober  1904  eine  monaüic^ 
crfc^cincnbe  „©J)iritiftifc^e  Slunbfc^au"  (bcrau«gegeben  im  Auftrag  be«  „35eutf(^ 
©j)iritiftcnbunbc«"  burd^  %x.  Slrtl^ur  Sc^und^t  in  6l^emni|).  Unb  bie  ft)iritiftifc^c  3^^^ 
f4)nftenj)rcffc  be«  3lu«(anbc«  bcfinbct  fic^  tciltoeifc  in  glän|;enben  Verl^ältniffen  (j.  S.  bie 
Voftoncr   2Bodicnfd;rift  The  Banner  of  Light  mit  30000  Abonnenten;    bie  Sonboner 

66  Vlättcr:  Light,  The  Spiritual  Magazine,  The  Medium  and  Day break  in  äbnlic^er 
©tärfe;  bc«gletc^cn  bie  fc^on  1858  burc^  Slßan  Äarbcc  gegrünbete  ^arifcr  Revue 
spirite  u.  f.  f.).  ©c^on  gegen  1890  gab  c«  über  30  fl^irit.  Organe  in  englifc^er  ©pracbe 
(aufter  jenen  i^onboner  blättern  noc^  26  in  9Jorbamerifa  unb  4  in  Stuftralicn  erfc^eincnbe); 
baju  15—20  frangöfifc^c  (bc^to.  bclgifc^c),  (>  beutfc^c,  3  italienifc^e  unb  gegen  40  fi^nijc^ 

60  (teil«   für   ©Jjanien   felbft,   teil«    für    bie    fübamerilanifd^en   Sönber,    bgL    ©ibgtoid, 


^pix\ti9mM  661 

Enc.  Brit.  1.  c).  ©d^on  au^  biefen  ^rcfetjerl^ältniffen  fönncn  mit  einiger  ©ic^erl^eit  auf 
bcn  noc^  feften  unb  telatib  frcquenten  Seftanb  ber  (Senoffenfc^aft  ©c^lüffe  gejogcn  tüetben. 
—  3:ro^bem  ift  feit  üWa  1880  ein  nic^t  abjulewgnenber  SRüdgang  im  5ßtof})eriercn,  m- 
näc^ft  be^  cuto))äifc^en  ©t^iriti^mu^  eingetreten.  —  6^  ereigneten  fic^  nämlic^  «emlic^ 
balb  nai)  jener  ^lö^Iic^en  3lbreife  ©labe«  nac^  3luftralien  mehrere  eflatante  gätte  tjon  b 
ßntlorbung  gefeierter  3Katerialifationgmebien,  toeld^e  ben  ®Iauben  ber  9Jic^tf})iritiften  an 
ba«  Sorl^anbenfein  irgenb  toeld^en  tranöfcenbenten  ober  fu))ranaturalen  ßlement«  in  ben 
^l^änomenen  be«  ©})iritt«mu«  auf«  ftärtfte  gu  erfc^üttem  geeignet  toaren  unb  aud^  auf 
manche  bi^lfier  in  engerer  3Serbinbung  mit  ber  Sefte  geftanbene  beirrenb  ober  toerftimmenb 
eintüirften.  3"^f*  h)at  e«  üKr«.  glorence  Corner,  tuelc^e,  nac^bem  fie  ac^t^ö^te  ^inburc^  teil«  lo 
inSonbon,teil«  inß^ina  unb  anbertüärt«  toiel  angcftaunte  groben  i^rer  mebiumiftifc^en  Äraft 
abgelegt  l^atte,  fd^mäl^Iic^  m  %aü  geriet,  ©ie  tüurbe  in  fionbon  am  10.  Januar  1880, 
tüälfirenb  fxe  bebuf«  3)arfteIIung  be«  tüeifegefleibeten  (Seift«  „SDlaria"  i^ren  ^J^ffeln  unb 
einem  3^eil  i^rer  Äleiber  entfc^Iü})ft  toar,  burc^  bie  berben  Raufte  eine«  SKr.  ©ittüeD  er* 
fafet,  tüä^renb  be(f en  SSerbünbeter,  §r.  t).  93uc^,  bie  t)on  il^r  im  „ftabinett"  jurürfgelaffenen  ib 
Äleibung«ftüdfe  unb  gefjeln  trium))fierenb  l^erbei^olte.  Sereit«  ber  3Rai  be«felben  3ja^re« 
brachte  bie  6ntlart)ung  be«  teil«  auc^  al«  9JJaterialifator,  teil«  al«  Seioirler  toerfc^iebener 
berartiger  ©puffünfte  h)ie  bie  ©labefc^en  berühmten  SKr.  ©glinton  in  üKünc^en.  ßr 
l^atte  ba«  ^JJi^gefc^icf,  tüä^renb  einer  35unfelfi$ung  einer  SSerfc^tübrung  mel^rerer  3^0^" 
al«  Dt^fer  ju  fallen,  i)on  benen  einer  ben  ©c^lüffel  ber  ©})ielbofe,  h)el(|e  (nac^  ßgunton«  ao 
93e^aui)tung)  burd^  ©eifterf^anb  gefpielt  m  hjerben  })flegte,  l^eimlic^  fd^tüönte,  fo  bafe  ber 
in  ©c^marj  abgebrürfte  ©riff  be«  Sc^lüffe«  auf  ber  ^nnenjeite  ber  §anb  ßglinton«  biefen 
al«  benjenigen  berriet,  ber  bie  35ofe  im  Dunleln  aufgewogen  ^atte,  unb  fo  ba«  2lbbrec^en 
ber  mifeglüäten  ©i^ung  unb  bie  fofortige  2lbreife  be«  üftebium«  öon  ^Jlünc^en  nac^  ^ari« 
toemottoenbigte.  SBa«  in  biefen  beiben  SJäHen  ))affiert  toax,  toieberl^olte  ftc^  in  ben  folgen^  26 
ben  Sauren  noc^  bei  mel^reren  angef ebenen  SKebien.  ©ine  SKr«.  SBoob  tüurbe  1882  in 
!Öonbon  entlarbt.  ©labe  befam  balb  barauf  in  9iorbamerifa  eine  fc^tüerere  ättade  gu 
befte^en,  al«  früher  t>nx6^  Sanfefter  in  ©nglanb.  ßinem  5ßrofeffor  ÜK.  ^ermann  foU  ge= 
legentlid^  einer  9?eh)  ^J)orIer  ©€ance  feine  tooHftänbige  ßntlartjung  gelungen  fein  unb  biefer 
ÜKeifter  antifj)iritiftifi|er  Äunft  (f.  u.)  legte  fic^  bon  ba  an  bei  feinen  Äunftreifen  ben  ao 
ftoljen  3^itel  bei  ,,^rofefjor  ^ermann,  gerid^tlic^er  ©ac^berftänbiger  unb  SntlarDer  be« 
berül^mten  amerifanifd^en  Webium«  Dr.  ©labe."  Sefonbere«  2luffe^en  tjerurfad^te  bie 
burc^  ben  ßrjl^ergog  ^of^ann  i)on  Öfteneic^  am  11.  ^ebruar  1884  in  SBien  beloirlte 
ßntlart)ung  be«  englifc^en  9JJebium«  §an^  Saftian,  eine«  renommierten  9Katerialifator«, 
ben  bie  l^inter  i^m  juflat)j)enben  Flügeltüren  be«  erg^ergoglic^en  ©aal«  h)ie  eine  9Wau«  in  36 
ber  ^aUe  abfingen,  fo  bafe  and)  in  biefem  ^atte  toieber  bie  ^bentität  t)on  ©eift  unb 
9)lebium  ad  oculos  bcmonftriert  toar  (t)gl.  be«  ßrgl^erjog«  eigenen  Seric^t  in  ber©d^rift: 
„ginblidte  in  ben  ©t)iriti«mu«",  Sinj  1884).  —  3Ba«  bie  i)emic^tenbe  Slöirlung  biefer 
entlartjung«fälle  nod^  fteigerte,  h)ar  bie  mit  immer  größerem  ^Raffinement  au«gebilbete 
Äunft  einer  äfmal^l  toon  3lntif))iritiften,  b.  1^.  gcfc^idften  iafc^enfj)ielern  ober  ^rofefforen  40 
ber  natürlichen  9Kagie,  toelc^e  in  il^ren  ©Saucen,  toenn  nic^t  atte,  bod^  einen  beträchtlichen 
2^eil  ber  3BunbereffeIte  be«  ©})iriti«mu«  nad^bilbeten,  um  benfelben  blofeguftellen  unb  gu 
bi«Ircbieren.  ©o  in  ©nglanb  ein  'üKr.  ^x^duiq  S3i«l^o)),  in  SÖien  unb  Serlin  juerft 
•Sir.  Stnaxi  Sumberlanb,  bann  §r.  §olme«  unb  SKabame  ^e^  —  lauter  3?irtuofen  in 
ber  Äunft  be«  ®eban!enlefen«,  tüelc^e  biejenige  klaffe  fj)iritiftifc^er  ^l^änomene,  bie  fxc^  46 
mittelft  biefer  Äunft  nac^al^men  liefeen,  ju  anal^fteren  unb  auf  natürliche  ober  p\\)d)Oi 
logifd^er  (Srfalfirung  lonforme  Vorgänge  gurüdtgufübren  fuc^ten;  fo  anbererfeit«  ber  ipam- 
burger  jübifd^e  5laufmann  Slbral^am,  genannt  $rof.  SeUini,  ber  ftc^  bie  Äunft  be«  un« 
toermerlten  §erau«fc^lüj)fen«  an^  Süffeln,  toomit  man  i^n  gebunben,  aneignete  unb  l^ierburc^ 
fotoie  burc^  einige  anbere  getoanbte  ^anbgriffe  bie  Entlarvung  einiger  $feubomebien,  be^  60 
fonber«  eine«  §errn  ßmil  ©d^raj)«  au«  ^JJJülfen  (1884)  betoirfte.  auc|  ba«  auftreten 
einiger  gefc^icfter  5Kagnetifeur«,  toie  u.  a.  be«  3)änen  6.  §anfen  (feit  ettoa  1879),  tl^at 
bem  ©i?iritt«mu«  infofern  Slbbruc^,  al«  il^re  ®j))erimente  auf  bem  ©ebiete  be«  ^\)\>nO' 
ti«mu«  ober  ber  lünftlid^en  (Srjeugung  Don  ftatale^fie  (ftarrframj)fartigen  ©c^lafguftänben) 
unter  ben  Jpänben  tritif^  jjrüfenber  ^l^^fiologifc^er  ^orfc^er  h)ie  §eibenl^ain  in  9re«lau,  &5 
^re^er  in  '^ma  tc.  ftc^  al«balb  in  natürliche  ^rojeffe  ohne  allen  gebeimni«bollen  (Sl>arafter 
auflöften  unb  fo  ben  SBerbac^t  tüedtten,  ba^  e«  mit  ben  2^ranceuiftänben  ber  'üJlebien 
u.  bgl.  m.  überall  toefentlid^  biefelbe  S3eh)anbtni«  l^aben  tüerbe.  —  Sin  me^r  ober  minber 
gewichtigen  Singriffen  auf  litterarifc^em  (Sebiete  fel^lte  e«  baneben  aud^  nid^t.  35ie  in 
©nglanb   unb  anbertüärt«  toä^renb  ber  ^a\)xt  1882—84   gro^e«  auffeilen    erregenben  co 


662  (Bpixmmu» 

„Confessions  of  a  Medium"  (Sonbon  1882  u.  ö.)  fud^ten  in  fydb  ronmnl^aftcr,  haI6 
tüalfirl^cit^etreu  bcric^tcnber  Sotm  bcn  ©c^Ieier  über  bcn  3Jtofterien  bc^  3)tcbiumtemu^  gu 
lüften,  unb  itoax  bic^  mitul]t  bet  JJiftion  einer  ©eneralbeicpte,  tüeld^e  ein  Don  bemfelben 
abtrünnig  geworbener  3Kr.  5ßarler  über  bie  hjä^renb  feinet  Üml^eneifen^  mit  bem  OTebium 

6  „3:i^omfon"  erlebten  %aia  unb  SSerirrungen  barin  ablegt.  2ln  ber  beutfc^en  antifpiri^ 
tiftifc^en  Sitteratur  beteiligten  fic^  toetteifemb  ^^otograj)l^en  unb  Gl^emifer  tüie  §.  SB.  SSogel 
(ätuö  ber  neuen  ^ejenlüc^e  k.,  1880),  ^l^^fiologen  h)ie  gri$  ©c^ul^e  (2)ie  ©runbgcbanfen 
bei5  ©Ipjiritiömu«  unb  bie  Äritil  berfelben,  1881),  3flw&^fli>>>fl^Ät^«f^önbler  toic  6.  9Btllmann 
(Gnt^üttungen  über  ba^  S^reiben  ber  ©^iritiften,    1885),    aud^  ber  ^^ilofoj)^   be^  Un^ 

10  betüufeten  6.  b.  §artmann  (Der  ©})iriti^mug,  1885)  —  biefer  lefetere  freiließ  bei  ber 
Slnna^me  blofeen  Setrugg  ober  §umbugö  nic^t  ftel^en  bleibenb,  toiefmel^r  einen  getriffcn 
Äem  m^ftifc^er  Slealität  (§allucinationen  u.  bgl.)  in  ben  mebiumiftifc^en  SSorgängen  muu 
mafeenb  (bgl.  ©.  663, 4i).  —  Unter  bem  ßinbrud  aH  biefer  3?ieberlagen  ift  ein  Seil  ber 
litterarifc^en  Drgane  beö  S^jiritiömud   felbft  neueften«  bergeftalt  fc^ü^tem  unb  fd^eu  gc- 

16  toorben,  bafe  er  für  ben  fujjranaturalen  (Slfiarafter  atte«  beflen,  toa«  bie  mebiumiftif*cn 
(Srfc^einungen  in  fic^  fc^liefeen,  nic^t  melfir  einzutreten  toagt.  3)ag  beutfc^c  §auptorgan 
ber  Partei,  bie  toom  ruffifc^en  Staatsrat  Sllej.  Stffäfoh)  1874  begrünbeten  unb  nominell 
l^erau^egebenen,  in  ffial^rl^eit  aber  öon  Dr.  ®.  Ä.  SBittig  in  2eiJ)|\ig,  feit  1899  Don  g.  "Slam 
rebigierten   „^f^c^ifc^en  ©tubien"  fmb  toon    ber   anfänglich    entfd^ieben    feftge^altenen 

2o5ßojition  be«  ort^obojen,  geiftergläubigen  ©})iritiömuö  mel^r  unb  mc^r  abgctoicben. 
5Rä^ere«  bei  ftiefeh).  I,  ©.  61 6  ff.  630  ff.  ©ie  ^iel^en  bie  il^atfäc^lid^fcit  echter  Äunb^ 
gebungen  au^  bem  S^f^ü^  burd^  bie  3Kebien  mit  atter  Seftimmt^eit  in  3*^^iM  u«^ 
befennen  fic^  nur  noc^  ^u  einem  getoiffen  ^f^d^i^mu«,  einer  3lnnabme  gctDiffcr  minbcr 
befannter  ©eelenkäfte  be«  SKenfc^en  al«  ber   betüirfenben  Urfad^en  be«  S^ätfel^aften  im 

25  Serl^alten  unb  SBirifen  ber  SKebien.  3)er  ortl^oboj  gerichtete  ieil  ber  ©^iritiften  35eutfc(»' 
lanbJg  unb  ber  5iac^barlänber  l^at  fid^  bc^l^alb  aUgemad^  um  neue  ^refeorgane  (toie  „i'icbt, 
mel^r  £ic^t",  f.  o.)  gu  fc^aren  begonnen,  roäl^renb  anbererfeit^  ben  „^fV«^.  ©tubien"  nocb  ein 
^toeite^,  \f)x  Iritifc^-flej^tifd^e^  SSerl^alten  jur  ®eifterl^^))otl^efe  teilenbe«,  ja  nod^  übcrbietenbes 
Journal  toon  ber  mel^r  naturaliftifd^en  SRic^tung  (in  ber  Don  Dr.  §übbes©d^leiben,  f^jöter  t)on 

30  ©öring  unter  SRittoirlung  bon  3)u  5ßrel,  ffiaHace  2c.  ^erauggeg.  „©jjj^inj:  5Konat^{c^rift  für 
bie  gefc^ic^tlid^e  unb  eQjerimentale  Segrünbung  ber  überpnnlic^en  Sffieltanfc^auung  auf 
moniftifc^er  ©runblage",  Sei^j^ig  feit  1886,  eingegangen  1896)  |^ur  ©eitc  getreten  ift.  - 
äl^nlic^e  ©j^altungös  unb  5ßarteibilbung^j)roj\effe  läfet  bie  innere  ßnttüidfelung  ber  Sehe 
auc^  in  anberen  Sänbem  neueftenö   ^ert)ortreten.     3)afe  biejenigen  SRid^tungen ,    ioeictc 

36  ftatt  ber  früf^er  t^räbominierenben  m^ftifd^^magifc^en  2)en&  unb  Se^rtoeife  einen  mehr  ober 
minber  au«gej)rägten  ^flaturatiömu^  tjertreten  unb  ben  eigentlichen  ©eifterglauben  )?rci«-- 
gcben,  balb  überall  ba^  Übergewicht  erlangen  bürften,  barf  bei  ber  augenblidflic^en  Sage 
ber  3)inge  aU  übertoiegenb  ma^rfc^einltd^  gelten. 

V.  J^corien  jur  Grilärung  ber  fj)iritiftifc^en  5ß^änomene  ftnb  in  jiem- 

40  lieber  3^^^  aufgefteUt  toorben,  h)ie  benn  5.  33.  ©cbneiber  in  bem  me^rertüä^nten  9Bcrfe 
(©.  350  ff.)  il^rer  nic^t  Weniger  al^  act;t  anführt  unb  mel^r  ober  minber  cinge^enb  be= 
fc^reibt.  2)a  mehrere  berfclben  faft  nur  nominell  ober  betreff«  untoefentlid^er  D^etailö 
tjon  einanber  toerfd^ieben  finb,  fo  lajfen  fie  fic^  bequem  unb  olfme  bafe  äöefentlic^c«  über- 
gangen  tüirb,   alö   eine  Sierml^l  barftellen.    ^\t)n  biefer  viererlei  SDeutung^erfuc^e  fmb 

45  naturaliftifdier  3lrt,  b.  ^.  auf  Seugnung  ber  2lftion  jenfeitiger  Äräfte  ober  ^jcrfönlictei 
0eifth)efen  in  ben  mebiumiftifc^en  ßrfd^etnungen  l^inauölaufenb,  unb  jtoei  fj)iritualiftif(ber 
ober  fupranaturaliftifc^er  3lrt,  b.  l).  ba«  3?erurfac^tfein  ber  5ßl)änomene  (ober  tüenigften» 
eine«  %cxl^  berfelben)  burc^  aufeermenfc^lid^c  (Seifttüefcn  belfiaujJtenb. 

a)  2)ie  Sctrug^t^eorie   ift   bie  2lnna^me  be«  rolleren  3Jaturali«mu«  unb  ©fej)tici5^ 

60  mu«  in  SScjug  auf  bie  isorgänge  in  ben  ©i^ungen  be«  ©t^iritiömu«.  ©ie  finbet  fxA 
mel)r  ober  minber  gefdbidtt  enttüidtelt  unb  tjerteibigt  in  fold^cn  ©d^riften  tvie  bie  oben 
(©.661,59)  genannten  \)on  ^}5feubo=^arfer,  93ogel,  %x.  ©d^ul^e,  SBiUmann,  unb 
biclcn  ä^nltcf)en;  fic  fcbeint  auc^  im  toefentlic^en  ben  §intergrunb  beffen  ju  bilben,  ioa^ 
Grj^erjog  Qol^ann  in  ber  angeführten  33rofct)üre  gegenüber  bem  ©^iritigmu«  aufgeführt 

65  hat.  eine  allfeitig  einleud;tenbc  35eutung  ber  ju  Jjrüfenben  rätfell^aften  i^atfad&en  t^er^ 
mag  fie  nic^t  ^u  bieten,  ©egenüber  ben  angebli(|cn  ©eiftermaterialifationen  mag  fie  mebr 
ober  minber  im  Skc^lc  fein,  ba  l^intcr  biefen  Isorgängen,  fo  ioeit  bie  bi^^erige  Seobacbtung 
reicht,  immer  unb  überall  ©cbtoinbel  ober  liftige  2;äufcl)crei  nac^getüiefen  lüorben  ift.  aber 
bie  ^JJebrjal^l  ber  übrigen  auffaöenben  ^^änomene,  ioic  befonber«  fold^e  l}ert)orragenberc 

6t)  5)Jebien  ioic  $omc,  ©labe  k,  fte  ju  j)robujiercn  ))flegen,  f^jottet  eine«  ieben  auf  ba  am 


(Stifaritidmitd  663 

na^me  gemeiner  Betrügerei  ^inauölaufenben  ©rllärungSberfud^e^.    ©ie  fc^eint  e«  toiclme^r 
na^e  ju  legen 

b)  bei  ber  ))fVc^iWwt  Äraftt^eorie  (togl.  Äiefeh).,  3)er  neuere  DH.  I,  506—631)  5Rat 
ju  fuc^en,  einer  ju  mel^reren  Unterarten  ober  9KobifiIationen  au«ge})rägten  il^corie,    bic 
im  allgemeinen  irgenb  toeld^e  f eelifc^e  ^wnftion  beö  3Renfc^en  aU  entärenbe«  ^Moment  in  5 
Setracpt  nimmt   (ba^er  aud^  tüo^I  al«  ^f^c^i^mu«  bejeic^net).    3lte   biefe  ftraft  backte 
$rof.  Il^urV   in  ®enf  (Les  tables  parlantes  etc.,    1855)    ein  unfid^tbare«  ^luibum, 
bog  er  ,,^f^c^obe"  gu  nennen  borjc^lug,  mäl^renb  anbere,  bei  fonftiger  fad;Iic^er  Übereins 
ftimmung  mit  feiner  3lnna^me,  boc^  anbere  9iamen  tüä^lten,  5.  33.  „>)f^d^ifc^e«  ^luibum" 
(2B.  9JJajn)ea,    2)rei  Sucher  magnet.  §eiHunbe,  1855),  ;,HV^ifc^^  Äraft"   (@.  333.  605,10 
Spiritualism  answered  by  science,  1872;  ^.  §.  ^id^te,  2)er  neuere  ©^iritualiömu«, 
1878  2C.),  ober  im  Slnfd^Iu^  an  ältere,  toorfJ)iritiftifqie  35oftrinen  bon  „3SitaItraft"  rebeten 
(9iee«  t)an  ©jenbedE,  6aru«  k.),    ober  ben  SHeic^enbac^fc^en  'Hamm  „Ob"  toieber  ^erbor« 
jogen  (Seefer,  ^rof.  2Bunbt  u.  b.  S))iritigm.,  1879 ;  3S\ppxti)t,  35er  ©t^irituali^mu«  bor 
bcm  gorum  ber  SBifienfc^aft,  1880,  35u  ^rel,   35ie  Wagie  aU  9Jaturtoiffenfd^aft,  1899;  is 
er  be^eid^net  „bie  DbqueHe  ber  mcnfc^I.  Jpanb"  al«  biejenige  Äraft,  toelc^e  bie  %x\d)t  beim 
2:ifd^rüdEen  in  Seioegung  fe^t),  ober  enblic^  ba^  geJ^eimni^tooHe  Slgen«  aU  „unbetoufetegere* 
bration  (§imtl^ätigleit)  toerbunben  mit  untoiHIürlic^er  SDtuöIelt^ätigleit"  befinicrten.    Die 
lefetere  Formulierung  ber  Sl^eorie,  bem  Seftreben  möglid^fter  3Rec^anifierung,  b.  i.  mög« 
lic^ft  loenig  m^ftifd^er  3luffaffung  ber  betr.  SSorgänge  entftjrungen ,    l^atte   an  bem  1885  ao 
toerftorbenen  Sonboner  ^^^fiologen  333.  33.  6arj)cnter  i^ren  §au})tbertreter,   ber   fie   in 
toielen  ©d^riften  (j.  33.  Mesmerism,  Spiritualism  etc.  1877)  toerteibigte  unb  bei  bem 
§Vt^noti^mu^forfc^er  33raib  in  SKand^efter  (geft.  1860),   bei  6^.  33ra^  unb  m.  a.  83eifan 
fanb.    ainberen  5ß^^fiologen  unb  ^atl^ologen  toon  ber  mec^anifd^smaterialiftifd^en  ©d^ule 
genügt  freiließ  auc^  biefe  relatitj  boBftänbige  Seugnung  be«  mvftifc^en  ß^arafter^  ber  betr.  26 
^^änomene  nod^  nic^t,  toe^l^alb  fie  —  fo  g.  33.  ber  9ieh)9)orIer  5Jlebijini?rofeffor  333.  §ams 
monb   in  ber  ©c^rift  Spiritualism  and  allied  causes  and  conditions  of  nervous 
derangement,  Sonbon  1876),   äJ^nlic^  ber  333iener  6Ieftrot^era))eut  35enebift  k.  —  e^ 
borjiel^en,  eine  geftörte  9Jert)ent^ätigfeit  aU  ben  ^^änomenen  ju  GJrunbe  liegenb  ju  betrad^ten 
unb  bcmnac^  ben  ©l^iriti^mu^  ate  rein  j)at^oIogifd^e^  ^orfd^ung^objett  ju  be^anbeln.  SDBirb  30 
^ier,  jugleic^  mit  ber  ©eele,  aud^   jebe  befonbere  ©eelenfunftion  ober  «Iraft  afö  bie  6rs 
fc^einungen  berurfac^enb   geleugnet   unb    fo   faftif^  ber  Übergang  auf  ben  S3oben  jener 
S3etrug^t(^eorie  tooÜjogen,  fo  toirb  ebenbamit  auf  ein  toiffenfc^aftUc^eg  S3egreifen  ber  fämts 
liefen  in  S3etrac^t  fommenben  SWomente  be^  ©ii)iriti^mu^   toerjic^tet  unb   mit   etleltifc^er 
35}tIIIür  balb  an  biefen,  balb  an  jenen  befonberen  ©eiten  be«  ^jS^änomen^  ad^tlo«  borüber^  35 
gegangen.    333o    bcel^alb   eine  toirllic^e  unb  ernftli^e  I^eoriebilbung  in  S3ejug  auf  ben 
©egenftanb  angcftrebt  toirb,  ba  f)äli  man  fic^  übertoiegenb  an  jene«  ^rinjip  ber  t^f^c^ifc^en 
Kraft,   fuc^t  alfo  bem,    toa«   t^atfäd^Iic^  am  ©))iritiömue  ift,    S3ereic^erungcn  unb  %oxU 
bilbungen    ber    emj)irifc^en   5ßj^c^oIogie   abzugewinnen,    o^ne   ben  ©lauben^Ie^ren  ober 
3)loralbohrinen  ber  ©efte  befonbere  Sead^tung  ^u  toibmen.    3n  biefem  ©inne  l^at  neben  40 
t).  §artmann  (f.  0.  ©.  662,  id)  befonber«  (Sari  bu  $rel  in  feiner  „^^ilofojj^ie  ber  3K#f " 
(1884)  u.  a.  ©d^riften  unb  Stuffä^en  bie  t^f^c^ifc^e  itrafttl^eorie  ^u   begrünben  unb  au^s 
jubilben  unternommen.    3luf   bemfelben  ©tanbijunft,  toelc^er  aud^   toefentlid^    berjenige 
SBittigg  unb  ber  ^^f^c^.  ©tubien  ift  (f.  0.  ©.  662,  u),  betrieb  bie  unter  bu  ^rel«  üKittoirfung 
erfd^einenbe  unb  bon  $übbe5©d^leiben  geleitete  9Jlonat«fd^rift  „©})^in5"  i^e  (Srforfd^ung  45 
ber  in  SRebe  ftel^enben  5^^änomene  (f.  0.  ©.  662, 28 ).    Über  bu  $rel  f.  Släf^ere«  bei  Äiefe« 
n)etter,  5R.  CK.  I,  749—799. 

c)  35ie  Il^eorie  ber  ©biritg  ober  bie  ort^oboj^fpiritiftifc^e  3(uffaffung  abojjtiert  jtoar 
bai5  S03efentlid^e  ber  J^f^d^ifd^en  ilrafttl^eorie  unb  fjjric^t  ^ugleid^,  ba  Wo  e«  fic^  um  bie 
an  fd^äblic^en  ^feubomebien  ju  übenbe  ftritif  ^anbelt,  ber  S3etrug«tl^eorie  ein  geloiffe«  60 
Siecht  ju.  3lber  fte  nimmt  bie  3?orauöfe$ung  be«  öfteren  3SorIommen«  ed^ter  unb  objef* 
tiüer  (Seifte^üffenbarungen  au«  bem  $^enfeit«  mit  binju  unbjtoar  in  ber  333eife,  bafe  fie 
bie  ftc^  funbgebenben  (Seifter  für  bie  ©eelen  toerftorbener  3Jcenfc^en  ^ält.  3^^^  5Jlobis 
fifationen  biefer  auf  bie  9Jefromantie  ber  3llten  unb  bie  (Seifterlel^re  ber  fc^amaniftifd^en 
^Religionen  ^urüdtgel^enben  2lnna|^me  ge^en  nebeneinanber  l^er:  1.  bie  SReinlamation«-  66 
leiere,  toelc^e  bie  ©jiirit«  ein  toieberl^olte«  33erletblic^tn)erben  unb  35}ieberjurücHel^ren  in 
ben  teiblofen  ®eifte«juftanb  erfahren  läfet,  alfo  bie  alt-äg^ptifc^e,  inbifc^e  unb  p\)tf}a' 
goräifc^e  ©eelentoanberungöboftrin  erneuert  (tjgl.  u.  ©.  664,  56),  unb  2.  bie  einfachere  ©eifter^ 
t^eorie  ber  getoöl^nlid^en  ©j)iritiften,  toelc^e  ein  nur  einmalige^  ©terben  be«  menfd^Itcben 
Drgani^mud    ober  Übergeben    ber  ©eele  in  ben  ®eifte«juftanb  Uf^auüfUt.    2)ie  erftereeo 


664  ®)iiriMmitd 

Scl^rtüeifc,  bcgrünbct  \>\xx6)  bcn  granjofcn  Wian  ftarbcc  (eig.  SRiöail,  geb.  ju  S^on  1803, 
gcft.  ju  5ßari«  1869),  nac^  iDclc^cm  ftc  auö)  tüo^l  alö  „ftarbcci^mu^"  bcjctc^nct  h?trb, 
unb  \päUx  bcfonbcr«  Vertreten  burd^  bic  ^)l^antaftif(i^cn  Drafcl  ber  unöarifd^cn  Saronefic 
äbclma  D.  ^a\),  fd^cint  toottüicgcnb  in  Sänbem  ober  ©cgenben  töm.sfat^ol.  ©efcnntniffc^g 

6  verbreitet  ju  fein,  mäf^renb  bie  SeDöIferung  proteftantifc^er  Sänber  im  aDgemeinen  mebr 
©eneigtl^eit  jur  nic^t=reinIarnationiftifci^en  ©eifterle^re  betl^ätigt.  —  Der  Serfuc^  3ößncr^ 
(Äiefetüetter,  31.  DR.  I,  ©.  665—702),  bie  f})irit.  5ßf)änomene  mittelft  feiner  ännabmc 
einer  „vierten  2)imenfton"  ober  3^^eorie  ber  Vierbimenfionalen  Slaumtüefen  gu  crfidrcn 
—    Don    il^m   unter    3"^*9^^^"     ^"f    tl^epfo>)l^ifc^e  Äon|ie})tionen   Von  ^cnrV  3)lore, 

10  Dettinger,  ^^idter  k.,  fotoie  auf  gelegentlid^e  Sinterungen  Von  9Jlat^ematitem  h)ie  Äant, 
(Saufe  unb  Sliemann,  enttoicfelt  in  feinen  „SUiffenfc^.  Slb^anblungen"  unb  im  Slnfc^Iujfc 
an  i^n  Verteibigt  von  5){.  SBirtl^  (ßöHner«  6vi?ot^efe  intelligenter  Vierbimcnfionalcr  9laum= 
tüefen,  1878),  Saron  ipeüenbac^  (f.  u.©.  665,  is),  6.  SBegener  (3um  3ufammcn^ng  von 
©ein  unb  35enfen,  1879)  unb  einigen  2121.  —  bedft  fic^  fad^lic^  im  n>efentlic^en  mit  ber 

16  getvö^nlic^en  3:^eorie  be«  ©})iritigmu«  unb  bemüf^t  fxd^,  berfelben  nur  einen  fcfteren  meta= 
})l^^fifc^5naturj)^iIofo^^ifc^en  Unterbau  ju  geben. 

d)  3)ie  bämoniftifcl^e  3:i^eorie  ift  bie  ber  d^riftlid^-ort^obojen  ®egner  be«  Sviriti^mu^. 
SBSirlli^e  Äunbgebungen  an^  ber  ©ciftertvelt  läfet  auc^  fxe  burd^  bie  ^robuttioncn  ber 
Webien,  tvenigften^  ber  eckten  unb  l^ervonagenb  fräftigen,  beivirlt  n)erben.     3lber  fie  ct- 

20  flärt  bie  ©Ijirit^,  unter  SSertoeifung  auf  ba^  triviale,  2Hbeme,  oft  auc^  ®cmcinc  ibrer 
2tu^fagcn  unb  auf  bie  {and)  fj)iritiftifc^crfeit^,  bef.  in  ben  $f^d&.  ©tubien.  Vielfach  ^u- 
geftanbene)  5lic^tibentität  ber  erfd^einenben  ©eifter  mit  ben  abgefc^iebenen  ^erfoncn,  aU 
toeld^e  fie  fid^  ausgeben,  für  „unfaubere  ©eifter"  {nv.  dxd^aQTa,  dai/jiövia).  ©ie  ver- 
gleist  bemnad^  ben   mebiumiftifc^en  3?erlebr  mit  fold^en  ®eifth)efen  —  beren  (Sbarafter= 

25  eigentümlic^feit  unb  guftänbe  ettva  nac^  aJlafegabe  Von  mt  12,  43 ff.;  2c  8,  2;  St®  16, 
16;  19,  13;  3^2, 19  2c.  beurteilt  unb  befc^rieben  tverben  —  al^  ettoa^  ^^eligiöfeö,  im 
aBorte  ®otteg  3]ierbotene«  bef.  um  2c  16,  31  toillen,  unb  Uf)an!pUi  über^au})t  bie  fttt^ 
lid^e  unb  religiöfe  Unnuläffigfeit  ber  ft^iritiftifc^en  6E^)erimente  afe  einer  mobemcn  Slefro^ 
mantie  ober  5Ragie.    2luf  biefem  ©tanbpunfte,  ben  bie  fatl^olifc^^orti^obojen  Äritifer  bce 

30  ©))iriti^mu^  faft  au^nal5>"^^to^  ^"^  ^^^  ''^"C"  übereinftimmenb  aud^  ein  Icil  ber  po^txo- 
eVangelifc^en  Seurteiler  feft^alten,  erfc^eint  ba«  fj^iritiftifd^e  treiben  ate  ein  „^^Vt^oni^mu^ 
unferer  läge"  (nad^  bem  2luebrudE  ber  ©tvebenborgianer  9ieu=6nglanb«,  in  il^rem  toibcr 
bie  bortigen  ©l^iritiften  gerid^teten  ©jlommunifation^befd^luffe  von  9leh)  öamt)f^ire,  1858) 
ate  eine  „neue  ^«"bereifünbe"   (®.  §.  von  ©d^ubert,   in  ber  bef.  ©c^rift,    1851)    aU 

35  eine  (Erneuerung  be^  ®oeten=  unb  5JJ^fterienunh)efen^  eine«  Sö*"^'^^"^  (Ofltlcfe, 
35a«  Sud^  Von  ben  äg.  TO^fterien,  1858),  al«  eine  „®eifel  be«  (Sl^riftentum«,  gefc^toungen 
burd^  gefährlichere  ^einbe  al«  SRenan  unb  ©traufe"  (3Jl.  be  3RirVille,  La  pneumatologie 
des  esprits  et  de  leurs  influences,  4  vols.,  ^ari«  1863),  ein  „nic^t  Von  Sott  er= 
öffneter  unb  gegebener,  jonbern  bie  ©eele  gefäf^rbcnber  2Beg"  (Sut^arbt,  ©rief  an  3öllner; 

40  f.  beffcn  SBiffcnfd^.  3lb^anbluugen  III,  562),  eine  Übung  ber  nefromdntifcbcn  Äunft, 
„tüel4)c  bämonifc^en  3^^^^"  bient  unb  an  beren  Verberblid^cn  Folgerungen  ©atan  niit 
unbeteiligt  ift"  (©c^neiber  a.  a.  0.  548  f. ;  Vgl.  bie  äl^nlic^  urteilenben  Äatl^olifen  ®ut= 
beriet  unb  ^rj.  Salter,  2lberglaube  unb  Seelforge,  ^aberborn  1904,  Vgl.  2it.  SRunbf*. 
1904,  5Zr.  10,  ©.  31  Of.). 

46  VI.  ^nx  Beurteilung  ber  religiöfen  unb  etf^ifc^en  2lnfd^auungen  im  ©J)iriti«mu0: 
©c^neibcr,  ©.  250 f.  257 f.,  (gug.  Wütter,  ©.  62 f.,  2)ij)))el,  ©.  232ff.,  (S.  ©utberlet, 
2)er  Siamp^  um  bie  ©eclc,  ÜRainj  1899.  3)ie  9leligion«=  unb  5)loralboftrin  beö 
©piritiömu«  ^ält  fid),  von  einjelnen  el^renVoUeren  2lu«nal^men  abgefe^en,  burc^f^nitt= 
lic^  auf  einem  jo  bebenflic^  niebrigen   9?iVeau,    bafe   ben   ^ier   beif>)iel«h)eife  angeführten 

60  3enfuren  feine«  religiö^^et^ifc^cn  ©efamttverte«  laum  ber  SSortüurf  übermäßiger  ©^ärfc 
gemacht  tocrben  lann.  ©d)on  bie  arge  bogmatifc^e  3^1!^^^^*  ^^  ©cfte,  inner- 
halb beren  mebrere  grunbverfd^iebene  ©trömungen  nebeneinanber  l^ergebcn,  h?e(ft 
lein  günftige«  5?orurtetl;  frafesfui^^^^^^^turaliftifd^er  2lberglaube  unb  orbinärfte  natu^ 
raliftifc^e,   ja   materialiftifc^e  2Öei«beit   treiben   im  breiten  unb  trüben  ©c^lammbette  bc« 

65  ©trom«  f))iritiftifcbcr  Irabitioncn  ol)ne  flare  ©cbeibung  nebeneinanber.  3^  feftcn  8c^ 
griffen  unb  beftimmtcn  Scl^rformeln  finbet  man  biefe  geiftergläubige  SI!3ei«l^cit  nirgenb« 
enltüidelt;  toa«  i^rcn  Vcrf4»iebcncn  IKobififationen  einzig  unb  allein  al«  gemcinfam  a- 
fdE>eint,  ift  bie  2(nna^)me  eine«  jenfeitigcn  fortleben«  unb  ©icblunbgeben«  ber  3)lenf(bens 
geiftcr,  vermittelft  einer  geiüiffen   fluibifcl)cn  ©ubftan^   (bei  ben  Äarbecianem  „^erifj>rit" 

fio  genannt),   tvclc^e  biefelben   beim  iobe  au«  bem  bie«feitigen  2eben  mit  l^inübemebmen. 


®)itrttidittitd  665 

unb  bcren  ftufcntoeife  Säulming  unb  ^öl^etc  fjortenttoicfclung  im  genfeit«  tüenigften«  Don 
bcn  cmfter  öerid^teten  fpiritiftif^en  Parteien  jtemlid^  übereinftimmenb  geleiert  unb  geglaubt 
toirb.    eine  ^Ke^t^eit  fonj^entrifd^er  ©i^^äten,  bie  ftc^   über  ber  ßtbe  erl^ebt  unb  burc^ 
meiere  bie  ©eifter  im  Saufe  il^re«  Säutetung^j^rojcffe«  nad^  unb    nac^   i^ren  SBeg  jum 
^immcl  ^urüdlegen,   bezeugt  bie  3}Uf)xiaf)l  aßer  angefelfieneren  3Kebien  in  älmerifa  h)ie  6 
in  ber  alten  3BeIt  —  mögen   immerf^in  bie  2)etaite  if^ter  Sc^ilberungen  Variieren   unb 
mag  beif))iel«h)eife  in   ben  })l^antafieboIIen  ©d^ilberungen  ber  5Kife  ßmma  §arbinge  (bei 
a.  SR.  aSaUace,  a)ie  toiffenfd^.  anfielet  be«  Übernatürlichen,  ©.  73  ff.)  eine  et|if(^  ftrengere 
5^ergeltung«lel5>re  enttoidelt  toerben,    ate  in   ben    me|r  berbftnnlic^   gearteten  ^enfeitös 
gemälben  Don  9lob.  ^axt  (bei  Sc^neiber,  ©.  240  f.)   ober  in  SR.  g^efe«  „Stimmen  au«  lo 
bem  SReic^e  .ber  Oeifter"  (1879),   —  n)el(i^e  le^teren   ^auljtfäc^lic^   auf  3lu«malung   ber 
aUfeitigen  ä^nlic^leit  ber  3wfiönbe  be«  3^«f^^^^  ^^^  benjenigen  bc«  3Die«feit«  %U\^  bers 
tDenben  unb  in  biefen  an  Stoebenborg«  3Sifionen   erinnemben  ®enre  bie  unglaublic^ften 
Ärubitäten  auftifcl[;en.    aiber    nid^t    einmal   in    biefen   ba«  ß^c^atologifd^e    betreffenben 
©runblel^ren  ^errfc^t  aUfeitige  Übereinftimmung ;  toie  benn  bie  bereit«  angefül^rte  ©eelen-  ib 
n)anberung«boItrin  ber  Äarbecianer  bcgreiflic^ertüeife  auf  bie  jene  ©i^l^ären  betreffenben 
33orftellungen  eine  ftarl  mobifijierenbe  ßintoirlung  übt,    unb   anbertoärt«   noc^    anberc 
©onberle^ren  gehegt  toerben,    ^.  93.  feiten«  be«  SBiener  f))iritiftif(^en  ^^ilofop^en  93aron 
Sa^ar  ^.  ^eHenbac^,  ber  einerfeit«  Sieinfamationift  ift,   aber  anbererfeit«  ein   enblid^e« 
Untergeben   ber   inbitoibueHen   ©eelenfubftanjen    (nac^bem  biefelben    einen  mel^rmaligen  20 
SBec^fel   il;re«  3)imenfionaljuftanbe«  burc^gemad^t)    be^au})tet  unb  in  i^erbinbung   mit 
biefer  Unfterblic^feit«leugnung  auc^  ein   l^öc^fte«  göttlid^e«  ^ßrimi})   leugnet,    alfo  feinem 
fpiritiftifc^en   ©l;ftem    einen   at^eiftifd&en   äbfc^lufe    gibt.     »gl.  Äiefetoetter,  31.  DU,  I, 
®.  703—748.    ©leid^  ben  e«d^atologif(^en  änfic^ten  ber  Sjjiritiften  bifferiert  auc^,  ioa« 
fie  in  fo«mogonifc^er  unb  ant^ro^jogonifc^er  ^inftd^t  annehmen,   auf«  ftärifte.    ffiäl^renb  25 
bie  bem  fat^olifd^=firc^lic^en  ©tanb^unlt  fic^  näl^ernben  Äarbecianer  5ßroben  einer  jiemlic^ 
ort^obojen  Sel^anblung  ber  biblifc^en  ©d^öjjfung«^  unb  ©ünbenfall«lel^re  liefern  —  j.  33. 
Äarbec,  La  Genese,  les  Miracles  et  les  Prödictions,  6*^  §dit.  1868 ;  Slbelma  t).  jyaV, 
(Seift,  ftraft  unb  ©toff,  1870;   ®raf  ^onin«fi  al«  Serteibiger  ber  SReftitution«^^t)otHc 
in  bem  Sortrage:  „3Jom  5Ru$en  be«  ©piriti«mu«  für  bie  SBiffenfc^aft",  Seipjig  1877  —  80 
rü^mt  ber  2lltmeifter    ber    norbamerilanifd^en   ©})iritiften   21.  3-  ^flöi«   fi(|,  bie  liers 
abftammung  be«  3)]enfc^en  fc^on  geraume  ^Äi  toor  3)arh)in  geleiert  ju  l^aben  (©c^neiber, 
©.  248  f.).    aiuc^  3)at)i«  3ln^änger  ^ubfon  2uttle  burfte   auf  (Srunb   feiner  1859   er^ 
fcf)ienenen   „Arcana   of  Nature",    toorin   gteic^faH«   eine  fjjontane  ©nttoidEelung    ber 
Drgani«men  (tjom  2lmt)bioju«  bi«  hinauf  jum  SKenfc^en)  geleiert  h)irb,  $riorität«anfj)rüc^e  35 
gegenüber  2)arh)in   unb  .^ädtel   er(>eben.    211«  ^tpU>oxti}  3)i|on  ju  2lnfang  ber  fed^uger 
^ai}xc   auf  SReifen   burd)   bie  bereinigten  ©taaten   ben   ©toff  ju  feinem  33uc^e  „^fleu^ 
2lmerifa"  fammelte,   fanb  er  in  ben   fj)iritiftifc^en  3^^^'"/   toelc^e  er  befuc^te,  bie  2lffens 
urfprung«lel)re  bermafeen  Verbreitet,  bafe  nic^t  erft  toom  britifd^en  3)arh)ini«mu«  l^er  ergangene 
(Jintoirfung  biefelbe   ^ier  ^eimif4   gemacht   ^abcn   lonnte  (3?eu-2lmerifa,  ©.  340 ;   Dgl.  40 
auc^  93®l.  VI,  355  f.).  —  Ungleich  genug  ift  femer,  toa«  bie  toerfc^iebenen  SRid^tungen 
be«  ©piriti«mu«  auf  d^riftologifc^em   unb  foteriologifd^em  ®ebiete    leieren.    Släl^ere«  bei 
"S^'xppd,  ©.  169—196.    3)ie  ©c^ule  Äarbec«  ift  aud^  ba  toieber  bie  ortl^obojefte.    ^mcx^ 
l)alb  t^rer  toirb  fogar  foldien  3!)ogmen  toie  bie  unbefledEte  6m>)fängni«lel^re  nid^t  loiberfljrocben 
(f.  ®ranb,   bei  ^J^ejjani,    La  pluralitö  des  existences  de  Tarne,   p.  363;   bgl.  S®1.  45 
VI, 351  f.),  unb  fotoolfil  Äarbec  al«  bie  Saroneffe  b.  95a^  fonformieren  i^re  Seigren  unb 
SRatfc^lägc    bem  fül^nften  5Kirafelglauben  bc«  5latl^olici«mu«.    2lud)   bei  bem  t)on  §au« 
au«  lut|erifc^en  93aron  ®ülbenftubbe  ftöfet  man  ^ie  unb  ba  auf  tjofitib^c^riftlid^  flingenbe 
©ä^e;   einer  ber  bon  il^m  mitgeteilten  (Seifterf))rüc^e  lautet:   „3)er  lob   ift  immer  ber 
bitterfte  Äcld;  für  ben  3Renfc^en,  aber  er  ift  berfüfet  burd^  ben,   ber  i^n   einft  auf  bem  so 
Gabarienberge  gefoftet  l^at"  (5ßof.  5ßneumatol.,  ©.  239).     2lber  bei  toeitem  ben  meiften 
5Bertretern  ft^iritiftifc^er  SReligiofttät  ift  6^riftu«  blo|er  SDJenfc^  ober  beftenfaH«  einer  ber 
oberften  Gngel;  feine  Sßunber  toerben   in  Äonformität  gebac^t  mit  ben  aufeerorbentlid^en 
effeften  be«  £eben«magneti«mu«  unb  ©>)iriti«mu«,   feine  ©rfd^einungen   nac^  bem  lobe 
al«  „3Raterialifationcn"  2c.  (ügl.,.  Zöllner,  SÖiff cnfd^.  2lbl^anblungen  II,  1187).   §ie  unb  66 
ba   lebt   in    ben   ft)iritiftifc^en  2(u^erungen   über  3^fw  5ßerfon   unb  SBerf  ber  fraffefte 
gnoftifc^e  3)o!eti«mu«  toieber  auf,  bgl.  bef.  bie  3-  ^.  SRouftaingfc^e  ©oangeliencrflärung: 
„ßl^riftl.  ©t)iriti«mu«,   ober  Offenbarung  über  bie  Offenbarung  ber  t)ier  ßbangelien  2c.", 
Subtoei«  1881   (8®l.   XX,  195).    2)ie  (Srlöfung   ift  ben   meiften  ©})iritiften  toef entließ 
nur  ©elbftcrlöfung  be«  a)ienfd^en;    i^r  ©ünbe^  unb  lugenbbegriff  ift  ^jelagianifc^  geartet;  60 


666  (BpintimM  @)ittta 

il^rc  ganj^c  9leIiaiojität  trägt  übertticgcnb  antüttd^Hci^cn  unb  flcruSfeinblid^en  GBoraftcr 
(bgl.  bag  ec^riftd^cn :  „2)c^  Älerifali^mug  unfel^Ibarc  ÜbertDtnberin"  [üon  SR.  b.  SJa^jjwrbl, 
2.  aufl.,  g^emni^  1877).  ßinc  bciftifd^^f^nfrctifüfd^e  Icnbeng  j^ur  Oleic^fleaung  ^cfu  mit 
ben  gtiftem  anbcter  SleKgioncn,  in^befonbere  mit  3Kofc  unb  Subb^a,  too^nt  ben  metftcn 

6  $roj)^eten  ber  ©citc  bei.  „Sta^ma,  Subbl^a,  3">>i^^  w"^  ^^i}o)Dab*\  meint  jener 
§.  iuttle  (Are.  of  Nature),  „fie  oHe  muffen  ber  iperrlic^feit  unfercr  neuen  Religion 
tüeic^en!"  Unb  in  bem  mä)  35abi^'  3lnga6en  erridS^teten  „^nt^eon  be^  fjortfiritts", 
bem  Äultu^l^ciligtum  ber  ©>)iritiften  Don  ?J}oug^fee})fte,  figurieren  nebeneinanbcr  bie  Stanb= 
bilber  üon  Sra^ma,  95ubbl^a,  ©anc^uniat^on,  ÜKofe,  3efu«,  ^aulug,  fintier,  ©loebenborg, 

10  Slnna  See,  3jane  ©outl^cote,  Il^eobor  5ßarler  2c.  Sefonber^  ftarle  Scifi^iete  öon  Ieicbt= 
fertiger  ^erabfe^un^  3ff"  ""^  ^ugleid^  t)on  SR^tl^ifierung  feiner  Oefd^id^te  pnben  ficfc 
in  ber  beutfd^-amenfanifc^en  ^eitfd^rift  „SDer  gül^rer".  6«  begreift  ftd^  ^iemoct,  boB 
aixö)  ein  fo  unfmniger  ©c^mmbel,  h)ie  ba«  treiben  ber  „2:i^eofo))^tfd^en  ©efcHfc^ft" 
ober  ber  ©enoffenfc^aft  ber  „Occultiften"  (geftiftet  um  1875  in  3?eh)  9)orf  burd^  Goloncl 

15  ^.  DIcott  unb  bie  SRuffin  §elena  SlabatöliJ,  bann  befonber^  in  Somba^  unb  anberen 
©täbten  angloinbien«  fomie  ^apan  (togl.  §.  35alton,  auf  Wiffion^faben  ©.177.  384) 
ausgebreitet,  fett  ben  ad^tgiger  ^ö^ten  aber  auc^  in  35eutf(^lanb,  befonber«  bun^  (Srünbung 
einer  „Il^eofo^jl^ifd^en  ©ocietät  ©ermania"  in  ©Iberfelb,  1881,  angei)flan5t)  mit  einigem 
ßrfolge  um  fid^  greifen  unb   für  feine  Senbenj   einer  boßftänbigen  SBerfc^mcljung  i>on 

20  inbifd^sbubbl^iftifc^er  ®e^eimh)eiS^eit  mit  bem  ßl^riftentum  3ln^änger  getoinnen  fonntc. 
SS^I.  ba«  biefer  befonberen  ©trömung  bcS  ©^iritiSmuS  bienenbe  SBerl  toon  31.  ^.  ©innet, 
2)ie  efoterifd^e  Seigre  beS  ©e^eimbubb^iömuS,  £ei))jig  1884  (jur  Äritif  bc^felben:  et?anq. 
A3  1885,  ©.  185 ff.;  »®l.  XXI,  36.  79 f.;  bie  ^umorift. Beleuchtung  bon  Sfc.Saftian, 
„©>)iritiften  unb  3^^eofoj)l^en",  in  ber  beutfc^en  Slebuc  1885,  Oftober)  unb  bie  ©c^riftcn 

26  toon  %.  §artmann,  I^eofo>)l^ie  unb  bie  internationale  ©efeUfc^aft  £ei})jig  1894;  2)ic  tt>cifec 
unb  bie  fc^h)arje  SDlagie,  2eij)jig  1894;  5)ie  ©e^eimlel^e  in  ber  d^riftl.  SReligion,  £ei)),;i(i 
1895;  fotoie  bie  ©ammlung  „Il^eofo^jl^ifc^e  ©d^riften",  33raunfc^h)eig  1894  ff. 

2)afe  es  um  bie  9)JoraIität  beS  ©ijiritiSmuS  nac^  S^eorie  toie  ^rajriS  nic^t  jum 
Seften  befteHt  ift,  erl^eHt  jur  (Senüge  fc^on  auS  me^rerem  biSl^er  95emerften.    Über  bie 

80  Slo^cit,  c^nifc^e  2)erblf>eit,  bobenlofc  Serlogcnl^eit  ber  Bp'xxxti  bieler  3^^^  bcSgleic^cn 
über  bie  Betrügereien  unb  bie  ®eh)innfuc^t  nic^t  n)eniger  3Webien  fül^rten  f(^on  Äarbcc 
unb  öome  in  toerfd^iebcnen  t^rer  ©Triften  bittere  Älage  —  ügl.  §omeS  Lights  and  Sha- 
dows,  ©.  357  ff. ;  ÄarbecS  Livre  des  Esprits  unb  Livre  des  Mediums  (auc^  bcffcn 
Heinere«  ©c^riftc^en  ..„Über  baS  SBefen  beS  ©j)iritiSmuS",  a.  b.  %xani.,   3h)i(!au  1882; 

86©.  114ff.).  5)iefer  ätrgcmiffe  finb  in  ben  legten  3«^^^^^"*^"  ^'^  i>^^  gehäuften  QnU 
lartJung^fäHe  feit  1880  feigen,  nic^t  h)eniger  geh)orben.  Unb  menn  auc^  bie  %äüc,  too  bie 
©))irit«  fic^  ate  3Serf ünbcr  f ociaüftifc^er  Seigren  (h)ie  l^ie  unb  ba  in  ben  ©c^riften  t>on  ^afi^ 
unb  feiner  grau)  ober  ate  Urheber  la^ciüer  SQäi^e,  frivoler  ©c^erjreben  ober  bla^bemifcber 
äufeerungen  bcrne^men   lajfcn  (tjgl.  ©d^neibcr,   ©.  298  ff.),   im   ganzen  al«  3lu^nabmcn 

40  gelten  bürfen;  tocnn  ferner  ber  ©>)iritiömu«  ate  ©anje«  nic^t  für  alle«,  too«  ein|\elne 
feiner  3lbej}ten  auf  moraI))^iIofoj}f)tfd^en  ©ebiete  leieren  —  j.  S3.  aud^  nic^t  für  be^ 
S3aron  ü.  §ellenbad()  ^laibieren  für  bie  .^erftellung  rabifaler  änberungen  in  93e^ug  auf 
6rbfc^aft«iüefen  unb  ßigcntumöbefi^,  fotoie  für  bie  „(Setüä^rung  t)on  mcl^r  ^rei^cit  in 
gefc^Icd^tlic^er  Sc^ici^ung"  ic.  (in  feinem  Sud^e:  „5)ie  Vorurteile  ber  5Jlenfd^^ext",  9b  I, 

46a5iien  1879)  —  üeranttüortlic^  gemacht  toerben  fann:  fo  ift  boc^  ber  SBert  unb  ©ebaU 
beffcn,  toa«  feine  Drafel  in  et^ifd^cr  C^infic^t  Derfünbigen  unb  leieren,  burd^fc^nittücfc 
ein  J)öd;ft  mittelmäfeigcr.  3lud^  bie  ber^älni^mäfeig  tugenbl^aften  ©J)irit«  bringen  immer 
nur  ioenig  9icue«,  unb  faft  nie  anbere«  al«  ©d^iDäc^Iid^e«,  in  ^inftc^t  auf  fittlic^  an- 
regenbe  Äraft  2)ürftige«  ^ux  3tu«fage.    ©ülbenftubbe«  ©eifterfd^riften   ebenfo  \vk  ©labc^ 

50  ©c^iefertafelfd^riftcn  fommcn  über  ©emcint^lä^c  unb  h)äfferige  SKoralfenten^en  nicbt  bin: 
au«.  3)0«  "geblen  einer  böberen  iBJiffion  unb  Segitimation  für  bie  ©efte  tritt  gcrabe  in 
biefem  Sercid^c  i(;re«  äBirfcn«  t)orj\ug«tüeife  greU  ju  Xage  unb  giebt  beutlic^  genug  ^n 
erfennen,  bag  tocnigftcn«  innerhalb  ^riftlic^  frommer  unb  firc^Iid^er  Äreife  ein  6pften,v- 
rec^t  für  fic  nic^t  au^gemittclt  tücrbcn  fann.  S^^^^^  t- 

66         ©»)iritualcn  f.  b.  3t.  %xani  \)on  3lffifi  »b  VI  ©.  210,6. 

(Bpxtta,  S.  3.  ^F)ili)3p,  Ö^ft.  28.  ©c|)t.  1859.  —  i^itteratuv:  8plttQ«  iiicbci 
II.  f.  w.  ).  unten ;  Ü.  M.  mhitcl  k.  3.  ?3().  @p.,  ein  i^cbenöbilb,  1861 ;  2.  unt).  ^ludiv»  bod) 
mit  Sufenoten  uon  C.  3)Jcjer,  1892;    iiiibiu.  6pitta,   Ä.  3.  $^.  @p.,  ^folter  unb  ^Wrfc  mit 


^pitta  667 

einer  Einleitung  („Gine  biograpl^if4e  (SrgänjungSftubic  ju  ^ünfcIS  i!cbcnSbiIb",  ©.  I  bis 
CXXXVI),  ©ot^alSOO.  SSeibc  SBüc^cr  entgolten  treffliche  ©l^araftcriftüen;  <Pt)iIipp  ©p.,  lieber 
Qiid  ber  gugenb^eit,  Scipi^ig  1898  (berauSgeg.  u.  @antt.  Dr.  ^eterS);  5r.  ©pitta,  ^rebigten 
unb  ©elegen^citSreben,  ©trajjb.  1899,  @.  121  ff.;  3B.  92eae,  3um  ®cböd)tni§  ?5&.  @p.,  in  ber 
gKonat§fd)r.  f.  ®otte§b.  unb  tircfjl.  ^unft  VI,  1901,  ©.  249—260,  unb:  8um  ©p.=^3ubil«utti  5 
u-äur  @p.=i*itteratur,  ebenba,  ©.418—422;  berf.,  S^f).  ©p.,  ein  Oebenfbü^Iein,  ©erlin  1901; 
(S.  (£.  Stodj,  ®cf(^.  b.  ßirdienlicbe«,  VII,  1872,  ©.  232  ff. 

ÄatI  Soi^ann  ^^ili})»)  ©»)itta,  ber  ©ängcr  toon  „^faltet  unb  §arfe",  tft  nad^  ber 
angäbe  ber  gamiüe  am  1.  3tuguft  (nac^  bent  Skxufrcgifter  ber  SWamfird^c  in  §annober 
am  31.^ult)  1801  in  §annober  geboren,    ©ein  SSater,  ber„©c^reib=  unb  Slec^enmeifter"  lo 
ffiill^elm  ©)).,  I^atte  1791  in  jtüeiter  ß^e  bie  i&enrtette  Sl^arlotte  fromme  ael^etratet,  bie 
1780  t)om  Sw^^tum  jum  ß^riftentum  übergetreten  h)ar.    SBon  ben  fünf  Ätnbem  biefer 
ßl^e  mar  ?5^iltp))  ba«  bterte.    3)en  SSater  berlor  er  fd^on  am  7.  ^ult  1805.  3m  3a^re 
1809  berl^eiratele  bie  SBitme  ftc^  tüieber.  —  3laä)  mir  borlicgenben  ^anbfc^riftlid^en  ©r* 
mittelungen  2.  ©l^ittaS  gel^ören  bie  SBorfal^ren  ju  ben  ©migrantenfamilien,  bie  nad^  ber  is 
Sartf^oIomäuSnad^t  5tanlrei(|>  DerlieBen:  im  Sollte  1575  Serben  in  ber  Kolonie  granlentl^al 
3ean  ®p\ta  unb  SBilün  Bpxta  mit  il^ren  grauen  genannt,    ©eit  1701   finben  toir  bie 
§amilie  in  5Worbbeutfd^tgnb  anfäfftg.  —    W^^^PP  bejfuc^te  ba«  ®V*«nafium  in  ^annobcr 
mit  gutem  ßrfolge.    i)a  befiel  bem  ©Ifjäl^rigen,  ber  immer  Hein  unb  jart  bon  Äörj)er 
getüefen  h)ar,   ein  Seiben,   baS  i^n  bier  3a^re  meift  an«  ^cit  feffelte.    Sil«  er  gcnefen  ao 
ioar,  fam  er  gu  bem  Ul^rmac^er  ^^pc,  ber  neben  bem  ©Iteml^aufe  tüo^nte,  in  bie  Se^re. 
2)rei  unb  einl^alb  3al^r  i}ai  er  in  biefem  33erufe  treu  au^e^alten.    2lber  er  fear  babei 
fo  tief  unglücflic^,  ba^  er  ®ott  tüieber^olt  um  feinen  lob  bat  Der  Sob  feine«  jüngften 
33ruber«  bxad^U  i^m  bie  SKöglic^feit,  auf«  ®^mnafium  jurüdfjufel^ren.    Sro^  ber  Unter* 
brec^ung   !onnte  er  bod^   fc^on  Dftem  1821   bie  Uniberfttät  ©öttingen  bejte^en.    2)rei  25 
Saläre  ^ai  er  ba  Sl^eologie  ftubiert,  gleichzeitig  mit  2.  a.  $etri  (f.  b.  31.),   boc^  gleic^toie 
biefer  bon  ben  tl^eologifc^en  Se^rem  tüenig  angeregt,  35er  Surfd^enfc^aft  ange^örenb  blieb 
er  boc^  bon  bem,  h)a«  ijoUtifc^  in  il^r  gärte,  unberül^rt.    3"  ^^"^"^  ))oetifc^en  Äranje,  ber 
„2:afclrunbe",  fül^rte   er  ben  Flamen  abelreid^.    allerlei  bic^terifd^e  $läne  befc^äftigten 
i^n,  am  mciften  J)flegte  er  ba«  „Sßolf«lieb".    ©ein  „©angbüc^lein  ber  Siebe  für  ^anb*  ao 
n)erf«Ieute"  au«  jener  3eit  entl^ält  bübfd^e  groben  babon.  ©ein  l^anbfd^riftlic^er  5Jad^la6 
birgt  toeit  bebeutenbere  ©tüdfe,  al«  toa«  fid^  äufäHig  im  $eter«fd^en  SRac^taffe  fanb  unb 
1898  barau«  beröff entließt  tourbe.    3(ud^  mit  §.  $eine  berlel^rte  ©}).  bamal«  unb  f))ätcr. 
^eine  fc^ä^te  i^n  al«  ed^ten  35id^ter,  tro^bem  er  fj)äter  (in  feiner  §arjreife)  nac^  erfolgtem 
Srud^e  i^n  einmal  mit  leichtem  ©j^otte   be^anbelt.    3Wuft!alif(^  begabt  erfanb  Bp,  au6)  86 
lüol^l  3Kelobien  ju  feinen  Siebem.    ©ein  Siebling«inftrument,  bie^arfe,  fel^lte  bon  feiner 
©tubcntcnxeit  bi«  ju  feinem  lobe  in  feinem  ;^aufe  nic^t.    Dftem  1824  tüurbe  ©i?.  §au«5 
leerer  in  Süne  bei  Süneburg.    ^ier  nal^m  fein  innere«  Seben  bie  entfc^eibenbe  SBenbung 
ber  Eingabe  an  ben  $erm.    5Ji^t  burc^  ^ietiftifc^e  ©emeinfc^aften   ober  ^erfonen,  fon« 
bem  bur^  ©ebet  unb  Sefm  ber  83ibel  unb  ber  ©c^riften  Sut^er«  boDjog  fx^  biefe  SBanb^  40 
lung  in  if^m,   nad^bem  i^m  3:i^otudE«  „SBabre  SBeil^e  be«  gtoeifler«"   ben   erften  2lnftofe 
gegeben   ^atte.    9iun   mar  fein  hjeltlid^er  35ic^terfrül^ling  fo   gut  tüie  abgeblül^t.    5Dcr 
gciftlic^e  aber  trieb  Slüte  um  S3lüte:  in  ben  nal^eju  fünf  Sorten,  bie  ©J).  in  Süne  ju« 
brachte,  finb  feine  meiften  unb  beftm  Sieber  entftanben.    @nbe  1828  lam  er  al«  ^farr« 
gcl^ilfe  nac^  ©ubtüalbe.    ^ann  folgte  ein  3ö^.i^fi«&«nt  feelforgerifc^er  3Keifterfc^aft.:  bon  46 
1830  bi«  1837  tüar  er  9Jlilitär-  unb  ®efängni«geiftlid^er  in  §ameln.  3"  Reiben  ämtem 
tüaren  bie  Sctoegungen,  bie  er  l^erborrief,  fo  tiefgel^mbe,  bafe  ber  alte  9ftationali«mu«,  ber 
in  §ameln  l^errfc^te,  ftc^  in  2lnflagen  unb  SBerleumbungen  tüiber  il^n  aufbäumte.    35a« 
^eucr  geiftli^en  Seben«  jünbete   in  ber  ©tabt  aud^  über  bie  §erbc  ber  (Sefängni«^  unb 
^arnifongcmeinbe  ^inau«.    2(ber  biefem  geuer  ber  ©rtoecfung  Yoax  nid^t«  SBilbe«  unb  60 
g^rembe«  beigemifd^t.    ©1?.,  eine  nüd^tcrne  niebcr^äd^ftjci^e  5Ratur,  ein  ürdpUd^er  Il^eologe, 
\t)\x^U  bie  c^riftlid^e  (Sntfd^iebenl^eit,  bie  er  h)edtc  unb  !(3flegte,  in  ber  ÜRüd^teml^eit  ju  er* 
galten.    So  fe^r  tüar  er  bon  feiner  ©emeinbeaxbeit  Ij'mgenommen,  bafe  il^n  bie  $erau«* 
gäbe  be«  erften  Steile«  feiner  Sieberfammlunfl   ,fW^«  ^^^  §ötfe",  bie  nid^t  er,  fonbcm 
fein  fjreunb  5ßeter«  1833   beforgte,   fdbier  cttt>a^  %bm^äd^Ud^e«  unb  äufäaige«  bünhc.  66 
aber  auc^  bon  bem  ßrfc^einen  be«  2   "^»te^    ben  et  Wi  al«  ?[ifaner  bon  3öec^olb 
auf  an^altenbe«  3)rängen  1843  f}cxa\xict^u   hat  et  te\n  5lu\^eben«  gemadjt.  3m  Dhober 
1837  berliefe  ©j).  Hameln,  tro^  äffet  gr/'^teumen  bo*  V)on  bei  !tt(^U(^en  unb  bec 
5Kilitärbc^örbe  tocgen  feiner  ffiirffamfeifu'^^^cxlannt.  ©x  bdam  bie^^anex  ^u3Sec^oIb 
bei  ^o^a  in  ber  2Befermarf(fi,  um    nun      •  t     1^^^^  ^*^^*  Sanb^iKiiitox  ^u  bleiben.    3"^  «> 

0^* 


668  (Bpitta 

fclben  ^ahxii  fanb  er  in  ^aric  $o^m,  ber  'Joc^ter  feinet  berftotbcnen  greunbc^,  bce 
Dberförftcr^  §o^en  in  ©roJjnbc,  eine  gleid^^öeftnnte  Seben^gefäl^rtin,  mit  ber  er  in  glücf= 
lidbfter  6l^e  ba^  toeriüirHid^l  i}at,  toaö  er  in  feiner  lieberrei^cn  Rtii  in  2ünc  toom  Segen 
c^riftlid^cn  ß^e-  unb  Familienleben^  gefangen.  iÄud^  in  SBec^oIb  Tarn  e^  ju  einer  gefunben 

6  unb  nachhaltigen  6rh)ec!ung.  Scic^gefegnet  tüar  auc^  bie  3^'*^  ^^^  ^  f^t  18-^"  ^^^ 
©ul^erintenbent  in  bem  Süneburgifd^en  Rieden  SBittingen  berbrac^te.  SBeniger  gelang  e^ 
il^m,  auf  bem  fteinigen  unb  bornigen  Slcfer  be^  ©emeinbeleben^  in  bem  l^ilbc^beimiftben 
Stäbtc^en  5ßeine,  h)o  er  1853  big  1859  tüirlte,  biefelben  äufeerlid^;  l^ertjorftec^cnben  6r= 
folge  lu  erzielen,  h)ie  in  feinen  früheren  ©emeinben.    g^^S^^^^  18^^  l^  ^  ^^^  Supcx- 

10  intenbent  na6)  Surgborf  im  Süneburgifc^en.  2lber  nur  ein  SSierteljal^r  toar  i^m  bier  ju 
tpir!en  Vergönnt.  3lm  28.  September  machte  ein  $erjframt)f  feinem  Scben  ein  jöbe^ 
enbe.  ©ieben  unmünbige  Äinber  umftanben  ben  ©arg  be^  3Saterg.  aber  bce  SSatere 
©egen  l^at  il^nen  ba^  §aug  gebaut.  3)rei  batjon  l^aben  fic^  auf  bem  ©cbictc  be^  Iitur= 
gjf(|en  unb  lirc^lic^  mufilalifd^en  Seben^  au^e^eid^net,  ber  TOufifforfd^er  unb  Sac^biogro^jb 

16  H5^ili>)p  ©J).,  5ßfaner  Subtüig  ©p.,  beibe  fd^on  heimgegangen,  unb  ber  ©trafeburger 
^rofeffor  ber  Ideologie  ^^iebrid^  @p. 

3)ie  fog.  @rh)edung  im  ^annoberif^en  2anbe,  in  ber  ©}).g  (Seftalt  fo  bebeutenb  unb 
fo  t^t)ifc^  ^ertjortritt,  h)ar  unb  blieb  eine  fird^Iid^e.  ©ie  toax  eine  §intoenbung  gum  cnt= 
fc^iebcn  lut^erifc^en  Sefenntni^  ber  3Säter.   Unter  ben  5ßetri,  ÜKünfel,  Soui^  ^armö,  Don 

20  Slrn^tüalbt,  3Jlünc^me^er  bertritt  ©>>.  bie  ftiHe,  ben  öffentlid^en  fird^Iid^en  fragen  unb 
Kämpfen  abgemanbte  unb  ab^olbe  Qnnerlic^Ieit,  ber  e«  genug  ift,  in  ftetcr  ©emeinbearbeit 
auf  unb  unter  ber  Kanzel  ©eelen  für  ben  §erm  unb  feine  Äird^e  ju  geiüinnen.  ©etoife 
feit  1843,  t)ieUeic^t  fc^on  früher,  ift  felbft  toon  geiftlic^er  3)ic^tung  bei  i^m  nid^t  mc^r 
bie  Siebe.    3lud^  fc^riftftellerifc^  l^erDorjutreten  l}atU  er  ebenfo  toenig  ein  Sebürfni^,  toie 

26toeilanb  ^.  ©erwarbt.  9Jur  bafe  er  1836  unb  1839  für  ben  ,,6briftlid^en  93eretn  im  nörb^ 
liefen  3)eutfc^(anb"  jtoei  »anbeten  „Siblifd^c  änbad^ten"  fd^rieb,  bie  in  30  000  (Srern^ 
blaren  Verbreitet  tüurben;  er  gab  fie  unentgeltlich  unb  ol^ne  feinen  5tamcn.  ©ie 
finb  neuerbingg  tüieber  (herausgegeben.  2Öie  entfc^ieben  fein  Sutifiertum  toar,  geigt  fidb 
barin,    bafe    er  1844   an  bie  lutl^erifd^e  ©emeinbe  in  Sarmen   getüä^It  h>crben   follte, 

30  I84f)  an  bie  lut^erifd^c  ©emeinbe  in  glberfelb  getüä^lt  h>urbe,  beibeS  aber  au^: 
fd^Iug,  toeil  er  in  feinem  ©etpifjen  gebunben  iuar,  nic^t  in  bie  ßirc^e  ber  Union  ein= 
gutreten.  ßrinnert  baS  an  bie  Haltung  5ß.  ©erl^arbtS  in  fonfeffionellen  2)ingen,  fo  h>Qr 
©J).  biefcm  auc^  barin  gleic^,  bafe  fic^  in  ben  Siebern  be«  einen  toie  beS  anbem  feine 
©i)ur  t)on   bem  angebeutet  finbet,  toaS  i^re  ^t\t   fonfeffioneU  betoegte.    SBic  ^oc^  aber 

35  nid;t  blofe  bie  bic^tcrifc^c,  fonbem  Dor  allem  bie  lird^Iid^e  Xf^ätigfeit  unb  ber  fircblic^e 
G^arafter  (Bp.^  gefc^ä^t  tourbc,  ergicbt  fid^  auig  ben  Sffiorten,  mit  benen  bie  t^eologifcbe 
^afultät  gu  ©öttingen  baS  2)oftorbit)lom  begrünbete,  ,baS  fte  i^m  neben  anberen  „ttjür^ 
bigen  unb  ^oc^üerbienten  5Rännem"  am  2ä.  ©ej^tember  1855,  gur  geier  beS  SlugSburger 
SeligionSfrieben^,  berlie^.   3)a  Reifet  eS:  „3"^^ni  ^^^  t^eologifd^e  gafultät  üor  aUenSie, 

40  l^oc^tüürbiger  §err  ©u^jerintenbent,  ju  biefen  ^JJfönnern  rechnet,  bittet  pe,  l^ierin  baS  lautere 
unb  aufrid;tige  3^i^<^"  '^"Sf*  Ö^^^egter  SSere^rung  unb  Siebe  gu  erbliden.  ^n  ber  ^{\i 
fdbmerjHd^er  ©j^annung  (eö  finb  bie  fonfeffionetten  fiämjjfe  gemeint),  in  bie  uns  bie 
fd^toere  ^flid;t  ber  Sclbftbetüafjrung  unfercS  amtlichen  SerufeS  berfe^t  ^at,  ift  eS  un6 
ein  um  fo  größeres  SebürfniS,   einftimmig  auS^ufj^rec^en,   toie  bie   glaubenstreue,   innig 

45  fromme,  unter  aöen  Slnfed^tungen  ftanb^altenbe  §irten))flege  unb  §irtenforge,  in  beren 
Uebung  6to.  §ocf)tüürben  ein  borleuc^tenbeS  33eif))iel  j)aftoralen  SebenS  unb  ffl^irfenS  für 
bie  ganje  SanbeSfirdie  finb,  an  unfercr  gafultät  eine  banfbare  unb  freubige  3<^wgin  fmbet. 
Unjern  2Bünfc^en  unb  ©ebanfen  liegt  nict)tS  fe^nlic^er  unb  brünftiger  am  §ergen,  al» 
burc^  gemeinfameS,  gegenfeitig  fic^  anerfcnnenbeS,  aneinanber  lernenbeS  SBirfeii  baSSanb 

60  beS  griebenS  neu  anjujie^jn  unb  feft  ju  erl^alten". 

©ic  Serbrettung  ber  Sieberfammtung  ©p.S,  „^falter  unb  §arfe",  ift  eine  faft  bei- 
fj^iellofe.  ©c^icr  ^al)x  um  3^^^  erfd;ien  toon  bem  I.  Xeile  bon  1833,  ber  feit  1843  in 
i^erbinbung  mit  bem  II.  leite  l^erauSgegeben  tourbe,  eine  neue  3luflage,  unb  feit  im 
3aF)re  1889  baS  2Berf  für  ben  2)rud  frei  getoorben  ift,  fann  man  bie  jablreid^cn  3lu^-' 

65  gaben  faum  nod)  überfe()en.  Sängft  ift  in  SkclamS  Üniüerfalbibliot^ef  toie  in  'ü)?el)er^ 
UJotfSbüdiern  bie  ©efamtauSgabe  l>on  ^falter  unb  $arfe  für  20  Pfennige  gu  baben. 
ajon  rein  geiftlidicn  3)i(^tcrn  beS  19.  ^^l^^J^^iitt^^^i^^^  ift  i"  ^c"  beiben  genannten  ©iimm= 
tungen  nur  ©)).  üorbanben,  ein  SetoeiS  für  feine  ißolfStümlid^feit.  @in  noc^  fräftigeret 
?)ctoeis  ift  bie  3(ufnabmc  feiner  Sieber  in  unferc  Sircf)engefangbüc^er.    3^^^  ^'^  ®efang= 

60  bud;Sreform  ber  ^J)Jitte  beS  vorigen  ^ö^^^lE^^nbertS  fonnte  unferem  2)id^ter  nid^t  tooH  gerecht 


&ptüa  669 

tüerben,  fd^on  barum  nic^t,  tocil  fic  burc^toeg  unter  bem  Äanon  ftanb,  bafe  öon  1750 
(ober  gar  tjon  1650)  ab  „Äirc^cnltcber"  nic^t  inei^r  l^ätten  cntftcl^cn  lönnen  nod^  mU 
flanben  feien.  Slber  bie  ©efangbtic^er  be^  legten  SKenfd^enalter^  ^aben  unbefangen  aud^ 
©}).g  Siebem  ©ingang  getüäl^rt.  21.  Rn(ipp  l^atte  fc^on  1841  beranlafet,  bafe  il^rer 
fec^^  in  ba«  hjürttembergifc^e  Oefangbud^  lamen.  2)en  l^eutigen  ©tanb  erlennt  man  6 
barau^,  bafe  in  fec^^  GJefangbüc^em  ber  bciben  legten  ^af}xit^nU:  Königreich  gac^fen 
(11  2ieber  bon  Bp.\  ^robinj  Sac^fen  (5),  ^annotoer  (8),  Saben  (15),  SR^einlanb^SKeft^ 
falen  (8),  ßlfafe^fiqtl^ringen  (13),  im  ganjen  27  berfc^iebene  Sieber  ©}).«;  fic^  finben. 
Seiber  aber  ift  bie  Übereinftimmung  in  ber  Slu^toal^I  noc^i  feine  grofee.  Denn  ben  ge* 
nannten  fed^^  Sudlern  gemeinsam  fmb  nur  bier  Sieber :  „3^  1*^^^  i"  meine«  §enen  lo 
Jpanb."  „3^  w"^  "^^"  $au«,  h)ir  finb  bereit."  „D  feiig  §au«,  h)o  man  bid^  auf= 
genommen".  „Sei  bir,  ^t]\x,  h)ill  ic^  bleiben."  9ieben  il^nen  erhjeift  fic^  g.  33.  au^ 
ba«  ^fingftlieb:  „(Seift  be«  (Slauben«,  (Seift  ber  ©tärle"  ate  boDmid^tig  für  bie  gottc«^ 
bienftlid^e  geier.  SKel^r  Sieber  nod^  fmb  für  J^eierftunben  im  c^riftlic^en  §aufe  Don 
SSebeutung.  ©in  2lbenblieb  tüie:  „SSoUenbet  l^at  ber  iag  bie  Sal^n",  ein  gefuöUeb  15 
lüie  „C  Sefu  meine  Sonne"  (in  breiftro))l^iger  SSerlürjung,  bie  1.  unb  bie  beiben 
legten  ©tro})l^en),  ein  2lbfc^ieb«Iicb  tüie  „SBSaö  mac^t  il^r,  bafe  il^r  toeinet,"  bie  fc^i)nen 
SRaturüeber  unb  anbere  toerben  aUeiDege  i^re  Sraft  betüä^ren.  3ldm  „C  felig  ^an^" 
unb  „5^  ""^  »"«J«  $au«"  tritt  baö  löftlic^e  ^^rauungölieb:  „§üter  3^^«^^^/  bel^üte" 
(bon  §.  t).  §erjogenberg  in  TOufxf  gefegt,  3K(S!Ä  I,  131).  Slber  bie  Sebeutung  ber  20 
©tj.fc^en  S^ril  liegt  üornel^mlic^  barin,  bafe  fie  aB  ®anj\e«  unferem  c^riftlid^en  Solfe  fo  lieb 
geworben  ift.  31.  Sina\>\>  lieft  man  l^eut  ^öc^fteniS  noc^  in  einer  2lu«h)af>l,  Bp.^  ©amm^ 
lung  ift  unb  bleibt  ate©anje«  einö  unferer  berbreitetften  (Srbauung^büc^er  in  gebunbener 
3lebe.  35a«  liegt  aud^  barin  begrünbet,  bafe  ©>>.  nic^t  in«  SKaffenl^afte  })robu5iert  l^at. 
Der  I.  Xeil  enthält  66,  ber  II.  40  Sieber,  jufammen  106,  annäl^emb  fo  toiel,  h)ie  bie  25 
3a^l  ber  Sieber  $.  (Ser^arbt«  (131)  unb  (S.  SEerfteegen«  (111).  3laä)\>m  1861,  balb 
nac^  be«  Did^ter«  iobe,  ^eter«  auf  Seranlaffung  ber  SBittoe  ©)).«  nod^  112  geiftlic^e 
Dichtungen  unter  bem  Sitel  „5tad^gelaffene  geiftlic^e  Sieber"  herausgegeben  l^atte,  \)ai  bie 
gamilie  allen  3tnregungen  Weiterer  SBeröffentlid^ungen  tüiberftanben.  Übrigen«  i^ai  bie 
©ammlung  t)on  1861  reine  Weitere  SSerbreitung  gefunbcn.  S.  ©J)itta  giebt  in  feiner  so 
3lu«gabe  (CSotl^a  1890)  25  ©tüdfe  barau«.  ^n  ein  Äirc^engefangbuc^  ift  fein«  auf= 
genommen.  %xüf)  tüurbe  „^falter  unb  §arfe"  in  frembe  ©i^radben  überfe^t.  Salb  aud^ 
n)urben  allerlei  ä[u«gaben  mit  3Welobien  öeranftaltet,  mit  ftirdpenmelobien  (üon  6.  g. 
Sedfer),  mit  neu  gefc^affenen  SBeifen  (j.  S.  i)on  bem  ©d^toeijer  J^ölic^).  allein  ju  bem 
Siebe  „D  felig  §au«"  fmb  12  neue  ^Jlelobien  l^erborgetreten,  bie  3-  3^^"  '"  f^^"^"  ^ 
„9)klobien"  S3b  III  unb  V  abbrudt. 

ß«  ift  ein  merflüürbige«  3ufammentreffen,  bafe  in  bemfelben  ^al^rfünft,  in  bem  Bp. 
feine  meiften  unb  beften  Sieber  fang  (1824—28),  auc^  31.  Stnapp  bic^terifd^  befonber« 
t^ätig  toar.  Seibe  tüufeten  bamal«  nic^t  tooneinanber.  Slber  RncCpp  tüufete  boc^  in  gan^ 
anberer  SBeife  bon  einer  c^riftlic^en  ©emeinfd^aft,  al«  Bp.  Rncüßp  tüurbe  burc^  ba«  auf^  40 
blül^enbe  ^Kiffton«-  unb  ©emeinfdj^afteleben  in  feiner  Dichtung  getragen,  Bp.  bagegen 
h?ar  ber  „ßremit  bon  Süne".  (Sr  i}ai  feinen  SBSeg  jum  §erm  unb  j^um  greife  be«  ^erm 
für  fic^  gefunben.  Da«  l^at  i^n  babor  behütet,  in  fonbentioncHe«  Did^ten  ju  berfaUen. 
(Sr  ift  gam  original ;  g^fw^^icbe  im  5Robali«fc^en,  im  l^erm^utifd^en  ©tile  l^at  er  nie  ge- 
fungen.  SKit  ämpp  hat  er  ba«  gemein,  bafe  beibe  fein  grofee«  ^ntereffe  baran  nal^men,  45 
bie  ^^eft^eiten  be«  Äird^enja^re«  in  Siebern  ju  befmgen,  aud^  ba«,  bafe  beibe  i^rc  erften 
Sieber  nic^t  felbft  ^erau«gaben;  greunbe  rangen  fie  i^nen  gleic^fam  ab.  ©onft  aber  fmb 
bie  93erfcl)ieben^eiten  grofe.  f^napp  toax  al«  $bmnologe  raftlo«  tlfiätig,  Bp,  \^at  fic^  nie 
um  b^»""«^'ogifd^e  5^agen  gefümmert.  Rmpp  ift  bon  «lopftodE«  ©c^ule  nie  lo«gefommen; 
bat^etifc^  toogt  feine  ©ebanfenl^rif  ba^in.  Bp.  ift  flar,  tticipp,  treffenb  im  3lu«brucf,  im  60 
a?er«bau  bon  einer  ©c^lid^tl^cit,  bie  an  (gintönigfeit  ftreift.  SP  ^tiapp  ber  geiftlic^e  Äto}):: 
ftocf  be«  19.  Sal^r^unbert«,  fo  Bp.  ber  ©eHert,  nur  ba^  feine  §erjlid^feit  unmittelbarer, 
hjärmer,  feine  3«ni.0fcit  tiefer  ift.  Unb  fo  miJgen  h)ir  i^n  tüie  mit  Öiettert  auc^  tüol^l  mit 
5ß.  ©erwarbt  bergleid^en.  SBir  l^aben  ba«  borl^in  fc^on  angebeutet.  §ier  fei  noc^  auf 
Einige«  l^ingetüiefen,  toomit  ber  immerl^in  bebeutenbe  Slbftanb  jtüifc^en  bem  grofeen  unb  55 
bem  fleineren  Did^ter  nic^t  geleugnet  nod^  beningert  tüerben  foH.  6«  ift  anjiel^enb  in 
3Rünfel«  Seben«befd^reibung  ju  Icfen,  tüie  bie  SRec^tfertiaung  burd^  ben  (Slaubcn  ba« 
Siüdgrat  be«  ©p.fc^en  G^riftenftanbe«  toar  unb  blieb.  ^Ric^t  bem  ^ieti«mu«,  fonbeni  bem 
SRömerbriefe  unb  Sutf^er«  ©d^riften  berbanfte  Bp,  feine  innere  Umtüanblung.  Da«  toar 
auc^  5ß.  ©erl^arbt«  Ideologie  unb  Seben :    „^\i  ®ott  für  mic^,   fo  trete"  unb  anbere  so 


670  Syttto  ^tün,  (S).  %. 

Sieber  geigen  e^  un«.  gf^  *^^  .^^^^  ^^  ©er^rbtfd^en  ?J}oeftc  ba^  ,,aScrtraueitöUÄ'': 
auc^6)?.d  l^ert)OTragenbfted  unb  lirc^Ud^fted  Sieb  ift  einSSertrauenelieb:  /,!3cJ^  fte^  in  meinet 
$erren  §anb."  SEBie  ©erwarbt  ift  ©j).  ein  toeltoffener  35i(^ter:  9latur  unb  ^ug  haben 
in  feinen  Siebem  eine  tüo^nlid^e  unb  getoeilS^te  ©tätte.  ©eine^loturs  unb  feine  $au^id« 

6  fmb  big  l^eute  feine  boltetümlic^ften.  ©)).  toie  ©erlebt  fmb  nüd^tem  im  geben  unb 
Did^ten.  Sluc^  xl)xcBpxad)t  geigt  e«.  Sei®}).  h)ie  bei  ©erlebt  ifl  bie  Qpxad^t  üSerafl 
fd^lid^t,  boc^  burc^tDeg  ein  reinem,  feine«  ©etoanb  ber  ©ebanfen,  fem  bon  $nm!  unb 
©c^tüulft,  nie  gefud^t  unb  gegiert,  ©efunbe  gtifd^e,  gel^eiligte  5latürHd^feit,  bid^terifie 
unb  d^riftlic^e  3Bal^rl^aftigfeit  jeic^nen  il^n  au«,  ©eine  fiieberfammlung  flc^t  unter  benen 

10  eine«  einzelnen  Dichter«  be«  legten  ga^bunbert«  barin  tool^I  einzig  ba,  bafe  fte  al«  ^6= 
gefangbud^,  al«  Iröfteinfamleit,  al«  Sieberbuc^  für  %aQ^  unb  ^afyc^i^m,  für  irau-- 
unb  ®eburt«tag,  für  ba«  SerufSleben,  für  innere  Slnfec^tungen  unb  erquicfungen,  für 
©d^eiben  unb  Seiben,  für  ^eube  unb  ®lüdE  mit  linber  ©etoalt  bie  J&ergen  in«  @Aü, 
in  bie  ©elaffenbeit,  mm  gfrieben  fül^rt.   Da«  ^t  il^r  bie  aufeerorbentlid^e  SBertreitung  in 

16  unferem  c^riftlic^en  Ssolfe  berfc^afft  unb  fiebert  fie  i^r  au(^  für  bie  3"fwnft-  3Ser  aber 
bie  beiben  Seben«befd^reibungen  bon  5Jlünfel  unb  8.  ©})itta  lieft,  bem  brängt  fic^  bie 
Überzeugung  auf:  mel^  nod^  al«  ber  Did^ter  ift  l^ier  bod^  ber  d^riftlid^e  ß^raftcr  mit 
feinem  in®ott  freien  unb  f eften  §erjen,  in  feiner  Sauterfeit  unb®cmut,  in  feinem  rui^- 
boDen  unb  boc^  raftlofen  SBirlen  für  ben  §erm.  D.  ffitC|eCnt  «cöe. 

30  @<ilttler,  e^riftian  ^riebric^,  geb.  12.  a^jril  1782,  geft.  8.  ajejember  1867.  - 
go^annc«  Äobcr,  e^riftion  griebri*  ©pittler«  Sebcn,  »afel,  (5.  g.  ©pittler  1887,  356  6.  - 
^on  bcmfclbcn  S3crfaffcr  im  100.  S3änbd)en  ber  ©a«lcr  „©ammlungcn  für  Sicb^obcr  t^riftlicfKr 
3Bot)r^elt  unb  ©ottfcligfcit"  (1885)  eine  furjc  Ueberfidjt  über  ©plttlcr«  Scbcn.  —  UnDoO- 
enbct    geblieben   ift   bie   cjrofec,    uon   ©pittler«   Pflegetochter  ©ufcttc   begonnene    Siogropöie 

25  ©pittler«:  ©t)r.  gr.  ©pittlcr  im  afJo^men  feiner  ä^it  mit  S3ormort  oon  Pfarrer  ^.  ©arafin. 
»ofcl,  ©pitticr  1876,  460  ©.  {fü^rt  nur  bi«  ju  ©pittler«  SScre^elicftung  im  Sa^rc  1812).  - 
i&.  SBomcmann,  (Sinfü^rung  in  bie  eo.  ^iffton«funbc  im  ^nfc^lufe  an  bie  S3a«Icr  SWifiwn, 
Xübingen  u.  ficipäig  1902,  ©.135—151,  155,  163  f.,  200,  327  f.  —  91.  Slnftcin,  9lrt.  „e^riftcn- 
tumdgcfeüfdiaft  in  b.  <ß9fi®«,    »b  III,  ©.820f.;    ®.  U^l^om,   S)ie  d^rlftltt^e  Stcbcöt^fitigfcit 

ao^bltl,  ©.330,333,  380.  — 5B.  ^aborn,  ®cfd).  bc«  <lJicti«mu«  in  ben  ©^rocijcrifdjen  Worm. 
^irdien,  Äonft.  u.  (£mmi«Hcn  1901,  ©.493— 504.— «ß.  ©pplcr,  ®efcb.  b.  ^a«lcr  SRifilon  190C'. 
©.  6  ff.,  18, 104, 119,  234,  240,  258  f.  —  (Sincn  einblicf  in  ben  ®ef(^äft«bctrieb  ©pitticr«  geroöört 
bo«  SBucl)  üon  X^cobor  Säger :  3otob  Subtotg  Sftgcr  ein  ficben«bilb  (5Bafcl,  ©pitticr  180S, 
248  ©.).    Söcflcn  ber  ftotiftifdjen  unb  urtunblidjen  eingaben  mic^tig    ift  bie  ©cbcnffdjrift  jur 

86  geier  be«  50jäf)rigen  iöeftonbc«  ber  S^rifdjona  uon  Qnfpeftor  (S.  ^.  DfJapparb ;  „fjünfjig  3Q&re 
ber  «ßilgermiffion  auf  ©t.  St)rifc^ona",  SBafel  1890,  272  ©.  —  SKandjerlci  tntcrcffantc  »citrägc 
liefern  folgenbe  ^Biographien :  G^rift.  ^einr.  Seücr  uon  %,  ©cbölli),  93afcl  1901;  ©am.  ©obat 
uon  3:.  ©c^öül),  33Qfe(1900;  «Pfarrer  ^arl  griebr.  «äerner,  SBafcl;  jjof.  gofcn^an«  oon  3.  C>efie. 
(Saliü  u.  ©tuttgQrtl895);    d^r.  Gottlob  33art^«,  Scbcn  u.  ©irfcn  oon  S^il^.  Äopp,   daiiv  u. 

40  ©tuttgort  1886 ;  S3atcr  ©dincffcr,  ein  ^Jatriard)  ber  co.  9Äiffion  im  1^1.  Sanbc,  oon  fiubwig 
©djneUer,  Seipjig  1899.  —  S3gl.  auc^  ?5flanj,  SBerlafjcn,  nidjt  üeracffcn,  3)o<5  ^I.  ßanb  unb  bie 
beutfd)=eü.  2iebe«arbeit,  9ieu=9Üuppin  1903.  —  S)cr  fd)rlftlid)c  9?ad)Ia6  ©pitt(er<5  ift  öuBcrft 
umfangreid)  unb  nod)  nid)t  ooüftänbig  ücrmertct.  @r  ift  5.  %,  bei  ben  Hinterbliebenen,  5.  X. 
im  •iDliffion«^Qufc  ju  ©afcl.    ©pitticr^  ^$flegetüd)ter  ^otte  für  bie  obengenannte,  unoollcnbctf 

45  S3iogrnp^ie   allein    na^eju   25000  S3riefe    äufammengetragcn.  —  ©in  üilb  ©pitticr«    ift  ber 

5lüberfd)eu  93iogvapt)ie  beigefügt;    e«  ift  —  bei   ber  ^Ibneigung  ©pittler«,    fic^    malen  ober 

p^otogrnpf)ieren  ju  (aifen  —  o^ne  fein  SBiffen  ^ergefteüt  unb  foü  ^iemlic^  gut  getroffen  fein. 

I.  G^riftian  griebric^  ©Jjittler  ift  eine  fo  eigenartige  5ßerfiJnlid^Ieit  unb  i}at  in  feinem 

langen,  faft  Söjäl^rigen  Seben  eine  fo  grofee  ^al}!  c^riftlid^^""'^"'^^^^^  333<^c  wnb  Untere 

BO  ne^mungcn  ber  inneren  unb  äußeren  3Jliffion  in«  Seben  gerufen,  bafe  ba«  Seben«-  unb 
ß^arafterbilb  biefe«  „Saien"  in  einer  6nc^floj)äbie  h)ie  ber  borliegenben  nic^t  fehlen  barf. 
©eine  3ugenb|^ctt  gel^örte  feiner  fc^toäbifc^en  §eimat,  fein  ganje«  fljätere«  Seben  unb  SBirfen 
l^atte  in  ber  ©tabt  Safel  feinen  3Kittel})unft. 

©Jjtttler«  93ater  hjar  Pfarrer  p  2Öim«l^eim  im  SBürttembergifc^en,  feine  Sorfabren 

66  tüchtige  unb  fromme,  bon  Dfteneic^  eingetoanberte  ©bangelifd^e,  bem  Seamtenftanb  an-- 
gej[>i)rig.  ©ein  älterer  Sruber  ^ri^  ftarb  infolge  einer  Slnfterfung,  bie  er  fxc^  al«  ©tubent 
bei  ber  Pflege  feine«  greunbe«  Sal^nmaier  ^ugepgen  l^atte.  ©0  übertrug  95a^nmaier 
feine  3)anfbarfeit  unb  fjreunbfc^aft  auf  ben  jüngeren  ©ruber,  h)a«  für  beffen  gnttoidc^ 
lung  unb  Seben«gang  toon  großer  Sebeutung  tourbe  unb   il^n   mit  allerlei  cinflufereit^en 

60  ^erfönlic^Iciten  in  93cjie^ung  bracbte.  ©t^ittler,  ber  bereit«  al«  elfjähriger  Änobe  feinen 
SJater  berlor,  befuAte  1793—96  bie  Satcinfc^ule  ju  Äirc^l^eim.  ®inem  il^m  bort  bon  bem 
ftrengen  Seigrer   la^mgefd^lagenen  aJlittelfinger  berbanfte  er  f})äter   in  Iritifc^er  3^^^  ^^^ 


^pxültt,  e^.  %.  671 

S?rcil^cit  bont  5Kiütärbtenft.  3lad)  feiner  Äonfintiation  toanbte  er  fic^  ber  lameraliftifc^en 
Saufba^n  unb  bem  SSertDaltung^bienftc  ju  unb  geigte  flro|e  geberöetpanbtl^eit  unb  Seid^s 
tißfeit  ber  3lrbeit.  31B  er  glei^tüol^l  nac^  beenbeter  2e|rgeit  (1796— 1800)  fic^  in  biefem 
^ac^c  nid^t  befriebigt  fanb,  backte  er  eine  ^i\t  lang  baran,  nac^  2lmerifa  au^gutüanbem. 
aber  eine  i^Iö^Iid^e  Dl^nmad^t  rüttelte  i^n  au^  feiner  bamaligen  Unllarl^eit  unb  3^-  ß 
fal^renl^eit  auf  unb  erfüllte  i^n  mit  ©e^nfuc^t  nac^  einer  au^e})rägt  c^riftlid^en  Umgebung 
unb  SBirIfamfeit. 

35iefem  SBunfc^e  mt^pxad)  1801   ein  SRuf  nac^  Safel   ate  (Se^ilfe  Dr.  Qtmlop% 
be«  bamaligen  ©elretär«  ber  „eJ^riftentumögefcUfc^aft"  (f.  b.2l.  »b  III  ©.  820  ff.),  eine« 
bebeutenben  unb  auf  bem  GJebiete  ber  SKiffion  überaus  t^ätigen  unb  fruchtbaren  Wanne«,  lo 
ber  gerabe  bamatö  al«  ^rebiger  für  eine  beutfdbe  ©emeinbc  in  Sonbon  in  3lu«fi(i^t  ge^ 
nommen  tüar  unb  balb  barauf  Safel  berliefe.  3Jlit  SteinIo})f  blieb  ©))ittter  in  bauember 
aSerbinbung.    ©ine  innige  fjreunbfd^aft  fc^lofe   er  bei  aller  S^araftertoerfc^ieben^eit   mit 
g^riftian  Oottlieb  Sluml^arbt,  ber  1803—1807  ©teinfo))f«  5Ra(^folger  im  ©efretariat  ber 
(SJ^riftentum^gefettfc^aft  unb  fj)äter  (1816—1838)  erfter  3nfj)eItor  ber  Sanier  SKiffion«*  i6 
gefetlf^aft  h)ar;   mit  il^m   ift  er  auc^  in  einem  ®rabe  Vereint,    gn  ben   erften  ^af^xm 
feine«  Sanier  ätufent^alt«  toar  ©t^ittler«  ©tellung   eine  rec^t  abl^ängige  unb  unftc^ere, 
auc^   an  mancherlei  Demütigungen  unb  (Sntbel^rungen  fehlte  e«  nid^t.    2lber  baneben 
em>)fing   er  auc^  freunblic^e  ßinbrüdfe  unb   unter  ber  auffielt  be«  ftrenaen  ftommi« 
©c^äuffclin  eine  gute  2)urc^bilbung  für  fein  2lrbeit«felb :   er  ^atte  bie  Suc^füi^rung,  ba«  ao 
SRed^nunggmefen  unb  bie  Äorref))onbeng  ber  6l^riftentum«gefetlfc^aft  unb  ber  balb  Don  il^r 
in  Safel   begrünbeten  Sibelgefetlfc^aft   unb   2:raftatgefellfd^aft.    ßrft  1805  tourbc  feine 
©tettung  genau  reguliert  unb  mit  einem   feften  ©el^alt  bebac^t.    Sei  Slum^arbt«  2lu«s 
fd^eiben  1807  iDurbe  fobann  bie  gefamte  ©efretariat«arbeit  ©Mittler  übertragen,  unb  im 
f olgenben  ^aljxe,  al«  man  9Jliene  machte,  i^n  tüieber  in«  l^eimatlic^e  ©c^toabenlanb  gurüdf^  25 
guberufen,   h)urbc  er  aud^  offtjieD  gum  ©efretär  ernannt,  —  eine  einflußreiche  unb  Der* 
anth)ortung«t)olle  ©tellung,  bie  er  bi«  an  fein  6nbc  toerfel^en  l^at.  ©0  ift  ©mittler  frül^^ 
geitig  in  mannigfad^e  unb   lebenbigc  9[5erbinbung    eingetreten   mit   einer  ^üUc  öon  be* 
beutenben  c^riftli^en  ^erfönlic^feiten  ber  berfc^iebenften  Sänber,  namentlid^  mit  faft  allen 
))ietiftifd^  gerid^teten  Greifen  jener  ^tii,  and)  mit  mand^en  burc^  innige  ^ömmigJEeit  toeit-  »i 
^crgig   geworbenen  ftat^olilen,  toie  ©ofener,    S3oo«,  jangenmaier,   ©ailer,   §enneberg, 
ßlfirifto})^  ©c^mib,  Seanber  \)an  Q^,  §uber,  35eit  33urg.   Unb  al«  bann  bie  ei^riftentum«^ 
gefeUfc^aft,  l^aui)tfäd^lid^  infolge  ber  mannigfad^en  t)on   \f)x  au«gegangenen  Vereine  unb 
SBerfe,  ber  allmäl^lic^en  äluflöfung  Verfiel,  l^at  fie  ^ulc^t  in  ©mittler«  SÖirffamfeit  unb 
^erfon  nod^  ^ja^cl^nte   lang   i^ren  3^"0^  ""^  ^Öertreter  gehabt,  ber  g.  S.   auc^  ba«  35 
Organ  ber  ©efellfd^af t  (bie  „©ammlungen  für  Sieb^aber  c^riftl.  3Ba^rl^eit  u.  ©ottfeligfeit") 
nad^  1880   auf  eigene  Äoften  toeiterfül^rte.     35ic  Äinberlofigleit  feiner  glüdElic^en  ei^e 
(1812— 1844)  mit  ©ufanna  ®ö$,  bie  er  ^eimfü^rte,  fobalb  er  ba«  Sürgenec^t  toon3)ai)o« 
erhalten  ^attc,  toarb  i^m  Seranlaffung,  jtoei  frembe  Äinber  gu  abo})tieren,  unb  gab  i^m 
bie  5^eil^eit,  mit  feiner  ®attin  um  fo  mel^r  auc^  anbem  SKenfd^en  fic^  ju  toibmen.    ^m  40 
3a^re  1812  ertoarb  er  ba«  „^Jälfli"  unb   grünbete  bort  eine  Sud^l^anblung  unb   1834 
eine  Sci^bibliotl^ef.    Slllein  fc^ion  1841   befd^ränlte  er  ba«  ©efc^äft  toieber  auf  33ibeln, 
2:ra!tate  unb  ©c^riften  ber  6^riftentum«gefellf4)aft,  bi«  er  1844—47  in  bem  Äaufmann 
9laumann  unb   f))äter  in  3.  2.  Säger  t)erftänbni«tJolle  ©e^ilfen  unb  3:eil^abcr  fanb',  bie 
bei  feiner  finbUd^en  9Jait)ität  in  ©elbangelegen^citen  unb  feinem  ÜJlangel  an  faufmännifc^em  45 
©inn  für  il^n  uncntbel^rlid^  toaren. 

©elbfttoerftänbltc^  Yoax  ©pittler«  grömmigfeit  loie  bie  feiner  ganjen  Umgebung 
))ietiftifd^,  aber  burd^au«  nic^t  fc^ablonenl^aft.  3«  gch)iffen  3)ingen  eng  unb  gä^,  l^atte 
er  fic^  boc^  and)  in  rcligiöfen  fragen  eine  grofee  grei^eit  unb  ßlaftijität  beioal^rt.  ©inn 
für  lirc^lic^e  Drbnungen,  für  t^eologijfc^e«  Denlen,  für  toiffenfc^aftlic^e  Älarl^eit  toar  i^m  50 
nur  in  geringem  TOafee  eigen.  3luf  ^rinjijjien  l^ielt  er,  ioie  er  felbft  fagte,  nid^t  biel. 
Oft  fehlte  c«  üim  —  aud^  bei  feinen  eignen  Unternehmungen  —  an  ber  rechten  Über* 
ftc^t  unb  an  ber  ©ic^er^eit  ber  ®efid^t«i?unfte  unb  SWagftäbe.  aber  im  ßtoangelium 
lebte  er,  bie  Icbenbigcn  ^erfönlic^feiten  liebte  er,  il^nen  fuc^te  er  in  il^ren  3?öten  ju  bienen, 
fie  fuc^te  er  aber  aud^  für  alle  i^m  am  §erjen  liegenben  SBerfe  gu  interefftcren  unb  )u  55 
toertoenben.  Cft  enttäufc^t  burc^  bie,  benen  er  l^alf,  unb  jutoeilen  läftig  benen,  beren 
Äräfte  unb  3D{tttel  er  in  3lnfl?ruc^  na^m,  ^örte  er  bi«  an  fein  £eben«enbc  nid^t  auf,  mit 
bem  unermüblic^ien  Il^atenbrang  unb  bem  erfinberifc^en  ©eift  tüärmfter  Siebe,  too  er  nur 
fonnte,  gu  Reifen,  ju  raten,  ju  bienen,  gu  bitten,  ju  nel^men  unb  ju  geben.  3in  biefer 
©efmnung  ift  er,  auc^  in  fd^toeren  Seiten  unb  trüben  ßrfal^rungen,  ftet«  l^offnung«freubig  eo 


672  S^ttfltr,  6^.  g. 

unb  iugenbfrifc^  geblieben,  aud)  aU  er  löngft  ber  ^atriarc^  feinet  Äreifcö,  bcr  ,,alte  $iq>a 
Spittler",  gelüotben  mar.  3)en  5)urc^bru^  ber  ®nabe  ^lanbU  er  am  11.  31|ml  18<Xi 
erlebt  ju  ^ben.  9tuf  fein  trtum>)l^icrenbe^  Sefenntni^  biefe^  (SrlebniReö  fc^cb  ibm  fein 
toäterli^er  ^i^eunb  2lbral^am  5ßrei^h)erf  ennuntemb   unb  nüchtern  gugletc^:    „^u,  lieber 

o  ©ruber,  bift  nod^  jung  unb  fommft  erfl  in^  gelb,  h)irfl  aber  fc^on  noc^  ^ulöer  ju  rietben 
befommen."  ^'""i^^i"  beh)ie^  ©i)ittler  fortan  ein  aufeerorbentlic^e^  ©(etc^mog  cbrifUitbcr 
©efinnung  unb  freubiger  Stimmung,  Wk  c«  eben  an^  bei  feften  ©etoi^^  bcr  ®nabe 
unb  ©otte^Iinbfc^aft  ertoäc^ft.  2(u^  ber  bl.  ©(^rift  ju  fc^ö})fen  mit  ®ottt)crtrauen  unb 
©ebet,  täglich  —  auc^  im  l^ol^en  älter  —  ftd^  in  feinem  Äated^i^mu^  ju  üben,  in  finb-- 

10  lid^er  3)emut  unb  2)anlbarfeit  ben  ?in«ben  feiner  Seele  ju  ))flegen,  in  barmberjigem 
Sinn  unb  fc^Iic^tefter  %oxn\  aUejeit  feerfe  ber  d^riftlid^en  fiiebe  ju  treiben,  —  ba^  h?ar 
il^m  jur  jtüeiten  5Ratur  getüorben.  3)ie  Jreube  an  bem  eignen  SBirlen  unb  feinen  Qx- 
folgen  ift  i^m  gumeilen  aU  ©itelfeit  angelegt  tüorben.  Dafe  er  über  bie  i^m  für  feim 
Untemel^mungen  jugefloffenen  ©eiber  nie  öffentliche  Sled^enfc^aft  ablegte,   ertlärt  fi^  aus 

16  ber  3lrt  ber  gan^  auf  3?ertrauen  gegrünbeten  Gl^riftentum^efettfcl^ft;  e^  toar  ijatrionba- 
lifd^,  tüurbe  aber  t)on  3la^r  ju  '^alfx  tüeniger  jeitgemäfe.  3)ie  5ßlanlofigf eit  toieler  einzelner 
$läne,  t)on  benen  man^e  rafd^,  unau^eglid^en,  aü^n  umfaffenb  inö  3Bcrf  gefegt,  fc^etterten, 
trugen  il^m  bei  fielen  ben  Sortourf  ber  Unberec^enbarfeit,  ber  Untoorfu^tigfeit  unb  SSilttür 
ein.    3tuc^  geriet  er  bei  feiner  ß^^iflt^^/  f^i^^^  5ßläne  burc^jufe^en,  me^rfad^  in  bie  Ser- 

20  fud^ung,  bei  35ingen  Don  öffentlichem  ^ntereffe  feiner  ?J}ritoatlieb^berei  ju  folgen  ober  ben 
©egner,  ben  er  nic^t  übertoinben  unb  überzeugen  fonnte,  ju  umgeben;  in  einzelnen 
J^äUen  ift  er  bi^  an  bie  ©renje  gefommen,  h)o  man  toon  ©erabl^eit  faum  me^r  fpret^cn 
fann.  aber  ba^  toar  feine  betüufete  Unaufrid^tigleit,  fonbem  eine  Sc^tDöd^e,  bie  au^ 
(Sigenfmn  unb  Jrieben^bebürfni^  eigenartig  gemif^t  toar.    6^  ioar  auc^  bie  ^olge  feiner 

26  $ielgefc^äftigfeit,  bie  ei5  gu  einem  abgeflärten  organifd^en  gwfammen^ang  feiner  ja^lreic^ 
Unternehmungen  nic^t  lommen  liefe.  Sei  fettiererifc^  gerichteten  glommen  em|)fanb  er  in  ber 
Stegcl  nur  bie  SBärme,  ba^  Scben^boUe  unb  I^atrräftige,  feiten  ba«  SSertüirrcnbe  unb 
3crfe^enbe  i^re^  auftretend.  2)er  Ideologie  gegenüber  toar  er  fle))tifc^  unb  argtoöbnif*, 
in  ^agen  irbifc^er  $olitif  befd^ränft  unb  naib.    Sc^tere«  geigte  fid^  in  bem  Srieftoetfcjel, 

aoben  er  gelegentlich  ber  9leuenbuT:ger  2lngelegenl^eit  1856  unb  1857  mit  bem  bamaligcn 
berliner  Dber^of))rebiger  SJÖilf^etm  ^offmann  l^atte,  t)on  bem  er  eine  ^olitifc^  Seeim 
fluffung  be^  Jjreufeifd^en  Äönig^  erhoffte.  Sein  Slrgtoobn  gegen  bie  hitifc^e  2beologic 
entlub  fid^  gegenüber  bem  1822  nac^  Safcl  berufenen  2)e  3Bette  in  öffentlichen  unb  pii 
baten  ^rotcften,  tourbe  aber,  ioa^  2)e  SBctte  felbft  anlangt,  burc^  ))erfönlic^c  äu^fpracte 

85  unb  baburd^  begrünbete  gegenfeitige  ."ooc^ad^tung  giemli^  balb  befd^lüid^tigt.  Übrigens 
mieb  Sl)ittler,  felbft  ber  Siebegabe  nid^t  mächtig,  am  liebften  bie  große  Öffentlid^feit  unb 
tüirfte  lieber  mit  äöorten  unb  Sriefen  in  ber  Stille.  35a  fuc^te  er  —  aU  ein  „^anb-. 
langer  ©ottc^",  toic  er  felbft  fiel)  gern  nannte  —  Stein  um  Stein  für  ben  93au  bee 
©ottc^reid^e^  ^u  ^olen,   toeiter^ureic^en  unb  gu  f4)ic^ten.    ^n  ben  mancherlei  öffentlich 

40  unb  privaten  iilöUn  unb  3lufgaben,  bie  fein  liebctoarme^  ^erj  getoabrte  imb  empfanb, 
tjfleglc  er  nic^t  ju  jammern,  fd^clten  unb  räfonnieren,  fonbern  er  fuc^te  mit  ber  %bat  lu 
tröften,  ^u  l^elfcn  unb  ju  beffcrn.  ^^^^  Slenb  gebar  il^m  einen  5ßlan.  ^ü>t  ^^ot  er- 
toedte  feine  ^nitiatiDe  unb  feine  Kraft,  ^eber  Schaben  trieb  i^n  ju  einem  2>erfucb  ber 
2lbl)ilfc,  5u  einer  SSeranftaltung   rettenber  Siebe.     %a\t  alle  bie  S^ätigfeiten,   3lnftaltcn 

46  unb  Unternehmungen,  bie  man  fj)äter  unter  bem  ein^eitlid^en  9?amen  ber  „inneren  3Kiffion" 
^ufammengefafet  l}at,  ijabcn  bereite  in  Spittler  i^ren  ^fabfinber  unb  ))ra!tifd^cn  ©abn= 
brcc^er  gehabt.  6r  toar  ein  ©enie  in  ber  c^riftlic^en  Siebe^t^ätigleit.  Sei  atter  c^rol^ 
teriftifc^en  SSerfc^iebenl^cit  ift  Sj)ittler  in  getoiffem  Sinne  bag  fübbcutfd^e  ©egenftücf  ,;u 
SBic^ern. 

50  II.  Um  fic^  einen  Überblicf  über  Sj)ittlerg  SBirffamfeit  ju  toerfc^affen,  betracbtd 
man  am  Seftcn  feine  Seftrebungen  unb  Unternehmungen  in  brei  ©ruj)})en:  eine  gro|e 
2lnja^l  einzelner,  gufammen^angßlofer  ober  nur  loc!er  miteinanber  Derbunbener  $länc 
unb  aäJerte  eröffnet  jucrft  einen  Slicf  in  bie  9)iannigfaltigleit  unb  erftaunlic^e  gruc^tbar- 
!eit  feinet  cbaritatiüen  Sd^affen^;    fobann  ift  bie  „5ßilgermiffion"   in   i^rer  toec^felnben 

55  Stu^geftaltung  ba^jenige  Unternehmen,  ba^  für  Spittler  am  meiften  d^aralteriftifd^  ift  unb 
i^m  toobl  ganj  befonber^  am  ^erjen  lag;  enblidf)  ift,  um  bie  3lrt  feiner  ^erfönlic^feit 
toöHig  JU  toürbigen,  feine  Stellung  jur  Sanier  3}tiffiünögefellfc^aft  genauer  bar^utegen. 

1.  3)ie  mancherlei  einzelnen  SBerte,  bie  merft  gu  ertoä^nen  fxnb,   foHten  5.  %.  toor- 
übergel^enben,  burd^  befonbere  gefc^id;tlic^e  Umftänbe  hervorgerufenen  9iöten  uub  ©efabren, 

CO  j.  I.  bauemben  unb  allgemeinen  Schaben  be^  3iolföleben^  begegnen.    ?IRand^e  fmb  Don 


(SpxMtt,  6^.  $.  673 

bletbcnber  Sebcutung,  btclc  nur  t)on  lurjer  2)aucr  getpefen;  bei  einzelnen  tft  man  über 
ben  5pian  unb  Slu^gang  laum  l^tnau^efommen.  93ei  ben  meiften  tpar  ©Jjtttler  felbft  ber 
Urheber  unb  bie  treibenbe  Äraft,  bei  anbem  toar  er  tüenigftenö  ftarl  beteiligt,  gab  bie 
änreguna  ober  enttoarf  ben  ^lan.  ^n  ben  erften  Sauren  feineö  Sanier  3lufentl^alt«  ^at 
er  in  abhängiger  unb  unteraeorbneter  Stellung  öerfqiebene  ©rünbungen,  j.  93.  bie  Sanier  6 
»ibelgefeUfc^aft  (1804)  unb  balb  borauf  bie  ^raltatgefeUfd^aft,  miterlebt.  ©})äter, 
jumalfeit  1812,  tritt  er  überall  rm\)x  in  ben  SSorbergrunb.  6^  genügt,  biefe  Unter^^ 
ne^mungen  furj  aufjujäl^Ien  unb  babei  biejenigen  ^eröorju^eben,  bie  bauernbe  2eben«Iraft 
beriefen  ^aben. 

3n  ben  ^al^xm  ber  fjranjofenjeit  1812  unb  1813  tüirlte  ©})ittlcr  öielfeitig  unb  lo 
energifc^  für  2lrbeit^Iofe  unb  Slrme,  für  bie  ©olbaten  unb  ba«  in  5Wot  geratene  SSolI, 
für  Äranle  unb  SSertounbete,  —  burd^  2;&ätigleit  in  ben  Sajaretten,  Berufung  bon 
Äranlen})flegem,  SSermittelung  bon  Verbergen,  burc^  Sitten  unb  3lufrufe,  burc^  SJers 
teilung  t)on  ©c^riften  unb  Iraftaten;  felbft  bem  Äaifer  bon  Slu^lanb  unb  bem  Äönig 
bon  ^JJreu^en  burfte  er  bamate  im  Flamen  ber  IraftatgefeUfc^af t  d^riftlic^e  ©c^riften  über^  iß 
reichen,  ©obann  ^at  er  in  jener  ^^it  manchen  ^eimatlofen,  reifenben  ober  verfolgten 
ß^riften,  auc^  fat^olifc^en  93elenntniffe^,  Dbbac^  unb  §ilfe,  3lrbeit  unb  ©emeinfdpaft, 
bargeboten,  j.  S5.  bem  ^riefter  Sö'^^ü  Sinbl,  bem  ©^neibergefeHen  unb  erh)eching«})rebiger 
galob  ®anj,  bem  Dberjjoftbireltor  ÄeHner,  ber  ^au  bon  ^rübener.  gn  ber  Rzxt  beö 
griec^ifc^en  33efreiungglriege3  grünbete  er  1826  einen  „SSerein  jur  ftttlic^^^eligiöfen  ©in^  20 
toirlung  auf  bie  ©riechen"  j  er  fanbte  auc^  jtoei  3Kifftongjöglinge  gur  SWelogno^jierung  auü. 
3)ann  laufte  er  1827  etne  3lnjal[^t  bon  ©riec^enfnaben  a\i^  ber  ©Itaberei  lo«  unb 
grünbete  für  i^re  ©rjiel^ung  unb  äuöbilbung  bie  „®rie^enanftatt"  in  SBeug^en,  bie  bi« 
1832  — aUerbing^o^ne  größere  (Srfolge  —  beftanben  ^at.  ^n  ben  SBirren  jtotfc^en  Safel« 
©tabt  unb  S5afel=£anb  1831  na^m  er  ftc^  befonber«  ber  SJertriebenen  unb  SSerunglücften  26 
an.  3m  ^af^x^  1833  beranftaltete  er  eine  ©ammlung  für  bie  bon  ben  Ifc^erleflen  ge« 
raubten  Äinber  am  Äaulafu«  unb  für  ben  SIBalbenfer  ©c^ullel^rer  SBenecfe.  Sei  bem  Sau 
be«  ®ifenba^ntunnel«  burd^  ben  ^auenftein,  ber  englifc^en  Unternehmern  übertragen  toar, 
forgte  er  1855  für  bie  Äinber  ber  Arbeiter  burc^  eine  englifd^e  ©c^ule.  SIBä^renb  be« 
Äriege«  1866  trug  er  bei  jur  Sibelberbreitunj  unb  jum  ©pitalbienft  in  ben  beutfc^en  90 

teeren.    ©0  na^m  er  jebeö  größere  geitgefd^ic^tltd^e  Ereignis  im  ©inne  ber  c^riftlic^en 
iebe  auf  afö  eine  äufforberung  ju  d^aritatibcr  Slrbeit. 

3lber  auc^  abgefe^en  bon  folgen  befonberen  gefd^ic^tlic^en  änläffen  toar  er  ftet«  auf 
Drganifationen  c^riftlic^er  Siebeöt^ätigfeit  bebad^t.  ©c^on  1812  richtete  er  im  „jjällli" 
ein  älumneum  für  bebürftige  I^eologieftubierenbe  unb  eine  toöc^entlic^e  Vertrauliche  3"-  ^ 
fammenlunft  jur  Erbauung,  ba^  „Äämmerli",  ein,  1830  eine  Stiftung  jur  Sibelbertei* 
lung  an  arme  Äinber.  3)ann  toanbelte  er  1833  bie  ®ried^enanfta(t  in  eine  ^laubftummens 
anftalt  um,  bie  1838  auf  ben  ^ilger^of  in  Stiegen  bei  Safel  berlegt  tpurbe  unb  noc^ 
l^eute  in  reid^em  ©egen  toirft.  auf  ©})ittler^  SSorfc^lag  grünbete  1845  eine  toof^U 
^abenbe,  fromme  Sanier  2)ame  ba^  ebenfalls  ^eute  noc^  blül^enbe  Sanier  Äinberl^ofpital.  40 
Salb  barauf  bemühte  er  ftd^  für  bie  tpürttembergifd^e  Äolonie  ffiil^elmöborf,  Ipie  er 
früher  fc^on  für  ein  ffiitloen^au«  in  Äomt^al  unb  für  ein  äf^t  für  entlaffene  toeiblic^e 
©trafgefangene  auf  bem  Sinbenl^of  eingetreten  tpar.  3)a^  SfBaifen^au^  in  Sal^r  unb 
2)inglingen  (1849)  gel^t  ebenfalls  auf  @})ittler«  einbringlid^e  Anregung  jurücf.  3n  bem^ 
felben  Saläre  faufte  er  ba^  ®ut  ^fingfttoeibe  bei  SBill^elm«borf,  um  bort  eine  Srüber«  45 
anftalt  ju  grünben  für  ©bangelifation  in  lat^olifc^en  ®egenben;  biefelbe  Ipurbe  1862  in 
eine  2lnftalt  für  ®))ilet)tifc^e  bertoanbelt  unb  1868  an  eine  befonbere  ©efellfc^aft  abge^ 
treten.  Sine  Sleinfinberfd^ule  richtete  er  1850  in  Settingen  bei  Safel  ein.  Sefonber« 
toertboH  toar  ©^ittler^  eintreten  für  bie  3)iaIonijfenfac^e.  ©d^on  1841  l^atte  er  einen 
Serein  für  d^riftlid^e  Äranf enpflege  in  Safel  in«  2^btn  gerufen.  Site  bann  $aftor  gliebner  eo 
auf  feiner  ^aläftinareife  1851  fotpol^l  bei  ber  ^infa^rt  toie  bei  ber  §eimlei^r  in  Safel 
ftc^  auffielt,  bilbete  ©ipittler  ein  Äomitee  für  ba«  3)iaIonif[enh)efen:  f^on  1852  lonnte 
man  ba«  3)ialoniffen^au«  in  Stielten  eröffnen,  balb  aud^  baneben  ein  geierabenb^au«  für 
Iränflic^e  unb  alte  3)iaIonifjen.  1855  errichtete  ©öittler  eine  „greiloiuige  ^t^angarbeit«« 
anftalt",  b.  1^.  nad^  unfern  heutigen  ©})rad^gebraud9  eine  3lrbeitenolonie  auf  bem  SJlaiens  b& 
bü^l;  1858  eine  d^riftlicbe  3Kägbe^erberge  unb  ein  geierabenbl^au«  für  altembe  ©ienft« 
boten.  S)er  Serfuc^,  auf  ber  ßl^rifc^ona  eine  ßrjie^ung^nftalt  bon  c^riftlid^en  SBaifen* 
fnaben  gu  bäuerlicher  Slrbeit  einjuric^ten,  fd^eiterte  ebenfo,  toie  ber  anbre,  ebenbort  ein 
aiefugium  für  übergetretene  fat^olifc^e  ^riefter  ju  fd^affen;  ©jjittlcr  eröffnete  ftatt  befjen 
bort  eine  äjrudferei.    2lnbre  päne  au«  ©})ittler«  l^ter  £eben«jett,  j.  S.  eine  ©c^ule  für  eo 

9Iea(««nct)r(opäbt(  fQr  7^eo(O0ie  unb  ttit^t.    8.  «.  XYIII.  43 


674  e^tt,  6^.  %. 

Sflegerlnaben  in  Sn^Iingen,  eine  et)an8eIifation^rbeit  unter  ben  ^olgtnec^tcn  in  boi 
SSoaefen,  flnb  gleic^faO^  nid^t  }ur  Slu^fülrung  gelommen.  O^e  größeren  @rfoIg  toaxen 
in  früher  3^*  f^i"^  Semül^ungen  für  bie  Sw^^wif  jion  geblieben :  bte  bereitö  1812  im 
^oltli  eröffnete  ^[ubenf^ule,  ber  \pcdct  gegrünbete  SSerein  jur  ^örberung   bcd  S^rifteiu 

6  tumd  unter  ben  l^uben  unb  bie  bon  einem  ^eunbe  in  @i|entird^  gefttftete  €rgte^ungd: 
anftolt  für  ^ubenlinber.  Xuc^  mit  ber  Srjie^ung.  einiger  1843  auf  bie  e^fc^oiut  übet: 
nommener,  junger  Slrmenter  erntete  @)}ittler  nic^t  gerobe  ^reube  unb  Srfolge.  Db  feine 
äkr^anblun^en  mit  bem  eDangelifc^en  Sotfd^aft^rebiger  @(^mi^er  in  9lom,  auc^  bei 
ben  eDangeltfc^en  ^eutfc^en  ^[talien^  @tnn  für  c^riftli^e  ®emeinf(^aft  unb  £ie6e6t$äti9= 

10  leit  )u  tDeden,  irgenb  tDeld^e  befonbere  SBirhing  gel^t  ^en,  Mt  ba^in.  dagegen  mui 
nod^  nad^brüdnid^ft  l^ertoorgel^oben  Serben,  ba^  @))ittler  unenbliq  t)ielen  etngelnen  ^krfonen 
in  ben  berfc^iebenften  9{otlagen  gel^olfen,  namentlid^  auc^  jungen  Stännem  bo^  tbeo^ 
logifc^e  @tubium  unb  bie  £el(^rerlaufba^n  ermöglicht  ^at.  @in  jeber  tDu^te,  ba^€|)ittlci 
^If,  tDenn  unb  fotoeit  er  Reifen  tonnte,     ^pm  iß  im  le^en  @runbe   auc^   bie  dnU 

15  fte^ung  unb  (Sr^Itung  ber  berül^^mten  „^^eitpiJDligen  Ärmenf^uUel^reranftalt''  }u  Seuggen 
ju  banfen,  bie  für  Semenbe  unb  Sebrenbe  bon  gleichem  ©egen  toar:  t>on  il^m  fiommtf 
ber  $Ian  ju  bem  Untemebmen,  er  ^atte  für  bo^felbe  bie  c^rafterbode  ^erfönlt^^teit  bc^ 
3nf))rftord  unb  Seiter^  3^^  gewonnen,  er  fyit  bie  älnftalt  in  jeber  äßeife  unterftu^ 
unb  bem  Ignterefle  unb  ber  §tlfe  toeiter  Äreife  nal^egebrac^t. 

30  2.  I^iW  föt  @l)ittler«  Igbeale  unb  arbeit  ift  ober  bor  aBem  ba«  Untemebmen 
ber  „$iIgermiffton"  unb  ber  „^J'^fl^^^fe^""-  ®^  ^^^  f^'"^  übergeugung,  bafe  pa 
@t)angeIifation  unter  ben  Jtat^oliten  unb  in  lirc^lid^  berloa^Ioften  ebangelifc^en  ©ebieten 
toie  )iur  ^iffton  in  ^eibnifc^en  Sänbem  niemanb  fo  geeignet  fei  toie  tü^^ttj^e,  glaubige, 
bibelfefte  ^anbtoerler,  SBauem  unb  anbere  Saien.    Steifenb,  toie  e«  nun   einmal  ^b^ 

26  toerlebrauq^  ift,  foHten  fte  bon  Ort  ju  Drt  jiej^en  ate  „^ilger",  |^ier  ober  ba  einen  längeren 
aiufentl^^alt  machen  unb  auf  i^ren  ^^i^^tten  toie  in  il^ren  Quartieren  burd^  ©ort,  S35mibel 
unb  Schriften  für  ba«  ®otte«reid^  toerben.  ©e^on  1827  fyittt  er  in  biefem  Sinne  Wt- 
glieber  be«  Sanier  l^üngltng^bereind  nac^  ^anheic^,  Belgien,  Öfterreid^  unb  33avem  ou^ 
gefanbt.    SlHein   er  überzeugte  fui^   balb,  ba^  bod^   eine  getoiffe  SSorbilbung   unb  eine 

80  jufammenl^ängenbe  Drganifation  babei  nötig  fei.  @o  toar  er  feitbem  barauf  bebacbt, 
eine  entf))rec^enbe  älnftalt  ju  grünben.  SH^^^  geftaltete  fid^  feine  ^bee  nun  babtn 
au^,  bafe  eö  barauf  anfämc,  eine  „plgerftrafec"  ju  grünben,  eine  miffionarifc^e  Gtaj))>en^ 
ftra^e,  eine  Äctte  JEleincr  c^riftltc^er  Kolonien,  bie,  ti)n>a  immer  eine  lagereife  tjonein- 
anber  entfernt,   au^   einer  Slnjal^l   fotd^er   c^riftlid^  gefmnter  §anbtoerfer   bcfte^en  unb 

86  jugleic^  ft^  untereinanber  unb  ben  einzelnen  au^^iel^enben  unb  reifenben  pilgern  als 
älüdfl^alt  bienen  lönnten.    ^m  Rwfammenl^ang  mit  ben  bamaligen  3lrbeit^ebieten  unb 

Hoffnungen  ber  Sanier  3Wiffion  })lante  ©J)ittler  juerft  1829  eine  folc^e  „^Pil^ermiffion"  für 
übrufelanb,    too   jebod^  batb  bie  SOSiriffamfeit  ber  Sanier  SRiffionare  ein  ®nbe  ^e. 
3lud^   in  anbrer  ^inftd^t  erlebte  man   umäd^ft  ©nttäufc^ungen.    ®er   mit  ©t)ittler  ht 

40  freunbetc  Pfarrer  $aag,  ber  1834  in  ^euerbac^  bei  Äanbem  eine  ^ilgenniffion^nftalt 
grünbetc,  tourbe  balb  feinet  2lmtcg  entfe^t;  bie  Söß'^^^Ö^  traten  nad^  einiger  3^  <^^ 
fiolj)ortcure  ber  Sanier  StbclgefcHfc^aft  ein.  9lun  rid^tete  ©J)ittler  feine  Slide  auf  ben 
Orient,  gr  grünbetc  1834  einen  ^aläftinaberein  unb  beriet  fid^  mit  ®obat,  ber  bamaB 
jum  jtocilen  ^Jalc  nac^  äbefl^nien  reifte,    ©inen  neuen  antrieb   emj)fing  ©})ittler  auf 

46  einer  Slcife,  bie  i^n  1836  in  ©emeinfc^aft  mit  feinen  fjreunben  Oftanber  unb  Sartb 
(bem  Scgrünber  unb  Scitcr  be«J  ßaltoer  58erlaagberein^)  ju  $rofcfJor  ©d^ubert  nai 
3)lünc^cn  führte,  ©c^ubcrt  toar  im  Segriff,  na^  ^JJaläftina  abjureifen.  ©o  ber^nbdtc 
man  benn  barüber,  toie  man  bem  ^eiligen  Sanbe  ben  Segen  be^  6t)angeliumg  bringen 
lönnte.     SSon   ^aläftina  au^   hat  bann  ©c^ubert    bringenb  um  ©enbung   c^riftli^er 

60  beutfc^er  §anbtoerler  nac^  ^erufalem,  unb  jugleic^  grünbete  Pfarrer  ?Preidtoerf  in  Sajel 
bie  3«tfc^rift  „®a«  5Korgenlanb",  bie  aber  nur  fec^«  3jö^^9^"Ö^  erlebte. 

2)ie  „^ilgerfd^ulc",  bie  ber  ejjentrifcbe  älrjt  SJe  Salenti  1834  in  Stiegen  auf  ©Jjittlcrs 
SScranlaffung  eröffnet  j^atle,  toar  fc^on  nad^  ^toci  ^a\)xm  infolge  bon  3Reinun^^erf^iebcn- 
l^citcn  jtoif d^en  ben  beibcn  ©tiftern  eingegangen.     2)a  t^at  ©})ittter  1840  einen  ©c^ritt, 

66  ber,  fo  unllar  nod^  bte  3"tw"ft  bor  il^m  lag,  für  bie  ^pilgermiffton  bon  entfd^eibenbcr 
Scbeutung  toerben  f oHlc :  ijon  bem  5Rat  ber  ©tabt  33afel  pad^ttU  er  um  ben  ?Preiö  t>on 
läijxlxi)  fünf  granlcn  bie  „G^rifc^ona",  ein  alte«,  bamatö  ganj  bertoal^rlofte«  unb  t>eröbetee 
SßJallfa^rt^lirc^Iein,  ba«  auf  bem  legten  3lu«läufer  be«  ©c^toarjtoalbe«  über  bem  S^n 
nad>  allen  ©ettcn  toctt^in  fic^lbar  ift.   §ter  befc^log  ©(mittler,  bie  älnftalt  für  bie  ^ilger^ 

Ro  mif  fion  cinjurid^tcn.    DJoc^  toufete  er  nid^t,  mit  toelc^en  5!Ritteln  unb  Gräften,  nad^  toeld^er 


^piMtt,  (S^.  $.  676 

Drbnung  unb  SJlet^obe,  in  tpcIAem  Umfang  unb  ju  toclc^ein  befonberen  S^A  btefe  3ln« 
ftalt  or^aniftert  tDerben  foUte.  @r  l^attt  feinen  feften  ^lan  unb  fuc^te  ftc^  nac^  iebet 
Seite  l^m  bie  freie  SSerfügunfl  offen  ju  ^Iten.  @})ittlcr  ba(^te  baran,  Seute,  bie  jur 
©eibenmiffion  tüittifl,  aber  unfähig  feien,  l^ier  für  bie  innere  3Riffion  al«  93ibeIIoI>)orteure, 
Äranfentüärter,  §au^t)äter,  9luffel^er  ober  ate  aiu^toanberer^aftoren  unb  ebangeliften  6 
au^jubilben.  ^urc^  Jtno)}ffabriiation  unb  Jtorbmac^erei  foUten  ftc^  bie  SH^^W  f^I^f^ 
ben  Unterhalt  berbienen  j  augerbem  rechnete  @))ittler  auf  bie  finanzielle  Unterftü^ung  eng« 
lifd^er  ^reunbe,  aud^  einiger  tDol^l^abenber  Quäler,  älber  bie  S^rifc^ona  blieb  borlaufig, 
loie  @^ittlerd  Siebling^ünb,  fo  fein  Sc^merjendtinb.  äluc^  aU  ber  erfte  3i^0^i"d  ^^^ 
Äirc^Iein  notbürftig  l^ergerid^tet  l^atte,  tooHte  eine  rechte  änftalt  nic^t  gu  ftanbe  fommen.  lo 
©0  urteilte  noc^  1843  ber  ^auöbater  ^faner  Sd^latter  felbft.  6«  toaren  bort  neben  einem 
Seigrer  erft  fteben  ^'öQlmQt,  unb  jtoei  bon  biefen  mufeten  toegen  ©c^toarmgeifterei  ent« 
laffen  tDerben.  9U^  bamal^  @))ittlerd  3$orfc^lag,  bie  S^rifc^ona  aU  )Sorfc^ule  für  bad 
Saeler  Wiffton^^aud  gu  benu^en,  bom  ^iffion^Iomitee  abgelebnt  tt)ar,  q^erimentierte 
man  l^in  unb  ^er.  3Wan  na^m  me^^c^  berfommene  ober  fteUenlofe  iunge  Seute  auf,  15 
balb  auc^  einige  junge  3lrmenier,  aber  mit  fc^lec^tem  (Srfolge.  ©})ittlerd  SBunfc^,  bort 
ein^reitor^^  gur  freien  ^i^^ofttion  für  ba^  „9{eic^  ©otted''  au^ubilben,  toarju  allgemein 
unb  k>erfcl^tt)ommen.  älm  flarften  trat  gunäd^ft  aU  ^^^d  bie  ^u^bilbung  bon  ^rebigem 
unb  Sel^rern  für  bie  beutfd^en  ^froteftanten  in  Slmerila  ^ertoor. 

Snjtoifc^en  toar  1843  ®obat  bon  feinem  Slufenti^lt  in  SJlalta  (1839)  unb  bei  ben  20 
©rufen  auf  bem  Sibanon  (1841)  ^eimgeJEe^rt  unb  erneuerte  mit  ©})ittler  unb  ben  anbem 
©efmnung^enoffen  bie  3$erl(^anblungen  über  Sludbilbung  unb  Slu^fenbung  bon  Srübem 
nac^  ^läftina.    ältö  er  nun  1846  bon  ber  englifc^en  unb  )}reu^ifc^en  Slegierung  )um 
et>angelifc^en  SBifd^of   in   3^^f^^^*"   ernannt  toar  (1846—1879),  befc^lofe  man,  jtoei 
ßl^rifc^onajöglinge  nac^  S^^f^Jk'"  J"  fenben,  aber  noc^  nic^t  ju  miffionarifc^er  I^ätig«  25 
teit,  fonbem  jur  Segrünbung  eine«  SBruber^aufeö.    %ffai\dd^Ud^  gingen  1847  $almer 
unb  ©c^icf  na^  ^erufatem  ab,  aber  fie  tamen  bort  in  bie  jc^loicrigften  Ser^ältniffe.  3)ie 
il^^nen  mitgegebenen  SBeifungen  toaren  burc^auö  berfel^lt,   unb  il^re  SIBünf^c  loieberum 
fanben    bei  ©})ittler  fein  ^erftänbni«  unb  ßntgegenfommen,  cbenfo  toenig  ber  SSor« 
fc^lag  be«  93ifc^of«  ®obat,  bie  beiben  93rüber  t^orlöufig  gegen  ©e^alt  an  feiner  ©c^ule  ao 
ju  befc^äftigen.    3"^'"^^'*^  fonnte  ©j)ittler  in  bemfelben  ^al)x^  in  einem  Slunbfc^reiben 
an  bie  ^eunbe  ber  ^ilgermiffton  atö  bie  Q\üzit  ber  S^rifAona  angeben:  1.  bie  Slrbeit 
an  ben  beutfc^en  ^[u^tüanberem  in  5Worbamerifa ;    2.  bie  33efeftigung   unb  Slu^breitung 
ber  3lrbeit  in  ^aläftina.  (&bm  bamate  trat  auc^  ate  Seigrer  in  bie  $ilgermiffion^nftalt 
So^nn  Subtoig  ©c^neHer  ein,  unb  1848   fanbte  man   noc^   jtoei  G^rifc^onabrüber  nad^  35 
$aläftina.    SJergebend  planU  ©})ittler  eine  Äarmclmiffion  unb  eine  Äolonifation  in  ber 
3läf)t  ^mi]aUm^.    ^m  folgenben  Iga^re  mu^te  er  boc^  enblic^  jujcben,  ba^  brei  ber 
au^gefanblen  Srüber  in  ©obat«  2)ienfte  traten ;  nur  einer  blieb  im  95ruber^aufe  unb 
emäl^rte  ftc^  burc^  U^rmac^erei,  fein  1851  i^m   nad^gefanbter  ®enoffe  burc^  ©eibenbau. 
®er  SSerfucI  ©))ittler«,  ben  SBifar  SJölter  afö  ßeiter  be«  8rüberl[^aufe«  ju  gewinnen,  mife  40 
lang,    aber  toäl^renb  fo  im  3Korgenlanbe  bie  au^pc^ten  noc^  red^t  gering  toaren,  tou($ig 
auf  ber  ß^rifc^ona  felbft  bie  Qcv^l  ber  Se^rer  unb  ©c^üler,  unb  bie  S^ßlinge  tourben 
namentlich  atö  $rebiger  für  ^e^a«  immer  me^r  begehrt,  erhielten  auc^  feit  1850   in 
©rengac^  bie  babifc^e  Drbination. 

(gine  mn^  SBenbung  fc^ien  einzutreten,  afe  ©))ittler  im  ßinberftänbni«  mit  ®obat  45 
1852  änftalten  traf,  bie  ß^rifc^ona  auc^  al«  eine  ©c^ule  gur  3luöbilbung  bon  Reiben« 
miffionaren  für  Slbeffbnien  ju  bertocrten,  tooju  bereit«  ber  3ftifftonar  Sf^'^'^^fl  getoonnen 
toar.    a)a  trat  ba«  Sanier  üRiffiongfomitee,   ba«  erft  1847  im  äJerein  mit  ©>)ittler  bie 
©nic^tung  einer  befonberen  toürttembergifd^en  üWiffion^nftalt  berl^inbert  l^atte,  um  jebe 
3erf})litterung  unb  Sonfuneng  ju  bermeiben,   energifc^  bojtoifc^en.     6«  Verlangte  Don  60 
©})ittler,  bafe  1.  bie  ß^rifd^ona  lebiglic^  ber  3""^^"  3Kiffton  unb   ber  fir<^li^en  SJer* 
Jorgung  9lorbamerifa«  bienen,   unb   2.  ba^  ©})ittler  felbft  ba«  ^ublifum  barüber  aufs 
Hären  foHe.     Sediere«    lehnte  ©})ittler  ab,   baö  erftere  geftanb   er  blutenben  §erjenö 
offiziell  ju,  —  freiließ  nic^t  ol^ne  im  folgenben  Saläre  ben  greunben  ber  ß^rifc^ona  bie 
Angelegenheit  afö  eine  nur  aufgefc^obene,  aber  burd^auig  nic^t  enbgiltig  aufgegebene  ^in-  66 
gufteUen. 

9lunme^r  geigten  fic^  atterlei  gorlfc^ritte.  ©otoo^l  in  ©ädfingen  toie  in  SRI^einfclben 
grünbeten  ß^rifc^onabrüber  1854  fleine  ©emeinben.  Sifc^of  ®obat  nal^m  in  bemfelben 
Sjal^re  ba«  Srüberl^auö  in  ^erufatem  unter  feine  ficitung  unb  gürforge,  um  bort  SJliffionare 
für  ba«  ^orgenlanb  au^gubilben ;  gugleid(^  gingen  fecfd  neue  Srüber  unter  ber  Seitung  go 

43* 


676  &^\tr,  6^.  %. 

Sc^netter^  na*  ^crufalem  ab.  3*"  3^^^  1855  betrug  bie  ^aJtfl  bfr  ©^c^onofamiTtf 
30  ^erfonen,  —  eine  3^^  ^^"9  to"*^  i"  ^^  «"^  «1^  3"ft>*or  ber  nac^moliae  Stifta 
ber  2:enH)Ier{efte,  (S^ri^o))^  $offmann.  Unb  toie  1856  in  ©})ittler«  Suftrag  Kaufmann 
Set)))  in  Serufalem  ein   faufntönnifc^e^  ©efc^äft  eröffnete,  ba«  ju  ^o^  Slüte   fommcn 

6  foöte,  fo  organifterte  1857  BpitXln  felbft  einen  ipanblung^erein  gum  Seften  ber  ^Jügcr^ 
miffion.  3n  bemfelben  ^al}xi  gingen  jtoei  ßbrifc^onabrüber  unter  btc  Seiten  nac^  Äir= 
lanb,  jtvei  anbere  im  ^ienft  ber  englif(^en  ^irc^Iic^en  Stiffton^efeQfc^Ktft  ald  Se^  unb 
i^au^öäter  nac^  Sierra  Seone,  einer  im3)ienft  ber  Sremer  ^Riffion^efeUfctKift  nad^äftik 
auc^  bie  Sanier  SJliffton  ^tte  1856  für  afrifa  unb  ^nbien   Dier  g^rifc^onobrübfr  al^ 

10  §anbn)erfer  unb  ©el^ilfen  übernommen. 

3lo(S}  größere  Äuefic^ten  fd^ienen  fic^  im  Orient  gu  eröffnen.  9li(^t  nur,  bo^  IS&^ 
burd^  ©))ittler  im  auftrage  ber  ^ilgermifjxon  ba§  ©^rifc^e  SEBaifen^au^  m  Serufolem 
ing  Seben  gerufen  unb  unter  ©c^neHer^  Seitung  geftellt  tpurbe;  —  ©obat  ^tte  f<^on 
1855  t)ier  ©ruber  nac^  abeff^nien   gefanbt,    bie  bort  Sibeln  t>erbretteten    unb   günihg 

15  aufgenommen  toaren.  2)emnäd^ft  b^\pxai)  er  münblic^  mit  ©Jjittler  bie  toeiteren  obefit^ 
nifi^en  ^läne,  \p^u\l  aud)  bie  arbeit  für  ba«  ©aüalanb:  jtoölf  Srüber  unb  ein 
5Miffion€;arjt  foHten  Don  ber ß^rifc^ona  für® obat  geftellt  toerben.  Ste  nun  18o9©t)ittI«r 
bie  Gl^rifc^ona  föuflic^  ald  Sigentum  ber  ^ilgermiffton  übernahm,  gog  faft  glcic^^eit^ 
ber  berühmte  ^ifftonar  Dr.  Ara))f  in  bad  ^(öfterli  ^u  9tiel^en  ein,  um  t)on  bort  auS  ok 

20  3nfJ)eItor  unb  Se^er  ber  ß^rifd^ona  ju  toirlen  unb  bie  3öglinge  für  abeff^nien  öorjubereitoi. 
TOit  i^m  ^atte  ©))ittler  bie  fog.  3bec  ber  „a))oftclftra^e"  vereinbart :  itüifc^en  3«nifalan 
unb  abefj^nien  foBten  je  im  abftanbe  Don  50  ©tunben  SIBege«  jtoölf  3Riffion#ationcn 
nad^  ber  g^l^I  unb  bem  9?amen  ber  a))ofteI  begrünbet  toerben,  um  Don  ^läfHna  aus 
bie  abcfft;nifc^e  3Jliffion  ju  ftc^em.     ©obat  na^m  bieö  ^rojelt  benn    auc^    energifc^  in 

26  angriff.  ®d;on  toar,  unb  jtoar  mit  Erfolg,  bie  fec^fte  a})oftelftation  entftanben,  ba 
bra^  ber  Ärieg  jtoif d^en  ßnglanb  unb  abefft^nien  au«  (1866—1868)  unb  gerfitörte  aüfg 
©rreid^tc  unb  Dorläufig  auc^  alle  $Iäne. 

©0  toar  bei  ©tJittlerö  3:ob  gerabe  ber  RtoÜQ  ber  „^ilgermiffion",  auf  ben  er  in 
ben  legten  jtoei  ^Qi}xi^l}nUn  mit  befonberer  Webe,  ©orgfalt  unb  Hoffnung  geblirft  fyAtt, 

80  ber  Setrieb  ber  §eibenmiffton,  fo  gut  toie  Demic^tct,  toenigften«  DöDig  gum  ©ttüftonb 
gefommen.  §erangeblü^t  toar  bagegen  ber  anbere  3^^^9^  *>'^  innere  3Kiffion  unb 
©Dangclifation  in  allen  ibren  ^tüz'iQ^n,  bie  Don  ß^rifd^onabrübem  mit  großem  ßifer  bis 
l^eutjutagc  betrieben  toirb,  in  ftrd^li^  unDerforgten  ©cgenben  oft  in  banfen^loerter  unb 
fcgen^reic^er  SBcife,  im  SBirfung^gcbicte  ber  Sanbe^Iir^cn  bagegen   oft   nic^t   ol^ne  ftari 

85  feftiererifd^en  Scigcfc^macf.  3m  3^^^^  1890  toaren  ungefäl^r  200  ß^rifc^onabrüber  aU 
^Paftoren  in  amerila  t^ätig,  tttva  70  al«  ©Dangeliften,  ©tabtmiffionare,  ^au^Dötcr 
u.  bgl.  in  ber  ©d^tocij,  ettoa  100  in  äl^nli^en  2;i^ätigfeiten  in  ^eutfd^Ianb  unb  anbcm 
euroJ)äifd^en  Sänbem  (befonbcr«  ja^Ireic^  in  Slujlanb  unb  ©laDonien),  nur  ettoa  20 
ftanben   auf  irgenb  toelc^en  3Btffiongj)oftcn   in   ^eibnijc^en   Sänbem  (afrifa  unb  aftcn). 

40  3m  ganzen  toaren  bi«  1890  cttoa  550  Srüber  Don  ber  ß^rifc^ona  in  bie  ^rari^  ber 
ÖDangelifation,  3""^^"  ober  klügeren  ?!Jltjfion  eingetreten,  auc^  in  il^ren  äufeerlicben 
2?cr^ä(tnt)fen  ift  bie  ßbrtfd^ona  im  Saufe  ber  legten  3fl^^J^'^nte  unter  ber  Seitung  bc^ 
3nfpcftor^  $Ha>)^arb   fc^r  gebieten  (Dgl.  ^terju  bie  oben  angeführte  3wbiläum«f(^rift  Don 

46  3.  Sfecnn  aud;  ©pittler  bie  abftdbt,  bie  er  Dorübergebenb  in  feinen  3üngling^iabren 
^cgte,  felbft  3Jliffionar  ^u  toerben,  nic^t  Dertoirtlid^en  lonnte,  fo  jeigt  bo($  bereite  unfm 
ganje  bi^^crige  I)arftcnung,  toie  toarm  fein  ©erj  für  bie  ^eibenmijfion  fc^Iug.  3)aö  toirb  no* 
bcutlid^er,  toenn  toir  feine  ©tetlung  ^ur  Sanier  -Dliffion  in«  äuge  faffen.  2)iefe  bebarf 
auö  jtoei  ©rünben  einer  befonberen  Seleud^tung.   ©rften«  ift  ©J)ittler«  Seben  unb  SBirfcn 

60  aufi^  3""i9P^  ^^^  ^^^  Sanier  3Biffion  DerfnüJ)ft:  er  toar  3Jlitbegrünber  ber  Saelcr 
5DJiffion«aefetIjc^aft,  ber  eigentliche  Urheber  ber  Sanier  ÜRiffton^anftalt,  ^Kitglieb  bc^ 
Saeler  üJciffton^f omiteeö  unb,  fo  lange  er  lebte,  ein  eifriger  ^örberer  ber  Sanier  ^Kiffton^- 
arbeit.  3*^^*^^"^  ^^^  iP  ^^  gerabe  mit  ber  Sanier  3Jliffion  m  eine  eigenartige  ©t)annung 
getreten,  bie  ein  d^arafteriftifc^e^  Sic^t  auf  ©(mittler«  J)crfönlic^e  art  toirft.    Sfeenn  ficb  in 

66  ber  Sefd^ränfung  ber  9Jteifter  geigt,  fo  l^at  ©pittler  eben  folc^e  meifterlic^e  ©elbftbefc^rän- 
fung  nxd)t  gegeigt  unb  baburd^  nid;t  blofe  perfönlic^  ftc^  unb  anbem  allerlei  acrger  unb 
3?erftimmung,  fonbern  aud^  ben  Unternehmungen,  bie  er  liebte  unb  betrieb,  allerlei 
©c^toierigteiten  unb  ©cfabren  l^eraufbefc^toorcn. 

Dafe  ein  ©efretär  ber  6l;riftentum^gefellfc^aft,  ein  greunb  ©teinf opf«,  S3artl^,  Slum= 

60  ^arbtg,  Srunn^,  ber  ^cibenmijfton  nic^t   lü^l  gegenüber  fte^en  lonnte,  Derfte^t  fu^  Don 


SpiMtr,  6^.  5.  ^piMtt,  £.  %.  677 

fclbft.  ©^ittlcr  l}at  fie  burc^  Srtefc  unb  3(uffä|c,  burc^  SBcrben  unb  ©animcln  l)om 
Anfang  feiner  Sanier  3rit  an  ju  förbern  gcfuc^t,  aud^  junge  TOänner  für  ben  ^Kifftonari^s 
beruf  gelüonnen  unb  anbere  an^änicfe  nac^  93erlm  em^fo^Ien;  lefetercm  in  fc^h)crer  ^üt 
(1808)  auc^  gerabeju  borgefc^lagen,  feine  üRiffton^fd^ule  in«  „§äl!li"  nac^  33afel  ju 
berlcgen.  5Da«  ift  freiließ  nid^t  gefc^el^en.  Um  fo  lebl^after  trug  fic^  nun  (S))ittler  mit  6 
bem  5pian,  ob  nic^t  in  SBafel  eine  felbftftänbige  ^Riffton^nftalt  gegrünbet  toerben  lönne. 
(gr  berl^anbelte  barüber  brieflich  unb  münblic^  mit  bielen  SWiffton^freunben  in  ^eutfc^- 
lanb  unb  in  ber  ©c^toei^,  erbat  ftc^  atterlei  ®vitai)Un  unb  fuc^te  feinen  greunb  Slums 
^arbt  ju  belegen,  bag  et  bon  ftc^  au«  eine  folc^e  3Jliffton«f(^uIe  eröffne,  ^m  allgemeinen 
fanb  er  biel  ^uftimmung  unb  Seifall;  aber  felbft  in  ben  borberften  Stetigen  ber  ß^riften^  10 
tum^gcfeUfc^aft  fehlte  e«  in  SöirJElic^Ieit  an  3wberftc^t  gu  einem  folc^en  Schritt,  unb 
SBlum^arbt  tüoHte  auf  ben  $Ian  nur  eingeben,  toenn  er  nid^t  b(o^  einem  ))crfönlic^en 
SRufe  ©})ittler«,  jonbem  bem  offiziellen  SRufe  eine«  beranttoortlic^en,  gefd^Ioffenen  Äreife« 
folgte.  3lber  ©^jittler  lieg  fid^  nic^t  irre  machen.  ®r  erreid^te,  toa«  man  nid^t  erwartet 
^atte,  ba^  bie  ftaatlic^en  SBe^örben  1815  bie  ©rlaubni«  jur  ©rünbung  eine«  9Kiffton«=  15 
inftitut«  gaben.  3)amit  toar  ein  gefürc^tete«  §au))t^inbemi«  übertounben.  (gin  aJliffwn«« 
lomitce  trat  jufammen,  Sluml^arbt  enttoarf  ein  Programm  für  ba«  Untemei&men  unb 
übemal^m  bie  ßeitung  ber  3lnftalt,  bie  am  26.  3luguft  1816  eröffnet  tourbe.  3Kit  Slums 
l^arbt  unb  bem  §au«bern)alter  93üd^elen  ^ufammen  ^at  ©))ittler  in  ben  näc^ften  ^al}xm 
ben  ma^gebenben  Sinflug  auf  ba«  ^iffton«l^au«  gehabt,  älud^  unter  bem  ^nft)ettorat  20 
aaSil^elm  §offmann«  (1839—1850),  beffen  Berufung  er  felbft  mit  herbeigeführt  j^atte, 
tpar  fein  ßinfluj  au^erorbentlid^  gro^ ;  umgelel^rt  tüurben  feine  eigene  ^läne  mannigfad^ 
burc^  bie  arbeiten  unb  $erfönlic^Ieiten  ber  SBa«ler  3Jliffton  befru^tet:  3ö^^»"'&öf  Rxcüpj, 
®obat  u.  a.  I^aben  bie  9lu«geftaltung  ber  ^ßilgermiffion  toefentlic^  mitbeftimmt.  2)ie 
©rünbung  ber  ß^rifc^onaanftalt  l^at  bann  atterlei  ©c^loierigfeiten  mit  fid^  gebracht,  äl«  25 
SSorfc^ule  für  ba«  5Kifrion«^au«  nid^t  angenommen,  f)at  fte  ftc^  junäc^ft  in  Segug  auf 
bie  ^nlereffentenfreife,  balb  auc^  in  Sejug  auf  bie  3^^*e  bi«  gu  einem  getoifjen  ®rabe 
al«  Äonfurrenjanftalt  erloiefen,  obtDof)l  ©>)tttler  felbft  fid^  emft^aft  bemühte,  ber  Sa«ter 
5Kiffion  i^re  alten  greunbe  unb  3Kittel  ju  erhalten.  3luc^  ^at  er  toenigften«  berfuc^t, 
bie  au«n)ärligen  aufgaben  ber  (Sl^rifc^ona  1846  feft  ju  umgrenjen.  Slber  e«  hjar  feiner  so 
9iatur  fd^h)er,  fid^  bauemb  in  biefen  ©renjen  ju  l^alten.  @«  ift  bereit«  ertüäl^nt,  bafe 
feit  1852  ©J)ittler  nal^c  baran  loar,  auf  ber  ß^rifc^ona  eine  aKiffton«fc^ule  für  äbeff^nien 
ju  eröffnen. 

2)a  mu^te  e«  ju  einer  3lu«einanberfe§ung  fommen,  jumal  ingloifc^en  bie  Seitung 
ber  Sa«ler  -ÖJiffton  an  ben  3nf))eftor  ^ofenl^an«  übergegangen  toar,  eine  ^errfc^ematur,  36 
beren  e})oc^emac^enbe  Sebeulung  für  bie  Sa«ler  SKiffton  ^ier  nic^t  im  einzelnen  ge- 
iüürbigt  loerben  fann  (f.  barüber  SBomemann,  a.  a.  D.  ©.  186—212).  3luq  mußten 
bie  mannigfad^en  ©c^toierigfeiten,  bie  gerabe  bamal«  auf  ber  93a«ler  9Kiffton  lafleten 
(bgl.  93ornemann  a.  a.  D.  ©.  U6f.),  jur  Älärung  unb  ©ntfc^eibung  brängen.  3Ba« 
ba«  3Jliffion«Iomitee  unter  gü^rung  \)on  ß^rift  unb  ^ofen^an«  bamal«  l^erlangte  unb  40 
eneid^te,  bamit  bie  ßl^rifc^ona  nid^t  ber  SBa«ler  3Kiffion  gefäl^rlid^  toerben  fönne,  ift 
bereit«  oben  bargefteltt  tüorbcn.  6«  toar  lein  angenel^mer,  aber  ein  burc^au«  notloenbiger 
©c^ritt,  um  fo  mel^r,  ba  ©})ittler  felbft  SJlitglieb  be«  93a«ler  3Kiffton«fomitee«  toar. 

©jjittler  l^at,  tüietool^l  bie  SBunbe  fc^merjte,  unb  er  fic^  eine  S^t  lang  j)erfönlic^ 
jurüdf^ielt,  bod^  aud^  bamal«  bie  ©orgen  unb  Seiben  ber  Sa«ler  5Wiffton  mitgetragen,  40 
ba«  bamal«  faft  aufgegebene  ,,^iffton«magajin"  burc^  fein  (Eintreten  gerettet  unb  bi« 
an  fein  (gnbe  bie  Sa«ler  ^Jliffton  unterftü|t  unb  ge^jftegt.  3)en  TOittel})unft  ber  bon 
i^m  ge))lanten  3lbeff^nifd^en  SWiffton  tüufete  er,  tüie  jc^on  erloäbnt,  im  ßinberftänbni« 
mit  GJobat  nac^  ^erufalem  iu  berlegen.  Slber  erft  ber  englifdp-abefJvnifd^e  Ärieg  ^at 
fur;\  \)ox  ©})ittler«  2;obe  bie  URöglid^Ieit  eine«  erneuten  Äonffilt«  jtüifd^en  i^m  unb  bem  60 
93a«ler  3Wiffion«!omitee  enbgiltig  beseitigt,  ©olc^e  SWeibunaen  jtpifd^en  9Kännem,  bie 
fc^liejlic^  biejelben  ^öd^ften  3^^*^  »erfolgen,  fmb  menfd^lic^  begreiflid^  unb  gefc^id^tlid^ 
nottüenbig.  ß«  toärc  Unrecht,  um  fol^er  ßnttDidfelungen  toitten  ©})ittler  nid^t  mit 
unter  bie  erften  unb  tl^atfräftigften  görberer  be«  93a«ler  uRiffion«n)erI«  gu  jäl^len. 

9B.  93ornemanit.     56 

(SpiMtt,  fiubtüig  3:imot^eu«,  geft.  1810.  —  3)ic  üon  Spittler«  (Sc^roicflcrfoftn 
^arl  t»oii  5Sfid)ler=@pittIei  bei  bcr(Sbitiou  feiner  f «mtlicften 3Ser!e (6tuttg.  u.Xiib.  1827—37, 
15  93be)  in  ^lu^fic^t  gefteHtc  ®iograp()ic  ncbft  STuötua^l  au«  feinen  wiefcn  ift  nidit  cr= 
fc^icnen.    3^'ci  vertraute  greunbe  ©pittler«:  ^lanrf  (in  ber  5.  ?lufl.  ber  @pittlcrfd)en  TO  u. 


678  ^pxMtt,  2.  3:. 

fcparat  1812)  unb  ^Uflo  (diuilift.  aKogoam  III,  482)  unb  jtpei  feiner  ©cftülcr:  ^eren  (Sio^ 
arop^.  unb  littcror.  3)ennd)viflcn,  ©crfe  VI,  515  ff.)  unb  «Boltmonn  (Scitgenoffen  I,  ^rte 
XII,  311  ff.)  l^ahm  (S^araftcriftifcn  \)on  t^m  gegeben.  99ei  ^ieufel,  ^iftor.  literür.  llntn^ 
l&Qltung,  Coburg  1818,  finben  fi(ö  ©riefe  uon  (Spittler.    3)Q\)ib  gviebr.  Strauß,  ^ieitie  Schriften 

6  1862,  @.  68 ff.;  ®.  mij,  ©öttinger  ^rofefforen,  ®ot6a  1872,  @.  245 ff.;  ^ütter^eaalfeto. 
ÖJött.  ®el.  ®eic5.  II.  III;  l&ier  SJeraeit^mffe  ber  @(f)riften  (SpittlerS;  ©aur,  ©pocftcn  ber  fi@= 
fcftreibung,  @.  162 ff.;  SRof^er,  ®cf(f|.  ber  Sf^ationalofonomie  6.  614 ff.;  gr.  3E.  d.  »enelc, 
®ef*.  ber  beutfc^en  C^iftoriograpl^ie  (ÖJefd).  b.  SBiff.  in  3)eutfd)Ianb,  ©b  20),  «Küncfi.  u.  Spj. 
1885,  @.  872  ff.  unb  Slb©  35,  212  ff.  (1893).     (Sjcerpte   auS   ben  Oöttinger  ©uratorialaften 

10  unb  htn  Hinweis  auf  ^untbolbt  (f.  u.)  uerbonfe  idi  ber  ®üte  beS  ^erm  ©c^citnrat«  ^rof. 
5ren«borff. 

©>)ittler  ift  c«,  fo  urteilt  ®.  2Bat$  ©.  245,  „bem  unter  ben  Oöttinger  ^iflcmfeni 
tpol^I  unbeftritten  ber  erfte  $Iaft  gebül^rt".  @r  tpurbe  ben  11.  Sloioember  1752  ju 
Stuttgart  geboren,    ©ein  SSater  toar  ^atoh  griebric^  @p.,  bamate  ^iafonud  an  ba 

16  ©tift«Iirc^e,  geft.  1780  atö  Äonftftorialrat  unb  3lbt  t)on  ßerrcnalb;  feine  ÜRutter  eine 
geb.  95ilfinger.  ^olgenreid^  tüurbc  für  il^n,  bafe  er  feine  Sßorbilbung  ntc^t  auf  einer  b« 
SBürttemberger  Älofterfd^ulen  erhielt,  fonbem  auf  bem  ©tuttgarter  ®^mnaftum.  ^ici 
touitz  x^n  ber  bamalige  Sleltor,  nachmalige  ^Prälat  aSoIj,  ber  au^ejeic^nete  erforfi« 
ber  SIBürttembergcr  ©efc^ic^te,  für  ^iftorifd^e^  DueHenftubium  ju  beaeiftem^    fo  ha%  int 

20  Pancf  erjä^It,  man  ben  IGjä^rigen  ^ünglin^  in  feinen  ©r^olung^ttunben  ^olianten  cjs 
cer^)ieren  fa^,  beren  bloßer  SKnblicf  manche  fetner  gleid^altrigen  ^eunbe  erf^redfte.  SSit 
biefcm  ^iftorifd^en  berbanb  ftc^  bei  ©j).  fc^on  t)on  änbeginn  ein  ^Jtalttfc^s^jatriotift^e* 
3nteref|e.  ©eine  S^ßenb  fiel  in  bie  3^^*  be^Äamj)fe«  ber  tüürttembergifc^en  2anbflänbe 
mit  bem  §erjog  Äarl;  afö  Änabe  bema^m  er  \)on  ber  ©efangenfe^ung  eine^3.3.5D?of« 

26  unb  f)tmaaf  eine«  §uber.  SQ3iberh)iHen  gegen  ^ürftentüiHIür,  Sinn  für  ^et^ett  unb  ®e: 
meintüo^I  ift  il^m  baburc^  frü^  ju  eigen  getüorben.  Qum  ©tubium  ber  ^t^eologie  W 
er  „fic^  bielleic^t  Weniger  felbft  beftimmt,  al«  burc^  bieUmftänbe  beftimmen  laffen".  ^m 
©tift  ju  Tübingen  1771—1775  tüibmetc  er  junäd^ft  befonberg  ber  ^^iIofo})^ie  eiit- 
bringenbe  Sefc^äftigung.  3)ie  Il^eologic  ftubterte  er  ^iftorifc^,  machte  fic^  mit  ben  Sixd^ 

80  Dätem,  felbft  mit  ©d^olaftifem  bdannt,  unb  em^jfing  beftimmenbc  Sintotrfungen  bon 
©emierg  unb  Seffing^  ©d^riften.  3n  feiner  2)iffertation  De  spurio  usu  paedagogico 
religionis  naturalis,  S^übingen  1775,  l^erteibigte  er  ba«  ^iftorifc^e  ßl^riftentum  gegen 
SBafebotü«  Slntoreifung  ber  natürlid^en  SRcIigion.  Sei  fetner  5Dlagifterreife  1776 — 77  ber= 
toeiltc  er  in  ßJöttingen,  fc^on  jubor  einige  SBoc^en  in  SBoIfenbüttel ;  Seffing  emt>fa^l  am 

85  25.  3lj)ril  1777  ben  „ebenfo  geleierten  al«  befd^eibencn  SJJann"  feinem  ©ruber  in  Scrlm 
(Dgl.  ©p.«  Srief  bei  (Su^rauer,  Sefftng  II,  2,  301),  trenn  fd^on  ol^ne  gu  a^nen,  ,,boi 
biefcr  3Bagifter  c«  \vax,  auf  ben  Don  ber  @igentümlic^!cit  feine«  Seifte«  \\d}  mebr  üü 
auf  irgcnb  einen  feiner  jungem  3^i^9C"c>ffc"  übertragen  foHte"  (©traufe  ©.  69).  91^ 
2:übingcr  9let)etent   (bon  1777—1779)   ebierte  @p.   feine   „Äritifd^c  Unterfuc^ung  bd 

40  60.  Saobicäifd^en  ßanon«"  (S3remen  1777),  3lbl^anblungen  „über  bie  farbicenfifcben 
©c^Iüffe",  „über  ben  tüal^ren  SSerfaffer  ber  angilramntfd^en  Äa^itel"  u.  f.  h>.,  befonbm 
aber  (anon^im)  feine  „(Sefd^ic^te  bc«  fanontfc^en  SledE^t«  bi«  auf  bie  ^cxUn  be«  falfcben 
J^ftbor«"  (§alle  1778;  mit  3"fä^cn  bc«  35erf.  unb  Fragmenten  einer  gortfe^ung  in  bot 
fämtl.  SBcrfen  I),   „treidle   gleichermaßen  feine  ausgebreitete  ©elel^rfamfcit,  feine  fritifth 

45  ©J)ürfraft,  h)te  feine  J^eDe,  allem  ^faffentrug  unb  §ierarc^entum  feinblid^c  JDcnfart  bc^ 
funbete"  (©trau^  ©.  76  f.).  3luf  fte  ^in  n^urbe  er  fdE^on  1779  al«  orbentlit^er  i^tü-- 
fcffor  in  bte  >)biIof o>)ietfc^e  ^afultät  ju  ©öttingen  berufen ;  er  foHte  mhm  SB.  gr.  SSklcfi 
Äird^cns  unb  ^ogmcngcfd^i^te  lefen  unb  bcmac^  in  bie  tl^eologifc^e  gafultät  aufrücfcn. 
@inc  gruc^t  biefer  ä5orlefungcn  ift  fein  „©runbrig  ber  ©efd^id^te  ber  c^riftlic^en  Äirt^e", 

50  ©öttingen  1782  (tüenig  ijeränbert  1785,  1791,  1806;  bie  5.  äufl.  beforgte  1812  ©.3. 
^landE;  nac^  ber  4.  aufl.  in  ben  fämtl.  SBerfen  Sb  II).  2)a«  SBerf  foHte  „für  eigene 
Seftüre  nic^t  ganj  unintereffant"  fein  unb  boc^  ^ugleidE^  Sorlefungen  jur  ©runblage  bienen. 
3!)a^er  lieg  ©p.  alle«  „bloß  ©ele^rte",  aud^  alle  Gitate,  toeg,  ftellte,  „bie  Jjragmatifc^cn 
§auj)tt)untte  furj  ;ufammen"   unb   fuc^te  bem  Sefer  einen  rtd^tigen  Überblicf  über  „ba^ 

55  „©arue  unb  ba«  SBerBältni«  aller  etnjclnen  2!eile"  ju  Vermitteln,  ©in  beeren  bejeit^net 
bie«  aSJerf  al«  „bie  n^al^re  Slüte  feine«  ©eifte«"  (©.  520);  §erber  erblicft  ^ier  „aud^  in 
ben  flctnftcn  3"9<^"  ein  teid^e«  ©emälbe  üoll  ©ele^rfamfeit  unb  feinen  Urteil«"  (Sriefe 
über  ba«  ©tubium  ber  2:i^eologie  IV,  48);  ©d^elling  ^ält  il^n  nod^  1846  (SSortDort  ^u 
©teffen«  ©.  XXI)  für  an  jjolitifd^em  ©c^arfftnn  no^  „Don  feinem  beutfc^en  ©efc^ie^le^ 

60  forfc^er  übertroffen".  TOinber  günftig  urteilt  Säur,  Qpod)m  ber  fird^I.  ©efe^id^tfc^reibung 
©.  162  ff.    §afe,  fiird^cngcfc^.  auf  ber  ©runblage  afab.SJorlef.I",  42,  finbet,  ©}).,  „mi}t 


epitütr,  2.  %.  679 

eben  be«  l^eiliflen  ©elfte«  t)oH,  aber  ein  fleiftoollet  3Jlann",  l^ab^  „tpentfler  bte  Segeben« 
Ijjeiten  al«  fein  Urteil  über  biefelben  bargäegt,  aber  burc^  bie  Slirötoal^I  be«  9le})räfentas 
tiben  bie  ©jji^en  ber  (Srei^niffe  unb  ^erfönlic^Ieiten,  baburc^  im  deinen  Staume  eine 
reiche  ©efc^id^te",  bie  freiließ  baö  Slelifliöfe  ate  siebenfache  be^anbelte.  3*^M^  ^^^ 
l^fier  auf  ®runb  grünblic^er  @ac^!enntnid  in  lü^nem  3Burf  unb  in  Incipptt  ^orm  aud  6 
einem  ®u^  eine  ©arftettung  ber  Äirc^engefc^id^te  flegeben,  bie  baö  g^^^^^ff^  ^"^  i^*>^ 
©ebilbeten  beanf>)ru(^en  burfte.  ^f)x  toie  allen  SBerlen  ®pÄ  ift  eigen  „ba«  Streben  unb 
ba«  entfc^icbene  3:alent,  baö  SBefentlic^e,  toirllid^  93ebeutenbe  in  ber  ®efcl(^i(^te  . . .  ju 
erfaffen  unb  pxäii^  in  anf)9rec^enber  ^orm  l^injufteQen,  gugleic^  ben  3ufammenbang,  tpie 
man  bamal«  ^em  fagte  ben  i^ragmattfc^en  R^f^^nmen^n^,  b.  ^.  bie  äußere  SSerlettung  lo 
ber  Gegebenheiten,  »u  erlennen  unb  jurSlnwauuna  gu  bnngen"  (SIBaife  ©.246).  ^nnige 
SSefanntfc^aft  mit  ben  Duetten,  Seicptigfeit  unb  ©etoanbtbeit  im  9luftajfen  ber  ^aujjts 
})unlte,  lebenbige  ?pi^antafte,  feine  aWenfc^enlenntniö,  ©elbftftänbigfeit  be«  Urteil«  treten 
überatt  entgegen.  Bp,  toitt  (Srnft  machen  mit  ber  Definition  ber  ©efc^ic^te,  baft  fie  fei 
„bie  SBifJenfd^aft  bon  ber  (gntfte^un^gart  ber  ©egentoart".  311«  ©o^n  ber  Slufuärung«^  i5 
geit  f ül^rt  er  bobei  freiließ  bie  (Sreigniffe  jurücf  auf  guföttige  Umftänbe  unb  bie  ^anbelnben 
^erf önlic^Ieiten ;  „jufättig"  ift  j.9.  ber  arianif(^e©treit  entftanben  (©.  115);  ein  S5erfucl(^, 
bie  Sebeutung  ber  SWeformation  Ilar  ju  ftetten,  toirb  nic^t  gemacht.  SBer  au«  ber  ®e» 
fc^ic^te  „ni(^t  blofe  gelelj^rt,  fonbem  and)  toeife"  toerben  tooffe,  für  ben  fei  „c«  ba«  ^m» 
tiefte  ©c^aufl)iel,  auf  bie  ©nttoidtelungen  be«  menfc^Iic^en  ©eifte«  ju  merlen,  toieao 
fic^  biefer  im  Ser^öltni«  auf  feine  toic^tigfte  Slngelegenl^eit  burc^  bie  mäc^tigften 
©trebungen  unb  unglaublic^ften  SSerloirrungen  gebilbet  ^t" ;  benn  too  l^aben  ftc^  bie 
,,?IRifc^ungen  be«  Irrtum«  unb  be«  Safter«,  bie  . . .  ^Proben  be«  toec^feötoeifen  ginpluffe« 
be«  33erftanbe«  unb  $erjen«  beutlic^er  gezeigt  al«  in  ber  ©efc^ic^te  ber  c^riftlic^en  Äirc^e?" 
(@.  6  f.).  ^öge  ba^er  immerhin  bie  jtin^engefc^ic^te  gu  einem  langen  „ Alagelieb  über  26 
©(^lüäAe  unb  SSerberbtl^eit  be«  menfd^Iic^en  ©eifie«"  toerben,  bie  großen  gortfc^titte  ber 
?Dienfc^^eit  tieften  [\d)  boc^  nic^t  berlennen,  unb  bie  SBelt  ^abe  „nie  eine  folc^e  Slebolu« 
tion  erfal^ren,  bie  in  i^ren  erften  SSeranlaffungen  fo  unfc^einbar,  in  i^ren  legten  au«« 
gebreitetften  golgen  fo  l^öc^ft  merftoürbig  toar,  al«  biejenige,  toeld^e  ein  bor  1800  ^a\)xm 
geborener  3ube,  Flamen«  ?i^u«,  in  toenigen  ^aüfim  feine«  Sebcn«  mad^te".  3^^^/  „toorin  so 
bie  Se^re  beftanben,  tocldje  feine  ©d&ülcr  ber  SBelt  berlünbigen  fottten,  barüber  ftreitet 
man  fi^  nun  balb  18  Sa^r^unberte,  unb  au<^  l[feutjutage  finb  bie  il^eologen  bei  ber 
äSerteibigun^  ber  d^riftlic^en  9leligion  gegen  ben  9{aturali«mu«  nic^t  einmal  barüber  einig, 
toa«  eigentlich  Derteibigt  toerben  fotte"  (©.  569).  Slber  ®p,  ertoartet,  bafe  in  ber  Jjro« 
teftantifc^en  Äirc^e  innerhalb  ber  näc^ften  jtoanjig  bi«  breifti^  3^^^^  ^'^  Slufllärung«^  86 
t^eologcn  überatt  in  ben  Äonftftorien  ftften  unb  ba«,  Ipa«  bt«^er  nur  SBunf<^  fd^üA* 
temer  SBeifen  toar,  jur  attgemeinen  3lu«übung  bringen,  unb  baft  and)  bie  fat^olifcpe 
Äirc^e  infolge  be«  ©turje«  ber  S^witen  unb  ber  3:otalrebolution  be«  ganjeh  ©uroipa« 
enblic^  einmal  aufl^ören  toerbe,  })ä})ftlic^c  Äirc^e  ju  fein,  baft  balb  latJ^olifc^e  ßaien  unb 
^JJroteftanten  brüberlic^  jufammentoo^nen  toerben  unb  auc^  über  latboUfc^e  SSölIer  bie  ^ 
Slufllärung  fd^nett  toie  ein  fiid^t  fic^  berbreiten  tocrbe  (ebb.),  ß^arafteriftifc^  toie  biefer 
änfang  unb  ©d^luft  ber  Bp.\d)m  Äirc^engefc^ic^te  ift  and)  il^re  (Einteilung,  bie  d^rono« 
logifd^c  fotoo^l  al«  bie  fac^lic^e;    in  erfterer  95ejie^ung  unterfc^eibet  er  fed^«  ^erioben: 

1.  bie  ^tiim  ber  Unterbrücfung  unb  ba^er  manchmal  frommer  SK^ti^ologie  bi«  325, 

2.  bie  3^i^  ^^  tl^eologifd^en  ©treitigleiten  bi«  auf  „TOul^ammeb,  ben  ©c^tpärmer  bon  ^ 
3JleIIa",  3.  bi«  auf  ©rcgor  VII.,  4.  bi«  Sutl^er,  5.  bi«  gur©tiftung  ber  Uniberfttät,^atte 
1694,  6.  bon  ba  an  (ober  bielmcl^r  bon  ß^riftian  Il^^omafiu«  an,  „bem3Jlann,  ber  unfere 
Äird^e  au«  tiefem  Schlafe  toecfen  muftte").    3"'^^^'^^''^  i^^^  $eriobe  unterfc^eibet  er  brei 

Sau^jtabfc^nitte:  ©efc^id^te  ber  2lu«breitung,  ©efc^id^te  ber  Äirc^e  al«  ©efettfc^aft,  i^re 
»efd^id^te  al«  religtöfer  ©efettfc^aft,  unter  toeld^er  getoiffe  Se^rmeinungen  gangbar  ftnb.  w 
Sieben  ber  Äirc^engeft^ic^te,  „al«  eine  geiftrcic^e,  toeltlic^e  unb  toeltpiftorifc^e  SReflejion 
über  bie  Äirc^engefc^ic^te  in  geloiffem  ©innc  ^cute  noc^  unübertroffen",  unb  ben  f^on 
genannten  ©d^riften  lommen  al«  lirc^en^iftorifc^e  arbeiten  noc^  in  Setrac^t  bie  De  usu 
textus  Alexandrini  apud  Josephum  (®ött.  1779),  ©efc^.  be«  Äeld^«  im  2lbenb- 
mal^l  (Semgo  1780),  Historia  critica  chronic!  Eusebiani  (1784),  Sonebe  juSBalc^» 
©efc^id^tc  ber  Äejereien  93b  XI,  1785,  Jfunbamentalartifcl  ber  beutfd^en  lat^ol.  Äirc^e 
1787,  Über  bie  3lccet)tation  ber  SBa«ler  ©d^lüff e  1789,  ©encralDerfammlung  ber  to«Iane= 
fifc^en  93ifc^öfe  1787,  ©efc^.  ber  f^janifd^cn  Snguifition  1788,  ©efc^.  unb  SJerfaffung  be« 
3efuitenorben«  1793,  3}on  ber  ehemaligen  3in«barlcit  ber  norbifc^en  Sleic^e  an  ben  römi^ 
\d)tn  Btn\)l  1797,  unb  eineJlci^e  bon  SRecenftonen  t^cologifc^en  ober  lird^engefc^tc^tlic^en  *^ 


680  6)iUiIer,  S.  %. 

3jn^aUc^  (attc«  flefammdt  in  SBb  VIII— X  ber  SBerIc);  ferner  feine  ,,SorIefungen  über 
bie  ©cfd^td^te  be«  Strc^enred^tö"  (SBerle  X,  163—337).  ©einer  na^  ®e^alt  unb  %om 
nic^t  red^t  toürbig  ftnb  lirc^enflefc^ic^tlic^e  SJorlefunflen  au«  feiner  frül^eren  ^tit,  md) 
feinem  %oh  aug  9lac^fcl^rif ten  l^erau^gegeben :  j.  33.  über  bie  Oefc^ic^te  be«  ?Paj)fttuni«  (^erau^ 

5  gegeben  t)on  ©urlitt  unb  ÜRüIIer  in  $amb.  ©c^ulj)ro0r.  1822—28,  bann  t>on  ^ulu^, 
§eibelb.  1826;  jule^t  SBerle  IX);  über  bie  ©ef^ic^te  ber  §ierard{iie  bon  (Sregor  VII. 
big  jur  SWef ormation ;  über  bie  ©efc^ic^te  ber  aJlönc^^orben  (Sßerfe  X).  2)ie  S^arfteHung 
ift,  lüie  ©traufe  fagt  (©.  120),  mel^r  mit  9lifoIai«  ate  Seffing«  Sendete  erl^elll  unb  giebt 
fein  93ilb  t)on  Bp.^  (Seifte^art;   3)inge,  toie  bie  3Serh)e(^«lung  beö  ägVJjtifc^en  antoniu^ 

10  mit  Slntoniu«  Don  $abua  f ommen  natürlid^  auf  SRec^nung  ber  ^lac^fc^reiber  ober  §erau«= 
geber. 

©)).«  ©runbrife  ber  Äirc^engefc^ic^te  bebeutete  juglei(^  feinen  Slbfc^icb  Don  ber 
Äirc^engefc^ic^te.  ©eitl782  begann  er  allgemein  gefc^ic^tlic^e  SScrlefungen  ju  galten.  Unb 
aU  3&ald)  1784  geftorben  unb  ©)).«  Sanbgmann  unb  greunb  ®.  3-  $Iancf  bcflen  ^}la(^?= 

16  folger  getoorben  toar,  überlieg  Bp.  biefem  ba«  %ai)  ber  Äirc^engefqid^te  ganj  unb  ging 
Döuig  jur  politifc^en  ©efc^ic^te  über,  obgleich  er  auf  biefem  ©ebiete  an  feinen  bret 
ÄoHegen  ^ßütter,  ©atterer  unb  ©c^löjer  mäd^tige  Äonrurrenten  l^atte.  ©r  la^  je^t  (Sc^ 
f(^ic^te  ber  ©riechen  unb  9iömer,  eurobäifc^e  ©taatengefd^ic^te,  beutfd^e  9tei(^efc^ic^tc, 
aUgemeine  äBeltgefc^id^te  k.,  jule^t  auc^  $oliti{;    baneben  ^ublila  über  ©efc^ic^te  ber 

20  Äreujjüge  k.  9lad^  Übertoinbung  einiger  ©d^toierigleiten  toar  er  ber  Äunft  be«  SSortrage^ 
ganj  ^en  getüorben ;  er  ^pxai)  ganj  frei  (nur  mit  einigen  9?otijen  auf  einem  Slättc^en), 
im  2;one  ber  eblen  lebenbigen  —  Don  Beurteilung  burc^floc^tenen  —  ©rjöl^Iung,  am 
jiel^enb,  feffelnb,  boc^  o^ne  Deflamation.  3HIe  feine  Rnl^öxtx  finb  feine«  Sobe«  DoH; 
felbft  ©d^Ioffer  tonnte  ftd^   feine«  ©inbrudf«  nic^t  ertoe^ren.    3)er  „llniDcrfttät«bereifer'' 

26  Sriebr.  ©ebife  (Dgl.  SR.  gefter  in  ©teinl^aufen«  ärc^iD  für  Äulturgefc^.,  1.  ©rgänjuna^ 
§eft,  Serlin  1905,  ©.  24)  rü^mt  feinen  großen  SBeifall  unb  erflärt  feinen  Vortrag  für 
„lid^tDoH  unb  angenehm.  Sefonber«  toeig  er  bie  ^\if)'6xtt  burc^  feine  eingeftrcuten 
feinen  5RefIetionen  über  33egebenl^eiten  unb  ß^araltere  ju  intereffieren.  ©ein  Slu«brudE  ift 
fe^r  getoä^lt  unb  faft  für  ben   münblic^en  Vortrag  ju   gut".    Unb  Sllej.  D.  ^umbolbt 

30  (^ugenbbriefe  älej.  D.  ^umbolbt«  an  2Ö.  ®.  SBegener,  l^r«geg.  Don  31.  Sei^mann,  Seijjj.  1896, 
©.  68),  ber  bei  i^m  neuefte  ©efd^id^te  ^örte,  bemerft:  „ein  feiner  Äojjf,  mit  einem  t>räc^tigcn 
SBortrage,  ber  für  bie  metftenTOenfd^enba«3j^^^I  ber  l^öc^ften  Serebfamleit  ift.  ©eine  am 
einanbericttung  i)er  Segebenl^eiten  ift  meifter^aft".  Bp,  liebte  e«,  fid^  furj  au«^ubrücfen, 
manche«  mel^r  an|\ubeuten  al«  au^jufü^ren.    3luc^  feine  litterarifc^en  arbeiten  belegten  ]x& 

36  ie|t  faft  au«fc^Iic^Iic^  auf  bem  ©ebict  ber  })oIitifc^en  ©ejd^ic^te,  ber  ^ßolitil  unb  ©tattjtif: 
fo  feine  ©efd^ic^te  Don  SBürttemberg  1783,  Don  ^annoDer  1786,  fein  ©nttourf  ber  ©efc^icfcte 
ber  eurojjäifc^en  ©taaten  (auger  Deutfd^Ianb  unb  Öfterreic^)  1793,  biefe  le^terc  Don 
D.  SBegcIe  al«  feine  bebcutenbfte  ©^rift  bejeic^nct  (®efd^.  b.  b.  ^iftoriogr.  ©.  884).  gp. 
be^errfd^t  l^ier  DoUftänbig  bie  DucUen  unb  Sitteratur;  „mit  beneiben^toertem  2:afte  toetB 

40  er  überaH  bie  entfd[)eibenben  TOomente  J^erau^j^ufinben  unb  in  toenigen  SBorten  beutlicb 
ju  mad^en"  (SBegele  ebb.).  SBie  in  allen  feinen  ^iftorifc^en  gorfc^ungen,  fo  ift  aud»  bicr 
©p.«  Slidf  Dorne^mlidE^  auf  bie  ®efd^i(^te  ber  SSerfaffung,  ber  SSertoaltung,  be«  ©ericbte^ 
toefcn«,  ber  ^inanjen  geridi^tet.  ©eine  3Jlct^obe  ift  ^ier  nic^t  m^f^x  bie  „pragmatif(^e", 
fonbem  bie  Segebenl^eiten  treu  ju  erjäl^Ien  erlennt   er  je^t  al«  bie  aufgäbe  be«  ^ifto- 

45  rifer«.  ^m  ©til  ift  ba«  SSorbilb  Seffmg«  unDerfennbar.  ©J).«  Heine  Sluffä^e,  in  fnapticr, 
bünbigcr  gorm  gehalten,  fmb  toieber^olt  al«  „toal^re  perlen  ber  geiftreid^en  33e^anblung, 
feiner  ß^arafteriftif,  feffeinber  Äunft  ber  ßr^ä^Iung"  (D.  Sßegele  881)  beurteilt  toorbcn, 
bcfonbcr«  feine  ©efc^id^te  ber  bänifd^en  5ReDolution  Don  1660  al«  „eine  l^iftorifc^e  ^Rono* 
gra>?Bic,  toie  bie  J)olitifc^e  ©cfc^id^tfd^reibung  ber3cit  eine  äl^nlid^e  nic^t  aufjutoeifen  ^t" 

50  (ebb.  883).  3"^  3lu«fü^rung  feiner  £iebltng«ibec,  bie  ®efdE^ic^te  ber  legten  brei  3^^^' 
l^unberte,  bie  er  gern  in  feinen  2?orlefungen  bel^anbelte,  eingel^cnb  barjufteHen,  ift  er  nid^t 
gefommen.  ©eine  j^al;lreicf)cn  3lecenfioncn  befunben  ebenfo  ben  „toeiten  ®efic^t«Jrei^ 
feiner  toiffenjd^aftlid^en  gntercffcn"  unb  „bie  ftctc  Sereitf(^aft  feiner  ^enntniffe",  toie  jcin 
3:alent,  ftet«  ba«  SBefentlidf^e  ber  ©ac^c  ^u  erfaffen. 

65  3"  ®öttingcn  toar  Bp,  balb  eine  ber  angefcbenften  ^erfönlic^feiten  ber  UniDerfität. 
ßin  glänjenbe«  ®e^alt  f)aiU  er  nic^t;  ^u  ben  anfänglichen  300  XM^ni  erhielt  er  1782, 
1791  unb  1792  an  8efoIbung«juIagcn  200,  100  unb  200  2:aler  (Äuratorialaften),  1788 
tourbc  i^m  ber  6{;araftcr  al«  ^ofrat  erteilt,  1794  rücfte  er  in  bie  erlebigte  gahiltäte^ 
ftellc  ein;   2)efan  unb  Stcftor   ift   er  nie  getoefen.    2)afe  ber  Äönig  il^m  abgeneigt  irar, 

60  bceinträdjitigte  feine  ©tcUung   aud)   in  ^annoDcr  nic^t   (§ugo  ©.  508  f.).    ©ie  $rin^en 


^piMtr,  S.  7.  @)iontiired||t  681 

aufgenommen,  hörten  i^n  faft  olle  ©tubenten.  (Sin  Ärei«  t)on  ©c^ülem  fammelte  fw^ 
um  tl^n;  ^lancf  unb  §uflo,  ber  nur  feinettoegen  bem  Stuf  nad)  ©ötttnflen  folgte,  loarcn 
i^m  innig  befreunbet,  ber  le^tere  faft  abenblic^  fein  lifd^genoffe.  aber  troft  feine«  all^ 
feitiflen  (Srf olge«  lie^  i^n  feine  ^leigung  ju  })raftif(^em  SBirfen  nid^t  im  fie^rer^  unb  ®es 
ie^rtenberuf  öerl^^arren;  minber  beftimmenb  mar  tool^I  bie  t)on  i^m  felbft  au^ef})roc^ene  6 
(auc^  in  feinem  (gntlaffung^gefuc^  bom  12.  3)lärg  1797)  SBeforgni«,  einft  feiner  aufgäbe 
nic^t  mel^r  boll  getoac^fen  ju  fein  (toie  feiner  3^^  ©atterer  unb  ©c^Iöjer  il^re  gw^örer 
burdb  il^n  felbft  Verloren  Ratten).  2)ur(^  feinen  gteunb,  ben  einflufereid^en  3:^eoIogen 
a3.Äo})>)e  (1776—84  ^ßrof.  in  ©öttingen,  1788—91  Äonftftorialrat  in  §annober;  ©J).« 
aSorgänger  afö  SKeifter  t)om  ©tul^I  in  ber  ®ött.  Soge),  l^atte  er  Sejie^ungen  jju  ßannober  lo 
gewonnen;  aui}  eineSReife  nad^  ©übbeutfc^Ianb  unb  in  bie  ©d^tpeiii  1788  unb  feine  2lm 
ipefenl^eit  1790  in  fjranffurt  bei  ber  Äaiferma^I  Seojjolb«  II.  mag  il^m  aur  än!nü})fung 
t)on  SBerbinbungen  gebient  l^aben;  baju  lam  fein  gef})annteg  SSerl^ältni«  ju  ^e^ne. 
©0  entfd^Iofe  er  ftc^  1797  einem  SRuf  beö  §erjog«  g^iebrii  ®ugen  in  feine  tüürttem^ 
bcrgifc^e  Heimat  ate  ©e^eimrat  gu  folgen,  h)o  bamafe  eine  9(eugepaltung  ber  SBerJ^öItniffe  i6 
fid^  borgubereiten  fd^ien.  Rum  3Serl[fängnii^  für  Qp.  aber  toarb  l^ier  ber  balbige  %o\>  be« 
^ergog«.  SJenn  beffen  ©ol^n,  ber  getoalttl^ätige  nachmalige  Äurfürft  unb  Äönig  griebric^ 
(1798—1816),  tüoHte  bon  bem  „alten  guten  Siecht"  Württemberg«  nic^t«  me^r  l^ören, 
\a  er  befretierte  1805  mit  ätnna^me  ber  Äönigötpürbe  bie  3lufl^ebung  ber  3SerfafJung. 
©einer  Überzeugung  ift  ©>).  auc^  jefet  nxd^t  untreu  geworben,  aber  bertüirflic^en  !onnte2o 
er  feine  ©runbfä^e  nic^t.  2:l^eorettfc^  liberal,  aber  J)raltifd^  fonferbatib,  gch>altfamen 
9Ka^regeIn  abgeneigt,  aber  o^ne  bie  Energie  fu^  bem  emftlic^  p  toiberfeften,  toa«  er  nic^t 
^inbern  !onnte,  mufete  er  je^t  an  fic^  felbft  bie  SBal^r^eit  feine«  frühem  gelegentlichen 
3lu«fj)ruc^«  erfahren,  bafe  bie  SBerfc^ung  öom  Äatl^eber  in«  Äabinett  noc^  feiten  gut  ge* 
raten  fei.  3ln  äufeem  (Sprüngen  fehlte  e«  i^m  jtüar  nic^t:  er  h>urbe  1806  in  ben  grei:!26 
^ermftanb  erhoben,  jum  ©taat«minifter,  ^Präfibenten  ber  ©tubien^Dberbireltion  unb 
Äurator  ber  Uniberfität  3:übingen  ernannt.  Slber  fein  ©influfe  toar  gering,  unb  Slbel, 
©ro^freuj  unb  SueIIen;\  entfc^äbigten  il^n  nid^t  für  ba«  aufgegebene  ®Iüdf  feine«  ©öttinger 
SBirfen«  unter  treuen  greunben  unb  begeifterten  ©c^ülern.  6in  lang  anbauembe«  Seiben 
mad^te  fd^on  1810  feinem  Seben  ein  gnbc.  («Bagettmaiitt  t)  »onwetfc^.     so 

@)lo(ienre4t  —  Ou eilen:  2:^omaffinu«,  Vetus  et  nova  ecclesiastica  disciplina, 
Pars  m,  Üb.  II,  c.  51—57;  3citWrift  für  ^«lofop^ie  unb  fat^olifcfte  2:öcoIogie,  ^eft  23. 
24.  25;  ©ugcn^cim,  @taat«lcben  be«  Äleru«  im  ^nillclalter,  I,  @.  267  ff.,  S3crlin  1839; 
Aem.  Friedberg,  De  finium  inter  ecclesiam  et  civitatem  regundorum  iudicio  quid  medii 
aevi  doctores  et  leges  statuerint,  pag.  2208qq.,  Lipsiae  1861;  @c6effcr=$ioi(^orft,  3BaiJ,  36 
Sficfcr,  ©inger  aa.  unten  aa.  DD.;  gricbberg,  Seljrb.  h,m.,  5.  3lufl.,  Setpj.  1903,  §  179,  tuo 
au(ö  bie  neuefte  fiittcratur  angegeben  ift. 

Äeine  3led^t«materie  tvax  im  römifc^eit  SRec^te  mit  fo  ftarrer  Äonfequenj  au«gebilbet 
morben,  toie  bie  Seigre  bom  (Eigentum;  faft  o^ne  jebe  »efc^ränlung  foHte  bie  leblofe 
9latur  bem  menfd^lic^en  SBiUen  untert^an  fein,  ja  biefer  SBille  follte  über  bie  2)auer  be«  40 
Snbibibuum«  l^inau«  Äraft  l^aben,  ba«  ©c^idffal  ber  ®üter  ju  beftimmen,  fcHte  e«  regel« 
mäfeig  tl^un,  benn  bie  ^nteftaterbfolge  ift  nad^  römifd^er  3lnfc^auung«h)eife  eine  anomale 
(Srfd^einung. 

3)ie  Äird^e  lebte  nun  jtoar  auc^  nac^  römifc^em  Siecht  unb  l^ielt   bi«  in  bie  Seiten 
be«  f})äteren  aJlittelalter«  baran  feft  al«  an  einem  5paHabium,  ba«  fie  ben  (gintoirfungen  46 
ro^er  unb  barbarifd^er  Sölfer  entjog;    ^at  fie  aber  aui)  bie  Seigre  bom  ßigentum  über^ 
nommen  unb  auf  bie  Ürd^Iic^en  (Süter  angetoenbet? 

®«  ift  in  fjjäteren  Seiten  fc^erifd^en  ©eften  unb  ejtremen  SRid^tungen  gegenüber  bon 
ber  Äirc^e  ftanbl^aft  bel^aujjtet  toorben,  bafe  e«  i^r  erlaubt  fei,  toeltlic^e  ®üter  ju  befi^en, 
bafe  fie  auc^  l^ierin  nur  bem  a3eif))iele  i^re«  erl^abenen  ©tifter«  folge;  allein  e«  läfet  fic^  öo 
laum  beftreiten,  bafe  für  bie  älteren  Reiten  jene  bon  ben  SBalbenfern  fo  fc^arf  betonte 
Slrmut  anerlannte  a^^eoric  ber  Äirc^e  getpefen  ift. 

SBenigften«  foIIte  berStoedf  l^ter  ba«3Kittel  l^eiligen  unb  foHten  bie  öon  berÄirc^e  be* 
feffenen  ®üter,  um  mit  ben  SBätern  ^u  fj)rec^en,  nid^t«  fein,  al«  „bie  ©elübbe  ber  ©laubigen, 
ber  $rei«  ber  ©ünben,  ba«  SSermögen  ber  3lrmen".  „Quod  habet  ecdesia"  —  fagt  66 
Sulianu«  ^Pomeriu«  —  „cum  omnibus  nihil  habentibus  habet  commune"  (de 
vita  contempl.  üb.  2,  c.  9),  unb  bie  Älerifer,  jufriebcn,  nad^  bem  ^eiligen  ^ieron^mu« 
(ep.  ad  Nept.)  mit  9la^rung  unb  Äleibung,  foUten  bie  ®üter  ber  Äirc^e  ibren  3n)edfen 
gemäg  t)ertt}alten. 


682  epülxtttttdii 

SBenn  abtx  btefe  älnfc^auuna  felbft  auf  badSScrmdgen  ber  Säten  angetpenbet  tourbe 
unb  in  fpätmn  Seiten  au  bem  Wi^auc^e  fül^rte,  ba|  ben  ol[^ne  Seftament  aSerjtorbenen, 
b.  1^.  benen,  toel^e  ber  Kirche  nic^tö  öermac^t  l^atten,  afö  folc^en,  bie  in  i^ren  ©ünben 
bal^tnflefal^ren,  ba^  Seflräbniö  öertoeigert  tourbe  (öfli.  griebberg,  De  finium  int.  ecci. 
6  et  civ.  reg.  iud.  quid.  med.  aevi  doct.  et  leff.  etat.,  Lipsiae  1861,  p.  187),  um 
tDie  t)iel  mel^  mu^te  biefer  @tanb))unlt  bei  ben  ^lerilem  feftge^Iten  toerben! 

Unb  in  ber  2:l^at  betra^tete  fic^  bie  Äird^e  bon  jel^fer  afe  (Srbin  ber  Älerilcr,  trat 
flleic^fam  ate  3Rutter  bie  (grbfc^aft  i^rer  eigenften  Äinber,  ber  ^riefter,  aru 

fjreilic^  nac^  ben  älteren  Äirc^engefe^en  ift  bie  Sefugniö  ber  Äleriler,  über  i^  Ser^ 

10  mö^en  Ie^ttt)iIIig  )u  t)erfü0en,  nic^t  eingefd^röntt ;  ober  fc^on  frül^e  tüirb  ben  Stfc^öfen  bie 
^flw^t  auferlegt,  ju  teftteren,  unb  für  ftrafbar  erad^tet,  fatt«  fie  nic^t  ju  ®unften  bei 
Äirc^e  ober  öon  ^lutdberloanbten  ijerfügten,  unb  5p^eoboftu«  II.  f})ri(l^t  ber  Jttn|»e  ft^on 
alle«  Vermögen  gu,  über  toel(^e«  Äleriler  nic^t  teftiert  l^ätten,  alfo  für  toelc^e«  leine  ^n^ 
teftaterben  bor^nben   toären  (1-  1.  C.  Theod.  [5,  3]  Nov.  Just.  131,    c.  13  a.  6.). 

16  ®ie  leftierfreil^eit  tüurbe  bann  burc^  Suftinian  atterbing^  nur  für  bie  35if c^öf e  befc^ronft 
(1.  42,  §  2.  C  [1,  3]);  aber  nac^bem  bie  ?Pfrünbenberfaf[ung  fid^  auggebilbet  ^tte,  fonb 
eine  Sttu^bel^nung  biefer  SWec^tönormen  auf  aÖe  Senefijiaten  ftatt,  beren  pecuUum  bene- 
ficiale  bemgemäg  auf  aQe^älle  an  bieJtirc^e  faQen  foQte,  ba«  peculium  patrimoniale 
bagegen  nur,  faöd  fie  nic^t  teftiert  Ratten  —  ^tten  fie  ba«  get^an,  fo  mußten  fie  ber 

aoÄirdj^e  beftimmte  Quoten  l^interlaffen  — ,  ober  leine  ^^teftaterben  bejahen. 

Slbcr  freiließ  traten  bem  bon  ber  Äir^e  gelDünfcpten  Slefultate,  (Srbin  be«  Ilerilolcn 
Vermögen«  Hu  toerben,  ftarfe  ßinbemif|e  entgegen. 

3unäc^ft  toaren  e«  bie  Kleriler  felbft,  toelc^e  bie  lirc^lic^en  Seftintmungen  miß- 
achteten unb  o^ne  jebe  SRücffi^t  bie  ^interlaf|enf(^aft  berftorbener  ©tanbe^enoffen  an 

26  fid^  riffen. 

fjreilic^  follte,  ben  fanonifc^en  ©a^ungen  gemä^,  beim  lobe  eine«  Sifc^of«  ber  ber 
92ac^barbiö|iefe  bie  33ertoaItung  sede  vacante  übernehmen,  aber  felbft  toenn  biefer  fui) 
nic^t,  toaö  boc^  i^äufig  genug  gefc^ai^,  jum  SJlitfd^uIbtgen  machte,  fo  reichte  boc^  feine 
Slutorität  leineötoeg«  au«,  einen  unge^orfamen  iueru«,   ber  auf  alte  ?IRifebräuc^e  ate  auf 

ao  ipol^Iertoorbene  Siedete  po6)U,  im  göume  ju  galten. 

@o  fagt  fc^on  ba«  Jtongil  bon  Sl^alcebon  (a.  451):  ,,Noii  liceat  dericis  post 
mortem  episcopi  rapere  res  pertinentes  ad  eum"  (c.  42,  C.  XII,  qu.  2),  fo 
Ilagt  bie  ©^nobe  bon  ^l^\>a  (a.  424,  c.  16),  bafe  bie  Älerifer  „occumbente  sacer- 
dote  expectoratoque  affectu,  totaque  disciplinae   severitate  posthabita,  imma- 

86  niter  quae  in  domo  pontificali  reperiuntur  invadunt  et  abradunt",  unb  bae 
Concilium  Parisiense  (a.  614),  um  aU  Seleg  für  bie  allgemeine  Verbreitung  b» 
3Kifebraud^«  aud^  ein  franjöfifc^e«  Äcnjil  anjufül^ren,  f})rid^t  mit  bürren  SBorten  ou^: 
„Gomperimus  .  .  .  cupiditatis  instinctu,  deficiente  abbate  vel  presbytero,  vel 
bis,  qui  per  titulos  deserviunt,  praesidiuin  quodcunque  in  mortis  tempore  de- 

40  reliquerunt,  ab  episcopo  vel  archidiacono  diripi,  et  quasi  sub  augmento  ec- 
clesiae  vel  episcopi,  in  jure  episcopi  revocari,  et  ecclesiam  Dei  per  pravas 
cupiditates  exspoliatam  relinqui." 

aiber  felbft  bie  gro|e  3^^!  ber  biefe  großartigen  3Rißbräuc^e  berurteilenben  Äonjilien- 
fc^Iüffe  giebt  einen  Setoei«  ab,  toie  h>cntg  bie  geredeten  ^orberungen  ber  Äirc^e  ßrfüttung 

45  fanben ;  toenn  aud^  bie  ertoäl^nte  ©^nobc  t)on  ^l^ba  mit  ©rlommunifation  brol^te,  tocnn 
audE^  bie  bon  2^arragona  (a.  516,  c.  12)  bag  ©J)olienrec^t  ate  ®tebfta^I  bezeichnete,  ober 
bic^arifcr  bom^ö^re  614  ben  „necatores  pauperum",  tüie  fte  bie  ©})olianten  nannte, 
bie  Kommunion  entjog,  fo  l^alfen  boc^  biefe  ©trafen  ebenfo  toenig  toie  bie  bringenben  Qv- 
ma^nungen  gefruchtet  bitten. 

60  ©d^eute  boc^  ber  Äleru«  jur  2lu^fü^rung  feiner  berbrec^erifc^en  §anblungen  nicbt, 
ftd^  mit  Saien  in  93erbinbung  ju  fe^en  unb  bie  ©c^am  unb  ©d^anbe  fo  fel^r  au^er  äugen 
5u  laffen,  baß  er  nic^t  einmal  ben  Zot  ber  ju  SBeraubenben  abloartete;  „domos  eccle- 
siae"  —  l^et|t  e^  bon  ber  ©eiftlic^feit  ber  ©tabt  3)larfeiIIe  —  „apprehendunt,  mini- 
steria  describunt,  registoria  reservant,   promptuaria  exspoliant  omnesque  res 

66  ecclesiae  tamquam  si  jam  mortuus  esset  episcopus,  pervadunt"  (^omaffmud, 
Vet.  et  nov.  eccl.  diso,  pars  III,  lib.  II,  c.  52,  n.  6.).  ©elbft  in  9lom,  felbft  an 
bem  3^ac^Iaffe  bc^  ^apfte^  tourbe,  n^ie  ba^  Concilium  Romanum  t>om  gö^^^  901 
fagt,  bie  sclestissima  consuetudo  be^  ©polienred^te^  t)on  Saien  unb  Älerilcm  gc^ 
meinfam  au^^gcübt. 

60         auc^  bie  3)lafercgeln,  bie  Sari  ber  ©rofee  ^um  ©d^u^e  ber  balanten  Senefijien  traf, 


S)ioKtiired||t  683 

bic  aiborbnung  t)on  oeconomi  nir  SScrtoaltuna  bc^  Äird^möermöflcn«  brad^ten  ben  alten 
Übeln  leine  Slbl^ilfe,  ja  pnb  bieUetc^t  ate  Dueue  \>on  neuen  anjufe^en. 

(grft  ba«  Äaj)ttulare  Äarte  be«  Äal^^Ien  t)om  ^al}xt  844:  volumus  etiam  et  ex- 
presse  praecipimus,   quod   si  aliquis  episcopus  vel  abbas  aut  abbatissa  .  .  . 
obierit,  nullus  res  ecclesiasticas  aut  facultates  deripiat"  fc^eint  bon  nac^l^altigerem  ^ 
Srfolae  getoefen  m  fein. 

älbet  aui)  bie  Saien  berful^en  mit  ben  Herilalen  Serlaffenfcl^aften  nid^t  anber«. 
3toar,  fo  lange  bie  Äleriler  nad^  römifc^em  Siecht  lebten,  tpurbe  i^re  Seftierbefugni«  ftaat» 
lic^erfeit«  anerlannt,  ate  pe  aber  bem  Sanbedrec^t  unterworfen  tpurben,  tonnten  fte  ebenfo 
tocnig,  ober  nur  unter  benfelben  Sefd^ränlungen,  teftieren,  tpie  bie  Saien,  unb  e^  tourbc,  lo 
fatl«  fte  nic^t  leJttoiHig  beifügt  Ratten,  ii^r  Sflac^lafe  tpeber  ben  Sertoaubten  berabfolgt, 
noc^  bei  beren  ©rmangelung  ber  Äirc^e.  SSielmel^r  entnal^men  bie  ®runbl[^erren  ber  3Sor* 
munbfd^aft,  toel^e  fte  über  bie  an  i^ren  Äirc^en  anaeftettten  ®eiftli(^en  bean^ruc^ten, 
ober  bielleic^t  auc^  au«  il^em  Sigentume  an  ben  Äircpengebäuben,  für  fic^  bie  Sefugni«, 
ben  aJlobiliamac^lafe  il^^rer  ©eiftli^en  m  oRujjieren,  ebenfo  fj)äter  bie  Patrone  unb,  feit  i6 
^iebridb  I.  (fo  be^auj)tet  Otto  IV.,  Ürl.  bon  1198  bei  Sacomblet,  Urlb.  f.  ®efc^.  be« 
^Rieberr^ein«,  1,  392,  unb  ba«  ift  bon  SQSaift  in  gorfc^unaen  jur  beutfc^en  ®efc^.  XIII, 
494  ff.  auc^  gegenüber  bon  ©c^effer^SBoic^orft,  Äönig  ^ebric^«  I.  le^ter  Streit  mit  ber 
Äurie  [SBerlin  1861],  189  bargetl^an  toorben.    SIBerming^off,  ®ef(^.  b.  Äirc^enberfaffung 
2)eutfc^lanb«   im  SWittelalter  f^annober  19051   1,  186   fü^t   fc^on   einen JJatl   unter» 
^cinrid^  IV.  a.b. 3-  1072  an),  bie  beutfc^en  Äönige  bejügli(^  ber  SSifc^öfe.  STuf  toelc^en 
^ec^t^grunb  l^in  biefe  le^teren  bie«  fogen.  ©))olienred^t  beanf})ruc^ten,  ift  nic^t  beutlic^ 
nachweisbar.  9lur  Wirb  man  bie  Vermutung  bon  gidfer,  ßigent^.  be«  SWeid^  am  Sleic^«« 
Ürc^engut,   SBien    1873,    §  39,   Welchem  SBerming^off   beijuj)flid^tett  fc^eint,  bafe  l^ier 
eine  Äonfequenj  be«  3leid^«eigentum«  am  9leic^«firc^engut  bortiege,  um  fo  Weniger  aner*  26 
lennen  lönnen,  al«  bie SBel[^au})tung  eine«  folc^en  Sleid^eigcntum«  feine  erWiefene  ift;  unb 
ebenfo  wenig  lönnen  bie  ÄonftruftionSberfuc^e  bon  3Ra\)tx  unb  ©tu$  genügen.  3)enn  Wenn 
ber  le^tere  ben  llrfj)rung  be«  ©j)olienrec^t«  im  gigenürc^entum  erblidrt,  fo  tritt  boc^  jene« 
!eine«weg«  blofe  in  35eutfc^tanb  auf,  unb  ift  aud^  an  bem  }3äj)ftlid^en  9iad^taffe  ausgeübt 
Worben.    2lud^  Wäre  e«  unerllärlid^,  bafe  ba«  9lec^t«inftitut  erft  in  einer  ^Ät  jur  ©nt^  so 
faltung  gelangt  Wäre,  Wo  ber  @igen!ird^engebanle  längft  berbla^t  War. 

SÄtterbing«  l^at  ^'^«t^rid^  I.  felbft  alle  mit  l^o^en  ©trafen  bebrol^t.  Welche  bie  2;eftiers 
frei^eit  ber  ®i^ciftlic^en  berlümmem  Würben  (a.  1165  f.  bei  ^3^  Monum.  Germ.  IV, 
38;  bgl.  a.  1173,  ebenbaf.  IV,  142),  aber  Weber  er  noc^  feine  ylad^folger,  bie  beftänbig 
auf«  neue  bem  ©Jjolienred^t  entfagten  (bgl.  griebberg  a.  a.  D.  ©.  224,  9lote  5),  leierten  36 
ftc^  an  bie  eigenen  ®efe^e  unb  SSerfl^rec^ungen,  unb  e«  ma^t  einen  eigentümlichen  ©in* 
brudf,  SubWtg  ben  Saiem  au«  „besunder  gnad"  für  einzelne  Melanien  einem  SRcc^te 
entfagen  ju  fe^en,  bem  er  al«  Kaifer  unb  £anbe«fürft  fd^on  bielfac^  unb  längft  entfagt 
f)aiU.  —  aber  felbft  al«  bie  3^aten  ber  Äaifcr  i^ren  SBorten  enblic^  entfj)rac^en.  War 
bamit  bie  3^^'  t>^  ©))olianten  jWar  um  einen,  unb  geWi^  ben  mäc^tigften,  geminbert,  io 
bic  beutfc^en  ^ürften  aber  alle  unb  ol^ne  2lu«nal^me  übten  ba«  ©jjolienred^t  unb  ents 
fagten  il(>m  beftänbig,  ganj  Wie  bie  Äaifer  frül^er  get^an  l^^atten. 

©0  bie  ^erjöge  bon  93aiem,  bie  ba«  ©})olienred^t  Wieber^olt  aufhoben  (bgl.  fjrieb* 
berg  a.  a.  D.  ©.  225)  unb  bon  beren  $raji«  ber  laf onifc^e  ©c^lu^  ber  £anbtag«t)er^anb5 
lung  bon  1458  (bei  Ärenner,  Saicrifd^e  £anbtag«^anblungen,  II,  175):  „Wird  auch  46 
nicht  gehalten",  Äenntni«  giebt.  ©o  bie  §ergöge  bon  ©ad^fen,  bie  noc^  1455,  Wie  bie 
®rafen  bon  2;^üringen  unb  3Jaffau,  an  bie  Slufgebung  be«  ©j)olienrec^te«  bie  95ebingung 
bon  ©eelenmeffcn  Inüjjften ;  unb  „welich  Priester"  ^ei^t  e«  in  ber  Ürfunbe  ber  ®rafen 
gol^ann  unb  $einric^  bon  Slaffau^SBeilftein  bom  ^af}xt  1465  (bei  Slmolbi,  3Jli«cell.  a.  b. 
2)i<)lomatiI  unb  ©efc^ic^te;  bgl.  über^au})t  griebberg  a.  a.  D.  ©.  225  f.)  —  „zcu  soli-  60 
chem  Jairegeczyde  nit  queme  .  . .  der  solde  soliche  Fryheit  und  pryvilegie  nit 
haben."  — 

3luc^  bie  branbenburgifc^en  ÜRarfgrafen  entfagten  im  ^af)xc  1244  (bei  SWiebel,  Cod. 
dipl.  Brandenb.  I,  8,  156),  unb  nad^bem  eine  Sülle  bon  ^nnocenj  IV.  im  folgenben 
Sa^re  ftc^   über   bic  TOc^tbcfolgung   ber  SSerf^jrec^ungcn  befc^Wert  ^atte  (f.  bei  ®erdfen,  66 
©tift«^ift.  bon  »ranbcnb.  461),  bon  neuem  1310  (f.  bei  ®erdfen,  Dipl.  vet.  March.,  I, 
594.  598). 

2)a«felbc  lägt  ftd^  bon  ben  Äönigen  bon  Sö^men,  ben  ©erlögen  bon  Öftcrrcid^ 
(©ingcr,  §ift.  ©tub.  über  bie  Erbfolge  nac^  fatl^.  SIBcltgeiftl.  in  Öfterreic^  unb  Ungarn, 
(grlangcn  1883 ;  Srbif,  2)ic  SBejie^ungen  bon  ©taot  unb  Äirc^e  in  öfterreic^  [3lnn«brudf  öo 


684  e^oltenrei^t 

1904]  ©.  195  ff.),  bcn  ©rafcn  t)on3Ketfecn,  SBürttemberö,  ßcffcn,  §o^enlo^e,  ^cnncbcrg, 
bcn  Surggrafen  öon  ^Jümberg  u.  a.  na(^n)etfcn  (ügl.  griebberg  a.  a.  D.  225  f.). 

2luc^  bic  ja^lrcic^en  ©c^Iüffc  ber  5Prol)injial jl;nobcn  l)on  ber  ju  3lribur  btö  ^ur  8öm= 
berger,    t)om  3^!^^^  895   an   bi«   jum  3<*^^€.  1^91    ^inab  (bgl.  biefelben    bei  fjriebberg 
6  a.  a.  D.  S.  223)  geben  ijon  ber  beftel^enben  Übung  g^wflni^- 

3l\d)t  anber^S  aber  lagen  bie  2>er^ältniffe  in  ©nglanb,  ©c^ottlanb,  Sizilien  unb 
granfrcid^.  3)te  §errfd^er  biefe«  legieren  Sanbe^  übten  ba^  Spolienrecht  mit  einer 
©c^onung^Iofigfeit  an^,  bie  ^""ocenj  III.  in  Jc^neibenber  SBeife  fennjeic^net:  . .  .  „more 
praedonum    debachantes"  —   fagt   er  —  .  .  .  „crudeliter  .  .  .  abducentes  ani- 

10  malia  universa,  frumentum,  vinum,  ligna  etiam  et  lapides  expolitos,  quos 
idem  episcopus  (b.  i.  Hugo  Antissiodorensis  ep.)  ad  construendam  capellam 
et  alia  aediücia  praepararat  nequiter  asportarunt,  episcopalibus  domibus 
suppellectili  qualibet  spoliatis,  ita  ut  in  eis  praeter  tectum  et  parietes  non 
fuerit    aliquid   derelictum"   (bei   Souquet,   Script.  Gall.  XIX,  488).     ^^cilic^  em= 

16  fagten  auc^  fie  l^äufig  genug  il^ren  Siechten  ober  i^erf^jrad^en,  bie  Siegalien  nur  auf  U- 
timmte  S^xt  bejtel^en  ^u  toollen,  aber  bennod^  ertönten  bie  Klagen  ber  Äirc^e  immer 
auter,  ba^  fte  felbft  bie  Sefe^ung  ber  93ifc^offtü^le  ungebüJ^rlid^  üerjögerten,  nur  um  befto 
länger  beren  (Sinfünfte  bejie^en  ju  fönnen. 

2lllmä^lid^  aber  ging  aud^  tn  ber  Jlird^e  felbft  ber  üRifebraud^  bon  neuem  an.    ^ic 

20  2ibte  erl^oben  2lnf>)rüc^e  auf  ba^  Vermögen  ber  ^ßrioren  unb  SWegularen,  bie  Sifc^öfe  auf 
ben  Dkd^lag  il^rer  ©tift^^erren,  ^Pfarrer  unb  anberen  Senefijiaten,  ja  auf  ba^  äSermögen 
ber  erlebigten  Sirenen,  bie  ^rioren  unb  StapxUl  auf  ben  Sladpla^  ber  33ifc^öfe,  imb  bae 
alle«  tro^  ber  beftänbigen  SBerbote  ber  5tonjilien  unb  ^äj)fte  (t)gl.  2;^omaffmud  a.  a.  C. 
c.  56  nr.  1  sqq.  u.  f.  n?.). 

26  ©0  ^cigt  e«  in  ben  Sefd^lüffen  ber  ©^nobe  t)on  ©almur  (a.  1253):  Statuimus, 
ne  Abbates,  cum  contingit  Priores  suos  cedere  vel  decedere,  prioratus  bonis 
suis  audeant  denudare,  sed  saltem  tantum  de  praedictis  bonis  futuris  Prio- 
ribus  dimittant,  ut  ipsi  fratres  et  familia,  usque  ad  futuram  collectam,  de 
eisdem  competenter  sustentari  valeant  et  domos  prioratuum  refici  et  in  statu 

80  debito  conservari",  unb  bie  Stnfjjrüd^e  ber  Sifc^ijfe  ftellten  fid^   ol^ne  ©d^eu   fo   offen 

bar,    bafe  bie  ©^nobe  \)on  ^oitier«   j.  S.  (a.  1280)   anorbnete,    bie  Sefi^cr  ber  gum 

9?ac^la^  eine«  Älerifer«  ge^ijrigen  ©ac^en  l^ätten  biefelben  binnen  3Jlonat«frift  bem  Sif^of, 

al«  beren  red^tmä^igem  ©igentümcr,  abzuliefern  (f.  ^^omaffmu«  a.  a.  C.  c.  56,  nr.  2). 

Sluc^  bie  bier  cinjc^lagcnbe  Äonftitution  Sonifatiu«'  VIII.  (cap.  9  de  offic.  ordin. 

36  in  VI°  [1,  16])  l)ermo4tc  tro|  ber  ben  Sifd^öfen  angebro^ten  Excommunicatio  minor 
um  fo  tüeniger  2lb^ilfe  gu  fd^affen,  aU  \i}x  burc^  bie  Älaufel  „nisi  de  speciali  privi- 
legio  vel  consuetudine  jam  praescripta  legitime,  seu  alia  causa  rationabili, 
hoc  eisdem  competere  dignoscatur"  bie  ©t)i^e  abgebrod^en  iüurbe.  ßbenfo  iric 
ber  Sefc^lufe  be«  Äonftanjer  Äonjil«  (sess.  39  tit.  de  spoliis  —  2^^omaffxnu«  a.  a.  C. 

40  c.  56,  nr.  4)  üerl^inberte  fie  ^Wax  ba«  2luf{ommen  neuer  3)lifebräuc^e,  o^ne  jeboc^  im 
ftanbe  ^u  fein,  bie  alten  aufjul^eben. 

Sclbft  bie  ftaatlic^  geloä^rlciftete  ^^eftierfä^igfeit  ber  Äleriler  tüurbe  je^t  bon  feiten 
ber  33ifc^5fe  auf«  neue  befc^ränft,  toie  e«  benn  5.  S.  ber  ^artnädRgen  Äübnl^eit  be«  irier^ 
fc^en  i^leru«   nur   mit  3Kü^e  gelang,  bie  3:eftierbefugni«   ju   erreichen   (t)gl.  9Mer,  De 

46cleric.  secul.  testamentifact.  act.  in  ©d^mibt,  Thes.  iur.  eccl.  VI,  416).  aber 
felbft  bann,  al«  faft  überall  ben  Rlerifern  bie  testamentifactio  unb  fogar  über  bie  in 
bem  geiftlid^en  2lmte  ern^orbcnen  ®üter  jugefjjroc^cn  n?ar,  blieb  boc^  öon  bem  S})olicn: 
red^t  ber  Ferto  jurüdE,  bcn  bie  ^lerifer  bem  Sifc^of  l^interlaffen  mußten  unb  ber  in 
einzelnen  beutfc^en  Sänbem  bi«  in«  19.  ga^rbunbert  hinein  in  ©eltung  blieb  (t)gl.  Ärieb= 

50  berg,  Äirc^enrcc^t  ©.  562) ;  auc^  fotlten  bie  ieftamente  bon  bem  33tf^of,  beffen  Offizial 
ober  auc^  ben  Sanbbctancn  beftätigt  toerben,  tüofür  noc^  jutoeilen  au«  bem  Slac^lafe  eine 
2lbgabc  gejault  n^erben  mu^tc  (f.  cbenbaf.  unb  Sfii^^ter,  Ä.==9lec^t  §  315). 

2i>a«  aber  ba«  älrgftc  Wax  unb  in  teincr  ilöeife  entfd^ulbigt  loerben  fann,  bie  5ßä)?fte 
felbft,  bie  fo  je^r  gegen  bie  Seraubung  ber  Sirenen  geeifert  Ratten,  nabmen  fc^liefeliä  für 

66  fic^  ba«felbc  Jiec^t  in  3tnf^ruc^,  ba«  fie  ben  S3if(^öfen  mißgönnt  l^atten,  unb  ^ei(^netcn 
[id)  iüeber  in  ber  3trt  ber  ßr^cbung  noc^  aud)  in  ber  SSertoenbung  ber©))olien  m  irgenb 
einer  Seife  bor  jenen  au^. 

3:^omaffinu«  fnüpft  I;ier  an  eine  ©r^ä^lung  be«  SWattl^äu«  ^arifm«  an,  ber  jum 
Sabre  1246  berichtet,  bafe  brei  Slrd^ibiafonc  in  ßnglanb  geftorben  feien  unb  jtoei  baüon 

60  ol^nc  leftament.    211«  beren  ÜJermögcn   an   Saien   gefallen,    l^abe   ber  ^ccp\i  e«  o^nc 


®)ioKeitre4t  685 

lüctterc«  bcanf})ruc^t  unb  aU  SRcc^tferttgung  feinet  33erlangen8  ba^  ftctlid^  burc^  nid^tö 
motit)tcrtc  SlEiom  aufgefteHt :  „ut  si  clericus  ex  tunc  decederet  intestatus,  ejusdem 
bona  in  usus  domini  papae  converterentur".  3lber  tocnn  bamal«  bic  gorbcrungen 
be«  5ßaj}ftc^  an  bem  SBiberftanbc  bc«  cnalifd^en  ^crrfc^cr«  fc^eitertcn,  fo  fc^toanb  in 
granfreic^  bte  alte  ©cgentocl^r,  bie  bic  Könige  bafelbft  feit  ßubtüig  bem  ^eiligen  ben  6 
^ä})ftli(^cn  ©rjjreffungen  entgegengcfe^t  f^atim,  ^ux  3eil  be«  3lt)ignonJc^en  ©c^i^ma«  gänjlic^, 
nac^bem  Giemen«  VII.  bem  §erjog  öon  änjou,  bem  SRegenten,  ben  Sölüenanteil  an  ber 
^^uU  be«  ©})oIium«  jugeftanben  ^atte.  SBie  f)ätU  auq  ßlemen«  VII.  feinen  36  Äats 
binälen  unb  bem  ganzen  irofe  feine«  §ofe«  ben  nötigen  Unterl^alt  fc^affen  fönnen,  toenn 
nid^t,  h>ie  ber  SKönd^  t)on  ©t.  3)eni«  berid^tet,  beim  3:obe  eine«  jeben  SBifc^of«  bie  lo 
CoUectores  unb  Subcollectores  ber  a))oftolifc^en  Äammer  aUe«  in  6ile  fortgenommen 
Ratten,  ol^ne  SRüdEMt  freiließ  auf  bie^leftat^  ober  gnteftaterben  be«  Serftorbenen,  auf  bie 
9lot  be«  Äleru«,  Der  jum  notbürftigften  Unterhalt  bie  1^1.  ©efäfee  t)er))fänben  ober  t)ers 
äußern  mu^te. 

SSergeblid^  eiferte  bie  $arifer  Uniberfität  gegen  berartige  unerl^örte  ÜRi^bräuc^e;  ber  i6 
3legent  lieg  bie  Jfül^rer  ber  ?Dlifet)crgnügten   in«  ©efängni«  toerfen  unb   ber  Sc^recfen 
machte  bie  übrigen  gegen  ba«  Unbermeiblic^e  gefügig.   $enno^  aber  erfd^ollen  bie  ^ro* 
teftationen  nic^t  frud^tlo«,  unb   al«  erft  bie  folgen  ber  })ä|)ftlic^en  ÜRifebräud^e  Mar  ju 
2:age  traten,   al«  bie  Äirc^en  t)erfielen,  bie  Sif^öfe   al«  bie  fc^Ied^teften  ©c^ulbner  am 
gefe^en  tüurben,  ba  i^r  9?ac^la|  ben  ©läubigern  feine  ©ic^er^eit  bot,  al«  bie  gaUilanifc^e  20 
Äirc^e  felbft  bie  })olitifci&en  ©rtüägungen  burc^  il^re  Autorität  ^tixi^U,  ba  berorbnete  Äarl  VI. 
im  Saläre  1385  mit  f^arfen  SBorten  bie  SKuf^ebung  be«  ipäpftlid^en  ©Jjolienrec^t«  für 
Älöfter  unb  S3i«tümer  (f.  Preuves   de   libert^s   de  T^glise  gallicane,    ^ßari«  1731. 
II,  9).    3*^^^  entfagte  bann  auc^  ber  $a))ft  Sllejanber  V.  auf  bem  ^ßifanifd^en  Äonjil 
(sess.  XXII)  bem  ©))olienrec^t,  allein  ber  SSerjid^t  be«  einen  ^a))fte«  toar  ebenfo  toenig  25 
für  bie  ®egen})ä))fte  öon  irgenb  einer  SBebeutung,   al«  er  a\iA  bei  ben  9lac^folgem  3lm 
erfennung  gefunben  ju  l^aben  fc^eint.    SBenigften«  fal^  ftc^   fd^on  ba«  Äonftanjer  Äongil 
nac^  Wenigen  3«^^^  ^^  ^i^  ^%^  berfe^t,  biefcm  ä)Jifebrauc^  unb  freilid^  tüieberum  ber^ 
geblid^   entgegenzutreten   (sess.  XXXIX.  tit.  de   spoliis);    benn  ä)lartin  V.   berjic^tete 
jtüar,  ben  Sefcblüffcn  be«  Äonjil«  gemäfe,  auf  bie  Slnnaten,  überging  jeboc^  bie  ©))olien  so 
mit  bi))lomatif4em  ©tillfcl^tüeigen  (t)gt.  äl^omafftnu«  a.  a.  D.  c.  57,  nr.  10).    ®iegolge 
babon  tüar,  bag  fogar  in  granireicp  bie  5ßä})fte  ba«  ©j)olienre(^t  toieberum  einjufübren 
trachteten  unb  nur  an  bem  ftanen  SBiberftanbe  ber  franjöfifc^en  Äönige  fc^eiterten;  Sub* 
h)ig  XI.  loieber^olte  im  ^a^xt  1463  bie  Seftimmungen  Karl«  VI.  unb  gab  burc^  fd^arfe 
©trafanbro^ungen  feinem  ßbifte  ben  nötigen  9?ac^brucf.    „Die  ©nfammlung   be«  ©po-  36 
lium«"  —  fagt  er  —  „leur  soit   prohib^  et  d^fendu  .  .  .  sur  peine  de  confis- 
catioD  de  corps  et  de  biens,  et  de  bannissement  de  nostre  Royaume.  Et  avec 
ce,  voulons  quils  soient  prins,  arrestez  et  detenus  prisonniers,  et  condamnez 
en  amende    envers    nous    (Preuves    des  Lib.  de    T^l.  gall.  II,   39).     ^a    fo* 
gar  ^itl^ou   formulierte  ben    14.  ärtifel   feiner  Libertez  de  l'^glise  gallicane:    „Le  40 
Pape   ne   peut   leuer  aucune  chose  sur  le  reuenu  du  temporel   des  benefices 
de  ce  Royaume,  sous  pretexte  d'emprunt,  impost,    vacant,   d^pouille,    succes- 
sion"  etc. 

aiber  felbft  biefer  SBiberftanb  ber  toeltlid^en  gürften,  ber,  t)on  ber  Äirc^e  fo  lebl^aft 
unterftü^t,  ben  ^Mten  ba«  ©e^äffige  il^re«  2;reiben«  l^ätte  flar  mad^en  fönnen,  felbft  46 
bie  forttoä^renbe  2lufmerffamfeit,  toelc^e  bie  3Sorfäm))fer  ber  ebangelifd^en  Äirc^e  auf  jeben 
©d^ritt  be«  5Jac^folger«  $etri  rid^teten,  um  ber  SBelt  barjutl^un,  tüie  h>enig  ba«  ^beal 
ber  firc^lic^en  ^ierard^ie  ber  SBirflic^feit  entf^jred^e,  alle«  ba«  j^ielt  bie  $äj)fte  nid^t  jurüdf, 
ber  „insatiabilis  Charybdis"  ber  a|)oftolifc^en  ilammer,  tüie  fie  fd^on  in  frül^erer  QÄt 
t)on  bem  unbefannten  SJerfafJer  ber  ruina  ecclesiae  genannt  toorben  fear,  bie  einträgt  60 
liefen  ©))olien  ^u  entjiel^en. 

9?od^   ^iu«  IV.  »erbot   im  "^a^x^   1560    burc^    bie  Äonftitution    „Grave  nobis" 
(Bullar.  Magn.  II,  9)  allen  ©eiftlid^en,  o^ne  (Srlaubni«   be«  a|)oftolifd^en  ©tul^^le«  ju 
teftieren,  unb  nal^m  nid^t  ainftanb,  jufünftige  ©^enfungen  gerabeju  für  ungiltig   ju  er« 
flären,  unb  aud^  ^iu«  V.  (1567)  unb  (Sregor  XIII.  (1577)  liefen  bie  alten  3lnf^rüc^e  66 
nic^t  fatten  (c.  2.  3.  4  de  spoliis  cleric.  in  VIP  [3,  3]). 

3)a«  toaren  aber  aud)  bie  legten  größeren  ©rfc^einungen  eine«  5Wifebrauc^«,  ber  t)on 
Saien  unb  Älerifern  S^^'^^wnberte  l^inburc^  in  gleicher  ro^er  Söeife  geübt  tüorbcn  loar, 
unb  ber  in  3^^^^^"^  ^^  ^ic  Seftrebungen  be«  5Pa))fte«  am  toenigft^n  SBiberftanb  fanben, 
aud)  auf  bie  neuere  QÄt  übergegangen  ift    (3Sgl.  ^errari«,  Prompta  bibliotheca  iur.  eo 


686  &poUtuttdit  StNrfii^e  ®a(oiitid 

canon.  s.  v.  „spolium".  —  gömboni,  Coli.  Dedar.  sacr.  congreg.  V,  p.  367  sqq.; 
VIII,  p.  81spp.) 

2)em  ?pianc  biefer  end9fIo})äbte  gemä^,  bie  leine  juriftitee,  fonbem  eine  tl^ologift^ 
ift,  fällt  bie  SBe^anblunfl  bcr  ©})olienIIa9e  fort.  ®iefelbe  i[t  mefentlic^  ein  römift^ 
6  re^tlic^ed  Stec^t^mittel  gegen  Störung  bed  SeVt^e^  (interdictum  unde  vi)  mit  meieren 
freiließ  bebeutenben,  ober  aui)  felbft  irrationeuen  3RobifiIationen^  bie  fte,  tüte  ja  biele 
anbere  Seigren  bcd  römifd^en  Slec^tö,  burc^  ba«  lononifc^e  unb  bie  ^Projig  ber  geiftlic^en 
©eric^te  erl^alten  l^at.  Srne^ietf. 

6)ionbannd  (be  ©jjonbe),  ^einrieb,  geft.  1643.  —  Seine  ©diriften:  De  coeme- 
10  teriis  sacris,  SBorbeauj:  1596,  $Qrtd  1648;  Defense  de  la  D^laration  du  sieur  de  Sponde 
par  Henry  de  Spende  son  fr^re  contre  les  cavillations  des  ministres  Bonnet  et  Boois, 
^orbeauj:  1597;  Annales  ecclesiastici  Card.  Baronii  in  epitomen  redacti,  $arie  1612; 
Annales  sacri  a  mundi  creatione  ad  eiusdem  redemptionem,  $aridl637;  Annali  um  Baronii 
continuatio  ab  anno  1127  ad  annum  1622,  $arid  1639.  lieber  i^n:  ^ie  ber  le^tgenonnten 
16  @(^rift  Beigegebene  ^iogrop^ie  bed  @.  üon  $eter  Sfrijon;  Biographie  universelle,  tom.  XLIIL 
$Qri«  1825;  9(rt.  @ponbe  in  ^aag,  La  France  protestante  IX,  316. 

^einric^  Sbonbanud  (be  @^onbe),  Sifc^of  bon  ^amierd  unb  atö  Slpofiot  ber 
))roteftantifc^en  Kirche  iDie  and)  burc^  feine  J^iftorifc^sfirc^Iic^en  Schriften  belannt,  ift  am 
6.  S^inuöi^  1568  ju  3Raul6on  in  ber  ©a^cogne  geboren,  ©ein  Sater  ftanb  ale  Slat  im 
20  ©ienfte  ber  Äönigin  3ol[^anna  bon  Slabarra.  3)ie  toiffenfc^aftlid^e  Silbung  fonb  er  lu 
Ortl^ej,  tDO  ein  ben  Steformierten  3ugel^öriged  AoQegium  tvar  unb  auf  ber  SUabemie  txm 
®enf.  @r  ftubierte  bie  JRed^te,  iDurbe  äbt)otat  bei  bem  ^lamente  in  %om^  unb 
jeid^nete  [\d)  burc^   feine  Jtenntniffe  lüie  burc^   feine  Slebefertigteit  fo    au;^,   ba|  ibn 

t einrieb  IV.  jutn  Maitre  des  requ^tes  be^  Königreich  9laüarra  ernannte.  Som 
ifc^of  bon  etnreuj  bearbeitet  Derlie^  er  bem  Seifjjiele  feine«  bereit«  im  ^a^xt  1593  jur 
römifc^en  Äirc^e  übergetretenen  SBruber«  S^^^^*^*^  folgenb,  am  21.  SS^tember  1595 
bie  reformierte  Sin^e  unb  tourbe  burc^  bie  SSermittelung  be«  Äarbinafe  bu  5ßenon 
JtanonUu«.  ^m  l^a^re  1600  begleitete  er  ben  Aarbinal  be  ©ourbi«  nac^  9iom;  ^ier 
lebte  er  mit  Saroniu«  in  enger  SJerbinbung  unb  erl^ielt  am  7.  SDlärj  1606  bie  ^ßriePcr^ 

80  tüeil^e.  $aul  V.  übertrug  i^m  bie  Slebifion  ber  95reben  für  bie  ^önitengen.  3n  Äom 
bertoeilte  er  bi«  j;um  S^^te  1626,  ba  ernannte  il^n  Subtoig  XIII.  jum  8if(^of  bon 
?Pamier«.  ^n  feinem  Si«tume  jcigte  er  ben  größten  ®ifer  für  bie  3lu«tilgung  fe^erifc^er 
2tf^xm,  in«befonbere  tiefe  er  e«  an  SSerfoIgungen  ber  ?Proteftanten  nic^t  fel^Ien.  Äränielnb 
legte  er  im  iaf)xt  1639  feine  bifc^öflic^e  SBürbe  nieber  unb  ging  nac^  ?Part«,  um  feine 

86  Äräf te  nur  noc^  ber  §erau«gabe  feiner  fc^riftfteHerijc^en  arbeiten  ju  toibmen ;  boc^  feine 
Äränllic^feit  nötigte  il^n,  bie  Seitung  jene«  Oefc^äfte«  feinem  greunbe,  bem  Äononüul 
$eter  t^tijon,  ju  übergeben  unb  nad|  Souloufe  ju  ge^en,  um  ^ier  in  einem  milberen 
Älima  fein  Seben  ju  friften,  ba«  er  aber  am  18.  9Kai  1643  befc^lofe. 

(92ettbeifer  t)  (Sagen  Sat^enwann. 

40        S^irenger,  3iaIob  f.  b.  2t.  §ejcn  »b  VIII  ©.  33,  4. 
S^iringer  f.  3umj)cr«  »b  IX  ©.  634. 

@)irü4e  Salonto«.  —  Sitteratur.  i^ommcntare:  Umbreit  1826;  Sert^eou  (im  fur.^ 
gcf.  cyeg.  C)anbb.)  1847  (' 9?ümac!  1883);  |)ißig  1858;  Socfler  (in  fiange«  ©ibclrocrt)  1867: 
3-rani  ^elim  1873;  ©trod  (in  ©tracf  u.  3ö(f*Icr«  Stommcnt.)  1888,  »1899);    ©ilbeboer  (in 

46  9KQVti«  Äomm.)  1897;  Sranfenberg  (in  S^owacfd  ^omm.)  1898;  %o\)  (im  Internat,  critical 
(3ommentary)  1899. 

5Bruct),  3)ie  5Bei§5cit§Ief)rc  ber  .£)ebräer,  1851;  ©loolb,  3)ic  falomonifefien  @rf)riften,  »1867; 
e^e^nc,  Job  and  Salomon,  Sonb.  1887,  unb  ^a«  religiöfe  fieben  bcr  3uben,  1899;  x>,  Sau^ 
biffin,   5)ie  altteft.  @prud)bicl)tung  (iRebe),   1893;    Pfeiffer.  S)ie  relig.^fittl.  ©cUanfdj.  be«  23. 

CO  ber  (Sprüche,  1897;  3Bilbeboer,  De  Tijdsbepaling  van  het  boek  der  Spreuken  (VcreL  a. 
Meded.  d.  K.  Akad.  v.  Wetensch.  1899);  ^JJJeufel,  5)ie  Stellung  ber  ©prüd^e  Sal.  in  hx 
iSrael.  2itt.  unb  JReI.=®efd).  1900;  Koffer,  3)a«  alt^iebr.  ©prud)bu(f)  unb  bie  Sprüche  3efu§ 
hen  @ira,  1903;  ^öiorit  g-vieblänber,  ©rted).  <p^iIoiop^ic  im  ?12:,  1904;  Sellin,  3)ic  epuren 
gried).  ^ftilof.  im  ^\%,  1905.  —  3öeiter  bie  ©anbbüd)cr  ber  altlcft.  Einleitung  unb  X^eologic 

56  unb  bie  SBibellejifa. 

3uni  Ze^i:  Sagarbe,  5lumerfungen  jur  griec^.  lleberf.  ber  ^Jrouerbien  1863;  3)tjferln(f 
in  2:5eoI.  2:ijbfd)r.  1883,  577  ff. ;  ^^aumgartner,  Etüde  critique  sur  T^tat  du  texte  du  livre 
des  Prov.  1890;  ^Bicfea  in  Wiener  8tjd)r.  f.  Slunbe  b.  ^orgenl.  1891;  ^intuft  in3at«1894 


688  Sfirft^f  Sdomod 

fog.  ^joetifd^en  Süd^ct  nun  cingcteil^t  ift,  läfet  erwarten,  bafe  c«  bcn  alten  ate  Suc^  m 
gebunbencr  9lebe  galt.  SDcm  cntf^jrid^t  c«,  bafe  einzelne  ^ebräifc^c  c^anbfc^riftcn  toic  toic^- 
tigc  Äobice^  ber  LXX  ba§  Sud^  [tic^iW  ö^W^i^^^"  ^aben,  h)äl(>rehb  aHerbing^  bic  ^em 
fd^cnbc  maforetifd^c  ©d^reibung,  loic  faft  burd^toeg  fo   au^  l(>ier,  in  ber  l^ebr.  Sibcl  bic 

6  c^ematö  bermutlic^  biclfac^  k)orl(>anbenc  ftic^ifd^c  ©d^rcibung  bc^  %t]ct^   öertt)if(^t  bat 

2^ro^bcm  läfet  ftc^  bic  gcbunbcnc  SRcbc  o^nc  ©c^toicrigfctt  ^cutc  noc^   erfennen    unb  bei 

rid^tigct  @Iiebctung  bc^  Xc^ed  lä^t  ftd^  ein  annä^cmbc^  ^Ub  ber  urfprünglic^en  ©eftalt 

be«  Suc^c^  loo^l  ^crftetten;  ögl.  bcn  Sicjt  t)on  Sccr  in  meiner  Biblia  Hebraica. 

3)ic  2lnl^alt^unfte  bafür  geben  an  bic  Äanb:   einmal  ber  faft  überall  unüerlcnn- 

10  bare  ^arattcli^mug  ber  ©lieber,  fobann  ber  faft  burc^tücg  leicht  crfennbarc  Sl^^tbmu^. 
3)er  le^tere  jeigt  grofee  SSorlicbe  für  ba^  brei^ebige  SKctrum,  boc^  finben  fic^  me^a(^ 
auc^  Slbtoeic^ungen  baöon.  ©c^on  ber  ftarfenttoidfcltc  ^arattcliömu«  toeift  auf  ba«  Sor- 
berrfd^en  be^  einfachen  ober  mc^rfac^en  3)iftic^ong  (Diftid^on,  2:etraftic^on  2c.)/  ober  toobi 
beffer  be^  au^  jn^ei  ^albftid^cn  jufammengefe^ten  langweiligen  ©tic^o^   in  einfacher  ober 

16  in  ^erioben  bon  2  ober  3  u.  f.  lo.  ©tüden  geglieberter  SBicber^oIung  l^in.  9Reift 
ift  ber  ©tic^og  in  3  +  3  Hebungen  gleid^fc^ioebenb,  bod^  finben  fic^  auc^  3  +  4 
ober  4  +  3  ober  4  +  4  Hebungen  in  einer  („biftic^ifc^en",  befjer  au^  jtDei  ^emiftit^ 
befte^enben)  Sangjeile. 

®a^  ©d^ema  ber  einfachen   )h)eiteiligen  Sangjeile  tritt  am  beutlic^ften   ^erau^  in 

20  10,  1—22, 16.  3n  biefem  ganzen  ^auptteil  be«  SSud^e«  ift  jebe  ^^\U  für  jic^  ein 
metrifd^e^  ®anje^.  ©r  ift  formell  getüiffermafeen  baö  3beal  einc^  ©pruc^bud^,  eine  3"' 
fammenfteHung  t)on  einzelnen  mel^r  ober  minber  lofe  aneinanbergerei^ten  (Snomen  unb 
®))igrammen.  3)abei  ift  bie  Siegel  3  +  3,  alfo  bie  gleic^fc^toebenbe  Sangjeile,  g.  8.  10, 2 

26  SJid^tö  nü^en  ©c^ä^e  aui  greöel  |  aber  ©ercd^tigleit  rettet  bom  2:obe 

ober  10,7  npi-»*  D^yTS'n  um  I  ninnb  p-lns:  ^dt 

3)a«  Oebäd^tni«  be^  frommen  ift  ein  ©egen  |  aber  ber  ©ottlofen  9Jame  toirb  berfluc^t. 
©aneben  4  +  3,  fo  g.S.  12,1 

^yn  nniin  n:i;i3t  I  nri  nn«  ^cn73  nti« 

80  SBer  SiBiffen  liebt,  ber  liebet  3"^^  I  wnb  toer  ©träfe  Raffet  ift  bumm. 

eben[o  18, 13;  19,  3  unb  oft.  3)aneben  finbet  fid^  auc^  ba«  ©c^ema  3  +  4,  fo  j.*- 
14,  28 

■jT-in*  nnn?:  asib  cs^m  I  "|^7:(?)n'in  nr-n^^n 

Sluf  t)iel  aSolfö  ru^t  ber  ©tolj  bc«  König«  |  fmb«  aber  ioenig  Seute,  erfd^ricft  ber  ^crrfc^er. 

86        Daneben  finbet  fic^  aud^  bie  3wfammenftellung  4  +  4,  fei  e«  für  fic^,   fei  c«  in 

SSerbinbung  mit  anbern  Serfen    (l^äufiger  au^erl^alb  aU   innerhalb    biefe«  2lbfc^nittc^). 

©0  25,  2 

"^pfi  7»  D-Dt>?2  nii    I  p7irb  ]^nfi(i  m^b  d**?:« 

40  Dte§errlic^fett®otte«  ift  93erbergen  ber  Dinge  |  bie  §errlid^feit  ber  JliJnigeSrgrünben  ber  Dinge 

Der  ^immel  an  $öl(>e,  bie  ßrbe  an  Siefe  |  fo  ba«  §erj  ber  Könige  uner^rünblic^. 
Sritt  ^ier    ein  ©tid^en^jaar  4  +  4  unb  4  +  3   auf,   fo  in  25, 25   ein    einfacher 
2(d^teri)er«  (4  +  4): 

pn^?2  y*^N72  nniü  tot2Ci  I  nc^y  ^crby  O'^'ip  d^?: 

46  Äül^lc«  2Baf)er  auf  eine  mübe  ©eelc  |  fo  gute  Sotfc^aft  au«  fernem  Sanbc. 

eben[o  in  26,  1 

mäs  b-iÖDb  hin:-«?  p  i  ^-"ips  1^7221  y-ipa  ^brä 

3Q3ic  ©c^nee  im  ©ommer,  toie  SRegen  in  ber  Ernte  |  fo  ioenig  ftel^t  an  bem  3^^oren  bie  6bK. 
2Ba«  bie  3wfön^"^^"ft^ttung  biefer  langweiligen  93erfe  gu  SBer«rei^en  anlangt,  fo  fc^li 
5ofte,  toie  fc^on  ertoäl^nt,  im  .^auptUxU  be^Sud^e«  10,  1—22,  16  aanj,  ebenfo  inRa^.28 
unb  29.  Diefe  3lbfc^nitte  befte()en  an^  jtoeiglicbrigcn  („biftid^ifc^en")  Singelöerfen,  toon 
bcnen  jeber  einen  ©innabfc^nitt  für  fic^  bilbet.  3^  ""*>  "tann,  aber  burc^au«  nic^t  immer, 
nidj^t  einmal  befonber«  l;äufig,  läfet  fic^  ioa^rne^men,  ba^  ©jjrüc^e  bertoanbtcn  3nbaltÄ 


^pvUlt  Solomod  689 

räumlich  jufammcngcrücft  fmb  (10,2—5.  13,2—3.  18,  6—8  u.  a.);  aber  and)  bann 
läfet  ftc^  faft  burd^toeg  loa^me^men,  bafe  jebcr  ©^)ruc^  aud;  al^  (Sin^cit  für  ftd^  ge- 
nommen Serben  fann.  —  Die  3h)^iöKebrig!eit  ber  Sangjeilen  ift  faft  burc^toeg  burc^ 
ben  ^araHeli^mu^  ber  ©lieber  bebingt.  3eber  ®a$  befielet  aug  jh)ei  einanber  entfpred^en« 
ben  ©liebem,  bie  teite  im  Serl^ältnid  ber  ^i^^ntität  be^h).  ber  in^altlid^en  Analogie,  teil«  6 
im  aier^ältniö  be^  ©egenja^e«  jueinanber  ftel^en.  gür  ben  legieren  %aü  (antit^etifc^er 
^aratteligmug)  fmb  ti)px\a)  ©ä^e  tüie  10,  7 
3)a«  ©ebäcbtnig  be«  grommen  ift  ein  ©egen  |  aber  ber  ©ottlofen  SRame  h)irb  öerflud^t. 

35er   erftere  gatt  erfdjieint   teil«  in  ber  %om   be«  f^noi^men  ^araHeli^mu«,   fo 
i.  SB.  16,  6  10 

Durd^  Siebe  unb  2:reue  toirb  ©djiulb  gefü^nt  |  unb  burc^  gurc^t  ^af))o^  meibet  man  S3öfe«, 
teitö  in  ber  ^Jorm  be«  f^nt^etifc^en,  fo  g.  S.  15,  20 

ßin  tueifer  ©ol^n  erfreut  ben  Sater  |  aber  ein  S^^or  bon  einem  5Kenfc^en  fd^mä^t  feine 

ajtutter. 

3)oc^  bilbet  ber  ^araHeliömu«  nic^t  bie  auöna^mglofe  SRegel.    6«  finben  fid;  and)  is 
©Vrüc^e,  bie  ijpar  jhjeigliebrig  ber  gorm  nac^   finb,   in^altlic^  aber  lebiglid^   einen  an^ 
SBorbers  unb  5Jac^fa|  befte^enben  ©o^  barftellen.    $ierl(>er  !ann  man  loo^l  fc^on  bie 
toielen  3SergIeic^ung«fä$e  red^nen:  beffer  ift . . .  atö  . . .,  j.  SS.  15,  16.  17.  3lod)  beutlid^er 
ftnb  ©ä^e  toie  16,  3 

SBälj*  auf  3a^üe  bein  ainliegen  |  gelingen  toerben  bann  beine  $läne.  ao 

©benfo  bilbet  im  l^eutigen  3Kaforetentejte  biefe«  2lbfc^nitte«  bie  ^^^^JÖ^i^^iO^^i*  ^^ 
©ticken,  tüenn  audji  burd^au«  bie  Siegel,  fo  boA  nic^t  bie  augnal^m^lofe  Siegel.  @ö  finben 
ftd^  gelegentlich  and)  breigliebrige  ©tid^en.  älber  man  lann  aUerbing«  jioeifeln,  ob  fte 
urfjjrünglid^  ftnb.  Der  einjige  gall,  ber  ftd^  ftc^er  nac^toeifen  läfet,  fc^eint  JJolge  einer 
nad^träglid^en  ©törung  be«  urfjjrünglic^en  2;ejtbeftanbe«  ju  fein ;  ögl.  in  ber  Bibl.  Hebr.  26 
ju  19,  7. 

S3ilbet  nac^  bem  ©efagten  in  bem  großen  9)littelftüd  unfere«  33ud5>e«  bie  jtüeiteilige 
Sangjeile  burd^aud  bie  Siegel,  fo  tritt  in  ben  anbern  3lbfc^nitten  be«  SSud^c«  bie  3"- 
fammenfteHung  einer  Steige  t)on  fold^en  ©ticken  in  ben  3Sorbergrunb.  ©o  ift  in  Äa)).3— 5 
bie  Do^pellangjeile  faft  burd^toeg,  loo  nid^t  burc^tocg,  l^enfc^enb.  3ie  ^\üd  fold^cr  ©ticken  so 
bilben  ^ier  (Sine  ©innftro^jl^e.  ßbenfo  in  Sia\>.  7—9.  3"  t^^"  übrigen  Slbfd^nitten  finben 
fid^  neben  gelegentlid^en  jiocijeiligen  Qttop^m  („letraftid^en")  folc^e  bon  brci,  bier  unb 
mel^r  Sangjeilen.    SDie  S5eif))iele  mögen  in  ber  Bibl.  Hebr.  nad^gefel^en  tDcrben. 

Über  loeitere  Jjoetifd^e  Äunftformen  in  unferem  SSuc^e  f.  unter  4,  ©.  695.  696. 

4.  3)ie  einzelnen  Seile,  ©d^on  im  S3i«^erigen  ift  gelegentlich  bon  berfd^iebenen  35 
Seftanbteilen,  aug  benen  unfer  33uc^  jufammengefe^t  ift,  bie  Sftebe  getoefcn.    Diefelben 
muffen  nun  aber  nad)  il^rem  ^nf)ali  unb  il^rer  (Sigenart  naiver  in«  Sluge  gefaxt  tuexben. 

a)  Die  Überf^rift.  Da«  S5ud^  beginnt  mit  einer  lang  auggef^onnenen  Über= 
fd^rift,  toeld^e  mit  ben  SBorten  „©prüd^e  ©alomo«,  be«  ©o^ne«  Daöib«,  be«  König« 
3«rael«"  beginnt  unb  bann  be«  Sängeren  ben  Q^^i  unb  bie  93eftimmung  be«  Sud^e«  40 
barlegt:  „ju  erlennen  2Bei«^eit  unb  S^d)t,  ju  merfen  auf  3Q3orte  ber  (Sinfid^t"  u.  f.  \v. 
(1,  1—6).  Sluf  hjelc^e  Überlieferung  bie  SSenennung  be«  SSuc^e«  nac^  ©alomo  j^urüd^ 
gel^t,  ift  nac^  1  Äg  5, 12  unfd^loer  ju  erlennen,  ba  bort  au«brüdlic^  flcfagt  ift,  bafe 
©alomo  ftd^  al«  ©prud^bid^ter  l^erborgetl^an  f)abt;  er  foll  3000©})rüc^e  gebid;tet  l;aben. 
2(uf  ber  anbern  ©eite  ift  aber  auc^  unöerfennbar,  bafe  bie  ^ier  in  %xaQz  ftel^enbe  Slotij  46 
ftc^  nid^t  auf  ba«  ganje  93uc^,  loie  tüir  c«  je^t  lefen,  bwiel^en  !ann.  Denn  in  f^)ätcren 
2:eilen  loerben  aucp  anbere  SSerfaffer  genannt.  3lber  auerbing«  mufe  ber  SSerfaffer  ber 
Überfc^rift  einen  ftattlid^en  Seil  be«  l^eutigen  S3ud^e«,  nämlic^  bie  3Jlel^r^eit  ber  l^eute  im 
Qpxnd)bn^  enthaltenen  (Sinjelfammlunaen,  auf  ©alomo  jurüdgefü^rt  l^aben.  3Bie  meit 
er  bamit  im  Siedete  fei,  toirb  noc^  ju  fragen  fein  (©.  695,ioff.).  so 

b)  ®«  folgt  ein  erfter  §au})tteil  1,7—9,  18.  §ier  tritt  ber  ß^aralter  ber 
©entemenfammlung,  al«  loelc^e  man  ba«  ganje  ^nd)  nad)  bem  in  formeller  ^infiAt 
oben  fcpon  d^arafterifterten  gleiten  2^eil  gerne  bejeic^net,  bollftänbig  jjurüdf.  SStelmel^r 
l^aben  ioir  e«  mit  jufammenl^ängenben  le^r^aften  äLu«fü^rungen  ju  t^un,  in  lürpcn  ober 
längeren  Slei^n  bon  ©ticken  öerlaufenb  unb  ben  Sefer  al«  „©o^n",  ben  Did^ter  alfo  66 
al«  Seigrer  unb  ©rjie^er  borfteHenb.  ©c^on  biefe  ^orm  ber  Siebe  toeift  auf  etloa«  anbere« 
al«  eine  lofc  3wffln^"^^P^ttwn9  einzelner  ©äfee  ^in :  ber  3Serfaf[er  ermahnt  an  ber  (Sltem 
©tette  (1,  8)  unb  im  Slamen  ber  aBei«^eit  (1,  20ff.),  bemgemäfe  fteUen  feine  3lu«' 
fü^rungen  in  ftid^ifc^er  ^otm  unb  mit  häufiger  Sertoenbung  be«  ^ratteli«mu«  gehaltene 
(Ermahnungen  bar,  bie  balb  in  fürgeren  (bef.  Raup,  3—5),  balb  in  längeren  Slei^en  t)on  go 

SleoI'^cDnop&Me  für  Jt^coloole  imb  ftit^c*   8.  K.  zvm.  44 


690  ^ptUit  @al0mo9 

©ticken   m    ergeben.    3)abci  loirb    0ele0cntIicl^    bie  ffieiö^cit  fclbft    rebenb    cingefüBrt 
(1,  20  ff.  Stop  8). 

2)er  3n5(falt  ber  Sluöfü^rungen  ötj)felt  in  bcr  ßrma^nung  gut  älnno^me  unb  ^fliege 
ber  SQäci^^eit,  o^ne  ba^  immer  babei  gefagt  ift,  looriii  nun  eigentlich  bicfe  ®ei^^  be= 

6  ftel^e.  SBol^l  aber  toirb  öerftd^ert,  bafe  bcr  SBeife  §eil,  ber  3^or  Unfeeil  ju  crtoorten 
^abe,  ebenfo  bafe  bie  SDBci^^eit  bon  ®ott  [tamme  unb  bafe  bie  gurd^t  ga^t^cö  jur  Sei^ 
^eit  fü^re.  3a  bie  SBcig^eit  ftammt  nic^t  nur  t)on  @o%  fte  toar  \d)on  toor  bcr  ®clt 
bei  ©Ott,  fte  ift  bie  Ilj^rongenofftn  Sottet  unb  ftanb  i^m  jur  ©eite  fc^on  ate  er  bie 
aSJett  fc^uf  (Äo}).  8).    SBo  ber  äSerfaffer  über  bicfc  allgemeinen  SBcnbungen  ^tnoud  gor= 

10  berungen  auffteHt,  ba  fmb  e«  bortoiegenb  SBamungen  t)or  groben  ©ünbcn  cincrfcitö  unb 
SRegcIn  ber  ^jraltifd^en  SebengHugbcit  anbcrcrfcitö.  3Kan  l^lte  ftc^  frei  Dom  Umgang  mit 
gottlofen  öerbred^erifc^en  ÜJJenfc^en,  bie  anbem  nac^ftcHen,  um  fte  ju  berauben  ober  ju 
übervorteilen;  man  ^alte  ftc^  bcfonberd  frei  t)on  ber  (Semeinfc^aft  mit  c^cbrec^crifc^, 
bu^Icrifien  SBeibem;    man  übe  Sorftc^t  im  SSürgfc^ftleiften  unb   in  SRcc^t^cfc^äften; 

16  man  nel^me  ftd^  bie  ämeife  jum  9Wufter  be^  gleifeed  (6,  6 ff.);  man  laffe  e^  md^t  an 
®üte  unb  ü)lilbtl^ätigleit  fehlen  unb  berfc^iebe  ba^  ®ute  nic^t  auf  morgen  (3,  28).  9ci 
folc^em  aSer^alten  toirb  ber  ©egen  S^^be«  nid^t  ausbleiben,  toälj^renb  ber  ©ottlofe  feinen 
gluc^  ju  gehJärtigen  ^at  (3,  33.  4, 10).  Slud^  bat  bicfe  SBeiS^cit  unb  ©otteefurc^t  felbft 
eine  ftttlic^  bel^ütenbe,  bor  S3ijfem  beloal^renbc  Kraft  (7,  5). 

20  5IJlan  ftc^t,  bie  SKoral  fte^t  nic^t  gerabe  auf  fe^r  ^olj^cr  ©tufe.  2)ic  Art  ber  pxo-- 
J)^ctif(l^en  ?Prebigt  bermiffen  loir  Ij^ier  boHftänbig,  ebenfo  aber  bie  3lrt  bcr  j)ricftcrli(ben 
®cfe^e«Iel^re.  6«  ift  t)rahif(^e  äHtagSmoral,  SebcnötDciSl^eit  auf  religiöfer  ©runblage, 
ol^ne  emfte  Vertiefung  in  bie  religiöfen  unb  fittlid^cn  Probleme,  bafür  aber  mit  einem 
©infci^Iag  f))e!ulatiüer  ®runblegung:  bie  SebenSloeiö^eit  ift  bem  SSerfaffer  ©manation  ber 

25  ))erfonifi3ierten  göttlid^en  SBeidl^eit,  bie  il^m  ald  t)or2eitIici^e^  SEBeIt))nn2i))  neben  @ott 
erfd^eint.  SBo  er  fte  fd^ilbert,  toirb  er  lum  ^^ilofojj^en  unb  SDid^ter  juglcid^,  toie  e^  ibm 
auc^  fonft  nid^t  an  ber  ®abe  ber  ©arfteHung  fel^It  (Äa^.  5.  Stap.  7). 

2lu«  loelc^er  3^'^  ^^^^  ^i^  i>i^f^  2:eil  gu  crflären?  3)er  bollftänbige  aRangcI 
jcber  bireltcn  Sejiebung  lä^t  und  über  Vermutungen  nic^t  ^inaudlommcn.    S'""'^^^" 

80  lägt  bie  3(rt  unb  993eife,  n>ie  bie  SBeid^cit  perfoni^giert  erfc^eint  unb  bie  ©teUung,  bie 
i^r  neben  ®ott  felbft  jugeloiefen  toirb,  biel  elj^er  eine  fpätere  f^jcfulatiöc  gortbilbung  bcr 
altteftamentlid^en  Sieligion  bermuten,  afö  bafe  anjune^men  loäre,  bie  Slnfc^auung  hak 
jum  urf^jrünglid^en  SSeftanb  berfelben  gel^ört.  2lm  e^eften  fönntc  man  babei  too^l  8c: 
rü^rungen  mit  gricd^ifd^cr  aßeid^eit  öermuten.  Daö  loürbe  und  in  bie  3«it  bon  bcr  9)Jittc 

86  ober  bem  ßnbe  bed  bab^lonifc^en  6jild  an  führen,  ol^nc  bafe  h)ir  in  bcr  Sage  fmb,  bcii 
^eit^junft  genauer  gu  beftimmen.  Denn  t)on  ben  Sagen  bed  S^aled  unb  ß^rud  an  fonntcn 
einzelne  jübifd^e  ^riefter  ober  ©cle^rte  burc^  Sermittclung  Äleinafiend  o(^nc  ©(^h)ierig!cit 
mit  gried^ifc^cn  ^h^m  bertraut  hjcrben,  noc^  Diel  me^r  natürlid^  feit  3lIcEanbcr.  Xcr 
uniöerfaliftif^e  ^\xq,  nad^  tDcIc^em   nid(>t  ber  g^welit,  fonbern  bie  „ÜKcnfc^cntinbcr"  all 

40  SBeidl^eitdiünger  gebadet  finb  (8,  4),  toürbe  tuo^I  ^ierj^u  ftimmen. 

ÜJJitSRcc^t  ^abcn  unlängft  ^ranlenberg  (im  Äommentar)  unb  ©enin(a.  a.  C.  S.  17f.) 
bie  Deutung  bon  8,  22  ff.  ald  t)on  einer  ^^^joftafe  ber  SBeid^eit  mit  ßntfc^icbcnbeit  h^-- 
ftritten.  ©ie  (ebnen  befonberd  bie  Übcrfe^ung  3Q3er!meifter  für  V":»  ob,  ba  bie  Stufgabc 
eined  folc^en  nic^t  fei  ju  fd^crjen  unb  gu  fjjielen,  unb  treten  für  -p?:«  Pflegling  ein.    2er 

45  gan^e  ^affud  If^anblc  nid^t  t)on  ber  äÖeid^eit  ald  felbftftänbiger  ^erfon  neben  @ott,  fon= 
bcrn  jeid^nc  in  lebiglic^  V^^^if^^^  ^erfonifilation  bad  ®efc^affenh)erben  unb  SBcrben  bcr 
SBeidl^eit  fc^on  bor  ber  ©c^ij^jfung.  Süchtig  ift,  bafe  bicfe  Raffung  i^re  SCnalogic  an  ber 
})oetifc^cn  ^erfonififation  ber  St^or^eit  in  9,  13 ff.  (2, 16 ff.;  5,  Iff.)  ^at,  h)o  bie  le^tere 
ald  frembe  Su^Ibim  gcfc^ilbert  h)irb,  unb  bafe  überhaupt  bie  Söa^rfc^einlic^Icit  aufgeitc 

60  biefer  Deutung  ift.  2(ber  bie  Zi)at\aö)z,  auf  bie  alled  anlommt,  ift  bod^  fdj^lic|(i(b  bie, 
ba^  bie  SiJeid^eit  l^ier  ald  bor  ber  3BeIt  bafeienb  gefd^ilbert  toirb  —  unb  fic  h)irb  gan;i 
ol^ne  Serü^rung  mit  bcrtuanbten  gricc^ifc^cn  '^h^m  laum  anjunel^men  fein.  9tur  bat 
man  baju,  toie  ©cDin  (©.  25  ff.)  boDlommcn  richtig  betont,  abfolut  nid^t  nöti^j,  crft  bie 
Reit  nad^  Sllejranber  l^eran;\ujiel^en;    „33ecinfluffungen  burc^  ben  griec^ifc^cn  Kaufmann 

56  tonnen  h)ir  too^l  auc^  in  ^rl— 9  unb  §iob  fonftatieren,  ben  Kaufmann,  bcr  bieSßaren 
feiner  guten  h)ic  fc^Icdjjten  ^eimatlid;en  Äultur  importiert  unb  bailoifc^en  aud^  mit  bcr 
Silbung  feinet  S?oIfe^  bal^cim  unb  bcffcn  3Beifen,  fo  gut  er  fie  berftcl^t,  renommiert"  (28). 
Sonnte  man  alfo  bemnad;  fclbft  für  1—9  in  bie  borc^ilifd^c  ^axt  herauf  gelten  (f.  SeDin 
30),  fo  rät  bod^  ber  ®cfamtd^araltcr  bie  oben  gegebene  S^i^^^timmung  an. 

60         b)  Der  jtueite  ^aupttcil  10,  1—22, 16  ift  früher  fd^on  ate  bcr  umfangreit^jk 


Sfirfl^c  Sotomoi  691 

unb  befonbcrö  d^araheriftifc^e  %txl  bc^  Sud^c«  bcjeid^nct  tüorbcn.  (S^  ift  ber  eigentliche 
Sern  be^  ßanjen  BpxxicS^hni}^,  bie  richtige  ©entenjenfammlung.  Die  SBei^l^eit,  toenn  jte 
and)  feine^toegö  berleugnet  Serben  foH,  tritt  lange  nic^t  \o  in  ben  aSorbergrunb  h)ie  im 
erften  Seile,  t)on  il(>rer  ^ßerfonifilation  ift  nic^t  mcl(>r  bie  Siebe,  le^rl^afte  ^u^fü^rungen, 
überhaupt  größere  ßwfantmenl^änge,  bottenb^  im  2;one  ber  ^rebigt,  fehlen  ganj;  fmb  o 
gelegentlich  gleid^artige  S^jrüc^e  jujammengefteHt,  fo  bleibt  bie  Scrbinbung  eine  äu|erlic^e 
unb  jeber  ©tic^o«  f)at  fein  SRed^t  für  ftd^,  f.  o.  3lx,  3,  ©.  688, 20  ff.  52  ff.  3){an  bergleic^e 
baju  noc^  befonber^  bie  Äönigöfjjrüc^e  in  16,10—15,  ober  16,  Iff.  ba«  2^^ema:  ber 
aWenfd^  benit  unb  (Sott  lenlt. 

2Ba8  3n^alt  unb  ®eift  ber  ©entenjen  anlangt,  fo  fte^en  aud^  bier  bie  Siegeln  ber  10 
bürgcrlid^en  SKoral  unb  ber  allgemeinen  Seben^IIug^eit  boran.    Slec^tfc^affeni^eit  erhält 
fidler  ibren  So^n,  fie  erl^ält  am  Seben;  (Sottloftgleit  fü^rt  jum  Serberben.  Dabei  f eitlen 
ni^t  ©prüc^e,  bie  mit  bolfötümlid^em  §umor  gehjürjt  fmb  ober  fonft  an  bie  „ffiei^^eit 
auf  ber  ©äffe"  erinnern.  ©0  11,22 
©in  golbner  SRing  in  be«  ©c^hjeine«  Slüffel   |  ift  ein  fc^öne^  SBeib,  bem    e«   fe^lt  an  i6 

aSerftanb, 
ober  15, 17 

Seffer  ein  ©eric^t  Äol^I  unb  Siebe  babei  |  aU  ein  gemäfteter  Dc^fe  unb  $a|  bei  il^m, 
Dabei  ge^t  aber  bie  moralifd^e  SSetrad^tung  tiefer  aU  im  erften  Seile.  Die  eigentlidji 
fittlid^en  Sugenben  loie  ©enügfamfeit,  greunblid^feit,  Sangmut,  3KitIeib    unb  befonberd  20 
bie  Demut   im  ©egenfa^  jum  ßoc^mut  loerben  mel^facp  unb  jum  Seil   mit   großer 
äBärme  em^)fobIcn.    Die  liebeboUe  ©efinnung  erfdjieint  bem  SBerfaffer  alö  befonberd  be» 
beutfam,  10,  12 

§aber  enegt  ber  ^afe  |  aber  allerlei  ©ünben  bedft  bie  Siebe  ju. 
Slud^  religiöfe  Söne  —  abgefe^en  bon  ber  Unterftellung  be«  ganjen  Serl^alten«  unter  2b 
bie  göttliche  3Sergeltuna  —  fehlen  nic^t,  fo  14,  31 
3Bcr  ben  ©c^toad^en  bcDrüdft,  ber  fc^mä^t  feinen  ©c^ö))fer  |  aber  il^n  el^rt,  toer  be^  2lrmen 

fidji  erbarmt, 
ober  20,  22 

Sjjrid^  nid^t:  id^  h)ill  Söfe^  bergelten  |  ^off'  auf  ^al^be,  ber  h)irb  bir  l^elfen,         ao 
iüoju  nod^  ©^)rüc^e  toie  15,  3.  11.  16,  33  berglic^en  Serben  fönnen.  Sie  l^ier  ba^  \pc^ 
^ififd^  religiöfe  ©lement  nid^t  ganj  feiten  m  Sage  tritt,  fo  fel^lt  e^  neben  ©prüc^en  aß« 
täglicher  Sebengflugl^eit  auc^  nic^t  an  folc^en,  bie  eine  tiefere  Seben^auffaffung  öenaten. 
3d&  red^ne  barunter  14,  34 

©ered^tigfeit  erl^öbet  ein  SSol!  |  aber  ein  ©dj^njinben*  ber  Seute  mac^t  bie  ©ünbe,       35 
ober  14,  10.  13.  16,  18  (18,  12) 
6in  §erj  gebenfenb  beö  eignen  Seib«,  |  in  beffen  greube  mengt  fid^  lein  ipoc^mut*, 
. . .  ©elbft  beim  ©d^ergen  ^at  ba«  ^er^e  ©c^merj  |  unb  ba«  *(lnbe  ber  ^eube  ift  Seib, 
. . .  Dem  SSerberben  ge^t  Übermut  öoran  |  unb  bor  bem  gaHe  lommt  §oc^mut. 
Die  mitgeteilten  groben  fönnen  für  ftc^  fd^on  toa^rfc^einlid^  machen,  bafe  biefer  Seil,  40 
berglic^en  mit  bem  erften  (einleitenbcn)  einer  fittlid^  unb  religiös  reicheren  ^erfönlid^Ieit 
ober  3^^*  entftammen  ttjerbe.    Den  Unterfd^icb  bciber  Seile  fennjeic^net  femer  bie  älb^ 
loefenbeit  aller  f^jelulatiben  ©ebanlen  unb2lnllänge  im  jtoeiten  Seile,   ffienn  man  bamit 
bie  eigentümlid^c  93e^anblung  ber  SBei%it  im  erften  öergleid^t,  fo  lann  man  fic^  fd^toer 
be^  ©ebanlen^  ertoel^ren,  bafe  ber  jtoeite  Seil  feine  natürlid^fte  ®rtlärung  auö  ber  ^cxi  45 
be«  iöraclitifc^en  ^ro^j^etentumö  l^erau«  finbe.  g^eilid^  fmb  bie  ©prüc^e  nic^t  t)on  einem 
^ro^^eten  ober  einer  älnja^l  ^jropl^etifd^er  SRänner  öerfafet  ober  jufammengefteHt.    3^re 
3trt  ift  njefentlid^  anber^  ate  bie  ber  ))ro^)^ettfd^en  Siebe,  ©ö  fmb  ©nomen,  t)on  ©nomen« 
bid^tem  ftammenb,  bie  bemSiolfe  unb  ben  Äreifen  berSaien,  ettoa  be«  ftäbtifd^en  Sürger- 
unb  §önbh)erlerftanbeg,  biel  naiver  fte^en  alg  benen  ber  $ro})^eten.  ^riefter  unb  ^ro^)^eten  so 
bilben  ben  geiftlid^en  ©tanb  im  toeiteften  ©inn,  jene  fojufagen  bie  beamtete,  ^ierari^ifc^ 
berfafete  offizielle  ®eiftlic^!eit  barftellenb,  biefe  bie  freien  auf  ftd^  felbft  fte^enben  „SRänner 
be^  ©eifteö"  in  fiel)  befc^liefeenb :   aber  beibe  fmb  boc^  für  bie  SKenge  be^  Solle«,  für 
Äönig,  ^of,  ©olbaten=  unb  Seamtenfreife,  ^anbtoerfer,  S3ürger  unb  Säuern  barin  eine«, 
ba^  fie  „©eiftlic^e",  alfo  Vertreter  3a^be«  ftnb.    äße  anberen  fmb  Saien.    aber  auc^  b6 
biefe  Saienftänbe  ^aben  i^re  3Roral  unb  fojufagen  il^re  5ßrebiger  unter  fid^.    Diefem  Se« 
bürfni«  bient  bie  ©entenjenh)ei«l^eit  unfere«  äbfc^nitte«;  ©ie  ift  nic^t  $ro))l^etenarbeit  — 
nod;  Weniger  natürlich  })riefterlic^e  —  aber  fte  fte^t  unter  bem  unmittelbaren  ßinflufe  ber 
Jjro^^etifc^en  ^bcen  unb  ber  j)rotol^etifc^en  5ßrebigt.  Dl^ne  il^ren  Srnft  unb  i^re  Siefe  — 
ftttlid^  unb  religio«  —  ju  eneid^en,  mad^t  fte  boc^  ben.  (ginbrudE,  bafe  bie  ^JJrebigt  ber  eo 

44* 


692  Sfirfi^c  Salomod 

5ßro^)^ctai   and)  in  bicfen  Ärcifen  nic^t   angehört  öerl^allt  ift  unb   unmittelbaren  ©r- 
folg  l^attc. 

©0  erflärt  ftc^  gam  ungefud^t  ba«  bielfad^e  §ercinf^)ielen  be«  Äönigtumed  nic^t  Ho§ 
al«  einer  befanntcn  ©rfcpeinung,  fonbern  aU  einer  fold^en,  bie  bem  33erfaf|er  au^  eigener 

5  ©rfal^rung  geläufig  unb  bertraut  ift.  ©r,  be^to.  er  unb  feine  ©enoffen,  f ennen  baö  Scbcn 
am  §ofe  red^t  too^l,  fo  bafe  man  faft  annehmen  fönnte,  bie  betreffenben  ©j)rü(^c  ftammcn 
t)on  folc^en,  bie  felbft  am  §ofe  gelebt  ^aben  ögl.  16, 15.  19,  12.  16, 12  f.  18, 16.  Unb 
biefer  §of  fann  bod^  tool^l  nur  ber  be«  bore^ilifd^en  iöraelitifd^en  Äönigtum«  gctoefen  fein. 
3iebe  anbere  (Srllärung  ftöfet  auf  unübertüinblic^e  ©d^toierigfeiten.  (Sinen  flönig^^of  giebt 

10  e^  freilid^  für  ^^racl  aud^  in  |)erfifc^er  ^^\t  unb  femer  in  ber  3^^^  ^^^  2)iabo(^en,  ber 
5ßtoIemäer  unb  ©eleuciben,  toie  benn  auc^  baö  SSud^  ©irad^  Äönige  nennt.  Sber  biet 
toirb  nic^t  blofe  bom  §ofe  unb  bem  3[}erl^alten  bei  $ofe  gef^jrod^en,  fonbern  ber  SScrfaffer 
lebt  (ober  lebte)  bort  eine  ^nt  lang  ober  fennt  bag  Seben  bort  fonfttoie  aug  na^er  än= 
fd^auung.    2)amit  ift  boc^  tool^I  ber  ^)erfifd[>e  §of  jum   borau«    auiggefc^Ioffen.    (Jbenfo 

iB  fd^eibct  ber  ©eleuciben^of  auö,  h)enn  man  3ejuö  ©irad^  jum  SSergleic^  Ij^erangie^t.    Sei 

atter  3l^nlic^feit  beiber  Sudler  toirb  bod^  bie  3lbl()ängigfeit  ©irad^«  t)om  fanonifcfeen  Bprui- 

bud^c   faum   in  ä^^^f^^   g^jogen  tuerben  fönnen  (f.  u.  3lx.  5).    Da^  Suc^  ©irac^  toirb 

aber  ben  ©eleucibenl^of  im  Sluge  f)dbm,  Womit  aud)  er  für  unfer  93ud^  au^fc^eibet. 

6«  bliebe  fomit  nur  ber  jjtolemäifd^e  §of  in  äg^^jten.    3tn  il^n  lönnte  man  in  ber 

20  2l^at  beulen,  toofem  fic^  fonft  ©Jjuren  fo  f^jäter  Slbmnft  in  ben  ©^jrüc^en  biefe^  Seilet 
fänben.  SBir  toiffen,  bafe  bie  guben  an  biefem  §ofe  ju  ^^ten  loo^I  gelitten  toaren; 
am  e^eften  möd^te  man  alfo  ©^rifttoerfe  fpätjübif^en  Öeifte^,  bie  ^n^ammmf^ariQ  mit 
einem  Äönigö^ofe  Verraten,  l^icr^er  bcrtDeifen.  3lber  auc^  bagegen  f^jret^en  ^ier  ftarle  ®rünbc, 
bor  allem  ber  Umftanb,  bafe  nic^tg  fonft  auf  äg^^jtifc^e,  hjoi^l  aber  alle^  auf  paläftinifcbe 

26§erfunft  tueift.  I)enn  ein  l^ebräifd^e«  ©c^rifttDerf,  ba«  nn^  bie  bürgerlid^e  ©efcHfc^ft 
3^raefö  in  ©täbten  lebenb  unb  bon  einem  itönig  unb  ©roften  be^errfcpt  fc^ilbert,  muffen 
loir  too^l,  njenn  nid^t  entfd^eibenbe  ®rünbe  bagegen  fjjrec^ien,  ate  in  ^aläftina  berfafet 
annel^men.  2lud^  bie  perfönlic^e  Söärme  bem  Äönigtum  gegenüber,  h)ie  fie  au^  mebrercn 
biefer  ©Jjrüd^e  ^erborllingt  (16,  10.  12ff.  20,8.  28.  22,  11),  toenn   fie   auc^  nid^t  ent- 

80  fd^eibenb  ift,  legt  boc^  immer  ba^  einbeimifc^e  Königtum  naiver  al^  ein  frembeö. 

3)a^  einzige,  toaö,  toie  mir  fc^eint,  mit  ®runb  für  eine  f^jäte  ßntftcl^ung  biefer 
©))rü(^e  —  unb  bann  ttjo^l  am  e^eften  unter  ben  ^tolemäem  —  f^rcd)cn  fönnte,  tft 
bie  ©teHung  be^  Sönig«  burd^au«  aU  SRid^ter  unb  nid^t  aU  Ärieger.  9?ur  ganj  aus= 
naf)m«h)eife  (bgl.  30,  31,  obtoo^l  ber  %^i  fe^r  unfic^er  ift)   blidft  jene  Sluffaffung  uom 

85  Äönig  burc^.  2Benn  bie  ©^jrüc^e  ber  ^^Jtolemäer^eit  entftammen  foHten,  fo  toürbe  fid» 
bief e  in  i^nen  gu  läge  tretenbe  2lnfd^auung  bom  Äönigtum  barauö  erllären,  bafe  bamaU 
bie  3;uben  über  Ärieg  unb  ^rieben  nid^t  mcl^r  ju  beftimmen  unb  feinerlei  nationale  firicgc 
j^u  fül^ren  l)atUn,  ber  Äönig  alfo  für  fie  ganj  t)orh)iegenb  afö  oberfter  äJertoalter  unb 
Slic^ter  be«  SReid^e^  in  93etrac^t  lommt,  aU  Äneg^l^err  nur  in  jhjeiter  Sinic.  9)Jan  müfetc 

40  in  biefem  »^alle  annehmen,  bafe  ber  9?erf affer  jh)ar  in^ßaläftina  lebte,  aber  bei  bem  fiel- 
fad^en  ä^erfel^r,  ber  jhjifd^cn  2(g^J)ten,  bem  ©t^  ber  Slegierung,  unb  5ßaläftina  beftanb, 
reid^lid^  ©elegenl^eit  ^atte,  ben  §of  fennen  ju  lernen,  ja  bafe  er  bieHeic^t  felbft  eine 
SfiJcile  in  ber  3läi)t  be^  ^tolemäerl()ofe^  gelebt  l^abe.  I)oc^  ^alte  id^  aud^  biefen  @runb 
nic^t  für   entfd^eibenb.    2lucb   im   borejilifd^en  '^^xad  unb  3uba   fpielt  ber  Äönig  aU 

45  Slid^ter  eine  bcbcutcnbe  SloHe  (bgl.  ©alomo  unb  2  Äg  4,  13),  unb  ba  gerabe  baö  afl- 
täglid^e  bürgerliche  Seben  in  §anbel  unb  SBanbel  befonberer  ©egenftanb  ber  ©prüc^e  ift, 
fann  bie  9Jid^terh)ä^nung  be«  Äriege^  menig  auffallen.  —  9Jeben  bem  Königtum  liefec 
fid^  t)ic[lcid;t  aud^  noc^  auf  bie  eigentümliche  ©cftaltung  be^  fojialen  Seben^  bertoeifen. 
§icr  fällt  bor  allem  bie  mel^rfad^e ffiarnung  bor  Sürgf^aft  auf  (11,  15.  17,  18.  20,16; 

60  bgl.  22,  26f.  27,  13  unb  6,  1—5).    ©ie  fe^t  ein  rei^  enttoidfelte«  Ärebittoefen   borauö, 

ein  SSolf,   in   bem  bereite  ber  Kaufmann  unb  faufmännifcl)eg  ©efd^äft^leben  eine  getrific 

SloHc  [fielen.  2lber  gerabe  über  biefe  3)inge  fliegen  bor  bem  ©jil  bie  Duellen  fo  bürftig, 

bafe  h)ir  au^  i^rem  ©c^toeigen  faum  in  ber  Sage  fein  toerben,  beftimmte  ©c^lüffe  gu  ,^iebcn. 

2Üaö  gegen  uuferc  Datierung  ber  l^ier  enthaltenen  ©Jjruc^fammlung  eingetoanbt  h?irb, 

65  l^at,  fobiel  id^  fe^e,  feine  gtoingenbe  Äraft.  2)ie  2lbh)efenl)cit  bon  Qpxüifm,  bie  ben 
©ö^enbienft  ober  bie  ^olbgamie  borauöfe^en,  fann  jebenfaUg  nid^t§  6ntfd(;eibcnbc^  hc- 
toeifen.  "^m  allgemeinen  bürfen  h)ir  annehmen,  ba^  bie  6inel^e  aud^  fc^on  in  boreriIi= 
fd^er  ^c'xt  aU  3(egel  beftanb,  tpirb  alfo  ba^  ©egenteil  nid^t  ertbä^nt,  fo  fann  bie? 
feine^tüegö  befrembcn.    Unb  \m^  ben  ©ö^enbicnft  anlangt,  fo  ift  er  freilic^^  in  ber  bop 

60  e£ilifd;en  ^txt  bielfad^  im  ©c^tpange ;  aber  e^  beftel^t  aucp  fein  3*^^^!^^/  ^^1  ^^^  3^^^^ 


®ptilidft  Solomod  693 

öcre^tung  ate  ba«  SRormalc  unb  afö  bie  SRegcI  gilt.  Ratten  nun  bic  Q\>xü6)^  in  bct 
SBcijc  bcr  >)roj)^ctifcl^en  ^rcbigt  ober  auc^  bc^  crften  (emieitenben)  Seite  unfereö  SSud^c^ 
bic  ©rmal^nung  unb  ©rjiel^ung  foloie  bie  SRüge  befle^enber  ^Jlifeftänbe  jum  eigentlid^en 
3iDcdfe,  \o  lönnte  ba«  geilen  ftrafenber  unb  loarnenber  ©J)rüci^e  bcr  genannten  2(rt  aufs 
fallen.  SSor  allem  toenn  fie  ba«  religiöfe  Seben  in  bcn  SSorbergrunb  fteHten.  Sei  einer  5 
©entenjenfammlung  bcr  oben  befd^riebenen  airt,  bie  toefentlic^  bag  bürgerliche  Seben  int 
äuge  ^at  unb  Seben^rcgeln  in  ©^jrud^form  über  bürgerliche^  unb  jjerfönlid^e«  SBo^I« 
ber^alten  auffteHt,  bürfen  toir  SiBamungen  t)or  ^ol^^tl^ei^mu«  !aum  crtoarten.  Sie  über* 
liefe  ber  )Berfaffer  bcn  ^rieftern  unb  ^rojjl^eten. 

Slatürlid^  lann  aud^   bie  %xaQ^  be«  religiöfen  Snbibibualigmuö   nid^t  mit  in   bie  10 
Söagfd^ale  gelegt  toerben,  um  bamit  bie  ^ömmigfeit  be«  gangen  ©Jjrud^bud^eg  aU  nac^* 
ejrilifd^  gu  ertoeifen.    ®eh)ife  tritt  feit  3^^>"iö  wnb  befonber^  feit  bem  gjil  ba^  ^nbiöi« 
buum  in  feinem  SSer^ältniö  jur  ©ottl^eit  me^r  in  feine  Siechte  ein  aU  früher,    aber 
geh)iffe  SSejie^ungen  liefeen  fid^  aud^  bor^er  unmöglich  anber«  benn  ate  inbiöibueHe  bor* 
fteaen.    5Wit   öoffem  SRed^te  hjcift  b.  Saubiffm  ginl.  739.  740  auf  bie  ©eftalten  ber  15 
^atriard^en  in  bcn  alten  6rjä^Iung§büd^em  ^in.    ^ier  toirb  burd^au^  ein  inbiöibuelle^ 
9?erl^ältni^  jioifd^en  bem  einzelnen  frommen  unb  ^a^\)i  angenommen.    95agfelbe  fann 
au^  bem  Oefe^  erloiefen  toerben.    2)efaIog   unb  Sunbe^bud^   fmb   natürlid^  (Sefe^e  für 
ba^  33oIf,  aber  fte  befunben  burd^au^  baö  SetDufetfein,  bafe  ba«  3SoII  fic^  au«  3"*>ibis 
bucn  jufammenfe^t  unb  bafe  fd^liefeUd^  bod^  {eber  einzelne  in  feinem  perfönlid^en  93er]^alten  20 
gur  ©ott^eit  unb  jum  ©efe^  in  §rage  fte^t.    SBo  jemanb  im  alten  3i«rael  bon  eigenen 
religiöfen  unb  et^ifd^en  2lngetegenl^eiten  rebete  (man  benle  an  baö®ebct  umSRettung  axii 
©efal^r,  Äranf^eit;    man  benfe  an  Süge,  e^cbruc^,  greunbe^treue  u.  bgl.),  ba  lonnte  er 
e^  ber  9?atur  ber  ©ad^e  nac^  nid^t  anber^  ate  in  inbiöibueHer  SBeife.    3Kan  barf  ba^er 
jene  ©runbfä^e  nid^t  fd^ablonenl^aft  antoenben,  unb  ba  im  ©^jrud^buc^  gerabe  Slnjelegen'  25 
Reiten  ber  genannten  3lrt  eine  Hauptrolle  f^jielen,  fo   loirb  man  au«  feiner  inbimbueHen 
gärbung  unmöglid^  bie  2lbfaffung  im  nad^ejilifc^en  3^italter  erfd^Iiefeen  bürfen. 

(Snblic^  bat  man  geloiffe  ©ebanfen  biefe«  3^eilcö  aU  unbebingt  nac^ejilifc^   in  3lns 
f))ruc^  genommen  (t)gl.  ßorniH,  6inl.),  fo  bie  Setonung  ber  Siebe  10, 12;  16,  6;  berSKilb^ 
t^ätigfcit  gegen  Slrme  14,21.  31.  19,  17;  bie  ßrf^affung  be«  grcbler«  für  bcn  3^ag  30 
beö  Unheil«  16,  4  u.  a.    2tber  felbft  tDcnn  bie  3KögIic^feit  burc^auö  jugegeben  toirb,  bafe 
biefer  unb  jener  Qpxud)  in  f>)äterer  ^txt  gum  altern  Seftanbe  jugetoac^jen  fein  fönnte, 
fo  h)irb  bo^  bon  feinem  ber  genannten  mit  irgcnbtoeld^er  ©id^erl^eit  nad^ejilifc^e  3lbfunf t 
bebaujjtet  merbcn  fönnen.    Die  2lrt  unb  SBeife  toie  bie  borejilifd^cn  ober  attcnfaH«  eji^ 
lif^en  Scftanbteile  bc«  ©efe^e«  bie  3fJäc^ftenliebe  unb  ?lRiIbtl(>ätigfcit  betonen,   laffen   cöas 
burc^au«  nic^t   ate   bcfremblic^   erfc^einen,   bafe   gerabe  biefe  f^jcjififd^en  S^ugenben  einer 
bürgerlichen  3JloraI  in  ben  ©^rüc^en  aud^  bor  bem  6jil  fc^on  il^re  ©teile  fanben  unb 
nod;  loeniger,  bafe  fie  ^ier  —  entgegen  ber  l^ö^eren  ^jro^jl^etifd^en  2luffaffung  —  ate  ber« 
bienftlid^  unb  fü^nenb  angefel^cn  toerben.  9?od^  Weniger  fann  16,4  befremben;  im®egen= 
teil  fönnte  biefe  ber  f^jätem  2;^eobijee  iebenfallß  anftöfeige  SRaiöetät  ber  3"^rffw^rung  40 
be«  Söfcn  auf  ©ott  Diel  c^er  afö  ©runb  gegen,  benn  ate©runb  für  nac^ejilifc^e«  ^^\U 
alter  in  Slnfprud^  genommen  ioerben. 

2(nl^ang«toeife  mag  l^ier  noc^  ein  2Bort  über  ben  bon  2BiIbebocr  (Äomm.  ©.  XIV) 
unternommenen  eingel^enben  ©pra^beioei«  gefagt  toerben.  SB.  jäl^It  eine  ganj  ftattlic^e 
3al^l  „fj)ätl^ebräifd^er"  unb  „aramäifd^er"  ffiörter  auf,  bie  in  biefer  3Kenge  gerabegu  er=  46 
brüdfcnb  ju  toirfcn  fc^einen.  31^6)1^1  man  aber  ah,  tua«  unter  ben  „f))ät|cbräifc^en" 
SBorten  ate  ©onbergut  ber  ^roberbien  unb  ber  bertoanbten  Sitteraturgattung  (bef.  5ßf.  unb 
§iob)  erfc^eint  ober  loaö  ^n^emia«,  ©jec^icl  unb  bem  ^riefterfobej  angehört  —  unb  Wai 
barum  nod^  nid^t  o^ne  toeitere«  ate  f^ät^ebräifd^  ju  bejeid^nen  ift  —  fo  bleiben  einzelne 
3Korte  unb  formen  mie  bie  irrig  aU  2tramaiömen  angefcl^enen  5Romina  auf  n^i-  ober  60 
bzp ,  ■T'''50,  yd':'n  übrig.  3ine«  anbere  ober  beinal^e  alle«  anbere  toirb  man  ate  nid^t 
ober  nur  möglic^ertoeife  fjjät^ebräifc^  anfeilen  muffen  CC-P  unb  nc:  toürben  el^er  unter 
bie  3lramai«men  einjufteHen  fein).  2Bie  ioeit  fid^  barau«  ein  ©^^rad^betoeiö  führen  läfet, 
mag  bal^ingeftellt  fem.  —  Sll^nlid^e«  gilt  bon  ben  „2(ramai§men".  3[ud^  l^ier  ^at  SB. 
fic^er  ju  biel  in  bie  Sifte  eingeftcHt.  Die  Äonftruftion  in  5, 12  ift  einfacher  ^leona^mu«  55 
(©loffc!)  unb  l^at  mit  ber  befannten  aramäifd^en  Äonftruftion  nic^tö  ju  t^un.  3"  8/2 
barf  ba«  aram.  ,2"ip^  bodjj  ioo^I  nic^t  einmal  mit  gragejeigen  angezogen  loerben.  DJod^ 
biel  ioeniger  ^;'^  "»;  (=  „eingefc^Iagen!")  11,21  ober  nrn  ftc^  abgeben  13,  20  unb 
manche«  anbere.  ©leiben  auc^  jtoeifeHo«  eine  Slngal^I  bon  3lramai«men  übrig,  fo  fmb 
fie  einerfeit«  biel  toeniger  ja^lreid^  al«  SB.  annimmt,  unb  anbererfeit«  fann,  toa«  in  ben  60 


694  Stirfi^f  @ii(omo9 

t)on  un^  für  üorcjüifd^  angeitontmcncn  2lbfc^mttcn  übrig  bleibt,  fcinc^faQ^  mc^r  bic  ihm 
jugcmutetc  Setoeiölaft  tragen. 

c)  e«  folgt  in  22, 17—24,22  ein  britter  2:eil,  ber  getoö^nlit^  atö  STn^ang  ;u 
bem  eben  bef^roc^enen  Slbfc^nitte  angefe^en  toirb.    6r  unterfd^eibet   fic^    toon    i^m   na* 

6  ^orm  unb  3i"^ölt.  3)ie  JJorm  läfet  ben  älbfd^nitt  aU  Slnrebe  begU).  ©cnbfc^reiben  oit 
einen  jungen  3Kann  erfd^einen,  beffen  ©Item  no(|  am  Seben  fmb  (23,  22) ;  juglcic^  totrb 
bie  3Ka^nfc^rift  aU  „SBorte  ber  SBeifen"  bejeid^net,  unb  bie  ©ingelfentcnj  totrb  bur* 
Steigen  t)on  ©tid^en  erfe^t.  9leben  ÜJla^nungen  jur  Stec^tlid^feit  unb  SSarm^ergigf ett  f^iclen 
eine  befonbere  SioIIe  3Q3amungen  bor  Übermafe  beim  SBeine,  t)or  Un^ud^t   ober   @^ru(^, 

10  bor  unfd^idflid^em  SSene^men  in  (SefeUfc^aft  unb  bei  bome^men  Seutcn.  —  2luc^  bier 
h)irb  ber  Äönig  genannt  (24,  21),  aber  ganj  allgemein  im  Sinne  bon  „SRcgicrung'',  ohne 
bafe  ber  SJerfaffcr  naivere  SSejie^ung  jum  $ofe  berrät  ober  i^n  in  5ßaläftina  felbft  benfen 
müfete.  hingegen  berrät  bie  gorm  be^  93riefe«  unb  bie  ainnä^erung  an  ben  erftcn  S^eil  e^ 
eine  fpätere  afe  frühere  ^tit  S^taefe,  unb  bie  mel^rmalige  SSetonung  ber  göttlichen  3Ser= 

16  geltung  in  ber  3w!unft(23, 18.  24, 14)  toürbe  biefe  3lnna^me  betätigen,  fafe  bamit,  fm 
bodji  lool^I  toal^rfc^einticp  ift,  bie  jenfeitige  SBergeltung  gemeint  ift. 

d)  Unter  ber  Überfd^rif t  n-7:rnb  nV«  D5  „aud^  W  [tammt  bon  SJeifen"  fd^Iiefet  fic^ 
ein  Weiterer  Heiner  ansang  an.  Die  ©c^Iufeberfe  ber  fleinen  Sammlung  lauten  glei* 
mit  6,  10  f.    2Barum  bie  Heine  2lnt^ologie  nic^t  ben  größeren  Sammlungen   cinberleibi 

20  ift,  bleibt  bunlel;  fie  mag  lool^I  bom  SRebaftor  ate  eigene  Heine  Stoße  borgefunben  unb 
fo  belafjen  toorben  fein.  3"^"^^^^"  f^jrid^t  biefer  Umftanb  bafür,  bafe  bei  ber  JHcbaftion 
unb  SwföW'W'^f^^ßwng  be^  heutigen  93ud^e«  mit  ^ietät  berfa^ren  tourbe. 

e)  ^n  Äaj).  25—29  folgt  nun  toieber  eine  größere  Sbrud^fammlung.  Sie  fühn 
ben  2:itel :  „äud^  ba«  finb  S^jrüd^e  Salomo«,  toelc^e  bie  3Känner  be«  ^iöfia,   Äönigs 

26  bon  3wba,  jufammengefteHt  l^aben".  (Über  ba«  SBort  pny  f.  je^t  auc^  ©after  in  ber 
geftf^rift  fiir  SRöIbefe  I,  534;  e^  bebeutet:  „abf^reiben".)  3)ie  grofee  S^nlic^feit  bicfcr 
Sammlung  mit  bem  großen  öauj)tftüdE  be^..S3ucl^ei^(b)  ift  längft  mannt  unb  tl^tfätblii 
unberfennbar.  Sc^on  äufeerlic^  tritt  bie  ä^nlid^Ieit  in  bem  faft  burd^ge^enben  SJcr^ 
l^errfd^en  be^  (jtoeiteiligen)  ©injelftid^o«  l^erbor.    9Jur  im  2lnfang  unb   gelegentlid^  .cin- 

80  geftreut  finben  ftdji  einjelne  3)oj)<)eIftic^en.  2)ie  3KögIid^feit  ber  §crf unft  bc^  SEBorteg  '^^ 
bon  einem  aSerbum  Vj3?:  „bergleid^en"  toirb  bei  biefem  Seile  red^t  einleudS^tcnb,  benn  eine 
ftattlid^e  2lnga^I  feiner  S^rüd^e  beftel^t  tl^atfäd^Iic^  au§  Sentenzen,  bie  ftc^  auf  einen 
SSergleid^,  meift  au^  bem  ^Jatur^  unb  3Renfc^enIeben,  grünben;  bgl.  j.  93.  26,  1.  2  (3.6. 
7).  8  (9.  14).  17.  18  f. 

86  äuc^  l^ier  fpielt  bie  Seben^toei^^eit  eine  ^au^jtroHe :  richtige«  Sieben,  ric^tige^  fifanbeln 
unb  Senebmen,  befonberd  in  Iritifd^en  Sagen,  fo  bei  Streitigfeiten  unb  bei^ofe,  t^eräc^t^ 
lid^feit  be^  Raulen  unb  äl^nlic^e  2)inge  bilben  bie  Jpau^)ttl(>emen.  Da«  eigcntlid^  Sebrbaftc 
tritt,  toie  im  jtoeiten  3:eile  be«  93ud^e«  im  Unterfc^ieb  bom  erften,  ftarl  ^urürf  l^inter  ber 
einfad^en  jjraftifc^en  Scben^funft.    Daneben  finben  fic^  Sentenzen,  bie   eine  einfache  9^ 

40  obad^tung  unb  9lbjeic^nung  be«  Seben«  bejtoedfen,  gelegentlich  in  berb  realiftifd^er  3# 
nung,  fo  26, 11 

2öie  ein  §unb  ju  feinem  ©efjjei  toieber  ge^t  |  toieber^olt  ber  2:^or  feine  Siarrbeit, 
aber  auc^  in  feiner  unb  jarter  ©mjjfinbung  unb  Siebe,  fo  25,  26 
(Sin  vertretener  Duell  unb  jerftörtcr  Srunn:  |  ein  (Sered^ter  toanlenb  bor  einem  greölcr. 

46  gragt  man  nad)  ber  (Sntfte^ung^jeit  biefe«  3^eile«,  fo  ift  junäc^ft  bemerlengh>ert,  baB 
^ier  ganj  gegen  bie  fonftige  Siegel  im  Sprud^buc^e  bon  ber  ^ro^j^etie  bie  Siebe  ift.  35>cnn 
e«  nämlic^  29,  18  Reifet: 

£)l)nz  (SJeftc^t  ge^t  ein  93olf  ju  ®runb,  |  toenn  e«  Se^re  betoa^rt,  tool^I  ibm  I 
fo  ftebt  man  burebau«  unter  bem  ßinbrudf,   aU  fei  „©efid^t",  alfo   i)rop^ettf4>e  Cffcn- 

60  barung  bamal«,  al«  biefer  S^rud^  entftanb  unb  in  bie  Sammlung  eingefteKt  tourbe,  no(fc 
JU  erlangen  getoefen.  Da«  ift  aber  nur  möglid^  bor  bem  2lu«fterben  ber  ^ropl^etie.  5i>ir 
Ratten  alfo  !?ier  ganj  gegen  bic  fonftige  Siegel  ber  S}3ruc^toeifen  (f.  o.  S.  691, 45  ff.)  einen 
^intoei«  auf  bie  gleid^jcitige  ))roi)!?etif^e  Seiocgung.  3lud^  bie  SSeieic^nung  tora  \vx  ba^ 
$ro))f)etcnh)ort,  benn  nur  biefe«  fann  gemeint  fein,   fjjrt^t  minbeften«  ni^t   gegen  biefc 

65  Raffung,  toäF^rcnb  umgefef^rt  in  ber  ^cit  nad^  bem  ©rfterbcn  ber  ^ro^)^ctie  ein  berartiga 
Bpxud)  faum  mel^r  berftänblid^  toäre.  .v>ierju  toürbe  nun  toeiter  bortrefflic^  ber  Umftanb 
ftimmen,  ba^  aucb  ^ier  toicber  (25,  2—7)  ber  Äönig  ftar!  in  ben  aSorbergrunb  tritt,  unb 
5toar  abermal«  nid;t  blof^  al«  eine  im  allgemeinen  befannte  ßrfd^einung,  fonbem  ols 
eine  Grfc^einung,  bie  ben  Did^tcr  unb  feine  Äreife   ftarf  befd^äftigt  unb   mit  ber  man 

60  mannigfad^e  Serüi^rung  ^aben  fann.  Die  Äönig«fj)rüd^e  ftnb  ^ier  nid^t  gerabe  fo,  baB  f^« 


für  bic  t^raclttifc^e  Äönigöjcit  im  bcfonbcren  Sinn  betoeifenb  toären,  aber  bod^  \o,  bafe 
fic  fic^  au«  bicfcr  ^^xi  am  ungejhjungcnftcn  crflären  (29,26.  30,  27  f.  31). 

3lad)  aUebcm  Ipirb  laum  eine  auöreid^enbe  Seranlafjunö  fein,  an  ber  na^en  jeit« 
liefen  3Scrh)anbtfc^aft  biefeö  Slbfc^nitte«  mit  bem   i^m  fonft  na^efte^cnbcn  .^au^itteil  be^ 
93u^e^,  unb  bamit  an  ber  Slic^tigfeit  ber  in  ber  Überfc^rift  niebergelegten  ^rabition  ju  5 
jmeifeln,  nac^  toelc^er  bicfe  Sprüche  unter  Äönig  §i^fia  gefammett  fein  tDoHen.  3P  ^"^ 
bic  Übcrfc^rift  felbft,  tüie  e«  in  ber  9Jatur  ber  ©ac^e  liegt,  in  ber  ^orm,  in  ber  toir  fie 
l^cute  lefen,  bietteid^t  erJ^eblid^  jpätn  al8  $igfiag  ^^t,  toeil  fonft  bie  SSejeid^nung  „Äönig 
öon  3lwba"  eine  geh)if[e  ©c^h)ierig!eit  böte,  fo   fpric^t  boc^  im  übrigen  nic^t^  gegen  bie 
SWid^tigleit  jener  2(ngabc.    6ine  anbere  %xaQt  ift  natürlich,   tüie  biel  auf  ©alomo   unb  lo 
feine  ^qü   jurüdfrei^enbe«  3KateriaI    in   biefer  h)al^rf(i^ein(ic^  au«   berfd^iebenen  3^^^^ 
big  auf  §iglia  ftammenben  (bieHeic^t  aud^  nad^^er  nod^   erweiterten)  ©})ruc^fammlung 
fic^   finbcn  möge,  darüber  läfet  fic^  toie  beim  jloeiten  2^eile  nur  fagen,  bafe  bie  SRid^tigfeit 
ber  Überlieferung  t)on  falomonifd^en  ©prüc^en  burc^au«  jugegeben  Serben  fann,  i^re  ©r^ 
Ilärung  im  einjetnen  aber,  boHenb«  bie  Seftimmung  einzelner  falomonifd^er  ©prüd^e  un«  i6 
möglid^  ift.  Äeine^fall«  Serben  bie  Äönig^fjjrüd^e  25,  2  ff.  einen  Äönig  jum  38erfafjer  ^aben. 

f)  3)cn  Sefc^lufe  be«  gangen  SSuc^e«  bilben  brei  Heinere  äbfd^nitte,  bie  o^ne  3^«ifrf 
an  biefe  ©teile  gerürft  finb,  toeil  fie  bom  SWebaftor  ate  SJad^träge  jum  übrigen  93ud^e 
angefe^en  Würben. 

a)  Der  erfte,  Aap.  30  umfaffenb,  fü^rt  bie  Überfc^rift  „SBorte  bc«  aigur  ben  3aleb"  ao 
mit  bem  S^\^i  N'»?^n,  Wobei  fotoo^I  bie  3Q3orte  ben  ^aUf)  ate  ber  Weitere  3wfö|  buniel 
finb;  ber  le^tere  ift Wo^I  gu  üerbeffern  in  «^^27?  au«5Dtaffa;  ögl. 31, 1 ;  ®en,25,14;  1  6^ 
1,  30.    3(uc^  bie  folgenben  SBorte  fc^einen  im  l^eutigen  ?Dlaforetentcjt  jur  Überfd^rift  ge= 
^örcn  gu  foHen;    bo^  ftnb  fie   aller  SBa^rfc^einlic^feit  nad^  ebenfalls  m  emenbieren  unb 
gehören  gum  Sejte  felbft  (f.  bie  Biblia  Hebr.).    Dann  entl^ält  ber  Sinl^ang  ein  beWegs  26 
lid^e«  93efcnntni« :  „3d^  ^abe  mid^  abgemüht,  o  ®ott,  f)abt  mic^  abgemüht  unb  bin  l^in^ 
gefd^Wunben".  Die«  ©eftänbni«  ftimmt  bann  ju  bem  folgenben  35.  2 
^mn  ein  aSie^  bin  ic^  unb  lein  9Wenfc^  |  unb  SSerftänbni«  ber  SKenfc^en  beft^e  xd)  nic^t, 
um  bann  bon  S.  3  (im  berid^tigten  Siert)  an  bi«  SB.  6  auf  ben  ^o^en  SBert  unb  bie 
Uncntbel^rlid^feit  ber  ^öttlic^cn  UnterWeifung  ju  lommen:  ao 

aiber  ©Ott  l^at  mid^  3Öei«^eit  geleimt  |  fo  bafe  id^  Äenntni«  ber  ^eiligen  gewann. 
Die  „Äenntni«  ber  c^eiligen"  ift  göttlid^c  Srfenntni«. 

Der  Weitere  SSerlauf  bietet  bann  allerlei  ©entenjen  unb  Seobad^tungen,  teilwcifc  in 
frcmbartiger,  nid^t  feiten  rötfelbafter  gorm.  ©o  Werben  in  33.  11— 14  in  gleichartig 
gebauten  ©^irüd^en  3lu«fagen  über  bie  ©ottlofen  gemad^t  in  einer  ber  ^ebräifc^en  ©ijrac^e  35 
fonft  fo  gut  Wie  fremben  3tu«brurf«Weife ;  e«  fel^lt  jebe«  ^räbüat;  ober  e«  Wirb  in  SS.  15 
bie  Slluka  (aram.  SSlutegcl)  genannt  —  ein  Dollfommen  bunlle«  (Wo^l  bämonifc^e«) 
SKefen  -~  famt  i^ren  3:öd^tem;  ober  Wir  lefen  in  33.  31  ein  SBort  Cipb«,  ba«  einem 
arabifd^en  2Borte  Diel  äl^nlid^er  fte^t  al«  einem  l^ebräifc^en.  ©leic^flänge  ftnb  eine  Sieb« 
^aberei  be«  SSerfajfer«,  fo  SS.  4  (viermalige«  ^7:),  93. 11  ff.  (Diermalige«  "in),  33. 19  (Dier=  4o 
malige«  ^"^n),  33.  21  ff.  (breimalige«  nnn).  (Sbenfo  DerWenbet  er  mit  befonberer  33orliebe 
ben  3al^lenfiprud^.  Diefe  Äunftform  ^cbräifc^er  5ßoefte  (bei  ben  ©Jätern  n*j72  genannt) 
finbet  ftc^  öor^er  nur  einmal,  6, 16—19: 

©ec^«  fmb«,  bie  3a^t)e  l^affet  |  unb  fteben  ftnb  feiner  ©eele  ein  ©reuel, 
Worauf  in  fed^«  §albjcilen  fteben  üble  Dinge  genannt  Werben,  öier  hingegen  treffen  wir  45 
auf  engftcm  SRaume  mef^rere,  unb  jWar  in  berfelben  gorm  Wie  bort,  bie  fid^  audb  bei 
©irad^  (23, 16.  25,  7.  26,  5.  28)  pnbet,  fo  bafe  jWei3a^len  genannt  Werben,  bon  benen 
bie  gWeite  bie  erfte  um  eine«  überbietet.  Demnad^  33.  18 

Drei  Dinge  ftnb«,  bie  mir  ju  ^od^  ftnb  |  unb  biere  berftel^e  ic^  nid^t, 
Worauf  bier  Wunberfam   jd^einenbe,   ge^eimni«t)otte  Dinge  genannt  Werben :    33ogelflug,  60 
©d^langengang,  bie  SSeWegung  be«  ©c^iffe«  unb  ber  3ug   ber  ©efc^lec^ter  ju  einanber. 
ä^nlic^  21 

Unter  breien  erjjittert  bic  6rbe  |  feiere  fann  fie  nic^t  ertragen. 
Worauf  t)ier  auffaHenbc,  nac^  be«  SSerfaffer«  ?lReinung  aller  Drbnung  unb  Siegel  juWiber^ 
laufenbe  Dinge  genannt  Werben.  3lad)  biefem  ©d^ema  Werben  aud^  bie  jWei  Weitem  66 
3a^lenfj)rüd^e,  bei  benen  ber  Stejt  öerberbt  ift,  ^erjuftellen  fein.  5IJlan  fielet  nämlic^,  bafe 
üon  ben  ^Wei  in  grage  ftel^enben  ^al)Un  bei  ber  2lu«fü^rung  be«  ©Jjruc^e«  t^atfäc^lic^ 
immer  bie  gWcite  |öl)ere  gewäl^lt  Wirb.  Demnach  muffen  in  SB.  30  unb  31  ebenfall«  feier 
Dinge  genannt  geWefen  fein  unb  n-^T"*!  mufe  ba^er  ebenfall«  al«  lier  neben  bem  SöWen 
unb  bem  ftolj  ein^erfc^reitenben  ^kQtnbod  erflärt  Werben,     ©benfo  mu^  in   15^   16  eo 


696  Simt^f  ®oloiiio9 

erttjartct  tocrben,  bafe  urf^^rüngtic^  öict  unerfättlid^e  S)mge  genannt  toaren.    ®er  ©lmi(^ 
(autet  alfo: 

Drei  fmb^,  bie  nid^t  fatt  toetben,  |  bier  fagen  nid^t:  (Senug! 

Die  ed)eoI   [h)irb  ber  %otm  md)t  fatt]  |  unb  unfrud^tborer  Bdfo^  [bc^  9Rannc^] 

6  Die  @rbe  h)irb  3Q3affcrö  nic^t  fatt  |  unb  geuer  fagt  nic^t :  ®cnug ! 

Stcc^net  man  nod^  baju,  bafe  auc^  in  93.  24— 28  eine  ä^nltc^e,  toemt  aud}  ni(^l 
ganj  biefelbe  ftunftf orm  angetoanbt  ift,  fo  unterliegt  e«  nac^  bem  ©efagten  feinem  ^toeifcl, 
bafe  ber  SJerfaffer  biefe«  9lbfc^nitte«  in  ^ö^erem  3Rafee  ate  ber  eine^  ber  bi^^crigen  gturfe 
ber  aSertüenbung  eigenartiger  bid^terifc^er  formen  jujeneigt  ift.   Dabei  liebt  er  SEortf^id 

10  unb  2Bi^,  in  S.  19  fc^eint  fogar  eine  ba^  gefd^lec^tlic^e  (Gebiet  anlangenbe  3h)eibeutig!eit 
beabfic^tigt  ju  fein  (rnibr  toirb  tDol^I  bie  Jungfrau,  baö  SKäbc^en  —  letne^^fallö  bie  Dim 
—  fein).    Sebenfaü«  aber  liegt  ein  9Borttüi|  bor  in  33 

Denn  Drudf  auf  Mild)  erzeugt  Ääfe  |  unb  DrudE  auf  bie  $Rafe  (sp*)  erzeugt  Slut 
Unb  Drudf  auf  3om  (C-'en)  erzeugt  ©treit 

15  ®g  toäre  bon  l^o^em  ^ntereffe  ju  toiffen,  toer  biefer  Slgur  ben  ^ak^f)  unb  tüa^  feine 
;^eimat  ttjar.  Die  ^^rembartigfeit  ber9?amen  —  auc^  ein  (Sebiet^Ölaffa  fcnnen  tüir  fonft  inj^rad 
nid^t  —  unb  ein^ielne  frembartige  SBorte  (f.  oben)  laffen  bermuten,  bafe  bie  ©})rüc^e  aufeer= 
i^raelitifd^er  $crfunft  fmb,  ^Wa  bem  arabifc^en  ober  aramäifäS^^arabifc^en  ©pxai^dntt 
ßbomg  ober  be«  §aurangebiete^  entftammenb.    ^eilid^  ift  bamit  ba«  SRätfel  feine^toeg^ 

20  gelöft,  fonbem  e^er  ba^  Dunfel  berme^rt.  Denn  ftnb  bie  ©jjrüdS^e  aud^  tttoa  frembcr  äb= 
lunft,  fo  enthalten  fie  bod)  nid^t  nur  ba«  3^"Ö"^^  ^^  3wge^örigfeit  i^c3  SSerfaffer^  ^um 
Ärei§  ber  ^a^beberel^rer  (98.  9j  aUerbing«  LXX  nm^),  fonbem  fie  bieten  auc^  fonft 
nid^tö  bar,  tua^  jur  ^a^bereligton  nid^t  ^jaffen  toürbe. 

ß)  Ru  b^ni   foeben   mit  einiger  SBal^rfc^einlic^Ieit  ©rmittelten  toürbe   fobonn  cmi 

26  Überfd^rift  unb  ^n^alt  eine^  jtoeiten  fleinen  Sln^angg  ftimmen  (31, 1 — 9).  35ie  Überfc^ft 
lautet  in  berbeffertem  2ejt:  „SBorte  Semuelö  be«  Äönig«  bon  3Raffa,  bie  i^n  feine 
3Wutter  leierte".  6«  gel^t  barau«  mit  aSa^rfd^einlid^feit  ^erbor,  bafe  3Jlaf[a  ein  2anb  ift, 
unb  ba  bie  ©Jjrad^e  äramaiömen  entl^ält,  fo  mag  jene^  SKaffa  im  Dften  ober  Slorboften 
bon  5ßaläftina,  im  §aurangebiet  bermutet  ioerben.  3"^öltlic^  ftettt  ba§  Heine  ©tüd  müttcr^ 

so  lic^e  ©rmal^nungen  unb  ffiamungen  i)or  3(uöfc^reitung  unb  Ungered^ttgfeit  bar. 

y)  Den  ©^lufe  bc^  Suc^e^  bilbet  ein  alroftid^ifdbe^  ®ebi^t  in  alj)l^betifc^er  En- 
orbnung,  ben  Sobjjreiö  ber  tugenbfamen  §auöfrau  ent^altenb. 

Über  bie  3^^^  t>^^  ^^^i  Sln^änge  läfet  fic^  hjeber  au^  äußern  nod)  innem  2lnjei*en 
ettoa^  Seftimmteö  fagcn.    3""^  ©^jruc^bud)  felbft  fönnen  bie  beiben  erften  erft,  naibem 

85  eg  im  allgemeinen  fertig  toar,  jugefügt  toorben  fein,  fonft  fönnte  baö  93uc^  felbft  m(^t 
toof)I  ©})rüc^e  Salomo^  feigen.  3lber  bamit  ift  über  i^re  ©ntfte^ung  felbft  gar  nicfets 
gefagt.  2Bcnn  in  30,  6  bie  SBamung,  ben  SBorten  Sottet  nid^t«  jujufügen,  an  gc- 
fc^riebene  unb  gugleid^  fanonifierte  (Sotte^toorte  backte,  müfete  ber  erfte  2lnl(^ang  oHerbings 
rcc^t  jung  fein.    Slber  ft)a^  ft)iffen  tüir  t^atfäd^Iid^   über  ben  93egriff  ,,®otte^lüort"  unb 

40  feine  Slnioenbung  —  boHenb^  toenn  ber  Slbfd^nitt  gar  nid^t  urfprünglic^  i^raelitifc^  fein 
foKte? 

5.  Daö  l^eutigc  93ud^.  2lu^  biefen  mancherlei  93eftanbteilen  ift  baö  Suc^  in 
ber  ©eftalt,  in  ber  h)ir  c^  l^cute  lefen,  jufammcngefe^t  toorben.  Die  obere  ©rcn;c 
für  bie  3^it  ^^  3"f^"^"^^"f*^''^""0  ^ßi^^^t  |id^  nac^  bem  ©efagten  bon   felbft.  a4?ofcm 

45  nid)t  einzelne  2tbf^nitte  erft  ate  f))ätere  9?ad;trägc  jum  ©anjjen  ^u  gelten  l^aben,  mul 
bie  ^cxt  ber  2tbfaffung  ber  jüngften  Seftanbteile  al^  obere  ©renje  für  bie  3^^ 
ber  9(cbaftion  angefe(;en  toerben.  Daburc^  finb  h)ir  gtoeifello^  in  bie  nad^ejilifdt»e  3^t 
gefüJjrt.  2lUc  ioeit  mir  inncrl^alb  berfclben  l^erab  ju  greifen  ^aben,  bleibt  eine  grage  für 
fid).    §ier  fann  eigentlich,  toenn  man  einen  fe^r  toeitge^enben  gried^ifd^en  ©influfe  inner 

60  i^alb  be^  Suc^cö  felbft,  fo  toie  e^  oben  gefd;cf)cn  ift,  glaubt  ablehnen  ju  foHen,  nur  eine 
genauere  3Serglcic^ung  mit  Qefuö  ©irac^  ethjaö  tociter  fül^ren.  3n  3^M  ©itad^  boten 
toir  ein  ebenfalls  t)on  ^aufe  aii^  l^ebräifd^  gefc^riebene^  ©Jjrud^buc^  bor  un^,  ba^  einer- 
feit^  ben  i^orjug  l^at,  „bafe  h)ir  e^  fic^cr  batieren  fönnen  unb  anbererfeit^  nad)  3"^^^ 
unb  gorm   fo   grofee  2il^nlid;feit  mit  unfcrem  93ud^c  befi^t,   baf;  e«  noth>enbig  $ur  SJer^ 

56  glcid;ung  Ijerau^forbert.  9Jun  beftcl^t  fein  3*^^'if^^  ^«6  ©irac^  (ebenfo  iüie  toeiterbin  bie 
fog.  2lki*ö^eit  ©alomoni^)  ein  3lft  an  bemfclben  ©tamme  ift,  au^  toelc^em  bie  "^xo- 
Serbien  erioadbfcn  finb  —  bcibe  geljören  einer  unb  berfelbcn  ©eifteöricbtung  unb,  formell 
iüie  materiell,  berfelbcn  Sittcraturgattung  an.  Äann  man  alfo  bie  ?frage  nad^  i^rem 
gcgenfcitigen  Scrljältniö  auörcid^enb  bcantivorten,   fo  mufe   auc^  auf  bie  ^rage  nac^  ber 

60  eutftel;ung  ber  ^srobcrbicn  t>on  l;ier  au<^  ein  £id;t  fallen,  ©oioo^l  bie  Slbfaffungöjeit  ber 


Sfirfi^c  SalomoiS  S)iitrgeoit  697 

einzelnen  ^cile  be«  ©^jruc^bud^e«  lann  bon  l^ier  auö  beleud^tet  hjerben,  obhjo^I  bei  ber 
5DJifc^un0  berfd^icbcnartiger  (Slcmcntc  in  il^m  gcrabe  ^ier  mit  SSorftd^t  ju  berfal^rcn  fein 
tDirb,  ate  befonberS  bie  3^*  t>^  ©ammlung  unb  ber  enbgiltigen  Slebaftion.  %ixx  biefe 
grage  lann  ba«  Suc^  ate  einl^eitlic^e  ©röfee  angefel^en  unb  ber  anbem  (Sröfee  gegenübers 
geftcHt  njerben.  b 

@g  jcbeint  mir  ein  fi(^ere^  ©rgebni^  ber  öerbienftlid^en,  biefem  ©egenftanbe  genjib« 
meten  Sqrift  bon  ©affer  gu  fein,  bafe  ^efuö  ©irac^  t)om  ©pruc^bud^  nic^t  allein  ab^ 
i^öngig,  fonbem  ani)  burc^  einen  er^ebli^en  g^^öurn  t)on  il^m  getrennt  ift.  SBenn  ber 
3Serfafl er  biefcr  ©c^rift  öietteic^t  an  einzelnen  anbem  fünften  mel^r  betoeift,  ate  ftc^  ftrifte 
erhärten  läfet,  ba^  f)at  er  m.  6.  au^reid^enb  fic^er  gefteHt,  bafe  3i^f"^  ©irad^  einen  er*  lo 
l^eblid^  borgefd^ritteneren  ©tanb^unlt  bertritt.  3Kan  h)irb  bieSBorte,  mit  benenSaffer  ben 
beibe  Sudler  t)erglei(^enben  Slbfc^nitt  fd^Iiefet  (©.  254)  unterfd^reiben  fönnen:  „33äa«  baö 
altl^ebräifd^e  ©^^rucbbuc^  anlangt,  fo  ^at  e«  fvi)  b^au^efteltt,  bafe  ©irad^  fein  anbere^ 
^nd)  be^  %%  ftärfer  benu^t  l^at  unb  bafe  er  feinem  me^r  bon  feiner  fc^riftftellerifc^en 
Silbung  berbanfte  ate  gerabe  biefem.  Die  ^ßroberbien  1)at  er  nad^geal(>mt.  3"  i^"^"  fd^aute  i6 
er  ate  ju  feinem  SSorbilbe  emjjor.  ©ie  jäl^Ite  er  augenfdjieinlic^  Ju  bem  förbe  ber  großen 
SSergangenl^eit  feinet  SSoIfe^,  toelc^er  feine  Segeifterung  galt".  2)amit  fmb  toir  bon  felbft 
mit  ber  SRebaftion  unfere«  Sud^e«  in  eine  ^eriobe  gefül^rt,  bie  berjenigen  ber  2(bfaffung 
be^  SSud^eö  ©irad^  boranging.  Die  ^roberbien  gehören  bem  ©iraciben  ebenfo  tüie  bie 
^falmen  unb  §iob  bereit«  ju  ben  Tiärgia  ßißXia,  bie  er  eifrig  ftubiert.  6«  fönnen  h)ie  ao 
beim  $falter,  fo  aud^  ^ier  einzelne  Elemente  aud^  nac^©irad^  noc^  jugefloffen  fein;  aber 
im  ganjen  loar  \>ai  ©^rud^bud^  ju  ©irad^«  3^'^  abgefd^Ioffen.  2)a«  tDürbe  un«  etlpa  in 
bie  SWitte  be«  3.  ober  ben  aiuSgang  beg  4.  gal^^unbert«  fül^ren. 

3d&  fann  femer  mid^  be«  ©ebanfen«  ni^t  ertoel^ren,  ba^  and)  inSejie^ung  auf  bie 
Äönigöfi^rüc^e  ©irac^  anber«  ju  beurteilen  fei  afe  bie  ^roberbim.  ©ier  tritt  unö  ber  26 
Äönig  über  30mal  entgegm  (unb  jtbarnur  in  beftimmten  leiten  be«33uc^eö;  g.S3.  1—9 
überl^aupt  nic^t,  ba  7, 15  boc^  tbol^I  |\u  allgemein  ift);  bei  ©irad^,  oblpo^l  fein  93uc^  biel 
umfangreid^er  ift,  nur  4mal  (7,  4  f.  10,3.  38,2);  babei  lebiglic^  ate  eine  6rf Meinung, 
bie  man  fennt,  aU  objeftibe  2;l^atfac^e.  33on  irgenb  toelc^em  ^jerfönlid^en  aSerl(^äItniö  jum 

tofe  ober  irgenb  tueld^er  SBärme  ber  6m))finbung  für  ba«  Äönigtum  ift  nid^te;  ju  fpüren.  30 
tan  meibe  e«,  bem  Äönig  begel^rlid^  nal^ejutreten ;  ein  jügellofer  König  fd&äbigt  fein  Solf, 
nur  burc^  einfid^t^boHe  dürften  mirb  eine©tabt  bolfrei^;  ber  Seibargt  eine^wönigö  fann 
auf  gute  Seja^Iung  red^nen  —  ba«  ift  fo  gut  toie  alle«,  toa«  bom  Äönige  gefagt  ift 
(benn  SBorte,  bie  bom  Slic^ter  ober  ben  dürften  ^anbeln,  bürfen  bod^  nic^t  o^ne  tocitere« 
mit  auf  ba«  Äönigtum  bejogen  toerben).  Diefer  ©ad^ber^alt  loedt  burd^au«  ben  ©ebanfen,  36 
al«  liege  ba«  Äönigtum  bem  ©iracibm  er^eblic^  femer  al«  ben  Serfaffem  bon  ^r  10  ff. 
25 ff.;  \a  feine  ©prüd^e  fönntm  j.  %.  unmittelbar  burcb  jene  beeinflußt  fein.     Äittel. 

®)ittrgeott,  Sbarle«  $abbon,  geft.  1892.  —  ßittcratur:    SBoIfgang  SBu^vudfer, 
(5.  ^.  ®p.  (nodj  bem  ©nglifc^en  üon  Dr.  @tet)enfon),  ficip^^ig  1863;  ^eintieft  5Solff,  ©mcrfon, 
^arfer,  JRobertfon,    ©p.,   ©remcr^aüen  1867;    8p.,   ein  SJoIf«prebiger  ber  Si^eujeit,  (£ü.  A3.  40 
1870;    e.  ^.  @p.  unb  feine  X^ätigfeit,    eine  Stihh^,   Hamburg  1881;    O.  Sfunfc,    3n  @p.« 
XabcntQfcI.    „^nglifc^e    Söilber    in    beutfc^cr  33eleud)tung".    S5oI!«au«gabc,    5lltenbg.  0.  3., 
@.  72-83;  93römel,  dl  4)arm«  u.  @p.  in  ^Iflg.  lutl^.  ^3.  1884,   «Wr.  36-39;    @.  ^olbcn 
«Pife,    e.  ^.  @p.,  «Prebigcr,    Sc^riflfteHer  u.  $§i(nnt]^rop,  autor.  lleberf.,  ^agen  i.  m  1887; 
53enjamin  S3ebbott),   Erinnerungen  an  ©tambourne,   übcrf.  x>.  @.  ©pliebt,  ebb.  0.  3. ;    ©e^r^  46 
mann,  S.  ^.  ©p.,  (Sin  53ortrag,  Hamburg  1887 ;  ®uftab  Äaioerau,  S.  ^.  ©p.,  ein  ^rebiger  oon 
®otte«  ©naben,  Hamburg  1892;    ©btt).  ^IRiHarb,   GJebenffc^rift  m  ben  fcl.  ß.  ^.  ©p.,  Ham- 
burg 1892;    (S.  ©pliebt,   ©p.«  ?lu§ tritt  unb  bo«  3:abeI«üotum  bc«  $Ratcö  ber  S3aptift  Union, 
g3onn  1892  (je^t  9?eu!irrf)en  0.  3.);  (bief.),  ß.  ^.  ©p.,  ein  ficincr  ^Beitrag  jur  e^araftcrifti! 
feine«  perfönlidjcn  fottjic  feine«  5lmt«Ieben«,  ebb,  0.  3«;   ^'  ©c^inblcr,    ©in  gürft  unter  ben  50 
^rcbigern,  ficben  unb  SBirfen  b.  S.  ^.  @p.,  Hamburg  1892 ;  ®.  gifc^cr,  6.  ^.  ©p.,  ^erbom 
1892;  e.  SBogner,  ß.  ^.  ©p.,  Berlin  1893;  ^Beinrei*,  S.  ^.  ©p.  in  ,,^altc,   wa«  bn  l^aft" 
XVI,  ^eft  7—10,   ^Berlin  1893 ;    9?obert  Äönig,  (5.  ^.  ©p.  nod)  pcrfönlic^en  Erinnerungen 
unb  neueften  Cluenen,  in  ^ene  E^riftoterpe,  Bremen  1896,    ©.  190—233;   fi.  Oc^er,  (5.  0- 
©p.«  fieben,    Saln)    1896;    g.  ^ifeiffer,    ©p.  al«  Äanselrebner,   ®r.  Si*tflb.  0.  3.  (©onbcr^  66 
abbrurf  au«  Äird)I.  g^onatSf^r.  1899);   Äopff,  ©p.  ein  ^Kann  für  unfrc  Seit,  ©tuttg.  1899; 
$.  S.  3ÖQl)lQnb,  C.  H.  Sp.,  his  faith  and  works,  Philad.  [1892]  iauftr.;  C.  H.  Sp.s  Auto- 
biography,   Compiled   from   his  diary,     letters,    and  records,    by  his  wife  and  his  private 
secretary  [W.  J.  Harrald],  4  Voll.  4^  fionbon  1897—1900  ittuftr.;    ß^arleS  SRol),   The  life 
of  C.  H.  Sp.,  fionbon  1903  illuftr.    genier  an  mir  nicf)t  jugönglidien  ©d)riften:  ©tenenfon,  60 
Sketch  of  the  life  of  Sp.  1887;  S)ougIa§,  Prince  of  Prcachers;  3)rcro«,  C.  H.  Sp. ;  ^.  2BiI= 


698  S)iitrgfoit 

Iiam§,  Personal  Reminiscences  of  C.  H.  Sp.;  ®corgc  ®.  yitebf^am,  C.  H.  Sp.,  his  life  and 
labore.  ?lu6evbcm  tjfli.  bie  efiaraftcrifti!  @p.«  aH  ^rcbiqcr  in  e^riftlicb§  «rltfcl  „öcfdjidjtc 
ber  c^riftl.  ^^rcbigt,  ^91®*  XVIII,  637— G39,  foiuic  bie  'fiebenSabriffc  in  einzelnen  ^rebi^t^ 
fammluugen    (Sunfcn   Dorn   ^irnml.  fieud)tcr;    @u.   für  allerlei  S3olf  u.  a.)    unb    in  ^djafts 

B  Encyclop.  of  living  divine«;  Dictionary  of  nat.  Biogr.  LXXX;  Encyclop.  Britann.  XX XU; 
©ebentblatt  bed  „^Qt)r^eit§i\eugen"  1892  unb  jal^lrciSjc  9?cfrüIoge  in  englifc^cn  unb  beulfdjen 
SÖIättern.  —  ^erfc  (in  9luött)at)I,  tofli.  bad  üollftänbigc  SSc^eidjniS  in  ^lutobiogr.  IV  auf 
4  Seiten  4^!)  (£nglifd)er  SJcrIag  \>on  ^Pafemorc  &  91(abafter,  fionbon;  um  biQ  Scronftallung 
bcutfdierlleberfetungen  ^at  fic^  befonber^  bie  SSerIagS^anbIung3.ÖJ.On(fcn9?acftf.in  ©offel  (frülHT 

10  -Hamburg)  uerbient  gemacht  (jäbrlicber  Slbfaf  ca.  23000  6j.  beutfdje  ©purgconfdjriften).  — 
$  rebigten  unb  hieben:  The  Metropolitan  Tabernacle  pulpit,  biöber  51  Sa^rgonge, 
lüirb  fortgefeljt.  ^"f^^w^'J^c^f*^^""^^^  barauÄ  in  ber  Hamburger  großen  unb  Miniaturausgabe 
ber  ?5rebigten,  3.  ^(ufl.  1869  ff.,  in  ben  fiubttjigSburger,  93a^Icr  unb  |)agcncr  vBammlungcn, 
letztere   je&t  im  Safieler  Verlag,   gunfen  uom  l^imml.  Seud^ter  1860;   33auftcine    jum   gciflL 

löXempel  1861;  Stimmen  auS  ber  Off.  3o  1862,  fiubtt)ig§burg.  93otf(5aft  beS  Jgjcile  1875  fr.: 
©djttjert  unb  ÄcOe  I-XII,  1880ff.;  oltteft.  Silber  (3.  9(ufl.  1897);  neuteft.  S3ilbcr  (2.  «lufl.); 
.Oauöpoftiae  (3.?(ufl.  1896);  ®ott  b.  ^eiL  ®eift  1900;  bie  2aufe  ber  ©iebcrgeborcnen  190» 
((ämtl.  .f)amburg:SaffcI).  Gin  Srunnen  lebenbigcn  SBafferS;  3e"3"M'fc  t)om  i)cil  in  S^irifro: 
83Iätter  üom  Sebenöbaum  (fnmtl.  .^cilbronn).     Till  He  come,  Communion  Meditations  aod 

2oAddre88C8  (3)eiitfd)  Saffcl  1899).  Christ  in  theOld  Testament  (3)euticö  cbenb.  1901);  Sermons 
on  our  LorcVs  Parables  (3)eutf(6  ebenb.  1896);  Our  Lord 's  Miracles  (3)eutfdj  cbcnb.  1897); 
The  Gospel  for  the  People  (3)cutJ(6  ebenb.  1898).  —  «olfdfc^rif tcn  unb  „gUu- 
ftrationen":  John  Ploughman 's  Talk  (3)cutfc^  9?cbcn  ^intcrm  $flug.  Gaffel,  5.?lufl.  1001): 
John  Ploughman's  Pictures   (5)eutfc()   ebenb.    4.  9Ciif(.    1901);    Around    the  Wicket   Gate 

26  (3)eutf*  9ln  ber  Pforte,  SBonn,  6.  9tuff.);  All  of  Grace  (Xeutfd)  10.  «ufl.,  ebenb.  19()4): 
According  to  Promise  (5)eutf(l)  Saffet,  4.  «(uf(.  1896);  The  Salt -Cellars  (S)eutf*  Oaffcl  l^iy. 
Sermons  in  Candles  (^eutfdft  9?ur  eine  ilerje,  Gaffel  4.  9lufl.  1901);  Illustrations  and  Me<ii- 
tations  (3)cutfd),  Gaffel  1884);  Sud)  ber  Silber  unb  ®leidjniffc  ebenb.  4. 9lufl.  1902.  —  «Inbadite: 
büc^er:  The  Cheque  Book  of  the  Bank  of  Faith  (5)eutf(^  Sonn);  Morningby  Moming  imb 

30  Evening  by Evening (2)eutfd)  ^auperlen  u.  ®olbftra^leu, Gaffel  7.%ufl.l900).  — Sorlefungcn: 
Lectures  to  my  Students,  2  Sbc  (^eutfd)  Sorlefungen  in  meinem  ^rebigerfcminar,  3.  Jlufl. 
Gaffel  1895  f.  unb  in  fird)l.  überarbeiteter  Huögabe:  SRatfc^läge  für  ^rebigcr,  mit  Sorraort 
von  .^nring,  Stuttgart  2.  9lufl.  1901);  The  Art  of  Illustration  (Deutfd)  ^eilbronn,  3.  ?lufl. 
1895);  An  All-Kouncl  Ministry   (^cutfd)   'JJer  2)ienft  am  Gu.,    Gaffel  1901);    The  Greate^t 

36  Fight  in  the  World  (Deutfc^  Gaffel  15.  Stauf.).  —  ©c^riftauSlegung:  The  Treasun- 
of  David,  7  Voll,  (^cutfci^  in  unenbli(fi  langfamem  Grfcfteinen :  S)ie  8d)aj!animer  ^Dit^f, 
bearbeitet  \)on  3.  gj^iOarb,  Sonn  1894  ff.,  bi^^er  3  Sbe  (?f  1—106);  The  Gosi)el  of  the 
Kingdom  (^eutfd),  Gü.  be§  SReid)ed,  Gaffel  1894). 

St)ur0eon  ift  nid^t  mit  Unrecht  „ber  le^tc  ber  Puritaner"  genannt  tüorben.    Seine 

40  J^oDänbifc^en  Sorfa^rcn,  bie  bor  ber  blutigen  Scrfolgung  be«  §cr^og«  3llba  naA  Qnh 
englanb  flüd^tetcn,  Ratten  aud)  in  ber  neuen  ^cimat  tDcgen  il^rcr  ^uritanifc^en  Slic^tun^ 
bicl  ju  leiben,  unb  ber  6nlel  ift  ftet§  ftol^  getoefcn  auf  bicfe  3lbfunft  bon  eblcn 
©lauben^^eugcn.  ©ein  ©rofeüatcr  ^ame«  (geb.  1776,  geft.  1864)  iüar  in  ©eftnnung 
unb   Scbenöfü^rung   ba^   Urbilb    eine«  ^uritancr^.    55  Saläre    ^inburc^   tüirhe   er  als 

46  ^aftor  ber  fleinen  ^nbe^jcnbentengemeinbe  in  ©tamboume.  Slud^  Qp.^  3?atcr  3«^^" 
(1811—1902)  biente  einer  fold^en  ©enieinbe  in  bem  Heincn  3)orfe  Äelbebon,  effej,  al« 
Seelforger.  §ier  tDurbc  il^m  am  19.  ^un\  1834  afö  erftc«  Äinb  G^arle^  §abbon  geboren. 
^a  bie  ^amilie  ^a^Ireic^  hjurbe,  unb  ber  93atcr  bie  ©emeinbe  häufiger  tDcd^feltc,  burftc 
G^arle^  al^  ber  Siebling  berSro^eltem  in  bem  romantifd^en  ^farr^aufc  be^  ©rofetjatere 

60  eine  alüctlid^e  3"0^"b  berlcben,  bie  er  fclbft  in  bcn  „Erinnerungen  an  ©tamboumc" 
an^ie^cnb  gcfd&ilbert  l^at.  ßrft  al^  ©iebenjäl^riger  feierte  er  inö  Sltcrn^u«  jurüd,  um 
in  Gold^eftcr  bie  ©d^ule  ju  befud^cn.  Si^  gum  15.  ^ai}xt  erl^ielt  er  auf  berfcbiebencn 
GoUegeö  eine  tüchtige  ©d)ulbilbung^  bann  finben  ioir  il^n  aU  ^ilf^lel^rer  an  einer  ^ribat^ 
fc^ule  ly,  3Jciümartct.    %xoi^  feiner  ernft  religiöfcn  (Sr^iebung  brad;ten  i^m  bie  ^ünglinge^ 

66  ial;rc  eine  ^cxt  fc^tüerer  innerer  ilänipfe,  bie  if^n  in  feiner  ©etüiffen^not  bon  einer  Äiric 
Ixxx  anbcrcn  trieben,  bi^  er  in  einer  fleinen  ^a^eHe  ber  ^rimitibmct^obiftcn  ju  (Solc^'tcr 
unter  ber  il^n  tief  erfc^üttcrnben  3tnfj)rad)e  eineiJ  Saien^jrebigcr^  jum  lebenbigen  (Slaubcn 
tarn:  2)icfcr  (>.  3«nuar  1850  ift  ibm  ^citlebeng  aU  fein  Scfe^rung^tag  unüergcfelicb  ge- 
blieben,   yio^  aber  motlten  bie  innern  Äämjjfe  nid^t   aufhören,   benn   of^ne  Sutftofe  bon 

60  au^cn  fam  er  burd;  eifrige^  ©cbriftftubiuni  ^u  ernften  ^h)eifeln  an  ber  SHed^tmäfeigfeit 
ber  5\inbertaufe,  bie  fein  ^u  9lat  gezogener  ©eelforger  no^  vermehrte.  3)a  ber  Jüngling 
mit  33a^tiften  nur  oberfläd)lid;  betannt  tüar,  begann  er  nad^  einem  Xäufer  ^u  fucfccn. 
ayobl  tüaren  bie  öltern  über  bie  eigentümliche  (Snttüideiung  beig  Änabcn  be!ümmcrt,  aber 
als^  ec^te  ^nbe^jenbenten  aditcten  fie  bc^  ©obneö  Gntfc^lu^.    3lm  3.  Tlai  1850  liefe  et 


®pnt%t0n  699 

fid^  im  gluffc  £arf  bei  ^^I^!^«"^  öwf  biblifd^c  SBeife  taufen  unb  befannte  ftc^  bamit  ,,\)ox 
§immel,  6rbe  unb  ^öHe  ate  ^lad^folger  be^  Samme^",  t)on  ber  ©tunbe  an  au^gerüftet 
mit  einem  3c"0^""^wt,  ber  i^m  fein  Seben  J^inburd^  treu  geblieben,  ©o  fmb  ed  brei 
gro^e  ®emeinf(|aften,  benen  Bp,  feinen  GF;riftenftanb  öerbanlft:  $uritani«mu^,  3Ket^05 
bi^mu«  unb  Sai)tigmu^  i)aUn  i^m  if^x  SSefte^  gegeben  unb  il^n,  obtDobl  er  bi^  ju  feinem  5 
ßnbe  feiner  Denomination  treu  geblieben,  ju  bem  öfumenifc^en  ©laubenöjeugen  gemacht, 
Jpeld^er  ber  gangen  ß^riften^eit  mit  feinen  reid^en  (Saben  biente.  SSalb  nad9  feiner  Se* 
fcF;rung  tourbe  ber  Jüngling  burc^  eine  eigentümliche  tjügung  gejtoungen,  bor  einigen 
Saueröleuten  böDig  unvorbereitet  feine  erfte  ^rebigt  ju  l^alten,  unb  ba^  entfc^ieb  über 
fein  fernere^  Seben.  6r  bet^ätigte  fic^  tueiter  auf  biefem  ©ebiete  unb  jog  balb  bie  äluf*  10 
merffamfeit  ber  ©tiHen  im  Sanbe  auf  ftd^.  ®ie  Heine  Sojjtiftengemeinbe  be^  3)orfe« 
SJÖaterbeac^  berief  ben  jungen  Unterlefjrer  1851  ju  il^rem  ^aftor,  unb  ber  „Änabem 
J)rebiger"  entfaltete  fd^on  l^ier  eine  SiBirIfamleit,  toeld^e  il^n  m  einem  ^^änomen  ftem^jelte. 
3)ad  gange  i)orf  ftrömte  gu  feiner  ^rebigt,  unb  ^ömmigleii  unb  ©ittlid^Ieit  boben  ftc^ 
ftc^tlid^  unter  ben  bertoal^rloften  SetDo^nem.  3)er  junge  ^rebiger  ^tte  imtoifd^en  me^r- 15 
fad^  berfudjit,  gu  regelre^^t  tl^eologijc^er  2lu§bilbung  auf  ein  ©eminar  gu  lommen,  aber 
alle  SBege  lourben  i^m  auf  merftoürbige  SBeife  Derlegt,  fo  bafe  er  fup  auf  fein  ?ßriDats 
ftubium  angettjiefen  fal^,  bem  er  bei  guter  Segabung  unb  namentlich  ^erborragenbem 
(Sebäd^tnie;  mit  ernftem  ^leifee  oblag.  9Rad^  laum  gtoeijäbriger  SBirffamfeit  in  feinem 
35orfe  erging  an  il^n  ein  Stuf  „auf  $robe"  an  bie  alte  Sa})tiftengemeinbc  in  9leU)  20 
^arf  ©treet  in  Sonbon,  ber  eifrige  Diaionen  burd^  biefe  Berufung  au«  langjähriger  Gr^ 
ftarrung  gu  neuem  Seben  öerl^elfen  tDoHten.  Unter  mancherlei  Sebenlen  leiftete  ©p. 
golge,  bon  ber  ©emeinbe  mit  geteilten  ©efüblen  emjjfangen:  faum  100  ^erfonen  ber- 
fammelten  fic^  gu  feinem  erften  ©otte^bienft.  3lber  nad^  lurger  ^^xi  hjar  bie  D})))ofition 
befeitigt,  unb  am  28.  2lj)ril  1854  erfolgte  feine  enbgiltige  2lnfteUung.  ®«  bauerte  nidbt  25 
lange,  ba  toar  aud^  bie  3Q3eltftabt  bon  bem  Stufe  be«  eigenartigen  ^rebiger«  erfüllt, 
©eine  Äird^e,  toelc^e  1200  ©i^plä|e  gä^lte,  erh)ie§  ftc^  balb  al«  gu  Hein,  um  bie  ©c^aren 
ber  §eitöberlangenben  unb  Sleugierigen  gu  faffen.  ©eine  feurige,  im  Slnfang  oft  über^ 
fc^loenglic^e  Serebfamfeit  gog  bie  Seute  in  feinen  Sann,  unb  fein  ta^jfere«  SSer^alten 
n?ä^renb  ber  fc^ioeren  6l^olera-6))ibemie  be^felben  ^q!^x^  er^ö^te  feine  98olfötümlic^!eit.  30 
5lic^t  gule^t  aber  trugen  bagu  bie  2:age«geitungen  unb  ffii|blätter  bei,  bie  ftc^  unermüb* 
lid^  mit  i^m  befd^äftigten  unb  in  teiltoeife  fel^r  begeic^nenben  Äarilaturen  ben  Unterfd^ieb 
gmifc^en  ben  gefalbten  ^aftoren  ber  §od^fird^e  unb  bem  l^immelftürmenben  ©eltenjjrebiger 
gum  2lu«brudE  brad^ten.  SKit  bem  SjJnwo'^  beö  näc^ften  ^afyc^  begann  ©b.  auf  Drängen 
be«  gu  feiner  ©emeinbe  gel^örigen  Sud^^änbler«  ^afemore  mit  ber  tüödpentlic^en  Ser^  86 
öffentlic^ung  feiner  ^rebigten,  toelc^e  nod^  je^t  ol^ne  Unterbrechung  fortgefül^  toirb  unb 
fc^on  3000  9lummem  umfaßt.  SSalb  Wax  bie  Äirc^e  be«  jungen  ^rcbiger«  biel  gu 
Hein.  Die  grofee  (Sreter^aHe  mufete  gu  §ilfe  genommen  ttjerben.  2lber  aud^  gu  mand^erlei 
®aftj)rebigten  ergingen  an  ben  fc^neU  berühmt  ©etoorbenen  au«  aütn  %txlm  be«  Sanbe« 
©nlabungen,  fo  ba|  er  in  mand^er  SBod^e  gel^n  bi«  git)i)lf  SSerfammlungen  gu  leiten  l^atte.  40 
9lirgenb«  Sollten  bie  ®otte«^äufer  au«reid^en.  Da  nal^m  benn  ©p.  feinen  anftanb,  in 
eilig  l^ergerid^teten  ©d^eunen,  unter  freiem  §immel  ober  gar  einmal  bon  ben  Dauern 
l^erab  gu  ^rebigen.  '^n  ber  eignen  Äa^)elle  tourbe  ber  ^la^mangel  fd^lie^id^  fo  unerträg« 
lic^,  ba§  bie  ©emeinbe  befd^lofe,  ein  toenigften«  bem  normalen  3lnfturm  getoad^fene« 
aSerfammlung«^au«  gu  errid^ten.  2lm  18.  aJlärg  1861  tourbe  ba«  „Metropolitan  Taber-  45 
nacle"  begogen.  §ier  ^at  ©)).  bi«  gu  feinem  2iobe  getoirft  unb  Sonntag  für  ©onntag 
6000  $örer  um  ft^  gefammelt.  SBä^renb  breier  ^a^x^  pxzixQU  er  regelmäßig  in  ber 
SKufil^aDe  in  ben  ©urre^=©ärten  bor  mef^r  al«  10000  ßu^örem.  ^ier  l^errfc^te  ein 
fold^er  Slnbrang,  bafe  gleich  bei  einem  ber  erften  ©otte«bienfte  bö«h)illig  l^erborgerufener 
geuerlärm  eine  5ßanif  ^erborrief,  bie  fieben  ^erfonen  ba«  Seben  foftete;  ben  (SinbrudE  so 
biefe«  fc^toeren  UnglüdE«  i)at  Qp.  nie  gang  berh)unben.  9lod^  großartiger  toar  ber  ©otte«« 
bienft,  ttjelc^er  an  einem  bon  ber  Slegierung  au«gefd^riebenen  Sußtage  im  Dftobcr  1857 
im  ÄriftaUjjalaft  abgehalten  lourbe:  <Bp,  toax  mm  Siebner  au«erfe|en  unb  ^ielt  einer 
©emeinbe  bon  24000  ©eelen  eine  erfc^üttembe  Sußprebigt. 

Dem  Unermüblic^en  toud^fen,  o^ne  baß  er  fie  fuc^te,  bon  allen  ©eiten  neue  aufgaben  gu.  55 
©d^on  1855  na^m  er  ben  erften  3*^9f^"9  3"^  3lu«bilbung  für«  ^rebigtamt  in«  §au«  auf. 
311«  balb  barauf  ein  gloeiter  ^ingufam,  grünbete  er  1857  fein  „^aftor'«  ßoHege",  ioelc^cm 
er  im  ^a\)xc  1873  ein  umfangreiche«  9lnftalt«gebäube  enid^tete.  2ln  700  $rebiger  unb 
(Sbangeliften  fmb  in  ©p.«  goUege  bon  tüd^tigen  (übrigen«  gum  3:eil  aud^  nic^t  bap= 
tiftifd^en)  Se^rlräften  au«gebilbet  toorben  unb  ^aben  bann  auf  ben  berfd^iebenften  3lrbeit«=  eo 


700  @)itttgeott 

gebieten  in  reichem  ©egen  (jeiDirlf.  Oetabe  in  ben  Verrufenen  ©tabttcilcn  festen  jl4 
biefe  ©enbboten  feft,  inbem  fte  junäc^ft  Äinber  jur  ©onntaggfd^ule  einluben  unb  un- 
erf^rocfen  bie  33erfonnnenften  auffuc^ten.  3lug  fold^en  Slnfängen  entftanbcn  blübenbe 
©emeinben,  beren  ^rebiger  mit  bem  geliebten  Seigrer  in  engfter  gü^Iung  blieben  unb 
6  auf  jä^rlid^en  ftonferenjen  über  ben  Fortgang  be^  SQäerfe^  Scrid^t  erftatteten.  ©p.  feat, 
fo  lange  er  irgenb  lonnte,  ben  SJerfammlungen  felbft  j)räfibiert  unb  hierbei  ipie  im 
©eminar  feine  berül^mten  „aSorlefungen"  gehalten,  für  alle  3^'*^"  ^"t^  x^iö^c  Dueüc 
^omiletifd^er  unb  ^jaftoraler  SBeiö^eit.  3lm  ©emeinbeort  felbft  entfaltete  fi^  naturgemäß 
ba«  reic^fte  Seben.    (Sin  Äran^  bon  ©onntagöfc^ulen   für  Äinber  unb   93ibelflaffen  für 

10  ©rhjad^fene  jc^lofe  ftd^  um  bie  grofee  ?Kuttergemeinbe,  beren  innere  33ebürfniffc  üon  \ahh 
reid^en  ^ilfeüereinen  berfe^en  tourben  (f.  ba^  SSerjeic^ni^  bei  ©d^inbler,  ©.  171—173). 
©p.  felbft  h)ar  ber  ^ßräfibent  einer  au^gebel^nten  Äol^)ortagebercinigung  für  Sibet  unb 
©c^riftenüerbreitung,  in  beren  3)ienft  unter  feiner  anregenben  Seitung  gegen  90  Äolportcure 
arbeiteten.    Die  ©rünbung  feinet  grofeen  2Baifen^aufe§  1867  hjurbe  i^m  burc^  bie  reic^ 

16  (3aU  ber  SBittue  eine^  ftaat^firc^lid^en  ©eiftlid^en  aufgenötigt.  @^  ^at  in  ©tocftoell  am 
6la^)l^am  JRoab  ein  mehrere  SKorgen  umfaffenbe«  freunblic^e§  ^eim  erhalten,  bcjfai 
fd^mudfe  Sinjel^äufer  500  Änaben  unb  SJläbc^en  aller  Sefenntniffe  in  frö^lic^er  giimilicn^ 
gemeinfd^aft  betoo^nen.  ^äufig  nal^m  fic^  ber  93ielbefc^äftigte  S^xt,  einige  ©tunben  unta 
ben  Äinbem  m  tjerbringen,   für  beren  ffio^l    er   Däterlic^   forgte,    unb   bie  bafür  mit 

20  rü^renber  Siebe  an  i^m  fingen. 

3u  biefen  mancberlei  arbeiten  !am  Bp,^  ungemein  frud^tbare  littcrarifc^c  i^ätigfcit: 
bie  3öf)l  feiner  Sudler  unb  ©c^riften  ift  eine  laum  überfe^bare.  ©d^on  bie  ^erau^abc 
ber  h)öc^entlid^en  ^rebigten,  toeld^e  bon  ©tenogra^)^en  nac^gefc^ricbcn  unb  toon  Bp. 
brudffertig  gemad^t  tourben,  erforberte  nid^t  geringe  3^^^-    3!)öju  fam  bie  SRebaflion  feiner 

26  ÜJlonat^f^rift  „The  Sword  and  the  Trowel",  in  tueld^er  baö  gw^^^ff^  für  bie  toer: 
fc^iebenften  SKiffion^xtpeige  feiner  ©emeinbe  gepflegt  unb  äuffä^e  erbaulichen  unb  pafto^ 
ralen  3"^fllte«  üeröffentlid^t  tuurben.  3^^^^^^^^  Seiträge  ftammen  auö  ©p.ig  ^eber, 
unb  namentlich  bie  ?!)tenge  ber  Süd^eranjeigen,  meldte  er  lieferte,  bemeifen  überrafd^enbc 
Selefenl^eit  unb  fd^arffinnige  Urteitegabe.    Da«  grofeartiafte  Denfmal   feinet   liebevollen 

80  ©c^riftftubium§  unb  immenfen  ^leifee^  ift  aber  fein  prartifc^serbaulid^e^  Jlommentartvert 
jum  ^falter  „The  Treasury  of  David"  in  fteben  ftarfen  33änben  £e?ifonformatf 
toeld^eg  er  in  jtDanjigjä^riger  Strbeit  Dollenbete.  Sein  .Kommentar  englifd^cr  unb  beutfc^cr 
3unge  l^at  je  eine  ä^nlid^e  aufnähme  gefunben,  benn  eö  ift  in  me^r  afö  120000  ßiem-' 
plaren  verbreitet  tvorben.    Sieben  ber  eignen  geiftöoHen  2luglegung,    bie   nic^t   in  ben 

36  au^efal^renen  ©cleifen  fd^ulmäfeiger  ®jegefe  einl^ergebt,  fonbern  überall  bie  ^ol^c  greuk 
an  ber  ©rforfd^ung  be«  göttlid^en  SBorte^  burdbblidfen  lä^t,  ift  aud^  bie  Slrbeit  englifcbcr 
unb  bcutfc^er  S^egeten  forgfältig  benu^t  unb  Slnfd^auunggmaterial  au^  allen  möglieben 
äBiffen^ebieten  ^erbeigetragen.  ©eine  Reifer  l^aben  bie  reichen  ©c^ä^c  be^  britiftfccn 
3Kufeum^  für  i^n  burc^forfc^t,  unb   er  felbft   l^at   auö  ben   Vergilbten   ©cftriften  bei 

40  ^Puritaner,  in  benen  er  m  ^aufe  ift  h)ie  JEaum  ein  anberer,  ungeahnte  ©c^ä^e  gehoben. 
Dbtpof^l  ©p.  ftd^  mit  allen  i^m  |;u  ©ebote  fte^enben  SRitteln  um  baö  3Serftänbni^  bc^ 
©runbtejte^  mü|it,  ift  er  fid^  beiüufet,  feinen  h)iffenfd^aftli(ben  Kommentar  ^u  fc^reiben. 
@r  irill  mit  feinen  originellen  l?omiletifc^en  Slnbeutungen  ^auptfäc^lic^  bem  „village 
preacher"  bicnen,   bietet   aber  in  SKirflic^feit  jebem  ©eiftlid^en,    toeld^er   ibn   rec^t  ;u 

46  lefcn  verftef^t,  eine  reid^e  gunbgrube  fruchtbarer  ^rebigtgebanfen.  2(ud^  feine  föftlicbcn 
„^ßufttationen  unb  3Kebitationen"  fmb  eine  %x\xi)i  biejeö  ^uritanerftubium^.  SBie  i>icl 
er  von  il^nen  gelernt,  geigen  feine  in  §unberttaufenben  Von  (Sjemplaren  Verbreiteten 
©ammlungen  „Sieben  l^interm  ^flug"  unb  „^an^  ^flüger«  Silber".  §ier  betüeift  fi* 
©p.  al^  ä^oltöfd^riftfteller  im  ebelften  ©inne  be^  SBort^,  ber  feine  Seute  fennt  mit  ibrcii 

60  ^reuben  unb  5Jötcn  unb  iE^nen  in  tömigcr,  von  fonnigcm  §umor  burc^leuc^teter  Spraic 
bie  ctüigcn  fflal^rl^eitcn  padEcnb  na^e  ;;u  bringen  ivei^.  3)aneben  treffen  \v\x  bann  h?ieber 
auf  erbaulid;c  "irattate  für  bte  verfc^iebenen  Sebcn^altcr  unb  ©eelenftimmungen,  ni^t  in 
bem  lanbläufig  „erbaulid^en"  ©til  langer  eiliger  Se^r^aftigleit,  fonbern  ftet^  fcffelnb,  in 
ec^t  Voltetümlicf^er,  mobcrner  Sprad;e,  audt^  inbaltlid^  überrafc^enb  burc^  bie  (^eilige  ßnergic, 

66  mit  ioelc^cr  er  baö  alte  övangelium  fruchtbar  gu  macfjen  toeife  für  ba^  tägliche  Seben  in 
aH  feinen  Regierungen,  ©eine  uncrmüblid^e  '^Mx  l)at  nic^t  geraftet,  biö  fie  ber  lob 
i^m  auö  ber  $anb  nabm;  tvax  er  boc^  bi^  furg  Vor  feinem  .^eimgang  befc^äftigt,  feine 
populäre  ^u^lcgung  bc^  3)Jattl^äu!geVangeliumg  brudfertig  gu  mad^en,  iveld^c^  er  mit 
Iräftiger  Betonung    bc^    be^errfdienbcn    ©runbgebanfen^    ungemein    tvirlung^oH   aB 

60  „Evangelium  be^  ^knd;e^"  barftcHt.    3)a^  er  mit  feinen  Sudlern  n)irflid^  einem  SJebürf^ 


S)iitrgfott  701 

ni^  entgcgcnlam  unb  e^  bcrftanbcn  f)at,  ben  redeten  %on  ju  treffen,  behjeift  il^re  SSet« 
breitung:  3l\d)t  nur  in  ade  Äulturfjjradjien  jinb  fte  überfe^t,  fonbern  auc^  in  SDialefte 
unb  S^iome,  bie  ftc^  !aum  ber  anfange  einer  Sitteratur  rül^men  fönnen,  tDurben  fie 
übertragen  unb  l^aben  barin  einen  banfbaren  Seferlrei^  gefunben. 

Slec^nen  tüir  ju  biefer  au^gebel^nten  litterarifc^en  2;|ätig!eit  bie  ^üHe  t>on  Slnforbe«  6 
nmgen,   toelc^e  bie  Seitung  ber  großen  (Semeinbe   an  Qp,  ftellte.    6r  l^atte  nic^t  ben 
©l^rgeij,  aHe^  aHein  ju  tl^un,  fonbern  befafe  bie  &abt,  bie  borl^anbenen  Äräfte  ^u  toecfen 
unb  am  rechten  ^Ia§e  nu^bar  ju  machen.   SBeil  er  fte  felbftlo^  unb  glaubenötjoü  fuc^te, 
barum  fanb  er  einen  fo  großen  Äreiö  freubiger  3Kitarbeiter,  bie  fic^  feiner  gül^rung  toiDig 
unterorbneten  unb   mit  i^rem   freitDilligen  ^elferbienft  feiner  ©emeinbe  ba§  anjiel^enbe  lo 
©ejjräge  einer  mirflic^  lebenbigen  gaben.    6r  l^at  ba«  in   unfrer  3^'^  f^  brennenb  ge* 
toorbene  Problem   gelöft,   eine  grofee  (Semeinbe  lebenöDott  ju  organifieren.    3)abei  toax 
©^).  eine  au^gefjjro^ene  ^errfc^ematur.    ©ein   berje^renber  (Sifer  für  baö  SReic^  ©otte^, 
ba^  S5eh)ufetfein  bon  ber  ©röfee  feiner  2lufgabe  unb  feine  überragenbe  SSegabung  mad^ten 
i^n  jum  natürlid^en  3Rittel^unft  ber  um   i^n  ftc^   fd^arenben  »rbeitdfreife.    ©elbftfuc^t  15 
unb  (S^rgeij  maren  feinem  SBefen  tro|  männlid^en  Äraftgefü^te  fremb,  allem  ^erfonen« 
lultu«  Wax  er  t)on  ganjer  ©eele  abl^olb.    SQSeil  er  nid^t  ba«  ©eine  fud^te,   fonbern  auc^ 
in  irbifc^cn  Dingen  beftrebt  Wax,  ©otte^  SBiUen  bijUig  ju  t^un,  barum  ifl  bie  ©intrad^t 
^ifc^en  i^m  unb  feinen  3Ritarbcitem  nie  getrübt  toorben.    93efonber^   rü^renb  ift   ba^ 
Ser^ältni«  feinet  S3ruberi^  3ame«  gu  il^m  getoefen,  ber  feit  1868  fein  SKitjjaftor  an  ber  20 
3^abemaclegemeinbe  toar  unb  jal^rjel^ntelang  bie  fd^toere  Äunft  geübt  l^at,    neben   bem 
genialen  Sruber  felbftlo«  ber  jtoeite  ju  fein. 

©>).  ift  über  bem  SSielerlei  oft  Heinlic^er  Dblieaen^eiten  nid^t  laltl^erjig   unb  ober= 
fläc^Ii^  geh)orben  unb  l^at  feinet  3lmteg  bome^mfte  mnliegen^  ©ebet  unb  ©c^riftforf(^ung, 
nie  barüber  öemac^Iäfftgt.    ©erabe  loeil  er  in  biefen  beiben  ©tüdfen  treu  toar,   ^at   er  26 
aHe  ©efa^ren  feiner  jeneibenben  2;^ätigleit   fo  lange  glüdlic^  übertounben.    Unb  melj^r 
al^  ba^:  @r  f)at,  h)ag  fo  biele  ©rofee  im  Sleic^e  be«©eifte«  nid^t  öerfte^en,  QÄi  ge^t, 
3Kcnfd^  JU  fein  unb  ate  glürflid^er  &aüc  unb  SSater  feiner  gamilie  ju  leben.    ©^.  ^at 
bei  aller  ©elbftmc^t  feine  Slnlage  gum  ä^feten  gel^abt,  fonbern  auc^  bie  irbifd^en  ©aben 
feine«  j^immlifqen  Sater«  mit  banfbarer  greube  genoffen.    (Sr  berteibigte  aller  6ngsao 
^ergigleit  toeltflüd^tiger  ©(^toärmer  gegenüber  bie  c^riftlic^e  grei^eit  unb  l^at  fogar  bur^ 
feine  fübne  SSel^auptung,  bafe  man  auc^  gur  @^re  ©otte«  rauchen  fönne,  bie  er  mit  JRö  14 
berteibigte,  nic^t  geringen  Slnftofe  enegt.    3ltte  aber,  bie  il(^m  in  feiner  ^äuölic^feit  naf)^ 
getreten  finb,  rül^men  bie  ©aftlid^feit  unb  ßerglid^feit  biefe«  anjiel^enben  gamilienlreife«. 
ßr  toar  fein  ftarler  SlüdE^alt  gegen  bie  aufreibenben  2lnforberungen  feine«  Serufe«  unb  85 
bie  mandjjerlei  Slnfed^tungen,  bie  bamit  berbunben  maren. 

Unb  Bp.i  Seben  ift  reic^  an  änfed^tungen  gettjefen,  auc^  an  fold^en,  toelc^e  er 
felber  burc^  feinen  unerfc^rodfenen  aJlut  gur  SBa^rT^eit  ^eraufbefc^lporen.  an  feine  㨣s 
gentrigität"  ^atte  man  f\i)  nad^  bielem  Qpoii  fd^Iiefelic^  aetDö^nt,  unb  bie  beifeenbe  ©atire 
ber  ©egner  l^atte  il^n  jum  j)oVuIär[ten  ^rebiger  ber  3liefenftabt  gemad^t.  Daju  trug  40 
nic^t  jule^t  bei,  bafe  Bp.  in  fpegififd^  englifc^em  ©inne  SDemohat  toar.  „®r  ^atte,"  h)ie 
Dr.  $attifon  ftd^  auöbrüdEt,  „ba«  SJertrauen  jur  fö^renl^aftigfeit  unb  Slecbtlic^feit,  ju  ber 
inneren  3:üd^tigleit  unb  bem  ©c^arfftnn  ber  vox  populi,  loeld^e  gnglanb  bi«  ^eute  jum 
bemofratifc^ften  i&olt  ber  ©rbe  mad^t"  (Söa^Ianb  ©.  84).  6r  toar  aber  nic^t  ber  3Kann, 
fic^  bie  ©unft  ber  3Jlenge  burc^  ©d^meic^elrebe  unb  Seifetreterei  ju  ftd^em.  SBo  immer  46 
er  ©d^äben  entberfte  im  gl^riftentum  unb  Äird^entum  toie  im  öffentlichen  Seben  ber  ^ixt, 
ba  er^ob  er  feine  mal^nenbe  unb  marnenbe  ©timme  unb  richtete  fd^onung«Io«  am  6t)ans 
gelium,  toa«  il^m  al«  toiberd^riftlic^  erf^ien.  ©0  trat  er  bei  Seginn  be«  Union^hiege« 
mit  ber  gangen  äBud^t  feiner  ^erfönlid^feit  für  bie  ©IlaDenbefreiung  in  bie  ©(^ranten, 
obtoo^I  il^n  ängftlic^e  greunbe  tarnten,  bafe  er  bamit  ben  2lbfafe  feiner  ©(^riften  in  ben  so 
^Bereinigten  ©taaten  bemic^te.  (gr  l^at  auc^  biefen  38erluft,  ber  feinen  ainftalten  emjjfinbs 
lic^  fühlbar  JDurbe,  um  ber  SBaf^r^eit  toillen  freubig  getragen.  9?od^  tieferge^enbe  ©r« 
regung  l^at  Bp.  mit  feiner  SRebe  über  bie  3:aufh)iebergeburt  (t)om  5.  3!uni  1862)  berbor* 
gerufen,  meiere  in  me^r  al«  300000  ßsem^jlaren  verbreitet  Sorben  ift.  3n  i^  betonte 
er  mit  ganger  ©c^ärfe  bie  ©(^rifth)ibrigleit  ber  ^od^fird^Iic^en  Se^re  unb  enegte  bamit  66 
namentlid^  bei  ben  ©bangelilalen  l^eftigen  Unwillen  unb  ftürmifc^en  SBiberfprud^.  3n 
Siebe  unb  ©egenrcbe  au«  beiben  Sägern  Ipogte  ber  ©treit,  gum  leil  leibenfd^aftlid^  ge? 
fü^rt,  ^in  unb  ^er,  unb  erft  nac^  ^af)xm  ebbte  bie  ^oc^flut  ber  93rofc^üren,  bie  er  ge^ 
geitigt,  attmäl^lid^  ab. 

3n  ba«  3a^r  1887  faßt  ber  Seginn  be«  fd^arfen  Äonflifte«,  in  toelc^en  ©^.  burc^  eo 


702  Sput^ton 

bic  fog.  downgrade-ÄontroDcrfc  mit  bcr  93a^)tift  Union  (jcrict.  S)iefe  Äöt^)crf(^aft  umfaßt 
afö  eine  freie  Sereiniflung  bie  gtofec  ÜWe^tja^I  ber  S5at)tiftengemeinben  ©rofebritanmcn^. 
93et  bem  inbe^enbenten  Qi^axaU^t  be^  SSo^ti^mud  ift  bie  Union  leine  Jtird^engefeDfc^ft, 
fonbern  lebiglid^  ein  freiloiHiger  S3ruberbunb  aller  iauffleftnntcn,  toelc^er  bic  großen  aSi= 
6  aemeinen  aiufgaben  ber  35enomination  in  5IRiffton,  ©r^ie^ung  unb  Drgantfation  gemcinfam 
betreibt.  ^zt>tt  Oemeinbe  ift  i^r  ©elbftbeftimmunggred^t  in  ber  SJertoaltung  foloie  i^ 
3lutonomie  in  bogmatifc^en  tJ^agen  böHig  gelool^rt,  ba  nur  ba^  gemetnfame  Sefenntni« 

iur  ^ufe  ber  @m?ad^fenen  burc^  Untertaucyung  bad  einigenbe93anb  ift.   S^p.  ^üt  fcbon 
eit  längerer  ^^\t  mit  93eforgnid  beobachtet,   baj  „ba«  ®ift  ber  neueren  2^eoIogie"  in 

10  ber  (Semeinfci^aft  ©ingang  gefunben  unb  toeite  Greife  angeftecft  Ij^atte.  3"  ^^  äuguft^ 
nummer  1887  feiner  3^itfc^rift  er^ob  er  tüamenb  feine  ©timme  gegen  bie  „neue  SReligion". 
6r  fie^t  auc^  bie  9lonfonforniiften  in  ber  ©efal^r,  bon  ber  puritanifc^en  Strenge  bcr 
aSäter  in  Se^re  unb  Seben  abgutueic^en  unb  bamit  ber  Äirc^e  glei(^  in  geiftli^e  Setbargic 
ju  berfmien.    ®ad  fül^rt  er,  o^ne  irgenbmie  ))erf5nlic^  ju  toerben,  fac^lic^  aber  mit  ber 

16  aanjen  ©c^ärfe  feine«  3^m))erament«  au«.  9i)ie  (Segner  fonnten  auf  biefen  übcrft^rfen 
Eingriff,  ber  noc^  baju  il^re  ftttlidjie  Dualität  in  3*^<^iM  i^ßf  "ic^t  fd^toeigcn.  3B5%enb 
aber  bie  SSefonneneren  in  bome^mer  ©ad^Iid^feit  ba«  gute  SRe^t  il^re«  ©tanbpunftc^ 
»Darrten,  ergingen  ftc^  einige  ^eifefpornc  in  ber  treffe  in  l^eftigen  J)erfönlic^en  Slu«fänen 
gegen  Bp.,  ben  fie  einen  gichtigen  ^effimiftcn  unb  neuen  5ßa^)ft  nannten.    ©}>.  fc^toieg 

20  ni^t,  unb  ba  i^m  ber  JJortgang  be«  ©treite«  jeigte,  Wk  ftarf  ba«  belämjjftc  Übel  bereite 
um  ftc^  gegriffen,  erllärte  er  lurg  entfc^Ioffen  feinen  3lu«tritt  au«  ber  Union.  Seren 
5ßräftbium  t^at  fein  SKöglid^e«,  um  ben  Slife  ju  Ij^eilen;  auf  bie  Sebingung  ©)>.«  ober, 
ber  Union  bie  fefte  Girunblage  eine«  berbinblid9en  altgläubigen  93efenntniffc«  ju  geben, 
glaubte  man  um  be«  gefc^ic^tlic^  borgejeid^neten  ©l^araher«  ber  SSereinigung  h)tllen  ntd>t 

25  eingel^en  ju  bürfen.  ®em  3iat  ber  Union  blieb  nic^t«  übrig,  al«  feine  9tu«tritt«erHärung 
amune^men;  er  t^at  bie«  mit  einem  öffentlichen  ^abeI«botum:  Dl^ne  92amen  gu  nennen 
uno-  SSeiDeife  ju  erbringen,  ^abe  Qp.  auflagen  erhoben,  bie  auf  bie  game  Äör^Aofl 
einen  ©chatten  loürfen  unb  SSrüber  bem  SSerbad^t  au«f e^ten,  toelc^e  bie  S&abr^eit  eben^ 
fofe^r  \m  er  felber  liebten.  2)amit  toar  ber  Srud^  beftegelt.   &p.  ift  bi«  an  fein  Se6cn$= 

ao  enbe  aufeer^alb  ber  Union  geblieben,  aber  nid^t,  o^ne  ju  erflären  —  loa«  t>on  lirc^lid»« 
©eite  oft  überfe^en  tuirb,  um  bem  gefeierten  Äanjelrebner  ba«  Dbium  be«  Sajjtiemu^ 
m  nehmen  — ,  bafe  er  mit  biefem  3lu«tritt  au«  einer  freien  Bereinigung  nic^t  aufgebort 
^abe,  ^api\\i  ^n  fein.  Die  ©rregung  über  bie  Äontroberfe  ift  fc^liefelic^  borüber  gegangen; 
©J).  f)at  bielfeitige  ^wftimmung  gefunben,  aber  auc^  mand^en  33erluft,  bcr  feinem  SlWc 

85  ^ierau«  ertoud^«,  tragen  muffen ;  bie  Union  l^at  nic^t  aufgcl^ört  in  alter  SBcifc  gu  epftieren 
unb  int  Segen  gu  ttjirfen.  Sei  ©elegenl^eit  be«  erften  SQSeltlongreffe«  ber  93a^)tiftcn, 
loeld^er  1905  in  Sonbon  ftattfanb,  l^at  fie  bem  legten  ber  Puritaner  in  banibarem  (St- 
benfen  eine  Jjräc^tige  ©tatue  in  il^rem  i^erh)altung«l^aufe  gefegt. 

6«  ioar  borau«jufe^en,   bafe  ©p.,   obiool^l  er  auc^  bem  Seibe  fein  gute«  Siecht  an: 

40  gebeil^en  lief;,  bei  fo  bielgeftaltigem  2)ienft  fic^  i)or  ber  3^^^  berjel^ren  lüürbc.  Snplcjc 
heftiger  ri^eumatifcf^er  2lnfälle,  bie  feine  5iert)enfraft  angriffen,  mufetc  er  ficb  bnun^ 
längere  6r^olung«^)aufen  gönnen,  toelc^e  er  mit  Vorliebe  an  ber  fonnigen  SRiöiera  tjcr^ 
brarf)te.  Slber  feine  ©ebred^en  mehrten  fic^,  ohne  bafe  bie  2aufenbe  feiner  ^örer  e«  feiner 
5ßrebigtt^ätigfeit  abfüllten.    9Joc^  fonnte   er   auf  ber  ^ßaftorallonfereng   im  3lj)ril  1891 

46  feinen  getualtigen  aSortrag  „2)er  größte  Äamj)f  in  ber  SDäelt"  l^alten,  —  auc^  bier  no(b 
in  3lu«einanberfe^ung  mit  ber  i^n  im  3i""^f*e"  belpegcnben  mobemen  2:l?eologic  — , 
bann  brachte  eine  heftige  gnfluenja  ein  ber^altene«  5Zicrenleiben  jum  3lu«bruc^,  bem  fu^ 
quälcnbe  r^eumatifc^e  ©d^mcrjen  jugefeHten.  3JJonatelang  fd^ioebte  er  in  ^öc^ftcr  ©efoBr, 
aber  ba«  ©ebet  ber  ©einen  l^ielt  il^n    aufredet.    2(m  26.  Dftober  toar  er  bcnn  au^  fo 

50  toeit  ^ergeftcHt,  bafe  er  na6^  SJlentone  geleitet  tuerben  fonnte.  3m  Januar  be«  folgen- 
ben  ^a^re«  jebod^  ergriff  il^n  bic  3"^"^"^^  ^^f^  "e"^-  ®eii  ^e»"  20.  ^^nuar  an«  ^cti 
gefeffelt  unb  in  ben  legten  2:agen  jumcift  betoufetlo«,  ift  er  am  31.  ^onuar  1902, 
einem  ©onntage,  toäl^renb  feine  ©cmcinbc  jum  ©otte«bienft  berfammelt  toar,  beim- 
gegangen,    ©eine  fterblid^e  §ülle  tourbc  in  bie  §eimat  überführt  unb  auf  bem  ?Rortoootte 

56  friebl^ofe  beigefe^t. 

Sei  einer  Beurteilung  ©}3.«  al«  ^rebiger  bürfen  ttjir  gunäd^ft  nidj^t  aufeer  ait 
laffen,  ba§  er  ©nglänber  getüefen  ift.  Siele«  an  i^m,  ttja«  un«  anfang«  frcmbartig  bc^ 
rü^rt,  crflärt  fid^  au«  ber  2lrt  be«  cnglifc^cn  ßbarafter«  unb  ß^riftentum«  unb  ift  bic 
©runbbebingung   für  ben  ©rfolg  feine«  SBirfcn«  gctoefen.    ©r  toar  nac^  ^atttfon  „bcr 

60  ti;^ifd^e  ©nglänber  mit  ben  äSorjügen  unb  ©c^ranfen  feiner  Slaffe".    ©obann  toiH  be= 


^put^ton  703 

achtet  fein,  bafe  Bp,  9JonIonformift  toar.  ^n  3)eutfcl^Ianb  toäre  er  ate  ^rebiger  fd^on 
be^l^alb  unmöglich,  toeil  er  nie  einen  georbneten  @tubiengang  burc^gemad^t  f)at  ®ttt>ii 
l^ätte  ©J).,  toenn  er  ein  in  unferm  ©inne  teiffcnfc^aftUc^  gebilbeter  I^eolog  getoefen, 
manche  ßinfeitigleit  feinet  2ßefen§  unb  feiner  Seigre  übertounben.  2lber  ba§  toäre  ber 
%ot>  feiner  ®rö^e  getoefen,  benn  in  biefer  glücflic^en  ©infeitigleit  unb  Äonjentration  auf  6 
ba^  })uritanif^  berftanbene  „alte,  alte  ßbangclium"  lag  feine  Kraft,  a^ro^  bief eö  SKangeÖ 
georbneter  38orbilbung  ift  er  bod^  fein  „£aien})rebiger"  getoefen.  Denn  junäd^ft  toar  er 
ein  geborener  ^rebiger,  unb  bann  ^at  er  ft^  in  t^eologifd^er  unb  attgemeiner  SBiffen« 
fc^aft  eine  93ilbung  angeeignet,  toelc^e  il^n  jebem  {^raltif^en  Xl^eologen  in  Deutfc^tanb 
ebenbürtig  mac^t.  ©erabe  aber,  toeil  er  frei  toar  bon  bem  Sleigetoid^t  be«  t^eologifc^en  lo 
Hriticiömu^,  lonnte  er  feine  religiöfe  ßigenart  toott  aufleben  unb  ftc^  mit  ungebrochener 
Urfjjrünglic^feit  feinen  ^örern  ^^ingeben.  6r  rebete  ju  feiner  grofeen  Oemeinbe  nic^t  afö 
ber  ber))fKc^tetc  ^aftor  t)on  9lmt«  toegen,  fonbern  nac^  aljoftolifc^em  SKufter  atö  3^0^ 
ober  gemäfe  ©c^leiermac^er«  gorberung  aU  Sruber  ju  feinen  33rübern,  mit  benen  er  ftc^ 
be^  gemeinfamen  (Sbangeliumdbefi^e^  erfreut,  unb  bei  toelc^en  er  bie  ©orge  bafür  erloedft.  i5 
©}).  toar  lein  „©eiftli^er"  im  ©inne  Ilerifaler  Slnma^ung  unb  bod^,  rec^t  berftanben, 
ein  ©eiftlic^er,  beffen  ganje^  2eben  unb2Birfen  betrachtet  fein  toitt  im  Sichte  feiner  aBe« 
bebcrrfc^enben  gtömmigfeit.  ßr  mag  ein  fc^Iec^ter  S^eolog  getoefen  fein,  aber  er  loar 
me^r:  6r  toar  ein  religiöfe^  ®eme. 

greilid^,  er  toar  aud^  ein  gottbegnabeter  Siebner,  ol^ne  fic^  beflen  betoufet  ju  fein.  20 
3)ie  gefeilte  Äunftrebe  mit  i^ren  blü^enben  ^P^rafen  embfanb  er,  toie  er  fic^  fd^arf  auö« 
brüdtte,  ate  eine  Oottlofigleit,   too  e^  fid^  um  ber  ©eelen  ©eligfeit  ^anbelte.    6r  rebete 
nic^t,  fonbern  er  ]pxai)  in  gefälligem,  eblem  Untrrl^altung^ton,  ber  nur  burc^  bie  @röge 
bei8  SRaume«  unb  be^  (Segenftanbe^  feine  ©c^attierun^  belam.    3)abei  toar  fein  SSortrag 
boHfommen  brudtreif,  in  reinem,  burd^ft^tigem,  rafftgem  (gnglif(^  •    jebem  Äangel})atl^o^  2:. 
abf^olb,  reil^t  er  bie  SBorte  toie  ^Perlen  aneinanbcr.    Da  ift  nic^t^   bon   ber  ^nxiQm^ 
fertigfeit  beö  getoanbten  ßaufeurg,  toie  man  fie  auf  mand^m  freifird^li^en  Äanjeln  finbet. 
9lber  flüfftg,   o^ne  je  ju  [tocfen  ober  SBorte  ju  fud^en,    gleitet  feine  Siebe  ba^iin.    6r 
lennt  fein  S8erf})rec^en,   ferne  SBieberf^olungen  unb   abgebrod^ene  ^ßerioben;   in   jebem 
Slugenblicf  f)at  er  ben  bejeic^nenben  unb  angemeffenen  Slu^brudE   bereit  unb  f})ric|t  in :»» 
einem  ©til,  ben  felbft  em  SKeifter  toie  Sluöfin  fd^lec^t^in  boUfommen  nennt,    ©^on 
ber  boy  preacher  mad^te  burd^  feine  ungetoö^nlic^e  SRebegabe  tiefen  ßinbrudt,  ber  auc^ 
burc^   man^e  3^0^  jugenblic^er  Unreife   nic^t  bertüifd^^t  tourbe.    Unb  nun  ber  reife 
©>)urgeon!    3n  lautlofer  ©titte  emj)fing  i^n   fein  t)ieltaufenbfö>)fige  ©emeinbe,   in  ber 
noc^   eben    ein  ©ummen  unb  3^1^^'"  ^^^  SKeereigbraufen  l^in  unb  l^ergegangen  tvax.  S5 
SieHeic^t  ftanben  t)iele  unter  ber  ©uggeftion  feiner  Serül^mt^eit.    9lber  iDenn  er  bann 
feine  ^elle,  hjunberbar  flangboHe  ©timme  er^^ob,    iDelc^e  jeben  3Binfel  be3  großen  ©es 
bäubed  mit  2!Bol(;llaut  erfüUte,  bann  ftanb  bie  Jto^f  an  Rop^  gebrängte  SDtenge  au^^ 
na^mglog  in  feinem  Sänne. 

SBeil  i^m  biefe  foftbare  ®abe  bon  9Jatur  eignete  unb  jubem  fein  ganje^  Seben  bon  40 
Sieligion  burc^brungen  toar,  barum  ^atte  er  fo  toenig  R^t  nötig  für  bie  ©injetoorbereitung 
feiner  ^ßrebigtcn.  @r  brauchte  fte  nic^t  nieberjuf^reiben  in  fünftlic^em  ^eriobenbau. 
2)aju  f^ätte  er  auc^  bei  brei  unb  mel^r  ^rebigten,  bie  er  n)öc^entlic^  l^ielt,  faum  bie  3^'* 
getrabt.  6«  beburfte  für  i^n  nur  einiger  Slad^mittag^ftunben  ftitter  ÜKebitation  am 
©onnabenb,  um  fid^  für  ben  ©onntag  ju  ruften.  a:ejtlofe  ^rebigten  fennt  er  nic^t,  46 
benn  bie  ©c^rift  ift  i^m  bie  unbebingt  t)erj)flic^tenbe  Urfunbe  ber  göttli^en  Se^re,  meldte 
ju  berfünbigen  unb  augjulegen  er  berufen  ift.  Um  a:ejte  aber  toar  er,  fo  treffenb  er 
aud^  in  feinen  Sorlefungen  bie  Slot  ber  a:e5th)al^l  ju  fc^ilbern  h)eife,  nie  in  SSerlegen^eit. 
©ein  Seben  in  ber  ©c^rift,  feine  intenfibe  Seftüre  namentlich  ber  ^Puritaner,  benen  er 
fic^  auc^  hierin  tief  beri)flic^tet  fü^lt,  bie  täglichen  ßrfa^rungen  feine«  jjerfönlic^en  unb  w 
Berufsleben«  gaben  i^m  ftet«  jur  rechten  ^üt  ba«  rechte  SBort.  S)lit  fc^neHer  §anb 
enttoarf  er  bie  3)i«J)ofition,  um  nic^t  bon  ber  ^ütle  ber  il^m  juftrömenben  ©ebanfen 
überflutet  ju  toerben;  bann  bertoeilte  er  einige  3^t  in  betenbem  ©innen  unb  fonnte  nun 
getroft  o^ne  Äonjej)t  unb  SJlemorie  feine  SBäeltfanjel  befteigen  in  ber  frö^lid^en  3ut)errtd^t 
göttlid^en  Seiftanbe«.  Da«  getool^n^eitSmäfeige  65tem>)orieren  ber  ^rebigt  f^ält  er  für  66 
burc^au«  fc^äblic^  unb  hjarnt  feine  ©tubenten  emftlic^  batoor.  ©ie  toürben  fonft,  U)ie  er 
in  fcberjl^aftem  T)oj)j)elfinn  bemerft,  eine  gefährliche  ®abc  ber  „^tt^txmnm'^  ertoerben  unb 
if^re  Äird^c  balb  genug  leer  >)rebigen.  Scur  in  ben  ®ebet«ftunben  am  unontagabenb,  ju 
benen  ftc^  auc^  ftet«  2—3000  Seilnebmer  fanben,  überliefe  er  fid^  ben  3m})ulfen  be« 
3lugenblid(«,  um  ftc^  in  böQig  unt)orbereiteter  Siebe  gu  üben.     Sine  nod^  grünblid^ere  eo 


704  @)ittrgeiitt 

äbneigung  aber  l}ai  er  gegen  ba§  in  ßnglanb  eingebürgerte  äblefen  ber  ^rebigt,  ba^  bot 
^rebiger  mm  Sc^aufpieler  unb  B\)lopf)antm  ^erobhjürbige. 

@o  fte^t  er  gän^lid^  frei  unb  gubem  unabl^ängig  bon  jeber  ftrengen  äußeren  ^orm 
be^  ®otte«bienftei8  femer  Oemeinbe  SCuge  in  äuge  gegenüber:  ätte^  Sntercffe  Dereinigt 

6  fid^  auf  bie  3B3ortt)erfünbigung  unb  i^ren  Präger.  6^  ift  ein  ®lüdf  jüv  ©p.,  böfe  « 
fein  Äirc^enmann,  fonbem  freier  Sa^)tift  toar  unb  \\d)  aU  foI(^er  ni(^t  in  eine  i»r= 
gefd^riebenc  gorm  be«  ©otte^bienfte«  ju  fc^idten  brandete;  benn  bie  ^enbe  l^dtte  |eine 
Eigenart  erbrücft.  3Ber  auö  ©t.  ^auif  mit  feinen  ^riefterauf jügcn,  Sttancicn  unb  mujl^ 
lalifc^en  Darbietungen  in  ©jj.«  Äird^e  lam,  ber  fa^  fic^  in  eine  gang  anberc  3BeIt  im- 

10  fe^t.  ©c^on  ba^  ^ugere  bed  tieftgen  @ebäube^  mit  feiner  fäuIengef^müdCten  ^ront  unb 
ber  breiten  greitre})})e  machte  el^er  ben  ßinbrudt  eine^  Sörfen^  ober  3:^eaterl^aufcd  aB 
einer  Äird^e.  9luc|  im  3""^^  gemal^nte  nid^tö,  h)a^  ben  lird^Iid^en  ©Triften  beim  ©n? 
tritt  anbäc^tig  ftimmt,  an  ben  gotte^bienftlic(;en  ß^aralter  be^  SRaumc«.  3eber  oufeere 
©c^muct  ift  öermieben;  feine  ©äulen  unb  Seuc^ter  l^emmen  ben  33lidE  auf  ben  ^rebiger, 

16  ben  man  überall  fe^en  unb  bei  ber  t)ottenbeten  äfuftif  beö  Slaumc^  überall  t)erfleben 
fann.  3)er  ^ßaftor  felbft  fommt  im  einfad^en  f^hjarjenSlodt;  fogar  bie  h)cifee  Sinbe  ^ 
er  in  f})äteren  g^l^ren  abgelegt.  3f^  fo  bie  Oefamttoirfung  junäd^ft  eine  red^t  nüchterne, 
fo  ift  boc^  f(^on  ber  %nbl\i  ber  bic^tgebrängten  SSerfammlung  ein  übertpältigenber.  ^n 
übertoiegenber  3^^!  P"^  ^  5!Jlänner,  bie  ju  Bp.^  %\xim  ft^en,  —  für   baö  bcfc^eibem 

20  beutfd^c  9luge  ein  ungewohnter  9lnbKct !  9Zeben  ber  Äaufmannfc^aft  unb  bem  3Rittd= 
ftanb  fenben  bie  älrbeiterfreife  i^re  ÜBertretung;  SReifenbe  aller  $erren  Sohber  tootten  ben 
großen  93a^tiften))rebiger  in  Stugenfc^ein  nehmen.  2!^nen  gur  ©eite  l^oben  fc^üd^tetit 
3Jlänner  $Ia^  genommen,  toeld^e  ben  ©tem^el  be3  Saftet^  unb  ber  SSerfommen^eit  im 
3lngefic^t  tragen,     aber  aud^  gürften  unb  SKinifter   erbauen  fid^   an    feiner  ^rebigt 

25?Känner  toie  2)icten^  unb  S^enn^fon,  ©labftone  unb  2orb  Sluffel,  Siöingftone  unb 
9ludfin  gehörten  gu  ben  SSere^rem  bed  ^rebigerd  unb  toaren  l^äu^g  im  ^bemacle  ^u 
finben. 

Die  Urtoüc^ftgteit  feinet  @lauben$}eugnif[ed  toar  ed,  toel(^e  aDe  biefe  großen  unb 
tieinen  ®eifter  anjog.     ©^.   ift    fic^   betonet,    ba^    er   feine  neue   933eidl^eit  prebigt^ 

80  unb  miU  ni(^t^  anbere^  bnngen  als  baS  alte  äBort  l)om  Jlreuj.  älber  er  ftc^t  niät 
binter  biefem  SBort  ate  objeftiber  ^Referent  ber  ^eitetl^atjad^en,  Jonbem  l^t  feiner  SSer= 
fünbigung  ben  ©temjjel  feiner  im})ulfit)en  3j"^^bibualität  aufgeragt.  SlUe«  in  feinem 
(SotteSbienft  ift  t)on  feiner  Eigenart  burd^brungen,  unb  boc^  berft^toinbet  er  in  bemütigci 
©elbftbcrgejfen^eit  gegenüber  bem  §errn,  bcm  JeineS  2tbm^  ganje,  l^eifee  Siebe  gilt,  ©(^on 

35  bie  ärt,  toie  er  fi^  nac^  bem  betreten  ber  Plattform  jum  ftitten  ®ebet  beugt,  ift  be^ 
jeic^nenb.  Äcine  ftercot^})e  ^orm,  feine  5Pofe.  Dann  fliegt  fein  flareS  Slugc  mit  glüd- 
lic^en  Säbeln  über  bie  Serfammlung,  bie  nun  tautloS  an  Jeinen  2\!ppm  l^ängt.  6t 
giebt  baS  erfte  Sieb  an  unb  lieft  ©trojj^e  für  ©trojj^e  mit  ergreifenber  Setonung  bot. 
Die  ©emcinbe  erl^cbt  fi^  unb  auS  bem  5!Jlunbe  ber  ungejä^lten  ÜJlengc  fteigt   lebenbig 

40  unb  ma^trjod  ein  ©efang  empor,  toeld^er  auc^  ol^ne  Drgelflang  jjebeS  ^erj  ^immelon 
gießen  mu^.  Dann  lieft  ber  ^ßrebiger  einen  längeren  aibf^nitt  ber  l^l.  (öd^rift  unb  ht- 
gleitet  il^n  mit  furjen,  überaus  treffenbcn  Semerfungen,  hjeld^e  baS  95ibelh)ort  ber  ©e^ 
meinbe  jjraftifc^  na^e  bringen,  unb  auf  beren  Vorbereitung  er  biel  ©orgfalt  üerlocnbet 
Dann  betet  er.    äluc^   f^ier   fe^lt  jebe  gemeinfamc   gorm   ber  anbackt.     ®ie   meiften 

46fnieen,  einige  ftel^en,  biele  fi^en  mit  borgebeugtem  $aupt;  ber  ^ßaftor  felbft  fnict  niebcr 
unb  betet  ^ei,  h)ie  eS  ber  Seift  i^m  giebt  auSjuJjjred^en.  ®erabe  bon  biefem  ©ebct 
f)abtn  biele  befannt  me^r  noc^  ergriffen  hjorben  ju  fein  afö  bon  feiner  ^rcbigt  ®a^ 
h)ar  feine  borgefc^ricbene  Äultübung,  fein  ®ott  bargcbrac^teS  Djjfer;  eS  hjar  ber  6rgufe 
eines  §erjenS,  baS  fic^  unmittelbar  bor  ®otteS  3lngeftc^t  toufete  unb  ber  ©rl^örung  gläubig 

60  gehjife  mar. 

9Jad^  abermaligem  ®emeinbegefang  fam  bann  bie  ^rcbigt.  3lud^  il^r  fel^lt  jebe  fterco^ 
t^pe  gorm.  §eut  f)at  er  einen  ganj  furjen  2ejt  bon  toenigen  333orten,  bie  er  in  über^ 
rafd^enber  Scgiei^ung  ^u  ben  Scbürfniffen  feiner  §örer  ju  bringen  toeife ;  morgen  fpricbt 
er  in  grünblid^er  (Sjegefe  über   ein   auSgcbe^nteS  lejtfajjitel.    ©eine  ^rebigt    fuc^t  ben 

66  ©ünber  jur  Su^e  ju  leiten,  bietet  aber  auc^  bem  geförbertften  ©Triften  reiche  ©eelcn^ 
nai^rung.  3Bo^l  jjrebigt  er  immer  bie  Sotfc^aft  bon  ©ünbe  unb  ®nabe  unb  bringt  auf 
bie  Sefel^rung  beS  ©ünberS,  aber  er  ift  beSl^alb  boc^  fein  ©rtoectungSl^rebiger  im  Sinne 
bcS  mobcmcn  geiftUc^en  ©pc^ialiftentumS.  SluS  ber  Überjeugung,  ba^  ber  ®laube  qu^ 
ber  ^rebigt  fommt,  ertoä^^ft  il^m  bie  2lufgabe,  baS  ganje  ßbangelium  mit  ^eiligem  6m{i 

60  feinen  ^örem  an^  $er)  }u  legen,  aber  auc^  bie  gläubige  ®en)i|^eit,  ba^  ®ott  fein  SBort 


706  ®)ittrgcon 

©abc  bon  §crjcn  erfreuen.  3lid)i^  h)ar  il^m  ja  fo  berl^afet  tüte  bor  Äirc^enfAIaf,  unb 
ilE>n  ju  t)erfcl^eu^en,  ruft  er  unbebenfUc^  ein  ^eitere^  Säckeln  in  ben  9)iienen  feinet 
3u^örer  l^erbor.  ©o  fc^ilbert  er  eine  l^ertoorftec^enbe  gornt  lanbläufigen  9iamen(^rifteni 
tum«  in  fo  naturlüal^ren  ftarfen  garben,  ba^  bie  3SerfammIung   über   feiner   launigen 

6  aiu^malung  gan^  be«  ßrufte«  ber  ^rebigt  t)ergifet.  3)ann  aber  überrafc^t  er  bie  ^örer 
mit  einer  })Iö^Iid^en  SBenbung  auf«  ©eiftüc^e,  unb  fie  muffen  befd^ämt  erfennen,  bafe  fic 
i^re  eigne  Il^orf^eit  grünblic^  berlacbt  l^aben.  @r  liebt  biefe  Überrafc^ungen.  ^Ritten  in 
feiner  ©c^ilberung  unterbri^t  er  ftd^  unb  toenbet  ftc^  mit  bringlic^em  @mft  an  einzelne 
in  ber  Serfammlung,  beren  Oebanfen  unb  ^erjen^juftanb   er  mit   einigen    marfanten 

10  SKorten  rjerblüffenb  fennjeic^net.  3)ie  SBirfung  toar  oft  überlDältigcnb,  unb  münblicb 
ober  fd^riftlic^  ^aben  e«  if^m  t)iele  befannt,  burd^  fold^  eine  gnt^üBhmg  i^rc«  3""<^"^ 
ju  aufrid^tiger  Sufee  gelangt  ju  fein. 

@g  liegt  in  ©J).g  ©teuung  jum  Snfjjiration^bogma,  bafe  er  ba«  Sllte  unb  5R1  öötti^ 

Sleid^  teertet.  SBäirb  er  au^  ni(|t  mübe,  bie  großen  §eitetl^atfad^en  bcd  neuen  9unb€4 
efonber«  f^erborgu^eben,  fo  fielet  er  bo^  ba«  altteftamentlic^e  3Bort  ftct«  unter  bem 
®eftd^tgh)infel  ber  ncutcftamentlic^en  ©rfüttung.  2)a«  giebt  feiner  ^JJrebigt  ettea«  3^*^ 
lofeö.  SBo^l  ijerftel^t  er  bie  Sefonberl^eit  feine«  2^erte«  xumeift  treftenb  ^crtoorjubebcn, 
unb  namentlich  feine  „altteftamentlic^en  Silber"  fmb  3Reifterftücfe  leben^etreucr  Gbarof: 
teriftif  unb  geiftlic^er  ^orträtfunft.    9lber  feine  enge  (Scbunbenl^eit   an  ba«  geoffeiiboile 

20  SBort  beranlafet  il^n,  unt  auc^  ben  entlegcnften  lejten  il^ren  Gtoigfeit^finn  abjugetoinnoi, 
feine  §ilfe  ju  geiftlic^er  ©c^riftau«beutung  ju  nel^men,  bie  bor  ber  nüd^terncn  Gjegcfc 
nic^t  beftel^cn  fann.  3P  «"^  fc'"^  2lu«Iegung  im  ganzen  burc^au«  gefunb,  fo  ift  er  ber 
®efal^r  berSlüegorefe,  toel^e  er  feinen  ©tubenten  fo  lebi^aft  t)or3lugen  fül^rt,  nicbt  immer 
entgangen.    %xzilid^,   er  rjerliert  ftc^   babei   nie  in  bie  fleinlic^e,  übergeiftlic^e  ©pielcrel, 

2r>  teelc^er  bie  3Jl^ftif  ©elbftjioedt  toirb,  unb  finbet  immer  ben  2Beg  jurücf  ju  ben  toeltbeiocgcn: 
ben  ßeitegebanfen. 

^a^  er  auf  fte  beh)uf;t  ftc^  befc^ränft,  mac^t  feine  SBirffamfeit  ju  einer  fo  überaus 
gefegnetcn.  SReid^te  boc^  feine  (Semeinbe  loeit  über  bie  ©renjen  fionbon«  ^inau«  in  di 
2Belt.    Unb  loeld^e  ungejä^Iten  Grfolge  neben  feinem  münblic^en  3^w0ni«  ben  gebnidtoi 

3o5prebigten  befc^ieben  toaren,  toer  bermag  ba«  ju  ermeffenV  6in  ^aftor,  beffen  Äan;cl= 
reben  lange  ^di  ^inburc^  an  jjebem  ?Kontag  nac^  3lttt>  5)orf  gefabelt  tourben,  um  in  b«i 
angefe^enften  2^age«5eitungen  m  erfd^einen,  ja  beffen'  ^JJrebigten  ein  rcic^^cr  SScrcbw 
3)Jonate  l^inburd^  in  einem  aujtralifc^en  Slatt  al«  gnferat  brurfen  liefe,  mu|  eine  c^i-- 
toaltige  3)Ja^t   über  5)lenfc^en^er;^en   gel^abt   baben.     ^n   2(frila«  ©infamteit   bat  ber 

35  fterbenbe  Siüingftone  an  ©p.«  ^rcbigten  ftarfen  lobeetroft  gel^abt,  unb  ein  armer  ^icga 
bem  jufättig  eine  Plummer  ber  9Kod^en})rebigt  in  bie  §änbe  fam,  ift  burd^  fein  (Slaubcn*^ 
jeugni«  ol^ne  menfc^lic^c«  Sw^'^wn  bem  ©bangclium  gewonnen  toorben.  Soldbe  fc^litfctcn 
If^atfac^en  führen  eine  tounberbar  berebte  ©J)rac^e.  3)er  ftc^tbarfte  Setoei«  feiner  o^i- 
toaltigen  S^^ätigfeit  bleibt  mit  il^rem  ausgebreiteten  3Riffton«loerf  bie  grofee  ^abemacb 

iogemeinbe,  toelcßer  loä^renb  ©j).«  ^aftorat  14G92  ©eelen  burc^  bie  3;aufc  einverleibt 
lourben.  5Joc^  ^eute  blü^t  fie  unter  ber  umfic^tigcn  Seitung  feine«  ©o^ne«  X^oma«,  bei 
be«  3?atcr«  £eben«loerf  in  ber  au«  einem  Sranbe  in  neuer  ©c^önl^eit  unb  gleicher  ©rcBc 
toieber  entftanbenen  Äirc^c  fortfe^t. 

Unb  bie«  au«crU)äl^lte  Stüftjeug  War  fein  2Bunber^)rebiger,  loie  man  e«  feiner  3"9^^ 

46  oft  j?roj)be^eit,  baft  er  ein  glänjenbe«  9)Jcteor  am  geiftlic^en  ^immel  fein  tüerbe.   6r  tpoi 
aber  aud}  fein  üRobeprcbiger,   ber  ben  ßrfolg   feiner  ^rebigt  burc^  Äon^effionen  an  ben 
3citgcift  erfaufte,  teobon  man  ^eut  nic^t  feiten  ba«  §cil  ber  ^rebigt  crtoartet    ßr  jtebt    \ 
bor  un«  bielmebr  al«  ein  altmobijc^er,  ftarrer  Puritaner,   loel^er  bon   bem  alten  ^n^p-- 
ration«0laubcn   nid^t   ein  ^ota  prei«gab.    2tuc^   feine  äußeren  ®aben,  fo    glänjenb  fic 

50  tearen,  erflärcn  ba«  ^^^änomen  nic^t,  bafe  feine  gebrurften  ^rebigten  nic^t  minber  trirtfam 
finb  al«  bie  münblid^en  3^"9"^ff^-  3lu«  feinem  SBirfen  fjjrid^t  ein  3)tann  bon  unbc: 
bingter  Slufrirf^tigfeit  unb  3öabr()aftigfcit  ju  un«,  beffen  (Slauben  unb  Seben  unlo«lid» 
berbunbcn  finb.  ©r  lebt,  tea«  er  V^^^i^^Ö*/  ^^""  ®ott  ift  bie  grofee  Slealität  feinem 
Scben«.    9^cil   er  bor  ®otte«  älngcfic^t  lebt,    giebt   e«  in   feinem  Seben    feine  ^hioüi, 

55  feine  Unaufricf)tigfcit,  feinen  läbmcnben  ^^^i^P^^t-  2Beil  er  feinem  ®ott  unerfd^üttcrlidi 
bcrtraute  unb  fi(|  mit  ber  2lttmac^t  in  teeltüberioinbenbem  Sunbe  toufetc,  barum  bat  fi* 
©Ott  fo  tounbcrbar  ju  feinem  SBirfcn  befannt  unb  i^n  ber  ^albf^erjigen,  jtoeifellabmcn 
6l)riftenbcit  ^u  uncnblic^em  ©egcn  gefegt.  6r  \vax  nic^t«  loeiter  al«  ein  ^rebiger  M 
Gbangclium«,  ba«  aber  nid)t  nur  mit  ber  ibm  berlie^enen  5)Jac^t  ber  SRebc^  fonbem  bid- 

60  mel^r  mit  ber  3:l^at  feine«  fic^  für  ®otte«  3leid^  berjel^renben  Seben«.    2)en  3Kann,  ber 


@)iiirgeoit  ^tatit  unb  Strebe  707 

faft  40  3^^*^^  ö"f  bcrfclbcn  Äanjel  geftanbcn,  o^nc  fid^  gu  crfc^ö>)fen,  ja  fclbft  o^nc  fid^ 
merflid^  ju  toieber^olen,  ber  nie  ßcfeufjt  pat  unter  ber  Saft  eine^  Scrufeö,  toelc^er  bielen 
feiner  ämti^enoffen  gerabe  toegen  ber  ftänbigen  9?ot,  fid^  augju^rebigen,  fo  fd^toer  auf 
ber  ©eele  liegt,  ber  t)ielmel^r  leud^tenbe«  Slngefid^t«  einem  Sita  gleic^  für  feinen  ®ott 
eiferte,  ben  l^at  fein  ©rabrebner  ftc^erlic^  ol^ne  Übertreibung  einen  Princeof  Preachers  6 
unb  Champion  of  Ood  genannt.  ®uft.  ®iefe(bnfcf|. 

©toot  tttib  Sirene.  —  ßtttcratur:  Sriebbcrg,  3)le  ©rcnjcn  i^tüilcftcn  Staat  unb 
Äirc^e  unb  bic  ©aranticn  gegen  bereu  SSerlcjjung,  1872;  ^infd)iu§,  ^laiiemeine  3)avftcaung 
ber  SSeif)«ltmffe  \)on  Staat  unb  Äircfic,  1883  (in  ^arquarbfcn«  .t)anbbud)  bcö  üffentlid)en 
5Herf)t«I,  1);  Äa^I,  fic^r|t)ftcm  bcä  Äir(f)cnrcd)t§  unb  ber  Äirc^enpolitif,  1894,  iöb  I,  6.  246ff.;  lo 
(£.  ZvoMdj  bei  ^inncbcrg,  3)ie  Kultur  ber  ®cacniDart,  $eil  I,  9lbtei(ung  4,  1905; 
9^.  So^m,  Äirdöcnredit  «b  I,  1892;  bcrf.,  5)a«  Scr^ältnid  uon  Staat  unb  Äird)e  an^ 
bcm  SScgriff  cntroidclt  (3^SR  1873).  —  Ä.  3.  i^eumann,  3)cr  römifc^e  Staat  unb  bic 
attgcmcinc  Äircftc  bisJ  auf  35iotIetiau,  1890;  Zff.  ^Kommfcn,  Dlbmifc^ed  Strafredit,  1899; 
3.  53ur!^arbt,  35ie  3cit  Äonftanttn«  beS  ©rofecn,  1891;  51.  ^aurf,  Slircftengefcöt^tc  2)cutfd)=  16 
lanb«,  1887 ff.;  ©.  ßoening,  ®efd)i*te  be§  bcutfd)cn  Äirc^cnrec^t«.  1878;  g.  5^attenbufd), 
ficörbuc^  ber  tjergleic^cnben  S^onfcfftonötunbe,  1892.  —  Ä.  SRiefcr,  3)ic  red)tnd)c  Steöimg  ber 
ctjangclifc^cn  Äir^e  3)cutfc^lanb§  in  i^rcr  flcfcftiitlicöcu  (Sntroirfclung,  1893;  beif.,  (S>runDfä|je 
ber  reformierten  Äircöenücrfaffung,  1899;  3.  SRültimann,  Äird)c  unb  Staat  in  il^orbamerita, 
1871.  —  ^.  ficcomte,  Rapport  au  S^nat  sur  le  projet  de  loi  concernant  la  Separation  des  20 
Eglises  et  de  TEtat,  1905;  %  Sabaticr,  Apropos  de  la  Separation  des  ^glises  et  de  T^tat, 
q^ariö  1906;  (S.  ^J^aQcr,  ^ic  Äirc^en^oöcitSredjtc  be«  Äönig«  öon  SBaijern,  1884;  5.  $)einer, 
*3>er  fofl.  2:oleran-^antrag  nad)  ber  crften  Beratung  (5lrd)iü  für  Mt^ülifdjc«  Äird)cnvc(^t,  1902). 
—  @.  gocrfter,  5)ie  Sntfteftung  ber  ^reuSifd^cn  ßanbcöfirdjc  unter  ber  ^Regierung  Äbnig 
Sriebrid)  ©il^elmö  III.,  1905 ;  %  9Jiebner .  ©runöäügc  ber  ^^cnoaltungSorganifation  ber  26 
altpreuBifc^cn  Öanbc^tird)e,  1902;  1^.  SRiefer,  Sinn  unb  ^ebeutung  beö  lanbe^^errltdjen  ^ird)cns 
regiment«  (9lflgemcine  (StjangcUfc^isfiuttierifdic  Äird)enjeitung,  1902);  ®.  Äatüevau,  Ucber  ble 
53ered)tigung  unb  SBebeutung  be§  lanbc^^errlidöen  tirdjeuregimentd,  1887;  %f),  taftan,  58ier 
Äapitel  üon  ber  fianbe8fird)C,  1903;  The  American  and  English  Encyclopaedia  of  law, 
^b  VI,  V<>  church,  S3b  XXIV,  V»  religious  society,  1903.  90 

I.  ®ie  Oemeinbe  G^rifti  ftettt  fte^  bar  in  äufeerlid^en  5IJlenfc^engemeinfd^aften.  3)a= 
mit  tritt  fte  auf  ben  Soben  be«  gefettfcbaftlic^en  3ufammenleben«,  für  meldte«  ber  Qtaat 
feine  §errfc^aft  errichtet  l^at,  unb  bie  gtage  erfdpeint,  tüie  ba«  äSerf^ältni«  jmifc^en  ben 
beiberfeitigen  Drbnungen  fw^  geftaltet. 

3e  nac^  bem  ©tanbjiunite  ber  berfd^iebenen  Sefenntniffe  toirb  bafür  bon  l>orn^erein  35 
fc^on  ein  griJfeerer  ober  geringerer  ©Jjielraum  t)on  3JlögIic^iEeiten  eröffnet  fein.  Unb  jtoar 
ift  ma^gebenb,  toa^  unb  h)ie  biel  ein  jebe«  ate  göttlichem  SBillen  gemäfe  in  2lnf^ruc^ 
nimmt  für  bie  äufeerlic^e  ^orm  unb  'ÜJlac^tentfaltung  ber  Äirc^e.  Denn  baraue  ertoac^fcn 
jehjeil^  gam  bon  felbft  bie  entfjjred^enben  gorberungen  gegenüber  bem  Biaat,  ber  nac^ 
tird^Ii^er  Slnfc^auung  biefe  Drbnung  ber  Spinae  nic^t  binbern  foH,  hjie  er  äufeerlid^  ge-  40 
nommen  lönnte,  fonbern  im  ©egenteil  fid^  auc^  feinerfeit«  barunter  fügen  unb  unter* 
hjerfen.  SBo  er  bae  nic^t  t^ut,  ba  ift  ber  SBiberf^ruc^  ba:  bie  itird^e  Hagt  über  Unrecht 
unb  fu^t  in  ftiHem  ^Ringen  ober  in  offenem  Äamjjfe  burd^jufe^cn,  hjaiJ  fte  ben  SBillen 
®otte«  nennt  unb  il^re  ^eil^eit. 

®«  ift  flar,  bafe  ber  ^Punlt,  h)0  biefer  ©treit  beginnt,  t)er^ältni«mäfeig  toeit  nac^  45 
öorhjärt«  gelegt  ift  für  bie  fat^olifc^e  Äirc^e  mit  i^rer  reic^  entfalteten,  burc^  (Slauben^s 
fä^e  geheiligten  §errfd^aft«orbnung  (hierarchia)  unb  ber  bafür  in  2tnfj)ru^  genommenen 
re^tlic^  hjirtfamen  ^Regierung  ber  c^riftlic^enSSöIfer:  totum  saeculum  gubernandum! 
gür  fie  muß  ^  einem  fräftigen,  t)oIIenth)idteIten  BtaaU  gegenüber  faft  ber  orbentlicbe 
3uftanb  fein,  bafe  fte  me^r  ober  minber  if^r  SRed^t  ate  berieft  unb  ibre  grei^eit  atew 
unterbrüdtt  betrad^tet. 

aiuc^  bie  reformierte  Äird^e  f}at  rjon  §au«   au«  i^re    beftimmte,   gottgetoottte  SSer^ 
faffung  unb  ftellt  bie  gotberung  auf,    bafe  ba«   ganje  äufeerli^e  (Semeinleben  unter  bie 
ftrenge  ^ud)t  be«  ffiorte«  ®otte«  ftc^  ftelle,  h)ie  e«  auf  ®runb  jener  Serfaffung  ge})flegt 
unb  jum  2lu«brudt  gebrad^t  hjirb.    3"^  Flamen  biefe«  i^re«  SRed^te«  f)ai  fte  ©ef^i^te  ge*  66 
mad^t,  ftreitbar  unb  t^atenreic^  ipie  bie  fatl^olifc^e  Äirc^e. 

®anj  anber«  bie  griec^ifc^e  Äirc^e,  n^eld^e  t)om  Staate  nic^t«  toeiter  Verlangt,  al« 
bafe  er  ibren  feierlichen  m^^fterienerfüHten  Ruitu«  nic^t  antafte.  SBar  bod^  ber  ftam})f 
mit  ibm  um  i^rc  Silber  bielleid^t  in  il^rer  ganjen  ®efc^ic^te  ba«  ßrlebni«,  ba«  ihr  am 
tiefften  ging.  60 

3l^r  ift  an  änfbrud^«Ioftgfeit  ba«  Sutl^ertum  öertoanbt.    Da«  ß^riftenrjolf  mufe  ja 

46* 


708  &aat  ttnb  Sirene 

irgcnb  eine  äu^crlic^c  Drbnung   f}aUn,    bamit  bic  frol^c  Sotfc^aft  in  i^m  geben  fönne. 
aber  btefe  Crbnung  \)at  feine  im  toorauö  beftimmte  (Seftalt.    3)enfbar  ift,  ba|  bie  öe^ 

Seifterung  alle  SRed^t^formen  erfe^en  fott;  aber  auc^  jebe  Slec^t^form  ift  gut,  bei  ber  bos 
eilbringenbe  SBort  unbeeinträchtigt  fein  SBerf  t^un  fann.    6^  ftel^t  alfo  nid^t«  im  SBcge, 

6  bafe  ber  Btaat  felbft  eine  folc^e  Drbnung  fd^affe  unb  beftimme.  aScr^flid^tct  ift  er  nm 
baju,  bafe  er  gehjäl^ren  lafle.  9luc^  ba^  ijt  nic^t  Jotool^I  eine  ^Pflid^t  gegenüber  ber  flinfrc 
felbft,  ali  gegenüber  ber  ^rei^eit  feiner  ebangelif^en  Sürger. 

©0  ergibt  ftd^  fc^on  bom  ©tanbjjunfte  ber  Äirc^e  au^  eine  grofec  SJlannigfaltigleil 
toon  Strten,  hjie  baö  SSer^ältniö  jtüifc^en  i^r  unb  bem  Biaak  gebaut  toetben  fann.  %m 

10  fügt  aber  aud^  ber  Staat  noc^  baig  ©eine  I^inju  burc^  bie  tjerfd^iebcnc  2trt,  toie  er  baju 
Stellung  nimmt.  (Sr  fann  fid^  ben  gorberungen  ber  Äird^e  unterwerfen,  er  fann  bcn 
freien  ©})iclraum,  ben  fie  i^m  läfet,  ju  fc^r  berfc^iebener  Drbnung  be^  Sier^ältniffc^  be 
nu^en.  @r  fann  aber  aud^  bie  ©ren^linie  be^  beiberfeitigen  3Wac^tgcbietc^  einfeitig  traft 
ber  ^errfd^aft,  bie  er  in  2(nf})rud^  nimmt,   anberö  beftimmen   unb  bie  Äircfee  felbft  oxii 

16  gegen  i^ren  SBitten  unter  feine  befonbere  3luffic^t  unb  Seitung   jh)ingen.     ©r  fann  au* 

fo  n)eit  gelten,  bafe  er  fte  gerabejju  mit  harter  ©ehjalt  rjerfolgt  unb  untcrbrücft,   fei  c^  in 

bermeintlid;em  eignem  SJntereffe,  fei  eö  im  3)ienfte  einer  beborjugten  SReligionögemcinfcbaft 

Die  toiffenf^aftliqe  ©^ftematif  ift  beftrebt,    bie  mancherlei  (Srfc^einungen ,    bie  fi4 

barau^  ergeben,  nad^   gehjiffen  Orunbformen  ju  orbnen.    Sefonber^eitcn  im  einen  ob« 

20  anbem  fünfte  vorbehalten,  entfjjric^t  ber  ^errfd^enben  Sluffaffung  too^l  am  meiften  tk 
folgenbe  Unterfd^eibung. 

Snthjeber  bef^errf^t  bie  Äir^e  ben  Biaai,  berart,  bafe  fie  i^n  ii^rcn  3*^<^<^  ^i^^fr 
bar  mad^t:  ba§  fatl^olif^e  Sbeal,  hjie  eö  im  2Kittelalter  au^gebilbet  lüurbe,  giebt  bos 
?Kufterbeifj)iel;  3:^eofratie,  »^ierofratie,  Äird^enftaat^tum  fmb  bie  3?amen  bafür. 

26  Ober  umgefel^rt  ber  Biaai  bemächtigt  fid^  ber  Äirc^e  unb  bel^anbelt  i^re  än- 
gelegenl^eiten  h)ie  feine  Slnftalt,  bie  er  leitet  unb  hjo^l  auc^  für  feine  ©onbergtocdfe  bem^t: 
6äfaro^a^)i^mu§,  Serritoriali^muig,  ©taat^firc^e. 

Dag  Dritte  hjäre  bann  bie  Söfung  t)on  ©taat  unb  Äirc^c.  Damit  ift  junäcbft  nur 
bie  Verneinung  be«  erften  unb  ^h^eiten  gaüeg  au^gefjjroc^en:  feinet  foll  über  ba^  anbere 

30  fd^lec^t^in  verfügen,  fonbern  iebeig  foll  feinen  eignen  3^^dten  au^fc^lie^lid^  bicncn.  Damit 
Verträgt  ftc^  aber  noc^  eine  gro^e  SJannigfaltigfeit  Von  })ofitiVen  ©eftaltungen.  5?or  aflem 
toerben  Sefonberl^eiten  baburc^  entfte^en,  bafe  geh)iffe  ©tüde  au^  ben  toeitergel^enben  än^ 
f})rüc^en  ber  beiben  anbem  ©^fteme  nod^  beibel^alten  fmb.  9?ac^  ber  einen  SiAluna 
fommt  bag  gum  2tu§brud  burc^  bag  fog.  Soorbinationef^ftem.    ©taat  unb  Äirc^c  ftcboi 

35  fic^  banac^  al^  VoUfonimen  glcic^bcrecl^tigte  Drbnungen  gegenüber,  in^befonbere  bat  ber 
©taat  ber  5lird^e  gar  nid^t^  ju  fagen.  Da^  toäre  unbeftreitbar,  toenn  bie  fatbolifc^e  fiitck 
—  um  fie  allein  l^anbclt  e^  fid^  |ier  —  nur  ba^  Ser^ältni^S  beö  3)lenf^en  gu  @ott  im 
aiuge  t}äii^.  Da  fie  aber  fel^r  ftarf  auc^  in  äu^erlic^e  Dinge  l^ineintoirfen  tüill,  fo  bc- 
beutet  biefe  Soorbination  eine  3Serneinung  ber  ©ouveränetät  be«  ©taate^,   fo   hjie  er  fie 

40  feiner  9Jatur  nac^  beanfprud^en  \v'xÜ ,  unb  fomit  noc^  ein  gute^  ©tüdt  ber  im  „Äirckn: 
ftaatgtum"  beanfpruc^ten  Übermad^t  ber  Äirc^e.  Umgefe^rt  fann  ber  Biaat  einen  bc- 
fonbern  3lnteil  in  3lnf}3ruc^  nehmen  an  ben  Angelegenheiten  ber  Äirc^e,  bic  nidbt  mehr 
gerabeju  al^  feine  eignen  angefeben  tüerbcn,  aber  i^n  boc^  me^r  angelten  ate  bie  einc^ 
geh)öl^nlic^cn   isercinö;    eine   befonbere  ftircl;en^o^eit   enttoicfelt   fic^  al^  eine   fcbträcf'ac 

46^orm  be^  ©taat^fird^entum«. 

Ci)m  alle  3wfömmenl^änge   mit   ben   beiben   altern  formen  beg  SSer^ältniffeö  tritt 
bic  £öfung  von  Mird^e  unb  ©taat  bann  auf,  h)cnn  ber  Biaai  fic^  entfc^liefet,  bic  Äitck    | 
ju  bc^anbeln  afö  ba^,  ii;a^  fie,   Vorauöfe^ung^lo^  aenommen  unb  ol^ne  Slücfficbt  auf  bie 
grofeen  gefc^ic^tlid^en  i^atfad^en,  je^t  eigentlich  für  i^nhjäre:  ein  3[?erein  Von  Unterti^nfn,     | 

50  bie  fiel)  gu  biefem  befonberen  3*^^^^  Vcrbunbcn  f)abtn,  unb  ber  unter  ben  allgemeinen 
©taatggefe^en  über  Vereine  gu  erlaubten  3^^*^"  Pc^t.  Da^  ift  bie  VoHc  unb  reine 
Trennung  von  ©taat  unb  fiird^c.  ©ie  em^fiel^lt  fic^  juglei4>  burc^  eine  großartige  2?cr= 
einfacl)ung,  bic  fie  mit  fiel)  bringt.  Denn  neben  ben  ioic^tigeren  ßf^riftengcmeinfc^ftcn, 
Äirc^en  genannt,  ^abcn  fid)  allmä^lic^  unter  bem  ©d^u^e  ber  mobernen  Sleligionefreiböt 

66  ^al^lrcic^e  flcinerc  ©cmeinfd^aftcn  l^crauögebilbet,  bie  ber  ©taat  in  Verfc^iebcnen  Slb^ 
ftufungcn  al^  Vereine,  Äorjjorationcn,  ^riVatfirc^cngefeUfc^aftcn  bel^anbelte.  Da^  triib 
nun  alleg  auf  eine  unb  bicfclbc  ^ormcl  gebradf^t.  — 

Dicfc  ganjc  ©inteilung^tocifc  mufe  natürlicl)  ein  ftarf  fd;olaftifc^eg  Oejjräge  tragen. 
Die  großen  Söirflid^fcitcn  ber  ©cfd^ic^tc   fügen    fic^   bod;  immer  nur  annä^emb  in  ihre 

GoJlubrifen.    Die  3^ce  ber  ©taat^fird^c  j.  V.  ift  burc^aug  nic^t  überaß  biefelbe;  bieüber> 


(Btaai  ittib  Strebe  709 

ma^t  bc§  Staate^,  bcr  bic  Äird^c  ft^  bicnftbar  nmd^t,  fann  in  fc^r  bcrf^icbmcr  SKcifc 
begrünbet  fein  unb  jum  3Sorfc^cin  fommcn.  2)te  Übermacht  bcr  Äird^e  anbcrerfcit^  ifl 
iö  jw  gegebener  ^tii  aU  ein  tounberbar  gefc^Ioffene«  S^f^cm  bon  3tnfrrü^en  formuliert 
unb  logifd^  begrünbet  hjorben;  e^  fäme  aber  auä)  l^ier  barauf  an,  toie  t)iel  bat)on  aü^ 
gemein  unb  in  bauember  SBeife  burd^gefefet  n)urbe.  Überl^autJt  ift  e«  ein  })Iumt)e^  3Ki6«  5 
öerflänbni§,  hjenn  man  biefe  hjiffenf^attlid^en  ßinteilungen  nun  fo  auffafet,  alg  toären  fte 
ben  9)knfd;en  jur  SBJal^I  geftettt,  um  nac^  älbtoägung  ber  jeber  eignen  Vorteile  unb  3la(i):^ 
teile  fic^  baiS  ^hjecfmä^igfte  Schema  au^juh)äl^Ien.  §ier  ^anbelt  e«  ftc^  um  ^runbfäfelid^c 
atcd^t^orbnungen  unb  bie  mad^en  ftc^  in  ber  Siegel  nid^t  fo  einfach  bür^  freien  SBäiuen^s 
entfc^Iufe,  fonbern  Serben  übertragen  bon  einem  geitraum  auf  ben  anbem  unb  bon  einer  10 
aJJenfc^engemeinfd^aft  auf  bie  anbere.  @d  erben  fic^  ®efe^  unb  Siechte!  3)ag  gilt  auf 
feinem  ©ebiete  \mi)x  ate  ba,  too  bie  Ootte^beref^rung  f^ereinfpielt.  ©elbft  Wo  neue 
Äräfte  großartige  Umhjähungen  botljie^en,  fu^en  fie  rjon  jel^er  bie  gorm  ju  toa^ren,  ate 
griffen  fie  nur  jurürf  auf  baö  3llte.  2)ie  3cit  be«  Äönig«  3«>Mf  ^^"^^  ^'^  Umarbeitung 
ber  i^raelitifd^en  Überlieferungen  im  (Seifte  be^  neuen  ©efe^e^  betoirlt,  $Pfeubo-3ftbor,  15 
bcr  bie  beanfj)ruc^tcn  ©teigerungen  ber  ÜKac^t  ber  $ierarc^ie  atö  alte«  di^d)i  ^inftettte, 
bie  SHeformation  felbft,  meldte  fo  mannigfach  auf  bic  urc^riftlic^e  ©emeinbe  ftd^  berief,  fte 
alle  fmb  3eugen  bafür.  ©0  ift  in^befonbere  au^  bie  Orbnuna  be«  Ser^ältniffciS  jtoifc^en 
(Biaat  unb  Äirc^e  in  ber  auggeprägteften  SBeife  ien)eitö  ererbt  öon  früheren  Iirc^lic$en 
^uftänben  nid^t  nur,  fonbern  aud^  au«  ^eibnifd^en  Slnf^auungen.  Die  größten  religiöfen  -'o 
Umh)äljungen  jerreißen  nic^t  nottoenbig  ^uglcic^  aud^  biefen  3ufammen^ang.  SBäo  fd^cin^ 
bar  mit  jäl^cm  ßntfd^lufe  ju  einem  ganj  neuen  ©vftcme  übergegangen  toirb,  ift  e«  in 
aSal^r^eit  oft  nur  bie  Sefolgung  be«  SBeift)iel«  einer  anbem  5Ration,  beren  gül^rerfc^aft 
man  bamit  anerfennt,  eine  anbere  Strt  ber  SJererbung.  SBo  ein  berartiger  äußerer  Stn^ 
ftoß  fel^lte,  erhalten  ftc^  auc^  ööllig  überlebte  formen  —  Vernunft  toirb  Unpnn,  9Bol^l=  -^5 
t^at  $lage  — ,  bloß  toeil  e«  fo  fc^toer  ift,  auf  biefem  ©ebiet  ben  ßntfc^luß  ju  9lcu=s 
fd^ö})fungen  ^u  finben. 

II.  all«  bie  (S^riftengemeinfd^aft  in  bie  SBäeltgefd^ic^te  eintrat,  fanb  fte  getoiffe  ©runb* 
fä^e  bor,  bie  maßgebenb  hjcrben  mußten  für  bic  ©tcHung  bcr  toeltli^en  Dbrigleit  gegen- 
über einer  berartigen  gorm  bcr  ®otte«toerel^rung.  ^ 

25on  §au«  au«  unb  bon  ben  erften  gefc^id^tlid&en  anfangen  an  fte^t  ja  bcibe«, 
Dbrigfeit  unb  ®otte«r)cre^rung  überall  im  innigften  ^ufammen^ang.  2)er  $äu^tling  bc« 
ro^en  ©tamme«  unb  ebenfo  nad^^cr  bcr  Äönig  ber  erften  ©cmcinfd^aft,  bie  ben  9?amen 
©taat  berbicnt,  bereinigt  in  ftd^  orbentlidS^erloeifc  bie  brei  3"ftÄnbigIeiten  be«  Siebter«, 
be«  ^eerfübrer«  unb  be«  "ipricfter«  —  Vertretung  be«  SJolfc«  gegenüber  ben  einzelnen  '-^0 
3?olf«genoffen,  gegenüber  bem  geinbe  unb  gegenüber  ber  ©ottl^cit.  SRcligion  ift  ©taat«:^ 
angelegenl^eit. 

SQäo  bann  in  hjcitcrcr  enttoirfelung  biefe  britte  Aufgabe  einem  befonberen  ^ricftcr« 
ftanbe  übertragen  h)irb,  bleibt  bo^  ein  getoiffcr  3wffl"^»"^"^öng  getoal^rt.  ßnttocbcr  h)irb 
bem  Äönig  burc^  3Öei^ungen,  ©egnungen,  ©albungen  bon  feiten  be«  ^rieftertum«  ein  40 
änteil  getoä^rt  an  bcr  biefem  eignen  befonberen  §eiligfcit.  Ober  umgefel^rt,  ber  Äönig 
bcf^ält  [xd)  no^  bie  ©tellung  bor  al«  Oberhaupt  be«  bem  ®otte«bienftc  gehjibmeten 
Beamtentum«  mit  bem  Vorrecht  befonber«  bebeutfamer  gotte«bienftlic^er  aSerric^tungen ; 
eine  nähere  Sejiebung  feiner  ^ßerfon  gur  ®ott^eit  berftel^t  fid^  babei  bon  felbft. 

Da«  le^tere   toar   jur  Seit  ber   Srfd^cinung  be«  gl^riftcntum«  bic  Orbnung   im  45 
römif*en  Staat,    ©cit  bem  ^al^re  12  b.  6^r.  ftanb  bcr  Äaifer  al«  pontifex  maximus 
an  bcr  ©})ifce  ba«  ©afralh)efen«.    SBä^rcnb  biefe«  burd^  bic  9lei)ublif   bom  j)olitifc^cn 
SHegimente  jtreng  gejonbert  hjorben  mar,   Ijiattc  c«  ftd^   jc^t  toiebcr  bamit  bereinigt  unb 
baburc^  ganj  bon  felbft  eine  f^ärferc  re^tlic^c  3lu«Vrägung  erhalten. 

e«  fmb  fclbftbcrftänblic^  bic  ®i>ttcr  be«  römif^cn  aSolte«,  bencn  bcr  offizielle  Äultu«  so 
gilt.  2lber  Som  ift  ein  aSJeltrcic^  gehjorben  unb  bentt  nic^t  baran,  feine  ^errfc^aft  fic^ 
^u  erfc^toeren  burd^  ben  Kampf  mit  fremben  ®üttl^citcn.  3llle  Äulte  bcr  unterworfenen 
45ölfer  finb  mit  großartiger  Dulbung  ju  freier  £cben«t^ätiglcit  in  biefem  SRcid^c  ju^ 
gelaffen.  Die  ^errf^enbc  iRcligion,  bic  be«  ^errf^enben  33olfc«  unb  feine«  pontifex 
maximus,  ge^t  nid^t  barauf  au^  bie  anbem  ju  untcrbrürfcn.  » 

Unb  gleid(|h)ol^l,  al«  nun  jum  erftenmal  bic  grage  auftaud^t  nad^  bem  Scrlj^ältni« 
jhjifd^en  ©taat  unb  d^riftlic^er  itircl^c,  ba  geftaltet  fid^  biefe«  un^eilboll.  Die  3al^r= 
lunbertc  bcr  SScrfolgung  fmnjcic^nen  e«.  Sonnte  ettoa«  grieblid^ere«,  ©rgcbcncrc«  gebac^t 
toerben  al«  eine  3)lenfc^engemeinf(^aft,  beren  §crr  unb  ^Steiftcr  geboten  ^atte:  gebet  bem 
Äaifer  n)a«  be«  Äaifer«  ift?    Darauf  lam  c«  aber  für  bic  römifc^c  DcnftDcifc  nic^t  an.  eo 


710  ^iaai  ititb  Striae 

35ic  Oott^eitcn  toaren  l^icr  rein  juriftifd^  cingcorbnct  toorben  in  ba«  ^rofec  (San^c.  Sem 
f}at  bie  feinen.  2)ie  UnterlDorfenen  brachten  bic  irrigen  ^inju,  unb  ^e  tourben  geacblct, 
gleich  anbeten  Sanbeefitten  unb  Sanbeörec^ten,  um  be«  Sollet  unb  be^S  Staait^  toiDen, 
bie  man  bem  JHömerteid^   ^injut^at.    6ö  hjaren  ebenbürtige  ©ott^eiten.     Slucb  go^ 

ö  galt  al«  folc^e.  2lte  g^wf«'^"^  jerftört  tourbe,  h)ar  er  be^joffebiert;  er  tourbc  gtei^iroH 
nod^  toeiter  geartet,  mit  einigen  Sebenfen  \r>oi}l  2)er  ß^riftengott  bagegen  ^atte  mc= 
mal«  ein  3}oIt  unb  einen  ©taat  fein  genannt,  er  pa^tt  nic^t  in  bie  römifd^c  gormel,  er 
toar  lein  ®ott  im  ©inne  be«  ©efe^e^.  3)aber  bie  ßl^riften  aÖ  Slt^eiften  t>crfol0t  touibcn 
2)a^  man  fie  jtDang  ben  ©taat^göttern  ju  opfern,  toar  nur  ^um  ^tDci  ber  SfÖibcrleaung 

10  be«  aSerbac^te^  fold^eö  3tt^eiömu§.  2)ie  SHömer  hjaren  bon  jel^er  ein  frommet  SJoIf  gc? 
toefen  unb  l^ielten  baran,  fid^  atö  fold^e^  Iräftig  m  beti^ätigen,  auf  Ü^rc  Srt  naturlu^. 
2)anacl^  f^aben  fte  aud^  im  fi^äteren  Verlaufe  ber  SBeltgefdbic^te  ael^anbelt.  — 

Site  nun  ber  entfc^eibenbe  Umfc^toung  lam,  ber  ($riftli(^e  Äaifcr,  tvaxh  ber  äußeren 
®eftalt  be3  G^riftentumg  unb  feinem  1?erl?ältnig  jum  ©taat  bie  enbgiltigc  gorm  gebeten 

15  für  lange  ^^\t  aber  ber  3«^elruf  be«  3Ct)ofteIg:  ftel^e,  e^  ift  attc^  neu!  pa^t  ^ieraiii 
leine^toeg«.  2)er  §albl^eibe  Äonftantin  l^at  bie  mefentlic^en  ©runblagen  an^  bem  Sütoi 
mit  l^erübergebrad^t.  35ie  ©teDung  eineö  pontifex  maxiraus,  bie  ber  Äaifer  mit  feiner 
biftatorifd^en  (Sehjalt  toerbanb,  hjeit  entfernt  burc^  ben  SSerfatt  be^  altrömifc^en  (Slauberö 
geringer  ju  iDerben,  I^atte  injiDifd^en  burc^  bie  naivere  Serbinbung   mit   bem  Dtient  an 

•3)  Äraft  unb  J)^|antaftifc^em  ©d^hjunge  gewonnen.  ©clbftberftänbUc^  hjar  jje^t  biefcr  Äaifcr 
lein  gelDöl^nlic^er  ßl^rift,  fonbem  membrum  praecipuura  in  au^cfj)ro(^ener  SBeife, 
unb  bie  gorm,  in  ber  er  bag  toar,  gab  feine  ererbte  ©igenfc^aft  aU  pontifez  maximus. 
6r  nennt  ftd^  nid^t  mej^r  fo,  tüenn  er  auc^  big  gegen  oaö  6nbe  be^  4.  Qa^r^unbertö  bie 
2^ra^t  trägt.    Slber  bie  Sejeic^nung  ate   rcöv  ixrdg  iniaxonog  ober  episcopus  uni- 

25  versalis  ift  nur  bie  Überfefeung  be^  SBorteö  ing  ßl^riftlic^e.  2)er  eigentliche  j)riefterli(tc 
2)ienft  ift  natürlid^  abgeftreift.  9?ur  toad  ft^  in  obrigfeitlic^en  formen  auöbrüdfen  lofet, 
Jja^t  für  biefeg  Äirc^enl^aupt;  aber  ba^  bringt  e«  auc^  alied  mit:  bor  aUcnt  bie  fe 
nennung  ber  h)id^tigften  ^riefter,  auffielt  unb  2)igjij)linargeh)alt  über  ba^  gange  ^ßriefter- 
tum.    e^  bringt  auc^  mit  bie  alte  §üterfc^aft  ber  ^Pflic^ten,  bie  um  ber  ©ötter  tt)iilcn 

3i»  t)on  jebermann  ju  erfüllen  ftnb,  ber  leges  regiae;  ba^  erl^ölt  je^t,  too  bie  recl^te  gefcre 
fo  hjic^tig  tüirb,  feine  befonbere  Sebeutung.  Unb  atte^  baö  toirb  Stecht,  lüirb  ®cfc| 
unb  äufeerer  SRec^tgjtoang  burdb  fein,  be^  Äaiferö  SBort.  "'Otuq  iyo)  ßovkojuLox  tovxo 
xavcbv  vojuiCio&o).  Baodevg-hQevgf  „©ieger  im  Ärieg  unb  Se^rer  beö  ©laubene", 
aUe«  l^äuft  fic^  auf  biefen  SKittel^untt. 

H6  ©0  h)irb  bie  Äirc^e  eine  Stnftalt  beg  ©taate^  unb  burc^  il^n  jugleic^  eine  umfafjenbc 
ßhJang^anftalt.  2)enn  mit  ber  alten  beibnifc^cn  Soleranj  ift  ^  toorbei;  bie  3bee  ber 
regiercnben  Sanbc^götter  verträgt  fic^  nic^t  mit  bem  ß^riftentum.  3)ie  nämliche  3?cr= 
folgung,  bie  e^  felbft  juerft  im  9Jamen  ber  SReligion  erlitt,  bernidbtet  je^t  ju  feinen 
©unften  bag  .^eibentum.    ©ie  bemic^tet  ebenfo   bie   innerhalb   ber  Äird^e  auftaucbenben 

40  Sonbermeinungen,  benen  ber  jeioeiligc  Äaifer  hjiberftrebt,  eö  fei  benn,  bafe  bie  re»oIutic- 
nären  ©lemcnte  ftarf  unb  auiSbauernb  genug  finb,  um  toieber  einen  günftigeren  Äaifcr 
px  erleben.  SHeid^^ange^öriger  fein  unb  rechtgläubiger  ß^rift  fein,  trifft  noth>enbig  siu- 
fammen. 

2)ie  3:rennung  Cftromö  bon  bem  anbeten  Sebenö  DoUen  Slbenblanbe  gab  33t»;ian5  bic 

•15  gteibeit,  biefe«;  fein  ©^ftem  tein  ju  entfalten.  2)ag  tuffifd^e  3ö^^tum  ^at  bann  bic 
Grbfcl^aft  übetnommen.  ©eit  ^ßetet  bem  ©tofeen  ift  fogar  bet  ^ßattiard^  mit  feinem 
©d^cin  einet  fitd^lic^en  ©Jji^e  befeitigt;  bafüt  ftel^t  bet  ^eilige  ©^nob  —  öielleicbt  bie 
9tacl)abmung  eincg  lutl^etifc^en  Cbetfonfiftotium^':^  —  ein  ÄoUegium  auö  ©eiftlic^en  unb 
gcmö^nlid^en   Staatsbeamten,    alg   3[5otfi^enbet   iool^l   auc^   einmal   ein  ©eneral,    ofle^ 

50  miUcnloS  in  ber  §anb  beS  ^ax^n.    dUd)  ^obiebonoöjeh),  bem   mafegebenben  SKann  ber 

legten  3cit,   ift   ber  ^\v^ä  ber  litc^lic^en  Dtbnung,  bie  ©tätfung   beS  ©taatc^  babunf«, 

bafe  et  „jugleic^  baö  tcligiöfe  ßlcment  tejjtäfentiett".    9lu§ttitt  auö  ber  ©taatöfircbe  n?ar 

folgerichtig  biebet  bei  ©ttafe  betboten;  man  bcl^au})tet  eS  fotte  je^t  anberd  toerben, 

SDiefcS  ©taatslircbcntum  b^jantinifd;et  3ltt   fenn^eid^net  fid^  auc^  burd^  bic  religicjc 

55  Söeibe,  mit  toctd;et  bie  ^^^sctfon  beS  ikifetö  umfleibet  toitb.  3)et  9lamc  2luguftuS  beutet 
batauf  bin ;  et  begtünbct  füt  t)en  l^cibnifc^en  Äaifct  eine  Slnioattf^aft  auf  Vergöttlichung 
nac^  bem  iobe.  Der  cl>tiftlid>  getootbene  tömifdie  Saifet  ^at  ben  iitel  beibe^lten;  er 
felbft  toutbe  bem  Kletue;,  bem  heiligen  ©latibc  bet  Äitdbe  jugeted^net.  ®er  gar  Idfet 
eine  3lrt  Dtbination  im  Ätcml    mit   fid;   botncl5>"^cn,   bie  ihn  jum  Statthalter  ©ottc^ 

^)  ioeil;t.  — 


®iaat  itnb  fttrc^e  711 

Syä^rcnb  ^icr  axii  bent  bottcn  §cibcntum  l^erau«  alle«  in  einer  geraben  Sinie  ju 
herlaufen  fd^eint,  ^at  im  2lbcnblanb  mit  ber  2:eilunfl  be«  römifd^en  Seic^ö  bie  jtDeitc 
cifjenöeartete  gorm  be«  SJcrJ^ältniffetg  jtoifc^en  ©taat  unb  Äirc^e  ftc^  ju  enthjicfeln  be^ 
gönnen.  3)ie  SSorau^fe^ung  bafüv  toar,  bafe  l^ier  bie  gehjaltige  Srfc^cinung  be«  aUe« 
auffaugenben  antifen  ©taate«  afebalb  ba^in  fd^iDanb  unb  an  bie  leere  Stelle  jhjei  neue  6 
iSlä6)U  ixaUn :  ba«  ^apfttum  unb  bie  germanifd^en,  f})äter  jum  3^eil  romanifterten  Äönigs 
reiche.    3^if^^  ^i^^"  btihtn  f})ielt  bie  grage. 

SBie    in    ben  Stürmen  ber   SJöIIerhjanberung    bie   ftaatlic^e   Drbnung    na^    unb 
nac^  i^ufammenbric^t,    bleibt   ber  geiftlic^e  ^wfammen^ang  mit  bcm  fc^on  immer  $ert)ors 
ragenben  Sifc^of   bon  9lom  gunäd^ft  allein  unberfe^rt ;    ber  berfinfenbe  Äaifer   Ilam«  lo 
niert   \iä)  gerabeju  an  bicfcn   einzigen  feften   ^ßunft.     2)a«  ®efe^   SJalentinian«  III. 
bom    ^ai}xt    445,    tüeld^e«    allgemeinen    ©e^orfam    gegen    bie    3lnorbnungen    be« 
^a^)fte«   borfc^reibt,   ift  eine   2lrt  Srbe^einfeftung.     SJiefer  6rbe  nimmt  nun  auc^  allen 
CSmfte«   ben    faiferlic^en    litel    eine«    pontifex    maximus    an.     3R\t    btr    Kirchen« 
regierung  beanfpruc^t  er  jugleid^  ein  gute«  leil  ber  bi«^er  fo   eng   bamit  r^erbunbenen  is 
tüeltü4>en  Dbergehjalt,    grunbfä^Iic^    atte«,   h)a«  mit  feiner  lljriefterlic^en  Sigenjd^aft  fid^ 
bereinigen  läfet.     So  bermijt^t   ftd^   ber   religiöfe  S^raum   einer  civitas  Dei   mit  ber 
2:rabition  be«  bem  römifc^en  ilaifer  jufte^enben   imperium  mundi.    2)er  Älafftler  ber 
))äpftlid^en  Staat«t)^iIofopl^ie,  2^^oma«  öon  Slquino  bel^au})tet,   im  3lnfd^Iufe  an  bie  fog. 
Äonftantinijd^e  Sc^enfung,  gerabeju  eine  9lec^t«na^foIge:  cessit  in  imperio  beato  Sil-  20 
vestro,  fagt  er  bom  Äaifer. 

3)em  gegenüber  ^aben  fufi  nun  in  ben  Irümmem  ber  alten  Äultur  bie  (Sermanens 
ftämme  eingeri^tet.  ^l}xt  33ete^rung  toar  o^ne  gro^e  Sc^toierigfeiten  erfolgt,  aber  auc^ 
o^ne  il^nen  fel^r  tief  ju  ge^en.  3Sor  attem  toaren  fte  bon  9latur  ganj  unfirdf»lid^  toeran^ 
lagt;  für  bieÄird^e,  loenigften«  toie  fte  nun  einmal  auf  römifd^em  Sobcn  getoad^fen  toar,  25 
fehlte  i^nen  ber  entfjjrec^enbe  Sinn.  Sd&on  ^nlxu^  ßäfar  I^atte  beobachtet:  nee  Drui- 
des  habent,  qui  rebus  divinis  praesint,  nee  sacrificiis  Student,  ^a«  toirb  je^t 
bebcutfam  genug.  3""ö^ft  berl^inbert  bie  ^wge^örigleit  ber  germanifc^en  Stämme  ^um 
3lriani«mu«  no^  eine  ,^cit  lang  bie  engere  Serü^rung.  ©ot^en,  Surgunber,  3Sanbalen 
l^aben  il^reÄircben  für  ftd^,  gefc^ieben  bon  ber  ber  ^robinjialen  unb  burc^  bie  9Jatur  ber  30 
Sadbe  ganj  unb  gar  angemiefen  auf  ben  l^enfd^enben  Stamm  unb  fein  ^aujjt.  I)ie 
Sifcböfe  fmb  Oro^e  be«  Äönig«,  loie  anbere  auc^.  2)ie  unterworfenen  lat^olifc^en  ^ro= 
binjialen  toerben  ungefäl^r  bel^anbelt  toie  bie  ^^J^anarioten  bon  ben  2^ürfen:  man  läfet 
i^nen  i^re  ginric^tungen  unb  fielet  in  ben  Sifd^öfen  i^re  geborenen  ^ü^rer  unb  aSertreter. 
3luc^  ber  Übertritt  ber  ^anfen  jum  Äatl^oliciömu«  änbert  junäc^ft  nic^t  biel;  bie  Sifc^öfe  35 
loerbcn  auc^  ^ier  berantn)ortlid^  gemad&t  für  bie  Unru^^en  ber  ^robinjialen.  Unb  al« 
mit  junel^menber  SBerfd^meljung  ber  klaffen  ba«  Ser^ältni«  ein  innigere«  ioirb,  ba  läfet 
fic^,  ganj  nac6*2lrt  ber  arianifd^en  SJölfer,  ba«aSorbilb  toirft  natürlid^,  auc^  ber  granlem 
iönig  in  feine  Äirc^e  nid&t«  brein  reben,  namentlich  bom  $aj)fte  ni^t.  SBon  ber  S^ee 
eine«  ßaodevg  legevQ  ift  er  be«^alb  noc^  locit  entfernt.  Sejeic^nenbertoeifc  ftel^en  \)kU 
me^r  bie  materiellen  Öintereffen  ^ier  ftarf  im  i^orbergrunb:  bie  Äirc^e  lommt  bor  Slttem 
in  aSetra^t  al«  grofee  Seft^erin.  Sie  ^ranfen  ^aben  aud^  bie  Säfularifationen  erfunben 
—  früher  ^at  man  nur  feinblic^en  9teligion«gemeinfc^aften  gegenüber  an  3}ermögen«s 
cinjiel^ung  gebadet. 

2)urc^  5JJi^)pin  unb  Äarl  ben  (Srofeen   änbert  fid^  ba«  Serl^ältni«  ju  9lom.    33ei  45 
ber  SKieberl^erfteUung  be«  abenblänbifd^en  ilaifertum«  burd^  ben    lefcteren  fommen   un* 
bertennbar   b^xantinifd;e  gbeen   in«  Sjjiel.     3)ie    eignen  3Belt^errfcpaft«gebanIen  SRom« 
fd;cinen  ju  fc^lummern.    ylifolau«  I.  tourbe  in   ber  germanifc^en  SJBelt  nic^t  berftanben. 
2öie  ber  Sc^toer})unIt  ber  europäifc^en  ©efc^ic^te  ftd^  auf  beutfd^en  Soben  berlegt,  glaubt 
ba^er  ba«  Königtum  ftd^  nic^t  beffer  ftü^en  ^^u  fönnen,  al«  burc^  bie  93eförberung  feiner  00 
33ifcböfe  ;^u  richtigen  9ieid^«fürften  neben  ben  anberen,  minber  ^anblic^en.    Otto  ber  ©rofee 
boÜenbet  biefc«  SBerf,  inbem  er  aud^  ba«  geiftlic^e  Oberf^au^t  biefer  dürften,  ben  römifc^en 
^aj)ft,   unter  feinen  Sd^u^   unb   feine  ^errfc^aft    nimmt.    2)ie  beutfc^en  Sifc^öfe  fmb 
fc^liefelid^  in  ^ol^em  ®rabc  bertoeltlid^t;   bie  Selel^nung   mit  9leid^«gut  ift  i^r  S^itel  unb 
ber  I)ienft  für  bie  5Heic^«gefc^äfte  il^re  borne^mfte  älufgabe.    2(^nung«lo«  ge^t  ba«  ger-  06 
manifc^e  Äönig«tum  in  biefe  ber^ängniöboHe  Sa^n.    ®regor  VII.  jerrei^t  ben  Schleier: 
bie  ^crrJd^aft«geloaltige  Äirc^e  entbüttt  ihr  $auj)t.    2)en  2)eutfc^en  jum  Setoufetfein  gc- 
brad^t  ju  l^aben,  n)a«  fte  fei,  ift  fein  gefd^ic^tlid^e«  Serbienft. 

5!Kan    bejeic^net    bie  ^^\i,   bie    bamit    anhebt,    al«  bie  be«  geiftlid^en   Uniberfat 
]taaM    ober   be«  fiird;enftaat«tum«;    toie  borl^er  too^l  ber  Staat    ftd^   be«  SHegiment«  eo 


712  <BUmt  nnk  fttrdfe 

ber  Ätt(^c  bemächtigt  ^attc,   fo  regiert  je^t,   fagt  man,  bie  Äirc^c   bic   abenblänbifcfrcn 
Staaten. 

3&afyc  \%  ba^  bie  Äirt^e  bem  Staate  gegenüber  je^t  eine  grofee  ©elbftftdnbigleit  90= 
iDonnen   l^at.     Sie   l^at    i^r  Beamtentum  fcft  an  bad  ^m)fttum  gebunben  unb  befotgt 

6  einen  großen  Äreiö  t)on  öffentlid^en  Angelegenheiten  afö  bie  eigentliche  ^^rägcrin  bcr 
Äultur:  SBiffenfc^aft  unb  Unterricht,  ärmentoefen,  öffentlid^e  Äranfenj)flegc,  3u^^  fogor. 
3n  grofeem  ?Kafee  f)at  fie  biefe  3:^ätigfeiten'  bem  5!Jlac^teinPufe  be^  Staate^  entzogen  uiui 
beanft)ruc^t  im  ©egenteil  eine  Cberl^o^eit  über  i^n  felbft,  toeldf^e  fie  nic^t  mübe  toirb  m 
ben  fraftt)ottften  Silbern  jum  2tu«Jbrudt  ju  bringen.    Der  Btaai  feinerfeitö   ift  rob  unb 

10  unenttoicfelt.  §eertüefen  unb  ein  Stüdt  unbel^olfener  S^f^J/  ^^^  *f*  fo  gienilicb  afl«, 
toa^  er  leiftet.  6r  fügt  ftd^  iDillig  barein,  bafe  er  ber  Äirc^e  gegenüber  ber  minber  toürbigc 
fein  fott.  3w^^W^"  erleibct  er  auc^  burc^  innere  ^arteiungen  eine  5licberlage.  3(bcr 
anbererfeitig  übt  er  toieber  eine  gehjifle  Stnjie^ungdtraft  auf  bie  nationale  ©eiftlid[»feit  unb 
fc^eut  fic^  nic^t,   Wo  e^  fein  mufe,  bie  Äirc^e  feine  gauft  fül^Ien  ^u  laffen;    er   giebt  eö 

16  t)or,  gottlob  ju  beiden,  ate  fid^  felbft  aufzugeben.  ®egen  baö  @nbe  ber  ^eriobe,  toir 
muffen  ja  f^ier  immer  eine  SReil^e  t)on  S^^J^^w^berten  ^ufammenfajfen,  bilben  fic^  fogar 
Sled^töinftitute  ^erauö,  bie  jur  j^Ianmäfeigen  ßinfc^ränmng  ber  Kreislichen  3Rac^tcntfaItung 
bienen:  placsetum  regium,  recursus  ab  abusu  u.  f.  h).  De^^alb  ift  ber  geiftlitic 
Uniberfalftaat   boc^   m^^r  nur  blenbenbe  Jl^eorie  ate  SBirflid^feit.    3)ie  mittelalterlich 

20  SBeltl^errfc^aft^nJtjrüc^e  ^aben  ba«  alle  an  ftc^:  auc^  ber  beutfd^e  Äaifer  befaB  je  einen 
folc^en  unb  ber  b^jantinijc^e  l^at  nie  aufgehört,  fic^  atö  ben  einzig  legitimen  Imperator 
mundi  anjufe^en.  3Jaö  95ilb  beö  mittelalterli^en  SSerl^ältniffe^  ^toifd^en  Staat  unb 
Äirc^e  ift  e^er  baö  einer  red^tlic^en  ©leic^fteHung  (Soorbination)  mit  toeit  üorgcfc^obencr 
3uftänbigleit  ber  Äircbe. 

26  III.  eine  neue  geit  jie^t  herauf,  ate  nun  ber  Staat  beginnt  feiner  felbft  betpu^i 
ju  iDerben,  ate  mit  ber  Slenaiffance  bie  antile  Staat^ibee  toieber  auflebt.  SlUe^  gebt 
je^t  in^  (Srofee.  2)ie  aufgäbe  be^  Staate^  mmal  unb  fein  Siedet  toäc^ft  in^  Uncnblic^ 
$Polijei  ift  ber  9lame  ber  Staatötl^ätigfeit,  hjeu^e  bcftimmt  ift,  ba^  StBo^I  ber  SSoIf^enoilcn 
%\x  förbern  ober,  h)ie  man   fjjäter  fagt,  fte  jur  (Slücffeligleit  au  führen,    ©agu  gebort 

90  fc^Iiefelic^  auc^  bie  gute  Vorbereitung  jum  3^f«i*^/  toelc^e  bie  Äird^e  beforgen  foll.  Ta- 
l^er  nun  immer  eifriger  bie  ftaatüc^e  Slemü^ung,  il^r  SBerf  in  ®ang  unb  guter  Crbnun^ 
ju  j^altcn,  ilultugjiolijei  ^u  mad^en.  3)ag  fül^rt  ^u  erl^ebli^en  ßinmifcl^ungen  be^  Stöatcs 
m  i^re  Angelegenheiten ;  er  bemächtigt  fic^  fogar  hjieber  einmal  in  größerem  ober  geringerem 
2Ka^e  i^rer  Drganifation  unb  Seitung.    2)er  berühmte  Sa^:   „dux  Gliviae  est  papa 

36  in  suis  terris",  bie  Sleformma^regeln  ber  bat^erijc^en  §erjoge,  be^  §erjog«  ©eorg  i?pn 
Sac^fen,  Submig^  XIV.,  S^ff^jf^^  IL  unb  jule^t,  um  bie  £inie  biö  ju  ©nbe  ju  Verfolgen, 
in  ber  DoUenbetften  SBeife  bie  Constitution  civile  du  clerg6  bon  1790  —  fie  geben 
ßeugni^  bon  ber  eigentümlichen  Okftaltung  be^  gegenfeitigen  SSer^ältniffe^,  bie  ba  ent- 
fielt,   ß^  ift  hjieber  eine  neue  2lrt  Staat^fird^e,  iDeber  getragen  öon  einer  btoj^antinifcben 

40  §eiligfeit  bc^  Staat^oberl^autote^,  nod^  Don  einer  rjerftänbni^lo^  jugreifenben  gcrmanifcben 

Ürh)üc^fig!cit;  ein  tücltlic^e«  Äulturibcal  giebt  bem  Staate  bieÄraft  unb  ba^  gute®eh)if|cn.  — 

§ier  gilt  e^  aber  inne  ju  galten,  um  be^  grofecn  ßreigniffe«  ju  gebenfen,  ba^  quer 

hinein  in  biefe  (Snth)idelung  tritt:   ber  Skformation.    6g  hjar  i^r  Sc^icffal,  mitten  ins 

erfte  3tuffc^äumcn  Jjolijciftaatlic^er  ^bccn  gu  fallen. 

45  2öag  foH  auö  ber  neuen  G^riftengemeinfc^aft  toerben'^  (Sine  äufeere  Drbnung  ift 
nottüenbig;  tüol^er  foU  fie  fommen?  ^u^^f^^f^)  ift  ba^  eine  grofee  grage.  gür  Sutbet 
tvax  e^  eine  fleine ;  baö  barf  man  nie  bergeffcn.  SBenn  nur  3Bort  unb  Saframent  reibt 
gelten,  fo  ift  e^  gleic^giltig,  n)ie  baö  beh)irft  toirb.  Sa^  fac^lic^  SBort  unb  Saframeiit 
rid()tig  ju  finben  fmb,  bafür  forgt  bic  cüangelifd^e  2:i^eologie.    2)a6  Slaum  für  fte  h?erbe, 

60  bag  mag  bic  ß^riftcn^eit  fid^  gemeinbch)eife  jc^affen;  anlaufe  bagu  finb  ja  gcmacbt 
iDorben.  3lbcr  noc^  einfad^ier  ift  eö,  bie  d^riftlid^e  Dbrigfcit,  bie  ja  fid^tlic^  bagu  ba  ift, 
bcrglcic^cn  tüabrjuncl^men,  nimmt  cö  in  bie  ^anb.  2)ag  lanbc^^enlic^e  Äird^enregimcnt 
entftcbt,  ah  ba^  rcifftc  ßr^cugnig  bc^  ^^.^oli^eiftaatcg  bc^  16.  Sa^r^unbert^. 

2Bir  fagcn:   lanbe^J^enlid^c^  Äircl^cnrcgiment,    h)cil   iDir  an  bie  (Seftalt   benfen,   in 

65  h)eld;cr  bic  Sac^c  un^  bcutjutagc  üorncl^mlic^  entgegentritt ,  an  ben  dürften  alö  Präger 
bicfcr  ©ctDalt.  Unb  imr  p^ko^m  eine  bcfonberc  (Eigenart  ber  lut^erifc^en  Seite  be^ 
^^rotcftantiömu^  bamit  5U  meinen,  meil  bei  ibr  Dorncf^mlid^  biefed  SBerbältni^  ftcb  au^ 
gcbilbct  unb  feftgcfc^t  bat.  ^od)  liabcn  rc^ublitanifd^c  Stabtobrigfeitcn  bon  2lnfang  an 
ganj  in  ber  gleiten  Seife  bic  Äird^ie  regiert,  unb  aud^  bei  ben  Reformierten  hjurbe  bem 

60  äußeren  ^Berl^ältni^  jum  Staate  junäcl>ft  feine  anbcrc  ©cftalt  gegeben. 


^iaat  ttttb  fttrc^e  713 

SJei  bicfen  Aber,  in^bcfonbcre  beim  gafoini^mu^,  cnttüirfeltc  fic^  atebalb  eine  folgens 
fc^toerc  aiei^e  neuer  gorberungen  unb  ßinric^tungen.  ßntfrreci^cnb  bem  religiöfen  SBert, 
ben  ber  ßalöini^muö  ber  äu^erlid^en  Drbnung  be^  ß^riftenbolle^  beimaß,  mu^te  er  e3 
ganj  anberö  em>)finben  ate  ba«  Sutl^ertutn,  toenn  ber  Staat  fid^  nid^t  glatt  in  bie  i^m 
^^ugebad^te  SloDe  fügte.  6«  traf  ftd^  aber,  bafe  er  feine  Slu^breitung  gerabe  in  fold^cn  6 
Sänbem  fanb,  h)0  bie  gürften  t^m  feinblic^  entgegentraten.  $ier  tourbe  er  rebolutionär. 
Unb  burc^  feine  itämjjfe  n)urbe  t^atfäc^Iic^  ba«  ganje  Denlen  über  ben  ©taat  in  neue 
Stiftungen  gelenit.  2ln  bie  Sart^olomäu^nac^t  fd^Iofe  fic^  ein  leibenfd^aftUc^e^  Schrifttum 
an,  bie  ©rujjtje  ber  fog.  ?!)lonar^omaci&en,  hjelc^e  bie  ^ßeriobe  ber  Äerrfd^aft  be«  SRatur« 
rcc^tcg  einleitete.  2)er  Staat  ift  begrünbet  auf  einem  urfjjrünglid^en  9?ertrag  ber  9Jlenfd^en  lo 
unter  einanber;  bergürft  l^at  ein  abgeleitete^  Siecht ;  bie  SJoIföfouberänetät  iftbad  logifc^e 
ßrgebnig.  3"  S)eutfc^Ianb  entgelten  bie  ©elel^rten  biefer  legten  JJoIgerung  bur^  atterlei 
fainftrjoHe  SBenbungen.  3"  ^^  großen  norbamerifanifd^en  5le))ublil  tourben  bie  Äonfe= 
<|uengen  gejogen;  unb  ebenfo  bei  ^oufjeau  unb  ma«  an  il^m  l^ängt.  3)aö  ift  ber  tounbers 
bare  SBeg,  auf  hjclc^em  ber  ßalbiniömu«  an  bem  Königtum,  ba«  ibn  jertrat,  fc^liefelic^  is 
feine  SRa^e  gel^abt  l^at. 

3ugleic^  toar  ber  Galbini^mu«  auf  fold^e  2trt  in  bie  9lottoenbigfeit  gefegt,  feine 
Äraft  ju  betoä^ren,  inbem  er  ftd^  feine  eigne  Crbnung  fd^uf.  SBJenn  beim  STufbau  biefer 
3?erfaf|ung  bag  Saientum  unb  bie  teiltoeife  au«  il^m  entnommenen  SSerfammlungen  eine 
^erDorragenbe  SRoIIe  fjjielen,  fo  entf})ric^t  ba^  biblifdf»en  Slnlnüjjfungen,  too^l  aud^  20 
fc^toeijerifc^en  SRemini^cenjen,  bor  attem  aber  fte^t  eö  in  frud^tbarer  SBec^felhjirlung  mit 
ben  bem  Staate  gegenüber  Vertretenen  naturrec^tlic^en  anfc^auungen.  So  entfielet  toieber 
eine  bom  Staat  unterfc^iebene  Äir^e,  ein  bom  Staat^öolf  unterfd^iebene«  Äirc^enboII. 

SBo  bie  Staatsgewalt  befreunbet  ift,  berjögert  ft^  bie  älbfonberung  oft  noc|  geraume 
3eit;  fobalb  fte  aber  gegenüber  lonfefftoneüer  TOfc^ung  ber  Sebölferung  auc^  nur  paxu2b 
tätifd^  h)irb,  mu6  fte  als  frembeS  SIement  em})funben  hjerben,  bem  leinerlei  ßinflufe  auf 
bie  Seitung  ber  Äird[>e  mel^r  jufte^en  barf.  3"  biefem  Sinne  ^at  fid^,  ben  gorberungen 
ber  Äir^e  gemä^,  bie  Trennung  bom  Staate  fe^r  balb  in  ber  norbamerilanifd^en  9let)ublil 
boUjogen.  2)ie  bemolratifd^e  ©leid^f^eit  fül^rte  bann  bort  baju,  atte  Sleligioni^emeins 
fc^aften,  eine  h)ie  bie  anbere,  ate  einfa^e  SSereine  ^n  bel^anbeln,  bie  bem  Staate  o^neao 
alle  Sorrec^te  gegenüberfte^en.   2)od^  ift  baS  nic^t  mit  boHer  Schroffheit  burc^gefüf^rt.  — 

Die  naturred^tlic^en  ^itm  über  Staat  unb  Äird^e,  toie  fie  unter  ftarlem  ßinfluffe 
beS  GatoiniSmuS  fxd)  auSbilbeten,  l^aben  feinerjeit  auc^  i^re  -Müdftoirfung  gel^abt  auf  bie 
beutfc^en  SRec^tSjuftänbe  unb  bie  Stcttung  ber  lutl^erifc^en  Äird^e.  3)a«  (Srgebnig  hjar 
aber  ^ier  nic^t  eine  3^rennung,  fonbem  eine  Unterfc^eibung.  35 

2)ie  Sieformation  \)aiti  ja  bie  Sorftettung  feftgel^alten  t)on  ber  einen  großen  ßl^riftens 
^eit.  2)em  Seil  barjon,  ber  i^m  anr^ertraut  ift,  bereitet  ber  SanbeSl^err  Sd^u^  unb 
SBo^lfa^rt  in  hjeltlic^en  Dingen  unb  bie  nötige  gürforge  für  ©otte«  SBort.  gi^fofem 
l^at  alfo  bie  Äirc^e  leine  bom  Staat  unterfcbiebene  Crbnung  unb  bebarf  leiner.  Sflun 
aber  toirb  bie  Il^atfac^e  immer  beutlic^er,  ba^  ^ie  g^iftenl^eit  enbgiltig  gef})alten  ift  unb  40 
ihjar  me^rfac^  gefpalten.  Der  nämliche  SanbeSf^en  regiert  über  Untert^anen  berfc^iebenen 
Sefenntniffeg.  Die  Hirc^e  ift  alfo  notn)enbig  ethjaS  anbereS  aU  eine  gleid^artige  3)?affe, 
t)on  tnelc^er  jeber  Staat  fein  Stücf  beforgt;  fte  ift  aud^  in  jebem  Staate  ettoaö  anbere« 
unb  unterf^ieben  au^  bon  biefem.  Da«  SJaturred^t  giebt  bie  erflärenbe  gormel:  jebe 
Äir^e  ift,  tüie  ber  Staat,  eine  ©efeKfd^aft  für  ftd^,  ein  coUegium.  Der  Staat,  ba«46 
oberfte  coUegium,  getoinnt  auf  biefe  9lrt  feine  DoHe  SBeltlic^feit  toieber.  Die  ©efc^äfte 
jener  anberen  coUegia  giebt  ber  2anbe«l^err  beöl^alb  feine«h)eg«  au«  ber  $anb,  felbft« 
öerftänblid^.  ßr  beanfjjruc^t  im  ©egenteil  ba«  Äirc^enregiment  gleichmäßig  bei  aüm. 
er  beanf^ruc^t  e«  nic^t  mef^r  al«  eine  ^ppic^t  ber  ^riftlidpen  Dbrigleit,  ben  ©lauben«« 
genoffen  gegenüber  ju  erfütten,  fonbem  fraft  2anbe«l^o^eit,  jure  territoriali.  So  bilbet  60 
fid^  ba«  Softem  be«  2!erritoriaIi«mu«  au«.  ^l)m  folt  nic^t  t)ergeffen  toerben,  bafe  e«  bie 
fjorm  hjar,  in  iDeld^er  bie  3:oIeranj  fic^  burd^fe^en  hjollte. 

greilic^  bom  naturrec^tli^en  ^tanbjjunfte  au«  lag  bie  grage  nal^e:  toenn  bie  Äirc^e 
ein  gefonberte«  coUegium  ift,  toarum  läfet  man  fie  ni^t  il^re  Slngelegenl^eiten  felbft 
beforgen,  hjie  ba«  einem  fold(>en  gaiemtV  Die  Stnttoort  giebt  ba«  fog.  Äottegialf^ftem,  55 
ba«  nicj^t«  anbere«  ift  al«  ein  befd^önigter  2^erritoriali«mu«;  fte  lautet  bat^in,  bafe  bie 
Äirc^e  i^re  3[5erein«getoalt  feinerjeit  bem  2anbe«^erm  übertragen  j^abe;  nun  ^at  er  fie. 
g«  ift  bie  nämlid^e  SBäenbung,  mit  hjelc^er  bie  beutfd^en  Staat«})^ilofo^l^en  ben  Übergang 
rjon  bem  gut  rej)ublifanifc^  gebac^ten  Staat«grünbung«r)ertrag  jur  abfoluten  SKonarc^ie 
JU  finben  j)f(egten.  60 


714  (Sinai  unb  ftin^e 

2)ae  CSrgcbni^  ifl  alfo  nur,  ba^  man  jc^t  genauer  unterf(^eibct  bic  Siechte,  tuclie 
ber  ^ürft  um  be^  Staate^  tDtQen  üon  ^aud  au^  l^at  (jnrsL  circa  sacra),  unb  bte  $tc6u, 
ioeld^e  er  bon  ber  Äird^e  ableitet  (jura  in  sacra).  3)te  einen  gel^ören  ibni  toie  bie 
anberen,  grunbfä^lic^  unabl^ängig  t)on  feinem  ijcrfönlic^en  Sefenntniffe,  unb  tücrbcn  aud» 

6  in  übereinftimmenber  SBeife  gel^anbbabt.  2)a6  tjerfd^iebene  Set^örben  öertpenbct  merbcn, 
ift  burd^  bie  3*^^tfmäfeiflleit  geboten,  lann  aber  je  nac^  3^^*"^^6^0^^i*  ^"^  Wegfällen. 
2)a^  ^reufeif^^  Sanbred^t  giebt  ba§  Ilaffifd^e  S5eif})iel  für  ein  berartig  georbnete^  i^er- 
l^ältniö  jloifd^en  Äirc^e  unb  ©taat.  SBenn,  toie  in  ^reufecn  jtoifd^cn  1808  unb  1817, 
bie  Äonfiftorien  unterbrüdtt  unb  erfe|t  tDerben  burc^  bie  orbentlicben  Sel^örbcn  ber  ah 

logemeinen  Sanbe^bertoaltung,  fo  bebeutet  ba^  für  biefei;  S^f^cm  gar  feine  fo  lücfentliAc 
Steuerung. 

IV.  SiJenn  toir  fragen,  h)aö  nun  bem  33erl^ältnig  jtoifc^en  ©taat  unb  Äird^e  in  ber 
(SegenJüart  Jeinc  Eigenart  giebt,  fo  fmb  e^  im  iDefentlid^en  nid^t  bie  Äirc^en,  toelcbe  jicb 
geänbert  l^ätten.    I)a«  9ieue  tft  bie  großartige  Entfaltung  be«  mobemen  ®taated  unb 

16  fein  äu^bau  gum  Serfaffung^s  unb  SRec^ti^ftaat.  3)e^l^alb  rechnen  hjir  bcn  3^^^""^' 
ben  hjir  al^  ©egentoart  bejeid&nen,  t)om  2lnfang  be«  19.  3<J^J^^unbert^,  toomit  biefc  Gm- 
tDÜelung  beginnt.  3)e^^alb  ift  e^  auc^  angemeffen,  bafe  toir  in  erfter  2iuic  in^  äuge 
faffen,  toie  biefer  Staat  bon  feinem  Stanb})unfte  aui  hai  Ser^ältni^  fic^  benft  unb  gc-- 
orbnet  hjiffen  hjiH.    SBie  hjeit  er  feine  (Srunbfä^e  tf^atfäc^Iid^  jur  2)urc^fü^ung  bringt, 

20  auc^  toie  toeit  er  fie  bur^fü^ren  lann,  baö  l^ängt  hjieber  \)on  ber  3Serfc^ieben^eit  ber 
Äir^^en  ab,  benen  er  babei  entgegentritt,  ßbenfo  toirb  bie  5^age,  ob  ba^  3)urcl^gefübrtc 
gut  ober  fd^Ied^t  ift  unb  toie  toeit  SSerbefferungen  j^u  forbem  ftnb,  t)erfd^iebcn  beantwortet 
hjerben  je  nac^  bem  lirc^Iic^en  ®tanbj)unlte.  35iefe  Äe^rfeitc  ber  ©ac^c  toirb  unö  in 
jtoeiter  Sinie  befc^äftigen. 

26  2)er  ©taat  toill  fein  bic  äußere  Drbnung,  Welche  2anb  unb  Seute  ^ufammenfafet 
unter  einer  oberftcn  ®en)alt.  3)aß  biefe  feine  ©etoalt  bie  oberfte  fei,  bad  macf^t  feine 
©ourjeränetät  au^,  bie  er  ate  eine  toefentlic^e  (gigenf^aft  in  änfpruc^  nimmt  fe 
bebeutet,  baß  fein  SBiUe  innerl^alb  feinet  ©ebieteg  feinem  redf»tlic^  gleichwertigen  begegne, 
feinen  ^ö^eren  über  fic^  f}aht  unb  anbererfeit«  red^tlid^  untoiberfteblic^  fei  gegenüber  a&en 

30  menfd^Iic^en  Seben^äußerungcn,  bie  auf  feinem  ©ebiete  erfd^einen.  Örbnung  unb  ©^»ranfen 
fe^t  er  allein  fid^  felbft  burc^  Mnerfennung  t)on  9!)litn)irfungöre^ten  an  ber  äuöübung 
fold^er  ©etoalt  unb  burd^  Verteilung  unb  Übereinanberorbnung  t)on  guftänbigfeiten.  TaB 
er  baö  tl^ut,  ba^  mac^t  i^n  jum  Serfaflungg^  unb  SRed^t^ftaat. 

2luf  biefe  ffieifc  fiebert  er  ben  ©injelnen  ein  gewiffe^  3Raß  t>on  freier  Öetoegun^, 

35  gch?ä[;rt  i^nen  auc^  maßgebenben  Ginfluß  auf  bie  ftaatlid^en  3)inge.  ^n  berfelben  9lid»^ 
tung  bewegt  fid^,  unb  gerabe  biefe«  in  befonber«  beutlid^cm  ©egenfa^  gu  bem  alle«;  auf- 
faugenbcn  "ipolijciftaat ,  bie  })Ianmäßige  §cgung  unb  görberung  bon  einfachen  Vereinen 
nic^t  nur,  fonbcrn  avL6)  rjon  organifterten  ©emeinWefen,  Weld^e  beftimmt  finb,  öffentlicfce 
3lngelcgenl^citcn  fclbftftänbig  unb  eigenen  9Jamenö,  Wenn  aud^  felbftöerftänblic^  unter  ber 

40  Dberl^ol^cit  be«  ©taate«,  ju  führen  unb  ju  beforgen.  G«  ift  bie  im  borigen  Sa^r^unben 
;;u  fo  reicher  Gntfaltung  gelangte  Qibec  ber  ©elbftberWaltung,  bie  };ax  SSoDlftänbigfeit  be» 
33ilbe«  unferc«  ©taatc«  unentbehrlich  ift. 

X^iefc  ©tcttungna^me  be«  ©taate«  fommt  in^befonbere  auc^  ben  Äußerungen  be* 
religiöfen  2cbcn§  ju  gute.    T»en  Gin^elnen  ift  Sefenntni^frei^eit  berfaffung^mäßig  garan^ 

46  ticrt.  ©elbft  ber  bcutfc^e  Sunb  ^atte  3wf<^9^"  ^"  ^^^f^^  Öinftc^t  gegeben.  2)a«  beutfcte 
■Wcidf)  verbietet  jc^t  burd;  ba«  übernommene  norbbeutfc^e  Oefe^  öom  3.  ^xiix  1869  olle 
3urüdtfe$ungcn,  bic  um  beg  Scfcnntniffe«  Willen  gemad^t  Werben  lönnten.  3)a^  iNcrcini^' 
rcd)t  [teilt  auc^  bic  Silbung  Don  ©emcinfd^aften  ju  religiöfen  ^tü^dm  unter  bie  gcfefe= 
lid;c  Drbnung,  Wobei  ftc^  mannigfache  2lbftufungcn  i^rer  äu^ftattung  mit  ^rci^eiten  unb 

60  Vcfugniffcn  ergeben. 

3ln  ber  ©pi^c  aller  fte^cn  aber  jene  großen  Slcligion^gemeinf^aften,  bie  Wir Äircbcn  nennen. 
©ic  ncf;mcn  eine  rcc^tlid^  bcfonber«  au^ge^eic^netc  ©tellung  ein,  unb  bie  ©runbibee,  auf 
Wcld^cr  biefc  'ilu^jeicbnung  berul^t,  ift  unfcbwcr  ^u  erfennen.  3l^re  Slngelegen^eiten  finb 
nicfjt  'iyriüatfac^c,    fonbcrn   Don   jcl^cr  al«  nationale  ^J^^^^^^ff^'^    be^anbelt    Worben,   al$ 

55  „ctl;ifc(>  glci^wcrtig''  bcncn  bc«  ©taatc«  fclbft,  al«  öffcntli^e  2lngelegenf^eiten  mit  einem  3Bort. 

Ginc  Äird;c  frcilicb,  bic  auf  feinem  ©cbictc  fte^enb,   il?m  gleic^Wo^I  nic^t  untertban 

Wäre,   tann   ber  Staat   nad)   bctii   einmal  aufgcftcHten  ©runbfa^  ber  unbebingten  Sou= 

Dcränctät,  nidit  al^  möglich  jugcbcn;  gernbe  bei  bcn  entfc^eibenben  Beratungen  üba  bae 

ilontorbat  battc  ?Ja>)olcon  ba«  mit  bcfonbcrcr  Sd;ärfe  BerDorgel^oben:  „la  souverainet^, 

60  fagtc  er,  n'est  rien,  si  eile  n'est  pas  tout." 


@to0t  itnb  Stitdtt  715 

ainbcrcrfcit^  fott  er  aber  au(^  barauf  toenid^ten,  fie  im  ©innc  be«  alten  ^olijeu 
^taatc^  aUju  {na})})  unter  feine  Seitung  unb  Srgie^ung  nehmen  ju  tDoDen.  ^er  SSer« 
faffungd-  unb  Sied^t^ftaat  betrachtet  e^  atö  m  feinem  eignen  3Qefen  gehörig,  bag  er 
namentlid^  aud^  bie  ^ei^eit  ber  Äir(^e  ^lod^  ^ält.  3)iefer  ©runbfafe  ift  fo  unb  fo  oft 
feierlich  formuliert  unb  })roIlamiert  toorben,  befonber«  augbruc!gt)ou  auc^  in  ben  ^franl^  6 
furter  ©runbred^ten  unb  in  ber  ^reufeifd^en  aSerfaffung.  „^M  Sleligionggefeufc^aft 
orbnet  unb  öerloaltet  i^e  9lngelegenl(^eiten  felbftftänbig!" 

Darauf  ergiebt  fid^,  toa^  bie  Äirc^e  ift  unb  nur  fein  lann:  ein  gefonberte«  Oemein« 
hjefen  unter  bem  Staate,  toom  Staate  anerlannt  ate  öffentliche  Slngelegenf^eiten  für  fic^ 
unb  fclbftftänbig  bertoaltenb.  2)arin  liegt  aber  nid^t«  anbere«,  ate  ber  befannte  attgemeine  lo 
93egriff  ber  ©elbfi^ertoaltung.  ®«  beruht  nid^t  auf  freier  SBal^l  be«  Staate«,  bafe  er  fein 
SBer^ältni«  |\ur  Äirc^e  in  ber  gorm  biefe«  33egriffeö  jum  älu^brudt  bringt.  2)er  Segriff 
brängt  fi^  auf;  nad^  ber  Sluffaffung,  bie  ber  Staat  bon  fic^  ^at  unb  öon  ber  Äirc^e 
l^at,  ift  ein  anberer  rechtlicher  äuöbrudt  biefe«  JJer^ältniffe«  gar  nic^t  benibar.  2)er 
terminuB  technicus  Selbftt)em)altung,  ber  un«  je^t  fo  geläufig  ift,  toar  aUerbing«  jur  i6 
3eit,  afe  biefe  Drbnung  ber  Dinge  entftanb,  noc^  ntc^t  gebräud^Iid^.  2)ie  Se^ieic^nungen, 
beren  man  fid^  für  bie  Slec^tiJftellung  ber  Äircä^e  bebient,  ftnb  aber  immerhin  beutUc^ 
genug  auf  biefen  Segriff  gejjrägt.  Die  t)orbiIbIi^  geworbene  franjöfifc^e  ©efe^gebung 
fprid^t  bon  cultes  reconnus,  anerlannt,  nic^t  aU  juriftifc^e  ^erfönlid^JEcit  (ba«  toar  bie 
Äirc^e  nac^  franjöftfc^em  SRed^te  nid^t),  fonbem  aB  3:eil  ber  öffentlichen  älutorität.  3"  20 
Deutfd^Ianb  gebrandet  man  bie  äugbrüdte:  öffentliche  SReligioni^efettfc^aften,  öffentli^e 
Äör})erfd^aften,  })ribilegierte  Äor})orationen.  Dem  entfjjrid^t,  bafe  aud^  bie  örtlidf»en  SSer^ 
bänbe,  toelc^e  biefer  Äör})erf(^aft  ^uge^ören,  bie  ber  Selbftt)erh>altung  eigentümlid&en  Se« 
^eid^nungen  tragen,  ^m  franjöfifc^en  Siechte  l^eifeen  fie  Etablissements  publics  (toie  bie 
j)oUtifc^en  (Semeinben),  in  Deutfd^Ianb  fj)rec^en  h)ir  einfach  bon  Äirc^engemeinben.  26 

Selbftt)erftänblid^  ift  ba«  alle«  lein  blofeer  9^amc,  fonbem  e«  i)erfntij)fen  fic^  bamit 
bie  ber  Selbftt)ertt)altung  cigentümlid^en  3led^t«beftimmungen,  toie  fte  ja  an  ber  (jolitifc^en 
©cmeinbe  am  beutlic^ften  jtd^  enttoidtelt  ^aben. 

Sor  allem  toirb  barau«  bie  I^atfac^e  t)erftänbli^,  bafe  bie  Äirc^e  grunbfäfelic^  nac^ 
öffentlid^em  Siecht  lebt,  tpie  bie  t)oIitif^e  ©emeinbe  unb  ber  Staat  felbft;  toie  oiefe  unb  30 
nac^  benfelben  8tbgrenxung«ma^ftäben  unterliegt  fte   bann   für  t)ribath)irtfc^aftlid^e  Ser« 
^ältniffe  au^na^mötüeife  bem  bürgerlichen  3le^t. 

Damit  ^ängt  bann  iDeiter  jufammen  ber  befonbere  Sd^u^,  h?eld^er  ber  Äir^e  unb 
i^ren  Seamten  unb  ßinrid^tungen  getoäl^rt  toirb,  bie  mand^erlei  görberung,  bie  ber  Staat 
il^r  ju  teil  Serben  läfet,  inbem  er  feine  ©cfe^gebung  barauf  einrichtet,  i^ren  Slnfc^auungen  35 
^u  entf})red^en  unb  i^ren  9Birlung«frei«  m  ftd^ern,  aud^  i^e  TOttoirlung  in  SCnfl^rud^ 
nimmt,  too  e«  ftd^  in  feinen  2lngelegcn^eiten  um  SHeligion  Rubelt.  93or  allem  gel^ört 
l^ier^er  bie  umfaffenbe  ^ürforge  für  i|re  materiellen  Scbürfniffe,  toeld^e  ber  Staat  i^r 
tüibmct  burd^  eigene  Seiftungen,  burc^  Saften,  toelc^e  er  politifc^en  Serbänben  auflegt 
%u  i^ren  Ounften,  unb  burc^  Einräumung  unb  Durc^fül^rung  eine«  felbftftänbigen  Se=  40 
fteuerung«rec^te«.  Da«  ift  nur  benibar  unter  bem  ®efic^t«t)un!te,  bafe  er  i^re  3lngelegens 
beiten  anfielet  toie  feine  eignen. 

Dafe  i^n  biefe  Slngelegenf^eiten  fo  na^e  angelten,  ba«  lommt  anbererfeit«  ^um  älu«« 
brudt  baburd^,  bafe  er  über  bie  Äirc^e  unb  il^re  Sertoaltung  ein  2luffic^t«rec^t  in  änfj)rud^ 
nimmt,  feie  gegenüber  jeber  anberen  anerlannten  Selbftt)ertt)altung,  in«befonbere  h)ie  46 
gegenüber  ber  bürgerlid^en  (Semeinbe.  SBelc^e  ©eftalt  biefer  2lufftc^t«geh)alt  ju  geben  fei, 
ba«  tDäre  eigentlich  blofe  3*^«*»"äfei9l«it«frage.  Die  alten  Flamen:  Äirc^en^ol;eit«redf»te, 
jura  circa  sacra,  police  des  cultes,  brandeten  un«  nic^t  irre  ^u  machen.  Dergleichen 
bleibt  oft  beftel^en,  auc^  toenn  ber  alte  Sinn  längft  rjerflogen  ift. 

§ier  aber  fe^t  bie  gro^e  3:^atfac^e  ein,  bie  bem  ganjen  befte^enben  9lec^t«juftanb  50 
feine  ©igenart  giebt.  Die  ©runbauffafjung  be«  Staate«  bon  feinem  Serl^ältnifle  jur 
Äirc^e  toirb,  gerabe  toa«  biefe  9luffid^t«red^te  anlangt,  rjon  i]^m  nic^t  burc^gefül^rt,  fonbem 
im  ©egenteil  auf  ba«  Sntfd^iebenfte  Verleugnet.  Da«  gefc^ic^tlid^  Überlommene  toar  ^bm 
toieber  einmal  ftärfer  al«  bie  neuen  ^rinjijjien.  Sei  unferem  mobernen  Serfaffung«« 
unb  3le^t«ftaat,  ber  fo  ftarl  nad^  allgemeinen  ^Programmen  arbeitet,  ift  bergleid^en  feine  66 
t)ereinxelte  ©rfc^einung.  @r  J)flegt  ftc^  in  fold^en  fällen  mit  ben  Jl^atjac^en  abjufinben. 
Da«  ^rin^ij)  felbft  ertoeift  feine  fortbauernbe  ©iltigleit  an  ben  SBiberfJ)rüd^en  unb  ^alb^ 
l^eiten,  in  toeld^en  er  [xd)  babei  betocgt,  unb  an  feinen  Serfuc^en  einen  getoifjen  Schein 
ju  toaf^ren. 

Sold^e  Unftimmigfeiten  beftel^en  gegmüber  beiben,  fat^olifc^er  toie  ebangelifc^er  Äirc^e,  eo 


716  ^ittüi  nttb  JKn^e 

nur  gc^cn  fic  nac^  cntöcöcngcfc^tcu  ^Hic^tungen:  jene  ift  me^r  ate  fic  nac^  bcr  ©nrnb^ 
auffaffung  bc^  Btaat^  für  i^n  Jein  foHte,  biefe  bagcgcn  tocit  h?cnigcr. 

3;m  ÜBer^ältntö  gur  fatl^olifc^cn  Striae  tritt  ba«  J^äufig  genug  atö  ein  greller  'SHiBton 
5U  läge,    ©ie  ift  ja  in  SBirflic^Ieit  immer  nod^  ettpaö  gan;^  anbere^  al^  bic  ft*  fdbt> 

5  tjcrtoaltenbe  SanbeiStirc^e,  bie  ber  Staat  feiner  ©ouberänetät  ju  Gieren  auö  i^  machen 
möchte.  Sic  ift  noc^  immer  bie  merftüürbige  2BeItmac^t,  bie  im  üJlittelalter  mit  bem 
©taat  in  bie  öffentlichen  ©efc^äfte  fid^  teilte.  2)em  mobernen  Staate  gegenüber  bat  fic 
fiar!  an  Sobcn  bcrloren;  aber  h)ie  toeit  e^  babei  t)erbleibt,  toie  fem  cttoa  noe^  SBeitcres 
il^r  abgerungen  toerben  fann,  ba«  ift  5Waci^tfrage,  nic^t«  anbere^.    ®al^er  jene^  feltfamc 

10  ©c^toanten  ber  ftaatlic^en  ^Politil  i^r  gegenüber:  balb  })oc^t  man  tro^ig  auf  feine  £cu= 
rjeränetät,  bie  \a  eigentlich  auc^  Jd^Ic^t^in  burc^f^lagen  fotlte;  balb  öerl^anbclt  man 
tüieber  öon  9Kac|t  ju  SJlac^t.  6«  ift  müfeig,  unfern  Staatsmännern  befonberc  i^ortoürfc 
barauS  ju  machen;  e«  liegt  einfac^  baran,  bafe  bie  neue  Staatgibee  mit  ben  alten  ^at- 
Jacken  noc^  nic^t  fertig  geiDorben  ift. 

15  Sejeid^nenb  tvat  f4>on  bie  2lrt,  n)ie  bie  gegenwärtig  befte^enbe  Crganifation  ber 
fatl^olifc^en  Äird^e  in  unferen  ©cbieten  ju  ftanbe  tam.  2)ie  Staaten  Vereinbarten  fid^ 
barüber  mit  bem  l^eiligen  Stu^l,  ganj  toic  fie  untereinanber  in  toeltlid^en  2)ingen  ^b- 
mad^ungen  treffen,  alfo  in  ber  SBeife  eine«  bölferred^tlic^en  Vertrages.  3)ergleicben  »ar 
too^l  frül^er  auc^  fd^on  t)orgeIommen,  aber  rjereinxelt,  unb  bann,  h?aS  für  ben  alten  um 

20  fertigen  Staat  fid^  fc^icfte,  fear  für  ben  neujeitlid^en  Staat  ein  äbfall  t)on  feinem  ^xo-- 

gramm.    granfreic^  gab  baiS  Seifpiel  mit  bem  nal^oleonijc^en  Äonforbat;    bie   beutfcfren 

Staaten,  Sal;ern  boran,   al^mten  nac^;   bei  ben  meiften  reid^t  eS  freiließ  nicbt  ^u  einem 

förmlid^en  Äonforbat;  man  mufe  fic^  begnügen  mit  einer  t)erabrebeten  Girfumfcri^tionsbuHc. 

3)abei  ma^te  fid^  ba«  Sebürfni«,  bag  (Sleic^gehjid^t  toiebcr  ju  finben,  in  ganj  eigen-- 

26  tümli^er  SBeife  £uft:  f amtliche  3Sertraggftaaten  fügten  bei  in«  2ßerf  fe^en  beS  3?erabrebeten 
auf  eigne  ^auft  nod^  loeitere  Seftimmungen  ^inju:  articles  organiques  (bie  gaben  bos 
SKufter),  SteligionSebifte,  Serorbnungen  über  bie  lanbeSl^errlic^en  §ol^eit«recbte.  2)Qrin 
fieberten  fie  ftd^  namentlicb  geiDiffe  Übermac^ungSmaferegeln  gegenüber  ber  Äircbe,  tpelcfcc 
biefe  ftetS  auf  baS  fräftigfte  mißbilligt  l^atte.    5Kan  fann  b^f)anpim,  bafe  bie«,  tüenigftcn» 

30  im  gatte  eine«  umfafjenben  Äonlorbate«,  gegen  bie  Vertragstreue  h?ar.  2lber  je^t  tooBtc 
eben  ber  Staat  toieber  fc^led^tl^in  fouljerän  fein,  um  biefe  2)inge  ^u  orbnen. 

35ie  borbel^altenen  §ol^eitSred^te  felbft  fmb  inl^altlic^  fe^r  abtoeic^enb  geftaltet  öon 
bem,  toaS  ber  Staat  fonft  lüol^l  feinen  Selbftt)erh)altungen  gegenüber  ^xirix  3^ccf  ba 
'Jlufftc^t  jur  ©eltung  bringt.    (SS  toäre  nic^t  rjertüunberlici^,  h)enn  ber  Btaat  biefer  k- 

36  fonbercn  9lrt  bon  „Selbftl)ern)altungSför^)er"  gegenüber  eine  befonberS  grofee  3"^^' 
Haltung  übU  unb  bie  Stuffic^t  auf  baS  aUemotmenbigfte  befc^ränfte.  3lber  fo  ift  eS  gar 
nid^t;  baS  (Sigcntümli^e  an  biefen  SRed^ten  liegt  rjielme^r  in  jtoeicrlei  Dingen. 

Ginmal  fmb  fie  nic^t,  hjie  g.  33.  bie  ©emeinbeauffic^tSrec^te  gebilbet  nac^  fac^licben 
@rh)ägungen  ber  3^edmä^igfeit.    9Jur  h)aS  bie  SSermögenSbemjaltung  anlangt,   ift  eine 

40  geh)ijfe  3Serh)anbtfc^aft  ber  Ginflußna^me  burd^fü^rbar.  ^m  übrigen  finb  biefe  ^o^eitij-' 
redete  alte  überfommene  Einrichtungen,  h)ie  ber  aufftrebenbe  9?ationalftaat  ju  (Snbe  bc^ 
3JlittelalterS  fie  fic^  gcfd;affen  ^atte:  placetum  regium,  recursus  ab  abusu,  nomi- 
natio  regia,  SluSfdblufe  bon  personae  minus  gratae  u.  f.  W.  9llleS  ba«  toirb  ängftlii 
beiüa^rt,  al«  errungene«  ®ut,   ob  nod^  jjafienb  ober  nic^t.    2)a«  Vertrauen    fe^lt,   bafe 

45  man  anbere«,  t)afjenberc«  an  bic  Stelle  ju  fe|en  im  ftanbe  hjäre  —  ba«  Vertrauen  in 
bic  SouDcränctät  bc«  Staate«  reid^t  nic^t  au«. 

Sobann  ift  ja  nici?t  ju  berfcnnen,  baft  biefe  §ol^cit«red^tcjum  großen  Icil  ibreSjji^e  ba4>t^ 
fäc^lid;  richten  gegen  ba«  au«tüärtige  Dbcr^au^t  bc«  angeblid^en  Selbftr)ertDaltung«törper^, 
ber  baburd^  crft  tünftlic^  einigermaßen  abgegrenzt,  üWa^  tvic  eine  2anbe«firc^e  tüerbcn 

50  foH.  T»a«  ^lacet,  ber  ©ene^migungeborbcbalt  für  ba«  2^^ätigh?erben  unmittelbarer  Ver- 
treter bcr  6cntralgch)alt  richten  fic^  bahin.  3luc^  ber  beanf})rud^te  (Sinfluß  auf  bie  8c= 
fteHung  bcr  oberftcn  firc^lic^cn  SBürbenträger  im  Sanbe  l}ai  t^atfäd^lic^  bie  nämlictc 
Vcbcutung  angenommen.  ÜlUc  aud^)  bic  örtlichen  Stcllenbcfeiung«orbnungen  geftaltet  fein 
mögen,  in  3(om  liegt  bic  gntfcbeibung  unb  bic  altl^crgebrac|ten  3Jlith)irtung«recI»te  geben 

66  nur  einen  3lnlaß  mit  ^Xom  ju  toerbanbeln.  Da«  pa^t  natürli^  gar  nic^t  mebr  ^u  bcr 
eigcntlid^en  Icitenbcn  ^bee. 

3^od>  nicbr  toirb  bcr  gruiibfnfclidic  Stanbpunft  Verleugnet,  tücnn,  h)ie  e«  vorfomnit, 
ein  burd)  bic  Vcmül^ungcn  bc«  Staate«  ^u  feinem  !Mmte  gelangter  Söürbenträger  bic 
öffcntlicl)cn  Ginridf)tungcn  auf  ba«  bcftigftc  angreift  unb  ber  Staat  fid^  nun  feine  anbere 

60  §ilfe  toeiß,  al«  ba«  Ginfc^rciten  9tom«  anjurufen.    3^^^"^^6*0  '"^9  ^^^  f^'"/  fw^  ^^ 


(Biaat  unk  Striae  717 

Slugenblidt  toenigften^;   aber  bafe  man  bamit  ganj  unb  gar  lieber   auf  bcn  93oben  ber 
mittelalterlichen  iioorbination  tritt,  fottte  man  jic^  aud^  nic^t  toer^el^len. 

©0  ift  ba^  ganje  35erl^ältni^  jtoifc^en  bem  ©taat  unb  ber  tat^olijd^en  Äirc^e  bon 
©runb  au^  fc^ief  unb  hjiberfpruc^^boU  geftaltet.    ßine  getoiffe  3Kittellinie  ju  finben  unb 
feftju^alten,  auf  ber  man  leben  fann,   ift  eine  nottoenbige,    aber  feine^hjeg^   glänjenbe  6 
Slufgabe.  — 

®anj  anber^  fte^t  eö  in  biefer  ^infic^t  mit  ber  ebangelifc^en  Äird^e.  ©ie  ©tettung 
cine^  ©elbftbertoaltunggf Orders,  eine«  „coUegium"  im  alten  ©inn,  ba«  aber  hjirflid^ 
feine  Slngelegenf^eiten  felbft  bejorgt  unb  nur  toegen  beren  „et^ifc^er  ©leic^toertigfeit" 
einer  befonberen  Slufft^t  unb  gürjorge  beö  Staate«  teilhaftig  ift,  eine  fold^c  Stellung  lo 
üermag  fte  fel^r  tüo^l  anjunef^men.  2)a«  mac^t  eben  il^re  ganj  anbere  äuffafjung  bon 
folc^en  äußeren  Dingen.  2tber  in  SBirflid^fcit  fte^t  e«  fo,  bafe  fie  bi«  je^t  bei  un« 
niemal«  auf  ba«  i^r  ^ierna(^  grunbfä^lid^  jugeftanbene  3Kafe  t)on  greif^eit  unb  ©elbft* 
ftänbigfeit  gelangt  ift.  %ixx  fte  gilt  allen  Orunbfäfeen  unb  allen  Seteuenmgen  Don  ber 
^rei^eit  ber  Äird^e  j|um  3:ro^,  ba«  lanbe«^errlic^e  Äird^enregiment,  b.  1^.  ber  alte  3:erris  ib 
tortali«mu«  blül^t  für  fie  rul^ig  hjeiter.  6«  ift  eine  leere  ©J)i§finbigleit,  h)enn  man,  um 
bcn  ©c^ein  ju  retten,  be^aujjtet,  e«  fei  ni^t  ber  &aat,  fonbern  ber  2anbc«l^en  Jjerfönlic^, 
ber  ba  regiere.  2)ie  ^erfon  be«  £anbe«f^erm  läfet  fic^  in  öffentlichen  Dingen  i)om  Qtaai 
ni^t  fd^eiben.  6«  n)irb  einfacl;  al«  eine  angeborene  (Sigenfc^aft  ber  et)angelifc^en  Äirc^e 
betrachtet,  ba^  fie  bom  ©taate  alfo  geleitet  toerben  foH  unb  mufe.  Unter  biefem  ©eftd^t«*  20 
})unfte  ^at  feiner  ^^\i  ber  Äönig  öon  33a^ern  im  9Jamen  biefe«  Äemlanbe«  ber  Segen« 
rcformation  o^ne  h)eitere«  ben  ©ummejjiflo^at  übernommen.  3"  S^anlreic^  unb  Öfterreidf» 
l^atte  man  toenigften«  gefc^id^tlid^e«  @m})finben  genug,  um  auf  bcn  Flamen  lanbe«^errlic^e« 
^irc^enrcgiment  ui  rjcrji^ten;  t^alfäc^lid^  l^at  ber  Qtaai  aud^  bort  bie  Äirc^e  fo  fräftig 
unter  feinen  (Sinflufe  gebracht,  bafe  e«  im  ßrfolg  fo  jiemlic^  auf  ba«  gleite  ^inau«fommt.  26 

Selbftberftänblidp  entl^ält  ja  bie  2:f^ätigfeit  be«  Schrämte«  ein  ßlement  unantaftbarer 
greil^eit,  bem  ber  ©taat  nid^t  beilann,  fo  toenig  toie  bem  $ietrieb  ber  Söiffenfd^aft,  \>kU 
leidet  nid^t  gan3  fo  tDcnig.  äu^  ift  bie  5Rüc!fic^tna^me  beibebalten,  bafe  ber  ©taat  fein 
^Regiment  l^ier  burc^  bejonbere  Se^örben  au«übt.  Da«  19.  ^«^^^""bcrt  ift  nod^  Leiter 
gegangen  auf  biefem  Sffieg.  ^pianmäfeig  tourbe  ba«  5Pre«b^terialf^nobalfVftem  burc^gefü^rt:  30 
bie  örtlichen  itirc^engcmeinben  erf^alten  il^re  mol^lgeorbneten  SSorftanbfc^aften,  barüber 
l^inau«  hjcrben  93ertretungen  be«  et)angelifc^en  "ißolfe«  gefc^affen,  33erfammlungen  au« 
£aien  unb  ©ciftlid^en  gemifc^t.  Die  oberfte  SSertretung,  bie  (Scneralf^nobe,  hjirb  berufen 
namentlich  jur  ^JJittoirfung  bei  ber  lirc^lid^en  ©efe^gebung,  fo  bafe  ber  2anbe«^en  nur 
unter  i^rcr  gwftimmung  Äird^engefe^e  erlaffen  tann.  gn  größerem  SKafee  ^at  man  35 
namentlich  aud)  Derfuc^t  ba«  Sbrenamt  me^r  l^eranjujie^en  jur  Seforgung  t)on  ©ef^äften 
ber  ürc^lic^en  aSermaltung.  Unberfennbar  ift  ber  (Sleic^lauf  biefer  Setoegung  mit  ber 
anberen  auf  2lu«bilbung  unb  ©tärfung  folc^er  ©elbftftänbigfeiten  im  ©ebiet  ber  eigent« 
liefen  ©taat«t)crh)altung.  6«  ift  ein  unb  biejelbe  ©trömung,  bie  beibe«  trägt.  9laments 
lic^  bie  Jjreuftifc^en  Drganifation«gefe$e  ber  fiebenjiger  unb  ac^tjiger  ga^re  geben  l^ierfür  40 
bie  lel^rreic^ften  Selege. 

Da«  gehört  nun  alle«  in  bie  Darftellung  ber  Äirc^enberfaffung;  ^ier  fommt  e«  nur 
fohjeit  in  Setrac^t,  al«  ba«  äJer^ältni«  jhjifd^en  ©taat  unb  Kirche  baburc^  berührt  toirb. 
Sm  toefentlid^cn  l^at  e«  burc^  aU  ba«  feine  SÜnberung  erfahren.  3Jian  ^at  einfach  auf 
bie  ^xxä^c  aü  bie  Sefd^ränlungen  ber  älu«übung  ber  oberften  ©ehjalt  übertragen,  bie  man  45 
in  hjcltlic^en  Dingen  annahm:  fonftitutionette«  ©i^ftem  burc^  leitna^me  einer  SSolf«« 
Vertretung  an  ben  h)id^tigften  3lftcn  be«  Dber^au})te«,  Einfügung  ehrenamtlicher  33e^örben, 
toa«  man  ja  auc^  iool^l  —  in  uneigentlic^em  ©inne  —  al«  ©elbftöerbaltung  bejei^net  l^at, 
©tärfung  ber  h?irflic^en  ©elbftberh)altung  ber  örtlichen  ©emeintoefen ,  ^ier  ber  Äirc^en« 
gemeinben.  SQäorauf  e«  aber  anfäme:  ba«  hjäre,  bafe  bie  Äird^e  felbft,  bie  Äird^e  al«  eo 
@anit^  bem  ©taate  gegenüber  frei  tüürbe,  ©elbftt)ern}altung  erl^ielte.  Da«  ift  aber  nic^t 
ber  %aü.  Die  Äird^enberlüaltung  ift  nac^  hjte  bor  ©taat«bertüaltuna^  ber  hjcltlic^en 
©taat«berh)altung  jjaraHel  organifiert.  SBie  ber  £anbc«^err  in  toeltlic^en  Dingen  nid^t 
aufl^ört  ber  toal^re  SRegierer  ^u  fein  tro^  9Solf«toertrctung,  ßl^renamt  unb  örtlid^er  ©elbft* 
bertoaltungen,  gerabejo  in  firc^lic^en  Dingen.  66 

Der  gegenwärtige  3lec^t«iuftanb  ber  ebangelijc^en  Äirc^e  ift  immer  noc^  ba«  ©^ftem 
be«  alten  2erritoriali«mu«,  gcmilbert  jioar,  aber  immer  nod^  ec^t  unb  unmifeberftänblic^. 

aiuc^  ^icr  alfo  ift  ba«  Programm  be«  JJerfaffung«^  unb  9lcc^t«ftaate«  unau«gefül^rt 
geblieben.  Den  ftaatlic^en  3tugenblicf«j)olitifem  })flegt  ba«  aber  toeit  Weniger  ©orge  ju 
mad^en   al«  ber  umgefe^rte  gall,  ber  ftc^  im  Ser^ältni«  jur  fat^olifc^en  Üirc^e  ergab,  eo 


718  Staat  nnb  Striae 

^n  bcr  %i}at  fönntc  bem  Staat  ein  unmittelbarer  ^Rad^teil  aud  ber  Einrichtung  nur  je 
ertoac^fen,  bafe  ütoa  bie  fat^olifd^e  Äird^c  unb  feine  fat^olifd^en  Untert^anen  fc^eel  febcn 
tpürben  ju  bem  befonbcr«  na^en  i^erlj^ältni«,  tpeldj^e^  er  auf  folc^e  SBeifc  ju  ber  ttKai- 
gelifc^en  ^ird^e  aufredet  erl^ält.  XJ^atfäd^Iic^  fd^einen  fie  il^r  ba^  aber  tetnedmeg^  ^u 
6  mißgönnen. 

V.  ^a^  SSer^ältni^  jtpifd^en  bem  Btaai  unb  ber  fat^oUfd^en  Airc^e,  tpie  tt>tr  c4 
gefc^ilbert  j^aben,  l^at  für  beibe  Xeile  tttoa^  Unbefriebigenbed.  3Son  betbcn  Seiten  in 
man  auf  Säuberungen  bebad^t.  gür  \xn^  fommt  eö  felbftberftänblid^  nur  auf  foltk 
3ibeen   an,   tpeld^e  im   öffentlichen  Seben  mit   einer  getoiffen  3Kac^t  auf  SJertoirfliiung 

10  brängen. 

^a  ift  bor  aQem  auf  Seiten  bed  Staate^  eine  bebeutfame  Seioegung  }u  ertDäbnen, 
bie  in  ber  9Jeujeit  barauf  au^el^t,  ba«  gefc^id^tüdj^  überfommene  35anb  gänjlic^  ju  loicn 
unb  bie  einfädle  Trennung  bon  Biaat  unb  Äirdj^e  burdj^^ufü^ren.  9Jic^t  im  Sinne  einer 
©leidj^berec^tigung,  tttoa  nadf  ber  ^^rafe  ßabour«:   libera  chiesa  in  stato  libero,  — 

ib  bie  in  ffiirflid^Ieit  aud^  gar  nic^t  fo  gemeint  tpar  —  fonbem  in  bem  Sinne  einer  ,&erab= 
fe^ung  ber  Äirc^e  in  bie  Stellung  eine«  getpö^nlid^en  ÜBerein«.  Sielleic^t  auc^,  in  fc 
innerung  frül^erer  9Rac^tentfaItungen  biefe«  l^armlofen  3Serein«,  bel^ält  ficb  ber  Btaai  U- 
fonbere  ÜbertDac^ungdrec^te  bor.  ^m  toefentlid^en  ift  bad  bie  alte  ^bee  bed  ßalüinis^mu^, 
in  ber  norbamerifanifd^en  Union  öertoirlUdj^t.     äöunberbarertoeife  —  bie  Sbceo  toanbem! 

20  —  f)at  fxd)  biefe  ßinrid^tung  in  neuerer  ^^i  bor  allem  burd^gefe^t  bei  fatbolif(kn 
^^öltem.  Unb  ^toar  t)erbinbet  fte  ftd^  ganj  regelmäßig  mit  bem  Übergang  jur  re^ubli^ 
fanifc^en  Staat^form.  6ö  ift  offenbar  ba«  SSorbilb  ber  großen  norbamerifanifto 
9{e))ublit,  ba«  ^ier  toirft.  SRan  möd^te  fagen,  ba^  ^  al«  3(nftanb^f[icbt  eined  richtigen 
re})ublifanifc^en  Staat^toefen«  angefe^en  toirb,  feine  Trennung  burd^jufü^ren.     3)abintcr 

25  ftel^t  nxd}t  me^r  bie  religiöfe  äuffaffung  be«  ßalöinigmu«,  toie  baö  in  9iorbamerifa  tpar. 

Sie  3;rennung  gefd^iel^t  au«  geinbfd^aft  gegen  bie  Äirdj^e,   meift  in  beutlic^  erfcnnbarcm 

^ufammenl^ang  mit  ))oIitifc^en  Aäm^fen,  in  meieren  fte  eine  SloQe  gefptelt  ^atte.    3Han 

fie^t  in  ber  bi«l^erigen  Serbunbenl^cit  einen  Vorteil  für  fie,  ben  man  i^r  entziehen  toill. 

So   ^at  ^anfreid^   feine  Separation  de  l'Etat  et  des  Eglises   üoUjogen  burd« 

ar»  ©efe^  t)om  9.  3)ejember  1905.  i^or  il^m  gab  3Rejifo  ba«  Seif>)iel  burc^  ba«  rabitolc 
®efe^  öom  14.  Dejember  1874.  Srafilien  führte  mit  bem  Übergang  gur  Slcpublif  ba« 
gleiche  Softem  ein.  ßbenfo  Äuba,  aU  e«  unter  norbamerifanifc^er  Seitung  gur  JRepublil 
gemacht  tourbe;  ^ier  ergab  fid^  biefe  ßinridj^tung  gan^  bon  felbft,  ol^ne  ®efe^:  ^ic 
Trennung  ift  rc})ublilanifc^e«  3Raturrec^t. 

.ST)  3)abei  toerben  bie  althergebrachten  S3efd^ränfungen  ber  6rh)erb«fä^igfeit  ber  „toten 
$anb"  in  neue  berfc^ärfte  formen  gebrad^t.  ffio  man  e«,  toie  in  33rafilien,  unterläBt, 
))flegen  bie  neuen  fatbolifc^en  „Äultu^öereine"  atebalb  fe^r  reic^  ju  Serben.  Sonftige 
i)o(i^ei(ic^e  Sefc^ränfungen  unb  Überwachungen  öon  me^r  ober  minber  ausgeprägter  geinte 
feligfeit  fc^Iiefeen  fic^  an.    3)a«  fcltfamfte  (Srgcbniß  biefe«  Softem«  ift  für  unfere  Jöegriitc 

40  bie  Umgeftaltung  be«  Solföfc^ulunterrid^t«.  §ier  ift  bie  Seligion  über^au)>t  toerbanm. 
©in  Unterrid^t  in  ber  3HoraI,  morale  civique,  ober  U)ie  man  e«  nennt,  tritt  an  bie 
Stelle.  6«  ift  natürlid^  feine  leichte  Slufgabe  bafür  ju  forgen,  bafe  ^ier  ettoa«  @ute^ 
l^erau«fommt.  — 

3)ie  fat^olifc^e  Sirene  i^rerfeit«   ift   mit   biefer  ärt   bon  3!rennung  feinc«h>eg«  ctn- 

45  berftanben.  ^n  Ülmerifa  l)at  fte  bie  öorgefunbenen  guftänbe  Ij^ingenommen  unb  ftd^  ibncn 
bi«  je^t  öortrefflic^  anju^jaffen  gefugt,  ^m  alten  ®uroj)a  bageaen  ^ält  fie  an  bem 
offiziellen  ^ufammen^ang  mit  bem  Staat;  abgefe^en  bon  äußerlichen  Sorteilen,  bat  fic 
auct^  biel  }u  fe^r  ba«  SetDufetfein  ibrer  2trtberh)anbtfd^aft  mit  bem  BiaaU,  al«  bafe  fic 
ein  3J9"orierth)erben  bon   bejfen  Seite   nic^t  berle^te.    ^l)x  Seftreben   ge^t   auf   grunb-- 

50  fä^Ii^e  SBeibej^altung  be«  befte^enben  SSer^ältniffe«  unter  Sefeitigung  ber  babei  no^  ob^ 
toaltcnben  9!Kän0el.  Die  5Hängel  fie^t  fie  aber  in  ben  fog.  5lir($en^o^eit«red5^ten  be» 
(BtaaM,  bereit  Scfeitigung  fie  forbert  im  5iamen  ber  i|^r  jufommenben  ^reibeit  Gin 
SRed[>t«juftanb  toie  in  Selgicn  unb  \voi}l  auc^  h)ie  feinerjeit,  bor  1870  in  ^reu^en,  loärc 
^t\va  ba«  ^hcal,  fomeit  mit  bem  mobcrnen  Q^iaat  ein  folc^e«  über^au})t   gu   erreichen  ift. 

65  3)a  mag  man  nun  aUerbing«  geneigt  fein  ^u  fagen :  e«  fei  boc^  all^uflug,  hjenn  fie  nur 
Siechte  au«  bem  Ser^ältni«  behalten  tooüe,  bie  Se^rfeite  aber,  bie  Siedete  be«  Staate« 
einfach  ftreid^c.  3lIIein  fo  barf  ber  Qiaai  unbcbingt  nic^t  rechnen.  (Sr  mufe  fragen,  in= 
toiefern  biefe  feine  Sfted^te  bie  Äirc^e  toirflic^  befc^meren  unb  ma«  fie  i^m  ernft^aft  tpcrt 
fmb,  unb  beibe«  gcgeneinanber  abwägen. 

60         3Senn  ber  Staat  Einflußnahmen   beanf))ru(^t   auf  bie  äußere  Drbnung    ber  jlircbe, 


S>imi  nttb  Striae  719 

fo  fie^t  ber  ^rotcftant  nid^tg  barin;  ba«  l)ai,  tpic  gelegentlich  be^  fog.  flulturlannjfee 
ein  })reu6ifc^cr  -DJinifterpräftbent  im  Slbgeorbneten^aufe  fi^  auebrürfte,  „für  ba^  innere 
©lauben^leben  be^  Gl^riften  gar  feine  Sebeutung."  ättein  bie  fat^olif^e  Äirc^e,  U)ie  fie 
nun  einmal  ift,  unb  mit  il^r  bie  3Jlaf|e,  bie  il^r  angel^ört,  l}at  eben  eine  religiöfe  ßm^ 
^jfinblid^Ieit  in  biefen  äußerlichen  Singen,  ©ie  ift  naturgemäß  boj)})elt  em^jfinblic^,  toenn  6 
biefer  Staat  in  i^ren  Stugen  ein  })roteftantifc^er  Biaat,  ein  felbftberftänblic^er  Sorfämj)fer 
be^  ^Proteftanti^mu^  ift.  25Ba^  öon  Sägern  l^ingenommen  tpirb,  ift  bon  feiten  ^Preußen« 
eine  Seleibigung.  gür  ben  Staat  lann  ei8  be^^alb  nic^t«  Unertoünfdj^tere^  geben',  ate 
tocnn  ))roteftantifc^e  Äirc^enbertretungen  i^n  bei  geft^altung  fold^er  SWaßregeln  gegen  bie 
fat^olifc^e  Äirc^e  burc^  Wohlgemeinte  Äunbgebungen  ju  ftärfen  fuc^en,  tpie  bag  in  jüngfter  lo 
3eit  borgefommen  ift. 

25BeIc^e  Singe  ^ier  in  Setrad^t  fommen,  baö  toirb  man  fic^  am  jtoecfmäßigften  ber« 
gegenwärtigen  an  bem  fog.  ^^oleran^antrag  bc«  ßentrumö,  ber  im  ^af^x^  1900  beim 
^eid^^tage  eingebracht  Worbcn  ift.  ^n  feinem  jtoeiten  Seil,  §§  5—10  Witt  er,  unter 
bem  Scheine  ber  attgemeinen  SJefreiung  ber  Äircpen,  offenbar  nur  bie  Sefd^toerben  ber  i5 
Äatl^olifcn  toiebergeben.  Q^  toirb  Verlangt:  tootte  greilj^eit  im  ganjen  SHeid^  für  bie 
feelforgerifcbe  3;^ätigfeit,  für  bie  2tb^altung  bon  ©otte^bienften  unb  ©rric^tung  öon 
Äirc^engebäuben,  grei^eit  ber  fog.  Wifftonen,  ber  33ertoenbung  auetoärtiger  ©eiftlid^er, 
ber  3imtererric^tung  unb  S))rengelbilbung,  Sefeitigung  be^  ^lacet,  Sefeitigung  jebe« 
Oene^migunggborbc^alte^  für  „religiöfe  ©enoffenfc^aften,  ©efettfdj^aften  unb  Vereine".      20 

6^  fönnte  auffatten,  baß  ^ier  gar  nic^t  bie  SRebe  ift  t)on  einer  STrt  bon  3"f^<inbig:! 
feit  beiJ  Staate^,  bie  in  ber  ©efc^icpte  fo  oft  ben  3anffl}>fcl  bilbete :  öon  feinem  Einfluß 
auf  bie  Sämterbefe^ung.  G^  befte^en  ja  l^ier  manc^^erlei  ©rnennungefs  unb  Seftätigung^^ 
rechte,  Slu^fc^luß  bon  personae  minus  gratae,  3tnjeigej)flid^ten  mit  ober  ohne  baran 
fic^  fc^ließenbe^  @infj)ruc^grec^t.  gür  bie  Slntragfteller  fd^eint  ber  formelle  ®efid^t^j)unft  25 
entfc^eibenb  getoefen  ju  fein,  baß  ^ier  meift  Vereinbarungen  ober  t^atfäd^lid^e  gulöffungen 
bc^  ]pä}3ftlic^en  ©tu^le^  Vorliegen.  Vielleicht  aber  öerjic^teten  fie  auf  bie  Sefäm^jfung  in 
bem  ©ebanfen  an  bie  Unfc^äblid^feit  biefe^  ftaatlic^en  TOac^tmittete.  3"  ^^  2:bat,  toenn 
bie  ^Regierungen  [xd}  öergegentoärtigen,  toeldj^e  Erfahrungen  fte  fc^on  gemadj^t  l^aben  mit 
Sifd^öfen,  beren  Ernennung  ein  großer  Erfolg  p  fein  f^ien,  fo  Werben  fie  fe^r  nüdj^tem  90 
über  bie  gan^e  Einrichtung  benfen  muffen.  3)ie  Slatur  ber  ©ad^e  jie^t  ja  gerabe  in 
folc^en  gäHen  \>oppAi  ftarf  nac^  ber  entgegengefe^ten  ©eite,  unniJtig,  baö  Weiter  au^^ 
gufü^ren. 

Eine   anbere  Einrichtung  fc^eint  bafür  in  neuerer  3^'*  in  ben  Vorbergrunb  \iaaU 
lieber  SiBertfc^ä^ung  getreten   ^u   fein:   bie  Slu^bilbung  ber  filerifer  auf  ftaatlic^en  ^od^=  35 
fc^ulcn  unb  bie  ©c^affung  unb  ^ötberung  fatl^olifc^-t^eologifd^er  gafultäten.    E^  fommt 
barin    bie  gleiche  2:enbeng   gum  äuöbrudf,    Weld^e  in  gewaltsamerer  25Beife  gur  3^'^  ^^ 
Jjreußifd^en  Äulturfam^jfe«  eine  nationale  Erjiel^ung  be^  Äleru^  burc^jufe^en  fuc^te.    Sie 
geiftigen  ©egenfä^e,  in  Welche  ba«  beutfc^e  95olf  gerriffen  ift,  auf  folc^e  SBeife  ju  milbem, 
Wäre  fieser  ein  fd^öner  ©ebanfe.    Ser  Erfolg  ift  zweifelhaft,    gebenfall«  ift  e«  jWeifel-  40 
baft,   ob  man  gut  t^ut,   bem  Äleru«   eine  berartige  Söo^lt^at  aufjubrängen,    fo   lange 
Wenigften«  ber  maßgebenbe  2:eil  nic^t  felbft  banad^  t)erlangt.    E«  fann  Wieber  leicht  bie 
entgegengeje^te  Sßirfung  ^aben.    Sen  Äat^olici^mu«  gciftig   beeinfluffen    unb   gewiffer^ 
maßen  erjieben  ju  Wollen,   ift  ühtxiianpt  eine  Slufgabe,  ber  unfere  ©taat^funft  niemals 
gewad^fen  fein  Wirb.   Ser  2:oleranjantrag  befc^äftigt  fid^  audj^  mit  biefer  Maßregel  nic^t ;  46 
Wohl  au«  benfclben  ©rünben:  ber  Staat  Wa^rt  bie  ^orm  unb  bie  ©ac^e  ift  ungefä^rlid^. 

iUelleid^t  Wirb  fic^  ber  Biaai  aber  auc^  bejüglic^  ber  3Jlac^tmittel,  beren  Sefeitigung 
geforbert  Wirb,  fagen  muffen,  baß  fie  Wo^l  für  bie  fat^olifc^e  Äird^e  ftörenb,  aber  für 
i^n  felbft  nid^t  bon  bem  geringften  3Ru^en  finb.  ^Reiften«  ftnb  e«  bodj^  bloß  ©dj^Wierig^ 
feiten,  bie  feinen  anbercn  ©inn  ^aben,  al«  baß  fie  feine  ©tärfe  füllen  laffen,  teilWeife  ßo 
fte^en  biefe  Singe,  Wie  j.  S.  ba«  Pacet,  lebiglic^  auf  bem  ^alpier,  um  unnü^erweife 
mit  biefer  ©tärfe  ju  ))runfen. 

Ser  einzige  5punft,  ber  nid^t  fo  einfach  jugeftanben  Werben  fönnte.  Wäre  bie  grage 
ber  Drben^nieberlaffungen.  §ier  fommen  bolföwirtfd^aftlic^e  ^ntereffen  in  Setrac^t.  Sie 
Drbcn  erWeifen  fic^  ja  al«  große  Äaj)italauffaugung«borrid&tun^en  unb  il^re  VerWenbung«=  66 
jWerfc  liegen  möglic^erWcife  ganj  außerhalb  unferer  3Soif«Wirtfc^aft.  Sie  ©efe^e,  bie 
ben  Erwerb  ber  toten  $anb  unb  3"h^«"^""0^n  ^n  Witglieber  folc^er  Vereinigungen  be^ 
fc^ränfen,  beftel^en  \a  unb  fmb  unangefochten.  Vielleicht  müßte  man  annehmen,  baß  [k 
in  großem  Ma^c  umgangen  Werben.  Vielleicbt  Wäre  e«  aber  aud^  möglich,  fie  Wirt^ 
famer  ju  geftalten.  eo 


720  ^iaai  unb  Striae 

©entbar  ift  and)  eine  Sefc^ränfung  öon  Orben  unb  orbensJartigen  Äongregationen, 
bie  fic^  grünbet  auf  bie  Störungen  be^  fonfeffioneüen  griebeng,  bie  toon  i^nen  ju  be- 
forgcn  Wäxm.  ©otpeit  ui  jold^er  Seforgni^  2tnlafe  befielet,  ift  ber  Staat  fic^erli*  in 
feinem  Seruf,  toenn  er  u?orfe^rung  trifft.    9Jur  mufe  bie  eöangelifc^e  Äirc^c  ftc^  ernftli^» 

6  bagegen  bertüa^ren,  bafe  bag  i^r  gu  Siebe  unb  ju  i^rcm  Sc^u^e  gefc^c^e.  ©onft  tarnen 
fte  fotoo^l  al«  ber  Staat  in  eine  falfd^c  Stellung. 

3in  ber  ^anpt\ad)c  foHte  ber  Btaat  bie  Sic^er^eit  gegen  alle  Schaben,  bie  i^m  bur* 
bie  rürfftd^t^lofe  ©eltenbmad^ung  ber  3Kac^tmittel  ber  tat^olifd^en  Rirc^engctüalt  bereitet 
toerben  tonnen,  nic^t  bei  folc^en  J)oIijeiIi(^en  ßingriffen,  noc^  toeniger  bei  bcn  t>eralteten 

10  Rird^en^ol^eitgred^ten  fuc^en.  33ielme^r  f ommen  l^icr  öor  allem  jtoei  3)inge  für  i^n  in  Setracbt. 

einmal  ift  \a  bie  tatl^olifc^e  Äird^engetüalt  für  ben  Staat  bod^  nur  infotocit  t?on  Öebeu-- 

tung,  ate  feine  Äatl^oliten  geneigt  fmb  il^r  golge  ju  leiften.  SBir  bürfcn  aber  anncbmcn, 

ba^  auf  ben  ©renjgebieten,  too  ber  Biaai  em})finblic^  fein  tann,  biefer  ©e^orfani  tein  blinber 

ift.    2)er  bemotratifc^e  3^0  ^^  3^^*/   ^^  ^^^  Staate   m  fc^affen  mac^t,   l^at  aud>  bie 

15  tat^olifd^e  Äirc^e  nid^t  unberührt  gelaffen.  ©^  toirb  Stüctficlt  genommen  unb,  „um  gri?Bctc 
Übel  in  bermeiben",  gar  manc^eg  jugeftanben.  grüner  tonnte  ber  Staat  t>erfu(^en  eine 
Stü^e  ju  finbcn  in  einem  nationalen  Äleru«.  Sag  ift  me^r  unb  mcl^r  eine  jloeifelbaftc 
Sac^e  getoorben.  35afür  ift  je^t  biel  me^r  in  bie  $änbe  ber  3Kaffe  unferer  tatbolifcfccn 
Solli^enoffen  gelegt.     Sie  Serben  ben  ^unft,   too  ber  Übergriff  anfängt,   ^äufig  ettoo« 

20  anberg  beftimmen  ate  bie  ^roteftanten ;  aber  in  gar  mancher  §infic^t  tonnen  unb  foUcn 
fie  gleic^n)0^l  mäfeigenb  eintoirten.  ©eg^alb  ift  eö  bon  erfter  Söic^tigteit,  bafe  i^rc25atcr^ 
lanb^liebe  unb  i^r  gefunber  Sinn  unbertoirrt  bleiben.  3)er  Staat  Wk  bie  ^roteftantcn 
mögen  i^r  eigene^  S^erl^alten  ieU)eite  barauf  befonber^  anfeilen,  ob  [xc  ber  3B3irlfamfeit 
biefer  fittlic^en  3Kä(^te  teinen  (gintrag  t^un. 

25  3wni  anbem,  fo  ift  tpo^l  ^u  beachten,  ba^  bag  beiberfeitige  3Bac^tgebiet  fic^  bc* 
ganj  er^eblic^  berfc^ob,  feit  ben  3^^^^f  ^^  ^^^  f^ldj^e  Sd^u^mittel  gegen  3J?ifebraud^  ber 
ifirc^lid^en  ®eh)alt  erfanb.  3)a«  l^atte  feinen  SBert,  ate  bie  tat^olifd^c  Äirc^e  für  bie  ibr 
zugehörigen  SBölter  noc^  ein  gut3;eil  ber  öffentlichen  SSertoaltung  bcforgte:  ^wftis,  Scbulc, 
2lrmen}3flege,  ©^etoefen  u.  f.  to.     ^ti^i  f)at  ber  &taai  biefe  3)inge  an  ficb  gcjogen;  tpas 

30  er  ma4>t,  gilt  unb  bebarf  teine^  befonberen  Sc^u^eg  me^r.  35icfe  „fiaicifierunö"  ber  gc-- 
feHfc^aftlid^en  ©inric^tungen  mufe  fid^  mit  ^une^menber  tonfeffionetter  3JJifcbung  ber  Se^ 
bölterung  immer  toeiter  au^be^nen.  2)er  Staat  U)irb  [xd)  genötigt  fe^en,  nac^  unb  nad» 
mit  mand^en  tieften  jeneig  umfaffenberen  Scfifeftanbe^  aufzuräumen.  6inc  brennenbe 
grage  finb  3.  33.   in  neuefter  3^^^   ^^^  Äird^^öfe   geh)orben.     3^re  SSertreltlic^ung  licijt 

85  jtoeifellog  in  ber  geraben  2inie  ber  ßntfoidfelung.  ^^h^x  Sd^ritt  Doran  auf  biefcm 
aBege  bebeutet  bie  Sefeitigung  bon  Slnlafe  i^u  ärgerlichem  §aber  unb  mac^t  ^ugleic^  ftaat^ 
lic^e  einflu^nai^men  auf  ba^  Ser^alten  ber  Äird^e  entbehrlicher. 

Sollte  bemnac^  ber  Äirc^e  burd^  ^Jergid^t  auf  ba^  eine  ober  anbere  biefer  trügerifcben 
Se^errfc^ung^mittel  cntgegengetommen  n)erben,  fo  toürbe  barauf  teine^toegö   folgen,  bafe 

40  bamit  auc^  bie  Seiftungen  beö  Staate^  an  fte  jurüdfgejogen  ober  berminbert  tocrben 
müßten.  3)er  Biaat  mac^t  fie  ja  nic^t,  um  einen  ©egentoert  für  jene  3lecf^te  ju  liefern, 
fonbem  h)eil  er  c^  in  feinem  eigenen  mol^lberftanbenem  ^ntereffe  finbct,  bie  Äird^e  fo  ^u 
be^anbeln. 

e^  verbleibt  alfo  bei   il^rer   öffentlid^red^tlid^en  SteHung  unb  bei  i^rer  3?erbinbum3 

45  mit  ben  ©inrid^tungen  be^  Staate^,  bie  ber  Pflege  ber  Sieligion  bebürfen. 

e^  verbleibt  auc^  bei  bem  befonberen  Strafrec^t^fc^u^,  ber  i^r  unb  il^rer  ßinricf>= 
tungen  gemährt  ift.  3)iit  ßinfc^lufe  auc^  beö  nid^t  ganj  unbebentlic^en  §  166  beö  Strafe 
gefe^buc^eö,  ber  nur  burc^  bic^raji^  ober,  Wmn  fie  berfagt,  burc^  ba^CSefe^  beftimmtcr 
auf  bie  ni^^t^nu^ige  grieben^ftörung   jujufjji^en  toäre ;   bafe   er   immer   ber    tat^olifc^^en 

50  ßirc^e  me^r  gu  ftatten  tommen  h)irb  al^  ber  eüangelifc^en,  liegt  in  ber  9?atur  bei 
Sac^e:  jene  bietet  ja  unDergleic^lic^  meljr  uerle^barc  Slu^enfeiten.  Gbenfo  tv'xxh  i^r  ber 
i^öl^ere  9tang  unb  all  ber  (S^renüorjug  i^rer  Äirc^enfürften  §u  Vergönnen  fein ;  e^  ift 
ebenfo  unn)eije  toie  uneDangelifd;,  in  bicfen  2)ingen  ein  äöettrennen  ber  Suj)erintenbenlcn 
mit  Sifc^öfen  unb  Äarbinälen  Deranftalten  ju  tooUen. 

55  SSor  allem  foU  ber  Staat  ber  Äirc^e  nac^  iüic  üor  ju  §ilfc  tommen  jur  SefricbigunQ 
i^rer  finanziellen  Sebürfniffe.  ©erabe  barin  tommt  am  beutlid^ften  j^um  3tuöbruct,  bafe 
er  xi}xc  Stl^ätigfeit  al^  eine  öffentliche  älngclegenl^eit  betrachtet,  bie  and}  i^n  angebt.  £ie 
Berufung  auf  frühere  Sätularifationen,  für  toclc^e  ber  Btaat  ßrfa^  fd^ulbc,  ift  bem 
gegenüber  cingan^  überflüjfigeö  unbunjuläffige^§ercinjie^cnj)ribatred^tlic^er3lnfd^auungen 

60  in  ben  großen  @ang  ber  Staatögefc^icpte. 


3)er  j)ontifc^en  ©emcinbc  Iciftct  ber  ©taat  folc^c  §ilfc  in  bcr  gorm,  ba^  et  i^r 
®ctoalt  gicbt,  il^re  SKitglieber  mit  ©tcuem  unb  abgaben  ju  belaften  unb  bie  ßrlj^ebunö 
unb  Sintreibung  Vermittelt.  5Rur  au^naJ^m^toeife  getoä^rt  er  g^W^fl^  w"^  Unter« 
ftü^ungen  au^  eigenen  Mitteln,  ^a^  tpirb  mol^l  bie  gulunft^form  and)  für  bie  j(ird^e 
fein  muffen.    3)ic  fat^olifd^^e  Äird^e  freilid^  ift  ber  Äirdj^enfteuer  nid^t  fe^r  geneigt;  biefe  6 

J}at  il}x  ettüag  Unjarteö.  2Bie  fie  feiner  geit  i^re  Verurteilten  burd^  bie  tpeltlid^e  Dbrig« 
eit  j^inrid^ten  lie^,  für  bie  fie  ben  ätui^brud  „ber  Saien  blutiae  $änbe"  gej)rägt  l^at,  fo 
jie^t  fte  e«  öor,  ber  Biaat  belaftet  fein  Äultu^bubget  mit  i^rem  Sebarf  unb  betft  fid^ 
burd^  eigene  Steuern  —  i^re  3lnl^änger  freilid^  benunjieren  i^n  bann:  er  Ij^abe  für  bag 
33oIf  nur  Äanonen  unb  ©teuerjettel.  SUIein  e^  ift  bod^  ^u  beutlid^  eine  ^Jorberung  ber  lo 
®ered^tigleit,  ba|  jeber  33oIföteiI  für  feine  befonberen  Angelegenheiten  auc^  bie  Saften 
trägt.  3iP  ^i^  Jfird^e  einmal  eine  fid^  felbftöertpaltenbe  ©emeinfd^aft  —  ob  unter  ober 
neben  bem  Staat,  gleid^öiel!  —  fo  Ij^at  fie  aud^  für  i^re  Äoften  aufjulommen.  SBHfo 
freitoittige  ®ahzn,  too  nic^t:  Äird^enfteuer,  barauf  muffen  il^re  ginangen  geftettt  Serben. 

©elbftberftänblic^  toirb  ber  Staat,  ber.  atte«,   toa^  toie   eine  jjeinbfeligfeit  au^fiel^t,  i6 
Dermeiben  toiu,  nic^t  [äf)  unb  rüd^c^t^Iod  mit  feinen  Seiftungen  abbrechen,    fobalb  er  in 
biefem  ©inne  fc^lüffig  getoorben  ift.    SSielme^r  lommt  e^  barauf  an,   ganj  admäl^Iic^ 
unb   in  fc^onenber  SBeife  ben  Übergang   ju  vermitteln  unb  ju  biefem  ^tü^iz  toirb  e« 
iebenfaH«  nötig  fein,  ba^  er  gunäd^ft  no^  fortföJbrt  reic^lid^er  ju  fi)enben. 

VI.  3)ie  befonbere  Sled^t^lage  ber  ebangelifcpen  Äird^e  giebt  bem  Staate  leinen  3ln«  20 
la^,  ju  rabif alen 3Ka^regeln  gu  greifen;  mit  ibr  fann  er  fel^r  too^l  au^f ommen.  5Ratürlid^, 
toenn  bie  2!rennung  öon  ber  fat^olifd^en  Äird^e  burd^gefül^rt  toirb,  erforbert  bie  ^Parität, 
ba^  ba«  gleid^e  audj^  für  bie  eöangelifd^e  Äird^e  ftattfinbe.  liefen  Vorgang  beobachten 
toir  ja  jur  Rtxi  in  ^anfreid^.  ßbenfo  toürbe  bie  ebangelifd^e  Äird^e  gegebenen  %aü^ 
mitjuleiben  ^abm  unter  jener  gang  berftänbni^tofen  SJerbammung  aUe^  Äirc^lic^en,  bie  26 
in  bem  befannten  ^arteij)rogramm :  „JReliaion  ift  ^pribatfad^e"  jum  SiuöbrudE  fommt. 

3)afür  ertönt  |ier  befto  lauter  ber  SRuf  nac^  3!rennung  au«  ben  Seiten  ber  Äircbe 
felbft.  2)ie  Überzeugung  toäc^ft,  ba^  eö  fo  nic^t  me^r  fortgeben  barf.  3)er  j)roteftantif(9e 
Biaai  l}ai  feiner  3^'*  ^^^  Sbangelium  gerettet.  3)er  3!erritoriali^mug,  ber  i^n  ablöfte, 
h>ar  bieHeic^t  ein  nottoenbige«  Übel.  ÜKel^r  unb  me^r  toirb  man  fic^  aber  jefet  flarao 
barüber,  bafe  feine  Umarmung  bie  Äirc^e  ju  erbrüdfen  bro^t.  Sffier  fic^  bie  f^toeren 
Slufgaben  bergegentoärtigt,  öor  bie  fie  gerabe  jefet  geftettt  ift,  ber  erfc^ricft  bor  berSBe^r* 
lofigfeit,  ju  ber  il^re  älb^ängigleit  t)on  ber  ftaatlic^en  Oberleitung  fie  l^ier  t)erurteilte. 

Sie  mu|  bie  SWaffen  toiebergetoinnen,  bie  ju  il^^rem  eigenen  unb  be«  ganjen  Sollet 
Unheil  innerlich  bon  i^r  abgcfatten  fmb.  SBie  lann  fie  ba«,  toenn  i^re  3lrbeit  biefen  85 
Seuten  gegenüber  tritt,  aU  tüäre  fie  eine  abhängige  Veranftaltung  be«  ©taateig  unb  ba« 
mit  ber  b^c^cnben  Älaffen,  bie  fie  befämj)fen,  immer  öerbädj^tig  frember  RtoedEe?  Sie 
ift  anjefe^en  ate  „une  partie  du  gouvernement",  gerabe  toie  im  18.  ^^l^t^unbert  bie 
Iat^olifd9e  Äirc^e  in  granfreic^,  bie  barüber  bie  3ln^änglic^feit  be«  Volle«  in  fo  furd^t« 
barer  2öeife  berlor.  40 

Sie  fott  Stanb  galten  gegen  ben  bortoärt«  brängenben  Äat^oliciömuö  unb  bie  fiege«- 
trunlene  Slaturtoijfenfc^aft,  öor  attem  aber  ba«  SRiefenmerl  berrid^^ten,  ba^  fie  bie  mobeme 
3;^eologie  innerlich  Verarbeitet.  Sitte  Seben^fräfte  toären  frei  ju  machen,  um  ba«^  gu 
leiften,  auc^  ber  brennenbfte  ßifer,  bie  leibenfc^aftlic^fte  Anteilnahme  ber  ©laubenggenoffen 
toären  nid^t  ju  öiel,  bie  Äird^e  mü^te  fie  toerfen  unb  bertoerten.  SBie  toenig  ftimmt  46 
bagu  ein  Äirc^enregiment,  ba«  feinem  SBefen  nac^  natumottoenbig  ben  oberftcn  ®runb= 
fa^  ^aben  mu^:  bie  Äirc^e  barf  bem  Staate  leine  Sc^toierigfeiten  bereiten?  3)ag 
5Preu|ifc^e  Sanbrec^t  l^at  e«  muftergiltig  gum  äuöbrudf  gebrad^t:  „Sanftmut  unb  Ver« 
träglic^feit  in  Seigre  unb  SBanbel"  toirb  Verlangt ;  „2ltter  mbringlid^en  Sinmifc^ungen  in 
privat-  unb  Familienangelegenheiten  muffen  fie  fic^  enthalten".  „9lu^e  unb  Drbnung,"  eo 
„SRul^e  unb  ^rieben,"  bag  ift'«,  toorauf  e«  bem  Staate  Vor  attem  anfommt. 

Unb  ba«  toirb  beforgt,  aefc^icft  unb  ppic^tgetreu,  toie  unfer  Beamtentum  ja  ift,  getoi^ ; 
auc^  mit  fo  Viel  Siebe  gur  Äird^e,  aU  biefe  jur  Rüt  über^auj)t  m  ertüerfen  im  ftanbe  ift. 
aber  in  ber  Sac^e  liegt  e«,  bafe  ber  „leaale  Pfarrer"  biefem  Slegiment  entfj)ric^t.  3" 
ber  Sac^e  liegt  e«  auc^,  ba|  bei  tiefer  ge^enben  Vetoegungen,  namentlich  JRom  gegenüber,  66 
ba«  eöangelifd^e  Voll  fic^  öon  biefen  feinem  Äird^enregiment  gerabeju  öerlaflen  fe^en 
lann.  Sut^er  öergleic^t  einmal  ba«  Äirdbenregiment  mit  einem  gul^rmann,  an  bem  e« 
liegt,  ba^  5Pferb  unb  2öagen  ge^en.  „SBo  er  laj  unb  fäumig  fein  toitt,  fo  toirb  ber 
anbem  Slemter  gar  leine«  nic^t  frifc^  fein  unb  toirb  guge^en,  al«  toenn  ber  gul^rmann 
auf  bem  Söagen  fc^läft  unb  läfet  ^ferb  unb  SBagen  gelten,  toie  e«  i^m  toon  felbft  gel^t."  eo 

McaI<(htd)no))abie  für  X^eologie  nnb  IHtd^   8. 8.  xyin.  45 


722  <Biaai  unb  Snr^e 

Unfcr  ^ul^rmann  fc^Iäft  n\i)t,  aber  er  ift  fe^r  geeignet,  ba«  ganje  gw^ttocrf  cin^^ufc^Iäfem. 
®a^  fie^t  ungefährlich  au^;  bießeic^t  aber  fle^t  l^inter  folc^em  ©^lafe  ber  Stob. 

9Jlan  i}at  eö  ali  eine  ©rrungenfc^aft  für  bie  grei^eit  ber  Äird^e  bejcic^ncn  toollen, 
Wenn  ber  Sanbe^berr  barauf  berjic^tet,  baö  Äird^^enregiment  Jjerfönlic^  gu  üben,  unb  fii 

6  burc^  3Jlinifler  ober  befonbere  oberfle  SJeamte  vertreten  lä|t.  3)a^  mag  gegenüber  einem 
fat^olifc^en  gürften  ein  9Jotbel^eIf  fein.  Sei  einem  ebangelifc^en  gürften  ift  e^  eine  35er- 
fc^led^terung;  biefer  felbft  brächte  bod^  noc^  e^er  ein  Clement  freien  toarmen  SBoflen^ 
herein,  ©eine  Seamtenfc^aft  bagegen  ift  ba^  Slbftraftum  Biaat  unb  ber  Staat  ift  bol 
frembe  ßlement  in  ber  Äirc^e  mit  eignen,    i^r  fremben  gntereffen.    gntereffen,   bie  toir 

10  berel^ren  unb  bencn  toir  bienen,  benn  e^  fmb  bie  be«  aSaterlanbe^.  Slbet  in  ber  ÄircBc 
barf  nun  einmal  fein  anbere^  3l"^^^ff^  maßgebenb  fein  aU  ba^  beö  $erm  3^"^  ß^riftuö 
unb  biefe^g  [timmt  feincetoeg«  immer  bamit  überein,  tote  jetoeil^  bad  ©taat^intereffe  an 
maftgebenber  Stelle  Oerftanben  toirb.  — 

2ßir   begreifen  bie   ergebene  ©efinnung,   bie  barauf  toarten  toiH,    bafe  ®ott  eine 

15  mächtige  Setoegung  in  imfere  eoangelifc^e  G^riftenl^eit  fd^icft,  toeld^e  bie  überlebte  %om 
jerbräd^e.  äJieÖeic^t  ioäre  e«  aber  bod^  $flic^t  unb  ©c^ulbigfeit  baran  jlu  arbeiten,  bafe 
bie  Bad^e  toei^lic^  unb  frieblic^  in  anbere  Salinen  geleitet  toerbe.  SQSenn  in  biejcr 
§inftd[^t  bi^^er  eini  rechte  (Sntfc^loffen^eit  unb  ein  einl^eitlic^e^  ©treben  nic^t  gu  ftanbc 
fommen  tooBte,  fo  liegt  ba^  an  gar  oerfc^iebenen  ©rünben,  bie  nid^t  alle  gleic^loertig  finb. 

20  ©^  giebt  e^rli^e  Slomantifer,  bie  ftc^  je^t  noc^  bamit  getröften,  bafe  ber  beutfc^e  3:erri= 
torialftaat  nac^  ber  urf^jrünglic^en  ^bee  ben  „2eib  G^rifti"  einl^eitlid^  ^abc  barfteden  follen. 
älud^  ein  äft^etifd^^ted^nifc^eö  aSo^lgefaHen  an  bem  intelligenten  Slufbau  ber  mobenten 
^irc^enbel^örbenorbnung  mac^t  ftcb  bagtoifc^en  geltenb.  ©c^toerer  toiegen  getoiffe  ))raftijd»e 
SHüdtfic^ten,  bie  genau  genommen  mit  bemSBol^l  berÄird^e  aud^  nid^tt)iel  ju  t^un  baben. 

26  (gg  giebt  noc^  immer  2eute,  benen  baö  lanbe^^^errlic^e  Äird^enregiment  im  lüefentlic^en 
nac^  baöfelbe  ift  mie  bcm  alten  Surgolbenfi^  (^l^iK>>|>  äinbreag  Dlbenburger) :  „ber  f(^cnc 
Äarfunfel,  ber  bem  fürftlic^en  Äaftor  erft  l^ealic^en  ©lan^  giebt",  unb  bie  au^  an  fi4 
ac^ten^ioerten  ®efül?len  biefen  Äaflor  fold^en  ©lan^e^  nid^t  berauben  tootten.  3lnbererfeit» 
fommt  baö  fird^enpolitifd^e  ^arteiintereffe  inSetrac^t:  toenn  bie  einen  öon  einem  ©e(bp= 

30  ftänbigioerbcn  ber  Äirc^e  i^re  33or^errfc^aft  erhoffen,  fo  toollen  bie  anberen  gerabe  au^ 
gurc^t  bat>or  ba^  Sefte^enbe  ftü^en.  S3eibe  fönnen  fic^  Oerrcc^nen.  Sebenfott^  ift  boe 
alle^  m  Hein  für  bie  2)inge,  um  bie  e^  ftc^  ^ier  l^anbelt. 

3)aö  einzige,  toaö  emft^after  ßrtoägung  toert  ift,  baö  ift  biej^tagc  be^^  gortbeftanbe« 
ber  Sanbe^Iird^e.    2öol;l  Oerftanben :  eg  t^anbelt  ftc^  l^ier  nic^t  um  eine  SSorliebe  für  bie 

36  einrid;tung,  ba^  bie  eoangelifd^e  Kird^e  innerl^alb  ber  2anbe^gren|\en  eineiS  jeben  beutfien 
®liebftaate0  ein  rec^tlic^  abgefc^l offene^  ©anje  bilbet ;  foubern  baö  ift  e^,  bafe  bie  Sanbe*: 
firc^e  ebm  ben  befonbcren  3"fammen^ang  mit  bem  Staate  bebeutet  unb  bafe,  ol^nc  einen 
fold()en  3"fö"i^"^n^öng,  bie  eOangelifc^e  Äirc^e  afö  3SolI^firc^e  unmöglich  tDerben  foU. 
©ie  lann,  fo  meint  man,  nic^t  auf  fic^  felbft  fte^en  toie  bie  fat^olifc^c  Äirc^e,   bie  burcb 

40  eignen  feften  9ied;t^}ufammen^alt  iJolfefirc^c  bleibt,  auc^  toenn  ber  ©taat  fie  ate  blofecn 
äkrein  anfe^en  toiü.  isom  ©taat  oerlaffen,  ioirb  fie  in  ber  %i}at  n\d)t^  anbere^  fein, 
al^  ein  SReligion^oercin  ober  oiclmel^r:  fie  ioirb  ganj  Oon  felbft  verfallen  in  eine  bunte 
3)Jannigfaltig!eit  oon  Skligion^Oereinen.  9Jorbamerifa  unb  neuerbingö  auc^  bie  ber  refor- 
mierten i^irc^e  ^ranfreic^ö  bro^enben  ©paltungen  liefern  angeblich  bie  33elege. 

46  9Jun  ift  fein  3^^'if^'^/  ^^6  cOangelifc^e^  (S^riftentum  auc^  auf  ®runb  einfad^er  l>cr= 
ein^bilbung  fic^  rei4>  unb  fegensOoU  ^u  entfalten  Oermag.  SQäenn  mir  für  unfcre  beutfc^c 
Slrt  ber  i^olf^firc^e  ben  33orjug  geben,  fo  fönnen  ioir  gute  ©rünbe  anführen. 

Ser  Skligioneoerein   fc^eint  fic^  ju  ennjfeblen  bur^  bie  ftarfe  Setonung   ber  inbi-- 
OibucUen  greil^eit:    e^  beruht  auf  einem  befonberen  SBiUen^entfc^lufe  bc^  3"^^^^^wum^, 

50  bafe  c^  ba^u  gcl^ört,  unb  bie  ©efamt^eit  ber  3Jerein^genoffen  ift  formcH  freie  ^errin  ,^u 
beftimmen,  toa^  3>crein^glaube  unb  35erein^gotte^bienft  fein  unb  bleiben  foU.  ^Ij^ätfäc^lic^ 
toerben  freiließ  in  bciben  Slic^tungen  bie  gamlientrabition  beig  ©n^elnen  unb  bie  gefc^icbt-- 
lic^  geworbenen  ©ebanfen  unb  (linric^tungen  ber  ©efamtl^eit  ftarfe  ©ebunben^eiten  mit 
fid;  bringen.    ®ie  ^reil^eit  ift  ^um  guten  Seile  eingebilbet. 

65  33ci  ber  3?olf^firc^e  bagegen  liegen  biefe  ©ebunben^eiten  in  i^rem  SBefen  unb  er- 
ioeifen  fic^  al!o  unmittelbar  toirfenbc  red^tlic^e  Sbttoenbigfeiten.  ©ic  l^at  i^r  2>olf,  toie 
ber  Btaai,  ba^  i^r  ^ugel^ört  unb  fic^  oon  felbft  erneuert  burc^  ba^  33anb  ber  natürlichen 
2lbftammung,  nur  locnig  Oerfc^oben  an  ben  ©renken  burc^  freitoillige  Slu^trittc  unb  6in= 
tritte:  man  ioirb  hineingeboren.    Unb  toie  ber  Staat  ift  fie  für  il^re  2tnge^örigen  ettoa^ 

ßo  §ö^ere^,  Sclbftoerftänblic^eö :   man  fann  an  feiner  2lu^brudE0toeife  formen   unb   beffem, 


aber  im  fficfen  mufe  e^  ba^  nämliche  fein  unb  bleiben,  ^cber  ©ebanlc  an  freie  STuf^ 
(öfung  unb  freie  9JeubiIbung  nac^  augenblidlic^em  Selieben  ber  (Sin^elnen  ift  burdj^  bie 
3bee  ber  ©inric^tung  felbft  au^gefd^Ioffen,  ganj  toie  beim  Staate. 

2öenn  bie  Kirche  über^aut)t  eine  SRec^teform  l^aben  mu^,  fo  ift  ba«  Se^tere  Wo% 
toa^  il^rem  SBefen  beffer  entfjjrid^t.  3)em  religiös  geftimmten  ©cmüt  mag  e^  anjie^enber  6 
fein,  einem  engeren  Äreife  anzugehören,  beffen  c«  ftc^er  ift.  ®ar  mand^er  öon  un«  ^at 
eine  ©ntmictelung^ftufe  gehabt,  too  i^m  bie  größere  SBärme  ber  ©cften  ßinbrutf  machte. 
Slber  ber  2)ienft  be^  §crm  mirb  fd^liefelic^  boc^  beffer  öerfel^en  in  ber  großen  ©emeins 
fd^aft,  in  tüelc^er  ber  gute  Same  be«  (göangelium^  au^gefät  n)irb  auf  ein  möglic^ft  toeiteg 
gelb  mit  bem  S?ertrauen  Sutl^er^,  bafe  er  nic^t  o^^nc  g^uc^t  bleiben  fönne.  lo 

©0  ift  bie  Sanbeefirc^e  allerbing^  ein  tpertboBe«  ®ut  unb  eine  9?euorbnung  ber 
3)inge,  meiere  ju  il^rer  S^^fftörung  führte,  n)ürben  tpir  bermeibcn,  fo  lange  e^  o^ne 
größeren  Schaben  gefd^e^en  fann.    Senn  einen  größeren  giebt  e^  natürlich  gleic^mol^l. 

Slber  fte^t  eö  benn  n)irflic^  fo,  baß  bie  Sefeitigung   ber  je^igen  3lb^ängigfeit  öom 
Staate  nur  erfauft  h)erben  fönnte  um  ben  5Prei^  eineö  ÜBer^ic^te«  auf  biefe^  ®utV  3)a«  15 
ift  unfere^  ©rächten«  feine^tüeg«  ber  %aü,    ^JJielme^r  berufen  fold^e  Sefikrc^tungen  auf 
einem  3wfö"^ni^"h^^^n  berfc^iebencr  $inge  unb  auf  einer  untoiHfürlic^en  gälfc^ung  ber 
grageftellung. 

SBenn  ber  alte  Serritoriali^mu«  aufhört,  fo  ift  bamit  feineeroeg«  gefagt,  baß  nun« 
mel^r  bie  5lirc^e  außer  allen  befonberen  3"ffl"^»"cn^&ö"0   "^i^  ^^"^  <StaaU  unb   in  bie  20 
Stellung  eine«  gctoö^nlid^cn  Sereineö  treten  foH.    SJom  lanbeö^enlic^en  Äirc^cnregiment 
biö  jum   franjöfifc^en  Softem  ber  fc^roffen  3:rennung  ift  ein   toeiter  2Beg;   mancherlei 
3toifc^enftufen  [xn\)  ba  noc^  möglich  unb  eine  biefer  3^ifc^enftufen  ^eißt  gerabe:  Selbfts 
berioaltung  ber  ßirc^e.    6^  ^anbelt  fic^  nur  barum,  i^r  enblidj^  ju  geben,  toa«  man  i^r 
aU  collegium,  aU  öffentlid^er  Äörjjerfc^aft  fc^on  längft  ^ugefjjrocjSien  unb  i^r  nur  burc^  25 
allerlei    ^^ftionen   immer  toieber  Vorenthalten  l^at.     ^^re  ^ei^cit   muß  bie   natürliche 
©runblage  beö  2}erl)ältniffe^  fein;   ber  Btaat  mag   [läj  bann  äluffic^t^rec^te  borbcl^alten 
toie  gegenüber  anberer  Selbftbertoaltung  auc^;   ba^  genügt.    3ft  ettoa  bie  poliiifc^e  ©e^ 
meinbe  außer  3wf«"^n^^"^ö"0   ^^^  bem  Staat  unb   ein  bloßer  äJerein,  toeil   ber  Äönig 
nid^t  i^r  gebomer  Sürgermeifter  ift  unb  i^re  ©efc^äfte  nic^t  in   feinem  5lamen  beforgt  80 
toerben?    2Benn  aber  bie  J)olitifc^e  ©emeinbe  mit  aU   i^rer  ^rei^eit  ein  öffentlic^ei8  ©e^ 
meinmefen  geblieben  ift  mit  i^rem  ©emeinbebolf  unb   i^rer  ÖemeinbegeU)alt  unb   i^rem 
©emeinbegebiet  —  toarum  foU  ba^  bei  ber  Äird^e  nic^t  auc^  mö^lid^  fein? 

Sag  gan|\  er^eblic^  beiträgt,  bie  flare  ©rfaffung  be^  Probleme«  ju  erfd^toeren,  ba« 
fmb  leiber  lieber  einmal  juriftifc^e  gormein  unb  2:^eorien,  bie  man  |ier  Ijlincingetragen  35 
^at  unb  bie  au^  bie  S^eologen   fc^on  fic^  anzueignen  fc^einen.     (S«  toirb  gelehrt,    bie 
Äirc^e  lönne  nur  fein  entU)eber  eine  Slnftalt  ober  eine  ©enofjenfc^aft.    3lnftalt  tocrbe  fie 
burc|  ba«  lanbee^errlic^e  Äirc^enregiment  unb   ^ier  al«bann  jufammcnge^alten  burc^  ben 
„tranfcenbenten"  SBiHen,   ber  in  i^r  ^errfc^t.    SoU  fie  frei  toerben  babon,   fo  fann   fie 
nur  ©enoffenfc^aft  fein,  einfacher  5>erein,  ©efeUfc^aft  unb  ber  „immanente"  aBitte  ber  einzelnen  40 
ift  bann  maßgebenb  für  fie.    2)iefe  Se^re  l)ai   ja  anbertoärt«  i^re  SBerbienfte.    Äier  aber 
fte^t  c«  boc^  nur  fo,  baß  man  ^bm  mit  bem  3Ramen  „Äirc^e"  nic^t  bloß  bie  bcftimmte 
(Sl^riftengemeinfc^aft   bezeichnet,   fonbem   auc^  bie   Einrichtungen,   bie   für   fie   unb   i^rc 
gtoecfe  getroffen  ftnb,  bie  für  fie  beftel^enbe  2tnftalt.   SDiefe  le^tere  fann  ber  Staat  unter 
feine  Oberleitung  nehmen ;    aber  baburc^  toirb   boc^   nid^t  bie  ß^riftengemeinfc^aft  felbft  46 
ZU  einer  älnftalt.    Unb  anbererfeit«  toirb  fie,   gelöft  au«  oiefem   attzu  engen  3ufammen= 
^ange  mit  bem  Staate,  nid^t  notmenbig  ein  3?erein.    S«    fommt   eben  barauf  an,    toie 
bie  3uge^örigfeit  ber  einzelnen  bei  i^r  rec^tlic^  beftimmt  toirb.    3)a«  fann  berein^mäßig 
gefc^e^en;  ba«  motten  toir  nid^t.    ®«  fann   aber  auc^   bolt«mäßig   gefc^e^en,   toie  beim 
BiaaU  felbft,  bei  ber  ))olitifd^en  ©emeinbe   unb   bei  ber  fat^olifc^en  Äirc^e.    SBcnn  ba«  50 
gut  unb  red^t  ift,  fo  fann  e«  un«  gleic^giltig  fein,   ob   e«   in   ein   beliebte«   juriftifc^e« 
Schema  )i>ait  ober  nic^t.    6«  j^at  ja  au^fieute  gegeben,  ioelc^e  ba«  je^ige  bcutfc^e  SHeid^ 
au«  juriftif^en  ©rünben  für  eine  Unmöglid^feit  ertlärten. 

9Jun  ift  e«  ja  toal^r,  baß  tl^atfä^lic^  ber  Biaat  folc^e  t)olf«mäßige  ^Jlenfd^ens 
gemeinfd^aften  nur  orbnet,  too  er  fie  zuQl^ici^  einfügen  toitt  in  feine  eigene  Drbnung  al«  66 
^Mitarbeiter  für  öffentliche  Angelegenheiten  nad^  ben  Siegeln  ber  Selbftbertoaltung.  a)iefe 
SBorau«fe^ung  foH  aber  \a  gerabe  auc^  in  3"fw"f^  ^^  ^^^  ebangelifc^en  Äirc^e  erfüllt 
bleiben;  bazu  bebarf  e«  nid^t  be«  lanbe«^errlic^en  Äird^enregiment«.  2lber  felbft  menn 
ba«  nxd^t  ber  gatt  toäre,  —  toir  muffen  je^t  einen  Schritt  tociter  gelten  —  fo  beruj^t 
c«  bod^  n)ieberum  nur  auf  einem  ganz  unbegrünbeten  SSorurteil,  tocnn  aud)  einem  toeit^  eo 

40* 


724  $ioat  nnb  dtri^e 

Verbreiteten,  ju  glauben,  bie  bom  ©taate  Döttig  getrennte  Äirc^e  muffe  nottoenbig  bic 
©eftalt  eincö  ÜBercinc^,  einer  ©efellfc^aft  nad)  ben  getoö^nlid^en  Siegeln  be^  bürgerlich 
Siedete«  annehmen,  be^^alb  toeil  ber  Biaai  nunmehr  nur  nod^  biefe  gorm  für  fie  bereit 
ftettt.     So  tpäre  e«,  toenn  bie  nai)  äuffaugung  alle«  öffentlichen   Scben«  ftrebenb« 

6  ©taat^ibee  ftc^  o^ne  9teft  bertoirllic^en  lie^e.  2:i^atfä(^licl^  giebt  e«  ober  immer  noA 
?Dlenf(^engemeinf(^aften,  bie  ü^ren  3wfammen^alt  unb  il^re  georbnete  ©eftalt  ftc^  f^Kiffen 
o^ne  ben  Btaai  unb  nötigenfall«  i^m  jum  %xo^.  33eif))iele  folc^er  (Seftaltungehoft 
mögen  in  me^r  öorüberge^enber  SBeife  Jjolitifc^e  ^Parteien  bieten,  bann  tocnigften«,  toenn 
i^nen  eine  bie  ßinjelnen  ;itpinaenbe  SBeltanfc^auung,  alfo  eine  9lrt  religiöfcn  eiementc« 

10  ju  ©runbc  liegt,  ^n  boÖer  SJeutlid^feit  bagegen  pnbet  fwi^  biefe  ©rfd^^einung  bei  ben 
eigentlichen  3leligion«gemeinfc^aften.     ^ier  toerben  ^uge^örigfeiten  unb  einjelletftungcn 

f\(!!to&fyct,  bie  ein  religiöfe«  Sebürfni«  befriebigen.  3)iefe  ©etpäl^rungen  ju  orbnen  unb  m 
id^^em,  bafür  ift  bie  Sleligionögemeinfd^aft  ba  unb  bie  SWenfc^en,  für  toclc^e  fie  ba  ift, 
bestimmen  fic^  i^r,  je  na^  i^er  gefc^idS^tlic^en  entftel^ung  unb  enttoicfelung,  bur^  frei= 

16  tpiUigen  35eitritt  ate  3Sereinömitglieber,  ober  fie  übernimmt  fie  bon  felbft  ate  natürlichen 
3utpac^«  be«  il^r  fc^on  zugehörigen  Solle«.  ®aju  bebarf  fie  bc«  Staate«  nic^t  gie 
bebarf  feiner  and)  nid^t,  um  biefe«  38olf  beifammen  unb  in  Drbnung  ju  l^altcn.  Slu«  bem 
religiöfen  SJebürfni«,  beffen  Sefriebigung  fie  geh>ä^ren,  folglich  aud?  toerfagen  lann,  jie^ 
fie  eine  eigene  ^ila^t  über  bie  Oemüter,  au«rei^enb,  um  eine  3lec^t«gett>alt   barauf  ju 

20  grünben,  bie  ebenfo  urfj)rünglic^er  3lrt  ift  tpie  bie  be«  Staate«  felbft. 

Seim  3leligion«t)ereine  mag  fid^  ba«  fc^einbar  bedfen  mit  ber  getpö^nlic^en  Serein«^ 
getoalt;  bei  ber  SSolföfird^c  ertoäd^ft  au«  eigner  SBurjel  bie  Äirdpengetoalt.  SD3o  jenc^ 
Sebürfni«  fel^r  ftarl  ift  unb  ba«  3Ka^  freier  Serfügung  über  ba«  ju  ©etoä^renbe,  tpelc^ 
ber  anerfannten  Sorftanbfc^aft  julommt,  fe^r  toeit,  lann  fic^  biefe  Äirc^engetoalt  gu  einer 

26  großartigen  §enfc^aft«orbnung  entfalten. 

3)aß  ba«  bei  ber  fatl^olifc^en  Äirc^e  gutrifft,  tpirb  niemanb  toerlennen.  2)a«  neue 
franjöfif^e  3:rennung«gefe^  giebt  toieber  einen  fc^lagenben  Seleg.  $ier  toitt  ber  Staat 
au«brü(flic^  mit  ber  Äirc^e  in  il^rer  ^ierarc^ifc^en  Drbnung  nic^t«  mel^r  gu  t^un  ^aben; 
er  fe^t  an  i^re  Stelle  örtliche  Sereine  be«  bürgerlichen  3lec^te«,  gebilbet   für   bie  äuf= 

ao  bringung  ber  3Kittel  für  bie  Äoften  be«  Äultu«.  §inter  biefen  Äultu«t)eretncn  beftefct 
felbftberftänblic^  bie  lat^olifc^e  StxxAc  fort,  al«  bie  SolI«firc^e,  bie  fie  öon  je^er  ifi 

aWan  barf  bie  lat^olifc^e  Äird^e  nic^t  baburc^  aufier  Sergleid^  fe^en  h>otten,  bafe 
man  i^r  na^rü^mt:  mit  i^r  fei  e«  ütoa^  anbere«,  fie  fei  ftaatli^  orgamfiert.  3l\d)t  tpcil 
fie  ftaat«artig  organifiert  ift,  l^at  fie  Solf  unb  Äird^engetoalt,  fonbem  toeil  biefe  Drbnungen 

36  bei  il^r  fo  fräftig  enttoidtelt  finb,  l}ai  fie  ethja«  Staat«artige«. 

3Kan  foUte  fic^  auc^  nic^t  blenben  laffen  burc^  biefe  mac^töoUe  ßrfc^einung,  fo  ba^ 
man  gar  leine  Äirc^engetoalt  me^r  fe^en  toill,  toenn  fie  nid^t  ebenfo  glänjenb  auftritt. 
§ier  giebt  e«  ©rabunterfc^iebe.  3)ie  §au))tfac^e  ift,  baß  auc^  im  ?ßroteftanti«mu§ 
religiöfe  Sebürfniffe  beftel^en,   beren  Sefricbigung  nur  bie  ©emeinfc^aft   getüä^ren  unb 

40  unter  Umftänbcn  auc^  nic^t  gctoä^ren  fann.  3)emgemäß  muffen  auc^  ^ier  9Solf«fir(^ 
unb  Äirc^engeU)alt  fic^  bilben  lönnen,  fclbftftänbig,  o^ne  ben  Staat.  3)ie  X^atfad^en  ber 
©efc^id^te  betocifen  ba«  unb  U)ürben  e«  noc^  me^r  betoeifen,  toenn  ber  befreunbete 
Biaai  bie  Äirc^e  nic^t  fo  feiten  l^ätte  ^u  SBort  fommen  laffen.  3)a«  t>ielbenifene  norb- 
amerifanifc^e  Sorbilb  ]px\d)i  n\d)i  bagegen.    Sei  genauerer  ^Prüfung   toirb  fic^   ergeben, 

46  bafe  bie  großen  ebangelifd^en  „Denominationen" :  Sifc^öflic^e,  5pre«b^terianer,  SWetl^obiften, 
Sut^eraner  u.  f.  h).  feine  Sereine  fmb,  fonbem  rid^tige  Solf«Iird[^en.  Sereine  bilben 
immer  nur  bie  o^jfertoiUigen  ?Dlitglieber,  U)elc^e  fic^  örtlich  jufamment^un,  um  bie  Äoften 
be«  ®otte«bienfte«  gu  fiesem.  2)iefe  beftcllen  bann  trustees  für  biefen  3^^*  *>^^  ^' 
toerben   bic  Steckte   einer  Corporation,    einer   cibilrec^tlid^en   juriftifc^en  $erfon.     Über 

50  ibnen  aber  ftel;t  bie  Denomination,  bie  church,  gu  U)elc^er  aud^  anbere  al«  bic  ^it-- 
glieber  folcber  Sereine  gel^ören;  fie  ift  ein  spiritual  body,  aber  al«  fold^c«  formally 
organized,  mit  feiner  eignen  Serfaffung  öerfe^en,  unb  recognized  by  the  law,  in«^ 
befonbere  erfenncn  bie  ftaatlic^en  ©eric^te  an,  loa«  fid^  l^ierau«  an  9lec^t«bcftimmungen 
für  bie  TOitglieber  ergiebt.    Sei  ber  fat^olifc^en  Äirc^e  ift  bie  Sac^e  nic^t  anbcr«.    Daß 

66  ber  Übertritt  bon  einer  Denomination  gur  anbern  fic^  mit  großer  Seid^tigleit  boDgiebt, 
^ängt  gufammcn  mit  ber  SJbee  einer  geiftlic^cn  ßin^eit  ber  ebangelifc^cn  G^riften^eit, 
ben)eift  aber  felbftDerftänbli^  gar  nic^t«  für  bie  Serein«natur  ber  Denominationen. 

3n  biefcm  2lugcnblidt  feben  U)ir  in  granfrcid^  bie  beiben  el>angelif(^en  Äird^en, 
aug«burgifd^e  unb  reformierte  Mird^e,  bon  bem  2;rennung«gefe^e  getroffen,  toic  bic  taiho^ 

60  lifd^c.  3luc^  bon  i^nen  i)at  fic^  ber  Staat  gurüdfgegogen,  um  nur  noc^  Äultu«bercine  an 


726  ^iaai  uttb  Striae 

Ijalt  bcr  Äird;c  afö  ®ön,^cö.  9J?an  mag  i^in  nad^  allem  3SorbiIb  ein  Siedet  bc^  au|cr^ 
orbenllidien  ßinfc^reitcnö  öotbe^alten  im  ^lotfaHe,  „toenn  bie  Rottegia  in  9?erfaD  ge= 
raten";  üieHcic^t  genügt  aber  l^ier  ber  immer  offene  2Beg  ber  ©efc^gebung.  äui  an 
ein  ßingreifen  ber  Slegierung   jum  Bd^u^  ber  SJUnber^eiten  l^at  man  fc^^on  gebacbt,  an 

6  ©treitentfc^eibung  im  ^alle  be^  Slu^fc^Iujfe^,  and)  tüo  eine  bürgerliche  Slec^tßftreitigfcit 
nic^t  vorläge.  Q^  braucht  faum  l^ert)orgei;oben  j\u  tperben,  ba^  berartige  2)tnge  nur  mit 
größter  SSorfic^t  georbnet  h)erben  bürften,  um  ni^t  bie  ^^ei^eit  ber  Äir^e  h>ieber  ju  i)«- 
nickten  unb  ben  Btaat  mit  einer  l)'6d)\i  unbanfbaren  9loIIe  iu  belaften. 

3SicI  bebcutfamer  ift  bie  Sintptrlung,  toelc^e  er  in  biejem  Sinne  gu    üben  öermog 

10  mittelbar,  bei  ber  Seforgung  feiner  eignen  Slnftalten :  Schule,  ^eer  u.  f.  h).  So  lange 
er  bie  pflege  bcr  5Heligion  babci  in  ätnf^jruc^  nimmt,  brau^^t  er  ja  eine  groge  J^roteftan^ 
tijc^e  Äirc^e,  bie  i^m  bie  2e^rcn  unb  bie  Se^rer  unb  bie  ©ebräuc^e  fteUt,  gerabefo  tpic 
bon  bcr  anberen  Seite  bie  fat^olifc^e  Äirc^e.  SBie  er  nun  aber  einmal  ift,  f ommt  e^  ibm 
auc^  in  religiöfen  3)ingen  Dor  allem  barauf  an,  feine  fieutc  glatt  unb  einfa^  nac^  grofecn 

16  SRubrifen  be|anbeln  ju  fönnen.  6r  U)irb  be^^alb  fe^r  geneigt  fein,  btefe  Äirci^c  in  ihrer 
aiuffaffung  p  unlcrftü^en,  ba^  fie  nad^  toie  bor  Sanbeöfirc^e,  3Solföfirci&e  fei,  bafe  bcm: 
nac^  ^ier  felbftberftänblic^e  ^uß^Wrigfeiten  ber  einzelnen  9J?cnfc^en  beftel^cn,  bie  fub  t>cT= 
erben  toie  bie  Staateangel^örigfcit.  2)ie  Äirc^e  fann  ftd^  barauf  berlaffen,  bafe  er  fw 
l^ierin  nic^t  im  Stiche  läfet ;  im  ©egenteil,  fie  toirb  fid^  nur  gu  ioc^ren  ^aben,  bafe  er  in 

20  feinem  3"^cilungebrang  ni^t  j;u  toeit  gc^t,  toie  ba^  ^ur  ^^it  bc^üglic^  ber  fog.  3)ift> 
bentenfinber  ftcUcntocife  ber  %aü  ift. 

3Son  ganj  befonberer  3Bic^tigfeit  toirb  bie  Äirc^enftcuer  fein.  SBir  nel^mcn  ja  an, 
bafe  ber  Staat,  ^ur  ©rleic^lcrung  bcig  Übergang^,  ^unäc^ft  noc^  fortfäl^rt  gröfeere  ^n- 
fc^üffe  IM  gctoä^ren ;  bie  Äir^enfteuer  ftebt  toie  bi^l^er  baneben ;  i^r  gel^ört  bie  3"^"tt. 

25  2(uc^  babei  toirb  ber  Staat  immer  bie  ^bee  be^  Äirc^enbolfcs;  mit  i^ren  felbftberftdnb- 
lic^cn  3w9^^örigfeiten  fräftig  ^ur  (Seltung  bringen,  unb  toäre  c^  au^  nur  jur  Saeim 
fad;ung  feinet  ©efc^äfte^  bcr  ftirc^enfteuererbebung.  Slufeerbem,  ba  er  bie  fiirc^enftcucr 
nur  ben  großen  Sanbe^fird^en  betoiHigt,  fc^afft  er  bamit  ein  red[)t  nüd^teme^,  aber  bo# 
toirffame^   (Slement  bc^  3"f^"^"^^"^ö^^^-     2öer   religiöfe  S3ebürfniffe   l^at,    toclc^c  bie 

ao  Sanbeefird^c  nic^t  bcfriebigt,  mag  fid^  mit  anberen  gu  befonberen  gotte^bienfllicben  2^fr- 
anftaltungen  jiufammentbun,  mit  ober  o^ne  förmlichen  9lu«tritt.  I)a^  ftcl^t  aber  allc^ 
nur  auf  bcm  fc^Uantenbcn  Soben  bcr  3?ercinöbeiträge.  Die  Sanbe^firc^en  mit  i^rer  ge= 
fieberten  ginan^grunblagc  bilbcn  bie  feften  3Hittelj)unfte  unb  üben  orbentlic^ertocife  eim 
gcnügcnbe  Slnjicl^ung^fraft,  bamit  folcf^c  Slbfplitterungcn  nic^t  aüju  umfangrcid^f  unb  nidit 

35  auf  bie  Dauer  fid^  öoÜ^icbcn.  — 

So  bürfen  toir  bcnn  getroft  bc^au))tcn:  fotoeit  ba^  Don  red^tlic^en  Crbnungen  ab- 
l^ängt,  toirb  bie  bcutjd^e  ct)angclifd)c  G^riftcnbeit  auc^  nac^  Sefeitigung  be^  überlebten 
lanbee^cnlicbcn  5!irc^enregimcntö  fc^r  tool^l  im  ftanbe  fein,  in  ber  ©eftalt  üon  l^anbcs^ 
firc^cn  unb  SJolIetirc^cn  jufammcngcl;altcn  ju  toerben  unb  fortjubeftcben. 

40  Die  bcrfaffungömä^ige  Drbnung  biejcr  Rirc^en  toirb  allcrbing^  auf  biefcSBeife  nacb 
toie  bor  in  bie  ©rcnjcn  bcö  ©cbietc^  ber  ßinjelftaaten  gebannt  fein.  Damit  Verträgt 
fic^  fo  gut  toie  jc^t,  ba^  fie  fid^  für  gcmcinfame  3lngelcgen^citen  jufammenfdbliefecn. 
3)tan  mufe  fic^  aber  flar  toerben,  bafe  fold^er  3ufammcnfc^lu6  eine  ganj  anbete  Scbcumng 
^abcn  toirb  alö  jc^t.  Denn  bae  finb  bann  feine  S^erfammlungen  üon  Delegierten  ber  Sanbi^^- 

45  rcgicrungcn  me^r.  6in  Sunb  autonomer  Äirc^en  ift  in  %xaQQ,  9lic^t  alle  SHcgierungcn 
toerben  bicfeö  ^inau^grcifcn  ibvcr  „öffcntlicf)cn  Äör^jcrfd^aft"  über  bie  Sanbe^grenjcn  je- 
fort  mit  bcm  nötigen  freien  ölidt  bctracfjtcn.  ^ür  bie  coangcIi|dBe  Äirc^e  ift  bie  Sacbe 
aber  gcrabc  bcel^alb  fo  toid)tig,  tocil  fie  bamit  ertocift,  bafe  and)  fie  noc^  mehr  ift  aU 
ein  Selbflocrtoaltungeför^cr.    äüaö  bcr  fatbolifc^cn  Äirt^e  redf^t  ift,  mufe  il^ir   billig  fein; 

50  bamit  toirb  |;ulc^t  aud^  ber  Staat  fid;  tool)l  aufrieben  geben.  6^  ift  erlaubt,  gar  mancbc 
3ufunft0l?offnung  an  folcl?  einen  Sunb  ^u  fnüjjfcn.  Sollte  einmal  toirflic^  bie  Trennung 
Uon  Staat  unb  Äird^c  fid^  bol(jicl;cn,  fo  toirb  bicfe  bielleic^t  in  ber  größeren  ©emeinfcbaft, 
bie  eben  baburcl)  noc^  inniger  toerben  fann,  einen  ßrfa^  finben  für  bie  Stü|c,  bie  fic 
am  Staate  ücriicrt,  um  nad)  toie  i)or  il;re  3ktur  al<§  Solf^fird^e  ju  be^au))ten.  — 

55  Die  SKcgc  finb  gc^cic^nct  unb  finb  gangbar;  äufeere  ^inberniffe  befte^en  nic^t  ober 
laffcn  fid;  übertoinbcn.  Damit  ift  felbftbcrftänblid;  nicbt  aUe^  getl;an.  Die  ^auptfacbc 
toirb  fein,  bafe  bie  eoangclifd;e  Äird)c  fid;  fäbig  unb  fräftig  ertoeife,  biefe  älßege  ^u  geben. 
aWcr  in  biefcr  .V)infic^t  Öcbcnfcn  I^cgt  unb  bcebalb  bie  33eibel^altung  beiS  lanbeebenliien 
ilirc^cnrcgimeutig  toenigftcns  l>orläufig   unb  al^  9totbe^clf  befürtoorten  möchte,   ber  fcÜtc 

60  fid;  flar  mad;en,  ba^  gcrabc  ba^  lanbcel^errlid;c  itirc^cnrcgimcnt  t^  ift,  baö  biefe  3todfc(€^ 


Siaai  ttttb  Striae  @iabtatt(agett  bei  bett  ^ebraeni  727 

grünbe  öcranlafet  f)at   ßinric^tungm  crjie^cn  ein  3SoIf,  bie  ^a^t^unbcrtc  lanbc^^cnlic^cn 
Äirc^enrcgiment^  i)ahm  ba«  ebariöclifc^c  33olf  fd^lcc^t  erjogcn,  ba^  ifl  fic^cr;  eben  bc^^alb 

ift  e«  3^^^'  ^"^  ^^^  aufhöre. 

Sie  ^aben  bor  allem  ber  Äird^e  jeglic^e^  gefunbe  ©clbftbertraucn   genommen.    ©^ 
befielet  ja  bielfad^  eine  tpal^re  ängft  öor  ber  grei^eit,  aU  ob  bie  eüangelifc^e  6J[^riften^cit  6 
nur  barauf  toartele,  ba^  bie  bänbigenbe  %a\x\t  jic^  gurüdf^ie^t,  um  [xd)  grimmig  ju  jer« 
fleifd;en  unb  bann  in  Keinen  ^artifeln  ju  ^erftieben. 

©ie  l^aben  ben  ©liebern  ber  Äirc^e  ba«  SSeranttoortlic^Ieitögefül^l  abge[tum))ft.    ©o 
mancher  fedfe  äft  bon  l}nbm  unb  brüben,  ber  un^  je^t  erfd^redt,  iüäre  bieBeic^t  untere 
blieben  o^ne  ben  ftitten  (Spanien :  bie  SRegierung  tperbe  bie  ©ac^e  ja  bod^  jufammens  lo 
Italien. 

©ie  l^aben  bie  3^^^  «i^t  auffommen  laffen,  ba^  neben  bem  Sanbe^^erm  unb  feinen 
i^uUn  a\x(i)  jeber  einzelne  ^Pflid^ten  ju  erfütten  ^aben  fönne,  ©etoiffen^^jflidj^ten,  ^ur  6rs 
Haltung  be«  äufeeren  Seflanbe«  ber  Äirc^e.  6^  Ij^iefe  ^ier  toie  nac^  3Konle«quieu  im 
monar^ifc^en  &taak  bon  ber  vertu,  ber  Sürgertugenb:   „l'^tat  vous  en  dispense".  15 

3)a^  folc^e  ^flic^ten  betoufit  unb  h)irffam  toerben,  barauf  berul^t  gerabe  ba«  $eil 
unb  bie  3"^"f^  ^^  Äirc^e.  ©old^e«  lann  aber  nur  gefc^e^en  in  ber  ^eilfamen  Q\xd)t 
ber  grei^eit.    ©eg^alb  ift  bie  erfle  ^Pflic^t,  biefe  ju  erftreben. 

Seichter  tüirb  bie  Bai^z  bann  nid^t  fein;   im  ©egenteil,  fc^tuere  Kämj)fe  unb  mül^s 
feiige  arbeiten  ftnb  borau^gufeben.    äuc^  für  ben  Staat  werben  bie  Singe  nidj^t  me^r20 
fo  einfach  unb  bequem  fxd)  anfteUcn  tpie  bi^^er.    aber  toenn  fie  gefunber   unb  toa^r* 
Saftiger  geregelt  fmb,  tüirb  fd(^lie^lic^  auc^  er  feinen  2:eil  ©egen  babon  ^aben. 

Otto  äRaijer. 

Stabat  inater   f.  b.  21.  3aco»)one  ba  SCobi  Sb  VIII  S.  518,8. 

Stabtattlagen    bei    bett*$ebrfteni.    —     fiitteratur:    3.  ^en^inger,    ^trc^äolo^ie  25 
§  18;  ©.  ^oioad,  Slr(^äologie  §25;  91.  ölfferbecf,  3)er  ^cftungSbau  im  alten  Orient  (S)cr  alte 
Orient  I,  4),  1903. 

3)er  Sau  ber  ©täbte  toirb  bon  ben  5i^taeliten  toie  in  ber  ganjen  altorientalifdjien 
3Beltanfc^auung  in  ben  Sinfang  ber  3Belt  gelegt.  35ie  erfte  ©tabt  trug  ben  -Jtamen 
§enod^  (®en  4, 17),  fie  galt  be^^alb  in  ber  uiffjjrüngli^en  gorm  ber  ©age  aud^  ateso 
bon  i^m  gebaut  (nid^t  bon  Äain).  3)a«  f)attQ  il|m  natürlid^  bie  ©ottl^eit  gezeigt,  bon 
ber  ja  über^aujjt  alle  Äünftc  unb  ffiiffenfc^aften  ^errü^ren.  9?gl.  baju  ben  9Jl^t^u«  bon 
6a=Danne^,  auf  ben  unter  anberen  Äünften  auc^  bie  Untertoeifung  im  ©täbtcbau  jurüds 
geführt  toirb. 

SKag  ben  UrfJ)rung  ber  i^raelitifc^cn  ©täbte  im  aBeftjorbanlanb  betrifft,   fo   ftnbsö 
fie  in  ber  §auj)tfac^e  lanaanitif^.    (gd  tbirb  al^  ©egenftanb  befonbcren  ©c^recfen«  für 
bie  S^J^öeliten  angefüt^rt,  bafe  bie  ©täbte  im  Sanb,  in  ba^  fie  ^ogen,   fo  feft  ummauert 
toaren  (3Ru  18,  28).    2tu«  ben  leH  Slmamabriefen  unb  au«  ben   äQ\)pt\\d^tn  Siften   er= 
fal^ren  mir  eine  ftaunengh)erte5!Rengebon©täbtenamen;  Drte  toieSlüalon,  Slffo,  ä^falon, 
35eirut,  ß^afor,  ®at,  (äa^a,  ®ejer,  ^^"fölem,  Sac^i«,  SItegibbo,  ©ic^em,  ©ibon,  %\)xu^  40 
j.  S.  finb  fd^on  um  1400  b.  6^r.  fefte,  b.  l}.  ummauerte  ©täbte,  bie  unter  fleinen  dürften 
Itanben,  unb  ^u   beren  ®ebiet  bie  umliegenbe  Sanbfc^aft  mit  i^ren  offenen  glcdfen  unb 
2)örfern  gel^örte.    Sie  i^raelitifc^e  Überlieferung   ift   fic^  auc^  nod^   rec^t   \voi}l   betbufet, 
ba^  bie  S^raeliten  in  biefe  ©täbte  nic^t  fo  rafc^  Slufnal^mc  fanben,   bafe  fic^   bielmcl^r 
bort  bie  fanaanitifc^e  Scbölferung  nod^  jiemlid^  lange  im  33efi^  ber  ^lai}t  f)klt  unb  bafe  45 
mand^e  nur  mit  afeaffengetoalt  unb  in  bert^ältni^mäfeig  f^jöter  3^^^  erobert  hjurben  (bgl. 
j.  33.  S^J^wfal^"^)- 

daneben  finb  natürlich  anbere  ©täbte  rein  i^raelitifc^en  Urfjjrung«.  33on  ben  ein« 
bringenben  ©d^aren  mag  mand^e  mm  5^icberlaffung  gegrünbet  U)orben  fein,  bie  im  Sauf 
ber  3«ii  au^  ^incn^  einfachen  Sauem^of  ober  „^erbenturm"  j\u  einem  Rieden  l^erann)ud^«  50 
unb  fc^lie^lidj^  3Kauern  befam.  Sa«  3i"^^^<^ff^  ^^  QtaatQ^  lie^  bie  Könige  ba  unb  bort 
eine  offene Drtfc^aft  mit2)lauern  berfet^en  unb  befeftigen  ßof  19,  50;  1  Äg  12,  25  u.a.). 
Sie  SRefibenjftabt  ©amaria  ift  eine  ©rünbung  Dmri«  (1  Kg  16, 24). 

3n  ber  griec^ifc^en  3rit  fmb  bann  folc^e  ©täbtegrünbungen  an  ber  2:age«orbnung: 
•^Pella,  Sion,  ©erafa,  Slnt^ebon,  §ippo«  u.  a.  berraten  fidj^  fc^on   burc^  i^re  3iamen  al«  55 
(Srünbungen  ber  ^eüeniftifc^en  3^^^-    §crobe«  b.  ©rofee  legte  ßäfarea  unb  ^^i^afaeli«  an 
unb  baute  mehrere  ejeftungen:  jtbei  §erobeion,  SUejanbreion,  §t^rcania  2c.  ^erobe«  2tnti))a« 
ift  ber  ©c^öjjfer  bon  Liberia«,   ©e^r  oft  ^anbelte  e«  ftd^  babei  freiließ  blo^  um  3Kieber= 


728  Stabianhigett  bei  bett  ^ebrient 

aufbau,  SSerötöfecrung  unb  5Reubenennunö  aller  Orte,  unb  bielc  bicfer  burd^  §errf(^crlaun« 
m^  Scbcn  gerufenen  ©rünbungen  fmb  bon  furgem  Seftanb  gehjefen. 

©er  Unterfc^ieb  jtpifc^en  ©tabt  unb  3)orf  tpirb  and)  im  912  flct^  gemacht,  g^ 
ift  junäc^ft  ber  be«  feften,  ummauerten  5pia$cö  p^3?^  rrori  ^^:?  £e  25,  31:    bo^f  toirb 

6  ^^r  aud^  aö  attgemeiner  3lu«brudE  für  Drtfc^aft  gebraucht  3)t  3,  5;  2  Äg  17,  9)  «n 
®cgenfa§  ju  ben  offenen  9lieberlaffungen  ober  ®injeII5^öfen  (^V^T\  2c  2b,  31,  ttts 
(gj  38, 11,  T??^  ^?'=^  1  Sa  6, 18  begto.  ^ss  unb  "^F?  olj^ne  3ufa^  i  (S^r  27,  25,  ein  in 
f^öterer  ^^\t  aU  Seftanbteil  t)on  Ortsnamen  in  ^aläftina  fel^r  ^äufiged  3Bort  t)gl.  fta|)er: 
naum,  Äojp^arfaba  tc),    ®icfer  Unterf^ieb  l^at  bann  gu  aßen  3««*^  «"«^  ^"^  f^I*«« 

10  in  fultureuer  Sejiel^ung  bebeulet:  in  ben  ©labten,  ben  ©i^en  oer  gtirften  unb  ©rofecn 
l^al  bie  Äultur  rafd^ere  gorlfc^ritle  gemacht  ate  auf  bem  Packen  Sanb.  ©J)ejicD  für  $a= 
läflina  f)at  er  ju  einzelnen  ^üim  feiner  ©efc^id^^te  noc^  mel^r  bebeutet:  toann  immer 
einzelne  Sölferfd^aften  gleich  ben  3^wclilen  frül^er  ober  fpäler  in«  Sanb  einbrangcn, 
breiteten  fie  ftd^  immer  gunäc^ft  auf  bem  flad^en  Sanbe  au«  unb  Derfc^mohen  bort  mit 

16  ben  alten  Setoo^nem.  93i«  fte  auc^  bie  ©table  mit  i^rer  überlegenen  J^ultut  in  ibre 
^änbe  belamen,  bauerte  e«  geraume  3^i^-  Snblid^  n>ar  }U  aEen  ^^izn  ba«  Ser^dltni^ 
bon  ©labt  unb  2anb  ba«  ber  Übers  bejU).  Unlerorbnung.  3"  ^^"  ©labten  fafeen  bie 
§enen  unb  regierten  bon  ba  ba«  Sanb,  bie  offenen  3)örfer  fmb  bei  ben  Äanaanilem 
toie  bei  ben  S^^^^Iiten  unter  ber  ®eric^l«barleit  ber  ©table  geflanben,  ^aben  bort^in  ac- 

20  jinft  unb  bort  in  Ärieg«jeiten  il^ren  ©c^u^  gefunben.  ^m  312  Reiften  bc^^alb  bie  3)öiTcr 
bie  löd^ter  ber  ©labt;  bie  meiflcn  ©labte  |aben  „ilj^re"  ju  i^nen  gel^örtgen  35örfer(3iu 
21,25.  32;  32,42;  3of  17, 11;  aud^  nodj^  in  \pätmn  Duetten  3of  13,23.  28;  15, 
45—47;  9li  11,26  n.  a.);  gelegentlich  cvf)äU  bcmentfj)recl^enb  eine  ©labt  ben  5Ramen 
„3Kuller  in  S^rael"  (2  ©a  20,  19),  bgl.  ba«  griec^ifd^e  itiyTß(5jro^g.  2)er  Unterfc^ieb  ifl 

25  auc^  im  31%  unb  bei  3ofei)^u«  beibe^^allen:  xwuai  finb  j.  S.  Sel^anien  (3o  11,  1), 
»el^le^em  Qo  7,42),  gmmau«  (Sc  24, 13);  nöXetg  fmb  5Ramrell^  (Sc  1,  36),  Rapct- 
naum  (Sc  4, 31)  \x,a.  3)od^  l^anbelt  e«  fic^  jej^t  in  gritc^if^er  ^Ät  nid^t  me^r  um 
Sefeftigung  unb  3Kauem,  fonbem  33crfaffung,  Steckte  u.  bgl.,  toelc|e  bei  ben  ©lobten 
anbcre  toaren  al«   bei  ben   3)örfem,  ^I.  ben  3lu«bru4   xcoßjLonöJieig  (9Rc  1,  38)   t>on 

30  ©labten,  toelc^e  nidj^t  bie  eigentlichen  Steckte  einer  ©labt,  fonbem  nur  bie  einer  xwur} 
^tlen. 

3)ic  Drt«lage  für  eine  ©labt  beftimml  fic^  im  Orient  nac^  bem  SBaffer:  nur  too 
l^inrei^enb  flarle,  nie  berfagenbe  Duetten  finb,  l^at  ein  Ort  2lu«fid5^t  ju  geheimen.  3l>ie 
toid^lig  ba«  ifl,  erfennt  man  fc^on  baran,  bafe  biele  Orte  fid^  nad)  ber  Duette  benennen: 

85*6n  ®ebi,  '@n  ©c^emefd^,  '6n  Slimmon  u.  a.  ^n  gtoeiler  Sinie  lam  in  Selracfet 
öor  attem  für  feflc  ©table,  ba^  bie  Sage  einen  getoiffen  natürlichen  ©c^u^  toerliel^.  3^0» 
boten  in  ^aläflina  nur  bie  älnl^ö^en.  ältte  großen  unb  feflen  ©table,  bor  attem  ^cw- 
falem  fclbfl,  ©amarta,  ^^xul  lagen  auf  §ügeln  ober  am  Sergabl^ang,  auc^  ba«  alte 
Hebron  unb  ©id^em,  nic^l  U)ie  man  bei  biefcn  beiben  nac^  ber  heutigen  Sage  meinen  foule, 

40  imlcn  im  2;^al.  2lud^  bie«  finbel  in  ga^lreic^en  Drl«namen  toie  3lama,  9Ki5))a,  ®ibea 
u.  bgl.  3lu«brudf.  Oben  auf  bem  §ügel  lag  ba«  Heiligtum  unb  bie  fefle  Surg  (migdäl, 
bgl.  9li  8,  46),  am  Slb^ang  bie  Drlfc^aft  unb  toeiler  unten  bie  Duette. 

3)ic  31  amen  ber  i«raelilijc^en  ©labte  fmb  un«  ju  einem  großen  leil  nie^l  mebr 
berflänblic^,   fotücil   e«    ftc^  nic^l  um  bie  altbcfannlen  Drt«ab>)cttalit)a  toie  'ajin,   Mt, 

46  migdäl,  rämä,  'ir,  karmel,  kerem,  gannim  unb  äl^nlid^e  l^anbell.  2)ie  lange  ^^t 
beliebten  (gl^mologifterung«berfuc^e  fmb  Don  born^erein  al«U)ertlo«  abjule^nen.  3)cnn  es 
fmb  ipo^l  meifl  fcmaanilifc^e  ober  nod^  ältere  Sßorlbilbungcn,  für  toelc^e  unfere  Bpiaä}-- 
lennlniffc  nic^t  au«retc^en.  2)a^u  nun  l}ahm  fie  im  Sauf  ber  S^^r^unberle  gan^  un: 
lontrottierbare  Snimidfelungen  burc^laufen  bi«  ^u  ber  un«  überlieferten  gorm.  9Jcan  benic 

60  nur  an  bie  SBanblungen,  h)eld^e  unfere  Drl«namen  burd^aemac^l  l^aben,  aud^  ol^ne  SBec^fel 
ber  S3ebölferung«fc^id^l.  ©inem  „Serlebfc^"  bei  Äaffel  g.  S.  fann  o^ne  Äenntni«  ber 
3h)ifc^enflufen  lein  3Renfc^  anfe^cn,  ba^  e«  au«  „Sera^lleibe«l(^ufon"  enlflanbcn  ifi  ©c^on 
für  bie  S^raelitcn  haaren  biele  9Jamen  gan;i  unberflänbltc^,  bal;er  bie  biclen  bolf«lünt: 
liefen  ßt^mologicn  im  212;;    eine  ganje  Steige   bon  Sagen   bienen  jur  Srllärung  eine^ 

65  Crt«namen«  b^\v.  finb  au«  fold^en  ^crau«gefiponnen:  SJabel  =  SSertoinung  (®en  11,9), 
33od^im  =  bie  äl^cinenben  (gbc  2,  5),  Stf^or  =  bie  2:rübfal«flabt  (3of  7,  26),  ©ilgal  = 
Slbtoäljung  ber  ©d^mac^  (^of  5,  9)  u.  a. 

3u  erU)äl^nen  ift  in«befonbcre  noc^,  bafe  bie  Ort«namen  toie  bie  5Perfonennamen 
häufig  tbco^^or  fmb,  fte  tragen  ben  9Jamcn  ber  ©otl^eil,  bie  bort  bere^rt  h)urbe:  S^t 

60  gl  =  ©i^  Gl«,  Set  ©c^emefc^  =  §au«  ber  ©onne,  83eer  ©d^eba'  =  Srunnen  bc«  (Sollet 


Stabtanlagctt  tct  bett  ^thtittn  Stabimifftott  729 

©c^ebrf  (,,®iebcn"gott),  Srfol  ift  in  jal^Ireic^en  Flamen  vertreten,  aui)  3)agon,  3lflartc, 
SRimmon  u.  a.  finbm  jtc^. 

^oppünamm  einer  unb  berfelben  ©tabt  (abgefel^en  t)on  leichten  Seränberungcn  ber 
gorm)  bürfen  toir  für  bie  öorejUifc^e  3^^*  '«"»"  annehmen.    9ln  fic^  tpäre  \a  benfbar, 
ba^  bie  S^raeliten  bie  eine  ober  anbere  ©tabt  nad)  ber  Sroberung  neu  benannt  l^ätten,  6 
aüein  ba«  toirb   nur  öon  Saifdj^   (Sefc^em)  —  3)an   berichtet  (3of  19,  47 ;    3lil8,27). 
©onft  l^anbelt  e^  jic^  aber  nirgenbö   um  ben  ®eaenfa§  bon  i^raelitifc^en  unb  älteren 
9lamen,  unb  bie  meiften  (Sleid^ungen  erregen  SSerba^t  atö^Ki^öerftäubniffe  ober  Surec^t- 
mac^ungen  ber  SSerfaffer  mi  j^armoniftifd^en  unb  anberen  Orünben:  3«bu^=3erufalem 
ift  au^  bem  Soltenamen  3*wfuer  frei  erfunbcner  ©tabtname,  bie  ©leid^ungen  ßl^ajajon  lo 
SEamar  =  (Sngebi  (2  6^r  20,  2),  35ela'  =  3o'ar  (®en  14,  2),   Äirjat^  Slrba"  =  Hebron 
(Sof  15, 13)  follen  Sofalitäten  nufammenbringen,  bie  nac^  bem  urfi)rünglicl^en  ©inn  ber 
6rj\ä^Iungen  nic^t  jufammenge^ören,  unb  öl^nlic^   fonft.    ®rft  in  gried^ijc^er  Rüi  finb 
9lamen^änberungen  3)lobe  geworben;    Serfc^önerung  unb  Vergrößerung  eine«  Drteö  gab 
ben  gürften  ©elegen^eit,  burd^  Umnennung  i^ren  Flamen  ober  ben  eine«  gamiliengliebe^,  i6 
eine«  ©önnerd  u.  f.  to.  ju  beretoigen. 

3)ie  3lu«grabungen  ber  legten  ^al}xz  in  3Kegibbo,  laanad^,  Oe^er,  Sac^ifc^  u.  a.  er* 
mögli(^en  ei8,  fid^  einiaermaßen  ein  Silb  einer  alti^raelitifc^en  ©tabt  ju  machen. 
Sic  oben  gefc^Uberte  Sage  ber  ©täbte  bringt  e«  mit  fic^,  baß  felbft  l>ie  $aut)tftäbte  toie 
Serufalem,  ©amaria  u.  a.  einen  öer^ältni^mäßig  Keinen  Slaum  bebedEten.  ©ie  ÜRauem  20 
runb  l^erum  toaren  in  öltefter  3^^  nur  bei  ben  Äönig^ftäbten  au«  be^auenen  Duabem 
erbaut  (bgl.  1  Äg  6,  36 ;  7, 12),  fonft  finben  toir  fte  andj^  bei  toidj^tigen  geftungen,  toie 
©e^er,  5!Jlegibbo,  Siianad^  au«  unbel^auenen  Keinen  unb  mittelgroßen  ©teinen  aufgefd^ic^tet 
ober  an^  lufttrodfenen  Se^mjiegeln  (eöent.  mit  ©teinunterbau)  eniiitet.  Um  feft  unb 
tüiberftanbefä^ig  gu  fein,  toaren  fie  be^jj^alb  fej^r  bii  (3—4  m,  in  3Jcegibbo  8  m).  3)ie  25 
2^ore  toaren  toie  nod(^  l^eute  jiemlid^  geräumige  SauHc^Ieiten,  im  SBinlel  angelegt. 
3)aß  bei  ©rünbung  einer  ©tabtmauer,  S3au  ber  2:i^ore  k.  3Kenfc^enoj)fer  üblic^  toaren, 
ift  burc^  bie  gunbe  öon  ©e^er  unb  2:aana(^  ertoiefen  (^of  6,  26).  35a«  $auj)tgebäube,  in 
mand^en  Sanbftäbten  ba«  einzige  größere,  au«  ©teinen  gebaute  ^au^  toax  bie  Surg 
(migdäl),  öon  ben  anbern  ^äufem  getrennt  unb  mit  bcfonberer  3Kauer  gefc^ü^t,  ein  so 
le^te«  Sotttoer!  gegen  ben  gemb.  3)ie  übrigen  „§äufer"  —  oft  tool^^I  nur  ein  einziger 
SRaum  —  toaren  rec^t  flein,  §ütten  au«  Se^müegeln  ober  unbehauenen  Keinen  ©teinen, 
ein«  am  anberen  mit  ganj  fc^malen  unregelmäßigen  unb  einfügen  ©äffen.  9Son  ben  an 
fteilem  Sergab^ang  liegenben  Orten  mag  mancher  toie  bie  alte  35abib«ftabt  gebaut  ge« 
toefen  fein,  äu«  ben  aiu«grabungen  §.  ©utl^e«  (3b5p3S  1882,  IX,  313  ff.)  toiffen  toir,36 
baß  bort  bie  ipäufer  in  ältefter  Qtxt  meift  nic^t  freiftel^enb  toaren,  fonbern  ben  gel«  al« 
Slüdtoanb  benü^tcn,  oft  fogar  nic^t«  anbere«  toaren  al«  natürli^e  ober  fünftlitpe  5^1«^ 
l^ö^Iungen  mit  einem  einfad^en  SSorbau.  2)ie  3)äc^er  ber  nieberftel^enben  Käufer  geben 
bann  bort  bie  ©traße  für  bie  l^ö^er  liegenben.  3Rod^  ^eute  ift  ba«  3)orf  ©iloa^  fo  ges 
baut,  ©traßenpflafter  toirb  erft  in  l^erobianifc^cr  S^t  für  S^nifalem  bezeugt  (Jos.  Ant.  40 
XX,  9, 7),  boc^  l^at  ber  %mpAl)o^  fc^on  ju  a^a«  3eiten  ein  ©teinj)flafter  (2Äal6,18), 
fo  baß  mir  folc^e«  auc^  fonft  toenigften«  im  ^alaft,  in  berSurg  annehmen  bürfen.  3Jlit 
ßiftemen  im  Reifen  mußte  jeber  ummauerte  Ort  h)o^l  öerforgt  fein,  benn  nur  in  feltenen 
fällen  lonnte  man  bie  Quelle  in«  innere  be«  3KauerIreife«  ^ereinbejie^en  (bgl.  3lrt.' 
Serufalem  Sb  VIII,  681);  auc^  offene  Seiche  fej^lten  feiten.  ©traßen>)olijei  gab  e«46 
nidj^t,  boc^  ^ören  toir  öon  3Ra(^ttoäc^tern,  toeld^e  bie  ©tabt  burc^jiel^en  (§2  3,  3;  5,  7; 
3ef21, 11;  5Pfl27, 1).  3)ie  ©traßenreinigung  beforgen  bie  §unbe:  man  toirft  ben 
Äe^ric^t  einfach  auf  bie  ©traße  unb  bie  ^errenlofen  i^unbe  räumen  bamit  auf  (3[ef  5,25, 
f.  91.  §unb).  ^eie  $lä$e  im  3"nem  ber  ©tabt  gab  e«  nic^t,  aber  am  I^or  toar 
SRaum,  too  man  SKarft  l^ielt  (2  flg  7, 1),  Siecht  \pxad)  (2  ©a  15,  2;  3)t  21, 19  u.  ö.),  60 
Verträge  abfc^loß(®en  23, 10;  JRut^  4, 1. 11  u.  a.),  überl^au^jt  atte  n)ic^tigen  unb  öff ent* 
lidj^en  Slngelegenl^eiten  öerl^anbelte  (3er  17, 19;  $r  1,  21 ;  8,  3  u.  ö.).  Über  bie  für  bie 
orientalif^en  ©täbte  alter  unb  neuer  3<^it  d[^arafteriftifd^en  3KarItftraßen,  in  benen  je  bie 
Angehörigen  unb  Säben  eine«  ®eh)erbe«  beifammen  toaren,  f.  älrt.  §anbcl  unb  ^anb* 
toer!.  3.  ©eitsinger.     56 

©tabtmiffUltt.  —  SBidiem«  ^entfc^rift  über  bte  3nn.  gKiffion  ber  beutfc^en  eDang.^irc^c, 
3.  9rufl.,  Hamburg  1889  (6.  220—239  über  ^emeinbc  unb  ©tabtmiffionöoereine);  fiel?)* 
mann.  3)ic  Stabtmiffion,  fieipjifl  1875;  $anf,  3)ie  großen  ©tobte  unb  ba«  (guangclium, 
3)an5i9  1876;  Sinßer,  2)ic  ©tnbtmiffion,  Äarlöru^c  1884;  S)enffc^rift  bc«  ©cntrQl=?(u^)c^ufie« 


730  etabttniffiott 

über  bie  ©labtmiffiünen,  ^Berlin  1885;  ^otjfer,  35ie  cuang.  ©tablmifrion,  ®ot^a  1890;  Statiftif 
ber  3nn.  gjliffion,  üom  (£entral--?luöfd)u6  33erlin,  1899;  ©ücrS,  3)ie  S3crlincr  (Btabtiniinon, 
mit  SBilbern,  33erlin  1902;  D.  5öiirfter  unb  ^cnnig,  "3Q3a§  jcbcrmQnn  ^cutc  üon  bcr  3niL 
ÜKiffiün  lüijfen  mug,  Hamburg  1902;  D.  ©d^äfcr,'  Scilfabcn  bcr  3nn.  ^iffion,  4.  «lujL. 
6  Hamburg  1903;  glicgenbe  ^Blätter  aud  bem  mn^tn  C^aufc  1849-1906;  SJerid)tc  bcr  Stabt: 
mifftonen  (burc^  Sermittelung  be§  ©ciitraU  ober  be§  betr.  fionbe^--  ober  $roüin5iaI=9luöf(öuff« 
für  3nn.  gKiJfion). 

3)ic  ©tabtmiffton  i[t  eine  Drganifation  ber  inneren  SKiffion  (f.  biefc  93b  XIII S.  90 
big  100)  für  bic  ftäbtifc^e  cöangelifc^c  Scböifcrung  in  ©rgänjung  bcr  ipfarrgcmeinblicbcn 
loSecIforge.    Sie  ift  barum  nottpenbig;  tpcil 

1.  bag  religiög=ftltlic^c  Sebcn  in  bcn  größeren  ©täbten  befonber^  nac^tciKg  beern- 
flufet  h)irb  burc^  ba«  3wf^"i^"^"f^ömen  bon  Wenfc^en,  bencn  bcr  §alt  bcr  öcimat  fcblt, 
burc^  bic  Häufung  ber  mannigfac^ften  Scrfuc^ungen  im  engeren  Seicinanbcrtoof^ncn  unb 
im  unmittelbaren  2tnfc^auen  beg  2u|ug,  bc^  Sei^tfinn«  unb  be«  3?crbrccl^en«  unb  burc^ 

15  bic  mcift  l^inter  ber  äußeren  fommunalen  ©ntmirfelung  jurürfgebliebcnc  Crganifation  bcr 
})faagemeinblic^en  ©eelforge,  meiere   bie  Unterlaffung   fird^Iii^er  Setl^ättgung    begünfhgt, 

2.  iücil  gegenüber  ben  \o  ftd^  ^crauggeftaltenben  gemcinfamen  9iotftänben  in  ben 
öerjc^iebencn  ©cmeinben  einer  größeren  ©tabt  bie  innere  9Jlifrion  ^totdmä^xQCx  unb  toirf^ 
famer  al^   burd^   Uereingclte  Seftrebungen  burc^  3"fß"^*"^"f^f^""Ö  ^^   befte^cnben  fotoie 

20  burc^  einheitliche  ^nöngriffna^me  noc^  unterlaffcner  arbeiten  gcjjflcgt  lüirb. 

©cm  entfjjra^  bie  Segrünbung  ber  ©tabtmiffton  in  ©la^oto  1826  burc^  2)abib 
9iafmit^  (geft.  1839);  ber  aU  ©efretär  bon  23  d^riftlid^en  Vereinen  fic^  ßcnötigt  fob, 
fotüol^I  biefe  enger  untereinanber  ^u  berbinben,  al^  auc^  eineSlnja^I  gläubiger  (Scmeinb^ 
glicber  jum  SWiffion^bicnft  obne  SBefc^ränfung  auf  eine  einjclne  ©emcinbc  anjuftetten. 

26  3(cbt  9)Jänncr  au«  bem  9So(te  (ie^  er  §aug  für  ^au«  befuc^en,  ®oii^  9Bort  münbli^ 
unb  gebrucft  ju  geiftlid^em  ^ufj)ruci^;  gu  $roft  unb  9Jla^nung  barbieten  unb  babei  bie 
Vereine  J)flegen  unb  ertücctlic^e  SJcrfammlungen  galten,  ©einer  Slnregung  folgte  Sonbon 
1835,  lange  burc^  Sorb  ©l^afte^bur^  (geft.  1885)  fräftig  geförbert,  mit  einer  nad^  bcn  arbeiten 
unb  Sebölferunggfd^ic^ten  t)ieber;;n)eigten  J^ätigleit.  Sie  bortige  ©ienftantoctfung  an  bie 

30  ©tabtmifftonare  entölt  u.  a.  folgenbe  §auj)tfä|e:  „Sefuc^en  ©ie  bie  S5eh)o^ncr  bes 
S^nen  angemiefenen  3)iftriftg,  um  benfelben  bie  Äenntni«  bon  ber  (Srlöfung  burc|  unfern 
ijcrrn  ß^riftum  mitzuteilen,  unb  um  i^nen  auf  jebe  3lrt,  bie  in  ^i}xtn  ilräften  ftcfct, 
®ntQ^  m  t^un.  Sefen  ©ie  au«  ber  ©d^rift  Dor  unb  laffen  ©ie  beim  Soricfcn  unb  Sc- 
\pxäd)  ba«  3Serberbcn  bc«  3)lenfc^en,  bic  jlec^tfertigung   allein   burd^   ben  ©lauben,  bie 

35  5?oth)cnbigfcit  ber  Sefcl^rung  unb  eine«  ^eiligen  SJanbel«  immer  bic  ^aiHJtfadj^c  fein. 
Segen  ©ie  jebem  bie  ^flic^t  an«  ^er^,  in  ber  ©c^rift  ^u  forfc^en  unb  bcn  öffcntlicben 
©otte«bienft  gu  befud^en ;  fc^ärfen  ©ie  ben  ßltern  bie  ^flid^t  ein,  i^re  Äinbcr  rcc^tfc^affen 
l\x  erjie^en". 

3;.  §.  SBic^crn  regte  md)  feiner  JRüdRel^r  t>om  3ßitienbcrgcr  Äird^entage  1848  unter 

40  bcn  greunbcn  be«  ^Hau^en  §aufc«  unter  ^inmei«  auf  bie  gefegnete  Slrbcit  bcr  gon-- 
boner  ©tabtmiffion  bie  33egrübung  eine«  „Hamburger  3Sercin«  für  3""^^^  3Kiffton"  an. 
2lm  ®eburt«tage  Sut^er«  tam  berfclbe  ^u  ftanbc  mit  ber  boj)))eIten  6auj)taufgabe,  bie 
bor^anbenen  DertDanbten  Seftrebungen  möglic^ft  ^u  berbinben  unb  ä^nlic^  h)ic  tnSonbon 
©tabtmiffion  ^u  treiben,  (entere  mel;r  nad)  bcutfd(>cm  unb  bcfonber«  ö^mburgcr  ©ebürfni^ 

46  au«gcfta(tcnb,  g.  83.  mit  befonbcren  2lu«fcf)üffen  für  2lrmenbefud^e,  ^ur  gürforge  für  not- 
Icibenbc  §anbh)crfer,  für  ©efeüen  unb  Scbrlinge,  ^ur  Verbreitung  guter  SSolföfc^riftcn, 
jur  ©ammlung  junger  ^aufleute  unb  jur  Sefämjjfung  ber  öffentlichen  ©ittcnlofigfcit. 
©>3ätcr,  al«  biefe  ®in5clau«fd)üffe  mit  in!)altlid)  Derfc^iebenen  Slufgaben  bcn  S^^^^  ^^^'' 
lid)ft  bielc  (Sinjelfräftc  in  arbeit  ju  ftellen,  erfüllt  Ratten,  traten  an  i^re  ©tcttc  in  mcg- 

60  lid>ftem  Slnfcblug  an  bic  einzelnen  Äircf>fpiele  lofale  I^iftrittöberbänbe,  meiere  grunblegen^ 
geblieben  finb.  3"Ö^^i^  lüurbe  bie  9(nftcUung  J)on  33cruf«arbeitern  für  {eben  S^iftrift 
in  Angriff  genommen  mit  ber  3lufgabe,  il^re  ganje  ^^\t  bcr  inneren  9Riffton  gu  tpibmcn 
unb  in  ibrer  ^Äohnung  (bc^tü.  in  bem  il^nen  an^utücifenben  2)iftrift«bercin«^aufc)  einen 
9JJittcIpunft  für  bie  Slrbeitcn  im  SDiftrift  §u  bieten.    Sluc^  ift  ber  SJcrein  |\um  9lu«gang^ 

55  )i>nnli  h)eitcrer  felbftftänbiger  Seranftaltungen  in  Hamburg  gch)orbcn  (j.  ©.  3)tart^bane, 
^erborge  ^ur  öcimat,  mel;rerc  ^^arodf)ial:iRinbergütte«bicnfte,  3lnfc^arfaJ)cB[c,  ©ccmann^^ 
§afcn=,  3lu«n)anberer=  unb  S3al?nbüf«miffion).  Sic  2)ienftann)eifung  für  bic  93eruf«arbcitcr, 
Stabtmiffionarc,  unterfc^cibet  fid;  Don  bcr  Sonboner  nid;t  lf)infi^tli(^  ber  unerläßlichen 
SJorauöfc^ungcn  für  il;re  9Birffamfeit   (au«  lebenbigem  .<oeil«glauben  geborener  SRiffion^ 

60  eifcr,  genährt  burd;  Streue  im  (SJcbet  unb  (äebraud)  ber  ©nabenmittel,  um  bic  bem  6wm 


s 


@tabtmifftoit  731 

ßclium  gntfrenibclen  bcmfclbcn  tpiebcrju0en)tnncn,  namentlich,  foh)cit  fie  bcnt  gcorbnctcn 
aimt  unerreichbar  fmb,  mit  befonberer  gürforge  für  ba^  Familienleben),  too^l  aber  l^in^ 
fid^tlid^  ber  ©teüung  jum  ^Pfarramt  unb  ©emeinbeleben,  fo  ba^  ber  ^amburger  ©tabt^ 
mifftonar  „[xi^  t)or  auem  ben  bem  betreffenben  3)iftriltgberbanbe  angel^örenben  ^Paftoren 
\n  jebem  3)ienft  an  ber  ©emeinbe,  begto.  an  i^ren  einzelnen  ©liebem  gur  aSerfügung  ju  5 
.'teilen  l^at",  tooburc^  auc^  bie  9»ittel  unb  aSJege  feiner  SBJirffamfeit  me^r  beutfc^4ut|eris 
fd^^e«  ®ej)räge  erhalten.  (SRit  bem  i^ereinggeiftlid^en  atö  Sorfte^er  arbeiten  2  Äonbibaten, 
12  Stabtmiffionare  unb  2  ©tabtmiffionarinnen). 

aiud^  für  Serlin  gingen  bie  crften  toirffamcn  Anregungen  bon  SBid^em  au«.  1849 
nabm  ber  bortige  ©öangelifc^e  herein  für  Ürc^Iic^e  gtoedfe  in  (Semeinfc^aft  mit  $aro=  10 
d^iatoereinen  bie  bon  i^m  getoünfc^te  Arbeit  auf,  o^nc  inbeffen  bei  ©eiftlid^en  unb  ©e^ 
meinben  bie  ern)artete  görberung  ju  finben,  iüe^^alb  berfelbe  ftd^  me^r  ber  güngling«* 
öereing=,  Äerberg«-  unb  ©c^riftenfac^e  gutoanbte.  1858  tourbe  burc^  SBic^ern«  Berufung 
nac^  35erlin  bie  Segrünbung  be«  ßbangelifc^en  3ol^anne«ftift«  »ermittelt,  beffen  ©ruber 
ben  Auftrag  erl^ielten,  in  Serlin  ben  gamilien  ber  ©efangenen  m  bienen,  bie  entlaffenen  15 
©efangenen  unterjubringen  unb  2lrme  aufjufuc^en,  bie  an  SBo^l^abenbe  Settelbriefe  ge* 
fc^rieben  \)aiUn.  Slber  auc^  bieje  Arbeit  genügte  nic^t  bei  bem  feit  1870  tüad^fenben 
ürdS^Iid^^fittlid^en  ?{otftanb  ber  5Reic^gl^au}3tftabt.  einen  britten  unb  erfolgreicheren  Anfang 
mad^te  1874  ber  ®encralfuj)erintenbent  öon  Serlin,  D.  Srüdfner,  angefleht«  ber  burc^ 
bie  (Sibilftanb^gefe^gebung  beranlafeten  3:auf=  unb  irauberfäumniffc  unb  in  Hoffnung  20 
auf  bie  3)litlt)irfung  ber  burc^  bie  Äirc^engemeinbe^  unb  S^inobalorbnung  gefc^affenen 
®emeinbefird(^enräte.  2)ie  Arbeiter  ben  öerfd^iebenen  Srüberanftalten  3)eutfd^lanb«  mU 
ne^menb,  liefe  er  fte  in  einem  i)aroc^ial  begrenzten  Arbeitöfelbe  §au«befuc^e  machen, 
©onntagöfc^ulen  (Äinbergotte^bienfte)  unb  Sibelftunben  galten,  ungetaufte  Rinber  unb  un^ 
getraute  ^aare  auffud^en,  d^riftlic^e  ©c^riften  »erteilen,  für  Äranfe  unb  SSerlaffene,  ©e*  26 
fangene  unb  SBittüen  unb  SBofifen  (ol^ne  in  bie  Armenj)flege  einjugrcifcn)  möglid^fte 
5vürforge  üben.  Ate  er  bann  1877  öon  ber  Oberleitung  megen  Überlaftung  jurüdftrat, 
übernahmen  fie  ^ofprebiger  ©tödfer  unb  ©el^eimrat  Söffe  (ber  fjjätere  Äultudminifter), 
inbem  jugleid^  bie  biöl^erige  ©tabtmiffion  be«  gjol^annigftift«  (unter  5Paftor  §offmann) 
mit  übernommen  tourbe.  ^\^mn  ftanben  aufeer  2  tl^eologifc^en  3"^^^«^^^"  13  ©tabts  30 
miffionare  jur  ©eite  —  i}mU  (A^jril  1906)  finb  e«  6  t^eologifc^e  3nfi)ef toren,  54©tabt5 
miffionare,  8  ©tabtmiffionarinnen;  im  legten ^al^^c  finb  95 000 Scfud^e  gemacht,  barunter 
4677  tocgen  ungetaufter  Äinber,  3539  bei  ungetrauten  ^Paaren,  959  toegen  angeflaater 
unb  beftrafter  Äinber.  SBöc^entlic^  tourben  14200  „©onntaggfreunbe"  unb  19  700$res 
bigten  berteilt;  bie  ßurrenbe  fang  auf  10000  ^öfcn;  in  69  ©onntaggfc^ulen  toarensö 
©tabtmiffionare  ate  Seiter  ober$elfer  t^ätig  (3300  Äinber  \paxim  bei  ibnen);  aufeer  bem 
regelmäßigen  ©onntag^gotteebienfte  in  ber  2000  ©i^>)lä$e  ent^altenben  ©tabtmiffionö^ 
lird^e  toerben  religiöfe  SSerfammlungen,  Sibelftunben  u.  bgl.  im  alten  ©tabtmijfion^l^aufe 
unb  in  22  Serein^fälen  gel^alten. 

An  anberen  Drganifationen,  n)elc^e  in  Serlin  felbftftänbig  befonberen  ©tabtmiffion«-  40 
gtoeden  bienen,  fmb  ^eröorgu^eben  (aufeer  bem  gbang.  i?erein  für  firc^lic^e  ^\r>zic):  ber 
e^riftlic^e  herein  junger  3Wänner  feit  1882,  bie  (S^riftlic^e  ©emeinfc^aft  ©t.  9Kic^ael  feit 
1883,  ber  herein  „3)ienft  an  Arbeit^lofen"  feit  1882  unb  befonber«  ber  1899  auf  An= 
regung  bc«  6entral=Augfc^uffe«  für  ^nnox^  3)li][xon  unter  SJiittoirfung  be«  ©eneralfu^jer^ 
intenbenten  unb  ber  ©u^perintenbcnten  bon  93erltn  begrünbete  „©tabtauöfc^ufe  für  ^nmxc  46 
3Kiffion"  (je^t  ^aujjtberein  für  XWl.  genannt).    Se^terer  Verbreitet  in  ber  cDangelifc^en 
Seüölferung  ber  §au})tftabt  bie  Äcnntni«  üon  ben  Aufgaben  unb  Arbeiten  ber  %m.  unb 
regt  bie  3Rit^ilfe  baju   an,  fe^t  bie  berfd^icbenen  Arbeiten  unb  Arbeiter  ber  3.9K.  jum 
Au^taufc^    ber  Erfahrungen  mie  ju  gegenfeitiger  Serftänbigung  unb  Unterftü^ung  mits 
einanber  in  Serbinbung  unb  ift  bemüht,  tl^unlic^ft  Surfen  aufzufüllen,  le^tere«  öor  allem  50 
burc^  Ermittelung  berAbreffen  ber  nacbSerlin  jujie^enben  ebangelifc^en  ^amilien,  jungen 
3JJänner  unb  3)läbc^en,  burc^  ^"^"Öi^iff"^^"^^  ^^  %^^i'  ""^  Äanalfc^iffermiffion,  burd^ 
Segrünbung  be«  S^ercin«  ß^riftlic^c«  Äellner^eim   unb  be«  (Sbangelifc^en  Serbanbe«  für 
gürforgeerjiel^ung  unb  Äinbcrfc^u|. 

2)em  Vorgänge  öon  ^^amburg  unb  Serlin  fmb  bi«  jum  ^af)xc  1899  (©tatiftif  ber  55 
^M.  6entral'Auöfd;ufe)  an  70  ©täbtc  in  Seutfc^lanb  nachgefolgt,  meift  bie  ^ufammen« 
faffcnb  organifierenbc  mit  ber  im  engeren  ©tnne  miffionierenben  I^ätigfeit  je  nac^  lofalem 
unb  interjjaroc^ialem  Sebürfni«  berbinbenb.  3"  Ste^lau  (feit  1856)  fte^t  im  2)üttclj)unft 
ba«  ©üangelifd^e  Sereinö^au«  mit  Verberge  jur  .ö^imat  unb  bie  Armenbiafonie ;  in 
granffurt  a'M.  (feit  1883)   aufeerbem  a)Jännlic^e  Äranlen})flege  unb  Äellnermiffton ;    ineo 


732  etabimiffioii         St^tlin,  ^.  3. 

Äaficl  (feit  1887)  übcrtoiegt  btc  cöangeUficrenbe  bte  biafonifd^c  Sct^ätigung ;  in  ©ttafc^ 
bürg  i.  6.  (feit  1890)  tritt  le^terc  ganj  jurü(f  hinter  ber  crfteren,  ber  neuerbingö  ou^ 
5  Slaulrcuj-Saft^äufer  bienen.  3)er  2ciJ)ji9er  Serein  für  3.3K.  (feit  1870)  entfaltet 
au^er  einer  umfaffenben  ätu^funftd^:  unb  ^ermittelung^tl^ätigfeit  für  ^rit>atti?o^It]^äter  (in 
6  feiner  Slrmenbiafonie)  eine  reiche  betoal^renbe  unb  rettenbe  9lrbett  am  männlichen  unb 
tpeiblid^en  ©efd^lec^te  in  25  Vereinen  unb  3lnftalten  (barunter  bcfonbcr^  ^crtoorju^eben 
ber  35ienft  an  Slrbeit^Iofen  unb  ba«  grauenl^eim),  tpä^renb  bie  firc^lic^c  (äcmcinbepfbge 
in  ben  §änben  eineö  bie  ftäbtifc^en  Jcirc^enöemeinben  umfaffenben  ffierbanbcö  liegt  uÄ 
bie  2öortber!ünbigung,  abgefe^en  bon  ben  Serein^beranftaltungen,  ben  ^Pfarrämtern  übers 

10  laffen  bleibt.  3Rtt  ber  5!Jlagbeburger  ©tabtmiffton  (feit  1883)  ift  bie  ©efangcnenfeelfotgc 
organifc^  berbunben.  3"  $^tte  a/©aale  (feit  1877)  ift  neuerbing«  aufecr  bcm  35ienft  an 
ber  toeiblic^en  ^ugenb  befonber«  bie  Slaufreujarbeit,  bie  Minil*  unb  9(nftaltdarbeit,  bie 
@bange(ifationds  unb  ©emeinfd^aft^flege  unb  bie  9ludbi(bung  unb  Vorbereitung  ber  toon 
4  ©emeinben  angeftettten  ürc^üc^en  ©emeinbe^elfer  in  Slngrif  genommen.    3)ic  t?on  bort 

16  au«  ergangene  Anregung  jum  „3"][^*""^^"Wwft  ber  beutfq^en  ©tabtmiffton^Icitcr"  be^uf^ 
aiu^taufd^  ber  Erfahrungen,  SSerftänbigung  über  3lu«bilbung  ber  Seruf^rbeiter  u.  bcJL 
l^at  feit  bem  öorjäi^rigen  Kongreß  für  3«"^«  ^Kiffion  (1905)  jur  Segrünbung  cine^Scr^ 
banbe«  unb  jur  §erau^abe  eine«  Organ«  für  benfelben  ,,3Kiffion«bicnft  an  ber  ©rofe* 
ftabt"  (Suc^l^anblung  b.  Sb.  Stabtm.  ^atte)  geführt.  (Sereinjelt  finbcn  fu^  aui^  au^ 

20  lirc^Iid^e  ©tabtmiffionen.) 

$Rac^bem  burc^  ba«  ^reu^ifd^e  Äirc^engefeft  bom  24.  3ipxxl  1904,  betr.  bie  Ser^ 
ftärfung  be«  §ilf«fonb«  für  Ianbe«Iircl^lid^e  ßtoedEe  bie  5KitteI  für  runb  100  ,,®emeinb^ 
Reifer"  in  ©ro^ftäbten  unb  ^nbuftriebejirlen  bereitgeftettt  ftnb,  mac^t  fte^  ba^  Sebürfni^ 
geltenb,  für  bie  Slbgrenjung  (olj^ne  Störung  be«  ^ufammentoirlen«)  jtpifc^en  ®cmeinbe: 

25  ^elfer  unb  ©tabtmif jionar  fefte  unb  beiberfeit«  gebet^Iid^e  ©runbfä^e  aufguftetten.  SBä^wnb 
bie  übertoiegenb  biafonifc^e  3:^ätigleit  ber  ©emeinbe^elfer  naturgemäß  ben  lird^Iic^en  Dp 
ganen  unterfte^t,  bleiben  ben  baburd^  frei  toerbenben  Äräften  ber  ©tabtmiffton  SUifgoben 
genug  übertoiegenb  ebangelifierenber  ä(rt  ju  fegen«reic^er  SBeiterarbeit,  j.  S.  ber  ^icn^ 
an  ben  f onntag«Iof en  S3eruf«gru|)j)en,  an  ber  ^eimatlofen  Sebölfcrung  (gifc^em,  ©«Ziffern, 

aö  ©eeleuten,  3(rbeit«iofen,  ©efangenen),  ber  Ramp\  gegen  bie  fiafter  ber  Srunlfuc^t  unb 
Umuc^t,  bie  3!)arbietung  d^riftlid^er  ©d^riften,  SSeranftaltung  bon  a))o(ogetif(^en  unb  fo^id: 
bcrföl^nlic^  bele^renben  Surfen  unb  j)eriobifc^  n)ieberfe^renben  ebangelifation^tjerfamm^ 
lungen,  toobei  ©tabtmiffionare  unb  ©emeinbe^elfer  fic^  burdj^  gemeinfame  SSertiefung  in 
®ottc«  Sßort  ber  ©n^eit  il^rer  2lrbeit  betoußt  unb   ju  gegenfeitiger  $anbrei(^img  toittig 

86  bleiben  mögen. 

2lm  28.  3Jlai  1888  cntftanb  infolge  einer  bom  ^egentoörtigen  Äaiferjjaar  gegebenen 
2lnregung  in  Serlin  ber  „ebangelifc^-fir^Ud^e  §ilf«t)erem"  ju  bem  S^^^f  ^i«  Seftrebungen 
gur  SBefämjjfung  ber  religiö^-fittlid^en  9Jotftänbe  in  33erlin  unb  anberen  größeren  ©täbten, 
fotoie  in  ben  ^nt^uftticbejirfen  be«  ^jreufeifd^en  SJaterlanbe«  ju  unterftü^en,   ju   bem  Se^ 

40  ^ufe  Sammlungen  anzuregen  unb  ju  beranftalten,  fotoie  §ilf«fräfte  ju  gehjmnen.  Ter 
Sn^ere  2lu«f(^u6  be«felben  unterftü^t  bie  beftel^enbcn  ,,©tabtmiffionen"  unb  fud^t,  too  eö 
nötig  ift,  neue  in«  Seben  ju  rufen  (toä^renb  er  auc^  Seil^ilfen  ;\ur  35erufung  to'on  $ilf^ 
))rebigern  unb  ©emeinbei^elfem  getoäl^rt  unb  toä^renb  feine  Öe3irf«bereine  aufeerbem  be^ 
fonber«  bie  Scgrünbung    bon  ^emcinbe^äufern ,   35iafoniffenftationen    unb    Äleinlinfcer^ 

46  bctoa^ranftaltcn  fic^  angelegen  fein  laffen).  $.  9iafiltnhtä. 

©tä^elin^  3«>!^-  S^^ob,  Dr.  unb  ^JJrofeffor  ber  Ideologie  an  ber  Unitoerfität  ^u 
Safcl,  gcft.  1875,  ift  im  5)iai  1797  in  Safel  geboren  toorben  al«  ©o^n  eine«  alten 
Sa«(er  ©efc^led^tc«,  einer  angcfcJ^enen  tro^lbabenben  Äaufmann«familie.  ^unäc^ft  ber 
ffiunfd)  feiner  frommen  3)lutter,  bie   mit  ber  Srübergemeinbe  in  Jßerbinbung  ftanb,  bot 

60  i^n  jum  ©tubium  ber  2:^eoIogic  betoogen,  bem  er  ^aut)tfäd^li(^  in  3!übingcn  oblag,  too 
©torr,  glatt,  Sac^maier,  namentlich  ©teubel,  feine  Se^rer  toaren.  3)er  mtlbe,  fromme 
©u}3ranaturali«mu«,  ber  ba  U)altete,  ift  im  toefentlic^en  ber  ©runbjug  feine«  t^eologift^ 
3)enfen«  unb  gülfjlen«  geblieben,  unb  bie  mannigfachen  Sejiel(^ungen,  in  bie  er  mit  bem 
toürttembergijc^cn  ^teti«mu«  unb   ber  üon   il^m   au«ge^enben  2iebe«tl5^ätigfeit  gclommen 

65  ift,  l}at  \\:}n  mit  ber  $ocl)ac^tung  bor  einem  berartigen  ©inn  unb  SßJirfen  eidfüHt,  bie 
xi}n  fein  gan;;e«  Sebcn  l^inburci^  begleitet  l}at 

3m  3;a^re  1823  l^abiliticrtc  fid;  ©t.  al«  S^ojent  an  ber  t^eol.  galultät  ^u  »afel; 
fein  gange«  Scben  ^inburc^,  über  50  '^al}u  lang,  t^at  er  an  i^r  geleiert,  nidg^t  ein  bim^ 
gciftreic^en  SJortrag   anregenber,   aber   ein    treuer,   fic^   l^iugebenber  2e^rer,    ber  feinen 


etJU^eltn,  3.  3.  733 

©c^ülem  auc^  bie  gcrmgften  toijfcnfc^aftlic^en  2)tcnfte,  tote  \>ai  immer  neue  ßinüben  ber 
^ebräifc^en  ©rammatit,  mit  unermüblic^er  ®ebulb  geleiftet  l^at.  SJabei  toar  fein  gaft* 
freie«  §au«  ein  9RitteIl)unIt  unb  S3inbeglieb  für  feine  Äottegen  atter  gatultäten;  unb 
mit  feinen  finanziellen  3)litteln  ^at  er  manche  toiffenfc^aftlic^e  Unternehmung  unterftü^t, 
bie  fonft  nic^t  päiU  ^u  ftanbe  lommen  lönnen,  aud^  ju  ber  einen  unb  anberen  felber  bie  6 
Snitiatibe  ergriffen,  namentlich  gu  foIAen,  bon  benen  er  eine  görberung  be«  SibeU 
toerftänbniffe«  ertoartete.  ©0  ^at  er  noq  in  feiner  legten  Sebcn^jeit  bie  §erau«gabe  be« 
großen  arabifc^en  ßl^roniltoerle«  be«  3:abari  anaeba^nt,  „bie  jahrelang  ber  l^offnung^lofe 
SBunfc^  ber  Drientaliften  getoefen",  um  baburd^  fic^  unb  anberen  einen  Haren  ßinblicf 
in  bie  ®e})fIogenl^eiten  morgenlänbifc^er  ®arfteHung  unb  ©efc^ic^tfc^reibung  ju  berfc^affen.  10 

9jm  DItober  1873  burfte  er  nod)  gemeinfam  mit  Ä.  91.  §aaenbac^  bie  feltcne  geier 
jeine«  öOiä^rigen  ©ojentenjubiläum«  begel^en.  Rtoei  gjal^re  barauf,  am  27.  Sluguft  1875, 
ift  er  gu  Sangenbrud  im  gjura  fc^merjlo«  unb  friebli^  entfc^Iummert. 

ajie  f(ftriftfteHerif(^e  2:i^ätig!eit  ©t.«  begann  im  gjai^re  1827  mit  feiner  ajiffertation^s 
fc^rift:  Animadversiones    quaedam    in   Jacobi    vaticlnium.     ^ie  9lutl(ientie   be«  15 
@egen«  ^aloh^  toirb  bel^au^et,  bielleic^t  mit  ber  einzigen  ä(u«nal^me  be«  @))ruc^e«  über 
£ebi.    Sluf  bem  gelbe  ber  ^entateu^mtil,  auf  bem  ©t.g  9lame  am  l^äufigften  genannt 
toorben  ift,  treffen  toir   i^n  juerft  in  ben  „Äritifc^en  Unterfuc^ungen  über  bie  ®eneft«" 
(SSafel  1830).    9jm  3Sergleic^   mit  ber   obigen  2)iffertation  jeigt  biefe«  ©c^riftc^en  einen 
entf^iebenen  Schritt  bortoärt«,  inbem  e«  für  bie  Iritifcfien  D})erationen  getoiffe  fefte  ©runbs  20 
fä|e  aufftellt.    SBor  allem  toirb  bie  9lottoenbigIeit  umfaffenber  ^iftorifqer  unb  fjjrac^lic^er 
^eobac^tun^en,  unb  namentlich  auc^  ber  33erglei(^ung  ber  biblifc^en  Sitteratur  mit  anberem 
moraenlänbtfc^en  Schrifttum   betont.     Xit  Unterfuc^ung    felbft    erftrecft   ftc^    auf   ben 
Sffiec^fel  ber  ®otte«namen   (gegen  gtoalb«  ©c^rift  bon  1823),   bie   aSerfc^ieben^eit   be« 
©})rac^gebrauc^e«  unb  bie  lenbenj   ber  beiben  Duetten,  enblid^  auf  ba«  SSerfabren  be«  26 
„Sßerfafier«"  mit  benfelben.    Xa^  ällter  toirb  bai^in   beftimmt,   ba^  ber  ßlo^ift  unter 
©aul,  ber  3l«^obift  too^I  unter  SDabib,  ber  3Serfafjer  be«  ®arnm  balb  nac^^er  gefd^riebcn 
l^abe.     .^ieran  f^lie^en  ftc^  bie  „Beiträge  gu  ben  hitifd^en  Unterfuc^ungen  über  ben 
^entateuc^,  bie  Sucher  ^ofua  unb  ber  Slic^ter"  an  in  ben  3:^©tÄ  toon  1835.    311«  ein 
neuer  ®efic^t«))unlt  tritt  ^ier  bie  gorberung  auf,  bor  aQem  bie  beiben  ®efe^ebungen  so 
(bon  benen  bie  elol^iftifc^e  „getoi^  toäl^renb  be«  Slufent^alte«  in  ber  SBüfte  gegeben  ift") 
nä^er  gu  unterfuc^en.    ®abei  ^at  übrigen«  ©t.  ben  Übergang  jur  6rgänjung«I^Vf  ot^efe 
in  il^rer  reinen  ®eftalt  nac^  bem  Vorgänge  Sleed«  bouftänbtg  bottjogen.    äluf  bem« 
felben  ©tanbjjunit  finben  toir  i^n  in  ben  au«fü^rUc^en  „Kritifc^en  Untcrfuc^ungen  über 
ben  5ßentateuc^,  3iof ua,  SRic^ter,  ©amuel  unb  Könige"  (S3erlin  1843);  nur  bafe  fic^  bieas 
ällter«beftimmungen  ^ier   noc^   me^r  ber  ^rabition  annähern,    ^er  $entateud|,  ^o]ua, 
aiic^ter  (ol^ne  ben  2lnl^ang)  unb  bie  ältere  Duettenfc^rift  bon   1  ©a  finb  unter  ©aul, 
bielleic^t  bon  ©amuel  felbft  berfafet,  bie  jugrunbe  liegenbe  elol^iftifc^e  ©c^rift  ftammt  au« 
ber  ^eit  balb  nac^  3ofua,  bie  jüngere  ©amuel«quette  ift  bon  einem  Sjwbäer  unter  ^i«Iia, 
ber  Sn^ang  be«  Sfli^terbuc^e«  unter  Sofa))^at  berfafet.    ©etoiffe  Beobachtungen,  bte  ©t.  40 
bamal«  machte,  toie  ber  Slnfc^lug  be«  beuteronomifc^en  ©))rac^gebrau^«  an  ben  jel^o^ 
biftifc^en   fmb   burdj^  bie  neuere  ^l^afe  ber  5ßentateud[^fritit  m  gieren  gebracht  toorben. 
35abei  fel^lt  auc^  bie  SRüdfic^t  auf  ba«  ©ac^lic^e  Ieine«toeg«.   ä3ei  jebem  Suc^e  toirb  auc^ 
ba«  religiöfe  unb  „firc^lic^e"  Setoufetfein  ber  SSerfaffer  unterfuc^t,  unb  julefet  eine  Über^ 
fic^t  über  bie  ®efc^ic^te  be«  Äultu«,    fo  gut  fte  bamal«  möglid^  toar,  gegeben.  —  2Bie46 
biefe«  Suc^,   fo  ftel^t  auc^  ber  9luffa$  „Sie  Eroberung  unb  Sertl^eibigung  ^aläftina« 
burdj^  S^fufl"  (2:^©tÄ  1849)  burc^au«  auf  bem  33oben  ber  6rgänjung«^^})ot^efe;   bie 
Einleitung   in   ba«   91ic^terbuc^    foQ    nur   ba«  ©))ätere,   (Simelne   nachtragen    ju   ber 
ufammenfafjenben   Seric|terftattung  im  33uc^e  gjofua.    ajenfelben  ®efic^t«})unft  l^alten 
)ie  folgenben   arbeiten  feft  (fämtlic^    in  ber  S^m®),    „SSerfuc^   einer  ®efc^ic^te   berw 
aSer^ältniffe  be«  ©tamme«  Setoi  (1855),  „3)ie  SBanberungen  be«  ßentrall^eiligtum«  ber 

fiebräer  bom  a:obe  gli«  bi«  jur  ßrbauung  be«  2:em})el«"  (1857),  unb:  „Sie 
otalität  ber  Äriege  SDabib«"  (1863),  bie  e«  befonber«  mit  3l^^J^*'Pji^i^"Ö<^"  bon 
Drt«namen  ju  tl^un  ^at.  —  SJie  le^te  l^ier^ergebörige  ©c^rift,  „®a«  Seben  2)abib«, 
eine  l^iftorifd^e  Unterfuc^ung"  (33afel  1866),  bejeic^net  ftc$  felbft  in  ber  33orrebe66 
al«  eine  ftreng  toiffenfc^aftlid^e  Unterfuc^ung,  ju  toelc^er  ben  3>erfaffer  ba«  toiffenfc^afts 
lic^e  ®en)iffen  fc^on  lange  gebrängt  l^abe,  um  ftd^  ben  moralifc^en  Sl^aralter  2)abib« 
toal^rl^aft  tlar  ju  machen.  SJie  fritifc^e  2lnal^fe  erfd^eint  al«  fel^r  ungenügenb,  ba  atte 
Duellen,  auc^  bie  G^ronil,  al«  gleic^toertig  be^anbelt  toerben;  bie  Beurteilung  SDabib« 
fällt  ftreng  an^,  ba  ba«  religiöfe  Seben  l^inter  bie  äußeren  I^atfad^en  fe^r  jurüdftritt;  eo 


bi 


734  eti^dm,  3.  3. 

tmmcr&tn   jtigt  ficfce  au6   bicr,   toie  ber  35maT|CT  t»n  cinan  ticftrai  3"^"^^^  ^dmä 
tDtrb,  al^  nur  bon  an  {rittfcboi  Cpfratimtcn. 

ßtne  itüott  ^fiaU  k>ün  3<&nftai  St^  ift  bat  be6rätfc^  $rot?bcten  gctDtbma 
3uerft   gefrort   Herber  boe  Unh)erfttäi#^09ramm   über  Smo9   imb  ^efca  (Sofd  li^), 

5  ba^  ^m^tfddbltc^  bie  3^^)>^i^^Hie  befpric^t,  in  bencn  btefe  $ropb^n  imxftcn.  ^am 
ba6  umfoffenbe  JBert:  ,,Xie  meffumtfct^  SSet^fagungen  be§  Sx^  in  ihrer  6mülefau>g, 
Snttüidelung  unl)  Susbilbiing.  ^it  ^erücffübtigung  ber  baii);tfäiblkbften  ntuti^iamm? 
liefen  eitote''  (Serün  1847).  Xosfelbe  t>erban{t,  laut  jJortDort,  fein  gntncben  ^einoB 
ifyc\\tli(fyni  Sebürfnie;   bem  S^urfiti^  i^}^^^  ben  olttefUtmentlic^  SSeisiogungen  onb 

10  ber  Senü^ung  berfelben  im  921:  einen  orgonifc^  ^u^ammtnbanQ  nocb^utDÖfen^.  !Käs 
\pnxt  bem  Su^K  bad  tparme  ^ntereffe  ob,  bos  ber  Serfoffer  an  fcmem  ©egenrumN 
nimmt,  unb  matiAt  ber  t)rot?^ifc^en  Sitattonen  burcb  bie  neute^mentiicben  ;^<ibnftndla 
tDtrb  in  ein  neuee,  einleu^tenbe^  £ic^t  ge^eQt  ^m  XnJt^ge  finben  ftc^  Srörtcxungen  üba 
Spaniel,   fotoie  fieben  ßrrurfe  über  bie  toic^tigflen  fritifc^  ^ogen  in  Sctrcft  ber  $rr= 

16  pbcitn  (3eitaltcr  bc^  ^od,  äutbentie  bee  Jefaja  u.  f.  f.).  —  35er  Suffo^:  ^tfaintran^ 
ber  Sßeidfagtmgen  be^  ^eremia''  (3bm@  1849)  fuc^t  bem  t>on  ^aXKtnvd  aufgefteütcn 
^rinjit)  einer  fac^lic^en  änorbnung  in  fteben  &xuppm  rvodf  ben  ^ad^toa^  einer  ftrcng 
c^ronologifcben  Erbnung  innerbalb  ber  Sac^orbnung  beizufügen.  —  S^ie  Sttbanblang 
über   ,,3)ie  3a^Ien   im  93u(^e  Spaniel"   (3bm®  1857)  fnüjjft  an  Xa  12,  11  f.  an,   va(t 

20  finbet  bie  t)ier  ä^eltreic^  in  bem  c^olbäifc^,  mebifd^)>erfif(^,  macebonifci^ai  unb  Hca- 
cibif(^cn.  —  2:ie  le§te  Arbeit  auf  biefem  ®ebiete  ift  ber  Suffa^  über  ,,Xic  "^03^*001 
be^  als"  in  6«ben^im^  Siertelja^fc^rift  (1867),  toelc^er  allgemeine^  über  bie  8e= 
beutung  unb  Stufgabe  ber  ^cbräif(^  ^ro))beten  Dom  toarm  pofUit)en  Stonbpunite  oul 
unb  eine  Überfielt  über  ben  ^nbolt  ber  propl^^d^m  gc^riften  giebt 

28  Sefonbere  äufmerffamfeit  toanbte  St.  mele  3^^^^^  ^inburc^  au^  ben  ^folmen  yL 
ß^  ftnb  brei  arbeiten,  bie  ^er  in  93etra(^t  fommen.  ßin  1851  auf  ber  Crientaliftai: 
tjerfammlung  in  ßrlangen  ge^Itener  SSortrag  (3bm©  1852) :  „3ur  Aritif  ber  ^falmcn". 
ßin  in  gronffurt  gehaltener  Vortrag  (3bm©  1862)  „Über  bie  ba)nbif(^en  ^falmen  ba 
faulifc^en  aSerfoIgung^jeit",  ber  unterfucbt,  toelc^e  biefer  ^falmen  (54,  57,  63)  auf  5Ja(^ 

30  at^mung  älterer  Xi(^tungen  beruben,  unb  tüelc^  originell  erfc^einen  (52,  56,  59).  (nib= 
lic^  ba^  Unitjerfitäteprogramm  (Safel  1859)  „3"^  ßinleitung  in  bie  ^falmen",  teeid« 
\xd)  mit  ber  3tnorbnung  ber  Sieber  (1—89  größtenteils  bei  beftimmten  Snloffen  gebiitft, 
bie  übrigen  ber  §au>)tma)je  naö^  allgemeinen  3"^^^^)  w"^  *"i*  ^^  Äritif  hct  Über- 
fc^riften  unb  ber  barin  enthaltenen  ^iftorift^en  'ün^abm  befc^äftigt. 

36  2)aö  ^aupttvtxt  (gt.ö,  in  baö  er  —  je^n  Qa^re  nac^  ber  t)on  i^m  bef orgten  7.  äui 
beS  i^l}xbud)Q  t)on  be  ^}ÜttU  —  bie  Slefultatc  feiner  gorfd^ungen  in  größerem  Umfonije 
niebergelegt  b^t,  ift  bie  „Bpcix^ü^  ßinicitung  in  bie  fanonifc^en  Sucher  be^  Sliö"  (Glber^ 
fclb  1862).  ^ie  t)on  SReufe  unb  ftupfelb  eingeführte  Seftimmung  biefer  35iö5i})Iin  totrt 
rücf^alteloe  abo>)tiert:    „2)ic  ßinleitung  in  baö  211  ift  bie  Sitteraturgefc^ic^te  bcsfelben". 

40  2)ie  Urteile  über  bie  ßntftef^ung  ber  gefc^i4>tlic^en  Sucher  fuib  biefelben  tote  in  ber  früher 
ertDäF^nten  Scbrift,  nur  toirb  bie  2:^eo]pncuftie  beö  SerfafferS  beS  ^entoteuc^  im  (Segens 
fa^  gegen  bie  fonftige  antife  ©efc^ic^tfc^reibung  ausbrürflic^  ^ert)orge^oben.  9hit^  toirb 
in  bie  lefete  3<^it  ^or  bem  ßjile  gefeit,  über  ben  gefc^ic^tlic^en  ß^rafter  ber  ßbronif 
unb  fclbft  bcS  Sucres  ßftF^er  fcf^r  günftig  geurteilt,    dagegen  ift  gona  ,,etne  ju  religiofcn 

46  3^ccfen  t)erarbcitete  Sage".  2)ie  Urteile  über  bie  'i)iro>)l^eten  folgen  faft  burc^^au^  ben 
bamale  (bcf.  burd;  ßtüalb)  l;crrfc^enben  Slnfic^ten;  nur  bafe  an  ba  ä(ut^entie  i?on 
Sad;  1)  -14  beftimmt  feftgebaltcn  tütrb,  eine  bcac^tenölüerte  Übereinftimmung  St.S  mit 
ber  burd;  Stabe  angebabnten  ^^afe  ber  Sac^arjafritil.  Sei  ben  l)oetifc^en  Sücbem 
toirb  bie  ßiriftenj  t)on  Stro>)^en  bal^tngeftetlt.   ^tob  lüirb  toor  ^^«niia  angefefet ,   unb  bie 

6oßd?t^eit  ber  ßli^urebcn  behauptet  mit  ber  c^arafteriftifc^en  Segrünbung:  bie  sBertoerfung 
erfdjeine  infofern  al^  eine  bognmtifcl^e,  al«^  fie  auS  ber  Sc^lüierigfeit  entfjjringe,  biefc 
^Kcben  in  ben  einmal  angenommenen  ^^?lan  einzureiben,  ^m  §o^en  Siebe,  tuelc^eS  bie 
Ircuc  ber  Sraut  gegenüber  ben  ^Berfübrung^fünften  beS  Salomo  t^reift,  iDtrb  ein  ftonbigcr 
iJ^ortfdiritt   ber  öanblung   in   bicr  2ibteilungcn   angenommen.     Äol^elet  enbltd^  für  eine 

66  3trt  2l)eübice  erflärt. 

Süden  ioir  ^um  Sc^luffe  nod^  auf  ben  allgemeinen  fc^riftftellerifc^en  ß^arafter  2ti, 
fo  fällt  t)or  allem  ber  ^JJiangel  an  formgeh)anbter,  gefälliger  2)arftellung  auf,  eine  ®ak, 
bie  ibm  üöUig  üerfagt  ioar,  fo  baft  feine  2(rbeiten  !aum  in  iücitere  Äreife,  auc^  nit^t  in 
bie  ber  ftubierenbeu  ^^g^"^  gebrungen  finb.    ßbenfo  fe^lt  eS  bielfad^  an  ber  genügenbcn 

60  Durd^arbcitung  in  Setreff  ber  ©lieberung  beS  Stoffel  unb  ber  3)urc^fu^tigleit  ber  9eto«i^' 


eta^dtn,  ^.  ^,  eta^din,  9lub.  735 

fü^rung;  unb  burc^  baö  ©tteSen  nac^  unbebinötcr  fritifc^er  UiH)arleiIic^teit  läfet  fic^,  tüte 
f^on  anflcbeutet,  St.  tjtclfac^  baju  berlettcn,  bie  örofecn  fac^lic^cn  @eft(^t^>)unlte  binter 
bic  S)etaiU  ber  l)^iIoIogifd^cn  Beobachtung  afljufel^r  j^urütfjufteüen.  Set  aUebem  aber 
läfet  ftc^  ©t.  mancher  üerbienftltcbe  Settrag  ^u  ber  fritifd^ett  unb  religiöfen  (Srforfc^ung 
be^  2(2:«  ntc^t  abflprec^en.  ^an  l}at  t^n  öfter  einen  „rattonalifttfc^en  Ärititer"  genannt,  6 
aber  burc^auö  mit  Unrecht.  53et  feinem  öOiäf^rigen  ajojentenjubtläum  ^at  er  in  öffentlicher 
SRebe  aU  ba«  3iel  aDer  fetner  toiffenfc^aftlic^en  2ltbeit  bie  (S^re  feinet  §errn  unb  ^ei^ 
lanbe^  unb  ben  3)ienft  in  feinem  Steic^e  bejeic^net;  auc^  oft  bezeugt:  er  ftc^e  mit  fetner 
ß^riftenüberjeugung  burc^au«  auf  bem  S3oben  ber  Sanier  Äonfeffton,  auf  bie  er  bei  feiner 
Crbination  beri}fli^tct  toorben.  „Q^  toar  in  \f)m/'  urteilte  Äau^fc^,  ,,eine  folc^e  Harmonie  lo 
einer  finblid^  frommen  SSere^rung  ber  Stbel  einerfeitö  unb  eine«  aüer  faulen  2l})ologettI 
abgeneigten  SBal^r^eitgftnne«  anbererfeit«,  bafe  fein  Stnbenfen  fd;on  um  be^toitten  atten, 
bie  ü^m  naiver  ftanben,  e^rtoürbig  bleiben  toirb."  (&xnft  ^tä^eüti. 

©tä^eltii^SRuboIf,  geft.  1900.  —  55.  @tocfmci)er,  dt,  ©tä^clin,  ecparatabbr.  au«  bem 
SaSicr  3a!)rbuc^  1901   unb    berf.    in  SSiogr.  3a^rb.   unb   beutfc^er  9?efroIüg  oon  §(.  ©cttcl::  is 
^cim  V.  1903. 

SHubolf  ©täl^elin  ift  am  22.  ©el)tember  1841   in  95afel  aU  ©ol^n  eine«  geachteten 
Kaufmann«  geboren,    ©ein  ßltem^aug  gehörte   jum  ftrei^   ber  bortigen  S3rüberfocietät 
unb  bie  ^ier  empfangenen  ßinbrütfe  einer  lebeitbigen  unb  tf^ätigen  »^wmmigleit  ftnb  ibm 
ein  unverlierbare^  S3eft^tum  geblieben.    JJid^t  minber  begierig  ergriff  fein  lebl^after  ®eift  20 
bie  ^umaniftifc^en  Silbung^ibeale,  bie  i^m  baö  ©^mnafium  feiner  SSaterftabt  tjermittelte. 
3)er  nad^baltigen  Anregung  unb   ber  l^eilfamen   ftiliftifd^en  3"^*/   ^^^  ^^^  3B.  SBatfers 
nagele  Unterricht   anfing,   ^at  er  oft  banfbar  gebac^t.     2)ie  Sefc^äftigung  mit  ber 
Ilaffifci^en  Sitteratur  \)ai  i|n  auc^  in  bie  gal^re  be^  t^eologifd^en  ©tubium^  begleitet,  bem 
er  fic^  1859—65   in   95afel,  Saufanne,  95crlin  unb  Tübingen   toibmete.     ©ein  p^tl05  26 
fop^tfdS^e^  3"*^^^  fö"^   ^"  ^^"  einbrucföüollen  3SorIefungen  Äarl  ©teffenfen^  SJa^rung 
unb   ben   tjertoanbten  Seftrebungen   tjon  6ucfen,  S)ilt^e^,   ©iebecf,  ßla^,  ©logau  u.  a. 
galt  auc^  fpäter  noc^  feine  2:eilna^me.    ^n   feiner  2lu«einanberfe^ung    mit   ben   t^eo* 
logifc^en  fragen  füllte  er  ftc^  namentlich  burc^  bie  Se^rer  geförbert,    in   tüelc^en  t^m 
eine  SBetterleitung  be^  ©c^leiermact^erfd^en  ©tnflufje^  entgegentrat,    fo  S.  91.  Äagenbac^  ao 
unb  f})äter  $.  ©d^ul^  in  Safel,  fi.  3.  9«^fc^  unb  3.  %  35omer  in  Serlin.    Sor  atten 
aber  galt  il^m  ©c^leiermad^er  felbft,  in  bejfen  ©c^riften  er  ftc^  eifrig  vertiefte,  atö  „ein 
gü^rer  jum  Heiligtum".    6in  äüinter,  ben  ©t.  in  2:übingen  jubrac^te,   um  g.  3:.  SBedt 
gu   l^ören,   ^interliefe  i^m    einen  tiefen  ©inbrucf  Von  ber  „ftttlic^en  9)faieftät"  unb  bem 
„leben^tüarmcn  2Ba|rl^eit«finn"  biefe«  Sl^cologen,  o^ne  bafe  er  boc^  in  toiffenfc^aftlic^er  36 
SBegie^ung  fein  Sd^üler  ^ätte  toerben  fönnen. 

9Jac^)bem  ©t.  im  ^ül^ja^r  1865  fein  ©tubium  mit  einer  glänjenben  5ßrüfung  ah- 
gefc^loffen  ^atte,  unterrichtete  er  ein  ^af)x  lang  an  bem  ©eminar  gu  ©c^ierö  in  ©rau^ 
bünben  unb  befleibete  bann  ein  2>ifariat  gu  ©tein  a.  91^.,  bid  i^m  im  ^rül^ial;r  1867 
ba^  2)iaf>)ora))farramt  in  Slrle^^eim  (Safel^Sanb)  übertragen  tourbe.  6r  übernahm  bamit  40 
einen  an  ©eelenga^l  fleinen,  aber  bei  ber  Weiten  ßerftreuung  ber  (Semeinbeglieber  an 
atrbeit  unb  3lnftrengung  reichen  3Bir!ungeIrei«.  ^tvcx  ^af)xc  fpäter  grünbete  er  feinen 
$au«ftanb  mit  9Jlarie  ©toctme^er,  ber  Soc^ter  be^  feinftnnigen  unb  geiftvollen  Sanier 
$farrer^  unb  fj)äteren  Slntifte«  Immanuel  ©todtme^er.  ©ein  2öirlen  im  länblic^en 
Pfarramt,  beffen  2lufgaben  er  mit  großer  ©eiüiffen^aftigfeit  anfaßte,  foUte  jebod^  nic^t46 
Von  langer  3)auer  fein,  ^m  ©ommer  1871  toar  er  infolge  anbauember  Äränflic^feit 
gu  einem  längeren  Äurgebrauc^  genötigt,  an  ben  fic^  auf  ärgtlic^e^  ©el^eife  ein  SBinter« 
auf  enthalt  in  ©icilien  anfc^lofe.  Sin  angie^enbe«  S3ilb  ber  geiftigen  ^ntereffen,  bie  i^n 
toäl^renb  biefer  ^Ku^egeit  befc^äftigten,  geU)ä^ren  bie  aug  feinem  ^Jac^lafe  Verö^entlic^ten 
,,9leifebriefe  au«  Stauen"  (aU  5Ranuffrij)t  gebrucft,  Safel  1903).  3m  5RittelJ}unIt  ftanb  so 
il^m  bod^  immer  ber  tl^eologifd^e  Seruf  unb  für  ben  fj)äteren  Äird^en^iftorifer  l^at  biefe 
notgebrungene  ©tubienreife  vielfache  gruc^t  getragen.  2)a  i^m  auc^  nac^  ber  diixikl^x 
ber  aSiebereintritt  in«  Pfarramt  von  ärgtlic^er  ©eite  Verlvel^rt  tourbe,  entfd^lo^  er  ft(|, 
ben  33Jeg  gu  betreten,  für  toeld^en  Se^rer  unb  greunbe  ii^n  Von  2lnfang  an  beftimmt 
gebac^t  batten,  inbem  er  ftc^  an  ber  t^eologifc^en  gafultät  feiner  3Saterftabt  habilitierte.  66 
(gg  gefc^al^  bieö  mit  einer  Slb^anblung  „3ur  J)aulinifc^en  (Sfc^atologie"  (SbX^  1874). 
ä)ie  balb  barauf  gehaltene  ^robeVorlefung  über  „ßraömu«'  Stellung  gur  Steformation" 
(S3afel  1873)  geigt,  bafe  er  bereit«  ba«  gelb  gefunben  l^atte,  bem  feine  gorfc^ung  Vor= 
gug«toeife  gehören  follte.    211«  im  ga^r  barauf  —  ^nnx  1874  —  Ä.  91.  ^agenbad^  ftarb, 


736  etai^eHit,  9)ub. 

erfc^ien  ©t.  afö  ber  gegebene  SfJac^foIger;  er  trat  uinäc^ft  ate  ßjtraorbmariu«,  fd^onlSTo 
ate  Orbinariu^  in  bie  entftanbene  Surfe  ein.  3!)a  neben  i^m  granj  Dt>erbcrf  bie  ©t- 
fd^ic^te  ber  alten  unb  mittelalterlichen  Äirc^e  bertrat,  fiel  6t.  öorjug^toeife  btc  ®^i)\^U 
ber  Sleformotion  unb  ber  au^  xf)x  J^erborgegangenen  üirc^en  ju,  in  ber  er  fu^  burt^  um- 

6  faffenbe  Duettenftubien,  aber  frei  bon  einfeitigem  ©J)eiialiftentum  ]^eimif(^  mad^te.  Sein 
^ntereffe  gehörte  ber  gefc^ic^tlic^en  Oefamtbetoegung  De«  ß^riftentum«  unb  feine  b^^tuU 
fame  Slrbeit  in  biefem  toeiten  Oebiet  lie|  i^n  unberührt,  ©abei  toar  er  tief  burc^bnmgoi 
t>on  bem  lirc^lic^en  33eruf  ber  Il^eologie,  eine  Überzeugung,  bie  i^m  ba«  Sebiirfni«  nod^ 
Iritifd^er  Ermittelung  ber  gefc^id^tlic^en  SBa^rl^eit  nic^t  au^fd^lo^,   fonbem   nur  noc^  ge^ 

10  toic^ti^er  erfc^einen  lie^.  @r  ^at  barum  neben  feinem  alabemijc^en  3(mt  aud^  m  manc^ei 
gunitionen  ber  Äirc^e  gebient,  fo  al«  3Witglieb  ber  tl^eologifc^en  ^rüfung^bel^örbe,  be^ 
t)roteftantif(^'Iir(^lic^en  $ilf«berein«,  ber  ©V^^obe  unb  fl)äter  be«  Jtird^enrat«,  überall  bi« 
game  Äraft  einfe^enb  unb  feiner  ©ad^Ienntni«  toie  feine«  befonnenen  Urteil«  tocgen  ^oc^ 
gef($ä|t. 

16  Dbh)ol^l  ben  3Sorlefungen  ©t.«  mand^e«  bon  bem  abging,  toa«  ben  glänjenben  Sot: 
trag  au«ma(^t:  leichter  %l\x^  ber  Stebe,  ©lötte  be«  ©til«  unb  ©(^tpung  ber  ^orfteOung, 
fo  machten  fie  boc^  burd^  i^re  @rünblic^{eit,  il^re  bolltommene  ©toffbe^errfc^ung  unb  ben 
fie  burd^bringenben  ßrnft  j)erfönlic^er  Überzeugung  einen  nac^^ltigen  Sinbrurf.  gin« 
feiner  ©d^üler  f)ai  an  ©t.«  ®rab   bejeugt:   „Sei  i^m.Äirc^engefc^i^te  ftubieren  ^eft  an 

20  ©Ott  glauben  lernen."  ®abei  toar  er  unermüblic^  in  ber  ^ötberung  ber  ©tubenten,  btc 
feinen  9lat  fuc^ten  ober  i^m  fonft  nä^er  lamen.  ©^arfam  mit  feinem  2ob,  toufete  er 
i^r  toiffenfc^aftlic^e«  ©treben  ju  läutern  unb  auf  bte  rechten  S^tU  ju  lenfen.  ®c  toor 
barum  nid^t  blofe  für  bie  fdbtoeijerifc^en  S^eologen  ein  gefuc^ter  Se^rer;  audf  t>on  au^ 
toärt«  richteten  ^c^  bie  Slidfe  auf  i^n.    9jm  ^abr  1888  toünfc^te  man  i^n  für  bie  buit^ 

26  $amad«  ffieggauji  erlebigte  5ßrofeffur  ber  Ätrdpengefc^ic^te  in  5Dlarburg  )u  getoinnen. 
2)a«  Oefü^l  ber  SBerjjflicptung  gegen  ßeimat  unb  gamilie  bepimmte  i^n  jur  äblej^nung. 
®a^  ber  mit  fc^loerem  §erjen  gefaxte  ßntfc^lufe  bo^  ber  rechte  getoefcn  fet,  beffen  tombe 
er  ft^  erft  in  ber  golge  ganj  betoufet.  2)er  3"f^^"t>  f^^"^  äugen  l>erf(^limmerte  ^ 
nämlic^  im  ^af)x  1889  fo,  bafe  er  auf  alle«  eigene  Sefen  berjic^ten  mufete.    Unter  biefcn 

80  Umftänben  ioar  bie  gortfe^ung  feiner  Se^rt^ätigleit  unb  bie  äu«fü^rung  ber  gtoingR 
Siograi)^ie,  für  bie  er  feit  ^af)xm  ba«  3Katerial  gefammelt  l^atte,  in  fjrage  geflellt.  SUlein 
feine  Oebulb  unb  Energie  ^eate  über  biefe  §inberniffe.  93on  feiner  ®attin,  toie  t>on 
greunben  unb  ©c^ülern  burc§  3Sorlefen  unterftü^t,  machte  er  e«  möglit^i,  feine  8cbr: 
t^ätigleit  im  alten  Umfang   toeiterjufü^ren  unb  feinen  „^ulbreic^  S^^^S^i"  i"*"  0^«<^' 

86  liefen  Slbfc^lufe  ju  bringen.  1895  toar  ber  erfte,  1897  ber  jitoeite  Sanb  bi^e«  feines 
eigentlichen  £eben«h)erf«  tjoDenbet.  6«  barf  al«  eine  nac^  ^tii}alt  unb  ^orm  muftcr^ 
giltige  biftorifc^e  3Konograj)l^ic  bezeichnet  toerben.  9Rit  botter  Se^errfc^ung  be«  urlunb^ 
liefen  3Jlatcrial«,  bie  feiner  SDarftettung  immer  fc^arfe  Umriffe  üerleil^t,  t>erbinbet  bei 
3Serf.  ein   feinftnnige«  i^erftänbni«  für  bie  ®eifte«art  be«  ^Reformator«  nac^  i^rer  ©röfec 

40  roie  nac^  ibren  ©c^ranlen  unb  nic^t  jule^t  bie  ®ahc,  fein  S3ilb  in  ben  großen  3wfö*nnien: 
bang  ber  Setoegungen  ber  3^*^  ^inein^uzeicbnen.  9Rit  gutem  ®runb  fyit  bie  Sanier 
p^ilofo>)^ifc^e  JJafultät  ben  ^erf.  biefer  bebeutfamen  Slrbeit  mit  ij^rem  (S^renboftorat  ou^ 
gejeic^nct,  na^bem  er  fc^on  früher  bon  Sem  burc^  bie  t^eologifc^e  ©oftortoürbe  geel^ 
toorben  toar. 

46  3)ie  übrigen  ©d^riften  ©t.«  fmb  teil«  3Sorftubien  ju  biefem  §au^ttoer!,  teil«  onbercn 
®eftalten  au«  ber  ©ejc^ic^te  be«  $umani«mu«  unb  ber  Sieformation  geluibmet.  (ßine 
boüftänbige  Sifte  finbct  fic^  am  ©c^lufe  ber  ©lorfme^erfcben  33iograt)bie.)  SBJir  nennen 
barau«  bie  2lbl^anblung  über  SSabian  (53eitr.  jur  üaterlänb.  ®efcb.  vtS  1/  ©afcl  1882), 
Sie  erftcn  SKärt^rer  be«  et).  ®lauben«  in  ber  ©^toeij  (3?ortr.  bwau«geg.  Don  grommd 

60  unb  $faff  IX,  1883),  Sriefe  au«  ber  SReformation«jeit  (33a«l.  Uniöeifttät«^rogr.  1887), 
ben  aSorläufer  ber  größeren  3n)ingli=Sioora})l^ie  (©(briften  be«  l^er.  f.  9lef.=®efc^.  1883) 
fotoie  ben  2trt.  QaWin  in  Sb  III  biefer  Gnci;!l.  gür  le^tere  ^at  er  auc^  biogra})^if<^ 
airtifel  über  Siebermann  unb  §agenbacb  t?erfa|t.  S)em  ®ebäcbtni«  S)e  SBSette«  ift  eine 
1880  tjeröffentlicf^te  Siebe  getüibmet.    ©eine  ieilnabme  an  ben  fragen    be«   c^riplidben 

66  ®la\xUn^  unb  Seben«  belunben  bicSluffä^e  über„2)ie3lutorität  ber  bl.©C9rift  unb  bie  biblifie 
Äritif"  (Ib- 3cttfcbr.  au«  b.  ©c^ih).  1884),  „2)ie  Scbre  tjon  ber  2:aufe  unb  i^re  9?oth)enbig= 
feit  in  ber  ref.  fiird^e"  (Äircbenbl.  f.  b.  ref.  ©cbh).  1882)  unb  fein  fc^öner  Vortrag: 
2)ie  (Sbriftcnboffnung,  1900.  2)er  le^tcre,  auf  ber  t)on  ©t.  gern  befuc^ten  ^fingftfonferenj 
in  Sieftal  1896  gebalten,  ift  einem  tüeiteren  Ärci«  erft  al«  le^te«  SBetenntni«  eine«  ^eim= 

60  gegangenen  jugänglicb  gctoorben.    2lm  6nbe  be«  in  geiüol^nter,  angeftrengter  Slrbeit  ju-- 


®tai|eltit,  SHub.  ®ta!|Iiit  737 

gebrachten  aOäinterfemeftcrö  traf  il^n  am  11.  3Jlärj  1900  ein  ©c^IaganfaH,  beffen  golgcn 
am  13.  5Kär3  feinem  Seben  ein  ^iel  festen. 

^n  einer  t^eologifd^  toie  lir^IiA  iüed^feteoffen  3^i*  ^<^*  ®tv  <^tt^n  ®jtremen  abl^olb, 
bie  ©ac^c  einer  emften  unb  iüiffenfd^aftlic^  freien  grömmigleit  mit  ruhiger  Seftimmt^eit 
vertreten.  ®Ieic^  feinem  fiel^rer  ^agenbac^  ^ielt  er  fi^  ^ur  ®riH)j)e  ber  tbeologifc^en  5 
unb  fir^Iic^en  Sermittelung.  Unb  feiner  lauteren,  auf  aÖien  Seiten  gead^teten  ^erfön« 
lid^Ieit  ift  e^  mit  ^u  berbanlen,  toenn  in  bem  3lu«einanberftreben  ber  Slid^tungen  boc^ 
nod^  ein  S3eU)ufetfein  ber  ßwf^'ww^^i^ö^^öriöleit  in  ber  Söfung  gemeinfamer  ^riftlid[^s 
firc^lic^er  älufgaben  erhalten  blieb.  Offen  unb  fc^Iic^t  in  feinem  3luftreten,  borne^m  in 
feiner  ©efinnung,  ol^ne  jeben  Slnf^rud^  barauf,  anberen  ju  im))onieren,  bertrat  er  einen  10 
©ele^rtent^^ug,  ben  man  mit  ju  ben  beften  Irabitionen  be^  alten  33afel  red^nen  barf. 
3)ur4>  (Smjjfänglid^feit  unb  Sebl^aftigleit  für  geiftigen  Slu^taufc^  befonberö  Veranlagt,  fjai 
er  3Kenfcfeen  t)erh?anbten  Strebend  bon  linfö  unb  red^t«  anjujie^cn  unb  in  untoanbelbarer 
3!reue  feftju^alten  getou^t.  D1)m  3lbgug  bürfen  toir  ba^  ©ort,  mit  bem  er  3^i"9^i 
c^arafterifiert  \)at  (II,  519),  auf  i^n  felbft  antoenben:  „©ein  entfd^eibenber  S^^l^wte  unb  15 
feine  aUe«  jufammen^altenbe  ßin^eit  lag  boc^  barin,  ba^  er  im  innerften  ®runb  feine« 
SBefen«  ein  SDZann  be«  ©lauben«  toar,  ber  ba«,  toa«  er  berlünbigte,  aU  lebenbigen  S3efi| 
in  ber  ©eele  trug  unb  au6)  in  ben  fd^toerften  5ßroben  feft^ielt."  D.  Äirti. 

©to^Hii,   2lbolf  b.,   geft.  1897.    —    J^.ÄoIbc,  ^b.  ü.  etö^lin.     ein  ©ebenfblatt 
(93citr.  j.  5ai)r.  m  IV,  @.  15  ff.),  ®rl.  1897;  SBu(6ru(!cr  in  b.  iR!3  1897,  9.  ^cft;  O.  ©tft^Iiii,  20 
Oberfonfiftorial^röfibent  D.  ^b.  ö.  ©tö^Iin.  (Sin  ficbcn^bllb  mit  einem  ^n^ang  üon  ^rebigten 
unb  5Rebcn,  2Rün4cn  1898. 

abolf  ©tä^Iin,  ba«  ältefte  bon  bierjel^n  Äinbem,  tourbe.  am  27.  DItober  1823  ju 
©c^mä^ingen  im  3)elanat  9JörbIingen  aU  ©o^n  be«  bortigen  5ßfanerg  3Diartin  ©tö^hn 
geboren,    ©ein  SSater,  ber  längere  3^'*  ^^  ))l^ilologif(^en  Se^ramt   t^ätig  geiüefen  toar  25 
unb  erftl821  in  ben  ^fanbienft  trat,  toar  ein  toiffen^reic^er,  ^^ilologifdj^  unb  })^ilofoj)l^ifc^ 
n)ol^lgefd&uIter  SDiann,  ate  2^eologe  überzeugter  SHationalift  unb  abgefagtcr  ©egner  ber 
bamatö  fid^  fc^on  regenben,   aU  „SK^ftici^mu^"  gebranbmarlten  neueren  firc^lic^en  SRic^« 
tung.    er  gab  bem  ©ol^n  ben  erften  Unterricht,  aber  fc^on  mit  jtbi>lf  ^al)xm  mu^te  ber 
ftnabe  ba«  eiternl^au«  berlaffen,  um  ^unäc^ft  ju  SRemmingen,  bem  SBo^norte  ber  ®rofes  30 
eitern,  bie  bortige  Sateinfd&ule  ju  befuc^en,  bie  er  1834  mit  ber  am  SOäil^cIm^gbmnafium 
in  3Jlünc^cn  bertaufc^te,  big  man  enblid^  1835  im  Kollegium  bon  ©t.  3lnna  in  2(ugdburg 
ben  rechten  $Ia^  für  i^n  fanb.    Unb  auf  bem  ©t.  2lnneng^mnaftum,  baß   er  nunmeljr 
gu  befud^en  f}atu,  too  ber  geleierte  unb  fraftbotle  ^rofeffor  ® .  Ä. -ÖJelger,  ber  fj)ätcre  (feit 
1840)  SJeftor  be«  ®^mnafium«  unb  be«  Rottegium«,  befonberen  ©inpufe  auf  i^n  ausübte,  35 
legte  er  ben  ®runb  ju  feiner  umfaffenben  Äenntni«  ber  uaffifc^en  unb  beutfc^en  Sitteratur. 
3lo6)  nic^t  17  ^a'l)xt  alt  burfte  er  bie  Slnftalt  mit  bem  ^räbifat  „borjüglic^"  berlaffen. 
Slm  27.  Dhober  1840  hjurbe  er  an  ber  Uniberfität  ©rlangen  al«  stud.  theol.  et  phil. 
immatrifuliert.    S)ie  angefel^enen  5ß^ilologen  SJöberlein  unb  Äoj)j),  unb  fj)äter  ber  allen 
feinen  ©c^ülem   befonber«  unbergefelic^e  SJägetebac^  iüaren  junäc^ft   feine  ^ül^rcr  (bgl.  40 
Suc^rudter  unb  ©tä^lin,  jum  e^renben  Slnbenfen  be«  ßrlanger  $|ilologen  Dr.  Subiüig 
3)iJberlein.  ßibei  Sieben  6rlangenl892),  abertoenner  auc^  tüä^renb  ber  ganjen  ©tubien^eit 
noc^  ))l^ilologifd^e  SSorlefungen  ^örte,  toanbte  er  [\6)  je  länger  je  mel^r  ber  S^eologie  ju. 
9lun  hjaren  e«  ^arlefe,  §ofmann,  3:^omafiug,  ju  beren  gü^en  er  fafe:   „9Ber  au«  ber 
3ltmof>)l^äre  be«  Stationali^mu«,  fc^reibt  er  einmal  (in  feinem  5ReIrolog  auf  ben  greunb  45 
unb  ÄoDegen  ©täbelen  in  b.  »eil.  jur  Stttg.  ßeitung  1891,  3lx.  270),  in  bie^ijrfäle  eine« 

tarlefe  unb  §ofmann  ^og,  bem  ging  eine  neue  SBelt  auf,  bem  fbrubelte  e«  tüie  frifc^e 
Safferquellen  erquidtenb  unb  beläenb  entgegen.  —  3"  beiben  lam  noc^  I^omaftu«, 
biefe  leibhafte  ©^nt^efe  grünblic^fter  tl^eologifd^er  ©c^ulung  unb  reid^er  praftifc^er  Sc^ 
gabung  unb  ©rfal^rung".  2Bie  Wenige  anbere  na^m  er  bie  bamate  entfte^enbe  „ßr*  «> 
langer  SE^eologie"  in  fic^  auf,  jeithjeilig,  h)ie  e«  fc^eint,  aber  nur  borüberge^enb,  auc^ 
ergriffen  bon  ber  j)ietiftif^en  grömmigfeit  be«  reformierten  Il^eologen  unb  ^^farrer«  Ärafft 
(f.  b.  31.  S3b  XI,  59).  ©c^on  bor  Slblauf  be«  erften  ©emefter«  f onnte  er  feinem  9Sater  fc^reiben : 
„Ueber  meine  religiiJfen  Überzeugungen,  nid(>t  me^r  SKeinungen,  toitt  id^  mic^^^nen  nun 
näd^fteng  gang  aufrichtig  mitteilen ;  fie  ^aben  ftd^  freiließ  in  bielem  fel^r  geänbert"  (D.  ©tä^lin  && 
a.  a.  0.  ©.  19).  2)ag  ging  ol^ne  manche  innerlidfje  unb  äufeerlid^c  «äm))fe  nid^t  ab,  unb 
bet  aHmä^tid^  immer  gri)feer  rverbenbe  Unterjc^ieb  bon  ber  S)enftbeife  be^  3Saterö  unb 
ba^  baburd^  jeittoeife  gefj)annte  SSerl^ältnig  ju  tl^m  h?urbe  bon  bem  jungen  2^^eologen, 
bem  ein  innige^  iperjengc^riftentum  jum  Gentrum  feine«  3)enleng  unb  Seben«  getoorben 

Rcol'iittc^nopäbic  tat  Zfitoloqit  mh  ftirt^.    8.  K.  xym.  47 


738  etJU^Iui 

Xoax,  fc^tücr  emtjfunben.  2)a6ei  ^attc  et  forltoä^renb  mit  matericDcr  3loi  ^u  lämpfai, 
bic  feiner  ol^ne^in  fc^toäc^Iic^en  ©efunb^eit  ftarf  jufe§te.  aber  jene  Soi^e  beöStubhim^ 
im  Äreife  glei(|ftrebenber  ©enojfen,  mit  benen  er  bann  burc^  ba^  d<nue  Seben  im- 
bunben  blieb,   eine^  Stäbelen,  9lu$  unb  6mft  Sut^bt,  bie  3«^  ^^  ©inbringcnl  in 

6  bie  neue,  auf  bem  alten  ©c^riftgrunbe  fic^  erbauenbe  Il^eologie  erfc|>ien  f})ätcr  bem  @t«f< 
atö  eine  l^enlic^e,  löftlic^e  ^^t.  ©eine  "AiiQm  leuchteten,  tocnn  er  boran  backte,  unb 
toenn  er  babon  \pxad),  fo  Pofe  fein  3Jlunb  über  bon  rüi^renber  ^an!barfett  gegen  f«ie 
einftigen  Sc^er  (bgl.  5. 33.  feine  SRebe  beim  ßrlanger  Unit>errität^iubUmun  im  S^bre  1893 
ättöäeitg.  tjom  9.  «ug.  1893,  5Rr.  219,  2.  aRorgenbl.).  äte  ein  innerlich  gereifter  Wann 

10  lam  er  naA  borgtigliqi  beftanbenem  äufna^m^ejamen  in  än^bac^  1844  in«  $r^cr^ 
feminar  naq  3Jlünc^en,  aber  ba^  Äonfiftorium  mu^te  über  i^n  berichten,  bafe  er  feina 
üränHic^feit  toegen  troj  feiner  ^erborragenben  Sefä^igung  berÄir^e  toenig  3)tenfle  lejften 
toerbe.  Unb  er  toar  jeittoeife  fo  fc^toac^,  bafe  er  bei  feinen  ®ängen  burc^  bie  grofee  gtah 
bann  unb  toann  in  eine  offenfte^enbeJtirc^e  eintrat,  um  ftc^  auf  einer  93anf  au^jurubm. 

16  ©c^on  bamate  trat  er  in  engere  S3ejiel^ung  ^u  bem  ^räftbenten  be«  DberfonftftorainB 
%x,  b.  JRot^,  ber  fic^  feiner  in  bäterlic^er  SBSeife  annal^m,  unb  beffen  Sebeutung  unli 
Sirifamleit  für  bie  ba^erifc^e  Sanbe^Iirc^e  ©tä^Iin  fl)äter  in  einem  au^fü^rlic^  ättiW 
in  ber  2).  ST.  33.  gefd^ilbert  l^at.  9lac^bem  er  jtoei  ^al^re  im  ©eminar  geblieben  toar,  borai 
eine  lurje  RÄt  aU  ^au^Iel^rer  in  Jtarl^ru^e  ^ugebrac^t  l^tte,  begann  eine  lange  SSkmbei: 

20  jeit  ate  SSttar,  in  ber  er  freilid^  mel^rfac^  bie  Pflege  be«  elterlichen  ^aufed  auffud^« 
mufete,  toeil  fein  Roxpn  ben  3)ienft  böDig  gu  berfagen  brol^te,  toa«  für  i^n,  ber  fotnel 
auf  bem  $erjen  l^tte  unb  ber  barauf  brannte,  mit  aller  Äraft  für  baö  Steic^  ®oM 
ju  arbeiten,  eine  fc^toere  aber  mit  frommer  ©rgebunß  getragene  ^Prüfung  tüar.  erjl  in 
5tatten^od^ftabt  im  3(Itmü^lt^aI,  too  er  bem   um  bte  ba^erifc^e  Sanbe^irc^e  bun^  he 

25  ^erau^abe  bed  „$omiIetifc^4iturgifc^en  Jtorrefponbengblattee''  unb  burc^  bie  ©rünbung 
be«  ^farrtoaifen^aufe^  in  Söinb^bac^  l^oc^berbienten  SJefan  St,  33ranbt  (geft  1857)  tm 
§erbft  1850—1855  aU  SSifar  gur  ©citc  ftanb,  befferte  fic^  unter  ber  treuen  ?ipege  beö 
paxx]^  fein  ©efunbl^eit^juftanb  toenigfteng  fo  toeit,  ba^  er  feinen  3(mt^flic^ten  noc^ 
fommen  tonnte.    3"  l^^^  3^**  (23.  3)ej.  1852)  fiel  ber  il^n  tief  erfc^üttembe  Xob  feinet 

80  löjäl^rigen  33ruberg  Subtoig,  eine<8  auffallenb  begabten,  früi^reifen  G^riften^  beffen  Srirf« 
unb  lagebüc^er  ein  für  feine  ^uQmh  ganj  erftaunlic^e«  Innenleben  erfennen  laffen,  ber 
auf  unenlärte  ffieife  auf  einer  gufereife  ju  ben  ©Item  untoeit  be«  heimatlichen  3)orfe^ 
fein  6nbe  fanb.  ©eine  Seben^  unb  ©terben^gefdj^ic^te,  bie  für  nid^t  toenige  gu  einer 
6rtoerfunggaefc^id&te  tüurbe,    bie  bon   einem   anberen  S3ruber   Otto  ©tä^Itn    unter  bem 

85  S^itel  „St.  Subiüig  2lug.  ©lä^lin,  Seben^^  unb  ©terben^gefc^ic^te  eine^  frü^tJoDenbctcn 
Äinbe^  (Sottet"  (9Jürnberg  1857)  erftmalig  herausgegeben  tourbe,  liefe  3lb.  ©tä^lin  fj^dter 
mit  einem  h?armen  Sortüort  (2eij)jig  1887)  in  britter  Sluflage  noc^  einmal  au^c^en. 

5Raci^  elfjährigem  3Sifariat  erl^iclt   er  3lnfang  1856  bie  erfte  änfteHung  in  Zaubcf- 
fc^ecfenbac^  mit  einem  ©infommen  bon  500  ®ulben.    2Bie  balb  man  bie  Sebeutung  bes 

40  jungen  Pfarrer«,  ber  anbauernb  ioiffenfc^aftlic^  tociter  arbeitete  unb  bun^  ©^nobalarbeiten, 
SReferate  u.  f.  to.  fic^  augjeid^nele,  erfannle,  jeigt,  bafe  er  ate  ber  jüngftc  Pfarrer  be^ 
Äapitete  1859  pm  ©enior  getoä^It  unb  baS  ^al)x  barauf  alS  9)ZitgIieb  ber  t^eologifd^ 
^rüfungSlommiffton  in  Slnöbad^  berufen  iourbe.  S3alb  nac^  feiner  SSerufung  w^ 
iauberfc^edtenbac^  grünbete  er  feinen  ^auSftanb  mit  Caroline  S3ranbt  (geft.  22.  Slug.  1904), 

45  ber  Zoä)Ux  bcS  borJ^in  eribä^nten  2)cfan  33ranbt,  beren  Seben  fortan  nur  ber  ©orge  um  bö^ 
SBoJ^I  bcö  ©atten  galt,  ber  erft  in  jenen  ^a^ren  nac^  unb  nac^  ettoa«  fräftiger  iourbe. 
©nbe  1860  etl^ielt  er  bie  ^farrfteHe  an  ©t.  Scon^arb  bor  JRot^enburg  mit  bem  Äin^Idn 
am  ehemaligen  £ej)rofen^auö,  baS  je^t  als  Unterlunft  einer  Keinen  ^ai)l  t)on  3Baifcn: 
tinbem  bient,  ju  benen  afö  5ßaroc^ianen  noc^  bie  toenigen  5ßroteftanten  auS  bem  näd^pen 

50  latbolifd^en  2)orfe  ©ebfattel  fommen.  3Jlan  begreift,  bafe  er  fic^  auS  bicfen  engen  SBerbäll^ 
niffen  fortfe^nte,  aber  alle  SSerfud^e,  in  eine  größere  ©tabt  ju  fommen,  fcf^ienen  an  ber 
©orge  bor  feiner  Sränflid^feit  fcf^eitern  ju  foUen.  "^m  3Kärj  1864  erhielt  er  bann  feine 
©rnennung  jum  erftcn  ©tabt^farrcr  in  9ZörbIingen,  ioo  feine  ganje  reiche  ^rebigtbegabung 
(groben  babon  bei  D.  ©tä^Iin  a.  a.  D.  im  2lnl^ang)  [xd}  enblid^   entfalten   fonnte.    S)ie 

55  ^eute  toieber  brcnnenb  getoorbene  grage  nac^  ber  33erec^tigung  ber  geiftlic^en  ©cbul- 
auffic^t,  bic  bamalS  juerft  in  93a^crn  ju  größerer  2)iSfuffton  führte,  beranlafetc  ©tabfin 
JU  feiner  erften,  noc^  ^eute  (efenSiocrten,  fclbftftänbigen  3)rudEfc^rift:  „3ur  B^ui- 
reform.  Wxt  befonbercr  33erücfficf^tigung  ber  3)enffci^rift  beS  ba^erifc^en  SBoßSfc^uI- 
bercinS",  9Jörblingen  1865.    ©ie   läfet   überall  baS  forgfame  einge^enbc  ©tubium  ber 

60  fc^iüierigcn  ängelcgenJ^cit  erfennen,  unb  fc^on  ^ier  jeigt  fid^  feine  äße   feine  Arbeiten 


Stmin  739 

fenmcic^ncnbe  SQäeife,   eine  ßinjelfrage  nur  im  3wföi""^cJ^'^ö"Ö^  ^^^  '^^^  ^aujjlaufgabe, 
ber  Stufric^tunö  be«  Sleic^e^  (Sottet  ju  betrachten,  unb  toeiter  feine  öerfö^nlic^e,  irenifc^e 
8(rt,  bie  bor  allem  batjor  toarnt,  bei  bem  Streben  ber  Seigrer  nac^  ©elbftftänbigleit  nur 
felbftfüd^tige,  ürc^enfeinblid^e  ^Jlbftc^ten  anjjunel^men.  Unb  bei  allem  Seftreben,  ben  @influ^ 
ber  firc^Ii^en  Organe  auf  bie  ©c^ulauffw^t  afö  nottoenbig  unb   für  Äirc^e  unb  ©c^ule  6 
erfjjriefelid^  ju  toa^ren,  bie  3Serftiegenl^eit  getoiffer  rabilaler  gül^rer  aufjutoeifen,  lommt  er 
boq  nic^t  toenigen  ^orberungen  ber  Seprerft^aft  entgegen  unb  betont  u.  a.  gegenüber 
ben  Älagen  ber  Se^rer  über  bie  ungeeignete  ted^nifc^e  äJorbilbung  ber  geiftlic^en  Bd^nU 
infj)eItoren  unter  $intoeig  auf  bie  ^reu^ifc^en  3Ser^äItniffe  (obligatorifd^er  ©eminarbefut^) 
bie  9JottDenbigfeit  einer  befferen  j)äbagogifc^en  Sluöbilbung  ber  Ranbibaten.    ,,6«  mu^  in  lo 
ber  ^äbagogifc^en  93orbiIbung  ber  ©eiftlic^en  mel^r  getl^an  unb  geleiftet  toerben  ate  bi^^er, 
toenn  i^nen  bie  ©d^ulaufftc^t  bleiben  foD"  (6.  26).    greilic^  fanb  biefe  feine  gorberung 
fein  ®e^ör  bei  ben  mafegebenben  ©teDen,  unb  ]päUx,  ate  er  felbft  ju  i^nen  gel^örte, 
fc^eint  er  fie  nic^t  toieber  aufgenommen  ju  ^aben.  —  ^m  gal^re  1867  erfc^ien  bon  il^m 
im  „33eU?eig  be^  Olauben^"  ein  ba«  gja^r  Dörfer  gehaltener  ©^nobalbortrag :   „ßl^riftu^  is 
ber  fünblofe  3Menfc^enfol^n,  ber  auferftanbene  Sebenöfürft,  ber  etoiae  ©o^n  Ootte«.   6in 
jjotjulärer  3Serfu(^".    6«   toar  ber  ^roteft  eine^  auf  bem   biblifcpen  ®runbe  ftel^enben 
G^riften  unb  Ideologen  gegen  ba«  au^   einer  unlauteren  5ß^antafte  geborene  ^cfu^f^ilb 
Wienand,  in  bem  ©t.  bie  ß^aralter^üge  be<8  mobemen  frangöfif((>en  JRegime«,  ber  mobernen 
franjöjtfd^en  OefeQfc^aft  toieberfinbet :  ,,©o  rebete  ic^  —  unb  tl^äte  ic^,  fe^en  toir  l^inju,  20 
tocnn  id^  Gl^riftuö  toäre,  gilt  auc^  bier.    ®ott  fc^uf  ben  SKenfd^en  il^m  jum  Silbe,   ©er 
Don  ®ott  loggelommene  SWenfc^  mac^t  ®ott,  mad^t  auc^  ben  ßrlöfer  nai)  feinem  Silbe".  —  ' 
3n}h?if(^en  toar  man  in  toeiten  Greifen  auf  ben  begeifterten,   unb  toeil  immer  fic^  felbft 
gebcnb,  auc^  begeiftemben  ^rebiger  aufmerffam  geiüorben,  unb  im  S^^^f^lSöö  tourbe  er 
afe  Äonfiftorialrat  nac^  Sln^bac^  berufen.   Stuf  bie  erfte  Äunbe  bon  biefer  Slbfic^t  fd^rieb  er  25 
an  einen  J^eunb :  „3^  ^^"'f^  fwt  alle  ^t\t  für  eine  Äonftftorialratftette,  ba^  SSureauIeben 
h)äre  nic^t^  für  mid^"  (0.  ©tä^lin  ©.  74),  unb  nur  nac^  längerem  @txänbm  lie^  er  fic^ 
bambetoegen,  bemSRufe  ju  folgen.  Unb  bie  bamit  berbunbene  ©teile  eine^  §au})tprebiger^ 
geftattete  i^m,  ftd^  feine  5ßrebigtfreubigfeit  unb  ^rebigtluft,  bie  er  auc^  burc^  gern  übers 
nommene  ^eft^rebigten  im  ganjen  £anbe  unb  barüber  l^inau^  bejeugte,  ju  betoa^ren,  unb  bad  ao 
3lmt  eine^  (S^aminator^,   mit  bem  er  e^,   obtoo^I  man  babei  feine  groge  ^reunblid^teit 
tü^mt,   febr  emft  na^m,   ^ielt  i^n  immer  in  engfter  SSerbinbung   mit  ber  tl^eologifc^cn 
aSiffenfd^aft,   o^ne  bie  er  ftc^  über^au})t   fein  gebeil^lic^e«  SBiricn  im  jjraltifc^en  ämtc 
toorfteHen  lonnte.     2lllerbing«  ju    größeren    toiffenfc^^aftlic^en  Slrbeiten   liefen   il^m   bie 
amtlid^en  SJerjjflic^tungen   nic^t  biel  3^'*-    211^  i^eobofiu^  §ama(f  in   feiner  ©c^rift  36 
„®ie  freie   lut^erifc^e  Sßolföfirc^e"  (ßrl.  1870)   bie  Unterbrüdtung  be«  Sutl^ertum«  in 
ben  neuen  ^ßrobinjen  ^reu^en^   afö  felbftberftänblic^  annal^m   unb  bem  Sanbe^Iirc^en* 
tum  ben  Sotenfcl^ein  au^ftellte  unb  baju  ermal^nte,  ftci^  auf  „bie  ^orm  ber  freien,  felbft- 
ftänbig  organifierten  (ut^erifc^en  Solföfirc^e"  einjuric^ten,  fc^rieb  ©tä^Iin  „3)a«  lanbe«« 
Ij^enlid^e  Äirc^enregiment  unb  fein  3"f«"''"^"'^«"0  ^^^  Solföfirc^cntum"  (2eij)jig  1871).  40 
ißüü  XanU^  bafür,  ba^  ba^  (Sbangelium  felbft  unter  einem  lat^olifc^en  ©umme))ifto^u^ 
tote  in  Sägern  ungel^inbert  feinen  Sauf  ^aben  lönne,  bricht  er  barin  in  einge^enber,  auc^ 
l^iftorifc^er  Sel^anblung  eine  Sanje  für  bad  Sanbe^tirc^entum  unb  nic^t  nur  für  feine 

f[efc^i((>tlic^e  9Joth}enbigfeit,  fonbern  audj^  für  feine  innere  })rin«j)ielle  Sered^tigung :  „6«  ift 
ut^erifc^e  ®runbanfd9auung,  bafe  e^  fein  göttlic^  gegebene«  Serfaffungögefefe  giebt.  2lber  46 
bie  fianbe^firc^e  ift  eine  el^rtoürbige,  bon  ®ott  reic^  gefegncte  fir(^Ii^e  fiebengprm.  ^xixd) 
fie  ibarb  ba«  ßbangelium  in  3)eutfc^Ianb  gerettet;  fie  toar  ba«  ©dbirmbac^,  unter  bem 
bie  ^errlid^ften  33(üten  ebangelifc^en  Seben«  unter  unferem  beutfc^en  SSolfe  fi^  entfalteten. 
aSBo  be^^alb  eine  Sanbc^fir^e  unbertbonen  ift  bon  ber  Union  unb  ben  fidj^eren  Selennts 
ni^unb  unter  il^ren  güfeen  i)ai,  ha  toeid^e  fie  nid^t,  fonbem  ^alte,  toa«  fie  f)ai.  SBir  60 
toouen  ba«,  toa«  un«  ber  §err  ber  Äirc^e  an  äußeren  ©tü^en  für  unferen  Sebenöftanb 
unb  Seben^beruf  gegeben,  aU  einen  ©tab  für  unfere  SBanberung  bur^  ba«  Seben  be« 
35olfe«  nic^t  felbft  ol^ne  bie  bringcnbfte  5Rot  jerfc^Iagen.  ©enn  bei  einer  Sefeitigung  be« 
lanbe^^errlic^en  Äirc^enregiment«  löft  fic^  auc^  ba«  SSerl^ältni«  ber  Äirc^e  gu  Solt  unb 
Staat,  bie  Äirc^e  mürbe  getoaltig  gelid^tet  toerben  unb  ftc^er  feine  93oIfgfirc^e  bleiben.  66 
greifirc^c  unb  Solföfirc^e  fmb  nni  ®cgenfä|e".  9Jur  toenn  bie  bi^^erige  Serfaffung 
pemi^brauc^t  Serben  foHte,  um  ben  93efenntni«ftanb  ber  Äirc^e  ju  fd^äbigen,  mü^te  fie 
i^r  Sefenntni«  unb  i^re  auf  bemfelben  ru^enbe  ©jiftenj  ol^  greiftrc^e  retten.  35iefe 
Slu^laffungen  erful^ren  bei  ben  ejtremen  Sutberanern,  benen  er  immer  ju  toeitl^erjig  toar, 
f(^toere  Serbäd^tigung,  unb  auc^  in  Greifen  ber  eigenen  Sanbcefirc^e,  in  benen  ber  burc^  go 

47* 


740  Biotin 

SB.  Sölje  auf  ber  ba^eriJAcn  ®cncralfbnobe  Don  1849  eingclettae  ^dbiug  gf^en  boi 
Ianbc6!ir(^Ii(!^cn  Summepi^topai  nod)  nac^totrfte,  ertxHtrb  er  j«^  leinen  £an!,  \a  mai 
t)erläflcrte  (5.  S.  3I2t^ft  1872  S.  377:  ,,burc6  jeitgcmäfeen  ^eequbrf  üfecr  bos  Bieg«: 
ölücf  ber  beutfctcn  ßelbcnfc^aren")  bie  an^  femer  Si^rift  &ert>i>r[euc&tenbe  greub«  an 

6  bem  neuen  beutfc^en  mt\i}t,  bie  t^m,  bem  guten  Sofern,  immer  fo  tcttttt>crftanbli(^  tpar, 
unb  ba^  3Sertrauen  ju  bem  ,,greifen  öeertü^er  ber  beutfcben  JoelbcnfAoren,  ber  tcn 
Anfang  bi«  an^  ßnbe  in  einer  Söeife,  bie  fie  in  ber  ®eici^t(6te  iiocfc  taitn  bagrtKJoi, 
ber  ®nabe  (Sottce  bie  ß^c  gegeben"  (S.  71  ff.)-  2Bertt>oIIe  ärfceiten,  bie  überall  m 
toeitge^enbe  Seberrfcbung  unb  lurc^bringung  be^  Stoffel  »erraten,  finb  feine  umfangrcubai 

10  Sefprec^ungen  üon  3Martenfen^  et^iI(ögL  3I3:^Ä  1874  S.  346)  unb  Sümor«  Sorlefun^cn 
über  5KoraI  (ebenb.  6.716).  2)ie  Schrift  üon  5la^ni^  „Gbrifientum  unb  gutbertum'*  (gcipji^ 
1871)  gab  i^m  Seranlaffung,  feine  Stellung  ^u  ben  bamal^en  i^i4>tfragen  ber  litü-' 
logie  au^fü^lic^  au^nanberjufe^en.  Gr  tl^t  e^  in  Dieräuffo^en  unter  bemütel:  „tic 
Ideologie  be^  Dr.Äa^niö"  (312^511873),  eine  arbeit  bie  ebenfofebr  feinen  entfii^oiöi, 

16  tocnn  auc^^  in  ber  Beurteilung  anber^  benlenber  milben  (ut^erifc^en  Stanbj>unfa  cr^ 
fennen  lä^t,  toie  feinen  ^iftorifd^en  Sinn  unb  feine  Slbneigung  gegen  äße  Sleprift' 
nationetjerfuc^e  auf  ®runb  einer  nur  ber  3^it  ange^örigen  t^eologif^en  ^ffung.  (rrft  nai 
längeren  3<i^t^cn  liefe  er  toieber  eine  felbftftänbige  älrbeit  erfc^einen:  „^uftin  bcrSiöriOTfr 
unb  fein  neuefter  Beurteiler"  (2eij)jig  1880),  bie  fu^  gegen  3R.  t).  ßngel^bt^  (f.  b.  1 

20  S3b  V,  377)  Stuffaffung  ritztet.  Um  biefelbe  3«t  entfianb  auc^  fein  au^fü^rlic^  ^Refrobq 
auf  ab.  §arle6(3faB£  1880),  ben  er  f»)äter  für  bie  Mealenc^Hopabie  (f .  93b  VII,  421)  um: 
arbeitete,  ebcnfo  in  biefem  SBerfe  ber  grofee  ärtifel  über  Sö^e  (95b  XI,  576).  Sie  gebeten 
mit  bem  Sebcnßbilbe  be«  geliebten  2e^rer«  ©ottfrieb  I^omafiug  (*b.  93b  XV*,  635  n,, 
auc^  liufammen  u.  b.  %.:  £öbe,  I^omafiu^,   ^arlefe,  brei  Seben«*  unb  ©efc^icbt&bilbcr, 

25  Sei^jig  1887),  bem  frül^er  crtoä^nten  SCrtitel  über  9lot^  unb  bem  9?eholog  auf  ben  mit 
bem  Seben  ber  ba^erifc^en  Sanbc^firc^e  eng  toerlnü^ften  ßrlanger  fünften  3lb.  D.S<^ 
(3ur  ßrinnerung  an  2{b.  gr^r.  ü.  Sd^eurl,  £eij)gig  1893),  gumal  ber  35erf.  auc^  m^ 
ben  Sllten  be^  Cberfonfiftorium«  ^anbfc^riftlid^e«  IRaterial  tjertoerten  fonnte,  ju  bem 
93eften,   hjaö   toir  für  bie  ®ef(^id(»tc  ber   ba^erifc^en  Sanbeefirc^e   im    19.  3abr^unbort 

30  befi^cn. 

Sn^toifc^en  h)ar  er  1879  in  ba«  Oberlonfiftorium  nac^  9Kün(^en  unb  nae^  b«n 
lobe  be^  ^räftbenten  9Jlet;er  1883  aU  beffen  5Ra(^folger  an  bie  Sl)i|e  be«  ba^erifc^en  Äirtkn: 
regimentö  berufen  Sorben.  Seine  ^räfibentfc^aft  bebeutet  feine  neue  (^oc^c  für  bie  ba^erijAc 
Sanbeßürc^e.     Stäl^lin   tüar  feine  imj)ulftt)e,  toortoärt^bringenbe  3iatur    tüie   ber  ftbait- 

36  fantige  ^arle^.  G§  tüar  ob  feiner  rubigen,  befonnenen  unb  fonfert)atit)en  9lrt,  bie  überall 
ba^  ®ute  l^aDorfucbte  unb  im  feften  Siertrauen  auf  bie  SBirfung  beö  SBSorte^  ©ott« 
jcbem  unrul^igen  Grperimentieren  auf  fir^lic^em  unb  firc^enl)olitifc^en  ®ebiete  ab^olb  rtsa, 
eine  3^i^  ^^  Sammlung  unb  ber  ruhigen,  bieHeic^t  aHjurul^igen  Sntloicfelung.  31» 
enblic^  1887  ber  ©eneralf^nobalauöfcbufe  eingeführt  h)ar,  ber  boc^  cinfth>eilen  ncd»  eine 

40  ^orm  o^ne  ^n^ali  bleiben  foHte,  fc^ien  für  i^n  afleö  erreicht  ju  fein,  h)aö  man  auf  bcin 
(?Jebiete  be^  firc^lidjen  SSerfafjung^lebenö  überl^au})t  begehren  fönnte.  Unb  bie  bon  feinerifl 
inneren  kämpfen  burcf^roogten  ®eneralf^noben,  bie  er  breimal  1885,  1889  unb  181*3 
}u  leiten  hatte,  bcftärften  i^n  immer  me^r  im  Setüu^tein  bon  ber  Ireffltd^feit  ber  ©onbergeftalt 
ber  ba^crifcbcn  Sanbeöfirc^e.   Unb  nie  lüar  er  glüdlid^er,  alö  toenn  a  mit  feinen  ©eiftlitbcn 

45  auf  biefen  ®eneralft)nobcn  jufamnten  toar.    Unb  feine  grofee  J)erfönlici^e  Sieben^toürbigfcit 
—  nur  h)o  er  einer  niebrigen  ©efinnung  begegnete,  ober  jemanbem,  ber,  h)ie  er  fid^  auf 
brüdte,  parterre  toar,    fonnte   er  fc^iarf   toerben  —  geiüann  i^m    überall    aller  j^cna    | 
Seine  3lnfan0^=   unb  Sd^lu^reben,    in   benen   er  aU   echter  Sc^riftgelel^rter  älte^  vadi 
9Jeuc^   auö    feinem  Sdja^e    l^ertjor^olte,  unb   gro^e  Überblide  auf   bie  3?er^ältniffc  in 

üo  ll^cologie  unb  Äird^e  ju  geben  liebte  (f.  5.  95.  baö  gro^e  Sd^lufetüort  auf  ber  ©eneral^ 
fi^nobe  toon  1893,  abgebrurft  bei  D.  Stä^lin  S.  197),  immer  ein  tüarmc^  unb  crtpärmenbcö 
93cfenntni^  feinet  (S^riftenglaubcn^  unb  feiner  ß^riften^offnung,  toarcn  Don  Jjacfenber  äöirfung. 
6r  toar  ein  gcborner  Dirigent,  freiließ  auc^  nad^  ber  Slic^tung  l^in,  „bafe  er  f 0  bringenb  um  bie 
Slnnabme  eines  3lntrag^  bitten  fonnte,  bafe  man  fürchten  mufete,  i^m  burd^  eine  Slble^^nung 

65  })crfönürf)  ioehe  ^u  thun"(D.  Stäl)lin  S.  109).  Seine  befonbere  Siebe  toaren  bie  Slrbeiten  aut 
bem  ©ebiete  ber  3)Jiffion,  -  er  iüar  aud;  gule^t  ^räfibentbe^2eij)jiger3JlifftongIonegiumö- 
bann  ber  inneren  3)Jtffion,  bie  nidit  o^ne  feine  perfönlic^e  39Jith)irfung  toä^renb  feiner  äntie^ 
tbätigf cit  einen  3luffd)ioung  in  allen  ieilen  öai^ern^  genommen  l}ai,  ben  man  früber  für  um 
möglid)  gebaltcn  ^ätte.  2lud;  gelDann  burd;  il^n,  toa^  freiließ  nic^^t  of)m  mannigfache  Slnfcm- 

60  bungen  möglid)  toar,  bie  ®uftab-3lbolffad)e  in  95a^em  feften  93eftanb  unb  toeitge^enbe  gorbe^ 


(Btmin  etinbltn  741 

rung.   Scbl^aft  beteiligte  er  fic^  an  ben  Slrbeiten  ber  ßifena^er  Äirc^enf onferenj.  iS^  cni^pxai)  . 
bie^  feiner  im  beften  ©inne  ölumenifcfien  SRic^timg,  bie  er  einmal  felbft  babin  befiniert: 
„3Jleine  Siebe  imb  Strbeit  gilt  au«  boDfommener  Überzeugung  ber  Sanbe^tirdpe,  in  beren 
Soben  geiüurjelt,  glaube  ic^  ber  Äirc^e  be^  §erm  übttfyinpt  ju  bienen  unb  freue  mic^ 
babei,   o^ne  i)artiuilariftifc^  berengt  ju  fein,  in   ölumenifc^em  ©inn   unb   ®eift  allen  b 
toa^r^aften  firc^Iic^en,  toa^r^aft  eöangelifd^en  Scben«,   too  i^  e«  finbe"  (Slttg.  Rirc^enbl. 
1884,  S.  515),  unb  er  f)ai  für  bie  ©ifenac^er  Äonferenj  me^rfac^  umf angreife  h)ertt)oIIe 
Sleferate  geliefert,   fo   über  bie  ©eftenfrage  unb  bie  $erifol)enfrage  (ebenba.  unb  1890, 
©.  475).    3}on  befonberer  Sebeutung  toar  auc^  feine  i^ätigleit  ate  JReid^grat  ber  Ärone 
Sägern,  'too^u  ber  ^räfibent  be«  Dberlonfiftorium^  tjerfaffung^mäfeig  benifen  ift.    6r  lo 
na^m  e^  bamit  fe^r  emft.   ®alt  e^  einen  toic^tigen  ©egenftanb,  fo  fonnte  er  ftc^  barauf 
tood[^enIang  vorbereiten.   Unb  man   l^örte  ben  Ileinen,  überaus   lebhaft   fj)red^enben  unb 
geftifulierenben  9Jlann,  ber,  toenn  er  fl)radf>,  auc^  toirflic^  ettoa^  ju   fagen  ^atte,  immer 
gem.    Iro^  aDer  ^xml  unb   bem   ^c^tlic^en  Seftreben,  nirgenb^  anjuftofeen,    öerftanb 
er,  ber   mit  ^o(^geftetIten  Äat^olifen  in  ber  freunbfd^aftlic^ften  SBeife  berfe^rte,  e«  ftetg,  i5 
bie  ebangclifc^e  Slnfc^auung,  bie  SHec^te  unb  bai^  3lnfe^en  feiner  Äirj^e  mannhaft  ju  ber^ 
treten  unb  er  ^at  and)  i^re  materiellen  ?;ntereffen  nac^  3KögIi^Ieit  ju  förbern  gefuc^t,  freili^ 
lag  e^  me^r  in  feiner  9Jatur,  f^u  banfen  ate  ju  bitten  ober  gar  ju  forbem.    SDaju  lam, 
bafe  er  eg  ängftlic^  ju  bermeiben  fuc^te,  ben  (Schein  einer  einfeitigen  ^ntereffenpolitil  auf 
fxd)  m  laben,  benn  er  füllte  ftc^  burc^au^  aU  SSertreter  be^  ©anjen  unb  toar  niemals  2u 
ber  3Reinung,  lebiglid^  ate  SJertreter  ber  ))rotcftantif(i^en  Sanbe^firc^e  im  Sleic^^rat  ju 
ft^en.    Unb  auc^  h?o  er  aU  ®egner  auftreten  mufete,  berftanb  er  e«,  feinen  Slu^fü^rungen 
immer  eine  berbinblic^e  gorm  ju  geben,  unb  feine  Überjeugtbeit,  namentlich  über  bie  er« 
f(^öt)fenbe  ©rünblic^feit  unb  baö  immer  gu  beobad^tenbe  ©treben,   bie  gerabe  borliegenbe 
grage  auc^  l^iftorifc^  Ju  beleuchten,  l)flegten  nid^t  o^ne  ßinbrucf  gu  bleiben,   unb   einige  25 
feiner  größeren  Äammerreben  pnb  bon  attgemeiner  Sebeutung  unb  bürften  bon  bleibenbem 
SBJert  fein,   fo  bie  grofee  JRebe  bom  20.  ^ärj  1884   gegen  ben  lonfefftonett  getrennten 
©efc^idS^t^unterric^t,  ba^  SReferat  gegen   bie  Sefeitigung  be<8  7.  ©c^ulja^r^  (©i^ung  bom 
26.  gebruar  1886),  über  ba«  ^ßla^et  bom   10.  gebruar  1890  (abgebrucft  bei  0.  ©tä^lin 
@.  212),  gegen  bie  SRüdberufung  ber  SHebemptoriften  (11.  gebruar  1890),  für  ben  l^uma^  ao 
nipifd^en  Untenid^t  aU  ©runblage  aller  95ilbung   unb   namentlid^  jeber  Uniberfität^s 
bilbung  (19.  3)fai  1892),   unb  enblic^  eine  feiner  legten  Sieben,   gleich  bebeutfam  für  bie 
55eftigteit    feiner  lird^lid^en   ©teHung  h)ie    feiner  Sfeertf^ä^ung  ber    SBiffenfcbaft,  feine 
SRebe  für  bie  grei^eit  ber  ffiiffenfc^aft  (11.  SRai  1896).    Unb  tro^  ber  aJlannigfaltigleit 
feiner  3lufgaben  ftanb  er  immer  im  engften  Äonnej  mit  ber  Söiffenfc^aft.   SBer  mit  xpm  35 
nä^er  berfel^ren  burfte,  toeife,  ba^  faum  ethja^  auf  t^eologifc^em  ober  angrenjenbem  ®ebiete 
erfd(>ien,  toa^  er  nic^t  gelefen  unb  grünblic^  ftubiert  i}ättt,  Unb  nic^t^  freute  ibn  mel^r,  ate 
n?enn  eine  tüchtige  toijfenfc^aftlic^e  Seiftung  ani  ben  Äreifen  feiner  ®eiftlic^feit  ^erborging. 
©0  legte  er  benn  aud^  ben  ^öc^ften  SBert  auf  ba^  3"f«"^"'^'^Ö^^^J^  ^^^  ^^^  t^eologifc^en 
gafultät  in  (grlangen,  bie  feine  Serbienfte  fd^on   unter  bem  24.  9Rärj  1880  bur^  ©r«  4o 
nennung  jum  35o!tor  ber  i^eologie  geibürbigt  ^atte.    3^^^  ®Ji*^^  ^^r  feine  greube  unb 
er  fuc^te  nac^  SRöglic^feit  i^re  ^ntereffen  ju  förbern.    Unb   h)ie   er  biö   julefet  tüiffem 
fc^aftlic^  mitarbeitete,  jeigt  feine  treffliche,  am  U.gebruar  1897  in  Slug^burg  jur  3DReland;t^ons 
feier  gehaltene  gefkebe  (Sßl^.  OTelanc^t^on,    2lug^b.  1897).    SBenige  SBod^en  fj)äter,    am 
4.  3Mai  1897,  entfd^lief  er  nac^  nur  fünftägiger  Äranf^eit.  a:^cobor  Äolbc.     46 

Stamme  3«roeW  f.  b.  äSl.  3«rael,  ®efc^.  bibl.  33b  IX  ©.468,49;  ®aliläa 
93b  VI  ©.337,64;  ^ubäa  »b  IX  ©.561,22;  ©amaria  93b  XVII  ©.422,  17; 
«Peräa  93b  XV  ©.  126,37. 

©tättbliii,  Äarl  JJriebric^,  geb.  25.  3iuli  1761  in  ©tuttgart,  geft.  5.  3uli  1826 
in  ®öttingen.  —  ^auptqucUe  für  8t.d  Üeben^^efc^lcötc  ift  feine  8cIbftbioiirap^ic,  ur^  60 
fprünglidi  für  eine  fdjnjebifdie  ^citfdjrift  ücrfaftt  (Theophrosyne,  Stocffiolm  1823),  I)crauä= 
flegeben  mit  3ufäf cn,  mit  8d)riftenuer,^eicijni^  unb  mit  ber  uon  @up.  D.  SRupcrli  in  ©öttingcn 
getjaltcnen  (^ebäcbtni^prebi(^t,  uon  3.  i.  ^cmfen,  ö)i)ttinqcn  1826,  8;  aufeerbem  ücjf.  ÖJrabniann, 
mci.  Scftmaben;  3)öring,  ÖJel.  2:^cüIoacn,  IV,  287 ff.;  ^aaifclb  u.  Ocfterlet),  ®ött.  ®el.®efd).; 
@afi,  CSJefd)ic^tc  b.  prot.  T^oflmatif,  IV,  349;  3ranf,  öJcf^idjte  b.  prot.  X^eologic  III,  202 ff.;  66 
iJanbcrer,  ^Jieucfte  ^üfl..®efc^.  S.  150ff.;  2fd)ac!ert,  ?lb^^  XXXV,  ©.olOff. 

9?on  feinem  Später,  einem  l^erjoglic^en  JRegierung^rat,  ®ott^olb  ©täublin,  einem 
■Dlann   bon   unermübeter  Slrbcitfamleit,    bon   ernften    ®runbfäften,  bon    unge^eud^elter 


732  etabtmiffioit  eti^din,  3.  ^. 

Äajfcl  (feit  1887)  übertotegt  bic  ebangclifiercnbc  btc  bialonifc^e  ä3et^ätigung ;  in  Bixc^ 
Burg  i.  6.  (feit  1890)  tritt  leitete  ganx  jurüdt  hinter  bcr  crfteren,  bcr  neucrbing^  au^ 
5  S31aulreu|^*®aft^äufcr  bienen.  SJer  Sei^j^iger  SScrcin  für  ^M.  (fett  1870)  entfoltct 
au^er  einer  umfaffenben  Slu^funftg^  unb  SSermittelung^t^ätigleit  für  ?ßrit)attDo^lt^äter  (in 
6  feiner  Slrmenbiafonie)  eine  reid^e  betoa^renbc  unb  rettenbe  STrbeit  am  männlichen  unb 
h)eiblid5>en  ©efc^Iec^te  in  25  3Sereinen  unb  Slnftalten  (barunter  bcfonbcrö  ^ertjorjubeben 
ber  3)ienft  an  älrbeit^Iofen  unb  bag  Jfrauenl^eim),  iüäl^renb  bie  lirc^lic^c  ©emcinbejjflege 
in  ben  §änben  eine^  bie  ftäbtifc^en  Ätrc^engemeinben  umfaffenben  ^erbanbe«  liegt  unb 
bie  SBorttjerfünbigung,  abgefe^en  bon  ben  ^ereinöücranftaltungen,  ben  ^Pfarrämtern  übcr= 

10  laffen  bleibt.  SWit  ber  3Kagbeburger  ©tabtmiffton  (feit  1883)  ift  bie  ©efangcnenfeelfotgc 
organifc^  üerbunben.  ^n  §aDe  a/©aale  (feit  1877)  ift  neuerbing^  aufecr  bem  3)ienP  an 
ber  hjeiblid^en  ^ugenb  befonberg  bie  Slaufreujarbeit,  bie  Älinit  unb  Slnftalt^rbeit,  bie 
ßbangelifation^::  unb  ®emeinfc^aftd))f(ege  unb  bie  Slu^bilbung  unb  ^Vorbereitung  ber  t>cn 
4  (Semeinben  angeftettten  firc^Iic^en  ©emeinbel^elfer  in  Stngriff  genommen.    Die  üon  bort 

16  au^  ergangene  Slnregung  jum  „3"f^*""^^"i^''"fe  *>^^  beutf^en  ©tabtmiffton^Ieiter"  bebuf^ 
älu^taufc^  ber  Erfahrungen,  Serftänbigung  über  Slu^bilbung  ber  Seruf^rbciter  u.  bgL 
f)at  feit  bem  borjäl^rigen  Äongrefe  für  innere  3Jliffion  (1905)  jur  Segrünbung  cineöSer^ 
banbeg  unb  jur  §erau^gabe  eine<8  Organa  für  benfelben  ^^SRiffton^bienft  an  ber  ©roj^ 
ftabt"  (Suc^l^anbl'ung  b.  6b.  ©tabtm.  §alle)  geführt.  (9Sereinjelt  finben  fidS^  auc^  au^ 

20  firc^Iic^e  ©tabtmiffionen.) 

9lac^bem  burc^  ba^  ^ßreufeifc^e  Äirc^engefeft  bom  24.  äll)ril  1904,  betr.  bic  Se^ 
ftärfung  be«  §iIf«fonbg  für  lanbe«Iir(^Ii(^e  gtoede  bie  3RitteI  für  runb  100  „®emeinbc= 
l^elfer"  in  ©rofeftäbten  unb  Si^^"fttiebcjirlen  bereitgefteHt  ftnb,  madj^t  fic^  ba«  Sebürfni^ 
geltenb,  für  bie  Slbgrenjung  (ol^ne  ©törung  be^  3"!^"^*"^"^'^^"^)   Jh)ifd(^en  ©emeinbc^ 

26  ^elfer  unb  ©tabtmiffionar  fefte  unb  beiberfeit«  gebet^lid^e  ®runbfä|e  auf^ufteCen.  SBä^roib 
bie  übertoiegenb  biafonifc^e  I^ätigfeit  ber  ©emeinbe^elfer  naturgemäß  ben  firc^Ii^en  Or- 
ganen unterfte^t,  bleiben  ben  baburc^  frei  iüerbenben  Äräften  ber  ©tabtmiffion  Slufgaben 
genug  übertoiegenb  ebangelifterenber  3lrt  ju  fegenöreic^er  SBeiterarbeit,  g.  S.  ber  ^icnfl 
an  ben  f onntag^Iofen  9eruf«gnH)i)en,  an  ber  l^eimatlofen  Setoöllerung  (gifc^em^  ©c^iffcm, 

8ö  ©eeleuten,  2lrbeitglofen,  ©efangenen),  ber  Äamjjf  gegen  bie  Safter  ber  ^^runffuc^t  unb 
Unmc^t,  bie  Darbietung  ^riftlic^er  ©Triften,  Seranftaltung  bon  apologetif^en  unb  fojial: 
tjerföl^nlic^  belel^renben  Äurfen  unb  j)eriobif(^  toieberle^renben  ßbangelifation^t^erfamms 
lungen,  roobei  ©tabtmiffionare  unb  ©emeinbe^elfer  fic^  burc^  gemeinfame  Vertiefung  in 
©otte^  SBort  ber  ßin^eit  il^rer  2lrbeit  beiüußt  unb   gu  gegcnfeitiger  §anbrei(^ung  toillig 

35  bleiben  mögen. 

2(m  28.  3Kai  1888  entftanb  infolge  einer  t)om  gegentüärtigen  Äaiferpaar  gegebenen 
Slnregung  in  Serlin  ber  „@t)angelifc^=lir^li(^e  ^ilfi^tjerein"  gu  bem  3^^*^  ^i^  Seftrebungcn 
gur  SBefämj)fung  ber  religiöö^fittlid^en  9?otftänbe  in  Serlin  unb  anberen  größeren  ©täbten, 
foh)ie  in  ben  Sn^wfWebcgirfen  be«  >)reußifci^en  3?aterIanbc«J  gu  unterftü^en,   ju   bem  9c= 

40  ^ufc  ©ammlungen  anzuregen  unb  gu  t)eranftalten,  foU?ie  §ilföfräfte  gu  gen^mnen.  Ter 
entere  2lu«f(^ufe  beigfelben  unterftü^t  bic  bcfte^enbcn  „©tabtmiffionen"  unb  fuc^t,  h?o  c^ 
nötig  ift,  neue  in^  Seben  gu  rufen  (hjä^renb  er  auc^  Sei^ilfen  gur  Berufung  toon  §ilf^ 
})rebigem  unb  ©emeinbel^elfem  aeh)äj;rt  unb  tüä^rcnb  feine  Segirl^bereine  aufeerbem  bc^ 
fonber«  bic  Segrünbung    üon  ^cmcinbc^äufcrn ,    Dialoniffenftationen    unb    Äleinfinbcr^ 

45  bchja^ranftaltcn  fic^  angelegen  fein  laffen).  ^.  9ltt^lciibecf. 

Stä^eün^  ^oj^.  3^1  ob,  Dr.  unb  ^rofcffor  ber  Ideologie  an  ber  Unit)errttät  gu 
55afcl,  geft.  1875,  ift  im  3)iai  1797  in  Safcl  geboren  toorben  aU  ©o^n  eine«  alten 
Sanier  ©cfdjlcc^tc^,  einer  angcfe^cnen  tool^l^abenben  Äaufmann^familie.  3w"^^f*  ^^ 
SBunfc^  feiner  frommen  9)?utter,  bie   mit  ber  55rübergemeinbc  in  Serbinbung  ftanb,  bat 

50  il^n  gum  ©tubium  bcr  Ideologie  behjogcn,  bem  er  l^auj)tfäc^Iid^  in  Tübingen  oblag,  too 
©torr,  glatt,  Sad^maier,  namcntlid^  ©tcubel,  feine  Seigrer  toaren.  Der  milbe,  fromme 
©upranaturali^mu^,  bcr  ba  toaltctc,  ift  im  tocfcntlic^en  ber  ©runbgug  feinet  t^eologifc^en 
Denfcn^  unb  gü^Icnö  geblieben,  unb  bic  mannigfachen  Regierungen,  in  bie  er  mit  bem 
iüürttembcrgifd^cn  ^^Jicti^mu^   unb   ber  toon   il^m   auögc^enben  Siebe^St^ätigfeit  gefommen 

66  ift,  l}ai  \\)n  mit  bcr  Jpod^ad^tung  bor  einem  bcrartigen  ©inn  unb  SBirfen  erfüllt,  bic 
i^n  fein  gangc^  Sebcn  ^inburd^  begleitet  l^at. 

^m  ga^rc  1823  habilitierte  fid;  St.  al^  Dogcnt  an  ber  t^eol.  gafultät  gu  Safcl; 
fein  gangeö  Scbcn  l^inburd^,  über  50  'i^ahxt  lang,  l^at  er  an  i^r  gelehrt,  nid^t  ein  burcb 
gciftrcid^cn  i^ortrag   anrcgcnbcr,   aber   ein   treuer,   \\6)   ^ingebenber  Se^rer,    ber   feinen 


734  St^tlin,  %  % 

immcrJ^in   jeigt  fic^g   aud)   ^ier,   \vk  bet  3Setfajfcr  t)on  einem  tieferen  Sntereffe  geleitet 
rvirb,  ate  nur  bem  an  fritifd^en  Oj)erationen. 

eine  jtüeite  Steige  bon  ©ct^riften  ©t.^  ift  ben  ^ebräifc^en  5Proj)l^eten  getoibmct 
3uerft   gel^ört   l^ierf^er  bag  Unitjerfität^programm   über  2lmo^   unb  $ofca  (Safel  1842), 

5  baö  ^au})tfäc^Iid;  bie  3^itberl^ältnif[e  befj)ri(^t,  in  benen  biefe  $roj)^eten  h>irhen.  S^onn 
ba«  umfaffenbe  SBerf:  ,,S)ie  meffianifc^en  SBei^fagungen  beg  312:^  in  il^rer  Sntfte^ung, 
©nttüitfelung  unb  2luigbilbung.  3Kit  Söerüirtd^tigung  ber  J^au^^tfäc^Iic^ftcn  neuteflament^ 
lid^en  Gitate"  (Serlin  1847).  2)agfelbe  berbanft,  laut  3Jortt)ort,  fein  ©ntfte^en  „einem 
c^riftlic^en  Sebürfni^;   bem  Sebürfni^  jiüifc^en  ben  altteftamentlidj^en  SCBei^fagungen  unb 

10  ber  Senü^ung  berfelben  im  512:  einen  organifc^en  3wfö>w»^^"^fl"Ö  nad^^utueifen".  Slon 
fpürt  bem  Suc^c  ba^  hjarme  3»^tereffe  ab,  ba«  ber  SSerfajfer  an  feinem  ©cgenftonbe 
nimmt,  unb  ntanc^e  ber  projj^etifc^en  Gitationen  burc^  bie  neuteftamentltc^cn  Sc^riftftellcr 
tüirb  in  ein  neue^,  einleudbtenbe^  Sic^t  geftellt.  ^m  2ln^ange  finben  ftd^  Erörterungen  übet 
2)aniel,   fotüie  fieben  (J^furfe  über  bie  iüic^tigften  fritifc^en  ^Jragen  in  Setreff  ber  ^rc-. 

15  J)^cten  (3eita(ter  bc«  ^ocl,  äut^entie  be^  Sefaja  u.  f.  f.).  —  S)er  äuffa^:  ^.Slnorbmmg 
ber  ffiei^fagungen  bei^  3^^»"i<i"  (3^"^®  1^49)  fud^t  bem  tjon  Ääüemtd  aufgeftefltcn 
^Prin^ip  einer  fac^lic^en  Slnorbnung  in  fieben  @ru})l)en  nod)  ben  SRac^tüei^  einer  ftrmg 
dS^ronotogifd^en  Orbnung  innerf^alb  ber  ©ad^orbnung  beijufügen.  —  S)ie  Slb^anblung 
über  ,,5Die  3a^Ien   im  Suc^e  Spaniel"   (3bm®  1857)  fnüpft  an  2)a  12,  11  f.  an,  unb 

20  finbet  bie  üier  SBeltreid^e  in  bem  d^albäif(^en,  mebifc^sjjerfifd^en,  macebonifc^en  unb  fcleu^ 
cibifd;en.  —  3)ie  le^te  älrbeit  auf  biefem  ©ebiete  ift  ber  2luffa$  über  „3)ic  ^ropbetcn 
be«  213:^"  in  ^eiben^eimig  äSiertelja^rgfc^rift  (1867),  toelc^er  äDgemeine^  über  bie'Se^ 
beutung  unb  Slufgabe  ber  ^cbräifc^en  ^xopf)zUn  tjom  h)arm  l)ofttit)en  ©tanbpunfte  au^ 
unb  eine  Überfid^t  über  ben  ^nhali  ber  })ro})^ctifc^en  Schriften  giebt. 

26  Sefonbere  Slufmerffamfeit  tüanbte  ©t.  t)iele  ^al)xc  ^inburd^  auc^  ben  ^falmen  ju. 
e«  finb  brei  arbeiten,  bie  ^ier  in  Setrac^t  lommen.  (Sin  1851  auf  ber  Drientoliftcn^ 
tjerfammlung  in  ßrlangcn  gehaltener  SSortrag  (3bm®  1852) :  „^ux  Äritif  ber  ^falmen". 
ßin  in  granffurt  gehaltener  Vortrag  (3bm©  1862)  „Über  bie  babibifc^en  ^falmen  ber 
faulifc^en  SJerfoIgung^^eit",  ber  unterfucbt,  hjeld^e  biefer  5ßfalmen  (54,  57,  63)  auf  9k(^ 

30  af^mung  älterer  3)ic^tungen  berul^en,  unb  tpelc^e  originell  erjd^einen  (52,  56,  59).  6nb: 
lic^  ba^  Unit)erfitätöbtogramm  (Safel  1859)  „3"^  ©inleitung  in  bie  ^falmen",  toelctce 
\x^  mit  ber  2lnorbnung  ber  Sieber  (1—89  grö|tenteite  bei  beftimmten  Stniäffen  gebit^tet, 
bie  übrigen  ber  §au>)tmaffe  nad;  allgemeinen  gn^^I^^^^)  ^"^  '"it  ^^  Äritif  ber  Über- 
fd^riften  unb  ber  barin  entl^altenen  ^iftorifd^en  angaben  befd^äftigt. 

35  ^a^  §au>)ttDerf  ©t.ö,  in  ba^  er  —  ^e^n  '^ai)x^  nad)  ber  bon  i^m  beforgten  7.  äufl 
be^  Sel^rbud)^  tjon  be  2öctte  —  bie  Slefultate  feiner  ^orfd^ungen  in  größerem  Umfaiujc 
niebergelegt  l)at,  ift  bie  ,,©>)ejiettc  Einleitung  in  bie  fanonifc^en  Sucher  bed  2l2ö"  (ßlbct' 
felb  1862).  2)ie  t)on  Seufe  unb  ^upfclb  eingefül^rte  Seftimmung  biefer  3!)iö3i})(iu  toitb 
rürf^alteloe  aboptiert:   „2)ie  ßinleitung  in  ba^  212!  ift  bie  Sitteraturgefd^ic^te  beöfelben". 

40  2)ie  Urteile  über  bie  6ntftel;ung  ber  gefc^ic^tlidjen  Sudler  finb  biefelben  n^ie  in  ber  frükr 
ertoäljnten  ©c^rift,  nur  tüitb  bie  2^colpneuftie  beö  Serfaffer«  be^  ^entateuc^  im  (Segen= 
fa^  gegen  bie  fonftigc  antife  ®cfcl^id;tfc^reibung  auöbrüdlic^  ^erborgel^oben.  9lut^  toirb 
in  bie  le^te  3^^^  ^^r  bem  (gjile  gefegt,  über  ben  gefd^ic^tlicben  ß^aratter  ber  g^ronil 
unb  fclbft  bc^  Sud^e^  ßft^cr  fel^r  günftig  geurteilt,    dagegen  ift  ^ona  ,,eine  ju  religiöfen 

46  3^cdten  t)erarbeitetc  Sage".  2)ie  Urteile  über  bie  ^Jsrop^eten  folgen  faft  burc^au^  ben 
bamali^  (bcf.  burd;  (Ehjalb)  l;errfd;enben  älnfid^ten;  nur  bafe  an  ber  Stut^entie  tocn 
(Bad)  9—14  beftimmt  feftgebalten  tüirb,  eine  beac^tenöloerte  Übereinftimmung  St.^  mit 
ber  burd;  ©tabe  angebahnten  ^l^afc  ber  ©ac^arjafritil.  Sei  ben  poetifd^en  SSüAem 
tüirb  bie  ßi'iftenj  üon  ©tropl^en  ba^ingeftcllt.   ^tob  h)irb  bor  3^cn"ö  angefcfct,   unb  bie 

6o6d)tl;cit  ber  ßli^ureben  bel^auptet  mit  ber  c^arafteriftifc^en  Segrünbung:  bie  SSertoerfung 
erfdjeine  infofern  al^  eine  bognmtifc^e,  aU  fie  au^  ber  ©d^h)ierigfeit  entfpringe,  biefc 
Sieben  in  ben  einmal  angenommenen  $lan  einzureiben,  ^m  §o^en  Siebe,  toelc^e^  bie 
2:reuc  ber  Sraut  gegenüber  ben  S^erfübrung^fünften  be^  ©alomo  >)reift,  h)irb  ein  ftänbiger 
5?ortfd;ritt   ber  .öanblung   in   tjier  Stbteilungen   angenommen.     Äol^elet  enblic^  für  eine 

66  3irt  2l;eobice  erflärt. 

Sliden  h)ir  ^um  ©d>luffe  nod^  auf  ben  atigemeinen  fd^riftfteHerifc^en  S^aratter  St.^, 
fo  fällt  t)or  allem  ber  Siangel  au  formgcit)anbter,  gefälliger  DarfteHung  auf,  eine  ®aU, 
bie  ibm  völlig  ücrfagt  h)ar,  fo  bafe  feine  2(rbeiten  !aum  in  Weitere  Greife,  aud^  niebt  in 
bie  ber  ftubiercnben  ^ugenb  gcbrungen  finb.    (Sbenfo  fel^lt  e^  toielfad^  an  ber  genügenben 

60  Durcharbeitung  in  Öetreff  ber  ©lieberung  beö  ©toffe^  unb  ber  2)urc^fid^tigleit  ber  Semei^ 


Staijdiii,  3.  3.  Stäljcliii,  9lub.  735 

fü^rung;  unb  burc^  ba«  ©treSen  na^  imbebingter  frilifc^er  UiH)arleinc^fcit  lä^t  fic^,  hjic 
fd^on  angebcutct,  St.  bielfac^  bagu  verleiten,  bic  großen  fac^li^cn  ®eftc^tgj)unfte  hinter 
bic  äjetaite  ber  jjl^UoIogifd^cn  Beobachtung  aDjufcl^r  ;^urütfjuftellen.  S3ei  allebem  aber 
läfet  [16)  ©t.  mancher  öerbienftlic^e  Seitrag  ^u  ber  fcitifd^en  unb  religiöjen  ßrforfd^ung 
bc^  ^%^  ni^t  abfjprec^en.  3Man  i}at  \f)n  öfter  einen  „rationaliftifc^en  Üritifer"  genannt,  b 
aber  burc^auö  mit  Unrecht.  S3ei  feinem  öOiä^rigen  3)ojenteniubiläum  ^at  er  in  öffentlicher 
SRebe  al«  ba«  3iel  atter  feiner  toiffenfc^aftli^en  Sltbett  bie  (S^re  feincig  §errn  unb  ^eis 
lanbe^  unb  ben  S)ienft  in  feinem  Sleic^c  bejeic^nct;  auc^  oft  bezeugt:  er  ftc^e  mit  feiner 
G^riftenüberjeugung  burc^au«  auf  bem  S3oben  ber  Sanier  ßonfeffion,  auf  bie  er  bei  feiner 
Drbination  tjerj)fli^tet  toorben.  ,,6«  toar  in  il^m/'  urteilte  Äau^fd^,  ,,einc  folc^e  Harmonie  10 
einer  Rnblic^  frommen  SSerel^rung  ber  95ibel  einerfeit^  unb  eine«  aller  faulen  2l))oIogetiI 
abgeneigten  SBa^r^eit^ftnne«  anbererfeit«,  ba^  fein  Slnbenfen  fd^on  um  be^toitten  allen, 
bie  ii^m  naiver  ftanben,  e^rtoürbig  bleiben  toirb."  ertift  etä^cUn. 

®t8^diii,3luboIf,  geft.  1900.  —  Ä.  @toc!mei)er,  dt,  ©tä^clin,  €cparatabbr.  au«  bem 
93a8(er  3a!)rbuc^  1901   unb    berf.    in  SSIogr.  3a^rb.   unb   bcutfc^er  5?cfroIog  üon  %  ^eittU  ib 
^cim  V.  1903. 

SHuboIf  ©täl^elin  ift  am  22.  ©el)tember  1841   in  S3afel  aU  ©ol^n  einee  geachteten 
Äaufmann«  geboren,    ©ein  gltem.^au«  gehörte   jum  ftrei«   ber  bortigen  Srüberfocietät 
unb  bie  ^ier  em})fangenen  ©inbrüdte  einer  lebenbigen  unb  t^ätigen  SJ^ömmigleit  fmb  ihm 
ein  unberlierbare«  Seft^tum  geblieben.    3lic^t  minber  begierig  ergriff  fein  lebhafter  Oeift  20 
bie  ^umaniftifd^en  Silbung^ibeale,  bie  i^m  ba«  ©^mnafium  feiner  SSaterftabt  »ermittelte. 
3)er  nad&^altigen  Slnregung  unb   ber  ^eilfamen   ftiliftifd^en  3"^^   ^i«   ^^^  3B.  SBadters 
nagelö  Unterricht  ausging,   ^at  er  oft  banfbar  gebac^t.     ajie  Sefc^äftigung  mit  ber 
Ilaffifc^en  Sitteratur  ^at  i|n  auc^  in  bie  S^^re  be«  t^eologifd^en  ©tubium«  begleitet,  bem 
er  ftc^  1859—65   in  SBafel,  Saufannc,  Serlin  unb  Tübingen   toibmete.     ©ein  j)^ilos26 
fot)^ifdf>e^  3"*^^«  f«"t>   i"  ^^  einbruc!«tjollen  3Sorlefungen  Äarl  ©teffenfen«  SJa^rung 
unb   ben   üertoanbten  Seftrebungen  bon  ©udfen,  SJilt^e^,   ©iebetf,  ßlafe,  (Slogan  u.  a. 
galt  auc^  f>)äter  noc^  feine  leilnal^me.    ^n   feiner   2Iu«einanberfe^ung    mit   ben   t^eo* 
logifd^en  fragen  fül^lte  er  fid^  namentlich;  burc^  bie  Seigrer  geförbcrt,   in   toelc^en  i^m 
eine  SBeiterleitung  be«  ©c^leiermad^erfc^en  ©influffe«  entgegentrat,    fo  Ä.  9t.  Äagenbad^  ao 
unb  fj)äter  §.  ©d^ul^  in  33afel,  Ä.  3.  9ti^fd^  unb  3.  St.  Corner  in  Serlin.    55or  atten 
aber  galt  il^m  ©c^leiermac^er  felbft,  in  beffen  ©c^rif ten  er  fic^  eifrig  vertiefte,  al«  „ein 
gü^rer  gum  Heiligtum".    6in  SKinter,  ben  ©t.  in  2:übingen  jubrac^te,   um  ^.  %,  Sei 
ju   I;ören,   ^interliefe  i^m    einen  tiefen  (Sinbrudt  tjon  ber  „fittlic^en  3)faieftät"  unb  bem 
„leben^iüarmen  äBa^r^eit^finn"  biefe«  Ideologen,  o^ne  bafe  er  boc^  in  toiffenfc^aftlic^er  86 
Se^iel^ung  fein  Schüler  ^ätte  toerben  fönnen. 

9Jac^bem  ©t.  im  ^ü^ja^r  1865  fein  ©tubium  mit  einer  glänjenben  5ßrüfung  ab* 
gefd^loffen  i}aiiQ,  unterrichtete  er  ein  ga^r  lang  an  bem  ©eminar  ju  ©c^ier«  in  ®raus 
bünben  unb  belleibete  bann  ein  3Sifariat  ju  ©tein  a.  91^.,  biö  i^m  im  ^rül^jal;r  1867 
ba«  3)iafj)ora))farramt  in  ärle^l^eim  (Safel^fianb)  übertragen  hjurbe.  6r  übernahm  bamit  40 
einen  an  ©eelenja^l  fleinen,  aber  bei  ber  n)eiten  ^^f^^^^w^^G  ber  ©emeinbegtieber  an 
2lrbeit  unb  2lnftrengung  reichen  3BirIungefrei«.  ^tvü  '^af^xt  fj)äter  grünbete  er  feinen 
§au«ftanb  mit  Wlam  ©toctme^cr,  ber  2oc^ter  be«  feinfinnigen  unb  geifttootten  Sanier 
Pfarrer«  unb  fj)äteren  Slntifte«  Immanuel  ©todtme^er.  ©ein  SBirlen  im  länbtic^en 
Pfarramt,  beffen  2lufgaben  er  mit  großer  ©emiffen^aftigfeit  anfaßte,  foHte  jeboc^  nic^t  46 
bon  langer  3)auer  fein,  gm  ©ommer  1871  fear  er  infolge  anbauember  Äränflic^Ieit 
^u  einem  längeren  Äurgebrauc^  genötigt,  an  ben  fic^  auf  ärjtlic^e«  ©e^eife  ein  SBinter^ 
auf  enthalt  in  ©icilien  anfc^lo^.  (Sin  anjie^enbe«  Silb  ber  geiftigen  ^ntereffen,  bie  il^n 
tüäl^renb  biefer  3Kufeejeit  befd^äftigten,  geU)ä^ren  bie  au«  feinem  JJac^lafe  Veröffentlichten 
„Sleifebriefe  au«  Italien"  (al«  3Ranuffri})t  gebrudft,  Safel  1903).  gm  aRittel»)un!t  ftanb  60 
i^m  boc^  immer  ber  tl^eologifc^e  S3eruf  unb  für  ben  fi)äteren  Äird^enl^iftorifer  ^at  biefe 
notgebrungene  ©tubienreife  vielfache  grud^t  getragen.  3)a  i^m  auc^  nac^  ber  Stüdfte^r 
ber  aSiebereintritt  in«  5ßfarramt  bon  ärjtlic^er  ©eite  berhjel^rt  iüurbe,  entfc^lofe  er  ftc^, 
ben  SBeg  ju  betreten,  für  toelc^en  Se^rer  unb  greunbe  i^n  bon  2lnfang  an  beftimmt 
gebadet  Ratten,  inbem  er  fid^  an  ber  t^eologifc^cn  gafultät  feiner  Saterftabt  l^abilitierte.  66 
(g«  gefc^a^  bie«  mit  einer  Slb^anbtung  „^ux  ))aulinifc^en  (Sfc^atologie"  (3bl^  1874). 
3)ie  balb  barauf  gehaltene  ^robeöorlefung  über  „(Sra«mu«'  Stellung  jur  Steformation" 
(äafel  1873)  jeigt,  bafe  er  bereit«  ba«  gelb  gefunben  l^atte,  bem  feine  gorfc^ung  öor« 
gug«tDeife  gehören  follte.    311«  im  gal^r  barauf  —  guni  1874  —  Ä.  31.  ^agenbad^  ftarb, 


736  eta^eltit,  9)ub. 

erfc^ien  ©t.  aU  ber  gegebene  Jlac^folflcr;  er  trat  uinäc^ft  afe  ßjtraorbinariu^,  f(^onl87o 
aU  Drbinariu«  in  bie  entftanbene  Südte  ein.  3!)a  neben  i^m  ^Jranj  Dt>erbcrf  bie  @e= 
fc^ic^te  ber  alten  unb  mittelalterlichen  Jtirc^e  bertrat,  fiel  @t.  t)orjugdtt>etfe  bie  ©efc^i^tc 
ber  Sieformation  unb  ber  au«  i^r  ^erborgegangenen  Äirc^en  ju,  in  ber  er  fxd^  burd^  uin^ 

6  faffenbe  DueHenftubien,  aber  frei  bon  einfeitigem  ©jjejialiftentum  ]^eimif(^  mad^te.  Sein 
^ntereffe  gehörte  ber  gefc^ic^tlic^en  ®efamtbetoegung  oe«  S^riftentum«  unb  feine  bebetit^ 
fame  älrbeit  in  biefem  toeiten  ©ebiet  lie^  i^n  unberül^rt.  ^abei  toar  er  tief  bun^brungen 
bon  bem  tird^lic^en  S3eruf  ber  Il^eologie,  eine  Überzeugung,  bie  i^m  ba«  Sebur^«  na(| 
Iritifdjjer  Ermittelung  ber  gefc^ic^tlic^en  SBa^rl^eit  ntd^t  au^fd^lofe,  fonbem   nur  noA  ge^ 

10  toid^tiger  erfc^einen  lieg.  @r  |at  barum  neben  feinem  alabemijc^en  3(mt  aud^  in  mancherlei 
gunitionen  ber  Äirc^e  gebient,  fo  aU  3Witglieb  ber  tl^eologifc^en  ?ßrüfung^be^örbe,  b» 
t)roteftantif(^=f irc^lid^en  §ilfgberein«,  ber  ©^nobe  unb  fjjäter  be«  Äird[^enrat«,  überall  bie 
game  Äraft  einfe^enb  unb  feiner  ©ad^Ienntni«  toie  feine«  befonnenen  Urteil«  toegen  bix^ 
gefc^öfet. 

16  Dbtool^l  ben  Sorlefungen  ©t.«  mand^e«  bon  bem  abging,  toa«  ben  gidmenben  3?OT' 
trag  au«mac^t:  leichter  glug  ber  SRebe,  ®lätte  be«  ©til«  unb  ©c^toung  ber  ©orfteHung, 
fo  mad^ten  fie  boc^  burd^  i^re  ©rünblic^feit,  il^re  boUIommene  ©toffbe^errfc^ung  unb  bot 
jie  bur^bringenben  ßrnft  ^erfönlic^er  Überjeugung  einen  nachhaltigen  Sinbrurf.  giner 
feiner  ©c^üler  l^at  an  ©t.«  ®rab   bejeugt:   „S5ei  i^mÄirc^engefc^i^te  ftubieren  ^efe  an 

20  ©Ott  glauben  lernen."  SDabei  toar  er  unermüblic^  in  ber  görberung  ber  ©tubenten,  bie 
feinen  3iai  fuc^ten  ober  i^m  fonft  näl^er  lamen.  ©^arfam  mit  feinem  2ob,  toufete  er 
i^r  toiffenfc^aftlic^e«  ©treben  ju  läutern  unb  auf  bte  redeten  3'^^  i"  lenfen.  6r  toor 
barum  nidjjt  blofe  für  bie  fc^toeijerifc^en  21^eologen  ein  gefuc^ter  Se^rer;  auc^  toon  au^ 
toärt«  richteten  ^c^  bie  Slidfe  auf  i^n.    9jm  3abr  1888  toünfc^te  man  i^n  für  bie  bunt 

25  ^atnadi  ffieggang  erlebigte  5ßrofeffur  ber  Äirdpengefc^ic^te  in  5Dlarburg  ju  getoinnen. 
t)a«  ©efü^l  ber  Sßert)flic9tung  gegen  $eimat  unb  ^amilie  beftimmte  i^n  }ur  Slble^nung. 
^afe  ber  mit  fc^loerem  §ergen  gefaxte  ßntfc^lufe  bodp  ber  rechte  getoefen  fet,  beffen  tombe 
er  fic^  erft  in  ber  golge  ganj  betoufet.  SJer  3"P«"b  feiner  Slugen  t>erf(^ltmmerte  fi<^ 
nämlid^  im  9ja^r  1889  fo,  bafe  er  auf  alle«  eigene  Sefen  berjic^ten  mu^te.    Unter  biefcn 

80  Umftänben  toar  bie  gortfe^ung  feiner  Se^rt^ätigfeit  unb  bie  äu«fü^ng  ber  Stoingli-- 
S3iograi)l^ie,  für  bie  er  feit  ^a^ren  ba«  3Waterial  gefammelt  ^atte,  in  grage  gefteDt.  SWein 
feine  ®ebulb  unb  Energie  ftegtc  über  biefe  §inbemiffe.  3Son  feiner  ®attin,  toie  tjon 
greunben  unb  ©c^ülem  burc|  Sorlefen  unterftü^t,  mad^te  er  e«  möglich,  feine  Sebr 
t^ätigfeit  im   alten  Umfang   toeiterjufül^ren  unb  feinen  „§ulbrei(^  ß^^J^Ö^i"  jwm  glöcf- 

85  lidS^en  Slbfc^lufe  ju  bringen.  1895  toar  ber  erfte,  1897  ber  jitoeite  Sanb  biefe«  feinet 
eigentlichen  Seben«toerf«  t)otIenbet.  6«  barf  al«  eine  nac^  ^tif^alt  unb  gorm  mufter= 
giltige  biftorifc^e  3Kono0raj)l^ie  begeic^net  toerben.  9Rit  boller  S3el^errfc^^ung  be«  urlunb= 
li^en  3Jlaterial«,  bie  feiner  35arftellung  immer  fc^arfe  Umriffe  berlei^t,  berbinbet  ber 
SSerf.  ein   feinfinnige«  i^erftänbni«  für  bie  ®eifte«art  be«  ^Reformator«  nad^  i^rer  ®ro6e 

40  roie  nac^  i^ren  ©d^ranfcn  unb  nid^t  jule^t  bie  &aU,  fein  S3ilb  in  ben  großen  3ufammen= 
l^ang  ber  93eh?egungcn  ber  Rcxt  ^ineinjujeic^nen.  3Jlit  gutem  ®runb  fyit  bie  9a«ler 
lpl^ilofoj)^ifc^e  JJafultät  ben  Serf.  biefer  bebeutfamcn  Slrbeit  mit  ij^rem  ß^renboftorat  au^- 
gejeici[>nct,  na^bem  er  fc^on  frül^er  bon  Sem  burc^  bie  tl^eologifc^e  ®oftortoürbe  geebrt 
ioorben  toar. 

45  2)ie  übrigen  ©d^riften  ©t.«  fmb  teil«  33orftubien  ju  biefem  §au^ttoer!,  teil«  anberen 
®eftatten  au«  ber  ©efc^ic^te  be«  $umaui«mu«  unb  ber  JReformation  getoibmet.  (6inc 
bollftänbige  Sifte  finbet  fic^  am  ©c^lu^  ber  ©todfme^erfc^en  95iograb]^ie.)  SBir  nennen 
barau«  bie  3lb^anblung  über  SSabian  (Seitr.  jur  baterlänb.  ®efc^.  3i%  J,  8afel  1882), 
S)ie  crften  SRärt^rer  be«  et?,  ©lauben«  in  ber  ©c^toeij  (93ortr.  I^erau«geg.  toon  grommel 

60  unb  $faff  IX,  1883),  ©riefe  au«  ber  5Reformation«jcit  (33a«l.  Uniöerfttät«t)rogr.  1887), 
ben  3Sorläufer  ber  größeren  3h)i"0li'33iograj)^ie  (©d^riften  be«  i^er.  f.  9lef.=®ef(!^.  188^^) 
fotoie  ben  ärt.  ßatüin  in  Sb  III  biefer  Gnc^fl.  %üx  le^tere  l^at  er  auc^  biogrojjbifc^e 
airtifcl  über  Siebermann  unb  §agenbac^  t)erfa|t.  2)em  ®ebäc^tni«  ®e  SBette«  ijt  eine 
1880  toeröffentlid^te  Siebe  getoibmet.    ©eine  ieilna^me  an  ben  fragen    be«   c^riftlic^cn 

65  ©lauben«  unb  Seben«  belunben  bieSluffä^e  über„2)ie3lutorität  ber  ^l.©c9rift  unb  bie  biblifc^c 
Kritif"  (I^.  3eitfd^r.  au«  b.  ©cf»h?.  1884),  „2)ie  Se^re  bon  ber  Saufe  unb  i^re  9lotn)enbig= 
feit  in  ber  ref.  Äircfje"  (S^irc^enbl.  f.  b.  ref.  ©c^h).  1882)  unb  fein  fc^öner  ®ortra9: 
3)ie  6f)riften Hoffnung,  1900.  2)er  tc^tere,  auf  ber  tjon  ©t.  gern  befugten  ^^fingftfonferenj 
in  Sieftal  1896  gehalten,  ift  einem  Weiteren  Ärei«  erft  al«  le^te«  Sefenntni«  eine«  ^eim^ 

60  gegangenen  jugänglid^  getoorben.    3lm  (Snbe  be«  in  geiüo^nter,  angeftrengter  Slrbett  ju- 


eta^elin,  Slub.  StS^Im  737 

gebrachten  SBinterfemefterö  traf  il^n  am  11.  3Kärj  1900  ein  ©^laganfatt,  beffen  ^Jolgen 
am  13.  3Räxi  feinem  Seben  ein  ^iel  festen. 

3jn  einer  t^eologifc^  toie  lir^IiA  toecBfelöoIIen  3^^^  ^^^  ®^v  öHen  ©jtremen  ab^olb, 
bie  ©ac^e  einer  emften  unb  toiffenfd^aftlic^  freien  grömmigleit  mit  rul^iger  Seftimmti^eit 
vertreten.  ®leic^  feinem  Seigrer  ^a^mhai)  ^ielt  er  ftd^  ^ur  ®rup>)e  ber  tf^cologifc^en  5 
unb  lir^Iic^en  SSermittelung.  Unb  feiner  lauteren,  auf  aÖen  ©eiten  geachteten  5ßerföns 
lic^feit  ift  ei^  mit  gu  berbanlen,  toenn  in  bem  Slu^einanberftreben  ber  Slic^tungen  boc^ 
noc^  ein  Setüufetfein  ber  ßufammengei^örigleit  in  ber  fiöfung  gemeinsamer  ^riftlic^s 
fird^Iic^er  Slufgaben  erhalten  blieb.  Offen  unb  fc^Iic^t  in  feinem  auftreten,  bome^m  in 
feiner  ©efmnung,  ol^ne  jeben  Stnfj)rud^  barauf,  anberen  ju  imj)onieren,  bertrat  er  einen  10 
©ele^rtent^jjuö,  ben  man  mit  ju  ben  beften  2^rabitionen  be^  alten  Safel  rechnen  barf. 
3)urc^  @mj)fänglic^!eit  unb  Sebl^aftigleit  für  geiftigen  äugtaufd^  befonber^  Veranlagt,  ^at 
er  3Kenfc^en  bertoanbten  Strebend  tjon  linfö  unb  rec^t^  anjujie^cn  unb  in  unh?anbelbarer 
3!reue  feftju^alten  getoufet.  Ol^ne  3lbjug  bürfen  toir  ba«  ©ort,  mit  bem  er  3^^"9li 
d^arafteriftert  l)ai  (II,  519),  auf  il^n  felbft  antoenben:  „©ein  entf^eibenber  3"^>Jwl^  wnb  15 
feine  aUe^  jufammen^altenbe  ©in^eit  lag  boc^>  barin,  bafe  er  im  innerften  ®runb  feinet 
SBefcnd  ein  SDZann  be^  ®Iauben^  toar,  ber  ba«,  toa^  er  berfünbigte,  ate  lebenbigen  95eft$ 
in  ber  ©eele  trug  unb  auc^  in  ben  fd^toerften  groben  feft^ielt."  D.  Stirn. 

Stä^Kii^   2lbolf  b.,   geft.  1897.    —    X^.ÄoIbc,  ?tb.  ü.  etä^Un.     ein  ©ebenfblatt 
(SBcitr.  j.  bal)r.  m  IV,  @.  15  ff.),  (Sri.  1897;  SBu(6ruc!cr  in  b.  ^Q  1897,  9.  ^eft;  O.  ©Ift^Iin,  20 
Oberfonfiftorialpröfibent  D.  ^b.  t).  Stö^Itn.  (^in  fiebenSbUb  mit  einem  ^n^ang  üon  $rebigten 
unb  5Rcbcn,  ^Rüncficn  1898. 

abolf  ©tä^Iin,  ba«  öltefte  bon  bierjel^n  Äinbem,  tourbe.  am  27.  Df tober  1823  ju 
©c^mä^ingen  im  3)elanat  9Jörb(ingen  aU  ©o^n  be«  bortigen  5ßfarrer«  SKartin  ©tö^hn 
geboren,    ©ein  SSater,  ber  längere  3^'*  ^^  ^l^ilologifc^en  Sel^ramt   t^ätig  geiüefcn  iüar25 
unb  erftl821  in  ben  ^fanbienft  trat,  toar  ein  toiffen^reic^er,  })^ilologifd^  unb  })l^ilofoj)^ifc^ 
too^lgefd&ulter  SDlann,  afe  2:^eologe  überzeugter  SHattonalift  unb  abgefagtcr  ®egner  ber 
bamate  [\d)  fc^on  regenben,   atö  „TO^ftici^mu«"  gebranbmarlten  neueren  firc^lic^en  dtid)- 
tung.    ©r  gab  bem  ©o^n  ben  erften  Unterricht,  aber  fc^on  mit  jrvölf  Salären  mufete  ber 
knaU  ba«  ©Itern^au«  berlaffen,  um  junäc^ft  ju  ?l)lemmingen,  bem  SBol^norte  ber  ®rofes  30 
eitern,  bie  bortige  Sateinfd^ule  ^u  befuc^en,  bie  er  1834  mit  ber  am  SDSil^clm^g^mnafium 
in  aJtünc^en  bertaufc^te,  bii^  man  enblic^  1835  im  Kollegium  bon  ©t.  älnna  in  Sdugöburg 
ben  rechten  $Ia$  für  i^n  fanb.    Unb  auf  bem  ©t.  Slnneng^mnafium,  baö   er  nunmehr 
ju  befuc^en  ^atte,  too  ber  gelehrte  unb  frafttjottc  5ßrofeffor  ®.Ä.2Rc|ger,  ber  fj)äterc  (feit 
1840)  SJeltor  be^  ®^mnaftum^  unb  be«  Sottcgiumö,  bejonberen  ©influ^  auf  i^n  ausübte,  35 
legte  er  ben  ®runb  ju  feiner  umfaffenben  Äenntni^  ber  flaffifc^cn  unb  beutfc^en  Sitteratur. 
9ioc^  nic^t  17  3a^re  alt  burfte  er  bie  änftalt  mit  bem  ^räbifat  „tjorgüglic^"  öerlaffen. 
3lm  27.  Oltober  1840  h?urbe  er  an  ber  Uniberfität  ßrlangen  ate  stud,  theol.  et  phil. 
immatrifuliert.    S)ie  angefe^enen  5ßl^ilologen  3)öberlein  unb  !^opp,  unb  fj)äter  ber  allen 
feinen  ©c^ülern   befonber^  unbergefelid^e  SJägctebac^  tüaren  ^unäc^ft   feine  ^ü^rer  (tjgl.  40 
S3uc^ruder  unb  ©tä^lin,  jum  e^renben  2lnbenfen  be^  ßrlangcr  ^^ilologen  Dr.  Subiüig 
SDöberlein.  3^ci3t^i>^n  6r langen  1892),  aberkenn  er  aud^ toä^renb  ber  ganjen ©tubien^eit 
noc^  ))^ilotogifc^e  SSorlcfungen  ^örte,  toanbte  er  ftc^  je  länger  je  mel^r  ber  S^eologie  ju. 
9Jun  toaren  c^  .^arlefe,  §ofmann,  S^omafiu«,  ^u  beren  güfeen  er  fafe:   „2Öer  auö  ber 
3ltmoft)^äre  be«  Slationali^mu«,   fc^reibt  er  einmal  (in  feinem  SJelrolog  auf  ben  ^Jreunb  45 
unb  Kollegen  ©täbelen  in  b.  33eil.  ^ur  2lDg.  S^itung  1891,  9Jr.  270),  in  bie^örfäle  eine« 

tarlefe  unb  §ofmann  jog,  bem  ging  eine  neue  3Belt  auf,  bem  fbrubelte  e«  toie  frifc^e 
Safferquetlen  erquidenb  unb  beläenb  entgegen.  —  3"  beiben  lam  noc^  IJ^omaftu«, 
biefe  leibhafte  ©^nt^efe  grünblic^fter  tl^eologifc^er  ©c^ulung  unb  reid^er  jjraftifc^cr  Se^ 
gabung  unb  ©rfa^rung".  äöie  iüenige  anbere  na^m  er  bie  bamal«  entfte^enbe  „gr*  ßo 
langer  Ideologie"  in  fid^  auf,  ^eithjeitig,  toie  ^  fc^eint,  aber  nur  tjorübergc^enb,  aud^ 
ergriffen  tjon  ber  Jjietiftifd^en  ^römmigfeit  be«  reformierten  Ideologen  unb  Pfarrer«  Ärafft 
(f.b.  a.  S3bXI,59).  ©c^on  öorSlblaufbe«  erften  ©emefter^fonnte  er  feinem  Sater  fc^reiben: 
„Ueber  meine  religiöfen  Überzeugungen,  nid^t  me^r  3Keinungen,  toill  id^  mic^  S^nen  nun 
näc^ften«  gang  aufrichtig  mitteilen ;  fie  ^aben  fxd)  freiließ  in  bielem  fel^r  geänbert"  (0.  Stä^lin  66 
a.  a.  D.  ©.  19).  2)ag  ging  ol^ne  manche  innerlid^e  unb  äufeerlid^e  «ämj)fe  nid^t  ab,  unb 
ber  attmä^lid^  immer  größer  toerbenbe  Unterjc^ieb  öon  ber  2)enftoeife  be«  SSater«  unb 
ba«  baburd^  geitireife  gef})annte  3Serl^ältni«  ju  tl^m  tourbe  bon  bem  jungen  3^l^eologen, 
bem  ein  innige«  §erjen«c^riftentum  jum  Gentrum  feine«  ®enlen«  unb  Seben«  getüorben 

Rca(«(ittc4r(opablc  tat  X^eologic  nnb  ftir^c.    8.  K.  xym.  47 


738  etft^Iiit 

\üax,  fd^tücr  cmj}funben.  3)abci  ^attc  er  fortn)äl^renb  mit  materieller  !Rot  ^u  fämj)fcn, 
bic  feiner  ol^nel^in  fd^toäd^lid^en  ©cfunbl^eit  ftarf  jufe^te.  2l6er  jene  Sa^rc  be«etubium$ 
im  Äreife  ßleic^ftrebenber  ©enoffen,  mit  benen  er  bann  burd^  baö  Qönjc  Seben  toer- 
bunben  blieb,  eine«  ©täbelen,  9lu$  unb  6mft  Sutl^arbt,  bie  3^*  *>^^  einbringend  in 
6  bie  neue,  auf  bem  alten  ©d^riftgrunbe  [xd)  erbauenbe  Ij^eologie  erfc^ien  fpäter  bem  ©reife 
al«  eine  J^enlid^e,  föftlic^e  ^txi.  ©eine  ätußen  leu^teten,  toenn  er  baran  backte,  unb 
lüenn  er  babon  ^pxad),  fo  pofe  fein  3Dflunb  über  öon  rtil^renber  a)anlbarfeit  gegen  feine 
einftigen  Seigrer  (bgl.  ;|.  8.  feine  Siebe  beim  ßrlanger  Uniberfität^jubiläum  im  ^abxt  189:3 
2ltlg.3eitg.  bom  9.  äug.  1893,  ?Rr.  219,  2.  3Dflorgenbl.).  Site  ein  innerlich  gereifter  SRonn 

10  lam  er  na*  borjüglid^  bcftanbenem  äufna^m^ejamen  in  Sln^bac^  1844  m^  ^r^iger^ 
feminar  nac^  3Dflüncl^en,  aber  ba«  Ronfiftorium  mufete  über  il^n  berichten,  bafe  er  feinet 
Äränflid^Ieit  n)egen  tro^  feiner  l^ertoonagenben  93efä^igung  berÄird^e  n)ent0  3)tenfte  leifien 
lüerbe.  Unb  er  h)ar  jeittoeife  fo  \6)\vaä),  bafe  er  bei  feinen  ®ängen  burc^  bie  grofee  Stobt 
bann  unb  h)ann  in  eine  offenfteJ^cnbeÄird^e  eintrat,  um  ftd^  auf  einer  93anf  au^juruben. 

16  ©d^on  bamate  trat  er  in  engere  93ejiel^ung  ju  bem  ?ßräfibenten  be«  Dberfonftftoriums 
S?r.  b.  9lotl^,  ber  \x6)  feiner  in  bäterlid^er  SBeife  annal^m,  unb  beffen  Sebcutung  unb 
SuSirIfamleit  für  bie  ba^erifd^e  Sanbe^fird^e  ©täl^lin  f))äter  in  einem  au^fü^rltc^en  Slrtifel 
in  ber  3).  21.  93.  gefd^ilbert  ^t.  9Jad^bem  er  jtoei  ^a^re  im  ©eminar  geblieben  h>ar,  bann 
eine  f urje  3^^^  ^^^  ^au^lel^rer  in  Äarterul^e  jugebrac^^t  l^atte,  begann  eine  lange  5!Sanber= 

30  geit  ate  SSiYar,  in  ber  er  freiließ  mel^rfac^  bie  Pflege  be«  elterlidjien  $aufe^  auffut^en 
mufete,  tücil  fein  Äörj)er  ben  3)ienft  ööllig  ju  öerfagen  brol^te,  toa«  für  i^n,  ber  fobiel 
auf  bem  §erjen  l^atte  unb  ber  barauf  brannte,  mit  aller  Äraft  für  bag  JReic^  ®ottce 
ju  arbeiten,  eine  fd^toere  aber  mit  frommer  ßrgebung  getragene  ?ßrüfung  toar.  6rft  in 
Äattenl^od^ftabt  im  ältmül^ltl^al,  n)0  er  bem   um  bie   bal^erifd^e  ganbe^firc^c   bur^f  bie 

26  ^erau^abe  be«  „$omiletifc^4iturgifd^en  Äorrefj3onbenjblatte«"  unb  burc^  bie  ©rünbung 
be«  55farrhjaifenl^aufc«  in  SBinb^bad^  l^od^öerbienten  3)elan  Ä.  93ranbt  (gcft  1857)  Don 
$erbft  1850—1855  al«  SSifar  gur  ©cite  ftanb,  befferte  fid^  unter  ber  treuen  Pflege  M 
Äaufc«  fein  ©efunbl^eit^juftanb  h)enigften«  fo  toeit,  ba|  er  feinen  Stmt^flic^ten  nai^- 
tommen  fonnte.    3"  i^"^  3^^^  (23.  3)ej.  1852)  fiel  ber  il^n  tief  erfc^üttembc  %o\>  feinet 

80  löjäl^rigen  93ruber^  Subtoig,  eine«  auffaHenb  begabten,  frühreifen  G^riften,  beffen  ©riefe 
unb  2agebüd^er  ein  für  feine  gugenb  gang  erftaunlidjie«  3!""^l*^  erlenncn  laffen,  ber 
auf  unerflärte  SKeife  auf  einer  gufereife  gu  ben  ßltem  untoeit  be«  ^cimatlid^en  S)orfe^ 
fein  @nbe  fanb.  ©eine  Seben^  unb  ©terben^gefd^id^te,  bie  für  nic^t  lücnige  gu  einer 
®rh)edung«aefc^id^te  tourbe,    bie  bon   einem   anberen  ©ruber  Ctto  ©tä^lin   unter  bem 

86  2:itel  „Ä.  Subtoig  2lug.  ©tä^lin,  Seben^s  unb  ©terben^efd^id^te  eine«  frü^boDenbcten 
Äinbe«  ©otte«"  (9lürnberg  1857)  erftmalig  herausgegeben  lourbe,  liefe  2lb.  ©tä^lin  f>)äter 
mit  einem  loarmen  SSortDort  (2ei(3gig  1887)  in  britter  ätuflage  no^  einmal  auSgel^cn. 

5?ac^  elfjährigem  SSifariat  erhielt   er  3lnfang  1856  bie  erfte  3lnftellung  in  iaubcr- 
fd^erfenbad^  mit  einem  ßintommen  bon  500  ©ulben.    2Bic  balb  man  bie  Sebcutung  bc^ 

40  jungen  Pfarrer«,  ber  anbauernb  toiffenfd^aftlic^  toeiter  arbeitete  unb  burd^  ©^nobalarbeiten, 
^Referate  u.  f.  h).  fic^  auszeichnete,  erfannte,  jeigt,  bafe  er  als  ber  jüngftc  ^^f^rrcr  be^ 
Kapitels  1859  jum  ©enior  getoä^lt  unb  baS  ^ai}x  barauf  als  3)litglieb  ber  tl^eologifc^en 
^ßrüfungSfommtffion  in  ätnSbacf;  berufen  lourbc.  93alb  na6)  feiner  93erufung  na* 
5Daubcrfd^erfenbad^  grünbete  er  feinen  ^auSftanb  mit  Caroline  Sranbt  (gcft.  22.  Slug.  1904), 

46  ber  2^oc^ter  bcS  borl^in  ertoö^nten  Defan  93ranbt,  bercn  Seben  fortan  nur  ber  ©orgc  um  ba^ 
SBol^l  bcS  &aitm  galt,  ber  erft  in  jenen  ^al}xm  nad;  unb  nad[|  cttoaS  fräftiger  tourbe. 
ßnbe  1860  etl^ielt  er  bie  ^farrfteDe  an  ©t.  Scon^arb  bor  SRot^enburg  mit  bem  Äireblein 
am  el^emaligen  Seprofenl^auS,  baS  je^t  als  Unterfunft  einer  fleinen  ^a^l  bon  3Baifen= 
finbem  bicnt,  gu  benen  als  ^ßaroc^ianen  noc^  bie  tDcnigen  ^roteftanten  auS  bem  näc^flen 

60  fatbolifc^cn  2)orfe  ©ebfattel  fommen.  3Kan  begreift,  bafe  er  fid^  auS  biefen  engen  i^er^lt^ 
niffen  fortfe^nte,  aber  ade  SSerfud^e,  in  eine  größere  ©tabt  gu  fommen,  fd^ienen  an  ber 
©orge  bor  feiner  Sränflic^teit  fd^eitern  ju  f ollen,  ^m  3Wärg  1864  erhielt  er  bann  feine 
ßmennung  gum  erftcn  ©tabtpfarrer  in  9Jörblingen,  too  feine  ganje  reiche  ?5rebigtbegabung 
(groben  babon  bei  C  ©tä^lin  a.  a.  D.  im  Slnl^ang)  fic^  enblidji   entfalten   fonnte.    Sie 

56  ^eutc  tüiebcr  brennenb  gcloorbene  ^rage  nacl^  ber  93ered^tigung  ber  geiftlid^cn  ©d^ul= 
auffid^t,  bie  bamalS  guerft  in  93a^cm  gu  größerer  2)iSfuffton  führte,  beranlafetc  ©täblin 
ju  feiner  erften,  noc^  ^eute  lefenSlocrten,  fclbftftänbigen  3)rudfd^rift:  „3ur  ©4ul-- 
reform.  W\t  befonbercr  93erüdfid^tigung  ber  2)enffc^rift  beS  ba^erifd^en  SSolfSfc^uI-- 
bereinS",  9Jörblingen  1865.    ©ic   läfet   überall  baS  forgfame  einge^enbc  ©tubium  ber 

60  fc^lüierigcn  Angelegenheit  crfennen,  unb  fc^on  ^ier  geigt  fid^  feine  alle   feine  arbeiten 


@t8I|Iitt  739 

lennjcic^ncnbe  SfÖctfc,  eine  ßinjclfragc  nur  im  3"fa»""^cn^ange  mit  bcr  §am)taufgabc, 
ber  mufric^tung  be«  Slcid^e^  ®otte«  ju  betrad^tcn,  unb  tociter  feine  berföl^nlid^e,  irenifd^c 
3(rt,  bie  t)or  allem  babor  \oaxnt,  bei  bem  Streben  ber  Seigrer  nad^  ©clbpftänbigleit  nur 
felbftfüd^tiQe,  fird^enfeinblid^e  Slbftd^ten  aniune^men.  Unb  bei  aDcm  Seftreben,  ben  ®influfe 
ber  firc^li^en  Organe  auf  bie  ©d^ulauffid^t  atö  nottoenbig  unb  für  Äirc^e  unb  ©cpule  b 
erf))rief;It(i^  ju  toa^ren,  bie  SBerftiegen^eit  gelDiffer  rabilaler  gül^rer  auf jutoeifen,  fommt  er 
\>o6)  nid^t  Wenigen  ^orberungen  ber  Se^rerfd^aft  entgegen  unb  betont  u.  a.  gegenüber 
ben  Klagen  ber  Seigrer  über  bie  ungeeignete  tcd^nifc^e  SJorbilbung  ber  geiftlic^en  ©d^ul^ 
inft)eftorcn  unter  §inh)ei^  auf  bie  (3reufeifd^en  SSer^ältniffe  (obligatorifd^er  ©eminarbefu^) 
bie  9loth)enbigIcit  einer  befferen  ))äbagogifd^cn  2tu«btlbung  ber  Äanbibatcn.  „d^  mu|  in  lo 
ber  ))äbagogifc^en  3SorbiIbung  bcr  ©eiftltc^en  mel^r  getl^an  unb  gcleiftet  n)erben  al«  bi^^l^er, 
h)enn  il^nen  bie  ©c^ulauffid^t  bleiben  fott"  (©.  26).  greilid^  fanb  biefe  feine  gorberung 
lein  (Se^ör  bei  ben  mafegebenben  ©teilen,  unb  f(3äter,  afö  er  felbft  ju  i^nen  gehörte, 
fd^eint  er  fie  nid^t  lüieber  aufgenommen  ju  l^abcn.  —  ^m  ga^rc  1867  crfc^ien  t)on  i^m 
im  ,,93etüei«  be«  ©lauben«"  ein  bag  ^ai)x  toor^er  gel^altener  ©l^nobalöortrag :  „ßl^riftuö  15 
ber  fünblofe  5Kcnfd^enfol^n,  ber  auferftanbene  Seben^fürft,  ber  etoige  ©o^n  ®otte«.  6in 
po))uIärer  SBerfuc^".  6«  n)ar  ber  ?ßrotcft  eine«  auf  bem  biblifd^en  ©runbe  ftel^enben 
G^riften  unb  2:i^eologcn  gegen  ba«  aug  einer  unlauteren  ^l^antafie  geborene  ^efu^bilb 
Slenan«,  in  bem  ©t.  bie  6^araftcrjüge  be«  mobemen  franjöfifd^en  Slegime«,  ber  mobemen 
franjöftfc^en  ©efeDfc^aft  lüieberfinbet :  ,,©0  rebete  id^  —  unb  t^äte  ic^,  fe^en  h)ir  ^inju,  ao 
njcnn  id^  ß^riftuö  toäre,  gilt  auc^  bier.  ®ott  fd^uf  ben  5Kenfc^en  il^m  jum  93ilbe.  2)er 
t)on  ©Ott  lo^gelommene  5Kenfc^  mac^t  ®ott,  mad^t  auc^  ben  ßrlöfer  nac^  feinem  Silbe".  — 
3njh)if(^en  toar  man  in  toeiten  Greifen  auf  ben  begeifterten,  unb  toeil  immer  fid^  felbft 
gebenb,  auc^  begeiftemben  ^rebiger  aufmerlfam  geloorben,  unb  im  ^a^re  1866  n)urbe  er 
al«  Äonftftorialrat  nad^  Stngbad^  berufen,  auf  bie  erfte  Äunbe  bon  biefer  abfielt  fd^rieb  er  2b 
an  einen  greunb:  ,,^6)  banfe  für  aDe  3eit  für  eine  ÄonftftorialratfteHe,  ba«  Sureauleben 
h)ärc  nic^t«  für  mx^"  (D.  ©tä^lin  ©.  74),  unb  nur  nad^  längerem  ©träuben  liefe  er  fid^ 
baju  beiDegen,  bemSlufe  ju  folgen.  Unb  bie  bamit  berbunbcne  ©teile  eine«  $au))tj)rebigerö 
gemattete  i^m,  ftc^  feine  ?ßrebigtfreubigfeit  unb  ^rebigtluft,  bie  er  aud^  burd^  gern  über- 
nommene ^ef^rebigten  im  ganjen  Sanbe  unb  barüber  ^inau«  bezeugte,  ju  betoabren,  unb  ba«  30 
Amt  eine«  ßjaminator«,  mit  bem  er  e«,  obloo^l  man  babei  feine  grofee  greunblic^Ieit 
rü^mt,  fe^r  ernft  nal^m,  l^iclt  i^n  immer  in  engfter  SBerbinbung  mit  ber  t^eologifd^cn 
aSiffenfd^aft,  ol^ne  bie  er  fid^  überl^auj)t  lein  gebei^lic^e«  SQ3ir!cn  im  j)raftifc^en  ämtc 
borfteDen  fonnte.  2ltlerbing«  ju  größeren  toiffenfc^aftlic^en  arbeiten  liegen  il^m  bie 
amtlid^en  Serj)flid^tungen  nid^t  biel  ßeit.  311«  2:i^eoboftu«  §arnarf  in  feiner  ©d^riftas 
„3)ie  freie  lut^erifc^e  SBoltefird^e"  (grl.  1870)  bie  Unterbrürfung  be«  Sutl^ertum«  in 
ben  neuen  ^robinjen  ^reufecn«  al«  felbftberftänblic^  annahm  unb  bem  £anbe«firc^en« 
tum  ben  3:otenfd^ein  au«ftetlte  unb  ba^u  ermal^nte,  fic^  auf  „bie  gorm  ber  freien,  felbft* 
ftänbig  organifterten  lut^erifc^en  93olf«fird^e"  einjurid^ten,  fd^rieb  ©täl^lin  „3)a«  lanbe«« 
l^enlid^e  Äird^enregiment  unb  fein  3"Ja"i»"^"^ö"0  ^^^  3Jolf«fir(^cntum"  (2eij)5ig  1871).  40 
aSoD  a)anfe«  bafür,  bafe  ba«  ßbangelium  felbft  unter  einem  lat^olifd^en  ©umme))iffo))u« 
h)ie  in  Saliern  ungel^inbert  feinen  Sauf  ^aben  fönne,  brid^t  er  barin  in  einge^enber,  auc^ 
l^iftorifd^er  93e^anblung  eine  Sanje  für  ba«  £anbe«fird^entum  unb  nid^t  nur  für  feine 
gefc^id^tlid^e  9lottoenbigfeit,  fonbem  aud^  für  feine  innere  ))rinjil3ielle  SSeredJ^tigung :  „®«  ift 
lutl^erifc^e  ©runbanfd^auung,  bafe  e«  fein  göttlid^  gegebene«  Serfaffuna«gefe$  giebt.  3tber  46 
bie  2anbe«fird^e  ift  eine  e^rloürbige,  bon  ®ott  reid^  gefegncte  fird^lid^e  i5eben«form.  a)urd^ 
fie  loarb  ba«  ©bangelium  in  ©eutfd^lanb  gerettet;  fie  loar  ba«  ©dbirmbad^,  unter  bem 
bie  l^errlic^ften  Slüten  ebangelifd^en  Seben«  unter  unferem  bcutfd^en  SJolfe  fid^  entfalteten. 
SBo  be«l^alb  eine  £anbc«fird^e  unbertoonen  ift  bon  ber  Union  unb  ben  ftd^eren  Sefennt* 
ni«grunb  unter  il^ren  güfeen  l^at,  ba  toeid^e  fie  nid^t,  fonbem  l^alte,  toa«  fte  ^at.  9Bir  50 
h)olIcn  ba«,  toa«  un«  ber  ßerr  ber  Äirc^e  an  äußeren  ©tü^en  für  unferen  £eben«ftanb 
unb  £eben«beruf  gegeben,  al«  einen  ©tab  für  unfere  2Banberung  burc^  ba«  Seben  be« 
aSolIe«  nid^t  felbft  o^ne  bie  bringenbfte  5Wot  jerfc^lagen.  3)enn  bei  einer  Sefeitigung  be« 
Ianbe«l^errlid^en  Äird^enregiment«  löft  fic^  auc^  ba«  Serl^ältni«  ber  Äirc^e  ju  Solf  unb 
©taat,  bie  Äird^e  toürbe  getoaltig  gelid^tet  loerben  unb  fidler  feine  3?olf«firc^e  bleiben.  55 
greifird^e  unb  aSolf«fird^e  fmb  un«  ®egcnfä$e".  9lur  h)enn  bie  bi«j^erige  aSerfaffung 
gemifebraud^t  toerben  foDte,  um  ben  Sefcnntni«ftanb  ber  Äirc^e  ju  fc^äbigen,  müfete  fie 
i^r  SBefenntni«  unb  i^re  auf  bemfelbcn  ru^enbe  ©jiftenj  al«  greifird^e  retten.  2)iefc 
3lu«laffungen  erful^ren  bei  ben  extremen  Suthcranern,  benen  er  immer  gu  Ibeitl^erjig  loar, 
fd^toere  Serbäd^tigung,  unb  aud^  in  Äreifen  ber  eigenen  Eanbc«tird^e,  in  benen  ber  burd^  go 

47* 


740  eta^itn 

2Ö.  fiö^c  auf  ber  ba^ctifd^cn  ©cncralf^nobc  bon  1849  eingeleitete  ^clbj^ug  gegen  bcn 
lanbe^firc^lic^en  ©ummej)iffoj)at  noc^  nad^toirfte,  ertoarb  er  fid^  leinen  ^ant,  \a  man 
öerläfterte  (j.  93.  3^^^^'  1872  ©.  377:  „burc^  jeitgemäfeen  ^eerjubel  über  ba^  ©icgcs^ 
glüd  ber  beutfc^en  ^elbenfc^aren")  bie  axi^  feiner  ©d^rift  ^ertoorleud^tenbe  ^^eubc  an 

5  bem  neuen  beutfd^en  5leic^e,  bie  i^m,  bem  guten  Sägern,  immer  fo  feibfttjcrftänblic!^  toor, 
unb  bag  Vertrauen  ju  bem  „greifen  §eerfül^rer  ber  beutfd^en  §elbenfc^arcn,  ber  bon 
ainfang  bi^  an^  @nbe  in  einer  SBeife,  toie  fie  in  ber  ©efd^ic^te  nod^  laum  bagetocfcn, 
ber  ®nabe  ©otte^  bie  6^re  gegeben"  (©.  71  ff.).  SBertDoDe  arbeiten,  bie  überaß  eine 
n)eitge^enbe  SJel^errfc^ung  unb  SDurd^bringung  be^  Stoffel  berraten,  finb  feine  umfangrcit^cn 

10  93efprec^ungen  t)on  aJJartenfen«  ßt^il  (bgl.  glSt^Ä  1874  ©.  346)  unb  Silmar«  3?orMungen 
über  5DlDral  (ebenb.  ©.716).  3)ie©d^rift  bonÄal^nig,,6l^riftentum  unbßut^crtum"  (Sei^jiig 
1871)  gab  i^m  SJeranlaffung,  feine  ©teDung  ^n  ben  bamaligen  Hauptfragen  ber  2J>eo^ 
logie  au^fül^rlic^  au^einanber^ufe^en.  6r  t^at  e^  in  bier 3tuffä^en  unter  bemittel:  „3)ie 
2:|eologie  be^  Dr.  Äa^ni«"  (3^3:1^^  1873),  eine  3trbeit  bie  ebenfofe^r  feinen  entfAiebcnen, 

16  h)cnn  and)  in  ber  Scurteilung  anber^  benfenber  milben  lutl^erifc^en  ©tanbjjunft  cr^ 
lennen  lä^t,  h)ie  feinen  ^iftorifd^en  ©inn  unb  feine  3(bneigung  gegen  aUc  3lejjriiti- 
nation^berfuc^e  auf  (Srunb  einer  nur  ber  3cit  ange^örigen  tl^cologif^en  gaffung.  Crft  nacfc 
längeren  Sauren  liefe  er  lieber  eine  felbftftänbige  arbeit  erfd^einen:  „3"P^"  bcr^Järt^r«r 
unb  fein  neuefter  Seurteiler"  (2ei(3jig  1880),  bie  fic^  gegen  3K.  b.  ßngel^rbt^  (f.  b.  S(. 

20  93b  V,  377)  äluffaffung  richtet.  Um  biefelbe  3rit  entftanb  aud^  fein  auöfü^rlic^er  JJefrolog 
auf  ab.  ^arlefe  (31202  1880),  ben  er  fpäter  für  bie  9flealencVllot)übie  (f .  93b  VII,  421)  uin= 
arbeitete,  ebenfo  in  biefemSBerfe  ber  grofee  Sllrtifel  überSö^e  (93b  XI,  576).  ©ic  geboren 
mit  bem  Seben^bilbe  be«  geliebten  £e^rer^  ©ottfrieb  3:^omaftu«  (ebb.  93b  XV%  635  if., 
auc^  jufammen  u.  b.  %.:  £ö^e,  l^omafiu^,  §arlefe,  brei  Seben^s  unb  ©efc^ic^töbilbcr, 

26  2ei)?jig  1887),  bem  früher  ertüä^nten  älrtifel  über  9tot^  unb  bem  5Refrolag  auf  ben  mit 
bem  2eben  ber  ba^erifd^en  2anbe«fird^e  eng  berfnüjjften  ßrlanger  Sänften  ab.  b.©(^eurl 
(3ur  ßrinnerung  an  2lb.  %xi)x.  b.  ©d^eurl,  2ei^)jig  1893),  gumal  ber  3Serf.  auc!^  ou« 
ben  aiften  be^  Dberfonfiftorium«  ^anbfc^riftlid^e«  flaterial  bertoerten  fonntc,  ||u  bem 
5}eften,   toa^  Yoxx  für  bie  ©efc^ic^te  ber   ba^erijc^en  2anbe^fird^e  im    19.  go^r^unbcrt 

80  befi^en. 

SngtDifd^en  n)ar  er  1879  in  bag  Dberlonftftorium  nac^  SJlünd^en  unb  nac^  bem 
2obe  be«  ^räfibenten  anet;er  1883  al«  beffen  9Jad^f olger  an  bie  ©})i^e  be«  ba^crifc^en  Äinbem 
regimentg  berufen  lüorben.  ©eine  ^räfibentfc^aft  bebeutet  leine  neue  6(3od^e  für  bie  baberij({»c 
2anbcöfirc^e.     ©tä^lin   tüar  feine  imj)ulfibe,  bortüärt^bringenbe  "DJatur  n?ie   ber   fc^rf- 

36  fantige  §arlefe.  Q^  \vax  ob  feiner  ruhigen,  befonnenen  unb  fonferbatiben  2lrt,  bie  überaß 
ba^  ©Ute  F^erborfudbtc  unb  im  feften  Vertrauen  auf  bie  Sßirfung  be^  9Öorte^  ©cttc^ 
jebem  unrul^igen  ©Eperimcntieren  auf  fird)lid^cm  unb  fir(^enj)olitifd[|en  ©ebietc  abbolb  tt>ax, 
eine  3^^^  ^^  ©ammlung  unb  ber  ruhigen,  bieDeic^t  aDjurul^igen  ©ntiüidtelung.  ^U 
enblic^  1887  ber  ©eneralf^nobalau^fc^ufe  eingefül^rt  h)ar,   ber  bod[|  einfttoeilen  nccb  eine 

40  gorm  ol^ne  ^nhalt  bleiben  foHte,  fc^ien  für  i^n  alleg  erreicht  ju  fein,  h>aö  man  auf  bem 
©ebiete  beö  firc^lid^en  SSerfaffungöleben^  über^au})t  begel^ren  fönnte.  Unb  bie  bon  feinerlei 
inneren  Ääm})fcn  bur^mogten  ©eneralf^noben,  bie  er  breimal  1885,  1889  unb  1803 
ju  leiten  l^atte,  beftärften  i(;n  immer  me^r  im  93en)ufetein  bon  ber  Jreffltd^feit  ber  ©onbergeftalt 
Der  ba^crifdben  2anbeöfirc^e.   Unb  nie  \vax  er  gtüdlic^er,  alö  Ujenn  er  mit  feinen  ©eiftlicfecn 

45  auf  biefen  ©eneralfi^noben  jufammen  trar.  Unb  feine  grofee  })erjönlid^e  2icbenön?ürbii\!cit 
—  nur  Wo  er  einer  niebrigen  ©efinnung  begegnete,  ober  jemanbem,  ber,  n?ie  er  ficb  au*= 
brücfte,  parterre  Itjar,  tonnte  er  fc^arf  lüerben  —  getvann  i^m  überall  aller  Ajei^cn. 
©eine  ^ilnfang^=  unb  ©c^lufereben,  in  benen  er  aU  echter  ©c^riftgelel^rter  2llte^  unb 
3lc\xc^  auö    feinem  <Bä)aiic    ^erbor^olte,  unb   grofee  Überblicfe  auf  bie  9?er^ältniffc  in 

50  2:l;eologie  unb  Äird^e  ju  geben  liebte  (f.  j.  93.  ba^  grofee  ©c^lufeh)ort  auf  ber  ©eneral-- 
fi;nobe  bon  1893,  abgebrutft  bei  0.  ©tä^lin  ©.  197),  immer  ein  toarme^  unb  erh)ärmenbc« 
93efcnntnig  fcineig  Gl^riftenglauben«  unb  feiner  (E^riften^offnung,  toaren  bon  ))adfenber  Söirfun^. 
6r  tpar  ein  geborner  2)irigent,  freilirf^  aud^  nad)  ber  Siic^tung  ^in,  „bafe  er  fo  bringenb  um  bie 
Slnnal^me  einc^  Stntrag^  bitten  fonnte,  bafe  man  fürd^ten  mufete,  i^m  burc^  eine  Slblebnung 

65  jjerfbniid)  mebe  5U  tl)un"  (D.  ©täl^lin  ©.  109).  ©eine  befonbere  2iebe  toaren  bie  3lrbeiten  auf 
bem  ©ebietc  ber  3!)iiffion,  —  er  tt)ar  auc^  jule^t  $räftbentbe^2eij>üger9Kifrionöfonegiume  — 
bann  ber  inneren  9)iiffion,  bie  nidbt  ol^ne  feine  ferfönlic^e  ilJitlüirfung  toä^renb  feiner  Slmle^ 
tbätigfcit  einen  2luffcbh)ung  in  allen  ieilen  93at)crn^  genommen  i^ai,  ben  man  frül^cr  für  un- 
möglid;  gebaltcu  l^ätte.  2lu4)  gcluann  burcf)  il)n,  \va^  freiließ  nid^t  o^ne  mannigfacbe  änfcin^ 

60  bungen  möglich  ibar,  bie  ©uftab-2lbolffac^e  in  93a^ern  feften  93eftanb  unb  hjeitge^enbe  gijrbe^ 


eta^ltn  etaitbltit  741 

rung.   Scbbaft  beteiligte  er  fid^  an  ben  3lrbciten  bcr  Gifenad^er  ilirc^en!onfcrenj.  (S^  cntfjjrac^  . 
bieg  feiner  im  beften  ©inne  öfumenifd^en  SRic^tung,  bie  er  einmal  felbft  babin  bcftniert: 
„3Reine  Siebe  imb  Slrbeit  gilt  au^  boDtommener  Überzeugung  ber  Sanbe^fircpe,   in  beren 
©oben  geh)urjelt,  alaube  ic^  ber  Äirc^e  be^  §errn  über^au})t  ju  bienen  unb  freue  mid^ 
babei,   ol^ne  j)artifulariftifc^  Derengt  ^u  fein,  in   öfumenifd^em   Sinn  unb   ®eift  allen  6 
toa^r^aften  firc^lic^en,  toal^r^aft  ebangelif(^en  Seben«,   h)o  id)  e^  finbe"  (3(Dg.  Äirc^enbl. 
1884,  S.  515),  unb  er  f)ai  für  bie  ßifenad^er  Äonferem  me^rf ad^  umf angreife  h)ertboHe 
SHeferate  geliefert,  fo   über  bie  ©eltenfrage  unb  bie  ^erifot)enfrage  (ebenba.  unb  1890, 
S.  475).    3}on  befonberer  93ebeutung  ttyax  aui)  feine  il^ötigfeit  al«  Sleic^^rat  ber  Krone 
93a^ern,  'iDo^u   ber  ^räfibent  be^  Dberlonftftorium^   t)erfaffunggmä6ig  benifen  ift.    6r  lo 
na^m  e«  bamit  fel^r  ernft.   ®alt  e«  einen  h)ic^tigen  ©egenftanb,  fo  fonnte  er  fid;  barauf 
iDoc^enlang  borbereiten.  Unb  man   l^örte  ben  fleinen,  überaus   lebl^aft   f})red^enben  unb 
geftifulierenben  3Rann,  ber,  loenn  er  \pxad},  aud)  tüirllic^  ^itoa^  gu   fagen  f)aitt,  immer 
gem.    2!ro§  aDer  ^xmxl  unb   bem   ftc^tlic^en  S3eftreben,  nirgenb«  anjuftofeen,    toerftanb 
er,  ber   mit  l^oc^geftellten  Rat^olilen  in  ber  freunbfc^aftlic^ften  SBeife  Derle^rte,  e^  ftet«,  i5 
bie  ebangelifd^e  äinfc^auung,  bie  di^d^U  unb  ba^  älnfe^en  feiner  Äirc^e  mannhaft  ju  ber^ 
treten  unb  er  j^at  auc^  il^re  materieDen  Sntereffen  nac^  3KögIid^!eit  ju  förbern  gefud^t,  freili(^ 
lag  eg  me^r  in  feiner  9latur,  jju  banien  ate  au  bitten  ober  gar  ju  forbem.    3)aju  lam, 
bafe  er  e^  ängftlic^  ju  bermeiben  fuc^te,  ben  Sd^ein  einer  einjeitigen  3i^^^i^^ff^"i>olitif  auf 
fic^  JU  laben,  benn  er  füllte  fic^  burc^aug  al^  Vertreter  beg  ®anjen  unb  toar  niemals  20 
ber  iKeinung,  lebiglid^   aU  Vertreter  ber  })roteftantifd^en  Sanbe^fird^e  im  Sletc^^rat  gu 
fi^en.    Unb  auc^  \vo  er  aU  ®egner  auftreten  mufete,  berftanb  er  e^,  feinen  äu^fü^rungen 
immer  eine  berbinblic^e  ^orm  ju  geben,  unb  feine  Überjeugt^eit,  namentlid^  über  bie  er« 
fc^öj}fenbe  ®rünblid^!eit  unb  ba^  immer  ju  beobac^tenbe  ©treben,   bie  gerabe  borliegenbe 
fjrage  auc^  ^iftorifc^  ju  beleuchten,  (3flegten  nic^t  o^ne  ßinbrudt  gu  bleiben,   unb   einige  25 
feiner  größeren  Äammerreben  finb  bon  allgemeiner  93ebeutung  unb  bürften  bon  bleibenbem 
SBert  fein,   fo  bie  grofee  Siebe  bom  20.  vRäx^  1884  gegen  ben  lonfefftonett  getrennten 
©efd^id^t^unterric^t,  ba^  Sleferat  gegen  bie  Sefeitigung  be^  7.  ©d^ulja^r^  (©i^ung  bom 
26.  gebruar  1886),  über  baä  plaget  bom   10.  gebruar  1890  (abgebrudt  bei  D.  ©täF^Iin 
©.  212),  gegen  bie  SRüdberufung  ber  9iebemj)toriften  (11.  gebruar  1890),  für  ben  ^uma^ao 
niftifc^en  Unterrid^t  al^   ®runblage  aller  93ilbung   unb   namentfid^  jeber  Uniberfität^s 
bilbung  (19.  3Kai  1892),   unb  enblic^  eine  feiner  legten  Sieben,   gleich  bebeutfam  für  bie 
5?eftigfeit    feiner   lirc^Iic^en   ©tellung  n)ie    feiner  SBertfd^ä^ung   ber    9Biffenfcbaft,   feine 
SRebe  für  bie  grei^eit  ber  SBiffenfc^aft  (11.  3Kai  1896).    Unb  tro$  ber  aWannigfaltigfeit 
feiner  Slufgaben  ftanb  er  immer  im  engften  Äonnej  mit  ber  SBiffenfc^aft.   9Ber  mit  i]^m  aö 
nä^er  berle^ren  burfte,  loeife,  bafe  faum  etloa^  auf  t^eologifc^em  ober  angrenjenbem  ®ebiete 
erfd^ien,  lüa^  er  nic^t  gelefen  unb  grünblic^  ftubiert  l)ätk.  Unb  nic^tg  freute  ibn  me^r,  aU 
h)enn  eine  tüchtige  loijfenfc^aftlic^e  Seiftung  au^  ben  Äreifen  feiner  ®eiftlic^feit  l^erborging. 
©0  legte  er  benn  auc^  ben  ^öd^ften  2Bert  auf  ba^  ^i^fö^^^^^^^Ö^^^"  "i*^  ^^^  t^eologifdben 
gafuttät  in  Erlangen,  bie  feine  SSerbienfte  fdj^on   unter  bem  24.  3Wärg  1880  bur^  ßr^  4o 
nennung  gum  3)oftor  ber  Ideologie  gehjürbigt  ^atte.    ^l}xe  93lüte  loar  feine  fjreube  unb 
er  fuc^te  nad^  3Röglic^feit  i^re  Sn^^^^ff^»^  i^^  förbern.    Unb   loie   er   big   jule^t  toiffen* 
fc^afttic^  mitarbeitete,  jeigt  feine  trefflirf^e,  am  U.^^bruar  1897  in  3luggburg  jur  5Relanc^t^on= 
feier  gel^altene  geftrebe  (^^.  9Keland^t^on,    2luggb.  1897).    SBenige  SBod^en  fj)äter,    am 
4.  5Kai  1897,  entfd^lief  er  mi)  nur  fünftägiger  Äranl^cit.  J^eobor  fiolbe.     40 

Stammt  Söraelö  f.  b.  2121.  S^rael,  ®efd^.  bibl.  93b  IX  ©.468,49;  ©aliläa 
93b  VI  ©.337,64;  Subäa93bIX  ©.561,22;  ©amaria  93b  XVII  ©.422,  17; 
^eräa  93b  XV  ©.  126,37. 

Staubltii,  Äarl  griebrid^,  geb.  25.  3uli  1761  in  ©tuttgart,  geft.  5.  ^uli  1826 
in  ®öttingen.  —  ^auptqucUc  für  6t.$  Üebcn§(^c{cf)id)te  ift  feine  <£eI6ft6ioiirap^ie,  ur=  60 
fprünglicf)  für  eine  fd)tt)ebifd)c  3citfd)^ift  oerfoftt  (Theophrosyne,  ©tocföolm  1823),  ^crauiJ= 
(legebcn  mit  ßufäfcn,  mit  Sdiriftcnüer^eidini^S  unb  mit  ber  üon  @up.  D.  SRuperti  in  Öiöttingen 
gehaltenen  öJcbndjtniöprebigt,  üon  3-  i-  $emfen,  ÖJöttingen  1826,  8;  aufeevbem  ogl.  ÖJrabniann, 
(^el.  Sdjroaben;  Döring,  ®el.  5:^coIüqen,  IV,  287 ff.;  (^aalfclb  u.  Defterici),  ÖJott.  ®el.  ÖJefd].; 
(SJafi,  ÖJefd)id)te  b.  prot.  ^ogmatif,  IV,  349;  granf,  (SJcf(^icf)te  b.  prot.  2:t)Cülügie  III,  292 ff.;  66 
«anberer,  ^Jieuefte  5)og..®efct).  8.  loOff.;  Xfdiarfcrt,  ?lb53  XXXV,  ©.ölöff. 

3?on  feinem  S?ater,  einem  l^erjoglid^en  Slegierungörat,  ®ott^otb  ©täublin,  einem 
•iDJann   bon   unermübeter  2(rbeitfamieit,    bon   ernften    ©runbfä^en,  bon    unge^euc^clter 


742  StaubHn 

gröninüßlcit,  ftrcng  crjogcn,  anfangt  nid^t  j^um  t^eologifd^en  ©tubium  bcfttmmt,  ober 
burdb  ben  SRcliöiDn^untertic^t  cineö  ©(3cnerif(^  öcftnntcn  ©eiftltd^cn  (Ä.  ß.  3flie0er?)  unb 
burc^  bie  Scftürc  erbaultdbcr  ©Triften  für  bcn  gciftlid^cn  Seruf  gewonnen,  tourbc  St, 
nid^t  in  einem  ber  nieberen  Älöfter  SBürttemberg^,  fonbem  auf  bem  ©tuttgartcr  S^mnafmin 

6  ^ur  Unibcrfttät  borbereitet.  3*^^^  ^^*^^  Srüber,  beibe  bi(^terif^  begabt^  führten  i^n  auii^ 
in  bie^Dcfie  ein  unb  ermunterten  i^n  ju  j}oeti|c^cn  Serfuc^en,  t)on  benen  einige  gcbnuft 
ftnb.  günf  ^al^xt,  1779—1784,  berbrac^te  er  im  tl^eologifc^en  ©tift  in  2^übingen,  too 
er  eifrig  $^ilojoj)^ie  unb  Ideologie,  befonber^  ßjegefe  unb  Orient,  ©iprac^cn  ftubiertc  unb 
n)o  ©torr  unb  ©d^nurrer  feine  bornel^mften  Se^rer  toaren.   1781  h)urbe  er  5Ka0ifter  bun^ 

10  SSerteibigung  einer  Don  6^r.  %x.  9lö|ler  berfafeten  3)iffertation  de  originibus  phflo- 
sophiae  ecclesiasticae;  1784  berteibigte  er  unter  bem  ^räftbium  bon  D.  Urlaub  eine 
3)iffertation  über  Jpaggai  unb  beftanb  bag  tl^eologifdjie  ßjamen  bor  bem  Äonfiftorium  ju 
Stuttgart.  5Rac^bem  er  bann  eine  3^*^  lang,  mit  litterarifc^en  arbeiten  unb  ^rebigtoi 
befd^äftigt,  in  ©tuttgart  jjribatifiert,  begleitete  er  1786—1790  einige  ^öglinge  auf  Seifen 

15  bur^  Deutfc^lanb,  §ranfreic^,  ©nglanb  unb  bie  ©d^toeij,  berlebte  ^toet  ^ai)xc  im  SBoobt^ 
lanb,  faft  ein  ^ai}x  in  ßnglanb.  SSon  Sonbon  au«  h)urbe  er  1790  burc^  ©tjittler  unb 
Äopipc  auf  ©torr«  6mpfe|lung  nad^  ©öttingcn  berufen  aU  orbentlid^er  ^JJrofeffor  ba 
Il^eologie  (5iac^f olger  be«  1789  berftorbenen  3.  ^.  SRitter).  3n  biefcm  Stmt  iji  a 
bon  ba  an  faft  36  ^ai)xz  bi«  ju  feinem  Sobe  geblieben,  eng  berbunben   mit  feinem  um 

30  gel^n  gal^rc  älteren,  aber  i^n  um  fieben  ^Qi)xc  überlebenbcn  ÄoDcgcn  unb  Sanb^^monn 
®.  3.  Pandt.  1792  h)urbe  er  Dr.  theol.,  1803  Äonfiftorialrat.  ©eine  aSorlefungcn 
umfaßten  fafet  alle  t^cologifcben  2)i«5i(3linen :  ©jegefe  be«  alten  unb  9i2«,  biblifc^e  ©inleitun^ 
3)ogmatif,  ^oral,  3)ogmen9efc^ic^te,  Äird^engefc^id^te,Snc^floj)äbie;  eine3«t  lang  j^attecr 
auc^  in  berUniberfitätwird^e  ^u  ^rcbigen.  2lte2)ogent  toax  er  unter  ben  bamatö  nad^  ©öttijigcn 

26  berufnen  ©c^tDaben  h)o^l  ber  minbeft  l(^crborragenbe,  unb  befonber«  in  ben  legten  ^ö^'f^n  i^^ 
Sebeng  tüaren  feine  eintönigen,  in  ftarf  fc^lüäbifc^em  2)ialelt  borgetragenen  SJiltate  h>enig  on- 
regenb.  überfeine  ja^lreic^en  ©c^riften  j^eigen  feine  gro^e  ^elefen^cit,  feinen  gelegen 
©ammlerfleife,foh)ieeinlebl^afte«a})ologctifd^egunbfritifd9e«  Sntereffe.  fjcl^lte  c^  i^m  glei(^ 
an  fc^öpferif^er  Originalität,  fo  bod^  nid&t  an  SBeite  be«  ©efid[|tdheifc«,  unb  gerabc  feine 

80  umfaffenbe  Stcjeptibität  unb  un})arteiifc^e  SBaF^r^eit^liebe  matten  i^n  bcac^tcn«h)ert  unb  er- 
loarben  i^m  bie  Sichtung  feiner  3ritgenoffen  (bgl.  bie  Sriefc  Rant^  an  '\f)n,  abßebrudt  in 
feiner  ©efc^id^te  bcö  SHationali^mu«  ©.  469  ff.),  ioeil  er  biele«  auf  fic^  toirfen  liefe  unb 
berfc^iebenartige  'iDJotibe  unb  gntereffcn,  ba«  5Religiöfe,  ba«  ^Rationale  unb  ba«  JSpiftorifdbe, 
gefd;ictt  ju  berbinbcu  tvw^ic  (bgl.  ®afe  a.  a.  0.).    ©einen  tl^eologifc^en  ©tanb^unh  be^ 

35  j;eid;nct  er  felbft  fd;on  in  einer  feiner  erften  ©c^rif ten  u.  b.  l.:  ^^een  jur  Äriti!  bee 
©t;ftem«  ber  c^riftlic^en  Sieligion,  ©öttingen  1791,  al«  ben  eine«  bernünftigen  Offen- 
barungeglauben«, unb  cbenfo  erllärt  er  im  ©c^lufetoort  feiner  legten,  in  feinem  lobee^ 
jal^re  erfc^icnenen  ©c^rift  (©efdt?.  be«  9iat.  u.  ©upranaturali«ntu«,  ®ött.  1826,  ©.  im: 
„^d)  bctcnnc  offen  unb  freimütig,  bafe   mir  ba«  6l^riftentum  nur  al«  bereinigter  91ati(j^ 

40  nali«mu«  unb  ©u})ranaturali«mu«  begrünbet  unb  faltbar  ju  fein  fc^eint;  e«  bringt  auf 
bcn  ©ebraurf^  ber  ä>emunft  unb  aller  unferer  Seifte«-  unb  ©eelenhäfte  für  Stcligione^ 
unb  ©ittenlel^re,  aber  auf  einen  gemäßigten,  befc^eibenen  unb  bemütigen,  unb  ^uglei* 
auf  bcn  ©laubcn  an  bie  übernatürliche,  burc^  ben  ©o^n  ©otte«  gefc^c^ene  Offenbarung, 
tvü'f^n  toir  auc^  ©rünbc  genug  in  unb  außer  un«  finben."    ©d^on  tod^renb  feine«  pl^ilo: 

46  fopl;ifc^en  ©tubium«  in  Tübingen  f)aiU  er  jur  Übcrtüinbung  feiner  eigenen  3^^iH  bcn 
6ntfcl;luß  gefaßt,  eine  ©cfd^id^tc  bc«  ©fcj3tici«mu«  m  fd^reibcn,  f)atic  bafür  ^ahxt  lang 
SJorftubien  gemacht  unb  namentlich  ioäl^renb  feine«  Aufenthalte«  in  (Snglanb  biel  bafüi, 
befonber«  für  2)abib  Jpume«  Scbcn  unb  ©c^rif tcn,  gefammelt.  311«  gru^t  bicfec  ©tubicn 
erfcl)ien  bann  1794   ju  Scip^ig  ba«  jioeibänbtgc  SBert:    ®z\ä)\d)ic  unb  ©eift  be«  ©fcp^ 

50  tici«mu«,  bor^.  in  9lüdtficl)t  auf  SJJoral  unb  Sieligion.  Unterbeffen  aber  l^atte  er  fi4 
borjugöireifc  biblifc^cn,  unb  jloar  junäd^ft  altteftamentlid^en  ©tubien  jugetpanbt:  1780 
l^attc  er  (juglcid^  mit  feinem  |5^eunbe  Gonj)  Beiträge  jur  (Erläuterung  ber  biblificn 
^ropl)ctcn  unb  jur  ©efcl^icbte  i^rer  2lu«lcgung  ^erau«gegeben ;  in  ©öttingen  fc^rieb  er 
1790  ein  3lntritt«j)rogramm  de  fontibus  epistolarum  Catholicarum,  1791  neucSci^ 

55  träge  ;^u  bcn  biblifd;cn  $roj)^etcn,  über  Daniel,  über  ^c\  53,  über  ba«  ^o^elicb  2c.;  aut^ 
feine  Sorlcfungcn  crftrcdtcn  ficb  anfang«  über  ba«  gange  31%,  über  bie  §au))tbüc^cr 
be«  212:«  unb  über  biblifc^e  Einleitung  (ein  Sebrbuc^  ber  >)raftifc^en  ©inleitung  in  aüc 
Süd^cr  ber  ^l.  ©d^rift  l;at  er  nod^  1825  bcrau«gcgcben).  Salb  aber  toanbte  fic^  feine 
litterarifcl^e  unb  feine  atabemifd;e  IF^ätigtcit  bortoicgenb  ben  ©ebieten  ber   ftoftematifchcn 

60  unb  l^iftorifc^en  Sl^cologic   gu :    er  la«,   unb   gioar   lange  ^ät  täglich  bier  ©tunben  um 


@t(ttbKtt  743 

7,  8,  11,  2  Ul^r,  über  3)ogniatif,  ^ogmcnöefd^id^tc,  ÜJloral*  unb  Ätrd^cnöefd^id^tc.  Sitte- 
xax\\d)  l)ai  er  bie  Dogmatil  nebft  ©ogmenöefd^id^te  bretmal  bearbeitet:  1801,  1809  unb 
1822.  er  fud^te  ^ier,  toie  er  felbft  fagt,  ejegcfe,  ©ejc^id^te,  ^l^ilofo^^ie  unb  ßitteratur 
jju  bereinißen,  fo  jebod^,  bafe  er  „niemals  ben  ©runbjä^en  ber  fritifd^i^n  $l^ilofo))^ie 
tolgte,  fonbem  fte  auSbrücflic^  für  unjureid^enb  jur  Segrünbung  ber  Sleligion  erflärte".  6 
©röteren  Einfluß  geftattete  er  ber  lantifd^en  5ßl^ilofo(3l^te  anfangt  auf  feine  93e^anblung 
ber  t^eologifd^en  SJloral,  fo  befonber«  in  feinem  1798—1800  erfc^ienencn  „©runbrife  ber 
2^ugenbs  unb  Sleligion^le^re  ju  alabemifcpen  Sorlefungen  für  julünftige  Se^rer  in  ber 
c^riftlic^en  Äird^e".  2)amate  fc^rieb  er,  toie  er  felbft  f))äter  aner!ennt,  „ber  fritifc^en 
$l^iIofo))^ie  eine  ju  ^ol^e  Autorität  gu  unb  liefe  3^u  unb  feiner  3WüraI  nic^t  bie  i^nen  lo 
gebül^renbe  ßl^rc  toiberfal^ren.  ©j)äter  ^abe  icp  eingefe^en,  bafe  bie  fritifd^e  5KoraU 
))^ilofoj)l^ie  einfeitig  ift,  bafe  man  bag  ß^riftentum  enttoeber  ganj  aufgeben  ober  i^m  ein 
^öl^eree  älnfe^en  jugefte^en  mufe,  unb  bafe  e^  ^nlonfequen)  unb  Unreblid^Ieit  ift,  anberd 
in  t^eologifd^en  Se^rbüd^em  m  öerfal^ren".  ©o  ^abe  er  fd^on  1800  in  feinen  „©runb- 
fä^en  ber  3Roral  gu  afabemifd^en  3SorIefungen"  mand^e«  fd^ärfer  beftimmt,  beutlid^er  au^  i6 
geSrüdt  unb  berid^tigt,  aud^  au^getüifd^t,  toaö  in  bem  früheren  Se^rbud^  Slnftofe  erregt 
^abe;  nod^  mel^r  in  feiner  „j)^iIofo(3l^ifd^en  unb  biblifd^en  3WoraI"  t)om  gal^re  1805,  bte 
in  ber  j)^iIofo(3^ifd^en  3Woral  efleltifd^  berful^r,  bagegen  eine  bollftänbige  biblifd^e  3Roral 
unb  gugleic^  einen  f ortlauf enben  93etoeiö  ber  ©öttUd^feit  ber  ©ittenle|rc  S^f«  entbölt; 
unb  enblid^  in  feinem  „3flcuen  Sel^rbudb  ber3RoraI  für  21^eoIogen"  (®ött.  1815;  2.  älufL  20 
1817;  3.  aiufl.  1825),  h)o  er  „offen  erflärte,  bafe  ereinabfolut  ^öd^fte«  ajrinji})  berSWoral 
nic^tfürnotlüenbig  unb  möglich  ^alte,  bagegen  bie  SBal^r^eit  unb  ©öttlid^Ieit  ber  ©ittenlel^re 
gcfu  au(^  in  i^ren  j)oritiben  unb  l^iftorijd^en  Steilen  rettete",  hieben  biefen  f^ftematifd^en 
SDarftellungen  ber  ))^ilofo})l^ifd^en  unb  t^eologifd^en  ÜJloral,  in  toelc^en  ein  ftetiger  gort* 
fd^ritt  t>on  ber  @))efuIation  mr  @m^irie,  ))om  Ariticidmud  jüm  ^ofttiDi^mud  ftd^-  jeigt,  25 
l^at  ©täublin  befonber^  ber  ©efd^id^te  ber  3Koral  fid^  jugelüanbt  unb  bamit  „eigentlid^ 
ein  neue«  %ad)  in  ber  Sitteratur  angefangen,  benn  bi«  bal^in  toar  fein  SQäerf  biefer  ärt 
toorl^anben".  3)en  Slnfang  mad^t  er  mit  einigen  Programmen:  über  bie  ©efd^id^te  ber 
3RoraI  ber  Hebräer  1794,  über  bie  SJloral  ber  Äird^enDäter  1796,  de  legis  Mosaicae 
momento  et  ingenio  1796/97,  de  prophetarum  doctrina  morali  1798,  über  bie  so 
9RoraI  ber  aj)oftolifd^en  Säter  1800,  5IJioral  ber  ©d^olaftifer  1812  2c.  6ine  umfajfenbere 
Slrbeit  begann  er  1799  mit  feiner  ©efc^id^te  ber  ©ittenlel^re  3cfu,  too  er  eine  boH« 
ftänbige  ©efd^id^te  nid^t  blofe  ber  d^riftlidjien  Sittenlehre,  fonbem  aud^  ber  d^rift- 
ticken  Sitte  unb  ©ittlic^feit  gu  geben  bcabfid^tigte;  bod^  ift  biefe  3bee  in  ben  öier 
aUmä^Iic^  erfc^ienenen  Sänben  be«  SBert«  («b  II  1802;  III,  1812;  IV,  1822)  nid^tas 
gur  2lu«fül^rung  gefommcn;  bielme^r  befc^ränfte  er  fid^  fj)äter  auf  bie  ©efc^id^te  ber 
c^riftlidjien  3JioraI  feit  bem  SBieberauf leben  ber  2Biffenfc^aften,  bie  er  1808  aU  einen  2^eU 
ber  öon  ©.  ©ic^^om  begrünbeten  ©öttinger  ©efc^ic^te  ber  SBiffenfc^aften  unb  Äünfte 
aud^  befonbcr«  ^erau«gab;  bagu  fam  noc^  eine  1806  gu  §annoöer  erfc^ienene:  „©efd^id^te 
ber  J)^iIof.,  I^cbräifd^en  unb  d^riftlic^en  SKoral,"  eine  1823  erfd^ienene  „©efd^id^te  ber  40 
3)ioraI})^ilofoi)^ie",  unb  enblic^  fteben  3Wonogra(3l^ien  jur  ©efd^id^te  einzelner  etl^ifc^er 
93cgriffe:  ©ef^id^te  ber  SSorfteDungen  t)on  ber  ©ittlic^feit  be«  ©d^auft)iefe  1823,  öom 
©elbftmorb  1824,  öom  gibe  1824,  öom  ©ebet  1824,  Dom  ©elüiffen  1824,  bon  ber  ß^e 
1826,  t)on  ber  greunbfd^aft  1826. 

2)ie  Äirc^cngefd^id^te,  über  toeld^e  er  neben  ^lanrf  regelmäßige  3SorIefungen  l^ielt,  46 
l^at  er  nic^t  bloß  in  einem  n)ieberl^olt  erfc^ienenen  Sel^rbuc^  bearbeitet  u.b.  i.  UnitoerfaU 
gefc^ic^te  ber  c^riftlic^en  Rird^e  (^annoöer  1806;  2.  äufl.  1816;  3.  Slufl.  1821;  4.  Slufl. 
1825;  5.  Slufl.  beforgt  Don  Sijentiat  ^ol^i)an\m  ISSS),  fonbem  aud^  Weitere  Seiträae 
bam  geliefert  in  feiner  fd^on  erlüä^nten  ©efd^id^te  be«  ©fe(3tici«mu«  1794,  feiner  fird^« 
liefen  ©eogra(3l^ie  unb  ©tatiftif,  ©öttingen  1804,  2  93be,  feiner  ©efc^id^te  ber  t^eologifc^en  so 
SBiffenfc^aften  feit  ber  2lu«breitung  ber  alten  Sitteratur,  ©öttingen  1810—1811,  2  93be 
(m  ßid^^om«  ©efd^.  ber  Äünfte  u.  ber  SBiffenfd^aften  gehörig),  feiner  Äirc^engefd^id^te  öon 
(ärofjbritannien,  ©öttingen  1819,  2  SSbe,  feiner  ©efd^ic^te  be«  SRationali^mu«  unhBvLpxa^ 
naturali^mu«,  ©öttingen  1826,  in  ber  au«  feinem  SJa^lafe  Don  3-  2^-  §cmfen  ^erau«« 
gegebenen  ©efd^id^te  unb  Sitteratur  ber  Äirc^engefc^id^tc,  ^annoDer  1827;  foh)ie  enblic^  in  66 
toielm  lateinifd^en  unb  beutfd^en  Slb^anblungen,  toelc^e  enttoeber  einjeln  ober  in  ben  t)on 
©täublin  herausgegebenen  3^itfc^^iftcn  unb  ©ammeltperf cn  erfd^ienen  fmb.  35on  einzelnen 
fird^ml^iftorifc^en  Slbl^anblungen  fmb  gu  nennen  eine  Narratio  de  Job.  Keppleri  theo- 
logia  et  religione;  de  notione  ecclesiae  et  historiae  ecclesiasticae ;  apologia  pro 
J.  C.  Vanino,  über  ^o\),  3Sal.  2lnbreä ;  de  Corona  Papali ;  3Witteilungen  über  unb  au«  60 


744  @tättkltit  etofforHf4e9  8it4 

bcr  ©d^rift  Scrcngar^  de  s.  coena  adv.  Lanfrancum  etc.  3)ic  bon  (Stäublin  teils 
allein  tcite  mit  anbeten  j^etau^cgebenen  3^4^^^^^?*^  fi^b:  ©öttingifd^c  Sibliot^cl  bei 
neueftcn  t^eologifc^en  Sitteratur  1794—1801,  öSbe;  Seiträße  jur  ^ßl^Uofop^ie  imb 
©ef^ic^tc   bcr  afteligionig^   unb  Sittenlehre,  Sübed  1797— 1799,  5S3be;    3D?aga;in  füi 

6  SHeligion^^,  ^Rorat  unb  Äird^engefc^id^te,  §annoöer  1801—1806,  4  93bc;  Slrc^to  für  alte 
unb  neue  Äirc^engefd^id^te,  i^ufammen  mit  3:3f(i^imer,  £eij)ji0 1813— 1822,  5Sbc;  Ätr4ai: 
l^iftorifc^e«  ärd^it),  gufammen  mit  Igfc^imer  unb  «ater,  ^aüz  1823—1826,  4  9bt 
2lu^erbem  lieferte  er  Beiträge  ju  SKi^aeliö  unb  2^^c^fen^  Dnent.  unb  cjeget.  Sibliot^ 
ju  ben  ®03l,  jiur  Jenaer,  ^aUifd^en  unb  £eij)5i0er  2itt.s3t0.  u.  f.  h).     @tn  Scl^rbuc^  ber 

10  @ncvHoj)äbie,  Sietl^obologie  unb  ©efc^id^te  ber  tl^eolo0i]d^en  SBiflenfd^aften,  h>orin  bie 
Überfielt  über  bie  ©efc^t^te  unb  Sitteratur  ber  einzelnen  2)i^jij)linen  ba^  h)t(^tigjie  ift, 
l^at  er  1821  j^erau^gegeben. 

Sei  ber  3Renge  biefer  ©d^riften  unb  ber  barin  au^ebreiteten  Selefcnbett  ift  auf 
^orm  unb  Äunft  bcr  iJarftettung  nic^t  eben  biel  ÜJlüi^e  Dertoanbt.    Slbcr  „Ginfalt  unb 

16  ©erab^eit  im  Umgang  unb  Urteil,  tiefet  unb  teilne^menbe^  Sleligion^cfü^I,  grömmig^ 
feit  unb  Sieberfeit  be^  G^arafter^,  babei  eine  feltene  9lnfJ)ru(^IofigIeit  unb  5^^^^- 
liebe"  hjerben  bon  feinem  2eicl^enj)rebiger  Slujjerti  h)ie  bon  feinen  Äottcgen  unb  ©(^ülern 
(bgl.  Cel^me,  ©öttinger  ©rinnerungen,  ®otl;a  1873)  einftimmig  il^m  nachgerühmt,  unb 
raftlo«  arbeitfam  blieb   er  faft  bi^  jum  Sage  feine«  lobe«.    3lm  1.  3uli  1826  ^ielt  er 

30  noc^  feine  SSorlefungcn,  am  4.  fd^rieio  er  bie  le^te  ©eite  einer  Slb^anblung  über  bebräijt^ 
?ßoefte,  am  5.  frü^  5  U^r  ftarb  er  im  65.  £eben«jal^re. 

Über  feinen  Sruber,  ©ott^olb  %x.  ©täublin,  geb.  1758,  geft.  1796,  ben  ©ic^ter  unb 
^Mitarbeiter  ©riefmger«  bei  ber  §erau«gabe  be«  SBürttemberger  ©efangbuc^^  bom  '^ahtt 
1791,  bgl.   Slömer,  SQSürttemb.  Ä®,  ©.508;   Rod),  ©efd^.  be«  Äird^enlieb«,  95b  VI; 

26®oebe!e,  ®runbrife  II,  1097;  gifd^er,  9lb93  XXXV,  ©.  514. 

(4^eit(e  t)  iBogeniitann  t* 

Stafforttfd^ed    Bnif.    —    3.  C£]^.  ©ac^S,   Einleitung  in  bie  dJcfdjiditc  ber  gRarggrau-. 

f*aft  .  .  .  $^aben,  IV,  ßarföru^e  1770,  @.  252 ff.;    ^.  gr.  SSicrorbt,    öcfc^ic^tc   ber   eiang. 

mx(i)e  in  bem  ©rofeöerjogtum  ©oben,  II,  Äorlgru^e  1856,   @.  29 ff.;    ^^.  91.  ©alig«  ^oh 

30  ftänbigc  ^iftorie  ber  9lug§burcjifc^en  eonfcffion,  ^aQe  1730,  @.  748 ff.;  (5.  3f.  ^.  ^Rüßer,  3)ic 

©etenntni^fc^riftcn  ber  reformierten  ßird&e,  ficipjig  1903. 

^u  Saben=2)urlac^  \vax  mit  bem  2lug«burger  9leligion«frieben  bie  ebangclifc^e  -H^ 
formation  j^ur  ßinfü^rung  gefommen:  3Karfgraf  Äarl  II.  erliefe  am  1.  S^ni  1556  eine 
lutl^erifdie  ßirc^enorbnung.    3lad)  feinem  Slobe   1577  übernahmen  Äurfürft  Subtoig  bon 

35  ber  ^Jfalj,  ^faljgraf  ^^ili^J)  Subtpig  gu  Nienburg  unb  $erjog  Subibig  bon  SBürttemberg 
bie  3[?ormunbfcbaft  über  feine  brei  noc^  unmünbigen  ©öl^ne.  5!)ie  SSormünbcr  glaubten 
fic^erlic^  im  Sinne  be^  berftorbencn  SKarfgrafen  ju  l^anbeln,  ate  fte  im  5Ramcn  feiner 
©öl^nc  (boc^  fel^lt  ber  9iame  be^  britten)  ba^  Äonlorbienbuc^  unterfdjirieben.  21U  im 
^al^re  1584  bie  $rin^en  jur  felbftftänbigen  SRegierung  lamen,  teilten  fte  baöSanb:  Gmfl 

4ogriebric^  (geb.  1560),  ber  fjjäter  erflärte,  bafe  er  fc^on  ju  bergcit,  ba  man  feinen  3?amcn 
unter  bie  ilonforbienformel  fe^te,  felbft  anber^  gefinnt  getoefen  fei,  em|)fxn0  atö  ältefter 
ben  §auj3ttcit,  ba^  Unterlanb  mit  ben  lüic^tigften  ©täbten  Durlac^  unb  ^forj^eim.  Salb 
jcigtcn  fic^  bei  i^m  beutlid^e  unlutl^erifc^e  Steigungen :  an  ba^  ®^mnaftum  ju  3)urlad», 
ibcld^cö  auc^  bem  ©tubium  ber  S^l^eologie  biente,  berief  er  calbinifierenbe  Se^rer;    f|)äta 

45  trieb  er  felbft  um  fo  eifriger  t^eologifc^e  ©tubien,  aU  eine  Sä^mung  ber  unteren  Roxpci- 
teile  iFjn  me^r  unb  mel^r  an  freier  Seibegung  ^inberte,  —  unb  er  unternal^m  eö  nac^  SScifc 
ber  Ac'xt,  ate  Sanbcsl^err  bie  eigene  tl^eologifc^e  Überzeugung  in  feiner  Äirc^c  ^tüang^eifc 
jur  ©cltung  gu  bringen,  unb  au^  reformierten  ®ebieten  berufene  Surften  untcrftü^tcn 
if^n  barin.    ©eit  1595  tpurbc  ^ier  unb  ba    ein  ubiquiftifc^er  ^rebiger  gemaferegelt  oba 

60  entlaffcn.  ^m  (feit  bem  Einfang  be^  18.  S^^r^unbert^  auc^  in  feinen  lefjtcn  SReftcn  bcr- 
fd;n)unbcnen)  ©c^loffe  ,^u  Staffort  bei  2)urla(^  tüurbe  eine  2)rucferei  eingerid^tet,  aus 
h)clc^er  1599  ba^  fogenanntc  „©taffortifc^e  Suc^"  in  einer  bop})elten  3lu^abe  ^erbor^ 
ging.  ^Die  Heinere  3(u^gabe,  bereu  ©a^  abgefe^en  bon  2itel,  borangefteHtcm  Gbift  unb 
^agiuicrung  fid;  buct»ftäblid)  mit  ©.  359—555  ber   größeren  ausgäbe   becft,   ftcllt  M 

66  aU  ein  )>)crfön(ic^c^  Selcnntni^  be^  9)larfgrafen  unb  bamit  j^ugleic^  aU  eine  Se^rorbnunj 
für  bie  iiircbe  feinet  Sanbcö  bar :  „Sur^e  unb  ginfeltige  .  .  .  Sefanbtnufe,  nac^  iDelAcr, 
alfe  nad)  einer  SJic^tfdinur,  bie  Sircbcn  unb  ©cf»ulbicncr  ber  SJlardgrafffd^aft  Saben,  fic^i 
.  .  .  i;u  berl^altcn  l^aben".  i^crl^anbclt  tverben  barin  nur  bie  3trtifel,  bie  jtoifc^en  ben 
23efcnneru  ber  Ülug^burgifdben  Üonf cffion  jur  ^c\i  ftreitig  iparen :  freier  35>iHe,  SBorfebun^ 


@tafforttf(^cd  Sni^  ®ta^I  745 

®otte«,  ®nabentoal^I,  ?ßcrfon  ßbrifti,  ©alramcnte  im  attgemetncn,  ^aufc  unb  3l6enbmal^I. 
Unter  rcic^Itd^em  Sclcg  au«  ©c^rift  unb  Äird^entoätem  tocrbcn  btc  in  bcr  beutfc^cn  rcfor« 
micrtcn  2^|eolo0ic  bamate  geläufigen  Seigren  boröetragen:  man  toe^rt  [\6)  gegen  bie  neuen 
,,©emij)elagianer,  toeld^ie  ben  Dorl^crgef ebenen  ©lauben  afö  ber  ©nabentüa^IUrfac^  ff^cn", 
rü^rt  bie  Reprobatio  nur  mit  grofeer  ä^orfid^t  an,  erflärt  fid^  in  ber  ß^riftologie  mit  6 
befonberem  gifer  gegen  bie  Ubiquität  unb  SSermifc^ung  ber  9laturen,  f)ält  unter  Berufung 
auf  3luguftana  unb  3())oIogie  auf  eine  ©aframent^Iel^re,  bie  nid^t  ben®lauben  an^  fetner 
entfc^eibenben  ©tettung  brängt,  unb  \pxx6)i  bie  aSiebergeburt  al«  bie  ^eitegabe  ber  Saufe 
unb  bie  geiftlic^e  ©eniefeung  „be«  toefentlic^en  Seib«  unb  93Iut3  6^rifti  famt  allen  feinen 
©d^ä^en  unb  SDSol^lt^aten"  aÜein  bcn  ©laubigen  au.  2)a«  93efenntni«  be«  ©taffortifc^en  lo 
^u<S)ei  ift  bieDeic^t  ba«  bequemfte  unb  überfi^tlic^fte  ÄomJ)enbium  biefer  SeJ^rtoeife,  bie 
toefentlid^  calbinifd^e  ßingellel^ren  unter  ber  nötigen  Slürfftc^t  auf  bie  frühere  beutfd^e  Se^ 
fenntni^bilbung  borträgt.  3"^^  ©tü^e  biefer  ^ßofttion  bient  bie  au^gebe^nte,  meift  jeboc^ 
formetteÄritif,  toeld^e  ba«  größere  ©taffortifd^e  S5ud^  auf©.  1—358  am  Äonlorbienbuc^e 
übt.  3)er  litel  biefer  3(u^abe  lauitt:  ,,6l^riftlic^e«  Sebendten  unb  er^eblid^e  toolfunbirte  i5 
SJtotiben  befe  Durd^Ieud^tigen  .  .  .  Jperm  ®mft  griberid^en  .  .  .,  toeld^e  il^re  J^ürft.  ®n. 
bife  bal^ero  bon  ber  ©ubfcrij)tion  ber  Formulae  Concordiae  abgel^alten  .  .  .  ©ambt 
i^re  %,  ®.  ßonfeffion  .  .  ."  6ine  au^fül^rlid^e,  aber  in  ber  %f)cd  ganj  unfrud^tbare 
ieictbergleid^ung  toiD  ben  im  Äonforbienbuc^c  gebrudtten  lejrt  ber  3lugdburgifd^en  Äom 
f effton  aU  unjuberläf fig  bart^un.  ®rünblic^ft  nad^gejjrüft  toerben  aud^  bie  Sßäterjitate  au«  20 
bem  ain^ang  be«  Äonlorbienbudjf«. 

Über  bie  ®egenfc^riften  ber  Ibürttembergifc^en  unb  Iurfä(^fifd^en  2!l^eoIogen,  be«  Tlaxh 
grafen  „SQäoIgegrünbete  unb  fatte  Slbleinung"  1602  u.  f.  to.  berid^tetet  ©aliga.a.  D. 
3m  Serlaufe  biefer  litterarifd^en  Äontroberfe  tourbe  ba«  „®lauben«belenntniö"  ju  §eibeU 
bcrg  1601  neu  gebrudtt,  unb  gleid^jeitig  begannen  bie  emftlid^ften  3Serfud^e,  e«  mit  ®eh)alt  26 
^n  ohro^ieren.  Sefonberg  bramatifd^  geftaltete  fic^  ber  $Religion§fam))f  be«  3WarIgrafen 
gegen  bie  ©tabt  ^forj^eim :  beren  fämtlid^e  !onforbiftifd^  gefmnte  ?ßrebiger  lüurben  ab* 
fe^t,  fo  bag  lüod^enlang  lein  ©eelforger  in  ber  ©tabt  toar.  2öiber  bie  neuen  calbini« 
fd^en  ^rebiger  enegte  bie  m  einem  feierlidj^en  93unbe,  ber  Concordia  Phorcensis, 
^ufammengefd^Ioffene  SSürgerfdjaft  einen  förmlid^en  2lufftanb.  9iad^  allerlei  aufregenben  so 
3h)ifc^enf äßen  mad^te  fic^  ßmft  ^riebric^  felbft  toiber  feine  ©tabt  auf,  um  fie  mit  SBaffens 
gelüalt  ju  jlüingen:  aber  auf  biefem  Ärieg^^uge  mad^te  ein  ©c^lagflufe  am  14.  3l))ril 
1604  ju  Slemc^ingen  feinem  Seben  ein  6nbe.  ©ein  jüngerer  93ruber  unb  SJac^f olger 
®eorg  gfnebrid^  len!te  fofort  jum  Sut^ertum  gurüd.  ö.  8f.  Äarl  anüöer. 

Statut,  griebrid^  Suliuö,  geft.  1861.  —    9lu6er   ben    an   i^rem  Crtc  genannten  36 
Schriften  liegen  bem  §lrt.  münblidje  ^Olitteilungcn  feltenS  ber  ©itttje  ©ta^I^,  fotoic  bie  fir(^= 
Ud)cn  unb  politifdjen  ©lättcr  au«  bcn  üicrjiqcr  unb  fünfziger  3a§ren  ju  ®runbe.    SBgl.  auc^ 
(^roen  t)an  ^rinfterer,  Ter  DagedachteDis  van  Stahl. 

^ebric^  3^1'^^  ©tal^l  lüurbe  in  9}lünd^en  am  16.  Sönwa^^  1802  bon  jübifc^en 
ßltem  geboren.  Sägern  foDte  il^n  bilben,  ^reufeen  feiner  SQäirffamfeit  ein  hjeite«  gelb  40 
öffnen.  Unter  ben  (ginbrüdten  ber  ©d^mac^  be«  Sll^einbunbe^,  aber  auc^  ber  ^enlid^en 
ßrl^ebung  1813—1815,  loarb  er  grofe.  —  ^^1^  ^^^  feinem  3?ater,  einem  reichen  Sanfter, 
für  bie  gelehrte  Saufbabn  beftimmt,  burc^eilte  er  mit  feinen  glänjenben  ®aben  fd^nett 
ba«  ®^mnafmm  feiner  Saterftabt,  fotoie  unter  fieitung  X^ierfc^g  ba^  j)^ilologifc^e  ^nftitut 
unb  mad^te  fd^on  im  ^al^re  1819  ba^  ®jamen  für  ein  ®^mnafialle^reramt.  3)?anc^erlei  45 
Serübrunaen  im  2^^ierfc^if(^en  §aufe  mad^ten  i^n  mit  bem  6briftentum  befannt,  feine 
Vorliebe  für  bie  flaffifd^e  Sitteratur  gab  i^m  ben  ©inn  für  Älarl^eit  unb  3lnmut  ber 
gorm,  fein  3"9  i^^  3bealen  folgte  gern  bem  ©c^tounge  namentlich  ©d^iDer^,  bon  bem 
er  al^nung^boUe  Stnregungen  jum  6l^riftentume  emj)fangen  gu  ^aben,  h)ieber^olt  befannt 
|at.  @«  geugt  bon  ©ta^te  Äroft  unb  ©elbftftänbigfeit,  bafe  er  frübjeitig  —  afö  ITjä^riger  60 
^iüngling!  —  allein  mm  ßl^riftentum  übertrat  unb  bier  ^al}x^  fj)äter  feine  ®ltem  unb 
leben  ®efd^tüifter  nac^  fid^  gog.  ©ta^l  berlie^  bie  ^^ilologie  unb  toanbte  fic^  bon  1819 
bi^  1823  inSBürgbura,  $eibelberg  unb  erlangen  ber  3urigJ)ruben}  ju.  ^n  ber  „d^riftlid^= 
beutfd^en  SSurfd^enfc^aft"  no^m  er  eine  ^erborragenbe  ©tettung  ein.  SBieloo^l  er  in  6r= 
langen  anfangt  ©c^etting  nid^t  gehört  ^u  ^aben  fc^eint,  ergriff  i^n  bod^  mächtig  bie  bon  56 
biefem  fc^ö>)ferifc^en  unb  jünbenben  ®eifte  au^e^enbe  j)^ilofoj)bif(^e  Slnregung  unb  Se« 
toegung.  2)ie  SSorrebe  gur  erften  2luflage  ber  ®efc^id^te  ber  9led[|tgp^ilofop^ie  fc^ilbert 
un«  ben  quälenben  Ram})f  mit  ben  §egelfd^cn  3ii^tümem,  in  ben  ©ta^l  geriet,  bi^  er 
ben  längft  inftinftib  geal^nten  ®runbirrtum  biefer  $^ilofoJ)^ie  fanb  unb  überloanb.  —  ©0 


i 


746  @tal|I 

vorbereitet  erlangte  er  im  ^af)xt  1826  bie  juriftifd^e  ©oltortoürbe  unb  habilitierte  fu^ 
ein  ^al}x  barauf  in  ^Jlünd^en  afö  ^ritoatbo^ent,  burc^  ©c^eDing,  ber  l^ier  gleic^geittg  jcim 
SBorlefungen  eröffnete,  geftärft  unb  geförbert.  ^n  ßrlangen  bertiefte  fic^  [eine  c^riftlitfc« 
Überzeugung  namentlich  an  ber  ©eftalt  unb  ©etoalt   be^  reformierten  ^rebtger^  Ärafit 

5  (f.  93b  XI  ©.  59).  ^m  Sommer  1832  afö  aufeerorbentlic^er  ?ßrofeffor  nac^  erlangen, 
ein  ^albe^  ^al}x  fj)äter  nad^  SBürjburg  für  ba«  fanonifc^e  Siecht  berufen,  lehrte  ©toBl 
bereite  nac^  jtoei  ^af)xzn  nad)  ©rlangen  jurücf,  um  ^ier  eine  ^rofeffur  für  ©taat^  unb 
Äirc^enrec^t  anjutreten.  §ier  toar  e^,  h)o  er  ben  erften  ®runb  gu  feiner  ^arlamcntarifc^ 
Saufba^n  legte,  aU  i^n  1837  bie  UniDerfUät  af«  i^ren  2)e})utterten  na(^  aWünc^cn  in  bie 

10  ©tänbeberfammlung  fanbte,  too  er  mit  Wenigen  ©efinnung^genoffen  neben  ber  monarc^tfcfcs 
lonf erbatiben  Slic^tung  bie  ebangelifc^-fird^lidpe  bertrat.  ©eine  ba^  SBubgetred^t  ber  ©tank 
iDO^renbe  ©teDung  na^m  i^m  ba^  5Kinifterium  fo  übel,  baf;  e«  il^n  feiner  ftaat^red^t^ 
lidjien  ^rofeffur  enti^ob  unb  i^m  „bie  minber  geföbrlic^e"  be^  6ibilJ)rogeffeg  übertrug. 
3)iefer  Vorgang  erleichterte  il^m  bieännal^me  eine«  Stufe«  nad^SSerlin,  ber  auf  ©abignii^ 

i6  93etrieb  imvJobember  1840  an  i^n  gelangte.  3"^^!'*^  ^^^^  ^  i"  ^'^  juriftif^e  ^fuüdt 
mit  einer  commentatio  de  matrimonio  ob  errorem  rescindendo  ein.  fortan  loö 
er  in  gefüllten  unb  oft  überfüllten,  bon  3JJännem  aller  ©tänbe  befudjiten  ^örfälen  üba 
©taat^rec^t,  Äirc^enrec^t,  9lec^t«j)F)ilofop^ie,  über  ©efdt^ic^te  ber  neueren  ?ß^ilofot)^ie,  über 
ba«  SSer^ältni«  bon  Äirc^e  unb  Biaai  u.  f.  U).    Sei  ©elegen^eit  bc«  3wfö'"*^<^"^ritt«  bc^ 

20  bereinigten  Sanbtag«  1847  trat  er  al«  j)olitifc^er  ©c^riftfteDer  auf,  um  bor  ©infü^rung 
einer  ftänbifc^en  SSerfaffung  mit  blog  beratenben  ©täuben  ju  toamen  unb  bagegen  bie 
(Sinfü^rung  einer  Äonftitution  ju  em})fe^len.  93alb  foDte  fid;  i^m  in  ^reufeen  bie  gro^c 
j)olitifd^e  Saufba^n  eröffnen,  bie  i^n  jum  güF^rer  ber  lonferbatiben  Partei  unb  j^u  einem 
ber  erften  t)arlamentarifc^en  Siebner  ©uropa«   er^ob.    „®«  lag"  —  fagt  Dr.  SBe^ell  in 

26  feiner  1862  gel^altenen  ©ebäc^tni^rcbe  bon©ta^l«  äußerer  Begabung  —  „ein  unbefcbretb= 
lieber  3<i"f>€^  i"  '^^^  S'^fl^  f^^"^  ^flcbe,  ber  überall  bernel^mbar,  flar  unb  burc^fi^tig 
bi«  jum  ©runbe,  nie  ficä^  überftürjenb  unb  bod^  boll  mannigfaltigen  SBet^fel«,  ftets 
fjjannenb  unb  nie  ermübenb  in  ununterbrod^enem  Saufe  baJ^in^of;."  ©ein  männlich 
ätuftreten  im  ^Qi}x^  1848,   feine  9Ba^l  für  bie  erfte  Äammer,   h)o   er   mit  Setbrnann^ 

80  ^olllüeg  bie  äu^erfte  Siechte  bilbete,  foh)ie  fj)äter  für  ba«  3}olte^au«  be«  (Srfurter ^^rla= 
ment«  (^ier  gab  er  bie  feitbem  fo  oft  h)ieberbolte  ^arole  au^:  Slutorität,  nic^t  3Waiontäl) 
unb  feit  1854  feine  (Ernennung  für  ba«  neugebilbete  §errenl^au«  ^um  Äronf^nbifu«  unb 
jum  ^Kitglieb  be«  tüicber  ^ergeftellten  ©taatörat«  mag  ^ier  nur  6rh)ä^nung  finbcn.  6« 
Wax  in  feinem  ÜKunbe  feine  ^l^rafc:  „^c^  toar  immerbar  ^reunb  einer  männlichen,  fitt-. 

3ö  lidE^en  unb  georbneten  greil^eit ;  blo^  bie  Stebolution  nieber jc^lagen,  ift  f^on  feine  gefunbe 
Slcaftion,  aber  entfc^ieben  falfd^  ift  e«,  ©efunbe«  mit  jener  ^u  treffen.  6«  ift  bie  falfct< 
Sleaftion,  ba^  fie  nic^t  blofe  gegen  ben  Äran!^eit«ftoff,  fonbern  auc^  gegen  bie  CSnttoicfe: 
lung^feime  reagiert  unb  ba|  fie  nic^t  blofe  bie  Äranf^eit,  fonbern  aud^  bie  ©lieber,  rvdän 
mit  il^r  beF)aftet  finb,  |\erftören  unb  ohnmächtig  legen  h)ill."  3)em  h)iberf})rid^t  ba^anbere 

40  Söort  nid^t :  „^dj  fürd^te  nic^t  bie  afute  firanf^eit  ber  9)emofratie,  ic^  fürchte  bie  c^ro-- 
nifc^c  be«  2iberali«mu«.  3^  fürd^tc  nic^t  ben  Umfturj,  fonbern  bie  3^^""9"-  ©^ 
legentlid)  äußerte  er  \vol}\,  feiner  ^erfönlic^en  ©teDung  nad^  gehöre  er  in  ber  Jjarlamen^ 
tarifd^en  Slebelüeife  in  ba^  linfe  ßentrum,  unb  eö  jci  eben  bie  33erfd^oben^eit  ber  bolitifc^ 
Serl^ältniffe,  toenn  5JJänner  lüie  er,   fic^   auf  bie  äufeerfte  Siechte  gebrängt  fä^en.    Sei 

4ö  allen  Äämj)fen  für  bie  d)riftlic^e  ©c|ule,  bie  d;riftlic^e  (g^e,  ben  c^riftlic^cn  ©taat  jeigte 
fic^  ©ta^l^  fiegreic^e^  SBort.  ©ein  marnte^  3i"^^^ff^  füt  bie  Kirche  brachte  e^  mit  fti, 
bafe  iF)n  im  ^a^re  184()  bie  juriftifdbe  gafultät  bon  33erlin  in  bie  Oeneralf^nobe  fanbte, 
bafe  er  1848  3Jlitglieb  be^  neuerric^teten,  balb  jeboc^  tüieber  aufgelöften  CberfonftftoriumÄ 
1852  5Witglieb   be^  ebangelifc^en  Cbertirc^enratg   tourbe;    ebenfo   bafe   i^n   bie  Serlinct 

60  ^aftoralfonferen^  1848  ju  \i}x^m  ^räfibenten,  ber  ebangelifc^e  Äird^entag  neben  b.  Sctb^ 
mann=§olItüeg  ju  feinem  9Sicepräfibcnten  erfa^,  lüeld^e^  le^tere  SJerl^ältnig  1857  in©tutt- 
gart  an  ben  über  ba^  9?erl)ältni^  ;^ur  ebangelijcl)en  SlHianj^  fid^  jtoifc^en  Sut^eranem  unb 
Unierten  erl^ebenben  ®ifferenjen  fein  für  bie  Sebeutung  bc^  Kirchentag«  bebauerlic^cö 
©nbc  fanb.    Die  ebangelifc^c  2llliance  ioar  e«  auc^,  unb  jtDar  bie  ^u  i^ren  ©unften  im 

65  3wli  1857  ergangene  Sabinett^orbre  be«  König«,  bie  ben  2lu«tritt  ©ta^l«,  be«  obnebin 
faft  ifolierten,  au«  bem  Dbertird^cnrat  (herbeiführte.  Um  fo  me^r  ]pxxd)t  e«  für  ©to^l, 
lücnn  er  in  feiner  n^armen  ©cbäc^itniörebc  auf  ^riebrid)  Sßil^elm  IV.,  bem  legten  i^or- 
trage,  ben  er  am  18.  3)Järj  18G1  im  (Sbangelifd^en  Serein  ju  Serlin  ^ielt,  ba«  @cs 
ftänbni«   ablegte:    „T)er   geiftlic^e   (Sl^arafter,   ba«  ©ejjräge   bon   ^rei^cit,   3""^^i*'<^' 

60  ©albung,   iDelc^en   ba«  Äirc^euregiment  bon  il^m  em})fing,   ftel^t  al«   ein  3){ufterbilb  im 


Staljl  747 

neueren  5ßroteftanti«niu«  ba."  aßegen  be«  ?Proöiforium«  in  ber  SRegierung  im  §erbfte 
1857  erlangte  er  gunäd^ft  nur  ®ig))enfation  öon  ben  ©i^ungen  unb  Slrbeiten  be«  Dber^ 
lir^enrat«,  bi«  er  1859  nad^  erfolgter  bcfinitiöer  Siegelung  ber  Stegierung^ber^ältniffe  bie 
toieber^olt  nac^gefuc^te  (gntlajjung  erl^ielt.  ©ta^l  ftanb  no^  in  ber  gülle  feiner  geiftigen 
Äraft,  noä)  mitten  in  grofeen  Ääm})fen  unb  3lrbeiten,  ate  i^n  auf  einer  ßr^olung^reife  6 
im  93abe  93rücfenau  nad^  lurger  Rranl^eit  ber  §err  am  10.  äuguft  1861  abrief.  6r  ru^t 
auf  bem  3Watt^äiIirc^^ofe  Serlin^. 

3)aö  SQäerl,  mit  tocld^em  ©tal^I  nid^t  feinem  3flamen  blofe,  fonbem  feinen  ®runbs 
gebauten  über  ben  d^riftlid^en  ©taat  93a|n  brad^,  toar  „3)ie  ?ß|iIofo))^ie  be«  3led^t«  nac^ 
aefc^ic^tlid^er  änftd^t".  93b  I,  1830.  3n  einer  DöDig  umgearbeiteten  Slu^gabe  Don  1847  lo 
fül^rt  ber  I.93anb  ben  bef onberen  litel :  ,,®efd^id^te  ber  3fle^t«t)^ilofot)^ie",  ber  IL93anb: 
,,3led^tg=  unb  ©taat^lel^re  auf  ber  ©runblage  c^riftlic^er  änfc^auung."  —  2Bie  fc^on  ber 
anfänglid^e  a:itel  fagte,  na^m  ©tal^l  feine  ©tettung  auf  feiten  ber  ^iftorifd^en  ©c^ule, 
bod^  n)ä^enb  bie  gefd^ic^tlid^e  Slnfid^t  in  il^rer  Sebenbigleit,  n)ie  fte  ein  ©abign^  öertrat, 
aüBiffenfd^aft  unb  ^raji«  ju  berfö^nen  lüufete,  fo  toar  fie  ^  bod^  aud^,  bie,  ftarr  unb  abftralt  i5 
aufgefaßt,  burd^  2lbh)eifung  ber  ^öd^ften  fragen  bie  Äluft  lüciter  befeftigte,  ate  fte  je 
Dörfer  beftanben.  ©tal^l«  ©treben  ging  nun  ba^in,  in  ftreng  lüiffenfd^aftlic^em  ®ange 
in  ba«  Snnerfte  ber  gefd^id^tlid^en  ©d^ule  ßin^eit  unb  Älar^eit  be«  S3eh)ufetfein«  ju 
bringen  unb  „aU  i^ren  Äem  nic^t  bie  3lnftc^t  über  baö  gaftifd^e,  toie  baö  Siedet  entftel^e, 
fonbern  bie  über  ba«  ßtl^ifd^e,  h)ie  e«  entftel^en,  toeld^en  '^nf)alt  e«  erl^alten  foDe,  bie  20 
2lnft(^t  über  ba«®ered^te  feftguftellen."  Übergeugt,  bafe  e«  nur  nod^  gtoei  Sofungcn  gebe, 
um  h)clc^e  ber  ltam})f  ber  ©eifter  fic^  fd^are:  l^ie  $ant^ei«mu«,  ^ie  J)erfönlid^er,  über- 
toeltlid^er,  offenbarungefäl^iger  ®ott!  —  überzeugt,  bafe  bie  3)enlart  ber  gangen  neueren 
^^ilofoj)^ie  t)on  ber  Seugnung  be«  lebenbigen  ®otte«  erfüllt  fei  unb  folgerichtig  bic3w- 
ftörung  in  Äird^e  unb  ©taat  gu  i^rer  legten  t^ätigen  ßrfüttung  j^abe,  unternahm  er  e«,  26 
„bem  5tationali«mu«,  beffen  innerfte«  SBäefen  il^m  gumal  am  §egeliani«mu«  War  geworben 
h)ar,  einen  eh)igen  2)enlftein  gu  fe^en";  er  unternahm  bie  Säufbedung  jener  erften  Süge, 
al«  ob  bie  SBelt  bon  @h)iglcit  nacb  logijcbcn  ®efe^en  befte^e,  aU  ob  man  an  ber  6r- 
fcnntni«  ber  3)enfgc{e$e  auc^  bie  ©rfenntni«  ber  SBelturfac^e  unb  be«  SQäcltgufammens 
^^ang«  befttyc,  al«  ob  ^^ilofoj)^ie  ba«  le^tc  Rkl  ®otte«  fei  unb  nid^t  öiclmel^r  ®ott  ba«  ao 
le^te  3iel  ber  ?ß^ilofo^^ie.  6r  rief  bie  SBiffenfc^aft  „gur  Umfel^r"!  Unb  lüie  Derargte 
unb  mifebeutetc  man  i^m  biefen  9luf,  —  S3eh)ei«  genug,  baf;  er  bem  gcinbe  in«  §erg 
getroffen!  ^äik  man  i^n  um  biefe«  Slufe«  tüiDen  gern  ber  Untoiffenfc^aftlic^feit  unb 
geinbfc^aft  toiber  bie  ^^ilofoj)^ie  begic^tigt,  fo  n)ar  fein  gange«  SJud^  eine  3lbh)el^r  fold^er 
i^erbäc^tigung,  aber  auc^  au«brücHid^  ]pxad)  ©ta^l  bie  Sefürd^tung  au«,  bafe  mit  bem  36 
(Srlöjc^cn  ber  $^ilofoj)^ie  eine  geiftige  Verarmung  eintreten  toerbe.  9Jamentli(^  ber 
Sl^eologie  fc^ob  er  e«  in«  ®eh)ijfen,  nic^t  bem  ®egner  allein  am  a^age  ber  ®4llad^t 
bie  3Wac^t  ber  $^ilofoj)^ie  gu  überlaffen.  3m  ®egenfa§  gu  einer  9led^t«>)l^ilofo(3l^ie,  bie 
fi(^  felbft  be«  2Borte«  „®ott"  fd^änten  gelernt  unb  l^öc^ften«  „gleid^ni«h)eife  bem  Slbfoluten 
ber  ?ß^ilofo})l^ie  bie  SBegeidJinung  bc«  Ujeilanb  $enn  ber  SBelt  gelüäl^rte",  ftellte  ©tal^l  40 
an  bie  ©pi^e  feiner  grunblegenben  9lu«füF)rungen  bie  Sc^re  bon  ber  $erfönlid[|Ieit  unb 
ber  greil^eit  ®otte«,  um  Don  ^ier  au«  ba«  ftttlicbe  ®ebiet,  infonberl^eit  ben  SSegriff  ber 
®erec^tigleit  unb  bc«  Siecht«  gu  lonftruieren  unb  aud^  in  ben  rechtlichen  ^J^ftitutionen, 
fo  gelüife  fie  einen  organifc^en  ßl^aralter  tragen  follen,  ben  allgemeinen  3"9  "^^  ^^^ 
^erfönlic^en  nac^gulüeifcn  unb  gu  unterftü^en.  Sei  biefer  Äonftruftion  fonnte  e«  nid^t  46 
fehlen,  bafe  bie  guriften  i^m  gu  Diel,  bie  ^bilofo})^en  gu  toenig  ^^ilofoj)^ie,  unb  beibc 
i^m  gu  bicl  2)ogmati!  gum  3Sorn)urf  machten.  SBa«  fj)egiell  ben  ©taat  anlangte,  fo  brängte 
er  gu  ber  3lltematiDe,  bafe  enth)eber  ber  aSolI«h)itle  ba«  oberfte  ®cfe^  ber  fittlic^en  SBelt 
fei  ober  aber  bafe  e«  eine  ^ö^ere  fUtlic^e  5Kad^t  über  bem  5Dlcnfd^en  gebe,  bie  Drbnungen 
für  i^n  feftgefc^t  unb  geheiligt  ^abe,  öermögc  toeld^cr  auc^  ber  9?oIf«n)ille  bem  beftel^cnbcn  50 
Siecht  unb  ben  bcfte^cnben  Dbrig!eitcn  gebunben  fei.  2)agh)ifc^en  fei  fein  Dritte«,  e«  lüäre 
benn  bie  ß^aralterlofiglcit.  2Bie  er  im  9lationali«mu«,  biefer  pringit)iellen  ©mangipation 
be«  5Dlenfd^en  bon  ®ott,  bie  QucHe  ber  SieDolution  fal^,  biefe«  über  ben  einmaligen  3llt 
einer  6mj)ijrung  tücit  ]5^inau«ge^enben  gnftanbe«  ber  Umh)älgung,  fo  fanb  er  im  G^riftentum 
bie  cingige  SKac^t,  bie  Slebolution  gu  jd^liefeen  (f.  ©ta^l«  SJortrag :  „2Ba«  ift  bie  Slcbos  56 
lutionV"  1852).  Wxi  fiegreic^er  Äraft  trat  er  ber  römifd^erfcit«  beliebten  3Serbäc^tigung 
entgegen,  al«  fei  bie  Slcformation  ber  2tu«gang«j)un!t  für  5lationali«mu«  unb  3)cmofratie. 
3n  feiner  biele  aiuf lagen  crlebcnben©c^rift:  „2)er  ^roteftanti«mu«  al«  Jjolitifc^e«  ^ringij)" 
—  bcl^anbelt  er  ben  ©influfe  be«  ^rotcftanti«mu«  auf  ba«  anfeilen  ber  dürften,  auf  bie 
©clbftftänbigleit  unb  $cnlidbfeit  i^rcr -iDlact^t  nac^^Slömerfia}).  13  gegenüber  ber  (3ä})ftlid^- go 


748  Siaffl 

ßciftlic^cn  ®ch)alt,  auf  bic  grcifiett  bcr  SöIIcr,  auf  bic  Äocjiftcnii  bcr  itirc^cn  unb  tcli: 
ßiöfc  3)ulbung,  auf  unfcrc  Stellung  jjur  0efc(>ic^tIi(^en  ßnttoidfclung  unb  gum  gcfAic^t 
üd^en  JRcc^t,  unb  fc^Io^  mit  einet  ^^i^nw'^Ö  t>^  3^f"^^'^*""^  ^fö  bcß  ©egcnfa^eö  jum 
^roteftanliemug.  ©rfion  au^  biefen  Slnbeutungen  ergiebt  ftc^,  toelc^en  ^rrtum  man  begebt, 
6  toenn  man  ©ta^l  ate  einen  ©c^üIer  3(bam  SDlüDer^  betrad[|tet,  beffen  ^h^l  bet  mitteU 
alterlic^e  ©taat  ttyax,  toä^renb  ©ta^l  einen  bom  (Seifte  be^  ßl^riftentum^  toicbergcborencn 
©taat  lüoDite.  X^er  ©taat  aU  bie  ©inigung  bet  Station  ju  einem  Sleic^e  ber  ©itte,  ^u 
einer  ©cftaltung  beö  gamen  öffentlichen  Seben^  nad^  fittli^cn  Orünben  unb  ^tpctfen  toor 
i^m  eben  barum  bie  ^öd^fte  DarfteDung  unb  l^ödjifte  %l}at  ber  5iation,   in  ©efe^ebung, 

10  SSerlüaltung  unb  SSöIfened^t  bon  c^riftlic^er  ©efittung  unablö^bar,  unablööbar  toon  c^rift 
li^er  @^e,  gib  unb  SSoIföerjiel^ung,  t)on  bem  3^"Ö"i^  ^^  ^^^  cbriftlic^c  ^Religion  unb 
Sirene  felbft.  ^n  ber  2lnh)enbung  ergab  fic^  i^m,  tpie  er  e^  im  ^af)xt  1847  in  einer 
burc^  bie  SSer^anblungen  be^  bereinigten  Sanbtagg  l^erborgerufenen  Slb^anblung:  „tu 
c^riftlic^e  Qiaat  unb  fein  Ser^ältni^  jum  Dei^mu«  unb  $eibentum"  —  au^fprac^,  bie 

16  5Ric^tfc^nur,  Dafe  ber  ©taat  fic^  aUerbing^  ^üten  muffe,  bie  Untert^ancn  gur  Äirc|e  ^;u 
^tüingen,  aber  ebenfofel^r  fic^  tjorgufe^en  ^abe,  bie  Äirdjie  je  j)rei^3ugeben,  bafe  bie  bütger- 
lid^en  dizd^U  allen  (Staatsangehörigen  of;ne   Unterfd^ieb   beS  ©laubenS  ;^uIoinmen,  bic 

f>oIitifd^en  bagegen  Don  ber  ßuge^örigfeit  ju  ber  anerlannten  d^riftlic^en  ^trc^e  abhängig 
eien,  bafe   auf  bie  grage  nad^  bem  c^riftlic^en  6^arafter  einer  neu  fic^  bilbenben  ©Äe 

20  ber  ©ouDerän  burc^  ^uDerläjfige  Organe  mit  ©i^erl^eit  entfd^eiben  fönne,  ba  eö  fi* 
babei  nid^t  um  3)ogmen,  fonbem  um  3:^atfac^en,  nidf^t  um  Äird^c,  fonbcm  um  ß^riftentum 
l^anble.  älbgefe^en  baöon,  bafe  biefer  Äanon  in  ber  ^roji«  nic^t  immer  baö  SBJort  ber 
Söfung  in  fic^  trägt,  mufe  eS  im  Flamen  ber  ©erec^tiglcit  lonftatiert  toerben,  bafe  bicfe 
1847  aufiJgefjjrod^enen  ©runbfä^e  im  toef entließen  biefelben  fmb,  bie  1855  ©ta^I  in  bem 

26  Vortrage  über  bie  2oleranj  erläuterte,  ©tal^l  ^atte  nie  Derfannt,  ba^  unferc  ^flic^t  eine 
ec^t  c^riftlic^e  3:oIeranj  fei,  bie  fic^  ber  mannigfaltigen  ®aben  ju  freuen  $a6e,  bie  in  ba 
§offnung  ber  ©inigung  lebe  unb  bie  ®^re  OotteS  nid^t  in  ber  Semic^tung,  fonbem  in 
ber  ©rrettung  ber  ^einbe  fud^e,  bie  nic^t  nac^  äußeren  Äennjeid^en  i^re  ©renjiimcn  jiebc, 
fonbem  bie  ©ntfc^eibung  in  bem  legten  glimmenben  ©laubenSfunlen  toiffe,  ben  nur  @ott 

80  berfte^e.  3)oc^  öon  biefer  baS  irrenbe  religiöfe  ©eloiffen  im  anberen  tragcnbcn,  pofitiijen 
2^oIeranj  loollte  er  bie  Jjrofane  ^^oleranj  einer  gleid^giltigen  unb  ffe>)tifc^cn  ^^ilofopbic 
unterfd^ieben  loiffen,  bie  für  bie  SBillfür  unb  g^f^^litterung  in  religiöfen  35ingen,  für  bic 
SoSreifeung  Don  ber  Offenbarung  gerabeju  ein  Siecht  in  2lnfj)ruc^  ne^me  unb  üon  bem 
©taate  eine  völlige  ^n^iff^^^nj  in  d^riftlic^en  unb  fird^Iid^en  3)ingen  verlange.     3"  ^ 

86  Äamt)fe,  ber  l^ierüber  jtüifc^en  Sunfen  (3)ie  ^eid^en  ber  kcxt  1856)  unb  ©ta^l  geführt 
h)urbe,  ftanb,  aDgemcin  genommen,  ein  einfeitiger  ©ubieftiöiSmuS  lüiber  bic  SSürbigung 
ber  grofecn  Dbjcftitoitäten  ber  Äirc^c  unb  besJ  c^riftlid[^cn  BtaaU^,  ftanb  cnglifc^er  3nbc 
jjenbentiSmuS  gegen  beutfc^eS  ©trcben  nac^  ©in^cit.  ^erfönlic^  betrad(|tet,  f onnte  ber  fäarfc 
unb   überfd^arfe  Zon  ber  Srtoiberung  Btal^l^:    „SBiber  Sunfen"  (1855)  —  mennfdon 

40  nic^t  too^It^un,  boc^  faum  befremben,  nac^bem  i^m  S3unfen  auS  bem  ©tegreif  unter  bem 
3ujauc^jen  urteifelofer  ?DJaffen  fc^ulb  gegeben,  er  j)rebigte  SleligionS^afe  unb  93erfolgung. 
^afe  Stal^I  fein  fte^erridbter  mar,  belücift  am  beften  fein  SJortrag  über  Äird^enju(^t  (1845) 
unb  feine  ^Ka^nung,  ,,ba^  nic^t  bic  ©ei^cl  h)iber  bie  Ääufcr  unb  SScrfäufcr,  fonbem  ba^ 
©d^tocrt  beS  SBortcö  (Sottet  bie  SBaffe  beS  ©iegeS  fei.    —    9ln  bicfe  ©c^rift    Don  bcr 

45  Äircl[)cn}udbt  reil^en  ioir  eine  anbcrc  entgegengefc^ter  Slbtoef^r  am  J)affenbftcn  an.  3(U  am 
15.  3tuguft  1845  in  öffcntlidien  33Iättcm  gegen  §engftenberg^  (gb.  ^3-  cinerfeit^,  gegen 
bic  Sciocgung  ber  Sic^tfrcunbc  anbererfeit^  ein  juste  milieu,  cDangclifd^c  äifc^öfc  an 
bcr  ©pi^c,  mit  einer  (grflärung  auftrat,  um  i^r  Öl  ftatt  auf  bie  ftürmifd^cn  3Boaen  ber 
erregten  öffentlid;cn  2Rcinung  Diclmc^^r  inö  ^^euer  ju  gießen,  erliefe  ©ta^I  jtoci  ©cnbfepreibcn, 

60  ioorin  er  bie  ^)albc  ^ofition  biefer  rechten  5JJittc  unb  i^re  SSerbäc^tigungen,  aB  ^anbcle  e^  fub 
bcr  ortl^obo^cn  ^^Jartci  um  ba^  ^a})fttum  einer  g^i^"^^^»  wm  ^errfc^fuc^t  unb  Äird^enbann, 
cbcnfo  milb  iüic  fcbarf  ioibcrlcgte.  iBielleid^t  cjrifticrt  feine  ©d^rift  Don  ©ta^l,  in  bcr  er  au? 
fo  iücnig  ©citcn  feine  ci^riftlid)cn,  tirdblidBcn  unb  t^eologifd^cn  (Smnbfä^c  jufammengebrängt 
l^at.  T^afe  cö  unter  bem  Sanncr  ber  Augustana  fid^  nic^tum  t^cologifc^c  St)i^ftnbigfciten, 

65  nidbt  um  ix>iffenfdbaftlid;c  ^^affungen  unb  Sermittelungen,  fonbem  um  bic  liefen  bc^  geoffen: 
bartcn  fflorte^,  um  bic  Heiligtümer  bc^  erleuchteten  religiöfen  ®emüte^,  nic^t  um  Sebren 
;unäd)ft,  fonbem  um  unDcränberlicbc  l:batfac^en,  mitl^in  in  bem  Äampfe  loibcr  bie  Siebt: 
ircunbc  md}i  um  öcnfcbaft  einer  ^^artci,  fonbem  um  ßrl^altung  ber  beutfc^cn  cDangcli- 
fcbcn  ii\xd)c  felbft  banbclc,    baf^   eben  &oit   unb   n\d}i  ba^  SSolf  DucDc   unb  Jperr  ber 

Go  Sieligion  fei,  bafe  aber  in  bem  3"ftönbc  allgemeiner  ©leic^giltigfeit  ber  (äemeinbcn  gegen 


®tal|l  749 

ba«  ßbaitöelium  bag  Rird^cnrcginient  fid^  nid^t  fd^Ied^tl^in  auf  bcn  SRed^t^boben  be^  Se^ 
Imntniffe^  ju  ftü^cn,  fonbcrn  bem  Icbenbigcn  2Bac^«tum  eöangelifd^er  ©rfenntni«  au« 
jic^  l^crauö  bic  Serbrängung  be«  ®e0enfa|e«  anjubertraucn  unb  barum  aud^  eine  ©e« 
täumiglett  für  öffentlidjie  Se^rc  ju  getüä^ren  ^abe,  bafe  bte  Äird^e  fid^  nid^t  grunb^  unb 
in^alt^lo«  auf  bie  ©ubjeltibität  afö  fold^e  bauen  laffe,  bafe  enblic^  eine  brol^enbc  f ird^Iic^e  6 
Ärijt«  i^re  §eilung  ni^t  in  einer  unter  bem  ©influffe  eben  biefer  Ärifi«  gebilbeten  93er* 
faffung  finben  toerbe:  —  bie«  bie  tragenben  unb  treibenben  ©runbgebanfen  ber  beiben 
Scnbfd^reiben,  bie  ftd^  fd^liefelic^  über  ba«  aSerl^ältntö  ber  objeftiben  Se!enntni«norm  jur 
inbiöibueDen  ®Iauben«freif^eit  in  bie  beiben  SBorte  jufammenfaffen:  „^^ftftellung  ber 
3lug«burgifd[ien  Äonfeffion  al«  l^eologifc^er  unb  re^tlic^cr  ©runblage  für  bie  Ätrc^e,  ^rei«  lo 
^eit  unb  SBeite  für  ben  ßimelnen!  DI;ne  jene«  feine  gefiederte  ßrl^altung  ber  ©lauben^s 
fubftanj  in  ber  Äird^e  unb  ifeine  re^tlid^e  Drbnung,  o^ne  bicfe«  feine  innere  lebenbige 
entlDicfelung  unb  feine  93efriebigung  für  ba«  Sebürfni«  ber  3^^^'"  ®o  ^ulbigt  ©tal^l 
bem  für  aDe«  Siegiment,  aud^  für  ba«  ber  Äirc^e  fo  tüic^tigen  Äanon,  bafe  ba«  fonfrete 
Seben  —  bei  feiner  ^ntongrucnj  ber  Erfüllung  mit  bem  ^oftulat  —  bie  $rtnji})ien  toeber  i6 
um  be^lüitten  aufgeben  bürfe,  iDeil  fie  nid^t  ööHig  burdbfü^rbar  feien,  nod^  um  be«h)iDen 
ftc  mit  Slic^tac^tung  ber  ^^eil^eit  burc^fül^ren,  toeil  fie  fonft  nid^t  folgerid^tig  beftänben, 
bafe  auc^  bie  c^auj)tle^ren  in  il^rem  befenntni«mäfeig  gefc^Ioffenen  ß^fammenl^ange  bie 
©eltung  ni^t  einer  beenaenben  3?orfc^rtft  für  ben  ßinjelnen,  fonbem  eine«  gunbamente« 
Ratten,  auf  bem  bie  Äir^e  al«  ®an;ic«  ru^e.  gür  ba«  f})ätere  SBerf  Bta\)li  über  bie  20 
Union,  f oiDie  für  bie  befannte  ^räfibialrebe  bom  Stuttgarter  Äird^entage  ift  fe^r  e«  beai« 
ten«h)crt,  bafe  in  jenem  ©enbfdjireiben  au«brücflic^  unb  tüieber^olt  betont  loirb,  h)ie  nidjt 
ba«,  toa«  ^tWa  an  ber  3lug«burgifc^en  Äonfejfion  blo^  tlf^eologifd^e  gaffung  fei,  al«  bie 
©emeinfamfeit  ber  Äird^e  betrachtet  toerben  bürfe,  fonbem  nur  „jene  Äemle^ren,  hjelc^e 
bie  I^aten  ®otte«  jur  ßrlöfung  ber  3Kenfd^^eit  bejeid^nen  unb  bie  innere  Seben^ftellung  26 
be«  SJJenfc^en  ju  ®ott  unb  bem  ^eilanb  beftimmen". 

SQäenben  totr  un«  nun  ju  ben  größeren  tl^eologifd^en  SBerfen  ©tal^l«. 

3:eil«  burd^  Vorarbeiten  für  bie  le^te  Abteilung  feine«  SBerfe«  über  ?ß^Uofo))^ie  be« 
Sled&t«,  teil«  burc^  bie  Sorlefungen  über  Äirc^enredS>t  an  ber  Uniberfität  ßrlangcn  toar 
©ta^I  auf  ba«  genauere  ©tubium  ber  j)roteftantifdben  Äirc^enberfaffung  gefül^rt  toorben,  so 
beffen  JRefuItate  er  1840  in  feinem  SBcrfe:  „Die  Äird^enberfaffung  naS)  Se^re  unb  Siecht 
ber  ^roteftanten"  —  beröffentlid^te.  Der3:itel  berfbrac^  ju  biel,  bie  reformierte  Äirc^en* 
toerfajfung  fam  nic^t  ;^ur  3)urc^fü^rung.  Sein  ^\d  h)ar,  bie  SQBieber^erfteDung  ber  alten 
j)roteftantifc^en  3Serfaffung«le^re,  jebo^  gemilbert  im  ®eifte  S})ener«  unb  h)ifienfc^aftlid^ 
berichtigt,  ju  unternehmen.  @r  berfu^te  gu"  jeigen,  baf;  bie  brei  S^fteme,  ©bijfojjals,  86 
territorial-  unb  iloHegialf^ftem,  nid^t  bloge  erflärung«berfud^e  ber  lanbe«l^errltd^en  ®e- 
tüalt,  fonbem  2lnftc^tm  über  ba«  ai?efen  ber  Äird^engeloalt,  ja  ber  Äirc^e  felbft  feien, 
feine«h)eg«  jufäDige  ÜBerfuc^e  ßinjelner,  fonbem  3(u«flüffe  ber  ^errfd^mben  Slnftd^t  einer 
ßtooc^e,  unb  fo  ben  brei  @j)oc^en  ber  t^eologifc^en  ßnttoirfelung,  ber  ortl^obojen,  jjietifti^ 
fc^en  unb  rationaliftifc^m,  entfjjräd^en.  ^m  ßwfömmenf^ange  mit  ber  iebe«maligen  poli-  40 
tifc^en  Slid^tung  bejeid^ne  ba«  erfte  Softem  bie  Selbftftänbigf ett  ber  ^nftitution  ber  Äirc^e 
im  Staate,  ba«  ^^erritorialf^ftem  bie  Sllleingetoalt  be«  £anbe«^errn,  ba«  Äollcgialf^ftem 
bie  §errjc^aft  ber  ^Rajoritäten.  So  entfd^ieben  Sta^I  bie  territorialiftifc^e  SRid^tung  be- 
fämbft,  fo  menig  fann  er  fic^  bem  entgegengefc^ten  Streben  anfd^liefeen,  bie  Äirc^e  öom 
Staate  gu  löfen  ober  boc^  jeben  ©influfe  njeltltd^er  Dbrigfeit  auf  bie  inneren  Äirc^en^iö 
angelegen^citen  ju  befeitigen.  ^ene«  ift  if^m  fc^Iec^t^in  tüiberfird^Iic^,  biefc«  jum  minbeftm 
un^roteftantifc^.  SSefaffc  bod^  ber  Segriff  „Äirc^e"  aufeer  ben  göttlichen  Stiftungen  unb 
bem  in  erleuchteten  ^^\Un  ertoecften  Sefenntni«  bie  in  grei^eit  au«gebilbete  gefc^id^^tlic^e 
Serfaffung !  (3luf(.  II,  S.  68).  Sei  nun  aber  bie  gegenn)ärtige  Äirc^engetoalt  ber  Sanbe«* 
fürftm  nid^t  normal,  fei  fie  nur  bei  einer  inneren  ßprfurc^t  i^rer  iräger  bor  ber  Äird^e  60 
al«  einer  göttlichen  3lnftalt  juträglic^,  fo  müfje  ber  (l))iffoi)at,  o^ne  SJerfünbigung  an  ber 
^iftorifd^en  SRid^tung,  attmä^Iid^  burc^  eine  intenfibe  Steigerung  be«  fird^lidjim  ®eifte«  er* 
ftrebt  toerben.  Die  9?orau«fe^ungen,  bon  benen  Stallt  bei  biefer  6mj)fel^lung  ber  (&pu 
ffopalberfaffung  au«ge^t,  finb  biefe:  ®emeinbe  fmb  bie  im  ®lauben  berbunbenen  HRenfd^en, 
ftird^e  bie  gottgeftif tete  gnftitution  über  ben  3Renfd^en ;  bie  3;i^ätigf eit  ber  ®emeinbe  ift  66 
eine  2l^ätigfeit  ber  3)ienfc^en  gegen  ®ott,  bie  ber  Äirc^e  eine  S^^ätigfeit  in  SSoDmad^t 
®otte«  gegen  bie  ^Renfd^en;  bie  ®emeinbe  ift  nur  ber  Qi^'^^Ö'^ff  ^^  gegenlüärtigen 
SWenJd^en,  bie  Äirc^e  ber  ^iftorifc^e  SSeftanb  burd^  alle  3^'^^"-  35ie  Äird^e  ^at  alfo  ein 
binbenbe«  anfeilen  über  bie  ©emeinbe.  Soll  nun  bie  Äird^e  nid^t  in  ifolierte  Sofat 
gemeinbcn  gerfaDen,  fo  ift  eine  Ij^ö^ere  longentriermbe  ÜJlad^t  nötig,  bie  enttoeber  burd^  co 


750  @tal|l 

[tctg  neue  2öa^l  nur  borübergc^cnb  ©injclncn  aug  bcm  £cl^r=  unb  Satenftanbc  übertragen 
toirb:  bie^  btc  j)rcgbt;tcriale  Serfafjung  mit  il^rem  blo^  gemcmblic^cn  ß^rafter  —  ob« 
einigen  am  bcm  Sc^rftanbe  bicibenb  ^ulommt,  bic  bereite  allein  unb  jjerfönlic^  einen 
Meinen  Sprengel   ju   leiten  If^aben:    bie^  ba«  autofratifd^e  5ßrinjij)  bcr  ej}tffot>alcn  88ct-- 

6  fajfung  mit  if^rem  firc^lic^en  6l^ara!ter.  2)em  Staate  gegenüber  nottücnbtg^  bcm  inneren 
3uftanbe  ber  Äird^e  förberlic^,  ber  uralten  ajjoftolifd^en  ©inrid^tung,  fotoie  btblifc^er  9Ra^ 
gäbe  entfjjrec^enb,  bem  ^roteftantifc^en  Sefenntni^  in  SBort  unb  ®eift  ^omogcn^  ftnb  nad^ 
Stal^U  9Keinung  im  6j)iff o))alf^ftem  fefte  ?ßunlte  tjor^anben,  gegebene  unb  auf  Sebcne^eit 
bleibenbe  Autoritäten,  ftatt  grofjer  3?erfammlungen  beftimmte  ^erfönlic^Ieiten,   unmittd- 

10  bare  ©ubjcfte  ber  Äird^engetoalt,  bie  juglei^  ^IJfleger  ber  ©eelforge  finb.  ®tn  beutfci^ 
ebangelifc^eö  ßj^iflopat  h)irb  ben  rechten  2)amm  gegen  93ebrücfung  toon  aufeen,  einen 
Damm  gegen  äbfaÜ  unb  3^'^^örung  bon  innen  bilben.  Cbtüo^l  burc^  ben  Qn^cmmai' 
tritt  ber  Sifc^öfe  bie  Äirc^c  allein  in  i^rer  ßin^eit  berät  unb  befd^liefet,  tft  bic  3icilna^nie 
unb  3nith)irlung  be«  gesamten  Se^r-  unb  Saienftanbe«  an  ber  Senhing   bcr  Rixd^  ni(^t 

16  au^gefc^lojfen.  2Bie  fte^t  nun  ©ta^l  ju  ber  ^re^b^terial-  unb  ©bnooaltjcrfafjung,  auf 
bie  er  in  ber  jtveiten  aufläge  feinet  Äirc^enred^tg (1862)  au^fül^rlic^cr  eingebt?  9Jac^bem 
er  bie  „©runbtäufc^ungcn"  be!ämj)ft  f^at,  al«  ob  unfid^tbare  unb  fid^tbarc  Rxx^,  jebe 
afö  eine  ©ac^e  für  fic^,  ol^ne  ßwfammenl^ang  mit  ber  anberen  erfd^eine,  afö  ob  Oemembe 
unb  Rxxd)^  ibentifc^,  afö  ob  ba^  allgemeine  ?ßrieftertum  ba^  geftaltenbc  ^ringij)  ber  Scr- 

20  faffung,  ftatt  nur  bie  ©runblage  ber  Serfaffung  fei,  al^  ob  enblic^  in  bcr  dpofioli^d^ 
Äirc^e  jemate  geiftlic^e  ^rebiger  (ministri)  unb  toeltlid^e  Slegierer  (presbyteri)  ^ 
gegenübergeftanben  l^ätten,  fommt  er  ju  bem©afee,  bafe  bie  Bereicherung  burd^  catoinifie 
refj).  ©^nobalelemente  nid^t  abjutoeifen  fei,  fobalb  bie  ©emeinbe  burd^  bad  Se^ramt, 
nic^t  aber  ba^  Se^ramt  burc^  bie  ©emeinbe  aufgenommen  h)erbe.  5?ur  fei  angcfw^tö  einer 

26  toerfd^toimmenben  i^eologie,  angefid^t«  ber  grofjen  glaubenglofen  5Waffen,  bcr  bie  Äin&c 
unterminierenben  geinbe  ber  S^i^J'i^'^'t  ber  ^eranjie^ung  ber  ©emeinbc  für  bie  leü^ 
nal^mc  am  Äirc^enregimente  fc^ed^t  getoäl^lt.  ^n  h)ie  biel  })rinjij)ienen  Krc^cnrcc^tliien 
fünften  auc^  unfere  ^olemif  gegen  ©ta^l  nottoenbig  toirb,  h)ie  entfd^icbcn  totr  un^  im 
9lamen  ber  ßinen  ixxkrjoia  be«  31%^  gegen  bie  ©egenüberfteHung  bon  Rixd^c  unb  Ocmeinbe, 

80  im  5Wamen  be^  lebcnbigen  Drgani^mu^  gegen  bie  rein  gefe^lid^e  2luffaffung  bcr  Sink 
ate  einer  ^nftitution,  im  5Jamen  be^  allgemeinen  ^rieftertum«  gegen  jcbc«  anbcr^oNr 
entlehnte  JJerfaffunge^jrinji})  ju  bertva^ren  ^aben:  barin  muffen  toir  ©tal^l  öoDftänbi^ 
bei})fli4^ten,  ba^  bie  Übcrfc^ä^ung  ber  ©^nobaleinric^tung,  ate  beruhe  auf  i^r  atte  2egi: 
timität  ber  ©ehjalt  in  ber  et)angelifc^en  Äirc^e,   noc^  unj^eilboHer  toirfen  h?ürbc,   ate  ber 

36  SJiangel  an  ©^nobcn.  3)ie  ebangelifd^e  Äirc^e  braucht  nic^t  erft  i^ren  ©cburtötag  ju  be= 
fc^liefcn.  Sffiic  urf})rünglid^  gefunb  ©ta^t  in  93ejug  auf  firc^lid^e  SScrfaffungefragen 
ftanb,  bejeic^net  in  ber  erftcn  Sluflage  feine  Crltärung,  ba|  jebe^mal  bic  nac^  ben  g€= 
gebenen  3"Pönben  möglirf^ft  ma^re  unb  förberlirf^e  gorm  anjuftreben,  bafe  aber  bie  3?cr= 
faffung  nic^t  ba«  2i}efen  ber  Äird^e  fei,  fonbern  ber  „(Seift,  ber  bie  ©emcinfd^aft  erfüllt, 

40  unb  ber  ©laube,  ber  in  SBort  unb  3:^at  betannt  lüirb".  (gbenfo  einfid^tig  untcrfc^eibet 
er  in  ber  ^toeiten  Stuftage  ©.  249  bie  götttid^e  2lnorbnung,  bie  un^  ba^  allgemeine 
^rinjij)  unb  ßlement  gebe,  unb  bie  nähere  3)urd^bilbung,  tveld^e  ©ad^c  bcr  mcnfci^Iit^cn 
^rei^eit  fei. 

2)aö   te^te  tl^eotogifd^e  3ßerf  ©ta^t^g,    toenn   h)ir  bon  ber  gleiten  äfuflage  feinet 

46  Äirc^enrcd^t^  unb  ben  in  ba^  fird^lic^c  ®ebiet  eingreifenben  SSorlefungen  „Über  bie  ^r^ 
teicn  in  Äird^e  unb  ©taat"  abfegen,  ift  „Die  lut^erifc^e  Äird^e  unb  bie  Union,  eine 
iDiffcnfd^afttid^e  ßrörterung  ber  ^^itfrage",  ein  93uc^,  bag  omino^  genug  ba^  abtoeifenbe 
3Bort  Sut^cr«  beim  9Jiarburger  ^eligionögef J)räc^  —  „il^r  t^abt  einen  anberen  ®eift  benn 
tüir"  —  an  feiner  ©tirne  trägt.    2)iefer  anbere  ®eift   foll  ber  antim^fteriöfc  gug  fein, 

50  ber  burc^  3^^^"9^i  ""^  '^^^^  ^^^  Q^W  reformierte  Äird^e  ^inburc^ge^e,  „jene  Seugnung 
ber  gnabent)oIlen  Äraft  aller  göttli^^cn  (Einrichtungen  atä  aJlittelurfac^en",  bic  in  ber  Se^ 
i)om  ©aframent  unb  ber  ^räbeftination,  in  Äuttu«  unb  Äirc^enregiment  ber  9lcf ormicrten 
glcid^mä^ig  ^erbortretc  unb  einer  (Einigung  mit  ben  Sut^eranem  für  immer  ein  un- 
bebingteß  §inberni^  cntgcgenfe^e.    (Sin  gntereffe  an  ber  Union  l^ätten  bie  Sieformierten, 

66  bie  bei  einer  Union  nur  getoinnen  fönnten,  b.  f),  erobern  unb  bag  Sutl^crifc^c  toeg^e^ 
tüürbcn,  ein  ^ntercffe  ferner  ber  ^icti^mu^  mit  feiner  relativen  (Stcic^giltigfcit  gegen 
2et)runterfd)iebe  um  ber  J)rattif^en  ^ntereffen  toillen,  ein  ^n^ereffe  einige  Äirc^entec^t^ 
lel^rer,  meldte  bie  gin^eit  ber  bcutfc^en  etoangetifd^en  Hirc^e  ate  ba«  Urft)rünglic^e  barju-- 
legen  berfud^tcn,  Dor  allem  bie  i^ermittetung^tt^cologie,  bie  auf  bie  3WögIicI^!ctt  einer  un- 

60  bebingt  reinen  £e^re  berjic^tenb  unb  in  ber  ^l.  ©c^rift  felber,  ber  ©in^cit  bc«  ®louben^ 


eta^I  761 

unbcfd^abct,  gcßcnfä^Iid^c  £cl^rttoj)cn  bel^aitptcnb,  bic  gefamtc  Äird^enlcl^rc  afö  in  einem 
unauf ^örli^en  gluffe  begriffen  betrachte  unb  ben  ©c^lüfjel  jur  aSerftänbigung  ber  ©d^toefter- 
Iir(^c  in  bem  „funbamental  unb  nic^t  funbamental"  gefunben  m  ^aben  toä^ne.  3)a^ 
aOäal^re  an  ber  Union  fei  bie  innere  2ßertfc^ä|ung  ber  ©emeinfc^aft  über^auj)t  (!),  bie 
SBürbigung  ber  berfc^iebenen  ßigentümlid^feiten  öermöge  eine«  für  ba«  Dbjeftibe  aü^  ß 
mäl^Iid^  gereiften  ^iftorifd^en  ©inne«,  ber  eöangelifc^e  ©ebanle  Don  ber  unfid^tbaren  Äird^e, 
ba«  ginjte^en  atter  Äinber  ®otte«  für  bie  gemeinfamen  ©nabengüter  im  Jtamt)fe  gegen 
JRationali^mu«,  ?ßantJ>ei«mu«,  9JlateriaIi«mug,  ba«  SBJal^re  bie  grofee  "^ai^ad^t,  bafe  ®ott 
in  ber  ©egentoart  gleid^fam  auf  eine  SBeile  öon  feiner  bi^l^erigen  gü^rung  ber  Äird^e 
abgebrochen  unb  bon  5ßerfon  ju  ^erf on  in  ber  ©ecle  ftc^  lunbgegeben  ^abe,  unbelümmert  lo 
um  lutl^erifd^  ober  reformiert!  5)ic  toa^re  Äatl^olicität  aber  l^abe  an  ber  Union  nic^t  i^ren 
änfang,  fonbem  il^r  ©egenteil  ©.  466,  bie  eöangelifd^e  äDianj  öoDenbe  fei  bem  inter« 
lonfeffioneDen  grieben  fo  toenig  förberlid^,  atö  bie  ^cfuiten.  SBarum  ixb^f)aupt  eine  @ini« 
gung  nur  mit  ben  SReformierten,  toarum  nic^t  ebenfo  ein  95ünbni«  mit  ben  ©laubigen 
unter  ben  römifc^en  Äat^olÜen?  i6 

3)a«  93u(i^  fd^lie^t  mit  einer  5Ru§antoenbung  auf  bie  ))reufeif(i^e  Union.  3"^  S^^re. 
1817  fei  ^ier  eine  9efenntni«gemeinfc^aft  beabfw^tigt,  1834  ba3  f))egieHe  ^elenntni« 
h)ieber  freigegeben  unb  getoä^rleiftet  toorben.  ßiner  ©e))aration  muffe  man  fid^  entlf^alten, 
bamit  bie  lutj^erifd^e  Äird^e  nid^t  auf  öiele  üj^ren  ßinflufe  einbüße  unb  bamit  nid^t  bie 
2:rennung  jtüif4>en  Äird^e  unb  Staat  geförbert  lüerbe,  bringen  auf  eine  itio  in  partes  ao 
innerhalb  be«  Äirc^enregimentg  bei  93efenntni^fragen,  faDö  fic^  nid^t  ba«  3Sottfommcne, 
bie  ©lieberung  ber  Se^örbe  in  belcnntni^mä^ig  gefonberte  ©enate,  eneid^en  laffe,  bringen 
auf  ein  beftimmte«  Drbination^formular  ftatt  ber  toagen  SSerjjflid^tung  auf  bie  9e* 
lenntniigfc^riften  ber  ebangelifd^en  Äirc^e,  bringen  auf  bie  agenbarifd^e  ©))enbeformel  unb 

!h>ar  ate  auf  ein  gute^  ^td)i  unb  ni(^t  blof;  ate  auf  eine  SSergünftigung,  bringen  unb  25 
►eftel^en  barauf,  bafe  bie  3:eilna^me  ber  Sieformierten  am  lutl^erijc^en  äbcnbmal^l  nur 
eine  t^atfäd^lid^e  ©elüä^rung,  niemals  einen  grunbfä^Iid^en  änflprud^  bebeute.  ®r 
gefte^t  ju,  bafe  bie  Union,  nad^bem  fie  einen  fo  langen  3«itraum  tl^atfäd^lic^  beftanben 
pabe,  auc^  na^  red^tlic^en  ©runbfä^en  nid^t  ignoriert  toerben  fönne,  gleid^iDol^l  l^abe 
bie  lut^erifd^e  Äird^e  nid^t  burd^  einen  3llt  ber  ©taat^getoalt  aufgehoben  Serben  30 
Ibnnen. 

61S  ift  ^ier  nid^t  ber  Ort,  in  eine  eingel^enbe  93ef(3red^ung  be«95ud^e^  über  bie  Union 
einzutreten;  ©egenfd^riften  finb  Don  ©adt,  bon  3:^oma^  erfc^ienen,  jebe  Don  anberenSe« 
fid^t«))unften ;  im  ©runbe  ift  bag  frühere  3"liw^  3WüDerf4e  SBerf  „3)ie  Union  unb  il^r 
göttlid^e«  JRed^t"  in  ben  meiften  Partien  bon  ©tal^I  unbeft)rod^en,  in  faft  jeber,  toie  un«  35 
fc^eint,  unlDiberlegt  geblieben.  Sag  nqwxov  tpevdog  bei  ©ta^l  ift  eine  Überfj)annung 
be«  ©egenfa^eg jlüifc^en  £utl^erifc^  unb  Jleformiert,  er  unterfc^ä^t  bie  gemeinfame  SBur^el 
in  ben  großen  SR^fterien  1  3:i  3, 16,  fotoie  in  ben  beiben  reformatorifd^en  ^rinji))ien,  er 
fteigert  unb  überf>)annt  bie  d^ari^matifd^e  6l^aralterifterung  ju  einer  untoerföl^nlid^en  Diffe« 
renj  be«  ©eifte«  unb  ber  ©eifter.  40 

3)ie  bi«l(^erige  Darlegung  i)ai  bereite  ergeben,  bafe  ©tal^l,  toietool^l  30  ^af)xt  feinet 
öffentlichen  Seben«  l^inburc^  in  ber  ©ubftanj  feiner  Überzeugungen  immer  berfelbe,  bod^ 
nic^t  bon  ßinfeitigfeiten,  3wf>>i|wngen  unb  Überf})annungen  frei  geblieben  ift,  bie  ftc^ 
formen  mit  au«  feinen  J)arlamentarifd^en  Kämpfen,  an  erfter  ©teUe  au«  feiner  Suft  an 
i)ointierter  ©egenübcrfteDung  bermeinter  ober  tpirfli^er  ©egenfä^e,  —  materiell  aui  ber  46 
©e^nfud^t  na^  ©id^erung  be«  lirc^lic^cn  unb  ftaatlid^en  Seftanbe«  angeftd^t«  ber  1848er 
SReöolution  erflären,  bie  aber  oft  mit  feiner  urf))rünglid5i  milben  unb  eDangelifd^en  ^er- 
fönlid^feit  auffaHenb  lontraftieren.  ^mn  fo  fd^arfgefd^nitten  fein  ©efid^t,  fo  bli^enb  fein 
Sluge,  fo  fd^arf  unb  beftimmt  fein  SBort,  fo  fear  bod^  in  ©tal^l«  ©eele  (n)ie  in  feinem 
ilört)erbau)  ütoa^  3^^^/  3Rilbe«.  2)emut  rühmen  il^m  ^reunbe  unb  ©egner  nac^.  50 
„SRiemal«,"  fagt  fein  toieljä^riger  greunb  t).  ©erlad^  in  einer  ®ebäd^tni«rebe  (Serlin  1862, 
^einidte),  „f}ah^  id^  mitten  in  ben  ?ßarteifämj)fen  93itterfeit  ober  j)erfönlid^e  ©ereijtl^eit 
an  il^m  Wahrgenommen,  ©eine  Jg>altung  toar  mitten  im  ©lanj  ber  SBelt,  mitten  unter 
ben  ©d^tangentoinbungen  ber  jjolitifc^en  ^arteiläm(3fe  frei,  feft,  ebel.  3)ie  ^öc^ften  gbeale 
be«  Siedet«  unb  ber  ^^eil^eit,  ©lauben  unb  6inig!eit  erfüllten  feine  ©eele".  6in  l^in«  66 
gebunggöoDer  greunb  ben  greunben  (f.  j.  93.  ben  fc^önen  5Wad^ruf  an  feinen  il^m  tooran^ 
gegangenen  greunb  unb  Ram))fgenoffen  $ermann  D.  SRotenl^an),  mit  feiner  ©attin  in  ber 
glttdtlid^ften  ßl^e  lebenb,  feinem  Äönige  mit  l^ol^er  93egeifterung  ^uget^an,  berÄird^e  treue« 
©lieb,  gegen  9Jotleibenbe  barmberjig,  felber  fo  uneigennüfeig,  ba^  er  bei  feinem  mäßigen 
^rofefforengel^alte  brei  mül^etooue  ßl^renämter  ol^ne  jebe  Vergütung  übemal^m,  jüngeren  eo 


752  Sta^I  Staitcantd 

HRänncrn  ber  SBSiffcnfc^aft  ein  anregenbcr  %üf)x^x  unb  treuer  93erater,  —  fo  fte^t  Stobls 
Stlb  al^  ein  burd^au^;  eblei^  im  ©ebäc^tni^  ber  beutfc^en  ebangeltfc^en  Stirere. 

IRnboIf  fiigel  t 

Stattcarttd,  granciöcu«,  au«  5Kantua,  ge[t.  1574.  —   fitttcratur:    9iQ(6riditen 

6  über  i^n  bei  fiubienicjfi,  Hist  Ref.  Polon.  1,  V;  II,  VI;  Begenvolscius  (Wengierski)  Hi^ 
Eccl.  Slavon.  I,  84;  |)artfno(^,  ^reufeifc^c  Ä'.=®efd).,  I,  330  ff.  (fein  Wbfdiicbebricf  an  ixrjog 
$nbrcc^t  ebb.  ©.  344);  89ar)Ie,  s.v.  ©tancaruö;  SaloinÄ  ©ricfracc^fcl  im  CR  cnt^ölt  mändH» 
(ugl.  bcn  3nbc^):  bc«^fll.  3)aIton,  3o^.  a.  fiadco  (1881)  unb  SaSciana,  ^b  III;  Cri^omono. 
ed.  ÄorjcniotoSfi,  Ärafau  1891,  enthält  fecf)8  ©riefe  üon  @t.  qu^  3)u6ic(fo,  1500  f.  (®.  722  ji.) 

10  unb  einen  33rief  an  i^n  (@.  497).  S^ql.  ^^lancf,  <Prot.  Sc^rbcgr.  IV,  449 ff.;  $>cberlc,  Züb. 
3-  1840,  142  ff.  —  8cf)riften:  Fr.  Stancari,  Moutuani  Ebrcae  Grammaticae  Institutio, 
ßasileae  1547;  bc§f.  Ebr.  Gram.  Compcndium  (Bas.  1547);  be^f.  De  Trinitate  et  Media- 
tore Domino  n.  J.  Christo  adv.  Henr.  BulliDger,  Petrum  Märtyrern  et  de.  CalviDum  etc. 
ad  magnif.  Dom.  Nobiles  Polonos  (2)ebifation  ö.  1.  3uni  1561),  ent^altenb  aufecrbcm:  Ad- 

15  monitio  de  libris  Calvini ;  De  Dictione  exclusiva  'Tantum'  in  causa  Mediatoris ;  De  Offi- 
ciis  Mediatoris,  Pontificis  et  Sacerdotis  Domini  n.  J.  Christi  (batiert  Dubecii  1559)  unb 
*Examinatio  Pinczovianorum  super  Confessionem  fidei,  1561 ;  bcrf.,  De  Trinitate  et  Unitate 
Dei,  deque  incarnatione  et  mediatione  D.  n.  J.  Christi  adv.  Trideitas,  Arrianos,  Eutychiaiitf 
etc.   ad    magnif.    Dom.    Petrum  Zborovium  ...    A.  D.  1567.       (5ßorrebe     auS    ©tobni^ 

20  1.  s^jpi-ij  1567).    lieber  feine  weiteren  ©cftriften  ugl.  u.,  fotoie  ®c§ncr«  Bibliotheca. 

©tancarug  (Stancaro),  ein  3RitgIieb  ber  italienifd^en  (gmigration  im  Slefomiation^ 
ja^r^unbert,  l^at  in  fdjieinbarem  ®^Qm]a1i  gegen  feine  ©enoffen,  toeld^c  bic  Präger  b<i 
Unitari^mu^  toaren,  boc^  im  toefentlic^en  btefelben  gntereffen  toie  fie  toerlrctcn  unb  bamtt 
eine  getoiffe  Sebeutung  für  bte  Dogmcngefd^ic^te  gewonnen. 

26  SJBag  feine  äußeren  Sebcn^umftänbe  betrifft,  fo  finb  feine  früheren  ©«^idtfalc  bunfd. 
3la6)  ben  angaben  über  fein  älter  bei  feinem  3:obe,  bie  tuir  bei  Slegenöolfciu^,  fyau 
fnoc^  unb  93a^Ie  finben,  müfjte  er  ettoa  1501  geboren  fein.  5lac^  ©dplüffclburg  (Cata- 
logus  haereticorum  tom.  IX,  p.  38)  ^iclt  er  fid^  in  einem  Äloftcr  auf,  ol^ne  bafe  unl 
gefagt   h)ürbc,  n)elc^em  Drben   er  angehörte.    ^ebcnfaDö   fd^eint  feine  35orbUbung  ni(^l 

30  h)te  bei  ber  lDicf^rja|l  feiner  ©enoffen  urfjjrünglid^  eine  me^r  ^umaniftif(^e  gctocfen  ju 
fein,  ^ielmc^r  mac^t  er  feine  fj)e^ififc^  t^eofogifc^e  Silbung,  feine  ftenntni^  ber  gc^^ 
iaftiler,  h)ie  auc^  ber  ^cbräifc^cn  unb  ^albäifd^cn  ©j^rad^e  mit  Dftentation  gcltenb.  au(6 
feine  3Jietl^obe  erinnert  noc^  bielfac^  an  bie  ©d^olaftif.  ßr  beginnt  j.  S.  fein  2öer{  De 
Trinitate  mit  Definitionen  ganj  abftrafter  Segriffe,  um  barau^  bann  ©c^Iüffe  gu  Rieben. 

36  SKriftotele^  ift  i^m  Autorität  loie  ber  magister  sententiarum.  ^m  ^al)xe  1543  fii^cn 
h)ir  iF^n  nad;  be  ^orta  (Historia  Ref.  Rhaeticae  p.  89)  in  Gl^iabenna,  1546  in  Safcl, 
tüo  er  eine  ^ebräifd^e  ©rammatif  unb  anbere  ©c^riften  ^erau^giebt.  35on  jcjt  an  nimmt 
fein  üüUn  ben  G^arafter  ber  Unftätigfeit  an,  n)elc^er  jenen  italicnifdjien  Flüchtlingen  io 
eigentümlid^  ift.   gn  Äralau  h)urbe  er  al^  ^rofeffor  angeftettt  (f.  S3b  XV.  ©.  521»),  balb 

*o  aber  al^  Äe^er  gefangen  gefegt.  6r  enttoic^  unb  Ujurbe  im  3Rai  1551  an  bic  §od^f(buIc 
nad^  Königsberg  berufen.  §ier  tritt  er  atebalb  gegen  Ofmnber  auf.  ßr  fteüte  bcjiai 
93e^au))tung,  bafe  (i^riftuS  unfcre  ©ercc^tigfeit  fei  nac^  feiner  gijttlic^en  Dlatur,  bie  anbei« 
entgegen,  ba^  ß^riftuS  5DJittler  fei  nur  nac^  feiner  menfc^lic^en.  greilid^  biefc  S^cfe  traf 
eigentlich  ben  ©trcit})unft  gar  nic^t.    6s  ^anbelte  fic^  Cjianbem  gegenüber  ja  gar  nidit 

46  um  baö  2)ogma  bon  ber  ßrlöfung,  fonbern  t)on  ber  ^Rechtfertigung.  3)a^  religüjfe  3"- 
tereffc,  baS  ber  93eF)aut)tung  DfianberS  m  ®runbe  lag,  toar  ©t.  unberftänblic^.  SiirgenN 
tritt  uns  in  feinen  ©c^riften  eine  9lüctfi^tnal)me  auf  baS  fubjeltibe  ^etteleben  entgegen, 
fein  ©innen  ift  burc^auS  auf  bie  tl^eoretifc^en  Probleme  gerid[|tet,  treidle  bic  Irinitäts^ 
lef^re  unb  g^riftologie  barbot.    9)ie  übrigen  ©egner  DftanberS  mochten   i^m  bcnn  au* 

60  ju  fül)len  geben,  ba^  feine  SunbeSgenoffenfc^aft  iF^nen  toenig  tDillfommcn  fei.  ©c^on  am 
23.  2luguft  beSfelben  3«^tcö  forbert  er  benn  feine  (Sntlaffung  in  einem  trofeigcn  ©c^reiben 
an  bcn  ^erjog,  bann  ioanbte  er  fid;  nac^  Jranffurt  a.  D.,  too  er  bic  gleiche  ©tellung 
toie  in  Äönig^Jbcrg  crl^ielt.  3tIIctn  feine  ©c|>rift  Apologia  contra  Osiandrum  trug  ben 
©treit  auc^  auf  biefcn  neuen  ©c^auj)la$  über,     ^n  2)JuScuIuS  fanb  er    einen  ©egnet. 

66  3!)a  ber  5?urfürft  t)on  Sranbcnburg  einfc^ritt  unb  Sugen^agen  unb  3JleIanc^t^on  ^u  ^ilfe 
rief,  itjclc^cr  (entere  eine  Responsio  de  controversiis  Stancari  scripta  1553  erliefe 
(CR  XXIII,  ©.  87),  fo  itjar  bcS  SleibenS  für  biefen  9Kann  aud^  in  granffurt  nitbt 
lange.  (Sr  begab  fic^  nun  nac^  ^inc^oto  ju  bem  3)tagnaten  CleSnicti,  h)o  er  im  Sinne 
ber  ©d;ioeijcr  reformatorifc^  t^ätig  mar,  (Subinie^ti,  II,  6  p.  llGsq.),  bann  nad^  ©rcfe-- 

60  pokn  5U  bem  ©rafcn  Dftrorog,    unb   ba   fein   eigentümli^er  Se^rfa^  aud^  l^icr  änftofe 


Stancantd  763 

erregte,  nad^  Ungarn  unb  ©iebenbürgcn.  93ei  feiner  SRüdEfe^  nad^  ^inqoto  1558  traf 
er  ben  Ärete  öon  Sanb^leuten,  in  benen  toir  bie  Anfänger  be«  })oInifci^en  Unitari^mu^  ju 
fud^en  ^aben,  toor  allem  ben  el^emaligen  granji^faner  Si^manini  unb  ®.  Slanbrata 
(f.  b.  ä.  Sb  III  ©.  250  u.  ^eberle  a.  a.  D.).  Si^manini  l^atte  fd^on  infolge  ber  frül^eren  SJeri^anb^ 
lungen  mit  ©t.  auf  einer  ©^nobe  in  ©lomnidR  1554  ©utad^ten  toon  $ctru^  3Kart^r  6 
unb  Suflinger  in  3üri(^  über  bie  ^'^age,  ob  ß^ftu«  nur  nac^  feiner  menfc^Iid^en  9latur 
5KittIer  fei,  eingej^olt  211«  bal^er  nad^  be«  St.  SRücHe^  bie  grage  auf  einer  ©V"<>^^  ^" 
?Jincgoö  fofort  toieber  jur  Serl^anblung  lam  (£ub.  a.  a.  D.©.  117),  fo  tourbe  ber  ©treit 
balb  tpieber  über  bie  ^olnifd^e  ®reme  l^inau^etragen,  um  fo  me^,  aU  ©t.  eine  bialet 
tifd^e  @eh)anbtl^eit  enttDtdCelte,  toelc^e  feinen  @egnem'ben  Xrium))^  nic^t  leicht  machte,  lo 
SBergeben«  tourbe  ©^nobe  auf  ©^nobe  gehalten.  3)ie  toid^tigfte  ioieber  in  ^ßincjoto  1559 
(Sub.  a.  a.  D.  ©.  148),  too  bie  Äe^emamen  be«  Slriu«  unb  ©abelliu«  toon  ben  beiben 
Parteien  gegeneinanber  au«gefj)ielt  tourben.  3)er  ©u^)erintenbent  toon  5lleinj)oIen  gelij 
ßruciger  mufete  toieber  bie  §ilfe  öon  3^^^  ^"^  ®^f  i"  änfjjruc^  nehmen.  Saltoin, 
ber  too^I  füllte,  toie  er  l^ier  öor  einem  jd^toeren  Dilemma  fte^e,  toie  ber  brol^enbe  Uni*  15 
tari^mu«  eine«  Slanbrata  au«  einer  SJertoerfung  be«  ©a|e«  be«  ©t.  ebenfo  SJorteil 
giel^en  ioerbe,  ioie  eine  Billigung  be«felben  ben  o^nef)in  gegen  ®enf  erhobenen  SJorlourf 
be«  9leftoriani«mu«  be!räftigen  müfete,  anttoortete  in  einem  9lefj)onfum  ber  ©enfer  Stirere 
(TractatuB  theol.  p.  682)  unb  in  einem  toeiteren  ©d^reiben  o^ne  3)atum  (Epistolae 
et  responsa  p.  290).  3)ie  3titid^er  anttoorteten  injitoei  ©(^reiben,  einem  an  Srucigerao 
t)om  27.  aJlai  1560  unb  einem  an  etlid^e  j)oInifd^e  Magnaten,  3Kärj  1561  (beibe  bei 
S^ofd^otoer  1561  gebrudtt).  ©t.,  ber  ftc^  unterbeffen  ju  bem  iÖlagnaten  ©tabnidu«  toon 
Subie^f  ^urüdfgejogen  \)aitt,  fd^rieb  bagegen:  De  Trinitate  et  Mediatore  (f.  0.).  95ur(^ 
Softa«  ©imler  Itefen  bie  3^^^^  1^63  eine  Responsio  ad  maledicum  Francisci 
Stancari  Mantuani  librum  au«gel^en.  £i«manini  unb  ©tatoriu«  fc^rieben  gleid^fad«  35 
geaen  i^n,  le^terer  1561,  erfterer  1563  (Sandii  Bibl.  antit.  p.  35.  47).  ©t.  toanbte 
\xq  gegen  feine  antitrinitarifc^en  Sanb«Ieute  nod^  in  gtoei  toeiteren  ©c^riften:  De  Trini- 
tate et  Unitate  Dei,  1567  (f.  0.),  unb  in  einer  lürjeren  t)on  1568.  3)amit  fc^eint  ba« 
Sntereffe  benn  aber  aud^  ftd^  erfc^öpft  ju  ^aben.  ©r  fanb  etlid^e  3ln^änger,  befonber« 
ben  Stnbrea«  griciu«  (Sub.  a.  a.  D.  I,  1  ®.  19).  3lber  ber  ©treit  erlofc^  boc^,  mie  e«  ao 
fd^eint,  nod^  e^e  ©t.  1574  in  ©tobni^  bei  bem  genannten  36orot)iu«  ftarb. 

e«  ift  bereit«  barauf  ^ingetoiefen  toorben,  bafe  ba«  ^ntereffe,  t)on  bem  ©t.  bei  3luf- 
fteUung  feiner  bogmatifc^en  Se^aujjtung,  bie  fo  toiel  ©taub  aufwirbelte,  betoegt  toar,  fo 
toeit  toir  feigen  lönnen,  lein  frejififd^  reli^iöfe«  mar.  3"  '^^"^  f^i"^  ©d^riften  begegnet 
nn^  ein  ftlang  einer  ioärmeren  §erjen«tetlnal^me.  SBenn  er  fc^mä^t,  unb  er  t^ut  ba«  35 
reic^lic^  (f.  bie  3ufönintenfteIIung  öon  ©d^impfreben  in  ©imler«  Responsio  p.  46),  fo 
erfd^eint  e«  nid^t  al«  ber  @rgug  eine«  in  feinen  l^eiligften  Überjeugungen  geträntten  ©e- 
müt«,  fonbem  eine«  überreijten  ©elbftbemufetfein«,  ba«  burd^au«  Siecht  l^aben  unb  bie 
Xragtoeite  ber  eigenen  Se^auj)tungen  möglid^ft  ^oc^  tariert  toiffen  toiH.  3lAm  einer 
©ammlung  t)on  fie^ernamen,  bie  er  feinen  ©egnem  an  ben  Äo})f  toirft,  ftnb  e«  barum  4o 
t)or  allem  abfc^ä^ige  Urteile  über  bie  ®eifte«fräfte  unb  bie  Äenntniffe  biefer  ®egncr,  bie 
er  in  ber  berbften  äöeife  über  fie  au«giefet.  2tu(^  in  ber  2lrt,  Wie  er  ben  $etru«  Som^ 
barbu«,  in  bem  er  einen  ®etoäl^r«mann  für  feine  Se^auptung  gefunben  batU,  über  alle 
®ebü^r  lobt,  i^n  für  ben  größten  S^eologen  erflärt  neben  ben  ^l.  ©dpriftftettern,  ber 
me^r  toert  fei  al«  100  Sut^er,  200  SKelanc^t^one,  300  Sullinger,  400  ^eter  aWart^r«,  46 
500  ßalbine,  in  benen  atten  man,  toenn  man  fte  im  3Körfer  jerftiefee,  feine  Unje  toal^rer 
X^eologie  finben  mürbe  (Simler  a.  a.  D.  ©.  44*»),  jeigt  fic^  eine  Steigung  ju  ^arabojien, 
h>ie  fie  nur  bie  (Sitelfeit  einzugeben  pflegt. 

©0  l^eftig  ftc^  ©t.  gegen  einen  ®entili«,  Si«manini,  Slanbrata  ereifert,  bie  (Sjtreme 
be«  ©abetliani«mu«  unb  äriani«mu«  berühren  fic^  bod^  merltoürbig.  ^ni^m  ©t.  ben  so 
®ebanlen  ber  ^omoufie  in  feinen  legten  Jtonfequemen  geltenb  )u  mad^en  fuc^t,  l^ebt  er 
faftifc^  bie  SKenfc^merbung  auf.  ^n  feiner  ©c^rift  De  Trinitate  gel^t  er  t)on  einem 
®otte«begriff  au«,  ber  fo  abftratt  ift,  bafe  ein  fonfequente«  2)en!en  auf  J)ant^eiftifc^e 
Äonfequenjen  fommen  ju  muffen  fd^eint  (cf.  F.  C.  4*),  toie  benn  feine  Unterfd^eibung 
t)on  natura  naturans  unb  natura  naturata  an  ©cotu«  @rigena  antlingt.  3)tefe«  55 
göttliche  SBefen  fommt  nun  ben  brei  ^erfonen  in  ganj  gleicher  SBeife  ju.  ®ie  eine 
essentia  ober  substantia  ift  simplicissima,  indivisibilis,  maxime  propria,  non 
specifica  aut  generica,  immutabilis,  immultiplicabills,  incorruptibUis,  una  tan- 
tum  numero.  2)al^er  folgt,  bafe  bie  brei  ^crfonen  ber  ©ine  ®ott  ftnb  (a.  a.  D.  B  4,  a). 
S)er  Segriff  ber  ^erfon  in  feiner  Slnmenbung  auf  bie  ®ott^eit  lä|t  fid^  nid^t  toeiter  er$  eo 

fRtal*9nctittop&hit  ffir  Xl^eologie  unb  ttitdtt.    8.  9.  XVin.  43 


754  Stoncantd 

Hären,  ©t.  nintntt  biefe  Unterfd^icbe  t)on  9?alcr,  ©o^n  unb  ®eip  etnfa^  ald  fiegcboie 
auf.  6r  fud^t  fie  ntc^t  au^  bem  SBcfen  ®ottc«  abjulcitcn.  ©ein  Scftrcbcn  i[t  nur  ^ 
rauf  gerichtet,  ju  geigen,  bafe,  abgefe^en  bon  ben  $ro})rietäten  ber  einzelnen  ^crfrmcn, 
ber  paternitas,    filiatio,    Spiratio  passiva,    bie{e(6en  in   il^rem   ©etn    unb  Sitbi 

6  fc^Ied^terbing«  ibcntifc^  feien.  3)ie  Jtonfequenj  für  bie  G^riftologic  ift  bann,  bafc  bk 
3Kenf(^h)erbung  2^at  ber  gefamten  Srinität  ift.  9lur  bie  menfc^Iic^c  Statut  in  bem  @ott? 
menfc^en  ift  gefanbt.  35ie  göttliche  ift  bie  fenbenbe  (a.  a.  O.  F.  Hh.  2,  1),  ja  tücn 
ßl^riftu^  3;o  U  fagt,  bafe  ber  3Sater  !ommen  tüerbe,  um  in  ben  ©laubigen  gu  too^ 
fo  fönnte  man  nad^  ©t.  folgerichtig  auc^  fagen,  bafe  ber  SJater  gefanbt  fei.    ©o  ift  bov 

10  bie  incarnatio  im  altiDen  ©intt  ^l^at  ber  ^reieinigteit,  tpenn  aud^  ber  ©o^  otm 
ajlenfc^  getüorben  ift  (a.  a.  D.  F.  Kh.  3,  2).  ©arum  e«  gerabc  ber  ©o^  ttmr,  ber  \k 
menfc^lic^e  5Jatur  angenommen  l}ai,  bie«  tüirb  nic^t  toeiter  erllätt 

e«  ift  !lar,  bafe  mir  bamit  benn  auc^  ju  einem  neftoriomfc^en  ^uali^mit«  in  ©rijb 
gebrängt  finb,  ber  bie  unio  personaKs,    toelc^e  ©t  feft^alten   toitt,    böllig   enttocttai 

16  mufe.  Rann  er  un«  nic^t  erflären,  h)a«  bie  trinitatifc^e  ?Perfon  für  eine  33ebeutung  beben 
foll,  fo  bleibt  auc^  ber  Segriff  ^erfon  in  feiner  Äntoenbung  auf  ben  @ottmenf(^en  twlßg 
inl^alt^Iecr  —  Don  irgenb  toelc^er  realen  Sfbiomenfommunilation  fann  nic^t  bie  3lebe  fein. 
35ie  ijtüei  5Jaturen  fmb  in  ber  Xfyd  gtüei  felbftftänbige  SBefen,  bie  nur  burd^  ben  nkjt 
tüeiter  erllärbaren  Segriff  ber  ^erfon  miteinanber  berlnüpft  fmb.     ^ieraud  ergiebt  fi^ 

20  nun,  tpelc^en  ©inn  bie  Se^u))tung  be«  ©t.  I^atte,  bag  S^riftu«  nur  nac^  feiner  menf(^ 
liefen  9latur  SJlittler  fei  ©c^on  ba«  ift  bejeid^nenb,  bafe  ©t.  ben  9iamen  g^rifhi«  üIIcp 
^aupt  nur  auf  bie  menfc^lic^e  9!atur  belogen  toiffen  W'iü,  tpogegen  3^"^  ^^^  göttli^e 
beieic^nen  foH.  SBä^renb  bie  SBorte:  38ater,  ©o^n  unb  ®eift  nur  einen  92amen  bejcu^ea 
foUen,  toeil  nur  eine  ©ubftanj,   trägt  bagegen  jebe  ber  beiben  in  ber  ?Perfon  be«  inte 

26  nierten  ©o^ne«  Derbunbenen  iRaturen  il^ren  eigenen  9lamen  (a.  a.  D.  F.  S.  3,  1  ff.).  So^ 
ferne  nun  bo^  ßl^riftu«  ber  au^brud  für  bie  ganje  Seruf^fteUung  biefed  inforniectcB 
©o^ne«  ift,  tüirb  bamit  biefe  gange  Seruf^t^ätigleit  auf  bie  menfc^Iid^e  ©eite  übertrogai 
3n  ber  3:^at  toirb  gum  SKittlergefc^äfte  auc^  über^auj)t  atte«  3:]^un  be«  infomicrto 
©otte^fo^ne«  gered^net,  ba«  docere  fo  gut  al«  ba«  satisfacere.    fSienn  bie  mittlcrifi^ 

8o2^ätig!eit  ber  göttlid&en  9Jatur  bejh).  bie  Beteiligung  ber  le^tercn  an  biefer  3:^ätigfrt 
bertDorfen  h)urbe,  toeil  baburc^  bie  divinitas  in  servilem  conditionem  ^erabgdyrü(6 
toerbe,  fo  ift  ja  Ilar,  bafe  mit  biefer  ©intoenbung  bie  SKenfc^tperbung  felbft  geleugnä 
tüirb  im  ^Srinji}),  noc^  mel^r,  toenn  bel^aujjtet  h)irb,  bafe  bamit  bie  ^ßerfonen  in  bei 
2rinität  getrennt  hjcrben,  bann  fmb  bie  Äonfequenjen  ber  assumptio  burd^  ben  Sota 

86  negiert,  benn  biefe  assumptio,  toenn  fie  emft  gemeint  fein  foH,  toäxc  ja  bod^  imma 
auc^  eine  personalis  operatio.  Umgele^rt  h)ie  ©t.  mit  Vorliebe  bie  ®inh>cnbung  maife, 
ba|,  eine  fold^e  Beteiligung  ber  göttlichen  9Jatur  borau^efe^t,  ber  ©o^n  fein  eigcmr 
ÜKittler  toerbe,  ift  ja  flar,  bafe  biefe  menfc^lic^e  ?latur  atö  ©ubjelt  ^ebad^t  ift,  ba^  in 
t)erfönlici^er  ©elbftftänbigfeit  biefer  mit  ber  eigenen  ^erfon  bod^   öerbunbenen   göttliia 

40  3Ratur  gegenüber  gebad;t  toirb,  tüie  benn  ja  auc^  ©t.,  freilid^  im  Slnfc^Iufe  an  bie  fiiA^ 
liefen  fie^rbcftimmungen,  bie  beiben  3Bitlen  in  bem  ©ottmenfd^en  betont  unb  unabbängi^ 
boncinanber  irirfen  läfet.  3!)amit  l^at  er  benn  beutlic^  genug  bie  Jjerfönlic^e  6inW 
burc^fc^nilten.  ^ft  enblic^  bie  ^^^üdfü^rung  ber  mittlerifc^en  SBirffamfeit  auf  beibe 
9Iaturen  nad;  feiner  3lnftc^t  eine  Sermifc^ung    ber  le^teren  untereinanber,    fo    ift  bamö 

4ö  aud?  auebrüctlid^  au^gefproc^en,  ba^  bie  9?aturen  in  SBal^r^eit  ^erfonen  finb  (t)gL  bk 
3u{ammenftcIIung  ber  bier  Strgumente  bc^  ©t.  bei  ©imler  a.  a.  D.  ©.  6).  greilid^  toifl 
er  boc^  tüicber  nic^t  fc^lcd)t^in  eine  3Jltth)irfung  ber  göttlichen  5Jatur  audfc^lie^en,  ba  ja 
fonft  all^u  !lar  ber  gan^e  3öert  ber  9Kenfci^h?crbung  aufgel^oben  Ipöre.  älQein  biefe  Söt- 
tüirfung  beftcbt  bod^  nur  barin,   bafe   bie  ganje  Srinität  autor  unfere^  ^eite  ift,  bei 

60  5Wenfc^  ßl^nftug  aber  ba^  Organ  unb  ber  3JJittler,  burc^  toelc^en  bie  3:rinität  und  dö? 
(de  Trin.  F.  T.  2,  b).  ^n  biefem  homo  Christus  l^at  fic^  bie  Äonfequenj  boUcnbl 
ööUig  »erraten.  3^ie  ©ottmcnfd^^eit  h)irb  gur  SKirhmg  ber  irinität,  tpelc^e  nur  ba 
3Ramc  für  ben  einheitlichen  (Sott  ift,  auf  ben  5Wenfc^en  ß^riftud. 

I)cr   lutberifc^c  i>erfuc^,   bie  ß^riftologie   burc^   naivere  Sludfül^rung    ber  Sbiomoi^ 

56  foininunifation  fort^^ubilben,  fanb  folc^en  unitarifd^en  unb  neftorianifd^en  Äonfequcn^ 
gegenüber  feine  9iccl>lfertigung  unb  ertoic^  fic^  aud^  atö  toirflid^  toertöoHe  33aft^  be5 
Kampfe^,  atufeer  5JJcland)t^on  in  ber  ermähnten  Responsio  bom  ^al^re  1553  babcn 
nacf)träglic^  3Biganb  in  einer  ©c^rift  de  Stancarismo  1585  unb  ©d^lüffelburg  in 
feinem  Catalogus  haeretieonim  bom  lut^erifc^en  ©tanb})un!te  aud  fic^  mit  ber  3Sib«» 

60  legung  biefer  §ärefie  befaßt.  (D.$.®i^«ibtt)»e«T«ti. 


statte  S^rtflt,  iüpptUtt  755 

Staub  Qifviftt,  bo})J)cIter.  —  «ufecr  bcr  ^um  ^rt.  ,,^cnüfi^"  SBb  X,  246  citicrtcn 
fiittcratur  unb  bcn  ^ii'torif(^cn  ^arftcttungen  bcr  lut^crljctien  unb  reformierten  ^ogmatif  öon 
®4mib,  8(^tDeiicr  unb  ©cppc  tft  ^crQU^i^u^cben:  ©brorb,  S^riftltcöe  S)09mQtif  S3b2,  i^önigä* 
bcrg  1852;  $()iüppü  ÄircftUcftc  ®Iaubcn«Ic^re  3.  9(up.  a3b  4,  mtex^loi)  1885;  g.  Äöftlin, 
fiut^cr«  X^eülogic,  2.  §luf(.  1901.  5 

Son  einer  (Smiebttgung  unb  Srl^ö^ung  ßl^rtfti  ^at  ber  d^rtftlid^e  ®lau6e  immer 
gerebet,  tüenn  et  bie  irbijc^e  (Srfd^einung  ^t\u  einerfeitö  mit  ber  ©ein^tüetfe  be^  pxä^ 
esiftenten  Sogo^,  anbererfeit^  mit  ber  gegenwärtigen  SEBelt^errfd^aft  be«  9JlittIer«  in  Ser* 
glcid^  [teilte.  ®ie  %oxmA  toom  bojjpelten  ©tanbe  ift  aber  erft  im  3ufammenl^ange  mit 
Scr  beftimmten  Deutung  geragt  tüorben,  ipelAe  Sutl^er  unb  bie  an  il^n  angejc^loffene  lo 
d^riftologifd^e  2^eorie  ber  gnfamation  gab.  Sieben  unbefangenen  bibUfc^sanfci^aulic^en 
äu^fagen,  bie  fic^  mit  ber  attgemein  geläufigen  SRebelpeife  bedten  (Sut^er  ju  ^o  14,  20: 
631  49,  p.  181:  „®er  ©ol^n  lommt  Don  bem  SJater  herunter  ju  un^  unb  Ränget  fid^ 
an  un«,  unb  loir  Rängen  mieberum  un«  an  \i)n  unb  lommen  burd?  il^n  jum  aSater."  Sllfo 
cbenfo  ipie  j.  93.  93eja,  Conf.  Christ,  fid.  1560,  III,  24:  Venit  in  terrae  Christus,  is 
ut  DOS  in  coelum  eveheret)  ergiebt  fid^  au«  bem  bogmatifc^en  ©ebanfen  ber  Un« 
Joeränberlid^feit  ©otte^  unb  au^  ber  Übertragung  göttli^cr  (Sigcnfc^aften  auf  ß^rifti 
tnenfd^lic^e  SRatur  eine  ^Terminologie,  bie  in  bem  irbifc^en  fieben  be^  ©rlöfer«  für  bie 
nid^t  ol^ne  tocitere«  gegebene  menfd^lid^e  6nth)idfelung  erft  burd^  einen  befonberen  „©tanb 
ber  emiebrigung"  Snaum  fc^affen  muj.  3)ie  3"*öi^ötiö"  bebeutet  banad^  nid^t  ein  20 
mrobfteigen  be«  Sogo«,  fonbem  eine  ©r^ebung  ber  jur  innigften  33erbinbung  auf^ 
genommenen  menjd^Iid^en  9latur.  SBenn  Sut^er  ^l^i  2,  6  ff.  ate  ©ubjeft  ber  ©elbft« 
entäu^enmg  öon  je^er  nic^t  ben  ^jräe^ftenten,  fonbem  ben  irbifd^en  Gl^riftu«  backte,  fo 
mag  t^n  baju  au^  bie  erbaulid^e  SJertoenbbarleit  be«  menfc^Iic^en  SSorbilbe«  ^erablaffen^ 
ber  2)emut  gefüljnrt  ^aben  (SJaftenjjrebigt  toon  1518,  2ß2l  I,  268,  39 ff.  269,  18 ff.;  25 
Äird^en})oftiIIe  (gä  S\  168:  „S)afe  S^riftu«  l^abe  ftc^  felbft  geäußert  ober  entlebigt,  ba« 
ift,  er  l^aBe  ftd^  aefteQet,  old  legt  er  bie  @ottl^eit  t)on  ftd^  unb  Sollte  berf eibigen  nid^t 
brauchen  nod^  fiep  unterminben:  nid^t  ba|  er  bie  @ottl^eit  ^ätte  ober  lönnU  fte  ablegen 
unb  megt^un,  fonbem  bafe  er  bie  ©eftalt  göttlicher  üKajeftät  f^ai  abgelegt  unb  nid^t  ®ott 
gebal^ret,  tüie  er  boc^  ma^rl^aftig  toar"),  —  aber  ber  bogmatifd^e  ©runb,  ntit  iüeld^em  90 
bie  3Rögli(^feit  be^  anberm  SJerftänbnijfe«  unbebingt  abgelel^nt  tüirb,  liegt  in  bem  ©a§e 
(de  dupl.  just.  1519,  35521 II,  147,  38 f.):  Forma  Dei  hie  non  dicitur  substantia 
Del,  quia  hac  Christus  nunquam  se  exinanivit.  3)eutlid^er  (3Beil^na(^t^j)rebigt 
1522  über  ßbr  1,  Iff.,  621 7^  195):  „®öttlic^  91atur  mag  ipeber  geniebert  noc^  erl^öl^et 
toerben."    3Wit  ber  ^n'^rnation   ift  bie  ßr^ö^ung  ber  menfc^lic^en  9Jatur  ju  göttlicher  ss 

terrlic^fett  ein  für  aUemal  toottenbet  (®2l  7\  195.  206:  „2Bir  muffen  glauben,  bafe 
l^riftu«  nic^t  allein  ift  nac^  ber  ©ott^eit  über  alle  3)ing,  fonbem  aud^  nad)  ber  3Kmfd^= 
l^eit."  „3"0l^i^  ^  angefangen  SKenfA  ju  iperben,  ^at  er  aud^  angefangen,  ®ott  ju 
fein").  2ä^t  fic^  biefe  2lbftraftion  aud9  nic^t  immer  feftl^alten  (fo  bofe  e«  gelegentlich 
auc^  Reifet,  Sl^riftu«  ^abe  erft  „nac^  feiner  Sluffa^rt"  angefangen,  jur  Stec^tm  ®otte«  ju  40 
fteen:  „juöor  l^at  bie  aWenf^l^eit  attba  nic^t  gefeffen".  62147,  177),  fo  liegt  fie  bod^ 
aum  gefliffentlic^  bogmatifd^en  2lugfagen  ju  ®mnbe  (©ermon  bon  bem  ©afr.  1526; 
gB2l  XIX,  491,  17.  29):  „SBir  glauben,  bafe  ^efu«  ß^riftu«  nac^  ber  3Kenfd^^eit  fei 
gefegt  über  alle  Äreaturen  .  .  .  ®afe  er  aber  teiblid^  hinauf  genommen  ift,  ift  gefd^el^m 
be«  ^um  gßa^rjeic^en"  (1543,  m  2  ©a  23,  Iff.,  621  37,  33:  „9iac^  ber  jeitlic^en,  menfc^--  45 
lid^en  ®eburt  ift  i^m  aud^  oie  etüige  ®etüalt  ®otte^  gegeben  .  .  .  3)at)on  rebet  er 
ÜJlt  11:  .  .  .  2)a  ic^  3Kenfd^  marb,  ^ab  id^  fie  jeitlid^  empfangen  nad^  ber  3Kenfc^beit, 
unb  ^eimlic^  gel^alten  bi«  auf  mein  2luferfte^en  unb  2luffal^rt,  ba  e«  l^at  fotten  offenbart 
unb  toerfläret  irerben").  SRammtlic^  Srenj  (de  personali  unione  duarum  natu- 
raram  1561,  p.  923, 1018, 1041;  bgl.  barüber  unb  über  bie  mafet)olIcre  Haltung  be^w 
9K.  e^emni^  S3b  IV,  257,  9  ff.)  pflt^U  ju  betonm,  bafe  bie  ipirllic^e  ascjensio  bereit« 
bei  ber  3Kenfc^toerbung  gefd^e^en,  h)a«  bann  in  bie  Jtonforbienformel  überging  (Sb  X, 
261,  12  ff.). 

3)a«  Seben  3^w  i"  ben  ®renjm  einer  menfd^lid^m  ©nttoidfelung  ml^t  alfo  auf 
ienem  2Ht  ber  ©elbftbefc^ränlung  be«  ®ottmenfcl^m  —  nid^t  be«  Sogo«  —  ber  ^f^i  2  66 
Befd^rieben  fein  foH:  fo  lommt  ber  Status  exinanitionis  ju  ftanbe.  2)ie  Sr^öl^ung 
ober,  mie  ©rem  mit  Vorliebe  fagt,  bie  „aWojeftät"  ßl^rifti  ipar  felbfttjerftänblid^  gegebm: 
ba«  ^Problem  ift  ba«  3"Pö"i>^tommen  ber  ßmiebrigung.  5Die«  brüdtt  fic^  auc^  in  ber 
S^atfad^e  au«,  bafe  bie  gormel  öom  Status  exinanitionis  (Äonforbienformel  R  608, 11: 
767,  25.  26)  guerft  get)rägt  lourbe  unb  fc^on  bei  53renj|  geläufig  ift,  ipä^renb  man  nody  eo 

48* 


756  etOBk  atftVfii,  io^in 

geraume  ^^\i  nur  allgemein  t)on  S^rifti  (Sr^ö^ung,  ^errlic^Ieit  ober  ÜRajeflät  f^. 
^ie  Jtontorbienformel  gebraucht  ben  ^ermmud  „Status"  exaltationis  nod^  nic^t  (cMo 
6^emnt$;  de  duabus  naturis  in  Christo  1580,  ber  cp.  32  f.  in  bte  bd  ber  3Renf(^ 
Werbung  DoQ^ogene  exaltatio  humanae  naturae  nur  ein  tempus  ezinanitioiiis  an-' 
6  jeic^net):  benn  mit  ber  Sluferfte^ung  ober  Himmelfahrt  beginnt  nic^  m  SE3irflt(^to  ein 
neuer  „©tanb",  fonbern  nur  eine  neue  erfc^einung^toeife  ßl^rifti,  unb  ein  bogwotijil 
tonfequenter  @ebrauc^  bed  älu^brucf^  für  ^efu  (Srbenleben,  tpelc^ed  ja  jugleid^  hutäi  bin 
Status  exinanitionis  au^efüQt  tpar,  lonnte  nic^t  mo^l  in  f^age  tommen.  ^Cer  ifx^ 
minu^  ift  alfo  auf  lutl^erifc^em  Soben  über^u))t  nic^t  aud  ber  &adfe,  fonbern  nur  aai 

10  bem  93ebürfni^  formaler  3(bgleic^ung  entftanben,  bem  bie  ^ogmatifer  erft  fe^  ollmä^IiA 
nachgaben,  ßafenreffer  (Loci  theol.  1600)  ift  biellcic^t  ber  erftc,  ber  gerabqu  bie 
,,6tänbe"  bifferen^iert,  aber  noc^  mit  feinem  ®efü^l  für  ba^  im  Stammen  feiner  2ete 
it)eife  S^I^ff^d^  ^^"^  status  exinanitionis  ben  Status  glorificationis  feit  ber  Ssf^ 
erfte^ung  (bie  Höllenfahrt  fc^eint  überfe^en)  unb  majestatis  feit  ber  Himmelfahrt  geg» 

16  überfteQt  unb  babei  au^brüdlic^  bemertt,  ba|  ed  ftc^  '^^^M'^  ^^  ^'^  plenaria  usurpatio 
ber  feit  ber  ^«fötnation  bem  SRenfc^en  3^"^  eignen  ^ajeftät  l^nble. 

3)ie  au^ebilbete  Se^re  t)on  ben  beiben  @tönben  giebt  am  au^fü^rüc^ften  ^o^.  Sei: 
^arb  (Loci  theol.  IV,  14  §  293 ff.):  Gommunicatio  divinarum  idiomatum  facti 
est  in  primo  incarnationis  momento,  sed  plenam  eorum  usurpationem  distolit 

20  Christus  in  suam  ad  coelos  ascensionem  et  ad  dextram  Dei  collocationem; 
inde  promanat  distinctio  inter  statum  exinanitionis  et  exaltationis.  3f^  ^^  ^ 
sensu  ecclesiastico  b.  1^.  im  6j)ra(l^gebrauci^  ber  3Säter  t)on  einer  Smiebrigung  W 
Sogod  bie  Stebe,  qua  se  inclinavit  ad  miserandum  nostri,  fo  ^nbelt  e^  ftd^  bo(| 
in  sensu  biblico  b.  1^.  in  ber  bogmatifc^en  äSertoenbung  t)on  ^^i  2  um  bie  ßenofc  ^ 

26  bort  ,,3efud  S^riftu^''  genannten  ©ubjeft^,  alfo  bed  Xoyog  incarnatus :  humiliatio 
proprie  sie  dictia  simplici  Deitati  asscribi  nequit,  infert  enim  quandam  moti- 
bilitatem  naturae  humiliatae  (§  294  bgl.  302).  ^ft  c^  alfo  bie  menfd^lic^  92atm, 
bie  fid^  ber  bermöge  ber  unio  personalis  em))fangenen  forma  Dei  entäußert,  fo  lans 
boc^  auc^  bei  biefer  toon  einem  toirllid^en  älbftreifen  ber  i^r  foeben  beigelegten  göttlich 

ao  Sigenfd^aften  nic^t  bie  9lebe  fein  (§  303):  exinanitio  non  est  omnimoda  carentii 
vel  absentia  .  .  .  Deitatis  ae  communicatae  cami  majestatis,  sed  retraetk) 
usus  et  intermissio.  Sem  entf))re(^enb  bringt  ber  Status  exaltationis  nic^t  erft  bie 
^Mitteilung  ber  göttlid^cn  SKajeftät  an  bie  menfc^lid^e  9latur,  fonbern  nur  beren  ple- 
narius  usus,  in  bem  bie  forma  servi  nunmel^r  abgelegt  toirb  (§311^  298;  Äonforbic^- 

86formcl  R608,  16). 

3)ie  aSorftellungen  über  bie  SBeife,  in  meld^er  ber  ©ottmenfc^  ipäl^renb  feinet  ©rbob 
lebend  feine  SKajeftät  ;|urüdjog,  blieben  junäd^ft  noc^  unbcftimmt:  ber  in  txi 
Äonforbtenformel  nur  leife  jugebedte  ®egenja$  gmifc^en  bem  frefulatiö^fonfequenta 
Srenj   unb  bem   })raItifci^'öorfi($tigcren  6^emni$   lebte  feit  1616    in    bem    Streite  bei 

40  Tübinger  unb  ©iefecncr  über  blofee  xQvipig  ober  mirflic^e  xevcoaig  ber  göttlichen  6igm= 
f^aften  toieber  auf  (Sb  X,  261  f.).  3!)ic  allgemeine  SJorau^fe^ung  ber  lutberifcbat 
Drt^obojic,  bafe  bie  mcnfc^Iid^c  5Jatur  feit  ber  ^nlotnation  in  beiben  ©tänben  im  unot^ 
lö^lid^en  93cfi^  ber  mitgeteilten  göttlichen  (Sigenfc^aften  bleibt,  h)orin  eben  ber  SBert  ibm 
assumptio   für   unfere  ©rlöfung  ru^t,   ftcl()t    beiberfeit^   feft:   nur  ba^    SJerl^ältni^  ber 

45  possessio  jur  faftifd^en  usurpatio  toirb  berfd^ieben  beftimmt. 

3!)ie  Slbgrenjung  ber  beiben  Stäube  innerl^alb  be^  Sebeng  ^^\u  ift  ftereot^p  unb 
getoä^rt  nur  bej^ügli^  be^  2lnfang^pun!teg  ein  cttoa^  gröfeere^J  S^^^^fl^-  3öönn  beginnt 
ber  Status  exinanitionis  ?  Sut^er^  aufd^aultc^-erbauli^e  älu^beutungen  k>on  $bi  2 
legen  ben  ©ebanlen   nal^e,   ba^   bie  (Sntäufeeruug   ein  faft   nac^toei^barer  Slft    ober  ein 

60  ftänbigc^  betoufetc^  35erl)alten  be^  ©ottmenfd^en  ioäl^renb  feinet  bemütigen  ©rbemwuibdl 
toar  ((S2l  8^  169:  „SDurc^  bie  ©eburt  öon  TOaria  toarb  er  ein  natürlid^  aJlenfc^,  ober 
ba  ^ättc  er  nod^  möc^t  in  berfelben  5Kenfc^^eit  fic^  über  alle  3)lenfd^en  ergeben  unb 
niemanb  bienen.  2)ag  aUe^  liefe  er  unb  ioarb  toie  ein  9Jlenfc^"):  bie  cx»nceptio  broitc 
ziWa  bie  ßr^cbung  ber  menjc^lic^en  9Jatur  gur  göttlid^en  Wajeftät,  unb  erft  banad^  be-- 

66  gönne  bie  betoufetc  ©elbftbejc^ränfung.  2)ie  3!)ogmatifer  treiben  ben  ©ebanlen  jAwb 
toeiter  unb  laffen  ben  ©tanb  ber  (Srnicbrigung  bereites  mit  ber  ®mj)fängnid  beginnen 
(@er^.  §  304:  Status  exinanitionis  incipit  in  primo  incarnationis  momento  et 
durat  usque  ad  tempus  sepulturae  inclusive).  35a  bie  (Smiebrigung  aber  nic^t  in 
ber  3lnna^me  ber  mcnfd^lic^en  9Jatur,  {onbern  ber  forma  servi  befte^en  foH,   toirb  bie 

60  5J{enJc^h)erbung  an  fic^  öon  i^rer  unangemeffenen  gorm  unterfc^ieben:   bie  3«^"^^^ 


6tattb  aiixifki,  hüppüitt  757 

be^  Sogod  tft  Ictne  (Smtebrtgung  be^felben,  fonbern  eine  exaltatio  naturae  humanae; 
bagegen  tft  bie  (Sm))fängntd  ber  erfte  3(It  ber  (Smiebrigung  bed  ©ottmenfc^en  (@er^. 
§  304:  Distinguendum  inter  incarnationem  et  incarnationis  modum.  Potuisset 
Dei  fUius  immediata  creatione  humanam  naturam  formare  eandemque  in 
personae  unitatem  assumendo  homo  fieri  .  .  .,  sed  propter  nos  et  nostram  6 
salutem  non  solum  homo  fieri,  sed  etiam  ex  nostra  carne  humanam  naturam 
asBumere  et  infirmitatibus,  quae  in  conceptione  ac  nativitate  infantulis  acci- 
dere  consueverunt,  sponte  seipsum  subjicere  voluit).  Sicjie  logtfd^e  Siftinttion 
befeitigt  boc^  nid^t  ben  SKJtbcrfi)ru(^,  bafe  ber  ©ottmenfci^,  ber  im  3Komente  ber  Äon* 
jej)tion  erft  entfielt,  jugleic^  biefcn  SKoment  ate  erftcn  feiner  (Smiebrigung  beh)irfen  foll:  lo 
barin  offettbart  ftc^  nic^t  fj)efulatit)er  S^ieffmn  (©d^necfenburger  p.  18  ff.)/  fonbern  eine 
Äonfequenj,  beren  3lbfurbität  bie  ganje  fd^olaftifc^e  Se^rform  f})rengen  mu|.  —  ®er 
@tanb  ber  (Srl^öl^iutg  beginnt  mit  ber  Höllenfahrt  ate  bem  Xrium^^  bed  mit  Seib  unb 
©ecle  in  ber  ^5IIe  erfd^einenben  ©ottmenfc^en  über  bie  2:eufel.  3)afür  lann  auf  bie 
S)arfteIIung  S3b  VIII,  203 ff.  t)erh)iefen  toerben.  9la(l^^utragen  ift  nur,  ba|  neben  i5 
Slet)inu«  (S3b  I,  230,31  ff.)  auc^  ber  (Stuttgarter  §of)[)rebiger  gol^ann  ^Parfimoniu«  feit 
1565  eine  f))iritualifterenbe  Snftc^t  geäußert  l^atte:  bie  ^öQenfa^rt  bebeutet,  ba^  (Sl^ftud 
bei  Sebjeiten  bie  ©d^mer^jen  ber  ^öDe  erbulbet  l^abe,  fie  gel^ört  alfo  ju  feinem  fieiben. 
®iefe  Der  reformierten  Drt^obo^te  ungefähr  entf^red^enbe  Deutung  tpurbe  burc^  ben 
9.  ärtüel  ber  Äonforbienformel  enbgiltig  befeitigt  (©enauere«  bei  fjrani,  Sü^eologie  ber  20 
Äonlorbienformel  III,  421  ff.). 

gür  bie  reformierte  S^eologie  befi^t  bie  Seigre  bom  bo})})elten   ©tanbe  eine  fel^r 

Seringe  bogmatifc^e  2^ragh)eite.    ®a  man   toiel  Weniger  ben  bogmatifc^en  ©a$  toon  ber 
Inüeränberlid^Ieit  @otte^  aU  bie  praltifd^^biblifd^e  älnfc^auung  ber  ti)a^r^aft  menfc^Iic^en 
@nth)id(e(ung  ^efu  t)or  ä(ugen  l^atte,  lonnte  man  bie  9tebe  t)on  einer  (Smiebrigung  Sl^rifti  25 
im  aUgemeinften  ©inne    aufnel^men  unb  eine  h)irfli(^e  6r^ö]^ung   ftc^  baran  fc^Iiefeen 
laffen.    Dl^ne  ben  aSoraang  ber  lut^erifd^en  Gj^riftologie  freiließ   toürben  bie  au^  ^f^x  2 
entlehnten  gormein  auf  reformiertem  Soben  nie  eine  befonbere  SRotte  gefj)ielt  ^aben:   ed 
ift  aber  d^arafteriftifc^,  ba^  e«  toal^rfd^einlid^  bie  reformierte  Il^eologie  getoefen  ift,  toeld^e 
bie  übernommene  formet  t)om  Status  exinanitionis  burc^  ben  Status  exaltationis  ah  ao 
runbete,  ber  in  i^ren  SRal^men  toeit  bcffer  pa^t  afe  in  ben  lutl^erifc^en.   ©0  t)iel  ic^  fel^e, 
begegnet  bie   fertige  SRebe  toom  status  duplex    juerft  bei  bem  Semer  Sucanu«,   In- 
stitutiones  theologicae   1602,  unter  ben  Sut^eranem  mo^I  bei  @er^arb   (alfo  balb 
nad^  1610,  mäbrenb  ^utter«  in  biefem  ^a\)xt  erfc^ienene«  Äomj)enbium  ftc^  nod^  auf  ber 
©tufe  ber  Äonforbienformel  l^ält),  ber  aud^  fonft  bie  Stnlei^nung  an  reformierte  gormein  85 
nic^t  toerfc^mä^te  („testimonium  Spiritus  Sancti  internum"  unb  S3b  VIII,  737, 42  ff.). 
aSa^  aber  Sucanu^  unter  biefem  litel  bietet,  ift  eine  ungefähre  Sef^reibung  be«  Seben« 
ß^rifti  unter  biefem  bot)j)elten  ©efid^t^^junft,  o^ne  atte  bogmatifc^e  ©d^ärfe,  toie  fie  ä^n« 
lic^  unb  nur  aufgeführter  fpäter  bie  SBeftminfterfated^i^men  geben  fonnten  (Ä.  3JlülIer, 
SBelenntniefd^riften  617,  38 ff.;   nic^t  aber  bie  SBeftminfterfonfeffion,   bie  alfo  mit  bem  40 
erbaulichen  ©d^ema  bogmatifc^  nid^t«  anzufangen  mufete). 

93ei  bogmatifc^er  Slugfül^rung  ber  reformierten  ©tänbele^re  ift  bor  allem  )u  betonen, 
ba|  ate  ©ubjelt  ber  5ß^i  2  befd^riebenen  fienofe  ber  2ogo^  gilt,  ©ä^e,  toel^e  bie  Un« 
beränberlid[^feit  ®otted  Dergeffen  ju  l^aben  fc^einen,  ftnb  ^äu^,  jumal  teine  Übertreibung 
ber  communicatio  idiomatum  bie  Unbefangenheit  ftört  (B^^ingli,  de  vera  et  falsa  45 
rel.  Opp.  ed.  ©c^uler  III,  186:  Christus  coelo  delapsus  dignatus  est  formam 
nostram  assumere.  Galv.  Inst.  II,  1:  nisi  majestas  ipsa  Dei  ad  nos  de- 
Bcenderet,  .  .  .  ascendere  nostrum  non  erat.  Ursinus,  explic.  cat.  pal.:  Divi- 
nitas  descendit  1.  e.  patefecit  se  in  loco,  ubi  ante  se  non  patefecerat.  ^a^xx 
Sb  X,  257,  60  ff.).  3"  t)^antafiet)otter  3lnfdS>auli(^feit  l^aben  befonber«  Dleöian  unb  bie  so 
ßoccejaner  ben  ©nabenbunb  auf  ba^  öorjeitlic^e  pactum  jtoifd^en  ®ott  unb  feinem  ©ol;n 
aU  unferem  Sponsor  jurüdtgefü^rt,  in  beffen  golge  fic^  biefer  au^  bem  $immcl  ^u  un^ 
begeben  mufete  (ßq)J)e  p.  268  ff.).  35rol^t  nun  ba^  unbeftrittene  2)ogma  ber  Unberänbers 
li($teit  göttlicher  9latur  biefe  lebenbige  i^erablaffung  )u  burd^heujen,  fo  mäßigt  man  ettoa 
ben  2lu^brudE  (SKaftrid^t,  Theoretico-practica  theologia  1699,  p.  491:  aeternus  Dei  66 
filius  Creator  omnium  quasi  f actus  est  in  tempore;  .  .  .  quasi  occultatus  est 
in  carne)  ober  ^ilft  fid^  lieber  mit  bem  §intoei«  auf  bie  burc^  bie  ^nfamation  nic^t 
befc^räntte  greil^eit  bei^  bimmlifd^en  Sogoi^,  afö  bafe  nian  bie  toal^re  auffteigenbe  (Snts 
ipidtelung  be^  mit  ©otteei  ®cift  gefalbten  9Jlenf(^en  3efu«  fd^mölerte,  in  beffen  ^erfon 
bod[^  ®ott  al^  (Srlöfer  erfc^eint  (Galv.  Inst.  I,  2,  1 ;  II,  6,  1) :  nuUam  indusionem  eo 


758  Stonk  C^rifK,  bof^pcUcr 

fingimus,  —  mirabiliter  enim  e  oodo  descendit  filius  Dd,  ut  coelam  tarnen 
non  relinqueret  (Calv.  Inst.  II,  13,  4  tjgl.  §eib.  Stai.  48).  a)ie  SSo^l^t  bcr  gcü^ 
barbietung  Sottet  in  ß^rifto  toolltc  man  bamit  fo  tücnig  leugnen,  afe  bic  Sutbama 
buTC^  bte  exaltatio  humanae  naturae  beten  SBa^^t  gu  nt^te  machen  iüoEten. 

6  ^a^  3"^^^!^  ö"  ^^"^  anfc^aulic^en  erlöferlebcn  ß^nfti  im  Seretn  mit  ben  luth: 
rifc^en  Erörterungen  über  $^t  2  ^t  nun  aber  borauf  achten  gele^,  ha%  ber  Sjd^ 
nid^t  9Jlenfc^ennatur  im  allgemeinen,  f onbem  jLioQfi]  dovlov  annahm  (^eibegger,  medoDi 
theol.  1713:  conceptus  et  natus  est  non  simpliciter  homo,  sed  homo  semu. 
Sobenfteinö  Sieb  „^ciligfter  ^^u":    „ffianbeltefk  gan^  arm  auf  @rben    in  3)emut  wit 

10  in  Änec^t^cberben/ erbubft  bid^  felbft  in  feinem  3)ing").  3"^^^  ^^^  We  3nlaniaticn 
unb  ben  ge^orfamen  ffianbcl  bi«  jum  Äreu^  in  ein«  gufammenft^aut,  läfel  ^  caiAm 
einer  ßmicbrigung  be«  ©ottmenfc^en  reben,  toobei  SBenbelin  (Christ.  theoL  1633)  gegen 
bie  fiutl^eraner  bcmerft,  bafe  fie  nid^t  blofe  bie  mcnfc^Iid^e,  fonbem  beibe  ÜRoturen  beöttfe: 
Humüiatio  est  voluntaria  Christi  ^eav&gcojiov   in    hisce   terris   conditio,   qm 

15  seipsum  secundum  utramque  naturam  demisit . . .  Secundam  divinam  natonm 
se  demisit  Christus  1.  voluntaria  personae  subjectione,  qua  patri  tanquam 
mediator  se  submisit  et  assumta  humili  carne  officium  mediatorium  in  se 
recepit ...  2.  gloriae  et  majestatis  suae  divinae  ad  tempus  occultatione,  nt 
pati  et  mori  in  assumta  carne  posset.     Secundum  humanam  naturam  se  de- 

20  misit  1.  infirmitatum  nostrarum  assumtione,  quae  peccati  expertes  sunt; 
2.  vitae  mortisque  humillima  obedientia.  3)ie  regelmäßige  Sel^rform  ftotuiert  ^ 
mä)  jh)ei  2:cile  ber  exinanitio  (j.  S.  aifteb,  Theologia  didactica  1627;  Soccqi^, 
Aphorismi  breviores,  opp.  VI,  12):  incarnatio  et  legis  impletio  (p^l.  ®a  4,  i). 
Sei  ben  Goccejanem  ergab   fic^   bafür   in  genauer  ätu^nü^ung  öon    ^^i  2,  7  fogor  ci 

25  Unterfd^ieb  ber  Termini:  1.  exinanitio  =  incarnatio;  2.  humiliatio  tüo^renb  bd 
irbifc^en  fieben«  (Cocc.  summa  theol.  de  Chr.  hum.  60,  3;  Surmann,  Synopsis 
theologiae  1699,  V,  17, 1.    S^nlid^  fc^on  3and^i,  bei  ©d^toeijer  p.  343). 

3!)ic  mit  ber  Stufcrftcl^ung  beginnenbe  ©ri^ö^ung  erl^ebt  bie  menf^Ii^^e  Statur  tbat 
fäc^ltd^  auf  eine  ^öl^ere  ©tufe   (3ll[teb  a.  a.  D.,  ebenfo  SBenbelin):    Subjectum  exal- 

90  tationis  est  persona  Christi  quoad  naturam  divinam  et  humanam ;  divins 
exaltata  est  xaxd  n,  patefactione  majestatis,  quae  in  statu  exinanitionis  tan- 
quam  sub  velo  sese  occultaverat.  Natura  humana  exaltata  est  äjzXmg,  depo- 
sitione  infirmitatum  et  glorificatione,  —  toobci  bod^  gegen  bie  Ubiquiften  betont  ^ 
toerbcn  pflegt,  ba|  bic  proprietates  essentiales  ber  menf^lic^en  SRatur  aud^  im  gtonb« 

35  ber  er^ö^ung  bleiben  (Cat.  Westm.  maj.  618,  24  f.). 

2)er  SoUftänbigfeit  toegen  foU  nur  angcmerft  tüerben,  bafe  auc^  neuere  römifi^ 
fat^olifc^e  Ideologen  bie  ^ormel  öom  bopt)eIten  ©tanb  ßi^rifti  aufgenommen  bcbm 
(j.  S.  ©d^eeben,  §anbbuc^  ber  fati;.  2)ogmatif  III,  1882,  p.  261  ff.,  toobei  xivüxjt^  tui^ 
xaneivojoig   eth?a   naij   2lrt   ber  (Eoccejaner   unterfc^ieben   irerben),    aber    lebigli^  öl» 

40  3la^men  für  bie  Sefc^reibung  ber  SDSiberfa^rntffe  S^fW/  V^^  frül^er  (j.  93.  ©uoreg,  Theo- 
logia Tom.  XV,  2)  unter  bem  2^itel  „de  mysteriis  vitae  Christi"  ging. 

^nner^alb  ber  jjroteftantifd^en  Crt^obojie  \jai  aud^  bie  Sc^anblung  ber  ©tänbclete 
ba^u  bicnen  muffen,  bie  3^^i"öturent^eorie  in  i^rer  fc^olaftifd^en  gorm  gu  gerretben. 
©oUte  bie  2lu!Sfage  bon  jtoei  9Jaturen   in  ßl^rifto   urfprünglid^   ba^  Qeög   iqxivegd)^ 

45  iv  aagxi  erflären,  fo  f^ai  ber  Verfolg  be^  3}er^alteni^  biefer  Staturen  in  ben  betten 
©tänben  t^eoretifc^  bie  §u  erflärenbe  ©runbt^atfad^e  jule^l  nur  untergraben  Ivmat, 
unb  iWax  um  fo  grünblid^er,  je  fd^ärfere  bogmatifc^e  Äonfequengen  man  gog.  ixi 
lutF)crifd)et  ©eite  h?urbe  bie  tüa^re  5Wenfd^^eit  ß^rifti  unbegreiflich,  auf  reformierter  Mc 
tooUc  Offenbarung  ©ottc^  in  i^m  h?enigfteng  bebro^t.    ©o  mufete  c^  tommen,  too  man 

60  ben  bo^lpeltcn  ®efic^t^j)uuft,  unter  tüelcbem  ß^rifti  ^erfon  ju  betrad^ten  ift,  aU  einen 
©d;lüffel  ^n  tDciterfü^rcnben  ßrfenntniffen  be^anbelte  unb  ben  ©ren^begriff  öon  jlwi 
9Jaturen  fo  banb^abte,  aU  liefee  fid)  eine  ioirflic^e  Stnfd^auung  bon  gh>ei  jufamniai' 
gefügten  unb  fid;  me^r  ober  tüeniger  burc^bringenben  ©ubftanjen  gewinnen.  Snnerboft 
biefer  {c^olaftijc^en  2)cnfmct^obe  blieb  nur  nod^  eine  brittc  Söfung  be^  ^roblemö:  Itette 

65  bic  Crt^obojie  ©ottcö  Unlranbelbarfeit  fcftge^alten  unb  babei  auf  lut^erifc^er  ©eite  mA 
bic  ßrniebrigung  ßbrifti,  auf  reformierter  ©eite  nicbt  bie  ööttigc  loefenl^aftc  Serbinbui^ 
©ottc^  mit  bcm  crniebrigtcn  G^riftu^  begreiflich  machen  fönnen,  fo  eröffnete  fic^,  toenn 
man  baio  „Extra  Calvinisticum"  (33b  IV,  54,  49)  üermeiben  unb  auf  bag  menf#*- 
gefc^id;tlic^c  Sebcn  3^f"  crnftlic^    cingcl^en   iDollte,   noc^  ber  Slu^toeg,   ben    trinitarifcfren 

60  ©Ott   felbft   in   ben  $rojc^   ber  Scipcgung  J^incin^ujie^en.    Über  bie   mobeme  Äenotif, 


Stattb  S^riftt,  hoWtUtt  Stanley  759 

toclc^c  biefen  SBeg  bcfc^ritt  unb  eine  bem  unmittelbaren  biblifc^^c^riftlic^en  ©laubengs 
betpugtfein  aQerbingd  tDefentltd^e  älnfd^auuna  in  einer  fc^olaftifc^-bogmatifc^en  ^orm  bar^ 
niftellen  untemal^m,  ift  Sb  X,  246  ff.  berichtet  h)orben.  ©eitbem  auf  biefe  Seife  alle 
SWöglic^Ieiten  einen  fd^arfen  intetteftualiftifc^en  aiufd^auung  erfd^^ötjft  toaren  unb  ftc^  ate 
ungenügenb  ertoiefen,  ^at  ba«  S^^^^^ff«  ^^  ^i««*"  intetteftualiftifd^sbogmatifc^en  Setrieb  6 
ber  G^riftologie  ftarf  nad^gela^en.  3)ie  neuere  3^'*  ^^t  jubem  ber  3:i^eoIo9ie  bie  fruc^ts 
barere  ^(ufgabe  gebieterifd^  auferlegt,  bie  funbamentale  @rfenntnid  \)on  ber  abfd^liegenben 
gefc^ic^tlicben  ©elbftbarbietung  ®otte«  in  Sbrifto  innerlich  fw^erjuftellen,  fo  ba|  für  ba^ 
luiiurierenbe  ©piel  ber  bogmatif^en  ?P^antafte  leine  Äraft  jur  SSerfügung  ftel^t.  (S^  ent* 
^pvadf  einem  })raftifc^-emj)irif(^en  ^mz  ber  Qtxt,  bafe  man  ftc^  namentlich  unter  bem  lo 
feine  eigentliche  ©c^ule  toeit  überfc^reitenben  ßinflufe  31. 9litfc^te  begnügte,  über  ben 
iKenfd^en  3^«^  ba^  ©lauben^urteil  ju  fäHen,  bafe  er  auf  ®otte«  ©eite  nn^  gegenüber^ 
ftel^t.  ^a^  näc^fte  religiöfe  SebürfniiS  f^ien  bamit  gebectt  unb  aSe  unlösbaren  {fragen 
über  baS  SJer^ältniS  be«  etoigen  jum  irbifd^en  ©ottcSfo^n  toon  toom^erein  abgefc^nitten : 
bamit  fäDt  auc^  baS  Sebürfni«,  toon  einem  befonberen  ©tanbe  ber  ©miebrigung  ju  i6 
reben.  a5er  SSerfolg  nid^t  blofe  be«  ©ebanfen«,  fonbern  beS  })raftifc^en  ©lauben«  h)irb 
hoi)  ergeben,  bafe  bie  SBal^rl^eit  be«  Geog  iipavegw&rj  iv  aagxl  fd^liefeUc^  leiben  mu|, 
toenn  man  auf  biefe  ©eite  ber  ©tänbele^re  grunbfä^lid^  öerji(|tet.  Dl^ne  in  biefem  3"- 
fammen^ange  bie  ^räe^ftemfrage  auSfül^rlic^  erörtern  )u  tonnen,  tPoQen  tt)ir  nur  erinnern, 
ba6  bie  betreffenben  biblifc^en  SluSfagen  eine  toirllid^e  Beteiligung  ®otte«  an  ber  Offen-  20 
barung  in  6|^rifto  feftftellen.  Sleibt  man  bei  ber  Betrachtung  beS  irbifd^en  SebenSbilbeS 
3efu  fielen,  in  toelc^em  man  bie  33olloffenbarung  ®otteS  erfennt,  fo  fe^lt  bie  lebenbige 
Setoegung:  „©ott"  bleibt  aud^  ate  blofecS  Objelt  be«  atö  „Offenbarung"  gefd^ä^ten 
religiöfen  3)enfend  unb  ^anbelnS  2iefu  beutbar.  ^ie  lebenbige  ©elbftanbietung  @otted 
in  Sl^rifto  h)irb  erft  burc^  bie  erniebrigenbe  §ineingabe  be^  ewigen  ©o^ne«  in  bie  25 
fünbige  SRenfc^^eit  anfc^aulic^.  Ober  fouen  anq  SluSfagen  toie  go  3, 16;  1  go  4,  9; 
9lö8, 31f.;  ®a  4, 4  auf  SRec^nung  einer  für  unS  unannehmbaren  2)enfh)eife  gefeftt 
toerben*^  ©olc^e  2luSfagen  allein  vermögen  aber  bafür  ju  bürgen,  bafe  h)ir  eS  inGl^rifto 
mit  ber  lebenbigen  unb  entfäeibenben  ^ugerung  ber  göttlid^en  Siebe  ju  tl^uu  l^aben, 
nic^t  blofe  mit  einer  gefc^ic^tlic^en  ©rfd^einung,  bie  unS  biefer  Siebe  toergehjiffert.  2)od^  so 
bamit  ftreifen  toir  bie  tiefften  fragen  ber  bogmatifc^en  SRetl^obe.  2Ber  für  bie  eignen 
bogmatifc^en  9(uSfagen  bem  at)oftolifc^en  Sorte  irgenb  eine  birette  Bebeutung  einräumt, 
toirb  ben  neueren  Äenotifem  tro^  ber  „fienofe  be«  9Serftanbe«",  bei  ber  il^re  Sinj^el« 
audfül^rung  anlangt,  bie  2lnerfennung  nid^t  öerfagen  bürfen,  bafe  fte  im  2tu^ang^un!t 
ber  ©tänbele^re  in  bie  toon  ber  lut^erifc^en  Ortl^obojie  toerlaffenen  S3al^nen  gefunber  35 
biblifc^er  9tnfc^auung  jurücfgelenft  l^aben. 

Sad  enblic^  bad  BerftänbniS  t)on  $^i  2  anlangt,  fo  ift  nur  ein  einziger  n^irtlic^ 
ejegetifc^er  ©runb  Vorgebracht  Sorben,  ber  bie  Sejielung  auf  ben  Slbftieg  G^fti  toom 
i^immel  ju  @rbe  auSfd^lie^en  foQ.  ©^on  ber  älmbroftafter  (ber  eimige  altlirc^lic^e 
3:^eologe,  ber  auSfc^liefelic^  auf  ß^rifti  irbifd^eS  SJerl^alten  beutet)  unb  nad^  i^m  (SraSmuS  40 
in  feinen  Annotationes  (ber  biefe  3)eutung  für  fiutl^er  Vermittelt  l^at,  S3b  X,  258,  58) 
toeifen  barauf  ^in,  ba|  ber  äpoftel  unS  an  (Sl^rifto  ein  exemplum  humilitatis  geben 
h)ill,  baS  für  un«  imttierbar  fein  mufe.  3"*>^ff^"  erlebigt  ftd^  biefer  Sintuanb,  tüenn  man 
bebenh,  bag  S^rifti  9{ac^folge  im  neuteftamentlid^en  ©inne  nid^t  eine  9lneignung  beS 
Sa«,  fonbern  be«  Sie  feine«  $anbeln«  unb  feiner  ©efmnung  bebeutet,  fo  bafe  er  ebenfo  46 
rtie  ©Ott  felbft  in  ftofflic^  unnac^al^mlic^en  ©tücfen  jum  SJorbilb  gefteHt  Serben  fann 
(epl^  5,  25;  1  ?pt  3,  13.  18 ff.;  SRt  5,  45;  (i\>i}  5,  If.).  SDafe  bem  atpoftel  neben  bem 
älbftieg  be«  jjräejiftenten  auc^  bie  $erablaf|ung  be«  irbifc^en  ßi^riftu«  t)orfc^h)ebt,  toerftel^t 

gi)  and)  toorbel^altlic^  genauerer  3)eutung  ber  einzelnen  3lu«brüdEe.     2lngefic^t«  fonftiger 
uSfagen  (2Ä0  8,  9;   3lö  8,  3  togl.   $br  2, 14)  toirb   aber  bie  59litbejie]^ung   auf  benw 
t)räq:iftenten  neuerbing«  fo  gut  tpie  ni^t  mel^r  beftritten.  .    (&.  §.  S^arl  aRflOer. 

Stanley,  3lrt^ur  ^enr^^n,  Ded^antbonSeftminfter,  geft.  1881.—  Öitteratur: 
3)can  S3rnblcl)§  Recollections,  1883 ;  ißrot^ero,  Life  and  CorrespondeDce  of  DeaD  St.,  1893 ; 
berf.,  Letters  and  Verses  of  Dean  St.,  1895;  g.  fiocfcr^Sampfon,  My  Confidences,  1896; 
©ampbea  u.  9lbbütt,  Life  and  Letters  of  B.  Jowett,  1897;  Encycl.  Brit.  vol.  XXII,  450ff.;  66 
(B.2te,  Dict.  of  Nat.  Biogr.  vol.  LI V,  44 ff.;  Aeademy  1881,  II,  @.69ff.;  Times  ü.  20. guU 
1881;  Athenaeum  1881,  II,  ©.  114;  9ing.  ßö.  2utt).  ^3.  1881,  8.799;  891;  9?.  ©ü.  Äg. 
1881,  8.504. 

3)ean  ©t.  ift  ein  ftiHe«,  aber  ben  grofeen  fragen  ber  Seit  jugemanbte«  2eben,  ba«, 
äufeerlid^  faft  fturmlo«,  im  ©onnenfd^ein  ftanb,  befc^ieben  gemefen.    ©eine  3lufgabe  toar  eo 


760  Stanley 

btc  3Kiffton  ber  %xt\!l)Ät,  9Son  ber  SBiege  h\^  jum  OraBc  ift  er  im  i^od^Ianb  gcHKuibctt 
©ein  SJäcg  toar  beftänbigcr  äufftieg,  bcm  freiltd^  bie  ^öd^ften  ®it)fel  fehlten,  o^ne  bcn 
Rmq  bramatifc^er  ^raft  unb  @rö^e,  aber  in  feinen  rul^igen  Salinen  bon  ^oc^eftKumtei 
gnnerlic^Ieit,  bad  SBirfen  eine«  feinen  unb  ojjartcn  a:alent«,  ba«,  au^  bcn  reid^en  Duden 

6  be«  SBiffen«;  ber  Srlennlni«  unb  (^rfal^rung  f(^öt)fenb;  feine  le^te  aufgäbe  in  ber  Somnu 
lung  ber  ©eifter  fal^.  6r  ift  bie  ^nlamation  ber  religiöfen  SSetti^ergtgtett,  toie  feine 
greunbe,  —  ber  Überjeugungölofiglext,  toie  feine  ©egner  foaten. 

3la6^  älbftammung  toie  nad^  ©eftnnung  toar  er  9(riftoIrat.  @ntel  be^  5£^oma«@t, 
fec^flen  Saron«  bon  ^(berle^  ^att,  @ol^n  be«  Sifc^of«  bon  Slortoid^,   SbtDorb  ®t,  am 

10  13.  3)ejember  1815  im  ^ßfarrl^au«  SllberleV  geboren,  genofe  er  ben  @Iementanmtmi(^ 
feit  ©ej)tember  1824  in  einer  ^ßriöatfd^ule  bon  ©eafort^  unb  tourbe  So^w^r  1829  »on 
feinem  SSater  in  bie  betannte  Schule  t)on  9lugb^  g^^icEt,  too  furg  t>ox^  Dr.  2^. 
älmolb,  ber  erfte  ©d^ulmeifter  ©nglanb«,  ba«  SReltorat  übernommen  l^tte.  ^ier  em= 
falteten  fic^  feine  reichen  ®aben  ju  fd^önfter  93lüte.    3lHe  greife   unb  @^en,  bie  bie 

i5©c^ule  ju  bergeben  l^atte,  tourben  im  Saufe  ber  ^ai)x^  fein;  obgleich  infolge  feinö 
fd^toäc^lic^en  Äörjjcrö  Don  ben  in  SRugb^  eifrig  gepflegten  ©J)ielen,  bem  f^ugbou,  Seiten, 
©c^toimmen  unb  Sridtet  fic^  fern^altenb,  galt  ber  Jtnabe,  bem  aDe«  fehlte,  tood  ben 
jungen  jum  S^ungen  mac^t,  bie  Unteme^mung^luft,  bo«  robufte  Sei^arren  unb  berSrijf 
nad^  ben  garten  3)ingen  be«  Seben«,  feinen  fiameraben  aU  ein  SBefen   ^ö^erer  Sri 

20  bag  mit  bem  gemeinen  3Kafe  nid^t  gemeffen  toerben  bürfe  (bgl.  bie  %xQnx  Ärt^urd  in 
Tom  Brown 's  Schooldays).  SJon  rid^tunggebenber  S3ebeutung  tourbe  il^m  ^ier  feinSebor, 
ju  bem  er  in  ein  ibeale«  g^eunbfc^aftgtoerl^ältnig  trat,  ba«  freili^,  auf  ©t«  ©eite  lüenigfleng, 
m  ÜberMtoänglic^feiten  fid^  iu  berlieren  brol^te.  2)ag  ®IüdE  bei  SBlmolb  gu  fein,  f(^eifct 
er  im  3JZai  1834  an  feinen  jßater,  ift  für  mic^  gefä^Iid^;  idb  fürd^te,   bafe  ic^,  toie  i^ 

26  i^n  au«  tieffter  ©eele  liebe  unb  betounbere  toie  nur  je  einen  ^Wenfc^en,  bie  redete  ®renje 
überfd^ritten  unb  i^n  )u  meinem  ^bol  gemacht  l^abe  unb  bag  id^  in  aü  meiner  9tbett 
®ott  nur  um  eine«  9Jlcnfc^en  toiHen  biene  (^rot^ero,  Life  of  St.  I,  102).  ämolb, 
einem  ber  l^ertoorragenbften  5flänner  im  englifc^en  ®eifte«Ieben  be«  19.  ^^^^unbert«,  ber 
feine  ©c^üler  mit  jener  Siebe  jur  SBa^rl^eit  erfüllte,  bie  biel  mel^r  unb  biel  toeniger  al^ 

80  S3iffen«beft$  ift,  berbantt  er  faft  au«fc^lieglid^  bie  ftar!en  Anregungen  gu  er^ö^ 
Seben^uelen  unb  faft  aSe«,  toa«  er  an  geiftigem  ®ute  in  ber  ©^ule  getoann.  3)en 
®runbfa$  einer  bi«  an  bie  legten  ©d^eibelinien  treibenben  loleranj,  nad^  ber  bie  Staats^ 
firc^e  ate  nationale  Drganifation  bie  ganje  3)iannigfaltigfeit  ber  religiöfen  Slnfd^uungen 
unb  ©trebuugen   ber  Station  in   fic^  bereinigen  muffe,    l}(d  ©t.   bon    feinem    5Keifter, 

85  ber  bamatö  neben  %.  3Kaurice  ben  ürc^Iic^en  Siberali«mu«  am  freimütigften  bertrat,  über- 
fommen. 

3m  5Jobember  1838  trat  er  in  ba«  Sattiol  SoIIege  nac^  Djforb  über,  too  bamal^ 
auf  religiöfem,  politifd^em  unb  fojialem  ®ebiete  ©inflüffe  toirften,  bie  benen  feine! 
Dralel«   unb  S^ol«   entgegcngefefet  toaren.     3"^^  ^^  ^li^  feinen  JRugb^erinnenmgen 

40  treu  unb  übertoanb  nad^  furjem  Kamj)fe  ben  ftarlen  S3ann  be«  9letomani«mu^.  ^ud}  an 
ber  Uniberfttät  toar  fein  2Beg  Don  6^ren  begleitet :  er  getoann  äße  il^m  erreichbaren  greife, 
tourbe  jum  ^eUoto  bc«  Uniöerfit^  ßollege  ertoölplt,  al«  beffen  SSorftanb  (tutor)  er,  nadb^ 
bem  er  1839  orbiniert  toorben,  je^n  ^a^xt  in  Djforb  berblieb. 

3;n  biefcr  3cit  tourbe  er  in  Verfolg  ber  burc^  ben  berüdbtigten  Tract  XC  über  bie  Unitja- 

45  fttät  ^ereinbred^enben  Äämpf e,  bie  5lctoman  au«  ber  ©taat«fir^e  nad^  9lom  brängten,  au«  fi4 
l^erau«5uge^en  unb  feine  litterarifd^en  ©c^toingen  ju  lieben  beranlafet.  ^n  Äonfequeng  feinft: 
tl^eologif^en  aScit^er^igfeit  fteUte  er  fid^  auf  bie  Sinie  ber  gtei^eit,  na^m  fid^  einerfeitf, 
unter  teiltoeijer  $rei«gabe  ber  eigenen  Überjeugungen,  in  einem  5ßrotefte  ber  ejtremcn 
Slitualiftcn  (Dr.  3Barb  u.  ®en.)  gegen  bie  „Äe^erric^terei"  ber  Äird^e  an,   trat  mit  bcr- 

60  fclben  Jyront  anbererfeit«  ber  Slgitation  gegen  bte  ©rnennung  Dr.  §am}}ben«  ^um  Sifc^of 
öon  §creforb  entgegen  unb  öcrteibigtc  in  einem  2lrtifel  ber  Sbinburg^  SReUieto,  gegen 
bie  ßüangelifc^en  i^orftöfec  in  bem  ©orEjamfc^en  2aufftreit,  bie  beiben  öon  i^m  bi«  an 
fein  ßnbe  ^oc^gcEjaltenen  ®runbfä^e,  bafe  bie  fog.  ©u})rematie  ber  itrone  in  religiöfen 
Singen  nid)t«  anberc«  al«  bie  ©m)rematic  be«  ®efe^c«  (b.  ^.  be«  Parlament«)  bebeute 

66  unb  ba^  ba«  (Sftablif^ment  toeber  f^oc^firc^Iic^  nod^  brcitlirc^lid^  noc^  eüanaelifd^  fei, 
fonbcrn  ^u  allen  3citcn  entgcgengeje^te  unb  toiberfprcc^enbe  3Keinungen  über  toi($tige  Setr- 
fragen  ertragen  habe,  ^n  feinen  1817  erfd^icncnen  Sermons  on  the  Apostolic  Age 
treten  bicfc  ©cbanfen  ^uin  erftenmal  F^erüor.  ©ic  bcjeid^nen  bie  enbgiltige  Ärifc  in  feinem 
inneren  SBerbegang ;  ben  Siedeten  toie  ben  Sinlen  tritt  er  unter  Berufung  auf  einige  aU 

60  Strnolbfd^c«  (Srbe  übernommene  Sunienfd;e  ©ä^e  unb  auf  bie  beutfc^e  i^eologie  entgegen 


Stanley  761 

unb  tjetlangt  unbebingtc  greil^cit  bcr  Sibclforfd^ung,  ein  ©o^,  ber  bamate  ebmfofel^ 
feine  3lbjage  an  bie  ©öangelifd^en  tote  an  bie  i^oc^firc^enmänner  bebeulete. 

3m  3wlt  1851  tourbe  er  aU  6anon  nad^  Ganlerbur^  berufen,  '^n  biefen  fed^^  , 
Sa^en  ber  ©tille  entfaltete  er  nun  eine  reiche  litterarifd^e  2:i^äti0leit;  i^nen  gei^ören  bie 
Memoirs  of  Ganterbury  (1854),  Sinai  and  Palestine  (1856),  bief^c^t  einer  Steife  6 
in  bie  l^eiligen  Sänber  unb  toietteic^t  bag  ^jerfönlic^fte,  barum  aud^  ba«  gelefenfte  Sucp, 
ferner  feine  Äommentare  ber  ©riefe  an  bie  Äorintl^er  (1855),  an.  SBiffenfq^aftlic^en  SBert 
befiften  biefe  Slu^legungen  nic^t;  bie  begrifflid^e  ^Darlegung  ift  ol^ne  iiefe,  bie  t)I^Uo» 
logifc^e  älrbeit  ol^ne  älfribie,  bod^  ftnb  fie  burc^  ben  ))erfönlid9en  ^on  bed  93ortragd  unb 
bie  anregenben  gefd^i^tlic^en  Stu^fül^ngen  t)on  l^ol^em  SReije  für  toiele  Sefer.  lo 

3m  ajlärj  1858  leierte  er  ate  ^rofeffor  ber  Äirc^engef^ic^te  nad^  Djforb  jurüdt. 
§ier  verarbeitete  er  feine  alabemifd^en  Vorträge  in  ben  Three  Introductory  Lectures 
on  the  Study  of  Eccles.  History,  ben  Lectures  on  History  of  the  Eastern  Church 
unb  ben  Lectures  on  the  History  of  the  Jewish  Church,  aued  Unterfuc^ungen  fein  unb 
d^aralteriftifc^  in  ber  2:ec^nil,  aber  an  toiffenfd^aftlid^em  Srtrag  bürftig  unb  über  bie  3)urd^s  15 
fd^nitt^Ieiftung  nic^t  ^inau^e^enb.  — 

3n  biefen  g^l^ren  h)urbe  er  in  ben  ©türm,  ben  bie  Essays  and  Reviews  in  bie 
englif^en  Kirchen-  unb  ©elel^rtenfreife  trugen,   mit  ^ineingeriffen ;   jtoei  feiner  näd^ften 
greunbe,  $rof.  S^toett   unb  Dr.  %tmpU,  2lmolb«  SJac^folger  in  SRugb^   unb  fj)äterer 
Sifd^of  bon  Sonbon,  toaren  3Kitarbeiter  an  bem  Suc^e  unb  burc^  3Kaferegelungen  t)on  20 
ber  gegnerifd^en  SRet^ten  bebrol^t.    ©t.  mißbilligte  für  feine  ^erfon  bie  rabilalen  2^l^efen 
einiger  ^Mitarbeiter,  foireit  bie  Slbftd^t  öorlaa,   „ben  göttlichen  Urft)rung  ber  ©d^rift  unb 
i^re  3lutorität  ju  befettigen,  fte  auf  bie  ©tufe  bloß  menfd^lid^en  ©d^rifttum«  ^erabjufe^en 
unb  bie  überlieferte  Seigre  tüittlürlid^  umjubeuten",  ftellte  aber  feine  SEBaffen  ben  ainge« 
griffenen  ^ur  Verfügung  burc^  feinen  ^ßroteft  gegen  bie  Verurteilung  be«  Suc^e«  in  feiner  25 
©efamt^eit ;  rec^t  unb  billig  fei  vielmehr,  jeben  Seitrag  in  feiner  3lrt  ju  toürbigen,  nic^t  aber 
unterfc^teb^lo«  alle  3Kitarbexter  bem  abgünftigen  Urteil  „befc^ränlter  Schreier  unb  lärmenber 
©^noben"  über  bie  ©efamtleiftung  ju  unterftetten  (ßbinburg^  SReö.  3li)ril  1861 ;  bgl.  aud^ 
©t.^  Essays  on  Church  and  State  1870).    3)a6  er  auf  biefem  fd^irmenben  ©c^ilbe 
in  bie  Sleil^en  ber  ejtremen  Iraftarianer,  bon  benen  ein  2:eil  ftd^  ber  Slgitation  gegen  so 
ben  SRationali^mu«  ber  E.  &  R.  angefd^loffen   ^atte,   ben  ©treit  trug,   ber  nac^mal« 
gur  ©J)altung  führte,  toar  bie  nid^t  getrollte,  aber  t^atfäd^lid^e  golge  feine«  (Singreifen«. 
3)ie  ßrregung  über  biefen  ©türm  l^atte  ftc^  noc^  nic^t  gelegt,  ate  Dr.  Golenfo  (bamal« 
Sifd^of  t)on  5latal)  einen  in  ©nglanb  uner(>örtcn,  übrigen«  in  lanbläufigen,  in  ®eutfd^s 
lanb  löngft  befannten,   jum  2:eil  überbotenen  anfä^en  gefüllten  angriff  auf  bie  unbe^Bö 
bingte  ©laubtoürbigfeit  be«  ^ßentateud^«  Veröffentlichte  unb  nad^  ben  E.  &  R.  ber  att* 
gemeinlird^lid^en  2lnjc^auung  einen  jtüeiten  9Jacfenfc^lag  toerfe^e.    9Jatürlic^  liefe  ©t.  e« 
ftc^  nid^t  nel^men,  auc^  m  biefer  ^i^age  ©tellung  gu  nel^men;   er  t^at  e«  in  ber  SBeife, 
bafe  er  auc^  ßolenfo  ^jerfönlid^  mit  feinem  ©cbilbe  gu  becfen  fuc^te  unb  ablel^nte,  in  bie 
urteil«lofe  Serfe^erung  eine«   el^rentoerten   unb  aufrid^tig   religiöfen  3Kanne«  mit  einjus40 
ftimmen.  — 

SBäl^renb  er  alf 0  ben  SJlut  l^atte,  gegen  bie  gefc^loffene  ^l^alanj  ber  an  längft  über« 
h)unbene  ^h^m  nod^  vielfach  gebundenen  lirc^lic^cn  SRed^ten  ben  Jtampf  aufiunel^men, 
immer,  h)ie  h)ir  fallen,  mit  öorftd^tigem,  h)o^l  abgetüogenem  5Jein,  aber  bod^  auc^  bemül^t, 
mit  gemäßem  SBort  atten  ©eiten  be«  Problem«  ober  ber  ©ad^lage  nad^jugel^en  unb  ber  46 
$erfon  ju  grei^eit  unb  SRec^t  ju  Verhelfen,  gab  i^m  in  ben  religiö«'Iirc^lid^  ni^t  un^ 
mittelbar  intereffierten  Äreifen  ber  ^ßreffe,  SSiffenfc^aft  unb  ©efettjc^aft  fein  eintreten 
für  bie  liberale  ?;bee  einen  bon  ^al)x  ^u  ^af)x  toac^fenben  SRüdt^alt.  — 

3luf  SBunf^  ber  Äönigin  Siftorta,  bie  bem  ^öfifc^  getüanbten  ?ßrofcffor  })erföns 
lic^  getüogen  tvax,  begleitete  ©t.  im  S^^re  1863  ben  bamaligen  ^ringen  bon  3Bale«60 
nad^  Sleg^pten  unb  ^Paläftina;  infolgebe«  tüurbe  feine  Serbinbung  mit  bem  §ofe  eine 
engere  unb  brad^te  il^m,  nac^bem  SRid^arb  G^cnebiE  irend^,  ber  bi«l^erige  ^tan  t)on  3Befts 
minfter  jum  ©rxbifc^of  Don  2)ublin  berufen  Sorben  tüar,  bie  erfte  geiftlic^e  ©teile  an  ber 
altei^riDürbigen  Slbtei  (9.  ^^nuar  1864)  ein. 

2)urc^  biefe  Berufung  tourbe  ©t.  an  Sonbon,  ben  ©ammel))unlt  aller  geiftigenss 
^ntereffen  be«  Sanbe«,  gefeffclt  unb  bem  §ofe  um  f 0  näber  gerüdft,  al«  er  einige  3Konate 
voriger  fid^  mit  Sabto  2lugufta  95ruce,  ber  ioc^ter  be«  5.  @arl  of  ©Igin  unb  ber  greunbin 
ber  Äönigin,  öermäblt  ^atte.  ^n  biefer  ©tellung  erft  l^at  er  öermöge  feiner  ©igenart,  bie 
alle  gärten  ju  glätten  fic^  bemül^te,  bcr  toeitreic^enben  3?erbinbung  mit  ben  })olitifc^en, 
litterarifd^en,   miffcnfc^aftlid^en  unb  firc^lid^en  Äreifen   unb  feiner  glänjenben  gefellfcl^afts  «o 


762  etmde^ 

lid^cn  Sejie^ungm  jenen  lief-  unb  toeilgel^enben  ®tnflu6  erlangt,  ber  i^n  ju  einem  ba 
h)it!famften  gaiftoren  im  ®cifte«leben  ber  §aiH)tftabt  in  gnglanb  gemad^t  pat  3n  ba 
^IJrälalur,  an  ben  Uniöerfitäten,  in  ber  Äontoofation,  in  ber  ©efeUfd^aft,  in  ber  Jovialen 
arbeit  an  ben  SKaffen  gewann  er  t)on  ^af)x  ju  ^al}x  ate  3)ean  öon  3Beftminfter  fefteren 

5  Soben,  bi^  jule^t  fein  5lame  ein  ?5rinjij)  bebeutete.  3)ur(^  mel^r  atö  ein  S^brjiebnl 
galt  er  aU  Rubrer  ber  öffentlichen  SKeinung.  — 

gaft  mtt  allen  ®aben  au^gerüftet,  bie  für  eine  glüdlic^e  Söfung  ber  ibm  an  bem 
nationalen  Heiligtum  jufaDenben  Stufgaben  bie  SJorau^fe^ung  bilbeten,  —  nur  feine 
SSerftänbnigloftguit  für  bie  3Kufif  unb   feine  geringen  arc^iteftonifd^en  Äenntniffe   bat  er 

10  felbft  h)ieberl^olt  beflagt,  —  fe^te  er  mit  flammenber  Segeifterung  unb  butc^fc^Iagenbem 
Srfolge  aSe  i^m  ju  ®ebote  fte^enben  Strafte  an  bie  Aufgabe,  ben  ^errli^en  Sau,  bie 
fc^önfte  Slüte  ber  mittelalterlichen  Saufunft  in  ßnglanb,  in  ben  3KitteIpunIt  bee  notier 
nalen  Seben^  ju  jie^en.  fiein  anberer  ^ean,  n?eber  t)or  noc^  nac^  i^m,  bermag  ibm  in 
biefer  Sejie^ung  bie^alme  ftreitig  ;iu  machen.  3"  berSlbtei  toar  il^m  bie  auc^  äufeerlit^ 

15  glänjenbe  3SerIörj)erung  feinet  '^hzal^  t)on  einer  alle  Schattierungen  ber  fie^ranfc^uungen 
umfaffenben  ^Jationalürd^^e  gegeben,  ba^  äußere  3^'^^"  ^'"^  ^Oe  93erfc^ieben^  bei 
religiöfen  formen  ju  ^ö^erer  ßinl^eit  berbinbenben  ©emeinbe.  3*^^^»"  ^  ^^"^  begiraien^ 
ben  äußeren  3Serfatl  be«  Sautüerl^  burd^  glücflic|e  Sleftaurationcn  entgegentrat,  g^ 
toann  er  bai^  3"^^^ff^  t>^  g^njen  SSolfö  für  bie  untoergleid^lid^  fd^öne  Slbtei   unb  ibre 

20  grofeen  gefc^ic^tlic^en  ©rinnerungen  jurücf.  ©d^on  nac^  brei  3<^^^^"  ^^^  er  in  ben 
Memorials  of  Westminster  Abbey  (1867)  feinen  Sanb^leuten  ein  SHäerf,  ba^  bie 
9Jlaffen  in  ben  Sann  ber  in  ber  Slbtei  ju  lat)ibarem  äu^rudt  gelangten  gefc^ic^tlicbcn 
Sergangenl^eit  fd^lug.  an  ben  ©onntagnac^mittagen  jog  er  big  jule^t  ^ablrei^e  fybm 
unter  feine  flanjel,  bie  ben  grofeen  3)ean  Igoren  unb  —  fe^en  ipouten ;  benn  er  galt  de 

26  einer  ber  ^ert)orragenbften  Äan^elrebner.  2ln  englifc^en  SKa|en  gcmefjen.  ^df  habt  ^ 
Slnfang  ber  70er  ^a^if^  «n  Dielen  ©onntagen  biefen  ©otte^bienften  beigeh>ol^nt,  anfänglich 
um  ben  berühmten  i>tan,  bem  ic^  auc^  j)erfönlic^  befannt  h)ar,  ju  ^ören,  nad^^er  um 
immer  lieber  unter  bie  mächtige  SBirfung  be«  in  feiner  Stfuftif  untjergleid^Iic^  fc^önen  ßbor= 
gefangg  ju  lommen.  ©t.  mar  aDe^  e^er  ate  ein  padtenber  ^rebiger ;  bani  fel^Ite  i^m  bie  SBänne, 

80  bag  eble  ^at^o^,  ber  i^inreifeenbe  ©c^hning  ber  SRebe,  auq  bie  Äraft  ber  ©timme.  ^^n 
trodfenem  2:one,  ej^er  3)05ent  afö  5ßrebiger,  la«  er  fein  freilid^  forgfältig  au^earbeitetc^ 
unb  glänjenb  ftilifiertc^  3Ranuffrij)t  ab.  SBar  ^itva^  in  biefen  ©otte^bienften  öcn 
ergreifenber  3Birfung,  fo  tüar  e«  mbm  bem  tüunbertootten  ©efang  ber  in  feinen  cblcn 
SJia^en  unb  garben  überirältigcnbe  gotifc^e  Sau  unb  ber  $auc^  untoergänglid^er  $oefic, 

85  ber  über  biefer  BiäiU  ber  Unfterblic^en  tüel^t  unb  bie  ©eele  mit  unlpiberftcblic^er  ©etpoü 
ergreift. 

5lic^t  minber  toeitberxig  tvax  feine  Sertoaltung  ber  äbtei,  bie  atö  nationales 
3Kaufoleum  ben  grofeen  3Kännem  be«  Solfö  bie  le^te  9lul^eftatt  bietet;  ber  Unterf(t«ieb 
be«  ©laubeng  unb  ©tanbeg,  bon  früheren  2)eang  je  unb  bann  h)o^l  geltenb  gemacht,  tm 

40  für  i^n  nic^t  öor^anben  unb  cth?a  mit  9(ugna^me  beg  unter  ben  3"'"^  gefallenen  ^rin^en 
9?a^oleon,  befjcn  gej)lantc  3"Iöffwng  allgemein  alg  Serbeugung  gegen  ben  jpof  aufgefaßt 
unb  mit  SHec^t  befämpft  h?urbe,  l^at  er  in  toeit^erjig  abtoägenber  SBeigbeit  ßblen  unb 
©rofeen  ben  ®rabj)la^  gctüäl^rt.  3luc^  bie  Äanjel  ber  Slbtei  ftellte  er  ben  ©eiftlicbcn 
aller  firc^lid^en  Slic^tungen,   felbft  ben  fortgefd^rittenftcn  ©eftierem  gur  Serfügung;   bas 

45  er  fie  felbft  Saien  (^rof.  3Ka5  TOüHer)  einräumte  unb  unter  anberen  9Jonfonformiften 
auc|  Unitarier  jum  Slbenbma^l  in  ber  Slbtei  ^uliefe,  o^ne  öon  feinen  erbitterten  ©egnern 
gc^inbert  tücrben  ^u  fönnen,  beh?icg,  toclc^eg  tvtiU  unb  tiefgel^enben  ©influffcg  er  fub  in 
bicfcn  legten  ^a^ren  feinem  Sebens;  erfreute.  Son  beftridfenbem  Jjerfönlic^en  3öw6er,  feinen  unb 
leutfeligcn  formen,  Don  milber,  mit  einem  Slnflug  öon  ^umor  getoürjter  ®ütc,  öerftonb 

50  er  cö  h)ic  faum  ein  anberer,  mit  ben  niebrigftcn  toie  ben  l^öc^ften  Solföllaffen  ju  öerfe^ 
unb  fie  mit  bem  3flubcr  feiner  ^erfönlic^feit  ju  umftridfen.  ^thm,  ber  cg  irünfite, 
ßin^eimifc^cn  h?ic  ^i^embcn,  bot  er  fic^  ju  beftimmten  ©tunben  atö  fad^hinbigen  3mci- 
t)reten  „t>^  fteinernen  ©ebic^teö",  feiner  geliebten  Slbtei  an;  bie  Slrmen,  Äronfen  unbScr- 
lafjcncn  Derfammclte  er  aug  ben  elcnbeftcn  ©tabtüierteln  ju  ©artenfeften  in  ber  S^eancrt. 

56  unb  bie  ßinpfanggabcnbc  ber  2a^  3lugufta  ©tanlel;  Dereinigten  in  ben  70er  S^^ten  bie 
au^crlefenftc  ®efellfcl)aft  ber  ,öaut)tftabt. 

tiefer  augge^rägt  perfonlic^e  (Sinflu^  aber  tüirfte  natürlid^  auf  feine  lirc^lic^e  ©teKung 
jurücf.  Cbnc  bafe  er  ftc  erftrebt  battc,  toar  il?m  bie  ^ü^rerfc^aft  bed  Iir(^lic|cn  Sibera^ 
ligmug,  ben  bie  Broad  Church  Party  üertrat,  in  bie  §änbe  gejfallen.  Um  bem  freieren 

60  ©ebanfen  bie  Sirc^en})forten  aufjut^un,   griff   er  mit  2tnfj)rad^en  unb  Srofc^üren  in  bie 


Stanley  763 

totc^tigften  religiöfen  unb  fojtalen  S^aflc^fragen  ctri;  fe^te  fid^  mit  ben  ^ül^rem  bcr  freieren 
beutfc^en  ^^l^eologie  in  33erbinbung  unb  bemühte  pd^  mit  (Srfolg,  bur^Überfe^ungen  il^rer 
SBerle  bie  ftaat^Itrc^üc^e  3:^eologie  ju  befruchten.  2luf  ber  Sinie  feiner  comprehen- 
Biveness  toanbte  er  ben  Slltfatl^olifen  (Äongrcfe  in  Äöln  1872)  feine  Seilnal^me  ju,  trat 
für  bie  2Biebert)ereinigung  ber  englifd^en  mit  ber  orientalifd^en  Jtird^e  ein  unb  bot  feinen  6 
großen  ©influfe  auf,  um  bie  SRücHebr  ber  2)iffenter^  in  bie  ©taat^fird^e  in  bie  SBege  ju 
leiten.  Unb  toie  er  felbft  ben  ejtremften  SRitualiften  bie  $anb  jum  ®ru^e  geboten  ^atte, 
fo  h)ürbe  er  Unitarier  unb  äße  biejcnigen,  bie  ;,bi^  an,  toenn  nur  nid^t  über  bie  ®renje 
be«  SttJ^ei^mu^  gingen",  in  feiner  Äird^e  toilllommen  gel^eifeen  l^aben.  ©o  bot  er  aßen 
lird^lic^en  ©d^attierungen  —  bi«  jur  ©elbftberleugnung  —  bie  Sruberl^anb;  nur  bie  lo 
Ultramontanen  bermo^te  er  nic^t  ju  berfö^ncn,  bie  in  bem  grcigeift  ben  untoürbigen 
9lad^folger  ber  3ibte  einer  forrelteren  Vergangenheit  fallen. 

3m  grüi^Iing  1876  ftarb  nad^  längerer  Äranf^eit  feine  grau;  e«  toar  ber  fd^toerfte 
©c^Iag  feinet  Sebend,  t)on  bem  er  m  nic^t  erholte.  Sab^  9lugufta  toar  eine  ber  feinen 
tief  bertoanbte  9iatur;  i^re  grofeen  ®aben  ^atte  [xt  in  ben  3)ienft  feiner  ^^^^le  gefteHt  i6 
unb  anÄam})f  unb®rfoIg  mit  laujd^enber  ©eele  teilgenommen.  6r  felbft  ging,  nad^bem 
er  am  lO.^uli  1881  an  ber  SRofe  erlranft  ioar,  am  18.  ^eim.  ©ein  Segräbni«  peftaltete 
ftc^  )u  einer  grogartigen  ßunbgebung,  toie  ju  einem  nationalen  Xrauertage.  ^te  erften 
SRänner  ber  SBiffenfc$aft,  ber  Sitteratur,  ber  beiben  ^Parlamente,  ber  Uniberfitäten  Djforb 
unb  Sambribge  unb  ber  ftaat^Iird^Iid^en  toie  nonlonformiftifd^en  3:^eoIogie  l^ielten  fein  20 
Seic^entud^ ;  in  ber  3lbtei,  in  ber  Äa^eDe  ^einrid^^  III.,  liegt  er  begraben.  — 

©t.  ift  in  bem,  toa^  er  getooHt  unb  erreid^t,  bi^  in  fleine  3^9^  hinein,  ber  hanU 
bare©c^üler  be«  großen  2tmolo,  bem  er  in  beffen  93iograt)l^ie  ein^errlic^e«  ®enlmal  ber 
^ietät  gefeftt  j^at.  S3i«  auf  bie  üKetl^obe  feiner  biblifc^en  unb  gefd^ic^tlic^en  Unterfuc^ungen 
erftredft  ftc^  bie  äbl^ängigfeit.  Suc^  feine  ^eunbe  geben  ju,  bafe  feine  biblifc^en  Strbeiten  25 
ioeber  tief  nod^  ejaft  toaren;  er  toar  mel?r  ßaufeur  ate  ^^ilolog,  me^r^ofmann  ald 
^^eolog,  me^r  ^ebatter  al^  @elel^rter.  3ltö  $^ilofo))l^  ol^ne  originale  ©ebanlen,  atö 
Äird^enmann  ol^ne  SRüdtgrat  unb  bon  ben  jünftigen  gorfc^ern  je  unb  bann  beläd^elt,  l^at 
er  bie  ©eele  feine«  Solle«  bennod^  gewonnen  al«  ber  ^nterjjret  be«  großen  SReltor«  bon 
SRugb^,  beffen  geiftige«  6rbe  feinen  3SolI«genoffen  ju  übermitteln  unb  lebenbig  ju  erl^alten  90 
er  ate  bie  Stufgabe  feine«  Seben«  anfa^. 

©c^on  in  feinem  Suc^e  über  ba«  ajjoftolifc^e  ß^talter  nimmt  er  bon  2lmolb  bie 
^iftorifd^=ncealiftifd^e  SKet^obe  auf  bie  biblifd^e  3^^0^^'^*^  herüber,  gür  ba«  richtige 
SJerftönbni«  ber  ©d^rift,  fagt  er  in  änlc^nung  an  ben  3Jleifter,  lann  nur  bie  Snttoicfes 
lung«ibee  al«  t^eoretifd^e«  ^gen«  in  grage  f ommen ;  auf  aÖen  Gebieten  religiöfen  unb  85 
j)l^ilofobl^ifc^en  SDenfen«  l^at  biefer  ©runbfafe  je^t  ben  erften  ^laft  eingenommen.  2)ie 
älBmä^licpIeit,  UnboHfommenl^eit  unb  j^unelmenbe  Klarheit  ber  Offenbarung  felbft  toirb 
je^t  erfannt,  unb  bamit  toerben  bie  ^au^tfd^h)ierigleiten  ber  Sibelerflärung  au«  bem 
SBege  get^an.  SQ3a«  ber  l^eutigen  3:^eologie  bon  SBert  ift,  ift  neben  biefer  ^iftorifc^en 
SKnfd^auung  bie  fittlid^e  Betrachtung  ber  ^erfonen  unb  Vorgänge,  ^n  ^l^ilofo})^ie  toie  40 
Ideologie,  in  Sl^eorie  toie  ^raji«  toirb  bie  Äraft  be«  inneren  Setoeife«  au«  ber  fittlic^en 
©rfa^rung  gegenüber  allen  ®unberbetoeifen  al«  ber  toirffamere  unb  ftärlere  erfannt: 
mit  biefen  ©ä^en  ift  ©t.  an  bie  in  ber  £uft  feiner  ^cit  licgenbcn  gragen  ber  biblifc^en  flriti! 
berangetreten  unb  l^at  bie  Söfung  be«  ^Problem«  öerfud^t,  aber  nic^t  opne  feinerfeit«  in^alb^ 
feiten  ^u  berfaUen  unb  ben  Problemen  ©etoalt  an^ut(;un.  ^aran  trägt  bie  au«get>rägt  46 
^erfönlid^e  9Jote,  bie  burd^  feine  fämtlid^en  Slrbeiten  al«  Unterton  Hingt,  bie  ©d^ulb. 
®r  toar  eine  burc^au«  fubjeltibe  3?atur.  %xci  bon  ber  Saft  ber  ^Irabitionen,  getragen 
öon  bem  SBiHcn  ber  Gntfaltung  aller  feiner  Kräfte  in  arbeit  unb  ©enufe,  ^at  er,  ber 
bon  frül^efter  ^wg^nb  an  im  ftarlen  Setoufetfein  feiner  felbft  lebte,  jtc^  nie  fo  ganj  an 
bie  SDinge  Verloren,  bafe  er  nid^t  ftc^  felbft  unb  fein  Verl^alten  ju  i^nen  juglei^  fuc^te  60 
unb  il^nen  al«  3Kafe  aufjtoang.  ©eine  Seibenfc^aft,  bie  an  ein  ^kl  ii}x  3llle«  fe^t,  unb 
ein  aSillc,  ber  unbänbig  bie  ©c^ranfen  ber  burc^  ©efc^ic^te  unb  gormel  beengten  SBirfc 
lid^feit  JU  burd^bred^en  fuc^t,  ruft  in  il;m  einen  rul^elofen  SBcc^fel  ber  ®emüt«mftänbc 
^ert)or,  unter  beren  Sleflesen  bie  3)ingc  nic^t  immer  in  bie  redete  Beleuchtung  fommen. 
3)a«  fül^rt  i^n  baju,  bafe  er  au«  ben  Slnforberungen  be«  religiö«sj)raltifc^en  Seben«  ober» 
feiner  J)erfönlid^en  ßrfa^rung  ^erau«  bie  ©^toierigleiten,  bie  bem  Sibelglauben  anftöfeig 
finb,  abjufd^mäd^en  (attenuate),  SBunberer^^ä^lungen  mit  jarter  Unbeftimmt^eit  ju  um^ 
fc^reiben  unb  ba«  3h>«ifrfl^afte  ben  S03irflid^Ieit«forberungen  amu})affen  ftd^  bemüht,  aber 
bergifet,  bafe  jeber  iDtffenfd^aftlic^e  gorfd^er  auf  bie  gef^id^tlid9e  aSa^ri^eit  ein  bon  allen 
9?ebenabftc^ten  freie«  3led^t  ^ai,  ba|  biefe  früi^er  beliebten  ajlifc^formen  ber  §alb^iten,  eo 


764  ^ianlttt 

Unllar^citcn  unb  ÄomJ)romiffe  bcr  (Srienntnte  ber  reinen  ffial^rl^eit  ntd^^t  förberli(^  finb 
unb  beibe  ^ntereffen,  ba^  t)ralttfci^=reliötöfe  unb  ba^  tJ^eoretifc^-tolffenfc^^aftlict^c,  am  befttn 
gema^  Serben  in  ber  fttengen  Trennung  ber  erbaulichen  bon  ber  ^iftorifc^^ritif*«! 
iöibelerllärung.  — 

6  3nbe«  in  ber  Qad^c  felbft  ging  ©t.  ein  gut  3:eU  über  feinen  SReifter  ^tnau^.  geincr 
bem  abftraften  3)enlen  abbolben  3lrt  mar  ber  })raftifc^srationaIifierenbe  Siberaliömiig 
aimolb^  h)eit  anjiel^enber  atö  bie  j)oetifci^e  ^K^ftä  SJlaurice«  unb  ßoleribge«,  bie  ifcn 
t)on  bem  überf ommencn  Sreitlird^entum  abrüdfte ;  aber  gegen  ämolb  felbft  betonte  er  bi« 
Sebeutung^Iofigfeit  bed  3)ogma^  in  einer  ffieife,  bie  ben  älteren   erfc^rerfte.    äl^äbrenb 

10  er  bie  2lrnolbf$e  S^^eorie  bom  SJeri^ältni«  ber  Äirc^e  jum  ©taat  übernahm,  toerflücptigtc 
er  ben  ©lauben  bcr  Äirc^e  in  einer  feinem  ^Keifker  anftöfeigenffieife;  niemals  ^t  erfic^bi« 
^age  t)orgelegt,  Wa^  benn  nun  eigentlich  für  ^n^alt  bad  lirc^lici^e  Sogma  für  i^n  no(^ 
^atte.  D^ne  93ebenten  toied  er  jeben  SSerfud^,  ba^,  foa^  ein  ©lauben^rtifel  fac^lic^ 
enthielt,   feftjufteflen;  ab,   bemül^te  pd^  aber  um  fo  energifd^er  um  feine  fittlic^en  ober 

u>  geiftlic^en  2Berte.  — 

9lu^  biefer  Unterfd^ä^ung  bed  bogmatifc^en  ®uted  ergab  ftd^  fein  jtirc^en))rin^i|}. 
SDie  Äirc^e  ift  bie  Wienerin  be«  ©efamtbolfö;  ak  nationale  barf  fte  feinem  33olfögenoficn 
bie  ^Pforte  fd^liefecn  unb  i^ai  in  3Serbinbung  mit  bem  ©taate  alle  anfügten  unb  ©tres 
bungen  ber  9lation  barjuftetten,  toomit  freiließ,   toie  i^m   feine  ©egner  bördelten,  ba 

20  c^riftlii^en  Äirc^e,  bie  jtoeifello^  grofee  SJBal^rl^eiten  ju  toerlünben  unb  gegen  Irrtum  ^u  tjer= 
teibigen  l^at,  i^r  SRecpt  abgefproc^en  unb  ber  ©runbgebanfe  ber  Sieformatton,  bie  Über^ 
minbung  be«  g^tum^,  geleugnet  toirb.  ©einer  (Sinmirfung  freilid^  auf  bie  Sritgenoffen 
mad^te  biefi^  latitubinarif^e  ^rinji})  freie  Sal^n;  bie  toeiteften,  t)or  aHem  bie  tir^enfeinb- 
liefen  Ärcife  ftimmten  i^m  ju,  unb  bie  9)le]^rja^l  ber  in  Sttteratur,  treffe  unb  SBiffen^ 

26  fc^aft  einflufereid^en  9Jlänner  fal^  in  ber  SSertoirKic^ung  biefer  ©tfc^en  i^eorie  bie  3^- 
lunft  ber  Kirche,  bie,  t)om  god^e  be«  Sud^ftaben«  befreit,  bie  S3erl^ei|ung  ut  omnes 
unum  im  ^öc^ften  ©inne,  nur  nic^t  im  biblifd^en,  gu  erfüHen  fxq  anfd^icfe.  3Rit 
folc^en  3wfw"f*^^9ffnwngen  im  §erjen  fal^  er  in  feiner  ^At  neben  bun!eln  ©^^en 
pellet  Sic^t,  eine  Übergang^periobe,  au«  ber  ein   „Sßinter  be«  Unglauben«"    ober  eine 

80  JSrloecfung  be«  Gl^riftentum«  ju  l^öl^erem  geben"  fic^  erl^cben  toerbe.  95enn  bie  ^riftlic^ 
Äirc^e  ift  nad^  il^m  in  ftcter  6nth)icfelung  begriffen;  ber  ©laube  ber  einen  ^eriobe  ift  »on 
feinem  Vorgänger  öerfc^^ieben  unb  ab^än^ig.  35ogmen  unb  Sefenntniffe  ftnb  al«  bcr 
enbgiltige  2ifu«brucf  ber  abfoluten  SBal^r^cit  irrefül^renb,  unb  ^inter  allem  ©trcit  ber  Scr- 
gangenl^cit  liegt  eine  ^öl^ere  ^orm,  ein  erhabenere«,  burd^geiftigte«  ß^rifkentum,  unerreid^ 

86  bar  für  feine  Singreifer  unb  SJerteibiger.  3)er  ©laube  ber  Äirc^e  mufe  alfo  üon  ben 
3eitfeffeln  befreit,  bie  ^eilige  ©cfc^i^te  au«  bem  fonbentionellen  9lebel,  in  ben  eine 
unangebrad^te  ß^rfurd^t  fie  Der^üHt,  (icrau«gelöft  irerben.  2)ie  crfte  Slufgabe  be^  mobemen 
Il^eologen  ift  ba«  ©tubiunt  ber  Sibel  um  il^rc«  3"^^^/  nic^t  um  be«  ilf^r  gefc^ic^tlic^ 
aufgcjtüungenen  ©^ftem«  toiUen;    erft  bann  mirb  e«  ber  tl^eotogifc^en  ©nttoicrelung  ge^ 

40  lingen,  bie  attem  2lnfd^ein  nac^  guncl^menbe  ©c^eibung  jtoifd^en  ©lauben  unb  SBSiffenfc^Kift 
abjjutoenben.  2)er  Sibelforfc^er  l^at  äße«,  ma«  jufättig,  geitlic^  unb  felunbär  ift,  ^urücf^u- 
ftellcn  hinter  ba«  primäre,  b.  1^.  hinter  bie  toefentlic^en  unb  übernatürlid^en  Elemente  bcr 
^Religion,  ^^x  Sctoei«  unb  i^re  ©röfec  fmb  bie  gciftlid^en  unb  fittlid^cn  SBJal^rl^eiten,  bie 
au«  ber  Seigre  unb  bem  Seben  ß^rifti,  in  bem  ©t.  ba«  größte  aller  SBunber   fie^t,  gc= 

46  tüonnen  irerben.  35iefc  ftnb  bie  ßbclmctalle  ber  ©c^rift,  bie  ba«  ©d^eibetoaffer  ber  Äritä 
nic^t  JU  fürchten  braud^en;  benn  bie  ^acfel  ber  SÖa^r^eit  h)irb  im  fd^arfen  3u9h)inb  ber 
Äritif  um  fo  geller  emj)orfIammen.  2)ie  Sibel  ^at  i^m  nac^  toie  t)or  ben  Slnfpruc^, 
ba«  33uc^  berSüd^cr  ju  fein,  nic^t  berloren;  gerabe  in  einer  ®t)od^e  ioec^felnber  ©^fteme, 
bcr  fic^  fto^enbcn  unb  brängcnbcn  iagc«h)al^rl^citcn  loirb  fie  ber  allein  feftftel^enbe  geU 

M)  in  bcr  Sranbung  ^altlofer  g^itibecn  fein,  ©ic  fjat  eh)igleit«d^aralter,  unb  il^re  „uni^ 
berfalc  5Kcnfc^^cit«natur"  jcigt  ftc^  barin,  bafe  iebc«  gcitalter,  jebe«  ©efc^lec^t  feine 
eigenen  Probleme  unb  3^^ifcl  »"  ^^^  beleud^tet  unb  an  i^r  nac^  il^rem  ®egenh>art5= 
unb  3ufunft«h?crtc  mifet.  6inc  ßnttoidfclung  ber  c^riftUd^en  Se^re  auf  biefer  biblifc^^en 
Sinic  bietet  bie  ©elrä^r  für  ben  §ortfc^ritt   ber  2öelt   unb   für  i^re  SRüdtfei^r   ju   einer 

66  crl^abencrcn   c^riftlic^en   ii^cologic,  bie  ade    gcfunbcn,   in  ber  SEBelt  h)irfenben  ®eiflc«= 

mäd^tc  umfaffen  unb  eine  natürli^c  ©ctoalt  über  ben  ®eift  ber  ©ebilbeten  beft^en  toirb. 

^n  Verfolg  biefer  ©ebanfen   ücrtrat  er   al«  Äirc^enmann   eine  ^olitif   tDeitl^erjiger 

S^olcranj,   betonte   ben   abfic^tlic^   allgemein  unb   öcrmittelnb  gehaltenen  ß^rafter  ber . 

gormularicn  ber  englifd^en  ftircf^c  unb  befämj)f te  „bie  ile^ergerid^te  eigentoiHiger  Prälaten", 

60  um  anbcrcrfcit«  mit  iocitgc^cnbem,  oft  blinbem  ßifer  ba«  ©emeinfame,  ba«  olle  c^riftlic^en 


Stottle^  765 

©cmcinfd^aftcn  binbc,  ju  betonen  unb  bte  95ienfte  ju  J)reifen,  bte  bte  Drientaltfci^e,  SRö« 
mifc^e,  Sut^erifd^e  unb  ^Reformierte  Äird^e  mit  bem  gefamten  ©ettentum  für  bie  ©tärhing 
eine«  Verfeinerten,  aber  auc^  toerfltid^tigten  ß^riftentum«  get^an;  benn  überaß  fmb  bie 
©})uren  unb  Äeime  ber  SBal^rl^eit  toirlfam,  unb  gegenüber  bem  faft  attgemeinen  Abfall 
öon  bem  urlirc^lic^engbeal  muffen  fie  t)on  benSc^lacfen  unb  läftigen  Übertoud^erungen  be«  6 
3)ogmati«mud  befreit  toerben. 

9Jlit  toac^fenbem  SRac^brudt  machte  er  fid^  bi«  an  fein  (Snbe  j|um  3lntoalt  ber  SJer* 
binbung  bon  Äirc^e  unb  ©taat;  er  öerftanb  barunter  1.  bie  älnerlennung  unb  görbe« 
rung  be«  religiösen  ©lauben«  ber  ©emeinbe  t)on  feiten  be«  Staat«,  unb  2.  ba|  biejer 
jum  äu^brudc  gebrad^te  ©laube  unter  ber  ÄontroÖe  unb  5^^"ß  *>^  ©efamtgemeinbe  lo 
tjcrmittelft  ber  Slutorität  be«  ®efe^e«  gel^alten  toerbe.  3)ie  guri^biftion  be«  ©efei^e«  b.^. 
ber  Ärone  bejto.  be«  Parlament«  in  atten  ürc^lid^en  unb  toeltlic^en  2)ingen  ift  nic^t  eine 
fc^mäl^Iic^e  Jlnec^tfc^aft,  fonbem  ba«  ma(^tt)o(lfte  unb  geiftigfte  Organ  ber  ©efamt» 
gemcinbe.  Si«  jule^t  blicfte  er  mit  tiefem  UntoiUen  auf  ben  bro^enben  angriff  be«  „3)reis 
bunbe«  ber  ^untaner,  SJoltaire«  unb  Saub«"  auf  „ein«  ber  ebelften  SKJerle  ber  göttlichen  i5 
5ßrot)ibenj,  bie  ©efd^i^te  ber  englifd^en  ©taat«fird^e,  bie  t}olitifd^e  ©etoalt,  „bie  bi«  jur 
(Segentoart  bie  grei^eit  ber  freiften,  bie  Se^re  ber  gele^rteften  unb  bie  SJemünftigfcit  ber 
befonnenften  Äir^e  ber  ßl^riftenl^eit  in  i^en  ©c^u^  genommen";  fie  befeiti^en  toürbe 
bie  Vernichtung  ber  großen  ^been  ber  g^^ei^eit,  be«  SBac^dtum«  unb  ber  SSäeitl^erjigfeit, 
bie  in  bem  Seftcl^en  einer  nationalen  Äirc^e  gegeben  fmb,  bebeuten.  20 

3)iefe  9lnfd^auungen  liefen  i^m  infolgebe«  feine  Stellung  jtoifd^en  ben  beiben  grogen 
f irdS^li(^en  ^Parteien  an.  3Kit  feiner  t)on  ii^nen  ift  er  jum  gn^^n  gef ommen ;  t)on  ben  ©bange« 
Itfd^en  trennte  i^n  feine  SSerac^tung  be«  Sogma«,  feine  freie  Stellung  gu  ben  ^agen  ber 
Sibellritif,  ber  3nfJ)iration,  ber  ^Rechtfertigung  unb  ber  $öttenftrafen,  feine  begeifterte  55e* 
toertung  ber  „beutf^en  ^^eologie''  (the  most  laborious,  truth-seeking  and  conscien-  25 
tious  of  Continental  nations)  unb  feine  unabläffigen  Semü^ungen,  Infd^auungen,  bie 
bi«  auf  bie  römifd^en  Sinien  reichten,  in  ber  englifd^en  Äird^e  ba«  Sürgerred^t  m  fic(>em. 
3)ic  ^oc^Iirc^enmänner  aber  l^aben  il^n  grunbfä^lid^  befämj)ft ;  benn  feine  Slbtoeicpung  öon 
ben  bort  Vertretenen  Stnfd^auungen  toaren  funbamentale.  9lud^  ba,  too  er  i^r  toermeint« 
lid^e«  SRec^t  (bie  älnerlennung  i^rer  2e^e  unb  ^tojAS  im  ßftablif^ment)  bertrat,  gefd^al^  30 
e«  mit  Slrgumenten,  bie  niemal«  il^re  SiDigung  finben  lonnten;  il^re  Übertreibungen  ber 
Äultformen,  ben  girlefanj  ber  9^rac^tgeh)änber,  be«  SBei^rauc^«,  ber  ^anb*  unb  Äoj)fs 
l^altungen  fa^  er  mit  läc^elnber  93erac^tung  al«  tolerabiles  ineptias  an,  aber  mit  um 
toilliger  ©ereiü^eit  h)ie«  er  jebe«  (Sntgegenlommen  in  ber  bitalen  ^'^age  bon  einem  ben 
SSerfe^r  be«  3Renfc^en  mit  ®ott  bermittelnben  $rieftertum  jurüdf.  2)iefer  ©laube  an  as 
ein  äufeerlic^  nottoenbige«,  irbifc^e«  SRebium  jtoifc^en  ©Ott  unb  ber  ©eele,  fagte  er, 
ift,  toenn  id^  2)abib«  $falmen,  ^auli  ©riefe  unb  ß^rifti  (Sbangelium  rid^tig  berpanben 
l^abt,  gerabe  ba«,  auf  ma«  bie  ^U  grömmigleit  SBerjid^t  ju  leiften  ftc^  bemüht;  unb  je 
energif^er  ber  3Serjic^t,  um  fo  enger  ift  bie  Vereinigung  ber  ©eele  mit  il^rem  (Srlöfer. 
3n  biefer  ritualiftifc^en  SSerfnöd^erung  unb  SKec^anifierung  geiftlic^er  ©üter  erblidtte  er  4o 
bie  fd^toere  ©efa^r  einer  toac^fenben  aJlaterialifterung  ber  bem  Slbenbmal^l,  ber  unjtoeifet 
^aft  er^abcnften  religiöfen  ^eier  (ordinance)  auf  (Srben,  innemo^nenben  ^immlifc^en 
©nabe.  —  35iefer  in  ber  englifc^en  Äirc^e  ju  feiner  ^^'tt  Iräftig  einfe^enben  unb  ftetig 
lüad^fcnben  rüdtläufigcn  Seh)egung  tocnigften«  einen  ftarlen  5Damm  entgegengefe^t  ju 
^ahm,  barf  er  al«  fein  SJerbienft  in  2tnf})rud^  nehmen.  —  46 

@t.  ift  inbe«  nic^t  ber  ungläubige  Keiner,  ^u  bem  gereifte  ©egner  i^n  gemacht  ^aben. 
3h)eifello«  l^at  er  ba«  ©tubium  ber  1^1.  ©c^riften  in  ©nglanb  auf  gefunbere  Salinen 
gelenit;  bie  SSerbinbung  einer  pictätboUen  ©c|>riftau«legung  mit  einer  gefunben,  nac^  ber 
äiSal^rl^eit  fuc^enben  Jtrttit  unb  bie  neue  Vlüte  be«  bibel-  unb  firc^engefc^ic^tlid^en  ©tubium« 
^aben  in  i^m  jtoar  nic^t  ben  Segrünber,  aber  boc^  ben  geiftbollen  unb  einflu^reid^en  so 
3SorIämj)f er  ju  c^ren.  Unb  bie  bon  il^m  bertretenen  ©runbgebanfen  bon  ber  Uniberfalität 
ber  göttlid^en  Siebe,  bon  bem  abfoluten  SBert  ber  fittlid^en  unb  geiftigen  5DJäd^te  ber 
Sieligion,  bon  ber  abfoluten  ^errfd^aft  be«  ©etoiffen«  unb  ber  ba«  SBefen  be«  ß^riften« 
tum«  bebingenben  Vebeutung  be«  Seben«  unb  S^aralter«  feine«  göttlichen  ©rünber«  finb 
für  bie  religiöf e  Übergang«ej)oc^e,  ber  ©t.  an  feinem  leile  bie  SBege  geebnet  ^at,  germente  66 
getoorben,  bie  eine  Säuterung  unb  Srl^ebung  ber  im  Gl^riftentum  toirfenben  Äraft  burd^ 
iöefeitigung  bon  ^inbembcm  ©eranle  unb  inl^altlofen  formen,  bie  §errfc^aft  eine« 
reineren,  in  fic^  felbft  gemiffen  ©lauben«,  ber  grei^eit,  ©erec^tigleit,  3Beitl^erjig!eit,  ©elbfts 
berleugnung,  fojialen  Siebe  unb  furc^tlofen«  Suchen«  nad^  ber  SBa^r^eit  ^erbeigufül^ren 
mit  geholfen  l^aben.    @r  l^at  bamit  triebfräftige  ©amenlömer  in  bie  ^urd^en  ber  3^t  ^ 


766  Stanley  @ta)ifer 

ßehjorfcn,  bic,  tool^Ibc^ütet,  bic  ®eh)ä^r  einer  qefunben  unb  tjer^eifeung^reic^cn  ®nttou!c= 
lung  ber  (SrunbQebanlen  be«  6^ri[tentum«  in  \x(S}  trafen,  unb  l^t  borum  Iräftiöcnb,  er- 
l^ebenb,  bctebelnb  an  ber  3wlwnft  jeincr  Äirc^e  unb  fetne^  SSoIfe«  mitgearbeitet.  — 
©t.«  Schriften.  3!)ie  mic^tigflen  finb  im  3;ejte  oben  berjcic^net;  id)  füge  baju: 
5  Life  and  Correspondence  of  Dr.  Th.  Arnold,  2  Sänbe,  1844 ;  jtoölfte  Sluflogt 
1881;  Sermons  in  the  East,  1863;  Essays  chiefly  on  Questions  of  Church 
and  State,  1870;  Lectures  on  the  Church  of  Scotland,  1872;  Addresses, 
delivered  at  St.  Andrews,  1877;  Addr.,  delivered  in  the  United  States  of 
America  and  Ganada,  1879;  Christian  Institutions,  1881.      92itboIf  IBnbbenfteg. 

10  ©ta|ifer.  —  3)ag  belannte  bemif(^e2:i^eoIo9engef(^Ie(l^  ber  Stapfet,  beffen  bcrü^mtefta: 
SBerlreter  ber  ^elbetifcbe  SJlinifter  ^^ili})})  3Hbert  Sta})fer  War,  fkanmt  au^  bem  e^emoll 
bemifd^en  ©täbtc^en  Srugg  im  äargau,  toelc^eö  ftc^  feit  ber  9leformation  banf  ber  %iäX' 
forge  ber  bemif(|en  Dbrigfeit  burd^  gute  ©c^ulen  unb  burd^  rege«  gcifttg««  2eben  unb 
©treben  au^jeic^nete.    ^m  ^af)x  1774  tüaren  j.  S.   bon   ben    ca.  1000  Sürgem  mäfi. 

i6toeniger  ate  36  geistlichen  ©tanbeg.  Unter  ben  bebeutenbem  3Rännem,  bic  Srugg  im 
18.  3^^!^^""^^*  I^erborgebrad^t  ^at,  fmb  neben  bem  befannten  J^annotjeranifc^en  Seiboijt 
unb  fiitteraten  3-  ®-  3^"^*"^^^"^^""  ^"^  *>^"^  ^elbetijd^en  üRinifter  Slengger  üor  aUem 
bie  bier  Srüber  ©tajjfer,  bie  ©öl^ne  be«  1730  aU  ^Pfarrer  bon  SJlünfingcn  öerftorbencn 
3o^ann  ©tajjfer,  ju  nennen.    ^f)x^x  brei  toaren  Ideologen,  3^^«""  griebrid^,    ^fomt 

20  in  3)iefebad^  •  3«>^ö""^  ^rofeffor  ber  Ideologie  in  ^em,  unb  3)antel,  Pfarrer  am 
SWünfter  in  Sern,  lüä^renb  ber  bierte  ©ruber  fid^  afe  Öfonom  burd^  praftifc^c  l^otig- 
feit  unb  t^eoretifc^e  arbeiten  einen  Flamen  ma^te.  (Siner  ©eitenlinie  be«  (Sefd^le(^t§ 
entftammte  älbred^t  ©tapfer,  geboren  1722,  Pfarrer  in  9Jlünftngcn  unb  SRett, 
ber  bie  erfte  ^rei^aufgabe  ber  1758   gegrünbeten  Öfonomifc^en  ©efetlfc^aft  löfte.    5cr 

26  jungem  ©eneration  enblid^  gel^ören  an  bie  beiben  ©ö^ne  be«  Pfarrer«  3)antcl 
©tat)fer:  ?5^iIij)J)  SUbert,  ber  3Kinifter,  unb  ber  ^rofeffor  ber  2:i^ei)Iogte  griebtic^ 
©ta^jfer. 

I.  3)ie  Srüber  ^lo^ann  5^i^i>^i«'^#  S«^^«"^^  wnb  3)aniel  ©tajjfcr.    duellcn 
unb  Sitterntur:  2eu,  ^eloet.  Öejifon  «b  XVII,  @.  513ff.  unb  @u»pl.  S8b  V,  @.  GOoff.; 

aoßuf,  9?cfroIo(^  berühmter  Scötoeljcr  1812,  S.504;  ^Kcufcl,  ßcjifon  m  XIII,  8.286 ff.  ISIi 
3rb5ÖS3b35,  6.450.  Bibl.  Universelle,  S5b23.  «gl.  femer:  9(Icj.  ©(^weiser,  (fentralbogmen II, 
6.  758  unb  mm,  ©ejc^.  b.  fc^ro.  t.  II,  135,  144. 

3)er  bebeutenbfte  ber  Srüber  ©tapfer  ift  gol^ann  griebrid^.  6r  War  1708  geboren, 
befud^te  bie  ©d^ulen  feiner  SSaterftabt,  fj)äterbieienigenöonSemunb -iDlarburg,  too  er  beiSÖoljf 

36  ?5^ilofoj)l^ie  ftubierte.  5lac^bem  er  §oIIanb  bereift  batte,  lehrte  er  in  feine  §ctmat  jurücf, 
um  feine  grünblid^en  t^eologifc^en  unb  j)^iIofoj)^ifd^en  Äenntniffe  im  ©ienftc  feiner  Äirdx 
ju  bermerten.  @r  h)ar  juerft  |5elbJ)rebiger  in  ben  aSalbftätten  (1738—1740),  befleibctc 
bann,  toä^renb  er  ben  SHang  eine^  ®arnifon§t)farrer^  beibehielt,  ge^n  gabre  ^inbun^  bie 
§au^Iel^rerftette  in  ber  gamilie  bon  SBattenh)^!  in  Sie^ac^  bei  3^^un,  toorauf  er  175<3 

40  nac^  bem  S^obe  be«  befannten  ^farrer^  Samuel  2u^  (Suciug,  bgl.  ^di&  XII,  21  ff.) 
bie  Pfarrei  2)ie6bac^  erhielt.  Si^  ju  feinem  3;obe  1775  tüirfte  er  in  biefer  ©teflung 
mit  großer  2!reue  unb  aufoj)fember  .Eingebung,  alfo  bafe  er  feine  ©emeinbe,  bie  er  bei 
feinem  3lmtgantritt  burc^  feftiererifc^e  6inf(üffe  jerriffen  unb  gefpalten  angetroffm  fyittt, 
ali  eine   geeinigte  feinem  Jlac^folger  l^interlaffen   lonnte.    Sitte  feine  Siogrop^m  |eben 

46  afe  befonber^  rül^men^tüert  l^erüor,  bafe  ber  gelehrte  3Kann  ftd^  in  rü^renber  ireue  &€= 
mü^te,  bag,  tva^  er  in  tüiffenfc^aftlic^en  SBerfen  feinen  gebilbeten  Sefern  au^einanberfe^te, 
auc^  feinen  einfachen  ©emeinbegliebern  öerftänblic^  ju  machen. 

3}o(;ann  griebric^  ©taj^fer  tpäre  nad^  feiner  Slnlage  unb  Segabung   für  ba«  da-- 
bemif^e  Se^ramt  geeignet  getpefen.    SJiermal  erl^ielt  er   auc^  einen  9luf  nod^  aJtarburg, 

60  attein  er  gog  ba«  ^fanamt  Dor.  SKöglic^ertoeife  tüar  feine  ©tettung  ate  Pfarrer  bon 
^ic^bac^  auc^  J)efuniär  günftiger  aU  bie  i^m  angebotene  ^rofeffur.  3"^^»"  genügte 
feinen  toiffenfc^aftlic^en  Sebürfniffen  bie  litterarifc^e  2!^ätigfeit  bottftänbig,  für  bie  er  f\A 
tro^  ber  ftarfen  3;nö"f}5r"^"öl^me  burc^  bie  grofee  ©emeinbe  ftet^  bie  nötige  ^u^e  ju 
öerfd^affen  tüufete.    ©c^on  al^  §au^le^rer  öeröffcntlic^te  er  im  g^l^re  1743  fein   erftW 

66  ^auptn^erf,  bie  Institutiones  theologiae  polemicae  universae  in  5  Sänben,  r>on 
bencn  ber  erfte  Sanb  im  3-  1"^''  ^«"^  ^^^^^^  2luflage  erlebte.  6«  ift  bicfe«  SBerf  eine 
2lrt  ©^mbülif,  tnbem  e^  eine  2)arftcttung  ber  öerf^iebenen  lonfeffioneHen,  fird^lic^n, 
j)^iIofoj)^ifc^en  unb  religiöfen  2c^rfV)fteme  enthält,  5.  33.  beö  Slt^ei^muig,  3)ei^mu^,  Opi-- 
furäii^mu^,  @t^nici^mu^,  92aturali^mu0,   ^ubai^mu^,  3Jlu^amebanidmu^,   ©octani^mu^, 


@ta)ifer  767 

3nbtffcrcnligmuö  unb  Satttubtnari^mu^,  ^aj)temuig,  bcr  fjanattfer  (gnfjjiricrten  unb 
3)l^[tifcr)  be«  ^clagtant^mug,  2lrmmiant«mu«,  ainabopti^mu«,  bet  morgenlänbifc^cn 
Äird^c  b\^  herauf  ju  bcn  ^ärcjtcn  be«  ölteficn  ßi^riftentum^.  %ttdxdf  ip  bic  ^axs 
ftettung  nic^t  retn  objcftto,  fonbem,  tote  bcr  2:itel  be^.Suc^e^  befagt  unb  cntfi)rec^cnb 
bem  Qfyixdbia  ber  geitgenöfftfd^en  ^^eologie,  ^olemtfd^  Irtttfc^  boni  @tanb})unft  ber  6 
tffonnifrten  Il^cologie  au^,  bie  er  in  einem  erften  Seil  in  gebrängter  3)arfteIIung 
toorau^fc^idtte. 

gm  3^1^^^  1746  erfd^ien  bie  „©runblegung  jur  too^ren  ^Religion",  bcren  jh)ölfter 
Sanb  1753  bottenbel  mürbe.  2)a^  SBcrl  h)urbe  lüie  ba«  erfte  bon  ben  ^ritgenoflen  fe^r 
günftig  aufgenommen.  Rani  j.  33.  erflärte  e^  für  bie  öemünfligfte  unb  metl^obitc^  befte  lo 
3)arlegung  ber  c^riftlic^en  SDogmatif.  2)er  ©toff  ift  l^ier  f^nt^etifd^  georbnet,  aber  mit 
93eifeitelaffung  ber  reformierten  göberaltf?eoIogie.  gm  3JlitteI})unIt  bcr  2)arftenung  ftc^t 
bie  Sc^re  bon  ber  ©enugtl^uung.  3lli^  Srgänjung  ju  bicfem  SBcrl,  toeld^c^  im  tpcfents 
liefen  ^Dogmatil  entl^ält,  erfc^ien  öon  1757—1766  eine  jed^gbänbige  ©ittcnlel^re,  h)omit 
er  folglich  bie  bon  $oIanug  empfol^Iene,  in  ber  Sffiolfffcpen  ^eriobe  l^crrfc^enbe  S^cilung  15 
ber  c^riftlid^en  S^^eologie  in  t^eoretifc^e  unb  })raftif(^e,  in  Dogmatil  unb  ßt^if,  im 
toefentlic^cn  burd^gcfü^rt  i}ai.    3)oc^  ift  feine  gt^if  faft  augfc^licfelic^  ^flic^tenlc^rc. 

©nblic^  l^at  ©tajjfcr  1754  noc^  einen  2lugjug  a\x^  feiner  ,,®runbleguna"  in  2  S3änben 
^crauögegcbeh,  eine  eibe^unterh)eifung  1758,  unb  eine  2lnU)eifung  jur  d^riftlic^en  SReligion 
in  Äatcc^i^muilform  1769.  20 

©taj)fcrg  ©tanbj)unft  ift  im  attgemeinen  berjenige  ber  reformierten  Drt^obojie, 
immerhin  in  jener  mitbcn  berbünnten  ?^orm,  lüclc^e  2urrettini  unb  SBcrcnfete  vertreten 
l^atten.  2)a^  (Sigcntümli^e  bei  i^m  ift  aber  ber  überall  ju  3iage  tretenbc  ©influ^  bcr 
SBoIfffd^cn  $^iIofoj)^ie;  bie  er  ate  Hilfsmittel  gebraucht,  um  bie  SBal^rl^eit  ber  c^riftlid^en 
Sieligion  ben  3)cntenbcn  als  bernunftgemä^  ,,ebibcnt"  ju  machen,  „ßbibenj"  ift  fein  25 
©d^lagtport.  35er  naibe  ©laube,  ber  bie  ganje  3lufllärung  be^errfc^t;  bafe  eS  gelingen 
muffe  burc^  bemünftigeS  logifc^eS  2)enlen  unb  burc^  ftrenge  ©d^lüffe  unb  Folgerungen 
bie  SBal^r^eit  Der  d^riftlic^cn  ^Religion  ju  bereifen,  l^at  aud^  feine  arbeit  getraaen.  SS 
ift  ort^obojer  SRationaliSmuS,  tpaS  er  bertritt.  2)o(^  unterfc^ieb  er  beutlid^  jlüifc^cn  einer 
theologia  naturalis  unb  einer  theologia  revelata,  unb  nur  bon  ber  erftcm  b^i^axüpUU  30 
er,  ba|  fie  burc^  reine  3)enfoj)erationen  gefunben  Serben  lönne,  tpä^renb  er  für  bie 
l^ö^cre  ©tufe  bie  9Joth)enbigfeit  einer  Offenbarung  annahm,  bie  in  ber  1^1.  ©c^rift  ent^ 
galten  fei.  6ine  Weitere  ^olgc  biefer  äbfc^toäc^ung  ber  Drt^obojic  ift  bie  3)ulbung, 
tücld^e  er  in  feiner  Theologia  polemica  anbem  S3e!cnntniffen  ju  teil  werben  lic|. 
äßerbingS  ^at  il^m  bie  95erner  ß^wfw^'^^^örbe  einen  ^aragraj)!^  geftrid^en,  in  hjclc^cm  36 
er  fic^  über  bie  Unterfc^eibungSlel^ren  beS  lut^erifd^en  SelenntniffeS  ju  milbe  auSs 
gebrüdft  l^attc. 

©einem  ©ruber  gol^anneS  ©taj)fer,  geb.  1719,  geft.  1801,    fommt  nid^t  biefelbe 
toeitreic^cnbe  Sebeutung  ju,  obmoj^l  er  feit  1756  ben  Se^rftu^l  ber  elenc^t^ifc^en  Sl^eologie 
unb  feit  1776  benienigen  ber  bibaftifd^en   einnal^m,  unb   als  ^farrer  bon  2larburg  in  40 
glänjenber  aßeife  für  biefen  fic^rftu^l  bisj)utiert  l^atte.   ©eine  ©tärfe  unb  Segabung  lag 
mc^r  auf  bem  j)raltifc^cn  ©cbiete,    tpie  er  benn  auc^  als  einer  ber  beliebteften  ^rebiger 
galt,    unb   feine  bon  1761  bis  1781  erfd^ienencn    7  Sänbe  ^rebigtcn  noc^  nac^  feinem 
2!obc  eine  9ieuauSgabe  erlebten.    @r  f)ai  fid^  auc^  burc^  eine  Bearbeitung  beS  bemifc^en 
$falmenbu(^eS  berbient  gemacht,   inbem  er  an  ©teile  bcr  2obh)afferfd^en  Überfe^ung  eine  45 
neue  metrifd^e  einführte,    bie  „parttcntDcife    nic^t   o^ne   bic^tcrifc^cn  ©d&h)ung,    gemein^ 
bcrftänblic^,    ber^ältniSmäfeig    fj)ra(^rein,    ben  SSerglcic^  mit  anbern   jcitgcnöfjifc^en  SSc^ 
arbeitungen  bon  ©J)rcng  (1741),  SBilbermett  (1747)  unb  3-  2t.  Gramer  fel^r  tool^l  auS* 
^ält"  (©über).    (Snblic^   gab   er   in   gorm   bon  5ßrcbigtbiS^jofttionen    unter   bem  litel 
Theologia    analytica    eine     f^ftematifd^    georbnete   2)arftellung    bcr    l^auj)tfäd^lid^ften  w 
©laubenSlc^en  ^crauS,  Sem  1763. 

Der  jüngfte  bcr  brei  Srüber  Daniel,  juerft  Pfarrer  in  3Kurten  unb  feit  1766  am 
aWünfter  in  Sern,  jeid^netc  fid^  burc^  bie  aBärme  unb  ben  (Schalt  feiner  ^rebigten  auS. 
Seiber  liegt  bon  il^m  nid^tS  ©ebrudtteS  bor  als  eine  ^rebigt  über  baS  ©rbbeben  in  Siffa^ 
bon,  tDclc^eS  bamalS  aße  ©emüter  befc^äftigte  unb  ben  D})timiSmuS  ber  3lufflärung  inS  66 
aSanlcn  brad^tc.  SBielanb  ^at  fie  für  bie  befte  bcr  Äanjelreben  auS  jener  QÄi  gehalten. 
©eine  ©ö^nc  irarcn  nun 

IL  ^l^ili^p  3llbert  ©taj)fcr  unb  griebric^  ©tajjfcr.  Cuellen:  bic  uorigcn, 
ba^u  bie  muftergültiije  au§füt)rli(i)e  S^iograp^ic  oon  Dr.  fiuginbüi)l  (^afel  1887),  bcr  aud^  ben 
SBrieftPcc^fel  6tapfcrS  jum  großen  5^eil  ^crauSgcgeben  ^at,  m  bcn  Clucllcu  ber  Sc^w.  ®cfclj.  XI,  60 


768  etotifer 

XII  unb  im  ?lrd)it)  bc§  ^ift.  «er.  »crit,  ob  XIII.    (Sine  filtere  9CuSgabe   bc*  »rief»e4ifU 
mit  Slenggcr  ^at  &.  ©ijbler  1847  (Süricö)  bcforgt. 

$^Ut^))  äUbert  ©tat)fer,  tueld^er  bem  3lamzn  ©ta))fer  einen  unt>er()anglt<i^  @tan| 
ertoorben   ^atte,   tüar  am  23.  ©eptember  1766    in  8cm  geboren,     ©eine  3Jhitter  twr 

6  eine  3BaabtIänberin,  toa^  für  ©ta))fer$  (Sriiel^ung,  @ntn>i(felung  unb  Steigungen  mä^ 
ol^ne  dinflug  toax.  @r  tuurbe  bon  feinem  SSater  unterrid^tet,  ber  tro^  feiner  bteiai 
arbeit  alle  Siage  einige  ©tunben  jeinem  ©o^ne  ot)ferte,  um  i^m  eine  f orgfaltige  vaor 
berfede  @r}ie^ung  ju  teil  tuerben  ju  Iaf[en.  ^ann  befud^te  er  bte  @<^ulen  Semd,  too 
i^n   befonber^  ber  $^i(ofo))l^  unb  Xbeologe  ^o^.  ^t^,   ein  tDirHtc^  bebeutenber  Slann 

10  unb  glänjenber  ^ojent,  anjog.  9(ud^  feinem  Onfel,  $rof.  ^ol^.  ©tapfer,  ben  er  fe^  hoii 
fd^ä^te  afö  „unfern  beften  Slelipionglel^er",  berbonfte  er  biel:  „er  h>ar  mir  ein  itoeitcr 
SSater  unb  atö  Se^rer  ^at  er  mtr  fo  biel  ®uted  unb  ®roged  ertoiefen,  ald  mir  ein  fRaif(( 
einem  anbcm  ertoeifen  fann."  ®r  arbeitete  angeftrengt,  fo  bafe  er  fc^on  bor  feinem 
@£amen  mit  gtoei  großem  arbeiten   über  bie  ^^Uofot)^te  bed  ©ofrated  unb  ben  Xuf^ 

16  erftel^ungdglauben  bor  bie  Öffentlid^feit  treten  fonnte.  1789  begog  er  gur  SoOenbung 
feiner  ©tubien  bie  Uniberfität  Hattingen,  toeld^e,  feit  ber  groge  ^aQer  bort  getoirlt  fymt, 
eine  ftarte  älnjie^ungdtraft  auf  Semer  ausübte.  @r  ^örte  bort  bie  2^eoIogen  Sttc^cTil 
unb  Äot)t)e,  ben  5pi^iIofot)^m  ßc^ne,  bie  ^iftorifer  ©id^^om,  Bpitütt,  ja  fogor  ben  ©eo^ 
grob^en  gorfter  unb  ben  3Dlat|ematiIer  Sid^tenberg.    ^ier  in  ®öttingen    tourbe   er,  bc 

ao  bi^ber  an  ber  3Bal^rl^eit  bed  ort^obo^en  ©^ftemd  ni^t  gejtoeifelt  ^atte,  \}on  fc^lüeren  inneni 
Anfechtungen  unb  3^^ifdn  gequält,  bie  me^r  aU  ein  gamed  ^alft^ffnt  i^n  bearbeiteten 
SBmn  er  in  biefer  gan}en  ^z\t  bm  innem  ^alt  nid^t  berlor,  fonbem  ftc^  bielmebr  ju 
einer  reinem  unb  tiefem  9luffaf[ung  ber  Sleligion  unb  ber  ))ofitiben  Sßa^^ten  berfelben 
burd^rang,  fo  berbanhe  er  bad  )um  größten  Xeil  bem  Sinflu^  feiner  SRutter,   bie  i^ 

35  bon  iel^er  bie  Sleligion  al^  eine  ^ergen^fad^e  unb  eine  äln^eleaen^eit  be^  innem  Sebcr^ 
anfe^m  gelehrt  patte.  ^reilid^  rebete  er  je^t  eine  Qtxt  iani  gang  bie  &pxai^  bei 
9(uff(ämng.  3$on  ®öttingen  reifte  er  mit  6m()fel^Iungen  feined  ®5nnerd  3-  ®-  S^^^^'- 
mann  na^  Sonbon,  too  er  3^^d^  ^^  Jtäm))fe  jtoifd^m  bm  3)oried  unb  ben  3Big|^  toat, 
unb  bon  "pa  nad^  $arid  1791.    ^aft  gleid^geitig  mit   bem   nad^    feinem    unglücflidxn 

80  ^lud^tberfud^e  jurüdCgefü^rtm  Jtönige  traf  er  in  $arid  ein.  3Sa^  er  bort  Don  ber  Slebo-- 
lution  fa^,  nal^m  i^n  ungemein  ein.  @r  fanb  ftramme  Orbnung,  gro|e  !gbeen  unb  toxd? 
lid^e  ^ortfd^ritte,  fmb  hod)  bie  brei  erftm  ^al^re  ber  9lebolution  bie  fru^tbarftm  unb 
beften  getoefen.  3lad)  feiner  Slüdtte^r  über  ®enf  tourbe  er,  rei^l  an  5lenntniflen  unb 
Srfa^rung,  lonfciriert   unb  fofort  im  SBinterfemefter  1791/92   gum  ©teOtjertreter  feinet 

86  DnleU  für  t^eoretifc^e  Il^eologie  ernannt,  ©obann  belleibete  er  bie  ©tette  eine^  ©iprot^ 
lel^rer^  am  t)olitijd^cn  3"^^^^/  ""^  ^^^  1796  fein  Dnlel  reftgnierte,  iourbe  er  fein5}a(fc 
folger.  9)lan  tou^te  |\tüar,  ba^  er  mit  ber  SJebolution  f^mpat^ifierte,  allein  ba  er  bo4  in 
feinen  änfid^ten  lein  ©c^tüärmer  toar,  unb  fein  ebler  ß^aralter  alle  (Garantien  bot,  ba  er 
jubem  mit  ^'»""^^'^^"flwn  unb  $rof.  3tl^  befrcunbet  toar,    fo  tourbe  er  getoä^It.    Biap}^ 

40  tourbe  al^balb  bag  $aut)t  unb  bie  ©eele  ber  burd^  ^tl^  neu  organifierten  älfabcmit 
eine  glän^enbe  ^^rofcfforenlaufbal^n  ftanb  i^m  bebor,  al«  bie  ®retgniffe,  ber  ©turj  ba 
^Regierung,  ber  Übergang  Scrn^  unb  ber  gatt  ber  alten  ©ibgenoffmfc^aft  1798,  i^n  oul 
feiner  33a^n  fc^Icuberten  unb  bor  eine  gan^  anbre  toic^tigere  aufgäbe  im  2)imft  bei 
2anbe^  fteOtm. 

46  „2lte  bie  Slcbolution  an  bie  lodfem  unb  morfd^en  ©taat^gcbäubc^en  ber  ©(^toeis 
flot)fte,  tüar  ©taj)fer  in  t)l^ilofot)l^ifc^=tl^eoIogifc^e  ^robleme  bertieft".  ®r  flimmte  i^r  not^ 
immer  gu,  boc^  nic^t  ber  2lrt  unb  2Beife,  toie  bie  fran^öftfcben  Irut)t)en  unb  §eerfübrei, 
fpejictt  ber  ^Raubritter  SRapinat,  fie  bertraten  unb  burd^füi^rten.  2)aö  SSertraum  bei 
neuen  Slegicrung  crfanntc  in  i^m  ben  geeigneten  5Kann,  um  auf  bem  SQege  einer  bijjüi- 

60  matifc^m  ^iffton  in  $art^  bagegen  Sinfprac^e  ju  erl^eben.  Sttoad  f^at  er  aud^  erreicht, 
ahn  nic^t  bici.  3Re^r  fanb  er  für  feine  ^erfon,  inbem  er  in  3Warie  3RabeIeine  ^ierrett« 
Sinccnt,  einer  cblen  ^rotcftantin,  feine  §rau  fanb.  SBar  er  fdjion  burc^  feine  SRutter 
bem  romanifc^cn  SQScfcn  bertoanbt  unb  jugct^an,  fo  tourbe  nun  biefe  ißeigung  burt^  feine 
SSerbinbung  mit  ber  Oattin   bermafecn   bcrftärft,    bafe   er  baburc^  mit  ber  3eit  feinem 

55  SSaterlanbe  unb  auc^  ber  beutfc^en  X^eologie  berloren  ging,  ©o  innig  unb  ^erjlid^  au(^ 
bag  e^elic^e  SBer^ältni^  toar,  fo  ift  c^  boc^  ^u  bebauem,  ba|  ©tajjfer,  ber  in  ben  toenigen 
^al^rcn  feiner  aBirffamfeit  in  ber  ©c^toeij  fo  ©rofec«  geleiftct  l^atte,  um  feiner  grau  toittcn 
^ä)  f>)äter  feiner  §eimat  entzogen  l^at. 

SBä^renb  er  noc^  in  ^ari^  loar,  tüurbe  er  bom  l^elbetifc^m  3)ireftorium  gum  SJinifici 

eober  SBiffenfc^af ten,  Äünfte,  (Sebäube,  Srüden  unb  Strafen  emannt,  2.  3Rai  1798.  6m 


(Sto^ifer  769 

QCtoaltigcr  Umfc^tüung!  SSom  ^rofcffor  ber  S^l^eologie  jum  2)Jmiftcr  ber  SBiftcnfd^aftcn 
unb  ber  ©trafen!  3"^^  ^^^^^  ^^^  ^"  3*^  gcbac^t.  2)erfcl6c  l;attc  fic^  aber  fd^on 
nad^  Sifclcn  ^urüige^ogen,  um  3Muf;c  ju  ^abcn,  unb  toic^  auf  6taj)fcr.  5Jac^  furgem 
aber  fc^toercm  inneren  5lamj)fe  na^m  er  an.    gür  bie  Ideologie  toar  e«  fd^abe,  benn  man 

{►ätte  bon  il^m  ertoarten  bürfen,  baf;  er,  toie  ©c^necfenburger  meinte  (Über   bie  G^riftos  5 
ogie  Biap^tt^,  Sern  1842),  „bur^   folibe  ©ele^rfamfeit  unb  j)l^iIofoj)biJclE>cn  ®eift  bie 
d^riftU^e  Se^re  enttoidelt  unb  befräftigt  l^ätte,  jo  baf;  bie«  nic^t  crft  ©d^^teiermad^cr  über^ 
lafjen  toorben   toäre."    gür  bie  Äirc^e  unb  ben  religiöfen  guftanb  be«  S^olfe^  toar  e^ 
aber  entfc^ieben   ein  ®lüi,  baf;  ©tajjfer  bie  SBal^l  annahm.    3)ie  ©taat^firc^e  iüar  ja 
offijiett  abgefc^afft  unb  in  ben  fül^renben  Äreifen  ber  ©etoetif  ^errfc^tc  nic^t   nur  ein  10 
fdj^arfer  antifirc^lic^er,  fonbem   ein  bireft  antireligiöfer  (Seift,    unter  bem  aHe^  ju  leiben 
^atte,  toa«  nod^  irgenbtüie  c^riftlic^  l^iefe.    ^Ran  mufe   ^  bal^er  für   eine  ?5"^i^""0  ^^^ 
göttlichen  33orfe^ung  galten,  bafe  ©tat)fer,  ber  tro|  feinet  Äantifc^en  SRationali^mu^  mit 
feinem  ^erjen  boc^  auf  bem  33oben  eine^  j)ofitit>en  ßl^riftentumg  ftanb  unb  ber  ben  5Jlut 
^atte,  feine  Überzeugung  ju  befennen,  bie  Seitung  be^  Äird;entoefen3  übemal^m,  ebe  bie  ib 
lirc^Iic^e  2lnarc^ie  fic^  Verlängerte,  greilic^  tourbe  bie  Äird^e  nur  infofem  anerfannt,  atö 
fic  ber  2luf Märung  biente  unb  afö  fie  burc^   i^re  erjiel^erifc^e  2l^ätigleit,  il^ren  ©influfe 
auf  bie  SÖloralität  unb  bie  ©c^ärfung  ber  ©etoiffen  ben  Staat^^tüetf  unterftü^te.    3)er 
©laube  aber  unb  ba^  Sefenntni^  toaren  ^riüatfac^e.    2)ag  toar  bamate  auc^  ©tajjfer^ 
Überjeugung,   bie  er  balb  nac^  feinem  2lmtgantritt  in  einer  ^rollamation  an  bie  GJeifts  20 
liefen  beiber  Äonfeffionen  unter  bem  litel  bertrat:    „35er  5Kinifter  ber  Äünfte  unb  ber 
SBifjenfc^aften    ber  einen   unb   unteilbaren  §efoetifc^en  9le}3ublif  an  bie  Stcligionglel^rer 

tetoetieng  über  ij^re  ^flid^ten  unb  Seftimmung".  ©tatofer  toar  aber  in  feiner  ganzen 
ernjaltung  treulid^  bafür  beforgt,  bafe  bie  „93ürger  Pfarrer"  i^r  Slmt  atö  Steligion^* 
leerer  nic^t  nur  ^emäfe  be^  „©taatgjtüedEe^",  fonbem  auc^  bon  einem  l^öl^em  ©eftc^tö^  20 
jjunite  au^  berric^ten  lonnten.  @r  ^atte  aber  3Jlül^e,  gegen  bie  feinbfelige  öefinnung 
feiner  Äottegen,  bie  i^n  gelegentlid^  bireft  be^abouierten,  auf^ufommen,  tourbe  bod^i  fogar 
1799  bie  Settagg^roflamation,  bie  ©tajjfcr  bon  $arig  au^  berfafjt  f)atU,  bom  2)ireftorium 
»erboten,  nur  toeil  er  in  berfelben  ber  Überzeugung  Slu^brud  tjerlie^en  l^atte,  bafe  „o^ne 
gemeinfamen  nationalen  Ootte^bienft  baö  öffentliche  ©etoiffen  gefc^mäc^t  njerbe  unb  bie  so 
©ittlic^feit  eine^  SSoIfeö  il^ren  innem  §alt  unb  il^re  Sebenöfraft  berliere!"  (S^  ging  bcnn 
auc^  nic^t  lange,  fo  toar  bie  3"^^fi^*/  *"i^  ^^  ^  bie  neuen  3wf^ä"be  begrübt  \)aiit, 
erl^eblic^  erfd^üttert. 

Um  fo  mel^r  tonnte  ©tat)fer  trofe  ber  lurjcn  ^^\t  feinet  3Jlinifterium^  auf  anbcrn 
©ebieten  teiften,  namentlich  be^  ©d(|uU  unb  3lrmentoefenö.  Sr  l^atte  h)eitgreifenbc  unb  35 
^o^e  ^läne.  ©rünbung  einer  allgemeinen  ^elbetifc^en  9Solf^fd(|ule,  einer  eibgenöffifc^en 
Uniüerfität,  bon  Se^rerbilbung^anftalten,  unb  tvmn  and)  bai§  toenigfte  jur  i^ertoirflicbung 
fam  —  tüie  überi^aujjt  bie  ^t\i  ber  §elbctif  eine  ^dt  fc^öner  ^läne  ol^ne  It^aten  mar 
—  fo  toaren  eö  boc^  ©aatfömer  für  bie  3wtw"f^-  3tud9  für  ^eftalo^gi  intereffierte  er 
fic^  unb  fe^te  i^n  in  ben  ©tanb,  feine  3Jletl^obe  im  ©rofeen  burc^jufü|ren.  ßnblic^  er=40 
h)ä^nen  toir  noc^  feine  Serbienfte  um  bie  Sittcratur  (Reibet.  Solfeblatt),  bie  ^lationaU 
fultur,  bie  Sibliot^elen  unb  fünfte.  ©^  ift  un^toeifellaft,  bafe  er  Diel  me^r  erreicht 
l^ätte,  toenn  er  länger  unb  ungeftört  ^ätte  toirfen  fönnen.  aber  fc^on  1800  mufete  er 
al^  ©efanbter  nac^  ^ax\^  (bi^  1803),  unb  nun  nahmen  bie  öffentlid;en  SSor^änge  in 
^arig  unb  granlreic^,  bie  ©rl^ebuna  Sonajjarteg  jum  erften  Äonful,  bie  D}3pofition  ber  45 
göberaliften  in  ber  ©c^toei^,  bie  Sebrol^ung  ber  fc^toeij.  Unabl^ängigfeit  burc^  %xanU 
reic^  unb  bie  SJerfafjung^reDifion,  beren  Srgebniö  bie  ^tebiation^aftc  toaren,  fein  ^"tcreffe 
bermafeen  in  Stnfj^rud^,  bafe  er  auigfc^liefeli^  l^olitifd^  t^ätig  fein  mufete  unb  bafe  alle  bie 
meiften  feiner  Wohlgemeinten  ^läne  unDoUenbet  unb  unau^cfü^rt  liegen  blieben.  Um 
fo  mcbr  l^at  er  in  {jolitifd^er  §infic^t  feinem  Sanbe  genügt.  50 

2Kit  bem  ©turj  ber  §elDetiI  1803  jog  fic^  ©tat)fer  in^  ^ribatleben  jurüdf.  3)er  Erfolg 
l^atte  i^m  bod^  nic^t  fo  geläd^elt,  toie  er  gel^offt  ^atte.  ©ein  Seben  in  bicfcr  3^it  hj^r  9Jlül^e 
unb  3trbeit  getoefcn,  unb  bie  ©rinnerung  baran  toenig  erfreulich.  2lber  ba«  Setoufetfcin 
blieb  i|^m,  ba^  Sefte  gemottt  ju  l;aben,  unb  fein  ßi^aralter  toar  intaft  geblieben  in  einer 
3cit,  in  ber  bielc  ©c^aben  gelitten  ^aben.  SBo^I  l^ätte  er  mit  leidster  3Jlü^e  unter  ben  65 
neuen  3Ser^ältnifjen  jjolitifc^  Garriöre  machen  lönnen,  toenn  er  feine  ^eltoetifd^en  Orunb^ 
fä^c  Verleugnet,  ivenn  er  nur  neutral  geblieben  toäre!  ©tajjfer  ioie^  e^  ab.  SDie^olitil 
blieb  il;m  Derfd;loffen ;  ing  afabemifc^e  Se^ramt  fonnte  er  aud^  nid^t  me^r  ^urücf,  ^ubem 
brängte  feine  grau,  bafe  er  fic^  in  SJranfreic^  nieberlaffe.  ßr  too^nte  bon  180G  an  in 
Seiair  bei  5ßarig,   fj)äter  in  lalc^  bei  3Kcr  auf  bem  Sanbgut  feiner  ©c^toiegermutter.  60 

IRcalsdncl^nopftbic  fttr  2:^Ioflic  nnb  setrdie.    8.  «.  XVIII.  49 


770  ei<)ifcr 

Sfu*  bie  Sletfen ,  bic  ex  in  bic  SAtoei.;  unternahm,  erfolgten  in  immer  gröBem  Jittct 
toaüen,  fo  bafe  ^,  tro^bcm  er  au^  ber  ^eme  ein  aufmerffamer  Seobacbtfr  bn:  (rrdgmji« 
in  ber  Heimat  blieb,  in  ber  neuen  ipeimat  immer  mcbr  beimifc^  tourbe.  3n  feiner  3uri«t 
ge^ogenbeit   üon   ber  *??cütil   toibmete   er   ficb   je^t  ber  ffiiffenfc^ft  unb  ber  pflege  be§ 

6  !ircbii(tcn  unb  religiöfen  Sebens  imterbalb  ber  j)roteflantifc^en  StitAe  öon  J^oiäreid), 
bcren  bebcutenbfter,  glän^enbfter  unb  f^mpat^ifcber  3?ertreter  er  tourbe.  6^  ift  beianm, 
toie  na^  beut  Stur^  bee  flaiferreid»^  in  ^xcaih^A  unb  mit  bem  ^egfoUcn  bcö  Snide«, 
ber  auf  ben  ©emütem  gelaftet  batte,  bie  Äreife  ber  ©ebilbeten  haä  Skriangen  ergrijf, 
burc^  Serübrung   mit    ber  auelänbifcben   namentlicb  ber  beutf(^  @etfte$beti>egun9  Um 

10  gciftigen  i'eben  granfreic^  neue  Äräfte  jujufübren  unb  nac^^ubolen,  too^  unter  bn  ^^ 
fc^aft  be«  9JJiIitarismu^   fo   lange  berfäumt  toerben  mufete.    gto^fer,    burc^    ^öiilkfre 

rcunbfcbaft  mit  ben  f übrenben  ^^erfönlicbfeiten  gfranlreicfy^  unb  bcS  3(uSlanb^  berbunbai, 
mit  9Kaine  be  Siran,  mit  ©uijot  unb  Goufm,  bon  Sonftetten,  2H.  ^umbolbt,  5Rmt 
be  Stael,    toar  unftreitig  ber  geeignete  9JJann,  um  in  biefe  Setoegung  einzugreifen,  unb 

15  ber  3nter)?rct  ber  beutfc^en  ^4?^iIofop^ie,  fpe^ieH  Äant^,  in  ^anfretc^  gu  toerben. 
©ui^ot,  ber  fpäter  fo  berübmt  geworbene  Sd^riftftener  unb  SRimfter,  toor  fon 
1807—1810  bei  ibm  öilf^lebrer  für  ben  Unterricht  feiner  Söbne.  ©tcqjfcr  ift  e^  getoejat, 
ber  feine  latente  entbcrfte,  bie  ßrfüttung  feinet  SBunfc^e«,  fic^  litterarifc^  ^u  bctBätigen  er- 
möglid»te  unb  ibn  bei  feinen  J^eunben  einführte,    äud^  in  feiner  neuen  SteQiing  fonnie 

20  er  für  fein  6anb  t^ätig  fein,  infofem  er  in  feinen  ©riefen  an  bie  greunbe  in  ber  ^einwt 
i(^nen  toertt^oQe  9{atfc^Iäge  gab.  Sobann  grünbete  er  bie  fd^tueig.  ^ilf^efeHfc^  in 
^ari^,    bie  in  ber  ^^^Ö^J^^  h  biele  toor  9tot  unb  SSerberben  betoa^  ^t. 

am   nat^baltigften  toar  aber  bod^  feine  ftitte    intenfibe  SBirffamfeit   auf   religiöfem 
®ebictc.    3"  f^"^  rcligiöfen  ßnttoidelung   näl^erte  er  fid^   immer   me^r  bem  })ofitiiwi 

25  ßf^riftentum.  ßbangelif^  toar  feine  religiiJfe  Überzeugung  im  ®runbe  immer  getoefcn, 
unb  er  f^at  au(b  in  ber  ^c\t,  ba  er  tbeologifc^  bemüht  toar,  ba^  SBefentlic^e  am  ßbrütci- 
tum  mit  ber  ^bi(ofo>)^ie  ju  bcrbinben,  unb  ba  er  afö  3Rinifter  bie  Airc^  unb  iht 
Arbeit  bem  Staat^jtücd  ber  moralifd^en  Grjic^ung  unterfteflen  tooHte,  nie  bem  bulgöroi 
Wationaliemu^  ge^ulbigt.    ^a^n  toar  er  ju  tief  veranlagt,   unb   t>on  feiner  SRuttcr  ha 

ao  ju  innig  bcrbunben  mit  ber  ^crfon  ^e\\x.  2lber  er  ^tte  boc^  geglaubt,  Äonjeffioncn 
machen  unb  bie  Sßabr^cit  in  ein  ber  3^^^  entfprec^enbc«;  ©etoanb  fleiben  ^u  muffen.  3" 
bem  *3)ia6e  nun,  aU  er  Jjerfönlic^  jur  Slbflärung  ftc^  burc^rang,  fielen  aQe  biefe  füllen 
unb  Stufen  babin.  Sein  ©laube  griff,  hjic  er  ficb  au^brüctte,  toieber  nac^  ben  ,',hiftcfc 
rifcfien  Stufen"  (33ricf  an  Ufteri,  Sluguft  1823),  ^iait  nad)  93emunftgrünben,  toieber  mi 

35  ben  fcblici^ten  cbangelifcf^cn  ^cilstbatfacben.  I)ie  ßrloechingebetoegung,  bie  Don  ßnglonl? 
auögcfjcnb  ju  2(nfang  bc^  19.  3at;rbunbert^  ben  fran^öfifc^en  ^roteftantiömu^  befruitcrc, 
fanb  bei  if;m  tooUce  SJcrftänbni^,  unb  Stajjfer  fteHte  [\d)  mit  greuben  an  bic  Bpr^t  b<r 
religiöfcn  ©cfcüfcfiaftcn  unb  l^creine,  bie  bicfer  Scloegung  ibre  Sntfte^ung  berbanftcn. 
Tic  $Rcbcn,   ioelc^jc  er  an  ben  IJ^^^^^f^ften  biefer  3Sereine,  j.  33.  ber  SibelgefeQfcbaft  un^ 

40  ^JJ?iffion«öcfcII)c{;aft,  gcbalten  ^at,  gc()ören  ju  ben  ge^altboUften  unb  le^rreic^ften  3^9' 
niffen  bcö  fran^öfifcben  *J?rotcftantiömu^.  Ünb  jtoar  jcigt  fi^  in  i^nen  auf^  fcbönftc  )hx 
gute  öinfluf,  ber  Ibeologic,  ber  bcntfc^en  2:{^coIogie.  ©tojjfer  ^at  nie  aufgebort,  fin 
ibcclogc  ju  fein,  unb  bic  i^cologic  beloa^rte  il^n  bor  ben  inteUeJEtueOen  Sluöfc^reitungcn, 
an  bcncn  c^  in  ber  Grioccfungöbctocgung   nic^t   ganj   gefeblt   ^at  unb  bencn  ein  9)Jann 

45  mit  folcf^cn  mcc^fclooßcn  £d;iäfalen  unb  Gnttäufc^ungen  leicf^t  ^ätte  berfaQen  fi^nncn: 
^ür  ben  tn^n,;;ofifcbcn  ^rotcftantismuö  toar  biefer  3"P"fe  bon  bcutfc^er  2:^eoIogic  uni 
CiK'iftcearbcit  bic  gröBte  2ßofjIt^at.  2tnbercrfeit^  bctoa^rte  ibn  bie  fran^öfifc^e  2lrt  bam, 
baji  feine  ^)(cbcn  nicbt  Irorfcnc  unb  gelcbrte  3lbbanblungen  tourben.  ©ie  h>aren  allgemein 
bcrftänblid;  unb  fufetcn  bocf)  auf  ber  grünblic^ftcn  tbeologifc^en  Äonjej>tton  ber  ?|ÄrobIenit 

50  Gnblic^  offenbarte  fid;  ber  fcgen^reic^e  Ginflufe  ber  Äantifc^en  ^;jibilofo})l^ie  barin,  bafe  er 
ba^  ÖDani^clium  unb  bas  ©civiffcn,  bie  .s>eil^tbatfad^en  unb  ben  lategorifc^en  3*^>>^'^^^ 
in  innere  i^crbinbung  gu  bringen  tocrmoc^tc.  So  h?urbe  er  einer  ber  beften  Slpologeten 
bc^  cüangclifcf)cn  Gbriftcntuntö  in  J^ranfrcic^,  fotoo^I  gegenüber  ber  p^iIofoJ)^if(^en' unb 
fritifc^)cn  ^){id)tuni3,   bic   in  bic  Sclbft^crfe^ung  bc^  (Sbriftentumg   au^münbcte,    ak   au* 

55  gegenüber  bem  ftreitbarcn  Ultraniontani^mu^,  ber  getragen  bon  ber  {jolitifd^cn  SRealticn 
in  jener  ^^\i  fein  Aau>}t  erfjob,  unb  bem  natürli^  Staj>ferg  S^l^ätigfeit  namentlicb  für 
bic  '43ibclücrbrcitunp  ein  Tom  im  5Iuge  toar.  Stajjfcr  ^at  ftc^  aber  gegen  bie  tout- 
fdmaubcnbcn  3(ngriffc  u.  a.  Don  iiamenai^  fräflig  getoef^rt,  unb  mit  ernften  Sßorten  ba^ 
Sd>idfa(  gciociefagt,  iocId)cin  grantrcicf^  unter  ber  ^enfc^aft  ber  Sleaftion  berfaUen  müjfe 

60  unb  bcrfaUcn  ift.    Sfiic  iocnig  Stapfer  übrigen^  bie  fonfeffionetten  ©cgcnfä^e  ^ert)orbob, 


Stopfer  Sto^t^Iitd  771 

toic  tücit  fein  ^orijont  \vax,  gc^t  fd^on  barau^  ^crbor,  bafe  er  im  SScrein  mit  cinfid^tigcn 
unb  toleranten  Äatl^oliten,  bencn  bie  futlic^e  unb  fo^iale  ^cbung  be3  burc^  bie  Äriege 
bcr  3flaj)oIeonifd^en  3cit  an  ben  9lanb  beö  Slbgrunbe^  gebrachten  ^olfe^  am  ^erjen  lag, 
bie  Soci6t6  de  la  morale  chr^tienne  grünbete  unb  in  i^rem  Organ  (Journal  de  la 
8.  d.  1.  m.  ehr.)  Iräftig  für  i^re  3'^^^/  ^P«Ö«  be«  religiöjcn  Seben^,  Slbfc^affung  be^  6 
©flaben^anbel«,  SSerforgung  ber  SBaifcn,  gürforge  für  ©efangene  k.  eintrat,  iro^  ber 
Dj))pofition  ber  ^Regierung  fonnte  bie  ©efellfc^aft,  ber  u.  a.  auc^  93rogIie,  Slemufat  unb 
©uijot  angehörten,  eine  erfreuliche  SBirffamfeit  entfalten.  2;iefe  ©efettfc^aft  trug  il^m 
nun  auc^  bie  Sefanntfc^aft  unb  greunbfd^aft  mit  einem  jungen  3)lanne  ein,  ber  an 
©ta))fer^  Seben^toerf  anlnüpfenb  in  ber  Jfolfl^J^it  für  ben  franjöfifc^cn  ^roteftanti^mu«  lo 
bie  größte  Sebeutuna  gewinnen  fottte,  mit  älejanber  äJinet.  35er  ©raf  t)on  Sambrec^t, 
getoefencr  3lwftijminifter  t)on  ^anfreid^,  l^atte  2000  gr^.  teftiert  für  bie  befte  ©c^rift 
über  Äultudfrei^eit  unb  bie  ^oralgefetlfc^aft  ate  Jturatorium  eingcfe^t.  Unter  ben  ein- 
gelangten arbeiten  befanb  fic^  auc^  biejenige  be^  jungen,  bi^^cr  unbefannten,  Sel^rer^  am 
^Jäbagogium  t)pnSafeI,  Sllejanber  SSinet,  toelc^er  unter  bem  3Jlotto:  „3Q3o  ber  ®eift  be«  is 
§erm  ift,  ba  ift  ^reil^eit"  mit  ftrenger  logijc^er  Äonfequen,^  für  bie  ©laubeng^  unb  ©e* 
tüiffen^freil^eit  eintrat,  nic^t  au^  ©leic^giltigfeit  gegen  bie  Steligion,  fonbern  au«  Sieligion. 
?Kan  lann  toof^l  fagen,  bafe  in  biefer  Schrift  ©ta))fer«  3^^^"  ""^  ^^c  guten  grei^cit^^ 
beftrebungen  ber  öcloetif  il^ren  flaffifc^en  Slu^brucf  gefunben  haben,  ©tapfer  fear  benn 
auc^  be«  Sobe«  üoH  unb  ba«  Äuratorium  \pxa6)  iNinet  einftimmig  ben  ^rci«  gu.  35ie  ao 
aSer^anblungen  über  bie  2lbänberung  einiger  für  bie  fatj^olifd^e  Jtird^e  t)erle^enber  ©teilen 
fül^rten  ju  einem  33riefh)ec^fel  jtoifd^en  ©tatjfer  unb  3Sinet,  ber  jum  innigften  ©eifte«^ 
toerle^r  jtüifc^en  ^toei  gleic^geftimmten  unb  glcic^gefinntcn  3Jlännern  tourbe,  bie  einanber 
im  Seben  nie  gefe^en  ^abcn.  3)er  SSerbinbung  mit  ber  5)loralgefettfc^aft  üerbanlen  toir 
ebenfalls  ba«  ^ud^  bon  3$inet  über  bie  ,,manifestation  des  eonvictions  religieuses".  26 
SSon  55inet  ^aben  toir  auc^  bie  treuefte  unb  jutreffenbfte  religiöfe  SBBürbigung  ©tapfer«, 
bie  in  ber  gotm  einer  furzen  Siograp^ie  al«  Sinlcitung  ber  „Mölanges  philosophiques, 
litt^raires,  historiques  et  religieux",  einer  ©ammlung  ber  mid^tigftcn  Sieben  unb 
atbl^anblungen  ©tapfer«,  1844  erfc^ienen  ift.  ©tapfer  ftarb  am  27.  a)lärj  1840,  bie 
©rabrebe  hielten  il^m  §.  SJlonob  unb  ber  9Jtiffion«bireItor  ©ranbpiene.  ao 

griebric^  ©tapfer,  ber  jüngere  33ruber  be«  SJJinifter«,  beffcn  toir  toenigften«  furj 
Srtpä^nung  tl^un  muffen,  fear  ju  Slnfang  ber  §elbctif  t)ilariat«mcife  an  bie  Stelle  feine« 
SJruber«  getreten  unb  1801  befinitiD  jum  ^JJrofcffor  ber  bibaftifd^en  3:^eologie  ernannt 
toorben.  3)a  e«  il^m  aber  nic^t  gelang,  „auf  feine  3"^örcr  bcgeiftcrnb  cin^utoirfcn", 
tibemal^m  er  fc^on  1805  bie  ^Pfarrei  Diefebad^  b.  I^un.  1818  n)urbe  er  noc^  einmal  36 
jum  5Profeffor  be«  93ibelftubium«  gehjä^lt  gegenüber  bem  t>on  ber  Äuratel  einftimmig 
borgefc^lagenen  ©amuel  2ufe,  bem  fpdtern  ^rofeffor,  beffen  Beliebtheit  bei  ben  ©tubenten 
bie  reaftionäre  Slegierung  befürchten  liefe,  „e«  fönnte  n)ie  in  2)eutfc^lanb  ein  bebaucrlid^er 
©cift  ber  Sluflc^nung  unb  revolutionäre«  Untocfen  an  ber  llnit)erfttät  5piaö  greifen!" 
2)ie  SBa^l  be«  geleierten  aber  langhjeiligcn  ©tapfer  erfc^ien  al«  ba«  befte'  Heilmittel  40 
gegen  biefen  ©eift,  erregte  aber  bei  ben  ©tubiofen  einen  ©türm  bcr  (Sntrüftung  unb  üer^ 
anlaste  fte  ju  einer  flotten  ©^mpat^ielunbgebung  für  2u|.  9lac^  bem  ©ieg  ber  liberalen 
Partei  unb  ber  Sleuorbnung  ber  Uniberfttät  1833  refignierte  ©tapfer  jum  jioeiten  S)iale, 
um  bem  geeigneteren  9?ac^f olger  ©amuel  2u^  ^Ua|  ju  machen.  (Sr  jog  fic^  al«  ^fancr 
nac^  ^Jleilirc^  jurüdE,  tüo  er  1840  geftorben  ift.  ©.  ^obor«.     46 

StOp^^Itt«,  griebrid^,  geft.  1564.—  Duellen:  (Ht.<^5Serf ein FridericiStaphyli 
Caesarei  quondam  Consiliarii  in  causa  religionis  sparsim  editi  libelli  in  unum  volumen 
digesti,  Ingolstadii  1613,  Fol.  ^a^n  be«  (itQpt)l)luö  historia  acti  negotii  intcr  Fr.  Staph. 
et  Andr.  Osiandr.  bei  etrobel,  gKi«cell.  I,  219ff.;  II,  225  ff.  ©d)rift)tücfe  bei  ©c()cl^drn, 
Amoenitates  I,  611  sqq.  (ogl.  aud)  II,  564  sqq.)  unb  ©c^elftorn,  ©ri]ö|}Iict)feiten,  II,  136  ff.  60 
337 ff.,  469 ff.  (ügl.  aud)  I,  o55,  12.3,331).  lieber  ifin:  bie  vita  üor  ben  gefamm.  35Jcrfcn,  üou 
feinem  cjleicönamigen  @ü^nc;  8trobeI,  92Qd)ricöt  ü.  b.  ficbcn  2c.  in  b.  ^iöccU.,  I,  3 f.;  ipaxu 
fnod),  ^reujjlfctic  Äird)enfleid)id)te  S.  295 ff.;  @alig,  ^Mftorie  bcr  ?lug«b.  (£ünf.,  II,  902 ff.; 
3:öppen,  3)ie  ÖJrünbung  ber  llniüevfitöt  ^öniqSberg,  1844,  6.  104,  185  ff.  u.  i).;  ^.  WoUcr, 
^Inbrea«  Dfionber,  Glberf.  1870,  ©.  309 ff.,  .363,  414,  449,  552;  9lonpad),  (gvläuterte«  euang.  65 
£eftcvr.,  II,  130,  93eil.  109  ff.  unb  bit  unten  auflefü^rte  Öitteratuv  jur  Öefc^.  gcrbinanb«  1. 
unb  be«  ^irienter  Äouäil-^J;  ferner  ^.  !2:fd)acfert,  Ürfunbenbud)  ^ur  SRef.=6Jcfc^.  be«  ^crjocitum« 
^Preufien  I  (1890),  294 ff.  unb  III  (1890)  an  mehreren  ©teilen,  jüorübev  bie  alp^)abet{fd)eu 
JHegiftev  ^luofnnft  (^cbiin;  bc«f.  ?l.  in  ?lb53  35,  457 ff.  unb  'D^  ^quIu«,  91.  in  ÄÖ  11,  730. 

©tapj^^lu«*  gefc^ic^tlid^e  Sebeutung  liegt   in   feiner  Äönig«berger  unb  feiner  ^n^oU  eo 
ftäbter  SBirIfamleit;  in  jener  l^at  er  al«  t^eologifc^er  ^rofeffor  unb  ^crjoglic^cr  9lat  bon 

49* 


772  (Biapl^m 

1546  bte  1551  bic  Scrl^ältnific  ber  eben  geftif toten  flönigöberger  UniDcrfität  etbeblü 
berfc^lec^tert,  in  3"9oIftabt  fobann  üon  1560  bi^  1564  al^  römifc^=fat^oItfc^cr  glret^ 
t^eologe  ben  ^JJroteftanti^muö  bitter  befämt^ft.  6r  ift  geboren  bcn  27.  Stuguft  1512  ^u 
Dönabrücf  aU   jüngfter  So^n   beig   aU  «ommcifter  be3  Sifc^of^  Qxid^    Don  C^nabtüd 

6  1521  geftorbenen  Subefen  StajjeHage  unb  ber  Slnna  geborenen  Sirfmann  auö  an^t 
fel^enen  2)an5iger  ©efd;lec^te  (geft.  1518).  2)er  2Jtutter  Sruber,  (Sbcr^arb  Sirfmann, 
^olte  ben  berh?aiften  itnabcn  nad^  2)anjig  (bie  Steife  ging  über  2lmftcrbain,  tpo  SJettooiÄtt 
Voaren,  ju  Schiff,  an  ber  TOünbung  ber  @Ibe  erlitten  fte  Schiffbruch) ;  fpätcr  tarn  er  naä^ 
Sitauen  (Sotpno  unb  SBiIna)  ju  feiner  älu^bilbung  „in  politicis  disciplinis'',  bemadfe 
10  tigte  fic^  ber  ruffifc^en  unb  litauifc^en  Sjjrac^e  unb  be^og  bann  bie  UniDerfität  Ärafou, 
too  er  auc^  ^olnifc^  lernte,  ipier  fam  er  in  na^e  93ejiel^ungen  gu  feinem  Cönabrürfer 
Sanb^mann  3'>)^onne^  ^obtfilter,  ber  ft)äter  in  bie  2)ienfte  be^  Äarbinatö  ßor.  6amjjcgc|iü 
trat  unb  an  ber  Rurie  feinen  SBeg  machte,   unter  5Paul  III.  (1536)  2lubttor   ber  Sota, 

1547  gum  Sifc^of  Don  i!übecf  ertoäl^It  tourbe,  aber  biö  ju  feinem  2:obc  (1553)  in  Som 
16  blieb  (ßbeling,  3)ie  beutfc^en  Sifc^.,   I,  Sei^jig  1858,  ©.  588 f.).     ©tefer  rief  gt.  iu4 

Stauen,  Wo  er  gtoei^ai^te  ju  ^^Jabua  3:I;eoIogie  unb  ^l^ilofo^l^ie  ftubiertc.  Um  1533  fchie 
er  nad^  2)an}ig  jurüd,  begab  fic^  aber  einige  ^ai}xc  fpäter  nac^  SBittenberg,  too  er  bofle 
jel^n  3^1^^^  blieb  (ca.  1536—1546),  1541  aU  55Jagifter  ber  freien  Jlünfte  )>romotoicitc 
unb   auf  5Jle(anc^t^onö  ®nH)fel^lung  §ofmeifter  beg  ®rafen  Subtoig   Don  ©berftein  unb 

20  JZeugarten  tourbe.  9)leIanc^t{^on,  an  beffen  Xifd^e  er  fafe,  fd^ä^te  i^n  unb  munterte  ife 
ju  litterarifd^er  Arbeit  auf  (Übcrfe^ung  t>on  Stücfen  be^  2)ioboru«  ©iculu^).  SSerfd^iebenc 
ä[u^fi(^tcn  I^atten  ficf^  il^m  geboten,  o^ne  baf;  ©t.,  ber  nac^  3ReIand[;t^onö  3(ufeerung  pox 
n\d}t  in  ber  ^^ilofoj^^ie,  aber  in  anberen  Dingen  bie  tioxi^  für  SBeie^eit  ju  j^altcii  9^ 
neigt  ttjar,  fic|  baju  l^atte  cntfcf^Iiefeen  fönnen,  gu  folgen;  enblicb  liefe  er  fic^  nac^  längeren 

26  SSer^anblungen  Dorn  ßerjog  älbred^t  t)on  ^reufeen  geh)innen,  Jlac^folger  be^  Stanillous 
5Raj)ageIanug(berl5.  ?DJai  1545  geftorben  fear),  $rofeff orö  ber  2:i^eologic  an  ber  eben  (1544) 
errichteten  UniberfttätÄönig^berg  juloerben.  5Bie  5KeIanc^t^on  fo  enH)fa^I  aud^  ©ugenbagai 
i^n  al^  einen  lauteren  Wann  unb  aufrichtigen  Sieb^aber  ber  SBa^r^cit.  ^nbeffen  madAt 
fxd)  ©t.  Vorläufig  nur  auf  ein  ^dtfx  berbinblid^  unb  liefe  ftc^  in  ber  Seftattung  bie  ^n^ 

80  fage  geben:  „ob  auc^  borfiele,  bafe  burc^  göttlich  SJer^ängni^  in  unferm  Sanbe  ^i^i^^^ 
in  9leligion^fad;en  ficf^  jutrügen,  bie  tüiber  bie  1^1.  ©d^rift  unb  primitivae  apostolicae 
et  catholicae  ecclesiae  consensum  fein  irürben,"  unb  ber  J^erjog  auf  feine  Ü^cxhol- 
tung  benfelben  nid^t  fteuern  hjoüte,  foHte  ©t.  nic^t  jum  Dienft  be«  ^ergog^  toer^jfUctiet 
fein.    Dbne  ^^^^^f^l   f^^"^  St.  bamalö  unter  bem  übeririegenben  ßinflufe   ber  religicjcn 

86  2tnfd;auungcn  Wittenbergs,  mie  bcfonberS  feine  afabcmifd^e  SJiejJutation  über  bie  ^licdit^ 
fertigungSleljre  („Disputatio  de  justificationis  articulo"  bei  2:fc^acfert,  US  III, 
3lx.  2002)  ^eigt,  bie  er  ftreng  lutl^erifc^  auffafete;  aber  bie  Unfic^er^cit  t>roteftantif(i:a 
2)oftrin  fc^eint  il^m  in  ber  %\)at  fc^on  bange  gemacht  ju  ^aben,  fo  bafe  er  ftdE»  ben  Siüd- 
tritt  in  bie  römifc^e  Äirc^e  offen   halten  tüoHte.    Sefonbere  $8eranlaffung    für   jene  wr- 

40  langte  3"f^^^""9  Ö^'^/  ^^^^  ^^  ^"^^  Wclc^ior  Sf^^i^^'^f  ^^^^^  ©c^tüeibni^er,  ben  Sllbrctfi 
auf  beS  (SamerariuS  ßnijjfcblung  bei  ber  >)l)ilofopl;ifcl)en  gafultät  angefteDt  batu,  au4 
Ä'önigeiberg  Ijörtc  über  ben  §olIänber  SBil^elm  (Sna^^euS,  ben  ber  ^erj^og  2llbred^t  1541 
an  bie©>)i§e  feiner  ©diule,  bcö  fogeu.  ^^sartifularS,  gcfteÜt  ^atte;  au^  l^ielt  er  feit  6rün: 
bung  ber  Unitoerfität  an  biefer  i>orlefungcn  unb  inufete  feit  ?la>)agelanue'  3:obe  ein  3^ 

45  lang,  bis  ©t.  fam,  felbft  bic  tbcologifcl)c  Seftur  bcrfe^en.  älsbalb  trar  (Snapbeue  bic: 
angcfcinbct  tuorbcn,  er  tuarf  bcn  "jj^rofcfforcn  3?crnad^läffigung  il;rer  ^flic^ten,  insbcfcn: 
bcrc  il;rcr  öffcntlicl)cn  3>orlcfungen  ^u  ©unften  ©clb  cinbringcnber  ^ritoatüorlefungcn  m, 
unb  iüurbc  feincrfcitS  als  9^icbcrlänbcr  ber  Hinneigung  ju  anaba})tiftifc^er  ©äh?anr.: 
gciftcrei  befcl»ulbigt.    (Scl^on  1534  l;attc  fic^  %  ©jjeratuS  gerabe  burc^  bie  Erfahrungen 

60  in  ^rcufecn  Dcranlafet  gcfc^en,  eine  Scljrift  „ad  Batavos  vagantes"  ju  Veröffentlich 
f.  Gofadt,  ^]i.  ©jjcr.,  1861,  153  unb  Ifd^adtcrt  a.  a.  D.  IL)  ^nbeffen  C>^P9  2llMt 
naljm  ibn  in  ©d)u§  unb  (^najjljeuS  reinigte  fid^  Don  jenem  95erbac^t.  ©t.  !am  nun  mit 
ftartcr  T^oreingenommcnl^eit  gegen  xljn  nad)  ^rcufeen  unb  agitierte  alebalb  ^u  feinem 
9iad)tcil.    ©naphcuS   mufetc  2:bcfen   ftcUcn,   um  bur^  2)iSt)utation  über   biefelben  feine 

65  £luaIififation  ju  bcn  iBorlcfungcn  ^u  bcgrünbcn;  aber  bic  3^l^cfen  de  sacrae  scripturae 
studio  (bei  ^arttnod;  ©.  297)  iocrben  als  unbefugter  Übergriff  aufS  t^eologifcbe  ©ebict 
jurüdgctoicfcn ;  er  ftcüt  })l^ilo(o>}l?ifcl)c  de  discrimine  coelestis  doctrinae  et  philo- 
sophiae;  ©t.  brid^t  bei  ber  SiS)iutation  ungcftüm  loS  unb  entfernt  fidb  bann  mit 
Cftcntation.    3"  ^^'^  Disputation  bcS  ©t.,  de  ratione  et  usu  legis,  o^))oniert  bage^en 

60  @naj)l;euS,  unb  ©t.  ioirft   i^m  anabajjtiftifc^e  ätrgumente  bor.    aBö^rcnb  ®na)>^euS  f\i 


^iapWnfi  773 

bei  bcin  3Si3efan3ler  bcr  Uniberfität,  bem  ^räfc^  be^  famlänbifd^en  53tetum^,  Sric^mann, 
h)C0cn  bcr  3"!"^'^"  ^^  ©^-  b^\^^^ti,  brachte  e^  St.  burc^  unabläffigc  Stnfeinbung, 
toclc^c  c^  niqt  berfc^mä^t,  felbft  aug  ben  t)on  ®ncH)beu^  jum  ©c^uluntenic^t  bcrfafetcn 
Comoediae  (Morosophus  u.  a. ;  Acolastus  s.  d.  jfilio  prodigo  ift  tool^I  bie  ältcfte) 
bogmatifd^e  3in!oncft^citcn  gu  bebugicrcn,  haif'm,  baf;  tro§  ber  (Geneigtheit  be^  afabemi^  6 
Wen  ©enatö  unb  be«  ^er^og^,  fid^  bei  ben  ßrflärungen  bc^  ®naj)l^eug  ju  berul^igen, 
fc^Iicfelid^  (9.3juni  1547)  ein  geiftlid^eg  (Seric^t  unter  S3rie^mann  i^n  förmli^  ejfommunis 
jierte.  2)en  §auj)tangriff^punft  für  ©t.  bilbet  eine  I^efe,  toelc^c  fic^  auf  ba^  Ser^ältni^ 
be^  ©eifte«  jur  fflirffamleit  be^  ©c^rifttoort^  begog,  fotoic  anberfeit^,  bafe  ®napl}t\x^  mit 
(Sntfc^iebcn^eit  ben  ©a^  DerU)arf,  verbum  et  sacramenta  per  se  esse  efficacia,  lo 
etiamsi  partieipantium  credat  nemo,  tva^  ü}m  bann  a(^  furor  Anabaptisticus 
aufgelegt  tuurbe,  obgleid^  er  fic^  auc^  Martini  scriptis  quibusdam  ante  annos 
2()editis(!)  maleque  detortis  ju  berteibigen  gefucbt  ^abe  (bgl.  oben  Sb  III  ©.403,55  ff.). 
®na))^eu^  Verliefe  je^t  Äönigöberg  unb  fanb  burd(i  äJermittcIung  ^ol),  a  Saöco  aufnähme 
bei  ber  ©räfin  Sfnna  bon  Oftfrie^lanb  in  ©mben,  tüurbe  3i"fo^"^ö^or  ber  jungen  ©rafen,  i5 
aber  aud^  in  SRegierung^efd^äften  me^rfac^  üertoenbet;  ^ule^t  tourbc  er  SRcntmeifter  in 
Slorben,  h)0  er  1568  ftarb.  (Quellen:  Guil.  Gnaphei  .  .  .  adv.  temerariam  .  .  . 
excomm.  censuram  .  .  .  Antilogia  1551,  8**.  2)anac^  §artInod^,  ^JJreufe.  Äirc^engefd^. 
295 ff.;  .©alig,  ^iftör.  ber  äug^b.  6onf.,  II,  902 ff.,  benu^t  no^  ein  SBolfenbütteler 
3Kflr.  Über  ®naj)^eu^  überl^aut)t  f.  be  §oop=©(^effer,  Geschiedenis  der  Hervorming  20 
in  Nederland  von  haar  outstaan  tot  1531  in  ben  Studien  en  Bijdragen  bon 
2B.  aJloO  unb  bc  §oop^©c^effer,  ämfterbam  1871.  1872;  SabudEc,  SB.  ®nai)icu«,  ein 
Sc^rer  au«  bem  SReformation^jeitalter,  Smbcn  1875 ;  %  Sfc^adEert  a.  a.D.  I ;  93r.  ©c^u« 
mac^er,  3lieber(änbifc^e  Slnfiebelungen  im  §erjogt.  ^reufeen,  Seijjj.  1903). 

3lac^bcm  ®eorg  ©abinu«,  berftimmt  über  bie  fortgefe^tcn  9fleibungen,  fein  bi«  bal^in  25 
ftänbige«  SJeltorat  ber  Uniberfität  niebergclegt  l^atte  (2luguft  1547),  tourbe  ein  3&ai)U 
reftorat  nac^   bem  lurnu«  ber  gafultäten   eingeführt   unb  ©t.,   aU  bermalen  einziger 
^rofeffor  ber  2:^eoIogie,  erfter  getoäl^Iter  Sleltor.    aber  er  rechtfertigte  bie  Hoffnungen, 
toelc^e  ber  ^erjog  unb  bie  SBittenberger  ®önner  auf  i^n  gefegt  Ratten,  burc^au«   nic^t 
unb  fc^on  nac^  gtoei  ^a^ren,  im^erbft  1548,  gab  er  bie  t^eologifd^en  3?orlefungen  ganj  ao 
auf,  liefe  fic^  jeboc^  t>om  .?)erjog  noc^  b^Iten  unb  biente  i^m  afö  9lat.   9Jun  erfüllte  ba« 
auftreten  2lnbrca«  Dfianber«   unb  bejfen  erftc  3)i«i)utation  (5.  aijjril   1549)  ©t.  bon 
born^erein  mit  bem  tiefften  ^Ölifetrauen,   er  fuc^tc  ij^m   in  ber  ©tiHe  entgegen^utüirfen. 
Sei  älu^bruc^  einer  ©euc^e  in  Königsberg  ging   er  jtoar  balb  barauf  nac^  Sittauen  unb 
im  5Jlai  nac^  SreSlau,  too  er  fu^  am  29.  Oftober  1549  mit  ber  loc^tcr  be«  93re«Iauer3ö 
^Reformator«  ^^^ann  §efe,  Slnna,  bermä^Itc  unb  bereit«  mit  bem  5)lagiftrate  Sejiel^ungen 
für  eine  bauernbe  SBirlfamfeit  bafelbft  anlnü^jfte.    (©eine  oratio  de  literis  t)on  1550 
[2B2B.  eol.  1285  ff.],   eine  bor  anfe^nlid^er  Äorona  gehaltene  eröffnung«rebe  für   bie 
^umaniftifd^en  £ef tionen  an  ber  Sre«Iauer  ©c^ule,  fafet  minbeften«  einen  längeren  Äurfu« 
in«  3luge.)    ^m  grül^ja^re  1550  fam   er,   mit   einem  ©(^reiben  be«  33re«(auer  ©enat«  40 
berfe^en,   nad^  Äönig«berg,  um  fic^  bort  frei  gu  mad^en.    2tber  nac^  erregten  SSerJ^anb- 
lungen  mit  bem  ^er^og,  ber  i^n  nic^t  laffcn  tüoHte,   liefe   er   ftc^  al«  9lat  galten  gegen 
äbnlic^c  ^ufagen,  mie  in  feiner  früheren  Berufung;   er  feierte  jtüar  nac^  93re«Iau  ^urüdf, 
brachte  aber  nun  feine  ^rau  mit  nac^  ilönig«berg,  n)0   er  balb   nac^  bcr  jtoeiten  öcr« 
^ängni«boC[en  3)i«putation  Cfianber«  (24.  Dftober  1550)  eintraf  unb  al«ba(b  tüicbcr  bcr  46 
5KitteIpunft  für  alte  ®egner  Dfianber«  tourbe,  aud^  ba  fc^on,  al«  ?Wörlin  noc^  ju  ber« 
mittein  fud^te. 

2Bie  ©t.  gegen  ®naj)l^eu«  noc^  au«  ®ebanlen  ber  lut^erifc^en  Sieformation  l^erau« 
(3.  S.  reinliche  ©onberung  Don  Sle^tfertigung  unb  (Erneuerung)  ju  argumentieren  fuc^te, 
fo  fud^te  er  auc^  noc^  Dfianber  gegenüber  feine  ©teHung  ganj  im  ßinberne^mcn  mit  50 
ben  SÖittenbergern  ju  nehmen.  Slber  inbem  er  überzeugt  Wax,  ]X(S)  bamit  nid;t  bon  bem 
Äonfenfu«  bcr  alten  Äirc^e  gu  entfernen,  trieb  i^n  ber,  toie  e«  il^m  fc^ien,  aße«  unfic^er 
mac^enbe  bogmatifc^e  §aber,  fic^  immer  ängftlic^er  an  ben  bogmatif^en  Äonfenfu«  ber 
allgemeinen  Jtird^e  an^^uflammem,  unb  bie  ^^it  be«  Interim«  bcftärftc  i^n  in  ber  §offs 
nung  einer  Teilung  ber  fird^Ii^en  3?otftänbe  unter  ßr^altung  ber  lird^Uc^en  ginl^eit.  65 
UmiDeifel^aft  l}ai  er  auc^  l^ierin  beim  §er}og  bem  glül^enben  $affe  Dfianber«  gegen  aße« 
^aifticren  mit  9iom  entgegcngetoirft,  unb  ift  babei  immer  fefter  in  einen  unebangelifc^en 
'Jrabition«bcgriff  geraten.  Da  Dftanber  feften  Stüdt^alt  an  3tlbre(^t  fanrb  unb  biefer  bei 
affer  greunblic^feit  auc^  gegen  ©t.  boc^  feinem  Drängen  jur  Slbfd^affung  be«  „neuen 
Dogma"   nic^t   ba«   erh?ünfa;tc  ®el^ör  gab,  unb  —  bürfen  W'xx  l^injufe^en  —  ba  bieeo 


774  Sti)p[^I«i 

innerliche  SteQung  be«^  3t.  pxm  ^roteftantiSmud  Bereite  erfc^üttert  tiKtr,  t>crlan9te  a  im 
gfrübja^c  unb  Sommer  immer  bringenber,  bafe  ber  i&erjog  ihn  frcilöffe,  unb  entfante 
fttb  enbüA,  ohne  förmlit^  entlaffen  ju  fein,  im  äuguft  1551  nadf  £an|ig,  tpo  er  }tmt 
Schrift  gegen  Cftanber  fd^riet^:    Synodus  sanctorum  patmm   antiquornm  oontn 

onova  dogmata  Andreae  Osiandri,  Norimb.  155:3.  3n  biefer  Schrift,  unb  ^toor  amb 
Sdfon  in  ber  Dom  6.  9JJär}\  1552  au^  Xan^ig  felbft  batierten  3"W^  <«*  ^  *^  *^ 
lanjig  fü^  ber  boHftänbige  römift^e  Irabition^Segriff  aud^  bereite  gur  Srfämpfung  bei 
perspicuitas  scr.  sacrae  unb  jur  gorberung  aut^tifd^er  firc^It(^  ähi^legung.  Son 
ba  ging  er  toieber  nad^  53reelau,  too  er  bereite  nähere  Se^ie^ungen  pxm  Sifc^of  $romin4 

10  ^atte  unb  too  ja  felbft  ^efe  unb  9)ioibanu«  bei  gut  ebangelifc^  ®ei[tnnung  in  formeflc 
Unterorbnung  unter  ben  Sifc^of  al«  i^en  3?orgefe^ten  blieben  (f.  8b  VII©.  792,3).  Jcr 
entfc^eibenbc  gd»ritt  aber  toax,  bafe  er,  bon  fc^toerer  Är«nf^eit  ergriffen,  gegen  6nbe  be§ 
3a^re«  1552  ba^  3lbcnbmaH  nac^  römifcbem  Slitu«  unter  einer  ®eftalt  au^  benj^onbcn 
einc^  2)omgeiftIic^en  em})fing  unb  burc^^  ein  Selenntni^  feine  lini^Iic^  9{ehabiIitatton  ht 

15  flegelte.  3^^  h^^  ^  ^^^  ^^  fefeerift^  infizierten  ©tabt  auf  ben  3?ombof,  unb  balb  boiouf 
nac^  3Jeifee,  ber  ^Hcfibenj^  bcö  Sifd^of^,  h)o  er  in  beffen  2)ienfte  eine  Sdiule  erricbtetc  unb 
aud^  fonft  t^ätig  h?ar.  ^"^  Sd^uljtoecfe  gab  er  1555  bie  Sentenjen  bc^  9Rarf uö  ßremiu, 
nämlic^  bie  beiben  fc^on  Don  Cbfoj)öu^,  ipagcnau  1531,  ebierten  Sfraftate  in  lateinifd»« 
Übcrfe|ung  ^erau^,  mit  einer  Jöibmung  an  ben  S^uiten  Ganifiu«,  betoncnb,  bafe  3)iarfu5 

20  bic  ©erec^tigfeit  nic^t  blo^  in  ben  fölauben,  fonbem  au^  in  Siebe  unb  Hoffnung  fet*, 
unb  göttliche  @nabe  unb  mcnfc^lid^e^  93erbienft  ^ugleic^  feft^ul^alten  fud»c.  3^9^^^  ^^^ 
er  bereite  1551  üon  gerbinanb  I.  j^um  $Rat  ernannt  Voorben.  3(uf  bcm  unglüdttiien 
SBormfcr  ftoHociuium  1557  (f.  b.  21.)  ftanb  er  afö  einer  ber  lat^olifc^en  ÄoBofutoren  bcm 
cinft  bcrcJ^rtcn  "ÖJicIanc^t^on  gegenüber  unb  fanb  auc^  feinen  ^ögling,    ben  ©rafen  \m 

26  (Sberfteiu,  unter  ben  tocltlid^en  Seifigem  auf  jjroteftantifc^er  Seite  tpieber.  ©t.  f üblte  fii 
baju  berufen,  au^  bcm  l)'icx  gerabe  f«^  befonbcr^  jJroftituierenben  i^abcr  ber  ^Jroteftontcn 
bie  giftigen  9iu^antüenbungen  ^u  jicl^cn  in:  theologiae  Martini  Lutheri  trimem- 
bris  epitome  1558  unb  öfter  (baju  nocb:  Scriptum  colloquentium  August.  Conf. 
.  .  .  cum  oppositis  annotationibus  etc.    1558    unb:  historia  et  apologia  etc.  de 

30  dissolutione  colloquii  nuper  Wormatiae  instituti,  Nisae  1558).  ©r  tucibet  fu^  an 
ber  proteftantifc^en  3^ff^"^fit,  gcifjelt  bie  SutJjcroIatrie  unb  fteflt  bent  ^jrotcftantifioi 
Subjcltitoiemuö  bic  objcftitocn  3Jormen  ber  ^rabition  unb  be^  fird^Iicbcn  Äonfenfu^  gegen: 
über.  Gr  fteHt  eine  förmlic^ic  Stammtafel  ber  mannigfaltigen  §ärefie  auf;  bic  brei  un- 
reinen ©eiftcr,  h)clcf)c  nac^  Cffcnb.  !(>,  13   au^   bcm  3)rad^en,   bem  3!ier,    bem   falf(tcn 

35  ^roj)f;ctcn  (^utl^cr)  au^gcl^cn,  fmb  Sut^er^  gciftlic^c  Sö^nc  3lotmann,  ber  SSater  ber 
2lnabaj)tiften,  3^^"Ö^^  ^^^^  ilarlftabt,  ber  l^atcr  ber  Saframentierer,  unb  —  3)Iclan(b= 
tf^on,  ber  ^^atcr  ber  Äonfcffioniftcn,  toclc^c  toicbcr  in  Unterabteilungen  au^cinanbergcbcn. 
3Jic  Sd)rift  rief  eine  ^JJicngc  i?on  Gntgegnungen  l^crtjor  bon  'Ü)lcland)tbon,  Slnbr.  Wiu^ 
culu^,  ^alob  Slnbrcä,  bcm  reformierten  .'p^fl^nbcr  ^etruJJ  Dat^enuö  u.  a.    (£t.  ret)li;;icrte 

40  in  ber  Defensio  pro  trimembri  theol.  etc.,  Nissae  1560,  batiert  auö  äugebur^ 
15.  ^J)Jai  1559,  h)o  ©t.  hjicbcr  ioäl^renb  beg  SHciA^tag^  toeilte,  unb  anberc  polemif(be 
©d;riftcn  folgten,  ^k  ftarfc  Seite  feiner  "ilJolcmif  liegt  überaß  in  jenen  f ormeflen  ^ofv- 
tioncn,  ber  Grj^eugung  bc^  Ginbrucf^  bon  ber  Unfic^erbcit  unb  3toi^lpflltigfcit  bc^^^rotc: 
ftantiömu^,  nirgcnb  aber  in  einer  Jjofitibcn  religiöfen  Cluetlfraft.  ©eine  Bemängelung  ber 

45  lulhcrifd}cn  Sibclübcrfc^ung  unb  ber  Sibclleftürc  ber  Saien  f onnte  3)lelanc^t^on  entgegen- 
ballen:  scio  tuam  honestissimam  conjugem  nullas  delicias  anteferre  huic  lec- 
tioni.  W\i  bcm  für  bic  ^Xcftauration  bc^  ftat^oliciemu^  in  Öfteneic^  unb  Saiem  fo 
einfluf^rcicbcn  Ganifiuö  feigen  iuir  St.  fd;on  ,^u  SÖorm«;  §anb  in  ^anb  ge^en ;  öofui^ 
fd)ä^tc  il;n  alö  burcb  feine  Scbcnefübrung   gan^   befonber^   geeignet,  bie  )t>unbcn  fünfte 

BD  bcsJ  ^^^rotcftanti^muö  ju  treffen.  3i>ic  ^"ycrbinanb  fo  bcnü^tc  i^n  au^l  ^^h^Q  ällbrec^t  Y. 
t)on  33aicrn;  mit  bcm  ©aljburgcr  Gr^bifd;of  3)Jartin  h)ie  mit  bem  Äarbinal,  93ifd&of  Ctio 
bon  !:?{ug^burci,  ftanb  er  in  nahen  Schiebungen.  2)em  „elcnben  3Kamelufen  ^r.  ©t.  mit 
feinen  Stapl?i;liftcn  unb  l)oegitcn"  fd^ricb  man  bic  Säcbrängniö  ber  ^roteftanten  in  S^aiem 
^u  (f.  'JJfcbicu^,  ©cfd;.  ber  cbang.  Äird>c  in  33at)crn,  ©.  889  3lnm.    3Sgl.  noc^,  Wa^  bic 

65  5ftcrrcid\  i'änbcr  betrifft :  ,^^.  Sangueti,  Epist.  secretae,  Hai.  1098,  II,  p.  39).  2)urcfc 
ben  ©a(,^burgcr  iourbc  ©t.  in  bcfonbcrcm  päjjftlidjcn  auftrage,  nac^bem  er  fi(^  felbft  um 
Dicipcnfation  iocgcn  fcince»  c(;clid;cn  ©tanbe^  an  ben  ^ap^i  gctoanbt,  ^um  2)oftor  ber 
Ibcologic  Jjromooicrt  ('ilug^burg  19.  Diai  1559);  benn  man  ^atte  il^n  ju  Ujeitcrem  au^ 
crfcbcn.    Stuf  Ganifiue;  iyunfdi  berief  i^n  ^erjog  Sllbrcd^t  an  bie  llniöerfüät  ^u  ^n^oU 

HO  ftabt,  mit  ber  53cfugni^,   über  ©cfd;id;te  unb  .^umaniora,   aber  auc^  über  Ibcologie^  ^u 


Sta^^4lit9  776 

Icfcn.  6t.  jog,  5Kat  1560,  feierlich  mit  60  ^ferben  einflcbolt,  in  ^^Ö^Iftabt  ein,  unb 
bic  t^cologifc^c  gafultät  mufete  i^tc  Sebcnlen  gegen  t^eologifc^e  3}orIefungcn  eine^  be^ 
toeibten  2aien  mit  ber  t)äpftlicl^en  3)iet)enfation  bcfd^toid^tigen.  ©eine  eigentliche  2lufgabc 
aber  jeigte  fic^,  aU  er  nod)  am  ®nbe  be^fclben  ^al^re^  jum  ©ut)erintcnbentcn  (Kurator) 
ber  Uniöerfität  ernannt  tourbe,  burc^  toelc^en  nun  atöbalb  eine  ^Reformation  ber  aüer-  6 
bing^  gefunlenen  Uniberfttät  im  ©inne  ber  jefuitifd^en  SReaftion  tro§  äufeerftcn  SBiber« 
ftreben^  ber  in  i^ren  Privilegien  t)erle5ten  Uniberfität  begonnen  tourbc  (^rantl,  ®ef(^. 
ber  Uniberfitöt  Sngolftabt,  I,  284 ff.;  II,  bie  Urfunben  5Rr.  74.  75.  80).  aber  balb 
nal^men  auc^  bie  firc^Iic^en  Sleformbcftrcbungen  gerbinanb«  in  feinen  Sanben  unb  beim 
toiebereröffneten  Äon^il  bon  2:rient  ©t.^  aJlittüirfung  in  Slnfprud^.  3"^  2lnfc^Iu6  an  bie  lo 
in  Öfteneid^  begonnene  SSifitation  ber  Älöfter  bon  1561  lie^  ftd^  ber  Äaifer  bon  einer 
fleiftlic^en  Äommiffion  bereite  im  §erbft  beö  3^^^^^  ©w^^^^c*^  i"^  SReform  ber  in  [tarler 
Stuflöfung  begriffenen  lirc^lic^en  SSerl^ältniffe  [teilen.  3)afe  ©t.  felbft  eigentlidf^^^  ^i^ö'i* 
biefer  Äommiffion  toar  (SReimann  in  ben  ^orft^ungen  für  b.  ©efd^.  VIII,  ©.  177  ff.), 
mag  t)ieneic^t  mit  ©icfel  (am  anjuf.  Orte  ©.  267)  bejtoeifelt  toerbcn ;  bafe  aber  ©t.  in  i6 
ber  deliberatio  de  instauranda  religione  in  archiducatu  Austriae  (bei  Sc^ell^orn, 
Amoenit.  h.  e.  I,  616—678)  jener  Äommiffion  feine  geber  geliehen  \)at,  läfet  fid^,  tocnn 
man  feine  ©treitf(|[riften  t)erglei(|t,  in  frajj^anten  ßügen  nac^toeifen;  bic  Prälaten  pflegten 
ja,  toie  er  bemÄaifer  flagt,  xfjm  aDe  möglid;e2trbeit  aufjulaben,  bie  fte  felbft  mit  feinem 
ginger  anrufen  tooHten  (©c^el^om,  6rgö§Iic^I.  I,  559).  20 

©leic^jeitig  aber  tourbe  ©t.,  ate  er  am  ^ofe  gerbinanbö,  toal^rfd^einlic^  in  SBien, 
erftc  .^älfte  be^  ©ejjtember  1561,  tocilte,  t>on  bcm  J)ä^ftlic^en  5Runtiu^  3)elp^inuö  im  Stuf« 
trage  be^  ^apfte^  aufgeforbert,  im  §inblicf  auf  ba^  im  3ufammentrcten  begriffene  Äonjil 
bem  5ßa))ft  ein  ®uta($ten  ju  liefern  über  bag,  toa^  jur  SReform  ber  Äirc^e  gefd^c^en 
fönne.  ©t.  entlebigtc  fic^  biefer  aufgäbe  fo,  bafe  er  bem  „Satfc^Iag  an  ^iuef  IV."  (©d^el-  25 
l^orn,  ergö|^lic^I.  II,  136—154.  337—359.  469—492)  ^nx  Srläuterung  jugleic^  bie 
©utac^ten  jener  Äommiffton  beilegte,  nämlic^  bae  un^  nic^t  erhaltene  Consilium  de 
emend.  monasteriis  unb  bie  oben  genannte  deliberatio,  in  toclc^er  Ic^tercn  mit  Süd« 
fic^t  auf  bie  öfterreic^ifd(ien  Ser^ältniffe  bor  t)orfc^netter  äntoenbung  t>on®etoaIt  getarnt 
unb  Saienfelt^  unb  ^ricfterel^e  aU  bic  toic^tigften  3u9cfiönfeniff<^;  u"^  '"^  übrigen  bie  30 
©emüter  bc^  SSoIf^  bon  ben  fe|erifc^en  ^räbifanten  lo^jumac^cn,  cmpfol^Icn  tourben,  baju 
bann  ^eranbilbung  eine^  befferen  Äleru^,  Sefc^affung  reiner  Se^rbüc^cr,  ©äuberung  ber 
SBiener  Uniberfttät  u.  f.  to.  3^^  bem  9{atf4>Iag  begrüfet  er  ba^  ÄonjU  mit  ^cuben, 
h)ünfc^t  aber  rafc^e^  unb  energifd^cg  Sorgel^en,  ibcnn  ni^t  im  gangen  Scorben,  toa^  noc^ 
bon  lat^olifc^er  SRcIigion  bor^anben  ift,  untergeben  foHc.  3)em  Äonjil  aber  müfeten  SJer^  35 
^anblungen  bc«  Äaifer^  mit  ben  ^roteftanten  jur  ©eite  gc^cn,  um  biefe  toomöglic^  jur 
feinn)ittigung  in  ein  allgemeine^  Äonjil  ju  belbcgcn.  (Sine  SJcrftänbigung  lönne  nur 
l^erbeigcfül^rt  toerben,  njcnn  e^  gelinge,  bon  ber  bcibcn  Parteien  gcmcinfamcn  Slnerlcnnung 
bc^  33ibeIn?orte^  au^  bie  ^roteftanten  jur  9lnerlcnnung  be^  allgemeinen  fatl^olifc^cn 
©inneig  ber  ©c^rift,  b.  1^.  einer  aut^entifd^en  2tuölegung,  ju  getüinnen,  toogu  römifd^cr-  lo 
fcit^  erforberlid^,  bafe  man  ftc^  il^nen  gegenüber  nid^t  fotool;l  auf  bic  viva  vox  sedis 
apostolicae,  atö  auf  nad^toei^bare  allgemeine  ajjoftolifc^c  Überlieferung  ftcHe.  3luc^  bon 
J&erau^gabe  ber  gried(|ifd^en  93ibel  auö  ber  .öanbft^rift  ber  batifanifd;en  Sibliot^ef  bcr^ 
fpric^t  fic^  ber  S5erf.  biel  gur  ©d^lic^tung  be^  ©treit«  über  33ibelauglegung.  ^n  ben  bom 
Äaifer  ju  beranftaltenben  bertraulic^en  3Serf^anblungen  fönne  man  auc^  auf  bie  innere  45 
35ifferenj  ber  ^roteftanten  fjjefutieren.  Qxn  gefd^idter  römifc^cr  Il^colog  fönne  einen  lut^e^ 
rifc^en  leicht  bal^in  bringen,  gemeinfc^aftlic^  mit  i^m  einen  ^^i^öKön^J^  ^"^  ^^  fatl^oli* 
fd^en  3tuölegung  ber  ©^rift  ju  toiberlegcn,  n)ie  bcnn  in  ber  jl^at  Sutf^cr  felbft  fc^on 
gegen  S^^'^ö''/  Defolampab  ober  bie  2lnabaptiften  [xd)  jener  fatl^olifc^cn  ^rinjijjien  (b.  1^. 
ber  Berufung  auf  allgemein  fird^li(f»en  Üonfenfug)  bebient  ^abc,  unb  eine  äJ^nlid^c  ©tcltung  50 

i.S3.  bon  ben  SJerfaffem  ber  SQSeimarifc^en  ^onfutationöfd;rift  eingenommen  h>crbc;  banac^ 
önne  man  ^offcn,  bic  Sut^erancr  auf  bcrgleid^cn  Umh)egen  in  bctoegcn,  bafe  fie  ben  Ca- 
tholicus  sacrae  scripturae  intellectus  aU  Siic^tcr  auf  einem  Äonjilc  anerfcnntcn.  — 
©idel  ^at  barauf  ^ingchncfen,  baß  bic  für  eJerbinanb  beftimmte  ®en!fd^rifl  bei  33uc^ol|, 
gerbinanb  I.  I,  407—412 ;  VIII,  382—386  nur  eine  burc^  bic  ^Hüdfid^t  auf  biefcn  50 
cttüag  mobifijiertc  SRcbaltion  be^  9tatfd)lag^  ift.  —  gcrbinanb  ibünfc^tc  auc^,  ©t.  ate 
tl^cologifc^cn  3öcirat  feiner  Dratorcn  nac^  2:rient  ju  fcnben,  unb  aud^  ber  ßrjbifd&of  Urban 
bon  »^Jrag  bat  einmal,  aU  bic  SRcbifion  be^  index  libr.  prohib.  in  grage  ftaub,  um 
feine  atntücfen^cit ;  aber  ©t.  toiberftrebtc  l^ier  entf^jicben  unb  mit  einer  gehjiffcn  ®crei|\ts 
?eit  (©c^cl^orn,  (Jrgöl.,  I,  559,  bgl.  ©idcl,  3ur  ©efc^ic^tc  bc^  ÄonjiliJ  bon  Xx,,  S.  245,  v*) 


776  ^i^JniM  ^Utti 

249).  9Jur  tocnn  bic  ^rotcflanten  toirtUd^  nod}  auf«  Äon^il  fommcn  foOtcn,  ctflörtc  ci 
fid^  bereit;  im  übrigen  ftebc  er  bem  Raifer  für  feine 9?er^nblimgcn  mit  ben ^rotcjtamcn 
gur  Serfüguna.  Gr  iüurbe  aber  au(b  im  ^rü^jabre  1562  bon  gcrbtnonb  gerufen,  al§ 
au^  ben  tJerfc^iebenen  ©utac^ten  eine  befinitiöe  ^eftfteflung  beffcn   gemacht  tDcrben  jolht, 

6  h?aö  im  ^amen  bes  Äaifer^  bem  flonjil  aU  Sleformforberung  unterbreitet  tDerben  ioüte: 
bie  fog.  Consultatio  imp.  Ferdinand!  I  iussu  instituta  de  artic-  ref.  in  Cont 
Trident.  prop.  (bei  Sd^el^om,  Amoenit.  h.  e.  1,  501—575,  audf  bei  le  ^iat,  MonniiL 
ad  bist  conc.  Trid.  illustr.  V,  232—259.  2}gl.  befonber«  ©idel,  5Ea^  SRef ormotiünsliWI 
beö  flaifer^  ^erb.  I.,  SBien  1871  [arrf)it).  f.  öfterr.  ©efc^id^te  93b  XLV,   Sb  I,  m  h 

10  g.  1  ff.J). 

an  Slnerlennung  feine«  ßifer«  fehlte  e«  St.  nid^t.  35er  ^^]t  faiibte  ibm  bun^  ba 
Äarbinal  Carlo  Sonomeo  ein   ©nabengefd^enf  üon   100  (Solbgulben    (27.  3Rai  15621 

Eerbinanb  erbob  i^n  in  ben  Stbelftanb  (15.  Suli  1562),  ber  ^erjog  öon  93aiern  b 
^nte  i^n  mit  bem  öa^n^of  in  ^ngolftabt  (1563).    3n  3"«^^nia,    h>o  (St  ficb  äncn 

15  grofeen  leil  be«  ^abre«  1563  in  ber  3?ä^e  be«  Äaifer«  auffielt,  erfranite  er  fcbtocr; 
^erbinanb  beftätigte  im  3uli  fein  2eftament,  toorin  er  feine  Äinber,  tpenn  fte  bom  la&o^ 
üfd^en  (älauben  abträten,  mit  (Enterbung  bebro^te.  9Joc^  erbolte  er  fidf  gtoar,  machte  nci 
eine  SReife  nac^  SRünd^en,  fam  aber  fel^r  gefd^toäc^t  nacp  ^aufc,  too  er  am  5.  ^Jön 
1564  ftarb.    2llö  fein  2?ermäc^tni^  barf  gelten  bie  nac^  feinem  3:obe  burc^  feinen  ivd 

2onuenfi^  herausgegebene  Schrift:  3?om  legten  unb  grofecn  3fbfatt,  fo  bor  ber  3^^^^^  ^ 
äntic^rift  gejc^ef^en  foH,  ^ngolftabt  1565,  4«  (lateinif^  1569).  55iefer  äbfafl  ift  nämlßt 
baS  2utf;ertum,  b.  l).  ber  in  fid^  uneinige  ^roteftanti^mu«.  3)enn  ba^  SutJ^ertum  ift  öom 
^a^jft  abgefallen,  nic^t  aber  umgefe^rt.  2)aS  ^apfttum  aber  fyit  edle  35äter,  Äonjilia 
unb  2llabemien  ^inter  fid^,  bei  i^m  ift  bie  n)al;re  Sirene,  bie  ^roteftonten  toerben  imma 

26  in  bem  ©eiüin  i^rer  ^ribatopinionen  ftedfen  bleiben  unb  ed  nie  gur  ©in^eit  bringen, 
äuc^  ^ier  fe^It  e^  nic^t  an  ge^äffigen  auffallen  gegen  ßut^er  unb  Seft>öttelung  ber 
£ut^ert)ere^rung,  toelc^e  nid;t  mübe  toürbe,  i^n  atö  ben  britten  6lia^  gu  greifen;  (od 
^ier  toerben  ade  brol^enben  3eitgefa^en  mit  bem  religiöfen  Slif;  ber  Sl^riften^eit  in  ^ 
binbung  gebracht;  auc^  l^ier  fel^lt  jebe^  tiefere  3?erftänbni^  ber  mäd^tigen  originalen  gm: 

90  })ulfe  ber  Deformation,  aber  auc^  ^ier  toieber^olt  fic^  bie  fd^toere  SCnflage  über  bic  e^ 
lurifd^e  Sid^erbeit  ber  Prälaten  unb  Sleligiofen,  toelc^e,  too  f^on  bic  Sjt  bem  Saum  an 
bic  2Bur;;eI  gelegt  ift,  immer  nur  ibr  alteS  Slagelieb  fmgen,  aber  bie  $änbe  in  ben  £<fcc| 
tf^un  unb  leben,  aU  h?enn  fein  ®ott  im  §immel  toäre.    (®.  SWSOcr  t)  *•  XMaifert. 

Starif,  S^^ö""  griebric^,  ßrbauungöftfiriftfteller,  geft.  1756.  —  Sittcratur. 
36  ^kubauer,  9?ad)r.  D.  ben  jefct  leb.  et).=lut^.  xmb  ref.  %\)eoU  3ütt.  1746,  2,  884—898  imii 
bem  ü.  8t.  felbft  üeif.  fieben^Iaufe);  2)örinci,  ^ie  geleierten  3:^eol.  5)cutfd)Ianb-3»,  9Jcuft.  Ib35, 
4,  :i07— :ill;  ilüd),  ,Siivcf)enIieb,  3.  9(iifl.  4,  543—549;  SBcd,  !5)ic  rel.  SBotfölitt.  2C.,  6.  '3.ö 
biö  207;  (^roüe,  3)ie  alten  Xrofter,  .Jiermannv^b.  1900,  6.  335—370,  mit  cinge^cnbcm  «q(^- 
wm  ber  ^lu^gg.  bes  .^anbbud)§. 

40  3'>^^"i""  gricbrid)  Stardf  ift  al^  ber  ©ol^n  eine^  el^emaligen  granffurter  Sürc^cß 
am  10.  Cf tober  1680  in  ^ilbcöljeim  geboren.  §ier  befuc^te  er  ba^  ©^mnafium.  auf 
ber  Uniberfität  ©ic^en  tüurbe  fein  innere^  Seben  u.  a.  burc^  bie  Srbauung^ftunbcn  feiner 
tl^cologifd}en  Sebrer  2lk^»  unb  Sänge  beeinflußt.  9lac^  einer  längeren  Äanbibaten^eit,  He 
er  teihücife  in  ©cnf  im  2)ienfte  ber  bortigen  ebangelifd^en  (Semeinbc,  tcilh)eife  in  '^oxd- 

46  fürt  aU  Informator  t>erbracl)te,  erl^ielt  er  1715  feine  erfte  StnfteHung  afe  ©tabt^rebigci 
in  Sac^fenl;aufen.  3ld;t  3al;rc  fpäter  tüurbe  er  Pfarrer  in  ^ranffurt,  erft  bei  ben  Bar- 
füßern, fpäter  im  ^ofpital;  1742  iourbe  er  SDJitglieb  be^  Äonfiftorium^.  93tö  in  jdn 
l^ol;eß  Filter  —  er  ftarb  am  17.  ^\xi\  1756  —  fonnte  er  mit  ungebrochener  firaft  in 
rcic^  gefcgneter  Slrbeit  al^  ^rebiger,  Seelforger  unb  Sd^riftfteller  t^tig  fein. 

50  gt.  bcmegt  fid^  in  ben  Salinen  be^  milben,  auf  ba^  $raftif4>c  gerichteten  Sjjener 
fd;cn  ^^icti^mu!^.  ^n  grantfurt  ift  er  barauf  bebac^t,  bie  bon  ©pener  beftcHte  Baat  ;u 
^üten  unb  ju  pflegen.  2)reißig  ^al^rc  lang  leitet  er  Sonntag^  nac^  bem  9Zac|mittag^otti^ 
bienftc  eine  ^riüatcrbauung^ftunbe.  ^ür  ©onntag^^eiligung  ift  er  eifrig  bemüht.  iTer 
einzelnen  ©cclen  fuc^t  er  fid;  möglid^ft  anjuneljmen.    Um  ^.  S3.  ben  3)ienftboten,  bie  mit 

66  Stufträgen  au^  ber  (^cnicinbe  in  fein  ^axi^  famen,  ein  gute^  3Bort  mitgeben  ^u  fönncn, 
berfaßte  er  !ur^e  Iraftate,  bie  fpäter  ^n  ber  trcff(id;cn  ©d^rift  bereinigt  tourben,  bic  in 
entfprcdicnbcr  Bearbeitung  beute  nod}  ber  Verbreitung  iüert  ioäre:  „X^aö  (Sott^gebeiligtc 
ßer^  unb  geben  cine^S  Si^al^ren  (5l;riftcn,  ober  gcben^=3{egeln  2c.2c."  ^ranffurt  u.  Scipjiö 
174o.    airme  unb  9iotlcibenbc  iourben  in   ber  ©tillc  t)on  il^m  reic^lic^  untcrftü|t.    ä?cr 


I 


Start!  (Btniifkit,  tiri^Kf^e  777 

Stu^fd^rcitungen  unb  Slbfonbcrltd^Ieiten  bcma^rte  bcn  ftiHcn  unb  mcl^r  nüd^tcrn  anöclcgtcn 
3Rann,  bet  übetbic^  am  fird^Iid^en  Selenntnif[e  fcft^ielt,  fc^on  feine  natürliche  2(rt. 

©t.  ^at  butc^  feine  ja^Ireid^en  etbaulid^en  gd^riften  einen  toeitgreifenben  Sinflufe 
auf  bag  ebangelifc^e  Soll  ausgeübt.  3Kan  fann  nic^t  fagen,  bafe  St.  geiftbott  ift;  er 
h)iH  e«  auc^  nic^t  fein.  SBJa^  er  fc^reibt,  trägt  bie  3^9^  ^i"^^  burc^auig  fc^lic^ten,  ebel-  6 
boltetümlid^en  SBiblicitöt  an  f\d)  unb  jielt  auf  jjraltifc^e  grömmigfeit.  6r  begnügt  fxd) 
faft  burc^toeg  bamit,  bie  einfachen  ilate(|i^mu«h)al^r^eiten  in  t)erftänblic^er,  allgemein  fafe* 
lid^er  ©t)rac^e  mit  burclE>0^«öi9^  3lnh)enbung  auf  ba^  (i)x\\tlii^^  geben  barjuftetten.  ©t. 
toitt  bem  auf  ber  Äinbe^ftufe  ftel^enben  3)ur^fc^nitts{c^riftentum  be^  Solle«  ettoa«  bieten. 
2)al^er  au^  in  feinen  ©d^riften  ein  Stnflug  bon  J)ietiftifd^er  ©efe^Iid^feit.  ^n  bie  Jiefe  lo 
fül^rt  er  nic^t.  6r  fuc^t  bie  ©eelen  ju  ertoedten,  ol^ne  fie  jeboc^  im  ©türme  erobern  ^u 
tooHen,  toenn  er  auc^  überaß  ^erjanbringenb  ift  unb  ber  "äpp^ü  an  bie  „©eelc"  immer 
toieberlel^rt.  3)a  er  t)ielfac^  lel^r^aft  toirb,  ift  auc^  bie  ft)rac^Iic^e  ©arfteHung  toenig  be^ 
toe^t.  9lebnerifd[ier  ©d^mudf  fe^It,  ©leic^niffe  fte^en  il^m  feiten  ju  ©ebote,  um  fo  me^r 
greift  er  jum  33ibeItoort.  i6 

Die  ©c^rift,  burc^  Voelc^e  ©t.g  9?ame  bem  et)angelifd^en  SSoIfe  lieb  geworben  unb 
big  jur  ©tunbe  belannt  geblieben  ift,  ift  ba«  „S^ägli^e  §anbbuc^  in  guten  unb  böfen 
3:agen".  ®«  erfc^ien  1727  ujm  erftenmal  in  granffurt  unb  jtoar  gunäc^ft  in  toier  2lbs 
teilungen:  für  ©efunbe,  für  Setrübte,  für  Äranfe,  für  ©terbenbe ;  1731  lam  ate  5.  unb 
6.  2^eil  ba«  Oebetbuc^  für  ©c^toangere,  ©ebärenbe  unb  SÖJöd^nerinnen  l^ingu.  35en  20 
längeren  ©ebeten,  bie  ben  toeitauö  größten  leil  be«  Suc^e«  einnehmen,  ge^t  je  eine  „Sluf* 
munterung"  öorau«,  eine  furje  mit  einem  ©c^rifttoorte  eingeleitete  Sele^rung  über  bie 
©egcnftänbe,  auf  bie  fid^  ba«  ©ebet  begießt,  tDoburc^  bie  re^te  ©ebet^ftimmung  getoecft 
toerben  foH.  2ln  ba«  ©ebet  fc^liefet  fxd)  ein  t)on  ©t.  felbft  berfafeter  ©efang  an.  35ie 
©ebete  ftnb  lang  unb  geraten  oftmals  in  bie  SRefleEion  unb  Selel^rung  über  göttliche  25 
2)inge.  ©t.  ift  burc^  fein  §anbbuc^  l^i«  ^eute  bieten  ein  gü^rer  auf  bem  Seben^toege, 
ein  ©celforger  in  Äranl^eitötagen,  ein  21röfter  auf  bem  ©terbebette  getoorben.  SBie  Irin 
anbere«  ©rbduung^buc^  ber  ebangelifd^en  Äird^e,  ^of),  2tmbtg  toa^re«  6^riftentum  nic^t 
aufgenommen,  toirb  baö  „©tardtenbuc^"  in  immer  neuen  Stu^gaben  unb  auflagen  unter 
bem  ebangelifd^cn  SSolfe  verbreitet  unb  finbet  immer  tüieber  freubige  Slufnal^me.  ao 

9?oc^  bor  bem  ^anbbuc^e  ^atte  ©t.  1723  ein  Äommunionbuc^  l^erau^egeben,  ba« 
big  1750  mehrere  auflagen  erlebte,  jeboc^  jpäter  nic^t  me^r  gebrucft  tüorben  gu  fein 
fd^eint.  ®g  folgte  l^ierauf  eine  größere  Stngal^l  bon  Grbauunggfd^riften,  auf  beren  nähere 
Äenmeid^inung  ^ier  nid^t  eingegangen  toerben  lann ;  fie  tragen  ol^nebieg  eine  ftarle  gami= 
lienäl^nlic^Ieit  an  fic^.  ©ie  finben  fic^  bergeid^net  bei  SedE  a.  a.  D.  unb  mit  2tngabc  ber  35 
neueren  ausgaben  bei  ©rofee  a.  a,  D. 

2)ie  ^IJrebigten  ©t.g,  bie  ben  beften  aug  ber  jjietiftifc^en  ©d^ule  beijujä^len  fmb, 
jeic^nen  [\6)  burd^  Älar^eit  unb  Sinfalt  in  ber  3tnorbnung  aug.  ©obalb  ber  lejt  nur 
einigermaßen  ju  feinem  Siechte  gefommen  ift,  ge^t  ber  ^rcbiger  fogleic^  jur  antoenbung 
über.  3"  nennen  fi"^  ^i^  „©onn«  unb  gefttagganbac^ten  über  bie  (Sbangelien"  (9?ürnb.  40 
1741;  neuere  äugg.  Sleutl.  1854),  bie  „Sonm  unb  gefttagganbac^ten  über  bie  ©pifteln" 
(2.  2tup.  1770;  neuere  3tugg.  bon  §eim,  ©tuttg.  1845  unb  3lüxnb.  1881),  bie  „^re* 
bigten  bon  bem  SKbenbmal^l  beg  iperm"  (2  He.,  granlf.  unb  Sei^jgig  1740,  „äu^erlefene 
geft^jrebigten  über  toic^tige  ©teilen  ber  ^l.  ©c^^rift  31.  u.  9?2g"  gefammelt  bon  feinem 
©o^ne  30^.  ^af.  ©t.  ©ranff.  1754).  45 

©t.  ^at  \xd)  avid)  alg  SDic^ter  geiftlid^er  ßieber  berfud^t.  gaft  alle  feine  erbaulid^en 
©c^riften  fmb  mit  giebem  aug  ber  eigenen  SJeimfc^miebe  reid^li^  auggeftattet  —  man  gä^lt 
beren  939!  g^r  bid^terifc^er  SBert  ift  gering,  toenn  i^nen  überl^auj)t  ein  folc^er  gugefjjroc^en 
toerben  barf;  nur  Wenige  aug  biefer  großen  2lnja^l  fmb  in  bie  ©efangbüd^er  aufgenommen 
n^orben.  ^ermatttt  83e(f.     60 

©tarfe,  ei)tipo»iI)  f.  b.  21.  Sibeltoerle  »b  III  ©.  148,46. 

©taromerjen,  Scjcic^nung  ber  rufftfc^cn  SUtglSubtgen  f.  b.  31.  9{agfolniIen 
»bXVl  ©.  436  ff. 

©tottottcn  f.  b.  21.  gaften  S3b  V  ©.  771, 20. 

©tatifttf,  lird^Itd^e*  —    Pieper,  Äirc^Iicöc  ©tatifti!  ^cutfcf)Ianbö  (®rmibrifj  ber  t^eol. 
©iffenfd).  XIII),  grciburg,  Tloijx  1899;    6tatiftifd)c  g)?ilteiIunoen  ber  beiitfd)en  eo.  Sanbcg=  66 
!ird)en,  Stuttgart,  ÖJvünint^en  1905;  S!rofe,  itonfeffionöftatifti!  5)eutfd)IanbS  (!att|oI.),  Srciburg. 
^crbcr  1904;    3)rero^,   eüangclifd)c  Äirt^cnfunbc,    Tübingen,   ^iotjv,  feit  1902;    8unbbärg, 


778  etottfKI,  lirdiK^e 

Apercus  RtatistiqucA  internationaux«  Stod^olnt  1906;  t^ournter  be  ^laif,  La  Statistjqoe  des 
religions,  Rome,  SBötta  1890;  ^iffionöftatiftif  ftc^c  9lrtitc(  gWiffton.  ©tatiftif  ber  gnnemi 
9)iiifiün  bcr  beutfdi^cu.  Äirc^c,  SBcrlin,  ecntralauSfcöufe  1899;  5llcf.  ü.  Ccttingcn,  ^Roralfiatim!, 
Erlangen,  2)eicf)ert  1882. 

6  3)ie  Statiftil,  fcl^r  bcrfc^icben  bcfinicrt  unb  crft  in  ncueftcr  Q^xi  toirfltd^  tox^au 
fc^aftlic^  bc^anbclt,  fud^t  auf  ®runb  fl^ftcmatifc^  georbneter9)laffcnbcobac^tun0  bic  Solfe 
juftänbc  burd^  S^^I^n  barjuftcUcn  unb  ju  crllärcn.  35eninac^  ift  lirc^Iic^c  Statiftit  ba 
Ducrburc^fc^nitt  bcr  lird^Iic^en  (Snttoicfelung  in  beftimmtcn  3«tcn,  bcr  ba»  lirc^Iic^e  2cJjcn 
in  ^ai^Un  befc^rcibt. 

lü  Sangc  ^t^'xi  ^inburc^  lieferten  bie  Äird^enbüd^er  baö  ^aut)tfäc^Iic^fte  Tlatmal  für  oB« 
©tatiftif,  unb  barum  fmb  auc^  3:i^eolo0cn  in  ^erborragenbcr  SBeifc  an  bcr  gntoideluiig 
biefer  2Biffenfc^aft  beteiligt.  9lamen  bon  2:^eoIogen  tüic  ©üfemilc^  (gcft.  17G7,  „Xh 
göttliche  Crbnung  in  ben  Seränberungen  beö  menfc^Iid^en  ©ejc^lcc^t^  auö  bcr  ©ebuit, 
bem  lobe  unb    ber  Fortpflanzung  berfelben   crtoiefen"),    Süfd^ing   (gcft.  1793,  „&ti 

15  befc^reibung"),  3tugufti  (geft.  1841,  ,,Sciträgc  ;^ur  ©efc^ic^te  unb  ©tatiftif  bcr  cl>.  Äin^l 
Suliuö  ffiiggerö  (geft.  1901,  „Äirc^Ud^e  ©tatiftif ")  t^erben  in  jeber  ©cfc^id^tc  bcrStatiftif 
mit  &l)xm  genannt,  ^tx  ^erbonagenber  SQäeife  ruft  ©c^Ieiermad^er,  bcr  toicbcr^olt  3?ir- 
lefungen  über  ©tatiftil  ^ielt,  in  feiner  „3)arftettung  be«  t^eologifc^en  ©tubium^"  i^ur  U^ 
fonberen  Sefc^äftigung  mit  biefem  %ad),   unb   ^toar   nic^t  nur  jur  §crbcifc^affung  \^ 

20  3MateriaI«,  fonbem  aud^  gur  richtigen  Bearbeitung  berfelben,  auf.  älber  in  bcr  (grfcnntnid, 
baft  pxx\)ak  ©tubien  bi^  nic^t  auöreic^en,  Wetteifern  in  neuefter  3rit  ftaatlic^c  toic  fin^^ 
lic^e  Sef^örben,  ben  ©toff  burc^  regelmäßige  ^Veröffentlichung  bon  amtlichen  2xibeflaj 
barjubieten  unb  baburd^  eine  immer  boOftänbigere  ©tatiftil  ju  ermöglichen.  3Ktt  ber  im 
beutfc^en  Steic^  aße  fünf  ^al^re  toicberfe^renben  Solföjäl^lung  ift  unter  anbcrm  auc^  eine 

25  Äonfeffion^^ä^Iung  berbunben ;  bie  lanbeöfirc^lid^en  Sepörben  beröffentlid^cn  ^umcift  jo^ic^ 
eine  jiffermäfeige  SDarfteüung  be«  lird^lic^en  SBefen«  in  il^rem  Sereid^ ;  unb  eine  ftatiftifc^ 
Äommiffion  be«  beutfd^en  ebangelifc^en  Äirc^enau«fc^uffe«  ftettt,  ben  Scfc^Iüffcn  bcr  ©jais 
ac^er  Äirc^enlonferenj  gemäfe,  biefe  amtlid^en  SRefultate  ;iufammen;  fo  ift  für  eine  fird^ 
licf»e  ©tatiftif  3)eutfc^ifanb«  ber  ©toff   bor^anben,    ber  burc^  SBerein«nac^rtc^ten    imt 

30  ^IJriDatarbeiten  in  banfen«toerter  2(rt  noc^  ergänj^t  toirb.  ^rx  ftatiftifc^cn  SSmtem  be§ 
beutfc^en  SReic^e«,  ber  ßingelftaaten  unb  ber  größeren  ©täbte  gelten  ja^Ircic^e  gac^maraicr 
baran,  bie  gegebenen  ^al}Urx  rxad}  immer  me^r  berbefferter  3J(etl^obe  ju  beftinimtcn  6r= 
gebniffen  unb  ©d^lu^folgerungen  ^u  benu^en,  unb  in  Dielen  Srofd^ürcn  ioerbcn  bie  3"- 
fammen^änge  ber  Alonfeffion  mit  anbem  2eben«faftoren  erörtert.    Statiftifc^e  Sabrbüäcr 

35  erfc^einen  auc^  in  ben  meiften  aufeerbeutfc^en  ©taaten;  alle  jtoei  ^al)xt  t)cranftaitet  baj 
in  i^onbon  bcfte^enbe  internationale  ftatiftifc^e  l^nftitut  mr  gegenfeitigen  görbcrung  bei 
ftatiftifc^en  3(rbeiten  in  berfctjiebenen  Sänbern  bejonbere  «ongreffe,  unb  burc^  foId(?e  Sc^ 
ftrebungen  toirb  auc^  eine  immer  genauere  Überfielt  über  bie  religiöfen  Bcr^ältniffe  ba 
Scbölferung  ber  gan^^en  (rrbe  angebahnt. 

40  aKan  l^at  lange  über  bie  „SLabeßcnfned^te"  gef^öttelt,  man  ^ai  aui)  Diclfac^  nicbi 
of;ne  Orunb  bie  SSertoertung  ber  ^al}Un  al«  tenbenjiö«  berurteilt,  aber  tro$  f olc^c«  Wdp 
braucb«  l}at  fic^  boc^  bie  Überzeugung  immer  mebr  Sal^n  gebrochen,  bafe  f^ftcmatifc^  g^- 
orbnete  ^al}kn  jur  SDarfteHung  be«  fird^Iid;en  Seben«  beinei«fräftiger  finb  al«  tooHtönigc 
^^^rafen,  unb  ba^  man  t)on  biefen  Silbern  für  ba«  Serftänbni«  unb  bie^ßflcgc  bc«  fird^ 

45  Iid;en  2^bcrx^  biel  lernen  fann. 

2)ie  2IJiffion«ftatiftif  tocrfc^afft  un«  einen  Überblidt,  in  toeld^em  Umfang  bü* 
G^riftentum  ^ur  ^iixt  bie  Söelt  erobert  ^at,  unb  mie  tveit  noc^  anbere  Slcligioncn  l^- 
fd^en.  2)ic  SIrbeiten  )oon  ©runbemann,  (S^riftlieb,  ©unbert  unb  Söamecf  ftnb  auf  bicfetn 
©pc^ialgebiet  ürc^lic^er  ©tatiftif  bcfonber«  f)ert>or,^u^eben.    SBa«  man  früher  üiclfacb  aB 

5()  „tird)lic^e  ©eograjjj^ie"  bej^eic^net  hat,  gehört  ^u  bicfcm  S^^Q  ^^^  ©tatiftif. 

2)aneben  i)at  bie  Äonf cffion«ftatiftif  in  unferer  Oegentoart  eine  ^erüorragenbe 
Sebcutung  getronncn.  3)a6  c^  ficb  in  i^r  burcfjau«  nid^t  etioa  nur  um  eine  ^a^Icnmäfeigc 
T^eftftcIIung  be«  ■DieFjr  ober  TOinber  ber  ^uQ^^börigteit  ju  ber  einen  ober  anbem  Äonfcffwn, 
fonbem  ^uglcid)  um  anbere   bebcutfame  fragen   J^anbelt,    mag    ber  §inh)ci«    auf   einige 

55  neuere,  bcifpicieloeifc  ^crau«gegriffene  ©c^»riften  flar  machen.  3)er  fat^olifc^e  ©tatiftifcr 
Ärofc  beF)anbc(t  „ben  (Sinflufe  ber  Äonfeffion  auf  bie  ©ittlic^feit"  (greiburg  1900);  Dr.3)u 
Cffenbad^er  betriebt  ]p^ic\i  für  ba«  ©rofel^er.^ogtum  Saben  bic  grage,  ob  „bic  fo^ialc 
©ci)id)tung",  „bic  iüirtfd;aftlid)c  Sage",  burd^  bic  Äonfcffion  beeinflußt  iücrbc  (5Dübingcn 
1900);    ffidbclm  §clb    unter juct)t   bie  Urfad^cn  ber   58erfd^iebung   ber  Äonfefftonen  in 

00  Sai;crn  unb  Saben  (9iiga  1901);  unb  neben  anberen  U)ibmet  ^iet)er  (a.  a.  D.)  bcn^JKif(^= 


Statifi«,  Kri^U^e  (gtanff  779 

e^cn  unb  ber  erjicl^ung  bcr  ftinbcr  au«  gcmifd^ten  6^cn  bcfonbere  Äa))itcl.  3(ud^  bürftc 
eine  Übcrfid^t  über  bic  ^röfeere  ober  geringere  fird^Iic^e  Serforguna  feiten«  ber  beiben 
$auj)tIonfejfionen,  über  tl^ren  t^eologifd^en  SRad^toud^,  über  bie  £iebe«opfer  i^rer  ©e« 
meinben  u.  a.  m.  ^ierl^er  gehören.  Unb  bafe  gerabe  ^ier  bie  ärt  ber  ®rut)t)ierung  ber 
3al^Ien  befonbcrer  Äontroße  bebarf,  bamit  nic$t  ber  fonfefftoneDe  ®tanbt)unft  be«  Se*  6 
arbeiter«  ben  eignen  aSSunfc^  —  bielleid^t  l^alb  unbetoufet  —  an  bie  ©teile  ber  aSSa^rl^eit 
lüde,  ift  felbftt)erftänblic^. 

aber   aufeer   ber  3}iiffion«5  unb   Äonfeffion«ftatiftif   getoinnt   bie  ©tatiftif   be« 
lird^ liefen  Seben«  immer  mel^r  an  Sebeutung.    2lIfo  nic^t  nur  eine  5Koralftatiftif, 
toie  fte  älejanber  bon  Dettingcn  feiner  ^di  in  trefflicher  SBeife   geliefert ;    eine  fold&e  lo 
toürbe,  je  nad)  ber  ärt  il^rer  Bearbeitung,  fei  e«   ^ierl^er,  fei  e«  jur  Äonfefftonöftatiftil 
ju  rennen  fein.    SSielme^r  eine  ©infül^rung  in  bie  fonireten  3wf*^"^^  ""^  33erl^ä(tniffe 
bc«  lirc^lid^cn  Seben«  ber  ©egentoart,  toie  fte  35reh)«  in  feiner  j,6t)angelifc^en  Äirc^en^ 
lunbe"  barbietet.    6«  toirb  5.  S.  bie  Äommunifantenja^l    in    einer  Sanbedfird^e  nac^* 
getoiefen,  bie  abnähme  ober  3w"<*^"^c  0^9^  frühere  ^^iitn  feftgeftettt,   unb  bie  Urfac^e  15 
ber  9?eränberung   cingebenb  erörtert.    3)afe  fic^  barau«  toertöoße  ©c^lufefolgerungen  für 
bic  ^Pflege  be«  firc^Iid^en  ©emeinbeleben«  ergeben,  leuchtet  o^ne  toeitere«  ein.    Stlnlic^er 
(Sctoinn  fann  au«  bcr  jiffermäfeigen  SJarfteDung  anberer  äufeerungcn  bc«  f ird^lid^en  £eben« 
^eröorgel^en,  j.  8.  au«  bem  SSer^ältni«  ber  ^^aufen  ju  ben  ©eburten,  ber  Trauungen  ju 
ben  @|efc^IieBungen,  ber  firdf^Ii^^"  Segräbniffe  ju  ben  3:obe«fäIIen,  auc^  au«  bem  'Ulaqs  ao 
toei«  über  bie  Beteiligung  ber  ©emeinbeglieber  bei  ben  SBäa^len  ber  lirc^Ud^en  ©emeinbe* 
Vertretung,  unb  —  nic^t  ju  bergeffen  —  au«  ben  bie  Eintritte  in  bie  Stirere  unb  bie 
Slu«tritte  au«  berfelben  barftellenben  3^^^^"-  ®^  ^*^  ""^  ^^  ^"  großen  ©tobten  unter« 
nommenen  3ö^Iungen  be«  Äird^enbefuc^«  barf  man   mifetrauifc^   gegenüberfte^en,  toenn 
nic^t  bie  Unterlagen  au«gebel^nter  unb  genauer  al«  e«  meift  gefd^iept,  beft^afft  toerben.  as 
@inen  befonberen  SBert  mufe  bie  fird^li^e  ©tatiftil  l^eutjutage  ber  2)arftcttung  be«  firc^* 
liefen  35erein«(eben«  jufprec^en.    3Kit  üoHem  Stecht  fagt  ^üBe  (3)ie  lird^lic^e  ©tatiftif 
toon  Berlin,  ßü.  3Sercin,  1876):  „SBirb  bie  3Serein«tl^ätigfeit  ignoriert,  fo  gel^t  ein  toefent* 
lic^e«  5Koment  ber  Beurteilung  f irc^Iic^er  SHcgfamf eit  unb  be«  religiöfen  geben«  verloren". 
SJJöd^te  ^ier  immer  genauere«  3}JateriaI  ben  ©tatiftifem  jur  Berfügung  ftcl^en.    W6d)Uao 
enblid^  aud^  \>aü  fitc^lic^e  Seben  ber  beutfc^ien  et)angelifd^en  ©cmeinben  im  3lu«lanb  bon 
ber  firc^Iic^cn  ©tatiftif  immer  me^r  berücfftd^tigt  toerben!  D.  510115  2)tbclt««. 

Stauff,  ärgula  bon,  üerel^elid^te  bon  ©rumbac^,  geft.  1554.  —  öj.  e.  SRiccjer, 
2ehtn  bcr  ?trgula  \?on  ©rumbacfi,  Stuttgart  1737;  ^.  3.  i!iporo«ti)',  9(rg.  t).  ®r.  geb.  greiin 
t)on  6tauffcn,  9Künd)cn  1801  (nur  burd)  bie  ^Beilagen  lücrtuon);  ^.  ?l.  ^iftoriu«,  grau  91.35 
t).  ®r.  unb  \i)x  Äampf  mit  bcr  Uniucrfität  Sngoljtabt,  g)?agbc5urg  1845;  (£.  ©ngel^arbt,  91. 
»•  ü)r.,  5)ie  bQi)erifd)e  2:abea,  9iürnberg  1860  (bcibc  populär=crbauIidj);  ®.  ?5ront(,  ©efd).  b. 
fiubn)ig=3»QyimiIiand4lniücrfitöt,  «^91  III.  .MI.  XVII.  SBb;  ©.  SRiesIcr,  QJefdjic^tc  33at)crn«, 
IV,  86 ff.;  t^.  Ä'olbc,  Slrfaciu«  @ccf)ofer  unb  $(rgula  üon  ©rumboc^,  ©citr.  jur  bni)cr.  m. 
a3b  XI,  1905.  40 

Strgula  b.  ©tauff,  \vo^  noc^  bor  1490  geboren,  cntftammte  bem  angefcl^enen  unb 
begüterten  ©efdblcc^t  ber  9leic^«freibenen  bon  ©tauff,  beffen  Befi^  afferbing«  balb  nad^ 
i^rer  ©eburt  burc^  bie  Seilnaljme  i^re«  Bater«  Bern^arbin  unb  it^re«  C^eim«  ^ieron^- 
mu«  an  bem  für  bie  ©elbftftänbigfeit  be«  3lbel«  gegen  bie  $erjog«geh)alt  fämj)fenben 
Sötülerbunb  unb  bann  im  baicrifc^en  ßrbfolgefricge  fc^tDcr  gefc^äbigt  mürbe,  ©ie  mufe45 
eine  ungetoöl^nlid^  gute  Srj^ic^ung  gcnoffcn  ^aben,  unb  bie  ber  ^ar^iüalfagc  entnommenen 
9Zamen  jtoeier  i^rer  Brüber,  ©ramaflan^  unb  gcirafi«,  beuten  barauf  ^in,  bafe  man  ftc^ 
in  ber  ntterlid^cn  gamilie  auc^  an  ber  alten  beutfc^en  §elbenpoefic  erfreute.  Bebeutfamer 
ift  nod^,  ba^  2lrgula  in  il^rem  10.  ^al)xt  bon  il^rcm  Bater  eine  bcutfc^e  Bibel  mit  ber 
SKa^nung  erl^ielt,  fleifeig  barin  ju  lefcn,  toa«  fte  aber  nac^  i^rer  f^jäteren  2lngabe  bamal«  w 
nic^t  tf^at,  toeil  bie  Bettelmönc^e  erflärtcn,  bie  Bibel  toürbe  fie  gur  Äe^erei  herleiten. 
9locl^  unter  §erjog  3llbrec^t  toon  Baiem  (geft.  1508)  fam  fie  an  ben  §of  unb  tourbe 
„JJrauenjimmer"  bcr  energifc^cn  ^cr^ogin  Äunigunbc,  unb  banfbar  rül^mte  fie  fjjäter  bie 
aöol^lt^aten,  bie  fie  bon  ber^ürftm  unb  bem  jungen  ^er^og  SBil^cIm  erful^r,  ber  erflärte, 
i^r  Bater  fein  ju  tooHen,  al«  il^re  beiben  ßltem  (ca.  1509)  furj  na4>cinanber  ftarben.  66 
Bom  §ofe  au«  toirb  fie  fic^  mit  bem  au«  granfcn  ftammcnben  griebric^  bon  ©rumbac^, 
ber  feit  1515  ^^Jf leger  in  3)itfurt  mar,  bermä^lt  l^aben.  Unter  un«  unbcf anntcn  Ber^ 
^ältniffcn  tourbe  fie  frül^  bon  Sutber«  Seigre  ergriffen  unb  trat  fc^on  im  ^a\:}xt  1522 
(bgL  (gnbcr«,  Sutl^er«  Briefmcc^fel  III,  397)   burc^  ^.  ©})eratu«  unb  namentlich  burc^ 


780  Stauff 

Bpalaün,  bcr  i^r  Sut^criS  Sd^riftcn  t)crfc^afftc,  mit  bicfcm  in  3Scrbinbung.  ^BJit  6ifa 
ftubiertc  fie  jc^t  bic  Sibel  unb  mar  balb  babon  überzeugt,  nur  in  i^r  btc  toalfxt  i6m 
ju  finben,  an  bcr  bic  Äirc^cnlc^rc  unb  ba^  2;rcibcn  bcr  ^iricftcrfc^aft  gcmcficn  toctba 
müffc.  2)arau^  machte  fic  feinen  §c^I  unb  lange  fc&on  backte  fte  boran,  gegen  ba#  U^ 

6  ric^tcrlid^c  treiben  be^  ^rofcfforJJ  unb  ^rcbigcr^  ©eorg  §auer  in  Qngolftabt  aufjutmea, 
in  befjen  unmittelbarer  ^Mf;e  ibr  Oatte  bic  §ofmarf  Scnting  bcfafe,  aber  im  ^inblid  auf 
1  2:i  2,  12  (1  Äo  U;34)  J^ielt  ftc  [id^  jurücf.  Da  mar  c^  bieflunbe  bon  ber  fc^maAtJottöi 
Verurteilung  bc^  3lrfaciuö  Sccl^ofcr  (f.  b.  ä.  oben  ©.  125),  bic  fie  jur  ©cbriftftcüain 
machte.    SSon  3t.  Dfianbcr  in  9lürnbcrg,  bcr  über  i^rc  Sibelfcnntniö  nic^t  genug  ftaumn 

10  lonntc  (t>gl.  %l},  Äolbe  a.  a.  D.  S.  64),  in  ibrem  Vorhaben  beftärft,  fcbrieb  fie  oa 
20.  Sc>)tcmber  1520  einen  ©cnbbrief  an  bcn  Sleftor  unb  gefamtc  llnil>erfität  ^u  ^n^tA^ 
ftabt,  ber  h)ie  i^re  fpätcrcn  Senbfc^reiben  crft  l^anbfc^riftlic^  t)crbreitct,  balb  aber  aud}  tm 
anberer  (Seite  burcb  bcn  2)rudE  in  iüciten  fireifen  befannt  gemad^t  tourbc.  2)a  niemanb  bo^ 
gegen  auftrete,  bafe  man  jenen  jungen  3Jlann  gejmungen  b^be,  ba^  etoangeliunt  ;;u  t«: 

16  leugnen,  muffe  fie  a^  t^un.  3n  »ibelfteacn  mic  3cf  3,4;  29,  4;  3o  6,  45;  ^f8,3 
u.  f.  tu.  ficbt  fie  il^re  Segitimation  ju  harter  Strapcebc  gegen  bie  t)om  ®eig  bcfeffena 
Sebrer,  bie  nic^t  Sut^cr^  ober  3KeIand^t(^ong  Sc^rc,  fonbcrn  baö  SBort  (Sottet  berbammi 
baben.  9Jur  biefe^  aÜein  foff  i^re  Slic^tfcbnur  fein,  unb  tüo  ^  gleich  ba^u  fämc,  batoci 
®ott  fei,  bafe  Sut^cr  toibeniefe,   fott  e^  mir  nic^tö  \u  fc^affen   geben.     3^    ^>^^  ^ 

20  auf  mein  ober  cine^  ^Jlcnfci^en  SJerftanb,  fonbcrn  auf  bcn  maleren  gelfen  S^riftum  felB^ 
meieren  bie  Saumeifter  ücrtoorfen  boben".  ©ic  »erlangt,  man  möge  bie  2lrtifcl  Sutbos 
ober  9)Jelancbt^ong,  bic  fc^crifc^  feien,  il^r  anjeigen:  „SQSoHt  ©Ott,  id^  foQt  in  ©cgciu 
Voärtigfeit  unferer  dürften  unb  ganjen®cmcin  mit  euc^  rebcn.  ^d)  begehr  üon  icbcrmoim 
belehrt  ju  toerben".    3)a^  baicrifc^c  SJcligionöcbilt  gegen  jebc   lut^crifd^c  Siegung  öen 

26  5.  ^Kärj  1522  (bgl.  SQäintcr,  ©cfd?.  ber  eb.  Seigre  in  unb  burc^  Sa^cm  betüirft,  SWünAcn 
1809  1,309 ff.)  fic^t  fic  nicbt  an:  „man  foB  bcr  Dbrigfeit  ge^orfam  fein,  aber  über  Ni§ 
Söort  ®otte^  i}abtn  fte  nic^itö  ^u  gebieten,  tocber  ^a})ft,  Äaifcr  noc^  gürften".  5)iefcfl 
©cbanfen  führte  fte,  mie  in  allen  i^ren  ©c^riften  unter  i^äufung  üon  SibelftcDen,  in 
einem  ^ioeiten,  gleid^jeitigen  ©einreiben  Leiter  au^,    ba^   in   erftcr  2inie   an    bcn  Jg>er,og 

30  Söill^clm  tjon  Saiem  gerichtet  toar,  boc^  toie  ber  erfte  Herausgeber  nid^t  o^ne  @runb 
im  iitel  angiebt,  „alle  d^riftlicben  ©tänbc  unb  Cbrigfeiten  ermahnt,  bei  ber  Sya^bdi 
unb  bem  SBorte  ©otteS  ju  bleiben"  (St^.  Äolbc  a.  a.  C.  ©.  67  ff.)  unb  für  toahrkft 
ebangelifd)e  ^rcbigcr  ju  forgen.  2llö  bic  Unibcrfität  il^r  nic^t  antwortete,  fc^ricb  fu  am 
27.  Cf tober  1523  an  bcn  91at  ber  ©tabt  3l«golftabt,  um  bic  bortigen  Diifobemusfeelai 

36  bon  bcr  burc^  bic  2:aufe  eingegangenen  Verpflichtung,  baS  @t)angclium  auc^  ^u  befenncn, 
gu  überzeugen. 

2)iefeS  fü^ne,  bis;  bal^in  unerhörte  3luftretcn  einer  ^rau  in  fird^Iic^en  fragen  mad»w 
baS  größte  auffegen,  unb  alö  fic  toä^rcnb  beS  Slcici^StagS  6nbc  9Jotoember  in  ^Jümbeig 
eintraf,  um  and)  bort  bie  et)angelifd;e  ©ad^c  ^u  Vertreten,   erhielt   bic  fc^ncü  befannt  3^ 

40  tüorbenc  ©c^riftftcHcrin  eine  ßinlabung  bon  bem  ^fal^grafcn  5^ob.  toon  Simmem  unb 
©Jjonbcim,  unb  burfte  bor  ihm  unb  anbern  9)}itgliebern  bed  zncid^Srcgimcntg  frei  unb 
offen  ibrc  Übeneugung  auSfj^rcc^en.  ^n  ber  Hoffnung,  bafe  ©Ott  baS  in  bem  'ipfaljgrafcn 
„angefangene  Scrf  tooUcnben  unb  er  frei  unb  unerfc^roäen  bcn  l^immlifc^en  SSatcr  bf- 
fennen  ioerbe,   liefe   fie   am  näd^ften  läge  (1.  'Degember)  aud^  an  i|^n  ein  Scnbfc^rciböi 

45  ergeben,  ebenfo  an  bcn  bamalS  in  'JJürnberg  eingetroffenen  Jfurfürften  g^iebricb  t»on 
©ad;fcn.  Sltlcin  i^r  3luftreten  ^attc  feinen  Grfolg.  2Bic  frembartig  bcn  3eitgenoffen  bk 
religiöfc  Sdbriftftetlcrei  einer  ^rau  erfrf^icn,  jeigt  bic  I^atfac^c,  bafe  fic  tro$  ber  torlicn 
SBcrbrcitung  ihrer  ©d;riften,  Don  allen  benen,  bie  für  ©ccl^ofcr  eintraten,  gar  nic^t  einmal 
crn)äl;nt  toirb,  auc^  t>on  Sutljer  nic^t,  ber  bod)  bie  größte  Hochachtung  für  fie  f^aü^  unb 

60  in  feinen  ©riefen  i^rcn  Sefennermut  beiüunbcrtc.  ©pott  unb  ©c^anbe  War  ii)x  £oS.  6in 
5;ngolftäbter  ©tubent  tuagtc  fogar  in  einem  (anonymen)  gereimten  „©Jjrucb  üon  M 
©taufferin  i^reS  2)iöputiercnö  Ijalbcn"  il^r  ßintreten  für  ©eebofer  auf  unjüd^tige  3)loios 
jurüdjufüljren,  crl^ielt  aber  in  i^rcr  „3lnt\oort  in  ©cbic^tsmeife",  in  ber  fie  fic^  erbot, 
mit  ibrem  ©egner,  mcnn  er  öffentlich  auf  bcn  ^JJlan  treten  tDoUe,   ju  bi^jjutieren,  fräftige 

66  SlbtDcifung  (21).  Solbe  a.  a.  C.  ©.107  ff.).  2)en  größten  Unmiücn  erregte  fie  bei  ibm 
angefcbenen  i^crioanbtfcbaft.  2luf  bic  Sunbe,  xijx  33cttcr  9lbam  bon  Xörring,  bcr  pfol,- 
gräflid;c  ©tattbaltct  l^on  5icuburg,  habe  geäußert :  „menn  ibr  ^au^toirt  nic^t  ba^u  tbätc, 
müfetc  i^  bic  j^rcunbfcl^aft  tbun  unb  fic  Dcrmaucrn",  t>cri)ffcntlic^tc  fic  einen  an  ibn  p 
ricf)tctcn,  glaubcn^ftarfcn  Srief,  bcr  einen  tiefen  33lid  in  il^rc  ©orgen  unb  Sefümmemific 

60  tl;un  läfet.    !5^r  3)Jann  tbätc  nur  ^uDicl,   um  (Sl^riftum   in  il^r  gu  berfolgcn.     ©ic  toei^, 


etottff  Staufii^  781 

ba^  man  i^m  ba^  2tmt  nehmen  \ü'\Ü,  aber  auc^  bie  ©orgc  um  i^re  t)ier  ftinber  fönnc 
ftc  nic^t  bon  il^tcm  SBcgc  abbringen:  ,,^ab  t)or  atte«  tool  betrachtet,  ba^  foü  mic^  nic^t 
^tnbem  an  meinem  §etl,  l^ab  mic^  barein  gefegt,  aUe^  ju  Verlieren,  ja  ßeib  unbSeben", 
benn  ®ott  ju  befennen  l^abc  fie  fid^  in  ber  laufe  beri)flicl^tet.  Unb  ba^  Unglücf  brac^ 
balb  l^erein.  Die  Slngolftäbter  badeten  nid^t  baran,  einer  grau  ju  antworten,  unb  erfud^ten  5 
nur  ben  ^erjog,  ,,bie  SSettel  5U  jäl^men".  3)er  Äanjler  £.  b.  ßdE  riet,  ba  man  gegen 
ein  SBeib  nidi^t  fo  ^anbeln  fönne,  tüie  gegen  eine  5Kann^t)erfon,  i^ren  5Kann  abjufcigcn 
unb  ba^  SKeib  tocit  bon  3)ietfurt  ju  berbannen,  bamit  baö  gemeine  SSoII  nic^t  öerfül^rt 
toerbe.  3)a^  erfte  ift  gefd^e^en,  bagegen  läfet  fid^  bie  Verbannung  «ic^t  nac^meifen. 
Süäal^rfc^einlic^  l^at  man  e^  in  mittelalterlicher  Oeringfc^äfeimg  bcg  Söeibe^  für  rid^tiger  10 
gehalten,  bon  ber  grau  feine  toeitere  Slotij  ju  nel^men.  Silber  ber  SBerluft  ber  ^fleger^ 
ftcDe,  bie  eine  june^menbe  SJerarmung  ber  gamilie  jur  golge  l^atte,  toar  ein  fc^toerer 
©df^Iag,  unb  auc^  ?onft  flogt  Slrgula  in  i^ren  ©riefen  über  Verfolgungen,  äte  ©d^rifts 
ftefferin  ift  grauSlrguIa  aufeer  burc^  ein  unter  bem  29.5Kai  1524  an  ben  SRegen^burgcr 
dlat  gerichteten  ©rmal^nung^fc^reiben  (bgl.  Seitr.  j.  bat;er.  R@,  XI,  164),  fo  toeit  mir  15 
Jlunbe  l^aben,  nic^t  me^r  aufgetreten,  |onbem  toibmete  ftc^  lebiglid^  ber  il^r  Don  il^rem 
(Satten  gänjlic^  überlaffenen  Setüirtfd^aftung  ber  ®üter  in  Senting,  ©rumbad^  unb  3^i'i|* 
^eim  unb  ber  ßrjiel^ung  i^rcr  Rinber.  aber  nacf>  tüie  bor  na^m  fie  lebhaften  2lnteil  an 
allem,  toa^  auf  firc^li^em  ®cbiete  Vorging  unb  blieb  in  SSerfel^r  mit  ©J)alatin  unb 
Sut^er,  ben  fte  h)ä^renb  be^  3lug«burger  Sleid^gtag^  1530  auf  ber  Äoburg  befud^te,  unb  20 
namentlich  mit  2lnbrea^  Dfianber.  9?ac^bem  fte  im  ^af)Xi  1530  SBittoe  geworben  toar, 
toermä^lte  fie  fic^  jum  ^toeiten  2)lale  im  ^al)x^  1533  mit  einem  ©rafen  ©d^lidf,  ber  aber 
fc^on  nad^  1'/,  S^^ren  ftarb.  Slufeer  in  ^^öolP^H  ^o  ^cr  Snfl^ni^"  0^9^  f^c  noc^ 
lange  nac^flang,  toar  bie  fü^ne  Sefennerin,  bie  ben  9lu^m  l^at,  bie  erfte  ©c^riftfteHerin 
ber  beutfd^en  3teformation  getoefen  ju  fein,  fc^on  beinal^  bergejfen,  atö  auc^  fie  abgerufen  26 
tourbe.  3"  3^*'^tS^^*"^  ^"  Unterfranfen,  too  fte  bie  le^te  ^^t  il^re^  Seben^ 
'oü,  ift  fte  ' 


^aben  fott,  ift  fte  im  ga^re  1554  geftorben.  J^eobor  Äolbe. 

(Btanpiii,  gol^ann  b.,  geft.  1524.  —  @t.'  bcutfcöc  ©cöriftcn  ^at  3.  Ä.  &.  ^nnafc 
forgfältig  herausgegeben  (Johannis  Staupitii  opera  quae  reperiri  potucnint  omnia  vol.  I, 
Potsdamiae  1867^;  ber  2.  SBb,  ipeldier  Die  lateinifc^en  Sc!)nften  enthalten  folltc,  \)at  iücgcn  ao 
^eilna^mlüfigfeit  beS  ^ublifumö  nicfjt  erfc^eincn  fönuen.  —  ©t.'  Scben,  feine  Sirtfamfclt 
oI§  OrbcnSmann,  tf)coIogifd)er  8(5rijtftcüer  unb  ^rcbigcr,  feine  S^^cologic,  fein  ®crf)öltniö  ju 
fiutöcv,  feinen  S^araftcr  —  baö  aflc§  finbet  man  auf  ÖJrunb  üielfac^  neuen  üuellcnmaterialö 
eingcftcnb  erörtert  unb  feffelnb  bargefteat  bei  Ztj,  Äolbe,  3^ic  bcutfc^e  ^luguftinertongregatiün 
unb  30^.  ü.  8t.,  ®otfta  1879,  bcf.  ©.  211  ff.  (ogl.  baju  ©eibemann,  ©ädjf.  S^lrd^cn^  unb  35 
6cf)ulblatt  1875  92r.  37  f.).  ^urcl)  fto.  finb  bie  früheren  9(rbeiten  (bcf.  ^.  ©rimm.  De 
Joanne  Staupitio  eiusquc  in  sacrorum  Christianorum  instaurationem  meritis,  3Ö2^&  1837^ 
S.  oOff.;  6.  Hamann,  ^Reformatoren  oor  ber  9leformation  IP,  ®ot^a  18GC,  8.  212ff.)  anti= 
quiert.  „^ic  Stellung  bcd  8t.  in  ber  ©nttoicfclung  ber  grofeen  reügiöfen  ^emcgung  nacft  ocr^ 
fd)iebenen  9?id)tungen  l)in  einer  erneuten  Prüfung  unterioerfen"  woüte  2.  Äcfler,  Soft.  0.  8t.  40 
unb  bie  ^Infängc  ber  Di'eformation,  fieipäig  1888.  Äo.  f)atte  8^®  VII  (1885),  8.  426  ff. 
(3o^.  0.  8t.,  ein  3BaIbenfcr  \int>  ©ieberläufer.  6ine  fircftent)i)türifd)e  Gntbedtuncj  beleuchtet 
Don  %i^.^.)  einen  oorouÄgelicnben  9luf)a^  äc.ö:  3ol)-  0.  8t.  u.  ha^  ©atbenfertum  (^iftorifc^eS 
2:afd)cnbuc^,  bcgrünbel  oon  gr.  0.  Diaumer,  ^erauijgeq.  oon  53.  ^Jiaurenbrec^er,  9?5f  IV.  3a^rs 
gang,  8.  Hoff.)  unb  Äe.§  fid)  anf(^lief?enbe§  ^ud):  ^ic  ^Reformation  unb  bie  älteren  JReform*  45 
Parteien  in  \f\xtm  äufammen^angc  bargefteüt,  iJeipjig  1885,  ganj  abföQig  beurteilt,  ^qö  Äo. 
unb  fpötere  5iritifer  ite.ö  gegen  beffen  manchmal  ju  2^üge  trctenbe  5lnd)tigfeit,  gegen  einzelne 
falfcöe  unb  fdjiefe  Urteile,  gegen  fein  8trcben,  einem  Sicblingögebanfen  ju  Siebe  ju  ibentifijieren, 
generalificren,  fonftiuieren,  uorbringen,  tuirb  immer  in  (Geltung  bleiben.  ?lber  ha^  jene  Äritifen 
baju  gefüt)rt  ^aben,  ^e.  überhaupt  nid)t  mel)r  crnft  ^u  nehmen  unb  ben  m.  9K.  n.  bebeutenben  60 
^a^r^eit^ge^alt  unb  bie  frudötboren  ?lnregungen  in  Äc.ö  8d)riften  ju  oerfcnnen,  ift  ^u  be^ 
baucrn.  Um  bei  8t.  ju  bleiben,  fo  toürbc  aÜerbingS  bie  X^efe,  „bafe  8t.  unb  ber  ganje  92ürn= 
berger  Ä^rei^,  bie  2:ud)er,  (Sbner,  ^Jüjel,  8pengler,  8c^eurl,  ^Ibrecftt  2)ürer  bcrjenigen  QJemeins 
fdjaft  angetjören,  joeld)e  bi§  ^um  SBeginn  ber  ^Reformation  ben  9Janien  3Balbenfer  führte  unb 
bie  oon  1525  an  bie  Sc^eidinung  ©iebertäufer  oon  it)ren  ©egnern  ertjalten  ^at,  bie  fid)  felbft  66 
aber  feit  bem  12.3a6rl)unbert  einfad)  Vorüber  nannte"  (3Ä®  VII,  429  f.)  —  menn  ha^S  loirtlid^ 
bie  einzige  Cluinteffenj  oon  bem,  toa§  Ste.  über  8t.  gcfcftrieben  ^at,  toäre  —  eine  fonberbarc 
fird)ent)iftorifd)e  ©ntberfung  fein.  8ooiel  aber  fc^eint  mir  fieser:  ^t.  gehört  einer  befonberS 
c^arafterifiertcn  ©ruppe  oon  Jbeologen  unb  fiaicn  an,  bie  in  bem  3eitraum  oon  1520—1525 
ebenfo  oon  ben  fird)iid)=forreften  5tatl)oIifen  loie  oon  ben  fiut^erancrn  ficft  loälöfcn,  getüiffer*  m 
maßen  eine  britte  95artei  bilben,  „eoangelifd),  nid)t  lut^erifd)"  fein  tooflcn,  auf  bcm'öJrunbe 
oorne^mlid)  (5rfart=iaulerfc^er  g}^i)ftif  unb  ber  (Erneuerung  ber  paulinifd)=auguftinifc^en  GJnabens 
lcl)re  im  au§ge^enben  SRittelalter  meitcrbaucn,  bie  ©ejic^ungcn  jur  ^icrard^te  unb  ben  ürc^s 


782  Siänpiii 

liefen  Zeremonien  nid)t  löfen,  aber  leftere  für  relatiü  gleit^^iltig  galten  unb  bic  fat^olifd^ 
grömmiflfeit  üertiefen  unb  i)€rinnerlict)cn.  SBcrbinbung«Jfäben  flirren  rürfwärtö  gu  mittclaltn-- 
Heften  „(gtiöen  im  fianbe"  unb  üortpörtö  ju  geroiffen  Käufern  unb  aK^ftifcnx-  —  iwtten  Ho. 
unb  ^e.  in  6t.   me^r  ba^  „SSorreformatorifcfte"    betont,    fo   tt)ic«   9?.   ^auIuS    (3ot).  f.St, 

6  feine  uorgeblid)  proteftantifdjen  ©efinnungen,  öS®  XII  [1891],  ©.  309  ff.)  barauf  ftin,  bal 
©t.  in  S3ejug  auf  ^BiUen^freif)eit,  ^erbicnftlidjfeit  ber  guten  Öcrfc,  iustificatio  immer  gm 
fat^olifdj  gelehrt  ptte.  ?luc6  9iitf(ftl  (3)ic  d)rift(icftc  fie^re  üon  ber  SRec^tferttgung  unb  Scr- 
föj^nungl'  [©onn  1889],  @.  124  ff.)  ftob  bcn  Unterf(ftieb  jmifcften  ©t.  unb  fiut^cr  |eroor:  8t. 
fei  3)Jr)ftifer,    unb   jipar   gehöre  er,    ba  er  i>a^  Qki  ber  JJrömmigfeit  nic^t  im  (Srfenncn  imb 

10  ©cbauen  ®ottcg,  «fonbern  in  ber  ^erjicfttlciftung  auf  bcn  eignen  ^iütn  crblide,  in  bic  mt-- 
tiftifd)e,  franjiöfanifcfie  SRei^e  ber  3Ri)ftif.  —  Unjugönglidj  mar  mir  ber  ^Irtifcl  üon  (L  göwt, 
Deux  phases  de  la  vie  de  Staupitz  (Lib.  Chr^t.  VI,  17 — 34). 

3o^.  t).  ©t.  entftammte  einet  alten  Slbetöfamilic,  bie  im  16.  ^al^rl^unbcrt  im  ffiitto 
bcrgif^en  unb   in  ber  9?äl^c  t)on  SBurjen  angefeffen  tüar.    35ag  frü^cftc   fixere  2)atffin 

15  au^  feinem  Scben  ift  feine  3"iniötrifuIation  an  ber  Sei^jjiger  llnit)crfttät.  ^icr  ifl  er  im 
©ommcrfcmefter  1485  ate  Johannes  Stopitz  de  Mutterwitz  bacc.  inffribicrt  (3RatriW 
ber  Unib.  2.,  I^erau^cg.  b.  ®.  @rlcr  I,  347).  3Q3o  er  borJ^er  bx^  gum  öaccalaurcatdcramcn 
ftubicrt  l}ai,  ift  unbcfannt.  "äu^  bem  ßintrag  fc^ctnt  fic^  nun  auc^  ©t.'  @eburtdort  pt 
ergeben.    3Jlan  fann  aber  fd^ioanfen  jtüifd^en  SRottcrtüi^  bei  £ci«nig  imb  3Robcrtoi^  bei 

20  5«cuftabt  a.  b.  Dria.  auf  a)eotterh)i|  fafe  1519  ff.  (gnber«,  SutM  »rieftoec^fcl  I,  372 
u.  ö.)  6^riftoj3t)orug  Sreffen,  unb  fc|on  im  15.  S^^^'^^""^^  ""^  "^^  16^2  toar  e#  ira 
»efi^e  ber  gamilie  bon  Srefjcn  ober  5Preffen  (Seiträge  jur  fäd^f.  Ä®  II  [1883],  ©.  m\ 
5Koberh?i|  gel^örte  1295—1333  ber  gamilie  bon  ^a\)n  (ebb.).  <&ier  iüol^nte  —  jtod 
Slac^rid^ten  jufolge,  bie  aOerbingö  nid^t  mel^r  nad(igej)rüft  tücrben   lönnen    (bic  eine  boi 

25  1541)  (ebb.  ©.  104,  bgl.  auc^  fc^on  bc  SBette^Seibemann,  Sut^cr«  »riefe  VI,  684)  - 
^ani  t>.  Sora,  Äatl^arinag  33ater.  Seac^tenötoert  erfc^eint,  bafe  Äat^arina  im  Älojter 
■JJimbfc^en  mit  ©t.^  ©c^toefter  5JJagbaIcna  jufammen  tüar.  ©ottte  baö  auf  eine  gcmciit 
fam  unb  an  einem  Drte  Derlebte  Jtinb^eit  l^inbeuten?  35ann  toürbe  aud^  für  St.  dw 
2Jtoberh)i5  aU  ^Jloltertpi^    (für  Ic^tere«  ftimmt  31.  ^auM,  35er  Äat^olif  1898  I,  88) 

90  ate  ®eburt«ort  in  Sctrac^t  fommen.  —  6ine  toeitere  9?oti/i  in  ber  Scipjiger  Uniüerfitat^ 
matrifel  (II,  313)  befagt,  bafe  am  30.  Dftober  1489  N.  St.,  mgr.  Coloniensis,  in  bi< 
3lrtiftenfafultät  aufgenommen  Sorben  ift.  Se^ie^t  [xd^  ba«  auf  unfern  ©t.,  fo  ^  er  ba- 
jtoifc^en  in  Äöln  ftubicrt  unb  bort  fic^  ben  3Kagiftergrab  crtüorbcn.  —  1497  tpurbc  er, 
ate  mag.  art.  unb  lector  theologiae,  bem  2luguftinerfont)ent  ju  Tübingen  infoqjorim 

35  —  ^rofcfe  i}ai  er  öiclleic^t  in  3Slnnd)tn  gett^an  —  unb  am  30.  üJiai  an  ber  bortigen 
Uniberfität  immatrifuliert.  5lac^bcm  er  ^rior  bc^  Älofter«  getüorben  tvav,  h)urbe  er  am 
29.  Cltober  1498  baccalaureus  biblicus,  am  10.  ^^""^^  ^^99  sententiarius,  am 
().  ^nVx  1510  Lic.  unb  tagö  barauf  Dr.  theol.  (bgl.  §.  §crmclinf,  Die  t^eologtftbc 
gafultät  in  SEübingen  bor  ber  Slcformation  1477—1534,  lüb.  1906,  ©.  199f.).    ^ob 

40  er  fid)  in  Tübingen  bic  t^cologifc^en  SBürbcn  ertücrben  foßtc,  ^atte  baö  ©eneralfa))itd 
},n  9iom  1497,  tool;!  auf  3lntrag  bc^  a.  $roIe^  (f.b.  21. 93b  XVI ©.74),  bcfAIoffen.  Unter  ben 
lübinger  ^rofcfforcn  ragten  bamal^  ber  nad^  einer  grünblic^en  Äird^enrefonn  jicfc 
fc^ncnbe  fionrab  ©ummcn(;art  (^anffcn,  ©efc^.  b.  beutfc^.  SSoIIc^  feit  bem  2luögang  bd 
5M^  I,    17.  unb  18.  aufl.,  ©.  143,  §ermclinf  ©.  163  ff.)    unb   ber   noc^    energifi« 

45  toie  biefcr  auf  ©d)rift  unb  ^äterftubium  bringenbc  $aul  ©criptori^  (3anffcn  S.  16.  Uo, 
§ermclinf  ©.  156  ff.)  ^crbor,  boc^  l^abcn  fie  faum  ©t.  tiefer  beeinflußt.  (S^er  ift  bas  b« 
SBcnbel  ©teinbad}  an^une^men,  „inclc^er  nac^  bem  3^"Ö"i^  ^Jlelanc^t^on^  ein  fleifeigtr 
^orfc^cr  ber  ^I.  ©c^rift  unb  2luguftin^  tpar  unb  noc^  mc^r  burc^  feine  ftttlid^^religiöfe 
$crfönlic^fcit  ioirfte"  (§crmelint  ©.  195  ff.  200).     Wxi    einem    bom   30.   ÜJlärj   löC.' 

öobaticrtcn  ©riefe  an  bcn  ^^übingcr  Suc^brudcr  3^^^-  Dtmar  crfc^ien  ©t'  ©rftling^ 
fc^rift  Decisio  questionis  de  audieneia  misse  in  parochiali  ecclesia  domi- 
nicis  et  festivis  diebus  (4  2(u^gabcn,  bic  1.,  meiere  bic  atn^änge  —  f.  u.  - 
nic^t  hat,  t>on  Dtmar,  bic  brci  anbcm  auö  einer  anbcm  treffe,  togl.  ©teiff,  £cr 
crftc  SBu^brudt   in  3:übingen,   2^übingcn  1881,    ©.  61  f.),   in  ber  er  bie  grage,  ob  bic 

55  ^arod^iancn  t)crj)f(id^lct  feien,  an  ©onn-  unb  gcfttagcn  bic  9)icffc  in  i^rer  ^fon- 
firrf)c  5u  frören  ober  and)  in  einer  5tloftcrfirrf)c  i^rc  ßrbauung  fuc^en  bürften,  „mit  an= 
crfcnncn^tpcrter  iBcrleugnung  ber  eigenen  mönd)ifd)en  gntcrcRcn,  um  be^  l^ierart^ifAcn 
^rinjip^  ipiUcn,  ^u  ©unften  ber  ffieltgciftlid^tcit"  cntfc^cibct.  3"  ^«"  ^^ct  9iac^bru(fcn 
finb    einige   5latedn^mu^ftüdte   (gi)ttlidie  unb  Äird^cngebotc,   geft«  unb   gafttage,    gule^t 

60  Fides  Nicena)  angcbängt.  'JJad^bcm  ©t.  ^^Jrior  bc^  3Jündf>encr  2luguftinerfont>ent^  gc- 
roorbcn  toar  —  er  crfc^cint  afö  fold^cr  1503  — ,  bel;auj)tctc  er  bcn   in  Jener  ©c^rift  eins 


®tait)it«  783 

acnommenen  ©tanb})unlt  and)  in  öffentlicher  SRebc,  erfuhr  aber  ben  SBiberfjjruc^  be« 
wünc^ener  granji^fanerguarbian«  Äaf^ar  ©c^ajge^er,  beffen  ©egcnfc^rift  in  Cod.  Ms.  34 
bcr  üJlünc^ener  Uniberfität^bibl.  erl^alten  ift  (9J.  ^aulu«,  R.  ©c^.,  ^reiburg  i-Sr.  1898, 
©.  21  f.  149).  Dann  tourbe  er  bon  Äurfürft  ^nebric^  bon  ©aci()fen  neben  3Jlartin$oIIici()  au« 
SKeHric^ftabt  ober  SWeHerftabt  jur  ßinric^tung  ber  neu  gegrünbeten  SEBittenbergcr  Unibcrfttät  6 
berufen;  er  tourbe  erfter  2)elan  ber  t^eologifci()en  galultät.  2luf  bcm  ^ubilate  (7.  üJlai) 
1503  ju  efd()toege  ftattfinbenben  Rap'iid  tourbe  er  auf  ^role«'  SBunfd^  ju  beffen  ^ai)^ 
folger  im  ämte  eine«  ©eneralüifar«  ber  beutfci()en  Sluguftinerobferbantenfongregation  (ügl. 
93b  II  ©.  256  f.)  getüä^It.  ©r  festen  ganj  ber  3Jlann  ju  fein,  bie  aufftrebenbe  Äom 
flregation  x\x  ftü^en  unb  ju  fci()ü^en  unb  il^r  bie  (Sunft  bcr  toeltlid^^en  dürften,  junäc^ft  lo 
bcr  fäd^^ftfcpen,  unb  be«  $aj)fte«  ju  geiüinnen.  ©eine  erfte  ©orge  toar  bie  3ufammens 
faffung  unb  Veröffentlichung  ber  in  ber  Kongregation  geltenbcn  Äonftitutionen.  3tuf  bem 
RcüpM  gu  9lümberg  ^w^ilal^  (28.  3lJ)ril)  1504  tpurben  fxe  o^^jrobiert,  unb  balb  nad^ 
?|ifingften  erfc^ienen  fie  im  2)rucf  (einzige«  bisher  belannte«  ©j.  auf  ber  ^matt  Um- 
Dcrfttätöbibliot^el;  2lbfc^rift  bon  ©eibemann  auf  ber  Ägl.  Sibl.  ju  35re«ben;  auf  beris 
5Kün(^ener  $of-  unb  ©taat«bibl.  §f.  be«  18.  3ö^tl(>unbert«:  Constitutiones  Congre- 
gationis  Saxonicae  ab  eiusdem  maximo  promotore  Joanne  Staupitzio  vicario 
generali  editae  ac  Norimbergae  impressae  ac  ex  impresso  exemplari,  quod 
Herbipoli  asservatur,  descriptae).  SKenn  übrigen«  Äolbe  ©.  224  meint,  ©t.  ^abe 
^ier  eine  6m))fel^lung  be«  ©c^riftftubium«  eingefügt,  fo  ^at  ^aulu«  ^3®  XII,  311  f.  20 
gegeigt,  bafe  ©t.  auc^  l^ier  einfach  bie  (1287  aj)j)robierten)  Äonftitutionen  be«  (Sefamt^ 
orben«  abgefc^rieben  ^at.  3Bic  ©t.  in  ben  folgenben  ^af)xzn  ben  ^lan  Verfolgte,  fämt^ 
lid^e  beutf^e  Sluguftinerflöfter  feiner  Kongregation  einjuöerleiben  unb  biefer  burc^  Union 
mit  ber  lombarbifc^en  biefelben  Privilegien  unb  3»"»"wnitäten  gu  berfc^affen,  toie  er  in 
biefer  2lngelegcnl^eit  guerft  burA  3?ifolau«  93e«ler,  feinen  9Jac^folger  im  3Jlünc^ener  ^riorate,  26 
bann  auc^  ))erfönlic^  mit  bcriturie  ber^anbeltc,  toie  er  guerft  bon  bem  am  1.  ©ejjtember 
1505  getüä^lten,  aber  bereit«  ßnbe  1506  geftorbenen  (General  Sluguftinu«  t).  ^nteramna 
befeinbet,  bann  aber  burc^  beffen  9lac^folger,  ben  geleierten  ätgibiu«  b.  SSiterbo  geförbert 
tourbe,  toie  er  borübergel(>enb  mit  ben  5lümbergem  in  Äonpilt  geriet  unb  ©rfolge  mit 
?IKifeerifolgcn  tpec^felten,  bafür  mufe  auf  Äolbc  ©.  225— 243  bertt>iefen  hjerben.  Über  30 
ben  großen  Ääm})fen  bergafe  ©t.  aber  nici()t  bie  fleinen  3tngelegen^eitcn  ber  eingelnen 
Älöfter  unb  Srüber.  ©0  machte  i^m  ber  9teubau  be«  SBittenberger  Sluguftinerllofter« 
1507,8  t)iel  ©orge.  Söeit  über  100  2luguftiner  l(>at  er  toä^renb  feine«  SBifariate«  nac^ 
SBittenberg  gegoaen,  bor  allen  1508  3Rartin  Sut^er.  Stuf  einer  feiner  9Sifitation«reifen 
lüar  x^m  im  Erfurter  Äonüent  ber  „abgegel^rtc  junge  Sruber  mit  ben  fmnenben  2lugcn",  35 
ber  bon  feinen  näc^ftcn  33orgefe^tcn  al«  ein  ÜKufter  t)on  §eiligleit  gej)riefen  tpurbe,  aufs 
gefallen.  @r  l^atte  i^n  gu  tröftcn  gefugt  baburd^,  bafe  er  i^n  auf  bie  fünbenüergebenbe 
®nabe  ©otte«  unb  bie  örlöfung  in  G^rifti  93lut  öerhjie«,  i^m  llax  machte,  bafe  bie  9leue 
mit  ber  Siebe  gur  (Serec^tigleit  unb  gu  (Sott  beginnen  muffe,  unb  bafe  fein  ©ünbengefü^l 
gum  guten  Seil  auf  Übertreibung  unb  ßinbilbung  beruhe  unb  in  frud^tlofe  feelengefäl^rs  40 
lid^e  ©elbftquälerei  au«geartet  fei.  Sutl^er  ift  „feinem"  ©t.,  feinem  „lieben  ä^oftor  ©t." 
geitleben«  banibar  geblieben  bafür,  bafe  er  i^n  bamal«  au«  jenem  berberblid&en  Srütcn 
|erau«geriffcn  ijab^,  unb  ebenfo  für  f|)ätere  Siröftungen  unb  Anregungen  (6itate  bei 
Äolbe  ©.  249  f.  unb  Äöftlin^Äatperau,  3Jlartin  Sut^er  I,  71;  ba«  meiftciticrte  ffiort 
au«  bem  legten  erl(>altenen  ©riefe  Sut^cr«  an  ©t.  bom  17.  ©e})tember  1523:  Sed  nos46 
certe  etiamsi  desivimus  tibi  grati  ac  placiti  esse,  tarnen  tui  non  decet  esse 
immemores  et  ingratos,  per  quem  primum  coepit  evangelii  lux  de  tenebris 
splendescere  in  cordibus  nostris  [ßnber«  IV,  231]  ift  ber|ältni«mä^ig  lü^l,  bie 
Sleufterungen  bon  1542  unb  1545  finb  biel  inniger).  Sebor  ©t.  feine  ^ittenberger 
?5rofeff ur  befinitit)  nieberlcgte,  üeranlafete  er  ober  gh)ang  er  bielme^r  Sut^cr  gur  ©rhjerbung  50 
ber  t^eologi^en  3)oItorh)ürbc  am  18.  unb  19.  Df tober  1512  (ÄöftlimÄaioerau  I,  101  ff. 
—  3)er  Seri^t  in  Ghiliani  Leibii,  Prioris  Rebdorffensis  Canon.  Reg.  D.  Aug. 
Historiarum  sui  temporis  ab  An.  1502  ad  An.  1549  Annales  in  Slretin«  ikl^s 
trägen  gur  ©efci().  unb  Siteratur  VII  [1806],  664,  ©t.  I^abe  bie  ^:promotion«Ioften  be= 
ftritten  bon  ben  500  (Solbgulben,  bie  eine  eble  grau  einem  9?ürnberger  Sluguftinermönd^^e  55 
toermac^t  ^abe,  bamit  biefer  3:^eologie  ftubieren  unb  bie  t^eologifc^e  3)oItorh)ürbe  erhjerben 
foHte,  fc^eint  mir  burc^  bie  Quittung  Sutl^cr«  Dom  9.  Dttober  1512  bei  gnber«  I,  9  f. 
nic^t  gang  toiberlegt  gu  fein).  3tber  aui)  nac^bem  ©t.  gu  ftänbigem  Slufent^alt  nac^  ©üb- 
beutfc^lanb  übergefiebelt  toax,  blieb  er  mit  ben  Söittenbergem  in  inniger  ^ül^lung.  3tl« 
gol^ann  Sang,  ber  infolge  eine«  gtoifd^en  ©t.  unb  fieben  Älöftem,  barunter  ©rfurt,  au«^  eo 


784  ®tatt)ii^ 

gcbrod^cnen  Streitet,  al^  Parteigänger  St.'  aui  S.  au^etoiefen  toorben  tvat  unb  ^etfcji 
151 1  naä)  Wittenberg  überge^ebelt  toar  (5i.  $aulu^,  Sartl^olomäu^  2tmoIbi  t«m 
Ufingen,  ^reiburg  i.  Sr.  1893,  ©.  16),  ju  bem  auf  ^ubilatc  1515  na*  ®olba 
gufammenberufenen    Äapitel    reifte,    gab    ©palatin    i^m    einen    Sricf    an    gt.    mit 

6(batiert:  ex  arce  Wittenbergensi  XVI  Kalend.  Maij  [16.  Wßüi]  1515;  Cod. 
Goth.  A  399,  274^—75*),  in  bem  er  biefen  aU  greunb  3Jlutian«  unb  SeuAItns 
entf^ufiaftif^  begrüßte  (bgl.  auci&  noci()  ©iDert,  2)er  Srieftoec^fcl  be^  (Eonrohs 
Wutianu«,  ^atte  1890,  I  170,  II  151.233.237.268.278.280).  Unb  Äarlftabt  er: 
öffnete  feine  ßrläuterungen  gu  3luguftinö  ©d^rift  De  spiritu  et  litera,  bic  crft  äntoiig 

10  1519  erfc^iencn,  mit  einer  Dom  18. 5Rotoember  1517  batierten  95orrebe  an  ©t.,  in  toelAcr 
er  biefen  pxk^  aU  *illius  sincerioris  Theologiae  promotor  amplissimus  atqne 
eximius  Christi  gratiae  predicator,  defensor  quoque  et  assertor  immobilis' 
(§.  ^ikrge,  änbrea^  Sobenftein  toon  SEarlftabt,  Seipjig  1905,  I  90  ft.,  H  533  ff.).  Bl 
lebte  feitbem,  hjenn  er  nic^t  auf  Siifitation^reijen  abtoefenb  hjar  — ,  fo  tüor  er  im  ^S 

16  1514  in  ben  TOeberlanben,  too  er  u.  a.  bie  ßinric^tung  be^  nac^  Übcrtüinbung  moimigs 
fac^er  ©c^h)ierigfeiten  fc^ned  aufblül^enben  3lntn)er))ener  3luguftinerfontoentö  übcrttnu^tc 
(^.  Salloff,  2)ie  anfange  ber  (Segenreformation  in  ben  SRieberlanben  I,  ÖaQc  a.  b.  £. 
1903,  ©.  52  ff.),  unb  unternahm  er  im  Sommer  1516  eine  größere  äJifitationsreiic 
an  ben  5lieberrl^ein  unb  nad^  Selgien,    Voobei   er  auc^  für  bie  SBittcnberger  ©d^IoBün^ 

2o9teliquien  ertoarb  (gjfurö  bei  Äolbe  ©.  408 ff.;  bagu  neucften«  ^.  Äalfoff,  2lbla|  unb 
SReliquienberel^rung  an  ber  Sd^lofelirc^e  ju  SBittenberg  unter  gricbric^  bem  ©cifoi, 
§alle  1906,  ©.  69)  —  in  -äKünc^en,  ©algburg,  befonberö  gern  aber  in  9?ürnbCT3, 
too  er  mit  ß^riftoplE!  ®^^"^''  ^ieron^mu«  §oIgfd^u^er,  ben  Ebner,  fjürer,  %ni^, 
£a;aru!§  ©|)engler,  Sföilibalb  ^irl^eimer,   Sllbrec^t  3)ürer  freunbfc^aftlic^    toerle^rte  unb 

25  nid^t  nur  aU  ^rebiger,  fonbern  and)  al^  feiner  Seobac^ter  unb  licbenetoürbigcr  Untfi- 
^alter  bei  %i^d)  gefd^ä^t  hjurbe.  Seliebt  toar  überl^au|)t  ©t.  bei  jebermann.  So 
fc^rieb  j.  S.  au4  ßra^mu«  au^  Söioen  am  17.  Dftober  1518  an  3<>^^nn  Song  (feit 
Slnfang  1516  h)ieber  in  ©rfurt):  Staupitium  vero  magnum  adamo  (2lb.  §oratoi|, 
Erasmiana  II,   Si^ung^berid^te  ber   ^^iIofo})l^ifc^'^iftorifci()en  Älaffc  ber  Äaiferl.  äfab. 

80  ber  9Biff.  95.  S3b  1879,  ©.  597). 

2)ie  Stellung,  bie  ©t.  Don  1518  ab  Sutber  gegenüber  eingenommen  l^at,  ift  buri 
bie  neuerlid^en  au^gejeid^neten  Sluefü^rungen  $.  ftalfoffig  (^orfd^ungen  ju  Sut^er^  romi- 
feiern  ^rojefe,  9{om  1905,  ©.  44  ff.)  gettärt.  '^m  gebruar  1518  jeigtc  ber  bamalige  ?>ro^ 
magifter  be^  Drben^  ©abriet  aSenctu^  (ber  auf  bem  ©eneralfajjitcl  jul^enebig  im  3"*^^  ^^^^ 

86  Aum  ©cncral  geträblt  tüurbc),  einer  SBeifung  £eo^  X.  folgenb,  ©t.  an,  bafe  gutbcr  beim 
^5aj)fte  alöftefecr  benunjiert  Sorben  fei,  unb  forberte  il^n  auf,.£utbcr  ^ur  9tebe  j;u  fteüen. 
©t.  teilte  2ut|er  bie  2lnflaget3unfte  mit  unter  ioarnenbem  ^inioeid  auf  ben  üblen  Qm- 
brudf,  ben  feine  Seigre  gemad^t  l^ätte,  Sutl^er  aber  tüie^  unterm  31.  5Rär^  bic  gegen  ibn 
erf^obcnen  Slnllagen  ate  unbcgrünbet  ^urüdf  unb  lehnte  furj  unb  beftimmt  eine  2lenberung 

40  feiner  Haltung  ah.  2luf  bem  Äaj)itel  ^u  Jpeibelberg  be^auj)tete  er  erfolgrcid^  feine  %c]v 
tion  bor  feinen  Drbcnögenoffen,  berfprac^  aber  too^l  auc^,  ftc^  burd^  ben  ©cneralmfar  in 
einem  ©d^reibcn  an  ben  ''^ap\t  ju  ioenben  unb  burc^  eine  auefül^rlic^e  Srläuterung  feinet 
abla^t^efen  fid^i  ;;u  rechtfertigen.  I)iefe  Resolutiones  disputationum  de  indulgen- 
tiarum  virtute  fc^irftc  er  am  30.  Wai  in  einem  ©d^reiben  an  ben  $aj}ft  burd^  Staujji? 

46  nad)  9lom,  toorauf  biefer  crflärte,  bie  Kongregation  i)abc  [xd)  bemüht,  bem  Scfc^le  bc? 
^romagifterö  ju  entfj^rec^en.  ©citbcm  galt  ©t.  an  ber  Äurie  ate  2ln^änger  Sutbcr^  un^ 
fe^r  toerbäd^tig.  fturj  bcbor  bann  ©t.  mit  Sut^er  in  Slug^burg,  h)0  biefer  toor  bem 
9iicl)terftul;l  Gajctan^  erfc^ien,  jufammentraf,  fud;te  er  il^n  ju  bestimmen,  ^eittücilig  out 
bie  il^n  toorh)ärt^  trcibenbc  unb  ej})onierenbc  SBirffamfeit  an  ber  3öittenberger  Uniberfität 

60  5U  toerjic^ten  unb  fid;  in  ein  iocltabgcfd^)iebene^  äuguftinerllofter  gurüdju^ie^en,  ipoburcfc 
er  foiDol;l  ben  5lurfürftcn  aU  aud;  bic  Kongregation  unb  i^n  al^  Dh^xbaixpt  berfelbcn 
au^  t3cinlid;cr  Sage  befreien  mürbe.  3lm  10.  Dftober  traf  ©t.  felbft  in  l^lug^burg  ein, 
unb  nun  befjjrad^  a*  mit  Sutf^cr  einen  anbcren  auf  ben  erften  Slidt  rec^t  abcnteuerli(^cn 
^lan,  ba^  nämlid;  biefer  fic^  an  bie  Unibcrfität  ^ari^  begeben  follte  (5lalfoff  ©.  164^.). 

65  ^nbcffen  f4)eint  St.  fid;  in  feinen  bamaligcn  Serbanblungen  mit  Sut^er  boc^  gelegentli* 
auc^  anberö  au^gef^rocben  ^u  l^abcn.  @r  ftanb  ja  biefem  nid;t  nur  al^  Drben^toorgefe^icr, 
fonbern  aud;  al^  ^reunb  unb  ©cfinnung^genoffe  gegenüber,  unb  feine  93ebenflicfcfcit 
unb  ^Jingftlid^fcit  tourbc  manchmal  burdb  beffen  ftürmifc^e^  unb  glaubcn^fübnc^  Scfcn 
über  ben  ^^aufcn  gcioorfen,  unb  bann  rief  er  Sutl^er  ermutigenbe  unb  beftärlenbe  äl^ortc 

60  ^u.    Unb  toenn  er  il^n  Dom  Drben^ge(;orfam  entbanb,  fo   t^at   er  baS  gctoi^  nit^t  nur, 


@tau)ii^  785 

um  bag  B(i)iä]al  bcr  Äongrcßation  nic^t  ferner  mit  bem  Sut^er«  ^u  berIniH3fen(foÄaHoff 
©.  48  2tnm.),  fonbcm  and),  um  bicfem  ^rei^eit  jum  §anbeln  unb  Ääm^fen  ju  geben 
(t>0l.  aud^  ÄöftUn-ftatoerau  I,  211).  3luf  bic  3)aucr  toottte  er  jeboc^  bieSaft  unb  SSer* 
anttportung,  bie  er  aU  Oberbau})!  ber  Kongregation  burc^  5)ulbung  unb  Unterftü^ung 
Sutl^erg  auf  fic^  genommen,  nii)t  tragen,  gumal  ba  er  immer  h)ieber  bon  SRom  au^  be=  6 
arbeitet  h)urbe,  gegen  ben  Äe^cr  einjufc^reiten ;  er  legte  be^l^alb  auf  bem  Rapxid  juSi^« 
leben  am  28.  2tuguft  1520  fein  2lmt  ate  ©eneralbilar  nieber.  ©ein  SRac^foIger  h)urbe 
SBen^e^Iau«  2inf  (f.  b.  a.). 

3e^t  berief  ber  Äarbinalerjbifc^of  3Rattl^äu^  Sang  ©t.  aU  §oft)rebiger  nac^  ©aljburg. 
Slber  auc^  l^ier  fanb  er  nic^t  ben  erfe^nten  ^Jrieben.    3luf  Seranlafjung  £eo«  X.  forberte  lo 
Sang  bon   il^m  eine  revocatio  et  abiuratio   bor  9?otar  unb  S^^Ö^   ^^  ^"  "^^^   f^Ö- 
Sannanbrol^ung^buIIe  bom   15.  guni  1520   angeführten  älrtilel  Sut^er^.     ©t.   hjeigerte 
fic^  beffen,   h)eil  er  nic^t  ju  toiberrufen  bxaud)z,  toa^  er  nic^t  be^aujjtet  i}ab^,  unb   bat 
ben  Äarbinal,  ni^t  Leiter  in  il^n  ju  bringen,  hjurbe  aber  fc^Iiefelic^  mübe  unb  erflärte, 
ben  ^aj)ft  atö  feinen  SRic^ter  anjuerlennen.    9?id^t   mit  Unrecht   fa^  Sut^er   barin   eine  i6 
^albe  93erleugnung,  unb  ©t.  berfuci^te  auc^  gar  nici()t  il^m  unb  SinI  gegenüber  ta|)ferer  ju 
erfc^einen  aU  er  tpar.    Um  i^n  nun  aber  ganj  bon  £utl(>er  unb  ben  3luguftinem  lo^ju^ 
reiften,  machte  Sang  i^n  gum  3lbt  ber  alten  reichen  Senebiftincrabtei  ©t.  ^eter  in  ©algburg. 
9Rit  ben  5Wön(^en  berfelben  lag  Sang  feit  lange  im  ©treit,  unb  nun  l(>offte  er,  einen  i^m 
ergebenen,  gefügigen  2lbt  ju  bef ommen.    ©t.  toax  bamal^  gerabe  \>vixd)  bie  neuerlichen  Sin?  20 
gnffe  Sutl(>er^  auf  ?Jlönc^^geIübbe  unb^rieftere^e,  burc^  bie  3lbfc^affung  ber  3Keffe  unbba^ 
überl^anb  ne^menbe  auslaufen  bon  TOönd^en   unb  Üionnen  erfc^recft  unb  in  berjagter, 
refignierter  ©timmung;   fo  lieft  er  [x^  treiben,  unb  Sut^er^  SBamungen  famen  ju  f^gt. 
2lm   1.  2luguft  legte   er  mi)  erfolgtem  Diö^en^  ^rofeft   auf  bie  Senebiltinerregel  ab, 
lüorauf  er  am  2. 3tuguft  bem  Srjbif^of  be^uf«  Konfirmation  unb  Senebiftion  })räfentiert  25 
tourbe.  2tm  6.  Sluguft  fertigte  biefer  bie  Äonfirmation^urlunbe  au^,  unb  am  17.  h)urbe©t. 
burc^  Sifc^ofSert^oIb  bonß^iemfee  im  Seifein  be^  Jlarbinafö  feierlich  gum  2tbt  benebigiert 
(355.  ßaut^aler,  Äarbinal  3Ratt^äu«  Sang   unb  bie  religiöö^fojiale  Sefvegung  feiner  ^dt 
I.  Steil,  gjlitteilungen   ber  (SefeDfc^aft  für  ©alj^burger  Sanbeölunbe  35,   181  ff.).    Sltö 
gefc^idtter  §au^l^alter  über  bie  hjeltlic^en  ®üter  ber  2lbtei  betoä^rte  er  fx^  gerabe  nic^t,  30 
aber  ber  ^rebigt  unb  ©eelforge  toibmete  er  ftc^  mit  bem   i^m  eigentümlichen  freubigen 
Pflichteifer.    Sllö  le^te  Äunbgebungen  ©t.^  fmb  bie  jhjei  ©utac^ten  fe^r  ju  bead^ten,  bie 
er  über  bie  Sc^rc  be^  Sluguftiner^  ©tep^.  ätgricola  (f.  b.  ä.  Sb  I,  253)  abgab.  3)iefer  toar 
im  ©ommer  1522  al«  ^rebiger  in  9lottenburg  am  3lnn  gefangen  genommen  unb  in  ba^ 
falgburgifc^e  3Jlülborf  gebracht  tporben,  bamit  bort  Sang  al^  Drbinariu^  bon  Stottenburg  35 
gegen  i^n  ^anbele.    ^rx  bem  erften  ©utad()ten  bom  grü^ja^r  1523  (abgebrudft  bei  6or= 
binian  ©ärtner,  ©aljburgifc^e  gclef^rte  Unter^anblungen,  2.  4)eft,  ©aljb.  1812,  ©.67—72, 
befprod^en  bon  ^aulu^  §3®  XII,  773—777)  äufterte  ]x6)  ©t.  noc^  jiemlicb  milb  unb 
gurüdf^altenb;  er  toirft  2lgricoIa  nur  bor,  baft  er  fein  fubjeltibe^S  Urteil  über  bie  Sntfc^ei- 
bungen  ber  Kirche  ftelle,  baft  er  l)ätU  bebenlen  foDen,  quod  ne  sacrae  quidem  literae  40 
sine  modestia  docendae  sunt,'  unb  baft  feine  (Sinhjänbe  gegen   bie  ©ebete  für  bie 
Sierftorbenen  unb  gegen  ba«  ^aften  unf lar  unb  l^infättig  feien,  ^iel  fc^ärfcr  ift  ba«;  jitoeitc 
©utac^ten  toom  9?obember  1523,  in  bem  ©t.  bom  folgenben  allgemeinen  Sä^en  au^gel^t: 

1.  5)ie  Se^er  fmb  gu  beftrafen,  benn  man  muffe   bie  ©c^afe  bor  bem  Söolf   fd()ü^en; 

2.  bie  3ln^änger  Sut^er«  finb  auf  ©runb  ber  päj)ftlic^en  SuDe  unb  be«  faiferlic^en  6bilt«  46 
für  Äe^er  ju  galten;  3.  auc^  tber  nur  in  einem  fünfte  ber  Äe^erei  überfül^rt  tberbe,  fei 
atefte^er  ju  betrachten;  4.  älgricola  aber  fei  in  bielen  fünften  überführt  tborben  (^au- 
tl^aler,  SJütteilungen  36,  330  f.).  —   31m  28.  2)ejember  1524   erlag  ©t.   einem  ©c^lag^ 
anfad,  nac^bem  er  fc^on   feit  bem  3tj)ril   Icibenb   getbefen  fear  unb   in  Sraunau   unb 
Sleic^en^all  bergeben«  Sefferung   gejuckt   l^atte.    Segraben  tpurbe  er  in  ber   ©t.  SSeitgs  go 
!aj)ene  ber  ©tift«firc^e.     Über  jtoei  ^IJorträt«  bon  i^m  in  ber  ^rälatur  unb  im  Älofter« 
faal  bgl.  §.  SlumüDer,  ^a^rbuc^  ber  ©efettfc^.  f.  b.  ©efc^.  be«  ^roteftanti«mu«  in  £)fter= 
reic^  11  (1881),  ©.  49  f.,   bgl.   axid)   fc^on  ©eibemann,  ©äd^f.  Äird^en^  unb  ©c^ulblatt 
1873,  3?r.  6,  ©)3.  46.    ©e^r  intereffant   ift  5Keland^t^on«  Urteil  über  ©t.:  Staupitium 
dicit  non  factum  esse  apostatam.     ©onbem  er  fe^  ein  Sapiens  tpol^toeifer  ISlanrx  66 
getbefen,    quia  noiuerit   sese   immisc^ere  negotijs  de   religione  et  controversijs 
agitatis.     Sed  quod  arte  se  euoluerit,  fagt  6r".  (331.  14  bon  Mscr.  Dresd.  B  193 
4'«^    Abrahami  Buchholzeri   Libellus  Arcanorum,    citiert   bon   ©eibemann,   ©äc^f. 
Äirc^en^  unb  ©c^ulblatt  1877,  5lr.32  unb  1879,  5Wr.  38.) 

3Son ©t.' ^rebigten  fmb  l^anbfc^riftlic^  erhalten:  1.  34  lateinifc^  gefc^riebene ^rebigten  go 

^taUQncttUopmt  füt  Ideologie  unb  ftir<fte.    8.  «.  xvni.  5O 


786  Stau)it^  Stekittger 

über  $iobl  u.  2,  berfaftt  jtpifc^cn  1494  unb  1498,  in  Clm.  18  760,  155  f.,  4*  (^lul 
ß?!®  XII,  310 f.;  ^.«  äJermutung,  bafe  ©t.  bicfe  ^rcbigtcn  in  Tübingen  gehalten  bob«.  toirb 
bcitätigt  burc^  3RanIiug,  Locorum  communium  collectanea  II,  14),  2.  23  ^rcbigtm, 
bie  ©t.  in  ber  gaftenjeit  1523  im  Äranfcnfaalc  bc«  je^t  auf  bem  Slonnberg,  bamal^  aber  batl 

6  neben  St.  ^etct,  nämlic^  int  je^igen  gran«^!anerlIofter  gelegenen  9?onnenHofter  geilten  bot, 
unb  eine  über  ba«  33eid;ten,  bie  er  im  Slbbent  1523  im  ©Jjeifefaal  bafclbft  gebalten  ^ 
in  ^a))ierbanb  a  II,  11  im2lr(^ib  bon  ©t.  ^eter;  Jlolbe  ^at  barauö  bie  abbent^rtbigt 
abgebrudtt,  tpeitere  üJlittcilungen  gab  3lumüIIer,  ^a^rbuc^II,  49ff.,  XI  (1890),  ©.  113it. 
^ierju  tommen  noc^  äu^^üge  au^  ^rebiaten,  bie  ©t.  in  ber  3(bt>cntögcit  1516  in5lünt: 

10  berg  gel^alten,  t)on  Samruö  ©})engler  gefc^riebcn,  im  Codex  manuscript.  C  bibliothecae 
Scheurlianae  (Snaafe  ©.  14ft.)- 

Srucffc^riften  ©t.':  1.  Decisio  quaestionis  de  audientia  missae  f.  o.;  2.  %>n 
ber  9?ac^foIgung  be«  tüilligen  ©terben^  ß^rifti  (Sci^jig  1515:  ^Ponger,  STnnalen  m, 
0.0.  1523:  ^njer  1641);  3.  Libellus  de  executione  aeternae  praedestinationis, 

16  bon  ©c^eurl  Ij^erau^geg.,  SRürnberg  1517:  ^anjer,  Annales  typographici  VII,  459, 
136;  IX,  546,  136;  beutfc^e  Überfe^ung  bon  ©(^eurl,  9lümberg  1517:  ^anj^er  873; 
4.  aSon  ber  Siebe  ®otte«  (Sei})jig  1518:  SBetter,  Repert.  typogr.,  (Su}>j)I.  II,  461, 
0.  D.  [3Rünc^en,  ^ol^.  ©c^obfer]  1518:  ^anjcr  800,  Safel  1520:  ^nger  971^  o.C. 
u.  3.:   aKeller  1148);   5.  35on  bem  l^eiligen  c^riftlid^en  ©lauben,   nadi)  ©t.'  2:obe  tooK 

20  bonSinf  herausgegeben,  0.  D.  1525:  ^anjer  2900  unb  0.  D.  MDXXV.  (Über  baS  Skr^ 
l^ältnig  biefer  jtoei  berjc^iebcnen  Slu^aben  bgl.  ftcDer  ©.  190  ff.)  Über  fj)ätere  äu^ 
gaben  bon  ©t.'  ©c^riften  —  jtoifc^cn  1605  unb  1630  erfc^ienen  minbeften^  a<bt  5l«u= 
br^icfe  —  bgl.  ÄeHer  ©.  393  ff.  D.  Glemet. 

Stebingcr*  —  3)ic  .^auptquctfcn   finb    bie   in   ber  3)Qrflcnung   ongcfü^rten  UrfimNn. 

26  SBon  bcriditenben  Duellen  fommen  in  ©etradjt  Ann.  Stad.  MG  So  XVI;  Emon.  chron, 
0.0.0.  XXIII,  6.516;  Chr.  reg.  Col.  i.  1234,  6.265;  Ann.  Erph.  fratr.  Praed.  .v  1232. 
6.83;  Hist.  mon.  Raetcd.  SS  XXV,  6.504;  bie  6ö(f)fifcf)e  3BcIl*ronif  MG  DChr  IL 
6.  236  ff.  S)ic  älteren  S)arftcUun gen  finb  antiquiert  burcf)  ^.  91. 6cöumac^er,  5)ic  ©tebinqer. 
SBeitrog  j^ur  ®efd)ict)tc  ber  ^^cfer="liJ^l^((t)en,   ©remen  1865.     "iDJon    U9I.    ferner    ©cöirnnociKr, 

80  Ä.  griebri*  IL,  1859,  I,  227  ff.;  ©incfelmonn,  ©efdiicftte  ^.  gricbrid)«  IL,  186.%  8.  437  ff.; 
Ufinger,  ^eutfd)=bäni[cf)e  (i)eft^id)te,  1863,  6.  169 ff.;  3)c^io,  @cfc^icl)tc  bcö  (£räbiet^uin*3 
83remcn^C)amburg,  1877,  II,  119ff.;  $efele=finöpflcr,  eonc.=®cfc^.  V,  1880,  6.  1018fr.: 
gelten,  (iJregorIX.,  grcib.  1886,  6.220. 

SJlit   bem  SRamen  ©tebinger  (Stedingi,  Stetingi,  Stadingi)    bejei(^nct   man  feil 

85  bem  13.  ^al^r^unbert  bie  93eh)o^ner  ber  3?ieberungen  an  ber  9Zorbfeefüftc  ju  beiben 
©eiten  ber  Söefer,  jumeift  frieftfc^en  ©tamme^.  ©ie  finb  im  12.  3ia^r^unbert  au^  bem 
Si^tum  Utred;t  in  bie  bamafö  unbebauten  Woorlänbereien  an  ber  unteren  SBefcr  ein^c- 
tüanbert  (togl.  bie  Urf.  be«  eS.  griebric^  bon  1106,  §amb.  US  I,  ©.  121,  3lx.  129). 
3)ie  Sanbe^l^ol^eit  ber  ßr^bifc^öfe  bon  §amburg=93remen  erlannten   fxe   an,    lebten  ober 

40  t^atfäc^Iic^  unabl^ängig  auf  bem  bem  SBaffer  abgerungenen  ®runb  unb  Soben.  Um 
bie  SBcnbe  beö  ^^l^r^unbert^  h)urbcn  fie  burd^  bie  35erfuc^e  ber  DIbenburger  ®rafen,  fic 
unter  il^re  Sotmäfeigfeit  ju  jtüingen,  beunruhigt,  toujjten  fic^  il^rer  aber  ^u  ertoebrcn 
(©äc^f.  aßeltc^r.  j.  1200  c.  341,  ©.  236;  Ann.  Stad.  g.  1204,  ©.  354;  Hist.  mon. 
Rast.  19,  ©.  504;  Ann.  Erph.  fr.  pr.  3.  1234,  ©.  83).  einige 3;a^re  banac^  famen  ftc 

46  mit  bem  S53.  ^artirig  IL  in  Äonfliit ;  fie  beriüeigerten  bie  3^^nten  unb  anberc  ürd^Iitk 
Seiftungen.  Äur^  bor  feinem  lobe  30g  er  gegen  fie,  brad^  aber,  ba  fic  fic^  gu  einer 
Octbja^Iung  bcrftanben,  ha^  Unternef^men  ab  (Ann.  Stad.  3.  1217,  ©.354;  ©äcbj. 
SBeltcbron.  ©.  236  f.).  Die  nac^  feinem  lobe  (3.  9bt).  1207)  au^bred^enben  Äämpfc  um 
ben  SBeft^  beig  (grjbi^tum^  lamen  il^ncn  ^u  gute,     ©ie  jerftörten  1212  bie  feften  ^äuf« 

5o3Huntc  unb  ©ee^ufen  unb  belagerten  3)orf^agcn,  1214  brachen  fte  ©totel  (Ann.  "Stad. 
g.  bb.  33)-  2)afe  ©erwarb  I.  fc^liefelic^  bie  Slnerfennung  al^  erjbifc^of  fanb,  berbonhc 
er  hjenigften^  ^um  2:eil  bem  Umftanbe,  bafe  bie  ©tebinger  1216  ober  1217  auf  feine 
©eite  übertraten  (Ann.  Stad.  j.  1217,  ©.  356).  Stllein  er  ftarb  bereite  am  13.  äuguji 
1219  unb  in  feinem  ?iac^foIgcr  ©erwarb  IL  Don  2\p\>z  (1219—1258)  erftanb   i^nen  ein 

66  fel^r  gefäl^rlic^er  ©egner. 

©erbarb  IL  toar  einer  ber  bebeutenbften  5llänner,  bie  im  13.  3iö^^^unbcrt  auf  bem 
erjbifd^öflicficn  ©tuble  bon  Sremen=:g)amburg  fafeen;  er  na^m  ben  Äamjjf  gegen  fie  mit 
grofecm  JJac^bruc!  iricber  auf.  6^  \vax  ettoaö  Unerbörte^,  ba^  bic^t  bor  ben  iborcn 
feiner  2)?etropoIe   ein  i^olf  bon  Sauern   fa^,   ba^  in  toeltlic^en  Singen   feiner  ber  bt- 

CO  fte^enben  ©emalten  fic^  unterorbnete,  fonbern  feine  ©elbftftänbigfeit   ben   fi^   bilbenben 


et  787 

3:emtoriaIgciüaltcn  gegenüber  tro^ig  tpa^rte,  bag  aud^  ben  lird^Iic^cn  3lnforbetungen  fic^ 
nic^t  o^ne  tpeitcre^  fügte.  2)urc^  beibeö  mufete  ber  toiHen^ftarfe,  ^errfc^füc^tige  Äirc^ens 
fürft  ba^u  geführt  toerben,  nic^t  blo^  bie  ^^hnU  unb  3i"^fotberungen  feinet  33otfa^ten 
geltenb  ju  machen,  fonbem  biefen  3lnlafi  nu  benüfeen,  um  bte  Uferlanbe  an  ber  ^Jtebcrs 
toefer  unter  feine  lanbeöl^enlic^e  Sotmäftigfeit  ju  bringen.  3)afe  auf  gütlichem  ÜBege  bon  6 
ben  ©tebingern  nici()t^  ju  erlangen  toar,  n)u|te  ber@rjbifci()of;  er  trug  fein  Sebenfen  ®ehjalt 
an^utoenben.  2)urc^  feinen  ©ruber  ^ermann  bon  ber  Sif})e  liefe  er  ein  §eer  fammeln, 
um  mit  ben  Vereinten  Äräften  be«  ©r^ftift^  unb  ber  £i|)))efc^en  §au^mac^t  bie  Säuern 
nieber^uhjerfen.  3lm  SBei^nac^t^benb  1229  fam  e^  jum  entf^eibenbenßufammentreffen; 
bem  ritterlid^en  §eere  fteHten  [xi)  bie  Säuern  fam})fbereit  entgegen  unb  gewannen  einen  lo 
fllänjenben  Sieg:  ©raf§ermann  tourbe  erfc^Iagen,  über  200  feiner  Streitgenoffen  blieben 
tot  auf  bem  ©ci()la^tfelb,  bie  übrigen  fuc^ten  in  fc^mcü^lid^er  ^luc^t  i^re  SRettung  (Ann. 
Stad.  i.  1230,  ©.  361;  Erph.  S.  83;  Säd^f.  SBeltc^r.  374,  ©.  248). 

2)er  erjbifci()of  gelangte  j^u  ber  Sinftd^t,  bafe  er  bie  ©tebingcr  unterfci()äfct  l^abe,  bafe 
bie  Jlräfte  feiner  ©tift^mannf^aft  unb  beg   i^m  befreunbeten  2lbefö  gegen  fte  nic^t  au^s  is 
reichten;  Sollte  er  ben  Xoh  feine«  Sruberö  rächen  unb  feine  5ßläne  jur  Hebung  be^gr^s 
ftift«  unb  jur  Sefeftigung  feiner  Sanbe^^ol^eit  burc^fe^en,  fo  mufete  er  ju  ftärferen  SBaffen 
greifen,   ©ie  bot  i^m  bie  R\xd)t.   ©r  berief  benn  für  ben  17.  ^ärj  1230  eine  3)iöcefan- 
f^nobe  nac^  Sremen.    §ier  er^ob  er   gegen  bie  ©tebinger  STnilage   ioegen  Jle^erei  unb 
SSerac^tung  ber  firc^lic^en  ©aframente.    2)en  Sortoanb  gab  ber  bei  ben  ©tebingem  toie2o 
anbertoärt«  touci^ernbe  Aberglaube.     2)ie  ©^nobe  befc^lofe  ber  erjbifc^öflic^en  Slnllage 
gemäfe:  „Sietoeil  e«  offenfunbig  ift"  —  l(>eifet   ^  in  bem  toon  68.  ©erwarb   erlaffenen 
©^nobalfc^reiben  —  „bafe  bie  ©tebinger  bie   ©c^lüffel    ber  Äirc^e  unb  bie  firc^lid^en 
©aframente  böHig  »erachten,   bafe  fte  bie  Seigre  ber  ^l.  5KutterIirc^e  für  SCanb   Ratten, 
bafe  fie  ©eiftlid^e  jeber  Siegel   unb   jebe«  Drben«  ba  unb  bort   gefangen   nehmen   unb  25 
töten,  bafe  [xt  Älöfter  unb  Jlirci()en  mit  Staub  unb  Sranb  öertoüften,  bafe  fie  o^ne  ©c^eu 
9)leineibe  loie  cttoaö  Erlaubte«  begeben,  bafe   fie   mit  bem  Seib  be«  ^Qxxn  fc^redlid^er 
toerfal^ren,  aU  ber  3Runb  auöfbrec^en  barf,  bafe  fte  t)on  böfen  ©eiftem  äuöfunft  begehren, 
toäd^ferne  Silber  bon  ihnen  bereiten,  bei  ioa^rfagerifc^en  grauen  ftc^  9tatg  erholen  unb 
äbnlic^e  tocrabfc^euung^toürbige  2Ber!e  ber  ^inftemiö  treiben,  bafe  fte,  obloo^l   oft   unb  so 
öfter«  Dertoarnt,  Sufec  tocrtoeigern   unb   jebe  3Jla^nung  jurüdftoeifen :  —   ba    itoeifeKo« 
feftftel^t,   bafe   ba«  3llle«  ber  SÜa^rl^eit  gemäfe  ift,   fo  toerben  bie  ©tebinger   für  Äe^er 
erachtet  unb  al«  folc^e  berbammt"  (Urfunbe,    gebrucft   bei  ©ubenborf,   Registrum  II, 
©.  156,    3lx.  71    mit   ber  Unterfc^rif t :    actum  Bremae   in   synodo   Laetare  Jeru- 
salem 1219;  ba«  3!)atum  ift  jebenfaH«  unrichtig;  toa^rfc^einlic^  ift  XIX  au«  XXX  üer^  36 
fd^rieben). 

5Jac^bem  fo  bie  JBerbammung  ber  ©tebinger  erfolgt  toar,  fam  e«  barauf  an,  ba« 
Slnat^em  toirffam  ju  mad^en  bur^  ba«  Mittel  ber  Äreuj3ug«|)rebigt  unb  huxi)  Aufbietung 
ber  toeltlidben  aJiacpt  toiber  bie  &Aanntm.  3""^^ft  0^'^  ^t  ^^^  ^^P  ^'^  SoUmad^t 
gur  Äreujprebigt  3U  erlangen.  $a})ft  ©regor  IX.  (1227—1241),  ber  gro^e  Äe^er^  4o 
toerfolger,  an  meieren  bie  Älagen  gegen  bie  ©tebinger  burc^  gemeinfame  Seric^te  be« 
ßrjbifc^of«,  feine«  2)omfa})itel«  unb  ber  lurj  jubor  in  Slorbbeutfd^lanb  angeftebelten  3)0^ 
minifaner  gebracht  tourbcn,  beauftragte  gunäd^ft  (26.  ^ul'x  1231)  in  einer  3U  9lieti  er^ 
laffenen  SuUe  ben  Sifc^of  toon  SübedE,  ben  $rior  bon  ©t.  Äatl(>arina  in  Sremen  unb 
ben  ^rebigermönc^  3^^^""^  f^^"^"  ^önitentiar,  bie  nötigen  ^Jlaferegeln  gegen  fte  3U  treffen  46 
(Sremifc^e«  US  I,  ©.  196,  9k.  166)  unb  erliefe  bann  auf  ©runb  ber  eingebogenen 
Seric^te  unter  bem  29.  DItober  1232  bon  3lnagni  au^  bie  Süße  Lucis  eterne  lumine 
(unüottftänbig  gebrudt  in  Raynaldi  Annales  j.  1232,  ©.  388 ;  tooUftänbig  MG  EE  PP 
I,  ©.  393,  9ir.  489),  toorin  bie  auf  ber  ©^nobe  ui  Sremen  au«gejbro^enen  Sefc^ul« 
bigungen  toiebcrl^olt  unb  bie  Sifc^öfe  üon  9Jlinben,  Sübed,  SRafecburg  beauftragt  toerben,  öo 
ba«  Äreu^  toiber  bie  ©tebinger  unter  Ser^eifeung  reid^lic^er  Slbläffe  in  ben  2)iöcefen 
^abcrborn,  §ilbe«^eim,  Serben,  9Künfter,  D«nabrücf,  ?Winben  unb  Sremen  })rebigen  ju 
laffen.    2)od^  tourbe  ber  boUe  Äreujjug«ablafe  noc^  nic^t  getoäl^rt. 

3)ie  brei  üon  bem  ^ccp]i  beauftragten  Sifc^öfe,  in  Serbinbung  mit  ben  in  5?orb= 
beutfc^lanb  feit  furgem  angefiebelten  Settelmönc^en  brad^ten  in  lurjer  ^cxt  eine  nici()t  un^  55 
beträchtliche  ^^^^^  bon  Äreujfa^rern  jufammen.  allein  ber  erfte,  toie  e«  ](i)mi  im  SBinter 
1232—1233  mit  un^ureic^enben  Gräften  unb  unter  mangelhafter  ^Jül^rung  unternommene 
Äreujj^ug  mifeglücfte:  bie  ©tebinger  jerftörten  bie  1213  Don  ©erwarb  I.  erbaute,  bann 
^erftörte  unb  toon  ©erwarb  II.  toieber  aufgebaute  Surg  ©d^lüter  bei  3)elmen^orft,  bc^ 
brol^tcn  fogar  bie  ©tabt  Sremen  unb  fanben   in  bem  Säelfenl^erjog  Dtto  bon  Süneburg  eo 

50* 


788  etebittger 

einen  bem  ßrjbifd^of  ebenfo  feinbfelig  gefmnten  h)ie  gefährlichen  Sunbc^genoffen.  8u4 
bie  3^Pörun0  be^  Älofter^  ^ube  unb  bie  ent^am)tung  eineö  S)ominifanct^,  bei  ^  in 
ba^  ©tebingerlanb  h)agte,  h)irb  in  biefe  ^6t  gehören  (Ann.  Stad.  g.  1233,  £.361; 
©äc^f.  SBeltc^r.  376;  Hist.  Rast.  25  f.  ®.  505  f.). 

5  3)er  3ont  beö  Grjibifc^of^  h)urbe  burd^  biefe  5WifeerfoIge  nur  me^r  gereigt;  au(^t)cm 
^apfte  famen  neue  Slufltäge  jur  ÄreujJ)rebigt.  3)urd^  eine  Sutte,  gegeben  gu  änagni  am 
19.  Januar  1233  (gebrucft  §arfel^eim  CJonc.  Germ.  III,  ©.  553),  rief  er  bie  Sijcfeöu 
t)on  ^aberborn,  J^ilbee^eim,  SScrben,  3Rünfter,  D^nabrüd  ^ur  Unterftü^ung  ber  brei 
früher   genannten  Sifc^öfe  in  Bad)m  beg  fireu^ijug«  h)iber  bie  ©tebinger   auf,  bomit 

10  biefe  „enttoeber  rafc^  burc^  ©otte^  Äraft  ber  Sefel^rung  gewonnen  ober  in  bie  @nik 
ber  SSerbammnig  g^ftürgt  iüerben".  2)e^Ieic^en  ermal^nte  er  bie  ©tabt  Sremen  im  ^ytüB^ 
ling  1233  bringcnb,  für  ben  ßr^bifc^of  einzutreten  (bgl.  Srem.  U33  I,  ©.205,  5Rr.l72), 
raftloö  tourbcn  bie  93ürger  öon  ben  3)omtnifanem  für  ben  1^1.  Äamj>f  bearbeitet;  buri 
einen  feierlichen  Vertrag  jhjifc^en  bem  @rj;bifc^of  unb  bem  Sremer  diai  öom  3Räx^  1233 

16  berj)flid^teten  fic^  beibe  jur  tüec^felfeitigen  Unterftü^ung  im  ffann>fe  gegen  bie  ©tebinger 
(f.  b.  eben  angef.  Urf.).  2)ag  äße«  toax  nic^t  bcrgeblic^:  im  ^^ni  1233  lonnte  bie 
litpeite  ftreu;;fal^rt  gunäc^ft  gegen  bie  Dftftebinger  unternommen  toerben;  ^unberte  ba 
ftreitbaren  Wänner  tourben  erfd^Iagen,  bie  ©efangenen  aU  Äe^er  toerbrannt,  gegen  bie 
übrigen,  and)  gegen  SKeiber  unb  Äinber,  mit  ^euer  unb  ©c^tpert,  mit  SRorb,  Staub  imb 

20  ©c^änbung  fo  lange  gciüütet,  bi«  fie  ftd&  unterwarfen,  ©lücflic^er  ^tten  unterbefjen  bie 
auf  bem  linlen  SBeferufer  tüol^!"«^"^^"  SBeftftebinger  bie  feinblic^en  Slngriffc  abgetoebrt, 
obtüo^I  il^re  Sage  burc^  bie  ^Jieberlage  ber  Dftftebinger,  burd^  ba^  STu^bleiben  ber  <m§ 
^eßlanb  ge^offten  §ilfe,  burc^  bie  So^fagung  il^re^  bi^l^erigen  Sunbe^enoffen,  b«^ 
^er^ogö  Dtto  öon  Süheburg,  bom  Kampf  gegen  ben  ßrjbifd^^of  immer  bebenflic^er  tourbt 

25  Unb  tüäl^renb  fie  fo  i^ren  mächtigen  Sunbe^genoffen  berloren,  meierte  fic^  bie  ^ahl  ber 
fireujfa^rer  noc^  infolge  einer  neuen,  am  17.  3uni  1233  bon  ®regor  IX.  au^  bem 
Sateran  ergangenen  SuHe  an  bie  Sifc^öfe  bon  5Kinben,  Sübecf  unb  SRa^eburg  toorin 
biefe  beboHmä^tigt  tüurben,  jur  9?eubelebung  be^  3)lute^  ber  Äreugfal^rer  bicfen  ganj 
benfelben  Slblafe  unb  ®eh)ä^rung  berfelben  3Sorrec^te  in  2lu^fic^t  ^u  fteDen,  h?ie  ben  jum 

90^1.  2anbe  jiie^enben  Jlrcugfa^rem  (bie  SBuDe  ift  gebrudft  bei  ©ubenborf  II,  ©.  167,  9lr.  79; 
MG  EE  PP  I,  ©.  436,  3lx.  539  u.  a.).  Dennoc^  enbete  ber  brittc,  unter  Seitung  bc§ 
®rafen  Surc^arb  bon  DIbenburg  unternommene  Sreujjug  mit  einer  9iieberlage  ber  Äreuj^ 
fairer:  ber  ®raf  h)urbe  im  2!reffen  erfcf^Iagen,  mit  i^m  ettoa  200  feiner  Seute  (6ü*|*. 
SBcItc^r.  377,  ©.  249).    2luc^  ber  Pan  be«  (grjbifci^of^,    im  SBinter  1233—1234  bur* 

86  3)urci()ftec^ung  ber  SÜefcrbeic^e  bie  ©tebinger  ju  bertiigen  (©äc^j.  SBeltc^r.  378,  ©.  2b0i 
fd^eiterte  an  beren  SBact^famleit ;  fie  fcf^ü^ten  i^re3)eic^e,  bieSremer  mußten  untjerric^tetct 
3)inge  abrieben,  ©o  Ratten  bie  ©tebinger  nod^  einmal  eine  fur^je  grift  gur  Stube  unb 
jur  SRüftung  auf  ben  legten  entfc^eibungöfamj)f.  ©eit  ber  legten  SuIIe  be^  ^|Ja|)ftc^ 
tourbc  bie  «reujjprebigt   immer  eifriger  unb  erfolgreich  betrieben;   h)ie  2Bctterh?oIfen,  cv 

40  jä^lt  ber  friefifc^e  Stbt  ßmo  ©.  510,  jogen  bie  ©d^aren  ber  bominifanif^en  Rxai*y 
jprebiger  burd^  bie  Sll^einlanbe,  3Beftfalen,  ^oDanb,  g'^^^^i^  wnb  Srabant.  3»"^^ 
mc^r  tüurben  bie  ©ci^aubergefc^id;tcn  toon  ben  Äe^ereien  unb  ®reuclt^aten  ber  ©tebinger 
au^gefcbmücft.  ^m  ^rü^ja^rc  1234  rüftete  fid^  atlee  gur  Vernichtung  be^  l^elbenmütigcn 
53auernt>oIf^.    ^\vax  fd^eint   an  ber  Äurie  ba^  Sertrtiuen   gu  ben  9?ac^rici^ten    über  bie 

46  5?e^ereien  ber  ©tebinger  —  tüir  tüiffcn  nid^t  iüoburc^  —  in^  Söanlen  gcfonimcn  ju  fein, 
^enn  am  18.  Siärj  1234  richtete  ®regor  an  ben  j)ä>jftlid^en  Segaten  in  5?orbbeuif*Ianb, 
SBil^elm  bon  3)Jobena,  eine  neue  Suüe  (»rem.  U33  I,  ©.215,  3lx.  179),  burd^  bie  er 
ben  Scgaten  beauftragte,  ^irifc^en  ben  ftreitenben  Steilen  ^n  Vermitteln,  ätber  biefer  ßr- 
la^  fam  gu  ft3ät.    ^m  äjiril  fammelten  fic^  bie  mit  bem  Sreuj  bezeichneten  fjreifc^aren: 

50  bie  ©rafen  §einrid^  toon  DIbenburg,  £ubh)ig  Don  SRabenigberg,  glorentin  bon  .^^offanb, 
Dtto  Don  ®elbern,  älbolf  Don  93erg,  2Bil^eifm  Don  Sülic^,  ®ietric^  Don  ßletoe,  ^erjog 
§einric^  Don  Srabant  k.  fül^rten  laufenbe  Don  ©treitem  ^eran,  bie,  fanatifc^  unb  beuten 
luftig,  bem  Stufe  ber  Äreujjjrcbiger  golge  Icifteten.  ^tvax  ift  bie  getDö^nlic^c  3^^- 
angabe  Don  40000   nac^  ©d^umad^cr  S.  244   Diel  ju  l^od^;   aber   mögen    e^    auc^   nur 

66  10000  gctoefcn  fein,  bie  ©tebinger  l^atten  il^nen  bödbftenö  eine  umg  ^^"ffö^.c  geringere 
^ahl,  nad)  ©dbumad^er  ciWa  2000,  entgcaen^uftellen.  2lm  ©amötag  Dor  ^immelfabrt, 
27.9Kai  1234,  fam  e^  i;ur  entfd;eibung<gfc^la(|t  bei  älltenejc^  (f.  ©d^umac^cr  ©.  240f.). 
3Der  ^er^og  Don  ikabant  fü(;rtc  ba^  Äreujl^eer  jum  3lngriff;  eine  ©c^ar  bon  üRönc^cn 
unb   Slcrifern   ftimmte    ben  üblid^en  Sd^lad;tgefang   an,    baö  Media  vita    in    morte 

Go  sumus.    2)ic  ©tebinger,   geführt  Don  ben   brei  gelben  Solle  Don  Sarbenflet,   2;ammo 


Stfkinger  Stetger  789 

toon  Äuntborf  unb  3)ctmar  Don  2)ielc,  in  fcilförmtger  Sd^Iad^torbnung  aufgcflcHt,  l^ieltcn 
beut  angriffe  bc«  ^ufebolfö  Stanb,  unb  mancher  3tittcr  fani  in  ben  ©taub.  SlUein  bie 
geinbe  h)aren  ju  ga^Ircic^  •  ate  ®raf  3)iclric^  Don  (Siebe  mit  \x\\i)tx  9)lannfc^aft  ^cranrüdtc, 
erlag  bie  fleine  tobmübe  ©d^ar.  Sin  einen  SRüdt^ug  toax  nic^t  ^u  bcnfen:  nur  toenige 
toanbten  fic^  jur  ^'^c^t;  bie  mciften,  unter  i^ncn  aud^  fäm|)fenbe  grauen,  tpurben  auf  6 
bem  Sci()taci^lfelb  erfc^lagen  ober  lamen  in  ben  ©etoäfjern  unb  9)looren  um.  3Son  bem 
flcringen  Übeneft  flol^  ein  3:eil  ju  ben  freien  Riefen;  anbere  blieben  im  Sanbe,  leifteten 
bie  bom  ^aj)ft  afö  Scbingung  für  bie  2luf^ebung  be^  Sännet  unb  3"t^^i^^^  borge* 
fd^riebene  Gienugtl^uung  unb  untertoarfen  fic^,  unter  SSergic^t  auf  i^rc  biöl^crige  ^rei^eit, 
bem  @r3bifc^of(Emon.chr.  S.  516;  ©äc^f. Söcltc^r. 378,  ©.  250;  Ann.  Stad.  ©.362;  lo 
Chr.  reg.  Col.  ©.265;  Ann.  Parch.  ©.607;  Ann.  Erph.  fr.  pr.  ©.  83f.;  Chr. 
min.  Erf.  ©.  657;  bgl.  auc^  gorfc^.  j.  b.  ®ef4  18,  ©.41,  217).  ®a«  Sanb  tourbe 
jtoifc^en  bicfem  unb  bem  (Srafcn  Don  Dlbenburg  geteilt  unb  teile  fremben  3lnbauem 
jum  'üReieucc^t  übertragen,  teite  einjelnen  gamilien  be«  ftiftifc^cn  2lbelö  ju  £el(>en  gc* 
geben,  bgl.  bie  Urlunbe  bc^  GS.  ©erl^arb  bom  17.  9Jobember  1235,  nac^  ber  er  bem  i6 
®rafen  Subtoig  bon  SRabendberg  für  feine  Dienfte  gegen  bie  ©tebinger  15  ®üter  aug 
il^rem  93cri^  überträgt  (SBeftf.  US3  IV,  ©.  159,  9Jr.  240). 

©cc^^  SRonate  nadb  ber  ©c^lac^t  orbnete  ber  ^a))ft  burd^  eine  ju  Perugia  erlaffene 
SuHe  an,  bafe  bie  ilird^cn  unb  Segräbni^plä^e  im  Sanbe  ber  ©tebinger  bon  neuem  ge« 
lüei^t  tperben  follen,  toeil  ba  fo  bielc  Seiber  toon  Äe^em  ungetrennt  Don  ben  Seibem  ao 
ber  ®läubigen  b^^iaiUt  feien  (§ar^^eim  III,  ©.  554  D.  28.9?oD.  1234);  burc^  eine  Sutte 
Dom  21.  aiuguft  1235  (a.  a.  0.)  ^ob  ®rcgor  IX.  auf  bemütige«  Sitten  be«  9Solfeö  ber 
©tebinger  ba^  über  fte  h)egen  i^rer  Unbotmäjjigfeit  ergangene  Urteil  ber  33erflud^ung 
iDieber  auf  unter  ber  Sebingung,  ba§  Don  i^nen  für  ba«  Vergangene  entfprec^enbe  ®es 
nugtl^uung  geleiftet,  für  bie  ^ulunft  ben  ®eboten  ber  Rixd)^  unweigerlich  ^o'fö^  gegeben  26 
hjerbe.  ®er  Äei^ereicn  unb  Greuel,  bie  ibnen  früher  fd()ulbgegeben  toaxm,  tüirb  ^ler  mit 
feinem  SBorte  gebac^t.  3)er  ßr^bifc^of  ®eb^arb  orbnete  jur  ^eier  bee  ©iegeö  über  bie 
Äejer  unb  ber  9tettung  ber  ^rci^cit  ber  Kirche  ein  eigene«  @ebäd^tni«feft  an,  ba«  all« 
jä^rlid^  am   ©onnabenb   Dor  Himmelfahrt   in   ber  ©tabt  Srcmen  burd^   eine  feierliche 

frojeffion  ju  Eiferen  ber  TOutter  ®otte«,  burd^  ^rebigten  über  bie  ^luc^tüürbigleit  ber  so 
e^erei,  burc^  eine  feierlid^e  3Jieffe  im  l;oben  G^or  ber  ^eter«firc^e,  burc^  ©iege«l^^mnen, 
Sllmofen  unbSlbläffe  gefeiert  hjerben  foDte  unb  bi«  in  bcnänfang  be«  16.  ^^l^^^unbert« 
gefeiert  tourbc.  ^m  ©tebingerlanbe  baute  er  eine  Äa^jede  ju  G^ren  ber  3lwn9f^öu  SJlaria 
in  ber  3?ä^e  be«  £anbung«})la^c«  be«  Äreujl^eere«;   ebenfo  liefe  2lbt  |)erman  Don  GorDe^ 
bort  jtoei   Raj^ellen   errid^ten,  bie  eine   ju  Gieren  be«  1^1.  Seit  an  ber  5Dlünbung  ber  86 
Dc^tum,  bie  anbere  ju  Gbren  be«  1^1.  aJiartin  auf  ber  ©tätte  be«  Slutbabe«  Don  Slltenefc^. 
a)a«  19.  Sal^r^unbert  hat  tix  Gieren  ber  im  grcil;eit«Iam|)fe  gegen  felbftfüd^tige  ^riefterl^errfc^aft 
el^renDoH  gefallenen  Sorfal^ren  auf  einem  fleinen  einfamen  $ügel  inmitten  be«  ©c^lac^t- 
felbe«  einen  ehernen  Dbeli«f  im  Äreife  junger  Giemen  enic^tet,   unb  biefc«  einfad()e,  aber 
bauembe  Senfmal,  „©tcbing«e^re"  genannt,  am  27.  5Wail834,  am  600iä^rigen  ®es  40 
bäd^tni«tag  ber  ©c^lad^t  bei  älltenefd^,    feierlid^   eingehjeil^t.     ©c^riften  unb  ®cbic^te  in 
großer  3^^^  erfd^ienen  au«  änlafe  ber  ^eier,  bie  benn  aui)  baju  biente,  bie   l^iftorifc^e 
gorfc^ung  über  biefen  bunflen  5ßunft  ber  mittelalterlid()en  ilir^ens  unb  Äulturgefc^id()te 
neu  anzuregen.  (lEBagenmann  f)  ^auff. 

Steiger,   SBil^elm,    ein   fc^tDeijerifdber  reformierter  Ideologe,  bcffen  früher  Xob  46 
(9.  ^önuar  1836)  ber  Äirc^e  unb  SBiffenfd^aft  einen  treuen,   begabten  unb  ))robuftiDen 
Arbeiter  Don  fc^arf  au«ge^)rägtem,  entfd^iebenem  ffiefen  entriffen  ^at,  ba«,  toie  felbft  fein 
Sufeere«,  manche  an  GalDin  erinnerte.    Gr  toax  geboren  ben  9.  gebruar  1809   al«  ber 
ältere  ©o^n  eine«  au«  ^latoeil,   Äanton«  ©t.  ®allen,  ftammcnben,  im  Äanton  3largau 
angefteDten  unb  um  ba«  Solf«fc^ulh)efen  bc«fclben  Derbienten  ®eiftlid()en,  ^o^anne«  ©teiger,  60 
ber  ben  burc^  feine  ^af)ung«fraft  au«gejeidbneten  Änaben  bi«  jum  Doltenbeten  14.£eben«= 
ja^re  fo  toeit  ^eranbilbete,  bafe  er  ba«  bamaligc  Collegium  humanitatis  in  ©c^aff^aufen 
bejjiel^en  fonnte,  an  bem  fein  ®rofeDater  mütterlicher  ©eite,  $^.  ^af- Slltorfer,  ein  frommer 
9}{ann  Don  ber  bogmatifc^en  JHid^tung  Slein^arb«,  ^rofeffor  ber  lateinifc^en  ©prac^e  unb 
ber  Ideologie  toar.    9?ur  17  5^a^re  alt,  bejog  ©teiger  bie  UniDerfität  Tübingen,  an  ber  66 
©tcubel  unbSengel  lehrten,    yiaö^  be«  Ic^terenlobe  fe^fte  ber  noc^  unentfd^iebene  ^üngs 
ling  feine  ©tubien  in  §atte  fort.  Wo  er  ben  3tationali«mu«  noc^  im  ^öc^ften  glor  antraf, 
aber  auc^  I^oludf  fc^on  feine  eingreifenbe  3BirffamIeit  begonnen  l^atte.  Som  SWationali«« 
niu«  loenbcte  ©teiger  fic^  balb  mit  UntoiHen  ab.    Gr  fal^  in  il^m  toiffenfd^aftlid^e  Dbers 


790  8tci|cr  SlrisMcr 

flacblic^fett,  feine  Sefriebtsung  für  bie  ^totolttät  l^e^  inneren  SRenfc^,  ane  beii6Iapd< 
Stellung  5um  c^tlii^en  Solfe,  einen  3krrat  an  ber  Rxtdft.  ^bolud  tporb  bagegen  kii 
geiftlid^  SSoter.  Xddf  ging»  nur  bun^  ]d>tD€ct  Äämpfe  pim  neuen  geben,  benn  k 
^anbdte  fub  nic^t  blog  um  Aneignung  eineS  tbeolcgif^en  3toftem^.  ^m  ^obre  1S27 
6  f ehrte  er  in  bie  ^eimat  gurüd,  txxnrb  1828  in  3(arau  orbiniert  unb  lebte  borai  ein  ^ 
tn  ber  fronpftfc^en  Sc^tüei^,  tüo  er  mit  3<^erj  bie  bamoligen  ^Verfolgungen  glöubüia 
Sifftbenten   mitonfaB,  bie  Urfoc^e  be#  Separatismus  aber  in  bem  Mangel  treuer  Sed-- 

iorge  unb  ^rebigt  in  ber  ftird^  erbli(!te,  bober  um  fo  me^  im  Sifer  fix  bie  Srbeit  in 
>iefer  entbrannte,  ber  er  gruiüyfa^Ii<^  jugetbon  toar  unb  blieb.  6r  bieh  in  biefer  3«  a 

U)  äoufanne  gemeinfc^aftlic^  mit  feinem  tourttembergifc^en  ^reunbe  Dr.  ^abn,  ber  besKdb 
bom  Staatsrat  ouSgetpiefen  tourbe,  SrbauungSffau^en,  ^elt  Stubenten  )?ntxitiin  $n>' 
lefungen  unb  fc^rieb  SSerfc^iebeneS,  unter  anberen  eine  intereffante  @ef(^ic^te  ber^mk^ 
in  ber  9Baabt,  für  bie  GtKmgelifc^e  Äirc^jeitung  in  Serlin.  3"  tegdmäfeiger  ?Riiaifcä: 
an  biefer  bon  Dr.  ßengpenberg  eingelaben,  reifte  er  im  ©t>atia^   1829   in  jene  gtah, 

16  in  toelc^er  er  britt^b  ^abre  neben  feiner  ^ortbilbung  fu^  gong  ütterorifcben  Sikitco 
ergab.  äuBer  bielen  Suffä^en  in  ber  genannten  3^<¥^'  erf(^ien  obne  fernen  %imcB 
eine  borgüglicb  gegen  Sretfc^neiber  gerichtete  Srofc^öre:  ,,9emertungen  über  bie  fyüJi^&t 
Streitfälle  unb  bie  Jrage,  oh  bie  ebangelifc^en  ^Regierungen  gegen  ben  StationaKsiim« 
einjufd^reiten  ^en  u.  f.  h)."   (Seijjjig  1830),  unb  gleic^jeiti^   fein    erfte^    unter  mm 

aoSlamen  ^erauSgegebcneS  8u(^:  ,JRritif  beS  SlationaliSmuS  tn  SBegfcbeiberS  S^ogmotü* 
(Serlin  1830),  in  toelcbem  er  mit  jugenbUc^em  Unmut  („tocnn  bie  SBeifen  fAtoo^o, 
fönnen  unb  muffen  bie  Jüngern  rcben"),  ^^  ^^  f^<>n  teifem  Urteile  imb  gro^  Stbote, 
bie  9li(^tig!eit  biefeS  S^ftemS  nic^t  etlpa  auS  berSibel  ober  irgenb  einem  anberen  Si^c, 
fonbem  beffen  eigenen  @runbfä^en  gemag  burc^  9(nta>enbung  ber   allgemein    onerfaraua 

25  ^enlgefe^e  auf  eS  felbft  nacbgumeifen  fuc^te.  $on  ber  ^olemÜ  fu^  gum  Slufbau  tUr: 
logifc^er  2Biffenfc^aft  tücnbcnb,  arbeitete  er  feinen  f(^önen  Slommentor  über  „bcn  ctJmb 
»rief  ^etri,  mit  Serücfftc^tigung  beS  gamen  biblifc^en  Se^rbegriffS"  (»eriin  1832)  m 
ber  au^  inS  Sngltfc^e  überfe^t  tDurbe.  @r  tüünf(|te  bann  befonberS,  bie  alten  äluSlegcr 
m  \fyctm  Siedete  gelangen,  me^r  nod^  aber  baS  SBort  ®otteS  felber  in   feiner  ^yüQe,  9e: 

80  ftimmt^eit  unb  Si(^erbeit  ^erbortreten  gu  laffen.  ^aS  9u(^  ift  bem  tl^ologifc^  Armittt 
ber  ebangelifc^en  ©efcHfc^aft  in  ®enf  getoibmet,  baS  i^n  gerabe  um  biefe  3^^  gum$n?= 
feffor  ber  neuteftamentlic^en  Gregefe  an  ber  burc^  jene  (SefeHfc^  ^ur  93ilbung  gloutigff 
©eiftlic^er  geftifteten  tbeologifc^en  Schule  berufen  ^atte.  Um  Cflem  1832  trat  er  in 
biefcn  neuen  SBirfungSfreiS    ein.    2ln  feinen  SSorlefungcn  tourbe   gerühmt,   bafe  er  in 

86  feltener  SBeife  beutfc^cn  ©cbanfen  i^en  äuSbrucf  in  franjöfifc^er  Sjjra^e  gu  geben  tjerfton^. 
3ion  ü}nm  l}ai  nad^  feinem  lobe  einer  feiner  Schüler,  bie  mit  großer  Siebe  an  ibin 
fingen,  bie  Introduction  g^n^rale  anx  livres  du  N.  T.  (Grenöve,  Lausanne  &  Paris 
1837)  nad^  ÄoUcgienl^eften  l^erauSgcgcben.  Gr  felbft  ^atte  mit  feinem  gelcbrten  beutfcto 
RoDegen  ^äöcmiä  (nad^maliger  ^rofeffor  in  Sloftodt)  angefangen,  eine  3^^f<J^rift  („M 

40  langes  de  th6ologie  r^form^")  l;crauSjugeben,  bon  ber  gtoei  $efte  (Genöve  &  Paris 
1833  unb  1834)  erfc^ienen  fmb.  hierauf  fam  bon  i^m  ber  erfte  Sanb  eincS  Äommeii: 
tarS  über  bie  fleinen  jjaulinifd^en  ©riefe,  cntbaltenb  ben  ©rief  an  bie  Jloloffer  (Grlongai 
1835)  l^crauS,  in  toeld^em  er,  Don  ber  biSl^erigen  3)Jet^obe  abtoeic^enb,  bie  ©inleitung  nur 
umfaffen  lie^,  toaS  ber  3luö(cgcr  anberStoobcr,  als  auS  ber  Auslegung  be^  ^uc^S  n?cii 

46  bagcgcn  in  einer  Sdblu^betrac^tung  baS  GrgcbniS  beS  JlommentarS  mit  ber  Ginleituna 
berglidb.  Gine  Überfe^ung  foßte,  im  SluSbrudf  unb  in  ber  Sajbilbung  bem  2:ejt  mb^ 
lidjii  fonform,  ein  ©efamtbilb  beS  2(uS|\ulcgenbcn  unb  ausgelegten  gugleicb  geben.  Irp| 
angeftrcbter  ftürjc  ift  bie  Auslegung  burcbgängig  auf  folibe  ^iftorifc^^e  unb  t)biIoIociifi< 
©runblage   gebaut   unb   ift  ber   2:ertcSfritif   befonbere  äufmerffamleit   geh>ibmet.    Ter 

60  §^mnuS  auf  ben  So^n  ©otteS,  mit  bem  bie  SBorrebe  fd^liefet,  ift  ein  3^ugniS  aud»  b«i 
})oetifc^eti  5öegabung  beS  9?erfaffetS,  beffen  ungebrucfte  ®cbi(^te  einen  93Iirf  in  ein  ticf^ 
betoegtcS  ©emiitslcben  getoäbrcn.  I)ie  e^i^^^f^^^^^Ö  ^^  SEBerfS  ^inberte  ber  SEob.  S^inni 
frühere  törjjerlic^c  Seiben  unb  burc^  bie  anftrengenben  arbeiten  o^nel^in  angegriffen,  erlaj 
ber  nod^    nic^t  28  ^abre    alte  Streiter    einem  3iert)enfieber  am   9.  g^nuar    183<>  mii 

65  jointerlaffung  einer  Süitire  unb  eines  SöbnleinS.  „@ut  gegangen"  toar  einc^  feiner  legten 
ayorte.  Ä.  8r.  etefger. 

Steine,  fjeilige  f.  b.  %  TOalfteine  93b  XII  S.  130ff. 

®tein!)ofer,  Warimilian  griebrid^  G^riftopb,  SBürtt.  Ideologe,  geft,  1761.- 
fiitteratur:    Selbftbiogr.  in    ber  'Xä^l  ^ia^rung   beö  ö)IoubenS    nQ(^    b.  ©p.  o.  b.  ^fbr., 


(Stttii^0fer  791 

fiubiDig^b.  1859;  i»ebcii§tfi,^je  \)o\\  91.  ^mpp  in  ben  9?eiicn  ^rebb.  über  b.  ©onntagSeüU., 
8tuttci.  1846;  Änapp,  ^Ittüürtt.  C£^av.,  1870;  ß^rlftenbotc  1832  uub  eöriftotcrpc  Don  1837; 
X^.  ©eifeler  im  S3unbcöboten  1865/66;  (Jröfler,  (AJcfd).  bcv  erneut.  SBrübcrürdftc,  ®nabau  1854; 
93rie(e  8tein^ofer^  in  'Menget*  Scben  üon  ^äd)tcr,  @tuttg.  1865;  Siirtt.  ^Üircbengefcft.,  ßaln) 
1893,  8.  496.  --  9?cuere  91u^gaben  bcr  3Serfc  @t.^  bei  ©rofee,  2)ie  alten  ^röfter,  1900,  6 
©.  461—468. 

©teinl^ofer,  alö  bcr  6ol(>n  eineö  ^farrcrö  am  16.  ^^"war  1706  ju  D\t>m  u.  X 
geboren,  burc^Iief  ben  in  aBürttcinbcrg  üblichen  ©tubiengang  unb  entfci()icb  fic^,  anfangt 
ftarl  Don  ber  ?Ji^ilofo^l^ie  angezogen,  nad}  ernften  Erfahrungen  unb  inneren  Äämpfen  für 
bie  Ideologie,  äluf  einer  Stubienreife  nac^  granfen  unb  <Ba(i)\m  lernte  er  in  §erm^ut  lo 
Sinjcnborf  Icnnen  unb  fd;ä^en,  ber  feine  Berufung  nac^  gberöborf  ate  §ofIa))lan  bed 
©rafen  bon  SReufe  ju  ertpirfen  hjujjte.  9]ac^  feiner  Orbination  übernahm  ©t.  aB  $of= 
^)rebiger  bie  Seitung  ber  nac^  ©})enerfc^em  2)iufter  ^ebilbeten  ©onbergcmeinbe,  bie  fid^ 
aui  ber  gräflid^cn  gamilie  unb  bem  ertoecften  §ofgefmbe  jufammenje^te  (1734)  unb  be= 
biente  jugleid^  bie  3)orfgemeinbe  unb  ba«  SBatJen^au^.  vSlii  ber  (Sber^borfer  ©emeinbe  10 
trat  er  1746  ^ur  Srübergemeinbe  über.  (Sr  löfte  jcboc^  bereite  nac^  jtpei  ^al)x^n  ba^ 
aJer^ältniö  gu  i^r,  l^auptfäc^Hc^  burc^  Ri^i^^^'^^f^  p^antaftifc^e  unb  ejcentrif^e  Se^rart 
^ierju  beranlafet.  ^n  ben  j^eimifd^en  5iirc^cnbienft  jurüdfgelc^rt,  belleibete  ©t.  mehrere 
^fanfteÜen,  jule^t  in  SBein^bcrg,  too  er  am  11.  ^ebruar  1761  ftarb. 

©t.  fcffelt  junäc^ft  aU  c^riftlici()e,  gcfeftigtc  unb  gel^eiligte  ^crfönüc^feit,  ber  nac^  20 
bcm  ®inbrucf  auf  bie  3^i^9^»iöft^«  ^th)a^  Ungctpö^iilic^ei^  eigen  h)ar.  „Qttoa^  Unau^* 
fpreci^üci()c^  in  feinem  SBejen"  nennt  e^Detinger,  unb  ber  jüngere  Sfper  (©c^ubert,  3llteg 
unb  9icue«,  2.  %l)  fc^reibt:  „3Kir  ift  nod^  fein  3Renfc^  befannt  gctDorben,  ber  fo  eth)a« 
ßigene«  ^atte  tpie  ©teinl^ofer,  bag  man  n\i)t  nennen  fann.  6«  toar  unmöglici(),  in  feiner 
®egenh?art  leic^tfmnig,  aber  auc^  nic^t  möglid^,  ungern  bei  ijS^m  iu  fein".  26 

3)ie  reiche  fc^riftfteHerifc^e  SE^ätigfeit  ©t.^,  in  bcr  fid^  feine  ^Jcrfönlid^Icit  fpicgclt,  ift 
au^  feiner  3lrbeit  an  bcr  ©emeinbc,  jum  Icil  toä^renb  feiner  i^ätigfeit  in  ©ber^borf, 
bert)orgegangen  unb  befc^ränlt  fid^  faft  burc^gel^enb«  auf  8ibli|^e^.  ©t.  gehört  in  bie 
Slei^c  ber  grofeen  tpürttembergifd^en  ©c^rifttl;eoIogen  unb  ftel^t  alö  folc^er  feinem  3Keifter 
93engcl  am  näd^ftcn.  2)abci  ift  feine  crbaulid^e  ©d^riftau^Iegung  bon  ber  SBärme  ber  ao 
.^er^engt^eologie  bcr  Örübergemeinbc  burc^^aud^t.  (gr  ftrebt  93crci(|erung  unb  Vertiefung 
bcr  c^riftlid^cn  §ci(^crfcnntniö  an,  aU  bcrcn  ^\d  i^m  bie  Srfcnntni^  G^rifti  unb  feinet 
aScrfc^  unücnüdtt  toor  3lugen  ftc^t.  5)ic  ©d^rift  foH  au^  il^ren  eigenen  ©runbgcbanicn 
^crauö  Derftanben  unb  ber  ©inn  beig  einzelnen  ©c^riftloortc^  bon  bcm  ©anjen  ber 
©d^rifttpa^r^eit  au^  lebcnbig  unb  richtig  erfaßt  tücrben.  ©0  bleibt  ©t.  nüchtern,  ein?  86 
fältig  unb  tüal)x.  2Bo  er  jur  Jjraftifd^cn  SlntDcnbung  übergebt,  fpürt  man  eö  feiner 
Stebe  an,  baft  fie  au^  rcid^cr  geiftlic^cr  ©rfa^rung  fliegt,  ©ie  Dcrfd^mäl^t  falfc^c^  ^atl^oö 
unb  eitlen  SHcbcfc^mud.  5)icfe  3lrt  tragen  aud^  feine  ^rcbigtcn  an  fic^,  in  feiner, 
cbicr  ©))rad^c  Harc,  nüchterne,  milbe  unb  tiefe  3^"0iiff<^  ^^  eigenen  reichen  d()riftlic^cn 
Scben^.  40 

5)ic  arbeiten  ©t.^,  bon  bcnen  ein  Steil  feinen  9lamcn  bi^  auf  bie  ©egentpart  erhalten 
^at,  finb:  läglid^c  9?a^rung  beg  ©laubcn^  nac^  bcr  @p.  an  bie  Hebräer,  ©c^lcin  1743 
unb  1746,  SCüb.  1844  unb  Subtüig^b.  1859,  mit  einer  SSorr.  b.  Stiel^m  unb  bcr  ©clbft= 
biogra|)l^ic  ©t.^  (Saf.  unb  Scipjig  bei  SHicI^m);  3:ägl.  SRal^rung  be^  ©lauben^  nac^  bcr 
ep.  an  bie  Äoloffer,  granff.  1751,  ©tuttg.  1853;  SEägl.  9Jal^rung  bc^  ©laubcn«  nac^  46 
ben  toic^tigftcn  ©c^riftftcllcn  au^  bem  geben  3^fu  in  83  Sieben,  ^ranlf.  1764;  SDangcI. 
©laubcn^grunb  in  ^rebigten  für  alle  ©onn=,  ffeft-  unb  Feiertage  1753,  neue  2lu^abc 
Don  21.  knap)i>,  ©tuttg.  1846;  eöangcl.  ©laubcn^grunb  in  bcr  ^cilf.  Srfcnntni^  bcr 
Seiben  3icfu  g^rifti,  %üb.  1759,  3.  3tufl.  ©tuttg.  cD.  »üc^erftif tung ;  erllärung  bc« 
1.  Srief^  3o^anni^,  SEüb.  1862,  §amb.  1848,  1856,  ba«  Scftc,  toa^  ©t.  gefd^ricben  50 
\)at;  ßf^riftl.  Sieben  über  ben  ©nabenftanb  ber  ©laubigen  nac^  ben  3^u9"iff^n  be^  Srief^ 
^auli  an  bie  9lömcr,  mit  3Sorrebc  Don  Dr.  S3ec!,  3^üb.  1851;  Gl^riftologie  ober  bicge^re 
Don^eju^e^riftu^,  bem  Sobnc©ottc^,  5lürnb.  1797,  lüb.  1864;  2)ie  §au«^altung  be« 
breieinigen  ©otte^  (^rcbigtfammlung),  neue  3lu^g.  ©armen  unb  ©djtoelm  1837,  nun 
©tuttg.,  6d.  ©efcBfc^. ;  ®ic  breifeigjährige  ©tiüe  unferiS  §errn  unb  §cilanbc^  ^^f"  G^rifti  ^ 
auf  (Srben  nebft  jtDci  Heineren  Stb^anblungen  2c.,  ©tuttg.  1895. 

Um  bie  .sjDmnologic  l^at  ftd^  ©t.  bur^  §erauögabc  cine^  ©ejangbuc^g  für  bie  ©c^ 
meinbe  (Sbcreborf  Dcrbicnt  gemacht;  ^ier  ^nbct  fid^  aud^  ba^  einzige  Don  i^m  Derfa^tc 
gciftlic^^c  Sieb:  „5!5nig,  fte^  auf  bcinen  ©amen  k.  (Sir.  536). 

X^eobor  Q^eigler  f  (^ermanu  I6eff).     60 


792  Stetnignttg 

Stetnignttg  iti  htn  ^eirftern*  —  Sitterotur:  $3ad)dinut^,  ^Uenifc^e  Altertum«. 

lunbe  II,  1  (1821)),    SBeila^e  3;    Ä.  Sr.  ^ermann,  ®ric(^.  ^riöQtdtcrtümcr,  3.  «ufUigt  im 

93.  ©tarf  (§  73,  5);     «PauV'S^euffel,   SReaIcnci)!lopäbie   ber    flaff.  SlItertum^iDiffcnfc^aft  s,  v. 

lapidatio;  ^ufti,  ®e{d).  be8  alten  ^erfienS  (in  5S.£)ncfen8  ^Ittg.  (äJcfcft.  in  einiclborftcnungeni. 
6  1879,    6.  62;    ^aberlanb,   5I;ic  @itle  bc§  ©teinWcrfenS  unb   ber  SBilbung    üon  Stcin^auftn 

(3eitfd)r.  für  SBöIfcrp{t)cöoIogie,  53b  XII,  1880,  ©.289—309);   ®.  (gberS,    3)ur*  ®ofen  sam 

©inoi,  2.  ?(ufl.  1881,  ©.  132;  g.  ©.  [Ring,  De  lapidatione  Hebraeorum,  Francofurti  1716; 

(5t)r.  SB.  ^ic^aeliÖ,  I)e  iudiciis  poenisque  capitÄÜbus   in  Scriptura  Sacra    commemoratis  ae 

Hebraeorum  imprirais  1749;  Q.  2).  "tDMdjocnö,  ^ofoifdjc«  SRcc^t,  §  234 f.;  ©aalfc^ü^,  iJb^ 
10  fai{cf)e§  ^Hecfit  (1853),   ©.  459,   462;    Subro.  3)icftel,  3)ic  rcligiöfen  S)cliltc  im   i^raclitüdiei 

©trofred)!    (SprXft  93b  V,  1879,    ©.  246—313);     3mniQn.  öcnüinflcr,    ©runbrift   ber  Ijeh. 

Srrcfiäologie  (1890),  ©.  145,  332 f.;  Wanbl  2Jcr  93ann  (1898),  ©.22 f.;  5r.  aRaurcr,  «öltei: 

funbe,  93ibel  unb  (Jljriftentum,  93b  1  (1905),  ©.  158. 

1.  5)er  Urfprunö  ber  ©tcinigung  ergicbt  ft(^  au§  folacnbm  3Komcnten.    3"  ^ 

16  berfc^tcbenflen  ©tabicn  ber  Äulturcnthjirfelung  ift  eö  gcf^e^en,  bafe  ein  Stngrcifer  tivt 
näd^^ftliegenben  ©trafeenfteinc  afö  SBaffen  gebrauchte.  Solche  %äüt  finb  tcite  ou^  ba 
$eroen^eit  ber  ©riechen  (3;Iia«3,  57;  äfc^.,  äaarn.  1608;  Sc^ol.  ju  (gurip.  Dicft.  862  x) 
unb  tcitö  i^rer  \pätmn  ©efd^ic^te  crmäf^nt  (I^uc.  5,  60:  3lriftoj)l^.  3Ld)am.  285;  ©4oL 
m  2lrifto})j^.  Gquite«  447 ;  ^aufan.  VIII,  5,  8  2C.).    3luc^  bei  ben  Slömcm  fam  e^  b« 

20  Solföaufftänben  oft  juSteinhJürfen:  ^lantuö,  Poennlus  III,  1,25;  Cic.  pro  domo  5; 
Quinct.  Declam.  XII,  12:  populus  quoque  impunitum  nefas  sine  lapidibus 
praeteribit?  2luc^  md)  bem  (Srabe  ber^ajjter  3Jlenf(^en  h)arf  ba«  SSott  mit  ©teinoi 
(Proc.  IV,  5;  ögl.  ©eneca,  Controv.  3).  feg  ift  alfo  nic^t  überrafc^cnb^  bafe  folcfe« 
®ebrauc^  ber  Steine  and)   bei  ber  3:ötung   be^  2lntioc^ug  ®J)iJ)l^anc^   in    ber  ^otmi^ 

26  5ßerftg  (2  3Raf  1, 16,  auc^  bon  Äau^fc^,  3H)oIr.  unb  ^feube})!0raj)ben  be^  SIX  ^  Sl 
gegen  bie  SSermutung,  inter>)oliert  ^u  fein,  gefc^^ü^t)  unb  bei  Slu^brüc^en  ber  SSolI^entrüfhnia 
unter  ben  2ig^})tem  (6?  8,  22)  unb  innerhalb  ^öraete  ertpä^nt  toirb:  ©j  17,  4;  Ige 
30,  6;  3Kt21,  35;  £c20,  6-  3io  10,  31;  11,  8;  ä®  5,  26 ;  14,  5.  19 ;  2Äo  11,25; 
Äbr  11,37.    S^^ereffanter  ift  bie  ^^rage,  h)0  bie  Steinigung  atö  eine  bon  ber  Obrig= 

30  feit  befolg  lene  ©  traf  art  angetoenbet  tourbe.  5)ieg  ift  mci()t  in  einem  fo  ganj  be^ 
fc^ränften  3SöIfergebiete  gefd^e^en,  tüie  man  immer  annahm.  Denn  aHerbingö  in  ben 
§ammurabigefe^en  lammt  biefe  Slrt  ber  3:obegftrafc  nic^t  bor  (bgl.  SR.  %.  ^arpcr,  The 
Code  of  Hammurabi  1904,  p.  127.  136),  aber  auc^  bie  2lraber  toerfen  (Steine  na6 
ben  (Sräbern  öon  SSerbrec^ern  unb  nac^  ben  Orten,   h)0  Sc^anbt^aten   begangen  toorben 

36  fmb  (ögl.  ßberg  a.  a.  D.  unb  aud^  §aberlanb  crtüä^nt  a.  a.  0.,  S.  296,  bafe  ba^  arabiic^ 
Stitertum  ba^  3luftürmen  bon  Steinhaufen  übte,  um  bie  „Sc^mad^  bon  SJerbred^ern  Icbenbig 
^u  erhalten"),  ferner  tüurbe  bie  Strafart  ber  Steinigung  ni^t  nur  bei  ben  ^cricrn 
(Ätef.,  Fragm.45.  50;  bgl.auc^  ^uftia.  a.  D.,  S.62),  bei  ben  üKaccboniem  (ßurtiu^  VI, 
11.  38)  unb  bei  ben  S|)aniern  (Strabo,  p.  150:  bie  SSatermörbcr)  angetüenbet.  3?ielmebr 

40  auc^  bei  ben  ©ried^en  irurbe  nad^  bem  Sc^ol.  ju  Quxxp.  Dreft.  432  ^JJalamebe^  auf9e= 
fel^I  ber  2ltriben  burc^  Steinigung  getötet,  unb  noc^  anbere  %älLt  ^nb  bei  ^ermann 
a.  a.  C  berjeic^net  (bgl.  aud^  noc^  Otto  Grufiu^,  Seiträge  1886,  S.  20  über  baö  Stein-- 
tpcrfcn).  (So  braud^it  alfo  nid^t  bcfonber^  bcgrünbet  ju  ioerben,  tpeöl^alb  bie  ©teintgun^ 
auc^  gcrabc  bei  ^^xad  eine  gefe^Iidbe  3:i)tunggart  toar.    Slm  toenigften    aber  toor 

46  ein  befonberer  ®rab  bon  Slo^eit  bie  Urfad^e  biefer  ©rfd^einung.  3)enn  S^^ö^I  jeigt  fcfcon 
in  feiner  ältcftcn  ©efe^gebung  fogar  für  Sd^onung  ber  liere  (6j  20,  10)  unb  für  milk 
Sc(;anb(ung  ber  bienenbcn  unb  armen  5perfonen  (6^21,2.  20.  26;  22,20 — 22u.f.tr.) 
einen  Icbl^aftcren  Sinn,  alö  bie  33abi;(onicr  nad^  ben  §ammurabigefc^en  2c.  (nac^etoiefcn 
in  meinem  Sc^riftdEjen  ,,3)ic  babt^Ionifd^e  ©cfangenfc^aft  ber  Sibel  afö  beenbet  ertuiefcn'' 

60  1905,  S.  49—51).  3Sielmc^r  fann  bie  fragliche  ©rfd^einung  nur  folgenbe  beiben  Ur- 
fadien  befeffcn  l^abcn.  '^\)x^  erfte  Duelle  tüar  bag  l^erüorragenb  lebenbige  fittlic^e  SetouBt^ 
fein,  bag  ^^^«^^^^  ©efc^icbt<Sv7ucUen  unftrcitig  burc^ftrömt  (Dgl.  a.  a.  S.,  ©.  52—54  k.) 
unb  ber  energifd^e  Strafernft,  ber  gegen  bcftimmtc  2lrten  ber  Ungef^ic^Ieit  em})funben 
iDurbc.    3lud)  Scnjiger  bemcrft  (S.  332) :  „gür  folc^e  ®reuel  ift  ber  ©ottbeit  nicbt  büJB 

65  ber  (Sin.^elne,  fonbern  baö  gan^^c  SJolf  tocrantiüortlic^  (togl.  2  Sa  21  unb  24)".  Sobaroi 
aber  flofe  jene  legielatibc  @rfd)einung  auö  bem  Streben  ber\)or,  einem  möglidbft  grofecn 
üüolt^tcilc  al^  bem  (S^cfutor  bc^  rid)terlid)en  Urteil«^  bie  SSertüerflic^Ieit  getiiffcr  i^cr- 
gebungen  ^um  lebbafteften  Seiuu^tfein  ^u  bringen.  SDiefer  ®eftc^tö}3unft  fc^eint  mir  min^ 
bcftene  mit  bem  toerbunben  i^erben    ju   muffen,   \va^  ^en^inger  a.  a.  D.  fagt:    „33ei  ber 

60  Steinigung  beteiligt  fidi  bie  gan^e  ©emeinbe,  um  fo  ibre  Sd^ulb  loöjuhjerben".  3^ie^ 
fül;rt  barauf 


Stetttigttttg  793 

2.  bcn  5!reiiJ  bcr  ©cfc^c^übertretungcn  gu  bctrad;tcn,  ju  beren  Scftrafung  bic 
©tcinigung  angclDcnbct  tourbe.  a)  3?ac^  bcm  212^  fclbft  foHtc  ©tcimgung  bctl;ängt 
hjcrben,  tocnn  a)  bcricnißc  Scbengnerb  bcr  iöraeUtifAcn  SJoIteejiflcnj  berieft  hjurbc,  bcr 
beim  3i^^öcliten  am  cm})finblic^ftcn  toax,  b.  ^.  fein  bcjonbcrc^  religiöjc^  Schju^tfcin,  h)cnn 
alfo  ba^  toa^re  ^ro})l^ctentum  ^al}\)c^  burc^  fdfd^c  ^rofl;ctic  (2)t  13,6—11)  ober  burd^  6 
SBa^rfagcrei  unb  ^avbtt^x  (£c  20,  27)  nachgeäfft  tourbe,  h?cnn  3>ai^öc^  (Singigartigfcit 
burc|  ©öfecnbienft  berlannt  (Dtl7,  2f.;  £e  20,  2),  tpenn  ^a^be«  Offcnbarung^ftätte 
bur4  unbefugte  5ßerfoncn  betreten  (®j  19,  12  f.),  3^^^^^  9?amc  gcläftert  (2c  20,  16; 
9iu  15,35;  1  ftg  21, 10),  fein  2ag  gcfc^änbct  (9Ju  15,32—35;  bgl.  aber  gu  biefem 
cjilifc^en  3beal  bic  I^eorie  unb  ^rajiö  t)or  unb  nac^  bem  Sgil:  6j  23,  12;  34,  21;  lo 
am  8,  5;  3er  17,  21  ff.;  §ef  20,  13ff.;  ?le^  13,  15—22)  unb  fein  ßigentum  (baö  ®e= 
bannte)  Veruntreut  hjurbe  (gof  7,  25),  toä^renb  im  J^ammurabigcfe^  §  6  2!em))eIbiebfta^I 
einfac^  mit  3iobeöftrafe  bebro^t  ift.  ß)  Slud^  bie  fci()ltmmften  3?erle^ungen  ber  moralifc^en 
^Pringipien  S^^^eB  Serben  mit  Steinigung  bebro^t:  e£tremc  linblid^e  3i"^t>i<Jtät  (3)t  21, 
18—21);  3Serf(uc^ung  bcr  SItem  (Sc  20,  9  gemäfe  bcr  Umgebung  bicfci^  iejteö);  quali=  i6 
fixierte  Untreue  bcr  Verlobten  (Dt  22,  20— 24);  g^ebruc^  gemäfe  bem  Äontejt  Don  £c 
20,  10  unb  bcn  Erläuterungen  in  §ef  16,  40;  23,  47;  ^nceft  mit  [^Kutter  ober]  ©tief* 
mutter,  Sd^^tpiegertoc^ter,  S^toiegermuttcr  (2c  20,  11.  12.  14);    ^äbcraftic  (2c  20,  13); 

iBic^unxuc^t  (2e  20, 15f.).    3!)er  eine  %aü,  ba^  beim  ß^ebru^  bic  Steinigung  nxi)t  au^* 
brüdlic^  angebro^t,  aber  nac^  §cf  16,  40  unb  23,  47  ber^ängt  tourbc,  h)cift  barauf  ^in,  20 
bafe  auc^  anbere  SJcrgcl^cn,  bic   nac^  bcm  313;  mit  3:ötung  gu  beftrafcn  fmb,  nai)  bcr 
?IRcinung  be^  313^  fclbft  burd^  Steinigung  gcfü^nt  tocrbcn  foDten.  3)ic  gcfcfeli^ic  §inric^s 
tung  mit  bcm  ©c^tpcrtc  (alfo  abgefc^cn  Don  Selbftmorb,  3)lorb  unb  Äam})f  1  ©a31,  8; 
SRi  9,  5;  1  Äg  18,  40)  gcfc^al^  nad^  bem  313:  blofe  in  foId()cn  ptten,   h)o  bie  richterliche 
©ctoalt  burc^  bic  Äönigc  ausgeübt  unb  bie  ß^efution  burc^  3)lilitärperfoncn  DoHgogcn  26 
tDurbc:  2  Sa  1,  15;  1  Äg  2,  25.  29.  31.  46;  2  Äg  10,  25;  11,  15;  ^cr  26,  23.  b)  ^m 
31%  tüirb  Steinigung   ate  Strafe  bcr  (Sottc^läftcrer  (3t®  6,  13;  7,58)   unb   bcr  e^c^ 
brec^crin   (^o  8,  5)   ertüä^nt.    c)  3)ic  3Jlifc^na   (San^ebrin  7,  4)   toxü   mit  Steinigung 
cbcnbicfclbcn  3Serbrcd^en  beftraft  toiffen,  bic   oben  ate  fold^e  aufgcjä^lt  h)orbcn  finb,  bie 
nac^   augbrüdflic^cr  SlntDcifung   ober  bcr  gefiederten  Intention  bc^  313)  mit  Steinigung  30 
bebrol^t  tücrbcn;  aber  auf  (S^ebruc^  fte^t  nad^  San^.  11,  1  ©rbroffclung,  unb  übct^au^jt 
Verteilt  bcr  Salmub  bic  ^ällc  bcr  Xobcöftafc   in  gäHc   ber  Steinigung,  SScrbrennung, 
Rötung  [mit  bcm  Sd^tücrtc]  unb  (Srbroffclung  (San^.  7,  1). 

3.  Ucber  bcn  SSollgug  bcr  Steinigung  fagt  bic  Sibcl  folgcnbcö:  3)icfc  Einrichtung 
tourbc  aufecr^alb  bcg  aBo^npla^c«  ber  (Semcinbe  (2c  24,  14;  1  %  21, 13;  31®  7,  58)  ss 
fo  boUjogcn,  bafe  bie  ^^n^m,  bamit  baö  jur  Verurteilung  fü^renbc  3^"0"^^  ^^^  größter 
©etoiffcn^aftigfcit  abgegeben  unb  burd^  bic  3^at  beftätigt  toürbc,  bie  erftcn  Steine  fd^lcu- 
bertcn  (3)t  13,  10;  17,  7;  So  8,  7;  31®  7,  58f.).  ®er  3:almub  fobann  beftimmt  in  ber 
3fiifc^na  (San^.  6)  bie^:  Sobalb  ba^  3:obe^urtcil  gefproc^en  ift,  fü^rt  man  bcn  SSer^ 
brc^cr  ^inau^,  um  i^n  ju  ftcinigcn.  3)cr  Stcinigung^^ila^  toax  fem  Dom  Si^e  bcö  ®cs  40 
ric^ti^^ofc^.  (Siner  bleibt  im  (Eingänge  be^  ®erid^t2i^aufe^  ftc^cn,  mit  großen  iüc^cm  in 
bcr  $anb;  einer  l;ält  fem  Don  i|m  ju  ^ferbe,  aber  fo,  ba§  er  jenen  noc^  fc^cn  fann. 
Sagt  jemanb  beim  ®erid^tc  noc^  ^intcrl^cr  au^:  ,,^6)  ^abc  no^  ettoa«  jur  SSerteibigung  bc^ 
3)clinquentcn  Dor|\ubringcn,"  fo  fd^loenlt  jener  erftcre  mit  bcn  3;üd;cm,  unb  ber  Siciter  f|)rengt 
fort  unb  läfet  —  bcn  3ug  bcr  ÖEcIution  —  innehalten.  Sogar  toenn  ber  SBcrbrcc^cr  fclbft  46 
fögt:  ,,3;^  |öbc  nod()  cttpaö  ^u  meiner  Serteibigung  Dorjubringcn,"  fül^rt  man  i^n  fogar 
Dier  b\^  fünf  9)lale  jurüdf,  nur  mufe  an  feinen  Söortcn  ctma^  ffiefen^afte^  fein,  b.  1^.  i^ncn 
cttoa^  Il^atf äd^lic^cö  }u®runbe  liegen,  ginbet  man  einen  ®runb  gu  einem  frcifprcc^cnben 
Urteil,  fo  tpirb  bcr  3lngcflagte  entlaffcn;  tücnn  nic^t,  fo  toirb  er  gum  Steinigen  ^inau«* 
geführt.  @in  3luörufer  gcl^t  Dor  i^m  ^cr  unb  ruft :  „3)cr  unb  bcr,  So^n  bcig  unb  bcj^,  h)irb  w 
mr  Steinigung  ^inauögcfü^rt,  h)cil  er  ba^  unb  ba^  3Jerbrcc^cn  begangen  l^at.  3)ie  unb  bic 
finb3^ugen.  ffiicr  ethjaö  ju  feiner  ä>crteibigung h)ei^,  bcr  lommc  unb  bringe  e^  Dor!"... 
SBcnn  er  Don  bem  $la^e,  auf  bcm  bic  Steinigung  DoUjogcn  ioerben  foU,  noc^  Dicrßllcn 
entfernt  ift,  jic^t  man  i^m  bie  iSlciber  au^;  bcn  93iann  bcbecft  man  aber  Dom,  baö 
2Öeib  bcbecft  man  Dom  unb  hinten  .  .  .  3)er  Stcinigung^pla^  l}ai  jtDcimal  3JJanng^ö^c.  66 
ßiner  bcr  3<^"9^"  f*^^^  ^^"  i^erbrccl^cr  Don  leinten  ^inab".  [ßö  tourbe  alfo  bie  3lu^s 
brndE^toeife  „ober  ioerbe  burd^  2öurfgefc^offc  getötet"  ((Sj  19,  12)  aH  „SBcrfcn"  gefafet 
unb  jum  Steinigung^afte  ^injugenommenj.  „gällt  er  auf  ba^  §erj,  fo  toenbct  il^n  bcr 
^euge  um;  ift  er  tot,  fo  ift  bcr  ^flid^t  genügt;  too  nid^t,  fo  nimmt  ber  ^tocite  3^"0^ 
einen  Stein  unb  iDirft  il^n  auf  ba^  ^erj.    3ft  er  nun  tot,   fo  ift  bic  Sad^c  au^,  tocnn  eo 


794  Stettttgmig  Steimne^cr 

nid^t,  fo  Qcfc^tcht  feine  Sleintöung  butc^  hai  3SoIf.  äHc  ©efteiniötcn  tocrben  ^intctba 
aufgehängt,  ©o  $Rabbi  Gliefer.  2)ie  ©ele^rten  fagen :  ^^äufeer  bem  ©ottc^Iäftcrer  unb  @ö^ 
biener  toirb  niemanb  aufgedrängt".  3)ic  Ü)länner  ^ängt  man  mit  bem  ©eficbtc  nadb  im 
Solle   in,  bic  SBeiber  mit  bem  ©efu^te  nad^  bem  Sallen  ju.    ©o  SRabbi  ßliefer.    Jie 

^  (Sele^tten  fagen:  „dlnx  ber  3Kann  toirb  aufgehängt,  bad  SBJeib  nic^t"  .  .  .  „^ft  bo^ 
gleifdb  bertoeft,  fo  begräbt  man  bie  ©ebeine  an  il^rem  Drte."  3)ic  ieruf.  ®emara  ^m 
Straftat  ©an^ebrin  ^anbelt  barüber  auf  golio  23 f.;  bie  bab^I.  @emara  ju  ganbehin 
auf  golio  42—49.  .^ier  h)irb  (golio  43*)  l^injugefügt,  bafe  mit  Squg  auf  ^r  31, 6 
\)oxml}mc  grauen  C^^^R"!  ^^'^d  bem  Verurteilten  bor  ber  Steinigung  ^u  feinet  Sctäubun^ 

i<>  SBein  ju  reid^cn  J)flegten,  in  ben  eth)a^  SEBei^raud^  gemifc^t  toorben  tvax.     C^b.  ^ötii. ' 

Stetnfo)if^  S.  Srr.  9.^  geb.  1773  ju  Sntoigdbnrg^  geft*  ju  Sonbon    1859^  f.  bie 

ä3l.  G^riftentum^gefellfc^.  »b  III    S.  822    unb  Sibelgefcllfc^aften  »b  II 

e.  692,  Soff. 

Steinme^cr,  granj,  ebang. 3;^eoIoge,  geft.  1900.  — OucIIcn:  9(ftcn  bc«  fgl. fiultii^-- 
iß  minifteriumS  unb  bc«J  Äonfiftorium^  ber  $rot)inj  23ranbcnburg  in  ©erlin  {bic  ^criondühra 
über  feine  Ä'anbibatcn=  unb  ^aftorenja^re  finb  leiber  nidjt  me^r  üor^anbcn) ;  Elften  ber  ro- 
t^col.  Sofullät  in  Sreöfau;  Mitteilungen  auö  ben  ^ftcn  bc§  ©^mnafiumd  in  granffurt  a.  C 
burd)  $rof.  Dr.  O.  ©ac^mann  bafelbft.  —  Sittcratur:  (Sridi  ^aupt,  3"^  (Erinnerung  an 
g.  2.  @t.  in  ,,^oItc,  m^  bu  ^aft"  XXIII;  2.  ecftuljc  in  Cfo.  Äg.  1901  ©p.  97 if.  unb 
ao  S3ioqrapftifdie§  ga^irbud)  V  (1903),  345 ff.;  O.  @d)ufje  in  OueHmaffer  fürß  bcutfdjc  f^uj 
190Ö,  394 ff.  —  3ur  Beurteilung:  2.  ©ticbri^,  3ur  ®ef4ic^te  ber  ^rebigt,  Q^otbo  1S75, 
@.  79 ff.  525ff.;  M.  [Rei)Iänbcr  in  3)ie  ©tubierftube  I,  68ff.;  üor  allem  3.  55auer,  Sie  35«- 
bcutung  für  bic  ^rebigt  ber  ÖJegenmort,   MonotÄfd)r.  f.  b.  fircöl.  $ra;ri§  1903,  405  ff.  444 jr. 

%xan}i  Äarl  Subtoig  ©teinme^^er  —  er  fetbft  nannte  fw^  afe  ©c^ttftfteQer  ftet^  mir 

25  g.  £.  St. ;  ber  bon  ©t.  felbft  bebor^ugte  Slufname  toar  „^Jwnj"  (fo  auc^  auf  (Srunb  b« 
©c^ulaften  ^ranlf.  ©^mn.^^rogr.  1904  ©.  12),  toäl^renb  feine  ©efc^tüifter  i^n  „Souis"  ^ 
nennen  liebten  —  tourbe  am  15.  9Jobember  1811  in  See^foh?  in  ber  3]ltttelmar{  al^  gobn 
be^  bortigen  ©ubreltord  ©t.  geboren;  ber  3Sater  tourbe  ^emac^  Slcltor  in  Sebu^.  Ta 
©o^n  befuc^te  toon  1823  an  bag  ©^"^nöftum  in  gran!furt  a.fD.,   tüo  er  bem  ^ireftpt, 

30  bem  befannlen  I^uc^bibe^forfd^er  ^oppo,  tüchtige  Äenntni^  be^  ©riec^ifc^en  unb  bem 
SReligion^Ie^rer,  fpäteren  ©uperintenbenten  ©c^önaid^  eine  fräftige  Slnregung  in  religirfcr 
Se^ie^ung  ju  berbanfen  l^atte.  2)a^  3lbgang^jeugni^  rübmte  feinen  au^erorbentliikn 
glei^,  ber  nie  ber  3lnfpornung,  nur  ber  9)Jäfeigung  beburft  ^abe,  ferner  befonber^  feine 
borjügIid()en  ^ortfc^ritte  im  ©riec^ifc^en ;  in  bie  Sieben  be«  S^ud^bibeö  fei  er  grünblid« 

36  eingebrungen,  al^  man  e^  bon  einem  ©d^üler  erirarten  fönne,  er  fc^rcibe  griec^ifcfe  fjjt 
foneft  unb  l^abe  auc^  nic^t  ol^ne  (Srfolg  firf^  im  Sprechen  be^  ©ried^if^en  öer|u*t 
Übrigen^  l}aiic  er  aud^  al^  ^rimaner  ftd^  an  einer  fc^riftlic^en  Sefd^tperbe  ber  gan^;cn 
Jllaffe  über  einen  Se^rer  beteiligt,  ein  ©c^ritt,  ber  ba^  fgl.  ©d()uIfottegium  in  grofee  S(W: 
regung   Perfekte,  ba  e^  „frembe"  (bemagogif4>e'(f)   ßinflüffe   babei   befürchtete;    ©t.  fam 

40  aber  bei  ber  Ünterfud^ung  ol^ne  ©träfe  baPon,  al^  einer,  ber  nur  burc^  einen  falfcten 
Segriff  Pon  Älaffene^re  Perleitct  tüorben  fei.  3Jlid^aeliö  1830  bejog  er  bie  ?3erlincr 
UniPerfität ,  unter  beren  Soj^enten  9Jeanber  il^m  perfönlid()  naf^t  trat  unb  ©d^lcivT 
mac^er  burc^  feine  ^rebigthjeije  ihn  unperfennbar  beeinflußte.  '3lad)  einer  3^^  ^^ 
eitem^aufc  unb  einer  2^ätigfeit  aü  §au^le^rer  trat  er  3Jlid^aeH^  1835  inö  Söittenber^cr 

45  ^rebigerfeminar  ein,  too  mbm  „3?ater"  $eubner,  ber  einen  ftarfen  ©influfe  auf  i^n  aue-- 
übte,  SBic^arb  ^)iot^e,  ber  bi^  1837  bort  tDirlte,  für  Sebcn^jeit  fein  $er^  fid^  getoaniL 
©t.  tourbe  am  12.  gcbruar  1837  in  ber  Sc^Ioßlird^e  Pon  §eubner  gum  ^ilfsprebigct 
be^  ^rebigerfeminar^  orbiniert  unb  blieb  bort  bi^  1840.  Seim  Slbgang  9lot^eö  bielt  er 
biefem  am  13.  ©eptember  1837  bic  3lbfd)ieb^rebe.    6^  hjaren  bie  glüalic^ften  ^al}xc  feines 

5o£ebcn^.  @em  bat  er  fpätcr  ben  ©cgcn  bezeugt,  ben  i^m  Wittenberg  gcbrac^^t:  „SagetTc 
id^  bein,  2Bittenberg,  fo  tüerbc  meiner  ^)ied)ten  Pergeffen!"  $ier  Pertiefte  er  fi^  in  Sen^ds 
Gnomon  Novi  Testamenti  (Pgl.  Sb  II,  598),  ben  er  ^eitlebenö  ate  ein  eregetifJ^ 
9Rcifterh)crf  gerübmt  l)at,  and)  ®.  6br.  Ätnapp^  Scripta  varii  argumenti  (pgl.  ©b  X, 
59<0  geborten   ^ii   feiner  Sicbling^Icftüre.    ^fid^.  1840    folgte    er    einer   Berufung   aU 

65  ^rcbiger  unb  Cberlcl^rer  an^  ^abettcnl^au^  in  Äulm,  fcblofe  je^t  auc^  ein  6^cbünbnte 
mit  ber  aSittcnbergcrin  2lgne^  "üi^ad}^.  Seine  ©teHung  in  Äulm  \oax  fdE^loierig,  ba,  tric 
ein  intcreffanter  üBcricbt  be^  ^))iilitäroberprebiger^  Gonfentiu^  in  Äönigöberg  Pont 
25.  5Jiär,^  1843  über  ibn  berichtet,  man  in  ben'  militärifcben  Greifen  biefer  Slnftalt  ihm 
^ur  Saft   legte,   baß   er   in   ben  Mabetten  „crft  ben  3Renfd^en  unb  bann  ben  ©olboten" 


Stctnme^er  795 

auöjubilbcn  für  nötig  ^ielt  unb  bcn  ©tanb})unlt  bertrat,  bafe  aud)  ber  3KiIitärftanb  „h)te 
bei  anbcrn  G^riften  t)on  ber  SReligion  burc^brungen  unb  gel^eiligt  toerben  folle."  5Dlan 
fanb  bal^er  in  feinen  ^rebigten  unb  anbackten  3lnjügfi(^feiten(!)  unb  fuc^te  „burd^  bors 
neunte  ©leic^giltigleit"  feine  2Birf|amfeit  ^u  neutralifteren.  SDal^er  bemül(>te  fid^  Gon^ 
fcntiu«  für  St.,  bem  er  tpegen  feiner  aimtötreue,  ber  3;iefe  unb  Segeifterung  in  feinen  6 
^rebigten  unb  feiner  aufoj)fernben  2lmt^fü^rung  ein  üorjüglic^e«  3^9"^^  au^fteüte,  um 
eine  geeignetere  unb  befriebigenbere  Stellung.  6r  beging  nur  ben  geiler,  freiließ  bur^ 
©t.ö  eignen  SBunfc^  baju  herleitet,  i^n  al«  befonber«  geeignet  für  eine  Sanbgemeinbe,  bie 
au«  lauter  fc^Iid^ten  Seuten  beftel^e,  ju  empfehlen.  2)afe  er  erfolgreid^  einer  aufleimenben 
altlut^erifd^en  Separation  unter  bem  3)ienft^erfonaI  be«  Jtabetten^aufe«  entgegengetoirft  lo 
unb  auc^  ba«  ^farrarc^ib  mufterl^aft  neu  georbnet  ^atte,  ^alf  i^n  ber  ^ot^bamer  Siegte^ 
rung  ju  em})fe^Ien,  fo  ba^  er  am  18.  2luguft  1843  eine  Berufung  na^  ber  böl^mif^en 
SQäebenolonie  9?oh)an)ed  bei  ^otgbam  erhielt.  3Son  Jlulm  au«  l^atte  er  bereit«  eine  fleinc 
?5rebigtfammlung  gumSeften  ber  griebric^^2BUI^elm=2)ennen)i^52lnftalt  gu  Jüterbog  1841 
]^erau«gegeben,  bie  auc^  eine  feiner  SBittenberger  5ßrebigten,  eine  3Riffxon0j)rebigt  au«  bem  i6 
3.  1839,  mit  aufgenommen  l^at.  3)ie  Berufung  nac^  SRotpatoe«  toax  nid^t  minber  un- 
glüdtlic^  al«  bie  naä)  Jlulm.  @r  fam  in  eine  materiell  unb  fxttlid^  üöDig  berfommene 
©emeinbe,  bie,  tpie  $engftenberg  fjjäter  einmal  ((Sb.  Äß.  1848,  3)  über  fxe  bemerfte,  bie 
ganje  ®egenb  mit  Settlem  toerforgte  unb  tool^I  einen  Oberlin,  aber  nid^t  einen  ^rebiger 
t)on  St.«  Strt  unb  ®aben  gebrauchen  fonnte.  3)iefe  ©emeinbe  berftanb  feine  $rebigt  20 
überl^au|)t  nic^t.  Um  fo  ^ö^er  ift  e«  ju  achten,  bafe  er,  obgleich  ol(>ne  alle  SRefonanj  in 
ber  ©emeinbe,  mit  getoiffenl(>after  3:reue  unb  Sorgfalt  fein  55tebigtc^ari«ma  toeiter  pflegte, 
freilid(),  o^ne  im  ftanbe  ju  fein,  e«  ben  Sebürfniffen  feiner  ©emeinbe  angupaffen.  gr 
liejj  je^t  bie  ^rebigtfammlung  „^d^  W\ü  rühmen  be«  iperm  SBort"  (1844),  ferner  einige 
?ßrebigten  über  ^0  10  (1845  —  mir  nie  gu  ©eftd^te  gelommen)  unb  bie  größere  Samm^  25 
lung  „^eugniffe  bon  ber  ^errlic^feit  3iefu  Gl^rifti"  (1847)  erfc^einen.  3u  ber  4.  äufl. 
bc«  beliebten  ejegetifc^^^omiletifc^en  §anbbuc^«  über  bie  5ßarabeln  3l^f"  bon  griebr. 
®uft.  £i«co  (Serlin  1847)  lieferte  er  5ßrebigtenth)ürfe,  bie  er  jeboc^  in  ber  5.  Slufl. 
toieber  jurüdfgog.  Sie  jeigen  noc^  ftarfe  3lbl^ängigleit  öon  Sd^leiermac^er  in  il^ren  ab* 
ftralten  ©ebanfengängen  (j.  83.  über  5Kt  13,  1—9.  18—23:  Sffiie  toir  ba«  Urteil  be«3o 
^erm  über  ba«  §erg  be«  natürlichen  SWenJd^en  ju  bereinigen  baben  mit  ben  33orau«5 
fe^ungen  unfer«  d^riftlic^en  Setoufetfein« :  1.  toie  toir  biefe  ^Bereinigung  toolljiel^en  fönnen, 
2.  toelc^en  SBert  fte  i)ai  für  unfer  d^riftlicbe«  geben).  Sie  gehören  offenbar  früf^eren 
Sabren  an,  unb  e«  begreift  fid^,  ba^  ^emad^  ber  $8erfaffer  ber  „Seiträge  jum  Schrift- 
toerftänbniffe"  fte  nic^t  femer  abbrudten  laffen  tPoDte.  ©inige  ^rebigten  liefe  er  in  ber  36 
Sammlung  t)on  griebr.  §offmann,  2)a«  Äird;enja^r,  Serlin  1846,  erfc^einen,  barunter 
eine  fein  burc^gearbeitete  über  ^^arifäer  unb  ßöHner.  6«  blieb  aber  aud^  n\d)i  au«, 
bafe  gebilbete  d^riften  in  bem  na^en  ^ot«bam  ben  ungetoö^nlid^en  ^rebiger  bead^teten; 
t)or  allem  aber  tourbe  Äönig  griebric^  2Bill^elm  IV.  felber  auf  il^n  aufmertfam  unb  griff 
in  fein  £eben«fd^ic!fal  entfc^eibenb  ein.  Sc^on  am  28.  2luguft  1847  toie«  er  ben  ÜKinifter  40 
(Sic^bom  auf  St.  al«  „auf  einen  3Rann  bon  auggegeic^neter  geiftlicf^er  Se^rgabe"  l^in  unb 
brachte  feine  Berufung  an  ba«  ^omiletifc^e  Seminar  ber  berliner  Uniberfität  in  Sln^ 
regung.  Der  3)Jinifter  toenbete  fid^  an  &.  3.  9?i$fd^,  um  fid()  ein  ©utad^ten  über  St. 
ju  berfc^affen.  (rr  batte  bie  3lbfid^t,  i^n  bann  jtoar  nic^t  fofort  für  bie  Uniberfität, 
aber  gunäc^ft  al«  £e^rer  für  ein  neu  gu  grünbenbe«  ^rebigerfeminar  in  Setrad^t  gu  46 
gießen.  2tuf  ©runb  ber  gebrudtten  ^rebigten,  ber  g^ugniffe  bon  5ieanbcr  unb 
Sc(;mieber  (in  SBittenberg)  fotoie  einer  perfönlic^en  Unteneoung  mit  St.  lieferte  5ii^fd^  am 
28.  9lot)ember  ein  ebenfo  i^n  felbft  h)ie  St.  ebrenbe«  SSotum.  ßr  rühmte  bie  tüd^tige 
tl;eologifc^e  3)urd^bilbung  unb  feine  au«gejeic^nete  ©abe  für  erbaulid^e  Sc^riftau«legung. 
Seine  ^rebigten  gehörten  „in  il^rer  2lrt  gu  ben  Sc^ä^en  unferer  Sitteratur".  Seine  «> 
©abe  fei  e«,  toei^eüoll  ju  toirfcn,  (J^rfurc^t  bor  bem  göttlid^en  SBort  mit  (Srienntni« 
be«felben  ju  fc^affen,  ein  ©egengctoid^t  j\u  üben  „aegcn  2)ogmati«mu«,  9{ationali«mu«, 
^omiletifd^e  SRaritfc^reierei  unb  füfelic^e  Dbcrfläd;lic^Ieit".  g^eilic^  träten  bei  i^m  über 
einer  meisterhaften  bomiletifd^en  Segabung  bie  übrigen  paftoralen  3lufgaben  ;^urüdt.  ferner 
bcmerft  er  fein,  St.  befä^e  ]\i)  jeben  3:e^t  fo  ernft  unb  fo  treu,  al«  fei  er  nod^  nie  ober  ß5 
noc^  nie  genug  erlannt;  er  finbe  auc^  icbe«mal  an  ber  .^auptborftcüung  ober  einer  9Jeben- 
borfteDung  be«  le^e«  ein  neue«  3)Joment  ^erau«  jur  ?5i>^^^^u"9  ber  Grbauung  ober  j^ur 
Söfung  bon  Sc^toierigleiten.  J^reilidfj  laffe  feine  bibinatorifcl^e  &ah^  ibn  manchmal«  teil« 
in  materieller  §inficbt  ftraud^eln,  teil«  in  ber  formellen,  bafe  er  nur  Sl^nbare«  fd^on  al« 
beh)ei«bar,  ©igcittümlic^e«  be«  3:ejte«  al«  ©emeingiltige«  gelten  laffe.    älbcr  biefe  3)längel  eo 


796  Stttiimd^cr 

tanirben  burc^  bcn  ®ert  feiner  Sichtung  iinb  bun^  ferne  Scifiung  im  gonuTi  bimkis 
mifgetüogen.  Xieö  ©ulac^ten  ift  bier  au^fübrlicber  toiebergcgeben,  tocU  e#  fcUig  a-- 
treffenb  ebenfo  bic  Segabung  St.«  tüie  bie  Sc^ronfe  feiner  ®abe  c^^arahfrincn.  la 
Äcnig  Irurbe  ungebulbig,  bafe  ber  SRinifter  nod>  nicbts  für  St.  getban,  unb  nagte  m 
6  16.  5ioöember  an,  ob  er  nicbt  nac^  3Ragbebinrg  in  eine  Dofantc  $rebi^erfteüe  ui  faUüi 
träre.  ^er  üKtnifter  ertuibertc,  bie  3Kagbeburger  Ääm^fe  (mit  ben  Sicbtfreunben,  r^ 
9b  XI,  467)  feien  toobl  nicbt«  für  ben  jur  flontenH)Iation  neigenben  3Rann.  Jyür  6m 
Berufung  an  bie  berliner  Unitjeifität  aber   fei  ibm  fein  tbeologifcber  9luf  ncd»  nicbi  t« 

Senug  begrünbet ;  er  bel^alte  ibn  für  ein  ^Jrebigerfeminar  im  äuge.  Torauf  begebnc  bc 
[önig  (24.  3iegember)  feine  interimiftift^e  Übertueifung  an«  ©ittenberger  i'retiaa^ 
feminar.  (rr  toerbe  bie  Slemuneration  für  i^n  antüeifen.  Slber  2i.  bat  nun,  ibn  lief« 
in  Serlin  eine  Si^arte^  unb  i^orbereitung^jeit  Derieben  au  laffen,  bi^  ficb  eine  2tdliiii$ 
für  i^n  fänbc.  ^n  Wittenberg  fei  für  ibn  neben  ö«*bner  fein  Saum.  Qx  mbä>u  ni 
in  Serlin  für  Jjraltif^e  ßrcgefe  l^abilitiercn  unb  Gielegenbeit  gum  "^^rcbigen  fud>en.    Xo^ 

Iß  rauf  t>erfügte  ber  Äönig  am  18.  ^^"war  1848,  i^m  fein  bi^berigc^  (fcbmales)  l'ion^ 
ge^It  in  Serlin  al«  Slemuneration  toeiter  ^u  jaulen,  bamit  er  fic^  jur  .f^abilitaticn  t»pi- 
bereiten  lönne.  9?i^fc^  erflärte  [xd)  auf  Sefragcn  be«  3Rinifter«  freubig  bereit,  ibn  o^cm. 
beim  Uniüerfität^gotte^bienft  auf  feine  Äanjel  gu  laffen,  audj^  i^n  nacb  feiner  öabilitaiicn 
am  })raftifcb-t^eoIogif(^en  Seminar  gu  beteiligen,    ^tt^i  tom  au<b  .H^engftenberg  im  $«= 

20  toort  feiner  Äirc^enj^eitung  (1848  B)p.  3)  energifc^  (o^ne  i^n  mit  5Rämen  gu  nennen)  m    i 
bie  ^flic^t  ber  Äird(^enbebörbe  bin,  für  biefen  berDorragenben  ^rebigcr  in   ber  .fkUQ?titah    : 
eine  Stelle  ju  fd^affen.    3n  bcn   näcbftfolgenben  politifc^  fo  aufgeregten  3ÖP<bcn  lürntt 
©t.  aber   ängftlic^,   obne    ein   fefte«  ämt  9loh)atüe«   aufzugeben   unb  nacb  Serlin  üto-- 
jufiebeln.    (rr   bat   baber  (4.  äj>ril),    il^n    gum  Gbarit^prebiger  in  Serlin   ^u  emenna 

26  2)a«  Äonftftorium  macbte  ben  berechtigten  (rintüanb)  bort  brauche  man  in  erfter  imt 
einen  Seelf orger,  aber  nic^t  einen  ^erDorragenben  ^rebiger;  er  aber  fubr  fort,  um  biw 
Stelle  am  Äranfen^ufe  ju  bitten.  2Kinifter  Oraf  Sc^toerin  lehnte  bic^  @efuc^  am 
7.  3)lai  ab,  unb  fo  fam  St.,  ber  am  14.  ?!Kai  in  9JotDah)e«  feine  lefetc  2lmt«banblung 
t)erricl^tet  ^atte,  toirflic^  ^unäd^ft  fteQenlo«  naA  93erlin,   nur  auf  bie  t>om  ^onig  ibm  k-- 

30  hjidigte  ^Remuneration  bin.    (Sr  bereitete  fxc^  auf  bie  Habilitation  toor,  prcbigte  auA  ^t    \ 
legentlic^  —  eine  einzeln  gebrudtte  ^rebigt  über  Sc  6,  38  (=  ^rebigtenttrürfe  S.  270  i.)    ■ 
pammt  au«  biefer  ^^\t  — ;  bie  ebangelifc^e  galultät  toerlieb  ibm  auf  ©runb    feiner  ge^ 
brucften  ^rebigten  am  25.  Cftobcr  1848  ben  Sicentiatengrab,    unb    er    begann   oleboTt 
feine  2^oi\entent^ätigfeit  mit  einer  3SorIefung   über  1.  ^o.    am  12.  2)e3ember   berief  i^ll 

35  nun  aber  auc^  -Kiniftcr  Sabenburg  ^ur  interimiftifc^en  33erh)altung   ber  erften  ^^Nrebigcr- 
ftede   an   ber  G^arit^;   am   8.  3""i  18^9    folgte  bie  befinitibe  (Ernennung  nacb.    -3iim    | 
^atte  er  ein  3)ojentenamt  unb   eine  berliner  ftanjel.    ^^^eilic^    madE^te    bie    Arbeit  am    : 
Äranfen^aufe  bem  getriffen^aften  Pfanne  fo  Diel  Slrbeit,  bafe  er  für  3?orlefungen  faum    | 
3eit  erübrigte;  tro^  ber  93itten  berStubicrenben  biclt  er  bie  meiften  ber  toon  ibm  angefünbigtcn 

40  3}orlefungen  nic^t.   §ier  erlebte  aber  fein  ^$rebigtc^ari«ma  ^mn  erften  3JlaIe  einen  großen 
(Srfolg.    Gine  erlcferic  (Semcinbc  ber  ©ro^ftabt  fammelte  fid&  unter   feiner  Äanjel,  imt    I 
unter  biefem  ftc^tbarcn  Grfolge  gelangte  feine  ^rebigtgabe  jur  botten  ©ntfaltimg.    Ses 
fmb  3^"9"»^   ^^^  beibcn   erften  33änbe   feiner  „Seiträge   5um  ScbriftDerftänbni«"  1S51 
unb  52.    211«  im  Sommer  1852  Cbler  bie  Uniberfität  Sre«lau  »erliefe,   berief  ÜBinificr 

45  bon  SRaumer  i^n  ju  bef|en  3?ac^folger,  unb  jtoar  für  ©jegefe  be«  5R2:«,  aber  mit  ber 
Reifung,  auc^  ber  S^ogmatif  ficb  ^usuirenben  unb  mit  (Saupj)  gufammen  bie  Seitung  bd 
l^omilctifc^en  Seminar«  ,^u  übemcbmen.  5)Jic^acli«  1852  trat  er  ba«  neue  SImt  an, 
3ug(eid^  fottte  für  ibn  Uniöerrität«gotte«bienft  eingerid^tet  toerben.  3)ie  i^m  zugemutete 
(finfül^rung  in   ba«  Uniüerritäte^rebigeramt   burcb  ben  ©eneralfuperintenbenten  lebntc  er 

60  energifct)  unb  erfolgrcidfj  ah,  um  ficf)  öotte  greibeit  ber  lirc^üc^en  Sehörbe  gegenüber  ;» 
tüabren.  2luc^  bicr  j^rebigte  er  (feit  Sbgate  1853)  in  einer  freiließ  f leinen  9Liük 
(St.  ^rinitati«)  mit  größtem  Grfolge  (ügl.  Diij?polb,  5H.  $Wotbe  II,  399;  3®.  ÄoeÜinj, 
40  3abre  im  2Bcinbcrgc  G^rifti  1901,  S.  27).  2er  3.  33b  feiner  „Seiträge  gum  Scbrtft- 
berftänbni«"  cntbält  Src«lauer  ^rebigtcn.    3lm  15. 5DJär^5;  1853  »erlief  i^m  bie  Serlincr 

66  tbcol.  Jafultät  unter  3ii^fdb«  2)clanat  ben  D.  theol.  2lu«  ber  fbftematifc^cn  3:beoli?5te 
la«  er  übrigen«  nur  Gtbü,  fonft  ^3^^uteftamentlid^e«  unb  Ginleitung  in  bie  praftifcN 
Ibeologic.  3lber  fcbon  ju  Cftem  1854  folgte  er  einem  Stufe  naö^  Sonn  al«  ^rofejfor 
ber  t>^aftifcben  Ideologie  unb  UniDerfität«j3rebiger.  Gr  babilitierte  fic^  bier  mit  eüicr 
Disquisitio  in  Epist.  Petrinae  prioris  prooemium.    3öa«  er  in  Sre«lau  bertoeigert 

60  ^atte,   lie^   er  in  Sonn  gefcbe^cn.    (5^eneralfiH)crintenbent  Sc^mibtbom   führte   ibn   am 


•^'■m    , 


Strhaüaicr 

14.  ?)Jai  feierlich  afö  Unit)erfttät«})rebtgcr  ein.    Stint  ^i't.-  fc-i^^i-... 
„2)ic   cDangcüfc^c  ^rcbigt   eine    ©tärfung  ber  Smi^c-    u^^,    i     -  ^, 
(Sonn  1854)  bor.    2luc^   l^ier  getoann  er  fic^  ebon:  *\sl   irji     -f-:..  ..„ 
3:cilna^nie  ber  Stubenten,    mie    für  feine  ^^rebigtm  räi  iiutfi-a    i^i.*^, 
aber  bie  Slnlage   ^ur  ÖVP"^*^"^^^   ""^  fortgqeftte  Ur:»r*'niÄ^t'-:.--.^. 
toieber^olt  fc^toere  35e|)reffionen  mit  ftc^,  unter  beren  (rsrlrr  2;:    »t....-    , 
mit  aller  SKadbt  toieber  in^  ^farramt  jurücRe^ren  toollu,  =:.ä  t   Ki-r-^^f^ 
Dberj)räfibent  ber  5Kl^einprobin;\,  glüdfliqi  ^u  berl^inbem  impt.    *x::.    .v. 
SBonn  üerlaffen  unb  einem  SRufe   nac^  ^ena  folgen,   bis   ein  •i*:im:ifi>r   r.*^; 
bc^  3)linifter^   i^n    toieber   beruhigte.    3"^  ©ommer  18o7    fcr    »::   fi.'t.fiT 
Uniberfität^prebigeramt  abjune^men,  ba   er  üergebli^  arbeite  um  ittp^*-«.   ^ 
liege,    atbcr  ber  Äurator  Derid^ tete  ^utreffenb  über  il^n:  ,^xtXr,ycr,   \x.    »^^j*    ^y^\'   .^ 
ba^er  aud^  Scbürfni^  für  ibn."    gine  größere  gerienreije,  ;u  i«  a»«  o?:  :..,:.'.^ 
?DlitteI  getoäbrte,  beru{)igte  i^n  aud^  bieömal  toieber.    Der  35onnn  .^»r-^  ^tii\.*\    ^. 
ber  „Beiträge  gunt  S^)riftberftänbnig"  an.    Unter  ben  Sonner  Äcütpw  im   u-»    -  -^-x 
eint  näc^ften,   mit  bem  er  bie  ^i^eunbfd^aft  aud^  noc^  ju  einer  3«t  ix^vdtL*'   t:;**.-      -T, 
ber  Äampf  gegen  beffen  ^^eologie  fd^on  l^cll  entbrannt  toar.    (Irft  letnt  l;i\Mf.r    ^-,^. 
SHitfd^I  in  ber  2.  äufl.  feiner  „©efd^icf^te  ber  ^affion  beö  §erm"  \Wi  Lvh»  t-ui  .>\... 
fcbaftlic^e  i^er^ältniig   (ügl.  C.  SHitfc^l,   31.  ^Kitfd^tö  Seben  II,  447).     iw.   JJ^n/iii    ..^ 
folgte  er  ber  aiufforberung,  auf  bem  ftird^entag  in  JJranffurt  a.  3Jt.  1J*.'>J  k\x\k\  y-t..«.:^   , 
über  bie  ftinbertaufe  ju  halten.    6o  entf^ieben  er  ^ier  für  biefe  eintrat,  t\K  v.    i-.-:   ,. 
bie  apoftolifd^e  ^6t  meinte  jurüdfüerfolgen  ju   fönnen,   fo   übenaf(^te  er  kfd  lei-.  Ui^-i 
bie  ©elbftftänbigfeit,   mit  ber   er  bom  Selenntni^   auf  bie  Sc^riftle^re  jurudiy.M^     sy 
crllärte  bie  SHnfAauung,  bafe   fcbon   in  ber  Äinbertaufe  bie  J)ofitiöe  Segabun^  n.ii  kku 
^l  Seifte  erfolge,   alö  im  ffiiberfpruc^  mit  ber  ©c^rift,    bie  feine  &ah^  bee  M.  <*yi:Hiu  < 
Icnne  ol^ne  huxd)  ä5ermittelung  beö  berfünbeten  ^eitetDorteö.    ^n  bie  Äinbertaufe  tv»  ly.-.; 
teilung  be^  bl.  (Seiftet  ^u  fe^en,  ^eifee  i^r  eine  magifd^e  SBirfung  beilegen  unb  fcit  Ztv* 
forme!  ^ur  3^"^^^?«^^"^^^   ^erabhJürbigen.     2)ie  9)länner  be^  Äir^entage«  famen  i-uid 
biefen  itortrag  in  2icrkgenl)eit;  man  öermieb  e^,  bie  üon  il^m  formulierten  liefen  üt«: 
l^au))t  jur  2lbftimmung  ju  bringen,   unb  bie  33erl^anblungen  berliefen  o^ne  einen  rtdut-n  ;>■■ 
aibfd^lufe.    Stot^e,   ber   babei  geloefen,   urteilte,    6t.  l}abt  frcilicb  bie  J)einlid^e  Situaiicn 
großen  3:eilg  fclbft  berfd^ulbct  gehabt,   ba   er   bei    feinem  „an  unb  für  fic^  glänjienben" 
Sortrage  gar  ^u  tocnig   ben  Jjraftifd^en  ^Wi:d   (Slbioebr  be^  Sa^Jtiömug)   in   ^Uedmung 
gcbracf^t  liaU;    ba^  er  aber  „ein  ganzer  'iDiann"  fei,   babe   jebermann  bod^  toa^mef^men 
muffen  (5Jij)j)oIb,  %  3lot^e  II,  435).    .\Sengftenberg  aber  erteilte  ihm  in  ©b.  Ä^.  lH5i,y, 
961  ff.  eine  orbentlid^e  3ui^<^4^th)eifung   toegen  feine«;  „bcrfel^Iten"   SReferatc^.     ßr   \)abt 
einen  Äirdbentag  mit  einem  Ibeologentagc  bertücd^felt.    3tuf  einem  Äird^entage  feien  eins 
fac^  „bie  bon  ber  Äird^e  aboptierten  Sefcnntniffe  bie  entfc^eibenbe  3>"P^"3  für  bie  Sd>rift5 
lel)re"  (t)gl.  auc^  ©cl^erö  >:iJrot.  ^fionatsbl.  IV,  332.  339).    ©t.  t^at  meine«  SKiffen^i  nie 
tvieber   ftc^   al«  Stebncr   auf   öffentlichen  Äirc^enüerfammlungcn   gebraud^en   laffen.    '^m  ¥) 
^erbft  1858   fiebelte  er  nac^  Serlin  al«  $rof.  be«  SRI«  unb  ber  praft.  2beoIogie  fotoic 
al«  UniDerfitäteprebiger  über.     3)ie  borotbeenftäbtifd[)e  Äird^e,  bann  bie  fran^öftfc^e  auf 
bem  ©enbarmcnmarft   tourben   bie  Stätten   feiner  "^Srebigtt^ätigfeit.    2Bar  ber  gwbrang 
ya  feinen  ^rcbigten  auc^  nid)t  mel^r  fo  gro^  ioie  einft  in  ber  Gbarit^fird^e,  fo  fammelte 
er  bod^  alle  14  3:agc  um  feine  Äanjel  eine  treue,    auf   jebe  neue  ^rebigt  in  Sj)annung  45 
fic^  freuenbe  ©emeinbe  au«  allerlei  Stäuben,   (rr  beröffentlid;te  ^ier  nod^  „%z\U  unb  ®c- 
Iegen^eit«reben"  1802   unb  „^i^rebigten   au«  ben   le^tbergangenen   S^^^^n"  1870.    3lm 
13.  3^""^!^  ^^^^    't'icit   er   bei   ber  ©ebäcbtni«feier  ber  Uniberfität  bie  SErauerrebe  auf 
griebrid)  SBil^clm  IV.  über  "^ah,  11,  bie  ^uerft  unter  ben  berliner  Unitoerfttät«fd^riften 
jum  Slbbrud  gelangte,    ison  großem  (Srfolge  toaren  feine  Sorlefungen  begleitet ,    bie  er  so 
m  fpätercn  "^ahxtn  boDftänbig  memorierte  unb  tro^  eine«  unfc^önen  Organ«   mit   einer 
in   jebem  SBorte  borbereiteten   lebhaften  3il?etoril,    aber  auc^   einer  ftet«   bie  Probleme 
intereffant  aufbauenben  unb  jufjji^enben  ^Dialeftif  Dorjutragen   touftte.    (Sr  berftanb  bie 
fiol^e  Äunft,  feine  3whörer  fo  burd^  feinen  Sortrag  gu   feffcln  unb  zugleich  burd^  bie  oft 
cinfeitige  unb  )>arabore  2lrt  feiner  2lufftellungen   fo   ftarf  anzuregen,    baß   ba«  ©el^örte  b6 
nad^  Schluß  ber  ^Norlefung  fofort  ©egenftanb  lebhafter  Di«j)ute  unter  il;nen  iourbe.   !3m 
l^omiletifc^ien  Seminar   hatte   er  anfang«  ^l>rebigten   au«arbeiten,   jeboc^   nicmal«   halten 
laffen,  fonbern  fie  nur  felber  fc^arf  fritificrt,  um  bann  einen  befferen  ßnttpurf  auf jufteHen. 
Später  üergid^tetc  er   audb  auf  bie  ^orberung   au«gearbeiteter  'l^rebigtcn   unb   hielt   nur 
nod^  homiletifd)c  Sej})red()ungen  über  3:e£te,  bei  benen  freiließ  feine  Kunft,  bie  Stubenten  go 


798  Steinme^er 

;;um  Sprechen  ju  bringen,  fc^r  gering  toar.  (S«J  lief  toefentlic^  borauf  ^tnau^,  bal  a 
feinen  eigenen  fenttourf  t?or  i^nen  entfielen  liej&.  ^m  ^af^xe  1870  ftcUtc  er  ben  Sintrag 
an  ben  Sflinifter,  il^m  fein  Uniüerfttät^jjrebigeramt  abjune^men ;  in  ©crlin  fei  bafüi  ten 
Sebürfni^,  benn  ^ier  fammle  ftc^  boc^  nid^t  eine  Umberruät^gemeinbc,   fonbon  nur  eine 

6  ^erfonalgemeinbe.  ©o  legte  er  mit  bem  ©c^Iuf;  be^  ©ommerfcmefter^  1870  birfc 
2:^ättgleit  nieber  unb  l)at  feitbem  nur  nod^  gelegentlich  im  Stuguftafeofpital  unb  im 
Soaci^im^tl^alfc^en  (S^mnafium,  in  ben  legten  3a|ren  and}  nodf  in  feiner  SBo^nung  Jwr 
einem  fleinen  Äreife  el^emaliaer  ©d^üter  fein  5ßrebigtd^ari^ma  bet^ätigt.  5Dcr  ®nmb  für 
fein  33erjid^ten  auf  feine  liebfte  Xl^ätigleit  lag  einerfeit^  in  ber  SScrcinfamung  feinet  boi^ 

10  liefen  Sebeng  burc^  ben  2:ob  feiner  ®attin,  anbrerfeit^  in  ber  SBerftimmung  barüber,  bai 
i^m  an  ber  Uniberfität  anbere  in  feine  gäd^er  ^ineinfamen.  3Kit  bem  Xobe  ^engjtoiJ 
berg^  War  ber  il^m  in  ber  SJafuttät  näd^ftfte^enbe  Äollege  ba^ingegangen.  $on  bm 
übrigen  Kollegen  trat  nur  nocp  2!)illmann  in  freunbfc^aftlic^e  S3c«e|ung  gu  i^m,  beciit 
flufite  fogar  aud^  nod^  feine  ©teßung  gur  altteftamentlid^en  Äritif.     2lber  bie  gome&it: 

16  toidelung  ber  Il^eologie,  befonberö  bie  ber  biblifd^en  3Biffenfd^aftcn,  tvax  feiner  Art  unb 
Segabung  burd^au^  unf^mjjatl^ifd^.  ®r  füllte  fid^  tbeologifc^  ate  ©infiebler,  iDerftnntt 
aud^  nic^t  bai3  Sebürfni^  fid^  mit  neuen  SRic^tungen  toiffenfd^aftlid^  au^einanberguf«^ 
lel^nte  j.  93.  auc^  für  feine  Sd^riften  bie  2?erfenbung  Don  SecenfiondeEcmpIarcn  burto 
ab.    (£r  ignorierte  bie  ^errfd^enbe  Ideologie,  unb  fie  bergalt  i^m  ®Ieic^e^  mit  ©leicht 

20  9lur  fein  ©d^üler  unb  Äreunb,  ber  Sloftoder  $rofeffor  £.  ©c^ulge  befj}rac^  getreulieb  jÄ« 
neue  ©d^rift  ©t.«  au^fü^rlic^  in  ber  (£b.  A3-  2ltö  ber  i^m  hjol^lgeftnnte  9Rinijte 
b.  5Kü^ler  au^  bem  2lmte  gefc^ieben  toar  unb  fein  Slac^folger  galf  eö  für  erforberiii 
^ielt,  ebenfo  für^  31%  toie  für  bie  ^raftifc^c  Ideologie  anbere  2?ertrcter  fcetber  ^äd^  in 
bie  ^alultät  ju   rufen,   na^m   bie  3Sereinfamung   ©t.^    noc^    mel^r    m.      1876   edndi 

25  er  auf  feinen  Slntrag  „bi^  auf  toeitere^"  bie  ©ntbinbung  t?om  Sel^rauftrag  für  )jrabij(J< 
2:^eologie.  (Sr  jog  fid^  mel^r  unb  mel^r  bon  ben  arbeiten  ber  gafultät  gurücf,  unb  mm 
fam  aud^  eine  3^^^^  ^o  fein  früher  fo  gefüllter  §örfaal  faft  beröbete.  ßrft  gegen  bo^ 
(gnbe  feinet  2eben^  tourbe  i^m  noc^  einmal  eine  3kc^blüte  feiner  ©ojentcnlüirffamleii  p 
teil,    ©ein  §örfaal  füllte  fic^  toieber,   unb   nod^   einmal  fammelte   fxd^  ^ier  eine  Scjar 

30  begeiftert  feinen  SBorten  laufd^enber  ©d^üler,  fo  loie  er  fie  in  ben  fec^gigcr  Rohren  cinji 
um  fid^  gefammelt  l^atte.  (£r  feierte  1887  fein  öOjä^rige^  Dienftjubiläum  ilnb  f(|tc 
aud^  nad^  biefem  ^w^^^l^wJ"  feine  Se^rt^ätigfeit  noc^  fort,  bi«  i^n  in  ben  öerbftfaien 
1895  bie  Slbnal^me  feiner  ©eintraft  m  bem  Slntrag  üeranlafete,  bon  feinen  afabemifd^ 
Serjjflic^tungen  befreit  ^u  hjerbcn.    mn  13.  Dftober  b.  3.  fanf  er  auf  einem  ©pagiergonä 

'J6  im  2:iergarten  behjufitloö  gufammen.  5Jur  mit  3Tiül^e  ermittelte  bie  ^^Soligei,  tocr  ba 
blutüberftrömt  Slufgefunbene  too^l  fei.  ©eitbcm  berlebte  er  noc^  mel^rcre  3^^^«  in  ftiflei 
3urüdgejogenl^cit,  feierte  nod^  am  28.  Dftober  1898  fein  öOjä^rige^  Q^^^i^^"»"  ^^^  ^^ 
refp.  3^o!tor  ber  a^^eologie.  3lad)  längerem  Seiben  entfd^lief  er  im  89.  fiebcn^jabrc  m 
5.  gebruar  1900. 

40  äBä^renb  er  bi^  jur  Berufung  nad^  Serlin  faft  nur  ^rebigten  beröffentlicbt  Balte, 
fing  er  feit  bem  '^al)xc  1866  aud^  an,  toiffenfd^aftlid^e  Slrbeiten  gum  dt%  unb  gur  pid- 
tif(|cn  il^eologie  unb  ^hjar  nun  in  rafd;er  älufeinanberfolge  ^erau^gugeben.  3""^^ 
bier  „2l))ülogetifc^e  Seiträge":  „3)ic  2Bunbcrtl;atcn  beö  ^erm",  „3)ie  t^eiben^cfAicbtr 
(in  2.  Bearbeitung  1882),  „2)ie  aiuferftelfung^gefc^id^te",  „2)ic  ©cburt^efc^ic^te"  (1866-731 

45  2l))ologetifc^  l^eifeen  fie,  infofern  fie  feine  2lnttoort  auf  bie  moberne  Äritif,  f^egieH  gegm 
©traul  fein  foHten.  ©ie  finb  c^  aber  nic^t  in  bem  ©inne,  bafe  er  fic^  mit  ben  einjclnoi 
Slufftefiungen  ber  Sritif  auöeinanberfe^t,  fonbern  er  ge^t  bon  ber  boHen  ©laubJoürbi^f« 
ber  ebangel.  ©efc^id^tc  au^  unb  fud^t  bie,  toelc^e  biefen  ©tanbjjunft  teilen,  in  i^rem  i^ff- 
ftänbniö  biefer  ©cfc^ic^ten  gu  fi)rbern,  bie  SCiefen  ber  göttlid^cn  ©ebanfen,  bie  ^crrliAfm 

ßo  be^g  (grjäl^lten  il^nen  aufjufc^lie^en.  Gr  l;at  bann,  nacl;bem  er  feine  ^Prebigttl^ätigfeit  auf- 
gegeben, eine  gange  Steige  bon  Öibclftubien  bcröffentlid^t:  8  ^efte  ,,93eiträgc  jum  25«: 
ftänbni^  bc^  jol^anneifd^en  6bangelium^5"  (1886—93),  3  §efte  „Seiträge  gur  6l^^ftolo9ic^ 
nämlic^:  „I^ic  (S))i})^anicn"  unb  „SDie  2l^eoj)^anien  im  geben  be^  Aerrn",  fotoie  „£ic 
e^riftopf^anien  be«  Scrl^errlid^ten"  (1880—82);  femer  2  §efte  „©tubien  über  ben  9tema^ 

t^  brief"  (^ap.  9—11  unb  12  unb  13);  ein  §eft  über  bie  Parabeln  ^efu  (1884)  unb 
ein^  über  bie  Sergjjrcbigt  (1885).  3"^^  (S^arafteriftif  biefer  ga^lrei(^en  Seiträge  jur 
©d^riftcrMärung  fei  auf  bie  feinfinnige  Beurteilung  bon  Q.  Jpauj)t  berioiefen.  (i^  ift  «n 
eigentümliche^  genus  mixtum,'  ba^  er  bamit  in  bie  Ideologie  eingeführt  ^at.  3ian 
f))ürt  überall  an  ibneu  ben  "ijirebiger   in   feiner   geiftboHen   unb  r^ctorifd^  bemegten  Ser^ 

60  loertung  be^  ©c^rifttoortei^,  ber  je^t,  ba  er  nic^t  me^r  bie  Äangel  betrat,   burcp  bo^  ge^ 


Stetntne^er  799 

fd^ricbcne  SBort  ^u  ^^rebigcn  ba^  Scbürfnte  ^at,   babci  aber   mac^t  er  jugleic^  ben  än^ 
f^)tuc^,  toiffenfd^aftlid^e  6jege|e  ju  treiben,  tft  aber  nid^t  im  ftanbe,  lefeterer  aufgäbe  DöHig 

Sjcrec^t  ju  tüerben.  2)iefe  Schriften  finb  bal^er  jtoar  reic^  an  überrafd^enben,  feinen  unb 
innigen  ©ebanlen,  aber  aud^  an  mittfürlid^en  unb  unmet^obifc^en  (Eintragungen,  unter 
bcnen  ba^  fc^lic^te  grammatifc^-^iftorifc^e  Serftänbnid  ber  einjelnen  lejte  m  lur^  lommt.  5 
6ine  anbere  Steige  bon  §eften  befd^äftigt  fic^  mit  fragen  au^  ber  J)raftifc^en  S^eologie 
(1874—79).  ^nx  §omi!etit  lieferte  er  bie  aufierorbentlid^  le^rreic^e  unb  anregenbe  Slb- 
^anblung  über  „2)ie  2;o>)if  im  2)ienfte  ber  ^Prebigt",  bie  un^  in  feine  eigene  5ßrebigt= 
mct^obe  bineinf^auen  läfet  unb  ^ugleic^  ba«  3ierbienft  gel^abt  l^at,  ben  trefflid^en  änbrea^ 
$^>)eriuö  in  feiner  Sebeutun^  für  bie  ©efc^ic^te  ber  ^omiletif  fräftig,  toenn  auc^  in  10 
manchen  Se^ie^ungen  übertreibenb  unb  berjeit^nenb,  in  ©rinnerung  ju  bringen  (bgl. 
33b  VIII,  501).  ein  jtoeitcö  §eft  be^anbelt  ben  „2)eIalog  al«  fatec^etifc^en  Se^rftoff" 
unb  Derfuc^t,  in  gesagter  3}erh)enbung  bon  1  3:i  1,  9,  Don  ^ier  au^  bie  genuine  ^nter- 
))retation  ber  ©ebote  gu  gelüinnen.  ^ag  britte  aufeerorbentli^  anregenbe  §eft  be^anbelt 
„3)ic  ßuc^ariftiefeier  unb  ben  Äultu^"  unb  ftimmt  einen  toa^ren  ^^mnug  an  auf  bie  16 
Sebeutung  be^  älbenbma^le^  aU  einer  ©emeinbefeier,  alö  be^  Saframentc^,  in  toelc^em 
ß^riftu«  ben  2eib,  ber  feine  ©emeinbe  ift,  mit  feinem  2eibe  ernährt.  2)a^  bierte,  „2)ie 
f})egielle  ©eclforge  in  if^rem  3Ser^äItni^  j|ur  generellen",  lenft  jur  Setrac^tung^meife  ber 
alten  lut^^erifc^en  5ßaftoralt^eologie  gurüc!,  bie  al^  ba^  eigentlid^e  5Kebium  ber  Seelforge 
bie  5ßrit)atbeic^te  betrachtet.  35a^  fünfte  enblic^,  „Über  ben  Segriff  beö  Äird^enregiment^",  20 
tocift  biefem  au^er  ber  aSorbilbung  ber  ©eiftlid^en  befonber^  aud^  bie  Seitung  ber  Reibens 
miffion  ;u.  2)iefe  iämtlic^en  Seiträge  finb  reic^  an  originellen  ©ebanfen,  befunben  eine 
feltene  Vertrautheit  mit  ber  älteren  Sitteratur  ber  lut|erifc^en  ftird^e,  rufen  aber  auc^ 
in  ber  fc^arfen  (Sinfeitigfeit,  mit  ber  fie  bie  fragen  be^anbeln,  mannigfachen  3Biberf>)ruc^ 
l^erau^.  25 

gine  l^eröorragenbe  ©teile  l^at  fic^  St.  in  ber  ©efc^id^te  ber  ^rebigt  ertoorben  (bgl. 
Sb  XV,  720  f.).  @r  ift  Vertreter  einer  fc^arf  gefpannten,  ftreng  f^nt^ctijc^en  3Ket^obe, 
bie  im  engften  3"fö"^"icJ^^fl"0  ^^^  feinem  fiultu^ibeal  ftel^t.  ^n  2lnfnü^fung  an 
©c^Ieicrmac^crfc^e  ©ebanfen  ift  i]^m  bie  Äultu^j)rebigt  —  unb  nur  mit  biefer  ^at  er  e§ 
ju  tl^un  —  ber  leil  be^  ©otteöbienfte^,  ber  bie  Slnbad^t  ber  feiernben  ©emeinbe  ju  i^rer  so 
f))cjifijc^en  §ö^e,  gur  Anbetung  gu  ergeben  ^at.  3)ie  $rebigt  fc^t  eine  gläubige  ©e^ 
ttteinbe  borau^,  in  beren  3Mitte  ber  ^rebiger  au^  bem  ©c^a^  be^  göttlid^cn  SBorte«  ein 
2^e£te«toort  auflegt,  beffen  verborgene  §enlid^teit  er  mit  ben  ÜKitteln  feiernber  SRebe 
l^crbor^olt,  fo  bafe  bie  3"^örer  einerjeit^  im  Verftänbni^  ber  ©c^ön^eit,  Sal^r^eit,  liefe 
be^  ©c^rif tmorte^  geförbert  »»erben,  anbrerfeit^  bon  ber  §enlic^feit  ^cfu  6^rifti,  bie  ftc^  barin  35 
offenbart,  ergriffen  unb  erl^oben  Serben.  ®r  ift  überzeugt,  ba^  jebe^  ©c^rifttoort,  toenn 
anber«}  e^  al^  ein  SBort  ^t\u,  ber  2lj)oftel  ober  anberer  für  ung  autoritativer  -Ölänner 
©otte^  ein  2Bort  ©otte^  an  bie  ©emeinbe  entl^ält  —  nic^t  jebe^  beliebige  ©d^rifttport 
ift  il^m  ein  ^rebigttejt  —  in  fic^  eine  Seben^traft  birgt,  bie  nur  burc^  eine  in  bie  liefe 
cinbringenbe,  ben  rechten  ©c^lüffel  finbenbe  Setrad^tung  aufgefd^loffen  ju  loerben  brandet,  40 
um  fiep  ber  ©emeinbe  in  reicher  güHe  mitzuteilen,  ^n  biefem  Vertrauen  bo^rt  er  fic^, 
fojufagen,  in  {einen  lejt  ein  mit  einer  feinen  Beobachtungsgabe  für  bie  Sefonberl^eit  ber 
einzelnen  ©c^riftauSfagcn,  babei  mit  birtuofcr  Ve^errf^ung  beS  gejamten  ©cä^riftmateriali; 
unb  inniger  Vertrautl^eit  mit  bem  Sird^enliebe.  ©0  förbert  er  in  fc^arffinniger  2)ialeltif 
unb  jugleid^  mit  bem  ^at^oö  eineö,  ber  bie  auf  ben  ©runb  feiner  ©eele  Von  feinem  46 
^Tejte  gepadt  ift,  babei  aber  mit  grunbfä^lic^er  Verwerfung  atlcS  bireften  ©inge^enS  auf 
5Jeiifragen,  auf  fonfrete  Vorfommniffe  unb  Verl^ältniffe  unb  mit  Slblcl^nung  aÖer  fonft 
beliebten  3lttuftration^mittel  —  er  l^at  feinen  bctpufiten  ©cgenfa^  gegen  bie  Von  2ll^lfelb 
befolgte  unb  fcitbem  viel  nad^gcal^mte  ^rebigtmet^obe  gelegentlich'  fd^arf  auSgef))roc^en  — 
begeiftert  ^u  jage,  Wa^  \l}m  bie  ©d^riftgebanfen  felber  offenbart  ^aben.  ßr  tüünfc^t,  00 
bafe  bie  ^rebigt  „o^nc  jebe  ängftlidbc  Slücffic^t  auf  bie  gaffungSfraft  ber  §örer  ...  in 
einem  l^ö^eren  (S^orc  gc$e,  in  bem  2;on  beS  jo^anneifc^en  VelenntniffeS:  h)ir  fallen  feine 
§errlic^feit!"  I^atfä^lic^  fe^t  er  bibelfunbige,  nac^  tieferem  ©d^riftberftänbniS  begierige, 
in  geiftlid^em  Seben  fte^enbe  unb  ^n  ernftcr  ©ebanfenarbeit  miHige  §örer  Vorauf.  2)ie 
©efal^r  {einer  ^JJietl^obe  l;at  fd^on  9iij^{d^  treffenb  gefenngeic^net.  Unb  bie  Älagen,  baf;  er  65 
„unpraftifc^"  unb  „unpopulär"  prebige,  finb  in  ber  Äritil  nie  berftummt.  ©ein  ©rübeln 
über  bie  Ve{onberl^eit  feinet  StejteS,  baS  Vcftreben,  il^m  bisher  unbeachtet  gebliebene  ©e= 
banfen  ab^ugelüinnen,  fül^rt  il^n  manchesmal  in  Äünftelei,  gelegentlid^  fogar  inS  2llIegoris 
ficren.  2lber  burc^  bie  ftrenge  ^ud)t  feiner  ^rebigtmetbobe ,  feine  Slble^nung  ber  $ogs 
matif  als  ber  Slüftfammer  für  ben  ^rebigtftoff,  feinen  Kampf  gegen  alle  „güüftüdfe"  in  go 


800  ettittmetier  @tet^ 

bcr  ^rebigt,  feinen  unabläffigcn  ^inmeiö  auf  ba«  ©d^rifttoort  alö  btc  rcid^c  Duette,  oul 
ber  bie  ^ßrebigt  ju  fc^öpfen  f)abt,  ift  er  feinen  ©c^ülem  ein  unt^ergc^Itc^er  Sebrmäftcr 
geworben,  bem  aud^  folc^e  fic^  ju  lebenölänglid^em  I)anfe  Derbunbcn  toiffcn,  bencn  au(^ 
bie  ©c^ranfen  feiner  Begabung  nid^t  berborgen  geblieben  fmb.    Über  bic  aufnähme  unb 

6  Beurteilung  feiner  ^rebigten  burd^  bie  ^eitgenöffifc^e  lird^Iic^e  unb  tl^eologifc^e  greife 
f.  bie  litlerarifc^en  5}ac^n)eifungcn  Don  3-  Sauer  a.  a.  D.  ©.  409. 

5?ac^  feinem  lobe  l^aben  banfbare  ©d^üler,  befonber^  ÜJl.  SRc^Iänbcr,  begonnen,  aus 
feinem  3la^la^  ju  j)ublicieren.  3""^^f^  $rebigten:  %üx  bie  ^affion^*  unb  Oftct^ 
1900  (©d^riftbetrac^tungen  au^  feinen  legten  ^ö^^i^cn);   $tebigten  für  ba§  gon^efttriöis 

lojaf^r,  1902;  Se^le  ^omiletifc^e  ©abe,  1905  (^rebigten  bon  1849  an,  Icibcr  o^ne  angäbe 
be!^  S^^J^^^/  ^ö""  ^^^  einzelnen  gehalten  ftnb).  2)ann  \)on  feinen  @nttoürfcn  unb  &= 
fpred^ungen  über  ^ßrebigttejte:  feine  SSorlefung  über  bie  ebangelif^en  ^erifo^ien  (in  jton 
©bitionen,  rec^t  mangelhaft  bon  Slevlänber  1902,  boßftänbiger  )i)on  £öh)entraut  190:3), 
unb  au^  feinem  ^omiletifd^en  ©eminar:  ^rebigtenttoürfe  nac^  bem  Siid^enjal^r  georbim, 

16  1903.  Snblic^  ift  auc^  feine  hjertboße  SJorlefung  über  ^omiletif  1901  burc^  Sie^Iönba 
ebiert  toorben.  SDie  ©bition^toeife  läfet  leiber  biel  ju  toünfc^en  übrig.  —  einzelne  Sd^ 
träge  lieferte  ©t.  für  bie  6b.  RR.  (bor  allem  eine  toertboHc  ©tubie  über  (Sottfrieb  ämolb 
1865,  bgl.  93b  II,  122),  für  $ij)er^  (Sbang.  Äalenber  (toieber  abgebiucft  im  «n^ng  ba 
„^rebigtenttoürfe"  ©.  408  ff.),  fotoie  für  bie  3eitfd^rift  „gjJanc^erlei  ®aben  unb  ein  ®cifr. 

20  ein  SJortrag,  ben  er  über  Slenan^  2eben  ^efu  im  ©bang.  SJereing^au^  in  Serlin  gc^ 
l^alten,  ift  aU  Beilage  ju  leil  III  feiner  Slpologetifc^en  Seiträge  1871  ©.  234 ff.  ?c= 
brudt;  jtoei  erbauliche  Vorträge  „Dftem  unb  $fingften.  3^^^  geftbctrac^tungen  im 
©aale  be^  Äultu^minifteriumg"  erf^ienen  Serlin  1872.  änbere  SSorträge:  gbriftus  m 
$ontio  $ilato  (in  „Vorträge  für  ba«}  gebilbcte  5ßublifum",  glberfelb  1861    ©.  141  ff.); 

25  2)ie  übernatürliche  ©eburt  bcö  §erm,  Serlin  1873;  3)er  3^^iM  ""^  ^'^  ©laubenl^ 
getoig^eit,  Serlin  1876.  i».  üamnan. 

Stci^,  ©eorg  ßbuarb,  geb.  am  25.  ^uli  1810  ju  ^anffurt  a.  3R.,  geft  ebenba 
am  19.  Januar  1879.  —  3ung  u.3)e(f|cnt,  gur  Erinnerung  nn  ©cnior  ©tci^.  3tt)ei  Äeben. 
granffurt  a.  m.  1879. 

30  ©tei^  entftammte  einer  angefc^enen  granffurter  ^amilie.  ©eluife  ^aben  bie  9e= 
jie^ungen  bcr  g^amilie  ixxx  ©efd^ic^te  ber  eprtoürbigen  Saterftabt  mit  baju  beigetragen, 
in  ber  emj)fänglid;en  ©eele  bc^  ^üngling^  jenei^  innige  Qntereffe  an  bercn  Scrgangenbdt 
JU  toeden,  baö  il^n  nacfimalö  bei  feinen  ^orfc^ungcn  befeelte.  2rot  cntf^iebener  Be- 
gabung foHtc  er  ber  faufmännifd^en  Saufbal^n   fic^  toibmen;    aber   o^nc   Slnrcgung  öon 

35  au^cn  macl>te  fid^  ber  3)rang  ju  einem  tuiffenfc^aftlid^en  Scrufe  fo  mäd^tig  in  i^m  geltenb, 
ba^  bic  (Sltem  nid^t  Iriberftrebcn  ju  foUcn  glaubten,  fonbern  il^n  1825  bem  granffurtei 
©t^mnafium  übergaben. 

3m  §erbft  1829  be^^og  ©t.  mit  einem  glänjenben  Slbgang^jeugni^  bic  Uniberfitdt 
2:übingcn,    bamal^   nod^   borhjiegcnb   intercfftert  für  ba^  p^ilologifd^e  ©tubium.    Jobci 

40  feffelten  i^n  aber  auc^  bie  3[iorträgc  feiner  t^cologifc^en  2el;rer,  befonber^  bc^  berübmtcn 
§au))te^  ber  3:übingcr  ©c^ulc  6^r.  ^-crb.  Säur,  bem  er  biel  Anregung  berbanfte.  äl^ 
©t.  im  Sa^re  1831  nad;  Sonn  überficbelte,  folgte  auc^  er  entfc^iebencr  bcr  Slicbtimg 
feiner  meiften  greunbc  auf  t^eologifd^c  unb  ))l^ilofop^ifd^e  ©tubien  unb  begann  fic^  au^ 
fd^lie^lic^  bcr  ^l^eologic  ju  mibmen.    3)ort  toar  eö  5iarl  3l^"»"ön"<^l  3?i$f^/  ^u^^  beffen 

4ö  „e^rtoürbige  ^erfönlic^fcit  unb  gläubige,  aufcrbaucnbe  2:l^ätigfeit",  h)ic  er  fclbft  e^  au^- 

gefproc^en  \:}at,  „feine  9{id^tung  eine  feftere  Scgrünbung  unb  eine  lid^tboHerc  Älarl^cit  erhielt.'' 

Dftem  1833  feierte  er  nad;  g^^'^"ff"^^   jurüd;    ba   aber  l^ier   im    3lugcnblid  feine 

aiu^fic^t  auf  eine  feelforgerifd^e  2^l^ätigfeit  fic^  i^m  barbot,  übernahm  er  eine  ))äbagogif(bc 

©tcÖe  an  ber  au^gejeid^neten  Se^ranftalt  feinet  greunbe«  ©teHiüag,  an  ber  er  bi^  1839 

50  mit  boUcr  Eingebung  t^ätig  tuar  unb  fid^  in  fcltenem  Wafee  bie  üebe  feiner  Schüler 
erwarb.  :3"^<^ff<^n  ^atte  er  in  ber  ganzen  3^^^  f^  ^^"  lebenbige^  3"^^^ffc  «n  ben  fircb- 
lid^KU  5^agcn  betoa^rt  unb  jugleid^  eine  Selcfenl^eit  in  ber  >)atriftif^en  Sittcratur  ftc^^  er- 
worben, bie  i^m  fpäter  in  mancf^em  toiffenfd^aftlic^en  ©treite  borjüglic^e  3)ienfte  leifttn 
foHtc.    Screit^  im  §erbfte  1842  njurbe   er   in   baö  Pfarramt  berufen,  baö  er  jucrft  an 

56  bcr  I^reilönigöfirc^c  in  ©ad^fen^aufcn,  fobann  an  bcr  ©t.  5ßaul^firc^e  unb  an  bcr 
©t.  9iifolaifirc^c  in  ^^^^antfurt  bcrioaltct  i}at.  Sic  SDJufeeftunben,  bie  i^m  blieben,  Der- 
toenbetc  er  ju  ©tubien  auf  bem  ©cbiete  bcr  Äirc^en-  unb  2)ogmengefc^id^tc.  (Sine  3ln= 
erfennung  biefcr  feiner  Seiftungen  Warb  i^m  1857  ju  teil,  inbem  bie  ^eibclbcrger  tbeo^ 
logifc^e  galultät  i^m  bie  2)oftornjürbe  berlie^. 


@tet^  801 

3m  Saufe  ber  ^cxt  jebod^  trat  neben  ber  feclforgerifc^en  ^^^ättgfeit  eine  Steige 
)on  aufgaben  an  i^n  Ij^eran,  toelc^e  ^  i^m  fc^toerer  machten,  freie  3^'^  i^  ^nhm  für 
üiffenfc^aftlic^e  3lrbeiten.  ^m  ga^re  1873  tourbe  er  Äonfiftorialrat  unb  nad^  einem 
längeren  ^robiforium  Senior  be^  3Kinifteriumg. 

2)ie  SRed^te  ber  lut^erifc^en  ©emcinbe  f)at  er  nad^  allen  ©eiten  l^in  Iräftig  m  Wai)xm  6 
jetüufet.    35abei  bemühte  er  fic^  übrigeng  reblic^,  ben  (Seift  gegenfeitiger  3)ulbung  unb 
äncrfennung  unter  ben  3lmtgbrübem  Derfd^iebener  t^eologifc^er  SRid^tung  aufrecht  ju  er? 
galten,  toie  er  in  ^anffurt  feit  bem  3lnfange  beg  19.  ^a^r^unbertg  ^eimifc^  geioefen  toar. 

aSie  erfw^  alfo  in  feiner  J)farramtlic^en  I^ätigfeit  bemühte,  ba^  SSerftänbni«  jtoifc^en 
öcn  berfc^iebenen  lirc^Iid^en  ^arteien  ^u  förbern  unb  überall  Dermittelnb  unb  fd^Iic^tenb  lo 
nnjugrcifen,  fo  jie^t  fic^  eine  ö^nlid^e  ^^enbenj  auc^  burc^  feine  litterarifc^e  il^ätigfeit 
^inburc^.  3>f^  ^"^  f^i"^  Sc^riftau^Iegung  feineötocg«  gebunben  an  bie  fi^mbolifc^en 
Schriften,  fielen  i^m  bie  Slefultate  nid^t  Don  Domberein  um  be«  93elenntniffe«  h>iHen  feft, 
mtfernt  er  fic^  Dielmel^r  mannigfad^  aug  bem  (Seleife  ber  firc^Iid^en  2:rabition,  fo  jeigt 
er  anbererfeitg  bei  aitter  greimütigfeit  unb  Söeit^erjigfeit  eine  entfc^iebene  Slbneigung  i6 
gegen  eine  nur  jerfe^enbe  Äritif.  ©o  toar  feine  t^eologifc^e  SRic^tung,  ioenn  auc^  nid^t 
im  lanbläufigen  ©inn,  hod)  in  ber  beften  Sebeutung  eine  pofitiDe  ju  nennen. 

®g  toar  ©tei^  nic^t  befc^ieben,  nad^  ber  reichen  Slrbcit  feine«  2ä)m^  nod^  einen  ftitten 
geierabenb  ^u  genießen,    ^m  grül^jal^re  1878  erlranfte  er  unb  nac^bem  er  Dergeblic^  in 
jtoei  33äbem  Teilung  gefugt,  traf  i^n  im  2)e^ember  be«  ^ai}xt^  ein  ©e^imfc^lag,  ber  fo  20 
jerrüttenb  toirfte,  bafe  bie  am  19.  Januar  1879  erfolgenbe  2luflöfung  in  SBa^r^eit  ate 
griöfung  erfc^einen  mufete. 

3Jon  feinen  3lrbeiten  feien  l^ier  in  erfter  Sinie  ertüä^nt  bie  Beiträge  jur  SRefor- 
mation^gefc^ic^te,  toeil  biefen  ©tubien  feine  erfte Siebe  iugetoenbet  ioar,  unb  toeil  er  ^ier 
oor  allem  förbernb  eingegriffen  l^at.   3)ie  einfc^lägigen  2lb^anblungen  fmb  meift  im  3lrq>ib  26 
unb  ben  ÜRitteilungen  be«  gran!furter  älltertum^Dcrein«  Deröffentli^t,  jum  leil  aber  auc^ 
in  ©ejjaratabbrüden  erfd^icnen. 

3Bir  folgen  bei  Slufjäl^Iung  ber  arbeiten  am  einfad^ften  bem  (Sänge  ber  gefc^ilberten 
Sreigniffe.    3n  bie  ber  ^Reformation  unmittelbar  borau^e^enbe  ^Äi  berfe^en  un«  bie 
tultur^iftorifc^  intereffanten  ß^ronifen  ber  beiben  granlfurter  Sem^arb  uno  ^ob  Slol^rs  ao 
bad^,  tocld^e  ©tci^  herausgegeben  ^at  (3lrd^it>  II,  1862  unb  III,  1865).    SBic^tiger  für 
Den  ll^eologen  ift  feine  Sarfteßung  beS  ,,©treite«  über  bie  unbefledte  (Smj)fängnig  ÜRariä 
im  Sa^re  1500",  bei  ioelc^em  ber  Dolfötümlid^e  granf furter  ©tabtj)farrer  §enfel   eine 
toid^tige  Solle  fj)ielte  (3lrc^iD  VI,  1877).    3)ie  grage,  tüie  e«  möglid^  mar,  bafe  bie  neue 
l'e^re  fo  rafc^  in  ^ranffurt  ©ingang  fanb ,  toä^renb  furg  bor^cr  noc^  böHige  ©tiHe  m  35 
^errfd^en  fc^ien.  löfte  er  in  ber  äb^anblung:  „JReformatorifc^e  ^erfönlicbfciten,  (Sinflüffe 
unb  Vorgänge  in  ber  SReid^Sftabt  ^ranffurt  a.  9R.  Don  1519—1522"  (^rc^iDlV,  1868), 
in  tüeld^er  bie  ©eftalten  gtoeier  ^eunbe  §utten«,  ber  ^atrijier  2lmoIb  (Slauburger  unb 
ip^ili^^  gürftenberger,  ber  ©eiftlic^en  (So^Iäusf  unb  3o^anneS  ab  S^^^^^öi"^/  f^^ie  be« 
»Ritter«  §artmut^  Don  Äronberg,  genauer  beleuchtet  toerben.    @r  Derfafete  ein  SebenSbilb  40 
oon  3öilf^elm  liefen,  bem  erften  SSorftel^er  be«  granifurter  ©^mnaftum«  —  l^infic^tlic^ 
t)er  3)arftettung  Dielleid^t  ba«  9?ottenbetfte,   toa«  er  ^interlaffen  l^at  (Strc^iD  VI,    1877). 
Mn  tüelcber  ©tätte  Sut^er  bei  feinem  boj)ipelten  S3efud^e  in  granffurt  1521  jur  Verberge 
jetücfen,  fotoic  auc^,  loo  ÜReIand;t^on  bei  feinen  Derf(^iebencn  3)urd^reifen  fid^  aufgehalten, 
ift  mit  Diel  ©c^arffmn  nac^getoiefen  in  bem  auc^  für  bie  (S^ronologie  jene«  ^a\)x^  toic^^  46 
tigen  Sluffa^e:   „Die  5Re(anc^t^on«=  unb  Sut^^er^erbergen  gu  granffurt  a.  3)1."  (Sleu^ 
[al^rSblatt  be«  21.  3[5.  1861). 

©inige  2lrbeiten  gelten  h)eiter  bem  für  bie  Sieformation  überl^au))t  unb  jumal  für 
Jranffurt  fo  bebeutfamen  ^al)x^  \b2b.  3"^*  erfd^ien:  „©erl^arb  SBefterburg"  (2lrc^iD  V, 
1872,  auc^  fejjarat  abgebrudt  mit  anberen  3lrbeiten  in  ben  „Stb^anblungen  ju  %xanU  00 
fürt«  9leformation«gefc^id^te",  SDrutferei  Don  3lug.  Dfterriet^  1872).  SBefterburg,  ein 
Jreunb  Don  Äarlftabt  unb  biefem  an  (S^araftcr  unb  ©efinnung  ä^nlid^,  erfc^eint  banad^ 
3l«  ber  §au^)tleiter  ber  Semegung  ber  3«nftc  in  granifurt,  toelc^e  minbeften«  ben  einen 
Srfolg  fKitte,  baf;  bie  freie  ^rebigt  be«  (gDangelium«  Dom  SRat  geftattet  toarb.  3Rit 
5ro|er  9Jlü^e  ift  ©teife  ben  gerftreuten  ©^)uren  ber  SBirffamleit  biefe«  bi«  bal^in  faft  65 
oöHig  unbekannten,  „fremben  2)oItor«  unb  eDangelifc^en  2Ranne«"  nachgegangen.  93alb 
:>anad)  Deröffcntlic^te  er  auc^  bie  JQueHen,  au^  benen  er  ba«  Staterial  gefd^öj)ft.  S)a« 
Jieuja^röblatt  be«  a(.  3J.  1875  brad^te  eine  mit  ßinleitung,  Slnmerfungen  unb  nac^träg- 
[i^cn  (Erläuterungen  Derfef^ene  SluSgabe  be«  „granffurter  Slufrul^rbu^«",  ioeld^e«  eine 
[eibenfc^aft«lofe  3)arfteHung  jener  ©r^ebung  entlS^öIt  unb  toa^rfc^feinlic^f  im  3luftrage  be«  eo 

ffttaU^nct^nopähit  ffit  Z^eoIoaU  imb  ftit^c   8.  V.  XVin.  5I 


802  (Sm 

fRaM  bom  SRat^fc^rciber  SMarftcHcr  abgefaßt  iDurbe.  3Jlit  bcfonberer  ©orgf alt  tft  er  bem 
Icjtc  ber  Don  SBcftcrburg  berfafetcn  46  ärtifcl  nac^gcgatiöcn,  toelc^c  für  granffurt  dm 
ä^nlid^e  Scbeutung  l^atlcn,  tote  bie  befannten  12  ärtifel  für  bie  Säuern  ©übbeutfc^Ianb^. 
Salb  folgte  auc^  bie  Seröffentltc^ung  be^  )Don  Äanonilu^  Äöntgftein  am  Stebfraucnftifte 

6  gefc^riebenen  lagebuc^e^. 

3toei  anbere  äb^anblungen  berfe^en  un^  in  ba«  ^af)x  1533,  in  tocld^em  ber  fett 
1525  beginnenbe  (Sinfluf;  ber  jtoinghanifc^en  ^räbifanten  ÜKelanber  unb  älgeöbeimer 
feinen  ^öbejjunft  erreid^te,  um  bann  rafc^  gu  fmfen:  1.  ,,be«  Sector«  aRic^IIuö  äbjug 
Don  granlfurt  1533  nad^  feinen  bi^^er  unermittelt  gebliebenen  Urfac^en"  —  2.  ,,2utlKr^ 

10  SBamung«fc^rift  an  SRat  unb  ©emeinbe  ju  granffurt  1533  unb  3)iont^ftu^  9ReIanbas 
äbfd^ieb  bon  feinem  ämte  1535"  (ärc^ib  V,  1872).  SBie  bann  nac^  bem  SBeggonge 
jener  beiben  gelotifc^cn  3Jlänner  bie  urf^irünglic^  jtoinglianifc^  gerichtete  (Stabt  aümäblit^ 
jum  Sutl^ertum  übergeführt  toarb,  ift  au^fü^rlid^  bargelegt  in  ber  ©rftling^fd^rift  öon 
©tei^:  ,,35er  lutl^erifd^e  ^räbicant  §artmann  S3e^er,  ein  3^itbilb  aug  f^anffurt^  Äirttcn- 

16  gefc^id^te  im  ^a^r^unbert  ber  ^Reformation",  granifurt  a.  3K.  33rönner,  I.  Slbtl.  1847, 
II.  2lbtl.  1852.  $ier  ^at  er  bem  unerfc^ütterlic^en  ©lauben^mute  einc^  feiner  2lbnen, 
ber  befonberg  im  £amj)fe  um  baö  Interim  ^erbortrat,  ein  g^renbenfmol  aufgcricbtet 
Slber  neben  biefem  marligen  Vertreter  eine«  entfd^iebenen  Sutl^ertum«  ^t  er  auc^  ben 
^umaniftifd^   gebilbeten  Vertreter  ber  3JJeIand^t^onfc^en  SRid^tung,   ÜJlagiftcr    3^^annc9 

20  6nij)iud  änbronifu«,  nac^  ungebrudten  2luf jeit^nungcn  be^felben  anjiel^enb  gefc^ilbert  unb 
feinen  Srieftoed^fel  öeröffentli^t  (ärd^ib  I,  1860). 

Slücfblicfenb  auf  biefe  gal^lreic^en  Beiträge  ber  granffurter  Äircl^engefc^id&te  müifen 
luir  bellagen,  baf;  tro^  fo  vieler  Vorarbeiten,  benen  fic^  aud^  bie  berbicnftooUen  liturgifAen 
arbeiten  \)on  Äarl  ßi^riftian  Sedfer  anreil^en   laffen,   no^  immer  feine  ©efc^ic^te  bes 

25  5JranIfurter  Sirc^entoefen«  ejiftiert. 

SBir  reiben  ^ier  fofort  an  bie  Seiträge  jur  ^olemif. 
3)en  ainlafe  ju  feiner   polemifc^en  3:^ätigfeit  bilbeten  bie  1852   in  granlfurt  gc^ 
l^altenen  S^fwitenjjrebigten,    bie  auc^  Don  ^roteftanten  biel    befuc^t  tourben   unb   obne 
^rage    großen    ©inbrud   auf  bie   3"^^^^  machten,    ©tei^   Veröffentlichte    gur   SBiba- 

30  legung  ber  Don  ^ater  9lo^  enttoidfelten  Setoei^rünbe  für  bie  Dl^renbeic^tc  eine 
Srofcl^üre:  „SBie  betoeifen  bie  ^efuiten  bie  ^Rotioenbigfeit  ber  Dl^renbeic^te?"  granffurt, 
Soelcfer  1852.  ©tei^  l^atte  in  feiner  Srofd^ürc  ben  9Jac^h>eig  geliefert,  bafe  bie  Dbren- 
beid^te,  toie  fte  feit  ^nnocenj  III.  galt,  leineötocg«  Don  Slnfang  ber  Äird^e  beftanben  bobc. 
dagegen   erfc^ienen   nun    in  3Jlainj  „Äat^olifd^c  SRanbbemerhmgen    ^u   einigen   erfcfcci^ 

35  nungen  ber  antifat^olifd;cn  Sitteratur"  (Don  Dr.  SWori^  Srüll),  toel^en  ©tei^  entgegen^ 
trat  in  einem  5Rac^trage  ju  feiner  ©cbrift:  ,,3)ie  SDRainjer  Saient^eologic  ober  »ergeblicf^e 
Äreuj-  unb  Querfuge  gur  9?erteibigung  ber  pä))ftlic^en  D^renbeic^tc",  granifurt  bei 
SSoeWer  1853.  5Run  aber  trat  ein  beffer  gerüfteter  ©treiter  auf  ben  Äamt)f}>la^,  ba 
nad^^er  |^um  3(ltfat^olici«mu«  übergetretene,  bamal«  aber   noc^  ganj   im  ultramontanen 

40  gal^rtoaffer  treibenbe  ^aberbomer  ^rofcffor  griebrid^  ÜRid^cli«  in  ber  ©d^rift:  „9lbh>ebr 
be«  t)on  $errn  ®eorg  gbuarb  ©tci^,  cb.4utl^.  ^Pfarrer  in  granifurt  a.  3K.  auf  bie 
latbolifc^c  Seid^tanftalt  gemad^ten  Slngriffö",  ^aberborn  1853.  ©tei^  antwortete  aue-- 
fül^rlic^  in  einer  grünblic^cn  2trbcit:  „2)ag  römifd^e  Sufefaframent  nai^  feinem  biblif(bcn 
®runbe  unb   feiner  gcfc^ic^tlid^en  ©nttoitflung  bargefteßt  unb  fritijc^  beleuchtet",   %xanl 

45  fürt  a.  3W.,  5Boelcfer  1854. 

SDiefen  polcmifd^en  ©d^riften  fc^loffcn  fid^  balb  bogmcngcfd^id^tlic^e  Strbeiten  über 
bertoanbte  fragen  an.  Um  jcne3^it  tourbe  auf  bem  Sremer  Äird^entage  bie  grage  an- 
geregt,  ob  man  nic^t  bie  ^ribatbeic^te  mx  §ebung  be«  lird^lid^en  Seben«  toieber^erfteöcn 
füHc.   3)ie«  beranlafete  ©tei^  jur  2lbfa)fung  einer  Weiteren  ©cj^rift,  in  ber  er  fici^  gegen- 

50  über  ber  neulut^erifc^en  9flicl>tung  gegen  bie  SöicberberfteHung  biefer  gnftitution  au^fpracb: 
,,3)ic  ^rit)atbeid(>tc  unb  $rit)atabfolution  ber  lutbcrifc^en  Kird^e  au«  ben  Duellen  be» 
XVI.  ^a^rl^unbert«  au«  Sutl^er«  ©c^riften  unb  ben  alten  fiirc^enorbnungen  bargefteHt/' 
granffurt  a.  M.,  SSoeldfer  1854.  §ier  Werben  42  fragen  über  bie«  Snftitut  au«  ben 
Ürfunben  ber  9lcformation«,^eit  in  fafilic^er  SBeife  beantwortet,  unb  babei  ein  reiche«  biftc- 

56  rifc^e«  Sltaterial  jur  Gntfc^eibung  für  ober  Wiber  bargeboten.  SSon  nun  an  fing  ©tei| 
au,  „fic^  im  ©ebiete  ber  ©aframente  ganj  anf äffig  gu  machen".  Wie  e«  in  einer  5lecenru»n 
Reifet.  @r  ^at  bie  Grgebniffe  feiner  ©tubien  unter  anberem  in  mehreren  fefar  umfang= 
reid^en  2lrtileln  ber  ^Weal=6nct;llopäbie  nicbergelcgt,  unter  Weld^en  befonber«  ber  ärtifcl 
„©aframente"  ^ertoor^u^eben  ift. 

60         Sei  biefen  Untcrfu(^ungen  l^atte  ©tei^  bie  Se^rentWidfelung  im  Slbenblanbe  faft  au^ 


eteU;  803 

fd^Itegltc^  im  3(uge,  [o  ba^  babet  bte  eigentümlichen  ®ebanlen  ber  griec^ifc^en  Xl^eologie 
nic^t  ^n  il^rem  Siechte  famen.  ^a  e^  in  SSejug  auf  bie  leiteten  noc^  böQig  an  SSor« 
arbeiten  fehlte,  untemal^m  er  ^,  in  einer  längeren  ©erie  bon  fortlaufenben  älrtifeln  in 
bcn  ^t)Xf)  (1864—68)  „bie  aibenbmol^telel^re  ber  gried^ifc^en  Äird^e"  in  ber  Kontinuität 
il^rer  Se^renttoiielung  Dorjufül^ren.  35iefe  STb^anblung  mit  il^ren  500  ©eiten  ift  too^I  5 
bie  umfangreic^fte  ÜMonogra})^ie  bie  je  in  einer  beutfd^en  t^eologifc^en  3^itfci^rift  erfd^ienen 
ift.  ^m  ©egenfa^e  m  berfd^iebenen  SJerfuc^en,  jenen  bogmatifc^en  ^rojeft  bom  Ion* 
feffioneHen  ©tanbjpunfte  barjufteHen,  fc^ilbert  er  feinen  ©tanbj)unh  in  folgenben  SBorten 
(1864,  ©.  112):  „2)er  Dogmen^iftorifer  i)ai  bie  ©tettung  au^gumitteln,  toelc^e  bie  ein« 
gelnen  Kirc^enle^ren  aU  organifc^e  @lieber  in  bem  @anim  ber  @ntn)idfelung  einnehmen,  lo 
©einen  eigenen  fonfeffioneHen  ©tonbbunft  mufe  er  jtc^  babei  auf  ba^  forgfältigfte  ber« 
l^ütten  unb  entrücfen.  Db  eine  gefcpic^tlic^  gegebene  3lnfi(^t  mit  biefem  gufammentrifft 
ober  nic^t,  barf  i^n  ioeber  jur  fjreube  nod^  jur  Iraner  ftimmen ;  benn  bie  ©efc^ic^te  fott 
toeber  get)riefen  nod)  beilagt,  fonbem  begriffen  ioerben".  3)a^  ßnbergebni^  ift,  bafe  bie 
^(nfcbauung  ber  @riec^en  jtc^  bi^  jur  @rric^tung  bed  lateinifc^en  ftaifertum^  nid^t  mit  i6 
ber  2;raniSfubftantiation  bedt,  fonbem  Dielme^r  ben  Slamen  Transformation  berbient, 
unb  bafe  erft  burc^  bie  Florentiner  UnionSber^anblungen  bie  juetavoicootg  in  ber  orien* 
talifc^en  Äirc^e  ©ingang  gewonnen  f)at  —  toomit  bie  fel^r  beftec^enbe  33e^auj)tung 
römifd^er  Dogmatifer,  als  muffe  jene  Seigre  fc^on  bor  ber  3:rennung  beiber  Äird^en  im 
3Korgenlanbe  beftanben  l^aben,  hinfällig  toirb.  ao 

3[n  baS  ©ebiet  ber  ©afeamente  fc^lagen  ioeiter  ein  bie  äuffä^e  über  „bie  S3u6* 
biSjij)lin  in  ber  morgenlänbifd^en  Äird^e  in  ben  brei  erften  S^^^^i^^unberten"  (3b3^  1863, 
©.  91—184)  unb  über  ben  neuteftamentlic^en  Segriff  ber  ©c^lüffelgetoalt  (©tubien  1866, 
©.  435—483).  Sn  le^terer  äb^anblung  berfuc^t  er  fid^  auf  ainlafe  einer  früher  {^t)%f)  IX, 
©.  782)  burc^  i^n  angezeigten  ©(^rift  bon  Sl^renS:  „3)aS  ämt  ber  ©d^lüffel"  bon  neuem  26 
mit  bem  ^ier  borliegenben  Probleme  ber  bibtifd^en  i^eologie.  6r  ft)ric^t  fid^  auS  gegen 
jebe  ©d^eibung  gtoifc^en  ber  ©d^lüffelgetoalt  einers  unb  ber  Sinbe*  unb  Söfegetoalt  anberer« 
feitS,  ioie  er  fie  felbft  frül^er  angenommen  unb  erflärt,  bafe  bie  SluSbrüdfe  „Sinben  unb 
Söfen"  entf})rec^enb  bem  rabbinif^en  ©jjrac^gebrauc^f  bie  Sebeutung  ^aben:  „ßntfc^eiben, 
n>aS  ate  berboten  unb  erlaubt  ju  gelten  f)abt/'  fo  ba^  bie  SBäenbung  2Rt  16  nur  ein  ao 
2(uSbrutf  für  bie  gefe^ebenbe  unb  ric^tenbe  (Seloalt,  nic^t  aber  für  bie  SBolImac^t  ber 
©ünbenbergebung  fei. 

3n  baS  (Sebiet  ber  3)ogmengef(^tc^te  gehören  ferner  feine  meiftcn  übrigen  3lrtilel  in 
ber  ®ncvfloj)äbie.  3)ie  älrtilel:  S^fw^t^^^orben  unb  ÜJlaria,  3Rutter  beS  §erm,  fmb  ben 
lat^olifd^en  ^olemifern  befonberS  ein  Dom  im  SÄuge  getoefen  (bgl.  beutfc^^ebangelifc^e  35 
»lätter  1883,  ^cft  IV,  ©.  275:  „ßine  t^atfäc^lid^e  Berichtigung  ju  ^anffen:  an  meine 
Äritifer").  Unb  boc^  ^attc  ©tei^  gerabe  ben  S^fwJten  Gegenüber  ferne  toiffmfc^aftlid^e 
Unbefangenheit  betoiefen  in  einem  äluffa^e  über  „3)ie  Söebeutung  ber  mittelalterlichen 
gormel  obKgare  ad  peccsatum  mortale"  (3b3^  1864,  ©.  146—164),  in  bem  er  nad^» 
loeift,  bafe  biefe  nic^t  nur  bei  bem  ^^fwitenorbm  gebräud^lid^e  SBmbung  leineStoegS  bie  40 
S}erj)flic^tung  ju  einer  Xobfünbe  bebeuten  fönne,  toie  bicle  angmommen  Ratten  (bgl. 
auc^  ©i4)plementbanb  XIX,  ©.  671). 

SßJirfc^liefientoeiter  an  bie  Seiträge  bon  ©teife  jur'neuteftamentlic^enginleitungSs 
toiffenfc^aft.  ^n  mel^reren  Slrbeiten  ift  er  für  bie  gc^tl^eit  beS  ^oi^önneSebangeliumS 
gegen  bie  Xübinger  ©c^ule  eingetretm,  bie  er  jtoar  nid^t  burc^auS  befäm^)fte,  inbem  er  46 
i^re  loefentlic^en  Serbienfte  um  bie  Söiffenfc^aft  too^l  ^u  toertm  toufete,  an  ber  er  aber 
bie  ©ud^t  „JU  fc^ematifieren  unb  ben  gefc^id^tlic^en  ©nttoiielungSgang  nac^  logifd^m 
Äategorien  ju  beftimmen"  getabelt  l^at.  ^^\t  griff  er  ein  in  ben  feit  lange  fc^toebmben 
©treit  burd^  bie  Slbl^anblung:  „2)ie  3)ifferenj  ber  Cccibentalen  unb  ber  Äleinafiatm  in 
ber  5ßaffa^feier",  ©tubien  1856,  ©.  721—809,  in  toeld^er  er  bie  Se^uj)tungen  bon  60 
aSei^el  („2)ie  c^riftlic^e  5ßaffa^feier  ber  brei  erften  S^'^if^wn^^^'Oj  toelc^er  brei  ber= 
fc^iebene  Parteien  annahm,  im  toefentlic^m  ju  begrünbm  fud^te,  an  einigen  $unltm  aber 
mobifijiert  ^at.  Sluf  eine  gegen  i^n  gerid^tete  2lb^anblung  33aurS  folgten  „®inige  ioeitere 
Semerfungen  über  ben  ^^affal^ftrcit  beS  2.  ^a^r^unbertS"  (©tubien  1857,  ©.  747);  unb 
auf  jtoei  2luffä^e  bon  ^ilgenfelb  unb  eine  9iej)lif  bon  Säur  bie  britte  älb^anblung  in  66 
biefer  ©ac^e:  „2)er  äft^etifc^e  ß^aralter  ber  ßuc^ariftie  unb  beS  g^^ftenS  m  ber  alten 
Äirc^e"  (©tubien  1859,  ©.  716—740).  ©tet|  fuc^t  ^ier  bm  Slac^toeiS  ju  liefem,  bafe 
bie  Äleinafiaten  am  14.  9Jtfan  ß^rifti  lob  als  ben  äbfc^lufe  beS  ©rlöfungStoerfeS  bur(§ 
Scfc^lufe  beS  bem  ©ebäc^tniS  feiner  Seiben  getoibmeten  gaftmS  in  freubiger  SBeife  ge^ 
feiert  ^ättm.    2luf  biefelbe  grage  lam  er  noc^f  ein  le^teSmal  jurüd  in  bem  Sluffaft:  eo 

51* 


804  ®tri^  Steti^att  I.,  ^op^ 

,,3)er  ß^araltcr  bcr  tlcinafiatifd^en  Äird^c  unb  gcftfitte  in  ber  3Ritte  bcö  2.  S^W^"^^^" 
föbSC^  1861,  e.  101—141). 

ßinc  anbete  ÄontroDerfe,  an  ber  ftc^  ©tci|  beteiligte  betraf  ba^  fog.  ©elbftjeugni^ 
bcö  ©Dangeliften  ^o  19,  35.    gn  ber  äb^anblung  „Über  ben  ®ebrau(^  be«  »ßronomenö 

6  ^xervoff  im  4.  gbangelium"  (©tubien  1859,  ©.  497—506)  tritt  er  für  aBct^el  ein, 
tüelc^er  bie  ^bentität  be«  ©bangeliften  unb  beö  äugenjeugen  für  ben  natürlicben  ©inn 
ber  SBorte  erllärt  f)atU,  ^n  einer  jtDeiten  arbeit  „Der  claffifc^e  unb  jo^anneift^e  &<- 
braud^  be«  ixelvog''  (©tubien  1861,  ©.  267—319)  toeift  er  bann  gegen  §UaenfeIb  unb 
Suttmann   eingel^enber  nad^,  ba^  jcmanb  unter  getoiffen  SBorau^fefeungen  f\^  felbft  mit 

10  ixeivog  bejeic^nen  lönne.  SDie  jo^anneifd^e  %xaQ^  toirb  auc^  einge^enb  be^anbclt  in  ber 
SKbl^anblung:  „S)eg  ?paj)iaiJ  bon  $iera^)oli«  äu^Iegung  ber  SReben  be^  ^ctxn''  (©tubien 
1868,  ©.  63—95).  §ier  fud^t  ©tei$  befonber«  nac^julueifen,  bafe  ^^ßapiad,  toie  fion 
©ufebiu«  annimmt,  nic^t  ein  §örer  be^  äipoftete,  fonberiJ  bei^  ^ßre^bi^tcre  So^nne^  gc= 
luefen  fei,    toobei  er  bie  Don  ^ai)n  be]^auj)tete  S^^ntität  beiber  beftreitct.    3"  ^^^  ä"^' 

16  fa^e:  „2)ie  2;rabition  Don  ber  Söirifamleit  be«  äJ)ofteI  ^oi^anned  in  @pf^\u^"  (©tubien 
1868,  ©.  487—524)  tritt  er  für  bie  guDerläfftgleit  biefcr  Don  Äeim  bcfäm^jften  Uba- 
lieferung  ein.  §ier  mad^t  er  übrigeng  bem  ®egner  ba^  3.i*geftänbnig,  bafe  er  bie  ^age 
nac^  ber  jol^anneifd^en  Slbfunft  be«  (SDangelium«  auc^  je^t  no(^  für  ungelöft  baltc. 
5Bie  loenig  ©tei^  überl^auj)t   geneigt  toar,    in  biefer  ©ac^e  SBaffen  Don    jtoeifelbafton 

20  äSerte  ^u  gebrauchen,  toie  fe^r  c^  i|m  um  eine  unbefangene  gorfc^ung  ^u  t^un  tüäx,  be- 
loeift  fein  Sleferat  über  bie  )Don  ^itra  ebierte  Clavis  Melitonis,  „ba«  angebliche  3^3^ 
ni«  be«  3KeIito  Don  ©arbe«  für  ba«  jo^anneifd^e  ©Dangelium"  (©tubien  1857, 
©.  584—596),  in  toeld^cm  er  bie  Uned^tf;eit  biefer  erft  im  3RitteIaIter  cntftanbencn 
©d^rift  betoiefen  l^at 

-6  Slu^erbem  toar  ©tei^  ^Mitarbeiter  mel^rerer  Äirc^engeitungen  foloie  ber  „aiffgemeincn 
beutfc^en  Siogra^)l^ie",  für  bie  er  ba«  Scben  mcf;rerer  berDorragenber  ^anffurter  $erföm 
lid^feiten  gefc^ilbert  l^at. 

©d^Iie^Iic^  ift  noc^  ju   erloäl^nen,   ba^  er  auc^,    abgefel^en  Don  ber   granffurtcr 
SReformation^gefc^ic^te,  manche  SSerbicnfte  um  bie  Sofalgefc^id^te  ber  ©tabt  ficb  ertoorbcn 

30  bat.  ©enauere«  barüber  gel^ört  nid^t  in  ben  SRal^mcn  biefer  ©fijje ;  l^^ier  feien  nur 
^erDorgel^oben  baö  Seben^bilb  Don  ©taat^rat  ©tei^,  feinem  (Sro^o^eim,  unb  bie  Sio^ 
graj)l5>ie  be«  ©efc^id^t^fd^reibcr«  ^^farrer  2lnton  Äirqner.  Dr.  phil.  bedient 

©tc^Iian  I.,  $aj)ft  (3Jlai  254  bi«  3luguft  257).  —   gaff^  I,  8.20;  Euseb.  H.  e. 
VII,  2 ff.;  Lib.  pont.  I,  (5.  33  ber  ^luSg.  ü.  ^OJommfen;  ^^wci  Briefe  C£l)priand  an  ifjn  in  beiden 

85  ^rieffantmlung  (ep.  68  u.  72).  fiipfiu^,  Stironologic  ber  röni.  ^ifcf)5fc  3.212;  Sangen. 
®efd)ic^tc  ber  röm.  tircfie  ©.313;  ^arnac!,  (öefd).  b.  altdjr.  Sitt.  I,  6.656,  II,  2,  S.t32, 
356  ff.,  411;  (Srnft,  $apft  >Stept)an  I.  unb  bcr  Äc^ertaiifitreit,  1905;  f.  auc^  bie  l*itterQtu: 
beim  ?lrt.  Äe^ertaufe  S3b  X  6. 270. 

©tejj^an  I.  ift  einer  ber  toenigcn  unter  ben  früheren  römifc^en  S3ifd^ijfen,  Don  bacn 

40  $erfönli(^Ieit  fid^  eine  einigermaßen  lebenbige  SSorftcHung  gewinnen  läfet:  ein  9)?ann  floi, 
f onfequent,  felbftbelou^t  unb  rücffic^tölo^,  bebac^t  auf  bie  Jpebung  ber  ©tettung  ber  Sifcböfe 
im  aHgemeinen  unb  ber  eigenen  ©tcHung  al^  römifc^er  Sifc^of  inebefonberc.  2)ie  erfte 
3iüdfi^t  beftimmte  fein  Ser^alten  gegen  bie  93ifd^öf e  Safilibe«  Don  (Smerita  unb  9)fartiali5 
Don  Segio   unb  Slfturica   unb   beren  (Semeinben,   Dietteid^t  auc^   fein  3*^0^^^    gegenükt 

45  bem  noDatianifd^  gcfinnten  5Utarcianuö  Don  Slrleö  (Cypr.  ep.  68,  ©.  744  f.  ber  SlUcncr 
aiu^gabc).  2)ie  genannten  fpanifc^en  Sifd^ijfe  toaren  notorifc^  libellatici  unb  lourbcn 
infolge  beffcn  i^rer  3imter  entfei^t.  ^n  orbnungömä^iger  aSeife  tourbe  bann  ein  getoiffcT 
©abinu^  ;ium  Sifd^of  Don  Gmcrita  getoä^It.  2)ie  Slbgefe^ten  aber  a^jjjeHierten  an  ©tepKm 
unb  biefer  fam   auf   ben   einft  Don  ÄaHiftu^   aufgefteUten  ©runbfafe  (Philos.  IX,   12, 

&o  ©.  458)  ;;urüd,  bafe  ber  Sifc^of  unabfe^bar  fei,  unb  erfannte  bie  Slbfc^ung  beiber  nid»! 
an.  6^  fc^cint  jebod^  nid^t,  ba^  er  burc^jubringen  Dermod^te;  bie  ©Danier  erfuc^ten  bie 
3tfrifancr  um  ein  ©utac^ten  unb  bicfc  erflärten  fic^  fo  entfd^ieben  für  bie  Slbfe^ung, 
ba^  jene  fc^toerlic^  ibren  ©taubpunft  Derlaffen  l^aben  loerben  (Cypr.  ep.  67,  ©.  735f. 
Über  bie  i)atierung  f.  «f)arnacf  II,  2   ©.348).    9Benn  fc^on  l^ier  6^j)rian  DonÄartba^c 

55  ben  SBeg  ©tep^an^  frcujte,  fo  fam  eö  jum  Äampf  unb  Srud^  jloifd^en  beiben  ^Hiänncm 
über  bie  grage  ber  Äe^ertaufe.  !^nbem  ic^  für  baö  ©ac^Ud^e  be^  ©treitcö  auf  ben 
airtifcl  Äe^ertaufc  S3b  X  ©.270,47  (Dgl.  auc^  ben  Srt.  g^i^rian  93b  IV  ©.371,57) 
Derioeife,  bebe  idh  ^icr  nur  ba^  b^rDor,  ioa^  ^\\x  (Sb^rafteriftif  ©tep^an^  unb  feiner  ^xiU 
bient.    Si^cnn  (Si^prian  in  bcgreiflicf^er  ^"lonfequenj  jloar  bie  -i&Jiebertaufe  ber  Äc^er  al» 


eteti^on  I.,  ^iMifi         SUpffan  IL,  ^opfk  805 

notlDcnbig  forbertc  (ep.  69  ff.,  ©.  749),  e«  aber  Sif^öfen,  bie  anbercr  Überzeugung  toaren, 
nic^t  üertpc^ren  tooUtc,  i&äretifer  obne  3^fe  m  bie  ©emeinbe  aufjunel^men  (ejp.  69, 17, 
©.  765;  ep.72,  3,  @.  777;  ep.  73,  26,  ©.  798),  fo  toar  ©te^j^an  ganj  anbererSKeinung; 
er  verlangte  au^na^m^Io^  Unterlaffung  bcr  SBtebertaufc  unb  bob  bie  Äirc^engemeinfc^aft 
mit  benen  auf,  tDeld^e  anber^  b^nbelten  (Cypr.  ep.  74,8,  ©.  805;  ep.  75,  6,  ©.  813;  6 
25,  ©.826 f.;  Eus.  h.  e.  VII,  5).  ßine  ©efanbtfd^aft  bon  afrilanifc^en  Sifc^öfen 
na^m  er  bemgemäf;  über^au^jt  nic^t  an,  \a  er  Derbot  ben  römifc^en  ©emeinbegliebern  jte 
aud^  nur  ju  beherbergen  (ep.  75,  25,  ©.  826).  ©ein  (Srunb  mar,  bie  Äe^ertaufe  fei 
eine  Steuerung,  fte  Derftofee  gegen  bie  Überlieferung  ber  römifc^en  Äirc^e,  biefe  Überliefe* 
rung  aU  bie  be«  betrug  unb  $aulug  aber  jei  ®efe$  für  atte  (ep.  74,  Iff.,  ©.  799 f.;  lo 
4,  ©.  802 ;  9,  ©.  806;  ep.  75,  5,  ©.  813;  17,  ©.  821;  19,  ©.  822).  ©le))l^an  be* 
anft)ruc|^te  alfo  noc^  nic^t  bie  ©teUung  eine«  Dberbifc^of^  über  bie  (Scfanitfird^e,  beffen 
ßntfc^eibungen  überall  ßJe^orfam  ^u  finben  ^aben;  aber  er,  ber  Slad^f olger  be«  $etru^ 
(ep.  75, 17,  ©.  821),  ^anbelte  ateSSertreter  ber  römifd^cn  ^irabition  unb  für  fie  forberte 
er  ©e^orfam,  o^ne  abtoeic^enbcn  Übungen  unb  Vernunft-  ober  ©d^riftgrünben  irgenb  is 
h^elc^e^  ©etoic^t  bagegen  einjuräumen. 

&ttpf)an  ftarb  am  2.  Sluguft  257;  erft  ft)ätere2lngabenh)iffen  Don  einem  SKarti^rium 
(Lib.  pontif.),  fmb  jebo(^  unglaubloürbig.  ^aiti!. 

Sitpffan  II.,  $aj)ft,  752—757.  —    C^auptquelfe  ift  bie  Vita  Stephani  IL  tmLiber 
pontific  I,  @.  440  ber  ^^u^Sgobc  ö.  3)ucöcÖnc,  fobonn  bie  im  Cod.  Carol.  entgoltenen  93vicfc  20 
te^  ^Qpftö ;  öon  ben  frönt.  ClucQen  ift  am  njid^tigftcn  bie  Sortfc^ung  bcr  S^ronit  grcbegarg. 
3aff^  I,  ©.271  f.:    ©idcl,   Acta  Carol.  II,  3Bien  1868,   @.380f.;   33ö^mer--^ül)lbad)er,  Re- 
gedta  imperii  I,  Snndbrucf  1889,  8. 82  ff.;   \).  SRonfe,  ©cltacfd).  V,  2  l*cipjia  1884,  ©.27  ff.; 
ÖJrcgoroDiu^,  ®efd^.  b.  ©tobt  SRom  im  Wi.  U,  ©tuttgart  1859,  ©.304 ff.;  JRcumont,  ®cfd). 
bcr  ©tabtgflom  II,  93crlin  1867.  ©.  113ff.;  «ajmonn,  3)ic  ^oliti!  b.^öpftc  I,  (Slbcrfclb  1868,  26 
©.233 ff.;    rnttenbod),  ®cfd)id)tc  beö  römifdicn  ^apfttumd,    93erlin  1878,  ©.37;    Sangen, 
®cfd)i(^tc  bcr  rümifd)en  Äircbe,  JBonn  1885,  ©.  649 ff.;   gicfcr,  gorfcöungcn  jur  SReidjg*  unb 
$Red)tö9cfc6i(^te  3tQlienä  II,  gnndbrud  1869,  ©.329;  OclSncr,  gaftrbb.  bc8  frönfifdjen  JReid)« 
unter  Slönig  ^ippin,  Seipj^ig  1871,  ©.115;    Kaufmann,  ^eutfd)c  ®efrf)ic^tc  II,  fieipjig  1881, 
©.291;  $>aucl,    ft®  3)eutic^lanb§  IP,   1900,  ©.  17ff.;    \).  ©t)bcl,   AI.    l)iftorifd)e  ©d)riften  ao 
III,  Stuttgart  1880,  ©.67;    (iJenelin,  3).  ©AentungSöcrfprecöcn  unb  bie  ©Äcnfung  ?5ippind, 
'äSicn  1880 ;    Xftelen,   3)ic   ßöfuni]   ber   ©treitfrage   über    bie    93cr^anblunflcn    ^ippin^i   mit 
©tep^on  II.,  Oberläufen  1881 ;  9)iartenß,  3).  röm.  gragc  unter  ^ipptn  u.  äcixl  b.  ®r.,  ©uttg. 
1881,  ©.  6 ff.;  bcrf.,  9?eue  (Erörterungen  5.  röm.  fjragc,  ©tuttg.  1882;  berf.,  SBelcud)tung  ber 
neueften  itontrouerf.,  ^Hind)en  1898;  -lipirfd),  ^ic  ©djenfungen  $ippin§  u.  Ataris  b.  ®r.,  ^Berlin  86 
1882;  öampredjt,  3)ic  röm.  tixac[t,  i^eip^ig  1889;  ©d)niirer,  2)ie  entftcftung  be«  Äirt^enftaat*, 
Äöln  1894;  fiinbner,  3)ie  fog.  ©djcnfungen  ^Mppin^,  Äarlö  b.  ÖJr.  u.  Ctto^  I.,  ©tuttg.  1896; 
fetterer,  Slarl  b.  ©r.  u.  bie  Äird)e,  3Jlünd)en  1898;  fiilienfcin,  Xic  ^(nfdiauungcn  \)on  ©taat 
unb  Äird)e,  $>eibelb.  1902,  ©.  8  ff. ;  ©c&nürer  u.  llHüi,  3).  Fragmentiim  Fantuzzianuin,  greiburg 
1906;  ugl.  auc^  MG  DK  I,  ©.  55 ff.;  ^JMe^uö  ^3^0  II,  ©.  221;  ©eilanb,  819?,  3^&  II,  ©.  368;  40 
JJunf,  2:^D©,   LXIV,   ©.603;    ©d)cffer=33oid)orft,   m^&&,  V,    ©.193;   Äc^r,  ^3,  LXX, 
6.385;  (4Jg9l  1895,  ©.694  u.  1896,  ©.  128;  ed\auht,  ^3.  LXXII,  ©.193;  ©irfel,  2)3®© 
1894,  ©.  301;  ©adur,  3J13CÖ).  XVI,  ©.399  u.  XIX,  ©.55. 

9iac^  bem  2:obe  beg  ^ad^aria^  (22.  ober  23.  ÜKärj  752)  h)ä^lte  ba«  römifd^e  Soll 
einen  ^re^b^ter  ©te^^an  ^u  feinem  9Jac^f olger,  ber  jebodp  am  vierten  %aQ  nai)  ber  SBa^I,  46 
nod^  e^e  er  int^ronifiert  toar,  ftarb.   3"f*^l9^  't>^f\^n  >)flcgt  man  i^n  nic^t  xu  jäblen.   3^ 
feinem  9kd)folgcr  tourbe  aföbalb  ein  3)iaIon  ©te^)^an  gehjä^lt;  bie  Äonfefration  erfolgte 
am  2.  3t))ril  752. 

3)ic  ^oliti!  Bi^i}an^  loar  bebingt  burd^  ba^  5Ber^ältni^  5Komg  ju  ben  Sombarben. 
5}ac^bem  GJrcgor  III.  bergcblid^   bei  Äarl  3)iarteß  $ilfe  gegen  ba^  Vorbringen  berfelben  60 
erbeten  l^atte  (Cod.  Carol.  ep.  If.  MGEE  III,  ©.  476  f.),  War  e«  3ac^aria^  gelungen, 
nid^t  nur  ben  ^rieben  mit  ben  gefäl^rlid^en  9?ac^bam  aufrecht  gu  erhalten,  fonbem  avai) 
bie  päpftlic^cn  3^ccf e  i^nen  gegenüber  ju  erreichen,  o^ne  bafe  er  nötig  ^atte,  frembe  §ilfe 
in  Slnfpru^j  ju  ncl^men.    ©ein  lob  aber  hxai)iz  fofort  alle«  ing  ©^toanlen:   bie  Som« 
barben  l^ieltcn  nun  ben  iÄugenblid  für  gefommen,  um  i^r  alte^  3^^^  ^i^  (Sinberleibung  66 
ber  tiefte  griccbifc^er  §crrfd;aft   in  Italien   in  il^r  SReic^,   ju  bcrioirflicbcn.    Stejj^an  fap 
fid)  baburcb  unmittelbar  bebrol^t.    ©c^on  im  britten  3)ionat  nac^  feiner  Crbination  toar 
er  genötigt,   eine  ©efanbtfd^aft  mit  reicben  (55efc^enfen  an  fiönig  Sliftulf  ju  fenben,   um 
bie  ^lufrec^ter^altung  be^  ^riebenö  ^u  erlangen.    3)er  ©clranbtbeit  ber  Unter^änbler  — 
c^  njaren  ber  Sruber  be^  i'opfte^,  ber  3)iafon  ^auluig,  ber  757  i^m  in  ber  ^äj)ftlicl^en  eo 
jyürbe  folgte,  unb  ber  ^kimiceriu^  Slmbrofiu^  —  gelang  e«,   Sliftulf  jur  3"?^0^  ^^"^ 
bieräigjä^rigcn  griebcnsJ  ju  beftimmen.    Slber  ber  SSertrag  tourbe  atebalb  jerriffen:   ber 


806  Steti^an  II.,  ^o)ifi 

Äönig  cr^ob  Slnfpruc^  auf  btc  $ertfc^aft  in  9lom  unb  bcm  römtjd^cn  3^ufal;  fc^on  im 
Dftobcr  752  mu^tc  eine,  neue  grieben^gefanbtfd^aft  an  'if)n  abgcjanbt  toerbcn.  ©te})b<m 
tväi)lU  al^  Solen  bie  Stbte  jhjeier  auf  lombatbifc^em  ®ebiete  gelegenen  Älöfler,  aber 
3liftulf  crfannte  fie  gar  nic^t  al^  (Sefanbte  an ;  er  fc^icfte  fic  in  il^reÄlöfter  gurücf,  inbem 

6  er  i^nen  Derbot,  ftdb  ju  ©tep^an  ju  begeben.  5?ic^t  mel^r  eneid^te  ein  faiferlic^er  Seamtcr, 
ber  ©ilentiar  3i^(^önne^,  tüeld^er  eben  in  fRom  eingetroffen  toar  unb  fic^  öon  ba  ju 
3liflulf  begab.  3)er  $aj)ft  mufete  erfennen,  bafe  er  einem  gu  allem  entfd^loffencn  geinh 
gegenüberftcl^e.  3)a^  gan;\e  5Berfa^ren  3liflulf^,  bie  Slufeerungen,  bie  t>on  i^m  überliefert 
tüerben,   atf^men   eine  (Erbitterung,   tüelc^e,   nac^bem   er   eben   bie  3w|^9<^   ^^"^   langen 

10  griebenö  gegeben  ^atte,  ßrftaunen  erregt.  §atte  er  ®runb,  ber  2reuc  be^  ^aj)fteö  ^u 
mißtrauen,  unb  mar  baburd^  ber  ©rimm  beg  gornmütigen  Äönig^  erregte*  6^  ift  n\d)i 
unmöglid^;  benn  ©tej^^aniS  ^olitil  tüar  in  jeber  ^inftqt  boppeijüngig.  ®oc^  toie  bem 
auc^  fein  mag,  feine  Sage  toar  bie  übelfte;  er  IJ^ielt  ^rojeffionen  unb  ©otte^bienfte,  um 
bie  göttliche  .öilfe  ^n  erflehen,  er  fc^idte  Soten  nac^  Äonftantinopel  mit  ber  Slufforberung, 

16  ber  Äaifer  foÜe  ein  §eer  fenben,  um  9lom  unb  Italien  ju  befreien.  @ö  toax  eine  Sitte, 
beren  3*^<^tflofigfeit  er  fic^  \voi){  felbft  nic^t  berl^e^lte. 

3;n  biefer  Sage,  grü^jalj^r  753,  hjieber^olte  ©tep^an  ben  SSerfud^,  ben  ©icgor  III. 
Dergeblid^  gemacht  ^atte:  er  fud^te  §ilfe  bei  ben  granfen.  SBie  l^attcn  fic^  boc^  bie 
Ser^ältniffe  5Komg  mm  granfenreid^  injmifd^en  beränbert.    ^n   ftetem  ^erlc^r  mit  brei 

20  $äj)ften  j^atte  Sonifatiu^  bie  fiird^e  im  rec^t^rl^einifd^en  2)eutfc^lanb  mäd^tia  au^ebreitet, 
bie  fränlifd^e  Äird^e  auö  ilj^rem  tiefen  Verfall  erhoben.  §atte  Äarl  3Jlarteu  t^n  nur  ge= 
tpä^ren  laffen,  fo  maren  feine  ©öl^ne  auf  bie  fird^Iic^en  ^kU  be«  t)ä})ftlic^en  Segaten 
eingegangen;  fc^Iie^Iic^  trat  ber  greife  (Srj^bifc^of  mbm  $iJ)J)in,  ber  auc^  bie  Seitung  ber 
lird^lid^en  3)ingc  in  bie  §anb  naF?m,   in  bie  gtoeite  Sinie  jurüd.    Unb  ^ij}>)in  h>ar  bem 

26  j)äj)ftlid^en  ©tu^Ie  ber^jflic^tct ;  3öc^aria^  l^atte  feinSebenlen  getragen,  mit  ber  geiftlic^en 
Slutorität  be«  9?ac^folger^  ^etri  ben  nottpenbigen,  aber  Siecht  unb  3:reuc  fränfenben 
©d^ritt  ju  becfen,  fraft  beffen  ^ijjpin  bie  Ärone  trug. 

®am  anber^  mufete  nun  bie  Sitte  beö  Raffte«  um  §i(fe  aufgenommen  tperben, 
al^  breigc^n  ^al)xt  bor^er.    3luc^  toar  ©tej)^an  entfd^Ioffen,  e^  nid^t  toiebcr  ju  einer  'Hb- 

30  lel^nung  fommen  ju  laffcn.  3Jlan  [xtljt  e^  barau^,  bafe  er  eine  jjerfönlic^c  3^ffl"i»"cn- 
fünft  mit  '^xppxn  in  Sorfc^lag  hxai)U :  er  bat  ^ij)j)in,  i^n  ju  einem  Sefuc^  be^  frönfifc^cn 
SReid^^  burd^  eine  eigene  ©efanbtfc^aft  aufforbem  gu  laffen.  9lur  auf  biefcm  3Sege 
f onntc  ber  9Biberfpruc^  Sliftulf^  bermicben  toerbcn.  ^m  tiefften  (Se^eimni^  fanbtc  ©tepban 
feine  Slufforberung  an  ^ippin,   ein  rüdtfel^renber  ^ilger  toar  ber  Überbringer   be^  pcip^ 

35  lid^en  ©d^rcibensg.  ^ippin  fc^idftc  fofort  3)roctegang,  2lbt  D.  3""^^^^^  (Mon.  Gemeti- 
cense  in  ber  5?ormanbie)  nad^  9lom,  er  foHte  bem  ^apfte  berfic^ern,  ber  Äönig  n?erb€ 
allen  feinen  aBißen  erfüllen,  ©te^ban  anthjortete  burd^  einen  Srief  boll  überftömenbcr 
3)anlbarfeit  (Cod.  Carol.  4);  jugleid^  fud;te  er  ber  SereittoiHigfeit  ber  fränfifd^en  ©rofeen 
fic^  3U  öerfic^ern,  er  f))arte  ;\u  biefem  3^üede  iüeber  bie  (Erinnerung  an  ba^  jüngfte  ®ai(bt 

40  noc^  bie  Serl^eifeung  ber  ©ünbentoergcbung,  irbifd;cn  ©lüde^  unb  be^  etoigen  Sebcnö 
(ib.  5).  ^ann  erf^iencn  bon  $i))pin  unb  ben  fränfifd^en  ©rofeen  beauftragt  (Paul. 
Diac.  de  ep.  Mett.  MG  SS  II,  ©.  268)  be^g  Äönig^  D^eim,  Sifc^of  (S^robcgang  toon 
3Jle^,  unb  ber  3)ue  2lutc^ar  in  5Rom,  um  ben  ^a>)ft  nac^  bem  ^ranfenreic^  j^u  geleiten. 
(Sben  iüar  öon  Äonftantino^)el  eine  3(norbnung  eingetroffen,  bie  mit  ber  neuen  Sichtung 

45  ber  Jjäjjftlic^en  ^olitif  iDenig  übereinftimmte :  <BUpl)an  foüte  ftc^  ))crfönlid^  gu  2liftulf 
begeben,  um  burc^  gütliche  Serf^anblungen  bie  §erauögabe  StaDennad  unb  ber  ©table 
be^  (Jjard;atö  an  baö  SReic^  }^u  erlangen,  ©tepban  benü^te  ben  2tuftrag,  um  freien 
I)urc^3ug  burc^  baö  lombarbifc^e  ©ebict  |^u  erreid^en.  ^n  ^abia  traf  er  im  3iobember 
75:]  mit  3liftulf  ^iufammen;   bie  ikrl^anblung   über  bie  gried^ifd^e  gorberung  h)ar  reful- 

50  tatlov:^,  aber  ber  Steife  nac^  bem  granfenreic^  legte  ber  Sombarbenlönig  fein  öinbemi^  in 
ben  jyeg,  fo  fc^r  er  loünfd^te,  ber  '^ap\i  möge  fic  unterlaffen.  ©r  fc^eute  fic|  burd^  eine 
Sä^cigcrung  ben  Sruc^  mit  ^ij)})in  gu  Jjrobojicren  unb  verliefe  fic^  loo^I  auf  ba^  gute 
Scrbältni^,  ba^  unter  Sari  -}3JarteII  unb  Siutpranb  ^^jtoifd^en  Sombarben  unb  granfen  bc- 
ftanbcn  ^attc  (Paul.  Diac.  Hist.  Lang.  VI,  52  f.). 

66  2lm  15.  5}oücmbcr  75:3  brac^  ber  ^ap\t  bon  ^^abia  auf,  er  ging  über  ben  grofeen 
©t.  Scrnbarb ;  in  ©t.  ^}}?oriö  in  Sl^atti^  begrüßten  ibn  a(«  Soten  t>^  ßönigö  2lbt  gulrab 
t)on  ©t.  2)cni^,  bcffcn  toornebmftcr  Siatgcber  in  firc^lic^cn  3)ingen,  unb  ber  3)uj  Sotbarb. 
3(U  er  fid;  "i)ii)?^>in^  ^oflagcr,  baö  fid^  in  biefem  äBintcr  in  3)iebcnf^ofen  befanb  (Fred.  cont. 
30)   näherte,   fani  i^m,   t)on  feinem  i?ater  gefanbt,   ber  junge  Äarl,   ber  f^jätere  Äaifer, 

60  entgegen ;  cnblid;  am  6. 3^»"^^^  751  trafen  '^ippin  unb  ©tep^an  bei  ber  lönigüd^en  SSilla 


&tpftan  TL.,  ^opfk  807 

?Pontton  (Pontico,  Pons  Hugonis,  jtoifc^cn  Sitri^  unb  Sar  le  2!)uc,  35c)).  3Jlame)  j^u« 
fammen;  in  $ontion  fanbcn  nun  bic  Untcr^anblungen  jiluifc^cn  ^a))ft  unb  Äönig  ftatt. 
gränlifc^c  Duetten  laffcn  ben  5ßa))ft  im  attgemeinen  um  $ilfe  unb  ©d^u^  gegen  Sliftulf 
bitten  (Fred.  cont.  36;  Ann.  Mett.  j.  753,  ©.44;   Ann.  reg.  Franc,  unb  ®in^.  j. 

b.  3v  ©•  10  u.  11);  beftimmtcr  etgä^lt  bie  vita  Steph.,   er  ^abe  bie  fränfifd^e  Sinters  6 
Dention  gu  ©unften  be«  ^I.  5ßetru^  unb  bcr  respublica  Romanorum  geforbctt.  Sejog 
ft(^  ba«  erftere  auf  bie  SRüdgobe  be«  Patrimonium  Petri,  fo   toeit  e«  ber  römifc^en 
jftird^e  entzogen  toar,  fo  ging  baö  leitete  Diel  lueiter,  babei  toar  an  bie  ^erau^gabe 
SRabenna«  unb  be«  ßjart^at^,  aber,  h)ie  ber  ©rfolg  jeigt,  nit^t  an  bie  ©ried^en,  fonbem 
an  ben  5ßat)ft  gcbac^t,  fotoie  an  ben  SSerjid^t  auf  bie  feiten^  SliftuIfiS  in  änf^rud^   ge^  lo 
nommene  §errfc^aft  über  SRom  (bgl.  Fred.  cont.  36:   ut  . . .  tributa  vel  munera, 
quod  contra  legis  ordine  ad  Romanos  requirebant,    facere  desisterent  unb  V. 
Steph.  6,  ©.  441 :  (Aistulfus)  honerosum  tributum  huius  Romanae  urbis  inha- 
bitantibus   adhibere   nitebatur).     3)er  $a))ft    felbft  f^ric^t  bon  ber  Übergabe  ber 
römif^en  Äirc^e  unb  beiS  römifc^en  SBolfö  in  ben  ©c^u^  be^  fränfifc^en  Äönigg  (Cod.  i6 
Car.  8,  ©.496 f.;   9,  ©.499 f.;    10,  ©.  503).     5ßit)J)in  ging   auf  bie  Oebanfen  be« 
5pa))fteö  ein:  er  leiftete  il^m  baö  eiblic^e  3Jerft)rec^en,  omnibus  mandatis  eins  et  am- 
monitionibus  sese  totis  nisibus  obedire,  et  ut  Uli  placitum  fuerit,  exarchatum 
Ravennae  et  reipublicae  iura  seu  loca  reddere  modibus  omnibus  (V.  Steph. 

c.  26,  ©.  448.  20 

ffiö^renb  Bitptyin  für  ben  SReft  be«  Söinter^  in  ©t.  35enig  feinen  ©i^  nal^m,  be« 
gann  ^\p)ß\n  fein  3?erfj)red^en  ju  löfen  burd^  älbfenbung  einer  (Sefanbtfd^aft  an  äiiftulf, 
bie  benfelben  ju  frieblid^er  ©etüä^rung  ber  römifc^en  gorbcrungen  beftimmen  fottte;  fte 
blieb  refultatlo^  (Fred.  cont.  36 f.;  Ann.  Mett.  ©.45).  3lm  1.  a)lärj  754  fanb  bie 
geluö^nlid^e  ^ni^ja^r^Derfammlung  ber  Raulen  ju  Sernaco  (Fred.  cont.  37 ;  Srennaco,  26 
Ann.  Mett.  ©.  45;  Srai^ne  bei  ©oijfon«  ober  Semv^SRiDiöre,  3)ej).  äi^ne)  ftalt,  ber 
an  Dftem,  14.  2lj)ril  eine  jioeite  aSerfammlung  in  ßariftacu^  (nuierji^  untoeit  £aon)  folgte 
(V.  Steph.  29).  Stuf  biefen  SSerfammlungen  iDurbe  ber  33unb  jtüifcpen  Äönig  unb  ^apfl 
burc^  bie  ^uf^immung  ber  ©rofeen  ratifijiert  unb  jur  2lugfü^rung  benfelben  ber  Ärieg 
gegen  bie  Sombarben  befd^Ioffen.  ^ft  (ginl^arb  (Vit.  Kar.  6)  ju  glauben,  fo  fam  ber  ao 
Sefd^Iuf;  nid^t  o^ne  lebhafte  Oj)j)orition  ju  ftanbe:  ein2:eil  ber  ©rofeen  bro^te  ben  Äönig 
gu  berlaffen  unb  nac^  §aufe  jurücf jufe^ren.  3)er  toieber^olte  Suf^mmentritt  ber  (Sro^en 
toirb  fic^  aug  biefcr  ©c^loierigfeit  erflären,  fo  baf;  man  nid^t  mit  3)}arteng  ©.  33  ff. 
einen  3i^tum  be«  93iograj)]^en  anmnel^men  l^at.  9?un  fonnte  ^ij)j)in  ba^  in  ^ontion 
gegebene  33erft)rec^en  in  einer  Urfunbe  nieberlegen,  bie  in  feinem,  feiner  ©öl^ne  unb  36 
ber  fränlif^en  ©rofeen  9?amcn  au^geftettt  tourbe  (V.  Hadr.  42,  ©.  498).  ®ie  Urfunbe 
ift  ni^t  erl^alten;  fidler  ift,  bafe  bie  Am  angefül^rte  ©tette  ber  33iograj)f)ie  ^abrian^ 
i^ren  ^n\)alt  nid^t  treu  toiebergiebt.  aber  barübcr,  toa^  fie  cntlj^ielt,  ge^en  bic  SWei* 
nungen  gur  3^^^  ^^^^  auöeinanber:  mir  ift  am  toal^rfc^einlic^ften,  bafe  fie  fid^  enge  an 
bie  Sitte  unb  ba^  35erfj)rec^en  Don  ^ontion  anfc^lofe,  alfo:  ©c^u$  unb  Befreiung  berio 
römifc^en  Äird^e  unb  be«  römifc^en  5BoIfe«,  ^erftettung  ber  ©ere^tjame  be«  1^1.  ^etrug, 
SJüdfgabe  ber  Patrimonien  unb  be«  ©jarc^atg  Don  5naDenna.  ^enn  eine  ßrtüeiterung 
be^  SJerfprec^eng  ift  angefic^tg  ber  Dj)J)ofition  ber  fränlifd^cn  (Srofeen  gegen  ba^  ganjc 
Unternehmen  fe^r  unloa^rfd^einlid^. 

2)er  ^ap\i  betoie^  feine  2)anfbarleit,  inbcm  er  am  28.  guli  754  in  ©t.35enig  5ßij)t)in  46 
unb  feine  beiben  ©öl^ne  ju  Königen  unb   ju  5ßatrijiern  SRom«  falbte  unb  bie  granfen 
unter  Scbro^ung  mit  Sann  unb  ^n^erbilt  Der^flic^tete,   nie  einen  Äönig  j\u  toä^lcn,    e« 
fei  benn  au^  ^x\>p\n^  ©efc^led^t  (Dgl.  ba«  '^xa^m,  Don  767  MG  SS  XV,  ©.  1;  Ann. 
Mett.  j.  754,   ©.  45 ;   Cod.  Car.  ep.  7,  ©.  493).     Die  ©albung  $i>)ping   toar  bie 
loieber^olte  feierliche  3tnerfennung   feinet  Königtum^,  bie  ©albung  gum  ^atriciu^  aber  so 
Derftebt  man  fd^toerlic^  rid^tig,  toenn  man  ben  ^aj)ft  baburcb  5ßipJ)in  biefen  litel  über« 
tragen  läpt:  er  l}ai  ba^  fo  toenig  getan,  aU  er  i^n  jum  Äönig  macbte,  fonbem  ^ijjjjin 
na^m  ben  2;itel  ^atriciu^  an  unb  fprad^  bamit  au^,  bafe  er  bie  baucmbe  $flic^t,  9lom 
unb  ben  $aj)ft  gu  fd^üfeen,  bamit  freiließ  auc^  bie  Dberl^errfd^aft  über  5Kom  übernommen 
l^abe.    ©albte  i^n  ber  $alift  gum  ^atriciu^,  fo  erfannte  er  i^n  Don  ©otte§  ioegen  in  feiner  66 
©tettung  an  (Dgl.  Ä®  5Deutfc^I.  II,  ©.21  f.). 

Stiftulf  l^atte  bie  ®efanbtfd^aft  5ßip^)in^  jurüdfgehjiefen.  3)oc^  el^e  ber  Ärieg  au^brac^, 
machte  er  nod^  einen  SSerfud^,  ^ij)j)in  Don  ©tej)l^an  ju  trennen,  ©eit  bem  ^ai}x^  747 
lebte  in  "^talkn  ali  3Könd^  Äarlmann,  ^ij)j)ini^  S3ruber;   er  ging  im  auftrage  3lifhilf^ 


im  grü^ja^re  754  über  bie  Slljjen,  um  an  bie  ©otibarität  ber  fränfifc^en  unb  lombar«  co 


t 


808  Sitpffm  TL.,  ^ap^ 

bifd^cn  Sntcreffen,  ioic  ftc  Äarl  3JlartdI  unb  £wt})ranb  anertannt  l^atten,  ^n  erinnern, 
gm  Sljjril  traf  er  mit  feinem  Sruber  in  CluierjV  jufammen;  aber  er  tarn  gu  fpöt,  um 
ba^  ®efc^el^ene  rü^gängig  ju  machen.  3(iftulf  mu^te  bie  f^eftigleit  bed  Sunbee  jc^on 
barau^  ertennen,  ba^  $ij)t)m  feinen  Sruber  nic^t  nac^  3Ronte  Gaffino  gurüdffe^rcn  liefe; 

6  ein  5tlofter  ju  ^ienne  tpurbe  i^m  gum  Slufentl^alte  angetDiefen,  bort  ift  er  nid;t  lange 
banad^  geftorben  (V.  Steph.  30,  @.  448;  Annal.  reg.  Fr.  j.  753  u.  755). 

S)er  S3iograj)^  ©tqj^an^  erjäl^It  noc^  bon  mehreren  Sotfc^aften,  bie  5piv^j>in  an 
SKiftuIf  fanbte,  um  i^n  gu  frieblic^em  Slad^geben  ju  beioegen.  2luc^  Stephan  fclbft 
toanbte  ju  bem  gleid^en  ^tütie  feine  ^^at^etifd^e  Serebfamfeit  auf.   Slber  bergcblic^.  %üx 

10  ba«  lombarbifd^e  SReid^  ioar  bie  ßinberteibung  Don  SWom  unb  SRaDenna  eine  Sebenefrac^c, 
bier  muftte  ba^  ©c^toert  entfc^eiben;  c^  entfqieb  ju  ®unften  ber  ^ranfen.  Sliftulf  iah 
\\ä}  im  §erbft754  gum  grieben  genötigt;  er  berf))ra(^  (Sntfc^äbigung  Der  römifc^en  Sirche 
für  ba^  i^  jugefügte  Unrecht  (Fred.  cont.  37),  ^erau^abe  SRotoenna«  unb  einer  ain^ioBI 
anberer  ©täbte  jtoifc^en  bem  ©ebirge  unb  bem  abriatifc^en  Ü)leere  (V.  Steph.  37,  ©.  451). 

16  5ßij)J)in  ftettt  eine  Urlunbe  au^,  burc^  bie  er  bie  jurüdj^ugebenben  Orte  an  ben  ^I.  ^^etniö 
überliefe  (Cod.  Carol.  ep.  6,  ©.  489:  propria  vestra  voluntate  pro  donationis 
paginam  beati  Petri  sanctaeque  Del  ecclesiae  reipublicae  clvitates  et  loca 
restituenda  confirmatis ;  bgl.  ep.  7,  ©.  492).  Stl«  Sieger  f onnte  ©tep^an  nac^  Siom 
jurüdRe^ren. 

30        Slber  bie  ©iege«freube  bauerte  nid^t  lange.    3lid^t  nur,  bafe  Sliftulf  feine  3"fö9« 

nid^t  ^ielt  unb  bie  abgetretenen  ©täbte  nic^t  ^erau^gab  (Cod.  Car.  ep.  0),    er  jog  im 

SBinter  755—756  gegen  SRom  felbft;  feit  bem  1.  3anuar  756  fa^  ftcb  ber  ?ßapft  belagert 

(ib.  ep.  8  f.).    Um  ben  ßrfolg  be«  erften  Sombarbenfeiege«  ju  erhalten,  mufete  Sßvii^T^m 

.  einen  gtoeiten  gelbjug  unternehmen.     3lu(^  bicfer  toar  ftegreic^:  äiftulf,  ber  fofort  Me 

^  Belagerung  ätomd  aufgel^oben  f^aiU,  bermoc^te  bie  9U))en))affe  tvieber  nic^t  gu  ^Iten; 
bie  Belagerung  ^aDiad  beftimmte  i^n  jum  ^^rieben.  ^ie  nun  h>irtlid^  abgetretenen  Orte 
unb  Sanbftric^e  Slabenna,  Slimini,  5ßefaro,  ^ano,  Gefena,  ©inigaglia,  3cft,  gorlimpopoli, 
Äorli,  ÜJlontefeltri,  Stcerragio,  3Ron^  Sucari,  ©erra,  SMarino,  ®aleata,  Urbino,  Gogli, 
Suculi,  ®ubbio,  Gomac^io,  Slarni   überliefe  "^ßippxn  bem  5ßapfte,  bem   er   barüber  eine 

»>  ©c^enfung^urlunbe  au^ftellte  V.  Steph.  46  f.,  ©.  453f.  35ie  3lnfj)rü(^e,  toelc^e  bie 
©ried^en  erhoben,  blieben  unbeachtet,  "^iippxn  felbft  aber  fü^te  auf  ®runb  bc«  ^iJJatrisiate 
eine  3lrt  Dber^enfc^aft,  SRom  unb  fein  ®ebiet  galt  feitbem  al^  ^ßrobinj  beö  fränfifcben 
SReic^«. 

2)er  Xob  Sliftulf«  (I)ejember  756)  befreite  ©tej)]^an  bon  einer  grofecn  ^Jurc^^t ;  er 

35  fa^  nod^  bie  Sf^ronbeftcigung  be«  fränfifd^en  ©c^ü^Iingö  Defiberiu«  (3Märj  757).  ßur, 
barauf  ift  er  geftorben,  am  27.  älpril  757  tourbe  fein  2eic^nam  in  ©t.  ^^JJeter  bei= 
gefctft.  ^anä. 


V  e  V  ^  e  X  dinx  s 

bcr  im  ac^tjct)ntcn  Sanbc  cntt)altcncn  Slrtifcl. 


»rHfel:  8erf  äffet: 

@d)tPQbQ(^cr  9lrtifcl  ftolbe 

(2(^iDärmcrci  f.  b.  ?l.  S5cr;^ücfuitg. 
@d)ioar^,  e^r.fjr.  f.b.91.  TOffion,  protcft. 

unter  bcn  Reiben  93b  XIII  @.  160,  u. 
©(^lüQrj,  g.  $).  S^r.  ^unbeS^agcn  f     • 
e(^!üarj,  3.  Ä.  (S     ^ctcr  t     •    •    •    • 
©cftmarj,  Äarl  9lubIoff   .... 

©djroarjburg,  Sürftcntümcr  f.  Xf)ürlngcn. 

©djroebcl  gjc^ 

8(^tuebcn,    Äir(^cn-- 

gcfdjicfttc  ^jQlmQt  ^olmquift 

Sc^meben,  ©c^tDebifc^e 

©(^lücij  ^Keiler      . 

©(^trcijcr  (J^rift 

@(4)DencffeIb  ©rü^mac^er 

@d)iDcrtn  $aucf  .    . 

©djiDcrtbrübcr    f.   b.    ?l.    3)cutf(iorben 

«b  IV  @.  592, 2»  ff. 
@d)wcftcrn  f.  b.  %.  Srauenfongregationcn 

SBb  VI  @.  230  ff. 
©cötucftcrn;  bormö.    ^'odltv     .... 
Science,  Christian  f.  b.  ?l.  a)lagie  93b  XII 

6.  69, 54  ff. 

GJörrc^     . 
^und  ®cotu§ 


eeite: 


93b  V 


©ciüi 
8cotu^;  3)und 

6.  62  ff. 
Scotud,  3.  (£.  2)cutfd)    .... 

Scriptoriö  Hermelin!     .    .    . 

«Sciiücncr,  fjr.  .?).  91.  f.  b.  9(.  g3ibcltc;ft 

93b  II  S.  766, 5«  ff. 

Scriüer  SBccf 

©cultetu«  taflet  f      •    •    • 

©ebaftianu^  ®örrcd     .... 

ecbaftoS  ^i)minetcS  9Mcl)cr 


6cbna 
©ccfenborf 
Sccr^tan 
Scbi«v»Qfan5 

Seblnitjfi 
3eb  Uli  ii§ 
Seeljofcr 
(Bcefcrö 
(Bede 

Seelenmeffc    f. 
8.  722, 5«  ff. 
8eclforgc 


^amp^aufen      .    . 

S^olbe 

^Ia0§off=ficieunc    . 
(3acobfon  f)  Se^= 

Hurt 

©rbmann  f  •    •    • 

Jebcrt  t)  ft'riiflcr 
blbc        .... 
i^attenbufd)  .    .    . 
(©rcmcr  t)  ^Wtt 
91.   S3ecifc    93b  XII 

mtü^     .    .    .    . 


2 
4 
5 

10 

17 

39 
43 
66 
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82 


84 


86 
100 


102 
103 
104 
106 
107 
110 
114 

118 
120 
123 
124 
126 
128 


132 


«rtifel:  Serfaffer  6eite : 

8ccmQnn8miffion      fjrftfd)     ....     14.'> 
8cgorcni  f.  b.  91.  9lpoftcIbrübcr   »b  I 
6.  702,5. 

8cgen  unb  glucö      Äittcl 

ecflnungen  f.  b.  9(.  93encbiftioncn  93b  II 
8.  588. 

8eibeTnann  ^olbe 

8c'ir  f.  b.  91.  (Sbom  93b  V  8.  164, .. 
8e'trim  f.  b.  91.  gclbgciftcr  93b  VI  8. 1  ff. 
8cfcl  t.  b.9l9l.  ^a6e  u.®m\&jU  S3b  XII 

8.  408, «  u.  ®clb  »b  VI  8.  477. 
8e!tenn)efen  in 

^eutf(^Ianb  IDamerau      .    .    . 

8efu(aTifQtion  f.  am84Iug  bedSSBerfed. 

8cfulariömu§  S'oditx  f      •    •    • 

Seia  f.  b.  9(.  ^uftf   bei   bcn  ^cbrftern 

93b  XIII  8.  602,85. 

Äirn  .  . 
93ur9cr  f 
93urgcr  t 
93ubbcnficg 
^aucf  .  . 
Ää^Icr  . 
^anonifation    SBb  X 


Scibftmorb 

8elbftfud)t 

8elbftücrleugnuug 

8clbcn 

8cagcnftabt 

8clig(eit 

8cligfprc(^ung    f. 

e.  17. 

8clnedcr 


148 


154 


157 
166 


168 
172 
174 
175 
178 
179 


t) 


184 


191 


(9EBagenmann 
3)ibeUuS       .    .    . 
8cm,  8cmiten  f.  b.  9191.  S^oa^  93b  XIV 

8.  139  unb  «blfcrtafd. 

8emaja  .Mittel 

8cmiQriaui^mu§   f.  b.  9191.  91rianiömuS 

^b  II    8.  32,  «1  ff.  unb   ^ofcboniu« 

93b  XII  8.  41. 

8cmipelagianl§mu«  iioof^ 192 

8emler  Wxbi      ....    203 

8cnb,  8enbgcrid)t     $)Qucf 209 

8cnbomir  drbfam  t     •    •    •    215 

8cparatiSmuö  f.  b.  91.  8cftcmücfen  oben 

8.  160,11. 
8cpt)avab    f.    b.    91.  £}bah\a   53b  XIV 

8.  247,35. 
8cpp  dvamer    .     .    .    .    218 

8eptimiuS  8eüeru§  f.  b.  91.  8cücruS. 
8epultriner  f.  b.  91.  ÖJrab,  .^eilig.,  Ovbcn 

uom  53b  VII  8.  54,  »I. 

8cqueu5cnu.  Biropen  ^and 219 

8erapt)im  f.  b.  91.  (gngcl  53b  V  8.  369,  .•. 
8crQpion  Ärügcr     ....    219 


610 


8erjeii|iiid  ker  tut  oi^tje^ttteit  Sonbe  eittl|altettai  KrtOtl 


«rttfel: 
©erbicn 

@crgiu8  L,  $QUft 
©crgiu«  H.,    „ 
6crgiu«III.,    „ 
(ScrgiuSlV.,   „ 
©crgiuS,  ^onfcffor 
@crgtu8,  ^atriarcft 
©crubbabcl 
@ert)atiud 
Seroatud   ^Supud 
»b  XI  6.  716. 
@crDct 


SerfafTcr: 

®ÖS 

^aucf 

^Qucf 

^auc! 

^auct 

Ärügcr  .... 
Ärügcr  .  .  .  . 
©enin  .  .  .  . 
Söcficr  t      .    .    . 


221 
222 
223 
224 
224 
325 
225 
225 
227 


(Stiggenbat^ 
fiac^enmann 
8ö(flcr  t     • 
abgaben,  fir(^I. 


t) 


93b  XIV 


@crt)ltcn 

@crt)iticn  f.  b. «.  abgaben,  lix&jl  ©b  I 

6.  95,  *•. 
@et^  ^önig 

©ct^iancr  \.   b.   «.  Op^itcn 

@.  405,  ii. 
©cocriancr,  ©noftlfcr  f.  b.  §1.  Opbiten 

SBb  XIV  @.  405, 51. 
©cücrion  Ärügcr     .... 

@eoerinud;b.^et(ige  f)auä 

6eoerinud,  $apft      ^aucf 

@et)cru«,  SBlfdjof       ftrüger    .... 
@et)cru8,  @eptimu8 

u.SlIcjQnbcrÄQifcr(UöI6ont  t)  ^aucf 
@^Qftc8bur9  f.  b.  %.  3)eigmu«   93b  IV 

@.  547,«. 
©l^afer«  Äattcnbuf«  .    .    . 

®ibe(  Sitnond  .... 

©ibpOen   u.  ©tbl^ni- 

nijcftc  93ürf)er        93ouf)et    .... 
©ibonicr  ®ut^e      .... 

@tboniu«?(poIIinari§?lriiolb     .... 
©iboniu«,   3Wid)QcI  f.  4)elbing  ^b  VII 

@.  610. 


@icbcnf*Iäfcr 

gödler  t 

©icbcnja^I 

aödlcr  t 

©icffcrt 

©ieffert 

©icgfricb 

93Qentf* 

@iena 

3:fd)Qcfcrt 

@icücting 

SBcrtftcau 

©igcbcrtü.GJcmblouj  ^o(bev=eggcr 
8igtSmunb  ßmucrau 

@i^onf.b.?l.  ^Imoritcr  S3b  I  ©.459,46. 
©ilaö,  ©iloanuS  f.  b.  ^.  «ßauluö  93b  XV 
93b  II  ©.  80,  «0. 

©iIt»criu«J,  ^apft       ^aucf 

©ilucflcr    I.,  ^apft  ^aud 


©ilüeftcr  II., 
©llöeftcr  III.,    f. 

©.  563,  »0. 
©ilüia  9(quitQtia 
©imeon,  ©tamm 

©.  695,4». 
©imlcr 


^aud 
b.  ^2r.    Söcnebift 


IX., 


Krüger     .... 
.b.9(.9?egeb  93b  XIII 


($eftalüääit)3)le^cr 
üon  Änonau     .    . 

©imon  ber  ^Jagiev    Sailj 

©imon,  ber  ^öiaffabäer  f.  b.  ^:i(.  ^a^* 
monöer  93b  VII  ©.  466,4«. 

©imon,  9iid)Qrb         (SReufe  f)  ^^H'tle     . 

©imou  ü.  Jouniol)   (£ot)rd      .... 

©imon  3eIoted  ©ieffcrt    .... 

©imonic  (ed)eurl  f)  ©e^Ung 

©impliciu^,  ^apft     ^aurf       .... 


228 
236 


238 


246 
248 
249 
250 

256 


259 
261 

265 
283 
302 


309 
311 
317 
320 
323 
324 
338 
331 


338 
338 
339 


345 


347 
351 


361 
366 
366 
367 
370 


«rttfel;  »crfafTer:  edie: 

©imri                     Mittel 371 

©imfon                    D.  Orcüi  ....  371 
©imultancum           (:&inf4iuS  f)  ©c^^ 

ling 374 

Äönig      ....  379 
^.  ©üftcnroanbcrung. 

®ut^c       ....  .381 
3o§anne8  Älimafuö   93b  IX 


©in,  ©tobt 
©in,  9Büftc  t. 
©inai 
©tnaita  f. 

©.  305. 

©Inccurc  (3QCobfont)©c]^Hng 

©inim  Äönig      .... 

©innbilbcr  ©cftul^c    .... 

©tntflut  f.b.9l.  iRoa§  93b  XIV  ©.  139. 
©trot^  f.  b.  «.  9lpotn)p]^cn  bcö  912;  93b  I 

©.  650,  M. 

©iriciuS  ^apft  ßaucf 

©ivinonb  Saubmann    .     .    . 

©ifcbut  ®örrc§     .... 

©ifcra  f.  b. «.  5)cbora  93b  IV  ©.  524,4». 

©ifinniu*  ^aud 

©ittc,    ©ilia(^!cit. 


385 
38*) 
38S 


395 
396 
397 


©itlcngcfcp 
©ittcngcfeö  f.  b.  «. 
©ijtu8    I.,  $apft 
©ijtu«  II.,      „ 
©iftu^III.,     „ 
©ijtu«  IV.,     „ 
©tjtu«  V., 


gflabc 

©ittc  oben  ©.401. 

^aud 

^aud 

ÄQUd 

Scnratft    .     .    .    . 
93cnrQt5 


©fanbtnaoifc^c  93ibclübcrfcljungcn  f.  b.?l. 

93ibelüberfe^ungen  93b  III  ©.  146. 
©fapulicr   f.   b.  9(.   Äarmclitcr   93b  X 

©.  85,  si  ff. 
©flatierci  bei  ben 

Hebräern  t).  Orefli       .    .     . 

©flauerci    unb 

©Öriftentum  üon  S)obfdjüJ  .    . 

©fopjen  f.  b.  ^.  msfolnifen  S5b  XVI 

©.  441, 14  ff. 
©trutinien  f.  b.  91.  Äatet^umenat  ^b  X 

©.  177,1.  u.  ©.  178,  «»ff. 
©fulptur  ©(ftuiße    .... 

©lauen,  93efe^rung  jum  Söriftciitum  f.  b. 

M.  ei)riauS  unb  ^et&obiuS  »b  IV 

©.  384  ff.,  ^}J2icc5i)8taD  iBb  XIII  ©.  60  ff., 

?Ru6Ianb  SBb  XVII  ©.  247,  $:fc^cd)en 

unb  Senben. 
©laüifdieSBibcIübcriepungen  J.b.91. 93ibcl= 

überfcf ungen  93b  III  ©.  151  ff. 
©(eibanud  Äatoerau       .     .     . 

©maragbuä  Södler  f      •     •     • 

©mit^i,  3.  %.  »ubbenfieg    .     .    . 

©mitö,  5B.  SR.  ©tübe       .... 

Society  ^vangelique  f.  b.  9(.  granfreid) 

5öb  VI  ©.  196, »ff. 
©ocin  unb  ber  ©oci* 

niani^muÄ-  (C)cri^og  f)  Sudler  t 

©obom   f.    b.   91.   «Palöftina    S3b  XIV 

©.  580, 81. 
©üljar  f.b.9(.  i^abbala  93b  IX  ©.  680, 15  ff. 
©o^n  ($eppc  t)  ^^irbt  . 

©ofroted  Öoefc^dc   .... 

©ülitariii^  (®a6  t)  ^icl)cr      . 

©oniaSfer  3ödlcr  f      ... 

©oner,  (Srnft  f.  b.  9(.  ©ocin  oben  ©.  466,43. 
©onne  bei  b.  Hebräern  iBaubiffin  .  .  . 
©onntaggfeicr  ^oditx  f      .    .    . 


410 
410 
411 
411 
414 


417 
423 

433 


443 
447 
449 
4.^1 


459 


4vSö 
4SI 
487 
487 

4^ 
521 


Serjeti^md  ber  im  ai^tje^ttteit  Sottke  vxOfalitntn  tCttCtel 


811 


Ärtifel:  BetMer: 

8onntagSf(!^uIen   f.  b.  ^.  S^tnbergotted- 

bicnft  ^b  X  @.  287. 
8opörottiu8  Krüger     .    .    .    . 

Sorbonne,  bic  93onct'"äRoun)   .    . 

Sortes  apostolorum  t)on  ^obfc^üß   .    . 

@oter  ^aud 

@oto,  3)omittifud  bc  (92cubccfcr   f) 

aödlct  t      .    .    . 
6oto,  $ctruS  bc       (92cubccfer    t) 

3öcrier  t  .  .  . 
f.  b.  ^.  ©abbatöaricr 
291, 40. 

fiocfd&cfc  .    .    .    . 


©out^cotc,    g. 
SBb  XVII  @. 
©üjorncttoä 
Spalotin 
(BpQlbtng 


Gpangcnbcrg,  9(.  ®. 


^olbe 
(.6Qgenba(^  t) 
SBagcnmann  t 
iRei^el 


6pangcnbcrg,  3.  u.  ®.  ÄanjcTQu      .    .    . 

8pan^cim,  griebr.     (D.  X^clcmann  f) 

Dan  SSccn     .    .    . 

8pan6cim,  ^jcc^icl    (O.  Xftelcmann  f) 

oan  S3ccn     .    .    . 

Span^cim,fjr.b.jüng.  (D.  2:t)clcmQnn  f) 

öan  SSecn     .    .    . 

Spanien,    fird)Ii(fte 

Statiftif  mi 

Spanien,    rcformat. 

3)ett)cgung  (SBoc^mer  f)  6(!^äf  er 

Spanifc^e  meUiberfe^ung  f.b.?(.S3ibcl= 

iibcrfefungen  S8b  III  S.  142,4». 
6pee  ($almert)3öcflert 

©peier,  ©iStum         ^and 

©peicr,  Üieidjötage  in  yitX) 

©pcifcgcfetje  bei  ben 


Geite: 


529 
533 
537 
539 

539 

540 


541 
547 

553 
557 
563 

572 

573 

574 

576 

580 


^ebröcm 
Spencer 
Spcner 
Spengler 
Spcratuö 
Spiegel  bei 

Hebräern 


ben 


ü.  Drelli 
33ubbenfieg 
®rünberg 
Älolbe      \ 
3:fct)acfert 

5^önig 


Spieqel,  ÖJraf,  @r,5\bifd)of  uon  ^bin  f.  b. 

9l."2)rofte  93b  V  S.  24, 55  ff. 
Spiele  bei  b.  .t')ebräern  Stönig      .    .    .    . 
Spiele,  geiftlicbe         ©reijenad)    .    .    . 
Spiera  5Benrat§  .... 

Spifame  (Scftott  t)  fiacften^ 

mann       .... 


Spina 
Spinola 
Spiriti^imii§ 
Spirilualen  f.  b.  % 
33b  VI  S.  210,  •. 
Spitta 

Spittler,  C£^.  JV- 
Spittler  2.  1. 

Spülienredit 


maütt  t)  3i)c!lcr  f 

(^iaaett)3:fd)ac!ert 

3öcfler  t     .    .    . 

grana   öon  9lffift 


^eae  .    .    . 
Soniemann 
(^Bagenmann 
Sontüetfd)     . 
gricbberg 


t) 


587 
588 
589 

603 
607 
609 
622 
625 

631 


633 
637 
648 

649 
651 
652 
654 


666 
670 

677 
681 


«Ttifel:  Serfaffer: 

Sponbanuä  (9'^eubccf  er  t)  Sachen- 

mann      .    .    .    . 
Sprenger,  3afob  f.  b.  %  ^^ejcn  SBb  VIII 

S.  33, 4. 
Springer  f.  Surnper«  SBb  IX  S.  634. 

Sprü(t)e  Salomoö     Mittel 

Spurgeon  ®icfelbuf(ö    .    •    . 

Staat  unb  Äirt^c      ?Kaqer     .... 
Stabat  mater  f.  b.  Sl.  S^^opone  ba3^obi 

SBb  VIII  S.  518,  •. 
Stabtanlagen  bei  b. 

:&ebrßern  Senjinger    .    .    . 

Stabtmiffion  SRa^lenberf   .    .    . 

Stä^elin,  3-  3-         Stfi^clin      .    .    . 


Stß^elin,  muh, 
Stä^lin 


Äirn 
^olbe 


(S(^mibtt)33enrat^ 

Buffer  .... 
^ubbenfieg  .  .  . 
•£)aborn  .... 
(3Jlöflert)Std)ocIcrt 
«ecf 


Stämme  3^roeIö  f.  b.  mi  3drael,  ®ef(fj. 

bibl.  SöbIXS.468,4«;  ®alilöoa3bVI 

S.  337,54;  3ubäa  ob  IX  S.561,»«; 

Samaria  ©bXVII  S.422,i7;  ^erfta 

«b  XV  S.  126,a7. 
Stäublin  (^enfe   f)  3Bagcn- 

mann  f  •  .  . 
Stafforttfd)eÄ  ©nd)  ^üncr  .... 
Sta^l 
Stancarnd 
Stanb    (X^rifti, 

boppclter 
Stanley 
Stapfer 
Stapi)Qlu3 
Stord 
Starfe,    e^riftopö   J.   b.  ?l.  »ibelwcrfe 

SBb  III  S.  148,4«. 
Starottjevjen,  SBejcidjnung  ber  ruffifd)en 

gutgläubigen    f.    b.    Sl.    SRaSfolnifen 

93b 'XVI  S.  436  ff. 
Stationen  f.b.9l.gaftcn  g3bVS.771,«o. 
Statifti!  fir(^li(^c      a)ibeliu8  .... 
Stauff  leolbc       .... 

StaupiJ  Giemen    .... 

Stebinger  (5Bagenmann  f) 

^aud 

Steiger  Steiger    .... 

Steine,  ^eilige  f.  b.  91. 3Ralfteine  93b  XII 

S.  130ff. 
Stein^ofcr  ©eißler  (93ed)   .    . 

Steinigung  ^önig      .... 

Steintopf,  Ä.  &r.  ?t.,  acb.'l773  ^u  fiub= 

wig^burg,  geft.  ju  fionbon  1859,  f.  b. 

§191.    a^riftentum^gefeUfd).    93b    III 

S.  822  unb  93ibelgefeflf(^aften  93b  II 

S.  692,  »6  ff. 
Stcinmct)cr  Äatt)crou      .    .    . 

SteiU  3)ed)ent  .    .    . 

Stephan    I.,  ^apft   .^aud 

Stephan  II ,      „      ^aud 


6eite: 
686 


686 
697 
707 


727 
729 
732 
735 
737 


741 
744 
745 
752 


755 
759 
766 
771 
776 


777 
779 
781 

787 
789 


790 
792 


794 

800 
804 
805 


u6^ 


XIOA 


812 


äta^trige  unb  Sm^ttgnngeit 


18. 


(gortfc^img  üou  6.  IV) 

längft  öcvgangcncu  bic  9lebe,  fonbcm  ber  3)i(l)tcr  ftcüt  fid)  al§  3^it9C"offe  bar,  bcr  bie 
S3oÜenbung  ber  ^agia  ©opl^ia  bamolS  noc^  cmartete.    S)afür  einige  ©itate:  ya/.noj^ 

iyeQatgov  noxh  Zoqnav  xai  Eiofjrrjv  —  eßlsnov  de  ägit  vovg  vaovg  rovg  U(>ovg  y.Ei- 
fterovg  elg  x6  EÖaipog.  T6  xdXXog  xo  ex  xovxoyv  x6  Evdo^v  nXtjQijg  (fo !)  tfV  oanoia; 
xxX.  (©.4).  5£)ann:  sv  XQ^^  Y^Q  ^Xty<p  dvdaxtjoav  cbcaaav  xrjv  jtökty  —  o  oixo^  ^'f 
avxog  6  xifc  exxXrjoiag  iv  xoaavxjj  dgexff  oixodofiisTxaij  (og  xov  ovgavov  fiifiFioOai  y.i).. 
(©.6).  ©nbli(^ : 'Oöo«  ovv  oxsgyofiev  Xgioxov — ,  alxovfiev  xov  deojxoxtjv  — ,  tra  d$io)Oo,ufr 

^edaaa&at  jiäaav  jilrjgco^eioav  —  (©.  6).  3)iefcr  SÖcncfit  Doit  ber  ßcrftörung  be^  be: 
rühmten  XempclS  unb  beffen  SBicbcraufbau,  foioic  enblit^  ber  3Sunfd)  be^  Didjtcr^  bie 
SSoOenbung  beS  lepteren  ^u  erleben,  barf  aI8  ein  fcftr  ftarfer  S3cmei^  für  bic  ^Innafinie 
aelten,  baft  91.  unter  Suftinion  gelebt  ^at.  2)Qncben  ift  befonberö  auS  bem  erfren 
5?lrt{fet  ^Jlaag'  ^eröor^^u^eben  ber  Si^adjmeid,  baj  bie  t^eologifc^e  Volenti!  beö  9?.  fidi 
auffollenb  berührt  mit  ber  beS  ÄaiferS  3"ftinifln  t"  feinen  ®efe^en  Cod.  1,  1,5—8 
(6.13).  3)er  gweite  ^luffa^  bcS  5Ser|Qffcr«  6. 337  ff.  berid)tet  öon  einem  ^Irtücl  be^ 
bcfannten  grie^ifc^cn  gorfc^crS  ^apabopuIoS=Äeramett)^,  ber  in  einer  Äonftontinopler 
ßeitfc^rift  ben  lange  gefuc^ten  gricd)ifd)en  Urtcjt  ju  ber  bisher  nur  in  flauifdjer  lieber- 
fe^ung  befannten  vita  beö  t)l.  §lrtemio3  veröffentlicht  l^at  (f.  meinen  5lrt.  S.  12.'),  39i, 
bie  au§  bem  7.  gal^r^^unbert  ftommt  unb  bereite  ben  $R.  ermähnt.  S)er  griec^ifdie  %ti\ 
beftfttigt  bie  biö^er  unfid)ere  Angabe  ber  Ueberfe^ung,  fo  bog  quc^  t)ierburcb  ein  febr 
bebeutenbeS  l^iftorifd)e«  S^i^Ö^i*  ^^für  beigebracht  »irb,  baß  9^.  im  7.  3at)rt)unbert 
fc^on  tot  war,  alfo  nic^t  imter  ?lnafta[iu§  11,  gelebt  ^at.  ©otoeit  finb  nun  bic  ^uj^ 
ftcOungen  oon  3Raad  fe^r  erfreulici)  für  feine  unb  bic  üon  mir  ocrtretene  9lnnaf)ine, 
h(\§>  5R.  in  ba^  3uftinianifc^e  ß^italtcr  gehört.  5)agegen  finbet  fic^  in  ben  ®ebict)ten 
be^  SR.  jebenfafl^  aud)  eine  ©teile,  bie  eine  ^nfpielung  auf  bic  33ilberftrciti9leiten 
enthält.  'üJiaaS  fudjt  biejeö  iiieb  mit  großem  ©Jcfc^irf  alS  gefälfcftt  nad^^uroeifen.  %vi^ 
^itra  ^atte  ^icr  fc^on  eine  3älfd)ung  angenommen,  ©nblid)  fei  bemerft,  baß  bic^ue 
fü^rungen  meinet  §lrtite(8  bi§  auf  einige  einäcl^citcn  bic  Sw^i^^ung  üon  '^laois:  <^v 
funben  ^aben.  ¥^.  SD^ci^er. 

@.  531  8.  33  l.  90  f.  ft.  88. 
„  i334  „     41  I.  37  ft.  57. 
„  555  „    35  l.  ^ägcrlen  ft.  2)i)perlin. 

—  „  40.  .^err  Pfarrer  Äünbig  fcftreibt  jur  33ericötigung  beS  ^icr  ©cfagten :  Sdieiifci 
mar  nid)t  ^itglieb  cincö  gögcrbataiüon^,  fonbern  er  naj^m  al§  SRitgtieb  eincö  flciiien 
^orp^  uon  6tubentcn  unb  (^t)mnafiaften  an  einigen,  niefleic^t  4—5  9luömärfcl}eii  ber 
6tabtmilij  gegen  bie  fianbfc^aft  teil,  luä^renb  ber  5Bivrcn,  bie  fid)  tmd)  2',,  Ji^xt 
ftin.^ogen.  3)aö  Sioipö  ift  meinet  ©iffenS  nur  einmal  in§  ßJefec^t  gefommen,  oOneeigoit^ 
lid)  einzugreifen  unb  ^icrluftc  ju  erleiben. 

@.  570  3.  34  I.  conc.  Antioch.  \>.  341  ft.  141. 

„     —     „      35   I.   Ifiiov   ft.   l^tnv. 

„  091  „    40  I.  ©pifcopiuö  ft.  GbifcopiuS. 
„  708  ,     35  I.  S3b  II  ©.  177  ft.  93b  I. 
S3anb:  @.  3  3-  ^^  ^-  redivivus  ft.  rcdivivius. 

©.     18  3.  42  l.  ec^roebcn  (»lu^)  unter  SRurif  ft.  ©c^mebcn  unter  9turif  (mw^). 
„     19  „     50  ftreidje  bie  ©orte:   be§  alten  ®efd)Icd)t^3  (6tenfil  war  nur  6d)njiegeijo^ii 
beö  üorigen  Slonigö  (Sbmunb). 
' o.     .    -     ^o    .    .  ©.  583  3 


@.    20  3.  37  1.  (SmSlanb  ft.  SRmlanb. 

„    21  „       1  I.  fübtücft liefen  ft.  norbi)ftIid)en. 

„    25  „  40  l.  C^uftaf^rofle  ft.  ^J^ilö  2:roUe. 

„     37  „  12  I.  $erni)fanb  ft.  .t")ermöfanb. 

„    42  ,,  21  I.  ^ultfran^  ft.  ftutfran^. 

„  219  „  33  I.  35b  I  ft.  i8b  II. 

„  227  „  42  I.  im  3at)re  342  ft.  347. 

,,  281  „  50  I.  m  XV    6.  340,  42    ft. 

53b  XIV. 

„  314  ,,  20  I.  ^5^rafe  ft.  <Prafe. 

„  334  „  44  I.  ^-BbVIir  Ö.499  ft.  93b  VII. 

„  389  „  40  l.  (Sin^cl^eitcn  ft.  Gigent)eiten. 

„  431  „  47  I.  Liftinac  ft.  löeptineö. 

„  485  „  32  I.  Cotyaium  ft.  Cotvacus. 

„  580  „  20  I.  58an  ft.  S^on. 

„  —  „  38  I.  Junta  ft.  funta. 

„  580  „  nO  I.  Abecedario  ft.  Abcndario. 

„  582  „  22  l.  biefem  ft.  biefen. 


584 


585 


580 
()83 
(')85 

792 


2  I.  2)r.  ft.  3)c. 
20  I.  ?5eriafuerte  ft.  ^cnafuortc. 
44  I.  earloö  ft.  ßarle^. 

51  I.  3)r.  ft.  5)e. 

—  I.  bem  ft.  \>tx{. 

3  t.  ^crrcjuclo  ft.  ^"»crc^uchv 

4  I.  2)v.  ft.  ^c. 

10  I.  SHcma  ft.  D^iina. 

27  I.  5)r.  ft.  ^e. 

3  I.  filorentei^  ft.  glorcntuÄ. 

5  1.  grai)  ft.  S-ranj. 

20  I.  geftattcte  ft.  gcftatte. 

58  I.  jjcrrer  ft.  g-^^rtrc. 

00  I.  @brir  ft.  Srbif. 

48  I.  ucranlafetc  bic  köpfte  nidit  ft. 
l^iclt  bie  köpfte  nid)t  .yiniil 

30  I.  ^;Mautuö  ft.  t^Iantu^j. 


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29.  ©c^tcmBcr  1900.