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^ealencyHopäbie
für proteftantifdj«
3n öritter üerbefferter unb permeljrter 2luf läge
unter ZlTitipirfuns
vxelev Cl^cologen unb anbetet (S>elei}tten
herausgegeben
von
D. mUiBrf l|att&
PtolcfToi in Stiptig
$i)t)tra{raiiiei: %viiktl — ^ttvlim II.
1906
Andover-Harvard
Theological Library
CAMBRIOOE. MASS.
2IQe Hechte, tnsbefonbere bas ber Uberfegnng für jeben
em5e(nen 2(rtife( vorbei^alten.
sr. b. ^ofs unb UniberfltStSsSud^brutferei bon Sunge & @o^n in klangen.
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^eriei^ttb von iib&üxinmtn.
1. mhn\äit mäitx.
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= fieulticuS.
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2:T^effaIonHcr.
Sitnot^eud.
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2. BeÜfd^riften, 6a«t«te(toierfe
= «rtücl. m^ =
1 rr 9lb^anblungcn bcr ^Berliner Slfabcmie.
I =ÄflgcTnemc bcutfc^e a3togra|)]&ic.
l = ^Ib^onblungcn bcr ©öttingcr ©cfcflfd^.
bcr ©iffcnfcfiaftcn.
f® =r Slrcftit) für fittteratur unb ^rci^cn»
gcf*i(^tc beS 3JlittcIaltcr8.
Ä = Äb^anblungcn b. 'SRündjtntx ^Ifabcmic.
= AatJi. OftaeUmiM ber ^ollanbtften.
I =: ActaSanctornm ordinis 8. Benedict!.
Sf = Slb^anblungcn bcr Sät^fif^en ®cfcll»
fcfiaft bcr ©ijfcnfc^aftcn.
= ?rUcg Xcftamcnt.
= 93anb. ©be = ©änbc. [dunensis.
= Bibliotheca maxima Patrom Lng-
=■ Codex diplomaticus.
= Corpus Reformatomm.
iL = Corpus scriptoram ecclesiast. lat.
irA = Dictionary of Christian Antiquities
von Smith & Cheetham.
rB = Dictionary of Christian Biography
von Smith & Wace.
I = S)cutf(^c filltcrQtur*3citung
Cange = Glossarium mediae et infimae
latinitatis ed. Du Cange.
m = 3)eutWc 8citf4rift f. IHr^cnrecfit.
= iJorrtungen jur beutfcften (iJcfc^ld^te.
= Ööttingifcftc geleierte 5lnjcigcn.
J = ^tftorif(]^c83a^tbu(^ b. ® örrcSgcf ellf (^.
= |>a(tc toQd bu ^aft.
= ^iftorif(^e 3citf4rift Don ü. S^bcl.
l = Regesta pontif. Rom. ed. Jaffö ed. II.
4 = 3a^^^bü(^cr für beutf(!^c S^l^cologtc.
t\i = ^ai^xhüäitx für protcftant. 2;^eoIogic.
it = Journal of Theol. Studiea.
= Äircftcngcfci^i^te.
= Äir(!^enorbnung.
= ßltcrarifd^c« ©cntralblatt.
Bi = Collectio condliorum ed. Mansi.
= aJiagajin
=:Monumenta Germaniae historica.
t = ^onatSf^rift für ©ottcdbicnft unb
firc^Ii^e l^unft.
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Potthast:
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nnb bgl.
: WonalSfcfirift f. firc^l. ^rofi«.
= Patrologia ed. Migne, series graeca.
= Patrologia ed. Migne, series latina.
: Mitteilungen. [®ef(^i(^tShtnbe.
:9icuc« ^rt^io für blc ältere bcutfci^c
:9leuc 3r»5lge.
: SRcuc 3abrbü(^cr f. bcutfcftc^^l^cologie.
:!Rcue rird»Ii(^e geitfc^rift.
: 9?cue8 a:eftamcnt.
: <Prcu6ifd^c 3Q^rbüci^cr. [Potthast.
: Regesta pontificum Romanor. ed.
: 5Römlfc6c Guartalftfirift.
: ©iJungSberic^te b. SBcrlincrÄfabcnüc.
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b.®iencr „
Scriptores,
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[a^regbcri^t.
litcraturblatt.
IticDlogifdje ßiteraturjeitung.
löcDlLigifÄe Guartalf^rift.
^fteolügitdje ©tubien unb ^itifen.
icgte unb Untcrfurfiungen ^erauS*
geg. üon o. @^cb^arbt u. ^arnacf.
Urtunbenbuc^.
^crfc. SBci ßut^cr:
©crle erlanger ^uSgabc.
SBerfc ©cimarcr «uSgabc. [f^aft.
Seitfcfirlft für altteftomentl. Riffen*
„ für bcutf(^eS 9ntcrt^um.
„ b. bcutfrfi. morgcnl. ®cfcflf(!^.
,, b, beut j*. ^aläftina SSercinS.
„ für ^iftorift^c 2:f)eologic.
,, für Äird)engefrf|idite.
„ für ^Tc^enrec^t.
„ für lat^olifcfie Xficolügle.
„ für firc^I. 23iffenf(^. u. i'eben.
„ für lutfter. 2:t)eüIogtc u. ^irdje.
„ für$roteftantiömu§ u. ^irti^c.
„ für ^)raltifrf|c X^cologic.
„ für iöcolüflie unb ^irt^c.
„ für öjiffenft^aftl. 2:^coIogic.
IV
Tladitväge unb Bcridjtigungcn-
2. »anb: @. 108 8- 11. 3oft.«mbt iftnid^t in »allcnftcbt, fonbent in bem 3)orfe ebbcri^
bii ©aDenftcbt flcborcn, wo fein SSoter Pfarrer toar. (£rft 1558 lüurbc bicfer ©tabls
<)rcbiger in »ancnftcbt, f. ßel^npfunb in ^ffania 1900, 9?r. 4.
©. 108 3. 22 l. 1582 ft. 1583.
„ 241 „ 24 I. ^irmin S3b XV @. 410, 36 ft. JRcid^cnau.
5. fßanh: @. 682 3. 9 füge bei: Witten Davies, Heinrich Ewald, fionbon 1903.
6. »anb: 8. 473 3. 31 I. (gl^erecftt S3b V ©.211, 23 ftatt SSevnjanbtfd^aft.
©. 771 3. 57 I. ?tUona ft. 4)amburg.
7. »attb: 6. 463 3. 5. ^crr ^rofeffor 9f. Smcnb, bcr Urcnfcl Sol^. OJevl^. ^afcnfampd,
teilt mir mit, bafi bie Angabe, griebrid) ^molb ^fenfamp ^abe hie SBitioe fcine^J
SBruberS 3o^. ®er^., ©lifabet^ Krieger, gel&eiratet, unrichtig ift. ^Jaftr fei nur, baft
bie ®itwe bem @tiefbniber i^reä ^anneS biS ju feinem Stobe htn .^^auSl^alt führte.
9. SSanb: @. 524 3. 37 füge bei: |)err $aftor D. 2:. anbr^ giebt in feinem beacfttenSttjertcn
SReferat Pourquoi le protestantismo a fait peu de progr^s en ItÄÜc auf bem 3. internat.
Kongreß be8 liberalen ©brlftentumS ju ®enf 28.— 31. 9luguft 1905 nacfi bem Annuario
Statistico Italiano k)on 1904 folgenbe 3af)(en ^ur 9leUgiondftatifti! StalienS i. 3. 1901:
^roteft. überhaupt 65595
baöon: grembe 20538
Staliener 45057
SJon bcn legieren gehören xur SBalbenferfirrfie
in ben Z^mem 19315
in ^ieniont ca. 3500
im übrigen Stollen ca. 4185
burcfi bie @D. gejuonnen ) /^^^^^
für bie 3BaIb. ] ' ' ^^^
für bie übrigen ^. . . 11300
jufammen: ca. 45000
erüärt religionslos 36092
o^ne erflärung über bie SHel. . 795276
Äat^olifen 31539863
©eoölterung 32475253
10. »anb: ©. 521 3. 10 I. ^524 ft. 14.
13. »anb: 6. 381 3. 47 I. 9iep^aliu8 ft. 9?epl)eIiuS.
@. 395 3. 9 I. 538 ft. 543.
14. »attb: @. 526 §. 52 I. Qm ft. 3®Ä.
16. SSanb: @. 145 g. 11. ^err ^rof. D. fiöfcfte in Sien marfit barauf aufmerffam, bafj
V4 3KiIIion als öJefamtjiffcr ber @üangelifd)en in Oefterreic^ ju niebrig fei. 5lu(t) bie
üon i^m 83b XIV @. 313 gegebenen 3iffern 365505 ?IS3. unb 128557 ö^^. feien
bereits überfc^ritten.
17. 83anb: S. 1 3- ^^7. .^err Pfarrer Slünbig in 9lrIcS^eim mac^t barouf oufmcrffam, bau
6^r. 3. Sfiiggenbocft als 9iad)foIger @d)enfeIS für fi)ftematifd)e 2:^eologie berufen U)uvbe,
»ie er benn aud) 9(poIogctif, ^ogmatif unb ßt^i! laS. @rft feit 6nbe ber 60cr 3at)rc
traten in feinen 8SorIefungeu bie fl)ftematifc6en (JJegenftänbe jurüd.
©. 125—131. gHomanoS. ^x\x^ nac^ bem ^rfc^einen biefeS ^tuffafeS ^at Dr. $aul
3KaaS in 3Jiünd)en, ein Schüler Ä:rumbad)erS, in bem erften 3)oppeI^eft ber 5Bl)jautiin=
fd)en 3citfc^rift 1906 jmei Unterfucöungen üeröffentlicftt, bie fiiv bie 5HomanoSforfd)uug
oon groftcm ^erte finb unb in iljrem $)auptin^alt ftier berührt iüerben muffen. 2)ie
erfte ^luSfüftrung beruht auf ber 3)urc6forfd)ung beS gefamten ^aubfd)riftlid)en 'iDkterial^
Äarl ^rumbad)erS unb tommt auf biefem (JJrunbe j^u bem Ergebnis, baf] JK. unter
9lnaftafioS I. nad) Äonftantinopel gefommen ift, ba^ mithin feine fiebeniJ^cit in baS
3uftinianifd)e 3c^taltcr fällt. 3)er ^auptfädjlid)fte äußere SSemeiS bafür ift, ba\] in
einem biSf)er unebierten Oebicftte beS JR. ficft beutlidie 9lnfpielungcn auf bcn ^^'ifa^
aufftanb oon 532 fomie btn CSinfturj unb 9Jeubau ber ^a^ia Sophia finbcn, bk im
3af)re 537 eingeroeiijt mürbe. Unb ^\mx ift von bicfen fingen nid)t etum alö Don
(gortfe^ung auf 8.812)
Sc^toaba^er 9rtifel. — 3. SB. »lieberer, ^dimcrrung uon bem Orte unb berScit, wo
unb mann bie füg. fc^mabacfiifc^en ^Irtlfel oufflefc&et unb gefertiflet toorben in bc^f. SRarfiric^ten
Sur ^ird)cn=, ®ele^rten= unb SBüc^ergefc^ic^te, ?lItborf 1764 I, 481; 3. 3. iJlülIer, ^iftorie üon
ber (Suangelifctien ©tänbe, ^roteftotion unb 9lppeUation k., 3ena 1705; 2:^. tolbe, 3)er
Za^ t)on ©dftleij unb ble (Sntftc^ung ber Bd)\oaha^tx ^Iriifel in Beiträge jur iHeformotion^s 6
gef«. 3. ^öftUn getoibmet. ©ot^a 1896, @. 84 ff.
2)ie Sntftel^ung ber fog. ©d^toabad^er Slrtilel ^ängt auf« engfte mit ben Sürtbni«*
beftrebungen ber ebangelifc^en ©tänbe gufammen, bie unmittelbar nad^ bem ^ßrotefte auf
bem 9leid9«tag gu Sj)eier im ^rül^jal^r 1529 bon neuem aufgenommen h)urben. 9lad[|bem
Strasburg eine ben @egenfa| berf^lleiembe, aber ben 9{ic^tt^eo(ogen genügenbe @r!Iärung 10
über ba« älbenbmal^I abgegeben ^atte, fam e« noc^ in @))eier am 22. ^pxxl j^tDifc^en
©ac^fen, ©«ffwt, Slümberg, Strasburg unb Ulm j^u einem borläufigen SSerftänbni«, toos
rüber auf einem SCage ju SRotad^ im fränfifc^en ©ebirge h)eiter ber^anbelt toerben joflte.
3n||h)tfc^en fucbte Sac^fen, toie fc^on früher in 3lu«ftc^t genommen, ben ?IKarIarafen (Seora
Don äranbenburg in baö Sünbni« gu jiel^en. 35aburc^ tourbe bie ©ac^e toefentlic^ 16
Derfd^oben, ba biefer unb fein Äangler (Seorg SSogler mit ben Strafeburgem toegen i^er
„©c^toärmerei" lein 33ünbni« einjugel^en entfd^Ioffen toar, unb auc^i bie i&altung be«
Äurfürften in ber Sünbni^frage toar unter bem ©influfe feiner 2^^eoIogen eine anbere
getoorben. 3"3lotac^ (7. ^uli) lamen bie®efanbten über SJortoer^anblungen nid^t l^inau«
unb nahmen bie Sefc^Iuftfaffung für eine auf ben 24. 2luguft nac^ ©c^itoabac^ ein« ao
uiberufenbe Sagung in Slu^ftc^it. 9lber ber Äurfürft ^atte im Sinberftänbni« mit bem
Öranbenburger je^t anbere ^läne, nämlic^ burc^ einen ©e})aratbunb mit Reffen unb
8ranbenburg bie läftig getoorbenen Dberlänber abxufc^ütteln, unb lub be^l^alb ben ?IKarIs
grafen unb ^^ilijJj) t)on J^effen gu einer J)erfönlicpen 3"fö»"*«^nlwnft "^^ ©aalfelb ein.
auf biefem läge (8. S^K)/ i^ bem f(^liefelic^ toieberum nur ©efanbte erf^ienen, ber* 25
langte ber 3JiarIgraf in ber ^nftniltion für feine Vertreter atö SJorbebingung für ein
Sünbniö, „bamit toir alle toijfen, toarob toir einanber raten unb ^anb^aben foHen", nic^t«
©eringere« aU bie Slnnal^me eine« einheitlichen Selenntniffe«, einer ein^eitlidben Äirc^en*
orbnung unb bie gleichmäßige SHeguIierung aller firc^lic^en 5^agen in ben ßJebieten be«
Serbünbeten, unb \pxad) bie Srtoartung au«, bafe be« Äurfürften bon ©ac^fen „2:l^eo5 30
logen unb anbere aelerte folc^en d^riftlic^ einhellig Drbnung unb unberrid^t mit gutem
beftänbtgem c^riftlicpen grunb tool fteÜen unb mad^en lönnen" {%f}. Äolbe a. a. D. @. 99).
^ai^i^i aud^ ©ac^fen mit ©tra^burg be« ©atrament« falben nic^t gufammen ge^en gu f5nnen
unb bon neuem eine 3"ffl»"»"^twnft ber gürften für nottoenbig erflärte, foDte ber
©c^toabac^er 2^g bi« ©t. ©allen (16. Oft.) berfdjioben toerben. 35arüber fam e« gtoifc^enbem 35
fturfürften unb bem Sanbgrafen, ber in ben 93orbcreitungcn für ba« 3Karburger ©e|j)räc^
(|. b. Slrt. Sb 12, ©. 248) begriffen, eben aKe« baran fefete, eine Sinigung aller &>an'
ßelifc^en gu ergielen, gu einer gereigten Äorrefponbeng. Ulber ber Äurfürft bel^arrtc auf
feinem ©tanbj)unlt. ^ro| aller 3Ra^nungen be« Sanbgrafen tourbe ber ©^toabac^er lag
öbbefteßt. 3" ^^^^^ 33ebenlcn au« jener 3^^^ ^i^^^^ Äurfürft S^^ann bie ^otberungen 40
^ 3Karfgrafen infotoeit auf, bafe aud^ er (Sin^eDiglcit in ber Se^re, unb gtoar bie 9ln=
na^mc bon formulierten 2lrtifeln be« (Slauben« al« nottoenbigc ©runblage ber ©inigung
^nftcllte, unb bie« fo, bafe für ben %aü, bafe jemanb fpäter bon einem ber betreffenben
«[ttifel abfiele, er bon bem Sünbni« au«gefc^Ioffcn fein foüte {%l), Äolbe a. a. D. ©. 103).
^amit toar bie SluffteHung bon folc^cn Slrtitcln befc^loffcne ©ac^e. 35afür unb bamit 40
tut bie 9lu«fc^Iie6ung ber Dberlänber foHtc ber Sanbgraf auf einem *Iage gu ©c^lcig
WDonnen toerben, gu bem Sac^fen unb 8ranbenburg auf ben 3. Dftober eingelabcn
9<^tten. Dbtoo^I $^ilit)l) fc^on be« ajlarburger ©efjjräd^« toegen ablehnen mufete, tourbe
KeaUGnc^riopäbie für X^eologie unb fiircfee. 3. S(. XVIII. i
bort in ber Hoffnung, bcn Sanbgrafm noc^ nad^lräglic^ jum 33eilritt ju bctücgen, toirllic^
befc^Ioffcn, auf bem Sage gu ©c^tüabac^ bon bcn Dbcriänbem ate SSorbcbingung i^rer
äufnal^me in bag 33ünbnid bie Slnna^me bcftimmter (Slauben^rtilel gu forbcm. 35iefe
Slrtifel lagen aber noc^ nic^t bor. Grft in 5Warburg, toa^c^einlic^ cim 4. DItober, erhielt
6 Sut^er ben bom 28. Sej)tcmber batierten Srief bcg Äurfürften mit ber 2lufforberung,
gemeinfam mit SKelanc^t^on unb ^ona^ nac^ ©rlebigung i^rer 3Jiarburger ©ejc^äfte bon
ßifenad^ über SKeiba nac| ©c^Iei* ju fommen, ober faDö ber Äurfürft bort nic^t me^r
antüefenb fei, an einem anbem Orte, Vorüber er Slac^ric^t erhalten foHte, mit il^m
uifammenjutreffen. 2(m 7. DItober tüar Sut^er in ©ifenac^, unb ^ier tüirb i^n ber
10 Sefe^l eneic^t l^aben, bem Äurfürften nic^t Leiter nad^jureifen — benn h)ir fe^en bie
SBittenberger bie getüö^nlidbe Sloute über ®ot^a, Srfurt, 3ena l^eimh)ärtg jie^cn — , unb
gugleid^ bie fragli^en Slrtitel augjuarbeiten. SBal^rfc^einuc^ ^at fte berjelbe Sote, ber
ben SSuftrag überbrachte, atebalb mitgenommen, benn fte fd^einen fc^ion am 10. Dftober
in ben ^änben be« Äurfürften getücfen gu fein (I^. Äolbe a. a. D. ©. 109).
16 ©0 entftanb ein Sefenntni« in 17 Slrtileln, bie, obtüo^l Sut^er angiebt (®3l* 24,
337), bafe fie nic^t allein bon il^m geftettt feien, boc^ fidler bon il^m niebergefc^rieben
fmb. 2Bie begreiflid^ lehnen fie fic^ an bie toenige 3;age borl^er berfafeten SWarburger
9(rti!el an, aber toä^renb biefe bam beftimmt h)aren, flargulegen, h)orin man t^atfäc^lic^
einig fei, lam e« in ben neuen 3lrtileln barauf an, feftjufteUen, toorin man einig fein
20 foHe unb muffe, um }}olitif(^ gufammengel^en gu lönnen. 2)e«l^alb fmb fte ausführlicher
gefaxt unb !ommt Sutl^erS eigene Sel^toeife barin jum fc^ärfften SluSbrudf, auc^ befämj)ft
er barin auSbrüdflic^ bie ben ßh^inöl^ön^'^n borgetoorfenc, aber bon i^nen nic^t gugeftanbene
Äbtoeid^ung in ber ßl^riftologie unb in ber fflertung ber Srbfünbe. Unb bei ber 2lu«=
fage über ba« Slbenbma^I toirb nic^t nur ber in ben 3Jlarburger Slrtileln gu lefcnbe ©a$,
26 bafe „bie geiftlid(ie 5Riefeung beSfelben SeibS unb 33Iutö einem jeben Sl^riften fumemlic^ bon
nöten" fortgelaffen, fonbem gelel^,bafe „fei toa^r^aftiglic^ gegenwärtig in 33rot unb SBein ber
toal^re Seib unb 33Iut 6l(|rifti." 95ebeutfam ift aud9 ber in ben SRarburger Slrtileln ftc^
nic^t finbenbe unb in ber §auj}tfac^e in bie Slugdburgifd^e Äonfeffion übergegangene
Slrtilel über bie Äird^e (5«r. 12).
ao 3)iefe 2lrtilel l^aben nun ben 3Ramen ©c^tüabac^er 2lrtifel (feit toann?) erhalten,
too^I guerft beSl^alb, toeil man fie mit einem 1528 in Sc^tüabac^ in Sachen ber branben^
burgifq^en Äirc^enbifitation gehaltenen a:age in SBerbinbung bxad)U (bgl. Slieberer a. a. D.
©. 49), unb fie bürfen il^n mit Siecht infofem fül^ren, aU fte auf bem bel^ufiS Slbfc^lie^ung
beS Sunbeg nac^ ©c^tüabad^ einberufenen läge bom 16. Dftober 1529 borgelegt unb
85 bort bon ben Dberlänbcrn abgelel^nt tourben. Sut^erS Urfd^rift ift biSl^er nic^t auf-
gefunben tüorben, boc^ fennt man bie ben Ulmer ©efanbten mitgegebene Slbfd^rift
(abgebr. bei 61. ^ridt, SluSfü^rl. i&iftorie beS Sutl^ertumg unb ber ^Reformation, SeiiJgig
1714 S. 969, barauö unter SBergleic^ung einer SlnSbacber i&anbfd^rift CR XXVI,
©. 151 ff.), h)ie bie, tüelc^e bie ©trafeburger nac^ §aufc brachten (bamac^ bei 3:^. J^olbe,
4o3)ie auggburgifc^e Äonfejfion lateinifc^ unb beutfc^ 2c. ®oll^al895, ©.123 ff.). 2lbgcfel^en
bon ber fc^on ertoäl^nten 95enu^ung bei ber 9lbfaffung ber Sluggburger Äonfeffion ber=
toenbete fte ber Äurfürft im 5Dlai 1530,,inbem er, um bem flaifer feine Scc^tgläubigfeit
gu begeugen, eine (fc^lecfjte) lateinif^e Überfc^ung ber Slrtifel na^ gnnöbrudf fc^irfte
(bgl. 3. m. SRic^arb, Lutheran Quarterly 1901 ^uli, unb 6. ©tange, %f)BiR
45 1903, ©. 459). ^m 2)ruc! crfc^ienen fie guerft toiber Sutl^crS JBiHen gu ber|elben
3cit in einer SluSgabe beS Äoburgcr 3)rucferg §anS Sern unter bciu falfd^en
Xitel: „3)ie befenntnuS 3Jiartini Sull^erö auff bcn j^igen angcftcltcn 9lcicl;Stag gu 2lug^=
J}urgf cbngulcgcn, 3n ftebcntgcl[>en ärtifel berfaffet" (bgl. 621* 24, 335, h)o aber bie ein=
leitung beS §crau^cber« böUig irrefül^rcnb ift), tba« bie in Slug^burg berfammelten
50 latl^olifc^en äl^eologen 3Bimj}ina, 3)icnftng, Slcborfcr unb ©Igerfma gu einer ©cgcnfc^rift
(ebb. ©. 345 ff.) bcranlafetc. hierauf gab Sutl^cr balb barauf feine 2trlifcl fclbft mit
einer Sßonebe berau«, beren bon bcn Sut^crauSgabcn bisher nic^t benu^tc Urfc^rift bon be^
Slcformatorg i)anb ftc^ jc^t in ber 5Rümbergcr ©tabtbiblioll^cf finbet. Jljcobor ^olbc.
©c^tnörmcret f. b. 21. aSergüdfung.
66 ©c^tnar^, 6J|r. ^r. f. b. 21. TOiffion, }}roteft. unter ben Reiben Sb XIII
©. 160, 15.
©d^tnarj^ griebrid^ ,Ö einrieb ßl^riftian, geb. am 30. 3Rai 1766 in Sieben,
geft. 3. 2lj)ril 1837 in ^cibelbcrg. ©ein SSater bereinigte in ©ie^en ein ^fanamt mit
einer ^JJrofeffur ber ^^i^eologie unb ^at jtd^ befannt gemacht burd^ einen „Slbrife ber
Äird^engefc^ic^te." ß^ toar bie 3eit, aU ber berüchtigte Ä. g. Sa^bt gu einer ^JJrofeffur
ber 2:i^eoIoflie nad^ ®iefeen berufen tüorben Wax, bie er bon 1771—1775 belleibete. 2)a
@(^h)arj gegen bie leichtfertige Sibelerflärung 93al^rbtd öffentlidb unb nad^brüdHid^ fid^
an^^pxaa), fo tourbe er, um i^n aud ber Unitoerfttätdftabt gu entfernen, gum ^Pfarrer unb 6
geiftlic^en 3nf}>^^^ in ätefelb ernannt, ^m erhielt ber junge griebrid^ feine erfte Sr«
Jie^ung. 9!aqbem er noc^ ein ^afyc bie oberfte Jllaffe bed ©^mnafiumd in ^er^felb
►efuc^t l^atte, begog er im 18. Seben^jal^ bie Uniberfttät (Sieben. 3lai) Seenbigung be«
Unit)erjttät«ftubium« tüar er afe §ilf«j)rebiger bei feinem SSater t^ätig. 1790 erl^ielt er
bie £anb}}farre SJqrbad^ bei 33iebenIo})f, tourbe 1796 nac^ ßc^jett in ber SQäetterau, io
1798 nac^i SWünfter bei Su^bac^ beförbert. 1792 erfc^ien in SJena feine erfte ©d^rift:
„®runbri| einer a:^eorie ber SWäbc^enerjie^ung in ipinftd^t auf bie mittleren ©tänbe;
mit einer SSorrebe t)on Ä. ©. 6. ©c^mib." 9Wtt biefem ffierl betrat ©d^h)arj ba« gelb,
auf toel^em er f}}äter bei toeitem am erfolgreic^iften unb nac^l^altigften getoirlt i}at, ba«
^äbagogifc^e. @4lon in ^e^bad^ l^atte er bie Srgiej^ung einiger il^m ant)ertrauten Jlnaben i6
übernommen, ^n Sd^geQ unb !Dlünfter gelang e^ i^m feine tieine Sr^iel^ung^nftalt nod^
ju erweitern, ©o fammelte er Erfahrungen auf bem ©ebiete ber ^äbagogif, toelc^e er
m einer Steige größerer unb Heinerer ©c^riften nieberlwte. Sie ftnb fj)äter meift in fein
§auj)thjerl: „Sel^rbuc^ ber ßrjiel^ung^s unb Ünterric^t^Iepre" »erarbeitet toorben. Sefonbere
©rtoäl^ung toerbient feine 1804 erfd^ienene Heine ©c^rift: „®ebrauc^ ber 5ßeftaloijifd^en 20
Se^btic^er beim j^äuölid^en Unterricht." Sie betoeift, h)ie frü^e unb lebenbig er bie SSer^
btenfte unb ®runb[ä$e ber naturgemäßen ^'{etl^obit ^eftaloggid anerlannte. t)aneben toar
aber für feinen emften c^riftlic^en ©inn befonber« ba^ SBebürfnid: bie }}äbagogifc^e SBiffen»
fc^ft auf i^re toal^re ©runblage jurüdfgufül^ren unb i^ ber auffommenben oberflöd^Iid^en
^albbilbung unb bamaligen ^^JI^ilant^roj)ie gegenüber eine grünblid^ere unb d^riftlic^e 25
Stic^tung geben gu l^elfen. SJie SSerbienfte, h)el(|e er fic^ in biefer i&infid^t ertoarb, fofften
nic^t lange ol^ne SInerlennung bleiben. ®r tvurbe al^ ^rofeffor an bie tl^eol. ^atultät
in §eibelberg berufen, ^m 3. 1804 trat er fein neue« 2lmt an; toö^renb ber 33 ^ofyct,
in benen er e« öertoaltete, ^atte er außer 3)aub noA Slbegg, üJlarl^einele, be Wtttz,
?ßaulu«, 9leanber, Umbreit, UHmann unb Setüalb ju ÜJlitarbeitem unb Äollegen. ao
Sil« Unitoerfttät^le^rer entfaltete ©c^tüarg bie gleid^e unermübete unb bielfeitige
Sl^ätigfcit, h)ie bi^^er ate ©eiftlic^er, im Sunb unter feinen Kollegen befonberd mit 3)aub
unb Sreuger. ©0 h^eit bie f)}etulatibe Stid^tung ber Xl^eologie ^aub« unb ©c^n>argend
biblifd^sj)raftifc^ier ©uj)ernaturali«mu« aud^ in ber golge au^einanbergingen, fo blieben
beiben ?IKännem, gang abgefel^en bon bem gemeinfamen ®egenfa§ gegen ben ^ßauluöfc^en 85
Slationaligmu«, ni^t nur eine SRei^e bon toefen^aften inneren Serül^rung^j^unlten, fonbem
c^ t)erfnü}}fte auc^ beibe ein auf gegenfeitigc ^oc^Jc^ä^ung gegrünbete« nie geftörtc« SSer«
^öltni« ec^t !ollegialifc^er greunbfd^aft. @c^h)arg, toelc^em neben ber ^öbagogil bie
fVftematifc^e 3:]^eologie übertüiefen toar, ließ 1808 feine Sciagraphia dogmatic^eB
christianae in usum praelectionum erf cremen, 1816 umgearbeitet gum „®runbriß 4o
ber fird^lic^en Jjroteftantifc^en 2)ogmatif" toom ©tanb))unft ber Union. 33efanntlid^ l^at
©c^leiermac^er in ber Sorrebe gur gtociten ausgäbe feiner ©lauben^lel^re ben „Sl^ren»
Irang", bie erfte Bearbeitung ber Dogmatil mit SRüdtfic^t auf bie Bereinigung beiber ebam
gelifc^en Äirc^iengemeinfd^aften geliefert gu l^abcn, an ©c^toarj abgetreten, §afe aber im
Hutterus redivivius bem „©runbriß" ein „innige« ©efül^l für ben religiöfen ®e^alt 45
ber reformierten toie ber lutl^erifc^en Äirc^enle^re" nachgerühmt. ©leic^faD« im 3. 1808
crfd^ien fein SBer!: „2)a« 6l)riftentum in feiner Söa^rl^eit unb ®öttlic^Ieit betrachtet, ober
bie Se^re be« ©tKingelium« au« Urfunbcn bargeftellt" ; 1821 folgte fein „§anbbud^ ber
cöangelifc^sd^riftlic^en St^if für a:^eologen unb gebilbete ßl^riften", in gtoeiter Ituflage 1830
unter bem litel: ,,a)ie ©ittenle^re be« ebangclifd^cn ß^riftentum« al« 2öiffenfc^aft." 3flid^t 00
gu überfeinen ift bie fleißige ^Mitarbeit ©c^toargcn« an ben „§eibelberger ^a^tbüd^ern ber
gitteratur", in benen er unter anberem eine cinge^cnbe S^lecenfton bon ©c^lciermac^er«
neu erfd^ienener 35ogmattf lieferte. 1824 übernahm er auf ffiac^ler« Slnjuc^en einige
3a^re lang bie SRebaftion ber früher bon biefem ^crau«gegebcnen „3:^eologtjc^en Stnnalen".
§anb in §anb mit biefen t^eologifc^en arbeiten gingen feine Seftrebungen für &5
2;^eorie unb ^raji« ber ^päbagogil. 3^"Ö"i^ ^^f^^ ^f^ f^" i" brittcr Sluflage in brei
8änben 1835 erfc^ienene« „Se^rbud^ ber ergie^ung«^ unb Unterric^t«le^re", fotoie feine
arbeiten für }}raftifc^e §eranbilbung tüchtiger 2c^rer. ^m 3. 1807 errichtete er in®emcin*
fc^ft mit ßreuger ba« j)äbagogifc^=^^ilologiJc^e ©eminarium. 3" biefem fam in ber ^Jolge
auc^ ein latec^etifd^e« ©eminar, toel^e« feiner 2)ireftion anvertraut toarb. 35aneben übte ro
©c^nxirj ntd^t nur eine pxaitx\d^:)pä\>aQOQi\i)z SBJirIfamfcit in regelmäßigen, gern unb öiel
befuc^ten äbenböereintgungen, gu toelc^en er feine 3w^örer bei Itd^ berjammelte, fonbem
feine raftlofe 2:^ättgleit erlaubte i^m fogar, neben ber (Srjiel^ung feiner eigenen je^n Äinber
bie frül^er gegrünbete Heine Änabenergiel^ung^nftalt in §eibelberg fortbauem ju laffen.
6 6nbli(^ h)trfte er eine lange SReil^e bon ^a^^^^n ntit jur SSerbefferung be^ beutfc^en 38olI^
fc^uItDefeng im großen burc^ bie 3^^*W^^ft' „greimüt^ige g^l^rbüc^er k,", toelc^e er mit
feinen ^eunben Dr. SBagner in 3)armftabt, Dr. ©c^ettenberg in SBiegbaben unb
Dr. b'aiutel in Stuttgart l^erau^ab.
SRic^t ju überfeinen ift enblidp bie ürd^lic^e SBirffamfeit, toelc^e eine fo toefentlic^ auf
10 bag ^Praltifc^e gerichtete ^erfönlid^Ieit h)ie ©c^toarj ju entfalten nid^t uml^in fonnte.
Sdion in ber 3ritf*rift: „35ie Äirc^e", toelc^e er in ben ^ö^ren 1816 unb 1817 ^erau^
gab, \pxad) er ftd^ freimütig über bie ®ebrec^en unb 95ebürfniffe be^ öffentlichen Äirc^en^
tum« avi^, namentlich in Sejiel^ung auf SJerfaffung unb Äultud, foh)ie auf bie ^frebigt
ber reinen Äirc^enlel^re burc^ tüc^itige ©eelforger. ffiie fem er aber babci bon einem
16 falfc^en Drt^oboji^mu^ toar, betoie^ ©cfjtoarg befonber^ burc^ feine eifrige 95eförberung
ber Bereinigung ber beiben ebangelifc^en Äirc^en in 95aben. SRac^bem bie Union fc^on
feit 1804 in ber tl^eologifc^en gafultät ju ßeibelberg borgebilbet toar, ^aben au« bem
©d^oß berfelben befonber« ©d^toarj unb S)aub jum Slbfc^Iufe berfelben in ber ebangelift^en
Äird^e Saben^ mitgetoirft. ©c^on gu ber öorbereitenben ©^nobe in ©in^l^eim tourben
20 beibe aJlänner bon ber gafultät abgeorbnet, unb ebenfo bcibe gu ber fonftituierenben
©^nobe in Äarteru^e 1821 berufen. §ier toar e« bomel^mlidn ©c^toarg, toeld^er auf
fjeftftellung ber Se^re bom Slbenbmal^I quoad consensum brang unb ber bie formet
borfc^Iug, toeld^e alßbann in bie SBereinigung^urfunbe überging: „ÜJlit Srot unb SBein
empfangen n)ir im 1^1. 9(benbmainie ben £eib unb bad 93lut S^rtftt gur Siereinigung mit
2^ i^m, unferem §errtt unb §eilanb, nac^ 1 Äo 10, 16." ßbenfo toaren c^ borjüglic^
©d^toarj unb ^aub, unterftü^t burc^ mehrere ber abgeorbneten reformierter Äonfefpon,
burt^ toelc^e bie 33elenntni^grunblage ber abmfc^Iteßenben Union in einer 2Beife fefts
gebellt tourbe, toelc^e, entgegen bem loderen Satitubinarigmud in manchen Siegionen be^
altbabifd^en Sutl^ertum^, ben f^mboHfd^en Sudlern ber beiben Äonfefftonen i^re gcbü^renbe
80 (Seltung ju ftc^ern toußte. 3luf böDig unjtoeibeutige SBeife fprac^ ftc^ gerabe über biefen
?Punft ©d^toarj unter 3wPi»"»"wng 3)aub« unb ber t)ier anberen Äommiffton^mitglieber
bei Slbfaffung eine« i^m übertragenen 33eric^td über ein fatec^etifcfje« Sel^rbuc^ für bie
unierte 5tirc^e au« (bgl. §unbe«^agen, 35ie 33elenntni«grunblage ber bereinigten etoan=
gelifc^en Äird^e im ©rofel^erjoatum 33aben, 1851, ©. 130 ff.). 3« ^^ gleiten babifd^en
36 ®eneralf^nobe bon 1834 totrite ©c^toarg für bie befferen 33efc^lüffe berfelben mit.
©n allgemeiner SRüdfblidf auf ©c^toargen« Seben unb ©treben läfet nic^t berfennen,
bafe fein i&auj)tberbienft auf bem ©ebiete ber 5ßäbagogiI gu fuc^en ift. ©ine ©figge feiner
Sraftifc^en }}äbagogifc^cn S^ätigleit \)at ©c^toarg felber in ber SSorrebe gu ber jiDeiten
tuflage feiner ©rgiebung^lel^re (3 33be, £eii)gig 1819) gegeben. Slufeer ben berett« ge=
40 nannten SBerlen berbienen noc^ feine „35arfteDungen au« bem ©ebiet ber ^äbagogi!"
(2 33e., 1833 unb 1834) emjäl^nung. ©ein „2c|rbuc^ ber ^äbagogif" aber in ber
legten, 1835 bon il^m felbft beforgten 9lu«gabe bilbete in ber Bearbeitung bon ßurtmann
lange eine« ber berbreitetften j}äbagogifc^cn §anbbüc^er. fntibcd^agett t-
©li^toörj^ gol^ann Äarl ßbuarb, geb. am 20. Sunt 1802 in §atle a. ©., geft.
45 18. 9)lai 1870 in 3iena. ©o^n eine« Bürger« bon§alle, erhielt er feine toiffenfc^aftlic^e
Borbilbung auf ber latetnifc^en §aubtfd5>ulc bafelbft, ftubierte l^ierauf 1822—1824 eben-
fall« in ^aüz 2^^eologie, tüurbe 1825 Seigrer am ^äbagogium be« Älofter« U. l.%x. in
9Kagbeburg unb erhielt 1826 bie ^fartfteCe in Slltentbebbingen bei ^Wagbeburg; 1829
h)urbe er al« Dberpfarrer unb ©ujjerintenbent nac^ ^ma berufen unb gugleic^ gum
60 $onorarj)rofeffor an ber Uniberfttät ernannt, ein ^oJ)))elamt, bem er fo lange treu
geblieben i[t, al« e« i^m überhaupt gu toirlen bergönnt fear. ®r ^attc in A)allc ben
®runb gu feiner t^eologifd^en 3lu«bilbung gelegt l^aujjtfäcblic^ unter Söegfd^eiber unb
©efeniu«; nac^^er, befonber« in Slltcntbebbingen, toibmete er ftd^ borgug«tüeife bem ©tubium
ber ©(^leiermac^erfc^en ©c^riften, bie auf feine toeitere ©ntmidfelung einen bebeutcnben
66 ©influfe übten. Sitterarifc^ l^at er fid^ befannt gemacht burd^ eine SWeibc bon Slb^anb^
lungen für bie I^StÄ ; toir nennen bon benfelbcn nur bie beiben 3luffä^e über 9[Relanc^=
tl^on« ©nttüurf gu ben ^^pot^pofcn, 1855, unb über 3)J. Soci nac^ i^rcr h^citeren ünU
toidfclung, 1857; auc^ für bie erfte Sluflage bicfer aieaUSnct^flojjäbie ^at er mel^rere
airtilel geliefert; femer l^at er bie t^eologifc^e Stebaltion ber Jenaer 3lUgcm einen
Sd^koarj, 3. Jt. @. Sd^koat}, Siaxl 5
Sittcraturgcttung bi« gu beren Srlöfd^cn (1848) geführt unb fear er einer ber (Srünber
ber ^roteftantifc^en Äird^enjeitung (t)on ber er ftd^ inbe« f}}äter jurüdfgog, ba er jtd^
mit i^en ®runbfä$en j^inftc^tlt^ be« SJer^öItniffe^ ber Äirc^e jum Staate nic^t
in öollem einflang tüufete); aud) gab er 1859 ein befonbere« SKeimarfc^e« Äirc^em
blatt ^erau^ unb öerfafete er eine geleierte 35enffc^rift jur geier beg Sw'^il^umö ber 6
Unit)errität 3ena: 35a« erfte gabr^el^nt ber Uniberfttät gena, 1858. ßine größere
geleierte Slrbeit, ba« Seben bon vlifolaud Slm^borf, eine SJruc^t feiner mit befonberer SJor«
liebe getriebenen Sefc^äftigung mit ber ©efc^id^te ber iMeformation, ift nic^t jum 2lbfc^Iu|
gebieten. ©0 berbienftlic^ inbe« biefe fc^riftfteHerifd^en Seiftungen toaren, fo toar bie«
ioi) nic^t ber eigentliche ©c^tüerjjunlt feiner 2^l^ätig!eit. 2)iefer lag toielme^r in feiner 10
joraftifd^en SBirtfamfcit afö ^ßrebiger, aU Unitoerfttät^lei^rer unb alg 3Ritglieb ber oberften
Äirc^enbel^örbe be« ©rofel^erjogtumö ffleimar. ©eine gebanlenreid^en, erbaulid^en, mit
großer Äraft unb SBärme borgetragenen ^rebigten gewannen i^m balb ba« allgemeinfte
$}ertrauen unb bie allgemeinfte 2lner!ennung. ©r tourbe be^l^alb auc^ bielfac^ gebeten,
fie burt^ ben ®ruc! ju Veröffentlichen; auc^ ift infolge babon eine Stnja^l ^rebigten unb 16
geiftlid^e Slmt^reben einzeln unb im % 1837 eine ©ammlung berfelben erf^fienen (^^na,
grommann). 3ln ber Uniberfttät, bei toelc^er er im % 1844 ate orbentlid^er ^ßrofeffor
in bie t^eologif(J[|e ^ahtltät eintrat, n)irfte er teil« bur$ feine SSorlefungen über bie fog.
j)raftifc^en 3!)i«jil)linen ber a:^eologie, §omileti!, Äated^etif, c^riftlid^e ©t^il, teil« unb
^uj)tfäc^|lic^ burc^ feinen anregenoen unb bilbenbcn ßinfluf; auf bie ©tubierenben ateao
3)ireftor be« ^omiletifc^en unb lated^etifc^en ©eminar«. SSon ber 2lrt unb SBeife, tüie er
biefe« Seminar leitete, ^at er felbft in ben „35enlfc^riften" be«felben Jlac^rid^t gegeben
(3ig I, 1835; II, 1839). 311« erfte« geiftli(i[|e« aJlitglieb be« DberMenrat« (feit 1849)
toar er forth)%enb bemül^t, bie SBirIfamleit ber (Seiftlid^en ju ^eben unb ju förbem unb
bie ürd^lic^en Drbnungen be« Sanbe« m berboDfommnen, ju toeld^em 3^^* namentlich 26
ba« „Sbangelifc^e fiir^enbuc^" in 2 Sänben (1860 unb 1863) biente, beffen jtoeiter,
bie fird^lic^en ^anblungen betreffenber 95anb bon i^m allein beforgt tüurbe. ©0 ^at er
40 3^^^^^^ lö"Ö i" 5^W^ ""^ unermüblic^er Si^ätigleit in ^ma getoirft, nur in ben
leftten ^a^xm burc^ ein fd^merj^afte« Slerbenleiben öfter ge^inbert, tüelc^e« i^n im
3Kai 1865 nötigte, auf fein ämt al« ©uj^erintenbcnt unb Dber^jfarrer ju berjic^ten, unb ao
immer gerftörenber toirifenb am 18. üJlai 1870 feinem t^ätigen unb erfolgreichen Seben
ein ßnbe machte. Dr. G. ?petcr f-
Sd^toorj, Äarl, tourbe am 19.9?ot). 1812 gu SBiel auf Slügen geboren al« britter
©o^n be« bortigen ^faner« 2:^eobor ©c^toarg, eine« hochbegabten, ber romantifc^en Slic^s
tung gugetoanbten 3Kanne« , ber unter bem ^feubon^m „SFfela«" eine SReil^e il^rer 3«t as
gern gelefener ©c^riften teil« erbaulichen, teil« }}äbagogifc^en, teil« beHetriftif^en ^«^fllt«
(„Parabeln", „Über religiöfe ©rgiel^ung", „©rtoin bon ©teinbad^", „Sofet))^ ©annagar")
beröffentlid^t l^at. 35en erften Unterricht erhielt Äarl ©c^tüarg burc^ 5ßribatlel^rer unb
geborte bann, 1826—1830, bem ©^mnaftum gu (Sreif«tüalb al« ©c^üler an. 3Jfit ber
äbftc^t, Ideologie unb ^p^ilologie ju ftubieren, ging er gunäc^ft nac^ §alle. 35ort ^atte 40
!urg gubor bie burd^ bie 35enungiation feiten« ber ©bangelifc^en Äirci^engeitung ipengftens
berg« ^erbeigefül^rte Unterfuc^ung gegen ©efeniu« unb Sßegfc^eiber „tüegen Sei^j)ottung
biblifd^er ©teßen unb lirc^lic^er Se^rfä^e" eine tiefgel^enbe ©rregung ber GJemüter betoirft
unb aud^ ©d^toarg tourbe huxd) jene« Sreigni« na^l^altig beeinflußt. 2)er SKibertüiUe,
ben er fein Sebtag gegen §engftenberj unb bie bon i^m Vertretene tl^eologifd^e SRic^tung 46
em^nben ^at, ift bamal« guerft in li^m geh^erft toorbcn. 3Jitc^aeli« 1831 ging ©c^h^arg,
ber in §atle t)orgug«tüeife ©efeniu« unb S^olud^ gehört ^atte, nac^ Sonn, h)o 9li|fd^
unb S3leef il^n anregten. 35en größten SEeil feiner ©tubiengeit (Dftern 1832 bi« ba^in
1834) brad^te er in Serlin gu. $ier geftaltete fic^ unter bem ©influffe ©c^leiermac^er«,
bem er auc| j)erfönlic^ naf)t trat, feine eigene t^cologifc^e Übergeugung. 2)ie ©ebanlen* 60
toelt ^egel«, ber näc^ft ©c^leiermac^er am bebcutenbften auf il^n getoirft l^at, tüarb il^m
burc^i 3Rar^einefe erfd(|loffen. 2luc^ SReanber, 9Satfe unb 33enar^ maren feine Seigrer.
9iac^i ©c^leiermac^er« 2^obe verließ er 33erlin, um fic^ gunä^ft in ©reif«h)alb, bann im
elterlichen §aufe auf bie t^eologifc^e Äanbibatertprüfung Vorgubereitcn, bie er 1836 beftanb.
2)a« näc^fte ^affx brachte i^m gugleid^ mit feinem grcunbe unb fpäteren ©ot^aer ämt«^ 56
genoffen ©uftaV ©c^tüeiger al« ©träfe für feine Beteiligung an ben burfd^enfc^aftlic^en
Seftrebungen eine fec^«monatlic^c geftung«^aft gu Sßittcnberg, hjä^rcnb beren il^m ber
Sefuc^ be« bortigen, bamal« unter ^eubner« unb SRot^e« Seitung fte^enben ^rebiger-
feminar« geftattet toar. Slac^bem er [xdf bann noc^ einige 3^it teil« bal^eim, teil« in
6 Si^tnarj, Jtorl
SJcrlin, tette in ^aUe etnöe^cnben tl^eologtfd^cn , tn^befonbere boömcnöefd^td^tltc^en unb
reKgion«j)I^UofoJ)l^ifci^cn ©tubien öetoibmet unb 1841 ju ©retfdtoalb auf ®runb einet
©iflertation über bieSlnfelmfd^eSlec^tfertiöunfl^lei^re ben(Srab eine^ fiicentiaten ber J^eologie
erlangt l^atte, l^abilitierte er f\6) 1842 in ^alle. ©eine ^abilitation^fd^rift be^anbelte ba^
B Sel^rftücf t)on ber 3:rinitöt. ©egenftanb feiner alabemifd^en SSorlefungen, bie eine ja^Ireic^e
^uJ^örerfd^aft anzogen, toor ©ogmatit, 9leligion«})l^ilofoj)l^ie, ©ogmengefc^id^te unb neuere
Kird^engefd^id^te. ®amaU beteiligte ftd^ ©d^toarj aud^ eineßcit lang an ben 1838 öon ämolb
Sluge unb ©d^terme^er gegrünbeten „§allifd^en S^^rbüd^er". Site inbeö Sluge fic^ bem
t^eologifdben unb ))olitif$en Slabitalidmu^ offen guivanbte, gab Sd^tDarg bie ^Jlitarbeiter?
10 teaft auf. Salb borauf rid^tete fid^ fein 3i"^w^ff^ «wf ^'^ Setoegung ber fog. fiic^ts
freunbe (f. b. 31. 93b XI ©. 465). ©c^toarj toor melj^ote auf ben großen aSerfamm^
lunai^tagen ber ^roteftantif^en freunbe in Sei^^ig unb Jlötl^en anmefenb unb na^m aud^
an oen SSeri^nblungen teil, aber ber ®eift, ber il^m ba entgegentrat, toermod^te feine
©tim))atl^ie nid^t )u getoinnen; ber 5be Slationali^mu^ eine^ U|lid^, ber t)erbiffene 9{abi'
16 lali^mu« ber jüngeren ^ül(;rer ber Setoegung, i^r leibenfd^aftlid^e« drängen auf ©eceffion
au« ber ßanbe^fird^e, bie gflnorang, bie leere ^^rafeologie, bie ftd^ überall breit machte,
ba« alle« ftie^ i^n ab unb veranlagte i^n fd^lie^lid^, ber Qad^^ ganj ben diMm ^u
lebren. 3lber fo refertoiert and) feine ©tellung ju jener Setoegung getoefen, fo gab bie^
felbe bod^ feinen ©e^nem in ber ^afultät ätnlag, i^n beim Jlultu«minifter @id^l^om ate
30 einen ©enoffen fird^lic^er Umfturj})läne ju toerflagen. SDa« 3Kinifterium berl^ängte feine
©u«J)enfion, — e« foÖte il^m bie venia legendi fo lange entzogen bleiben, bi« er burd^
Seröffentlid^ung eine« loijfenfd^aftlic^en SBerle« feinen tl^eologifd^en ©tanbj)unlt nä^er
behmbet ^abe (1845). Um biefer Slnforberung ©enüge ju leiften, berfafete er fein 93u(^
über ba« „SBefen ber SReligion", ba« im ^af)xt 1847 erfc^ien. 3Da«felbe ^anbelt in feinem
26 erften 2!eit t)om 93egriff ber SReligion, toeld^e gefaxt toirb al« „bie SSerloirtlid^ung ber
Offenbarung", al« „bie burd^ menfc^lid^e freie %\)at fortgefe^te unb erfüllte etoige Dffen^
barung«tl^ätigleit ®otte«". 25emgemäfe toirb juerft gerebet öom SRenfc^en al« bemSub^
jeft ber Sieligion. 25er Duell})un!t be« religiöfen Seben« im SRenfc^en, bie „religiöfe
gunftion", toirb beftimmt al« bie ßentralfunftion, al« „bie geiftige vis vitalis, bie
80 lcben«t)olle Sin^eit in ben ©egenfä^en: ba« innerfte ®etfte«leben be« ?!Jlenfc^en, in toeld^em
bie ©egenföfee be« Slllgemeinen unb oe« 3"^i^i^wellen, be« SBiffen« unb be« SßJollen«
nodjj ungefdpieben ineinanber finb, au« bem fte bann ^erau«treten unb in ba« fie ioicber
jurüdfgenommen toerben." „©o ift ber ^n\)ali ber Sieligion nid^t ba« 2tllgcmeine al«
fold^e«, fonbem ba« SlHgemeine, fo loeit e« fid^ im ^"^iö^buellen f^iegelt, unb nic^t ba«
86 3nbit)ibuelle al« folc^e«, fonbem ba« ^nbibibuette, fo toeit e« ftd^ im 2lögemeinen fpiegelt.
SDie Sieligion ift au(| nid^t ein ffliffen t)on ®ott, fonbem ein ©id^toiffen in ®ott unb
mblid^ aud^ nic^t ein SBijfen allein unb ein 2^^un allein, fonbem bie ©in^eit bon SBiffen
unb ^^un, ba« religiöfe ©etoiffen, ba« ©elbftbetoufetfein be« Slbfoluten unb bie 2tufna^mc
be« Slbfoluten in« ©elbftbetoufetfein". 2)emnad& ift bie religiöfe ^unltion nid^t, toie bei
40 ©c^leiermad^er, ein ©ritte« neben SBäifjen unb 2:^un, ba« ©efül^l, fonbern SBiflen unb
S^un ineinanber. Slber bie Sieligion ift nic^t blofe ettoa« im innerften £eben«centmm
Slu^enbe«, fonbem fie ift, loie fd^on au« bem oben ©efagten ^eri)orgc^t, SJctocgung,
$rogefe. S)ie in ber (Sin^eit be« ©elbftbetpufetfein« nod^ fd^lummemben ©egcnfä^e ent=
falten ftc^, tretm in bie SBJirllid^Ieit ^erau«, t)om ßentmm au«gel^enb unb in if^rer 3Ser=
46 fö^nung toieber ^um ßentmm jurürflel^rcnb. 2)ie erfte unb näc^fte biefer 3tu«geftaltungen
be« religiöfen Seben« gefc^iel^t im Äultu«, in tüelc^em ber ®egenfa$ i)on SBiffcn unb
2:^un jur ©rfc^einung fommt al« Slnbetuna unb C^jfcr, bie nn^ al« Seftanbteile jcbe«
Äultu« begegnm unb bie im d^riftlirf^en Äultu«bienft i^rc ibealfte 2tu«bilbung erlangt
baben. 3)er 5fiittel^unft be« ®otte«bicnfte« ift bie religiöfe Siebe, njcld^e fonjo^l bie än^
50 betung loie ba« Dl)fer in ftc^ entl^ält unb tüelc^e ju i^rem 3h)edt ^at bie (Srbauung, bie
©tärtung unb Belebung ber innerlichen Sleligiofität, fonad^ alfo toieber in bie centrale
2eben«funItion ^urüdfgept. 6in tüeitere« hervortreten ber in ber centralen Sleligiofität
geeinten ®egenfä$e ftellt fid^ un« bar in ber ß^^ibeit t)on Sleligion«lel^re unb jjraftifc^er
Sleligiofität. 3)iefe beiben einanber gegenüberftc^enbcn unb boc^ jueinanber gcbörigen
66 unb ftc^ ftetig aufeinanber be^ieljenben 6ntn)idtelung«formen be« religiöfen ^rojeffe«,
nämlic^ ber 3!)ogmati«mu« auf ber einen unb bie 21«fefe auf ber anbern Seite, bilben
nur eine Übergang«ftufe, fie fmb in fic^ unfertig unb be«^alb ba^u beftimmt, in ^öfjere
®eftaltungen aufjuge^en, ber 3!)ogmati«mu« barum, njcil er ben '^n\)a\t ber jeweilig
gegebenen religiöfen 3[}orfteBung«n)eIt al« unantaftbare, autoritative äöal^rbcit obne lüeitere«
60 aufnimmt unb biefe SBal^r^eit nur burd^ Serftanbeerefle^ion ju ernjeifen fucf)t (Sd^olaftif),
^iftüavi, Staxl 7
bie Sl^fefc, toeil btefelbe in i^cn ftttlid^en Sorberunöen öon bcn ^oftulaten bcr ictoetlifl
gdtenben Ättd^enlel^rc ab^ängiö ift unb be^^alb bad totrtlid^c Scbcn in feiner 3:iefe toie
in feiner ©reite nid^t ;iu burd^brinflen bermag, — man benfe an bie fat^olifd^e SQBerf«
gere^^tigleit in i^em Sßerl(;öltni« jum latj^ofifd^en Äird^englauben unb an ben ^roteftan*
tifc^en $ieti«mu« in feinem 3ufammenl^an0 mit ber ortJ^obojen Dogmatil! ©emgemäft b
bouert ber SDogmatidmu« jeberjeit nur fo lange, ate ber ©laube, auf bem er rul(;t, feine
ungebrochene gefiigleit betoa^rt; fd^toinbet biefe, fo toirb ber Dogmatismus aufgelöft
burc^ bie ©f^fiS unb im gwfö'W'^^^öttÖ t)amit bie äSlefe burd^ äufflärungSmorat.
aber aud^ burc^ biefe äuflöfung l^inburd^ toirft ber religiöS^fittlid^e 3:rieb raftloS tociter
unb fd^afft ouS i^r \)ttan^ neue, ^ö^ere formen, \a bie ^öc^ften, bie ixUxfyivcpt benfbar lo
finb, nämlic^ auf ber einen Seite bie 5pi^ilofo})l^ie ber SReligion, bie begriffliche, fpefulatibe
äuSgeftaltung ber religiöfen grfenntniStoelt, unb auf ber anbem bie tonfrete, lebenSbotte
©ittUdi>!eit, toeld^e lefetere al« bie reiffte gruc^t beS religiöfen SebenS ftd^ nni barftettt
asin biefe Ausführung ]ä)lx^t ftd^ bie Darlegung beS Ser^ältniffeS bon Äirc^e unb Staat.
3)er Staat toirb befiniert als bie 3:otalität ber 3SolISinbibibualität in i^rer Seftimmtl^it i6
burc^ bie ginl^eit beS fouberänen 2BiIlenS, bie Äird^e als bie organifterte, religiöfe ©emein*
fc^a^ toelc^e nic^t au^er unb neben bem Biaatt fte^t, fonbem ein SebenSfreiS inner^lb
beSfelben ift. 3n ftd^ felbft foH bie ftirc^e berfafet fein, unb jtoar bemolratifd^ auf ber
SajtS ber ©emeinbe, „benn innerste beS Staates ift bie Äird^e baS am meiften bemo*
fratifd^e 3nftitut." S)od^ fte^t biefe Selbftregierung ber Äird^e leineSloegS in aBiberfJ)ru^ 20
mit ber gforberung, bafe baS Äird^enregiment nur ein 3:eil beS Staatsregiments fei. SDie
betberfeitigen SRec^te berteilen ftc^ eben fo, bafe ber Staatsregierung baS jus circja sacra
eingeräumt loirb, toö^renb ber Äirc^e baS jus in sacra getoa^rt bleibt. — 9lac^ biefer
Slnal^fe beS religiöfen fiebenS in ber menfd^lid^en ®ingel})erfon unb in ber menfc^lid^en
©emeinfd^aft loenbet fid^ bie SDarftettung jum Dbjeft ber Sieligion, ju ©Ott. Der d^rift* 26
lic^e ©otteSbegriff toirb im ©egenfa$ ju bem ^ot^tl^eiSmuS unb ^antl^eiSmuS ber „loS*
mifc^en Sleligionen" fotoie ju bem fuj)ranaturalen S^eiSmuS beS 3iubentumS gelennjeid^net
als »Kinenti^eiftifc^, b. 1^. als bie Setrad^tungSioeife, „in loelc^er jtoar ber Unteric^ieb
l^erauSgetreten ift jtoifd^en ©ott unb SQBelt, ber unterfd^iebene ©Ott aber ftc^ gugleic^ als
ber bie SBelt erfüUenbe unb mit fid^ t)erfö^nenbe ertoeift". Über bie »rage, ob ©ott so
baS Attribut ber ^ßerfönlid^Ieit ju binbijieren fei, äußert ftd^ Sc^toarj folgenbermafeen:
„aSon bem ©ebraud^ beS SBorteS ^erfönlic^Ieit mag eS zugegeben toerben, ba^ bie 9laturs
eimeln^eit jugleid^ mit gebac^t toirb, bafe fte ju iprer notloenbigen SorauSfe^ng bie 3«=
biöibualität ^at unb ba| ba^er fo toenig toie bie ^nbibibualität aud^ bie TPerfönlid^Ieit
eine beS abfoluten SBefenS toürbige Seftimmung ift. 9lic^t fo ift eS aber mit bem Segriff 36
beS 33eh)ufetfeinS unb ber bamit jufammen^ängenben Subjeftitoitöt. DaS SQBefen beS
Setou^tfeinS unb ber auf i^m ru^enben Subjcititoität ift bie Selbftunterfc^eibung, bie
35m)licität bon 3latur unb ©eift, toelc^e bie Unterfc^eibung bon ber au^entoelt, ber
Totalität beS objeftitoen SeinS inbofoiert. Diefe Selbftunterfc^eibung aber in ber Unter*
fd^eibung bon bem SBeltaH lommt bem göttlichen 2Befen nottoenbig ju unb ift fo toenig 40
aeeignet, eS in bie (Inblid^tcit ^erunter;iujiel^en, bafe öielmel^r erft burd^ fie feine äbfolut«
^eit öoBenbet toirb." Die 2:]^ätigleit ©otteS in ber aOicltfc^ö^fung ift nac^ Sd^toar^ nic^t
ju benfen als ein ^erborbringen auS 9lic^tS, fonbern als „ein §erauSfeften ber SBelt auS
bem SBefen ©otteS", „ein SBerben ber 3eit auS bcr etoigfeit", — in ber aBeltregieruna
aber als bie organifterenbe 3Wad^t in ber ?!Kateric, toeld^e im Selbftbctoufetfein i^re SSotU 46
enbung l^at Der ganae religiöfe $roje^ trägt fonad^ ben ß^araftcr ber ©ottmenfc^lid^-
leit, b. l), beS SeinS ©otteS in ber 3Kenfcl)^eit unb ber 3Kenfd^l^eit in ©ott. Die fog.
ÜÄittler fmb alfo nic^t gtoifc^enejiftenjen jtüifd^en ©ott unb ben aJlenfc^en, fonbem lebig=
lid^ ÄulminationS})unfte beS religiöfen ^rojeffeS unb jugleicl) Änoten^unlte, in benen eine
Dorangegangene gnttoidtelung abfc^licfet unb \)on benen eine neue ausgebt. Unter il^nen 60
(ju benen übrigens auc^ bie reformatorifcljcn ©cifter, bie ^ro))l^etcn, bie ^riefter gered^net
hjerben) fte^en obenan bie SleligionSftifter, bie ^erocn bcS religiöfen ©eniuS unb unter
biefen ift toieber ber größte ber Url(;eber beS ßl^riftentumS, toeil in i^m „bie SSerticfung
in ©Ott, bie Sufammenfaffung bcr SBirflic^fcit mit i^rcn lebensvollen 2Räd^tcn jur ©in*
fad^^eit beS $rinji^)S, lurj bie innere SBcrflärung in tooHfommcnftcr, einzigartiger Söcifc 65
auSge^jrägt loar. Rum Sc^lu| ioirb noc^ baS religiöfe SScrl^ältniS, bie Stellung beS
©ubjeftS jum Dbidi ber Sieligion inS 2luge gefaxt. ®S ftellt fid^ im Saufe bcr gcf^ic^t^
lid^en (Snttoidfelung in brei §au))tformcn i)ar: in bcn alt^cibnifd^cn 9laturre(igioncn als
unterfc^iebSlofe @inl(;eit; im gubentum als blofeer Untcrfc^icb, bei bem bie (Sin^cit ganj
t>erloren gegangen; im ß^riftentum als baS SJcr^ältniS bcr im Unterfc^ieb gefegten unb go
8 Si^tnoT), Raxl
au& bcm Unterfd^ieb ^crboröe^cnbcn gtnl^eit, mit anbem ® orten: bcr SSerföl^nuttfl. „@o
tritt im 6l(;riftentum an btc ©teile ber Äned^tfd^aft bie ^et^eit, an bie Stelle be« ©efe|e«
ber (Seift, an bie ©teile ber %\xxd)t bie Siebe unb in Äraft ber Siebe aud^ an bie ©teile
be« ^artilulariömu« ber Uniöerfali^mu«. 35a^ ß^riftentum ift bie SBäeltreligion unb eben
6 barum auc^ bie toolllommenfte, bie abfolute SReligion." — SDer jtoeite leil be« Sud^e^
8ibt eine burd^ Jtlar^eit unb ?^ormt)ollenbuno au^ejeic^nete „©efd^ic^te bed 9leligion^
egriff« feit Äant", eine ©arfteHunö ber reliflion«p^ilofo})bifd^en ©l^fteme öon Äant,
gacobi, ©d^leiermad^er, ßegel unb geuerbad^. — 25a« eben d^aralterifterte 93ud^ ift für
bie Äenntni« ber t^eologifd^en ©ebanlentoelt ©c^toar^« befonber« toic^tig. (gg aeiö^ ""^
10 in feinem l^iftorifd^en Seil bie g^ftoren, au« benen bie ©(^toargfc^e 9leli0ion«))9ilofo})^ie
fid^ enth)idtelt ^at, bor allem ©d^leiermac^er unb ^egel. £iefe beiben finb bie ätu^gang«^
j)unlte feine« Renten«; ba^ aber ©d^toarj bie ©ebanlen biefer feiner beiben SSorgänger
m burc^ou« felbftftänbifler ffleife »erarbeitet unb toeitergebilbet l^at, ift au« bem eben
gegebenen htrjen 9lu«2ug au« bem f^ftematifd^en Seil be« S3ud^e« Ilar erftc^tlid^. Sigen^^
istümliA ift i^m befonber« bie Seigre bon ber religiöfen ßentralfunition, bie al« bie un«
gebrochene (Sinl^eit bon SKiffen unb S^un im innerflen ©runbe be« ©elbftbetou^tfein«
tt>altet unb bon ba au« al« vis vitalis ben ganjen geiftigen Drgani«mu« burd^flutet unb
al« bie treibenbe Äraft in allen ßrfc^einungen be« religiö|en Seben« toirlt, aber au«
biefen SQBirlungen immer toieber in ftc^ felbft jurüdttel^rt, au^ ber Set^ätigung i^re«
20 Seben« immer neue Vertiefung unb (Steigerung biefe« Seben« gewinnt. SBenn auc^
©d^toarj bie f))ejififd^ $cgelfd^e ©d^ablone, nad^ toelc^er er biefen ©ebanlen in jener ©rft*
ling«fd^rift toetter au«fül^rt, j^äterl(;in bei feite gelafjen l^at, fo ift bod^ ber ©ebanfe felbft
bie Örunblage feiner Il^eologie geblieben, er Hingt immer toieber un« an in feinen
©d^riften, feinen ^ßrebigten, unb nod^ in einer feiner legten 3Jeröffentlidbungen, bem 2luf*
26 fa^ über „Sieligion" in ©d^enfel« „Sibellejifon" lommt er au«fül^rlic^ auf biefe 3tn=
fd^auung jurüdE.
Obmol^l, tDie un« @iler« berid^tet, ber ^inifter (Sic^^orn bon bem ©c^h)ar;(f(^en
SBerle „entjüÄt" toar, fo lonnte er fic^ boc^ ju einer Sluf^ebung ber über ben SScrfaffer
ber^ängten ©u«})enfion nic^t entfd^liejen. (Sr foH beabfic^tigt baben, il^n in bie })l^il05
80 fojjpifc^e ^alultät ju berfe^en. 6rft ©id^l^om« gtoeiter Slac^folger, b. Sabenberg, berfügte
tm SJa^re 1848 fetne ^Rehabilitation, ©d^toarj befanb fid^ bamal« in granffurt a. M.
al« ^Kitglieb ber 9lationalberfammlung, in bie i^n ber SBal^lfrei« 3^orgau'Siebenh?erba
entfanbt l)attt. ©erebet l^at er in ber $aul«fircl)e nur jtoeimal, al« bei Beratung ber
„©runbrec^te" über ba« SSerl^ältni« ber Äirc^e jum ©taat ber^anbelt tourbe. 9lud^ ^ier
86 toar e« bie grei^eit ber Äirc^e im ©taat, nic^t öom Q^iaai, für bie er eingetreten ift. —
3[m ^af)xt 1849 erhielt er bie (Smennung ;ium au^erorbentlic^en ^rofeffor. 1854 erfc^ien
bie ©c^rift: „Seffing al« I^eolog" — eigentUcl) nur ein au«fü^rlic^er Slbfclinitt au« einem
beabfic^tigten, aber nic^t erfd^ienenen größeren SBerle über bie ©efc^id^te ber 2:l^eologic in
ber jtoeiten $älfte be« 18. go^rlj^unbert«. S)iefe ©c^rift beginnt mit einer feinfinnigen
40 G^aralteriftif bon Seffing« ®eifte«art unb Älritil, fd^ilbert fein 93erl^ältni« ju ben t^eo^
logifd^en unb })l^ilofot)l^ifc^en Slid^tungen feine« ^Ätalitx^, beleuchtet bann auf« ©in^
gepenbfte ben gragmentenftreit nad^ feinen berfd^iebenen ©eiten ^in unb legt cnblic^ in
ben 2lbfc^nitten über ben Dffenbarung«begriff, über 3^oleranj unb Humanität ben 3been=
geaalt ber „(grjiel^ung be« 5Dlenfc^engefc^led^t«", be« „"^Raif^an'' unb be« „®ef})räd^« über
46 Freimaurerei" bar.
Unftreitig bie bebeutenbfte bon ©c^toarj« ©d^riften ift ba« 1856 erfc^ienene SBcrf:
„3ur ©efd^ic^te ber neueften Il^eologie". 6r h)ollte in bemfelben nxd}t ,,eine gelehrt
erfc^öj)fenbe für gad^genoffen berechnete 25arftellung" geben, fonbem e« foHten nur bie
Jpö^e^Junlte ber Ideologie unb bie eigentlid^en ©treit^unlte berfelben feftgefteHt unb in
50 i^ren bebeutenbften Vertretern ge^eic^net toerben. Dem entf^jrec^enb njeift er junäd^ft mit
lurjen SBäorten ^in auf ben au« bem 18. S^^rl^unbert in ba« 19. ^ineinragenben ®egen=
fa^ be« 9lationali«mu« unb ©ut)ranaturali«mu«, ber übertounben toirb burc^ bie beiben
großen fc^öt)ferifc^en ©eifter, bie am (Singang ber neuen t^eologifd^en ßntnjtrfelung fte^en
unb il^re DueU^iunlte geworben fmb, ©^leiermacljer unb ^egel. ^f)r\tn gegenüber unb
f>6boc^ bielfac^ anfnüjjfenb an bie t)on i^nen au«ge^cnbe ©eifte«ftrDmung erl^ebt fic^ bie
moberne Drt^obojie, bie fic^ toerförpert in ^engftenberg. 5fiit bem ßrfd^etnen bc« ,,Seben«
Sefu" t)on ©trau^ beginnt ber j^iftorifc^-fritifc^e ?5ro^e^, beffen negatii^e, bcftruftiüe Stn^
fang«^eriobe burc^ ©trau^ felbft, beffen erfreuIWere, an )pofitx\) toiffenfc^aftlid^cn ©rgebs
niffen fo reiche SBeiterentmidtelung burc^ SBeifee, 6h)a(b unb namentlicl) 6br. %. Säur unb
fio feine ©d^ule rejjräfentiert toirb. 2)ie britte älbteilung fc^ilbert ben }3l;ilofo}3l;ifd^=boö=
Sigmar), Jtarl 9
mattfc^cn ^Projcfe, — jucrft bie Sluflöfungötl^cologte ©traufe« (in feiner 2)o0matif) unb
geuetbad^«, bann bte Sleaftion ö^ö^t fte in ©tapi, Äliefotl^, SSilmat, Seo, femer bie
jtpifd^en jene beiben ßjtreme ftc^ ftettenbe, an ©d^Ieiermad^er, namentlich an feine (S^rifto*
ifo0ieanfnüj)fenbe3SennittIung«ll^eoloöie (3l\^\d), 3)omer, Siebner, Sänge, SRartenfen u. f. h).).
3)en Übergang t)on biefer ®ruj)j)e jur freien Jl^eologie bilben SRot^e, Sunfen, Sc^enlel. 6
ätö Vertreter ber freien Sl^eologie felber erfd^einen mit ben S^^^nf^nt §afe unb SBücfert,
ben „Umbilbnem be« alten Slationali^mu^", unb ben eckten ©d^ülem ©d^Ieiermac^er«,
3onaö, ©^boh), (Sltefter, Äraufe, ben Äänt^fem für bie antibogmatifd^e Union, auc^ bie
Männer ber „Aeitftimmen" unb be« ^roteftantentoerein«, m beffen ^rinjii)ien (etoangelifd^e
grei^eit, SSerföpnung t)on Kultur unb ßl^riftentum unb ©emeinbefirc^e) ftd^ ©d^toarj mit lo
üoHer gntfd^iebenl^eit betannte. 9la(^bem er enblic^ nod) ben l^erborragenbften ©rfc^ei*
nungen ber neueften Seben^^^fw^Sitteratur (©traufe: 2. S- ^on 1864, 3iman, ©d^enlel,
Äeim) eine einge^enbe Sef^red^ung getoibmet, richtet er in ber ©d^lufebetrad^tung ben
8lidf auf bie ©egentoart unb auf bie ©nttoidfelung ber lommenben %aQt. Site bie 2^eos
logie ber 3"^w"f* erfc^cint i^m bie freie, bie rationale 2!l^eologie, bie, toeit entfernt, nur i6
ein neuer 2luft)u$ be« alten SRationali^mu^ ju fein, mit biefem öielmel^r nur ben ©egen«
fa| gegen ben öu^erlid^en ©u))ranaturalidmu^, bie älbtoeifung aller SBiSfür unb SBunber«
atte au^ ber Offenbarung ©otted im Wenfc^engeift gemein ^abe, bie aber ftc^ aufd
tpefentlid^fte öon jenem unterfd^eibe burd^ il^re l^iftorifd^e Vertiefung, burd^ i^re ft)efulatit)C,
cinjS^eitlic^e SBJeltanfd^auung unb burc^ ba^ fefte, innerlic^snottoenbige Sanb, bo^ fie»
jtoif(^en Sieligion unb ©ittlid^Ieit tnvüp^. ©c^toari toar ber geloiffen ßuberftc^t, bafe biefe
x^eologie in na\)t beöorftel^enber 3^* ^^^ ^errfd^aft gewinnen unb unferer ilirc^e eine
neue SnttDidelung bringen toerbe.
®ie „©efc^i^te ber neueften J^eologie" bahnte ©c^loarg ben SQBeg in eine neue,
freunblid^ere Seben^ftellung. $erjog 6mft II. t)on 6oburg=©otl^a berief il^n 1856 ate 25
ßofi)rebiger nad^ ©ot^a. 3^^^ Sa^re f})äter toarb er Dber^oft)rebiger unb SJlitglieb ber
^inifterialabteilung für ba^ Äird^en^ unb ©d^ultoefcn, 1877 ©eneralfu^jerintenbent ber
got^aifc^en Sanbegifirc^e. 2)er ^erborragenbfte ieil feiner Dbliegenl^eiten in ber gotl^aifd^en
SiJirffamfeit toar, jumal in ben erften S^i^ren berfelben, bie ^rebigt. ©d^on feine äln*
trittSrebe über 2 Äo 1, 24 jeigte, loa« feine ©emeinbe bon biefem ^ßrebiger ju ertoarten ao
l^tte, unb feine 25jä^rige Äameltoirifamfeit, beren ßinflufe ja toeit über ben Äreid feiner
®otl^aer 3w^örer ^nau^ging, $at biefe ©rtoartungen toollauf, übcrreid^ beftötigt (bgl. über
©d^to. ate $rebiger ben 21. ?}rebigt, Sb XV ©. 723, 55 ff.).
Slud^ auf fatec^etifc^em ©ebiet ift ©c^loarj Utterarifc^ t^ätig geloefen. S^^^d^f* f^^
bie SSolföfd^ulen be« $erjogtum« &oi\)a gab er im gal^re 1866 einen „Seitfaben für benss
^Religionsunterricht" l^erauS, ber inbe« aud^ auStoärtS, gumal in ber ©d^toeij unb in
33aben, 3Serbreitung gefunben l^t unb 1886 in 6. Sluflage erfc^ienen ift. 3)a« Süc^lein,
beffen ^nf^alt anlnü))fenb an bie grol^botfc^aft t)om SReid^e ©otte« ftd^ in öier 2:eUe
gliebert: „3Som $erm beS Sleic^ — ©ott; bom SSürger be« Sleid^S — bem 3Kenfd^en;
toom ©tifter beS Sleic^S — ßl^ftu«; öon ber Sertüirfhcliung beS SReic^S — ber Äirc^e", 40
jeic^net fid^ an^ burd^ ©ebanlenfütte unb S^räjifton be« StuSbrudE«, bod^ rügt man an
t^m nic^t o^ne ©runb ben 3Kangel an rechter SSolfötümlic^feit , bie abftralt tl^eologifd^e
©c^ematifierung. 3"^"^^^'*^ ^^^ ^^ Seitfaben als bie ioeitauS braucl^barfte unter ben
bis je|t erfd^ienenen $oj)ularifterungen ber liberalen 2:i^eologie bejeiclinet toerben.
I)aS $au})tjiel, bem bie lirclienregimentlic^e I^ätigfeit ©d^tüarjS galt, toar bie (Sin* 46
fül^rung einer auf bem ©emeinbe})rinjij) ru^cnben unb ben ©^mbolgtoang abtüeifenben
Äirc^entoerfaffung. SDer bon ber got^aifcljen Dbertirclienbe^örbe im 3. 1869 Veröffentlichte
Gnttourf berfelben ift üorgugStüeife unter feiner 3)lith}irfung entftanben. 25iefer ßnttourf
lüurbe jtoar t)on ber 1874 ^ufammengetretenen SSorft^nobe genel^migt, aber t)om Sanbtage
beS §erjogtumS 6oburg=©otl^a — ^au^jtfäd^licli auS Abneigung gegen bie in bemfelben eo
geforberte SeloiDigung einer Äirc^enfteuer — abgelel^nt. ©c^toarj f)at biefen "üKifeerfolg
noc^ auf feinem ©terbebett tief beflagt.
an ber $olemif gegen baS ©taatS- unb SSefenntniefirc^entum bat ©c^tüan aud^
aufeerl^alb ber got^aifd^en SanbeStirc^e bis jule^t tl^ätigen Slnteil genommen. Sefannt
ift in biefer ^inftc^t befonberS ber 3Sortrag, ben er 1865 in ber fonftituierenbcn aSersss
fammlung beS beutfc^en ^roteftantentoereinS in Qi^mad} über „bie ^jroteftantifc^e Se^r-
frei^eit unb i|re ©rengen" gel^alten bat. 3)ie ^ofition, bie er l^ier einnimmt, ^at er
12 3a^re fj)äter gelegentli^ beS in ber ©^nobe SScrlin-Äölln auSgebroc^enen Streites
über baS Siedet beS 2lj)oftolifumS als Seftanbteil ber eöangelifc^en Siturgie in einem
Senbfc^reiben an bie berliner ^ofgeiftlic^en mit getoo^nter ©d^ärfe üerteibigt. 3)aS w
10 Si^tuarj, Raxl Si^tnebel
gcfamtc Duettenmaterial über btefen ©trett unb ©d^toarj'^ 93eteiltgunö an bemfelben
pnbet ftc^ in ber ^ßrot. A3. 1877, 9lr. 22, 24, 44 unb 47 fotoie in ber 91. et). A3.
1877, 9Jr. 42. — 3« t>^ gotl^aifc^en Sanbe^Iirc^e jinb bie ©runbfä^e, toelc^e er in bem
berliner ©treit au^gefproc^en, lurj nac^^er öon i^m in bie ^rajiiS tibertraöen toorben,
6 inbem er ben ©riafe einer ^Kinifteriatoerorbnung (toom 15. 9Rärj 1881) herbeiführte,
burd^ bie bei ber 2!aufe aufeer bem belennenben and) ber referierenbe, bei ber Konfirmation
Wo^ ber referierenbe ©ebrauc^ be« Sl^oftolilumg, bei beiben ^anblungen aber \tati be^
8l))oftoüfum« ouc^ bie Slntüenbung eine« ^arattelformular« für juläfftg erflärt tüirb. S)a«
ertoä^nte gormular l^at ©d^toarg im 3- 1879 im 93erein mit einer Sln^a^I ©eiftlic^er
lobed ^erjogtum« @ot^a aufgeftettt.
^ie legten ^af^xt feine« an Jtam^f unb 9Jlü^e, aber auc^ an 9(neriennung fo reichen
unb burc^ ^äu«Kc^e« ©lücf öerfd^önten geben« loaren getrübt burd^ fc^toere ^eimfud^ung.
6in äufeerft fd^merj^afte« Äörjjerleiben (gangraena senilis) mad^te im ©ommer 1882
bie 3lm})utation be« redeten Unterfd^enlel« nötig unb fü^^te, im $erbft 1884 mit toer^
leftärfter 3Kad^t loieberlel^renb, ben lob ^erbei (25. 9Kärj 1885). ©ein Seic^nam tourbe,
h)ie er e« geloünfc^t, burc^ geuer beftattet.
SDie männliche ©tanbl^aftigleit unb bie fromme Srgebung, mit ber er bie Dualen
feiner Äranf^eit bi« gum legten äugenblirfe trug, unb bie fiege«fro^e ®eh)i|bcit, mit ber
er bem Seben, ba« broben ift, entgegenfd^aute, l^aben bie liefe unb bie SRad^t feiner
20 (^ftlid^en Überzeugung Mar an« Sic^t geftettt. 9lod^ inmitten be« 2!obe«fam})fe« l^at er
ftd^ )u bem, toa« er gelel^, t)ott unb freubig betannt unb ift mit j^ei^en ©egen«h}ünf(^en
für bie Äird^e, ber er gebient, unb bie ©eiftlic^en, beren Dberl^irt er geloefen, in bie
eloige $eimat eingegangen. 2)er unbeugfame 9Bal^r^eit«finn unb bie innige ®emüt«=
toörme, loeld^e öon Äinb^eit auf in il^m fo fc^ön geeint toaren, l^aben il^n begleitet bi«
36 an« 3trf unb i^m in ber grofeen ©emeinbe berer, auf toelc^e er mit ber 9Kac^t feine«
®eifte« getoirlt ^at, ein unverlierbare« (S^rengebäc^tni« gefid^ert. 9ittbIo{f.
Si^tnatjbitrg Sr&tftentfimer f. X^üringen.
©fl^ttiebtl, 3^'^^""^^^ 8^^- lö^Öf unb bie Sieformation in ^faIj=3*^^i'E^^*^- —
^ie @(!^rtften @(^mebel« mürben lange nac^ feinem Sobe Don feinem (Bo^nelpetnric^ ^erou«-
»gegeben unb bilben bie tüidjtigftc ducfle feiner ©cfc^icfite. ©« ftnb bie«: 1. 3)er crfte X^eil
aller Xeutfcöen 93ü(6cr unb ©djrifften bc§ ®Dttfeliflen Seigrer« feerm 3o^annid @ci)»cbclii k.,
Qrocibr. 1597, unb ber jrocite Xcil bcrfclbcn, S^^cibr. 1598. 2. Centuria epistolarum theo-
logicarum ad Job. öchwebelium etc., Bip. 1597. 3. Operum theologicorum D. Joh. Schwe-
belii pars prima, Bip. 1598, aUeS in 8^ ©in jtveiter Jeil ber op. theol. ift nid)t erfdjicnen.
85 @tne rocltere 9lu§gabc mit bem Sitel: D. Joh. Schwebelii scripta theologica etc. ift mit
ben belbcn le^tgcnannten S3üd)crn ibcntifd) unb unterfti^cibct fid) oon i^ncn nur burd^ ben
toorgcbrucften 2;itel. S)ie ju feinen Scbjcitcn crfctjienenen, jum Xcil in feine gefornmelten
SBcrfc nidjt aufgenommenen, ficincn ©djriften 6cö»ebel« finb unten im Scjte genannt. SRe^rere
toorl^er ungebrucfte ©riefe ©c^wcbcl« ^at 3. ©c^nciber 1882 in ber 3tfcftr. für ®efc^. b. £)ber=
40 r^ein«, S3b 34, @. 223 ff. oeröffentlidit. Selber finb bie c^ronotogifc^cn eingaben ^^einric^
©cftroebef« in ben oon t^m herausgegebenen 6d)riften burcftau« unguoerlöffig. Siele berfelbeii
finb unten ftiUfc^toeigenb richtig gefteüt. ?lucl^ fonft war ^einvid) ©(^roebelS ?lrbeit roenig
forgfältig, wenn audj ber gegen i^n oon Heilbrunner erhobene ^Jorrourf, er l)abe bie @(ftriften
feines SBatcrS in reformiertem Sntereffe gefälfdit, ber SBegrünbunq entbehrt. — @d)ttjcbcl«
45 Seben l&at juerft fein ©o^n ^einrid) in ber Einleitung ju ber Centur. epist. bcfcftrieben,
nad) i^m 9R. §lbam, Vitae German. theol., p. 62ff., weiter befonbci« 5. S. 8ci^webel=^iep in
ber 1. ^ufl. biefe« SerFeS, 3. 6cöneibcr in ber ^bS. Söeiter finb ju üergleid)cn: ^ftüger,
®ef4. oon ^forj^eim, 1862, @. 305 u. 336 ff. ; ^ierorbt, ©efdj. ber eü. Stirdje in 53aben, »bl;
berf. in feinen in ber Unioerfitätebibliot^et ju ^eibelberg aufbcioa^rten ^anb)cf)riftlid)en 9?oti^en ;
60 ^]&. (5. ^cin^, S)ie ^lejanberfircfte ju S^cibrürfen, 3tt'cibr. 1817 unb bk übrigen befannten
SJerfe ^^ur pfäljifcfien unb 3^cibrüder SReformationSflefd). SSon fatl)oUfd)em 8tanbpunfle:
S. ^Jolitor, ®efd). oon Broeibr. 156 ff.: 9?. <|8auluS, 2)ie einfü^rung ber 5Ref. in ^^falij^Sroei--
bvücfen, in ben ^ift. polit. 331., 53b 107. ©ertooDe S^otijen banfe id) gütigen SRitteilungen
oon D. &. koffert unb Pfarrer ^. 9?eubauer in ^ornbad). ^htfeerbem ift einiget ^anbfc^rift:
66 licfte SRaterial auS bem ^Irc^ioe ber ^ircftfc^affnei groeibrüden oerroertet. 9luf weitere Ouellen
ift im Je^te l)inflewiefen.
30^. ©d^njebel ober, h)ie er fic^ felbft nannte, ©d)h)cblin, iourbc 1490 in ^forj=^
^eim geboren, ^n ber trefflichen lateinifcben ©d^ule feiner ^üaterftabt empfing ©c^m^
feine erfte njiffenf^aftlid^e Silbung unb ftubiertc fc^on bier neben ben flajfifd^en ©prad^ei»
«> fleißig bie bl- Scbrift. 3lm 1. gjiai 1508 be^og er bie Unitjerfität 2:übingen (Stotb, Urf-
ber Uniü. iüb. 572). 33on Tübingen ging ©d^to. nad) .^eibelberg, mo er am 21.5ulf
Sfl^ttPebel 11
1511 immatrituliert tourbe unb am 15. 3Kai 1513 bic SBürbc ctne^ bacc. jur. can.
tttoaxh (%bpU, aJlatr. bcr Unit). $eib. I, 482 unb II, 522). ©d^on toor feiner Über*
ftAelung nad^ ^eibelberg ^atte fiq ©c^to. „in ber ^Weinung, ben Äimmel mit feinem
anbäd^tigen ®zhztt unb ö^ten SQBerlen ju toerbienen" (2^cutfd^. ©^r. I, 177) in ben
^Df))italorben bed ^I. @eifted aufnel^men laffen, h)eld^er in ^forjj^eim ein Bp'xtal befag. 6
Sei feinem Sintritt in ba« Älofter überlief er bemfelben fein nid^t unbebeutenbe« SSer*
mögen, t)on tocld^em er fj)äter bei feiner gtoeiten SSer^eiratung auf Sertoenbuna be«
^faljgrafen Subtoig einen ieil ^urütfer^ielt. 3lad) Seenbigung feiner ©tubien l^ieTt fid^
©i^h>. junäd^ft in ©tc^jl^andfelb, bem©i4e be« ®eneralt)ilar« feinet Drben^, auf unb tourbe
am 15. ^pxü 1514 in ©tra^burg burd^ ben bortigen ©eneratoilar ßonrab jum ^ßriefter lo
getoei^t.
SBalb barauf lehrte ©d^to. nad^ ^forjl^eim jurüdf, h)o er bereit« am 16. ©e})tember
1514 ate 5!ont)entual beö bortigen Älofter« ertoä^nt toirb (S^tfc^r. f. ®efc^. b. Dberr^.
24, 382). $ier trat er mit einer Steige t)on bebeutenben reformfreunblid^en SDlännem
in ))erfönlid^e S9erü^rung. 9teben Sleuc^Iin, Jlonrab ^eUilan unb bem f^äter mit il^m in i6
3toeibrüdEen jufammentoirfcnben Ra^pax ®Iafer ift befonber« SReland^tl^on ju nennen,
bcr il^n ^odj>fc^ö^te unb in ben erften gal^ren feine« 2BirIen« in Wittenberg häufig an
ü^n fd^rieb. 3lo^ enger toaren ©(^h).« Sejie^ungen ju 9lif. ®erbel, mit toeld^em er bi«
)u feinem 3^obe in regelmäßigem Vertrautem Srieftoeqfel ftanb. 3"^ ^df^xt 1517 reifte
©c^to. in Angelegenheiten feine« Drben« nac^ £eii)gig unb fd^eint nod^ im ganuar 1518 20
l^icr toertoeilt ju l^aben (Sleud^lin« Srieftoec^fel 281. Ilustr. vir. epp. ad Reuchl.,
Hag. 1519, 86 ff. u. 91 ff.).
3)ie neu an« Sid^t getretene ebangelifd^e ®al^rl^eit tourbe öon ©d^to. freubig auf«
genommen unb frül^e mit Segeifterung toerlünbigt. 311« ^rebiger feine« Drben«ft)ital« in
^fon^eim ^atte er baju bie ertoünfd^te ®elegen^eit. 3Rit natürlid^er Serebfamfeit au«? 25
gcrüftet, t)rebigte er feit 1519 in ebangclifd^er SBeife unb fammelte um fid^ eine änja^I
t)on 2ln^ängern, bie i^n toie ber tüd^tige ft)ätere ©tuttgarter ©c^ulmeifter Sllejanber
SWerlel al« geiftlid&en SSater üerel^rten (Centur. 324 ff.), ©c^to. trat babei fo maßöoO
auf, ba| er in einer fonft nid^t befannten ©c^rift, bie er jur SDrutflegung nad^ ©traß«
bürg fd^idfte, noc^ bemertte : „2)amit toil ic^ bem 93abft feinen Slblaf nid^t öerlüorfen ao
^ben". ©ein greunb ®erbel ftrid^ i^m jebod^ biefen ©a$, toeil man einen berartigen
33etrug ber öertüorfenften SKenfc^en nic^t entfd^ulbigen fönne (ügl. ben jtoeifello« am
20. 35ejember 1521 gefc^riebenen 93rief ®crbel« Centur. 24ff.). Iro^ biefer gemäßigten
&pxa(ift erregte ©c^h). bie geinbf^aft ber SQäiberfac^er unb \)xAt e« für geraten, 6nbe
1521 unter 2tblegung feine« Drben«f leibe« ^forj^eim ju toerlaffen. 86
3n ©idRngen« fd^üfeenben 93urgen fanb ©c^to. bie gefuc^te 2lufnal^me unb tourbe in
vertrautem SSerfe^r mit ?&Jännern toie ©idtingen, ^utten, Defolam^^ab, 93u$er unb äquila
}u nod^ größerer ßntfc^iebenl^eit geführt. Sil« nad} Dftem 1522 DeIoIamj)ab auf ber
©bemburg bie 9Reffe in beutfd^er ©prac^e la«, folgte, toie e« fc^eint, ©cf)h). feinem Sei«
f})iel unb rechtfertigte bie« in einem too^l an^ biefer 3^'^ ftammenben 33riefc mit ben 40
SBorten: „Quod missas Germanica lingua lego, non tantum facinus arbitror,
ut hu jus me pudeat aut lucem fugiam, sed palam id facio, optans ut omnes
id faciant". 2)en Sortüurf, baß er ein Sut^eraner fei, toie« er mit ber Semerlung
gurüdf, er fei lein Sutl^eraner, fonbern ein ß^rift (Centur. 337 f.). 3Sor^er fc^on ^atte
©idfingen an ben ©c^tpiegertoater feine« ©o^ne«, 2)ietric^ t)on ^anbfd^u^«l^eim, lüclc^eriö
gegen öcrfd^iebene tird^Iid^e Sinberungen Scbcnfen geäußert l}att^, jur SRed^tfertigung feine«
©tanb})unfte« einen 33rief gerichtet, in tüelc^cm er bie ©^enbung be« ^l. Slbenbmal^I«
unter beiben ®eftalten, bie beutf c^e 3Keffe unb anbere Vorgenommene ^Reformen berteibigte.
©(^to. gab biefen ©rief nebft einem ©d^reibcn §artmut« t)on ßronberg an ©icfingen toom
13. DItober 1521 al« „fel^r nü^lid^ unb etlichen fd^tüadfien ®eh)iffen gar tröftli^" nebft 50
einer t)on i^m verfaßten, vom 30. ^um 1522 an^ ©bernburg batierten, Sorrebe im
3)rudf ^erau« unb fanbte fie an ben Runter ©eorg Sut^rumer (Von 2eutrum) in ^forjs
^eim, um bie bortigen (gvangelifd^en im ©lauben gu ftärfen. ^n biefer 3Sorrebe ^pxx^t
Sc^it). mit 93egeifterung Von ber „evangelifd^'djriftliq>en SRebe, fo o^ne Unterlaß bei un^
gebrandet tvirb", unb fügt binju: „^d) l^ätte gemeint, e« toäre fein Drben«mann, h)ie56
geiftlid^ er fid^ bebünit, ober fein il^eologu«, mie gclef^rt er fic^ achtet, ber fo ftät unb
Vernünftig rebet von ben 2)ingen, fo ba« £ob @otte« unb ber Seelen ©eligfeit be*
langen". SBenn man vor ^ÄUn ba« 3Bort ®otte« Von ben ^rieftern gelernt l^abe, fo
fei c« je^t not, baß biefe ju ben 2aien in bie ©d^ule gingen unb Von il^nen bie Sibel
lefen lernten (leutfc^. ©dj^r. I, 25 ff.), ©ine förmliche amtliche ©teßung fd^eint ©c^to. eo
12 (Si^tnebel
bei ©icfingcn ntc^t einflenommcn, fonbern t^m nur mit feinem tl^coloöifd^en SRatc gebicnt
iu l^aben. 2)ie Slngabe 3Jierorbtö, er fei Pfarrer t)on fianbftui^I ö^*^^!^^^ Ut in biefer
gorm ftd^er nic^t begrtinbet, toenn er and) für ben 1521 nad) bem lobe be« früheren
$farrcr^ jum Pfarrer öon Sanbftu^I beförberten 9uralat)lan 9lif olau^ ba« bortige ^Pfarr«
6 amt jcittoeifc au^^ilf^toeifc toerfe^en l^aben mag. 9luf ber Surg Sanbflu^I gw«^ nof^
bem Serid^te feine« ©o^nc« §einrici^ bie 3:rauung ©d^h).«, beren ÄoRen ©idtingen felbft in
STnerlennung feiner 25ienfte beftritt. 2)ie öon mir in ber jtüeiten Sluflage biefe« SBerle«
hieran geäußerten 3*^^Jf^' fd^einen burd^ ba« S^Ö^i^ Äa^par ©laferö tüiberlegt ju
toerben, toel^er 1536 fd^reibt: ,,Suevulus noster tertiam uxorem habet" (Joannis
10 Spicil. 558). ©id^er l^at ©d^h). burd^ feinen Scben^toanbel in ^forj^cim bem Solle
leinen änftofe gegeben. 3)ic« erhellt jtoeifello« au« einem ©d^reiben, in toeld^em fic^
©c^h>. gegen feine SBiberfad^er toegen feiner SSerel^elic^ung toerantloortet (Jeutfd^. ©d^r.
I, 176 ff.).
®a ftd^ SDlarlgraf $^ili})}) t)on Saben injtoifc^en freunblid^er ju ber Sieformation
16 gefteDt l^atte, leierte ©c^lo. im ^erbfte 1522 nac^ ^forg^eim jurüdf, too er junäc^ft un^
oe^eDigt blieb unb toieber fein ^mt im ©})itale öerloaltete. §ier gab er am 1. Swember
1522 unter bem 2^itel: „ßrmanung ju bem Dueftionieren abjuftetten überfitiffige Soften"
eine ©c^rift ^erau«, in ioeld^er er fid^, auf feine Erfahrungen geftü^t, gegen bie ^ab-
füd^tige 9lu«beutung be« gläubigen Siolle« beim @infammeln (Dueftionieren) t)on ®ab^n
20 für arme, ©t)itäler toenbete. ®a ©d^lo. in biefer ©d^rift eine f^jätere au«fü^rlic^c
SSefc^reibung ber bei bem Settleruntoefen im ©c^toange gel^enben SJlifebräud^e in Sluöfic^t
ftettte, f^ai bie öon U^I^om (c^riftl. £iebe«t^ätigfeit II, 515) guerft geäußerte SSermutung
biele« für fid^, baß ©c^to. auc^ ber SSerfaffer be« balb banod^ in ^forjbcim anonym
crfd^ienenen „über vagatorum" fei, loeld^e« bie ijon ben „93ettlem ober fianbfa^rem"
25 )ur Sefc^toinbelung be« 3ioI!e« angetoenbeten ^et^oben, foh)ie bie t^on i^nen gebrauchte
®aunerf]t)rad^e fd^ilbert. äuc^ 3anffen=$aftor (8, 285 f.) teilt biefe Vermutung, o^nc
jeboc^ bie S^cntität be« SSerfaffer« biefer ©d^riften mit bem 3h)eibrüdEer Sleformator ju
erfennen.
Sluc^ je^t lonnte ©c^lo. nic^t bauemb in feiner 3Saterftabt bleiben. 3"^ fjrül^ia^re
80 1523 »erließ er ^ßforjl^eim loieber, o^ne, loie e« fd^eint, mit Seftimmt^eit ju ioiffcn, loo^in
er fic^ toenben foHte. SBenigften« fc^reibt i^m ®erbel am 22. ^pxxl biefe« 3«^^^» ^
^abe bi«l^er nid^t getoußt, ioo ©c^to. fid^ aufhalte (Centur. 39). Um fo toiufommener
mußte e« ©d^to. fein, al« il^n, too^l auf Smjjfe^lung ©idfingen«, §ergog Subtoig II. t)on
^föIj'S*^^*'^^"*^" ^^^ 3*^eibrüdEen berief. 3)ie f^äter häufig, auc^ noc^ öon S^nffen,
85 toieberbolte 3lad}x\d)t ©eaenborf«, Äurfürft Subtoig öon ber $fal;i i)abc um biefe 3^t
burc^ ©c^h). in §eibelberg ba« lautere SBort ®otte« })rcbigen laffen, berul^t auf einer
SSerloec^fclung ber beiben genannten gürften. Subtoig öon ^tüzibxüi^n, 1502 geboren,
toar t)on ^op. Saber (f. b. 21. Sb II ©. 353 f.) erjogcn loorben unb ftanb o^ne S^J^f ^I
fd^on bamal« freunblic^ jur Bad)z ber Sieformation. SBenn man früher annahm, baß
40 nunmehr al«balb in ber ©tabt unb in bem gangen ^ergogtum ß^^^^^üdten bie 9lefor=
mation gur trollen ^urc^fü^rung gelommen fei, fo entf^rid^t bie« ben S^atfad^en nic^t.
®aß aber ©d^to. bereit« im ^pxxl 1523 al« ^rebiger in 3^cibrürfen ioar unb üon Da
an in biefer ©tabt eine ebenfo el^renöotte mie erfolgreid^e I^ätigfeit enttoidtelte, gel^t au«
feinen ©d^riften (Centur. 39 etc.) gtoeifello« l^ertoor. SBeber t)on bem §ergoge, nod& t)on
45 bem ©tabtj)farrer go^. SKeifenbeimcr, noc^ t)on feinem 93ifd^ofe (leutfc^. ©d^r. I, 91)
tourbe il^m babei ettoa« in ben SBea gelegt. 311« ber Äerjog ba« Slürnberger ßbift öom
6. 3Kärg 1523 Jjublijierte, nad^ toelqcm bi« gum Äomife „aöein ba« ^eilige 6t)angelium
nac^ 3lu«tegung ber bon ber d^riftlic^en Äir^e a^jjjrobierten ©c^riften" geprebigt Serben
foHte, na^m ©cl)to. baran 2lnlaß, nad^einanber ba« ©üangetium 3)lattl^äi, ben 3lömer=
60 unb ©alaterbrief, foioie beibe Äorintl^erbriefe in jufammcn^ängenben ^rebigtcn au«gus
legen, ^n toelc^em ©innc er ba« tl^at, geigt feine au^ bem ^al^re 1526, in toelc^em
jene« ®ebot neu eingefc^ärft tourbe, ftammcnbe feine Semerfung, er ^abe gur 2lu«legung
bie ©d^riften be« 3(lten Xeftament« unb ber ^l. Sl^joftel gebraucht, „\o obne allen 3h>eifel
t)on ber ^l. c^riftliclien Äird^e apjjrobiert unb angenommen" feien (ieutfcl). ©d^r. I, 88 f.).
65 3?on anberen burd^ i^n gu Slate gegogenen 3lu«legcrn fü^rt er ^ieron^imu«, ßbr^foftomu«
unb Drigene« an. Bpäicx Jjrebigte ©c^to. aud^ l^äufig über ba« 3llte ieftament, fo 1527
über bie ©enefi«. 3)ie ^ebräifd^e ©j^raclje ftubicrte er überhaupt mit folc^em ßifer, baß
feine ©egner il^n too^l fjjottenb einen Judaicum nannten (Centur. 68).
Salb be^nte fic^ ©c^to.« 6influß auc^ über benachbarte Drte au«. Unter ben
00 ©tift«^erren be« gabian«ftift« in bem naiven ^ornbac^ gel^örten einige gu feinen eifrigen
(Bi^totbü 13
Än^änflem (Centur. 72 u. 122). Slnbcrerfeit« crftanbcn i^m bort and) i^cfttge ©egner.
gianwntlic^ \pvai9 \i)m bcr ®rgj)rieftcr 9lil. Äaltenl^cufer bon Sitfc^, toeld^er gugletd^
Äanonitu« in ^ombad^ toar, bic Serec^tigung gum ^rcbigcn ab, tocil er nic^t rite be«
rufen fei. aber ©c^h). üerteibigte in einem Kolloquium mit i^m anfangt 1524 unter
lebl^aftem Seifalle ber gu^örer fiegreid^ fein 5Becbt unb ben gn^alt feiner ^rebigten 6
(Centur. 84—92). 93alb barauf befuc^te Sc^h). feine 33aterftabt ^forjl^eim lieber unb
burfte bort mel^rmal« toieber in ber ©^itallir^e jJrebigen. am Sonntage Mis. Dom.
(10. 3(J)rU) legte er ba« (Sbangelium be« läge« öom guten Wirten ju ©runbe, ermal^nte
feine $örer, in ber SBa^r^eit ju bel^arren, unb liefe bie 5prebigt burc^ ©erbel« Ser^
mittelung in Strasburg brucfen (Centur. 31 unb 66). S)iefelbe tourbe fj)äter me^rmate 10
na^^gebrudft, g. 8. in ©toeier unter bem 2:itel : „6in ©ermon getrau gu ^forg^eim im
Bpiital, gei)rebiget burc? 3«>^ö"" ©c^toeblin (gcclefiaften gu jtoe^nbrüdt, am ©onntag
9Rifericorbiad 25omini. ©ebrücft gu <Bp^tt, gm ^ax^ MDxxiiij". Salb nad^ feiner
KücHe^r t>er^eiratete fid^ ©d^to., beffen erfte ®attin febr frü^e geftorben gu |ein fc^eint,
gum gtoeitenmale unb red^tfertigte biefen ©d^ritt burc^ eine befonbere ©c^rift (leutfd^. i6
©c^r. I, 176 ff.). Site man i^m um biefe ßeit bortoarf, er f)aU bic firc^lid^e Se^re bom
3fegfeuer geleugnet, tourbe er baburd^ toeranlafet, bie bibüfd^e Segrünbung biefer fie^re
gu prüfen, unb ]pxad) fid^ bann in einer ^rebigt über 1 Ro 3, }u toelc^er ©teile er in
feiner 2lu«legung ber Äorint^erbriefe gerabe gelommcn toar, offen gegen ba« gegfeuer
aud, ba« man o^ne ®runb ber ©d^rift angcgünbet unb bamit fc^ier aller SBelt @ut 20
toerfod^t ^abe, um ben 93aud^ bamit ju mäften. auf SBunfd^ be« 2lbte« Sol^ann Äinb»
Käufer bon $ombad^, ber bie ^rebigt mit angehört \)aiU, fc^itfte i^m ©d^to. biefelbe
mit einem Segleitfc^reiben t)om 12. gebruar 1525 gu (2:eutf(^. ©d^r. I, 185 ff.), (ginem
SKe^er Sürger, toelc^er i^n, tote e^ fd^eint, in fc^limmer abfielet, um feine ^rebigten ge*
beten ^tte, fanbte er eine turge 2lui8einanberfe|ung über beren gn^alt, unb liefe \k, 26
nad^bem fie in ©trafebura t)on einem 5Ke|er ©planten in ba^ grangöftfd^e überfeftt
toorben toar, mit einer ^Sorrebe ©erbete bafelbft im SDrudE erfd^einen (bgl. Centur.
101 u. 215 ff.; SCeutf^. ©d^r. I, 350 ff.). 3Son bem toac^fenbcn ©nfluffe, ben ©d^h>.
auf immer toeitere Äreife ausübte, geugt auc^ eine im ^a\)x^ 1525 bem S)rudEe über=
gebene, ber „(Sbeln unb erbarn fragen ?Kofina bon ßfd^nah)" auf il^re Sitte um c^riftlic^e so
Untertoeifung gugceignete ©c^rift: „i&au^tftüdE ünb fumma be« ganzen ©uangelium« önb
iporinnen ein 6|riftlid& leben fteet, 2)ur(^ go^an ©c^toeblin })rebtcant gu ^toe^brütfen
MDXXV." Site ber Sauernfrieg auebrac^, richtete ©c^h). an bie Säuern eme Iräftige,
an bie ^flic^ten ber Dbrigleit unb ber Untert^anen freimütig erinnembe Slnfbra^e
(3:eutfc^. ©(^r. I. 128 ff.). SBenn ber Stufru^r bie ber ©tabt 3h)eibrürfen benachbarten 88
toeftlid^en 3:eile be« $ergogtum« toerfd^onte, fo ift bic« getoife au^ bem ©influffe ©d^to.«
mit gugufd^reiben.
3laäf SJiebertoerfung be« Sauemaufftanbe^ toerfuc^ten bie Sif c^öfe auc^ im ^ergogtum
3toeibrüdEen mit neuer ßnergie gegen bie eüangelifc^en ^rebiger eingufd^reiten. $eter
tefd^er in Serggabem tourbe ejlommunigiert, 5Jifolaug 2:^omä t)on ba bor ba^ geiftlid^e 40
eric^t nac^ ©peier gelaben unb bann ebenfalls gebannt. 2)er Sifdf^of bon 3)1^, gu
beffen ©})rengel bie ©tabt ß^^^ifjrüdten gehörte, mad^te 3Kiene, auc^ ©d^h). gur Sechen*
fc^aft gu gießen. SDa gleid^geitig auc^ ber Äaifer burd^ bie bor bem ©^eierer Sleid^^tage
erlaff ene gnftruftion bom 23. ÜKärg 1526 ernftlid^ft gum geftf^altcn an bem alten ©lauben
mahnte, tourbe ^falggrafSubtoig bcbenilicl). ©r forberte Bd)tr). gur fd^riftlid^en tufeerung 46
über feine ^rebigth)ei]e auf unb erl^olte gleicligeitig bon anbercn ©cle^rten feinet Sanbeö
Outad^ten über bie biblifd^e Segrünbung getoiffer Äird^enle^ren. Slber nicl^t blofe ©c^h>.
trat für bie getroffenen 5Beformcn ein (2;eutfc^. ©c^r. I, 84 ff.), fonbem aixd) ^atob
©d^on, bamate Sanbfd^reibcr ber ©emeinfc^aft ©uttenberg in ^Binfelb, \pxad^ [xd) in
berebter ©})rad^e mit gröfeter @ntfc^iebenl;eit gegen bic biöl^cr in ber Äir^e geübten 3Kifes 60
bräud^e au«. FJn feinem 1526 in mef^reren Stuögaben beröffentlicbten trefflid^en @\xU
achten: „Slabfc^lag über ben Sut^crifc^en ^anbel ... auf ©})et;erifcbem re^d^ötag burd^
tatob ©c^orren" geigt fic^ ©d^orr ate bcgeifterter Slnl^änger be« „3Kannc« ®otte« 3Rartin
ut^er", beffen fiel^re „burd^ il^n unübertoinblid^ betoäl^rt" fei, unb ate eifriger Sefer ber
^l. ©d^rift, au« ber er alle Selege gu feinen Stuefü^rungen entnimmt. Iro^ biefer ®ut= 66
ad^ten gab ^eriog Subtoig feine au« ber })olitifd^en Sage ^erborgegangenen Sebenfen gu»
näd^ft nic^t auf, fo bafe ©d^h). eine 3^^^ Iö"0 f^Ö^^ ^^^ ©^jenbung be« ^l. Slbenbmapte
unter beiben ©eftalten einftcUen mufete unb fc^on baran badete, 3^^i'^^üdten gu berlaffen.
Äud^ nod^ im ^af)x^ 1527 betoal^rte er biefe Haltung (bgl. einen Srief 2:^omä« bom
13. ©et)t. 1527 bei ©elbert 188). S)oc^ Ratten ingtoif^en bie ©bangelifc^en an Subtoig« eo
14 Sfl^tiiebel
tofe fett bcffen im @et)tcm6er 1525 toott^ogenen SJcrmä^lung mit bct ^efftfd^en ^rinjcfftn
lifabetl^, h)eU^e eifrig et^angelifc^ toax unb @c^tp. i^r t^ouk ä3ertrauen entgegenbrad^ite,
eine fefte Stufte gewonnen, äuc^ ©d^orr, ber Serfaffer jene« ©utac^ten^, tocld^er im
3Rai 1527 all ©e^eimfd^reiber nad} ^tütxhxüim berufen unb 1529 gum Äanjier be^
6 förbert tourbe, ertoarb pd^ immer me^r ba^ Vertrauen be« ^crjog^. 3" ^'"^^ ^^=
fd^iebenen })oIitifc^en ©tellungnal(;me ju ©unften ber Sieformation fam Subtoig inbefjen
nic^t. 3Beber bem SReic^^tageju Bpmx 1529, noc^ bem ju 2tug«burg 1530 tool^nte er
J)erfönlid^ bei, liefe aber beibe Steid^^tag^bfc^iebe burc^j feinen Vertreter unterzeichnen. 2)as
gegen getoäl^e Subtoig ben mm 3Korburger ®ef})räd^e jie^enben ©d^toeijer Ideologen
10 niqt nur aem ba« erforberlicpe ®eleit, fonbem eirfud^te auc^ ben Sanbgrafen ^l^ilij)p,
ju bem HoQoquium @c^m. jujulaflen, loelc^ h)idlid^ an bemfelben al^ 3^^^^^^
teilnal^m.
^u einer Drganifation be« ebangelifd^en Äird^entoefen« in feinem Sanbe fam e^ bei
Sublütgd Sebjeiten nid^t. ^riefter, toeld^e i^r 9lmt in ^erfömmlic^er SBäeife öerfa^en,
16 liefe Subtoig ebenfo getoäl^ren, toie bie in aßen Steilen feine« ©ebieteg auftretenben etoan^
gelifc^en ^räbilanten, benen er aud^ bann feinen ©d^uft nic^t öerfagte, toenn, h)ie bie«
j. S. 1528 bejüglid^ ber ^rebiger t)on Serggabem unb Äleeburg gcfc^al^, burc^ ben gu«
ftänbigen 93ifc|>of mit ©ntf^ieben^eit i^re Vertreibung Verlangt tourbe. ^n feine nähere
Umgebung jog ©erjog Subtoig mit Vorliebe ebangelifc^ gefinnte SRänner. R\x i^nen gehörte
20 befonber« ber brfannte Sotaniler $ieron^mu« ©od, toel^er ungefähr gleicpjeitig mit ©c^tt).
al« ©d^ulmeifter nac^ ^tvübxüitn getommen toar unb bem ^erjoge al« Seibargt biente.
Slud^ liefe ftd^ Subtoig auf toieberl^olte bringenbe Sitten be« etoangeUfd^ gefmnten Äomtur«
unb ber Äonöentualen be« gof^önniterl^aufe« gu 9Keifen^eim beftimmen, ba« bortige Drben^s
^au« nebft feinen ©infünften eingugieben, „um mit benfelben bie Äirc^e in 3Reifen^eim mit
26 tauglid^en, gelehrten unb frommen Pfarrern unb ^rebigem" toerfe^en gu lönnen. S)ic
3nfaffen be« $aufe« tourben mit einer ^enfion abgefunben. Seiber toar $ergog fiubtüig
ber bamate fo toeit verbreiteten, öon ©c^to. emft gerüaten (3:eutfc^. ©d^r. I, 353 ff.)
2!runlfud^t ergeben unb getoann e« nid^t über fid^, berfclben gu entfagcn. @r ftarb am
3. 3)egember 1532 im älter öon nur brei^ig ^af^xm an ber ©c^toinbfuc^t, toelc^e er fic^
80 burd^ jene« Safter gugegogen unb burd^ 2!etlnal^me an bem Sürfenguge im ©ommer 1532
bieHei^t noc^ beförbert ^atte. fiubtoig ^interliefe aufecr einem 2!öctterlein, toeld^e« i^n
nur um gtoei ^af)x^ überlebte, einen eingigen erft fec^^jä^rigen ©o^n SBolfgang, in beffcn
SHamen nun Subtoig« ©ruber, ^falggraf 9liH)rec^t (geb. um 1504, geft. 1544), gunäd^ft mit
fiubtoig« SBittoe, ^ergogin 6lifabet|, unb, nac^bcm ftc^ bicfe 1539 mieber mit ^falj=
öß graf ®eorg öon ©immem toermäl^lt l^atte, feit 1540 allein bie toormunbfc^aftlic^c 91 e=
gierung führte.
Unter bem neuen Slegintentc geftaltcten fic^ bie SSerl^ältnifJe noc^ günftiger für bie
@a6)^ ber Sieformation. Sil« nad^geborener ^ring gum geiftlic^en ©tanbe beftimmt, toax
^falggraf SliUjrec^t frübe 35oml^err in 9Raing unb ©trafeburg getoorben, ^attc aber fd^on
40 üor bem 2^obe feine« S3ruber« me^ad^ an ben 9tegierung«gefdjäften teilgenommen. 6r
toar ein eifriger greunb ber Sieformation unb brad^te ©c^h)., i)on bem er fc^on 1530
ein ©utac^ten über bie eüangelifc^e Seid^te unb ba« ^l. Stbenbmal^l begel^rt unb em^jfangen
l)aiU (leutfd^. ©d^r. II, 16 ff.), ba« gröfete Vertrauen entgegen. Unter §crgog Subloig
toar ben ^rebigem in Seigre unb ßultu« alle grcil^eit gelaffen Sorben, tücnn fie nur
45 ben ^rieben nid^t ftörten. 9lun forberte ^falggraf Sujjred^t al«balb nad^ Übernahme
ber Vormunbfc^aft ©c^to. gur 9lu«arbeitung einer Äirc^enorbnung auf, bamit nid^t bi«
gum 3uf^"^"'^ntreten be« ^ongil« „bie ß^riftcn burc^ §inläfftgleit ber Pfarrer ber Seigre
unb be« 3:rofte« be« göttlichen Söorte« unb ber ^l. ©aframente beraubt h)ürben". ©d^n>.
^atte bie 9loth)enbigfeit einer fold^en Drbnung bereit« früher erlannt. 6r trug fc^toer
60 baran, bafe man bei 2lbfd^affung ber 3Kifebräud^e berfäumt l^atte, an i^rcr ©teile gute
unb nüftlic^e Sräuclie angufteUen (Xeutfd^. ©c^r. II, 71 ff.)- ®erne folgte er barum ber
älufforberung 9luj)rec^t« unb legte il^m al«balb ben ßntiourf einer 5lirc^enorbnung bor.
gn gtoölf 3lrtileln ^anbelt biefelbe i)on bem 2eben unb ber 3lmt«fü^rung ber ©eiftlic^cn,
ijon ber geier bon Sonn* unb ^efttagen, SBod^en^jrebigten, 2;aufe, 2lbenbmal;l unb Vor^
66 bereitung bagu, 3:rauung, Jlranfenbefuc^en unb SBeerbigung, Äated^i«mu«))rcbigten unb öom
®^h^U, Slad^bem biefe, frül^er irrtümlid^ in ba« ^al}x 1529 gefeftte, Drbnung fofort bie
®enel;migung be« §ergog« erl;alten ^atte, fanbte fic ©c^tü. im Januar 1583 an 35u^cr,
bamit fie in ©trafeburg gebrurft merbc. ©ie erfcbien bafelbft unter bem 2itcl: „^onn
unb 3)iaafe, njie e« i)on ben ^rebigern be« gürftent^um« 3^^^^^^^ ^" nad^folgenben
eo 3Wängeln foH gehalten toerben", unb tourbe bann ben Pfarrern unb ^rebigem mit bem
S^tnebel 16
Semerfen jugefonbt, ia% tocr biefc Drbnung nid^t mit gutem ©etoiffen l^altcn ju lönnen
glaube, feine HReinung fdbriftlid^ ober münblid^ in ber lurfürftlid^en Hanjlei anjeiaen
foDe. 3(fe bann am 5. mal 1533 ©tabtj)farret 9Reifen^eimer in QtotVbtixdm fein Sunt
nieberlegte, tourbe ©d^to. beffen Sloc^folger. 2)afe il^m bobei gleid^geitig aud^ bieSeitung
be^ ftir^entoefen« im ganjen $ergogtum förmlich übertragen toorben fei, ift unrichtig, 6
ba er felbft no<^ anfangt 1534 fd^rieb, e« fei i^m nur bie ©orge für eine einjige ©e«
meinbe anvertraut unb er bürfe fid^ in anbere Angelegenheiten nid^t einmifd^en (®elbert
215). 2)od(| ^atte er fd^on bamote fidler ben größten ®influ^ auf bie Sertoaltung ber
ftirc^ unb tt)urbe f))äter bieQeid^t and) formeQ mit bem älmte eined ©u)}erintenbenten
ober aintifte« betraut. S)ie Äird^enorbnung tourbe nun aHmä^Iid^ im ganjen Sanbe ein» iQ
gefül^rt. 3)er 2i3iberfJ)rud^ bagegen blieb nid^t au«. 93ereit« am 23. 3"^ 1533 er^ob
ber 3JJainjer ©eneralbilar SSalentin öon 2:ett6nleben bagegen (Sinftoru^ mit bem Se«
merlen, bie Drbnung fei ben Sleic^^tag^bfc^ieben jutoiber. @r brüate babei ben3h)eifel
au«, ob biefe im 9tamen unb unter bem Siegel Stu))red^t« ))ubli2ierte Orbnung toirllid^
mit feinem aOSitten erfd^ienen fei, ba boc^ ^erjog Subtoig nie auf feiten ber ^roteftanten i6
geftanben unb fic^ noc^ lein ^ürft au« bem $aufe Sägern gu ber neuen fiel^re belannt
^be (Ärei«ardb. ©J)eier). 211« Slutjrec^t biefen ßinfprud^ nid^t bcad^tete, fanbte Äurf ürft
älbred^t bon SKainj im 9?obember 1533 ben furfürftlid^en 3lat Äa«t)ar£erd^ bon ©irm«
pein an ben ^Pfaljgrafen, um i^n bringenb gur Slbfc^affung ber „vermeinten" Drbnuna
aufjuforbem. 9fluj)rec^t blieb jeboc^ ftanb^aft unb fanbte bem ©rjbifd^ofe (©onntag naq ao
9?eu}aj^r 1534) bie jloölf ärtilel mit ber Sitte ju, il^m mitzuteilen, h>a« an i^nen ben
faiferlic^en äbfd^ieben ober ber 3uri«biftion be« Srjbifc^of« gutoiber fei. 35er Äurfürft
antwortete barauf burd^ Überfenbung einer furjen ©d^rift: „Seftenbige Slble^nung ber
berme^nten Äird^enorbnung ober form ^er^ogen 3lu<)red^ten bon 33a^em ^n loenig ioort
berfaft" unb liefe x\)x eine jtoeite „ettoa« toeitleuffigere" ©d^rift mit bemfelben litel as
folgen. @r berfud^t barin ben 9lac^toei«, bafe, toenn aud^ ber Suc^ftabe ber Drbnung
anber« gÄeutet toerben tonne, fie nad^ ber Übung, bie im gw^^^^"*" ^)n>^xixim im
©c^toange ge^e, bo(^ t^atfäd^lic^ ben faiferli^en äbfd^ieben gutoiber unb be«^alb gönjlid^
abgufd^affen fei. S"^'^^*'^*'^^ ^'^Ö*^ ^ barüber, bafe bie ^farrer unb $rebiger mit
Dermeinten ß^eloeibem in öffenllid^en ©c^anben unb Srgemi« fäfeen unb biefelben täglid^ ao
nähmen, fotoie bafe fie gegen laiferlid^er ^Kajeftät ®ebot unb ben ©ebrauc^ gemeiner
c^riftlid^en Äirc^en ba« ©aframent unter beiben ©eftalten reid^ten (ärc^ib ber Äirdb«
fd^affnei S^eibrüdfen). 3luc^ ber 33ifd^of bon ©peier forbertc um biefe 3^ ^^^ ^'
f4affung ber Äird^enorbnung. SDer ^faljgraf antwortete junäc^ft nic^t, beauftragte aber
©d^h). mit äbfaffung einer äntloort, Welche f})äter mit jener Älagefc^rift im 3)ruie86
crfd^einen follte, um ber ©emeinbe ein Urteil über bie Qad^^ gu ermöglid^en (bgl. ©c^^to.«
»rief bom 12. aJlai 1534 in ber 3eitfd^r. f. ®efd^. b. Dberr^. 34, 228). Unter bem
3:itel: „Selreftigung be« ratfc^lag« in gtoölff artirfel geftelt ba« J)faram})t belangenb Von
3o^an fi^ueblin" finbet ftc^ ba« Original biefer anttoort Von ©d^lo.« $anb bei ben
aiften ber gtoeibr. Äird^fcbaffnei (bgl. Seutfc^. ©d^r. II, 149 ff.), ©c^to. betonte ^ierio
nac^brüdflic^ ba« SRec^t unb bie ^fliclit ber c^riftlic^en Dbrigf eit, toiber ba« ärgerlid^e geben
ber ©eiftlic^ien einjufd^reiten, über ba« alle äiSelt flage. g« fei ^flid^t ber Sifc^öfe ge^
toefen, bafür ju forgen, bafe bie ^faner unfträflic^ lebten unb ba« SBort ®otte« lauter
})rebigten. Q&ttm fte ba« getrau, fo ^ätte ber §erjog e« ju großem 2)anf aufgenommen
unb feine arbeit gefjjart. Sflun aber geftatteten e« bie Sifd^öfe, bafe bie ^riefter in 46
öffentlichen Unei^en lebten, trunfen Werben, ®ott läftern unb mit falfc^er Se^re ba«
35olI Verfül^en. ^t^t aber fämen fte an un« unb Wollten [trafen, nid^t Wa« ©ünbe
unb Unrecht ift, fonbem toa^ ßl^riftu« eingefe^t bat {%mi\d). ©c^r. II, 180 ff.), ^n
Derfd^iebenen Weiteren ®utac^ten \pxad) fic^ ©c^W. ä^nlid^ aix^ (2:eutfcl). ©c^r. I, 152 ff.
158 f.; II, 221 ff. 247 ff.). ®egen ein geWaltfame« SSerbot ber 3Keffe unb gegen ein»
allgemeine« ®ebot, bafe aHe ^riefter e^elid^ Werben foHten, erflärte fid^ Bd^W, unb be«
mertte bagu au«brüdlic|, bafe ber ^ergog bie« aud^ gar nid^t im ©inne i}abt (^eutfc^.
©(^r. II, 248 f.). ©elbft ©d^on riet gur SSorft^t unb Wollte nid^t nur Von einer
}Wang«Weifen äbfteHung ber 3Meffe, fonbem auc^ Von einer folc^en be« Äonfubinat« ber
^riefter nicbt« Wiffen. aber, unterftü^t von einem in feinem ©inne abgegebenen ®uts 66
ad^ten ber ©trafeburger 2:^eologen, brang ©c^W. burc^. Äurj vor Dftern 1535 erliefe
9UH)red^t ein SDlanbat, nad^ Welcljem alle im Äonfubinate lebenben ^riefter unb 3Könc^c
fu^ bei ©träfe ber 3lu«Weifung au« bem §erjogtum f^jätcften« bi« Dftern vere^elid^en
foCten. Sltebalb liefe ber Sifc^of von 5J?e$, Äarbinal von Sot^ringen, am 9. ä^jril 1535
burc^ feinen ®eneralvi!ar unb f))äteren 3lac^folger 91. be Senoncourt bagegen Sefc^Werbe oo
16 (S^tnebel
etl^cbm. 6^ fei i^m angcjctöt toorben, bie ©eelforöcr bon Sejbac^, aSBalbmol^r, Äirlel,
©rnftioeilcr, ßonttoifl, Sunbcnbad^ unb 3Kattl^iad bon Qoxnbad) Ratten fic^ in ben üer^
botencn unb bctbammtcn e^eftanb begeben. (Sr bitte ben §erpg fle^emlid^, bie ^riefter
„in il^rem bergangenen, bon alten ^ütm ^ergebrad^ten Seben nac^ ber d^riftlic^en ftir^c
6 ©a^ungen" ju belafjen. SBenn fic^ aber 6tlic|e unjiemlid^ hielten, möge er fie boc^ bem
3Ke|er bifc^öflic^en Dffijial jur gebül^renben Seftrafung anzeigen (Sateinifc^e^ Original
unb beutfc^e Überfe^ung bei ben alten ber 3tüeibr. Äird^fc^affnei. 9SgI. Qxoü, Scholae
illustr. Hornbac. bist. 21 u. 27). Slu^jred^t ^ielt jeboc^ fein ®ebot aufredet, ©e^
ftü^t auf ein 1540 neu aufgelegte^, juerft an Slupred^t gerid^teted ©utad^ten 6a^ito^:
.10 ,,Respon8io de missa, matrimonio et jure magistratus in religionem'', in tt>eld^em
biefer forbert, bafe d^riftlic^e Dbrigleiten auc^ mit Strafen gegen bod galten ber 3Jleffe
einfc^reiten foflten, bt^axiptü nun $aulu^, ba^ bie Sieformation in $fah=3h)eibrüdten
gegen ben SJÖiHen ber Setoo^ner getoaltfam eingefül(;rt toorben fei. Sinen Setoei^ bafür,
bafe bie in biefem ©utac^ten aui8gefj)rod^enen unebangclifc^en ©runbfä^e, entgegen ber
16 2lnf(^auung ©d^to.^, burc^ Slu^jre^t burc^gefü^rt toorben feien, bermag $aulu^ jeboc^
nic^t )u bringen. 2)ie bon i^m hierfür angefül(;rte ©teile be^ ©utac^ten^ : ,,Quos Tua
Celsitudo primum coegit, ut audirent" (©utac^ten 33*» f. ^aulu^ a.a,D. ©. 808)
lann biefen Seloei« nic^t liefern, ba fie nid^t eine boHjogene i^atfac^e berid^tet, fonbem
nur au^fü^rt, toa« nac^ 6<H)ito« SKeinung gefcljel^en toürbe, toenn ber ^erjog feinem
20 ^aU folgen unb bie Untertl^anen jur Sieformation jtoingen toürbe. 93on einem SBibers
ftanbe ber 93eböllerung hingegen toei^ aber $aulu^ lein Seif))iel amufü^ren. ^m@^Qm:
teil ftanb biefe, bielleic^t mit einigen, un^ aber nic^t nö^er betannten, Slu^na^men,
burc^aud auf 5lu))re(^t« ©eite, toenn biefer bon nun an entfc^ieben für bie Sieformation
eintrat. 3)ie« toar bamal^ in folc^em ©rabe ber gall, bafe er fic^ im S)ejember 1535
26 fogar jur aufnähme in ben fd^mallalbif^en 33unb anmelbete. Site ed bann im Sl^ril
1536 auf ber Sunbe^berfammlung tüirflic^ ba^u lommen foHte, lie^ er fid^ atterbing«
toieber entfd^ulbigen. ^oc^ blieb Slu^rec^t auc^ f^äter noc^ in na^er ^ü^lung mit ben
93unbe^licbem unb lie^ fic^ t. 33. 1539 bei ben ju bem fog. granifurter 3lnftanb
fül^renben 33er^anblungen burc^ ©c^to. bertreten (leutfd^. ©cpr. I, 587 f. 589 f. unb
soll, 232 ff.).
Sine loertboUe ©tü^e am §ofe ^atte ©c^to. an feinem glcic^gefmnten greunbe, bem
treffli^en ^forj^eimer Äa^^ar ©lafer (geb. 1480, geft. 1547), gefunben, toel^er im ^mi
1533 burc^ feine SSermittelung alö ©rjie^er be« jungen ^rinjen 2Bolfgang angenommen
lourbe unb nac^ ©d^to.d lobe i^m im Stmte folgte. @in jtüeiter tüchtiger Sanb^mann,
86 SRic^ael 3ini»wc^nionn, genannt i&ilfj)ad^, ftanb il;m feit @nbe 1532 juerft ate lateinifc^er
©d^ulmeifter unb \pättx aU jtoeiter ^ßfarrer jur ©eite. dagegen bereitete i^m ein t)on
Su^er emj)fo^lener ©e^ilfe ©eorg^iftor, ioelc^er im S^nuar 1532 Pfarrer in bemgtoei-
brüäer 33ororte ßrnfttociler geioorben toar, burc^ feine Hinneigung gu ben auc^ in ^to^-
brüdten eingebrungenen aSBiebertäufem grofeellnanne^mli^fciten. 3lte aße SSerfuc^e, i^n ju
«0 ma^üoHerem Sluftreten gu beioegen, fc^eiterten, tourbe ^iftor enblic^ im 3Kai 1534 feinet
2lmte« entlaffen.
2)ie t^eologifc^e ©teHung ©c^to.^ toar eine burc^auiS irenifd^e. 3!)ie 2lugöburger
Äonfeffxon unb 9l))ologie unterjeic^nete er mit Sitligung be^ ^fal^grafen 9luj)rec^t (Centur.
297 ff.). SSom 1^1. Slbenbma^le toirb in ber t)on i^m berfa^ten Äirc^enorbnung lebiglic^
46 gefagt, e^ foHe, ^intangefe^t fürtoifcige ?yragcn unb a55ortftrcit, ben G^riften treulich t)or^
getragen toerben, njaiS bie ßtjangeliften t)om SJac^tmabl fd^reiben, auf ba^ fie im redeten
©lauben empfangen, njae Gl^riftug il^nen anbeut, ba er fagt: Sle^met, cffet, ba^ ift mein
2eib, Stcm: 2rinfet Stile barau^, bag ift ber Äeld^ meine« 33lute«f. Die ^ur SBitten^
berger Äonforbie fü^renben SSerl^anblungen, über bie il^n Su^er in fteter Äenntni« ^ielt,
60 verfolgte ©d^n?. mit lebhafter Seilnal^me, hjenn er auc^ Su^er« ginlabung ju J)erfön5
lid^er Beteiligung j^urüdttoeifen mu^te. 5Kit greuben begrüßte er ba« enblic^e 3iiftönbe5
fommen ber erfel^nten ©inigung im SOlai 1536 unb unterfc^ricb bie Äonforbie nic^t nur
mit ©lafer unb öilf^^ad^ felbft, fonbern lub aud^ bie übrigen ^rebiger be« Herzogtum«
gu if^rer Untergeic|nung ein (Centur. 287 ff. unb 291 ff.).
66 Sei einer im ^uli 1538 im Slmte Sid^tenberg ijorgenommencn Äird^enbifitation, beren
intercffante Sitten %ahcx (©toff für ben ^ufünft. 3?ert. einer ^fal5-3^^i^^- Äirc^engefc^.
II, Iff.) veröffentlicht bat, ftellte fid^ eine gro^c 5liannigfa(tigfcit folool^l in ben ©e^
brauchen, al« auc^ in ber Se^re ^erau«. @« fanb fid^ fogar ein Pfarrer, ber fein Stmt
gum ^JJifefaHen feiner ©emeinbe nod^ böHig in fatl^olifd^er 2öcife berhjaltete. 2)aburc^
») mag ba« fc^on bor^er ju Jage getretene Sebürfni« geregelter Konferenzen ber ©eiftlic^en
Si^meiel Si^toebeit 17
[odf füBIbarer getoorben fein, ©o öercinigtcn ftc^ benn, nad^bem jut)or fd^on ju Sergs
abem freie Se^rec^ungen ber ^rebiger in ber bortigen ©egenb ftattgefunben l^atten, im
!Rai 1539 bic bert)orragenbften ©etftlid^en an^ allen 2:eilen be^ $erjogtum« mit au«-
•rüdlic^et ©eneijmigung be« ^erjog« unb ber ßerjogin ju einer 9lrt ©^nobe unb legten
^re Sefd^Itiffe am 21. 3Kai 1539 i^nen jur S^tötiaung öor. 3" benfelben fuc^te man 6
luf größere ®inl^eit in ber Seigre auf ®runb ber ^ug^burger Äonfeffton unb 3l))öIogie
nnjutoinen. S^glrid^ tourbe bie Seftettung toon Äird^enfd^öffen toorgefc^lagen, toelc^e bie
lirAengtiter toertoalten unb auf 2e^re unb Seben ber ilird^enbiener, fotoie auf c^riftüc^e
JuAt in ben (Semeinben galten foBten (leutfc^. ©d^r. II, 325—353). 3n gtoeibrüdEen
elbft lam e« auf Setreiben ©d^to.« unb $ilfj)ad^« burc^ freien Sef^Iu^ ber ©emeinbe lo
nit ©ene^migung ber §erjogin ©Kfabet^ unter bem ©inbrudfe ber bamaU ^errfd^enben
ßcft anfangt 1540 in ber Xl^at ju einer folc^en „Äird^enbi^i^Iin", toeld^e burd^ fed^
)on ben Sürgem getpäl^lte S^\oxm geübt toerben. foHte. 2)iefclben hatim auf Seigre
inb SBanbel aOer ©emeinbeglieber ju ad^ten unb ^rgemiffe mit d^riftlidper S3efc^eibenl^eit
u rügen. SBenn eine jtoeite unb britte 3Kal^nung ber Äirc^enbiener unb S^f^^^*^ ^^
ruc^tu)« blieb, fottten öffentliche ©tinber t)om ^l. Slbenbma^Ie unb bem Siedete, ^ßaten«
teQe ju t>ertreten, jebod^ ol^ne öffentlid^e 9tennung ber 9!amen t)on ber Mangel, au^
jefc^Iojfen toerben (leutfc^. ©c^r. II, 379 ff.). Sei einer balb barauf burd^ (Slafer in
)en SSelbenjfd^en (Semeinben abgehaltenen Äird^enüifitation tourbe biefe Äird^enbi«jij)Hn
mc^ l^ier o^ne befonbere ©d^tpiengleit jur ginfü^rung gebracht, ba bie bro^enbe $eft bie 20
^en unb rollen ©emüter tpiUiger mad^te (CJentur. 339 f. 341 f. unb 343 ff.).
©iebjel^n Igal^e l^atte ©Ah), in 3h)eibrüdten al« treuer, aufrichtig frommer Selenner
>er 333a^r|eit getpirft. SRanc^erlei trübe Srfal^rungen in $au« unb ^mt l^atten i^m bie
Woge auf bie 2\ppm gelegt: „3d^ finbe in biefer 3^^ nid^t« anbere« ofö Äummer,
[Reiben, 2:rübfal unb Slngft, ba| mid^ leine« fieben« me^r gelüftet. SlBe meine Hoffnung 25
telj^t t)on biefer 3^* l^intoeg ju unferem SSater im $immer (2!eutfc^. ©c^r. II, 145 ff.).
Sber an biefer Hoffnung ^idt er in unerfc^ütterlid^em ©lauben feft unb toerfd^ieb in
)iefem (Slauben nadb mei^rtDöd^entlid^er Jtranl^eit, nur fünfzig ^a^re alt, tpobi an ber
)omate in 3U)eibrüdcen ^errf^enben ^eft, am 19. 3Kai 1540. 3" ^^ bortigen 3ilejanber«s
Src^e tourbe er beigefe|t. 9lac^ nur jtoei 3:aaen folgte i^m im 2!obe feine britte (Sattin so
rtati^arina geb. Surggraf, mit h)elc^er er ftc^, nad^bem auc^ feine jtpeite ^rau frül(;e
jeftorben toar, toerel(;elic^t J^atte. ©ie tourbe an feiner ©eite beftattet. ©^h). ^interliefe
lu« biefer britten ®l^e eine 3:od^ter unb jtoei ©ö^ne, toon benen ber ältere, §einri^
geb. 1531, gcft. 1610), fj)äter gtoeibrüdfifd^er Äanjier tourbe unb feine« Sater« ©d^riften
^erau«gab. »6
Sei ©d^tp.« 3:obe loar bie Sieformation über ba« gange Äerjogtum 3toeibrüdEen
verbreitet, ©ein SHod^foIaer ®Iafer feftte ba« SQBerl in gleid^em ®eifte fort. SDie unter
)er toormunbfc^aftlid^en SRegierung be« ^faljgrafen 9lu})rec^t begonnene Drganifation be«
»bangelifd^en Äirc^entoefen« lourbe unter ber §errfd^aft be« tf^atfräftigen $erjog« SBolf-
jang (geft. 1569) burd^ bie ßinfül^ung ber trefflichen Äirc^enorbnung Pom 1. 3uni 1557 4«
Doüenbet.
3Kit bem 3h>eibrüdEer Sleformator ift nid^t ju toertoed^feln ber gleichnamige SHefor-
[nationefreunb 3o^- ©d^loebel au« SifAoffinaen, geb. 1499, 1524 2e|rer in ©trafeburg,
ieit 1536 Sleltor ber bortigen ©d^ule bei 2lft ©anit «ßeter, geft. 1566. 3«c^.
©i^mebeit. — I. ilirc^engefd^ic^te. SSon ber faft unübcrfcftbaren fiitteratut45
tcnnc i4 nur bic neueren, gröfecrc Sciträumc umfaffcnbcn ^arftcüungen, bie in fird)en=
jcfcbic^tlic^cr ^infici^t bcfonbcr« roicötig ftnb. 3)ort finb loeitcrc äitteraturangoben wie aucf)
QucDcn- unb Urfunbenpublifationcn ju finben. — S)ie mobcrnftc 2)arftenung ber politifd)cn
Scfc^ic^tc @(f)tt)cbcn« ift Bveriges historlÄ intill tjugonde eeklet, unter ^itmirfung mehrerer
Jac^gclel^rtcn l^crauggcgcben üon ©. ^ilbcbranb, Stocf^olm 1903 ff. (rei(ft iüuftriert, nod) nid)t so
DoDftänbig ^crauSgcgebcn). gür bic ®efct)ic^te ber @taat«ocrfaffung ift befouberö ju nennen
£. ^ilbcbranb, Den svenska slatsförfattningens historiska utveckling, ©tocf^olm 1896;
3. ©cibling, ©djwcbifctjc ®cfd)ic6tc im Scitaltcr bev 3fJeformation, ®ütf)a 1892. 'Mc leiten
Oc« fctjrocbiftftcn Kulturleben« finb bel^anbelt in ber grog angelegten, nod) nidit fertige Arbeit
Don ^. .^iCbebranb, Sveriges Medeltid (^icr befonber« ju nennen ^cil III : 3)ie Äird)e, ©tod-- 65
^olm 1903). @rö6crc ^u«blirfc über bic neuere ©cfc^ic^tc Sdirocbenö geben befonberö
^-ßjärnc, Gußtaf Adolf, ©torf^olm 1901 ; bcrf., ÄarlXII., @tod()oIm 1902; 2. Staocnow,
Frihetatiden, ®ötcborg 1898; berf., Gustaf III., ®i)teborg 1901. 2)ie üitteraturgeid)id)te
Ift auÄgcicicftnct bel^anbelt üon .&. ©cftürf, Svensk Litteraturhistoria I, 8türf^oIm 1890, unb
B. Schuck och C. Warburg, lUustrerad svensk litteraturhistoria, Stod^olm 1895Tf.; bie c<>
Kcat««iic9ttoWibic f&r Zlttolog^t imb Airt^c. 8. «. XVlil. 2
18 Si^mebett
f irc^f . fiittcraturgcfc^. Sc^rocbcnS ift bizarr bc^anbclt üon ^. fBicfcIgren, Svenska kyrkans skoDa
Litteratur, 3 A., ßunb 1866. gu nennen finb au4 (£. 9lnnerftebt, Upsala Universitets hist. I,
Upfata 1877, unb SJi. SBeibuII, Lunds Universitets historia, fiunb 1868. — 2)cr SSater bcr
neueren fd)ioebif(^en ^ird&en9etc^lc^tfd)rel6unq ift $. SWeuteiba^I (f. b. 31. SBbXVI ©.705 ff.).
6 Sein Ijerüorragenbfter Sf^adjfolger roor fi. 91. 9lnjou, Svenska kyrkoreformatiooens historia,
Upfala 1850 f., unb Svenska Kyrkans historia ifrSn üpsala möte 1593, ©tocf^olm 1866
(folibe unb noc^ fe^r loertüofle arbeiten, wenn audj in üieler ^infic^t ucraltete). J^. SRorlin,
Svenska kyrkans historia efter reformationen, Sunb 1864, 71, giebt gute Qbeen aber tcilweife
niangeIt)aften@toff; (£. 9(. Someliud, Handbok i svenska kyrkans historia, 3A., Upfala 1892,
10 unb berf., Svenska kyrkans historia efter reformationen, Upfala 1886 f. finb burcft formelle
Älar^elt, SWeic^tum an (biäioeilen unjuDeiiäffiaent) Stoff unb Mangel an 3been (i^araftcriricrt.
(ginen neuen gortfc^ritt öat bie fcftwebifd^e firc6engef(liid)tli(^e^5orfd)ung burcft bie Don ^rof.
©. fiunbftröm, Upfala feit 1900 rebigierte Kyrkohistorisk Arsskrift gen?onnen. ^. Sunbftröm,
Skizzer och kritiker, Stod^olm 1903, bietet ein^e^enbe f tT(^engefd)t4tIid^e 2)etatOuntevfud^ungen
16 auä oerfc^iebenen gelten. @lne mobemc uberfic^tlic^e SDarfteQung ber Äirc^engefdji^te
^äitotbtn^ giebt t^ noc^ nid^t.
®tc aKtffion«jcit 830—1130. 2)er norbifd^e ©ötterglauben l^atte im Slnfang
bed 9. 3al[;rl^unbert^ eine ftarfe Siid^tung ^um ^onot^ei^mu^ genommen; t)or cülem
toarcn in ©d^toeben 2:j^or unb Dbin gut ^errfc^aft über bie anbeten ©ötter gelangt,
20 toelc^c bagegen toeröielfältigt tourben. SDiefe boj)t)eIte JJeigung jum 3Konotl(;eiömud unb
5PoI^tl(;ei^mu« bereitete bem ©erüc^t ijon 6l(;riftu5 unb t)on feiner gewaltigen 3Kac^t einen
fruchtbaren ©oben, ©er ffiunfd^, in ber SSerfünbigung \>on jenem eine ^öl(;ere Söfung ber
religiiJfen 93ebürfniffe ju erlaufenden, machte fic^ geltenb. ©o toarb ©c^toeben eine^ t)on
ben toenigen l^eibnifd^en Säubern, h)0 bie ßinl^eimifc^en bie ^nitiatiöe jur 3Kiffion er^
26 griffen, i&ier begegnen unö leine SRaffentaufen, nur eine öon innen langfam burd^-
bringenbe Gl^riftianifierung. S)er l^eibnifc^e ©ötterglauben toar nic^t im Slbfterben be^
griffen ; ber golbfc^immernbe Xem^el ju Upfala trat A^n um biefe 3^it aI^ bad Zentrum
beö ^eibnifcfjen Äultu« ©c^tpeben« ^eröor. Slber bie ß^riftu^ljerlünbigung braud^te in
ben älugen bed 92orblänberd bem ©i^tterglauben nid^t feinblic^ ju fein ; ed ftel^e S^riftu^
ao frei, burc^ äußere (Sreigniffe gu jeigen, ob er me^r ate bie alten ©ötter öermiJoe. ©o
lonnte ber alte (Sötterglaube lange neben ber d^riftlicben ^rebigt o^ne ftörenbe Äonflifte
befielen; fo fonnten alte norbifAe Sorftellungen auf allen ©ebieten mit geringer SSer^
änberung auf ben 93oben be^ ftegrei^en G^riftentum^ umgqjflanjt toerben. jpierau^
erflärt fid^ aud^, bafe in ©d^toeben ba« game 3Jlittelalter ^inburcp alte notionale Sin-
86 fc^auung unb Überlieferung beftrebt toaren, bie lat^olifc^e Äirc^e be« Sanbe^ umjubilben. —
2lber bie ß^riftianifierung ©c^toeben^ lonnte gctoi^ aud^ nid^t o^ne 6inh)irlung äußerer,
grofe})olitifdjer Sntereffen gejc^el^en. ©c^on bie ©enbung be« erften SKiffionarö, 2ln«Iar^,
im äal^re 830 ftanb mit fold^en gntereffen im ßufammen^ang (f. b. % 33b I ©. 573 ff.).
3;m 9. unb 10. ga^r^unbert enttoidfelte ftc^ ©c^toeben gu einer norbifc^en ©rofemac^t;
40 e« beteiligte ftc^ an ben 3"Ö^'^ "^^ SJBefteuro^a; 3)änemart ftanb öon g^t gu ^tit
unter ber ©etoalt be« ©c^tpebentönig«; ba^ ruffifd^e 9leid) tourbe (um 860) toon
©(^toeben unter Slurif (9lu^) gegrünbet; unb mit bem bt;jantinifd[)en Orient ftanb
©(^toeben um biefe 3^'^ i" i>w leb^afteften a?erbinbung. 6in ^eibnif4)eig 5Beid^ bon
fold^er SSebeutung (>atte feinen befonberen Steig für bie 33erec^nungen ber abenblänbifc^en
46 ©taatömänner toie für ben ^eiligen ßifcr ber ^iffionare.
3n ber fd^toebifd^en 3Kiffionggeit merbcn brei 3lbfd^nitte unterfcbieben. S^^f^ famen
me^r aU 150 ^a\)x^ nur beginnenber, f}30rabifcb betriebener 3)liffton!gh)irffamIeit, geleitet
\)on bem ßrgbi^tum ^amburg^SSremen au^, unter tvcld)^ ©cbtüeben i)on Slnfang an
in firdblidber Segiel^ung gefteHt tourbe. gn ber nädbften ^nt nacb äln^far^ iob 865
60 tüurbe fein SKerf t)on feinem Slac^folger Slimbert, ber and) ©c^tüeben befuc^te, fortgefe^t.
Unter ben folgcnben ©rgbifc^öfen fc^eint ^ox allem Unni (§audf, R& 3)eutfc^lanb« III,
©. 80 f.) bie 3Kiffion ge})flegt ^u l^aben. 6r ftarb tüä^renb eine^ Scfuc^eö in berSSjörfö^
ftabt im 3!ö^re 936. Doc^ toiffcn h)ir nic^t, ob feine SBirffamteit ober bie ber übrigen
3Kiffionare ßrfok ^atte; i)iele Sänften ^at eg getüife in bicfem 3^itabfc^nitte nic^t gegeben.
66 3Da^ nationale Königtum unb feine S^^^^ff^i^ blieben i)on ber TOiffion unberührt; fie
fc^eint bie Slbfic^t berfolgt gu ^aben, ©c^tüeben tüie bie flai)ifc^en (Sebiete in ben beutf(^en
Äulturs unb 3Kad^tbereid^ l^ineingugieben. — 3fiit bem Slnfang be^ 11. 3ö^i^'()unbertö toer^
änberte fic^ bie äußere ©tetlung <^d^h)eben«. 3lad) tjielen Umtüälgungen ^atte ba« fo-
eben d^riftianifierte 3)änemarf unter bem Äönig Süen SEjuguöIägg, ber balb ßnglanb
60 unter feine ©emalt beugte, innere ^eftigfeit geh>onnen. '^ortDcgen, baig mit englifd^^er
§ilfe üon bem Könige Clof 2;rt;gt)effon 995—1000 c^riftianiftert Sorben tüar, h)urbe nad)
Si^tneben 19
ber bcrül^mten ©d^Iac^t bet ©üolbern im gabrclOOO geteilt, bcr größere 2!cil lam an
3)äneinarl. 2)er ©ol^n be« Äöntg« ©öen, Knut ber ®rofee, toar englifc^ gebilbet, unb
in jeinem mäd^tigcn norbifd^en SReic^e l^errfd^ten englifc^e gntereflen. 9luf ber anberen
©eite j^eigten bie (Srjbifd^öfe ^amburg-Sremen^ einen bebeutenben Sluftüanb ijon ßnergie,
um il^ren eigenen unb 2)eutfc^Ianbi8 ßinflufe im 9?orben ju betoal^ren. 2)a« toerlleinerte 6
unb in feiner ^Kad^t ^erabgebrücfte ©c^toeben tourbe ber ©egenftanb toiberftreitenber
Sntereffen. ©o tourbe bie 3Kiffton in ber ßeit öon 1000—1066 t)on jtoei ©eiten an^
fräftig betrieben, unb ber erfte ©rfolg be^ gefteigerten SKifjtonöeifer« tourbe ber Übertritt
bc« Rönig^tum« jum ß^riftentum. Dlof ©fottfonung liefe fic^ im ^al)xt 1008 famt
l>ielen feiner 3Kannen in feiner Slefibenj in SBeftergötlanb taufen, obgleiA er unb feine lo
näd^ften 9?a(^foIger il^re ©teHung afö bie ^öd^ften §üter be« ^eibnifdjien Äultu« unb be«
U^falatem^jetö beibef^ielten. 2)er ^riefter, ber ben Jtönig taufte, ^iefe ©igfrib. 3Kan
fteeitet barüber, ob er ein ©eutfc^er ober ein ©nglänber getoefcn fei. ©o öiel bleibt
fieser, bafe SQBeftergötlanb, ba« an 9lorh)egen grcnjte, erft ba« ßl^riftentum über 9lorh)egen
l^er belam, toai^rfd^einlic^ burd^ einen (gnglänber ©igutb, ben bie Segenbe fj)äter mit i6
©igfrib toertoecbfelt ^at. Um ben Flamen unb bie Söirlfamleit ©igfrib« in SBeftergöt*
lanb unb ©mSlanb f^ann bie Segenbe i^re ©eloebe unb er tüurbe einer öon ben bor«
ne^mften ^eiligen ©c^toeben«. 3)er gefd^id^tlic^e Äern ift, bafe bie jloei erften eigentlid^
c^riftlic^en ©ebiete ©d^toeben« jeftt gleic^jeitig mit ber S^ftianifterung be« Königtum«
unb jtoar oufeeri^Ib be« 3Ketro^oIitanrec^te« toon §amburgs93remen gebilbet lourben. ao
^cr ©rjbif^of Unhmn fanbte jebod^ foh?ol(;I ©efc^enle aU ©eiftlic^e, um loenigften« bie
lirc^Iid^e ^IJlad^t 2)eutfc^Ianb« m erhalten, unb bie Äonlurrenj leiftete ber Ausbreitung
be« ß^riftentumS SJorfc^ub. — äluf einem fünfte finben toir ein intereffantei^ 3^wgni« toon
bcr SSeränberung ber 3Jolf^nfc^auung unter ber ®inh>irtung be« ß^riftentum« ; ba«
©elbftbetoufetfein beS einjelnen ertoad^te ; man tooflte ben 9?amen ber 3!oten ber SJac^ as
toelt überliefern; bie ÜKenge ber Slunenfteine beginnt toon biefer 3^'* ä^- ®i^« ©teinc
jeugen aud^ batoon, bafe ba« ßl^riftentum je^t nad^ Öftergötlanb unb toeit nac^ ©bealanb
|in verbreitet lourbe. SBeftergötlanb blieb jebod^ fein^ai^jt^erb; l^ier lourbe fogar nominell
ein Sifc^ofgftu^I ju ©fara, ber erfte in ©c^toeben, errichtet, obtool^I nod^ lange fein ge«
regelte« 8i«tum beftanb. 2)ie 9Hänner, toeld&e unter bem Flamen bon 93ifd^öfen )u ao
biefer 3^* i" ©d^loeben toirlten, tüaren nur 2Riffion«bifd^öfe. Äcin 3)rudt bon oben
bef(^leunigte bie Belehrungen; fotoo^t Äönig Dlof al« feine beiben ©ö^ne, änunb unb
ebmunb, fül(;rten eine äufeerft ijorft^tige 9letigion«})olitiI. 5Rad^bem Slbalbert ßrjbifd^of
bon 93remen getoorben loar, enttoirfelte ftd^ bie fd^loebifc^e 3Kiffion nod^ rafc^er. 6«
gelang i^m, bem beutfc^en ©influfe ba« Übergeh)id[)t m ftd^ern ; jtoei bon i^m orbinierte 85
aWifftonSbifc^öfe, Slbatoarb I. unb IL führten ba« G^riftentum norbtoärt«, jener nad^ SSörm«
lanb, biefer nac^ ©igtuna in U}3j)lanb, tüelclie« nad^ ber 3^törung ber ©iörlöftabt jum
erflen Äau})tfifc ber norbfclitoebifc^en Äird^e lourbe. 6in anberer beutfc|er SJJiffionar,
©tenfi, orang bi« na6) $älfingtanb öor, ja ein Slunenftein berid^tet, bafe gämtlanb je^
d^riftianifiert tourbe. auf ©otlanb tourbe bie erfte Äirc^e gebaut, um toeld^e bie ©tabt 4D
aSiSb^ ertüud^«. 6in SSerloanbter be« t)orerh)äl^nten ßnglänber« ©igurb, namen« A«munb,
ber bei Äönig ßbmunb ßingang gefunben l^atte, crftrcbte in 9lom bie Drbination jum
Sifc^of, unabhängig öon Sremen ; e« gelang aber Slbalbert, biefem 6manji^3ation«berfuc^
toorjubeugen. 3)o lam ba« l)er^ängm«t)olIe ga^r 1066. — 2)iefe« ^af^x brad^ bie
norbifc^e 9Rad^t in Snglanb burd^ bie ©cl^lac^t bei ©tanforbbribge, ber aber unmittelbar 46
bie Üntertoerfung ßnglanb« bur^ bie 9?ormannen folgte. ®er SSerfe^r ©d^toeben«
mit 2)eutf(^lanb tourbe in bemfelben ^a^x burd^ bie ^eibnifclje Siealtion im beutfc^en
fiolonialgebiet unb ben %aü Slbalbert« unterbrochen. 2)a« Semül^en, ©c^toeben an
bie beutfc^en 9lei(^«intereffen ju fnüj)fen, toar bamit ju (Snbe. 2)a« ^aj)fttum t)er=
fuc^te ftatt beffen ben 9lorben bon Sremen lo«julöfen unb il^n an feine S^^^^ff^" ^
ju binben. 2)a« birefte eingreifen ber ^ä})fte in fd^toebifd^e Slngelegen^eiten beginnt
mit Oregor VII. (gtoei ©riefe t)on 1080 unb 1081 an König ^nge (f. u.) mit ber
Sufforberung, ©efanbte unb abgaben nad^ Slom ju fenben). %\xx ©d^tocben erhielt
alfo ber ©treit jtoifc^en bem ^a^fttum unb ber beutfd^en J!önig«mad)t toeitge^enbe Se=
beutung. Aber t)or allem tourbe bie 3cit um 1066 t)erf^ängni«t)oll für bie innere ©e* 66
fd^ic^te ©d^toeben«. 3)a entfc^lief ber le^te üönig be« alten ©efc^led^t«, ©tenfil, toelc^er
bie gäl^igfeit gehabt, ba« ©i^eareic^ gufammengu^alten. 3Kit feinem 2^obe tourbe bie
nationale ©ammlung um ba« Äbnigtum für 100 ^a\)x^ aufgelöft. 3Der immer fc^roffere
®egenfa$ jtoifc^en ben Sanbfcliaften (nad^ anberen ein ®cgenfa$ jtoifc^en jtoei SJolf«^
flammen, ben ©toeen unb ben ©ot^en) machte fic^ geltenb; bie öome^mften bon biefen, «k)
2*
s
20 S^iitothtn
SBcftetflötlanb, Öftcrßötlanb unb Uj)J)Ianb, l^attcn jcbc i^r Äöniö^aefc^Icc^t, tocnn ani)
für ftirgcre 3«t<*'&f^nittc bie SHac^Iommen ©tenlil«, ba« Äönigdflcfd^led^t ijon SBeftetflöt^
lanb (bct l^erborraflenbfte toax 3i«Ö^ t>w ältere, bcr ©ol(;n ©tcnJEite, gcft. cttoa 1110),
eine gelüiffe SKad^t über ba« ^ani^ Sleic^ aufrecht erhalten lonnten. Qi fd^eint, ate ob bie«
0 ©efdjileci^t, ba« c^rtftlid^ toar, bie Iluge 3:oleranj ber Soröänger aufgegeben l^ätte ; baburd^
tourbe ber ©egenfa^ ju bem ^amjtfäc^lid^ ^eibnifd^en Sbealanb mit bem U^falatemj)el
nod) me^r berfc^ärft: man verlangte bort, ba^ ber Äönig bem ^eibnifc^en D^ferbienft
borfte^en foDe. Slnbererfeit« fteHte ftd^ ^erau«, ba§ bie 3Kiffton^rbeit bie toed^felnbe 3*^^^-
trad^t ^er Sanbfd^aften ;ur SBerbreitung bed S^rtftentum« audnu^en lonnte. £)ftergötlanb
loloarum 1100 nebft ffleftergötlanb ber^aujotfi^ bei^ G^riftentum« ; nun famSöealanb an
bie Steige. S)ie Segenbe begeid^net brei ^eilige ate bie ^augtöertreter ber bortigen DJliffion«^
arbeit: SDaöib atö at)ofteI bon SBeftmanlanb, e«Iil unb 93otbib atö 2l})oftcI t)on ©öber=
manlanb. SluffäUig toar, ba^ alDle brei @nglänber ober in @n^Ianb ergogen toaren.
(Srgbifc^of Slnfelm toon ßanterbur^, ber im großen ©treit ber S^xt auf ber ©eite be«
15 $aj)fttumd ftanb, be^nte fein gntereffe auc^ auf ©c^loeben au«. ^Jic^t o^ne fein 3wtl^wn
erhielten bie norbifd^en Sänber einen eigenen ©rjbifc^of in 2unb 1104 (obgleich bie for*
mette älb^ängigfeit ©d^loeben« toon Sremen erft um 1150 aufhörte), englifd^e Sifc^öfe
tourben nad^ ©lara gefanbt. 3)ie lefete ^Periobe ber 3Ki|fu)n«arbeit in ©c^toeben ging
au«, o^ne ba^ S9remen einen 93erfud9 machte, feine alte ©teQung bort ju Uf)a\aptm.
20 S)iefe englifd^e 3Riffton«arbeit brac^ fd^Iiefelid^ bie 3Kad^t ber alten ®öüer, felbft in VLp}p^
lanb, h)o ©igtuna al« S3ifd^of«fift ^erbortrat. Um 1130 fann man ©c^toeben al« ein
jum ßl^ftentum belel^rte« 2anb anfe^en. 2)ie 3Ki|fton«jeit toar gu ßnbe.
$Die lat^olifd^e Jlird^e.
1. S)ie ^txt ber Segrünbung 1130—1164. 3)ie ein^eimifd^en Äämt)fe in
26©c^toeben enbeten mit einer furjen ^eriobe allgemeiner nationaler Sluflöfung (um 1130
bi« 1160); jur felben ^^^ lourbe ßnglanb burd^ innere Rtoi\tt gelähmt. 6« fc^eint, al«
ob biefe in politifc^er ©mfid^t h)iberftanb«Iofe 3«t ben fat^olifc^en Drganifation«^länen in
©d^toeben befonber« günftig geloefen toäre. gaft alle ^nftitutionen, bie borjug^toeife bie Xrägcr
ber Äirc^e unb Äultur be« SRittelalter« ioaren, brangen je^t ein ober befeftigten fic^.
80 §inter biefer 33egrünbung«arbeit ftanb ber fräftige (Srjbifd^of (g«Iil in 2unb (1137—1178).
3uerft tourben toirf lid^e 33ifc^of«ftifter georbnet : in ©lara, 2inlöj)ing, Vip^ala (au^ ©igtuna l)cr=
WX ©trengnä«, SBSeftera« unb fj)äter in SBejiö (erft 1183 ertoä^nt; ba« le^te ©tif? au« bem
SKittelalter, äbo inginnlanb iourbe um 1200 gegrünbet). S)ie lat^olifc^e ^ierard^ie ^ielt in
©c^ioeben i^ren ßingug. Unter ber SOlittoirfung @«!il« iourben bie erftenÄlöfter in©(^tt)eben
85 errichtet, fämtlic^e gehörten ju bem 6lairt)aujjh}eige be« ßiftercienferorben«. 25ie toic^tig«
ften loaren ätoaftra in Dftergötlanb 1143 (ba« erfte im bomaligen ©c^toeben; in©c^onen
gab e« fc^on öiele Älöfter); Jl^bala in ©ämlanb 1144, furj baraufSBam^em in SBefter^
ßotlanb; SBreta, 5Ronnenflofter in Öftergötlanb, SBäib^, 9Rönc^«Ilofter (\pättx nad^ ^ixltta
m ©öberamanlanb berfefct), S^arum^iöofter (nac^ ©fo in Uj)blanb berfe^t) unb Stoma*
4oÄlofter auf ®otlanb, aUe au« ber 3eit 1160—64. 35iefe Jtlöftcr iourben natürlid^er-
loeife in entfernt liegenben SBilbniffen angelegt unb trugen toefentlic^ jum 3lnbau be«
Sanbe« unb gur Verbreitung ber geiftlic^en Jlultur bei. einen loic^tigen ©c^ritt gur ßin^
toerleibung ©c^toeben« in bie grofee Äirc^e be« 5Kittelalter« il)at ber $a}3ft ©ugeniu« III.
burc^ feinen äJerfuc^, au« ©c^Joeben eine felbftftänbige Äird^enjjroüing p machen, o^ne
4ß bafe bie Slutorität be« $a})fttum« unb il^re 3tu«übung eine ßinbu^e erlitt. 3JJit flugem
Urteil fanbtc er nad^ ben norbifc^en Sänbern einen inßnglanb geborenen Scgaten, 31x10-
lau« »reaff^jear, Äarbinalbijc^of i)on3llba (fbäter ^ajjft §abrian IV.; f. 33b VII ©.309).
5Jac^bem biefer 9?orh)egen einen eigenen ©rgbifc^of gegeben l^atte, berief er in ©c^toeben
eine ©^nobe nad) Sinföbing 1152, an toelc^er au^ ber Dftgötafönig ©i^erler teilnahm.
üo 2)er ^lan, ba« Sanb lirc^lic^ felbftftänbig ju machen, mifelang inbe« infolge ber innem
©treitigfeiten, h)a«fürbie }3äi)ftlid^e5ßolitif unjnjeifell^aft einegnttäufc^ungtoar; ©rjbifd^of
e«fil erhielt ba« ©c^toeben pgebac^te ^attium, unb ba« bänifd^e £unb erhielt alfo bem
$rimat über ©c^toeben (ba« ^Hec^t, ben ßrjbifc^of, in getoiffen gäHen auc^ bie ©uffragans=
bifcljöfe eimufegnen). dagegen befAlo^ bie Sinfö^ingf^nobe, ba^ ©cbtoeben gum 3ric^eix
66 feine« Stnfc^luffe« an bie römifc^e Äird^e, bem ^ap\t \äi}xl\d) ben $eter«j)fennig beja^len
foHe. 2tuc^ Sefd^lüfje über fanonifc^e 3lnorbnungen bei ^ricfternja^l, 6^e 2C. tourbert
gefaxt, obgleid^ fie nod^ üon toeniger Scbeutung genjefen fein bürften. — 6in äu^ereig
3eugni« baüon, bafe bie Äird^e in ©d^toeben nun ©clbftbetoufetfcin m gewinnen begann,
ioar ber erfte 3)iiffion«frcuj5ug. 6i)crfcr« 'Biitbctoerber um ba« 3tcic^, iiiönig (grif in
cü U))))lanb, untemai^m in ben ^al^ren nac^ 1150 einen Ärieg«gug nac^ bem ^cibnifc^en ginnlanb,
Sd^toekeii 21
too eine getualttge Sele^rung^arbeit in ber norböftlid^en ^robinj, bem eigentlid^en ^innlanb,
betrieben tourbe. 3"^^^^^^ >)oIitifci^e Setoeggrtinbe mitaetoirft ^aben, ift unmöglid^ ju
beftimmen. (Über ^innlanb f. ben «rt. ginnlänbifd^e Stirere Sb VI ©. 66 ff.). ®rif
ertoarb inbeffen me^r aU anbere ©d^toeben ben 1R\x[, ein Äämjjfer ®otte^ ^\x fein;
ald er lur) barauf einem meud^Ierifd^en SlnfaQ eined bänifd^en Xl^ront)rätenbenten 6
unterlag, erhielt er noc^ bie 3Kärt^rerIrone. auf biefe 2Beife hjurbe ®rif ber ^eilige,
ber ©cputoatron t)on ©^toeben; man toerel^rte i^n auc^ in 2)änemar! unb 2)eutf(^s
lanb; bocp tourbe im älteren SJlittelalter in ©c^toeben ber nortoegifd^e Olab ber ^eilige
(gep. 1036) faft ebenfo ^oc^ gefteDt afe gril (f. b. 21. 5Rorh)egen Sb XIV ©. 215).
$en ©c^lu^ftein in bie tat^olifd^e 93egrünbung^rbeit legte bie @rrid^tuna eined fd^toe« lo
bifc^en (Snbiötumg in Vip\(Aa 1164. 2)abur(^ hjar ©d^toeben enblic^ eine eigene
georbnete Jiir(^enj)robinj getoorben. 2)ie^ hjar junäd^ft ein 3llt ber gregorianifd^en ^olitil
älqranber« III., ber ju grofee 3)tetroj)oIitanf})rengeI toermeiben toottte; e« tourbe jugleid^
ein fräftige^ §inbemi^ für ben SSerfud^ Äaifer griebrid^^ I., bie norbifc^en Sönber in bie
beutfc^en ^nterefjen einjujiel^en (^riebrid^^ Se^n^brief an Äönig 393albemar t)on 2)äne5 is
morf); aber für bie felbftftänbige ©nttoicfelung ©c^hjeben« toar ba« eigene ©rjbi^tum
toon großer Sebeutung. 3*^^^ bel^ielt ber Uprima« t)on Sunb ba« SRec^t, ben (Srjbifc^of
t>on Vap^ala burd^ Übergabe be« ^Pattium« einjufegnen. Slber ba« an^altenbe Seftreben ber
f(^U>ebif(^en Jtird^e h>ar, ftd^ möglic^ft balb t)on biefem Sleft auäänbifd^er älb^ängigleit ju
befreien. 20
2. 2)ie Drganifation^jeit 1164—1305. SRac^ bem lobe ©rifö be« ^eiligen
1160 gelang e^ balb Äarl, bem ©ol^n Äönig ©toerler«, auc^ in ©toealanb anerfannt ju
toerben. 3)amit toar ©c^toeben hjieber um eine nationale Äönig^mad^t bereinigt. 3)ie
politifd^en Snftitutionen toaren noc^ in il^rem Äeime; bie toic^tigfte Drganifation be«
Sanbe^ toar bie neugebilbete Äird^enproöinj. 3)a« SRec^t^toefen unb bie enttoidelten Dr^ 25
gane ber lat^olifd^en Äird^e mußten bie SSorbilber be« neuenttoicfelten ©taat^toefen«
ttjerben. Slnbererfeit« lag e« im ^ntereffe ber ))ä))ftli(^en ^Politil, eine georbnete, einl^eit«
U(^e löniglic^e Slegierung in ©d^toeben m unterftü^en ; eine f olc^e Slegierung toar für
bie innere Drganifation ber neugebilbeten Hirc^e laut ber ^orberungen be« lanonifc^en SRed^t«
unentbe^rlid^. 3)er ®rjbifd^of öon ©d^toeben tourbe bie t)ome|mfte ©tüj^e be^ Äönig« ao
t>on ©c^lfoeben ; bie @rrid^tung be« ®r|^bi«tum« bebeutete ^ugleic^ bie Seftätigung ber poli«
tifc^en ©inl^eit ©c^toeben«. ©c^toeben toerbanft SHejanber III. me^r atö anberen fein
nationale« 2)afein. 90 3^^^^ I«"0 trugen ba« (Sefd^led^t ©berler« unb ba« ®rifö
toec^feltoeife bie Ärone; beiben Äönig«familien toar bie Unterftü^ung ber Äird^e gleid^
unentbehrlich. 2)e«^alb lonnte nrxn aud^ bie Äird^e, t)on ben S^ronftreitigfeiten unab« 86
^ngig, mit ber $Ufe ber Äönig«mad^t i^r ©ebäube in bie §öl^e fül^ren. S3om fünften«
lpa))jt Sllejanber III. famen eine 3Wenge ^efretalien an ben König unb bie Sifd^öfe öon
©d^toeben. Sefonber« jtoei Sriefe au« bem ^a^re 1171 lagen ber mü^famen ®ur^=
fül^rung ber neuen Drganifation ju ©runbe: fie fönnen al« bie älteften ®runbgefe|e ber
fc^toebifd^^ Äirc^e angefel^en toerben (S3&&t^). S3or allem Verlangte man ^ier für ben 40
Äleru« ba« Siecht eine« eigenen ®erid^t«ftanbe« in Äriminalfac^en unb bie 3wIöfPgfcit
lanonifc^er 2^ftamente in pios usus (l>gl. bie I)e!rete Sllejanber« an ben S3ifd^of t)on
Dftia 1171—72). 6in Ramp\ begann jtoifc^en ber fanonifd^en unb ber alten germani«
fd^en 9iec^t«anfd^auung ; ©d^ritt für ©d^ritt tourbe babei bie Äirc^e organifiert. 2lu«
einem 35onation«brief 1200 t)on ©tjerler Äarl«fon an bie lH)faIaIirc^e erfte^t man, ba^ 46
ju biefer S^t bie ^riefter im ganzen Sanbe in Äriminalfa^en tjom toeltlic^en (Seric^t
befreit toaren. ®in befonberer $riefterftanb begann, ^m 3;a^re 1219 ftellte ^ol^ann I.
©tjerferffon bie ®üter ber Äirc^e aufeer^alb ber Iönigli^en©traferl^ebung; bamit begann
bie lirc^Iic^e ©teuerfreil^eit in ©c^toeben. Unter bem ©influfe Sllejanber« III. begann
bie Sinric^tung t)on 2)omfa})iteln an ben Sifc^of«Iird^en; üp^ala l^atte fc^on um 1200, so
©fara um 1222 reguläre Äanoniler. 2lu« ber loHegialen Slnorbnung ber DomIa})iteI
fonnte fpäter ba« fc^toebifd^e ©taat«rec^t §ilfe in feiner ©nttoicfelung erhalten. 3"^
3eit be« ^ojjfte« ^n^ocentiu« appcümU aui) ber ftönig an bie Äird^e um gefrönt ju
toerben. 6in fd^toebifd^er Äreuuug ging nad^ ©ftlanb, ^ur gleichen 3^'* al« ^änemar!
unb ©eutf^Ianb in 2it)Ianb Sroberungen mad^ten (f. 3lrt. 2lnbrea« t)on Sunb S3b I ©.517 f.): 66
bamit begann ber Stampf um bie §errfd^aft auf ber Dftfee, ber ^^^^^unberte f^inburc?
bouerte.
®ie toid^tigfte ^eriobe ber Drganifation ber fat^olifd^cn Sird^e trat inbcffcn
unter bem legten Äönig ber alten ©efd^led^ter, bem nid^t«nu^igen ©rif III., 1222—50
ein. SBieber fd^eint e«, al« ob politifd^e 2lnard^ie ber befte Soben für ürc^Iic^e ^laö)U eo
22 Si^toebeit
bergröfecrung getoefcn toäre. 5Run traten bte ^Prälaten ber Äird^e ate §encn im SRcic^,
oft ate bic mäd^tigften ÜKänncr bcr bonnunbfc^aftHcl^en SRegierung unb ber anfangenben
SHat^inftttution auf; tote j. S. Sifd^of Sengt in ©fara, ber 1220—21 SRom befud^t ^atte,
unb mit bem 55aj)ft in na^e Serül^rung gelommen hjar. (gr Wax ber Segrünber be^
5 ©Iara!a))itefö unb ein 3Mann t)on politifd^em SQäeitblid. ©ein 3^itgenoffe, Sifd^of Sengt
in Sinfö})ing, orbnete auf 2lufforberung ©regoriu^' IV. 1232 ein 2)omifaj)itel in feiner
©tabt unb begann ben S3au be«^ großartigen 2)omg in £inlö})ing. 3" ^^^ gleichen
3eit hjurbe ba« 3)omfapiteI in Abo gegrünbet. 3" Vip]ala begann ba^ RapM mit
bem ©rjbifci^of ^axltt (1236— 55X einem ber l^ert)orragenbften 9Jlänner ber 3eit. 6r
10 griff in ba« ©c^icffal ber Äirc^e bor allem baburc^ ein, baß er bie Settelorben einführte
unb befc^ü^te. (Sinjielne ßiftercienferllöfter toaren nac^ 1164 errid^tet toorben; feit un=
gefäl^r 1230 tourbe ba« 3J{öncl^hjefen ju einem $au})tfaftor in ber fc^toebifc^en Äird^e;
befonber« tourben bie feit bem (gnbe be« 11. So^rl^wnbert« aufblü^enben ©täbte an feine
^ntereffen gebunben. 2)er granji^Ianerorben lam 1233 nac^ Sßidb^ unb tjon bort um
16 1240 nad^ toerfd^iebenen ©täbten, u. a. nac^ Ujjfala 1247. ®ie 2)ominifaiier tourben tjon
größerer Sebeutung ; fie faßten juerft in ©igtuna feften guß, too i^r Älofter (fd^on
1221 ertoä^nt) eine« ber bebeutenbften in ganj ©d^toeben tourbe; in ©lenninge tourbc
ein laum toeniger bebeutenbe« Älofter gegrünbet; in nod^ fielen ©täbten errid^tete man
Älöfter. ®er toac^fenbe ©influß ber Kirche geigte fic^ in einem neuen Äreujijug na^
20 ginnlanb 1249 ; biefer Ärieg toar lange öon ©regor IX. aU ein ©d^ad^gug gegen bic
$aläftinaj)0litil griebric^« II. eifrig Verlangt toorben; er tourbe \>on bem mäc^tigftcn
^ann im Sanbe, bem ^axl be« Äönig«, S3irger au« bem alten (Sefd^Ied^t ber golfunger,
geleitet. 9lun tourbe Xat)aftlanb ^um ß^riftentum befe^rt. ®ie lird^lid^en Siechte tourben
baburc^ erweitert, baß Äönig ®nf bie ^orberung ^nnocentiu«' IV. auf lird^Iic^e ©e=
26 rid^t«fä^igleit über getoiffe Serbred^en ber Saien pgeftanb; toa^rfd^einlid^ tourben nun
aud^ bie ®üter ber ®ome fteuerfrei. ®ie Drganifation be« niebrigen Äleru« unb bie
Äird^f})ie(einteilung tourben befeftigt. ®er toid^tigfte ©c^ritt ber gangen fird^Iid^en Dr«
ganifation«arbeit gefd^a^ inbe« burd^ bie ©^nobe ju ©fenninge. 2)iefe toar gunäd^ft ein
®(ieb in ber großen })ä))ftlid^en ^Politil; toa« 2llejanber III. angefangen, tooDte ^nno-
80 centiu« IV. toollenben. @r ^atte bie Segateninftitution ju feinem fräftigften Äam})fmittel
in ®eutf(^Ianb gemacht. 3" berfelben 2Beife foÜte auc^ ©d^toeben be^errfd^t unb georbnet
toerben. 2)er Äarbinalbifd^of SBill^elm tjon ©abina, ein Äenner ber norbifd^en Serbält^
niffe, hjurbe mit ber großen Autorität eine« Äarbinallegaten f^ier^er gefc^icft (im 5ton*
«lium ;iu 2bonl245 fürglid^ tjerorbnet). 3)er Segat berftanb e«, bie inneren Ääm})fe jum
86 9Ju^en ber Äird^e ju gebrau4>en. 6in Concilium provinciale tourbe .1248 nac^ ©lennmge
jufammengerufen, toä^renb ju gleid^ergcit ein £anbfc^aft«t^ing für Öftergötlanb gel^alten
tourbe; toeltlid^e §erren, u. a. Sirger 3frl, toaren inbeffen ieilnel^mer auc^ an ber
©^nobe, unb tourben ^ierburd^ an beren Sefc^Iüffe gebunben. ^tvn §au})t})unfte berfelben
(ober toielmel^r ber £egat«[tatuten Sßil^elm«) mögen ertoäf^nt toerben: 1. bie ©eiftlic^en
iotourben ju bem bi« je^t l^ier unbefannten ßölibat t)er})flid^tet; 2. ben Sifc^öfen tourbe an-
befohlen, bie le^te ©ammlung ber 2)efretalen anjufd^affen unb gu ftubieren. 3!)er ©^nobals
bejc^Iuß hjurbe burc^ eine Serorbnung ^nnocentiu« IV. 1250 ergänjt; nad& il^r foHten
bie Sifd^of«toa^len burc^ bie ®omIa})iteI unb nic^t, toie bi«^cr laut germanifd^er 9ied^t«5
anfc^auung bur^ bie 3Qai}l be« Solle« (infl.Äleru«) unb bie Seftätigung be« Äönig«, gefc^el^en.
46 ^ierburd^ tourbe ber ©dEftein be« latl^olifc^en ©ebäube« gelegt; bie folgenben 50
3a^te tourben burc^ bie aHmä^lid^e 2)urd^fü^rung ber 2lnfd^auung d^aralterifiert, bie
^ier in einem t)on geiftlic^en unb loeltlid^en Ferren anerfannten ©runbgefej^ einen Slu««
brudt gefunben l^atte. ®er ßölibat brang unter tjiel ©trcit burd^, ebenfo bie fanonifc^en
SBal^Ien, inbem eine allgemeine Drganifation ber 2)omfa})iteI je^t gu ftanbe lam; 1300
60 toerben SlapM an allen 3!)omcn ertoä^nt. 2)er ©rgbifcfiofßfi^ gu Ulpfala tourbe burd^
eine Sleic^ftjerfammlung in ©öberfö})ing 1270 (gleid^er 3lrt h)ic ba« ©lenningefongilium)
bon 3lltsU})fala nac^ feinem je^igen Ort, Up^ala, berlegt, unb gewann an Sebeutung.
S)er 6rxbifd(>of trat jefet al« Seiter ber großen 2anbc«berfammlungen ^erbor. I)ie ^joli^
tifc^en 'JSer^ältniffe ber^^alfcn ber Sird^e ju Weiteren ©legen. 3la6) bem Stöbe (Srif« III.
56 1250 fam mit ben ©ö^nen Sirger ^orl« ba« golfungergefd^led;t auf ben If^ron ©rf)h)e=
ben«. 3!)er nid^t«nufeige fflalbcmar h)urbc 1275 Don feinem Sruber, bem berüf^mten
5l?agnu« Sabulä«, geftürjt; biefer mußte burc^ eine SJerbinbung 1270 bie§ilfe berÄirc^e
unb bie Ärönung erfanfen, toobei ber größte Steil ber gorberungen geioäbrt tourbe,
tocld^e ©regor X. 1274 in einem SDefretalc an ©d^hjebcn geftetlt ^atte. 3(uf biefe aSeife
eo tourben alle Äirc^engüter, aud^ bie bcr ©jjrengelfirc^en, abgabenfrei, unb bic gefe^lic^e
9Ra(^t ber Äird^e tourbe crtoeitert. 2luf bem Äonrilium ju lelje 1277 tourben bieSScr«
binbunflen be^ Äönig^ bcftätigt. S)ic« tft ein toicptige« ^af^x in bcr ©cfd^id^te ber fd^toes
bif(^en Äirc^e. 9lun toar fie ju il^rer ©onberftettuna im Sleic^ tooDftänbig gelangt. —
äud^ in anbetet fiinfid&t toutbe bie SRegietung öon TOagnu« fiabulÄ« bet Äitc^e nü^Iid^.
Unter feinem ©<£u^ nahmen bie Settelotben einen n^m Sluffd^toung. 3Me^tete neue 6
©tdbte be!amen Klöftet. 3lm tüid^tigften toaten ba« Stubetlloftet bet fjtanji^fanet auf
Slibbar^olmen in ©tod^olm 1270 unb ba« auf bem 9Rottma(m in ©tod^olm 1289 et*
tid^tete Älatiffmnenlloftet. Dutc^ biefe Älöftet in bet §au^)tftabt toutbe bet gtanji^Ianet*
otben bet einflufeteid^fte. Settetttübet ^tten me^tmate ben 6tjbifcl^of«ftul^( inne. ^n
bicfet 3«'t trat man auc^ mit bem S3au t)on aDen ®omen in ©c^toeben befd^äftigt lo
Stfitationen unb Sieubtüc^e big toeit in ba« ^albl^eibnifd^e 5Rottlanb toutben t)on ben
®t}biWöfen angeotbnet. 2)et fitd^Iid^e Untettic(;t toutbe, befonbet« butc^ ba« hominis
lonetlloftet in ©f enninge, t)etbeffett. 3)ie ©c^toeben fingen an, in 5patig fleißig ju ftubieten,
too fie 1285 ein eigene^ $au« etl^ielten. ©ammlungen t)on SSüc^etn toutben nad^ ©c^toeben
gcfüj^tt. 35et etfte bebeutenbe ©c^tiftftettet ©d^toebeng begegnet un^ je^t in ^ettug be iß
©acta, einem 2)ominifanetIeftot in ©tenninge (geft. um 1288). ®t ^atte in Äöln unb
ft>ater bei I^oma« ö. äquino felbft bie ©d^olaftif ftubiett, et toat abet eine tiefm^ftifd^e
Statut. Sine fd^toätmetifc^e SSete^tung toibmete et ßl^tiftine t)on ©tumbelen, beten ®^te
nod^ feinet ^eimlelj^t feine Sltbeit aU ©d^tiftfteDet biente. ©eine ®pxad)^ tonn atö
ein 5Diuftet bet ©{^tad^be^anblun^ im 13. g^^^^w^bett angcfe^en toetben (SHenan). 3Mit 20
t^nt tout)elte bie beutfd^^e SJbftit m ©c^tveben ein, bet 93itgitta tvutbe bie^a^n beteitet.
auf jebem ©ebiete ttat bie litc^Iid^e ^ebung untet bem ©d^u^ bet Äönig^mad^t ^ett)ot.
2>te «itd^e ettoie« fw^ nic^t atö unbanibat ; auf manche SBeife fuc^te fte bie Äönig^mad^t
bc« ÜJlagnug ju untetftü^en unb ju etft)eitctn unb bie })oIitifc^e ©in^eit be^ Sanbe« ju
bcfeftigen (j. S3. ©^nobe ^u 3:elie 1279, SehjiHigung einet ®jttafteuet t)on betÄitd^e); bie 26
tDid^tige Umbilbung beg ©taatdiebend, ^i^ Jf^t ftattfanb, lonnte ))taltif(^e Sßei^l^eit ))on
bet Äitd^e ^olen. ^jcbod^ ^ttc fic^ i^te SKad^tfteHun^ in bet Sßeife enttüidEelt, ba^ fie
nic^t lange mit ben toitllid^en ©taat^inteteffen ^atmonieten lonnte. 3^t Sluffc^toung ttug
Den Äeim be« Äonflift« in fic^. — 3lnn abet toat bie fat^olifc^e Äitd^e in ©c^toeben bocp
nid^t }u betfelben ^ad^t gelangt ifüie in ben 9{ad^batlänbetn. ©ie langfame @nttt)id(e* so
Iiing be« Sanbe« ^atte ein jäl^ete« geftl^alten an bet alten getmanifc^en SRec^t^anfd^auung
cnnöglic^t; fte be^ettfd^te tto^ be« Dtängen« bet Äitd^e auf Äenfc^aft be« lanonifd^en
BVec^t« ba« Solföbehju^tfein. ^n hjid^tigen ^Ji^agen mu^te bie llitd^e fogat untet Äönig
3Kagnu« nad^geben, fo ^. 33. betteff« be« lange betlangten lanonifc^en ieftament«ted^t«;
bamit toutbe bet öfonomifd^en SKad^tetttjeitetung bet Äitc^e eine beftimmte ®tenje gefefet. 86
Unb ba« fc^tuebifd^e SSoI! tuu^te bot aQem fein alte« ©elbftbeftimmung«te(^t bette^«
bet Sefe|ung bet niebeten geiftlic^cn Slmtet in einet ® eife ui bt^av^Un unb m betoa^ten,
We in bet ©efc^id^te bet Äitc^e giemlid^ aUeinftel^enb ift. 5)et ipolitifc^e Sluffc^toung be«
Banbe« tief au^ getabe gu biefet ^tit eine gtofeattige ^Itbeit an bet S^ftf^l^ng be«
f(^n>ebifd^en Siecht« ^etbot, toeld^e um 1300 im 6tlafe bet fc^toebifc^en Sanbf^aft«* 40
gefe^e i^te telatibe SSoIIenbung eneid^te (bot aßen ba« Up))lanb«gefe^ b. 1298). 3" ^^^
nrid^enrec^tlid^en 93eftimmungen tommt bet Jtom))tomig mit bem tanonifc^en Siecht )um
SSorfc^ein; im gtofeen unb ganjen toutbe ba« ©etmanifc^e be« ©tunbd^ataltet« unb
ber änfc^auung ©c^toeben« auf immet betoa^tt. 6« toaten bie« bie gefd^ic^tlic^en SSot*
fltbciten bet SRefotmation. * 46
©0 ettoeift ftd^ auf jebem (Sebiete bie ßeit um 1300 al« ba« ®nbe einet gto^en
^iobe bet ©efd^ic^te bet fc^toebifc^en Äirc^e. 2)ie innete Dtganifation toie bie äufeete
3Rad)t^pi)äxt toaxm m einem telatitjen Slbfd^Iu^ gelangt. 2)a« au«länbifd^e 3Rönc^toefen
^tte feinen ^ö^ejjunlt etteid^t (mit bem 14. ^ai)x1). b^^ann bet öfonomifd^e 3SerfaE bet älteten
Drben, befonbet« bet bet ?^tanji«fanet, teiltoeife butd^ ben ®ingang, ben ba« (Selb an^ 60
jtatt bet 5RatutaIien in bie SQäittfc^aft fanb). 6« ift fein S^^^^f ^^fe ^^ If^*^ Äteujjug
in biefe Mt föDt; et toutbe nad^ bem a:obe TOagnu«' (1290) bon SE^tgil« Änut«fon,
bem ■Keiq«bettoefet toä^tenb bet Süinbetjä^rigleit be« Sönig« Sirget, geleitet, unb ^atte
atö Rolge bie Sefel^tung bon Äatelen unb ben Slnfang be« langtoietigen Äam})fe« mit
Hufelanb. ^nx bolfötümlic^en ©nttoicfelung ber fc^hjebifd^en Äitd^e blieb nut noc^ übrig, 56
bie ungünftige Stb^ängigleit bom Primat in Sunb ju befeitigen. äud^ bie« l^eifeetfef^nte
3iel toutbe mit (Snbe be« 13. Sabrf^unbert« etteic^t, al« e« bem gtjbifc^of 9lil« 3me«fon
(1295—1305) gelang, betn lH)faIaftul^l bom ^aj)ft felbft ba« ^aDium ju betfd^affen;
bamtt toutbe ©c^toeben bon aßet Slb^ängigfeit bon Sunb befteit. 5Jeue Sefttebungen,
ncn^ ^tobleme ttaten in ben SSotbetgtunb. eo
24 Sf^toebcit
3. ®ie 9Kacl^tj)crtobe ber Äird^c 1305—1448. 35a« Steid^döcrtoeferamt bc«
„^at^Un" 3:vr0il« tourbe eine merttoürbiae ß^ifobe bcr ©efd^ic^te bcr fc^toeb. Äird^e. ßr
vertritt in ©d^toebcn ben änfang bcr ftaatiic^cn Slealtion gegen ba« lird^Iic^e Übergetoic^t,
bie ju ber 3^^ über (Europa ftd^ Verbreitete unb in ^^ilij)}) bem Schönen iJ^en boßen-
6 beten 9le})räfentanten erhielt. i)ie SReftriltionen gegen bie Steuerfreiheit ber Jtird^e tourben
öerfd^ärft; fogar Äird^engüter tourben eingebogen unb bie ©teuem ber S3auern an bie
jlird^e h)urben nad^gelaffen. ^ierburd^ tvurben aber bie lird^lic^en Prälaten jum äSiber^
ftanb getrieben; unb ©d^toeben ^tte gerabe bamafö leinen häftigen Äönig, auf ben e«
ftc^ t)erlaf{en fonnte. 2)er je^t großjährige S3irger toar in jeber ^infid^t untoürbig. Um
10 ©^u$ gegen feine e^raeijigen S3rüber ju erhalten, mußte er t)or ben toeltlic^en unb geift«
liefen Ferren be« 9leid9e« Ia))itulieren. 3" ©trengnäd 1305 fanb bie große Serabrebung
ftatt, ber jufolge mit ber Äird^ent)oIitiI, ber man bi« je^t gefolgt toar, gebrochen, bie5Kac^t
ber Äirc^e toieber l^ergefteHt tourbe, unb bie 5ßrälaten fi(| mit ben toeltlic^en $enen bc«
Sleid^e« gegen bie gorberungen ber Äönig^mad^t toerbünbeten. $ier liegt bie äußere Um*
16 toäljung; bie 3^^ be« ariftolratifc^^feubalen §errenregiment« begann, bie ^ntereffen ber
^ierardpie harmonierten nid^t me^r mit benen ber Äönig^mac^t. 2)ie Jläm})fe jtoifc^en
Sirger unb feinen Srübem enbeten mit einer öoUftänbigen Sleöolution, bie 1319 ben brei*
jährigen 3Wagnud, ben©o^n be«$erjog«6rif, auf ben a::i^ron fe^te. S)ie Slegierung tourbe
t)on geiftlic^en unb toeltlid^en Ferren gefül^, bod^ nid^t ju ^ommen be« 9iei(^«. 311« fd^Iieß-
20 lic^ bie t)on^5nia^lRagnu« erl^obenen ^orberungen ju läfttg tourben, unb er mit bem neuen
©ebanlen eine« 9tei(^«tag« bro^te, tourbe er be« 3:i^one« entfe^t unb ein Slu«Iänber, Sllbred^t
t)on SKedEIenburg, tourbe Äönig. ©eine öf onomifc^en S3ebürfniffe gerieten mit ber Äirc^e in
Äonflift ; er berlor i^en S3eiftanb unb bann au(^ ben S^ron. 2)a« ^errenregiment tourbe
bann burc^ bie fog. Äalmarunion 1389 noc^ mel^ befeftigt. 3Q3enn bie Seiter ber Äirc^e
26 ftd^ alfo teitoeife t)on ben rein nationalen 3"terejfen entfernten, bürfen toir anbererfeit«
nid^t üergeffen, baß bie ^Kac^tenttoidEelung berÄircpe i^r jum3MitteI ju einer großartigen,
fegen^reid^en Sl^ätigleit nad^ innen tourbe. 6« mangelte Ieine«h)eg« an religio« tl^ötigen
Prälaten. ®ie einzigen S3ifd^of«^eiligen ©d^toeben« finb an^ biefer S^U Sr^niulf, einer
bon ben, f otoo^l in })olitif(^er al« lird^lid^er ^infic^t^ ^ert)orragenbften 3Jlännem be« be^
aoginnenben 3^'*^'^^"^^^^' ^emming, 33ifd^of üon Abo, geft. 1357, eifriger 3Kiffu>nar in
ben ®renj})rot)injen ginnlanb«, unb TOIolau« ^ermanni, S3ifc^of üon 2in!öJ)ing, geft. 1391,
ber ©c^üler unb ^etounberer t)on Sirgitta. 2)iefe breitourben üon Sllejanber VI. 1499 felig
gef})ro(^en. 2)er l^erljorragenbfte fc^toebifd^e 3;f^eologe be« 5Wittelalter«, 3Kagifter 9Jlatt^ia« in
Sinlöj)ing, h)ar mit ßrfolg al« ©c^olaftifer, bod^ mit reformatorifc^en ienbengen, t^ätig^; t)on
36 il^m l^aben toir ben erften 3Serfud^ einer Sibelüberfe^ung (2lrt. Sibelüberfefeungen 2Öb III
®. 147 f.); er tourbe Birgitten« Seid^tbater. ®ie 93eifj)iele lönnten berDielfältigt toerben^
©id^er ift biefe $eriobe bie am meiften fultitjierenbe im Seben be« fc^toebifd^en Sollet
getoefen; ba brac^ bie Sletigiofität im großen bie alte SRo^eit unb tourbe eine bie ^ßer^
fönlic^feit tjerebelnbe 59lad^t; bie 5ßriefter unb 3Jlönd^e fingen an, auf ©d^toebifd^ ju pxt=
40 bigen unb umfaffenbe ©eelforge au«juüben ; bie reicbe Äultur be« ^Mittelalter« tourbi«
in ©d^toebcn fo feft ge^flanjt, baß fie burd^ bie folgenben ©türme fortbestehen lonnte
eine großartige SBo^lt^ätigfeit Verbreitete fic^ unter bem ©c^u^ ber Äirc^e über fianlK
unb ©tabt (bie $eiligengeift^äufer unb bie $of})itäler fangen im 14. 3i<^^.r^""^^ ön>
bie ©c^ä^e be« SBiffen« tourben im l^o^en 5Jorben jugängli^. 3Ran tjergleid^e ben l^o^e-»"
45 ©tanbj)unft ber Stird^e in ©c^tocben im 14. ^ja^rf^unbert mit bem Serfatl ber Äirc^e irwn
Slbcnblanb. '^n ©4>hjeben hjaren nod^ feine ©puren ber ©rmattung ju fe^en. 6ir«€
3citgeuoffm Don äöicliff, ^ßetrarta unb Soccaccio toar bie ©c^toebin Sirgitta (geft. 137^).
211« 3<^"0^" ^^ Slüte^cit ber fc^toebifd^en Äird^e toirfen fte unb i^r Drben; in bein^
fclben finb faft alle 3*^^i0^ fir4>lid^er il^ätigfeit bereinigt. ^e«l^alb toirb für bie fc^toe?
50 bifd^e Äirc^engcfd^ic^te biefer 3eit nur auf ben 2lrt. Sirgitta Sb III ©. 239 ff. ^in-
gehJiefen (biel 5Reuere« unb SBid^tige« giebt 2:. ^öjer: Birgittinerordens historifl
tili. o. 1450, Vip\ala 1905, unb §. §ilbebranb, Heliga Birgitta, in ben Slb^anbl. ber
©c^tDcb. aifabcmie 1906).
2)a« $aj)fttum ^u 3(t)ignon ^atte in bie innem Angelegenheiten ber fd^toebifd^en
55 .ftirc^c nid)t fel;r eingegriffen ; ba« .^ntereffe be«felben umfaßte l^aulptfäc^lic^ ba« ©injal^len
getoiffer ©teuem. I)ann unb h?ann famen Sifd^öfe biircb ^^äpftlid^e ^rotjifton, o^ne bie
3yal?l bcr Hapitel, auf il^re ©teilen; boc^ finb bie« nur 5luönal)men. 3Jlit bem Snfang
bc« 15. Q^^i^^wnbert« fing man an, in ©d^toeben ben 35crfall bc« ^o^jfttum« ftärler ju
cmpfinben. 35ie )Hegenten be« Sanbe« tool^ntcn in Däncmarf (93Jargaretba unb nac^ i|r
60 (Sricfi Don ^^omnicrn) ; i^r Qntcrcfjc l;arnionicrte mit bem bc« ^aj)fte« fe^r oft in ber
Sf^toeben 25
^infiAt, ba| olle beibe bie Äirc^e })Iünbetn tpotttcn. ©otool^I ber 5ßa})ft ate Der Äöntß
berfudjte toicber^olt ben (Srjftu^I bon Vip^ala ben fiaj)itetoa^Icn juhjiber ju befc^cn;
b€r am mciften Verrufene unter ibten SSerorbneten toar ber lieberlid^e ®äne 3^"^
gericrdfon 1408, ber nad) einigen 3ial^ren (1419) ©c^toeben berlafjen mu^te (er hjurbe
fjjäter ätfd&of auf S^Ianb unb bort üon ben SBauem in einem Bad erfäuft 1433). ^od) 5
gelang e« fc^Hefelic^ bem RcapiUl fein SRed^t ju toa^ren; btefe ©treitig!eiten Ratten aU
gfolge eine ännäJ^erung feiten« ber Ährc^e an bie allgemeinen SReformbeftrebungen unb
an bie toac^fenbe, nationale Se^nfuc^t nac^ einem toieber unabhängigen ©d^toeben. ^m
^5a))flf(^i«ma l)atiz ©d^toeben ftc^ an ■Wom angefc^loffen, feine Äird^e aber nal^m mit
einem getoiffen ®influfe an ben reformatorifdpen Äonjilien teil unb erlannte biefe lo
ate äutoritäten über ben 5Pa})ft an. SReformatorifd^e 3Serfammlungen tourben auc^
in ©(^toeben (j. 33. in ärboga 1417, h)o man auc^ über bie Seainen in ©d^toeben
öerl^anbelte) gehalten, unb ba« 5ßrebigen auf ©c^toebifd^ lam noc^ öfter bor. SSiele
Äirc^en tourben gebaut. 3;n f^innlanb toar »ifc^of Skibaft faft 40 Sal^e aU 2l})oftel
be« Sanbe« in nationalem Seifte tl^ätig (bi« 1450). 2)er Sirgittenorben fe|te feine i6
fegenöreic^e 3:^ätigleit in nationalem ®eifte fort, alte ber grofee greibeit«Iamj)f 1434
mit bem Sauemaufftanb unter bem Solfö^elben ©ngelbred^t anfing, erhielt biefe Se«
toegung einen SSertcibiger auf bem Safeler Äonjil in bem ^erborragenben fd^toebifd^en
9lej)räfentanten bort, 3lite SRagnoalböfon, toa« ©d^toeben toefentlic^ ju 9iuften fam. Säte
ber (Sr^ftu^l lebig tourbe, toäl^lte man 9?ite jum ®r^bifc^of 1438. Sluf bem S3afeler3o
Äonjil tourbe biefe SBai^l beftätigt; 10 ^af}x^ lang leitete er mit aui8gej|eid^neter 2Bei«s
})fvt unb fjrömmigleit bie Äirc^e ©c^tueben« burc^ bie j)olitifc^en S3ranbungen. Sine ^ro«
binjialf^nobe in ©öberlö})ing 1441 fuc^te burd^ mehrere SBefc^lüffe bie Verbreitung eine«
eckten ß^ftentum« unter ben niebrigften SSolföflaffen ju förbem, ebenfo toollte man eine
felbftftänbige, fc^toebifc^e S3ilbung«anftalt grünben (bie Uniberfität gu Vip^ala tourbe bod^ 20
erft 1477 gegrünbet). 5Rite toar ber le^te gro|e 3Mann ber latl^olifd^en Äird^e in
©c^toeben.
4. ©ie^ierarc^ie unb bie Slationalitätebeftrebungen 1448— 1520. 9Kit
bem ©ieg be« $aj)fttum« über bie 9lef ormfomilien brac^ eine neue $eriobe in ber ©efd^ic^te
ber gonjen latl^olifd^en Äird^e an. 9lun lam unter ßamp\ mit einer beftimmt mittet so
alterlid^en, toenn auc^ burc^ SRenaiffancebilbung im Sturem mobemifterten ^ierarc^ie bie
®eburt«ftunbe ber mobemen ©taat^ibeen. 3^^ ©d^toeben bejeid^net 1448 bie (Srenge.
3n biefem ^afyc tourbe burd^ bie SDäal^l t)on «arl II. Änutfon jum Äönig bie Union ge«
brod^en; ein ein^eimifc^e« Königtum, ba« ben nationalen gntereffen biente, erl^ob fw^.
Slnbererfeit« berfd^ieb in bemfelben 3ia^r Srjbifc^of 9?ite ; fein SRad^folger tourbe ^ön« 86
9engt«fon Djenftiema, ber t^})if(^e Vertreter be« ^errfc^füd^tigen Äird^entum«, ba« in einer
ftorlen Äönig«mad^t bie größte (Sefa^r für bie Äirc^e fa^. Äönig Äarte Unterfuc^ung
über ben unrec^tmä^i^en Seft^ ber Äirt^e (1454) reifte aÜe Prälaten. Unter ber tjül^rung
t)on 3ön« trat bie ^lerarc^ie auf bie bänifc^-unioneDe ©eite, ober richtiger, fie üerbanb
fi(^ mit ber feubalen ^ermmad^t in beren Äam))fe mit ber ©taat^ma^t ; ber SSerfuc^ 40
be« 6rjbifd^of«, alle fird^lic^e unb })olitifc^e 3Ka(|t fd^Iiefelic^ in feinen ^änben ju ber*
einigen, enbete mit feinem ©turj unb 3:ob auf ber Sanbeöfluc^t 1467. 2)ie SRa^folger
bon 3ön«9engt«fon gingen in feinen ^feftajjfen; 9i<»f ob Ulfgfon (1470— 1514) (reid^ be*
gabt, aber ^errfc^füd^tig, ber eigentliche SSegrünber ber Unitjerfitöt ju Ui)fala) mit
ein loenig äußerer 3J{äfeigung, unb unter nü^lic^er innerlirc^lic^er 3(rbeit (bie Sifd^of«« 45
fj^nobe in ärboga 1474, too toic^tige SSerbefferungen befc^loffen tourben); 9?ite trotte
(t)on 1514 ab) mit einer ^Brutalität, toelc^e bie fd^liefelid^e Äataftro})^e brachte. 3)ie
meifien ©uffraganbifc^öfe, aud^ bie in anberer ^infic^t am eifrigften toaren, ®ute«
)u tl^un, toie^enricu^iibemanni in £inlö))ing (geft. 1500) unb ÄortSRogge in ©trengnä«
(geft. 1501), tourben bon berfelben l^ierarc^ifc^en ^olitif bef^^t. Die SRei^dtjertoefer ©ture so
mußten fi(^ getoö^nen, in ben Prälaten bie gegebenen ©egner ber nationalen ^Befreiung
unb ber 5Reuorganifation be« Sanbe« ju feigen. ®ine 9lu«nal^me bilbet ber merltüürbige
Dr. §eming ®ab, gum SBifc^of in 2inlö})ing 1501 getoä^lt, einer ber toenigen Vertreter
be« §umani«mu« in ©d^toeben, Äricger unb 2)ic^ter gugleid^, )oon toarmer Vaterlanb«^
liebe befeelt. 6r toar bie befte ©tü^e tjon ©baute ©ture. ©eine SBa^l tüurbe jebod^ 66
nie öom ^})ft beftätigt, er tourbe mit bem Vanne belegt unb muftte 1512 bem ^an^
9ra«I, bem leisten bebeutenben Äirc^enfürftcn tjon ©d^h?eben, toeid^en. 3lad^ tjicl ©c^toanfen
l^in unb ^er trat S3ra«f auf bie ©eitc ber ^ierar^ifd^en 3;ntereffcn. I)er nicbcre
Äleru« bagegen jeigte oft eine ungemifc^te Vaterlanb^liebe, bie auf eine l^eßerc 3wlunft
beutete; fo g. S3. ®ricu«Dlai, geft. 1486, ber gele^rtefte 5Wann ber neuen Unit)erfität. eo
26 Sd^toeben
3Son ben legten eretgniffen unb bcm ßnbc be« 9BittcIaIter^ f. Sri. arcimbolbi 9b I
©. 793 ff.
gn bcm langen unb gctoaltfamcn fiam})f bcr nationalen ©ammlung^orbeit gegen
ben ^unb ariftofratifc^en ^eubali^mud unb unioneQer ^olitit ^atte bie fc^h^ebifc^e
6 ^ierard^ie bie fd^hjebifd^en Sauem im (Stid^e gelaffen. 2)amit hjurbe bie innere ^Rac^t
ber latl^olifc^en Äird^e in ©c^toeben gebrochen. §ier liegt bie eigentlid^e Sebeutung ber
©efd^ic^te biefer ^^it. SSon ben ijorreformatorifci^en Sehjegungen auf bem ©ebiete be«
religiöfen geben« fmb toenige ober leine ©puren ju fe^en. Der religiöfe SSerfall machte
ftc^ nie in ©d^toeben in einer fühlbaren Sffieife geltenb. ^m 3Mön4«hjefen tourbe ein
10 getoiffer Slüigang bemerfbar, man forberte ^Reformen; ba« gefc^al^ nidpt ohne ©intoirfung
ber großen SBinbed^eimer SReform, bie aud^ eine Steige neuer filöfter ^ert)orbrad^te.
(3(m (Snbe be« 3MitteIaIter« gab e« im l^eutigen ©^toeben [nebft ginnlanb] toenigften«
21 grangi^faner^, 16 2)ominiIaner- unb 15 ßiftercienferflöfter k.). ^m großen unb
ganjen aber befriebigte bie Äird^e bie religiöfen S3ebürfniffe. Slic^t einmal bie W)-
16 lafereife 2lrcimbolbi« in ©ci^toeben 1518 ertoedfte bort eine fic^tbare Sntrüftung. Der
^umani^mu« tourbe aud^ bort nie jur Äulturmac^t; feine einzigen bebeutenben dttpxa-
fentanten toaren ®ab unb Slogge. Da« ?DlitteIalter enbete be«^alb in ©d^toeben j^u-
näd^ft in einer getoaltfamen, })olitifd^en Ärifi«, in toeld^er ba« Sanb unb bie Btaai^
mad^t t)om ®runbe toieber aufgebaut tourben. hieran fc^lofe ftd^ bie fird^lic^e 9le=
20 formation.
Die neuere ßeit.
1. Die Oeburt«- unb Äamj)f})eriobe ber 9leformation 1520—1611.
3m 3a^re 1520 begann Olau« $etri, ber grofee SReformator ©c^toeben«, feine 3:^ätigs
feit al« Diaion am Dom ju ©trengnä«. 6r toar 1493 geboren, toar im ^erbft
26 1516 an ber SBittenberger Uniberfität immatrifuliert toorben, unb l^atte mel^r aU
gtoei ^af)xt ben Unterricht Sut^er« genoffen, ©eine ®emüt«art toar eine anberc afe
biejenige Sutl^er«: er toar ein 3Jlann be« ^rieben«, nid^t be« Äam})fe«, o^ne Sut^er«
^eiteren §umor; aber in unerfc^ütterlid^er Überxeugung«treue, üolfötümlid^er Sereb^
famleit, J)'äbagogifd^er ©enialität unb ejflufitjer Sfleligiojität ftanb er toürbig an ber
30 ©eite be« 3)leifter«. 3" ©trengnä« gewann er für feine 2luffaf[ung ben alten 6rjs
biafon Saurentiu« Slnbreä, ben großen Äirc^enj)olitifer ber fd^toebifc^en Sieformation.
Diefer mad^te ®uftat) SQäafa mit ben neuen ^'ttm befannt, hjurbe auc^ Äanjler unb
Slatgeber be« Äönig« (tjgt. Ä. ^Rütter, Äird^engefc^id^te II, ©. 483 ff.) — Die Union«=
unb 5eubal})olitif erntete i^re blutige grud^t im „Slutbab ju ©todE^olm" 1520, ate
86 ba« ganje Sanb einen SluaenblidE jertreten unb Verloren fc^ien. 3lber bie 33aucm
bon Dalelarlien erhoben fic^ unter ber ^ül^rung tjon ®uftat) SBafa xum Äam})fe für
bie nationale greil^eit. Die unl^eimlid^e %i)at ß^riftian« II. I^atte bie $äu^)ter ber
alten ^6t gefällt, unter il^nen bie meiften Sif^öfe; nur jtoei S3ifrf)of«ftü^le toaren 1522
befe^t. Der 3Solföaufftanb ftegte unb fc^lofe mit ber ßmc^tung bee nationalen Äönig«
' 40 tum« (in ©trengnä« 1523). Damit toar ber ß^araftcr be« Äönig« al« Solföfönig mit
einer rein J)erfönlic^en ^Regierung gegeben, auf jebem ®ebiete ftanb inbefjen bie SRom
gel^orc^enbe, einen ©taat im ©taate bilbenbe Äird^e al« ein §inberni« bem Äönig ent*
Segen. 23or allem galt bie« auf bem öfonomif d;en ®ebicte : ©c^toeben toar nac^ ber langen
Erife ein tjerarmte«, toel^rlofe« Sanb, toenn e« fid^ nidpt bie JReic^tümcr ber Äird^e unb
46 ber Älöfter Derfd^affen fonnte. SRit genialem Slicf erlannte ber Äönig fogleic^ bie SSer*
toenbbarleit „ber neuen Se^re" für eine t)olf«tümlic^e nationale SBicbergeburt auf germa^
nifc^em ®runb unb S3oben. Der ®runbfa^ feine« 6mcuerung«h?erf« trar eine ^Bereinigung
be« ganzen SJolf« unter gemeinfamer 35er))flic^tung ju bem, toa« für bie Slettung unb
SSerteibigung be« $}aterlanbe« nötig toar unb unter gemeinfamer 3SeranthJortlid^Ieit für bie
60 Durd^füf|>rung ber nötigen 3Rafercgeln unb für bie folgen berfelben. Diefe Swfammen«
gel^örigfeit toar nur in ber ijeranttDortlid^en ^erfon be« Äönig« l)erh?irfli(^t ; an feinem
3:^un batte ba« ganje ^oll teil, unb h)ar be«^alb aud^ if;m Derjjflid^tet, fo lange er
bie 33ertcibigung unb ba« ®lüd be« Sanbe« beförberte. Die religiöfe Seite be« SSolfe
leben« machte leine 2lu«na]S^me; aud^ ^ier mufete ber Äönig J)erfönlic^ bie ganje Um-
66 lüäljung leiten, fotreit fie innerhalb ber ©J3bärc bc« ©taat«intercffc« lag. ©uftat) SBafa
l}ai axiä) bie ®eife für bie ßinfül^rung ber ^Reformation beftimmt. Die« ;\eigte ftc^ fd^on
auf bem entfd^eibcnben 5Reicb«ta0e, ben er mit fluger lJRüdfid;t auf bie großen euroj)äifc^en
23ertoicflungen im '^a\:}xz 1527 nac^ 9Befterä« berief. 3Rit §iife bc« aibcl« unb bc« Ärieg«t)olf«
erj^toang er Jjcrf önli^ beniRci^«tag«bcfd^lufe(„Vesteräs recess", au«fül^rlic^cr betaiUiert in
60 „ VesterSis ordinantia"). Daburd^ tourbe bie Äird^e Don 5Rom unb bcm fanonifc^en Siecht
lo^crifjen, i^r Sefi| (nic^t bic ^Pfangüter) tourbe jur S)i^ofition ber lönigUd^cn ÜKadbt
öcfieflt, unb ber äbel tourbe an bic neue Drbnung burd^ ©üterertoerbung t)on ber Äirdpe
öefeffelt. Setreff^ ber SReligion hjurbe nur befd^Ioffen, ba^ „®ottt^ SEBort rein unb flar
ae^rebigt toerben foHe", b. |. formell tourbe nur für ben ^roteftanti^mu« bie Sleligiond«
frei^ett etngefül^rt. ®in Sebürfni^ be^ Solfö nai) einer religiöfen SSeränberung tourbe 6
nid^t laut. 216er in ber %})at mu^te ber ^J^oteftantiemu« ber felbftoerftänblid^e 3lai)'
folger ber t)emici^teten Stomltrc^e tperben. ^ie Steid^^tagdbefc^lüffe tvurben t)on aüm
©tänben, „einer für aße unb alle für einen" unterfc^rieben. 2[uf bie SBeife behielt fid^
ber nationale Solföftaat ba« Siecht )dox, burd^ feinen Äönig auc^ bie ®nttoidelung ber
Äird^e ju übertoac^en. — S)ie ^Reformation in 2)eutf(^Ianb trug in i^rem ©d^o^ t^eo« lo
hratijd^e ^been. ^urc^ Olau^ $etri tourben biefelben aud^ in bie fd^toebifd^e ^ird^e ein«
gefü^. 6r f^attc boc^ noc^ im (Srunbe tjiele fd^toebifd^sgermanifc^e ©runbanfc^auungen,
ban! bem gä^en Setoa^ren berfelben auc^ in ber Äirc^e be« 3MitteIaIter^; be^l^alb lonnte
feine %f)at mit ber be« 23oIföfönig« harmonieren, unb bie ©elbftt^ätigleit ber Äird^e ba«
huxd) aud^ unter ber Seitung be^ le^teren aufrecht erl^alten toeroen. ©o erhielt bie erfte iß
3eit ber Sieformation in ©d^toeben i^r eigentümlid^e« ®e))räge: eine ©in^eit t)on t^eo»
rratifd^en unb })oIitifd^en, öoßgtümlic^en unb religiöfen 3)lomenten. 2)ie fc^toebifc^e Äirc^e
b>ar toeber aU fäd^ftfd^e^ ,,£utl^ertum'', nod^ aU englifc^er @äfaro^a))i^mu^, nod^ aU
f(^toeijerifd^e S)emofratie, no^ afö ®enfer 3:i^eofratie einjuorbnen.
2)ie innere Sleformationgarbeit auf bem SBege ber Üoerjeugung ging langfam, t)on ao
ber 833ei«f;eit unb Älug^eit be« Olau« 5ßetri geleitet, toeiter. ©c^on im 3al^e 1524 toar
er nad^ bem ßentrum be^ Sleic^^ ate ©tabtfehetär unb ^rebiger in ©todt^olm berfe^t
iDorben, unb gab 1526 eine Bearbeitung tjon Sut^er^ Setbüc^Iein perau«, bie erfte reforma«
torifd^e ©c^rift ©c^toeben«. ^m felbenga^t fd^enfte er bem S3oIIe ba^ 5Reue 3:eftament in
fd^toebifd^erUeberfefeung, einSuc^, ba^ für bie ©})rad^e unb Äultur ©d^tocben^ bon äbns26
lieber Sebeutung ift, toie bie Sibelüberfe^ung Sutl^er^ für S)eutf(^Ianb. ^n bemfelben
Sai^f gab er u. a. ba« erfte Äirc^enlieberbuc^ (lOÄird^enlieber). (gür bie ©efc^ic^te ber
Sibelüberfe^ung, bei^ Äatec^i^mu« unb be^ Äirc^enliebe^ in ©c^toeben f. bie betr. SCrt.
Sb III ©. 147 ff.; »b X ©. 156 unb ©. 441 ff. Dlau^ 5ßetri ift ber Überfe^er be«
913:^.) 2)a« ^al)x 1527—28 h?ar DIau«' grofee« SSerfafferjal^r, in bem er in borjüglic^en, ao
einfach öolfötümlic^ gebaltenen ©c^riften bie meiften religiöfen ^orberungen ber Sieformation
be^anbelte. ®d mangelte bem Jtat^olici^mu^ an )h)edbetou^ten SSerteibigern. 3(uf biefer
©eite toar $an$ 93ra^t ber einzige SJlann t)on 93ebeutung, unb er enttoidelte aud^
toon änfang an grofee ßnergie im Ramp^ toiber bie SReformation ; aber ®uftat) SEBafa
toar er bod9 nic^t getoad^fen ; nad^ bem Sleid^^tag in SQäefterS« mu^te er au^ feinem S6
2anbe fliegen (1527); er ftarb in ber Verbannung 1538. 211« nun ©uftab bie
erlebigten S5ifd^of«ftü^le befe^en liefe, betoirlte ein ßufatt, bafe bie S^^^^ber berfelben
1528 il^re ßinfegnung tjon einem SSirgittinermön^, 5ßetrug ?Dlagni, em})ftngen, ber
felbft bie Sifc^ofdtoei^e )Dom $ai)ft in SRom em))fangen l^atte. 2luf biefe SBeife
tourbe bie „successio apostolica" in fatbolifd^em ©inn ber ))roteftantifd^en Äird^e in lo
©c^toeben betoa^rt. ®ie« toar )oon Sebeutilng für ba« Ser^ältni« ©c^toeben« ju ber
anglilanifd^en Äird^e. — I)a« Äougilium ju Örebro 1529, too Saurentiu« 2lnbreä ba«
SEBerf birigierte, tJoHenbete bie äußere Scränberung ; e« entf})ric^t in lirc^Iic^er Sejiel^ung
bem Sleicpigtag ju SEBefterS«. 3" 2lu«fül^rung ber Sefd^Iüffe berfelben erfd^ienen bie
neuen toic^tigen ©c^riften üon Dlau« $etri: ba« Äirc^enl^anbbuc^ 1529, bie $oftine46
unb ber Äated^idmud 1530 unb bie fd^toebifc^e 3Keffe 1531. ©ie jeid^nen fid^ aDe burd^
große ^ietät unb große 3.^orfic^t gegen aÖe alten ©ebanten unb @ebräu(^e au«, bie
nid^t bireft gegen bie $rinjij)ien ber Sieformation ftritten; natürliAertoeife toaren fie t)on
Ittt^erifc^er ©runbanfd^auung getragen unb burd^f^auc^t ; boc^ l^errfc^t nod^ nic^t ba« au«*
get)rägte Sut^ertum, ebenfotoenig loirb Sut^er al« eine 2lutorität aufgefteEt. I)ie toert« w
iJoUfte ßilfe erl^ielt Olau« $etri tjon feinem jüngeren, im ^al^re 1527 üon SBittenberg
lurüdgelel^rten Sruber^^aurentiu«; biefe tourbe 1531 ber erfte ))roteftantifc^e Sr|;bifd^of unb
leitete toiele go^^J^^nte l^inburd^ mit großer 5Ki(be unb Älug^eit bie religiöfe Umtoanb-
lung. ^m §a^re 1541 gaben bie Srüber bie ganje SBibel in fd^h)ebif(|er Überfe^ung
^erau«; neue reformatorif^e ©c^riftcn tourben tjerbreitet; ein Sleic^ötag in SDBefterä« 1544 bb
fd^ffte noc^ mehrere fatl^olifd^e Slnorbnungen unb ©cbräud^e ab; ein Äird^engefe^enttourf
„Vadstena artiklar" (bie 2lrtilel t)on Sßabftena) 1553, toa^rfc^einlic^ t)om (Sr^bifc^of,
jeigt ben erften Serfud^, bie Äirc^e tJoUftänbig al« eine iproteftantifc^e gu organifieren. —
gine tjorübergel^enbe ®})ifobe fremben G^arafter« toaren bie 3<^re 1538—43, al« ®uftaö
l)on ultrareformatorifc^en 3)eutf4>cn, befonber« bem geleierten unb biebem ^Pommern eo
28 Sd^toeben
®0. 3loxmann, beeinflußt tourbe, unb i^e ^been auf fc^toebifd^e SSer^ältniffe ju übcrtraßen
berfud^te, baburd^, baß er ba« S3ifd^of^mt abfc^affte, 9lormann j|um ,,©u^)erattenbenten"
über bte gange fc^hjebifd^e Äird^e 1540 ernannte, unb eine Slrt Äird^enreflierung })re^
b^terianifc^en Slnftric^« einfül^rte. 2)ur(^ i^ren SBiberftanb jogen ftd^ Dlau« 5|Sctn unb
5 Saurentiu« 2lnbreä jogar ein a:obe«urteiI ju; fte tourben ;ihjar begnabigt, erlangten aber
il^ren ©influß nic^t hjieber. ©ie ftarben beibe 1552. 3Da^ fc^hjebif^e 33oIf reagierte
inbefjen ju Iräftig gegen bieje 9leuerungen, unb ber Äönig tourbe hjieber xni (Seleife ber
nationalen Snttoicfelung l^ineingegtüungen.
3n bo})J)eIter §inpc^t bebeutete ®uftab SQäafag Xoi 1560 eine SSeränberung in ber
10 ©teEung ber Äird^e. 1. ®ril XIV. bermoc^te ni^t ba« bi^l^erige })erfönlic^e 3Ronient in
ber 9legierung feftju^alten. 2)abur(^ entglitt bieÄirdbe getüijfermaßen ber löniglic^en Sei^
tung, unb i^re eigenen Organe, t)or attem ba^ 3lr4iet)iffo})at, tourben bei ber ©nttoidtes
lung öon größerer S3ebeutung. 2. 3Rit ber I^ronbefteigung Srifö XIV. erreid^te ber große
religiöfe ÄanH)f um &nxopa aud) ©c^toeben. ßunädpft fuc^te ber 6atoinii8mu« toä^renb
16 ber gangen SRegierung Srifö (1560—68) ^ier feften guß ju f äffen, ßalöin Jelbft
Iorref})onbierte mit 6rif, unb feine Sln^änger in ©c^toeben legten 1563 ein ©lauoen^s
belenntni« bor. 2)ie SSerteibigung gegen ben ßalöini^mu« tourbe öon Saurentiu^
$etri geleitet; fte fül^rte gu einer inneren firc^Iic^en 6nttoidEe(ung, unter toelc^er ber att^
gemein^reformatorifd^e ©tanb})unft berlaffen tourbe, unb bie Äirc^e fid^ enger an ba^
20 ebangelifd^e Sutl^ertum anfd^Ioß. ^n einer ©c^rift be« 6rgbifc^of^ t)on 1566 berief man
fic^ ijum erftenmal auf Sut^er unb bie Sutf^erifc^en ate SBunbe^enoffen. ®er toid^tigfte
©d^ntt biefer Snttoidfelung, fotool^I in Sejug auf ©elbftregierung ate auf Sutl^crtum
toirb burc^ bie erfte Äird^enorbnung ©dbtoeben« 1571 bejei^net, bie ben erften cabi^
niftiteen ©treit fd^loß. 3)a« toar bie le^te ®abe bon Saurentiu^ $etri an fein £anb.
26 ®r ftarb 1573. auf ber Saft« biefer Äirc^enorbnung lebte bie fd^toebifc^e Äirc^e me^r
ate 100 3ö^rc lang ein felbftftänbige«, reid^e« geben. Äaum toar ber 6alt)ini«mu«
gurüdtgetoiefen, ate bie Äirc^e üon ber ©egenreformation bebrol^t tourbe, toeld^e baran
anfnü^)fte, baß Äat^arina ^agcHonica, bie ©ema^lin ^ol^ann« III. (1569—92) fat^olijd^
toar. 2)er erfte 3«f"it fam 1574 nad^ ©d^toeben. I)er t^eologifc^ gelehrte ^o^ann,
80 t)on ®eorg Gaffanber unb ber englifc^en Äirc^enenttoidtelung beeinflußt, fuc^te einen
?Witteltoeg ju gelten, ©eine befannte neue 3Reßorbnung „Röda boken" (bag rote
Sud^) 1576 foUte bie Äirc^e ©c^toeben« an bie ec^t lat^olifc^e Äird^e ber älteften geit
toieber anfnüjjfen. 35a« JHefultat tourbe ein aufreibenber innerer ©treit, unter toel^em
ber ^roteftanti«mu« feinen $au})tfd^u^ bei $ergog Äarl, bem jüngften ©o^n ©uftab« I.,
85 erl^ielt ; pgleid^ tourbe baburd^ ber Jd^toebifd^e ©taat in bie ^Berechnungen ber euroi)äif(^en
®roß})olitii mit eingebogen. 9im ©dpu^e ber föniglic^en SRid^tung betrieben öerftecfte unb
offenbare $a})iften (Äarbinal ^ofiu« tn $olen toar bie ©eele) eine eifrige Slrbeit, bi«
ber l^artnädEige SBiberftanb be« $aj)fte« gegen bie SSermittelung«})läne 5>oi^<inn« bem
©influß ber Äatl^olifen 1580 ein fc^neHe« ®nbe mad^te. Dagegen tourben bie 2ut^erifd^en
40 toäl^renb ber gangen ^Regierung ^o^^nn« auf jebe SBeife Verfolgt. 3m Äampfe gegen
ba« SRote Suc^ unb ben Är^pto^oöi^mu« erl^ielt bie ©nttoidfelung ber Äirc^e gum
Sutl^ertum i^re Feuertaufe. 6in ©ejd^led^t tjon glauben«feften, unbetoeglic^en lutberifc^en
ßl^arafteren tourbe gefc^affen, toeld^e in fünftigen ©türmen fotoo^l politifd^e al« fird)^
li^e Freiheit retten fonntcn. ^f}i^ t^eologifd^e Silbung erl^ielten fte faft atte auf ber
45 Uniberfttät SRoftodE unter ber Seitung t)on Dr. ß^^träu«.
3lu« ber fc^n)eren Ärife ging nac^ bem 3:obe ^ol^ann« III. ber ijoßftänbige ©ieg
be« Sut^ertum« l^ertoor, gur glcid^en ^di aU ba« 3Ser^ältni« ber Äird^e gum ©taat an
Älarl^eit gcn)ann. 3!)a« Dom Derorbneten Siegenten, bem §ergogÄarl, nac^ U})fala 1593
berufene Äongil tourbe ba« toic^tigfte in ber ®efct>id&te ber fc^toebifdb=lut^erifc^en Äirc^e.
60 Unter bem SSorfi^ be^ au^gegcid^neten, tjon ^o^ann III. tjerfolgten, 9Jifol. Dlai Sot^nienft^
(ate (Srgbifc^of geftorben 1600) tourbe ^ier ba« SRote S3ud) tjerboten, unb alle tjerpflid^teten
ftc^ bei „©otteö reinem SB orte, ben brei ©i^mbolen unb bem uni>eränberten Slug^burger
Sefenntniö" gu bleiben; ber ßabini^mu^ tourbe, ben ^rotcften Äarte gum 2^ro^, ber^
tüorfen; eine Steige Sefd^lüffe, bie ba^Sut^ertum tjertjollftänbigten, tourbc gefaßt. |)ergog
65 Ä'arl ließ, tro^ feiner eigenen Ungufrieben^cit, allen ©tänbcn bie ßntfc^Iüfje guf^trfen,
bamit fte untergeic^net toürben. ©r folgte babei bem aroßcn Slcgicrung^^ringi^) be«
3?ater^, baß alle gemeinfame 3?eranth)ortung Ratten. 2)er ^orfi^enbe fonnte aud^ nad^.
bem Sefc^luß beöÄongil^ aufrufen: „5kn ift ©c^toeben ein 3)tann gehjorben, unb atte
f^aben toir einen $erm unb ©ott". 3tuc^ in ber S3egiel;ung tourbc baö Äongil gu U^fala
60 ejjod^emac^cnb, baß c^ eine Äirc^enücrfammlung toar, tocnn aud; unter außerorbentlic^en
Si^toeben 29
formen; ba« eigene Seftimmung^rec^t ber Äirc^e über i^re eigenen, inneren Slngelegen«
fetten, i^ren ©louben unb i^re Se^re getoann baburc^ Slnerlcnnung, jur gleid^en 3«it afe
t^re Sigenfd^aft al^ eine Sanbe^tird^e mit ^(nfprü^en auf ben @^uä be$ Staate für
biefen ©tauben unb biefe Se^re einen Sluöbruc! erl^ielt. — ®ie (ut^erifd^e Äirc^e lourbe
foglcid^ auf bie l^ärteften groben geftellt. 3)er rechtmäßige Äönig bon ©c^toeben, ber 5
Sol^n 3ol^ann^ III. ©igidmunb, ber aud^ Äönig üon $oIen toar, toar in 5Rorbofteuroj)a
bic cifrigfte ©tü^e ber ©egenref ormation ; bie Ärone üon ©^toeben gab i^m, feiner
älnftd^t nad^, bor aQem bie $flic^t, ba^ Sanb toieber fat^olifd^ gu mad^en. ©einen
toieber^olten SSerfuc^en, bie^ mit £ift unb ©etualt gu t^un, fe^te fi^^ ^ergog 5tar[, bom
fc^toebifc^en SSoIfe unterftü^t, ^artnädig entgegen. ®urc^ ben SReic^j^tag in ©öberf öping 10
1595 ftettte fic^ biefer, toie einft fein SSater, auf rein rebolutionär nationalen S3oben,
fammeltc bie ©tänbe jur gemeinfamen SSeranttoortung im SQäiberftanb gegen bie lat^o-
lifc^en $Iäne bec( re^tmäßigen Aönigd unb t)emid^tete fc^(ie|Iid^ mit bem ©d^toerte
©igi^munb^ getoaltt^ätigen SJerfuc^ ju fiegen (bie ©c^Iac^t bei ©tSngebro 1598). Äurj
banad^ tourbe fiarl felbft Äönig bon ©d^tueben (Äart IX.). 2)ie Äirc^e ^atte beim is
6öberl5))ingdbefd^luB mitgetoirft unb ^aiU fxd) baburc^ an ba^ neue nationaUgermanifc^e
itdnigtum gehti^ft. ^amit toar auc^ bie @inorbnung ber tird^lic^en Slngelegen^eiten
unter bie bon allen ©tänben gemeinfam, in Ie|ter $anb burc^ bie Jtönig^mad^t au^s
geübte ©taatdregierung prinjij)iell gegrünbet. S)ie organifc^e Sereinigung be« fd^toe«
bife^sgermanifd^en &aaii unb ber felbftftänbigen, ebangetifd^en Äirc^e toar ba« Ste«»
fultat ber ^^xt ber SQiiebergeburt ©c^toebend unb ber 9lui^ang^))unft feiner ^olitifd^en
©röfee.
@in fc^lfoered innere^ S^aod ifoar boc^ bie ^olge biefer ©treitigteiten ; bie Orga«
nifation loar fc^Iec^t, bie ©itten t)errol^t; bie in Äultur^infid^t toic^tiaen Älöfter loaren
nac^ unb nac^ t)erarmt unb toaren t)erf(^h)unben (bad Älofter gu SBabftena, ba$ le^te in 25
@<^n>eben, tourbe 1595 aufgehoben) ; fotool^l ber niebrige aU ber l^ö^ere Unterricht toar in
SBerfatt geraten u. f. h). ^ie Unit)erfität ju Ujpfala toar aufgehoben; 1595 fud^ten Äarl
unb bie Äirc^e fte toieber ^erjuftetten. 3)ie ÜKiffion unter ben 2ab})Iänbem brandete
Arbeiter u. f. to. 2)ie 3^»^ ^^^ tJ^eben« toar bod^ nod^ nic^t gefommen. ®ie Äat^o»
lifc^en festen immer no^ il^re SSerfd^toörungen fort. Jlönig Äarl mit feinen calbiniftifd^en ao
©^mpat^ien unb feinen großartigen j)oIitif^en 5ßlänen tooBte feinerfeit^ ftd^ nid^t in ba^
i^m läftige ejllufibe Sutl^ertum ber Äird^e l^ineinfinben. 6^ gelang ber Äirc^e nie, bon i^m bie
Stnerlennung aU eöangelifc^slutl^erifc^er unb ©taatigfc^u^ ju getoinnen. ©tatt beffen mußte
fte einen an^altenben ©treit mit bem nun über ganj @uro^a ftegenben SalbiniiSmu^
läm^fen; ber König felbft na^m burc^ litterarifc^e 2:|ätigteit, bur^ bie 9{et)ifion be^ss
tanbbuc^ unb bed Jtated^i^mu^ (mit ätnfd^Iuß an ben ^eibelberger Jlatec^i^mud) am
•treit teil u. f. to. 3Kit feltener 3Käßigung, ^oc^fmn unb unerfc^rodtener Äraft
tourbe bie Bad^t be« Sut^ertum« bom ©rjbifc^of DIau« ^Äartini (tjom ^ai^r 1601 ab),
einer ber fc^önften (Seftalten ber fc^toebifd^en Äirc^engefc^id^te, geführt, ß« gereic^^t aud^
5tarl jur @^re, baß er nie gegen feine ®egner ®eh)alt gebraud^te. ©c^Iießli^ fc^eint e$40
auc^, atö toäre er be« ©treited mübe geworben. 2)er ßrjbifc^of ftarb 1609, ber Äönig
1611. äfe ber junge ©uftat) Slbolf ben 2^^ron bcfticg, erhielt j^um erftenmal bie
f^toebifd^e Äirc^e ak eine ebangelifc^^-lut^erifc^e burc^ feine Äönig^tjerftc^erung (2)ej. 1611)
einen geftd^erten $(a^ im Qtaat; bie ©efa^ren unb bie 9Jöte berfd^toanben, neue gnt^
toidEelungöfaftoren traten in ben Sorbergrunb, unb bie Äirc^e lonnte mit geftä^lten unb 45
frifd^en Äräften bie gewaltige äußere unb innere Slrbeit angreifen, bie bor i^r lag.
2. 2)ie 3eit ber tird^lid^en Organifation unb Drt^obojie 1611—1718.
a)ie alten betoä^rten a)länner toaren berfd^ieben. ®« toar ein jugenblic^ed ©efc^lec^t,
bad ftc^ an ben älufbau bon ©c^toeben fotoo^l in ^oUtifd^er al$ firc^lid^er ^inftd^t mad^en
mußte. ®uftab Stbolf toar bei feiner i^ronbefteigung nur 18 S^^re alt, fein großer 50
üRitl^elfer, äljel Djenftierna, be^errfc^te fd^on mit 28 g^l^ren bie euro})äifd^e ^olitif,
bie bomel^mften ©eneräle ©c^toeben^ im breißi^jjä^rigen Äricge Ratten noc^ nic^t
bie breißiger fjiö^re eneic^t SJa^felbe gilt bon ber ftird^e; 3- SiubbedEiu^ (f. u.) fing feine
große I^ätigfeit mit 23 3ial^ren an, u. f. to. : eine eigentümlid^ lü^nc Sebl^aftigleit unb
®laubendftäne c^aralterifiert ju biefer 3^'^ ^^ö Sut^ertum ©c^loeben^, bem ^^uftanb in 66
ben Jlac^barlänbem gan^ ungleid^; ba^er erflärt fic^ auc^ einigermaßen ber ©mfafe, ben
©c^^toeben in ber Seitung ber religiöfen unb })olitifd^en ©c^idffale 6uroj)ag mad^en fonnte.
Sefttlid^ liegt bie ßrlläruna in ber innigen i^erbinbung ^toifc^en bem lut^erijc^en ®lavibm
uno ber nationalen aSolföfrei^eit, bie unter (Suftab älbolf gefc^loffen tourbe. ©ine Sln^
nä^erung an bie fd^olaftifd^ berfnöd^erte Ortl^obo^ie trat freiließ aud^ l^ier ein; man fanneo
30 Sd^toeben
erfe^cn, bafe ber Sttriftotcligmu^ öon 1615 ab bic ^errfc^aft in bei Unitjerfität^t^cologie
fietoann. 6r erhielt einen Vertreter in ^o^anne« Slubbecliug, ber ^ertjorragenbften fir(^=
id^en ^erfönlid^Ieit ©d^toeben« hjäl^renb be« 17. ^o^^^^^un^^t«. ®r toar an ber feit
1611 aufblül^enbenUniöerfität in Upfala al^ ^rofefjor tl^ätig getüefen unb h)ar nac^l^er ber
si^öfr^^^iß^ ®uftaö aibolfg; er mad^te fic^ aU einen gewaltigen ^rebiger mit faft biblifc^^
altteftamentli^er ^nfriration belannt, er h)ar in ben Kriegen ber tüürbige ^elbj)rebiger
feinet Äönig^. SBä^renb ber ^f^l^re 1619—1646 toirfte er mit aufeerorbentlic^em Drga=
nifation^talent afö SBifd^of in SSefterä^ ©tift. ^n biefer 3^i^ ^^^ "^6en ber Drt^obojic
bie ^ierard^ifc^e Stnfc^auung toieber ^ert)or, bie burc^ ben ^iJJroteftantigmu^ nie ganj tjer^
10 nicktet toorben \vax. SRubbecfiu« tarn fc^liefelic^ ju einem l^alb fatl^olijd^en Äirc^enbegriff
(in ber ©c^rift De privilegia doctorum 1636), unb geriet baburd^ in Äonflilt mit ber
Slegierung unb in lange SSer^anblungen. Stber ber ^ntoleranj ber Drtl^obojie tüirlten bic
^amilientrabitionen be« Äönig^, feine S3ejief^ungen ju ben reformierten Sänbem be«
Slbenblanbe^ (pon 1614 ab) unb fein ftaat^männifc^er ©inn entgegen, fo' bafe er ftc^
16 fd^Iie^Iid^ auc^ über ben 9Sa:foIgung«eifer im ©treit jtoifd^en Äatl^olifen unb ^roteftanten
er^ob (t)gl. art. (Suftab 2lboIf »b VII ©. 239 ff.). §i^in ftanb i^m Dr. ^o^anncö
5Kattbiä jur ©eite, ber toäl^renb langer ©tubien in ®nglanb unb ^oÖanb bie bort tjor»
^errfd^enbe Soleranj unb „ben reformierten 5ßietigmug" in ftd^ aufgenommen l^atte, unb
nac^ ber §eimle^r 1625 ber Se^rer ber l^oc^abeligen gugenb in ©todt^olm getoorben
20 toar. 6r tourbe 1629 ^oftjrebiger, folgte bem Äönig in ben brei^igiä^rtgen ftrieg, tourbe
1632 ber Seigrer ber Äönigin ß^riftina unb fc^liefelic^ 1643 Sifc^of in ©trengnä«.
9tad^ bem lobe ®uftaö Slbolfg bermoc^te er mit feinem nachgiebigen, für öfonomifd^en
©rttjerb ettoa« fc^toad^en ß^aralter nid^t bie toeitfic^tige 9leligion«})olitif be« Äönig« auf=
rec^t JU erhalten; bie ejtreme Drt^obojie begann il^ren ©iege^jug, unb bie ©rben öon
26 ©uftat) 2lbolf tourben EromtoeH unb bie reformierte 2Belt.
SQää^renb ber fteten äußeren Äriege biefer ^c\t tjolhog fic^ eine intenfiöe, innere
Drganifation^rbeit, bie me^r aU anbcre^ bie f^toebifcpe Äirc^engefc^id^te biefer ^eit
lennjeid^net. ©ie tjerlief in jtoei ^ßerioben. 3n ber ^tit ber großen unb ijielen Änege
(bi« 1648) hjurbe bie lirc^lid^e Drganifation böu>)tfäd^lic^ ber J)rit)aten 3ni*wti^^ über^
80 laffen. @« ift bie Reit ber großen Sifc^öfe. ©ie ertoarben in i^ren ©tiftem eine be^
träd^tlic^e 3Kad^t, oft mittelalterlid^en l^ierarc^ifc^en 2lnftrid^d. ©ie toar ju gro^, aU
bafe fte mit ber bag ganxe ©taat^leben umfajjenben Drganifation nac^ bem ?l5rinj^
Äarte IX., bie ©uftab Slbolf burc^fü^rte, harmonieren fonnte. 6r tooDte, bafe aud^ bie
Seitung ber Äird^e eine 3lngelegenl^eit aller, unter gemeinfamer SSeranttoortung fei, unb
86 fc^lug be^l^alb eine einl^eitli^e Seitung unter einer Dberbireftion, einem Consistorium
generale (1623), t)or. 6^ foßte foh)ol^l au« Saien aU au« ^ö^ern unb niebrigen
Älerifem beftel^en. ^er 3Sorfc^lag tourbe tjon 3Kattl^iä unb bem niebrigen Älcru« untere
ftü^t, begegnete aber feiten« ber Sifc^öfe einem fo energifd^en SBiberftanb, bafe ber Äönig,
tro| tüieber^olter 33erfu(^e, in biefem einzigen ^unft feine 9leform})läne nic^t burd^-
« f uferen fonnte; neue 3Serl^anblungen nac^ feinem iobe l^atten ebenfotoenig ©rfolg. ßine
gemeinfame 9lej)räfentation l^atte bie Äirc^e in bem, an ben 9lci4>«tagen tjerfammelten,
geiftlid^en ©tanb, Consistorium regni genannt; aber er tourbe t)on ben Sifd^öfch be^
^errfc^t, unb biefe behielten aud^ in ibren ©tiftem freie $anb. ^od^ benü^ten fic i^re
3Wac^t tjielfad^ fel^r gut; auf jcbem Gebiete ber Sird^e unb ber Äultur fam e« unter
46 il^rer Seitung ju einem getoaltigen 2luffc^h)ung. I)ie Sannerträger toarcn 3- Slutbediu«
unb Saurentiu« ^aulinu« Oot^u«, SifcS^of in ©trengnä« 1609—36, grjbif^of 1637— 46.
Äirc^enftatuten ber einjelnen ©tifter fc^ufen äufeerc Crbnung (am toid^tigften Paulini
constitutiones ecclesiasticae für ba« ©rjftift), jäl^rlic^c Sirc^entjifttationen unb S?er=
fammlungen ber ©eiftlic^en ^oben ben nieberen geiftlid^en ©tanb; ber Stnfang einer
60 fird^lic^en 93uc^füf;rung tourbe gemacht, Äated^i«mu«j)rebi0ten unb SSerl^öre tourben eifrig
betrieben, Äated()i«men unb anbere Sel^rbüc^er tourben in 3JJaffen l)erau«gcgeben, bie lo^^j^
länbifc^e Sfliffion tourbe toieber mitSrnft angefangen (f. 3lrt. £aj)j)länbifd9e9)liffton SbXI
©.281), bie fird^licbe Äolonifation«arbeit tourbe bi« nac^ 2lmerifa auögebe^nt (f. S3b XIV
©. 186), unb eneraifd^e Slrbeit tourbe auf bic religiöfe Pflege unb gciftige §ebung be«
66 ganzen Solf« burq bie 3Serbeffcrung be« niebern unb bö()crn Unterrid^t« öertoanbt. 9hibs
bedfiu«, ber auf ben meiften ©ebicten bie gül^rung l)dtU, grünbetc u. a. auc^ ba« erfte
(S^mnafium tjon ©d^toeben mit foftenfreiem Unterricht für bic Saucrnföl)nc fotoo^l al« für
ben 2lbcl in äBcftcrS«, unb fül^rtc eine bcrbeffcrtc ^äbagogif ein. 9Jod^ ©rötere« er*
reichte in biefer 93c3iel)ung 3Kattl?iä, ber ^crDorragcnbftc $äbagogc ©c^njcben« h>äl^renb
60 be« 17. 3a^rl^unbert«, ber greunb tjon ßomeniu«. %üx bic 3^^^ ""^ Srjicl^unfl bc«
Sd^toeben 31
gamen fßolUUbm^ fyiüz \>UM(i)t bte lange unermüblic^e ^^^ätigleit Don ^auIinuS bte
gröBte Sebeutung; ba^ Stubium feinet Sebend mad^t e^ me^r a(S ettva^ anbetet flot,
tt)ie großen 2)anl bie fc^toebifd^c Äultur ber lut^erifc^cn Äirc^c Wulbig ift (©c^üd).
©eit ber 3Mitte be^ 17. 3<*^^^wnbert« öerfd^tpinben bie großen S3if(|öfe. ^er ©c^tüers
))untt ber Seitung ber ^irc^e tvurbe in bie 9leic^dtage t)erlegt. Sinen Übelftanb ^atte 6
bie überall nac^ eigenem Äo))f betriebene I^ätigfeit ber SBifc^öfe mit ftc^ gebrad^t: einen
rec^t großen 9)langel an Übercinftimmung in firc^Iic^er Orbnung jtoifd^en ben ber*
fd^icbenen ©tiftem. 2ltö mit bem SBeftfälifc^en ^rieben ba^ ^jntereffe fic^ lieber ben
inneren Ser^öltniffen bc^ Sanbe^ jutoanbte, machte ftc^ bie^ nod^ me^r bemcribar. ©eit
bem 9lei(^tage t^on 1649 lie^ man bie alte ©treitfrage bed Gonsistorium faQen, man lo
fhebte ftatt beffen nac^ einer ein^eitlid^en firc^lic^en Drganifation burc^ ein neue^ Äirc^en^
.gefe^ (bie Äirc^enorbnung t)on 1571 genügte fc^on lange nid^t me^r) unb gemeinsame
lirc^lid^e Sudler für bie toerfc^iebenen Oebiete be^ religiöfen Seben^. 3luf biefelbe 9luf«
gäbe tourbe bie Äirc^e burd^ ba« Slefultat ber Äriegöpolitil ^ingetoiefen. 3Son 1648 ab
tourben immer neue Sanbfd^aften ber Ärone ©c^toeben« unterlDorfen (unter i^nen alle lö
fianbfd^aften an ber jefeigen ©üb« unb Sßeftfüfte ©d^toeben^). 3^re Serfd^meljung mit
@<^toeben tourbe am p^erften burc^ eine firc^lic^e S^ätigfeit errei(<^t, bie einheitlich
organijtert unb geleitet toar. 3(u(^ bie ©rric^tung mel^rerer neuer ©tifter machte bie
größere Sin^eitlidpfeit be^ !ird^li(^en Seben« nottoenbig: 1618 tourbe baö ©tift SBiborg
in ^nnlanb, 1647 Äarlftab^ftift unb §emöfanb«ftift errichtet, bie beiben legten junäc^p»
ate ©u<)erintenbenturen (»ifc^öfe 1772); 1645 tourbe ©otlanb unb bamit ba« ©ttft
SBBi^b^ getoonnen, 1658 tourbe ©^onen unb ba^ alte ©tift t)on 2unb mit ©d^toeben
i>creinigt; burd^ bie Segrünbung ber Sunber Unit>erfität 1666 entftanb bort ein S^j^eologen*
centrum Don größter SIebeutung für bie fc^toebifc^e ^irc^e; 1665 tourbe ©ot^enburg ein
8ietum, 1678 Äalmar. 35amit toar bie lir^lid^e 5Prot)injialorganifation fertig, foas
toie fte big in unfre 3^i^ ^nÄn getoefen ift (über ©tift Suleä 1904 fte^e bie ©tatiftil).
86er bamit tourbe aud^ bie ^i^age einer neuen Äirc^enorbnung brennenb.
3n biefer ^Ät erreichte ber ©treit um bie Drt^obojie i^ren §öl^e})unft. 3" ^^^^^
Sorfc^lag jum Äird^engefe^ 1649 Don Dlof Saureliu« (»if^of in SBefterS« 1647—70,
ein toürbiger 5Rad^folger Don SRubbediu«, ^erDonagenber Äated^i^muöDerfafJer, berao
le^e gro^e Slejjräfentant ber Jjatriarc^alifd^en S3ifd^of«mad^t in ©d^toeben) tourbe bie
Äonforbienformel für bie Äird^e al« ft^mbolifc^ binbenb anerlannt. 2)er Domel^mfte
®egner toar natürlic^ertoeife 3Matt^iä, ber Don ber Äönigin ßlf^riftina unb nac^^er
toon Äarl X. ©uftaD, in Dielem einem ßrben ber SHeligion^olitif ®uftaD Slbolf«,
unterftü^t tourbe. Son ßomeniu« junäc^ft beeinflußt, gab 5Dlattl^iä toäl^renb be^ss
©treite« mel^rere f^nlretiftifc^ gefärbte ©d^riften l^erau«; il^m jur ©eite trat ber
cnergifc^e unb ^erDorragenbe Sijc^of in Abo, tiof^. lerferu«, ber unter bem bireften
einflufe Don galijtu« geftanben ^atte. 2)iefe 2Ränner fäm>)ften aud^ für bie Dolfe
tümlic^e unb geiftlic^e greil^eit gegenüber ber june^menben 3Mad^t be« ^od^abete
unb ber Sifd^öfe, fotoo^l auf bem J^olitifc^en ®ebiete, atö auc^ mit SRüdtfid^t auf bie 40
^ringi})ien ber angefangenen fird^lic^en ©efe^ebung. 2lte nac^ bem 3:obe Äarl« X.
1660 eine ^oc^abelige Dormunbfc^aftlid^e ^Regierung gebilbet tourbe, toar il^r ©c^idfal
beftimmi ©^nfretiftifc^er Äe^erei angellagt, Derloren beibe i^re Sijd^of^ftü^le 1664.
aajäl^renb be« $ro;ieffe« erliefe bie SHegierung 1663 auf SiJunfc^ be« geiftlic^en ©tanbe«
ein ^lalat, ba« ber fc^toebifc^en Äirc^e ba« ©tubium be« ganjen Äonforbienbuc^g (boc^ 46
nic^t afe ©i^mbolum) anbefiehlt. Saureliuö toar ber ^eftigfte ®egner be« ©^jnfceti^mu«
getoefen; Don i^m tourbe 1663 ein neuer 3Sorfc^lag jum Äirc^engefe^ offiziell eingeforbert,
über ben man bod^ nid^t einig toerben fonnte. Diefe Ääm))fe innerl^alb ber Äird^e jottten
ibr teuer ^u ftel^en lommen. 2)ie löniglic^e äHein^errf^aft tourbe in ©c^toeben mit
Karl XI. eingeführt, unb er toar nic^t SöiUen«, bie Äir^e afö felbftftänbigen gaftor in so
feinem SReid^e befte^en ju laffen. SDurc^ eigene ©c^ulb batte bie Äirc^e feine organifterte
Slegieruna, bie il^re ^ntereffcn Derteibigen ifonnte; bie Sifc^öfe toaren im allgemeinen
toeniger bebeutenbe 3Ränner; unter bem Solle unb ber nieberen (Seiftlic^Ieit enbli^ griff
ni(^t o^ne ©c^ulb ber Drtbobojie unb infolge ber unaufl^örlid^en Äriege ein tiefer religio«
fittlid^er Serfatt unb 3«na^me be« Aberglauben« um ftd^. (^ie ©euc^e ber §e5enj)rojejfe 66
toütete in ber 3eit um 1670, Dom Äleru« gefc^ü^t, Dom berül^mten Slrjt Urban §iäme
befänH)ft.) Slirgenb« gab e« aBiberftanb«!raft gegen ben abfoluti«mu«. Da« Äirc^cngefefe,
ba« auf SBeranlaffung be« Äönig« 1686 angenommen tourbe (burc^ eine 9?erorbnung betreff«
ber 3)omIaj)itel 1687 DerDoHftänbigt), erfüllte in ber 93ejic^ung bie SBünfc^e ber Äird^e, bafe
e« bo« Äonforbienbuc^ al« fi^mbolijc^e« S3uc^ einführte, unb bamit bie §errfc^aft ber eo
32 Scfftoeben
Crtbcboric bcfcfti^tc; w cjab a\i(b bcr Äir*c bic cinhcitlicfcc Crganifation, für tvcic&e fie
&»» ^abxi lang gearbeitet hatte, unb führte baburch \a einer neuen 3^^^ i" ^^^^ ®f=
fchichte; aber e« raubte ihr bie frühere Selbftftänbigleit unb legte bie "Scac^t in bie $anb
bes Honigs. Jie Äirchc ipurbe in eminentem Sinn eine Staatefirche, obgleich ber ftönig
5 nie in 2*n?ebcn bie Stellung erhielt, bie man „summus episcopus" ,^u nennen J)fle0t.
üjjährenb bic Öemeinbcn ein 3^^^^""^^*^ lang einen fchiueren Äamjjf um ihr uralte^
iKahlretht gegen bcn oochabel unb bie 33ifchöfe geführt hatten betreffe einer ÜRenge geifls
lieber Stellen, nahm je^t bie Ärone ba« ^Hecht in Änfpruc^, biefe (bie „regalcn ^JJfrünben")
ju befegen. lie fremben ftaaterechtlichen ^'t>cin, bie im älnfang bc« S^^'^N«^^^ ^««^
toben Sieg Äarlö IX. über Sigi^munb überh?unben hjorben maren, tauchten nun unter
bem lerfmantel be« abfoluten .Königtum« tvieber auf. 2)a6 hefte fchtoebifchsgermanift^
ßrbe ber .üirche h^urbe bebroht, tvie aud^ tai^ ftttlich-religiöfe Veben öb^une^men anfing.
Um biefe beiben *J?unfte beilegt fich bie Äirchengefcbichte ber folgenben ^txt
öfür ben 'Koment \vax bie ©efahr baburdb tjerbcdt, bafe ba« Königtum bic SoBcnbung
15 ber großen Crganifationearbeit energifcb betrieb. 2Jie ^üt um ba^ ^ahx 1700 bietet
nach auBen einen toirflich imponierenben flnblirf. ^m ^al}x 1689 erhielt ba« 9lei(^
einen gemeinfamen Matechi^mu*^, 169:i ein neue« Äirchenbanbhuch, 1698 bad berül^mte
Äirchenlicberhuc^ (f. ärt. Mirchenlieb 58b X, S. 441 f.), 1703 eine reöibiertc Sibel*
Überlegung unb lur^ banach ein grofiC^ Sibelmerf (f. 3lrt. @e$eliu«, Sb VI g. 654 ff.).
2o0eorbhete Suchführung tourbe 1686 allgemein anbefohlen unb ^au^öcrböre begannen
(f. Slrt. Mircberibüdher Ob X, ©. 362 f.); ein föniglicher Grlafe bon 1695 orbnete ben
allgemeinen Minberuntenicht im Sefen unb im Äatechiemud an. SBenn bic Äircbe im
älnfang be« i^ahrhunbert^ ba^u mächtig beigetragen ^atte, Schtpcben ^\ix politifchen @röte
|iu erbeben, fo h?irtte nun biefe äuBcre politische Wröfee in ihren legten Stunben mit,
26 Schmebene ftirche an bem firchlichcn in^rfall in ber lutberifchen 33elt teilbeifc Wohlbehalten
tjorüberjuhelfen. lie^eit ber politifc^enörößc erhielt nun ihren Spätfommer mit einer 9lei^e
firchlicher "IJcrfönlichfeiten mit fühnen ©ebanfen, glühenber iiaterlanbeliebe, oärte gegen
jebe 3lbii>eichung üon ber reinen Sehrc aber mit einer nie berfagenben Cpfcrtpttligieit
Tür bie ^orberungen ber orthoboren Äird^c unb bie bcr abfoluten ^lltonarc^ie; fie toarcn
•^') echte Äarolinen im lalar, bic öeiftc^t)ertraubten Xarle XII. fotoohl in bcr Jyrömmigfcit
aü in ber Unbeugfamfcit. 2i>ir n?ollen hier nur bic beiben ßrjbifchöfe Clct Söcbiliu»
(1681— 17'.MJ), ben iserfaffer bc« Äatcc^i^^mu* unb be^ Mirchenhanbbu^^, unb Grit
93en$eliu« fen. (1700— 17u9), '^Nater ber bcrühmteftcn 53ifchof«familie gchmcben« (3 SiJbne
hjurben ßr^bifchöfe), cnoiihnen; hierher geWren auch bie beiben öejctiu^ in ginnlonb
35 (f. 3trt. 0e;cliu55), bcr heri?orragenbe Xiduer, lorften 3iub^cn, bcr Sänger ftarU XII.,
6hcf bce Stift* Marlftab, fpäter 3)ifd>of in i'inföping, ber SiJortführer be« geiftlicben
Staube« bei mehreren rHcich'jtagen, geft. 1729, unb bor allen bie grofeen Äird^cnliebers
bichter Spcgel unb Soetberg. öaquin Spegel, ber grofee S>ortämpfer ber fircbßc^en
Uniformität unb SJeförberer ber "3>olfebilbung, bcr mit ,Mraft an ber Spigc me^rcw
40 Stifter ftanb unb fchlioBlidt' Crr;bifchof tourbc (geft. 1714) ift eine ber benlic^ften ©eftalten
ber fchrt?ebif*en Äirdv; fein cbler, frommer (Sharafter ftrahlt in feiner Äirc^enlicbcrbic^^tunö
un^ bell unb flar entgegen. J^MVht SiH^bberg, Sifd>of in Sfara, h?ar auch im ®runbc
feinet CSharaftcre ein Carolin; aber feine grbfete Sebcutung lag barin, bafe er burc^ feine
Cppofiiion gegen bie -fliiBbräuche bcr Crtboborie unb burch feine ftarle äfnnä^erung an
45 ben '.\Kpftici*mue auf eine neue ;^i\t hinbeuteic. Gr überlebte auch lange feine eigene
(geft. 17301. Gin cigontümlidHT Montraft oviidK^i bem iH*rbreitetcn religiöfen Serfall
unb bicicn ßcftalten! Sic hatten feine nciKn (^)ebanten, tonnten fein neuc^ Sehen et«
werfen, aber fie bintorlicn ben Aührern ber Mirche alö ihr Grbe eine grönimta!eit, bie
tief genuA u\ir, um tie cd^t religibfen Mrciftc bcr neuen ,^eit ju ijcrftchen. — -uiit bem
5.) lete Äarle XII. trat eine iifcn^ung auf bem Webiete ber i\an\cn fchlpcbifc^en Äultur ein.
3. lic relioiiLM'c Gnredung unb bic iMüte;eit ber Äird^e 1718—1772.
ler lUetieinu^ un? rae >>crrnlnitcrtuni enrccficn tic breiten Schichten bei8 fc^toebifc^en
i^olfe in fiitlid^^religiofcr ."^infidu in bcr gleidk-n ^'.'it, in ber auf bem fulturcHen unb politifc^en
©ebieie unter tcm rcfni? Der iHTtc^evtcn ,.;^eit bcr Jvreibeit" ber SnWöibuaUdmu« er*
55n?achte 071*^—1772). Tanf tcm ermähnten Grbe mie ber Marolinerieit fonnte auf
mehreren Seiten eine üi?echfela>irfung jmifc^^en ber neuen Grtücdung unb oer alten ortbo*
boren ^rönitnigfeit entftehen, unb auf biefe SBieife eine ecfolareu^e firc^Iic^e älrbeit, fotDO^
;ur ilNeniefung bes religiöfen '^olteiebend aU ynSriMMM 04^ ^^^ Singriffe ber
Staatemacht betriehen kuerben. 2)i( jMDtf|tfgM|^H^|E^ f((ta>ebif(^rluii^if(ifen
»v.Äirc^e trat je^t ein; ftc tomlf j||A||^^^^^^^^^^Kbic bcft itontinentd bem
Scfftt^en 33
3ct>aratiömu^ be^ 18. S^W^nbert«, ebenfotoenig tote ber religiöfcn unb jjoUtifd^cn Auf*
Jätung be^felben eine Seute toerbcn. — ©c^on in ben legten ^a^ren Äorte XI. ^alte
)er ^iett^mu^ bie beutfd^en 9cft|ungen ©d^toeben^ erreicht, too er mit beutfd^ev oxtf^o^
>oscr Seibenfd^aftlici^feit (t)on 3- »• 5Ka^er) belämj)ft tourbe. 33on bort au^ fanb er ben
Beg nac^ ginnlanb (bor allen burc^ bie beiben ^ol^ann SßJegeliu^) unb guten Soben im pnnifd^en 6
iBolf^emüt,„aber tourbe balb bon ben ©ejeliuiS mit §ärte beläm})ft; 1689 frrad^ ba« ©om«
ütpxUl ju Abo ba« erfte Urteil über brei ^ietiften. 3n ben erften 3jöl^r«t beiJ 18. ^aüft^
^nbert^ trat ber 5ßieti^mu« in ©d^toeben, runb um ba^ Saltifd^e 3Reer unb in ©tocB^oIm,
Ulf. 3(m ätffeffor ®eorg S^becfer erhielt er einen nic^t unbebeutenben ^ird^enlieberbid^ter.
Sine für ba« religiöfe Seben eingreifenbe Sebeutung getoann bie S3ehjcgung jebod^ erft, lo
M bie in ftbirifc^er ©efangenfd^aft gcl^altenen unb bort (^aujjtfäc^Kc^ burdjl bie 3:^ätig5
fett eined beutfd^en ^ragoner^au))tmann^ t>on SBreefc^) für ben ^ieti^mu^ gewonnenen
ßoltatoalrieger nad^ bem 3;obe Äarte XII. nac^ $aufe famen(1721). 9lun verbreitete ftd^
>ie Grtoedfung über grofee Si^eile öon ©c^toeben. 3)ie gefunbe unb ber Äird^e nic^t feinb«
[ic^e ©eite be« ^attefc^en ^ieti^mu« toar nod^ öor^errfienb. ®ine SKen^e t)on ®eifts is
[id^en gehörte gu i^r. S)ie gtoei größten 3Ränner ber Kirche gu biefer ^cxt, ®ri! SSen«
jcliu« iun. (Sifc^of in 2inföt)ing, grjbifc^of, geft. 1743) unb änbrea« Stobeliui^ (?Jrofeffor,
\pätn Sifc^of in 2unb, geft. 1738, ber e^e bebeutenbe unb felbftftänbige ^P^ilofoj)^
S(^n)ebend), 3Jlänner, toelc^e nad^ ben SBorten eined Sitteratur^iftoriferd „toie jtoei
äetDaltige ^ortalfiguren am @ingange be^ ©ebäubed ber S3ilbung fte^en, toeld^e bieao
ifyct ber fjrei^eitjeit bilbet" (SBarburg), toiberftanben biefer Slid^tung nic^t. S3efonberd
)er le^tere f^m))atbifterte mit ber S^ätigfeit be^ jungen, für ben ^ieti^mu^ getoonnenen
Beiftlic^en ^eter TOurbecf in ©d^onen (1731—46) unb ftettte felbft feine ©ebonlenfc^ärfe,
teine t^eologif^^e ©ele^rfamleit unb })raftif(^e Sefä^igung in ben ®ienft einer tieferen
Religiofität; t)or aDem lag il^m bie ©rjiel^ung ber S^g^nb toarm am ßerjen. 3Rurbed, 26
)en man ben ^rande ©c^toeben« genannt l^at (er toar jebod^ toeniger )^m})atj^ifc^, ^art
mb ftreitbegicrig, geft. 1766) tourbe ba^ $au^)t ber religiöfen ©rtoeoung in ©übfc^toeben.
In gleid^er 3eit trat in Dberfc^mebcn nac^ 1723 ßrif loüftabiu« auf^ ®r toar Silor,
päter Pfarrer in ©todf^olm (geft. 1759), unb toibmete ber görberung be« c^riftlid^en
Jcbend eine unermübliAe unb fegen^reid^e Slrbeit. 6r ift ber bebeutenbfte 3lame ber so
nnem firc^Iic^en Oefc^ic^te ber S^'xt. — ^m ganj^en begegnete jjeboc^ bem ^ieti^mu«
ne^r 9öiberftanb al^ Serftänbni« feiten^ ber oberen Se^örben. wirrere Sifc^öfe griffen
^n an, ber geiftlic^e ©tanb be« Sleid^^tag^ toar il^m feinblic^; bem loBftabiu« tourben
neuere lange anbauembe 5ßrojeffe gemad^t, unb bergleid^en ^atte aud^ aWurbed in ©d^onen
la^^er ^u erleiben. 6in ganj" befonbere« auffeilen ertoecfte ein Äontjentilel in ©idtla S5
lufeer^alb ©tod^olm^ 1723; bie ^Regierung machte ben $äu})tem einen ^rojefe, toobeifie il^e
Jnfd^uung in einer au^fül^rlid^en3)enffcf»rift ijorlegten, bie al« bie SJo^matil be« fd^toebifcpen
Sieti^mu^ beaeid^net toerben fann (Sunbftröm). ©ie tourben freigefproc^en; aber icS
efultat ber 33erl^anblungen toar, bafe bie Slegierung ba^ befannte Äonöentilelplalat 1726
nrücfe. 3n biefem tourben bei ftrenger ©träfe atte privaten ©rbauungö^ujammenfünfte 40
ocrboten. dagegen erlaubte man §au^anbac^t unb bie (Seiftlic^en tourben aufgeforbert,
oft ^au^üerl^öre gu galten. 211^ ©d^u^ gegen })ietiftifd^c ßntartim^ toar ba« ^lalat \>on
9{u|en; aber bie engen ©c^ranlen, bie e« jog, blieben für ba^ religiöfe 2eben be« Sanbed
me^r atö 125 ^oi}xz lang eine %^^d. ^ierburc^ tourbe aud^ bie f(<^toa(^e ©tettung blo^«
gelegt, in ber bie Äirc^e ber Staatsmacht gegenüber ftd^ befanb. ©ie lam toäl^enb beS 46
Streite« nodb in anberer SBeife jum 3?orfc^ein. I)er fouöeräne ©tänbereic^Stag, ber bem
fout)eränen ÄönigStum gefolgt toar, fe^te, öon ber ^ietiftenfrage t)eranla|t, 1723 einen
bcfonbemäu«fc^ufe,biefog.@{flcfiafti!bclputation,nieber. 6r toar beftimmt, ein t)om Sleic^S-
tage ab^ngige« Consistorium generell über bie Äirc^e ju toerben; er follte u. a. ba«
Rrcd^engefe^ in Übereinftimmung mit ber ^Politif ber neuen 3rit umarbeiten. ®o(^ l^tte so
Sc^toeben am geiftlic^en ©tanb be« SReic^Stage« ein firc^lic^e« ßentralorgan, toeld^e« e«
kMsfianb, bie I^ätigleit be« 2lugfc^uffeS ^u neutralifieren unb über bie ©tettung ber
KbÜ^ im &taat gu toac^en. Q^ ift in ni^t geringem ®rab baS ^erbienft Don 93enje{iuS
mb 9t);bettud, bag bie fd^toebifc^e ^irc^e nid^t toie bie anglitanifc^e ©taatsfirc^e ju biefer
gcst in ben 3RaIftrom unb Jlorru))tioni^eift ber ))oliti{c^en ^arteigegenfä^e mit hinein- 66
Piogot iDurbe.
•int Solg« ber Iräftigen SKaferegeln gegen ben ^ietiSmuS toar, bafe feine ®in-
i^ter ^ert)ortrat. 9?od^ tjer^ängnistjotter tourbe bie grofee SBette beS fat^oli::
I 9b^cfdmu«, bie im älnfang beS 18. ^al^r^unbertS @uroj)a überfc^toemmte.
Sd^toeben im britten S^^^^ä^^nt beS 18. ^^^^^««^^'^ ""^ verbreitete fid^ eo
iMc m XlttoloQh unb mtä^t. 3. «. XVIII. 3
34 Si^toebett
in bcn ©j)urcn be« ^piettemuö. ßincr il^rcr beften SRcjpräfentanten, bcr ©tubcnt ©t)cn
9lof6n (be« Sonbcö toertoiefen 1741), jctgt, ba^ man bielc latj^olifd^e 3}ti)\tit, tote j. 8.
5Kme. ©utoon in ©c^toeben gelcfen ^at. ßttoa \>on 1727 ab nal^m bic Setoegung über-
l^anb. ©cptoerc formen t)on ©d^toärmerei, ©ejjarati^mu«, 3lj)oIaI^))tiI, attg^»"««« ^nt^
ögtoeiun^ folgten, ^ntoiefem 2)iW)etö Sefuc^ in ©c^toeben 1726—28 ju biefer SMd^hmg
mitgetoirlt f^ai, ift nod^ ntd^t erforfcbt. ^n ben brei^iger ^al)xm toar bie innere fini^^
lid^e ©ituation unfid^er. Da fam §ilfe bom $erm^uti«mu«. ©c^on bei bet Segrünbung
ber Srtibergemeinbe 1727 toar ein ©c^toebe ber 3Jlitl^cIfcT Sinj^bö'^^- ^ toar Slffeffor
6. §. ©runbelftiema, ber and) fj)äter für bie religiöfe ®nttoidelung Sinj^nborf« bon
loSBebeutung toerben foDte. 9Son erfter ©tunbe an rid^tete fid^ aui) ba« gntereffe bw
^erm^uter auf ©d^toeben. ©runbelftiema lehrte 1729 nad^ ^aufe jurüdt unb bereitete
fier 10 3a^re lang ben Soben t)or. 1738 tarn ber 5ßrit)atbojent Slrt)ib ®rabin na<^
terml^ut unb tourbe balb ber ^ert)orragenbfte ©(i^toebe ber SBetoegung. äud^ ber ^Sttf^kt
o\6n trat in bie ©emeinbe ein, alö er ©c^toeben berlafjen mu^te. 35ur(^ bie 38er-
16 mittelung biefer 3Jlänner tarn ^ in ben ^a^xm 1739—44 ju einer Slütejeit be« §erm=
^utertum^ in ©(^toeben, mit jtoei $au^)tftationen: in ©todEpoIm unb in S33eftergötlanb.
©ein @influ| toar gro^ unb ^eilfam; bie ©d^toärmerei nal^m ab, ©d^aren \)on $ietiften
tourben in bie Äirc^e jurücf geführt; ba^ emfte, tomn and) einfeitige »etonen ber ®r-
löjungöle^re fanb aud^ bei ben Ortl^obojen Slnflang. 2lte (Srabin jufammen mit bem
20 angefe^enen S)eutfd^en 3Kartin 2)ober aU 2)ej)utierte 1741 jum fc^toebifc^en grjbifc^of
gefanbt tourben, empfing fotoobi er ali bie t^cologifd^et^afultöt in U^fala fte mit ©^m-
batl^ie ; fie erl^ielten bie (Srlaurni^, in ben ©todt^olmer Äirdben ju Jjcbigen u. f. to. —
ßdber geigte ftd^ im ^a^r 1745 aud^ in ©c^toeben bie falfd^e Stnnäl^erung an ben
bftici^mu«, bie feit 1740 bei ben bcutf d^en ^erm^utem ftd^ t>erbreitet l^atte. „3n
------ " " erfte
26biefem 3a^r fing in ©todt^olm eine feiige SBunben^ unb 93luti)eriobe an", fagt ber
Vertreter ber neuen Slic^tung 3Jlag. 5p. SBertoing. 2)ai8 3lnbeten ber ©eitentounben
El^rifti tourbe bor^errfd^enb. ®iefe hanfl^afte Überfjjanntl^eit führte gum ©infen ber
Steligiofttät, jur ßerrfc^aft be^ ^arteigeift« unb jur 3j^>>Ktterung ber SBetoegung in
eine SKenge bon ©elten. 9?un tourbe auc^ Dr. 3l. Ä.^utftröm für bie Setoegung ge=
aotoonnen, ber er il^r erftc^ fc^toebijd^e« Sieberbud^, gion« neue Sieber, gab, baS feitbem
in immer neuen Stu^aben erfqien (bie le^le 1898). ®rft feit 1760 tourbe biefe
„3eit be^ ©ieben«" burd^ bic eifrige Slrbeit eine« beutfd^en ?Paftor« Sie nebft grau
übertounben, toeld^e 1760 au« bem toieber auf gefunberen Sahnen gel^enben ^errn^ut
in ©todtl^olm anlamen, unb toeld^e me^r aU 20 ^af)xt lang ba« ^erml^utertum in
86©(^toeben leiteten.
3)ie gefä^rlid^en 3lu«toüd^fe ber religiöfen @rtoedfung«arbeit Ratten eine gute golge
gehabt: ein aDaemeinere« ©treben feiten« ber Äirc^e, bem tiefen religiöfen Sebürfni«
ber 3Jlenge felbp abjul^elfen. ®ine SReil^e \)on Sifd^öfen unb ©eiftlid^en mai^tm ftcb nun
berbient, nid^t nur al« bie öome^mftcn Vertreter ber a3ilbung, fonbern auc^ burd? eine
40 feelforgerlic^c 3;bätiglcit, bie an lut^erifd^cr ©efunbl^eit unb rcligiöfer Xiefe in ber
fc^toebifc^en Äirdpe nie übertroffen toorben ift. §icr fei nur ber berü^mtefte ?Prebiger ber
Seit, ber I)om})robft ©ben 93älter in SQäejio, ertoä^nt (geft. 1760; auc^ toegen feiner
^iftorifd^en Unterfuc^ung ber Äird^enceremonien, eine« nod^ unentbef^rlic^en Sffierl«, berühmt);
Sifd^of Safob ©ereniu« in ©trengnä« (geft. 1776), ber 1735 anfing, für bie ®infü^rung
45 ber Äonfirmation nac^ englifd^^bänifd^em 3Mufter in ©c^toeben m arbeiten (bie Äon-
firmation tourbe in ben 1770igcr ^a^i^^" allgemein); unb ber §oft)rebiger 9lnber« ^lofyc^
f^örg (geft. 1767), beffen ^oftiEe, „I)ie ©eIigfeit«orbnung be« gefattenen 3Menfd^en", bo«
bom fd9toebif(^en Soße am meiften gelefene unb biclleic^t nur bon ber Sibel unb bem
©efangbud^e an S3ebeutung übertroffene ®rbauung«buc^ ift. 35em $ieti«mu« näfyn, ober
60 boc^ mit lutl^erifc^em ©runbton ftanb ber bon 3J{urbed getoonnene 2lnber« ©Ifbing, „ber
SWann mit bem Oeift unb ber ^raft bon eiia«", geft. 1772 nur 28 3a^r alt. — @in
f^öne« Statt in ber ©efc^id^te ber Äird^e ift bie eifrige 3Jlifrion«arbeit unter ben Zapp-
länbern, bie bom 2lnfang ber 1740iger ^al}xt in lut^erifd^em ©eifte bon ^ßer gjjenjiröm
unb $er ^ögftröm geleitet tourbe. (Sine böllig eigenartige, feine«toeg« bebcutung«lofe
66©tenung m ber f^toebifc^en Äird^e nal^m gmanuel ©bebenborg (geft. 1772) ein
(f. 2lrt. ©bebenborg). — 2)ie« ftra^lenbe lird^Iic^e Silb mufe man, um c« rec^t ju
berftel^en, auf bem §intergrunb ber })olitifd^en ©efc^id^te ©c^toeben« toäi^enb ber
t5reil^eit«jeit betrachten. Diefe toar an neuen gbeen unb fül^nen SSerfud^en reid^, fie
toar bie ®rünbung«})eriobe be« neuen ©taat«Ieben«, too alle Gräfte auf bie innere
eo Äulturarbeit unb ben ©d^uft ber nationalen ©elbftftänbigleit bertoenbet toerben teuren.
Sf^meben 36
$ter toutbcn bem f ird^Iid^n Seben reiche Slntegungen gegeben ; unb bte Äird^e tjerftanb
ed, biefelben angutoenben.
4. Die 3ett ber 9leoIogu 1772—1817. 2)ie Seit trug bennoc^ Äeime be«
Slücfgangg in \xd), ©ie toar bie Übergangszeit t)om ©d^toeben ber Sieformation unb ber
ftrie0«j>olitif jum mobemen ©taat, unb Jte toar, toie aDe fold^e S^xttn, boD t)on 6
gbealen, aber e« manaelte i^r an feft aufgefkeDten 3^^^- ^^^^ tourbe ber Jj^antafie?
tofen, räfonnierenben Siernunft ber äufflärung ber ©oben nottoenbig bereitet. 2)iefe
^tte fd^on längft bie fc^toebifc^c Äultur angeftecft. ©eit 1770 toaren bie großen,
reKfliöfenURänner ber bor^erge^enben3rit l^ingegangen; 1772 beftiegber ec^te SlufHärun^g*
fürfi, ©uftob III., ber 3leffe griebrid^« be« ©rofeen, ben I^ron. 9Run fanb aud^ etne lo
Seronberung auf bem lirc^Iid^en ©ebiete ftatt. ®ie franjöftfc^ beeinflußte 35id^terfd^ule
©uftaW III., befonber« ber berübmte 35id^ter 3- «&• Äeugren, rid^tete gegen ©toeben*
botgioniSmu« unb 5ßieti«mu« bie SBaffen ber ©atire. Der beutfd^e SationaliSmu« fing
an, aud^ bie gü^rer ber fd^toebifd^en Äirc^e me^r unb me^r ju bel^errfd^en (bor atten
9R. 2^ribna unb ^. 31. Senbblom; ftel^e 3lbt^. III); bo4 brangen nie bie ©jtreme ein, i6
iinb in getoiffen 3:eilen be« fianbe« (befonber« in ©übfc^toeben) l^at bie Sleologie, h>ie
e« f(^eint, nie bie ^errfc^aft errungen. 35aS §erm^utertum unb ber ©toebenborgianiSmu«
toaren bad ©alj be« religiöfen 2eben« bcS iSinbe«- ju ber einen ober ber anberen biefer
9tt(^tungen gehörten toöl^renb biefer 3^it faft aDe iDlänner ber Jtird^e, bie fxdf burc^ ed^te
grönimigleit bemerfbar machten (j. 8. 2lnber« Änö«, 2)omj)ropft in ©lara, geft. 1799, 20
unb fein ©o^n ®uftat) Änö«, ^rofejfor in IXp^ala, geft. 1828). 3m SSoIföleben toirfte
btc ertoedhing ber 3Jlitte be« Sal^punbert« nac^, jutoeilen öerbunben mit ber au^ ben
3:agen ber ©(^toärmereiftammenben Sleigun^ jur ©eltenbilbung (fo j. S3. bei ben fonft ftreng
lut^erifd^en ^ietiften in mehreren norbfc^toebifd^en Sanbfc^aften in ber 3^* t)on 1760—80,
bie fog. alten lä Barne). Durc^ mehrere SrtoedEung^rebiger tourbe ber toürttembergif^e 26
$iettdmuS in ©d^tueben berbreitet, unb jugleid^ ber et)od^emad^enben SBirtfamteit ^enril
©c^ortau« Sa^n gemad^t (f. ärt. ©c^artau). aiud^ bie mit ÜKü^e betoa^rte ©elbftftänbigleit
ber Äirc^e im ©taatsleben tourbe öon ber Sluff lärung nid^t toemid^tet. S)a« toieber f ouöerän
getoorbene, rationalifKJc^e Königtum übte jtoar eine 3^itlang, burd^ bie Sefe^ung ber
©teilen u. a., einen fcpäbigcnben ©influfe auf bie SSer^ältnijfe ber Äirdbe au^. aber e« so
fonb an bem geiftreid^en unb IraftöoHen Sifd^of DIof SgSattqtjift in SöeEiö (feit 1787)
einen (Segner. ®r toar bie ^ert)orragenbfte lirc^Iid^e 5ßerfönli(^feit ber ©uftabianer ^txt,
old ?ßoIitif er unb ginanjmann ebenfo bebeutenb toie ate f ird^Kd^er Organifator ; er toar mit
toenig me^r ate 30 3a^ren einer ber Seiter be« Sleic^^tage« unb ber Äird^e. Unter feiner
gcitung tourbe 1789 ein neue« firc^lic^e« Slmt, bie fog. 6fHeftaftiIeö)ebition, erric^trt, ss
too aBe lin^lid^en ängelegenl^eiten tjorbereitet tourben. Die« 3lmt l^atte eine relatiö felbft^
ftanbige ©tettung bem Äönig gegenüber, ©eine 3:l^äti9leit toar furj aber fe^r nü^Iid^
unb bereitete bie Drganifation be« je^igen Äultuömimfterium« bor. SBallqbift arbeitete
fid^ ju 2:obe. ©r ftarb tm 3ia^re 1800, 44 ^a^re alt. 3n religiöfer ^infid^t toar er
ein ®egner ber 9Reo(ogie; er iprebigte im ©eifte S3ä(ter«. ^m übrigen ^at er einen«
mobemen 3ug toie bie Stfd^öfe au« ber ?Kitte be« 19. ^a^r^unbert«. $ier toar ein
aScrbinbung«glieb jtoifc^en ber Äirc^e ber ^ei^eit«geit unb ber lird^Iic^en SReftauration be«
19. Sal^rl^unbert«.
3toar mangelte e« ber 3^^^ <^^ Ä'^oft, ber Äird^c neue Anregungen ju geben. Da«
J)0fttiöe SRefuItat i^rer I^ätigteit toar gering, toenn man bie })rinjij)ieue SInerfennung ber 45
9leliflion«frei^eit au«nimmt (1781, toenn auc^ nur für frembe d^riftlic^e »elenner; toenn
©d^toeben t)on ber SReligion be« 2anbe« abfielen, tourben fie be« Sanbe« öertoiefen), ba«
bouembe Serbienft ber neologifd^en 3^^* um bie geiftige Äultur be« fc^toebifc^en SSolI«.
Die neologifd^en 9leöifton«t)erfud^e an allen Suchern ber Äirc^e mi^angen fämtlid^. Die
Hvcd^t toar auc^ nic^t mäd^tig genug, bie Äraft be« Solfe« in ben j)oIitijd^en ©türmen so
gu ftä^len. Die Abtretung tjon ginnlanb an SRufelanb 1809 toar faum in })oIitif(^er,
aber tool^I in lird^Iid^er ^inftc^t ein SSerluft. SBon bort toar tjiel ®ute« ber Äirc^e
©c^toeben« gu teil getoorben. 2tber bie 9?ot toar auc^ \)on SBebeutung; bie fojiialen,
^olitifd^ unb litterarifc^en ©türme in dmopa im Slnfang be« 19. ?ia^r|>unbert« fingen
ouc^ an, über bie Äird^e ©c^toeben« al« SBinbe ber Befreiung ju toe^en. 66
5. Da«19. 3a^rl^unbert 3^ ^^^\^ «"f ^i« fol^enben Abteilungen ^in. ^ier
fei nur angebeutet, bafe bie fed^giger 3i<i55^ i" fird^cngefc^ic^tlic^cr §infid^t ein beutlic^e«
(Brenjmal ber ®nttoidtelung bejeic^nen. Die erfte §älfte be« ga^rl^unbert« toar bie ^txi
ber firc^Iid^en SReftauration, toie bie beainnenbe »lütejeit ber äußeren unb inneren
9Riffton«arbeit, unter 3lu«einanberfe$ung mitfortbauemben, toeniger bebeutenben fefterierifc^en eo
3*
36 Sd^toebeit
Setoegungen fubiettbiftifd^er, im übrigen jietnltd^ unKarer, teltgtöfer Haltung ; (bie neuen
„läsarne" in 9lonIanb fdt 1805, bie'ßril ^anfiftcr in ^elfmölanb in ben bieruaer
Salden u. f. h).). 3" '^^ ^^^^^ t'^ g^^^'f^«"^^*^ P"9^" ^i^ nonlonformiftifd^en än^
fc^auungen ber anglitanifd^en äBell an, aud^ in Sd^toeben feften @runb m gewinnen;
5 ber englänber (Seorg ©d^ott j)tebigte ben ?Ketl^obi^mu« um 1840, $Paftor Sinber« SEBiberg
feit 1861 ben Saj^ti^mu«, ber ^^^infli^^tti^»"«^ folgte ettoa^ feäter u. f. to. 3)a^ Stovti>m:
tiUlplalat h)urbe 1858 aufgel^oben, unb 1860 gab man au^ fd^toebifd^en Untert^en
Sleligion^s unb ©emeinbefreil^eit (toeld^e 1873 unb bann öfter« erweitert Sorben ip).
3)amit na^m bie reformiert gefärbte religiöse Strömung auc^ innerl^alb ber Sanbe^Krc^e
logetoaltig ju; biefe tDurbe bor eine neue Situation unb bor neue 9(uf gaben geftedt. ^u
gletd^ 3^ erl^telt bie Jtird^e bei ber Umtoanbelung be« alten ftönbifcben Steid^tag« in
einen Sieid^^tag bon 2 Kammern 1866 i^re eigene 9le))räfentation an ber Jttrd^en^
berfammlung. 3)aburd^ getoann fte ettoai^ bon ber SteHung innerl^alb be« fc^toebtfc^
aermanifd^en @taat«Ieben« toieber, auf h>eld^e bie 9leformation gejielt, unb bie ®uftab
16 ^bolf beutlid^ au^ef))rod^en l^atte. ^en Sinken babon tann man fd^on fej^en, unb er
h)irb bielleid^t in einer balbigen Sw^""f^ "*>^ ^'^^^ ^erbortreten. S)ie icjtge 3^^ N
oud^ in biefer Segiel^ung mit neuen 9(ufgaben ju tl^un.
IL Äircblid^e ©tatiftil. — ßitterotur: ^. Sll^b^olm, Sveriges Kyrkolag,
Stod^olm 1902; ^. Sf^imbaren: Statistiska studier rörande svenska kyrkan, Örebro 1897;
20 ®. @unbbfirg, Sveriges land och folk, @toc!§olm 1901 (ein bcbeutenbed 3Berf, ouc^ in frans
j^öfifcfter unb englifcfter ©pra^e ^erauÄflcgcbcn) ; ^. Ol^I^ton, Statistisk matrikel öfver Svenska
kyrkana prasterskap 1902, S^unb 1903; Sveriges officiella Statistik i sammandrag, ©tod-
^olm 1905 ; bie legten ßir^en&erfammCungd unb ©tiftDerfammlungdberid^te, ebenf o bie Sa^red^
berichte ber reügiöfen SBereinigungen.
26 1. 93efenntni« unb @elten: ®ie (Sintool^nerjal^I <5d^toeben« betrug @nbe 1908
5221291 auf einen JJläd^enraum bon 448000 qkm berteilt. SRe^r al« 99«/o babon
gel^ören tDenigften« formell ber ebangelifd^-Iutl^erifc^e Staatgfird^e ©d^tüeben«. 3)a« Äird^ens
geje^ bon 1686, ba^, fotorit e« nid^t geänbert ober erweitert h)urbe, noc^ in ©eltung ijl,
fixiert ate Ürc^Iic^e« Selenntni^ (au|er ben brei alten Symbolen): ben Sefc^^Iu^ bon
80 Upsala möte 1593 unb ben ganjen „Liber concordiae". 3n ber SSerfaffung bon
1809 toirb jeboc^ nur bon Upsala möte unb ber Confessio augustana gef^roc^en.
I)iefe Unpd^erl^eit, ob ba^ ganje Äonlorbienbud^ in Sc^toeben f^mbolifc^ geltenb tft ober
nic^t, l^at lebhafte ©treitigleiten innerl^alb ber Äird^e l^erborgerufen (befonber« 1893);
eine enbgiltige ©ntf^eibung ift nod^ nid^t getroffen. — SBSer ber ©taat^firc^e nic^t ju?
86 gehören toid, f)at ba^ freie 9led^t au^jutreten, mu^ ftd^ aber riner anberen bom @taat
anerlanntcn 3leIigion^emeinbe anfd^Iielen. 3"^ 3^^^^ 1^00 jäl^lte man: römifc^e Äati^o?
lifen 2378, ^auj)tfäd^Iic^ in ©todEl^olm, 5Ka(mö, ©öteborg unb 9lorrföJ)ing ; griedj^ifc^e
Äat^olifen 44; Slnglilancr 72 ; 3rbingianer365; ©toebenborgianer 81 ; Sieformierte 107;
aSormonen 51; 3uben (bie mofaif^e ©^nagoge) 3912; ?Ket^obiften 7041; Saptiften
40 3 309. 2)ie legten bilben aber jefet feine ^iffenter^gemeinben, fonbem bleiben formeH in ber
©taat^Krc^e. 35ie toirflid^e 3a|l ber 93a))tiften ©d^toeben« toar ßnbe 1903 um 40 000.
2)ie aWetl^obiftcn ^aben eine tool^l organifierte unb geleitete met^obiftifd^'e})ifIo}>aIe Jtir(^e
gebilbet; bie 3Jlel^rjal^l aud^ bon il^nen ift jcbod^ au^ ber ©taat^Iird^e ni^t angetreten,
enbe 1903 toaren fte in SBirllid^Ieit 15231 mit 133 Äir^engebäuben jum SßJerte bon
46^beinal^e 2000000 Äronen. Der bebeutenbfte feltiercrif^e SSerein innerhalb ber ©taat^
lirAe ift ber 1878 entftanbene ,,©d^h)cbifd^e ^Hiffion^bunb" mit j)ietiftifd^cr ®runb-
faroe, bon ber Äirc^e abtoeid^enber äSerfö^nung^Iebre, (öftere) eigener Jtommunion u. f. to.
©r betreibt eine umfaffenbe innere unb äußere 9)}iffion. 95ie S^^l^^ ^^'f SKitglieber toor
enbe 1903 84602, in 11 35iftriften berteilt, mit mc^r ah 1100 Äird^engeböuben ju
50 einem SBerte bon beinahe 7 700 000 Äronen. 2)er 35unb l^at frine l^aujjtfäc^lic^e SSer^
breitung in ben mittleren Irilen ©c^meben^S (bor aßen 3BärmIanb mit 16846 SWit*
glieber); in ben 3:eilen be^ Sanbe^, tüo bie älteren „Säfarnc" ober ber ©d^artauniömu^
getoirft ^aben, l^at ber 93unb toenig ©rfolge errungen. 2)ie 3^^' ^^ Äird^enbefuc^er ip
nic^t toenig bon ber Slu^breitung be^ SBunbe^ beeinflußt; in ben mittleren 3:eilen be«
66 Sanbe« lönnen fte nur auf ungefähr lO^/o ber Sebölferung bered^net toerben, in ben füb«
lid^en, toeftli^en unb nörblic^en 2;eilen bagegen auf ungefäl^r 25<>/o. 2)ie Urfad^en biefer
Sßerfd^ieben^eit liegen iebod^ teiltoeife nod^ tiefer. — ©cit 1883 toirlt auc^ in ©d^toeben
bie §eil^rmee, feit 1905 in einen internationalen unb einen f^toebifd^en 3^^i0 gefonbert
2. Äird^lid^e ßinteilung unb ©eiftlid^fcit. 2)ie Äircbe ©d^toeben^ ift in
Gf» 13 SBi^tümer (©tifter) eingeteilt ; baju f ommen ba^ ©tabtfonfiftorium bon ©todtl^olm unb
Sd^toekett 37
ba« ^oflonpftorium. 3)a« Ic|^tc ©tift, 2ule8, ba« mit bem ^af}XQ 1904 ju fungieren
begann, toutbe jebod^ bom Sleic^^tage nur mit bem 93orbel^aIt aufgerichtet, ba^ bie oeiben
Stifte 3Be^ unb Jtalmar berbunben tverben, f obalb einer ber beiben je^t lebenben Sifd^öfe
jiirbt; bie Äirc^enberfammlung l^at biefe« nac^ lebl^aften SBerl^anblungen gutgelj^feen att
eine trübe 9loth)enbigfeit. Dag S9i«tum Uj)fala trägt ben Flamen eine« ßrjbi^tum«, 6
obtoo^l fein SSorftel^er im SSerl^ältni« ju ben übrigen Sifd^öfen !aum ettüa« anbere« iji
afö primus inter pares. Über bie ©rünbung berStifter f. o. ©.20,3i u. 31, 1 8. ©ie
finb ie|t Vip\ala (mit ©totfl^olm 303139 ßintü.) 825473 ßintü. (bie ßa^Ien bom 8e*
ginn b. 3. 1903), 2inlö»)ing 409 616 ginh)., ©fara 355239 6., ©trengnä« 344150®.,
ffiäjiera« 400299 ß., SQBejiö 320694 6., 2unb 783366 g., ©öteborg 582525 g^, 10
Äalmar 136245 S., Äariftab 344486 g., SOBi^b^ 53205 @., $emöfanb unb Suleä
(1903 noc^ ein ©tift mit 693 144 S., babon im je^igen ©ebiete $ermöfanb 349 703
unb Suleä« 289441). 2)ie ©tifter ftnb inÄontralte eingeteilt; auf jeben Äontraft fommen
in 9KitteIja^I 7—8 ^ßaftorate (^arod^ialgemeinben). @« giebt je^t 1380 ^aftorate. gebe«
^M^orat l^i feinen „kyrkoherde" (^ßfarrer) ; einer bon il^nen fingiert ate ÄontraIt«J)robft i6
über ba« betreffenbe Rontralt. S)ie ^aftorate fmb oft in ßimelgemeinben eingeteilt, jebe mit
eigener Äird^e unb öfter« aud^ mit eigenem orbinärem ^ßriqter (ber ^Pfarrer in ber &avi!i^
gemeinbe, bie „Äomminifter" in ben ännejgemeinben). S)ie 3^^! ^^ ©emeinben beträgt
2576. auf jeben ^ricfter fommen um 1700 ©intüo^ner (inSJeutfd^Ianb um 1600). 3)er
®e^alt ber ©eiftlid^Ieit ift fe^r Derfd^ieben, aud^ inncrl^alb berfelben ©tufen. 6« regt fic^ 20
ber lebl^afte SBunf^, eine Serbefferung u. a. burc^ gere^tere Serteilung be« ®e^alt«
^erbeijufü^en. @in großer f önigl. äu«fd^u6 arbeitet feit einigen ^al^ren an biefer grage
unb in ^wf^ntmen^ang bamit an einer Umgeftaltung ber ganjen (Semeinbeeinteilung. 911«
3JlitteIjabI lann ber ©e^alt ber Äomminifter ju 2100 Äronen (1 Ar. = 1 ÜKI 12 $f.),
ber 5ßfarrer ju 4000 Ar. unb ber Sifd^öfe ju 12—18000 Ar. angegeben Serben (baju25
überall eigene SBo^nungen ober ^ßfanl^öfe).
3. Äird^enberfaffung unb Unterrid^t. S)er Äönig ©d^tüeben« ift jugletd^ ber
l^dd^e irbifd^e SRegent ber fqtoebifd^en Äird^e. S)arum foH er felbp immer ocr „reinen
cDongeüfc^en Sel^e, fotoie fie in ber unt)eränberten 3lug«burgifd^en Äonfeffton unb im
Scfcfluffe be« U^falaer Äomilium« bom ^a\^xt 1593 angenommen unb erflärt tüorben 90
iji", gehören. 35ei ber 3lu«übung feiner lird^lu^ ?Kad^t mufe jeboc^ ber Äönig „@r!uns
bigung unb 9tat einjiel^en'' toon einem befonberen Jlird^enminifter (Ecclesiastik-minister)
unb bon bem ganjen übrigen Btaat^xatt, bcffen 5Kitglieber aHe ftd^ jur reinen ebange«
lifd^en 2e^e befennen müfien. Unb in Setreff ber fir^Iic^en ©efej^gebung ift feine 9Rad^t
folOD^I bon bem 9ieic^tage a(« Don ber Jlird^enDerfamm(ung eingefd^räntt. Saut be«36
fc^tDebifd^en ®runbgefe^e« „l^at ber 9ieid^«tag gemeinfc^aftlic^ mit bem Jtönige ba«9ied^t,
^eju geben, m Deränbem ober aufju^eben; boc^ ift babei bie SintolHigunQ
n Äird^ent)erfamm(ung erforberlid^". 3)a ber 9leid^«tag au« jtoei
oud^ einer allgemeinen ^ , „ ., , _ ^ „ „
einanber ebenbürtigen Äammem beftel^t unb bie Äird^enberfammlung nur aHe 5 ^afftt
bon bem Äönige einberufen toerben mu^, fo ift jtoar ^ierbur4) einerfeit« ber ©efal^r über* 40
eilter SeJc^Iüffe toorgebeugt, anbcrerfeit« aber bie 95urd^fü^rung bered^tigter Sieformen in
ber firdEihdpen ©efe^gebung erfd^toert. Seid^ter toerben älnberungen ju ftanbe gebracht in
bem, loa« inner^Ib ber abminiftratiben Sefugni« be« itönig« auf bem lird^Iid^en ©ebiete
liegt $ierber gel^ören unter anberem and) %xa^ betreff« einer neuen Stbelüberfe^ung,
be« ^falmbud^e«, be« @DangeIienbuc^e«, be« ^ir^enl^anbbud^e« unb be« Jlatec^i«mu«. 45
^inftd^tlid^ biefer rein lirc^Iid^en ätngelegenl^eiten ift e« nid^t nötig, ben Sieic^tag ju
^ören, too^I aber bie Äird^ent)erfammlung, unb in ber le^tgenannten SHej)räfentation muffen
itoet 3)ritel ber antoefenben 9JJitgIieber einig fein, um einen Sefd^Iu^ ju faffen.
Die f(^h)ebifd^e Äird^entoerfammlung befte^t au« 60 9RitgIiebem (ba« neuerrid^s
tete Stift SuIeS h)irb fernerhin biefe ^al}l mit 4 bermel^ren), loobon bie §älfte ®eifU so
lidjfe unb bie^älfteSaien ftnb. Diefe toerben bon i^ren betreffenben Sieltoren geloä^It, mit
Äu«na]^me ber fämtlid^en Sifd^öfe, loeld^e i^rer Stellung jufolge 9RitgIieber finb. 3)ie
®ebü^en ber getoöl^Iten 3)litgtieber ber 3Serfammtung fotoo^l al« bie übrigen Soften
foden au« ©taat«mitteln bejal^lt toerben. @« ^t ftd^ ba« tonferUatiDe Clement auf ber
Äiw^enDecfammlung, toeld^e jum erften 3Hale 1868 unb feitbem alle 5 ^af)Xi jufammen« 65
getreten iji, pari Vertreten gezeigt.
3unäd^ft unter bem Äönige fungieren ba« Äonfiftorium Don ©todfl^olm unb bie
S)om!apiteI ber 13 33i«tümer al« permanente fird^Iid^e Se^örbe. ^n bicfen Äopiteln t)räfibiert
ber Sifc^of, unb feine 3lffefforen finb im allgemeinen ber 3)omj)roj)ft unb getoiffe Seitoren
an ber öffentlichen ^ö^eren ©d^ule ber ©tift«ftabt; ba« Saienelement ift ^ier burc^ melj^ 00
38 Sd^toebett
3Jlita(icber Vertreten, aU ba« gciftlic^e. Unter biefcn lir^Iic^en 93el^örbcn [teilen anä)
btc SJolföfc^uIen, bagegen feit 1905 ntc^t mel^r bie l^öl^eren öffentlichen Sel^ranftalten.
Unter ben fird^Iid^en 3tngeleaenl^eiten, toeld^e aufjunel^men unb m entfd^eiben ba^ SDom^
taüfxUl befugt ift, toerbienen befonber« genannt ju tüerben bie Slufftellung bon SJorfc^Iögen
6 bei Sefe^ung aUer ^aftorate ($fanen) unb ^omminiftraturen (mit Su^nal^me einiger
SlnfteHungen, bie jSatronate ftnb) unb bie Slu^fertigung bon ^Patenten bei aHen l^ier^et
gel^örenben 3lnfteuungen, mit 2lu«nal^me ber fog. regalen ^Paftorate. Sei ben l4t'
genannten, beren 3^^! 494 beträgt, l^at ber Äönig ba^ ©mennung^red^t. Die ©emeinbe
tüä^It au« ben bom Domlojjitel borgefd^Iagenen brei 93eh)erbem, bie borber eine 5Probe
10 im ^rebigen bor ber®emeinbe ablegen muffen; bieSBalfjI ber (Semeinbe ift bepnitit) (mit
Slu^na^me ber regalen ^Paftorate). S)a^ alte ©elbftbeftimmung^rec^t ift fomit getüa^rt.
I)ie S)omIa<)itel beft^en ba« Slec^^t, fel^Ienbe ©eiftli^e jur SSertoamung, ©u^j)enfion ober
@ntfe^ung ju berurteilen. 9([le toeltlid^en Strafen bagegen, in bie ein ©etftlic^er ber--
fäHt, toerben bon ben toeltlic^en (Sendeten beftimmt.
16 2)er 93if(i^of ift berbflid^tet, in feinem 93i^tume SSifttationen )u l^alten enttoeber in
eigner ^erfon ober mit Söei^ilfe ber Äontraftj)r5t)fte, toelc^e auc^ im übrigen afö bifd^öf^
liäe 33eamte fungieren. 3)er Sifc^of mufe auc^ toenigften« äße G gal^re bie ®eift-
lidjleit feinet äi^tume^ (Stifte«) ju einer Serfammlung jufammenberufen, bor ber er
berj)fli(^tet ift, einen Slmti^beric^t abzugeben unb geeignete ©i^Iuffton^fragen jur Übet*
20 legung aufutne^men.
3ebe Drt^gemeinbe l^at ba« Siedet, unmittelbar in fog. KyrkoBtämma" (Äirdbei^
gemeinbeberfammlungen) über bie 9lngelegenl^eiten ber (Semeinbefirc^e unb ber SSolföfcpule
)u beraten unb m befc^lie^en, aud^ in ö!onomifc^er $inft(^t. ^ie 9lu^aben ber @es
meinben für tirc^lid^e ßtüedEe betrugen im Saläre 1903 13758334 Äronen: bie Slu^goben
26 für bie SSoIföfd^uIe in berfelben 3eit 23967568 Äronen. 3n erfter $anb ift bie Solfe
fd^ule einem (Semeinbeau^fc^u^, bem ©d^ulrate, unterfteHt, in bem ber $Pfaner feiner
©teHung ^ufolge SBortfül^rer ift. 2)ie ))oIitifd^e liberale ^Partei ift beftrebt, biefe na^e
Serbinbung jtoifc^en jlird^e unb ©d^ule )u löfen. Die iBolföbilbung befinbet fu^ auf
einem J^ol^en ©tanbe; nur Deutfd^lanb unb Slortoegen ftel^en ^inpc^tlid^ ber aHgemeinen
80 Verbreitung ber gertigleit ju lefen unb ju f^reiben mit ©d^toeben auf gleicher Sinie.
@« giebt in ©d^toeben jtoet boQftänbige Uniberfttöten, ju Vip\ala unb Sunb, jebe
mit einer tl^eoIogifdS^enJJafultät. Die ju Uj)fala bat 8 5Prof eff oren nebft einem Slfftftenten
unb bier ©ti))enbiatfteuen. 3" £"«*> J^l^lt bie tbeologifd^e ^ahiltät 6 ^Profefjoren. Mi
t^eologifd^en ^Profefforen, au^er einem, fmb ^uglei^ ^Pfarrer in fog. SPräbenbens^ftü-
85 raten. Um bie Drbination ^u erl^atten toirb erforbert, ein lürjere« ©xamen bor ber
))I^U. ^atultät, bann ein tl^eol. @samen (theol. cand. examen) unb ^rattifc^e Übungen
bor ber tl^eol. ^atultöt, unb jule^t ein examen sacerdotale bor bem betreffenben Dom-
lojjitel ; in einigen götten ift jebod^ Di«})en« bon Uniberfitätgftubien betoiHigt. Die frühere
eiblid^e 33erj)fli(|tung auf bie reine Seigre ber f^mbolif^en ©d^riften ©c^toebenö bei b«
40 Drbination ift bur^ ein ©elübbe erfe^t; bie itird^enberfammtung bon 1903 bat noc^
längeren 33erl(>anblungen bad je^tge ©elübbe formuliert: „Da« 2ßort (Sötte« nadj beftem
33erftanb unb ©etoiffen rein berlünben, fo, toie e« in ber l^t. ©^rift gegeben ift, unb fo,
toie bie 35e!enntni«fd[|riften unferer Äird^e babon 3^9"^^ ableaen".
4. Siturgie. gür bie ^Prebigt bei bem öffentlichen @^otte«bienft gilt ein fefte^
46 ^Perilobenfvftem, axx^ 3 2;ejtial^rgängen beftel^enb. ^m übrigen ift bie Siturgie burd^ bo^
le^te Äir(|en^anbbud^ bon 1894 (mit toenigen Snberungen) geregelt. Die mel^r al« 100
3al^re toäl^renbe Slrbeit an ber Sibetüberfe^ung l^atte al« ©rgebni« bie 1883 angenommene
Ueberfe^ung be« 31%^. Dod^ toirb biefe fd^on toiebcr einer Durd^ftd^t unterzogen. ®inc
neue gute Ueberfe^ung be« 913^« tourbe bon ber Äird^enberfammlung 1903 gutgcbeiftcn,
60 unb e« ift geftattet, fte bei bem öffentlid^en ®otte«bienft ju gebraud^en ; fte ift nocp ni(^t
Hirc^enbibel. Da« ^falmbud^ bon 1819 ift noc^ geltenb unb l^od^gefc^ä^t ; melj^ere 3Ser=
fuc^e, e« burd^ offijieß rebibierte (1896) ober J)ribate neue ^faünbud^borfc^läge ju er-
leben, toaren erfolglo«.
5. Die ?mtffion. hierüber f.bie3trt.£a})»)länbifc^e3Kifriong3bXI©.282f.; SKiffton
65 unter ben Reiben Sb XIII S. 146; ^Kiff. unter ben 3uben Sb XIII ©. 183, 185.
Dort auc^ Sitteratur; ba^u befonber« De svenska Missionerna 1904, VLp^ala 1904.
Die fc^loebifc^e Äirc^e loie bie SSatertänbifc^e ©ttftimg betreiben aud^ eine Jegen«reic^
3Kiffton unter ben fd(»h)ebifd;en Seemännern in einigen großen §äfen ®uro})a« unb
Sluftralien« (bie fog. „Sjömansmissionen") unb unter bengifc^em bei i^rcr arbeit in
60 ber 3^orbfee (©tation Saltafounb, bie ©l^etlanb«infeln). ^jolmor $9lmi|iti{l.
Qd^mUn 39
IIL gd^toebtfd^cXJ^coIogie im 19. ga^r^unbctt. — Sitteratur: «Klfts
renb bie proteftantifc^en S^eofogen in 2)eutf4Ianb ßeigig babei Ttnb, Ueberftc^ten über bie
tbeologifcbe Sntniicfelung bed vergangenen gal^rl^unberiS aufzuarbeiten, jeici^net ftc^ bagegen
bie fc^n^ebifdie Sb^ologie bur4 einen ooQftönbigen Mangel in biefer ^ejie^ung aud, unb bad,
obwohl biefe Zf^eoioaxt üiele ^rfc^einungen \)on n^irtli^er ^ebeutung auf^uroeifen l^at. 91u(6 5
©c^riften über einzelne X^eologen giebt e8 nid^t üiele ; bie bebeutenbften rocrben fpäter eriüdbnt
loerben. Äurj^e 53iograpI)ien finb in „Svenskt biografiskt lexikon" unb Nordisk familjebok"
)U finben. daneben enthalten ^^Svenska Akademiens handlingar^' unb „LefDadsteckningar
öfver kongl. svenska Vetenskapsakademiens efter är 1854 aüidna ledamöter^' einige t^eo^
logtft^e Siograpl^ien. Wieseigren, Svenska kyrkans sköna litteratur'S 3. ^nf(. 1866, t>ers lO
bient au4 biet ermähnt ju merben. ^er [idj eine grünblic^ere .Kenntnis ber fc^nieb. Sbeus
loflic biefer ^eit enocrben mitt, ift barum genötigt, auf bie Originalarbeiten ber betreffcnben
Sb^ologen ^urüd^ugel^en. 2)te SSerfd^iebenbeiten be3 8tanbpunftS unb ber (Sntroidelung fpiegeln
fic^ befonberi^ beutUcb in ben tbeo(ogif(^en ß^itfc^tiften bed ga^rbunbertd ab. (Sr-
freultd) ift, ha^ gerabe in unferen Sagen hie 3^eilnabme für Unterfuc^ungen über bie gelft- 16
liefen ^Bewegungen in ©cbroeben »ö^renb beg legten 3obtftw"bert8 gewad&fcn ift. (So b^t
^rof. D. i». Söberblom in Upfala 1903—04 SSorlefungen über bie fpätere f^roebif^e Xbeologic
gcbolten, welche hoffentlich in einer nlcbt ju »eit entfernten Sw^w^^f* i"i ^t\xd erfc^einen
»erben.
1. D^Jpofition gegen ben 9lationaH«mu«. 2lm Slnfang be« 19. ^afycfym^^o
bert« \ai ber SRationali^mu« auf bem 2;i^rone, audf in ber fd^tüebifd^en t^ologifd^en aßelt
3)o{^ toirb man, obtoo^I bie ©efc^ic^te be« fd^toebifd^en Slationaligmu« nod^ }um größten
Xeil ungefc^rieben ift, bie Sel^auptung tragen fönnen, ba^ feine &ttvoit ^ter nid^t fo
unumfd^rämt aetoefen ift, toie an bieien Orten ber ^roteftantifd^en ®^riflenbett — bie« in
üollcr Uebereinftimmung mit ber 2:i^atfad^e, bafe bie berfc^iebenen tl^eologifd^ Sftic^tungen 26
in©<^h)eben überlaufet nic^t in berfelben SBSetfe bie äuflerftenÄonfequenjen jogen^toieg-S.
in a)eutf(^Ianb. 9Jeoen bem Slationali^mu« l^atten l^erm^utifd^e unb ftoebenborgifdbe äta»
f(^uungen nic^t geringen @tnflug, unb Der aQem ift )u beobad^ten, ba^ bie altgläubige
wrt^oboie JJrömmigleit faft überall in ben entlcgenbften fd^toebifd^en ©egenben auf bem
Sonbc i^en unberrüdfbar feften ©i^ l^atte. »
3n ber 3:^eologte inbeffen ftanb bie rationaltfttfd^e SRid^tung im SJorbergrunb, o^ne
ba^ fie jebod^ 2Berte t)on befonberer Sebeutung l^eröorgebrad^t l^ätte. Unter ben Siamen,
bie bomtnieren, fmb 9R. Sebub^ra (geft. 1808 ate Sifcbof in Sinlötoing) unb 3. 31. Sinb^^
blom (geft. 1819 ate (Sribifd^of m Ujjfala, f. Slobl^e, 3. 31. Sinbblom, 2unb 1905) ju
nennen. ss
2)ie D})j)orttion gegen bie $errfd^aft be« gcfunben 3Jlenfc^eni)erftanbe«, bie ba« neue
3al^^unbert mit fid^ brachte, fing im jtoeiten ©ejennium an fid^ mit fiegenber ©etoalt in
Sd^tpeben 93al^n ju brechen, bor aHcm bur^ bie in ber ©efd^id^te ber fc^toebifd^en Äultur
berül^mten 9lamen 3. D. SBaDin (geft. afö grjbifd^of in U^ala 1839) — ber grofee
^rebigcr unb unbergleic^lidS^e Äircbcntiebbtd&ter, ber feinem SSolIe ein ©efangbud^ toon 40
fold^em ©el^lt gab, bafe e« nur mit ben aUerbeften ber ß^riftcnl^eit m berglei^en ift —
efata« 3:cgnör, ber ©id^terfürft (geft. ate Sifd^of in SBeEiö 1846), g. 3Jl. ^anj^n, ge»
borener ginnlänber, 2)id^ter (geft. al« Sifd^of in §emöfanb 1847) unb ß. ®. ©eijer,
tiftotiler, ^ß^ilofo})!^, S)i^ter unb^Kuftler (geft. aU^ßrof. ber ©efd^id^te in lH)fala 1847).
la« Süd^lein be« Sefeteren „9Son falfc^cr unb toal^rer Slufflärung" 1811, bie Siebe 46
ffioHin« in ber fd^toebifd^en Sibelgefettfc^aft 1816 unb bie Sieben SCegnör« unb ©eijer«
bei bem Slefprmation^fefte 1817 jeigen, ba^ bie ß^t eine anbere getoorben h)ar. Uäer
ba« ertoöl^nte Sudji Ociier« fd^reibt 1843 ber bebeutenbfte 2;i^eolog ©d^toeben« in ber
erften Hälfte be« 3a^r^unbert« $. Seuterbal^l : „SDiefe 3lbl^anbluna toar e«, bie bor 30
3a^en bei einem großen 2:eitc ber 3üngeren ©d^hjeben« bie Slufmertfamfeit auf innere 60
unb geiftlid^e 3)inge lenfte. ©ie bebeutete für ©d^toebcn, toenn anä^ bielleid^t in ettüa«
geringerem ®rabe, ba^fetbe, h)ie ©cbleierma^er« SReben über bie Sleligion für ^eutfd^-
lanb. Die Sdanntfc^aft mit biefer 2lbl^anblung toar für biete (toie für ben 9Serf.) bie
Urfac^e gum Übergang bon einem unbeh)ufeten ju einem betoufeteren unb reiferen Seben."
Slud^ unter ben Uniberfttätötl^eologen fing man an, bom 9lationatt«mu« Slbftanb )u 66
nehmen. ©0 bie t^eol. ^ßrofefforen in Vip^ala Obmann (geft. 1829, j)robuIttber tl^eol.
©^ftfteller), ber boc^ ni^t toeiter afö ju einem gemilberten Slationali^mu« gelangte,
unb ßagberg (gefi 1834), fotoie in Sunb Slogberg (geft. ate Pastor primarius in
©tod^olm 1841), bie um biefe ßeit einen großen ßinflufe auf bie §eranbitbung ber
©eijilid^en ausübten. 2)ie tl^eologif^e Slnfc^auung ber meiften ber ^ier ertoäl^nten 2Känner eo
lann man !urjh)eg ate eine Strt rationalen ©u^jranaturali^mu« bejeid^nen. 2)ie« gilt
befonber« bon fflaHin, §agberg unb 3logberg. 3lud^ bie B\)m\>ati}xm 3:egn6r« gingen
40 Sd^tofkftt
in btefcr SRid^tung. ^a^ cinua SRögKd^e ift ein fcl^r „mobifijiertcr ©iH)ranatutaIi^mu^",
fc^reibt er an einen gr^nb. SJcel^r alt-ort^oboj toax J^onj^n.
2. ©c^toebifd^e 9leIigion^i)l^tIofob|ie. @. ®. (Seijjer bagegcn nimmt eine
ganj befonbere Stellung ein. ®r toax jugleidj ber gro^e ^iftonfer unb oer grofee $^iIos
6 foj)]^, befien ®ebanlen fic^ bod^ am liebften mit ber SReligton afö bem Gentrum in ber
äBelt be^ 9Renfc^en befd^äftigten. ©otool^I burc^ fein Genien ate bur<^ feine frifc^,
geiftlic^ lemgefunbe 5PerfönIid^!eit l^at er für bie f(|toebifc^e Äultur eine SÄeutung ge*
toonnen, bie faum ju überfc^ä^en ift. 3Jlan l^at ü^n SRationalift genannt, unb man fonn
barin di^6)t l^aben, mfofcrn, ate er einerfeit^ bogmatifd^-ort^oboie«, anbererfeitd j)ictiftif(^c«
10 (Sefübl^riftentum für bie (Sefal^r feiner RÄi l^ielt. 2lber er ift auc^ m gleicher 3^
ber 9Jlann, ber für bie ©d^toäd^en beö iRationali^mu^ einen offenen felidE ^atte unb
fte beläm^fte, jugleid^ ber toirllid^ ebangelifd^e Äird^enlieberbic^ter, beffen ^ömmigfeit
toor allem burtp SDemut unb männlid^e 3lnbetung, 2)anlbarleit unb ftarfe« Vertrauen
d^aralteriftert toirb. — ©eine |)bi(ofot)^if(^en SJugenbarbeiten fmb bon ©c^elling beeim
16 flufet. 3i)a^ für feine reife bl^iIofo>)l^if(te 2luffaffung 33ejeid^nenbe ift ba« Betonen ber
^Perfönli^Ieit, ba« ^^^Perfönlid^iteitöjjrinjii)". 2)er äu^erfte ©egenfafe ift nic^t ^egel^ logi-
fd^er (Segcnfa^ jtoifd^en ©ein unb 9lid^tfein. 95er geiler §egefe ift ben Segriff be«
SBerbenben unj)erfönlic^ ju benfen. gi^te l^at barin ein gro^e« SSerbienft, ba^ er bie
^erfönlid^feit nim 9RitteI^unIt ber SBiffenfd^aft gemacht l^at, ober fein ®egenfa| ift ber
20 jtoifd^en bem Sjc^ unb bem Sti^t-gd^, toäi^renb er nad^ ©eijer ein (Segcnfa^ gtoifd^en
bem ^(^ unb einem anberen ^c^, jtoifc^en ^d^ unb ®u fein foQ. @^ ift mc^t genug
nur bom ^d^ au^jugel^en, fonbem bon einer SIBelt ber ^erfönlid^Ieiten. gierte« St^eali««
mu^ ift ju einfeitig; bag 5ßerfönlid^leit^j)rinji}3 rettet bagegen ben ed^ten Steatömug. &
ift immer bon einem 2)u bie Siebe. 3ebe ©rfenntni^ ift ein begegnen. Die ®rfa]^
26 rung alfo bie ?Kutter jebe^ ©rfennen«. ,,S35enn man nidpt bon ber ^erfönlic^leit avi^
gel^t, lommt man niebal^in, ja nid^t einmal juirgenb einer Stealität'^ X)iefe ^^ilo«
foj^bie, fagt (Seiier, ift bie einzig möglid^e, toenn man ben ^antl^ei^muiS lod toerben
toiU. ,,95ie einzige Sorau^fe^ung be^ 5PcrfönIid^Ieit^j)rinji^« ift bie abfolute SnteHigenj
ober ein J)erfönli(|cr ®ott ate ber @runb unb bie Sebinaung ber enblid^en $erfönli(^!eit''
80 ®ie bebeutenbften ©d^riften ©eijerg auf biefem (Sebiete finb: ,,SSon hja^er unb
falfd^er 3tuffläruna" 1811, mit einem toic^tigen Slnl^ang bon 1842; „Über bie ©efd^it^te
unb iJ^r aSerl^ältnig ^ur Sleligion" 1811; „St^orilb" 1820, unb bor attem „S)ie @e*
©efc^id^te be« 5Kenfc^en", SSorlefungcn, gel^alten inUt)fala 1841—42, erft nad^ bem lob«
be^ SSerfaffer^ l^erau^gegebcn.
36 (Seiner ftel^t nic^t ifoliert in ber ©ef^ic^te ber fc^toebifc^en SJeligion^^ilofopl^ie. 6t
l^at melj^ere Vorgänger gel^abt — 3:i^oriIb, ^öjer, ©rubbe u. a. — unb bon ii^m ge^t
ein SQBeg bur^ ben Softrömf^en ^beali^mu^ — (Srünber biefer j)l^i(ofoj)l^ifd^en ©d^ule,
bie einen großen ßinflu^ auf ba« fc^toebifd&e ©eifte^leben gei^abt l^at toar 6. 3- Softröm
(5prof. ber 5pi^iIofoj)l^ie in Ujjfala, geft. 1866) — ju ben beiben l^erborragenbert ^Perfön-
40 lid^feiten ber legten §älfte be« ^al^r^unbert^ SB. St^bberg , ©c^riftfteHer, a)i(^ter, 5P^ilö»
foj)^, geft. ate 5Prof. in ©todf^olm 1895 unb $. üffiilncr, ^Jo^ent ber ?P^iIofot)^ie in
Ulpfala, geft. aU 5ßrof. in ßj^riftiania 1888, bie beibe für ba^ jüngere &^\d)kd)t B^m
bcn^ eine überaus gro^e Sebeutung gcl^abt ^aben unb nod^ l^aben. Sl^bberg unb ®ifnct
gleid^en cinanber barin, bafe fie ebenfo ioie ®eijcr am liebften über religiöfe %xam
46 beulen. Äeine biefer arbeiten 5H^bberg« l^at fo grofie Slufmcrffamleit geloeät toie „©c
Seigre ber Sibel Don Gl^riftu^", bie öicie Streitigleiten unb Diele ©egenf^riften ^ert>or«
rief, bon benen bie meiften bie fird^lic^e 3tuffaffung bon ber ©ottl^eit ßl^rifti toerteibigcn
hjotlten gegen Si^bberg« 35arftellung bon ßl^riftu^ al^S gbealmenfd^en, toag er aug ber
©^rift gu betoeifen Derfuc^tc.
60 SBifner toar eine feiten eble unb feine 9Jatur, eine religiöfe ^ßerfönli^feit t)on l^o^em
Stange, ©ein tiefet, ftd^ felbft anal^>fterenbe^ 2öefen unb feine bemütige, innige gftömmiß«
!eit fmb in feinem Sud^e „©cbanlen unb fragen bor bem SKenfd^enfo^ne" au^erorbcntli$
fd^ön loibergefpiegelt.
3. ©efd^id^te ber eigentlichen 3:^eologie. 2)iefc furjen 3lnbeutungen über
56 bie toid^tigftcn f^toebifc^en ?Heligion^j)l^ilofo|)l^en mögen l^icr genügen, ba e^ ja bor ollem
gilt einen Überblii über bie ©efc^ic^te ber fd^loebifc^en 3:l^eologie ju geben. SEBir toenben
un^ alfo ben eigentlichen 2;i^cologcn ju. 2öä^renb bie rcligion<Sj)bilofoj)l^ifd^e ©ebanfen«
arbeit ^au|)tfäd^lid^ in H^fala ju ßaufe toar, finben toir bie bebeutenbften tl^eologtfd^en
Flamen an ber fübfc^toebifc^en Unibcrfität. 2)aö nac^ einer ^Q\t be^ 3SerfaH^ um ba^
6o3;a^rl820 toieber aufblül^enbe t^cologifd^c ^^bm in 2 unb gc^t auf jtoei 3)länner jurüd
Sd^mekett 41
$. <S>6)attau unb S. 5DI. Sl^Iman. 3)a« Seben^toerl be« erftcren tüar t)ralttfcl^ fir^Iid^er,
bag bc« leiteten toiffenfd^aftltd^cr Slrt. Über ©d^attau« (gcft. 1825, ^rcbigcr in 2unb)
SBirfen al« Homilet unb StaUd)^t, feinen tl^eologifc^en ©tanb^unft unb fein bebeutung«»
toolleö Sintotnen auf ba« fird&Iid[)e 2eben, befonberg in ©übfd^toeben, pel^e b. 3lrt. Bi^axtan,
— ÜRit 3B. g. ai^lmann (t^eol. 5ßrof. in £unb geft. 1844) beginnt eine neue 3eit für 5
bie fd^toebifd^e Xl^eologie, benn burc^ il^n tritt fte erft in Serbinbung mit ber neuen
@podfi ber ®efd^id^te ber 3:l^eologie, beren änfang mit ben Sflamen Äant unb ©d^Ieier^
ma(^er be^eid^net toirb. 9l^(mand Snfd^auung tann am beften afö rationaler Bvipxas
naturali^mu« mit ^auj)tfäd&Iid^er Seeinfluffung burd^ Äant bejeic^net toerben. 3n biefer
3li(^tung l^t er mit fc^ lebenbigem ^nterefie ate afabemifd^er Selber unb t^eologifd^er lo
S^tiftfteller getoirft. Sine Sammlung feiner tl^eologifmen ©d^riften, befonberg jur
SJogmotil, erfcpien 1841. 3l\d}t ba« tüenigft Sebeutung^boue feine« SÖBirlen« toar, ba^ er
e« berftanb, ÜRänner um ftdb ju fammeln unb an bie Uniberfität ju feffeln, bie i^m in
feiner 3lrbeit bel^ilfliA fein tonnten.
Unter biefen fte^en $. SReuterbal^I unb 3- ©• 3^1^omanber obenan. — $. SReuter^ i5
bol^l (f. b. ärt. 33b XVI ©. 705—708. au|er ber l^ier angefü^en Sitteratur über 31.
mug nod^ ©enberg« 93iogra^l^ie über 91. in Svenska Akademiens handlingar unb
©unbberg« in ben 2eben8befd^reibungen ber äBabemie ber SBiffenfd^aften — beibe t)er=
bienftoou, ertoä^nt toerben), ein 3Rann, ber mit einer fd^arfen, Haren, fritifd^en Urteife
haft au^erüftet toar, bereinigte einen unermüblid^en Meife mit einem feltenen toiffens2o
ft^ftlic^en gntl^ufiagmu«. @r ift getoi^ ber gele^rtefte unb bebeutenbfte 2:^eoIog ©d^toeben«
in ber erften ^älfte be« 3«^^""^^^ aetoefen. 9Rit 3:^omanber jufammen gab er 1828
bi« 32 unb 1836—40 in 2unb bie geufd^rift ^^SC^eoIo^ifd^e Duartalfd^rift" ^erau«, bie
burd^ i^e frifc^e SB3if[enfd^aftIid^!eit unb i^re enge 33erbmbung mit ben t](>eologifd^en 93es
Regungen biefer ^txt jenfeit« ber Dftfee in böj^erem ®rabe belebenb unb befrud^tenb 26
tointe, afe irgenb eine anbere tl^eologifd&e Reitfd^rift e« getl^an. über SR.« großem $au})ts
toerl „Die ©efd^ic^te ber fdbtoebifc^en Äird^e" l^at man in unferer ßrit me^ al« man
bürfte, ben großen @infa^ Dergefjen, ben 91. burd^ feine bor^ergel^enbe, umfaffenbe unb
üielfeitige litterarifd^e SBirifamifeit gemacht l^at, beren bebeutenbfte 3lrbeit bie ,,®inleitung
in bie 2:^eoIogie" 1837 ift. ®iefe ganic 5Probuftion jeigt großen Sinflufe bon ©c^Ieier* so
mac^er, beffen betounbember ©d^üler SR. toar. 1829 fd^retbt er: SieHeid^t bin i(| ben
©c^Ieiermad^erfc^en Slnfid^ten gar ju ergeben, aber enttoeber finben ftd^ in biefen Slnftd^ten
ffial^l^eit unb SRid^tigfeit, ober ic^ h)ei| nic^t, too fie auf bem tj^eologifd^en (Sebiete )u
fhtben finb". 3)ro| biejer Stbl^ängigleit bon ©d^Ieiermad^er, bie jebod^ mit ben Sauren
mel^r unb mel^r mobifijiert tourbe, toar 9t. lein au«fd^Iie|lic^er 9lad&fj)red^er be« 3Reifter«, 86
fonbem jeigte immer eine loefentlic^e ©elbftftänbigfeit, bie bor aHem i^ren ®runb in
feiner au«ge})rägten l^iftorifd^en Begabung l^atte.
3. §. 3:^omanber (Jftof., geft. ate S9ifd^of in 2unb 1865) toar ein au^erorbentlid^
! letaler unb bielfeitiger SJlann unb ein l^erborragenber geiftlitfier 9lebner. ©eine tl^eo*
ogif(^e SBirtfamleit fällt l^au))tfäd^Iic^ in ba« f)raltifcb tl^eologifd^e unb Iird^enf)oIitifd^e ®^ 40
biet; in ber ^^l^eologie toar er lonfertjatiber unb in ber Äirdpenjjolitil liberaler ate 91.
9leben biefen totrite in 2unb 93. 3. »ergqtoift (5ßrof ., geft. 1847), beffen »ufd^auungen
eine SSereinigung ber ßinflüfle ©d^artau« unb ber 9lomantiI toaren.
Äant unb ©d^Ieiermad^er l^attcn in ©c^loeben il^re ©d&üler Sll^Iman unb 9leuterbal^I. 3n
e.®.»ring ($rof., geft. ate 93ifcbof in 2inlö})ing 1884, f. a3iain0, 6. ®. 93ring, 1886) befam 46
aud^ ßegel ^ier einen bebeutenben 9le})räfentanten. 2)iefer §egclf(^e ßinflufe, ber f}a\üßU
fäd^Iidj burd^ 33ring« bänifc^en greunb 2Rartenfen Vermittelt lourbe, jeigte ftc^ ftarl in
feinen bogmatifd^en gwö^nbfc^tiften, bie bie aSeranloflung gaben ju einer re(^t l^eftigen
Debatte gtoifc^en il^m unb bem bamate f^on alten Tl. 6. Sll^lman, bem Äantianer, ber
feine ©^m^t^ien für §egelfd^e fjjelulatibe 3:i^eologie liegte. 93ring« fj)ätere t^eologif^e so
aSBirlfamfeit, in ber ber §egelfcbe ßinflufe ftc^ me^r unb mel^r Verringert unb fc^lie^lic^
faft ganj berfAloinbet, erftredft fid^ l^auj)tfäd^li^ auf ba« Jjroltifd^ tl^eologifc^e ®ebiet, too
feine ffiirlfamfelt für bie J)raftifcbe §eranbitbung ber ©eiftlic^en fel^r bebeutung^boH ge-
toefen ift.
»ring« 3^'*9^«>ffe toar ber ßjeget ^. 9W. 3Relin (5ßrof. unb 2)omj)roj)ft, geft. 66
1877) eine lebhafte, jil^antafiereid^c unb t)oettjc^e 9Jatur, bejfen gegen ©traufe gerid^tete,
grünblic^e Sorlefungen über ba^ 2eben3^fw gro^e^ 3lufjel^en erregten unb mit lebhaftem
Seifatt begrübt lourben. 3" ^^ fünfjiger unb fed^jiger S^^ren ging bie ©nttoidfelung
ber 2unbifd^en 3:l^eologie in lonferbatiber unb ortl^obojer 9lid^tung, eine Xl^eotogie uns
gefä^r toon einem Äliefotl^fd^en unb ©ta^lf^en 3:^J)ug, beren Organ bie bon @. ®.Sring, eo
42 Sd^toebett
21. 31. ©unbbcrg (5ßrof., gcft. ate ©ribifd^of in np\ala 1900), bon SB. glen^burg (5Prof.,
gefl. aU Stfd^of in 2unb 1897) rebigicrtc Svensk Kyrkotidning 1855—63 foax.
(Sin 93ring bertoanbter, and) burd^ $egel^ ^l^iIofo))l^ie gef^ulter X^eolog toor
6. Dlbcr« (^of., geft. 1892), ber mel^r burc^ feinen j)etjönli(^en ßinflufe afö butc^
6 l^au^egebene ©d^riften toirlte.
3m ®egenfa§ ju bem -Keid^tum unb ber Sebl^aftigleit, bic ftd^ in ber Sunbtfc^en
3^l^eoIogie jeigen — tüir ^aben ja gefeiten, bafe alle großen §au})trid^tungen ber jeit-
genöfftfc^en j)roteftantifd^en 3^l^eologie bort i^re 3Sertreter,gefunben^aben — l^errfc^te inber
Uj) f a I a^ll^eologie m berfelben Qtxi eine mel^r einförmige Übereinftimmung, e3 tvax bte golge
10 bat>on, bag man ftd^ burd^tveg Don bem @influ^ ber burd^ @d^(eiermac^er begonnenen
jüngeren tl^eologifd^en ©ntloidelung ifolicrt gel^alten ^at. ©eitbem ber §albrattonaU^mu«
bon Dbmang unb $agberg8 Xagen erlofd^en hjar, ging bic ßnthjidfelung in U^fala in
ftreng fonfeffioneHer Sichtung, ein Äonfeffionali^mu«, ber fein befonbere^ ®ej)räge teite
burd^ einen pietiftifd^en, teite burd^ einen bemofratifc^en, liberal firc^lid^en („nieberfire^*
16 lid^en") 3"ß befam, im ©egenfa^ jur Sunbifdben „^od^Iird^lid^feit". 3Ba^ j)robujiert
h)irb, tröot gern >)olemifd^5a})ologetifd^e 2lrt, ä^nlid^ toie e« bei ber na^e toertoanbten
beutfd^en 3leflauration«t^eologie ber %aü ift. 6^ gilt bor allem bie Sled^tgläubigleit ni
berteibigen. 3n ber „Tidskrift för svenska kyrkan", 1849—51 rebigiert bon £.ll.
9(nj|ou unb S. ^. Sedhnann mar biefe Stid^tung nod^ mobifijiert, tritt aber ft)äter mit
20 ganjer ©c^ärfe m ber „Teologisk Tidskrift", 1861—89 auf, beren erfte Slebafteure
ä. g. Secfmann, G. 21. $utlranfe unb 91. 3. Sinnar^fon loaren.
Unter ben bebeutenberen UMala^Il^eologen biefer ^zxt fmb ju nennen: 2. Sunbblob
gf'fof., geft. ate »ifd^of in ©lara 1837), beeinflußt bon ©loebenborg, ber ©jeget 21. @.
nö« ($rof., geft. 1862), 21. %. SedEmann (^ßrof., geft. ate Sifc^of in ©lara 1894),
26 beffen f(^riftfteuerifd[|e S^ätigleit borjug^toeife aj)ologetifd^ toar, bie brei Äird^engejc^ic^t^
fc^reiber 2. 21. 2lniou ($rof., geft. ate Sif^of in SBJi^bV 1884), "33). Slorlin (2)oj. in
U»)fala, f})äter t^eol. 2lbiunlt in 2unb, geft. 1870) unb 5. 21. ßorneliu« ($Prof., geft. ate
Sifc^of in '2tnblöt)ing 1893). Sin origineHer ©jegct toar D. %. aW^tberg ($rof., geft.
1899), beeinflußt bon ©. Äierfegaarb, Sedf unb b. Äofmann. ©eine aOSirffamfeit ift in
80 berfc^iebener ßinftd^t für bie Ui)fala-3:^eologie bon ^ebeutung getoefen. 1884 grünbete
er bie 3^'^fw^'f^ „Bibelforskaren", bie nod^ ejiftiert (je^t ba^ §axH)torgan für bie
tl^eologifc^-toiftenf^aftlid^e, befonber^ ejegetifd^e gorfd^ung in ©d^toeben).
3um ©dpluß noc^ einige tl^eologifc^e ©d^riftfteller, bie außerhalb ber tl^eologifc^en
gafultäten toirften, toir befc^ränlcn un^ ^ier auf 5 Flamen. 3- Battenberg (9lei(^«anti=
86 quar, geft. 1834), l^oc^gelel^rter Drientalift, SSerfaffer eine^ für feine R^t fel^r merhi)ür=
bigen Äommentar« in 3 93änben über bie Offenbarung, 1800; bie Einleitung ift in«
S)eutf^e überfefet. 6. 21. 2lgarbl^ ($^of. ber Sotanif unb ölonomie in 2unb, geft alö
Sifc^of in Äarlftab 1859), ein ungetoöl^nlidE) genialer unb f d^arffmniger 2Kann, ber, nad^^
bem er 33ifd^of geloorben, ftd^ mit tl^eologifd^en ©tubien befd^äftigte, mit bem Slcfultat,
40 baß er ate Serfaffer einiger ejegetifd^er 2rb^anblungen auftreten tonnte. 6r berfoc^t in
einer 1836 l^erau^gegebenen ©dprift ben ©afe, bafe bie 2lu«bilbung ber ©eiftlic^en bon
ben tl^eologifc^en ^auiltäten getrennt fein foUte. 2)er alabemifc^e Unterrid^t, ber Iritifc^er
2trt ift, bürgt nic^t bafür, baß bie 2:^eologen in ber 2el[^re ber Äird^e l^erangcbilbet
toerben (bgl. Semoutti in unferen lagen). 2lgarbl^ tourbe in ber „Theologisk Quar-
46 talskrift" bon Sleuterba^l toiberlegt. g. D. aSjörling (Sifd^of in SQäefterä«, gefi 1883).
©ein bebeutenbfte^ SBerf ift eine au^fül^rlic^e Dogmatil, beren erfte 2luflage 33eeinfluffung
burd^ ©d^leiermad^er auftoeift, toöi^renb biefer bagegcn in ber jtoeiten Äal^niö, ^P^tli^pt,
3:bomafiuö unb 3Wartcnfen i)at toeic^en muffen. 31, ^^ntü (Äomminifter in ©todf^olm,
geft. 1864), ein gelehrter unb ungetoö^nlid^ >)robuftiber 2^l^eotog, ber außer einer ÜKenge
60 Driginalarbeiten Überfe^ungen bon ©c^leiermac^er unb ^gel, feinen geiftigen 33ätem,
geliefert l^at. Die bebeutenbften feiner 2lrbeiten finb: „Die ©runbjüge ber d^riftlid(^en
©ittenlel^re", 1842—49 unb bie „(Sef^ic^te ber menfc^lic^en ©ntloidEelung", in5S3änben,
1855—63. ßl^aralteriftifd^ für feine Slnfd^auung ift fein ^offnung^boller ©laube an bie
SEBanblung, bie eintreten toirb, fobalb nur 3^?« G^rifti 2el^re in iT^rer Seinl^eit, frei bon
66 jeber bogmatifd^en Umbüllung, bargeftellt loirb. Sleuterbal^te unb 30"ett^ bertoanbtcr
2tu«gang^unlt geigte ftd^ in einer Debatte, bie fie 1843—44 miteinanber fül^rten^ barin
ftel^t man au^, baß 51. rcc^t^ bon ©c^leiermad;er, ^^mü aber linte gegangen ift, ein
Unterfc^ieb, ber fic^ bor attem barin geigte, baß 3- "^^^ im ftanbc ioar, bie Sebeutung
ber firc^li^en ©emeinfd^aft befonber^S l^oc^ fju fd^äfeen, toäl^rcnb biefe für SR. ebenfo toie
60 für bie ganje 2unbf(^e Ideologie eine §aut)tfa4^ h>ar. g. gel^r C^iaftor 5ßrimariu«
Sd^toeken Sd^toet) 43
in Stotf^olm, gefi 1895, f. ©. «. »rie«, gr. gel^r, ©totf^. 1896) tft bcr erfte bebcu*
lenbe 9lq)räfentant bcr butd^ Slitft^I begonnenen t^eologifc^en Snttotdelung. ©eine
SBäirlfamleit ift ^autotfäd^Hc^ toon fird^Iid^^praftifd^er Sebeutung getDcfen. tiefer Art tft
auc^ fein $aut)th)erf „Untenid^t im Gl^rifientum", ©tod^. 1894. gcl^r grünbete bic
Seitfd^ft „I religiösa och kyrkliga fr&gor" mit bem ^Programm: j)ofitib4ir(^H(i^eg 6
ß^rifientum unb ^eie gorfc^ung.
i^ier mufe bie furje Überft(|t ftel^en bleiben, um nid^t nod^ toirlcnbe ^erfönlid^Ieiten
^ereinjujiel^en. ©ie mufe alfo bon bem SSerfud^ abfegen, eine ®arfteHung be« l^eutigen
t^eologifd^en geben« in ©d^toeben mit feiner Sebenbigfeit unb feinen ringenben (Segen*
fä^en ju geben. ©• Aulen, lo
Sd^tori}, bie gegentoörtigen lirc^lid^en SSerl^ältniffe ober bie ©tatiftit
in lird^Iic^er Sejie^ung. — ^ie C^auptquettcn für nac^ftc^enbc $lrbeit pnb (aufeer ben
Äircftengcfcten im Original, foiocit fie hem 5Serfaffcr ju ®cbotc. ftanben): gingler, Ätrcftlic^e
©tatiftit bcr reformierten ©c^wcia, güridi 1854, für aflc» l^iftonWc unb für bic firc^Hc^en
SSer^SItntjfc bid 1854, eine überaus forgfälttgc i)arftcaung; ®areid unb 3ont, @taat unb is
iHr4c in bcr ©cbn^ci^, 2 $bc, ßünc^ 1877, fel^r cinlfigltc^e ^arfteüun^ bcr fir^Ii^en 9?ccf)t«'
öer^ältniffc, namentli^ auc^ 6inritÖtIi(b bcr fat^olifcbcn ^ircftc, mit tJicIcn ^ftcnftücfcn ; Ä. o.
OrcOi, ^8 8taat$rcd)t bcr fcfYrceijcrifc^en (Sibgenofienfc^aft (in ^{arquarbfcnd i)anbbuc^ bt^
öffentlichen 3fic(^t8), greibura i. SB., SWoftr, 1885; «. ©üc^i, a)ic fat^olifc^c ^Ird^c in bcr
6(^»clj ; il^r acgcnttjärtigcr wcftanb ncbft einem ^iftorifc^cn Ucbcrblicf über bic ©croangcnl^eit, 20
^Künc^cn 1902, eine ^arftcflung nac^ offijicücn Oucttcn unb mit forgföltigcn Sittcratur^
nac^toeifcn.
1. ffiie Serteilung ber Äonfeffionen.
Dietoie in j)oIitifd&er fo in Krcblid&er ^inftd^t überau« mannigfaltigen unb «im^^eil
!onH)Imerten Serl^ältniffe ber ©c^toeij bieten fid^ fd^on in ben SRefuItaten ber ewgenöffis 25
ft^en SSoIÖgä^Iungen bar. ©old^e tourben toon ben Sunbe^bel^örben in ben ^afyctn 1850,
1860, 1870, 1880, 1888 unb 1900 beranftaltet. eine SRubril für bie reliaiöfen »e*
lenntniffe tourbe babei immer in bie Formulare aufgenommen, aber bie Unterf^iebe nic^t
immer ganj gleid^ abgegrenzt; fpejieHere Abteilungen unterblieben. ©0 fe^It eine Untei^
Weibung bon römifd^en unb 3lItIatl^oliIen, unb bie bcrfd^iebenen ®emeinf(^en ber so
(ßrotefianten fmb nidbt befonber« aufgenommen. ®« beftel^en nur bie bier 6au})trubrifen :
1. ^roteftanten, 2. Äatl^olilen, 3. S^raeliten, 4. „3lnbere ober o^ne angäbe". 2)abei ift
al« ful^er ju betrachten, ba^ bie grofee SRel^rl^eit ber $roteftanten ben eöangelifd^en
2anbedlird^en, bie gro^e !Dtel^r|eit ber Jtatl^olilen ber römifd^^^lat^olifd^en Jlird^e angehören,
dagegen ift aUerbing« nid^t eiftd^tlid^ 86
a) h)ie biele angel^örige Heinerer eöangelifd^er ©emeinfd^aften (3Ketl^obiften, 93a})*
tiften, S^ingianer) ftd^ al^ ^roteftantcn, loie biele fid^ in bie bierte Slubrä ein*
gefd^rieben ^aben;
b) h)ie üiele 3lItIatl^oIifen in bie jtoeite, toie biele in bie bierte SRubri! fallen;
c) tote biele abftc^tlid^ in Untere ftd^ einjeid^neten, toeil fte geaen teligiöfe gtagen 40
ftd^ inbifferent ober negativ erllären tooÜten, toie biele hingegen opne i^r SBiffen ober,
toeil man fte gar nid^t mit biefer grage bcl^eHigen lonnte ober toollte (grembe in &a\U
^öfen, be« ©dpreiben^ Unlunbige, 93eh)ol^ner bon Äranlen- unb ©trafanftalten ac.) in
biefelbe ^ineinlamen. 3)ie toeit übertoiegenbe 5Kel^rl^eit ber ©emeinben berjeid^net nie^
manb in biefer Slubri!; gri)6ere ^a^m finben fid^ nur in einigen §aut)tftäbten unb ^
gremben^lä^en. 9Kit biefen 3leferöationen barf immerhin bie überfielt ber 33olföjäl^(ungen
Don 1880 unb 1900, bie toir nad^ ben offiziellen ^ublilationen (©c^toeijerifd^e ©tatiftil
140. Sieferung. ßibaenöff. SSoIföjä^lung Dom 1. 2)ejember 1900, ^crau^egeben bon bem
ftatiftifd^en Sureau oe^ eibg. 95^artement^ be« ^nnem) folgen (äffen, aU ein richtige«
Silb ber lonf effioneHen aäerl^ältnijf c gelten. (Sie^e bie 3:abelle auf S. 44). w
Äu« biefer Überfid^t ergiebt fid^ l^infic^tlid^ ber Seränberung ber fonfeffionellen 3Sers
l^ältniffe bon 1880 bi« 1900 folgenbe^:
%üx bie ©efamtfd^toeij l^at ftc^ bie lonfeffioneHe Verteilung fel^r toenig geänbert;
ba^ 5Projentt)er^äItni« ift für bie ^ßroteftanten um 0,8 <>/o gefunlen, für bie Äatl^olif en um
ebenfobiel gefti^en : bie Qahl ber S^^öcliten ift bon 0,2 auf 0,4 geftiegen, bie ber ßin- »
too^er ol^ne fonfefftonelle 93ejeic^nung bon 0,4 auf 0,2 gefunlen. Über 2000 S^^^eliten
lal^It nur ber Äanton 3ürid^, mel^r atö VU i}at nur Safel^Stabt. ?Kel^r aU l'^ü //Ol^ne
angäbe" geigt ©enf.
Dagegen l^at eine ftarleSSerme^rung berÄatl^oKfen in ben Kantonen ßürid^, ®Iaru^,
©d^aff^aufen, ffiaabt, eine erl^eblid(^e SSerme^rung ber ^roteftanten in ben Äantonen w
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ijem, Uri, ©olotl^um, Wfpm^ta 3.^911^., Icfjin, SOSaDtö ftattgcfunben. 311« Urfac^en
$en bte SSerle^r^linien unb bte ^nbufirie boran; ber JlonfefftoniStoed^fel ift berJ^ältnid«
ägig feiten.
Über 80*»/o $Proteftanten jci^len 1900 bie Äontone Sürid^, Sem, ©d^ffl^ufen,
laabt unb ^leuenbutg, über 90«/o nur SfobenjeD 3C.*9l^. 6
über 90*»/o Äatl^olilen Ibaben bie Urfantone 2ujem, Uri, ©d^to^j, beibe Unter*
talbcn, 3u9, 2lj)})enjea Xmff., 3:efftn unb ffiaffi« (greiburg 84,8<»/J.
3lm nä^pen [teilen p«^ bte Äonfeffionen in ©raubünben (52,8 unb 47,0), Slargau
5,3 unb 44,1), (Senf (47,1. unb 50,6).
^ie oben angebeuteten ^nberunaen in ben legten 20 ^af)xm jetgt folgenbe ^tobelle lo
t ^rojenten ber ®efamtbet)ölterun9) :
1880 1900
^roteftanten Jtatl^oltlen ^roteftanten Jlatl^olifen
äric^ 89,2 9,5 80,2 18,7
laru« 79,2 20,7 75,4 24,5 i6
c^ffl^ufen .... 88,4 10,8 82,0 17,8
(oobt 91,9 7,6 86,3 13,1
nan 4,0 95,8 8,2 91,5
et 2,2 97,7 3,9 96,1
olot^um 21,3 78,4 30,8 68,9 20
Pt>enaea (^.^SR^oben) . 4,3 95,7 6,2 93,8
efftn 0,3 99,4 1,6 98,0
Jatttö 0,9 99,1 1,4 98,4
2. 3)ie Sunbe^berfaffung bom 29. ?IRai 1874.
jjür bte fird^Iid^en SSer^mtniffe aDer Jtonfef jbnen in ber ©d^toetg bat bie Sunbe«« 20
rfaffung bon 1874 einen toefentlid^ neuen Soben gefdbaffen, ber ^S in ber ®efe^
bung unb im fir^li(^en 2d)m überall geltenb mad)t äBöl^enb bie Sunbedberfaffung
n 1848 in 9lrt. 41 aUm ©c^toeijem, toeld^e „ben d^riftlic^en Äonfefftonen" angel^ören,
rie 9lieberlaf[ung fid^ert, in Slrt. 46 bie freie äudübung be« ©otte^bienpe« „ben aner«
nnten d^riftlid^en ^onfefftonen'' getDä^rleiftet, ben Kantonen foh)ie bem 93unbe borbel^ält, ao
r ^anb^abung ber öffentlid^en Drbnung unb be« grieben« unter ben Äonfefftonen bie
eigneten ?Ka^nal^men ju treffen, in Slrt. 48 bie Äantone betj)fli(i^tet, „ade ©c^lDeijers
ürger c^riftli(|er Jlonfeffton in ^er @efe^ebung fotool^l ali im gerid^tli(^en SSerfaiiiren
n Sürgem ber eigenen Jtantone gleic^ ju l^alten", in 9lrt. 58 bem Orben ber l^efuiten
tb ben il^m affiliierten ®efellfd^aften tn feinem Xeile ber @(^h>ei} 9lufna^me geftattet, 30
I übrigen aber über ba« SBer^ltni« be« Btaatti ju ben Äonfefftonen feinerlei Se*
mmungen entl^olt, l^at bie 93unbe^erfaf[ung bon 1874 nac^folgenbe eingreif enbe ©runb*
t^t aufgefteOt:
9lrt. 27, S. 2. ^ie Jtantone Jörgen für genügenben $rimarunterri((t, toelc^er ani^
ilie^Iic^ unter ftaatlid^er Seitung ftel^en foll. 40
S. 3. ^ie öffentlichen ©d^ulen foQen bon ben ängel^örigen aQer Selenntniffe o^ne
eeinträd^tigung i^rer ©lauben^^ unb ®eh)if|en«freil^eit befuc^t toerben lönnen.
£. 4. ®egen Äantone, toeld^e biefen 3Serj)flic^tungen nic^t nacl(^!ommen, toirb ber
unb bie nötigen 93erfüaungen treffen. .
Slrt. 49. 3)ie ©lauben^^ unb ©etoiffengfrei^eit ift unberlefelid^. 45
9{iemanb barf jur Xeilna^me an einer Slelißionägenoffenfcpaft ober an einem reli*
3fen Unterrid^t, ober lur SSoma^me einer religtöfen ^anblung gejtoungen, ober toegen
lauben^nftd^ten mit ©trafen irgenb toeldj^er ^rt belegt toerben.
Über bie religiöfe ©rgiel^ung ber Äinber bi^ gum erfüHten 16. SHter^jal^re berfügt
i ©inne borfte^ber ©runbföf e ber ^n^ber ber bäterlici^en ober bormunbfd^aftlici^en so
etoalt
^ie SluiSübung bürgerlid^er ober ))oIitif(^er Siedete barf burd^ teinerlei Sorfd^riften
•er Sebinaungen lirc^Iid^er ober reügiöfer 5Ratur befc^ränft toerben.
2)ie ©lauben^nfubten entbinben nic^t bon ber ßrfüHung ber bürgerlichen ^flidbten.
5Riemanb ift gehalten, ©teuem ju bejol^len, toelc^e fj)ejiell für eigentlid^e Äultu^ 55
jedte einer 9leIigion^enof[enfd^aft, ber er nidpt angebört, auferlegt toerben. S)ie naivere
u^fül^rung biefeS ©runbfa^ ift ber 93unbe^efe^ebung borbe^alten.
Slrt. 50. 2)ie freie Slu^übung gotte^bienftltd^er §anblunjen ift inner^Ib ber
x^ranlen ber ©ittlid^Ieit unb ber öjfentlid^en Drbnung getoö^rletftet.
^en Jlantonen fotoie bem 93unbe bleibt borbe^Iten, gur ^anbi^abung ber Drbnung eo
46 eiltoris
unb bcö öffentlid^en grieben^ unter ben SÄnöcl^örigen ber bcrfc^icbenen SlcKgton^cnoffens
fd^aften, fotoie oegcn Singriffe firtfiltd^er Sel^örben in bic SRed^te ber Sürger be« ©taalc^
bie geeigneten Sla^nal^men ju treffen.
Slnftänbe au« bem öffentltd^en ober ^ßritmtred^te, toelie über bie ©Übung ober
6 2)rennung bon SReligion^enoffenfd^aften entftel^en, fönnen auf bem SQBege ber Sefcptüerbe^
fül^ng oer Sntfd^eibung ber juftänbiaen 2anbe«bel^örben unterfteHt Serben.
S)ie ßrrid^tung bon 35i«tümem auf fd^toeijerifd^em ©ebiete unterliegt ber (Senel^migung
be« »unbe«.
Strt. 51. 2)erDrben ber 3«fwiten unb bie il^m affiliicrten ©efettfc^aften bürfen in
10 feinem 3;eile ber ©c^tüeij Slufnal^me finben, unb e« ift ü^ren ©liebem jebe SBirlfamleit
in Äirc^e unb ©d^ule unterlagt.
2)iefe« SSerbot lann burd^ 33unbe«bef(^Iuf| auA auf anbere geiftlid^e Drben au^
fiebel^nt toerben, beren SBBirlfamfeit ftaatigefä^rlidy ift ober ben f^rieben ber Äon-
effionen ftört.
16 9lrt. 52. Die Srric^tung neuer unb bie SBieberJ^erflellung aufgehobener Älöfter ober
religiöfer Drben ift umuläfftg.
2lrt. 53. 2)ie JJeftftettung unb Seuriunbung be« ßibilftanbe« ift Baä)^ ber Mroer^
lid^en Sel^örben. S)ie Sunbe^efe^gebung toirb hierüber bie naiveren Seftimmungen treffen.
S)ie Verfügung über bie S3egräbni^Iä^e ftel^t ben bürgerlid^en Sel^örben gu. ©ie
20 l^aben bafür }u forgen, ba^ jeber SJerftorbene fd^icflid^ beerbigt toerben fann.
2lrt. 54. 3)a8 dl^d^i ber @l^e ftel^t unter bem ©d^u^ie be« Sunbe«.
S)iefe« SRec^t barf toeber an^ lird^Iid^en ober ölonomifd^en SRüdffid^ten, noc^ n>egen
bi^l^erigen 33er^alten« ober au« anbem j)oIiieiIid^en ©rünben befd^ränft toerben.
afrt. 58, S. 2. 2)ie geiftlid^e ®eric^t«barfeit ift abgefc^afft.
26 @« ift offenbar, ba^ biefe ®runbfä§e lonfequent burd^gefül^rt bie böHige Ignorierung
ber Jtirc^e Don ©eite be« ©taate«, fomit ba« 3(uf^ören ber fantonalen SanbedCtrt^en )ur
^olge l^aben müßten. 3([lein toäl^renb ber fett (Srla^ ber 9unbe«t)erfaffung nun ber«
ffoffenen 30 ^afyc^ tourben nur einige, aUerbing« tiefgreifenbe Äonfequenjen toirflit^
gejogen; aHmä^Iid^ aber l^at ftd^ bie ©egenftrömung für SBeibel^altung einer engeren 98er
80 binbung bon Äird^e unb Staat toieber neuerbing« geltenb gemad^t 9iur 3lrt. 53, 2^ 1
l^at feine 3Cu«fü^rung burd^ ein 33unbe«gefe| erhalten, ba« bann aud^ SÄrt. 54 mitumfoftte,
ba« ®efe^ betr. geftftettung unb Seurlunbung be« ßibilftanbe« unb bie ®^e bom 24. 2)e*
aember 1874. ©in SSerfud^, 2lrt. 27 im ©inne einer regelmäßigen Sunbeöauffid^t über
oie SSoIföfc^uIe jur toeiteren 2lu«fül^rung ju bringen, ift itoar burdb bie Sunbe^betfamms
36 lung in einem ®efe^e«ent)ourfe betr. ©rric^tung eine« fd^toeijerifdpen ©d^ulfelretär« gcs
maät, aber burd^ bte 3SoII«abftimmung bom 26. 9?obember 1882 mit übertoiegenber
SKe^rl^eit abgelel^nt toorben. Unb ein nac^ fel^r langen Beratungen ju ftanbe gefommencr
3ufa^ ju biefem Slrt. 27 fid^ert jloar ben Äantonen S3unbe«beiträge an ba« ^primor^
fd^ultoefen ju, aber mit bem au«brüdtti(^en 3Sorbel^alt: „95ie Drganifation, fieitung uxib
40 Seauffid^tigung be« ^ßrimarfd^ultoefen« bleibt ©ad^e ber Äantone". S)ie bi« je^t gn tage
fietretenen 3Birfungen ber 33unbe«berfaffung auf bie fantonalen fird^Iid^en SSerl^ältniffe
inb folgenbe:
1. 3*^ 5ReIigion«unterric^t in ober außer berSd^uIe ift fafultatib. 3)agegen i[t in
ben meiften Äantonen berfelbc noc^ Sel^rgegenftanb ber 9SoIf«fd^uIc, unb toirb in toielen
46 Äantonen befonber« an ben l^öl^eren Älaffen bon ®eiftlic^en erteilt.
2. 35ie ®eiftlidben fönnen nid^t Don STmt« toeaen ^nfpeftoren ober ^räftbentcn ober
5Kitg(ieber ber ©d^ulbel^örben fein- ba| fie e« burqSBal^I toerben bürfen, ift unbeftrittcn,
ebenfo baß fte e«, aud^ in ben reformierten Äantonen, fel^r oft ftnb.
3. Db ^Perfonen, bie einem fir^Iic^en Drben angel^örcn, alfo burd^ befonbcre ©e^
60 lübbe anberen al« ben ©taat«bel^örben m ftriftem ©el^orfam ber^)fKd^tet fmb (Äloftcr*
iieiftlid^e, Se^rfc^toeftern), Seigrer ber SSolfefd^uIe fein bürfen, tourbe beftritten. Slber bic
atl[)oIifd^en Äantone l^alten baran feft unb ju einem anber« tocrfügenben S3unbe«befd^luß
ift e« nid^t gefommen.
4. ^ie geiftH^e ©eri^t«barfeit, ühtti}a\x)pt jcbe offijiette 3Kith)irfung ber Äird^e unb
66 ber ®eiftlid^en bei 6l^e= unb ^atemität«fragen ift au«gef^(offcn, bie ßibile^e oMigotorift^
unb allein ftaatli^ giltig, bie (Siöilftanb«regifter bürfen nic^t Don ®eiftli(^en gcfü^
toerben, bie firc^Iic^e 6^eeinfcgnung bor ber cibilen 2;rauung ift bei fd^toerer ©träfe
berboten.
5. ©egen SScrfuc^e ber römifd^-fatl^olifc^en Äirc^e, o^ne Begrüßung be« Sunbe«
60 Säuberungen in ben S3i«tümem ju treffen, ift ber S5unbe«rat eingef^ritten.
ei^ivri) 47
6. Ätrd^ltc^e TOa^regcIn (Sludfc^Kefeung Dom Ürd^Rd^en ©timmred^t k.) gegen folc^e,
toAd^ an tird^Itd^en ^anblungen, h>ie S^aufe, Jtonfirmation, W)mhma% tird^Ud^e Sl^^
einfegnunj, Itrd^Iid^e ^eerbigung, abfid^tlid^ ntd^t teilnel^men, tocrben auf bem ©oben oer
))toteftanttf((en Sanbe^fir^en nid^t als julöfftg betrachtet.
3. ®a« Äitd^entoefen ber reformierten ©d^toetj. 6
a) ^iftorifd^er SRücfbltdt (fingier a. a. 0. unb in: aiHgemeine Sefd^reiBung unb
Statiftil ber ©d^tüeij: S)ie reformierte Äird^e, ©ej)aratabbrucf 1873). 3)er ©ang ber
Sieformation mu|te jur golge ^aben, baj gegenüber ber SKad^t be« 5ßaj)fttum« unb feinen
3RitteIn bie älnl^änger ber ebangelifd^en Jtir^e ftd^ an bie einjig Dorl^anbene anbere öffent^
lic^e 3Rad)t, bie be^ Qiaait^, anfd^Iojfen, unb 3^i"0''i ^^^ SalDin h>aren aud^ grunb« lo
fa^Iid^ nid^t bagegen, toeil fte bie religtö^sftttlid^e Erneuerung nid^t blo^ ber ®injelnen,
fonbem ber ©efamtl^eit, alfo be« ©emeinloefen«, h)ie e« ate Staat organifiert toax, an?
fhrebten. S)arum gehörte in ben meiften Äantonen nur jum ©taate, toer ber ebonge*
lifc^ SBal^beit ftd^ ;|uh>anbte, bie anbem mußten bad Sanb meiben. @benfo t^txjivfyc
man auf lat^olifc^er Seite. Slber bie latl^olifd^en 3legierungen toaren bie 35iener iJ^rer is
Äird^e, bie reformierten bie (Sebieter, aHerbing« im ^Warnen ber ©emeinbe, unb unter
»etrat ber ®eiftli(^. ©o gebietet in ßürid^ ber ?Rai ber 200, ba« SBort ®otte« attein
m J)rebigen unb fü^rt bie SReformation in 2cl^ unb Äultu« bur^, er lonftituiert 1528
bie ©t^nobe ber ©eiftlic^en, toeld^e Slufftd^t über bie einzelnen ©eiftlic^en übt unb ju ber
au^ bi« 1630 bie ©eiftlid^en bon ®Iaru«, bi« 1798 biejenigen be« Il^urgauer* unb 20
Sl^tl^afö gel^örten. S^nlid^e ©t^noben beftanben in ©t ®aIlen=3l^|)enjeH, 3^oggenburg,
©c^aff^aufen. 3n Sern unb 93afel tourben foIAe mit ber SReformation angeorbnet, aber
balb nid^t me^r einberufen. 3« ®raubünben patte bie ©j^nobe bie faft felbftftänbige
Seitung ber hr^Iid^en ängelegenl^eiten. 3n ®enf ftanb bie SBJabl ber ®eiftlid^en ber
Gompagnie des Pasteurs, bie Slu^übung ber jtir(J^en}U(^t bem ^onftftorium ju, beffen 25
9Jlitgiieber bie 6 ©tabtgeiftlid^en unb 12 bom 9late getoäl^lte 9Känner toaren. ^n 9leuen=
bürg log bod ganje Jtird^enregiment in ben ^änben ber (Tompagnie des Pasteurs. ^n
ber aSSaabt ftanb ben fünf Älaffen bie 3^"fwr unb unter 33eftätigung ber Slegierung bie
S5efe|ung ber $farrjlenen ju. 3)ie Bereinigung ber Älaffen in ©^noben gefd^a^ nid^t
regelmäßig unb ^örte im 17. gal^r^unbert auf. — 35ie laufenbe Iird(^Iid^e SSertoaltung so
h)urbc in 3ürid^ t>om Sjaminatorlonbent beforgt, ber unter bem Sorf4 be« äntifte«
(^foner am ®rofemünfter unb ^IJräfibent ber ©^nobe) au^ SlatSl^enen, 5ßfarrem unb
^rofefforen beftanb. @r j)rüfte unb orbinierte bie Äanbibaten, . mad^te bem fRatt SSor*
fc^läge für bie ^Pfarrtoal^Ien unb beauffu^tigte bie ©eiftlid^en. Stl^nlic^e Sel^örben, beren
aSorftei^er äntifte« ober S)efan ^ieß (?. 33. ©c^affl^aufen, Safel), beftanben in mel^reren 86
anbeten Äontonen. — 2)ie Äaj)itel aU Serfammlungen ber ®eiftlid^en fleinerer Se*
jtrfe blieben an^ ber fat^olifd^en ^Ät ftel^en, ba unb bort unter bem 9lamen Älajfen
(Sem, 3Q3aabt) ober ÄoHoquien (®raubünbenX ü^re SJorftel^er gießen an manchen Orten
Melone. — 3)ie SBSal^l ber ®eiftlidben ftanb in ben meiften Äantonen ben Sftegierungen
ober ben bi^l^erigen Äottatoren nad^ ben SSorfd^Iägen ber S^aminatoren* ober Ätrc^em 40
Iom)cnte ju, nur in ®Iaru«, 3tt)j)enjeH, ®raubünben l^atten bie ®emeinben ba^ Siedet,
bie Pfarrer ju toäl^Ien unb toieber ju entlaffen. ©d^on bon ber 9leformation«jeit an
^tten in manchen Äantonen bie ®emeinben firc^Iic^e Sorftel^erfd^aften, ß^egaumer
(= ®efe|e«h)äc^ter), ©tittftänbe, Äonftftorien, Äird^enftänbe, Äird^engerid^te, ß^orgerid^te,
Ritd^nbann genannt, toelc^e über ^ud^t unb ©itte, §altung ber geiertage, Sefud^ be« 45
©otteÄienfte«, aSertoaltung ber Äirc^en^ unb Strmengüter ju toad^en l^atten unb bie erfte
Snfkm in ß^efaci^en btlbeten. ^örmlid^e Äirdbenjud^t bi« jur äu^fd^Iiefeuna bom äbenb-
ma^I ftanb biefen Sel^örben nur in Safel, ©c^aff^aufen, 5Reuenburg unb ®enf ju. 3«
legerem Äontone tourben mit ben tird(^Iid^en fel^r ^arte bürgerlid^e ©trafen berbunben,
tote bie aSerbannung. 60
5|m 17. unb 18. ^a^rl^unbert bilbeten ftd^ bie Äird^enberfaffungen immer mel^r im
ftaatlid^ ©inne au«* bie ©^noben bcriieren an SBebeutung ober l^ören ganj auf. ^nx
Reit ber ^efeetifd^en 3le})ublil loar eine einl^eitlic^e lird^Iidbe Drganifation beabftd^ttgt,
fem aber nic^t aur 3)urd^fü^rung. Die oberfte fird^Iidbe (Setoalt l^atte bie l^ebetif^e
SRegterung (S)irenorium), ber aWinifter ber Äünfte unb SBiffeufd^aften toar aud^ Äultu«^ 66
minifter. S)ie9)lebiation«jjdt [teilte meift bie alten JJormen toieber l^er. 95ie neugebilbeten
Rantont ©t. ®aHen unb ä^l^urgau erhielten ©t^noben unb Äir^enräte, ber Äanton Slqrgau
mir einen Äirc^enrat. S)ie j)oIitifd^en aSeränberungen be« Saläre« 1830 jogen aud^ änbe^^
rungen ber Äir^enberfaffung im ©inne größerer ©elbftftänbigleit ber Äird^e gegenüber
bem ©taate na^ ftd^. (Sinige ©eiftlid^Ieitdf^noben erl^ielten ba^ 9ted(^t ber äSefd^luß^^ eo
48 ®ii^tiiets
faffung in rein lird^Uc^en ©ingen unter SSorbel^alt ber Slatifilation be« Orofeen SRate^
unb ba« SRed^t ber Segutad^tung in nic^t rein tirc^lid^en fingen, fo in Äürid^, @t ®aDen,
^^l^urgau; anbere l^atten aud^ für rein lird^Iic^e ©inge nur bie aintragjtellung, fo©(^ff^
Raufen, a[i)t)enjeH. ©emifd^te ©^"oben (mit beftimmter SSertretung ber ©eiftlic^en) er^
6 hielten Sem (1852), 3?euenburg (1848), fjreiburg (1854), Oloru« (1845). SSoIföf^noben
mit gonj freier SBSal^I batieren erft au« neuerer 3^*- SafeUStabt l^atte einen Äm^enrot
ol^ne ©tjnobe, SBafeUSanb leine beftimmte Äir^entoerfaffung. 3n 3largau erhielt ba«
©enerallojjitel ba« S9efd^Iufered^t in rein tird^Iid^en 2)ingen, in anbern bie Segutac<^tun0.
b) 2)ie Äird^enberfaffunjen ber ©egentoart. 3n firc^Iid^en fingen jmb
10 bie Äantone boHf ommen felbftftänbig, eine gefefelic^ beftel^enbe fd^toeijerifc^e reformierte
Äird^e giebt e« nic^t, Dielmel^r nur ÄantonaI!irc|en, bie red^tlic^ betrad^tet boneinanber
gern; unabl^ängig finb. 92iemanb ift genötigt, ftd^ ju einer lantonalen Sanbedlirc^e ju
galten ; bagegen tDirb im aOgemeinen ber proteftantifd^e @tnh)ol^ner, ber au« einem Jlanton
in ben anbern überfiebelt, ol^ne toeitere« al« ?KitgUeb ber Sanbc^Iird^e be« aEBo^norte^
16 betrad^tet. SSon ben SSerbinbungen, in toeld^en bie lantonalen Äird^en gueinanber ftel^,
toirb unten bie Siebe fein.
Sleuere Äird^engefefte fmb erlaffen toorben im Äanton äßaabt 1863, X^urgau 1870,
93em, 5?reiburg, a3afel::@tabt, 5Reuen^rg, ®enf, aHe 1874, ®Iaru3 1882, ©t. ©atten
1892, atargau 1893, ©raubünben 1894, 3üri(| 1902, 'äippmizU a.^91^. 1903. gn
20 ©c^aWaufen ftel^t ba« Äird^engefe^ bon 1854 mit ber 3Serfafiung bon 1876 in SDätber«
fj)ruq>; SSerfuc^e, eine Steuorbnung ju ftanbe ju bringen, ^aben bi« je^t nid^t gum S^le
geführt. Safel-2anb l^at nod^ immer lein Äird^engefe^.
S)a« SSer^ältnig ber Äird^e jum ©taat ift im allgemeinen bal^in georbnet, bafe in
rein lirc^Ii^en ober innerlid^en 3)ingen (3lnorbnungen betr. ©ottc^bienft, ©efangbu^
25 giturgie, ©eftaltung unb 2el^rmittel be« lird^Iid^en Steligion^unterrid^te« 2C.) bie Krc^Uc^en
Organe entfd^eiben, mit ober o^ne ^piacet be« &aaU^, in gemifd^tsfirc^Iic^en ber &iaai
auf ba« ©utad^ten ber ÜrdE^Iid^en Organe befd^liefet (3luffid^t über bie Äird^engüter, Se=
folbung ber ©eiftlic^en, Slbgrenjung ber Äird^engemeinben). 95od^ übertoiegl in ben
einen Äantonen bie ©elbftftänbigfeit ber Äir^e ober ber einzelnen Äird^gemeinben (®Iaru«,
30 ^reiburg, 2lj)))enjeD, ©t. ©aßen, 3:i^urgau), in ben anbern bie materielle ÄonH)eteng ber
©taat^be^örben (a3afeU©tabt, ©d^aff^aufen, äargau, SBaabt, ©enf).
Die 2anbe«fird^en ertlären fid^ afe 2:eile ber c^riftlid^en Äirc^e ober ber ebangelifc^en
Äird^e, ober befennen fid^ ju ben ©runbfäfeen ber Sieformation, formulierte Selenntniffe
ftetten fte nid^t auf, einige negieren aud^ jiir ©^nobalrec^te unb geiftlid^e« Stmt jebe be=
85 ftimmte Formulierung.
3)ie Äird^engemeinben beftel^en au« dum ftimmbered^tigten ©taat«bürgem, bie ba
„reformierten Äonfeffwn" angel^ören ober fic^ ber Äirc^enorbnung unterbieten. 3n einigen
Äantonen l^aben bie älu^länber lird^lic^e« ©timmred^t (2l})J)enjell, Steuenburg). S)ie Siebte
ber©emeinben fmb fe^r berfd^ieben: 3" <iHen Äantonen l^abcn fte bieSBa^l ber^ßforrer,
40 in SQBaabt jebodp nur einen 3*^^i^orfd^Iag ju §anben ber SRegierung, in ben mciften
bie SBo^l ber lirc^tid^en Sorftel^erfd^aften, in bielen bie SQäal^l ber ©^nobalen unter nä^er
beftimmten 5Jormen; in manchen aud^ entlocber bie aßeinige Sefd^tufefaffung über®otte«5
bienft, ©efangbu^, Siturgie, ober auf ©runb ber bejüglid^en Vorlagen ber ©^noben
eine regelmäßige Slbftimmung, ober ba« SRed^t be« SSeto«.
46 2)ie Äird^enborfte^erfd^aften (Äird^en^flegen, Äird^gemeinberäte), benen ber ?ßfarrer
enttoeber bon 2lmt« toegen angel^ört, ober in benen er mit beratenber ©timme fi^t, ^cn
60 jieHen armen^jffegen, in anberen toirb il^nen bie ©orge für arme unb Äranfe
emj)fol^len.
2)ie ©Vnoben (in ©enf ba« Äonfiftorium) ftnb überaß bie in rein tir^lid^en S)ingen
bon fid^ au« ober mit SBorbel^alt ber ©anftion burd^ ©taat«bel^örben ober ©emeinben
befd^tu^faffenben Sel^örben. ©ie beftel^en in ©raubünben unb ©d^affi^aufen au^ fämt-
66 lidben ©eiftlid^en unb einigen Slbgeorbneten be« ©taate«, in ben übrigen Äantonen avS
Slbgeorbneten, bie bon ben einjetnen ©emeinben (©laru«, greiburg, 93afet©tabt, ^tppm-
jeD, ©t. ©allen, 3largau) ober in SÜBa^Ifreifen (3ürt4 Sem, Stl^urgau, 5Reuenburg),
ober bom ganjen ilanton (©enf), ober öon Scjtrl«6e^örben (SBaabt) getoäl^lt toerben.
eine beftimmte 3a^l öon (^eiftlid^en ift in ©laru«, ^J'^eiburg, Safel^Stabt, 2:i^urgau,
eo äßaabt, Sleuenburg, ©enf feftgefe^t. 2)ie 3lmt«bauer beträgt 3, 4 ober 6 Sa^re. ©ie
Sd^tori) 49
berfammeln M in ber SHegel aHiä^tUd^ (®Iaru« atte 3 ^aü^x^, Sleuenburg jäl^rüd^ jtüeimal,
®enf monatlich).
35ie oBcrfte lirc^Iid^c Sertüaltungöbel^örbc tft in fcl^r berfc^iebenartigcr äBcifc ber
Äanton^regierung neben« ober untergeorbnet, ober ^ai eine Sertretung berfelben in fid^
unb h)trb balb gann, balb tciltDeife, balb gar nid^t bon ber ©V"obe getoäl^lt. Die SSer- s
fc^iebenartigleit il^er Stellung jeigt fid^ and) in ben Flamen Äirc^enrat (3üric^, Safel*
©tabt, ©d^Paufen, 3löj)enjeU, ©t. ©aßen, ©raubünben, Slargau, iburgau), ©^nobalrat
^em), ©Vnoballommiffion (?Jreiburg, SBSaabt, Sleuenburg), Äirc^enfommiffton (©laru«).
UeberaQ l}at biefe Sel^örbe Sie ©^nobalbefd^Iüfle vorzubereiten unb )u DoQjiel^en, meift
au(^ bie S[ufna^me unb SBäl^lbarfeit ber ©eiftlid^en ju regeln, bie 3tuffiq^t über bie lo
©etftlic^en ju führen, SJifttationen anjuorbnen, 3)i«jij)Iinar' unb ©treitfäHe ju erlebigen,
in mand^en Jtantonen bie ^ird^engut^üertvaltung )u beauffic^tigen u. f. \o.
Jtirc^lid^e Sejirt^bel^örben finben ftc^ nur in ^uxid) unb SBaabt. ©ie fte^en aU
beoufftc^tigenbe 5IJcitteIgIieber jtoifd^en ber lantonalen Sel^örbe unb ben ©emeinbcn, refj).
Pfarrern, gn ©raubtinben l^aben bie berfammelten ©eiftlid^en be« 93ejirfe« (Kolloquien) is
äl^nlic^e Sefugnifie, in ©t ©aßen bie 3)elane ber Äojjitel. 3n ßürid^, ©t. ©aßen unb
^urgau bilben je bie ©eiftlid^en eine^ ä3ejir{ed jufammen bad jto^itel, ba^ ©utad^ten
an bie ©^nobe ab^Am lann unb nt gegenseitiger ätnregung in toiffenfd^aftlidber unb
))rattifi^er ^inftd^t jufammentritt, in ^afel'©tabt unbälargau bie ©eiftlid^en be^Jlanton^.
(Sine ä|nli^e ©teUung nel^men ber Äonbent ber ©eiftlid^en in ©d^aff^aufen unb ^a\tU 20
Sanb, unb bie Gompagnie des Pasteurs in ©enf ein.
3)ie ©eiftlid^en erlangen bie SBöi^lbarleit auf ©runb bon Uniberfttät^ftubien, über
toelc^e fie fid^ burd^ Prüfungen toor ben hierfür burd^ bie Äird^enbe^örben beftettten Äom?
mifftonen (in 9 Äantonen bor ber Äonlorbat^bel^örbe (f.tinten) ober burd^ 3)ij)lome tl^eo«
loaifd^er ^afultäten aud)uh)eifen l^aben. ^^re Orbination ober Jtonfehation ^um geift« 26
li^en 9lmte; ioeld^e meift in einem öffentlid^en ©otte^bienfte unter §anbauflegung boH*
gogen toirb, gefd^iel^t im großem Xeil ber Äantone burd(^ ein ©elübbe (3ürid^ : „al^ treue
©iener ber eüangelifc^=reformierten %d^e ba« @k)angelium unfer« §eilanbeg 3efu ßl^rifti,
auf ©runb ber ^eiligen ©c^rift mit Überzeugung unb igingebung ju bertünbigen, unb
bie ^eiligen ^anblungen, ^aufe unb Slbenbrnal^l, nad^ ber firc^lic^en Orbnung )u Doli- ao
gleiten, bem SBorte ber SBa^rl^eit gemäfe ju leben unb alfo bie Seigre bc^ §eife burd^
mem ©anbei z" belräftigen" ; äl^nlid^ Sern, Safel, ©t. ©allen, SBaabt 2c.); ©c^affs
^ufen l^at erft in ber ©^nobe bom 4. üKai 1905 ben ©aft: „gemäfe ben ©runbtel^en
unferer ebangelifdji^reformierten Äird^e, toie fold^e in beren ^elenntni^ffd^riften unb jumal
in ber II. I^elbetifd^en Äonfeffion enthalten finb" faHen laffen unb burd& bie feorte 35
„gemä^ ben ©runbfä^en ber eb-^ref. Ä." erfe|t; Sleuenburg unb ©enf fd^liefeen ba^ ©e«
tübbe aud (9{euenburg : La Überlade conscience de Teccl^siastique est inviolable;
die ne peut 6tre restreinte ni par des r^glements, ni par des voeux ou en-
gagements, ni par des peines disciplinaires, ni par des formules ou un credo,
ni par aucune mesure quelconque. Jt© 9lrt. 12 ©enf : Ghaque pasteur enseigne40
et pr^he librement sous sa propre responsabilit^; cette libert^ ne peut 6tre
restreinte ni par des confessions de foi, ni par des formulaires liturgiques).
®ie ©eiftlic^en toerben bon ben ©emeinben getoäj^tt, leben^länglid^ in SQäaabt, ©enf, auf
3 3a^e in ©laru^, auf 5 in SafetSanb, auf 6 in S^xid}, Sern, ^reiburg, Sajet^Stabt,
äargau, 9leuenburg, auf 8 ^al)xt in ©c^affl^aufen, auf Äünbung in ©raubünben. 3lHe 46
fallen jugleid^ in emeuerung in Rüxxd), ©d|^aff^aufen, jeber nad^ 3tbtauf feiner J)erfön-
litten Stmt^bauer in Sem, SafeUStabt, Slargau, 9ieuenburg; bie ßmeuerung gefd^tel^t
jliUf(^h)eigenb, faß« fein Sege^ren um 9leuh)al^l gejtellt toirb, in ^Jreiburg unb SafeU
2anb. 3" 2:l^urgau, ©t. ©atten, 3l})j)enjell, ©enf ^aben bie ©emeinben bad SRed^t, ben
©eiftliAen unter naiver beftimmten formen ju entlaffen. ®ie ©u^))enfion fe^lbarerso
©eiftlicpen fke^t in ber Siegel ben Äir^enräten ju; bie äbje^ung in ©laru^, ^reiburg,
©i ©aßen, ©raubünben ber ©^nobe, in SafetStabt, SQäaabt, Sleuenburg, ©enf bem
Slegierung^rat, in 3t^j)enjell bem Äird^enrat; in Rüx'xd), Sern ift fie nur burd^ geric^t=
lic^ed Urteil miJglid^. 95ie Sefotbung ber ©eiftti^en ift in 3"^^^/ S5ern, Sajet-Stabt,
S3afel=2anb, ©c^aff^aufen, 3largau, Sffiaabt, Sleuenburg, ©enf ©ac^e be« BtaaM, ba unb 65
bort mit freitoifiijäen g^lög^ ber ©emeinben, in ben übrigen Äantonen ber ©emeinben,
unb betoegt ftd^ in ber Siegel jtoifc^en 2000 unb 3000 granc^, ba« SWinimum ift ca.
1000 gr. (einzelne ©emeinben in ©raubünben), ba« "üKaEimum 4000—4500 %x. (Safet=
©tabt, einzelne ©emeinben in 3"^^ ""^ ®^- ©«Hcn). ©eje^Iic^e 3"f^^^w"0 ^^^
Shi^ege^alt befte^t in 3"^*^f ^^"^ Safel^tabt, ©dj^a^aufen, 3largau, SBaabt. 3" ^
50 S^mrij
mand^m Äantonen befleißen freitoiHtöc Stiftungen für SHter ünb Äranll^cit, für ^fotr^
toittücn unb -tüaifen (togl. iafd^enbudj^ für btc fd^toeijerifc^cn reformierten ©eifüic^en
1904, ©. 213—228).
®iefer bcrgleic^enben 3wfammenfteIIung ber tird^engefe^Ud^en Seftimmungen laffen
6 h)ir nod^ fpejieuere SKittetlungen über bie Kantone fotaen:
Rürid^. ^nxd) 3lrt. 63 ber Äanton^erfaffung ip ,,ieber gtoong gegen ©emeinben,
©enoflenf^aften unb (Sinjelne au^efc^Ioffen". „2)ie ebangclifdpe Sanbe^tird^e unb bie
übrigen fird^Kc^en (Senoffenfc^aften orbnen il^re Äultu^toerJ^ältnifie felbftftänbig unter Ober-
auffid^t beg BtaaM, 2!)ie Drganifation ber erftercn, mit äudjd^Iu^ iebe« ©etoiffen^
10 jtoange«, beftimmt ba^ ©efei^". S)a^ biefe Seftimmungen au^fül^renbe ,,©efeft betreffenb
bie Drganifation ber ebangelifd^en 2anbe«Iird^e be^ Äanton^ 3^^'^" ^ft "^4 langen SSor=
beratungen unb mifeglüdhen Serfud^en erft im ^al)xt 1902 }u ftanbe gefommen. 3)ie
Sanbe^firc^e ftel^t unter ber Dberaufftc^t be^ Biaai^, bie burd^ ben Äanton^rat au^eübt
toirb. 2)er Biaat beftreitet bie öfonomifd^en Sebürfnifie ber Sanbe^fird^e, in^befonbere
16 bie 93efo(bungcn ber ©eiftlic^en unb bie äuäagen ber Krd^lic^en SSebörben. ÜRitglieb ber
Sanbe^iEird^e ift jeber ebangelifd^e ßintüol^ner be^ Äanton^, ber nic^t au^brücflid^ feine
SRid^tjuge^öriglcit erllärt ober feinen S[u^tritt genommen l^at. S)ie ©^nobe toirb in ben
Äanton^rat^toal^Ifreifen getoäl^It, auf je 2000 reformierte f^toeijerifcpe ®inh)o^ner ein
SKitglieb, ol^ne Sorfc^rift betreffenb ©eiftli^e ober 2aien. ©ie iä|lt jur 3eit 160 3Kit=
20 glieber, barunter 92 ©eiftlid^e. 3^^^^ Sefd^Iüffe in rein lirc^Iic^en 3lnge(egenl^eiten ^aben
nur infotoeit berbinblic^e Äraft, al^ fte nid^t bie ©lauben^s unb ©etüiffen^frei^eit im-
(e^en. ©ie beauffid^tigt bie ©efd^äft^fül^rung be« Äird^enrated. S3on ben 7 ÜRitgliebem
be« lej^tem toäl^It pe 5, ber Äanton^rat 2. 35ie 11 33ejirl^!ird^enj)flegen l^aben 5—7
9Kitg(ieber, beren SRel^r^eit nid^t bem geiftli^en ©tanbe angel^ören barf, bie toon ben ber
26 Sanbe^Iird^e angel^örenben ßintool^nem be^ SBejirfö getoä^lt toerben. ©ie üben bie 3"'
fpeftion über bie Slmt^fül^rung ber ©eiftlid^en unb finb erfte ^nftanj bei ©treitigleiten
firc^Ii^er 9latur; fte entfd^eiben über Konfirmationen bor bem gefe^Iic^en Sllter. ^n ben
©emeinbcfird^enjjflegen fönnen bie ©eifttid^en ju SKitglicbem, nid^t aber jum $räftbenten
getüäl^It hjcrben; ©ife unb beratenbe ©timme l^aben fte bon Ämt^toegen. Slmtöbauer
30 aller Sel^örben 3 ^ai)Xi,
Sern. 95ie ©^nobe toirb in 56 SBal^IIreifen alle 4 ^af)xt fo getoäl^lt, bafe auf je
3000 reformierte Sintool^ncr, ober eine Sru^ja^l über 1500 ein Sibgeorbneter lommt,
unb jäl^lt bemgemäfe 146 ?Kitgtieber. ©ie toäl^It ben ©^nobalrat frei a\x^ i^er SKitte.
3^re Sef^Iüffe betreffenb Seigre, Äultu^ unb ©eetforge unterliegen bem ^lacet ber Sie*
86 gierung, unb e^ fönnen bie einzelnen Äirc^engemeinben innerl^alb 6 5Konaten biefelben
burd^ aibftimmung für ftd^ ablel^nen. ^n äußeren ängelegenl^eiten l^at bie ©^nobe 3ln*
trag unb SSorberatung für bie ©taat^bel^örben. 2)er ©^nobalrat beftel^t au« 9 SKit^
gliebem. 3"^ SBJäl^lbarfeit an eine ^Pfarrftelle ift in ber Siegel bierjäl^rige 3wgel^örtgfeit
Ulm bemif^en 9Kinifterium erforberli^. 95ie 3tufnal^me in le^tere« erfolgt burc^ ben
40 ^tegierung^rat auf Slntrag ber ^rüfung^Iommijffon.
©laru«. 2)ie eDangelifd^e Äirc^e beftel^t afö freie Bereinigung berer, bie au«
eigenem SQäiHen unb Überzeugung i^r jugel^ören unb i^ren Drbnungen ftc^ unterstellen
tooßcn. 95ic ©^nobe, mit breijäl^riger 3lmt«bauer, beftcl^t au« ben ebangelifd&en ÜRit*
gliebem ber ©tanbe«Iommiffion (= 9legierung«rat), ben im 3tmte ftel^enben ©eiftlic^cn
4.^) unb ben Slbgeorbneten ber Äird^engemeinben, öon bencn jebe hjcnigften« ein SKitglicb, bei
über 1000 ©eelen auf jebe« 1000 ober Srud^teil über 500 ein ?!Kitglicb toäflt. 2)ie
©^nobc fteHt 2lnträge an bie ©emeinben in ©ad^en be« ©otte«bienfte«, fte beftimmt über
bie ©efangbüc^er in ber SBeife, bafe ol^ne il^re S5eh)illtgung leine ©emeinbe ein neue«
einführen barf, aber aud^ feine ju einem neuen ge^toungen toerben fann; fte einj)fie^lt
50 bie il^r gutfc^einenbe Siturgie* bie ©emeinbefird^enräte entfc^eiben barüber, bei erhobenem
SRefur« bie ©emeinbe ; fie ftcut ©runbfäfee über ben 3leligion«unterrid^t auf, bie aber erfi
©efe§e«fraft erlangen, toenn fte burd^ Slbftimmung in ben Äirc^engemeinben bie ÜRe^rl^eit
ber ftimmenben Kirc^engcnofjen erbalten. 2)ie©^nobe toäl^lt bie Rird^enf ommtffion ; bon
beren 7 aKitgliebern muffen menigften« 2 iDeltltd^e fein; ift ber ^räftbent ein ©etftli(^
56 (2)etan), fo mufe ber 9Sizej)räftbent ein SBeltlic^er fein, unb umgefel^rt.
greiburg. 2)ie ©^nobe ift gefe^gebenbe unb öertoaltenbe Sel^örbe. ©ie befte^t
au« ben angefteßten ©eifttic^en unb SJlbgeorbneten ber ©emeinben, jebe ©emeinbe toä^lt
2, ©emeinben Don mej^r al« 700 Seelen für je 700 h^eitere ober 93ru^ja^len über 350
1. ©efe^e unb organifd^c SHeglemente muffen t>on ber ©efamt^eit ber $faneigenoffen
60 gencl^migt toerben. 2)ie ©^nobe toäl^lt bie ©^nobolfommiffion Don 7 5Kitgliebem. ®er
@f|ttieij 61
^räftbmt ber erfteren ift auc^ ^räftbent ber leiteten, bie älmtöbouer bäber Sel^örben ift
4 ^af)xt. a)ic ©tonobe beftimmt bie Beiträge ber Pfarreien an bie ©^nobowaffe, be*
f(^liefet bie Slu^aoen für bie Sanbe^Iirc^e, beftimmt bie Sefolbungen il^re« 35ureau« unb
ba^ aRinimum ber ^farrbefolbungen.
9afels@tabt. Sintritt in bie Sanbedlird^e unb Slu^tritt aud berfelben fte^en 6
jebem ©taat^angebörigen bebingung^lo« offen. 3)ie (Semeinben ^aben nur bie ffia^Ien
ber ^Pfarrer unb Äird^enöorfte^er (S^nobalen) ju treffen, unb ghjar unter Seitung bed
Slegierung^rate^. SDie Äird^entoorftänbe befte^en au« tüeniaften« 5 SKitgliebem unb gtoor
bem ober ben ^Pfarrern, tüdc^e (in ber ©tabt ber §auj)t^)farrer) t)on Smtg tüegen bräjt*
bieren, unb ben ©^nobalen ber ©emeinbe. 3)ie ©^nobe mit fed^^jä^ger ämt^oauerio
befte^t ou« ben 5 ^au))t^)farrern, ben ^Delegierten beö 3legierung«rate« jum Äirc^enrate,
unb 60 toeitem 5KitgIiebem, bie t)on ben Äird^gemeinben nadb einer burc^ ben Stwie»
rung^rat auf ®runb ber l^ten 3iolUmf)lunQ beftimmten äSerteilung geh^öl^lt iDerben. ^ie
©i^nobe bef(^Iie|t in rein fird^liÄen Singen, ^at aber i^re Sefc^lüffe bem ®ro|en State
mitjuteilen, ber fie innerl^alb 6 3Wonaten burc^ fein Seto aufeer Äraft fe^en fann, „fofem i6
er eö im ^ntereffe be« ©taate« ober ber ©r^altung ber Sanbedfird^e für nötig erad^tet".
^n gemifd^t lirc^lic^en Singen giebt bie ©^nobe i^re Einträge oberäBünfd^e bem Kleinen
dlatt ein. Ser Äirc^enrat befte^t au« 9 SRitaliebem, beren 7 t)on ber ©^nobe, 2 öom
Segierunggrat getüäl^lt toerben. Son ben erfteren muffen 3 ©eiftli^e, 3 Saien unb 1
orbentlic^er ^Profeffor ber Ideologie fein. 2lu« biefen 7 ertoä^lt bie ©^nobe ben ^Präjl» »
beuten be« Äird^enrate«.
33afel*2anb. 3)a« in ber aSerfaffung öon 1863 öorgefel^ene ®efe^ für bie refor«
mierte Äird^e tourbe nie erlaffen. 9lur bie aSfarrtoa^len fmb gefe^lic^ georbnei ä)er
Segierungdrat bejtü. feine Äirc^enbireftion ift 3luffid[>t«bel^örbe in Äirc^enfad^en. Der
Äont)ent ber ©eiftlic^en, ber felbft nur ein freier 3Serein ift, toerl^anbelt auf einlabung26
ber Jlirc^enbireftion übec rein lirc^lic^e älngelegen^eiten unb legt feine ©utac^ten ober je
na^ Umftanben feine SBünfc^e ber S^egierung öor, aber e« beruht auc^ bie« nic^t auf
gef^ic^en 33eftimmungen, fonbem auf bem ^erlommen. gn ben ©emeinben ift ber
©emeinberat auc^ in tirc^lid^en Singen juftänbtg, nur bie jtoei Siafj)oragemeinben Sllt«
fc^toil unb 9(r(e«^eim ^aben eigene Jtircpent^orftänbe. Sie $farm?a^len tperben t)om ao
>)tegierung«rat geleitet unb beftätigt.
©c^aff^aufen. Sie SSerfaffung (öon 1876) fte^t mit bem nod^ geltenben Äird^en«
gefe$ t)on 1854 in 9Biberf})ru(^. @rftere er!lärt aOe 9{e(igion«gefeI[fd^aften be^ü^Iici^
i^ inneren Slngelegen^eiten für felbftftänbig. Sie Drganifation ber öffentlid^en firc^s
lu^en Äorj)orationen, in«befonbere ber etoangelifd^-reformierten 2anbe«fird^e, unterliegt ber 86
©enel^migung be« ©taate«. ©efe^ t)on 1854: Ser 2lntifte« ift ba« toermittelnbe Organ
gtoifc^en Äir^enrat refj). SRegierung unb ©eiftlic^feit unb toirb t)om ©rofeen ^att auf
einen Sreiertoorfd^Iag be« 9legierung«rate« für 4 ^a^re getoäl^It. ®r befowt bie Drbi*
notion unb gnftallation ber ©eiftlid^en unb leitet bie Siifitationen. Ser ^irc^enrat be«
fte^ au« bem Äird^enreferenten ber Slegierung al« ^ßräfibenten, bem Slntifte« al« 3Sijes lo
jjräftbenten, 2 öon ber ©^nobe getoä^lten ^Jlitgliebem, 1 geiftlid^en unb 1 toeltUc^en,
3 t)om ©ro^en State getüöl^lten, worunter 1 ©eiftlic^er. Sie ©^nobe befte^t au«
ben im ilanton too^nenben ©eiftlic^en, 2 öom 9tcgierung«rat abgeorbneten unb ben 9Jlit*
gliebem be« Äirc^enrate«. ©ie i)at and) in rein fird^lic^en Singen nur bie 2lntragftellung
an bie ®taat«be^örben, in gemifd^t f irc^lic^en bie ä3egutad^tung. Ser ©ejftlid^e tann ab^ 46
berufen toerben burc^ ben 5legierung«rat tocgen ^fliqtöergeffen^eit ober SÖlrgemiffen, ober
h>egen ^rebi^t, Unterricht unb Setenntni«, toeld^e mit ben ©runblagen ber et^angelifc^en
Äir^c in Sffitberfjjrud^ fte^en.
SlJ)t>enjeII. SRinoritäten innerhalb einer Äirc^engemeinbe lönnen ftd^ ju einer
ebenen tirc^ltc^en ©emeinfc^aft innerhalb ber Sanbe«ttrd^e organtfieren, h^enn iJ^re ©lieber 6o
bie ©teuerpfliclt gegen bie Jtirc^engemeinbe erfüllen, unb einen in ber Sanbe«{irc^e h^ä^l^
boren ©eiftlic^en aufteilen, ©ie bd^alUn ba« ©timmred^t in ber Jtird^en^emeinbe. W^xm
ber 9Rinoritätenöerbanb toenigften« ben fed^ften 3:cil ber ©timmberec^tigten ber Äird^*
äemeinbe umfaßt, fo ^at er ba« Stecht unentgcltlid^cr 3Jlitbenu^ung ber Äirc^e. Sen
[irc^engemeinben fte^t bie 2ßa^l unb ßntlaffung ber ^Pfaner, ber Kird^entoorfte^er unb 66
ber abgeorbneten in bie ©i^nobe, bie Seftimmung ber 2lmt«j)flidbten unb ber Sefolbung
be« ^forrer« ju. Sie ©i^nobe bcfte^t au« 2tbgeorbneten ber Äirt^engcmeinben. 3^^^
©emeinbe toöl^lt auf 1000 ©eelen unb barunter 1, auf 1001— 2000 ©eelen 2 Slbgeorb^
nttt u.f.to. ©ie bdfc^liefet über ben 3leligion«unterric^t, fteHt in ©ac^en be« öffentlichen
®otte«bienfte« Anträge an bie Äirc^cngemcinben, tüorüber biefc obligatorifd^ ab^uftimmen eo
52 S^loetj
haUn, entfd^cibet über SRelurfe fird^Iid^cr 3lrt, unb \oäf)Ü aDjä^rltc^ ben Jttrc^cnrot, be^
fte^enb au« 5 9Jlitgliebcm.
©t. ©allen. 2)teSbnobe toirb toon ben Äird^engememben getoöi^It. ©olc^e unter
2000 ©eelen toä^len 2 äbgeorbnete, bei 2000 bi« 3000 ©eelen 3 u. f. to, ©ie ent^
6 fc^eibet übet alle firc^Iid^en aingelegen^eiten aflgemeiner 9Jatur, unb toä^It ben ?Präfibentcn
unb bie SJlit^lieber be« Äird^enrate«, im ganjen 7 SKitglieber, ebenfo bie 2)elane. 3)cr
fianton i[t m 3 Äird^enbejitle eingeteilt. 3)ie ©eiftlid^en eine« Segirfe« bilben ba«
Jtaj)itel. 3)er 3)efan ift ba« Organ be« Äird^enrate« in bem betreffenben 35ejirle, er
entfd^eibet in firc^lid^en ©treitigfeiten, toenn nötig unter 8eijug öon 2 3JlitgIiebem un^
10 beteiligter Äird^enborfteberfd^aften. 3lmt«bauer atter Äirc^enbe^örben 4 ^af)xt. Die ®c=
meinben fönnen il^re Pfarrer entlaffen, jeboc^ nid^t öor tüenigften« itoeijä^riger 3lmt«baucr
unb nic^t nac^ jurücfgelegtem 60. SHter^ja^re, fotoie er[t nad^ bor^erigen Sermittelung«^
öerfuc^en. %üx 3Rinorität«t)erbänbe gelten bie gleid^en Sebingungen tüie in 3l})J)enjell.
@raubünben. 93enac^barte j^ird^engemeinben ^aben ba«9ted^t, ftc^ belauf« gemein-
16 famer 5ßaftoration im ©intoerftänbni« mit ben fird^flid^en Sel^örben ju bereinigen, tüobei
lebod^ jebe im übrigen il^re ©elbftftänbigfeit betoa^rt. 9leu fid^ bilbenbe Äirc^engemeinben,
Die i^re ©jiftenjfä^igfeit bart^un, toerben bon ber©^^nobe unb bem ebangelifd^en ©rofeen
SRate betätigt, ©timmbered^tigt toirb ber Äonfeffton^genoffe mit erfülltem 20. Sllter«^
ta^re. Über alle Oefe^e lonfefjtonetler 9latur ftimmen bie Äird^engemeinben ab, toobei
ao bie SJle^r^eit aDer ©timmenben (nid^t ber ©emeinben) entfd^eibet. 2)er cbangelifc^e ®ro^e
SRat, beftel^enb au« ben ebangelifc^en 5Kitgliebem be« J)olitifc^cn ®ro|en 3lai^, f^at alle
Sefd^lüffe ber ©^nobe, bie ®efe$e«fraft erlangen foHen, ui gcnel^migen. ^f)m fte^t bie
^nitiatibe in fir^lid^en 2)ingen gleic^toie ben firc^lid^en ^e^örben ju. 2)er ebangelifd^e
«leine 3lat, befte^enb au« ben ebangelifd^en ÜJlitglicbem be« Äleinen SRate« (= Segie^
26 rung«rat) toad^t über bie SoHjiel^ung ber ©efe^e lonfeffioneHer SJatur unb bermittelt ben
SBerfe^r ber Äird^enbe^örben mit bem ebangelifd^en (Srofeen diaU. 3!)ie ©^^nobe befte^t
au« ben ©eiftlid^en unb 3 bom ebangclifc^en ©rofeen diaU gehjä^lten 3lffeJforen. ©ie
entfd^eibet über älufna^me bon Jtanbibaten unb au«h)ärtigen ©eiftltd^en. 2)ie münbli(^e
§aupt^)rüfung ber erfteren unb bie Drbination finbet t?or öerfammelter ©^nobe ftatt.
80 ©ie entfd^eibet über R^furföDe. 3)er Drt ber ©^nobe toed^felt. ^\)xt SSerfammlungen
beginnen an einem 3Donner«tag (ba manche Pfarrer meliere 3:age bi« an ben Sir-
fammlun^«ort ju reifen baben) unb bauert bi« in bie folgenbe Sffiod^e. 2lm S^nobal-
fonntag ift ber ®otte«bienft in allen ebangelifd^en ©emeinben eingeftettt, bagegen ift am
©^nobalort befonberer ©otte«bienft, für ben bie ©^nobe ben ^rebiger toä^lt. 3^^ ^^
86 \vid)c ber ©ijnobe ift jcber ©eiftlic^e unter 70 ^al}xm bei 3 %x, SBufee berj)flid;tet. Die
ÄoHoquien finb berjjflic^tet, bafür ju forgen, bafe auf je 6 il^rer 3Kitglieber toenigften« 1
bie ©^nobe befuc^e, bei 20 gr. S3ufee. Stn einem 2^age geftaltet fid^ bie ©^nobe jur ^aftorat
fonferenj unb bi«!utiert einen SBortrag über ein t?om ^ro})onenten gehjä^lte« 3:l^ema. äu«
bem ©rtrage beftimmter ©tiftungen unb ben 8u^en unb ©ebül^ren toerben einige ©ntfc^ä-
40 bigungen für Äarulei 2c. beftritten, unb ber 3left ben ©^^nobalen al« ÄaJ)itel«gelb berteilt (al«
Seitrag an bie 9xeifefoften). Der ÄHrd^enrat mit breijäl^riger 3lmt«bauer beftel^t au« 7
ajlitgliebem; 6 toä^lt bie ©^nobe au« i^rer 3Kttte, 1 ber Kleine SRat. gr befteQt ba«
(Sjamination«follegium, i^m liegt bie ürcblid^e Sertoaltung im allgemeinen, bie SSor«
bereitung unb SSoßjie^ung ber ©^nobalbefdilüffe ob. Die Kolloquien l^aben bie ^robifionen
46 (borüberge^;cnbe Seforgung öafanter ^^JfarrfteHen) anjuorbnen unb ju übertoad^en. Die
3Bäl|lbarfett al« ^faner toirb burd^ bie 3lufnal|me in bie ©l;nobe erlangt. Da« SSer-
f^ältni« 5h)ifdt>en Pfarrer unb ©emetnbe toirb burd; fc^riftlic^en Vertrag georbnet; beiben
teilen fte^t ba« Äünbigung«rec^t ju; bie Künbigung«frift barf ni^t für^^er al« ein ^albc«
3ja^r fein ; ber ©el^alt nid^t geringer al« ber be« ä^orgänger«. ärgemi« im SBanbel fann
60 k)on ber ©^nobe burd^ ©u«penfion unb (Sjflufion beftraft tüerben.
31 arg au. Die ©^nobe befte^t au« Slbgeorbneten ber Äird^engemeinben, bie bi«
auf 500 ©eelen 1, bon 500 bi« 2000 2, für jebe« tt)citere 1000 je 1 ÜWitglieb
toäl^len. ©ie tt)ä^lt ben Äirc^enrat, ber 7 3)litglieber l^at unb im allgemeinen bie fin^
lid^e 9?erh)altung«bel^örbe ift.
65 SCI^urgau. Die 2lbgeorbneten in bie ©^nobe tt)erben t?on ben Äird^engemeinben,
refp. bon ben au« benfelben gebilbeten 35}al^lförj)ent getoä^lt, fo ba^ auf 800 Sinhjol^ner
ober Sruc^tcile über 400 1 2lbgeorbncter fommt. ^n jebem Söablförj^er barf n\d)t
mebr al« 1 ©eiftlic^er getoä^lt tüerben. Sie l>ai neben bem Grla| ber fircf^lic^en ©e^
fe^c unb iJerorbnungen aud; bie 33ctüilligung jur Grbebung fird)lid?cr ©tcuem. Die
60 gemifc^t'Iirc^lic^en Sefc^lüffe unterliegen ber ©enel^migung be« ©taate«, gefe^geberifc^e
S^torij 53
©rlafle ber ebangclifc^en Solföabftinmmng. 2)er Äird^enrat, au^ 5 SKitgliebem, 2 Seift«
liefen unb 3 Saien beftcl^enb, tüirb t)on ber ©^nobe getoä^lt, unb ^at fel^r toeit^el^enbe
Sefugniffe, j. S3. ben (Sntfd^cib übet Ircnnung unb Sereinigung einjelner leile ber
Ähcc^engemeinben. ^n toid^tigen Sertooltung^fragen ift 9lefur« an ben 9legierung«rat
xuläjltg, J^intoieber ift ber Äird^cnrat bered^tigt, für feine S3efc^Iüffe bie 5Kith)irIung ber 6
Paatli^en SoDjie^ung^organe ju verlangen, ©r f)at bog 3itd)t ber Slmt^entfe^ung unb
©u^^jenfion, unb 2)iöji»)Iinarftrafbefugnig btö auf 50 gr. 2)ie ^farrer fmb lebenelänglic^
getoä^It, fönnen aber t)on ben ©emeinben abberufen toerben. 2)ie fiird^enborftelS>^(i^öften,
beren ?Präfibent ber Pfarrer bon Slmtö toegen ift, ^aben für bie ©ittenauffid^t 2)i^
jipltnorbefugniö big auf 2 5Cage ®efängnig. 2lmtgbauer ber fird^lic^en Se^örben 4 ^af)x^, lo
äBaabt. 2)ie reformierte Sanbe^Iirc^e ift au^brücflid^ öom ©taate garantiert, beffen
Sel^örben bie rein ürd^^Iid^en Sefd^lüffe jur (Senebmigung öorjulegen fmb. ^n gemifd^ten
©ac^en l^aben bie fird^Iid^en Organe nur bie Begutachtung. 2)en Äird^engemcinben fte^t
nur bie SBal^l ber Äird^enöorftänbe unb bie Seanttoortung öon ^agen ber Dberbel^örben
ju. 35ie Äird^entoorftänbe ^aben aufeer ben getüö^nlic^en Sefugniffen bie SEBal^I ber 5Kits i6
glicber ber Sejirf^ürd^enräte au« i]^rer 5Kitte ^u treffen, nämlid^ ben ober bie Ort«*
!)farrer unb bie boj)J)eIte 3^^! t)on Saien. 2)iefe Conseils d'arrondissement öerfammeln
td^ jäl^rlic^ einmal; ibnen liegt bie 2tuffid^t über bie ©eiftlid^en unb Äirc^entoorftel^er ob,
unb bie aBa^I ber ?Witglieber ber S^nobe. Sefetere befielet au^ 3 Slbgeorbneten be«
Btaatti, ben orbentUc^en ^rofefforen ber t^eoIogiUen galultät unb je 3 ©eiftUc^en unb 20
6 Saien für jeben S3ejirl, h)el(^e ber Sejirl^Iird^enrat au« feiner 5&litte loäl^It. 3^re
Sleglement« bebürfen ber ©ene^migung be« 3legierung«rate«. ©ie loä^It ben ©^nooal«
au^fd^ufe, ber au^ bem ^ßräftbenten ber ©l^nobe unb 6 ÜJlitgliebem befte^t, öon benen
4 Saien unb 3 ©eiftlid^e fein muffen. 2)erfelbe ift bie oberfte lird^Kd^e aSertoaltung«^
bel^örbe. 2)ie 3lmt«bauer aller fird^lid^en Se^örben ift 3 ^af^xt. 3)ie SQSä^lbarleit ber 25
^foner toirb lonftatiert burc^ bie Jtonfefration^fommiffion, befte^enb au« 4 Slbgeorbneten
be« 9legierung«ratc«, 3 orbentlic^en ^ßrofefforen ber t^eologifd^en gafultät al« äborbnung
ber le^teren unb 8 abgeorbneten ber ©^nobe, Worunter toenigften« 4 ^Pfarrer. 3)er SBe^
tocrber mu| 23 ^Q!^xt alt fein, er l^at ein 3!)ij)lom ber tlj^^ologifd^en g^alultät ober einen
gleic^tDertigen 2lu«h)ei« über feine ©tubien beizubringen; bie Äommiffion ^at ftc^ femer so
ju überzeugen bon ben 0uten©itten be« Äanbibaten, bem SJlangel befonberer för})erlid^er
®cbrec^en unb ba^ „feine religiöjen ^rin5i))ien ba« Vertrauen ber Äirc^e berbienen".
3m Äonfefration«eib fdj^toört er, bie ©taat«berfaffung treu ui galten, ba« ©taat«too^l
unter aüm Umftänben ju berteibigen, bie 3lmt«j)flic^ten getüiffen^aft ju erfüllen, unb de
pr^cher la parole de Dieu dans sa puret^ et dans son integrit^, teile qu 'eile 35
est contenue dans TEcriture sainte. 8ei ^farrloal^len toirb bie ©teile au««
gefd^rieben; ber 3legierung«rat ftellt bie Sifte ber 4 älteften Setüerber ber ©emeinbe gu,
toet^e in ge|^eimer Sabftimmung 2 Äanbibaten bejeid^net; au^ bicfen loäl^lt ber SRegie«
rung«rat befmitib. ©u«j)enfion unb 3lbfe^ung erfolgt auf 2lntrag bc« ©^nobalau«fd^u)fe«
bur^f ben 9tegierung«rat. Sieben 2lmt«j)flid^tberlei^ung unb Unfittlid^feit fann aud^ 35rud^ 40
(infraction manifeste) bc« Äonfefration«eibe« 3Seranlaffung jur 2lbfe$ung toerben. ©eit
1903 ift eine Slebifion be« Äird^engefe^e« bon 1863 in ^Beratung. 2)ie ©^nobe itan^
tragt in il^rem ©utad^ten ©rteilung be« lirc^lid^cn ©timmrec^t« an bie grauen unb an
bie 2lu«länber. 2)ie 3lu«f(^reibung aller ^farrfteDen foll bleiben, bagegen fd^lägt bie
©emeinbe au« ben Setoerbem bem ©taat«rate einen Äanbtbaten jur SBal^l bor, bie«
bcftätigt toerben mufe, toenn feine formellen 3Wängel borliegen. 6ine j)eriobifd^e erneue-
run0«h)a^l ber ©eiftlid^en, h)ie fie in einer Petition berlangt toirb, le^nt bie ©^nobe
einmütig ab. ^Dagegen tbünfd^t fie, bafe ein ^faner, ber 65 Qjö^re alt ift, jum SlüdEtritt
t>er})flic^tet toerbe. Söeld^e aufnähme bicfe JJorfd^lägc bei ber ^efe$e«beratung ber ©taat«=
bcl^örben finben loerben, lä^t ficf) nid^t borau«fagen. so
Sleuenburg. ^n ben Äird^engemeinben $abcn auc^ bie 3tu«länber ©timmred^t. 3)ie
©emeinben l^aben be^üglid^ Siturgie, ©cfangbuc^ unb SiReltgion«unterrid^t gänjlid^e greis
^eit (L'usage des liturgies, psautiers et manuels d'enseignement religieux,
m§me de ceux qui ont 6i6 adopt^ et recommand^s par le synode, ne peut
Stre impos6 aux paroisses, ni par le pasteur, ni par l'autorit^ eccl^siastique). 55
3)cr ganje 3leligion«untenic^t (bom 7.— 16. 3lltcr«ia^re) ftelit bem Pfarrer ober bon il^m
im einberftänbni« mit ber ^ir^enborftelierfd^aft jugejogencn $erf onen gu. ^n bie ©^nobc
toerben auf je 8000 ©eelen ober Srud^teil über 4000 ©eelen 1 ©eiftlid^er unb 2 Saien
geiüäyt, unb ju biefem ^toci^ bie Äirc^cngemeinbcn ju SBal^IIreifcn berbunbcn. ©ic
organifiert bie Äird^e mit äJorbe^alt ber ©cne^migung be« 9lcgierung«rate« unb forgt für eo
54 Sd^loei}
bie Settüaltung, Hnorbnung bon ©tclltocrtretung u. f. tu. ^\)x S3urcau bon 7 3RitflIicbern,
3 (Seiftlid^en unb 4 Saien, auf 1 ^ai)x mit SBiebertüä^Ibarfeit befteHt, beforgt jtüif(^cn
ben SSerfammlungen bie laufenbcn ©cfd^äfte. 3)ic aEBä^Ibatleit bcr Pfarrer beruht auf
einem 35i))Iom ber tl^eologifd^en gafultät ober gleid^toertigem Stu^tüei^, ben bie ©^nobe
6 autl^ei|t. SDie Stellen toerben au^gefd^rieben, aber bie 3&af)l ber ©emeinben tft ganj
frei. 2)ie ^flic^ten ber Pfarrer toerben bur^ bie Äird^entoorftel^erfc^aft jeber ©emeinbe
auf ®runb ber attgemeinen Seftimmungen feftgefteHt, unter ©enel^migung ber ©^nobe.
©u^enfion unb äbfe^ung toegen Unfittlid^feit ober Hmtgtoemad^läfftgung fte^t bem Ses
gierungSrate ^u.
10 ®enf. SDie Seitung ber firc^Iic^en 2lngelegenl^eiten ftel^t bem Äonfiftorium ju,
loeld^ed burc^ bie Jtimmfä^igen ^roteftanten bed ganjen Hantond in einem 3Bal^Ifreife
für 4 '^a\)xt getoäblt toirb. 6^ befte^t au« 25 Saien unb 6 ©eiftlic^en, öerfammelt ft^
monatlich, im grü^ja^r unb §erbft tüöd^entlid^, unb toäl^lt für bie laufenben ©efc^äftc
einen ätu^fd^ufe bon 5 5KitgIiebem, bef[en ^räfibent ein Saie fein mufe. 2)ie 95erfamm=
16 (ung ber ©eifäid^en (Compagnie des Pasteurs) lann an ba« jtonfiftorium antrage
fteDen. 35ie ©eiftlic^en erlangen bie SEJäl^lbarfeit toie in SJeuenburg, tüerben toon ben
(Semeinben getoöJ^It, lönnen auf JJerlangen einer SBiebertoa^I unterworfen, unb öom
Äonftftorium hjegen fittlidg^en Slnftofecg, fotoie toegen Unge^orfam ^infic^tlic^ bcr Se^
ßimmungen über ©otteöbienft unb Jleligion^unterrid^t fu«j)enbiert toerben. 35er gan^
ao JleUgion^unterrid^t ber ©d^ule fte^t unter Sluffid^t unb Seitung ber Kreislichen 35e^örben,
f})ejiett ber Äirc^enöorftel^erfd^aften. Se^tere toerben bon ben Äird^engemeinben auf 4 3;a^e
gehjä^It. — 3)er ©ebanle einer Trennung ber Äird^e bom Qtaat ift fc^on 1880 angeregt
toorben unb l^at in le^ter 3^'^ bebeutenbe ^ortfc^ritte gemad^t.
35er gegenwärtige ©tanb ber Äird^engefe^gebung in ber reformierten ©d^loeij läfet
26 fid^ lur^ bal^in jufammenfaffen:
Sie fel^It in 33afet2anb, ift ben je^igen ©taat^efe^en nid^t mel^r entfj)redScnb in
©d^afpSaufen, jeigt eine 5Kifc^ung bon ©taat^firc^e unb JJoIföfird^e in S^tid^, Sem,
Safel^Stabt, 2largau, 9leuenburg, (Senf, ift lonfequent geregelt im ©inne ber ©taat^f irc^ie
in SBaabt unb ©raubünben, im ©inne ber SSoIföfird^e in ®laru8, greiburg, 3(j)J}enjeD,
80 ©t. ©allen, Il^urgau.
c) S'^t^i^löw^onale lird^lid^c 2lnorbnungen. 2)a« Äonlorbat, betreffenb
/fÖ^^fritige 3w'^ffw"0 ebangeIifdS=reformierter ©eiftlid^er in ben Äirc^enbienft", bom
19. gebruar 1862. 2)emfelben finb beigetreten bie Jtantone Äüxid), 2largau, 3tJ)J)en^elI
3l.--9l^oben, St^urgau, ©laru«, ©c^affl^aufen, ©t. ©aßen, feit 1870 S3afel^©tabt unb
86 33afel-2anb. 3)ie fonforbierenben Äantone ftcHen eine gemeinfame ^rüfung^bel^örbe auf,
inbem i^re berfammelten Stbgeorbnetcn ein SJlitglieb Wäl^len, Welche« atö ^räfibent ju
fungieren l^at, unb einen ßrfa^mann be^fclben, femer jebc lantonale Äirc^enbe^örbe ein
5Kitglieb (unb einen (Srfa^mann) bejeid^net. 3)ie Sel^örbe, beren 3lmt«bauer 3 Saläre
beträgt, lann ju ben Prüfungen ^rofefjoren aU ß^erte beijicl^en. ©ie erläßt bo«
40 ^rüfung^reglement (le^te« 1898) unb beftimmt ben Ort ber Prüfungen, loeld^e im %xvif):
Ung unb §erbft ftattfinben. SlHgemeine« (Srforbcmi« für biefelbcn ift eine 6mj)feblung
ber Äird^enbel^örbe beö Äanton«, in bem ber SeWerber feinen bicibenbcn 9Bo|>nft^ l^t,
ein SKaturität^u^toei« über genügenbe ©tjmnafialftubim, unb ein ©ittenjeugni«, femer
für bie })roJ)äbeutifc^e ^Prüfung ein 2lu«h)ci« über tüenigften« jWeijäl^rigc, für bie t|^cü=
46 iogifd^e ein fold^er über toenigften« breijä^rige §oc^fd^ulftubien. ^ie J)ro^)äbeutif(^e
^Prüfung umfaßt ©efc^ic^te ber ^l^ilof oj)ISie, ätHgemeine SRcligion^gefd^idSte, Äirc^engefc^id^te
mit Äulturgef(|idSte, Sefcn unb Überfefeen bon ätbfd^nitten au« bem 3Uten unb 9Jeuen
3:eftament; bie t^eologifd^e 2llte« unb Sceue« 3:eftament, Wobei neben fprac^lid^er ©id^cr^
l^eit Jtmntni« ber litterarif d^en unb biblifc^stl^eologifc^en fragen erwartet Wirb ; 35ogmatiI,
60 SDogmengefc^id^te unb ©Emboli! ; d^riftlicle (gt^it mit Serüdtfic^tigung aud^ ber fojialen
Probleme; ipraftifd^e 3:^eoIogic; ^äbagogif in SSerbinbung mit ^fl^d^ologie, fobann ^re^
bigtfd^ema unb ^robej)rcbigt. 3)ie Drbination erteilt bie ÄircJ^mbel^örbe, Wcld^e ben
Jtanbibaten empfohlen l^at. 35a« 3^"9"^^ ^^ ^rüfung^bel^örbe bered^tigt jur 3lnftellung
in allen Äon!orbat«fantonen. 3Benn ein ©ciftlic^er au« einem berfelben in einen anberen
66 übergebt, l^at er au« erfterem ein 3^wgni« ber firdblid^en Dberbe^örbe über Stmtöfü^mng
unb SBBanbel beijubringen. 35ie Äantone teilen ftd^ Wid;tigerc 3«tfurfälle gegmfeitig mit
unb jeber Äanton fann bie in einem anberen erfolgte 3lu«fcljlie6ung bom Hirc^enbienfte
aud^ für fein ©ebiet bcrl^ängen.
93em unb ©raubünben ftnb au« lofalen ©rünben bem Äonforbate nid^t beigem
60 treten. 3" ^^ ^raji« aber ift unter allen Äantonen ber beutfc^en ©c^Weij bie ^ei=
®il|)octj 55
Jügiglett ber ©eiftlic^en injolDeit t)orl^nben, ba^ aud^ fold^e, bie aud biefen beiben
tantonen in^Jtonlorbat^ebtet, ober au^ le^terem in erftere burc^ ©emeinbetoa^I berufen
toerben, bafelbft enttoeber auf ®tunb eine« Kolloquium«, ober bei genügenbcn 3«W0==
niffen über bi«^erige« untabel^afte« pxaUx\ö)^ 3Birten meift aud) ol^ne ein folc^e« aner^
tannt tperben. 6
Äonferengen ber eöangelifd^en Äirc^enbel^örben (nad) ben gebrucften ^ro^
tolollen). 35ie erfte Seranlaffung ju Äonferenjien öon äbgeorbneten ptter fd^toeijerifc^en
Äird^enbe^örben gab ein 2oic, ber berühmte ^aläftinareifenbe Dr. med. iitu« 2;obler,
inbem er afe SRationalrat bei ber SBunbe^toerfammlung in S3em 1857 bie jürc^eri«
fd^en ©tänberäte oufforberte, auf Sr^ebung be« Äarfreitag« nutn ^o^en gefttage in ber lo
ganjen etoangelifd^en ©d^toeij l^injutüirlen. 3!)er 9legierung«rat öon ^nüd) toie« bieje
Anregung an ben Äirc^enrat, unb biejer toeranftaltete mit 3wftimmung ber S^nobe bie
erfte Äonferenj 1858, bie t)on fämtlid^en Äird^enbe^örben befc^icft lourbe. 2lu|er bem
©egenftanb, ber ben 3wfömmentritt beranlafet ^atte, lourben fofort nod^ berfc^iebene
anbere fragen angeregt, unb in ben nun bi« 1862 attjä^rlid; ftattfinbenben Serfamm* i6
lungen folgenbe 9(ngeleaenbeiten erlebigt:
a) Sr^ebung be« itarfreitag« jum ^o^en t^efttage, k)on allen ebangelifd^en Kantonen
genehmigt
b) ©egenfeitige 3ulaffung ber ©eiftlic^en in ben Äirc^enbienft, nur teitoeife burc^^
geführt bur^ äbfd^lie^ung be« Jtonlorbate« (f. oben). 20
c) ®rftellung einer Siturgie für ben etoangelifd^en gelbgotteöbienft nebft ^aftorat
inftrultion. Einleitungen für ein ÜJlilitär^efangbuc^.
d) Slnba^nung einer gemeinfamen 35ibelüberfe^ung auf ©runblage ber lutl^erifc^en
(f. unten).
e) Sorlage an bie 99unbe«bel^örben über 33ereinfac^ung ber Formalitäten bei ber 26
@^efc^lie^ung.
f) (Segenfeitiger 3lu«taufc^ ber offiziellen S3erid^te ber lantonalen Äirc^enbe^örben.
38on 1863 bi« 1875 fanben feine fold^e Jtonferenjen ftatt. gm le^teren ga^re beriet
man über bie ©tettung ber lirc^lid^en S3e^örben ju bem S3unbe«gcfefee über ben 6iöit
ftanb, unb einigte fid^ über allgemeine ©runbfä^e. 3^9^^^ tourbe oer Jtirc^enrat t)on so
Rürid^ beauftragt, Angelegenheiten öon attgemciner Sebeutung für bie ebangelifc^en
^anbedtirc^en im äluge ju behalten unb je nac^ Umftönben eine Konferem einzuberufen,
infolge ^lertoon tourbe im g^^re 1876 burc^ 3'rfwlarbefc^lu| fämtlic^er Jtird^cnbel^örben
bei ber S3unbe«öerfammlung bie Slufnabme einer Seftimmung jum ©d^u^e be« SRcligion««
unterrid^te« für Ainber, bie in ben ^abrifen arbeiten, in ba« ^abrifgefe^ nad^gefud^t unb 86
erreicht. 5WaAbem im ^a^x^ 1877 bie eibgenöffifd^e Settagifeier burd^ eine militärifc^e
^Jarobe bei Sinla^ eine« 2)it)ifion«manööer« für bie betreffenben 3inH)j)en unb bie ®t=
meinben, in beren Umfreife biefelben fic^ belegten, erfc^tüert unb jum leil emftlid^ ge=
fiört toorben toar, einigten fid^ fämtlid^e Äircpenbel^örben auf gleid^em SBcge ju einer
aSorftelluna an ben S3unbe«rat unb bem ©efuc^e um aSer^ütung ä^nlid^er ©törungen für 40
bie 3^^^"^ iDorauf eine bie«fäflige 3wp^erung erfolgte.
2im ^a^e 1881 lourben auf älnregung be« @^nobalau«fd^uf(e« \yon Slargau be^uf«
ßrjielung eine« engeren 3wfa>«»"^nge^en« ber lanbe«Iirc^lid^en S3e^örben in gemeinfamen
^agen bie Äonferemen tüieber aufgenommen, unb öon 1881 bi« je^t aHjä^rlid^ (im
^uni) abgehalten, biefelben tüerben t)on Slbgeorbneten afler S3e^örben ber fantonalen 46
8anbe«lir^en befud^t; biefe fmb: 3ürid^, S3em, ®laru«, g^eiburg, S3afeU©tabt, S3afel-
£anb, ©c^aff^aufen, 9()))?en}ea 91.-^^., @t. &aüm, ©raubünben, Aargau, Xl^urgau,
SEBaabt, 9leuenburg, Senf. 2)er Jtonferenjort toec^felt alle 2 gal^re : fo toerfammelte man
fic^ 1881 unb 1882 in S^^^t ^ö"" i^ 2 ^af}x^ in S3em, S3afel, bann noc^mal« in
3üric^, S3em, 1891 unb 1892 Aarau, fobann 5Reuenburg, ©t. ©aUen, ©d^affl^aufen, 60
Saufanne, ®laru«, 1903 unb 1904 grauenfelb. %üx 1905 ift ®enf beftimmt. 2)ie Se^
fc^Iüffe, bei benen jeber Kanton 1 ©timme l^at, unb gemä^ ber Snfttuftion feiner Se«
^5rbe fein 33otum abgiebt, fmb nic^t k)erbinblid^ für bie einzelnen Kantone, fonbem l^aben
ben ßj^orafter öon Anregungen, ober be« Au«brud« gemeinfamer Überjcugungen. 2)ie
toic^tigften ©egenftänbe, toel^e ber^anbelt tourben, fmb folgenbe: 66
3uge^örig!eit jur 2anbe«!ird^e, ©timmbered^tigung ber Au«länber, ©timmred^t ber
^auen, fird^lid^e ©tatifti!. ^er^ältnt« t^on Xaufe unb Konfirmation.
©emeinfame ^Prollamation für 8ettag unb 9leformation«tag. ©emeinfame ^cier be«
le^tem am 1. ©onntag im 9loöember. Anorbnung eine« Sibclfonntag« auf 6. 3)lärz
1904 anlä^lic^f be« gw^iläum« ber SBritifc^en Sibelgefellfd^aft. geicr ber 400iä^ngen eo
5«
®ii|ttiet)
SBäieberfebr toon Stoinöltö ©eburt^tag 1884. ©ebete für bie »unbe^feier 1891. gfragc
einer gejtpettung be« Dftertage«.
©c^rttte gegen ben gortbilbung^fc^ulunterric^t am ©onntag, für 33ef(^ränfung bet
Vergnügungen an ^o^en nrc^lic^en ^efttagen unb befonberer Stfenba^njüge an benfelben.
6 ®efu(l^ um äSermeibung ber Störung ber Settagdfeier burc^ Xru^})en}ufammen}üge.
ÜRintmum bed Sel^r« unb ®ebäd;tnt^ftoffed im tirc^Iid^en ^ugenbuntemd^t. Se^
fc^affung t)on 3lnfc^auunadmitteln für le^tem. 2)er Steligion^unterric^t an ben ©^m-
nafien. Sorge für bie^leulonfirmierten. Sefc^änlung ber g^c^ungen. SWaftregeln gegen
®lüc!«fj)iel unb Sotterien.
10 93eteUigung an ber Sintoeil^ung ber Srlöferürd^e in ^erufalem 1898 unb an ber
Sinloeü^ung bed 3)ome^ in Serlin 1905.
d) ^a^ firc^Iic^e Seben ber Sanbe^ürd^en.
16
llanton
I.*) gü^l ber
IL**) ?liif 1000 Seelen ber ref.
^et>5iretung famen im 3<^^rc 1903
gemeinbfn
fteQen
^aujcn
fion=
fimtanbcn
cinfeg-
nungen
0ird»l.
Seer&i^
gunflen
Jiivid)
9cm
ao @^taTU§ , . . ,
SreibüTfl . . . ,
©nfel^Stabt . . .
Safc^Sanb . . .
8rf]afTi]aufcii . . .
26 9lv^pcn,^cU ?l.^9«^Dben
6t. müen . , .
ÖJrflutitnben . . *
Slorgoit . , . .
^^urgau , . . .
aoSaabt .... -
92eue«burg . , .
®enf
^urcftfcftnitt 19ü3 .
1881 -
15D
191
15
10
7
31
28
19
49
131
54
55
143
44
17
175
217
IG
10
22
33
30
20
54
87
56
56
165
53
36
22,0
28,8
19,0
22,0
28^
26,6
23,0
24,5
24,1
22,5
25,0
21,9
22,1
17,1
12,:-J
16,1
21,2
15,9
16,0
10,7
18,1
20,0
20,1
18,5
17,1
18,4
18,3
16,9
14,2
11,5
6,1
6,9
5,6
2,2
9,2
4,5
6,8
8,3
8,1
5,9
6,5
7,7
6,4
S,l
6,5
14,7
1 7,5
i7;i
12,6
14,7
16,6
17.3
16,8
17,4
17,2
15,8
14,7
15,0
24,0
25,5
18,0
18,8
6.6
5,0
14,6
20,1
86
♦) ©ali«, 2:af4cnbucl^ für bie f*tt)cij. reform, ©eiftlic^cn 1905.
**) ^rotofoH ber ctjong. Äonfcrenjcn 1904.
3(n ben übertoiegenb lat^olifc^en Äantonen beftel^en folgenbe ctoangeltfd^eOemeinben:
Sugem 3, Uri 1, ©(^to^J 3, Untertoalben 1, 3ug 1, ^Jreiburg f. oben, ©olotl^um 10,
bon benen 4 burc^ Vertrag mit ber bemifd^en Sanbe^Iirc^e toerbunben ftnb, Wfpmi^ü
40 3(.=SRl^oben 1, 3:efftn4, SBalli« 2. 3lIIe biefe jjrotcftantifd^en Äird^engemeinben, mtt Su^
nal^me öon Sujem unb ben 4 folotl^umifc^en, tourben öon ben j)roteftantifci^en §ilf^
vereinen organifiert unb unterftü^t.
3« obiger Überfielt ift folgenbe« ju bead^ten:
$)ie ßJeiftlic^en an ben ©jjttälcm, ©trafanftalten 2C. ftnb nic^t mitgejä^It. 3e 2
46 ©eiftlid^e toirfen an einer Äirc^engemeinbe : ^n Ranton B^ric^ an 11 ©emeinben, Sem
an 12, ®Iaru« an 1, ©d^affbaufcn an 1, Wp^tn^M ai.^St^oben an 1, ©raubünben an 1,
3largau an 2, SEJaabt an 11, Üteuenburg an 2, ®enf an 3. gerner l^aben in 3üric^ 3 ®e»
meinben je 4 ^fancr, Sem 1 ©emeinbe 4, unb 2 je 3 Pfarrer, in 8afeU©tabt 1 ©e*
meinbc 6, 2 je 4, unb 2 je 3 Pfarrer, in ber ©tabt ©t. ©aßen fmb in einer ©emeinbe
60 3 Äird^m mit 6 ©eiftlic^cn, in ber ©tabt Saufanne 7 ^fancr, in 9leucnburg unb 6^u|
bc g^^iib« je 4, bie ©tabt ©enf l)at 5 fiird^cngcmeinbcn mit 7 ftircf>m unb 14 Pfarrern.
3n ©raubünbcn ^abcn oft 2—3 Äird^cngcmeinben bcrtraglirf) jufammen 1 ^farrcr.
!^sn ben §au^)tftäbtcn ^iix'xd^, Sem, Safel, ©rf»affbaufcn, ©t. (fallen, fotoie in Siel
unb DJeumftabt St. Sem beftel^en fran^öftfci^c Äirc^cn mit je 1 (Sem unb Safel je 2)
66 ?^farrem, im Üanion Sern ftnb 18 franjöfifc^c Äirdjjcngemeinbcn.
3)eut|(i^e ^PfarrftcIIcn ftnb im Äanton Söaabt 8, 3leucnbur8 6, @cnf 2 (tüoöon 1
lut^erifc^).
^te obigen ^urc^fc^nittöja^Ien ftnb nur annöi^emb rid^tig aud folgenben @rünben:
1. 3t\At atte, bie in bcn Solföjä^lung^tabellcn afö Slcformierte erfd^einen, gel^ören
ber ganbcsffirc^e an (ingbefonbcte bic freien Äirc^en in SBoabt, S^euenburg, ®enf). 35iefe 6
tonnen aber bei ber ^rojentbered^nung nic^t ouigefci^teben loerben.
2. a)ie S^ffl ber lotgeborenen unb t)or ber 3:aufe ©efiorbenen ift nid^t unerl^eblic^
unb in ben Kantonen ungleid^.
3. 3)ie ^ra^id betreffenb fird^lid^e Seerbigung ungetaufter unb überl^u))t noc^
fleiner Jtinber ift in ben jlantonen fe^r ungleich. lo
4. 35ie Äantone 9leuenburg unb @enf fül^ren leine Slegifter über bie lirc^Kc^en
Seerbigungen.
^ie t^eologifc^e 93ilbung getoäl^ren ben ©eiftlic^en bie an ben Uniberfitäten
3ürid^, Sem, 93afel, Saufanne, @enf unb ber Sltabemie 92euenburg beftel^enben t^eo^
logifcpen ^ahtltöten. 15
35ie Äirc^enle^re ift in leiner fd^loeigerifd^en Sanbe^Iirc^e me^r an ein offigiette«
©lauben^betenntnid ^ebunben, fonbem berul^t auf ber aUgemeinen 9(ner!ennung ber
eban^elifc^en äBa^r^ett, bie in ben Orbination^« unb @^nobaIgeIttbben, ober auc^ in ben
lonfhtutitoen Seftimmungen ber Äird^enöerfaffungen in öerfd^iebenartiger, lürjerer ober
toeiterer gorm au^ef j)roc9en ift. @benf otoenig ftel^en noc^ Äatec^i^men au« ber Slef ormationSs 20
gett in allgemeinem unb obligatorifd^em @ebraud;, namentlid^ für ben Konfirmation^
Unterricht fte^t e« ben ®eiftli($en in ben meiften Kantonen frei, ben Seitfaben gang t>on
fu^ au^ ober unter mel^reren genel^mi^ten gu toöl^Ien, unb e« {tnb beren in neuerer 3^
eine grofee ÜJlenge fel^r öerfd^iebener Stid^tung unb Dualität »erfaßt unb verbreitet toorben.
6c^eint fo für ®otte«bienft unb ^wg^nt^w^terric^t leinerlei einheitliche ©runblage gu be»
ftel^en, unb ein großer Xül unferer fc^toeigerifc^en £anbe«Iirc|en einer religiöfen Anarchie 26
gu berfaUen, ba leine öu|ere 3(utorität bie fubjettibe 9BiQ!ür in Sc^ranJEen ffält, fo
finb bie toirJEKc^en ^uftänbe beöl^alb leinedtoegS fo gerfa^ren unb l^altlo«, toie e« bem
gemerfte^enben fd^cmen möd^te. 2lÖ 6rfa^ für gefc^riebene S3elenntniffe unb 9Jla^regeIn
oer Se^örben treten folgenbe SSer^öItniffe ein: ^
2)ie h)if[enfc^aftlic^e 35ilbung, toeld^e für alle ©eiftüc^en geforbert toirb, befähigt
unb nötigt fie, ftc^ bon ber geiftigen 93etoegung ber ©egentoart Sled^enfc^aft gu geben,
unb il^re eigene Übergeugung ftet« loieber auf il^re §altbaneit gu prüfen. 3)ie befd^eibene
ölonomifc^e Stellung unb ber SBegfall iebe« 2lmt«nimbu« l^ält niebrige unb eigennüfeige
(Sl^raftere in ber Siegel ab, ben geiftlic^en 35eruf gu toäl^len ober gtoingt fie, benfefeen 86
bülb toieber aufgugeben. ®ie @meuerung«toal^l ober ba« älbberufung^red^t toirb gur
fleten üJJa^nung, ba« Ser^ältni« gur (Semeinbe gu einem friebeboDen gu geftalten unb
fid^ ba« 3^^^^^*^ w"b ^'^ aid^tung ber ^fangenoffen gu erioerben. 2)ie ÜRöglid^Ieit,
einer ÜRad^ination bon mäd^tigen ©emeinbebeamten gum Dj)fer gu fallen, unb bie SSer*
fuc^ung, biefe ©efal^r burc^ ©tiBtetoeigen gegenüber ÜJlipänben unb ©ünben bon fid^ 40
fem gu galten, ftnb aUerbing« borpanbm, aber bie @rfa^rung, bie in bm meiften Aantonm
fd^on feit 30—50 ^oü^xm unb länger borliegt, ^at gegeigt, bafe feiten Pfarrer ol^ne ii^e
©c^ulb i^re ©teile berlorm, unb bafe, too fol4>e« gefd^a^, biefelben balb toieber anber«h)o
getoä^lt tourbm, bie ©emeinben aber juloeilen mixf^t l)attm, ftatt be« befeittgten einen
anbem ©eiftlid^m gu erl^alten. ^er @(egenfa| gur tat^olifd^en Jtird^e einerfeit«, gu ben 45
freien Ätrd^m ober bm ©ef ten anbererfeit« gtotngt bie Sanbe«fird^m, i^e« j)roteftantifc^m
Seimntniffe« eingebml gu blcibm unb bic Serfd^iebm^eit ber älnfic^tm unb SRid^tungm
innerl^alb ber 2anbe«Iir^e fül^rt bie ©eiftlic^m unb bie ©emeinbeglieber bagu, Sinfeitig*
leitm unb 2lu«artungm il^rer eigenm älnfd^auun^en gu forrigieren. 6« barf fonac^ an«
gmommm loerbm, ba^ tomn auc^ bie fd^toetgenfd^en £anbe«Iird^m mand^e ^nbifferente 50
unb religio« ©leic^giltige in il^rer ÜJlitte gä^len, toie bie« überaß ber %aH tft unb gu
aätn 5|ritm ber %aU toax, bagegen ^eud^elei unb ©c^ein^eiligfeit feltm auftreten.
Die tl^eologifd^en unb religiöfen Slid^tungen l^abm in bm fd^loeigerifc^m
2anbe«fird^en gu langm unb fd^toeren Äämj)fen geführt (f. ®. gin«ler, ®efd^. b. t^eol.-
firc^l. SnttoidEelung in ber beutfd^:=ref. ©c^toeig feit bcn breifeiger 3«^^^"/ ßürid^ 1881). 65
Slad^bem ber ©egenfafe ber fujjranaturaliftifcljm unb rationaliftifd^m SRid^tung in bcn
gtoongiger ^af^xtn hnxq bie Sffiirfung ber ©c^lciermad^erfd^cn Stnrcgungcn erlof^cn toar,
unb ^ugleid^ bie 3Serfaffung«fämbfc nad^ 1830 bic aiufmcnfamfcit mebr auf ba« j)raftifc^5
fird^ltcl^e ©ebiet gegogm "^aitm, gab ba« (Srfc^cinen be« Scbcn« ^^\x bon ©traufe unb
bie Semfung be«fclbm an bic ^oc^fc^ulc ^üx'iä) gunäc^ft Seranlaffung gu einer ^cftigm eo
58 ®ii|li>etj
SRcaltion, bic in bcr SSolföbctDcgung be^ 6. @cj)tembcr 1839 i^rcn §öbej)unlt fanb, eine
Sctocgung, bic cbenfotDcniö bIo|e unb ungetrübte ®Iauben^bett)C9un0 aU blofec toolitifc^e
äufle^nung Wax, fonbem in ber tief religiöfe unb ftttlid^e ©rtinbe mit jjerfönlidpen, ört=
lid^en unb j)olitif(i^en ^intercffen fic^ mifc^ten. 2)ie ßintoirfungen ber ^egelfd^en ?pi^iIo-
5 fo^l^ic unb ber frtttfc^en 2lrbeiten ber iübinger Sd^ule führten ju neuen tl^eologifc^en
unb lird^lic^en Äontroberfen, bie befonber« in ben fünfziger unb fe^jiger 3«^^«^ in ^üxiä}
unb 8em, fotoic in bet fd^tüeijerifd^cn ^rebigergefeüfd^aft xum 3:eil mit §eftigfeit ge=
fül^rt tourben. Sängere QÄt blieben 8afel unb bie frangöftfc^en Äantone baöon tüenig
berührt, in ber ®egenh)art fmb faft nur in SBaabt biefe Setoegungen o^nc tiefere
10 SEBirfung auf ba^ fird^Iid^e SetDu^tfein geblieben, tüäl^renb fie j. S3. in Safel, toeil fie
erft fo ft)ät unb in fo eng begrenztem Äird^entoerbanb auftraten, gu befto heftigerer Ärifi^
führten. 2)ie Situation })rägte fiq bann barin au«, ba^ über bie ebangclifc^en Äantone
ftcp brei fir(i^lic^:sreligiöfe ^arteiöereine gebilbet l^aben, toeld^e alle ja^lreic^e 3Hitglieber
g"i)lm. 3!)er ebangelifd^-ürd^lid^e 3Serein Vertritt bie ftreng bibel^läubige Jlic^tung, i^r
rgan ift ber Äircpenfreunb in Safel, bem in mc^r })oj)ulärer SBeife j. 8. ber SSolföbote
in S3afel, bad et)angelifd^e SBod^enblatt in 3ürid^ 2c. gur Seite fte^en. 3)ie öermitteinbe
Slic^tung fammelte fid^ in ber tJ^eologifc^^ird^ud^en ©efeufd^aft, il^r Organ ift in^befonbere ba«
Äir^enblatt für bie reformierte ©c^tüeij, femer ber d^riftlid^e 3Solföfreunb. 2)er 3Serein für
freiet ß^riftentum ift ber ©ammel^junft ber freifinnigen ober reformerifc^en SRic^tung, feine
20 Organe finb bie SReform in S3em, ba« ^ßroteftantenblatt in Safel unb baö religiöfe aSolföblatt
in ©t. ©allen, ^n ben legten ^ci^'^gel^nten l^aben burd^ bie unter ben jüngeren ©eiftlid^en ftarf
vertretene Slitfc^lfd^e 3:i^eologie bie brei genannten Slic^tungen eine er^eblic^e abfd^tüäc^ung
unb Umbilbung erfal^ren, fo ba| ihre Slbgren^ung mehr ober weniger f^toanfenb ge^
iDorben ift (bgl. O. ^fifter, Unfere lirchlic^en Parteien unb ihre gegenwärtigen 2Banbs
25 lungen (©c^toeij. theol. ^t\(S)x, 1904) unb SBemle, in Äird^enblatt für bie ref. ©^tüeij
1904, 9Jr. 43—46). 8et mand^en ©eiftlichen ift bie Dj)})ofition gegen S^^^^ttw^wali^Jmu^
unb 3)ogmend^riftentum ba unb bort bi^ ju ftarfer 3lbneigung gegen bie biöh^nge
©eftalt ber Äirche überhaujjt nad^ Drganifation unb fultifchen ©inrid^tungen (Xaufe,
Konfirmation, Slbenbmahl) fortgef^ritten, bod^ ohne bafe bie^ bi« je^t ju j)ralttf(hen
30 folgen gefül^rt l^ätte. 2)ie gäHe ber Silbung toon freien Oemeinben fmb in ber beutfchen
Sd^tüeij bereinjclt geblieben (f. unten freie ©emeinben) unb in einigen Jtantonen {^ipptn-
geD, ©t. ®dSlm, ^üxiä) f. oben) tourbc burd^ bie ©efe^gebung gerabeju bie S3ilbung öon
3D?inorität^berbänben innerhalb ber Sanbe^fird^e borgefehen.
3!)ie $auj)tquelle für bie ftete ßrbauung unb Steubclebung ber Äird^e unb ihrer
35 ©lieber ift in ber ©chtoeii toie überall, too ebangelifd^e« ©h^iftentum beftel^t, bie Sibel.
©ic liegt bem ©otte^bienfte für bie ßrtoachfenen unb bie 3^9^"^ h^ ©runbe, au^ ihr
fd^öjjfen bie Siturgien unb bie 2ehrbüd[^er für ben SReligionöunterric^t, fie ift bie Qx-
quidEung unb ber 3:roft aller, bie im ftiHen Kämmerlein für Sehen, Seiben unb ©terben
fich ruften, ^n ber beutfd^en ©d^toeij h^^f^^ beinahe in allen Äantonen bie lutherifche
40 S3ibel t)or. ^ixxii) ^at t?on ber Sleformation^geit her feine eigene, im Saufe ber 3;ahrhunberte
[tetö toieber nac^ bem jeweiligen 3Jiafee ber KcnntniRe unb be^ ©J)rachgebraud^^ neu bt^
arbeitete Überfe^ung, bie namentlid^ in ben fahren 1836, 1860, 1868 unb 1882 forg=
fältig reöibiert unb in fjjrad^lid^cr Streue gu möglid^fter SBoHenbung geführt toorbcn ip,
früher lourbe fie aufeer bem Äanton ^^ixx'xd^ namentlid^ in Shw^Ö^w unb jum 3:eil in
45 ^laru«, et. ©allen unb ©raubünben gebrandet. 3)aneben h^tte Sem feit 1602 bie
Überfefeung bon ^i^cator. I)a biefe unb bie 3ürcher 2lu^aben bor 1820 in Äraft unb
ÄnaJ)J)hcit be« 3lu«brudfg ber Sutherfd^en Überfefeung toeit nad^ftanben, hin^^^ie^^ le^tere
in fjprad^lid^er Streue biel gu toünfd^en übrig lä|t, fo iüurbe fd^on 1836 eine Slebifion
für bie ©d^tüeij angebahnt unb 1862 burd^ bie cbangelifd^e Konferenz neu an §anb ge^
50 nommen. I)a aber bie borgelegtcn groben ben Sutherfchen %^t überall fefthielten, too
er nid^t ganj entfd^ieben unrid^tig Wax, fo erflärte bie ^ürchcrifd^e ©^nobe, fich nic^t
toeiter ju beteiligen, unb bie 3lrbeit geriet in« ©todten (bgl. % 3- 3Kcjger, ©efchid^te ber
beutfchen Sibelüberfe^ungen in ber fchtuei^erifd^-reformierten äir^e bon ber SReformation
biö jur ©egentbart, Safel 1876 — eine fehr forgfältige unb anjiehenbe 3)arflellung).
65 ©eit 1877 tourbe auf älnrcgung Semö bie ^rage ber SRebifion toicber aufgenommen,
unb burd^ eine Kommiffion bon ©ad^bcrftänbigen baö 5Reue Icftament ncbft ben ^falmen
einer fehr forgfältigen ÜRebifion unterzogen. I)ag ©rgebni^ crfchien unter bem ütel:
3!)ag DJeue a:eftamcnt ncbft ben ^falmcn. Stach bem ©runbtcjct rebibierte Überfe^ung.
graucnfclb. Serlag bon 3- «^ubcr 1893. — I)ic Zürcher ©linobc hatte fid^ fc^on bei
60 Seginn bcr 3trbeit borbchaltcn, über ihre ©tcUung jur le^tercn crft ju entfc^feibm, h>enn
Sd^liietj 59
fic öottftänbig öorüeöc. 3)a cö ftd^ nun nur barum l^anbeln tonnte, auf bic biöl^crige
gürd^er Überfe^ung ju (Sunftcn ber neuen ju toerjtd^ten, ober legiere abjulel^nen, bie
^erbefferungen ber le^teren aber tüeber fo einl^eitUd^, nod^ fo übertoiegenb hjaren, bafe fie
ate tooller @rfa§ für ba« ju bringenbe Dj)fer gelten fonnte, fo befd^Iofe bie S^nobe
1895, bic reöibierte Überf e^ung jurS^tnici^t an ©teile ber jürd^erifc^en in ben fird^lid^en 6
©ebrauc^ einzuführen. Ob bie« in anberen Äantonen, ioo bie Sut^erfd^e Überfe^ung
toortoiegenb ift, gefd^al^, ift fe^r fraglid^, jumal ba bie Sibelgefettfc^aften burd^ bie tüoi)U
feilen 3tu^aben ber 2utlj>erbibel jeber anbern ^inbemb im SBege fte^en. ©e^r ftarle 3Ser=
breitung l^at in ber beutfd^en ©^toeij bie „gamilienbibcl. 2lu«jug au« ber ^I. ©d^rift
für l^äu«Iic^e ©rbauung unb ^wß^nbunterric^t" — bearbeitet öon einigen ©eiftlid^en be« lo
Äanton« ©laru« gefunben. ©eit 1887 ift fie in fielen ©d^ulen ate Se^rmittel eim
gefül^rt. — 3" ®cnf loar bie toon ber Compagnie des Pasteurs öeranlafete Über»
fe^ung öon 1588 lange 3eit in unbeftrittenem anfeilen unb ©ebraud^. 2)ie in 3ieuen-
bürg unb ffiaabt toiel Verbreiteten Bearbeitungen bon ^JKartin unb Oftertoalb ru^en auf
i^. 35ie SibelgefeUfd^aften öon Saufanne unb Sfleucnburg verbreiten eine auf Äombination is
ber ausgaben von SKartin unb Dftertpalb berul^enbe ilberfe$ung. 9leue arbeiten nac^
bcm (Srunbtejt geben bie au« Auftrag ber ©enfer Compagnie des Pasteurs au««
gefü^en Überfe^ungen be« 3llten 3:eftamente« Von 2. ©egonb 1874, unb be« 9?euen
leftamente« von §. Dltramare 1872. ^n ben italienifd^ unb romanifc^ rebenben leilen
©raubünben« finb Sibelüberfe^ungen in biefen ©j)rac^en verbreitet. ao
©er ®otte«bienft befte^t überaU au^ ^rebigt, ®ebet unb (Sefang. Slegelmäfeige
Sibelleltion ift in ber beutfc^en ©d^tveij nid^t üblid^, in ber franjöftfc^en Iverben S3ibd*
obfc^nitte unb bie ^l. je^n ©ebote, Ic^tere an manchen Orten vom Rüfter ober fie^rer
gelefen. 35ie Siturgien, beren faft jeber Äanton feine eigene l^at, fte^en mm leil nod^
auf bem ©runbe ber Von ben SReformatoren unter Senu^ung ber lat^olipen verfaßten 26
®ebcte, jum leil fmb fie in ber 9leujeit entftanben, unb op ba« Srgebni« langjäl^riaer
unb jum leil mü^famer Slrbeit ber ©^noben. Slu« neuerer 3^'^ nennen toir bie Si«
turgien von ®raubünben=®Iaru« (gemeinfam) 1868, g3afel-'©tabt 1869, 3ürid^ 1870,
gieuenburg 1873, SE^urgau 1874, ©t. ©attcn 1874, ®enf 1875, Sern 1888, g3afel=©tabt
unb «Sanb 1890, äargau 1903. SBä^renb früher bie Siturgien allgemein al« binbenb ao
«alten, unb ber einzelne Pfarrer für jebe 2lbtveid^ung jur Seranttoortung gejogen tverben
onnte, ^errfc^t hierin je^t teil« burd^ au«brüdHic^e ®efefee«Vorfc^rift (f. oben), teil« im
folge Veränberter 3lnfd^auungen für bie ®emeinben h)ie für bie einzelnen mel^r grei^eit.
aja aber bie neueren Siturgien felbft, 3. 8. in ben ©onntag«:: unb geftgebeten, aud^ gum
%ÜL für bie 3wi>i«^ung ber ©alramente mehrere Formulare bieten, unb bamit fd^on 86
bem ®eiftlid^en eine getviffe 2lu«tva^l unb äbtoed^felung ermöglicht ift, fo barf immer«
^in angenommen tverben, ba^ axxd) tvo bie offi«elIen Vorlagen nic^t ftrifte« ®efet,
fonbem nur aBegleitung fmb, fie von ber großen 3Jle^rl^eit ber ®eiftlid^en gern gebraud^
tverben«
3um Äirc^engefang tourben Vom 16. bi« in ben Stnfang be« 19. gö^r^unbert« 40
faft ou«fd^lie|lic^ bic in 9leime gebrad^ten 5Pfalmen Vertoenbet, in ber franj^öfifd^en ©c^tveig
nac^ ber Bearbeitung von 5Karot unb 33eaa, in ber beutfd^en nad^ ber Ueberfe^ung biefer
Bearbeitung burc^ Soblvaffer, in allen Hantonen nad^ ben Vierftimmigen 3Relobien Von
®oubimel. Die neuen ®efangbüc^er ^abcn ben Sieberfd^a^ ber beutfd^en Äird^en l^erbei=
gegogen unb in ^e^ unb ^elobie auc^ manche älrbeit ber ®egentt)art benu^t. ©ie46
h)urben meift um bie 5Kitte be« 19. ^al^rl^unbert« etngcfül^rt unb galten je nur für
ben betreffenben Hanton. @ine gemeinfamc Arbeit unternalj^n^en bie Äantone ®laru«,
©roubünben, I^urgau unb ©t. ®aflen im ^al)x^ 1868. 3)urc^ bie ^"itiatiVe eine«
einzelnen ©eiftli^en (5Pfr. Dr. SBeber in §öngg, Hanton 3"^<^/ Ö^P- 1900) tvurbe fo*
bann ein gemeinfame« beutfc^^fc^tveijerifd^c« ©efangbud^ angeregt, unb nac^ eingel^ensöo
ber Beratung eine« von brei 9Jebaftorcn aufgcfteHten ©nttourfc« burd^ bie Hirnen«
bebörben von fec^« Hantonen nac^ %^ unb 3Jiclobien feftgefteHt unb bem 3)rurfe über=
Sien, e« erfc^ien im ^ai)xc 1890 unb tourbe nun in ben Hantonen 3^^^/ ^^^/
argau, 35afeU©tabt, Bafel-Sanb, ©d^affbaufen, 2l})J)en||elI unb greiburg eingefül^rt.
2)a«felbe fanb fe^ too^ltvollenbc Slufna^mc, unb ift bi« 6nbe be« ^a^re« 1904 in 55
845000 @jemj)laren Verfauft toorben (®efamtjal^l ber j)roteftantifd^en (ginmol^ner ber
beteiligten Hantone 1215000). 3" ^^ fran^öfifd^en ©c^tveij l^aben bie Sanbe«fird(ien
von SSaabt, 9Jeuenburg unb ®cnf unb bie fran^öfifc^en ®ememben be« Bemer 3iura ein
gemeinfame« ®efangbuc^, ba« 1899 erfd^ienen ift.
Sil« lird^lid^e gefttage toerben au^er ben ©onntagen überall SBci^nad^t, Har^eo
60 &itt0t\i
fteitag (f. oben Äonfcrcnjen), Dftem, i^immclfal^rt, ^fingften gefeiert, unb itoax bcfonber^
in ben öftlic^en Äantonen SEJeil^nad^t, Oftem unb ^Pfingften mit einem 9lac^tag. 3"
öielen Äantonen ift ber 9?euial^r^tafl geiertag. 2)a^ ©cböd^tni« ber Sieformotion toirb
gelDö^nlic^ am erften Sonntag im $Jcobember burd^ bie ^ßrebigt l^ertoorge^oben. 6in
6 fjjcjieö fc^toeijerifd^er ^efttag ift ber eibgenöffifd^e Xanh, Sufes unb Settag, feit 1650
öon ben eöangelifd^en ©tänben angeorbnet, 1802 öon ber S^agfa^ung für bie ganje
©c^toeij feftgef^t, feit 1832 am britten ©onntag beö ©ejjtembcr gefeiert, grül^er erliefen
bie Slegierungen befonbere ©niabungen jur geier beö 2:age3, toeld^e bie ^faner öon ben
Äanjeln öerlafen. 3)ied ift je^t nur nod^ im Jtanton SBaabt ber ^aü, in anberen Äan^
10 tonen loirb loegen größerer Trennung be« Äird^lic^en unb ©taatlicpen bicfe ^rollamation
je^t öon ber Äird^enbebörbc erlaffen, fo in S^nc^/ S3wn, Safel=©tabt, ©c^aff^aufen,
©t. ©atten, Slargau, Ipurgau, Sleuenburg, ®enf, ober fie ift ganj bal^in gefaflen. S5e»
fonbere ©ebete für ben 35ettag toerben in Qixxxd), SafeUSanb, ©c^aff^aufen, ©t. ©allen,
öcrfafet, ben ©eifklic^en gebrutft jugefteDt unb in ben ©emeinben verbreitet.
16 ^ad f)L älbenbma^I loirb mit älu^nal^me Safeld überall nur brei: bid t)iermal
im Saläre, unb »toar an ben l^o^en gefttagen einfd^Iiefelic^ be« S3ettage^ ober an ben
Sonntagen öor ooer nad^^er gefeiert, in Safel aufeerbem jcben ©onntag in einer ber
öier §au^)tlird^en. ^m Äanton ^üxxd) beftel^t bie ft^enbe Äommunion, bei toelt^er ber
ober bie ©eiftUd^en nebft ben Äir^enöorfte^em in ber Äird^e j^erumgel^en unb ba^ ]^l.
20 älbenbma^I an ben @nben ber ©i^rei^en ben ©emeinbegliebem aufteilen, bie e$ ein^
anber toeiter reid^en. ^n ben übrigen Äantonen ift bie loanbelnbe Kommunion loic in
©eutfd^lanb üblid[>.
^ie ©onntaggfeier ift felbftDerftänblid^ auf bem Sanbe im allgemeinen me^r
erl^alten, ate in ben ©täbten ; namentlid^ bie vielen Vereine, ©d^ü^en« unb ©ängerfeftc 2c
26 machen an ben Serfel^r^ftationen auc^ auf bem Sanbe oft grofee ©törung. ®od^ fe^lt
e« nid^t an 33emü^ungen bem ©onntag feine SQSürbc unb 3tu^e ju fiebern, fei e« von
©eite freier Vereine, fei e^ burd^ bie ©efe^c unb Drbnungen Von ©taat unb Äird^c. 35er
»efuA be« @otte«bienfte« ift nad^ Drtgfitte, 3ia^regjeit, Serufgver^ältniffen, SBitterung,
Begabung unb ^ßerfönlic^Ieit be^ ©eiftlic^en fel^r berfd^ieben, unb e3 lann feine Stngabe
80 über allgemeine 3u* ober 2lbnalf>me gemacht loerben. 6« giebt fleine ftiDe Sanbgemeinben,
too bie Kirche leer ift, unb toerle^r^reid^e unrul^tge ©täbte, too fie fel^r jal^Ireic^ bcfud^t
loirb, ebenfo geigt fic^ auc^ ba« ©cgcnteil.
%ixx bie Hirc^engcbäube ift burd^ Üteubauten, umfaffenbc 9let)araturen, Qv-
ftettung neuer ©eläute, Drgeln, Harmonium unb bon Sel^eijungen aud^ in neuerer unb
86 neuefter 3rit fel^r viel gefd^cl^en, unb jtoar oft in ©emeinben, bie jur gleid^en ^Ai von
©c^ulJ^au^s, ©trauern unb ßifenba^nbauten ftarl bebrürft toerben. 2tn bie ©teile ber
alten reformierten ßinfad^l^eit unb Slüd^teml^eit, bie um jeben ©innenreij gu bermetben
unb nur bie Slnbetung im ©eifteju fuc^en, nid^t nur ©emälbe, fonbem jebe Stnloenbung
von eJarben auc^ an genftem unb SBänben, unb jebe^ mufif alifd^c ^nfttument verfd^möl^tc, i^
40 in neuerer 3rit mit bem SBad^fen unb ber äu^breitung be^ Äunftfmneg mandper ©d^murf
Setreten. 5Öcag berfelbe jur 3lnbac^t niit gerabe erf orberlid^ fein, ja mitunter ben Äirc^en^
efud^er jerftreuen, fo l^errfd^t nun bod^ auc^ in ber reformierten Äirc^e bie Slnfd^auung
Vor, ba^ bie SEJürbe ber baultd^en formen unb bie Harmonie ber färben unb %ön^
ber (Srbauung nid^t fc^aben mu^, tvo^l aber oft fie ^ebt. 3lud^ l^at bie SEJicbergeftattung
46 folc^en ©c^mudEeö in ber ©d^toeij noc| nirgenbd einer latl^olifierenben Stid^tung 3Sorfc^iib
geleiftet.
Sieben bem ©otte^bienfte ber ßrtvad^fenen beftcl^en überall 3iugcnbgotte«bicnfte
(Äinberlel^ren), in benen balb mcl^r fated^etifd^, balb in fortlaufenber ßrflärung biblifc^c
aibfd^nitte gefd^id^tlic^en ober le^rl^aften 3;nl^alte^ be^anbclt tüerben. 3n mehreren Ran-
60 tonen fmb l^ierfür befonbere Äinberlel^rbü^er eingefül(>rt, toä^renb bie Äated^i^men, iuo fie
noc^ im ©ebraud^e finb, mel^r ber toöc^cntlic^cn Üntertüeifung unb bem Äonfirmationös
Unterricht ju ©runbe gelegt toerben. Se^terer mirb an ben einen Orten auf ein ganjcö
ga^r Verteilt, an anberen in häufigeren ©tunben toä^renb einigen 3Konatcn, meift Von
abvent ober SJeuJal^r bi^ Dftem gegeben, ^n ber Siegel cm})fangen bie Äinbcr bie
66 Konfirmation im Saufe ober nad) ©c^lu^ be^ 16. ätteröjabre^. (Sine offijieHe ©tellung
jur ©c^ule nel^nien bie ©eiftlid^en gcmä| ber 33unbe^Verfaffung nidbt me|r ein; bunp
aSaj^l aber fmb fie fe^r oft SJlitglieber ober ^räfibentcn ber Drtöfd^ulbcbörben, unb ben
SRcligionöunterrid^t ber 3iugenb l}abm fie in mand^en Kantonen vom 12. 3^^^^ an, in
einigen toä^renb ber ganzen ©d^uljcit.
60 3"^^ 2lrmenh)efen ftel^en bie Pfarrer ba in offiziellem SJerl^ältniffe, too bie
S^toetj 61
Ätrc^entoorftel^ctfcl^aften «jgletc^ bie amtlid^en 3lrmcrH)fIe0en, unb bie Pfarrer öon amtd
tocgen 5Kttgltebct ober ißräfibentcn biefer Sel^örben finb. Überall toirb burd^ bie Äird^en«
orbnung ober ba« ^erlommen i^nen bie j)erfönKc^e Slaterteilung, ÜJlitl^ilfe unb Jtorres
fjjonbenj für 5Wotleibenbc jugemutet, bie i^nen burc^ bie ©eelfor^e beJEannt loerben.
ebenfo toerben Äranlenbefud^e öon xl)nmt>nlanQto\>zt^t)maxtü; tn einigen Äantonen 6
fmb auc^ regelmäßige 93efuc^e bei aDen ^amitien t)orgefd^rieben.
35ie freien Vereine ^aben namentlid^ ungcfäl^r feit 1830 auf bo« religiöfe unb
lirc^Uc^e Seben ber reformierten ©c^toeij einen großen unb meift fegen^reid^en Einfluß
geübt. Son benfelben lommen, abgefe^en öon ben fc|on befj)roc^enen $arteik)ereinen, öor«
}ug^eife folgenbe in Setrac^t: lo
2)ie f c^tüeijerif^e^rebigergefellfc^aft, gegrünbet 1839, ate„3Serein fd^tüeige*
Sc^er ebangelifd^er ^rebiger unb t^eologifc^er Se^rer jur görberung ti^^eologifc^^toiffens
aftlic^er unb j)raftifd^er ^totit ber Äird^e burc^ gememfame Ser^anblungen", \)at fic^
feit^er beinal^e aUjäbrlic^ abloed^felnb in aüm reformierten unb ^arit&tif^en Jtantonen
toerfammelt, burc^f än^örung unb SJi^Iuffion öon SJortrögen, burc^ brüberlid^en 3Serfe^r, i6
burc^ 5Kitteilung ber gebruaten SBer^anblungen an alle 3Jlitglieber i^ren ^to^d geförbert
unb jur 33er6inbung gtoifci^en ben jlantonen, jum 3(u^taufd^ ber t)erfd;iebenen ätnftd^ten
unb jur Einigung ber ©eiftUd^en toiele« getrau. 3^i^*^^'f5 h)aren iJ^re 2)i^Iufftonen über
^lage^fragen fel^r belebt, ^n ben einjelnen Äantonen befte^en ^hjeigtoereine, berjenige in
3üric^, bie fog. a^Ietifc^e ©efeDfc^aft, tourbe mit äl^nlid^en ^tota^n loie fj)äter bie fc^tüei* ao
^fc^e ®efellfq>aft fd^on 1768 gegrünbet. ©rößere Äantone fyAm außer ber lantonalen
5Serfammlung nod^ ^aftoratoereine, bie einen ober mehrere Sejirle umfaffen. 3)ie ®nt*
fte^ung ber tirc^Iic^en 5ßartcit)ereine i)ai bem S3efud^ ber fd^toeijerifd^en ^jSrebigergefeHf^^aft
jjeittoetfe 3l6bru^ getl^an; tüäl^renb firfi^er bie ga^re^öerfammlungen öon 300 unb me^r
SKitgliebem befuc^t tourben, nahmen in ben legten ^af)xtn 150—250 teil ; bie ®efamt= 26
iaf)l ber ÜJlitglieber beträgt 1050.
Sibelgefellfd^aften beftel^en in ben Äantonen 3ürid^, S3em, Safel, ©c^aff^aufen,
©t. Satten, ©raubünben, äargau, SBaabt, (Senf. S)ie erfte tourbe in »afel 1804 ge^
grünbet, unter bem ©influffe ber im gleichen ^ö^re entftanbenen britifc^en S3ibeIge{eDfc^aft,
bie au4 gegentüärtig noc^f neben ben fc^toeijerifc^en ©efeUfd^aften in einigen fc^toeijerifd^en ao
©täbten 5lieberlagen l^at.
©benfo befte^en in ben meiften Äantonen 3Kiffion«öereine, loelc^e il^re
©oben teitö ber ÜRiffton^jefeHfiaft in »afel unb ber Srübermiffton, teil« bem M^
gemeinen etoangeKfd^::j)rotejtantifd9en 3Ki{fion«öerein, gegrünbet 1883, jutoenben (f. bie
etr. art.). 86
3)ie J)roteftantifd^=!irc^lic^en ^ilf^toereine, toelc^e jerpreute ^Proteftanten
namentlich in ben latl^olifd^en Äantonen, aber auc^ im äludlanb unterftü^en, lourben
burd^ bie fc^hjeijerifc^e ^rebigergdeUfc^aft 1842 in« Seben gerufen unb beftel^en in allen
Äantonen. grüd^te il^rer Il^ätigleit fmb folgenbe: 35ie ©rünbung unb Unterftü^ung
Don reformierten ©cmeinben burd^ ©rric^tung unb S3efolbung öon ^PfarrfteDen unb refor« lo
mierten ©c^ulen, bie 3KittoirIung unb ^tlfeleiftung bei Ätrcpen« unb ©d^ulbauten u.f.to.
in ben latl^olifc^en ©d^toeijerfantonen. ©o fmb ju nennen bie Äird^enbauten inSujem,
erftfelb Ä.Uri, 2trt^, »runnen, ©icbnen Ä.©d^to^j, »aar unb gug Ä. 3ug, gretburg,
Dlten unb ©olotl^um, ^ppmi^ü, SRagafe, SBalenftabt, Storfd^ad^, ®oßau Ä. ©t. &aUm,
SeBinjona, Sugano, ©itten Ä. 3Batti«. fein „SSortoerein" in 8afel ^at bie Oberleitung für 46
S':)cdEmäßige Serteilung ber Stufgaben in ben einzelnen Äantonen unb faßt mit ben
bgeorbneten ber lefeteren bie Sefd^lüffe betr. gemeinfame Untemel^mungen. 3"f^l0^
einer atnregung t)on Slntifte« ©ali« in Safel toirb überbie« je am 9leformation«fonntag
in allen Äantonen eine freitoiHige Äird^enfteuer ^efammelt, beren ßrtrog aDjäl^rlid^ für
einen öorl^er beftimmten Äirc^enbau toertoenbet totrb. 3)ie auf biefem SöJege gefj)enbeten eo
©ummentourbenfür folgenbe Sauten bcftimmt: 1897S3ellinjona, 1898S3remgarten, 1899
«rt^Oolbau, 1900®oßau (©t. ©aUen), 1901 Saufen (Sern), 1902 9Rontbel9 (aSatti«),
1903 erftfelb (Uri), 1904 SBalenftabt. 3)er Setrag biejer ©Jjcjialfammlung, bie in ben
erften göl^rcn ca. 30 000 ^r. betrug, ift f^on 1899 auf 60000, 1904 bi« auf 73000gr.
aeftiegen. — gm 3(u«lanbe loerben bon ben Jjftlic^en Äantonen au« namentlid^ bie ber^ 66
flimmerten j)roteftontifc^en ©emeinben in Dfteneid^ (Söl^men, 5Kä^ren, ©teiermarl)
unterftü^t, bon ber franjöfifc^en ©d^tt)eu au^ bie ßbangelifation in berfc^iebenen 3)et)artes
menten gi^anfreic^« betneben. 3!)ic ©efamtleiftungen biefer Sereine betrugen 1904:
286 000 gr. ©eit 1901 ^at ftd^ nod^ ein befonberer Screin „für bie gbangelifd^en in
Öfterretc^" gebilbet, ber im S^i^mmenl^ang mit ber „So« bon 3flom"'Seloegung bieeo
62 Sii^tQei}
toieber auficbenben ober neu ftd^ bilbenben ebangelifc^en ©emeinben ju ftärlen unb ju
lieben fud^t. ©eine ginnal^men betrugen 1904: 25000 gr.
SSereine für innere 9Riffion unb i^re üerfc^iebenen einjelnen S^äq^ befte^en
betnal^e überall. 2)er äüefte ift bie beutfc^e g^riftentumögefeDfc^aft, gegrünbet in S3afel
5 1780. SKanc^e berjelben legen ftc^ öorjugöhjeife ben Slamen: eöangelifc^e Vereine ober
©efettfd^aften bei. 3Son i^ren SBerlen ftnb ju nennen: tJürforge für öertoal^rlofte Äinber,
für entlajfene Sträflinge, 95efud^ t)on ©efangenen, ©onntag^Iefefäle für Änaben unb
Arbeiter, 35taIoniffenanftaIten, änftalten für gefallene grauen, ^inber>)flege, Sllter^f^Ie,
Irtnlerl^eilanftalten k. 3SieIe folc^e c^riftlic^e SiebeiJtoerf e beftel^en aber auc^ ol^ne ft)ejtfifc^
10 religiöfen ß^aralter ober in enger 3Serbinbung mit Vereinen, bie junäc^ft au« gemein«
nüfeigen Äreifen gegrünbet toorben ftnb. §aben toir oben jugeftanben, ba^ bie reformierte
©cphjeij in fjragen ber Seigre öielfad^ jei^al^ren ift, fo barf ^intoieber aud^ ol^ne Über^
treibung gefaat toerben, ba§ alle religiöfen SRid^tungcn unb mit il^nen 3:aufenbe, bie in
j?ragen be« (priftlic^en ®Iauben« glei^giltig fc^einen, toetteifem in Sejeugung (^riftlic^er
16 Siebe, unb ba§ lein 3BerI ber $Ufe unb Sarml^erjigfeit ol^ne Sead^tung unb Unter«
ftü^ung bleibt.
Sleligiöfe ä^i^^^if^^n beftanben in ber eöangelifd^en ©c^toeij im Saläre 1904:
29, in ber latl^olifd^en 7.
e) 3)ie freien Äird^en. Sieben ben Sanbe^Iird^en befte^en in ben Äantonen
20 SEBaabt, 9leuenburg unb ®enf freie Äirc^en, fobann in einigen anberen Kantonen eingelne
freie ©emeinben. ©ie öerbanlen il^re ßntfte^ung bem ©treben nad^ Unab^ängigfeit Dom
©taat unb fd^ärferer bogmatifd&er Segrengung unb äu^rägung (®arei« II, ©. 228 ff.
unb b. ärt. greifen 95b VI ©. 252ff.).
Sn ®enf reichen bie anfange ber Setoegung bi« 1725 jurüdE, eine entfd^eibenbe
26 SBenbung fällt in« ^a^x 1817 ; 1831 t)ereinigten ftc^ bie än^änger ber ©rtoerfung
(R^veil) in ber Soci^t^ 6vangelique; bie eigentlid^e ®rünbung ber felbftftänbigen
Äird^e gefc^a^ burd^ bie 3Serfafjung t)on 1849. 3)iefelbe enthält ein auöfü^rlidpe«
®lauben«belenntni« in 17 ärtiteln (barunter: 3)ie ^I. ©c^rift ift in allen il^ren teilen
boflftänbig t)on ®ott eingegeben; toir beten an ben 3Sater, ben ©o^n unb ben ^I. ©eift,
90 einen einzigen ®ott in brei ^erfonen ; ä(bam tourbe in toa^r^after ®ere(^tigleit unb
^eiligleit gefd^affen; burc^ feinen %QXi tourbe bie menfc^lic^e 5Ratur gänjlid^ berberbt;
3efu« ßl^riftu«, ®ott unb SRenfd^ in ©iner $erjon, ift an unferer ©tatt ate ©ü^notofer
geftorben. Äein ?IRenfd^ lann in« Sleic^ ®otte« eingeben, toenn er nid^t bie übematürlit^c
Umtoanblung erfahren ^at, toelc^e bie ©d^rift SBiebergeburt nennt. 3)er Slnfang unb
86 ba« ®nbe be« $eite, SBieber^eburt, ®Iaube, Heiligung ftnb freie« ©efc^enl ber göttlid^en
S5arm^erjigleit). 3)er gutntt jur Äirc^e geft^ie^t burd^ jjerfönlic^e« Selenntni« jebe«
dimelnen t)or jtoei Siteften. ©ine attgemeine unb j)eriobifd^e Slufna^me t)on Äated^umenen
barf nid^t ftattfinben. 2)ie ®eneratoerfammlung ber ©laubigen toä^lt bie älteften
(Anciens), t)on benen bie einen ben 3)ienft am SEBorte, bie anbem bie ©eeljorge ^aben, unb
40 bie 3)iaIonen (3lrmen))fleger), alle auf unbeftimmte ^At ; bie ftänbige 3Serh)altung Vuirb
bon ber ®efamtl^eit ber Slelteften ($re«b^terium) geführt; au^erbem beftei^en Äommifftonen
für bie ßöangelifation, bie ÜJliffion unb bie ginan^en. 3)ie Sird^e ift in jtoölf einjel=
gemeinben geteilt, boc^ fo, ba^ bie ^ßrebiger i^r 3lmt attgemein au«juüben l^aben. Sie
Koften toerben burd^ freiwillige ®aben beftritten. 3)ie Äird^e erteilt bie ^inbertaufc;
46 je nac^ ben SBünfc^en ber Sltem erflärt fte aber aud^ bie Xaufe in fj)äterem gettpuntt
juläfftg.
3im itanton SBaabt beranla^te bie äbfc^affung ber ^ebetifc^en Äonfeffton 1839,
fobann 3)ia6regeln gegen religiöfe ^riöatberfammlungen (Oratoires) unb ber SBiberftanb
gegen bie 3SerIefung einer $roIlamation be« ©taat«rat« auf ber Äanjel 1845 eine 95e=
50 toegun^, bie ben Slücftritt t)on 147 ®eiftli(^en (toä^renb 99 in ber 5RationaIlird^e blieben)
unb bie Silbung ber freien Äird^e burc^ bie 33erfaffung üon 1847 jur golge ^atte.
3)iefelbe fc^Iiefet \xi) ben Selenntniffen ber a})oftoIifd^en unb reformatorifc^en Äird^e, in«^
befonbere ber ^elöetifd^en Äonfejfion an, bezeugt bie göttlid^e 3"ft>i^tt^ion, Autorität unb
gän^Iic^e ®enugfamleit (suffisance) ber lanonifcf^en Sudler be« Sllten unb 9leuen
66 leftamente«, unb befennt in einigen §auj)tfäfeen, bie im toefentlid^en bem ajjoftolifd^en
©^mbolum folgen, i^ren ®Iauben. ©ie anenennt al« il^re ©lieber alle ©etauften unb
Konfirmierten, bie ben SQSunfd^ au«jj)rec^en, il^r anjugel^ören. Stimmberechtigt ftnb bie
3Ränner, toeld^e 21 3;al^re alt fmb, unb i^ren Seitritt ju Sc^re unb ^nftitutionen ber
Äird^e förmli^ erflären. ^^be ©emeinbe toä^lt i^re SBorftc^erfc^aft, befte^enb au« bem
60 ©eiftlid^en unb einigen Saien. 3)ie ©^nobe beftel(^t au« allen im 3tmt fte^enbcn ®eift*
Sdilorij
63
Ixd^ unb SDbgeorbneten ber (Semeinben, bon benen jjebe iDentgftend )ft)et ^[Bgeorbnete,
mit> toenn fie nte^r atö 150 ÜJlttglieber ;ä^It, auf jetDeitere 150 ^JRttglieber einen toö^lt.
@ie berfammelt fid^ in ber Siegel jä^rlicp einmal, unb forgt für bie allgemetnen ^nter«
cflen ber Äird^e. Stturgien unb SBüd^er für Sleligion^unterric^t lann fte nur jur Sin«
na^me embfel^Ien. 3)te laufenben ©efd^äfte toerben t)on ber S^noballommiffton (9 SKit- 6
ßlieber) beforgt. äu^erbem befteDt bie Stonobe befonbere Äommiffionen für bie Stubien,
bie fjinamen, bie ßbangelifation unb bie SRiffion. 3)ie ®ifijjij)lin in ben (Semeinben aud^
in erfter Sinie gegenüber ben ©eiftlid^en unb i^ren eigenen SKitgliebem fte^t ber Äirc^en^
toorjieberf^aft ju. Sttle äu^aben toerben burd^ freiwillige Seiträge beftritten. 3)ie2Ba^I
ber Pfarrer gefc^iei^t burc^ bie ©emeinben au^ ber SKitte ber auf ©runb il^rer $rüfung^ lo
geugnifle bon ber ©^nobe orbinierten ©eiftlic^en unb unterliegt ber Seftätigung ber
@^nobal{ommiffion.
3m Äanton 5Reuenburg erfolgte bie Silbung ber Eglise ind^pendante de TEtat,
ate bad Jlirc^engef e| t)on 1873 jeben f^olitifd^ Stimmberechtigten, ganj abgefe^en t)on irgenb
einer reßgiöfen ©runbbeftimmung, afö ®Iieb ber Äird^e erllärte, unb ebenfo für bie S3e^ i6
Heibung be^ geiftlic^en älmte^ gänjlic^e (Setoiffen^frei^eit o^ne jebe fonfefftoneDe SSer«
J)flic^tung ftatuierte. ®ie aSerfaffung biefer Äird^e anertennt ate emjige Duelle unb Siegel
be^ (Slaubend bie ^I. ©d^riften Suten unb 5Jeuen ^^eftamentö unb ^ölt ftd^ an „bie
großen ^eildt^atfac^en, n)ie fie ba^ fog. a^oftolifd^e ©lauben^belenntni^ }ufammenfa^t".
SRitglieber finb alle ©etauften unb konfirmierten, toelc^e i^r anjuge^ören toünfd^en unb 20
i^ SBerfafjung juftimmen. 3)ie Äirt^engemeinbeöerfammlungen toä^Ien bie ©eiftlic^en,
bie Äird^enöorftönbe unb bie Slbgeorbneten jur S^nobe. 3)er $räftbent be^ Kirchen«
borftonbe« ifk Don 2lmt« toegen ber ^Pfarrer. ®ie ©^jnobe befielet au« fämtlic^en Pfarrern
unb aud iueltlic^en Sbgeorbneten, beren iebe ©emeinbe brei auf jeben Pfarrer toä^It,
femer ben 5ßrofef[oren ber t^eologif^en ^afultät. Sie leitet bie Äirc^e, forgt für bie 25
älbfaffung ber Sucher jum jtuitu« unb 9(e(igion«unterrid^t unb l^at bad Sle^t jur Slb^^
fe^ung ungetreuer Pfarrer. 3)ie laufenben ©efd^äfte beforgt eine ©^nobaßommiffton au«
neun SKitgliebem. ferner beftel^en Äommiffionen für bie ©tubien, bie Drbination unb
bie ginanjen. 3""^ geiftlid^en Slmte finb erforberlid^ „bie Sebingungen be« ©lauben«,
ber grömmigfeit unb ber SBefäl^igung, toeld^e 3^0"'^ f^"^ *>^^ 33erufung be« $erm". so
(gine ®meuerung«toal^I finbet nur auf Segei^ren ber ©emeinbe ftatt. S)ie lird^Iit^en
ausgaben toerben burd^ ©emeinbefteuern unb ©efd^enle beftritten.
3n aSBaabt unb 5Keuenburg toirb bon ben freien Äirc^en, in ©enf t)on ber ebange«
lifd^ ©efeDfc^aft eine tl^cologifc^e gahiltät erhalten.
Über bie ©tatifti! ber freien Äirc^en liegen un« nur folgenbe eingaben für ba« ^af)x 86
1903 t)or:
3q^I ber
itanton
®emeinben
®eift(i(^en
2:Qufcn
konfirmierten
einfegnungen
»aobt ....
9^cuenburg . .
®cn[ ....
41
23
45
50
29
5
304
651
27
374
508
62
94
190
12
40
Stufeer ben freien Äirc^en giebt e« in berfc^iebenen Äantonen ber ©c^toeij freie ©e«
tneinben, bie teil« bereinjelt, teil« in aSerbänben befte^en unb beren 9Ritglieber meift ber
£anbe«fird^e noc^ angehören, aber au« lofalen unb >)erfönlid^en ©rünben befonbere SSer« 45
fammlungen galten unb eigene ^ßrebiger anftetten. $ier ftnb ju nennen bie befonberen
®otte«bienfte ber ebangelifd|en ©efeDfc^aften in ben ©täbten 3"^^^^ S3em, ©1. ©aüm,
(S^ux, bie jum 3:eil mit benfelben üerbunbenen ©emeinfc^aften ober ©otte«bienfte in Ufter,
9Bintert^ur, $eri«au, Reiben (^ppmi^Ü), Saben (3largau), ber aSerein für ßöangeli::
fation unb ®emeinf(^ap«j)flege in 3ürid^ (Setellat)ene), bie ©tationen ber G^rifd^ona* 60
trüber u. f. to.
f) änbere t^riftlic^e ©emeinfc^aften unb ©elten, bie toeberburd^ abjtpeigung
t)on bl«^erigen 2anbe«Iird^en entftanben ftnb, noc^ liieren Urfjjrung fj)cjiell fc^tpeijerifc^en
Ser^ältniffen berbanlen, fonbem meift burc^ (Smiffäre be« 3lu«lanbe« 3ln^änger ge=
toonnen l^aben, ftnb bie bifd^öflid^e 3Bet^obiftenIird^e, bie SKetbobiften ber eDangclifc^en 55
©emeinfc^aft ^rieben«Iir(^e in 3üri(^ 2c.), bie 9leutäufer, laufgeftunten, bie latbolifc^^
64 Sc^tQrii
a})oftoItfcl^e Äird^c (gttjingtancrX bie 3)ar6^[tcn, bic ©toebenborgianer, bic ßeilöormee,
bic d^riftlid^c aBiffcnfd^aft (Christian science), 3)otoie« Rion^Iir^e unb bte OTotmoncn.
3)te ja^Iretc^ftcn anhänget baben bie 9Ketl^obiftcn (laut SKittcilung auf einer Äonferenj
berfelben in ©d^aff^aufen jaulten fte im ^a^re 1904 60 ^rebiger unb 9083 eingefc^ebene
6 3KitgIieber) unb bie S3a})tiften. aWanAe t)on ben Slnbängem biefer (äemeinfc^often
bleiben gleid^tool^I SKitglieber ber ßanbe^nrd^e.
4. ®a« Äird^entoefen ber fatl^olifd^en ©d^toeij.
a) 3)ie tömifd^^lat^olif^e Äitc^e (®arei«. II, ©. 1—204; Status Cleri
omnium Helvetiae Dioecesium 1805; Süd^i f. oben ©.43,i9). S)ie Äantone gehören
10 nad^ ben Slufftellungen ber römifAen Äurie ju folgenben SiMmem :
I. 6^ur: Mxii), Uri, ©c^tü^j, Unterh)alben, ®Iaru«, ©raubünben.
II. S3afeh Sern, ßujem, 3ug, ©olot^urn, Safel^Stabt unb Sanb, ©d^aff^ufen,
Slargau, I^urgau (S^efftn, f. unten).
III. ©t. ©allen: ©t. ©atten, WßpmiOi,
16 IV. Saufanne unb ®enf: greiburg, 5Keuenburg, SBaabt, ®enf.
V. ©itten: SBaDi«.
3)iefe ßinteilung ift aber faftifc^ in öielen $infid^ten nidbt burd^efül^rt ober t)on
©taat« toegen nid^t aneidtannt: „3)ie Drganifation ber lat^olifc^en Äir^e in ber ©d^toeij
ift burc^ bie ©c^ulb ber römifd^en Äurie in ber ^eillofcften Sertoirrung : überall ^roöiforien,
20 ftaatlid^ nid^t anerlannte ober gelöfte 3Ser^äItniffe, nirgenb« befinitib georbnete 3)iöcefan-
berbänbe" (®arei«, aSortoort ©. IV). 3)ie toid^tigften ^ier^er bejüglid^en aSer^ältniffe finb
folgenbe:
I. 2)0« SBigtum S^ur. 3)ie Äantone 3ürid^, Sugem, Uri, B6)tD% Unterlöarben,
®Iarug, 3ug, %ppm^di, ©t. ®allen, ©d^affbaufen, 2:^urgau unb leile bon Slargau unb
26 ©olotl^um Ratten bi« 1814 jum Si^tum Äonftan^j gehört, tourben bann aber burt^
))ä))ftli(^en ^ac^tf^rud^ bon bemfelben abgelöft. 2)ie in obiger Überftd^t unter I. auger
®raubünben genannten Äantone toerben gegentoärtig jtoar bom SBifc^of in 6^ur ab«
miniftriert, jebod^ nur >)rot)if orifc^ ; alle Serfuc^e befinitiber ®eftaltung bon neuen 8i^
tümern für bie SBalbftätte 2C. toaren erfolglos, ^n ^üxid) tourbe 1875 „ber foltift^e
90 SSerbanb mit bem SSi^tum 6^ur ate aufgehoben erflärt unb ben einzelnen lat^oUf^ien
®emeinben überlaffen, ftc^ im galle be« Sebürfniffe« mit einer bifAöflid^en SSermittelung
ober ^unftion, ber Dberaufftc^t be« ©taate« unbefd^abet, nad^ i^rem ßrmeffen ju be^
belfen". 3)ie Äantone Uri, ©d^to^j, beibe Untertoalben unb ®Iaru« ^aben SSerträge über
fommiffarifd^e SSertoaltung mit bem Si^tum 6^ur.
86 n. 3)a« 93i«tum Safel (Sifd^of^ft^ ©olotl^um) tourbe nad^ langen SerJ^anb«
lungen 1828 neu georbnet unb bon ben Äantonen 93ern, Sujem, 3^9^ ©olotl^um, Safel,
äargau, I^urgau genehmigt. 3)ie fd^ajf^aufenfc^en ®emeinben gehören bemfelben burc^
>)robiforif(^e Übereintunft an. 3"foIge Äonflift« mit bem 93if(^of Sac^at \pxad)m bie
Äantone SSem, ©olot^um, äargau, li^urgau unb Safetßanb 1873 bie ©riebigung be^
40 bifc^öflic^en 3lmte« auö; ein neuer SSerbanb ift nicf^t gcfd^Ioffen toorben, unb eö iftba^er
jur 3^^^ *>^^ Sifc^of bon Safel nur bon 3^0 u"b Sujem anerfannt. 3" ^^^ ^^
ftanben infolgebeffen fe^r l^eftige unb lang anbauembe ©treitigleiten, unb e« ftnb num
me^r bie bortigen römifd^en Äatl^olifen nid^t mc^r in ftaatlic^ anerfannte Äird^engemeinben,
fonbern in freien ®enoffenfd^aften organiftert.
45 III. SDa« Si^tum ©t.®aUen in feiner je^igen ®eftalt beftcl^t feit 1845. galtifc^
lehnen fic^ bie Äat^olif en bon 3lj)j)cnjett an baöfelbe an, ol^ne formell mit bemfelben ber«
bunben ju fein.
IV. 3um »igt um Saufanne (j^^iQ^x 95ifd^of«ft$ greiburg) toar feit 1821 au(^
ber Äanton ®enf jugeteilt. 1866 ernannte ber ^ajjft ben latl^olifd^en ^Pfarrer in ®enf
60 R. ÜKermiflob eigenmächtig jum §iIfgbifc^of bon ©enf, unb fteute 1873 ba« S3i«tum
®enf toieber l^er. 3)ie Sunbe^bel^örbe erflärtc biefen 3llt für nid^tig unb berbonnte
aWermittob, ber nic^t berjic^ten tooHte, aug ber ©d^toeij. 3m ^al^re 1883 erj^ob ber
$a^ft ^KermiHob auf ben balant geworbenen Sifd^of^ftu^I bon greibur^ unb Iie| il^m .
erflären, bag er fomit nic^t mel^r §iIfgbifd^of bon ©enf fei, toorauf t^m bie SRüdSe^ -
66 geftattet tourbe.
V. gm Si^tum ©itten beftel^t fein Äirc^cngefe^, fonbern bie Ätrd^e toirb ganjBi
nad^ lanonifd^em 3{^it geleitet.
VI. 2)er Ranion leffin fte^t laut Übereinfunft bom ga^re 1888 nominell unte«r
bem jeloeiligen Sifc^of bon 93afel, toirb aber burc^ einen eigenen ajjoftolifc^en 3lbminijirato'C
60 bertpaltet, ber bom $at)fte im ©inberftänbni« mit bem Sifd^of bon 95afel getoä^lt toir*
Sii^tDet)
65
unb feinen @t| in Sugano f^at ^rü^er toax ber Jlanton ben Sidtümem 6omo unb
SRailanb gugeteilt; ed mag eine !Ra(^it)irIung babon fein, ba^ nod) im Status Cleri
für 1905 über ben Älentö be« Äonton« lefftn nid^t« aufgenommen ift.
2)iefeitbem 16. ga^rl^unbert in berSd^^toeij beftel^enbe^äpftlic^e9?untiatur tourbe
tm3al^el874 aufgehoben, inbem ber S5unbe«rat toegen ber m einer >)äpftlic^en ßnc^IUfa
über bie ®enfer Angelegenheit entl^altenen S3efc^im^fungen eine toeitere SSertretung bed
^^fted bei ber Sibgenoffenfd^aft ald unjuläfftg ertlärte.
©tatiftifd^e«.
^aäi StatuB cleri unb iBüc^i, beren Angaben ntc^t
immer ganj ftimmen.
8q^I ber
ftanton
ftirc^ens
gemeinben
Pfarrer
gKänncrflöfter
graucnflöftcr
ftüricft
»em
ST" :::::: ;
<S4w%
Dbtoalben
9Jibtt)alben
©laru«
3ug
grrelburg
@oIot^um
^el^@tabt
a3ae(^fionb
@(^off§aufcn
HppenaeH 9l.«9l^. . . .
«ppcnjett 3.*«^. . . .
St. Oattcn
®raubünben
^[argau
S^urgau
Sir«?
«QObt
»aüi«
9leucnburg
®enf
25
84
87
22
32
7
7
6
10
132
72
3
13
3
4
5
109
100
80
52
164
18
133
9
30
53
106
162
35
79
30
25
8
32
179
90
11
16
5
7
14
198
142
105
64
330
33
173
13
47
3
1
3
2
1
1
1
4
3
1
3
1
4
4
2
3
1
1
3
6
3
1
10
3
1
3
2
10
16
20
26
80
86
Son ben 32 SWännerllöftern finb ju nennen biejenigen ber Senebiftiner in ©in-
/iebeltt (mit 108 Äonbentualen), gngelberg (38), 3)iffenti« (19); bie Sluguftinerd^or^enen
^on ©t a3em^arb (54) unb ©t. 5Jlaurice (52); bie Äart^äufer in aSalfainte, Ä. grei^ 40
^urg (22), unb bie granjidlaner in ^'^eiburg (9) ; bie übrigen 25 ftnb Äa>)ujinerIIöfter,
*nc^ mit 6—12 5ßatre«, baju eine änja^I §of^ijien.
2)ie 45 grauenflöfter gehören ben Drben ber grangiöfanerinnen (18), 2luguftine=
^^wien (2), ßiftercienferinnen (7), 5ßrämonftratenferinnen (1), 3)ominiIanerinnen (5), Sene«
^Üinerinnen (7), ©alefianerinnen (2), Urfulinerinnen (3). Slid^t inbegriffen ftnb l^ierbei 45
^^^ Slei^e anberer Äongregationen, bie jum S^eil fel^r toeit ftc^ berbreiten (©raue
^^^^(^toeftem, SeJ^rfd^toeftem, Sarmberjige ©^toeftern, ©d^loeftem üon ber aöttlidf^en Sor-
i^l^uiw, Äinbs3efus©(^toeftem, ©d^toeftern t)om 1^1. Äreuj, bon ber etoigen 3tnbetung, bon
^wr (frifili<^ien Siebe, bom foftbaren älute u. f. to.). Sefonber« fmb ju nennen bag Sel^r-
X^toejicminfKtut in SWengingen Ä. 3ug mit 700 ße^rerinnen, bon bcnen in 250 3SoIfö- 50
Jaulen Unterrid^t erteilt unb 45 SSaifen-, Slrmen^ unb Äranlen^äufer beforgt toerben,
inb bie Äongregation ber Sarm^erjigen ©d^loeftern in ^ngenbo^I Äant. ©^U)i;j, ber
UOO ©d^toejicm angel^ören, bon benen 1350 in ber ©c^toeij, bie übrigen namentlid^ in
^Ofterreic^ in ja^Ireicpen Slnftalten toirlen. 95cibe Äongregationen ftnb bon P. I^eoboftu^
^^lorentini gegrünbet — 9läi^ere2lngaben über bie gapi ber in ben 45 grauenflöftem ft^ 55
^uf^Itenben 92onnen Serben nid^t gemacht.
SBeitere feft organifierte (Semeinfc^aften jur Pflege ber fatl^olifd^en ^"tercffen ftnb
W ©d^toeijerifd^e ©tubentenberein, gegrünbet 1841, mit runb 600 altiben 3)titgliebern,
fUtaltifnctitlopmt fflr X^eotogie unb fiiK^e. 8. 9(. KVIII. 5
66 ^iftotxi Sf^tuetjer
bcr ©c^tüeijcrifc^c Äatl^oIifenDcrcin (frtii^cr ^tu^berein, gcörünbet 1857) mit 206 ©dtionen
unb 30000 3Jlit0Ucbem, bcr fat^olifc^e herein für ,,inlänbifci^e 3Jliffton" gur gürforgc
für bie Äatl^olilcn in ben jjroteftanlifd^en Äantonen, unter Seitung ber fd^h)cijerif(^
Sijd^öfe, unb ber 33erbanb ber lat^olifd^en ÜKänner^ unb airbeitert)ercine mit 68 ©eltionen
6 unb 6000 ÜKitöliebern.
3)a« Drganifationetalent ber römifc^en Äirc^e mad^t fid^ alfo aud^ in ber ©(^toeij
entf d^icben geltenb, \p^kü in ber ^ürforge für ben fatl^olifd^en Äuitu« in ben
t)roteftantifc^en Äantonen. 3)er auöbrudf „inlänbifd^c 3Kiffton" für bie bafelbp bc^
[te^enben fatl^olifd^en ©emeinjc^aften, bie Il^atfad^e, ba§ j. S3. ber ganje Äonton 3üricf|
10 im ^af)x^ 1902 burd^ bifd^öflid^e Slnorbnung in 24 Pfarreien eingeteilt tourbe, unb bie
überaus rege 2:i^ätigfeit in ©rbauung bon Äird^en unb ^farr^äufern legen babei ben
©ebanlen na^e, e« ^anble fi^ nid^t blo^ um Pflege ber in >)roteftantifc^en ©egenben ein-
getoanberten Äat|^oIi!en, fonbem um h)irflid[ie 5ßro>)aganba.
b) 3)ie c^riftfatl^olifc^e Äird^e. infolge ber nad^ bem üatilanifd^en Äonjil bon
15 1870 im Si^tum 93afel entftanbenen Äonflifte erllärten bie Äantone Sem, äargau,
©olotl^um, SE^urgau unb 93afel=£anb im 5Rot)ember 1872, ba§ fte ba« 2)ogma t>on ber
Unfe^Ibar!eit be« $a>)fte« nid^t anerfennen unb bemSift^of nic^t geftatten, ^rieftet toegen
SJicf^tanna^me biefe^ 3)ogma« mit genfuren ju belegen. 3lte ber SSifc^of biefem Verbote
ftc^ nic^t fügte unb abgefegt tourbe (f. oben), bilbeten bie 3ln^änger ber lird^Iid^en SRefonn^
20 betüegung ben „SSerein fd^toeigerifd^er freifinniger Äatl^olüen". ©obann fonftituierten ft(^
in ben genannten Äantonen, fotoie in ben ©täbten ^üxid) unb Safel d^riftfatl^oKfc^
©emeinben, 93em unb ©enf übertrugen bie lanbe^f irc^hc^e Drganifation bon ben römif^-
lat^olifc^en auf biefe neuen ©emeinben. SEBä^renb in Sem nac^ ber 9lnna^me be^
Äirc^mgefe^e« bom S^i^re 1874 bie 3^^! ber ©emeinben jurüdfging, bilbeten ftc^ ft>äter
26 in ber beutfc^en ©^toeij, namentlii^ in ben Äantonen Slargau unb ©olot^um neue
©emeinben.
3)ie erfte SJationalf^nobe berfelben Jjromulgierte 1875 bie „Serfaffung bcr d^*
fat^olifd^en Kird^e ber Scf^toeig". 1876 tüä^Ite bie ©^nobe jum erften Sift^of ebuorb
Öer^og, ber fof ort mit feinen Slnl^ängem öom 5Pa^3fte e^fommunigiert tourbe. 2)ic ©i^nobe
30 beftc^t auö bem Sijd^of, bem ©^nobalrat, aüm im Slmte fte^enben 5ßrieftem unb ®eI^
gierten ber ©emeinben. ©ie ftellt bie allgemeinen ©runbfd^e über Äuitu« unb 3Didgi})Iin
auf, toäl^lt ben ©^nobalrat unb ben Sifc^of. 3)er ©^nobalrat beftel^t aug fünf Saien
unb Dier ©eiftlid^en, unb ift bie SSertoaltung^s unb 33ottgie^unggbel^örbe. 2)em Sifc^ofe
ftel^en inöbefonbere bie Drbination ber Älerifer, bie 3luffid(|t über fte, i^re ®infe|ung, bie
36 aintragfteHung betr. Äultug k. ^u.
©nbe 1904 beftanben 43 ©emeinben unb ©enoffenfd^aften (3ürid^ 3, Sem 7,
£ujem 1, ©olot^um 7, SafeI=Stabt 1, Safel=2anb 2, ©c^aff^aufen 1, ©t. ©atten 1,
3largau 9, 9Jeuenburg 1, ©enf 10) mit 56 ^rieftern.
Sßon toic^tigeren SReformen finb folgenbe ^u nennen: SoIföft)ra(^e für alle Iiturgif(^en
40 unb rituellen gunitionen; Slufl^ebung t>^ Seid^tjloangeö, ber ^aftengebotc unb be^
ßijlibati^efe^e^; bie 3)teife ift eine mit ber 3^^^ entftanbene ^orm ber Slbenbmal^fefeiet;
bie SSere^rung ber ^eiligen befte^t in ber 3Rac^a^mung i^re^ Seif})ietö jc
D. %t. flRf^cr.
©i^ttieijer, aiejanber, ber treucfte, freiefte ©c^üIer unb gortbilbner ©d^Ieiermac^, -
46 ift geb. ben 14.9)Järj 1808 in 5Jiurten (Äanton greiburg), tpo feinSater, ^jalob ©d^toeijer, ^
Sürger Don ^fixx'id), ^^fcirrDertPcfcr toar, boc^ nur furje 3«t nod^ blieb, inbem er 1809 ^
bie $fanci 9?^bau (Äanton Sem) erhielt. 3ln beiben Drten, fotool^I im elterlit^m $fan-^
^aufe bafelbft, alö bei ben ©rofecitcrn in Sllurten berlebte ber ©oj^n abh>ed^felnb feine^
^inberja^re, bie er, toie feine fj)äterc Sugenb^^eit, anmutig befc^rieben f)at in ber na<^
60 feinem 3:obe bon feinem ©o^ne, $rof. Dr. ^aul ©c^lo., 1889 ^erau^egebenen Stutos^*
biogrojj^ie. W\i 10 '^a^xm h)urbe er, ba eö alö felbftücrftänblic^ galt, bafe er toie bei^
Sater Pfarrer toerbe, bem ©i;mnafium in Siel {nai)t bei 9?^bau) übergebm unb no^ä
einem ^al)x bem in Safel, too ein reicher ^crr i^n ^u fid^ nal^m, feine einfame §äuds=»
lic^feit m beleben. 3Jlit 14 '^ai}x^n trat ©d^to. in bie fog. ©elcbrtenfd^ule (ba« unteriP'
©i;mnafium) feiner Saterftabt <3üric^ ein unb macl^te Bier gute ^ortfc^ritte bei tnaifipt^
55 fonftiger ßsiften^, ba ber burc^ Scrbürgung gcfc^)äbigtc Satcr iDcnig für il^n t^un lonntc^
Som ©tabtrate bcloiHigtc ©tijjcnbicn erleichterten inbc^ balb feine Sage, bie i^n frül^-"^
fcbon mit bem ßrnfte bc^ Sebcnö bcfannt macbtc. 3" ^^"^ ^^f ^^^ ©elc^enfc^uL-^
folgenbcn Collegium humanitatis, trat il^m auc^ bcr Gmft feine« fünftigen getfÜit^c^
SSerufed nä^cr, um fo mei^t, d^ er burc^ ßdtürc an feiner biig^erigen naiöen ©läubigleit
irre getoorben toax, toenn auc^ im SJertrauen auf ®ott atö ettüaö Selbfttoerftänbli^em
feft geblieben. 3lad) biefem burd^Iief ©c^to. bie Jj^ilologifc^e, j)^ilojoj)bifci^e unb ti^eologifc^e
Älaffe ber ©c^ule be« Carolinum; bo4> bejeid^nete er bie bort erlangte 93ilbung ate eine
fd^ mangelhafte, ber Srgänjung burd^ ^ritoatftubien bebürftige; in Sejug auf Übung in 6
iRebe unb Vortrag jog er größeren (Setoinn au^ einem gehaltvollen ftubentifc^en Sereinö^
leben, abgefei^en bon ber bort gej)flegten Äörj)erftärlung burd^ lumen unb ))atriotif(^en
Segeifterung.
Sm ^Jrül^ia^r 1831 beftanb ©d^to. ba« tl^eologifc^e ©jamen unb toarb burd^ bie
Drbination in« jürd^erfd^e 3Rinifterium aufgenommen. 2luf Sßerlocnbung be« bem viel- lo
Derft)rec^enben Sünglinge gezogenen ß^or^erm ©c^ult^e^ tourben i^m ©tijjenbien ^um
Sefuc^ einer beutfcpen ^od^fc^ule getoä^rt, unb fo verlebte nun ©c|u). nad^ einjähriger
Sefc^äftigung afe ^audle^rer feine übrige Äanbibatenjeit in I)eutfd^lanb. ^n Serlin,
too^in i^n bcfonber« ©t^letermac^er jog, befud^te er vor allem beffen i^n am meiften
förbembe 3Sorlefungen mit großem gleite. 3Son feinem ,,£eben 3l«fw" unb feiner Jj^ilo^ i6
fot)^fd^en St^if, bie er toenige ^af)xt f>)äter au« ©c^l.« 9Jad^lafe in fürjerer gorm al«
,,©^ftem ber ©ittenlel^e" (1835) l^erau«jugeben veranlagt tourbe, mad^te er fic^ 2lu«jüge.
©el^ belel^renb toar für t^n aud^ ©d^l.« „^ermeneutil unb Äritil" unb beren Slnloenbung
auf bie erllärung be« SKatt^äu«; auc^ ferne Olauben^lei^re ftubierte er forgfältig, unb
feine ißrebigten befuc^te er regelmäßig, fanb aber, baß fie, obtpol^l ^öd^ft erbaulid^ für 20
bie i^m angebilbete ©emeinbe, bod^ nic^t ju einem äSorbilb für aQe fid^ ^infteUen ließen.
Son anbem tl^eologifd^en ^ßrofefforen l^brte er nod^ Sleanber, toä^renb i^n ÜJlarl^einefe«
ßegelfc^e 3:^eoIogie lalt ließ unb feml^ielt, in ber t)^ilofopl^ifcf)en ^alultät mit befonberem
gntereffe SRitter unb Södfi^. 5Keben ©c^l. tourben auc^ bie übrigen bebeutenbften ^rebiger
Berlin« angel^ört, unb mit ©^boft) ein befonber« freunblic^er >)erfönlid^er SSerfe^r angefnüt)ft. 26
Um aber aud^ ^ugleid^ ))robu{tiV t^ätig ju fein, enth^arf ©(^. eineStb^anblung über ben@egenfa$
}b)tfd^en 9lationali«mu« unb ©ut)ranaturali«mu« unb eine „@rtlärung ber äSerfuc^ung«^
gefc^ic^te" (jufammen gebrudft 1833), in beiben nod^ fcl^r abl^ängig Von ber ©c^l.fc^en
©ebanlenhjelt. Qu ^ppngften be^felben ^a^xci tourbe er, nad^bem er erft feit einigen
SBod^en in ^ma ju ftubieren begonnen, auf eine für 5ßaftor §irjel in Seipjig gel^altene so
Srebigt ^in fofort atö §ilf«>)rebiger ber bortigen reformierten ©emeinbe feftgel^alten,
lonnte aber baneben feine ©tubien an ber Univerfttät (bei SBincr, SCBeiße, »^ermann,
SBac^mut^) fortfe^en. gm ^af^x 1834 fa^ unb l^örte er ben i^m auc^ j)erfönli(^ nä^er
getretenen, l^odbvere^rten ©c^l. bei einem Sefud^c in Serlin jum legten 3Jiale, toenige
SBoc^en Vor beffen lobe. 9lu8 33eranlaffung be«]elben fc^rieb er in ba« „Journal für 36
?Prebiger" eine 3)arftellung Von „©d^l.« SBirffamfeit al« ^rebiger 1834". ^Jioc^ frülier
^tte er eine Slbl^anblung „Über bie 3)ignität be« 3leligion«ftifter«" in bcn „©tubien
imb ftritifen" Veröffentlid^t.
3n ber ©c^rift „Äritil be« ®egenfa$e« jhjif^en 3lationali«mu« unb ©ujjra^
naturali^mu«" rebet ©dj^to. bem gortbeftejien beiber infofern ba« 3Bort, al« bcibe jtoei 40
33Bege gum gleichen Kxd fmb, gtoei Verfc^iebene Sluffaffung^toeifen bc« G^riftentum«, ber
<Sm)ranaturali«mu« oie mebr unmittelbar inbivibuetle, ba^er leidet in 3)i^ftict«mu« au«=
ortenbe, ber 3lationali«mu« bie me^r ^iftorifc^e, unter bem ß^aralter ber 3i^<^"^i^^^
totrienbe, gum 5IKed^anifieren geneigte, ba^er beibe ju einem von i^eibenfc^aftlid^feit freien,
orconifc^en 3wfö>"'n«»h)i^^f^n berufen, gn ber ©c^rift über bie 3)ignität beö SRcligion«^ 45
ftifter« fc^reibt er, ebenfaD« im ©inne unb ©eifte ©^leiermac^er«, (Sl^riftu« al« bem Stifter
^^t einen Äirc^e (ber VoDenbeten Sleligion) eine urbilblid^e, in 3i^tum«= unb ©ünb=
*ofiöIeit fid^ befunbenbe 3)ignität gu, infofern er bie für bie menfc^lid^e ©attung moglicbft
'^^'"f^^ äuffaffung be« Slbfoluten im unmittelbaren ©elbftbeloußtfein in ftd) trug, unb
|nte vorbilblic^e, infofern er biefe« ©otte^betoußtfein mit allen "üJlomenten be« ^citlirf^en so
"«toußtfein« gu Verfnüi)fen, ba« ganje Seben mit i^m gu burc^bringen tpußte, eine fotpo^l
Ö^abuelle ate bem religio« fortgefc^rittenften unter ben ^Jlenfc^en, toie f)3.ejififc^e
^^ bie ©tetigleit feine« ®otte«beh)ußtfein«.
. ©d^toeijer« SBirffamleit in ber i^m liebgetoorbenen ©tetlung in Sei^jjig bauevtc
^^i lange. Slnerbietungen Von 3^^^^ f"'^ ^^"^ bortigc I^ätigfeit al« £)05ent unb 55
^tAiger jugleit^ riefen i^n nod^ im ga^r 1834 in feine SJaterftabt gurüdf. §icr trat er
i^ort in ein reiche« 3lrbeit«felb ein, an ber 1833 gegrünbeten §o4)fc^ulc, bem Tiamon
JJ^ al« ^PriVatbojent, t^atfäc^lic^ aber al« ^n^aber jioeier außerorbcntlidber ^^rofeffurcn,
^ neuteftamentlidjen ßjegefe unb ber })ra!tifc^en Xbeologie, außcrbem aud> al« tVitax
^ ®roßmürtfter, too er 10 ^a^re barauf jum ^fauer getoä^lt tourbe. Xitel unb ao
68 Sii^ttietjer
SRang ctne^ au^crorbentlid^en ^ßrofcffor^ erl^iclt et fc^on 1835, bie ScförbenmQ jum
orbentlic^en 1840. 1835 gtünbele er auc^ feinen eigenen ^au^ftanb butd^ äiermäl^lung
mit ßj^orlotte 5IKöIIer bon 9Jorb^cmfen, bie i^m jebo^ fd^on am erften ^l^^tedtage ber
Irauung md) ber ®eburt eine^ löc^terd^en^ burc^ ben lob entriffen toarb. @rft
6 nad) ia|relangem aHeinfein fc^Iofe er ein jtüeite^ g^ebünbnid mit Slojtna Sanbi« Don
Jüd^ter^toil, toeld^e i^m 3 ©öl^ne fd^enlte unb bi« ju feinem 2;obe jur ©eite ftanb, na^
einem längeren ®emütdleiben burd^ i^re böQige (Senefung ba^ &lixi ber f^amilie
er^öl^enb.
3n biefer 3^* feiner erften SSBirlfamfeit in Rüric^, in toelc^er ani) feine litterarifc^e
10 I^ätigleit nid^t ftiHe ftanb (SJlitarbeit an ber feit 1836 etfd^einenben „5Reuen Äird^en^
jeitung für bie reformierte ©c^toeij" u. f. tu.), begann im fircplic^en unb jjolitifd^en ßeben
Rüx\d)i bie ©traufefc^e S3etoegung mit i^ren Äämj)fen unb SEBirren, in toelc^e auc^ ©d^h).
^ineingejogen tourbe. ^urc^ feine ^erfönlic^e Eigenart toie burc^ feine tl^eologifd^e ©(^ule
unb feine bürgerUd^sfojiale ©tellung auf eine t)ermittelnbe ^altung ^iuifd^en ben ©egen^
16 fä^en be^ Äonferbati^mu« unb SRabilali^mu« auf t^eologifd^-lirdflicvem toie >)oIitif(|em
(Sebiet angetoiefen, trat er ben heftigen „fiaientoorten" be^ ©ängerbater« 5Rägeli Vuiber
ba« lurj jubor erfd^ienene ,,2eben S^f"" bon ©trqu^ in einer SRecenfwn fel^r entf^ieben
entgegen, aber ebenfo audb ben erften öffentlichen Su|erungen ju ®unften einer Berufung
bon ©trau§ ate orbentlic^em ^ßrofeffor ber 2i^eoIogie nac^ 3^^^- 3" ^^"^^ Stbl^anbtung
20 über „2)a« ßeben 3^fw bon ©traufe im SSerl^ältni« jur ©(^Ieiermad[>erfc^en 3)ignität be«
3leIigion«ftifter« 1837" beläm>)fte er beffen ©a^, „bie ^bee fd^ütte i^re gütte nie in
einem ßinjigen au«, fonbem berteile fte an bie ©efamtbeit, unb ber ßrfte in einer
fuccefftben 3flei^e lönne nie bie abfd^Iiefeenbe SBoHenbung fdpon beft^en, toeil bielme^t ba«
®efe| ber 3JerfeItibilität alle^ immer toieber beffer unb öoDfommener toerben laffe". ®r
26 tüie« l^in auf Seben^ebiete, in benen biefe« ®efe| nic^t gelte, bie auf >)erfönli(^er ®m\alu
tat rul^enb, ftc^ burc^au^ nac^ anberen ®efe^en betoegen, fo bomel^mlid^ bad religiöfe
Seben, in toeld^cm einzelne toenige Sleligion^ftifter für gro|e 3rit^öwme unb SSöIIerlreife
ate boDenbete, unübertroffene SJleifter baftel^en, unb unter biefen einer bie ber 3Kenfc^^eit
allein befinitib angemeffene ^bmmigleit ergriffen unb au« innerftem Seben geoffenbart,
80 alfo bie Sieligion für immer boHenbet l^aben lönne. fjm übrigen anerfannte er, fotodt
e« i^m möglid^ toar, bie grofien SSorjüge ber ©trau^f^en ©d^rift unb il^re SBebeutung
für bie görberung ber tl^eologifd^en Silbung. ©eine äb^anblung ^at nad^^altige SBirfung
aud^ auf bie freier gerid^tete Il^eologentoelt au^eübt, namentlich mit tl^rer Betonung ber
S3ebeutung ber ^erborragenben, fc^öpferifd^en religiöfen $erfönlic^!eit, toenn auc^ eine noc^
86 unbefangenere gorfc^ung finben bürfte, er fei mit feiner 3lnnal^me einer einmaligen, ab=
foluten ^oUenbung ber äleligion burd^ einen ganj Einzigartigen feinerfeit« aud^ )u ioeit
gegangen.
211« bann ^u 3tnfang be« ^ai}x^ 1839 bie fom})etenten 93el^örben bod^ ©traufe an
bie erlebigte $rofeffur für neuteftamentlic^e 2^beologie (nebft 3)ogmatiI unb Äird^cn«
40 gefc^id^te) berufen tootlten, ungead^tet ber im 9Solfe über biefe 93erufung«frage entftonbenen
bro^enben Setoegung, bie gule^t jum offenen 3lufru^r in bem belannten ©e})temberj)utfc^
unb gum ©turge ber SRegierung geführt \^at, toamte ©d^lo. in bem üon i^m üerfa^ten
®utac^ten ber t^eologifc^en galultät, bejto. ber 3Jle^r^eit, emftlic^ t)or folc^em SBagni^
unb toerf od^t feine Slnfid^t mutig au^ in einer ©i^ung be« ®ro^en SRate«, beffen SWitglieb
46 er toar, o^ne barum bie 5Rottoenbigfeit einer ürd^lid^en Sleform, aber auf anberem SBege
unb mit anberem 3»^^^'*^ h^ beftreiten. 3ltlein ebenfo unerfc^rodfen trat ©c^to. ber
reaftionären ©trömung entgegen, bie im ®efolge be« neuen, fonfertjatiben Slegimente«
nun in Äird^e unb ©taat ftc^ geltenb macf^te. 3)afür tourbe er burd^ SJic^ttoieberhKi^l
au« bem ®rofeen State entfernt unb befc^lo^ bamit, nad^ ben gemad^ten ßrfa^rungen
60 nid^t ungern, feine j)olitifc^e aSirtfamieit. dagegen na^m er 1849 loieber eine ffia^l
in ben Äirc^enrat an, bem er fc^on früher angel^ört ^atte unb nun toeiter bi« 1872
angehörte.
Sm 3a^r 1840 bon ber t^eologifd^en ^afultät 93afel mit ber 3)oftorh)ürbe beel^,
toibmete er i^r gum 2)anle feine Sd^rift „3)a« ©toangelium 3loi^anne« nac^ feinem inneren
66 aBert unb feiner Sebeutung für ba« geben g^fu Iritifcf) unterfuc^t 1841". ^n berfelben
üerfud^te er, bie ©d^h)ierigfeiten , toeld^e bie annähme ber 5(ut^entie biefe« Söangelium«
unb ber Slugen^eugenfc^aft feine« Serfaffer« bebrüc!en, ^u beben burd^ bie ^rei«gebung
feiner 6in^eitlid[jleit unb bie Unterfc^cibung ^loeier Seftanbteile, eine« galiläifd^en mü
äufeerlid^cr, niebrigerer 3luffaffung«ti)eifc, geftcigcrtcm SBunberbcgriff, bon einem fj)äteren
60 Überarbeiter ^enü^renb, unb eine« jjubäifc^en, urf))rünglicf)eren Don ibealerem ®eifte, ent«
Sii^tQrijer 69
toeber bom 2lt)ofteI fclbft ober boc^ einem Slugemeugen. 3)iefe $^j)otl^e|e, fett Jöaurö
e))oc^emad^enben Unterfud^ungen über ba^ bterte @t)ange(tum unhaltbar, tft t)on @d^n).
fpäter felbft aufgegeben toorben. $ö^ere unb bleibenbe SBebeutung für bie t^eoloaifd^e
SBijfenfc^aft getoannen feine bogmatifc^en SSBerle. 2luf ben 1840 erfd^ienenen „Seitfaben
aum Unterricht in ber d^riftlic^en ©lauJben^Ie^re für reifere Äated^umenen" folgte 1844—47 6
fein oudfül^rlic^ed, gelei^rted, mü^et)olIed 3BerI ,,^ie ®Iauben^(el^re ber et)angelifc^$
reformierten Äird^e", gefd^rieben nid^t au« fjjejififd^er Seborgugung ber eigenen Äonfeffton,
too^I aber in ber Überjeugung, ba§ ein jur ÜKobe getoorbene« Sonberlut^ertum bie alte
reformierte Dogmatil bertoerfe, o^ne fie ju fennen, unb bod^ gerabe burd^ biefe fe^r l^eilfam
ergänjt toürbe, ba^ jtoar ber ^roteftanti^mu« über beiberlei Dogmen (ängft l^inau« ent^ lo
\v\ddt fei, gerabe barum aber feinen Suf^^n^^^^^nG ^^^ früj^erer Sel^rtoeife too^I im
Äuge tti behalten l^abe. Sluc^ fd^ien il^m eine toa^re Union beiber Äirc^en nur mö^Iid^
bei bouer Äenntni« beiber Se^rbegriffe, toobei ba« ©ebiegenfte, am meiften $roteftanttfc^e
nt aDgemeiner (Geltung gelangen foQte. Sie burd^greifenbe Sigenart ber reformierten
Rird^e, bie trofe aller berfcbiebenen 9Jüancen bei i^en Sleformatoren unb 3)ogmatiIem ib
bod^ einen einheitlichen Z^fpu^ erlennen läi&t, ift nad^ Sc^to. ber 5ßroteft h?iber alle«
^Paganifierenbe in ber latl^olifd^en Äirdbe, toiber alle l^eibnifc^e Äreaturtergötterung, toie
bie lut^erifc^e i^re D>)>)ofttion toefentlicp gegen ba« ^wbaiftifd^e in berfelben rid^tet. 3)ems
gemäg ift ba« ®runb)?rinji^ ber reformierten jCird^e bie fc^lec^tl^iniae Slb^ängigleit allein
bon @ott, ein t^eologifc^e« neben bem ant^ro))ologifd^en ber lutperifd^en )?om aQeinsao
feligmac^enben ©tauben, beffen regulative 99ebeutung @c^to. nun burd^ bie ganje refor«
mierte ®lauben«le^e ^inburdf^ nad^toeift, too ba« abfolute Sfeefen ®otte«, in ber 5ßrobibenj
tpie in ber ^röbeftination überall alltoirifam, nic^t« Snblid^e«, ©innlid^e« ftörenb mit
f[^ in äSerbinbung bringen lö^t. ^öd^fte« ^ogma ift l^ier bie jtunbgebung ®otte« unb
feiner $errlic^!eit, abgeleiteter 3^^^!, burd^ SSerl^enlic^ung ®otte« an xf)x teiljunel^men 25
unb ba« $eil ju erlangen, ätufbiefem ©runb^rinjip fu^t aud^ bie (Einteilung ber ganjen
^orfteQung nac^ ber reformierten f^öberalmet^obe mit il^ren etvig bon ©ott befc^loffenen
Sünbniffen. 3n ber ganzen 2lrbeit folgt ben 5Paragraj)^en mit ben Selegftellen au« ben
S^eformotoren unb 3)ogmatifern eine Äritil be« SBerfaffer«. 3Ba« man auc^ an biefem
aOäerl t)on berfd^iebenen ©eiten au«fe^en mochte, jebenfall« ift nie jubor ber ©runb^ so
c^arolter ber beiben Äonfeffionen unb il^r 3Ser^ältni« jueinanber fo richtig unb Ilar
bargefteUt tborben.
^n ber gleichen Slic^tung betbegte ftd^ ©d^to.« jübeite, überau« reid^^altige unb lel^«
reiche bogmatifd^c, bejto. bogmenl^iftorifc^e ©d^rift „S)ie proteftantifc^en (Sentralbogmen in
i^rer ©nttoidflung innerl^alb ber reformierten Äird^e" (1854 u. 56, 1. 95b ba« 16., 2. 95b 86
ba« 17. u- 18. ga^r^unbert), eine ßrgänjung unb 95eftätiguna ber erften. 3)ie ßentrat
bogmen nämlidjf al« 3lnth)ort auf bie grage, toie ber fünbl^afte SWenfd^ erlöft unb feiig
toerbe, d^ralterifieren fic^ in ber reformierten Äird^e eben in ber abfoluten ^räbefti«
nationalere, bie ba^er auc^ ^ier bie toic^tigften grörterungen beranlafet ^at. ^on ben
SReformatoren an, bie urfprüngltdjf alle biefer ße^e l^ulbigten, unb bon benen ßalbin ü^ 40
il^ren 9(bfc^lug gab unb fie energifd^ gegen alle Eingriffe berteibigte, toirb bie ©efc^id^te
biefe« 3)ogma« toeiter gefübrt unb gezeigt, toie e« in ber reformierten Äird^e in feiner
jÄroffften gform jur ^errfd^aft gelangte, toä^enb bie lutl^erifd^e nad^ bem Vorgänge
aReland^t^n« fid? bon i^m abtoanbte, unb toie biefe Se^re nad^ Unterbrüdhing be« fte
bePreitenben ärminiani«mu« unb 95efämj)fung be« fte mobifigierenben 3lm^ralbi«mu« unb 46
Sßaioni«mu« in ber ^Ibetifd^en ilonfenfu«formel 1675 ben l^öc^ften ®ij)fel ber Drt^obojie
crreic^ite, um barauf im 18. Sör^wni^^*^^ ^"^^ ^i"^" Umfc^loung im lirc^lic^en 95etou|ts
fein felbft, i^e SÄeutung mel^ unb me^ ju berlieren. 211« bogmatifc^e Verarbeitung
rein c^ftlid^er unb broteftantifc^er ©runbfä^e (Unentbe^rlid^Ieit ber unberbienten, frei,
ober gcorbnet toaltenben ®nabe ®otte« in ß^riftu« für bie em>)irifc^ gegebenen fünbbaften eo
ÜRenf^en) in il^er ortl^obojen gorm unhaltbar, bebürfen bie Sentralbogmen ber «irc^e,
nad^bem i^e ©nttoidtelung bur^ „rebolutionäre ©türmer" unterbrod^en toorben, l^eute
einer Umgeftaltung unb Berichtigung au« innerlichen firc^lic^en 95ebürfniffen.
Die britte gro^e bogmatifc^e ©c^rift ©d^to.« „3)ie c^riftlid^e ®lauben«lere nad^
jnfoteftantifd^en ©runbföften" (2 95be 1868—69, 2. äufl. 1877), eine grfüHung biefer 66
gorberung in nod^ toeiterer 3lu«bel^nung auc^ auf bie übrigen Seigren, beginnt mit ber
@r!Iärung: „S)ie ®lauben«lere i}ai ^eutjutage eine nid^t« toenigcr al« leidste älufgabe
ju löfen, ba, h>a« toirflid^ ®laube ber ebangelifc^en Gl^riften^eit ift, richtig gekört toerben
frfl, gerabe barüber aber bie SSerftänbigung nur mül^fam fid^ bur(^arbeitet. ßinft ^aben
bie Söter i^en eigenen ®lauben be{annt, |e$t l^ingegen mü^t man ftc^ ab, i^e 95e{ennt« m
70 Sii^toetjer
nifje ju glauben. 2)en tüirflid^ glaubbaten ©laubcn ju leieren, ift ba^cr ein bringenbeg
Sebürfntö getoorben". 3)enn bic heutige ®Iaubcn^lelE>re f)ai im Unterfd^ieb t)on bcr
frül^ercn 3)ogmatif, ber 3Biffenjd^aft t)on ben 3)ogmcn ber Äirc^e ate binbcnben Sel^i^ä^cn,
bcn ©laubcn bcr jc^igen ©nttoidfelungöftufe ber cDangcIifc^en Äirc^c barjuftellen. ©ic ^at
6 ba^er ibren ©toff au^ bem üon d^riftlid^cr ©rfa^rung burd^gcbtlbeten frommen ©elbfls
betpufetfein ^u fc^ö>)fcn, toobei aber baig ganje ©ebiet ber ebangelifd^sc^riftlid^en erfa^rung
in bcr Äird^e angefragt unb benu^t toerben mu|, unb bie fo gewonnenen ©riennlnijfe
al^ bie gcfunbe ©nttüidEelung aufzuzeigen ftnb, inbem fte il^ren d^riftlic^en ß^arafter an
bcn ©diriftjeugniffen unb ilf^ren j)roteftantifc^en an ben ©Embolen unb ber toeiteren
10 Irabition unfcrcr Äird^e erh?eifen. 3"^ ^^^^^ $aut)tteil be« SBerlö toerben bie ®runbs
öorau^fc^ungcn be« ebangelifc^en ©laubenöbetoufetfein^ be^anbelt, junäc^ft ba^ 3Befen ber
Slcligion aU ^nm\vnim be^ tJ^atfäd^Iid^cn Ser^ciltniffeS ber fc^Iec^tl^inigen Slbl^ängiglctt
üom Uncnblid^en im Oefü^l, im engen 2lnfc^Iu| an Sc^leiermad^er, aber mit ber fid^t^
baren S3emü^ung, bcffen ßinfeitigleiten ju forrigieren. 3)iefe« Slb^ängigfein Don ®ott
16 beftimmt ftc^ nä^er afö ba« Don bcr ©efamtbet^ätigung ®otteg in ber 9Jaturorbnung, ber
ftttUd^en SBcItorbnung unb ber Drbnung bed ®otte^reici^g. §ierauf toirb bie c^riftKc^e
SRcItgion fj)ejien be^anbelt unb bejeic^net ate bie l^öc^fte Stufe in ber Snttüidfelung ber
SRcIigionen, in tüclc^c atte übrigen aufgellen, unb unterfc^ieben Don i^nen baburc^, baj
fic an ^c\u^ ß^riftuö alö ben Offenbarer unb 33ermittler ber bolllommenen ©rlöfung
20 getoicfcn (in ber 1. 2luflage I;iefe e« lategorifd^cr „gebunben") ift, afö ben 3:rägcr be«
freien, ungehemmten, fomit einer Sriöfung nic^t erft bebürftigen, freubigen ®otte«oeh)u|ts
feing. ^n i^m fd^auen toir ba^ reine 2lbbilb be^ göttlichen Seben« in menfd^Iid^er Sr*
fc^cinung, o^nc barum ben ibealen unb ben l^iftorifd^en Gl^riftuö ju bereinerleien ober
baö ^iftorifcb=fritifci^ au«Z"*"*^^^l"*>^ ^^^^^ S^f" i" *>i^ ®Iauben«Iel^rc bineinjujiel^en. —
26 2)icfe äuffaffung, bcn „j)ofitit)cn" Il^eologen nic^t in aDem genügenb, \)at auf Seite ber
freieren alö ju tocitge^enb mel^rfad^en begrünbeten ©intoänben gerufen; ebenfo totrb bie
Siegel für bie Slu^mittclung be« SOäa^ren am überlieferten gl^riftentum, nämlid^ baö
3ufammcntrcffen be^ ^iftorifc^^g^riftlici^en mit bem ^^beaten, ber gjbee ber ftttlid^sreligiöfen
3SoII!ommcn^eit, fotoeit fie in unferem c^riftlic^en 93etou^tfein lebt, laum ate pdjferer unb
30 au^reid;cnbcr Ranon betrad^tct toerben lönnen.
3la6^ bcr SHcIigion über^auj)t unb bem ß^riftentum tüirb ber 5ßroteftantx3mu5
bc^anbclt, beffcn ^rin^ij) im energifc^en ©ringen auf ba^ reine SOäefen be^ ß^riftentum«
bcftcJ)t gegenüber ben trabitioncDcn Sluöartungen iebeö ^{italttx^, toie bem ^eftl^Itens
tüollcn bc$ ßl^riftcntum^ in irgenb einer zeitlichen 3wftänblic^leit. 5Rur in Unterorbnung
36 unter biefe^ oberfte ^rin^ij) lönnen toeitere für i^n aufgcftcDt tücrben, fo hai formale
^rinjij) ber Slutorität bcr 1^1. ©c^rift unb ba^ materiale ber SRec^tfertigung burdjf ben
®Iaubcn (an bic göttlid^e ®nabc). ^m^^ Wiü auöfagen, ba^ bie Schrift ung in ben
©tanb fcjc, bic reine cbriftlic^e 2Ba^r^cit au^jumitteln, inbem jeber burd^ reKgü5fe ©r^
fa^rung Surd^gcbilbctc, in jcbem gcitaltcr ba^ zum §cil SJottocnbige, ba^ ®otte^ort,
40 @cfc^ unb ßbangclium in i^r finbet, toonebcn bcr übrige, untücfentlid^e ©c^rifttnl^t
fein entfcbcibcnbc^ Slnfe^cn beanjj)ruc^cn fann. 2)iefcg, in feiner hergebrachten jeittoeiligen
yyaffung auf reformierter unb lutl^erifd^cr ©cite bcr ®cfal^r be^ SKifeberftanbe« unb ber
Ücbcrtrcibung au^gefc^t, brücft bic bleibcnbe ^bcc axx^, bafe ba^ SBcjen be« 6l^riftentum«
allen S^rübungen burc^ blo^e ®efc|e^rcligion gegenüber fc^arf ak ßrlöfung^religion
45 bcjcidinct toirb.
3m ziücitcn §au>)tteil n)irb z"^ft bag befJ)roci^cn, \va^ biefc« ©J)cziftfcl[fe ber c^rijl«
Iicl)cn 9{cligion nicbt entbält, aber in i^r auc^ enthalten ift, ber elementare, aDgemein
rcUgiöfc ®Iaubc, bie fogcnannte natüdid^e 2:lf)coIogic , ba^ fromme Setoufetfein ber Sft«
bängigfcit Don ®ott, fotocit q^ burc^ bic ^unbgcbung ®ottcJJ in ber natürlidjfen unb
60 fittlid;cn 2Bclt erregt toirb — tpclc^cm auf ©cite ©otte^ bie ßigcnfd^aften ber ält
macf>t, 3lÜtoiffen^cit, (Sioigfcit, 3lIIgegcnloart cinerfeit^, in SBcItfd^ö^fung unb 4enlung
ficf) bctbätigcnb, bic bcr ©üte (im ©innc Don bonitas, nietet benignitas), ber $eUigfeit|^
2lHM*^beit, öcrcd^tigfcit anbcrcrfcitö , im 93cgrünbcn unb S^oÜftrcdcn ber fittlid^en 2BeIt=
orbnung, im ©efc^gcbcn unb ■•)lid^tcn fic^ bchmbenb, cntf>)red^en. 9Jad^ btefcm toirb im^
65brittcn $aut)ttci( baö ©J)czififd;c be^ c(>riftlicb=rcligiöfen Sctou^tfcin^ bcl^anbelt, bad bem
©laubcn unb Vertrauen fid) t>oIIenbenbc ©cfüJ^I bcr 2lbJ)ängigfcit üon bem aud^ \xa^
.sScilölcbcn fd;(cd^tbin bcgrünbcnbcn Öottc, iocId;cm auf feiner ©cite bic ^öd^ften @igej^*
fcbaftcn, Siebe, ©nabc, i^atcrU^ciö^cit unb Sarm^crjigfeit cntf^rccf)cn. 2)urd^toeg toirb ^cx"
unb im z^ocitcn .^aupttcil ein ©ottc^begriff aufgcftcflt, bcr auc^ bem benlenben S3etou^^
60 fein gegenüber bcfriebigcnb unb f;altbar fein foU, mit ber ^bec beö innertoeltlid^en ®ottc^
®ii^tQetjer 71
boOer @mß gemacht unb ein aöttlic^ed SBtQIürivalten im natürlichen ober ftttlid^en Seben
burd^ abfolute SBunber au^efd^Ioffen. 3)ie einlä^Iid^e SarfteSung be^ ft>c2^fif(^ c^riftlid^en
©laubeng erfolgt in trinitarifc^er ©lieberung: Öfonomie beg Sater« afe Erzeuger« unb
5l)urc^fül^erd be« i^eildleben« unb ©otte^retd^«. £)!onomie be« So^ned: Sel[ire t)on ber
^erfon Gl^rifti, i^rem Äern, ber erlöfcnben Siebe, il^rem ©in^fein mit ®ott, i^rer reinen 6
©ottedfo^nfc^öft unb bem Seloufetfein einziger ^errlic^Ieit, i^rer ^errfd^aft über bie ©ünbe,
errungen im emften Slingen, nid^t golge einer ©ünbloftgfeit a priori — Se^re t)om
aSer! ßl^rifti, ber ßrlöfung, b. i. negativ ber Befreiung au« ber jur 3Serbammung für
bie ©ünber au^fd^tagenben ®efe$e«religton, ))ofttiö ber Belebung burd^ ba« in i^m
bottenbet fid^ offenbarenbe ^ßrinji}) ber ßrlöfung, nä^er bargelegt in bem l^ergebrad^ten lo
lirc^Kc^en Schema ber brei Smter. ©nblid^ bie öfonomie be« ^I. ®eifte«, niAt be«
firc^Iid^strinitariteen, fonbem ber bie ®rIöjung«religion ber 3Jlenfc^^eit aneignenben ^nabe:
Se^re Don ber ^räbeftinatiön, bie al« Seigre öon einer burc^ öortoeltli^e 3)efrete feft^
geftellten ©nabentoal^I unhaltbar, für ba« fromme Setou^tfein ööflig erfe^t toirb burd^
bie reinere unb toa^rere öon ber etoig in (Sott begrünbeten, in ber ^zii unüeränbert 15
immer gleid^ toaltenben ®nabe, einer uniberfalen nac^ Umfang unb giel il^rer 5BSirffams
leit mit jetoeilen t)artilularer Sertoirflic^ung in ber ©efd^id^te — Se^re Don i^rer SBirl«
famfeit felbft, in Vorbereitung, S5e!el^rung, Slec^tfertigung, ©ünbenöergebung u. f. h). —
2e^e t)on ben ©nabenmitteln, bem SBort ®otte« unb ben e« unterftü^enben ©afra«
menten ate finnbilblid&en Jpeitöbermittlun^en, t)om §eiteleben be« ©injelnen nadb feiner ao
Orunblegung in ber SBiebergeburt unb feinem äu«bau in ber Heiligung, öon ber Äird^e
mit i^en unberänberli^en unb toefentlipen ©runbjügen unb i^rer übrigen beränberlic^en
©eftaltung, t)on ber etoigen 3Ser^errIid[|ung be« 3Q3erI« ber aneignenben ®nabe in ber
trium^^ierenben ftird^e unb in bem )?oIIenbeten i^eil^Ieben be« @in}e(nen, ba«, auf @rben
nid^t eneid^bar, nur ate bem l^enli^ften Seben gl^rifti gleich getoorben anfc^aubar ift, 25
mit gwnl^altung jubaifierenber 33orftettungen, namentlid^ t)on einem finalen 3)uaU«mu«.
®a« ®anje biefe« Se^rgebäube« öerrät tro$ ber Intention, nur au« ben 3lu«fagen
bc« (^riftlic^en Setou^tfein« unb beffen ©rfal^rungen feinen S"!^«!* jw geh?innen unb
leine 5KetaJ)^^ftI bei ber bogmatifd^en 3trbeit mitreben ju laffen, einen eminent fjjefula*
tit>en ®eifl unb eine })l^iIofo>)^ifd5>=ein^eitlid^e SBeltanfd^auung unb trägt burc^toeg nac^ 90
feinem innerpen ®e^alte einen mobemen ß^aralter. 3)oc^ berbinbet fi^ bamit in eigene
tümltdjfer SBeife, toenn aud^ nic^t in fo ^o^em ®rabe, toie bei ©c^Ieiermac^er, eine gefc^id^t«
li(^J)ietätt)oIIe 2lnlel^nung an altfird^Iic^e Schemata, Sel^rformcln, äuebrüdfe unb Sln^
fc^uungen, bie gerabe bei ben bem 33erfaffer innerlid^ 5Ra^efte^enben, abgefei^en t)on
realen 2)ifferenjen im einzelnen, bie 3«fii»""^wng ju feinen Sel^rfä^en unb bie bleibenbess
SBirfung feine« Sud^e« bielfac^ erfd^h?ert \)aUn mag unb erfc^loeren h?irb.
3ld)tn ber S)ogmatiI ift aud^ bie ßt^if t)on ©d^h). mit ßifer be^anbelt toorben; l^at
er i^ audf lein eigene« Se^rbuc^ getoibmet, fo l^at er \l}x hoi) in feinen 3SorIefungen toie
m feinen ©c^riften fein bolle« ^ntereffe jugetoenbet, fotoo^I il^re gefd^id^tli^e ©nttoidfelung
imier^alb ber reformierten Äird^e bargefteßt, al« aud^ i^re au^erfird^lid^e bi« in bie neuefte 40
3«t mit i^ren eigentümlichen Srfc^einungen, namentlich ber brol^enb in ben Sorbergrunb
9ötretenen fojialen grage unb bem anfprud^«öoIIen >)^iIofo>)^ifd^en $effimi«mu« Verfolgt,
wit bem er noc^i in einer feiner lefeten arbeiten, einer Slecenfion Don ^artmann«
rr^^nomenolo^ie be« fittlid^en Setoufetfein«" fid^ au«einanberfe|te.
SBa« enblid^ bie >)raftifd^e 3:^eoIogie betrifft, fo ift ©d^lo. mit Siedet al« i^r eigent- 45
^ct toiffenfd^aftlic^er Drganifator auf ®runb bon ©c^Ieiermad^er« Anregungen bejeic^net
^jP^ben, inbem er mit ßrfolg bemül^t toar, il^ren bielbeftrittenen g^aralter al« einer
'^^flic^en SBiffenfc^aft ju rechtfertigen, burc^ organifc^e ©inglieberung in ba« ®efamt5
Ö*iet ber Il^eologie, toeld^e fotooj^I „bie reine 9li(|tung auf ba« aQäifJen, al« aud^ ein
P^^ltifc^e« 3nteref[e an ber d^riftlid^en Äirc^e" t>orau«fe^e. 3" biefem ©inne fd^rieb er so
^^6 „Über Segriff unb ©inteilung ber Jjraftifc^en li^eologie" unb 1848 feine „§omiIeti!
^ et)angeIifd^'t)roteftantifd^en Sird^e", bie über i|^ren litel ^inau«gel^enb, in einer längeren
r^^eitung bie >)raftifc^e SCl^eologic ü6er]^auj)t einteilt in bie Se^re bon ber ©elbftorgani^
J^^Ung ber Äird^e (Äird^enregiment) unb ben barau« l^erborge^enben I^ätigleiten —
^^^^enbienp, 2Cmt«t^ätigIeit be« ®eiftlic^en in ber ®emeinbe mit il^rer lultifc^en, Jjaftoralen 55
JY^ l^alieutifc^en ©t)^äre, unb bann nod^ ben Äultu« fjjcjietl be^anbelt, al« feierlid^e 2)ar=
^tt^ing be« religiöfen ©emeinglauben«, im (S^riftentum al« bie ber ©rlöfung, im
^^oteftanti«mu« al« bie ber §erftettung be« reinen (S^riftentum« mittelft ber ^l. ©d^rift.
^^ $omiIetiI felbft l^at ^ier i^rcn $la^ al« 3:l)eorie be« Kultu« nacj^ feiner freien
^^e unb jerfäDt in einen })rinji))iellen, materiellen unb formellen 3:eil, in ioelc^cn alle« eo
72 Siftoüitt Sii^ttitiiitfdb
SBef entließe, toa« über aSorau«fe|una, 3h)C(f, SBirluna, ®ciji, ©toff, Icjt bcr ^rebiflt,
i^t 3Scrl^äItnig jur Schrift, ju ben ^cbürfntffcn bcr ©emeinbe, j|u ben JJforberungen bcr
r^ctorifc^en Äunft, tl^rc logifc^c ©Itcbcrung, ftiliftifd^c ^orm unb i^rcn Sortrag ju fagcn
ift, au^retc^enb unb llax bargclegt tvirb. dbcnfo prahtfc^ förbemb ift ®d)tD.^ „^a^ütaU
6 t^coric ober Se^rc üon bcr ©cclforQ^ be« cbangcltfc^cn Pfarrer« 1875", toorin er auc^
bicfem früher am toeniöften rational be^anbclten unb barum bielfad^ geringgefd^ä^ten
3tpctgc bcr pxatt\\i}m ^l^cologic feine gcBü^rcnbc, mit ben übrigen gleichberechtigte SteDe
in bcr Ic|tcrcn antoie^ unb eine frud^tbare S3cl^anblung tDibmetc, unter ben iH^onberen
äbfd^nittcn einer auffe^enb erlennenben, einer bel^arfeclnbcn ©celforgc unb einer mit«
10 toirfcnbcn j)aftoralen 9KoraI. — - ©einer I^eorie ber ^rebigt entf>)racl[f bie 9(u^fü^rung
berfelben tüä^renb einer nal^eju SOjäl^rigen SBirlfamleit ate ®eiftUc^er am ©rofemünfier.
6r fammelte einen ja^lreic^en 3w^örerfrei6 um ShJinßK^ Äanjel unb erbaute i^n mit
feinen geiftöotten Vorträgen, bie, einfach unb prunllo«, mand^em fogar lül^I erfd^etnenb,
boc^ burd^ il^ren gebiegenen ©ebanteninl^alt unb il^re l^ol^en @m))finbungen untoilRürlic^
16 ergeben unb ergreifen mußten unb ebenfo ber 9(ufgabe ber $rebigt, aU 9(ud(egung bed
Sibeltoort« hjie ate beffen Slntoenbung auf ba« Seben, aud^ auf bAeutenbe, emfte 3^**
ereigniffe im SBaterlanb unb äu^Ianb ju bienen, geredjft tourben. 2luc^ in formeller
Sinftc^t toaren fte bemerlen^toert burc^ bie ©orgfalt, toeld^e ©d^h>. auf ftreng logifc^en
ebanlengang, {(are @inteilung, glüctlic^e S^emafteQung bertoanbte. SBon feinen %rebigten
20 fmb, abgelesen öon ben einzeln berbffentlid^ten, im 3«traume Don 1834—62 fünf ©amm«
lungen erfd^ienen, au« benen ^ier fj)ejiell bie ^rebigten über ba« 9leic6 ®otteg na^
fämtlid^en ©leic^niffen, befonber« nac^ benen be« ?Katt^äu« 1851 unb bie ^rebigten t)on
ber ^ßaffton 1859 bi« jur ^ßaffion 1860 ^erborge^oben toerben mö^en.
2luf alle, aud^ bie Heineren ©Triften ©c^to.« unb bie in 3«^^^!^^ erfd^ienenen
25 9(uffä^e u. f. to. eimugel^en, ift bei ber großen 3^^! berfelben unmöglich; ein onnä^emb
öoBlftänbige« Serjeidjini« finbet ftd^ in ber „il^eolog. 3eitjd^rift au« ber ©d^toeij, 2. 3a^.
1885" ©. 110—114. er fd^rieb in bie „I^eol. ^a^rbüdber" öon S5aur unb 3eUer, in
bie „©tubien unb Ärittfen", in bie beiben erften 2lufl. biefer Stealencl^llopäbie, in bie „ftircl^e
ber ©egentoart" bon grie« unb S3iebermann, in ^ilgenfelb« 3^i^^^f*r ^^ meiftcn ober
30 in bie „5Proteftantifd^e Äirc^enjeitung" öon Äraufe, bie i^n aö einen ber bebeutenbflen
Vertreter i^rer Slid^tung betrauten burfte. Qx tämp^U barin balb gegen ultramontane
Übergriffe unb änma^ungen, balb gegen ba« unbulbfame „©tocHutl^ertum" eine« ©ta^I
unb Äliefot^, balb gegen bie „neugemac^te j)roteftantifc^e Äird^enort^obojie" (Silmor u. a.),
aber auc^ gegen ben ÜJtateriali^mu« unb oberflöd^Iic^en S3iIbung«o^timi«mu« in ®trau§'
86 33ud^ t)Dm alten unb neuen ©lauben, toie ^egen ©c^o>)en^auer« unb §artmann« ^i^
miftifcf^e ^^itofo})^ie, „nad^ re^t« unb nac^ Imfe gericfitet", toie eine ©ammlung fold^
Slbl^anblungen an^ früherer unb f>)äterer ^^xt fi^ betitelt. ®r begrüßte aber auc^ in
anbem älrtileln gerne t^eologifc^e unb gefd^ic^tlid^e Seiftungen, bie il^m gefunb unb
förberlic^ erfd^ienen. ©eine lefeten litterarifd^en 3lrbeitcn toaren au^er ber Won ertoo^nten
40 über §artmann« ^^l^änomenofogie be« ftttlid^cn Selou^tfein« bie über „S)ie 3w'f^*"fi ^
^Religion 1878" unb bie beim Stoinglijubiläum am 7. Januar 1884 gel^altene, mit (St-
toeiterungen gebrückte Unit)erfttät«rebe über „3*^'"9^^^ Sebeutung neben Sutl^er".
gm ^Qi}x 1871 öom ^Pfarramt jurüdfgetreten, loirhe ©d^to. fortan au^fc^liefelic^ on
bcr Uniücrfität, bie am 29. DItobcr 1884 feine 50iä^rigc SJojcntcnt^öti^Icit an i^r, unter
45 c^rcnbftcr Slncrlcnnung feiner 3Serbienftc t)on nal^ unb fern, mit freubtgem 3)anl feierte.
9Kit ungefd^loäc^ter ®eifte«!raft lonnte er biefelbe noc^ toeiter fortfe^en; erft bie Abnahme
feiner ©e^fraft nötigte i^n im ^rü^ling 1888 gur TOeberlegung feiner ^rofeffur, unb
nad^ fur^er Kranf^eit ftarb er balb barauf ben 3. 3uli be«felben Sa^re«. 2Cm 10. Äugull
fanb im ©rofemünfter eine ®ebäd^tni«feier für il^n ^iaii, bei ber bie ^roff. 2ij>fiu« unb
50 unb ^ßfleiberer feine ©teHung unb Sebeutung al« i^eologe gebü^renb l^ertoor^oben.
$rof. D. Sl^rifi in ^üxiä^.
©c^meurffelb, Äa«j)ar, geft. 1561 unb bie ©c^toendffelber. — ©djriftcn: 4 gollo*
bänbe, I. „^er 1. X^eil ber (S^riftlit^en Ort^obüiifrf)en Bücher unb fd^rifften . . . StcApox
8cl)mencffelbtö Dom ^quu§ Offing, rvtldjc Dorn XXIIII Sor an bi« auff ba« LXII (3^-
56 tum, muB ^eiSen 1501) ... üon ii^m felb§ befc^riebcn imb an§ lied^t gegeben feinb 1564;
II. epiftolar I. Xeil; 1566 III. epiftolar II. Zdl 1 53b 1570. (5Bepftif4e, »eil wieber
bit <päp)tlirf)en gerid)teteö' epiftolar); IV. (Spiftolür II. Xeil 2. S3b 1520 (Sutierif*
Gpiftolar). SSeber ber 2. %e\l ber (S^rifllic^eu Crti)übüjiid)en ^üd^cr tft crfc^iencn, nocft ber
gegen bie 3»DtngliQner unb SSiebcvtäufer geplante 3. unb 4. ^eil beS (Spiftolar«. ®n Ser«
(iü jeidjni«^ ber einzelnen Schriften, bie j. %. im ?lvtifel jelbft genannt werben, bietet bcr Oati-
Si^loeitilfdb 73
logus ber S3ii(^ev ^erni (£. 8c^iv. 1561; @Qlig bemül^t [id^ fie in ci^runolo^ifc^er Orbnung
anzugeben, (gine ganjc SReiftc ungebrudtcr ©djriften unb ©riefe Sd^w, liegt m ©olfenbüttcl
unb auf ber ÄönijUc^cn ©ibliot^ef ju ©erlin. Citterotur über 6c^».: a) «eitere: 3. ©iganb,
De SchweDckfeldismo. Lipsiae 1587; ©c^lüffclburfl, Catalogus haereticorum IIb. X, 1599;
®. «molb, Äirc^em unb ^c^er^iftorie 1699, RH @. 241 ff.; @alig, ©onftönbiqe ^iftorie ber 6
«ugSpuraifdjen ßonfeffton 1735. ©ucft XI (augfü^rlic^ unb felbftftänbig). b) 9^euere: ^aftn,
Schwencneldtii sententia de Christi persona et opere 1847; ^rbfam, ®ef4id)te ber proteftan«
tifdien @etten in bei* SteforntationSjett 1848; ©d^neiber, lieber ben gefdjic^tlic^en ©erlauf ber
9leformation in Siegni^, 2 Programme, ©erlin 1860 unb 62; ^abelbac^, ^udfü^riid^e d^e«
f<4t(^te 6d)toenffeIbtd unb ber 64»en!felbtianer 1860; ^ampe, S^r ©iograp^ie Sta^\>ax t)on to
©*»enrffclb (bid 1539) Programm 3aucr 1882; ^Maronier „fiet gnnroenDig ©ort", Slmfter=
batn 1890, ©. 51 ff.; ©rbmann, @d|njenffclb (?lllgeincine beutfd^e ©iograp^ic 1891 XXXIII,
6. 403—412); 5. ^offmann, Äaöpar ©d^roendfelbS fieben unb fic^ren. 1. 2:eil (nur biefer
erf(ftienen bi« 1524) Programm ©erlin 1897; gKöner^Äawerau, ^ir(^engefc^ici^te©bIII, 1899,
@. 443—446; 91. ^. ©rü^macfier, ?Bort unb (äJeift 1902, § 16. — 6(^riften ju einzelnen 16
fünften fte^e im %, (Sine ausführliche ©iogrop^ie unb 2;^eoiogie @c^tt). ift eine noc^ un-
geldfte, notttenbige Aufgabe.
Sta^Qx ©d^toendfelb (fo ift ju fc^reiben unb nid&t 6c^toenlfelb ober ©d^toendfclbt)
tüurbe im 5Robember ober ©ejember 1489 auf bem ®utc Dfftg im ßerjogtum Siegnt^
geboren. @t entftammte einer altabeligen bome^men ^amilte, überlte| aber gegen eineao
lebcnäänglic^e Seibrente bag ©tammgut Dfftg fpäter feinem jüngeren ©ruber. Srjoßen
tourbe er im offijieDen fird^ltd^en ÄatJ^olici^mu«. 3lad) bem Sefuc^ ber ©d^ule in Sieg«
nt$ ging er 1505 nad^ Jtöln, um bad bortige Studium generale )u befud^en, toal^r«
fd^einliqi aber o^ne fid^ immatrilulieren ju laffen, 1507 }og er nad^ ^antfurt a. 0.,
f)>äier bielleic^t noc^ nad^ @rfurt. Stuf ber Uniberfität ftubterte er bie artes liberales, 25
fc^olafiifc^e 3^cologie — in granffurt leierte 2Bim>)ina — unb fanonifd^e« SRed^t.
(Sine nä^e Serü^runa mit bem ^umani^mud lä^t fid^ ntc^t ertoeifen, aud^ bie Aenntnid
be^ ^ebröifc^en unb ^riec^ifd^en ertoarb er fid^ nic^t toöl^renb ber ©tubtenjeit unb fc^Iog
biefe ouc^ nic^t burc^ bie Srtoerbung eine^ alabemifc^en ®rabed ob. %U er ,,)u feinen
klagen gefommen toar", trat er ber ©itte feine« ©tanbe« gemäfe — ®nbe 1510 ober 80
atnfang 1511 — in ben fiofbienft. S^näd^ft lam er an ben Äof be« $erjog« Äarl I.
Don awünfterberg ju Defe, bann trat er in ben 3)ienft be« $erjog« ^i^x^ bon
8rieg unb enbliqf in ben ßerjog griebrid^« II. bon Siegnt^; in ber le|ten ©teuung ^ielt
er fi^ }uglei(^ häufiger auf bem bamald noc^ bon i^m betoirtfc^afteten ®ute Dfftg auf.
3m ^oJ^re 1522, f^äteften« 1523 fc^ieb er ganj au« bem ^ofbienfte aud bor allem ba S6
„e« ®ott gefallen f)at, bafe er mid^ an meinem ®e^ör angegriffen", ^n ber erften ^dt
ifl ©<^to- „biel ^x ein Äofmann getoeft unb ^at ftd^ nicpt biel umb bte ^l. ©c^rift be*
fömmert"; ber Sfteligion ftanb er gleid^gtlti^ gegenüber, benn bie annähme, ba^ am
tofe bon Del« l^uffitifd^e ßinflüffe auf i^n toirifam tourben, ift unbegrünbet. ©rft Sut^cr«
uftreten ioiber ben Slblag^anbel, unter bem auc^ ©c^leften ftarl ^u leiben l^atte, unb 4o
fiu^er« oud^ in ©(^lefien fofort berbrettete unb nac^gebrudCte @d(^riften ^oben ©d^to.
religio« im ebangelifd^en ©inn beeinflußt. %xoii alle« f>)äteren ©egenfa^e« gegen Sut^er
fyit ©<^to. ftet« belannt, baß er i^m feine Selcbrung jum ßbangelium berbanit (einzelne
<©teQen bei ^offmann 1. c. ©. 10), unb ba er b^ffanput, ftc^ biefem „al«balb anfenglid^
augeneigt )u l^aben", totrb fein änfd^luß an bie 9leformation fc^on in ben SBinter 1517/18 45
fallen. @r bertiefte jid^ nun fotoo^l in bte ©c^riften Sutl^er« toie in bie ^l. ©d^rift,
^on ber er 1519 tägltc^ bter RapxUl la«, um in einem 3a^re i^re Seftüre boDenben ju
tonnen, ©rft nad^ ber gntfc^eibung feine« JJürften für bie 3lcf ormation — toal^rfc^einlid^
im 3a^e 1521 — trat er öffentlich für bte Umgeftaltung ber lirc^ltc^en SSerJ^öltniffe in
Sieoni^ unb in ©d^lefien über^au^t ein. @r ti^ai ba« in mannigfad^fter äBeife burc^ 50
^ufammenfd^lufe mit gleic^gefmnten 9)Jännem, ^ßrebtgem unb ßaien, burc^ ©enbbriefe,
kurii^ eigene« 5ßrebigcn — obtoo^l er ntemal« bie ^prieftertoetl^e erl^alten l^atte, noc^ fte
5j>äter nac^fud^te, — burd^ ßintoirlung auf feinen dürften unb auf ba« lird^lid^e SRegiment.
^u bem lekteren ^fo^i berfa^te ©c^lo. jufammen mit einem greunbe feine erfte größere
©d^rift: ,,3iin ßl^rtftlid^c ermanung ju fürbcm ba« 3Bort ®otte« 2ln ben §erren Stfc^off 56
bon SBre«Iau. ®urdj bie Sblen ßerentfeften §an« 9Jlagnu« bon Sangentoalbe unb 6a«j)ar
©c^toendtfelb bon Dfftdf". 3)er bamalige 33ifc^of, ^alob bon ©aha, na^m bie ©c^rift
jtoor an, antwortete auc^ auf fie, aber bcranlai^te nic^t« ©ntfc^eibenbe«. 3)ic Sleformatton
tn Siegni^ felbft machte jebodf^ banl bem fteten Eingreifen ©c^loendEfcIb« unb ber SWitarbeiter,
bie er l^eronjog, gute ^ortfc^ritte. 3" V\c\m gehörte ^abtan Sdfcl, ^olf^^nn SBerner unb eo
bor allen ®tngen SBalentin Ärauttoalb, Seitor am 3)om, mit bem ©cf)to. befonber« eng
74 Sii^ttiendfelb
öerbunben toat unb t)on bem er ftd^ tficologtfd^ unb aud^ fj)rad^Itc^ — t)on tl^nt foB er
bag ©ried^ifd^e erlernt ^aben — öiclfac^ beraten lie^. 1524 erfc^ten ein 3Kanbat be«
^er^og« griebrid^ II., in bem er bie Seitung unb Drbnung ber lird^Iit^en SerJ^ältniffe
im ©inne ber SReformötion erfolgreid^ in Stngriff nabm.
6 SKit SBittenberg ^atte ©c^h?. injtüifc^en })erfönlid9e Segiel^ungen angefniH)ft. SJejember
1521, fräteften« Äebruar 1522 ft)ar er felbft bort. ®r lernte SRelanc^t^on, Sugen^ogen,
3ona«, aber audj bie ^toidfauer $rot)^etcn unb Äariftabt lennen. £ut^er traf er bei
feiner äntoefen^eit in SBittenberg nid^t, bod^ !am er balb barnad) mit i^m in Srief«
toec^fel. S3Iieb ©d^to. aud^ befonber« mit Äariftabt öerbunben, fo befolgte er bod^ leinet
10 toegg aü beffen unb ber ^toidfauer ©c^toärmer Sorge^en, im ©egenteil fein refor«
matorifc^eö §anbeln toar in ber erften geit tro^ alle« ßiferö ein fonfcrt>atibed.
aSerl^ältni^mäfeig fc^nell begann eine getoifje So^Iöfung öon Sut^er. 3)er ^ufammenbru^
ber lirc^Iic^en Sßerl^ältniffe unb ber bamit junäd^ft öerbunbene fittlic^^eligiöfc 5Riebergang
baö ausbleiben ber grüd^te t)on ßutl^erS ^rebigt, toie baö fleifd^Iic^e ©ebal^ren bieler, bie
16 fid^ nur mit bem 3Wunbe emj)^atif(^ jur üRcformation belannten, beunruhigte unb betrübte
S^to. aufterorbentlid^. 6o fc^rieb er bann fc^on 1524 ein Sud^ mit bem Xitel „Qx^
manuna be^ mi^raud^g etlidjier fümem>)fter 3lrti!el be« ©öangelii, au« toölc^er unber^
fianbt ber aema^n man in fla^fd^Iid^e gre^l^atot unb ^rrung gefüret toirt". ©in ©egen^
fa$ gegen Sutl^er toar in biefer ©d^rift nod^ feinegtoeg« beabpc^tigt, biefer feftte erft ein,
20 ate ©c^h). mit feiner befonberen äObenbmal^tele^re l^ert)ortrat. ®« gefc^al^ bie« im
3Sa^re 1525. ©d^to. ^atte fotool^I Btoingli« toie Suti^er« ©d^riften fhibiert, über^mjt ftd^
für ben ©aframent«ftreit lebhaft interefjtert, unb bel^au})tete nun burd^ befonbere Offoi^
barung ein neue« Serftänbni« be« 2lbenbma^Ie« unb ber ®infe^ung«ti»orte em^)fanacn gu
l^oben. @r legte fte Jtrauttoalb t)or, ber anfänglich able^nenb ftanb, bann aber )u @<^it).«
26 SKeinung überging unb fie eingel^enb begrünben l^alf. ©eine neugewonnenen ©rlenntniffe
über ba« Slbenbma^l famt ben Sufeerungen Ärauttoalb« legte ©c^h). ben SBittenberger
Il^eologen t)or, al« er ftd^ ßnbe 1525 im Sluftrag be« §erjog« ^cbric^ II. nac^
SBittenberg begab, ©r ^att^ bort mehrere Unterrebungen mit ^upu^ 3ona«, Sugen^
l^agen unb Sutl^er, bie aber fämtlic^ refultatlo« verliefen, ba man auf beiben Seiten
30 nid^t nad^geben tPoQte. 2lud^ bie gegenfä^lid^e ©teQung in einer Siei^e t)on anberen
fragen lam jum 3Sorfd^ein, unb bie 3Bittenberger 2l^eologie, öoran £u4«, begann t>on
biefer 3^* ö" i" ©c^h). einen gefä^rli^en Äe^er ju fe^en. ©c^on in einem Sricfe Dom
4. Januar 1526 an bie ßbriften ju SHeutlingen erflärte Sut^er ©c^to. neben Äariftabt unb
3tüingli „für ben britten Äot)f ber öerberblit^en falramentiererifd^en ©efte" (2)e 938.3,81;
86 t)gl.a3S.3t. XIX, 123). 3)ie näd^fte golge biefer ©d^eibung üom Sut^ertum toar eineälnnä^erung
ber reformierten Il^eologen an ©c^to., bie biefem mel^ gu teil tourbe, al« bafe er fic
fud^te. 1527 gab öcolamjjab mit einer fe^r freunblic^en Sorrebe ©c^h).« ©j^rift De
cursu verbi dei in Safel l^erau« unb 1528 beförberte ßtoingli einejt ber in biefen
3a^ren ja^lreid^ t)on ©c^to. erlaffenen ©enbbriefe über ba« Stbenbma^l o^ne beffen SBiffen
40 unb SBiuen jum 3)rudf. 3» ©Rieften, aber aud^ in ^ßreu^en l^atten Ärauttoalb unb
©d^to. burd^ i^re lebhafte $ro>)aganba eine nid^t geringe anja^l t)on Slnl^ängem für
i^re 3lbenbmal^l«lel^re getoonnen, fceilid^ aud^ nic^t n)enige ®egner, fo in ©d^lefien befonber«
$e^. anläplid^ biefer ©treitigfeiten über ba« 3lbenbmal^l jjrollamierte ©t^h). in SiegnrI
ben fog. ©tiDftanb ; b. ^. er felbft unb feine än^änger öerjid^teten auf bie %titt be«
46 Slbenbma^l«, „bi« ber rechte 33erftanb unb 93rau^ nad^ bem SBiUen be« §erm J^erffits
Iomme"(®t).Il2 5lr.84). 3)er§ergog toarauA mit biefem 33orge^en ©c^to. nod^ einDerftanbcn
unb legte i^m nod^ 1528 bie g^^age bor, ob er feine äufeerlid^e Äird^enorbnung unb 3«^^
nac^ bem 3Bittenbergifd^en ober ©^h)et|\erifd^en ober ©trafeburgifc^en gufe einritzten follte,
bie ©d^to. in einem au«fübrlid^en ©enbfc^reiben (©}). 11» 637ff.) unter energifd^er ^olemil
50 geaen ba« Sut^ertum beanttoortete. @rft al« ©c^h). in ben 9luf fam, ein "greunb ber
fup in ©c^lefien me^renbcn SBiebertäufer ju fein unb Äönig ^erbinanb \>on SSöl^men ^
lüiber ©c^tü. toanbte, Verbannte ihn jtoar fein ^erjog nxd)t, wax aber bod^ bamit ein«
berftanben, ba^ ©d^to. 1529 frcitoitlig in bie 2?crbannung ging, um niemal« toiÄer nai)
©d^lefien prüdgufe^ren.
65 3""^^f^ toanbte er fic^ nad^ Strasburg (Dgl. ©erbcrt: ©efdbic^te ber ©tra^urget
©citenbctocgung jur 3cit ber ^Reformation 1889, S. 132 ff.). ^)ier tpurbe er freunblit^
aufgenommen, fanb junäcbft §erbcrge unb 2ifcb bei 5lapito, bann bei ^BJattl^äu« 3^"'
befjen ^rau Äatbarina i^m bcfonber« frcunblicb gefmnt h^ar unb blieb. Su^er bagegen
ftellte ^c^ nac^ anfänglicber $Hefert)icrtbcit immer fdbroffer gegen ©^tü. unb machte au^
60 bei anberen gegen i|n ^rojjaganba. ^ic ftctig june^mcnbe ©eltenbeluegung unb bi(
Sil^toendfelb 75
banttt öcrbunbcne Untcrgröbung bc^ fird^Iic^cn Scbend nötigte bic ©traPurgcr ^ßrebiger
ju einet ©egentoe^r auf einer ?;uni 1533 gel^altenen ^roöinjialf^nobe. Sfeie mit ben
anbeten ©eftcnl^äuj)tetn fanb auq mit ©d^to. eine 3)i«})utation ftatt, bie ftc^ bei il^m
auf bie 2Bit!famIeit bet äufeeten Onabenmittel, be« ^ßtebigtamte« unb bet ©aftamente
lonjenttiette. ßl^e man gegen i^n botging, betlie^ et 1533 bie ©tabt. ®t lam bann 6
1534 noc^ einmal nad^ ©ttafebutg, nac^bem et xubot eine ganje Sleil^e bon ©c^teiben
bortl^in getid^tet l^atte, entfernte ft4> abet balb toieoet, aK et etfu^t, bafe bet 9lat biel*
leidet bod^ jut Slugtoeifung fd^reiten fönnte. S3ei jcinem etften gottgange toanbte et ft^
nac^ äugöbutg, too et öielleid^t aud^ fd^on ftül^et einige 3Kale ju lutjem Sefud^e toat,
unb toon bem ^tebiget SBoIfal^tt aufgenommen toutbe (bgl. Ä. SDBoIfa^tt, 3)ie 3tug^butget lo
Slefotmation 1533/34, £ei})jig 1901). 3n biefen ^al^tcn äufeette jtc^ ©d^to. nod) me|ts
fad^ ))ofitit) unb ^olemifc^ übet ba^ SPbenbmal^I unb fagte aOe^ aufammen in bet ©d[^tift:
„Sefonntnu« t)om ^eiligen ©aaament be^ Seibö unb 33Iut^ ß^tifti auf gtag unb änts
toott jefteHt, gemeiert unb übet ben etften 3)tudf loeitet etflätet" (1534 o^ne Dttjkingabe).
3n biefe ^üt — 1531 unb 1532 — mu^ auc^ ba« fe^t d^ataltetiftifd^e unbatiette is
„Subtctum" übet bie 3lug«butgifd^e Äonfeffton {Qp. IIi 626 ff.) „an etlid^e eifrige gut^etftige
abete unb anbete ^etfonen in $abftt^um", bie i^n batum gebeten Ratten, fallen.
3lad^ feinem befinitiben 2lbfd[fieb bon ©ttafebutg (1535), na^m ©d^h). feinen 3[uf*
entJ^alt in betfd^iebenen ©täbten unb Dtten, bie in ©d^toaben lagen obet angtenjten (bgl.
SBütttcmbetgifd^c Äitd^engefd&id^te 1893), in benen il^m abet me^tfac^ öon feiten bet 20
(Setftlid^feit gto|e ©c^toietigleitcn gemacht toutben. Um biefen ju entgelten, bat ©d^to.
um ein ÄoIIoauium, baö i^m auc^ 1535 ju ^^übingen getoä^tt toutbe. auf bet ©egen«
feite ponben 95utjet, Slautet unb gted^t, et felbft toat bon feinem gteunbe ^al. ^elb
bon iiefenau begleitet, ^m 3lamm be« ^etjog^ toaten einige Dbetbögte aö ©^tebStiqftet
etfd[fienen. Xto^bem man in ben eigentlid[)en Se^tftagen }u leinet inneren @inigung lam, 25
befd(fIo6 man boc^ einen äufeeten Rieben ju mad^en untet bet Sebingung, ba^ ©d^to,
„ben 2)ienft am SBott, ©aaament unb ganfeet^aufel^altung i^tet Jlitc^en . . . nid^t läftetn,
nod^ betftö^en tooDe, fofetn betfelbig bienftsd^tiftlic^ unb getteulid^ geübt toetbe" unb bie
Stebiget i^n bann nic^t fetnet „atö einen SSßiebetfad^et bet SBSal^t^eit obet 3^^tötet bet
Ritd^en audtuffen obet fd^teiben" (©alig I.e. 996 ff.; Äeim, ®ie Slefotmation betSteid^sao
ftabt Ulm 1551, ©. 278ff.). SBitllid^ bauette auc^ bet gtiebe einige Salute mit ©c^to.,
bet ie|t in Ulm lebte. Som ^Qi}xt 1538 an begannen ftd^ abet neue Äonttoöetfen j|u
entfpinnen, bie aii|et ©d^to. ftü^et fc^on beanftanbeten älbtoeid^ungen je^t auc^ feine
e^ftologie jum Öegenftanbe l^atten. 3)iefe ttug et nämlid^ in ben ^afycm 1538
imb 1539 — nad^ einet Steige bon ftü^eten 3lnfä^en — in ben ©c^tiften t)ot: „SSon bet 86
göttlid^en Äinbfc^afft unb ^etttid^Ieit be« galten ©one« ®otte« g. (Sfyt " unb
,,6rmanunge jum toaten unb feelig mac^enbe 6t!änntni«J ß^tifti" (ßl^tiftl. ottl^. S3üd^et
©. 486 ff. unb 77 ff.). ®egen biefe §el^te ttat befonbet« bet ^tebiget %x^d)i in Ulm auf
unb eneid[fte enblic^ auc^ nad^ einet SSetl^anblung bot bem $Rat ju Ulm, ba^ ©d^h).
um feinen „ätbfd^ieb" au^ Ulm 1539 einlam. gted^t abet tüax and) bamit nod^ nid^t40
gufrieben, fonbetn fe|te bie SSetbammung ©d^to. auf bem 1540 tagenben Äonbent
ebangelifd^et 2:^eologen, öotan 5Weland^tl^on, in ©d^mallalben butd^ (CR III 983). 9Kd^t
loeniget feinblid^ fteUten ftd^ jefet auc^ — l^aujjtfäd^Iic^ toegen feinet (S^tiftologie — bie
©i^toeijet 2:^eoIogen ju i^m, befonbet« SSabian in ©t. ©allen, ©c^to. betteibigte jeine
2lnfid[ft in jal^Itei^en ©enbbtiefen unb ©d&tiften, toon benen bie ben ©toff am meiften46
jufammenfaffenbe ben litel ttägt: „Äonfeffion unb ©tllätung öom ßtfäntnuö ß^tifti
imb feinet ©öttlid^en §ettlic^Ieit" 1540 (G^tiftl. ott^. Süd^et ©. 91 ff.), ©c^to. betfuc^te
itd[f ouc^ babutd^ ju tec^tfettigen unb gu tepabilitieten, ba^ et ben einzelnen ^ertjot*
tagenbeten 2^^eoIoaen feine ©d^tiften unb S3tiefe fanbte, fo SJleland^tl^on unb S3tenj.
Xbet aud^ an 2ut|et fqidEte et 1543 einen 35oten, in bet Hoffnung, bet gemeinfamew
©egenfa^ gegen bie ©c^toeijet fönne fie loiebet nä^et jufammenfül^en. 3lbet Sutl^et
anthjottete äu^etft gtob unb gab bem S3oten einen S^tttl, auf bem u. a. ftanb: „Unb
ber unfinnige 9larr t)om 2;eufel befeffen berftel^et nic^tö, toci^ nid^t, toa^ er lallet. SBiD
er aber nidyit aufl^öten, fo laffe et mid^ mit feinen Süd^lin, bie bet Ileufel au« i^m f})eiet
unb fd&mei^et unge^aint" (3)e SB. 5, 613 ; i?gl. ä^nlic^ l^atte äufeetungen Sut^et« 66
über ©c^h). au« ben SCifc^teben in %f}BiSt 1885, ©. 148). 93ei biefet ©tettung^
ija^me bet t^eologifd^en gürtet ift e« öerftänblic^, toenn bie ptoteftantifd^en ©tänbe bei
i^ten SSctfammlungen in bet ^Q\i um 1554—58 immet toiebet fic^ gegen ©dbto. loanbten
unb bie Dbtigteiten gegen il^n mobil gemad^t tourben, aU einen bet aüetgefä^rlic^ften
fte^fer — fo j. S. in 5«aumburg 1554. 3luc^ bie %. 6. (SKüDer P. I Ar. XII) toenbet ft(^ eo
76 Sd^tuendfdb
au^brüdflic^ gegen ©c^to. ©d^h?. tourbe ba^er je^t im ftrengen ©inne unftät unb flüchtig,
©r tüed^jelte l^äufig ben 2lufcnt^aIt«ort im SBürttemberger ßanbe, h)o er jal^Iteid^e än-
l^änger, t)or allen au6) in ben Äreifen be« abelö ^atte unb bel^ielt, bie i|n gern auf^
nal^men (bgl. Äeim 1. c. ©. 305 ff.). SBä^rcnb ber ganzen ^Ät fe|te ©c^h). bie 5Pro^)a=
6 ganba für feine Slnfc^auungen burc^ SBort unb ©c^rift, burd^ Sb^altung bon Äonbcntileln
fort unb fammelte fo innerl^lb h^ie augerl^alb ©c^tDabend eine älnjal^l bon ©emeinben.
ßbenfotoenig ru^te er in ber t^eologifc^en $oIemiI, befonberS toiber glociud toeröffent^
lichte er eine Slei^e (unten genannter) ©c^rif ten, üerfa^te baneben eine Mnja^I religio«
erbaulid^er liraftate. 2luc^ mit einer Steige fürftlic^er 5ßerfonen trat er in Sejiel^ung,
10 toie SJlarlgraf ßmft Don Saben, Sanbgraf ^jj^ilij))) öon Reffen, Äurfürft ^oaddim II.
bon Sranbenburg unb em>)fing bon il^nen toefentlic^ juftimmenbere unb liebcn^toürbigere
änttüorten aU bon ben Jl^eologen. 3n Ulm ftarb er Snbe be« ^al^re« 1561. »Ile
genaueren 5Ra(^rid^ten ftnb boll bon 3ügen eine« gläubigen §eimgange« unb eine« erbaue
liefen ©terben« (bgl.® erber, „§iftorien ber SBiebergebo^rnen in ©a^fen" III, ©. 266ff.
16 unb RöpU „^iftonfd^e JJac^ric^ten bon ©d^toenlfelb" 1744, ©. 48 ff. nac^ einem Seric^t
bon $elb au« bem 16. S^^^^wnbert). ©ein ©terben l^at nic^t tüenig ju ber günfligeren
^Beurteilung feine« Seben« unb jur ^ro>)aganba für feine ^Pcrfönlid^feit beigetragen. Unb
in ber Xf)at trägt bieje auc^ nid^t loenig f^m>)atl^ifc^e 3üge. Sd^te |5römmig!eit unb
Sleligiofität eigneten ipr, ber Umfd^toung in feinem Seben au« einer religiö«sfittlid^ gleic^
20 giltigen, toenn aud^ feine«tt)eg« bertommenen ^erfönlid^feit, }u einem ^anne, bem bie
Sleligion fein ©in unb alle« tourbe, unb ber fein äußere« Seben um ij^rcttoillen pbret^en
lie§, ftnb bafür genügenbe Setoeife. ©benfo jeugen biele ©teilen feiner ©c^rtften bon
ungefärbter ^Jrömmigleit unb tief em>)funbener 6^riftu«m^ftif. Stber ber m^ftifdf^e ©runbton
feiner Sleligiofttät machte i^n toeber gegen bie ©ittlid^Ieit nod^ überl^au^t g«g«n ein
26 aftibe« Seben glei^iltig. 9(uf ^eiligung legte er aud^ in feinem ^erfönlic^en S^efen ben
JJac^brudf, unb bie SJcenf^en, bie il^n unbefangen — tro$ feiner „Äeftereien" — betrad^teten,
batten einen günftigen, ja geh?ei^ten ©inbrui bon i^m. ©elbft feine ärgften Oegner
Ipaben i^m j)erfönlid^ !aum ettoa« Söfe« nad^gefagt. ©eine ©efd^äftigleit in ©ad^en ber
Sleligion toar eine ungel^eure unb gtoar immer eine möglid^ft jJerfönlid&e; bie briefliche
30 ober münblid^e 93el^anblung jeber älngelegen^eit ift il^m bie liebfte. ©o getoinnt er bie
3üge eine« gefc^äftigen ^ietiften, beffen ©^attenfciten i^m aber auc^ nid^t fehlten. ®eh)ife,
er h?ar fromm unb bemütig, aber er tourbe ftc^ beffen aud^ öfter betoufet unb qcA bem
unberl^ol^len 2lu«brudf nid^t o^ne jenen leifen Unterton be« 3)anle«, bafe er nic^t toar
„toie bie anberen". ©eine $oIemil h?ar im Sergleic^ ju ber feiner meiften ®egner bon
36 größerer SJlilbe, bie aber l^ier unb ba einen ^t\üa^ gelünftelten ©inbrudf mad^t. 3" einem
fad^Iid^en 9Ja(^geben toar er niemal« geneigt, benn al« Slutobibaft — ba« mac^t einen
toeiteren toic^tigen 3wg feine« ß^aralter au« — toar er bon ben felbftentbedten 3&QfyC'
beiten fo burc^brungen , ba^ leine Autorität i^n toanfenb ju mad^en bermoc^te. 3)aju
blieb er fein Seben l^inburd^ Slriftolrat, ber fic^ toeber einem anberen unb noc^
40 biel toeniger ber 3Kaffe unterorbnen, fonbem in einem f leinen Äreife gleic^gefuinter
SKenfc^en bie Slefonan^ für bie angefd^lagenen 2^öne finben toottte. gür bie SKottoenbigs
leit größerer SSerbänbe, für äußere Drbnungen, für aDe« ©tatutarif^e fehlte i^m jcber
innere ©inn, nad^ biefer ©eite ^in toar er eine genuine ©c^toärmematur. ©eine intel*
leltueHen gä^igleiten, bie ber ©ebanfenbilbun^ toie be« 3lu«brudf«, toaren reit^, an einer,
46 tomn and) bef^ränften Originalität fe^lt e« i^m nid^t, unb im Sauf ber ^af^xt eignete
er ftc^ gute Äenntnifje in ber jjatriftifd^en unb mittelalterlid^en — bome^mlid^ ber
m^ftifc^en — 2^^eoIogie neben ber Selanntfc^aft mit ber geitgenöfftfc^en tl^eologifc^en
^ubliciftif an. SDatoon jeugt feine Ideologie, bie jtoar fein abgerunbete« ©Aftern ift, in
ber aber einige §au>)ts unb ©runbgebanfen, alle« einzelne be^errfd^enb, immer toieber-
60 fe^ren. ©eine 2^eologie burd^ atte Soci ber 3)ogmatii ^inbur^ ju verfolgen ge^t nidbt
an, fonbem nur gu benjenigen fragen, in benen er eine getoiffe tl^eologiegefc^ic^itlicpe
Sebeutung einnimmt, ift feine ©teHungnal^me ju d^arafterifteren. 3)ann aber toirb e«
ftd^ toejentlic^ um feine ^ufeerungen ju 3Bort unb (Seift, jum Slbenbma^l unb jur
Gl^riftologie j^anbeln.
66 ^m 3iKittcl>)unfte bon ©d^to. Il^eologie fte^t bie 3?erbältni«bcftimmung bon SBort
unb Öeift ober auc^ Don gefd^ic^tlid^er Offenbarung unb gegentpärtiger SBiebergeburt. ®r
InüJ)ft bei ber 3lu«bilbun^ feiner ©ebanlen an 3lugufiin, bie beutfcf^e ÜK^ftif, bor allen
3)ingen 'itauler an, DicUeic^t auc^ an bie bD^mif4)=mä^rifd;cn Srüber, bringt aber eine
SHei^c felbftftänbiger 3lu«fül)rungen l^inj^u, runbet ben gcfamtcn ©ebanlenlom^lej ob unb
60 berfnü))ft i^n au|erbem in gefc^idfter S^fteniatit mit ber Se^re bon ber ^l, ©d^rift einer»
®4i0eiitffelb 77
feit«, mit ber Sebrc t>on ©lauten, ffiieberßeburt; SRed^tfertißung anbercrfeit«. Son jeit^
genöfjtfc^en anfc^auungen ift e« bie lutl^erifd^e; befonber« in i^rer aSertretung burcb
m. glaciu« ga^cu« (»gl. ?Prefler 9W. %lacm I 298 ff.), gegen bie er ftd^ energif^
toenbet, toä^enb er in Sejug auf ÖcoIamj)ab unb 3*^i"0li äufeert: „Jidem viri
ambo rectius quoque de praedicato et vocali verbo senserunt et scripserunt 5
quam Lutherani . . . Oecolampadius praeBe^tim'^ (9(u« einem Sriefe bom ^al^re
1554, ongebunben <m De cursu verbi Dei.) 3Son 9Rännem toie ©. grani unter«
f(^eibet fi^ ©d^to. bagegen entf (Rieben, fofem er bie Il^eorie bom angeborenen
inneren SBort nic^t l^t, fonbem ftrenger ©u)iranaturaltft ift unb gubem bie Serberbni«
ber menfd^lid^en Statur bur(^ bie ©ünbe toeit tiefer erfaßt unb bie Sebeutung ber gef(^t(^t« 10
lid^en grlöfung burc^ 3efu« S^riftu« ftärfer toertet. Sufeer feinen näd^ften Slni^ängem
toie tttoa ihauttoalb unb ber ©emeinbe ber ©d^toendffelber ftefien bon bcn ©j)iritualtften
ber fj)äteren geit befonber« SBeigel, in ber Se^rc bon ber ©d^rift auc^ 3- 2lmb unb
Slal^tmann unter ©c^to.« 3(nregungen.
tjaft in allen feinen Seröffentlid^ungen ift ©d^to. mel^r ober minber au^fübrlic^ — is
oft mit genau benfelben SBBorten — auf bie« 3;^ema gu fj)re(^en gelommen. ©rftmalig
Äußerte er fic^ jufammen^ängenb über ba« 3Serl^ältni« bon SBort unb ®eift in ber bon
DcoIanHjab l^erauigegebenen, nic^t fel^r umfänglid^en, aber in^alt^reid^en ©d^rift „De
cursu verbi Dei, origine fidei et ratione iustificationis" 1527 33afel. ginben ficb
in i^r auc^ fc^on bie Sinien faft fämtlic^er fj)äterer Slnfd^auungen angebeutet, fo ift bo4 20
manche« nodj unfertig unb ber ©egenfa^ gegen bie lut^erifc^e Slnfd^uung nod^ nic^t fo
f^roff au«g4)rägt. ^m botten 2(u«j)rägung biefe« ©egenfafee« toie jur xBottenbung ber
eigenen 5ßofttion bereif bie 3SeröffentIid^ung einer großen wx^af}! bon ©c^riften toiber
maciu«. S)ie ^au))tfäd^Iid^ften — unb bamit toerben jugleid^ bie i^au})tqueQen für
©c^to.« Seigre bom SBJort unb ®eift genannt — fmb I. 3Som unterfeaibe be« toort« 26
®ottc« unb ber §ei^liaen ©c^rifft" (ol^ne Sa^r unb SDrudEort). II. ä3on ber ^ailigen
©d^fft irem Snnl^lt | a[mj)t | re^tem 9luft | ©raud^ unb mifebrauc^" (©tra^ura 1594).
III. SSom leeram^t be« netoen S^eftament«. Da« f^ein j)rebicant ber nic^t from ift
unb ©ottfelig lebt | ba« Sbangelium . . . I^an feliglicb mit fruit j)rebigen 1555.
IV. Confutatio unb aiblainung be« britten ©d^mad^buc^lin« %. ^ü\}t\Ä (o^ne ^afyc). ao
V. »efc^lufe unnb« gSalete 2luff glaci^ ga^rici letfte jtoai fc^mac^büc^Iin . . . 1555.
VI. 3Som toorte ®otte« ba« I^ein anber toort ®otte« fei | aigentlic^ gu reben, benn ber
©un ®otte«. —
©djfto. fcftt bie 2e^re bom ®nabenmittel be« SBorte« mit ber bon ber ©d^rift,
oI« ber Offenbarung in Sejie^ung unb ftimmt eine auf bie anbere. ©r teilt bie alt« 86
ort^obose äuffaffung bon ber ^nfriwtion, aber er beftreitet, bafe i^r birefte« ^ßrobult
in ber 9ibel borliegt, bie il^m tjielmebr nur al« menfd^Iic^e«, unboßfommene« äbbilb unb
©leic^ni« bon bem gilt, toa« burd^ bie 3nft>itation in ben $erjen ber ^roj)l^eten unb
Sl^oflel getoirlt toar: „S)ie l^ailigen menfc^en ®otte« | toeld^e bon bem ^ailigen ®aifte ju
reben unb ju fd^reiben feinb getrieben | l^aben il^re ^aab unb reid^t^umb | fo fie imm 40
^er|en ge^bt | unb lebenbig em^jfunben | nid^t mögen mn bie ftimm ober fd^rifft faffen l
um* anbem geben, ©ie l^aben« !aum ettlic^er majfen I^önnen abmalen | unb mit lautt |
ftimme | ober ©d^rifft im l^ailigen gaifte bezeugen: bie feber f)ai ba« l^erfe nid^t mögen
gen^lic^ auff ba« ba))ier bringen | nod^ ber munbt ben bronnen mit feinen quellen auftreben |
fonbem ^abii alfo in bienft burd^ il^re ftimmen | fo tjiel unfe nu^lic^ ba« gleid^nufe 46
fürgetragen | unb gu bem ainigen §e^lanbt | brunnen unb fiiec^te getoeifet" (Som toorte
®ütte« . . . XXIIc). S)em entft)re^enb ^at bie ©d^rift leinerlei Sebeutung für bie
©ntflel^ung be« religiöfen geben« im 3Jfenfd^en, fte toeift nur auf biefe ^in unb jeugt bon
i^, nic^t bie ©d^rift bringt ben ®eift, fonbem ber mit ®eift erfüllte 3)lenfd^ bringt biefm
%v(X ©djfrift, „er mufe ba« göttlid^e lid^t jur fd^rifft | ben gaifi jum bud^ftabm | bie toar* 60
l^eit jum bilbe | unnb ben maifter ju feinem toerle bringen" (98. b. f). ©d^rift VIv).
Df^m bafe ©d^to. in biefem ?PunIte gu bleibenben, ganj fc^arfen ßrlenntniffm gelommm
toöre, toertet er bie ©d^rift meiften« al« guDerläffige gefd(>id^tlid^e Urlunbe t)on ber d^rift*
liefen Dffmbamng (35. b. ^. ©d^rift LXXr, XVI) unb ä^nlid^ toie 3toingli al« normie»
renbm Äontrottaj)j)arat für atte inneren Dffenbämngen „©« gejimet fic^ auc^ nic^t o^ne 56
berfelben geugnu« ^ttoa^ in ber G^riftlid^en SReligion al« nottoenbig fe^en ober fc^liefem |
unnb e« r^üme ftd^ ^leid^ einer göttlichen Dffenbamngm toer ba toöUe (3?. b. f),
©(grifft Ilrff.). i)a nx6)t jebermann bon 9iatur „fein innerlid^ lebenbig SBort" beft^t
(ß^riftl. Drtl^ob. S. 887) gel^t bie ©meuerung be« ^JJlenfd^en auf bie unbermitteltc JÖirlfam«
feit ß^rifti im ^l. ®eifte, ber aber mit bem gefc^i^tlid^en fleifd^getoorbmen ß^riftu« go
78 Sf^tpendfelb
inJ^altlki^ ibenttfiiiert toirb, jurüdE „i^'^albm ben anä) ®otte« 2Bort | ®ott felBft | glcifc^ |
ber §err ß^riftuö SKcfdp toorben ift | un f)at in ung getponct . . . un bie ^^imj
lifd^en fd^ä^e | un gülcr | fo er bon ®ott feinem 38atter em^)fan0c | attem öleubigc
flcifd^e I bermittete feinet ^letfd^e^ un Slut^ | burc^ ben f). geift aufeteilete . . . fold^ |
6 jt)rid^ id^ t^ut allein baö natürlid^e lebenbige fflort | Verbum incarnatum | ßl^riftu«
im ^cilijgen ©elfte | hjcld^e^ feine gnabe ift | o^ne eufferlid^e elementifd^e mittel huxd^ ftc^
felbft"(6^riftl.Dttl^ob.S.566ff.). Sebe SSermittelung be« religiö^^fittlid^en SBirfen« S^fti
ober be« ©elfte« lel^nt ©c^h). energifc^ mit ber berf^lebenartigften Segrünbung ab. 3^^
aSermittelung foll ber ätbfolut^eit ®otte« tolberftreben unb il^n bon ben Äreaturen ob^
10 gängig mad^en (9Som SBBorte ®otte« LIr), ja jebe 38ermittelung fott e« unmöglich machen,
bafe e^ftu« no^ femer ba« §auj)t feiner ®emelnbe fei (ß^rlftl. Drt^ob. 9. 324). 3)le
2:i^atfad^e, bafe nad^ ber ©d^öJ)fung«orbnung fid^ ber ®elft burd^« SßJort bermittle,
beranla^t ©c^h). — gerabe im ®egenfa^ ju Sutj^er — baju, auf bem geiftlic^en
®ebiet ber ©rlöfung anbere ®efe|e alö tolrifam ^u j)oftulieren (j. 33. 33. b. ^L
15 ©d^rift CVIIIv). ®er $auj)tgrunb aber, ble SBlrlfamlelt Don SBort unb ®eift )u
trennen unb allein be« le|teren unbermitteltem 28irlen bie tpiebergdbärenbe ®nabe ju-
jjuelgnen, Hegt — tole bei ben ^Reformierten — In ©c^lo.« beutlid^ au«gef>)rot^enem
?Präbeftinatlantemu«: ®ott h?lD, bafe alle feine ®aben: „ex eodem fönte coelesti in
cordaelectorum, per Jesum Christum, caput Ecclesiae in spiritu sancto, scaturire
20 interque ea nulluni externum medium, ut neque inter caput et corpus, collo-
cari posse" (De cursu v. d. 13.). „©le (b. f), ble lut^erlfd^en ^Prebiger) bebenten ouc^
nic^t I ba| ber toare @bangelifd^e glaube nld^t jebermann« blng | h)le ^ulu« faget |
fonbern ein teure l^erjllc^e gäbe be« ^eiligen ®elftg Ift | bie ba fleu|t an^ bem toefen
®Dtte« in« ^er^ be« auffertoöltcn SKenfc^en ®otte«" (6^riftI.Drt^ob.9.325ff.). 3ubiefer
26 2lnna^me aber toleberum, bafe ftd^ ble SBlrlfamfelt ®otte« auf einen beftlmmten fitet«
au«ertoä^lter 3Kenf^en befiränie, fül^rte ©d^to. ble 35eobad^tung tjon ber fo häufigen
ftttllc^steligiöfen Unlolrifamlelt be« gcjjreblgten SBorte« bor aDlen ©Ingen an beflcn
eigenen ^reblgem (SSon unterfd^aibe Biijir Cur), eine 33eobad^tung, bie ja ber ^avipU
grunb feiner 3lbtoenbung bom Sutl^ertum tourbe. Damit l^ängt toleber bie bonattftlfc^c
30 SKuffaffung jufammen „3)a^ lein gottlofer böfer menfd^ . . . bem l^alllgen gelfte im le^
am))te be« netoen ^^eftamentö mit gnab blcnen | aud^ baö ©bangellum jur belerung ber
fünber Im fegen be^ galft^ frud^tbarllc^ tan t)reblgen" (3Som Ieeramj)t B. iijr). —
9leben blefen feften $aut)tbeftlmmungen ©d^h). über bag SSerl^ältnl^ bon SBort unb
®elft lönnen ble atlerblng^ bor^anbenen SSerfud^e, einen geh?lffen engeren 3wföni*n«n^n0
85 jlDlfd^en belben j^erjufteQen, telne felbftönblge c^aralterlftlfd^e 33ebeutung beanf^ruc^en unb
bebürfen l^ler nlc^t ber 9tet)robu!tlon. 6lne elnge^enbe Ärltll unb SBJlberlegung ©djito.^
^ai %lacm^ unb aud^ SBlganb geliefert (bgl. ®rüfcmad^er 1. c. ©. 72—83). ©d^to. ifi
ber Slnfängcr jener öermlttelnb fj)lrltuallftlfd^en 3ll(^tung feit ber ^Reformation, ble feft^
^altenb an ber gefd^ld^tlld^ burc^ ß^rlftum erh)orbenen ®nabe unb ßrlöfung boc^ i^
40 2tu^h)lrlung an ben ^räbeftlnlerten allein auf ble unbermltteltc SBlrffamlelt bed ©eifie«
jurüdfü^rt, babei aber ©d^rlft unb ^reblgt eine getrlffe S3ebeutung belaffen Ipiß.
SBermod^te ©d^to. fd^on ber ^l. ©c^rlft feine Im ftrengen ©Inne rellglöfe 33ebeutung
beizulegen, fo mufe feine ©d^ä^ung ber Sefenntnl^fc^rlften noc^ eine h?elt geringere fein.
93ad lommt jum SluöbrudE In feinem ^ubl^lum über bleSlug^burglf^e Äonfeffion „3Q8lr toöHen
46 ble 3lugfburglfd^e Äonfeffton In benen t)uncten, ba fle mit ben $ro>)^etlf(^en un
2tt)oftoli|d^cn ©d^rlfften ftlmt, feln^h?eg^ bcrtoerffen. S)a^ h?lr fle aber foHen für«
©bangellum ß^rlftl galten 1 ober brcln fc^toeren | ba toöHe un« ®ott für bel^üten . . .
©le h?erben fle je nl^t In Äanonem fe^en | no(^ ber ^. fc^rlfft fönben bergleld^en | in
locld^er fein Irrtumb aber In ber 2t. 6. fotool afö In ber 1^. SJätter ©c^rlfften, mc^r berat
60 ein Irrt^umb Ift gu finben | loeld^e; noc^ aü^ mit ber jelt Im l^eUem auffgang be«
gneblgen §lmllfc^en llec^tö G^rlftl offenbar foU loerben" (Sj). IIj p. 496). 5Dle
3eit blefer Offenbarung fam fd^netl, fofern ©c^to. bei feiner elnge^enben ^Prüfung
eigentlich mit feiner einzigen Sc^re ber 6.21., bejonber^ nld^t mit benen öon bct
^Rechtfertigung, ber Älrc^e, ben ©atramcnten clnüerftanben loar, fonbern überall
65 anbere« an ble Stelle fe^en tooHte. 2)a« game Selenntnl« unb erft red^t ble 33er})jp[l(^s
tung auf ba^felbe fiel l^m unter bie ftatutarifc^en SRa^regeln jur ©rünbung einer Älrc^
tolber ble er t)rmjl<)letlen ßlnf^jruc^ er^ob al« mit bem Seift unb ber ^retj^dt ftreltenb.
2lllcn ©ebanfen, ble fic^ im ^rotcftantl^mu« um ben begriff ber ecclesia late xmb
stricte dicta grujj^jierten, ftanb er nur negatit) gegenüber, ©ein ^'t>tal toaren einzelne
60 ®emelnben, ble burc^ ble 2lufrl^tung eine« rechten Sänne« möglic^ft einer fittlM^c»
®4toenftfeIb 79
Eiligen ©cmetnfd^aft angmäl^ert toerben fottten. 3l\i)t unhjal^rfc^ctnKci^ ift c^ barum,
ba| ö^nltc^e bei Sutl^er nur f))orabtfci^ ouftretenbe Senbenjen naö) biefer ätid^tung l^in
au\ Slnregungen @(^n).^ ^urücfgel^m (t)gl. jtolbe, Sutl^erd @ebanle bon ber ecdesiola in
ecdesia. 3Ä® 1892, ©. 552— o55X — Snfolgebeffcn lonnte ©d^h). aud^ ben ©afea^
mcnten leinen realen ©nabenmitteld^aralter gufd^reiben. 3" ^^^ ^^^^ bon ber 2^ufe 6
^at man il^n mit ben SBiebertäufem jufammengeftellt. 3)ag ift unri^tig, hjenn er auc^
mit i^nen in ber SSertoerfung ber Äinbertaufe einig toar — nac^ einigen äu^enmgen
toottte er fte ate eine äufeerlic^e ßeremonie fte^en laffen — fo l^ölt er bod^ eine SCaufe
ber ßrtoac^fenen für ebenfo toertlo^. 2tn ben Sanbgrafen $l^ili})J) bon Reffen fd^rieb er:
,,9lun lan \6)^ ja nic^t leudEen, bafe ic^ ben Äinbertauff ni^t ^alte für ben Xauff 3efu lo
e^fii, fonber für ein menfd^en gefe^ ... Db ic^ benn glei^ Dom finbertauff noA
ni(^t fo t)iel !an l^altcn, fo \ü\l \S) m\d) bennod^ auc^ banebc bebinget l^aben, bag id^
brumb lein SBibertäuffer bin, aud^ ü^ren Xauff fam^t aQe bem Xauff, ba man bie feelig^^
feit unb bergebung ber fünben an eufferlid^e Geremonien ober ©lement binbet, für un^
xtd^t fydU . . ." (®p. II, ©. 284). ©d^to. lennt nur bie innere ©eifteötaufe 3efu, bie« 15
toieber nur eine anbcre gormel für bie unbermittelte 2BirIfamfeit be« etoigen SBJorte«;
ein 3ufammenl^ang mit ber äußeren $anblung beftel^t gar nic^t, fte lann ^öd^ften« al«
na(^foIgenbe« S^xqtix für jene in 'Szixaä)t lommen (über ©c^to. Stellung jur SCaufe bgl.
»our, „3toingtö X^eologie" 33b II, 1889 ©. 245 ff.).
©d^lo.« ^benbma^tölel^re iDurjelt einmal in feiner aUgemeinen Slnfc^auung t)om 20
SBefen ber ©nabenmittel, bann in jeiner äluffaffung be« ©imte« ber Sinfe^ungi^
toorte unb britten« in feiner S^riftologte, ivenn aud^ ba« SSerl^ältni« ber le^teren Sepre
gut ^enbmal^Ulel^re ein reci))roIe« ift. ^n Sejug auf bie 9(u«legung ber Slbenbmal^Us
tootte trägt Bßto. folgenbe „§eimfud^ung bon oben" tjor : „3)enn e« fte^et nid^t iü ben
f^rac^en, barin bie loort tjom ^eiligen Seifte befd^rieben | 3)iefer Äeld^ ift ein neuh)e25
ieftoment | SBBie benn ba« Poculum | ober ÄeÜi^ | nid^t mm g^Ö^örtlin touto
ober 3)a« gehöret | fonbem e« toirt burc^ ben ©riec^ifd^en ^rtidfel xd ber bajimtd^
flieget I babon abgefonbert | unb ba« | Hoc fte^et absolute für ftd^ | 3tad) bem ba« SÖört^
lin: Poculum | ober Srand ift bom 2uca unb ^gaulo gleic^fam gu toeiterer erllärung
unb auglegunge be« borbem | baf( man toiffe | n^a« ba«: Hoc | ober rot^ro fe^ | ^innp so
gefegt toorben. . . 3)er §err rebet brauff bon ber eigenfd^afft feine« 93lut« | unb fjjrid^t:
3)aa« (bemimm) ein Srand | ift ba« neutoe a^eftament inn meinem 95lut" (ßp. H»
p. 16). Unter $eran^ie^ung bon ^0 6 ergiebt fid^ bann al« eigentli^er ©inn ber
9{benbmal^l«toorte: mein Setb ift bie« nämlic^ ä9rot in ber 33ebeutung bon geiftli(^er
©peife, mein ä9lut ift bie« nämli(^ XranI in ber Sebeutung bon geiftli^em Xrant für 35
bie ©eele. Sntfemt fo ©c^to. f^on au« ben @infe$ung«tt)orten jebe ^inbeutung auf
eine enge reale 3Serfnü))fung ber ©lemente mit 2eib unb 33lut G^rifti im fatl^olifcben
ober lut^erifc^en 33erftänbni«, fo ^inbert i^n an einer fold^en annal^me aud^ feine ß^to«
logie ober rid^tiger nod^ feine 2tnfc^auung über ba« 3Serl^ältni« be« ©öttlid^en unb grbifAen.
ß^fti 5Kenfd^^eit berlnüjjfte er \a nod^ enger al« ba« Sutl^ertum mit feiner Oottl^eit, 40
fo bag t^m ber @eban{e einer Ubiquitöt ber £eiblid^!eit Sl^rtfti feine«h)eg« unboQjiel^^bar
toar — infofem f^aüm bie 5jJ^ili))J)iften, bie i^n für ben eigentlid^en Url^eber ber ubiqui«
tät«le^e hielten, fo Unre^t nid^t (bgl. SRöller'Jlatoerau ©. 446 3lnm.), aber er ber=
motzte bie (Sottl^eit überl^auj)t nic^t, barum auc^ nic^t bie Gl^rifti 9Jlenfd^^eit umfc^liefeenbe
®ott^eit in irgenb ein engere« Ser^ältni« ju ci\oa^ i^reatürlic^em gu fe^en. SEBeil fid^ 45
®öttli(^e« niemal« burd^ ^reatürlid^e« bermtttelt, barum natürlich aud^ ntc^t bie ©egen^
toort S^rifti burc^ bie 9Ibenbma^l«elemente; i^rer @rfaffung burd^ ben ®lauben auf
jeiftlic^e aBeife ftel^t bagegcn nid^t« im SSiegc. ©4>to.« 3lbenbmal^l«le^re gel^ört alfo
m ben Ärei« berjenigen 9luffaffungen be« 3l6enbma^le«, bie man al« bie fj)iri5
tualiftifc^'b^namiftifd^en (ftel^e 91. älbenbmal^l 33b I) bejeid^net ^at unb jeigt untere
ben reformatorifd^en 3luffaffungen bie meifte 33ertoanbtf^aft mit berjenigen Galbin«.
©<^to.« ß^fkologie (bgl. befonber« $al^n L c. Domer, „6nttoidelung«gef(^i(^te ber
2e^re bon ber ^ßerfon ß^rifti; 93aur, ,,93ie d^riftlid^e Se^re bon ber 3)reieinigfeit unb
3Renfc^toerbung ®otte«") bapert auf feiner 93eftimmung be« SSer^ältniffe« bom ®ött=
li(^ unb 3Jcenf(^lid^en überl^au)[>t. Stile« ^enfd^lid^e, toa« bur^ creare ju ftanbe 66
lommt, ftel^tbabur^ in [tarier Diftang ju Sott „©« ift aber fein Äreatur bcrmaffen in^im,
ba6 fie ®ott ober ©öttlic^« toefen« au^ ber fd^ö^jffung mitgenöfftg unb tl^eill^afftig
toär, benn alfo feinb aDe Kreaturen auffer^alb ®ott unb ®ott auffer^alb allen Jtreaturen"
{®p. II, p. 105). ©oH ba« S?er^ältni« ß^rifti ju ®ott ein bcfonbere« fein, näm*
li^i bo« boUIommener @in^eit mit ®ott, fo mu| e« mit ber Sntfte^ung feiner menf^- 60
80 ®i^toettdfdb
Kd^en 9latur eine befonbere Setoanbtnte ^aben. Unb bem tft \o, ha feine 9latur nic^t
creando, fonbern generando ju ftanbe gelommen ift. ®ott ift ber Siater auc^ ber
ÜRenfd^^eit &f)xx\ü, „®oti ber J^imlifd^e ':Bater folte ein SSater bed ganzen (S^rifti, ®ott
unb aKenfd^en«, fein . . . (ßp. I p. 612), er f)at burd^ ben ©d^öt)teralt ber 9latur
6 beh^irft, bag ,,6^riftu^ feine ^eiligteit f^at nid^t au^ gnaben, @r ffcA fte aud^ nic^t old
ein qualitet noc^ 2lcciben« ober anllebenb jufeuig Ding nac^ feinem 3Kenfc^en, fonbern
natürli^ unb felbftftänbi0"(S^riftI.Drtl^ob.95.521). @d^h).«3ntereffebaftet befonber« an ber
Sejeid^nung ßl^rifti al^ bed anberen ^bam, burd^ ben aud^ bie ©d^öjc^fun^ bei? 3Rtn^dfm
erft ju i^rer 9SotIenbun0 gelommen ift. 3)iefeg fo fd^on bon Slnbegmn m einem befon-
10 beren 3Ser^äItni« gu ®ott ftel^enbe fjleifd^ ßl^rifti ift ebenfo toie feine Oottl^ett burt^
SRaria auf bie SEJelt aefommen: 3ion ber ©eburt ß^rifti glauben toir, „ia& SKaria
Si^riftum, ®ott unb SKenfd^en in einer ^erfon bereiniaet ^obe geboren, 9iid^t S^nffatm
allein nac^ ber ^Renfd^lic^en 92atur, benn ob IdoI 6^ftu$ feine ©ottl^eit nit t>on ^Dlaria
^at, fo folgt brumb nid^t, ba« fte il^n allein nad^ ber 3)lenfd^lic^en 9latur bab geboren,
16 fonbern ®ott unnb 9Jlenfd^en, einen ©o^n uu ß^riftum ganfe" (ß^riftl. Drt^ob.Ä 152).
SBie bei ber ®eburt fo fud^t @(^h). aud^ im ganjen £eben Sl^rifti ©ott^eit unb ÜRenfc^s
^eit möglic^ft eng miteinanber ju t>erfd^lingen, bie lut^erifc^en f^ormeln genügten ii^m
noA nicft, fie fc^medften il^m nod^ immer nad^ Sleftorianiömu«, anbererjeit« aber toill er
bod9 ben bauemben Seftanb ber beiben Slaturen feftl^alten unb le^nt jebe SSertoanblung
20 ber einen in bie anbere ab: „ß^riftu^ aber ift nid^t ein gebritd, h>eber in ber SRenfcb^:
toerbung ©otted noc^ in ber ©otttoerbung feinet menf^en^ h>orben, fonber er bleiot
in unbermifc^ten naturen an beiben orten ®ott SDlenfd^, ein 5ßerfon, ein (SfyA\taS, ffir
bleibt nac^ feiner mef^loerbung t)olfomlidb ®ott bad loort, fo lool atö er noc^ feiner
Xerflärung ober ®ottn)erbung ein t>olIomener menfd^ bon leib unb feel, blut unb
26 fleifd^ bleibt: 2lber ein SRenf^ in ®ott, in ber ©inigleit be« toefen« ®otteg, in einem
gan^ netoen ^tmmlifc^en toefen, im loefen ber unberrudlic^Ieit mit ®ott in einerld;
®lorien, ma^t, Irafft unb SBar^eit bereiniget" (ß^riftl. Drtl^ob. 8. 218). ©ie
golge ber SJereinigung beiber 3?aturen ift nid^t ein „3lbt^un feiner 9Renf(^l^eit^,
fonbern eine „Slnne^mung unb Seft^en ber ganjen etoigen ®ott^eit". 3)iefe „®loris
aofilation" bed gleifd^e^g G^rifti ift nic^t bon 3lnfang an fd^on eine boÖenbete,
fonbern eine junej^menbe: „2tu« toelc^em . . . mag erlannt toerben, toie ba« ^leifc^
ober ber SKenfd^ in ß^rifto in ber trafft beö bereinigten, aHmec^tigen 2Bort^, atö in^ber
natur feinet SBattem, toelc^e Sl^riftu^ mit bom ^imel bracht, jur ganzen boOlomem
beit ^ab getoaifen unb jugenomcn, bag fein ^leifd^ immer je mel^r ... mit toei^eit,
35 ftärle be« ®eiftg, ®nab, Irafft unnb mac^t ift erfüllet unb burd^goffen. 3)ie SBotur
bon ber iUluter folt in ber 9latur, bie ßl^riftu« bom SSater ^ete, toacbfen unnb jur
böüigen erbfd^aft ber ©ott^eit be« Sattem lommen" (1. c. ©. 230). 2luf biefer ottmä^
lid^en ®lorifi!ation bed ^leifc^ed ßi^rifti beruht bann aud^ ber Unterfc^ieb bed Christas
historicus et glorificatus, ober be^ Status exinanitionis et exaltationis. @^to.
40 teilte mit bem Sut^ertum bag 3i"^w^f!^ ^n ber engen SSerbinbung ber 9Kenfc^^eit ß^rifti
mit feiner ®ott^eit unb an i^rem bauemben Seftanbe aud^ nac^ ber ®r^ö^ung, er brachte
baö in gormein jum 2tuöbrud, bie nod^ naiver an ben 6ut^^iani«mu3 ^eranfheiften
unb bie bod^ aud^ mel^r eine ©umme ))arabojer SBortberbinbungen gu ftanbe brad^ten,
alö eine irgenbtoie borftellbare SBicbergabe eine^ 3:^atbeftanbeö barbotm.
50 3)ag SBerl ßl^rifti jerfäHt in bie grtoerbung beg §eil^ burd^ bm l^iftorifd^en 6^rifiu§
unb bie 3lu«tetlung be« §eile^ burd^ ben SSerflärten. Seibe« umfd^liefet nac^ fyü^n
(I.e. ©.52) folgmbe brei 9Jlomente: 1. redemptionem ab imperio diabolii 2. pur-
gationem naturae humanae a peccato, sive justificationem, 3. liberationem a
statu creaturae et adoptionem in statum filiorum sive regenerationem, ber
60 aan^e 9lac^bmcf fällt auf bie juerteilenbe Setl^ätigung be« er^öl^ten ßl^riftud unb i^re
2lnna^me im ®lauben: ,,3)ag blutß^rifti, fo nu glorificirt ganfe geiftlic^ unb ®öttli(^ ift
toorben, toirt no(^ ^eut aufegegoffcn burd^ ben §. ®eift mit boUer fcafft unb lefd^t bm burfl
ber feelm burc^ ben ©lauben . . ." (®j). 11, p. 943). 2)amit toiebemm bangt bie
ftärfere Betonung ber fittlid^^religiöfen Umfc^affung bor ber ©ered^tfj)red^ung bei ©d^to.
65 i^ufammen, toietool^l bie Untere burc^au^ nid^t ganj au^gcfd^altct toirb; in btefen fragen
fommt ©c^to.« 2lnfd^auung tool^l atn. beutlic^ften in bem ©a§ jum 2lu«bmd: „@ott
^clt feinm für geredet, in bem gar nic^t« feiner tücfcntlic^en gercd^tigleit ift" dSp. I
p. 812). 3tber ba^ finb feine originalen ©cbanfcnbilbungen ©c^to.^ mel^r unb barum
auch l)ier nic^t toeiter m berfolgcn. 3)a^ ©Icic^e gilt bon feiner m^ftif^m ®laubm^
€0 unb ®eIaffenJ[ieitöauffaffung, mit ber er nur mittelalterliche^ (Srbe toiebergiebt.
®d|toeitdfdb S^toerin 81
©d^to. ftanb für feine 5ßerfon ate „Sleutraler" gh?ifd^en ben großen Äird^en* unb
JRclißion^arteien feiner ^Ät unb fein Slnliegen \üax, and) für feine änl^änger biefe
„neutrale" ©tettung ju geh?innen. 3)iefe xogen jtd^ barum burd^ bauemben ©tittftanb
öon ber organifierten Äird^e gurücf, gaben fxä) junäd^ft ben Flamen „Sefenner ber ®Iorie
G^rifti", bann ©d^toendtfelber (tool^l feit 1539 auffommcnb); fdbloffen ftd^ ju einzelnen 5
©emeinben ^ufammen unb nal^men fo ben balb mc^r ober minber au^gej)rägten GJJ^araltet
einer ©ehe an, (Über ben fj)äteren ©d^h). aufeer Äabelbac^ aud^ noc^ baö mir nic^t
zugängliche S3u^ tjon ®^p, „Äerll^iftorifd^e ©tubien", Seiben 1885.) 3(m jal^Ireid^ften
entftanben naturgemäß biefe ©emeinben in ben beiben 2änbern, benen ©c^U). J)erfönlid^e
^Jro^wganba gegolten J&atte, ©d^leften unb ©d^toaben, unb in ben ©täbten, in benen er 10
felbft getoefen toar. Sieben il^nen lourben fefte ©i^e ftärlerer ©emeinben noc^ ©ör%
©la§, ©olbberg, fiötoenberg, S^^er, SBo^lau.
Slber berl^ältni^mäfeig fd^on frül^jeitig faßte bie ©d^U). Setoegung auA im §erjogtum
Preußen ®urjel. ©d^h). \üax mit bem §erjog 2tlbred^t J)erfönlic9 belannt geworben
unb fud^te i^n, toie bie tjornel^mften 3!^eoIogen in ?Preufeen, fo ©J)eratu§, gu getoinnen. 16
$enog 3[Ibred^t tvar il^m eine3^it lang nid^t abgeneigt; eine l^ert)onagenbe unb einfluß-
reiche ^erfönlic^Ieit griebric^ $err gu ©eibedE gelang e^g fogar bei feinem 2tufent^alte in
Siegnift gu einem überjeugten ©^toendfelber p maien, afe ben er ftc^ ani) nad) feiner
SRütflepr nac^ ^Preußen bet^ätigte. 3« ber 3«it jtoifc^en 1530 unb 1535 gab eg befonbcr^
im füblic^en ?preußen eine ftarfe ©cplt). Setoegung, bie bann aber jurüdEging ate ein 20
3leligion«gefj)räc^ 1531 gu SRaftenburg gegen fte ftattgefunben l^atte, unb bie fül^renben
Ideologen unb aud^ ber ©ergog ftd^ immer entfc^iebener gegen fie erllärten (tjgl. Sfd^adEert,
„Urlunbenbuc^ liur SReformation^efd^ic^te be« $erjogtum« ^reußen" »b I, 1890,
©. 184 ff.). Sine längere in ben §auj)tjügen erlennbare ©cfd^id^te fc^einen — loenigfteng
noc^ bem bi^^erigen ©tanbe ber gorfd^ung — bie ©c^toendffelber nur in SBürttemberg 25
nebft ber 3l^einj)falg (^ier in Sanbau) unb befonber« in ©c^lefien gehabt ju ^aben.
1554 erließ §erjog ß^riftoj)^ Don aSürttemberg eine ftrengerc Serorbnung gegen fie,
aber nod^ im 17. S^'^'f^wnbert fmb ©j)uren Don i^nen naitoeiöbar. gn ©c^lefien
touc^fen bie ©emeinben gegen Snbe be« 16. S^i^r^unbert« burd^ Aufnahme Don SBieber«
täufem unb im 17. burc^ bie bon 2ln^ängern 93öl^me^, bod^ bel^ielten fte ben ©d^tp. 2!^j)u«, 90
h)ie nod^ 3lnfang be« 18. ^ai^r^unbert« Deröffcntlic^tc Sefenntniffe bezeugen (ogl. Äabet
bac^ ©.123 ff.). Da« ganje 17. 3^^^^^""^^^ ^inburd^ beftanben fic ^auj)tfä(^lid^ in ber
?lä$c bon ©olbberg. @rft 2tnfang be^ 18. S^i^r^unbertg tourbe man burd^ eine h?iber
fte gerichtete ©Arift eine^g ?Prebiger^ ©d^nciber auf fte auf merifam. aJlan Verlangte i^nen
ein ©lauben^betenntnig ab unb im ^af)x^ 1720 fanbte Äaifer Äarl VI. eine jefuitijd^e 35
©etoaltmiffion gegen fie, loeld^e fte aber nic^t auszurotten Dermoc^tc (Dgl. ^kal^: 4)ie
©egcnreformation in ©d^lefien 1888, ©. 139). ©le toanberten jum Seil nad^ ©ad^fen
aus, als i^nen aber anäf bort feine S)ulbung getoä^rt tourbe, nac^ §ollanb, gnglanb
linb enblid^ 9lorbamerila, lt)o fie in ^l^ilabelj)^ia il^ren §au))tft^ Ratten unb bis in bie
jtoeite §älfte beS 19. ^a^r^.S nac^h)cisli(^ ejiftiert l^aben (bgl. Äabelbad^ I.e.©. 50 unb ^anh 40
bare Srinnerung an bie©cmeinbc ber ©d^toenffelDtcr ju ^^ilabelpl^ia, ®örli| 1816). 2tlS
griebric^ ber ©roße Don ©d^leften Seiife ergriffen l^attc, gciüä^rte er il^ncn burd^ ein ®bilt
üon 1742 (abgebrudft bei R'öpU, §iftorijd^c SJac^rid^ten, ©. 2 ff.) ntc^t nur 3)ulbung,
fonbem auc^ SBiebereinfe^ung in bie il^ncn genommenen Scft^tümer unb eriüarb fiä
baburd^ i^ren lebl^aften 3)anf. 3)en ©emeinben toirb emftc »Jrömmigfeit unb ©ittlid^:: 45
fett nad^erü^mt (Dgl. bie anf^aulid^c ©c|iilberung in ©erberS §iftorie ber SBieber^
gebogen IV, 3lr. XVII nad^ bem Seric^t eines ©tubenten). 3lud^ ^ur Siebcrbic^tung
laben fie manchen Seitrag geliefert, ber bann auc^ in ber eD. Äirc^e Eingang fanb (Dgl.
©c^neiber: 3wt Sitteratur ber ©c^to. Sicberbid^ter. Serlin 1857 Programm unb Äoc^
„©efd^ic^te beS Äird^enliebeS" IP 1867, ©. 151 ff.). 91. $. ^rft^mai^er. so
®d|toeri]i^ StStum. — g^eflenburgifd^eS Udunbcnbudft, ©«tocrin 1863 ff., 12 S3bc;
5»ubloff, ®ef(^. SOlcflcnburgS, S3erlin 1901, 6. 54ff. ; ^aud, m 5)cutfc^Ionb§, 3. u. 4. ©b.
S)aS ältefte SiStum für bie im Dften ber unteren @lbe ^aufenben toenbifd^en ©tämme
fyim feinen ©i^ in Dlbenbur^, im ©ebiete ber SBagrier, f. b. 2t. Sübctf SBb XI ©. 670.
9$on bort auS brang baS ßl^riftentum aud^ ju ben füböftlic^en "^ad^baxn berfelben, ben 56
Sleregem, ^olaben unb SBarnaben Dor. ßin d^riftlid^^er ^auptort muß 3Jtedlenburg ge=
toefen fein. S)enn als infolge beS ffienbenabfaUS nad) bemSobc DttoSII. ber Sifc^ofSfiJ
in Olbenbura nid^t U^anpUt h?erben tonnte, nannten fic^ bie für baS SBenbenlanb ge^
toei^ten Sifcpöfe nadf jenem Ort. ©0 SReginbert, ber 992 ertoäl^nt loirb, unb S3ern^arb,
9ttaU9nci9tlopmt für X^tolOQit unb mxdit. 3. ». XVlIf. q
82 ®4tocr{it Sf^toefter»^ bormiierjige
ber 1023 ftarb, f. Ann. Quedl. i. bb. 33. @. 69 unb 89. Db fte je jur 2:l^ätiöleit
im SGBenbenlanb öefommen fmb, ift minbeftcn« fraglid^. Sil« einige ^o^tjei^nte \pättt
burd^ ben Übertritt be« 2Bcnbenfürften ©ottfc^all, f. b. 3t. S3b|VII e.42, bie ©meucrung
ber fird^Iic^en Drganifation bei ben 2tbobriten mö^lid^ tourbe, f ottte SJledHenburg Sifc^of«-
6 ft| toerben. grjbifd^of Slbalbert lonfefrierte für i^n einen ©(Rotten, Flamen« ^o^nne«,
Adam III, 20 ©. HO. Sr hjar im Sanbe t^ätig, h?urbe aber in bemfelben 3a^rc toie
©ottfc^alf 1066 bon ben fflenben ermorbet, Adam III, 50 ©. 130. 5Damit ^tte ba^
S3i«tum ein ßnbe. 3"^ 3?eu0rünbunfl tarn e« erft in ber SKitte be« 12. ^a^rl^unbert^.
S)er erfte 3Serfu(^ ging bon^amburg aug; am 25. ©ej)tember 1149 toei^te (gS. ^arttoic^
10 im iHofter §arfefelb einen Älerifer Slamenö ßmme^arb gum Sifd^of bon SRedlenburg,
Helm. I, 69 ©.134, ber SCag nad^ einer Urf . 38iceling tjon 1150 in b. ed^lc«h).*$oIft.s
fiauenb. Slegeften, I ©. 44 3lx, 89. 3lber ^atttoid)^ SfAan mißlang; er f^eitcrte an bem
23iberft)ru(l^ $einri(^ b. 2. gegen bie SBeife ßmme^arb«. S)iefer toagte, toie c« Weint,
nic^t einmal bon feinem Si^tum Sefi^ ju ergreifen. SEBeiter lam bie ©ad^e erft burc^
16 bie SSerfügung griebrit^ I. bon 1154, burd^ bie §einri(^ beauftragt tourbe, im Sanbe
ienfeit« ber Slbe 8i«tümer ju errid^ten unb au« SReic^ggut ju botieren, C. J. I, ©. 206
vlx, 147. 3" fei^ff^ 3^i^ ^^^ ^i" ßiftercienfer mit 9f?amen Sem unter ben älbobriten
atö ^rebiger be« S^ri^entum« tl^ötig. ©einen ©i^ ^atte er in ©c^tperin, ba« bamal«
jur 2)iöcefe SRafeeburg gel^örte. ©r fd^eint nic^jt o^ne ®rfolg gearbeitet ju ^aben. 3^"^
20 übertrug §einri^ b. 2. im 3a^re 1160 baö ©iötum 9ReHenburg, Helm. I, 87 ©. 177;
II, 3 ©. 197; Ann. Palid. ©. 92, Magdeb. ©. 192, 3JleIIenb. U». I, ©.85, 9lr.91.
älber injtoifc^en Joar ©d^h?erin ©i^ eine« beutfd^en ©rafen unb baburd^ ^aubtort bed
Slbobritenlanbe« geworben. S)arau« erllärt fic^, bafe Sern Sebenlen trug, bie bif(^öflic^e
Äirc^e in SKedlenburg ju grünben. ®r blieb bielmel^r in ©d^toerin, toeld^er Ott nebfl
26 einem Keinen ©tric^ Sanbeö im SBeften be^ ©d^toeriner ©eeö je^t tjon ber Diöcefc Stades
bürg getrennt tourbe, f. 3WeHenb. US. I, ©. 82 ff. 5Wr. 88 unb. 91. ©ic fficftgrenje
beg Si^tum« lief feitbem in einem flad^en Sogen bon ber 3Bii^marer Suc^t jur eibe,
bie 5Rorbgrenje bilbete bie Äüfte bon ber SBi^marer Suc^jt bid jum ©reif^toalber Sobben,
im ©üben n^ar bie ©renje burd^ ba« feit 947 beftebenbeSi^tum §abelberg gegeben, un-
30 fi^er loar fie bagegen lange ^t\i im Often gegen Äamin ; erft 1260 fanb bie enbgiltige
©ntfc^eibung barüber ftatt, bafe 6ircit)anien, b. 1^. ber Sanbftrid^ jtoifd^en Sledfni^ unb
®r. Srebel ju Äamin gehöre, f. Ä®. SDeutfc^lanb« IV, ©. 624 2tnm. 6.
Sifd^öfe: Sem 1160—1192, Sruntoarb 1192—1238, griebrid^ 1238—1239,
SDietric^ 1239—1247, SBil^elm 1248—1249, SRubolf 1249—1262, ^ermann ö. ©d^laben
86 1263—1291, ©ottfrieb b. Süloh? 1292—1314, ^ermann b. 3Kal^an 1315—1322,
3o^ann b. ^utlife 1322—1331, Subolf t). Süloh) 1331—1339, $einrid^ ö. Süloto
1339—1347, anbrea« 1348—?, 2tlbert b. ©temberg 1356—1364, $Hubolf ö. änbalt
1365, griebrid^ b. Sülolt) 1366—1375, 3Karquarb Secrmann 1375—1376, SRelc^ior
b. ©mbm^agm 1375—1381, ^ßot^o 1381—?, SRubolf b. 3Jledtlenburg 1391—1415,
40 §einrid^ 5Rauen 1417—1418, §einrid^ b. SBangelin 1419—1429, ^ermann SÜppm
1429—1444, 5Rifolau« Söbbefer 1444—1456, ©ottfrieb Sauge 1457—1458, aSäemer
SBoImer« 1458—1473, Salt^ar t). TOcdtIcnburg 1474—1479, 5Ri!olau« 5Pcn| 1479
bi^ 1482, Äonrab Softe 1482—1503, 3o^. I^un 1504—1506, $eter SBalf olo 1508 big
1516, 3Jlagnu« b. 3Ketflenburg 1516—1550. *««if.
46 ®c^ttiertbrflber f. b. 2t. 3)eutf(^orben Sb IV ©. 592,22ff.
©c^mefleni f. b. 21. grauenlongregationen Sb VI ©. 236ff.
Sf^toeftem^ bannl|erjtge (Sincentinerinncn). — öJobillon, Histoire de Mm« le
Gras, $Qriö 1676 u. ö. (auc^ bcutfrf): ?lugöburg 1837, öJraj 1875, SRegen^bura 1884). (5. be
Sfiic^emont, Eist, de Mm« le Gras, 4« ^d. Par. 1894. Saunarb, La v^n^rable Louise de
60 Marillac, Par. 1898. fje^r, ^bncftSorben, II, 328—346. (Ziemend ©rcntano), 3)ie bann»
^erj^igcu (Sc^roeftem in ^Bc/^ug auf 9(rmen= unb ^ronfcnpflege, Äoblenj 1831. SlemcnÄ 3)rofte
ju 53ifd}cring, lieber bie ©enoffenfcfjaften ber barm^. Scfeiüeflern :c., 3Jiünftcr 1833. Ueber
bie 93eftimmung unb ben QJeift be§ Cvbenö ber barmf). Sd)n)eftern, 6 SRebcn (öon 3)öllingcr,
Räuber, ^ortig 2c.), ©uljbac^ 1836. 2)ie barmf). 8cf)n)., eine 5)Qrfteaung i^vcr Orünbuno,
66 SScrbrcitung, ISinric^tung unb ©irffamfeit, gj^ain;^ 1842. 3. erenüteö (^rof. fj. 3. SuftX
3)er Orben ber barmt). 8rf)n)., Ueberfid)t feiner (£ntfte()ung Jc, @d)afff)aufcn 1844; 2. Ä.
1847 ; ^. 8int^el, (^ejc^. ber C? ntftefjunq, ^^erbreitunq 11. "©irffamfeit beS Orbcnä ber 6arin§.
©c^ro. in 93Qt>crn, SRcgen^burg 1847; 2. % 1880. 2). SSuIf, 2)o^ fcgen^rcid^c «Blrfcn ber
®4toe|lent^ barm^erjtge 83
b. @4»., 3Hünftcr 1851. ^. ^cftfi, ^(c 5Bol6Itptigfcit8anftaItcn ber dftriftl. «arm^cri^igfcit
in %ien, grreibg. 1891, 8. 15 ff. 23 ff. 47 ff. ^a^ime bu (Samp, La Charit^ priv^ ä Paris,
Par. 1886 (ou(^ beutfd^: 2)ic ^Bo^It^ätiöfcltÖQnftaltcn bcr *r. Söarm§enig!eit ju^ariS, 2.^.
SWainj 1887). ^(mbuc^cr, Statt). DrbcnSaeftfi. II, 430-438. fi. o. ©ammcrfteln S.J., im
ftfiS«, X, 2118 ff. 5
äon proteftantif^en ^arfteüern: iBart^oImä, ^ie barm^. ©c^tt). in ^ünd^en in ^^m
auf bic Äranfenpflcgc, eine ©ttmntc an unfcrc gcit, ^lugSburg 1838. ®. U^I^orn, 3)ic (^riftl.
fiicbcöt^fitigfcit feit bcr SJeformatlon, 6. 210—227. %f). 6c^äfcr, «tnc. t). $aul k.: 8. f.
3nn. aRifiion XIV (1894), @. 89 ff.; aucft ebb. XVII (1897), 6. 177 ff.
[Ueber bie „Sot^ringifc^en barm^. ©c^meftern'' ober ^orromöertnnen f. unt. am ©d^Iug lo
b. Xejt«.]
„Sarm^erjioc ©d^tpcftem" (Filles ober Soeurs de la charitö) nennt man im
oQgemetnen bie ^itglieber tpetblid^er (^enoffenfd^aften latl^olifd^en S3etenntntffed, tpeld^e
fic^ ber ÄranIenj)fIe0e toibmen. 2)er 9Jame gel^ört (ä^nlid^ toic ^^Sarml^erjige 33rüber"
ober tote ,,®ute 2eute" u-bgl.) juben Benennungen, bieniitblofe an einer beftimmten ©r« is
f(^einung haften. Über einige SBereine biefer 3lrt, toel^je niqt mit ber Stiftung bed Sincenj
jufammen^ängen, ^anbelt ber 2lrt. „g^auenlongregationen" in 95b VI (bef. @. 238 ff.).
$ter l^at und junäc^ft bie berül^mtefte unb ein]p[u|reicl^fte biefer Kongregationen ju be«
fc^äfttjen, unb jtoar abgefel^en bom aSorleben unb ber fonftigen aSirtfamfett i^red ©tif«
terd (in Sejug toorauf ber 2lrt. „aSincenj b. $aul" gu bgl. ift). 20
I. aSincentinerinnen (Sarm^erjige ©d^toeftem bed 1^1. aSincenj b. ^aul). Site
eine ©djftoeftemfd^aft ,,jur geiftlid^en unb leiblichen Pflege bon armen Äranlen" (Con-
frärie de la Charit^ pour rassistence spirituelle et eorporelle des pauvres ma-
lades) tourbe bon bem berühmten Drbendftifter urfj)rüngli(| ber grauen^ (nic^t S^ng^
frauens) aSeretn bejeid^net, ber unter feiner Seitung im 3iö^re 1617 — toä^renb er auf 25
ber Keinen Pfarrei ß^atitlon-Ie^Dombeö in Sreffe (ßrjbiöc. fi^on) toirlte — in biefer ®es
meinbe ind Seben trat unb (nac^ (Genehmigung feiner ©tatuten burc^ ben S^oner Srj^
bifd^of S)en^« be SRarquemont) aud^ an anberen Orten 9lad^bilbungen erful^r. ©eit feiner
bauemben Überftebelung nad^ ^ariö (1618) regte SStncenj aud^ l^ier (juerft in ber ©t.
©albator5®emeinbe) fotoie in ber näheren Umgebung ber §au)[)tftabt bie SUbung ä^n* ao
Ucf^er aSereine an. ®ie Seitung biefer „Dames de la charit€ übertrug er feit bem
lobe feiner ©önnerin, ber ©räfin ®onb^ (geft. 1625), ber eblen unb ot)f ertoitligen Souife
SKorillac, aSBittoe bed ©rafen unb Igl. ©cl^eimfelretärg le ®rad, bie fic^ auf ben ?f{at be«
Sifc^ofd Samud bon SeQeV feiner geiftlid^en Seitung unterfteKt ^atte. ^ie Umbilbung
ber unter biefer Oberin burd^ ßntfte^ung immer neuer Sofalbereine rafc^ ftd^ bergröfeem- 35
ben ©enoffenfc^aft ju einem ^wngfrauenbcrein begann 1633, in toelc^em ^a^x^ (am
21. 5Rob.) 5u $arid bie erften SKäbc^en in bie (Sonfrörie aufgenommen tourben. Site
^.barm^ergige Slrmenbienerinnen" (Filles servantes des pauvres de la Charit^) legte
juerft in bem 3)orfe 2a dffdp^ü^ bei ^Parig auf ÜRariä aSerlünbigung (25. 3Kärg) 1634
eine Slnjol^l jungfräulid^er Pflegerinnen i^re (Selübbe ab. Slc^t ^af}x^ \pättt erfolgte 40
bie aSerlegung bed $au))t^aufed ber Filles de la charitö (ober Soeurs grises, toie
fie i^re« grauen ^abit« toegen genannt tourben) nac^ 5jiari« felbft in bie Sorftabt ©t.
fiajare. Seim 2^obe ber SRarittac unb aSincenj'« (bon toelc^en jene am 15. 3iläxi 1660,
biefer am 27. ©ebtember beöjelben ^al^rc« ftarb) jä^Ite bie ©cnoffenfd^aft bereit« 28
Käufer aUein in $arte. 3)ie bon aSinceng abgefaßte Orben^regel bestätigte 6(emen« IX. 45
1668. ©ie gebietet in ben Äranfen ben^eilanb felbft ju ))flegen, täglid^ frü^ um 4 U^r
aufjuftel^en, jtoeimal täglich bem ^ergen^ebete (oraison mentale) objuliegen, aud^ ben
clel^afteften Äranlen gern §ilfe ju leiften unb ben Oberen in unbebingtem ©eborfam
«ntertoürfig ju fein. Sebenölänglid^e ©elübbe fotlten bie ©d^toeftern nic^t übernehmen,
fonbem nad^ 3"^*'^Ö""0 ^i"^^ fünfjährigen ^robe^eit ein &döbm^ bc« ©eborfam« ab- 50
legen, toelc^e« alle Sa^rc gu erneuern toar. 3" ^^"^ Orben ber 3Kiffiondt)ricftcr ober
Sajariften tourbe bie Äongregation in eine Slrt bon Slb^ängigleit^ber^ältni« ßefteHt; ber
Sajariftenfuioerior fotltc gugleid^ i^r 2)ireftor fein.
®er im 17. unb 18. ^^^r^unbert i^aujjtfäc^ltc^ in granfreic^ unb in $olen bi« jur
©tärle bon ungefähr 500 ^ieberlaffungen ^crangetoad^fcne a[5erein tourbe für granfrcic^ 55
nac^ bem Slu^brud^ ber Slebolution, gleich allen übrigen Drbcn unb Äongregationen, auf-
gel^oben, fe^te aber feine aufot)fembe S^ätigfeit nic^tebeftotoeniger fort unb tourbe bon
vlapoUon l., ber fd^on ate erfter Äonful feit 1800 i^m feine ^rotcftion gugetocnbet l^attc,
im ga^re 1807 förmlich toieber^ergeftettt. Der bamate auf einem ©cncralfajjitel ncu=
organifterte unb ber ^roteltion ber 2Kutter be« Äaiferö unterftellte Scrcin toucb^ rafd^ eo
toieber )u großer aWitglieberja^l unb Sebeutung ^eran. 3!)ie alte aSerbtnbung bc« ^nfti-
6*
84 ^dttot^ttxn, barmherzige Scidt
tut^ mit bem fiajariftcnorben hjurbe jhjar (burc^ gchjaltt^ätigc^ SSorgc^cn 9laj)oleon^
gegen befjen ©u))erior §anon) Dorübergei^enb gelöft, aber 1827 in ber frül^eren SBeife toteber^
lergcfteßt. 5Rad^ 2)eutf^lanb tarn ber Drben juerjft 1811; Ujo er in Syrier eine 9lieber=
loflung erl^ielt. ©eitbem f)at er in ^aberbom, Äöln, Sreölau, Rulm, ^ofen, Simburg,
5 gulba unb D^nabrücf ^äufer erhalten, ^n 9Jlünc^en unb anberen ©täbten Sa^em^
fanben bie barml^. ©d^h)e[tem feit 1832 ßingang, in Saben feit 1845, in SBJürttemberg
feit 1852, in SDcutfc^^ßfteneic^ feit 1834, unb f. f. (tjgl. ßeimbud^er II, 433 f.). 3u
ainfang ber ficbjtger ^al}xc, furj bor 2lu«bruc^ be« ÄuIturfam))f(J, jäl^Ite er in gan^
93eutfc^lanb 78 änftaltcn mit 422 SKitgliebem (t)gl. b. ©c^ulte, Die neueren lati). Drben
10 unb ßongregationcn, bef. in Deutfc^Ianb, Serlin 1872, ©. 17). %ixx granlrei^ tourbe
feine ©efamtftärle um 1890 auf ungefäl^r 400 2lnftalten gefd^^t; feitbem ^at bie att«
mä^IiAe ©urd^fül^rung ber „fiairierung" ber §oft)itäIer feinen Seftanb ^ier erl^eblic^ gc^
fd^hjäd^t. 3" <^tten Sänbern ber 6^riftenl^eit jumal bürfte er gegentoärtig ettoa 30000
3KitgIieber jä^Ien.
16 11. Sorromäerinnen (Sarml^. ©d^tüeftem Dom ^I. Äarl; Sot^ringifd^e barm^.
©c^toeftem; Äarlgfa^toeftern). ©ine ©enoffenfd^aft bon Sarm^erjigfeitgfdjftoeftcm be^ I^L
Äarl (Filles ober Soeurs de St. Charles) bilbete fid^ feit 1626 in bem bem 5jiatronat
be« 6arlo Sorromeo unterfteUten großen $ofj)itaI ©t. ß^arle« gu 9lanc^. 3)er ^rämon»
ftratenfers@eneral e))it)l^aniu« Subobicu«, ilbt gu ßftibal, tjerfa^ biefen SBerein 1652 mit
20 ©tatuten, hjoburc^ bie üJlitglieber jur 2lblegung gunäd^ft ber brei getoö^nli^en Drben^
gelübbe unb baju noc^ eined vierten angebalten tverben. Se^tere^ beftel^t in Übernahme
ber 33erj)fli(^tung, ftd^ ba^ ganje Seben ^inburd^ ber ^Pflege Don armen Äranlen unb
l^tlflofen Äinbem gu toibmen. aSon bem genannten SKutter^aufe in 5RancV au« ^ben
biefe Sorromäerinnen junäd^ft in grantrei^ (h)o aud^ fie ben ©türm ber grofeen Slcüo-
26 lution überbauerten) unb feit bem 19. 3^^^^""^^ ^uc^ in 3)eutfd^lanb unb Öftenei^f
toeitere Süu^breitung gelüonnen. Seim Übergang gum gegenwärtigen S^i^r^unbert jäl^lten
fte im (Sangen gegen 450 9JieberIaffungen mit na^egu 3000 SKitgliebem, Verteilt unter
bie bier Kongregationen bon 9lanc^, bon 5jJrag, tjon Srebni^ (gu n^eld^er Kongregation
u. a. ba« gro|e Äebtoig^Äranlen^au« in S3erlin gehört) unb bon Irier. Sgl. (®em.
30 Srcntano), S)ie barmbergigen ©c^h?eftem in Segug auf Slrmen- unb Äran!en))flege,
Äoblenj 1831 (2. 21. 3)laing 1853; 3. 21. 1856). §. 91., 3)ie barml^ergigen ©d^toeftem
bom ^l. Äarl Sonomäu« gu 9lanc^, gcfc^ic^tlid^ bargeftettt (mit SSortoort bon X. 2)ies
ringer), Sonn 1847. §. $efd^ a. a. D., ©.31 ff. £. b. §ammerftein, 2lrt. „©^toeftcm,
Barm^." im ÄÄS* X, 11 19 f., ^eimbu^er II, 312 f. 8 Wer.
36 Science, Christian f. b. 2C. 3Jlagie Sb XII ©. 69, 64 ff.
©cidi, 3)lärt^rer bon. — Ouelten unb neuere fiittcratur. I. 3)ie i)cr=
fcfticbcnen SRcccnfionen ber bctrcffcnbcn ?l f t e n (mehrere loteinifcftc unb eine griecftifc^c) werben
am angemefienften, um (etbigen ^teber^olungen bovgubeugen, in bie ^arfteQung felbft
^ineinacgogen.
40 11. %t}. Äeim, SRom unb bag e^riflcntum, ^rSg. bun ©. S'i^c^iex, ©crlln 1881 ; ^Tub^,
Lee Chr^tiens dans l'empire roraain 180 — 249, ^Qri§ 1881: bcrf., £tude eur un nouveau
texte des Actes des martyrs Scillitains, ^ariS 1881 ; SRub. .£)ilgenfelb, 53er^ältni6 be« römi-
fd)cn Staate^ ,^um ©öriftcnt^um in ben beiben elften ^af)vf)., QtoXi^ XXIV, ^. 3 @. 291 bi§
331iuäumal@. 328f.; (S. 3. 9?eumann, SRömi{cfier Staat u. an(\emeine Äird)c (I), 1890, jumal
4j 3. 71 — 76, 284—286; ^aul 'Jinorb, Hist. des persöcut. pendant les deux premiers si^lee
I, <Pari^ 1885, @. 436—439 ; gronj (SJörreÄ, 5kt. (Söriftenüerfolgungcn, g. 3£. Ärou«^f(6c 9*®.,
Siefg. 3, Sreiburg i. S3v. 1880. 6. 215—288; berf., ^(ngebl. e^riftenuerfolg. bcd St. eiau=
biuSlI. RmZtj (1884), @. 37—84; berj., 8ueujebiu§ H.e. V, 21, «p^ilotogu«, 42. «b, XVII
= 1884, (S. 134— 140; berf., 3ur5^ritir einiger auf Ä. 9(urelianu§ bc^üglicben Duetten, ebenba
60 93b 42, @. 615—624; berf., 3)a§ e^riftent^. u. b. röm. (Staat 5, 3eit b. Äoif. ©ommobu«,
gprX^ X, @. 228-268, 395-434 unb jumal 252-261; berf., ^tnjeifle beS «Rcumonn'f^en
S3ud)c^ Stülij, 34. 33b = 1891, ©. 235—243; Oenrl) 3)oiiIcet, Essai sur les rapports de
r^glise chr^t. avec TEtat romain, <Pari§ 1883 (untritifcf) ! !).
2)er ©Iauben^famt)f ber fei Ilit an ifc^cn Slutjcugcn — fie ^eifeen fo entlüeber
55nad^ ©cilli, einer ©tabt ber norbafrifanifd^en ^rotonfularjjrobinj, ober toa^c^einÜc^er
nad^ ©ila bc^h). ©ilU, jhjei ficinen ©täbten 9?umibicnö; ber fonft bortrefflic^e grie-
c^ifc^e Sert ber 2lften bietet bie berberbtc gorm 'lox^ (bgl. SRuinart, Acta mari,
Ratisbonae 1859, ©. 130, § 2 unb Slub^, fitude, ©.28, 3lnm. 5) — toar bi« 1881
nur burd^ (ateinifc^e 2(f ten bezeugt, nämltc^ I. bie editio princeps: bie „Acta
®ciai 85
martyr. Scillit. proconsularia", bcforgt burd^ Saromug (Ann. eccl. ad a. Chr. 202)
nad^ brei lateinifc^en §anbj4)riften, einer in feinem Sefi^e befinblic^en unb jtoei tjatt*
fantfd^en; II. bad fragmentum de martyribus Scillitanis ex codice ms. monasterii
Augiensis, tjeröffentlid^t burd^ SKabitton, veter. analector. tom. IV, pars III. „Acta
ex cod. ms. bibliothecae Colbertinae (bei SRuinart, ©. 131 f.); IV. ac^t h?eitere latei* 5
nifd^e ^anbjd^riften unferer 3lften, bom Sotlanbiften 6ut)eru« erhjäl^nt, aber nic^t publu
jiert (ASB, Julii.mensis t. IV, p. 207 f.), V. 2tub6, Les chröt. etc. ©. 503—509
bietet „Texte in^it d'un manuscrit du IX et peut-ötre du VIII siöcle, prove-
nant de Tablaye de Silos, Espagne (Biblioth^ue nat., fonds latin, nouv.
acquis. 9Jr. 2179, unb tjerglid^en mit Cod. Ms. 3lx. 2180, unb man \oax, toeil eben 10
feine anbere G^ronologie übrig blieb, gejlüungen, ba« tragifc^e Sreignig auf ®runb ber
freilid^ fe^r jlüeifell^aften, teiltoeife fogar tüiberftnnigen Datierung (Cod. Ms. Baron. I :
Exsistente [!] Claudio consule. Cod. II: Praestante Claudio consule.
Cod. III: Praesente Claudio consule. Fragm. Aug. .. . praesidente bis
Claudiano consule) unb mit $Rüdtric^t auf bie ©rtpä^nung beö Jtaifer^ ©ej)timiu« 16
©et>eru« unb feinet bereit« jum 9Jlitregenten ernannten ©ol^ne« Slntoninu« ßaracaUa
in ben Saronianifc^en 2tlten, auf bie fej)timianifd^e 9legierung«jeit bejU). auf 200 = Ti.
Claudio Severo, C. Aufidio Victorino consulibus gu batieren.
5Run f)at aber §erm. Ufener in ber ^arifer 9lationaIbibIiot^eI in einem uralten,
bereit« im 3lj)rU 890 tjotlenbeten (Sobej (9ir. 1470) einen gried^ifd^en %^ jener»
^ffton mit ber Sluffd^rift „MagxvQiov rov äylov xal xaXhvhcov fidgxvQog Zneqd-
Tov" entbedft unb im Sonner 2eltion«IataIo^ für ba« ©ommerJ^albjal^r 1881 (Bonnae
1881, 4«, 6 pp.) tjeröffentlid^t. 3)iefe gried^tfc^en 3[ften bieten einen entfc^ieben lorret
tcren 3:ejt, al« bie lateinifd^en 5jiafftonen, ja fie tjerl^alten fu^ gu ben le^tem beinal^e fo,
h)ie ba« Driginalbolument |\u einer ungenauen tjerlümmerten Jtoj)ie: ba« Ufener'fd^e 25
MaQTVQiov tommt an SBert ben ?PräfibiaIaften na^eju gleid^, e« ift auf ©runb
biefe« autl^entiftif(^en Material«, bieQeid^t bon einem Slugen- ober O^renjeugen,
iebenfatt« red^t balb nad^ ber Einrichtung ber afrifanif^jen ^eiligen in gried^ifd^er
©prad^e, bie ben Slfrilanern bamal« geläufiger toar al« bie offizielle lateinifd^e, bargeftellt
tnorben. 2lu« bem aSergleic^e biefe« gried^ijc^en lejte« mit ben lateinifd^en Sitten läftt 30
ft(^ aber auc^ bie richtige 3)atierung gewinnen: ba« 9Jlart^rium ber gefeierten ©ciuis
tancn fanb ata 17. "^mVx 180, im erften SRegierung^ial^r be« feommobu« ftatt; gern toirb
man bie glüdflid^e Äonjeltur Ufenerg „Praesente II et Condiano consulibus" in ben
Äauf nehmen.
9!njU)if(^en ift ba« 3Rabillon'f(^e (lateinifc^e) „Fragmentum Augiense" in bor* 35
treffli^er Slu^gabe erfd^ienen. ßunäd^ft ^aben bie Srüfleler Sollanbiften biefe SRecen^
fton ber Slften unter bem 3:itel „Passio martyrum Scillitanorum". Ex cod. Carno-
tensi, 190fol., 247^—258'- tn il^ren „Analecta Bollandiana VIII", Paris et
Bruxell. 1889, p. 5—8 bollftänbig l^erau^egeben, unb ber gorfd^er 3- älrmitage
Slobinfon l^ai in feinen Texts and studies I, 2, Gambribge 1893, p. 106 ff. einen 40
nocfi reineren 3:ejt ber lateinifc^en 2Hten tjeröffentlid^t. ^ifm ftanb nämlic^ ein h?eit
teidpbaltigere« l^nbfd^riftlid^e« 3Katerial jur SJerfügung, nämlid^ abgefel^en tjon ber
Sleic^enauer §anbfd^rift nod^ eine §f. be^ 9. ^a^r^unbertö im Sritifd^en 3Kufeum (A),
eine $f. be^ ll.Sal^rl^unbertg in ber f. !. SBiener §ofbibliot^ef (B), enblid^ ein Cod. ms.
saeculi XIII in Storeuj (C). 2)ie SoHanbiften foloo^l h?ie Stobinfon überfc^ä^en i^rc 45
lateinifc^e $f. ungebührlich auf Äoften ber Ufener'j(^en ^ublilation. 9Kit SRec^jt betont
bemgegenüber 3lb. ^ilgenfelb (^loSCI^ 1892, ©. 249 f.: „bafe aber audg> biefer Sateiner
bie Urfc^rift, ber ®rie^e nur eine Überfefeung bieten folle, ift tüieber eine fe^r anfed^t*
bore Se^auiotung". 3n ber %iiai liefert ber Jenaer ©ele^rte ben Seh?ei«, bafe fic^ ber
Sateiner burc^ ben ©ried^en nic^t unerl^eblid^ berichtigen läfet: ,!^an lieft 112, 20: sed bo
8i quid emero, teloneum reddo. ©inn ^at nur baö ©ried^ifd^e : „d>U* et xal ngdooco,
xd riXog Ajioxiwßu**. 2?otlenbg 114,20: Libri et epistulae Pauli viri iusti. Oe«
meint finb bie ^eiligen ©c^jriften, hjelc^e h?ol^l „scripturae", aber nic^t „libri" ol^ne
toeitere« ^eifeen. 3)a« SRid^tige f)at ber ©rieche: AI xaff i^fiäg ßlßXw xal al ngoa-
enixomoig tiiaxoXal IlavXov xov öalov ävögög. 3l\xx ein Schreibfehler be^ ©r. b6
(117, 6 T(bv ÖQcojuivajv ß, x(bv aojjualajv) h?irb berichtigt burd^ ben Sateincr 116, 3
(Romanorum).
golgenbe« ift ber toefenttic^je ^ni}alt unferer gried^ifc^en Passio: Unter bem jhjeiten
Äonfulate be^ träfen« unb bem be« ßonbianu« (= 180 u. 3.) am 17. 3uli lourbcn
fet^ ß^riften, brei 3)länner unb brei grauen, Bptxata^, ber äBortfü^rer ber ®xu!pp^, co
86 (Scidt ®tüin», 3. @.
9?ar^attu^; 6ittmu«, 3)onata, ©ccunba unb SSeftia, bor ben Sitd^terftu^l be« ^rolonfute
©atuminu^ gebraci^t unb tjon biefcm toicberl^olt aufgeforbcrt, beim ®eniud, b. i. bei ber
©ottl^eit be^ Äaiferig, ju fd^h?ören unb ftd^ baburd^ btc taiferlid^e Segnabigung für i^
in ber blofeen ^uQi^öÜQhxi jum Gi^riftentum befte^enbe^ 3Serbre(^en ju toerbienen. S)ie
6$eiligen hjetgern fid^ ftanbl^aft, lehnen aud^ eine jtoeimal t)om Statthalter angebotene
Sebenfjeit Don 30 iagen entfd^ieben ab. §ierauf tjerurteilt ©atuminu^ bie fec|^ G^riften
unb aud^ bie ,,3lbU)efenben" l&(pavToi) jur Sut^aujotung. äufter ben ertoä^nten fed^
^eiligen erlitten aud^ ebenfo biele anbere foeben ate ä(pavToi oejeic^nete ©läubwen, öier
5Känner unb gh^ei grauen, 3Seturiu«, gelij, Slquilinu«, ßöleftinu«, gjanuaria unb ©enerofa,
10 bie S^obe^Sftrafe.
%üx bie irif^enfd^aftlid^e Sluöbeute be^ tjorliegenben „MagrvQiov*' lommen folgenbe
ergebniffe bejU). ©efid^t«))unlte in Setrad^t.
6ö ift um fo erfreulicher, bafe irir je^t t)on ben Sllten ber fcittitanifd^cn 3Rärt^rer
einen beffem lejt beft^en, afö biefelben mit botlem 3{^^i ftet« ate ^od^aut^entifc^e« 2)0:=
16 tument galten, ^n ber il^at giebt e^ fonft faft gar feine 5ßaffion, bie fo rein unb un-
t^erfölfc^t ein gute^ @tüdf altd^riftlid^en Seben^ unb Sterbend borfül^rt, tote gerabe bie
Ujener'fc^e SeröffentUd^ung. 3Kit gug bejeid^net 5Reumann a. a. D. ©. 72—74 biefe
SDofumente aU „t^t)ifd^e« S5eijJ)iel echter 2tlten".
3)er neuentbedte Sejt mit feiner Datierung be^ tragifd^en Sreigniffe« gerabe auf
20 ba« erfte ^af)x be« Gommobuö ift ein Weiterer Setoeid für bie SRic^tigteit oeö iittemont^
fd^en Sa^e^, toonad^ in ber erften ^6t be« britten 2lntoninug t>or ßintritt ber SWarcia
bei §ofe (183) noä) fogar giemlic^ H^iß^ bereimelte ßl^riften^e^en öorfommen fonnten.
greilid^ erhellt toeiter au« ber „Passio", bafe gleich nad^ bem lobe 9Warc Slurcl« (im
uRärj 180) bie in beffen legten ^af}xm bon ber Staat^eloalt beliebte §ärte fofort einer
25 milberen ^ra^^ toxd) : ©atumin ift fic^tlid^ bemül^t, ju fc^onen, S3lutt)erQie|en ju ber^
meiben, loenbet ba« S^rajan^SRejIrijjt in ber gelinbeften gorm an. Statt bte Slngälogten
burd^ bie 3:ortur ^um ,,£eugnen" il^re^ ©lauben« ju jloingen, bietet er i^nen toieberpolt
eine Sebenljeit Don 30 3^gen an.
3n bem SSorlommen ber befannten ©d^Iu^f ormel : ,, . . . xat?' i^piäg Ak ßaodev-
.w ovTog Tov xvQtov fjfiwv *Irjaov Xqiotov" xtX, (Regnante . . . Jesu Christo etc.)
in unferem gried^if d^en S^ejt liegt ein Weiterer 33eh)eid bafür, bafe in jener gormel an
fic^, toenn fie aud^ ^äufig genug in gefälfd^ten SKärt^reralten begegnet, toenigflen^
fein geeigneter ©runb für ben a))ofr^t)^en ß^arafter beö betreff enben ®Iauben^fam})feg
gefunben toerben !ann. W\i JRec^t ):iai 2lb. Äilgenfelb (BlrSCI^ 1861, §. 3, ©. 294 f.)
36 baö 33orfommcn be«; . . . ßaodevovrog . . . 'irwov Xqiotov . . . bereite in ben getoil
ed^ten actis s. Polycarpi, in bem berühmten Swunbf (^reiben ber ©emeinbe ©mi^ma ote
Sctoei^ für ba^ frül^e feorfommen ber ertoäl^nten gormel geltenb gemad^t
^m ©egenfa^c ju ben lateinifc^en 2lften ge^t au« bem fonefteren gne^ifc^en 3^qrte,
au« ber 2trt unb 35?eifc, toie ftc^ ©t)eratu« über bie ©riefe be« 2lJ)oftefe 5ßaulu« äußert,
40 toie fcbon 2lb. .^ilgcnfclb (anzeige ber Ufenerfd^en „Passio", Stol^ XXIV = 1881,
©. 382 f.) rid^tig gefeiten l^at, mit ©id^erl^ctt ^erbor, bafe bie ©d^reiben be« SQ5eIta^)ofteB
in ber jmeiten ©älfte be« 2. S^^^^wnbert« u. 3- "od^ nid^t fo red^t jum neuteftament^
liefen Kanon gehörten. %tan^ ®irrcd.
©cotttö, 2)ttttö f. 3)un« ©cotu« 93b V ®. 62ff.
45 ScotttS, Sobanne« eri(u)gcna, ^f^ilofoj))^ unb 3:i^eolog be« 9. ^a^rl^unbert«. —
^aö erfte Söerf be§ 3. 8c., ba^ im ^rucf üeröffentücöt tourbe, ift De divina praedestinatioDe
in ber Sammlung üon SHauquin Veterum auct. qui nono saec. de praed. et gratia scripfl.
opp. et fragm., "HJariö 1650 f. 3)ann folgte uon %f)oma<i ®alc (GalaeuB) J. Sc Er. jtigl
(froFiog ntinoftov i. e. de divisione naturae libr. V diu desiderati. Accedit appeodix ex
50 anibiguis S. Maximi gr. et lat. Oxoniis 1681. 2)ie erfte ©efamtauSgabc ^ot ^. 3- 3fIo6 ^ti
3ISL 122 üeranftaltct: Jo. Sc. opp. quae supersunt ... partim pnmus edidit partim re-
cognovit 1808 (bie^tu^gobe uon 1865 unterfd)eibet fid) nur burd) ben Diel f^tccfttercn 3)n«f).
^^(ufeer bem 53erbienft ^lüe«, beffcn er ^ab^oft merben fonnte, üeröffentlit^t ju ^abcn, 5ci(]|net
fid) bie 5hi§gabc aud) burd) eine SHenge !ritifd)er Mitteilungen qu^ öicien ^nbfdjrr. aud.
&6 ^^aö i^r fet)It ift teilö eine grünblirf) fritifd)e S8et)anblung beö XeiieS teils ber 92a4tDeid ber
j^Ql)Ireid)en Sitate beö Sc — ^\v% S)eutf(^e überfef t ift ba^ ?5?crf De divis. nat non 92oadf,
3. 6c. C£r. über bie (Einteilung ber ^Mtur 1875 — ein erfter SScrfuc^ einer folc^en Ücber^
feöung, ber boljer ^Qd)fic^t mit \>t\\ 5Ql)Ireid)en fd)Iimmen jje^lern uerbient. — Bist, litt d.
I. France, V, 416 ff.; 'iß. .i>jort, 3. Sc. (Er. ober uon bem Uifprung einer ^rtftl. $^tlofop^ier
©cotii», 3. e. 87
Stoptnfi. 1823; grronmüaer, er.§ ßc^rc öom TOfen in ©teubcl, 2ü6. 8f3:^- 1830, @.52ff.;
©tQubcnmaier, 3o^. @c. (Sr. unb bie ffiiffenWoft feiner gcit, 1834; berf., ßclftre be8 ©r. über
baS menf(4Iicf)e (Srfennen in b. gfS^ von ^u^, ^irfc^er u. a. 1840, 239 ff. (@t. ift ber nte^r
eifrige ald glüdlic^e ^auptoerteibiger ber Ort^obo^ie beS 8c., bem ©(^lueter in feiner MSL
122, 101—126 toieber abgebrucften SSorrebe jjur @eite tritt); Xorftrif, Philosophia Erigenae, 6
©Ott. 1841; @t. 9*en^ Saiflonbier, J. Sc. Er. et la philos. scolast. 1843; g. e^r. S3our,
5)ic c^riftl. fie^re t)on ber 3)reielnigleit u. 5Wenfd)iüerbung II, 263—344, 1842; mtWiütx,
3. 8c. er. unb feine Srrtümer, SJ^oinj 1884; ^. gjitter, ©efd^. b.^^ilof. ©b VII, 206—296,
1844; De Jo. Sc. Er. commentarius auctore anonymo 1845, tüieberobgebrucft MSL 122,
1—88; Xfe. (J^riftlieb, fieben unb fie^re be« 3. 8c. (£r., ©ot^a 1860 (bog gele^rtefte u. rei(6* 10
l^altigfte )6u(f) über 8c., auc^ menn man mit feiner t^eologifc^en ^urteilung ni^t überall
übereinflimmt); berf. «rt. in $91®* XIII, 788 ff.; 3o]6.©uber, 3o^. 8c. ($r. 1861 (bilbet in
feiner pl^tlofop^ifc^en :2Bürbigung bed 8c. eine gemiffe (Srgönjung ju (^^riftlieb) ; $rantl,
®efd). b. fiogit int OTenbl. it 20 ff. 1861; §1. 8töcfl, ®efd). b. $^iIof. b. Wl%. I, 31—128,
1864; O. Hermen«, ^Qg fieben beS So^. 8c. ^r. 1868; 8teeg, Joh. Sc. Eng. de Verbo 15
diviuo, Argentor. 1867; $. JReuter, ®ef(^. b. relig. «lufflär. im3Jl9l. I, 51—64, 1875; (g. 3.
^offmann, 5)er ©loubenS» unb 8c6öpfung8begriff beÄ 3. 8c. (5r., 3ena 1876; ®.?lnberÄ, 5)ars
fteDung unb Äritif ber ?[nfi(ftt oon 3- ^f- ^^v bafe bie Kategorien nidjt auf ®ott anmenbbar
feien, 8oraul877; »u(^tt)alb, 3)er fiogoSbegriff be« 3. 8c. (£r., öeipälg 1884; 2^. ©otf^fe,
gid)te unb ©rigeno, ^aüe 1896; «. 8d)mitt, 8tt)ei noc^ unbefannte ^anbfcfir. bc8 3.8c. ©r. ao
($rogr. b. iß. fgl. eJl)mn. in Bamberg 1899/00), mi*tig für bie XeyÜritif b.8c.; JBriüiantoff,
Vlijanie vostotschnago bogoslovia na sapadvoje w'proiByedeniack J. Sc. Er. (ber Hinflug
ber orientalifd)cn S^eologie auf bie occibentalifc^e in benffierfen baS 3-@c. ©r.), Petersburg
1898 (bie ^öglic^feit biefeS Su^ ju benu^en, t)erbanle ic^ ber gütigen 3]f{itteilung bedfelbcn
burdj ^errn $rof. 3)röfefe, beffen 9?oti^en 8n)2:M7, 121 ff. mi^ am juerft barauf aufmerf* 26
fam gemotzt ^aben). S)er SSerf. jcigt fi4 mit ber gefamten einfc^Iägigen, nic^t blofi mit ber
bireft auf 8c. bezüglichen, fiitteratur uoHfommen befannt unb trifft oft mit fcftarfem Urteil
ba« 9Ji*tige; 5)rfifete, 8u8c.@r. ©emerfungen unb 9RitlelIungen in 8w^H6# 563ff.; berf.,
3- 8c. @r. u. befjen ©eroä^riJmänner, Scipjig 1902. ((grfte genauere Unterfu^ung über bie üon
^g. benu^ten ClueOen.) 80
^ir ^aben üon (Srtgena auger hen beiben genannten 8d^riften, htm Liber de praedesti-
natioDe unb ben 5 ©^. De divisione naturae (auf bie p^ bie ßitate im folgenben, wenn
nic^td anbereS bemerft ift, bejie^en) noc^ eine Versio operum S. Dionysii Areopagitae mit
poetifd)er unb profaif^er ^ibmung an Äarl b. Ä. MSL 1029—1196 unb eine Versio
ambiguorum S. Maximi, üon ber aber nur ein %t\l erhalten ift MSL 1195—1222 ; fie ift 86
tiac^ einer ))on ber bur^ Oe^Ier, Anecdota graeca I, Halis 1857 üeröffentlid^ten ^anbfc^rift
bebeutenb abtoeic^enben Vorlage gemacht, bie u. a. auc^ in j^opitel geteilt mar. ferner be«
fi^en mir feine Expositiones super ierarebiam coelestem S. Dionysii, MSL 125 — 266, jebod^
mit einer grofeen iÖürfe öom @nbe beö 3. bi§ gegen ^itte be« 7. J^apitelS (bagegen lönnen
bie Expositiones in mysticam theologiam S. Dionysii MSL 267 — 284, bie ^^Ou argloS nad^ 40
einer Siener ^bftfir. aufgenommen §at, wie S3riIIiantoff 8. 34 f. bemerft, bem@rig. fcfton beS^alb
nidii angehören, meil [xt eine fpätere Uebcrfe^ung ju ®runbe legen; fie meieren aud) in ©e*
banfen unb 8pra(6e meit üon i^m ab), gferner ^at er eine Homilia in prologum S. Evan-
gelii sec. Joannen) MSL 283—296 unb einen Äommentar ju biefem (güangelium geftfirieben,
i)on bem fic^ beträ^tlid)e 8türfe erhalten ^aben MSL 297—343 unb 1243 f. (gnbUc^ finb 45
au4 no^ eine 93ei^e ^ebic^te t)or^anben, bie juerft 9t. Sllai, Classicor. auctor. Tom. V,
426 ff. unb SJaöaiffon, Eapports sur les bibliothfeques d'ouest, 356 ff. öerauSgegeben l^oben,
MSL 1221—1240. Sfltne fritif(f)e 9lu§gabe in MG, Poetaelll, 2, 2, 8. 527 ff. üon 2:raube
1896. Auf einen Kommentar über ^Dlarc. ©apeUa, ber fic^ in franjöfif^en ©anbfcftr. pnbet,
^at ^ur^au, Notices et extraits XX, 2, 5—20 l^ingetoiefen. (Ueber uerlorene unb über bem so
eng. fÄlftftlic^ beigelegte anbcre 8c6riften f. ß^riftlieb 81 ff.)
30^. ©cütuö ©riß. ift eine ber bcbeutenbften ©rfd^etnungen nid^t blofe auf bem ®es
biete be« 9. 3ai^t^unbcrti^, fonbem in ber gefamtcn (Seft^td^te ber ^^iIofo})l^ie unb I^eo^
logte. ©ein frül^ereö äufeere^ Seben ebcnfo \vk feine innere (Sntlpicfelung big ju bem
©tanbpunite, ben un^ feine erhaltenen ©d^riften barlegen, ift unö freilid^ berborgen, unb 66
toirb e^ anfd^einenb aud^ immer bleiben. 9Jur bafe ^xlani feine §eimat hjar, lönnen
toit old fic^er bel^aupten; barauf Ipeift fc^on ber Seiname ©cotue (ober ©cotigena, Ipie
j. 33. MSL 122, 10, 6) ^in, benn nod^ hjurben bamate bie 3ten borpgöhjeife aU ©cott
benannt, unb nod^ entfc^iebener ber ^toeite Seiname, ber in berfd^iebenen formen,
©riugena, Serugena, Srigena begegnet, bon benen (nad^ Säumler, '^ai^xb, für ^^ilof. u. eo
2:^01. VII, 346 21. 2, 1893) ßringena bie urfjjrüngltd^e ift, unb ber iebenfaßg ben 3)lann
oli^ einen au« 6rin, ^rf^nb, ftammenben bejeid^net. S^aju fommt nod^ ba« au^brüdfltd^e
3eu0nig be« ^Prubentiu« De praed. 14 MSL 115, 1194: te Galliae transmisit
Hibernia. S)emnad^ fmb alle fonft grunblo« aufgeftetiten Vermutungen über feine §er=
88 Bcom, 3. @.
lunft a6juh?cifcn (tjfll. gf^riftlieb ©. 19 ff.). 3n ^rlanb, h)o bie aSSiffenfd^aft bamafe in
einer ber^öltni^mö^igen 93lüte ftanb; l^at er tpabrfdbeinUd^ aud^ feine SSUbung erl^alten,
aBer erft im granfenreid^e, bor SJlitte be^ 9. S^^^^^wn^ert^, tritt er beutlic^ in unfern
©efic^tgfrei«. 3)a er bamafe fd^on ein gereifter 9Jlann getpefen ju fein fd^eint, fo toerbm
5 toir feine (Seburt in bie erften ^a^rje^nte be^ Sal^rl^unbertg m fe^en ^aBen, o^ne bafe
fid^ für eine genauere Seftimmung 3(nl^altgj)unfte böten, (tx ertoarb bie entfc^iebenc
®unft Jtarte b. R., toie auö ben SBibmungen berfd^iebener ©d^rtften unb au« einer
SRenge bon ©teilen au« feinen ©ebid^ten ju entnel^men ift, o^ne ba^ toir auf bie jtoeifel^
^aften ätnelboten Bei äBil^elm bon 3J{alme«Bur^ (De ^estis pontif. Anglorum V,
10 MSL 179, 1652), bie i^n me^r in ber Slotte eine« ^optarren al« eine« toürbigen ®^
lehrten jeigen, unb leidet erfunben fein lönnen, SBert ju legen brauchen, ßr tourbe ^ier
ein fel^r angefel^ener Se^rer unb lam in Serü^rung mit bielen ^erbonagenben SRonnem
ber 3^^/ ©inimar, Suj)u«, Ufuarbu«, SSBuIfab, SRatramnu« u.a. ®a aud^ feine 33efannts
fd^aft mit ^rubentiu« bon 3:ro^e« fid^ l^ier gefniHjft f}at, biefer aber (f. Hist. litt. V,
15 240) im ^ai)xt 847 ben §of berliefe, fo jd^eint ©cotu« föäteften« bor biefer Qüt an il^m
feine ©teue gefunbcn BaBen. §ier ^at er toal^rfd^einlid^ aÖe un« erl^altenen ©c^riften
berfafet, ju einer lir^Iid^en SSBürbeftettung ift er jebod^ nid^t gelangt (Prud. de praed. 3:
nuUis ecdesiasticae dignitatiB gradibus insignitum nee unquam a catholicis
insigniendum). DB er bie ^rieftertoeil^e Befeffen f)at, ift gtoeifel^aft, bon einem SKönt^^
20 tum be« Srig. finbet ftc^ nirgenb« eine ©})ur. $ier ift @rig. aber aud^ in bie bie 3^
Betoegenben ©treitigleiten ^ineingejogen loorben.
e« toar bie« eine«teil« bie bur^ bie ©d^rift be« 9labBertu«J8afc^aftu« in Anregung
geBrai^te Äontroberfe üBer bie SBanblung ber ©lemente im ^l. üJtal^l, in ber ßrig., toie
man f^äter aeglauBt l^t, mit einer eigenen ©^rift eingetreten ift. ^eilid^ ift nun bie
26 lange ^At i^m jugefd9rieBene unb für berloren gel^altene ©c^rift De eucharistiai bie
al« fein SBerf ju Sercelli 1050 unb ju 9iom 1059 Derbammt tourbe, toie Sauf« (Über bie
für berloren gebaltene ©c^rift be« 3ol^.©c. bon ber ©ud^ariftie a:^©tÄ1828, ©. 755 ff.)
ertoiefen l^at, in ber 2^at leine anbere al« bie Belannte ©d^rift be« Slatramnu«, De cor-
pore et sangiiine Domini. 2tBer ber 3i^wm jener ©^noben fd^eint boct^ in einer
30 richtigen Überlieferung üBer bie ©tellung be« ©c. ju ber grage felbft feinen ®runb gel^t
m ^aben. ^mn §infmar mad^t i^m De praed. 31 ben Sortourf, bafe er im SlBenbmal^l
©rot unb SBSein nur für ©^mbole ber ©egentoart ß^rifti in ber SRenfd^l^eit ^alte, unb
ebenfo Befämt)ft ba« bon %ai)€t\), Spicil. XII, 30 mitgeteilte gragment be« ÜKönc^
2tbrebalbu« au« bem Älofter gleur^ im 9. ^al^rl^unbert einen äBnli^en ©a^ be«felBen.
36 gemer toeifen ©teilen in De divis nat. V, 20. 38 auf eine gleid^e Sluffaffung ^in, imb
boKenb« finben ftd^ in ben bon f^log l^erau«gegeBenen Exposs. sup. hier. coel. ©. 140
unbComment. in Ev. Joh. 311 3tu«f))rüd^e, bie ganj beuttid^ bie Blofe fi^mBolifc^e Sluf^
faffung, gemä^ ber Slnftd^t be« 2)ion^fiu« 2lreoj)., au«ft)red^en. DBßrig. biefe Slnf^auung
baneben nod^ in einem eignen 35ud^e bertreten l(^at, BleiBt aHerbing« fel^r jtoeifel^aft, aber
40 feine ©tellung in ber %xaqc mufe boc^ Binreidbenb Bcfannt getoorben fein, um bie Auf 5
merffamfeit ber ©egner m erregen. Übrigen« l^at jene ^rage im 9. g^W^nbert nod^
einen Oegenftanb freier t^eologifd^er ßrörterung gebilbet.
Sebenflid^er für 6rig. tourbe fein Sluftreten im ©ottfd^alffd^en ^räbeftination«ftreitc,
ba er ^ier Slnfid^ten an^pxad), bie auc^ feine ^eunbe nic^t gu bertreten toagten. 6r
46 toar bon §infmar unb ^arbulu« bon Saon ju einem ©d^reiben in ber ©ac^e aufgeforbcrt
toorben, unb i)ai fid^ burd^ einen folc^en Stuftrag nid^t toenig gefd^meic^elt gefüllt. 6r
fc^rieb in ber ^At gtoifc^en ber erften unb ber jtoeiten ©^nobe gu G^terx^, 849 unb 853
(bgl. G^riftlteb ©. 34) ben Sraltat De divina praedestinatione, in bem er mit ber
größten §cftig!eit unb SHüdEfi^jtglofigfeit ©ottfc^alf al«§äreti!cr unb Ignoranten angreift,
60 pgleid^ aber mit erftaunlic^er Dffenl^eit feine Slnfid^ten über ba« göttlid^e SBefen, über
Die gbentität bon SSorl^ertoiffen unb SBor^erbeftimmcn, über ®ut unb 93i)fe u. a. barlegt
3)ie f^ier au«gefj)ro(^enen ©äfee Hangen benn ben Reitgenoffen auc^ fo unerl^ört unb
bla«j)l^emif(^, ba^ fid^ ein toal^rer ©türm be« fränfif^en ftleru« bagegen er^oB. SSBenilo,
683. bon ©en«, beranlafete burc^ Überfenbung Don 18 3lrtifeln an^ ber ©d^rift be« ®rig.
66 ben 95. 5|irubentiu« bon Iro^e« ju ber ©d^rift De praedestinatione adv. Jo. Sc.
MSL 115, 1009—1023, JJloru« fc^rieb Adv. Jo. Sc. erroneas definitiones MSL
119, 101—150, bgl. anii) ^temigiu«, (SS. bon S^on, Liber de tribus epistt. cap. 40
MSL 121, 1054; bem^ufolge Dertoarf aucb ba« Äonjtl ju 3Salence 855 19 ©o^c be«
(Srig. al« syllogismis ineptissime conclusa et, licet iaetetur, nulla saeculari
eu litteratura nitentia al« commentum diaboli (cap. 4) unb rebete (cap. 6) bon ineptae
ecotttd, 3. @. 89
quaestiunculae et aniles paene fabulae Scotorumque pultes. ^ic @^nobc \>on
iiangre^ 859 toiebcr^olte btcfc Sefc^Iüffe. Jpinfmar fclbft, alö.. er barauf feine ©c^rift
De praedestinatione l^eraudgab, entl^ielt fxi) jtoat einer Slufeerung über bie $räs
bcftination^Ie^re be« ©rig., erflärte fid^ aber gegen anbere Slnfid^ten be^felben (cap. 31
MSL 125, 296 D). ^njtoifc^en Wax ober and) 5P<H)ft TOfoIau^ I. auf ©c. aufnierffam 5
getoorben, er miftbittigte m einem ©(^reiben an Äarl b. Ä. (bei Suläug, Hist. univ.
Paris. I, 184; Äloft 1024), ba^ man ibm bie Überfe^ung Don©c^riften be^S 2)ion^fiu^
ni(^t, h)ie e^bie lirc^Iici^e ©itte erforbere(?), jur 3l))j)robation gugefanbt f^abe, um fo me^,
ba ber 33erfaffer berfelben ftd^ in (Slaubenöfac^en feine« ganj guten 9lufe« erfreue; er
h)ünf(^t, Reifet e« toeiter, bafe ber Äönig ben 6rig. in 9lom \>ox bem 5jia^)fte ju erfd^einen 10
nötige, ober h?enigften« i^n tjon feiner ©teile an ber ©t)i^e ber ©d^ule in ^ari« entferne.
Snbeffen l^at ber 33rief be« 9WoIau« I, h?ie er fic^ bei 3bo bon ßl^artre« Decr. IV,
cap. 104 finbet, bie legten SBJorte nid^t, unb fte unterliegen be^i^alb bem SSerbad^te ber
tcUfd^ung (Iraube 520). 2Bir lönnen bie ©^uren be« geben« ßrig.«, h?enn h)ir feine
lebi^te mit ^erbeigiel^en, bi« in bie ^^\t be« 3:obe« Äarl« b. Ä. Verfölgen, 877, ja 15
tomn toir ber Überlieferung l^infid^tlic^ eine« furgen @j)igramme« auf §infmar trauen,
bi« 882. aSeld^e« aber toar nun ber 2eben«au«gang bc« 9Jlanne«? ®ie franjöftf d^en
DueDen berid^ten un« barüber nic^t«, hja« übrigen« gar nid^t fo bertounberlid^ ift, ba,
ganj abgefe^en bon ber argen a5erh?irrung jener ^Ätm, 6rig. feine eigentlich) fird^Iic^e
©tettung inne l^atte; e« ^at an fic^ alfo aud^ feine ©d^h?ierigfeit anjune^men, bafe er 20
einige 3^ "^d^ bem lobe Jtarl« im ^anfenreic^e geftorben fei. 5Run treten l^ier aber
eigentümliche 5Rad^ric^ten ein, bie Don einem SBirfen @rig.« in ©nglanb gu berid^ten
toiffcn. atffer, ber S5iogra^)l^ ällfreb« b. ®r. erjäl^lt, bafe biefer einen geh?iffen ^ol}annti,
ben er a(« au« Ealdsaxonum genere ftammenb bejeid^het, nac^ @nglanb berufen unb
jum Äbte bon ät^elne^ gemacht l^abe, h?o er bann bem 9Jleud^elmorbe gaßifd^er ^einbe 25
jum Dj)fer gefallen fei (f. Monumm. hist. brit. I, 493 ff.). 3)iefer 9Jlann mufe nun
freiließ fd^on h?egen feiner §erfunft au« ©ac^jfen bon ber gbentififation mit ^of}, ©c.
ganj au«gefc^loffen bleiben. 2ln einer anberen ©teile (©. 487) nennt Slffer aber einen
Johannes presbyterus et monachus acerrimi ingenii vir et in omnibus dis-
ciplinis litterariae artis eruditissimus et in multis aliis artibus artificiosus; obdo
bicfcr mit bem erftgenannten ibentifd^ ift, ift ftreitig ; nehmen h?ir an, bafe e« ein anberer
fei, h)a« bod^ ba« toa^rfc^einlid^ere ift, fo ift nic^t gu leugnen, ba| bie 2lu«fage über
i^n borjüglid^ auf @rig. pa^t, hod) erloedt bie Sejeid^nung al« monachus 35ebenfen,
unb man fann anbererfeit« fagen, bafe bei ber -^äufigfeit be« Flamen« gol^anne« too^I
eben aud^ ein anberer jene rül^mlid^en ^räbifate Derbienen fonnte. 2)ie (Srünbe, bie so
man fonft gegen bie 3)enfbarfeit einer Berufung @rig.« burc^ 2llfreb b. @r. geltenb ge*
mac^t l^at, bafe ber fromme Äönig 3llfreb nic^t einen I^infid^tlic^ be« ©lauben« in üblem
Slufe fte^enben SKann toerbe an fic^ gebogen l^aben, ober aud), bafe (Srig. j|u alt geloefen
fei, tootten freilid^ toenig befagen (3)iabiU. AS OSB.VI, 508 f.; Hist. litt. V, 408 f.;
§lo6, prooem. XXIV; §uber ©. 117f. unb bagegen ©taubenmaier ©. 124; gl^riftlieb 40
©. 117 f.). aSa« nun aber fj)ätere Slutoren enäj^len (juerft S^ngulf geft. 1109 in ber
hist. abbatiae Groylandensis unb befonber« SDSili^elm t)on ^alme«bur^ (De gestis
regum Anglorum II, MSL 179, 10 unb De pontificib. V, MSL 179, 1653), ba«
beruht, fotoeit e« [xd) auf ben Slufentl^alt unb ba« 6nbe be« 6rig. in ßnglanb begießt,
teil« auf einer Kombination ber beiben angeführten angaben be« Slffer, teil« aber auf 46
einer Überlieferung ber 2lbtei 5IKalme«bur^, in ber einft ein Slbt bon ißörbem (nad^ ber
©age bon feinen ©c^jülem mit i^ren ©riffeln) in ber 2aurentiu«fird^e erftoc^en tourbe;
na^ feinem 3!obe foH ba« einige 9iäc^te l^inburd^ auf feinem ©rabe glänjenbe Sid^t bie
3D?önd[>e beflimmt l^aben, i^n al« 3)iärt^rer unb ^eiligen in ber größeren Äirc^e auf ber
linfen ©eite be« älltar« ju beftatten. ©obiel gel^t nun au« bem Seri^te SBil^elm« jebens 60
fall« l^erbor, bafe ju feiner 3^*^ i" 3Ralme«bur^ bie SCrabition beftanb, bafe jener 2lbt
fein anberer al« ber berül^mte 3- ©c. getoefen fei. 3)afe man bann auf ©runb ber "XxaVu
tion aud^ eine ©rabfd^rift für ^ol}. ©c- anfertigte, bafe man bie Qad}^ ba« ganje 3Kittel-
alter l^inburd^ glaubte, unb noq Selanb eine ©tatue mit ber 3"f^^^f^ Joannes Scotus
qui transtulit Dionysium e Graeco in latinum in ber bortigen 3lbtei gefe^en l)at, 55
ba« äße« fügt ber ®laubh?ürbigfcit jener 2^rabition nid^t ba« geringftc ^inju. Dh fie
auf echter Überlieferung beruhte, ober ob nic^t üiclmebr erft ]päUx ber 2tbt (^o^anne«)
auf ben fie ftc^ urfjjrünglid^ bejog, mit bem berül^mten ^oi). ©c. ibentifijiert toorben ift,
ba« ift eine ^Jtage, bie fxd) für un^ fc^h?erlid^ h)irb mit ©ic^erl^eit entfc^jeibcn laffen, aber
ba« fi)äte auftauten ber Irabition unb bie fc^einbaren 2ln^alt«j)unfte, bie Stffer bafür eo
90 (Bcom, 3. e.
bot, fj)rc(i^en nid^t gu ©unftcn berfclben. ®a^ hjal^rfci^cinlid^fte bleibt boc^, bafe 6c. im
granlenreid^c gcftorbcn ift.
Über bie ^eröorragcnbe SegabunQ be^ ©rig. ^errfd^t unter ben g^itgenoffen, lt)o
ftc fic^ unbefangen äufeem, bie Stimme größter Sehjunberunj, fotoo^l feiner Oelc^rs
6 famleit, h)ie feinet ©(^arffinng unb feiner Serebtfamfeit; bie geringfdf^^i^ig^ äufee-
Hingen, ju benen ber bogmatifd^e ©egenfa^ bie ^einbe trieb, ftetten fid^ bagcgen beutUcb
genug ate nur erjh?ungen bar. 3)a« 3^"0"i^ f^^"^^ ©c^riften fjjrid^t burc^aud für bie
äleufeerungen ber erften SRei^e. SEBa« feine (Sele^rfamleit betrifft, fo erfc^eint fie fotoeit e^
ftc^ um bie abenblänbifd^e Sitteratur l^anbelt, aOerbing^ atö beträd^llid^, aber bod^ nic^t
10 al^ unt)er^ä(tni^mägig gro^ im 93erg(eicb ^u bm bebeutenberen ^Rännern ber ^Ät unb
ber näc^ftt)orberge^enben $eriobe (tpeit überh^iegenb ift bie93enu^ung äluguftind auc^ bei
Srig. aSgl. ba« aSerjeid^ni« ber ßitate bei ©nHiantoff @. 77 ff.). 3)er Umftanb aber,
ber il^n faft tüie ein SBunber im SJranfenreid^ erfd^einen liefe, toar feine Äenntni^ be«
©riec^ifc^en. ®iefe toar unter ben fränfifd^en ©ele^rten ber Qtxt überaus feiten, unb too
15 jtd^ ettDa^ bat)on fanb, l^öd^ft elementar, U^äl^renb @rig. e^ jebenfaQ^ ju einem erl^eblid^en
9Rafee be« aSerftänbniffeö gebrad^t 1)at Qv fd^eint bie ©runblage bafür nod^ au« feiner
$eimat mitgebracht, fie bann aber tüä^renb feine« 2tufentl^alte« am §ofe Äarfö b. Ä.
burc^ eigene« ©tubium bebeutenb erweitert ju l^aben. Sltlerbing« ift nod^ tjon niemanbem genau
unterfu^t hjorben, tüie h?eit feine Äenntnt« biefer ©))rad^e eigentlich gereid^t l^at (einzelne«
20 jeboc^ bei ©dbmitt u. 3)räfele), unb e« f^at ba« bei ber Ünfi^er^eit fotpol^l ber griec^ifc^cn
3:ejte ber ©dpriften, bie er überfe^t ^at, tüie aud^ ber Überfe^ungen felbft, feine ©c^toierig^
feit, bennod^ barf man fagen, bafe U)er nid^t nur ben ganzen ®ion^fiu« 2treoj)agita,
fonbem au^ bie grabe ^pxad)lxi) fc^toierigen 2tmbigua be« 3Jlajimu« Äonfeffor, toenn
aud^ mangell^aft, überfe^en tonnU, jebenfall« eine über ba« elementare tpeit l^inau^ge^enbe
25 Äenntni« be« ®riec^>ifc^>en befi^en mufete. §ierau« barf man iebod^i nic^t fc^liefeen, bafe
6rig. bie gried^ifd^en ©d^riftfteßer bie er jitiert, burc^toeg aud^ gried^ifcä^ gelefen ^ätte;
bem ftanb fd^on ber 9Jlangel an 6Eemj)Iaren im 3lbenblanbe entgegen, unb c« ift nac^^
getoiefen (2)räfefe, 3- ®^- ®^-/ ®- 27), bafe er ©c^jriften be« Drigene«, barunter De prin-
dpiis, nac^ ber Überfe^ung SRufin«, ebenfo ©c^riften be« Safiliu« unb ß^r^foftomu«
30 nac^ lateinifd^en Überfe^ungen citicrt. 3)agegen läfet ftd^ a\x^ mel^reren ©teilen (De div.
nat. 3, 16. 548 A; 4, 25. 856 A; 5, 1. 865 A) fc^tiefeen, bafe er fid^ ber LXX bebient
f)at, unb e« ift bemnadf) bie eine ©teile, auf bie fid^ ß^riftlieb beruft, um ba« (Segenteil
^n behjeifen (Expos, sup. hier. coel. 243) anber«, t)on augenblidlid^em geilen be«
iejte« ber LXX, ju berftel^en. — 3)ie Äenntni« ber ©ried^en toar bei 6rig. aber aut^
85 mit einer aufeerorbentlic^en §od^fd^ä$ung berfelben Derbunbcn. 3)a« jeigt fic^ in ber ärt,
toie er Don il^nen rebet, e« jcigt fid^ (h?enn fic ec^t finb) in ben merfhjürbigen SSerfen,
bie fid^ in einigen §anbfc^riften am ©c^luffe feine« großen 2öerfe« finben (glofe ©. XXII ff.),
e« ^eigt fid^ aud^ in feiner bogmatifd^en Haltung in ber Sifferen^le^re, h)o er fid^ fo
au«fj)ric^t, bafe er ein 2lu«gel^en be« ^l. ©cifte« Dom SSater burc^ ben ©ol^n bei^auptet
40 (De div. nat. II, 31—33, Dgl. S^riftlieb ©. 178ff.; §uber ©. 205ff.; SWniantoff
©.270 ff.), h?ieh)ol^l er fd^liefelid^ bod^ awd) ba« filioque für gere^tfertigt ertlärt. 38on
noc^ größerer Sebeutung al« biefer ^unlt ift aber ber anbere, bafe fic^ bem @rig. in ber
SSefc^äftigung mit ber griec^ifc^en Sitteratur bie Duelle ju einer freieren Se^anblung
t^eologifd^er unb j)l^ilofoj)l^ifd^er fragen überl^au)[)t eröffnete, greilid^ hjerben toir feine
45 ganj eigentümliche unb einzigartige ©tettung in biefer fiinfic^jt nic^t in erfter Sinie auf
bie olofee Sefanntfd^aft mit griec^jifc^en ©d^riften iurüdfübren bürfen. &ani unbefannt
toar ein 2^cil berfelben bem äbenblanbe ja nid^t, unb modpte man fie aud^ nur in latei^
nifd^en Überfe^ungen lefen, fo fonnten bod^ auc^ biefe auf ben em^fänglid^en ®eift in
ä^nlid^er SBeife h?irfen h?ie bie Originale. 3"^^"^ ftanben bie ©c^riften äluguftin«, in
60 benen fic^ fo Diel Don neu})latonifd^er ^^ilofot)^ie finbet, ben 3^^^0^"^ff^" *>ff^ ^nb
tourben aud^ Don il^nen gelefen. 3)er ^au^Jt^junlt alfo, auf bem bie ungeheure Ser^
fc^jiebcn^eit ^tüifc^en 6rig. unb — f 0 Diel h)ir hjiffen — feinen fämtlid^en abenblänbifd^en 3«^
genofjen rul^t, lüirb Dielmel^r in ber ganjen geiftigen Slnlage be« 6rig. ju fuc^en fein, Dermöge
beren er eine Steigung jur Sefd^äftigung mit ^jl^ilofojj^ifc^en unb Jj^ilofojjl^ifd^stl^eologifct^en
öögragen befa^ unb jugleid^ über eine Sefä^igung ^ur Sc^anblung berfelben Derfügte, toie
fein anbercr. 3lber biefe 9laturanlage forberte borf; eine 2lnregung, mic fie in jener ^üt, fo
Diel h)ir hjiffen, niemanb bem Grig. perfönlic^ ju geben Dermod^te. %^tncic beburfte aber,
toer fic^ auf fo eigene bem bamal« ^errfcl)enben Setoufetfcin toeit abliegenbe 5ßfabe h>agte,
auc^ einer gehjiffcn Segitimation barüber, ba^ feine Slrbeit nic^t in birelten äBtoer^
60 \pxu6) mit ber c^riftlid^en £e(;re trete, ßben bieje beiben ©tüdfe finb e«, bie bie gried^if(|ie
ecohti», S. @. 91
2:i^eoIoflte bcm Srtg. geleiftet l^at. ®ong befonber« fommen l^ier 3)tonVfiu« bcr 3lrcoj)aatt
unb fein Kommentator 9Rajimug in Setrad^t. §ier lernte ßrig. eine f))efulatit)e SJe*
^nblung ber @otte^(el^re unb ber bamit jufammen^ängenben fragen lennen, toie fte
bcr bamaligen abenblänbifd^en Ideologie ßänglid^ fem lag. 3)amit erbielt er aber ju«
gleich auc^ ben ©d^Iüffel beö SSerftänbniffe« ju ben ftoelulatitoen eiementen, bie er in 6
reicher güHe bei ben älteren Ideologen, Safiliuö, ben beiben (Sregoren unb bei Drigene^,
ebenfo aber aud^ bei 3(mbrofiug unb tjor aßen bei Sluguftin fanb — unb bie jum größten
Seile auf ben 9leuj)Iatoni«mu« ober auf ?P^ilo jurüdgel^en. 3)afe ©rig. babei aud> SBerle
griet^ifd^er 5ß^Uofoj)l^en felbft benu^t f)aU, ift jtpar vermutet aber big^er noc^ nic^t er«
iüiefen toorben, bagegen fannte unb benu^te er Soet^iu«, 2Kacrobiu3, SRarcianu^ 6a))etta lo
unb bie anbcm Vermittler antilen SBJiffenö an ba« SKittelalter. Sitte biefe §ilf«mittel
fyit ©rig. aber ganj anber« gelefen aU bie 9Kenge feiner S^^fl^noffen, bie bei ben ©orten
[teilen ju bleiben ^)flegten, unb er getoann benn au^ bem, toa« er la«, aud^ ein anbere«
35erftänbni« j)^ilofoi)^ifd^er SKeinungen atö jene. 3^fe^"f<^Ö^ if* ^ ^^ ^^^/ ^on bem
toir toiffen, bafe er im 9Rittelalter im älbenblanbe in umfaffenber SBeife j)^ilofoj)ifd^ ge» 15
bac^t l^at unb ber e« geloagt ^at, ein ©i^ftem aufmftetten, toenn aud^ immerl^in ein«,
bag bie 9Wängel ber ©d^ulung unb 33ilbung, t>on benen er fi^ natürlich nid^t ganj be«
freien fonnte, nod^ beutlid^ an ber ©tim trägt.
erig. mad^t leinen fd^arfen Unterfc^ieb jjoifd^en ?pi^ilofoj)^ie unb Ideologie, toielme^
fatten il^m beibe toefentlic^ gufammen, aU SRittel jur Srlenntni« ber SBa^r^eit ju ge« ao
langen, gür i^n felbft ejiftiert alfo bie fjrage, ob fein ©Vftem mel^ ^l^ilofoj)l^ie ober
mel^r S^eologie fei, gar nid^t; fte h?ar ba« eine loie ba« anbere, h)ie er f eiber De
praed. I, 1 MSL 358 f. beutlid^ audf))rid^t: quid est aliud de philosophia trac-
tare nisi verae religionis qua summa et principalis omnium rerum causa
Deus et humiliter colitur et rationabiliter investigatur regulam exponere. 25
Ck>nficitur inde, veram esse philosophiam veram religionem, conversimque
veram religionem esse veram philosophiam. ^anad^ bemi^t ftc^ i^m benn aud^
bie ©tettung ber Vernunft unb ber Autorität. 6« ift nid^t fo, bafe bie eine J>ier
unb bie anbere bort gälte, fonbem beibe ^aben an beiben ©tetten il^r SRed^t, freilid^
nic^t in gleid^em SRa^e; fie lommen beibe an^ berfelben 5B3ur3el, ber göttlid^en SBei^^eit so
(I, 66, 511). S)ie Vernunft aber ^at ben Vorgug, bafe fte berSRatur nac^ ber 2tutorität
öorange^t, benn fte ift mit ber 9latur felbft unb ber R^t au« bem Urfj)rung atter S)inge
lj>erDorgegangen. ®ie 3lutorität bagegen entfj)ringt felbft toieber erft au« ber Vemunfit:
fie ift nic^t« anbere« al« bie !raft ber Vernunft gefunbene unb tjon ben 1^1. Vätern
jum 33eften ber Slad^loelt in ©dj»riften niebergelegte SBa^rl^eit. 3)e«l^alb bebarf auc^ bie 86
toal^re Vernunft, toeil fte burd^ i^re eigene Äraft giltig unb unberänberlid^ ift, feine
UnterfKiftung ber Autorität, bie Slutorität bagegen erfc^eint fc^toad^, loo fte nic^t t)on ber
Vernunft geftti^t toirb (I, 69, 513 B C). 2)a^er toitt ®rig. aud^ nur um beren toitten,
bie bie Vemunftgrünbe nid^t rec^t ju faffen vermögen, t)on ber Slutorität ©ebrauc^
mad^en (IV, 9, 781 C) unb ruft ein anbere«mal bem ©d^üler ^u : nulla te auctoritas 40
terreat ab his quae rectae contemplatonis suasio edocet (I, 66, 511 B). Offenbar
tft i^m nid^t nur t^eoretifd^ bie Vernunft ba« erfte, fonbem er f)at and), im Unterfd^iebe
toon feiner geit (tjgl. j. S. Slemigiu« lib. de trib. epistt. MSL 121, 1002 D) ein
ftorfe« 33elou^tfein bon bem, toa« er mit menfd^lid^er Vernunft auggurid^ten tjermag.
3)ennoc^ toürbc man irren, toenn man glaubte, bafe er bie Autorität überl^auj)t nur 46
gering anfd^lage, er ad^tet fte tjielmei^r fe^r l^od^, legt aber freilid^ ber rid^tigen ßrioägung
ba, h)0 biefe ein Ilare« SRefultat ergiebt, ba« entfc^eibenbe ©etoic^t bei. 3)ie älutorität
ber ^^l. ©d^rift erfennt er fogar al« eine unbebingte an (I, 6, 509 A) sacrae siquidem
scripturae in omnibus sequenda est auctoritas. @ie lonnte i^m freilid^ aud^ taum
unbequem irerben, benn für bie ßjegcfe gilt i^m nad^ SKajimu« ber ©a^, bafe bie 1^1. 50
©d^ft einen unenblic^en ©inn l^abe, bcr toie bte ^fauenfeber nod^ in bem Ileinften 3:eile
fd^immere IV, 5, 749 BC; unb III, 24, 690 BC fagt er, ber ^l. ©eift ^abe infinitos
intellectus in ber ^l. ©d^rift niebergelegt ideoque nullius expositoris sensus sensum
alterius aufert, fofem biefcr nur rechtgläubig fei; c« fönnen alfo atte 2lu«lcger red^t
^oben. §ier toar e« bemnad^ nic^t fd^toer, jeber unbequemen ©tettc burc^j 2lu«legung ^u 65
entgegen. 2lber aud^ ben Vätern gegenüber geigt er fic^ fel^r befc^eiben unb borfidptig.
5Rid^t nur, bafe er fte unjä^ligemal al« Slutoritäten anführt, fonbem er erflärt aud^, bafe
er ba, too fte offenbar im ©egenfa^e jw^incinber ftcl^en — unb ba« crfannte er freiließ
Harer al« feine ßeitgenoffen (Dgl. 3. V. V, 8, 876 C ff.) — e« nic^t für feine aufgäbe
^alte, jtoif^ien i^nen ju entfd^eiben unb bie Slnfid^t be« einen ju tabeln (IV, 14, 804 C), eo
92 ^tom, % @.
fonbem er h)itt [xi) in einem fold^en %aUc nur bie ^rei^eit h)al^ren, bem ju folgen, h)a^
i^m rid^tig erfd^eint — h)orin nun freiließ Am boc^ eine (gntfd^eibung liegt. 3)tefe«
öorfid^tige Serfa^ren f}ai feinen ®runb jum a^eil jcbenfatt« in ber Seforgnt«, Slnfto^ ju
erregen, boc^ glaube i^ nid^t, bafe e« ^>ierauf attein jurüdfjufül^ren tft, fonbem e« brüdft
6 fid^ barin ba« Selüufetfein au«, ba^ ®rig. ftd^ aud^ in feinem|^l^ilofoj)^ieren öielfac^ bon
Autoritäten abl^ängig toeife, bie er nun auc^, too er mit i^nen nid^t einig ift, ftc^ boc^ ju
fd^onen veranlagt fie^t.
grig. I^at fein })l^iIofo})l^ifd^^t^eoIogifd^e« Softem in bem großen SBerfe De divisione
naturae bargelegt, ba« für jebe 3!)arfteIIung feiner Se^re bie ®runb(age bilben mufe, h>ieh>ol^I
10 anbere ©d^riften Seftätigungen unb (grgänjungen ju bem bort ©efagten barbieten. 3)a^
93ud^ ift in bialogifd^er gomt gefc^rieben, unb man l^at mit Siedet jum Sobe be^felben
gefagt, ba^ bie beiben Siebner, 3Reifter unb ©d^üler, jeber jur (gnttoidelung ber ®ebanfen
i^ren Slnteil geben. SBenn aber 6^riftlieb einmal meint, ber ©c^tiler t)pege ba« fird^^
lic^e ©etoijfen be« ßrig. ju re})räfentieren (©. 128), ein anbere^mal aber fagt (©. 174),
16 bafe ©rig. i^m befonber« bebenflic^e 2tnfid^ten in ben 3Runb ju legen liebe, fo laflen ft^
freilid^ für beibe« Selege beibringen, aber Am gerabe ba« jeigt, ba^ bie ^erfon bc^
©c^üIer« im ganzen toeber unter bem einen noc^ unter bem anberen ®eftd^tgt)unfte ftebt,
fonbem bielme^r aU ber noc^ nid^t ©ereifte balb nadi) ber einen balb nac^ ber anberen
©eite JU toeit gel^t, um bann üon bem 3)ieifter forrigiert ju toerben. 35on ber ^^eilung
20 ber 9latur fott ba« SBerf l^anbeln, unter natura aber toitt 6rig. I^ier alle« begreifen,
lüomit unfer 3)enfcn e« ju t^un ^aben fann, ba« ©eienbe toie ba« nid^t ©eienbe; ba^
(entere freilid^ nur in bem befonberen ©inne, in bem @rig. ®ott ate nid^t ©eienb betrad^tet.
3)er 2tu«brudf umfd^Iiegt alfo ®ott unb bie SBelt, obtool^I anbererfeit« beibe lein ^räbifat
gemein ^aben fotten. greilid^ ift bafür (toa« ßrig. jebod^ nid^t au^brüdHic^ bemerft)
25 natura eigcntlid^ fein })affmber Äu^bmdf; einmal toäl^It 6rig. bafür universitatis (II,
1, 524 D: Universitäten! dico Deum et creaturam); toir fönnm e« alfo mit M
überfe^m, unb muffen un« nur ber UnboDfommenl^eit unferer ©})rad^e babei betou^t
bleiben. 2öa« ®rig. aber unter ber 2^eilung be« Sltt« öerftel^t, ba« jeigt pd^ in ber
öierfac^cn 3)urd^fü|rung betreiben, fofem er nämlic^ öon ber fd^affmbm unb nic^t
30 gefd^affenen, bann Don ber fqaffmben unb gefd^affenm, barauf Don ber gefc^affenen nic&t
fc^affenbcn unb enblic^ Don ber toeber fd^affenben noc^ gefd^affenen 9latur reben toiD.
3)ie ungefd^affene fd^affenbe 9latur ift ®ott, bejeic^enb ift aber, bafe bie Dierte ©tufe
mit ber erftm al« hjefentlid^ gleid^bebeutenb genommen toirb; e« ift bie SBelt in i^rer
Sflüdffe^r ju ®ott; mit ber SoDenbung berfelbm Derliert bie SßSett ben ß^rafter be«
86 ®efc^affenfein« in beftimmtem ©inne (f. u.). 2)ie beibm jtoifd^enliegenben ©tufen lönnen
toir ate bie ^bealtoelt unb bie Ujirfli^^e SBelt bejcic^nen. SBir erhalten bamit fogteic^
einen Überbhdf über ba« ©^ftem, ba« un« Don ®ott burc^ bie ibeale unb bie totnlid^e
SBelt toieber ju ®ott jurüdfül^rt ; jugleic^ beftimmt ftd^ bamit ber ^n^alt ber fünf Sucher
im attgemeinen, obhjol^l (Srig. fic^ nic^t ftrcng an bie (Sinteilung binbet unb toir öfter
40 Unterfud^ungen in einem Suc^e finben, beren eigentlid^en Ort toir mit größerem SRw^te
in einem anberen fuc^en toürben. 2)a« erfte 93u^ ift ber Erörterung Don bem SBefen
®otte« in feinem Stnfic^fein getoibmet, ba« jtoeile ber erften Offenbarung ®ottc« in ber
SBelt ber ^been ober ^nmorbialen Urfad^cn. S8on biefen fann ein ®ef(^affenfein freiließ
nic^t in bem gleid^en ©inne au^gefagl loerben, loie Don ber toirflid^en SBelt, fofem aber
45 ba« urerfte fd^lec^tl^in unerfafelic^e SBefen ®otte« fic^ l^ier juerft al« tl^ätig crtüeift unb
ettoa« l^erDorbringt, fann bod^ ber Segriff be« ©efc^affentoerben« auf biefe SBelt in ge=
toiffem ©inne angetoenbet toerben. ^m eigentlichen ©inne gefd^affen ift bagegcn bie britte
©tufe, biefe toirtlid^e SBelt Don i^rm ^öd^ften SBefen, ben oberften Sngeln an bi^
m ben nicberften unlebenbigen Kreaturen. S)er Stu^cinanberfe^ung über fie loerbm jjoei
60 33ücl^er getoibmet. (Snblic^ befaßt fic^ baig fünfte Sud^ mit ber Slüdtfe^r biefer Sfeelt
JU ©Ott.
(Srig.g Seigre Don ®ott gel^t auf bie bion^fifd^e Sc^rc Don ber bejal^enben unb Det^
neinenbcn 2:i^eologie jurücf (I, 13, 458 BC). 9ltle pofitiDen ^räbifate, bie toir ben toete
lid^en 3)ingen entnehmen, fönnen toir im ©uperlatiD auf ®ott übertragen, fo bafe il^m ein
66 Übergutfein beigelegt, er al^ übertoefentlid^ bcjeic^net toerben fann u. f. to. gnbeffen finb
bie fo gefaxten ^räbifate nur ber gönn nac^ pofitiD, in ber ©ad^e eigentlich neaatiD, ba
burcl) ba^ „über" bie ®leid;l)cit ber Benennung toieber aufgehoben toirb. ©o fül^rt bie
pofitiDe SBejcic^nung felbft fcl)on jur negatiDcn (hinüber, bie eigentlich bie toa^re ift (III,
20, 684 D), nämlid; baju, bafe man @ott alle ^käbifate, aud^ bie ber Siebe, SBaJ^r^eit,
ßf) ®üte u. f. to. abfjjrid^t. i)er S3egriff ®otte^ liegt Dielmel^r jenfeite aller biefer Seftim-
munden unb tft üh^fympi unfaßbar. 3Slan lann bicfe« ©ein, ba« ein Überfein i% unb
nic^t ettoa mit ber Äategorie be« Sein«, h)ie h)ir fte ^injic^lli^ ber toeltlic^en 3)inge an«
Ipenben, ibentifijiert toerben barf, bemnac^ a\iA atö SRic^tfein bejeic^nen; inbeRen mad^t
@rig. bo(^ einen fe^r fd^arfen Unterfd^ieb jtoifc^en biefem 9lic^tfein, \>a^ in ber %f)at bie
güUe alle« ©ein« ungefc^ieben in fic^ enthält, unb bem SRi^tfein ber bloßen Jlegation. 6
2)iefer Umftanb mufe g. 33. bei einer SJergleid^ung ber Seigre ©rig.« mit ber ^egctö h)ol^l
im Slime behalten toerben, unb toenn S3aur (3:rinl. II, 297) fagt, ®ott ift nur ba«
reine ftd^ felbft gleid^e ©ein, ba« in feiner Unenblic^Ieit unb abfoluten Sejicl^ung««
lofigleit ebenfogut ba« abfolute „SRid^t«" ift, fo ift bamit ber ©ebanle be« ®rig. bod^
nic^t gam richtig getroffen. 33gl. übrigen« ^ierju bie ^öd^ft intereffante, bem ©c^arffinn lo
©riß.« alle ®^re mad^enbe, l^ier jeboc^ nic^t toeiter ju erörtembcn 3lu«einanberfe^ung
be«felben über bie öerfc^iebenen Sebeutungen, bie mit bem Segriffe be« ©ein« Derbunben
lücrben, I, 3—7. Slu« bem 3Rid^t« im geh)öl^nlic^en ©inne toirb aud^ nid^t«; au« bem
göttlid^en SRid^tfein aber gelten alle a)inge ^ert)or (III, 5, 634 BC; 17, 679 B). 3)od^
h>ir ^aben gunäd^ft in« aiuge ju faffen, h)a« 6rig. toeiter über bie ©ott^eit in xfyc^m 15
Slnfid^fein ju fagen l^at. (tx leugnet, bafe ®ott felbft bie ganje güHe feine« SBefen«
erfaffen lönne, unb fagt be«^alb, bafe ®ott ftd^ felbft nid^t fenne, er h)iffe nur, ba^ er
nid^t« Don bem allen fei, toa« e« in ber 9Belt giebt, aber toa« er fei, bleibe i^m Der«
borgen. 2)iefer ©a§ ^at einen bo))j)elten ©inn; einmal befagt er nämlic^ nur, bafe®ott
fic^ mit feinem h)eltli4en SBa« ober SBefen ibentifc^ finbe, bann aber auc^, bafe er bie ao
®efamtl^eit feine« SBefen« überl^au})t nid^t in ein beftimmte« umfd^loffene« quid gu*
fammenfaffen lönne. 2)urc^ ben le^teren ©a^ h)irb atlerbing« aud^ ein öoHfommene«
©elbftbetoufetfein ®otte« geleugnet, aber man barf öon ba nid^t fogleic^ ju ber Sel^au})*
tung übergeben (toie befonber« ßl^riftlieb tl^ut), bafe 6rig. ba« ©elbftbetou^tfein ®otte«
fd^led^tl^in leuane. SSielmel^r nötigt un« bie annähme, bafe ba« gefamte toätlid^e aSefen 25
k)on ®ott gefd^affen unb nac^ feinem $lane geftaltet ift, gunäc^ft gu ber ätnna^me t)on
einem SSetou^tfein ®otte« um bie SSäelt, infolge beffen aber aud^ ju ber Slnna^me eine«
©elbftbetougtfein« ®otte«. 3Rur toerben h)ir un« biefe« ©elbftbctoufetfein ®otte« nid^t nad^
ber 2lrt be« menfc^lic^en, überl^aujjt nic^t nac^ ber art be« gcfd^ö^flid^en Setou^tfein« ju beulen
^aben. Daran freilid^ l^inbert fc^on ber Umftanb, bafe ®ott ja bie t>otlfommenfte abfolute 90
(ginl^eit ift, in ber aud^ ba« Setoufetfein nic^t bon ben anberen Momenten be« Seben«,
aSollen unb©d^affen getrennt gebac^t toerben fann (I, 73, 518 C; I, 12, 453 D). 3)er
®ebanle ber ©inbeit ift für ®rig. über^aujjt ber l^öc^fte, ber über alle« anbere ^inau«*
liegt unb alle« fd^led^ti^^in umfc^lieftt ; öollf ommen ift ein jebe« SBefen nur in bem SWa^e,
Ol« e« ftc^ ber @inbeit nähert. Sott aber ift bie DoUIommene Sin^eit fd^led^ti^in : alle 86
Unterfc^iebe toerben nur in unferem 3)enlen, ba« fid^ ju ber abfoluten ßin^eit nic^t gu
ergeben t>ermag, gemad^t. Sei ®ott ift ßr!ennen unb SSäoHen nic^t nur ein« mit bem
anbem, fonbem e« fmb auc^ beibe mit bem göttlichen 2Befen DoUIommen ein«. 2Bie
®ott alfo bie SBelt toiH, fo erlennt er fie auci, unb h)ie er fte erfennt, fo toiH er fte.
e« ift bie« auc^ ber 5ßunft, an bem e« Mar toirb, toe«l^alb (Srig. ftd^ in ber ©d^rift 40
öon ber ^räbeftination gegen ®ottfc^alf mit fo aufeerorbentlid^er Sitterleit gegen bie
Scj^re öon ber bo})})elten $räbeftination toenbet. 3)enn bei ®ott fann e« nur eine ein^
l^eitlid^e ^räbeftination geben, an^ ber alle« (Singeine fic^ enttoidteln mu^. greilic^ cr=
geben ftc^ ^ierau« unüberUjinblic^e ©c^toierigfeiten in ber Se^re öon bem S3öfen.
SSäenn nun auf ber einen ©eite ®ott bei 6rig. öon ber SSäelt gang getrennt in 46
ungugänglic^c gerne gerüdt erf^eint, fo bilbet ben ®egenfa^ bagu bie anbere ©eite
ber Betrachtung, nac^ ber ®ott unb Söelt gerabegu ibentifc^ gebadet h)erben; non duo
a se ipsis distantia debemus intelligere Deum et creaturam sed unum et id
ipsum, lefen toir III, 17, 678BC imb ba« gange RanpM öariiert biefen ©a$ nad^
(men ©eiten, toie toir auc^ fonft ä^nlic^en Sluef^^rüdpen begegnen (g. 35. II, 2. 528 AB; 60
III, 4, 632 D; 633 A). 3)ie 3Sermittelung beiber »etrad^tungen liegt in bem ©ebanfen,
hai bie 3Bclt bie Offenbarung (manifestatio) ®otte« ift I, 13, 455 AB. 3)arum
l^eifet e« aud^, bafe ®ott ftc^ in i^r fc^afft unb in »Dem Sitte« h)irb. ßr ift fotool^l
bie ©ubftang atter 3)inge, i^r „quid est" b. f). l}'m ber le^te fc^lec^t^in unerfenn^
bare ®runb alle« ©ein«, lüie auc| i^re Slccibengen b. f), alle« ba«, toa« an ben 3)ingen 66
gefe^en unb überl^aujjt irgenbtoie erfannt toirb. ©omit lä^t fic^ fotoo^l fagen, bafe ®ott
äße«, toie auc^ bafe alle« ®ott ift; jeboc^ mad^t ©rig. babei nad^brücflid^ ben 3Sorbe^alt,
bafe ®ott, inbem er ftc^ in allem fd^afft, babei boc^ über allem in fic^ felbft bleibt
III, 20, 683 B; IV, 5, 759 A; er ge^t alfo ni^t in bem auf, toa« er fc^afft. ßrig.
bebient fid^ ^ier be« SSergleic^e« be« ^^erl^ältniffe« gtoifc^en bem menfd^lic^en gnteUeft unb eo
94 (Stotu», 3. @.
bcm menfc^Kd^en SQSortc; h)ic fic^ jener in biefc^ fleibet unb baburc^ [xi) anbeten Der^
ftänblid^ mad)t, aber bamit in jenem SSäorte ntc^t aufgebt, fo ber^ölt fic^ auc^ ®ott
in feinem Schaffen I, 12, 454 C; III, 4, 633 B ff. 2Öir toerben im folgenben lennen
lernen, toie fic^ jene Offenbarung ®otted in ber 9Be(t, bie in (Sott eh)ig befd^loffen ifi,
6 für unfer (Srfennen fc^ritthjeife boUjie^t. ©inen 5ßunft aber muffen toir l^ier nod^ be=
rühren, nämlic^ toa^ ba« ©rfannttoerben ©ottei^ bon ©eite ber gefd^affenen SJefen betrifft
2)em ©a^e, bafe ba« eigentlid^e SBefen ®otteg burc^aug unerfannt bleibt, toirb 6rig.
nirgenbg untreu, too^I aber giebt e« eine ©rfenntni« ®otte« in eben bem ÜRafee, in beut
er fid^ offenbart. 3)afür l^at ®rig. bem 3)ion^fiu« unb TOajimuig folgenb ben au^brucf
io „%f)^op^ank" (I, 7, 446 CD: non enim essentia divina Deus solumodo dicitur,
sed et modus ille, quo se intellectuali et rational! creaturae . . . ostendit . . .
qui modus a Graecis deoipdveia i. e. Dei apparitio solet appellari). ^iefed SBort
i^at aber bei ®rig. berfc^iebene SSebeutungen; e« bejeic^net einmal befonbere göttlid^e 6r-
fd^einungen ober Sifionen, bie einem ©ef(i^ö})fe ju teil toerben 1, 9, 442 C D, bann bie
16 3;ugenben, bie ®ott in einem ®efc^öpfe toirft unb bie felbft loieber ®runb einer Sr-
fenntni« @otte« loerben I, 9, 442 C D. enblid^ ift aber aud^ jebe« ®efc^öt>f an ft^
felbft fd^on eine %f)^opf)ank, fofem fid^ ®ott in i^m offenbart III, 19, 681 A B. ^ier--
auö folgt, bafe bie ©rfenntni^, bie ba« ®efc^ö})f bon feinem eignen 2Befen getomnt,
lüieberum eine ßrfenntni« ®otte^ ift, je nad^ bem 3Hafee, nac^ bem ®ott fic^ in il^m
20 offenbart, ^emnac^ giebt ed fo biel Derfc^iebene %\)^opf)anxm toie ed ber^iebene ®ef(^öi)fe
giebt, ober, toie h)ir e« auc^ au^brüden fönnen, in jebem geschaffenen SBefen ft)iefldt fidj
ba« SBefen ®otte« eben nad^ ber Slrt biefe« ®efd^ö^fe«. 3)lit bicfem legten Segriffe ber
X^eo^^anie toirb erft bie $ö^e ber ®efamtanfd^auung @rig.d bon ber gi^ttlid^en Offen-
barung erreicht.
26 ®er näc^fte Schritt, ber un« bon ber abfoluten unerfennbaren göttlichen ®in^eil
l^inüberfül^rt ju ber SSiell^eit ber SBelt ift bie ©rfd^affung ber g^ealloelt ober ber @e^
famt^eit ber ^otenjen, bie i^rerfeitS h)ieber bie ftnnlic^e SBelt ani ftc^ Verborgenen laffeit
®rig. bejeic^net fie, inbem er berfd^iebene Vorgänger naml^aft mac^t, o^ne auf beren
feine^toegig ein^eitlid^e ©enitoeife SRüdfic^t ju nei^men — 3)ion^fiu!g unb Sluguftin, auc^
80 5piato unb airiftotele« — al« gbeen, göttliche SSorl^erbeftimmungen, göttliche SBiQen^Ite
i&eia ^eXrifiaxa\ urfjjrünglic^e Urf a^en, causae primordiales (II, 2, 529 A) unb
lenennt ald fold^e: (per se ipsam) bonitas, essentia, vita, ratio, intelligentia,
sapientia, virtus, beatitudo, veritas, aeternitas (II, 36, 616 C), ferner aber auc^:
magnitudo, amor, pax, unitas, perfectio (III, 1, 622f.). 3)amit foD nun aber
86 nid^t ettoa eine boUftänbige Sluf jä^lung ober eine älnorbnung biefer ^been il^rer Slatur
nad^ gegeben fein ; eine fold^e ift Dielmel^r unmöglich, benn fie alle geben bod^ tDieber an
einem $unlte, in ber göttlichen ßin^eit, jufammen. ©ie ber^alten fid^ h)ie bie SHabien
be« Greife« jum ßentrum, beren man eine beliebige Slnjal^l unb in beliebiger SRei^enfolge
jiel^en lann, ol^ne ba^ bamit am SBefen be^ Greife« ettoa^ geänbert h>irb. ©0 lann
40 aud^ jeber Setrac^tenbe nac^ feiner gäbigfeit eine getoiffe 3«^" bon S^een unterfd^eiben
(III, 1, 2). 3!)amit fc^eint nun freiließ ber objeltibe Seftanb ber einjelnen ^"otm auf^
gehoben 5U h)erben unb ba« ®anje fic^ in eine beliebige Setrad^tung be« Setrac^tenben
JU bertoanbeln, ber ftc^ bamit bag göttlid^e SBefen nac^ feinem Vermögen auöeinanber«
legt. 2)ocV fo meint z^ grig. nic^t. 3Sielmel^r toirb thtn bie 3Röglid^feit eine« fold^en
46 aiu^einanberlegen^ erft burdp ein 2Bir!en ®otteg l^ergefteßt, unb eben hierin li^t ber
Unterfc^ieb biefer 2Belt ber ^rimorbialurfac^en bon bem jebe ßrfaffung überfteigenben
aCBefen ®otte«. 6« ift ber ofte ©c^ritt be^ fic^ offenbarenben ®otte«, bafe er fid^ in
getoiffer SBeife bem gefc^öbflid^en 6r!ennen jugänglic^ mac^t. SBie ober ber Übergang
bon jenem unfaßbaren göttlichen SBefcn ju biefer erftcn ©tufe ber Offenbarung gefdS^ie^t,
üf> bag bleibt un^ frcilid^ »erborgen ; nur bag er ein eUjiger ift, bem etoigen 2Be|en ®otted
nur ibeeH, nid^t jeitlic^, nad^gcorbnet, toirb au^brüdlidp gcfagt. gerner aber ift bie un«
enblid^e gütle ber 3ibeen jufammengefaßt in bem göttlichen Sogo^ ober bem ©ol^ne®otted;
in il^m, in bcm fie gefc^affen fmb (factae sunt), bcftel^en fie aui^ unberonberlic^^ unb
einl^eitlic^ jenfcit^ jeber ga^l unb jeber Drbnung fort. SBir muffen ^ier, inbem toir
66 fagm, baß bie ^i^een gefd^affen loerben, inbem fie ertennbar gcmad^t loerben, \xn^ au*
gleid^ bergegenhjärtigen, toelc^e Sebeutung (Srig. überl^aut)t bem (Srfennen unb bem ßr*
lannttoerben beilegt. 3)a^ 6rtanntn)crben fällt i^m in gehjiffem ©inne mit bem ©ein
gufammen (II, 8, 535 C ; III, 4, 632 C), fo !ann er fagen, baß ein 3Kenfc^ in bem
anberen h^irb, inbem er Don i^m crfannt toirb (IV, 9, 780 B), ja üon ®ott felbft, baß
60 er toirb, inbem er ^laxvxi toirb (I, 12, 453 f.). 3)emnac^ ift aud^ bie in ber göttlichen
Xrinität gefc^el^enbe „unDeränberltd^e SSetDeaung'', burd^ tveld^e ®ott bem (Sriennen ju«
flänglid^ gemacht tütrb, eine loirfü^e ©d^ö^^fung, unb bie^been to erben, tnbem fic bem
ßrfenncn gugängltc^ gemacht h)erben. 3)afe ertg. aber bie ^rimorbialurfad^en fic^ einer«
feitö atö ganj in baö göttliche SBefen eingefc^Ioffen, anbererfeit^ bod^ h)ieber au« biefem
^ertjorgel^enb unb in getoiffer SDJeife afe felbftftänbig ejiftierenb beult, ba« fönnen h>ir 5
eben nur lonftatieren, obne bie Sc^tDierigleiten, bie fi^ baraud ergeben, tDirllid^ löfen ju
fönnen. 3)a6 ®rig. ftc^ bie ^h^m aber aU lüirlenbe ^Potengen oenft, ba« toirb bömg
flar, lüenn toir ju ber britten Stufe, ber Slatur, bie gefd^affen h>irb, aber nid^t fd^fft,
übergel^en.
®ie britte Stufe ift bie SBelt in bem Sinne, in bem tüir gelDö^nlid^ biefe« ©ort 10
brausen. Sie rubt i^em gangen S3eftanbe nac^ auf ben ^rimorbialurfad^en, unb al«
ben (Srunb \fycid 3)afein« bejeid^net ®rig. eben ben, bafe bie Urfac^en nidj^t o^ne SBirs
lungen fein fönnen, benn fobalb man bie SBirfungen aufhöbe, toürbe man aud^ bie Ur«
fa<i^en al« foldj^e auf lieben (V, 25, 912 A). ^ierauig fc^eint ftc^ nun bireft bie 3loU
toenbigfeit }u ergeben, bafe bie SBelt etoig fein muffe in bemfelben Sinne, in bem Srig. i6
bie« öon ben ^primorbialurfac^en bel^aujjtet. gn ber 3:^at laffen fid^ auc^ Stellen an*
führen, in benen er bie SBelt ate eh)ig betrad^tet (ol^ne bafe er fid^ boc^ jemal« mit ber
annähme einer unenblid^en SBieberl^olung be« Sßeltlauf« nad^ ^rt ber Steifer unb be«
Drigene« gu Reifen fud^te. Damit f(^eint aber ipieber bie feiner ganjen SBetrad^tung gu
®runbe lieaenbe 3lnfidj^t bon bem gefamten SBeltlauf ate einem biftorifc^en ^ßrojefe, ber 20
in ber SlücFfe^ }u ben ^rimorbialurfad^en unb mit i^nen gu ®ott fein ®nbe nimmt,
im 3Biberf)>rud^ )u fte^en. 3)iefer SBiberf^rud^ löft ft4 aud^ nid^t baburd^, boft @rig.
bo« ^egenh)ärttge Sein ber 2BeIt in il^rem förperlid^ finnti(^en unb materieKen 99eftanbe
t)on t^rer rein geiftigen SBefen^eit fd^eibet unb nur ba« erftere burd^ ben gef(^id^tli(^en
$Proje^ aufgel^oben toerben läfet, benn, aud^ abgefel^en babon, ba^ er biefe Sc^eibung 26
feine«tt>eg« tondflid^ fauber burchufü^ren toeife, bleiben aud^, tomn h>ir fie anerfennen,
immer nod^ burd^au« ungelöfte fragen über ben mit ber 3^^ 3uglei(^ gefegten Slnfang
ber natura creata non creans jurüdt, fo ba^ tt)ir aud^ ^ier bei @rig. etne ni(^t bi«
tu flarer Sntfc^eibung burd^gefül^rte, fonbem Dielme^r eine in ungelöften 3Biberf^rüd^en
l^ngenb bleibenbe S^efulation anerfennen muffen. 30
an ber Sjji^e ber gefc^affenen SBelt fte^en nad^ ®rig. bie ®ngel, mit geiftigen
Seibem begabt, bie aller materieDen ©igcnfc^aften lebig fmb. 3)afe t)on biefen fieibem bie,
bie fie gutoeilen, um ben 2Renfdben na^e treten unb i^ren 3)ienft in ber 9BeIt au«fü^ren
gu lönnen, annel^men f ollen, gu unterf(^eiben feien, beftreitet ©rig. burc^au«, unb nimmt
toielmel^r an, bafe fie juh)eilen in i^ren geiftigen Seibem ben uRenfd^en erfc^einen, nee ss
tarnen phantastice, sed veraciter V, 38, 993 C D. S)iefe SteUe brüdt jebenfatt«
bie toirflic^e Slnfid^t be« SJerfaffer« au«, toö^renb er V, 20, 896 C nur beiläufig einmal
felbft jene anficht angunel^men fd^eint. 3)ie Sngel iperben nid^t attmö^lic^ erzeugt,
fonbem ftnb mit einem SKale in ber ganjm 3Renge i^rer 3"i>i*^i^w^" <»w« ben $rims
orbialurfac^en ]^ert)orgegangen ; übrigen« nimmt drig., bem 3)ion^ftu« folgmb, neun 40
Älaffen unter i^nen an, öon benen nur bie ^öd^ftm bon jebem ^ntnm frei fein fotten,
toö^renb bie nieberen ber Seitung ber ^öl^eren bebürfen. 93on ben 3Kmfc^m unterfd9eibm
fte fid^ baburd^, bafe fie feine grfenntni« au^ grfa^rung getoinnen, fonbem bur^ bie
Änfd^auung ®otte« in ber %f)^o\>f)ank fotoo^l über il^r eigene« 3Befen, toie über bie
SEBelt ba« Serftänbni« erl^alten, ba« fie auc^ jum gingreifen in bm 2auf ber 2)inge 46
befähigt. Übrigm« ift ein 3:eil ber gngel, ber Satan an ber Sj)i$e, unmittelbar bei
ibrer Srfd^affung t>on ®ott abgefatten; biefe böfen ßngel ober Dämonen f)ahm bann
emen Suftleib au« ber 3Raterie biefer SBclt erl^alten (V, 13, 884 D), ber mit ber 9Belt
altert unb enblic^ mit ii^r hergeben loirb (IV, 24, 852 D).
2luf biefe ^öl^ere ©eiftertoelt folgt nun bie SBelt, in ber loir un« betoegm, bie an so
Slaum unb 3^** gebunbene finnlic^e SBelt, beren S(^ö})fung un« in bem §ejaemeron
erjä^lt lüirb. 3Son je^cr ^aben fic^ an biefen 3^eil be« mofaifc^en Serid^te« f})efulatit)e
unb naturloiffmfd^aftlic^e ^xa^m in 2Renge angefc^loffen, unb aud^ Srig. l^at au« ben
SBäerfen ber SSäter über biefe Stellen reic^lid^ gef4öt)ft. SBir muffen un« l^ier jeboc^
auf tomige ^jJunfte t)on allgemeinerer Sebcutung befc^ränfen. §inftd^tlic^ be« SHaume« ^
(Dgl. über Slaum unb 3eit befonber« I, 21 ff.) fa^t grig. eine«teil« ben Ort „locus"
al« gleid^bebeutenb mit ber enblid^en Umgrenzung eine« 3)inge«, unb betrachtet i^n nad^
biefer Seite ^in al« ibentifc^ mit 2)efinition, 6irfumffrij)tion. Slnbrerfeit« unterfd^eibet
er biefen Ort toieber t)on bem allgemeinen 5Raum, bem spatium quo corporum quan-
titas extenditur, bm er al« objeftiö feienb unb allem einzelnen, loa« fid^ im SHaume eo
96 ®cotitd, 3. @.
befinbet, Dor^crgel^enb bcnft. Dcnnoc^ fmb Saum unb ^c\i ntc^t Dor ber SBelt, fonbem
ftnb mit i^r au« ben etoigen ©rünben l^eirtjorgegangcn (V, 17, 888). §tnfid^tli(^ ber
gcomctttfc^en 3Scrl^äIlniffc unb Figuren toci^ er ba« geomettifc^e 33er^ältntö felbft beftimmt
t>on ber äußeren gigur ju unterfc^eiben (IV, 8, 774 f.), aber in augenfd^einlic^em grrtum
5 befangen meint er ade geometrijd^en 33er^ältniffc auf ben 5ßunft jurürffü^ren }u muffen,
in bem al« ber abfoluten räumti^en 6in()eit er fte aQc fc^on gegeben glaubt. ®d ift
aud^ l^ier ber ©ntl^ufia^mu« für bie abfolute Einheit, ber i^n ju einer ganj irrigen auf-
faffung ber Bad)t herleitet. 3)a3 ®leic^e ipenbet er nun anä) auf bie 3Konag atö bo«
^Prinjip ber ^af)l an, in ber bie gefamte 3^^lcnrei^e gefegt fei unb ju ber fte toieber
10 iiurüdtle^re, III, 1, 624 AB; 12, 657 AB). SBie toenig toir übrigen« bei ®rig. bie
un« getoöl^nlic^e ©d^ulung auf bem ©ebiete ber ®eometrie unb Slrit^meti! öorau«fe|en
bürfen, ba« jeigt fid^ rec^t auffatlenb in feiner 2tnna^me, bafe bie ^enp^erie be« 5lreife«
ba« 3)o))|)elte be« ©urd^meffer« betrage (nic^t, toie §ubert ©. 303 gar fagt, biefem glet(^
fei) — ein ^ntum, ber [xd) nid^t ütoa auf 3Serfc^en ber Slbfc^reiber jurürffüj^n Iä|t.
15 — 3)ie 3Katerie ift für ®rig. natürlich nid^t« ßnjige« (toeld^e Seigre er au«brüdEIid^ jurüct
toeift (III, 14, 664 CD), fonbern fie entfte^t i^m im Saufe ber ©d^ö))fung, unb jtoar
au« bem k^fammentreten immaterieKer $rinjit)ien, ber Quantität unb Dualität (III, 14
663 A). llnbertoärt« bejeic^net er i^ren Segriff al« ben ber 33eränber(id^Ieit ber t>crs
änberlid^en 3)inge, b. ^. fie ift ba« allem SSeränberlid^en ju ©runbe Siegenbe, ba« aber
20 an fic^ nie in bie ®rf(|einung treten lann (I, 56, 499 B), bie ariftotelifc^e hyle. ®«
mufe alfo tüoj^I unterschieben toerben jtoifc^en ber SKaterie unb ber SÜtptüodt; ein Äört)er
entfte^t erft, inbem bie fubftantiette gorm fic^ mit ber 3Katerie bereinigt. Demnach l^aben
h)ir in ber Äör^ertoelt ein ^oppdM, bie 93iaterie unb bie in i^r ^d^ barftettenbe unb
offenbarenbe ^orm ju unterf treiben; nur bie (efetere ift etlpa« Seftänbige«, ßtoige«, ba«
25 an^ ben ^rimorbialurfac^en l^erborgel^t unb (ic^ enblic^ tDteber mit i^nen k)eretntgt,
tüä^renb bie 3Raterie einem beftänbigen SBanbel unterliegt unb fic^ enblid^ toieber auf*
löft. SBie fic^ 6rig. aber bie gntftel^ung ber 3)iaterie au« Quantität unb Dualität
gebadet l^at, ba« ift freiließ fd^toer borjuftetlen, jebenfall« aber bietet biefe ganje Se^re
einen beutlid^en Setoei« für bie (im mittelalterlichen ©inne) realiftifc^e 3)enlh>eife be«
30 grig., bie ba« Sefonbere au« bem aiHgemeinen tperben läfet. {^mn ^rantl, @M). ber
Sogif II, 25 ff. auc^ ben 9lominali«mu« be« 59131. an getoiffe ©ä^e be« ®rig. anfnüjjfen
lägt, fo l^ebt ba«, bie Stic^tigfeit ber ä3ebau})tung angenommen, boc^ nic^t auf, ba^ @rig.
felbft ftc^ toef entließ in realiftifd^en 3)enIformen betoegt.) 3" bemerfen ift noc^, ba^ anC
bie 3Jlaterie, al« au« immaterießen ^rinji^^ien f^erborge^enb, il^ren llrjj)rung inbirefi bi
85 auc^ in ben ^rimorbialurfac^en l^at, n)ic @rig. ba« auc^ au«brüdlic^ au«fj)rid^t.
3)ie Seigre be« 6rig. öom 9)lenfd^en, bon beffen SBäefen unb ©efc^id^te ift be«^lb
mit befonberen ©c^toierigleiten behaftet, hjeil fie ftc^ auf« engfte mit feiner Sebre bon
bem Sojen unb ber ©ünbe Derflic^t. ®in« atlerbing« lägt fic^ aud^ o^ne biefe SRücfftc^t
au«fagen, nämlic^, bag ber 3Kenfc^ nac^ göttlicher Seftimmung eine befonber« j^crbor-
40 ragenbe ©teUung im 'Jlll einnimmt, fofern er gehjiffermagen aUe Klaffen be«felben in fub
^ufammenfafet, unb i\oax nic^t blo^ in bem ©inne, bag er fie alle erfennt, fonbern auq
fo, bafe er ba« ßigentümlid^e einer jeben in femer 9latur Dereinigt (IV, 8,773 D — 774 A;
IV, 14, 806/7). 6r ^at älnteil an bem bloßen 3)afein ber nieberen unbefeelten ®ef(^öj)fe,
an ber £eben«traft ber ^flamcn, an bem animalifc^en 2cben ber Xiere unb an bem
45 inteßeltueHen Seben ber gngel; er bilbet aljo ben 3Jlittel))unft ber SBelt unb be«balb
auc^ ben 2;eil bcrfelben, üon bem bie iHücfle^r gu ben ^rimorbialurfac^en unb ju (^ott
beginnen mug. iSiznn n)ir nun aber auf bie entftel^ung be« 9)lenfd^engefc^led^te« fe^cn,
fo treten un« fcf)on in biefcr bie folgen unb ffiirfungen be« Söfcn in auffälliger SBäeife
entgegen.
50 SBa« ift aber ba« S3öfeV 3)a« ganje ©^ftem be« Grig., bie moniftifc^e äuffaffung,
bie fein ®enten im ©runbe be^errfd^t, brängt offenbar barauf l^in, ba« 93öfe al« einen
nothjcnbigen gaftor ber önttüicfelung ju faffen, ber aber im Saufe berfelben überlüunben
toirb unb Derfd^toinbet. 3tttein grabe biefcr Raffung t)on ber 9loth)enbigIeit be« Söfen
gel)t boc^ (Srig. entfc^ieben an^ bem SKege; eben bamit öernjicfelt er ftdj^ aber in SBiber»
55 fj)rüd^e mit feinen ®ejamtüorau«fei|ungen unb gerät in Scf^iüierigfeiten, au^ benen e«
feinen n)ir!lic^en 3lu«n)eg giebt. dr fc^liefet felbftüerftänblid^ jebc bualiftifc^e Sluffaffung
üom S3öfen, jebe Betrachtung be«felben al« einer ©ubftan;; Dottftänbig au«. Sbenfo aber
fuc^t er ba« Söfe auc^ t)on jeber göttlichen Seftimmung, ja üon jebem Sor^eriDiffen
(Sötte« überf)aut)t fern ^u galten. ®ott crfcnnt nur, h)a« er felbft fd^afft. ^o^ 8öfe
Go aber fd^afft er nic^t unb ^at be«l^alb auc^ tein äüiffen baDon. ©0 au«brücfli(^ unb um
Scotit«, 3. @. 97
cingefc^ränh 6rig. bieg aber auc^ in einer Sln^a^I öon ©teilen 6e^aiH)tct (j. S. II, 28,
596 B. De praed. 10, 3. 394 f.), fo fielet er jtc^ an anbcren bod^ n)ieber genötigt, ein
aSiffcn Sottet um bag SSöfe jujugefte^en, o^ne ba^ er nur einen trgenbtüie genügenben
SSerfuc^ mad^te, bie beiben emanber birelt toiberf))rec^enben ©ä^e miteinanber ju Der«
einigen. @r lann ba« in ber %f}ai auc^ nic^t, benn baju mü^te er in ber 9lrt bee gött= 5
lid^en SBiffeng eine SSerfd^ieDenl^eit annehmen, toa^ mit feiner Se^re Don ber unbebingten
(gini^eit ®otte« in S5Jiberf))ruc^ treten toürbe. aber auc^ öon bem göttlichen 3}or^er=
beftimmen gelingt e« i^m in SBirflic^Ieit nid^t, baö 93öfe öoDfommen au^jufc^Iiefeen,
benn eine 9)cenge öon ßinric^tungen biefer SBelt, ja il^re gefamte ©jiftenj in i^rem gegem
h)ärtigen fmnliqen unb materieUen 3wftanbe fül^rt er ja auf bie ■Müdfftc^t auf bag (gin^ 10
treten be« 93öfen jurüdf. i^ai ®ott alfo biefe^ auc^ nid^t gefc^affen, fo \)ai er boc^ fein
9Sorl^anbenfein ober fein fünftige^ Eintreten mit in feinen aBeIti)lan l^ineingejogen (IV,
14, 807). Sragt man aber enblic^ nai) bem h)irf liefen ®runbc be^ 35öfen, fo erhält
man teil« bie mttüort, ba^ ba« Söfe überj^aujjt feinen ®runb hah^ (V, 35, 959 BC),
anberfeit« mad^l Srig. jebo^ auf bie Unftetigfeit be« SBitteng aufmer!fam , ber nic^t bei 15
bem Sege^ren be« ®uten fte^en bleibe, unb auf ben §c(^mut, ber nic^t ®ott, fonbem
ftc^ felbft JU feinem ^kk mac^e (II, 25, 582 C). 3)abei bleibt freiließ toieber bie grage
nad^ bem ®runbe jener Unftetigleit unbeantwortet. 3i^^^"f^ß^ ^^^ fw^^ ®i^'0- ^^"
®runb be« S3öfen, fofem ein folc^er über^au))t anzugeben ift, in ber formalen gefdböjjfs
liefen fjreil^eit unb nimmt babei ungeachtet feiner bielen entgegcnftel^enben 3iu^erungen 20
t^atfäd^lic^ boc^ ein Sorau^toiffen ®otte« um ba« Söfe an. (SBir bemerfen ^ier, o^ne
nö^er barauf einjugel^en, ba^ e« ein ^Sorauötoiffen ©otte«, im ftrengen ©inne, für 6rig.
bc^^Ib über^u})t nid^t giebt, toeil ®ott alle«, Vergangene« toie 3"^i"f^ige«, mit einem
93Iidfe überfielt. 5Rur bom gefd^öj)flid^en ©tanbpunfte au« lann man be«^alb bon einem
göttlichen 35orau«tDiffen reben.) 25
®a« SBöfe ift in bie 2Renfc^^eit bon bem erften 3)lomente i^rer (Sntfte^ung an eins
getreten, benn tüäre ber 2Renfc^ auc^ nur bie türjefte ^txt im ^arabiefe geblieben, fo
toäre ein %aU nic^t me^r möglich getoefen (IV, 15, 809ff., bgl. II, 25, 582 C). ®a«
^atabie« ift aber nad^ @rig. nic^t« anbere«, al« ber bem uRenf^en urf))rünglic^ beftimmte
tooQIommene 3"f*<*"^f i" ^^"^ ^ "wn freilid^ erft in ber 3w^""ft gelangen tüirb (Dgl. 30
bie Slu«einanberfe$ungen IV, 17 ff., in benen grig. u. a. bie finnlic^c äiuffaffung be«
6piJ)^aniu« bom ^arabiefe tabett 18, 833 A., bei Sluguftin eine 3Serbinbung ber finn^
Kd^en unb ber geiftigen atuffaffung finbet, fic^ felbft aber für bie rein geiftige mit Sin*
fü^rung be« Slmbro^u« unb griec^ifd^er Slutoritäten entfc^eibet). (ihm mit Slüdfic^t auf
ben %aü ift nun aber bie ©ntfte^ung be« SJlenfc^engefc^led^te« in ber SBeife georbnet, 35
bafe nic^t alle ^nbiöibuen toie bie 6ngel mit einem SOlak an^ ben Urgrünben l^erDor-
g^angen fmb (IV, 12, 799 B; bafe e« auc^ in ber öngeltoelt ein 93öfe« giebt, berüi^:
ficptigt ßrig. ^ier nid^t), fonbern erft naä) unb nac^, je nac^ ben SSerl^ältniffen ber finn*
liefen ©rjeugung ber Äör^er toirflic^ tüerben, Dermittelft ber, ebenfaß« erft au« ber ©ünbe
ftammenben ©c^eibung, ber ®efc^le(i^ter (II, 6, 533 A). 2)cnn urf^^rünglic^ ift ber 3Kenfc^ 40
efeenfo ipie bie ®ngel ungeachtet ber 5Wenge ber 9[nbiüibuen boc^ jur ßin^eit beftimmt;
erft infolge ber ©ünbe ift ba« h)eiblid^e ®efc^le(^t t)om männlicl>en getrennt hjorben,
IV, 23, 845,46; Comm. in Ev. Job. ©. 310, h^ie benn auc^ in ber 3[5ollenbung hjieber
nur ein« bafein h)irb. 2)iefe Stnfd^auung fann natürlid^ nur bei einer Völligen ^pixu
tualiftifd^en Umbeutung ber ®efc^id^te ber ©c^öt)fung unb be« ©ünbenfatle« feftge^altcn 40
toerben, für bie Drigene« bem Srig. ba« SSorbilb liefert. 3^ic^t alfo eigentlich üon feinen
95oreltem erbt ber 3Kenfc^ bie ©ünbe, unb bon einem originale peccatum ift nur in
bem ©inne ju reben, ba^ bie ©ünbe mit unferem Urfprunge in Scrbinbung fte^t,
Comm. in Ev. Joh. 311 A. SBarum nun aber jebe 3Renfd^enfeele inbem fie, nac^ freati-
anifc^er änfc^auung, roirb, auc^ in ben 3wf*a»^^ ^^ ©ünbe eintritt, ba bod^ hjeber bie 00
©attung al« folc^e gefünbiat ^at, nod^ bie göttli^e Seftimmung bie ©eelc jur ©ünbe
nötigt, ba« bleibt ein Slätfel, beffen Söfung W'xx bei ßrig. ju finben nic^t l^offen bürfen.
— 2Sir bemerfen über bie finnlic^e SBelt au^er bem 3Renf^en nur noc^, bafe nad^ 6rig.
ber gegenlpärtige materielle 3wftanb berfelben ebenfatl« burd^ bie Stüdtfic^t auf bie mcnfcf)=:
lic^e ©ünbe beftimmt ift, obtool^l er ein Ilare« Silb babon, toie fie, abgefe^en bon ber 66
©ünbe, befd^affen fein toürbe, un« nid^t giebt.
3)er le|te 3:eil be« ©^ftem« 6rig.« ift ber 2lbfc^lufe be« gefamten ilöeltlauf«, bie
SRüdKe^r aller ®inge gu ®ott. '^m 3)iittelj)unfte biefe« ganjen ^rojeffe« ftel^t bie ^^crfon
ß^rifti. ^n ß^rifto ift bie gange 3Jlenfc^l?eit, bamit aber auc^ bie gange äÜelt gufainmen=
gefaxt; tt>ie bie aJlenfd^l^eit alle ©tufen be« ©ein« in fid^ bereinigt, fo (S^riftu« n^ieberco
KeaU^nc^CtopObie fttr Geologie unb ftird^e. 3. 0. xvin. 7
98 ^toin», % @.
ba^ ganje Sein ber 3Renfc^l^cit (II, 13. 541 f.). ßr ift ber 3RittcH)unft be« (Sanjen,
unb bemnac^ mufe auc^ in bcm, hja« er t^ut unb erlebt, ber ^rojefe fic^ öoHenben, ber
bie ©efamt^eit gu ©Ott jurücffü^rt (V, 25, 912 BC). 3unäc^ft bie 3Kenf(^^eit; inbem
er fte in il^rer ©efamt^eit in feine Subftan^ aufgenommen ^at, erlöft unb befreit er fte
Baud} mit biefer. 4)ie^ gefc^ie^t inbem er ftufentoeife bie ©cteiltl^eit aufgebt unbjie jur
©in^eit ^urüdfü^rt. ®urc^ feinen 3:ob unb feine Sluferftel^unö tüirb juerft ba« ^ufeerfte
ber ©eteiltl^eit, bie ©d^eibung ber ©efc^Iec^ter aufgej^oben, benn ber Sluferftanbene ift
nid^t mel^r SKann ober SBeib. SOBeiter aber legt g^riftu« in ber Himmelfahrt auc^ ben
fmnlid^en Seib über]^au})t ah unb fe^rt in bie unmittelbare SSerbinbung mit Oott jurüdt.
10 3!)enfelben SBcg fül^rt er nun auc^ ba« SWenfc^engefc^lec^t; inbem im 2:obe ber 2cib in
bie Elemente aufgelöft, in ber Sluferfte^ung aber einem jeben ber feine jiurüdtgegeben
toirb, um nun bie ööÜige Sluflöfung unb bie Slufna^me in bie geiftigcn ^Potenjen burc^-
uimac^en V, 20. 2)em folgt bann nod^ eine bol)pelte SÖanblung, bie eine, bie alle
9Jlenfc^en angebt, nämlid^ in ba« DoDfommene SBiffen, fo toeit e« ber Äreatur befc^ieben
15 ift, unb enblic^ bie lefete, bie aber nur bie am meiften geläuterten (Seifter ber ertoä^lten
betrifft, nämlic^ bie dinfü^rung in bie tiefften ©el^eimniffe unb in baö übernatürliche
unergrünblid^e SJerfmfen in bie ©ott^eit. — 2)iefer aßanblung ber ©elfter in ©ott gebt
aber auc^ eine SBanblung ber gefamten nieberen Kreatur in bie ^öl^ere, ber ftnnlic^en in
bie geiftige unb enblic^ ebenfalls in ©Ott jur Seite. So fagt 6rig. V, 20, nac^ ber auf»
20 l^ebung ber ©efc^lec^t^bifferenj im Wenfc^en toerbe bie ganje @rbe mit bcm ^rabie^
(f. oben) geeinigt toerben unb nur ba« ^jjarabie« toerbe noc^ ba fein. 3)ann aber tpcrben
auc^ Öimmel unb @rbe geeinigt toerben unb nur ber ^immcl nod^ fein. 3)enn in biefer
SSereinigung toirb nid^t au^ jtoeien ein britte^, fonbem ba^ ^öl^ere nimmt ba^ 9liebcre
in fxd) auf. ^ann aber loirb aud^ bie gcfamte finnlic^e Kreatur mit ber inteQigibeln
25 Dereinigt, fo ba^ nur bie inteHigible bleibt, cnblid^ toirb bie intetligible Slatur mit ©ott
bereinigt, unb fo toirb ©ott alle« in allem. SBie fic^ @rig. bamit ba« gortbefte^en
jjerfönlid^er Unterfc^iebe, baö er annimmt, unb ba« Jforttoirfen ber $rimorbialurfac$en
al« folc^er benft, ba« muffen toir ba^ingeftellt fein laffen.
3)a« ift alfo ber 2lu«gang be« ©an^tn; alle toibematürlic^en Sc^eibungen ftnb
90 aufgel^oben, alle Staturen finb ju i^ren 5ßrimorbialurfad^en unb mit biefen gu ©ott gurütf^
geführt. 2)amit ift nun in ber Äonfequenj be« Softem« aud^ bem SBofen fein Urteil
gef))rod^en. 2)a« Söfe ift ja nid;t« SubftanjieHc«, nid^t«, n)a« in ben ^rimorbialurfad^en
feine Stelle ^ätte; e« ift nur burc^ bie Unftetigleit be« freien SBitlen« herbeigeführt al«
ein Slcciben« ber üon ©ott gejc^affenen 9laturcn. 3"^^"^ ^^^ ^^ 3ß\ti^ ber 5Raturen
85 geheiligt unb mit ©ott öerbunben toirb, fte^t er in DoUcm ginllang mit bem göttlid^en
ffiillen; e« faßt alfo jebe Urfac^e bc« Söfen If^intoeg. ßbenfo muffen aber audj^ bie
folgen bc« böfen SBiUen« fortfallen, bie ja niemal« bie ©eftalt öon Subjtanjen ober
iKaturen annel^men fönnen, fonbem nur al« 3lccibenjen an ben 5Raturen erfqeinen. 3)ie
malitia alfo toirb mit allen il^ren ^Jolgen aufgel^oben; ba« Söfe in jjeber gorm ifi am
40 (Snbe ber SBeltgefc^ic^te üemic^tct. 2)ie« ift bie richtige unb notlüenbtge Äonfequenj be«
Softem«, unb ©rig. felbft f)at e« nic^t unterlaffen, fie me^rfad^ beutlic^ unb beftimmt
genug au«juj))red^en. 2)enno(^ bürfen h?ir l^ierbei nid^t fte^en bleiben, loeil er felbfl
babei nic^t fte^en geblieben ift. !Eenn bcm genannten Slbfc^luffe in ben 2lnfan8«Ia))iteln
be« fünften 33uc^e« läfet er nun nod^ ungemein h)eitfd^n)eifige (Srörterungen folflwt, beren
iö^iel !ein anberc« ift, al« ju geigen, tote ba« 33öfe bennoc^ fortbauert unb toon ®ott
geftraft hjirb. SBie man über 6rig.« ^crfonlic^e Überzeugung aud; beuten mag, jebenfott«
barf man bicfe Slueeinanberfefeungen nid^t ignorieren. Grig. beruft fid^ gegenüber ber
origcniftifc^en Se^re üon ber ^pofataftafi« auf bie ^l. Sd^rift unb bie Äirc^enlel^re, bie
eine eioige ^ortbaucr bc« Söfen annehmen unb Dcrfuc^t nun eine 3ledE»tfertigung berfelben,
60 bie aber freilid; fo Unbenfbare« aufftcUt, ba^ man bie 2lbneigung hjo^l begreift, nä^
barauf einjuge^en — unb boc^ ift ber 2)arftellcr baju öerpflicbtet. 311« ©runblage feiner
2tu«einanber)e^ungen fönnen toir anfeilen, toa« er V, 30, 910BC au«f))rid^t: oogimur
namque fateri aut quod penitus non est in rerum natura per se absque uUo
subjecto posse puniri . . . aut quoddam naturale subjectum supplicia pati . . .
56 aut puniri quod non est tarnen in subjecto aliquo quod est omnique poena
liberum punitur. 2)en crftcn Jatl crtlärt er mit 9kd>t für ein Unbing, ber jtoeite ift
offenbar bie Äircbenlcbrc, aber ßrig. bält e« feiner ©runbanf4>auung nac^ für unmöglidj,
ba^ eine 5Jatur, cttoa« Don ©ott ©cfcbaffenc«, cmig leiben feilte, dagegen fagt er in
Schiebung auf ben brittcn Aall: puniri autem Vitium quod non est, in aliquo
60 tarnen quod est, et impassibile est, quoniam pati poenas non sinitur, credi-
©cotit«, 3. e. yji
bile mihi videtur verique simillimum. 3^^^ ^inge erfd^etnen l^ter bod^ DöUig un-
be0rcifli(^, erften^ toie ba^ Saftcr an einer reinen 9latur haften foB, of^ne fie ju forrum=
pieren, jtoeiten« toie ba« Safter, eben toeil e^ für fic^ nic^l^ ift, anber^ öeftraft tüerben
fann, afe an ber SRatur, bie bamit behaftet ift. Seiber muffen toir ^in^ufe^cn, bafe ©rig.
in (dlm feinen Ipcitläufiöen Erörterungen nirgenb« eine auc^ nur fd^einbar genügenbe 6
Slnttoort auf biefe ^age bietet, greilid^ tüeift er ba« 5Woment, ba« an ber 9Jatur l^aften
unb o^ne SSerlefeung unb Sc^äbigung berfelben beftraft hjerben jott, au^brüdlid^ nac^,
inbem er eö in oem böfen SBitten ju finben glaubt. 2Bo biefer be^arrt, ba quält er ft^
fetbft burd^ bie Erinnerung an bie ®üter, benen er nac^geftrebt l^at, unb bie i^nt nun
für immer entzogen ftnb k. 3lber für bie Söfung ber §au})tfrage, toie biefer böfe SöiDe 10
fortbefte^en fann, toä^renb bie 9Jatur DoDfommen gereinigt ift, trögt bie ganje, an fic^
fe^ einbrud^öotte ©c^ilberung nic^t^ au^. Unb ba^ um fo toenigcr, toenn toir unö
erinnern, ba^ @rig. fonft ja ben SEBiUen burc^au^ nic^t a(d ein bloge^ 9(ccibcnd ber
$Ratur anfielt, fonbem li^n fogar ate ba« eigentlid^ SBef entließe an ibr betrachtet. SBie
foU bann ber böfe SSäiHe im 3ufö»"tt^^n)^fln0« »"i* ber DoIIfommenen ylatur fortbeftel^en? is
9iun ift aber merteürbig, ba^ inmitten jener, tpir muffen fagen öer^tueifelten, Slnna^mcn
toiebcr ein ©a$ auftritt, ber fie, toenigften« toa^ bie 3)lenfc^|eit betrifft, ganj überflüfftg
ju machen fd^eint. ®rig. bringt nämlic^ Äaj). 38, ©. 1006 bie anficht mx Qpxa^t,
bie faft allen Slutoren gemeinfam fei, bafe fo t>iel Wenfc^en in ba« l^immlifd^e SReic^ ein-
treten iDerben, toie ßngel gefaÜen feien, unb bemerft, hjcnn ba« richtig fei, fo mü^te ent= 20
toeber bie 3^' ^^ "^d^ ""^ ^^^ geborenen 3Wenfc^en ber jener Enget glcid^ fein, ober
man mügte annehmen, ba^ nic^t aQe ^Renfc^en jum ^M i^rer @(^ö))fung gelangen
h)ürben, quod praecedentes rationes de salute totius humanitatis in Christo
incunctanter roboratae omnino prohibent assumi. Er felbft ^ält )tt)ar jene erfte
a3orau«fe|ung nid^t für ^inreid^enb begrünbet, meint aber jebenfaH« totum genus 25
humanuni et in Christo redemtum et in coelestem Jerusalem reversurum
esse (1007 C). Dann tüürben alfo nur bie Dämonen unb ber Xeufel ber einigen SSer^:
bammni« berfaHen — j)rinjij)ieH toirb aber ben im tjor^ergel^enben bargelegten ©c^toierig«
feiten bamit gar nic^t gel^olfen, fie bleiben gan§ bicfelben, ob bie 3<*^I ^^ 3Serbammten
eine größere ober geringere ift. — SBir toerben bemnad^ fagen muffen: bie Äonfequcnj 90
be« ©^ftem« Erig.« forbert burc^au« bie Seigre bon ber 3t))ofataftaft«, unb too er folgen
richtig benft, fommt er auc^ auf biefelbe l^inau«; toa« er bagegen jur Segrünbung ber
entgegcnfte^enben Slnfd^auung fagt, öertoidelt i^n in unlösbare SJibcrfj)rüd^c unb in Sin«
nahmen, bie fic^ mit feinen 3Sorau«fe^ungen in feiner SKeife bereinigen laffen. Damit
ift ja no(^ nic^t belpiefen, ba^ er biefe Slnfic^t nid^t bod^ gel;abt ^abm fönnte, aber 35
aHerbing« machen bie betreffenben 3lu«einanberfe§ungen be« fünften Sudie« ben
Einbrurf, bag er l^ier in ber %l)ai nur ber geltenben Mirc^enlel^re ju liebe Setoei«^
fül^rungen beibringt, beren ©c^toäc^e unb Un^altbarfeit il^m felbft nic^t »erborgen toar,
h)ä^renb feine })erfönlic^e Überjeugung aud^ l^ier mit Drigene« ging.
9Bir l^aben an biefem ^ßunfte ber ebenfo an fid^ merftoürbig ioie für Erig.« ©tetlung 40
^ur Äirc^enle^re h)id^tig ift, eth)a« länger Derhjeilt, im übrigen galten toir e« nic^t für
nötig, feine ©tetlung gu il^r in ben einzelnen ^^unftcn naiver ju erörtern, n^eil er im
ganjen jebenfalt« bte 3lbficbt l^at, ber Äird^enlel^re treu ju bleiben, feine gertigfeit in
Umbeutungen aller Slrt e« i^m aber aud; leicht mac^t, ben äüiberf^^ruc^ ghjif^^cn '\\)x unb
feinem ©^ftem nic^t blofe Dor anberen , fonbem auc^ Dor fic^ f eiber ju üer(^üUen. ©0 45
bebient er fid^ benn g. S. bielfac^ trinitarift^er gormein; er nimmt an, bap ber SSater
im ©o^ne, bem Sogo«, ber intelligent, bie ^^rimorbialurfac^en fc^afft, hjä^rcnb er in
bem ^l. ©eifte ba« toirffamc ^rin^it) fie^t, burc^ tüeld^e« fotool^l biefe Urfac^en ^u i^rer
35Jtrfung in ben Effeften übergeführt, n)ic auc^ ben 5Kenfd;en foiro^l natürlicl^e toie geift=
lic^e ®aben erteilt h)erben. Dh aber bie trinitarifc^e äluffaffung t)on ©Ott im ©inne 50
ber ftirc^enle^re ftd^ mit feiner anfid^t Don ber fd;lcc(»tl;in un}ugängli4>cn unb unbegreifs
Heiden SBUefen^eit ®otte« h)irflic^ Dereinigen laffc, ba« ift freitid^ eine anbere JJrage, bcrcn
grünblic^e Erörterung toir bei Erig. nid^t erirarten bürfen. Ebenfo ^ält fid) Erig. burd^-
au« an bie übliche Se^re Don ber ^erfon E^rifti unb fc^t fie mit feinem Softem in iscr^
binbung, ol^ne tieferliegenbe ©c^iüierigteiten ju berül^ren. §infi(^tlic^ be« 3öcrlc« Gbrifti 55
aber glaubt er Dottenb« burc^ ben ©a$, bafe in El^rifto fid^ bie gefamte Erlöfung Dott^
jie^e, mit ber Äirc^e in Dollftem Einflang ju ftcben, toä(>rcnb er auf ba« 3Jäbcre, iüie
\xd^ bie ^[eilbringenbe SBirffamfeit E^rifti ooUjie^t, nic^t toeiter eingebt, ober nur gcmiffc
gebräuc^lid^e SBäenbungen toieber^olt. Diefe«, man muß fagen obcrfIäd>lid)c i>crbaltcn
jum Dogma fü^ un« nun no^ auf bie grage, ob man Erig. al« ben „i^ater ber üo
100 ®cotitd, ^0^. ®cri)itori0
Sc^olaftif" be^cic^nen bürfe. 2)er „??ätcr bcr Sd^olaftif" fmb nac^gerabe fo t>ielc genannt
tDorben, ba^ man jtocifeln mufe, ob irgcnb einem einzelnen biefe^ ^^Jräbilat gcbül^rt. S)em
erig. aber fc^on bei^^alb iebenfatt« nid;t, \ml fein ganje« S^^^^ff^ ^*^^ ^^^^ \>^^^'
fop^ifc^er al« tl^eologifc^cr 2lrt ift, tüie fc^on bie fragen, bie er am auöfü^rltd^ften unb
B mit bem größten 3l"^^^^R^ be^anbelt, beutlic^ geigen. 2)em entfrrec^enb tft auc^ fein
t)erfönlici^er Stanbpunft ein toefentlicb felbftftänbigerer, freierer, afö ber ber ©c^olafttfer
f))äterer ^tit 1)afe er auf bie fd^olaftifc^e 3)enfarbeit aber in bebeutenbfter 2Beife ein^
gen)irft \)ai, ift bamil natürlid^ nid^t au^gefd^Ioffen. — 3luc^ ba« SUer^ältni^ be^ (grig.
jur 3Jl^ftif ift ein eigentümüd^e^ ; il^n felbft !ann man feinen 5Kvftifer nennen, ba er
10 ben perfönlic^en (Srfal^rungen be«^ 9K^>ftifer« enttüeber überl^au})t ferngeftanben ober bo(^
fic^ in feiner 2Beife barüber geäußert ^at. Sluc^ hjerbcn bie m^ftifc^en ©ebanfen, Don
benen fein ©Aftern üoD ift, bon i^m nur bialeftifc^ gered^tfertigt. 3)e«ungeac^tet l^t er
burd^ biefe ©ebanfen ebenfo lüie burd^ bie Überfe^ung ber bion^ftfd^en Schriften unb
feine Kommentare baju einen ungemein bebeutenben ßinflufe auf bie fpätere ©nttoiielung
15 ber 2Jlvftif geübt.
Über^au})t toirb ber (Sinflu^, ben @rig. auf bie Anregung felbftftänbtgeren fj)efula=
tiben 3)cnfen« im ^Mittelalter gebabt l^at, nid^t gering anjufc^Iagen fein, unb jebenfatt^
njar er größer, ate fx6) ftreng nac^hjeifen lä^t ober toenigfteng bi« je^t naclgetoiefcn
toorben ift. 5RamentIic^ fc^eint er im 12. 3<»^^^wnbert biel gebraucht toorben ju fein;
20 Äonoriu^ Sluguftobunenft« liai i^n in umfaffenber SBeife benu^t, unb Söill^elm »om
SJalme^burV giebt berl^ältni^mäfeig reid^Iicbe 9lad^ric^ten über i^n unb fein Äaujjttoerf.
3loc^ größere Slufnal^me aber mufe er in ben erften ^ö^^se^^^^en be^ 13. 3a|r^unbert^
in $ari« gefunben l^aben, fo ba| man nun auc^ anfing, firc^lic^ gegen feine ©^riftcn
borjugel^en unb enblid^ §onoriu6 III. bie 3SertiIgung feinet SBerfe« De divisione
26 naturae anorbncte. Di)m 3tt)eifel l^at ba^ ber Sefc^äftigung mit t^m bebeutenben Ein-
trag get^an, unb in f^äterer 3eit ift er in fo böHige Sßergeffenl^eit geraten, baj ber
3nbej, ber auf ®el^ei| be« 3:ribentinum« angefertigt iüurbe, i^n gar nic^t ertoäl^nt, 3Han
^olte e« f))äter nad^ inbem man unter ©regor XIII. 1685 bie ed. princeps bon ®ak
auf ben ^nbej fe^te.
30 2Ba« für ©ng. unfrer ^eit ju tbun übrig bleibt ift einerfeit« eine boDftänbige unb
h^irflid^ fritifd^e 2tu«gabe, bie jugleid^ bie 3Rad^toeifung ber üon i^m citierten ©Triften
im eimelnen geben mü^tc, bann aber eine genaue Unterfuc^ung be« 33erl^ältniffe^ b«r
®ebanfen 6rig.« ^u benen feiner 3Sorgänger, au3 ber ftd^ mit ©ic^er^eit h)ürbe cnt-
nef^men laffen, n)ie iüeit bei il^m hjirfli^ bie 3tnfä$e neuer (Sebanfen reichen, ate beren
36 erften 3lnfänger man i^n oft boc^ nur be^tpegen ge))riefen l^at, tüeil man mit feinen Sor-
gangem nic^t l^inreic^enb betannt hjar. @. 9W. ^e»tf«i.
Scrt^itori«, $aul, fc^olaftifd^er SE^cologe, geft. 1505. — 9Jic. ?aulu«, $. 6., ein
Qnc^eblidjcr SJeformotor oor ber SJeformation in X^OS 1893, 289—311; 3.3. S^ofcr, Vitae
professoruin TubiDgensium ord. theol. 1718, 8. ()0— 68; 9lbSB 33, 488 f. (iRcufc^); Ä. 6teiff,
40 3)er erfte »ucftbrucf in Tübingen, 1881, 8. 49 f., ba^u bie Siloüh Don (S. 9?cftle in »Ifitter f.
tt)ürtt. m. 3 (1888), 8. 88; at)vonicün be« Aour. ^eUican, ^r^g. 0. SB^. migaenbo*, 1877,
8. 12 ff. 20. 23 ff. 44; <q. ^urtcr, Nomenciator literarius theol. cathol. IV 1899, 921-23.
$aul ©. ift um 1450 in ber fc^)h)äbifc^en Sieid^^ftabt Söeil geboren unb trat frii^«
in« Älofter bei ben 93Jinoriten ber Dbferbanj ein. 5iac^ ^ari« öerfd^icft l^örte er namentlich
46 bie SSorlefungcn feine« f)oc^angcfef)enen Crben«genoffcn BUp\}an Srulefer (geft. 1496),
ber einen ftreng ffotiftifc^en ^Hea(i«mu« lef^rte (ögl. ^rantl, ©efc^. b. Sogif IV, 1870,
©. 198) unb ft)äter h)ä^renb feiner ÜBirffamfeit an ben Orben«f(^uIen ju 9Kainj unb
Wci^ einen ©entenjentommcntar nad; Sonabcntura f)erau«gab (über il^n I^S 1893,
289 ff. ; aSe^er u. äöcite, .Hatb. Äirc^enlejifon IP, 1355 f.). ^n qjari« ^atte üon 1473-1181
60 bie ftotiftif(^=realiftifd;e Slid^tung bie Cberbanb gewonnen, toobci auf tonigl. SSefe^l bie 24
odamiftifcben i^ef^rer ber Uniüerfität mit ©cioalt entfernt tüurben (bgl. ^rantl a,a. D. lB6f.).
3u gleid^cr ^(t'xt fud^te fid^ bie ffotiftifcbe ^Heaftion al« via antiqua an ben fübtrejl*
beutfc^en Uniuerfitäten gegenüber bcm bort allein ^errfd[?enben Ccfami«mu« (via moderna)
feft^ufc^en. 2)en 9JJännern, bie bie« eneic^ten, ^o^ann ^c^nlin (f. b. 3lrt. 93b VIII ©. 36),
66 Äonr. ©ummenl^art (f. b. %), BUpl). Srulefer u. a. gefeilt fic^ $. ©. bei. Do« 9^
ftreben biefer ^3JJänner tüar, gegenüber bem oben 55^^^"«^^^»""^ ""^ fomc))tuaUf|if(Sen
„2ermini«mu«" ber odamiftif^en Sogif unb (Jrfenntni«tl^eorie eine ariftotclifc^reaUftift^e
SBetracbtung^itoeife bcr 2L>irtiid){cit 3U crniög(id>cn (nos imus ad res, de terminis non
curamus), fotoie ben bemunftfcinblid^cn ^utorität«ftanbj)unft Ddam« (ögl. 0. 8b XIV
^ttiptoti» 101
5. 270,41—271,31) imSinnc bcr älteren ©c^olaftif hjieber burd^ eine rationale Segrün=
ung ber ©lauben^Ie^ren ju erfe^en (ögl. §. ÄermelinI, ®ie tl^eologifc^e ^alultät in
Tübingen öor ber JHeformatton 1906, 2. Slbfdpnitt, 3. Ra\>.). SBeil babei gegenüber
en „fermocinalen" SBiffenf d^aften ber fc^olaftifc^en Sogif, ©rammatil unb SR^etorif
lieber me^r SBert auf bie „realen" iBiffenfc^aften (5Keta^^^>fiI, ^^vPl, Watl^ematif 6
nb 6t^i!) gelegt tourbe, barum ^ai biefe via antiqua im ©egenfa^ ju bcn mo-
emi bem ^umant^ntu^ an ben fübh)eftbeutf(^en Uniberfttäten ben SBeg bereitet (bgl.
m Sluffa^ über bie 2lnfänge be^ "Äumani^mug an ber UniberfUät Tübingen in SBürtt.
HerteljaMHt« 1906, Mt 2; Ä-TOütter M inÄ®II, 1, 203 u. 257 ©. unb Summen^
art nic^t mit üoUem Jfed^t birelt ben l^umaniftifc^en i^eologen beigeorbnet); unb hjeil lo
ie^ Unterfangen mit einer bielfac^en Äritif an ben beftel^enben 9Serl^ältniffen üerlnü))ft
KIT, barum fmb jene Wänner ate „3^"9^ ^^ SBa^r^eit" bon ber lommenben ©ene^
ition in ber SReformationö^eit begrüfet toorben.
©. toar toeber §umanift no(| Sleformator öor ber Sieformation. (Sr f)ai für ben
otiftifd^en SReali^mu« in bem eben aufgeführten Sinne bieUeic^t in SKatn^ unb \pättt i6
:^ 1501 aU ©uarbian be« granji^fanerflofterö in a^übingen getoirft. Cbtool^l nid^tSlm
poriger ber Uniberfttät l^atte er in feinem Älofter al^ „acutissimus Scotista" auc^
iä ber ©tabt befuc^te 33orIefungen über bie ©entenjen nac^ 3)ung ©cptu« gel^alten.
nter feinen ©c^ülem tüerben genannt S^l^omaö 5Bv*^^"&^^ (f- ^- 2trt.), ber SBa^Ier
f^er gt^insli^ ; f^nter ^aul 33oIj, toeld^er f})äter ju a5}im})l^elina« ©c^lettftabter Ärei« 20
J^örte, bann aU eöangelifc^er $faner ju ©tra^burg gegen bie Äonforbie i)rebigte unb
irc^ feine B\)mpati)k für ©c^toendfelb fid^ au^egeid^net ^at ; enblid^ ber 2tugufttner 3ol^.
tentel, ber al« ebangelifd^er ^rebiger au^ ©tuttgart bertoiefen h)arb unb im Sa^re 1 530 ju
[gg im 3ürtc^biet geftorben ift. ^a faft ba« game Slugupinerllofter unter gü^rung bon
ob. ©tau))i$ l^abe bed ©. SSorlefungen über 3)un« ©cotuö gehört, erxä^It fein bebeutenbfter 25
4ülcr Äonrab 5PeDif an (f. b. ä. S3b XV ©. 108), ber fein Seben lang bie Sln^äng--
^feit an ben älteren greunb unb Drben^genoffen betoal^rt l^at. 3«»" 2)rudf biefer floti-
fc^en Sorlefun^en beranlafete ©. bie Überftebelung be« Sud^bruaer^ Otmar bon SReuts
igen naö) iübmgen. ©0 hjarb benn bie „Lectura fratris Pauli Scriptoris ordinis
inorum de observantia, quam edidit declarando subtilissimas doctoris sub- so
lis sententias circa Magistrum in primo über" ate erfter 2!übinger 2)rud am
L 3Jlär^ 1498 beenbigt. ä)ad umfangreiche SBerf betoeift, ba^ ©. in erfter Sinie fc^o-
ftifc^er 3:^eoIoge tüar; bon eigentlid^ reformatorifc^cn Slnfic^ten lann feine Siebe fein.
0^ f)at ©. ba^ Kommen einer neuen ^eit berf^ürt unb l^at n)enigfteng auf einem
•ebiet, bem mat^ematijd^=aftronomifc^en, bie 93rüde bon ber ©c^olafti! jum §umaniemu« 35
rfc^lagen. gr fjjrad^ mit ^ellitan über eine 3cit, ba man bie Ideologie umgeftalten
erbe, ba man bie fd^olaftif^e 3)iet^obe aufgebe unb ju ben alten Äirc^enbätem jurüd^
^e. 3luc^ bie meiften ®e|e^e müßten geänbert toerben (ß^ronilon 24). 95ei SHeud^Iin
mte er griec^ifd^, boc^ fd^cint er t^ nic^t ju biblifc^en ©tubien bertbenbet ju i)abm.
Jentgfteng bie einzige SJotij bei ^eUifan über feine 93ibelauelegung bcfagt, bafe er am 40
eft ber ^ßrieftertoei^e be^ 5ßeIIitan eine 5ßrebigt über bie fünf golbenen SJläufe ber ^l^ilifter
©a 6, 4 f.) gehalten unb bie^ ^l^ema aDegorifc^ auf bie l^ebräifc^en ©tubien be^
rimuianten angetbanbt If^abe; ^ellitan tbeife fj)äter felbft nic^t, tbie i|^m baö gelungen
i. dagegen für mat^ematifd^c ©tubien l^at ©. bie Kenntnis ber griec^ifd^en ©jjrac^e
tiüftt. Sr ^ielt in feinem Älofter SSorlefungen über bie ito^mogra^ji^ie be^ ^totemäu« ; 40
i ^be er faft alle 3)oftoren unb 3)lagifter ber Uniberfttät 5U ^ul^örern gehabt, nament*
^ ber fj)ätere Slftronom unb §umanift ^ol^ann ©töffler ift einer feiner ©d^üler. 3!)en
lönc^en in SBebenl^aufen jeigte er bie 2(nlegung eine^ 3tftrolab^, unb in engerem Äreife
feinem Älofter erllärte er bie fünf Sudler beö ßuflib.
5Rebenl^er übte ©. eine au^ebe^nte ^rebigttl^ätigfeit au^ ; auf bie Äanjeln in ber so
mgegenb nac^ Reutlingen unb §orb ioarb er öftere berufen unb geißelte ^ier in fo
nmütiger Siebe bie TOifebräud^e ber ^^xt, bafe er barob ben Untbiüen ber Xübinger
eologifc^en Uniberfitätelel^rer ^erborrief, toetc^e il^m tbegen be^ ftarfen ßulaufg feiten^ ber
tubentenf(^aft o^nelf^in mifegünftig gefinnt fein mochten. 6r hjurbe bei feinem ^robin-
il berflagt unb, ba er jubem bei jeinen iRönc^en nic^t beliebt tbar, im ^^^re 1501 56
'berufen. 3"^ Älofter ju Safel burfte er fid^ bon ba an nur nod^ mit fc^riftfteUerijc^en
rbeiten befd^äftigen unb fottte fic^ \pättx bor feinen Oberen 5U 3öbern tbegen feiner
nmütigen Äußerungen rechtfertigen. CSr toid^ jebod^ einer etibaigcn ©interferung au^
ib ging über SBien nad; Slom, um an ^öc^fter ©teile feine Sa^e borjutragen. Un-
^ettigt lehrte er toieber jurücf unb foUtc auf 33efe^l be^ ©eneralbitar^ be^ Crbeni^ in ♦>»
102 ^ctipim» Scriner
S^ouloufc X^eologic lehren. Sluf bcr 5Rcifc bortfjin ftarb er am 21. DItober 1505 im
Älofter Satfcr^berg im Dbcrelfag. ©. ftc^t auf bem Übergang Don ber alten ju bcr
neuen ^^'xi-, er ijat \vk manche flotiftifd^en Ideologen neben ii^m me^r al« anbere baö
9lcue l^crbcifü^ren l^elfen ; boc^ ^at er ftc^ t)on ber fc()oIafttfd^en 3Ket^obe nic^t lo^emac^t.
6 T>ie treul^er^igc grcunbf^aft mit bem biet jüngeren ^eUifan unb nic^t minber bie frei^
mutig (^arafterüoHe Äritif an befte^enben Wifebräud^en, toelc^e mit bem SSerlufi ber
h)ijfenfc^aftlici^en Wufee bejal^lt h)erben mu^te, erh)edfen bie ©^mjjatl^ie für bie ^erfön--
lid^feit be^ ©d^olaftifer^ ©cri})tori«. ^. ^etmelinf.
Scrhieiter, greberif $enr^i Slmbrofe, tüurbe in SSermonbfe^, Oraffd^. ©urreto
10 am 29. ©ej)tember 1813 geboren, fanb feine SBilbung im 3:rinit^ ßoÜege in ßambribgc
unb tüar feit 1838 in berfd^iebenen Drten ©nglanb« im ^farramte tbätig. @r na^m
^erborragenben atnteil an ber Siebifton ber englifc^en Überfe^ung be^ 31%. 3tuf iDiffen^
fd^aftlic^em (Scbiete Jtnb attgemein anerfannt feine 33exbienfte um ben Sibeltqrt f. biefen
älrt. Sbll ©.766, 62 ff. ©cribener ftarb am 30. DItober 1891 in §enbon, gjlibblefes.
15 Scrtöcr, S^riftian, erbauuna^fc^riftftetter, geft. 1693. — giciifte« aRatcrioI j^ut
Äcnntnid ht^ inneren unb äuöcren ficDcn§ ©.^ bieten feine eigenen Schriften. — €ct6 (Iah
öifiuÄ l)Qt in bcr ßeic^enprcbiot (^clmft. 1684) qIä §tnl^ang eine ficben^ff i^j^e @.Ä beigegeben;
«ßipping, Mem. th. dec. IV, Lipe. 1705, p. 466—482; gKotter, Cimbr. lit. tom. I, p. 614
bis 619. m^ erftcr SBiogrop^ 6.« wirb Otto ©cinlc^cnf (SJlagb. u. fipjg. 1729) u. ftettner
20 (Clcrus Jacobaeus 1730) genannt. 5luö neuerer Seit: $Iat§ in b. cü. A3. 1862, 53b 71,
^. 4; bie for^tnltige Sl'rbeit üon Äricg, SJJ. ©^r. ©er., eine fiebcn«bcfc^r. o. b. 17. Saftr^..
$>reSb. 0. 3.; Dgl. audi ^agenbacf), SBorlef. über b. ®cf4. b. IRef., 4. ©b, u. b. cö. ¥rot. U,
177; bie SBiogr. Don ergenjinger bei Äilaibev, et). S3ol!Sbib(. 3, Iff.; Scftmibt, ®efd). b.$reb.
1872, 8. 110-116; ?Rott)c, ®efd). b. $rcb. 1881, @. 372; $. SSccf, S)ic rel. SSoIfÄlit , ©ot^a
26 1891, @. 143 ff.; ©roffe, 3). alt. Xröfter, ^crmann^b. 1900, ©.253 ff. mit Eingabe ber neueren
§(u§g. u. 93earb. ©.fc^er ©cbriften.
G^riftian ©aiber ift am 2. S^nuar 1629 ju Slenböburg geboren. 3la6) bem lobe
beg i^ater^ ftanb er bon früher §ugenb an in ber ©rjiel^ung einer frommen 3J?utter,
t)on bcr er bleibenbc ßinbrücfe für fein ganje^ fj)ätere^ Seben emtofangen ^at. 3" Stoftorf,
30 too er fid^ bem t^eologifd^en ©tubium h)ibmete, übte bor auem 3oa(^i"i Sütlemann
(53b XI ©. 681) einen entfc^cibenben ©influfe auf il^n au«. 5Rac^ aSoIIenbung be« tl^eo=
logifcben ©tubium« hjurbe ©er., crft 24iä^rig, 1()53 al« Slrc^ibiafonu« na(^ ©tenbal unb
1067 al« Pfarrer an ©t. ^satobi nad^ 3Jlagbeburg berufen. §ier ftanb er afö ©eelf orger,
^rcbiger unb ©c^riftfteBer auf bcr |)öl^e feiner SBirffamfeit. 5Kit feiner SKagbeburger
36 ©cmcinbc toar er 23 ^ai)xt lang eng t)erbunben. ^n l^öberem 3llter folgte er auf ben
""Mai ©>)cncr« einem JHufe al« Dbcr^ofjjrebiger nad^ Clueblinburg. ©eine Äraft aber toar
bereit« gebrod^cn; nac^ brei ^a\)xm ftarb er am 5. 'ilpxxl 1693. ©ein 5!ßal^lfj)rud^ toar:
211« bie ©tcrbenben, unb fiel^e, toir leben.
©er. gebort ju jenen 2^l^eoIogen unb Äird^enmännern, bie toie fein 3^i^Ö^*>ffc
40 .^cinric^ 3JhilIer (Sb XIII ©. 521) in ber jtoeiten «öälfte be« 17. S^W^nbert« gegen
bie mcbr unb mc^r bertjortretcnbcn ©c^äben bcr lutberifc^en Äir4>e, öor attem bie 58e^
äu^crlic^ung, ibre ©timmc ergeben unb baburcb bem ^icti«mu« bie93a^n bereiten; ©ct.
irar mit ©pener befreunbet, unb üon beiben liegen 3^"Ö"^ff^ gegenfeitiger Slnerlennung
unb SBcrtfc^ä^ung Dor. SBäenn auc^ bon bem Übereifer einzelner feine Sled^tgläubigfeit
45 Dcrbä(^tigt toorbcn ift, er ftcl^t bod^ unjtoeifclbaft im 3J?itteIpun!t ber luti^erifc^en 2ebre:
bcr 5(rtifcl l^on bcr ^liccbtfertigung au«©nabcn ift i^m ber 2luga>)fel ebangelifd^en ®laus
ben«. SBa« ©er. prcbigt, toa« er fd^reibt, ift gruc^t unb 3c"Ö'^i^ ^^"^ ^^^^ mancherlei
Ärcu^ gereiften tiefen Innenleben« unb einer reicben 3lmt«erfa^rung. 3)aju gefeilt fid^
bei ihm ein boF)e«5J?afe natürlicher Begabung, eine Icbenbige, boc^ immer gebügelte ?ßl^ns
60 tafic unb ein offener SlidE für ba« 9?aturlcben, ba« ibm }^n einem großen ©letc^ni« für
bie d>rift(icben Ji^abr^citcn h)irb. 2)abci banbl^abt er bie ©>)rad^e mit betounbem^toerter
!L'cidnigtcit ; fein ^eriobcnbau ift burc^fidbtig, !lar, abgerunbet; nur feiten toirb er
fd^lcppcnb. 3Ba« er bietet ift immer fri)4), gefällig, anmutenb, faum beeinträchtigt burc^
bie bem 3^'itgefc^madE cntfprcdE^cnb cingeftreuten geleierten »^utbaten.
of) Xer ^Jarne ©er.« ift in bcr ct)angelifc^)cn ftircl>c burcl) feine ^ablreid^en ©c^riften bi«
beute in gefegnetem 5lnbentcn crl^altcn iüorben. ©eine ^rcbigtfammlungcn tragen in ber
^Hnlagc eine gciriffe ©Icicbförmigfcit an \\dj, bie aber burdi erfrifd^enben ffiec^fel unb
!'Kcid/tum bcr öcbanfcn aufgciüogcn \mx\>. Sl'cit U^crtijollcr finb bie ju einem 9$olf«buc^
geworbenen „Zufälligen 3lnbacl>ten" (10()7; 'Scrl. 1867, Saf. 1893), ju toeld^en il^m bie
®artlier <BtnlUtu9 103
plet(^bcnannte ärbcit be« ©nglänbcr« ^of. §att bic anregung gegeben f)at, 400 ?ßarabc(n,
m benen tj^m bie ®rfc^einungen be§ ^Ratur^ unb be^ 3Kenf4)enlcben« jur fic^tbarcn SRebc
tDcrben, bic er in fc^Iid^ter, aber begeifterter ©})rac^e mit tief|)oetif(^ev 2luffaffung ben
3Renf(i^en bolmetfc^t. (gbenfo l^at bie au^ eigener (Srfal^rung h)ä^renb unb naä) einer
Äranf^eit entftanbener Schrift „®ott^oIb« Sied^^ unb ©iege^bette" ben Seifatt be§ etjan^ 6
gelifc^en 95oIfe« gefunben (neue 2luäg. ©tuttg. 1870). 2lud^ bie Chrysologia cateche-
tica, (fieben) „©olbprebigten über bie $au))tftücfe be^ lutl^erifc^en Äated^iömu«" Derbient
ertoäl^nt gu tüerben (neue äugg. ©tuttg. 1861).
25or allem aber ift e^ ba« großartige, bi« je^t unübertroffene SBerl ,,3)er ©eclen^
fc^a^", burd^ ba« jt(^ Sa. ein too^lDerbiente«, bleibenbe^ ©ebäd^tni« geftiftet l^at unb lo
baö bieten ein gül^rer auf bem §eiIgtoege getoorben ift. 6« ftnb urf})rünglid^ ^rebigten
au^ ber 5Kagbeburger ^eii, jebod^ f})äter überarbeitet unb erweitert, in ber gegenwärtigen
©eftalt erbauliche Vorträge, gu benen ftc^ ber t>orangefteIIte 3:ejt nur ate ein me^r ober
Weniger entfprec^enbe« 5I)cotto berl^ält. 2)a« SBerf erf^ien 1675—1692; neuere 2tu«=
gaben bon SRub. ©tier, §annober 1847/52 unb Sremen 1848/54, unb SSerlin 1852/53 i5
3 8be. S)er ©eelenfc^a^ „befc^reibt ben 2Beg einer ©eele au3 i^rem ßlenb big in bie
^enlic^Ieit be« etoigen fieben« hinein. 3lu«ge^enb öon bem Slbel unferer ©eele fül^rt
un« ©er. burc^ ba« 3:obe«t^al ber menfd^lid^en ©ünbennot über ben fteilen S3erg ber
Süße ju ben lichten ^ö^en beö ©laubeng, ben $fab be« fieben« entlang an atten c^rift-
liefen 3;ugenben borbei, mitten burc^ ba« 5Jleer ber S^rübfale unb ber fd^Werften 3tns2o
fe<|tungen an ba« 3:^or be« 3:obe« unb l^inburd^ gu ber ©eligfeit bei bem §errn in bie
©tabt ber golbenen ©äffen ... 6« ift eine S?erfnüt)fung bogmatifc^er unb etbifd^er
eiemente, nad^ hergebrachtem ©})ra^gebraud^: ein 3:eil ber c^riftlic^en ©lauben^le^re in
organischer Serbinbung mit einer })0})ulären SKoralt^eoIogie. Unb ba« alle« Don einer
ruhigen, ebel-einförmigen 3)arfteHung getragen. 6« ift bem fiefer, al« ftänbe er an einem 26
breiten, öoHen ©trom, auf Welchem ^errlic^e ©d^ä^e langfam, fic^tbar na^e tjorübergefü^rt
werben, beren 2lnblic! fic^ unau«Iöfc^Ii(^ in ba« $erj ein})rägt".
3lud^ al« 3)id^ter geiftlic^er fiieber l^at ftc^ ©er. berfud^t* fie ftnb jebod^ Don ge^
ringerem aBerte; bie befannteften fmb: „3;efu, meiner ©eele fieben 2c." unb „2)er lieben
©onne fiic^t unb ^rad^t 2c". SSgl. Älaiber a. a. D. 5, 825 ff. unb Äoc^, Rird^enlieb, 9o
3. «ufl. 4, 91. 92. 4^rrma«« »erf.
®CltIttttt9 (©d^ultetu«), aibral^am, geft. 1624. — De curiculo vitae iraprimis
vero de actis Pragensibus Abr. Sculteti Narratio apologetica, (gmbcn 1625, 4°; fiei(6en=
örebigt am 29. Oft. 1624 über 2 ^or. 6, 3—10 \>on Srlcbric^ Salmut^ gegolten, (Jmbcn
1625, 4**; (£b. SRcincvd, Oostvrieschlandts Kerkelyke Geschiedenisse, Groniog. 1738 f. 95
II. deel p. 4398qq.; 9lrtifcl ^^Scultetue" in SSa^Ie« DictionDaire unb ^oogftraten« Allgemeen
Woordenboek, ^Imfterbam, Utrecht unb ^aa^ 1733. S3crjelc^ni« feiner @(!)riften bei gö^cr IV,
©. 450 f.; euno in b. ?lb© XXXIII, @. 492 ff.
©eborcn ben 24. Stuguft 1566 ju ©rüneberg in ©d^Iefien, Wo fein 33ater unb nad^=
^er fein Sruber angefe^ene bürgerliche 2tmter belleibeten, bef ud^te 31. ©cultetu« juerft 40
bie ©d^ule feiner SSaterftabt unb begab ftd^ ju feiner Weiteren atu«bilbung 1582 nad^
93re«Iau, War ober laum l^ier l^eimifd^ geworben, al« eine geuer«brunft feine SSaterftabt
in SCfc^e legte, unb er infolge befjen öon feinem aSater, ber bei bem Sranbe fein SSer^
mögen eingebüßt ifatU, nad^ §aufe gerufen Würbe, um ba« ©tubium mit bem §anbwerl
ju bertaufd^en. ®r l^atte inbe« ba« ®lücf, in bem ©rüneberg benad^barten gre^ftabt 45
eine §au«Ie^rerftene ju finben unb burfte nun ani) bie bortige ©c^ule befuc^en, bejog
bann 1585 ba« unter ber fieitung be« fiorem fiubwig, eine« 3öglin0^ ^on 5Welanc^tl^on,
blü^enbe ©^mnaftum ju ©örli^ in ber fiauft^, ging 1588, t)on einem abeligen ©önner
unterftü^t, nac^ bem unter ß^ftian I. (1586—91) für furje ^^xi Wieber })^ili}3Viftifd^«n
Wittenberg unb enblic^ 1590 nac^ ^eibclberg. SBäl^rcnb er bie öffentlid^en SSorlefungen ßo
befud^te, erteilte er ^ier, Wie fd^on ju ©örli^ unb 2Bittenberg, Unterrid^t in feinem §aufe,
unb feine ^ribatleftionen Waren t)on abeligen ©tubenten au« granfreic^, ©nglanb unb
®eutf erlaub fel^ gefud^t. 1591 promovierte er gum TOagifter unb em})fing 1594, fd^on
burc^ mel^rere mit SBeifaD aufgenommene ©c^riften bcfannt unb al« ^rcbigcr gern gehört,
bie Drbination ^um ^fanbienft, ben er ^uerft ju ©c^rie«l^eim unWeit $eibelberg tjer- 66
tüotttU, Würbe aber fc^on nad^ Wenigen Monaten üon Äurfürft ^riebric^ IV. ^um Sc^lo^^
Utplan berufen, 1598 bon ber ©c^lo^fird^e an bic Sarfü^erfird^e in |)eibelberg t)erfe$t,
jlWei ^afyct fpöter Äird^enrat, $farr- unb ©c^ulinfpeftor, 1614 nad^ "ipitiöcu« 2:ob beffen
Slac^olger al« ^ofprebiger unb 1618 ^ßrofeffor ber X^eologie an ber UniDerfität.
104 ®atUftitd @ebafHatt
gtoifc^cnburc^ finbcn h^ir \\)n auf Sleijcn unb mit toid^tigen 3Kifftoncn betraut. Sluf einer
folc^en 9leifc toax e^, tüo er im ^af)x 1596 ju ©jjeier im ©aftl^of jum ^ed&t mit ©amuel
§u6er jufammentraf unb mit bemfelben, in ©egentoart ber lut^erifd^en ©tabtöeiftlid^feit
über bic ^räbeftination bi«j)utierte (f. »b VIII, ©.411, 43). 3m 3. 1610 beöleitctc er
oben J^^ten Gl^riftian bon Slnl^alt in ben gwlic^fc^en Ärieg; 1612 ging er im ©efolge
beg ^urfürften griebrid^ V. ju beffen SSermä^lung mit ber brittifc^en ^rinjcffm Slifabeti^
nad^ (Snglanb; 1614 tourbe er an ben branbenburgifd^en ^of berufen, um ben jur
reformierten Äonfeffion übergetretenen Jlurfürften ^o^ann ©igi^munb in ber Orbnung
ber firc^Iic^en Slngelegenl^eiten feinet Sanbe^ mit feinem 9lat ju unterftü^en; 1618 too^nte
10 er al« vfäljifc^er 3)e})utierter mit ^einric^ Sllting unb $aul Xoffanu« ber S)orbre<l^tcr
©^nobe bei; 1619 begleitete er bie furfürftlic^en ©efanbten jur Äaifernja^l nac^ %xanU
fürt; 1620 folgte er feinem Äurfürften, nad^bem berfelbe bie böl^mifd^e Ärone angenommen
^atte, nac^ $tag, um in bie ^ataftroj)l^e, bic nac^ ber ©c^la(^t am SBeifecnberge
(8. 9Jobember 1620) über feinen §erm, über Sö^men unb bie 5ßfalj hereinbrach, mit
iB Dertoicfelt ju toerben. 2ttö er eilig bon $rag geflol^en auf einem Umh)eg über ©d^Icjten
unb Sranbenburg h)ieber nac^ $eibelberg gelangte, toar ^ier fc^on feine« SIeiben« ntd^t
me^r. @r begab ftc^ mit ben ©einen ^uerft nad^ Sretten, bann nac^ ©d^omborf im
SBürttembergif^en. §ier eneic^te il^n im ^af)xt 1622 ein 9luf ju einer ^rebigerfteÖe in
(Smbcn, bem er mit ©riaubni« be« bertriebenen Äurfürften folgte. ®r ift aber in biefem
20 neu gefunbenen Slf^^l fd^on nac^ ih)ei 3<»^^^"/ ^^ 24. DItober 1624, geftorben. — äl«
^Prebiger, Äirc^enmann unb ©ele^rter berühmt, jäl^lte ©cultetuig ju ben angefel^enften
reformierten il^eologen feiner 3^^* ^"^ P^"^ ^^^ ^^" bebeutenbften 9Känncm feiner
Äonfeffton in 35eutf^lanb, §ottanb, ©nglanb unb ber ©d^h)eij in 38erfe^r. SSemerfcn«'
h)ert ift nod^ feine Beteiligung an ben bom Äurfürften unb feinen ^eologen längere
26 3^it ebenfo eifrig betriebenen toie lutl^erifd^erfeit« bel^arrlic^ jurüdtgeloiefenen irenif^en
^erfuc^en. (Segen bie 3Sorh)ürfe unb ©c^mä^ungen, bie i^n nac^ bem ^rager Unglütf
namentli^ auc^ üon feiten ber Sut^eraner trafen, f)at er ftc^ in toürbigem lonc öcrant-
toortct in ber nac^ feinem 3:obe l^erau^gefommenen Narratio apolo^etica (f. 0.).
2lu^crbem l^at er noc^ eine Sleil^e bon ©d^riften ^interlaffen, polemif^e, ^iftorifc^e,
soa^fetifd^e u. a. m., bon benen tt)ir nennen: Ethicorum libri duo, tDie Sphaericonim
libri tres (ein Sel^rbud^ ber Slftronomie) an^ ^eibetberger ^ribatborlefungen entftanben,
3. ed. 1614. ferner ^rebigten^inb Sieben, augfül^rlid^e ^rebigtentlüürfe ju gamen Sü^em
ber hl. ©c^rift (Idea concionum in Jesaiam, in Psalmos, in epist. ad Hebraeos, ad
Romanos), eine Äirc^enl)oftitle (Betrachtungen über bie 6bangelien}3eriIo))en, ju $eibel=
36 berg gehalten), juerft erfdbienen 1611 unb nac^^er öfter toieber aufgelegt, in mel^rcre
©l^ra^cn überfe^t unb am 16. 5Wai 1613 ju Slom auf ben ^nbej gebracht, ßnblic^
feine beiben ^au))ttoer!e: 1. Medullae theologiae patrum syntagma, h)obon k)ier
3:eile in 4^ erjc^ienen, l.Il., ämberg 1598, 4. ed. 1613, 2. St., 5Reuftabt a. b. $arbt
1605, 3.21., ebenbafelbft 1609, 4. IL, öcibelberg 1613, granffurter äu«aabe be« gangen
40 SBerte« 1634, eine gelehrte unb in i^rer 3trt berbienftlid^e, tDieh)ol^l nacij ber SBetfe ber
geit tDeitfc^toeifige unb fonfeffioneD tcnbenjiöfc ^arfteDung ber ^atriftifc^en Sl^eologie
mit fc^arfer ^olemif gegen Setiarmin, Saroniu« u. a. SRomaniften; 2. Annalium
evangelii passim per Europam 15. salutis partae seculo renovati dec^s 1. et 2.
(ab anno 1516—36), §eibelberg 1618 unb 20, eine Sleformation^efc^id^te, bon ber ba«
46 übrige 3Kanuftri})t auf ber ^Präger %l\xd)i verloren ging. SHaStt f«
©eboftiouuö, ber 9Jlart^rer. — Ouetlen unb neuere ßitteratur: I. 3)a8
bürftic^e Ouellenmateriat roivb am beften unmittelbar in bic 3)arftellunfl felbft t^erfloc^ten.
II. g. X. Ärau^, Roma Sotterranea, 2. 51., greiburq i. S3r. 1879, ©. 119, 133, 181,
518; berf., ^Irt. ©ebnftianuö, m^. U, ßieferg. 15, 6. 747 f.; $aul ^/lllorb, La pera^ut. de
öODiocl^tien I, ^^^ariS 1890, ©. 131 f.; ^J^ott^aft, Bibliotheca bist. II, 2. ?l., ©.1566 f.; ©fi^r,
®efd)id)te ber römifd)en Literatur, S. 259; 2BiI^. ^öottenbad), 3)eutf(6tanbd QJejc^ic^töquclIen,
6. ?(. I, 8. 199. 211, II, e. 176 ^3lnm. 4; granj ©örveg, 2)ie anöebacl)c ^riftenüerfolgung
j^ur 3eit ber Si-aifcr 9iumerinnuö unb ßarinuS, QwZt) XXIII, 1880, $. 1, 6. 31—64, ^.2,
S. 165—197, jumal 43—47; ber)., Sebaftianu^ ... in ®efcl)ic^tc, ßegenbe u. Äunft, Sprtb
55 XIII, 3. 511—518 eiiifd)!.
©emi^ ift ©cbaftianu^, ber ^atron ber ©c^ü^engilbcn, beffen gürbitte frül^er in la--
tbolifcben ©cgcnben auc^ Dictfac^ gegen bie ^eft angerufen lourbe, eine gefc^id^tU^e
$erfönlid)feit, ein ioirflicber Slut^euge, aber freilid^ auc^ nid;t Diel mel^r ate bieSE^t^
facl)c fcinc!^ *3JJartVriumö tä^t fiel) autbcntifd; belegen, ©cbon im älteften Äalenber
w) ber römifc^cn (S^riftengemeinbe, in ber fog. „Depositio martyrum" ber Itberia-
eekafHatt 106
nifc^cn ß^ronil t>om ^al}xc 354, Ipirb unter bem 20. S^J^^ö^ ^^^ Scftattung unfere^
3Rart^rerd in ben 5tatafomben ermäl^nt (XIII. Kai. Febr. . . . Sebastian! in Gata-
cumbas", %. X. Ärau^, Roma Sott., 2. 2tufl. Seil. IX, ©. 598). ämbroftu«, ber bic
Sofaltrabition ferner Ätrd^c genau fennen mufete, bejeugt bereite gegen 6nbe bed
4. 3<»^.if^^'^i>^^t«/ ^ofe Sebaftianu« ein gebomer 3RaiIänber toar, ju 5Rom bag b
üJtarti^rtum erlitt unb fc^on bamaUin feiner norbitalifc^en ^eimat anbäc^tig Dere^
tourbe (Psalmus 118, sermo 20, Nr. 44, ed. MPLXIV, ©.1497. ®er 20. Januar,
toeil fotoo^l burc^ ben älteften ^auj^tftäbtifc^en Äalenber aU and) burd^ Slmbroftu« bejeugt,
ift ber richtige 3:obe«tag be« berül^mten ^eiligen.*
S)ieg SDSenige ift aUe^, h)a« aug feinem Seben unantaftbar feftftel^t; alle« Slnbere, lo.
toa^ man t>on i^m erjäl^U, beruht auf SRifeöcrftänbni« unb g'^^w»" ^ber ift bod^ minbe«
fienö gtoeifel^ft. ^mn biefe S^ac^ric^ten ftü^en fic^ nur auf bie Autorität ber älften
unfcreö 3Hailänber«; biefe fmb aber gefälfd^t. golgenbe« meine ®rünbe: S)ie acta s.
Sebasüani (ASB s. 20. Jan.) entl^alten, ganj abgefel^en Don ben ftc^ barin breit mad^en«
ben 3KiraIeln unb ^Waffenbefel^rungen, eine folc^e Sütte ber unglaublic^ften Ungefd^id^t^ i5
lic^Ieiten, bafe fte, toenn auc^ t^ielleid^t fc^on ju llnfang be« 5. Sö^r^unbert« nieber^
gefc^irieben, unmöglich afe Driginalurlunbe gelten lönnen. 2)a fotten bie Sw^^^^ötoren
ßottnug (282—285) unb 5DiofIetian (284—305, geft. 313) eine geit lang al« frieblid^e
ÄoDegen jufammen regiert ^aben. 2)ie ©efd^ic^tc le^rt aber, bafe I)iofletian im ©egen?
faft gu garinu« erft burc^ beffen Sefeitigung gur Sltlein^errfc^aft gelangt ift (ögl. Vo- 20
piscus, Carin. c. 18, Eutrop. IX, c. 13, Aur. Victor de Gaess. c. XXXIX, Oros.
VII, 16). 2)a toirb femer öorauggefe^t, 3)iofletian ^ätte fd^on Dor bem Untergange be«
ßarinu« ben SRajimianu« $erfuliu« gum 3Hitregenten angenommen. 3!)ie Seförberung
be« le^teren jur ÄaifertDürbe erfolgte aber erft nac^ bem iobe be« Garinu« (Dgl. Eutrop.
IX c. 13, 14, Vict. Gaess. c. XXXIX, epit. c. XXXVIII. XXXIX, Eusebü chron. 25
Hieronymo interprete ad a. Gh. 289. 290, ©. 582, ed. Migne). SBeiter Reifet e«
ba, 3)io!letian f)ätU im Anfang feiner Stegierung jugleid^ mit 5Rajimian ju 9lom refi«
biert! ^a& lä^t fid^ aber mit J^ilfe be« e^ten Cluetlenmateriate nid^t belegen; ber be*
rüc^tigte ß^riftenöerfolger ift nad^tDeiglic^ nur einmal, unb jtüar erft gegen @nbe feiner
SRcgierung (in 9lobember 303) nac^ ber eh)igen ©tabt gef ommen, h)o er nebft SRajimian 90
feine Sicennalien unb einen glän^enben 3^rium})^ über bie h)äl^renb einer langen glor«
reichen Äerrf(^aft niebergetoorfenen 5Reic^«feinbe, jumal über bie Werfer unb ®ermanen,
feierte; fonft refibierte er im fernen Dften ju 9liIomebien, anfangt aud^ ^äufig ju ©irs
mium in^annonien (bgl. I^ctant. mortes, ed. Sam. Brandt, c. 14. 17; Eus. chron.
ad a. Chr. 307 p. 582, Eutrop. IX, 16). Ungefd^ic^tlid^ ift auc^ bie Angabe ber so
afcen (c. XVIII, §§ 65, p. 275 A), Sarinu^ fei gu Waing ermorbet h)orben („Igitur
Carino occiso in civitate Maguntiaco" etc.). ßarinu« unterlag öielmel^r in ber
9läl^e ber obermöftfd^en ©tabt 3Rargu« (tjgl. Vop. Garin. c. 18; Eutrop. IX, c. 13;
Vict. Gaess. c. XXXIX). gnblic^ ift in ben Sllten bie 5ttebe Don einer äufeerft l^eftigen
6^riftent)erfolgung, bie fd^on 286, mit allgemeinem D))ferjtt)ang öerbunben, m 5ttom geraft 40
l^oben foO (c. XVIII, §§ 65, p. 275A); bie 3eitgenoffen ©ufebiu^ unb Sactanj ba*
tieren aber ben 3)iofletian=©turm erft auf bie ^a^re 303 unb 304! 9latürlid^ lann ba«
fläglid^e 5Kad^h)erI, h)ie u. a. ^ottl^aft a.a. D. geglaubt f)at, unmöglich öon einem 21ms
brofiu« l^errül^ren.
golgenbe brei Weitere 3)aten au« bem fieben ©ebaftian« gelten Don je^er in ben 40
toeiteften Äreifen gleic^fatl« ateburd^au«gefc^id^tlic^: 1. 5ßie gijierung feine« 3Rar^
t^rium« auf SDiofletian« er fte 3legierung«|^eit, 2. bafe er Offizier ber !aif erliefen 2eib=
garbe getüefen, unb 3. Dor allem, bafe er im Äoloffeum mtt Pfeilen erfd^offen
hjurbe. 3i)a aber alle brei Angaben lebiglic^ ben gef äl festen 2Ktcn entlel^nt fmb,
fo l^aben toir auc^ biefe ©injel^eitcn al« unverbürgt ju betrad^ten; fjjejieU ift ba noc^ 50
golgenbe«ju bemerlen: 3" 1- ®ö« 3:obe«ia^r bc« 2Railänber« läfet ftd^ nic^t mel^r er*
ntitteln. ^afe er ein Dt)fer ber großen biofletianifcben ikrfotgung (303 ff.) getDorben,
ift nur eine nicbt ganj untoal^fd^einlid^e Vermutung, gu 3. 2)ie 2!obe«ftrafe be« ©r«
fc^iefeen« mit Pfeilen War im römifc^en Äriminalrec^t, fo hjeit c« auf bie ßl^riften, gegen
bie ber römifc^e ©taat al« ^JJajcftätöDerbrec^cr (maiestatis rei), Seugner ber ©taat«= 65
gott^eiten (sacrilegi), Seförberer einer Derbrcc^crifd^en 5Wagie, enblic^ al« 2Ritglieber einer
ftaaüic^ unjuläfftgen 9leligion«gefelIfc^aft einfc^ritt, Slnhjenbung fanb, nic^t t)orgefel)en.
3|n ben 3)tgeften unb ben „Receptae sententiae" be« "iJSaullu« begegnen fol=
genbe 2;obc«ftraf en : ßntl^aujjtung, Äreujigung, ber „Äamj)f" mit ben Seftien be^^irfu«
ober be« 9lmj)^it^eater«, ber geuertob, enblic^ ba« prügeln bi« auf ben lob (= fustu- go
106 SeiafHatt Sebafrod S^mtneted
ärium, mcift ungcl&orfamen ©flauen ober ©olbaten borbeJ^altcn !), aber ba^ ©rjc^iefeen
mit Pfeilen finbet fic^ nid^t unter biefen bratonifcben ©trafbeftimmungen.
Sebaftian l}at an ber alten via Appia füb=füböftUc^ öon SRom feine ^Mul^eftätte ge=
funben (f. g.X.Ärau^, K.R.S.S ©. 133. 517 ff. unb ben ©ituation«|)lan ber römifc^en
5Äatafomben, gcjeic^net Don 5. LÄraui^ am ©c^Iu| berKR.S.*). Über ein 5!Rofaif=
j)ortrait be^ ßeiligen ettoa an^ bcm ^abre 682 in ber römifc^en Äirc^e S. Pietro in
Vincoli finbet f\ä) bei %, X. Ärau^ (RM. II, 3trt. ©ebaftianu«, ©. 747 f.: \>qI ani^
Slrt. ^Kofaif Don genfer unb Ärau^, ebcnba, ©. 429 B, abfc^n. e, 5Rr. 4) folgenbe be^
ac^tengtoerte 9?otij: „3n biefe ^Ät fällt bann auc^ tüo^I baö t>on ^a^jft Slgatl^on l^ierl^er
10 (b. 1^. nad^ ber Äirc^e S. Pietro in Vincoli) überbrachte 3J?ofaif auf bem älltar (im
(infen ©eitenfd^iff gegenüber ber fiebenten ©äule) . . . 3!)ag SBerf eine« Sateiner^ jcigt
e^ bie b^^antinifc^en ginflüffe ber f})ätraDennatifd^en 9)lofaiImaIerei: 3)er ^eilige ift
nid^t, toic if^n bie Kunft ber Slenaifjance barjuftellen beliebt, natft unb jung, fonbem a\^
bärtiger reifer Wann öorgefteHt, mit langem SRantel, gefc^mücfter ^oftrac^t, 5Rimbu§,
16 in ber Siechten ein S)iabem tragenb . . . ®arftcllungen ber ©ujct^ au« ben
erften 6 3<*^r^unberten finb nic^t befannt". 2luf bie Ärau^'fd^e 2lbbilbung
(gig. 445, Sb II, ©. 748) t>erioeifenb, betone ic^, ba^ ba leine ©pur eine« bie angeb=
lic^e 2^obe«art ober Dielmel^r (im©inne ber3Ktcn) 5)Jarter be« ^eiligen f^mbolifterenben
5ßfeile« ju feigen ift; genfer a. a. D. c^arafteriftert unfer 5WofaiIj)ortrait treffenb, toie
20 folgt: „ber ^l. ©ebaftianu« in reid^em, Iriegerifd^en ©c^mudf, aber fteifer Haltung".
9tatt§ ®3rred.
Sebafloö Älimtnete«, neugricc^ifd^er I^eolog, geft. 1702. — ßitteratur:
gabriciu«, Bibliotheca Graeca ed. ^arle^, ©b 11, 8.531 unb 634; ficgvanb, Bibliographie
Hell^nique 1895, 53b 3, @. 47 unb 62; @at^a«, NFosXkrjnxrj ^doXoyia 1868, 6. 377; ^.
26 3- ©CbCüUr Xgoriy.(i r/y^- nnToiagxcif'jc: lixadtjfua^- 1883, @. 108 ff.; 6. %fj. ^riafibcS, Bto-
ygaqnat tcov ex TganE^^ovvTog — d.To rijq dXcooeoK fJexQi<i i'jjlkov dxfiaodviwv Xoyion' xta. ^t^en
1897, S. 62 ff.; ^attcnbufcl), fiefjrbud) ber Dergl. SeonfeffionStunbc 1892, 6. 413 f. (£in »rief
Don ©. in ^ExxAtjo. \Ah]i)Eia VIII, @. 92. Seine ?Berfe unten.
©ebafto« au« il^mina bei 3^ra)}ejunt, babcr aud^ ^minete« (Ä^minitc«) ober %xccp^'^
30 juntio« ober mit beiben 9?amen genannt, ift geboren 1630 unb erl^ielt feine Silbung
tool^l nur in ber ^eimat, nic^t im Slbenblanbe. "^m ^a^re 1671 Seiter ber gricci^ifd^en
$atriarc^at«fc^ule m Äonftantinojjel, toar er fjjäter in gleicher Stellung in ^^ra^e^unt
unb Sufareft tl^ätig unb ftarb an bem jule^t genannten Orte am 6. ©et)temb€r 1702.
©. gehört ju ben tüd^tigen, baterlanb«liebenben griecbifc^en ^^eologen be« 17. ^ahx-
36 ^unbert«, bie burc^ bie Slnbai^nung einer böseren Silbung ben geiftigen Stuffc^tDung ibre«
SSolfe« im 18. ^a^r^unbert t)orbereitetcn. 3"9^ci^ ^^^ ^^ ^^^ energifc^er ^olemiler bem
einbringen abenblänbifcber Ideologie in oie ortl^oboje Äir^e getoe^rt. ©eine SBerfe
finbcn fic^, teitoeife nod^ in 2tutogra}3l^en, in ben 3;rapejuntifd^en Sibliot^elen unb in
ber be« 2)letoc^ion« be« l^eiligen ®rabflofter« in Äonftantino))el. §erau«gegeben finb
40 nur menige. ^abriciu« unb ©atba« nennen ein 'EoQjokdyiov^ ba« 1701 in Sufareft
l^erau«fam (mir unjugänglid^). (Sine getoiffc SJebeutung in ber ort^obojen Äird^e l^ai
nod^ je^t feine zlo7//aTtx^ didaoxaXia — , nepiEyovoa xax* i^algexov Xoyov xQta^ivd'
TiQcbxoVf Tloxe fuxaßdlXovxai rd äyia Eig 2!cjüiua xal al/bia Xgiaxov' devxegoVf "Oxi
?} 0€ox6xog vTiixeixo xco JigoJiaxogixcü äuagxijfiaxi ' Kai Tglxov, ''Oxi al /uepideg
ibov jueraßdUorrai eig ^cojua x(u al/ua kgioxov' etc., Sufarcft 1703. S)a« Sucb
ift naö) bem lobe be« S. uon feinen ^rcunben ^erau«gegeben, namentlid^ t>on bem ärjte
gjobannc« au« Gpl^eju« (©. 84). 2)ie meiften ßremplare finb (auf bem 3:itel) bem
^atriard^en ^Dofit^eo« t)on ^^ufalem geh)ibmet, einige '^IJeter bem (Srofeen. 6« gehört ju
bem j?oftbumen ßbarafter bc« iBerfc«, ba§ ber ^nbalt n)cnig georbnet ift unb !einc«n)eg«
60 bem litel entf})ri4)t. Den testen 3lbfd^nitt, ber eine ^olcmit gegen ein nid^t genannte«,
1628 in ^^abua erfc^icncne« fatbolifc^e« 33ud^ entl)ält, fcbreibt Qat\:)a^ bem ^atriarcben
SDofitbeo« lu. 5(ber aud; bie ^ajjitel tjon ©. 85 an finb mir j^toeifcl^aft. S^^^^f^ß«
finb fie nid;t in ber tjorliegcnben föeftalt au^ ber gebcr bc« ©. ^ert)orgegangen, fonbem
t?on ben .^crau«gcbern bearbeitet. 3lbcr and) nid^t einmal bie erfte Partie be« Su(^e«
65 ftimmt mit bem litel, benn ber 2lb)d)nitt über bie /ufoidegf ber auc^ auffattenb furj ift,
nimmt fd)on bie ^^iDeite Stellung ein. Der ^snbalt greift fcBr in bie bamaligen t^eo^
logifc^en Streitfragen ein. Son^obl bie römifd[>e al« aud> bie j3roteftantifc^e (reformierte)
Äirdie bcbauj)teten bie Übereinftimmung ber griednfcben i^ircbcnlebre mit ber i^ren, toenig-
ften« in bielen i|iunlten. 9Jamentlid; l?aubeltc e« fid; um bie J^age nad^ ber orlJ^obojen
SeiapoS ft^mineted Seina 107
Slbcnbmal^fölel^re. ©o rid^tet benn ©. namentlich fein Seftreben barauf, gegen bie römifd^c
unb gegen bie broteftantifc^e Slbenbrnal^telei^e ju Jjroteftieren, bie ort{)oboje barjuftetten
unb ate bie richtige gu betüeifen. 6d tüirb im einzelnen geleiert, baft bie 3Serh)anbIung
ber ßlemente bur^ bie ©piflefe be^ l^eiligen ©eifte^ erfolgt, h?ie c« ja bie ortl^oboje
Siturgte an bie Äanb giebt unb ba^ bie fXEQideg nic^t beriDanbelt toerben. ©egen bie 6
Äatl^olifen richtet ftd^ befonberö bie ©rörterung, ob unb toie bie Jungfrau teil l^abe an
ber grbfünbe. 2)ie ©ntfd^eibung ge^t bal^in, bafe bie gu^öfröu toie alle ^Jlenfd^cn in
©ünben geboren, aber burc^ ben EvayyeXiofidg bon ber ©rbfünbe befreit fei, h?ie bie
ß^riften burc^ bie ^iaufe. 3)er f})ätere größere 3:eil be^ Suc^e^, ber toon ben i^erau«^
q^thccn bearbeitet ui fein fc^eint, bel^anbelt bicfelben plagen. I)er fat^olifd^e ®egner, ben lo
©. befonberg im SKuge ^at, ift SRicparb Simon, trcic^er namentlich bei ber öerauögabe
ber ©c^riften be« ©abriel ©etoeru« (öal. 33b VI ©. 327 f.) ben 3orn ber Drtl^obojen
auf pc^ gelaben l^atte. 3" bemerfen ift, bafe ©. nid^t aüein bie alten 9?äter al« Slutoris
täten citiert, fonbem auc| f})ätere unb neuere, toie 9lif olao^ Äabaftlaö, 9lifoIao^ toon ^We^
t^one, ©Vmeon ben neuen S^eologen, ©^meon bon 3:l^effaIonic^, ©abriet ©eberuö unb i6
®oftt^eo^ t)on ^e^fö'e'"- 3)ie Streitfrage über ba^ Slbenbmal^I erörtert ©. aud^ in
einem langem ©c^reiben an ben nad()maligen Patriarchen G^n^fantl^o^ bon 3«nifalem.
'Exxlfja. *Ali^'»€ta I, 2, ©. 245—46 unb 253—54. Unebiert fmb eine SReil^e anberer
©d^riften, toie über bie ngövoia, über bad ?Dlönc^gIeben, ^ßrcbigten u. a. ©eine iJ^ilo^
foj)^ifd^en ©d^riften bienen ber SSerbreitung be«J lirc^Iic^en ätriftoteliömu«. ¥^. SJle^er. 20
Sebna, ber SRajorbomud be« Äönig« §i«fia. — ßittcratur: 3ef22, 15
biö 25; 36,3. 11. 22; 37,2; 2 «g 18, 18. 26. 37; 19,2. — SSgl. meine in ©acftfec« äcitfcbr.
für ¥aftoral=2t)eoI. XXIV.gaferg., ©.557—573. 631— 640, \)oröer in cnglifcfter UcbcrfeSung
ju Söicago (American Journal of Theol. 1901, p. 43—74) erfd^ienenc f leine gjionoqrap^ic,
b. ^. meinen im 3a6rc 1899 ocrfaBten, biö^er aber toenig beachteten 93ctt)ei«, ba& f amtliche 26
elf ©(ölugöcrfc öon S^f 22 nod) bem SSorgange ber meiften frübercn ^uSIcgcv mit ©efeniuS
unb (groalb auf 8ebna bcjogen roerben muffen. SSgl. ferner aufter ben 5?ommcntaren j^u 3ef
unb % fotoic ?l. Äuenenö $lftorifcb=fritifci) Onbcrsocf (Selben 1889, 6. 67—69) ben ?luffaj
eb. Äönig« über @ebna unb (Sliafim in GngeftotbtS 92f3 (1902, ©. 621—631) unb 3SiIbcs
bocrd Sittcratur be^ "Kl^, ©. 168 (®öttingen 1895 ober 1905). so
%üx ben neunmal in ber Sibel toorfommenben unb bei Sutl^er ©ebna l^eiftenben
g»ann ift »jrd bie getoö^nlic^e 9lamen^form (fo 3ief22, 15; 86,3. 11. 22; 37,2;
2 Äg 18, 37; 19, 2), toä^renb ?^2nd ftc^nuran ben beibengtetten 2 Äg 18, 18. 26 finbet.
Dfö^aufen (fiel^rbuc^ ber l^ebr. ©]prad[)e, ©. 618) meinte, ber 9Iame f^eine mit berSitt=
j)artifel (= ^5"^^) gebilbet, unb bie ©ntftebung toäre bon einem rein gufäHigen Üm^ 35
ftanbe abzuleiten, ©etoife ift bie Sebeutung bei^ ffiorte^ böHig bunfel; an eine 3i»"P^ös
titoform brandet man aber nid^t mit SSitringa ^n benfen, ber fie fogar bon nnd ableiten
tooHte. ©ic^er ift, bafe bie SBejeid^nung r^sn-br •cn in ^i^f 22, 15, bie nirgenbö im
2313: einen Semjjelborfteber bebeutet, ben irrige Sluffaffung fd^on frül^ ^ier finben tootite,
ben ©ebna aU einen ^o^en toeltlid^en ^Beamten auetoeift, toofür auc^ in 33. 21 ff. ber 40
3ufammen^ang unfere« ©tüdtd beutlic^ fprid^t. SRiebm (§anbtoörterbud^ ', ©.645.1466)
fc^liefet au^ ber ertoäl^nten Sejeic^nung too^l mit ^Ked^t, baft ©ebna baburd^ al^ ber bem
Äönige fel^r na^e fte^enbe erfte ©taat^beamtc ober l^öd^fte ©taat^minifter bejeic^net toirb.
giac^ ®en 41, 40 f^t ber ^^J^arao ben ^o\^pi} über fein ^axi^ unb tocift i^m baburd^
bie bem Äönig^t^on junäc^ft fte^enbe ©teile an. 3(l^nlicf)c^ crgicbt fic^ tool^l au« 1 Äg 46
4, 6; 18, 3; 2 Jtg 15, 5; bgl. auc^ bie intereffantc Unterfud^ung be« auf ber Surg bon
üKegibbo gefunbenen alt^ebräifd^en ©iegel« öon 6. Äau^fc^ in ben 3Kt unb 5Jad^ric^ten
be« beutfc^en 5ß3S 1904, ©. 12 f. aJlüffen toir ©ebna al« l^o^en ©taat^beamten be::
trad^ten, fo unterliegt e« anbererfeit« feinem 3^^'^f<^^ ^^6 ^ ^^" homo novus toar;
ba« gel^t fd^on au« bem geilen bc« SSatemamen« an allen neun ©teilen l^eröor. gerner 50
jeigt ba« breimalige „l^ier" (35.16) im33eginn bon o^f^ja^ ^cftig tabelnber Slnrebe, ba^
ber mächtige (Smjjorfömmling l^ier urfj)rünglic^ nid^t ju §aufe toar, fonbem ein familien^
lofer ©inbringling, toie ®. 21. ©mitb ibn treffcnb nennt, ber fiel) in 9i^"f<^Ic"^ feftfe^en
tooHte, inbem er ftc^ ein große« ©rab au«^auen liefe, bgl. 1 iSlat 13, 25 ff.
Unter freiem ^immel toirb '^c\aia (22, 15) bem ©ebna mit berSotfc^aft „be«$@rrn, 66
gal^toe« ber ^eerfdparen" entgegengetreten fein, bermutlid^ in ©egcntoart unb jur großen
Ueberrafc^ung be« i?önig« §i«Iia unb be« C^Ijafim, ber an ©ebna« ©teile nun 'üJ^ajor^
bomu« toerben foHte. $or bem 5Jamen ©ebna« unb ber S3ejeic6nung feiner ffiürbe lefen
toir, al« foHte ein unberfennbare« 3cicf)cn ber ©eringfc^ä^ung (bgl. ^ef 6, 9; 1 ©a lo, 27)
öorau«gel^en, ben burc^ ba« nacljgefe^te ^^^n Deräc^tli(^ borgebracbten iitel "r.^r?, b. b. eo
108 Sebna
33eforgcr ober 2?etn)alter, togl. 33umcV, Notes on the Hebrew Text of the Books
of Kings, p. 2. 6b. Äönig tüill ben 3:itcl toon ber fi^ejieücn SBertüaltung beö Iömg=
liefen §ofcd tferftel^en unb möchte aud bem nac^gcfe^tcn „biefcr" fogar folgern, ba^ ©cbna
fte ftc^ angemaßt l^abc, h)ic ,,er in ber §öl^e be^ Reifen«, toal^rfc^einlic^ in ben oberen
6 Seilen beö 3ion, in ber 9Jäl^e ber ßönigggräber (togl. 2 6^r 32, 33), ftd^ eine ©ruft
l^atte au^l^auen laffen". 3)arin aber \)ai 6b. Äönig unjtüeifell^aft 9led^t, bafe er nic^t
mit 6l^e^ne pc ju bem afj^rifc^en §akänu ftettt (t>gl. ©.30* in ©c^raber« KB, 93b V),
fonbem a. a. D. auf ©. 35* ba« ju ber 1 Äg 1, 2 borlommenben toeiblid^en gorm
paffenbe aff^rif^e SBort finbet. 3" 35. 16 barf ber Übergang auö ber jtüeiten in bic
10 britte 5ßerfon ebenfaÜ« alö 3^^^^*^ ^^ ©eringfc^ä^ung gelten, bgl. ®en 49, 4. SBic ®en
31, 18 unb 45, 17 nel^men h)ir Nia am beften in ber häufig borfommenben Sebeutung
„ftd^ l^inbegeben" unb jä^Ien mit ©iegfrieb-©tabe« Süörterbuc^ (©. 513) 55. 15 gu ben
©teilen, in benen bie feine^tüeg« feltene 3Serh>eci^dIung gtüifd^en hy unb b» eingetreten ift.
9?on bicfem einzigen Jtonfonanten abgefel^en, beft^en h)ir ben %^ ber 11 ©d^Iufeöerfe
16 Don 3^f22 m. 6. gan)j fo, h)ic ber$roi)l^et il^n m einem 3"g^ gef einrieben f^at fflenn
bagegen I)ul^m u. a., toeil fte ben bojjjjelten 2itcl nid^t richtig auffaffen, fd^on bic bon i^nen
afö Ueberfc^rift betrad^teten, auf J^J" folgenben SQBorte bem S^faja abfprec^cn, alfo ben
Eigennamen be« gmjjorlömmling« unb bie Sejeic^nung feiner SBürbe ftreid^ien, ate ^ötte
man mit2)ul^m ju fagen: „S^f^^'ö brauchte benSWann nid^t gu nennen, tocil er natürlich
20 jebem Stirger beüannt toar", fo liegt boc^ bie SBiÜlür einer fold^en annähme auf ber
§anb. 3)u^m meint: „3)er ©ammler l^at nic^t bemerft, bafe bie Unterfd^rift (fate biefe
nic^t erft nad^träglic^ gefc^rieben ift) an ba« 6nbe toon S. 15 geraten ift"; treffcnb aber
bemerft Gl^e^ne gegen folc^e grunblofe 3SerftümmeIung be^ })roJ)l^etifd5>en ©tüdf«, c5 fei
nid^t ju bejtüeifeln, „bafe bie SSei^fagung, h)ie bie legten 2ßorte bon 38. 15 befagcn, fu^
26 auf ©ebna begiel^t, unb bafe er ®Ijatimd Vorgänger tnar". 9latürlid^ h)ar biefcr Sliafim
bereit« toor feiner ©rl^ebung auf ©ebna« ©teHc ein l^oc^angefel^encr 9)lann unb icbem
SBürger in g^ufalem mol^Ibefannt, nic^t blo^ bem Könige unb bem ganzen §ofe, unb
man mu^te rec^t gut, ba^ bie ätbfe^ung ©ebna« eine l^albe ^IJaferegel getoefen toäre,
l^ätte er nic^t einem beffem 9Jad^foIger $la^ mad^en muffen, ben ^t\aia 35. 20 einen
30 ßned^t 3a^be« nennt, nad^bem er SB. 18 ben mit Slbfe^ung unb 3:ob im ©jil bcbrol^ten
©ebna, eth)a bei Seftc^tigung ber eben fertig merbenben bornebmen ©rabftättc unb üor
nic^t toenigen 3u^örem, aU bie ©c^anbe be« Äönig^l^aufe« gebranbmarft l^atte.
©el^en h)ir ab bon ber fonftigen ®rh)äl^nung ©ebna«, fo gel^ört ber 3lbfd^nitt 3^f
22, 15—26 getoi^ ju ben befter^altenen unb fprad^Iid^ leic^teften ©tüden bc« gangen 912«.
86 3)aran fann un« aud^ ein SlidE auf ^mx merlküürbige Überfefeungen t>on S. 17 nic^t
irre machen, bie neuerbing« aufgetaucht fmb. ßrinnem fie mid^ boc^ an bie merftüürbige
Überfefeung bon „9lebufabnejar" burc^ „'^atoh Äaifer", bie id^ ®uft. S5aur berbanfc unb
nad^ 93ätl^gen« ©rflärung einiger Notarika (3bm® 1903, ©. 371 f.) I^ier too^l mit^
teilen barf; ber ^umortooße 2eij)jiger Äoßege erjäl^Ite mir nämlic^, bafe ba« bo})^eIte nc
40 gleich ^a fei, bufab ober ^erumgebrel^t cai^ut glcid^ fob, enblid^ jar gleidj^ Äaifer. äte
lennjeid^nenber 5iame toürbe ber tejtfritifd^en ^^af)m^di ober ®ott=erbarm«=9Ketl^obe
bieHeic^t bie gjofob^ÄaifersSWetl^obe entf))red^en, bie in ber §anbl^abung ber aftralsm^t^o-
logifc^en SBeltauffaflung burcf^ §. SBindfler, aifreb Seremia« (2)a« 212: im Sid^tc be«
alten Orient«, 1904, ©. 238 ff. 329) u. a. je^t at)ologetifd^ bertoertet tüirb, mag ouc^
46 biefe tro^ aller ^^antafterei finnreid^e iDfet^obe in b. DreÜi« fd^onenber Äritif (2^SS3l
1904, ©1). 485) al« „SJcrirrung be« ejegetifc^en ®efd^madE«" bejeic^net Serben. 3^ ^^^
Gl^e^ne« burc^ bie ^^«^"^^^"^^tl^obe getüonnenc Überfe^ung in ber 21^eol. 9tunbf(^u
(1905, ©. 103 ff.) mitgeteilt unb bie me^r tragif^e benn lomifclje 2eEtt)erbre^ung al«
gefc^macflofen SBa^nglauben bebaucrt. Grträglid^er, aber boc^ fomif^ ift bic mit gcld^-
öotem Slüftjcug in ©tabe« 3eitfc^rift 1904, ©. 106, 117 ff. burc^ b. ®all bargebotene
Raffung, bie auf ba« (p&eigiCeiv ber LXX ju ^er 43, 12 geftü^t ift, toäl^rcnb bic bon
^i^ig, Xeli^fd^ u. a. gegebene Sluffaffung bon rrj^ mir (bgl. ©ac^^e« 3^f^^- l^Ol,
©. 572) bofltommen genügt. 2)er aufmertfame Sefer, ber ben ßljafim al« frommen
'Jflann (3S. 20) unb al« einen aSatcr (i^. 21) ober Söo^lt^äter ber ju Serufolem 3Bo^*
66 nenben unb be« §aufe« ^v!t>a (3?. 21) bcfd^rieben fielet, ti>irb barau« bei ©Ijafim« 25ors
ganger leidet auf ba« ®egenteil biefcr 2ugenben fc^lic^cn unb bei ©ebna ÜRangcl an
®otte«furd^t unb fc^lüere Sebrüdfung be« 9]olfe« borau«fefcen. @r tüirb \a fd^tocrlic^ in
bem „jjater" einen 2itel crblicfcn, fonbern an ben 3)üfebrauc^ ber 3lmt«gch)alt bcnfen,
ben ^cbna perfönlicl) ober h)obl nod; me^r burd; bie bon i^m beförberten unlpürbigen
60 ©ünftlinge au«übte. 3Kit ©ebna« 2)egrabation mu^tc aud; ber fd^limme ©nflu^ ber
@eiita 109
ganjcn ©i})})fci^aft ein Snbc nehmen, bie ftd^ an il^n gelängt ^atte. 3""^^^^ über
ben göttlichen SBiUen bergetüiffert, l^at ^^]a\a im Flamen ^af)\üt^ felber bem ©etoalt^aber
bic ©träfe ber balbigen äbfe^ung öon feinem ^ol^en 2lmte berfünbigt, unb §i^fia i}ai
Tvi) bem geiftlic^en Sfeiffcn barin gefügt, bafe er ben ßljafim an ©ebnad ©teile treten
liefe. 2)iefe ©tette h)ar erlebigt, fobalb ©ebna treggefd^leubert tüurbe in ba« ferne ©jil, 6
toörtlid^ (ögl. g. 33. ®en 34, 21) ,,ein nac^ beiben ©eiten tüeite« 2anb", tüobei l^ier an
bie am @m)^rat unb ligri^ tüeitl^in ftd^ au^bel^nenben ßbenen ju benlen ift. SBa^r^
fd^einlid^ toar ©ebna ba^ ^axüpt ber gegen Slff^rien auf ^g^jjjten fic^ ftü^enben Partei,
bic unfer $ro})^et fo eifrig befämj)fte. ©ic^cr aber toiffen h)ir, ba| e^ aufeer ber Se*
bro^ung Btbna^ in ber übrigen proi^l^etifc^en Sitteratur nic^t an äBei^fagungen fel^lt, bie lo
eingclnc ^erfonen betreffen, bgl. am 7, 17; 3er 28, 15 ff.; 29, 21 ff.; 39, 15 ff.
gine ©c^tüierigfeit entfielt nun baburc^, bafe nac^ 3^f 36, 3 unb ben ^ßaraHelfteHen
©ebna, bem ^efaja boc^ {Rap. 22, 18) äbfefeung unb lob im ßjil angebro^t l^atte, gur
3eit ber Sebrängung 9;«nifalem« burd^ ben Slff^rerfönig ©anl^erib im ^öl^re 701 b. 6l^r.
blofe in bem geringeren Stange eine^ ©taatgfd^reiber^ ober einfadj^en SWinifter« erfc^eint. 15
2)er einbrucf mangelhafter SrfüHung tritt aber gurücf bor ber boj)})elten ©rtoägung, bafe
mit ©ebna^ ßerabfe^ung auf bie geringere ©teile fein böfer ßinflufe leicht gebrochen toar,
unb bafe bie llnnal^me völliger Erfüllung ber SGBei^fagung, bie ja feine SBal^rfagung ift,
befanntlic^ (bgl. 9;er 18, 7 ff.) überl^auj)t nic^t ben llnfjjruc^ erl^eben barf, eine not=
toenbige ^forberung gu fein. 2llg gefc^id^tlid^ öerfal^renbe 3lu«leger fönnen toir alfo un^ ao
mögli^ ben ga^lreic^en ©elel^rten guftimmen, bie in 3^]f 22 einen anbem ©ebna fuc^en
aU in ben übrigen ©teilen, b. f), unter bemfclben Äönige §i^fia gtoei fel^r ^ol^e ©taat«s
beamte annehmen, bie beibe ben fo feltenen 5iamen ©ebna gehabt l^ätten. 2)ie logifdj^
benfbare §^^otl^efe t>on einem anbem ©ebna toerioec^felt in unerlaubter SBeife bie ab^
ftralte aWöglid^feit mit ber nac^ aller SBa^rfd^einlic^feit allein giltigen t^atfäd^lid^en unb 25
für bie aBiffenfd^aft au^fd^liefelid^ in Setrac^t lommenben Söirllid^feit. @ine anbere SSer*
inung be« ejeaetifc^en ©efc^macf^ i^at, toie bie ©efc^ic^tc ber Slu^legung betoeift, nod^
fd^äblic^er getoirft. ^ä) meine bie falfc^e Segiel^ung be« ©d^lufeberfe« (^ef 22, 25) auf
ben Sljafim, bie nad) bem 3:argum unb ^ieron^mu« befonber« einflußreich burd^ §i^ig
bertreten tourbe, toä^renb fie mir (anber« in 93unfen^ Sibeltoerf, 93b 6, ©. 287) ftet« so
aU ein gtoar nal^e liegenber, aber rec^t bebenfli^er ejegetifc^er Irrtum erfc^ienen ift.
e« ift nic^t richtig, ba| in ber golge auc^ eijafim ^^\aia^ ^offnung fd^lec^t erfüllt
^e, toie auö bem nac^träglid^^en 2ln^ange l^erborge^e. ßb. Äönig teilt mit §i^ig bie
55egie^ung bon 9S. 25 auf Sljafim, überjtel^t aber, baß nac^ §i^ig^ Stuftest ber 9ia^trag
bon ^c\a\a felbft gefc^rieben toäre, unb greift mit b. DreHi (Äurggef. Äommentar gu 3ef S6
3. Slufl. 1904) unb mand^em neueren Slu^leger gu ber noc^ toeniger natürlid^en 2lnnal^me,
bafe 2{. 24 tro^ be« g. 93. 3er 20,9» felf^lenben „toenn" eine fonbitionale 3lugfage fei,
gu ber 9S. 25 ben 9iac^fa$ bilbe. äl^nlid^ meint 93aubiffin (Einleitung, £eij)gig 1901,
©. 365 f.), bem ßljafim toerbe mit ber 9?erfünbigung feiner (Srl^ebung gu^leic^ eine
3)rol^ung gegeben für ben %aü, ha% er ftc^ bicfer ßr^ebung ni^t toürbig getgen foHte, 40
unb tüill nid^t einmal bie ^tj'ipoti)^]^ Äuenen^ au^fc^liefeen, nac^ ber in bem gef^ic^tlid^en
93erid^t eine 93ertt)ec^felung ber beiben §ofämter ftattgefunbcn ^ätte. 2)er Slaum berbietet
^ier bie (Erörterung ber t|örid^ten ßinfäUe, bie Äemj)er guUerton in feinem romanl^aften
Sluffa^e A new chapter out of the life of Isaiah (Am. J. of Theol. 1905, ©. 621
bi^ 642) borgebrac^t l^at, unb aller fonftigen 3trtümer, in bie tüd^tige ©jegeten berfaHen finb, 46
g. 93. ber fprad^toibrigen Sel^aui^tung, bie änfang^toorte bon 9[5. 25 (am felbigen Sage),
bie nac^ gefunber aiuelegung auf 9S. 20 gurüdtblicfen unb ©leid^geitigfeit au^brücten,
tonnten gleich „bann" gefaßt toerben. 2)ul^mö 3tufftetlungen barf id^ aber um fo toeniger
überael^en, al^ fte, toie b. Oretli treffenb fagt „mit fuggeftiber Straft auf bie Äritif unb
Auflegung feiner 5iac^folger eingctoirft l^aben", nic^t nur eine^ ßl^e^ne, fonbem audj^ 50
auf bie bon ©iefebrec^t, SKarti, 93eer (Äurge^ 93ibeltoörterbuc^, Tübingen 1903, ©. 600)
u. f. to. fjür Dul^m nämlid^ unb feine 9iad^folger fmb toefentlid^ ec^t nur bie 4 erften
ber 11 SSerfe, an bie fic^ gu t>erfc^iebenen 3^i^^^ gtoeiS^fÄfee angefd^loffen j^aben foÖen,
8. 19—23 bon einem ^reunbe unb 3S. 24 f. bon einem ®egner beö Sljafim. greilic^
finbe ic^ im allgemeinen mit 3tlfreb ^Kal^If^ (®g3t 1903, ©. 611 f.) bie neuerbing^ bon 66
mand^en Äritifern gur (Entfernung bon allerlei änftö^en geübte „©äuberung be« Sejte«",
bei ber bann „aUeig fo fc^ön Ilappt", recljt bebenllid^ unb meine, eine §^i)ot^efe toerbe
baburd^, ba^ bie eine (^Jloffterung bie anbere nac^ ftc^ giel^e, nur bergtoidfter unb untoa^r^
fc^einlic^er. 2)ag gilt im befonberen bon 2)ul^m^ (Srllärung unfere^ ätbfc^nitte«, obgleid^
er mit Siecht einerfeit^ nic^t^ babon toiffen toill, baft bem frommen ©Ijafim gugleic^ eo
110 Seina Sedeitborf
mit feiner ©rl^ebung 5lej)oti^mu^ borgch)orfen unb fein Sturj angefünbigt toärc, unb
anbererfeit^ folgerichtig bie Sinl(|eitlici^Ieit ber 9lbfaffung aufgiebt, toeil er ben falfd^ bon
$i^ig angenommenen SBiberfprud^ jtüifc^en 33. 25 unb 23 meinte billigen ^u muffen.
Sreffenb tpeift ©iefebrec^t auf bie in i^. 20—23 au^efproc^ene innere Sfnteilna^me ^in,
6 auf bie breite, trol^lgefätlige ©d^ilberung ber ^«^«ftitur eijafim« mit ben äb^cic^cn beö
©ebna unb bie §ert)orl^ebung ber feften Stellung, bie ßljafim einnehmen foü. ©agcgen
entbecft nur inige 2lu^legung in 33. 24 ben 5Jei)otigmu^ ©Ijafim«, unb nur 33oreins
genommen^eit fann ftd^ bem (Sinbrud nic^t entjiel^cn, bafe bie äBorte unb 33ilber einen
fjjöttifc^en ß^arafter tragen. Dl}m Slüdft^t auf ben balb ju ftürjenben Slnl^ang ©cbna^
10 toürbe ^^\aia, toie ®h)alb fein bemerlt, „fc^tüerlic^ gerabe ben 3lnl^ang feineiS fünftigen
^Wac^folger^ jum üorau^ ertoä^nt l^aben". 33ei (Sljanm lann ^^]aia bon ber ßerrlic^feit
be^ §aufeö feinet 3Saterg, ber ja bei ©ebna fel^lt, fo reben, bafe er in bem fcinedtüeg^
^ä^lid^en 33ilbe ber ebeln unb ber tüilben ©Jjrö^linge ben ganjen 2lnl^ang ^ufammenfa^t
unb toeiter bie geringeren ©lieber ber gamilie mit toerfc^iebenen irbenen ®efäfeen »er*
16 gleid^t, bie ein ©turj ^erfd^mettert. 3)arum aber fd^ilbert ber 5ßroj)l^et ben ®lang, ben
Sljafim^ neue SB^ürbc auf feine gan^e gamilie tüirft, unter bem Silbe be^ Siagel^ ober
5ßflocf«, toeil er ftc^ bamit ben Übergang gum 25. 3?erfe bahnen toiH, ber ben ©turj
nic^t nur beö ©ebna, fonbent aud^ feinet gangen änlfiang« berfünbigt. 5ßidcator fagt in
feinem Sibeltoerf (^erborn, 1644) ju 33.25 furj unb bünbig: PaxiUus iste] Praefec-
20 tus aulae, Sebna. Metaphora ex collatione versus 23, unb feine 3lnal^fc lautet
flar unb richtig: Depositio Sebnae a praefectura aulae indicatur primo verbis
propriis, V. 19; deinde amplificatur antithesi disparatorum, quatenus prae-
fectura illa promittitur Eljakimo, V. 20 sqq. Postremo illustratur simili exem-
tionis paxilli e pariete, V. 25.
26 SBie tüir am ©d^lufe bon 33. 15 (Dgl. 3ef 8, 19) ba« im ®runbtejte nic^t ou^
gebrüdEte, aber burd^ ben gufammenl^ang beutlid^ bargebotene „unb fprid^" l^injubcnfen (t)gl.
©efeniu«' Kommentar über 3«faia, ©. 697), fo muffen toir, toenn mir nid^t medj^onifd^ unb
oberPäd^lid^ berfal^ren, f onbem un^, toie ©efeniu^ (©. 694) ^ au^brüdft, nur ^inlänglid^ in
ben®eift unb^ttjed biefe^Drafetö gu berfe|en toiffen, in ber Überfe^ung bon 33.25 l^inter
80 nnpnn bad beutfc^e SBörtc^en „je|t" einfd[)ieben, ba« in ben au« 33. 20 mieber^olten
Söorten „an felbigem 2!age" feine ejegetifc^e 33egrünbung finbet. Dbgleid^ bie angeblich
„fonnenflare" SSejie^ung Don % 25 auf ©IjaÜm ejegetifd^ falfc^ ift, toirb e« too^l nic^t
leicht an 2lu«legern fel^lcn, bie allerlei ®rünbe jur SJerteibigung biefe« 3^"^"^^ aufgä^len,
bielleic^t nad) ber äBeife ^engftcnberg« ®rünbe m großer ^^al}l, ol^ne ju bebenfen, bafe bie
86 3Wenge ber blofecn ©c^eingrünbe niemals einen tpirflid^en ®runb getoäl^ren fann. gc^
mu^ e« mir berfagen, auf bie Dielen bon 6b. Äönig (©. 624 ff.) Vorgebrachten ©c^eim
grünbe näber einjuge^en, ba bie SJJitteilung einei^ einzigen m. (£. fd^on genügt; er lautet:
„SSierten« fonnte, n)enn uicbt ßljafim fclbft, fo boc^ feine gamilie getoamt toerben, bie
einflu^rcid^e ©teßung ibre« 33ern>anbten in falfd^er 2Beife auszubeuten." ®eme aber
40 eigne ic^ mir auö ben Jüorten, mit toelc^en grang 2)cli^fd^ bie (Sjegefe unfere« ©tüdf«
abfc^licfjt, bie folgenben ©ä^c an: „^\i ©ebna toirflicb (toaS aud^ o^ne ein afj^rifd^c«
SolfScEil benfbar) in bie ®efangenfc^aft ber Slff^rer geraten unb fortgefc^le})J)t toorben?
Ober ift er bem gebrol)ten ©eridjtc burc^ bußfertige ©elbftbemütigung juborgefommen?
2luf biefe unb anbere 55^agen fe^lt unS bie 2lntti)ort. 3fJur baS (Sine ift getoife, bafe bie
45 SBeiSfagung nicfjt baftel;en toürbe, toenn fie Urfadl^e gel^abt l;ätte, fic^ i^rer 33erglei(^ung
mit ber ßrfüHung ju fc^ämen." ^bolf ftamp^avfeii.
Scrfcnborf, 3Seit ^'ubtoig Don, geft. 1692. — g. 3. 58reit^aupt, Seirfjenprcbigt ouf
S?. S. ü. 8ecfenborff, 3eil% 1693, Jol. ; ei)r. 2:()omQfii, ,UlQg= unb Xrauerrebe auf 8crfenborff
in feinen SUeinen teutfc()en 3rf)nften 1721, 9h-. XIII, 8. 497 ff.; 91. ©larmunb, Vitae claris-
50 simorum in re litteraria viroruni b. i. i^ebenöbefcfircibungen, ^öittenberc; 1711; S)an. ©ottfr.
Sdiveber, Historia vitac ac meritoruni Viti Ludovici a öcckendorf, Lips. 1733; S4r5(f^,
^Ibbilbuiigcn unbi!ebens:beicf)reibunflcn, 2. ^>^b, Seip^ig 1790, 8.285; ifö. 5Kofd)er, gtuci fäc^pfd)«
etaateioirthe im IG. unb 17. 3al)rt)., "Jlrcf). f. fficf)). ^Jefd). I. ^43b (1863), 6. 376 ff.; O. 9?ofc»
mann, i8. S. ü. Secfenbovf ^p XII (18Ö3), 6. 257 ff.; 3. % üon Öiibetoicj, Ocfonomifdie
56 9lnmevfun(\en über 8ecfenbürff^j giirftenftaat, granffurt 1753; 2:()ie(e, 3ur 6f)araftcriftü bc«
teut(d)en gürftenftaat«? 5^. i3. u. 3ec!eiibüvff^J, 5)iii^:^burfi 1853, "ilJroflr.; JHid). $a](iner, Seit
fiubioig üon 8ecfenborff unb feine 03ebanfcn über Crvi^icbun'j^ unb Ünterrid)t, Öcipjig 1892,
5)iif. (entbölt bie befte, auf ardiiualifdicn Sorfd)un(\en beVu^enbe Sfi^j^e feine« Öeben«^);
91. i8ecf, (frnft ber 5rommc, ^ßeimar 1865, 2^^be; (^'. 5'^ramer, Vlug. ^\ grante, ^allc 1880;
60 '^' Sc^raber, ^ctd)id|te ber griebric^ö^Uniuerfität .^u ^alle, iöerliu 1894, I. ^b.
Sedenborf 111
S3cU fiubtotg bon ©cdfenborf, bcr geklärte ^orfc^cr, ^ßol^l^ifior unb Staatsmann, ben
man immer mit ß^ren nennen toirb, \o lange man SHeformationSgefc^id^te fc^reiben h?irb,
ftammte auS einem alten, in granfen toielfad^ angefefjenen ©efd^lec^te. 3" Ö^jogen^
aurad^ untoeit (Sriangen tüurbe er am 20. ^ejeraber 1626 geboren, h)o fein SSater
goad^im fiubtrig üon ©edtenborf, §err bon Ober jenn, bem eigentlid^en ©tammgut ber 6
gamilie, bamalg feinen 3Bo^nft^ ^atte. ©eine 3Kutter, eine geborne ©c^ärtlin toon Surten^
bad^ ftammte toon bem berül^mten fjü^rer gleichen DJamenö im fd^malfalbifd^en Äriege ab.
25eit Subtoigg 3^0^"^ f^^' ^" ^i"^ unruhige, fd^toere 3^*- %^^ ^^^^ ^ }w erfal^ren,
toag ber Ärieg bebeutet. 31IS bie ©c^tüeben im ^ai)x^ 1631 in ?franfen einfielen, l^ielt
e« fein SSater toie biele anbere bom fränÜfd^en Sibel für baS ©eratenfte, bei il^nen lo
3)ienfte gu nel^men, unb trat in baö i?on §erjog ßrnft öon ©a(^fen=®ot^a, bem aSer-
bünbeten ©c^toebenS, geworbene Slegiment (togl. ä. 33edf, ©rnft b. fromme I, 69). ©o
blieb ber SKutter, bie bem Später auf feinen Ärieggjügen bielfac^ folgte, bie ©rjiel^ung
be^ Änaben überlaffen. 3" Äoburg, bann in SWü^l^aufen erbielt er ben erften Unter«
ric^t. 3" ©tfurt bor allem, h?ol(|in bie SWuttcr im ^al)xz 1636 überfiebelte, legte er is
ben ®runb ^u feiner fjjäteren ©elel^rfamfeit, tl^at fic^ auc^ fd^on ^erbor burd^ feine
gertigfeiten m ber gried^ifd^en unb franjöftfd^en ©})rad^e, unb fc^on im elften ^af)x^
öermodj^te er, toie er felbft erjä^lt, lateinifc^e Oratiunculas per omnia genera ju
fomj)onieren unb memoriter ju remitieren (bgl. I)eutfd^e Sieben ©. 61). SBertboHer toar
für feine gange innere ©nttoidtelung ber (Sinflu^ ber frommen SWutter, bie i^m jene tiefe 20
grömmigfeit einjjflanUe, bie il^n fein ganjeö Seben lang auSgeid^nete. G« fel^lte i^m
nid»t an ©önnern. 2lld ©l^ielgefäl^rte ber toürttembergifdf»en ^ringen ©^iDiuS 9iimrob
unb 3Kanfreb fam er im ^al)x^ 1639 toieber nac^ Äoburg, too bamate §ergog ßrnft b. ^r.
no(^ gemeinfam mit feinen Srübem 9llbred^t unb SBill^elm §of ^ielt. ©eitbem ^atte er
fic^ ber befonberen ©unft biefeS gürften p erfreuen, ber i^n fogleid^ bon mancher läftigen 25
ajienftleiftung ber 5ßagen befreite, um feinem Talente bie nötige SJlu^e gu geben, unb
\i)n dnbe beS ^a^xt^ 1640 in bie neue Sleftbenj ©ot^a mit ftc^ na^m, too er am
6. gebruar 1641 in baS bortige ®^mnafium aufgenommen tourbe. §ier toar eS neben
bem berül^mten SReftor ber ©d^ule, 3lnbreag Seiner, bem Herausgeber beS berühmten ©otl^aer
,,©(^ulmetl^obuS" (togl. $eine, JHeftor mag. SlnbreaS 9lei^^er, §olgminben 1882 5ßrogr.), 30
befonberS ber Jj^ilologifd^ gebilbete Sl^eologe ®cneralfu))erintenbent ©alomon ®la^ (bgl.
b. 2lrt. 33b VI, 671 f.), ber auf il^n ben größten ßinflu^ getoann. ©eine ^^Jrebigten
fc^rieb er nac^, bon feiner ß^egefe, um beren me^r })bilologif^e §anb^abung ©la^ nid^t
wnbebeutenbe 3Serbienfte ^at, fprac^ er nod^ in fpäterer 3«t mit ftauncnber Setounberung
(histor. Luth. III, 313). ®ang befonberS toirb aber auf ben engen 3[5erfe^r mit biefem 86
3^eologen feine milbe, bei aller entfd^iebenen ^ömmigfeit bod^ ben tl^eologifc^en ©treitigs
fetten abgeneigte SRic^tung jurüdgufül^ren fein, bie fein ^erborftec^enbfter ß^araftergug
tourbe. Qn jener 3rit traf i^n unb feine gamilie ein fc^toerer ©c^lag. ©ein 3Sater,
bcr fc^on lange mit ber fd^toebifc^en Ärieg^fü^rung unb ber Se^anblung ber beutfc^en
Dffijiere unjufrieben toar unb bamit umging, ben fc^toebifd^en I)ienft ju quittieren, toar 40
unöorftd^tig genug getoefen, fic^ fd^on bor^er mit ben Äaifcrlid^en einjulaffen. ©eine
Sriefe tourben aufgefangen, er felbft ^um 2obe Verurteilt unb am 3.5ebruar 1642 auf bem
3Kar{te ju ©aljtoebel enthauptet (togl. 91. S3robe, 2)ie fcf^toebifc^e 2lrmee nac^ bem ^rager
^rieben unb bie @ntl^auj)tung be^ Dbriften Soact;im Subtoig öon ©edfenborf. gö'^^^- ^^
^I. äfabemie in ßrfurt, SJgXXII [1896], ©. 11 7 f.). 2lber man fc^ä^te feine frül^eren 40
SJerbienfte, fo bafe fid^ gerabe in ber golge bie gamilie eingel^enber gürforge toon feiten
ber fc^toebifd^en ®ro^en ju erfreuen l^atte. Sorftenfon felbft trat bafür ein, unb bie
Äönigin ßl^riftine toarf ber SJfutter ein 3ifl^^9f^<^It au^. i^cit Subtoigö, ber am 6. SJlai
1642 bom ®oü)atx ®^mnafium entlaffen toorben toar (Srobe a. a. D. ©. 150), nal^m
fid^ befonberg ein Äampfgenoffe be^ SSaterö an, ber fc^toebifd^e Dberft SWortaigne, ber eo
il^nt auc^ bie 3Rittel baju gab, noc^ in bemfelben 3>a^re bie Unitoerfttät ©traPurg ju
begießen. Söäl^renb breier ^ai^xc ftubierte er bort neben $^ilofoj)l^ie gw^i^l^tubenj unb
©efc^i(^te. 3la(i) feiner SRüdte^r t)on ber Uniberfität badete er eine ^txt lang baran, toie
fein SSater bie militärifd^e Saufbabn ein^ufcl^lagen. ©r begab ftc^ nad^ 2)armftabt, too
ber Sanbgraf ®corg II. i^m eine ^ä^nri(|ftclle in feiner l^eibgarbe gufic^erte. ©ein bäter^ 55
lieber fjreunb 3Rortaigne jcbod) riet i^m, bei ben SBiffenfc^aften f^n bleiben, toe^l^alb er
^Darmftabt nac^ furjer ^t\t herliefe, um toicberum nad^ (Erfurt, too^l gur ^Jortfe^ung feiner
©tubien, ju geben. 2luf ber Steife berül^rte er ©otl^a, too er au^ bci^erjog ©rnft bem
frommen toorfprac^, ber il^n bei fid; bcljklt, i^n mm ^ofjunter ernannte unb i^ugleic^
bafür forgte, bafe i^m bie gorlfe^ung feiner äu^bilbung ermöglicht toar. 3!)ie ©tellung, co
112 Sedenborf
bic er junäc^ft bei leibetc, toar eigentümlich genug. Site Sluffel^er über bie Sibliot^el ^atte
er au« beftimmten Sudlern baö ^Jü^Iic^e unb Snterefjante ^erauöjugte^en unb feinem
^ür[ten in SWu^eftunben, ober aud^ an Sonntagen ober auc^ auf Steifen mitzuteilen, ein
Smt, tooju i^n feine au^erorbentlid^ umfänglid^e Kenntnis aud^ ber mobernen Qpxad^tn
6 in befonberer Söeife befähigte. 2)amate legte er ben ®runb gu ben litterartfc^en ©amms
lungen, bie man in feinen ©c^riften bertüertet finbet. ^m gal^re 1648 tüurbe er gum
Jtaii^merjunfer ernannt, 1652, obtoo^l erft 26 ^a^xt alt, gum ©of^ unb 3iwfttticnrat.
3m ^ö^Tf^ 160^ ^^^ ^ i>on ber ^n^tii, ber er jeboc^ noc^ aU Slid^ter am ^ofgeric^t
in ^zna ^af)x^ lang biente, ate ®e^. §of= unb Äammerrat jur SSertüaltuna über, in
10 toel^er Stellung er fid^ gam befonberö auc^ um bie ginangtoirtfc^aft bee iSianbed ber^
bient machte unb in mand^erlei aud^ bij)lomatifd()en 3lngelegen^eiten gute 3)ienfte leiftete,
toie nic^t tüenigeö bon bem, toa^ bie (Sefc^id^te an ber ^Regierung §erjog @mp^ (f. b.
2lrt. 33b V, 477) in politifc^er unb firc^lid^er Sßejiel^ung ju rül^men meife, toenigfteng in
ber fjjäteren ^^\t auf bie Anregung feinet toielfeitigen Slate^ gurüdiufül^ren fein bürfte.
15 2)a« Vertrauen feine« ?JM*^"/ J" ^^"^ ^ ^^ engften SSer^ältni« ftanb, e^rte i^n im
^a\)Xi 1664 mit ber ^öc^ften SBürbe im Sanbe, ber eine« Äanjler«, bie er ieboc^f, toie
er felbft angiebt, toegen Überbürbung mit Oefc^äften nod^ in bemfelben ^a^xt aufgab,
um al« Äanjler unb itonfiftorial})räfibent in ben 2)ienft be« ^ergog« 3Korfcb bonSad^fen-
"^eil gu treten, ^n biefem 2lmt verblieb er tro^ mancherlei mi^lid^er Sser^ältniffe, bie
20 il^m ben ^ofbienft bcrleibeten, au« Siebe ju feinem §errn, bi« il^m beffen %o\> im
Saläre 1681 bie ertoünfd^te ©elegenl^eit gab, feine ämter in Sac^fen (3^^) niebenulcgen.
)ba^ il^m fc^on frül^ gugleid^ übertragene 9lmt eine« £anbfd5>aft«bireftor« in Slltenburg
bel^ielt er bei, ließ e« il^m boc^ 3^^^ ""^ ^"6^ gcnuQ/ «uf feinem 1677 ertoorbcnen
®ute 3Keufelh)i| bei ältenburg feinen gelehrten -Keigungen ju leben, ^^t enblid^
25 fonnte er, tronac^ er fic^ lange bergeben« gefeint l^atte, an bie SSertoertung feiner toiffens
fc^aftlic^en Sammlungen unb ber reichen ßrfal^rungen gelten, bie er in einem langen amt-
li^en Seben in SSejug auf Äird^en^ unb ©taat«h)efen fic^ ertüorben l^tte. 3Kit ©ele^rten
berfd^iebenften ©c^lage« in aller p^xxm Sänber unterl^ielt er einen regen Srieftoec^fel, bon
bem fic^ nod^ einige« in bem Slrc^it) ber ©edfenborffc^en gamilie in SWeufeltoi^ ersten
80 ^at. 3^ ^^^^ ^^ ^^^^ fonjentrierte fid^ fein ^Jntereffe auf bie ^age nad^ bem SBert
unbSBefen })raf tifc^en ß^riftentum«, toobei e« fic^ getoifferma^en toon felbft ergab, bafe er
mit folc^en 9)lännern h)ie ^ß^ili))}) ^atob ©bener in nähere Segiel^ungen trat, ©ecfenborf
ift e« getoefen, ber ©))ener« 33erufung nac^ 3)re«ben Vermittelte, wtan tuirb i^n laum
einen $ietiften nennen bürfen, obtoo^l er u. a. ©i^ener« Serteibigung gegen bie Imago
:iö pietatis übernal^m („S3crid^t unb ©rinnerungen auf eine neulich im 2)ru4 latcinijrt
unb beutfd^ au«geftreute ©c^rift Imago pietatis" genannt, mit einer SSorrebe 3. ^.
©))ener«, §alle 1692 u. 1713 in 4"), auc^ beffen 5ßrebigten über „be« t^ätigen 6l^rtften=
tum« 92oth)enbigf eit unb ^toglid^feif' überf e^te (Gapita doctrinae et praxis christianae
insignia ex 59 illustribus N. Test, dictis deducta et evangeliis dominicalibus,
40 in (soncionibus a. 1677, Francof. ad Moen. habitis applic^ata a. P. J. Spenero
1689). 2Ba« i^n an ber neuen Setüegung anjog unb tpa« i$m ba« 3Bef entließ jie baran
tDar, tüar bie Betonung Jjraftif^en G^riftentum« unb ber fittlic^e 6mft. Dafür lonnte
er fid^ um fo me^r ertoärmen, al« er fc^on längft felbft eine fold^e SRic^tung Verfolgte;
babei toar er aber bod^ eine biel gu praJEtifd^ angelegte, aud; hitifd^e 9latur, um für ba«
46 5K^ftifc^e unb bie ®efü^l«feligfeit im $icti«mu« ©^mjiatl^ien ^u l^aben. Dl^ne g^eifel
toidE) er aud; barin toeit bon i^m ab, ba^ er nid;t SÖenige« für bie SSerbefferung ber
fird^Iic^en 3"fiönbe bon bem ©taate ertüartete (bgl. auc^ ba« Urteil Slafemann« a. a. D.
267). 2lm Slbenb feine« 2^b^n^ tourbc er noc^ felbft in bie Setoegung l^inetngejogcn.
Äurfürft ^riebric^ III. bon Sranbenburg l^atte i^n am 9. ©el^tember (f. bie Scftallung
60 bei aß. ©d^raber a. a. D. II, 361) „in änfe^ung feiner fonberbaren ))rubeiu unb bestes
rität" jum Äanjier ber neuentfte^enben Unibcrfität §atlc ernannt. 2lm 31. £5ftober 1692
langte er bafelbft an. 3^" ertüartetc bie fc^mierige 2lufgabe, bie ©treitigletten fjrondte«
mit ber l^aHifc^en ©tabtgeiftlicf^teit au«^uglcid^cn, tooju er, toie 6^r. 3;i^omaftu« in feiner
Seid^enrebe fagt, „foiool^I toegen feiner langen 6rfa|^rung bon ben ^Mängeln in allen
65 ©tänben, ber guten unb böfcn ®ebräucf?e bei Uniberfitäten al« auc^ toegen feiner fonber^
liefen ®abcn, bie ®emüter ber SRenjc^en gu geirinnen, gefcf^idter toar al« trgenb ein
anberer". SBenigc SBoc^en barauf, am 18. 2)eiembcr 1692, an bemfelben 2^ge, antodd^tm
ber bon i^m bctüirfte 3tu«glcic^ bon ben wandeln ber ©tabt berfünbet tourbc, ifl er
geftorben.
60 Xxo^ feiner bielfcitigen amtüd^en Xl^ätigtcit fanb er bocl) fd^on in ®ot^ 3^* i"
Sedenborf 113
einer Stetige fc^riftfteUerifci^er arbeiten, bie gum 3^cil aHerbing^ in unmittelbarer S5ejiel(|un0
5U feinen amtlid^en 9(ufgaben ftanben, j. S. {c^rteb er im ^ntereffe bed älu^gleic^^ über
bie f^age t)on bem @c(|u$rec^t über bie @tabt @rfurt: Justitia protectionis in civi-
tate Erfurtensi etc., 1663, 4^; Repetita et necessaria defensio iustae protec-
tionis Sazonicae in civitate Erfurtensi,. 1664. 3" SSerbinbung mit mel^reren anberen 6
t>erfa^te er auf ^er^oglid^en 93efelS^l: Schola latinitatis ad copiam verborum et
notitiam rerum comparandam, usui paedagogico in ducatu Gothano accom-
modata et edita iussu serenissimi Ducis Saxoniae Ernesti, Gothae 1662. @eit
1660 arbeitete er, toieberum auf ben SBunfc^ feine« ^ürften, an einem fpäter biel ge-
brauchten Jtom^enbium ber jtirc^engefci^ic^te, ba« ft>e)teU für ba« ®V>""^f^u^ i" &ot\)a lo
beftimmt toar, unb toeld^e«, nac^bem ©. felbft aHerbingg nur bie „Äirc^engefc^ic^te im
alten Sunbe" bef daneben, bon 3lrto))oeud unb SSöcler ju ®nbe geführt, im ga^re 1666
l^erau^fam: Compendium historiae ecclesiasticae decreto serenissimi Ernesti
Saxon. Ducis in usum gymnasii Gothani, ex S. S. litteris et optimis aucto-
ribus compositum, Lipsiae et Gk)thae 1666 (im ^al^re 1690 auf ben ^nbe^ g^f^t, i5
Dgl. SReufd^, 2)er Snbej ber t)erbotenen Sucher II SSb [33onn 1885], ©. 109). ^m 2Hter
öon 29 ^afyczn fd^rieb er feinen „2)eutfd^en gürftenftaat" (ber nic^^t toie getoöl^nlid^ an*
gegeben erft 1665, fonbern fc^on 1656 ba« erftemal erfdj^ien), ein SBerf, ba« ate eine
3ht ^anbbuc^ bed beutfc^en Staatsrecht« aufgefaf^t tverben tann unb aU fold^e« auc^
gef4f% tourbe (nac^ £. SRanle, 9?eue Sucher Jjreufe. ®efd5>. 1847, 33b I, ©. 54 ba« ^ur 20
3eit be« großen Äurfürften ,,beliebtefte ^anbbuc^ ber beutfc^en ^olitil"), anbererfeit« be«
fonber« aber beS^alb ben SeifaH ber ^^^Ö^off^n fanb, toeil e« eine f^ftematifc^e 3"'
fammenftettung bon Siegeln unb 2}orfc^riften für eine tool^lgeorbnete 3{egierung«j)ra|i« giebt,
unb }h)ar in älnlel^nung an bie @runbjä^e ber 93em?altung in bem bamaligen ^erjogtum
®ot^ (au«fül^ri. barübcr bei 3ß. Slofc^er a. a. D.). ©etoiffermafeen ate ©egenftücf ^ierju 20
fann betrachtet toerben fein „ßl^riftenftaat", toorin „bon bem ßl^riftentum an ftd^ felbft, unb
beffen Se^au^jtung toiber bie ät^eiften unb bergleid^en Seute, toon ber SScrbefferung be«
aSäeWic^en unb be« ©eiftlid^en nad^ bem ^toti be« ß^riftentum« gebanbelt" wirb. 2)a«
umfangreiche SBerf toar, jumal in feinem erften 3:eile, ftüdftüeife entftanben au« 3Kits
teilungen, bie ©edfenborf au«?ßa«cal« ^enf^e« (f.b. 3lrt. 5ßa«cal ©b XIV, 713, 58 f.) am ao
lifd^e be« $ergog« 3Koti$ t)on ©ac^fen gemad^t batte, über bie er fic^ bann au«fül^rüd^er
verbreitete. 6rft toä^renb feiner ^Kufeejeit in üJleufeltoi^ fam er baju, ber ©ac^e toeiter
nac^guge^en, unb gab nadj^ längerem 3^0^^ ^"f ^^" ^^^ ^^ greunbe, befonber«
©})ener«, bem er e« gur 2)urd^rtd5>t gegeben, ba« äöeri im ^dl^xz 1685 ^erau«, nac^bem
er tDeitläufige „Additiones gur Sefräftigung unb 9{ac^benten au« alten unb neuen 35
Autoribus angehängt'' i^atU. ^a« 2Berf l^at au«gef^roc^enermagen teil« eine apolo-
getifc^e, toefentlic^ gegen ben 2tt^ei«mu« geric^itetc, teil« eine reformatorifd^e S^enbeng unb
toill „au« bem ®runb be« G^riftentum« jeigen unb au«fü^ren, toie ben Dielen unb großen
geilem in allen ©tänben eben baburd^ am beften abgu^elfen tüäre, toenn ber ®runb ber
©ottfeligfeit red^t betrachtet, unb beffen §auptgh)edf gur SRic^tfd^nur aller menfd^lic^en ^
aitioncn bor Stugcn gehalten tüürbe''. Rvl biefcm 6nbe l^anbelt er, nad^bem er in äln^
lel^nung an $a«cal gegeigt, toorin ba« ß^riftentum „toiber bie 3ltl^eiften, 3)etften unb
^euc^ler in«gemein befte^e", im 2. unb 3. 33ud^e toon ber SSerbefferung ber brei ©tänbc
„nac^ bem ®runbe be« 6^riftentum«, nämlic^ ber toal^ren unb etüigen ®lüdffeligleit",
unb giebt fo eine 2lrt gtl^if, aUentl^alben in milber gorm bie ®runbgebanlen })ietiftifd^er «
2eben«fü^rung bertretenb, übrigen« mit fteter gurc^t, bie ftd^ befonber« in ber 5}orrebe
au«f})ric^t, bamit änftofe anguregen. 2)ie rul^ige, befonnene unb übergeugte Srt biefe« Saiem
buc^e«, in bem ftc^ bei allem an ba« Sllter erinnernben 9)loralifieren boc^ immer toieber
ber h)eite berftänbtge 93lii be« erfal^renen ©taat«manne« geigt (bgl. g. 33. ben ®ebanfen
t>on ber allgemeinen 2ße^ri)flic^t ©. 249. 352. 368 ff.), unb mit gleichem ©rnfte §oben ßo
unb 9liebrigen 33ufee geprebigt tüirb, mufete ol^ne 3^^if^^ f"^ ^^^ SJerbreitung be« ^ie-
tt«mu« bon groger SOiirfung fein.
2)a« bebeutenbfte SBerl ©ecfenborf« aber, meiere« feinem 5Jamen für äße ^^\im
einen el^renbotten $la$ unter ben Äirc^cnl^iftoritern fiebern h)irb, ift fein (jommentarius
historicus et apologeticus de Lutheranismo seu de reformatione. Sen un^ 55
mittelbaren 9lnlag bagu gab bie ©d^rift be« ^cfuiten 3Jlaimbourg, histoire du Luth6-
ranisme, 5ßari« 1680, bie ein junger grcunb ©edfenborf« bon einer frangöfifdben Steife
im ^afyct 1683 mitgebrad^t ^atte. Die gefd^ic!te 3trt be« tool^lbctoanbertcn äJerfaffer«,
ber fi(^ bon ben üblidj^en ©c^mäl^ungen fern l^ielt (übrigen« al«balb auf ben ^n\>^ ge=
fc|t lourbe, bgl. Sfleuf(|, 2)er Snbej ber berbotenen Sucher II, 583 f.), unb um fo ein= ^»
fHtQU9ncJ9tiopihit ffir t^eologie unb Stixä^t. 3. 91. XVIII. S
tl4 Sedenborf Secr^tan
brucföDotter unter ber 9Ra^Ic objeftiber ©efd^id^täfc^teibung gcöen Sut^er unb feine Am
ganger auftrat, fd^ien eine SBiberlegung um fo iDünfc^en^toerter j\u machen, aö man in
JJranfeeid^ mit biefem SBud^e in ber §anb ben beutfc^en 5ßroteftanten entgegcnjutreten
bflegte. ©d^on frül^er toar ©. bon ^erjog 6mft im §inWicf auf ba^ i^m jur 9Ser=
6 fügung fte^enbe reid^e Slftenmaterial aufgcforbert trorben, eine ©efd^id^te ber Sieformation
ju fd^reiben. ^d^i beranla^te il^n baö Sucf) toon 5Waimbourg, atterbing^ in anberer SBeife,
jenen ©ebanfen aufiunel^men, inbem ce nad) feiner Überzeugung toor aüen Iitngen galt,
eine aftenmäfeige SBiberlegung ber jefuitifd^en 2)arfteIIung ju liefern. 3lad^ reiflicher
Überlegung mit feinen litterarijc^en g^eunben ging er an^ SDäerf, na^bem er fc^on einen
10 Seil be^ maimbourgifd^en SBudpc^ in^ Sateinifd^e überfe^t, auc^ getoiffermafeen alg SSor=
arbeit eine i?on 6. Sagittariu^ (Jenae 1686 4*) herausgegebene Dissertaüo historica
et apologetica pro doctrina D. Lutheri de missa gefc^rieben l^atte. Sad gro^e
Vertrauen, toelc^eS er bei fämtlic^en dürften beS fäc^ftfc^en §aufeS genofe, eröffnete i^m
bie Slrc^itoe in einem Umfange, toie eS feinem fjjäteren ®ele|rten gu teil getoorben fein
15 bürfte. 2lud^ toon anberen Seiten toarb er burc^ Überfenbung bon Stftenftürfen unb
fonft bisher unbeachteten ©c^riftftüdten unb 2)rudht)erfen unterftü^t, unb fo brad^te er auf
®runb eines gerabegu erftaunüd^en StltenmaterialS, obtoo^l burc^ einen 93ranb in feinem
©c^Ioffe ju SWeufeltoi^ im ^a^re 1685 ein 3:eil feiner $a<)iere bemic^tet tourbe, anbcrc
in grofee SSertoirrung gerieten, in öerl^ältniSmäfeig furger ^^xt baS gro^e SBerf ju ftanbc.
20 SBic aus einem Sriefe ©edtenborfS an Dtto S?en!en am 25. Df tober 1683 peröorgc^t
(2öeIIer, 3llteS unb 5ieueS I, 652), ging fein 5ßlan aunäc^ft ba^in, ju bem 2Berfe ÜKaim--
bourgS mit nur geringer 3lüdfftc^tna(^me auf bie bogmatifd^en ^Jragen, toiberlegenb« refp.
ergängenbe Adnotationes ju liefern, ein ^lan, ber in ber golge eine ttffMid^t ax-
toeiterung erful^r. Sc^on 1688 erfc^ien ein erfter Seil in Quart, ber bie So^rc
26 1517—24 entl^ielt, baju im Saläre 1689 ein Su})})lement in 12^ 3)er erneute 3uflu6
t)on 2lrc^ibalien nötigte il^n bann gur Umarbeitung, als beren Slefultat baS gange, bie
3eit Sut^erS umfaffenbe 2Berf im 3a^re 1692 in golio erfd^ien. 3)ie üJletl^obe ift bie,
ba^ er paragrajjl^entoeife bie 2)arftellung 5WaimbourgS in lateinifc^er Überfe^ung boran-
fteUt, bann eine aftenmä^ige SKiberlegung anfügt, ek)entuell noc^ toeitere, bie borliegenbe
30 grage betreffenbe, oft fel^r umfangrei^e Additiones folgen läfet. ©o tourbe baS SBerf
gtoar feine jufammenl^ängenbe funftreicf^c 2)arftellung (eine fol^e tourbe in freier Über-
fe^ung berfucfjt Don ßliaS %xid in „2luSfü^rlic^e §iftorie beS Sut^ertumS unb ber 3lefor=
mation", 2ei))gig 1714), too^l aber ob beS reidfjen aut^entifc^en 5RaterialS, baS gumieil
mofaifartig aneinanber gefügt ift, ein nod^ l^eutigcn SageS unentbel^rlic^eS ^ilfSbud^ für
86 jeben SReformationS^iftorifer, gugleic^ ein ehrenvolles 2)enfmal beutfd^en ©ele^rtenfleifeeS,
benn n)ie Sa^le für feine 3^it fc^r richtig fagt: on n'a rien fait de meilleur sur
cetie matiöre. 3)aS SKerf foUte eine Slpologetif beS 2utl;ertumS fein, aber eS ift trojf
aller perfönlic^en Serebrung für Sutl^er, bie man auS jeber ^6k erfennen fann, bie
2lj)ologetif eineS loirflid^en §iftoriferS, ber in ber Unbefangenl^eit feineS Urteils feine 3«t
40 toeit überragt, benn er ^ält, toaS er in ber Sorrebe fid^^ als ^ki geftedft l^t : Patebit,
quo respectu Lutheranismus, quid in eo (Luthero) venerati secutique fuerint
majores nostri et quam inique nobiscum et frivole etiam atque impudenter
agant, qui nos ad mores vivi, aut ad duriuscula eius dicta aut scripta able-
gant; in quibus excerpendis, mutilandis, cavillandis, improbam sane^ certe
45 Christianis minime dignam, consumunt operam. Peccaverit, lapsus sit, verbis
factisve (longe quidem levius mitiusque, quam inimici et aemuli eius tradidere)
id nobis humanae imbecillitatis argumentum dat, at doctrinae fideique nuHum
adfert detrimentum, cuius fundamentum scimus ubi quaerendum sit. — Über
feine toeiteren Schriften, unter benen feine „politifc^e unb moralifc^e 2)iScurfe über M.
öo Annaei Lucani breil^unbert auSerlefene lel^neicf^e fprüc^e" 2C. (38onebe bom 28. Btpl
1692, aber erft Seijjjig 1695 erfc^ienen) ^eri^orjul^cben fmb, t)gl. ©d^reber a, a. D.
©ecr^tan, G^arleS, geft. 1895. — fiitteratur: Fils de leure Oeuvres (9?cuen=
butc^, 5. 8al)n; 1907 qI§ „.gelben au^ eiaener ilraft", beutjd) erfdjeinenb), @. 243— 85; dlj.
66 6. üon (Sbouarb 6ecr^tan ; g. ^iüon, La Philosophie de Ch. S. (^Pari«, Alicen 1898; ©ofton
grommel, 6^. 8. in Esquisses contemporaines 100— 27 (l'aufanne 1891); ®. ©. t)on^. $.
in ber SÖeilage 100 i^ur ^^lUgememen geitimg, \.Wai 1895. — Sociale <Bd)riftcn Don ©ft.®.,
überfe^t, auefü^rlid) eingeleitet imb mit einem 8(1)1 i[teniier5eicf)ni-i^ bed ^^erfafferS oerfc^en
üoii (&. ^IaUt)off, Sreibuvfl, 3. (i. ^^. ^Hio^r 189(3, 270 3.
60 ©eboren ben 19. SattWö'^ 1815 in Saufanne, geftorben ben 21. S^nuar 1895 eben-
Stcr^tatt 115
bafclbft, tft @. neben älejanber S8inet, ®meft 9labiIIe unb ä. %. Stmiel ber bebeutenbfte
Sleligion^^ilofo^l^, 3KoraIift unb Genfer ber fran^öftfc^en ©(^toeij, et ift jebenfaH^ bet
bielfeitigfte, botgefd^rittenfte unb mobemfte bon allen, ^to^itci ©o^n eine^ 2lbbofaten,
begann er an ber flaufanner ^od^fc^ule tl^eologifc^e ©tubien, bie er iebod^ balb mit juri^
pifdj^en unb j)^ilofoj)l^if(^en toerlaufd^te. 5Kit 20 ^oi^xin bertrat er iUnet am (S^mnafium &
in Safel. SSon ba ging er nad^ SWünd^en unb eml^fing toon ben äJorlefungen ©c^eHing^
unb Saaber« bauembe ©inbrücfe. 1838, mit ber 3Wün^nerin 3Karte ajlüüer ate (Sattin
in bie §eimat gurücfge!el^rt, erhielt er ate 5Rac^folger t)on (Sinbroj auf ®runb einer
©(^rift über bie Seibnifef^e ^l^ilofojjl^ie ba« ©itraorbinariat biejer aBiffenfd^aft an ber
^matlic^en 3Habemie (feit 1891 Uniberjttät), ba« 3 ^a\)x^ \päitx in ein Drbinariat t)er= lo
toanbelt tuurbe. 1846 tourbe er t)on ber rabifalen ^Regierung toäl^renb ber toaabtlänbi^
Wen SHeboIution mit ben meiften feiner ÄoHegen fu^penbiert unb fe^te pribatim feine
äSorlefungen fort, au« benen fein erfte«, umfangreic^fte« §auj)ttocrl l^ertjorging. 1850 an
bie äfabemie Sleuenburg (Sieuc^ätel) berufen, Uf)xit er 1866 nac^ Saufanne al« Drbina-
riu« gurücf, nacbbem bie toieber in bie §änbe be« ©taate« übergegangene 9leuenburger Slfa^ is
bemie i^n ebenfalls jur 2)emifrion gextoungen ^atte. 3" f^i^^J^ 3Saterftabt lehrte ©. nod^
29 3a^ $l^iIofo})l^ie unb natürliche« Siedet, nic^t ol^ne bie 2lufmerffamfeit be« 9lu«Ianbe«
^n erregen, ba« i^n burc^ 2lu«jeid^nungen aller 2lrt, Sitel, Drben unb ©inlabung ju
3Sorträgen, e^rte.
2)ie SBeltanfc^auung ©.« in feinen ^al^Ireid^en ©d^riften ift eine breifac^e. Sil« 20
^^ilofo})^ ging er bon ber ©c^eÜingsSBaaberfd^en SRic^tung au«, um fd^Iiepc^ bem
Äantiani«mu« ftc^^ gan^ jujutrenben. 211« 3:1^ co löge berliefe er bie ©j)e!ulation pofx-
tit)cr Slrt, um ä^nlic^ toie Stitfc^I, aber ganj unabhängig bon il^m, auf fantifd^er ©runb*
läge eine 2)ogmati! be« fittlid^cn SBetoufetfem« im Slnfd^Iuft an 2}inet anjuba^nen, bie
feitbem jum ©tüfe= unb 9lu«gang«punft ber fog. „neuen ©d^ule" getoorben ift, bie be- 25
fünber« au« ber fiaufanner galultät unb i^rem neuteftamentlid^en Seigrer, ^aul 6^a})ui«,
bem berftorbenen ©c^toiegerfo^n ©.« fic^ refrutiert, aber aud^ an ber freien ga!ultät ba^
felbft unb befonber« in $ari« (j. 8. bon bem berftorbenen 2luguft ©abatier) Vertreten
tüurbe. 2H« ©ojiologe enblidji tritt©, erft in feinen 10 lebten £eben«ial^ren auf, ol^ne
mit feinen böDig originalen, auf ®runb tiefgrünbiger, fad^h)i]fenf(^aftli4er 3)etailftubien 90
gewonnenen Slnfic^ten me^r al« einen 2l(^tung«crfoIg ju erringen.
2)ie gtoeibänbige, einen l^iftorifd^en unb einen fonftrultiben 2^eil entl^altenbe Philo-
sophie de la Liberty ©,«, 1849, 1866 unb 1879 in ftarf umgearbeiteten auflagen
crfc^ienen, ift eine« ber toenigen f^ftematifc^en SBerle ber ^ßf^ilofop^ie franjöftfd^er S^nQ^,
eine rationelle ^Rechtfertigung unb toiffenfc^^aftlid^e ^arftellung bc« 2)ogma« mit fpelula- 85
tiben 3KitteIn.
aSon ber ojiomatifd^en ^bentität be« einl^eitlid^en, abfoluten, fdf^öi^ferifd^en ©ein«^
J)rinjii)« mit ber ©ott^eit au«ge^enb, befiniert ©. biefe al« in ©elbftbefc^ränfung frei,
mit ®eift unb SBillen begabt, äu« Siebe fc^afft fie bie Äreatur al« ©elbfhtoea, frei
burc^ ©elbftentfd^eibung. 33on ben bier TOöglid^JEeiten be« gleidf^giltigen $er^anen«40
(!Ratur), ber reinen Siebe ju ®ott (6ngel), be« unerbittlichen Äampfe« gegen i^n (Seufel)
^t ber SKenfc^ bie bierte ber eigentoilligen Unabl^ängigfeit getoä^lt, bie fid^ nur burd^
einen borjeitlic^en %aü erflären läfet unb feine ^ei^eit ^u ®unften be« Söfen, ba« Seiben
erjeugt, berjc^oben ^t. ©tatt ba« S3öfe ftc^ au«toirfen gu laffen (®ered^tigfeit) plant
ber ©d^öt)fer eine JRüdtfe^r jum urfjjtünglicf^cn SBeltgtoecf ((Srlöfung) burc^ bie ßrjeugung 40
eine« ein^eitltd^en, reinen ?Kenfc^enti9t)u« (©o^n ®otte«), beffen ben ©ünbenjammer ber
3Wenfc^^eit barftettenbe« Seiben eine JHeattion au«löft, beren ©cf^aujjla^ bie c^riftlic^e ®e=
fc^ic^te, beren AWl ba« etoige Seben ber befreiten 3Jlenfd^^eit ift.
3n 53 SHen toirb biefe ®runbibce berfoc^ten unb ba« 2)ogma im einzelnen un^
bebenfiid^ unb unfritifc^ gered^tfertigt. 3tber fd^on balb naä) bem ßrfc^einen ber 1.2lufs6o
läge be« 3Ronumentaltoerf« ^atte ber Äantiani«mu« trieber bie Dberl^anb gewonnen unb
nac^ bem jtoeimaligen 3Serfu^, fein Sd^mer^en«tinb mit ben neugetoonnenen ©rienntniffen
ju berfö^nen, berjic^tete S. auf ba« Unmöglid^e unb gab in anber« angelegten
SBerlen feinen etlf^ifc^-religiöfen ©runbgebanfen eine böHig neue gorm, bie in Recherches
de la Methode qui conduit ä la v6rit6 sur nos plus grands int^rdts (1857), 65
La Raison et le Ghristianisme (1863), Discours laiques (1877), Religion et
ThÄ)logie 1883; (beutfc^ al« §eft 21 gur „d^riftlic^en SBelt" Seit)gig 1895) fd^on einen
mobemeren, in bem erften Xeil bon La Civilisation et la Croyance (1. Slufl. 1887;
3. 3lufl. 1893) unb ben })oft^umen Essais de Philosophie et de Litt^rature (1896,
La Crise de la Religion ©. 7—65) i^ren enbgiltigen 3lu«brud gefunben l}at co
8*
116 <S€tx6tan
3toci gunbamcntalbegriffe be^ jjretögcßcbcncn ©^fteniö l^ielt ®. bc^anlic^ feft:
greife it unb 5ß flicht! 3iuf bie fodmifc^e Ableitung be« aßeltganjcn au« einem
$rmjij) l)at er i?erjicbtet. Die Slbleitung be« ^ßflic^tbeötiff« au« ber S^^atfac^e bc« fttt=
liefen Setüufetfein«) bie SWößlic^feit ber ^Pflichterfüllung au« ber menfc^lic^en greiJ^eit ftc^n
öje^t im SWittelpunft feiner j)^ilofop^ifc|en ©ebanfenarbeit unb feiner Sljjologetif. Slidjit
an ben SSerftanb in erfter Sinie, fonbem an bie (SefüJ^te- unb aBiffengregungen muft fw^
bie S8erteibigung be« ßl^riftentum« junäc^ft küenben. 3)a« ^flic^tgefü^I mufe getoedt
toerben, bie ©emife^eit, bafe toir jur Grfüttung einer aufgäbe auf @rben leben, bie im
Söirfen be« ®uten beftel^t, foll bie ®runblage ber ftttlic^en Überzeugung bilben. 3ln fic
10 fc^Iiefee ftd^ bie ßrtoägung, ba^ ber tategorifc^e 3im})eratib feinen Urfprung in einem
l^öl^eren un« bel^errfc^enben SBiUen l^at unb hai mir biefem äSiUen jtoar unbebingt ju
gel^orc^en ^aben, aber i^m oft entgegen^anbeln. 2lu« bem ®efül^l ber 3fleue über bie
eigene ©c^toäc^e unb Selbftfuc^t, au« bem ®efül^I ber gurc^t bor ®otte« 3«>^ ertoac^fe
ba« Vertrauen mr göttUcben 3Kac^t unb ber Söunfc^, bie biblifc^en Sendete möchten
15 toa^r fein. 2luf biefem SBege ift erft ba« religiöfe SBebürfni« gefc^^affen, dfz bie Se^
friebigung angeboten toirb. SReligion ift Seben b. 1^. fie toenbet ft^ nidf^t an eine einzige
unferer gÄl^igleiten, toie an ben Serftanb ober ba« ®efül^I, au«f4lieyici^, fonbem an aUe
uigleic^. ©ie ift treber bie hitiflofe annähme einer ©umme bon Äenntnifjen, no<^ bie
©rfüHung beftimmter Sliten, noc^ ein t)oetifc^e« ®efü^I, fonbern aftiber ©e^orfam unter
ao ba« ©ittengefe^ in ber eigenen Sruft, ba« al« bie SBirfung einer })erfönli(i^en Äraft aufeer
un« berftanben toirb, bie mit unferer freien SWittoirlung ba« ®ute fc^afft unb feinen
enblic^en ©ieg borbereitet.
®ie ©teÖung ©.« mm 2)ogma ift nic^t beftimmt unb fc^arf formuliert. SHan fönnte
fte al« eine trac^fenbe 3lnbiffereng bexeic^nen, o^ne bafe e« i^m Sebürfni« getoefen toäre,
26 negatib baju ©teüung gu nel^men. §m ®egcnteil fürd;itete er, burc^ att^u fc^arfe SBorte
einfache ®emüter ^u öertoirren unb batte auc^ ))erfönlid^ bie fpelulatibe £uft an ber
Dogmatil nie gan)| Verloren. Dod^ fd^ien fte i^m gleic^giltig für unfer ftttlic^e« 9Jer^ten
unb eben au« biefem ®runb trat fte me^r unb mel^r in ben §intergrunb feine« 3tad}'
benfen«. Die bud^ftäblid^e Snfpiration unb ben ©lauben an bie gleic^^mä^i^e 333ic^tigfeit
80 aller biblifi^en Sucher bertoirft er au«brüdEIic^. ßbenfo unfümjjat^ifc^ ift t^m ber ftett-
üertretenbe 0})fertob ß^rifti: „®ott ift lein ©laubiger, ein äJerge^en feine ^u beja^lenbc
©^ulb. Die geftörte SBeltorbnung h?irb nic^t burc^ bie ©träfe, fonbem burc^ bie beffcre
Seitung be« fünbigen SBißen« l^ergeftellt." änbrerfeit« aber berfuc^t er fidj! geme in
freier Umbeutung be« i^m boc^ liebgelDorbenen Dogma«: „6l;riftu« mu^te fterben, bamit
35 bie menfd^lic^e ^»^ei^eit ftc^ in il^rer ganzen, j^u allen SJerbrec^en fä^igm GJröfee em)eife.
Da« ^eilige Dj^^r menfcfjlid^er ^^^tümer mufete an feinem Seifpiel bie ^Pflichttreue unb
ba« geftl^alten an feiner ^J)iiffion unb Se^re bi« ^ur Eingabe feine« Seben« jetgen. 3"
feinem 3:obe trug 3^fu« ßl^riftu« bie ©ünben ber 3Belt nic^t al« ein ©ü9no})fer für
anbere burc^ ben SBiHen ®otte«, fonbem burc^ ben »verirrten SBiUen ber 9Jlenfd^J^eit, bie
40 in i^m nic^t ben Soten ber 2Bal^r^eit ertannte unb in untoiffenber Seibenfc^ft tl^n bem
iobe koei^te." ^n äl^nlic^er SBeife mobemifiert er 2luferfte^ung unb Himmelfahrt, Dann
aber Reifet e« boc^ tüieber: „Äein Dogma ift emig; al« ^enfd^entoer! mufe e« berge^n.
Der Söunberglaube ift fein fittlic^e« ©ebot. 9Ber unter bem Übernatürlichen eine äuf=
Hebung ber 5iaturgefe|e unb ber Verfettung ber ©rfd^einungen berftcl^t, beffen ® lauben
45 teilen ti?ir nicljt; folc^e 3Bunber bie i\ugleicb ba« religiöfe unb ba« n)iffenfd^aftlic^e Denfen
l>erle^ten, gibt e« nicf^t für un«. Die 6n)igfeit ber ©trafen fe^t bie unannel^mbare
ßtüigfeit be« Übel« öorau« unb tüirb Don ©. au« ben gleid^en 9JJotiben bertoorfen, bie
^xau t)on ^^Preffenf^ ju bem Sluefprud^ beranlafeten: „©äbe e« eine§ölle, fo müfete tc^ bie
©eligen be« ^arabiefe« beflagen." !5^/ ®- S^^eifelt fogar jutoeilen an einer J)erfönli(^en
60 Unfterblic^feit: „9Jic^t« für ficb tüollen, nic^t an fid^ benfen, nur ba« SBerl bor Stugen
^abcn, arbeiten, fo lange e« ettoa« ^u tl>un gicbt, bann läd^elnb ba« 3Bert}eug bem
Äommenbcn überlaffen unb bon ber Sadie nicl^t Leiter reben — ba« ift aUe«. Der
ftol^^e Dom be« ^antbeon, bie @olbtu})^)e ber :,^nt)alibenfird;e fonnen nic^t auflommen
gegen ba« einfädle "IJ^atrofengrab im leiten H^'cr, im tiefen fjrieben, im großen
66 ©d?h)eigen/' älu« Demut, nid;t au« fritifcf^cn 33ebcnfen l^erau« na^m ©. biefe Haltung
ein; au« ^iUn jener Demut, bie er bei ben i^ertrctcrn ber JiJiffenfd^aft, 3:i^eoIogie unb
Äircf^e oft fcbmerjlid» ücrmif^te. „Die Demut erh)äd)ft au« bem ©efü^l einer unerfüllten
ätufgabe, au« ber Gmjjfinbung bc« Unbermo^en« ju i^rer Erfüllung. Da ba« mobemc
fittlicbe ^beal um bicfc ^^ugcnb ärmer i^^tDorbcii ju fein f4)euU, fo foHte man barau«
o»fc^lie^en, ba^ unferc ^^^i^flcnofjen bie ^riftlicbcu iugenben toeit k)ottfomm€ner al« xffxt
Senr^tan 117
9[}or0än0er erfüllen — ober axid), ba^ ba§ ftttltc^e ^beal in feinem ®efamtbeftanbe ge*
fc^toäc^t unb berarmt tft."
^ßerfönlid^ gcl^brte ©. ^u ben Äirc^end^riften. 9Wit Vorliebe befud^te er bie greis
Krc^en, beren ^ßringij) er für rid^tiger bielt, o^nc ftcb t^re befonberen ©efa^ren ju ber«
^e^Ien. Dl^ne ©ng^erjigfeit h)u|te er innerhalb unb aufeerl^alb ber greifird^e tote ber 5
©taatöfird^e toal^re Steligion unb — i^r ©egenteil ju finben. ©0 cnergifc^ er aUe
gfrömmigfeit ablehnte, bie ber unbebingten Untertoerfung unter ba^ ^flid^tgefü^I unb
feiner jjrafttfc^en Set^ätigung entbel^rte, fo freubig unb rücfl^altglo^ erlannte er ®otU
t)ertrauen unb gläubige Eingebung felbft bei ungebtlbeten unb befc^eiben begabten !Dlenfcl^en
an, trenn i^r Seben im ßintlang toar mit i^rem ßrebo. ©.d SBorliebe für 3!)orot^ea 10
Itubel unb bie 3Känneborfer Snftalt 3^tter«^, feine mel^rfad^en Aufenthalte bafelbft, feine
aftit>e unb })affibe 3^eilnal(^me an ben ©ebetötoerfammlungen ift belannt. ,,^6) toei^/'
fc^reibt er 1862 nad^ i^rem lobe, baft aOie«, toa^ ®ott tl^ut, tool^Igetl^an ift, aber toenn
i(^ baran benle, bafe ic^ fie nic^t me^r l^ören foH, fül^le ic^ mein §erj jjerriffen."
ganb ©. felbft in ber firc^Iic^en gorm ber Sleligion eine faft böttige 33cfriebigung, fo toar 15
er boc^ feft überzeugt, bafe bie Äird^e ben religiöfen Sebürfniffen ber (Segentoart feine«*
toeg« genügt unb bafe fie an Einfluß unb 3Jlad}t in ben jiDitifterten Säubern ebenfobiel
t>erliert, al« fie an neuen 3(nl(|ängem burd^ il^re 3Jliffion in anberen 2ße(tteilen getoinnt.
(gr rät unferen ©eiftlid^en bringenb eine größere Vertrautheit mit ber mobemen 95tlbung
an unb fc^lägt il^nen bor, gebilbete Saienfräfte für bie (tpologetifd^e ^robaganba bur^ 20
Vorträge, burc^ bie treffe unb burc^ bie 33ül^ne ju getoinnen. ®r fürd^tete fc^on bor
nunmehr fünfjel^n 3^^^^"^ ^^fe ^'^ (Sntfird^Iic^ung ber unteren toie ber oberen S^f)ni
taufenb in erfd^recfcnbem SWafe june^men toerbe unb machte barauf aufmcrifam, ba^ bie
aOBirfunggs unb Seben^haft bon 5Religton, 3^^eoIogie unb R\x6)t ^ier fonjentriert toerben
muffe, Itatt fic^ in tleinlid^en Sel^rftreitigfeiten unb frud^tlofen Sii^fufftonen gu jerf})Iittern. 25
Sabei l^üte man ftd^, bie 3Jlenge ber ©ebilbeten unb Üngebilbeten burd^ Argumente
jum ®Iauben führen j\u tootten. „ffiäre bie Ideologie (b. 1^. boc^ tool^I bie 2)ogmatiI)
eine SBiffenfd^aft, fo toäre fie bie einj^ige; fo meinte fie e« audf» jur 3^* ^^^^ ^^^'
fc^aft . . . 2)enn toenn bie religiöfe 9Ba^r^eit betoei^bar unb toenn bie 3"fti"^"^wng ju
i^r Sebingung ber ©eligfcit ift, fo finb atle, bie il^r biefe 3upi»"»"""0 berfagen, 9?arren 30
ober Verbrecher . . . Sc^liefelic^ toiffen toir nid^t^ bon aUebem unb berfte|n aud^ nid^t«, toir
muffen einfa^ glauben ... „2luf bie SBirfung biefe« ®lauben«brange«, auf bie SBieberbelebung
erftorbener fittlid^er gnftinfte, auf bie 9)citteilung eine« erften SInftofee«, ber in ben fo
angeregten ein germent felbfttl^ätigen, erft ftttlid^en, bann religiöfen Seben« toerbe, toaren
bie religion«t)^ilofo})l^ifc^en Vemü^ungen be« toaabtlänbifd^en 2)cnfer« mit toac^fenbem 35
6ifer, mit immer größerer Sluefd^lie^Iic^feit gerichtet.
Äurj nad^ ber Veröffentlid^ung (1883) feine« xtoeiten grunblegenben SJÖerfe« Le
Principe de la Morale, ba« eine toifjenfi^aftli^e Slnal^fe be« ^flic^tbegriff« auf ber
©runblage ber gteil^^t entl^ält, begann ber ©iebenjigjäl^rige fid^ intenftomit berfojialen
grage ju befc^äftigen, in beren Söfung er eine ber Vorbebingungen jur Veanttoortung 40
ber fittlid^en %xaQZ erfannte. La Civilisation et la Croyance mit il^rer j)l^iIofo})l^ifc^en,
t^eoIogif(^en unb fojialen ^Dreiteilung ift c^arafteriftifc^ für bie umfafjenbe 2lrt mit ber
©. auf brei berfc^iebenen SÖegen ^u bem gleid^en Problem gelangte. Le droit de la
Femme (1887; 4. Sufl. 1888), Etudes sociales (1889), Les droits de rHumanit^
(1890), Mon Utopie (1892) finb bagegen bem fojialen ^^Jroblem nac^ feiner national 40
ölonomifc^en unb politifc^en ©cite faft au«fd^Iie6Iid^ getoibmet. 6in naivere« (Singe^en
barauf verbietet ftc^ an biefer ©teile.
3lad) bem Vinetfc^en ®runbfa^, ber 3Jlenfcf) muffe ©err feiner felbft toerben, um
beffer ber 2)iener 2ltter fein ju fönnen, Verlangt ©., naq einer anberen gormel, neben
ber „greil^eit tooöon?", bie „grei^eit tooju'i"' ©ein ©treben .ging bal^in, bem Ileinen tjo
Wann ben 2lnteil an 5Bo^lftanb unb Vefij^ ju ficf^ern, um ben il^n bie öfonomifd^e
enttoidfelung ber gal^r^unberte burd^ ungleiche Verteilung ber ®üter unb einfeitige Ve=
günftigung einzelner Älaffen gebractjt batte. ©otoeit toar ©. mit bem ©ojiali«mu« ein^
Derftanben, ber i^n aud^ unbebenlUd^ für fi^ in Slnfprud^ nal^m: Slnbererfeit« ging au« ber
natürlichen Ungleic^l^eit ber 3«bibibuen für ibn ba« di^d}t auf Verfc^ieben^eit be« Eigentum«, 56
auf feine teftamentarifc^e Vermac^ung, auf einen ber Dualität unb ber Quantität ber geleifteten
Arbeit entf>)rec^enben So^n l^erDor. ^anb er in bem „böfen Iraum" be« ©05iali«mu«
fein greil^eit«5 unb ©olibaritäteibeal feinc«tocg« Dertoirflic^t, fo toar er anbererfeit« ber
3Retnung, ba^ bie befi^enbe unb gebilbete Älaffc jur „Sntfd^ulbigung" il^rer 2Bol[^l^aben=
^eit, gur ^Rechtfertigung i^rer Vilbung toeitau« nid^t ba« getl^an l^abe, toa« fie al« ein so
118 Sect^tan SebiSHafatij
di^d)t, nid^t al§ ein 2lImofen, bcm Slrbeiter getüäl^ren müjfc. ^^im 3Kenfc^cn in ben ©tanb
ui feigen, burc^, ein 9Jlinimum bon SBifjen, Sßol^Iftanb unb ^^et^eit feinen fitüit^en
^flic^ten ber Öffentlic^feit h)ie ber Jfamilie unb ben SBeruf^enojfen gegenüber nac^ju^
fommen, bte^ foHtc bad erreid^bare ^Wl, baö felbfttjerftönbKc^e, leine^toegd berbienftlic^c
6 ©treben aller berer fein, bie noblesse öblige. ®ie ®eh)innbetei(igung ber arbeitet,
bie ®rünbung bon ©i)arfaffen, ber SWitbeft^ ber Slrbeit^tüerfjeuge unb Slrbeit^ftätten, bic
(Srünbung t)on Äonfumöereinen unb ^robuftibgenoffenfd^aften, öon SSerfid^erunggfaffen
gegen 3llter, Unfall unb ärbeitöloftgfeit — bie« toaren einige feiner ^ßoftulate, bie er in
ted^nifd^en 2luffä^en mit ber ©ac^^fenntni« eine« ©ojialpolitifer«, mit ben 3Rotiben unb
10 bem 3idbetou^tfein eine« ©tl^iler« unb 3Solföfreunbe« bejubelte.
2lu« bem gleichen Sebürfni«, jebem SWenfd^enhjefen bie 33ebingungen p freier 6nt=
faltung feine« fUtlic^en ß^aralter« unb feiner tperttJoHen, ber ©efamt^eit förberlic^en
Sefonber^eiten ju ftd^ern, trat®, für bie ©manjipation ber §rau in einer \)ox jlpanjig
3|a^ren unerhört tpeitge^enben SBeife unb mit einem jugenblic^en ^^ntt ein, ba« Heine
16 Unt)orft(^tigIeiten unb Ungerec^tigfeiten nic^t au«fd^lo^. 3)ie bamal« faft neuen Slrgu-
mente, ^u benen aud^ ba« Jjolitifqie Stimmrecht gehörte, ftnb injtüifc^en fo oft toicber^olt
unb einge^enb enttoidfelt toorben, ba^ h)ir l^ier barüber ^intüegge^en fönnen,
3)er ©influfe ßl^arle« ©ecrßtan« auf bie 5pi^ilofo})l^ie, 3:^eologie unb ©owologie
franjöfifd^er 3"^^^^ f«^^*^ ^wf ^^^ religiöfe unb lirc^lic^e Seben feiner §eimat ift ganj
20 bebeutenb uno toirb erft in gal^rjel^nten ftc^ böHig ai^etüirlt ^aben. ©eine elaftifc^e
ani)affung«fä^igfeit an bie toec^felnben Sebürfniffe ber ^^xi, bie lompttcnU SBielfeitigleit
feiner Set^ätigung, ber ftttlid^e ©ruft feine« Seifte«, bie tiefe finblic^e »Vrömmigfeit feine«
§erjen« ft^em i|m einen ^lafe auf ber §ö^e be« 2)enlen« in ben iRei^en ber SBo^t
t^äter ber 3Jlenfc^^eit unb ber für i^r ftttlic^e« SBol^l bi« gum legten Sttemjug beforgten
26 5lämj)fer. 3" f^^"^ legten arbeiten gel^örte aufeer einer bon bem 5ßl^iIofoj)l^en be«
UnbetDugten felbft al« t)or2üglic^ anerfannten ^arftellung unb eingel^enben Jtriti! ber
®. t>. §artniannfc^en Seigre, eine 93erteibigung be« t)on einem ortl^oboien ^Pfarrer al«
„böfen ®eift ber Un})^ilofop^ie" angegriffenen Äant, auf beffen fategorifc^em 3m})eratib
fic^ ba« £eben«h)erf ©. in ben legten ^oi^rgel^nten feine« Seben« au«fc^lie|li(^ aufgebaut
30 ^atte unb in beffen Befolgung er ben rettenben 2lu«toeg au« ber tüiffenfc^aftlic^fen, reli^
giöfen unb fogialen 9iot ber ©egentoart fal^. ©ein ®lauben«befenntni« fa^te er am
20. 3Jlai 1891 in 3WontreuE auf bem SSanfett ber ßintoeil^ung ber Saufanner Untoerfttät
in bie SBorte gufammen: „SJJit Äant bon Äönig«berg, mit ^a«cal bon (Slermont^
gerranb, mit ^aul bon Sarfu«, mit Jj^fw« bon Slajaret^ glaube idj^, bafe nic^ft« in ber
36 SBelt bic fittlid^e Äraft aufgutüiegen bermag". (&h. ^(a<;])off-fieieii»e.
©ebidtialan) (sedes vacans, sede vacante) nennt man, ftreng genommen, bie
ßrlebigung be« i^äjjftlid^en ©tu^l« ober eine« bifc|öflid^en ©i^e«, inbem ber Slugbrud
sedes i&QÖvog) eigentlich nur bon ber apostolica, b. i. Romana, Sti Petri ober
anberen S3i«tümern gebraud^t toirb; inbeffen ift bie 2tu«be^nung audj^ auf 2lbteien, ^rö^
40 laturcn unb folc^e I)ignitäten üblic^, benen ba« Äottation«rec^t bon Senefijien jufte^t
(bgl. bu gre«ne, Glossar, s. v. sedes ; gerrari«, Bibliotheca clinonica s. v. sedee
vacans, nr. 1). Über bie ®runbfä$e im gatle ber 33afanj be« })äj)ftlic^en ©tu^I«
f. b. 3lrt. „5ßapfttoa^l" 33b XIV ©. 663 ff. unb ^errari« l. c. nr. 10 sq. ®« ift ^ier
alfo allein bon ber ©ebi«t)a!an;i unb Duaft-©ebi«ba!anj (sedes impedita) in Scjug
46 auf 93i«tümer ^u fj)re^en.
eine ©ebiöbatanj erfolgt burc^ 2:ob, SSerjid^t, SSerfe^ung, (Sntfe^ung unb ber=
gleid^en, unb baucrt bi« jur orbnunggmäfeig eingetretenen Söieberbefe^ung. SBäl^cnb ber
Srlebigung be« bifcf^öflid^en ©i^e« übernahm urfjjrünglic^ ba« bifc^öflid^e 5Prc«bVtcrium,
unter beffen 3)lith)irlung ber Sifc^of toäl^renb feine« Seben« fungiert l^atte, bie ©orge für
50 bie laufenben ©efc^äfte, bod^ finbet fic^ bereit« feit bem anfange be« 5. ga^r^unbert«
bie ßinrid^tung, bafe ein Intercessor, Interventor, Visitator, Commendator befiellt
tDurbe, mit ber SJerpflid^tung, bafe innerl^alb eine« 3>ö^^^ ^'^ ©teile ioieber befe^t fei
(Conc. Carthag. V, a. 101, in c. 22, C. VII, qu. I). 3n Italien ift biefe »erltwl^
tung«h)eife gur ^6t ®rcgor« I. tool^l bie getoöl^nlicf^e, loie au« feinen Sriefen er^t
66 (barau« c. 19, dist. LXI üon 595 unb c. 16 eod. bon 603, berb. Thomassin 1. c.
P. II, lib. III, cap. X), unb auc^ fj)äter toirb berfclben gebac^t unb mipräuc^lic^en
Ucbergriffen ber 3Sifttatorcn entgegengetreten, ©benfo mu^te gegen ju lange ©Äi«*
üafanjien cingefcf^ritten toerben, ba befonber« auc^ t)on feiten ber toeltlidj^en Ferren biefe
bcnu^t ipurben, um bic ^rüc^te loä^rcnb ber (Irlebigung felbft ju jiei^en ober i^ren
(Sebidtoafotij 119
aSafatten bcn 3lk^bxa\xdf aU Äommcnbe jujutoeifen (Thomassin l c. P. II, lib. III,
cap. XI sq.). Um bem abju^elfen, lag nic^tö nä^er, al^ ben Jtat)iteln bie interimiftifd^e
abminiftration gu übertragen. 3)ie« gefd^^fl^ benn auc^ guerft j^inftc^tlid^ ber @))mtualien
(ögl. c. 11. 14 X. de majoritate et obedientia [I, 33], ^onoriu« III. [geft. 1227],
©regor IX. [bor 1234] c. un. eod. in VP [I, 17], Öonifatiu^ VIII.) unb bann au^ 5
ber lennjoralien (bgl. b. Sri. „©})olienreci^t"). 2)ag neuere SRec^t berul^t auf ben Slm
orbnungen be« ^^ribentinifc^en Äonjild unb ben bte gemeinrechtlichen S8orfc^riften er*
gönjenben unb erläuternben ©ntfd^eibungen ber Congregatio Concilii. 3Wit bem ßin«
tritt ber SSalanj ift bie bifd^öflic^e ^undbiftion an bad Äa^itel gefallen, toeld^e^ nad)
früherem Siedete biefelbe ebenfo toie feine fonftigen SSefugniffe auöjuüben l^atte, alfo in lo
corpore ober per turnarios ober burc^ einen baju befonber« geioä^Iten 9Jlanbatar
(^enarid, Bibliotheca cit. s. v. vicarius capitularis art. I, nr. 3). ^ad le^tere
erfcffien ber^urte am gtoecfmäf^igften (Benediotus XIV. de synodo dioecesana lib. II,
cap. IX, nr. 2) unb bemgemäf beftimmte ba^ Mbentinum sess. XXIV, cap. 16 de
reform. Sinnen ac^t lagen, toeld^e bon bem 9Jlomente ber erlangten Äenntni« ber 16
eingetretenen 33afanj berechnet toerben (Benedictus XIV. I. c), l)at bad Äa^jitel einen
ober meiere Öfonomen unb einen Jta^itularbifar, gu toelc^em auc^ ber bi^^erige bifcjl^öflic^e
©eneraltoifar. genommen toerben barf, ju bcfteÖen. 3f* ^^^ äapM barin fäumig ober
^tfflt ber t>atanten Äird^e ein Äaj)itel, fo bebolbiert bag ßmennung^red^t bei einer
©uffraganfirc^e an ben 9Retro})oIiten, bei einer 5IRetroj)olitanfirc^e an ben älteften ©uffragan= 20
bifd^of, bei einer ejemten Äird^e an ben näd^ften Sifdj^of. 2öenn bie bafante Äird^e lein
jtopitel l^at unb gugleid^ bie ^}}{etropoUtanIirc^e felbft gu ber 3^i^ ^^^^ Srgbifd^of ift,
bebotoiert bie ©mennung auf baö 5Ketroj)oIitanfa))iteI (Benedic. XIV, 1. c: Ferraris
s. y. vicarius capitularis art. I, nr. 47. 48). ^er Jla^itularbifar fou nad^ bem
2!ribentinum (a. a. D.) toenigftenö I)oItor ober Sicentiat be^ fanonifc^en SRei^t^ fein, ober 25
fonf|, fo biel eö möglid^ ift, bie gä^igfeit beft^en. gfinbet fic^ eine geeignete 5ß«:fon im
ifla})itel, fo mufe fte auö bemfelben genommen toerben (f. bie 2)eflarationen ber Congr.
Goncil. nr. 3—9 in ber Slu^gabe be^ Conc. Trid. öon SRic^ter unb ©d^ulte, berb.
gerrarid, Bibl. s. v. capitulum ärt. III, nr. 50 — 57, vicarius capitularis art. I,
nr. 41—44). 3)er Äa^itularbifar übt bie il;m juftel^enben SRed^te nic^t afö bloßer so
3}{anbatar bed Kot^itelef, toelc^e^ nic^t einmal befugt ift, fic^ getoi^e ^uridbiftiondrec^te
^u referbieren, fonbern er bertoaltet felbftftänbig, toie ber SSifc^of, im befonberen toie ber
®cneralbilar, big jur SD3ieberbefe|ung bed bifc^öflic^en ©tul^l« (f. Ferraris s. v. capi-
tulum art. III, nr. 58 sq. unb bie citierten Seflarationcn nr.lO— 12, bgl. auc^ Constit.
5Uiud IX. bom 28. Suguft 1873 (ärc^ib für fat^. M 31, 182). 2)a^er lann audj! ba« 35
ÄolJitel bem 3Jifar nic^t bie SScrtoaltung abnel^men, totnn nid^t eine gerechte SSeranlaffung
baju bor^anben ift, über toeld^e aber nic^t bad Äo^jitel, fonbern bie Congregatio super
negotiis Episcoporum ju befinben l^at (Benedict. XIV, 1. c. nr. IV; fjerrari«,
Bibliotheca s. v. capitulum art. III, nr. 42 — 45). 2lÜein e^ befte^en überl^auj)t für
bie ganje interimiftifc^e 2lbminiftration getoifje Sefc^ränfungen. 40
3m allgemeinen rul^en nämlic^ toäl^renb ber Sebi^balanj biejenigen bifc^öflic^en
Siechte, toelc^e Sugflufe be^ ordo episcopalis finb ober fraft j)äj)ftlid^er 3)eIegation ge»
übt toerben, infofem nic^t bon ber ßurie anbertoeitig bafür geforgt toirb ober bie 3Ser=
^ältniffe baju jtoingen, einen au^toärtigen Sifd^of jur äue^ilfe l^erbeigujiel^en (Ferraris
s. V. vicarius capit. art. II, nr. 7—9). gnöbefonbere befte^t ein ^Crauerjal^r (annus 46
luctus), toäl^renb beffen ben Drbinanben ber3)iöcefe fein3)imifforiaIe jum 6m})fange ber
SSei^e erteilt toerben barf, ed fei benn, ba^ jemanb beö Drbo bebarf, um ein fd^on emt)fangened
ober ya emj)fangenbeö Senefijium ju bertoalten (beneficii ecclesiastici recepti sive
recipiendi occasione arctatus). (3Sgl. c. 3 de tempor. ordinat. in VI" [I, 9];
Bonifac. VIII. Cpnc. Trid. sess. VII, cap. 10 de reform. sess. XXIII, cap. 10 50
de reform. 2)ie Übertretung biefer Seftimmung toirb mit ©u«})enfton bon 3lmt unb
5ßfrünbc auf ein gal^r beftraft (Trid. sess. XXIII, cit., toäl^renb bie sess. VII, cit.
bog SnterbilEt ber^ängt). 3)er Äa^jitularbifar ift aud^ nic^t befugt, bie ber ÄoHation be«
Sifd^ofd unterliegenben 33enefij^ien jju berleil^en (c. 2, X, ne sede vacante aliquid
innovetur [III, 9], Honorius III.). SBäl^renb im übrigen bie 3iu^i^biftionalia be« 65
Äa|)itularbifar« unb bed Äajjitel^ felbft unbefd^ränlt finb, f otoie fte bem Siechte entfj)rec^en,
gilt boc^ ba« $rinjil>, bafe in ber ß^ifc^^^^^QJ^unö J^i"^ '^^^ lünftigen 8ifd^of jum
ytad^teil gereid^enbe SSeränberung borgenommen toerben barf (Tit. Ne sede vacante ali-
quid innovetur. X. III, 9 in VI^ III, 8, Extravag. Joann. XXII, tit. V, Extra-
vag, comm. III, 3 unb berfd^iebcne 2)etretalen in anbern liteln). 9JamentIid^ bürfen 60
120 Sebidnalanj SeMni^N
bic bifd^öfUd^en ©infünfte bet 3*^W^njrit nic^t toertoenbet toerben (c. 40 de electione
in VI^ [I, 61; Nicolaus III. c. 7 in Clem. eod. [I, 3]). 2)a« bem ÄcH)ituIart)tfar
ju getoä^renbe ©alarium toürbc aber tüo^I unbcbenlUc^ baraud bcftritten tüerben bürfcn.
2)ic SBcräui&erung bon ©runbftüdfen be^ ©tift« ift in ber 3^^ "i^^ gcftattct (c. 42 de
6 electione in VP [I, 6]; Bonifac. VIII.). 2)ie ©ebidbalanj nimmt mit bcr Sefi^
crgtcifung be^ neuen Sifd^ofd ein 6nbe. 2)emfelben ift bann bollftänbige SRed^nung
gu leöen.
SSon bet eigentlichen Sebi^toafanj unterfdj^eibet man bie Duaft=©ebidt)afanj (sedes
impedita), toenn ber Sif^of ftc^ ber il^m obliegenben aSertoaltung gu unterbieten toer-
10 l^inbert ift. SP ^'^f^^ §inbemi« nur ein teiltüeife^ (sedes partialiter, secundum
quid impedita), fo tritt ein ^oabjutor ein ; ift e$ bagegen ein abfolute^ (sedes gene-
raliter, absolute impedita), fo mu^ eine anbere SSertDaltung angeorbnet toerben. @^
beftimmt be^l^alb ba^ c. 3 de supplenda negligentia pradatorum in YV* [1, 8],
Bonifacius VIII.: ,,Si episcopus a paganis vel schismaticis capiatur, non
16 archiepiscopus, sed capitulum, ac si sedes per mortem vacaret illius, in
spiritualibus et temporalibus ministrare debebit, donec eum libertati restitui,
vel per sedem apostolicam, cujus interest ecclesiarum providere necessitati-
bus, super hoc per ipsum capitulum, quam cito commode poterit, consulen-
dam, aliud contigerit ordinär!.'' @d tritt l^ier alfo ein SSerfal^ren ein, ä^nlid^ bem
90 ber h)ir!Iic^en @ebidbafan) (bgl. aud^ Ferraris s. v. capitulum art. III, nr. 32).
9(nberd ift aber bad SSerl^ältnid, toenn noc^ ein SSerte^r mit bem Sifc^ofe möglich ift,
inbem bann feine ^iuridbi^tio nid^t ald fu^i^enbiert erfd^eint unb ber bon il^m befteUte
©eneralbifar toeiter fungieren tann. 3taö) bem 3:obe beö ©eneralbifar« toürbe bann bem
5ßaj)fte bie Seftettung eine« neuen ©eneratoilar«, nid^t aber bem RcCpxUl bie SlnfteBung
25 eine« S8ilar« gcbül^ren.
3Benn ein Sifc^of fu«J)enbiert ober ejlommunigiert ift, fo bebarf e« einer 93er^anb=
lung be« Äajjitefe mit bem $at)fte toegen ber SSertoaltung ber guri^biftion (Ferraris
1. c. nr. 36), ba Da« fWanbat be« bifc^öflic^en ©eneralbifar« erlofc^en ift (c. 1 de officio
vicarii in VP [I, 13]). ($. ».3facoMo«t) ®eiU«g.
30 Seblni^It^ £eo»)olb, ®raf t)., geft. 1871. — üucUc: ©clbftbioflrop^ie be«®rafcn
2to]>. ©eblni^ti, gürftbifd)of in ^^re^Iau. 9?Q(ft feinem fiebcn unb feinen ?Japieren ^crau«=
gegeben mit 2lttenftüc!en, ^Berlin, ©il^clm ^crf 1872. — S^gl. ^. ©u. A3. 1871, 9h-. 22
unb 23.
®raf £eo})oIb öon ©eblni^fi, el^emaliger gtirftbifd^of bon 8re«Iau, fl^öter jur etoan^
36 gelifc^en Äird^e übergetreten, unb ein ebler SBol^Itl^äter berfelben, lourbe am 29. guli 1787
auf bem ©c^Iofe ®epi)er«borf in Öfterreic^ifc^^Sd^Iefien geboren, ©eine ©Item, Steic^
graf ^o^^i) öon S. unb 3Waria S^f^^Ji^a, geb. ©räfin bon §augh)i^, übten burd^ i^re
toa^r^aft d^riftlic^e grömmigfeit, in ber fte bem römifd^-fat^olif^en ©lauben mit allem
(Srnft jugetl^an, aber auc^ milb unb liebreid^ gegen 2lnber«gläubige toaren, auf bie
40 religiöfe ßnttüidfelung be« Jtnaben einen tiefen (Sinflu^ au«. ®en ®ang ber ©t^mnafial^
bilbung mad^te er im ©Ueml^aufe unter ber Seitung mel(|rerer §ofmeifter, bie fe^r ber*
fc^iebenen 3Retl^obe befolgten, burc^. Qx abfolbierte fobann in a3re«Iau bom Dftober 1804
ab ben ))^iIofo})l^ifd^en unb bon 1806 ab ben t^eologifd^en Äurfu«. 3ltte Offenbarung
®otte« in 9Jatur, ®etoijfen unb ®ef(^id^te mit cmftem, religiög^ftttlid^em ©inne ber*
46 folgenb, gelangte er nac^ unb nad^ ju einer Vertieften Sluffajfung toon ber ©ünbenmaAt
unb ©ünbenfcbulb, kooHte aber bie ßrlöfung babon nur in ber göttlid^en Offenbarung
al« einer bur^ bie Äird^e al« i^r Organ vermittelten ®efe|e«öIonomie, nid^t al« einer
®nabcnanftalt finben. ®eförbert tourbe er in feinem t^eologifd^en Silbungdgan^e bon
ben Seftrebungcn frommer fat^olifc^er Ideologen be« füblid^en 2)eutfc^lanb«, bte auf
50 ^flan^ung unb Pflege njabren inneren ß^riftentum« im ©egenfa^e gegen ba« äufeerli^e
Äird?entum gerirf)tet ivaren. Unter bem (Sinflufe, namentlid^ ber ©c^riften bon üJlic^. ©ailer,
unb unter fortfd^reitenb tieferer Grfal^rung feine« inneren 2^bm^ Von ber ®eh)alt be«
Söfcn unb bem Unvermögen be« menfc^licben 2Billen« ^ur Überiüinbung feiner in ber
©elbftfuc^t tüurjelnben 5Kad^t geriet er in einen fc^mer,^lic^en inneren 3h>icf|)oIt, bt« er
56 nac^ ber SBcifung jener frommen Sl^eologen in bic 2:iefc unb ben ganjerj SReic^tum ber
^l. ©d^rift fic^ Verfenftc. 2)amit trat in feinem inneren Seben ein SBenbejjunft ein.
Gr lourbe inne, bafe bcr ^enfcb nid?t burc^ äußere 2ßcrfc unb burc^ eigene« SSerbienft
fic^ in ba« redete i^erl^ältni« ^u bem 1)1. @ott bringen, unb eine, feinem SEBiUen unb
®cfc^ cntfjjrccbcnbc ©efinnung crjeugcn fönnc, ba^ bcr n?ilbc 33aum be« natürlid^en
Seblm^Ii föl
!D?enf(^en toa^rl^aft gute Stüd^te nur tragen fönne, tocnn eine ©meucrung be^ tnnerften
Seben^tunbed burd^ bte ^tebergeburt ju ftanbe !omme, unb ba^ bie unmittelbar etm
greifenbc Onabe ®otte«, bie in ber großen ©otte^t^at ber SSerföl^nung unb Srlöfung
burdf^ ß^riftum fic^ barfiettt, ben SBeg lur ÄinbWaft mit ®ott burc^ Sluf^cbung ber
©d^ulb unb ber Äned^tfc^aft ber ©ünbe ba^nt unb fül^rt, unb jur Seilna^me beö ein;^elnen 6
an bem §eil nic^t« anbere« forbert, atö bie $inaabe be« $erjen^ an ®ott unb Jiefum
ß^ftum. 2)arin erlannte er ben toa^en ©lauben im Unterfc^iebe bon bem bloßen
Serftanbe^Iauben aU eine ^ru^t be« inneren 5Renf(^en in feiner Totalität (nac^ SRö 10, 9).
3)iefer h)a|re ©laube toar i^m bie bon ber ©c^rift be^eid^nete fefte guberfid^t, bie au«
bem Duett be« Sic^t« unb ber SBai^lfieit felbft entf})ringt. lo
%toii biefer ebangelifd^en Stiftung ^ielt er mit bieten glei^geftnnten frommen
SMännem ber römifc^en Äird^e an ber äußeren ßin^eit unb ber biefelbe begrünbenben
ä4>oJiolicität ber fat^olifc^en Äirc^e unberbrüc^Iic^ feft. 35ie Sieformation betrachtete er
cii einen Slife in ber ©inl^eit ber Äirc^e, alö eine Störung i^rer gottgetoottten QnU
toidfelung. 6r blieb ein treuer ©o^n feiner Äird^e. 3lad) abfototertem t^eologifc^em 15
@jamen unb @m})fang ber nieberen ©eilten (1809), nad^ 33eförberung jum ©ubbiafonat
unb ®ia!onat (1810) erl^ielt er bie ^^rieftertoeibe in ber Äottegiatfirc^e gum ^l. Jtreuj in
Sredlau (1810). ®r i^iU bie abfielt, [xd) bem tbeologifc^en fie^ramte gu toibmen, unb
fcfete beö^alb feine ))^ilologifc^en unb |)bilofo})l^ifc^en ©tubien fleißig fort. 2tber ein
fertige« Sruftleiben mit feinen folgen nötigte il^n, bon bem Eintritt in ein tl^eologifd^e« 20
ober lird^Uc^e« Se^ramt 3lbftanb m nehmen. Slad^bem er hirje ^^xi in ftitter gwtüdt^
gcgogen^t gelebt unb in biefer 3^it ft(^ Diel mit ber 1^1. ©d^nft befc^äftigt l^atte, tiber^
na^m er 1811 bie bon bem gürftbifd^of bon 33re«lau, bem gürften t)on Äol^enlo^e, ij^m
angebotene ©tette ate 2lffeffor unb ©ehetär im S8ilariatamt, ber bie geiftfic^en ©efc^äfte
ber 2)iöcefe leitenben 35ebörbe. 26
auf ®runb ber ©rfal^rung, bie ®raf ©eblni^fi in feinem eigenen Seben bon ber
ipciföfraft be« SBorteö ®otte« gemacht batte, loar er öon ber SJottoenbigfeit überzeugt,
bie ^l. ©c^rift atten ßl^riften ^ugänglid^ ju mad^en. @r trug bober lein Sebenfen, ber
©efettfd^ jur Studbreitung ber 1^1. ©d^rift unter ßbriften attcr Äonfeffionen beizutreten,
©einen ©ntfc^lufe melbete er bem gürftbifc^of §ol^enlol^e unb erl^ielt t)on i^m fofort eine so
juftimmenbe änttoort. Sro^bem erfuhr er be^^alb l^eftigen 2Biberf))ruc^ feiten« feiner
näc^ften Sorgefe^ten. 3)ie ^l. ©c^riften, bie an ba« Sifariatamt gefanbt toaren, tourben
mit 93efd^lag belegt, obtool^l fie mit bifd^öflic^er 9lp})robation berfel^en tüaren. 3)enno(^
ftanb er bon feinem SSor^aben nic^t ab ; er mufete ftc^ freiließ bei ber Verteilung l^eiliger
s=5d^rtften auf bie ®sem})lare befd^ränlcn, bie unmittelbar an il^n unb feine ^eunbe famen, S6
tonnte aber ju feiner ®enugt^uung toa^mel^men, baft fein Vorgehen ni^t nur in ben
©tobten, fonbem aud^ auf bem Sanbe SSeifatt fanb, unb in«befonbere biele ®eiftlid^e i^n
unterftü^ten, fo bafe er ^offen fonnte, bafe ba«2Biberftreben ftd^ attmäl^lic^ toerbebefeitigen laffen.
äfe nac^ einiger 3rit bie 2lufforbcrung an il^n erging, eine ©tefle in ber föniglid^en
Slegierung ju 8re«lau ju übemel^men, glaubte er barin einen Stuf ®otte« ju erlennen, 40
bem er gu folgen ^abe. 6r übernahm bamit eine Wengc neuer Strbeiten, toeld^e bie
Ätrd^e unb ba« l^ö^ere ©c^ultoefen betrafen. ®« beftanb bamate bie Einrichtung, bafe
aüe Äirc^ens unb ©d^ulangelegenl^eitcn ol^ne Unterfd^ieb bon ben Släten beiber Äon*
feffionen unter bem SSorft^ be« Dberjjräfibenten bebanbelt tourben. 3)a ein befonbere«
itonfiftorium für bie proteftantifc^en Äirc^enfa^en nocf^ nid^t beftanb, tourben aud^ bie 46
etKingelifc^en Äirc^enangelegen^eiten in berfelben ©effton in ®egentoart ber lat^olif^en
ÜRitglieber ber^anbelt. 3)a er erlannte, bafe bie j)roteftantifd^en ®Vmnafien bie fat^olifd^en
in toiffenfc^aftlic^er SBejicbung übertrafen, erad^tete er e« für feine 2tufgabe, ba^in gu
tohcfen, ba^ fie mit jenen bie gleiche ipöbc erreichten. 3)urc^ feine ©tettung unb S^^ätig«
feit fa| er fic^ gebrängt, fid^ über ba« 3Serbältni« ber lat^olifc^en Äirc^e uir j)roteftan5 60
tifd^en noc^ grünblidj^er gu belel^ren, al« e« bi«^er gefd^e^en, unb gu bem Snbe fic^ mit
ben f^mbolif^en ©d^riften ber })roteftantifc^en Sird^e cingel^enb ju befc^äftigen.
Sei ber 38ergleic^ung beiber .viircben mußte er ben reformatorifc^en Se^ren bom
aSorte ®otte« unb bom ®lauben DoUfommen guftimmen. aber im SBlidE auf ba« Sin*
feigen, toelc^e« aud^ in ber fat^olifc^en Äircfjc ber Sibel gugefd^rieben toirb, unb angefid^t« 65
ber 3^lüftung ber Jjroteftantifd^en Hircljc mürbe er in ber Überjeugung nicfjt erfc^üttert,
ba| oie lat^olifd^e Äir^e bie eine tvabre Äircbc ßbrifti fei, unb baß im ^roteftanti^mu«
„bie ®runbbebingung ber Äircfje", nämlicb bie Ginl^eit, nic^t ju erreichen fei. @r \vax
erfüttt bon ber Hoffnung, bafe bie ^Jiifebräud^e unb ^^rtümer, bie in feiner Äirc^e in bem
n>ieberauflebenben älblaßunmefen, in ber Steigerung ber öeiligenberebnmg, in ben Sln^ eo
122 Sebttti^N
backten bor tounbcrtl^ätigen Silbern, in bcm ®Iaubcn an bic SBunberfraft bon 2lmulctten,
Slofcnfränjen, 3Kcbaitten, im Übcr^anbnc^mcn bc« SBaDfa^rtcnlücfcn^ hervortraten, üon
3nnen ^erau^ burd^ richtige S^arfteDung ber d^riftlid^cn Seigre unb i^re Stntoenbung im
Seben, folüie burd(> ^ebung be« gefamten Unterrid^t^toefen^, burd^ 2lu^bilbung einer
6 tüd^tigcn, bon d^riftlic^em ®ei[te burd^brungenen ©etftlid^Ieit unb burd^ Segrünbung be«
t^eologifd^en ©tubium^ auf baö ©d^riftftubium attmä^Iid^ n)ürben übcrtounben toerben.
er fa^ ftd^ jeboc^ fc^merjjlid^ enttäufd^t burd^ bie 3wf>>i$un9 «ß^ SKi^bräud^e unb ^n^
tümer in ber ))ä^)[tIidS>en 3lllgeh)alt unb in ber ^erfteUung beg ^^fwitenorbeng unb ber
Stu^breitung feiner 3Jlac^t über atteg äußere unb innere Seben berÄirc^e. 6^ loarb i^m
10 Ilar, bafe baburc^ bie bon ®ott in feiner Äird^e geftiftete „at)oftolifd^e Drbnung nod^malg
jerftört toerben !önnte, aber auf Soften be^ ^rieben^ ber Äirc^e, be^ c^riftli($en ©taatö
unb ber d^riftlic^en ^amilie."
3)ie|e burc^ ba^ ©tubium ber ©efd^id^te unb eigene Srfa^rung gewonnene Über^
jeugung lonnte nid^t berborgen bleiben. ©eblni^Ii lüurbe, aU er nad^ bem 3^obe be«
15 gürftbifdS>of^ b. ©d^imon^ü bom Äajjitel jum SBi^tum^bertoefer gemä^It Sorben toar,
ber ©eringfd^ä^ung ber ©in^eit unb Äat^olicität ber Äirc^e unb ber ©infü^rung bon
berberblic^en Steuerungen befd^ulbigt. Iro^bem lüurbe er bom 3)omfa^)iteI einftimmig,
unb jtoar burd^ 2ltttamation, jum Sifd^of gemä^lt (1835). Slac^ bergeblic^er ©eltenb*
mad^ung feiner fc^Jberen Sebenfen gegen bie Übemal^me eine^ fold^en ^ol^en Stmtc« beim
2 ) Rapitd unb au^brüdftic^er Seftätigung feiner SBa^I burd^ lüieberl^olte älfflamation na^m
er biefelbe an, inbem er in berfelben ®otteg ©timme ju bemel^men glaubte.
2)ie i^m feinbfelige Partei, bie bi^ ^ur ^öfjftlid^en ^urie hinauf i^re Sejiel^^ungen
^atte unb il^ren (Sinflug gegen il^n ausübte, berfolgte i^n balb aU einen ^teuerer unb
grieben^ftörer mit allerlei Sserleumbungen unb gel^äffigen Deutungen feiner 3Jtafena^men,
25 fo j. S. mit ber 3lnllage, bafe er in feinem 2:itel nid^t „bon ®otte^ unb be^ aipofto-
tifd^en ©tu^Ie^ ®nabe" fc^rieb, morüber er fic^ felbft bei bem geiftUc^en SWinifter ber^
antworten mufete, bem er bann nad^tpeifen fonnte, mie ber bei toeitem größte 3;eil feiner
aSorgänger unb bie meiften Sifd^öfe feit einem ^^^^^w^^ert ,,bie ^)ä^)ftli(t^e ®nabe" toeg=
gelaffen If^ätten. Sr lüurbe atö ber 3<^*örer ber din^eit ber Äird^e angefe^en, toeil feine
30 Ueberjeugung bon ber SSerberbtid^Ieit ber ^)ä})ftlid^en 2Beifungen, nad^ toeld^en bie ©eift-
liefen ben ®emeinben einfc^ärfen foHten, bafe niemanb aufer^alb ber römifc^en Äird^e
felig hjerben fönne, nid^t berborgen blieb. S^^^efonbere aber tourbe fein bem ©taat^*
gefe^en entfrrec^enbe^ Serl^alten in 3lngelegenbeiten ber 3Jlifc^e^e ber ®egenftanb feinb=
lid^er 2lngriffe feiten^ ber HerifaU^)a^)iftifc§en Partei unb bie Urfad^e ju einem folgen*
3öfd^h)eren Konflift mit ber Äurie felbft. 6^ beftanb bie alte beutfdj^e Dbferbanj, bafe bie
Äinber gemifd^ter ©l^en je nac^ bem ®efd^Ied^t im ®Iauben ber (SItem erlogen tourben.
5Rad^bem fd^on Äaifer Äarl VI. 1716 bie« au^brüdflic^ aud^ für ©d^lefien feftgefe^t ^attc,
lüurbe, al« ©d^Iefien preufeifc^ geiporben toar, infolge einer Beratung mit bem J^ürft-
bifc^of unb bem 2)omfa))iteI burd^ ein ©bift bom 8. 3luguft 1750 afö aDgemetne ^raji«
40 beftimmt, bafe lüie bi^^er bie ©öl^ne ber SReligion be« 3Jaterd, bie 3;öd^ter ber Sleligbn
ber 3Jlutter folgen foHten unb feine babon abtoeid^enbe 2lntenu^)tialberträge juläffig feien.
2)a« allgemeine ^jreu^ifc^e Sanbred^t fc^Io^ fid^ biefem ®runbfa$ an, inbem e« jene
Seftimmung aufnal^m mit bem S^]ai^c, ba^, fo lange beibe ©Item am Seben unb
über bie 6r«e|^ung ber Äinber einig feien, ein I)ritter fid^ nid^t einmifd^en bürfe; nur
46 eine 3Jlobififation jener Seftimmung erfolgte im ^^ai)xz 1803 mit ber 93eftimmung, bafe
in SKifc^e^en fämtlid^e Äinber ber Sieligion be^g äJater« folgen foDten.
3lm SBiberfprud^ mit biefen gefe^lid^en Seftimmungen unb ber entfj)red^enben ^ßrojig
beftimmte bie Äurie burd^ ein ))ä))ftli^e« 93rebe bom 25. SKärj 1830, bafe bic fird^Iic^e
©infegnung gemifd^ter 6^en f;infort bon bcm 3Serf^)rcc^en ber fatl^olifd^en (Srjie^ung fdmt*
50 lieber Äinber abl^ängig ^u macben fei. 2)er barüber am Slj^cin entbrannte Ramp^ unb
©treit unb bic ®cfa^r, bie burc^ jene Seftimmung bem ^rieben ber Äirc^en imb Ron-
feffioncn bro^te, bcftärfte ©eblni^fi, abipcid^enb bon bem Scr^alten ber anberen j)reufeifc^en
Sifc^öfe, ben befte^cnben ftaatlic|en ©cfe^en gemäfe ^u berfa^ren, ipie e« feine Vorgänger
unter ftiHfd^toeigcnber ))äpftlid;cr 3"'öff""0 get^an F)atten. 2luf bie 2lufforberung M
55 ^a^jfte« ®regor« XVI., feinen ®cf^orfam gegen ben a^^oftolifd^en ©tul^l auc^ in biefer
3tngelcgcn^eit ^u betunbcn, antwortete er (18. ^uni 1839), bafe er nur ba« SJerfa^ren
feiner Vorgänger in Befolgung ber ftaatlid^cn ®efc^c beobad;tct f}ab^ unb gemäfe bem
bon i^m, nad^ bem Scifpiel feiner ä?orgängcr gelcifteten C?ibe, ben ftaatlic^en ®efe^en
gcl;orfam |^u fein, audb ferner |^u berfa^rcn in feinem ©chjiffcn unb um beS grieben^
m unb ©ebci^eni^ ber Äirc^c tpißcn \xd) ber^fUcbtct fül;lc.
Sebliii^tt (SebiilntS 123
3)te Sfntlüort be« $a|)ftc« (bom 10. 3Rai 1840) ^iclt an ben gegen i^n erl^obenen
änf lagen feft unb mad^te i^m benSortüurf, bafe er ftdb leintet feinen, ben ©taatggefe|^en
geleifteten Sib flüchte, „ate oB er in leiner SQäeife naft eine« anbertoeitigen mäd^tiger
geheiligten eiblic^en SBanbe« ber Äird^e felBft unb bem 1^1. ©tu^I Verpflichtet märe".
©eblni^Ii lonnte barauf nur ertoibern (10. Slwni 1839), ba| er, „ba er lieber ade« auf- 5
5uo^)fem bereit fei, al« bie l^eiligften Oebote 3l^" G^rifti lüiffentlic^ ju t)erte^en unb
baburc^ bie allerfci^merfte 3Seranth)ortung bor bem SRid^terftul^Ie ®otte« fw^ jujujiel^en,
nic^t fäumen lüoDe, feine Bifd()öflic^e SBürbe nieberjulegen." 2)er injlüifd^en jur SRegierung
gcfommene Äönig ^riebrid^ SBill^elm IV. bemühte fid^, il^n bon biefem äufeerften ©d^ritt
utrüd(}ul^alten, mugte ftd^ aber balb bat)on überzeugen, ba^ ba« unmöglid^ fei. ^on 10
9lom erfolgte bie 3lnnal^me feine« Slüdftritt«. 2)er Äönig ernannte il^n m feinem aBirf=
liefen ©el^eimen 9lat mit ber 9Serj)fIid^tung, feinen Stufentl^att in feiner 9?äl^e ju nel^men
unb an ben Beratungen be« Staatsrate« teilzunehmen. ©0 l^atte er bom ^o!i)xt 1840
an ftänbig, mit 2lu«na^me eine« Sommeraufentl^alte« in ©r. ©ägetoi^ in ©c^lefien,
feinen SBo^nfi^ in Berlin. 16
SBol^l celebrierte er feiner bifc^öflid^en SBürbe gemäfe an l^ol^en fjeften anfang« nodb
bie 3Reffe. Salb aber ftellte er bie« ein unb legte feine bifd^öflid^e Srac^t ab. 2)urd9
38erfe^r unb ®ebanlenau«tauf(^ mit ebangelifc^en 3Rännem, burc^ ^orfc^en in ber
^l. ©qrift, burc^ ba« ©tubium ber ©d^riften Suti^^^r« unb burc^ Sefud^ be« ebangelifc^en
©otte«bienjle«, namentlid^ burc^ ba« ^ören ber ^rebigten 5Wi^f(^« im llniberfttät«gotte«s 20
bienft unb ©tal^n« in ber ffierberfc^en Äird^e tourbe er in feiner ebangelifd^en Überzeugung
me^r unb me^r vertieft unb befeftigt. (£r lonnte bal^er nic^t auf falbem 3Bege fteben
bleiben. 2)er ©c^merj barüber, bafe er ba« ©aframent be« Stltar« in ber römifd^en
Jtirc^e nid^t me^r feiern unb boc^ aud^ al« ©lieb berfelben noc^ nic^t an ber ebangelifc^en
fjeier be«felben teil nel^men lonnte, gab il^m ben änftofe, bie lefete Äonfequenz feine« 26
©tanbt)unlte« ju jie^en. 3lm 12. 9l))ril 1868, am SKorgen be« ©onntag« Duajtmobos
geniti, fanb er fic^ ol^ne bor^erige 3lnfünbigung in ber ©afriftei ber SDSerberfc^en Äirc^e
unter ben Beic^tenben ein unb boDjog burä bie Seilnal^me an ber ebangelifd^en Äom*
munion ben Übertritt gur ebangelifdpen Äirc^e.
@r betrad^tete e« al« ein ebangelifc^e« 2)anIoj)fer, biefer Äird^e fortan in ber %AU ao
na^me an allen SBerlen c^riftlid;er £iebe«t^ätigleit mit feinen ?Dlitteln ju bienen. 3n
ber ri^tigen ©rtoägung, bafe bie 3lu«bilbung junger tüd^tiger Gräfte für ba« geiftli^e
ämt eine ber ^auptbebingungen für ba« ©ebei^en ber ebangelifd^en Äird^e fei, fud^te er
fte ^au})tfä(^lid^ baburc^ ZU unterftü^en, bafe er bie 3Jlittel zur Segrünbung unb ©id^er^
fteHung bon 3lnftalten l^ergab, bie für jenen ^\üzi beftimmt toaren. ©0 begrünbete 85
er 1864 eine bem 6entralau«fc^u6 für innere SKtffton übertoiefene ebangelifd^e ^enfion«^
nnb Srzie^ung«anftalt, bie er bem 9l^)oftel ^aulu« zu (S^ren „^aulinum" nannte, unb
bie zur @rzie](;ung d^riftlid^er Änaben auf bem ©runbe unb im ©eifte be« ©bangelium«
bienen follte, bamit biefelben bereinft in bem ertoäl^lten Beruf, namentlid^ in bem geift«
liefen unb l^ö^eren Se^ramt, bem Sleic^e ©otte« bienen möd^ten. ©))äter begrünbete er 40
für Ideologie ©tubierenbe unter bem Flamen 3>o^anneum ein Äonbift in Berlin, meiere«
ben St^ti f)at, jungen 3:i^eologen toä^renb i(?rer ©tubienzeit ben ©egen eine« d^^riftlic^en
©emeinfd^aft«leben« unb einer georbneten, auf bem ©runbe be« ebangelifc^en ©lauben«
ru^enben h)iffenfd^aftlic^en'3lu«bilbung unter einer cntfj)rcc^enben tüd^tigen Seitung bar«
jubieten. 3u gleid^em ^)fD^it bermad^te er teftamentarifd^ einen bebeutenben 3:eil feine« 45
$?ermögen« zur Begrünbung eine« t^eologifc^en ©tubentenlonbifte« in Bre«lau, für ba«
er gleid^fall« ben Flamen ^ol^anneum beftimmte. ©ine anbere ©tiftung, ber ©eblni^Iifd^e
Bifariat«fonb« für ©d^lefien, ift bazu beftimmt, jungen Il^eologen na^ i^rer ©tubtenzeit
©elegen^eit zu t)raftif4>er Borbereitung für ba« geiftlic^e 3lmt unter ber Seitung tüchtiger
^ftoren zu bieten. 3luc^ für unbemittelte ©eiftlid^e mit f))ärli(^em (Sinfommen l^at erw
bur^ ein Bermäd^tni« geforgt, ipeld^e« bie Beftimmung ^at, fie mit folc^en lüiffenfd^afts
lid^en SBerlen zu berfe^en, bie fic für if)rc Weitere tbeologifd^e 3lu«bilbung bebürfen.
®urc^ biefe ©tiftungen mirb fein ©ebäd^tni« in ber fc^lefifc^en ebangelifc^en Äirc^e ftet«
in bcfonberem ©egen bleiben. — ^ad) furzer Äranf^eit entfd^lief er am 25. ?!Jlärz 1871.
©ein Seid^nam tDurbe auf bem g^ebbof zu Slanlau in ©d^lefien beftattet; nad^ 55
feinem SBitten foDten feine ©ebeine in fd^lefifc^cr (Jrbe ru^en. ^rbmattn f.
Sebttitu«, (^riftlic^er2)ic^ter ber erften^älfte be« 5. ^a^rl^unbert«.—
«uögabcn: fj.^lrcpalo, ^om 1794 (abgebrucft M8L ©b 19); 3. ßoo«f)ovn, 3Äünd)en 1879
(o^ne Paachale Opus); 3. ^ueiiier, 3Sicn 1885 (CSEL »b 10). fiitteratur: Isid. Sev.,
124 Sebttltnd Seehofer
de Script, eccles. cp. 20 (^^ialotuSfi @. 34 ff.) ; 3* ©uctner, De Sedulii poetae vita et
Bcriptis commentatio, SBien 1878; @. 2. Setmbacf), lieber ben (^riftltc^en ^tditer Säliud 8.
unb beffen Carmen paschale, Q5odIar 1879; ®. ^oiffier, Le Carmen paschale et Topus
Paschale im Journ. des Savants, Sept. 1881 ; 31. (£bert, magern. ®ef(^. b. fiitt. b. Vtixt im
6 91benbl. l^ fieipjig 1889, 373—383; 3R. «Dlanitiuö, ©efcft. b. d^rift^Iot. Soefie, Stuttgart
1891, 303—312; 31. «ourngortner, 3)ic tat. u. gried). fiitt. b. t^riftl. Sölfer, 3. u. 4. «ufl.,
greib. 1905, 195 f.
Über bie 2cbcn^t)erl^ältntffe bc« 2)i(^terö ©cbuliu^ — ber 5Wame Gäliu^ tft nic^t
beglaubigt — i[t nic^t^ ©ic^^ere« befannt. TOd^t einmal über ©eburtg- unb lobe^ja^r
10 beftcl^t eine Überlieferung, bod^ tDirb bic 2lnna^me, bafe er in ber erften ©älftc be^
4. 3la^t^unbert^ gelebt l^at, ba^ SRic^tige treffen. 2)a6 er ^re^b^ter gelücfen fei, berid()tet
juerft Sfi^or bon SetoiHa 1. c, läfet fid^ aber bielleicl^t fd^on a\x^ bem Decretum Gelasii
(^reuf^en, Analecta, p. 152, 23) fd^Iiefeen (venerabilis vir). SKoglic^ertoeifc lebte er
jeitlüeife in ©riec^enlanb. Serü^mt gehjorben ift er burc^ feine 2)ic^tungen, bome^mlic^
16 burd^ fein Carmen paschale. 3n biefem umfangreichen (1753 §ejameter in fünf
93üd^em unb eine ani ai)t ^x]ixi^m befte^enber ^rolog), einem ^re^b^ter SKaceboniu^
mit längerem 93riefe gelüibmeten ®ebid^t tperben „bie göttlichen SBunber Gl^rifti, ber afe
unfer ^afc^a geopfert ift" (p. 12, 10 ^uemer), auf ©runb ber bier (Sbangelien (bor
allem be^ SKatt^äu^) in bier Sudlern (Hb. 2—5) befungen. (Sine (Einleitung (lib. 1)
20 ge^t boraud : barin toerben bie SBunber be« alten Sunbeg, bie ber 3Sater mit bem
©ol^ne unb bem \)l. ®eift bottbrad^te, erjäl^lt. ©. be^anbelt ben biblifc^en 6toff freier
unb fubjeftiber, ate e^ fein SSorgänger Subencu« (f. b. art. 8b IX ©. 662 ff.) in feinen
Evangelia getrau ^atte, unb fe^t im Unterfc^ieb bon jenem eine allgemeine Äenntni^
ber ebangelifc^en (S^d^id^te bei feinen Sefem boraug. 3n formeller Sejie^ung, toa^ 3Ser«
26 unb Bpxai^t anbetrifft, gel^ört bie 3)id^tung ju ben befien ©rjeugniffen ber altc^riftlic^en
lateinifd^en Sitteratur unb erfreute fid^ be^^alb big in bie ^txitn be« $umanigmuö ^o^en
Slnfe^en« (f. bie lange Sifte ber 93enu^er bei §uemer p. 361 ff. ; ?Rac^träge bon ?!Jlanitiu^
in e2B2l, 117. Sb, 12. 2lb^., 6. 7—12 unb 121, 7, 5—9); in einer TOnc^^ener $fc^r.
ift fogar ein Kommentar eine^ gelüiffen SRemigiu^ (nad^ §uemer. Über ein ©loffentoerf
80 jum 2)ic^ter ®., in ©312B 96, 505—551, 3lem. bon 3lujerre) jum Carmen paschale
erl^alten. Übrigen^ l^at ®. SSirgil nic^t nur nac^gea^mt, fonbem i^m öfter« ^emiftic^en,
auc^ einmal einen ganzen 3Ser« (lib. 4, 149 = Verg. Aen. 5, 85) entlehnt. ©. l^at
feine 2)ic^tung fi)äter felbft in 5Profa übertragen, toel^e 9lrbeit er ate Opus paschale
betitelte. 3)ie äbfid^t ipar, bie 2)ic^tung burc^ n)örtlic^e 3Jlitteilung bon SibelfteHen,
36 auf bie im (Earmen nur ^ingebeutet iperben lonnte, ju ergänzen unb ju beglaubigen.
SWerltüürbigeripeife ift ber 3tu«brurf ber ^rofa ebenfo fd^toülftig, hjie ber ber 2)ic^tung
furj unb femig ift.
©. f;at nod^ jtoei ö^mnen l)interlaffen : 1. eine „Glegie" in 55 2)iftic^en, in ber bie
Äünftelei ber @)panale^)fi« (Cantemus, socii, domino, cantemus honorem u. f. to.)
40 burd^gefül^rt ift ; man ^at fie Collatio veteris et novi testamenti betitelt, ba i^at=
fachen be« 3tlten Sunbeö ju folc^en be« bleuen in t^))ifd^e Sejiel^ung gefegt Serben, lüobei
benn allemal ber ^ejameter bem 3llten, ber Pentameter bem 5ieuen Sunbe gelüibmet ift
I)er 2. §^mnu« ift ein Sobgefang auf (S^riftu«, in ber ^orm ber ambrofianifcbcn ©e^
fange, bocl? mit Slnipenbung be« SReime«, au^ 23 biergeiligen Stro^j^en bcfte^enb, beren
46 3lnfang^bucf)ftaben ber SReil^enfolge be« 3tlt)^abetö entfjjred^en. 3^^^ 2:eile biefe« §^mnu«,
nämlic^ ®troj)l^e 1—7 (A— G) unb 6tro^l)e 8, 9, 11, 13 (H, I, L, N) lüurben fc^on
frül) ^u Äircbcnliebcm: ba« 2Bci^nad^ts;lieb A solis ortus cardine unb baö ®j)ipl^anien-
lieb Hostis Herodes impie. 2luc^ in bag lut^erifc^c ©efangbuc^ gingen fie über.
2ut(;er felbft, ber ©. al^ christianissimus poeta bcjeid^net, ^at fie berbeutfd^t („ß^riftum
öotüir foUen loben", 1524; „SBag fürc^t'ft bu, ^einb ^erobe^", 1541). a)a^ erfte Sieb
finbet ftc^ bcutfc^ in anbcrer Überfc^ung auc^ bei Sc^loffer, ^k Äir^e in il^ren fiiebem
1*, S. 100 f.; banadE) Saumgartner.
2)er (Sento de verbi incarnatione (^r^g. bon Sc^enfl, Poetae Ghristiani
minores I, CSEL vol. 16, (Jlo— 620) ift früher mit Unrecht bem ©ebuliu« ju=
66 gefc^ricben Sorben, «gl. b. 3(rt. ^koba Sb XVI ©. 06, :u. (?l.(5bcrt f) ®.»tüger.
Sccljofcr, 3(rfaciu^, gcft. 1512. — ®. (S. »Heger, hieben ber 9trgula u. ©rumbad)
1737; ^. 3. iüpüiDÄfi), s)irg. n. (ijv. i^eb. Jveiin uon 3tauffen, ^J3Uindien 1801 (üoll oon tjift.
3iitümern aber burd) bie ^i^ei lochen tuertuoU); 6. ^l. "ipiftLnius«, israu 91. ü. C^r. unb i^rÄampf
mit ber Uuiüeriität ^u 3"9i>^Ü"bt, gjiac^bebuvc; 1845; C^. ^nc\elbarbt, '?!. u. ÖJr., bic bat)crif(ie
60 l'abea, "iJcürnbcri] 18G0 (beibe pop^i^^i'P^"^'^»lid)i; (i. "J^^vontl, (^)e[ri). b. ^Oubivig-^Kojimilian«
Seehofer 12ö
Unbcrfität, ^ünc^en 1872 ; 91. ü. 3)ruffcl, 3)ic ba^cr. ^olitil im ©cginnc bcv aflcformation^jeit,
»6^. b. ba^cr. «Ifab. b. ©iff. III AI., XVII. 55b; 6. attejlcr, ®cf4. a^aicm« IV, 86 ff.;
Sut^cr« ©ö ©« »bl5, 95 ff.; SRcufd), ?lb58 ; X^. Äolbc, ?lifaciuS Seehofer wnb 9lrflula
t). ®rumbQ(^, 33ettr. 3. ba^cr. St®, ©b XI (1905).
airfaciu« Seehofer, ol^ So^n eine« n)o^I^abcnben Sütgerg änfong be« 16. ^af)x^ 6
^unbert« ju ajlünd^en geboren, bejog in fe^r jungen ^al}xm bie Uniberfität ^ngolftobt
unb ettDa grü^jaf^r 1521 bie SSJittenberger ^od^fcpule, too er ^au})tfäc^li(^ ate Schüler
^Blelanc^tl^on«, fe^r balb ein begeifterter anl^änger ber ebangelifd^en Se^re lüurbe. Site
er-nac^ 3i"0olftabt ^urüdgelel^rt, SBeü^nad^ten 1522 fic^ bie 5Wagtfterh)ürbe ertoerben
troUte, golt er fd^on at« berbäd^tig, unb mufete auf Seranlaflung 3>ol^. ßcfg geloben, „bafe er 10
jic^ ber lut^erfc^en leer nid^tgebraud^en lootte". 9lber im ©ommer 1523 tourbe er benunjiert,
in feiner Surfe über bie ^l. Schrift nad) Slnleitung 5WeIand^t^on« SJorlefungen gebalten
ju ^aben, unb ate man bei einer §augfud^ung ^Jac^fd^riften bon SBittenberger ÄoHeg^
leften unb fonftige« belaftenbe« SKaterial, namentlid^ jtoci bon SBittenberg au« gef(^riebene
33riefe (3:^. Äolbe a. a. 0. S. 71 ff.), gefunben ^atte, !am e« ju einem förmliäen Äe^er^ is
projefe. ©iebjel^n 3lrtifel (ebenba 6. 75 u. 181), bie man au« feinen 9Kanufm))ten gu^
fammengefteHt ^atte, unb bie jumeift au« SKeland^tl^on« SSorlefungen ftammen toerben,
tüurben al« ^äretifd^ bejeit^net. ^urc^ ba« ©efängni« unb fc^loere 2)ro^ungen loeiA gemacht,
bequemte fiel ber junge 3Rann am 7. ©ej)tember 1523 baju, in einem feierlichen 2llte bor ber
gefamten Uniberfität, ba«?leue leftament in ber §anb ^altenb, unter I^ränen ben geforberten 20
ffiiberruf ju leiften, unb toa« er gelehrt, al« eine „rechte (Srjlej^erei unb 93überei" ju be«
jeic^nen, auc^ e« al« eine befonbere ®nabe anjuerlennen, ba| i^m, ba« toar ba«9lefultat
ber Serl^anblungen mit bem l^erjoglic^en §ofe, al« ©träfe juerlannt lüurbe, ftd^ in«
Älofter Sttal ju begeben. 2)iefe« äSorge^en ma^te grofee« Sluffel^en, unb namentlid^
bur^ ba« litterarifd^e Singreifen ber lül^nen, für bie ebangelifc^e 2^xz begeifterten 2lrgula 26
bon (Srumbac^, geb. bon Stauff (f. b. 2lrt. 2lrg. b. ©tauff), ber (Sema^lin be« l^erjog«
üc^eit ^Pfleger« bon 3)ietfurt, bie fd^on am 20. ©ebtember 1523 i^re erften ©c^riften gu
Ounften ©ee^ofer« unb gegen ba« te^errid^terlid^e feerfal^ren ber ^nßolftäbter Uniberfität
au«gel^en liefe, lourbe bie Bai)t jur öffentlichen Angelegenheit. 3Jon befreunbeter toie
gegnerifc^er ©eite tourben ©ee^ofer« Slrtifel befanntgegeben, auc^ trat man bon ^ngol« ao
ftabt au« mit einer lümmerlid^en, \päUx abgeleugneten 3Serteibigung ber Verurteilung be«
ÜKagifter« ^erbor, bie bon Sutl^er in feiner ©d^rift: „SBiber ba« blinb unb toB SSer^
bamnife ber fiebenje^n Slrtitel bon ber elenben, fd^änbli^en Uniberfität 9in9olftö^t au«^
gegangen" (2B91 XV, 95 ff.) grünblic^ jerjauft n)urbe. dagegen loanbte fic^ auc^ ein
fübbcutfc^er ©c^riftftetter 9Jlartinu« SRedfen^ofer ju ßlaufen (bgl. S^.Äolbe a. a. D. ©. 115), 36
unb eben biefer Singriff fd^eint e« geloefen ju fein, ber bie Uniberfität, nad^ bem aud^
30^. ©d, ber bi«l^er infolge feiner bamaligen Slomreife mit ber ganzen Ba6)c nid^t« ju
t^un gehabt l^atte, im ^ebruar 1524 jurüagefe^rt toar, beranlafete, in einer öffentlid^cn
3)ie))utation bie SRic^tigleit i^re« 3Serfal^ren« unb bie §ärefie ©eel^ofer« loie feiner
^rcunbe gu ertoeifen. 3)a megen üJlangel an freiem ©eleit bie mit grofeem ©elbft* 40
betDufetfein jum ßrfc^einen eingelabenen @cgner nid^t famen, loar bie mit bielem ^ßom^)
am 11. 2l^)ril 1524 begonnene unb mel;rere iage toä^rcnbe 3)i«j)utation ein bebeutung«lofe«
©c^auf))iel. Slber ba« 6inlabung«fd^reiben mit ben ja^lreic^en S^efen ber 2^^eologcn
Scon^. SKarftaBer unb 9?if. '}ipM {Xi). ftolbe a. a. 0. ©. 120 ff.) berurfac^te neuen litte*
rarifc^en ©treit, in ben Urban Sl^egiu« unter bem 9Jamen Hulderichus Stratus En- 46
gedinus (ebenba ©. 122) unb mebrfad^ ber 9Jörblinger ^rebiger I^eobalb SiHifan
eingriff (f. b. Slrt. 93b III, 23 ff.)- — i)em ©cc(;ofer gelang e«, unter unbelannten 3Ser-
l^ältniflen au« feiner ©efangenfd^aft ju entfommcn. Urfunblii tritt er erft im ^ai}xt 1528
toieber auf, ate 3RcIanc^t^on ben bamal« in Wittenberg loeilenben, bon i^m auc^ um
feiner ©elel^rfamleit loiHen gefd^ä^ten 3Jlagifter mit (Srfolg ^u einer ©c^ulftelte in (£i«felb eo
empfahl (CR I, 365f.). '^m Sommer 1530 finben toir il^n, loa^rfd^einlic^ um eine
anbere Unterlunft ju fud^en, in ^reufeen, im ^ol^re 1532 ju gleichem 3*^^*^ '" Slug«-
bürg, too er aber toegen ber inneren firc^lic^en ©irren ba« i^m angetragene 2)iafonat
fc^liefelic^ nid^t annahm. 2)urc^ bie 9Jot gcjtoungen fam er 1535 toieber nad^ 2lug«burg
unb tourbe im üJlärj be«felben ^a^re« 2e|rer an ber ©c^ute an ©t. Slnna. 2)ann loar 65
e« Sr^arb ©c^ne)}f, ber i^n nad^ Württemberg §og, unb nad^bem er erft al« Seitor am
Älofter ©t. ®eorgen, bann al« ^rebiger an mehreren ©teilen, eine ^^xt lang aucf) in
Seonberg geloirlt ^atte, fam er fcpliefeUc^ c. 1537 al« ^Pfarrer nac^ Säinnenben
(1^. Äolbe a. a. 0. ©. 175 ff.). §ier fc^rieb er feine einzige, f;eute in 9?ergeffen(;cit ge^
ratene ©c^rift Enarrationes evangeliorum dominicalium, ad dialecticam Metho- 60
126 Seehofer (Seettrd
dum et Rhetoricam dispositionem accomodatae. Augustae Vindel. 1539. Xa^
me^rfac^ lüiebcr abgebructtc SBcrl, ba^ bcn jur felbftftänbtgen ^rebigtt^ätiöfctt no<^
lücnig geeigneten tDürttembergifc^en ^Pfarrern bienen foB, ift eine fetner 3^^^ lüertgefd^öfetc
Stnieitung jur Se^anblung ber ©bangelien unb jugicid; eine Sammlung bon 93eif^)ielen
5 in einem boUftänbigen, burd^ Äafualreben bermel^rten ^öi^tgange bon (Sbangelienj)rebigten
(aur 2Bürbigung bgl. ®. SoRcrt in „§alte toa^ bu ^a[t" VIII, 1885, ©. 59 ff. unb
3:b. Äolbe a. a. D. 6. 178 ff.), ©c^on im ^al^re 1542 ift ©eeH«i^ geftorben.
2:^eob9? ftolbe.
Seelerd, ©eftenname au^ ber englifc^en SReboIution^jeit. — Sittera =
10 tut: @p^r. $agit, Heresiography or a description of the heretics and sectariaDs spninged
up in tiiese latter times, Bonbon 1647; ^on. Stcggiu^ (= ®corg ^om, ein fieibcner, ber
in ber IcJ-ten 3cit ^arlS I. in ©nglonb fic^ auffielt), De statu ecclesiae BritauDicae hodierno,
Xansig 1647. ^icfe bciben SBcrfc Tinb mir nur befannt burc^ §. SBcingartcn, 3)ic 9ict)oIu=
tionöttrc^en Snglanbd, 1868. 9{ac4 ^.d ^e^auptung, @. 4, ift ba$ ^^erf ))on Sf^eggiud ht-
15 fonberS in ^eutfcf)Ianb betannt geroorben imb f)ter bie ^auptquede für bie ölteren Special-
borftellungen ber ß^it fööbme, Vlc^t S3üd)er uon ber 9leformQtion b. engl. Äirc^c, 1734, ficbe
^icr bad 6. S3u(6; ©töublin, ^IQg. Äirdjengefd). ü. ©roßbritannien in 2 Seilen, 1819; fpri^t
t)on ben ©eefcrS 93b II, 8. 107 f.) ; ©icfcler, ^ircbcngefcfj. III, 2, @. 47 berührt bie 6e!te
nur in einer ^Inmerfung; Weingarten bc^anbelt fie ctroaS genauer, @. 106 f. 9ludfü^rlicbftc
20 CueQe für fie ift bie 9^ad)rid)t etned mo^I in fionbon lebenben ^anned, bie ald Anonymi
Epistola e Ms. Guelpherbytano deseripta de nova secta Quaerentium ebiert ift. ^ingarten
bcmcrft @. 107 91. 4, bafe er biefc Epistola nicftt ^abe erlangen tonnen, aber ©täubltn unb
©iefeler geben ja auSbrüdlid) an, bag fie in bem $fingftprogramm ber Uniüerfität (S^öttingen
uon 1814 cntl&alten fei. @ic ift ^icr, wie ein ^anbfc^riftlidjcr SScrmcrf in bem ^jcmplar ber
25 (äJöttinger ©ibltotl^e! angicbt, üon ^. ^land (b. i. ißloud jun.) pm 3)rud gebracht (biefc ^In^
gäbe rotrb rid)tig fein, roiewobl ©iefeler ©tftublin ah ßbitor nennt, aber Ic^tcrcr beutet felbft
niditS berarti^e^ an, ja er ^at bie ©piftel offenbar nur f(üd)tig gelefcn, mtnbeftcnS wenig
forgfältig benü^t); ed ^anbelt ficf) bei bem Wolfenbütteler 9){anuffript um ein ^pograp^on,
SSerfaffcr unb dmpfänger be§ SBriefS ift nidjt ju crfennen, bie 3cit menigftcnö nic^t an-
ao gegeben; ^tancf ^at nur ein paar ?lnmer!ungen hinzugefügt. SSgl. nodj 3- ©• 93Iunt, Dic-
tionary of sects, heresies etc., new edit. 1891 (!urj unb belanglos); bie Encyclopaedia
BritauDica t)at feinen 9lrtitel über bie @ee!erö.
SSicI Sntereffe bietet bie ^age nad^ ben ©eefer^ nic^t; &$ ift mir ma^rfc^einUd^ ge-
lüorben, bafe e^ f\d) nur um einen 5leben=, bießeic^t Bpottnamm für bie ^nbe^jenbenten
36 ^anbett. ©ine organifterte ©onberfefte bezeichnet ber ?Rame ganj offenbar ntc^t; Stein-
garten, ber fc^on lebhafte 3^^^f^l i" ^^^f^ Sfiid^tung ^egte, f)ai ben bezeichneten h)a^r=
fd^einlic^en ©ac^ber^alt tüo^l beöl^alb noc^ nid^t erfannt, h>eil er bie Epistola nic^t ju
©efid^t befommen. ^ßagit unb SReggiuö, aud^ anbere, fjjrec^cn jtüar bon „©eelerö" tüic
einer befonberen ©efte, aber baö ben^eift toenig. äuc^ ber ?Rame „3nbe)3enbent^" beftel^t
40 bereite zu gleicher 3€it, tno ber 9Jame ©eefer^ auftaucht ; bgl. z- S. bie ©d^rift Don
Slob. SaiHie, A dissuasive from the errors of the time . . . especially of the
Independents, Sonbon 1646. SaiHie fcnnt fogar bie ©ecfer^, aber eben ntd^t aU
©onberfefte, fonbem tnie Seute, bie in „aDen ©eften" ©lieber l^ätten(2Beingartcn, ©. 106,
3(. 4) — ba^ entfprid^t ber 3^^^, ipo bie gnbe^jenbenten nocf) feine beutlid^ begrengte
45 &xnp)pt tnaren. 3leggiug l)at gehört, bie ©eefer^ meinten, ber 2l^)ofteI ^ol^anne^ läe
nod^ unb tnerbe binnen furzem auftreten : „Moris apud eos esse, quando peregrinum
aliquem viderent, inquirendi num fortasse apostolus Johannes sit", ba« fte^t
boc^ fef)r banad^ .au^, al^ ob auö bem Flamen Seefcr^ nachträglich eine Segenbe f^an^-
gef^onnen fei. 'Jlf^nlid) beurteile ic^ e^, tocnn ^agit fagt, „some of them" behaupteten,
60 bie Äircfje fei irgcnbtoo „in the wilderness" unb fie „fud^ten" fie. $agit^ ^auj)t=
c^araftcriftif (35Jeingarten ©. 106, 21. 1) ergiebt, bafe bie „Seekers" (ober „Exspecters"
— auc^ ein 5iame Walters fcbeint borgefommen z« fein) ipefentlic^ bie fieute toaren, bie
feine ber befte(;enben „fiircfjcn" (b. b. f^jezicH aucf) bie ber ^re^b^terianer ntc^t) für
„true" anerfannten, feine „ministers" unb feine „ordinances" tnoHten: ba^ tporen
65 eben bie ^nbepenbenten, zumal ipäbrcnb ber crften, nocf) flüffigen 3!)arfteIIung il^ter 3^een.
2)ie Epistola rebet üon ber „nova secta Quaerentium sive Scrutatorum vulgo
Seekers", ol}nc ba^ ber ^nbe^jenbcnten irgenbtüo atö einer @ruj)))e gebadet Inürbe: too
bie Quaerentes mit ber „fiircfje" toerglid^eu merben, finb al^ le^tere bie ^redb^teriancr
gebac^t ; an biefen anfc^einenb allein reibt ficf) bie neue ©efte. ^er SSerfaffer fd^reibt, ©. 5 :
60 Secta haec recens et superioris anni partus, sed jam satis ampla, tum favore,
tum suffragiis multorum suffulta, longe lateque venenum suum per totam
Seettrd 127
insulam spargit. Haec secta hinc onginem traxit, quod publica et promiscua
licentia disputandi de omni articulo fidei, permissione parliamenti, omnibus
cujuscunque sortis libera facta fuit. planet meint; hai ba^ Parlament, bon bent
bte Siebe i^, ba^ fog. Heine ober Sarebones^arlament fei, toetd^e^ 1653 tagte (t)0l. Slrt.
,, Puritaner, ^re^b^terianer", Sb XVI ©. 342, 3—13). 2)a^ ift in ber %\)ai h)a^r= 5
fc^einlic^; biefeS Parlament mad^te gerabe ber ^Pre^b^terianer^errfc^aft ein ßnbe unb
fc^uf bie 9Sor^errfc|aft ber 9iw^^^nbcnten. SBenn ber Srieffd^reiber meint, bie Quae-
rentes „ftammten" au« bem borigen 3a^re, afö eine grud^t ber bon il^m offenbar fe^r
beflagten I^ätigleit beö bamaligen ^arlament^, fo ift entgegenzuhalten, bafe ^agit unb
SReggiu^ fd^on 1647 ©eefer^ lennen. Unb e^ ift auc^ toenig glaubhaft, bafe eine „nova 10
secta", bie NB. ^ernac^ atebalb toieber berfc^toinbet (toenigften^ mit 5Wamen j^aben bie
„©eelerd" leine Weitere SloDe gef^)ielt), fo rafc^ „totam insulam" ergriffen l^ätte. 2)ie
©c^ilberung pa^i ju ben 3nbe))enbenten, bie längft borl^anben toaren unb nur feit bem
„vorigen SJ^i^re" jur beutlid^en 3Jlac^t gelangt hjaren.
Ilte^erfmale ber Quaerentes nennt bie (£))iftet folgenbe: 1. ©ie jloeifelten an ber 15
unbebingten Autorität ber y. ©c^rift; ba^ n)erbe bamit motiviert, bafe bie Urejem))Iare
ja längft Verloren feien, bie be« Sliö fc^on in ber 3^'^ ^^ bab^tonifd^en (Sjite, bie
be^ 911« balb nad^ ber a^)oftoIifd^en 3^it ; bie 1^1. ©d^rift eigne fw^ aber auc^, ganj ab«
gefe^en bat)on, fc^on um bei^h)iQen ni$t ba« fundamentum fidel abzugeben, ba bie
meiften SKenfc^en fie ja nid^t in ber llrfj)ra(^e lefen lönnten ; 2. aud^ bie firdf>li(^e ©otte^s 20
le^re toerbe in S^^U^l g^jogen, jtoar nid^t bie 3:rinitätgle^re, hjo^l aber bie Se^re, bafe
®ott tro^bem bag Ens simplicissimum fei; 3. bie 33egrenjung ber ©aframente auf
eine 3h?€i3ö^I f«i nic^t au« ber ©d^rift jubegrünben; 4. ganj befonber« Regten bie Quae-
rentes ^toeifel in Sejug auf bie fircS^Iid^e Se^re bon ber 2:aufe, nämlid^ a) barüber,
ob tuirllic^ nur ,,mini8tri ecclesiae" fte (bon ber summa necessitas abgefe^en) f))enben 25
bürften, b) barüber, ob e« rcc^t fei, fte nur in ben „lem^jeln" ju f^jenben, felbft loenn
ber 3:äufling bem 3:obe naf^z fei, loä^renb boc^ ®ott bie 2:aufe jur unerläfelid^en
^eitebebingung gemalt l^abe, c) jumal and) barüber, ob bie Äinbertaufe ju billigen fei,
ba boc^ bie Sibel fein ©jem^jel einer fold^en biete unb G^riftu« felbft mit 30 ^af^xm
getauft fei, d) enbli(^ noc^ barüber, ob bie üblid^e lauffjjenbeformel ego baptizo teao
in nomine Patris etc. berechtigt fei; ^ier Ratten fie fc^liefelic^ boc^ an bem ego leinen
Stnftofe genommen, loottten nun aber bie SEaufe blofe „in nomine Christi vel in
nomine Domini Jesu" b. 1^. nad^ 31® 2, 38 ober 10, 28 bottjogen loijjen; 5. aud^
bie firc^lid^e äbenbmal^tefeier loerbe beanftanbet, nämlidji a) fofern man jtc^ jloeifell^aft
befcnne, ob ^auen fie mit em^)fangen bürften (sie!), ba boc^ ba« 31X nirgenb« einen sb
33eleg bafür getoöl^re, b) inbem man frage, ob loirflic^ nur ministri 33rot unb SBein
toei^en unb au«fj)enben bürften, c) inbem man auc^ frage, ob e« rec^t fei, bie ^eier nur
im templum ju begeben. SBic^tig fd^eint mir bejonber« bie 9lebennotij, bafe bie Quaerentes
jemanbem nur bann „copiam communicandi" (l^eifet bier?) erteilen, n)enn fie de ejus re-
generatione loenigften« probabilitatem befäfeen, toelc^ le^tere pe baran f onftatierten, bafe 40
einer bie habilitas et facultas effundendi preces eztemporaneas jeige; 6. au(§
bie firc^lic^e 3lwftifiIation«le^re toerbe bemängelt, inbem man bie ©uffijienj ber „fides"
beanftanbe; 7. ebenfo bie firc^lic^e 3lnfd^auung bom„3tmte", bie Quaerentes l^ielten eine
§anbauflegung für inbifferent unb meinten nur bie particularis congregatio l^abe
jemanb mit einem Slmte ju betrauen; 8. gan^ unb gar nic^t« toollten bie Quaerentes 46
babon toiffen, bafe jemanb vi et poenis ge^loungen loerbe, fic^ ju irgenb einer religio
gu belennen, fie berfünbctcn bie unbebingte ?Heligion«freil;eit aller.
6« fc^eint mir flar, bog ber 33erf. fein iüirflid^e« ©tatut irgenb einer ©efte bor
Stugen ^at, fonbem nac^ §örenfagen berichtet, ^a^ je eine ©elte biefe unb nur biefe
gtemlic^ heterogenen ^been berfoc^ten ^abe, ift aud^ loenig glaublich. 3)agegen pa^i alle« w
„ungefä^" auf bie 3nbej)enbenten, nic^t irgenbtoeld^e rabifale &xu^pz, fonbem ben
©runbc^arafter ber Stiftung, bie Gromipell befonber« ^)rotegierte unb al« bie feinige
funbgab. 3)ie erfte quaestio, bie merfipürbig fontraftiert mit bem fonft gerabe bet^ä^
tigten Siblici«mu«, unb bie fc^on an ben 2)ei«mu« erinnert, pa^i tnxqau^ ju ben 3nbe=
öenbenten, loenn man fie nur nidf>t alle genau für bie 5Wotibierung in 2lnfj)rud^ nimmt; 66
Die 3nbet)enbenten (ßromipeH !) toaren u. a. SSerfet^ter ber „SSemunft" in ®lauben«bingen.
®er ^re«b^terianer, ber bie Epistola gefdirieben l^at, ift ni^t gerabe bemüht geloefen,
ben ®egnem feiner Äird^c, bie er foeben getüiffermajen entbedft bat (ba« Sarebone^^ar^
lament toar eine Überrafc^ung für bie ^re«b^tcrianer), gerecht ju toerben, er „ipiberlegt"
fie mir eifrig $unft für $unft. eo
128 (Seelerd Seele
2)a6 ic^ nic^l Unrecht i}abm möd^te mit meiner SSermutung, bafe bie ©ecler^ tbem
tifc^ feien mit bem ®rog ber ^nbepcnbenten, beftätigt mir auc^ ber 93rief GromtoeU«
t)om 25. Dftober 1646 (man bemerfe ba^ 3)atum; Lettres I, 255), au^ bem ©ein-
garten ©.107 21. 2 eine ©teile mitteilt, lüonad; 6romh)ett fic^ felbft unter bie„8eekerß"
6 rechnet (to be a seeker is to be of the best sect next to a finder, and such an
one shall every faithful humble seeker be at the end. Happy seeker, happy
finder!). 3^ ^^^^^ "^^ 3Sorfte^enbem ben ©a^ über bie ©eeler^, ben man in bem
bon mir bearbeiteten 3lrtilel „Puritaner" a. a. D. 343, i— 3 lieft, ftreiien gu tootten.
9. ftattenliufdi.
10 Serie, biblif4 — 3)ic Sitteratur f. bei ben 9(rtifcln „&ei\t" unb ^Slclfcft" 53b VI
@. 98 unb 450. Siad) jutrogen ift nod) ®uil. SRot^c, Ad psychologiam libronun V.T. cano-
nicorum symbolarum series, Hafn. 1829, eine mefcntlidj auf ^. g. SRooö, Fundameota
psychol. etc. fußenbc ^Irbeit ; ®. Grcmcr, ^ibl. t^. £cj., 9. ?l. yvx'l'
©eele, got^. säivala, n)ie ''23c:, y^vx^, anima eigentlich f. b. a. Seben, ba« toa^
16 lebt, atmet, be^eic^net im allgemeinen t>a^ 2tbm, mie ed im @injelh)efen fx^ regt unb
ben ftofflic^en Organi^mu^ belebt, ber i^m jum Mittel feiner ©elbftbet^ätigung bient.
Urfj)rünglid^ lüirb tt: h)ie yjvxi^ o^ne Unterfd;ieb bon 5Wenfci^en toie bon Sieren ge=
brautet (bgl. auc^i unfer beutfq^e^ „2^ierfeele", melc^^e^ [xd) jeboc^ mit biefem ©t)ra(^gebrauc^
nid^t bedt, fonbem nac^ älnalogie mit ber menfd^lic^en ©eele ba^ 3""^"*^ ^^ liiere
ao mit feinen eigentümlichen Seftimmtl^eiten bejeic^inet). ©o finbet fic^ ce2 bon Sieren ®en
1, 20. 21. 24. 30; 2, 7. 19; 9, 10. 12. 16; 2e 11, 10. 46; 17, 10—15; $i 12, 10;
®j47, 9; yvyy in ber ^rofangräcität jutoeilen, im 31% nur ä))! 8,9; 16,3 bon
Sieren. ®ie fe^r jeboc^i bie 3lnh)enbung be« SBorteiJ auc^ im 21S auf ben 9)lenfc^en
borhjiegt, erl^eDt 1 6^r 5, 21, bgl. m. ®en 46, 15; (Sj 1, 5; 3of 11, 14. SBäl^renb im
26 äS auc^ bon ber -ds: ®otte« bie Siebe ift, 3;er 51, 14; »m 6, 8; Sli 10, 16 u. a., ift
biefe 3lu«fbrucf«hjeife bem 31% böDig fremb, fo bafe ©eele borjug«n)eife bie 3Dlenfc^enfeelc
ift, ba« in bem oöjfia, bem leiblichen Organi^mu« borl^anbene, i^n crfüQenbe Seben, ba«
eigentliche ©ubjeft be« Seben«, toelc^e« in ber Seiblid^Ieit unb burc^ biefelbe fic^ bet^ätigt,
f^non. ni-i, rrad:. '^n bem ärt. ®eift (VI, 450 ff.), toelc^er ba« 5Katertal für bie foU
80 genbe 2lu«fü^rung enthält, ift nad^getoiefen, toie ®eift unb ©eele fic^ unterfc^eiben, tüoju
nur noc^ nad^jutragen ift, bafe bie LXX 'öz: nie burc^ nvevjua lüiebergeben, r?''*' fei^r
feiten burc^ ywxrj (nur ®en 41, 8; @j 35, 21; bgl. öXiyötpvxog 3ef 54, 6; 57, 15;
^r 18, 14; 14, 29); femer bafe Jtüar lüo^l ac5/xa unb Jivevjua 1 Äo 5, 3 h)ie adg^ unb
nvevfia einanber entgegengefefet toerben, nie jeboc^ odg^ unb ywxrj (Wogegen Se 17, 11
86 bi« 14 nic^t fj^rid^t), fonbern ftet« o(bixa unb rpvxri, fo bafe odg^ unb nvevfia, ocö/mi
unb y^vxij bie eigentlid^en ®cgenfä|e bilben unb jivev/uu unb v^;^^ fic^ faft jueinanber
ber^alten toie odg^ unb ocbjua. (Iripdgt man nun, bafe Ccoojioiovv ba« bem Jirev/Mx^
Ccooa ba« ber fvxrj entf^)rec^enbe ©pit^eton ift (1 Äo 15, 45; ®en 1, 30; 6, 3), bafe
jipar ^r?"'? ri'n'i- 9Ju 16, 22; 27, 16 gefagt ipirb, nid^t aber bon ni^ h)ie bon ber
40 Ci;: Sc 17, 11: ^"^^^l ="? "9^?! -?r, bafe femer cd: jur Se^eid^nung be« ^nbibibnum«
fclbft bienen fann, ni^^ jivevjua bagegcn nid^t, bafe nur bie ©eele, ni^t ber ®eifi ©ub=
jett be« SöoHen« unb Sege^ren«, ber 3u' unb Slbncigung, be« ®efallcn« unb ^RifefaHen«
ift, obibol^l Jivevjua unb tpvxt] in ben Sejie^ungen be« ßm^jfinbung«^ unb be« Irieb-
leben« mannigfad^ f^non^m gebraucht njcrben, bafe enblic^ bon ber ©eele gefagt Ibirb,
4ß fie fünbige, fterbe (bgl. „3^"'^"^^^ ^^^^^ fuc^en, bie ©eele begehren, töten 2c." ^f 35, 4 ;
59, 4; 5er 11, 21 ; 2 ©a 14, 7; §i 36, 14; 33, 18 u. a.), bom ®eifte nic^t, bafe bie
©eele Dbjeft ber (Srlöfung ift (mt 16, 26 unb ^^5araa., 21® 2, 27, 31; Sit) 2, 9; $f
33,19; 86,1:^; 89,49; $r23, 14; 3ef55, 3; ^afl, 21; 5, 20* $br 10,39; 13,17;
1 ^t 1, 9; 2, 25; 4, 19), nicf)t ber ®eift (aufeer 1 Äo 5, 5; bgl. 1 $t 4, 6), fo n)irb man
60 fagcn muffen, bie ©eele fei ba« burd^ ben ®eift al« Seben«j)rin5ip ober Seben«fraft in
bem ftofflic^cn Crgani«mu« gctüirftc (Jin^elleben in feiner Gigenart, ba« eigentliche ©üb-
jeft be« einjelleben«, bcffcn gigenart fid^ geiftlid; unb leiblich bcftimmt, inbem in i^
fic^ begegnet unb 5ufammenfc^lie|t fotüo^I tra« ihr bom ®eifte l^cr al« n)a« i^r bom
leiblichen Drgani«mu« ^er eignet, ©ic ift ba« ^nnenipefcn be« ^J}{enfc^en, meiere« einer-
66 feit« ben ®eift al« Sebcn«^rinji^ in ficb trägt, anbererfcit« eigentümlich beftimmt lüirb
baburc^, bafe biefer ©eift ''^rinjip eine« Ieibli(^en 2^bm^ (in irbifc^er Drganifation) ift,
fo bafe ber Seib ein ocbjiia xjwyMov 1 Äo 15, 44. 2Ba« bem ®eifte eignet, eignet auc^
if)r, aber nic^t alte«, toa« ihr eignet, eignet auc^ bem ®cifte. 2öeil burc^ ben ®etft innere
^alb be« leiblic^ien Drgani«mu« getüirlt, beftimmt fie benfelben in Kraft be« ®eifted unb
Sede 129
totrb bon tl^m beftimmt, jcboc^ nid^t anber«, ate bafe jte bermöge be« i^r immanenten
(Seiftet bem leiblk^en Drgantemu^ t)or unb übergeorbnet ift. (Seift befeelt ben 5Wenf(^en
unb baö licr, bcnn alle« 2eben ftammt au« bem ®eifte ®otte«. 35ie 93efonber^eit be«
3Renfc^en unb be«3:iere« unb bamit bie 93efonberl^eit unbSigenart ber SKenfd^enfcele unb
ber lierfeele fü^rt [\d) auf bie Slrt jurüdf, tüic ber ®eift if)x eignet unb lüirft, unb eben biefe 6
Scfonbet^eit pxäqt fic^ in ber ©eeie au« 3)ie ©eele be« 3Dlenf(^en ift bie Trägerin unb bie
©rfd^ieinung feiner äefonber^eit, nämtid^ feiner ^erfönlic^Wt. 3)emgemäfe entf))ric^t ber
©c^öj)fung«beri(^t ®en 2, 7 ber tl^atfäd^lic^en ©ad^Iage, beren fic^ ber SWenfd^ in feiner
©clbftunterfd^eibung t)on ber übrigen Äreatur unb feiner ©elbftbegie^ung ju ®ott inne
toirb. 3)ie lierfeete ift ibentifd^ mit bem leiblichen Seben be« 3:iere«. 3)ie 9)ienfc^en' lo
feele, obtoo^I ber Seiblic^Ieit benötigt, ift boc^ nic^t fo an biefelbe gebunben, ba^ fie nid^t
Don ber befonberen Slrt l^er, in toelc^er fie ben ®eift ^at, ein t)on ber Seiblic^feit unter*
fc^iebene« 3)afein fü^re, fo bafe fie jtoar ben 2:ob erleiben lann, o^ne aber, toie beim
Xiere, aufju^örcn ju fein, ©ie überbauert ben lob um begloiHen, toeil fic ®eift ®otte«
ate ba« i^r immanente Seben«))rimi)) in ber 9lrt in ftc^ trögt, bafe fie felbftmäc^tig über is
fic^ im aSer^ältni« gu^®ott unb SBelt t)erfügen foH unb lann. 35enn ber 3Wenfc^ l^t
®eift unb ber ®eift f)at ba« 3^ier ['! R.]. SBie fe^r aber auf ber anberen ©eite auc^
bie ©eele be« SRenfd^en an bie Seiblic^Ieit gebunben ift, erhellt barau«, bafe bie ©eele
be«3Kcnfcl^en ben iob nic^t anber« überbauert al« fo, bafe i^r bie Söfung t)on berSeib*
lit^Ieit einen SKangel berurfa^t, toeld^er in ber §eil«t)ottenbung bei benen, bie il^rer teit 20
^ftig toerben, burd^ bie SBieber^erftetlung ber Seiblic^Ieit in einer ber ©rlöfung unb
SoHenbung entfjMret^enben SBeife in ber Sluferftel^ung bon ben 3^oten gehoben loirb,
ögl. 3lpl 6, 9; 20, 4; 12, 11; 1 So 15, 42 ff. {odjjua nvevfjutnx&v 1 Äo 15, 44 ff.).
Slu« bem in bem 3lrt. „®eift" bargelegten Unterfd^iebe jloifd^en ®eift unb ©eele
unb bem Ser^öltni« jloifc^en beibcn ergiebt ftc^, loa« bie ©eele ift. 35ort ift aud^ bie 26
3frage nad^ ber bic^otomifdSien ober tri(^otomifd^en 2lnfd^auung bom 3Kenfd^en bef^jroc^cn.
3ft bie öort au«gef^)ro(^ene Sluffaffung be« SSerl^ältniffe« bon ®eift unb ©eele richtig
unb toer^ält e« fic^ mit bem Scr^ltniffe bon Seib unb ©eele fo loie bort unb oben an-
gegeben, fo bürften bon ba au« fid^ tjerfd^iebene %xa^zn löfen, bie an mehreren Orten
be« c^riftlic^en Se^rf^ftem« auftaud^en. ©0 junäc^ft bie ©treitfrage ^toifd^en 5lreatiani«mu« ao
unb ^rabuciani«mu«.
'Xrägt bie ©eele ben ®eift unabtrennbar in ftc^ nic^t al« @intoo^nung be« ®eifte«
®ottc« felbft, fonbern al« ®eift t)on ®otte« ®eift, unb ift fte auf ber anberen ©eite fo
an bie Seiblic^feit gebunben, bafe fie nur al« be« Seibe« ©eele getoorben ift unb fein
lann, fo erl^ellt fofort, bafe bie Übertragung be« an bie fieiblic^Ieit gebunbencn Seben« 86
bie Übertragung ber ©eele ift. 2Bie unb loeil Seben bon Seben, fo ^at ©eele t)on
Seele i^rcn Ürfprung. SBenn aber bie ©eele loieberum il^r ^rinji^), ben ®eift in
ji4 trägt, fo ift fein Slaum für bie 3lnf(^auung, bafe burd^ irgenb einen f(^öt)ferif(^en
Sut ®otte« in bem erjeugten ober geborenen Seben bie ©eele erft entfte^e. ®er SKenfc^
ifi nid^t au«genommen bon bem ®efe|^ alle« Sebenbigen, fid^ felbft nac^ feinem gefamten 40
ffiefen«beftanbe fortzupflanzen. 6« ift nid^t nur ?fleifd^ unb SSlut, \ozl6^t^ bie SJlenfd^s
^eit gu einer (Sin^eit ^ufammenfc^licfet, ioä^renb bie befonbere göttliche Segeiftuna unb
Sefeelung be« au« ^leifc^ unb 93Iut geborenen Seben« bie ßinl^eit loieber auflöft unb
^inabbrüdft jur blofeen ®leid^artigleit unb bie ®emeinf(^aft jur blofeen SSergefetlfc^aftung
ber gleid^arttg gen)orbenen unb organifierten SEBefen umfe^t. ©onbem gleifc^ unb 93lut 46
übertragen ba« Seben unb alle«, n)a« bicfen eignet, — fie übertragen bie Slrt unb bamit
bie ©eele unb mit ber Seele ben ®eift unb bamit bann aud^ foloo^l bie göttliche Slrt,
toie toieberum ba«, loa« au« berfelbcn burc^ ben 5J{enfd^en felbft getoorben ift (ba^er ein
Unterfc^ieb jloifc^en ben naxioeg xijg oaQxog unb bem jiaxrjg nvevjudrcov). 3)agegen
ft)rec^en nic^t ©teUen loie $fl39, 13. 7; S^f 57, 16; ^er 1, 5; 38, 16; ©ad^ 12, 1 ; 50
^i 33, 4, hjelc^e nic^t« toeiter au«f>)recben, al« bafe toie alle« Seben, fo anq aße« SBerben
auf bem ®eifte ®otte« be^to. auf ber ©elbftbet^ätigung ®otte« an ber Äreatur berul^t
unb barin bon bem erften Sßcrben nic^t unterfc^ieben ift; 5Pf 104, 30; bgl. $i 1, 21 ;
ä® 17, 28. 2)a« aber f(^liefet ntc^t au«, bafe bie fortgel^enbe ©elbftbejiei^ung ®otte«
burc^ feinen ®eift ^ur Äreatur bon ber göttlichen ©elbftbet^ätigung be« Slnfang« [\i} 66
unterfc^etbet, loie ©c^ö^)fung unb ©rbaltung, ol^ne bafe ber unmittelbare 3lu«bru(I be«
religiöfen Seben« ftet« bie JHeflejion auf ba« Slnfang unb ®egenn)art berbinbenbe TOittel=
glieb richtet • bgl. bie ®rflärung be« 1. Slrt. im Äl. Äated^i«mu«: „ic^ glaube, bafe micf)
©Ott gcfc^ffcn ^at famt allen Äreaturen u. f. lo.", obloof;l Sut^er entf^ieben ben 3^ra=
buciam«mu« bertrat. 2:rabuciani«mu« aber unb nic^t ®eneratiani«mu« loirb ba« ricbtigc co
SttaUihictillop&hU ffir Z^eoloflie unb Siixäit, 3. V. XVI II. 9
130 Seele
fein, lücil auf bem ®ctft aU auf bem göttlichen £ebcne))rinji)) bie 5Wö0Uci[>tcit bee fieBen^
betul^t unb biefer nid^t tok %Ui]d) unb 93Iut neu erjeugt mirb, fonbcm fid^ überträgt
unb fo ba« Seben, bie ©eele geftaltct. 3)ie SSortieBe ber ©c^olaftif unb ber römtfc^s
fat^olifd^en Ideologie für ben Ärcatianiigmug l^ängt mit ber iJ^r eigenen Il^eorie über
6 SKefen unb Urft)rung ber ©ünbe unb ber 6inn(i(|feit jufammen (bgl. b. 3lrt Urfj)rüng-
lid^e ©erec^tigleit Sb VI S. 546), [auc^ bie ber Sleformierten? Ä.] Wogegen bie Iut^e=
rifd^e Ideologie im unmittelbaren 3wfammenl^anöe mit ber tieferen unb ernfteren @rs
lenntni^ ber ©ünbe, f<)ejieD ber (Srbfünbe, f ofort mit (Sntfc^iebenl^eit ben Irabuciani^mu«
bertrat. 6^ ift anjuer!ennen, bafe e^ feine ©(^riftlel^re l(|ierü6er giebt, aber e^ ift bie
10 3lufgabe ber il^cologie, eine fd^riftgemäfee Seigre barüber aufjufteHen, unb lüä^renb nun
bie SeJ^re bon ber SBelt, bem 3Ser^ä(tni^ ®otte« jur SBelt unb gu ben Ireatürlic^cn
^otenjen auf ben 3:rabucianigmu« l^inbrängt, toirb berfelbe gered^tfertigt unb beftätigt
burc^ bie in ber 2lu«brudf«meife ber ^I. Schrift [V Ä.] unb bem ©ebraud^ ber Segriffc
©eele unb ®eift fic^ au«))rägenbe Slnfc^auung. 3SgI. bie einge^enbfte unb an bem ric^=
16 tigen ^jJunlte — nämlid^ bei ber Unterfd^eibung jJüifd^en ©(^Ö))fung unb ßrl^altung ein^
fe|enbe — neuere Erörterung ber ^rage bei ^andf, ©^ftem ber d^riftlic^en ffla^r^eit,
§ 24, 5 (I, @. 382 ff.).
SBeiter ift nun bag richtige Serftänbnig be^ SJer^ältniffe« glüifd^en ©eift unb ©eele,
beglü. jtoifc^en ©eele unb 2eib bon ber größten SBic^tigleit für ba« Serftänbni« ber fion^
20 Jequenjen ber ©ünbe. Seru^t ba^, toag ber SWenjc^ befonbere« ift, ^jerfönlic^e« fittlic^^e^
äBefen, auf ber 2trt, h>ie ba^ göttliche £eben^j)ringH) in il^m ift, fo befte^t feine aufgäbe
barin, fic^ in feiner ©eele gemäfe bemfelben gu lüoUen unb gu beftimmen. 3tnftatt beffen
l^at er fid^ burd^ bie ©ünbe bon feiner geiftigen göttlichen Seftimmt^eit abgetoanbt, fo
ba^ nunmel^r fein eigener SBitte bem ©eifte^triebe gegenüberftel^t unb te^terer jenem
26 gegenüber ftc^ nur noc^i geltenb mac^t in bem ©elüiffen, in toeld^em ber ©ünber fic^
felbft ate fein eigener 3^w0^ \p gegenüberfte^t, bafe in feinem ©elbftbetoufetfein ba^Se^
toiffen ate gun!tion be^ göttlichen 2eben^ringi))e^, lüie e« ©efe$ unb Äraft be« gebend
fein lüill, unb bie fünbig geworbene 3trt {vovg rfjg aagxdg, f. b. ärt. „^leifc^" Sb VI
©. 98) fic^ begegnen, ^ntttn ber 9)lenfc^ ftd^ ©otte ab-, unb bamit ber SBelt o^ne
80 ©Ott gugetoenbet f)at, toirb biejenige ©eite feine« SBefen« übermächtig unb h)ir!t beftim-
menb, burd^ toelc^e er bem ßwfammenl^ange ber SBelt angehört, er toirb ^leifd^, aaQxi-
x6g unb oägnivog, b. i. xard odgxa unb odgS^ unb bie ©eele, fein 5ßerfonleben,
beftimmt fid^ bemgemäfe in ftetem 3Biberf))rud^ mit feiner geiftigen göttlid^en 93eftimmtl^eit.
3)aburd^ lüirb bie ©eele tro^ beg i^r immanenten ©eifte« fünbig unb alle«, toa« i^r t)om
86 ©eifte ^er eignet, toirb in 5Ulitleibenfc^aft unter bie ©ünbe gebogen, fo bafe ba« gefamte
©eifte^leben barunter leibet, ©o entfte^t jene« gtüiefjjältige lyco, toelc^e« ber Stjjoftel
^Paulu« 3lö 7 in ber 3Soraugfe^ung allgemeinen l^erftänbniffe« unb (Sinberftänbniffe«
fc^ilbert. 3)er ^alb^ergige, jh^eifelnbe, gipif^en ©ott unb fic^ felbft ^in unb ^er fc^toanlenbe
9Kann ift ein ävrjg dixpvxog mit gef>)altener ©eele, ^a 1, 8; 4, 8, bgl.2Rt24, 51. 3)er
40 ©ünber ate fol^er, fo ipeit er einer Erneuerung feine« göttlic(^en Sebenöj^ringij)« burc^
ben ^eiligen ©eift noc^ nic^t teill^aftig geworben ift, ift ein yjvxixög im ©egenfa^e gum
Tzvevfianxögi f. u.
I)ie boHe Sonfequenj ber fünbigen ©elbftbeftimmung ipäre ba« fofortige ®nbc ge-
hjefen. 2)ie Stbmenbung be« 3Kenfdf>en bon feinem Sebeneprinjit) unb bon ©ott mac^t
45 in naturgefe^lid^er unb gerichtlicher ^olge feinen ferneren Seftanb unmöglich. 9Kit ber
Seftimmt^cit burc^ ben ©eift ^at er bie "iölac^t über fiel) felbft aufgegeben, toelc^e i^m
ber ©eift berlieb, unb ift bamit ber (p&ogdy bem nunmehrigen 9Jaturgefe$ be« geben«
berfaUen, bem l^obe al« bem ©egenteil be« eibigen 2tbm^ anheimgefallen. ®r ^t fein
5Dafein, fein geben nid^t me^r in ber §anb. Unter bem 33erfatle feiner geiblic^leit, ber
60 5Jaturbafi« feine« geben«, leibet feine ©eele, ipelclje auf ber anberen ©eite, toeil fie ©eift
©otte« in bcfonberer 3lrt in ftc^ trägt, toieber nic^t fterben fann, fo bafe biefe« 3""
fammenfein bon 3:ob unb Unfterblic^feit bie benfbar ^öd^fte Dual ift. 3)cnn nun ift ber
3;ob für fie nidit tüie für ba« leiblicbe geben ba« 6nbe, fonbern bie boHenbete geben«*
obnmac^t, gegen bie ber leib^ unb qualboUfte ©rbentag nocf) gtc^>t unb ©onnenfc^ein ift.
56 2)aber bie bunfeln 2lu«fid^ten in ba« S^^f^it^ ^^^ ©rabc« im Sil in ber 3^^* bor ber
erlöfung (f. bie 3lrt. „§abe«" 33b VIT ©. 295 unb „Unfterblic^feit"). SBäre biefe
naturgefe^lict)e unb gericl?tlic^e golge ber ©ünbe fofort nac^ bem ^aDe eingetreten, fo
tüäre bie ©efc^ic^te, auf tbelc^e ber 5J}enfc^ angelegt toar, gleich an i^rem anfange gu
@nbe getommen unb ber Sd)öpfunc^«gebantc ßottc« bernicf)tet. Die ©elbftbeftimmung
60 ©otte« gur Grlöfung ber fünbigen 3Belt muvbe ba« ^ringij) ber Erhaltung, inbem bie
Seele 131
®ebulb (Sottet ba« ©erid^t unb (Snbe J^inau^fd^ob, um bem ?IJlenfcl^en bie ^IJlöglic^feit
3U getoä^en, burd^ gläubige aufnähme ber SJcr^cifeung unb i^rer ©rfüHung ba^ Sanb
jtüifd^cn t^m unb (Sott lüiebcr anfnüpfcn ju laffcn unb einer ©meuerung be^ ©eiftcg
tetll^aftig ju toerben, toelc^e barum auö^ atö bie eigentliche Srfüttung ber göttlichen Ser-
^eJfeung im 31% erfc^eint, bgl. 3er 31, 31 ff.; So 7, 39; a® 1, 4; S*ö 8, 4 u. a. Damit 5
aber toar ber burd^ bie ©ünbe alteriertc 3#^"^ ^<^ menfc^lic^en SBefen^, baö ent=
ftanbene SKifeber^ältni« feiner g^^oren nic^t aufgehoben. 3)a^ Seben felbft ift in ^raft
bc« ©elftem nod^ bor^anben, aber ber ®eift ift nic^t mel^r toirffame^ ®efe| bc^felben,
fonbem nur nod^ rid^tenbei^ ®ef^, lüäl^renb bieSlic^tung eine anbere geworben ift. T>iefe
eben gefd^ilberte eigentümliche äffeftion be« menfd^lic^ien ©efen^beftanbe^ burc^ ben gati lo
bringt e« mit ftd^, bafe bon bem gefallenen 3Kenf^en feine anbere 5JJcnfc^^eit au^ge^en
!ann, aU bie toie er felbft im SWifeüeri^ältniö jum ®eifte fic^ befinbet. I)ie S^^atfac^e
ber urf^jrünglic^en (Sinl^eit be« bem 5IKenfc^en geltenben fittlid;en ®efe^e^ unb feine«
9Jaturgefe^e«, fomie bie Sad^lage, ba^ bie Seele gehjorben burc^ ben ®eift unb gebunben
an bie Seiblid^feit fic^ bon i^rer geiftigen ®runblagc gelöft l^at, erflärt bie 3^l^atfac^e ber 15
6rbfünbe, bie Übertragung bon ©ünbe unb 2:ob bur^ 3Sermittelung ber Seiblic^feit ober
be« gteifc^e«. 6« lüirb eine 33efc^affen^eit übertragen, toelc^e bie Sünbe jur ^Jatumots
trenbigfeit mad^t, o^ne baj fte bamit aufhörte ©ünbe ju fein unb alle« ba^jenige mit
fic^ ju führen, toa« ba« 5DJi^berl^ältni« ju ®ott unb unferer göttlid^en Seftimmung mit
fic^ bringt. (Die ©d^lüierigfeit be« bamit atlerbing« jugleid» gefegten begriffe« einer 20
,,6rbfc^ulb" löft fic^ im änfc^lufe an bie obige Stu^fü^rung ber^ältni^mäfeig leicht.) So
ift nun ber auf bem SBege be« ^Jleifd^e« geborne 5Dienfd^ ^toax ipvxrj C(oaa, toie ber
ßrftgefc^affene, aber nic^t blofe toie jener ix yr\g ;^o£X($g feiner Seiblic^Ieit nad^, fonbem
er ift im ®egenfa$e jum nvemiarixög ein ipvxixögt 3g ov dexerai rd rov Ttvevjnaxog
^eov, 1 Äo 2, 14 bgl. m. 1 Äo 15, 44 ff. Der ©inn bon ywxtxog an biefen beiben 25
©teilen ift nid^t fc^led^t^in berfelbe. 3lu« ber Unterfc^eibung bon ipvxrj {C(oaa) unb
nvevfxa {^cootzoiovv) 1 äo 15, 45, ergiebt ftc^ erft bie ^JJlöglid^Ieit, yjvxixög unb nrev-
juarixdg aui) nod^ in einem umfaffenberen ©inne 1 Ro 2, 14 einanber entgegenjufe^cn,
inbem an ba« Jirevjua äyiov ber Sßiebergeburt gebadet toirb, nid^t an ba« menfc^Iic^e
Ttvevfia an unb für fid^. ' 2luf biefem burc^ bie ©ünbe unb SBiebergcburt bcbingten 30
Unterfd^iebe, n)eld^er ber d^riftli^en 2tnfc^auung mit ber 3;^atfac^e ber ffiiebergeburt fo^
fort geläufig toerben mufete, berul^t ber fül^ne, aber fc^arf unb flar bejeic^nenbe ®ebrauc^,
ben ber 9lj)oftel 1 Äo 2 üon xpx^x^xdg im ©egenfa^e gu bem bom ^eiligen ®eifte ber
ßrneuerung beftimmten 3Jlenf^en mac^t. 6ö ift flar, bafe ywxixög ben 3Benfc^cn nic^t
ettoa einfadgf al« oagxixög ober äfxaQxcoXög be^eic^net unb l^icrmit abmedE^feln fönntc 35
(bgl. 1 Äo 3, 1), fonbem ^wx^>c6g be^^eic^net ben 9)ienfdE)en nac^ feinem 9?aturbeftanbe,
unb toeil ber 5Wenfc^ gegenwärtig aagxixog unb äuagxcoXög ift, fo ift er in feinem
9?aturbeftanbe bemjenigen frcmb, toa« rov jivevjuarog ift, unb fo erft be^eic^net xff. ben
Slenfc^en, toie er bem göttlichen £ebm«j)rinjij) entfrembet ift. (Sbenfo ^ub 19, n)o nic^t
gefagt ift, bafe bie xpvxixol über^au^jt fein Ttvevjua ^aben, fonbern bafe fie fic^ nic^t im 4o
Seft^e toon ®eift befinben, fo toie fie i^n boc^ befi^en fönntcn. Da« Süort fann nic^t
leicht l^affenber übertragen Werben, al« e« t)on !^utl;er gefc^e^cn ift, obh)ol;l beffen Über^
fe^ung „ber natürliche ^JRcnfcf)" ben boHen ©inn nic^t Wiebergiebt.
SBäie bie rid^tige (Srfcnntni« bom SBefen ber ©eele in i^rem 3?er^ältni« jum ®eiftc
unb in i^rer ©tetlung im Drgani«mu« bc« menfc^lid^en fficfen« ba« 3Serftänbni« ber 45
anbettoeitig feftfte^enben 3;l^atfac^c ber ßrbfünbe ermöglid^t, fo ift biefelbe auc^ üon grofeer
Sebeutung für ein anbere« ßau^jtftüdt ber c^riftlicfjen Se^rc, nämlic^ bon ber $erfon
ß^ifti. äBenn boc^ einmal bie ^^Jräejiftenj ß^rifti bem ®laubcn unabh)ei«bar feftfte^t
unb barum bon einer 2)JenfdE)tocrbung beffen gerebet Werben mufe, ber, Weil er in gott-
l^tltc^em 3Ser^ältniffe ju un« fte^t, felbftüerftänblid; auc^ ewiger 3Beife ®ott ift, fo Wirb 50
aiid^ gefagt Werben muffen, ba^ in 3^fu ntc^t jWei ^}5erfonen fic^ einigen, fonbern bafe
ba« ©ubjeft ber 3Kenfc^Werbung ibentifd; ift mit bem 2JJenfc^en 3^f"^ ^"^ «^^ ber ®eift
be« Bo^^nt^ ®olte« ba« ^jerfonbilbenbe in ibm ift. (Ir ift ba« Seben«})rin5i)3 ber gott=
menfc^Iic^en ^erfon. 9Jun barf aber bocf) nicf^t nac^ ber ffieife be« 3l>)ollinari« gcfcf^ieben
Werben jWifc^en biefem 2eben«})rin5it) al« bem göttlid^en, Seib unb ©eele al« bem menfc^^ 55
lic^ in ß^fto, eine Sorftellung, bie bei St^JoHinari« me^r auf J^latonifc^cn SRemini«^
cenjen (f. ben art. „®eift" Sb VI ©. 453) al« auf ber fc^riftmäfeigen Untcrfcfjeibung
jtoifc^en ®eift, ©eele unb Seib beruht. Dann ift ßl^riftu« nic^t üöllig ©lieb unfere«
©efc^lec^te«. SSielme^r bürfte ju fagen fein — fo Weit e« möglic^ ift, bicfe« uvoTt]-
Qiov rfjg evaeßeiag mit ®ebanfcn unb SBorten eine« and) l^ierin mit ben Äonfequcn^en oo
9-'
132 Seele Seelforge
bcr ©ünbc behafteten ©efd^Ied^te« anjutü^ren — bafe ber ©otte^geift, tote er bem etoigen
©ol^ne eignete, ^toar ba^ ^rinji^) be^ Söetbend be^ ©otte^menfc^en im 3Jluttcrfc^ofee ber
Jungfrau ift, bafe aber ba^ Äinb ber 3Kutter mit feinem 2eben bon ber 3Kutter l^er a\xi)
feine ©eele, menfci[>Itc^e 6eele em^jfängt, benn menfc^Iid^e^ fieben ift menfc^Ii^c ©eelc.
6 Die ©eele aber trägt ben (Seift in fi^, unb barum ift ^^f"^ 3Jienf(^ nac^ ®eift, Seele
unb Seib: menfc^Ii^er (Seift, menfc^Iic^e ©eele, menfc^Iid^er £eib, unb boc^ gottmenfc^Iic^,
benn berjenige, toelc^er f\ä) in SKarien ©c^ofe toerfenit, um mit il^re^ Seibeö fjruc^t un^
auflö^tic^ ein« ju fein, ift etoiger SÖeife (Sott, fo ba^ in ber ©eele S^rifti ©ottee (Seift
unb menfd^Iic^er (Seift geeinigt fmb, unb jtoar fo geeinigt, bafe, tote bei bem 3Bieber=
10 geborenen, feine 2)ulilicität be^ ^erfonleben^ ftattfinbet, aber toieberum nic^t toie bei
benen, bie ben ^eiligen ®eift ber (Sriöfung emlpfangen l^aben, ber l^eilige ®eift fotoobl
neueiS ^Prinji^) tl^re^ Öeben«, alfo in il^nen, unb bod^ jugleic^ auc^ felbftftänbig aufeer il^ncn
ift, — toomit at^nlid^Ieit unb Unterfd^ieb iJoifc|fn unferer SBiebergeburt unb ber 9Kenfc^=
toerbung ß^rifti angebeutet fein mag. $)ie $erfon 3efu toürbe nic^t fein ol^ne bie
15 3Kenf(^toerbung; berjenige, ber etoig ®ott ift, ift aber böUig nac^ ®eift, ©eele unb Seib
®lieb unfered (Sefd^led^ted getoorben, um aU fold^e^ burc^ biefe feine 3uge^5rtg!eit unb
toag biefelbe augmadfjt, ftc^ gott^eitlic^ gu un^ ju berj^alten. ßg ift aber feftm^alten, baft
bie Ibatfac^e, um bie ed fxd) j^anbelt, nid^t abhängig ift bon ben SJerfuc^en, fic un^
gebanlenmäfeig $u t)ergegentoärtigen unb bafe bie ®renje ber SSorfteßbarleit nid^t bie
20 ® reine ber SüJa^rl^eit, auc^ nic^t bie ®renge ber nottoenbigen Slugfagen beö ®laubcn^,
be« »efennen^ ift. (*. Cremer t) ÄÄ^ltr.
©eeleiimcffe f. b. ä. 3Keffe Sb XII ©. 722,56ff.
©eelforoe* — guröJcfc^litc unb X^coric bcr ©eclforgc ögl. bie Sittcraturangaben in bcit
bctreffcnbcn äbfcftnittcn ber fic^rbü(fter ber ^raf tilgen ^i^eologie auf eüangellfcfter, ber
26 ,,¥aftoralt^colo9ic" auf römifcft^fot^olifcftcr ©cite. ©pcjicac SBcrfe: ©. St. ^öftlln, S)ic ßc^re
öon bcr ©cclforge noc^ coangclifd^cn ©runbföfen 1895; 9(. ©arbclanb, ®cf(fii(ftte bcr fpcjicHen
©cclforoc in ber üorrcformatorifÄcn Äird^c unb bcr Stirere bcr 9llcformation 1897—98;
Sllfrcb Ärau6, $aftoralt^coric. ^^crau^gcg. üon {Jr. Sf^iebcrgaU 1904.
©eelforge in toeiterem ©inne be^ SBorte^ ift ®runb unb 3*^^* ööer Seben^ufeerungen
80 ber Äirc^e nad^ innen unb nac^ aufecn. SBic alle 3Jliffiondtl^ätigIeit ber Äirc^c e^ mit
ben ©eelen unb ber©orge für bie ©eelen ber ^u c^riftianifterenben 9?öller ju t^un l^at,
fo finb auc^ nac^ innen alle JVunftionen n\d)t nur be^ geiftliien 2tmte«, fonbem auc^
ber fird^lic^en Se^örben ijom ^re^b^terium an bi^ jum Dberhrc^enrate um ber ©orge für
bie ©eelen toiHen ba. SBoHte bie ^^rajig biefer gunitionen ben 3^^* ber ©eelforge
35 verleugnen, fo toürben fte ba^ Siecht ber ©jiftenj Verlieren- verlöre bie J^eorie biefer
JJunftionen ben Rtoedfbegriff au^ ben 3lugen, fo toürben bie 2)i^ji^)linen i^ren tJ^eologifc^en
unb fird^lic^en (Sparatter einbüßen unb anberen Sßiffenfd^aften eingeorbnet toerben muffen.
I)er ®ebanfe ift au^brüdflic^ mrüdjutoeifen, ate ftünben g. S. bie ^rebigtle^re ober
§omiletif, bie Sebre Vom lirc^lic^cn Unterrid^t ober Äated^etif nur nac^ befonberen ©eiten
40 l^in jur Seigre Von ber ©eelforge in Sejie^ung, toäl^renb fte nac^ anberen ©eiten ^in
biefer Segie^ung entbehrten unb unabhängig babon ben SWegeln ütoa ber Sl^etorM unb
ber 2)iba!tif ju folgen Ratten. 3)er ffiert unb bie ®eftaltung be^ formalen in ben ge^
nannten 2!i^git)linen toirb auf feinem anberen SBege richtig beftimmt, unb bie Unter=
orbnung be^ gormalen unter ba^ TOateriale toirb auf feinem anberen SQBege jureicj^enb
46 begrünbet toerben fönnen, aU bafe bie 2)i^3i))linen in allen it;ren Steilen bem einheitlichen
3toecf ber religiö^^fittlic^en JJörberung, ber „(Srbauung", ber Äirc^e unb ber ©injeU
gemeinbe, alfo ber ©orge für bie ©eelen ju bienen ^aben. ©oll bemnac^i bie 2e^re Von
ber ©eelforge jur 2)arftetlung fommen, fo toirb nur ein gtoeifac^er ilBeg gegeben fein, ©nt^
toeber nimmt man bie ©eelforge in bem befc^riebcnen umfaffenben ©inn, — bann
60 genügt nic^t bie §erau^ftellung einer befonberen ©eite ber 2)i^jit)linen ber praltifc^en
3:^eologie, toie e^ burd^toeg in ber „^aftoraltl^eologie" ber römifc^en Äirc^e, aber auc^
auf cüangelifc^cr ©eite, g. S3. noc^ in ber ^aftoraltl^eologie Von §. ßremer (1904),
gefc^ie^t. T>er 3tufgabe toürbe nur genügt toerben burc^ eine öollftänbige S)arftellung
aller 2)i^jij)lincn ber >)raftifc^en S^eologie nac^ allen i^ren ©eiten ^in, ettoa toie Glauö
66§arm^ fte in feiner ^aftoraltl)eologie (1831) gu geben Verfuc^t l^at. Ober aber man
unterfcfjeibet bie ©eelforge alö Cura generalis, toie fie an ber ®emeinbe ober Rxxd^c
vollzogen toirb, Von ber Cura specialis, beren Cbjcft bog einzelne ®emetnbeglieb
ift. Xa nun bie Cura generalis ber 3*^^* ^^^ ^^^ ®emeinbe ober Rxxd)^ betreffenben
Seelforge 133
3:i^ätigfcitcn ift, fo lann bon einer beftimmt abgegrenjten unb Befonbcren Seigre bon ber
Seelforge nur m bem Sinne gerebet toerben, bafe barunter bieSe^re toon ber fj)en eilen
©celforge, bie an bem einzelnen ©emeinbegliebe gefd^ie^t, berftanben lüirb. ^n bem
OBjcIte ber Cura animarum, unb jlüar audfc^Iiefelic^ in bem Dbjelte, liegt ber
Unterfd^ieb ber Cura specialis toon ber Cura generalis. 3)er (Sintoqnb, ben ^. 3t. 6
Äöftlin in feinem reichhaltigen Sffierle: 3)ic Se^re t)on ber ©eelforge nad^ etjangelifd^en
Orunbfäfeen (1895) ©. 125 bagegen geltenb mac^t, aud^ bie ,,öffentlid^e" ©eetforge
toenbe fu^ an bie ^erfönlid^feit, ba^er liege nic^t in bem Dbjelt, fonbem in ?form
unb 3Ketbobe i^rer äuöübung ba« 2ßefen«merlmal ber „^jritjaten" ©eelforge, ift lüol^I
nidj^t ftid^l^altig. 3)enn bie gorm unb HRetl^obe in beiben 2lrten ift nur infofern ber« lo
fc^icben, ate pe fic^ in ber fpejieHen ©eelforge inbiöibualifiert. 3tber SKobififationen unb
Snbiüibualifierungen toon ^orm unb 3Ketl^obe finben auc^ innerl^alb ber Cura generalis
je nad^ ber Sefc^affenl^eit be^ Dbjeftee ftatt. 3Mit toerbenben unb geworbenen ^erfön^
lic^feiten ^at e^ aDerbing« bie ©eelforge überall ju tl^un. 3lber lüä^renb bort bie ©e^
mcinbegliÄer, ibren inbit)ibuenen 5Wöten, ©orgen, 3[ufgaben entl^oben, jur religiöfen i6
(Semeinfc^aft toerbunben toerben, bamit bag gemeinfame 6t)angelium in ben inbibibueHen
Sagen t)on ben Singeincn frei t)em)enbet toerbe, lüirb ^ier bem einzelnen ©emeinbegtiebe
badfelbe @t>angelium unter inbibibueQem ©eftd^td))unlt in feinen inbibibueüen S^er^ält^
niffen a))))li2ierl, bamit t)on il^m inbiDibueü bie 2BeIt übertounben n)erbe. ^ie Segrenjung
ber f})ejienen ©eelforge auf ba^ dngelne ©emeinbeglieb ift anberfeit« auc^ um beiJtpiUen ao
ju üoUjiie^cn, toeil, tjomel^mlic^ in neuerer ^tit, bie Slufgabe ber fjjegiellen ©eelforge
burd^ bie fojialen 2lufgaben ber ©emeinbe unb be« ^aftor«, burd^ 33ereingtl^ätigfeit unb
fonftige Seftrebungen ber inneren 5Riffion berlpirrt unb gurüdfgebrängt toorben ift. ®er
2Bert biefer Seftrebungen unb il^re Ünerläfelid^Ieit für Setoal^rung unb görberung ber
©emeinbe toirb nic^t in Slbrebe ju ftellen fein. 3lud^ fxe bienen ber ©eelforge, ber 26
Cura generalis toie ber Cura specialis, aber fie erfe|cn biefe nidftt. Um ber SReinlid^s
teit ber begriffe unb um ber (grienntnig ber Slufgabe toillen fmb fie toon ber fj)ejietten
©eelforge ju unterfd^eiben unb in gefonberten 3)iggt^)linen , tpie id^ e^ unter bem ütel
„Äoinoni!" in meinem Sebrbud^ ber ^raftifc^en i^eologie« (1898) berfuc^t l^abe, ju
bejubeln. 3o
^oi) nod^ einer naiveren 93eftimmung bebarf bie fjjejieße ©eelforge. SBir toerben
fjjäter bie I^atfad^e ju bertoerten ^aben, bafe in ber ^riftlic^en ©emeinfd^aft lüie bon
bem ®anjcn auf ben (Sinjelnen, fo bon bem (Sinjelnen auf ben ©injelnen überall gelüoBt
unb un^etüollt fpegieHe ©eelforge t^atfäc^lit^ geübt lüirb. 3n unferer ©i^iplin ^anbelt
e« ftc^ lebod^ nid^t barum, toa^ ber einzelne ate ^WbatJ)erfon traft feiner ^ab^ an ©eel« 36
forge bem ©injelnen getoäl^rt, auc^ nic^t barum, toa« eth>a bie ©emeinfd^aft bem (ginjelnen an
Hilfsmitteln barbietet, bamit er fbejieHe ©eelforge in feinem Äreife ju üben bermöge,
— eS l^anbelt fic^ um bie ftjejieUe ©eelforge, bie ber SKanbatar ber ©emeinbe,
b. i. ber ^aftor, nameng ber (Semeinbe an ben einzelnen ©emeinbegliebem boUfül^rt.
Da« ^räbilat „lird^lic^" ift mr fieberen Umgrenzung unferer 2)iSjit)lin unentbel^rli^. 4o
@rft bann fteHt fic^ bie Krd^lid[>-f>>^s'cß^ ©eelforge ate „bie amtlid^e 5Cl^ätigIeit ber d^rift«
liefen Äird^ bar, toelc^e ber (Sri^altimg, 3Serbollfommnung, ^erftettung beS geiftlid^cn
SebenS toegen auf baS einzelne ©emeinbeglieb gerid^tet ift, folglid^ nacp ben eigentüm^
lic^ficn })erfönlid^en 3wftänben unb 93ebürfniffen bemeffcn fein unb am meiften bom
ganjen j)erfönlid^en Sinbrudf be« ©eelforger« unterftü^t toerben mufe" (6. 3. 5Wi^fd^ : 46
^raftifc^e i^eologie III, 1: 3)ie eigentümlid^e ©eelen^)flege beS ebangelifd^en §irtens
amteS mit SRüdfft^t auf bie innere 3Jliffion 1857, ©. 70). —
2)afe für ben fo gejjrägten 93egriff ber 3)iSji)ilin ber ted^nifd^e 9?ame „^aftoraU
tl^eologie" nid^t geeignet ift, ergiebt ftc^ auS bem ©efagten. aber au^ ber 9?ame
„5ßaftoralt^eorie", ben 2llej. SSinet, ätlej. ©c^toeijer unb i^nen folgenb ällfreb 50
Ärau^ bem>enben, fc^eint be« ©letc^tlangS mit jenem unb feiner Unbeftimmt^eit toegen
nid^t geeignet ju fein. Äraufe befiniert bie ^^iaftoralt^eorie ate „bie Seigre bom §irten=
amte bcS c^riftlid^en ©eiftlid^en" (©. 1), bie (Srenjcn fo n)eit fteclenb, n)ie bie römifd^e
^aftoralt^ologie, obgleid^ er bie^ §irtenamt (©. 7) auf baS einzelne ©emeinbeglieb
befd^fränft. SßiH man überf;au^)t eine tcd;nifc^e Seaeid^nung, fo bürfte ftd^ bie faft gleic^s 55
jeitig bon ®. b. ^ejfc^lüife (©^ftcm ber jjraltifc^en 3:i^eologie 1878) unb 3. 3. ban
Doftergee (5ßrafttf^e 3:i^eologie, beutfd^ bon 3)Jatt^iae unb 5Petr^ 1878) eingeführte 33e=
jeic^^nung „5ßoimenif" em^)fe^len, bie jtüar lejifalifc^ mit ^aftoraltl^eorie ftc^ berft, aber
bon il^ren Urhebern bon bom^erein einen beftimmten ^nf)alt em^)fangen l^at. ^u!t>^n\
orbnet fte fid^ ben Sejeid^nungen ber übrigen 2)iSjij)lincn, ibie ^omiletil, Äatec^etil, go
134 Scdforge
Siturgi! u. f. \v>. et^mologifcf) ein. I)ie (Sinlücnbungcn bon %. £. ©tcinme^er (35ic fpejteCle
©eclforgc in tF)rem 3?er^ältnig jur generellen [1878] ©. 1 3lnm.) gegen bie ^oimenil,
baö biblifc^e jioijualveiy fei ein biel tüeiteter Segriff, unb ber 3lamz ^aftor ober jToi/uitjv
gebühre allein bem jtoijuijy 6 xaldgf erlebigen fic^ baburc^, bafe ber 5Wame 5Jioimenif
6 auf Siblicität ebenfo toenig änfj)ruc^ mac^t, h)ie bie t)on ©teinme^er bet)orjugtc
„gud^ariftiefeier" al^ Sejeic^nung beg (;l. 3lbenbma^l^, unb bafe bie Urgemeinbe
unter i^ren Beamten aud; jioijuheg gefül^rt i}at {Qpl} 4, ii), o^ne ber ®^re be^ noifii^v
6 xakog nal)t ;;u treten. Siegt bod^ aud^ gerabe in ber ©elbigleit beö 9Jamenö, ben ber
etoangelifd^e ^aftor mit bem jioijufjv 6 xalog fü^rt, ba^ unentbehrliche 3Wottb, im auf-
10 blid auf Q^riftuö unb in feiner Siebe ha^ amt ^\i führen, unb bag ebenfo unentbe^rlicbc
Cluietit), bem §enn G^riftu^ ben 2Beg ju bereiten, bamit er felbft ber alleinige ©eel^
forger toerbe.
2!ie 2lrt unb 2Beife be« Setriebe^ ber ©eelforge loirb nad) bem 93egriff be^ geift^
liefen Slmte^ unb feiner ©teflung ju ben Objelten ber ©eelforge, ber Oemeinbe, fic^ rid^ten,
15 unb barauf beruht ber funbamentale Unterfd^ieb ber ©eelforge in ber römifd^sfatl^olifc^en
unb in ber ebangelifd^en ftird^e. ^n ber römifc^-latl^olifd^en Äirc^e ift ber ^riefter Crgan
ber bem fat^olifd^en Solle borfte^enben J^ierard^ie, b. ^. ber „Äirc^e" im engen ©inne
be« SöorteiS. (Sr ift aSilar feinet Sifc^of«, toie biefer Silar be« ^apfte^, ber 5ßapft
vicarius Dei ift. ©r ^at bie Munitionen ®otte^, be^ 5Pa})fteg, be^ äifd^of« an bem
20 Raufen bciS fat^olifc^en Sollet ^u berfel^en, ber feine ^arod^ie bilbet. 3)ie 5Jiaro^ie aber
ift ein zufälliger unb unfetbftftänbiger S3ruc^teit ber ©efamtfird^e ; ber Segriff einer
organiftertcn unb felbftftänbigen (Sinj\elgemeinbe ift bem römifd^en Äird^enre^te fremb.
ailiS ©lieb unb Vertreter ber §ierarc^ie ober Äird^e fte^t ber römifc^e ©eelfor^er feiner
^Paroc^ie unb il^ren ©liebem gegenüber, ^od^ über allem Saientum aU unloiberruflid^
26 geirei^ter, mit ben ©d^lüffeln be^ ^immete unb ber §ötle begabter 5Priefter. Slic^^t t)on
feiner ^erfönlic^feit unb beren religiö^-fittlid^er Dualität ift ber Setrieb ber ©eelforge
abhängig, fonbern bon bem ben Sorfd^riften entfj)red^enben, legalen SoDi^uge ber ©efe^e
unb Institutionen ber anftaltlid^en Äirc^e. 3" juribifc^ier SBeife |^at er bie ©eelen
5u regieren, bamit fie ben Sorfc^riften ber Äirc^e gemäfe, bie er allein lennt, forreft fu^
30 berbaltcn. 6r ift ber J&err über bie ©eiüiffen ber 5Kenfc^en, er beftimmt, toaö gut unb
böfe ift, unb feine ©eelforge ift toefentlic^ jurigbiltioneDer 3lrt. (Sr fungiert al« SRic^ter
ber ©eelen, unb ©eelforge unb fiirc^eniuc^t fäHt, loetl beibe^ in ber Seid^te, ber einzigen
^orm ber ©eelforge, §um SoHjuge fommt, in eine^g untrennbar jufammen. Db bie
©ünben, bie in ber Seid;tc befannt unb geftraft n)erben, öffentlich ober berborgen, ba^
35 ©eiriffen bebrüdtenb ober unbeiDu^t fmb, mad^t leinen Unterfd^ieb. 2llle ©ünben, bie
bctüufeten 2:obfünben freiipiHig, bie unbeipufeten unb bie läfelid^en ©ünben auf Sefragen
be^ ^ijiriefterö, gu belennen, ift unbebingte ^flic^t jebe^ Äat^olifen, ber er um fo n)iber-
ftanb^lofer ficf;» unterjiel^t, alg t)on i^rer ßrfüHung feine ©eligleit abl^ängt unb ba^ un=
t)erbrüd;licf;e Seic^tfiegel il^n öor jebem ^Jlifebraud^, aber a\xi) bor jebem ©ebraud^ be^
40 ®cbcid>tcten aufecr^alb be« Seic^tftu^leö, fcf^ü^t. Sffiie ba^er bie Seichte bem Äat^olifen
eine Gntlaftung t>on aller ©cbulb bebeutet, fo bebeutet fte bem "ilSriefter bie Serbürgung
unbegrenzter ^errfc^aft über bie ©eelen feiner Seic^tfinber, unter Umftänben freiließ auc|
bie ©cf)u^lofigfeit be^ ^riefter^ gegenüber bon Serleumbunaen unb älnflagen ÜbeltooHenber,
ba er fic| bagegen um be^ in ber Scid^te ßrfabrenen iriUen nicf)t berteibigen !ann. 3!)ie
45 ©eelforge be«; römifd^en ^riefter^ ijat bemnac^ i^r fi)ezififd)e^ ^^elb in ber burc^ ba^
Seid>tfiegel gefd^ü^ten Seid»te, unb biefc tüirb al^ folc^e nur anerfannt, loenn fie t)or
bem offiziellen ^orum beö ^jriefterlic^en 3"^^E boltjogcn ipirb.
SDurc^ bie ^Jieformation tourben ber ©eelforge tjrinzi^jiell neue, bem (Söangelium
ent)prccl)cnbe Sahnen geöffnet. 2)ie Äircf)c toirb afö ^eil^gemeinfc^aft, congregatio
öosanctorum, erfannt, ba^ tlerifale ^rieftertum unb bamit alle ^ierard^ie fäUt, eine
bo)3^elte ©ittlicbfeit giebt eg nidj^t mel;r. ^eil^bebingung für alle ift ber ©laube allein,
ber burcl) bie ^^rebigt be^ SiJorte^ getoedt unb genährt toirb, unb bie ©aframcnte toirfen
niclu ex opere operato, fonbern etljifd^ in (Sinl^eit mit bem SBort; bie ^l. ©c^rift ift
allen zugänglich) genmcln, unb bie fittlicljen ^3JJä(^te be^ .^aufe^, ber @l;e, be« ©taate^,
55 ber 3Biffcnfcbaft unb .Hunft finb Don ber ^eafd^aft ber Sircbc befreit unb alö Serbünbete
ber Äirdbe anerfannt. allein ba^ neue ^rinzi^ trurbe mdji ohne toeitere^ in bie ^rojid
übergefübrt. ©o überaus frucl)tbar unb cDangelifd; frei unb tief bie ^ribatfeelforge ber
^Xcfürniatoren in ihrem Sriefti>ec^fel unb ibren ©utadE)ten fid; betregt, ba^ amtliche gelb
ber fircf)lid;en ©eelforge auf lutbcrifd^er ©citc blieb, Don ber römifd^en fiirc^e über*
eo nonimen, bie ^jJriDatb eichte in engftem ^>iufammen^ange mit bem 1)1. Slbenbma^l. ®ie
Seelforge 135
t)on fiut^er aufgeftcllten ©runbfä^e, bafe bte ^ribatBetd^tc freimiBig fei, frei au6), toai
einer unb toern, ob ^riefter ober Saie, er beid^ten lüoUe, lüurben in ber ^raji^ feit 1528
(Bericht ber 3Sifitatoren an bie ^farr^erren) nid^l inne gehalten; ber 93ei(^tjtDang tourbe
cingefü^. I)a jeboc^ mit ber SBeid^te ein fatec|etif(^er 3*^^* berbunben n)urbe, fo toar
bie Sefttmmung be^ 33eric^t^ ber SSifitatoren bon 1538 untoermeiblic^, lüoburc^ geleJ^rte 5
unb berftänbige ^erfonen bom Seid^tjlüang bi^enftert mürben, ©nblid^ aber tourbe bie
©eelforge in ber Seichte, obgleich ftetg betont tourbe, fte fei jum Sroft für angefochtene
unb ber jagte ®eh)iffen ba, mit ber Äirc^emuc^t bergeftalt berbunben, bafe l^arte ©ünber
nic^t nur bom 3lbenbmal^l unb ber ^atenfc^aft jurüdgelüiefen, fonbem aud^ (j. 33. in
Sraunfd^toeig) ber h)eltlid[>en Dbrigleit für ba« ß^d^tl^aug unb tägliche em^jfinblic^e lo
3üd^tigung m mx 93efferung übergeben lüurben. 3lud^ in ber reformierten Äirdbe 6albin«
unb a Sa^co« finb feit 33u^er« ©cbrift „3Son ber toaren ©eelforge unb bem rechten
^irtenbienft" (1538) ©eelforge unb Rird^enjuc^t auf ba^ innigfte miteinanber berbunbcn;
aber toä^enb in ber lut^erifc^en Äirc^e biefe SSerbinbung unb bie ©eelforge felbft ate
i^errfd^aftderlüei^ be^ Äteru« über bie (Semeinbe cmt)funben lüurbe, bem bie ®emeinbe is
nur toiberlüitlig [xd) beugte, mar in ber reformierten 5tirc^e ©eelforge unb Jtirc^enjuc^t
bon ber ©emeinbe getragen unb mürbe bon aflen ©emcinbegliebem an allen geübt, meil
bie ©emeinben um i(;re^ ä3eftanbed miden a(^ ecclesia pressa fie a(^ unentbehrlich unb
l^eilfam erfuhren, ^ie (Einrichtung ber visltatio domestica ordinata vel stata, bie
ßalbin 1550 in ®enf traf, ^at ftd^ in ftreng reformierten 33ejirlen big |^eute erhalten; 20
jmifc^en freunbfd^aftlicbem ^au^befu^ unb offijietler, bom ^aftor mit einem älelteften
gehaltener „^augbefuc^ung"^ mirb unterfc^ieben, aber beibe Slrten ber ©eelforge merben
burd^meg bon ber ©emeinbe begehrt. 2)ie ^ribatbeid^te lonnte bie reformierte Äird^e
entbe^en, fie mürbe bem (ginjelnen freigefteDt unb ift bem SSerfatl, mie er in ber lut^erifAcn
ftirc^e burc^ ü)lec^anifierung eintrat unb allen 33etrieb ber ©eelforge auf bag emj^finblic^fte 25
fc^äbigte, nid^t au^efe^t gemefcn.
2)ie SJermifc^ung bon ©eelforge unb ftiic^enguc^t unb bie au^fd^liefelic^e SSer«
menbung ber ©eelforge jur 33ele^rung unb (Ermahnung Unmiffenber unb ^rrenber im
Seid^tftu^l unb bei Jtranlen in periculo mortis blieb aud^ in ber ^eriobe ber lut^erifdben
Dtt^obojrie unangetaftet, obgleich bie milben ebangelifc^en 33eftimmungen ber furfäc^fifd^en ao
®cneralartifel bon 1580 überall anerfannt maren unb aud^ überaU bie gorberung er*
^oben mürbe, bafe ber ^ftor alle feine ©emcinbeglieber fennen muffe, menn auc^ an bielen
Orten bie ßauebefud^e bom SKagiftrat berboten maren. ©al^rfc^einlid^ burc^ bag 35ors
ge^en beg ^ieti^mu« finb bie gorberungen be^ trefflid^en Valentin Söfc^er in feinen
„Unfc^ulbigen SWac^ric^tcn" bon 1703 beranlafet, bafe mennmöglic^ für je 1000 ©emeinbe« 86
glieber ein ^aftor ju befteHen fei, bafe ein genauer Jtatalog aller ©emeinbeglieber muffe
geführt merben, bafe 3)iafonen für bie Slrmenjjflege anjuftellen unb bom ^Pfarrer regele
mäfjige ^au^befud^e einzurichten feien. 2)enn ®^)ener mar'«, ber in feinen 3^^eologifd^en
Sebenlen I, 2. 3. 10, in feinen Pia Desideria Cap. 2 unb in feinen Consilia et iudicia
theologica I, 3. 4 auf Sermei^rung ber ^aftoren, auf ©inrid^tung bon ©eelforgebcjirlen 40
unb §erbeijie^ung ber älteften jur ©eelforge gebrungen l^atte (bgl. anfi) 5p. ©rünberg:
^^. 3. ©))cner II [1905] ©. 101 f.), mä^renb 91. ^. grandfe bie salutationes domesticjae
in feinem Ck>llegium pastorale 1713. 1741. 1743 empfaf;l. S?om 5pieti«mu« ging bie
binrc^igefü^rte ©Reibung bon ©eelforge unb Äir^en|\ud^t aug unb bamit ba« ebangelifc^e
95erftänbni« ber paftoralen f))ejietlen ©eelforge über^au))t. g^eilid^ motibierte ber ^xtix^^ 45
mu« (fd^on 9S. ©rofegebauer) bie 9?otmenbigfeit ber fj)eziellen ©eelforge mit bem jämmer«
licf^en 3«Pönb ber G^riftenl^eit, maö ber ©eelforge bon neuem 3)ti6trauen in ber ©emeinbe
ermedfte. ©elbft ein ©d^leiermac^er leibet unter biefcr Stimmung; ba« SRed^t, nid^t bie
^Picf^t, be« ©emeinbegliebe«, ben ©eelforgcr in Slnfprud^ ju nehmen, beftel^e nur, menn
e« [xd^ felber nid^t ju raten miffe, ba« Siedet, ., nid^t bie 5Pflid[>t, be« ©eelforger«, fic^ w
anzubieten, nur bei borfommenbem öffcntlid()en äirgemi«. SBa« Ä. b. 3^reitfd^fe (2)eutfd^e
Oefc^^. im 19. fja^r^unbert 5, 255) au« ber 3eit ^riebric^ SBilbelm« IV. mitteilt, giebt
ju biefer Slnfc^auung betrübenbe gjßuf^^^'on. §m allgemeinen maren e« bie Se^
ftrebungen ber inneren ^Wiffton, bie burrf) bie Jtebolutionöja^re in ber Witte be« ^a^r^
^unbert« offenbar gemorbenen religiö^sfittlic^en ©c^äben, bie inbuftrielle ©ntmidfelung mit 55
i^ren fc^meren fojialen ?Wifeftänben, bie ber firc^lid^5f})ezietlen ©eelforge ba« Serftänbni«
erfc^Ioffen unb i^ren S5etrieb mit ebangeltfd^em ©eifte burd^brangen.
3Rögen in ©injel^citen ber Verleitung be« geiftlid^en 3lmte« unb feiner ©tetlung
JU ber ©emeinbe t^eologifd^e 3Jceinung«berfc^iebenbeiten obmalten, fo fmb boc^ bie
reformatorifc^en ©ebanfen Suti^er« feit feiner ©dprift: „9ln ben d^riftlic^en Slbel" 60
136 ®eelforge
152(1, bic 3. 2B. %. «ööflmg in „(ärunbfä^c etoanacUfd^Jut^crifc^cr Äir(^cnt)erfaffun9"
1850 f. reid^ unb tief begrünbet unb au^efü^rt fyki, einigermaßen (Semeingut etxm^
gelifd^er Ideologie geworben. 3)a« geiftlic^e 2lmt ift ein logifc^ unb moralifc^ not=
toenbige^ (Srjeugni^ bed allgemeinen ^tieftertumd innerl^alB ber religiöfen @emeinbe, in
5 ber bie §eil^emein|d^aft ber „Rxxi^y' in bie ßrfc^einung tritt. 2)ie gur ©riangung,
93eh)al^rung unb SoHenbung be« ßeitebeft^e« nottoenbigen gunitionen ber Serlünbigung
be^ göttli^en SQäorte^ unb ber Sßertpaltung ber ©aftamente, bie ba^ geiftlid^e ämt
publice in ecclesia unb in nomine ecclesiae divino iure }u boQjie^en ^at, ^t j^er
eöangelifc^e Gl^ft in feinem Greife unb in ben ber lird^Iic^en Drbnung toegen inne ju
10 ^altenben ©remen gu bottjiel^en divino iure ^flic^t unb Siecht. 3Da^ äßort ©otte«,
lüetc^e^ bag geiftlid^eSlmt publice in ecclesia t)erfünbet, ^at ber $au^t)ater ben ©einen,
ber Se^rer ben ©c^ülern, ber greunb bem greunbe ju fagen, unb ift baö SRet^t ber SSer^
h)altung ber ©aframente um ber Drbnung h)illen bem geiftlid^en Slmte borbe^alten, fo
ift ba^felbe fRtd^t in %aüm ber ©ufj^enfion ber Drbnung bem einzelnen S^riften bamit
15 nic^t entgogen. ©0 ift e^ aud^ ^flic^t unb Siecht ber Seeleute untereinanber, be« Se^rerd
an feinen ©c^ülern, bed greunbe^ an bem greunbe, aller untereinanber fj^egieHe ©eelforgc
)u üben, ^ie älQgemeinl^ett biefer ^flid^t unb biefed 9lec^ted beruht auf ber natur»
nottoenbigen ßinlüirlung, bie innerhalb jeber ©emeinfd^aft ber eine auf ben anbem, ber
©injelne auf bie ©efamt^eit, bie ©efamt^eit auf ben ßimelnen ausübt, ffiie in allen
20 feinen Sebendäufeerungen t)ereinigt ftd^ für ben ß^riften aud^ ^ier ba« 3Kotit) ber etl^ifd^en
©elbftbe^auj)tung, „fic^ felbft nic^t m t)erlieren ober ju befd^äbigen", mit bem üRotiD ber
äSruberliebe; ed h)irb l^ier gu ber nSflid^t, bie bon i^m au^el^enben Sintoirfungen auf
Singeine unb auf bie ©emeinfd^aft bem (Sbangelium entf))rec^enb gu geftalten unb
h)ieberum anbere gegen t)erberblic^e @inh)irfungen eingelner ober ber ©emeinfc^aft gu
25 fd^ü^en unb gu toaftnen. 3)ie ^pid^t ber Sruberliebe loirb um fo mel^r in 3fnfj)ru(^
genommen, je etbifc^ bebürftiger bie anbem finb, unb je me^r loir burc^ 93eruf unb
2lmt auf fie ^ingetoiefen loerben (bgl. Saienfeelforge bei ^arbelanb 208 f. 299 f. 326 f. unb
bad mutuum coUoquium et consolatio fratrum 9lrt. ©male. III, 9(rt. IV). 'Sind)
ba^ ift l^erborgul^eben, bafe e« feine ©emeinfd^aft giebt, bie nid^t im gntereffe i^re«
30 Seftanbe« einen i^rem 3toecf entfjjred^enben 6influ| auf il^re ©lieber gu gewinnen
fud(>en müßte.
aiuf biefer altgemein menfc^lic^en unb für aBe ßi^riften berbinblic^en ©runblage
crl^ebt fic^ bie fjjegieUe firc^lid^e ©eelforge, bie burd^ ben ^aftor au^eübt toirb. ©ie
lann bie unaegäl^lten anberen ^aftorcn, bic feelforgcnb auf ba« ©emeinbeglieb eintoirlcn,
35 nic^t außer itraft fe^en, fie barf e^ and) nic^t, eingeben! ber ßi^riften^jflid^t, erftreben; fie
muß Dielme^r barauf au« fein, eine l^armonifdf>e 3Kitarbeit gu gleid^em 3*^1^ l^erguftelten.
2)enn ein !lerilalifd^e^ ^rieftcrtum, ba^ religio« unb et^ifc^ ben ^nl^aber in eine bem Säten
unerreid^bare Bpf)äxz erl^öbe, giebt e« auf etjangelifc^em Soben fo loenig, toie eine bo})pelte
©ittlic^ifeit. 3)er $aftor ift ber Sruber unter ben 93rübem, feine allgemeine ßj^riften^
4() p^iid)i unb feine 3lmt^fli(^t, namenö ber religiöfen ©emeinbe ate i^r 3Kanbatar an ben
©emeinbegliebem ©eelforge gu üben, bcden fid^ überall. 3)a jebodb in ber etoangelifd^en
Äirc^e eine gefe|lic^e ^flic^t ber ©emeinbeglieber, ©eelforge gu fud9en ober angune^men,
auegefc^loffen ift unb alle ©eelforge ftd^ im ßlement bc« freien Vertrauen« betoegt,
fo rann ber ^aftor feelforgerlic^en ßinfluß nur baburc^ geloinnen, baß er ein SRann
lobe« 2? er trauen« für bie ©emeinbeglieber ioirb, bon beffen religiö^^fittlid^er Dualität
ftc ba« SSorbilblic^e toillig anerlennen unb an beffen feelforgerlic^er 2Bei«^eit i^nen fein
3toeifel fommt. 3)a« bebeutet für ben ©celforger bie älufgabe, ba« religiö«=et^if{^e SJor^
bilb ber ©emeinbe gu loerben (1 ^t 5,3) unb jene äöei^^eit fid^ gu erloerben, loa« bu«^
flare unb fiebere religiö«sfittlid^e ßrfcnntniffe, fotoie burc^ Äcnntni« ber ©eifte«ftrömungen
50 beröegentoart, ber ©efc^id^te ber ©emeinbe unb i^rer ©lieber unb burc^ J)f^(^ologifd^e« SSer*
ftänbni« i^rer ^nbibibualitätcn gefc^ie^t. 2)urd^ bie 3Sertrauen«fteDung be« ©eelforger«
gu ben ©emeinbegliebem ift e« gegeben, baß er gur „Seid^te" im etjangelifc^en ©inne
jcbe SKittcilung gu rechnen l^at, bie il^m gur ßrlangung feine« "Siai^, Srofte«, Sele^en«
iutcil toirb, in toelc^er SBcifc, an ioelc^cm Crte, bei toelc^er ©elegenl^eit e« immer fei.
55 SSon feiner ßl^reni^aftigfcit ift e« unbebingt gu forbcrn, baß er ba« ibm SKitgeteilte unter
bem Siegel be« Seid^tge^eimniffc« bctoal^rt, ob and) toeber ftaatlirfjc noc^ fir^lic^e Strafe
ba« Set^tftcgel in ber 'et)angelifd;eu ilirc^e fc^ü^t. 9licl)t al« gebotener ^md) bed ^Äd)U
fiegcl«, fonbem al« Slbioe^r be« ü}Jißbrauc^« ift c« angufcl^en, baß nad^ allgemeinen
■'Mec^t«grunbfä^cn bic 9L>erfcl)h)icgenl;eit ftrafbar ift, fobalb c« ficb um A^od^berrat, um gu
60 bcge^enbc SJcrbrec^cn unb um älbtocnbung ber folgen t)on bcgangenm Serbrec^
®eeIforge 137
^anbelt (Stic^^tcr^SJobc^'a^l: £cl(|rbu4^ be^ fat^ol. unb be^ ctjaitg. Äirc^cnrcc^t^« (1886)
©. 816. 986 f. 990f.).
@ine potestas iurisdictionis lennt bad getftlic^e 3(mt in ber et>an9eltfc^en Rixi^t
ntd^t, mit Kir(l^enbid)i))Iin f)ai bie et>an9elif(^e Seelforge nic^tö ^u fd^affen. 3lad^ aQ-
gemein .aner!annten et>an9e{ifc^en ©runbfä^en tann jlird^enjuc^t nur gegenüber öffent^ <^
liefen Slrgemiffen unb nur ju bem .3*^^^ i" ^unftion treten, bie ©emeinbe gegen bie
reltgid^'ftttlic^e @inh)irlung folc^er ^rgemiffe )u fd^ü^en. 93ie ^anb^abung ber Kirchen-
juc^t tft ©ac^e ber jurigbiftionellen Se^örben, l^ei^en fie ^ßreöbbterium ober itonfiftorium
ober Oberfirc^enrat. ä(uc^ untDürbige @emeinbeglieber bom I^L ^benbmal^l au^jufd^Iiegen,
bat ber ^ftor afe fold^er leine Befugnis, mögen i^m immerl^in auö rein ))raftif^en lo
®rünben bortäufige ^a^na^men überlaffen fein; fraft feiner potestas ordinis f)at er
mit ®otte« ®ort borfommenben gaff^ ba« ©emeinbeglieb ju bitten unb ju tüamen,
ober, bebor ein formeßer 9lid^terfj)rucl^ ergangen ift, ift ^ ber ©elbfttoeranttoortung beg
®emeinbegliebe«ju überlaffen, ob unb intoietoeit ^ ben Sßorfteffungen be« ©eelforger«
^olge leiften toio. ©elbftentfd^eibung unb ©elbftberanttoortlidbfeit ber mün« i6
bigen Oemeinbeglieber ift über^ai^t unb in aüm %äüm bie Sßorauöfe^ung ebangelifc^er
©eelforge, berupenb auf bem allgemeinen ^rieftertum. 35a« 3)lotib be« S^r^foftomud,
bem ^priefteramt ftd^ ju entjie^en, toeil ber 5priefter bie 33eranttoortung für ba« ©eelen«
^etl aller ©emeinbeglieber nid^t ra tragen bermöge, gilt in ber ebangelifd^en Jtird^e nid^t.
^er $aftor ift nid^t für bie ©eelen, fonbem allein für bie 2!reue in ber älu^übung feine« 20
Berufe« beranttoortlid^.
3tu« ben 3}orau«fe^ungen ber lird^Uc^en f j)egienen ©eelforge in ber ©elbfttoeranttoort«
lid^Ieit unb ©etbfterjiel^un^ jebe« S^riften folgt aber aud^ bie ^^tfad^e, bag e« nid^t
©eringfd^ö^ung be« c^rifthc^en Seben«, nid^t einmal Mangel an tir^lid^em ©inn bebeutet,
tvenn ba« ®emeinbegli^ an ber cura generalis ftd^ genügen lä^t unb bie cura 26
specialis al« ^emmenbe Beeinträchtigung ber gftei^eit unb al« SBerfud^ ber Sebor*
munbung em))finbet, ba bot^ „jeber SJcenf^", um mit % 3)1. ©ailer (SJorlefungen au«
ber 5Pafloralt^eologie* 1793 ©.1) gu reben, „fein eigener ©eelf orger ift". %üx ben
©eelforger bebarf e« eine« geübten ftttlid^en 3^ahe«, bie äßertfd^ä^ung unb ba« 33ertrauen
mit borfi^tiger 3utüdt^altung ;u berbinben unb glei(^n)ol(^l ju feelforgerlic^er ^l^ätigleit so
ftet« bereit ju fein. 3)ie grage, ob mit ber re5e))tiiyen ober erbetenen ©eelforge bie
ber Snitiatibe be« ?ßaftor« entfj)ringenbe fj)ontane m berbinben fei, ift rein pxah
tifd^er Art. ©ic^er ift e« bie aufgäbe be« ©eelforger«, ftc^ in ber 5perfonalIenntni« aller
Oemeinbeglieber ju erl^alten, nid^t toeniger fidler, bafe e« joü^lreid^e feelifd^e 3uftänbe giebt,
bie ba« @rbitten feelforgerlid^en 3uft>^(^^ au«fd^lie|en, n)ä^renb ba« betDu^te ober un-ss
betou^te Sebürfni« banad^ fid^ unmi^berftänblic^ geltenb ma^t. ^n allen fällen aber
toirb bie f))ontane ©eelforge niemal« ^iello« berfal^ren unb gleid^fam auf ©efc^äft au««
ge^en- ftet« mu| ber ©eelforger toiffen, loa« er h>ill, toarum unb h)oju er lommt.
3Jon lutl^erifc^-ortl^obojer unb bon rationaliftifd^er ©eite ift bie ©eelforge bielfad^ in nal^e
älnalo^ie )ur ^äbagogie gefteUt. ^a jeboc^ bie ^äbagoaie auf bem @egenfa^e be«40
3Rünbigen unb SBiffenben ju ben Untüiffenben unb Unmünbigen berul^t unb in bem«
felben 3Jla|e überflüfftg tüirb, h>ic ber 3ögling jur ©elbfterjie^ung l^eranreift, fo ift ii^e
änologie im allgemeinen abjulei^nen. Dbhjol^l ftc t)ielleid^t in ieber ©emeinbe bei einem
Heineren ober größeren Srud^teil ber ßrtoac^fenen ba« rid^tige 3Jer^alten be« ^ßaftor« ju
be}eid|nen fd^eint, barf fte bod^ aud^ biefem 93rud^teil gegenüber, fobalb bie anni discretionis 45
eneicpt ftnb, nur al« ftille lenbeng toirffam toerben, toenn nid^t bie billige Stufna^me
ber feelforgerlic^en 93e^anblung, ba fte auf bem ^[iertrauen gum ^aftor beruht, in $rage
geftellt toerben foH. SBol^l bie ^äbagogie, nic^t aber bie ©eelforge h>irb burc| bie ©elbft^
erjiel^ung be« (Semeinbegliebe« aufgcl^oben, fo trenig, bafe t)ielmel^r bie ©elbfterjie^ung
h)ie bie ©elbftberanttoortlic^^Ieit bie 9Jorau«fe^ung i^rc« erhJünfd^ten ©rfolge« ift. 2)enn so
bo« 3'^ ^^ ©eelforge ift toeber lird^lid^e Äorreft^eit noc^ fittlid^e ©elbftftänbig!eit,
fonbem bie ibeale §ö^e be« rcligiö«5fittlic^en Seben«, bie 3l^fw^ ^Wt 5,48, ber 3l^)oftel
?P^i2,5,Äoll, 28,e^Hfl'^f9lö8,29be5eid^net. 3)ic änalogie jur ©eelf orgc bietet nid^t bie
^bagogie, fonbem, h)ie bereit« Const. ap. 2, 41, bann ©regor 3lai., ßl^r^foftomu«, aui)
2ut^er unb bie lut^erifd^c Drtl^obojie ^ertjorge^oben l^aben unb toie 6. 3- 5^itff^ ^^ i" ^
feinem SBerl burdjigefü^rt i)at: bie ^Jlebijin. 2)ie ©tellung be« ©eelforger« ^u ben
©emeinbegliebem ift aber nic^t bie be« ©efunben ^\x ben üranfen, fonbem beffen, h)elc^er
ber Heilmittel funbig ift, gu benen, bie ber Heilmittel bebürfen, unb ju biefen Sebürftigen
gehört an erfter ©teße ber ©eelforger fetbft, h)ie ju ben ber Heilmittel Äunbigen aud^
anbere SSebürftige gehören. S)er änalogie ber ©eelforge mit ber 5iKebijin entft)rcd^cnb so
138 ®eelforge
h?irb audb bic d^artemalifc^c Segabung bcg Scelforgcr« ^u bcr bc« ätrgte« in beutlid^cr
änalogtc ftc^en. 2Bic bcr 3lrjt jur erfolgreichen Stu^übung feine« Serufe« ber bia^
gnoftif(^en unb bcr tl^crat)cutifd^cn ®abcn bcbarf, bcr biagnoftifc^cn, um au^
gtomjjtomcn ein trcffcnbc« Silb bc« ^uftan^^ i" gewinnen, bcr t|craj)cutifd^cn, um
5 auf ®runb bcr 3)iagnofc bcn jh)cc!entf))rcc^cnbcn SBcg jur Teilung ju finbcn, fo gcift=
lid^cr aSeifc bcr ©celforgcr. Um bic richtige ©iagnote tu ftcllcn, bebarf ber ^jior
nic^t feilen großer Unbefangenl^cit unb bicier ®ebulb; fel^lt bic«, fo toirb er auf falfc^c
Slid^ttocae be« SSorurtcite unb be« t)orfd^ncIIen Sc^luffe«, ober auf bic ©etüaltmitlel
moralifc^er 3;n<?"ifition tJcrfaUcn, toä^renb bod^ nur ein felbftlofe« unb licbctoottc« än^
10 cmj)finbcn unb ein flare« äuge, ba« auf ®runb bcr ©elbftericnntni« bic ©c^Ieid^toege,
©c^lujjftoinlcl, ©clbfttäufc^ungen be« mcnf^Iid^cn §crjcn« öcrftcl^t, jum 3icle fü^rt.
©4on bei bcr 2)iagnofe treten bic brei j)fjJd^oIogifc^cn ©runbtocrmögcn be« Scr^
ftanbe«, be« ©cfübte, be« SBiUcn« miteinanber in gunition, au«gcf))ro(i^encrh)etfc bei ber
S^crapie; ba« SBiffcnfd^aftlid^c bc« SSerftanbc« in bcr Se|r^aftigfett, tuclc^c bie
15 eignen Ilaren unb feften ßrlcnntniffc ber ch)igcn SBa^r^eit burc^ flarc« unb pd^cre«
SBort ju übertragen t)crmag, ba« äftl^etif(^c be« ©efü^fö in bcm regen religiöfcn
©cfü^telcbcn, ba« t)omebmIi(i^ be« ®cbetc« ju red^ter geit unb am redeten Orte ^en
ift, ba« ©ittlic^c bc« ffiillen« in bcr nie ju unterbrürfenben ScrcittoUIigtcit, allen nic^t
obtoc^renben ®cmcinbegliebem feelforgcrlid^cn 2)ienft ju leiftcn.
20 2luc^ bie g^agc, nad^ hjclcben Slid^tungen l^in bie ®emcinbcglicbcr bcr fird^Iit^cn
fj)ejiellen ©eelforge bebürfen, alfo aud^ bic ^rage nac^ bcn Äategorien bc« feelforger-
ticken ^anbcln«, toirb fic^ mit 6. 3. 9li|fc^ am geeignetften burd^ S'^tixdQd)m auf bic
genannten brei j}f^(^oIogifc^en ®runbt)crmögen bc« 5Kcnfd^en: bc« ®efül^te, bc« ®iHcn«,
bc« Sßcrftanbe« beantworten laffcn. 2)a« ®efü^l«leben bebarf bcr ©eelforge beim leiben«
26 bcn, bcr SBiUc beim fünbigenben, ber Serftanb beim irrenben SKcnfc^cn, unb bemgemäfe
toerben bie Kategorien ber ©eelforge bie ^arafletifd^c, bic ^äbeutifc^e, bic bibaltifc^e fein.
SHIein bie Unterfc^eibung bicfer Kategorien bebingt feine ©d^eibung, benn bcr 3)lenf(^
in feinem ®efü^l, feinem SBiHcn, feinem 93crftanb ift eine cinl^eitlic|c ®rö^c. @« giebt
tein ifolicrte« ®efül^telebcn ol^nc Il^ätigfcit be«3Q3iDen« unb be« SSerftanbc«, fein ifoliertc«
80 SBiUen^lcbcn ol^nc SKittl^ätigfeit be« ®efü^te unb bc« SSerftanbc«, lein ifolierte« 3Sers
flanbc^lebcn o^ne 3Witfc^h)ingen be« ®efü^l« unb be« SBiHcn«. ©0 Wirb auc^ ftet« ba«
Seiben be« aKenfc^en !omj)lijiert fein in irgcnb einem 3Wafec mit ©ünbc unb Irrtum,
bic ©ünbc be« 3)lenfc^en fomjjlijicrt mit Seiben unb 3^^^"^/ ^^ ^rrtum bc« ÜRcnfc^cn
fomjjlixicrt mit Seiben unb ©ünbc. 3)urd^ bie Äom^IÜation bc« Seiben« mit ©ünbc
86 h)irb bic Steigung gu 2lft^enic in ftumj)fer SHcfignation unb Scic^tfertigfeit ober in
6^>)erft^enie in Klage unb Slnflagc, burc^ bie Äom^jlifation mit Irrtum bie Steigung ^u
aJal^ngebilben erzeugt. 2)urc^ bic Äom>)lifation ber ©ünbc mit Seiben h)irb ba« ©r«
löfung«bebürfni«, burd^ bie Äomjjlifation mit ^rrtum bic ®rlöfung«fäl^igfeit gcfefet (Sc
23, 34; 2t® 3, 17; 1 Äo 2, 8). ©olange ber fünbigenbc 5Mcnfd^ fid^ in feiner ©ünbc
40 Woi:)i fül^lt, ift Teilung au«gef(^loffcn, unb bie bon allem Irrtum freie ©ünbc ift ber
grcbel tüiber ®ott, ber bie 33erftodfung be« §crjen« unb bamit bic Unbergebbaricit
ber ©ünbc nac^ fid^ i^ici^t. 2)ie Kom))Iifation bc« 3^^"*"^ ^^ Seiben crjeugt bic
ffiißigfeit, fic^ belel^ren ju laffen, tüäl^rcnb bic Komputation mit ©ünbc bcn ^ntum
fc^uIbüoH mad^t (Sc 12, 47. 48). 3)od(> nur infotoeit ift bon ©d^ulb bc« ^rrtum« ju
45 reben, tric bcr inteHeftueHe J^cl^l ju (5)etüiffen«irrung ftc^ gefteigert ober burd^ fittlic^
falfd^e ©tcHung jur ßrfenntni« bcr 3Ba^r^cit fic^ erzeugt l^at.
Cbglcic^ bic Kategorien bee Icibcnbcn, fünbigenben, irrenben 9Jlenfc^en au« ber ®cs
jamt^cit bcr Wcmcinbc al« Dbicfte bcr fird^lid^en fjjcxiellcn ©eelforge ftd^ l^erau«^eben,
ift bod^ bon einer ^folicrung bicfer Kategorien bom ^emcinbelcbcn nic^t m reben. 6«
50 giebt feinen Wcnfd;en, bcr nid)t irgenbtüie Icibenb h)äre. ^^ininnng be« Seben«gcnuffe«
ober ber Scben«betl^ätigung finbet fid^ überall, überaß ein ®egcnfaib jtoifc^en aBoUcn unb
©oUcn, ffloüen unb Sollbringen, Soßen unb 2;^un. Stiemanb fann cbangelifd^cr ©cel-
forgcr fein, bcr nidj^t bon biefem allgemeinen Seiben in irgcnb einer ^orm berührt toäre
unb nun traft bc« ^roftc^, momit er t)on @ott gctröftet ift, aud^ bie in allerlei S^rübfal
55 Sefinblirf^cn ^u tröftcn bermag (2Ko 1,3 f.). Slud^ teincn "iJKenfd^en giebt e«, ber nic^t
©ünbc F)ättc ober gefünbigt Mttc (1 ^o 1, 6—8), unb ber ebangclifc^^c ©celforgcr ^at
c^ nie ju tocrgcffcn* bafe auc^ er im beften J^allc ein bcgnabeter ©ünber ift. Snblic^ fyit
ba^ Sic^tcrtüort, bafe bcr Slcnfd) irrt, fo lange er ftrcbt, für bcn ©celforgcr bie Sc«
beutung, il^n aHc« a^a^nc^ ber Ünfcl^Ibartcit j\u cnttlcibcn; aud^ er ift ein ©ottfud^er
60 unb hat auf bic aSolltommen^eit ber grtenntni« ju toarten (1 Ko 13, 8—12). a)ie bcn
eeelforge 139
ba^ afutc Seiben, (Sünbigen, ^mn fic^ ^eröorl^ebt, ift ber Duett jener uncntbcl^r-
lid^en Äräfte ber mittragenben Siebe, ber ®cbulb, ber Hoffnung, beren Übung i^m felbft
bleibenben Oetoinn einträgt unb il^n bor attem Sanaufentum unb atter Seid^tfertigleit
betpa^rt. 6
Mein bie aiffgemein^eit be^ Seibensf, ©ünbigen«, 3^^"^ ^«^^ ^^^ ^"^ibibualität
jebe« Seiben^, ©ünbigeng, 3^en^ nic^t auf. Slttee fc^oblonen^afte SSerfal^ren ift in ber
Seelforge t)om Übel. SBie bie 93efonberl^eit be^ %aü^ in ber Beurteilung be^ Pfleg-
ling^ gu Uad)Un ift, fo aud^ in ber Sßertoenbung ber feelforgcrlic^en 3WitteI, beö freien
3ufJ)rud^^, be^ ©ebeteij, be^ ©ebrauc^e« ber ^I. ©(|rift u.f.to. %üx biefe bem inbibibuetten lo
gatt anjuj)affenbe SSertpenbung ber feelforgerlic^en SRittel i)at m. SB. guerft 3^ifoIau^
^emming in feinem 1566 erfd^ienenem SBäerf e : Pastor sive Pastoris optimus vivendi
agendique modus ben t. t. Orthotomia verbi sive recta doctrinae Sectio aus-
geprägt. Dl^ne Drt^otomie, fc^reibt er, fei ber ^aftor ein sutor, qui ad unam for-
mam pueris et senibus, magnis et parvis calceos pararet. S3efonberS ber fpätere i6
^ietiSmuS fyit auf bie Sebeutung ber Drt^otomie ^ingetoiefen (§arbelanb 443 f.), unb
6. 3- 5Ri^f^ W i>^n Terminus, h)o^l befinitiö, in bie Se^re bon ber Seelforge eingefül^rt,
freilid^ nid^t o^ne SBiberfpruc^ ju finben. 2)er StuSbruc! le^nt ftc^, abh)ei(|enb bon ber
Prägung ber alten itird^e : oQ^oro/Lua = ÖQ&odoilat an 22;i2, 15 an: oQ^oxofwvvxa
t6v köyov T^c äXrj&eiag, h>eIc^eS 355ort bann nid^t, toie bie meiften StuSleger mit 3- 21. 20
Sengel überfe^^t: „ber fid^ ftradES nac^ bem SBort ber Söal^r^eit rietet", fonbem mit
3. 2:. Sedf toiebergegeben toirb: „ber baSSBort ber SBal^r^eit rid^tig einteilt unb tjerteilt".
3Ran mag einen ejegetifc^ beffer begrünbeten 3:erminuS erfmnen, ber in ber ^oimenif
fixierte Segriff ber Drt^otomie ift unantaftbar, unb bie 95erh)enbung ber Drt^otomie ift
unentbel^rlic^. 25
3)ie auf ben leibenben 5Dtenfc^en ftd^ bejiel^enbe ©eelforge ift bie t)aratletifc^e, baS
SBort in ber jugef>)i§ten 33ebcutung t)erftanben, toie bie xoivt^ mit ber ft)äteren ©rägität
TzaQdxlrjaig: 2roft berloenbete, alfo tröftenbe ©eelforge. 3Birf lieber Iroft, b. ^. ber=
ttauenbe (SemütSberul^igung ober freubige 3"^^it^t bermag bie ©eelforge bem Seibenben
nur bann einjuflöfeen, hjenn bie Überjieugung in bem Seibenben ertüedft toirb, ba^ baS 30
Seiben, baö unmittelbar aU SebenSl^cmmung, ©c^merg, S^erluft empfunben toirb, nac^
® otteS SBitten ©eloinn, greube, SebenSförberung toerben fott. 6S fann bieS h)erben aber
nur burc^ ben religiöfen ©lauben im ebangelif^en ©inne beS 3Q3orte«J, burc^ Seloä^rung
biefeS ©lauben« in ©ebulb, burd^ ©tärfung be« ©tauben« im ®ebet: SRö 8, 28; 2 Äo
4, 16—18; ^br 12 finb Stid^ttoorte. 2)aS Seiben an ftd^ l^at feine erlöfenbe Äraft; je 86
nac^ ber ^nbiöibualität unb ber religiöS^fittlic^en 33orgefc^ic^te be« Seibenben fü^rt eS jur
©elbftbefinnung unb ßrnüd^terung, §u Iro^ ober SSergagt^eit, ju freunblic^er SRilbe ober
}u ftarrem ©goiSmuS. 33on ber ^n^i^i^w^Ktät be« g^tteS toirb e« bal^er abl^angen, ob
bie ^arallefe linbernb unb bcru^igenb, ob fie mal^nenb ober gar ftrafenb aufzutreten l^at;
für atte gätte i}at ber ^aftor „bie Äunft beS Äranlenbefuc^enö" — fo ber 3:itel einer 40
orientierenben ©c^rift t)on 21. Slömer 1902 — fic^ anjueignen unb ben 2Beifungcn beS
arjte«, tocnn fte im tüo^Iberftanbenen ^nt^^^ff^ ^^ Seibenben erteilt hjerbcn, ftd^ untere
iuorbnen. 3Son bem richtig erfannten ^tü^i ber ^araflefe au« ift aud^ bie ^rage ^u
•eanttoorten, ob unb intüietoeit bie ^flic^t be« ©eelf orger« e« er^eifc^e, ben Äranfen
auf ben %oh bor^ubereitcn. 3)ie mittclalterlid^e Äranfenfeelforge ging \n Übung biefer 45
5PfIic^t auf ; bie bott!ommene Seid^te unb bie ©dbredEen be« 3:obe« unb be«*®erid;t« fpielten
bie ^aiH)trotte. ©elbft bie milben ä^orfc^riften ber ©^nobe bon 9Jante« (jcbenfatt«
t)or 850), bie in bie Äanonfammlungen be« 9legino t)on $rüm (geft. 915) unb be«
Surd^arb bon SBorm« (geft. 1025) aufgenommen tourben, unb in ben berül^mten bem
SSnfelm t)on ßanterbur^ irrtümlich ;;ugefc^riebenen Interrogationes ad morientem 60
(2lbol))^granj: 3)a« 9lituale toon ©t. Florian au« bem 12. 3a^r^unbert[19041, ©.166 f.
196 f.), fohjie bie Slubrif Ad inungendum infirmum ber ^Ritualien atmen bcnfelben
®eift. S)a« älnfe^en ber ©c^rift Qol^ann ®erfon«: De arte moriendi zeitigte aud^ in
ber ebangelifd^en Äird^e äl^nlid^c ßrfc^einungen (bgl. §arbelanb 299 f.). 3la^ ebange«
lifd^er 3lnfd^auung fann bie ^Vorbereitung jum 2obc nur barin beftel^en, bem firanfen ^u 56
foldä^er 3Serfaffung bel;ilflid^ ju fein, bafe ber "Job if^m feinen SSerluft, fonbem ®etoinn
bebeutet, unb be«^alb i)at fold^e 'Vorbereitung bie ganje Äranfenjjaraflefc ju burc^gief^en.
3)a« fann gefd^el^en, auc^ t^enn mit feinem SBorte 2^ob unb ©terben ertuäl^nt toirb, ob
ouc^ in zahlreichen %äÜQn ein ruhige« unb ernfte« ®ef^)räc^ über ben lob bem Seiben-
ben l(|eilfam fein toirb. 35ie ©etoife^jeit be« na^en ©terben« anjufünbigcn fübrt meiften« 00
140 Scdforge
bic ®efa^r falfd;cn ^^Jro^l^ctcntum^ unb baburd^ btc (grfc^üttcrung bc^^ 3?ertrauen^ mit
fid^ ; tpirb bcr ©celforgcr unau^torid^lid^ baj|u genötigt, f o gefd^cl^e c^ mit gartcftcr 9(üdft(^t
unb mit religiöfcr 9["tcnfität.
(Sincn getüiffen $ö^e})untt erreicht bie Ärantenfeelforge in bcr ÄranIen!ommunion.
.) 6^ ift bemcrfcn^tpcrt, bafe Sutl^cr fie runbtücg öcrtpirft (in jtoei Sriefen t)om 25. unb
26. 9Jobcmber 1539 bc SB. 5, 226 f.), aKcIand^tl^on fte gcftattct, tocnn bic gamilic ^u--
gegen ift (»rief an aWatt^eftuö toom 25. "äpxxl 1550 CR 7, 575, 3lx. 4703), ßatoin unb
bie ganje reformierte Äird^e fie geftattet, toenn eine Communio mel^rerer ^ergefteHt
h)irb. ^ux Heiligung ber gamiliengemeinf(^aft ift bie reformierte ^xajA^ gctoi^ ^u
10 emi>fe^Ien, ^umal ba abergläubifc^e, bom römifd^en 9}iatilum l^errü^renbe SBorfteQungen
baburd^ jurtidEgebrängt h>erben. ©old^e SSorftellungen treten in bie ©rfc^einung teite
in ungebulbigem 2)rängen jum atbenbma^I, bamit eine (Sntfd^eibung jum Seben ober
©terben l^erbeigefül^rt toerbe, teife im §inau«fc^ieben ber Kommunion big in bie
lobe^ftunbe. SBorl^ergel^enbeö feelforgerlic^e^ ®^pxad) bürfte in !einem %aüt ju unter-
16 laffen fein.
2)en Hinterbliebenen ift ©eelforge um fo mel^ anzubieten, ate ba« SSebürfni^
hanai) mit fc^euer ßw^üdEl^altung jtd^ ^u paaxm ))flegt. ^er ©eelenjuftanb ber $inter=
bliebenen ift l^äufig teil« 35e>)reffion be« ®emüte« mit 9?eiaung gur Untl^ätig!eit unb
felbftquälcrifd^en ©rübelei, teil« ba« (Sefü^l ber Serlaffen^eit unb SRatloftgfeit, teil«
ao ftum>)fer unb nagenber ©d^merg über ben Serluft. 2)ie Sinberung be« Seiben« anberer
ift ftet« Sinberung be« eigenen Seiben«, unb treue Seruf«arbeit lä^t Seib unb ©eele ge^
funben. 2)ie 9Serlaffen^eit ber ffiittoen, SBittoer, SBaifen giebt rei^^en änla^ ju biaifo^
nif^^em SBirfen burd^ SBort unb S^^at, unb bie örfa^rung bezeugt, bafe mittelbare ffiege
ber ©eelforge oft fruchtbarer ftnb, al« bie unmittelbaren, äffen unnti^en 5^agen über
25 tranfjenbentale Sier^ältniffe h)erbe mit ©anftmut unter ^inn)ei« auf ®otte« 3Bei«l^eit
unb Sarm^erjigfeit getoel^rt, unb ba« ©ebäc^tni« be« Serftorbenen toerbe in ®^ren
gel^alten.
SSefonbere Slufmerlfamteit l^at bie ©eelforge an ^|^d^ifd^Iran!en ^u beanf))ruc^en
(Sitteratur: Äod^, Seitfaben ber ^Pf^d^iatrie 1869; Äünbig, ßrfal^rungen an Äranfen-
80 unb ©terbebetten« (1888), 209 f.; §. 21. .Roftlin 314f. unb bie ©. 334 angefül^rte Sit^
teratur. Sefonber«: $. Slömer, *iPf^d^iatrie unb ©eelforge 1899). Die na(^h>et«bare
3al^l biefer Äranfen fteigert fxi) j}rogcntual mit bem Slntoac^fen ber Seböllerung. 3)er
gegentoärtige Seftanb in 35cutfc^lanb ift unter ben Giften ettoa 2,5»/oo, unter ben
3iuben ö'^/oo, unter ben Sefennern anberer ober unbeftimmter Sieligion faft 6,5®/oo. 3n
85 gelinberer ^orm, bie jebod^ ohne §ilfe gefa^rbrol^enb toerben !ann, begegnet bie itranl^eit bem
i^aftor fel^r l^äufig. Obgleich bie mebijinifc^e aSifjenfd^aft barüber ööffig einig ift, bafe in
ben „®eifte«h:anlen" nic^t ber ®eift ober bie ©eele, fonbern leiblid^e Organe, befonber«
bic 5Jert)en im ©el^im unb 9{üdenmarf, bie ^laftifc^en 9Jerben))artien in ber Srufl unb
im Unterleib erfranft fmb, fo ba^ fie ber ©eele ben 3)ienft berfagen ober fte nötigen,
40 fid^ abnorm ^u äußern, erhält fic^ bod; im ©^rad^gebraud^ ber 9Jame „®eifte«fran!bcit",
erhält fi^ in h)citen Äreifen ba« öerberblid^e SSorurteil rcligiöfen unb ftttlid^en 3Ra!el«
ber „©eiftc«franfen".
^üx ben an 3(nftalten für ^fl^d^ifd^franfe fungicrenben ©celforger ergiebt fuijf au^
bem I^atbeftanb bie einfädle ^flic^t, in atter feiner 3:^ätigfeit ben SBeifungen be«
45 2trjte« unbebingt fid^ unterj^uorbnen unb jcbcn ®cbanfen fem ju l^alten, al« ob ber
©celforger mit bem Slrjte in Äonfuncnj ju treten l^abc ober bie Teilung mit geiftli^en
3Kittcln l^erbcifü^rcn lönnc. 3)ie 5ßcranth)ortung über §emmung ober ^yörberung feiner
2:^ätigfcit l}at au«fc^lie^lid^ ber 3trjt. '^m 33crlel^r mit ben Äranlen ift äffe« aufregenbc
2Biberf>)rcd^en, aud^ alle« (Singe^en auf bic äya^nüorftcffungcn ^u bermeiben; unbefangen
50 unb o^nc 2)rängen ift ba« 3"^^^ff^ ^^^ Äranfcn auf anbcrc ®egenftänbe ju richten,
unb feine ^orftcffungen finb mit frcunblic^cn Silbern ^u bereichern, ©eine f^jejipfd^e Sluf^
gäbe l}ai ber ^aftor auf religiöfem ©ebict. @« gilt ba« ücrmorrene ®lauben«Icbcn ju
enttüirrcn unb ^u ftärfen unb „ba« (Steige im 3ficnfd^cn", foh)cit e« eneid^bar ift, ju
crljalten, bcibc« burdb feine anbercn ^Kittel, al« burd^ bic bem gciftlic^en älmte überl^auft
65 ^u ®cbotc ftchcnben, burrf) 2l5ort ©otte« unb ©aframcnt. ©olange bie Äranfl^cit firf»
fteigert ober auf ber §5l^c ficb bält, h)irb tocifc ^urüdt^altung be« ^aftor« am ?pia^e
fein ; ift bcr ^45roje§ ber ©cncfung begonnen, f o toirb ber ©celforger bem 33ebürfni« be«
Äranfcn, jcbod^ ohne ^u^^^^Ö^^f^i^/ i" freier Steife gerecht Serben fönnen burd^ ^'
famc (Sintüirfung auf ba« G3cnuit«Icbcn unb babiircb t^crmittcltc ^örbcnmg be« Teilung«-
60 jpro^cffc«.
Seelf^rge 141
@(^n>ienaer tft bie älufgabe bc^ @emetnbe))aftord )ur richtigen 93e^anbtung be-
öinncnber ©manhinfl. ©c^toterig, h>cil bie anae^öriaen bcn ^l^a\iox frübcr ate ben ärjt
in 3lnfrrud^ ju nehmen unb gegen jebe ärjtlic^e Sepanblung fu^ ju fträuben ))flegen.
©^m^tome beginnenber $fS|<^ofe fmb tootjug^tpeife g^arafteröeränberungen unb S^^^Q^-
öorfteffungen. (Sin h>al^rl^eitliebenbe^ Äinb fängt an l^artnäcfig ju lügen, ein fleißiger 5
$anbh)erler bemat^Iöffigt feinen Seruf, ein foliber SWenfd^ h>irb ^um leibenfd^aftlic^en
aifol^olifer ; ober e« treten ängftjuftönbe um geringfügige Dinge auf, einzelne ©ebanfen
ober t^öric^te Sßermutungen ober unau^fül^rbare 5piäne befd^äftigen ben 3Kenfd^en unauf*
^örlid^ unb bgl. me^r. 5Wamentli^ bie 3*ü<»«fl^öorfteIIungen, bie in ©elbftanflage fuä^
ergeben, lönnen aud^ ben erfal^renen Seelforger täufd^en, fo ba^ er mit geiftlid^em 10
3uf^ru^ $ilfe ju bringen meint, bi^ atte $ilfe ju ]pät tommt. ©d^h>ierig ift bie 2luf=
gäbe auc^ bed^alb, n)eil einerfeit^ mit beginnenber ^f^d^ofe ftttli^e Schlaffheit, bie nur
auf et^if^em SßJege m ^eben ift, oft grofee äj^nlid^teit ^at, anberfeit« aber fittli^e
©d^Iaff^eit mit lör^erifid^en ©törungen, befonber^ in ber ©ntloitfelung^jeit, in äwfötnmen«
bang fte^t, enblid^ aber auc^ toeil unleugbar mand^e nerööfe Äranf^eit^juftänbe bei fittlid^ 15
rräftigen ^erfönlid^teiten burt^ .älutofuggeftion in emftcm SBiffen^entJc^lu^ h>enn nid^t
!u übertoinbcn, fo boc^ in il^ren ^ufeerungen jurüdE^ubrängen finb, toä^renb bei mangelnber
tttlid^er @nergic bie franlen 9lert)en nad^ unb nac^ bie ^f^c^e bi^ ^ur Unjured^nung^
fä^igfett t^rannifieren. 3)er ^ßaftor mu^ toiffen, ob unb intoietoeit ber öorhegenbe ^aü
für feelforgerlic^e Se^anblung geeignet ift, unb ob unb inh)ieh)eit er bem ©rlranlem 20
ben ftttli^cn Ramp^ unb SQäiUen^ftäne jumuten barf. ©eine 38eranttoortIid^!eit W'vch ^
i^m aebieten, in ^l^lung mit einem t)erftänbigen 9tr|ite ^u ftel^en, bamit nid^td )ur SSe-
töm))fung bed Übetö berföumt n)erbe. ä(ber ani} auf bie Umgebung unb bie 9lngel^örigen
bed jlranlen ift alle 9(ufmert{amleit ^u rid^ten, auf jene, bamit aUe^ Stnreijenbe entfernt
n>erbe unb freunblic^e @inbrüdEe bem jlranfen ermöglicht n)erben, auf biefe, bamit fte in 25
unermüblic^er Oebulb bcn Äran!en rid^tig bel^anbeln lernen unb i^n niemals allein lafjen.
©obalb ber 3lrjt bie SSel^anblung be« Äranfen übernommen ^ai, tritt bie felbftftänbige
I^tioleit be« $aftor« gurüct.
®ie j)äbeutifc$e ©eelforge ^at e^ mit bem fünbigenben 3Wenfc^en ju tl^un. 3)er 9latur
ber ^6)^ nad^ toirb bie erfte Stufgabe bed ©eelforger^ fein, ed nic^t )um ©ünbigen ao
fommen gu laffen. 35er epiftrejjtifd^en ober fonöertierenben ©eelforge toirb bal^er bie öor^
beugenbe ober j)roj)^^laItifc^e ©eelforge borau^juge^en ^aben.
3)er broj)l^^laftifc^cn ©eelforge eröffnet fic^ ein toeite« gelb. 3)a ber größte Seil
ber SSerge^en unb Sßerbrec^en auf 3Jlängel l^äu^lic^^er erjic^ung jurüdEjufü^ren ift, ba
anberfeit^ bie toirtfamfte 3Ra(l)t ber Seloa^rung bie unwägbaren ©inbrüae au« ber Oe^ 86
fmnung unb ber retigiö^^ittlid^en ätmofpl^äre be« 6ltem|aufe« fmb, fo l^at bie ptopi^r^-
laftifc^e ©eelforge teil« burd^ ben öffentlt^en @otte«bienft, teil« burd^ ^au^befud^e auf
@eift unb ©inn be« Slternl^aufe« einjutoirfen, teil« in SBerbinbung mit ber ©d^ule bie
eitern über gefunbe 6rjiel^ung«grunbfä^ ju t)erftänbigen. 3)irette ))rot)l^^lattif^e ©eet«
forge beginnt im itated^umenen^ unb Konfirmanbenunterrid^t. 3)ie SSebingung erfolg« 40
reifer SßJirffamleit ift ba« Vertrauen ber ^jugenb ju i^rem ^ßaftor, ba« baburd^ erzeugt
toirb, bafe ber ^fjaftor in väterlicher ©eftnnung, in SScrftänbni« ber 3wg«nb, in einer mit
®mft unb geftigleit t)erbunbenen 9lad^fic^t unb ©ebulb il^r freunblic^e« Vertrauen ent-
gegenbringt. Äafuiftifc^e ©rörterungen Werben Wenig nü^en; „Wir foHen ®ott fürchten
unb lieben" bleibt audt^ für bie S^gcnb ba« ^rinjij) aller ©ittlid^Ieit, bie nur al« auto* 46
nome ©ittlic^feit SBert für bie l^cranreifenbe 'iperfönlic^feit l^at. 3)ie bei Weitem fd^Wierigfte
Aufgabe ift ber ^ro))^^laftifc^en ©eelforge in ber Seitung, 93eWa^rung, religiö«-fittli^en
3)urc^bilbung ber Konfirmierten, ber jungen SBelt t)om 15. bi« 25. 2eben«ia^r, geftellt,
ein Äreuj für aße ©eelforger, ba« um fo härter brüdEt, al« SSerfäumniffe ber Äir^e feit
alter 3^^ vorliegen, bie nur fc^wer wieber gut ^u machen finb. 93egünftigt burd^ ben 60
mobemen 3^*9^'P ^^t ftd^ ber 3"Ö^"b bie gmanji^jation vornehmlich Von ber lirc^^lic^en
Autorität bemäd^tigt, in 3ügelloTigteit Wirb bie erWünfc^te ^ei^eit erblidEt. @« fmb bie
So^re, in benen ba« fmnlic^e 3:riebleben übermächtig ftd^ regt, ba« eiternl^au« l^at bie
beftimmenbe ?Kac^t jum 3:eil eingebüßt, bie einl^eimifc^e ^uQm'D ift mit ^eimatlofen
Elementen burd^fe|t, unb nid^t nur bie ^ug^mh be« 2lrbeiterftanbe« ift ben Serfül^rungen 56
ber ^albWelt unb ber fojialiftifd^cn Agitation faft fc^ufelo« J)rei«gegeben. ^^iur burcb
))ofitive 3Ra^na^mcn fann bie ©eelforge i^ren ^eruf erfüllen. 2)er Sefetrieb ift burc$
gute SSüd^er, Weld^e bie ^^antafte cnegen unb anjie^enbe Selel^rung bieten, ber Irieb
nac^ ®efellig!eit burc^ Sereinigungen ju ^armlofer ^ugenbluft unb cblcn JJreuben ,^u bc=
fricbigen mit Weitem §erjen unb engem ©ewiffen. §ilf«fräfte au« ber ©emeinbe finb eo
142 (Seelforge
fo t)iel tüte möglich mr DrGanifatton bcr ^uö^nb l^eranjujiel^en, unb bicfc fclbft tft jo
einjurid^ten, ba| auc^ jcber ©c^etn t)on Scbormunbung tjermiebcn tuirb. 2)e^^alb bürfcn
bie 3u9^"^ö^^i"J9wn0cn nic^t ifolicrt tperbeu; ber ©cfcDiöIeit ber ganicn Ocmetnbc tft
eilt reügiö^'ftttlic^e^ J^i^"^^"^ etnjuflöfeen. 2)ie je mef^r uitb mcl^r ftc^ berbreitenben
6 ©emetnbes ober g^amtlienabenbe ftnb ein bereite beh)ä^rte^ SRittel, JJ^^ube an ebler ©e--
feßigfeit unter 3l(t unb Qung ju pflegen. I)ie Schriften öon @. ?KüHer, ^anbreic^ung
für d^riftl.SSoIföunter^altung (1895) unb $aul Sutber, 35eutf(i^eSoIf«abenbe(1898)u.bgI.
bieten äntoeifung unb ©toff. gür bie ®emeinbeabenbe toie für bie 3;w0^bberetne tft
ber unberbrü(^Ii(|e iJanon mafegebenb, ba^ nur ba<^ 95efte be^ 2)arjubietcnben gut genug
10 ift, unb baf; unter feinen Umftänben ba^ ©efübl auffommen barf, ate h>äre Untere
l^altung ba^felbe mit 3tu^gelaffen^eit, gute Sitte ba^felbe mit Sangetoetle. 3!)afe ben
3eitftrömungen Sled^nung ju tragen ift in fafelic^er Selel^rung burd^ ftunbige über fojiale
Probleme, erftrebenötperte unb tjerberblid^e fojiale 3^^'^/ ^^^^ ^^^ *" ^^ ©egentoart
lebenben unb i^re treibenben Äräfte öerfte^enben Seelforger nid^t t)erborgen fein.
16 Slfö eine ©^jejie^ ber ))roJ)l^^laftifc^en ©eelforge ift bie SKilitärfeelforge anjufe^en,
bie burd^ bie SÖlilitärpfaner an ber iraffenfä^igen jungen SRannfc^aft geübt toirb. ©ie
ift burd^ bie „ßbangelifd^e (begto. fat^olifd^e) ^JRilitär=2)ienftorbnung mit 3tu^fü{^rung^=
beftimmungen" (1902) geregelt. Dag ^erfonal ber ebangelifc^en ^Kilitärfeelforge, auf
bie unfere 3)arftettung ft^ bef darauf t, beftel^t aud einem gelbpro^ft ber 3lrmee, 18^Uitär=
20 Oberpfarrern, 88 3)it)iftong= unb Äabetten^au^pfanem, 10 ÜHilitär^ilf^geiftlid^en, femer
au«J 4 ^Jlarineoberpfarrem, 11 3Warinepfarrem, alfo im ganzen au^ 132 attitoen etKtnge-
lifc^en 3Kilitär= unb SWarinegeiftlic^en, benen gegen 200 mit 3Wilitärfeelforge beauftragte
ßibilpfarrer jur ©eite treten. 3la(!) § 104 „fteHen bie ^Truppenteile nac^ ber jä^lic^en
Sflefruteneinfteßung in geeigneter SßSeife feft, h)elc^e öon ben eingefteHten 3Kamtf(^ften
25 nic^t getauft ober fonfirmiert ftnb, unb melcbe bon ben Verheirateten Siehuten fi^ ntc^t
l^aben firc^lid^ trauen laffen". 5Wac^ bem Serid^t beö (Sbangelijd^en Dberfirc^enrat^ in
93erlin t)om 11. Januar 1899 tourben infolge feelforgerlid^er Semü^ungen im ^al^re
1897/98 in ber preufeifc^en 2trmee t)on 83 nic^t getauften Slefruten 41 nad^trägli^ ge=
tauft, bon 90 nic^t fonfirmierten 71 fonfirmiert, bon 106 nic^t ftrc^lid^ (Setrauten tourbe
30 an 85 bie ftrc^li^e 3^rauung nad^ge^olt. 3)agfelbc 33ilb n^ieber^olt ftd^ mit geringen
äbtoeic^ungcn jebe« 3;al^r. 2)urc^ bie Sl^ätigfeit be^ Dberft a. D. ßbler öon ber ^lani$
(®runetDalb bei Serlin) fonnten im 5^^^« 1904 in bcr 3lrmee 5148 3?oDbibeln unb
16358 9Jeue S^eftamente, ferner bon ben 3Kilitärpfarrern an monatlich erfc^einenben
©olbatenanfprad^en („3n be«J Äönigg 5RodE") über 100000 (Sjcmplare berteilt tüerben.
86 ferner erfd^einen nod^ „3)ag ©onntagöblatt für bie 9lrmee", „Äranfentroft" unb eine
©ammlung bon Srofc^ürcn „Slit @ott für Jlaifer unb Steic^" (SBeftbcutfc^er ©c^riften^
berein), bie t)on ben Solbaten gern gelcfen tDerben. ^thcx Slefrut empfängt bei ber
ßinftcUung ein (S^emplar be^ „5!iilitärgefangbu(^eg", baö er bei feiner ©ntlaffung
abzuliefern l^at, ober für 9 $fg. erwerben tann. 9Bie für bie fonntäglic^en ©ottc^bienfte,
40 ]o ift aud^ für bie ©cclforge in ben Sajaretten unb in ben militärijc^en ©trafanftalten
in tDcitgchcnber 2öeife ©orge getragen. Sefonberc @rlt)äbnung bcrbicnt bie ©inrid^tung
t)on Äafernenabenbftunben, in benen üon ben ÜJlilitärfeelforgern „jjur ^^iflege c^riftltdber
unb ijaterlänbifd^er ©efinnung unb jur eJ^f^^ö^ng bcö Sanbc^ jrtjifd^en ©eelforger unb
©emeinbeglicbcrn" (§ 121) Vorträge gcl^alten h)erben; „UnteroffijicrsJfamilienabenbc" toerben
46 ebenfalls t)on ben ©eelforgem geleitet. 3^ie „©olbaten^jeime" enblid^ (§ 122), beren in ber
preufeifc^en 2trmee cttra 40 befte^cn — bie größten in 5JJe^, Jüterbog unb Serlin —
„biencu bem S^cd, in ben 9Kannfd;aften ÜJatcrlanb^liebe unb famcrabfc^aftUd^e ©efinnung
5u pflegen unb juglcic^ il^nen unb i^ren 5*^milienangcl;örigen ©elegen^eit p einem an-
regcnben, angenehmen unb jtDanglofen atufcntl?alt unb 3?crtel;r ju geben". I)er Sefuc^
50 ber Solbatcn^eimc, ber ^afcrnenabenbftunbcn, ber 5«^"^ili^"flbenbc, ferner bie Snnabme
bon Schriften, bcr (Smpfang be^ bl. 9J{al)lc^, bie 'Diacbl^olung bcr 2^aufe, Konfirmation,
Trauung u. f. \v. ift ben *ü)tannfd^aftcn burc^au^ freigeftellt, bcr cijangelifd^e 6^arafter
ber ©cclforge alfo gefiebert. Cb nidbt in anbercr Schiebung, toornel^mliq in SSetoal^rung
ber 5)tannf(|aflen unb Cffijicrc üor gcfd;(cd)tlid)cn !:Mu^fcb\t?cifungcn, me^r geft^c^en unb
66 ftrcngcr burc^gegriffcn tocrben tonnte, ift für ben bem l)JJilitärbctriebe ferner fte^enben
öcobacfjter ni^t Icicfjt 5;u cntfdicibcn.
2)ic cpiftrepti)d>c ober tonDerticrcnbe ©cclforge bat c^ mit afuten ©ünbenfäHen ju
t^un, ob bicfc jum öffcntlid^cn l^lrgerni^ gcloorbcn finb ober nic^t. Sie ift ba^ fpeji-
fifcbc gelb beö römifci^cn 33ufifaframcnt^ unb bcr ridUcrlicbcn SBirtfamfeit bcd ^ßriefter^.
öo Der cüangelifcf^e Seclforgcr ^at bon Dornberein auf aüc^ Stickten über ben moralifc^en
i&edforse 143
SÖert ober Untoert in äbmcfjung ber ))crfönli(i^cn ©c^ulb unb ber ©eftnnung bcö ©ün^
bigcnbcn ju öerjtd^tcn, toeil er fein ^erjen^tünbiger ift. äUerbing^ ift ber 3)lenfd^ an
ben grüßten ber SKerfe ju erfennen, toeil böfen SBerIcn ftet^ ein ge^l ber ©efinnung gu
©ninbe liegt, aber ob ber ge^l So^^eit ober ©d^toad^^eit ift, ent^üHen bie 3öerle nic^t.
Sticht jeber, ber geftol^Ien f)at, ift feiner ©eftnnung naä^ ein 3)ie6, unb nid^t jcber, ber 6
bie @^e gebrod^en \)at, ift feiner ©efinnung nad) ein ©bebrec^er. 2(ud[^ ber quantitative
SKa^ftab trügt; ein geringfügige« Sßerge^en fann in teufUfd^er 93o«l^eit begangen Serben,
unb ein fd^toeree SSerbrec^en fann milbe Beurteilung beanf>)rud^en. Die l^eroortretenbc
©eftnnung giebt ebenfalls feinen fieberen SRa^ftab für bie ©röfee ber Sd^ulb; ber eine
entflammt entfittlic^ten SSer^ältniffen unb jovialen !Rotftänben, vielleicht f)at bie ©efeffs lo
fc^ft burd^ Siebloftgfeit unb Ausbeutung il^n berberbt, ber anbere ift in ßl^rfurd^t bor
®otte« ®ebot ergogen (Sc 12, 47. 48). ©anguinifd^e 9laturen neigen ju tl^ränenreic^er
SReue, bie oberpäd^Iid^, toie fte ift, balb in felbftgemad^ten 2roft ft^ Verfel^rt, toä^renb
ber Ver^ltene Iro^ energifd^er 5Raturen nid^t feiten bie DJJaSfe nagenben ©etoiffenS unb
eine« bem ©iege be« ®uten ftc^ juneigenben 5lam))fe« ift. 9Ric^t ba« Slic^ten ift be« is
5ßaftor« 3lufgabe, fonbem bie §itfleiftung, bie er bem ©ünber jur Sefel^rung unb (gr^
neuerung ju bieten l^at. 2)en 3*^^ f^^"^ 3lmte« ju eneid^en toirb er um fo gefd^idEter
fein, je mel^r er Von ber SBa^r^eit burd^brungen ift, bafe er e« feiner bon ®ott ge=
orbneten Sebendfü^rung )u banfen i^at, ba^ er Vor äl^nlid^em ^aUe betoal^rt blieb.
3)a« Äiel ber ejjiftreptifc^en ©eelforge ift im 12. ätrtifel ber Sluguftana fixiert. 20
3luf breifa^er Stufe ift e« eneit^bar. 3)ie erfte ©tufe bejeic^nen bie 5feorte: agnito
peccato. 3)er ©ünber ift jur Stnerfennung feiner ©ünbe unb ©d^ulb ju fül^ren. SBeg
unb SKittel toerben jje nad) ben bei bem ©ünber jutreffenbcn religiö«4ittli(^en 3Sorau«5
fcfeungen Vcrf^ieben fein, Von bem Verfd^ütteten ®etoiffen bi« jur gläubigen ©rfenntni«
Sprifti. 93ie gtoeite ©tufe ift bie poenitentia al« contritio unb fides salvifica. Die 25
ec^te contritio trauert nid^t über bie äußeren %olQtn ber ©ünbe, fonbern über bie
©c^ulb unb ba« ßlenb ber ©ünbe felbft. 9lber fte allein fül^rt nic^t jum §cil. 3)ie
Tov x6oucv Ivnt} (2 Äo 7, 10) gebiert ben lob, toeil SBerjagt^eit unb 3Serjh>eiflung;
5ur xaxa -^edv Xvjitj fül^rt bie contritio burd^ bie SScrbinbung mit ber fides salvi-
fica, bie ®ott baburc^ e^, baf; fte feine ®nabe in Vergebung ber ©ünben für mäd^= so
ttger achtet, ate alle ©c^ulb unb aDe« (Slenb ber ©ünber«. Die britte ©tufe toirb mit
ben SBSorten begeic^net: deinde sequi debent bona opera, quae sunt fructus poe-
nitentiae, nur ba^ unter ben bona opera nid^t einzelne ^anblungen, fonbem ba« neue
Seben überl(|aut>t ju berftel^en ift. Die 3lufgabe be« ©eclforger« ift e«, bem Sefel^rten
©c^utj unb ©tärfung ju bieten; ©c^u^ gegen bie SSerfül^rung ehemaliger ©ünbengenoffen, 86
gegen lieblofen 5pi^arifäi«mu«, gegen SSertoeid^lid^ung burc^ befc^ränfte fromme; ©tärfung
ju bem tapferen Gntfc^Iu^, bie ^c>^^" bc«ge^l« toillig auf fid^ ju nehmen, in^ürforge,
biefe 5<>l9^" erträglich ju machen, in ffiarnung bor ©ic^er^eit, in $ilfe, eine fefte bem
(Söangelium entf))red[^enbe £eben«orbnung inne ju galten, ebentueti in ^anbreid^ung bei
©(^toanfungen unb ©d^toä^ejuftänben bc« guten SDäillcn« unb feiner Setoäl^rung. Die 40
aSer}jflanjung be« 55efebrtcn in eine gefunbe aitmofj)l^äre ber älrbeit unb ber ®efetligfeit
toirb ibm S^^^f^^^ geben, bafe er nic^t einfam unb au«fid^t«lo« ben Äamj)f be« Seben«
auf fidp )u nel^men ^at
Die e>)iftreptifd^e ©eelforge in ben ©cfängniffen ift nic^t toefentlic^ öon ber in ber
®emeinbe berfc^ieben. Dod^ tritt bie ^ürforgc für bie ©ntlaffcnen al« neue unb fd^toere 46
aufgäbe an ben ©eclforger l^eran. 9?ur burd^ §ilfleiftung befonberer 93ereine bermag
er i^r gerecht ^u Serben. Die ©Jjröbigfcit ber ©cfeßfc^aft, bem (Sntlaffenen borurteil««
freie unb l^ilfbcreite Slel^abilitierung ju gevoäf^ren, ift ein §auptgrunb für ba« ftetige Sin*
toac^fen ber ^af^l ber SlüdEfäHigcn. Der ®ebanfc ber Deportation ber Serbrec^er, toie
fte Snglanb unb granfreid^ teilh)eife mit günftigcm (grfolge eingerid^tet ^aben, taud^t ha- gq
^er immer toieber ^erbor, fo oft er auc^ jurücfgch)icfen ift. Dagegen ermöglid^t ber
„Deutfc^e $ilf«berein für entlaffene ®efangene" (®efc^äft«fü^rcr ^^}aftor Dr. ©e^fart^ in
^amburgsgu^tebüttel) ©ntlaffcnen bie ®ch)innung einer neuen ßjiftenj im 2lu«lanbe.
Die bibaftifdjie ©eelforge fudbt burc^ Sele^rung bem 9lid^th)ifjen, bem §albh)iffen
unb bem Sw^'cltbiffentDotlen, bem inteHettueßen Qrrtum unb .ber ®eh)iffen«irrung, bem 56
SCberglauben unb Unglauben, bem Sebürfen naä tieferer ßrfaffung ber ebangelifc^en
3Ba|^l^eit unb bem 3^^'f^I ^" \mm unenblic^ mannigfachen formen abju^elfen. 6«
genüge, auf bie ^aupterfd^einungen aufmerffam ju machen. Da« ®emeinf^aft«h)cfen,
ba« in raftlofer ^ropaganba faft alle Sanbe«firc^en Dcutfd^lanb« burc^^iebt, fei an erfter
©teße genannt. Die Sered^tigung freier religiöfer ®efeHigfeit ift bon born^erein anjus eo
144 Sedforge
erlennen; fte ^at bon Slnfang bc^ ß^riftentum^ an in irgcnb einer 5^^^ ejiftiert, fte ift
au^ef^roc^^encd Sebürfni« religiö^ertpeciEter unb l^rifc^ geftinimter ©eelen, il^nen felbft ein
$olt unb ^ol^c ^reubc, manc^^cn geiftUc^ Äeimatlofen eine bergenbe 3wPu4t. 35ie ^xo-
pa^anha tDürbe nid^t fo beunrul^igenb tDirfen, tomn bie offijieDe Jttrc^e bem Sebürfnid
5 forgfältiger Sfled^nung getragen f^äit^, unb c^ toürbe ber anregenbe ©etoinn für bie ®e-
jamt^eit ber ©emeinbe unbefangener gehJürbigt Serben, toenn nic^t bie ©emeinfd^aften
3)eutfc^Ianbö fid^ ju einer großen Drganifation mit berfd^^iebenen Gentren jufammen^
gefd^loflen \)ättm. 2lu^ ber fog. ®nabauer Äonferenj ift ein ftänbige^ ,,Äomitee für
eöangelijc^e ®emeinfc^aften" l^eröorgeganaen, bag burc^ fein toeittoerbreiteted Organ
10 „5pi^ilabetol^ia" bie beutfd^en ©emeinfd^aftdtreife in gegenfettiger gü^lung erl^ält. änberc
Zentren finb in (SifenacB, 83lan!enburg u. f. h>., unb (Smiffäre be« Srüberüereind unb ber
©öangelifc^en ©efeüfc^aft in ßlberfelb, ber 6rifc^ona in SSafel u. a. forgen bafür, bafe
ba^ §euer nidbt erlifd^t. SDaburd^ l^at fid^ eine 9(rt ®egen!ird^e l^erau^ebUbet, bie ber
9}erlo(fung feiten tpiberftel^t, in unb bod^ neben ber ober aud^ iviber bie Sanbedlirc^e
15 il^re eigenen ©eelforger unb ©otte^bienfte ju l^alten. 2)ie freunbltd^e Stellung, meiere bie
©emeinfd^aftgfreife SSJürttemberg« jur „Äirc^e" unb beren Organen aufredet ju galten
fud^en, finbet fid^ in anberen Sänbem too^I nic^t toieber, befto me^ aber ein au^
gefprod^eneö 3Ki^trauen, ba^ unter Umftänbcn ^u offenbarer geinbfeligleit, n\i)t o^ne
©4ulb ber lanbe^firc^Ud^en ^JJfaner, fid^ fteigert (bgl. 3)ietrid^ unb Srodte«, 2)ic
20 ^rit)ats@rbauung^emein|c^aften innerl^Ib ber eöangelif^en fiird^e 1903 ; ^ßaul ^leifc^,
^ie mobeme Semeinfc^aftdbeh)egung in ^eutfc^Ianb 1905). @ine @inn)irlung be^
5Paftor« auf bie Organifation Verbietet ftd^ bon felbft Sic ift gejd^ic^tlit^ gclDorben
unb l^at gefd^^id^tUc^ ftd^ au^^uleben, toa« um fo el^er gefd^e^en h)irb, je emfter bie Äirc^e
ba^ Sered^tigte in ber Setpegung in il^ren Seben^^au^l^alt aufnimmt. 3)ie aufgäbe
26 be« ^aftor« h>irb ftc^ borauf befd^ränlen, bie ©emeinfd^aft^leute mit il^ren religiöfen
jlröften j^um @al^ für bie ©emeinbe gu gewinnen. 9luc^ ba tDirb ed ftd^ betoä^en, ba^
gemeinfame Arbeit in ber 2)iatonie an älrmen, SBaifen, SKittoen, aSerlaffenen, ®egen-
fä^e au^gleic^^t unb bie Jper^en einanber näl^ert, toö^renb fte ben l^od|^mütigen fej)aratiftifd^en
®etft ju bäm>)fen geeignet ift.
30 3lud^ bad (Einbringen ber bunten SRenge an^ @ng(anb unb 92orbmeriIa im))ortterter
BdUn ift infofem nic^t ate Sd^äbigung ber ®emeinbc anjufe^en, aU fte ber ftunH)fen
©leic^giltigteit, biefer 3:obe^franf^eit, ein 6nbe mad^t unb ?^ragen nac^ ber gcfunben
Seigre unb bem ®runbe beö et)angelifc^en ®Iauben^ bei bielen ertoerft. Die bibalttfc^e
©eelforge h)irb nic^t bie Seltierer — fte finb meiften^ unjugängli^ — , fonbem bie
35 ©emeinbe in cura generalis, bie gefä^rbeten ®emeinbeglieber in cura specialis tn^
2luge fafjen, um mit j)ringi^iellen (Irörterungen bie Sele^rung über befonbere in bem
®efid[^tglrei« ber ©emeinbe liegenbe ©rfc^etnungen ju berbinben unb bad SRat^o^men^-
tDerte, ba^ aud^ bei ben Selten nid^t fe^lt, i^erbori^ubeben.
3)land>c ©eften, h)ie j. 93. bie jog. „ß^riftlid^e SBiffeufd^aft", berühren ein @^'
40 biet, in bem unabläffig bie bibaltifc^e ©eelforge auf bem ^lane fein mu^: \>ai in ben
niebcrftcn bi^ in bie ^öc^ften SSolfefreife toeitijerbreitete ®ebiet beg 2tberglaubeng. 9Ran
i)ai tooI;I ju unterfd^eiben gtüifc^en ^armlofen >)rot)injiaIcn ober lolalen SSoK^ebräuc^^en,
bie ^ur feften ©itte, an ber ni^t gerüttelt irerben barf, gctüorben ftnb, unb bem äbers
glauben, ber toieber teilö mit uraltem I)ämonen* unb g^uberbienft jufammenl^ängt, teite
45 in 3Wiprauc^ ^riftlicf^er Seigren unb Ginric^tungen befte^t. ^JKit bloßem Söiberfprec^
unb anerbieten ift nic^tö auö^uric^ten, um fo Weniger, ate ber gortfc^ritt ber 9laturh)iffen-
fc^aftcn gar mand^e^ al« t^örid^ter ätberglaube i5erf^)ottete al^ tool^Ibegrünbet nac^-
geh)iefen ^at. 2)er ju be!ämpfenbe ©c^aben be^ religiöfen Sebeni^ befte^t ja nic^t barin,
bafe Sflic^tjuertlärenbe^ für ma^r gel^alten unb üermcnbet loirb, fonbem ba^ reltgiöfe SSer^
50 el^rung ftd(^ baran heftet. 2)ie bibaftif(^e ©eelforge mirb ba^er ben ))ofttit)en eöanpeltfd^en
^eil^glauben ^u bezeugen traben: je mel^r biefer öobcn finbet, um fo mel^r tonrb bem
©egenftanb be^ Aberglauben^ bie rcligiöfe ^Jabrung entzogen. 3)a^ ©^toergctoic^t
faßt bamit bereite bon ber fpc^iellen auf bie generelle ©eelforge, unb btefe tritt fafi
au^fdi^liefelid^ in I^ätigfeit bem unermefelid^en ©cbiet bcö Unglauben^ unb be« 3*^^^M^
55 gegenüber. 3)enn bie 2lnftöfee, bie ben 3iod^nid)t= unb ben 5?id;tmel^rs h)ie ben SBibers
gläubigen, ben SRingenben, aui^ ©lauben^bebürfni^ 3*^<^if ^^"^^" ^i^ ^^" ^^^ feinen ^toetfeln
tofettierenbcn ^neligiöfen umtrcibcn, h)erben nur feiten ber fpejiellen ©eelforge fi$ [teilen,
toeil fie mobernen, aber auf uralten "ijiroblemen begrünbeten ©eifte^ftrömungen allgemeiner
9Jatur cntftammen. 3Q3o fie aber fiA ftellen, finb fic üortüiegenb fo inbit)ibueHer Statur,
m ben bi^ in^ fleinfte f^jejialifierten ayiffenfd[;aften ober ber 3)taffenprobu!tion bettetrifttfc^er
®fdforge Scemaimdmtffioii 145
ärt entf))run0cn, ba^ nur auf fel^r begrenztem ©ebiet ber bibaftifc^e Seelforger ouf fcftem
Soben fid^ ju bctoegen t)ermag. 2)ie \ptmüt ©eelforge ^at l^ier in bie generelle einjumünben.
®ie bem SUbung^ftanbe unb ben ernannten 93ebürfni{|en ber ©emetnbe Slec^nung tragenbe
^rebtgt be« (Sbangelium«, bie ^eranbilbung d^riftlic^er ^erfönlic^teiten in ber ßJemeinbe,
toeld^c bie Äraft be« (Sbangeliumg in SBort unb SBanbel, in ©efinnung unb %ai offen« 6
boren, bod ftnb bie 3Räi)U, bie aQem Unglauben unb ädern ^im^ü |eilfam getDa^fen
finb. Q:. d^r. «i^elid.
Seemanitdmiffioii. — „Die beutfc^e ebangelifd^e ©eemann^miffton toxü bie beutfd^en
©eeleute in ben §afen))Iä$en be« 3^ ""^ älu^Ianbe« möglic^ft bor ben il^nen bro^enben
®efa^en fc^ü^en unb für i^r geiftiged tDie leiblid^e^ äßoi^l in geeigneter äßeife forgen. lo
@te ii)VLt bied burc^ 9(nfteIIung bon Seemann^-^aftoren unb SRifftonaren, burd^ Sin-
rid^tung bon ©ecmann^^eimen unb Sefejimmem, burd^ Stb^alten üon anbackten unb
®ottc«bienften, burc^^ Sejud^en ber ©c^iffe fotDie ber ©d^lafftellen an Sanb, burc^ 9Ser-
breitung ber ^eiligen ©cprift, t)on ^rebigten, 2tnbadjit^bü(^ern unb guter Unterhaltung««
lettüre, burc^ 9lufbeh)a^rung unb £ieim{enbung be« erf))arten Sol^ne« unb burd^ möglid^fte iß
Unterjiü^ung ber ©eeleute burc^ ^at unb a^^at ol^nc Unterfd^ieb ber itonfeffion".
9lle in berSlütejeit ber $anfa beutfd^^e Jtauf^erm unb mit il^nen beutjd^e *j)tatrofen
aufzogen über« 5Dleer, ging aud^ bie gürforge für bie ©ö^ne ber ^eimat mit an Sorb,
unb richtete ii^nen in ber ^eme beutf^e ®otte«bienfte ein unb Pflege an £eib unb ©eele
nac^ ^eimif(^er ©itte. Stber nic^t al« gortfe^ung biefer bon ben SBätem übernommenen 20
gürforge für i^re ©eefal^rer fann bie beutfd^e ©eemanndmiffion angefel^en toerben. ©ie
h)urbe angeregt bur^ ba« S3eift)iel anberer 9Jationen. Der erfte Iräger ber ©eemann««
miffton tüar im änfang be« borigen 3^^^^""^^*^ ^^ englifc^er ©eemann ©mitl^, ber,
nac^ einem ©c^ipruc^^ au« toüftem Seben burd^ ba« ßöangelium errettet, fid^ jum 5pre«
biger au«bilbete unb fein Sebcn ber ^ürforge für bie ©eeleute tüibmete. Äeinen ^tvÄQ 25
ber ©eemann«miffion giebt e«, ben er ni^t in« Seben gerufen ober angebahnt ^ätte. ^n
einer Steige bon ©efeUfc^aften, toie ber Sonboner ^afengefeßfc^aft, ber British and
foreign sailers society, ber Stnglilanifd^en (ftaat«tird^li(^en) ©eemann«miffion, fanben
bie Seftrebungen ©mit^ immer Vettere 2tu«geftaltung. Salb toar ber 9Jame „©ee«
mann«miffion" ein allgemein gebräut^lid^er unb ))o))ulärer getDorben unb f)att^ feinen so
SBeg au4 ju anberen fecfa^renben ^Rationen genommen. SSJäl^renb bie 9Jorbamerifanifc^c
®efettf(^aft ber ©eemann«freunbe, gegrünbet 1828, mit ber bon ©mit^ au«gegangenen
Setuegung in Serbinbung ftanb, finb bie gleichen Seftrebungen in 9Jorh)egen, ©d^toeben,
Dänemar! unb ginnlanb feit 1864 t)on Sergen au«gegangen, auf Anregung be« ba«
maligen Äanbibaten ber Ibeologic unb fpäteren 5paftor« ©torjo^ann. 86
D. Sßjic^em ^atte fd^bn in feiner Dentfc^rift 1849 bie gürforge für bie ©eeleute
unter bie unabh)ei«baren aufgaben ber S- 3K. mit aufgenommen. 6« hergingen aber
3a^^el^nte, bi« bie« ©amenlom aufging unb ftd^ Itäftig enttDidfettc, toenn aucb fc^on
au« jener g^t fd^toat^e anfange öon beutfd^er ©eemann«miffion in £iöer^)ool, Sonbon,
Slottcrbam unb 2tntn)er^cn ju öergeid^nen fmb. 98on bcfonberer SBic^tigteit tourbe bie im ^
3a^re 1863 erfolgte Segrünbung ber beutfc^en cöang. ©cmeinbc in ©unberlanb. Dort
toar e« ^aftor $arm«, ber im ^a\)xc 1870 anfing fic^ mit grofjcm @ifer ber beutfc^^cn
Seeleute anjune^men. 6r grünbete au« ©cmeinbegliebern einen Sercin frcitoiHiger Reifer
jum Sefu^e beutjt^er ©4^iffe unb bel^nte balb barauf bie begonnene Slrbeit auf bie be«
nac^barten ßafenlilä^e an ber I^nc unb lee« au«. 35ei bem „6entralau«jc^u6 für bie 46
3nnere 3Kifpon ber beutfd^en eijangclifcben ftird^c" fanb er ben für feine Slrbcit not«
toenbigen 9lürf^alt in ber ^eimat. '^m auftrage unb mit Unterftü^ung bc« 6. 21. f. 3-3)1.
bereifte er bie großen Äafen))lä|e ßnglanb« unb grünbete berfd^iebenc Drt«fomttee«, bie
[vi) im Saläre 1884 ju|ammenfd^loffcn in bem „®eneralfomitee für beutfc^e et)angelifd^e
©eemann«miffion in ©ro^britannicn". so
Unterbeffen ful^r ber 6.91. f. 3- "äJi. fort, ba« ^ntereffe für bie Scemann«miffton in
ber $eimat ju tüedfen, unb il^r neue §ilf «quellen ^u erfd^Iieften. ^m ^a^re 1884 erhielt
er erftmalig eine größere ®abc öon Äaifer SQSil^elm, toclc^e i^m bi« ijor 3 ^af)xm aß«
jö^rlid^ bon aUer^öd^fter ©teile, unb feitbem bom 9lcic^«amt be« ^nn^xn au« ben hierfür
in ben Qiat eingefteHten 3Jlitteln jur Unterftü^ung be« ©enerallomitce« in ßnglanb ge« 66
tüäfy^ h)irb. ®« toar bem 6. 21. f. b. 3;. aR. oft re^t fc^toer bie Wxtid jur SBeiterfübrung
ber begonnenen 2lrbeit jufammen ju bringen, unb barum aud^ ganj unmöglid^, an eine
äu«be|nung ber 2lrbeit ju beuten, obmo^l üon allen ©citen feine .C^ilfc erbeten tuurbc.
^tte m bod^ injh)if(^en bie bcutfc^c ipanbeleflottc jur jmeitgröfeten in ber SMelt cnt=
3icat*lJuft)riopäblc für ^IjMloflic »»b MiiAc H. «l. .Will. jlj
146 Seemamtdmtfftoit
tüideltj unb !ann ilbr J^infid^tlid^ ber Seiftung^fäl^tgfeit !emc anbete jur Seite treten.
Äiermit toar natürltq ein fd^neffei^ Steigen ber feemännifd^en SSebölferung berbunben.
S)ie aSoflerfante lonnte ben 5iDlannfc^aftdbebarf nid^t me^r bedfen, unb bon ben 100000
beutfd^^en ©eeleuten (über 50000 auf beutfd^en ©c^iffen, nal^egu 20000 auf fremben,
6 namentlich englifd^en, unb bie übrigen unter ben Söaffen bei ber beutft^cn SWarine) ftnb
brei 3Siertel au« bem 93innenlanb^ au^ allen Äreifen unb ©d^id^ten ber Sebölferung.
(Sinen toefentlid^en 2(uffcbh)ung na^m bie3lrbeit ber ©ecmannömiffion, ate im^abre
1894 ber e^ang. Dberfird^enrat ju Scrlin ftc^ mit bem 6. a. f. 3. SK. bafelbft ju ge^
meinfamer görberung biefer ärbeit öerbanb burd^ ©rünbung be« „Äomitee« für beutfc^e
10 ebangelifd^e ©eemannömiffion in Serlin". ®iefe« Komitee, tüeld^e« au« je jtoei bon bem
ßb. D.Ä.91. unb bem 6. ä. f. 3. 9W. entfanbten 3Witgliebem befte^t, unb bei feiner
Äonftituierung fic^ ben bamaligen ^räftbenten be« 6. 2t. f. 3. 3)1. al« 3Sorfi$enben ju^
toäl^Ite, l^at bie 3lufgabe „unter gortfe^ung unb Sluöbel^nung ber feiti^erigen Il^ätigleit
be« 6. 21. f. 3. 3R, mit ben üon il^m au« ben Äreifen ber 3- 3R. gefammelten unb ben
16 bon bem 6b. D.Ä.91. burd^ itird^enlollelten aufjubringenben ^Mitteln im 2luftrage beiber
^nftan^en bie beutfd^e eb. ©eemannömiffton in ben §afen>)Iä$en be« ^n* unb älu«Ianbe«
f elbftftänbig ju förbem". 3)ie SSemül^ungen be« Äomitee«, and) bie anberen ebangelifc^
Sanbe«!ird^en, foloeit fie nid^t bem beutfd^4utl^erifd^en ©eemann^fürforge^SJerbanbe an=
gefd^lofjen finb, jur götberung ber ©eemann«miffton burd^ ©etoäl^rung bon ©«Ibmitteln
20 leran^ugie^en, finb nic^t ol^ne @rfoIg geblieben, tDenn fc^on bon bem Jtomitee beflagt
hjerben mu^, ba^ aufeer ber j}reufeifc^en £anbe«fird^e nur erft loenige ft^ entfd^liefeen
lonnten, aUjäl^rli^ unb regelmäßig feine 2lrbeit ju unterftü^cn. 3)a« Komitee für beutft^e
eb. ©eemann«miffton brandete ftd^ nun in feiner tjürforge ntd^t auf ba« ©enerallomitee in
©ro^britannien unb bie bon bem G. 21. f. 3- 3K. bi«^er unterftü^ten ©eemann«miffu)nen
25 in 2lmfterbam, 9lotterbam unb ®enua ju befd^ränfen, tooju ber 6. 21. au« ÜRangel an
aenügenben SRitteln gcjtoungen tüar. ©0 be^nte e« benn gleid^ im erften Saläre feine
2(rbeit an^ auf Konig«berg unb ^an;\ig, toofelbft bie 2(rbeit neu eingerid^tet tuurbe, unb
fd^idEte einen eignen ©eemann«t)aftor nad) fionbon. 2lud^ bie ©tettiner ©eemann«miffton
tonnte fofort in ben Unterftü^ung«))Ian aufgenommen Serben, unb im ©ommer 1904
90 fa^ fic^ ba« Jtomitee genötigt, einen eigenen ©eemann«))aftor jur Pflege unb ^örberung
ber 2lrbeit in ben $afen))lä|en ber Dftfee, unb jur görberung berfelben in ber §eimat,
mit bem ©i^ in BUüin, ju berufen. 3l"?*^ W^ ^f* ^i"^ Ö^nje Weitere 9leil(|e bon ^afen*
t)lä^en mit in ba« 9Je^ ber ©eemann«miffton l^ineingejogen toorben. 3lad} einem bem legten
Sendete im 2tnl^ang beigegebenen 9Serjeicbni« ber bem Äomitee angefc^loffenen unb toon
86 il^m unterbaltenen bejh). unterftü^ten ©tationen arbeiten auf benfelben : 8 ©eemann«*
t)aftoren im §auptamte, nämlid^ " in ©tettin, 2lnth)er})en, Seitl^, Sonbon, ©l^ielb«, 9Rar-
feiile, ®enua unb93ueno«=2lire«; 7 ©eemann«>)aftoren im ^Jebenamte, nämlid^ inSunbee,
®la«goh), ipull, 5Wanc^efter, 3KibbIe«brougl^, DJetocaftle unb Baltimore, unb 18 ©ee=
mann«miffionare unb §au«t)äter, nämlid^ in Äönig«berg, Sleufa^rtoaffer, ©tettin, Stopm-
40 l^agen, ^uH, 2it)er))ool, Sonbon, 3Ket^iI, ©l^ilb«, ©unberlanb, 2lmfterbam, Slotterbam,
2lnth)eri)en, ®enua, §cIftng«for«, Petersburg, a3ueno«=2lirc« unb SSaIj)araifo.
„©eemann«^eime" ^ä^lten tü'xx 17, nämlic^ in 5lönig«berg, ©tettin, ^uH, Sibet^jool,
2onbon, aJletl^il, ©^ielb«, ©unberlanb, 2lmfterbam, SWotterbam, 2lnth)eri)en, ®enua, ^el^
fingfor«, ^eter«burg, Baltimore, S3ueno«s2tire« unb SSalparaifo unb „Sefeummer" o^ne
46 Sogi«, in benen aber ©rfrif^ungen ^u ^aben fmb, giebt e« 8, nämlid^ in yleufa^rtiHiffer,
Äopenbagcn, ®la«goh), 2eit^, ^JRibbIe«brougl^, 3Jeh)caftIe, §artIet)ool unb ©fyang^i.
äu^erbem finben im Stuftrage unb auf üoften be« Äomite« „regelmäßige ©d^iff«befud9e"
mit „©c^riftenüerteilung" ftatt in ben fc^h)ebifd;en ipäfen: ©tocfbolm, ®efle, ©tugfunb
mit ©anbame, ©unb«i)att, ®ot^enburg mit §almftabt unb £anb«frona, ?)ftab, SWalmö,
60 ^elfmgborg unb Äarl«frona, h)ie in ben norh^egifc^en $afenj)Iä^en: ^reberite^alb, grebe=
rif«ftab, 6(;riftiania, Grammen, Sauröig, Äragerö, 2trenbal, 6^riftian«funb, ©tabanger,
Sergen, g^iftian«fanb unb 2)ront^eim unb ebenfo in SorbeauE, Barcelona, Siffabon,
9JeapeI, Seirut unb ©mt;ma. 2lud^ au« Äalfutta unb Slangon toerben bereit« Slnfänge
in ber ^ürjorge für beutfc^e ©eeleule berid^tet.
66 ^mn biefem Äomitee für beutfc^e et). ©eemann«mifrion in 35erlin arbeitet in
ber ©eemann«miffion feit 1886 ber 2tu«fd;uft ber lut^erifd^en Vereine jur fir(^Ii(^en
SJerf orgung beutfd^er ©eeleute im 2tu«Ianbe, ber fic^ im ^af)xt 1903 al« „3Serbanb
beutjd^4ut^erifc^er ä^ercine f. 3. 5)1. jum ^wci ber ©eemann«fürforge" ober ftlrjcr, ate
„beutfd;'Iut^erifc^er ©eemann«fürforge=iWrbanb" !onftituiert Ijat. 211« im S^^re 1886 bie
60 berbunbenen tut^erifd^en Sßereine für §. St. fid^ nac^ einem gemeinfamen moeitdfelb um«
Seetnamidmtfftoit 14?
fa^en, toä^Iten fte l^icrju auf "Siai unb SSeranlaffung be^ 6. 31. f. S- '3)1. bic ©cemann«^
miffton unb übernahmen junödbft bte gu bem (Seneralf omitee in @rog6rttannten ge^örenbe
©tatton ßarbiff, ju ber 1890 cie Station in ilat)ftabt ^injufam. 1891 nal^men fte bie
ätrbeit in Hamburg auf unb ))on 1896 ab in ®eeftemünbe'Sremer^at)en. ipter l^aben
fie bie bebeutenbfte aUcr aUgemeinen SBo^lfa^rt^einrid^^tungen für ©eelcute an ber Unter* ß
tuefer gefd^affen. ^n älltona tourbe eine ©Ziffer- unb gifc^erftube unb in Äiel ein Heiner
©eemann^l^eim eingerichtet. 2)ie 2lufh>enbungen beiber Äomitee^ für ©.-9Jl. beliefen fic^
im legten "^al^xt jufammen auf mel^r benn 120000 3)lf. — $ier finb auc^ noc^ ju
nennen ber „©eemannd-^Riffion^sSerein" in Sarmen, ber SSerein ,,©eemanndl^eim" tn
Stuttgart unb ber SSerein „©eemann^^eim" in Serlin (®räfin ©d^immelmann). lo
SDer bie Slrbeit ber ©eemann^mijfton bebingenbe 5Rotftanb unter ben ©eeleuten ift
junäc^ft ein lirc^Iid^er unb religiöfer, bann aber auc^ ein fittlid^er unb fojialer. '^n
feinem gefäl^rlid^en t)erfuc^ung§reiÄcn unb anregung^armen Berufsleben entbehrt ber ©ee*
mann ben ^eilfamen ©influ^ ber Äird^e h)ie ber gflmilie unb ber §eimat, unb ba er nun
in ber %xtmht unbefannt unb unerfannt fein SJBefen treiben fann, n)irD er um fo leichter 10
eine Seute ber bielen SSerfuc^ungen unb aSerfül(^rungen jur ©ottloftgleit, 3Serf(^h)enbung,
Unftttlid^Ieit unb Defertion, h)ie fte in fd^lcd^ter ©efcHfc^aft an i^n herantreten, unb t)on
fielen getoiflenlofen §euer= unb ©c^Iafbafen in raffinierterer SBeife ibm bereitet toerben.
2!)ie Eigenart beS beutfcben S^oralterd unb ber beutfd^en ^römmigleit (verlangt, bag
bie ^Jürforge für il^n auf nationaler (Srunblage unb in beutfc^em ®eifte betrieben toirb. 20
SlDe 98erfu(^e, jufammen mit anberen Stationen eine gemeinfame ©eemanndfürforge ju
toeranftalten, ftnb an bem ftarten ^eimat^efül^l be« beutfc^en ©eemannS gefc^eitert. ©0
gilt eS benn öor allem „beutfc^e ©eemanndl^eime" einjurid^ten. SBaS bie i^erberge gur
^eimat ift für ben Sßanberer gu Sanbe, ein SSoltegaft^auS mit d^riftlid^er ^auSorbnung,
baö bur^ Drbnung, ©auber!eit unb billige S8erj)flegung ben Sebürfnijfen einfad^er 26
Sleifenben genügt, ba« ift ba« ©eemann«l^eim für ben ba« toeite SJteer befa^renben ©ee*
mann. @« fc^ü^t il^n \>ox Serfud^ungen unb Ausbeutungen fc^limmfter 2(rt, e« öerfc^afft
i^m guten 98erfe^r unb anftänbige Unterhaltung. $ier füT^lt er fid^ l(|eimif c^ al« gamitien«
glieb am a^ifd^e ber ipauSettem. 3)a« ©eemannS^eim mit feiner Äa))elle ober feinem
Setfaal ift aber aud^ be« ©eemann« Äird^e im frembcn Sanbe. §ier ^ört er ba« teure ao
(Söangelium in feiner 3D?ulterft)rad^e, l^ier gel^t il^m ba« $erg auf beim ©ingen ber alten
t)on feiner Jtinbpeit i^m Vertrauten Jlirc^enlieber, ^ier tann er feinen @ott loben unb ii^m
bauten mit feinen 2anb«lcuten in beuHd^er 3""Ö^- ^^^ *^^^^ ^N ^"^ ^^ 2:if(^ be«
ätltar« gebedtt, unb ^ier em>)fängt er Gräfte be« neuen Seben«. Unb loie öiele tommcn
banibar jum beutfc^en ®otte«bienft! 3iki)x benn 14000 in einem ^af)x^ allein auf ben 35
Stationen in Snglanb.
353o e« no(^ nic^t möglich ift, ein ©eemann«l^eim eingurit^ten, ftel^t bem ©eemann
für feine freien ©tunben ba« beutfd^e „Sefejimmer" offen. ®a er l^ier h>ie im ©eemann«*
^eim ©rfrifc^ungen finbet, ift er nun unabl^ängig öon ben fd^lec^ten ^erbergen unb
Käufern, in toelt^en ben ©eeleuten oft in tüenigen lagen, ja ©tunben i^re ganje @r- 40
fpamiffe, oft l^unberte t)on 3)larf , abgenommen toerben, auf n)clc^e ba^eim SQSeib unb Äinb
ober alte (Sltern fd^on feit aJlonaten, ja oft feit S^^rcn fd^merjilic^ loarten. $ier finbet
er nac^ oft monatelanger ©ntbel^rung geiftige 9?a^rung. ^ier ertoarten i^n ©riefe au«
ber ^eimat l^ier lann er ungeftört an feine Sieben in ber §eimat fc^reiben. ®ar mancher
^t unter bem ©influfe be« §au«k)ater« öon l^ier au« ba« feit ^ai)xm jerrifjene 83anb mit 45
'JSater unb SKutter, mit ffieib unb Äinb h)ieber angefnü^ift. 2)er §au«t)ater üertoal^rt
i^m feine 6rft)arnif|e, ober fc^idtt fie an bie ©einen in ber §eimat, er beforgt il^m Älei*
bung unb 3lu«rüftung, er öerfd^afft i^m ©tellung auf einem guten ©c^iff. 3Rc\)x benn
200000 ÜJlarf h>erben jä^rlid^ öon beutfd^en ©eeleuten ber ©eemann«miffton jum 3tuf*
betoa^ren unb jum $eimfenben übergeben, eine ©umme, bie ol^ne i^re §ilfe ein Dp^tx 60
be« Sei^tftnn« unb aSerfü^rung gen)orben h)äre. SSon größter SBid^tigfeit ftnb bie
„©(^iff«befu(^e". 2)a« ift eine §auj}taufgabe ber ©eemann«*$aftoren unb 5!)hfftonare ben
©eeleuten auc^ auf i^ren ©d^iffcn fcclforgerifd) gu biencn, \l)mn erbauung«- unb Unter-
^ltung«litteratur ju bringen unb i^ren 3^at unb Jpilfe in ber grembe anzubieten. SBo
e« angebt, h)erben auc^ 3lnbad^tcn unb ®otte«bienfte an Sorb abgehalten, aHcrmeift aber 66
mufe pc? ber SSefuc^er barauf befc^ränfen, junt Sefud^e ber ®otte«bienfte foh)ic be« ©ee*
mann«l^eim« unb be« Sefejimmer« cinjulaben. Slber aud^ an Sanb ge^t bie ©ccmann«*
miffion bem ©eemanne nad^ unb f ucf^t i^n auf in feinen ©c^laffteHen, um i^m if^re §ilfc
unb 3)ienfte anzubieten, unb gang befonber«, tomn er in« ®efängni« geraten ober franf
im 2ajarett aufnähme gefunben l^at. ®erabe an ben beiben lefeten Drtcn toirb ber SSefucb 60
10*
150 Segen stnb ^^Ittd^
c) @inc bcfonbetc SRoKe unter ben ©egenöl^anblungcn fd^eint bie §anbauflegung 0ef))iclt
ju l^aben. SDäcnigftcngtoirb tn®en27. 48, 14ff. grofeetffiert auf fte gelegt. S^^rSinn fann
öon §aufe auö bod^ tool^I, nad^ ber SRoKc, bie fie eben beim ©egnen f}ai, nur getoefen
fein, bie befonbere Äraft, hjelc^e bem innetool^nt, ber fegnet, auf ben ju ©egnenben über«
6 juleiten. "^an fielet barau« jugleic^, bafe ber ©egnenbe (unb fo natürlich über^auj)t ber
Ootte^mann) al« ^ni^aber einer ©ottl^eit, bejh). göttlid^en Äräfte, bie übertragen toerben
fönnen, gebac^t toirb.
d) 93efonberg i^äufig aber h)irb Segen unb ^lud^ fid^ an bie l^eiligen §anblungen
felbft angefc^Ioffcn l^aben, \>ox allem bag Djjfer. , Seim Di)fer ift man o^nel^in ber ©ott^
10 l}tii nal^e; e« bient baju, ba« SBol^Igef allen ber Überirbifc^en auf ben ÜJlenfd^en l^erabju=
leiten unb fie il^m günftig ju ftimmen; fo öerftel^t e« ftd^ faft öon felbft, bafe man biefen
3lnlafe benü^t, ©egen ju erlangen ober %lüd)t befonber« Iräftig ju machen, ©o lefcn
h)ir in iWi 9, 27, bafe bie 33ürger t)on ©ic^em il^r geft baju benu^ten, bem i^nen öcr=
l^a^tcn aibimeled^ ju fluchen. 3)ie S^eyte^hjorte: „fte afeen unb tranfen unb fluchten
16 aibim." hJoKen fd^hjerlic^ blofe fagen, bafe bie Erregung ber geftftimmung unb be« 3Bein-
genuffc« fte ;ium SSerflud^en be« äbim. fortrife, fonbem jtoifd^en %t\i^txn b. 1^. feierlichem
£)})fer unb bem Slfte be^ 3Serfluc^en^ beftel^t ein innerer 3wfammcn^ang. 3)cm ent=
f))rec^enb l^at benn aud^ Sileam bei feinem 35orl^abcn S^rael ju öerflud^en öor allen
3)ingen barauf ju achten, bafe erft ®ott reic^Iid&e Dt)fer bargebrad^t hjerben 9?u 23, Iff.;
20 äl^nlid^e« pnben toir bei ben 3lrabem im ältertum (©ettl^. a. a. O. 133) unb bei ben
S3etool(inem ©^rien« unb ber angrenjenben Sänber bi« auf ben l^eutigen 2:ag (ögl. ßurtip,
Urfemitifd^e Sleligion 204. 208 f. 2 19 f. u. ö.: man o})fert ein 2ier ober t)oBjie^t fonft
l^eilige Eliten „für einen ©egen"). 6in S3eifj)iel eine^ ganj fj)ejififd^en glud^ritug, eben=
faHg mit Dpfer öerbunben, befi^en toir innerl^alb be« 312^ in 9cu 5, 11, h)o ber feinem
26 SQBeibe mifetrauenbe 3Rann il^r einen fluc^bringenbcn 3:ranf ju trinfen giebt, über ben
fd^toere Sertoünfc^ungen gcfjjroc^en unb in ben fold^e aud^ äufeerlid^ (jB. 23) gemifc^t
finb. 3ft fie fc^ulbig, fo toirb ber 2ran! fie öemic^ten, hjar fie treu, toirb er nid^t fc^ben.
e) 33ei| ber le^tgenannten 3lrt öon ©cgen unb glud^ Rubelt eg fid^ bereit« um
äufeerungen, bie, hjenn aud^ burc^ l^eilige ^anblungen belräftigt, bod^ toefentlic^ burc^
90 ba« menfd^Iid^e SBort fic^ öolljiel^en. ©o toirb benn überl^au})t ba« SQBort ba« toic^tigftc
SKebium be« ©egnen« unb ^lu^en« getoefen fein. 3itan „fprid^t" einen ©egen unb
fjluc^ au« über jemanb ober ethja«. 6« fann biefe« ©prec^en in ber fjorm be« magi=
fd^en „Sefpred^en«" fic^ t)oIIjicl^en, e« fann aber aud^ bie gorm be« rein geiftigen ©e=
bete« annehmen. 3luc^ biefer %aü trifft im 312: auf ben l^öl^eren ©tufen feiner @nt=
36 toidfelung ju, unb l^ier ift bann ber ©egen übergegangen in bie gorm be« Oebete«,
genauer be« betcnben ©egen«h)un|c^e« unb äl^nlic^ ber gluc^ in biejenige ber feierlichen
Sebrol^ung unb be« Slnfünbigen« toon ©c^äbigung im Flamen ©otte«, bejh). be« Srbeten«
öon folc^er bei (Sott.
f) ^ür bie erftere gorm ift ber fc^on genannte Sileam unb bie ganje Slrt feine«
40 auftreten« t^pifcb. (gbenfo fann an bie gluc^toorte unb ^formeln öon 9lu 5 errinnert
tüerben. ^^^^f^^^o« l^at biefe Slrt be« ©egnen« unb glud^en« im 9!olf«glauben unb ber
3Solf«religion S^wel« eine grofee Stoffe gefpielt, junäc^p in ber älteren 3rit 3^tael«, aber
and) in manchen Greifen bi« tief l^inein in bie pro^jl^ctifc^e 3^^ wnb ex\)m\d) über fie
l^inau«. a?ßie überaff in ber SBelt, fo toar auc^ in 2j«rael 5Ragie unb Slberglauben nie=
46 mal« ganj au«^urotten. ©etoife ^at man fid^ babei — laut au«gef})roc^en ober im ©tiffen
— ni^t feiten noc^ afferlei anbere ""JRäd^U al« '^a\)^c toirfenb gebadet, öor allem too^l
bie 2otengeifter unb 2l^nen, togl. 1 ©a 28 unb bie toielfad^e ©rmä^nung ber loten-
befc^tüörung. 3lber im gan^^en toirb ©egen unb glud^ innerhalb be« 31% bo^ auf Sfi^H
jebenfaff« auf ibn ^au})tfädbltd^ unb in crfter 2inie, gurüdfgefü^rt, h)ie ja aud^ §. ®u^m
60 in feiner ©c^rift über bie böfen ® elfter im 312 (1906) annimmt, bafe il^re Sebeutung
in ^^xad im 3Scrgteic^ mit anbern orientalijc^en SReligionen eine im ganjen mäßige toor.
$^nbem fo in ber §au})tfad^e an ^al}\>c feftgel)alten toirb unb inbem neben ber§anblung
ba« 2Bort im 5Wamen ^aböe« ftarf bieCberl^anb behält, finb m. g. jtoei tüefentlid^e 5al=
toren gegeben, bie ber i^ergeiftigung be«©cgen« unb gtud^« in bem öorl^in befc^riebenen
56 Sinne günftig finb.
g) 3ln fie bürfen \v'xx bereit« benfen, trenn bon ©amuel gefagt ift, bafe er beim
Cjjferfefte, e^e bie 2eilne^mer jur D})ferma^l^eit fcbreiten, ben ©egen über ba« 9Ka^l
f>?nc^t (1 ©a 9, 13), ober tüie e« t?on 3)atoib beifet, ba§ er (^ier al« ?ßriefter fungie--
renb), nac^bem ba« D))fer bolljogen ift, ba« SSolf im 9Jamen 3o^t>e« fegnet. SD3ie fold^e
60 ©egen«fprücf^e, bie einfacf^ al« betenbc STÖünfcf^e ^u benlen fein ioerben, gelautet ^cn
Segen nnb Sfhid^ 151
mögen, erfel^en toir für befonbere 2lnltegen au« 1 ©a 1, 17 ober ©en 24, 60. ®ort
ruft ber ^riefter ßli ber betenben ^anna ba« tröftenbe ©ort ju : ,,®el^' l^in im grieben ;
ber ®ott 3«raete toirb bir getüöi^ren, toa« bu öon il^m erbeten j^aft!" §ier hjirb bie
au« bem eitem^aufe fd^etbenbe Slebeffa öon tl^ren Srübem mit bem ©egen«h)unfd^
entlaffen: 5
©c^toefter, mögft bu toerben — ju 2^aufenben öon 3R^riaben,
Unb bein ©ame beft^e — - bie 3:l^ore feiner geinbe!
3)enfelben ßl^arafter eine« ©egen«h)unfc^e« bei bejonberem 2tnlafe l^at bie längere
Siebe in 1 Äg 8, 15 ff., toeld^e ©alomo bei ber ©intoeil^ung be« öon i^m erbauten
%tm\>A^ an ba« 3?oIf ^ält. Sffial^rfc^einlic^ entl^ielt ber ur|})rünglic^e Seric^t (bgl. 33. 14) lo
bie il^tfad^e, bafe ©alomo äl^nli^ toie 3)abib (f. o.) ba« 3SoIf fegnete unb tool^I ben
3nl^alt be« ©egen« in gorm eine« furjen ©egen«ft)ru(^c«, ber ba« ®egenftücf ju bem
unmittelbar öor^er (S8. 12) mitgeteilten 3Bcil^ef))ruc^ bilbete. 3lber h>ir ^aben aHe ©rünbe,
anjune^men, ba^ auc^ oj^ne befonbere 3SeranIaffung, alfo bei jebem Di)ferfefte unb jeber
geftt)erfammlung ber ^ricfter ben ©egen über bem SSoIfe au«fj)rac^. 6r l^at too^I nid^t 15
^u aüen Reiten gleich gelautet, aber fefte liturgifd^e fjormen toerben frül^ angenommen
tüorben fem, unb fo mag ber un« im ^rieftergeje^ (5Ru 6,24—26) aufbetoaj^rte ©egen«*
f))ruc^ fcpon lange öor ber Slbfaffung be« (Sefe^e« m feiner heutigen ^orm üblic^ getoorben
fein. ®r lautet:
®« fegne bic^ ^af))i>t — unb er bebüte bic^! 20
®« laffe leuchten ^af)\>^ fein Slntli^ — über bid^ unb fei bir gnäbig!
@« erl^ebe ^a\));>z fein 2lntli^ über bic^ — unb fc^affe bir »Jrieben!
©benfo finb auc^ bie glüd^e gemeint, bie ©alomo in 1 Äg 8 über ^^xad, fall« e«
bon 3iö^t)e abfallen foHte, au«f}md^t, ober bie in mand^en 9lad^e})falmen au«gef))roc^enen
Serhjünfc^ungen ober bie ©egen«= unb ^luc^ioorte in 2)t 28 u. a. 26
4. fragen toir nad^ ben ^erfonen, benen bie ®abe ju fegnen ober ju ftud^en be*
fonber« ju ®ebote ftel^t, fo finb e« natürlich in erfter Sinie biefelben, bie auc^ fonft jur
®ottl^eit in naiverer 93ejiel^ung ftel^en al« anbere, atfo bie ©el^er unb ^ricfter, überl^auj)t
bie ®otte«männer. Demgemäf; ift ber ©e^er Sileam befonber« baju geeignet, 3«rael
ju öerfluc^cn. 3)emgemä| fegnet ©amuel ba« Dj)fer, 3Jlofe bei feinem 2:obe fein 9Sol! ao
(3)t 33), ber ^ßriefter bie ®emeinbe. I)emgemäfe l^at aber auc^ ber 5'"^/ ^^" S^fua
über 3erid(^o (3of 6, 26) unb eiifa über bie Rmbzn toon 93etel au«fpric^t (2 Äg 2, 24)
befonbere Äraft. 2lud^ bei ben Strabern gelten bie ©e^er unb ^riefter al« mit befom
beren ®aben ber aBei«fagung unb be« fürbittenben ober flud^enben ®ebete« au«gerüftete
aWenfc^ien (SBett^. 9tefte* 138). — 86
6ine befonbere SÖBirlung fc^rieb man femer bem ©egen ober gluc^ ©terbenber ju.
2lud(^ l^ierju finben ftc^ aufeer^alb 3«rael« parallelen (3Belll^. a. a. D. 139, 2lnm. 4).
2)er ©terbenbe ftel^t fo^ufagen ber ©ottbeit naiver al« bie anbem; bie ©eele ift fd^on
mit einem ©c^ritte au« ber l^erbinbung mit bem Äör})er entlaffen unb fd^toebt fd^on l^alb
frei uml^er, erl^aben überSlaum unb 3^it unb berÄlaffe ber ^öl^eren, überirbifd9en SBefen 40
ücrtoanbt. ®en ©d^lüffel für ba« ^erftänbni« biefer SSorftellung toerben toir toal^r*
f(^einlid(^ barau« ju entnehmen l^aben, bafe t)or allen bie fterbenben Sll^nen ©egen ^u
fpenben unb %l\i6) gu »ermitteln im ftanbe finb. ©0 fegnet ber fterbenbe 5Rofe fetn
Sßolf (3)t 33), fo teilten bie fterbenben ©rjtoäter ^faaf unb Salob toor i^rem ©d^eiben
teil« ©egen teil«gluc^ au«, ®en27, 10 ff.; 48, 8 ff.; 49, Iff. 5Der 3ufammenl^ang mit 46
ber 3SorfteHung, bafe ber geftorbene Sl^n^err al« eine 2lrt ^ö^eren SBefen« fortlebe, ift
^ier faum ju toerfennen. 3jm 'iöiomente be« l^erannal^enben iobe« ift er bereit« auf bem
SBege, jene« l^öl^ere SBefen ju toerben unb be«^alb mit biefen Äräften au«geftattet. ®o<^
l^ot biefe SloUe nic^t blofe ber fterbenbe äl^n^err; fotool^l ber 3ll^nl^err für ftd^ tann im
befonberen SRafee fegnen unb fluchen al« ber ©terbenbe für ftc^: bie urfprünglid^ gu= 50
fommengei^örigen SorfteHungen ixtnnm fic^ unb erlangen felbftftänbige ©Eiftenj. ^um
teueren t)gl. ben fterbenben 5Jlofe (f. 0.), ^uin erften ben fegnenben unb flud^enben 9loa
@en 9, 25 ff., auc^ ©ir 3, 11 („be« 58ater« ©egen ... ber 3Jlutter JJluc^").
30 toeiterl^in erlangt bann jeber beliebige unter befonberen Umftänben bie Äraft
©egen unb %lnä) — befonber« le^teren — toirf ung«!räftig au«5ufj)red^en. 3Q3a« ^ier al« ®nmb 66
angenommen toirb, läfet fic^ nic^t immer fagen. 3)ie 2lraber erfldren: toer in gerechter
Sntrüftung flucht, ^abe bamit ©rfolg (2öell^. a. a. D. 139). §ier toirb tool^l angenommen
fein, bafe bie ®ottl^eit ber Verfolgten unb ungerecht Seibenben fic^ il^rer im befonberen an^
ne^me unb fo i^ &^i^ unb i^ren gluc^ erhöre. 3luc^ für 3«rael mag biefe ©rflärung
jutreffen, infofem gätle toie 2 ©a IG, 5, tx)o©imei in Erinnerung an getoiffe 5Wa^rcgeln eo
152 Segen ttnb ^Ittd^
Daöibö i^m flucht, ober 2Sa21, Iff., h>o bie ©ibeoniten in geredetem Rom überSaute
Xreubruc^ ^^rael fluchen, ftd^ rec^ttDol^I fo ttlläxm laffen. 9(ber audreid^en h>irb bie@r:
Ilärung nid^t. 3)a« SBort $r 27, 14: „h)er in ber 3Rorflenfrül^e feinen 5läd^ften laut
fegnet, bem h)irb c« ate gluc^ gerechnet" mag un« bie ®p\xx toeifen. ®ie SKorgenfrül^c
6 unb bie laute ©timmc fönnen tüol^l nur ba« unborjtc^tige Slül^men be« fjreunbe«, ben
man glücftic^ pxtx\t, im ©inne l^abcn. ®in folc^eö fommt aber bem gleich, toa^ teir l^eutc
noc^ „cth)a« berufen" nennen. 6in fold^c« Serufen h>erft bie finftem, fd^abenben 3Räd^te
bejU). e« ruft fte l^erbci, mac^t fie auf ein D))fer aufmerffam unb läfet fie gleid(^fam auf
e^ lod. @D tDirb jene SSorfteQung auc^ in ^^rael gu beuten fein; unb lt>enn mancher
10 %lnd) aui) eine« getoöl^nlid^en 3Ranne«, unb felbft h)enn er feinen geredeten ®runb jur
©ntrüftung l^atte, emft genommen h>urbe, fo mag jene unl^eimlic^e, and) in ^ixad nie
gam übertDunbene 3lngft toor im 3)unfeln i^r SBefen treibenben böfen ÜWäc^ten babei
mitbeftimmenb im Spiele gehjefen fein. — 6ine äi^nlic^e SorfteUung h>irb )n>of)l and) in
ber merftoürbigen ©d^ilberung bei ämo« angenommen toerben muffen, h>o er 6, 10 eine
15 ©eud^e, tool^l bie ^eft, bef($reibt unb fagt, bafe in einem ^aufe alle Setoo^ner l^in-
gerafft h>erben foUen bi« auf einen, gragt berjenige, ber bie Seiepen h>egjufd(^affen fyit,
ben Seiten, in einem l^intem Söinfel beö §aufe« ©i^enben: Sft nod^ jemanb bei bir?
fo antwortet er: „niemanb", unb fügt bei: „©tille! man barf ja ben 9Jamen 3öl(^^eg nid^t
au«f)3rcd^en!" ga^öe toütet al« SBürger burc^ bie $eft im §aufe: ber le^te nod^ lebenbe
20 3nfaffe fürd^tct, ba« blofee Slennen be« ^al^öenameng möd^te ben jürnenben (Sott l^erbei--
rufen unb auf il^n aufmerifam mad^en, unb fo il^m 9?erberben bringen. 3)arum bittet
er, ber anbere möge lieber überl^au))t nid^t reben.
5. 3)amit Serben h>ir öon felbft nod^ auf bie gtage gefül(^rt : toeld^e« bie SBirtung
bon©egen unbglud^ im 33eh)ufetfein be« altteftamentlic^en ^olfe« toar. Slud^ l(^ier toerben
25 toir ju fc^eiben babzn ^toifd^en nieberer unb l^öl^erer 33etrac^tung«h>eife fd(^on im SU. 6«
finben ftc^ nic^t tpenige RäUe, in benen ©egen unbgluc^, fmb fie einmal au^efprod^en,
aU ein blinb fic^ audh)irlenbe« 93erl^ängnid erfc^einen, gleic^fam atö ein 3^<^"d/ ^^ ^^f
bie ©ottl^eit ausgeübt ift, unb bem fie, felbft toenn fte toottte, ftd^ nic^t ol^ne Weitere«
entjiel^en !ann. §ier toirb ba« Sanb unberfennbar, ba« h)ie oben au^efü^rt, aud^ im
80 Sia: noc^ ©egen unb gluc^ mit ber l^eibnifc^en 3Jlagie unb Räuberei öerbinbet. Seif})iele
für bag ©efagte ftnb leicht jur ßanb. 9Ran benfe an ^]aat in ®en27,33ff., ber, nad&=
bem er ^alob gefegnet l^at, erfährt, \>ai ber jüngere ©ol^n ben ©egen be« ®rftgeborenen
erfd^lic^en |^at unb barob erfc^ridft, toeil ber einmal au«gef))rod^ene ©egen nun nic^t
mel^r rücf gängig gemacht toerben fann. ®r mufe auf ®faud Sitte: „©egne aud^ mid^I"
35 erllären: „3)ein 33ruber l^at bir ben ©egen toeggenommen!" Ober man benfe an bie
airt unb 3Beife, tote Sileamö ©egen unb %lüd) toirffam gebadet toirb. SBegen einer
blofeen SSerhJünfc^ung mit SBortcn ^ätte ber ^^xad feinblid^e ftönig Salaf e« fic^ nid^t
fobiel foften laffen, toie er t^ut, ben 3<i"^^w 33ileam au« toeiter gerne ^erjul^olen.
(Sbenfotoenig lüürbe fid^ feine ©orge unb (Sntrüftung erflärcn, al« ftatt be« erl^offten
40 ^ud)^ über :5«rael ein ©egen^toort an^ Sileam« ?Dlunbe fam. S^m finb bie SBJorte
Silcam« toon ^^btoe geleitete reale SJläd^te, lebenbige Slealitäten. 6r benft alfo (bejto.
e« lä^t i^n ber 58erfaffer ber ßr^äl^Iung benfen) ganj ä^nlit^ toie nac^ ber oben ge=
nannten erjöl^lung ^\aat benft, toee^atb bem Äönig aud^ baö SBort in ben 3)lunb ge^
legttoirb: toen bu fegneft, ber bleibt gefegnet unb toen bu öerfluc^ft, ber bleibt berfluc^t
46 (22, 6).
2)emnad; toirb in l Äg IG, 34 berichtet, bafe ein getpiffer §iel au« Setl^el ba«
jerftörtc unb mit einem fc^toeren glud^e belegte ^erid^o nur toieberaufbauen fonnte um
ben ^rei« feine« älteftcn unb feine« jüngften ©o^ne«. ©o forberte e« ber alte %lad)
(3of (), 26), unb um i^n ;;u erfüllen mufete ber ©rbauer feine beiben ©ö^ne l^ingeben.
50 ßinen befonber« beutlid[?en ßinblicf in biefen ®lauben ber ^tii gewinnen ton: burd^ gtoei
(Srjä^Iungcn über 2)abib: 2 ©a 21 unb 1 Äg 2, Iff. 2)ie erfte fagt un«, bafe ©aul in
blinbem ßifer bie burd^ alten Vertrag in i^rer ©elbftftänbigfeit gefc^ü^te SBebölferung
toon ©ibeon, lücil fie fid^ feinem SBillcn nicbt fügen tooHte, ^abc ^inmorben laffen. ®ie
SJIutfd^uIb unb ber glud^ ber (Srmorbeten bejh). ber Übcriebenben fommt nad^ ©aul«
55 lobe in einer 3)ürrc unb Hungersnot über ^«rael. 3!)atoib ift bereit, ben überlebenben
®ibeonitcn ju getoäl^rcn, h)a« fie irgcnb Verlangen, benn er ift überzeugt: ber %lud^
lüirtt unfel^lbar fo lange fort, bi« er in ©egen toertoanbelt bejto. jurüdfgenommen toirb.
"ilod) bcutlid^er tritt ber ©ac^öerhalt in 1 .Hg 1. 2 gu tage. 2)atoib befiel^lt bor feinem
(Jnbc ©alomo, er möge an ^oab unb Simei ^ac^e nehmen. SBie man biefen Sefe^I
60 neuerbing« nxel^x^ad) gebeutet hat, ift im 3lrt. „©alomo" bargelegt. I^atfäd(^lid^ f)at er
Segelt ttnb Sflnd^ 153
nic^tö Sefremblic^e^, tomn man ben (Stauben an bie unbebingte Slu^hjirfun^ be« Sludge«
berüdffid^tigt. 33ri ©imei h>irb c« bireft acfagt (2, 8), er l^abe t)or g^ten einen fd^toeten
%lud^ über ^abib au^efto^en, unb nac^^er bei fetner Einrichtung l^ei^t eS au^brüdlid^,
burc^ fte ^be ^ai^be feine So^l^eit (b. \). ben ^(uc^) auf fein ^avöpt lommen laffen,
@aIomo ober foDe gefegnet fein b. ^. t)on i^m fei nun ber ^lud^ genommen unb fomit 5
in ©egen getoanbelt (2, 44). 3)arau« ergiebt fid^: ber toon ©imei gef))roc^ene giuc^ ift
für 3)at)ib, troftbem er ftc^ bidi^er nic^t erfüllt l^at, nic^t tot. 6r lebt Leiter unb mufe
ftd^ eine« 3:agc« augtoirfen — toenn nic^t an 3)abib felbft, fo nac^ feinem 2:obe an
feinem ^aufe. @r (ann ftd^ aber aud^ fo audtoirlen, ba^ er auf ©imei felbft jurüdffäQt
unb i^n k)emi(^tet. SSgl. meinen Jtomm. ©. 16. ^ei ^oab anbererfeit« liegt eine rid^^^ 10
tige Slutfc^ulb öor, ber %aü liegt alfo l^ier für Daöib öi^nlic^ h)ie bei ben ©ibeoniten,
ba bie Slutfd^ulb unb ber %lnd) be« Srmorbeten tl^atfäd^lic| auf il^n jurücffaUen tonnen,
toeil bie a^^at unter Umftänben gefd^e^en ift, nad^ benen fte Daöib felbft jur Saft faDen
lonnte (ögl. m. Äomm. ©.15). (Srft loenn ba« Slut ber ßrf^Iagenen auif 3oab«^aupt
gefommen ift (2, 32. 33), fülj^It 3)aöib ftd^ bejjft). nac^ feinem 2:obe fein $au« frei toom is
glucke: je^t l^at ber giud^ ft^ au«geh>ir!t.
6. ^ber f 0 rüd^altlo« biefe 3(nfc^auung k)on ©egen unb gluc^ al« im 912; k)or^anben
anerlannt toerben mufe, fo tpenig ift fte bie einzige. 3nbem, h>ie oben gejeigt (t)gl. 3.
e — g), ber ©egen unb tJIwcJ&z befonber« ber erftere, mel^r unb mt^x ben ßl^rafter be«
©ebete« ober be« ®ebet«h)unfd^e« an bie ©ottl^eit annimmt, getvinnt er t)on felbft eine 20
geiftigere, unb toie ba« ®ebet überl^aiHJt im Unterfc^ieb toon ber göuberei, mel^r unb me^r
eine fitttic^ öermittette Söeife. 6« liegt ba« öon felbft in bem ßi^arafter unb ber ftd^
im Sauf ber 3^^ immer tooHfommener burc^bringenben 2:enbenj ber ^oi^öw^ligion, h>omit
natürlid^ 9lüdCfölle ith einzelnen in bie unt^oUfommenere älnfc^auung ober fortleben ber-
felben in einzelnen Äreifen nic^t au«gef(^loffen ift. 25
3)emna(9 hjerben toir auf ben $5^e})un!ten ber i«raelitifd^en Sieligion unb in i^rem
weiteren SBerlaufe jene magifd^e 2luffaffung be« ©egen« unb gtud^e« al« im ^rinjij)
übertounben annel^men bürf en, aud^ too einzelne äufeerungen berfelben nod) f ortloirlen, unb
bie ^olge babon ift natürli^ h>eiter, ba^ auc^ ber ^n^alt be« ©egen« mel^r unb mebr
in bie©))^äre ber l^öl^eren, geiftigen ©üter öerlegt toirb. ©0 ift ber befannte ^jriefterlidpe so
©egen öon 9?u 6 o^ne 3*^^if^f ^^^ i*^ 3lrt t)on ©egnung, bie l^öd^ften ©üter h>ie
©otte« ©nabe unb ^rieben mit eingefd^loffen, berftanben toorben. ßbenfo h>irb er (mag
er eth>a urf^jrünglic^ anber« gemeint getoefen fein, togl. ben 3lu«brudE 6, 27: „er foU ben
9iamen ^af)\)ti auf fte legen") h>efentlic^ im ©inne eine«, h>enn aud^ au« bem 5Runbe
be« ^riefter« befonber« fräftigen, ©ebet«h>unfc^e« berftanben toorben fein. 3)a«felbe giltss
in nod(^ l^öl^erem ©rabe t)on Sffiorten toie: „in bir foüen ftc^ fegnen alle ©efd^led^ter ber
@rbe" (©en 12, 3 ö^l. 18, 18 u. a.). 3lad) einer minbeften« toielfai vertretenen 3)eutung
bebeuten biefe nid^t ein unmittelbare« ©efegnettoerben (ögl. ba« 5Rifal), fonbem bafe bie
aSöUer fic^ felbft benfelben ©egen antoünWen, ben 2lbral^am erlangt ^tte. 3)a« ©ic^-
©egnen bejeid^net bann l^ier öon felbft ben ©egen«n)unfd^ ober ba« ©ebet um ©egnung. 40
Sbenfo h>erben ^ier^er m red^nen fein ätu«fagen toie 2 6l^r. 17, 27 „toa« bu §err
fegneft, ba« ift gefegnet für immer".* ^Wax gel^t ba« SßJort jurüdt auf 2 ©a 7, 29, too
e« 3^^^ fl« ^i^ SSer^eifeung einer bauemben D^naftie für 3!)atoib erinnert (ögl. 9?u
22,6). aiber bie leidste Umänberung be« SSäorte« löft e« bon berSejiel^ung auf SSlufeere«,
bie e« urfprünglid^ l^atte, lo« unb läfet e« allgemeiner unb barum too^l aud^ geiftig ge^is
richtet erf(peinen.
7. 2)a Drafelfj)rüc^e fd^on bei ben Reiben, ©otte«fj)rüd^e unb feierlich im 9iamen ^al^öe«
au«gefj3roc^ene SBorte auc^ in i^^tad ^äufig in gebunbcner 9tebe borgetragen hjerben,
fo ergiebt e« ftc^ t)on felbft, bafe auc^ nic^t toenige ©cgen«= unb gluc^toorte im 312: in
gebunbener Siebe erfc^einen. ©0 ber ©egen unb %lviä^ 9loa«, bie SBileamf))rüd^e, ber 50
3faatfegen; be«gleic^en tool^l bie ®otte«t)erl^eifeungen an 2tbral^am unb mand^e« anbere.
6« fcbeint, al« ffab^ fic^ ein eigener 3*^^^9 ^^ öciftigcn ^robuftion unb innerl^alb ber
©c^riftfteUerei eine eigene, ber fj)äteren j^ropl^etifc^en Siebe näc^ft toerloanbte ©attung
^erau«gebilbet: ©el^erf})rüd^e unb in«bcfonbere innerl^alb il^rer ©egen«fprüd^e ber alten.
X^pifdj^ bafür mögen bie Sileamfjjrüc^e in i^rer eigentümlid^ gehobenen, ^alb bitJ^^ratn* 55
bif^en 3lebeh>eife unb i^rer bunfeln, oft nur anbeutenben, manchmal toie abficbtlic^ toer*
^üllenben Slrt getocfen fein, ©ie l^abcn jum Seil eine apo!al^j)tifc^e 3lrt an fic^, lange
Dor ber ^Ät ber übrigen 3lpofal^i)tit. §lm näc^ften ben 33ileamfprüd&en fielen too^l
bie 3loa\pxixd)t mit ©egen unb gluc^ über 9loa«©öl^ne. Sffieniger bunfel, aber bod^ noc^
Dielfac^ an jenen ^ü^m Slntcil ne^menb fmb bie ©egen«lieber bejh). ©egen^ unb gluc^= go
154 Segen ttnb ^ndf Setbemonn
\pvüi)^, bic ^atob unb 9Jlofc jugcfd^riebcn h>erben (®en 49 unb ®t 33, bgl. @unUl,
®enep 418 f.).
8. Sei ber Unftd^erl^cU bcr urfjjrünglici^ften Scbcutung unfcrcr Segriffe mag c« ge^
nügcn, ^ier am ©d^Iuffe einige SBorte über biefen ©egenftanb ani^ufügen. SDcr terminus
5 technicus für ba^ Scrflud^en fd^eint "i^n getDefcn ju fein. 3)er ©inn biefe« SBortc^
mag h)o^I immer berfelbe gehjefen fein, '^'^^^ ift hjol^l toon 2lnfang an berjenigc, auf bem
ein glud^ laftet. 2)aneben tpirb für ben ^lud^ unb bag glud^en ber ©tamm rfc« ge.
brandet. 6r h)irb mit SRed^t mit ^^ ®ott ju|ammengefteHt. 3)emgemäfe läge biefem
©tamm nid^t toon $aufe an^ ba^ 5'^^^" ^^^^^/ fonbem lebiglid^ bie änrufung ober
10 §erbeijiel^ung ber ©ottl^eit, ob für ober toiber jemanb, alfo ba^ 33efd^tüören, 33e-
jaubern. 3Jlan toirb babei untoiKIürlid^ an bie ©runbbebeutung unfere« beutfc^en
„©egncn", ba« Signum (be« Äreuje^) über jemanb machen, erinnert. 3)er ebenfalls
für §luc^en gebrauste ©tamm bbp ("^?j^) l^ingegen f)ai bon §aufe au^ überl^au))t feine
Sejiel^ung ^um ©öttlid^en. 6« bebeutet fc^mä^en unb l^ängt jufammen mit bp leidet.
15 3)er urfj)rünglid^e ©inn bon nnp enblid^, ba^ ebenfalls für glucken bermanbt toirb, ift
hingegen burc^aug unfid^er. — 9lod^ fc^tüieriger ift e^, ben Urfmn be« ^ebräifc^en ©eg^
neng ju ermitteln. 6^ hjirb mit '^C^ im $iel unb aU 9lomen '^^'^^ (©egen) bejeic^net.
3)k'^rfad^ l^at man biefe 3Borte mit "l")? (Änie) jufammengefteHt. ©egnen toäre bann
^i\va fobiel aU bie Äniee beugen, beten. äHein nad^ allem, hja« mir ermittelt j^aben, /
20 bat jtoar ba« ©egnen eine SSerlüanbtfd^aft mit bem ®tb^t, \a e« gel^t fogar mit bcr
3eit ftarl in bie ©})^äre beö ©ebetg über; aber ba^ beibe 93egriffe bon ^aufe aug iben=
tifd) feien, ift hjenig toa^rfd^cinli^, fc^on um beö toiUcn, h)eil bag Äniebeugen gehjife
nic^t bon 2lnfang an ba^ eimige unb entfc^eibenbe 5WerfmaI be^ GJebet« ift, ber ©tamm
T^n, fatt^ er Kniebeugen bebeutet, alfo bon §aufe auö nic^t = beten ift. 3)er ur-
25 fprünglic^e ©inn bon T^^ toirb alfo borläufig bunlel bleiben muffen. 3SieHei(^t bürfte
man e^ el^er al^ mit *T^2; jjnie mit s^?r^3 ieic^ jufammenftcHen. 3!)iefeg bebeutet eine
ainfammlung be« SBac^^tum unb fjruc^tbarfeit bebingcnben Sl^affer«; e« lönnte alfo bic
rcidjc gülle, ba« aSac^^tum, bie ^ötberung bebcutcn unb auf biefem SJBege aUenfate bic
®runbborftellung für ba^ Segnen ber älteften Hebräer abgegeben l^aben.
30 ^JRerftüürbig, aber bunfel unb barum ebenfalls nur l^ier am ©c^luffe ^u ertoä^nen
ift enblid^ bie 3:l^atfad^e, bafe in ^^^racl ba« ©egnen aud^ auf bie ©otti^eit atö Dbjcft
be^ ©egen« angetDanbt toirb. SBäl^renb toir un« unmöglid^ bie 3ieben^rt „berflud(^t fei
3abbe" borfteHen fönntcn, unb bie anbere ,,gefegnet fei ^^i^be" ebenfotoenig erloarten
tDürben, fommt bic Ic^tere t^atfäc^lic^ bor (bgl. ©en 9, 26). ^\t ba« nur Sleben^rt*^
35 unb barf e« abgcfc^toä^t tbcrbcn in ,,gc})riefen fei ^a^be"'!' 3Son §aufe au« \>od) toobt
faum, tbcnn aud^ too^l f})ätcr fo gebadet tborben fein mag. ^ann aber bleibt faum
ettba« anbere« übrig, al« bie Slnna^me, ba^ eine ältefte borgefc^ic^tlic^e ^üi ber J^ebräi*
fd)cn ©prad^e ben 3lu«brudf gej}rägt ^at bon ber SSorfteHung au«, ba^ au<^ bie©ottbeit
burc^ ©egen (unb bann tbol)l auc^ burd^ ^lud^) bcfonber« au«gerüfteter SKenfc^cn beein=
40 flufet toerben fönne. 6« Ibäre bann ein SRubimcnt einer berfd[)ollenen ^eriobe be«
^ämonenglauben«, beffcn 9?umina bon ©egen unb glucb abl^ängig finb, in ber 9leben«art
erhalten. 6« liefec fi4> immerhin benfen, bafe auf oer ©tufc einer nieberen 3?olf«retigion
ein 3<J"6crer al« fo mächtig borgeftellt toirb (natürlich burc^ bie Äraft feiner befonbercn
©ott^eit), bafe er im ftanbc fc^eint, c« mit einzelnen untergeorbneteren ©ottl^eiten oufju^
45 nel^men unb fid^ bcmgemä^ erlauben barf, il^ncn einen ©egen gugufprec^en. 3""^^^^
bc« "äX loärc bic ^)iebcn«art natürlid^ nur nod^ al« SRcbcn«art ju benfen, ethja im ©inne
unfere«: ©cj^riefcn! Äittel.
Segnungen f. b. 3t. Scnebiftioncn 8b II ©. 588.
©etbemonn, gcft. 1879. — 5van.^ 8cf)novr dou ßarol^fetb, 3uv erinncvung an 3o=
60 f)ann iBorl eeibemann, ^Joiies^ ^?lvd)iü f. fäd)f. öiefcl)icl]te I (1880) 8. 94 ff.; S. Ärafft, 9?e!roIog
auf 5. in 3eitjcl)rijt beo 5öergijdien («eid)id)t^üercin«, IG. m (1881) 8. 257 f.; ®. SRüffer,
91. b.53.
So^. Sari ©cibentann ftammte au« ben allcrärmlidbften 3?er^ältniffen. ©ein SSater,
3;ot;. ©corgc, toar 532u«fcticr im :,^snfantcricregimentc bon Siedeten, f)3äter Äranfentoärter
66 am ^rc«bcncr cüabcttcn^aufc, feine ^l^iuttcr tvax früher Möcbin bei bem Oberl^ofprebiger
Sicinljarb gctocfen. 311« Soljn bicfcr Gltern tourbe ©eibemann am 10. ^pxxl 1807 ju
^rcöben geboren. 2)te crftc ll^öglidifeit, einen bcfferen ©d>ulunterrid^t ju er^ltcn, ge=
iüährtc ihm ein grcunb feine« i^atcr«, 3!)J. 3lotlie, cand. theol., ber etne ^ribatfc^ulc
Seibetnoitti 155
unterl^iclt unb bem Änaben bie erften Slnfänge bed Sateiniteen unb ®ricc^ifc^en bei=
brad^tc. ^ann ioax c« bet ?Paftor ©d^mal^ in 2)i:e«ben=5Rcuitabt, fpätet §au})t|)aftor in
Hamburg, ber beim Äonfirmanbenunterric^t auf il^n aufmerffam tpurbc unb il^n pm
©tubicrm bcftimmtc. Slm 18. 2lJ)riI 1821 h)urbe er ©c^ülct be^ Sreugg^mnajtum^ in
©reiben, unb atö toenige 3Ronate barauf fein SBater ftarb unb fo bie gelehrte Saufbal^n 5
beg Änaben emftlid^ gefä^rbet h>urbe, toar eg toieberum ©d^mal^, beffen toarme ©mpfe^«
lung il^m too^ltooHenbe (Sonnet berf^affte, fo bafe et ba^ (St^mnafium abfotoieren unb
im 3a^e 1826 mit einem 3^9"^^/ t^^^ i^n ate omnino et prae ceteris dignus be^
jeidj^nete, bie Unitoetfttät 2eij)jiig bejiel^en lonnte, too er b\^ 6nbe 1828 ftubierte. 9lac^
tooHenbetem ©tubium lebte er mel^rere ^al^te in 3)te«ben, untettic^tete an toetfd^iebenen 10
Slnftalten, h>at auc^ eine 3^it ^^"Ö (1831—1832) 6au«Iel^tet bei bem §ofmarfc^aK
®rafen Suguft Äarl S3ofe. 2)urc^ Berufung bom 2. J^^niar 1834 h)urbe er Pfarrer
in efd^borf bei ©d^önfelb untüeit $iHni$ unb Verheiratete fic^ am 9. Jvebruar 1834 mit
§anna 3Rargaret^e ßleonore 3KaIf^. ©eitbem verlief fein Seben^ang fo rul^ig toie nur
mbQlxd). 3n ben einfachen 9!erl^ältnif|en eine« 2anb))farrer«, ol^ne bon ber SBelt faum 16
ettoo^ mel^r ju feigen aU 3)te^ben unb feine Umgebung, toitite er in feiner ©emeinbe,
bi« er ju SWtd^aeli^ 1871 in ben SRul^eftanb trat, um in feiner 3Saterftabt feine legten
Sebendjal^re ju verbringen. 6r l^atte ben ©c^merj gehabt, im 3^^^^ 1863 feinen erft
26 13a|re alten ©o|^n, ber Dr. phil. unb Se^rer ber 9laturh)iffenf^aften toar, ju Ver-
lieren, unb mit feiner il^n überlebenben einzigen 3:oci^ter, ber treuen Pflegerin feinedao
Stiterö, nod^ in ©fc^borf feine am 13. 3!)ejember 1868 Verftorbene ©attin ju ®rabe
}u trogen.
m \üax hjo^l hjeniget 2tntegung Von ber Univerfttät l^er, afö eigene 5?eigung unb
Vorliebe für bie ©efAic^tc feinet engeren SSaterlanbe^, bie i^n xn ^iftorifd^jen ©tubien
fül(^rte. 3)ie erfte ©4rift, mit ber er, abgejel^en von mehreren ©elegen^eit^reben, feine 26
f(^riftfteKerifc^e 2^^ätig!eit begann, galt ber ©rforfd^ung ber ©efc^ic^te feiner ^aroc^ie.
Sm ^af}xz 1840 erfc^ien Von i^m ,,®fc^borf unb 3)itter^baci^. Seiträge ^ur fäc^fifc^en
$)örfer*, 9lbel^, Äird^ens unb ©ittengefc^ic^te", tooju er, toaö l^ier fogleic^ ertoä|^nt
fein mag, 20 ^a^x^ fpäter ©rgänjungen ^erau^ab unter bem ^itel „Ueberliefcrungen
fiUx ©efd^id^te Von Sfc^borf, 2)itter«ba^ unb Umgegenb, 1860". ^cn^ erften ©c^riftao
folgten in rafd^er fjolge eine ganje Sleil^e Von arbeiten, bie fid^ atte mit ber ©efc^ic^te
ber Sieformation in ©ad^fen befc^äftigten. „2:^omag 3)Jünj|er, 3!)re«ben unb Seipj. 1842".
„5)ie 2eij)jiger 3)ie})utation im ^a^re 1519. Dre^ben unb 2eij)jig 1843." „Karl Von
?Kiltij, 6ine c^ronologif^e Unterfud^ung, 3!)rcSben 1844". 3j" bemfelben "^af^x^ „®x^
läuterungen gur SRef ormation^gefc^ic^te burc^ bi^l^er unbefannte Urlunbcn, I)redben 1844". S6
»ferner „Seiträge jur 3leformation«gefc^id)te, §cft 1, 1846" (auc^ unter bem ^itel „3)ie
Sieformation^jeit m ©a4>fen Von 1517—1539"). 211« er im ^af^re 1848 ba« jtoeite
Äeft erfieinen lie^, fünbigte et ein feit längerer 3«it ^anbfc^riftlicb fertige« umfängliche«
ääerf über ben „Sauemfeieg be« gal^re« 1525 im ^ergogt^um ©ac^fen" an. 3111er
Sßal^rfc^einlid^feit nac^ ift e« il^m ni^t gelungen, bafür einen Verleger ju finben, mit 40
3lu«na^me einiger 33rud^ftüdfe, bie in 3^itf(^riften ^ux 3Seröffentlicbung famen, ift e« nie
erfc^ienen.
Me biefe arbeiten, unb il^nen toäre nod^ eine ganje Slei^e gleichzeitig erfc^ienener
äuffä^e in ben verfd^iebenften Slättem unb 3cttfd^rtften beizufügen, — beruF^ten h)e|ent=
lid(^ auf fel^r umfänglid^en unb getpiffenf^aften ard^ivalifc^en ^orf^ungen, bie für ben 45
^farrer Von ®fc^borf nur burc^ einen gerabeju erftaunlic^en ^leif; möglich toaren unb
einem unentwegten ©c^affen«brang entftammten, ber vor femer 5Jlü^e gurücffc^recfte.
5E3enn e« nur immer fein 3lmt erlaubte, toanberte er, oft 3^ag für 2^g, nac^ 3)re«ben,
um im bortigen ©taat«arc^ive unb in ber fc^önen reichen 33ibliot^ef ju forfc^en unb ju
Jucken. Salb toar er auf bem 3lrc^iv fo m §aufe, toic nur irgenb einer ber 2trc^iVare. bo
aber er fonnte [xd^ nie genug t^un, für i^n gab e« immer 9leue« ju ergrünben.
3m ^a\)x^ 1846 tourbe il^m bie erfte Slnerfcnnung ju teil, al« i^n bie 2ei)3jiger
tl^eologifc^e götultät bei ©elegenl^eit be« SutJ^erjublläum« jum Lic. theol. honoris causa
freierte. Unb in ber Jotge tourbc bie Sut^erforfc^ang nod^ mel^r al« früher fein eigcnfte«
gelb. 3)en äußeren Slnlafe boju gab ber Sluftrag ber SRcimerfd^en 3Serlag«buc^l^anblung in 66
Serlin, bie SSoHenbung ber ie ffiettefd^en ausgäbe Von Sutl^er« Sriefen gu übernehmen.
Dbtool^l bafür nur fe^r tocnig vorbereitet toar, Vcrmod^te er e«, auf®runb feiner reichen
Sammlungen unb fjorfd^ungen, au« benen er fc^on 1843 an ^e SBette manche« mit=
geteilt ^tte, in bem lurgen 3^i^i^öum von gtoei $^al^ren 1856 ba« Süerf burd^ einen
©cl^Iufebanb gu Vottenben, ber u. a. burc^ feine forgfältigen Stegifter erft eine ioirllid; all= eo
166 Seibemami
feitige äJcrtoertung bcr Sriefjammlung ermöglichte, ©d^on brei ^ai)x^ fpäter fyittt er
toieber fo toiel gefammelt, ba| er eine JJac^Iefe toon 41 Sutl&erbriefen mit manchem anberen,
h)a« er bei folc^en ©elegenl^eitcn eimuflecl^ten liebte, öeröffentlic^en fonnte („Sutl^erbriefe,
l^erau^eg. toon 3- ^- ©eibemann, SDrcöben 1859"). 3lx6;^t hjenige Seiträge lieferte er
6 and) ^u bem toon Surf^arbt (£eit)ji0 1866) l^erau^eg. 8riefn>e(^fel Sutl^er^. 3m S^^te
1872 burfte er bie t)on %, ©d^norr ö. Garotefelb toieber aufgefunbene §anbf(^rift be^
für bie Äriti! toon Sut^er« 2:ifc^reben fo überaus h)id[|tigen ^^agebuc^sJ öon Slnton £auter=
hai} ^erau^egeben. (3)1. 2lnton Sauterbac^d Diaconi ju SBittenberg ^^agebuc^ auf ba^
^ai)x 1538, bie §au^tqueHe ber lifc^reben fintier«. 2lu^ ber Äanbfc^rift i^erau^gegeben
10 toon 3. Ä. ©eibemann, 3)re«ben 1872). 5)rei ^al^re fpäter ließ er ein 35uc^ über „2).
3acob ©d^enf, ber t)ermeintHc^e äntinomer, Jreiberg« ^Reformator" (fieipjig 1875) er=
fc^einen. Unterbeffen toar er aber fc^on toieber mit einer anbern großen arbeit befc^äf^
tigt. 3m §erbft be« 3al^re« 1874 entbecfte er auf ber 2)re«bener Sibliotl^ef bie bi^^er
unbefannt gebliebenen ätteften ^faIment)orlefungen fiutJ^erö. Slm 17. 3öttuör 1875 fc^rieb
15 er an einen rl^einifc^en ^reunb: „3^ l^abe mic^ toirllid^ nic^t getäufc^t, in Ms. Dresd.
A., 138 toirllic^ fiutl^erö aHererfte ^orlefungen über bie ^falmen 1513—1516 öon feiner
eigenen ^anb glüdftic^ aufgefunben ju i)abm, 3^ fc^reibc ba« ganje fd^loer leferlic^e
S3uc^ ab, ein fc^toere« ©tücf arbeit für mein äUter, benn ©aribalbi unb ic^, to'xx fmb
beibe 1807 geboren, unb cö ift, um ber 7 toiüen in ber S^^^i^^^^ ^^^ wn^ nidj^t biel
•20 getoorben" — bieg jugleid^ al« Seifpiet für ben oft föftlid^en §umor in feinen citaten=
reichen Sriefen. ©d^on am 14. Suguft l^atte er bie 3lbfd^rift, 143 Sogen, boHenbet, eine
ganj erftaunlic^e Seiftung, toenn man bebenft, mit toelc^er überaus fc^toer ju entjiffemben
^anbfc^rift er e^ ju t^un i}atU, h>a« au« bem ber 3lu^abe beigegebenen gafftmileblattc
JU erfe^en ift. 3lfe ber erfte 33anb berfelben (fiutJ^er^ erfte unb ältefte 3SorIefungen über
26 bie ^5f<^I"i^w öw« ^^w 3^^^^" 1513—1516, ®re*en 1876) erfc^ienen toar, tourbe i^m
bie längft öerbiente (Sl^re ju teil, bafe er toon ber tl^eologifc^en ^atultät )u §alle jum
3)o!tor ber 2^^eologie honoris causa ernannt tourbe, toorüber ber alte ßen, bef|en3lr-
beiten in feiner Umgebung nur toenig Seac^tung fanben, eine toa^r^afte finblic^e greube
l^atte, toenn er au^ bie nmt SQBürbe aU eine 2)eforation für ben ©arg bezeichnete.
90 äBietool^I er bag 70. fiebcngjal^r überfd^ritten l^atte, trug er fic^ nod^ mit großen ?ßlänen.
©eit lange l^atte er öor, eine fritifdl^e Bearbeitung ber 2^ifc^reben Sut^erö l^eraugjugeben.
3)aju fammette er in ben legten 3<^^ren mit bem Eifer eineö 3ünglingg bie urf))rüng=
liefen Quellen; unb beinahe toar bie ©ammlung tooHenbet, aU er nac^ turjer Ärantl^eit
am 5. 3luguft 1879 toon feiner arbeit abgerufen tourbe.
86 3*" Obigen finb nur feine größeren Strbeiten ertoäl^nt; toie reic^ unb überaus t)iel=
feitig feine rt)iffcnfd^aftlicben 3ntereffen unb feine fc^riftfteHerifc^e 3^bätig!eit toar, jeigt ba^
3Serjeic^niö feiner Sluffä^e, bie %xani ©d^norr toon ßarotefelb ber Seben^ffijje be« ber^
ftorbenen J^reunbe^ beigegeben b^t (a. a. 0. ©. 102 ff.).
©eine ^iftorifcbe SSegabung l^atte aUerbingg i^re ©c^ranlen. ®am abgcfe^n baöon,
40 ba^ fein fpejififd^ t^eologifc^e« 3"t^^<^if^ "i^^ f^^^ Ö^ofe toar, fo fel^lte if)m bie ®abc
ber ^iftorifd^en 2)arftetlung, aber beffen toar er ftc^ betou|t. (gr toar gorfc^er unb
©ammlcr. "Darin fonntc er ficb nic^t genug t^un, unb feine ^reube toar bad Gitat.
9lic^t immer oerftqnb er, baö SBicf^tige tjon bem Untoid^tigen ju unterfc^eiben, unb feine
Sudler mit il^rer Überfülle oft bunt aneinanber gereifter SRotijen machen einen ettoa^ alt=
45 fränfifd^en, an bie ©efd^id^t^litteratur frül^erer 30^^^""*^^^ erinnemben Sinbrudt, aber
gerabe burc^ ben unermüblic^en J^orfc^ung^eifer, ber auc^ ta^ Äleinfte, bad einmal für
bie ©efc^icbtfd^reibung, bie er gern anberen überliefe, toerttjoll fein fönnte, liebeöoH beach-
tete; unb bur^ feine peinliche ^enauigleit l^at er nic^t SBenige^ ju bem neuen unb reid^en
3)laterial beigeftcuert, auf toel^em ein großer 2;eil ber Sut^er unb bie lirc^lic^e Slefor-
60 mation betreffenben Slrbeiten ber lefeten S^f^rjcl^nte berul^t. ©icber toar er nid^t nur ber
Segrünber ber mobernen gutberforfcbung, fonbem auc^ lange 3eit einer ber beften Äenner
ber Seformationöjeit, ibrer ©efd^ic^te, Sitteratur unb i^rer Kultur, ©eine Selefen^eit
unb feine ©pexialtenntni^ aud^ auf aufeerbeutfd^em ®ebiet, ^umal intereffierte er ftdS^ aucb
für fpanifc^c JKeformation^gcfcf^ic^te, fotreit Oon einer folc^en bie fflebe fein fann, hwr
66 gerabe^u ftaunenerregenb, unb mit rü^renber Sieben^toürbigfeit unb ©elbftloftgfeit toar
ber ftetg bienfttoiHigc 93lann jeber^eit bereit, ben tjielen grofeen unb Seinen ©elel^rten,
bie t)on i^m 3lu«!unft über bicfen ober jenen ^^Junft toünfd^ten, oft o^ne DanI bafür ju
ernten, feine reid^cn ©c^ä^c ju öffnen, unb fein 5luge leud^tete, \a er fonnte gerabeiu m
jugenblid^en @nt(;ufia^mug au^bred^en, tocnn er jemanben fanb, ber aud^ an ber Älein-
60 forfd^ung ©efallen fanb ober ber gar 'Jieue^, Wa^ i^m entgangen, entbedtt l^tte. iCer
Seibemaiiti Seftenloefen in Seatfd^loitb 157
Heine leb^fte Wann toax ber Z'qpn^ etned eckten beutfc^en ©ele^rten alten ©c^Iaged^
au(^ feiner äußeren fiage nac^; er f)at nid^t gerabe 9?ot gelitten, aber toer h>ie ber
Schreiber biefe« unb biele anbere jüngere gorfc^er, um ben trefflichen 3Jlann jjerfönlid^
fennen ju lernen, fein 2)ac^ftübc^en erfkieg, h>ar bod^ überrafcfit bon ber ©infac^^eit feine«
3)afein$, in bem er fic^ tDol^I fül^lte, ba« il^m aber nic^t bie ^Röglid^Ieit gegeben ju 6
^aben fd^eint, auc^ au«h)ärtige 2lrc^ibe ju befuc^en. 2:^eobor Äolbe.
Si^tt f. b. a. ebom S3b V ©. 164,3.
S^Wiii f. b. a. ??etbgeifter »b VI ©. Iff.
©del f. b. 2lä. 3Jlafee unb (Setoic^te 8b XII ©. 408,23 unb (Selb Sb VI
S. 477. 10
Settenioefen t« Setttfd^Ioiib. — fiittcratur: Fingern. Älrc^cnblatt, bcf. In ben 3a]^r=
oängcn 1853, 1855, 1884, 1885 (»cr^anblungcn ber eifcnatftcr Äir^cnfonfcrcnj über bie
@e!tcnfrage) ; ^crm. Scftmibt, 3)ie Ätrd)c. 3ftrc biblift^e Sbcc unb bie gormen iftrer gcftftid^tl.
(Srfdjeinunfl, ßciwig 1884, bcf. @. 189 ff.; ©. SRo^nert, Äirtftc, Äirtftcn unb Seftcn*, ficlpätg
1900; ^altner, mt ©emeinfdjaften unb 8etten Württemberg^, Tübingen 1877; ^re^ba^, 15
Xie prot. @e!ten ber ©egenmart, Carmen 1888; (S. ^alb, ^trc^en unb Selten ber ©egenmart,
Stuttgart 1905, bef. @. 519 ff.; %xt „Seften" im (Jalwer X^col. ^anbwörterbud) ©b II, 690
0. X^. Ermann. — (J. 5. Äod), «llgem. fianbre^t», IV, 162 ff.; ^. 3f. gacobfon, Ueber bie
religlöfen SKec^t^Der^ältnifte ber 3)ifr!benten in ^reufecn, tn3ÄSR I, 392 ff.; berf., @t). ^rc^en-
re*t be« ^reufe. ©tanteS, ^aOc 1864, I, 124 f.; 132 ff.; ö. JRönne, @taotSre(bt ber prcuft. 20
iRonarcftic*, II, 2, 151 ff.; SRicftter=3)ooe*Äa^I, Äircftenrecftt •, 6. 318ff. — 3ur ©tatiftlf:
^. ^teper, Äirdjlitftc ©tatifti! 3)eutf(^Ianb8, greiburg 1899, 6. 90 ff.; ^. ^. jhofc, Äon*
feffiondftatiftit 2)eutf4Ianbd, Sretburg 1904, 8. 3 ff. ; d. ^irfd)felb, d^efdiic^te unb ©tatifttf
bed ^iffibententumd im preug. ©taate, in Settfc^r. bed tgl. preug. ftat. ^ureaud III (1863)
unb IV (1864). 26
3l\d^i um bie ßntftel^ung, gefc^id^ttid^e @ntn)idCelung unb @iaentümlic^Ieit in Se^re
unb Serfaffung ber berfcfiiebenen ©eften fotl e« ftc^ in biefem älrtilel ^anbeln. SBer
borüber äuffc^lufe fuc^t, fxnbet in ben fpejieUen 3lrtifeln ba« ®rforberli(^e. $ier l^anbelt
e« ftd^ um ba« ©e!tenh)efcn atö ©ameg, inbem öerfud^t hjerben foU, über ben Segriff
„©elte", über bie attgemeinen ©ntftcpung^grünbe für biefelben, über bie ©teüung ber ao
ftaatli(^en ©efe^gebung ju i^nen unb über bie 3Jlittel einer ®egentt)irfung gegen fte )i>on
feiten ber Äirc^en ju |anbeln.
1. SBir beginnen mit lurgen 33emerlungen über bie ©t^mologic be« 3Borte« „©elte",
3)ie SeEilograjjl^en leiten ba« 3Bort enth>eber bon sequor ober toon seco ab, aber bon
seco nur, infofem seco = sequor ift. ^n ber flaffifc^en Satinität bebeutet e^ bie 86
3)enfc unb §anblung«h)eife ober bie Sebendtoeije, bann fpejieU enttoeber bie j)olitifd^e
Partei, ber man angel^ört, ober bie p^ilofopl^ifd^c ©c^ule unb Slid^tung, ber man [xd)
anfc^liefet. 3!)ie Sulgata gebraucht ba« SBort jur Überfe^ung bon atgeoig 2t® 24, 5
{rj xwv NaCcogalojv aigeaig); 26, 5 (gartet ber ^P^arifäer); 28,22 (ij aigeoig avirj
ate Segeic^nung be« (Sl^riftentumg in jübifc^em 3)lunbe) ; 31© 24, 14 toirb xard ri]v 40
6d6v fjv Uyovaiv atgeoiv überfe^t: secundum sectam quam dicunt haeresim.
Sin biefen ©teilen bejeic^net e^ einfacb bie religiöfe SRic^tung, bie jemanb ertoöl^lt
^t. ©ttoa^ anber^ toirb ber ©prad^gebraud(i in ben ©riefen be^ 9leuen 2^eftamentö.
2)a bejeic^net e« in tabelnbem ©inne bie Slottenbilbung innerhalb ber d^riftlic^en ®es
meinbe. ©o toerben &a 5, 20 unter ben 2Ber!en be« gleifc^e^ auc^ algiaeig, sectae 45
genannt, l^ier engften« öerbunben mit rixae unb dissensiones ; ferner 2$t2, 1: bie
$feubopro^l^eten Tiaoeiod^ovoiv aigeoeig änokelag^ sectas perditionis. 3(n biefen
©Ijrad^gebraudj^ be« ^%% ifai fic^ ber firc^lic^c ©ebraud^ be« SBorte« angefd^loffen; bgl.
bei August, contra Faust. Manich. XX, 3: „secta est longe alia opinantem quam
ceteri, alio etiam sibi ac longe dissimili ritu divinitatis instituisse culturam.'' 60
35ie laWj. Äirc^e ^at jeboc^ bon bem SBorte secta nic^t toiel ©ebrauc^ gemacht. ^I^r
Äird^enred^t bel^ält ba^ griec^ifc^e 3Bort haeresis, haeretici bei unb unterfc^eibet bei
^rennunaen, bie fi^ bon ber Äird^e abfonbern, bie beiben Äategorien ber haeretici, bie
fid^ ber ^ße^autorität ber Äirc^e entj^ogen unb neue Seigre ^aufgebracht ^aben, unb ber
schismatici, bie fic^ ber ürc^lic^en ^ierarc^ie nic^t unterorbnen: ,,haeresis perversum 56
dogma habet, schisma propter episcopalem dissensionem ab ecclesia pariter
separat" c. 26 C. 24 q. 3 (nac^ §ieron^mui^). 3)ie mittelalterlid^e beutf^e Sibel über-
158 Settenioefen in Sentfd^Ioiib
fc^tc aiQeoig an bcn angebogenen SibelfteHen mit „Irrtum" ober „fe^erci", ober in St®
26,5 mit „orben"; nur in 24,14 l&abcn einzelne 3lu«gaben: „nad) ber fect, bie fte
l^eifjen eine fefeerei". fiut^er bagegen bcl^ielt in feiner 33ibe[ ba« SBort bei: ald Sc^eid^s
nung ber ßbriften in 31® 24, 5: „©eftc ber SRajarener", 24,14: „bieferSBeg, ben fie eine
6 6efte l^eifeen"; 28, 22 : „toon bieferSefte ift und funb, bafe il^r toirb an atten ©nben toiber^
f)3roc^cn"; jur 33ejeic^nung ber ^^arifäer 31® 15, 5 unb 26, 5; ber ©abbujäer 5, 17;
jur Sejeic^nung cnblid^ üon ©(Haltungen innerhalb >er G^riftengemeinbe 2 ^t 2, 1 „öcr-
berblic^e ©eften"; im übrigen bcbiente er fic^ jur Überfe^ung öon algeaeig be« SEBorted
„gtotten" ®a5, 20: „^Rotten, Äafe, 3Rorb"; in 1 Äoll, 19: „ed muffen Sotten unter
10 euc^ fein, auf baf; bie, jo re(^tf(|affen jinb, offenbar unter euc^ toerben". 6benfo übcrfe^e
er ol dnodiogiCovreg ^n Id mit „bie ba ^Rotten mad^en". 2)ad ©örterbuc^ öon
3ofua 3RaaIer (^ictoriud) „5)ie leütfd^ fpraac^", 3üric^ 1561, erflärt ©. 369 „Secft" :
„Slnl^ang, 3)leinung bon bieten angenommen, toe^f; unb geftalt jeläben. Secta, Haeresis".
2Benn in biefer enlärung baö 2Bort „Seite" noc^ in einem fel^r allgemeinen ©innc nac^
16 flafftfc^em SSorbilb genommen hjirb, fo mufe boc^ bead^tet toerben, bafe Sutbcr im BpxaA-^
gebrau4> feiner ©c^riften bad SßJort toefentUd^ in bem ©inne gebrauste, toie cd in
2 ^t 2, 1 gemeint ift. (gr bilbet bie 3"fö»"»"^f^""0' „©c^toärmer, SRotten unb
©elten" (j. 33. Stifc^reben, 3ludgb. görftemann^Sinbfeil 3, 351), „©ecten, Äe^erei unb
Sotten" (est 30, 17), „©ecten unb ©c^tpirmergeifter (ebb. 40,266), „^rrt^umb, Sotten,
20 ©ecten, Äe^erei" (ebb. 41, 20), unb ftel^t bie ©igentümlicfileit bed ©eftenmac^end barin,
bap man bei Stnerlennung bed ©toangeliumd boc^ jugleid^ „^i\üa^ aufrid(^tet, bad
ber 3[rt nic^t ift", „Sebenle^re" einführt neben ber „rechten Se^re" (ßSt 52, 237).
3ln biefem ©inne h)irb bad SBort h>eiter 33eft$ftanb bed fird^Ii^en ©^rad^gebrauc^ed
unb Studbrud für beftimmte Ürd^lic^e @m)3finbungen unb Urteile. @d mu^ nämlic^
25 u. 6. ber ftaatdrec^tlid^e unb ber firc^lic^e Sprachgebrauch unterfc^ieben toerben. ©taatd-
red^tlid^ ift ber ®ebraud^ bed Söorted orientiert an bem Sorl^anbenfein ftaatlid(^ on^
erfannter unb „aufgenommener" Äirc^en; jebe religiöfe ®emeinfd^aft, bie nidj^t ju biefen
J)rit)ilegierten Äirc^en gehört, unb neben il^nen Stufnal^me ober 2)ulbung begel^rt, ift
ftaatdrec^tlic^ eine ©efte, togl. bie Seftimmung im SBeftfäl. ^rieben § 7: praeter reli-
90 giones supra nominatas (fatl^., lut^., ref.) nulla alia recipiatur yel toleretur. @d fe^It
in ber ©egentpart nic^t an Jl^eologen, bie bad SBort „©efte" nur in biefem ftaatdrec^ts
liefen ©inne julaffen tooüen; fo Soofd, ©Emboli! I (1902), ©. 74: ,,®er Segriff ber
,©elte* ftel^t in unlöslicher Sejie^ung ju bem ber ©taatdfird^e unb ift nur bon l^ier
an^ ju crfaffen"; ä^nlic^ 3)reh)d, Äirc^lic^ed S^ben im Äönigreic^ ©ac^fen 1902, ©.295:
35 „^d) acce^tiere ben Studbrudf ©elten, infofem aU barunter bie nid^t mit Äor})orationds
rec^t berfe^enen, ftaatlid^ nic^t ,anerfannten* Seligiondgemeinfc^aften ju öerfte^^en finb".
@d fragt fic^ aber bod^, ob nid^t neben biefem ftaatdrec^tlic^en ®ebraud^ bed SBorted
ein nä|er befinierbarer fird^Iicber ®ebrauc^ nac^toeidbar ift. ©ntfc^ieben jurüdteeifen
muffen tüir bie SSertoenbung bed SKorted, toie fie und in ber ©c^rift bed Stmerifanerd 2B. $.
40 %on, A Study of the sects, SJofton 1891, p. IV entgegentritt, ber bort fagt: 3)ad
2öort ©efte fei bie J)affenbc Se^eid^nung für bie 2^eile, in hjeld^e bie c^riftlid^c Äirc^e
t^atfäcIiücB geteilt ober jerfcf^nitten fei (dissected), ba^er er fämtlic^e Denominationen öon
ber griedt)ifcl>en unb römifc^en Äird^e an bid ju ben 9)?ormonen l^in unter ben ©attungd^
namen „©cften" befafjt. 2)iefer ©pracbgebrauc^ ftü^t ftc^ auf eine falfc^e St^mologie,
45 ald tvmn ©efte = ©cftion h)äre unb auf bie Sebeutung „jerfc^neiben" für secare jurüd«
gcfül^rt toerben mü^tc, iDiberfprid^t au^erbem bem burc^ Sut^er unter und Verbreiteten
©inn bcd Söorted. 2)er fird^Iic^e ®ebraucf) bed SBorted ftimmt mit bem ftaatdrcc^tli^en
nic^t burc^aud überein, benn ed giebt für unfer fird^lic^ed @m})finbcn fird^Iic^e ®emeim
fcbaften mbcn unb unabE^ängig Don ben ftaatlic^ privilegierten Kirchen, bie toxx burc^ud
50 nid^t a\^ ©eftcn bcjeicbnen. a^Ur fönnten und ferner fel^r too^l benfen, bafe bad je^t be^
ftel^enbe 3?cr^ättnid bed ©taated ju bcn ebangelifc^en Sanbedfirc^en gelöft toürbe ober
ba| ber Qiaai ben Unterfcf^ieb jtpifc^en ben ancrfannten ftirc^en unb ©eften ftaatdrec^t«
lid; aufhöbe, unb tro^bcm iDürbe ed für unfer ßnipfinben noc^ ®emeinfcbaften gÄen, bie
toir mit bem ©eftcnnamen be^eid^neten. '^m firc^licf^en ®ebrauc^ bed SBorted liegt immer
55 ein tabetnbed Urteil bei feiner Stntocnbung audgefproc^en. ©d ift bie Stnflagc barin
entBalten, ba^ in unberechtigter STlNcife ber gricbe ber iiirc^e burcb Stbfonberung gcftort
toerbe, unb ba§ ber ©eift, ^cr jur Stbfonberung treibe, ein ber beutfcben Deformation
frembcr, bahcr ber Äircbc feinblid,>er, il^r entgegengcfe^tcr fei; unb jtoar ift babei bie
Äircbe nid^t ald ©taatdtird)e ober t)om©taate primlegierte gebac^t, tool^I aber otdSolfds
eofirc^e, bie fraft gefc^ic^tlic^er gnttDictetung bie Stufgabc religio jer unb jittlic^er arbeit
Sfttenioefeti in Sentfd^Ianb 159
am 33oIf^anjcn auf ftc^ genommen l}at ©enn \d) rec^t fel^e, toirb ba^ Urteil, bafe
eine ©emeinfd^aft „Seite" fei unb in ii^r ein „feftiererifc^er" ©eift h)alte, toefentlic^ ba
ongetoenbet, too ung, um eö furj auöjubrücfen, ber bonatiftijc^e Äird^enbegriff ate treibenbe
Äraft entgegentritt, h)o über ber g^J'^i^^^^Öf "^'^^ beilige ©emeinbe bar^ufteßen, bie Sttts
gcmein^eit ber Äird^e jurücfgefteüt, bie Solfefircfce ba^er mel^r ober toeniger aU ein 95abel 6
angefel^en toirb, öon bem man fic^ abfonbern muffe, unb ba« gefc^ic^tlic^ ©etoorbenc an ber
®eftalt ber Äird^e gering gead[|tet h>irb. 3)ie Slntoenbung be« Urteife, bafe ^ier „Settc"
fei, toirb ber eimelnen religiöfen ©cmeinfd^aft gegenüber oft ethjag ©ubjeftiüe« an fic^
tragen, in manchen SJäHen toirb unfer Urteil fc^toanfen; aber eö erhellt auc^ üon ^ier
au«, h)ie toir baju fommen, auc^ eimcine 5RitgIieber unferer 2anbe«firc^en nac^ i^er lo
©inne^art unb ben 2:enbenj|en, bie fie Verfolgen, atö „©eltierer" ju bejeic^nen. ^um
SBergteic^ feien folgenbc me^r ober toeniger abtoeic^enbe Scftimmungen be« 3:ermmu«
„Seftc" angefü^ : ©ifenac^er Äonferen^ 1855 : „©emeinfc^aften, toelc^e unter Drganifierung
eine« i^nen eigenen fic^ramte« unb SRegimente«, ober boc^ unter S^rennung t)om fir^Iid^en
Stegiment unb Sel^ramt, fic^ in Segug auf Seigre unb Selenntni« mit feiner ber burd^ 15
ben toeft^^älifc^en grieben unb nac^^er in 2)eutfd)lanb öffentlich anerfannten Äirc^en in
Übereinftimmung befinben unb fic^ toom 33efenntni« biefer ftird^en lo«gefagt l^ahm'* (äUg.
Äirc^cnbl. 1855, ©. 419f.); Äliefotl^: „äbfonberung öom Äir4enför})er auf ®runb falfc^cr
2e^rc" (ebb. 1884, ©.344); ^almer: „5Wur eine ©emeinfc^aft religiöfen ©lauben« unb
Seben«, bie im ftanbe \% ein ganje« SSolföleben ju burc^bringen unb eine toeltgelc^ic^t^ 20
lic^c 5ßotenj ju Serben, lann at« Äirc^e ancrfannt toerben, oüe übrigen, bie fid^ um
einzelne ^äujjtcr fammeln, beren abfonberlic^e ^Meinungen annehmen, bie aber Diel ju
Hetntic^ unb fubjeftib finb, um tocttgefc^ici^tlic^ unb bolfötümlid^ ju toerben, finb unb
bleiben ©eften" (I)ie ©emeinfc^aften unb ©eften Württemberg« ©.10); Slol^nert: „©efte
ift eine meift Meine 5leligion«gefeIIfc^aft, toclc^e bei einfeitigem §erau«reifeen unb Setonen 25
einzelner Seljfrftücfe öon ber red^tgläubigen Äird^e abtoeic^t unb [xd) bon il^r burc^ 3rr-
leieren abfonbert, toobei faft immer ba« Seftreben l^erbortritt, eine ftc^tbare ©emeinbe Don.
toa^^ft SBiebergeborenen barjufteHen, unb eine ben öfumenifc^en ßbarafter ber Äird^e
mifead^tenbc ßng^erjigfeit unb Unbulbfamfeit fid^ funbgiebt" (Jtirc^e, itirc^en u. ©eften*,
©. 135f.); $. ©cbmibt: „Unter ©eften berftel^en toir fotc^e religiöfe ©emeinfd^aften, 90
toeldj^c im ©egenfa^ jur Äatl^olicität au«fc^lie^lid(i in ber §erftellung eine« l^eiligen SJolIe«
ba« 3beal feigen, ba« fte anftreben" (2)ie Äir^e ©. 192).
2. 3)ie ®emeinfc^aftcn, bie in 3!)eutfc^lanb neben ben eöangelifd^en Solf«^ unb
£anbe«firc^en ejiftieren ober jeittoeife ejiftiert |aben, jerf allen in fe^rt)erfc^iebenen®nH)pen:
a) 3"»iö(i^ft pnfe ©emeinfc^aften ju nennen, bie, in anberen ienitorien Verfolgt, 36
l^ie unb ba Slufnal^me unb 3"P"^^ gefunben l^aben unb bann in bem ®ebiet, h>o man
fie aufnal^m, ii^r eigene« Äird^entoefen aufrichten burften. §ier^er gel^ören j. 33. SSäaHonen
unb f^anjofen au« bem ®ebiete be« 6albini«mu«, SöJ^mifd^e darüber, bie nac^ Siolen
eingetoanbert toaren, SBJalbenfer in SBürttemberg. «Jpier^er gel^ören bor allem auc^ bie
3Rennoniten (2aufgefmnten). ©emeinben biefer 3trt, bie B^flud^t fuc^enb in ebangelifd^en 40
2Ienitorien aufgenommen tourben, finb meift t)on ben entf})rec^enben 2anbe«fir(|en aßs
mäl^lic^ angegliebert toorben, fo nod^ im 19. ^öl^r^unbert jene Sö^mifc^en 33rüber=®emeinben
in ber ^roöinj ^ofen al« Unität«gemeinben mit getoiffen ©onbened^ten öon ber j)reufe.
Sanbe«Me (9legl. b. 25. Sug. 1796 unb Rab.D. \>. 30. SDea. 1831). Slber aud^ too
fie, toie bie 5Kennoniten, au« ®rünbcn ber Seigre unb ber 3?erfaffung i^re ©onberejiftenj 46
behalten mußten, unb nic^t me^r al« ^btn 95ulbung fanben, toirb man fie nac^ firc^*
lid^em ®mj)finben fc^toerlic^ al« ©eften bejeic^nen trotten; benn fie finb nac^ i^rer ^tt^
fünft gor nic^t 2lbfonberungen bon unferen ebangelifd^en ftird^en, neben benen fie je^t
befte^en,^ unb Ijfaben auc^ nie bie 3:enben5 gel^abt, projjaganbiftifc^ ben 33eftanb biefer
Äirc^ ju gefä^rben. ©ie l^aben 3"P"^^ 9^fuc^t unb begehren nur ba« eine, im ^rieben 50
nac^ ben 2^rabitionen il^rer ®emeinfc^aft leben ^u fönnen. ^n getoiffem ©inne ift auc^
bie §erml^utifc^e 33rübergemeine ^ier^er ju red^nen, infofem bie ©rünbung öon ^errn^ut
burc^ bie Slufnal^me unb 3lnfiebclung üon 3)läl?rifc^en Srübern toeranlafet n^orben ift
unb ®raf 3injenborf in feiner ®emeinbeorganifation eine (gmeuerung ber alten Srüberfirc^e
erftrcbte. $amit berbanb fic^ freiließ ber anbere ®ebanfe, innerl^alb ber eDang. 3?olt«firc^e 66
einzelne ©emeinben burc^ eine befonbere ©emeinbeberfaffung ju einem reicheren ©emein^
fc^aft«leben unb bamit ju 2cben«3entren für ba« ftird^enganje ju geftalten. äJon ber
Äird^c Äurfac^fen« ift er genötigt Sorben, biefen aSerfu^ ni6)t innerl^atb ber a?ülf«fird[)c,
fonbem neben berfelben jur 3lu«fü^rung ju bringen. Damit toar bie SKoglicbfcit ge-
geben, ba^ bie SSrübergemeinc jur ©efte tourbe, unb fie ^at auc^ eine 3^it gehabt, in eo
160 ®clte«loefea in Setttfd^Ioitk
ber biefe W6Ql\d)Uxt SBirflic^Ieit tpcrben hJoHte; aber biefe ®efal^r l^at fic übertounbcn,
unb i^re ©teüung neben ber 2anbe«!irc^e tft bo^er niel^r unb me^r bic eine« frieblic^en
Seifammenleben« in öeßenfeitigem äu^taufd^ ber ®aben geiporben, fo bafe e« un«
l^eutigentage« toöttifl fem liegt, in ü^r eine (Seite ju erblidten.
6 3)en glü(^tling«gemeinben früherer S^^^^'^""^^^/ ^^^ wm Sufnai^me baten, ents
fprec^en unter öeränberten SSerl^ältniffen ber ©egentoart bie ^embling^gemeinben, bie ftd^
befonber« in ben ©ro^äbten gebilbet ^aben, anglifanifcfie, ))re«b^teriamf(i^e u. f. lo. ®e=
meinben, mit bem 3*^^*/ ^^^ i" gtofeen ©täbten bauemb ober Dorübergel^enb fic^ ouf-
l^altenben Äirc^engenoffen ürd^Iid^ ju bebienen. S« h>irb niemanb einfallen, berortige
10 ®emeinben afö ©eften ju beurteilen.
b) 6ine anbere ®nH)))e ift ate bie ber Se^jarationen gu bejieidj^nen. Solcher
2;rennungen l^at bie Äird^engefc^id^te bc« 19. ^ö^^^wnbert« eine ganje Steige Don größerem
ober fleinerem Umfange un« gebracht. Unter biefen laffen fic^ jtoet Slrten unterifc^eiben:
bie einen entftanben, fobalb in einer £anbe«!irc^e auf bem ®cbietc ber aSerfqffung ober
16 be« 9{itu« 33eränberungen fid^ k^oUgogen, inbem eine Minorität in biefen änberungen
nic^t eine naturgemäße ^ortenttüidelung, fonbem eine i^r ®eh>iffen bebrüdtenbc, bie
®runblagen ber Äirc^e alterierenbe Steuerung fa^en. ©o öor allem au« Sfniafe ber @in=
fül^rung ber Union gtDifc^en lutl^erifc^en unb reformierten Äirc^en unb ber Sinfü^rung
einer Union«agenbe (in 2Ht))reufeen) ober bei ber SSereinigung ber Äird^enbel^örben lut^e-
20 rifd^en unb reformierten Gl^arafter« ju einer einheitlichen Sel^örbe (in Reffen). 3Cber auc^
toeit geringere änberungen fonnten ju @e))arationen 2lnlafe geben, fo bie ätbänberung
ber 2:rauformeI nac^ ßinfü^rung ber bürgerlichen Sl^efcfiliefaing (in ^annoöer) ; ftnb boc^
fogar lolale SlbfpHtterungen einft erfolgt, al« ©c^ulbel^örben bie S3ibel afe Scfcbuc^ au«
bem beutfc^en Unterrid^t ber 9?oI!«fc^ulen entfernten unb bafür ein beutfc^e« Sefebud^
26 einfüi^rten unb nun ®emeinbeg(ieber fic^ nic^t au«reben liefen, ba^ bie £anbe«ttrc^e bamit
anfange „bie Sibel abjufiaffen." 2lber neben ben ©e))arationen au« Stnlafe Don 3Jlafe-
nahmen, bie eine gange Äird^e betreffen, bie baljfer auc^ bie lenbenj in [\d) tragen, in
bem gangen Jtirc^engebiete ftd^ au«gubreiten, ftel^en ga^Ireic^e ©e))arationen rein (ofalen
unb ba^er auc^ ej)l^emeren G^arafter«, meift baburd^ l^ert)orgerufen, bafe ein etnjelner
90 ®eiftlid^er mit feiner Äirc^enbel^örbe in Jtonflift gerät, einer Stnorbnung au« ®eh)iffen«=
grünben meint, ben ®e^orfam toerloeigem gu muffen, unb bal^er al« renitent entlaffen
toirb. 3ft ein fold^er eine fraftboKe ^erfönlic^feit, bann toirb e« iljfm tool^I gelingen,
einen ^eil ber ©emeinbe in feinen SBiberftanb mit^ineingugiel^en unb ein eigene« Äirc^-
lein aufguric^ten. §äufig fud^t bann ein folc^er feinen 2lnfd^lufe bei einer bereit« befteJ^en^
36 ben ©ejjaration, anbemfaU« toirb ftd^ eine fold^e älbflilitterung nur furge ^Ät galten
fönnen. 211« eine ©e^jaration au« 2tnlafe einer in ber Äirc^e ficb öougiel^enben SBanblung ift
nac^ i^ren Anfängen auc^ bie fog. „lic^tfreunblid^e" Seloegung gu beurteilen, in toelc^er
bie toom 9lationaIi«mu« gro^ gegogene äufflärung getoiffer Sürgerlreife unter gfü^ung
Don freifinnigen ©eiftlic^en fic^ gegen ben lirc^Iic^en ®eift, ber in ben jjreufeifd^en Äird^en^
40 beworben tpieber gur §errfc^aft gelangt loar, proteftierenb erl^ob. §ier erfolgte aber nac^
bem 3Iu«tritt au« ber Äirc^e in rapiber ©nttoidfclung ein fo toöUige« ^rei«geben ber
®runblagen alle« ß^riftentume«, bafe biefe ©eparation auf ben Flamen einer d^ri^lic^en
nic^t mebr 3lnfj)ruc^ ergeben tonnte, ba^er aud^ nic^t ethja meF)r al« eine ©cfte ber
etoangelifd^en Äird^e begeic^net toerben fann.
46 3*1*^^^*^^^^ ©ej)arationen ber borbegeic^neten Slrt unter ben Segriff „©efte" fallen,
ift fe^r umftritten. 6« fommt babci in Setrac^t, ob man il^rem SBiberftanbc gegen bie
^ortentlDicfelung in ber Äirdbe, um beren toillen fie ftcb trennten, ein (tooUc« ober b^ingte«)
iHec^t guertennt; unb tveiter, ob bei i^rem 3lu«fc^eiben i^r Äirc^enbegriff felbft eine Um=
bilbung in ber ^)iic^tung jum J)onati«mu« ^in erfahren i}ai] ob fie auc^ nac^ i^rem 3Cu«s
eofd^eiben noc^ ben ©inn für bie bolf«firc^lid^e 2lufgabe fic^ behja^rt l^aben; femer ob fte
nod^ im ftanbe fmb, an ber tl^eologifc^en ^ortarbcit ber ^zxt teilgunel^men, ober fic^ t^eo^
logifd^ böUig abfd^licfjen unb bamit au« ber geiftigcn Setoegung ber etoangelifcben il(^eologie
au«fc^eiben unb baburd; feften^aft rrerben. (2luc^ eine 2anbe«firc^e fann fw^ felbft gur
©efte begrabieren, fobalb fie i^re ®ciftlid^en t)on bem Äonne^ mit ber fjortenttoidtelung
66 ber ^l^cologie abfperrt.) 3Sgl. 2)ot)c: „Separationen, tocld^e auf bem 95oben ber beutfd^en
Sieformation beharren, fallen nid^t nottocnbig unter bie für ©cf ten ma^gebenbe Seurteilung".
(ättgem. i^ird^enblatt 1884, ©. 344.)
c) 3!)ic britte &xvi\>p^ t)on ©onberbilbungen, auf bie ungh)eifelbaft bie S3eaeic^nung
„©elte" aintoenbung finbet, ift unter un« entftanben burc^ bie ^n^ofion engtifc^sameri*
Go fanifc^en 2)iffenterc^riftentum« in bie 3Solf«tirc^en ber beutfc^en ^Reformation, ^ier ^Kmbelt
Settesioefen in Sentfi^Ioitb " 161
c^ m nic^t um Ircnnunöen auf ®runb bcr inneren (Sejc^ic^tc biefer Hirc^en felbft,
fonbem SSertrctcr eine^ anbem Äird&cnbcflriffd, anberer ätnf^auungcn über ben ^eifetpcg,
anbcrer ^^ömmiöleitöibcalc pnb nac^ 2)cutfd^lanb ^erübergefornmen, l^aben unfere Kirchen
al^ il^r ^JKiffton^ebiet angefe^en, fuc^en für i^re Slnfc^auungen erlüecfte ©lieber unferer
©emeinbcn ju getptnnen unb ge^en bann bagu über, biefe unfern ©emeinben abtoenbig 6
j^u machen unb ju ©onbergemeinfc^aftcn jju bereinigen. 3)ie^ öinübertpirfen englifc^s
amerilanifc^er ^ro))aganba ift g. 3- für unfere Äirc^en bie eigentliche ©eltengcfal^r, mit
ber toir e« ju tl^un ^aben. Unb jh>ar l^anbett e« ftdf» um eine ©efa^r boppelter 3lrt:
einmal barum, bafe unfern ©emeinben lebenbige ©lieber entzogen toerben, aber baneben
um bie öielleid^t nod^ größere, bafe hjeitere Äreife gläubiger unb Ürc^lid^ interejperter lo
©emeinbeglieber Don geh)iffen ©ebanlen unb gbealen jener ß^riftentumdauffaffung beein«
flu|t toerben unb baburd^ in unfere Hirc^en felbft ein ben et)angelif(^en SJolfötird^en frember
©eift hineingetragen h>irb unb aU ein ©lement ber Stuflöfung unb 3^^"W0 i" biefen h>irl-
fam toirb. Diefe ©emeinfc^aften englifc^samerifanifc^en Urfprungeö »Deichen unter fic^
felbft mannigfad^ ab. Slamentlid^ mufe bie ,,3lj)oftolifc^e" ©emeinbe ber fog. S^^^ingianer 15
ald ein ©ebilbe gang eigener 3(rt t)on benen unterfd^ieben Serben, bie unmittelbar ober
mittelbar ü^re geiftige ^^^fiognomie ber metlf^obiftifcfien ErtDedtung fenglanb« im 18. S^i^r*
^unbert toerbanlen. So fe^r alfo auc^ Unterfc^iebe gemacht toerben muffen, fo ift bo<^
ba^ ©emeinfame eine Don aufeen ^er über un« ^ereingebrod^ene ^ropaganba eine^ auf
anberem Soben, bei anberem 38otföc^arafter unb unter anberen 3Ser^ältnifJen enttoidelten 20
Sl^riftentum^. (^er ^tet^obi^mud trägt in älmerita ben ©^arafter einer ilirc^e; bad
^inbert nic^t, bafe er unter unö fic^ ate Seite bemerlbar mac^t.)
3. SQäenn man nac^ ben Urfad^en fragt, aue benen bie ^uneigung lebenbiger
©lieber unferer ©emeinben ju ber $ro))aganba bee Seftentum« ftdj ertlärt, fo ift e«
m. (S. ein 3^^w"^# \o^x\xi man, toie l^äufig gefc^ie^t, babei in erfter fiinie bie ettoof in 25
Setrac^t fommenben Sonber lehren ber einzelnen Denominationen in 33etrac^t giei^t.
2)ic Slnjie^unggfraft bc« Seftentum^ h>iU Diel tiefer erfafjt fein. 6« barf nic^t toerfannt
merben, bafe in jebem SSoltefirc^entum untoermeiblid^ eine ftarle Sjjannung toor^anben ift
jtoifc^en bem religiöfen Äirc^enbegriff unb bem empirifc^en Swf*^"^ ^^ ©emeinben. 3)ic
^^olföfirc^e ift (Sriie^erin be^ ©efd^led[|td, unter bem fte befte^t. ^x^ ^arod^ialgemeinben so
Dercinigen Iird(^lic^e unb unfird^üc^ie, lebenbige unb tote ©lieber. 9tuö biefen SSer^ält^
niffen lodt bie Sefte gerabe bie lebenbigen ©lieber ^erau^, inbem fie i^nen eine ©emein^
fc^ft üon lauter lebenbigen ß^riften öerlodfenb in älue^fic^t ftellt. 3!)ie SSolföfird^e mufe
oudj^ auf ben berfc^iebenen Stufen il^rer Serfaffung Seute jur SKitarbeit in ben ©emeinbe«
tird^enräten ober ^ßre^b^tericn, S^noben u. f. h). julaffen, bie j^n^ar einen geipiffen 3"* 86
fammen^ng mit i^rer Äirc^e nad^lpeifen lönnen, beren pofitiü geiftlid^e Dualifilation
aber nic^t unterfuc^t h>irb unb oft jtoeifell^aft ift. ^iaturgemäß f))ielt in biefen SSer^
tretungen bie 3wg€^örigfeit ju ben §onoratiorcn ber ©emeinbe oft eine größere SRoHe
atö bie 3ugel^örigteit ju ben jtinbem ©ottet^. 9(ud^ l^ier liegen Slnftöfte bor, bie ber
^roiKjganba be« Seftentume^ gu ftatten fommen. 3" i^ertoorragenbem SKa^e aber ift 40
überall ba für bie Sefte ein günftigcr Sobcn, too ^aftoren einer Äirc^e öon ben ertoedtten
©emeinbegliebern nid^t al^ geeignete Seelenfü^rer anerfannt tperben, h)o fie burc^ i^re
£el(^re ober burd^ il^re ganje toeltförmige Seben^^altung ober burc^ fiäffigfeit in i^rer ämtd-
fü^ung 3lnfto6 geben. %(ki\x fommt ba« Sebürfnig Dieler (Elften nad(| engerer ©emein«
f(^aft mit ©leid^gefinnten unb ©leic^geftimmten, ba^ Verlangen nad(| einer reicheren 45
Sefriebigung il^rer religiöfen Sebürfniffe, nad^ ©etegen^eit gur 3tu«fprad(|e über gragen
be^ inneren %z\itx^.% ober über ba« rechte aSerftänbniö Don Porten ber ^l. Sd(|rift. 35iefe
3Ser^ältniffe, biefe unbefriebigten Sebürfniffe bal;nen ben Selten ben SBeg in unfere ©e«
meinben hinein. @« ift babei relatiD nebenfäd^lic^, ob nun bie 3Jlänner, bie fold^en
©emeinbegliebern in iljrem ÄonDentifel bie äefriebigung atter i^rer fird(|lic^en unb geift« 50
lid(^en Sebürfniffe anbieten, jugleic^ baptiftifd^c ober met^obiftijc^e Sefonberl^eiten mit=
bringen, ober ob fte ettoa c^itiaftifc^e unb montaniftifc^e Sonberle^ren au^ftreuen. Die
änjiel(^ung«traft ber Sefte ift in erfter Sinie bie enge geiftlid^e ©emeinfd(|aft, bie fie bietet.
Den genannten ^aujjtfäd^lid^en Urfacfjen laffen fic^ (M fernere ©rünbe jur SIbfonberung,
gang abgefe^en Don ben nur ju l^äufig mitfDielenben „unlauteren aWotiDen ber 9leuerung«c 55
fud(^t, religiöfer SWobe^ unb ©enufjfuc^t, geiftlicf^en §oc^mut«, ber Übergebung über ba«
Xxxißil georbnete 3lmt, ßl^rgeig unb Sled^tl^aberei" noc^ folgenbc ^ingufügen: Ungebulb
unb Unjufriebenl^eit gegenüber ben 3uftänben in ben Sanbeöfird^en ; ^JJtifjtrauen in Segug
ouf il(^re ou« bem mobernen j)oliti|^cn ^t\i^XK entlehnten Serfaffung^beftimmungen foit)ie
auf il(^re bureaufratifc^en gormen; aSiberipiÜe gegen bie 3ßerfloc^tenl^eit ber Äird^e mit eo
9iea(«<hic4fIopäb{e für 2;^eolo0ie unb mx^t. 3. 2(. xvill. \ \
162 ^ettenioefett in ^entfil^Ioitk
bcm Btaat unb i^rc manniafaltigc SlbJ^ängigfeit t)on il^m; Unfic^er^eit ober befangene
ängftlid^Ieit betreffe ber aiufred^ter^altunö be« Säcfenntniffe« („tbr f^abt feine Sel^rjudj^t!")
ober ber d^riftlic^en J)i«jij)Iin in ben Sanbe^fird^en („il^r l^abt feine Äird^enjuc^t!"); ber
Slnftofe, ben eine an bie alte 3nf})iration^lel^re gebunbene ®emeinbeortl^obo|ic an ber
5 ®nth>i(felung ber J^eologie nimmt, ba^er ba^ 5Ki|trauen gegen bie auf ben Unitoerfitäten
öon „ungläubiger" 2Biffcnfc^aft infizierten ©eiftlic^en; Untenntni« unb 3Rifetoerftönbni^
be« ebangelifc^en §eil^Iauben«, namentlich ber Seigre toon ber Slec^tfertigung, bie mit ber
Heiligung toermifd^t h)irb; metl^obiftifc^e SSorfteKungen über ben §eiligh)eg; Unterf(bä|ung
ber Sebeutung ber Äird^e, il^reö 9lmteö, il^rer ©aframente unb Drbnungen bei Überf(9ä|ung
lobeftimmter c^riftlic^er fiebengformen in toietiftifc^er Prägung; m^ftifc^e ärt ber 3hfömmig=
feit auf Äoften ber ebangelifc^en ginftc^t, bafe ber 6^rift fc^lid^t an ba« fflort ®otte«
getDiefen ift, an biefem aber aud^ bie genugfame DueHe aller geiftlic^en ©rfenntni« ^t;
zDlifeöerftänbniffe unb 5!Kifegriffe bei Slu^legung unb antoenbung ber ^l. ©c^rift; Setonen
einzelner namentüd^ au« bem 312^ unb ber Offenbarung ^o^nni« j^erau^eriffener Sibet
16 fteUen 2C. (3Sorftel^enbe« j. %, toörtli* nac^ bem Sleferat \>on t). Serlet)f(^ auf ber 6ife=
nad^er Äird^enfonferenj 1884, ba« fic^ toieberum anfd^tiefet an 3:befen \>on Älemm unb
tarnadt auf ber Dberl^effifc^en ^aftoralfonferenj bom 8. auguft 1882; f. ÄUgem.
irc^enblatt 1884, ©. 475.)
4. ^ie ©teQung ber®taat$gefe^^ebung i^u ben nic^t burdb ben Slugdburger
20 Sleligion^frieben unb ben ©eftfälifd^en gneben j)riöilegierten , öffentlich aufgenommenen
SReligion^efetlfd^aften l^at im £auf ber ^AUn allerlei ©anbiungen burd^emac^t, bie
j^ier toenigften« an ber (Snttoidfelung biefer 35erl^ältni«bejiebungen in ^reu^en furj
iUuftriert toerben foUen. ^tm ^rieben«fc^lüf(e erfannten aufeer ben Äatl(^olifen nur bie
S3e{enner ber Slug^burgifd^en Äonfeffton unb feit 1648 au^brüdtlidj^ aud^ bie SReformierten
25 an. 2)iefe ecclesiae receptae genießen bamit — noc^ lernte — ben S8orjug, bafe ber
Btaat bie geiftlic^en ämter biefer Äird^en ate öffentliche Sämter anfielet, für bie 35or=
bilbung il^rer (Seiftlic^en auf ben ©taatgunitoerfttäten huxd) tl^eologifc^e gafultäten gür^
forgc trifft, bafe er femer il^nen ben toeltlid^en Srm leil^t jur Eintreibung Don abgaben
unb Seiftungen, fobann bafe er ben gefttagen biefer Äirc^en burd^ änorbnungen Seac^tung
aounb©d^u^ im öffentlichen Seben berfc^afft unb i^nen Dotationen ober ßufc^üff e au« fiaat-
lid^en ^ÖJitteln getoä^rt. 3lnbere ©emeinfc^aften foUten über^au^jt nic^t gebulbet toerben
— eine 2lu«na|me bilbeten allein bie Suben. äuc^ ba« 9leformation«re$t ber Sanbe«-
l^erm blieb auf biefe reci^ierten Äird^en befc^ränft. 2tber biefer SRed^t«juftanb tourbe aß-
mä^lic^ gelocfert, 3lu«nal^men tourben gemacht. %üx ben branbenburg'))reu6ifdben Staat
86 toar toon Sebeutung, bafe ba« iperjogtum ^Preufjen nic^t jum beutf^en Slcic^ gehörte.
§ier toaren fd^on 1548 böl^mifc^e Srüber (freiließ unter mond^er Sefd^ränlung il^rer
ßigentümlid^feiten unb mit ber S^enbenj auf 2tnglieberung an bie Sanbe^firc^e) auf«
genommen toorben (bgl. ^fc^actert in ^ublifationen au« ben ^reufeifc^en @taat«arc^tt>cn 43,
343 ff.). 'S:)ann getoä^rte ^ier ba« SRepript griebrid^ SBil^elm« I. bom 22. HRärj 1722
40 ben 3Kennoniten 3!)ulbuna ; nad^ ber 3:eilung ^olen« erl^ielten auc^ bie SJlennoniten in
aBeft|)rcufeen burc^ ba« ^ribileg bom 29,3)läx^ 1780 ^nfxd^ztnn^ i^er ®lauben«freil^eit.
gaftifc^er I)ulbung erfreuten fic^ l^ier fogar auc^ ©ocmianer. granjöftfdj^ Sieformierten
toar fc^on am 13. SJlärj 1639 ein ^^atcnt erteilt tDorben; bann folgten nac^ ber ©in^
toanberung ber au« ^ranfreic^ flüd^tenben Sieformierten bie Privilegien bom 9. Oltober
45 1685 unb 4. SKai 1694. ©r^eblic^ toeiter ging ber 2lufflärung«fönig griebric^ II., ber
am 25. SDejember 1742 unb in mel^reren na^folgenben (grlaffen 3lnfieblungen ber l^^erm^
l^utifd^en Srübergcmeine fonjejftonierte, aber auc^ ben ©c^toendffelbem am S.SRärj 1742
bie preu^i|d;en Sanbe öffnete unb fogar ben ©ociniancrn am 28. ^unx 1776 bie ßr--
bauung eine« Set^aufc« gemattete, ©o gab e« je^t neben „öffentlid^ aufgenommenen"
50 Äirc^en auc^ „gebulbcte" Äird^engefeUfc^aften mit einem exercitium religionis privatum
unb mit je nac^ bem SBortlaut ber Äonjeffion berfc^ieben bemef|enen 9le^^; am
günftigftcn gcfteßt War babei bie Srübergemeine. Diefem 3wftanb entf))ric^t fotoo^l ba«
aSößnerfc^e 9leligion«ebift Dom 9. 3uli 1788, ba« toon „bi«l^er öffentlid^ gebulbeten
©eften" rebct, „iDcIc^c unter lanbe«^errlic^em ©d^u^ i^re gotte«bienftlic^cn 3wfanimen=
56 fünfte Mten", h)ie auc^ ba« Mgem. Sanbrec^t %. II, Stit.XI, § 17ff. mit ber Unter-
fd^eibung toon „öffentlid^ aufgenommenen" unb ,,gebulbeten 9leligion«gefellfd^often." Äu«
festerer filaffe ragten bie ^ermhuter infofem ^eroor unb näherten \\d) ben öffentlich
j)nbilegierten Äird^engefell|c|aftcn, al« fte al« „toal^re 3lug«burgifc^e Äonfeffton^Dertüanbte"
anerfannt tourben, unter ber ,,Cbcrberrfc^)aft unb ^roteftion" be« Äönig« ftanben, ouc^
60 ihre Sifc^öfc bom Äönig beftätigt toerben unb ben Ircueib leiften foUten. 3)od^ toaren
ScMemoefeii in Sentf^tenb 163
ii^nen nur Set^äufcr ol^ne &loim gcftattct unb i^ren ©eiftKc^en fehlten bic ^rtoilegien
bei öffmtlid^ aufgenommenen Äird^en. 3)ie blofe gcbulbeten SleligionigefeKfc^aften (fo bie
aKennoniten, ferner bie Dualer [Äab.D. öom 16. 3Wai 1830]) mußten nac^ %, II, %\t XI,
§ 489 bie unter ü^nen öorfommenben ®eburten, heiraten unb ©terbefätte bem Pfarrer
be« Äir(^f))iete, in beffen Sejirl fte h>ol^nten, jur Eintragung in« Äirc^enbud^ anzeigen. 5
Si^re ©lieber blieben ber lanbe^fird^lic^cn ®emeinbe in Segug auf Äird^en* unb S^uU
laften unb jur S^^Iwng ber ©tolgebü^ren toerjjflic^tet, ate Wenn fie Äirc^englicber toären.
a)ie „Dottfommene ®lauben«= unb ®eh)iffen«frei^eit", bie %. U, %\t XI, § 2 aütn (Sin*
tool^nem im Qiaai getDöl^rte, geftatteteben 9(nl^ängem einer nic^t audbrüc!(icfi tolerierten
Sleligion^artei bod^ nur ba« ^au^öaterrec^t j^äuglicpen ®otte«bienfte«. 3)ic um ber Union 10
Witten feit 1830 [xd) fejjarierenben Sut^eraner befamen, folange fjriebricfi SBil^elm III.
regierte, bie ganje ©^ärfe be^ SSerbotd ber „ber c^riftlic^en Sieligion unb bem <Staatt
fdbäblid^en ßonöenticula" ju fj)üren. 6rft bie ©enerallonjeffton toom 23. 3uli 1845
(Äod^ • IV, 168 f.) öerliel^ ij^nen äl^nlic^e Siechte toie fie bie SBrübergemeine erhalten l^atte.
(2)a^ fte aber aud^ l^eute nic^t ben privilegierten ftird^cn gleidj^geftellt fmb, barüber ögl. 15
bad Srienntnid bed Obert)erh)altungigeric^t^ bom 29. ^uni 1898, Slllgem. ftird^enblatt
1899, @. 17 ff.) ebenfo erl^ielten bie ftc^ fe))arierenben Reformierten (Äo^lbrüggianer)
am 24. 9lot>ember 1849 eine ®eneral!on3effton, 3Ä5R 1,41 6 ff. III, 358 f. 5Den injtoifd^en
(feit 1837) aufgetretenen g5a))ttften tourbe burd^ bie «ab.O. öom 19. Dftober 1841 jtoar
bie formelle ©mbung Derfagt, jugleid^ aber tourbe öerfügt, bafe nic^t mit ©trenge gegen 20
fte k)erfal^ren toerben fottte. ^ie beutfc^-fatl^olifc^e unb bie lidbtfreunblid^e Setvegung
führten ftaatlic^erfeit« ju neuen ©rtoägungen über bie Beglaubigung ber ®eburten,
betraten unb ©terbefätle in fold^ett ©emeinf^aften, bie mit bem Sefenntni« feiner ber
recij)ierten Äirc^en in toefentli(^er Übereinftimmung toaren, unb beren ©eiftlic^en ober
SBorfiel^em man md)t geneigt loar, bie ®ered&tfame ber ©eiftlid^en ber ))ribilegicrten Äird^en 26
beijulegen. ®ie Serorbnung bom 30. SWärj 1847 fd^uf für folc^e eine bürgerlid^e Se-
glaubwung jener 3lfte burc^ bie Ort^erid^te. ©ine.toeitere gortenttoidtelung brachte bie
Serfaflungöurtunbe öon 1848, refj). i|re reöibierte ®eftalt toom 31. ^amax 1850 burd^
bie Seftimmung in Slrt. 12: „2)ie greil^eit be« religiöfen 35e!enntniffe^, ber Bereinigung
}u 3leligion^efeflfd(^ften unb ber gemeinfamen ^äu^lid^en unb öffentlid^en 3leliaionö= 30
Übung toirb getoäl^rleiftet. Der ®enufe ber bürgerlid^en unb ftaat^bürgerlid^en Siechte ift
unab^öngig öon bem religiöfen Selenntniffe." 3lber 3trt. 13 fügt l^imu, bafe Sleligiongs
gefettfc^apen, toeld^e feine Äor))oration«rec^te l^obcn, biefe nur burc^ befonbere ®efe|e
erlangen tonnen. SSar bamit bie 93ilbung r>on Sleligion^gefellfc^aften attgemein frei
gegeben, fotoeit nic^t ©itte ober ©taat^orbnung gefä^rbet erfc^ien, unb fonnten nun 85
auc^ religiöfe SSerfammlungen berfelben einfad^ untere 2}erein«ge(eft gefteHt loerben, fo
toar bod^ bie Erteilung be^ Äortjorationi^rec^te« an einen 2tft ber ©efe^gebung gebunben.
auf biefem SBege gelangten benn aud^ am 12. ^nnx 1874 bie 3Jlennoniten (Äod^ " IV,
169f.) unb am 7. 3uli 1875 bie »ajjtiften (Roc^ • IV, 170) in ^reufeen ju fold^en
Siedeten. Erleichtert tourbe bie 9lec^[t«lage ber „©eften" burc^ bie Einfül^rung ber ©tanbe^ 40
ämter unb ber obligatortfc^en ßibilel^e (9. SKärj 1874 für ^reufeen, 6. ^ebruar 1875
für« beutfd^e Sleic^), inbem bamit bie SSorred^te ber })rit)ilegierten Äirc^en m Sejug auf
bie bürgerliche Sled^t^toirfung i^rer S^rau^anblungen unb il^rer Scurfunbungen be^
?Perfonenftanbe« l^intoegfielen, unb für bie ängebörigen anberer ©emeinfd^aften ber 3lu«s
no^mcftonb ber SRotciöilel^e. 6nblid(i finb bie Scftimmungcn ju ertoäi^nen, bie ber Erlafe 46
be« »üraerlic^en ©efe^buc^e« (1896) für« ganje SReic^ gebracht ^at. Danach ift für ben
prilKitrecptlic^en Ertoerb ber 9lec^t«fä^ig!eit auc^ für Vereine mit religiöfem ^mä ber
einfache SBeg gerid^tltd^er Eintragung Dorgejeic^net; boc^ ift für biefe eine öorgöngige
Prüfling feiten« ber ©taat«be^örbe vorbehalten, ber bamit ©elegenl^eit gegeben ift, ftc^
aud^ mit ben lanbeSlirc^lic^en 93eb5rben barüber in« Sene^men ju fe^en unb zt>mt gegen 60
bie Eintragung Einf))ruc^ ju ergeben (95®33. § 21 unb 61). 2)amit aber 9leligion«=
gefettfc^ften Äorjjoration^red^t erlangen, bebarf e« aud^ l^eutigen 3:age« no(^ eine« 3l!te«
ber ®efe|gebung (ögl. ani) Einfübrung«gefe^ Slrt. 84). 3)ie gorberung (in ben J^ranl^
furter ©runbred^ten), bafe feine 9leligion«gefctlfd^aft bor anberen SSorrecfite bur^ ben
©taat genießen foBe, ift bi«^er in Deutfc^lanb nirgenb« t)erh)irflic^t, ift auc^ ni^t im 66
gntereffe be« ©taate«. Äird^en, bie in einer ©efc^id^te öon ^al^rl^unberten mafjgebenbe
goltoren be« fittlid^en unb religiöfen a3Dlf«leben« getoorben ftnb unb al« gro^e aSolf«-
nrc^en Eniel(^er be« SSolte« finb, muffen auc^ bom ©taat anber« gctoertct toerben, al«
ejj^emere älffodationen fleiner Äreife, bie ba fommen unb gelten unb fic^ nod^ nic^t al«
Iröger ber religiöfen unb ftttlic^en Äultur ertoiefen ^abcn. ©erec^tigfeit ebenfo toie ßo
11*
164 ®ettetiiocfeii in Setttfil^laitk
))raftifci^e ^olitif iüibetftrcben l^icr in gleicher SBeife ben 5*>i^^^ninoen öon 3)oItrinärcn,
ber 9lcc^t«alci(^l^ett für alle. (Sgl. 9ltc^ter=3)oöe=Äa^I, Äird^enrec^t • ©.324 f. unb im potent
bom 30. aJlärj 1847 bciÄo^ ' IV, 165 bie feierliche (Srllärung: „3&\x finb entfd^Iojfen,
ben in unfern Staaten gef^ic^tlic^ unb nac^ Staatööerträgen bevorrechteten Äirc^en, ber
6 ebangelifd^en unb ber römifcbsfat^olifc^en, nad^ h>ie öor ©d^u^ angebellten ju laffen unb
fie in bem (Senuffe il^rer befonberen ©ere^tfame ^u er^Iten".)
5. 3)ie ®eaenh)ir!un0 öon firc^Iic^er ©eite gegen ba^ 3Sorbringen beö ©eften^:
hjefen« ergibt fic^ au« ber ßrlenntni« ber Urfac^en biefer ©rfd^einung. Darin ift man
h)ol^l einig getüorben, bafe bie Äirc^en i^re SSerteibigung gegen bie ^nöafion ber ©elten
10 in ber SRegel unb jjrinji^ieH nic^t baburc| fül^ren bürfen, bafe fie ben ©taat um poligei =
lid^e 3Jla|regeln angelten. Die (Srfa^ng l^at gelehrt, bafe bie ©egentoirtung mit biefem
3)JitteI niemals bie ^ropaganba aufl^ält, fonbern nur 3Jlärt^rer fd^afft unD bie 6a(^e ber
Äirc^e fd^äbigt. 5Rur offenbare Su^toüd^fe, burc^ toelc^e bie 3lul(^c unb Drbnung geftört
toerben, foHten poKjeilid^er 5!Ka^regeIung unterliegen. 3)ie ®egenh>irfung, bie ber Äirc^e
15 toürbig ift, mufe bor attem barin beftel^en, ba^ fie bad religiöfe Sebürfnid, bo^ i^re
©lieber ben ©eften jufül^rt, toon pdf» au^ mit ilffren 5Ritteln emftlid^ ju befricbigen
bemüht ift. gebeö 2luftreten bon ©eften ift eine 3Ral^nung an bie Äird^e toegen mancherlei
SSerfäumniffen unb toegen SKi^änben, bie ftd^ toenigften^ bi^ )u einem getoiffen ®rabe
abfteHen laffen. 21^. «olbe l^at ben ©a^ formuliert, bei jeber ©dtenbilbung ^anble e^
2ofic^ um „bie ei nf ei tige Betonung eine« an ftd^ bered^tigten, )i>on berÄird(^e gcitlocilig
bernac^läfjigten ®ebanlenö ober fird^lic^en §anbeln«." (Die §eil«armee, Srlangen
1885, ©. 117.) Die SIBa^r^eit biefe«©a^e« läfet fic^ nid^t berfennen. Dann ift c« aber
älufgabe ber ^irc^e, bie allgemeinen unb befonberen Urfac^en jur ©ehenbilbung nad^
jlräften ju befeitigen. @« l^anbelt ftd^ alfo um eine reichere unb lebenbigere SSerfünbigung
26 beö göttlichen SBorte«, um treue f})ejielle ©eelforge, bie fic^ aud^ bie Pflege ber lebenbigen
©emeinbeglieber angelegen fein läfet, um bie (Sinrid^tung bon ÜRcbengottedbienften be^uf«
mannigfaltiger formen ber Darbietung geiftlic^er ©))eife, um eine tirc^lid^e Pflege be«
®emeinfd^aft«bebürfnifje« ber (Srtoecften, um bie Pflege folc^er Vereine innerhalb ber
®emeinbe, bie ber religiöfen ®rbauung unb ber fittlic^en Seioal^rung bienen (Süngling^^
90 unb 3wn0fröuent)ereine), um geiftlicfien SBanbel unb geifterfüHte ^ßrebigt ber ^ßaftoren,
um bie ^eml^altung jjon 5!Kietlingen bom geiftlic^en ©tanbe, um bie Sleaftion gegen
grunbftürjenben unb 2irgemig gebenben 33Ji^brauc^ ber Se^rfreii^eit um §anb^bung einer
emften 3"^* ^" *>^ ®emeinben, um ßrjie^ung ber ®emeinbeborftänbe ^ur 3Witarbeit
ni4>t nur an ben ßEtema, fonbern aud^ an ben inneren 3lngelegenl^eiten ber ®emeinbe,
85 um bie §eranl^olung lebenbiger ®emeinbeglieber ^ur 9)Jitarbeit je nad^ i^ren ®aben unb
Äräften an ber Pflege unb Erbauung ber ®emeinbe (ate Reifer in ©onntagefc^ulen, in
ber 3trmen= unb Äranfen})flege unb an ben Vereinen in ber ®emeinbe); ögl. I^ierju bie
aiu^fül^rungen Don to. Serlepfd^, 2111g. Äird^enblatt 1884, ©. 476 f. ©etoife toirb e« nic^t
möglich fein, auf biefem SBegc alle Quellen ju berftoj)fen, au« benen bie Steigung ^um
40 ©eftcntum flicfit, aber nic^t nur, baf; mand^e« ®lieb auf biefe Sßeife ber Äirc^e er^lten
bleibt — e« n)irb \^x baburc^ aud^ ermöglicht, je ernfter fie biefe Slufgaben ergreift, um
fo juDerfic^tlicf^er mit gutem ©elDiffcn ben Slnflagen ber ©eftierer gegenüber ju treten.
@iner firc^engefe^licben Grlcbigung ^arrt noc^ bie ^rage, in toeldjiem Umfange unb
in tvcld)Qx 3Beifc bi^jiplinare 3)la^na^men gegen ®emeinbeglieber, bie ftd^ mit
45 Selten einlaffcn, borjuncl^men feien. G« liegt \a bie 2:l^atfad^e bor, bafe biele ©emeinbe^
glicber an ben öotte^bienften, fogar am 2lbenbmal;l bon ©eften teilnel^men, ol^ne formell
i^rc 3"9^^^^'^i9f<^it ^ur £anbe«firc^e aufgulöfen. Da entfte^t bie ^rage, an toeld^en
^Punften unb in rreld^cn gäUen bie Äird^e bie ^4}flic^t l^abe, folc^e ®lieber nic^t mel^r aU
in ber 5rre gcl^enbe, unb ba^er feelforgertid^ ju be^anbelnbe, fonbern aU abtrünnige unb
50 ba^er gum 3(u«tritt ^u jtoingenbe, rcf)3. at« au^^ufcf^lie^cnbe gu be^anbeln. auf bem
Söegc ber ^artitulargefe^gcbung ift l;ie unb ba toerfuc^t toorben, ben 9lu«tritt bon
©emcinbcgliebcm, bie ju einer neuen Steligion^gcmeinfd^aft Einzutreten tooHten, an^ i^rer
Äircl>e ^u forbcrn. So tourbe in ©ad^fcn=2lltenburg am 24. Januar 1851 berorbnet,
bafe bie ^kcbiger ober isorftc^er folcber ©emeinfc^aften niemanb alö 3lngel^örigen ibrer
55 ©emeinfc^aft aufnehmen, nennen unb bcl)anbeln bürften, ber nic^t ber Drt«))olijeibe^örbe
fd^rifttic^ aiuötritt unb Übertritt angezeigt l^ätte (Sltlgem. Kirc^enblatt 1853, ©. 179).
älnbercrfeit« ift man bafür eingetreten, baj^ felbft eine ein^ ober mehrmalige Äbenbma^l^^
feicr in einer Seftc ben bctrcffcnben nod; nid^t au« bem 3ierl[^ältni« jju feiner Äirc^e au«^
fc^Iie^c, fonbern ba^ er auc^ bann nocf^ unter ber feetforgerifc^en ©intoirfung be« ©eift«
fio lieben feiner Sirene verbleibe; erft ein bel;arrlicEer Slnfc^lu^ an bie sacra ber ©ette
Settenloefnt in Snttfi^Iaitb 165
gebe jum älu^fc^Iufe mit ben ÜRüteln ber Äirt^enjud^t einen au^freid^enbcn 3lnlafj. 6ine
rec^t öerf(^iebenartige Se^anblung l^aben in biefer Sejie^ung bie ^^ingianer erfahren,
bie ja, too fte nic^t ba;u genötigt mürben, grunbfä^lid^ i^re Sanbe^Itrc^en nic^t berlie^en
unb oft au(^ SBert barauf legten, ben Iirc^Ii(|en guföwin^^n^ang niit il^rer Ianbeöfir(^Ii(|en
©emetnbe bur(^ leilna^me am ®otte^bienft unb .äbenbma^I ju bezeugen, mgleic^ aber 6
in ber ^^o^oftolifc^en" ©emeinbe toielleic^^t fogar Simter befleibeten. aBä^reno ber et)an=
gelif(^e Obertir(^enrat unterm 29. ÜMärj 1852 ben ©runbfa^ au^fjjrad^, ba^ bie etoan-
gelifc^^e Äird^e fold^en, bie an tl^rer Sluflöfung arbeiteten, bod^ nid^t i^r ©alrament reichen
bürfe, unb toenn feelforgerlid^e ©intoirfung fruc^tlo« bleibe, SJerfagung be^ ©aframente^
forberte, um nic^t burd^ ©))enbung beöfelben ben ©(^ein einer SiBigung ber ^rrle^re ju lo
ertüerfen, ^aben anbere fird^Ii(^e ^nftan^cn gerabe ben ^rbingianem gegenüber ein ^o^e«
^JRafe öon 3)ulbung erliefen unb bie Swl^^ffu^Ö fogar t)on anerfannten §äuptem biefer
Oemeinbe jum Sbenbma^l ber fianbe^ttrc^e geftattet, toon bem ®runbfa| an^, bafe bie
3ulaffung feeIforgerIi(^ nur toon ber tüürbigen §erjen^t)erfaffung be^ Äommunilanten ab«
liängig gu machen fei. i6
©inigteit befte^t h)o^I über folgenbe fünfte: 1. bafe ®eiftli(^e ber Sanbe^fird^e n\i)t
im Stmte bleiben tonnen, toenn fte ju einer ©efte in ein Jjoftttöe^ SSer^ältni^ treten;
2. bafe toon ben ©d^ulbe^örben erwartet tüirb, bafe fte leinen Se^rer aU 9leligion«Ie^rer
unterrichten laffen, ber ftd^ einer Seite angefd^loffen bat; 3. bafe ;\u firc^Iid^en ©^ren-
ämtem ate Äirc^enältefte unb bgl. Anhänger einer ©elte nid^t ^ugelaffen Serben bürfen;2o
4. bafe bie annähme ber ©iebertaufe al^ tbatfäd^lic^er austritt au^ ber fianbe^Iirc^e
3u be^anbeln fei. 3B3eiter h)irb ju forbem fein, bafe ani) atte ^ßerfonen, bie öon einer
©ehe ft(^ mit ber ^unltion ber Söortberfünbigung ober ber ©aframent^bertoaltung bes
trauen laffen, atö audgefc^ieben gelten muffen, unb ba^ be^arrlid^e Xeilna^me an ber
xUbenbma^tefeter einer ©efte ben aiu^fc^Iup ^erbeifüf^ren mu^ (togl. I^ierju t). 93erle))f(^ 25
in ailgem. Äird^enblatt 1884, ©. 461 ff.), ^n ber j)reufe. Sanbeefirc^e ber älteren ^ßro^
totnjen fte^t }u ertoarten, bafe ba«» f^on lange beae^rte unb Vorbereitete Äirc^en^u^t^s
gefet^ auc^ bie ©ettenfrage unter bi^jtjplinarem ©eftc^ti^unft }u regeln t)erfuc^en toirb.
5. ©ine genaue ©tatiftif ber ©eften in 35eutf erlaub ju geben, ift bei bem ^JJangel
an au^reid^enben Unterlagen nid^t möglic^. @ine ftatiftifd^e ©r^ebung t)on feiten ber 30
^reufeifc^en ^Regierungen am 1. 3uli 1862 über „^iffibenten" ergab 27909 in Sejie^ung
auf bie SQäa^l i^rer ^Religion felbftftänbige, alfo minbeften^ 14 jährige 3Witglieber; barunter
8741 freireligiöfe, 5546 beutfc^-- unb c^riftlat^olifd^e; Saptiften 5603, ^irDingianer 3069.
aber aud^ biefe ^Ä^Iunö ^^^ untooUftänbig, togl. 3^i^f4^'^- ^- '• P^^^% ftatift. Sureaui^ IV, 95 f.
2)ie ©ifenac^er Jlird^enfonferenj t)on 1884 Verfugte unter 3Rilh)irfung aller Äirc^enbe^örben 35
eine ftatiftifc^e Zabtüa aufäuftetten, f. Slttgem. Äird^enblatt 1884, ©. 485—509. Stber biefe
bietet an fo Dielen ©teilen ftatt ber ^al}kn nur »Jragcjeic^en, ba^ fte eben nur bie Unmöglic^feit
auftt?eift, eine ©tatiftif ju bieten. $ie»)er«Äir(^li(^e ©tatiftif 2)eutfc^lanb« 1899, ©.92 ff. toeift
nad^ ber Solf^jä^lungjbon 1895 für ^reu^en neben 20351448 5Witgliebem ber ebang.
£anbe«fird^e 119245 ^itglieber „anberer jjroteftantifd^er Äirc^engemeinfc^aften" auf, b. 9. 40
faft 0,6**/o ©toangelifd^e, bie nic^t ber Sanbe^Iircf^e angehören. 2)arunter toaren 2llts
lut^eraner 27412, ältreformierte 9047, »rübergemeinbe 4300 (1871: 3325), gjJenno^
niten 13951 (1871: 14644), »a»)tiften 31877 (1871: 12792), ^Jiet^obiften unb
Cuäfer 4217 (1871: 733), äpoftolifd^e Äirc^e (9irt)ingiancr) 22 610 (1871: nur 2213,
bie ftd^ fo bejeid^net ^aben!), Slnglifaner, ^re^bbtcrianer u. bgl. 2496. 35ie ))reufeif(^e 46
©tatiftif Don 1900 gä^lt bagegen 3lltlutl^eraner 45594, ältreformierte 14543, »ruber*
gemeine 4031, ÜRennoniten 13876, Saptiften 38143, Wet^obiften unb Duäfer 5226,
apoftolif(^e Äird^e 32215, englifd^c Äird^engemcinfd^af ten 2557. Slufeerbem ftnb gejault:
$eil«armee 272, greireligiöfe 8400, ^iffibenten 27679, fonftige ©Triften 5635 (5Preufeif(^e
etadftif, §eft 177 I, »erlin 1903). 3^ie ©tatiftif bei^ beutf(|en 9lei(^e« toon 1890 50
ergab, bafe auf ettoa 31 Wißioncn lanbe^fird^lic^er 6t)angelif(|>en im ganjen JRei^e
ca. 145000 Slngei^örige fleinerer ©cmeinfd^aften famen, alfo ütoa 0,47°/o. Sl^nlid^
ergab für^ Äönigreic^ ©at^fen bie ©tatiftif Von 1895 0,4r;o. Ärofe rechnet im
ganzen beutfc^en Sleid^ für 1900 auf 35231104 ,,et)angelifd^e" (b. 1^. lanbe^firt^lic^e unb
feparierte Sut^eraner, Sieformierte unb Unierte) 203 793 3"85^örige fleinerer c^riftlid^er v,
Parteien (toobei ©eutfdjf-Rat^olifd^e, freireligiöfe, Unitarier, uRormonen unb „^iffibenten"
mitgejä^lt fmb). 2)ana(^ repräfentiert biefe bunte ©ruppe gegenüber ber ©efamtbctjölfe^
rung ©eutfi^lanb« Don 56367178 eine Duote bon 0,36"; 0; im SSer^ältni« nur ju ber
®ruppe ber „©bangelifd^en" toären e« O,57'^'o, aber e« ftnb ^ier ®emeinfc^aftcn mit^
gejault, bie toir niät ak ©eften ber eDangelifc^en Äirc^e betrachten fönnen, anbererfeit^ o«i
166 Seltetiloefett in Seutfi^lattb ®elttlartdmttd
müßten aber audb bie ©e^arierten t)on bcx ©uninic ber „eöanödifc^cn" obgejo^en toerben,
um mit ben früheren SJered^nunaen öerglid^en tt?erben ^u fönnen. SBte tpett aber bic
ftatiftifd^en Slngaben in ben gä^I'^^rten gerabe in Sejug auf bie Äonfefjton^bcjcid^nung
gutoerläfftg [inb, ift fraglic^. 33erh)inenb finb fd^on bie fo ungleid^artigen Se^eid^nungen,
5 unter benen biele i^ren Äonfeffiondftanb eintragen; t>gl. bie ba^er fo fonfufe Honfeffton^
ftatiftif bon 1880 im Ibeol. §ülf«ejifon, ®ot^a 1894 II, 3, 10 f. Offenbar bleiben
femer biele, bie t^atfäd^lidp fic^ ju einer Seite Italien, aber au^ i^rer Äird(^e nic^t förm^
iic^ ausgetreten fmb, unb fol(^e, bie ftc^ einfach „eöangelifc^" nennen, babei unbered^net.
9im Äönigreic^ ©ad^fen gä^Ite man in ben jtüei gja^rjel^nten toon 1870—1890 Übertritte
10 aus ber SanbeSfird^e jur 3[})oftol. ©emeinbe 5400, ^u ben 3Retl^obiften 2878, gu ben
feparierten Sutl^eranem 1720 (9Kiffourier!). 3lad} ber ©tatiftü öon 1900 traten in
^reu^en auS ben e))angelifd^en SanbeSlird^en ^u fleineren tird^lic^en @emeinfd^aften über
1847, im übrigen beutfc^en Sleic^c 1132, alfo im ganjen 2979, Wogegen 1044 Slücfs
tritte aus benfeiben ®emeinf(^aften jur SanbeSfird^e befannt tourben. 1904 jäl^Ite man
16 in 35reufeen in ben älteren ^rotoingen 2370 Übertritte ^u ©elten u. f. h). auS ber ^anbeS^
lirdfe, bagegen nur 602 SRürftritte (Äirc^I. ®efe|= unb SerorbnungSblatt 1905, ©. 85).
©0 unzulänglich biefeS 3^^(^>ini^t^<'l ^^^ ift fi> l^M ^ ^^ ^^^^ ®efamt^eit boc^,
bafe bie ©eften in ber gw^ö^n^^ begriffen pnb, unb bafe ba^er bie ätufmerlfamlett aller
greunbe ber Äirc^e ber grage nac^ ber rechten ©egentoirlung gugetoenbet bleiben mu^.
20 fttttert«.
©efttlonfatiott f. am ©c^lu^ beS 3BerfeS.
©elttlartdmttd (Secularism). — ^ameS^uc^anan, Faith lo Qodand modern Atheism,
ßonbon 1857, t. II, p. 233—291. SRouticc 3)o\)ie8, Heterodox London (Sonbon 1874) I,
364 ff.; II, 116—209. 3)aS crftcrc bic(cr bcibcn 3Scrfc ^anbelt eingcl^enb über baS ®rünbungS=
26 Zeitalter ber fefulariftifc^eu ©enoffenfdiaft, baS jmeite über beren fpötere @nttDtdelung unter
ber güftrung SBrabloug^S. SSgl. auc^ SBrablaug^S „Autobiography", Sonbon 1873, (otoic
ferner Contemp. Kev. 1878, Jul. p. 828 sq. 3)ie OJegenmart 1880, ^x. 31. gHott§cS*®crIadi,
Mgcm. lirrfjl. ©^ronif 1881, @. 169ff.; 1882, @. 170ff.; Scop. ftat^er, in ü. Oottfdians
„Unferc 3eit" 1882, 6. 441 ff.; X^omfon (©ri^bifd^of o. gorf), 3)ic «ßfltd)t bcrÄirc^c in »ejug
30 auf baS SSor^crrfc^cn beS ©efuIoriSmuS (9?ebe beim angltf. Äird)cnfongrc6 ju 9?e»caftle,
1881); Christianity and Secularism, A written debate between the Bev. G. Sexton aod
C. Watts, Sonbon 1882; 3)lartin SJeibel, ^ic 9ieIigion unb t^r dteä^t gegenüber bcm
mobcnicn ^oraliSmuS, ^allc 1891, @. 51 ff.; (g. Äoc^, 3ft eine religionSlofc a»oraI
nötig? 9iei*dbote 1899, ©onntagöbeil. i»r. 27— 31; g. di. 2)iocbonaIb, (5^. »roblaug^, im
SöDict. of National Biogr., Suppl. I (1901), p. 248— 250 (§ter am ©c^luffc ouc^ ein ^tx-
jcid^niö ber roid)tigeven ©cöriften SBroblaugl^ö).
3)lit bcm 5Wamen Secularism bejeid^nete eine um aJlitte be« lefeten 3^^^=
l^unbcrt^ entftanbene englifc^e ^reibenferfefte, beren Sln^änger jeittoeilig na(| ^unbert^
taufenben jäi^Iten, i^re atF^eiftifc^-materialiftifc^e Slic^tung. 5)er ©tifter biefer Oemeinfc^aft,
40 (Seorgc ^am^ §ol^oafc, ein greunb be^ befannten ©ojialiften Slobert Dh>en (geft. 1858),
aber ein rabifalcrer ^reibenfer al^ biefer, begrünbete im 3- 1846 im SSerein mit mehreren
©leid^gcfinnten, t^ie SoJonlei^, Änigl^t, ®rant (tneld^er le^tere inbeffen fj>äter auf ben
d^riftli^-gläubigen ©tanbj)unft jurücftrat) ein für „bie arbeitenben unb benfenben Älaffen"
beftimmte^ 3^^^'^'^^^^ »»The Reasoner'', toelc^e^ balb gu einem §auj)torgan ber mobernen
46 englifc^en greibenferei tnurbe. 3!)iefe unterf Reibet ftc^ bon ber be«18. ?ial^rl^unbert3 imaD=
gemeinen burc^ i^re mel^r at^etftifc^e al^ t^eiftifc^e@runbric^tung, tvoju ft^ ff^e^ieQ bei^ol^oate
unb feinen ©enoffen ein j)raftifd[i=utilitarifc^e^ ©treben auf moralifc^em ©ebiete fotoie ein
fräftiger 2lffociation^trieb gefeflte. 3^en Flamen „Sltl^ei^gmu^" t)erf(|>mä^te man alö Se^
jeic^nung bc^ Sel^rbegriffg ber Partei; „Non-Theism" foHte nac^ ber urf})rüngli(^
60 getroffenen SäJa^I beren il^coric beifeen, um bamit anjubeuten, bafe man bie annähme
einer ©ott^eit nic^t bireft beftreite, fonbern nur babon abftra^iere, ob ein ®ott fei ober
nid^t. 2)od; jog man fpäter bie Benennung „Secularism" bor, hjeil man bie eigent^
lic^c ^au^jttejibcnj ber gcfamtcn 3{id)tung, bic Xcnbcn|\ „für bic SBelt ju leben unb ju
ftcrbcn unb für baeJ 3i>obl ber ^Blcnfchcn in biefer aßclt ^u arbeiten" (to work for the
65 welfare of men in this world), bamit am treffenbftcn bejeic^net fanb. Senn toelt^
lic^c ©cfinnung, ßrfüUung ber ^^flid>tcn bc^ bicefeitigen Scbcn^g o^ne SRüd^c^tnal^me auf
baö jcnfcitigc, „Seförbcruug bc^ j;citlid;eu SBo^I^ ber 9)Jcnfc^l^eit burd[> jeitftd^ SJlittel",
ba^ ift ber ©ruttbgcbanfc ber 5JJoraI biefer ^^?artci. "^hx ©efcife bat biefe 3KotaI an ben
einfad;cn *^>flic^tcn bcö natürlichen, bc^ utilitarijd)cu unb bc^ artiftifc^en (Itinftlerifc^
Sefttlaridmiid 167
inbuftrteUen) SeBen^. ^^re @^^äre tft aQein biefe^ SeBen, nämlic^ ein mögUc^ft energifd^eiS
SBirlen an feiner aUfeitigen Seförberung, Slu^Bilbung unb SBetöottfommnung. ^^x^
^JRac^t enblid^ Beftel^t aBein in toiffenft^aftlic^er Silbung unb inteHigenter ^Jürforge für
bie ©inge biefe« SeBen« (bgl. ®rant unb §oIboafe, A public Discussion on Christi-
anity and Secularism, Sonbon 1853, @. 4 ff. 221 ff.), ^ie ^Jü^lic^teit ift baS eimige 5
$rin)i)) unb ber $aut)tgrunbfa^ ber Woralitöt biefe^ @tanbt)unftd, ber ftd^ atö ein Ion«
fequenter, t>oUftänbig burd^gebilbcter Utilitari^mu« Bc^ieid^nen lä^t, al^ bie „auf ben
Krümmern ber Sleligion errichtete ßt^if be« 3tt^ei«mu«". 3)enn fein üBematürlid^e«,
lein jenfeitige^ ©lement barf auf bie §anblungdh)eife biefer rein trbif(^ gefinnten 5Woras
liften irgenb (Deichen @inf(u^ üben. „StKein an bad 3Biffen h>eift und bie Statur, Ido lo
tvxt $Ufe Bebürfen, unb allein an bie 9Kenfc^l^eit, too ed und um SKit^efül^I ju tl^un ifL
Siebe gu bem, toad Siebe öerbient, tft unfere einzige Anbetung, ©tubium unfere einjige
SoB^reifung, Unterorbnun^ unter bad Unt>ermeiblid^e unfere Pflichterfüllung, 9(rBeit unb
nur ä(rBeit unfer ©otte^btenff' (^otonle^ unb ^I^oafe, A public Discussion on the
Being of a God [Sonbon 1852] ©. 58; togl. Suc^anan, 1. c). i6
2)iefen J)ra!tifc^en ©runbfö^en be« 6elulari«mud entfj>ric^t feine 3)ogmatif, toenn
man eine f^ftematifd^^e 9{egation aQer ^oftti))en Dogmen fo nennen barf. ^ie 9(nna^me
ber ßjiften^ einer ©ott^eit, ja felBft ber ©ebraud^ bed Studbrucfö „®ott" toirb Dertporfen,
jeboc^ ni^t im Sinne eigentlicher Oottedleugnung, fonbem nur in bem bed ©rmangelnd
irgenb hjeld^er Beftimmter unb fieserer ©ottederfenntni«. „Um ®otte« 3)afein Beftimmt ao
leugnen ju iönnen, mü^te man unenbüd^e^ 28ijfen ^aBen, mü^te man bid an bie ©renjen
aüt^ SSor^anbenen gelangt fein unb fämtli^e ©ebiete be$ Uni^erfumd burc^forfd^t f}abm,
ol^ne ®olt irgenbhjo ^u finben". 3)ie SKaterie, obfc^on etoig unb burc^^ fic^ felbft ejiftierenb,
ift bo^ nic^t felBft für ®ott gu galten, ba il^r offenbar ©elbftBehJufetfein unb Bitten«::
fret^eit, bie lonftitutiöen galtoren jjerfönlid^en SQäefen«, fehlen. SBie bie SBelt nic^t ge^ 25
fc^ffen ift, fo n>irb fie au$ nic^t burc^ eine gi^ttlic^e ^orfei^una regiert. Die @rfa^rung
le^, ba^ e« leinen SSater im $immel, leine @rl^örung ber ®ebete, leinerlei t^atfäd^lic^e
Selege für eine f})e^iette Sßroöibenj giebt. Sluc^ lä^t ficl^ ®otte« 5)afein nic^t auf t^eo^
logif^em SBege an^ ber jtoecfooUen unb gefe^mä|igen Einrichtung ber ^l^l^ftfc^en ober
moralifc^en SBelt ertoeifen. @ine berartige llrgumentation^toeife toirb immer nur eineao
folc^c Sbee ®otte« ergeben, bie nid^t« aK bie „toertoorrene ®iberf})iegelung be« eigenen
Silbe« be« üKenfc^en öon ber ffianb be« Uniöerfum«" ift; fie toirb e« einerfeit« immer
nur JU 3lnaIogien o^ne ®eh)i^^eit Bringen, anbererfeit« aber m t>iel Betoeifen, ba ja
für ben ^öc^^ft toeifen ©d^öj>fer ber ^öd^ft toeife eingerichteten ©d9öj)fung fof ort toieber em
noc^ toeiferer Url^eber ju })oftuIieren toäre unb fo be« golgem« unb ©c^liefeen« lein 86
6nbe toürbe. ^n biefer Seftreitung be« teleologifd^en Setoeife« fd&Iofe fic^ ^ol^oale, ber
auf biefen 5ßunlt befonberen gleife unb ©c^arffinn öertoanbte, teil« an ben atl^eiftifc^en
^oeten ©l^eUe^ (geft. 1822), teil« an ben berühmten 3?aturforfc^er ®eoffro^ ©. §ilaire
(geft. 1844) an, @r richtete babei feine Jlritil ^auptfäc^lic^ gegen $ale^ „Natural
Theology", bie ^au^tautorität auf bem ®ebiete ber pl^^ftto^^eologifc^en Slpologetil 40
folote gegen beffen Evidences of Christianity (ögl. fein SBerf: „Paley refuted in
bis own words", 3. Edit., £onbonl850). — • 95efonber« c^arafteriftifc^ ift bieSlrt, toie
bie ©ehilariften fid^ über ba« ^enfeit«, bie Sergeltung unb ba« etoige £eben äußern.
„SBir totffen nid^t« um bie jenfeitige SBelt, \ümn e« eine folc^e giebt; unb eben toeil fie
mit i^en fittlii^en ®efe$en un« gänjli^ unbefannt ift, bürfen tt?ir un« fd^lec^terbing« 46
nic^t um fie lümmem, fonbem ^ah^n unfer moralifc|>e« Streben lebiglic^ bem 3)ie«fett«
jugutoenben." ,,Sotoo^l ba« öor un« ©agetoefene toie ba« ä^'ünffige ^at man al«
gtoei fd^toarge, Döttig unburc^fid^tige Sorf^önge }u betrauten, aufgehängt am ätnfang unb
am @nbe be« menf^ilid^en £eben« unb noc^ nie t)on irgenb einem Sebenben aufgewogen
ober auci^ nur gelüftet. 2iiefe« Sc^toeigen ^errfc^t l^inter biefen Sor^ängen: fein Ipintereo
i^nen Ste^enber toirb jemal« ülnttoort erteilen auf bie fragen, toelc^e bie öor il^nen
fte^enben ®rbenbeh)o^ner an i^n richten; atte«, toa« bu ettoa l^örft, ift nur ber ^o^le2Biber=
^11 betner S^age, gleich al« ^ätteft bu in einen Slbgrunb gefc^rieen!" „®iebt e« anbere
SBelten, in bie man nad^ biefem Seben berfc^t toirb, fo toeroen eben biejenigen am beften
im ©tanbe fein, ftd^ i^rcr ju freuen, ioelc^e bie Scförberung be« bie«feitigen ®emeinh)oJ^l« 66
ber 3Renfc^en bienieben gu i^rem einjigen ®efd^äfte gemacht l^aben; giebt e« fein ^cnfeit«,
fo ftc^en bie uWenfd^en offenbar fid^ felbft im Sichte, toenn fie e« unterlaffen, fi^ biefer
SBelt JU freuen!" (Sgl. ^oli^oafe« Sd^rift: „The Logic of Death", eine 3lrt Don
Iroftfc^rift an feine greunbe, entftanben au« Vorträgen, bie er beim SBüten ber ßbolera
in Sonbon im ^af)xt 1849 ^ielt.) m
168 ®fltt(ottdmttd
Seit (Snbc ber fe^jiger ^a^xc f}ai bcr unter §ol^oafe« Scituna nod^ öer^ältm^mä^icj
ja^me ©etulati«mu« eine gortbilbung px rabifalerem 2luftteten erfal^ren. ß^arleiS 8rab=
laug^, ber berüchtigte fojialbemofratifd^e Slgitator (geboren atö So^n eine^ ©c^reiber^ in
§ojton bei Sonbon am 26. BtpUmhtx 1833, aufgetoac^fen o^ne ^ö^ere ©d^ulbilbung al^
5 Slutobibaft, feit 1860 §erau^eber be« rabilal freibenferif^en Slatte« The National
Reformer, fpäter Slbgeorbneter für 9lottingl^am im $aud ber ®emeinen, unb feitbem
eine ber erften jjarlamentarifc^en Serü^mt^eiten ®nglanb« geworben, geft. 30. Januar
1891), tourbe ^um ^aiH)tfü^rer unb görberer ber Setoegung. grül^er ein me^r j^arm-
lofer ©d^hjärmer für S^easiotoHertum, begann er gegen ba^ 3- 1870 fein agitatorifd^e^
10 treiben mit toac^fenber ©ntfd^iebenl^eit auf fi^ftematifc^e 3^törung ber ^unbamente
d^riftlid^er ©ittlic^feit h)ie SReligioptät ju ritzten — erftere« burc^ fein Eintreten für bie
t)on 5Worbamerifa aug in Snglanb einbringenbe, auf maltl^ufif^er ©runblage fufeenbe
®oItrin bom i)räbentiben ©efc^led^t^genufe, le^tere^ burd^ bie in toütenben 3"^*^^^"
h)iber bie angebli(^e „2üge" unb 5)umm^eit be^ ©tauben^ [xi) ergel^enben 3Sorträgc öor
16 SSolföberfammlungen unb ^eibenlerllub« in Sonbon toie anberlüärtg. „2ltl^eiftifd» in bcr
3:^eoIogie, bemoftatifc^ in ber ^olitil, maltl^uftanifc^ in ber ©ojialmiffenfd^aft!" lautet
ba^ Scfung^toort be« unermüblid^fen unb ungemein erfolgreichen ägitatord. 1877 tocgen
Veröffentlichung be« Änohjltonfd^en Sud^ Fruitg o! Philosophy ate Verbreiter unfttt-
lic^er Seigren berflagt, erfämjjfte er feine greifjjrec^ung burc^ eine gefc^idtte 3Serteibtgung^=
2orebe. ^\üt\ Safere fjjäter eröffnete er feinen berühmten Äami)f ate ©ibe^bertoeigerer
toegen grunbfäfelic^er ©otte^Ieugnung im Parlament (togl. bie ba^ SSJefentlid&e über ben
bertoicfelten uno unerquicfUc^en §anbel jufammenfteHenbcn Seric^te in ber 3tUgem. firc^I.
ßl^ronil feit 1881). ©d^on 1876 toar er 5Präftbent einer großen englifd^en ^eibenfer^
gefeHf^aft getoorben; in biefer ©igenfd^aft emj^fing, begrüßte unb beh)irtete er 1881 bie
25 3)e))utierten be« feftlänbifd^en ^eibenfertum« bei , bem bon Soui« Sü^ner geleiteten
,,3tttemationalen ^^«^^'^ongrefje" in Sonbon. Übrigen« beftanben jh)ifc^en bem bon
Srablaug^ unb feinem änl^ange vertretenen britifd^sfefulariftifd^en 2ltl^eidmuö unb bem
burd^ Sü^ner, Vogt, §äd[el 2c. re^räfentierten beutfc^en ©eitenftüdE ba^u manche 3)iffe=
renjen. Der ©efulari^mu« nal^m u. a. bie fjorberung ber J)olitifc^en ®manjij)ation ber
30 aOäeiber in fein Programm auf (bgl. ba« ^laibo^er ber 3Riff. §^J)atia Vrablaug^ für
biefe« ^id bei ber ^al^re^berfammifung ber fc^ott. National Secular. Society 1882
unb baju bie ^^itfc^tift The Catholic Presbyterian bom ^\xl\ be« gen. 3<»^^^); «uc^
bebienic er fidp tro$ feiner erflärten Sleligiondfeinbfc^aft ab unb ju gett?iffer Slnflängc
an religiöfe itultu^eremonien. 5Jlan gebrauchte ba|\u eine toon S3rablaug^ greunbe
35 aiuftin ^oli^oale (geft. 1874, nid^t ju bertoec^feln mit jenem 3- ®- ©ol^oale) jufammem
gefteQte Siturgie: Rituale Holyoakense s. Hierurgia secularis mit Formularen für
fefnlaiiftifd^e „3:aufen" ober 3lfie ber 5Jamengebung, für Vegräbniffe u. f. f. Stuc^ Vrab-
Icugl) foH öfter« al« fefulariftifc^er ^ßriefter fungiert, bejh). bei Seitung beffen, h)a« feiner
ainbängcrfc^aft afö ©urrogat für ben c^riftl. ®otte«bienft biente, fic^ beteiligt l^aben. SBegen
40ber fd^alen Sangiüeiligleit fold^er Vrablaug^fc^en „®otte«bienfte", tt?orin©d^imj)fereien unb
fd^led^te 2Bi^e über bie ^riefter ba« einzig Slnjie^enbe unb ^ifante bilbeten, t)gL u. a.
3Ji. 2)abie«, 1. c. Sefonber« auc^ in biefem (Zeremonien- unb ^ormeltoefcn liefe ber toon
Vrablaugl^ infpiriertc t)ulgäre ©efulari«mu« eine getoiffe Vertoanbtfc^aft mit 31. ßomte«'
^ofttibi^mu« (f. b. K S3b XV ©. 569) ^u tage treten, roä^renb ber borne^mere ©ehilari^mu^
15 ber tüiffenfc^aftlicf^ ©ebilbeten (namentlich mancber geleierter •Jlaturforfc^erlreife) c« borjog,
fid^ al^^Slgnofticligmug" gubej\ei^nen unb bamit jener mel^r nur l^^pot^etifd^en (Sotteölcugnung
beö älteren ^ol^oafe tüieber nä^er ^u treten. — ©eit ben legten S«^'^?^^"*^ ^^
borigen ^abr^unbert^ fc^eint ber ©efulari^mu^ aU befonbere ©efte me|r ober toeniger
erlogen, bejit?. mi* bem 5Heft feiner Vertreter ju anberen Parteien be^ mobemen anti-
50 d^rifttic^en 3tabifaliiSmue (tüic bie ©alterfd^e „SefeUfc^aft für moralifd^e Äultur 2c") über?
gegangen ju fein. Sdtfler f.
©ela f. b. 21. ^hifif bei ben Hebräern Vb XIII ©. 602, öö.
Selbpuiorb. — (J. g @täublin, Wefd)id)tc ber ^^Luftenimgen unb fic^ivcn üom Sclbft--
niüvb. 1824 ; J^. 3. ^oiiiela 9?ieinuen^ui"ä, De nhnynoln^ facinore ex religionis chri-
55 stianae praeceptis et indole judicando, 1833; ^h 3nl)ofer, S)cv 8eIbftmorb, ^iftor.sbogmat.
^bl)anbh:n(;\, 1886; 91. "Ü3afliier, 5^ie ÖJefe^mäftii^telt in \>t\\ fcfieinbav tointürliftcn menfd):
lidien .^^anbhmc^en, 1864; 9(. \>. Cettiii(\en, ^inoralftatiftif, H. 9luf(. 1882; ^1. gRorfcUi, 3)et
cclbftmurb, 3iitcrnnt. luif). ^ibliotl)., 50. ^^^b, 18S1 ; J^. 03. 3J?afan)f, 3)er Sclbftmorb alö
®dbfliiiorb 169
foiidc tRaffenerfcftciiiuHö bev mobevnen. (Siotlifation. 1881; (iJ. D. ®ioi)r, ©elbftniürbftatiftif
im ^«nbmörtcrb. b. @toat«»i(f. VI, 697—720; ^.«.Ärofc, S.J., 3)cr ©elbftmorb iml9.3a^r^.
unb bic Ur(Q(^cn bcv 8e(bfttnorbl^äufigfcit, 1906.
afö ©clbftmorb ift eine ^anblung, bie ben lob be« §anbelnben felbft beh)irlt,
bann ^u bejeic^nen, toenn btefererfolg — unb gerabe er — toon i^m unmittelbar beab* 6
ftt^tigt ift. Sebenöerfürgenbe Unmäfeigleit, 3lu«fci^h)eifunö ober S^oDfül^n^eit, ber jene
StBftd|t fe^a, ift ©elbfttötunß, aber nid^t 6. fflirb ba« geben mit bem öoHen »e*
toufetfein feineö unbermciblic^en SSerlufte^ für ein ®VLt l^öl^eren ftttlic^en Stange« ein-
aefeftt, fo ft^red^en toir Don ©elbftaufopferun^, bie toir aU %fyii bee ^elbenmute« gut^
peifeen unb greifen. 3"^ Älärung ber Segriffe h)ie be« ftltlic^en Urteil« bient e«, h)enn lo
Wix auf bie ©cpä^ung be« Seben« ad^ten, bie in biefen brei ^anblung«h)eifen jum Slu«^
brucf lommt. Sei ber ©elbftaufopferung fann bon einer 3Kifead^tung be« Seben« nic^t
gef))rod^en toerben; e« n>irb ^ier ale n)ertt)oKe« ®ut an einen nod^ toertboKeren ^to^d
gefegt. Sei ber ©elbfttötung tritt bie SKifea^tung be« Seben« nxi)t ate foI(^e in« Se^
iDufetfein ; ber ^anbelnbe fuc^t leibenfc^aftlic^e Steigerung be« 2)afein«, aber nid^t ben i5
3^ob. 3)cm ©. bagegen liegt eine behjufete ©eringad^tung be« Seben« gu Orunb, ol^ne
ba^ beffen tiefe Sinfc^ä^ung burd^ bie entf^rec^enb ^ö^ere SSertung eine« bie eigene
^erfon übenagenben Oute« gerechtfertigt toürbe.
Serfolgen h)ir bie Beurteilung be« 6. in ber ®ef(^i(^te ber ©tl^if, fo tritt un« fo«
fort ein für biefe« Oefciet dbarafteriftifc^er Unterfd^ieb ber g^italter unb Söller entgegen, ao
Unter einfachen Äulturberl^ältnifjen unb bei Sölfem, bie bon einer feften ©itte unb einer
gefc^loffenen SBeltanfc^^auung geleitet hjerben, ift ber ©. eine feltene 2lu«na|^me. ©ein
Sorfommen gilt al« unnatürlid^ unb bertoerflic^. Sei ben ©ried^en ber älteren Rtii
h)urbe er teil« au« religiöfen, teil« au« politifd^en ©rünben al« ein Serbret^en angefepeh.
©elbft gölle l^elbenmütiger ©elbftauf oj)ferung lonnten bon biefem Urteil mit getroffen 26
toerben (§erobot IX, 71). SBic^^t anber« benfen aud^ bie älteren ?)il^ilofoj)^en, bie^^tJ^a«
aoreer (3eHer, 5p^U. b. ©riechen I», 451), ^ato (5pbaebo 61 D. ®efe|e IX, 873 C),
Slriftotele« (SRifom. Stl^. III, 11. V, 15). (grft ber Serfatt ber nationalen 3)enftüeife unb
©itte lä^t in ber ©toa eine beränberte Seurteilung auflommen. ©ie rechnet nur Ser^
faffung be« SBeifen eine toeitgel^enbe ©leid&giltigleit gegen Seben unb %o\> al« blofeeao
äufeere Umftänbe, bie ben SBert be« Wenfc^en nid^t berül^ren, unb empfiel^lt barum ba«
freiwillige ©d^eiben al« ein ÜMittel, bie Unabl^ängigleit ber ©eele m retten. 35oc^
l^at fie babei jtoift^en ©elbftaufopferung unb S. nid^t fd^arf unterfc^ieben. SBenig-
ftcn« fteUt ber Serid^t be« 3)iogene« Saertiu« (VII, 130) ba« ©terben für Saterlanb
unb ^eunbe mit bem SBunfc^, ^eftigen ©d^merjen ober unheilbaren Äranf^eiten unb 86
©ebrec^en )u entgegen, auf eine Sinie. 3^ie bon ben ©toifem bielbef))roc^ene djXoyog
i^ayayyri ift aber nie eine im Stffeft begangene rafd^e %\^ai, fonbern ein mit ru^taer
Überlegung unb gur aSal^rung ber ©eelenru^e gefaxter ßntfc^lufe. ätuc^ fo freiließ be^
fte^t jtoif^en ber Se^re bom erlaubten ©. unb ber bem tugenb^aften ÜMenfd^en fonft
jugemuteten Unterorbnung unter ba« (äan-^t ein unau«geglid9ener 2Biberfpru(^. 5)iefe40
ftoif(^e Stnfc^auung fanb gelehrige ©d^üler in ber gebilbeten ©efeUfc^aft ber römif(^en
Äaifmeit Äeiner ifai fte eifriger bcrtreten al« ©eneca. 6r rechnet e« ju ben Sorrec^ten
be« 3Jcenf(^en, bafe er jum Seben nid^t gc^iüungen tüerben fönne. „Patent undique
ad libertatem viae multae, breves, faciles. Agamus deo gratias, quod nemo
in vita teneri potest." (Ep. 12, 10.) „Nil melius aeterna lex fecit, quam quod 46
unum introitum nobis ad vitam dedit, exitus multos". (Ep. 70, 11.) SBie biete
ber ^erborragenben ÜRänner unter bem 2)rud ber laiferlicben 3)efVotie nac^ biefen ©runb*
fä^en über i|r Seben berfugten, erfal^rcn h)ir a\x^ iacitu« unb bem jüngeren ^liniu«.
3)aaegen bertritt Sirgil (Sn. VI, 434 ff.) ba« alte ftrcnge Solföurteil über bie Sertoerf^
lic^feit be« ©. unb über feine Seftrafung im ^^"f^^t^- ^
3)a« ßl^riftentum ift über biefe ©timmung be« Seben«überbruffe« unb ber jpoffnung«^
lofigfeit §err gehjorben unb jtoar, loa« man fjjäter oft auffallenb gefunben )^ai, o^ne
ein birefte« Serbot be« ©. au«juji)rec^en. ©in folc^e« enthalten nämlic^ — genau ge^
nommen — lieber bie ©c^riften be« 31. noc^ be« 31%. 2)a« 5. ®ebot be« 2)cfalog«
M ben %pSi be« ©. nic^t im 3luge; auc^ BU\izx{ tt)ie 9flö 14, 7—9; 1 Äo 6, 19; 6^)1^ 66
5, 29 bejiel^en fic^ nid^t bircft auf i^n, iocnn fd^on bie ©runbfä^e, bie fie au«fprec^cn,
eine analoge ätntoenbung auf i^n ^ulafjcn. 3lucl) mo 3:i?aten be« ©. berichtet finb, tüie
1 ©a 31, 4 (©aul), 2 ©a 17,23 (3ll^itop^el), 1 ftg 16, 18 (©imri), fann man ein bcr=
urtcilenbe« SBort bermiffen. Sejüglid; be« ÜKt 27, 5 ertpäl^nten ©elbftmorb« be« Ser=
räter« toirb bie« freili(^ burc^ ben gan,^en ^wf^immen^ang, in bem er ftebt, erfc^t ; tüenn üo
170 (Selbfhttorb
and) ber§mh)et^ auf bcn ©traf ort, an bcn er ging (91® 1, 25), laum auf feine lobe^rt
93ejU0 nimmt. S3on einem bur^ ^ulu« toerl^inberten ©. ift 81® 17, 27 f. bie Siebe.
2)ag geilen beftimmter Verbote unb SSerurteilungen be« ©. im 213: ertlärt ftd^ teite
au^ ber Seltenheit feine« SSorlommen« in S^tael, teitö au& ber o^nel^in im SSoII lebenben
öänfc^auung toon feiner 3Serh)erfIi(^feit (gofciJ^u«, Bell. jud. 3, 7 f. 2tu(^ bte aUfc^toere
Äränfimg gemeinte UnterfteHung @t). ^o 8, 22 ift l^ier ju bergleit^en). SRur ba, too
})atriotifcpe aWotit^e in« ©piel famen, urteilte man — nad^ bem Sorgang toon 9li 16, 28
— auc^ in9i«rael anber« (2 3Rat 14, 37—46; Sofej))^., Archaeol. 14, 13, 10; BeU. jud.
1, 13, 10; 5P^ilo, De virt. et legat. ad Caj. 381). 3)a« ß^riftentum f^ai auc^ ^ier
10 nid^t burc^ Verbote, fonbem burd^ bie neue ®efinnung, bie e« f(^uf, bie gugleidb tro^tac
unb berjagte ©timmung be« ^eibentum« übertDunben. @« t>flan3te eine ))orl^er ni($t
gefannte ^wt^erfid^t m ber jebem ©injelnen geltenben toäterüc^en gürforge ®otteö, ber
fein §eU tt?ill unb ipn ni(^t über fein Vermögen berfud^t toerbcn läfet (1 2^ 5, 9; 1 Äo
10, 13). ß« Ufyci^ eine ftttUc^e aufgäbe fennen, bie bem Seben ^nf^alt unb SBert giebt
16 (5P^i 1, 22 ff.), unb fteHte auc^ ba« Seiben in ba« Sic^t einer ^eilfamen unb förbcmben
©(^idEung ®otte« (3fö 5, 3 ff.; 8, 18). 3Kit att bem toedte e« neuen 2eben«mut.
%ixt bie alte Äird^e ftanb benn auc^ bie SSertoerflic^feit be« ©elbftmorb« feft unb fie
l^atte laum 2lnla^ einer au« Seben«überbrug entfpringenben ©elbftmorbneigung entgegen-
jutreten. 6^er lonnte religiöfer Übereifer ftdg> o^ne 9cot jum ÜMart^rium bröngen. SBud^
ao bagegen fehlte e« nid^t an befonnenem SBiberfjjruc^ (togl. ben ärt SKärtt^rer Sb XII
©. 49 f.). Über bie flpaielle grage, ob (^riftlic^e 3fungfrauen in Reiten ber 3Serfolgung
ft(^ ber brol^enben ßnte^ung burd^ ©. entjie^en bürften, toaren bte ÜJletnungen geteilt.
SBäl^renb ©ufebiu« (Hist. eccl. 8,12), Gl^foftomu« unb ^icroni^mu« barin eine rü^m=
lidSie a:i^at fehlen, ^ält Sluguftin e« für unerlaubt, gr ^at jeboc^ STOül^e, biefe« Urteil
26 mit ber älteren änfc^auung ber Äirc^e ju bereinigen unb ift barum geneigt, in getoiflen
Ratten fpejiette äntoeifungen ®otte« anjunel^men, burd^ toeld^e fonft verbotene §anblungen
fd^ulblo«, ja j)Pid^tmäfeig toerben (De civ. Dei I, 10 ff. 2)ie attgemeine Übergeugung
Don ber SSertoerflid^Ieit be« ©. blieb iebcnfatt« burd^ biefe ^rage unberül^rt unb lam in
toieberl^olten ©^nobalbefd^lüfjen gum äu«brucf, toel^e benen, bie fo geenbet botten, bo«
80 e^enbotte »egräbni« öerfagten (Orlean« 533, Sracara 563, lolebo 693, 9lime« 1096,
Sl^eim« 1131 u. a. 5Bal. ©täublin ©. 112). 3ll^nli(^e Seftimmungen ftnb f^witer auc^
in bie proteftantifd^en «irc^enorbnungen übergegangen.
®ie beginnenbe Slufflärung ^at bie ^eil^eit be« ©ubjeh« auc^ l^ier ber über*
lieferten pttlid^en 2lnf(^auuna entgegengeftettt. 6« ift bejeid^nenb, bafe bie« anfang«
86 me^rfad^ in nachgeladenen ©(priften gefc^a^ (^o^n SDonne, Buy&Avaxog 1644; 3o^.9lobe(f,
Exercit. philos. de morte voluntaria 1736 unb 1755 ed. f^unt), bte gal^lreic^e @nt:
gegnungen hervorriefen. 5IKanc^e, bie al« SSerteibiger be« ©. aufgetreten looren, l^oben
auc^ fj)äter il^re 3lnftdbten toiberrufen, fo ber englif^e 5)ic^ter ®ilbon, 5?rau t>on ©taSl,
ber italienif(^e ®raf $afferam. ©elbft 3!)at)ib §ume mochte fw^ ju oer nac^ feinem
40 3:obe gebrucften ©c^rift : Essays on suicide etc., in ber er ju jeigen fuc^t, bafe ber
©. feiner ber brei Kategorien öon ^flid^ten (gegen ®ott, ben 9(ä(^ften unb fid^ felbft)
toiberfpred^e, miji öffentlich befennen. 3" ^^ allgemeinen Sitteratur be« 18. ^^ciß'
^unbert« toirb ber ©. al« ^f^c^ologifcf^e« unb moralifc^e« ^Problem toielfad^ erörtert
(3Konte«cfuieu, Lettres persanes, 9Jr. 76; SRouffeau, Nouv. H^loise III, 21. 22;
46 ®oetl)e, SBert^er« Seiben); meift fo, bafe bie ©timme ber ©trenge unb ber ^ilbe jum
fflort fommt, aber bod^ mit ber unt)erfennbaren 3?eigung, toor allem ber le^teren ®e^ör
gu berfd^affen. dagegen ^aben nic^t nur bie t^eologifc^en, fonbem aud^ bie nam^ftejien
pl^ilofoj)^ifd^en SKoraliftcn (fo ©Jjinoja, SBolff, aJlenbel«fo^n, Äant, J^ic^te) ben ©. al«
franf^afte SSerirrung, al« ätbfage an bie ^flic^t unb al« Sßerle^ung ber STOcnfc^cntoürbe
50 unjtoeibeutig verurteilt. 2)er niobeme ^ejfimi«mu« toitt gtoar ben ©. nid^t al« feine
t)raf tifd^e itonfequcn^ anericnnen ; er fte^t aber ber fjrage boc^ offenbar mit einer gctoiffen
3Serlegen^eit gegenüber, ©ie ))rägt fic^ in ber §albl^cit au«, bafe ©d^oj)en^auer jtoar
ben aftivcn, aber nic^t ben ^jaffivcn, a«fetifc^en ©. unb 6. v. §artmann xXoax ben ©.
be« gnbivibuum«, aber uid;t bie gcmcinfame ©elbftvemid^tung ber SDlenfd^^t bertoirft
66 2)ic ;\uncl^menbc §äufigfeit be« ©. unter bcn mobemen ÄulturtJölfem ift fc^on
in 6nbe bc« 18. ^«^^bunbert« behauptet, im 19. jiffemmäfjig beiüiefen tüorbcn. ©o
X)ai fic^ bie 3flbl ber jur öffentlichen Äcnntni« gelangten ©. in ;Vtanlreid^ Don 1826 bi«
1875 verbreifadbt, in ^reufeen 1816—1874 Vervierfad^t. ^n einjelnen ®rofefläbten ift
fie nocf^ rafcf^er unb ftärfer geioac^jeit (^iorfetli S. 16 ff.). 6« toirb barum im gangen
eo gutreffen, toenn ^JJJafar^f fagt, bie ©elbftmorbneigung l^abc fic^ im Sauf be« 19. ^äifc-
Selbftmorb 171
bunbert« in bm meiftcn i^itoilifiertcn Staaten menigpen« twbreifad^t (©. 131). 2)ie©teti0s
leit biefer ^nna^mi einerfeitd unb anberecfeitd bie übenafc^enbe Ste^elmä^igfett in ber
SSerteilung ber ^älle auf bie ädter^tlaffen, bie et]^no0ra))^ifd^en, t)olitifcl^en unb fojialen
®tul)j>en, auf Sal^re^geiten, ^iaqe^ftunben unb lobe^arten ift nid^t feiten ate Slrgument
gegen biegreii^eit be« @ntf(^luffe« Dertoenbet tt?orben. ^n ber 3:i^at ift eine toeitael^enbe 6
^rattele jtoifd^en ber S^n^J^«"« ^^ ®- wnb ber ber (Seifteöfranll^eiten nid^t ^u beftreiten.
allein, ba nur etn>a ein drittel ber ©elbftmorbfäQe fic^ auf erlennbare ©etfte^Iranll^eit
gurü(!f%en läfet (3RafarVl ©. 92. 108), fo ge^t e« offenbar nic^t an, biefe Urfad^e
burd^toeg öorauögufe^cn. Sli^tiger toirb man in ber glei(^geitigen Steigerung ber ©.
unb ber geifkigen Äranfl^eiten paxaütU SBirlungen berfelben Urfac^en fe^en. 3n ber lo
regelmäßigen Setoeaung ber Qi^ttn brüdtt fic^ o^ne 3^^!^' *>ö^ f^^Ö^ SBirfen jener
Urfac^en aud. 9(uf ba^ ^el^len freier SSiQen^beftimmung ift baraud jebod^ nic^t gu
fd^Iießen. S)at>or muß un^ berllmftanb toamen, baß „lurje ^ÄUn unb Heine 93eoba^«
tung^reil^ mel^ ©c^toanlungen auftDeifen atö lange 3^ten unb über eine große Qcä)l
t)on göKen au^ebel^nte Seobac^tungen" (^KorfeDi ©. 46). S)arau« ergiebt ftd^ ober, i6
baß für bie SKaflenbeobad^tung bie inbiDibueßen 9KerImale au^fd^eiben, bie ben einzelnen
%aü d^ralterifieren, unb baß mitl^in bie im ®roßen erfc^einenbe Slegelmäßigleit feinen
©d^Iuß auf bie 3)2oti))ierung be^ @injelereigniffe^ me^r geftattet, — bad fog. ®efe$ ber
großen gal^I (bgl. hierüber fflinbelbanb, Über SBiDengfrei^eit ©. 134—148). STOan mag
nun aber ben Sinfluß ber inbiDibueUen ©elbftbeftimmung fo ^o<^ anfc^lagen, aU man 20
iDiQ, fo t>iel ergiebt ftc^ iebenfaüd aud ben (Ermittelungen ber ©tatiftil, baß ber ®ang
ber Snttüidtelung im legten ^a^r^unbert bie ©umme ber in ber ®efamtl^eit iDirffamen
antriebe gum ©. er^öl^t bejh). ba^ ®eh)id^t ber entgegenftel^enben Hemmungen Der«
ringert l^at.
äBorin bie ^ier in Setrad^t lommenben eintriebe liegen, läßt einigermaßen fc^on bad 25
fiatiftifc^e üKaterial erfennen. 3)ie ©elbftmorbncigung ift im allgemetnen größer bei ber
ftäbtif^en aU bei ber länblid^en 9et)ö(ferung; ^e toä4fft mit ber ©teigerung bed Ser«
!e^r« (SKafarVl ©. 60), mit ber aSerbreitung ber ©(^ulbilbung (aKorfeffi ©. 147 ff.); fte
ift aui) unftreitig l^ö^er in j)roteftantif(^en ate in latbolifc^en Sänbem (9JiorfeDi ©. 135).
Ä[h)if(^en ber Ääufigleit ber Serbred^en gegen bie ^erfon unb ber be« ©. ' beftel^t ein ao
t)ielfad^ beobachtete« umgefe^rte« SBer^ältnid (9Korfetti©. 154ff). 9Kan toirb barum laum
fe^lgel^en, toenn man bie ^unel^menbe ©elbftmorbneigung für eine 95egleiterfd^einung ber
fteigenben ßiöUifation erflärt. ^freilic^ barf bie« nid^t fo öerftanben toerben, aU ob pokere
3Scrftanbe«biIbung unb ted^nifc^er ^ortfAritt nottoenbig toon £eben«überbruß unb ^alts
(oftgleit begleitet fein müßten. SBo^l aber me^t ftd^ mit ber Qai^l ber 99ebürfniffe au^ 86
bie 30^1 ^^^^t We e« ate UnglüdE em))finben, fie nid^t befriebigen ju fönnen, unb bie
barum ben Seben«mut verlieren, toofern fte nic^t innere Duellen ber Seru^igung fennen.
3)ie 2)ifferenj gtoifd^en ben £eben«anfprüd^en be« Äulturmenfd^en unb ber befd^änften,
tndbefonbere oer J)lö^li(^ gehemmten ÜRöglic^feit i^rer Sefriebigung ift ftc^erlid^ eine ber
i5auf)turfad^en ber fteigenben ©elbftmorbneigung. 40
3u biefen für out Hulturt^ölfer gletd^en Sebingungen fd^einen aber noc^ folc^e p
treten, bie in ber befonberen SSolfö^ unb @tamme«inbit)ibualität begrünbet ftnb. 6« tp
eine unleugbare %i)at\a^z, baß auf bie Sänber germanifc^er 9lafle bie ^öd^ften ©elbft^
morbgiffem lommen. 3" erheblichem Slbftanb folgen auf fie bie Slomanen, in noc^
toeiterem bie ©laöen (p. Öttingen ©. 760, a)JafarVl ©. 46). Man ^at jur Srllärung 46
auf ben in germanifd^en Sänbem befonber« ftarfen Sllfol^oltoerbrauc^ bingetoiefen, aber
auc^ auf ben ®eift ber freien gorfd^ung in SBiffenfd^aft unb Sieligion, ber jtc^ im beut«
fc^en 33olI am fc^ranfenlofeften entfaltet ^abt (le^tere«: 3KorfelIi ©. 105). ®etoiß lann
man toeber ben 3wfö*wmenl^ang öon 3llfo^oli«mu« unb ©. in 3lbrebe peUen — nac^
einer angäbe bei SKorfelli ©. 266, f ollen in 2)eutfd&lanb 56°/o ber ©elbftmörber 8lHos so
l^oliften fein — , nod^ beftreiten, baß gerabe bie gebilbeten Äreife am ©. fel^r ftarf be^
teiligt finb. älber beibe« reicht boc^ ni^t au«, ba« @anje ber fraglichen @rfd^einung ju
erllären. 3w*^^ff^^^ ^^^"^ ^^^ ^^^ö" beulen, baß ben ®ermanen unb befonber« ben
©eutfd^en ipr Verlangen nac^ inbiöibueller 2eben«geftaltung, ein l^oc^gef})annter, barum
leicht fe^lgreifenber unb in gnttäufcf^ung enbenber 3lbeali«mu« unb auc^ tool^l ein ge= 66
h)tf|er $ang jur ©entimentalität ben Äamj)f mit ben garten unb l^emmenben aBirIli(^=
leiten fc^toerer mad^t, al« er anbcren 9Jationcn mirb, bie me^r mit ber ®abc au«gerüftet
ftnb, bie ®inge ju nehmen, h)ie fte finb, unb ficl^ auf ba« Sneid^bare einjurid^ten.
SBeber jene 9Sert)ielfältigung ber 2eben«anfj)rüc^e burc^ bieÄultur, noc^ biefe innere
®rfc^h>erung il^rer 33efriebtgung toürbc jeboc^ im ftanbe fein, fo biele jum Ileinmütigen go
172 (ScIbfUnorb Selbftftti^t
Stuf geben be^ 2eben^tanH)fg ju fül^ren, toemt nic^t im SSerlauf bc^ 19. ^al^r^unbert^
jugletd^ ein in entgegengefe^ter 9li(^tung tpirfenber ßinflu^ an Äraft eingebüfet l^ätte, bie
mad)i einer gefd^Ioflenen religiöfen SBdtanfd^auung unb einer binbenben Sitte, ättc jene
(Sintoirfungen ber grofeen 9SerIe^r«centren, ber fortgefd^riltenen let^nil, ber gcfteigerten
5 SJerftanbe^bilbung i^aben gugleic^ boau gel^olfen, gro^e Seile beö SBolfö bem religiöfen
(Stauben ju cntfremben unb beö §afe einer (tarlen öffentlichen ©itte ju berauben, ^amit
l^ängt o^ne 3*^^?^^^ ^^c^ bie 3:^atfac^e ^ufammen, ba^ bie Beteiligung be« h>eibli(6en
@^\ö)Ui)ii am ©. jtc^ ju ber be^ männlid^en toie 1 : 3 ber^ält. ^n biefcr 2)iffereng
fommt jtDar nid^t au^fc^Iie|Iki^, aber boc^ tDefentlid^ mit ber Ünterf^ieb jum ätu^brud,
10 ber in ber Stellung ber beiben (äefc^Iec^ter m SReligion unb ©itte obtoaltet.
SSietteic^t barf man au^ bem Jjeriobiwen -— nid^t feiten gerabegu ej)ibemifcl^en —
Sluftreten einer gefkeigerten 3?eigung jum ©. bie Hoffnung fc^öj>fen, ba^ fie Übergangs-
zeiten eigen ift unb mit bem Sintritt eine« befferen (Sleid^getoic^tS im geiftigen Oefamt-
leben tvieber nad^laffen toirb. @in folc^eS ©leid^getvidbt ift aber, toie auc^ 3Rafar^t betont,
16 o^ne ein Srftarfen ber 9leligion nic^t ^u ertvarten. 3l\ix bie ©tarlung ber ^erfönlic^feit
bon innen l^erauS befäl^igt fie, bem 35rucf unb ben SBäed^felfällen einer lomj)lijierten
Kultur ©tanb ;|u galten, ^füax lann auc^ natürliche Slaftijität unb (tarier ^flid^tgefü^l
in begrenztem Umfang ^^nlic^e« leiften ; aber eine juöerläfftge Duette ber äu^bauer, ber
©rgebung unb ber Hoffnung, bie aud^ in berjtoeifelten Sagen nic^t berfiegt, fann für
30 ein ganzes 93oII nur bie Steligion fein. 3äie einft baS S^riftentum neue SebenSjuDerftc^t
in bie mübe gehjorbene alte Äulturtoelt gebracht ^at, fo tt?irb au(^ nur bie Sebenöma^t
beS SbangeliumS im ftanbe fein, bie aufreibcnbe unb tobbringenbe aBirfung ber mobemen
Kultur JU feilen.
Die 93efämj)funp ber hjeitöerbreiteten ©elbftmorbneigung fättt barum im lefeten
26 (Srunbe gufammen mtt ber ®eltenbmac^ung d^riftlic^er ääeltanfc^auung unb ©ittUc^feit.
SBer [xd} in ber ^flid^t ©otteS ftel^enb toeife, bem ift eS getoife, bafe er — unter gtinftigen
ober toibrigen Umftänben — toirifen mufe, fo lange eS %aQ ift (3o 9, 4). Unb h)er eine
®nabe lennt, bie bem Sleuigen au6) bie fd^toerfte ©d^ulb bergibt unb ben ©efattenen ;u
neuem Seben aufrichtet, ben fann bie SSerjtoeiflung nid^t übcrtoältigen. ©afe bie c^rift-
90 lid^c Äird^e il^r ftrengeS Urteil über eine %^at, in ber fie eine grunbfäfelic^e Verleugnung
ber ©otteSfurc^t unb be« ©ottbertrauenS, eine ©eringad^tung beS göttlichen ©eric^t« toie
ber göttlichen ©nabe feigen mu^, feftjul)alten unb jum aiuSbrudf ju bringen l^at, toerfle^t
fid^ bon felbft. GS ift barum auc^ nic^t ratfam, bie ©d^ranfen, toelc^e burc^ ®efe$ unb
©itte für baS Begräbnis bon ©elbftmörbem gejogen ftnb, preiszugeben. 2)ieS toürbc
36 baju beitragen, baS o^ne^in fc^on laje öffentliche Urteil noc^ ftumpfer ju machen. 9Rag
auc^ in bielen Jfätten 3"^^*^öltung beS Urteils geboten fein unb bie $erfon beS ©elbft^
mörberS me^r 3Kitleib als 3:abel berbienen, bie I^at felbft mu^ boc^ unjtocibcutig als
eine für ben (S^riften ftttlicf^ unmögliche bezeichnet toerben. 9lber freilid^ grofee SBirlungen
barf man bon ©efe^en unb ^nd^tmaf^xQQQln attein nic^t ertoarten. 9lur baS ©Kinge^
44) lium Dermag einen neuen ©eift ju fc^affen unb bamit eine ©efunbung unferer Äultur
an^ubal^nen. C SMrn.
©elbftftti^t ift ein ffiort fpäten Urfj)rungS für einen Betriff urälteften 3)atumS.
es bezeichnet treffenber als „ggoiSmuS" bie auSfc^liefelic^e Beziehung beS menfd^lic^en
üBJoHenS unb Segc^renS auf baS eigene Sclbft im ©egenfa^e z" bem ©el^orfam unb ber
45 Siebe, bie ber Wenfc^ feiner anerfcljaffenen Seftimmung gemä^ ©Ott bem ^erm fc^ulbig
ift. 3)iefc abnorme 3lid^tung fommt bogmatifc^ in Betracht als bie ©runb« ober SEBurzel*
fünbc, eti^ifdf) als ber fruchtbare Seim fünbiger enttoicfelung ober als ©ünbenloux^el,
bann als 9Jebcn= unb Unterftrömung aller natürlid^en ©ittlic^feit.
1. 2)cr gjJenfcb, als geiftleiblic^eS ffiefen, zh)ifcl)en ©Ott unb bie aSJelt in bie 3Ritte
50 geftctit, mit ©ott burc^ feine ^erfönlic^feit bertoanbt, ber 3Belt burc^ feine 9latur lu-
gehörig, ^atte bie 2tufgabe, burc^ freie banfbare Siebe bie ©emeinfd^aft mit ®ott zu be^
loabren unb ficf) felbft zuDörbcrft für ©ott z" ^eiligen, bann burc^ treuen ©ienft bie
aOSeh im ©cl)orfam gegen ©ott z« erbalten unb ebenfalls für ©Ott zu l^eiligen. 3n
biefer z*^^if<i<i>€» !)lic^tung feiner ^bätigfcit foHte er baS ^kl feiner Seftimmung er=
55 reirf^en : bie tjotlenbctc SluSprägung beS ©ilbeS ©otteS in unb an ibm, z« toelc^er er
angelegt ioar. 'DJacl) \vcid}Qx Seite bin er ^mx^i Don biefer ihm t)orgezeid^nctcn Sa^n
abioid) unb in 2lbnormität feiner Gnttoicfclung geriet, ift eine ^ra^e, bie mit ber nac^ ber
Gntftebung beS Böfeit, ber Sünbc überl^aupt, )^ufamnienbängt, l)ier alfo nic^t bel^anbelt
toerben fann ; nur an bie Differenz fei erinnert, a>eld)e zh)ifdHm ^ul 3Rütter (Sc^re bon
®e»f)fttd|t 173
bcr ©ünbe II, 3. 4) unb SRid^. Sflot^e (t^col. mit 2 31. Sb 1) barübcr ft(^ cr^ob, ob
bic äBurjelfünbe in ©elbftfuc^t, toic jener, ober in ©innlic^feit, toie biefer bü}aupttU,
beftel^e (togl. aud^ bie Harc 2)arfteUun0 ber beiben ainfw^ten unb ben SJerfucb, fte ju
t)ermitteln bei ®orner, G^riftl. ®Iauben«Ie^re, 93b 2, § 77). 3Bir galten bafür, bafe bie
Priorität ber ©elbftiuc^^t mfomme. @o lange ber menjc^Iic^e (Seift @ott l^ingegeben 6
Wieb, ^ielt er bie eigene 9(atur in ©d^ranfen. ©rft aÖ er in falfd^er ©elbftbe^auptung
ba« eigene Seben aufeer unb toiber (Sott ju fu^en ftc^ öerma^ unb ben (Selüften naq
(Sottoleic^^ in Unabl^öngigfeit t)on (Sott m fw^ 9laum gab, entfeffelte er and) bie 2iriebe
ber ©innlid^Ieit im ?fleij^e. ©o f(^ilbert auc^ bie ©c^rift (Sen 3 ben §ergang. 9Kit
bcm SBorte : „il^r toerbet fein toie (Sott" toarf bie ©^llange ben gunlen ber ©clbftfudbt lo
in bie ©eele be^ SBeibe«; bann trat bie lüfterne Segierbe nad^ ber t>erbotenen ^ruqt
^ingu. 3)er geiftigen äbtel^r bon ®ott folgt bie finnlid^e S^Uf)x mr SiJelt md), unb
bie ©elbfküber^ebung be« SJJenfc^en, ber fein ^eil nic^t bon oben l^er emjjfangen,
fonbem felbftifd^ an f\d) reiften toiB, ftraft fic^ m ber ©clbftemiebrigung, baft er im
(Sitlen unb SJergön^lic^en, in ber Äreatur für ben Verlornen ^rieben ©rfafe fuc^en mufe, i6
ein Äne(^t ber gletfd^e^s unb 3lugenluft toirb. SJie ©elbftöergötterung (erlägt um in
ffieltöergötterung.
2. 3)ie bem 3Renf(^en feitbem angebome berfel^rte iHic^tung ber ©elbftfud^t ift in
il^m ber fruchtbare Äeim fünbiger ©nttoidfelung, toie $aulu^ fie SRö 1,21 ff. jeic^net.
^iefe @nth>i(felung lann toieDerum jtoei fc^einbar bibergente, in 3Birflid^teit fiep taufenb« ao
fdittg heu^enbe ober ineinanber übergel^enbe äSiege einf^Iagen: ben ber finnlid^en ©enuft«
fuc^t unb ben beö geiftigen ^oc^mutig. 93eibe baben in ber ©elbftfu(^t ibren Slu^ang«*
punft. ®er Oenufefüc^tige jagt ber (SlüdEfeügfeit nac^, inbem er bie SBelt, fotoeit er
tjermag, feinem ©elbft unterwirft, aneignet, il^re ©üter unb ^reuben bur(^' unb axi^
foftet I)ie äufeeren §inbemiffe, auf toelc^e er babei fköfet, ftrebt er rüdfid^t^Io^ )u über* 26
Joinben. j^ier entfj>ringt ber vielgenannte „Äamjjf um« 2)afein", auf toelc^en eine neuere
3BeItanf(^auung bie gefamte (Sefc^i^te ber ?BJenfc^l^eit, bie ganie (grfc^einung be« menfc^lic^en
geben« gurücffül^ren toill. 3)a« SßJai^re baran ift, bafe bie ©elbftfud^t feine ?)ifli(bt gegen
bic ®emeinfd^aft anerlennt, bafe in bem SRingen nac^ ©lüdffeligfeit einer bem anbem im
aSBege ift, unb baft, too bie ©elbftfuc^t ^errf^t, ber ©tariere o^ne ©c^onung ober ^Kit^ so
leib ben ©«^toäc^ieren niebertritt unb über i^n ^intoeg ba« begehrte (Sut ergreift, ^ebe
eubämoniftifd^e ^oral ftatuiert fonfequentertoeife biefe« bellum omnium contra omnes
ate l^arte Jlaturnottoenbigfeit. — 3i)er geiftige §oc^mut giebt ben ©c^ein, bie« toilbe
3:reiben gu toerad^ten. ®r fuc^t feine Sefriebigung in toermeinter geiftiger 4?oD[fommen^eit.
SBBif|en«ftoIj, $errf4ifu(^t finb feine 3;mj)ulfe. ©r bünf t ftc^ ^oc^ erl^aben über bie Meinen ss
unb niebtigen ©enüjfe ber fmnlic^en SRatur, er berac^tet ben 2eib felbft unb feine 95ebürfs
niffe. 3tber, toie 3Kartenfen ((gt^if I, ©. 132 ff.) fe^r gut jeigt, ber (Senuftmenft^ ift nid^t
o^ne $oc^mut; er bilbet fic^ ettoa, bem (Setoiffen unb bem ®efe^e trofeenb, eine i^eorie
jur SRw^tfertigung feiner ©innenluft * unb ber ©eiftee^od^mut erleibet oft gerabe in feinen
entfc^^iebenften Vertretern bie fc^mäJ(;li(^ftcn 9Uebcrlagen, Wo bie unterbrücfte unb »erachtete 40
©innli(^Ieit ft<^ getoaltig em^iört unb biefe §offärtigen ibrerfeit« f^imac^boH fnec^tet (ein
fein au«gefül^rte« 93eif))iel l^ierju ift bcr geiftli(^e fiiebl^abcr ber (£«meralba in 95if tor J&ugo«
Notre-Dame).
Serfuc^t man c«, bie einzelnen ^auptfünben nac^) ben jioci ©runbric^tungen ber
©elbftfuc^t )u flaffifijieren, fo treten auf bie ©eite ber ©innlic^feit bic ro^en unb ge^ 46
meineren, auf bie be« Äoc^mut« bie feineren unb geiftigercn formen ber ©ünbe. 3»""^^
bleibt ba« ©elbft be« ©ünber« ber SJlittelpunft, um ben fein ganje« fieben ftc^ brel^t,
öon bem e« nit^t lo«fommt; unb bie Siebe ;iu ©ott toirb burd^ bie ©clbftfuc^^t in atten
il^ren (Srfc^einungen vereint unb au«gefc^loffen. Die ^JJloral, bie man auf bem 5Prinji|) be«
®goi«mu« aufgubauen in alter (6j)ifur) unb in neuer ^^\t (3K. ©tirner, 3)er ©njige 60
unb fein Eigentum) öerfuc^t l^at, fann nur eine ati^eiftifc^e fein.
3. 3)cr groben ©elbftfuc^t eine „t)ernünftige ©clbftliebe" gegcnüberjuftetlen, bie freis
lic^ auc^ ben eigenen 5Wu^en unb 3Jortcil obenan fe^t, bie e« aber in i^rem too^lbers
ftanbenen 9lu|en unb Vorteil finbet, bem 9iäc^ften au^ tttoa^ uifommcn gu laffen, unb
jloifd^cn feinen unb i^ren 3"^^^fl«" ^i"^" billigen 2(u«glei(^ trifft, bie« möchte noc^ bie 66
unjtoeibeutigftc ber Verfleibungen fein, bereu fid^ bie ©elbftfuc^t bebient, um unter ^rei«s
gebung ber gorm i^r 2Befen ju retten unb ficb in ein „tugenb^afte«" Seben einju=
fc^muggeln. 3)em, toa« bie 3(lten iustitia civilis, bürgerliche SRed^tfd^affen^eit, nennen
ober ber ^au«bacfenen 3Koral be« 5Rationali«mu« fc^tec^t^in allen fittli(^en SBert abju«
f})re(^en, bürfte ju toeit gegangen fein ; fie ift öielmel^r eine nü^lid^e brauchbare ©a^e, eo
174 Selbflf«d|t Selbftnerleugimiig
ftettt eine ßehjiffe äußere Äonformität mit bem ©efeft l^er, vertritt ba« ämt einer tont-
jamen Sßrätoentiöpolijei. SSor aKem ober ift biefe ?Koral eine Srutftatte bc« feineren
©goi^mu^, toie er ate 9leben= unb Unterftrömung oller natürlichen ©ittlicbleit t>on un«
be^eid^net tourbe.
ö 3n ©eftalt ber oben fc^on ertoäl^nten „toemünftigen ©elbftliebe" ift ber ßgoi^mu^
toomei^mlic^ ®ef(^äft«i)rinjilp. „Seben unb 2ebenlaffen" l^eifet feine 3)etoife. gn toeld^m
(Srabe batoon ano) ber ehrbare §anbel unb bie adj^ng^toerte 3nbuftrie burt^brunaen
pnb, h)ie ftd^^ ba überaH t)on felbft toerftel^t, bafe ba« eigene Sntereffc oberfter ©efu^t«^
i)unlt fein mufe, bebarf feiner Stu^einanberfe^ung. §ier fc^on bedEt bie 3;ugenb berSleb?
10 lic^teit ald t^lagge bie ftontrebanbe ber ©etoinnfuc^t. 3Ran t>er2id^tet auf ben unreblic^en
®eh)inn, nur toeil ber reblid^e immerl^in fidlerer unb nachhaltiger ift.
Si« jur erfc^einung be^ $eroi«muö, ber D}?fertoiDigfeit, fc^toingt bie ©elbftfuc^t
im Familienleben fic^ auf; ftc nimmt l^ier bie Oeftalt ber ©elbftöerleugnung an. Sltem
legen [xö) bie fc^tverften Sntbei^ungen auf, t)erfagen ftd^ aQe eigene 93equemltc^tett; um
15 i^ren Äinbem, fei eö ein Vermögen, fei ^ eine tüd^tige Stu^bilbung, gu Derfd^ffen. Sn
abeligen Ääufem toirb ber ätufr^d^tbaltung ber gfamilienel^re unbebenflid^ aUe« jum £)})fer
gebracht ; oer ©o^n ettoa, ber berufen fc^eint, ben ®Iam bed §aufeg f ortgufe|en^ grünbet
feine ßjiftenj auf bie freitoiUige ©elbftenterbuna fämtliqer ®cfc^h)ifter. S33a^ ift enblicb
ber Sl^rgeij in allen feinen ®eftalten, ber h)iffenfc^aftlic^e, ber fünftlerifd^e, ber ftaat^^
20 männifc^e ®^rgeij, mit au' feinen großartigen Seiftungen unb Srf olgen anber« afö ©elbfl^
fuc^t? — ©ie gel^t auf alle 95ebingungen ein, bie man il^r fteUt, fie ift ber ungloub^
lic^ften ©elbftentöußerungen fällig, fie fc^miegt unb biegt ftc^ unb lä|t ftd^ auf ein
5Kinimum rebujieren, toenn fte nur ebennod^ ejiftieren barf ; il^re« fc^liefelid^en Irium^^e^
ift fte getoife.
26 2luc^ ba^ religiöfe ®ebiet, aud^ bie grömmigfeit, ift ii^r nic^t« loeniger afö ungu^
gönglic^, unb jtoar tritt fie ^ier toieber in i^ren beiben §aui)tformen auf; ate geiftlidj^
®enußfuc^t unb ald ©elbftgered^tigleit. ^ie genußfüd^tige ^ömmigleit ift h)a^lerifd^ in
ber 33efriebigung i^rer religiofen Sebürfniffe; bie einfache fd^Iid^te Äoft ber biblifc^en
Se^re toirb bon il^r t)erfc^mä^t, fie l^afc^t nac^ älbfonberlic^Ieiten, nac^ ge^eimnidboDen
80 2iiefen, nac^ fc^loinbelnben §öl^en ; ober fte trägt loeltUc^e ®efc^macf«ri(ptung, üKoben
ind religiöfe 2eben über. 6d toirb boc^ immer eine verfeinerte ©innlic^feit i^r ju ®runbe
liegen. ®er geiftlid^e §o^mut aber erzeugt bie ©elbftgerec^tigleit, bie im ?P^rifäertum
fid^ tt)p\]i) au^tpxäQt unb in bem feinbli^ien ®egenfafe be^felben gu 3efud i^ innerfte^
SBefen geoffenbart f}at SBie tief fte im natürli^en 3Kenfc^en^erjen tourjelt, h>ie fcj^toer
36 fte auszurotten ift, jeigt bie ©efc^^id^te ber c^riftlid^en SReligiofttät, leiert unS bie eigene
täglid^e (Srfa^rung, ber Äamjjf, ben jeber treue ß^rift mit [xä) felbft, jeber toac^fame
©eelforger mit feinen ^Pegebefo^Ienen ihrethalben ju führen ^at.
am lefeten 6nbe läßt bie ©elbftfuc^t i^re Änec^te im iobe. StBeil fte il^ Seben
erhalten toouten, muffen fte e« verlieren. 2)er ®enu|menfci^ toirb im %o\>t von attem
40 entblößt, toomit er, unter bem SBortoanbe fte gu fättigen, feine ©eele betrog. 3)er
^ocf^mütige bleibt mit feinem geliebten ^6) allein ju feiner etoigen Dual. aBeltöergötte^
rung unb ©elbftvergötterung faOen fc^lie|lid^ unter ba« ©erid^tStoort 3ef 48, 22 ; 67,21;
m, 24 : „bie ®ottlofen l^aben feinen ^rieben". ftarl Xlnrger f.
©elbfütierleugattag ift in allen fünften ba« 2Biberft)iel ber ©elbftfuc^t; in i^rem
4ö Urf^rung, in i^rem SBJefen, in il^rem 3^^!^ bilben fie einen auSf^ließenben ®egenfo|,
h)ie i^n (Sljriftug m 10, 38 f.; 16, 24 f.; a)lc 8, 34 f.; £c 9, 23 f. fc^arf aneinanberrücft.
^aS neuteftamentl. aSort für „fic^ felbft Verleugnen" ift ägveloi^aif änaQveuj&ai iamdv
(Vgl. 6remer, S3ibl. t^eol. 3Börterb. g. b. 2Ö.). S)urc^aug neuteftamentlid^ ifi ober bie
©oc^e felbft. ^^on ©elbftverleugnung im ©innc ber fjorberung 3^fu on feine S^naer
50 unb Dioc^folger ^at bie 3Belt vor ^l}m nichts getoufet, loitl bie SBelt außer ^\)m nichts
toiffcn. 2)enn nichts geringere^ tvirb mit i^r Verlangt, als baß ber aJlenfc^ fein ^d^, fein
©elbft Verneine, feinen SlUHen auS bem falfc^cn ßcntrum ber (Sgoität ^erouSne^me unb
boburd^ fein natürlicl^cS Seben virtuell aufgebe, vemid^te, tviffentlicf^ Verliere, jugleid^ ober
ein neues, baS tüol^re SebenScentrum, gctüinne, inbcm er feinen SSJiDen mit bem gött^
55 liefen einigt, fein Seben mit gl^rifto in ®ott verborgen fe^t (Äol 3, 3) unb forton nic^t
ftc^ felbft lebt, fonbem bem, ber für i^n geftorben unb auferftanben ift (2 Äo 5, 15), fo
baß er mit ^auluS fagen fann: ,,ic^ lebe, boc^ nun nid^t icf^, fonbem ß^riftuS lebet in
mir" (©0 2, 20).
9?iemanb Vollbringt bieS in einem Slnlauf. ^ot bod^ 3^f"^/ ^^ ^^n otter SEBeltluft
Selbfhierleugttttiifl Seibett 175
freie, an bcm baö 6r litt, (Sel^orfam gelernt (§br 5, 8) unb in ber ©elbftberleugnung
jtd^ geüBt, btd @r am £)lberg bie le^te @t)ur ber S^mad^^eit abtl^at. SBir muffen
langer lernen, mel^ üben, unb tverben nie bad ^xA ganj erreid^en, fo lange toir ben
Seib ber ©ünbe unb be« Zoh^^ an un« tragen.
StBir fangen aber an un^ felbft ju verleugnen in ber 95ufee. ®er Dom ®eifte 6
Ootteö ergriffene 3Kenf(^ ^erät mit fw^ felbft in 3h)iefj)alt; ein ^ug jur SBa^rl^eit unb
®ere(^tigteit regt fic^ in tl^m unb toeat ein Serlangen, ein 3Bouen, toelc^ed t>on bem
alten 3Befen bed ^leifc^e^ lodlommen möd^te. 2)ied äßollen ift nod^ fc^^ac^, ed ift oft
unaufrid^tig unb bann öergeblid^. 3lber ben aufrichtigen läfet e« Oott gelingen. ®r
fc^enft i^nenmit ber S3ufee ben Olauben; 6r begebrt fie; fte toerben h)iebergeboren, fei'« lo
bafe fie nun erft bie ^ufe emjjfangen, fei'« bafe i^re a:aufgnabe je^t in Slltualität tritt.
35on ba an ift ii^r Seben ein Äampf be« neuen ^enfc^en toiber ben alten, be« ©eifte«
n>iber ba« ^^leifd^, unb bamit eine tägliche Übung ber @elbftt)erleugnung. @o fteQt bie
©elbftöerleugnung ftd^ bar al« bie innerfte Seite, al« bie beftänbig flie^enbe Duelle ber
Smeuerung ober Heiligung be« ©Triften. SBir tl^un leinen ©d^ritt Dortoärt« auf bem iö
fd^malen SBeg, toxx legen leine Unart be« ^leifc^e«, leine fünbige ®eh)ö]^nung, leinen
(E^aiterfe^ler ab, toir tragen in leiner SSerfuc^ung ben ©ieg hatyon, toir beftel^en feine
®lauben^robe, toir Vollbringen lein toaj^e« unb annä^emb reine« 33erl ber Siebe, ol^ne
bafe toir, un« felbft toerleugnenb, ben SBiberfprud^, ben SReig, bie Irägl^eit unb Unluft be«
alten ÜMenfd^en juöor übertoinben. 20
©0 btlbet bie ©elbfttoerleugnung in ber %f)at ben Äem ber 3iüngerf(^aft, bie ©runb-
bebingung ber ^{ac^folge (S^fti. @« betpä^rt fic^ aber auc^ in i^r be« $erm äBort:
„h>er fein Seben toerlicrt um 3KeinettDillen, ber hjirb« erhalten." Unter bem tägli^en
abtöten unb ilreujigen be« gfleifd^e« toäc^ft unb fräftigt p^ unb gelangt ju immer
reiferer 3lu«geftaltung ba« neue, ba« göttliche Seben be« Soften. SDabet jeigt fico jugleic^, 25
ba^ bie ©elbftöerleugnung fein einmaliger, fonbem ein fortgei^enber innerer äft ift, ba^
fie me^r unb mel^r ein ^abitu« be« jünger« loirb. Ob biefer burc^ einzelne äußere älfte,
burc^ felbft auferlegte b^onbere Übungen unterftü^t unb geförbert Serben mu^, burd^
goften unb Äafteiungen, ßntl^altungen unb SSerjic^te, bleibt ©ad^e teil« ber freien inbiöibuellen
@ntf(^lie^ung, teil« ber f^ejieQen Seben«fül^rung. SSa« ber $en bon bem reichen so
Jüngling forbert, toa« 6r im Stnfc^lufe an bie Ser^anblung mit bemfelben ©einen
Süngem jumutet (3Jlt 19, 21. 29), fmb folc^e einzelne 2lfte ber ©elbftöerleugnung, aber
nid^t tttoa consilia, beren Befolgung ju einer ^ö^eren ©tufe ber Heiligung ergebt, fonbem
praeoepta, gu beren (Erfüllung jeber (Sl^rift gegebenen ^aQe« bereit fein mu^. 2)em
@eifie be« StKingelium« jutuiber ift ber Serfud^, bie ©elbftt)erleu9nung in ®efe^e«form 85
t>or)uf(^reiben unb in ein ))erbienftlid^e« äBerf umjutoanbeln. ©te ^at fittlic^en 3Bert
unb trägt jur Heiligung bei nur fotoeit fie an^ bem freien 3BiIlen be« SSiiebergebomen
^ertjorge^t ©0 geübt, ift fie ein toic^tige« 3Rittel jur Pflege ..c^riftlid^er Oemeinfc^aft
2)ie ©d^onung ber fc^^tt?ac^ ®eh)iffen, bie SSerl^ütung be« ärgemiffe«, bie STOcibung
oDe« böfen ©c^eine«, bie ©anftmut, bie bem irrenben 95ruber ^ured^t^ilft, bie fud^enbe^o
a:reue, bie bem Verlorenen nad^ge^t, bie 3)emut, bie fi^l nic^t bienen läfet, fonbem )u
bienen für i^ren 95emf achtet, ja alle 33etl^ätigungen ber c^riftlid^en Sruberliebe fe^m
üorau«, bafe toir unfere ©elbftfud^t, unfer %k^d), ba« bem aUen abgeneigt ift, ju Der^
leugnen toiffen. ®nbli(^ gilt auc^ l^ier : „toenn jemanbe« SBege bem §enn tool^lgefaKen,
mad^t (gr aud^ feine geinbe mit i^m jufriebm" (©J)r. ©al. 16, 7). 2ttl bie ftille arbeit 45
unb 3"^^' ^'^ ^^^ jünger 3^fw burd^ ©elbftDerleugnung an fic^^ Vollbringt, liegt ber
3Belt fe^r feme, fte fpottet too^l barüber; aber bie gru^t batoon ju geniefem, lä^t fie
^d) bei^agm. 33ie gleichmütige ©elaffen^cit, bie fanftmütige Sefc^eiben^eit, bie „^öflidb«
feit be« ©erjen«", toelc^e ber toa^re ß^rift mit faurer 3Kül^e crtoorben l^at, mac^t
auf aSelttinber einm angenel^men too^lt^uenben (ginbmdf. 3Jlan öerjeil^t i^m faft, öd
bag er ein ßl^rift ift, um biefer Sigenfd^aften toillen, bie ben aSerfe^r mit il^m fo fei^r
erleid^tem.
3^r eigentliche« 3^^! i*«^c^ eneic^t bie Selbftberleugnung ber ß^riften in ber jus
fünftigen l^immlifd^m ©emeinfc^aft ber 3lu«ertoä^lten, too bie ©elbftfuc^t feinm SRaum
mcigfr l^t, fonbem t>öllig abgetl^an fein toirb, too aller äufeere ©treit unb innere Äampf 66
ru^t, too bie ©eligfeit jebe« einzelnen jugleic^ bie ber (Sefamt^eit, unb ®ott 3ltle« in
SWem ift. Äarl »nrger t-
BObtn, Sol^n, enalifc^er ^urift, ^olitifer unb ©ele^rter, geft. 1654. — Sitte,
rotur: ^oob, Athenae Oxon. s. v. (Selben; ?lubrei)'« Sf^ac^träge in f. ^u«gabc ber 3Boob=
176 (Seibett
f(^en Athenae; Parish Reg. and Parish Account-Books of West Tarring; ^rorfter, John Eliot;
ClareodoDB History, 5. %ud); Journals of the House of Comm. unb Calendar of State
Papers auS ben in grage fommenbcn Sauren; Seldeni Opp. ed. Wilkins, iOonbon 1726,
vol. III (fieben«bilb): Biogr. Brit. vol. VI 1, S. 3605 ff.; @ibncl) ßcc, Dict. of Nat. Biogr.
5 vol. LI, @. 212 ff.; Encycl. Brit. vol. XXI, 6. 630 ff.
©elben, einer ber gelel^rteften unb öielfeitigften üRänner feiner 3^^^/ ^^^ lebiglic^ al^
Äircf^cn^jolitifer unb Orientalift Slnfprud^ auf eine ©teile in biefcm Sud^e. — ©eboren am
16. ©ej^ember 1584 in ©atoington bei aScft laning (©uffej), tourbe er in ber ©tiftö^
fd^ule t)on ßl^ic^efter mit ben Slementen ber englifd^en unb flafftfc^en ©tubien Dertraut
10 gemad^t unb b^og 1600 bie Uniberfttät Cjforb, bie er, o^ne um bic ©rtoerbung ber
^erfömmlic^en e^rengrabe fid^ ju bemül^en, 1602 »erlief, um in ßlifforb ^nn ba^ juri^
ftifc^e ©tubium aufzunehmen, ©c^on 1604 erlangte er al^ richterlicher -Hat am Inner
Temple bie gwlöffw^fl- 3"^^ S^g bie juriftifc^e ^IJraji^, bie i^m ben ©rfolg fc^ulbig
blieb, il^n nic^t an. Seit 1605 mit bem eben berühmt geworbenen 95en 3onfon, Gamben,
16 fonberüc^ bem Slltertum^forfc^er 9lob. Sruce ßotton befreunbet, ber i^m frine untoergleic^-
lid^e äSibliotl^et jur 99enu^ung überlief, bermanbte ©. feine ^u^e auf ))oIf^ef(i^i(^tlic^e
unb t^eoretifd^e ^ec^t^ftubien (Analecton Anglo-Britannicon 1607; Jani Anglorum
Facies altera 1610; Angliae Epinomis 1610; De Laudibus Legum Angliae
1616 u.a.), bie bie äufmertfamleit be^ litterarifd^ intereffterten §ofed imb ber jHrrlamen^
20 tarifd^en Äreife auf i^n gogen.
Stber erft bie grud^t feiner f^rifd^-p^önijifc^en ©tubien, bie er u. b. %. De Diis
Syris (1617 juerft gebrucft, aber erft 12 ^a\)x^ fjjäter tooDenbet) in bie ÖffentUd^Ieit
brad^te, gab i|m einen 92amen unb feiner Seben^rbeit bie 9lic^tungdlinte. j(ud^ ba^
3;ntereffe ber beutfc^en unb nieberlänbifc^cn ©elc^rten toedEte ba^ Suc^. ®. $etnfui^
26 toeranla^te burc^ 2. be Dieu einen erften 5Weubrud, bem 1668 in Sei^)5ig ein anberer
folgte. 2)ie ©ä^e, ju benen ©elben« mit grofeem ©c^arffinn ge^marte ®elel^rfamfeit
gelangt, finb natürlich burd^ bie litterar]^iftorifc|en gortfc^ritte ber üorberaftatifc^en Drien^
taliftif überl^olt; feine hitifc^e SJcrtoertung ber minberloertigen rabbinifitfd^en Duellen,
bie Befangenheit in ben alten älnfä^en über @ntftel)ung, SSerfafferfc^aft unb ©ammlung
80 ber fanonifc^en Sucher, ber mangelnbe ßinblicf in bie ^ebräif^^en ©pradSKmfänge unb
eine unfontroBierte ©uc^t nac^ aÖegorifierenben Umbeutungen beeinträd^tigen jtoetfello^
ben SBert be« Sud^e«- inbe« felbft 3Wot)er« (^P^önijier I, 93orto. VI) ^at e« al« „ein
nod(i immer unübertroffene«" SBerf gefennzeid^net. 3^m finb eine gro^e änja^l toeiterc
Drientalia gefolgt, bie ©rgebniffe feiner au«gebe^nten Unterfuc^^ungen, bie er in ben
86 reichen ©ammlungen ber 95obleiana unb be^ Saubfd^en Strc^it)« im Sambetb ?PaIaft au-
fteilte, er felbft t)erfügte über eine beac^tenetoerte ^a^ fcltener ^ebräifc^er, arobifc^er
unb fi^rifc^er 2lbs unb Urfc^riften, bon benen einige bi« l^eute noc^ nit^t gebrucft finb.
33on feinen eigenen Unterfuc^ungen l)ebe ic^ al« bie toic^tigftcn ^ertoor: De successio-
nibus in bona defunctorum ad leges Ebraeorum 1631 (mit einem Sln^nge: De
40 Successione in pontificatum Ebraeorum, neugebrucft 1636); De iure natural!
et gentium iuxta disciplinam Ebraeorum, 1640; De anno civili et calendarlo
vet. ecclesiae seu reipublicae iudaicae, 1644; Uxor Ebraica seu de nuptiis et
divortiis vet. Ebraeorum \l III, 1646; De Synedriis vet. Ebr., 1650 (ber2.a:eU
erfc^ien 1653, ber 3. nac^ ©.« 3:obe). 5ioc^ ju feinen Scbjeiten tourben biefe Söerfe,
45 bertjorragcnbc I)cnfmale ber (Sclel^rtengefc^icf)tc bc« 17. 3!ö^i^^"bert«, bie eine t)on ben
3eitgenoffen angeftaunte S?ertraut^cit mit ber rabbinifc^en Sitteratur unb bem Dorbcr-
afiatifc^en Kulturleben verrieten (ba« arabifc^=f oj)tifd)e 3iotation«f^ftem unb ber Unterfc^ieb
jtüifc^cn ben 'itnfc^auungen ber SHabbanitifcf^en unb i?araitif^en 3;uben fmb burc^ ©elben
bem 3(benblanb jucrft befannt getüorben), in ife^ben unb ^Jranffurt a-D. noc^gebruch;
60 alle ^ioar au^gejeid^net burc^ ftupenbe ©ele^rfamteit, aber an ermübenber SSreite, ber^
ftiegener ©iimboliftif unb nait>em 'iser^ic^t auf Mritif ber rabbinifc^en Überlieferung gegen'
über leibenb. —
3in3h)ifc^en l^atte er feine ru^elofe ^eber aucf? in ben 2)ienft ber lird^lic^en unb polu
fcben Xage«fäm))fc geftellt unb banüt einen in jener ^^\t nid^t ungefährlichen 85oben be^
65 treten, auf bem er cbenfo t)ielfacl)en Slnfeinbungen tüie Scbi^anfungen unb ®anblungen
au«gefe^t gctüefen ift. ^in Äqmpfc feblte i(;m ba« -Wüctgrat, bie c^araItert)oD[e unb um
interefficrte (5Jefc^loffenl^cit bcv Überzeugung, bic aue i^^f olaung unb 5WieberIage gu neuer
Äraft ficb ^u erl;cben gciüiüt ift. S^W^t t>erfagtcn feine 9JJittel; ernüchtert, mübe unb
refigniert üerließ er ben ']ilan. 2:ie fc^limmen C£rfa(;rungen (Äerferl)aft unb 2eben«gefä^r*
c() bung), bie feine lirc^en^olitifc^en ©änge i^m eintrugen, hat er in jener ©tutmjeit in bie
®dbett 177
Sebendmajimc ^ufammengefafet: „2)a^ SBcifcfte für einen TOann biefer3^iten ift — m(^t«
ju fagen". — 2Bie bie üxor Ebraica, in bet er bie ^ol^aamic aU beni 9Jaturgefe|
entfprec^enb ben aufj>or(^enben 3^i^0cnoffen berfünbet, i^n l^eftigen Eingriffen au^fe^te, fo
tt?ar er in feiner History of Tithes, neben bem Table-Talk ber belannteftcn feiner
©4irtften, in ber er, mit ber ®abe 3tbra^am« an 3Jlel(i^ifebef einfefeenb, bie ®ef(^ic^te be^ 5
3el^nten bei ben ^v!t)m, ben flafftf(^en SJöIfem, enblid^ in ber c^riftlic^en Äirc^e bid über
bie 9leformation ^inau^ t^erfolgte, ju bem bem @taat^firc^entum l^öd^ft anftö^igen @a^e
gelangt, bafe S^f)nUn jtoar „nad} fird^Iit^em unb pofttibem ©efej^e" geforbert toerben
bürfen, ba^ fte aber burd^ ba« ius divinum nic^t gebecft feien; bie ^Pro^iö ber Urfirc^e
beruhe lebiglic^ auf biefer Slnnal^me. 3)ie erft nad^ bem erf(^einen beö S3uc^. gefc^riebene 10
SSonebe, bie auf bie tDtIben Sturmtoogen be^ ftaatstirc^lic^en (Sinf^ruc^^ öl }u gießen
fud^te, bermoc^te benUntoiQen über ben bo^l^aften SSorfto^ Selben^ an ben maßgebenden
Stellen um fo Weniger }u bäm^fen, al^ biefer tbzn burd^ feine l^erau^forbemben @ä|e
in bem bamate ^od^ gef>)annten ^artetleben eine ^erborragenbc ©teBe m geh)innen be^
gann. (gr tourbe bor einen 3tuöf(^ufe beg l^öc^ften Krd^lic^en ©eric^t^^of^ (Court o! 15
High Ck>mmis8ion) unb bed %l. ©e^eimen 'Siai^ geforbert unb gejtDungen, in einer
fc^ftlic^en Srflörung fein Sebauern über bad 9u(^ au^utf))red^en ; biefe^ felbft tourbe
unterbrüdt unb bem ^erfaffer . aUe toeitere litterarifc^e ^et^ätigung, SSerteibigung unb
Singriff auf feine (Segner berboten. —
3)ie 9lieberlage bal^nte il^m inbe^ ben SSeg in bie J)olitif(^e 3trena; fie jerbrat^ fein 20
3beal ftiDen Oelel^rtentum^ unb gab feinem 2eben unb feiner Strbeit einen neuen ^n^ait.
3Die bon i^m bertretenen freieren änf^auungen unb bur(^ biefe bebingten Slu^einanber-
fe^ungen mit ber ]5>oc^fird^li(^en ^Partei brängten i^n in ben Kämpfen um bie großen
gragen ber gfreil^eit ber $erfon unb ber parlamentarifd^en Debatte in bie gront. 6^
fam baju, bafe er auf ®runb au^gebe^nter ©tubien toie laum ein anberer ber ^ziU 20
genoffen über eine grünblic^e SSertrautl^eit mit ber fonftitutioneKen ©taat^form, ber^^ar^
lament^cfci^id^te unb ber englifc^en 9lec^tfpre(^ung berfügte. So Jourbe er 1623 atö
3Bertreter bon Sancafter in ba^ leftte ^Parlament '^alob^ I. getoä^lt; 1626 abermals für
®reat Sebtoin in ba« jtoeite unb 1618 für Subgerd^aD in baö britte Äarl^ I., in bem
er auf bie Seite ber Oppofition trat unb ben 3lngriff auf ben geloaltt^ätigen 3)linifter so
Äarte, ben ^ergog bon Sucfing^am, leitete. 3lu(^! in ben Äämjjfen ber nat^folgenben
^a^te um bie Habeas Corpus-3lfte unb bie Petition of Rights ftanb er in ber erften
^Hei^e. 2)ie golge toar bag ^Jfifetrauen be^ Äönigg unb ber ^ofpartei, ba^ ju toieber^
polten, inbeg für feine ^ßerfon ungefä^rlid^cn S[}er^aftungen führte. — (Srft burc^ bie
(einige Saläre borl^er auf 95efe^l ^^^b^ I. unternommene) litterarifc^e 93eläm))f ung be« 35
1609 bon J^ugo ®rotiu^ in ber Sd^rift Mare liberum bertretenen Sa^e^^, ba| bie
§od^fee für bie Schiffe aller feefa^renben ^Rationen frei fei, tourbe, nac^^bem S.es ®egens
fc^rift u. b. %.: Mare dausum 1636 erfc^ienen toar, bieS})annung in ettoa« befeitigt;
aber bie Hoffnung Saub«, ben freifinnigen ^Parlamentarier an ben §of ^inüberjujiel^en,
erfüllte ft^ nic^t. — ^n ben nac^folgenben Äämjjfen l^ielt Selben bie ga^ne ber grei- 4<»
^eit geaen ben l^öfifc^s^Ilerifalen Slnfturm l^oc^. Qx gerbrad^ bie Klammern be« überlieferten,
burd^ igaub bertretenen 3)ogmatigmu^, inbem er burc^ bie §erauggabe eine« gragment«
be« grie(^ifd^en ^Patriarchen (Sut^d^iu« (Eut. Aegyptii, patr. orthodoxorum Alexan-
drini, Ecclesie origines, 1642), beffen 3(nft(^ten über bie urf^jrünglicl^ enge 3Serbinbung
gtoifc^en ®J)ifIoJ)at unb ^Pre^b^terium f urg bor^er ber 3;efuit 5Pctat)iu« in feiner Unterfud^ung 45
iMssertationum ecdesiast. 11. duo befäm^ft ^atte, ben ^oc^firc^lic^en älnfpruc^ mit ber
gorbetung ber presbyterian parity in bie Sd^ranf en toie« unb ate 3Btlglieb be« Sangen
Parlament« unb ber SBeftminfter Sttffembl^ ba« ®eh)idS!t feine« 9lamen« unb barfö»"^^'
tarifd^en Sinfluffe« gegen ba« fat^olifierenbe Staat«firc^entum in bie SBagfd^ale toarf.
Den S3if(^öfen unb Älerifem fprac^ er ba« Stecht ber (Sinmifd^ung in toeltlic^e 2)inge 50
ebenfo entfdbieben ab, toie umgefe^rt ben 2lnfj)ru(^ ber Staates unb Seftenfird^en auf
Unab^ängigieit bon ber ftaatlic^en (Seroalt. 3)enn bem Staate fte^t nad^ i^m bieDber^
gctoalt über aUc 2)inge, aud^ über bie Äir(^e gu. Sefonber« in feinen 3:ifd^gefj)räc^en
(Table-Talk, erft 1689 oeröffentlid^t), bie, bon SRüdfid^ten auf bie ma^gebenben Stellen
nic^t me^r gebunben, frei mit ber Slprad^e ^erau«ge^en, tritt fein 6raftiani«mu« ju tage. 55
goft alle paatlic^^en unb Iirc^li(^en ^robleme roerben ^ier ^ur fiöfung gebrad^t burc^ feine
bciben ®runbfä^e bon ber Souberänität be« Staat« einer- unb bom Staat al« einem
Äonttaft gh)ifd^en ^ürft unb SJolf anbererfeit«. „3ltle« ift fo, toie e« ber Staat toiH,"
unb „iebe« ®efe^ ift ein Vertrag ^toifc^en Äönig unb Untert^an, unb barum mufe e«
gd^lten toerben": biefe Sä|e finb bie immer toieberfe^renben S(^lüffe ber ®cban{en= o»
fttais9nt\inopä\>lt für Theologie unb Rivdit. 3. ^. XVIII. |2
178 Seibett Seltgettflaki
fül^rung, bie ba^ n^^tltd^e Siedet bed Jlönigtumd unb bc^ @)f\\topai^ unetngefc^ränft unb
grunbfä^Iic^, bebtngt and) fein natürltd^ed 3itd)i leugnete, ^ie rüdftc^ti^Iofe, je unb bann
c^nifc^e ©>)ra(^e, in bcr er biefe 21^efen vortrug, auc^ h)o^I bie enge greunbfd^oft, bie il^n
mit bem fird^enfcinbli(^en §obbe^ berbanb, fd^einen ben ®runb m ber änflage, ©elben fei
6 im §crjen ein Ungläubiger, gegeben gu ^aben. ©o toenig fie eintoanbfrei begrünbet
hjerbcn fann, fo fe^r fjjred^enbagegen bieg^wgniffc feiner greunbe, alle« Dertrauen^erter
3Känner, unb feine eignen ^ufeerungen, bor allem feine 3SeturtetIung ber §obbe«fc^^en
Irrtümer; toä^renb er ba« iug divinum ber fird^lid^en 3Serfaffung unb ber lultif^en
formen pxA^ab, f^ai er ate überjieugter ß^rift unb il^eift bi« ju feinem S^obe an bem
10 ß^riftentum aU ber Sieligion göttlichen Urfj)rung« feftgel^alten. —
Qn feinen legten Sebendja^ren Woi er ftc^ ben im Gobenant gefammelten ^x^-
b^terianern an, toertoarf aber unb beläm^fte bie toilben Slu«f(^rettungen, bie ben blutigen
Slu^gang Äarl« I. im Oefolge litten; ebenfo entfd^ieben toerfagten bie Semü^ungen
feiner parlamentarifd^en ^reunbe, il^n auf ßromtoeflö ©eite l^erüberjujiel^en. 6« fehlte
16 i^m ber bemofratifd^e ^uq, ber bamafe toie ein Slaufc^ über bie enghfc^e S3olI«feele fam.
2)ie 5WafJe toerac^tete er: „ebel, bomel^m, bem ®uten jugetoanbt unb tugenb^ft — alfo
ftnb toenige; blinb, ^eu^lerifd^, eitel, übeltoottenb — ba« ftnb bie bielen'', fagte er.
©0 blieb il^m ba« mit Jtäm^fen unb Snttäufd^ungen erfüllte Seben biele« fc^ulbig. SBeber
alg§elb nod^ ^eiliger, nod^ aJlärt^rer fte^t er in ber Srinnerung feine« Solle«; aber bie
20 eieren eine« großen SRamen«, e^rlic^en ?Wanne« unb bielfeitigen ©elel^en l^t bie ^lai^-
toelt il^m ni(^t toerfagt. ©in 3Kann bon anfj)rud^«lofer grömmigfeit, leutfclig im engen
Äreife feiner ^teunbe, unb faft fein gange« Seben binburd^ nad) bem au«ru9famen grieben
t)on bem 2^age«ftreit berlangenb, ^at er mit ben ©turmtoorten feiner Sucher geben in bie
fte^cnbe £uft ber 3^^^ gebracht unb ift in ber l^arten ©c^ule be« Seben« felbft l^art unb
26 ^erbe geworben, „©ein ®eift", fagt SBoob bon il^m, „toar eben fo grofe toie feine ®e=
leWamfeit." ©eine Sucher ftnb 3^"0"^ff^ ^^^ ftu^enben 3Biffen«; ©c^rffinn unb
furc^tlofer ^eimut ftnb i^r 3Sorjug, 35unlell^eit unb jerfliefeenbe 33reite ber ©jjrac^e,
ungcnügenbe 5Wet^obe unb mangelnbe« 3[u«ma^ ber erreichbaren RkU il^ fjel^ler.
9Jad^ be« Äönig« getoaltfamem gnbe jog er ftc^ au« bem öffentlichen Seben jurüdE
80 unb lebte feinen geleierten ©tubien unb ben ^ntereffen ber Uniberfttäten ßambribae unb
Djforb. 35er Sobleianifd^en Sibliotl^el tourben nac^ feinem im ^al^re 1654 erfolgten
lobe feine toertbolle Süd^er^ unb §anbfc^riftenfammlung, toie feine ja^lreic^en ältere
tümer eingereil^t.
©elben« ©c^riften: au^er ben obengenannten nenne ic^ al« bon allgemeinerem
so^ntereffe: Jani Facies, 1610, engl. 2lu«gabe 1683 in ben Tracts, Sonb.; Titles of
Honour, 1614 u. ö.; lat. 3lu«gabe b. Slmolb, granffurt a;D. 1694* Marmora Amn-
delliana, Sonb. 1624 u. ö. ; De Successione in Pontificatum, Serben 1638 u. ö.;
De Jure Naturali, Sonb. 1640; De Synedriis, Sonb. 1650—55 unb ^anff. 1696;
On the Nativity of Christ, Sonb. 1661 (9?a^toei« be« 25. S)ejember gegen biedre«*
40 b^tcrianer); Table Talk (fein befanntefte« aöerl, toegen be« greimut« ber ©J)rac^e erft
nac^ ber JRebolution bon 1688 ^erau«geg.), Sonb. 1689, 1696, 1716 u. ö.; le^te au«=
gäbe Cjforb 1892, «nbolf »ttbbcttfteg.
©eligcnflabt, ©^nobc 1023. — 3)ie 9l!ten in ben MG CI I, @. 633; ältere «u§.
(gilben in ben Slon.ylienfammlungcn : @uriu§ III, @. 572, ^arbuin VI, 1 @. 827, SRanpXIX,
46 3. :iiM, .^iar&f)eim III, 8. 55, cnblid) ©rcfelau, 353. b. b. JHcic^« unter ^eintieft IL, 3. S3b,
e. :}49. .Oefcle, eCM. IV, 6. 671; S3re{j(nu a. a. D. 8. 267 ff.; JR. mHUcv, d». Äribo bon
mm\s, ^Berlin 1881; ^erfd). 2)ic ^Ircftcnpoütif be« (£33. ^ribo b.^Qinj, SKarb. 1899; ^urf,
m. S)eut[d)lQnbö III, 3. ^2(nfl., 6. 534 ff.
Unter ben nidbt gerabe l)äufigen ^probinjialf^noben be« beutfc^en SRittelalter« gebort
50 bie ;;u ©eligenftabt a. 5)}ain, ;\toif(^en 9(fd^affenburg unb §anau, abgehaltene gu ben
toic^tigcren. ©ie ift bon 633. 3lribo bon 5Diain} berufen unb tagte unter 3:eilnal^me ber
93ifd)öfe 93urc^arb bon ffiorm«, aSemer bon Strasburg, 93run bon 9lug«burg, Sberl^b
bon Jkinberg, 3JJcginbarb bon SWürj^burg unb ber äbte bon ^^ulba, §er«felb, Sorfc^, ©t.
5Warimin, 2:olc^, ©t. Surc^^arb in SBür^burg, Schlüchtern, ©t. ällban, Älingenmünfler
65 unb 53Icibenftabt. ^ie ^eit ift nicbt ganj fidler; benn bie älften batieren anno dorn,
incarnat. MXXII. indictione V. 2. id. Aug., anno autem domni H^nrid se-
cundi regnantis XXII. imperantis vero VIII. 2lber ber 12. äluguft 1022 fiel in
baö 21. 5tönig«= unb ba« 9. fiaiferjabr .^einrieb«, ^m Datum ber Elften liegen alfo
55cl)(er. 3h\n ift ba« in jtoei jüngeren biftorifc^en ©c^riftcn, ber (S^ronil SSemolb« (mit
Seligettfiobt Seltglett 179
falfc^er Ortsangabe) unb ber V. Meinw. (MG SS V, ®. 424 unb XI ®. 146), ü6er^
lieferte 2)atum ber S^nobe 1023; biefe Stngabc ftimmt mit bem Hönig^iabr ber 3llten
überein unb erhält baburd^ eine ©tü^e, bafe ftc^ c. 16 unb 18 l^öc^ft hja^rfd^einlid^ auf
bie naif ^fingften 1023 erfolgte Sto^Hation ^rmgarb« toon ßammerftein be^iel^en,
f. Srefelau ©. 354, 3)erf(i^ ®. 52. 3Kan toirb alfo b. 12. äuguft 1023 al« lag ber 6
S^nobe anjune^men ^aben. 3^re 93efc^^Iüffe bejie^en fxd) auf bie toerfc^iebenften firc^-
lic^en aSer^ältniffe: c. 1, 15 unb 17 auf bie Beobachtung ber ^ften bor ben f)of)m
^eften unb be« ieiunium bannitum, be« eigene angefagten gfaftenS; c. 2 auf ben
anfa^ ber Duatemberfaften: fte foBten, toenn ber 1.3Rärj ft)äteften« auf einen 3Dlitttood^
fäHt, in biefer S33o(^e jel^alten toerben, analog im 3uni, ©e))tember unb 3)ejember, lo
c. 3 bie gefd^loffenen S^iitn, c. 4 unb 5 bie an bie ^JJriefter bej. be« SJleffelefen« ju
fteHenben 2(nf orberungen ; c. 6 unb 10 t>erbieten abergläubifc^e ©ebräud^e, c. 7 unb 14
regeln ba« (fenbgeric^tlid^e) S3erfa^ren toegen ®^ebru(^«; c. 8, 9, 12 toa^ren ben^rieben
im ®otte«^aufe unb bieSBürbe be« ®otte*ien(t«; c. 11 beftimmt über bie 3ö^I""0 ^^
JJerUKinbtfd^aft^abe; c. 13 forbert, bafe bie Übertragung einer Äir(^e nur mit Swf^'"^ iß
mung beS S)iöcefanbif(^of« gef(^e^e; c. 19 unb 20 bejiel^en ft(^ auf bie Äirc^enbufee: ber
^önitent mufe an Ort unb ©teHe bleiben, bie ^ßriefter fönnen bie 2lu«gef(i^Ioflenen nid^t
o^ne bifd^öfli^e SoUmad^t abfoltoieren. am meiften bet))ro(^en finb c. 16 Ut nuUus
Romam eat, nisi cum licentia episcopi sui vel eius vicarii unb c. 18 Quia multi
tanta mentis suae falluntur astutia, ut in aliquo capitali crimine inculpati 20
paenitentiam a suis sacerdotibus accipere nolunt, in hoc maxime confisi ut
Romam petentibus apostolicus omnia dimittat peccata, s. concilio visum est,
ut talis indulgentia Ulis non prosit, sed prius iuxta modum delicti paeniten-
tiam a suis sacerdotibus iniunctam adimpleant, et tunc Romam ire si velint,
ab episcopo proprio licentiam et epistolam ad apostolicum ex hisdem rebus 25
deferendam accipiant. 3Ran fanb in biefen ©ägen eine gegen bie ))ö))ft[ic^e ®etoaIt
gerichtete 5Eenbenj unb na^m an, bag ))ä^ftlid^e SRec^t folle burd^ fte ju einem bloßen
e^renred^te ^erabgebrüdft toerben. ^oi) ift ba^ unrid^tig; bie beiben Äajjitel toa^ren
nur bi«^er fc^on giltige« 5Red^t, f. Ä®. 3).« III ©. 536, »nm. 1. «ani!.
®eliglrit.—ßittcratur in b. 5lrt. fclbft. 9f?ci(6li(^cr @toff au8 ber älteren 3eit bel3o^. 30
©erwarb, Loci theo!. 1. 31.
Unfer beutfd^eg SBort ge^t auf ba« gotifd^e söls jurüd, toelc^e« gut, tauglid^ be-
beutet; fo Reifet im Ängelfäd^ftfc^en sal §eil, im SlltnorbiW^n sfila, im TOittell^od^beutfc^en
saelde ®lüd. 2)emgemäfe bot fic^^ bie SBortfamilie ate bur(^au« entfjjred^enbe SBieber-
gäbe für beatus ber SSulgata, ^V^ unb uaxdgiog ber ®runbtejte bar. SBenn bann 35
beatus (togl. im ärt. Äanonifation 93b a ©.17 beatificatio) faft term. techn. für
bie entjd^lafenen ß^riften getoorben ift, fo gefd^ie^t ba« ni(^t ettoa in Slnlei^nung an ben
oltgrie(9ifd^en®ebraud^, bie ®ötter unb bie ^etoo^ner be« Sli^ftum ate feiige ju bejeid^nen;
uaxdQiog begegnet im 31% im ganjen feiten fo, bafe bie Sejie^ung auf SSerftorbene
beutlid^ ifk (tt?ie Dffenb. 14, 13). 3n ber ©c^olaftil ift e« aber üblic^, be« ß^riften giel 40
unb l^öd^fte« ®ut beatitudo ju ^eifeen; biefer c^riftlid^^e^c^atologifc^en Sertoenbung ent«
fpric^t bann too^I bie be« beutf(^en SBorte« in umfaffenb foteriologifd^em ©inne, bem*
gemäfe j. S, in ben beutfc^en %ticttn ber lutl^erifc^en 53efenntni«fd^riften feiig mad^en unb
©eligfeit in ebenfolc^er SBeitfc^ic^tigteit für bie ^eil^aneigncnben SBirlungen gebraudbt
toirb, toie im Iateinif(^en salvare unb salus; \a e^^tommt neben ^eiligen atö SBiebergaoe 40
t>on iustificare bor (Ap. SR. 80). ©0 toirb benn namentlid^ Sut^er« Sibel bie l^er^
toenbung be« StBorte« jur Überfettung toon ocoCeiv neben ber toon juaxdgiog toeiter^in
pangbor erl^alten l^aben; benn ^ier fte^t für acoCeiv, too e« ft(^ auf bie ®rlöfung bejie^t,
immer feiig matten; für acoT?y^/a ©eligfeit neben ber feltencren Überfefeung §eil; ob fid§>
befkimmte ®rünbe für bie jebe^malige ffia^l finben laffen, bürfte g. 95. gegenüber ber 50
3ufammenftellung ä® 4, 12 ^ioeifell^aft crfcf^einen; bei ber fte^enben SBiebergabe bon
ocon/JQ mit §eilanb unb bei ber bon acoriJQiov mit §eil toirb bort baö §er!ommen
unb ^ier bie Säortform eingetoirh ^aben.
3)iefe aSereinigung jtoeier biblifd^er Slnfc^auungöfreife in einem äu^brudfe giebt biefem
feinen eigentümlid9en dpriftlic^en ^n^alt ; man toirb aber feine SBurjel am f enntlid^ften 65
bloßlegen, toenn man ben ^unft ^erau^ftcHt, an bem jene 2(nf(^auung^toeifen fic^ nah^
genug berül^ren, um ineinanber flicfeen ju fönnen. ©efjr bejeid^nenb unb auc^ toirffam
bürfte l^ierfür bie 3lnfü^rung bon $f. 32, 1.2 burd^ ^ßaulu^ Stö 4, 7. 8 fein; toä^renb
2uti^er im 312: überfeftt „Söo^l bem", fe^t er im 3tX „feiig" ein unb S3. 9 für 6 juaxa-
12*
180 Sdiglfit
Qiojnog „biejc ©dtgfcit" (vulg. beatitudo haec). 3Benn ba^ alttcftamcntlid^c Sieb
feine Seligpreifung an bie Vergebung ber ©ünben Inüj)ft, \o toeift ba« auf ben tiefften
®runb aller menfc^Iic^en Unbeftiebigtl^eit unb Sefriebigung ^in; unb toenn bie refor=
matorifc^e 3:i^eologie gern auf biefe J)aulinifc6e ©teile ^urücfge^t, um bie bebingung^lofe
6 3uh)enbung be^ etrigen Seben^ bon feiten (Sottet biblifd^ ju belegen, fo tritt barin i^e
bortüiegenbe Setonung be^ ©etüiffen^frieben« unter ben §eil^ütem ^erau^. ^at boc^
bie ganj üblid^ geworbene ©^non^mil bonSeligfeit unb^eil, unb bie fte^enbe ßinf^ung
bon feiig mad^en für erretten ba« d^riftlid^e 2)enfen baju geführt, balb ben Segriff ber
Seligfeit ^Vma^ einfeitig in bie Befreiung bon ©d^ulb ^u fe^en, \üo bie e^c^atologifd^e
10 Se^ie^ung nic^t ertüeiternb ^inj^utritt, balb in bem biblifd^en (Srunbbegriffe acb^eiv (^eil)
ben entfc^eibenben negatiben 3^9 f^P i^ bertoifd^en.
3unäc^ft ertrecft un« ber Sluöbrud Seligleit bie 3SorftelIung eine^ befriebigenben
Scben^ftanbeg, ber aU fold^er aud^ in ba« S3etoufetfein fällt; o^ne 5^eube, o^ne ®efü^l
ber Seben^förberung lann man fid^ ©eligfeit nid^t benfen. ©o malt 1 Xx 6, 15. 16,
16 tjgl. 1, 11 bie erhabene ©elbftgenugfamleit ®otte«, unb bie 3)oamatiI legt (Sötte ©elig=
leit bei, fofern feine Unbebingt^eit unb SoUfommen^eit jeben 50cangel unb iebe^Crübung
feinet auf fic^ felbft belogenen 2)afeing au«fd^liefet (Hollaz. Exam. 1, 1, 37; S3ret-
fc^neiber, ©^ftem. gnttoiäelung § 37, 3Kartenfen 2)ogm. § 51). 3" ^^ äntoenbung
auf ben 3)lenfd^en lann man nur bon bebingter ©eligleit fj)red^en; baö bringen bie biel^
20 fachen Sejiel^ungen mit fic^, in benen fein ffiefen fid^ ju entfalten ^at, fotoie bie Bpan-
nung jtrifc^en feiner S3eftimmung unb feiner SBirflic^Ieit: aber man barf i^m eine folc^c
bebingte ©eligfeit be^^alb auc^ in fc^r berfd^iebenen Slic^tungen beilegen. 6« folgt au^
feiner ©ubjeftibität, bafe er feine Sefriebigung mit einer getoiffen SBiUfürlic^Ieit fuc^en
unb finbcn mag; aber e^ folgt jugleic^ an^ feiner ®ef(^ö))flid^Ieit, bafe er bie bolle 8e=
25 friebigung nur ba erlangen fann, tro^in il^n feine Seanlagung toeift. Unb toenn i^m
eine gnttüidfelung auf ein jenfeit« ber irbifc^cn Seben^bebingungen liegenbe« 3^^ ^'"
bef (Rieben ift, fo tüirb eben bie bolle ©eligfeit für i^n über biefe S^ü l^inaudliegen,
toä^renb bod^ jebe ©tufe ober ©eite ber bort^in belogenen ßnttoicfelung fc^on eine
bebingte ©eligfeit eintragen mag. 3""^^^öI'^ ^^ biblifc^en 2lnfd^auung^freife^ getoinnen
30 biefe Seftimmungen il^ren eigentümlichen 3"0 "^^^^ t^'^ borl^errfd^enbe religiöfe unb fitt-
lid^e Betrachtung; ber 5Kenfd^ ift auf ®ott angelegt unb barum ^ängt feine ©eligfeit
bon feinem SSerl^ältni^ ^u ®ott ab ; ber 5Wenfd^ ift aK ®lieb ber abamitifc^en 3Wenfc^-
l^eit ein ©ünber unb lebt unter bem 2)rucfe ber Übel, be^^alb ^ängt feine ©eligleit bon
ber ßrlöfung ab; unb toeil eben bie ©ünbe ben SWenfd^en bon ®ott fd^eibet unb bie
35 ßrlöfung nur burc^ bie SSerföj^nung mit ®ott getoonnen h)irb, fo ift o^ne ©ünben-
bergebung unb ßmeuerung feine ©eligfeit; toeil aber bie Serfö^nung bie ©rlöfung
unb ^SoUenbung berbürgt, barum ift „too Vergebung ber ©ünben ift, auc^ Seben unb
©eligfeit".
3luf ®runb biefer 3wfö^"^«n^önge bilbet fid^ nun jener c^riftlid^e ©brad^gebrauc^,
40 bem etvige^ Seben unb etvige ©eligfeit ober feiige ßtrigfeit nur berfd^iebene Sejei^nungen
eine^ unb be^felben Dinge« fmb. Denn toa« ba« Seben im äJollfinne au^mac^t, eben
ba« tommt in ber ©eligfeit ju Smpfinbung unb ®enu^. ®ilt nun im biblifc^en am
fc^auung«freife Seben al« f^öc^ftc« (§eil«s) ®ut, fo fann nur ba« boQfommen befriebigcnbe,
tveil bem 33egriffe entf))rec^enbe, 3!)afein barunter berftanben toerben, unb c« toirb fic^
45 bann bei ben bctreffenben 2lu«fagen tüeiter barum ^anbeln, nac^ toeld^er ©eite ^in man
ba« inenfc^Iidbe 2öefen in« 3luge fafet. Sefc^ränft man fi^ auf bie fittlid^c Sejie^ung,
fo tnnn in ber entf>)rec^enben ©elbftbetl^ätigung ber SHuell ber ©eligfeit gefunben tocrben
(3a 1, 25, Dgl. 31® 20, 35), faft trie bei äriftotele«; bod^ ift in bem biblifd^cn Denfcn
für alle ©ittlic^feit bie religiöfe Öe^ie^ung mitgefe^t Qa 1, 27). 3)e«^alb ^ilt im ®runbe
50 Seben für gleic^bebeutenb mit ®otte«gemeinfc^aft, unb too biefe bor^anben ift, ba ift au6)
bereit« ©eligfeit. "üimn bei jemanben bie tieffte Scben«l^emmung gehoben ift, bie man
in ber ®efc^iebenl)eit bon ®ott, jumal burd^ bie ©d^ulb, ju crfennen l^at, bann barf i^m
©eligfeit 5ugef>)roc^cn tverben, h)ie tvenig auc^ im übrigen fein ©tanb ein befriebigenber
fei; auf bicfcr ginficl)t fu^en unter anbercm bie erhabenen ^arabojien ber erften uRafa^
55 ri«mcn (*3Kt5, 3f.), ioenn man fie nid^t au«fc^lie6Iic^ al^ e«c^atologifd^e S8erfj)rec^ungen
anfielet. Dabei tommt bann, Wk and) fonft bei ©elig>)reifungen, bie Sage noc^ me^ in
Siecl^nung, al« ba« tüirtlicl) Dorijanbene 33eit)u^tfcin um fie. Die ftarfe Betonung ber
mit ber ^Hecl)tfertigung gewonnenen §eiI«getDi6I^eit mad;t bem ebangelifc^en S^rac^
gebraucl)e bie ©^nontimit toon (Srrettcn (junäc^ft im ©inne ber ©ünbenbergcbung) mit
w Seligmac^en fo geläufig ; h)ie aber bie Befreiung t)on ber ©c^ulb and) bie toeitcre bon
(Sdistttt 181
bcm ^anm ber ©ünbc unb allen t^rcn folgen einfd^Kcfet; \o gehört ba^ aü^ mit unter
jene begriffe. Sei ber aufgetoiefenen Äonelation ber Segriffe ©eligfeit unb Scben barf
jene SRebetoeife fid^ getroft auf bie anfd^auung ftü^en, bafe ba« Seben, toelc^e« bcreinft
ate etoige^ bollenbet ^ur ßrfd^einung lommen foH, fc^on l^ier em))fangen unb genoffen
tpirb; eine änfd^auung, bie ben neuteflamentlic^en ©4^iftftellern unter t)erfc^iebenen 2lu«- 5
brudt^formen anerfannter 3Jlafeen gemetnfam ift.
3n Stnlel^nung an jenen (S))rac^gebrau(|5 ber Sut^erbibel l^at ftd^ eine befonbere bog^
matifqe Terminologie au^gebilbet, I^auj)tfä(^Ii(i^ too^I nad^ ©d&Ieiermac^er^ Sorbilb. Die
aOBirfung G^rifti befc^reibt er (6^. Olaube § 100. 101) ate erlöfenbe unb t)erfö^nenbe ;
er nimmt bie ©laubigen auf in bie Äräftigleit feinet ©otte^betoufetfein« unb in bie 10
©emeinfcbaft feiner ungetrübten ©eligleit; burd^ biefe«; le^te h)irb für i^r Setrufetfein
ber 3ufammen^ang t)on @ünbe unb Übet aufgel^oben unb toerben an^ aQen Hemmungen
bielme^r Anregungen gur 2:^ätigfeit (t?gl. § 108. 110). Da ©d^I. bie c^J^atoIogifc^e
33e||ie^ung im Orunbe au^fd^Iiefet, fo bedft fic^, h)a^ i^m ©eligfeit l^ei^t, ettoa mit
elgi^vtj im 3fM. 3(n biefe Slu^brudf^toeife fc^Iie^t fid^ in freilid^ fe^r eigentümlid^er 3(rt 15
3. S^r. Ä. t). ^ofmann an, toenn nad^ i^m ,,rid^ bie SQBa^r^eit feinet (be^ G^riften)
Seben« bal^in geftaltet, bafe er im ®Iauben an G^riftum freigetüorben ift, ben ju erfennen,
toelc^en gu glauben i^n feiig mad^t, unb fein SerJ^alten fid^ ba^in geftaltet, bafe e«
Set^ätigung ber ^eil^eit feine« ffloBen« unb ber ©eligfeit feine« ßrfennen« ift"
(©d^riftbeto. 2. 21. 1.©. 52; 2, 2. ©.298 f.). „Der ©laube afe ©c^orfam ift grei^eit,2o
ber ®Iaube al« Oetoifel^eit ift ©eligfeit" {%f}, Qti}\l 1878, ©. 89). ©0 toirb immer
atigemeiner ©eligfeit ^ur Sej^eic^nung für bie religiöfe ©eite be« G^riftenftanbe« im Untere
fd^iebe bon feiner fittlic^en Seftimmt^eit. görbemb tritt bie eubämoniftifc^e Raffung be«
SBefen« ber SReligion ^ingu, toie bei Äaftan (SBefen be« G^riftentume« ©. 42 f.); ©elig^
feit ift ber ®enufe be« l^öd^ften ®ute« (©. 67. 292). De^^alb unternimmt e« SCitiu«, 25
bie neuteftamentlic^en Se^rer nad^ i^rer SSorfteDung bon ber ©eligfeit ober ben ®ütem
be« Steid^e« ®otte« ju gruj)j)ieren (9leuteftamentl. Se^re bon ber ©eligfeit 1895 f.).
3n biefer toeit^m übernommenen ebenfo umfaffcnben aU unbeftimmten SSeriüenbung
be« 3lu«brucfe« tritt bie in ber c^riftlid^en SSolf^f^rac^e minbeften« borl^errfc^enbe e«c^to=
logifc^e Swie^ung ftarf jurüdf. ©0 lange inbe« SRö 8, 24 rf} ibiidi loco&rj/uv noc^ ao
gilt, barf pd^ bo^ ba« jenfeitige ^\d nic^t in bie gegentoärtige Übertreltlic^feit auflöfen.
6« toirb einer toeiteren Umfd^au in ber ^l. ©d^rift bebürfen, um ju beftimmen, h)a« al«
ber 3"^ölt ber ©eligfeit angufe^en fei. ©ie ift im allgemeinen bie Sefriebigung aller
Sebürfniffe, bie pd^ an bem Segriffe be« ®otte«menf(^en, ber nac^ bem Silbe unb für
bie ®emeinfd^aft ®otte« gefd^affenen $erfon, al« bered^tigt au^toeifen laffen. 3ft nun 35
beffen jufammenfaffenbe« ^Wl bie boQfommene ®otte«gemeinfc^aft in bem boDenbeten
©otte^reid^e ober in ber ©emeinfd^aft mit ber in ®ott geeinten 9Renfc^l^eit, fo bilbet bie
befriebigenbe Swie^ung gu ®ott h)ie ben DueH, fo ben eigentlichen Äem be« Seben« unb
ber ©eligfeit. ^ier ift ber ^unft, too bie Sorftettung bon bem ©d^auen ®otte« in ben
Ärei« biefer Setrad^tung tritt. 3j} ^'^?^ Sorftellung fafet bie ^l. ©d^rift ba« §öc^fte, 40
ma« fte bon ber Sejie^ung be« ^Renfd^en auf ®ott gu fagen ffat Der Sertrenbung
biefer Slnfd^auung liegt immer irgenbtrie bie Unterfc^eibung il^re« gn^^I*^ bon einer ber«
mitteltcn, namentlich nur burc^ Setoufetfein, Denfen, SBort u. f. to. t)ermittelten, Sejie^ung
auf ®ott gu ®runbe. SBorin biefer Unterf^ieb naiver gefunben h)irb, ba« bangt bann
weiter babon ab, ob ©innlid^feit unb SOBirflid^feit, Seiblic^feit unb ^erfönlic^feit, bie un=46
toillfürlid^en ®eftaltungen ber Ginbilbung^fraft unb bie in i^nen nad^h)irfenben inneren
Stnregungen flar im ®ebanfen unb im 3lu«brudfe Doneinanber gef^alten toerben; bie
®renjen jtoifd^en ben 3:]^eoj)l^anien, ben ®efid^ten unb bem unbergleid^lid^en Serfcl^ mit
®ott bon ängefid^t lu ängefic^t bürften in ber altteftamentlic^en SorfteDung fliefeenbe
fein, o^ne barum aurgel^oben ju toerben. Die älnfc^auung mac^t ^ier biefelben ©c^toan« 50
fungen unb ®nth)idfelungen burc^, toelc^e bie ®otte«auffaffung unter bem Ginfluffe ber
erjie^enben Offenbarung erfal^ren l^at. 2öie nun ber tiefe ®e^alt ber 2lnf^auung 'oon
bem lebenbigen ®ott im 2li burc^ äße füllen unb einzelne 2Biberf))rüd^e ber SorfteDungen
^nburd^ fortfd^reitenb jur ®eltung fommt, fo aud^ auf biefem fünfte. §ier finb folc^c
3üge j^ert)orgu^eben, toelc^e unter bem ©c^toanfcn ber 2luffaffung«form immer tüieber 55
baöjenige an bem ^n^alte fenngeid^nen, tva« für ben g^^ommen bon entfd^eibenber SBic^tig-
feit ift. Da« ®ottfc^auen bejeic^net auf ber einen Seite bie ^öc^fte ^^^"^^ ^" hjclc^er
Offenbarung b. i. ©elbftbefunbung ©otte« bott^ogen tüirb (®j 33, 11; 5Wu 12, 8;
Dt 34, 10); auf ber anberen ift c« bie mäd^tigfte Überfüj^rung üon ®otte« Dafein
unb feiner gürforge für ben frommen. 3n ber legten 3(rt erfd^eint e« in ben ^falmen ba, «»
182 edtgtett
too man Jd^on bcftimmt bic Stu^fid^t auf bic imfcitige ©ottc^cmeinfd^aft gcfunben fyd
($f 11, 7. 17, 15; ^i 19,26); tocnn ba« fd^toetlid^ julrifft, fo ertocifm biefe ©tctten
bod^, ba^ bte ^nntgfeit ber Sejiel^ung auf ®ott ®runb unb gugleid^ ®egenftanb be^
i^offcnbm ©ottöertrauen^ bitten (bal. 3ef38, 11; Dealer, IM- *>«^ 812:.« § 246;
6 6. ©c^ul^, ältteftam. I^eol. 5. äup., S. 370 f.). SBic e« f4 bei biefen äu^brufe^
tieifen lefetlid^ immer um bie (Semeinfc^aft mit (Sott l(|anbelt, bag tritt au^ bort l^ertoor,
h)o ber ©ebanfe an ein ©c^auen ®otte^ fid^ mit ber 3w*>^wl^t t)erlnüt)ft, ba^ Se^oba^
im Zmpd inmitten feinet Solle« gegentoärtig ift ($f 42, 3; 41,13; 140, 14; 5Pf 84).
RuQUid) inbe« mad^t bte (Sinrid^tung be« 3!emj)cfe felbfk toieber einbrüdtlid^, ba| bo«
10 ©c^auen ®otte« im SJoIIfinne t)ertoe^t bleibt. 2Bie barum aud} ber Sinn fu^ nad^
jtoeifellofefter Überführung t)on ber Verborgenen ®ott^eit unb i^rem unvermittelten 3"«^-
toerben ftredte, bod^ bleibt ber ®runbfa$ in ®eltung, bag ber unreine SRenfd^ ®ott nic^t
f(^auen fönne, o|ne ju fterben (2)t 5, 25; 9li6, 23; 13, 22; ©j 20, 18.19;
®t 18, 16); toenn e« ftc^ anber« Verhält, ift e« eine ^n^nalfmt (2)t4, 33; 5,4.
15 24; ®en32, 31; 6^24,10.11), unb babei toec^felt too^I aud^ ber gn^It, ben
man bem ©c^auen jumigt. ©elbft ^ofe l)at ftd^ bod^ mit ber 93elunbung bed 9{amen^
®otte« ju begnügen (6j 33, 12 f.). — 2)enfelben ®runbjügen ber 3(njd^uung be=
gegnet man im 9KE. Sor aöem begeid^net ber ^en felbfk fein SBiffen um ®ott im
tiefften ®runbe afe bie golge be« iojQaxevai töv Tiatiga, toelc^e« i^m Iraft feine«
ao überirbifd^en ©ein« bei bem «ater eignet (95. SBeife, aSibl. %f). b. 913:. § 144); e« be^
geic^net mitl^in bie VoQfommenfte ^orm erfa]^rung«mä^tger @rlenntnt«; fortan fönnen
bie ®Iaubenben an i^m ba« @ntff)rec^enbe l^aben (2So 14, 9). SlQein bie« ©c^auen ber
^errlic^Ieit ®otte« in bem Slntli^e G^rifti (2 Äo 4, 6) fefet ftc^ boc^ nur in bem ®laubcn
an ben in feiner ©r^ö^ung Verborgenen ß^riftu« fort, oem man ftc^ nac^fel^nt unb auf
26 beffen (grfc^einung man j^offt (1 ^t 1, 8; 21® 3, 21). SBa« anö) ^ulu« von ber ßr^
ienntni« ®otte« burc^ feinen ®eift ju fagen ^at (1 Äo2, 10 f.), aUe l^öd^fte ©rienntni«
l^ier bleibt ©tücftoerl, unb erft, trenn an ©teUe be« ®(auben« ©c^aucn feiner ®eftalt
tritt, toirb eine Grfenntni« ®otte« ju teil toerben, toie fie ß^riftu« befafe (1 Äo 13, 12,
Vgl. 2Jit 11, 27; 2 ilo5, 7). SBie innig ba« 3n«nönberfein mit bem ©oj^n unb bem
30 SJater bei ^o^anne« gefaxt ift, gerabe in bem „S^n fd^auen, toie er ift", bricht aud^ bei
biefem SUinger ber $offnung«5ug burc^, in bem ja ein 93efenntni« liegt, bafe e« j^ noi)
an ber SoUenbung fe^It (1 §0 3, 2, Vgl. SBeife a. a.D, § 149 c, § 157 d). g« finb bic
Äinber, toeld^e ben Sater fc^auen toerben, unb fo fte^t in ben ©eligt)reifungen neben bem
älnred^t auf ben 5Ramcn ber ®otte«finber bie SSer^eifeung be« ®ottf^auen« (9Rt 5, 9. 8).
35 2)ie Sebingung für feinen ®enufe ift ba« reine ^erj, ba« unter ber einfältigen Slid^tiuig
auf ben (^eiligen ®ott ber i^m cntf))rec^enben §eilig!eit teil^aft (^br 12, 14, Vgl. l^pt 1, 16)
unb fo fällig getoorben ift, i^n ju fd^auen, unb jtoar nid^t jum Serberben; Vielmel^r
tüirb bie votlenbete gorm be« Sme^r« and^ bie VoBenbete ®leid^artigleit mit ij[|m er^
jeugen; benn bie ®ottc«gemein|d^aft, trie fie an ber fittlid^en ®lei(bartigleit mit ®ott
40 i^re Scbingung l^at, bleibt burd^ aUe ©tufen ber ©nttoidtelung bie Duette, au« toelc^er
bie Soßenbung be« ©otte«menfc^en fliegt (Vgl. I^oludf unb 2l^eli« ju SKt 5, 8 unb
3)üfterbiedt gu 1 ^of) 3, 2).
2Ba« bie genauere 3lu«fül^rung fotoof^l biefe« ^ule^t bef})rod^enen 3JlitteIj)unlte« in
bem 6offnung«bilbe ber SoÜenbung, al« aucb ber ®efamtfd^ilbcrung ber etoigen ©cligleit
46 betrifft, fo finb l^icr bie ©runbfä^e in (Erinnerung ju rufen, toeld^e für bie t^eologifc^c
Se^anblung ber e«c^atologic ixb^^aupt gelten (93b V, ©. 490 f.). aJlan borf be« di
ioomoov unb be« ix ^egovg (1 Äo 13, 9. 12) nid^t Vergeffen. ©eit älter« ift bic
gragc crtuogcn, ob ba« ©^auen ®otte« fic^ in bem 2lnfd^auen Gl^rifti Vottjie^en unb ob
e« ein ©d^aucn mit lciblid)cn 3lugen fein tocrbe (Vgl. bie 2lnfüf>rungen bei 2)üfterbicd
6oa. a. D.; Hollaz. 1, 7, 9sq.; Sretfc^n. ©. 502 f .). &enn nun ba« ©^lu^geft^t ber
2lpofalvi)fe fd)i(bcrt, tüic ber Unterfci[)ieb l^immlifc^en unb irbifc^en 2)afein« aufgel^oben
unb burc^ bic ©cgenioart ®ottc« unb be« i?ammc« in ber ®otte«ftabt aUe Dffenbarung«^
Vermittclungcn bcfcitigt crfd^cinen, fo beutet ba« boc^ barauf, bafe eben ber toefentlic^e
Untcrfc^icb Iciblid; Vermittelter unb rein innerlid^er 95e;;iel^ung aufl^ören fott. Db ein
55 foldjc« Sdiaucn Urfad^c l^nbcn möge, jtinfd^en ©Ott unb Gl^rifto ju unterf^eiben, barübcr
toirb bic Gntfc^cibung, iocnn man eine p geben unternimmt, ioof^l immer j|e nac^ ber
fotcrologifd>cn 33ctracibtung auffallen, nämlic^ bnnac^, ob man mit Drigene« meint, erft
über ben ©obn ^intrcg '^nm isatcr ^^u gelangen, ober glaubt in bem ©o^ne ben Sater
j\u babcn unb jenen ctoig in Gbrifto. Äcincnfall« tuürbe ja biefe« ©^auen ®otte«, in
60 bem ninn ben vcrflärtcn Übriftu« anfd^aut, mit ben Dftcrcrfc^einungen, ber bama«=
Sdigtdt 183
cenifd^cn, felbft nid^t mit ber ^anifie aleid^juftcHen fein, ha bod^ eben in Setrad^t lommt,
bag bie älnfc^uenben injmifc^en burdp bie 3(uferft)edtung ju geiftlid^4eib^aftem Seben eine
bebeutung^oQe SBanblung erfal^ren l^ben.
@ine tpeitete Streitfrage ift bie nac^ ®tufen ober ®rab'en ber ©eligfeit ober
^cali^Ieit. 3)te beja^enbe ©ntfc^eibung ftüftt fid^ auf bie 35crfj)red^un0en berfd^iebenen 6
ao^neö (bef.9Jlt25, 14 f.; 19, 28 f.; 10, 41. ^Kenfen gu m), bie bemeinenbe betont ba«
@runbtoefen ber @eligfett, toeld^ed eben für bie ^au)>tfad^e Unterf^iebe audfd^Ke^e
(Apol.R. 135 sq.; beatitudo essenüalis et beatitudinis praemia accessoria Hollaz.3,
1, 15 sq.). SJlan toirb fi^ erinnern, bafe bie ©eligleit ein SReid^ bon ©otteömenfd^en in
fic^ fc^Ue|t, unb ein folc^e« bebingt 9RannigfaItiglcit; toenn ba« jufammenfaffenbe eben lo
bie ®emeinfd^aft mit ®ott ift, fo toirb man in biefer baö (Sleic^artige, bie Unterfd^ieben?
^eit aber in ben Regierungen ber Seligen untereinanber begrünbet benfen. ^ft bod^ aud^
fc^on auf @rben bie religiöfe Segiel^ung unb Slufgabe ba^ ^bentifd^e in bem ^nbalte
bed 3Renfd^enIebenö, toä^renb bie Unterfd^iebe au« ber ©üeblid^Ieit am ^Jlenfd^^eit^Ieibe
ftc^ ergeben. @o getoi^ nun anerfd^affene 9(n[age, aefd^id^tlid^e Snttoidtelung unb bie i5
buTC^ beibe bebingte unb auf beibe belogene fittlid^e arbeit an ber Gl^aralterinerung ber
^nbibibualität atö SBerte im ©otte^reidf^e gelten, fo getoig toerben fte für bie ^oQenbung
nic^t umfonft fein; benn biefe foQ ja für bie Snttoidelung ber ®otte«h)eIt nid^t SSer-
nic(ftung unb Sefeitigung, fonbem ben betoal^renben äbf^Iufe bebeuten. SKan toirb alfo
nid^t äinftanb nehmen, inbibibueH mannigfaltige arten ber ©eligleit gu beulen, o^ne 20
borum eine Slangorbnung borjuftetten, toeld^e fid^ mit ber ©runbgefinnung bienenber
Siebe nid^t reimen toill (2Kt 20,20f.) unb ber 3Sertoenbung be« So^nbegrine« auf ba«
aöttlid^e JRid^ten eine bebenlli^e SBenbung giebt (SBeife a. a.lD, § 32). 3)a« SBefentli^e
bleibt ber innere griebe, toeld^er berbürgt ift, fobalb mit ber bollbrad^ten Selbftbilbung
aud^ bie böUige Säuterung gufammenfäUt. 25
SSietet bie 93ilberfj)ra(^e ber ©d^rift femer ben Slu^brudf ber enblic^en ©abbatl^s
rul^c (§br 4, 1—10; a^^oludt g. 6t.; SRiel^m, Sel^rbegriff b. Äebr. j. ©t.), fo erörtert
man, ob ba« Untl^ätigleit bebeute ober eine fortgefe^te Set^ätigung anjune^men fei.
gicned 39ilb erinnert an ben ©(rö))fung«fabbatr, unb mithin bergegentoärtigt e« nid^t
2!otenftUIe, fonbem nur ben ©tanb nao) Srreiqung be« 3^^^^' "^** ^^ ^^^^ anbere^so
al« ba« ©trebm nad^ i^m eintreten mufe. 3Serftel^t fic^ bie aibtoefen^eit alle« beffcn bon
felbft, toa« al« Übel (Seib unb üJlü^e; Dffenb. 21, 3 f.) erfd^einm fann, fo toirb be«
tüeijteren bor 3{u«malungen gu toamen fein, toelc^e, ein fubtUer 6l^ilia«mu«, nac^ ber
Art ^eibnifd^er @rti)artungen nur ein berblafete« äbbilb be« ßrbenleben« entwerfen.
aSäenn bie antile $l(|iIofoj)l(|ie bie bolle ©eifte«befriebigung im Srfennen gu finbm meinte, 86
fo ^at bie Dffenbamng gu ber ^öc^ften SoDenbung ber Il^eorie ba« boHenbete Siebe^s
Icbm in einem ^crjonmrcic^e gefügt, bem fid^ aud^ ba« ©rtmnen einorbnet. 3" ^M^
Seftimmungm gefd^te^t bm ©runbgügen be« ))erfönlic^en Seben« genug; eine toeitere
SBeranfc^aulic^ung toirb über bie ©d^ranlen unfere« fmnlid^ beftimmten SBorfteHen« l^inau«^
gel^m, toenn fie mcl^r fein toiH al« ^Iluftration jener ©runbgcbanfen. 3)od^ liegt bie 40
ßrinnerung an bie fqöne Äunft na^e genug, toelc^e in i^ren ^öc^ften 6rfd^einung«formen
bie Seti^^ätigung eine« jtönnen« unb Seft^e«, bie nabegu feine ätrbeit me^r ift, mit ber
annölg^embm Serfd^melgung ber 3)arftettung«form unb be« geiftigm ©ehalte« berbinbet
(^mmlifd^er Jtultu«).
ßnblid^ greift ba« ^roblem ber äjioxaxdaraoig ndvKov inf ofem in biefm (Scbanlem 45
frei« hinein, al« bie ßtoigfeit ber §öllenftrafen fotool^I ber 95efriebigung ®otte« al« bers
jcnigen feiner 9leid^«genof[en fd^eint ©intrag tl^un gu muffen, toeil bie boUfommene Siebe
aud^ SRitgefü^I mit bem ßlenbe ber Serbammten fein, unb toeil ber 5KifeerfoIg an
ettoek^en feiner ®efd^ö})fe einen ©chatten in ®otte« Setoufetfein toerfen müfete. 2)ie
Meinungen über bicfen ^unft toerben tool^I immer geteilt bleiben (9Kartenfen, 3)ogm. 50
§ 283 f.), mmal bie ©d^rift bem beutlic^en Wortlaute nac^ für bie mbgiltige Serbamni«
gcugt (aBei^ a. a. D. § 34, § 99 b, ii 132 b, § 157 c). 2)oc^ barf man forbern, bafe bie
©eügfeit nid^t nac^ einem ))atl^ologifd^en Segriffe bon Siebe, fonbern nac^ bem et^ifd^en
bemeffen toerbe, toeld^em bie 2öiQen«entfcreibung mel^t gilt a(« ba« 2)afein, unb bie fitt-
lic^e Drbnung ber ^erfonentoelt mel^r al« il^re natürlid^e Unterlage. 2)ante läfet 66
(^rab. 26, 103 f.) bie ©eligen aDe« in bem ©i)iegel be« ®otte«rergen« jc^auen, unb bicfe«
§ei^ ift ber DueU, au« toelc^em bie ftttlid^e SBelt 93eftanb unb Drbnung l^at mit i^rer
gteäSfeit unb i^rem untoanbelbaren ©efe^e. CiKgl.aud^ 3-31. >Domer, ©t;ftem b. 2)ognt.2,
©. 864).
2)icfe 3[u«fürmngen fe^en bie entf^rec^enbe (Erörterung über ben bogmatifd^cn Se- ec»
184 Sdtgfeit Sdneiler
griff bc^ ßcben« (S3b XI ©. 330 f.) foh)ic bie gefamtc ©oteriologie t)orau«. ©ie befj)rec^en
i^ulunft unb (Scgcntüart nur mit Slücfftc^t auf bie Sefriebigung, toeld^c beten d^riftlic^e
Seftoltung ^n gctüä^ren Dermag. SOBenn unter biefem 2:itel fonft auc^ bie Stellung ber
o^ne Sefanntjc^aft mit bem ßbangelium gcftorbenen 5Kenfcl^en jur ^ollenbung erörtert
5 toorben ift (Seligfeit ber Reiben), ]o gehört biefer $unlt öielmel^r in bie 2e^re öom
®eric^t; ober finbet feine ©riebiaung, too bie UnentbeiJirlid^Ieit ber 3Serfö^nung für bie
SoDenbung barget^an toirb. — 9luq ber oft toeitläufig erörterte Unterfd^ieb ber trbifc^s
fmnlid^en ©rtoortungen im SU bon ber geiftigen gaffung ber ©eligleit im ß^riftentum
ift ber biblifc^en Ideologie unb ber 'SipoloQctil p überlaffen, fofem biefe ®i^ji))linen
10 bie gefc^id^tlid^c ßnttoicfelung ber Offenbarung^reltgion bel(|anbeln; ber t^eologif^je Segriff
ber Seligfeit ftü^t fid^ auf ben ein^eitlid^en ®runbjug ber toerfc^iebenen enttoicfelung^^
ftufen, bemgemä^ (Sottfeligfeit ba^ 2Befen aller menfd^U^en Seligfeit au^mad^t.
SR. ftft^Ier.
Seltgfinrec^ung f. Jlanonif ation 93b X S. 17.
15 SdneAer, ^lifolau^, lut^erifd^er 3:^eolog unb Sieberbid^ter be« le.Sttl&'f^unbert«,
5Kitarbeiter an ber Äonforbienformel, gefl. 1592 ju £eij)jig. — Duellen: ©einecferö
175 eigne ©cftriftcn, SWac^Iaß auj ber (ööttingcr ©ibliot^ef, Don ^land unb ^ppe benuft
fieidienprcbiflt üon ®eorg 3Jl^liuS. 3)cS fiübeder ©upcrintenbentcn D. ®öje (geft. 1728)
@ammclfcl)rijt über Selneder: in bem Sommclbanbe ber ßübcder ©tabtbibhotbcf (9758.)
20 l4 3)iffertationcn; in einem ©ammelbanbc ber fieipäigcr UniüerfitätSbibliotl^el (V. E. S. 162d)
nocft eine 15.; Xitel ber crften ©tubicn ®ö^c8: „SepteDarius diasertationum memoriam
D. Nicolai Selnecceri, theologi sua aetate religiosissimi renovatam exhibens'* ; tl^nen ge^t
öoran: ^ag. ©c^rötcr, ^aftor in ^ilbeSlftelm, oratio de vita S.-Gleich, annales ecd. TO I;
^^lancf, (Öefd)i4tc bc« prot. fic^rbegriff« Sb V; ^cppc, ®ef(^lc^te bc« $roteftanti8mu« »b III
25 u. IV; ®. granf, ®cfc^i(^tc ber prot. X^eologie ©bl; tlnton, ©efc^ic^te ber ftonforbienformcl,
1779; ®öf^cl, S)ie ^onforbienformcl nac^ ©efcbic^tc 2C., 1858; galinicb, ßampf unb Unter=
gana beS ^leland^t^onidmud in ^urfac^fen, 1866; ©lancfmetfter, ©äc^fifd^e ßin^engefc^id^te,
1899; ^efel, Hymnopöographia; SBadfcmagcI, 3)aS beutfc^e jlir^cnlieb, ©b IV; 5i|<^er,
Älrc^enlicbcrlcjifon; 2:^icle, @.S fiieber, 1855; aRüJefl, Siebet au8 bem 16. Sa^r^.; beif.,
30 3citfc^rift für bog ®i)mnafiQln)efcn, 1853; 3)ibeliu8, 3ur ®ef4icf)te unb ß^araftcriftif iRif.@.
in ben Beiträgen jur ©ötiftfifc^en Äirc^cngcf^it^le ^t\i4, 1888; SBucfiroalb, iRü, ©. in ,,Unfcrc
^irc^cnlicbcrbic^tcr", a3b 4, 1905.
3)er ju ^er^brudf bei 5Rümberg am 5. 5Dejember 1530, toieHeid^t aud^ erft* am
3?ifoIau^tag, bem 6. 2)ejember, geborene ober ober an biefem 3!age gelaufte 3Jifolau^
35 Selnedfer, eig. Sd^eHenedter, lat. Selneccerus, i^at in feinen 62 3a^en ein Dielbetoegte«
geben gefül^rt. Dafe er fd^on aU Änabe ba« l^eimatlid^e Stäbtd^en, in toelc^ fein
SJater 5Jotar unb Stabtfcbreiber gemefen, mit bem bamate in l^öc^fter 33Iüte fte^enben
9?ümberg bertaufd^en burfte, too^in ber SSater aU erfter Stabtfd^reiber berufen toar, unb
alfo früF^e an bem bort jiulfterenben regen, geiftigen Seben teilnehmen lonnte, toar für
40 feine ganje ©nttoidfelung bon ^ol^em 2öert. Der 35ater, für beffen Slnfe^n ed fj)ri(^t,
bafe 3WcIand^tl^on i^n ju feinen greunben ^äl^lte (Dgl. Ep. Mel. im CR bom 6. Dftober
1552); unb ba6 er aud^ bei Äaifer Äarl V. unb Äönig gerbinanb n)ol(|Igelitten toor, gab
feinen beiben Söhnen eine forgfältige unb c^rifllic^c ©rjie^ung; ber Sol^n erfter 6^c
©eorg tvurbc l^eolog unb ]p<xUx ^faner in Sc^tüabac^; unfer Siifolau«, au^ jtoeiter
45 (Sl^c ftammenb, foHte nac^ be^ SSaterg SBunfc^ gurift toerben. älBerbing« fafe er, feinen
mufitalifcben 5Jeigungen folgenb, fd^on aU 12iä^riger auf ber Drgelbanf ber SRümberger
SurgfapcBc unb t^crtoaltete bort gegen ein jäl^rlic^e^ Senefijium toon 8 2)]^lem unb
2 55uber §oI,; bag Drganiftenamt, ja eö brad^te feine auffaDenbe muftfalif^e Begabung
if^n fogar in (Scfa^r, toon Seuten au^ bem ©efolge be^ Äönig^ gerbinanb entführt ju
fto Joerbcn, um in ber Äapelte beö Äönig^ ober be^ Jlaifer^, in SölS^men ober in ©^nien,
mitjuiuirfcn ; aber bei aller ^^Jflege ber 'Sln[xl Derfäumte er boc^ nic^t, grünblic^en ^uma-
niftif(f)cn, auf bie Unitoerfität borbereitenben Stubien obzuliegen, unb atö er mit 19 3«^^^^
bie .t)od»fd)ulc bejog, fd^ien e^ noc^ felbfltoerflänblic^, bafe er ber juriftifd^en Saufba^n bed
SSatcr^ folge. SBobl Italien Diümbergg trefflid()e cDangclifc^e ^rebiger, SBenjeöIau^
55 2inf unb Wxi Dietrich, bie treuen Sut^erfreunbe, i^m tiefe religiöfe Anregungen ge^
geben unb ihre befonberc 3i*"cigung bem Jüngling gcfc^entt, ber boU Söegeifterung
il^re "il^rebigten nacbfd)rieb, unb fe^r ioabrfc^einlid; batte eine leben^gefä^rlid^e Sertoun-
bung, bie ihm ein iocgelagernbcr Strold; beibrachte, al^ er eben im 3lj)ril 1549 |\ur
Uniberfität abgeben foUte, unb bie il;n auf ein längere^ Äranfenlager toarf, jene
Sdneifer 185
cmftc rcUgiöfe ®cfmnung nod) toejentlicl^ t^ertteft; ober erft in SBitlcnberö burc^ 3Re=
land^tl^on^ lierfönlid^en ßinflu^ toarb ber jünger ber 9iuri^j)ruben^ jum Ideologen.
'^dand^tifon toax bamaU — Jcit Sul^cr^ ^cimgang — unbeftrittcn unb n\i)i etn?a nur
für bie Ideologen, ba« geiftige Sentrum ber Uniöerfität. 2)te greunbjd^aft feinet SSaterg;
öffnete bem jungen ©tubto fofort öom 3kxge feiner Slnlunft in SBittenberg ab ba«J $au^ 5
3Kagifter $^Uij)j)^; unb toenn e^ au^ ja^lreid^en 3^wgniffen belannt ift, mit toeld^er
fürforgenben SieBe unb big in ba« fleinfte einge^enben 2^reue ber praeceptor Germaniae
fu^ ber einzelnen Stubenten annahm, unb h)ie er nic^t nur in äußeren ölonomifd^en ätn-
gelegen^eiten i^nen mit freunblid^em '3iai an bie J^anb ging, fo ba| i^n Sut^er im ©c^erj
ben famulus communis ber Unit)erfität genannt l^atte, toie er ani) nxd^t nur ij^re 10
©tubien förberte, f onbem trie er öor allem ü^ innere« Seben J)flegte, fo ift e« fe^r begreiflich,
bafe ©elneder nod^ in fj)äteren Saferen (in feiner 2lu«(egung ber ®enefi« 1570) e« ate
einen ber größten @c^ä$e feine« J^eben« ))reift, „quod unum Philippum praeceptorem
habere, audire, fere quotidie convenire, alloqui, consulere mihi contigit" ; unb
mol^I öerftönblid^, bafe 5Kelan(i^tl(|on, ber in einem ©rief an ben SSater t)om 6. Oltober 15
1552 be« jungen ©elnecfer ingenium, modestia unb pietas rü^mt, i^n auc^ auf be«
Sater« Üöunfdp feinen juriftifd^en ÄoDegen ^. 95. bem ^rof. ©c^neibetoin em^fol^Ien ^atte,
i^n aber mel^ jum tl^eologif^en al« jum juriftifc^en ©tubium ))räbeftiniert erachtete, ber
fd^on früher toor^nbenen Steigung jur S^eologie ben ©ieg Derfc^affte. 3lai} feiner $ro=
motion al« magister artium, bie unter bem ^elanat t)on Aaf))ar ^eucer am 31.^uli2()
1554 ftattgefunben batte, gab er fid^ bei Sugcn^agen, ®eorg ^JJaior, 30^. görfter unb
5PauI ebcr tl^eologifc^en ©tubien l^in ; fein §auj)tlel^rer aber blieb SKagifter $l^ili^))u«, unb
toenn er im äJerfe^ mit biefem, U)ie er f))äter au«brüd(Iid^ b^^ugt, an bem consensus
Lutheri et Melanchthonis niemal« aud^ nur ben minbeften 3*^eifel gel^abt, fo t)er=
fte^t man e«: ^ier in ber ©d^ule 3Kelanc^t^on« bilbete ftc^ ©elnedter« irenif d^er ß^aralter, 25
fein auf ben consensus aQer Sutl^erifc^en gerid^teter ©inn.
@(^on l^tte er nac^ beenbigtem ©tubium angefangen, felbft f^^ilologifc^e, ))^ilO'
fot)^ifd^e unb tl^eologifc^e SJorlefungen ju galten (über 2)ialeftif unb Sl^etoril, über
airiftotele« Tugi tpvxfjg, über 2lpoftelgefd^id)te, Slömerbrief, 3Ratt^äu«eDangelium, aud^
über aJleland^t^on« examen ordinandorum) ; e« ift öon 200 §örern bie SHebe, bie fic^ 30
in feinem Slubitorium eingefunben; ba tourbe er Don ^Relanc^t^on 1557 bem Äurfürften
äluguft k)on ©ac^fen, al« biefer concionatorem pium et industrium fud^te, für bie
©tellung be« britten §ofprebiger« in 2)re«ben toarm em))fol^len. 2)ie geh)ö^nlic^e 3)ar=
ftellung, at« baU e« fid^ jugleid^ um einen 3leligion«le]^rer unb ©tubienleiter für ben
Äurjjrin^en älesanber ge^anbelt, ift unrichtig; ber fiurprinj toar bamal« noc^ nic^t t^iersö
3a^e alt; au(| an eine Seitung ber §offantorei toar bei ber Berufung nic^t gebadet.
3m Januar 1558 fam er al« §oft)rebiger nac^ 2)re«ben, nad^bem er in SfBittenberg
orbimert toar unb fid^ bon ber bortigen Unitoerfität burc^ eine Siebe de vita academica
aulicae praeferenda (gebrudt in jeinen praelectiones ©. 836) t)erabfc^iebet ^atte.
Unb al« nac^ 3öl^ifc«frift ber „Änabens?Kagifter", ber bie ßl^orlnaben ber ^ofürc^e, bie 4o
„jungen in ber ftantorei" unterrichtet unb baneben in ber SBoc^e etliche ^rebigten gc^
galten ^atte, au« irgenb toeld^em (Srunbe abging, übemal^m ©elnecfcr, ber jüngfte §ofs
prebiger, beffen muftlalifc^e Sefäf^igung unb Steigung h)ir fennen, mit großer greube unb
in ber Hoffnung, ben erft Wenige ^al}x^ ^ut?or begrünbeten §offirc^enc^or in ertoünfc^ter
SBeife förbem unb au«bilben ^u !önnen, bie« 3?ebenamt. Unb al« bemnäc^ft ber I^ron^ iö
erbe fed^« ga^re alt tourbe, ba f^aiU ba« $errfd^er))aar, SSater äluguft unb üKutter Slnna,
bem ^oft)rebiger nic^t nur im allgemeinen fc^on längft feine Zuneigung gefc^enlt, fonbem
ftc^ meHeic^t aud^ bei bem Unterricht ber Äa})ellfnabcn toon feinem päbagogifc^en ©efd^idt
überzeugt, fo bafe e« bie fac^männifc^e Seitung ber (Srgie^ung be« Äurprinxen (geft. 1565)
feiner gürforge ant)ertraute. 5Wöglic^ auc^, ba^ i^m felbft bie mit ber Übertragung be« so
einen unb be« anberen Slmte« berbunbene älufbefjerung Jciner äußeren Sage nid^t untoiB-
lommen toar, ba er 1559 burc^ äJer^eiratung mit ber loc^ter be« 2)re«bner Bupzti
intenbenten 2)aniel ©reifer fic^ einen eigenen ^au«ftanb gcgrünbet l^atte. SBie Diel er
al« S'^fr^^^or be« Qxbpxmitn in toierjäl^rigem Unterrid^t getoirft, mufe bal^ingeftellt
bleiben; toenn aber bie bem jungen ^rinjcn gehaltene £eid^enj)rebigt (3)rc«bner Ägl. Sibl. 65
Msc. Dresd. K. 345) beffen lautere ^yrömmigfeit betont, fo mag ba« bafür Jieugen, bafe
fu^ ©elnedter an bie 3nftru!tion bc« Äurf ürften : „idi toiH, bafe ber ^rinj ein Äatec^i«mu«-
2)oItor toerbe!" mit aller Streue gel^altcn l)at Über einen Sluffc^toung ber ^offantorci
unter feiner Seitung toirb un« nic^t« berichtet. 311« ^rebiger l^atte er fid^ Dicler 2lns
ei!ennung unb ber befonberen ®unft ber Äurfürftin ju erfreuen. Daneben toufete er üo
186 Sdneiler
aud^ für tDiffcnfd^aftKc^c 2lrbeitcn ^^\i unb Äraft ju fbaren unb gab toäl^rcnb btcfer
®re^bner ^eriobe eine grofee ^ci)l Don 2)rucff(i^riften l^erau«, bie öon t>l^ilofDj)^tfd^en
(epitome in libros octo Physicorum Aristotelis), altteflamentlid^en (Slu^legung beö
^falter^, argumenta et annotationes in librum sapientiae Salomonis), neutefta-
6 mentlic^en (bie erfte S^iftel ©t. ^oi^anni« aufgelegt), fird^n^iftortfcl^en (catalogus prae-
cipuorum Conciliorum Oecumenieorum et Nationalium a tempore Apostolonim
usque ad nostra tempora), bogmatifd^en (Theophania sive Comoedia de primomm
parentum conditione et ordinum sive graduum in genere humano institutione;
Ubellus brevis et utilis de coena domini; vera et invicta doctrina de coena
10 contra sacramentarios; de Providentia dei) unb ))raIttf(l^'t^eo(ogtf(^en Stubien
(paedagogia christiana; capita doctrinae christianae, quam Gatechismum no-
minamus, versibus reddita) ein berebted 3^^^^^^ geben. 9(m bebeutfamften jebod^
erfd^eint feine in biefer 3^^^ f^^ boQuel^enbe ungünftige S^arafteränberung. SKelan^tJ^on
toar geftorben; um fo me^r beeinflufete 3)aniel ©reifer feinen ©d^toiegcrfol^n. ^|
15 ©reifer melanc^tl^onianifc^ geftnnt toax unb bie ßinigleit ber Sut^eraner bringenb toünfd^te,
fjaitt ©elnedfer^ befonbere @l9nH)atl^ien ertoedtt; aber ber SRanne mit ftarf au^e})rägtem
d^olerifd^em 3^emj)erament unb ftrengem, ^errf(|füd^tigem SiSefen, ber feine ®egner bitler
HU bel^onbeln tDu^te, bermoc^te ben friebfertig geftimmten aber unfelbftftänbigen ©elneder
mit feiner einflufereid^en Slrt babon gu über?|eugen, bafe man nur bun^ ftrenge Se^anb^
20 lung be^ ©egner« jum ^id gelange, unb floate i^m fo bie oft unangenehm berti^renbe
©d^örfe ein, bie bod^ eigentlid^ mit feiner innerften 9Jatur bi^^ormomerte. 6« ringt
feitbem in ©elnetfer ber milbe ©d^üler 3Jleland^t^onö mit bem gomerfüllten ©^toiegcr=
fo^n ©reifere^, unb nur in bem einen äSunfd^, bie Concordia aDer Sutl^eraner l^erbei-
fjufüi^ren, ftimmen fie jufammen. 6in fel^r jd^arfe^ SBJort toiber ba^ 3^9^ ^^ S^'fp^n,
26 ba« h)o^I böUig gered^tfertigt toar, aber mel^r gur ^ribatfeelforge be^ ^ofprebigerd aU
in bie öffentliche ^rebigt gehörte, fül^rte feinen Abgang öon 3)re«ben l^erbei. 6« ^ttc
für il^n, toeil er „ettoa^ f^toad^ getoefen*', 3Kartin ^ofmann, ber ©tabt^rebiger ^u Unfrcr
lieben grauen, in ber ©d^loprd^e get)rebigt unb bei biefem Slnlafe ba« UntDefen ber
9iagben großer Ferren Don ber ftanjel l^er beflagt unb gerügt; an ben näc^ftfolgenben
30 ©onntagen fe^te ©elnedfer biefen Singriff fort, mad^te e« nur be^ 3<*9^^ falber no<^
etn)a« l^eftiger unb bro^te, toenn man nic^t babon abftänbe, fo toürben §crr unb Änet^t
gum 3^eufel fahren (SSreebner §au})tftaatöarc^it). ©d^riften D. Nie. Sein, belangcnb.
7169). 3Kartin ^ofmann mufete bie ©tabt Derlaffen. Slud^ mit ©einedter „ettoag gc=
fd^toinbeg fürjune^men", fanb fic^ Jlurfürft Sluguft nic^t toeranla^t, aber er forberte ij^n
85 boc^ auf, ftc^ nac^ einer anbem ©teHung umjufe^en. äug ©eineder« äbfd^iA^rebigt
über ben 141. ^falm — „betoa^re mid& t)or bem ©tridt, ben ^e mir gelegt l^aben, unb
bor ber galle ber Übelt^äter" — fd^eint inbeffcn beutlid^ ju Serben, bafe ber gefd^ilbertc
Sorgang too^I nur toon feinen tbcologifd^en ©egnern, toietleid^t in^befonberc \>on ben
©egnern feiner ©d^rift de coena bomini, benu^t toar, um il^n ju gall ju bringen.
40 3;n too^It^uenbfter SBeife trat feine friebfertiae ©runbftimmung in einem Slbfd^ieb^ebic^t
^ert?or, in bem e« f^eifet: „SBiber nicmanb xq ettoa^ ^ab, 3)anffagen ift mein SBiebei^ab !
©ebulbig fein unb leiben t?iel 93ig an ben "Job unb le^te^^W/ 3n ©tauben unb ®ett>iffen
rein ©oll unfer Sroft unb ^reube fein!"
©. planU, in feine ^eimat jurüdtj\ule^ren, unb bort burd^ ben il^m bcfreunbeten
45 9?ürnberger Sürgermeifter ^ieron^mu^ Saumgärtner eine Slnftellung ju finben. 5Da er^
l^ielt er einen 5Kuf aU ^rofeffor gletc^j^eitig au^ ^ma unb 2;übingen. (Sr ging im 3Wärj|
1565 nac^ "^^na, tvo bamal^ na^ 3lugtreibung ber gtacianer eine ^üt lang bie pffx-
li>)i)iftifc^c Slic^tung mit ©töfeel, ^eif^ub, ©almutl^ Stngang gefunben l^atte. @r tag
bort über btc erften 30 RapM ber®encfig, fc^rieb über justificatio unb sacra coena etc.,
60 aber feinet SIeibeng Wax nic^t lange. Äaum l^atte 1567 ^wg S^^önn SBU^elm bie
Regierung ber erneftintfrf^en Sanbc übernommen, fo tourben bie $l^ili^j)iften in ^ma i^rcr
ämter cntfe^t unb bog Sanbeö Dertüiefcn, um ben ©nefiolut^eranem SBiganb, ßöleftin,
Äirc^ner :c. ^}J(a^ ju marf^cn. ©eincdter h^anbte fic^ toieber nac^ Jlurfac^fen unb tourbe
Dom Äurfürften Sluguft nad^ $. ©tricgelg })Iö^Itrf)em 3lbgang 1568 jum ?Profeffor in
65 Sei>)jig, and) ^aftor ju ©t. il^omä unb ©uj^erintenbcnten ernannt. 3lm 18. äluguft 1568
trat er fein ncucö Sltnt an, laö mit 33eifaü über SWelancbtl^ong loci, toerteibigte bie tm-
fädjfifd^c ftird^c gegen bie Don '^ma ^ct Ujiber ibre lutbcnf4>e SHed^tgläubigfeit erhobenen
angriffe unb f))radb, befonbcrö in ber rcbüation fcinei ©encfigfommentar« an Äurfürjl
3luguft, fein cntfcbiebeneö (Sint)erftänbni^ mit bcni Corpus Doctrinae Phüippioum
60 aug, bag ahm bantalg ben lurfürftlid^en 'ill^cologcn unb ©eiftlid^en alg Se^morm aufg
Seineifer 187
neue einöefc^ätft tourbe. ©nen Stuf naö) Srounfc^trctg, too man i^n jur ßinfü^runö
ber Slefonnation getptnnen tooDte, l4nte er }unäc^ft au$ (Sefunbl^eitörücfrt^ten ab, ebenfo
eine SSoIation bc^ Äaifer^ ^Rajimilian II. jur Drbnung bed Äird^enlüefcn^ in ben öfter*
reid^if^en Sanben. @rft einer ^toeiten Berufung nad} ilBoIfenbüttel atö ^of^rebiger,
oberfter ®eneralfuj)erintenbent unb Äird^enrat glaubte er auf einige Qdt folgen ju muffen, 5
o^ne fein Sei))giger Slmt auf jjugeben. 3)er Äurfürft getoäl^rte i^m einen jtoeiiä^rigen Urlaub.
yiod) bor bem ämtöantritt ertoarb er in SBittenberg unter (Seorg ?D?aior« ®elanat
auf äBunfd^ unb Itoften be^ jlurfürften bie t^ologifd^e 3)oItorn)ürbe jugleid^ mit ben
^^t^ilil)toiften ßruciger, 5KoHer, SBibebram, ^ejjel unb bem jüngeren Sugen^agen burd^
eine öffentlid^e 3)i^t)utation über 130 ^^efen (propositiones complectentes summam 10
praec. capitum doctrinae christianae sonantis in academia et ecdesia Witeb.),
tDobet er f))e}iell bie de justificatione et bonis operibus l^anbelnben Xbefen gu t^er-
teibigen l^atte. (Sr toar bamate bereit, für SBittenberg« ©c^ule unb Äirc^e fein fieben
)u laffen, dum modo ipsi integritatem doctrinae tueantur, aber gerabe jene ^i^
putation unb befonber« Seren 30. X^efe über bie unio personalis unb communicatio 16
idiomatum brad^te i^n in eine fd^Umme Sage gegenüber feinen 9raunf(^lt)eiger jtoQegen
3Rartin 6^emni$ unb ^alob 3(nbreä, bie barin eine flagrante ^erle^ung be« foeben
obgefc^loflenen S^W^ SSergleid^«, ja einen SlbfaU bon ber reinen lut^erifd^en Se^re
faben. ©. mufete auf $erpg gw^iu^' 93efel(|l nac^ 3)reöben reifen, um bie SBittenberger
X^eologen bei i^rem Jturfürften ju k)erllagen, unb mü^fam tpurbe burc^ f^erfönlic^e 9Ser* 20
l^nblungen eine Sinigung l^ergefteHt, bei toeld^er §er;|og Sw'iw^ P^ freubig berubigte,
unb in ber Slnbreä eine für etoige S^ten begrünbete Äonforbie aufleud^ten fal^, unb bon
ber man nur ni^t toei^, ob @. ber ®etöufd^te ober @id^felbfttäufd^enbe toar; ft)äter
urteilt er: „reporto scriptum, in fronte sincerum, in recessu lubricum; x6)
tDoUte gern aUed jum beften auflegen unb feinen SSerbad^t ^aben, ob it^*« gleid^ mit 25
tänben getaftet unb gefül^lt." Unb ate nun 2lnbreä feinen 93eridj|t über bie S^b^in
ereinigung unb ®. fein exegema collationis cum Witebergensibus ^erau€|gab,
antworteten bie 3Bittenberger mit einer fe^ fd^arfen Censura, in ber fle bie 9lnbreäfd^e
Ubiquität^lelj^e be^t)ouieren unb ©. befd^ulbigen, bafe. er i^re 2lnttoort t)erftümmelt ^be.
^a& tpor bie 3^1 i^ ^^ ®'t <^uf ^^^ @eiten bon ber rabies theologorum an« so
gegriffen, öon ben $l(|ilij)))iften al« 3lj)oftat jum glacianisJmu« unb toon ben ©nefios
lutl^eranem ate greunb ber berbäd^tigen SBittenberger toerle^ert, im ©treit ber Parteien
ftc^ nid^t }ure(^t^nben fonnte unb in feinem jlämmerlein junäc^ft nur für ft^ felbft
bic^tete unb bttüv. „£afe mi^ bein fein unb bleiben — palt mi^ bei b einer Se^r!"
Son bem Siebe foQ ft)äter nod^ bie Siebe fein; ^ier toerbe nur au^ bem ^iftorifd^en 3^- ^
fammen^ng l^erau«, in bem e« entftanben, barauf aufmerifam gemacht, bafe e« eine ber
fd^limmften aSerbatll^omifierungen toar, toenn biele Oejangbüd^er bi« in bie neuefte 3^'*
„^t mid^ bei reiner 2e^r" gebrudft l^aben, toeil in ber Il^at gerabe ba« 5ßod^en jeber
5ßartei auf bie reine Se^re i^n, beffen innerfte 9latur allem ^arteitreiben ^utoiber toar, berart
geöngftigt ^at, bafe er bon aller fog. reinen Seigre fid^ betenb, $err, ju bir unb beiner 40
Se^re flüd^tete. Slber feine Stellung jtoang il^n immer trieber in bie unerquidflid^en
©treitigfeiten ]^inein. Äaum ^atte er feine braunfc^toeigifd^en ®egner burd^ bie offizielle
6r!lärung einigermaßen berul(|igt, baß er an bie @infü^rung be« Ck)rpu8 doctrinae
Philippicum, h)ie l^od^ er ^ and) fc^ä^e, gar nic^t benfe, fo baß ber älbenbma^l^ftreit
^ier eine 3^^(<^i^d fc^i^i^B^ ^^ brac^ bie litterarif(|e ^el^be mit ben SBittenbergem auf« 46
neue lo«, in ber e« ftc^ in^befonbere um bie ßrllärung bon 21® 3, 21 unb bie cor-
poralis locatio Christi in coelis l^anbelte. Unb toenn auc^ ber ge^äffige %on
ber SBittenberger bie ftrengfte Süge berbient, fann boc^ anbererfeit^ ©.^ fd^toanlens
bei§ 33enel(imen ebenfo nur Äo))ffc^ütteln ^erbonufcn. ^er^og ^wliu^ l^ielt ben ©d^ilb
über ibm, fanbte il^m ein Sroftfd^reiben, Derteibigte i^n gegen alle Slnfd^toär^ungen beim so
fa(^fifd^en Iturfütften, gab t^m aber boc^ in bem @nefiolut^eraner ^imot^eud Jtird^^ner
au^ ^ma einen i^m unbequemen ÄoHcgen, unb ©. I^atte ©tunben, ba er gern auf aßen
SSieren bon SBolfenbüttel nad^ 3)re^ben Iried^en tooHte — nac^ ©reiben, tpo er in ber
Släl^e bed im ©treit fd^lagfertigen ©reifer fic^ ftiHer t?erl^alten fönne unb tPoF^ler füllen
toürbe. Slber bon bort^er lam fein Stuf; in h)iffenfc^aftlic^er 2lrbeit fanb er Iroft unb 65
neue ftraft; feine institutio religionis christianae entftanb, toä^renb er in ©anber^s
^eim SOBol^nfi^ genommen l^atte. ^m ©ommer 1578 ioir!t er etliche 3Jlonatc in Dlben^
bürg, um bort eine lutl^erifd^e ftirc^enorbnung einjufül^ren, aber ^ier trifft tbn ein
©{^reiben beö Äurf ürften bon©ad)fen, ber i^n ja eigentlid^ nur beurlaubt l^atte unb il^m
nun eine ^rofcffur an ber Scipjiger Uniöerfität übertrug. ®rei ^a\)xi JtJätcr tüuvbe er eo
188 ®elneifer
auc^ Qufö neue Pfarrer an ©t. I^omä bajelbft unb Su^erintcnbent. ^n biefen Stellungen
i}ai er bie l^eologifc^ bcbeutenbfte Slrbcit feinet Seben« flet^ön; er f)ai ^ertoorragenbe«
geleiftet, um bie Äonforbienformel ^u flanbe ju bringen unb il^r bann 3lnerlennung ju
t)erfd^affcn. Sereit^ bie Jonft auffättige SOBibmung ber institutio religionis christianae
6 an ben §crjog Don SBürttemberg unb ber 3luebrucf ber ^eube im SJortoort biefe^ SBerfc^
über ben consensus doctrinae mit Württemberg läfet bie gäben erfennen, bie fw^
jh)ifc^en bem 2^übinger Äanjler ^afob älnbreä unb ©. angef))onnen l^atten. 9Bic e^ nun
aHmäMid^ ujr fc^n)äbifci&=fä(|fi|c^en Äonforbie, jur 3JlauIbronner SJormel, jum 3:orgifc^en
unb ^um Sergifc^en 93uc^ unter ©.^ hjefentlid^er ÜBit^ilfe getommen, ift in ^b X,
10 ©. 739 ff. im 2trt. „Äonlorbienformel" bargeftettt toorben. §ier barf tool^l hinzugefügt
toerben, bafe eine Concordia ®. innerftem SBefen entfjjrad^, unb bafe bie Jjolemifc^c
SIenbenj biefer Concordia aller Sutl^eraner gegen ^]^ilij5i)iften unb ßatoiniften bie Sigen^
art c^araleriftert, bie fotoo^I ©reifer ate bie ^arteifäm)^fc feinet Seben« unferm ©. auf=
gej)rägt Ratten. 5Kit 3lnbreä unb ^ol^far^) Seifer fud^te er allenthalben in Äurfac^fen
15 Unterfc^riften für bie Äonforbienformel beijutreiben, unb burd^ ja^Ireid^e Äorrefjjonbenj,
aud^ burc^ Dielfac^e Steifen in^ äuölanb müf^t er ftc^ bemfelben 3*^^^* i^ bienen. aber
ein tragifd^eö ©efc^idt bringt bie beiben l^erbonagenben „ßintrac^t^männer" änbreä unb
©. DöUig au^einanber, l^ä|lic^e ^tükixad)i tritt an bie ©teDe il^rer bi^^erigen greunb^
fc^aft, jeber SSer!el^r mirb abgebrod^en. ®erabe je^t, too SBaffenbrüberfc^aft gur SSer-
») tcibigung be« gemeinfamen SBerle« n)iber bie (Segner jur Steckten unb jur Sinlen bc=
fonber^ not toar, unb beibe in i^rer mü^etJoHen i)efenftbe bom S^rone ^er gefc^ä|t unb
geeiert tourben, ^nbreä burc^ bie ©d^enhing einer lomjjlutenfifc^en 39ibel mit ber eigene
laubigen 2Bibmung be« Äurfürften „tandem bona causa triumphat", ©. burc^ jal^I^
reid^c ©unftbejeugungen namentlich ber Äurfürftin: ba fül^lt ftc^ ©. burd^ älnbreä ^urucf-
26 gefeilt unb tüirb am §of mm SDenunj^ianten feine« langjäl^gen ^eunbe« mit folc^er
SBud^t, bafe 3lnbreä üom Äurfürflen in fe^r ungnäbiger ©timmung feine ßntlaffung er«
l)ält unb an^ Äurfad^fen toeic^en mufe. 911« Snbreä bei ber ©urd^rcife burc^ 2Äpm
bon ©. ,,einen d^riftlid^en 3lbfd^ieb" nehmen toollte, traf er i^n nic^t an; fo toünfc^tc
er il^m benn fc^riftlic^ „redete toal^r^aftige 95u^ unb ßrtenntni« feiner ©ünbe"; bem
30 fturfürften aber fanbte er bon 2^übingen au« eine rul^ig unb toürbig gehaltene ©d^u^-
fc^rift. g« ift nid^t leidet, in fold^en J)erfönli(^en ©ifferenjen ein geredete« Urteil ju
fällen. Dafe älnbreä übergreifenb unb ^errfc^füc^tig toar, ge^t auc^ au« ben Älagen Don
^JDiartin ßl^emni^ l^erbor, ber bod^ im Säunbe ber 3)ritte toar; toenn aber älnbreä bie
mangelnbe 6F^ara!terfeftigfeit an ©. I^erborl^ebt, auf ben man fic^ nid^t Derlaffen fönne,
36 fo ift biefer ©eufjer too^l nur ^n berechtigt gelüefen ; unb toenn er ©. befd^ufcigt, ba^
er „burc^ SBeib unb Äinber, ©^h^äf^er unb ©c^toäger" fid^ ^abe gegen i^n einnel^men
laffen, fo tüiffen trir, trie leicht e« toar, i^n um^uftimmen, unb an^ ©.« eignem Sieb,
ba« er ju feinem täglichen &Att gemacht : „$err, lafe mid^ nur nid^t toanlen, gieb mir
Seftänbigleit" Hingt e« toie ©elbftanHage l^erau«.
40 2lu$ ©.« ©tunbe fd^lug gar balb. ©o lange feine lurfürftlid^en Patrone lebten,
blieb er freiließ nodb auf ber §öl^e unb übte burc^ litterarifd^e Unternehmungen (neue
2lu«gabe be« ^onforbienbud^« mit einem öerbefferten 3lbbrudf ber Conf. Aug. Inva-
riata u. a. m.), burd^ Äird^en= unb ©dfjulbifitationen in Äurfad^fen (fjjejieÖ ber brci
^^ürftcnfd^ulen in 9Kei^en, ©rimma unb^forta) unb burc^ feinen j)aftoralett Seruf, auc^
45 in«bcfonberc burd^ S^erbefferung be« Äird^engefange« unb ßinrid^tung eine« tüd^tigen
Sängercl>ore« in 2ei>)5ig, eine umfaffenbe ©irffamfeit au«. 211« aber 1586 ß^ftian I.
feinem l^ater in ber SHegierung be« Sanbe« folgte, erl^ob ber getoaltfam nieberge^altcne
^l)ilip^i«mu« auf« neue fein ^;)a\ipi, unb e« begann in Äurfad^fen ber jtoeite fa^jjto-
calbiniftifd^c ©trcit. 6ine ^^^^^^"9 ^^'^^ ®- ^^^ ^"^^^ ^^"^ ncum ^errfd^er, ben er
6c» „oft al« fiinb auf ben 3lrmen getragen", nod^ unangef ödsten. 911« er aber nid^t nur
bie Iitterarifcl»e unb Äanj\eI^)olemif gegen bie 3)k6regeln be« ÄreDfd^en Äird^enregiment«
tro^ ioieberl^olter, au« 3)re«ben an il^n ergangener SBarnungen fortfe|te unb 1589
bem Äurfürften erflärtc, bafe er e« getDifjen«l^alber nic^t unterlaffen lönne, feine 3w^örer
bor caltoiniftifd[)en ^^rrtümern ,^u tvarnen, fo tvurbe il^m am 17. 9)Jai 1589 in berSafriftei
55 ber 2l^oma«tircl»e j^u i^eiv,=^ig feine 9lbfe^ung angefünbigt, unb am Jpimmelfal^«fefl ^ielt
er feine le^te ^rebigt. 2^a er ein eigne« Joau« in Sei^jig befafe, fo blieb er junäc^^ft
noc^ in ber ©labt. 9lu bie lür feiner ©tubierflube l}aiU er gefd^rieben: „3c^ bin bereit,
Don hier ju anbcrn 9(1« (Srulante fort^^umanbern, 5öenn bir e«, ^^\x, fo beliebt, Db
fiecber Vcib unb graue .?)aax^ W\x gleicb ben ©tab ^u meiner Safere Sereit« in meine
ß«) .^änbe gibt." ^er ^falter mar fein ^roft, fcl)riftftellerifc^e 9lrbeiten bilbeten ^eine Se^
@diteifer 189
fc^äftiflung. Site aber am 22. Oltober ein fd^arfc^ aScrbot all unb jeber fold^cr ©(i^rift=
ftellcrei an i^n ergüifl, flüchtete er, um ber brol(|cnben SSer^aftung [xd^m enlgic^cn, juerft
nadf ^aüt, too D. Dleariu^ ftd^ feiner annahm, unb bann nad^ SKagbeburg, h)o ber
äbminiftrator be^ ©rjftiftö, ^oac^i»« 5^^^^*^/ ""^ U^^n (Sema^Iin in ©emeinfd^aft mit
frommen ©belleuten (t?on Stttoen^Ieben, Slffeburg, Sd^ulenburg) für feinen Unterhalt 5
forgten. „3l\d)i Sllter unb nid^t Rranl^eit trieb mid^ fort, 6« toar, ^err 6^rift, bein
©alrament unb SBort, SSSeil id^ ben fal^Ien Se^ren toiberftanb, S)e^toegen trieb man mic^
au^ ©tabt unb Sanb": fo bidjftete er mit Slnf^ielung auf ben 9Jamen 6albin. Salb
aber eröffnete fid^ xl^m ein neuer SQBirf ung^Irei^ ; ate ©uj)erintenbent in §ilbe«^eim
tonnte er nod^ etlid^e 3^'^ ^^ @eaen be^ geiftlid^en 3(mted tt)alten, unb in fird^Iid^en 10
Oef^äften auö) aufeer^alb, in aßolfenbüttel, Dftfrie^Ianb, 3)linben unb älug^burg, toirfen,
auc^ bei ber lebtertoä^nten SReife feine §eimat SJümberg noc^ einmal h)ieberfel^en. Slber
feitbem er im S)ejember 1591 franf nad^ §ilbe^^eim jurüdHel^rte, \oax er meift bett^
lägerig, fo ba^, ate ))Iö$Iic^ ber 2Binb in Saufen anberd h)e|te unb nad^ bem frühen
Xobe bed Jtur^rften mit anbem Vertriebenen Lutheranern au^ @. nac^ Sei^jig jurüdf- 15
berufen tourbe unb in feine früheren Smter toieber eingelegt toerben foHte, feine greunbe
i^m bie Snna^me emftlid^ toiberrieten. 3(ber er liefe fid^ nic^t galten. 3lm 19. 5Kai
lam er tobmübe in Seii)jig an ; am 24. 3Jlai, am Irinitatiöfeft, ging er unter freubigem
Sefenntniö feinet ®lauben^ ^eim. 3lm 3)ienötag barauf tourbe er mit fürftlid^en ßl^ren
in ber Sl^oma^Ürd^e beftattel, ber SBittenberger 5ßrofeffor (Seorg 3)ivliu« ^ielt bie Seic^en^ 20
rebe unb fagte barin: „6r ift nid^t ein sSetterl^a^n ober SBenbe^ate getoefen in ber
Se^e d^riftlic^er SReligion, unb i^ai fic^ nid^t ate ein 9to^r gehalten, ba^ ber ilBinb l^in
unb ^er toel^t, aui) ni^t ein 3Jlenf^ in toeic^en Äleibem, ber um §errengunft unb
toeltli^er 6^ren mitten lu atten SSeränberungen in Sleligion^fac^en fic^ ^ätte betoegen
laffen, fonbem in einmal erlannter unb belannter SQäa^r^eit ift er bie 3^it feinet Seben« 26
feft unb treu t)erblieben unb bi« in bie (Srube hinein verharret." Sol^e^ Urteil berfte^t
man im 93lid auf fein gerabe ju @nbe gegangene^ ^ört^rertum, in tvelc^em er bie
Ireue unb Seftänbigleit betoä^rte, bie er früher manchmal Dermiffen liefe. SRit Stüdtfid^t
auf feine auffattenb Heine (Seftalt, bie i^m oft atterlei 2)iminutiDbeinamen eingetragen
^atte, unb nic^t minber im Slidf auf bie Diele Unruhe unb Slnfeinbung in feinem Seben, »0
beftimmte er feine (Srabfirift: „Älein toar ic^, bin nun grofe unb ^abe bi« bal^er ®elebt
in böfer ffielt ; fo leb ic^ bir nun, ^err ! Satt bin ic^ biefer SBelt unb il^rer SRiffet^at ;
9lun toitt in ß^rifti arm id^ etüig trerben fatt." 2)ie älnfangöbud^ftaben feinet 9iamend
l^atte er fu^ — fe^r c^aralteriftifd^ — mit bem S^mbolum gebeutet: Deus Novit Suos;
fein ganged Seben unb Sterben in^ ben äSer^ ^ufammengefafet: In vita et morte es 35
Tu mea Ghriste salus.
er ^interliefe feine 3Bittoe unb ^toei ©ö^ne, toon benen ber eine ©ujjerintenbent
in Seli^p (geft. 1593), ber anbere älrd^ibialonu^ in9lo(^li^, f^äter ^ialonu^ an 2ei))}ig^
D^oma^fird^e toar; ein ©o^n toar 1587 ate Se^rer in ®nmma Derftorben; eine lod^ter
toar mit ©ujjerintenbent 2llbinu^ in SBeifeenfete, ein« ^toeite mit Sleftor Sinbner in 4o
©c^utoforte t)erl(|eiratet; 10 Jlinber bon ben 15, bie feine §rau ü^m geboren, toaren frül^
geftorben.
6ine ®efamtauggabe feiner ungeföl^r 170 ©d^riften tooHte er felbft beranftalten;
erfc^ienen ftnb babon nur Operum lat. partes IV, £ei>)xig 1584—1593, ©eine
©4^riften finb teite bogmatifd^5))olemifc^en, teite ejegetifd^en, ^iftorifd^en unb j)raftifd^s 45
erbaulichen S^l^^te,
Unter ben bogmatifd^en ift fein ^au^ttoer! Institutio religionis christianae eon-
ünens explicationem locorum theol. etc. bereite erträ^nt. 3^^^ 1573, übers
arbeitet 1579 in brei teilen erfd^ienen, anfangt fic^ noc^ naiver an 3Reland^t^on an^
fc^liefeenb, bann jur Sl^eologie ber Äonforbienformel überge^enb. ©obann ift fein 60
Examen ordinandorum ober Forma explicationis examinis ordinandorum, olim
scripti a Ph. Melanchthone, instituta et accommodata ad veram confessionem
^u nennen (1582, 84, 92) — eine Umarbeitung ber befannten melanc^t^onifd^en ©c^rift
im ©inne be« Sutl^ertumg ber Sonlorbienformel. hierüber eine grofee ^af^l fleinerer
©«^riften, meift auf bie 3lbenbma^tele^re unb ßl^riftologie bejügli^. 55
3u feinen ejegetifc^en arbeiten gehört eine Slu^legung ber brei jo^anneifc^en Sriefe,
faft aller J)roj)l^etifd^en Sucher be^ Sil unb ber Offenbarung go^önni^, ein Comm. in
G«nesin 1569 (mit einer 33orrebe, in ber er bie Überjeugung au^rid^t, bafe ber
jüngfte %aQ getoife nid^t mel^r fern fei), ein Comm. in omnes Pauli epp., in har-
moniam evang. etc. 60
190 (Sdntda
ibn ben fird^cn^iftorifc^cn 3lrbcilen ©.ö feien ertoä^nt: Catalogus praecip. con-
ciliorum oecumen. et nationalium a tempore apost. usque ad nostra tempora
1564 u. 71; Historia Lutheri 1575, and) beutfc^ 1576, Colloquia ober 2^tfci^reben
Sut^er« 1580, ^iftorie bon ber aiuö^burg. Äonfeffton 1584, Recitationes aliquot de
6 consilio scripti libri Concordiae et modo agendi, qui in subscriptionibus ser-
vatus est, 2. 3lufl. 1582; §iftor. JRelation t)on §ergo0 ^ulxi Steügion unb c^riftl.
äbfc^ieb, t)erfafet 1589, gcbrucft 1591.
Unb Don J)raItif(i^st^colo0ifd^en ©d^riften: Paedagogia christiana 1566, 67, 71, 77,
beutfc^ u. h,%.: UnterlDetfung in ber d^rtftlic^en Se^r nad^ Orbnung be« Äinberlatec^i^mi,
10 in lateinijd^er ©torad^e gefd^rieben unb am furiäd^ftfd^en §ofe ge^jrcbigt, tn^ ®eutfd^e
überfe^t t)on 2. 2Rai 1569, 70 u. ö.; ß^e^ unb 9leflentenfj)iegel 1589; SungfrauenfJ^iegel
unb Don 92ottrenbigIeit toa^r^after Jtinberjud^t 1580; Notatio de studio theologiae
1579. ßrbauunggbüd^er: SBerid^t, tote ftd^ ein Gl^rift in ©terben^läufen tröften unb galten
fott 1566. Iroftfrrüc^e für Derfolgte g^riften 1594.
16 Unter jal^Ireid^en gebrudtten Sßrebigten fold^e über fämtlid^e 5Paulin. ©riefe, ^falm^
))rebigten, $a{fton^rebigten, ^rebigten bom ätbenbmal^l, ade nid^t fd^olaftifc^ gearbeitet,
Dielmel^r lebenbig unb toarm, aud^ ineift o^ne $olemiI, DoQ linber, milber ^rommigfeit.
3)o(^ ein befonbere« SBort gebül^rt feinen Oeiftlic^en Siebem, burd^ bie er no(^
f)iuU in ber ebangelifd^en Äird^e fortlebt, ©eine un« erhaltenen lateinifd^en ^ßoefien,
20 barunter (ateinifd^e ^falmenüberfe^ungen unb eine äutobiograjj^ie in lateinifd^en ^tjca-
metern, foh)ie griec^ifc^e @ebid^te ). ^. auf bie Confessio Augustana (unb l^ierüber
eine juerft 1568 herausgegebene „Prosodia ober Anleitung jur Serfertigung gried^ifc^er
unb lateinifd^er 9Serfe") jeigen eine nic^t geringe ©etoanbt^eit, auc^ d^riftlicpe ©ebanlen
in baS antife ©etoanb ju fieiben. gür bie Oefd^id^te ber §^mnologie ober ber geiftlid^en
26 2)ic^tung in beutfd^er ©jjrad^e lommen folgenbe SBJerte in 8etra(|t, in benen er teils
eigene, teils frembe lieber gefammelt ^at: 1. 50 $falmen beS löniglid^en ^Protol^eten
3)aDib ausgelegt, SRümberg 1563. 2. 3)er ganje $falter beS löniglid^en ^roj)l^eten S)aüib
ausgelegt, 9?ümberg 1565—66 unb oftmals fpäter. 3. Iröftli^e ©^rüd^e unb ®rab^
fc^riften auS ^l. Schrift 1567. 4. $falter 2)abibS mit furxen ©ummarien unb ®ebetlein
90 1572 u. ö. 5. G^riftlid^e ^falmen. Sieber unb Äirci^engefänge, Seij)jig 1587 mit 2Bib^
mung an Äat^arina Don S3ranbenburg, (Sema^lin beS SlbminiftratorS bon SKagbeburg.
äuS biefen 3^itelangaben erfte^t man fd^on, toie Diel i^m ber ^falter getoefen ift, bon
bem er fd^reibt : „äd^ n)ie Doli 3:rofteS ift ber liebe ^falter, bafür id^ ©Ott in ©toigfeit
bauten totll. SBenn ic^ i^n auff^lage, fo lebe ic^ toieber, toenn i(^ gleid^ oft tot bin
36 unb fd^eint mir ^immel unb 6rbe ju eng. 2)er fromme ®ott laffe mir nur mein
^falterlein unb ne^me fonft, toaS er toiU." 3" ^<^^ ""^^ ^ genannte ®efangbu(^
^at er bie Sieber ber ^Reformatoren, aber auc^ 120 eigene Sieber aufgenommen unb fagt
baDon auf bem Titelblatt: „Sutl^eruS fingt unS allen Dor, 3lad) ®otteS SBort fü^rt ben
lenor. SKir fingen nac^ unb jtoitfd^em mit, ®ott toiH fold^ ©timm toerad^ten nit."
40 SSicle feiner Sieber f>)iegeln fein j^erfönlic^cS ©rieben toieber, unb inSbefonbere toollen bie
beiben Sieber ©.S fo Derftanben toerben, tüelc^e bie größte Verbreitung gefunben ^en,
dlad) ber ,,Xabetlarifc^cn 9?ac^h)eifung beS SiebcrbeftanbeS ber Je^t gebräuc^lid^en ®efang-
büc^cr bcS etoangelifc^en Deutfc^lanbS" Don W^lxpp ®ie^ (3)iarburg 1904) finbet [xdf
„Safe mid^ bein fein unb bleiben" in fämtlic^en ®efangbüc^em mit einziger äuSna^me
46 beS äöürttembergifc^en ; toä^renb „3ld^ bleib bei unS, §en S^fw ß^tift" nur nic^t in
Sremen, §annoDcr unb ßifenac^, fonft aber überall aufgenommen ift. ®er 3SerS „8a%
mid^ bein fein unb bleiben" finbet fic^ juerft in ©.S ©c^rift „Passio" 1572 unter bem
2:itel „©ebetlin" gebrudtt; ber gefd^ic^tlic^en Seranlaffung ift oben gebac^t; ©. I^t biefeS
Sieb als täglichen ©eufjer für fein eignes Kämmerlein gebid^tet, unb toer ben 2ln^t
öo mit ©.S ®cfd;ic^te gufammen^ält, ber finbet ^ier beS 5yJanneS treffenbfte ßj^aftcrifül,
ein ©elbftbefenntnis beS fetner ©d;toacb^eit fic^ too^l betoufeten ©ängerS bor bem, ber
JOerjen unb 5^ieren Jjrüft. I)ic Don ©. felbft gu biefem ®ebetSDerS gef^affene SWelobie
ift nic^t in fircfe(id;en ©ebrauc^ übernommen lüorben. ®aS Sieb „äd^ bleib bei unS,
§err 3efu 6l;rift" rül^rt nid)t in feiner Dollen, je^t gcbräu^lic^en 5*^^^# ^*"^ flcrabe
66 nidbt in feinem Slnfang, trol^l aber in me^r als fe(|s i^erfen Don ©. ^er, unb tft ae^
rabe in biefen l^erfen ein tiefem^funbeneS, fraftDoHeS &^b^t um ßri^altung ber Äirdje.
Öier unb ba tüerben aucb S.S Sieber ,/ll>ir banfcn bir, .^crr ^t]n G^rift, ba^ bu tmfer
ßrlöfer bift" (ein 3lbcnblicb), unb „ften ^efu ßbrifte, ®otteS ©ol^n" (bem er bie Über^
fd;»rift gegeben: ,,3^f^"^^ 3^"^ §errri Gbrifto in Dollen 3?öten, fonberlid^ in ®etoif|enSs
CO angft, toegen ber ©ünbe in lobeSnöten") noc^ Freute gefungen.
Sdiieder &tmaia 191
Sebenit man, bafe et Ja\i feinen %aQ in feinem 39eruf ganj gefunb" gel^efen, fo
ftaunt man über feine loloffale ^ü^ötigfeit unb feine fc^riftftenerifqe ^d^tbatf eit ; unb
^ört man fein eigene^ Sefenntni^, bafe er ,,aucl^ bon (Sefj)enftern ^eimüd^ turbieret"
ipotb, fo mad^t boö too^I einerfeitö öiele« bon bem ängftlid^en unb ©d^toäd^lid^en feine«
©efend erllörlic^, aber anbererfeit« ifl feine Seiftung^fä^ißfeit nur nod^ betounbem^iüerter. 5
6r ^at ®roged in feiner 3^* fl^f^öffen, unb bod^ pa^U er ni^t für feine Qtxt ©ine
))oetif^ angelegte, muftlalifd^ ^od^begabte, im innerften ®runbe irenifd^e 9tatur, fd^ien er
ba}u Berufen, nur mit ber ^abib^^arfe in ber ^anb, bie Böfen (Seifter bannenb, bur^
bie SBelt ni geben; aber fein Seben faßt in eine 3^^*/ i" toelc^er 3:l^eoIogie unb^olemil
ibentif^e sBegriffe toaren, unb er mufe Hagen, „ber 2!eufel überfc^reie unb überftimme 10
je^t bie ganje Äantorei ®abib« unb berberbe mit feinem foltern unb ©dalagen ben
fanften ^ft, bie lieblid^en flöten unb Gl^mjjeln, ja oft ba« ganje SJBer! ber grieb*
fertigen", ^n fold^er erregten, toirren 3^^ i" toelc^er bie rabies theologorum ringsum
bie SBaffen flirren unb ba« gelbgefc^ret „§ie £ut$er! ^ie 9We(and^tl^on!" ertönen liefe,
fonnte er feine fefte ^ofition gewinnen unb liefe fi^ balb bal^in, balb bortbin jiel^en, 15
aber in biefem ©d(>ft>anfen ift bod^ ba« bleibenbe ©treben erfennbar, eine Äonforbia aller
Suti^erifd^en l^crbeijufü^ren. ©0 ift er too^l an ben ©c^mä^ungen, bie er in reid^ftem
SKafee erfuhr, felbft fd^ulb. 3)ie Sieformierten, bie er ben ^wben lutb Surfen gleid^
ad^tete, unb auf bie er ben Ser« mad^te: „ßr^alt un«, §err, bei betnem SQäort Unb
toel^r ber 3*^i"0liöner 3Rorb" nannten i^n ba« Sut^erofflein; bie (Snefiolutl^eraner 20
toi^elten über ben ©d^elmledter unb ©eel^enfer; bie ^^ilibj)iften über ben parvus
Fladus unb alter Iscariotes. Slber — ob fein Seben geraoe fo toie ba« grofee SBerf,
an bem er l^erborragenb mitgearbeitet, eine concordia discors \vax: man toirb fein
ernfle« ©treben anerfennen unb einem SRanne bie 3^eilna^me nid^t berfagen tooHen, ber
ni(^t nur um ber Unbeftänbigfeit feine« äufeeren Seben« toiHen, bielme^ erft red^t in 25
bem ©eftii^l, bafe er oft innerlid^ nid^t ben redeten $alt unb bieÄraft gel^abt, bie ^nb
nac^ bem $erm au«ftredft: „^err, lafe mid^ nur ni^t toanfen, ®ieb mir Seftänbigfeit!"
unb man toirb il^m gern ben 2!roft juerfennen, mit ber er fid^, toie oben ertoä^nt,
bie älnfang«bu^ftaben feine« 9{amen« (Doctor Nicolaus Selneccerus) beutete: Dens
Novit Suos! (fBagettmatttt t) I>- Sfrattj 2)ibentt«. 30
©ei», Sem««! f. b. 318C. 9loa^ 9b XIV ©. 139 u. Sölfertafel.
Seinaja, ^Vf^V, ift ein im 213^ me^rfad^ borfommenber 3?ame. ®ie toic^tigften
Vertreter be«felben fmb:
1. 6in$roj)]^et jur 3eit 3lel(iabeam« bon 3uba. S&on il^m berichten 1 Äg 12,21—24,
oI« 9le^eam bie bon t^m abgefaSenen ©tämme l^abe mit @etoalt ut ^uba jurüdt^ 35
füi^ tooUen, l^abe er auf gö^be« Sefe^l bom Äriege abgemahnt. 2)a« gange ©ttidt
33. 21— -24 (=2 6^r 11, 1-— 4) gehört gtoeifello« einer fj)äten ©d^id^t be« Äönig«bud^e«
an, bgl. bieÄommentare. 2)em entft)ridbt e« benn aud^, bafe bie ß^ronif noc^ eine toeitere
mibraf^ortige Srjäl^lung über ©emaja fennt. 3" i^ ^^^'^ ^^^ ^^^^^^ Überlieferung über
ben ßinfaD ©ifaf« unter Sle^abeam burc^ eine längere 2lnfj)rad^e biefe« $roj)^eten ©emaja 4o
ertoeitert, in ber er auf ben ®runb be« ßinfaBc« l^intoeift, tooburd^ bie Demütigung unb
Segnabigung ^nta^ erjielt toirb. 3)ie golge ift nad^ ber Gl^ronif, bafe ^«nifalem jtoar
bon ©ifaf gej)rünbert toirb, aber boc^ im ganjen nod^ glim^flid^ babonfommt, 2 ß^rll,
5—8. 12. 3)emfelben ^ropl^eten toirb nun aud^ 2 6l^r 11, 15 bie 2lbfaffung einer &^
fd^id^te JRel^beam« bejto. ^uba« einfc^liefelid^ berjenigen JRe^abeam« C!:^1 fönnte an fid^ 45
aud^„®orte" bebeuten, toirb aber ^ier al« „©efd^ic^te ju faffen fein) jugefdbrieben. ®od^
törntte bem SBorttaute nad^ aud^ an eine über ©emaja l(ianbelnbe ©efcpid^te gebac^t
toerben, toa« aber burd^ f^non^me SOBenbungen (toie ©cfid^t ^^aia^ 32, 32, ?Kibrafd^
3bbo« 20, 34, bon Sefaja aufgefd^riebene ©efc^i^te Uffta« 32,32) toiberraten toirb. Sr
toirb fomit in ber G^ronif aud^ al« ©efc^ic^tfd^rciber angefe^en unb al« einer berjenigen 50
bcjeic^net, benen ber ßl^ronift feine mancherlei ©toffe berbanft. 3)a e« fold^e ®efd[|ic^ten
ber Äönige, einzelner ober ganger ®ruj)lpen bon il^nen in relatib frül^er 3^i^ gegeben
fyibtn mufe, toie un« für ©alomo unb feine 9{ad^folger ba« ^5nig«bud^ teil« fagt teil«
anbeutet (bgl. j. 93. 1 Äg 11, 41), fo ift biefe 5Wotig über ©emaja bieDeid^t ba« 95eft*
bezeugte, toa« toir über ben 3}Jann toiffen. 6« ift tool^l möglich, bafe bie Ueberlieferung 55
bon ber (Sjifteng unb SBJirffamfeit eine« ^ro^l^etcn biefe« 9?amen« unter Slel^abeam rid;tig
ift unb bafe feine S^ätigfeit unter anbercm barin beftanb, bafe er fid^ an ber ©cfc^ic^t^
f(^reibung feiner 3«t unb ber ÜJergangenl^eit beteiligte. 3)enn 3:i^tfad^e ift, bafe gcrabe
192 Semaja Semi^idogiftiridmitd
in feinen 2^gcn mond^e unferer ®e|(i^ici^t«quellen über bie 9lnfänge be^ Äönigtum^, ba^
(Snbc ber Sli^terjeit unb bergl. 2)in0e entftanben fmb.
2. 6in ©egner ^^eremia^ unter ben ^rop^eten ber bab^Ionifd^en (Sjulantenflcmeinbe.
3lad) 3^ 29, 24 ff. i}at er ou^ bemß^I an ba^SJoH bon ^erufalem bejto. an ben ^riefter
6 3^^önia einen Srief gefd^rieben, in toelc^em er 3«)>^ania ba« ^riefteramt ^ufjjric^t unb bon
ipni toerlangt, bafe er gegen ^eremia einfd^reite, toeil ^eremia bie ßjulanten briefnd^ jum
©e^orfam gegen i^re neue Dbrigleit angehalten l^atte. ^eremia eirllärt btefen ©emaja
für einen Sügen^ro^^eten unb toarnt bie Optanten bor feinen aufreijenben Sieben; bem
9?erfü^rer felbft t?er^eifet er Serberben unb Untergang.
10 3. einer ber ©egner Sle^emia«, ebenfall« %xopf}tt, unb ©enoffe ©anboBat«. ?Re^
6, 10 ff. berid^tet, bafe er3?el^emia beranlaffen tooUte, in ben ben Saien berbotenen Slem^jel^
räum einzubringen (jum ©ci^u^ bor älnfÄIägen feiner geinbe), um i^n Iftmai) beim
aSolfe toerbäd^tigen gu fönnen. ©. toeiter ben ärt. ©anballat. Äittel.
Semiamttidmttd f. bie 3[9(. 9(riani«mu« 39b II ©.82,4iff. u. 3Raceboniud
16 Sb XII ©. 41.
@emt)idagtamdmud. — 3^gl. bie ßitteratur t)ov ben ^rtifcln «uguftin (33b II, 258;
unb für bie 9higuftin=6itatc im folgenbcn ?(rtifcl ebenba @. 257), ©öfariu«, (©b III, 622),
Saffian («b III, 746), gouftu« (5Bb V. 782); guIgcntiuS (SBb VI, 316 f.), ^ilariu^ uon
«rIcS (^b VIII, 56), «ßclagiu^ (33b XV, 747 f.), ^röbeftination (33b XV, 586f.), $rofpcr
20 (©b XVI, 123) unb bie 33b IV, 752 f. aufgezählten 33earbcttungen ber 3)ogmengcWi*tc.
^kufterbem, bejtt). im bejonbern, finb ju nennen : Th. Eleutherius, Historiae controvereianim
u. f. lü., ^(nttpcrijen 1705 (ügl. oben 33b XIII, 256,48); (E^r. 3B. g. ®alc^, (gnt»uvf einer
uoUftönbigen^iftorie ber Äcj^creien u. f. m. 33b V, ßcipjig 1770; 3-®«ff^^w, HistoriaSemi-
pelagiaDismiaDtiquissima, Diss. phil., ÖJöttingcn 1826; Ö. g. Siggcrg, 33crfud) u. f.m. (ogl.
26i8b XV, 747,56) 33b II, ^ambuvg 1833; berf., ©cftidfalc ber auguftinifc^en ^ntl^ropologic
non ber 33erbommung bed ©cmipcIogioniSmuS auf \>tn ©tjnoben j;u Orange unb 3SoIence bi^
äur SRcQftion beö SKönd)« ®ottf4aIt (302:^ üon «Riebncr XXIV, 1854, @. 3—42; XXV,
268—324; XXVII, 163—263; XXIX, 471—591); 6. g. ?(ntoIb, däfariu« x>. 9lrclatc,
Seipi^ig 1894; P. Suhlet, Le Semip^lagianisme des origines dans ses rapports avec Augustin,
90 le P^lagiaDisrae et T^glise. Th^se pr^sent^ il la facult^ de th^l. de l'^glise libre du canton
de Vaud., 92amur 1897; g. 3Sörtcr, Beiträge jur ©ogmcngefc^icbte bcö ©emipcIogianiSmu^,
^abcrborn 1898; berf., 3"^^ 3)ügmengcjd)ld)tc ht^ ©emipclagiani^muS (.tivc^cngefc^icötlicfte
etubieu üon tnopfler, 6c^rbr^, 6bralcf V, 2. SKünfter 1899).
1. „©emi^elagiani^muö" ift ein bogmengefc^id^tlic^er Segriff, beffen $erhinft noc^
36 nic^t aufgeHärt ift unb beflen Umfang nid^t übereinftimmenb abgegremt toirb. SSielfac^
fann man lefen, ber S^erminue ftamme au^ ber ©cbolaftil. 2)ie Duette biefer Slad^rid^t
fc^eint 5Jori^ ju fein, ber 1673 in einer Don SBald^ (V, 6) citierten ©tette fetner historid
Pelagiana (2,1; opp. ed. Sertil, 225) bie Sejeid^nung aU einen SIerminu« ber scho-
lastici recentiores einführt. Xo6) ift mir lüabrfd^einlic^ getoorben, ba^ unter biefcn
40 scholastici recentiores nic^t mittelalterliche ©c^olaftüer, fonbem nad^tribentinif^e
^Bearbeiter ber theologia scholastica ju t)erfte^en fmb. I)enn bei ben ©c^olaftifem
beö '^JJlittelalter^ bin ic^ bem Serminu^ nic^t begegnet, ^a, obgleich fc^on (Ser^b '^o-
()anne^ 9?o^(geft. 1649) in feiner historia de controversiis, quas Pelagius ejusque
reliquiae moverunt (1, 7. ed. sec. 1655, p. 30; ed. prima 1618), ben Xerminu^
45 al^ einen vulgo gebrausten bejcic^net (ögl. SKalc^ V, 6), fo fc^eint biefe 9Jomcnflatur
boc^ nod) im 16. ^af^rf^unbert nic^t gebräud^lic^ getvefen ju fein. 3)afe Sllf onf u^ be Saftro
(geft. 1558) unb ^atreolu^ (geft. 1588) in i^ren Äe^erliften ben 9lamcn nic^t bieten,
i}at fc^on SBalc^ (V, 6) fonftatiert. 3)aöfelbe gilt Don Äafpar grandt« Catalogus
haereticorum (^ngolftabt 1576). 3luc^ bie 3Jlagbeburger (Senturien, Soroniu« unb
50 Sellarmin^ ^au^ttüert gebrauchten ben lerminu^ ba, too man i^n ertoartet, nic^t. „Pe-
lagiani et Pelagianorum reliquiae" — biefe Se^ci^nung, bie au^ bem bie ©tjnobe
üon Drange beftätigenben Sriefe Sonifaj II. (togl. unten ©. 201, 25), bejto. au^ 5Proft)er
(ep. Aug. 225, 7. II, 1006) unb auö Sluguftin (ep. 217, 6, 25 ün. II, 987) ^*
ftammt, fie ioirb, tuie im Xitel bei^ äJo^fc^en aÖerfc^, fo auc^ toon Settarmin ba gebraucht,
56 ioo tvir Don „^^Jelagiancrn unb ©cmi>)elagianern" rcben toürbcn (5. 33. de controv. 3,
1, 2, 2. ed. princeps Ob III. 1593 p. 581). Sbenfo ift in ben Slnfänaen be« Wlolu
niftifcbcn ©trcite^g (bgl. Sb XIII, 25()ff.) ben gefuiten nur ber SSortourf gemad^t, fte
backten „^)elagianifc^" ober toie bie „Pelagianorum reliquiae" (t?gl. j. 9. Eleutherius
p. 197). 2)oc^i in ben 9Jer^anblungen ber congregatio de auxiliis taucht im Äiufc
®tmiptla%iam9mn9 193
bc^ 3^^^^ 1601 ber 2^erminu^ „Semipelagiani" auf: ba^fclbe Outac^tcn ber 5lEonful=
toren, ba^ bei 3)JoIina bcn 3in:tw»" be^ ,,6affianu^ unb anbrer ©atlier" fonftaticrt, qui
reliquiae Pelagianorum dici meruerunt (Eleuth. p. 260 a), finbet in einem anbem
angefod^tenen ®a^e ^olinad bie sententia Pelagianorum et Semipelagianorum (ib.
p. 263b). 6^ fd^eint mir be^^alb toal^rfd&einlid^ — mel^r fann i^ nic^t fagen, 6
toeil mit ^iet für ben ^Jloliniftifd^en ©treit feine Duelle aufeer ßleutl^eriu^ ju Oebote
fte^t —, ba^ ber Jerminu« „Semi<)e(agianer" im "üJJoliniftifc^en Streite bon ben bomini*
fanifc^-t^omijtifd^en ©egnern ber Jj^witen ge^jrägt toorben ift. Durc^ bag auffeilen, ba^
ber 3Roliniftif4e ©treit ^erborrief, burd^ 6omeliu« $^anfen unb burc^ ben janfeniftifd^en
©treit mag bann bie allgemeine 9lecet)tion biefe« Äe^emamen« bebingt getoefen fein. — 6^ lo
fd^eint bemnad^, aU feien bei ber Prägung be^ Serminu^ „©emi^elagiani^muö" ä^nlid^e
SSorfteUungen toon bem ^nl)alt unb Umfang be^ Segriffef beftimmenb getrefen, h)ie fie
ba gelten, too man auf ^roteftantifc^em @ebiet \)on einem ©emi))elagianidmu^ ber mittel^
alterli(^en ©d^olaftif rebet (bgl. Eleutberius p. 254 f.). ^a^ aber ift tro^bem nic^t
jtoeifel^aft, ba^ ber 3!erminu^ ,,©emi))elagiani«mug" junäd^ft eine Sejeid^nung für bie^ 15
ienige ®eftaltung ber Seigren bon ©ünbe unb ®nabe fein fotite, bie ^ro^jjer toon Stqui^
tanien lurg öor unb fur^ nad^ bem Xobe Sluguftin^ an ben „3Kaffilienfern", b. 1^. an
Saffian, i^ilariu^ b. ärle^, aSincenj toon Serinum unb anbem, ungenannten, be!äm})fte,
eine Sejeid^nung ber änfc^auung toon ©ünbe unb ®nabe, bie nad^ ^rofj)er^ 3^'^ ^"
gauftu« toon Steji i^ren §au^ttoertreter ^atte unb 529 auf ber ©tonobe ju Orange, jtoar 20
nid^t in allen, aber bo^ in einigen fünften al^ fe^erifc^ d^aralterifiert lüurbe. ®enn
toon ben 9Rängeln ber Drt^obope be« gaffianug unb gauftu« unb toon ber gntfd^eibung
ber ©^nobe toon Drange ift im 3Jloliniftifd^en ©treite oft gerebet toorben; „Semipela-
giani" ift ber neue 9{ame für bie, qui reliquiae Pelagianorum dici meruerunt (togl.
oben 3^i« 2 f.). 2ln bem Äreife ber „3Kafftlienfer", toie man noc^ im 5JJoliniftifd^en 20
©treite unb über 1700 ^inau« oft mit ^ßrof^er fagte, haftet noc^ l^eute allgemein, auf
j)roteftantif^em toie auf römifc^em ©ebiete, pxmäx ber 5Rame be^ ©emipelagiani^mu^.
3)emgemäfe ift ^ier junäd^ft (togl. 9lr. 2—6) eine 2)arftellung be^ ©treite^ gu geben, ber
je^t allgemein ate ber „femi^)elagianifd^e" be^eid^net toirb, b. 1^. be^ ©treite^ über Sluguftin«
©nabenle^re bi« jur ©^nobe toon Drange, ©obann (togl. 3?r. 7 unb 8) mufe toerfuc^t 30
h>erben, ben ©egriff „©emij)elagiani^mu«" tnl^altlic^ fo ^u beftimmen, bafe fein Umfang
ftd^er abgrenjbar toirb, unb feftgefteöt toerben fann, intoietoeit bie 3lntoenbung be^ S3e=
griffiJ auf Srfc^einungen ber 3^'^ ^^^ 529 Berechtigung i}at.
2. (Segen bie ^elagianer toar in ben ad^t (togl. Soofg, 3)®* ©. 429 3lnm. 5)
Üanonc« be« fart^agifc^en ®eneralfonute toon 418 feftgefteUt (togl. Sb XV, 767,5off.): S5
1. bafe Slbam erft burd^ ben ©ünbenfatl ftcrblid^ getoorben fei, 2. bafe bie Äinber ber
©rbfünbe toegen in remissionem peccatorum ju taufen feien, 3. ba^ unter ber
giJttlid^en ®nabe nic^t nur bie äJergebung ber ©ünben, fonbem aud^ ber göttlid^e 93eis
ftanb ju toerftel^en fei, ber un^ ermöglid^e, nic^t ju fünbigen, 4. bafe fünblofe 3Sollfommen=
^eit auf 6rben unmijglid^ fei. 2)amit toar ntd^t bie ganje auguftinifd^e ®nabenle^re 40
oüppxob'xttt, fonbem nur bad, toa^ äluguftin im @inflange mit abenblänbifd^en
Irabitionen toor i^m ben ^elagianem entgegengel^alten ^atte. 2)ie fpejififc^en ©igen*
tümlic^feiten ber ®nabenle^re äugufting: ber ©cbanfe, bafe auc^ ba« erfte äöollen be«
©lauben« toon ber ®nabe getoirft toerbe (togl. oben 8b II, 279, 32 ff.), bafe bie gratia
irreftftibel ober infaUibel bem freien aBiUen bie gottgetrollte 3{id^tung gebe (togl. Sb II, 4b
279,69f. unb unten ©. 195,22ff.), unb bafe für ba« fc^lie^lic^e ©cligtoerben ber electi
lefttlid^ bie bur^ fein toorau«gefe^ene« menf^lid^e« a:^un bebingte göttliche ^räbeftination
bm aJPieinigen SRealgmnb bilbe (togl. fc^on 33b II, 279,ö5ff. unb untm ©. 195,2?) —
aü bie« toar bei jener (Sntfc^eibung toon Äart^ago gar nid^t in bie 2)i«fuffion gejogm.
3a, toon ben „brei ^au^tirrtümem" ber ^elagianer, bie 2luguftin balb nac^ ber fart^a^ so
äifdS>m ©^nobe, juerft im 3jal^re 420, formulierte (togl. S3b XV, 755, 8 ff.), toaren in
tarl^ago nur jtoei, ber erfte unb britte, jenfuriert toorben ; ber ^toeite aber, ben Sluguftin
barin fanb (togl. Sb XV, 755,r>4ff.), ba| bie ^elagianer annähmen, bie gratia, qua
justificamur, toerbe nid^t gratis, fonbem secundum merita gegeben, ift in ben Äanonc«
toon Äartl^ago ni^t berüdffid^tigt. — @« brauchten bemnac^ gar nid^t alle, bie ber SJer^ 55
urteilung be« ^ßelagiu« juftimmten, ®efinnung«genoffen 3luguftin« ^u fein. 2)ie ^Jrage,
ob ber ^Irnfd^ allein mit ^ilfe ber gratia creationis, remissionis unb doctrinae
jur ©eligfeit gelangen fönne, ober ob er baju, ja ju jebem guten SKerf, ber innerlid)
auf il^n eintoirfenben gratia inspirationis bebürfe — unb bie« toar ber etgentlid)c
©trcitt)unft im J)elagianifd^en ©treit (togl. S3b XV, 756, 4 ff.) — , fie fonnte, toie Sluguftin« g»)
KcaUCncDflopfibie ffir 2:^eo(ogie unb RiiOtt, 3. 0. XVIII. 13
194 ^tmipüoiianümnl^
eignet 3)enfcn t)or 39G bctocift (bgl. S3b II, 278, 48 ff.), in antt))clagtantf^em ©innc
beantwortet toerben, auö^ too man ntdbt gan^ „augufttnif^" ba^te. Sluguftin erfuj^r ba«,
noc^ e^e er bon ben „SRaffilienfem" l^örte, jtoeimal in feinem eignen Äreife. SSietteit^t
fc^on um 420 (SBald^ V, 13 f.) fa^ er fid^ genötigt, Brief lid^ einem Äart^aginienfer Sitali^
6 entgegenzutreten, ber !ein ^elagianer toar, aber ebenfo toenig ein Slni^änger ber genuin
augujiinifc^en ©nabenle^re (ep. 217. II, 978—989). Slugufiin« S3rief lä^t IS^inlängli^
ertennen, toie biefer SSitali« badete. 3)afe ®ott burd^ feine ®nabe bie religiosae vi-
tae bona in ben 9Renfd^en toirfe, gab er gu (7, 29 p. 989); aber ba^ Oläubigtoerben
fa^ er nur in bemfelben ©inne aU eine SÖirlung ®otte^ an, in bem esJ Sluguftin bor
1(1 396 get^an ^atte (k)gl. 9b II, 278, 48ff.): operatur ille (seil, deus), quantam in
ipso est, ut velimus, eum nobis nota fiunt ejus eloquia; sed si eis acquies-
cere nolumus, nos, ut operatio ejus nihil in nobis prosit, efficimus (1, 1 p. 978);
cui (seil, doetrinae dei) si consentit [bomo], reete utique dieuntur ab illo dirigi
gressus ejus, ut viam ejus velit, cujus doctrinam suasione praecedente, sub-
15 sequente consensione sectatur, quod libertate naturali, si vult, facit, si non
vult, non facit, pro eo, quod fecerit, praemium vel supplicium recepturus
(2, 4 p. 979). äluguftin l^at bemgegenüber, bamit bei 3Sitali« nihil illius (seil. Pelagii)
. . . relinquatur erroris (bgl. oben @. 192,53), t)omel^mIid^ betont, ba^ bie ®nabc
gebadet toerben muffe al$ praeveniens hominis voluntatem unb al^ gegeben
2()sine Ullis humanis praecedentibus meritis (2, 5—3, 8 p. 980 f.). Übrigen^ ge^t
er in ben 12 6ä^en, in benen er in biefem ©riefe in Segug auf bie quaestio de dei
gratia bie fides catholica formuliert (5, 16 p. 984 f.; t)gl. 17), ni^t über bie Snt^
fc^etbung k)on Slart^ago ^inau^. 3)a^ für i^n Jelbft mit Sinertennung biejer ©ä^e bie
ätnna^me einer [bie formale ^rei^eit nic^t au^fcplie^enben] unbebingten etvtgen electio
25 gegeben n)ar, cum tarn multi salvi non fiant, non quia ipsi, sed quia deus non
vult, toerbarg Äuguftin freiließ ni^t (3, 9 p. 982; 6, 19 p. 985 unb 5, 16 3lx. 10
p. 985; bgl. 7, 27 p. 988); boc^ rüdfte er offenbar abfid^tlic^ (bgl. 4, 15 p.984) biefe
ftonfequenj^cn nic^it in ben 3Sorbergrunb. — ©ine Erfahrung bertoanbter Slrt machte
äluguftin 426 ober 427 an ben ?Könc^eit in ^abrumetum. Sin feinem S)enfen nad^,
30 toie ein ©rief feine« äbte« an Sluguftin (ep. 216. II, 974 ff.) un« tel^rt, bem äuguftin
na^eftel^enber 9)Jön^ biefe« Älofter«, ^loru« mit 9iamen, Ifattt t)on einer 9leife au« feinen
Älofterbrübem ben langen S3rief jufommcn laffen, ben Sluguftin im 3- 418 bem römi=
fc^en $re«b^ter unb fpätem Sifc^of ©ijtu« gef (^rieben ^atte (ep. 194. II, 874—891 ;
bgl. oben 39b XV, 774,2?). Slber ba« ©efc^enl l^atte 3toietra(|t getoirft. ©ie energifc^c
:^5 5orm, in ber Sluguftin ^ier jebe« ber gratia borau«gel^enbe SSerbienft jurüdtgetoiefen,
bie fides al« eine ®abc ®otte« bejeicbnet unb (bgl. ep. 194, 8, 34 ff. p. 886 ff.) bie
ftrengs))räbeftinatianifc^en Äonfequenjen biefer ®ebanlen offenbart ^atte, rid^tete einen
förmlid^en iumult in bem Älofter an: me^r al« fünf ber ?Könd^e toaren über biefe Slu«^
füE^rungen im l^öd^ften Wla%t aufgebracht, unb i^re animositas reigte bie anbem auf
40 (ep. 210, 2 unb 3. II, 975 f.). Sluguftin erfuhr bon biefen SSer^ältniffen burd^ ben
münbltc^cn Scricbt jtoeier jugenblic^er 3Jlönc^e an^ bem Älofter, bie o^ne bon bort offi-
ziell gefanbt ju fein, bei if^m fic^ einfanben (ep. 214, 1 unb 5. II, 969 f.). SBenn er
barauf^in ben ^JJönc^en in ipabrumetum fc^rieb: Cresconius et Felix... nobis retu-
lerunt, roonasterium vestrum nonnulla dissensione turbatum eo quod quidam
Vi in vobis sie gratiam praedicent, ut negent hominis esse liberum arbitrium,
et, quod est gravius, dicant, quod in die judicii non sit redditurus deus uni-
cuique secundum opera ejus, etiam hoc tarnen indicaverunt, quod plures
vestrum non ita sentiant, sed liberum arbitrium adjuvari fateantur per dei
gratiam ut recta sapiamus atque faciamus, ut cum venerit dominus reddere
50 unicuique secundum opera ejus, inveniat opera nostra bona, quae praepa-
ravit deus, ut in illis ambulemus. hoc, qui sentiunt, bona sentiunt (ep. 214, 1.
II, 969), fo tDtrb man in biefen SKorten, bie ben münblic^en Serid^t bertoirrter Süng*
Ungc nur fobeit t^crtoerteten, al« e« ber Selel^rung bienlicb tvax, leine jutreffenbe ©or-
ftellung ber i>er^ältniffc in ^abrumctum finben fönnen. 6rft nad^bem Suguftin ben
55 5Kön(^en mit biefem ©riefe unb einem burc^ bie Dergögerte Slbreife ber Soten öeronla^en
5h)eiten (ep. 215. II, 971 ff.) fein Sud» de gratia et libero arbitrio (X, 881—912)
gefcbidtt unb fie barin belehrt ^atte, bafe ba« SJirfen ber gratia bie [formale] gftei^
unb bie 2o^n=Crbnung nid»t aufF^ebe, bielme^r bie toal^re greil^eit erft fd^affe unb bie
merita in un« toirfc, crft ba fc^eint ba« ,.bona sapere" ben „plures" möglid^ gc*
(»toorben ju fein (ügl. ep. 216, 4 ff. II, 976 f.). gloru« mag ftet« auguftintfd^ gAad^t
Semi)ielagi«iidiiiitd 196
fyibm (ibid.), aber aud^ er ^atte nad^ feiner diMUf)x ben Üop^ berloren (ep. 216, 3.
II, 975); berälbt tt>ar l(^iIfIod getoefen; bie plures aber Ratten „QttüüUV' gegen ^lorud,
ber bad böfe 9uc^ 3(uguftin^, bie epistula ad Sixtum, i^nen gefd^enft ^atte (ibid.).
Unb toäl^enb bie liefen, bafe bie ^eil^eit nic^tö fei, baft ®ott nid^t na(^ ben SBerten
richte, ba^ päbago^ifcpe ^nd^t (correptio) unberechtigt fei, (ebiglic^ llonfequengen gemefen n
3U fein fd^einen, bte man bem ^loru^ unb benen, bie gu i^m i}iüim, anbic^tete (t)gl.
ep. 216, 4. II, 976 unb 214, 6 p. 970), fann laum bejtoeifelt Serben, bafe bie^J)iel^r=
ga^l ber SRönd^e ber Meinung jen>efen toar, bie 3(uguftind epistula ad Sixtum
al^ ))elagianifc^ branbmartte, ber Meinung, baf; ba^ medtum fidei ber @nabe Darauf-
gebe (tjgi. ep. 215, 1. II, 971): bie ber Majorität ange^örigen 3Jlönd^e, bie ju Stuguftin lo
gefommen toaren, erfd^ienen bem äuguftin ber Untertoeifung fe^r bebürftig (ep. 215, 1).
^(ber bie simplicitas ber ^önd^e t)on ^abrumetum h>ar auc^ ebenfo n>iuig, Sele^rung
angune^men. ^ie günftigen 92ad^rid^ten, bie ber 9(bt über bie älufna^me ber ©c^rift de
gratia et libero arbitrio burdb ^loru^ gefanbt l^tte (ep. 216), Veranlagten 9tuguftin,
bem 9lbt unb ben 3Rönd^en no4 eine gtoeite Sele^rung^f^rift guf ommen gu laffen : de 15
correptione et gratia (X, 916—946). 3)iefe ©(^rift ^at ben TOönd^en biel ju ber?
bauen gegeben; benn fte ift eine ebenfo ))rägife tvie ungefc^minfte Darlegung ber genuin
auguftinifd^ @nabenlel^re. SBo^l bleibt, tt)ie Sluguftin l^ier au^fü^rt, jeber ^})tenf^ ber-
anttoortlic^ für fein %f)un, benn sua voluntate fünbigt er; aue correptio ift ein
3Rittel, burd^ ba« (Sott tüirlt; aber ber 3)lenf(^ fyit o^ne bie ®nabe eigentlich lein 20
liberum arbitrium, fonbern ein arbitrium peccati servum (13, 42 p. 942). allein
bie®nabe @otted befreit il^n; cui volenti salvum facere nullum hominum resistit
arbitrium (14, 43 p. 942), ®ott aQein giebt auc^ bie perseverantia, unb gtvar fo,
ba^ bie, benen er giebt, per hoc donum non nisi perseverantes sint (12, 34
p. 937); fo alfo ift ®ott ber infirmitas voluntatis humanae gu ^ilfe gefommen, 25
ut [voluntas humana] divina gratia indeclinabiliter et insuperabiliter
ageretur (13, 38 p. 940). @otted emige electio unb praedestinatio ift ber hinter-
grunb aQer ^eil^mirlung in ber 3^i^f unb ber numerus electorum ift ita certus, ut
nee addatur eis quisquam nee minuatur ex eis (13, 39 p. 940). 3la6) einem
@runbe ber inscrutabüia judicia dei ^aben mir nic^t }u fragen (8, 17 p. 926). — .%
2)a^ bie SRönc^e \>on ^obrumetum mit boQem S^erftänbni^ bem aQen jugeftimmt f^abm,
ift untoa^rfc^einlic^. 9[ber fte ^aben gu tviberf))rec^en nic^^t ba^ 3^U0 gehabt. 9(uguftin
meint felbft, fie müßten tuieber uttb toieber lefen, tua« er i^nen gefc^rieben ^abe (1, 1
p. 917). S)ad ^iefe aber toal^rfd^einlic^ me^r forbem, ate erreid^bar toar.
3. 9(nbererort^ (a^ man bie ©c^rift de correptione et gratia mit me^r SSer- S6
ftänbnid: in ©übgaHien, in ben 3)lönd^^freifen bon 9Jlaffilia unb Serinum, tüirfte fie
tvie ein Ultimatum, ba^ ^albe ^reunbe gu ^einben mac^t (t)g(. ep. Aug. 225, 2. II,
1002 f.). Seit längerer Qtii fd^on toaren ^ier bie buw^ Silbung unb „§eiligfeit" ^erbor^
ragenbften, im lir^lic^en Seben einflufereic^ften 3Jlänner, 3(bt ^o^anne« ßaffianu^ t)on
aWaffilia (i>gl.»blll, 746—749), §ilariu«, 3)tönd^ in Serinum, fpäter (feit 428) »ifc^of 40
bon ärleg (i)gl. 93b VIII, 56 f.), unb anbere, Stuguftin gegenüber in i^rem Vertrauen
unfic^er getDorben. ©einem 3$orge|^en gegen $e(agiu^ Ratten fte jugeftimmt ; aber je me^r
^uguftin^ ©c^riftfteQerei bie f^jegififc^en @igentümli(^!eiten feiner ©nabenle^re ^atte ^er-
vortreten laffen, befto ftufeiger toaren fte getüorben. §ilariug, ber ein aufrid^tiger 33e=
tounberer Stuguftin^ toar, batte längft fd^on brieflich i^n interjjeHieren Collen (Prosper 46
ad Aug. ep. 225, 9. II, 1007). Saffian, beffen Sejie^ungen jum Orient in biefem
^ufammen^nge m. S. unnötig betont h?erben — benn feine 93ilbung tuar nid^t nur
etne orientalifdje, au^ er ^atte öon Stuguftin gelernt (t)gl. c. Nest. 7, 27 ed. ^etfc^enig
I, 385, 19 ff. — , ^atte in bem gleiten, nod^ t)or ber ©r^ebung be« §onoratu^ auf Den
S3if<^ofdftu^t öon Strle«, alfo öor 426, gefd^riebenen 3:ei(e feiner coUationes patrum w
(üb. XI— XVII; togl. prol. II, 311, 5), o^e Stuguftin gu nennen, bie äg^j)tifc^en
3Rön(^«toäter für eine ©nabenle^re geugen laffen (coli. 13. II, 361 ff.), bie ben fpegififc^
aiiguftinifc^en ©ebanfen faft ebenfo fern ftanb, al^ bie SSorfteHungen, bie Stuguftin bei
aSitalid ate SRefte })elagtanif(^en 35enlen^ begeic^net ^atte (ögl. 0. ©. 194, 7 ff.), ^eutlid^er,
ate ed bei 2Jitali«J erlennbar ift, geigt fid^ bei Saffian, bafe er mit Stuguftin gegen ^ela= 65
giug fotoo^l ^infui^tlic^ ber ßrbfünbe (g. S. coli. 13, 7, 3. II, 370, 4X ate bJnfic^ttic^
bed SSefend ber @nabe übereinftimmte : deus nobis et initia bonae voluntatis in-
spirat (coli. 13, 3, 5. II, 364, 17 ff.). Stuc^ ein prae venire ber ®nabe h?ar für
Saffian nic^t unbenibar. Stber ebenfo toenig fd^eute er ben ©ebanlen, bafe ®ott gelegentli^
ber 3Renfd^ fu^ erbarme, toeil fte mit einem fc^tvac^en initium bonae voluntatis 60
13*
196 gawyriigi— rtwtf
tE^m entgegenfommen: balb mad}t, tute bei ^kmluig, bte @nabe, balb, tote bei ^^c^^u^r
bee ^y^enfd^cn 55erlangcn ben anfang (coli. Vi, 11. II, 375 f.). 3^ie gratia inspira-
tionis tfi'd in beiben ^^oUen, bie bot "iDienfc^ rettet: dd benignitaSy cum bonae
voluntatis in nobis quantulamcmnque scinüllam emicnisse perspezerit vel
h quam ipse tamquam de dura sllioe noetri cordis ezcuderit, confovet eam et
exsuscitat suaque inspiratione conlortat (colL 13, 7, 1. II, 369, Iff.). äCber
ebenfo ift in betben T^dßen bie [t7aTan9ebenbe ober na(^fo(genbe] 3uf^^>^^^d ^^
3Rtn\d^ eine Sebingung feiner Slettung: manet in homine liberum semper arbi-
trium, quod gratiam dei possit vel ne^egere vd amare (colL 13, 12. 8. II,
10 381, 2 ff.); omnes, qui pereunt, contra dei pereunt voluntatem (coli. 13, 7, 4.
II, 370, 7; togl. 1 li 2, 4 colL 9, 20, 2. II, 269; coU. 13, 7, 1 u. 3 p. 369 u.ö.)
— Solvent Xenten mu^te 31ugufKnS Schrift de correptione et gratia tvie eine
birette 0egenf(^rift erfc^einen. SWö bie 3RaffUienfer fte lennen (ernten, fublten fie f\d)
nur abgefto^en : aversiores, quam fuerant, recesserunt(Pro8per ad Aug., ep. 225,2.
16 II, 1003). ^reilic^ fel^lten auc^ in bem WaffUienfer Areife entf(^i^ene^eunbe9(ugufttn^
nid^t gan^: f))äteften$ feit ber (Sr^ung be^ ^iloriuS auf ben Sifc^ofi^ftu^I bon ä(rle^
(428) lebte ^rofj)er bon »quitanien unter ben Wönc^en aJlaffüia« (t)gL oben 93b XVI,
124,9 ff.). 6r unb fein greunb jpilariu^, ein fonfk unbefonnter pv^bnixö^ ©c^üIer
äuguftin« (Aug. ep. 216, 10. II, 1013), berichteten bem «uguftin 428 ober 429
2r>in jtoei auefü^lic^en ©riefen (Aug. epp. 9lr. 215 unb 216. II, 1002—1012) über
ben 9Biberftnru4, bem feine Se^re je^t in WaffUia unb anbem Orten [Süb-jCSaUien^
(ep. 216, 2 p. 1007) begegnete. 3^tefe Senate (togl. ba« Gitat au^ $rof>)er« Srief,
ep. 215, 3, oben 93b VIII, 57) berbienen einen e^reni)la^ unter oDen ö^nlic^en ©{^reiben ;
benn ben ^Kännem, toon beren Sel^e fic 3)fitteilung machen, toirb i)erfönli(^ all i^rc
2& Q[)x^ gelaffen: fie l^ei^en sancti (ep. 215, 3 p. 1(H)3), clari unb egregii in omnium
virtutum studio (ib. 2); unb il^re Seigre toirb nic^t nur ol^ne alle ©ntftellung toiebep
gegeben, fonbem auc^ auf ij^e toirüic^en, anerfennen^erten 9Jlotibe jurüdgefül^rt %ob
genbe^ ift au^ biefen Seric^ten über bie Seigre ber 3Raffilienfer in ber Rürje ^ert>or-
ju^eben: 1. fie be^au))ten [mit 9tuguftin unb gegen ^elagiud] omnem hominem Adam
9f) peccante peccasse, et neminem per opera sua, sed per dei gratiam regene-
ratione salvari (ep. 215,3); 2. aber fie nehmen änftofe an Sluguftin« ?Präbeftination^=
le^re (ib. 6) unb ber ^u i^ gehörigen 3tnna^mc ber Unfäl^^igleit be^ 3Renf(^en gu eignem,
freien (Srgreifen ber ®nabe. Sie bertoerfen biefe SJorfteüungen unb gtoar a) toeil fie
eine 9^euerung feien, a nulle unquam ecclesiasticorum ita intellecta (ep. 215, 3
96 p. 1003 f.; t)gl. 216, 2: novum), unb b) h?eU pe ber lirc^lic^en SSertünbigung, 6r=
ma^nung unb Seelforge ben 93oben entzögen: exdudi putant omnem praedicandi
rigorem, si nihil quod per eum excitetur in hominibus remansisse dicatur
(ep. 226, 2 p. 1008; ögl. 5 p. 1009 f. unb 225, 6 p. 1005); 3. fie glauben bielmebr,
bafe (Sottet $eiterat, quantum ad deum pertinet, alle 3Jlenfci^en umfaffe (ep. 225,6);
10 net^men 4. an, bafe in be« DJienfc^en freiem SBitlen bie (Sntfd^eibung liege, ob er fu^
retten laffen tooKe ober nic^t (225, 3 u. ö.): per praeoperantem et cooperantem
gratiam liberum non impediatur arbitrium (225, 8; ögl. 226, 6 über bie 3tb^
Ie(;nunfl ber oben S. 195,24 ermähnten g^ffung be^ donum perseverantiae ; 5. bie
praedestinatio (bon ber fie auf (Srunb be^ Slömerbrief^ natürlic^^ a\x6) reben mußten)
r. fjrünbeten fic auf bie praevisa merita credulitatis unb perseverantiae: qui credi-
turi sunt, quive in ea fide, quae deinceps per gratiam sit juvanda, mansuri
sunt, praescisse ante mundi constitutionem deum et eos praedestinasse in
rof^num suum, quos gratis vocatos, dignos futuros electione et de hac vita
bono flne excessuros esse praeviderit (225, 3). — 35ie fo c^arafterifierte änfc^auiuig
ü<» ift bie (Sa)fian^ unb feiner (^efinnung^genoffen. (Sinige, berichtet $roft)er (ep. 225, 4
p. 1004), fänben bie gänjlic^ gratis gegebene gratia nic^t in ber gratia, qua in
Christum renascimur, fonbern in ber ben fltenfd)en mit SSernunft unb Rrei^eit au^
ftattcnbcn gratia creatoris ober initialls unb näfjmen an, bafe ber Sölenfcp bono na-
turae bene usus, ad istam salvantem gratiam initialis gratiae ope meruerit
66 pervenire.
2Iuguftin f;at an biefen Seric^tcn 3(ula^ genommen (too^I 429), bie beiben bem
^rofper unb .^ilariu5> geloibmctcn (Schriften de praedestinatione sanctorum (X,
960 -992) unb de dono perseverantiae (X, 992— 1034) ju fc^reiben. 3)iefe Schriften
bclmnbcln i^toar il;rcn Sto^ im ©egenfa^ ju ben SKajfilicnfern — bie erfte fü^rt ba^
♦^1 Initium fidel, bie jtocitc baö perseverare usque ad finem allein auf (^otted ®nabe
Semtyelagiamdmtid 197
gurüd — ; aber Slugaftiu tüoütc feinen greunben mel^rüber unb für (de praed. 19,38
p. 988: de et pro) biejenigen fc^reiben, für bie fie pia cura beriefen l^ätten (ibid.
1, 2 p. 961), afe gegen fie. 3)ie [nie genannten] ©egner fmb il^m nid^tÄe^er, fonbem
irrenbe Srüber (de praed. 19, 38 p. 988: hi nostri), unb getuinnenb bemerlt er ge^
Icgentlic^ (de praed. 3, 7 p. 9(54), ba er 1 Äo 4, 7 einfül^rt : quo praecipue testimonio ö
etiam ipse eonvictus sum, cum similiter errarem, putans fidem, qua in
deum eredimus, non esse donum dei, sed a nobis esse in nobis et per illam
nos impetrari dei dona, quibus temperanter et juste et pie vivamus in hoc
saeculo. 3)enno(^ begreift f\6^, bafe biefe beiben ©c^riften, bie ben fjje^ififc^en 6igen=
tümlid^feiten ber auguftinifc^en ©nabenle^re ben f(^ärfften Stu^rudf geben, bie ©egner lo
nid^t umjuftimmen bermoc^ten.
4. äuguftin tüarb bem tüeitem SiampU burd^ feinen %f>\> (28. Stuguft 430) entrücft.
^roft)er toar fdbon, e^c fein 3Keifter ftarb, toon bem „piam curam gerere" (oben
3cile 2) }ur ?ßolemiI übergegangen (ögl. 93b XVI, 124, 49 ff.): fein Jcarmen de in-
gratis (MSL 51, 91—148) toerfuc^te, bie Oegner ber ©nabenle^e Sluguftin^ in bie 16
^Verurteilung be« ^elagiani^mu^ ^ineinjugie^en. SKac^ 3tuguftin^ lob tüarb ber ©treit
heftiger: ^rof))er fa^ ftd^ öeranlafet, responsiones ad capitula objectionum Gallonim
calumniantium ju fd^reiben (MSL 51, 155—174; Aug. X, 1833—1843) unb einem
Sincenj, tool^l bem fierinenfer (ögl. ben 21.), ber i^n jjerfönlid^ angegriffen ^atte, re-
sponsiones ad capitula objectionum Vincentianarum entgegenjufteÖen (MSL 51, 20
179—186; Aug. X, 1843—1850). Unb über ©aüien ^inau« griff bieerregung: gtoei
genuefif(^e ^riefter, bie in bie beiben legten ©c^riften 3luguftin8 jid^ nic^t finben tonnten,
erbaten unb erhielten \>on $rof))er responsiones ad excerpta Genuensium (MSL
51, 187—202; Aug. X, 1850—1858). M biefe ©c^riften tragen ben 5RebentiteI „pro
Augustino''. aber bie ®egner tuirflic^ „für äuguftin" ju gewinnen, h?ar ^rof^er^ 25
betriebfame Unfelbftftänbigleit aufeer ftanbe (t)gl. 33b XVI, 125, 9 ff.), gr unb fein
^eunb §ilariu^ machten fid^ be^j^alb, fj)ätcfteng ^tü^jal^r 432, auf nac^ SRom, um bort
ßilfe JU fuc^en. ßäleftin, ber bi^^er atö ein entfd^iebener ®egner be« ^elagiani^mu^
fxd} ertütefen ^atte (t)gl. 93b XV, 774, uff.), fonnte ftd^ i^nen nic^t ganj entließen. 35o(^
ift bie ©igenart be« Sriefe^, ben er auf tl^re 3SeranIaffung an bie gattifd^en 33ifc^öfe 30
richtete (Jaffa ^Rr. 381; Aug. X, 1755 f. c. I u. II; über III— XIII f. u. ©. 199, 24 ff.),
getüi^ ntd^t nur baburc^^ ju erflären, bafe ßäleftin, h)ie feine S3riefe im neftorianifc^en
©treit betoetfen, grofe barm toar, über bogmatifc^e J^agen ^o^e 2Borte ju machen, ol^ne
irgenbmie auf bie ©ad^e felbft einguge^en. ßäleftin h?o Ute offenbar nid^t ©teDung
nel^men. ©eine 9Äa^nung an bie gatlifc^en Sifc^öfe (ju benen auc^ $ilariu^ t). 3trle« 35
gehörte!), fie foüten bie „$re«b^ter" jurüdtf^alten, bie nad^ bem 93eri4t be« $rofj)er unb
$ilariu^ bie (Sintrad^t ber Äird&e ftörten, inbem fie ungehörige fragen anwürfen, fear
unfaßbar ; feine ß^renerllärung für XUuguftin : Augustinum sanctae recordationis virum
pro vita sua atque meritis in nostra communione semper habuimus, nee
unquam hunc sinistrae suspicionis saltem rumor aspersit, fd^tt^ieg ^on feiner Sebre 40
unb grünbete feine S^Ö^I^örigfeit ju ben magistri optimi nur auf bie ©elel^rfamleit,
bie er bei feinen Sebjeiten (olim) befcffen l^atte. ®g toar fc^toer gu fagen, h?en bie«
römifc^e Drafel meinte, toenn e« forberte: desinat incessere novitas vetustatem!
3)ie 3)inge in ©allien blieben ftc^ felbft überlaffen. ^rofper ^at nac^ feiner Slücflel^r
bie ^olemif fortgefe^t: feine ©egenfd^rift gegen bie collationes Gaffian« (de gratia «
dei et libero arbitrio contra coUatorem, MSL 51, 213—276; Aug. X,*'1802— 1834)
ift 433 ober 434 toerfafet (ügl. oben SbXVI, 125 f.). 5Die ©c^rift geigt trofe il^re« toer^
fö^nlid^en ©(^luffe«, bafe bie ©egenfä^e fid^ fe^r üerfc^ärft l^atten. ©ie geigt aber jugleic^,
bafe ^xo^pct einen ©ieg feiner ©ac^e, tüenigftenö gunäc^ft, nic^t gu erhoffen toagte. ®r
verliefe auc^ ben ©d^au^jla^ be« ©treite« (33b XVI, 126, uff.) unb l}ai toon 9flom au« so
nic^t me^r in i^n eingegriffen. Xa^ in eben biefer ^dt, ha ^rofj)er nac^ 5Hom über^
fiebelte, 434, SSinceng t). Serinum (MSL 50; bgl. b. 3t.) fein commonitorium pro
catholicae fidei antiquitate jjubligierte, beftätigt ben ®inbrucf, bafe ^rof})er eine l^offs
nung«lofe ©aAe im ©tid^ lie^. ©iege«geh?iffer, al« in biefem bie ftrittige ©nabenle^re
gar nicpt bi«futierenben 33u(^e, tonnten bie (Segner Sluguftin« gar nic^t auftreten. 65
äuguftin ift in biefer berüf)mten Schrift freilieb gar ni^t genannt. 2lber )[ücnn an
Drigene« unb ^^ertuDian bemonftriert ivirb, bafe aud^ bie Älügften in gefäJ^rlic^c ^ntümer
faden fönnen (17 al. 23 unb 18 al. 24), fo tpar bem gallif^en Sefer bie 2lnh?enbung
auf ben großen Stfrilaner nidE^t fd^tocr. (i« h?ar auf 3luguftin gemüngt, \m^ Sinceng
t>on Origene« fagte: tantus ac talis, dum gratiae dei insolentius abutitur, dum go
198 Semtydogiaiiti^mttd
ingenio suo nimium indulget sibique saus credit, cum parvi pendit antiquam
christianae religionis simplicitatem, dum se plus cunctis sapere praesumit,
dum ecclesiasticas traditiones et veterum magisteria contemnens quaedam
scripturarum capitula novo more interpretatur, meruit, ut de se quoque
5 ecclesiae dei diceretur: ,,non audies verba prophetae illius" (^t 13,3; c. 17
al. 23). Unb nictnanb fonnte jtücifcln, toag gemeint toax, toenn Sincenj auf ber fjolic
feiner Stu^fü^ngen über ben redeten 2^rabttionali^mu^ ber SKa^nung Göleftin« neue, ein=
brudt^boQe Sebeutung gab: desinat itaque incessere novitas vetustatem (32 al. 43)!
3n ber I^at behauptete bie Stnfc^auung ber ÜRaffilienfer in ©aDien ba^ %d'b. 3)a6
10 man auc^ in ©allien toon ben SSertretern ber auguftinifc^en ^räbeftination^Iel^re toie toon
einer neuen ÄeftergnH)})e, ber ®nH)))e ber Praedestinati, gerebet bat, ift nid^t gu er^
toeifen. ^enn oer über praedestinatus, bei bem fold^e $olemiI nacptveidbor ift, ftammt
toa^rjd^einlicl^ nic^t, tüie man frül^er annahm, au« ben Äreifen ©aDiend, bie toie bie
aiaffilienfer backten, fonbem au« Ir9t)to=t)elagianif(^en Äreifen Italien« (t>gL Sb XV,
16 774,32ff.). Unb tüeitere juberläffige ^eugen giebt e« nic^t (ögl. SßJalc^ V, 234 ff.).
®a« aber ift angune^men, ba^ ber Wl^f^xt^i ber gaQtfc^en Sifc^öfe ber 3^^ ^^ ^oO
Sluguftin« ))räbeftinatianif(^e ©ebanlen ate eine Äei^erei erfc^ienen. ^a, ate um 473
(bgl. 93b V, 783, 42) ein ^re^b^ter Sucibu« ftreng t)räbeftinatianifci^e ©ebanlen ju t)er-
treten geh)agt ^atte, l^aben tro^ feine« äBiberruf« (pQl. Faustus, ep. 1 unb 2. ed. @ngek
20 brecht p. 161—168) jtoei ©^noben (gu 3lrle« unb S^on), beren alten toerloren fmb, bie
^ärepe au«brü(IU(^ berurteilt unb ben 93ifd^of gauftu« bon SReji beauftragt, ber Strle^
ber ^räbeftinatianer gegenüber bie toon ben ©^noben vertretene redete Se^e borjulegen.
3)ie llbri duo de gratia, bie gauftu« bann öerfaftte (bgl. oben S3b V, 784, isff.),
fte^en toefentlic^ auf bem gleichen ©tanbjjunit toie ßafftan: öon bem pestifer doctor
25 Pelagius (1,1 ed. (Sngelbred^t p. 8, 23 f.) n^iU ^auftu« ebenfo toenig tttoa^ tuiffen tt>ie
t>on bem error praedestinationis (prol. p. 3, 9). ^a, nod^ me^r al« bei ben altem
SKaffilienfem, tritt bei gauftu« ber ßtnflufe Stuguftin« jurüd: bie innere @nabe fel^lt gh)ar
bei il^m nid^t ganj (Sffiörter, ^ur ©ogmcngefdj. u. f. to. ©. 52 f.), aber ein befonberc«
3ntereffe für fie benät fic^ bei ^Jauftu« nid&t. 3)a« 93eh)ufttfein, eine ©onberle^re gu
:jü vertreten, lag babei gauftu« unb feinen 2Ritbifd^öfen gänjlid^ fem ; i^re anf^uung
^errfc^tc in Pallien. 2)ie Urteile be« ©ennabiu« toon 3Kafftlia (um 492) über bie lirc^=
lid^en ©d^riftfteller be« legten 3iö^^^unb«t« (Vgl. oben 93b VI, 514, 47 ff.) finb einer ber
Vielm 93eh)eife bafür, toie felbftverftänblid^ feiner ^^\i biefe ^errfc^aft toar. Unb §ilariu«
von 2lrle« toie gauftu« von Sleji finb ^eilige ber Äirc^e il^rer ßeimat getüorben.
35 5. 2)oc^ toaren anbere 9lnfc|auungen anberort« nid^t au«geftorben. Vielleicht aud^ in
©aDien nic^t ganj ol^ne SBertretung. 2luf jtoei intereffante anoni^me ©<^riften, bie au«
bem 5. Qöl^r^unbert, ber 3^^^ "^c^ 430, unb Vielleicht an^ bem ©allien biefer
teit ftammm, unb auf bie Haltung be« römifd^en ©tu^le« ift ^ier l^in^utoeifen. 2)ie
cbriften, bie ic^ meine, bie libri duo de vocatione omnium gentium (MSL 51,
40 647—712; Vgl. 5IBörlcr, 3^^ 2)ogmengefc^. ©. 3—43) unb ba« hypomnesticon
contra Pelagianos et Caelestianos (Aug. X, 1611—1644), finb jitoar nic^t bireft
al« ©trcitfc^riften gegen bie ©nabenlel^re aufjufaffen, bie von ben ^affilimfem Ver-
treten tüurbe. Slber fie bcjc^äftigen fic^ mit ben S^gen, bie burc^ fte jur 35i«Iuffion
gcftetlt tüarcn, unb l^alten babei mel^r al« bie TOafftlienfer, freiließ in verfc^tebenem ÜRafee,
45 bie Sinic ber auguftinijc^en 3:rabitionen inne. 3)er 9Serfaffer ber libri duo de vocatione
omnium gentium, in bem man, ol)ne e« betüeifen ju fönnen, ben fj)ätcm römifc^en
JBifd^of ^co finben ju fönnen gemeint l^at (Vgl. 2Balc^ V, 90), ift im toefentlic^en
2luguftincr. ^odj fuc^t er gelegentlid^ (Vgl. 2, 25 p. 710f.), vielleid^t Von ben 3Raffilimfem
auf bie 93abn biefer ©cbanlen gcbrad^t (Vgl. oben ©. 196, 64 ff.; aber Änfä^e ftnb audi;
o() bei Sluguftin vorl)anbcn, Vgl. JiJoof«, 2)®* ©.391 2lnm. 5), bie §ärten ber augufti^
nifcben 2lnfd;auung i^u verhütten burc^ bie 2lnna^me einer gratia ober benignitas
generalis nahen ber gratia specialis, ^ie 9Serl>üttung bleibt aber fel^ burc^fic^tig.
5)enn ba bie ßrlangung ber gratia specialis nic^t in ber Stellung ber ÜRmfc^en gur
benignitas generalis, fonbem lebiglic^ in ®otte« Sffiitten begrünbet ift, fo ift'« glei(^=
55 giltig, ob ben ftreng ^räbcftinatianifdben ©ebanlen eine gratia generalis Vorau«gel^t,
ober nidit. — ©clbftftänbiger ift ber 5>crfaffcr be« in ber 3)ogmengefd^t(^te bi«l^ um
gebübrlid) vernad^läffigtcn Hypomnesticon. 3ä.^flnn unb ivo e« entftanben ift, läfet ftc^
nid^t ficf)er fagen. iic $vpotl;efc, e« rüljrc Von 5Rariu« "üKercator (geft. nad^ 451) ^
(Vgl. gegen fie aud; ^b XII, :i\A, isff.), ift in. (r. feiner ernftlicben Srtoägung toert.
eo 3)Jariu« :9JJercator n)ürbe, um Von anberem ju fc^ioeigen, Sluguftin nic^t unertoö^^nt gelaf|en
f)Qbm, Doc^ mag bic ^^xt ber ©d^rift bur(^ bieje fi^ot^cje ri(^tia angegeben fein.
SebenfoII« toitb man eine ©c^rift, bie im 8. ^al^bunoert aü auguftinifd^ galt (togl.
2oof« 3)®* ©. 46i anm. 5; aber auc^ S. 465 bei änm. 5), nid^t über bie 3eit be«
Säfariu^ t)on 9(rle^ (geft. 542) ^inau^rücfen bürfen; unb ba| ein ©d^riftfteller, ber bie
ganje burd^ äuguftin, ^elagiu^ unb bie 3JlaffiIicnfer angeregte ^age bel^anbelt, ol^ne 5
äluguftin §u nennen, e^er in ber ÜRitte be^ 5. S^W""*^^^ «I^ ^^ fed^ften i^u
benlen ift, toirb tüal^rfc^einlid^ genannt toerben muffen. ÜRit ffia^d^einlid^feit h?irb man
auc^ ©aüien ate bie §eimat ber @(^rift anfe^en bürfen. 3Da^ ^jntereffante an ber
Sc^^rift ift bie Umbilbung ber auguftinifd^en ©nabenle^re, bie in i^r Vorliegt. @d^on
$rofj)er l^tte toon benen, bie ba^ donum perseverantiae nid^t erhalten, gefagt, bafe lo
@ott illos niituros propria ipsorum voluntate praescivit et ob hoc a filiis
perditionis nulla praedestinatione discrevit (respons. ad cap. Gall. 7. Aug. X,
1836). 2)oc^ ifi bie annähme, bap fc^on ^ier bie gnrefiftibilität be^ göttlid^en ©naben^
ipitten^ aufgegeben fei, tueber nötig — benn bie propria voluntas ber 3Dlenfcben brängt
naturgemäß bon ®ott ab, tüenn feine ®nabe fie nic^t ^ält — , noc^ nad9 ^ro^er« is
fonftiger Haltung möglic^. 3)er 3}erfaffer be« $^})omneftifon aber t^ut biefen ©d^ritt:
er toertoirft gtoar bie Segrünbung ber ^räbeftination auf bie praevisa fides (6, 4, 5
p. 1659), aber er red^net mit ber aftöglid^feit eined ffiiberftanbe« gegen bie ®nabe
(3, 13, 30 p. 1659), bejeic^net allein bie electi atö praedestinati unb fagt t>on ben in
maus operibuB praesciü: bis poenam praedestinatam esse f atemur (6, 5, 7 ao
p. 1660; \>qI 6, 8, 8 p. 1662). — Sä^nlic^^ fd^eint man in SRom ftd^ gefteUt ju ^aben,
toenn auc^ o^ne fo offen e^ au«juft)re(^en. SBir ^aben nämlic^ (t)gl. SQSalc? V, 82 ff.
unb Smolb, Göfariu« 6. 335 ff. 2lnm. 1104) ate alten, aber unechten ansang ber oben
@. 197, 28 ff. ertoa|^nten epistula Caelestini adOallos einen compendiosus indiculus
ortbobojer 3flic^tlinien gegenüber irrigen SorfteHungen toon ber ®nabe, beffen ©ntfte^ung 25
^toor bunlel ift — ^.ö.Sc^ubert 211 XXIV, 4, ©. 121 ff. benit mit altem ©elebrten an
eine äbfaffung burc^ ben fj)ätem ^a})ft 2eo — , toon bem fid^ aber bart^un läßt, bafe er
fc^on um 500 ate offizieller 3lu«bru(f ber ©nabenle^e ber sedes apostolica galt (togl.
\>. Schubert ©. 122). 3)iefe „bogmatifd^e 3)enffd^rift" fte^t ^infid^tlic^ ber 3lnna^me
ber böUigen Unfä^igfeit be^ natürlid^en TOenfc^en jum ®uten, ber Slotloenbigleit ber so
gratia praeveniens unb in 93e}ug auf bie älnna^me, baß nur ®otte^ ®nabe ba^
perseverare ermöglid^e, toie ba« $t^j)omneftiIon, burd^au« auf auguftinifd^em ©tanb«
fünfte. 3lber öon einem irrefiftibelen ffiirlen ber ®nabe unb t)on ber ^räbeftination
tüirb nic^^t gefj)ro(^en; unb toenn e^ in bem Sc^lufeabfc^nitt Reifet: profundiores vero
difficilioresque partes incurrentium quaestionum, quas latius pertractarunt, 85
qui baereticis restiterunt, sieut non audemus contemnere, ita non necesse
babemus astruere, fo fmb hiermit biefe fragen auc^ bann a\x^ ber Steige ber®lauben^s
fragen toeggerüdt, tomn man, toa^ mir jtpeifelf^aft erfc^eint, mit 2(molb (©. 339)
astruere mit „^injufügen" an\iaii mit „bel^au))ten" (b. i. aU betoei^bare i^efe l^inftellen)
überfe^en fönnte. — 4)afe bie Schriften be« gauftu« toon Sleji fd^on im enbenben 40
5. ^al^r^. in 9tom ^u ben libris non recipiendis gerechnet toorben feien (decr. Gelasii ;
i>gl. oben 33b VI, 475, uff.), ift ba^er ni^t unmöglid^; aber felbft mnn ba« decretum
Gelasii ed^t toäre (t)gl. j. 8. Äod^, ^auftu« S. 57 ff.), fo toäre nod^ nidj^t ftd^er, baß
bie 9Jennung ber „opuscula Fausti Regiensis" bem, urf))rünglid^en lejrte angehört.
6a. SWic^t bie 98erfd^ieben^eit be^ römifc^en unb be« gatlifc^en ©tanb^unfte^ i^at bie 46
^toifd^en $ro^er unb ben SWaffilienfem erörterte Streitfrage toieber aufleben laffen. Sluf
einem eigentümlichen Umtoege toarb bie ^Jwge neu angeregt. Site nämlid^ 519 in Äon«
ftantinojjel gelegentlich be« ©treite«, ber gtoifd^en ben ff^tl^ifc^en 3Jlönd^en unb ben pä)p\U
lid^en Segatcn über bie gormel k'va tfjg Aylag rgiddog jujiov^h^ai oagxi tntbxannt
toar (ögl. Sb XI, 397, 23 ff.), ein in Äonflantinopcl toeilenber afrilanifc^er Sifc^of, w
^offeffor, ben fiegaten u. a. mit einer Berufung auf gauftu^ l)on Sleji ju §ilfe gefommen
toar (togl. Soofd, Seontiu« ©.235; Äoc(), ^auftu^^ ©. 67ff.), ertlärten bie ff^it^ifd^en
9Rönd^e, bie mit bem 2lbenblanbe nid;t außer 3"fammen^ang ftanben — 3Rajentiu^, il^r
gül^er, fc^rieb lateinifc^, fannte unb citierte 2luguftin — , ben $offeffor unb alle, bie
i^m juftimmten, für ^elagianer (ep. Max. ad legatos MSG 86, 85 B = Aug. X, 1771 : 65
Pelagii et Caelestii sectatores). ßin ©treit über bie Crt^obojie be« ^auftu« begann.
Unb ate im guni 519 einige ber fl^ll^ifc^en 5Rönd^e nad^ SRom reiften, um ben bortigen
Sifd^of ^ormi^ba« für ftd^ p getoinnen, toar bie 2)e^at)ouierung be^ gauftu^ einer
i^er SBünfc^e. Der $a})ft ^ielt toä^renb il^rer faft üierje^nmonatlic^en Slntoefenbeit in
9(om mit einer ©nlfc^eibung ä^urücf ; unb ate er nac^ i^rer flud^tä^nlid^en Slbreijc am 60
200 Semtfidagtaittdmtid
13. 3(u0uft 520 bcm ^oReijor auf feine am 18. 3"ti 520 in SRom eingelaufene
(nid^t bamalö erft gefc^riebene — gegen Soofö, Seontiu^ ©. 233) 2lnfrage änttoort gab
(epp. pontif. ed. I^iel ep. 124 p. 929, Aug. X, 1777), erflärte er nur, baft gauftug
ebenfo hjenig h?ie alle, bie in bie 3^W ber autoritatiben Säter nid^t aufgenommen feien,
6 ber entfd^eibung einer bogmatifd^en grage ^u j)räiubi|\ieren bermöge (bgl. oben 93b VIII,
357, 3 7 ff.). 3" einem §äretifer ftem})elte er ben^auftu^ nid^t, obgleid^er annahm, bafe
Unrid^tige^ (incongrua) in feinen ©c^riften enthalten fei. SBenn ^ormi^ba^ gleid^geitig
für bie rechte Se^re de arbitrio libero et gratia fic^ auf 2lugufting ©d^riften an
§ilariug{ unb ^ro^er {\>qI oben ©. 196, 5 7 ff.) berief, fo barf man barau^ nic^t mit
10 mnolb (©. 333) folgern, bafe ^ormi^ba^ bie ftrengfte ^Jaffung ber ^räbeftinationdle^re
aU fatl^olifd^ anerlannt ^abe. Ober barf bie ^räbeftination^Ie^re ber Formula con-
cordiae mit ber Sutl^er^ gleic^gefeftt toerben, toeil bie Formula eoncordiae (3lec^.668, 44)
auf Sutl^er^ ©d^rift de servo arbitrio bertoeift? — 2)ie fl^t^ifc^en 3Könd^e aber l^atten
injtüifc^en an anberer ©teile 33urtbeggenoffen gefunben. ffiol^l noc^ bon SRom aud ^tten
16 fie fid^ brieflich mit ber 33itte um 3upi»"«^wn0 ju i^^^" d^riftologifc^en unb antitjelagia^^
nifd^en ©ebanlen an mel^rere afrifanifc^e 93ifc^öfe getoanbt, bie bamafe, unb bi« 523, in
©arbinien in ber 98erbannung lebten (t?gl. bie epist. Petri et sociorum MSL 65,
442—451 unb j. %. Aug. X, 1772—1776). gulgentiu« bon JRu«t)e (togl. 93b VI,
316—318), einer biefer 3l^faner, fd^rieb barauf (520) namen« feiner aUitberbannten
20 ad Petnim diaconum de incarnatione et gratia (MSL 65, 451 — 493), f^äter bie
berlomen fteben 93üd^er contra Faustum (togl. 93bVI, 3 18, 35 ff.), bie ©d^rift de veri-
tate praedestinationis (MSL 65, 603—671) unb, mieberum im SSerein mit anberen
93ifc^öfen, bie fog. epistula synodica (MSL 65, 435—442 unb Aug. X, 1779—1785).
3n biefen ©c^riften f^ric^t ein Stn^änger ber genuin auguftinifc^en älnfc^auung. ©elbft
25 Sluguftin^ ^räbeftinationölel^re ift unberfürjt ^ur ®eltung gebrad^t : Jacob justificatus
gratis per gratiam dei, factus est vas misericordiae per indebitam gratiam
et per ipsam misericorditer est praeparatus ad gloriam; Esau vero per iram
justam juste est praeparatus ad poenam (ep. syn. 7. Aug. X, 1781); unb 1 ^i
2, 4 toirb ganj im ©inne äuguftin^ (bgl. j. 93. enchir. 103, 27. VI, 281) erflärt:
ao omnes auteip praedestinati ipsi sunt, quos vult salvos fieri et ad agnitionem
veritatis venire, qui propterea „omnes" dicuntur, quia in utroque sexu ex
omni hominum genere, gradu, aetate et condicione salvantur. semper quippe
voluntas dei omnipotentis impletur, quia potestas ejus nullatenus vindtur
(ep. syn. 14. Aug. X, 1783).
35 6b. gür ben ®ang ber 3)inge iourbe biefer SSorftofe gegen gauftu« fretlid^ nur in^
fofern unb nur in bem 5Kafee toi^tig, ate er Slom« S^^^^^fl^ % ba^ ©rbe Sluguftin^
neu anregte. Slber ba^ S^^^^ff^ erhielt in ©übgaüien ©elegenl^eit, toirlfam ju toerben.
§ier toar ßäfariu^ bon 2lrle^ (geft. 542), obtoo^l er, felbft ein S^glinfl bon Serinum,
ben gauftug in me^rfac^er §infi^t fc^ä^te (bgl. 2lmolb ©. 324), ein be^utfamer 9Ser=
40 treter cc^t auguftinifd^er ©ebanfen (bgl. 93b III, 626, 25 ff.; bod^ l^at Gäfariud in feinen
$rebigten mit irrcfiftibelem SBirfcn ber ®nabe anfd^eincnb nid^t gered^net, bgl. g. 93.
Aug. sermo suppos. 273, 1. V, 2256: caritatem in corde nostro, deo inspirante,
si in veritate volumus, sine aliqua dubitatione habere poterimus). 3)ie
gatlifc^en Öifcf^öfc badeten nod^ je^t bielfac^ anber^. 3)ie lird^enpolitifd^en ®egncr be^
45 (Säfariu^ nabmcn bal^er an feiner Se^rtreifc 2lnlafe, il^n bogmatifd^ gu berbäd^tigen (bgl.
airnolb e. 344 f. 348 f.). (Sine ©l;nobe gu Syaleucc (528 C, iebenfattg bor 3ult 529;
bgl. 93b III, 626, 9 ff.), auf ber bie Sej^rc bc« ßäfariu«, ber nid^t erf(^ienen toar, an^
gegriffen unb bon feinem ©cbüter 6^i))rian bon 3:oulon berteibigt tourbe, mufe 93cfd^lüffe
gefaxt l^aben, bie mcl^r ber (Sntfcbcibung bon 473 (bgl. oben ©. 198, 20) al«f ber
50 f^ätercn Crt^obojie entf^racbcn (bgl. Sb III, 626, 3 ff.; Slrnolb 349 f.). ÜRit ^ilfe SRom«
fül^rte ßäfariuö einen ©egenfdilag au^: seeundum auctoritatem et admonitionem
sedis apostolicae approbierte am 3. ^uli (93b III, 626, 1 u. 11 ift ^uni 2)ru(ffelj^ler)
529 bie unter feinem Sorfi^ gelegcntlid^ einer Äirc^tüeil^ gel^altene ©^nobe bon Orange
eine ?Rcibe, tt>al;rfc^einlic^> burrf) Gäfariu^ leidet rebigiertcr unb mit 9Sorh)ort unb 6j)iIog
55 bcrfebencr capitula ab apostolica sede transmissa, bie negatib in 8 Canones unb
pofitib in 17 tocitcren, au^ ^rofperei sententiae ex Augustino (Aug. X, 1859—1898)
ent(cl;nten ©ä^cn eine ©nabcnlebrc enttoidteln, bie nic^t nur ju allem ^elagianiömu^^ im
®egen)a| ftebt, fonbcrn teilnjeijc aud> ben ©ebanfen entgegentrat, bie bor 100 ^af)xm
in ©atlien bie .öerrfdbaft erlangt battcn unb U>ahrfd;einlicb noc^ 3!Jlajorität^nf(^auung
»H) toaren (MG leges III, concilia I ed. 'JüJaafjen ©. 44—54; Aug. X, 1785—1790;
Semtfielagiatiii^iiittd 201
öqI. 3lrnolb ©. 533 ff.). 3)ie öölligc Unfä^igfeit be^ natürlichen SKcnfd^cn jum ®utcn,
bie Scbingtl^eit alleö menfc^lic^en ©ut^anbeln^ burc^ bic Onabe, b. i. bic Infusio et
inspiratio sancti Spiritus, unb ba^ aQe merita unb aQe^ mcnfc^lic^e SßoQen bebingenbe
praevenire ber ®nabc ift in biefem ©^nobalbefd^Iufe bcutlic^ gum Sluöbrucf gebracht:
nemo habet de suo nisi mendacium et peccatum (c. 22; t)gl. 1 u. 7); nulla 5
facit homo bona, quae non deus praestat, ut faeiat homo (c. 20; togl. 3—8);
debetur merces bonis operibus, si fiant, sed gratia, quae non debetur, prae-
cedit, ut fiant (e. 18; iDgl. 3 u. 4); in omni opere bono nos non incipimus et
postea per dei misericordiam adjuvamur, sed ipse nobis nullis praecäentibus
bonis meritis et fidem et amorem sui prius inspirat, ut et baptismi sacra- lo
menta fideliter requiramus et post baptismum cum ipsius adjutorio ea, quae
sibi sunt i^acita, implere possimus (epU.); si quis, ut a peccato purgemur,
voluntatem nostram deum exspeetare contendit . . ., resistit ipsi spiritui
sancto (c. 4). 2)ic grteftftibilität ber ®nabe aber ift ntrjenb^ be^auj)tet : einem 3tu8*
cinanberbolten toon 3:aufe unb ®nabenmitteilung, tote ^ bei 2luguftin mebrfad^ fonftatiert i6
toerben fann (ögl. oben 93b II, 280, 31 ff. unb Soofg 3)®* § 51, 5c), ift bcrSoben ent^
jogen unb toon ber ^räDeftination toirb nur in ber gorm einer Stbtüetfung ber prae-
destinatio ad malum gefj)ro(i^en: hoc etiam secundum fidem catholicam credimus,
quod post acceptam per baptismum gratiam omnes baptizati Christo auxiliante
et cooperante, quae ad salutem animae pertinent, possint et debeant, si fide- 20
liter laborare voluerint, adimplere. aliquos vero ad malum divina potestate
praedestinatos esse, non solum non credimus, sed etiam, si sunt, qui tantum
mali credere velint, cum omni detestatione Ulis anathema dicimus (epil.).
2tuf Gäfariu« Sitte ^at Sonifag II. toon 5Rom (530—532) biefe Sefc^Iüffe i)on Drange
beftätigt (Jaffö SWr. 881; Aug. X, 1790 ff.), unb infolgebeffen ^at im Saufe ber 3eit26
biefe „©^nobe" toon Drange, an ber aufeer Säfariu« nur 13 anbere Sifd^öfe unb 8 tvdU
lic^c ®rofee teilnahmen, eine tüeit größere Sebeutung erlangt, atö jm 3ci* i^ter 2^agung
ertüartet toerben fonnte: bie Stften ber Strelatenfer unb 2v«>"^f« ©^nobe toon 473 unb
bie ber ©^nobe toon SSalence (528) fmb untergegangen; in ben Sefd^IilRen ber ©^nobe
toon Drange aber ^at bie ^olgejeit bie offi^ieSe gntfd^eibung ber „femij)elagianifc^en" ao
flontrot)erfe gefunben. 3)ie SBeftimmung be« 3"^öJ^^ wnb Umfang« be« ^^erminu«
„©emij)elagiani«mu«" tüirb hierauf Sücfjid^t ju nehmen ^aben (t)gl. 9lr. 7 unb 8).
7. 3)en 9KaffUienfern galt ^elagiuö ate Äefeer ; bie antitjelogianifd^en Sefd^lüffe be«
fartj^ginienfifc^en Äonjite bon 418 (ogl. oben ©.193, 36 ff.) f)ahm fte anerfannt. ©ie
teilten äuguftin« 3luffaffung ber ®nabe unb ebenfo feine 2:^efe, bafe ber 3Renfc^ jum 86
®ut^anbeln biefer inspiratio gratiae bebürfe. 9(ber fte lehnten ben auguftinifc^en
SRonergidmud ab; fie backten f^nergiftifc^ bie ßntfd^eibung über be« ^Jlenfc^en etoigeg
®ef(l^i(! abhängig baöon, ob ber 3Renfci^ Iraft Jciner ^ei^eit toerlangenb, bejto. jus
ftimmenb, bem 2Birfen ber ®nabe fid^ öffne, ober um bie ®nabe fid^ nic^t fümmere,
bejh). fie i)on pd^ ftofee. 3)ie auguftinijc^en il^efen, bafe bie fides lebiglic^ eine SBJirfung 40
ber ®nabe fei; bag ber ®nabe nullum hominum resistit arbitrium (oben ©. 195, 22);
bag fc^led^terbingS fein menfc^lic^e« %f)un al^Urfac^e ber göttlichen ®nabentoirIung (aU
fie bebingenbe« meritum) in Setrac^t fomme; bafe aljo ba« ©eligtoerben berer, bieburc^
bic ®nabe gerettet toerben, nur in ber göttlichen electio feinen SHealgrunb f^abt: biefe
X^efen alle, bie lebiglic^ Äonfequenjen be« ftrengen 3Konergigmu« finb, toaren i^nen um 46
annel^mbar. SBenn man biefe Stnfc^auung al« „©emipelagiani^mu^" begeic^net ^at, fo
ift man babei toon ber 3Sorau«fe^ung au^cgangen, bie T)ifferenj jtoifd^en Stuguftin unb
5ßelagiu« l^abe le^tlic^^ barin beftanben, ba^ bie Slettung berer, bie feiig toerben, toon
äuguftin allein auf bie ®nabe ®ottc«, üon ^elogiu« allein auf ba« o^ne
bie gratia inspirationis mögliche ®ut^anbeln be« ^enfd^en )urüc!gefü^rt toerbe. 60
3)er ©^nergi^mu« ber 5Waffilienfer erfc^ien bann im ©egenfa^ jum 3Jlonergi«mu«
äuguftin« aU „falber ^elagiani^mu«". SDiefe 2luffaffung be« ®egenfa$e« jtoifc^en
aiuguftin« ®nabenle^re unb ^clagianifc^em i)enfen ift nic^t falfd^, unb bie ent^
fj)rec^enbe Beurteilung ber majfilienfifc^en ©nabenlel^re ift bom ©tanbjjunite
äuguftinö unb ^rofjjer^ au^ burc^au^ begreiflich: reliquiae be^ ^elagia-66
ni^mu« fanben Sluguftin unb ^roftjer bei ben 3WaffilienJern. aber ift e« berechtigt, bic
©nabenle^re Stuguftin«, bie aU ®an^z^ in ber römifc^en Äird^e nie anerlannt ift, aU
SKafeftob gur Slbgremung eine« le^erifc^cn „ . , . iömu«" ju gebrauchend ^ft irgenb ein
t)on ber Äirc^e i^rer ^ut öertoorfener Jjelagianifc^er ®ebanle bei ben ©emis
J)elagianem nad^toei^bar'^ Äann man ijertcnnen, bajj ber ©cmi))elagiani«mu« ber antisso
202 Se»t)ieIogtoittdanti
^clagianifd^c ÜBuIgärfat^oIici^mud ber ^^xt foax, ber fetner fttrc^Uc^feit o^nc
©elbfttäufc^ung [\ä) betoufet fein lonnU'^ — 3)iefe gragen beabft(^tigen nic^t, ben 2:er-
minu« „©emi})ela0iani§mu«" aU unbrauchbar beifeite ^u fd^ieben. SBenn ic^ (fc^on ^®*
S. 219) bemerft ^abe, man fönne bie ©emi^elagianer mit fafl bemfelben SRcc^^te ate
5 ,,®emi:9(u0uftiner'' bejeid^nen, fo foQte ba^ nur i^r Ser^ältnid )u äiuguftin tenngeic^nen.
@ie fo )u nennen, toäre t^öricpt, nid^t nur, tt>eil ber ^erminud Semi^elagiani^mu^ ein::
aebüraert ift, nein auc^ be^^alb, tüeil nic^t in bem, toad bie ©emi))ela0ianer mit
äuguftin gemeinfam f^atttn, i^re f})äter jenfurierte ^eterobo^e befianb. 2)er 3!enninu^
,,@emi))elagiani^mu^'' f)at fein Siecht; benn bie (Semi))elagianer backten, toie $elagiud,
10 anti-auauftinifd^ nic^t nur ^inftc^tlic^ folc^er fünfte ber ®nabenle^re äluguftind, bie Don
ber fatpolifd^en Äirc^e nie approbiert ftnb, fonbem auc^ in 8ejug auf einige I^en, beren
9Jegation f>)äter bon ber Äirc^e au«brücHic^ verurteilt ift (tjgl. Ärüger 2^23 1895
Bp. 868 f.)* ^ad aber beabfic^tigen bie obigen ^u^fül^rungen gu geigen, bag ed un-
bered^tigt ift, aU „femi<)elagianifc^" aud^ fold^e äbtoeidS^ungen ber SKaffilienfer toon
16 äuguftin^ (Snabenle^re gu bejeid^nen, bie in Orange 529 nicbt genfuriert finb. 3)en
t^omiftifc^en ®egnem ^JKoIina« unb in noc^ ^ö^erem ÜRafee allen ftreng jjräbeftinatianifc^
ben!enben ^roteftanten mag folc^ tveite S^ifu^^d ^^ Segriff^ polemifc^ brauchbar getvefen
fein; geredet gegenüber ber römifc^en Äird^e ift pe nid^t. 9lur nad^ bem ÜRaftftobe ber
fj)ätem offiziellen Sel^e, nid^t na6^ bem genuinen Sluguftini^mu« barf ber Qn^lt be«
20 ^egriffe^ @emif)e(agianidmud abgegrengt tt)erben. ^ür ben @emi))elagianidmud aU gen-
furierte ^ärefte ift bemnad^ — unb ba)u pa^t, baf felbft 9(ugufHn bied bome^mlic^ an^
gegriffen f)at (bgl. oben ©. 194, 1 7 ff. unb 197, sff.) — nur bie« oI« fflefen^merfmal
audjugeben: 1. bafe er ba« ftete praevenire ber gratia leugnete; unb im 3^0'"'"^"'
l^ange bamit 2. ni(|t anerkannte, ba^ fd^on bie fides ein donum dei fei; ba^er 3. ben
25 natürlichen ^enfc^en nic^t atö böQig unfähig gum tt)al^r^aft ®uten anfa^ ; unb, tnfofem
er bie f))ontane 3ufii^mung be« ^enfc^en gu einer Sebingung ber göttlid^en ©naben^
tt)irfung ntad^te, 4. bie ®nabe secundum aliqua merita mitgeteilt backte. — 3Ran
mag ba^er fagen, ber Äart^agienfer SSitali« unb bie 3Jlönd^e bon ßabrumetum feien bie
erften ©emijjelagianer gehjefen, ^ieron^mu« unb ja^llofe anbere Ratten, gleic^toie ber
80 jüngere Stuguftin felbft, „femit)eldgianifc^" gebac^t, e^e e« einen Semij)elagiani«mud gab.
®oc| ba, tüo fpäter ba« Arausiacum \)on 529 anerfannt tüorben ift, f^eint mir für
fd^lanfe Slntoenbung be« lerminu« „©emijjelagiani^mu«" fein Sledj^t toorjuliegen.
8. 3)ennod^ läfet fic^ nid^t leugnen, bafe eine minber enge 3lbgrengung be« 3n^lt«
unb Umfang« be« Segriff« „Scmi))elagiani«mu«" einer fritif^en Setrad^tung ber römifd^-
36 Kreislichen ßnttüicfclung na\)^ liegt. 2)ie ©tetlung ber römifc^en Äird^e x\x ÄugufKn ift
objeftib unh?af^r^aftig. Stuguftin gilt al« ber grofee doctor ecclesiae, uno bod^ ift nicl^t
nur feine ®nabenle|rc nie offiziell anerfannt toorben, — bie fpätere (Snttoidelung ift
auc^ vielfach, ja je^t offiziell (togl. Soof«, S^mbolif I, 293), o^ne ba^ Stuguftin je
genfuriert Sorben ift, toon feiner ©nabenle^re nad& tbzn ber SRid^tung ^in abgetotd^en, bie
40 ba« „femi))elagianifc^e" 35enfen c^arafterifiert. "Sllan toirb ben ®c^h?ierigleiten, bie burc^
biefc fomjjlijierte Sage ber 2)ingc gefc^affen h?orben fmb, m. 6. nur burdj! äntoenbung
neuer 2:ermmi geredet h?erben fönnen. Unb fcbon ber alten Äirc^e gegenüber fommt man
o^ne fic nic^t au«. Tenn bie „objeftiöe Ünh?a^r^aftigfeit" ber fatl^oIifc^sKrc^üc^en
©tcHung gu 2luguftin h?urgelt in ben Unflar^eiten, bie man bereit« bei ber „griebigung
46 ber femipclagianifcbcn Äontrol^erfe" übrig ju laffen für gut ^ielt. 35ie ®ntfc^eibung toon
Crange ift unflar, hjeil fie mel^rbeutig ift. 3)er genuine 3tuguftini«mu« ift burc^ fie
nid^t au«gefc^loffen: ba« in Scjug auf getaufte (S^riften gefagte „si fideliter laborare
voluerint" (oben ©. 201, 21) fann aucb ein ftrenger 3luguftiner ftc^ zurechtlegen;
benn si deus miseretur, etiam volumus (Aug., oben Sb II, 279, ßo). Änbrerfeit«
50 aber ift aucb bie unauguftinifc^c Slnnafjme, ba^ ber 5KenfdS ber ®nabe, bie ü^n retten
tüill, toiberflrcbcn fönne, burcb ba« Arausiacum nicbt Verboten, ^a, hrxxö) ben 3Borts
laut ber (Snifc^cibung ift biefe Weinung begünftigt. — 3}a, too biefe annähme beutlic^
au«gcfprod^en ift, ol^ne baf; eine ber ^cnjurierten fenütjelagianifc^en D^efen (bgl. oben
3cilc 23 ff.) gebilligt \mx\> — ^^uerft ift biefe ©tcHung im $^j)omneftifon nac^toei«.-
66 bar — , ba liegt fein eigentlicher ©emipelagiani«mu« bor. 3)a bleiben allen Ungetauften,
aui} ben ungetauft fterbcnbcn ßbriftcnfinbern gegenüber, bie 9{ätfel ber ?Präbeftination
bcftcf;en: nur iljr 5iicbt=Grn)älSltfein ift ber ©runb bafür, bafe bie ®nabe nie berfuc^t
l)at, fie ju retten. Docl; in ^cjug auf alle föctauften — unb, bon totgebomen ÄiiÄem
abgefeben, hatte man e« balb faft au«fcl»lieftlid) mit (Getauften ju t^un — iDor bei biefer
üo öeftaltung ber ©nabenlel^re bie antiauguftinifd;e 2;enbenji be« ©emij)elaflioni«mu« num
@emt)ieliigtanii»iiitid Seniler 203
Stege gelommen. ^enn h)enn man aud^ ba^ ^Itd^t^SBiberftxeben ber eleoti uid^t al^
@runb tl^rer electio ausgab, fo \oaxi bod^ ba^ praedestinare poenam bei ben
reprobi auf ba^ borJ^ergefe^ene demeritum tl^red SBiberftreben^ begrünbet, mithin au6^ bic
electio mttbebingt gebac^t burd^ ba^ ^e^len folc^ borau^gefe^enen 3Btberftreben^. 9(uguftin^
^räbeftination^Iej^e n>ar enttDurgelt; bei aQen ®etauften tvar bie @ntf(^etbung über il^ 5
etoigeS @c^idfal in il^ liberum arbitrium gelegt, ^ie Srneuerung ber ^räbeftination^-
le^e äuguftin^ burd^ ©ottfc^all (bgl. »b VII, 39—41) erfc^ien folc^eni 3)enlen oI«
$ärefie. 3^ ^«^^ be^balb für biefe juerft burd^ bai3 §i?j)omneftiIon bertretene Slnfc^auung
bie 93ejei^nung Ärto^to=©emi})eIaaiani«mug borgefc^lagen (3)®* ©.462; bgl.
©. 547 Snm. 3). Söeiter alg biefer Kri?>)tO'©emi})eIagiani«miid, ging bie franji^Ianif^e lo
©d^olaftif fd^on im 13. ^a^rl^unbert (bgl. 2oof«, 3)®* § 65, 2): mit jpilfe ber fd^on
im ®attien be« 5. 3i<»^^^wn^^^ (bgl. oben ©. 196,6i) nac^toei^aren Unterfd^eibung
,^h)ifc^en einer gratia generalis grata data unb ber eigentlid^ rettenben ®nabe fotDie
burd^ ©tatuierung bon merita de congnio neben ben eigentlid^en merita (ben merita
de condigno) lam man ^ier tro$ ber Slnerfennung ber anttfemit)elagianifd^en ©ä^e bon i6
Orange gu SSorfteQungen, bie al$ femi^elagianifc^e in neuem ®eh)anbe bejeic^net tperben
fönnen. ^6) fyA^ für biefe ä(nfd^auung ben ^erminu^ 9le0'6emi))elagianidmud
in aSorfd^Iag gebracht (3)®* ©. 539; bgl. ©. 547 3(nm. 3). 9leo=©emi^eIagiani«mu«
ober minbeften^ Är^})tos©emi^eIagiant^mu« lann man ber römifc^en Äird^e ber ©egen^
tport mit Stecht nad^fagen. Sovfi». 20
Sentier, 3ol^ann©alomo, geft. 1791. — D.3o§.@oIomo@cmIcr8ficbcnöbcfd)rcibung
Don i^m felbft obgcfafit, 1. Seit, (352 ®.) ^aflc 1781, 2. t^cil (384 @.) 1782; Sr. «ug.
^olf, lieber |)errn D. @emleri» le^te SebenMage, ^anel791; ^iemt^tx, @emlerd le^te^euge^
nmgen über religiöfe (^egenftänbe jtpei S^age r>ox feinem ^obe, ^Qe 1791; @emler, fie^ted
©iQubcnSbefenntni^, mit S3orrebe Don (5. ®. ©*ü(i, Königsberg 1792; ^ofj. ^ug. 9iöffe(t, 26
De Jo. Sah, Semlero einsque ingenio imprimis et meritis Id interpretationem ss. scriptu-
rarum narratio, obgebrudt old (Sinleilung ^u D. Jo. Sal. Semieri paraphrasis in primam
JoaDDis epiatolam, Bigae 1792, p.I— LXX, ögl. bie beutfcbe ©eorbeitung biefer ^bbanblung
in ^. ^. iWiemetjer, Scben. eöarofter unb S3erbtenftc golfe. «ug. m^tm,'2, 5lbt., ^aOe unb
SBctIin 1809. @. 194—232; g^efrolog ouf ba^ 3a^r 1791, gefommelt t)on gr. ©cftlicbtegron, 80
2. go^rgang 2. ©b, ©ot^Q 1793, @. 1—81.
3. ®. ®tcbl6ont, ?ingemcme ©ibliot^c! ber biblift^en Sitteratur, 5. ob, fieip,V9 1"93,
giebt am ©c^Iufe einer längeren @. geroibmeten ^b^anblung (@. 1—183) auf 6. 184—201
„QU* Teufels geleiertem S)eutfc^lQnb unb ^cinfiu« oCIflcmetnem ©üc^erüerieicftniS" ein
173 92ummem umfaffenbed „Ser^eic^nt* ber Semlerifc^en ©(^riften", bog aber no(^ feinen 86
Ueberblict über feine gefamte (itterarifd)e ^§ätt()feit gewährt, ba ed nur bie felbftftänbig er-
f^ienenen Schriften aufführt, ntd^t feine ^^(bbanblungen, 9lecenftonen u. f. \o. ^ud ber umfana-
rei(ben fiitteratur über @em(er fei neben 3)tcftel, ^ux ^Bürbigung SemlerS: 3bX6 12. ©0,
1867, @. 471—498, genannt: %. S'^olurf, SSermifcftlc ©Triften, 2. Jeil, Hamburg 1839,
8. 39—83; (§. (5.) ©cur, 3)ie Einleitung in ba* ^% ol* t^eolog. ®ijfcnfd|Qft: X^eol. Sabr^ 40
bücber t)on 5. ©. ©aur unb @. Setter, 9. ©b. 2:übingcn 1850, @. 518-535, berf., 35ie
(£pod)en ber Ürcftlicbcn ®cfd)i4t*fcbreibung, Tübingen 1852, @. 132—145; ®. Ubl^ont, 3)ie
nltcfte tirc^cngef(t)tc6te in i^ren neueren 2)Qrftenungen : SbXb 2. ©b, 1857, S. 620—634;
^. ©(ftrnib, 3)ie $bcoIogic @cmlcr*, 9?örblingcn 1858; SB. (5Ja6, ®efd|ic^te ber protcftantifd^en
5)ogmati!, 4. ©b, ©erlin 1867, @. 26—67; ?(. 5)omcr, ®cfcbi(bte ber protcftniitifdien SCbco^ 45
logie, ^Ün4cnl867, @. 703—710; ®. ^ronf, öJcfcbicbte ber protcftQntiid)en2:§eologie,3.S:eil.
fiei<)ätg 1875, ©.61—77; ?J. Xf^orfert, 9lrt.„3.e. ©emlcr": «b©33.©b, 1891, 6.698-704;
©. ©djraber, ®ef(f)icbte ber 5rtcbrid)«=Uniuerptät au ^oHe, 1. 3:eil, ©crlin 1894; @. $aupt,
3. ©. ©emier: 5)e©S XXVII, 1902, ©. 613-624.
'Slaä) langer ©crnot^Iäfrigung ift ©emier in jüngfter geit ®cgcnftanb mehrerer größerer so
Unterfucbungen geworben, bic M ©crftänbni^ ©emier« loefentlic^ gcfövbert böbcn. 3)ur4
ein $rei8au8f(bretben ber Äarl ©cbtt)QrÄ=©tiftung mürben ocranlafet: ^. ©aftrom, 3ob. ©olomo
©emier in feiner ©ebeutung für bie Jbeologie mit befonberer ©erüdficfttigung feine* ©trcite«
mit ®. (£. Scfftng, ©iefeen 1905, unb bie gleicbbctitelte ©cbrift üon QJ. Äoro, ©erlin 1905.
3bnen folgten ©. ^offmann, 2)ie X^eologie ©emler^, i^^eipjig 1905, unb fi. 3fd)amacf, fieifing &5
unb ©emier. (lin ©eilrag jur @ntftebung«gef(öi(^tc be« SJationali^mu* unb ber frilifcben
X^eologic, ©iefeeu 1905.
©. tourbe am 18. 2)ejember 1725 ju ©aalfclb in 3:l^üringen geboren, h?o fein
3Sater bie ©teHung eine« Slr^ibiafonu« einnal^m. S(^on ate Änabe jeigte er ben munbcr*
baren SBifJen^burft, ber il^m aU erh?ac^fenen ^J)tann eißentümlid^ tuar, er berfc^Iang bon w»
Suchern, toag fid^ i^m barbot, ejccerpierte unb l?erarbeitete fie fo gut er fonntc unb bielt
burd^ ein ^{Kinomenale«®ebäc^tni« feft, tva« er einmal in fuJ^f aufgenommen battc. ©ein
204 eemler
38ater, bcr atö ^oHänbtfc^cr gclbprcbtgcr bic SBcU gcfe^en ^attc unb felbft gelehrte
Sntcrcffen U\ai, brachte biefen Steigungen trotte« 3?erftänbni« entgegen unb unterftü^te
pe, aber forgte gugleid^ berftänbtgertüeife bafür, bafe bie Äörj)er^}flege be« Änaben nid^i
bemac^Iäffigt tourbe. SSon großer 93ebeutung für ©.^ geiftige ©nttüidelung tüurben feine
6 Grfal^rungen mit betn i)on ^er^og 6mft ßl^riftian in ©aalfelb gejjflegten ^ieti^mu^. 3)ie
©c^ilberungen ©J toon bem ^ier ^errfc^enben 3^reiben, ben ©rbauung^ftunben, bem
Einarbeiten auf Sefel^rungen, bie 2lugnu|ung ber geiftlid^en Sieb^abereien be^ ^erjogö
burc^ ftrebfame unb untoürbige ©ubjefte gehören ^u ben toid^tigften DueDen für bie
®ef(^ici^te be^ ^aUefd^en ?ßieti^mu« in ber $eriobe feiner gntartung (p^l oben Sb XV
10 ©. 787). 3)er 3Sater ftanb in feiner ganjien Seben^l^altung biefem bemonftratiöen
ß^riftentum nid^t freunblic^ gegenüber, aber ^at bem ®rudf bcr bie ©tabt erfüttenbcn
öffentlichen 3Jleinung bann bod^ nachgegeben, anfangt freilid^ nur für feine $erfon. 3lber
„bafe ein ©ol^n be^ 2lrc^ibiaIonu^ unbefe^rt fein unb bleiben toolle unb burc^ bie^
SBeif))iel fo biel anbere ©d^üler immer mel^r toerberben foHte" tuar nad^ Sage bcr 98er=
15 ^ältniffe ein fold^e^ Ärgernis, bafe ber 3Sater balb auc^ ben ©o^n jum 8cfuc^ ber Gr=
bauunggftunben anjul^alten anfing. Sängere 3«* toiberftrebte biefer, aber unterwarf ftc^
fd^Iiefelid^ au^ ,,finDlic^er §oc^ad^tung". 35ie in ©aalfelb gemad^ten Beobachtungen unb
©rfa^rungen, über bie S. in feiner ©eIbftbiograj)^ie einge^enb berichtet, l^aben für
fein ganje« Seben Sebeutung erlangt, aber nid^t infofem, bafe fie beffen 3lic^tung be^
20 ftimmten, fonbem baburd^, bafe fie i^m eine tiefe Stbneigung gegen allen ?ßietiömu^ in^
$erj >)flanjten, bie burd^ feine ®rlebniffe ate ^aDefc^er ©tubent nid^t crjc^^üttert tourbe.
6rft aUmd^lid^^ freiließ ift er jtc^ feine« grunbfä^Ucben ©egenfa^e« j^u biefer SRid^tung
betüufet getüorben. Stuf ber Unitoerfität §alle, bie er 1743 bejogen ^at, trat er befonber«
^rofeffor Saumgarten nöl^er, ber burc^ feine ®ele^rfamfeit il^n anjog unb i^m mancherlei
25 Unterftü^ung ju teil toerben liefe, i^n aud^ in fein §au« aufnahm (3f4>amatf ©.37 ff.).
1750 tourbe ©., nad^bem er fd^on öor^er mit erften ?5roben toiffenfc^aftlid^er Slrbeit an
bie Öffentlic^Ieit getreten toar (did^l^om a. a. 0. ©. 184 f.), auf ®runb ber S)iffertation:
,,Vindiciae plurium praecipuarum lectionum codicis graeci novi testamenti ad-
versus Guil. Whistonum" j^um 3Jlagifter ber ^^iloJo})l^ie >)romobiert. 3n bemfelben
30 3al^r tourbe er unbefolbeter ^rofeffor an bem alabemifc^en ®^mnafium ju Äoburg,
unterrichtete bier aud^ in ben 2lnfang«grünbcn ber arabifd^en ©jjrac^e, unb toar gugleid^
ate §erau^eber ber Äoburgifd^en ©taat«= unb ®elel^rten=3ritung t^ätig (Seben^befc^rei-
bung I ©.123 ff.). Da« ^al^r 1751 brachte il^m bie Berufung ate ^rofeffor ber§iftorie
unb lateinifc^en ^oefie nad^ Slltborf (ebenb. ©. 143 ff.) an ©teile be« toerftorbenen
35 ©d^toarj unb öerfefete il^n in Serl^ältniffe, an bie er fic^ \pättx banfbar erinnerte. 9lber
ba« „glüdffelige" Slltborf f)at i^n nur furj gefeffelt, benn nac^ bem 3lbleben öon 6Iau«s
toift erging an i^n 1752 auf SJorfc^lag Saumgarten« bic Berufung al« orbentlic^er ^xo-
feffor ber Il^eologie mit einem ©el^alt t)pn 400 Il^alem an bie Unit^erfität ßatle (ebenb.
©. 161 ff.), bie er, aUerbing« erft nac^ Übertoinbung ernfter Sebenfen, annahm. ®« toar
40 bie« eine für i^n überau« glücflid^e £eben«toenbung, benn fie eröffnete il^m ein Slrbeit«*
felb, auf bem feine Seanlagung ft^ boll entfallen fonnte. 3)afe e« i^m vergönnt toar,
nod^ 4 ^ai}x^ — ©. fam im Stjjril 175:^ nac^ §atle unb Saumgarten ftarb 1757
— an ber ©eite feine« l)on il^m ^oc^öere^rten Se^rer« ^u toirfen, ^at er banfbar em=
pfunben unb bic iljm burc^ biefe« ^ictät«t)erl^ältni« toie burc^ bie grofee 3lnerlennung
45 Saumgarten« auferlegte anfängli^c ^wrücfl^altung toar für il^n nur fegen«reic^. 9lacp
bem ^obe Saumgarten« toirb er freier unb fclbftftänbiger unb nac^ toenigen g^i^ren ift
er nid^t nur ber befanntefte 3;l^eologe ber ©aHefdien gafultät, fonbern einer ber gefeiertften
Il^eologen 2)eutfc^lanb«. ©d^on feine 3?orlefungen, bie fic^ nid^t auf bie biblifd^en
ffiiffenfc^aften befc^ränftcn, fonbern aud^ bie Äird^engefc^ic^te, ä)ogmatif, St^il, tl^cologifc^e
50 Sücberfcnntni« beljanbelt ^abcn (©d^raber I ©. 279), ^eugen öon bem großen Umfang
feiner ^ntereffen.
2)ie fritifc^c gorfd^ung©.« richtete [\6) junäd^ft auf ben biblifd^en Äanon. SBa«
er untcrnal^m, toar in ber beutf^en 2;^eologic unerl^ört (ügl. 2eben«befc^reibung II
©. 121 ff.), aber ba« 3iecl)t, auc^ bie 1)1 ©cf)rift jum ©cgcnftanb toiffenfc^aftlic^cr Untere
55 fuc^ungcn $u machen, ftanb iljm aufecr 3^^^f^l- ^^^«6 ^i^ befc>"^^^ Übung unb ©efd^icf?
lid^feit, toelc^c man Äritif nennt, burc^au« bei ber Sibcl nid^t foUc unb bürfc angetoenbet
toerbcn, fo nü^lic^ fie bei allen alten mcnfcl)licl)en Süc£)ern immer fein möge, l^abe ic^
mir burc^au« nid^t beibringen laffcn, inbcm idb fc^on lange bie ©öttlic^Iett unb SBic^tigs
feit ben SBa^rbeitcn, il^rem toirffamcn üortcilbaftcn ^nbaltc, beilegte, ba« Slbfc^reiben aber
(•>(> unb ba« Drudten ber Sibcl für cbtn biefclbc mcnfd;lic^e Slrbeit l^ielte, al« totnn Slbfd^reiber
Semler 2Qö
unb 2)ru(fer bcn ^lato ober .^oratiu^ in 2lrbcit nahmen, ©ine befonberc aufeerorbcntltd^e
9lc0ierun0 unb auffielt Oottcig bei fold^er älrbeit be« älbfd^reiben^, jumal be^ 912:^, fann
nur berjenige bel^ujjten, ber bie tüirllid^e 2BeIt au^ feinem Äo>)f abhängen läfet"
(Sebenöbefd^reibung II ©. 125). ©eine biblif(^en Untersuchungen l^aben, met^^obifd^ rid^tig,
bei ber grage naä) ber Überlieferung unb Sefc^affen^eit be^ Iqrte« eingefe^t (SJor* ß
bereitung gur t^eologifc^en $ermeneutil 4 ©t., ^alle 1760—1770; Admonitio de ob-
servandis hebraicorum Mst. membranis, quae legendis aliis libris serviunt,
1764; Jo. Jac. Wetstenii prolegomena in N.T. cum notis et appendiee, 1764;
J. J. Wetstenii libelli ad crisin atque interpretationem N.T., 1766; Institutio
brevior ad liberalem eruditionem theologicam, 2 99be 1765. 1766; Apparatus lo
ad liberalem N.T. interpretationem, 1767) unb e« ift für i^n bejei^nenb, bafe fd^on
feine ^ßromotion^fc^rift biefem Strbeit^ebiet [\d) juh?anbte. 9Jlit ben SBerlen englif^er,
franjöfifd^er, ^oDänbifd^er 2;^eoIogen toie 393^ifton, ßlericu«, äöetftein, SSofe, 31. ©imon
kpol^l bertraut unb auf Sengel^ ®runblage toeiter arbeitenb, gelangt er jur 9(nnal(^me
t)erfc^^iebener Slecenfionen be« neuteftamentlic^en %ttt^, bemül^^t ftc^ um fw^ere 3Kafes i6
ftäbe für bie Seftimmung be^ SBerte« ber einzelnen §anbf(^riften (antiquitas; emen-
datio aut collatio codicis; consensus cum vetusta translatione latina) unb erfennt
bereite bie SBic^tigleit ber jjatriftifd^en ©c^riftcitate, aber ju einer neuen Stuggabe bcg
5R2;^ nac^ feinen ®runbfä^en ift er nic^t gefommen; „biefe Slrbeit tüar nid^t für feinen
litterarifc^en ßl^aralter", toie ßid^^om ©. 33 fc^reibt. — ^n biefer neuen ©tellung gegen- ao
über bem %t}ct lagen bereite bie Äeime für eine nmt SBertung be« Äanon«. liefern
Problem toar bie „Slb^anblung bon ber freien Unterfud^ung be^ Äanond nebfl Stnttüort
auf bie2:übingifd^caSert^eibigung ber3lj)ofali?t)riö", 4 2:eile; ^aDe 1771— 1776, getoibmet.
ä(uf bem SBege f^iftorifd^er Unterfud^ung gelangt er gu ber @rlenntnid, ba^ ber ^anon
be« 313: toie ber beö 31% eine gef(^i^tli^e ©nttoidfelung burd^gemad^t f)at unb attmä^lid^ 25
cntftanben V^, alfo nic^t ate inf))iriert in bem ^ertömmlid^en ©inn gelten barf unb bal^er
aud^ nid^t bie il^m bi«^er juerfannte Autorität berbient. „3.^ ^^^^ "i^* gerabe^in oiffe
»üc^er be^ alten unb neuen Seftament« für gleich unentbe^rlid^ gehalten, um bie ©runb»
h)al(^rl^eiten ber d^riftli^en eigenen $rit)atreligion rid^tig unb boQftänbig )u fammeln; fte
tonnen ade nü^lid^ fein für mand^e S^riften, aber ed ift !ein d^riftlid^er ^e^rfa^, ba^ 90
ade ß^riften aud allen Suchern be^ alten unb neuen 3:eftament^ i^re äteligion herleiten
unb gur Überjeugung bat)on auö allen Suchern f 0 ober fo toiel jufammentragen mü^en"
(Seben^befc^reibung II ©. 139). 2)iefe ^roflamation ber grei^eit ber ß^riften gegenüber
bem Äanon fteDte bann bie toeitere Stufgabe, für bie Slbtüertung ber einzelnen Sleftanb^
teile biefer ©ammlung einen 3Rafeftab gu gewinnen, ^^nlic^ tüie Sut^er ^at er em:: 35
^jfo^len, fie baraufl^in an^ufcl^en, ob ber ®eift ß^rifti in i^nen ift, ober aber er ^at bie
i)raltifd^e Sraud^barfeit für ben ß^riften ber ®egenh?art atö 9lorm aufgeftetlt (3fd^amacf
a. a. 0. ©. 105), eine ^rüfung, burd^^ bie er ju ber grfenntni^ be« Unterfc^iebe« jtoifc^en
312: unb 31% atö jtoeier Sleligionöftufen, ber jübifc^-nationalen unb ber unitjerfalen
Sieligion be« ß^riftentum^ gelangt. SSon biefer gefc^ic^tlic^en 33etra(^tung^tüeife eröffnete *o
M ber ffieg ju einer ganj^ neuen ©c^riftertlärung (Saftroto a.a.O. ©. 86 ff.), (gr ftellt
feft, bafe bie Se^re 3iefu unb ber Stjjoftel ^a^lreic^e jübifc^e SSorftellungen bon nur jeit*
gef^ic^tlid^en ffiert entf^ält, b. ^. toenn fie yMx* olxovofüav ober xar* äv&pwnov
fj)rec^en, ^aben fie fic^ an bie 3)enfh)eife i^rer §örer unb Sefer affommobiert. 2)ie Slufgabe
ber h)iffenf(^aftlic^^en Sjegefe ift e^, feftjuftellen, tvai §u biefen „lofalen" unb „tem>)orellen" *6
©lementen gehört; f(^on 1760 l^at er biefe ©runbfä^e au^gefprod^en unb angetoanbt in:
De daemoniacis, quorum in evangeliis fit mentio (§alle 1760). ©. I^at nod^
toeiter geblidtt, benn er l)at bereite ber X^cologie bie Slufgabe geftellt, SEalmub unb
^poitt)pi)tn jur ©jegefe l^eranjujiel^en. SHit SRe^t toirb bie« t)on ©aftroto (©. 93) be^
fonberö ^erborge^oben. ßo
„3in ber Äird^engefc^id^te fing mit ©emiern bie neucfte 6>)0(^e unferer geiten an.
333ie ein ^erolb fd^ritt er affgetoaltig unb gebietenb über bie unermefelid(^en gelber ber
Äirc^engef^id^te einher bi« an bie ©renken be« 18. ©äfulum«; nur über biefe toagte
er ^d) nie ^eraue", unb ßid^^orn, ber biefe äßorte (a. a. 0. ©. 93. 97) fd^rieb, toar toie
feine weiteren 3tu«fü^rungen betoeifcn, gegen ©.« geiler unb ©c^ranfen burdfeau« nid^t 65
blinb. 2)ie j^iftorifd^en älrbeiten ©.«, bei beren SBürbigung bie bon i^m felbft in feiner
Sebenöbefc^reibung II, ©. 154 ff. entworfene ©c^ilberung be« bamaligen ^wftanbeö ber
Äirc^engefdj^id^t^fd^reibung nic^t überfe^cn toerbcn barf, jeigen i^n fotool^l al« ^erau«-
gcber (Tertulliani opera, 5 Sbe, 1770—1773; Apparatus ad libros symbolicos
ecclesiae Lutheranae, 1775 u. a.) al« auc^, unb ^toar bortoiegenb, al« hitifc^en ^ax- 60
206 ®e»Ier
ftellcr (SScrfud^, ben ®ebrau(^ bcr Duellen in ber ©taatö« unb flirc^engefc^ic^te ber
mittleren 3^tten ^u erleid^tem, 1761; Historiae ecclesiasticae selecta capita, 3 Sbe,
1767—1769, tom. I sex seculonim, t. II sec. VII— XI, t. III sec. XII— XVI;
Commentarii historici de antiquo chrisüanorum statu, 2 Sbe, 1771. 1772;
öSerjud^ eine« frud^tbaren Stu^jug« ber Äirc^engefd^id^te, 1773—1778 u. a.). 6fK»taIte^
riftifc^ ift für i^n junäc^ft ber ftete Slücfgang auf bie Duellen, toobei er freiließ fc^on
mit beren Sammlung feine 9(ufgabe ald gelöft anfa^, femer bie ^erangie^ung ber rein
natürlid^en gaftoren in ber ©ef^id^te bcr Äird^e, bie (Srfenntni« bon ber 9loth>enbigIeit,
jum SJerftänbnii^ ber ©efd^ic^te „bie $fi?cl^logie ju ßilfe ju nehmen" (Seben^befdj^reibung I
10 ©. 80), bie SinfK^t, bafe in ber ®t\d)id)U ber Äirc^e eine ®nth)idEelung ftattgefunben
bat. 3)a« toaren toegtoeifenbe ©runbfä^e, ioenn aud^ ©. felbft fte nur jum 2!eU ju be=
folgen im ftanbe getoefen ift, unb feine urteile über ^erfonen, (Sreigniffe unb Setoegungen
in ber Jtircpengefd^id^te, benen er bon feinen ©runbanfc^auungen aud oblel^nenb gegenüber
ftanb, jum leil öon einem ungezügelten ©ubjeftibi^mu« bütiert finb (93eifj)iele bei Äaro
16©. 67 ff.). 35iefe neue Setrad^tung^toeife übte i^e ftärtften SBirlungen aud auf bem
©ebiete be« lirc^lic^en ^ogmad. ätu« ber ©rienntni«, ba^ ed eine @efc^id^te burd^lebt
unb nic^t ^u allen ^üim in ^^'^^l^/ Umfang unb äludbrud übereingeftimmt ^at, ergab
fid^ tl^m bie gorberung, bie „®efd^ic^te ber c^riftlic^en Seigren" neben ber Ätrc^engefc^i^tc
„allein unb befonberd )u nehmen'' (Saumgartend et>angelifc^e ®laubend(e^e, mit an-
»merlungen unb einer ^iftorifd^en Einleitung, 3 Steile, 1759—1760; Saumgartend Unter=
fud^ung t^eologifd^er ©treitigteiten mit Slnmertungen unb einer ^iftorifc^en Einleitung,
3 leile, 1761—1764). 3)urd^ biefe gorberung tourbe ber 2!^ologie eine Aufgabe
gefteQt, beren Sebeutung unb3Bir!ung baburc^ ni^t gefc^mälert toorben ift, ba^©. felbft
aud^ auf biefem ^unlt anberen Äräften bie 3)urd^fü^rung feiner 3been überladen ^t.
25 3)en 3Jlut gu biefer umfaffenben litterarifc^en i^ätigleit f(^öt)fte ©. aud einer bamal«
in I^eologentreifen nid^t ^eimifc^en Stuffaffung ber SBiffenfc^aft. 3ene ©ering^
f(^ä|ung ber2Biffenf(^aft bon feiten bc« ?5ieti«mu« (ögl. oben 93b XV ©.787, 35 ff.), toie fie
uor allem in ^alle geübt tDorben, ift für i^n niemal« eine (äefa^r getvefen, unb mit
großer Sntfd^ieben^eit ^at er il^re ©elbftftänbigteit bertreten, toenn er auc^ oer SReinung
sogetDefen ift, bag ernfte h)iffenfd^aftlid^e 3(rbeit religiö^-fittlic^e SSirlun^en audübt.
S)a« ßntfd^eibenbe tüar, bafe er für bie tl^eologifd^e Sffiiffenfd^aft boHe grei^eit in 8tn=
fj)ruc^ nai^m unb i^r bie 2lufgabe jutoie«, bie Srfenntni« toeiterjufül^ren, „befjere Sim
fugten" ju getüinnen. Slber biefe 33eftimmung be« 2Befen« toiffenfc^ftlid^er Unterfuc^ung
erflärt boc^ nur bie innere ©id^er^eit be« gorfc^er«, toann immer e« galt, 3w*"wtungen
86 utrüdtjutoeifen, unb folpeit ba« SHed^t, in boller ^rei^eit toiffenfc^aftlic^ ju arbeiten, in
^rage fam. gür bie 3&af)i ber t)on il^m t^atfäc^lid^ eingefd^lagenen 3Bege toaren noc^
anbere 9Sorau«fe^ungen mafegebenb.
®ine ber h?id^tigften Il^efen ©.«, Dielleic^t fogar bie toic^tigfte, ift feine Unter-
fd^eibung toon 2:^eologie unb Sieligion (©aftroto ©. 67ff.; jpoffmann ©. 41ff.;
410 S\i)axmd B. 280^.; Äaro©. 6 ff.). %tiü} begann biefe e>)oc^^emadSienbe ßinfic^t i^m auf-
mbli^en, fc^on aU ©tubent im jh?eiten ©emefter ^atte er „einige (Sinfölle öon bem
untcrfc^ieb ber 2^eologie unb ber Sieligion bcr ß^riften" (Sebcn I S. 96) unb mit ber
SlufftcUung biefe« ®nmbfa$c« ethja« 9leue« ju fagen, toar er ficb toobi betoufet
(geben II ©. 163). 3)urd^ biefe Unterfc^eibung fd^uf er feiner Äritif freie SSa^n, unb
45 i)aüt e« in ber .v)anb, burd^ bie ßinbegie^ung ber toerfc^iebcnften fie^raufftellungen, j. 9.
bc« "ilrinitätebogma«, in ba« ®cbiet be« Icbiglic^ 2^eologifc^en, b. f). feiner a^faflung
nacb religio« 93cbcutung«lofen, bie toiffcnfc^aftlic^c gorfd^ung öon bem Dbium ju befreien,
ben d^riftlic^en ®laubcn felbft anzugreifen. 3lber er ift auf biefem ffiege auc^ baju gelangt,
ben ^c^Icr in bem bamal« l^crrfc^cnbcn ®laubcn«begriff ju erfennen unb il^n tptÄcr d«
60 i^crtrauen auf ®ott gu bcrftcl^cn. — 6in jmeitcr ^aujjtgebanfe ©.« ift ber, baft e« )u allen
ßeiten eine 3}iannigfaltigfeit tl^eologif^er unb religiöfer Slnfc^auungen
gegeben l?at unb bafe biefe SJcrfd^icbcnartigfcit ju Siecht befte^t (^offmann ©. 50 ff.),
^cbcr tl^cologifc^c ©a$ geigt bie dintüirfung bcr örtlichen unb allgemeinen jeitgefc^ii^t''
liefen Sebingungen, unter benen er entftanb, unb fann tocgen biefe« ßinfc^lag« „lolaler"
66 unb „temporcUer" J^aftorcn ftct« nur beanspruchen ein relatiijcr 3tu«brucf ber SBo^^eit
gu fein. 3i"föl9^^cffen gicbt c« feine Sel^raufftcllungcn, bie für jeben giften, tu \^
3eit unb an jcbem Ort mafegcbcnb finb. 2{ud^ in Scgug auf bie tl^eologifd^e Srlenntni^
feiner eigenen ®egenh)art urteilt er nic^t anbcr«, c« toirb i^r ergeben toie ber 3]beologie
trüberer ^erioben unb fie ioirb baber f})ätcr anberen ^^ffungen unb ßrlenntniffen ^laÄ gu
60 macfien i)abm. ©. lehnte alfo nic^t nur ba« ort^obojc t^eologifc^e ©tjjiem feiner 3^
Semler 207
ah, fonbem beftritt bie ^Jlöglic^feit irgenb etne^ abfolut Derbinbltd^cn B^\Umi. ^oj^er
fyxt er au<^ bie t^m toon fieffing gefteHte gtoge „n>orin bic allgemeine c^riftlic^e Sieligion
befke^e, unb toad bog 2oIale ber ^riftlid^en SKeligion fei, toelt^e« man jebe« Ort«, un«
befc^abet jener SlUgemein^eit, au^merjen lönne", nic^t beantwortet unb nic^t beantworten
!önnen. SBSorauf e^ i^m anlam, toar bie SKa^runa ber toollen ^ei^eit. ®iefeg ®ut 6
aber toöre gefö^rbet toorben, toenn ein \>on allem £otalen unb 2^em))orel(en gereinigte^
ß^riftentum l^erau^efd^ält tourbe unb — bieÄonfequen^ toäre nid^t gu bermeiben getocfen
-— biefed toie immer quantitativ beftimmte ß^riftentum bem einzelnen autoritativ gegen^
übertrat. @. ^at ftc^ alfo burd^ {einen 9telatit)i^mud, aQerbing^ nic^t nur baburc^, ben
SBeg )u einer Haren Sefiimmung be^ äBefen^ be^ ßl^riftentum^ k)erf))ent, toenn auc^ lo
ba« Urteil %. 6. Säur« {Qpod^m ©. Ul), bafe ©. unter gl^riftentum überfK»uj)t ni(^t«
anbere« öerpanben l^at atö ,,bae von (S^riftu« für ba« Sctoufetjein ber üRenfd^^^eit aui^^
geft>ro(l^ene 9le(^t be« 3"^iöi^w>"^ • • • f««^ ^W^^ $ritoatrcligion gu f^abm", bafe er
mit anberen Sorten Von jeber Seftimmung eine« ^n^alt« be« Sl^riftentum« C(b\af), einige
Elemente be« B.^d^m @ebanfenlreife« (Vgl. unten) unberüdft^tigt gelaffen ^at. 9tu« i6
biefer Beurteilung aller £el^rformulierungen atö bloßen SSerfuc^en, bie 2Bal(^rl^eit gu um^
fj)annen, ergaben ftd^ nod^ anbere ^Folgerungen. 38or altem bie, bafe bie bi^^erige
@(^ung be« 3)ogma« ber eigenen Äirc^c im Unterjc^^ieb Von bem anberer Äirc^en*
gemeinfc^aften nid^t me^r aufrec^tgu^alten toar, bag bie äSoraudfe^ung für $ro))aganba
unter älnge^örigen einer fremben Aonfeffion verfc^toanb (@. ^at entf^rec^enb ge^anbelt, 20
vgl. Seben I @. 293 f.) unb auc^ ber älbftanb gmijdben S^riftentum unb nic^^t^riftlic^en
Steligionen burd^ bie C^inorbnung beiber in ben göttlichen Selt^lan ^erabgeminbert tourbe.
— äug jener Unterfd^eibung Von 2^eologie unb SReligion ergab fid^ bie aufgäbe, ben
aBert unb ®eltung«Irei« ber von ber Äirc^e anf:dannttn Ideologie, b. ^. be« 3)ogmag, fotoie
baiS SerJ^öltnt« biefer jtird^enlel^re ju ber bel(^au)}teten ^ei^eit be« ^nbivibuum« )u beftimmen. 26
@. I^t fie baburd^ gu löfen verfuc^^t, bag er bie öffentliche Sieligion von ber )}rivaten untere
fd^ieb (Vgt.®aftroti) S. 277ff.; ^offmann S.96ff.; Sfd^amacf ©.256 ff.). Unter öffentlicher
Sleligion verftel^t er alle« ba«, toa« bie d^riftli^en Äirc^en an äußeren Drbnungen über
®otte«bienft unb Se^rVerfünbigung feftgefe^t ^aben; unter privater Sieligion bie religiöfe
Überjeugung be« eingelnen ß^riften, bie fein J)erfönlid^e« ©igentum ift unb von ber so
öffentlichen Sieligion tool^il angwegt toirb, aber i^r gegenüber Völlig frei bafte^t. SlHer^
bingd ^at biefe Unterfd^eibung ni$t für alle ß^riften bie gleid^e 93ebeutung, benn bie
^orberung be« Steckte« auf bie ^rivatreligion gilt nur für bie S)lünbigen, nic^t für ben
„gemeinen Raufen", gebe biefer beiben SReligionen f)at nun i^ren befonberen ©eltungg«
frei« unb ift Vet})flic^tet, fid^ barauf p befc^ränfen. 2)afe bie Unterbrüdtung ber ^riVat^ 35
religion nic^t feiten verfugt hjorben ift, toar ein grofee« Unrecht, ebenfo toenig aber barf
ba« Siecht ber öffentlid^en Sieligion angetaftet toerben. 3)er im 3)ienft ber Äird^e ftel^enbe
®eiftlic^e unb Se^rer ift auf ®runb feiner StnfteHung verpflid^tet, fie ju vertreten. SBie
er über bie Äird^enlel^re benft, ba« ift feine ^rivatangclegenl^eit, von i^m ettoa gehegte
abtoeic^enbe Überzeugungen au^gufpred^en, fte^t ibm bagegcn nid^t ju. 3)enn toenn alle« 40
ba«, toad bie einj^elnen 3"^^^^^"^" beulen, öffentlid^ 0^'^^^* tverben btirfte, toäre ber
gortbeftanb ber ber ®efamt^eit bienenben öffentlichen Sieligion gefäl^bet. 2)iefe le^tere
erfuhr bei ®. fogar nod^ baburd^ eine toefentlic^e Sefeftigung, bafe • er bem Staat ba«
Stecht jufprad^, barüber m bcfinben, loa« in feiner SJlitte al« öffentliche Sieligion gu
le^en ift, unb bie rücf|altlofe Unterwerfung unter feine (Sntfd^eibung al« ^flid^t be« 46
Untertbanen beurteilt, gür bic gegen biefe gange ©ebanfenfolge fic^ er^ebenben et^ifd^en
Sebenlen ^atte ©. lein Sluge. 2lu^ bie ©efai^ren, bie fic^ ani ber Von il^m anertannten
Sftec^tölage für bie ^Jrei^eit ber ^rivatreligion ergeben mu6ten> beftanben für ibn nid^t,
ba er bie, freiließ irrtümliche, SJleinung vertrat, ba^ bie {ir^lic^en ^e!enntni«fd^riften nid^t
auf eine religiöfe Sinbung be« (Simelncn abhielten. — 3^"« Unterfuc^ungen be« biblifd^en 50
ftonon« ^aben ©. von naturaliftifc^er ©eitc ba« Urteil eingetragen, bafe er „in ba« §erg
ber ort^oboien Staaten bringe, i^ren ®ö^cn, bie Sibel, Vom 3:^ron ftofee, unb fid^ be=
mül^e, bie Untertbanen unter bie gähnen ber 'I^emunft ju fammeln" (9lb^. V. fr. Unterf.
b. St. III ©. 236). aber in biefen SBorten tourben ©.« le^te 3iele nic^t richtig beftimmt.
SlDerbing« ^atte er bie ^erfömmlid^e 2luffafjung von ber Sibel baburc^, bafe er ben 56
pöttlid^en Urfj)rung ber ©c^rift al« ganp beftritt unb nur ben Slbfc^nitten juerfannte,
in benen ftc^ religiö«-fittlic^e 2Bal^rl^citcn fänben, ftarf erfc^üttert, aber fie behielt für i^n
eine gro^e Sebeutung, ja fogar einen einzigartigen SBert unb t/max ru^tc er il^m barauf,
bafe jte al« ,,bie einzigen Urfunben ber d^riftlic^en ^Religion" jur jeben ß^riften bie erfte
Duelle d^ftlic^er ©rfenntni« finb (§offmann ©. 95 f.). 31ucl^ auf bie Ableitung be« co
*^08 Semler
ß^riftentumi^ l)on einer Offenbarung ©otteö, f)at er nid^t bergid^tet (ebenb. ©. 30 ff.),
ebenfo menig ift i^m im l^ten®runbe bie Überlegenheit be^ 6^riftentumi( über anbere
Sleligionen fraglid^ gemefen. ^on bem SWaturaliömu^ jc^ieb i^n aber and) beff en 5Proj)aganba
unb beffen ©runbanfc^auung, bafe e« eine allgemein giltige SJemunftreligion gebe (äenb.
6©. 120 ff.), bagegen fträubte fic^ fein gn^^^^^^uöli^mu«.
©rofee Überrafc^ung erregte ©. bei feinen ^^i^Ö^noffen burc^ bie Strt feine« 6in=
greifen« in ba« jjraftifc^sfirc^licbe Scben. 211« bie Aufregung über bie Don Sefftng
t)erijffentlici^ten „SBolfenbütteler Fragmente" mit bem fiebenten Btixd „SSon bem ^tocit
3efu unb feiner 3ii"0^"/ ^«^ 1778 erfd^ien, i^ren $öl^ej)unft eneic^te, l^at nac^ (Soege
10 auc^ S. jur geber gegriffen (Seanttoortung ber Fragmente eine« Ungenannten 1779),
um bem gragmentiften in f(^arfer ^olemil entgegenzutreten. Sefftng l^at ft(^ mit ibm
nid^t me^r au«einanberfe|en fönnen, ba er 1780 ftarb, aber er ^atte eine Stnttobrt
ge})lant, bie nad^ einer fie toorbereitenben 5Rotig ju fd^liefeen, bem ®egner fd^arf gugefe^t
^abm mürbe („SBenn toir Don ^erm ©. nic^t glauben fotten, bafe er im ®runbe mtt
15 meinem SSerf affer einerlei 3Reinung fei, fo mufe er un« ol^ne Stnftanb beutlic^ unb be^
ftimmt fagen: 1. toorin bie allgemeine c^riftlic^e Sieligion befte^e; 2. tüa« ba« Solale ber
c^riftlic^en Sieligion fei, tuelc^e« man jebe« Ort« unbefc^abet jener Ättgcmeinl^eit au^-
merjen lönne; 3. toorin eigentlid^ ba« moralifc^e Seben befte^e unb bie befte Slu«befferung
eine« ß^riften, tueld^e burc^ jene« Sofale nic^t öer^inbert") ögl. 3fc^amadf ©. 317 ff.;
2o®aftroh? ©. 218ff.; §offmann ©. 123f.; Äaro ©. 83ff. 3in bemfelben 3a^r 1779
trat er bem unter ber ^roteltion be« ©taat«minifter« toon 3^^'^^ P^ i" Ö^^^ ^^^
5Prit)atbojent nieberlaffenben berüd^tigten Ä. g. Sa^rbt, ögl. b. 3lrt. 8b II ©. 359,iiff.,
mit ber „Stnttuort auf ba« Sa^rbtifd^e ®lauben«belenntni«" entgegen, togl. ©aftroto
©.239 ff.; 3fd^amadf ©. 345ff. Slnbererfeit« ^at ba« fog. aBöttnerfc^e gieligion«ebift
26 nic^t feinen ffliberf})rud^ fonbem feine Serteibigung gefunben (SJerteibigung t)e« Igl. ©bift«
t)om 9.3uli 1788, toiber bie freimütigen ^Betrachtungen eine« Ungenannten, §aDe 1788)
togl. ®aftroh) ©. 285 ff.; 3f(^amad©. 366 ff.
3)ie Haltung ©.« in ben ebengenannten ©treitigleiten ift ju toerfd^iebenen QAtm fe^r
toerfc^ieben, nid^t feiten ju feinem Stadtteil ertlärt tüorben. 3)aft fie fw^ aber au«
80 bem ®runbgebanlen feiner Ideologie mit Slottoenbigfeit ergab, ift toon feinen jüngften
Bearbeitern flar nac^getuiefen toorben, t)gl. §offmann ©. 117 ff.; S\d)avnai ©. 357 ff.
aSon einem Ilaffenben Söiberfpruc^ jtuifc^en ber ^eit i)or unb nac^^ 1788 lann gar
leine Siebe fein. Siafe biefe« Urteil auflommen tonnte, ift aber boc^ auc^ toieber
für ©. bejeid^nenb, benn in feinem fc^einbar ti)iberf})ruc^«tootlen SSerl^lten gelangt
36 ber 5Wangel an ©in^eitlid^feit, an ftonfequeng unb an 3)urd^fül^rbar!eit feiner ©runb*
fäfee unb Unterfd^eibungen jur 3tu«h?irlung. Über bie ©d^ranlen, bie ©.« toiffcnfc^aft^
liefen Strbeiten gebogen getuefen fmb, bebarf e« ni^t vieler SBorte, fie ergaben ftc^ au«
ben 3^»t^^'^öltniffen, bor allem au« ber (Sigenart feiner ^erfönlic^fett. 2)a§ er lein
©^ftematiler h?ar, ^eigt fic^ baran, bafe er fid^ bie Äonfequenjen ber toon ilj^m aufgefteHten
40 gorberungen nic^t flar mad^te, er l^at auc^ bie t)on il^m geforberte Objeltitoität burd^au«
nic^t immer felbft ^u üben bermoc^t unb h?ar in t)iel ^öl^erem SJlafee >)raltifc^ intereffiert,
al« er e« fid^ felbft eingeftanb, aud^ fonferbatiben ©timmungen ift er toeit zugänglicher
gehjefen al« man ertoartet, h?enn h?ir i^n al« Äritiler ^ören, unb für ben SJortourf ber
^ietätlofigleit bietet er feinen 2lnl^alt«punft. 3lud^ bie ©c^merfälligfeit bc« ©til«, bie
45 ba« ©tubium feiner ©d^riften erfc^h?ert, ift für i^n cfiarafteriftifcb, benn fte jeigt fein
forttüäljrenbe« Slingen mit neuen ©toffen unb ift ^um Seil bie golge baöon, bafe er
mit ber ^Veröffentlichung feiner ©tubien nid^t ^u haarten bermoc^te bi« er bie bel^anbelte
■JKaterie boHftänbig bemcifterte. 2tber alle biefe ©d^toäd^en unb UnboHfommen^eiten ®.«
finb boc^ nid^t im ftanbe, fein 33erbienft ^u fc^mälem, burc^ bie ©infülj^rung ber l^ifto-
50 rifd^en Setrac^tung«h?eife in bie 2:l^eologie biefe in eine neue 6nth?idEelung«j)9afe hinüber«
geleitet ^u ^aben. SlUerbing« ift biefer gortfd^ritt nid^t nur auf ©. jurüdEjufü^ren, aber
er f)ai, h?ic fc^on feinen 3^itgenoffen beutlic^ ^um Sctüufetfein fam, burd^ feine unermüb^
lic^e Sctonung ber Slottoenbigfeit einer gefc^ic^tlic^en Stuffaffung be« ß^riftentum« unb
burc^ bie Slnmenbung biefer ©runbfä^e in crfter Sinic ha^u beigetragen, bafe biefe 3Rct^obe
66 in ber Iljeologie Deutfc^lanb« ßingang fanb. ©c^mieriger ift bie ^afje, ob unb im
tüiemeit S. Originalität ^ugefproc^en mcrben barf, benn er l^at nad^toeidbar ftarte am
regungcn üon ber latitubinarifd^en 3:l^eologie ber Siieberlanbe unb Snglanb« emj)fangen
(^offmann ©. 109ff.; 3fc^amacf S. 31 ff.).
3n bem legten 3^^c^nt jeigt bie litterarifd^e Xl)ätigfeit ©.« eine ©enbun^ in
60 feinen ^ntereffen, er befc^äftigte fic$ mit Slaturtoiffenfdj^aften, äl^emie, mit m^ftifc^er
Semler Senb, Setibgerid^t 209
3:^cofot)l^ie unb Freimaurerei (UTHjart^cüfd^e Sammlung jur ©ejd^id^te ber Stofcn^
Ircuger, 4 ©tütfe, 2ei))3i0 1786—88 u. a.), o^ne bafe er bod^ bamit jugleic^ toon
ber 2:beologte abgetoanbt ^ätte. (2e|te« ©lauben^bdenntni« 1792.) Son biefen
legten Slbfd^nitt in bem Seben S.^ entwirft ©ic^^orn (a. a. D. S. 177 ff.) ein traurige«
93ilb, ba« baburd^ nid^t an SJBert toerltert, bafe er in ber ®rflärung be« Umfc^tDung« 6
ber öffentlichen 3Keinung über ©. biefem Unred^t t^ut. ©r „Verleugnete in feinen
legten 3«^^" f«" ganjeö frühere« Seben unb ©^ftem. 3)aburd^ öerlor er allen äußeren
Seiftanb unb in fic^ felbft alle« moralifd^e unb litterarifc^e ©leid^getoic^t. 35er 6^or
ber lirc^lid^en Drt^oboien, bem er toieber eintoerleibt ju toerben toünfc^te, na^m i^n al«
einen SlbgefaHenen nic^^t in feine ©emeinfc^aft auf; bie Partei ber liberaleren 3:^eologen lo
fanb feine i)lö$lic^e Sinne«änberung befrembenb ... unb fo fa^ er fic^ al« ©elebrter
im ^ublifum gule^t toon aller 2Belt öerlaffen. 6r merfte anfangt nic^t, toic tief er
^jlö^lid^ toon ber §ö^e, ju ber er fid^ burc^ me^r al« 30 mü^ebott f^ingelebte ^a^re
Ij^inaufgearbeitet ^atte, nieberfinfe, bi« felbft feine Oberen e« i^n merfen liefen." 3Jlit
ben legten SBorten bejie^t fid^ ßid^^orn barauf, bafe ber 3Rinifter toon 3^bli§, ber ®önner i6
Sa^rbt«; il^n bc« 3)ireftoriumg be« t^eologifc^^äbagogifd^^en Seminar« enthob, „ba h?egen
feiner legten Unternehmung il^m ba« ^ublirum ba« Vertrauen entjogen". 3lber ber
SJerfaffcr be« 3ReIrolog« öertoeilt bei ben ,,3llter«fc^h)ä(^en" ©.« hoi) mqt länger al« e«
bie „®ered^tigleit" verlangt. %ixx fein ®efamturteil über ©. ift mafegebenb ba«, „toa« ber
grofee Jbeolog in ben fraftvouen ^af}xm feine« Seben« geleiftet unb getüirft ... er, ber 20
erfte Sfleformator unferer neueren i^eologie, ber lü^nfte unb belefenfte, ber an Qx-
forfc^ungen unb neuen SHefultaten reid^fte Ideologe, unter ben bi« je^t berftorbenen
unfere« ^a^rl^unbert«." — ©. ftarb in ^aHe am 14. 3)lärg 1791. darl SRirbl.
©enb, ©etibgertf^t. — (gid^^orn, S)eutfd)c @taat«^ unb 3fle*t«gcf*ic^tc 5. 9(ufl., I,
S. 706; II, @. 499; «Rcttbcrg, m 3)cutf(^lanb8 II, 1848, @. 742 ff.; gÄoIl, Ä® ber mtbexr 26
lanbc, beutW t)on guppfc 1895, 6. 333 ff.; ^Interim, 5)enfli)ürbiflfcitcn V, 3, 1829, ©.36 ff.;
3)ot)c in b. 8Ä91 IV. ©.Iff. u. V, 6. Iff.; bcrfelbc in b. 2. ?(ufl. biefe« ©crf« «b XIV,
8. 119 ff. unb in b. a^ufl. be« Äir*cnrccftt« x>on mä)Ux 1886, ©.597 ff. u. 833 ff.; 3acüb=
fon, ®efc^id)tc ber OucUen bt^ M b. ?Jrcu6. ©taat« I, ©.118 ff.; ü. 9?ic^t^üfen, 5ricfifd)c
9icd^t«qucflen, SBcrlin 1840, ©.127, 138, 248 u. o.; bcrf., Unterfuc^ungcn über S-riefifcfic n(»
9te*t«9cfc^ic^te II, 1882, ©. 730 ff. u. 1257 ff.; 2öavnfönig, glaiibrifc^e ©taat^= unb SRccf)t§=
gcfdjidjtc I, Tübingen 1835, ©. 436; 3aaingcr in b. 9)130® X, ©.217; ©cftröbcr, 2e^r=
buc^ ber beutf*cn 9le(^t«9cf*lc^tc 3.9(uf(., 1898, ©.577 ff.; griebberg, Scl^rb. be4 mx^tn-^
redjt«5. «ufl., 1903, ©. 320 ff.; ©infdjiu«, Äivc^cnredjt V, 1895, ©.425 ff.; ^aurf, m 3)entfd)=
lanb« II, 2. ftufl. 1900, ©. 733 ff.; IV, 1903, ©. 61 f. 35
3)er ©enb (germanifiert au« synodus f. ®rimm, 3)eutfd^e« SBörterbuc^ X, ©. 571)
toar ba« bifc^öflic^e Slügegerid^t. ©ein Urfprung liegt in ben bifd^öflid^en Äird^en^
bifitationen (f. b. 2lrt. 33b X ©. 480). 3)iefe toaren feit bem 4. 3fl^t^unbert im TOorgen^
toie im 3(benblanb üblid^ unb gingen Von ber 9lei(^«!ir(^e in bie fränfifd^e ^ird^e über,
f. g.93. Conc. Cabill. a. 639—654 c. 11, Greg.Tur. In glor. conf. 104 ©.815u.ö. 4o
Sonifatiu« brang auf bie S3eobad^tung biefer (Sinrid^tung @ränf. ©^n. to. 747, Bonif.
ep. 78 ©. 351, ibff.), ebenfo hjurbe fie Von Äarlmann (Cap. V. 742 c. 3 u. 5 ©. 25)
unb ^ippin (Cap. Suess. 744 c. 4 ©. 29), befonber« aber Von Äarl b. ®r. geförbert
(Cap. 19 c. 7 V. 769 ©. 45; 22 c. 70 V. 789 ©. 59; 77 c. 1 Vor 802 ©.170; 78
c. 16 u. 23 V. 813 ©. 174 Vgl. Conc. Arel. V. 813 c. 17 S. 61). (Sine aSorftettung 46
Von bem SSoHjug ber Äirc^envifttation in biefer ^^\t getüäf^rt eine au« Saiem ftammenbe
aufjeic^nung (Cap. 116 ©. 234). §ier lernen h)ir bie gragen be« Sifd^of« an bie in
ber ftird^e Serfammelten lennen : Interrogo vos, presbyteri, quomodo credetis, ut
fidem catholicam teneatis seu simbolum et oration*em dominicam quomodo
sciatis vel intelligitis. Canones vestros quomodo nostis vel intelligitis etc. so
Canonicos interrogo, si secundum canones vlvant an non. Vos autem, ab-
bateSy interrogo, si regulam scitis vel intelligitis etc. Laicos etiam interrogo,
quomodo legem ipsorum sciant vel intellegant etc. 3la6) biefen fragen bilbete
bie 38ifttation ber Verfd^^iebenen ©tänbe noc^ einen gemeinfamen 3llt. 3)aburd^, bafe bie
©rforfd^una unb fird^lid^e Seftrafung ber aSerge^en ber Saien — anfang« aud^ berjenigcn 65
Sergei^en oer ^riefter, bie nic^t 3lmt«verge^en tvaren — Von ben übrigen 9Sifitation«=
gef4läften getrennt h?urbe, entftanb ba« ©enbaerid^t, ba« nun neben bie Sifitation trat.
^iefeßnttoicfelung Vollzog fic^ in ber nä(^ften3^it nad^ Äarl b. ®r. 2)a« 16. Äajjitel
ber ©^nobe von SRouen (tval^rfd^cinlic^ unter Subioig b. '^x, f. Ä® 2)eutfc^lanb« II,
©. 720, 3(nm. 3) jeigt ba« ©enbgeric^t al« eine felbftftänbige, tvenn aud^ in aSerbinbung m
9itaU9nci9nopmt fUr Theologie unb mtdtt. 3. 9(. XVI II. |4
210 ®tnh, Seitbgertcl^t
mit ber Jltr(i^ent)ifttation \>oÜiOQmc ^anblung. @^ l^et^t l^ier: Cum episcopus suam
dioecesim circuit, archidiaconus vel archipresbyter eum praeterire debet uno
aut duobus diebus per parochias, quas visitaturus est, et plebe convocata annun-
tiare debet proprii pastoris adventum et ut omnes exeeptis infirmis ad eius
6 synodum die denominata impraetermisse occurrant et omnimodis ex auetori-
tate sanctorum canonum praecipere et minaeiter denuntiare debet, quod si
quis absque gravi necessitate defuerit, procul dubio a communione christiana
Sit pellendus. Deinde accitis secum presbyteris, qui in illo loco servitium
debent exhibere episeopo, quidquid de minoribus et levioribus causis corrigere
lopotest emendare satagat, ut pontifex veniens nequaquam in facilioribus
negotiis fatigetur aut sibi immorari amplius necesse sit ibi quam expensa
sufficiat.
aSa^ bie ©ünbcn anlangt, bte für ba« ©enbgertc^t in S3ettad^t famen, fo ^attc
Äarlmann bcn Sifc^öfcn im allgemeinen bie ätu^rottung ber ^ßaganicn, be^ l^eibnifc^en
15 ätbetglauben^, jur ^fli^t gemacht; in^befonbere nannte er bie sacrificia mortuorum,
sive sortilegos vel divinos sive filacteria et auguria sive incantationes sive
hostias immolatitias, quas stulti homines iuxta ecclesias ritu pagano faciuut
sub nomine sanctorum martyrum vel confessorum (Cap. 10, 5 @. 25, t)gl. Pipp.
cap. Suess. c. 6, ©. 30). Äarl b. ®r. ging Leiter; er toer^jflic^tete bie Sifc^öfc bei ber
20 äSii'itation Unterfud^ung anjufteUen de incestu, de patricidiis, fratricidiis, adul-
teriis, cenodoxiis et alia mala, quae contraria sunt Deo, quae in sacris scrip-
turis leguntur, quae christiani devitare debent, alfo über alle fc^tvercn ©ünben,
mochten biefelben öon hjeltlid^er ©träfe betroffen Serben, ober nic^t (c. 77, 1 ©. 170,
h)äl^rcnb 19, 6 f. ©. 45 nur bie SJorfc^rift Äarlmann« h)ieberl^olt).
26 Äarlmann ^atte ben Sifc^öfen für il^r ©infc^reiten gegen ben ^eibnifdj^en ätber-
glauben bie UnterftüMing ber @rafen jugefagt. ^arl h)ieber^olte bied fd^on 769 unb
fi)äter nod^ einmal (Cap. 19, 6 ©. 45 u. 90, 6 ©. 190). älber bafe bie ®rafen bie
äifd^öfe jum ©enbgeric^t begleiteten, läfet fid^ für 3)eutfc^lanb nid^t nadj^toeifen; für
JJranfreid^ berorbnete e^ Äarl b. Ä. 853 (Cap. 259, 10 ©. 269).
30 3)urd^ ba^ ©enbgeric^t foBte bem 95ifc^of ba« ©infc^reiten gegen alle Verfehlungen
gegen bie firc^lic^en ©ittengebote möglid^ gemad^t h)erben. 2lber biefer ^\o^i fonnte
nur fe^r unboDfommen enei^t toerben, fo lange ber Sifc^of auf me^r ober Weniger zufällige
anzeigen angetoiefen Wax. 3)iefem 9Jlangel fud^te man burd^ bie ©infül^rung ber ©enb-
ieugen abjupelfen. 3)er Sifd^of toä^lte eine Slnjal^l glaubtoürbiger SRänner au^ bem
35 ©cnbbcjirf au^, unb ber^jflid^tetc fie eiblic^, auf bie il^nen borgelegten 5^agen ^in 3ln=
flagc gegen alle i|^nen befannten ©ünber ju erl(>eben (testes, iuratores synodi). ^ic
aibfic^t bei ber ßinfül^rung ber ©enbjeugen h)ar alfo nid^t, ba« Verfahren im Unterf(^ieb
bon ber alttirc^lid^en Sufejud^t, bie fic^ nur auf bie offenfunbigen ©ünben bejog, ouc^
auf bie geheimen ©ünben auöjube^nen, fonbcm ber ^toti toax ju beloirfen, bofe alle
40 im ©enbbejirf borgefommenen fir^lic^en 3>ergel^cn bor ba« ©enbgeric^t fomen. 35iefc
9Jeubi(bung boUjog fid^ in ber ^meitcn Hälfte be« 9. ^«^^^wnbert«. 3)afe bie ©enbjeugen
in ber SiKittc bc^felben noc^ unbcfannt toaren, bereift ba^ 8. 5la))itel ber 3Roinjer ©^nobc
bon 852 (©. 188). 2)enn nac^ i^m ^anbelte ber Sifc^of bamal« noc^ btrelt mit bem
Soll. Q^ ^ci^t: Si quis presbiter . . . mala de se suspicari permiserit et po-
4:> pulus ab episcopo iuramento seo banno christianitatis constrictus infamiam
eius patefecerit et certi accusatores criminis eius defuerint, admoneatur primo
seorsum ab episcopo etc. 2)agegen fmb fie in ber Äonftanjer SJiöcefe 875—889 nac^
ibei^Iic^. ©d^reibt ©alomo II. an Siutbcrt bon Wainj : Cum diocesim meam circuirem,
deveni ad locum, ubi memorati homines habitabant, et ibi didici a maioribus
5() natu vici illius, quia ibidem coniuges ita sibimet consanguinitate iuncti e88ent,etc.,
fo ioirb man unter bcn maiores natu ©enbjeugen ju bcrfte^en l^aben, ebenfo unter ben
prudentes viri, bon bercn Unterftü^ung er ein anbere^mal fpric^t (Form. Sangall. 30
©. 415 u. 38 S. 420). ^ragt man nad^ bem Urf^jrung biefer Steuerung, fo ift hm^rs
fd^cinlid^, baji babei eine im tüeltlic^cn ©ericbt Jc^on bor^er übliche ©inridS^tung auf ba«
55 bifcböflic^e Stügeberfal^rcn übertragen lourbc. ©d^on Äarl^ Bof)n $i^)})in ^tte für Italien
bie Scftimmung getroffen: Iudex unusquisque per civitatem faciat iurare ad
Dei iudicia (b. l). auf bie (Sbangelien) homines credentes iuxta quantos previ-
derit, . . . ut cui ex ipsis cognitum fuerit i. e. homicidia, furta, adulteria et
de inlicitas coniunctiones, ut nemo eas concelet (Cap. 91, c. 8, ©. 192). tiefer
••-» (Einrichtung begegnet man unter l^ubioig b. JJr. auc^ bie^feitö ber SMjjen (Cap. 187 b.
Seitb^ Sntbsmi|t 211
829 II, ©. 8). ©obann Ic^rt bic ©^nobe t)on Sloucn c. 15, ©. 271, bafe bic ätuf::
fteHung Don äSertraucn^männem jur Unterftülung bei^ ^leru^ auc^ bem firc^lid^en £eben
biefer QÄt ni^t fremb h)ar. @« h)itb bort berorbnet: üt decani in civitatibus et
in vicis publicis, viri veraoes et Deum timentes, constituantur, qui desides et
negligentes commoneant, ut ad Dei servitium absque dilatione properent, et 5
ut ipsi decani sacramento adstringantur, ut nulla interveniente causa . . .
muneris negligentes et transgressores reticeant, quin propriis sacerdotibus
proprias eorum culpas manifestent. $atte man erft folc^e SSertrauen^männer in ben
©emeinben, fo lag tl^tc §eranjtel^unfl jur Untcrftülung bet bifc^öfüc^en 3!)i«jit)lin in ber
$Ratur ber ©ac^e. 10
35a^ ©enböeridj^t auf biefer ©tufe feiner ©nttoidelung lernt man am anfc^aulic^ften
au« Stegino öon $rüm lennen, de syn. caus. II, Iff., ©. 206ff. 6r toieber^olt ju==
näc^ft bie Slnorbnung ber S^nobe bon Stouen über bie SSorbereitung be« ©enbgertc^t«
burc^ ben aird^ibiafon (f. 0. ©.210, 1), giebt bann an, bafe ber S3ifd^of nac^ einer äln^
fprad^e 7 SKänner, je nac^ Umftänben auc^ me^r ober weniger, au« ber ©emeinbe er* 15
h)ä^lt unb aU ©enbjeugen in $fli(^t nimmt. 2)a« (entere gefc^a^ in ber 35iöcefe 3:rier
burc^ folgenbe @ibe«formeI: A modo in antea quidquid nosti aut audisti aut
postmodum inquisiturus es, quod contra Dei voluntatem et rectam christiani-
tatem in ista parochia factum est aut futurum erit, si in diebus tuis evenerit,
tantum ut ad tuam cognitionem quocunque modo perveniat, si scis aut tibi 20
indicatum fuerit synod^em causam esse et ad ministerium episcopi pertinere,
quod tu nee propter amorem nee propter timorem nee propter praemium nee
propter parenteiam ullatenus celare debeas archiepiscopo de Treveris aut eins
misso, cui hoc inquirere iusserit, quandocunque te ex hoc interrogaverit.
Sic te Deus adiuvet et istae sanctorum reliquiae. hierauf begann ber S3if(^of 25
bie Unterfudj^ung, inbem er nac^ ben ©ünbem im einzelnen fragte, ©eine fragen er^
ftrecften ftc^ auf folgenbe fünfte: 1. SSerbrec^en gegen £eib unb geben, 2. Unjuc^t,
3. S)iebfta^l, befonber« Äir^enbiebfta^I, 4. ÜKeineib, 5. falfc^e« geugni«, 6. 3Jlenwens
raub, 7. 3öu6erei, 8. abergläubifc^e ^anblungen, tooran ftc^ 9. jiemlic^ regello« eine a)Jenge
gragen über 3Serftöfee gegen bie 2KoraI unb bie lirc^Iic^e Drbnung anfügte. «1
3)ie burc^ bie ©cnb^eugen erl^obene Slnflage mar nic^t bon i^nen ju bcioeifen,
fonbem entf})rec^enb bem SSerfal^ren im toeltlic^en ©erid^t fiel bem Seflagten bie Setoei«-
p^xd^t für feine Unfc^ulb ju. äte S3eh)ei«mittel biente für bie freien ber gib. Slegino
giebt II, 235 ©.306 folgenbe formet: De hoc quod mihi reputatum est in hac
synodo, quod simul cum ista femina adulterium vel fornicationem fecissem, 30
quod ego non ita feci nee unde me culpabilem recognosco. Sic me Deus
adiuvet ad istud iudicium suum. 2)ie Unfreien Ratten i^re Unfc^ulb burd^ ba«
®otte«urteiI barjut^un, ebenfo folc^e greie, gegen beren ©laubmürbigfeit gegrünbete
3toeifel beftanben (Reg. II, 303 ©. 332). ^n äbtoefen^eit ber »eflagten tonnte bie
änflage burd^ ba« ^tn^nx^ ber 3lnh)efenben beriefen Serben, ©alomo II. bon Äonftanj 40
berichtet in bem oben angeführten ©rief: Quod inquisitione facta et fide cum iura-
mento data, ita verum esse didici, ut omnes a minimo usque ad maximum
id ita se habere proclamarent (Form. Sang. 30 ©. 416). 3ladi) bem Seh)eig fanb
ber JHic^ter gemeinfam mit ben antoefenben ^rieftem be^ Urteil, ©elbftöerftänblid^ öer^
l^ängte er nur firc^Iic^e S3ufeen (f. Reg. II, 5, 38 S. 211: Quam vis enim haec se- 40
cundum legem humanam emendari debeant atque exsoivi, tamen poenitentia
ad episcopum pertinet). ©elbftrafen, an beren ©teile bei Unfreien Seibe^ftrafen
traten, fc^einen erft gegen ßnbe be« 10. 3;a^r^unbert^ aufgefommen ju fein. "Slan finbet
bie ©elbbufee unb Seibe^ftrafe neben ber fanonifc^en S3ufee juerft im ©enbrec^t ber 3Wains
toenben (f. u. g. 59) ©. 162. 3)ie (gjfommunilation gehörte nid^t ju ben im ©enbgeric^t 00
»erhängten ©trafen ; fte trat nur ein im galle ber 3Biberfe$Iic^f eit gegen ben ©enb, ögl.
Gan. extrav. conc. Trib. add. 12 ©. 249 : Cum ad synodum canonice iussus
venire contempnit, aut postquam illuc venerit, sacerdotalibus respuit oboedire
praeoeptis, aut ante finitam causae suae examinationem a synodo profugus
exire praesumit. Der ben ©enb ^altenbe Söifc^of l)aiU 3lnf})ruc^ auf SUer^flcgung unb 65
eine abgäbe, f. b. 3lrt. abgaben S3b I ©. 93, 28.
5IKan bergleic^e mit ben Slngabcn Stegino^ baö Äölncr ©enbred^t bei Sinterim unb
9Mooren, 2)ie 63). Äöln I, 2. Slufl., ©. 45, ben älugöburger Ordo synodi per villas
bei ©teiner, Synodi dioecesis Augustanae I, 1766, ©. 3 ff., ba^ ©enbrcc^t bcr^JJ^ain-
toenben bei 3)oi)e 3Ä91 IV, ©. 160—162, unb bie SeriAte über ben ©enb in ber Vita eo
14*
212 Settb^ Seitbgericl^t
Oudalrici 6, Scr. IV, ©. 394, Vita Bennon. Osn. 7, ©. 8 u. Passio Frider. ep.
Traiect. 11, Scr. XV, S. 349; bie leitete, ein SBerf bc« 11. ^a^r^unbertö, lommt
natürlich ate S^^gntö für bicfe 3^^ wnb nid^t für bie erftc §älfte be« 9. Sal^r^unberl«
in Setrac^t.
5 äuö bem aBerle Slegino^ finb bie 3Sorfc^riften über ba« ©enbgeric^t in bie grofec
(Sammlung Surf^arbö bon aBorm« (I, 90—94, ©. 572ff.) unb iDenigften« ^um leil
in baö 3)efret ©ratian« übergegangen (II, caus. 35, qu. 6, c. 7). 3)a« ©enbgerid^t
fanb bemnac^ im 11. g^i^rl^unbert im Iref entließen in berfelben ^oxni loie am SCuögang
be^ 9. ftatt. 3)afe au^ über ©ünben ber Älerifer bor bem ©enb ge^anbelt tourbe (f. o.
10 S. 209, ö5 u. 210, 44), fd^eint fd^on im Saufe be« 9. ^a^r^unbert^ abgefommen ju fein:
bei ^Hegino ^anbelt ber 33ifd;of im ©enbgeric^t nur cum laicis et secularibus (2. Sc^.
Überfc^r., ©. 206), im älugöburger Ordo h)irb über bie amtliche 3:i^ätigfeit be« 5ßfarrer^
erft nac^ ßntlaffung ber Saien ge^anbelt (c. 3, ©. 5 : Tunc emitte illos fores et
intromitte praespyterum tecum, retinens duos vel tres testimoniales idoneos
16 et veridicos prespyteros), in 9Rainj ^iefe ber ©enb gerabeju synodus laicalis unb
h)urbe ben Senbjeugen geboten nic^t ju rügen il^ren eigenen 5ßfarrer, i^ren eigenen
$enen unb ein jeber feine eigene e^elic^e ^rau (Modus celebrandi s. synodum
laicalem bei SBürbtiDcin Dioec. Mogunt. II, ©. 26 ff.) ©benfo ift in bem Inquisi-
torium in visitatione episcopi vel sui commissarii au^- ^omefanien ba^ Inquisi-
20 torium clerieorum unb laieorum getrennt (^acobfon I, Slnl^ang ©. 257, 3lx. 77).
3)od^ h)ar biefe Sefc^ränfung nic^t allgemein; in ber ^reu^ifc^en Informatio pro visi-
tatoribus (gacobfon I, 2ln^ang ©. 253, 9Jr. 75) lieft man im ©egenteil: Queratur a
testibus synodalibus sub iuramento prestito de suo plebano, ©. 255.
^m Weiteren SSerlauf fam e« ^u neuen Umbilbungen beiS ©enbgeric^t^. 35te eine
25 betraf bie Senbjeugen: im 12. ^a^r^unbert fungierten fte nic^t mel^r nur aU Äläger,
fonbem aud^ ate Urteitöfinber jufammen mit ben geiftlic^en Slic^tem; bie ©enbjeugen
iüaren j^u ©enbfc^öffen (scabini synodales, eitsvere, sendwroger) geworben. $er
3cit^unft, in bem biefe änberung eintrat, läfet fid^ toenigften« annä^emb beftimmen.
®ie ©d;ilberung, bie bie 33iogra))^ie Senno« bon D^Snabrüdf t)on feiner Haltung im
80 ©enbgeric^tc giebt, [erliefet au«, bafe ©c^öffen mit i^m gufammen t^ätig toaren (Vit.
Benn. 7, ©. 8). ^n ber ÜRitte be« 11. 3;a^r^unbertg loar alfo bie alte SQäeife noc^
üblic^. 3)agcgen erfiärte fic^ ßugen III. um 1146 gegen bie berberblic^e ©etoo^nl^eit,
qua elerici et laici indifferenter de causis ecclesiasticis in synodo remoto ab
eis episcopo iudicabant, er fc^reibt bem gegenüber t)or, ut de cetero episcopus
35 cum canonicis maioris ecclesiae assumptis secum aliis discretis viris, remoto
multitudine, discernat et potestatem iudicandi habeat (Trouillat, Mon. de Bäle
III, ©. 666). 3n berTOttebe« 12. ^ja^rl^unbert« mar alfo bie neue SBeife f^on®etoo^n=
^cit. 3)anad^ iüirb man bie Slu^be^nung ber ^l^ätigfeit ber ©enbjeugen auf ba« Urteilen
in bie3^it um 1100 ju Verlegen i}abm. ©ie erllärt fid^ o^ne ©c^iDierigleit barauö, baft
40 man in biefer ^eit überl^auj)t an bie 3With)irfung ber Saien bei ber ©ntfd^eibung fird^li(^er
9lcc^t^= unb 3Serh)a(tung«fragen getoö^nt h)ar. Nabelte ^nnocenj III. in einem ©(^reiben
an bem Sifd^of toon ^affau Don 1199 bie consuetudo minus rationabilis, bafe cum
aliqua causa traetatur ibidem (in causis ecclesiasticis), allegationibus et que-
relis utriusque partis auditis, a praesentibus litteratis et illiteratis, sapientibus
45 et insipientibus, quid iuris sit, quaeritur et quod illi dictaverint vel aliquis
eorum praesentium consilio requisito pro sententia teneatur (Reg. I, 571 ©. 526),
fo l}atU er babei nic^t baö ©enbgeric^t im 3lugc; er fprad^ mit SRüdffic^t auf 9lec^t«=
^änbcl. älber loa« er fagt, betoeift, ba^ bie 3Jlith)irIung ber Saien in ©eutfdj^lanb ebenfo
felbftoerftänblid^ mar, toie fic ber Äurie unerh)ünfd^t getoefen ift. 35ie ©enbfc^öffen fmb
50 benn aud^ tro^ feiner einfj)rad^c nic^t toerfc^tounben (freilid^ auc^ nid^t überall noc^toei«^
lid; f. §infrf)iu« ©. 439 f.). ^m (Segenteil erhielt ba« Saienelement im 12. 3<^ri^unbert
baburd^ einen nod^ ftärferen Ginflufe, bafe bie SBahl ber ©enbfd^öffen aufhörte, ©a^e
bce ©enbl^errn ju fein; bie SefteHung neuer ©enbf^öffen fanb enttoeber burdj^ 3"*^^^
feiten« ber im 3lmte befinblid^en ftatt, ober fie ging an bie Saien, in ben ^tobten
55 an ben diai, über. 3!)a« miffen loir au« bem alten d^rifttid^en ®ebiet in ^anfen unb
©acbfen, tüie au« bem Äoloniallanb, f. ©oefter ©tatuten bon 1120 bei ©eioer^, US j.
Sanbe«= unb 3Jed^t«gefc^ic^te be« §. 5öeftfalen I, ©. 49, 9Jr. 42, 5; SJranlfurter aSerglei^
bon 1283, US ber SReic^«ftabt granffurt I, ©.228, 9Jr. 473; @eh)ol^n^ett Don bc«
geiftlicben ©enbe« loegen }u 3Wiltenberg, ©täbted^ronifen XVIII, ©. 235 ; äadj^ener Crb^
60 nung t)on 1446 bei Sörfc|, 3lad^. ^)(ed^t«benfmäler 1871, ©. 129, 3lx. 20; Uthinbe be«
Stut, Senbgertcl^t 213
33ifc^of^ 5«ifoIau« Don SRiga bon 1232 (£it)--, @ft^=, Äutl. U93 I, e. 1(53, 5k. 12G);
^rcufe. Inform, pro visit. bei S^^^^bfon Slnl^ng ©. 253, 3lx. 75; über grie^Ianb f.
bon Slic^t^ofen II, ©. 733.
5Ro(l^ tiefer griff eine jhjeite Steuerung. 3^ »"^^^ ^'^ SBifd^öfe ju dürften tourben,
um fo iDcniger tooren fte im ftanbe, il^re firc^Iic^en ^flic^ten in eigener ^erfon ju er» 6
füllen. ©0 tDurbe ber älr^ibiafon jum ©teHöertreter beiS Sifd;ofg im ©enbgeri(^t. ©eits
bem bie GJlieberung ber Si^tümer in eine größere ober Heinere ^al^l öon ätrci^ibialonaten
burd^gefül^rt h)ar, erhielt jeber grjbiafon feinen eigenen ©enbbejirf, unb inbem bie Slrd^i»
bialone au^ ©e^ilfen be« Sifc^ofiS, bie in feinem 2luftrag l^anbelten, ju 3:rägem eine«
firt^lid^en 3tmte« h)urben, bem bie 9Serh)aItung eine« leite ber bifc^öflic^en 3[w^i^^iftion«= lo
rechte jufam, tourben fte ju ©enbl^crren, bie ben ©enb in eigenem 9led(;te l^ielten. 3)a«
9?a(^einanber ber @nth)i(felung«ftufen ift ^ier llax erfennbar. 3m 10. unb 11. ^ahx^
^unbert fear bie ätbl^altung be« ©enbgerid^t« burc^ ben Sifd^of felbft ba« ©etpö^nlidpe:
h)ie t)on Ubalric^ Don 3lug«burg unb 93enno bon D^nabrücf toiffen h)ir Don Semtüarb
t)on §ilbe«^eim unb 2lnno öon Äöln, bafe fte })erfönlic^ im ©enbgeric^t urteilten (US5 i5
b. §o(^ft. §ilbe«^eim I, ©. 60, 5Rr. 64 öon 1020, Lamb. ann. t)on 1074, ©. 186).
3(ber fc^on ba« ©enbrec^t ber SJlainmenben f))ri(^t t)i)n placitum episcopi s. archi-
presbyteri (©. 161) unb 35emh)arb«3^itgenoffe SSurcbarb t)onSQ3orm« fügte, inbem erSlegino«
Seftimmungen h)ieberlE>oIte, einen 9Kiffu« be« S3ifc^of« ein, ben Slegino eigen« ju ertpä^nen
nod^ nic^t für nötig l^ielt. Sei le^terem laut^U bie Überfc^rift ber ©enbfragen : Post 2d
haec [episcopus] ita per ordinem interroget (©. 208); barau« h)irb bei erfterem :
Interrogatio episcopi aut eius missi (@. 573). 9lu(^ Slegino lou^te, ba^ ber
aSifd^of p^ vertreten laffen fonnte (ögl. bie Überfd^r. be« 2. »c^«. ©. 206 unb II, 232
©. 305) ; bafe er gleic^too^l nur ben Sifc^of al« l^anbelnb nennt, läfet vermuten, bafe
nur in ä[u«na^meföllen eine 3Sertretung borfam; bie f})äteren SBenbungen jeigen, bafe 25
bo« nic^t me^r ber %aÜ h)ar. 3;m 12. ^öi^i^^nnbert ift bie Vertretung oa« ^etoöl^nlic^e
getoorben. 5Run beftimmte Sifd^of Sleinl^arb öon §alberftabt, bafe ber $roj)ft t)on Äalten=
bom al« 3(r(^ibiaton in feinem Se^irf vice nostra et successorum nostrorum sinodo
presit et quecunque terminanda occurrerint eius auctoritate decidantur (US
b. ©oc^ft. jpdberftabt I, ©. 113f., 5Rr. 147 t)on 1120 togl. ©. 262, 5Rr. 191 t)on 1138): 30
l^ier ^äit jtoar ber ätrc^ibiafon regelmäßig ba« ©enbgeric^t; aber er l^anbelt noc^ vice
episcopi. SQüenn bagegen ^nnocenj II., generalem consuetudinem ecclesiae at-
tendens, i. ^. 1139 bem Sonner $ro))ft ©erwarb beftätigt: licentiam et liberam
potestatem certis temporibus visitandi et circumeundi decanias, que in archi-
diaconatu vestro sitae sunt (MSL 179, ©. 496, 9Jr. 430), fo h)irb ber ätrd^ibialon as
nit^t me^r al« ©teDtoertreter betrachtet, fonbern er erfc^eint al« 3"^^^^ ^'"^ eigenen
©etoalt. @« h)ar nur bie entfjjrec^enbe Sejeic^nung für biefe« 9led9t«t)er^äUni«, ba| ber
ärc^ibialon je^t Iudex Ordinarius h)ie ber Sifc^of genannt tourbe. ^a« gefc^a^ Don
3nnocenj III., ögl. Reg. XIV, 45 ©.413 bon 1211: Diocesanus episcopus vel
archidiaconus loci seu quilibet alius Ordinarius iudex ; unb ba« h)ar auc^ in 40
3)eutf(^Ianb übU(^, f. bie Äölner ©tatuten bon 1266 c. 14 §ar^^eim Conc. Germ.
III, ©. 623 : Ut praelati et ordinarii iudices in terminis eorundem iurisdic-
tioni subiectis synodum suam . . . observent; ögl. bie Ur!. gürftcnb. US V,
©. 449, 3lx. 520 Don 1353, in ber ein ©trafeburger ßrjbiafon jhjei Vertretern bie libera
potestas nomine nostro iudicandi homines sub nostra iurisdictione degentes 45
übertrögt.
5RatürIic^ boH^og fic^ biefe @nth)idfelung nid^t überall gleid^jeitig, aud^ fam fie nic^t
überoH jum völligen ätbfd^lufe. 3n grieelanb ^. S. l^iclt ber Sifc^of noc^ im 13. ^Qi)X'
l^unbert in jebem 4. $^al^r ba« ©enbgerid^t felbft, in ben brei öor^erge^enben ^ielt e« ber
^dan (f. b. Slic^tHen II, ©. 731; bgl. auc^ SBeftf. US III, ©. 281 3lx, 523). 3luc^ 00
in 3:rier unb ÜRainj beftanben bie drjbifc^öfc auf bem Siecht, im 4. ^al^r ben ©enb
felbft gu galten, be^to. bie babei anfaUcnben ©efäDe ju ergeben, f 3R. Sll^ein. US I,
@. 650, 9lr. 592 bon 1155 unb SBürbttocin Dioec. Mog. II, ©. 9 bon 1195. 2)a«
Severe gefc^a^ auc^ bann, h)enn ba« ©rftere unterblieb, f bie Urlunbe G^riftian« bon
TOoing Don 1170 bei ©ubenu« Cod. dipl. Mag. I, ©. 260, 3lx. 93. 55
^a unb bort ging bie g^'^fpli^^^^ö ^^ ©enbgerid^t« noc^ h)eiter. 2lud^ bie erj=
biolone l^ielten ben ©enb nic^t überaK mcl^r ^jerfönli^, fonbern fie betrauten bamit ©tcÖ=
Vertreter; bgl. bie oben angeführten Kölner ©tatuten toon 1266 c. 14: Ut ordinarii
iudices . . . synodum suam . . . observent per se vel per alios. 3(1« ©tc[I=
Vertreter fd^einen fte jumeift bie ßrjjjriefter benü^t ju ^aben; 1147 crfc^cint c« in ber»)
214 Senk, Seubflerii^t
aWainger 3)iöccfe aU üblii), bafe bcr Senb Dom grjbiolon ober (grjj)ricfter unter Seirat
be^ Crtßpfarrer« gehalten tourbe (©tumt)f, Acta Mag. ©. 38, 9lr. 34). 6« toiebcrl^oltc
fic^ bann biefclbe erfd^einung h)ic beim ärc^ibiafonat: an^ ber SSertretung tourbe ein
felbftftänbige« Siecht, ber @rj))riefter h)urbe h)ie borl^er ber ärc^ibiafon ©cnb^err, t)gl.
6 j. S3. ©ubcnug, Cod. dipl. Mag. I, @. 193, 31%. 71 bon 1147, SKUtenberger ©etoo^n^
^eit ©. 235.
3)amit bafe ba« ©enbgerid^t aufl^örte bifc^öflic^e^ GJeric^t ju fein, ^ing eine toeitere
Umgeftaltung be^felben j\ufammcn. gn ber oben erioö^nten ©alberftäbter Urfunbe loon
1120 ift benterlt, bafe bie milites, ber ritterliche 3lbel, [xd^ bem ©rft^einen im ©enb=
10 gerieft entjögcn : fte ioerben mit ©träfe bebrobt. 3)iefe STbneigung be^ Slbefe, ft^ ber
©enbgeioalt be« Slrd^ibialon m unterwerfen, ^atte boran einen äin^alt, bofe ber Slbel
bon ben niebrigen loeltlic^en (8eri(^ten befreit toar. @r forberte bem ürd^Iic^en ©erid^te
gegenüber bag gleiche Siedet, ba« er bem toeltlic^en gegenüber befafe. 35er 6))iffot)at aber
erfannte ben änf))ru(^, bcn er im 12. ^a^rl^unbert jurüdfgetoiefen ^tte, im 13. an. 3)a«
16 tl^at au!^rüdfli(^ ©ngelbert öon Äöln in feinen ©tatuten bon 1266 (c. 14: Soli nobiles
excipiantur, qui ad nostram synodum noscuntur specialiter pertinere); ba^
gleiche ioar im »i^tum SQäürjburg ber %aü (M. B. 37 ©. 408 ?Wr. 356 öon 1263: Eos,
qui immediate subsunt episcopo, puta eos, qui dicuntur synodales), unb fc^eint
in ganj ©ac^fen gegolten ju l^aben (©a(^fenfj)iegel I, c. 2 ©. 28 ber äu^abe bon §o-
ao me^er 1835: Scepenbare lüde, die der biseope senet suken solen). 3(uc^ bic
5KinifteriaIen erlangten mancherorts greil^eit öom ©enb (fo in SBürjburg, 3öDinger
©. 22). ßigentümhc^ ift, bafe fte auö) ben ^nflufen gugef})ro(l^en tourbe (ebenfalls in
SEBüriburg Mon. Boic. XLI, ©. 285, 9lr. 105). 6« ift unberlennbar, bafe bie Befreiung
einjelner 95ebötterung«f(affen öom ©enb feinen SSerfaß einleitete.
25 3)er ÄreiS ber SSerfe^Iungen, über bie gerichtet Werben foDte, tourbe toäl^rcnb
be« SKittelalter« burc^ aDgemeine 33eftimmungen nic^t geänbert. i^atfäc^lic^ beWieS fic^
bie 3Rinberun^ ber Sebeutung be« ©enbgeri^t« in ber legten 3^* ^^ 9KitteIaIter« au4
barin, bafe feine Äomjjetenj faft überall eine bebeutenbe 93efc^rän!ung erlitt. SBie toeit
biefe ge^en lonnte, jeigt ber Sergleic^ gloifd^en ben ©. 211, 26 ertoäl^nten ©enbfragen bei
ao Slegino unb ben Seftimmungen ber 3ülid^=95ergifc^en ©enborbnung auS bem 15. "^ahx-
^unbert (Sinterim, 3!)enfm. V, 3 ©. 46) ; benn l^ier ftnb ate pecM^ata generalia, quae
sub synodum (»dunt, nur aufgejä^It: 5'"^^# ©aufen, unorbentlid^er §aud^alt, lln=
juc^t, verbotene 6^e, Sruc^ ber ©onntagSfeier, SSerad^tung beS ©otteSbienftS unb ber
©aframente, Slöinfelj)rebigt. ßö ift aUeiJ auSgefd^iebcn, ioaö in bie bürgerlidj^e Slec^t^
35 fp^ärc fällt. Äam eS n\d)t aDgemein fo toeit, fo probogierte gerabe beSl^alb baS ©enb=
gerid^t ffilberf^juic^. 6S erfd^eint feltfam, bafe nad^bem bie Saien 3Rith)irfung im ©enb^
gerieft erlangt l^atten, gerabe fie feine SBebeutung ^crabjubrüdfen beftrebt toaren. 3)er
©runb lag jjum Xcil in ber Äonfurrcnj beS ©enbgerid^tö mit ben bürgerlichen ©eric^ten,
j^um 2:cil in ber 2lbncigung gegen bie gerid^tUc^c Se^anblunj firc^Iic^er Verfehlungen.
40 ©0 tourbc in ®ent 1192 feftgefc^t, ba^ ber ©enb nur alle mer ^ofyct ftattfinben fottc,
unb bafe ber Sifc^of in ^crfon i^n abgalten muffe (3Bam!önig ©. 436); im 13. 3abr=
^unbcrt toeigcrtcn fid^ bie ©enter Senb^eugen, Ünju^t^fäUe ju rügen. Snnocen^ IV.
bcrfügtc 1253, bafe ber »ifc^iof \>on S)oomif fie baju jioinge (MG EP III, ©. 152,
5?r. 181). ayir toiffen nic^t, mit ioeld^cn ßrfolge. ^n Äöln befc^toerte ftc^ 1258
45 bcr (Sr,;bifcbof, ba^ bie Sürgerfd^aft feit bicien '^al}xm i^n l^inbere gu richten de
usuris, periuriis, adulteriis, matrimoniis et spectantibus ad matrimonia, de
falsis mensuris et de omni eo quod vulgariter meincjoif (betrügerifc^cr ^onbel)
dieitur et quod in synodis accusare consuevit (Duellen j. (Sefc^. b. ©tabt Äöln
II, e. 382, "ilx. 20). ia^ Don i^m unb ben bürgern angerufene ©c^ieb^eric^t bc=
50 ftitnmtc : De usuris, periuriis, adulteriis, matrimoniis et spectantibus ad matri-
monia et aliis huiusmodi cognoseere simplieiter pertinet ad forum ecciesiasticum.
De bellis autem, que diebus festivis vel in emunitatibus fiunt, de falsis mensuris
et de bis que vulgariter menehoif dicuntur, que in synodis accusari debent,
dicimus cognoseere debere tam iudicem ecciesiasticum quam secularem (©. 393).
55 §icr hatte bic 33ürgcrfcl)aft alfo einen Ijalbcn ßrfolg. einen boHen errang fte in 9Jlilten=
berg. "^Dort ^cif^t ee: „ift unfcr gctoonbcit unb alfo bon alter ber fomen, ba« toir nid^t
anbcr^ rügen bann ioae elicb unb anbcr gciftlicb facb angct, al^ eebrec^cn, jaubemi^ ober
bcr nit rc4)t jcknt, ioaß bann gciftlid) fac^ angcct unb offclicb iouc^er. fünft anbcr
ftut ))untc unb artitcl bic er (bcr Gr.^ij^ricftcr) forbcrt ,^u rügen ba^ finb l^engerec^t unb
üü ftcnt bcr [tat ju ju bufecn unb fuft niinant anbcr^ . . ., al^ flcin geloi^t, furg elen,
®eitb^ Settbgmd^t Sdibomir 215
Hein mafe unb anbct Hein ftufe, bie bann ber \iat ju ften; aud^ biebcrij, tauben, fielen,
morben, brennen, gotftoerer, marßftein ufegraben, felfd^erij unb anber folc^e grofe fac^ an«
geberlic^, bie ftent unfern gnebigen ^enen bon ÜRenfe amj)tlube unb ber [tat ;iu ju bu^m
unb gar nit bem ercji)riefter." 3i^n(i(^ in 33raunf^h)eig togl. ben 6ib ber ©enbfc^öffen
U55 b. St. 95r. I, ©. 98, 5Kr. 52. 2Bie bie ©täbte, fo toaren auc^ bie £anbe«^enen 6
bem ©enbgeric^t abgeneigt; offenbar fa^en fte barin einen Singriff in i^re territorial*
geloalt (f. §infc^iu^ ©. 447, Stnm. 2). @d erlitt bemnad^ nac^ aßen ©eiten ^in eine
TOinberung feiner Sebeutung. Daburc^, bafe eö bann unb h)ann lirc^lic^e SSertoaltunggs
fachen an ftc^ jog (f. j. S5. bie Verfügung be^ Slac^ener ©enbgeric^t^ öon 1269 bei
Sörfc^ ©.33, Vit. 1), h)urbe feine S5ebeutung nic^t erl^öl^t; benn eö blieb bei bereinjelten lo
gotten. 3lm meiften fd^abete feinem Slnfe^en, bafe an bie ©teile ber ^önitemen (Selb*
bufeen traten; ba« !am fd^on im 12. ^a^r^unbert bor, aber e^ erregte noc^ 3lnftofe (f.
Innoc. III. Reg. I, 420, ©.396 t)on 1198): fbäter toar e« unanfechtbare Slec^tg*
getool^n^eit (f. b. äa^ener SBei^tum t)on 1331 bei !2örf(^ ©. 44, 5Rr. 5; ba^ S3oj)parber
SBäei^tum bon 1389, 5Rr. 6 bei Sörfc^, SBäei^tümer ber 9l^einj)r. I, ©. 13 unb ben SCabel i5
ber Äölner ©^nobe bon 1536 c. 22, ^arfe^eim VI, ©. 310). Da bie Sufeen jumSEeil
bem ©enbl^errn unb ben ©enbft^öffen jupelen, fo erfc^ienen bie ©enbgeri^te h)ie eine
ertoerb^eße. Snbere SKifebräuc^e famen baju (bgl. j. 93. SBeftf. US IV ©. 315
3lx. 517), um bem ©enb fein frühere« 3lnfe^ent)öllig ui rauben.
3n ber Sleformation^jeit jä^tte man bie ganje §nftitution gu ben lirc^Iid^en 9Kifes ao
brauchen. Sut^er urteilte in feiner SSorrebe jum Unterricht ber 93ifttatoren, bon ber
^irc^ent)ifttation fei nic^td geblieben, aU ba^ bie Officialen, mit Sabe^ebbeln bie Seute
})lagten in ©etbfac^en unb niemanb befuc^ten (333333 ©a XXIII, ©. 4). Der aSerfud^,
ba« ©enbgeric^t m eöangelifc^em ©inne unter Sefc^ränfung auf biejenigen ©ünben, bie öon
ben bürgerlichen ©eric^ten ni^t beftraf t tourben, umjubilben, ben S3renj für ba« Sanbgebiet 25
bon ©c^h)äbifc^*§aa unternahm (f. §artmann, 30^. S5renj, glberfelb 1862, ©. 116f.), •
fül^rte ju feinem Srfolg. ©0 l^örten benn bie ©enbgeri(|te auf eöangelifc^em (Sebiete
burdj^toeg auf; auf lEat^olifd^em beftanben fte jum ^eil bi« in« 18. ^a^rbunbert fort.
Dad äac^ener ©enbgeric^t tüurbe erft im '^aifx^ 1797 aufgel^oben (f. öinfd^iu« ©. 448,
änm. 7). 333irflic^e Sebeutung lam i^nen feit bem Slu^ang be« Slittelalter« nid^t so
mel^r ju. ^and.
Settbomir, Äonfenfu« öon. — 3)er %e}:t beS Consonsus Sendomiriensia üon 1570
Ift obgcbrucft bei 9?icmci)er, Collectio confessionum in eccl. reform, publicatarum S. 553,
Itinerarium Sendomiriense Sim. Theoph. Turnovii, gebrudt bei ßufa^jetoici, öiejc^. ber
bö^mifdjcn ©rübcrfircfte im ehemaligen ©roftpolcn unb bei &if(f)cr, S8crfuc^ einer (äJefdiic^tc ^^
ber ^Reformation in $olcn. 2)ie Söcrfc über polnifc^c 9teform.=(AJcfc^. f. S3b XV 6. 514.
Sablondfi. Historia Consens. Send. Berlin 1731; Qoxn, ^Iftorie ber jmifc^en ben Sut^erifcften
unb ^Reformierten X^eoIogiS gcl^altenen Solloquiorum 6. 107; 3. ®. ^alct), ^ift. «. t^eol.
Einleitung in bit 9icagton§ftreltigfciten III, @. 1043, ^iieme^cr a. 0. 0. ©. LXX; Sf^iftfc^,
Urfunbcnbu^ ber ©oangcl. Union @. 71. ^
©enbomir, })olnifc^ Sandomierz, eine unbebeutenbe ©tabt im ehemaligen Äleinjjolen
an ber SQ3eid^fel, ^at burc^ ben Consensus Sendomiriensis öon 1570 für bie ))olnifd^e
Äirc^engefc^id^te eine geiüiffe Scbeutung erlangt.
Über bie SSer^ältniffe, bie eine 2>erftänbigung jtüifc^en ben Sutl^eranem, ben SRefor^
mierten unb ben bö^mifd^en Srübern in $olen njünfd^cn^loert machten, ift im 3lrt. $olen, 45
8b XV ©. 520 f. ae^anbelt. 3m 3uli 1569 bot ber JReic^^tag gu Sublin, an bem f^af}U
rcid^e et>angelifc^e Sbelige teilnahmen, Slnlafe über eine 33erftänbigung ju beraten. Wan
befc^lofe, ^unäc^ft in Heineren Greifen 38er^anblungen jur älu^leid^ung ber Differenzen
borjunelj^men. (Sine folc^e 33erl;anblung jh)ifd^en Sutberanem unb Sieformierten ift in SBilna
(2. 3Kärj 1570) bor fic^ gegangen, aber nid^t^ 9Jä^ere^ barüber befannt getoorben, al^ 00
bafe man j^u einer toenigften^ für bamal« befriebigenben (ginigung gelangte. SQSic^tiger
toar eine ä^nlic^e 38ort)er^anblung, bie am 13. ^cbruar 1570 in ^Jofen jh)ifd^en ben
fiut^eranem unb Sö^mifd^ien Srübern gel^alten lourbe. Man nal^m eine nähere SSer^
flleid^ung ber ätug^burgifd^en unb Söl^mifc^en Äonfeffion Dor unb ging bie eimelnen
orrefponbierenben 3[rtifel genau burd^. 3" ^<^" meiften fanb man feine h)efentlicbe Differenj, 55
bagegen gelang eö nic^t, in bem Slrtifel toom älbenbma^l eine Übereinftimmung ^erbei=
^ufü^ren. Die fd^on auf bem Subliner 3leic^^tage öerabrebete ®eneralf^nobc fanb bom
9.— 15. 3ll)ril 1570 in ©enbomir ftatt. ©ie foUte bie fo borbereitete Einigung ^n ftanbc
bringen unb bamit ber ^erfteUung einer ei)angelifc^=j)olnifc^en Slationalfirc^c, vorarbeiten.
216 ®(ttbomtr
6ö ;;ci0tc fid^ aber balb, bafe ba«; nid^t ba^ 3^^' ^''l^ ^^"^^^ beteiligten h)ar. ©^ toat
bau^tfäd^lid^ öom äbel in^ äuge gefafet; i^m lag ber })olitifc^e ®eiK^t^^)unft einer eins
^eitUc^cn Ma(i)t gegenüber ber fatl^olifc^cn Sirene öorlj^errfc^enb am §erjen unb be^^Ib
betrieb er bic Sinigung mit allem ßifer. ©obann toar e^ bie reformierte Partei, bic
5 biefe 2(ngelegen^eit ergriff unb bie bebeutenben ©c^toierigfeiten, toeld^e ber lutlj^erif(^en
bei i^rer bogmatifd^en Sfrm)ubfität entgegentreten mußten, nur gering fc^ä^te. 3!)ie
95öl^mifc^en ©ruber nahmen eine mittlere ©teHung ein. ©ie beloa^rten eine getoiffe un^
befangene Un)}arteilic^feit, unb fo fonnte e^ gef(^e^en, ba^ fte tro^ il^rer geringen ^njal^I
bod; bie bebeutenbfte ©tedung einnahmen unb ben 9(uSf^lag gaben. 2)ad gefd^ilberte
10 ä^er^ältniö ber Parteien f^)iegelte jTic^ in ber ^aÜ^l ber ontoefenben ^erfonen ob. 3)ie
Sö^mifd^en ©ruber Ratten nur ^toei 3)e})utierte gefc^idft, nämlid^ 21. ?Jrajmoh)dfi, ©enior
ber ^elbetifd^en Äird^e in Gujaöien, unb ©imon Il^eop^Uu« 3;umoto^fi, bamate 35iafon
ber SBül^mifd^en ©ruber unb fjjöter i^r ©enior. 2)er erftere ioar fein ®lieb ber ©rüber=
lirc^e; bie Unitöt l^atte il^n nur erfud^t, ein 3Jlanbat für fte gu übernehmen, loeil man
15 feine i^r günftigc ©eftnnung fonnte. Um fo me^r trat ber anbere 3)e})utierte, ber bomal^
26 ^afycc alte ^umotoöfi in ben SSorbergrunb. 3)ie Sut^eroner tooren nur burc^ jioei
geiftlid^e, bie ©rüber ©licjner, unb einen toeltlic^en ©ejputierten, ©toni^lauö ©nin^fi,
Sanbric^ter bon ?Jofen, Vertreten; benn ber britte (Seiftli(|>e, SRottl^äud ö. ÄrViolo, toor
taub unb ba^er faum ju rechnen, aber toa« il^nen an Ra^l abging, erfe^ten i^re J^er^
20 treter burc^ l^ert)orragenbe t^eologifc^e ©ilbung unb bad (äeioic^t i^rer omtlic^en ©teDung.
3a^lrei(^er ioar bie 'Vertretung ber SReformierten; nic^t Weniger ote fünf ©enioren ber
toerfc^iebcncn ©iftrifte 5tlein^)olen^ loaren erfc^iencn. 3)er ^alj^lreic^ ontoefenbe 3tbel ge=
^örtc faft au^fc^liefeli(^ bem l^elbetifd^en ©efenntni« an. DZatürlic^ pelen bei biefem Über=
geioid^t be« einen ©efenntniffe^ faft alle SBal^ten i^m gu. Über^au))t betrachteten bie
25 Sieformierten bie 3wfammcnfunft in ©enbomir ioefentlic^ ate eine reformierte ©^nobc
(bgl. bic im Konfenfu^ felbft gebrauchten SBenbungen: „Et nos et fratres credidimus''
„Nostra confessio, quam in praesenti synodo edidimus" ift bie l^elDetifc^e Jton-
fefjion). ©e^r balb jeigte e« ftc^ aud^, bafe bie ^ertoorragenbften 3KitgIieber ber reformierten
Partei mit einem fertigen $lane nad^ ©enbomir gefommen looren. gr beftonb borin,
30 bie t)or furjem erfd^ienene, t)on ©uttinger berfofete jtoeite Ij^elöetifd^e Äonfeffion für ba^
})olnifc^e 9lationalbefenntni^ ju erflären unb in einem auefül^rlic^en ©orloort bie ©tellung
jur lutl^crifc^en Äirc^e unb jur ©rüberunität ui erläutern, ©ie l^atten ju biefem 3h)«f^
eine >)olnifd^e Überfe^ung jener Äonfeffion unb ben ßnttourf einer ©orrebe fc^on mit^
gebrad^t. ©c^on bei ber ©eratung über bie ©orrebe famen bie berfd^iebenen Slic^tungen
35 gum ©orfc^ein. 3Kan ging f obann in ben ©i^ungen am 11. unb 12. kpxxl bie Äonfefjion
felbft burc^. hierauf foHte bie Slbftimmung über bie ätnna^me berfelbcn erfolgen; bo^
ber aKojctoobe öon Ärafau, 3K^^}fologfi, bemerfte, bafe bie« unnötig fd^eine, benn bie
9Jeformierten befennten fid^ ja fc^on lange gu i^r unb brauchten fte buw^ SCbftimmung
nid^t crft gu em^)fel^len. 3)a aber ber öaujjtgtoedf ber ©erl^anblung fei, ftc^ mit ben
40 ©rübem toalbenfifc^er unb fäd^fifc^er Äonfeffton gu öerbinben, fo möd^ten biefe über bie
Äonfeffion abftimmen, ob fte mit ber bl. ©c^rift übcreinftimme, unb ob jie ftc^ gu il^r l^alten
ioollten, bamit fie nid^t al« bie heteetifd^e, fonbem ate eigene Jjolnifc^e l^erou^gegebcn ioerben
fonnte. ^lan ftimmte bem bei unb ^ielt für gut, bic Slbftimmung burc^ einen ätu^fc^ufe ber ^Parteien
öorncf^incn ju (äffen. IJn benfclben lourben bie brei lut^erifc^en 3)ej)utierten, bie ©ebrüber ©liegner
45 unb ©nin^fi gctoöl^lt, ferner: ^ragmoio^fi unb lumoio^fi für bie ©rüber, unb enblic^
für bie 3{cformierten bie ^^farrcr ^afob ©^Ibiu«, $aul @iloh)«fi, bie SQ3oieh)oben öon
Srafau unb ©enbomir, ber Dr. ©taniölau« Slojanfa unb 35luöfi. ^ragmoto^fi, aU
deputierter ber ©rüber ftimmte für bic 2lnnal)me. lumotoßfi erflärte, bofe er gtoar für
feine ^crfon bic ^clijctifcbc Äonfeffion aU übercinftimmenb mit ber ©rüberfonfefjion an-
:*^ febc, bod) fönnc er biefe ßrflärung nur infofem im 9iamen ber ©rüber obgeben, ate
bicfc nid^t bcri^flid^tct loürbcn, ü}xt eigene Äonfeffion bc^^alb gu toertoerfen, bielme^r bei
\l}x bcrl^arrcn fönntcn. ^ic« tourbe fof ort gugcftanben. 6« fam nun auf bie ©ntfc^eibung
ber i?utl^erancr an. ^icfc crflärtcn, ba^ fic gloar nid^t bon ber 3lug«burgifc^en Äonfeffwn
laffcn irürbcn, bagcgcn auc^ nic^t gcfonncn feien, fte afö gemeinfame« ©efenntni« ber
65 ©tmobc jujunmtcn. Sic fc^higcn bagcgcn bor, bafe Don allen gemeinfd^oftlic^ eine anbere,
eigcntlicb polnifd^c Äonfeffion, abgefaßt tocrbcn möge. 2)amit [teilten fte fic^ auf ben
©oben ber Scrhanblung unb ibrc 3uftim"iung gum SBcrfc ber Sinigung toar au£igef))rodi^cn.
"Slan gcftanb ibnen foglcic^ ihre J^orbcrung gu unb bcfc^lofe, auf ber näc^ften, gu ^ftngften
in 3yarfd>au bcborftcbcnbcn iscrfanmilung bic Slbfaffung bicfer neuen Äonfeffton in angriff
00 }u nehmen. Xa inbcs fd>on jc^t ein Süiebrud ber getoonnenen (Sinigung getoünfc^t h)urbe,
®enbomtr 217
bcfc^Iofe man einen Sejefe ab/^ufaflen unb t)on ber ©^nobc beftätigen ju laffen. 3)Jit bcr
Slbfaffung biefer ©c^rift iDurbc ber reformierte Pfarrer in Ärafau, 6^rifto^)l^ Ireciu«, unb
•Jenanbue, ein anberer nic^t Leiter befannter Pfarrer, beauftragt, ©ic fonnten fc^on am
folflenben Jag bem engeren äu^ft^uffc ben öerlanaten Slejefe öorlegen. Jpier h)urbe einiget
toerbefjert unb barauf am 13. W^xxl bie ©c^rift ber ©^nobe borgelegt, ^ier mad9te 6
Grasfmu« ©licjner noc^ einige ©<^toierig!eiten; er Verlangte ben 3"?^^ einiger SBorte
über bad Slbenbmal^l unb bie 9(ufna^me eine^ ganjen älrttfel^ aud ber fäc^ftfd^en Jton::
feffton, b. 1^. ber fog. repetitio confessionis Augustanae ober confessio doctrinae
Saxonicarum ecclesiarum öom ^a\)x^ 1551. 33eibe^ tourbe jugeftanben, nur im erften
?ßunfte h)urbe ftatt ber t)on ©licjner getoünfc^ten SßJorte „convenimus, ut credamus lo
carnem Christi" gefegt: substantialem praesentiam Christi non significari dun-
taxat, sed vere in coena eo vescentibus repraesentari distribui et exhiberi
corpus et sanguinem domini, symbolis adjectis ipsi rei, minime nudis: se-
cundum sacramentonim naturam. — §iermit, h)ie in ber nun folgenben ©teile au^
ber fäc^ftfc^en Äonfeffton mit ben SDäorten : Et baptismus et coena domini sunt pig- iö
nora et testimonia gratiae etc., bid gu ben SBorten: docentur etiam hominem etc.
(togl. CR XXVIII, p. 415—418) fear beutlic^ genug auggef^jroc^en, bafe bie
©runblage be« SSergleic^« bie j)^ili^)})iftifci^e Se^re öom älbenbma^I bilbete, bie mit ber
reformierten, in ber l^elöetifc^en Äonfeffion au^gefj>roc^enen unb ebenfalls aj)})robierten
(placuit praeter articulum, qui est insertus nostrae confessioni [ber ^elDetifc^enJ ao
mutuo consensu adscribere articulum confessionis Saxonicarum ecclesiarum
de coena domini) h)efentli(^ gleic^ ip. 6« fel^len ba^er alle eigentümlich lut^erifc^en
?formeIn. SBenn f})äter ®Iicjner ben consensus gegen lut^erifd^e Slnfeinbungen mit ber
33el^au^)tung feine« lutl^erifd^en ß^arafter« ju toerteibigen toerfuc^te, fo toar er atö ^^ili^jpift
in ä^nlic^er ©elbfttäufc^ung begriffen, h)ie bie Sißittenberger in ben IrVt)tocatoiniftif4en 26
©treitigfeiten. ®« \oax begrünbet, toenn bie Sut^eraner, toelc^e burc^ bie Äonforbien«
formet ben $l^ili^)})i«mu« ^)rofIribierten, aud^ ben ©enbomirfd^en Äonfen« bertoarfen.
Diefen Äonfen« gelobte man ft(^ gegenfeitig j^u berteibigen gegen bie ^äpftler, bie
©citierer unb gegen aDe geinbe be« ©bangelium«; Leiter h)urbe befc^Ioffen, öon nun an
aKem ©treit unb ^aber abjufagen. Um ben Äonfen« fruchtbar ju madj^en beftimmte man, so
bafe jeber ben ©otte^bienft unb bie ©alramente be« anberen %6l^ bebienen fönne, mit
SJorbe^alt inbe« ber beftebenben Drbnung unb 3)igji>)Iin einer jeben Sirene. 3)enn bie
gotte^bienftlic^en ©cbräuc^e unb 3w^"^onien jeber Äird^e foBten frei urib untoeränbert
bleiben, fofem bie Seigre felbft unb ba« gunbament unfere« ^eifö nur untoerrücft bleibe,
©nblic^ berfprac^ man jum 3^gni« ber gegenfeitigen brüberlic^en Siebe, alle toid^tigen 36
Angelegenheiten ber Äirc^e in $olen, Sitauen unb ©amogitien gemeinfc^aftlic^ ju be*
raten (consilia officiave charitatis mutua inter nos conferre et in posterum
de conservatione et incremento omnium totius regni piarum, orthodoxarum
reformatarum ecclesiarum tanquam de uno corpore consulere polliciti sumus).
9Benn alfo bon einer Äirc^e ©eneralf^noben gehalten Serben, fo foU ba« ben anberen 4o
angegeigt unb 3)et)utierte gu benfelben gefd^icft toerben.
3u ber befd^loffenen ätbfaffung eine« eigenen polnifd^en Sefenntniffe« ift e« nid^t
gelommen; bagegen fanb am 20. 3Kai 1570 eine 3Serfammlung ber Sut^eraner unb ber
Srüber ju $ofen ftatt. 3)ie bort gefaxten Sefd^lüffe (consignatio observationum
necessariarum ad confirmandum et conservandum mutuum consensum Sendo- 46
miriae a. 1570 d. 14. April, in vera religione christiana initum inter ministros
Augustanae confessionis et fratrum Bohemorum Posnaniae eodem anno Maji 20
facto et a ministris utriusque coetus approbata et recepta) fönnen aU eine Qx-
gängung be« ©enbomirfd^en SSergleic^« angefe^en Serben, h)ie fie benn auc^ fjjäter auf
öcrfd^iebenen })olnifc^en ©^noben gctoö^nli^ mit bemfelben berbunben aj)j)robiert tourben. 6o
35ie Sut^eraner machten anfangt einige 3Jerfud^e, ben SSergleic^ in getoiffer Segie^ung
gu befc^ränfen, fte Ratten gu bem @nbe 15 fünfte aufgefegt. 2)ie ©ruber fteDten ba«
gegen 10 Semerfungen auf. 3lad) einigen SSer^anblungen blieben bie Sutl^eraner bei
mer fünften ftel^en, bie ba« Slbenbma^I betrafen ; fie verlangten, bafe bon bemfelben nid^t
anber« gej'})rod^en iüerbe, al« toie e« bei ben Scfennern ber 3lug«burgifc^en Äonfeffion 66
übli(^ fei, h)a« bie S5rüber nic^t gugeben tooUten. 5Jlan beftimmte enblic^, bafe unter
SSermeibung aller bem ©enbomirer ^i?crgleid^e unb ber fäc^fifc^en Äonfeffion fremben 2lu«s
brütfe öom 2lbenbma^le gelehrt tüerben fotte (2lrt. 5). ^m übrigen !am man balb überein
unb tjereinigte fic^ über folgenbe fünfte: 3^^^ ^^i^ foHe bei ben ©ebräud^en im ®otte6=
bienft toie in ber Sluöteilung ber ©aframente bleiben, bie bei feiner Äirc^e üblid; finb, go
218 Senbomtr ®t^
unb bie« oj^ne bcn 3Scrbac^t, bamit äinftofe ^u erregen (2lrt. 2). SBenn an einem Drte
jh)ei GJcmeinben unb ^rebiger feien, folle ber eine ben anberen im gaUe ber 3lot im
^rebigen unb in ber ©alrament^öertoaltung Vertreten, ©ei bagegen an einem Drte nur
ein ^rebiger unb eine ©emeinbe, fo foIIe ber Patron berfelben feinem ^Jrebiger beö anbem
5 Sefenntniffe^ (coetus alterius) jur $rebigt unb ©aframent«t)erh?altung gulaffen ol^ne
Äuftimmung be^ ^rebiger^ ber ®emeinbe. Äein ^rebiger foll bie ©lieber ber anberen
©emeinbe ju fi(^ lertiberjiel^en (2lrt. 6). 3*« $oIemif in $rebigten unb ©d^riften fott
verboten fem (ärt. 7). ^ie ©enioren jeben ^eite follen ft(^ bie ^örberung biefer Union
angelegen fein laffen, unb );vmn e^ nötig fein h)ürbe, gtoei» ober breimal be^ 3^^^^
10 nifammenfommen unb gegenfeitige Beratungen miteinander au^tauf(^en (Strt. 8). ftein
Xeil foBe })rit)atim an ber Se^re, ben Äirc^engebräut^en unb Äird^engut änberungen toor^
nehmen, fonbem bie^ nac^ bem Urteil ber ©eiftlic^en ber eigenen Äonfeffton unöerfel^rt
bleiben (9lrt. 9). 3)ie Äirc^enjuc^t foH bon allen ^rebigem emftlic^ gct^flegt toerben
(3lrt. 10, 11). 6« fott unterboten fein, bafe ^rebiger unb ©emeinbeglieber beiben 3:eile^
15 gegenfeitig ftd^ jur ^ömmigleit unb 33ufee ermahnen (2lrt. 11). Äein ^rebiger foD ©e^
meinbeglieber bom anberen xeile ol^ne 3^wgni^ be^ red^tmäfeigen ©eelforgerd jum 3tbenb=
mal^l ^ulaffen, angenommen ben %aU ber Sleic^^tage, ©eneralf^noben unb Steifen (ärt. 14).
35ie mit bem Sänne in einer ©emeinbe belegt fmb, bürfen in einer anberen ni^t jum
äbenbmalbl jugelaffen Serben, h)enn fte nid^t borl^er in ber ©emeinbe, bie fte geärgert
20 ^aben, abfolbiert fmb (9lrt. 15). 3)ai3felbe gilt t)on ^rebigem, bie in einer ©emeinbe
abgefegt finb; fie bürfen nur bon ber ©emeinfc^aft, ber fie angel^ört l^aben, toieber auf-
genommen Serben (ärt. 16). Patrone bürfen feine Sefe^le jur 3tnberung ober Steuerung
ber 3^^»"onien ol^ne ©ut^eifeung ber ©enioren geben (Slrt. 17). 3lIIe J)aj)iftif(^en Äirc^en*
gebräud[;e foDen nad^ unb nac^ abgefc^afft hjerben (2lrt. 18). SQäenn eine Srrung in ber
25 Seigre ober ©ebräuc^en jh)ifc^en ben $rebigem beiber Sefcnntniffe eintreten foDte, fo
foB man fte untereinanber frieblic^ beilegen, unb toenn bie^ nic^t gelingt, foD man bie
(gntfc^eibung ber ©eneralf^nobe bon ©rofe^ unb Äleinjjolen an^eimfteßen unb biefe für
bie gefuc^te 9Ba^r^eit aufrichtig anertennen (9{rt. 19). ^(fant t-
^tpüTüMmn» f. b. 2trt. ©eftentoefen oben ©. 160, ii.
30 Btpttatah f. b. 3lrt. Dbabja S3b XIV ©. 247,83.
&tpp, ßl^riftiaan, nieberlänbifd^er Äirc^enl^iftorifer, geb. in 2tmfterbam 1820, geft.
im Sabeorte 3B^f aan 3ce (9torb^oIIanb) 1890; 2)lennonitent)rebiger, ^ule^t (1854 bi«
1882) in Serben; öon ber £el;bener Uniberfität )\um Doctor Theol. honoris causa
ernannt; toar mit regem (gif er auf t^eologifd^em unb religiöfem ©ebiete fc^riftfteDerifc^
36tl^ätig; rebigierte 1855—1870 bie bermittlenb4iberale t^eol. ^eitfc^rift Oodgeleerde
Bijdragen; toerbanft aber feinen Stuf befonber^ ber langen Stetige jum 2cile ftattlic^er
Sänbe, in \))d6)m er fein reiche« fird^engefc^id^tlic^e^ SBiffen unb bie grüc^te feiner uner-
müblic^en Unterf ud^ungen nieberlegte. 6ö toaren öorjug^iüeife bie 5tirci(;engef^idS^tc ^oHanb^
feit ber Sieformation unb au^ berfelben fjjejieHe G^ebiete, toelc^e er in angriff nal^m:
40 bie ©efd^id^te ber j)roteftantifc^en 3^l^eologic unb be^ tl^eologifc^en Uniöerfttät^unterric^t^;
l^ertoonagenbe SJtänner au« bem Slnabajjti^mu«, StoU, Stot^man^ ©c^riften, auc^ au« bem
älnfang ber reformierten unb freiftnnigeren fird^Iic^en Sctoegung, SJlobeb, laffin, ba Sra^,
6onanu«, ?)e(fiu«, auc^ 3llbaba, ba güttere u. a. ; enblic^ l^at er über ^roteftantifdbc
„©eftierer", Seb. grandt^ unb Söl^mc« ^oHänbifc^en greunb, ©überman, bie öcrfc^icbenen
45 aiuögaben ©ottfricb 3lrnolb^, ©id^tel, ieur^off u. f. h). mand^e« Sleue gu tage geförbcrt.
Sltlmäl^lid^ na^m il;n immermel^r bie 2)etailgef(^id^te mel^rerer 3)iffenter unb S'^enifer,
fotüie biejcnige h)id^tigcr ©d^riften, über bercn Sntfte^ung unb ©d^iicffale noc^ manche«
unflar ift (bie Institutio Calv., bie Jjrot. SJlärt^rerbüc^er u. f. tu.), in 2lnf})ruc^. 3Son
feinen Söerfen feien genannt: Pragmatische geschiedenis der Theologie in Neder-
öoland 1787—1858, 1860, ioelc^e« SBerf in fieben ^a^ren brei auflagen erlebte; Jo-
hannes Stinstra en zijn tijd, Bijdrage t. d. geschied, der kerk en schoo! (b. ^.
ber Stl^cologic) in de 18*^^ eeuw, 2 93bc, 1865—6; Het godgeleerd onderwijs in
Nederland gedur.de If)«^*^ en 17'^'' eeuw, 2 Sbe, 1873—4; Bibliotheek van Neder-
landsche Kerkgeschiedschrijvers, 1886; Verboden lectuur, Drielndices librorum
55 prohibitorum, 1880; Het staatstoezicht op de godsdienstige letterkunde in de
Noordel. Nederlanden, 1891 au^ S.^ Stac^Iaffe herausgegeben. Die obengenannten
2lbl;anb(ungen über ^erfoncn unb 33üd;cr finb mcift gefammelt in: Geschiedkundige
Stpp Sera^btt 219
Nasporingen, 3 33be, 1872—5; Drie Evangeliedienaren uit den tijd der Her-
vorming, 1879; Polemische en Irenische Theologie, 2. Äufl. 1882; Kerkhistor.
Studi§n, 1885. Sei aDen biefen Slrbeitcn lamcn ©., mel^r nod^ al« feine gro^^
artige 95ibIiot^ef, feine ungemeine Süc^erfenntni^ unb fein reiche« bibliogra^jj^ifd^e« SBiffen
ju gute. 6
6in ebenfo Iieben«h)ürbiger 5Jlann unb vortrefflicher ©eiftlic^er ate tüd^tiger unb
immer ^>ilfgbereiter ©elel^rter, War ©. in toormer »Vreunbfc^oft mit loielen, befonber« mit
©tei^, 6omeliug, 3lippoVt> toerbunben. gür bie 2. Stufl. 5ß9l@ Verfaßte er einige 3lrtifel:
aSoetiu«, ajofftug, im Bvi!ppl u. a. öan §engel, Äift. $rof. D. e. Gramer.
®e)>timtitd Setienti^ f. b. % Seberud. lo
@etiitlfriiier f. b. «. ®rab, §eilig., Drben bom »b VII ©. 54, si.
Seqtteitjen itwb Sro^en. 3"f«>l0« t>«^ 2:obe« be« §erm Bearbeiter« bin ic^ ge^
nötigt, biefen 9(rtifel an ben ©c^Iu^ be« SBerfed )u fteQen. ^anif.
©criHi^lm f. b. ä. gngel Sb V ©. 369, 38.
®era)»tott (©ara})ion). — 3" ben 16 altfird^lic^en ^ßerfönUc^feiten biefeö Flamen«, i6
bie im DchrB 4, 612—615 aufgegä^It unb befjjrod^en ftnb, ift toal^rfc^einlid^ ate 17.
ber Serfaffer einer SSita SJiafariu«' be« äg^})ter« gu rechnen (l^r^aeg. hpi\\(i) u. franj.
t)on 2tm6lineau in ben Monuments pour servir ä lliistoire de ITfigjrpte chrßtienne,
Annales du Musöe Guimet, 25. 95b, $ari« 1894; f^rifd^ öon S3ebjan in ben Acta
martyrum et sanetorum, 5. S3b, ^ari« unb Sei^gig 1895); boc^ ^ie^ biefer 5Könc^ »
bießeit^t ©araj)amon. 3Sgl. ^ierju Sutler, The Lausiac History of Palladius l.S3b,
(Texts and Studies, 6. Sb, 6ambr. 1898), ©. 220. 3m übrigen berbienen bie folgern
ben 3;räger be« Flamen«, ber übrigen« richtiger ©arajjion (fo griec^.) ate ©erapion (fo
lat.) gefc^rieben h)irb (f. Sutler, History 2, 5Rote 68, ©. 213), befonbere ©rtoä^nung:
1. ©., gSifd^of Don 3lntioc^ien, toa^rfc^einlid^ 190/191— 211/212 (t)gl. §amacf, 26
ßl^ronologie 1, 211 ff.), 9lac^foIger be« ÜJlajiminu« unb SSorgänger be^ 9löMej)iabe^, öer«
fafete nad^ ßufebiug H. E. 5, 19 unb 6, 12 (Hier. vir. 111. 41) folgenbe ©c^riften:
a) ein ©(^reiben an einen getoiffen, jum ^ubentum abgefattenen i)omninu«; b) ein
©(^reiben an bie firc^Ii(^en 3Ränner ^ontiuö unb Äarihig, ben SRontaniömuiS betreffenb
(Eus. 5, 19); c) anbere ©einreiben an „Serfc^iebene" ; d) einen Aöyog negl xov Xeyo-^
fiivov xGTä Uhgov evayyeXiovj an bie GJemeinbe ;|u JR^offu« in ßilicien jur SQäamung
bor bem bofetifc^en ^n\ja\\ biefen ©toangeliumö gerichtet, äu« biefem Sogo« ^at 6ufeb
ein Srud^ftücf mitgeteilt. Sgl. baju ben 2lrt. 2l»)ofrV>>l^en be« Sleuen 2:eftament« Sb II,
663. Unabhängig öon ßufeb f^eint bie 9Jotij bei ©ofrate« (Hist. Eccl. 3, 7) ju
fein, h)onac^ ©. in einer ©c^rift Gl^riftu^ ate ^/bLtpvyog bejeic^net Ij^abe. 86
2—4. 3n ber alejanbrinifd^en Äirc^e be« 3. ^aV^unbert^ begegnen un« brei ©e*
rapton. 2)er erftc toarb 5Jlärt^rer in ber Verfolgung unter 3)eciug (togl. Dion. Alex,
bei Eus. H. E. 6, 41, 8); fein ©ebäd^tni^ toirb am 14. 9lot)ember gefeiert. 3)er jtoeite
opferte in ber gleid^en Verfolgung, genofe auf bem 3:otenbett ein ©tüdf geh)eil^ten Srote«,
bag ber franfe ?Jre«b^ter bem ©nlel be^ SJeuigen mitgegeben l^atte, unb ftarb getröftet ^
(1. c. 6, 44). 2)en britten nennt ^^iltpt^u^ öon ©ibe unter ben Sorfte^em ber alejan^
brinifc^en Äated^etenfc^ule (f. biefen 9lrt. Sb I, 358, 40); e^ ift aber unmöglich, feine
^erfönlic^feit ju ibentifijieren, in^befonbere nic^t mit ©erapion t)on I^mui^ (f. barüber
DChrB unter 5lr. 9).
5. Um bie aJlitte be« 4. ^jal^r^unbert« ftanb ©crajjton, Sifc^of öon ^l^mui«*^
in Unteräg^»)ten, in ätnfe^en (Epiph. Haer. 69, 2; Soz. H. E. 3, 14. 4, 9; Phot.
Cod. 85). aintoniu«, ber ©infiebler, bem ©. na^eftanb (ögl. Vit. Ant. cp. 82 MSG 26,
957), l^interliefe il^m le^ttoittig eine^ feiner ©c^affeHe (I. c. cp. 91 p. 972), unb ätl^anaftu«
rid^tete bier Sriefe an i^n, bie ftd; mit ber toneumatomad^ifd^en ^rage befc^äftigten (MSG
26, 529—676). ©ein SEobc^ja^r ift unbefannt. 2tn ber ©^nobe t)on ©eleucia 359 ^'
naf)m ^tolemäu^ ate Sifcbof toon 2:i^mui« teil; nac^ ^ieron^muö (vir ill. 99), ber il^n
„©c^olaftifuö" nennt, fc^rieb er adv. Manichaeum egregium librum et de psal-
morum titulis alium et ad diversos utiles epistolas. 35ie antimanidiäifc^e 3lb=
^nblung (Phot. Cod. 85; l^r^. bon % Sa^nage im Thesaurus monum. eccl. et
hist. 1, änth). 1725, 35—55, banac^ MSG 40, 899—924) bie infolge falfc^er ßin-. 5^
220 Sero^ion
fc^altung einc^ Cuatcrnioncn in bcr ^anbfd^rift (ßobcj 27 ber Sibliot^et bcr Congre-
gazione della missione urbana di San Carlo in (Scnua, f. ?pitra, Analecta 1,
44—46; Äüjjic in ber Hamburger ©tabtbibliotl^ef, f. bcSagarbc, Titus Bostrenus,
p. III) jum ^cil in bic ©c^rift bc^ Situ« öon Softra eingefd(;obcn toar, l^ot 53rinl=
bxnaml&m, 1894, 479—491) ^ergeftcttt. 3h)ei »riefe ©.« an einen Sif(^of (Subojinö
unb an (ale^anbrinifc^e) W6ni)t (ngög uovdCovrag) gab 2Rai ^erauö (Nova Bibl.
5, 362. 366; Spie. Rom. 4, 45. 57; abgebrucft MSG 40,923—942). einige SBruc^^
ftüdfe veröffentlichte ^itra: 1. jtüei gried^ifc^e an^ Cod. Coisl. 279 (Anal. sacr. 2,
p. XL; Anal. sacr. et class. 27 f.); 2. brei fV^fd^^ ^^^ Cod. addit. Mus. Brit. 1215()
10 (Anal. sacr. 4,214. 443 f.). @nbli4 fanb ®. aBobbermin (ältdE^tiftUc^e liturgifc^e ©türfe
an^ ber Sirene 2tg^pten« nebft einem bogmatifc^en ©rief be^ 95ifc^ofg ©eraj)ion öon ilj^mui^, in
%\X 17, 31% 2, |)eft 3 b, Sei^jjig 1898, tocld^e 3lb^anblung ©.25—30 auc^ genaue Angaben
über ©. entl^ält) in Cod. 149 be« ätt^o^IIofter^ 2ama eine Sammlung öon GJebeten, i)on benen
jh)ei (9ir. 1 u. 15) in ber ^anbfd^rift auf unferen ©. jurücfgefül^rt tourben, ber (t)gl. 35reh)^
15 m ^m 20, 1900, 291 [298]ff.) tüo^I aud^ ber «erfaffer Don 3lx. 16 unb 17 ifi 3m
Sln^ang ju biefer ©ammlung fte^t eine 2lb^anb(ung in Sriefform negi nazobg xai vlov
(SBobbermin 21—25), bie jtüar nid^t au^brütflic^ alö öon ©. ^errü^renb l>eiiei(^net ift,
tool^I aber mit ©ic^er^eit il^m jugefc^rieben Serben lann. Stoagriu^ ^ontitu^ teilt in
feinem „rvcDoxixög" (bei Soor. H. E. 4, 23) f olgenbe a^Ietifc^e ©enteni be« ©. mit :
20 „6 vovg jukv 7t€7ioxä)g JivevjLiatixrjv yvd>oiv TeXelcog xa^algeiai' ayajirj de rd
wXey/naivovra jbLÖgia tov '^fiov ^eganevei' novrjgdg de ijii'&vfuag biiggeovoag
lOTtjoiv iyxQm:eia"
6. ©., mbnd) ber fletifc^en SBüfte, gül^rer ber ant^ro})omorj)^itifc^en 3Rönc^e (ögl.
b. 3lrt. Drigeniftifd^e ©treitigleiten 33bXIV, 491,i6ff.), über beffen grobfmnUc^e fjrömmig-
26 leit Saffian (Collatio 10, 3) anfc^aulic^ berichtet, ift nic^t ibentifc^ mit bem SKönc^, auf
ben Saffian feine 5. Collatio jurütffü^rt.
7. ©eraj)ion ©inbonita, fogenannt toeil er nagexrog oiv^ovtbv (leinene^ ©c^
h)anb) ovöijiote ovökv jiegießdXXero, ift einer ber gelben ber Historia Lausiaca
(93utler, Rap, 37, ©. 109—116; eine f^rifc^e Srtpeiterung biefe« Stejteö au« bem 6.3a^r=
ao ^unbert toeröffentlid^te Sebjan, Acta martyrum 5, 1893, 263—341), ber auf feinen
Steifen nac^ (Sriec^enlanb unb 9lom biel abenteuerliche« erlebte unb bottbrac^te. ?lau
(Histoire de Thais, Annales du Mus^e Guimet XXX, 51 [1903]) toiD in i^m ben
Reiben ber ©efc^ic^te t)on 2^ai«, ber Sudlerin, fe^en (togl. ju biefer ©efc^ic^te and} bie
^[b^anblung t)on ®a^et, Antinoe et les s^pultures de Thais et S^rapion, ?Pari«
36 1902, unb il^re Äritif burd^ Satiffol, La lögende de Sainte Thais, im Bull, de lit-
törature ecclösiastique, 1903, 207—217). Seontiu« bon 9lea))el berichtet im Seben
Sol^anne« be« »arml^erjigen (^r«g. t)on (Selber Rap. 23, ©. 48; f. 33b IX, 300, 4?) öon
biefem ©., er l^abe fein (Seh)anb unb felbit ba^ ©bangelium berlauft, um älmofen ju
fpenbcn, eine ©efc^ic^te, bie in ber interpolierten Slecenfion ber Hist. Laus. (cp. 116)
40 t)on Seffarion, in ber bei Socr. H. E. 4, 23 mitgeteilten ©teile au^ be^ Evagr. Pont.
UgaxTixög t)on einem „geh)iffen ©ruber" erjä^lt tpirb.
8. ©era^)ion, S3ifc|of öon ^eraflea. ©inen 2lg^^)ter ©.^atte ß^r^foftomuiS loon
Äonftantinojjel jum 2)iaIon orbiniert (Socr. H.E. 6, 4)unbi^m bie gunf tionen be« 3lr(^i=
biafonu^ übertragen (Sozom. H. E. 8, 9). Sr unterftü^te benSifd^of in feiner bi^jij)linarijc^cn
46 ©trenge unb trug burcb fein rüdtfid^t^lofc^ 2?orge^en nic^t h)enig baju bei, bie iuuft
jh)ifd^en Sifc^of unb fileru^ m ertüeitern. 311^ ßl^r^foftomu^ in ßpl^efud loeilte, um
bort bic tird[^lid^en üBer^ältniffe ^u regeln, betraute er ©. mit feiner ©tetoertretung.
35a^ toar ju ber 3^it, aU Sif^of ©eberian bon ©abala in ber ^au})tftabt gegen
ß^r^foftomu^ intriguiertc (Socr. 6, 11 [mit ber App. ju S3ud^ 6] unb Soz. 8, 10; t)gl.
50 Sb IV, 104, r>4). ©. iou^te e<S fc^liefelid^ burc^^ufe^en, bafe ©eberian bie ©tabt t)er=
lafjen mufete. 2{uf bicfcn ^\m\i tüirb eö fic^ bejie^en, tocnn unter ben gegen ß^r^fo-
ftomu^ auf bcr ©l;nobe im ögvv (403) erhobenen Slnflagcn auc^ bic figuriert, er ^abe
ben S. jum ^ricftcr gclocibt ju einer ^c'it, ba biefer fid^ noc^ toegen einer 9(nltage ju
rechtfertigen gcl?abt l^abc (Phot. Cod. 59). ?iac^ ber 9lüdffc^r au^ feiner erften Ser«
66 bannung bcförbertc (Sl^rVf«>f^o^"w^ ^^'" ©• 5"^" Sifc^of Don §craflea in I^racien (Socr.
6, 17). Wii bem cnbgiltigcn ©turj bc^ ^^5atriarc^en iDurbc aud^ ba^©c^i(ffal feine« über=
eifrigen 2ln^änger^ bcfiegclt. ©. fuc^te 3"P"d^^ ^" ^i"^"^ ftlofter gotift^cr 9Kön(^c
(Chrysost. Ep. 14 MSG 52, (US), iourbe aber aufgcl;obcn, mife^anbelt, feiner bifc^öf-
liefen Stürbe beraubt unb nad) tHqVptcn bejjorticrt (*!lJaHabiu^, Dial. de vita S. Joannis
0) Chrysost. MSG 47, 71 l>gl. 219). 0. Ihftgcr.
Serbutt 221
®erbtett. — Serbija (fcrb.) Don 3BI. ^nritfcf». ; Sof. 3Kaüat, La Serbie con temporal ne,
2. $^b; «J. Äanif, Serbien (1904).
a)a« Äömgretc^ (feit 1879) umfaßt 48600qkm unb tüirb toon 2230000 ©eelen
(1900) bciDolj^nt. 3)ic SSebölferung ße^ört faft burc^hjeg ber „orientalifc^sortl^obojen"
Äirc^e an, unb jh)arnac^ 2lrt. 3 ber ^crfaffung bon 1901, toeld^er lautet : „a)ie©taat«= 5
religion in ©erbien ift bie orientalifc^-ort^oboje. 3)ic ortl^oboje Äird^e be« Äönigreic^^
^at biefelben Sogmen h)ie bie orientalifc^=öfumenifc^e; aber fic ift unabJ^ängig unb
autoIc})^aI." 3)iefer Scöorred^tung gegenüber erl^ielten Slnbcr^Iäubige immerhin bie
3KögHc^fcit einer gcbeil^Iid^en 6nth)icfelung ibrer ©teßung burc^ 3lrt. 33 jene^ ®runbs
gefe^e^: „3)ic ®eh)iffcn^frei^eit ift unbefc^ränlt. äße amdannUn Sleligion^gefeßfc^aften lo
fte^en unter gefe^Iic^em ©(6u|, infofem i^re religiöfen Übungen bie öffentli^e Drbnung
unb bie ©ittlic^feit ni(^t gefä^rben." ^^iod) fc^Iic^t [\6) al^balb ber ©a| an : „3cbe^
Sorgel^en gegen bie ©taat^religion (^rofel^tenmac^en) ift Verboten."
Diefe böDige ©elbftftänbigfeit gilt ate SBieberl^erfteltung eine^3"P^"^^f ^" todc^em
ft(^ bie Äirc^e bi« 1766 befunben l}abt, unb jtoar bon 1347 an, nämlic^ t)on ber ßr^ 15
Haltung be« ^atriard^at« öon ^pd bon 3llt=©erbien (bereit« im 35ringcbiet). 35amate
tourbe ba« ort^oboje ©erbenbolf auf ®runb ber SQBirIfamfeit be« l^eutigcn ^Rational-
Ij^eiligen ©ah)a \>on ber Äirc^enregierung be« Matriarchat« in Äonftantinojjel Io«geIöft.
35iefe aUerbing« über bier ^ö^i^^wnbette h)ä^renbe Unab^ängigfeit etfe^te ber ?IJlac^th)iBe
ber §o^en ^Pforte 1766 h)egcn ber Sejiel^ungen be« 3})eler ^atriarc^at« ju Ungarn unb 20
jum ftab^burger §aufe burdi bie Sinfü^ng einer ^^anariotifc^en Seitung unter bem
SBIabifa bon Seigrab, äße SKifeftänbe biefe« burd^ Ääuflic^Ieit unb Sebrücfung übel be^
leumunbeten f irc^Iic^en ©ried^entum« machten ftd^ bon ba an geltenb. ^^^^^önbere erfc^toerten
fie ben gottgang ber nationalen ferbifc^en ©r^ebung gegen bie ^ürlenberrfd^aft. ©0
tarn e« fogar ju einer Einrichtung be« SBIabifa burc^ ben dürften 5)(iIofc^, h)eld^er25
freiließ fic^ nic^t Wenige geh)alttl^ätige Eingriffe in bie firc^Iid^en Siechte erlaubte. 5Rac^
längeren ^er^anblungen geftanb fd^on bamal« ba« Äonftantinopeler ^Patriarchat ber Äirc^e
bc« gürftentum« bie ©elbftregierung gu, jcbod^ unter ber S3ebingung, bafe ber ferbifc^e
5Jletro^)olit fu^ burc^ ben Patriarchen beftätigen laffe unb bafe in ben ®otte«bienften
feine« 5Ramen« gebad^ft toerbe; ebenfo i}(itk ber 3)ietroi)olit iäl^rlic^ 1200 35inar unb bei so
feiner 95eftätigung 3600 2)inar an ba« Matriarchat ju entridpten. 2)ie« alle« tourbel879
al« aufgel^oben erllärt.
Unter bem 2)letro))oliten, toclc^er jugleic^ Sifc^of bon Seigrab ift, fte^en junäc^ft
bie beiben Sifc^öfe bon 9lifd^ unb t)on ©^itfc^a (Jllofter im ^bartl^ale), lefeterer in
2^fc^atfd^al (©erb. 3Korah)a) too^neitb. 3)ic 3)letro})olitcnh)ütbe h)irb burc^ SBal^l bon 35
feiten ber 3lrd^i^ierarc^ifd^en ©^nobe unb nac^ erfolgter Seftätigung be« Äönig« erlangt.
®ie ©^nobe befte^t bann au« bem ^Jletroflpoliten, ben beiben Sifd^öfen, xtüei ärc^i^
manbriten unb je einem ©r^j^riefter („Mtoto") ber 21 Qpax6)\m. 3)iefe oberftc lird^lid^e
Se^örbe haltet jugleid^ al« ®eric6t«^of für bie Sifd^öfe. — Den gleiten 9?erh)altung«s
Iört)er bilbet ba« 2l})pclIatorifc^e Äonftftorium. 3)iefe« ^at bie SRa^regeln unb S3efc^lüffe 40
ber ©parc^ien ju prüfen unb ju beftätigen ober auf Berufung ^in ju änbem. ©eine
5Kitglieber toerDen t)om SJletrojpoliten au« ber gefamten ©eiftli^feit l^erau« bem 5Kinifter
borgefc^lagen unb t)om Äönige anerfannt. ©ie t)flegen jä^rlid^ im 5Jlai unter 95orfi|
eine« Sifc^of« ju tagen. — 2)ie ©parc^ien fallen räumlid^ mit ben politifd^en SertDaltung«-
?;ebieten («reifen) gufammen unb ^aben i^re näd^fte leitcnbe Se^örbe an ben ©par^ial^ 46
onftftorien. 2)iefe tüerben bon "^opm unb 3!Könc|en, unb jh)ar öier Seifigem unb einem
geiter, gebilbet unb fmb ber 3lufftc^t be« Sifc^of« unterfteüt. 3;^re aufgäbe ift e«, für
bie MP^^ i^^ Äird^englauben« beim 93olfe ju forgen, ben 93efi^ ber Äird^en unb Ätöfter
ju überiDod^en, ®^eftreitigfeiten ju erlebigen unb über SSergel^en ber ^optn unb 3Sl'6n6)c
m richten. — 3)er Äleru« beftel^t auc^ in ©. au« ben beiben Klaffen ber mönd^ifc^en 60
ätegulargeiftlic^feit unb ber verheirateten ©äfularijriefter. äUerbing« ftufen fic^ aud^ bie
le^teren, bie Mopen, infofem ab, al« bie einen gemeint finb, um bie 3Reffe ju jelebrieren,
unb bie anberen nur gu affiftieren ba« Siecht ^aben, jebo^ einige ©aframente fj)enbcn
bürfen. ©ie finb in größeren Mf^^^i^" 2)ia!one ober Sifare. (2)ie 3lnagnoften ober
aSorlefer aber l^aben feine ^jriefterli^en Siechte.) 3tu« ben MojJen Serben gröfetenteil« bie 55
@rü)riefter burd^ bie Sifd^öfe i^rer 3)i5cefc getüä^lt. Se^tere ge^en au« ber Äloftergeift=
lic^reit ^ert)or, meift nac^bem fte in einem angefc^eneren Älofter ätrc^imanbtit ober in einem
Heineren Sflwmen geh)efen. 3!)iefe Oberen ber Äalubjer« ober ?IJlönc^e bertüalten ba«
Älofterleben nac^ ber Siegel be« 1)1 Safiliu« (äufeerlic^ too^I burd^ bie öoUftänbigc ©nt=
^oltung bom gleifd^genuffe bcmerfen«n)ert); fie Serben bon ber Slrd^il^ierarc^ifc^en ©^nobe eo
222 Seritm Sergtitd I.^ ^a^fl
ernannt, bcbürfcn aber ber Seflätigung burc^ ben 9Jlinifter. gm übrigen unterftel^en bie
Älöfter bem Sifc^ofe ber betr. 35iöcefe. — 3)er Staat f)at aufeer ben ertoä^nten Se^
ftätigung^rec^ten jtoar feinen ©influfe auf bie grnennung ber ^farrgetftltc^f ett ; aber e^
barf fein fird^Uc^er 93efi| ol^ne g^ftimmung ber Slegierung toeräufeert h)erben, toa^ ftc^
5 an^ auf bie na^eju 900 Pfarreien bejiel^t unb auf 52 Älöfter, toelc^e gugleic^ >)farrUc^e
Siebte ausüben. ®leic^h)o^I erl^alten nur bie Sifc^öfe, bie SKitglieber be^ Äonftftorium^
unb bie 6rjt)riefter einige« ©e^alt bom Staate, toö^renb bie Pfarreien für i^re ^optn
allein aufuifommen f)abm; ben Älöftem genügt i^r reichlicher Seft^.
35ie Sorbilbung ber (Seiftlic^en Verlangt nac^ bier Sc^uljal^ren m einem ©^mnafium
10 eine bieriä^rige Stubienjeit im geiftlic^en Seminar, toeld^e^ bon 14 Se^rlräften öerfej^en
h)irb. I)iefe 3lu^bilbung foh)ie bie nationale 3Sergangenl^eit beö 5ßoJ)enftanbe^ getoä^rt
ber GJeiftlic^feit Serbien^ eine ^öl^ere Sichtung beim Ssolfe, ate fie fonft in ort^obojen
Äird^engebieten üblid^ ift. — S)a« Unterric^tigtoefen tourbe burd^ obligatorifc^en Sefud^
ber SSotefc^ule feit 1882, burc^ geförberte (Einrichtung ber jtoei für ba^ Äönigreic^ gc=
16 fcbaffenen Sel^rerfeminare (ein britte^ für bie Serben in ber 3:ürfei) unb burd^ 38 SKittel-
fcpulen tro^ aller ))olitifc^er 3Birren auf eine rü^mlic^e ^ö^e gebracht. 2)ie $oc^fc^ule
iu S5elgrab entbehrt nur ber mebijinifc^en gafultät, um ben Slang einer Unibafüät be^
anfj)rud9en ju fönnen. — 2)ie römifc^^at^olifc^e Äonfeffton ift j^au})tfäc^lic^ im SZorben
Serbien^ vertreten, h)irb aber nic^t me^r afö 20000 S3elenner jöJ^^len, bai)on ettoa 5000
20 in Seigrab. Sie Rängen bom Sifd^ofe t)on ©jalotoar in Kroatien ab, toeldj^er ftc^ jugleic^
atö Sif^of bon Seigrab unb Semenbria bejeid^net. — 35ie ebangelifc^e Äird^e befi^t nur in
Seigrab eine ®emeinbe, im übrigen Sanbe nur öereinjelte Slnge^örige; in ber ^avapU
ftabt befinbet fic^ eine Sd^ule, toelc^e aber jumeift t)on Äinbem anberer Selenntniffe
befuc^t h)irb. ^ie ©emeinbe unterfteUte ftc^ bem Obertivd^enrat )u Serlin unb jö^lt
26 250—300 Seelen. ». @9«.
©crolitÄl., $aj)ft, 687—701. — ßitteratur: Lib.pontif.ed.3Rommfen©.210ff.;
Jaff^ I, @. 244; 53on)cr=SRambac6, Unpart. 4)iftorte ber röm. $äpfte IV, @. 210 ff.; ßangcn,
®cfd)id)tc ber röm. tir^c ©. 585; ®rcfloroüiuö, ®cfc^. ber @tabt SRom im W?l. II*, @. 177 ff.;
SReumont, ®efc^. ber ©tabt Sflom II, ©.97; ^efelc, (Sonciliengefcbicöte, 2. §lufl. III, ©.345;
90 ©ajmann, $oHti! ber ?5äpfte I, ©. 188; ^cimbuci)cr, ^ic ^apftttja^Icn unter bcnÄaroHngcrn
@. 15 ff. eine ©c^enfungSurfunbc ©ergiu^' I. bei bc JRoffi, Bullet, di arch. ehr. 11, 1,93.
"iWac^ bem 2:obe be« $at)fte« Äonon (22. Se>)t. 687) erfolgte eine jn)iefl)ältiae ffiabl.
Ein ^eil be^ Sollet h)ä^lte ben Slrc^ibiafon ^afd^ali^, ber fc^on mä^renb ber Äranl^eit
Äonong ben ©jard^en go.^^nne^ in 9lat)enna für fic^ gewonnen ^atte; ber anbcre ieil
36 erflärte fic^ für ben 3lrc^ii)re^bbter I^eobor. gebet ber beiben ^rätenbenten bemächtigte
[\^ eine^ SEeite be^ Sateran, feiner aber tüar im ftanbe, feinen ©egner ju i)erbrängen.
gine Serftänbigung fc^ien nur möglich, tvmn e« gelang, einen britten Äanbibaten auf-
ujftetlen, bem bie übertoiegenbe ^Kajorität jufaßen toürbe. 3)iefen 3luigh)eg ergriffen bie
^ü^rer ber ftäbtifAen Dbrigfeit unb ber ^JJilij unter ßwftimmung eine^ großen 2^eil^
4obeeÄlcru^. 3^r Kanbibat toar ber ^re^b^ter Sergiu^^; ber ätbftammung nac^ ein
Orientale — bie §eimat feiner ßltcm Wax ba^ f^rifd^e 2lntioc^ia — h)ar er bodj^ im
Slbenblanbe, in Palermo, geboren; unter Slbcobatuö (672—676) h)ar er nac^ 9lom ge-
fommen, crft feit 682 ober 683 toar er ^re^b^ter. 5Run iüurbe er jum Sifc^of geloä^lt
unb mit ©etoalt in ben Sateran eingefül^rt : bie ^Majorität be^ 3Solfe^ trat fofort auf feine
45 Seite, X^eobor berjic^tetc freitoitlig unb l^ulbigte bem 3leugeh)ä^lten; ^ßafc^al, beräBibcr^
ftanb ^u leiften Derfuc^te, n)urbe genötigt ba« gleiche ju tl)un, unb atö ber ß^ard^, bon
^afc^al ^eimlic^ benad^ric^tigt, in 9lom erfd^ien, fonnte aud^ er nur bie Sle^tmäfetgfeit
ber 2öal;l anerfennen; boc^ nötigte er Sergiu^ jur öntric^tung t)on 100 5Pfb. ®olbg,
fo öiel i)atU ^afc^al i^m jugefagt; Sergiuö fa^ fic^ genötigt, einen 3;eil be^ Äirc^en^
öo fc^a^eö bon St. ^eter ju ber})fänben, um bem ejarc^en genug ju tl^un. 3lm 15. ©ej.
687 fonnte er, nun allgemein anerfannt, orbiniert loerben.
211)^ ^ajjft richtete Sergiuö feine Slufmerffamfeit fotoo^l nacb 3Beften toie nadj^ Often.
3)ort galt e^ ba^ Serl^ältniö ju ber angclfäc^fifc^cn Äirc^e ju fcftigen unb ein Sanb mit
ben bon i^r au^ge^enben 3)Jifftonen auf bem geftlanbe ju fnü^jfen ; ^ier, bie entfdj^eibenbe
65 2lutorität beö römifc^en Stu^l^ ju toal^ren.
Sei ben 2lngelfac^fen toic bei ^it)i)in fanb er bereittoillige^ ©ntgegenfommen. gm
^abr 689 fonnte er bem Jlönig Gcabtüalla Don SBcffej in Slom bie 2^ufe erteilen
(Seba, h. e. V, 7); in ben näd^ften l^abren reftituiertc er ben entfetten SBilfrib öon
5?)ort (Eddii V. Wilfr. 41. 44. 48). Unfic^er ift, \m^ über feine Segiel^ungen )u Serctualb
®argi]t9 1., ^afpfl Sergtitd n., ^apft 223
öon ßanterburV berichtet h)irb. 3)er Lib. pont. ©.216 erjäl^It, ©. I^abc il^n jum grj«
bifd^of t)on Britannien orbiniett. ""Jlad} jh)ct ©riefen, beten ©c^t^eit jeboc^ bejtoeifelt
toitb, Jaffß 2132 f., f}at er i^m ben ^rimat Don Britannien übertragen. Slber nadj^
SebaV, 8 tourbe Serctualb am 1. 3uli 692 inenglanb getoä^lt unb am 29.3uni693
bon einem fränfif(^en ÜRetroj)oIiten ®obuin getoei^t. ^öglic^ertpeife liegt ein 2Ki^5 5
t)erftänbnid bed L. p. Dor, ba^ ftc^ aud ber Berlei^ung bed ^aUiumd an Berctualb
ertlären mag. 2lm toic^tigften h)ar Sergiu^' SJerbinbung mit "^ippxn unb SDäiHebrorb,
hierüber f. b. 3lrt. SBiUebrorb.
Sad Ber^ältnid )u Jtonftantino))eI )ourbe beftimmt burd^ bie ©teUungna^me bed
35a^)fteg ju ber truDanifc^en ©^nobe öon 692 (f. b. älrt.). Obgleich bie römifc^en 10
Segaten ben Sefc^lüffen ber ©^nobe jugeftimmt l^atten, Weigerte fid[; ©ergiu^, fte ju untere
fc^reiben, ate ber Äaifer fie ii^m jufanbte; er toertoarf fie mit aller ©ntfd^ieben^ett.
Suftinian II. fc^idfte barauf^in ben $rotofj)at^ar S^c^öria« mit bem Sluftrage nac^ Slom,
©ergiud nac^ Äonftantinopel abjufii^ren. Äaum aber h)urbe bie (Sefa^r, in toelc^er ber
*;ßaj}ft fc^toebte, befannt, fo er^ob ftc^ bie ÜKilij bon Slabenna unb ber $enta^)oIi« (ätn» 16
cona, Umana, ^efaro, gano, Slimini) ju feinem ©(^u|e unb ^og gegen Slom. 3<^^^^ö^
alaubte nur baburc^ fein Seben retten ju lönnen, ba^ er ftc^ m ben ©c^u^ be^ ^o^fted
vt^ab, bem e« aud^ gelang, bie ätufregung ju befc^toid^tigen, er toar öoKftänbig ©ieger.
®iefe aSorgänge fmb in boj)J)eIter §infic^t bon Sebeutung; einerfeit^ Vertiefte bie SSer^
toeigerung ber ätnerlennung ber truHanifc^en ©!9nobe ben 3h)i^l>öl^i ^^ jtoifd^en ber 20
abenblänbif(^en unb morgenlänbifd^en ß^riftenl^eit bereite toor^anben toar; anbererfeit«
^eigt bie ßr^ebung ber 3J(ilu, h)ie feft baö älnfe^en Slomg in Italien ftanb: bei einem
©trcite jh)ifd^en SHom unb «onftantino))e( lonnte nur Äonftantino})el Verlieren.
5Ro(^ mag angeführt Serben, bafe nac^ bem Lib. pont. ©. 215 bie ätufna^me beö
Agnus Dei in bie ?IJlefeIiturgie auf einer ätnorbnung ©ergiu^' I. beruht. 35a^ ®ebet 25
tourbe öon Äleru^ unb Sott gefungen.
©ergiud ftarb am 8. ©ejjtember 701. ^anif.
@ergiltdll., ^apft, 844—847.— fiittcratur:Lib.Dontif.,ed.3)ud^c§ncn,8.86ff.;
Annales ßertiniani; Jaff^ @. 327 sq.; ügl. aud) Ps. Liudpr. de vitis Rom. pont 104
MSL 129, @. 1244; ©otoer^SRambad), Unpart. C)iftoric ber röm. «Päpftc V, @. 574; Sangen, 90
®cf(^i(^tc ber röm. ^ivcfte 6. 822; ®regoroütu§, ®cf*tcl)tc ber @tabt SRom im 9)m. III*,
S. 81; SRcumont, ®efc^id)te ber @tabt JRom II, ©. 196; 3)ümmler, ©e^c^te bcg Oftfrän!.
$Reict|« I, @. 249ff.; «ajinQnn, ^olitt! ber ^öpftc I, ©. 349; ^oud, m 3)cutfc^=
lanbd II, @. .512 f.; 3)opffeI, Äaifcrtum unb ^apftnjcd)fel 6. 116; .^eimbucfter, 2)tc $Qpft=
mabicu unter ben Karolingern ©. 149 ff.; lieber eine unechte ^blafebuHc ©ergiud II., f. ©öj, 36
3Ä® XV, @. 342 ff.
2lte ®regor IV. im ^^nuar 844 ftarb, bemäd^tigte ftc^ ein 3)iafon Flamen« ^ol^anne^
an ber ©pi^e eine« SSoIföl^ufen« be« ^atriarc^ium« im Sateran; er ^offte im 33efi|e
beö ^alafiö bie SBal^I auf fi(^ lenfen ju fönnen. ^f)m ftellte ber römifc^e äbel ben
Src^ipre^b^ter ©ergiu« entgegen, ben er in ber SaftUfa be« ^I. 3Rartin toä^Ite unb mit 40
aSaffengetoalt in ben Sateran einfül^rte. 3<>^«"" h)urbe gefangen genommen unb ent^
ging nur burd^ ba« 3)ajtpifd^entreten be« 9ceugeh)ä^Iten bem ^obe.
©ergiu« gehörte burd^ feine ©eburt bem römifc^cn Slbel an ; nac^ bem frül^en 3^obe
feiner ßltem toar er am päpftlic^en $ofe erjogen Jüorben; 2eo III. na^m il^n in ben
5lleru« auf, ©tep^an IV. tüei^te i^n jum ©ubbiafon, ^afc^al I. jum ^riefter, ©regor IV. 40
enblic^ er^ob i^n ^um älrd^iprc^b^ter.
3)afe er ober bie Partei, bie il^n erhoben ^atte, beabftc^tigte, bem ^apfttum eine
felbftftänbigere ©teDung bem Äaifertume gegenüber ju geben, afe e« bamaü befa|, trat
atebalb nad) feiner SBal^I an ben lag, er tourbe fonfefriert, o^ne bafe bie Seftätigung
ber SBa^l bur(^ Äaifer Sot^ar abgeh)artet Sorben toärc. I)er Äaifer erblidfte in biefem 00
SJorge^en mit Siecht (ögl. Hlot. I const. Rom. MG. CI. I. ©. 322) einen SCreubnid^
bei* Slömer; er fanbte be^^alb im ©ommer 844 feinen ©o^n 2ubh)ig mit einem §eerc
nac^ 9lom; in ber Segleitung Subtoig« befanb fid(; eine Slnjal^I Sifd^öfe, an i^rer ©pi|e
^rogo t)on 3Jle^; fie foQten forbem, ne deinceps decedente apostolico quisquam
praeter sui iussionem missorumque suorum praesentiam ordinetur antistes 50
(Ann. Bert.). 2)a« ^eer brang in ba« römifd^e (Scbiet h)ie in Jf^nbe^Ianb ein; ©ergiu«
bagegen empfing Subiüig mit aDcn i^m jufommenben (Sl^ren unb ber^inberte baburc^
fcinbfelige ©d^ritte gegen feine ^erfon. 6« fam glei4[h)0^1 ju einer ftürmifd^en SSerf^anb^
lung 5loif(^en i^m unb ben Sifd^iöfcn unb ©rofeen, bie Subtoig begleiteten. 2)en ®egen^
224 ®ergiiid II., Spapft ®crgt«9 IV., Sp^
ftanb berfelbcn ßiebt ber S3toflrcH)l^ bci^ 55a))ftcö, ber bic SSorgönge über^am)t abfic^tlic^
toerfd^Ieiert, ni(^t an; man lann aber niqt ätoeifcin, bafe c^ fu^ babci um jene ^orbcrung
bc« ^aifer« l^anbcUc, unb bafe öom $a^ft unb Don ben Slömem i^tc Sercc^hgung an-
erfannt Serben mufetc; ^rubentiu« t)on 2:ro^c^ (äfet Subtütg feinen ätuftrag au^ric^ten
5 (Ann. Bert.: peractoque negotio Hlodowicum pontifex Romanus unctione in
regem consecratum cingulo decoravit), tüogegen ber lurialiftift^e Siograj)^ ben
$a})ft bie Dberl^anb be^auj)ten läfet; er fagt bon ben ©efonbten: ab eo, bem ^a^)ft,
superati pudore et operti confusione discesserunt. @r tuirb barm, baf; ©ergtu^
im 9lmte blieb unb bafe bem §eere ber 6intritt in bie ©tabt öerfagt tüurbe, feinen ©ieg
10 erblicft l^aben. ^n ber Il^at lag in beibem eine ßinbufee für bie ©teßung beö Äaifer^.
3m 3wfammen^ang mit biefen 3?orgängen ftel^t h)ol^l auc^ bie öon bem 8iogra))ben
erhjä^nte, aber anber« motivierte 3^^atfac^e, bafe bie Slömer bem Äaifer öon neuem ben
gib ber ^reue leifteten. S^gcftänbuiffe be« ^a))fte« ^at man ol^ne 3^^!^ ^"^ i" ^^
Ärönung Subtoig^ jum lombarbifc^en Äönig, in ber ©mennung SJrogo« bon 9Kefe jum
16 j)äj)ftli(i^en SSilar bie^feit^ ber %lpm mit fe^r h)eitge^enber ©elbftftänbigfeit ju errennen
((Schreiben be^ ^ap\i^ an bie tranöal^). Sifc^öfe bei Mansi XIV, 806). SBer^ielt er
fic^ bagegen fel^r fc^roff gegen bie toegen i^rer SSerbinbung mit Sotbar t>ertriebenen
SBifc^öfe 6bo t)on Sll^eim« unb Sartj^obmöu^ t)on 9Jarbonne, fo h)irb hierfür bie Slücffu^t
auf Äarl ben Äa^Ien mafegebenb getüefen fein. ©J)äter l^at ©ergiu^ für (Sbo gegen
20§incmar Partei ergriffen; aber er t^at e^, gebrängt t)on Sot^ar, olj^ne ^ladj^brudf unb
o^ne erfolg (Hincm. ep. 11 ad Nicol. Pap. MSL CXXVI, 82 sq.).
93on ber ^^l^ätigfeit be« ^apfteö ertoäl^nt fein S3iogra^)l^ nur no<| ba«, toai er jum
S3au unb ©d^mucf öon Äird^en tl^at. 6r fd^tüeigt bagegen über bie SSertüüftung Storni
unb bie ^lünberung ber $eter«s unb ber ^autefird^e bur($ bie ©aragenen im äuguft 846
26 (bgl. hierüber Ann. Bert. j. b. %). Jlurj banad^, am 27. ^[anuar 847, ftarb ©ergiu« IL
®ergilti9 III., ^a^)ft, 904— 911.— Sitterotur: Liber pontificalis ed. 3)u4e§nell,
@. 236; featteridj, Pontif. Roman. Vitae I, @. 32. 37. 85. 660 ff.; Jaffd @. 445; 3)ümm-'
ler, (iJef(^. bcS Oftfr. JHeic^« lU, @. 601 ; bcrfelbe, 3(uiiliu« unb SSuIgoriuä; «onjer=9iQm:
aobod», Unpart. ^iftovie ber römifc^en ^äpftc VI, 267 ; Öircgorooiu«, ©efdjicfttc ber @tabt SRom
im ^«I. III*, @. 237; ^Reumont, ®efd)i(öte ber ©tabt 9iom II, @. 227; ^efelc, aonciIien=
gef(6i(^tc IV, @. 574; ©ajmann, ^olitif ber köpfte II, ©. 76; fiangcn, ®eidftid)tc ber rötn.
Äirc^e 6. 313.
3)er ^ontififat ©ergiu«' III. fällt in bie geit ber fog. ^omohatie, er felbfl fott gu
a6 ben Sui^Ien ber 5Jlarogia gehört ^aben; nac^ £iub})r. Antap. II, 48 War er ber SSater
be« fpäteren ^a))fte^ ^o^annXI. 9Jac^ bem 2:obe Xl^eobor^II. 897 tDurbe er, bamate
2)iaf on ber römifc^en Äirc^e, bon einem Steile be^ Solfe« jum ^a))fte getoä^It ; er mu^tc
jeboc^ bem burc^ flaifer Sambert begünftigten S^l^önn IX. toeit^en; er begab ftc^ nac^
2:ufcien in ben Sc^u^ be« 3Karfgrafen 3lbalbert; fteben ^af)x^ brachte er bei i^m gu.
40 3Jac^ ber Slbfe^ung be^ ^apfte^ ß^riftop^oru^ 904 feierte er nac^ 91om jurüd unb erhielt
nun tüirflid^ ben päpftü^en ©tu^l. 6r tourbe iDa^rfd^einlid^ am 29. Januar 904 ge^
toeil^t. 3la6) globoarb, ber günftig über i^n urteilt (de Chr. triumph. ap. Ital. XII,
7 MSL 135 ©. 831), toaren bie SBünfc^e be« SSolH na^ Siubpranb (I, 30) ber ©m
flufe ber tufcifc^en Partei babei mafegcbenb. 38on 3:^aten biefc« $a))ftei^ loirb nic^t«
46 berichtet aU ber 9icubau be^ burd^ ein ßrbbebcn gerftörten Sateran (L. p.; Benedicti
ehron. 27; Dgl. bie bon 3!)uc^egne ©. 236f. jufammengeftettten ^nfc^riften). Über feine
Stellung in ber grage ber Slec^tmäfeigfeit be« ^ontifttat« bc« gormofug f. 8b VI
©. 129,34. gr ftarb im 3Kai 911. ^anä.
©crgiuö IV., ^apft, 1009— 1012. — ßittevatur: LiberpontificaU8ed.2)U(^e«neII,
60 @. 267; Satterid), Pontif. Roman. Vitae I, 6. 69. 89. 700; Jaff6 ©.504; ®rcgoroüiuS,
®efcf)id)te ber ©tabt $Hom im ^jm. IV*, ©. 12; SReumont, ÖJef*ic^te ber ©tabt SRom II,
©. 227; Sanc^en, (iJefd)id)te ber röm. Äird)e ©. 403. lieber bic unechte ÄrcujjugSbulIc bc§
^Qpfte^ f. 3. i&arttung, gorjc^. XVII, ©. 393 ff. ; gegen iftn 3- fiair, Etudes critiques I.
^ariS 1899.
66 ©ergiu^ IV., ^apft, War ein geborener 5Römer, er toar juerft S3ifc^of \)on älbono
unb iüurbe im ^uVi 1009 auf ben i)äj)ftlici^cn ©tul^I erhoben. G« tuar bie 3eit, in
iüeld^er bie (Srefcentier äße ^JKac^t in 5tom befafeen, fo bafe bie ^ä})fte faum etttw«
anbere^ aU aBerheuge in if^rcr $anb maren. Db ©ergiu^ ber 2Rann geloefen toäre,
unter günftigeren SBer|äItniffcn ju ^anbeln, iüifjen mir nic^t, bie einzigen ®))uten feine«
eergtitd IV., ^o^ifi ^txnhhühtl 225
aSirfen^ ftnb eine 2ln^abl Privilegien für Rlöfter. ©ergiu^ h)irb afö ber erfte $aj)ft
bejeic^net, ber bei feiner ©tul^lbefteigung einen neuen DJamen annahm, er ^iefe urfj)rüng5
Ii(| ^etru^; er ftarb im ^juni 1012. ^oui!.
^ttiin», Äonfeffor, b^jantinifc^er ß^ronift, geft. nac^ 828.
3n feiner Bibliotheca (Cod. 67 MSG 103, Sj). 164) ^anbelt ^^otiui^ bon bem 6
©efd^ic^t^toerf eine^ 9en)if{en ©., in bem bie j)oIitifcl^en unb lird^Iid^en Segebenl^eiten
ber erften ad)t Stegierung^ja^re be^ fiaiferö 3Jlicl^ael II. Salbu^, b. p. be^ ©tammler^
(Dejember 820—829), befc^jrieben Sorben feien, unter gutüdgreifen auf bie „berabfd^euung^s
mürbigen" 3:aten be« Saifer^ Äonftantinu^ Äoj)ron^muö (751—774). a)ie Schrift fei
au^erorbentlic^ einfach unb Hat gefd^rieben unb bereinige Sd^mudtoftgieit mit natürlicher lo
©c^ön^eit ber 3)arftellung, fo ba^ man glauben möd^te, fie fei au^ bem ©tegreif j^in*
getoorfen Sorben. 3)iefe^ Urteil lönnen Wxx nid^t me^r fontroUieren, ba bie ©c^rift
f j)urlo^ untergegangen ift. ^^otiu^ giebt bem Serfajfer ben Seinamen SjuoXoyrjri^g, Jton^
feffor, ein ^räbifat, ba^ bie S^ijantiner ben 5yorfe4>tern be« Silberlulte^ gerne beigelegt
l^ben. ©0 h)trb unfer ©. ibentifd^ fein mit bem bon ber griec^ifd^en Äird^e am 13. ?Kai i5
gefeierten Ziqyiog 6/üiokoyrjTrjg, ber nacb bem -äJlenologium beö Saftliu^ (MSG 117,
©p. 454) unter £eo III. (813—820) berbannt h)urbe. ^m ®jil fc^eint er unter SE^eoJj^ilu«
(829—842) geftorben ju fein (bgl. 3liIobemu<^ §agiorite^, Zvva^aQioxrjg xißv dcoöexa
jut]vü}v Tov hiavxov III, ^ant^e 1868, ©. 37; ©^r^arb im ÄÄS 11, ©}). 193).
<S(. S^fflgef. 20
Sergtiti», ^atriarc^ bon ÄonftantinoJ)el, 18. 2lJ)ril 610 bi«9. 3)eaember 638. —
S3gl. trumbac^er, (öeic^idjte ber bi)iaiitin. fiittcratur, 2. Stuft., 9)h'inc^en 1807, 671 f. ^ier
genaue lOitteraturangaben.
©., über beffen fird^enj)olitifd^e unb t^eologifc^e ©telfung im 3lrt. Wonot^eleten (f.
a3b XIII, 401 ff.) ba^ 5Rötigc gefagt ift, gilt afe 3Scrfaffer be^ berü^mteften gried^ifd^en 2b
Äird^enliebeiJ, be^ noc^ i^eute in ben SKenäen unberfürjt erhaltenen 3lfatl^iftog (fogenannt,
iueil bie ©änger beim SSortrage be^ ©ebid^te^ ftel^e» blieben; I^crau^gegebcn au^er in
ben SRenäen in MSG 92, 1335—1548 unb bei ^itra. Anal, sacra 1, 1876, 250—262).
Über^auj)t fc^eint er fic^ um bie 3lu^bilbung beö Slituö SSerbienfte ertporben ju ^aben.
®. tröget, so
@eritbbalie(. — fiitteratuv: Äofter^, 2)ie SBiebev^erfteüung 3§raelö, überfej^t upn
53afebonj 1895; SBeO^auien, 5)ie iHüdfebr ber 3uben auö bem babi)fonifd)en ^%\{, ©ottincier
Wcl. Slnjeigeu 1895; Gb. ^\t\)zx, 2)ie (Sntftebung beö 3ubentum$ 1896; .{•>üünQcfer, Zorobabel
et le aecond temple 1891 ; berf., Noiivelles ^tudes sur la restauration Juive aprös Texil
de Babylone 1896; 9?ifel, ^ie Sicber^erftellung beg jübifct)cn ®emeintt)efen^ nad) bem 35
babi)(onif4cn (Jyil 19(X); ©ellin, Scvubbabel 1898; berf., ©tubien jur ^utfteöun9ggefd)id)te
ber jübifd)en ÖJcmeinbc nad) bem bab^tonifdien ©^ril, ^eft II 1901 ; JRotbftein, 3)ie (Genealogie
bcö .Uönigd 3oiad)in unb feiner 9?ad)tommen in gefd)id)tlid)er SBeleuditung 1902; gif^er,
5)ie c^ronolügifd)cn Sraflen in ben ^üd)ern (£^ra=5?eöeinia 1903; aufeerbem bie ein{d)Ift9igen
9lbfd)nitte in ben öJeidjiditen be§ SSolte^ S^rael, befouberg benen üon @tabe, 3Seat)oufen, 40
iit (oftermann unb ®ut6e unb in \>t\\ Kommentaren ju ^^aggoi^Sadjarja unb (£öra=^3?et)emiQ.
SSS>a% Xoxx bon ©erubbabel mit boller ©ii^er^eit miffcn, ift fel^r njenig, lebiglid^
folgenbeg. (Sr l^at alö perfifc^er ©tattl^alter in ber nadi^ejilifd;cn jübifd^en ©emeinbe,
angefpornt bon ben ^ro})^eten §aggai unb ©ad^arja, int j^meiten "^oiixi be^ Äönig^
3)ariuö ben (Srunbftein ^um ^meiten jerufalcmifc^en 3:em})el gelegt — nad^ richtigem 46
Serftänbniö bon §ag 2, 15—18 bgl. mit 1, 15 am 24. 6. (Se^jtember) 520 — unb in
(Semeinfd^aft mit bem §o^enj)riefter 3of ua aud^ beffen 33au energifd^ geleitet (bgl. §ag 1, 12,
14; 2, 2, 21; Baö^ 4, 9 f., 14; 8, 9; ß^r 5, 2). a)iefe Unternehmung ift offenbar eine
3eit lang bur(| bie SBinen, bie bamal^ ba^ gro^e perfifd^e 9teic^ erfc^ütterten (bgl. §ag 2, 21),
U)ie bur^ meffianifc^e Hoffnungen, bie man an ©erubbabel^ ^crfon fnüpfte (bgl. $ag2,23; »»
Sad^ 3, 8; 6, 12 f.), mächtig gcförbert. Der ßinfprud^ beö ©atrapen %Oiind\, hinter ben
fic^ h)a^rf(|einlid^ bie ©amaritaner geftcdtt l^attcn, trug ebenfalls nur baju bei, ©erubbabel^
SBerf ju begünftigen. ^tnn 3)ariu^ tüurbc baburd; aufmerffam auf bie ^ßribilegicn, mit
benen einft ß^ruö ben 2;emj)el au^geftattet ^atte, er beftätigte unb ernjeiterte fie (bgl.
e«r 5, 3—6, 14). 65
infolge ber 2)ürftigleit unferer Duellen fnüpft fid; nun aber an bie $erfon ©crub=
babete eine ganje Steige bon gragen, bie jur ^^\i nur ^^j)ot^etifc^ beantwortet lüerben
lönnen. "^an fann fie in ber §aulitfac^e auf brei rebujieren.
nea(«(^c4f[opäbie für Z^eotogie unb Stircj^e. 3. %. XVIII. 15
226 ®erubbabel
1. aSer mar ber S?atcr ©erubbabel«? ^\i and) bie ännal^me bon Äoftcrö, er fei
über^aiH)t lein 2)abibibc getocfen, fonbem entftamme einer 586 im 2anbe gurüdgebliebenen
gamilie, mit Siecht attgemein abgelehnt, ba, ganj abgefe^en bon ben auöbrücflic^en 3^0'
niffen §ag 1, 12 ff.; 1 6^r 3, 19, fd^on fein 9?ame {Bpxo^ 8abete) für feine ®eburt
6 in Sab^Ion, bie meffianifc^c ©rtoartung, bie man auf i^n fe^te, für feine ^uge^örigleit
jur babibifd^cn gamilie |\eugt, fo liegt bod^ in Segug, auf feine §ertunft tnfofem eine
grofec ©d^tüicrigfeit bor, afe $aggai überall unb in Übereinftimmung mit il^m 6^r5,2
i^n aU ©o^n ©d^ealt^iete, ber ß^ronift aber 3, 19 aU Sol^n ^ßcbajaö bejeic^net.
Söä^renb man fonft allgemein bie erfte 9lad^ric^t atö ben älteren. Duetten entftammenb
10 beborjugt, Ij^at SRot^ftein auögel^enb babon, bafe baö 93u(^ $öggai^ in ber je^igen gorm
nid^t aug ber ^eber biefe« ?Proj)l^eten ftamme, fonbem ein ©tüdf einer f^äteren l^iftorifc^en
©d^rift über bie SBirffamfeit be^felben bejto. über ben 2:em))elbau fei, bie c^roniftifc^e
(Senealogie beborjugt. ©ein §auj)targument, bafe laum f))äter bie SSorftettung l^ättc auf«
lommcn fönnen, ©erubbabel toäre ber ©o^n be^ britten ©ol^ne^ gojac^in«, toenn er tat-
15 fäd^lid^ ber be« erftgeborenen getoefen toäre, toäl^renb umgelel^rt ber üMonn, in bem man
ben Präger be« großen ®rbe« 3)abib« erblidft ^atte, gar leicht gu einem ©o^ne be« erft^
geborenen fj)äter ^ätte gemacht toerben fönnen, ift atterbingö nic^t leidster §anb abgutoeifen.
aber einerfeitg bleibt, aud^ tüenn man Slot^ftein« Beurteilung be« gangen §aggaibu^ee
auftimmt, boc^ baö „©o^n ©c^ealt^iete" in bem feierlichen $aggaih)orte 2, 23 bon Se-
20 ftanb. Unb jum anbem tüamt ber ^wpö"^/ i" ^^"^ bie gange genealogifc^e 3;afel beim
(S^roniften auf unö gelommen ift, toetttragenbe ©c^lüffe auf berfelben aufzubauen; ein
einfacher, atterbina^ uralter (bgl. LXX) ©d^reiberfe^ler ift I^ier um fo Weniger au^ju=
fc^liefeen, aU bo(| berfelbe g^ronift ba« „©o^n ©d^ealtl^iete in ®gr 5, 2 fic^er |at
j)affieren laffen; aufeerbem bgl. 3 (Sör 5, 5, 48 u. f. tu.
25 2. SQSie berlj^ält ftd^ ©erubbabel gu ©d^efd^baggar, begtü. toann ift jener in bie Heimat
gurüdfgefel^rt? 2)ie alte Slnnal^me, ©erubbabel unb ©^efc^baggar, ber erfte nac^ejilifc^c
©tatt^alter unb §eimfü^rer ber erften ®ola unter 6^ru« (bgl. 6^r 1, 8, 11), feien gu
ibenti^gieren, bie tüa^rfc^einlic^ fc^on ber 6^ronift felbft geteilt l^at, ift immer me^r im
©d^tomben begriffen. ^l}x ftel^en ifämlid^ gtüei tetüerlDiegenbe Slrgumente entgegen. Rn-
80 näd^ft bie^, ba| beibeStamen faft fidler bab^lonifd^e finb (Zör-Babili, aud^ in bab^lonif^en
Urlunben nad^getüiefen, unb Schamasch-bal-usur) unb ein 3ube bodjj nimmermehr jtoei
fold^er fül^rte, gum anbern, bafe ®^r 5, 14, 16 bon ©c^efc^baggar atö bon einer ber Scr=
gangenl^cit angel[;örenben, nid^t titva antrefenben (bgl. 5, 2) ^erfönlic^feit gef))roc^en loirb.
2>a^ fd^einbar für bie 3|bentifigierung fj)red^enbe Argument, bafe nad^ bem görabuc^e (5, 16)
85 ©c^efd^baggar, nad^ bem ©ad^arjabud^e (bgl. aud^ ®gr 3, 8) ©erubbabel ben Orunbftein
gum gleiten Iemj)el gelegt Ij^abe, erlebigt ftd^ fc^on bamit, bafe jene^ bom 2. ^afyct bcö
6^ru^, biefe^ bom 2. ^Qi}xt be^ 3)ariu^ ^anbelt, bafe tüir aber au« Sab^lon
tüiffen, mie jeber neue lempelerbauer auc^ tüieber einen neuen (SJrunbftein legen mufete.
93eibe 5Rad^rid^ten bertragen fid^ alfo fc^r gut miteinanber, ber Sau be« ©^efc^baggar
40 tüirb nid^t biel überCSrunbfteinlegung, Slufric^tung eine«2lltarö u. f. W. ^inau^ef ommen fein.
^anbelt e« fid^ aber um gtoei berfd^iebene ^erfönlid^feitcn, fo taucht baö ^roblent
auf: mann ift ©erubbabel Ij^eimgele^rt? 3)ie Sifte @«r 2 (begh). 9?e^ 7) lann nic^t gur
©ntfc^eibung in Setrad^t fommen, ba ber Rop\ berfelben, bie 3*^ölfga^l ber Seitcr ber
$eimgefe^rten, offenbar auf einem fünftlid^en ©c^ema, einer Sarftellung berfelben ate
46 SHepräfentang ©efamtigraetö beruht. I)icfe Sifte enthält bielme^r auc^ fonft Flamen unb
Raulen folc^er ^^milien, bie erft inncrlj^alb eine« größeren ßeitraume« nac^ 537 l^eim=
feierten. 9Jun miffen mir, ba^ S'^jac^in toom ^ai}xc 596—61 in Sab^lon im Äerfer l^t
fd^mac^ten muffen (bgl. 2 Äg 25, 27), bafe xl}m alfo bamatö leine fiinber geboren tperben
lonnten. 33efa^ ber im '^a^x^ 596 3ld^tgel^njäl^rige fc^on einen ©o^n? 2 Äg 24, 12, 15
60 toirb ein folc^cr nic^U ertoäl^nt. Unb menn boc^ na^ ^n 22, 28 „er unb fein ©ame"
ein ©ol^n toorauögcfe^t Serben müfete, fo lönnte eö ber 1 ß^ron 3, 16 ermähnte 3*^^^
fein. ©0 tüirb c« toal^rfc^einlid^, bafe bie in 35. 17 unb 18 ertoä^nten fteben ©ö^ne be«
(eiuftmatö) gcfeffeltcn 3'>i^^»" i^"^ ^Ke erft nai) bem S^l^re 561 geboren finb, bad Reifet
aber, bafe ©erubbabel im 2,a^re 537 erft ettüa brci ^a^te alt getüefen ift. Äönnte er nun
66 auc^ atö Äinb toon feinen ßltcm mitgenommen fein, fo legen boc^ fotüol^l getoiffe am
fj)ielungen in ben 9Jad^tgeftc^tcn ©ac^arjaö au« bem ^a^re 519 (3, 8 „fte^e, id^ laffe
lommen meinen Änccbt 3cmad^" ; 6,12 „unb er tüirb au« feinem Soben l^erborf))rof[en";
6, 15 „unb ^emc Serben fommen unb ben lemjjcl 3>o^toe« bauen") toie bor attem bie
))lö^lidb im ^«^re 520 entftcbenbc SciDcgung bie i^ermutung na^e, bafe ber junge, ettoa
c»» 20iäl^rige 3)abibibe gerabc erft unmittelbar gubor in feine §eimat gurüdfgelel^rt unb bafe
Btmbiahtl ^ttt^aiin» 227
gerabc aud) baburc^ bie Scgeiftcrung für ben 3:entj)clbau neuerlid^ angefad^t i[t. 3(fö
Seftättflunfl, nic^t ate Setoete mag ermähnt toerben, bafe tatfäd^Iic^ ba^ 3. (i^xabnd) i^n
erft unter 3)ariud ^etmte^ren läfet 5, 1 ff.
3. SBcld^e^ ift ba« fernere ©(^idfal ©erubbabete getüefenV 3)er eine leil ber ©r^
toartung ber ^rop^eten §aggat unb ©ad^arja ift in ßrfüttung gegangen, ber 3^emj)el 6
tourbe bollenbct unb im ^a^re 516 eingetpei^t, ber anbere leil, bie dr^ebung ©erub=
babete px einem jmeiten I)al)ib nic^t; f^on in bem Serid^te be^ ß^roniften öon bem
gefte ber ßintoei^ung be^ 2:emj)ete (6^r 5, 15 ff.) tüirb er über^auj)t nid^t nte^r ertoä^nt.
feie erflärt ftc^ ba«? ©c^on ba^ plö^Iid^e 38erftegen aller Duellen über bie (Sefd^ic^te
t)on 516 bi^ eth)a 450 mufe ftu^ig machen, ^it^ tüirb ijon ben 93ürf)em beö §aggai lo
unb ©ac^arja mit bem SinbrudE fc^eiben, bafe im ^ai)x^ 520/19 alleö auf eine ßr^ebung
©erubbabelö jum Könige ^inbrängte, fogar bie ftronc tüar fc^on für xi)n bereitet (bgl.
©ac^ 6, 9—15). Slnbererfeit« ift eö fidler, bafe nac^ ©erubbabel fein 3)at)ibibe mel^r ©tatt^
l^alter in Serufalem war, bafe \pättt Jle^emia unb @^ra ^erujalem im fläglid^ften 3wftanbe
ijorfinben, bafe bie ?Pro))^eten, bie bor allem bie 9Sertreter ber meffianijc^en Hoffnung i6
getoefen tüaren, feit ber ära ©erubbabete in ^n'ta %ia^lo gemad^t l^aben, bafe enblic^ bie
toillige Stnna^me be^ ^riefterfobej feiten^ ber nad^ejilifc^en (Semeinbe nur benfbar ift,
toenn in berfelben bie §offnung auf bie babibifd^e 3)^naftie mit ©tumj)f unb ©tiel au^«
gerettet toar. 3)iefe^ atteö jufammengenommen lä^t barauf fc^liefeen, bafe nac^ bem
3a^re 518 ©erubbabel unb fein änl^ang bon SQSorten gu Saaten übergegangen fmb, bafe 20
er toie toiele ©tatt^alter be^ J)erftfd^en SHeid^e^ im SBerlangen nad^ litel unb Ärone feiner
SSäter fw^ gegen ben ®ro^!önig emj)ört unb bafe naturgemä^i biefe ©r^ebung mit einer
Äataftropl^e geenbet i)ai. SBelc^er Slrt biefe War, ba^ ift natürlicb bollftänbig ^^j)ot^etifcb.
Die Slnalogie be« ©c^idEfate anberer ©tatt^alter jener 3^^* ^^fe^ ^"f iobe^ftrafe
fd^liefeen, bielleic^t ^anbelt $f 89,39—52 unmittelbar bon ©erubbabete jä^em ©turje; 26
anbererfeitö geftattet bie ©rmä^nung eine^ a)abibiben G^attufd^, nad^ 1 6l^r 3, 21 f.
eine^ birelten JJac^Iommen ©erubbabel^J, unter ben mit (Söra §eimgefe^rten (bgl. 6gr8,2f.),
aud^ an eine einfädle 2lbberufung unb Slüdfberbannung nac^ Sab^lon ju benfen.
®enitt.
®tttfüim», ber ^eilige. — AS 13. Mali. Xittcmont, Mdmoires etc. VIII, 639 sq.; 30
SRettbcrg, Ä(äJ 5)eutfc^lanb§ I, 204 ff.; griebric^, m 2)cutf4lanbd I, 30<lff-; ^awcf, t(5>
3)cutf^Ianb§^ I, 33f. unb 51 f. Analecta Boll. I, p. 85—111; (iJobcfroi) ^urt^, Deux bio-
graphies in^dites de St. Servals, Li^ge 1881; berf., Nouvelles recherches sur S. Servals, Ib.
1884. 3. 6. 33cnnett im DchrB IV (1887), p. 623; Sorten, De hl. Servatius, eerste
Bischop van ons Vaderland (in b. 3tfd)r. De Katholick, N. R. deel XIX, fieiben 1884); 3ö
3. branden, St. Servatius- Legende uitgegeven naar een Lat. handschr. uit de XIV. eeuw,
Maastricht 1884 ; S3r. Ävufrf), Passiones vitaequc aevl Merovingici etc. (MG, Scriptor. rer.
Merov. III, 1896), p. 83. (öJeaen Ärufd) bann ÖJ. 5lurt§, L^ Pseudo-Arvatius, in Anal.
Boll. 1897, 164—172). ^ßrooft, Saint Servals, «ßari^ 1891; g-rj. ®örreg, 33eitväge jur (^efd).
beS SSor=9Rittclaltcr^ I, SerDQtiud, S3ifd)üf oon Xongevn: QmZ^ 1898, 78—83. 40
5Ra(^ Slt^anafiu^ (Apol. II, p. 767) befanb fic| unter ben Seifigem be« Äonjilö
bon ©arbica im ^al)x^ 347 auc^ ein gaÜifd^er 93ifdbof ©erbatiu^, bielleid^t ber nämlid^e,
ber (nad^ Slt^anaf. Apoll. IL p. 679) im ^a^re 350 bon 5Kagnentiu« nebft mehreren
Slnberen ate ©efanbter an Ä'aifer ßonftantiu^ gefc^idft tDurbe unb fel^r tüa^rfd^einlid^
ber nämliche, ben ©ulpiciuö ©eberu^ unter bem DJamen ©erbatio ate Sifc^of bon longem 45
be^eid^net (Servatio, Tungrorum episcopus, H. Sacra II, c. 59) unb neben ^öpa-
biuö ober ^^Jböbabiu^ atö ftanbl^aftcn Äonfefjor at^anafianifc^er Slec^tgläubigfeit beim
Äonjjil bon Stimini im 3- 359 ernjä^nt. gaft nur biefe 2lngaben laffen fic^ al^ mirflic^
Siefd^ic^tlic^e 5lad^rid^ten betrad[^ten. 3)enn jc^on bie 3Jad^rid^t, bafe er einem ^robinjiaU
on^il gu Äöln im 3- 346 beigenjo^nt ^abe, ift ebenfo berbäd^tig, h)ie bie ©d^t^eit ber 50
angeblid^en Slften biefe^ Äonjil^ (bgl. al^ neueren SSerfud^ einer SSerteibigung bon beren
gc^t^eit: griebrid^, Ä® 2)eutfd^lanb^ I, ©.277 ff.; aber bem gegenüber §audfl, ©.51).
Unb mit bem, tüa^ ®regor bon 3^our^ (Hist. Francorum II, 5 ; bgl. De glor. Con-
fessorum c. 71) über il^n berid^tet, betreten tüir bollenbö ba^ ©ebiet unftc^erer Segenbe.
ajenn banac^ märe ein ©erbatiuö ober älrbatiu^ (tüie bie richtigere ©d^reibung feinet 66
9lamen^ bei ©regor lautet) erft um bie ^ni beö ber^eerenben §unneneinfall^ unter
ättila Sifc^of bon 2;ongem gemefen, ^ätte auf bie 5Jlad^ric^t bom §eranrüden biefer
Sarbaren eine ^ilgerfobrt nac^ 9tom gemad^t, um burd^ ®ebet am ®rabc ^etri bie
feiner ©tabt bro^enbe ®efal^r ber 3^*rf^«>i^ung tbomi)glic^ abjutbenben, ^ätte aber nad^
mel^rtägiger anbackt bie göttlid^e SBeifung gur SRüdffcpr in feine, bem ®erid^te ber ä5er= eo
15*
228 Sematind Semet
toüftung burd^ bie Sarbaren unabtocnbbar Verfallenen §eimat empfangen, unb tüäre fo-
gleich nad^ feiner SWücHe^r in ?!Jlaaftric^t , tüo^tn er fw^ bon 3;ongern au^ begeben, ge^
ftorben, ein ga^r beöor bie jpunnen lamen unb iongem gerftörten. 2BiQ man bier
nic^t eine SBertpec^felung einer früheren (gcrmanifd^en) S5arbarenint)afion mit berjcnigen
5 ber §unnen annehmen — mie nac^ bem Vorgang ber SoQanbiften, 3:ittemont^ unb fc^on
Saroniuö' jüngft tüieber Äurtl^ bie« toerfud^t i}at (ber an eine 3^^örung 3:ongerng burc^
3.>anbalen im 3- 406 benft) — fo l}at man ben lob be« ©eröatiu« in« ^af)x 450, ein
^abr bor ber ß^pörung 3:onger« unb bor ber ©c^Iad^t auf ben catalaunifc^en gelbem
gu fe^en unb bemnac^ bem ^eiligen ein ultracentcnare« Sllter mufd^reiben! Ober ber
10 gerbatiu« be« turonenfifc^en ©regor muft bon bem be« ät^anafiu« unb bem ©erbatio
be« ©ulj). ©eberu« ate einem ^rü^eren unterfc^ieben toerben (fo fd^on Slettberg a. a. D. ;
be^gleic^en Ärufc^ unb 2lmbt in i^rer ®regors2lu«gabc in bem MQ bon 1885 (p. 66sq.),
35ennett im DchrB 1. c. unb ®öne« in ^W%\) 1898). Setrilt man biefcn legieren
3lu«meg, fo gilt e« ben 5Ramen ©erbatiu« für ben 3:ungrifc^en, bejto. üJlaaftric^ter Sifc^of
15 bei (SJregor über^auj^t ]prei«jugeben unb il^m laut ber beften £e«art einen Slrbatiu« ober
Slrabatiu« ^u fubftituieren (f. bef. aud^ §audE I, 33). gür ben tungrifc^cn ©erbatiu«
giebt eine uralte unb too^l nid^t unglaubtüürbige irabition ber Äirc^e bon üJlaaftric^t ganj
beftimmt ben 13. ?Kai be« % 384 ate 3:obe«tag an, unb bon >h)ei tungrifd^en Sifd^öfen
biefe« 5Ramen« berlautet fonft nirgenb« ci\üa^. gabel^aft ift ieoenfaH«, loa« (Sregor bon
20 ber frül^^eitigen göttlid^cn Äenntlid^mad^ung ber ^eiligfeit jene« 384 berftorbenen Sifc^of«
burc^ tounberbare« TOc^tbefc^neitmerben feine« ©rabe« berichtet. 3:i^atfä(^li(^ toirb bagegen
fein, bafe biefc« in 3)iaaftri4t befinblid^e ®rab frül^jeitig eine bielbefuc^te 3lnbac^t«ftätte
tüurbe; bafe ber bortige Sifd^of ^Ronuipf} im % 562 bie ©ebeine be« ^eiligen in eine
neue, nac^ i^m benannte Äird^c transferieren liefe; bafe im % 726, nad^ einem ©iege
26 Äarl 9Jfartell« über bie Slraber, ber gerabe am 2:age be« ^l. ©erbatiu«, alfo am 13. 3Rai,
erf ödsten toorben loar, eine abermalige ßrl^ebung feine« Seid^nam« burc^ ben ©ifdbof
§ubertu« ftattfanb, unb bafe feitbem bie ^Reliquien, bie SQäunberlegenben unb überl^au|)t
ber Äultu« be« ^eiligen nod^ an berfc^iebcnen anberen Orten Gingang fanben — fo in
3!)ui«burg, in SBorm« unb namentlich in Cueblinburg, beffen berühmte ©tift«fir(^e (ge-
80 grünbet 955) bi« auf ben heutigen iag feinen 9tamen fü^rt.
Sn Darftellungen ber c^riftlic^-mittelalterlic^en Äunft toirb ©erbatiu« ci)n>a al« über=
fc^attet burd^ einen über i^m fd^mebenben Slbler abgebilbet, ober auc^ al« im ®rabc
liegcnb mit brei §oljfd^u^en, ben angeblid^en SBerf jeugen feiner 2:ötung, neben il^m u. f. f.
Über ba« i^n barfteUcnbe ©emälbe bon Sernl^arb ©trigel (geft. 1528) in ber 3Jlün(^ener
35 «pinafotl^ef f. 3)e$el, ^fonogr. II, 636. Söittef f.
©erbattt« Sit^m« f. 2uj)u« ©erbatu« 8b XI ©. 716.
©erbet, SWic^ael, geft. 1553. — I. ©eine Schriften: 1. De Trinitatis erroribus
Libri VII per Michaelem Serveto alias Heues, ab Aragonia HispaDum, ^a^cnau 1531.
2. Dialogorum de Trinitate libri duo, per Michaelem Serveto alias Reues ab Aragonia
40 Hispanum, mit 9ln^ang: De iusticia regni Christi et de Charitate capitula quattuor,
^ogenau 1532. 3. Claudii Ptoleraaei Alexandrini Geopaphicae Enarrationis libri octo,
ex Bilibaldi Pirckemeri translatione, sed ad graeca et prisca exemplaria a Michaelc Villa-
novano iam primum recogniti. Adiecta insupcr ab eodem scholia etc., Lugduni 153'),
2. ^lus^gabe 1541. 4. Brevissima Apologia pro Carnpeggio in Leonardum Fuchsium 1.530.
46 5. Syruporum universa ratio, ad Galeni censuram diligenter expolita. Cul post inte-
grum de concoctione disceptationem, praescripta est vera purgandi methodus, cum expo-
sitione aphorismi: coucocta medicari, Michaele Villanovano authore, $ari« 1537 (anbcre
^u^^goben 53enebig 1545, fii)on 1540, 1547, ^cnebig 1548). 6. Apologetica Disceptatio pro
astrologia 1538. 7. Biblia Sacra ex Sanctis Pagnini translatione, sed et ad Hebraicae
50 linguae amussim ita recognita et scholiis illustrata, ut plane nova editio videri poßsit,
Lugduni 1542. 8. Christianismi Restitutio. Totius ecclesiao apostolicae est ad sua limina
vocatio, in Integrum Restituta Cognitione Dei, Fidei Christi, justificationis noetrae, Re-
gcncrationis Bapti^mi et Coenae Domini Manducationis. Restituto denique nobis Regno
coclcsti. Babylonig impiae captivitate soluta et Antichristo cum suis penitus destructo;
66 ftatt be§ ^amenö bie Snitialen -^1— ' / in Söienne gebrucft. ^ic no(^ bor^anbcncn brei
©iemplare befinben ]{&} in ben iöibliot^efen uon ^nri«, ?Sien unb (Sbinburg; genauer '^ad^-
brucf 9iurnberg 1791 ; beut(d) üon Dr. Spieß, SicSbabcn 1892—1896, 3 ©bc.
II. ©d)riften über 6.: Calvini o\yem ed. SBaiim, (Sunif, 9lcu6r ©b VIII, XIV,
XXXVI, 55raun{c^n)eig; ^ic^el bc la SRoc^e, Memoirs of Literature, ßonbon 1711—1712;
SttM 229
S'abb^ b''?(rti(iin), Noiiveaux Memoiros, $anö 1749, 2. 33b; '»Dio^^bcJm» ^idiberiüeiticier üßevfud)
einer üoUftänbigen unb imparteiifc^en Äe^ergefd)ic^te, ;&elinftäbt 1748; 9?eue 5?ad)ricöten über
hen bcrüfimtcn fpanifcftcii ^tr^t ^. S. 1750; ,p. ab ^Idmoerbeu, Historia M. S., ^elmftäbt
1727; 2:re4fc(, 3)ie protcftantiic^en ?(ntitrmitaricr \)ox S^uftiiS @ocin, .^eibclberg 1839;
.^eberle, ^m.6.$2:rimtät^Mebreu. ebriftülortie, Xüb.Btfcbr. f. Xfteol. 1840; SRiüiet Relation du 5
proc^ criminel intent^ äGen^ve en 1553 contreM. S., Genfeve 1844; ©aiffet, Lesdoctrines
et le proc^ de S., Revue des deux Mondes 1848; ^. Illonnier, M. S. et Ics libertins de
Genfeve, Revue Suiase 1849; iörunnemann, ^l. ^„ Berlin 1805; Söaunet, Etüde sur le
Systeme theologique de S., Strasburg 1867; 'ßunjer, De M. S. doctrina 1876; SWoget,
Histoire du peuple de Gen^vc 53b IV, 1877 ; 3St)üeö, Geschiedenis van het Protestantiöme, 10
ed. 3. % J^üfi'tebe be ®root 1877 ; 3Bifli§, S. andf Calvin, a Study of an important epoch
in the early history of the Reformation, ßonbon 1877; barbier, M. S. d'apr^s ses plus
röcents biographes, Revue historique 1879; berf., ?(rt. 9Ji. @. in fiic^tenbergerS Encyclop^ie
des Sciences religieuses XI, 570—582. 2)er fruc^tbavfte ©.=8cf)riftfteDer mar ^. StoHin (ref.
^rebiger in SKagbeburg, gc)t. 1902). üx ueröffentlid)te folgenbe ©cöriften unb ^^Ibftanblungen; ib
im 3al)r 1874: Xouloufer ©tubentcnleben im 9(nfang beö 16. 3a^r^. (.S)ift. 2afrf)cnbuc6) ;
be^ ?lrjite§ 3)1. @. fie^rer in 2Xjon, Dr. 8i)mpb. (Sftampier (9lr(f)iü für patfeol. 9lnatomie unb
^S^^fiol.); $aulu^ SöurgcnfiS' ©c^riftbeiüeig gegen bie 3uben (53enjei§ beS (Ölauben^); 3)ie
53cic^tüäter ^aifcr Äarl^V. (SJ^g f. b. fiitt. be§ 9(u§Ianb§); 1875: Dr. gj^art. Sut^er unb
Dr. 9K. Sv eine Oueflenftubie, itBerlin, SKecflenburg : ©.§ Äinb^eit unb Sugenb (3^2:^ üon 20
Äa^uiö); @. unb bie S3ibel (8iüX^); "3^.6. al^ ©eograpft (3tf*r. b. (äJefeUfc^aft f. (£rb=
funbe); ^ie ^K. @. ein SJiebijiner würbe (®oe{cftend 3)eutfc^e illinif); ©ucöbrucferftrife in
ö^on in ber SRitte bt^ 16. Sa^r^unbert^ (3Kg f. b. fiitt. beö ?lu§Ianb§); 3)ie Xoleran^ im
Zeitalter ber SReformation (^ift. STafcftenbudi) ; iBu^erö Confutatio ber Libri VII de Trini-
tatis erroribus (i^StÄ*); 6tra6burger Hrd)Iid)e 3wftfinbe ju Einfang ber Steformation (9Kg 25
f. b. fiitt. be« ?lu§Ianbe«); 1876: ^ad Se^rfijftem 3^.©.«, genetifd) bargeftellt, ©üter^Io?
(2. u. 3.93b 1877); <P§. gKeIand)t^ün unb gji. ©., eine dueUenftubie, Berlin, gjiecflenburg ;
e^arafterbilb ^. @.ö, 93erlin, $)abel (in§ granäöfijcfte, (Snglifcöe unb Ungarifcfie überfeft);
S.ö $ant^ei«mug (3n>^W; ©-^ Jeufelöleftre (S^%^); 6.« fiet)re oon ber ®otte§finbfc5aft
(SpXb); @. auf bem 9fieid)ötag ju 9(ugöburg ($Ref. Äirc^en;ieitung); 3K. @. unb ^. öu^er 30
(3Kg f. b. fiitt. beS^uSIanbeö); 2)ie (Sntbecfung be§ 93Iutfrei§Iauf§ burcf) iDl. ©., 3ena, 3)ufFt;
1877 : m. @.S 3:ouloufer fieben (3mXb) ; 9K. ©.Ö 2)ia(oge üon ber 3)reieinigfeit (X^StÄ) ;
^. 6.§ ©pracfifenntni« (3l^f) n. *5)cUtfd^ u. QJuerirfe); ^Uej. ?lleffi Siberlegung üon @.ö
Restitutio Christianismi (SpSte)); 1878: 3ur ©.*Äritif (Sro^W; @.^ 3lanemfd)e Sf^eife ($ift.
2afd)enbucb); 1880: ©erüet unb bie oberlnnbif^en ^Reformatoren I, 93erlin, 3Kecf lenburg ; 35
1881: ©. über «Brebigt, Xaufe unb ^Ibenbmaftl (XftStÄ) ; 6.ö d)riftoIogifd)e 33eftreiter (3p5:b);
1891: $:§oma§ ?lquin, 3)er fieftrer SiSl. ^.^ {^XüXtf}, Xoüin ^at große Sßerbienfte um bie @.=
J5rorfc^ung: ift aber me^r ^büofat alö ®efc^i^töfc^reiber. 5(. 0. b. fiinbe, M. S. Ken Brand-
offer de Gereformeerde Inquisitie,' ßJroningen 1901 ; ©e^monat, M. S. et ses id^es religieuses,
(iJenf 1892; 5Beffon, 3R. ©., ©enf 1903; (S^oift), La Th^ocratie ä Gen^ve au tempsde Calvin 40
1901; berf., Le proc^s et le bücher de M. S. (Revue Chrc^tienne 1903); fi. gWonob, Une
r^paration (ibid.); Bulletin de la Soc. de l'hist. du protestantisme franyais, passim, ht=
fonberS 93b XXVIII (1879) unb LH (1903); ogl. aucf) bie 93iograp^ien (5alüin§ (f. b. ^Irt.
93b IIL 654 ff.), baju nod) Äampfct)ulte, 3olf). Saluln, feine ßirc^e unb fein ©taat in 05cnf.
IL fieipi^ig 1899; 3)oumergue, Jean Calvin, les hommes et les choses de son temps III, 45
658—663; 93uiffon, Seb. Castellion, sa vie et son oeuvre, 2 93be, 1892.
5Ktcl^aeI ©eiDct (bie %oxm ©ertoeto finbet fic^ auf ben Titeln ber gmei erftcu
©d^riften, bie ^rojcfeaftcn üon SJienne unb ©cnf gcbraud^cn bicfe gorm nie, baßcgcn
©ertoetu^ 45mal, ©erbet 137mal, ©erbe^ Imal) ift toa^rfc^einlici^ tn'Iubela in 9Jatarra
geboren, ©ein 9Sater ftammte axi^ Sittanueüa in Siragonien, tüe^l^alb \xd) ©. \päUx nad) f'O
ber ©itte ber ^^xi and) SSiHanobanu^ nannte. 2)ic SKutter tDar eine granjöfin \in\>
i)'\ti h)o^l 9leb§^. 2)a^ 2)atum feiner ©eburt ift mit ©id^er^eit nid^t feftmfteUcn. Die
Berechnungen fd^toanfen ^toifc^en 1495 unb 1518; bie grij^te Sßal^rfd^einlic^Ieit f^rirf^t für
ben 29. ©e))tember 1511. grül^^eitig gum ^wriften beftimmt, mad^te ©erbet feine erften all-
gemeineren ©tubien in ©aragoffa bei bem geleierten ©eograji^en $etruö SJlart^r be 3tngl)icra r»:>
unb trat 1525 ate Slmanuenft^ in ben 2)ienft be^ laiferlic^en ^ofgeiftlid^en ^xian
be Quintana. 2lfe Segleiter be^felben fam er 1528 nad^ 3^ouloufe, too er junäd^ft allerbing«
3uri^})rubenj ftubierte, in ber golge aber burd^ ba^ Sluffinben einer :8ibel jum „estu-
dieux de la Saincte Escripture" tüurbe. 2lngeregt burc^ ba^ ©tubium ber ©c^rift J^ielt
er fofort mit einigen feiner ^Hitfd^üler collegia biblica unb bertiefte fid^ in bie ©d^riften w
^Keland^tl^on^ unb $aul^ bon Surgoö. 9Jlit Quintana ibo^nte ©erbet im gebruar 1530
ber Ärönung Sartö V. ju Bologna bei unb reifte fobann im ©efolge feinet $errn,
toelc^er mitllertoeile faiferlid^cr Seid^tbater geworben, nad) Deutfc^lanb ^um ^)teic^^tage.
2)afe er Sut^er auf ber gefte Äoburg befuc^t babe, läfet fic^ gefc^ic^tlid^ nid^t nac^meifen.
2)ie ©teile, au^ ber man ein j)erfönlidec^ ^^fammentreffen S.^ mit Sutl^er ^at fc^liefeen hö
230 SttM
iDolIen, gicbt ^ierju leinen Slnlafe (aliter enim propriis auribus a te declarari
audivi et aliter a doctore Paulo et aliter a Luthero et aliter a Melanchtone,
Calv. opp. VIII, 8G2). 5Jlici^t unmöglich ift, bafe er fc^on in äug^burg 93u|er fennen
gelernt unb mit i^m im §erbft 1530 bic Seife nai) Safel gemacht ^at. 9la(^lpei^bar
6 i[t nur fein ^wfammenfein mit öfolamjjab im DItober 1530.
Ölolamjjab, ber frcmbartige Slnfd^auungen beffer ertragen lonnte afö irgenb einer
feiner ß^i^Ö^^off^"/ ^^W ^^" ^rembling um feiner geiftigen ©trebfamleit toiHen J^crjUd^
auf unb lie^ fic^ in münblid^e unb fc^riftlid^e SSerl^anblungen mit i^m ein, immerhin in ber
Hoffnung, ben tbeologifd^en (Srforfc^unggtrieb ©erbet^ in richtige Sahnen leiten ju
10 lönnen. 2)ie ijorliegenben Sriefe be« Sanier ^Reformator« an unb über ben f^janifc^en
^^ilofoJ)l^en ftnb au^erorbentlic^ bead^ten^toert ; fte jeigen un« nämlic^, bafe ©ertoet« anti=
trinitarifd^e Slnfd^auungen fd^on 1530 im h)ef entließen abgefd^Ioffen maren, unb bafe er
bon Slnfang an aud^ ber Uebebottften Sele^rung eine unzugängliche Starrföpfigfeit ent-
gegengefe^t ^at, toeld^e felbft ben h)o^lh)ollenben Öfolam^jab unl^eimlic^ berül^rte unb
15 jum SnQi^in^»« reifte. $atte ber erfte 33rief nod^ beginnen lönnen: „Job. Oec. Serveto
Hispano Domini spiritum precatur", fo mufe ber ^tpeite bie D))))ofitton fc^on beut=
lieber l^erborfel^ren, ben Slbreffaten anreben al« ,,negans Gbristum esse filium Dei
consubstantialem" unb in ber ßrma^nung gi})feln: „tüenn tiir bic^ noc^ aU einen
G^riften fotten gelten Jaffen, fo mufet bu befennen, bafe G^riftuö ®otte« gleichartiger unb
20 gleid^etoiger ©ol^n fei". Unb alö ©erbet, ber in 93afel tüol(;l megen Öfolampab« 3EBiber=
ftanb leinen ©rudfer l)aiU finben fönnen, nad^ ©trafeburg gereift War, ftc^ bort bei (S^apiio
unb Su^er feftgefe^t unb in §agenau fein 6r[tling«h)erf de trinitatis erroribus libri VII
^atte brudten laffen, ba bat £)!olam))ab 8u|ern, er möge boc^ an Sut^er fc^reiben, ba^
fie, bie ©d^toeijer unb ©Ifäffer ^Reformatoren, mit bem Suc^e nic^tö ^u fd^affen Ij^ätten,
25 unb nannte ben QpanUx in biefem Sriefe gerabeju eine Seftie. ^Wax tüottte Clolampab
in einem bejüglid^en ©utad(»ten an ben Sanier SRat auc^ je^t noc^ nic^t« bon perfön^
lid;er 3Serfolgung be« SBerfaffer« h)if|en, aber bie Verbreitung feiner ©d^riften foHtc
obrigfeitlid^ berboten unb mit ©etoalt berl^inbert tüerben; unb aud^ 3*^^"9[^ toatnic
emftlid^ bor ben grunbftürjenben ^i^I^^i^^" ^i^f^^ abfc^eulid^en ©J)anier«. 9?un fud^le
30 jtoar ©erbet in ber Einleitung ju feiner jh)eiten 1532 ebenfaHö im (Slfafe erfd^ienenen
©d^rift, Dialogomm de trinitate libri II; de justitia regni Christi capitula IV,
ben fd;limmen ©inbrudf, ben fein erfte« S3uc^ I^erborgerufen, burc^ ßugeftänbnifle formeller
DJatur ^n bertüifcben, allein in ber ©ac^e felbft blieb er babei, bafe toeber bie alte Äircbc
nod^ bie ^Reformatoren fic^ im einberftänbni« mit ber ^eiligen ©c^rift befänben. 6r
35 fanb auf beiben ©eiten ein ©emifd^ bon SBal^r^eit unb ^rrtum : nee cum istis nee
cum illis in omnibus consentio äut dissentio. Omnes mihi videntur habere
partem veritatis et partem erroris; et quilibet alterius errorem dispicit et nemo
suum videt (Dial. de Trin. le^te ©eite). ©o brac^ er feine 3?erbinbung mit ber
Sieformation, toeld^c überhaupt nie eine lebenöbolle gemefen unb nid^t über ba^ ©tabiüm
40 ber erften ^räliminarien ^inau^gefommen ift, für immer ah.
Ünbefriebigt berliefe ©erbet Deutfd^lanb, ba^ er offenbar mit ^oc^fliegenben »^off^
nungen unb planen betreten b^tte. 6r lie^ nun fogar eine Rtxi lang bie t^eologifdben
Unterfud^ungen liegen unb Iribmete fic^ in ^ariö unter bem iKamen ^BiHanobanu^ bem
©tubium ber 9)tebi5in. 3)amate befanb fic^ aucf) Galbin in ^ßariö, boc^ fam eine bereite
45 t)erabrebete Sefprec^ung ber beiben nid^t ^u ftanbe. ©erbet berliefe auc^ ?Pari^ fc^on 1534
tvicber unb lebte nun einige ^«bre in S^on, Wo er teil^ al^ fiorreftor für eine SDrudferei
arbeitete, teite litterarifdE» tbätig iüar. ^n le^terer 33e^iel^ung machte er fid^ bamalö ber=
bicnt burdj) eine 9leuau^gabe be^ ^tolemäu^ mit ja^lreic^en felbftftänbigen, tciltbeifc
fel^r geiftreid^en älnmcrfungen (freilid^ biejenige über bie Unfruc^tbarleit ^aläftinag, tpelc^c
50 iljm ßalbin fj?äter al^ ^Nerleumbung 5!Jiofi^ jur Saft legte, ftammte gar nic^t bon i^ral).
3Son 1537 an finben \mx il}n auf^ neue in ^ariö unb jlrar borjug^tbeife mit mebi=
j^inifcben fragen befcbäftigt, für treidle er im SBerfelir mit bem namhaften S^oner ©c^
lel)rten ©bmpborien (Sbampier neuc^ 3"^^<^ff^ geh)onnen batte. 3tud^ auf biefem ©ebiet
h)ic^ er balb berborragcnbc Sciftungcn auf: jener ^c'xi gehört feine Slb^anblung über bic
^ ©bruj)e unb ibren ©ebraucb in ber Webijin, einer fjjäteren bie ßntbedfung bcd bo))pelten
Slutfrei^laufc^ an. Gr crtuarb fiel) auc^ 1538 in ^^ari^ ben ntebijinifc^en ©oftorgrab.
^oä^ i^ogen il)m faft ^u gleicber 3^it feine öffentlicb au^gefproc^enen Slnftd^tcn über bic
gerirfjtlicbc !i^cbeutung ber Slftrologie bic l;cftigften 9lnuagen bon feiten ber ^arifer
Uniberfität ^n, infolge IvcldKr er bie .^auptftabt berlaffcn mu^te. 2lud^ gu ßl^arlieu im
^ f üblichen grantreicl), it>o er nun einige 3eit al^ 3lrjt praftijierte, lonnte er nid^t bleiben.
@enid 231
dagegen ^ai er ijon 1510 an eine Steige bon 3^^^^" i" ä}ienne ^ugebrac^t, unb jmar
in ben glücflic^ften 3Ser^ältniflen alö bcrtrautct greunb feinet el^emaligen ^arifer ©d^ülcr^,
beö ©r^bifd^of^ ^aulmier, unb aU aHgemein geachteter unb beliebter 2lrjt. 3Jon Siennc
au« beforgte ©erbet für befreunbete S^oner 3?erleper eine jtoeite Sluflagc fetner ^tole^
niäu^ebition, fotoie eine neue ausgäbe ber lateinifd^en Sibelüberfeftung be« ©ancte« 5
^agninu« (bgl. ben 2lrt. „Sibelüberfefeung" »b III ©. 51.
SÖobl au« biefer erneuten 33efc^äftigung mit ber ^l. ©d^rift erlbuc^« nun im Saufe
ber bierjiger Sa^re attmä^lid^ ©erbet« $auj)tn)erf, bie (gnttbidelung be« ©ebanlen«, ba«
nic^t erft im Saufe be« ^Mittelalter«, fonbem feit ben lagen ber alten öhimenifd^en Äon^
^ilicn unb gerabe burd^ biefe feinem urfprünglic^en SQSefen entfrembete ßl^riftentum ju 10
relonftruieren. ©0 tüenig ein folc^e« Programm ber mobemen 2^eoIogie ^orrenb er*
fc^einen fann, fo fe^r toir im ©egenteil J)rinji))iell eine folc^e restitutio ad inteigprum
al« eine notmenbige Äonfequeng ber SReformation begrüben muffen, fo natürlich ift e«,
bafe ©erbet« 3ritgenoffen bafür nid^t ba« minbefte SSerftänbni« befafeen, unb bafe naments
lid^ bie greunbe ber Sieformation in ©erbet« 2lnfd^auungen gerabe toie im 3lnabaj)ti«mu« 16
eine £eben«gefa^r für bie ebangelifc^e Kirche erblidten. ©0 fanb benn ©erbet auc^ für
biefe« aiSerl toie für feine erfte ©c^rtft nur auf Umwegen einen 3)rudfer. 3)cr Si^oner
Suc^^änbler ^o^ann Sreelon, an ben ©erbet fid^ gunäc^jt n)anbte, berlangte offenbar ein
Outa^ten Galbin«. SJenigften« finben toir ©erbet in ben ^a^xm 1545 unfc 1546 burd^
SSermittelung pre«lon« in lebhafter ÄorrefJ)pnbenj mit bem praedicator Gebenensium. 20
allein h)ie f($on früher im Serle^r mit Ö!olam})ab, fo lernen toir auc^ je^t ©erbet
f ennen al« einen, ber nur Sele^rung erteilen unb bom ©tanb})unfte geiftiger ©u))eriorität
au« feinen fubjeltiben änfc^auungen ber biblifd^en Offenbarung bie Slnerfennung objet
tiber SBa^r^eit erjtoingen tüill. Galbin tbirb al« ein befc^ränfter Äopf be^anbelt, er,
aJlic^ael ©erbet, bagegen na^eju ibentipi^iert mit bem ^Ridj^ael ber 3lj)ofal^>bfc (12, 7). 25
Obgleich ßalbin nic^t getüo^nt unb getbi^ aud^ Ieine«n)eg« getüitlt Wax fid9 fagen gu
laf[en, er beft^e feinen rechten Segriff bon ber SOBiebergeburt u. bgl., antwortete er bennoc^
bem felbftbetbufeten ©j)anier guerft ol^ne §erbe, inbem er il^n, tüie e« einft ÖIolamj)ab
gct^an, ermahnte, feinen ^od^fa^renben ©inn aufzugeben unb ein bemütiger ©c^üler ber
aSa^rbeit ju Werben. 3^ biefem Se^ufe bertoie« ipn Galbin auf feine institutio. 3)a= so
rauf bin fanbte i^m ©erbet ein @jemj)lar^ berfelben mit jaj^lreid^en Slanbgloffen unb gu^
gleich im 9Kanuffeit)t einen leil feine« eigenen in Vorbereitung befinblic^en SQSerle« mit
ber Semerfung, ßalbin werbe barin neue unb ftaunenerregenbe ©ebanfen finben! S^Ö^^^
erbot er ftd^, felbft nac^ (Senf ju lommen, um, wenn 6albin bie« Wünfc^e, i^m J)erfönlid9
feine Stnfc^auungen borjutragen. 3)arauf^in erflärte 6albin im ^ebruar 1546 in einem 35
Schreiben an gre«lon, er ^abe 9?ötigere« ju t^un al« fid^ mit biefem anmafeenben
ÜJJenfc^en gu befd^äftigen, unb in einem 33rief an »Jarel, er Würbe, fall« ©erbet nac^
®cnf fäme, alle« aufbieten, bafe ber gefäl^rlic^e 3^1^^^^^^ ^i^ ©tabt nid^t lebenb berliefee
(si venerit, modo valeat mea autoritas, vivum exire nunquam patiar, 13. ^ebr.
1-546. Opp. XII, ©. 283). 40
©erbet fd^idtte nun gWar Galbin ein l^öl^nifc^e« 3lbfc^ieb«fd^reiben, Inüpfte aber mit
anberen ©enfer ^rebigem unb mit 9Siret an; freilid^ mit um fo Weniger (Srfolg, Weil er
nun immer befj)eratere 2lu«fprüc^e t^at, unb }. 8. I^inftc^tlid^ ber 3:rinität«lel^re ju ber
bla«p^emifd^en läufeerung fic^ ^inrei|en liefe: „ftatt be«6inen ©otte« l^abt ibr einen brei«
Iö})figen ßerberu«". ^n einem biefer 33riefe (an ben ©enfer ^rebiger Slbel ^oujjin) 45
fommt auc^ bie bemerfen«Werte ©teile bor: „^d) Weife be« Seftimmteften, bafe i(^ um
biefer ©ac^e Willen ba« Seben werbe laffen muffen; bennod^ bleibe id^ unentwegt, bamit
ic^, ber jünger, ä^nlic^ Werbe meinem 5i)ieifter". Unb in ber %\)at liefe er nun, ^eim^
lid^ jWar, fein längft borbereitete« SBerf Christianismi Restitutio (ben ganjen Xitel
f. 0.) bei Salt^afar 2lrnouittet in Sienne brudfen unb berfanbte e«, o^ne in Sienne felbft 60
ba« minbefte laut Werben gu laffen, anfang« 1553 nad^ )i?^on, ®enf unb granlfurt.
25a« umfangreiche S3ud^ (734 DItabfeiten) fönnte auc^ al« „©erbet« fämtlic^e tfeologifc^e
SBerfe" bejeid^net Werben; benn e« befielet au« lauter grofeen unb fleinen Sluffä^en unb
beginnt mit einer alterbing« überarbeiteten 3Bieberl^olung bon ©erbet« früheren SinWen::
bungen gejen bie altlird^lid^e 2:rinität«lel;re, unb jWar Wirb ba« früher ©efagtc Wo- 55
möglid^ mit noc^ maffiberen 2lu«brüdEen beftätigt unb babei namentlich ber Umftanb
^erborge^oben, bafe bie unbiblifd^e, ju 2:rit^ei«mu« unb 3lt^ei«mu« fü^renbe, fatanifd^c
Se^re gleichzeitig mit bem 2?erberben ber Äircl^e aufgefommcn fei.
2)er pofitibc Se^rge^alt bon ©erbet« Restitutio ift nic^t leicht ju gewinnen unb
nod^ Weniger leicht jufammenjufaffen. 3Jlit ber 3Befen«trinität berWarf ©erbet Ieine«Weg« eo
2'i2 (Btmt
bic Xrinität überJ^au))t; er fon[tattert bielmc^r eine Offcnbarung^ttinität, inbcni er @ott
fic^ 5h)eifac^ ^ur Offenbarung bifj)omcren läfet. 2)cr erfte DffcnbarunQ^mobu«, ber 6r=
fd^cinung^mobu^, baö SBort ift junäd^ft bor^anben ale göttüd^c^ Urlic^t, ber ^^tvüU
Cffenbarung^mobu^, ber SKitteilung^mobuiS, ber ®cift ate göttliche Urfraft. 9Jad; ber
5 ®(^ö})fung erfd^ien ba^ SBort in bem urfjjrünglic^en SBefen Slbam^, in ben Engeln,
3^^eoj)J^anien unb Sic^tmolten be« alten Sunbe^ aU ©c^attenbilb, big e^ in 6F>ri[to ^leifd^
lüurbe. 3Karia mufe in ber %\)ai ©otte^mutter genannt tüerben; benn aud^ ber Seib
ßl^riftt lüar F^immlifc^er ©ubftanjj, ift e^ aber in öotter ©loripfation erft feit ber 3(uf=
erfte^ung. I)urd^ ben er^öbten ßl^riftu^, je^t ^^^i^^^^ ^^^Wf ift «"^ ^^ ®cift, h)eldf)er
10 ijorl^er nur aU SBcltfeele, Seben^fraft, natürlirf)eg ®ottegbeh)ufetfein unb ®efe| öorl^anben
tüar, }u feiner \)oüm SBa^r^eit gelangt, aU ba^ in ben 5Wenfd^en tüol^nenbe 2Bieber=
geburtgs unb Unfterblid^feit^^jringij). 3)a^ bic beiben Dffenbarungömobi aufhören Ujerben,
f^jric^t ©ertoet jeboc^ in ber Restitutio nid^t mel^r gerabeju auö. 2luf biefe t^eologifc^en
3^ragen legt ©ert^et fo biel ®eh)id^t, ba^ er für ben ©lauben nur ate änerfennung ber
15 ©ott^eit Gl^rifti in feinem ©^fteme 3Jaum ^at. 2)ag ©ünbenbetoufetfein, auf ©runb beffen
$aulug unb mit il^m bte ^Reformatoren einen et^ifd^en ©lauben^begriff getüonnen baben,
fe^lt bei ©erljet faft gan^; erflärt er bod^, bor bem 20. ^^IS^re fönne beim SKenfc^cn bon
eigentlid^er ©ünbe nid^t bie Siebe fein, ^a^ er bon ber Äinbertaufe nic^tg toiffen tooUte,
I^ing mit fetner einfeitigen SBertung beö intetteftueffen SKomente^ jufammen. &hcn barum
20 fteHt er bann bie 3:aufe beö drtüad^fenen al^ ©eifte^mitteilung, ba« äbenbma^l aU
©eifteöna^rung unb bie guten SBerfe, f^ejiett bie Sl^fefe al^ ©eifte^übung fe^r l^oc^. ^Jlad)
bem Xobe läfet er burd^ ein -Keinigung^feuer ben G^riften bottcnb^ bon ben ©cf)lacfen
be^ bergänglic^en Sebene befreit tüerbcn.
3)afe ber Seibarjt be^ Srjbifd^ofe bon 3?ienne barauf bebac^t toar, feine äutorfc^aft
25 ^inftd^tli^ eineg mit aller Äird^enle^re fo grünblid^ verfallenen ©^ftemg geheim ju balten
unb barum aud^ fein Söerl nur inber^erne berbreiten liefe, barf nid^t befremben; ebenfo
tüenig bafe ßalbin, al^ er be^ 93uc^eg anfid^tig tüurbe, fofort toufete, toer ber 38erfaffer
fei, unb bafe er, beffen ^öc^fte« Sebeng^iel bie ©bangelifation feine« aSaterlanbe« ^,anf=
reic^ tüar, ©erbet« Restitutio mit bem nämlichen ^ngrimm begrüßte, tüte einft £fo=
30 lampab ba« 6rftling«h)erf be« ©j)anier«. ßalbin mufete in bem ganzen SSorgei^cn ©erbet«
(fd^on in bem 5Ramen Restitutio) einen äufeerft gefäl^rlid^en $auptfd^lag be« 3lntid^rift«
(3Bt 13, 28) gur 3)i«frebitierung unb ^«i^ftörung be« faum aufgeblül^ten unb fonft fd^on
fc^loer bebrol^ten franjöfifd;en ^roteftanti«mu« erblidfen. Unb in biefem ©inne — aber
eben nur in biefem — fann man aUerbing« fagen, ßalbin babe ©erbet ,,f^ftematifc^''
35 berfolgt. 6« ift nottoenbig, bafe n)ir biefen ©eft^t«j)untt bon bornberein feftftellen, ireil
nur bon i^m au« eine richtige ^iftorifc^e Beurteilung ber fo bielfac^ mtfe^anbclten Seiben«--
gefc^id^te ©erbet« möglich ift. 2)ie neumobifd^e lenben^, Galbin ju einem geringen, bon
))erfönlic^em §affe geleiteten Sienun^ianten ober ju einem um feine loIalj)olitifd^e ^Raä^U
fteHung beforgten 9Kiniaturbefj)oten ^erabgumürbigen, ift minbeften« ebenfo fläglid^ h)ie
40 bie altmobifc^e £iebe«mül^e um bie Integrität bon (Salbin« SReformatorenloürbe. ©erabe
bie erften ©d^ritte 6albin« gegen ©erbet bom gebruar 1553 geigen un« ben Sleformator
bon ©enf am beutlid^ften auf ber l^o^en Sparte eine« ^elbberm im großen ©til, ber mit
richtiger iaftif bie entfc^eibung«fc^larf)t in geinbe«lanb möchte gefc^lagen tbif[en. 2:retcn
toir näber ein in bie ßingell^eiten, berenSef^reibung ber älrt. „(Salbin" (S3b III,©. 654 ff.)
45 un« ^umeift.
3lm 3. S^nuar 1553 ^atte bie Christianismi Restitutio bie treffe berlaffen. 3lm
26. J^ebruar 1553 fc^rieb ein in ©enf lebenber 5Refugi6, Sßilbelm irie, an einen ^itt-
h)anbten in £^on, 9iamen« 3lnton Slrne^«, ber il^m 3Sorh)ürfe loegen feine« Übertritt«
mad^te unb ilm in bie römifd>c Siixd}^ gurüdfjufül^ren fudj^te: e« fei nid^t fo fd^Iimm mit
60 ber Äe^erei ber ©enfer Mircbc, bagegen bulbe man in ??ranlreid^ einen 3Menfc^en, ber ein
33ucf) boH bon ©ottlofigfeiten gcfcfjriebcn l}ah^. ,,')}lan imUxiyält bort cuku .^ui^^i, :a
berbrannt gu ioerben berbient überall, ioo er fein Wn'b. 2i^enn ic^ uon einem .Ifletjct: uU^
fo bcrftel;c id; baruntcr einen 53tann, ber bon bai "^.vaiJtftcn cbcnjü bcrurtcilt iiicrbc« unrb
toie bon un^, ober n?cnigften« berurtcilt irerbcn folUe ... (S« ift ein iportii^iicftfiiei
55 ©panier, mit feinem eiijentlidien 9^amen ^Kidf^ict Sctuetuö, aber er nennt fi4^ \t^t
33illeneufbe unb j})ielt fid? al« 3(rjt auf. &x l}ai dnif^c ßfit in i!bDn gelebt, jr^t ^,
er fid» in 3?icnne auf, \vo ba« Bud), bon bem id) rcbe, bon eiiiCJu f^cUMtHn JVail^
SlrnouUet gcbrudt toorben ift. Unb bamit 3l;r iiicbi mcmct, ict ^^be Mi^a
$örenfagen, fcbide id; (Sud) bn« erfte 33lntt al« '^^niHt^ücf" (b'^JUtitirnj ci.
60 2)afe ßalbin um biefen Brief tou^te, ift überau« UHibvjdidjiIid
(Sertid 233
mit SBiUte fagcn barf: ,,6alt)in bcnunjicrt ©crljet burd^ Sennittlunö bcö ftaufmann«
%xk ben lirc^Itc^en Autoritäten S^on«." Gafoin mod^tc au^ bcn ®j)iftcln 3lrnei;g an
%m unb bcren Sefe^rung^ljerfud&cn gemerft ^aben, bafe jener in enger SSerbinbung fte^c
mit ber J^i^^w^rftion. SBarum foKte nun biefe ^nquifition, meldte jä^rlid^ ^unbertc \>on
armen (Sbangelifd^en ^inoj)ferte, nic^t aud^ einmal baö SBerf^eug Serben, einen gefä^r= s
lid^en geinb be« ßüangelium^ ^u beseitigen '^ 3""^^P B^'^Ö ^^"" ^"^ *" *>^ 2:^at aUe^
nad^ 6atoin^ SBunfc^. 2(me^« benac^rid&tigte bon bem 3"^^^^ ^^ em^jfangenen Sriefe«
fofort bcn S^oner ^nquifitor Drl;, unb biefer fäumte nid^t, bei bem Äarbinal bon Xours
non unb bei bem ©cneralgoubemeur ber 3)auj)^in6, iperm bon 3Kaugiron, £ärm ju
fc^Iagen. ©ine erfte Unterfud^ung fanb ftatt. ^od} leugnete SiHanoöanu^ jeglic^eö lo
SBiffen um ba^ infriminierte Suc^, unb tüeber bei i^m nod^ bei2lmouittet entbedfte man
au4 nur ein einzige« fom^jromittierenbe^ Statteten. Slttein bie gnquifition lie^ nic^t
nad^. 2luf Or^« Sefel^I mufete 2lme^^ feinen SJetter 3:rie um 3wfenbung be^ ganzen
2öene§ bitten. Unb nun mu|te 6alt)in h)oJ^I ober übel, tüoHte er ben glüdfli^ eins
geleiteten Jßroje^ nic^t Verloren geben, in ungleid^ birelterer SBSeife ate bieder mitlrirten. i6
I)aö getüünfc^te öoUftänbige ©jemblar ber Restitutio fonnte nämlic^ nic|t nad^ S^on
abgefqidft toerbcn, h)eil e^ fid^ niqit melj^r in ben §änben galbin^ befanb. ©tatt beffen
lieferte aber 2:rie 24 93riefe ©erljet« an ßaltoin aU SetoeiöftüdEe gegen jenen an 2lrne^g,
bejU). an bie gnquifttion au^. ^\üax erllärte er, e^ l^abe ?!Jlü^e geloftet, biefelben ^erau«=
jubelommen, unb 6atoin \)abz nur au« ^eunbfc^aft für i^n, um i^n nid^t bem SSortourf 20
eine« leid^tfertigen 3lnIIäger« ))rei«jugeben, bie SBricfe* ausgeliefert. älHein man ftel^t beut«
lic^, ba§ galbin« SBiberftreben nur auö ber leicht erflärlid^en ©d^eu ^erftammt, aU Se*
laftunggjeuge im 35ienfte ber ^nquifttion fungieren ju muffen. 2lu« 3:rie« jlreitem Briefe
ge^t beutlid^ ^ertoor, toie ptinWd) e« für Gatoin n>ar, bafe ein ©elingen feine« $lane«
feine förmliche 9Jlith)irIung er^eifd;te. 2)en eigentlid^en groben gebier ^at freilid^ Galbin 25
erft baburd^ begangen, bafe er biefen feinen 2lnteil an bem ^nquifüiongjjrojefe f^äter in
feiner „SBiberlegung ber 3ii^tümer ©ertoet«" mit ^jomjjöfen Beteuerungen runbtoeg ge*
leugnet ^at — in unfern 3lugen ein Umftanb, ber ungleich tiefere ©d^atten auf Sabin
hjirft atö alle fonftigen änflagejjunfte, meiere man au« bem ©erbet^anbel gegen ben
^Reformator jufammengeftettt l^at. ©erbet tourbe auf ®runb ber bon ®enf übermittelten 90
Sriefe am 4. 3lj)ril j|u SSienne bei äu«übung feine« ärjtlic^en Serufe« ijer^aftet unb an
ben jtüei folgenben 3^agen mit Slmouillet bon Or^ unb bem Äarbinal t)on Xoumon
auf« eingel^enbfte ber^ört. 6r leugnete, ba^ er ©erbet fei, gab bor, biefen 5Ramen eine«
befannten ©elel^rten nur al« Sortüanb gebrandet ju ^aben, um fic^ mit ßalbin in bia::
leftifd^er Äunft berfud^en ju fönnen unb erbot fi* jum bölligen 3Biberruf. Daraufl^in 86
liefe il^n bie ^nquifttion, meiere fonft il^re D>)fer feftju^alten berftanb, fd^on am 7. Wpxxl
aui bem ©efängni« entmifc^en, fei e« um bem ßr^bifd^of unb anberen bome^men
gteunben ©erbet« Unannel^mlid^Ieiten ju crfjjaren, fei e« bafe fte ßalbin« $läne burd^^
fc^aut ^atte unb ber Sieformation leinen Siebe«bienft crlreifen tüottte. 3)er ^rojefe ging
natürlid^ bennoc^ tüeiter. 2luf ©eftänbniffe bon 3(rnouillet« Slrbeitem tburben in 2^on 40
fünf mit ®jem))laren ber Restitutio gefüllte ^aüm fonfi«3iert, unb am 17. 3uni erfolgte
ba« Urteil be« toeltlic^en ©eric^te« bon i^ienne, ioonad^ ber ,fte^er jum geuertobe ber^
urteilt tburbe. ^n (Srmangelung feiner ^erfon mürbe ber St)ruc^ an feinen 33üd;em
unb feinem Silbe bottjogen. ^ngmifc^en ^atte ©erbet bie fj)anifc^e ®ren^e ^u gewinnen
berfud^t. äl« ij^m ba« nid^t gelang, nabm er fic^ bor, nad(» Italien ^u gelten unb iWax 46
burc^ bie ©c^tüei^. UnglüdElid^ertbeife führte ibn fein 2ßeg über ®enf. ^\mx barf man
e« il^m glauben, bafe er o^ne Stufentbalt nadf» güric^ meiteneifen moDte; man mufe aber
auc^ begreifen, bafe ßalbin, Ireld^jer gerabe bamal« bie CpJ)ofition eben erft übertpunben
^atte, auf bie Äunbe, ©erbet befinbe fi^ in ©cnf, benfelben fofort, ©onntag« ben 13.2luguft,
in feinem ©aft^aufe berl^aftcn liefe unb feinen Slmanuenfi« 9lifolau« be la gontaine, 60
einen franjöfifd^en SRefugi^, baju beranlafetc, bie gefe^lid^ erforberlic^e SRoUe be« berant«
tbortlid^en äntläger« m übemel^men. 2)ie 2lnllage lautete auf 2lu«breitung fd^tpcrer
^rrle^rcn, um berentoiUen ©erbet bereit« gefangen gefegt gemefen unb je^t flüd[)tig fei.
©d^on am 14. befc^lofe ber ®enfer 9tat, fic| bie 2lnflagej)unfte in genauerer Formulierung
borlegen ju laffen. Unberjüglic^ fe^te ßalbin für ^^ontaine 38 älrtifel gegen ©erbet auf, 50
loorin bemfelben namcntlid() fein 3lntitrinitari«mu« unb 3lnabaj)ti«mu« borge^altcn lourbe.
3lod) an bem nämlichen 3^age, ben 15. 3luguft, mufetc ©erbet SRebe ftcl^cn. c^infid^tlic^
ber 3:rinität gab er j\u, bafe er ben ?iegriff „^>erfon" anber« auffaffe al« feine 3^^^=
genof[en, in Setreff ber Äinbertaufe erbot er fid^ afic«, toa« er gegen fte gcfagt, ^u n)iber=
rufen; über feine ^jerfönlic^e ©teHung ju ßalbin befragt, blieb er babei, bafe in beffen eo
234 (SttM
©d;riftcn öielc S^^'^tümer fic^ bcfänbcn unb ba^ er ben 38ortt)urf, er fei trunfen bon
©elbftgefü^I, (Salbin mit bottem Siecht jurüdgegeben l}ah^, Unb bor berfammeltcnt Sat
erllärte ©erbet an bemfelben Slage, er fei bereit, ßolbin bor ber ©emeinbe auf ®runb
ber ^I. Schrift berfc^iebener ^i^tümer unb 3Bifegriffe ^u überfül^ren. 2)a ßalbin^ heftiger
6 (Segner, ber Sibertiner ^^ilibert Sertl^elier, in bem SSer^öre beö 16. STuguft änftalt
ma^te, aU 3Serteibiger ©erbet^ aufzutreten, fo bat (Salbin ben 9lat, nun felbft al« än^
Hager ^erbortreten ^u bürfen. 3)ie« tburbe i^m geftattet, unb nun erfolgte am 17. eine
erftmalige Ronfrontation ber beiben (Segner. ©erbet geigte fid^ babei junäd^ft ßalbin
überlegen; mit Siecht toie« er 3lnHagen bemfelben, tbie bie tüegen ber Unfruc^tbarleit be^
10 1^1. Sanbe^ (f. oben) afö unmefentlic^e I)iffereng})unfte in i^re ©c^ranfen. '^m 33erlaufe
ber SJer^anblungen fd^eint ftc^ jeboc^ ©erbet ju fo ftarfen pant^eiftifc^en 2iufeerungcn
fyihzn ^inreifeen ^u laffen, bafe ber ^at ben (Sinbrudf belam, ber ^ro^efe toerbc ein
tragifc^e« (Snbe nehmen unb be^^alb befd^lofe, in Sienne ©rlunbi^ungen einzugießen unb
bie Ferren bon Sem, Safel, S^xid) unb ©d^affßaufen gu benacßnd^tigen.
16 6^ ift \t>oi}l mögließ, bafe ber SRat bamit, bafe er bie Seß()rben biefer ©cßtoeigerftäbte
JU 3latt jog. Salbin gegenüber feine Unabßängigfeit manifeftieren unb ßalbin^ Sinflufe
fcßtüäcßen tboQte. ©^ h)ar ju ern)arten, ba| biefe ©tobte, tüie jn)ei ^^ßte borßer beim
5?rojefe 8olfec« (f. b. 3lrt. 93b III ©. 281) ftcß für ein milbe« Urteil au«fj)recßen toürben.
2)ann ßätte tooßl ber SRat gegen bie SBünfcße 6albin« ©erbet glim})fli(ß beßanbelt. 6nt=
20 f(ßieben ftcß aber bie befragten ©täbte für ©erbet« SSerurteilung, fo tonnte ber SRat
biefen Bpxnd) ju bem feinigen machen, nicßt nur meil e« (Salbin fo tbollte, fonbern mit
Berufung auf iai ©utacßten ber offiziellen Vertreter ber reformierten Sßriftenßeit in ber
©cßtoeij. ßalbin felbft fd^rieb fd^on am 20. 2luguft an garel, er ßoffe, bie lobe^ftrafc
toerbe über ©erbet au^gefjjrodßen werben, münfcße inbejfen, ba^ bie ©jelution in gemiU
26 berter SBeife bottjogen toerbe. ©erbet feinerfeit« j)roteftierte burcß ein ©cßreiben an ben
9lat bom 22. 2luguft bagegen, bafe er, ber nur für ißeologen gefcßrieben unb ftdß bon
bem SSorgeßen ber rebolutionären SBBicbertäufer burcßau« ferngehalten i)ab^, in einer ben
Slnfcßauungen ber 2lj)oftel unb ber ganj alten Äird^e gänjlicß n)iberf))recßenben SBeife
toegen feiner ®lauben«anfid^ten friminell foHe beßanbelt tüerben. 3)iefe (£infj)racße toie«
30 ber 3lat ab , unb am 24. reid^te ber ©eneralprofurator SRigot eine Slnf lageafte au«
30 3lrtifeln ein. Sligot, toeld^er nicßt, tbie früher beßauj)tet tüurbe, ein gfreunb CSalbin«
tüar, fonbern im ©egenteil ein 3)Utglieb ber Di)J)ofttion, ein fog. ^errinift, berührte, im
©egenfa^ ju ben bon 55ontaine eingereichten calbinifcßen Älage))unlten, bie 35ifferen;
jtüifcßen 6albin unb ©erbet mit feinem SBort, legte aucß ben §au^)tna(ßbrudf nid^t auf
86 ©erbet« 3;rinität«leßre, fonbern auf ben ©runbgebanfen feiner Restitutio, toonadß alle«
bi«ßerige gßriftentum Iorrum})iert, bie gan^e SJeformation uncßriftlicß fei, unb jeber, ber
nid^t mit ©erbet einig geße, auf bem 2Bege be« 93erberben« fidb befinbe. daneben
befcßäftigt ficß SRigot« Älagefcßrift einläfelicß mit ©erbet« ^ribatleben; fie bermutet eine
3lbftammung bon '^u!t>m, nimmt 3lnftofe an feiner (Sßelofigleit unb fragt nacß ®rünben
40 bon ©erbet« kommen nad^ (Senf; fcßliefelicß macßt fie aufmerffam auf ben bemoralifieren-
ben (Sinflufe, ben ©erbet« Seßre bon ber ©traflofigfeit aller 3Jlenfdben bor bem 20. Seben«-
jabre gerabe bei ber ^ugenb au«üben fönnte. 2luf atte biefe äntlagen antwortete ©erbet
mit großer SKäfeigung; nad^brüdflicß beßarrte er bei ber 3lufrid^tigfeit feiner guten Slb-
ftcßten, betonte feinen tiefen >Hefpeft bor ber mit aller ©orgfalt bon ißm erforfcßten
46 ©d;rift unb bie gänjlicße .parmlofigfeit feine« (Senfer 3lufentßalte«. Unb al« ißn ßierauf
ein tbeitcre« ©utacßtcn SRigot« mit großer jperbe ber 3"^)>wtinenj befcßulbigte, erllärte
©erbet, er muffe feine Seßre fo lange für bie SQSaßrßeit galten, bi« ißm ba« ©egenteil
beriefen tberbe; aucß bie allgemeinfte SRifebiUigung fei nocß feine SBiberlegung ; e« feien
im (Segenteil fd^on feßr oft Seßren, bie anfänglich entfcßieben bertborfen toorben, fpäter
60 zur 3lnertennung gelaugt; jebenfall« gefteße er bem gegen ißn angeführten gufttnian
feinerlei fiomj)etenz ^n, tbeil zu beffen >^c\i bie Ätrcße fcßon feßr ßeruntergelommen unb
bie 3;vrannei ber iöifd^öfe bereit« mächtig getoefen fei.
2lm 31. äluguft fam bie Slnttoort bon S[5ienne: ein @ericßt«bote mit einer Slbfcßrift
be« bort ergangenen Urteil« unb bem Segeßren um 2lu«lieferung be« SSerurtcUten. £}b'
66 gleicß ber 9iat entfd^loffcn ioar, bicfcm SBunfd^e feine«fatl« z" entf})recßen, tburbe bocß
©erbet gefragt, iüa« er borziebc. Unter Ißränen marf er fid^ z" 5ioben unb bat, man
möge ihn in (Senf aburteilen, ^cmnacb fcßcint er in feinem fterfer erfahren ju ßaben,
ba^ (Salbin fortmäbrenb mit ben 3lnßängcrn be« :^ibertiui«mu« z" fämpfen ßatte, unb
infolge babon Hoffnung auf ^reifjjred^ung geßegt zu ßaben. 2lud^ loa« am iage barauf
60 erfolgte, toar geeignet, ©erbet ^n guten (Erwartungen zu berechtigen, ^er diät, ermübet
errnd 235
burc^ eine an biefem 1. ®e^)tember in fetner ©cgentüart ftattgc^abte t^eologifc^e 3)i^*
j)utation jn)ifc^en (Satein unb ©erDet, befc^Iofe, ben Slngcflagten mit ^aj)ier unb 3:inte
liu t)erfeben unb bie SSer^anblungen über bie angefochtenen Se^rpunlte jtüifc^en i^m unb
Gatein fortan fd^riftlidjj unb jtoar in lateinifc^er ©Jjrad^e bor fic^ ge^en ju laffen. 3)iefer
le^tere SBefd^Iu^ jeigt beutlid^ bie Stbftd^t, au^n)ärti0e 6ö)erten mitreben ^u laffen. ßatoin ß
entfl)raci^ unbergüglic^. (gr reid^te am 2. ©e^)tember ein aSerjeic^niö bon 38 ©äjen
©erbetö ein, beren teil^ l^äretifc^en, teil^ bla^jJ^emifd^en unb ))rofanierenben G^arafter
unb burd^ge^enben a5}iberfj)ruc^ mit bem SBorte (Sottet unb ber allgemeinen Rirc^enlel^e
bie (Senfer ^rebiger nadbgun)eifen bereit feien. SBä^renb ©erbet in feiner ^dlt mit ber
SSeantloortung biefe« ©c^riftftüdeö befc^äftigt tvax, ^atte Satoin jenen bentoürbigen Äon= lo
flift mit bem Sibertiner Sert^elier ju beftc^en. SBert^elier ^atte ben 9lat jur Sluf^ebung
ber bon ßatein über i^n berj^ängten Sjlommunilation ^u beftimmen getoufet ; am ©onm
tag ben 3. ©ejjtember follte in öffentlichem (Sotte^bienfte burc^ Sertl^elier^ S^eilnabme am
atbenbma^le bie 5Jieberlage Gatein^ botumentiert toerben. 2lllein Gatein Ij^atte mit ben
2lu^jügen au^ ©ertoetö ©c^riften bem 5Rat einen ^roteft eingereicht unb aud^ im (Sottet* iß
bienfte felbft erflärte er, bafe er ftd^ nic^t fügen unb e^er fein Seben laffen aU gegen
fein ®eU>iffen ^anbeln tüerbe. Unb Sertl^elier mad^te gar feinen SSerfuc^ ju lommuni«
iieren. ©erbet aber erl^ielt o^ne R^^if^I bon beibem «enntni«: bon be^ Sibertiner^ ®r«
folge beim 9lat unb bon Gatein« unbeugfamfeit ; benn er füi^rte nun fotoo^l in feiner
Slnttport bom 3. ate auc^ in einem ©d^reiben, toelc^e« er am 15. ©e^)tember an ben 20
9lat ri^tete, eine ganj anbere ©jjrad^e ate bi^^er. 6r fing an, Gatein einer unerträg«
liefen änmafeung gu befc^ulbigen unb an ben Slat ber 3h?ei^unbert ju abj)elfieren (fc^on
ber Umftanb, bafe ber burd^reifenbe <Spanm biefe ©enfer ^nftitution überl^auj)t fennt,
jeigt beutlic^, bafe er bon ber Dj)})ofttion Gatein« mit SBeifungen berfel^en tourbe); unb
al« il^m bie umfaffenbe 9le^)lif ber U ^farrer bon GJenf auf feine Stnttoort bom 25
3. BepUmitt mitgeteilt tüurbe, loagte er biefelbe mit Slanbbemerfungen ju berfe^en, too*
rin er Galbin mit ©c^mä^ungen überj^äuft, i^n einmal über ba« anbere einen Sügner,
©c^reier, ©^Ioj)banten, ©imon SKagier nennt. SQSie toeit entfernt Gatein ju jener 3^^
babon toar, ®enf ju be^errfc^en, erfe|en loir am beften barau«, bafe ber 5Hat immer noc^
jöaerte, ben ©))anier ju berurteilen unb am 19. ©e))tember ben Sefd^lu^ fa^te, bie fämts 90
ific^en Slftenftüdte be« ^rojeffe« burc^ einen Slateboten nac^ 93em, Safel, ^üxid^ unb
©d^aff^aufen gu fenben unb bie Ideologen biefer bicr ©täbte, in jtüeiter Sinie auc^ bie
3fläte, um i^r ©utac^ten j\u erfucl[>en. Galbin, tüelc^er reid^lid^e ©elegen^eit gehabt l^atte,
biefen Sefc^lufe borauö^ufeben, ^atte bereit« mehrere SQäod^en bor^er mit feinen greunben,
namentlich mit bem fo einflu^reid^en Sullinger in ^üxxi), in biefem ©inne Iorref))onbiert, 35
unb i^re Slnttoorten f}attm fo einftimmig fein Urteil über ©erbet beftätigt, bafe er ben
offijictten Äunbgebungen ru^ig entgegenfal^. ©erbet feinerfeit« fud^te bie %xx\i baburc^
gu benü^en, bafe er ben toal^rl^aft ber^toeifelten ©c^ritt tüagte, al« förmli^er änfläger
gegen Galbin aufzutreten. 6r befc^ulbigte Galbin u. a. i^n fälfd^lic^ ber Seugnung ber
Unfterblid^feit angellagt ju ^aben, bie d^riftlid^e SBabr^eit f^ftematifc^ ju unterbrüdfen 40
unb Se^rfragen auf eine be« 2)iener« am Gbangelium unloürbige SQäeife jur Äriminat
angelegen^eit ^u machen, ©c^lie^lid^ beantragte er, ber ^ai möge Galbin be« Sanbe«
bertoeifen unb fein Vermögen i^m, ©erbet, al« Gntfd^äbigung für bie erlittene Unbill
juerlennen! 5Jlatürlic^ ging ber SRat auf fold^e ^wmutungen nic^t ein; boc^ tburben
äSefc^toerben ©erbet« über feinen j)erfönlid^en 3"ft^"^ forttoäl^renb in burc^au« menfc^* 46
lid^er SBeife berüdfftc^tigt. 3)agegen tburbe ibm tro^ feiner loieber^olten Sitten ber Seis
ftanb eine« 3lbboIaten nid^t getoä^rt.
3)ie 3lnttoorten, toeld^e am 19. DItober au« ben bier ©c^tbeijerftäbten eintrafen,
maren einftimmig in ber entfd^iebenften SJerurteilung ber ©erbetfc^en Se^ren unb auc^
in ber anficht, bafe e« gelte, eine berl^ängni«bolle ©efal^r bon ber gefamten reformierten so
Äirc^e abloenben, einmütig aber aud^ im ©ttUfc^meigcn über ben $unlt, n)orüber man*
fie allerbing« nic^t bireft befragt l^atte, toorüber jeboc^ bie Gntfd^eibung i^nen allen toenn
au(^ ^einli^, fo boc^ felbftberftänblic^ erfd^cinen mod^te: bie Slntoenbung ber Iobe«ftrafe.
3)er iRai bon (Senf fd^ritt nun gur enbgiltigcn 3?erbanblung ber Slngelegen^eit, 3)er
©^nbilu« 3t. ^errin, Galbin« alter (Segner, berfuc^tc noc^mal« bie Berufung an ben 66
$Rat ber 3h)ei^unbert. ©tatt bef[cn erfolgte am 26. Dftober ba« 3^obe«urteil unb jtoar
lautete ba«felbe nid^jt, loie Galbin unb bie übrigen ©enfer ^ßrebiger getoünfd^t l^aiUn,
auf eine gemilberte G^efution, fonbem nad^ ber boUen ©trenge be« GJefe^e« auf ben
geuertob. 3)er tieferschütterte Verurteilte bat um eine Unterrebung mit Galbin unb
flehte benfelben um fein Grbarmen an, loorauf il^m Galbin erflärte, bafe er il^n feine«= so
236 Sertiet Serlittett
iDcg^ aue ^jcrfönlid^cn 3)iotiücn ijcrfolgt \)abc, unb xfjn antDic^, Qioti um Sarml^crj^iglcit,
ben ©o^n ®otte^ um üßergebung anzurufen. 3tm 27. DItober 1553 lüurbc ba^ 3^obcö=
urteil boHj^ogcn. Stuf Galtjinö Sffiunjd^ toar ^arel herbeigerufen tüorben, um ben 9Scr-
urteilten ;;u begleiten. 3)od} fonnte and} er ©ertoet nic^t ^um geringften 2öiberrufc bc=
5 tüegen. Um ®nabe bittenb für feine ^eE)ler unb um Sarm^erjigleit für feine ®egner,
ftarb ©eröet im feften ©lauben an bie aöal^r^eit feiner Se^re.
ßg ift eine ^arabojie ber (Sefc^id^te, bafe Sj)anien, baö 2anb ber 3;nquifttion, biefen
•^Jfann ^ert)orgebrac^t unb ©enf, ia^ Slf^I fo öieler ©lauben^flüc^tlinge, il^n l^erbrannt
l}at. i^on bem ©d^eitcr^aufen auf 6^amj)el ^at auc^ Calbin ein Sranbmal babon-
10 getragen, ba^ bi« ^eute feine Äunft ber äj)ologetif bon feinem 33ilb ^u entfernen üer-
moc^t l^at. ©etpife märe e^ ein unl^iftorifd^e^ 3Serfal^ren, tvoüU man an ©ert)et bieän-
fd^auungen be« 19. ^a^rl^unbert^ betüunbem unb bie be^ 16. ßalbin jur Saft legen.
Slber e^ ge^t boc^ nid^t an, |\u Sabine ^jerfönlic^er (Sntlaftung bie ©c^ulb an ©ert>ct^
%o't> auf bie 3j"^oIeranj bc^ 3^l^r^unbert^ abj^utüäl^en. ©^ ift boc^ be^eic^nenb, bafe
16 6alt)in unb feine 3lnl^ängcr unmittelbar nad^ ©ertjet^ ^inridbtung ba^ Sebürfni^ füllten,
fid^ gu rechtfertigen, ©d^on im ^ebruar 1554 bcröffentlid^te 6albin in lateinifc^er unb
franjöfifc^er Slu^abe eine ©c^rift gegen bie fluc^toürbigen Irrtümer W\6)d ©ertoet^
„oü il est aussi montrö qu'il est licite de punir les h^r^tiques et qu'ä bon
droit ce m^chant a 6t6 exöcutö par justice en la ville de Genöve. Unb im
20 ©e))tember be^ gleichen ^al)x^ fd^rieb SCI^eobor t)on Seja jeinen Trait^ de Tautorit^
du magistrat en la punition des h^r^tiques et du moyen d*y proc^er. SBenn
e^ nötig mar, Sudler ju f (^reiben, um bie Berechtigung ber Äe^er^inrid^tung ju bemon^
ftrieren, fo bereift ba^, bafe ba^ SSerfa^ren gegen ©crtoet burd^auö nic^t bie Silligung
aller 3ci^0^offen gefunben l}attt. gn ber 3;^at gefte^t aud^ X^eobor bon 93eja in feiner
26 S3iogra))F>ie 6albing: Les cendres de ce malheureux [Servet] 6taient ä peine
refroiclies que Ton se mit ä discuter la question du chätiment des h^r^tiques.''
3a, bie öffentlid^e 9}leinung loar fo toenig einmütig für bie Berechtigung ber 3:obe^ftrafe
für bie Äe|er, bafe ber 93erner Äanjler TOfolau^ 3"^^"^^/ ^^"^ Galbin feine 2lj)oIogie
uigefanbt ^atte, i^m fc^reiben fonnte: „gc^ ^ätte eö lieber gefe^en, toenn ber erfte 3:eil
30 2)eine^ 33ud^e^, ber fid^ auf ba« Siecht be^ ©d^toerte« bejiel^t, ba« bie toeltlid^en Beworben
;iur UnterbrüdEung ber Äe^er für fid^ in 3lnf})ruc^ neJ^men, nid^t in 2)einem 3?amen cr^
fd^ienen loäre, fonbern im 9Jamen be^ 9lat^, ber too^I felbft berteibigen fonnte, toaö er
fiet^an i)at 3;d& glaube nid^t, ba^ I)u bei befonnenen Seuten irgenb toelc^c Billigung
änbeft, menn 3)u al« ber erfte bon aßen ex professo biefe faft allgemein ber^afete
36 2;^efe berteibigen tooHteft." 3)en lauteften ^roteft gegen bie äntoenbung bon Oetoalt
in ©laubeuigfac^en l^at GafteHio (f. b. 3lrt. Bb III ©. 750 ff.) in feinen gegen (Salbin
gerid^teten ©c^riften Traict^ des H^r^tiques unb Contra libellum Calvini eingelegt,
toenn er u. a. fd^reibt: „Tuer un hemme, ce n'est pas d^fendre une doctrine,
c'est tuer, une homme. Quand les Genevois ont tu6 Servet, ils n'ont pas
40 d^fendu une doctrine, ils ont tu6 un homme . . . D^fendre une doctrine, ce
n'est pas l'affaire du magistrat; c'est l'affaire du docteur . . . on ne maintient
pas sa foi en brülant un homme, mais plutöt en se faisant brüler pour eile."
S^ ift be^^alb begreiflid^, bafe bie 3nfd;rift beö ©ü^nebenfmal^, ba^ am 350. ^a^^^töö
ber Berbrennung ©erbet^ in ®enf na^e ber 3flicbtftätte errid^tet mürbe, nid^t bie aü-
46 gemeine Billigung ber franjöfifd^en ^roteftanten fanb. ©ie lautet: „Fils respectueux
et reconnaissants de Calvin, notre grand Röformateur, mais condamnant une
erreur qui fut celle de son si5cle, et fermement attach^s ä la liberi;^ de con-
science selon les vrais principes de la Reformation et de l'fivangile, nous
avons 6\ey6 ce monument expiatoire le 27 octobre 1903" unb auf ber Slücffeite:
50 Le 27 Octobre 1553 mourut sur le bücher ä Champel Michel Servet de Ville-
• neuve d'Aragon, n6 le 29 septembre 1511. (Über bie Äritif an bicfer ^nfdbrift
cf. Bull, de l'hist. du prot. frauQ. 1903, 283ff.; 378ff.; 560ff.; unb 2. 3Konob
in Revue chr^tienne, 1. ^idx 1903.) (». ^^iggettfiai^ t) ^ageit Sa^enmann.
ScrtJitcn (Servi b. Mariae Virginis). — Mich. Pocciaiitii Chronicon verum totius
56 «acri ordinis Servonim b. M. V. ab anno 1233 ad an. 15()ü, Florentiae 1616. Archangeli
Gianil Annales sacri ordinis Servonim b. M. V., ibid. 1618. 1622. Eiusdem operis ed.
alt. eura A. M.Garbii, 3 tomi, Lucae 1719—25. P. Florentini Dialogus de origioe ord.
Servorum (in J. Lamii Deliciae eruditonira, t. I, Flor. 1736. Histoire de Pordre des Ser-
viles de Marie et des sept bicnheureux fondateurs, 1230—1310, par un ami des Servites,
(Bttt^litu 237
2 vols. Paris. 1886. fiebouj, Hist des sept fondateurs de Tordre des Servites, Par. et Lyon
1889. ©pörr, O.S. b. M. V., fiebenöbilber auö bcm SerDitenorben, 4a3be, Snnsibvucf 1891
6i§ 95. — ^Bic^tiger a(§ biefe jumeift nur crbaulid) ge()altcnen 9(rbeiten ift, \va^ roä^rcnb
bcr letjtcn S^^^je^nte ber ^45arifer Seroit ^eregvin ©oulier, untcrftü^t Don feinem OrbcnSs
bruber 9lugu{tin Forint, für bie (Srforfd)ung nnb SJarftcÜung ber @eroitengefd)idite gcleiftct 5
ftnt. (Bo bic Don S3ciben gemeinfam cbicrtcn Monumenta Ordinis Servorum 8. Älariae (iÖrüffcl
1897 ff.), tooüon hi^ 1902 Dicr ^änbe erfc^iencn (ent^allenb bic SBcni^ifdien Äonftitutioncn,
bie alte Legenda de origine ordinis fratrum S. Mariae, bie fpäteren JRebattionen ber Orbend»
ftatuten, oerfc^iebene jüngere 53erict)te über bie ©rünbungSgefc^ic^te, aucf) Sotalgefd)id)tHd)eg
über cinjelne ^löfter Jc). gerncr uon 6ouIier aflein: Vie de S. Philippe Benizi, propagateur lo
de Tordre des Servites, Par. 1886, foiuie: Life of St Juliana Falconieri, foundress of the
Mantellate or Religious of the third ordre of Servites, Lond. 1898. — SSgl. nocö: $eini=
bud)er, Drben u. Äongr. 1,471-477. ^43enebitt ^Jai)r O.S. b. M.V., im ÄÄfi' XI, 204—211.
tienle, in b. fiitt. 5Runbfc^au f. b. !att|. ^eutfc^Ianb 1899, @.69— 71. ÖJ. gicfer im 2:^3©
1898, @. 291 f. u. 1899, @. 269 f. 16
©erteilen, Servi beatae Mariae Virginis („3)icncr bcr j^(. ^unöfwu; auc^: ©ruber
Dom Seiben ^i^fu, bom Slöe 3Karia, Don iRonte ©enario") ^cificn bic ©lieber cine^ noc^ .
bcftc^enben Drbcn^ bcr römifd^en Äirc^e, beflen ^w^i ift, in ®cbct unb ajfetifc^en
Übungen bcr SScrl^crrlic^ung unb bcm 3)icnftc bcr Jungfrau 3Waria fic^ ju mcil^cn. 211^
bcr ^immclfal^rtgtag bcr 2)Jaria am 15. 3luguft 1233 in fjlorcnj gefeiert tüurbc, fül^Itcn 20
ftc^, toic crjä^U tpirb, ftcbcn angcfcl^cnc ©intoo^ncr bcr ©tobt, bic fc^on feit längerer
3eit Slngc^örigc einer @cnofjcnf(|aft jum Sobc bcr l^l. Jungfrau (Confraternita de'
Laudesi) gctocfcn toarcn, bon bcm 3Scrlangcn burc^brungcn, fic^ bcm ©icnftc bcrfclbcn
ganj ju tüibmcn. 3^icfc f d^toärmcrifc^cn SKaricnbcrc^rcr h)arcn : Sonfiglio ?!JlonaIbi, S3ona=
giunta 3Kanctti, TOanctto beU' SlntcIIa, 3lmibco Slmibci; SRicucrc 2ij)))i Uguccioni, ©crarbo 25
©oftcgnt unb SlHcffto galconicri. ©ic jogen fid^ an einen cinfamcn Ort auf bcm Qampo
^iarjo (SKar^fclb) bei glorcnx jurücf, lebten ^icr bon Sllmofen unb cncgtcn burd^ bic
©trengc il^rcr Übungen bic SScmunbcrung bc^ Solfcg, baö i^ncn bcn 5Ramcn i Servi
della Madonna beilegte. eth)ag f^jätcr (gegen 1236) liefen fic ftc^ auf bcm 3Kontc
©cnario (= Mons sani aeris, 9 ital. 9JJcilcn entfernt bon ^5'^^^"^) nicbcr. 3^^^ so
Älcibung beftanb bamate in einem SRodfc bon afc^graucr %axbz unb in einem l^ärcncn
Öcmbc; i^r SSorftc^cr tpar SWonalbi. 3)cr Äarbinallcgat Öottfricb bon Gaftiglione bcr^
fa^ fic (1239) mit einer bic übermäßige §ärtc i^rer Scbcngtocifc cttoa^ milbcrnbcn
Sluguftincrrcgcl unb erteilte i^ncn bcn 9Jamcn „Srübcr bon bcr ^Paffion ^^\n'\ toclc^cr
bcr fd^on älteren Benennung Servi Mariae Virginis unb Servitae jc^t gur ©citc 36
trat. 3^^^ Drbcn^flcibung mürbe nun ein h)ci|cr 3todE, eine fc^toarjc Äa))uj|c, ein
fc^toargeö ©ca^julicr unb ein Icbcrncr ©ürtcl. $a})ft Sllcjanbcr IV. bcftätigtc bcn Drben
1255. 2)cr fünfte Drbcn^ggcncral ^^ilit)})usf Scnitiug (gilipjjo »entji, 1267—1285) machte
fid^ bcfonbcr^ bcrbicnt fotoo^l um bic J^ortbilbung feiner inneren ßinrid^tungcn, toic um
görbcrung feinet äußeren SBad^^tumö. @r fc^tc einen ©cncralbifar für bic ^robinj 40
^talicn ein unb bcrbrcitctc bic ©crbitcn nad) granfrcic^ (too fic tocifec 9)Jäntcl unb
Älcibcr atö Orbcn^trac^t toäl^ltcn unb bc^^alb Blancs-Manteaux genannt lourbcn), foioic
nac^ bcn 9iicbcrlanbcn unb 3)cutfc^lanb. ^a})ft ^nn'^ccnj V. (1276) toar i^ncn nid^t
günftig unb bcrbot i^ncn, 9?obijcn anjunel^mcn; um fo mel^r aber fanbcn fic Untere
ftü^ung bei ^onoriu^ IV. (1285—87), bcr i^nen mandtjcrlci ^ribilcgicn bcrlic^. ?!Jlartin V. 46
gctoä^rtc i^ncn (1424) bic ^ribilcgicn bcr 3Kcnbifantcrtorbcn. 2llö fünfter §auj)t-8cttel'
orbcn (neben benen bcr g^^ns^^taner, 2)ominifancr, ftarmclitcr unb Sluguftincr) loirb i^r
Crbcn in einer Sutlc $iu^' V. bon 1567 genannt. — ^nj^if^^" Ratten fic fic^ auc^
in ^olcn unb Ungarn nicbcrgclaffcn unb übcr^auj)t eine bcträd&tlic^c 3lu^brcitung gc=
tüonncn. 3}on bcn bcibcn, auf ^Hüdfcl^r j\ur urf})rünglic^cn Scbcn^ftrengc bringcnbcn 50
Slcformcn, bic ber Drben feit bcm 15. Qa^r^unbcrt erfuhr, beftanb bic bcr „©crbitcn bon
bcr Dbfcrban^" (gcgrünbct burd^ 2lntonio bon ©icna 1411) nur bi^ 1568. Sänger
^iclt fic^ bic 1593 bon Scmarbino bc Sticciolini gcftiftctc Kongregation bcr „(Sinficblcrs
fcrbitcn", bic fic^ bon ber burd^ bicfcn SHcformator toicbcr l^cracftctttcn ßinficbclci auf bcn
3Jl. ©cnario bei glorcnj auö tcil^ in Italien tcil<^ in Sicutfc^tanb bcrbrcitctc. — ßu bcn 66
bereite im 13. ^al^r^unbcrt unter Seniji^ äicrtDaltung cntftanbcncn Rlöftcm bon ©crbi=
tinnen ober „fc^marjen ©d^mcftcm" (ausgebreitet ^au^Jtfäd^lic^ in ^^^li^" "^^^ ^" ©wbs
bcutfd^lanb, too u.a. in^ünc^cn noc^ eine il^rcr 9?icberlaffungcn bcftc^t), trat feit c. 1300
bic ©cnoffcnfc^aft bcr ©crbitcn52:crtiarinnen ober 3Kantcllatcn l^inju, gcftiftct bon ^uliana
galconicri in glorcng (gcft. 1341), bcftätigt burc^ 3Jlartin V. 1420, unb fj)ätcr auf eo
bcutfd^cm SSoben l^au^tfäc^lic^ bur4> ßrjl^crjogin 2tnna ^wliana Katharina (geb. ^rinjeffm
238 Sanitm (Btiff
(Son^aga l)on 9Kantua, gcft. 1622) au^acbreitet. 38on $aul V. tüurbe biefcr beutfc^e 3todg
ber 3:crtiarinnen gu einer befonberen Jtongreöation erlj^oben.
3)ie ältere ®eIel^rtengef(JSitrf)te bc^ ©ert^itenorben^ t[t ntd^t befonber^ retc^ an Gele-
britäten, n)eift aber immerhin einige berül^mte 9lamen auf; fo bor allen ben ©efd^ic^tfc^reiber
5 be^ Sribentinumg $. ©arpi (i. 8b XVII S. 486), ben üKat^ematiler unb ® eogro^jl^en gilij)J)o
gerrari ju5Pabua(geft. 1626) unb ben immens fruchtbaren 9)lariologen 3l>poIito SJlarracci,
geft. 1675 (über tüeld^en 8b XII, 325, 39 ff. b. (gnc. SRäl^ere« mitgeteilt ift). Über einige
minber bclannte äutoren (bef. 3ioad[>im ^iccolomini unb ^rance^co $atriji) ^nbeln
SKorini unb ©oulier in 83b IV i^rer „Monumenta" (bgl. 0.).
10 §auj)tfä(^lic^ bebeutenbe 9lieberlajfungen befi^t ber männliche 3:eil be^ Drben« gegen=
tvdxÜQ noc^ in Slom (ßan ÜRarcetlo) unb mehreren anberen ©roMtäbten ^talien^ (Sologna,
gloreng, 9?eaj)el, Palermo), in ber ^ab^burgifd^en 3)lonar^ie (öon beren 17 Älöftem 9 jur
,,3;^roler $rot)inj", bie 8 übrigen gur „öfteneic^^ungarifc^en ^rot)ing" gehören) j femer
in ßnglanb (bej. Sonbon) unb 9?orbamerifa (h)o er in 6l^icago 2 unb in SJWtoauIee
15 1 Älofter \)at). 38ittcf f.
©ertittteii f. b. ». albgaben, lirc^l. «b I ©. 95,26.
@et^ unb bie ©ct^iten. — fiitteratur: S)ic Kommentare jur ©cncfiS bi§ auf
ben ®unfcl8 in ^otoad^ ^anbfommcntar, ferner @. JR. S)ril)cr, The Book of Genesis, 4. ed.
(1905), 3ul. «öl^mcr, 3)a8 crfte ©uc^ SRofc (1905) unb Stracf, S)tc ©cnefi« übcrfcfit u. au§=
20 gelegt (1905); fpejictt (£b. ©c^rabcr, ©tubicn jur Äritil unb (Srtlärung ber bibl. Urgefcftic^te
(1863), Äavl 33ubbc, 3)ic bibl. Urgcfcf^iitc (1883) unb 3o^. SRcin^olb, 2)ie bibl. Urgefc^ic^te
(1904); — bie ®cf(^ic^tcn 38racl« m auf ©. ®ut^c, ®cf(^. b. 3J. S^racl (2. ?( uff. 1904) unb
@. Dcttli, ÖJeW-S^racI« biö auf ^\k^,b. (ör. (1905); — bie 9flcalwörtcrbü(l^er bl8 auf ®ut^e§
Kurjeg SSibelroorterbucö (1903) unb 93(a(f=S^cQncS Encyclopaedia Biblica (1903); — bie
26 monograp^ifcf)en u. fomparatiocn 25arftcIIungcn in ^^il. 93uttmann, 3Jlpt^oIogu§ II, @. 1—27 :
ber ^Ql^uS üon ben ältcftcn ^Kenfc^cngefc^Icc^tern; ^cinric^ ßufcn, 3)lc Xrabitioncn beS
9Renf4en9efc^(ed)t«, 2. Slufl. (1869), ©.146—188; g. ^ommcl, 3)ic alti«raelitif(^e Uebcrlicfe=
rung in infc^riftüdjer 93cleu*tung (1897), @. 308f. ; (£b. @c^raber. Äcilinfcftriftcn u. ?f. X.*
(1903), bearbeitet oon ^. 5Bin(!Ier u. ^. gimmern; «. ScrcmiaS, S)a« ^. X. im Sid^te bc^
80 alten Orients (1904); go^. ^J^irfel, ©cncfi« unb Kcilfc^riftforfc^ung (1903), @. 164ff.
Unter ©et^iten öerfte^t man bie in ©en 5 aufgeführten je^n Uröäter: Slbam,
©d^ötl^, ßnöfc^; Könän, ?Kabalar§l, ^öreb, G^anöfl^, SWetHc^Mr 2^"^^!^ (griec^.:
Samerf)) unb 9töad^.
1. ©ie ^age nac^ bem ^ufammen^ang biefer9lamenrei^e mit ben Überliefe^
ssrungen ber 9?ic^tigraeliten. — Sw'^äd^P «inen inbogermanifc^en Urfprung t)on
©et^itennamen I^at man auf folgenbe ffieife vermutet : Suttmann in feinem 2K^t^ologu^,
93b 1 (1828), ©. 173 \)at ben 9Jamen 9Joal> mit ben ©ilben nysos in bem Flamen be^SEBein^
gotteS 3)ion^fog jufammengebrac^t, tüeil bon 9?oa^ bie 2lnj)flanjung eine« SBeinbcrg crjä^lt
ioirb ((Sen 9, 20). Slber felbftberftänblic^ ift biefe 9Serbinbung«brücfe eine imaginäre ®rö^e.
40 Über anbere 3?erfuc^e berichtet 3. ®xxü (2)ie erjbäter ber 9JJenfc^^eit 1875, ©. 41 ff.),
unb er felbft l^at gemeint, ben 3?amen 3loai} afe bie umgeftaltete gorm eine« fan«lr.
nävaka (er meint toielmebr nävika „©d^iffer") auffaffen ^u bürfen. 2lber aud^ jtpifc^en
biefcn formen ift fein f})raci^lic^er 3"fömmenl;ang möglid^. 6benba«felbe ift bartibcr ju
urteilen, njenn mir lefen: ,,@« ift ä^nlid^, loic in ber altinbifd^en ©age t)om Manus,
46 bem äg^jjtifc^cn Menes, griec^ifd^en Minos, biblifd^en Noach ober Manöach" (©. 2ef=
mann in ben i^er^anblungcn be« XIII. internationalen Drientaliftenlongrefe, erfd^ienen
1903, ©. 3). — ©obann über bie Sejie^ung ber ©et^itenreil^e gu ben bab^lonifd^en
Überlieferungen urteilte ^rb. 2)eli$fc^ (33abel u. 8ibel 1902, ©. 32): „äuc^ bie je^n babto^
lonifci^enUrtöniget)orbcr?flut ^abcn al« bie je^n borfintflutlid^en Urbäter unb mit atterlei
50 Übereinftimmungen im einzelnen 3lufna^me in bie Sibel gefunben". 2lber Dergleichen
h)ir bie teil« t)on 93eroffo« (ca. 280 b. 6^r.) bei (Sufebiu« (Chron. libr. prior, ed.
©cf)öne p. 7ff.) unb teil« in Äeilfc^rifttejten erhaltenen 9?amen ber je^n bab^lonifc^en
Urlönige mit ben ithn ©etl^itennamen : \,''AXa)Qog unb Adam; 2. ^Aidnagog unb
ScMth; 3. *^4//;JAcür unb Enosch; 4. 'Ajujuevcov unb Kenän; 5. MeydXaQog (nac^
56 ber armen. Überfe^ung t)on (Suf eb« ß^ronif on : Amelagarus)unbMahalar61; 6. Adcm^og
ober Ad(og unb Jered; 7. EvedcoQaxog (nad) ber armen. Überfe^ung: Edoranchus)
unb Ch^nökh; S. "'AfUjuiinvog unb Methuschelach ; 9. ÜTidQrrjg unb Lamekh;
10. Zioov&Qog unb N6*ch. (Sin cin]^iger 33lid auf bicfc j^ioeimal jel^n 9lamen le^rt ja,
bafe jtoifc^en i^nen fo gut toie gar feine lautlid^e ober grai)^ifc^c (Sleic^^eit befielt. Aber
@etlr 239
lönnen fie nid^t teite burd^ Umbilbung unb aSerftümmcIunö unb tcite burd^ Uebcrfe^ung
au^ctnanber entftanbcn fein? 3)iefe ^^age ift burd^ ^ommel in ben Proceedings of
the Society of Bibl. Archaeology 1892/3, p. 243 ff. unb bann in The Expository
Times (1899/1900, p. 343 unb 1902/3, p. 103 ff.) fo beanth?ortet Sorben: 1. Alorus
= hab. Aruru, baöSffieib bc« ©c^öjjfcrgotte^ Ea, bie, tüie Ea, SKenfd^en au^ Se^m unb 5
SIul Inctcte, = Adam „9Kenfd^"; 2. Alapara (bab. Adapada, abgcfürjt Adapa, eine
f/3hjtf(^cnform jmifc^en ©ott unb SRenfc^", urf})rün9li(^ „SBort be« Sater") = Schöth;
3. Amelon, bab. amelu ,,5)Jenfd^" = Enosch „?!Jlenfc^"; 4. Ammenon „mufe auf einer
feilfd^riftlic^en gomt ummänu ,§anbtüerfer, ©d^mieb, Äünftler' berufen", unb biefelbc
93ebeutung !ann Kainän (mono))^'t^on9ifieTt ^u K§nän) beft^en; 5. Megalaros ober lo
AmegaJarus fei tjerberbt au^ Amil-Aruru „3)iann ober 2)iener ber Aruru", unb
eine berberbte ©eftalt baöon fei aud^ baö ^ebräifd^e Mahalal'M; 6. Daonos ober Daos,
toietteid^t = Duvu „Rinb" = Jared „Slbfömmling" ; 7. Euedorakhos = En-me-dur-
an-ki, Segrünber be« barü, ^Priefterfd^aft* ijgl. bie ®rjä^lung über Ch*n6kh in ®en
5, 22—24; 8. Amempsinus = Amel(„9Kenfc^")-Sin = MethuO,?Kann")-8chelach ; 15
9. Opartes, h)ie „Senormant für ba^ bebeutungölofe Otiartes lorrigiert l}ai", ift
bab^lonifc^ in ber gluterjö^Iung afö Ubara-tutu bemal^rt toorben unb = Lemekh;
10. Chisuthros, Atrahasis, fumerifc^ GiStug-dir, in Vulgärer 2lu^fJ)rac^e Qissu-tir,
ber bab^Ionifc^e Noah, ber getüöl^nlid^ Pir-napishti „©onne be^ Seben^" genannt
toirb. — 9lbcr natürlich fie^t man, ba^ an biefen ®Ieic^fe|ungen fel^r toiele« getüagt ober 20
ganx ^altlo^ ift: gleich bei 9?r. 1 tüirb ja bie S(^öj)ferin be« SWenfc^en biefem it^rem
^roDuft gleid^gefe^t. 3)ie meiften ^Jorfd^er loeifen bee^alb auf eine norf) geringere ^aif
toon ©lei^^eit^momenten ^in, unb 3. S3. 3^*""^^^ urteilt in KAT', ©.539 fo: „Die
93erü]^rungg))unlte befc^ränJEen fid^ nid^t blofe auf bie allgemeine 3:^atfac^e, ba^ in
beiben %äüm eine Steige t)on gerabe je^n Äönigen bejtü. Urvätern jmifc^en ©c^öj)fung 25
unb ©intflut angefe^t tüirb, ijon benen in beiben fällen ber Ie|te, ber ^e^nte, ber §clb
ber ©intflut ift, unb bafe aufeerbem in beiben 3:rabitionen biefen §croen ber Urjeit un^
getoö^nlic^ lange Sebenöbauem ^ugefd^rieben toerben. 6^ fommen ijielme^r auc^ nod^i
einige auffällige Berührungen in ©injel^eiten l&inju. 3)a^in gehören 1. bie Säl^nlic^Ieit
in ber 9iamenbilbung bei eimellien ber je^n Patriarchen mit ber 5Wamenbilbung bei benao
ge^n Urtönigen (bei §ommel in ben Proceedings Soc. Bibl. Arch. 1892/3, 243ff.
finbet ftc^ aud^ mancherlei Unhaltbare«;). 3)iefelbe ift, toie e^ fc^eint, in feinem gaüe
ber Strt, bafe ber bab^lonifd^e -Käme bireft ing ^ebr. übergegangen tüäre (boc^ bead^te ba«,
\va^ oben aur eventuellen 3"fflwt»"^nge^örigleit bon Adapa unb Adam ate N. pr. be=
merlt tourbe)." ä?ielme^r befte^e bie S^nlic^Ieit nur barin, bafe ber ^ebr. 9lame eine 3b
Überfe^ung be^ bab. 9lamen^ ober eine^ Seftanbteite be^felben fei. ©0 entfj)red^e Amelon,
toa« „U)o^l fieser" gleid^ am§lu „?Kenfc^" fei, bem Enösch „9Jlenfc^", femer Amme-
non mit ber „tüal^d&einlid^en" Sebeutung „SBerfmeifter" ober mit bem 9?amen eine^
®otte^, ber urfj)rünglid^ SBerlmeifter ge^ei^en l^abe, entfj)red^e bem K§nan, beffen 3^-
fammen^ang mit bem aram. kainSjä „©c^mieb" ober mit bem fabäifc^en ©otte^namen 40
Kainan nai^e liege. Enmeduranki bebeute ^i\r)a „DberJ)riefter (ober ÄunbigerV) be^
2Jerbinbung«orte« bon ^immel unb @rbe", unb Ch^nökh fönne boc^ „ber ©ingemei^te"
bebeuten. Amol- Sin fei äl^nlic^ Methü-Schelach. 2. 6ine auffällige Übereinftimmung
jtüifc^en bem, \>on h)a^ Enmeduranki unb Ch*n6kh erjä^lt toirb, fei nic^t ju berfennen.
3. 35ie langen Seben^bauern ber biblifc^cn Urväter gingen ben langen SRegierungöbauem 46
ber bab. Urfönige t)arallel. — 5iac^ meiner 3(nfid^t mufe man fid^ auf folgenbe^ Urteil
jurüdfgie^en : ©eh)i^ mögen brei ober Vier Von ben jmeimal gc^n 9?amen auf Überfe|ung
berufen: j. 93. Amelon fann „3Henfc^", \va^ im Sab^lontfd^-3lf[^rifc^en amelu (ober
awilu j. 58. bei % ^. ^arper, The Hammurabi-Code 1904, p. 152) Reifet, bebeuten,
toie berSlame be^britten in ber ^ebräifc^en 3«^nerrei^e, Enosch, bie Sebeutung „SRenfd^" 50
befi|t. gemer Amempsinos fönnte einem bab^lonifc^en Amelu- Sin entfj)red^en, unb
ba^ Söort Amelu fönnte burc^ Methu (= 5Wann) in Methuschelach erfe^t toorben
fein, tote auc^ ^ßraetoriu^ in ^hm& 1903, ©. 782 meint: „bNir^inx: unb nVdin?: fmb
au^ fremben ©j)rac^en in eine möglid^ft Ij^ebräifc^artige ©eftalt übergeführt Sorben". 3lber
bafe babei bie babt^lonifd^e gorm ber SRamen bie ^^Jriorität befifee, ift burc^ fein tl^at« 66
fä^lid^e« SWoment ertviefen. (gl^er fann man fagen, bafe bie befonbere 9lrt, in ber bie
bab^lonifc^e 3:rabition Von ben je^n 9?amen Aloros u. f. to. fj)rid^t, alö feien bie^ Ur^^
fönige unb gtoar in bab^lonifd^en ©egenbcn getocfen, auf Sab^lonifierung urfjjrünglid^
neutraler üJlaterialien beruht. 3)afür fprid^t auc^ bie 5Ket^obe, nac^ ber bie ^errfd^aftö-
bauer biefer Äönige berechnet ift (nämlic^ nac^ bem bab^lonifc^en ©aro^ = 3600 ^af)x^), co
240 ®etf|
Da^ 3Sorl^anbcnfcin einer Urteile, au^ bcr beibc ^ii)nttxÄl}m ertüac^fen finb, toirb ja
auc^ n\6)t burc^ bie 3^^"}^^^ toer^inbert. Slber freilid^ fpric^t biefe 3^^"^«^ gegen ben
mafegebenben (linflufe ber Sab^Ionier auf biefe Unei^e. 2)enn bei ben ö«*räem tritt
bie 3c^"iiö^I Dielfac^ and) in ©enealogien aU eine natürliche runbe ^abl auf. Man
5 erfie^t bie^, hjenn nic^t au^ ber 3^^"^^^^ ^^ ©enerationen toon Sern bi^ Slbra^am
(©en 11, 10—26) ober t)on 8oa« bi« Saiiib (3lut^ 4, 18—22), fo boc^ au« bem ^e^n-
maligen „unb ®ott fprac^" (®en 1 3—29). 2)iefer Umftanb fc^eint mir gan^ rid^tig toon
2)ittmann, Über bie ^erfunft ber urgefc^ic^tlic^en Sagen ber Jpebräer (Seric^te ber SSerl.
afab. 1882, 6.437) betont ivorben ^u fein, unb Subbe, 2)ie'bibI.Urgefc^ic^te S. 178ff.
10 486 ^at mic^ ni^t toom ©egenteil überzeugt, dagegen bei ben 33ab^loniem befi^t ba«
Degimalf^ftem feine grunbleglic^e Sebeutung, fonbern biefe machten bie ©ec^jig (b. ^.
5 X 12) xur ©runblage i^re« 3a]^Ienf^ftemg (SBincfler in KAT*, ©. 327). äuc^ fc^eint
SDpp^xt (mc^rid^len ber Oefettfc^aft berSBiffenf^^aften ^uSöttingen, 1877, ©.201—223)
nic^t ben ?Raci^h)ei« erbrad^t ju l^aben, bafe ba« '^ai^x 1656 nac^ ber 9Renfc^enfc^öpfung,
16 in lüelc^em gemäfe ®en 5 bie Sintflut eingetreten ift, au« ber t)on Seroffo« un« über-
lieferten 3^i^^^"""9 ^^ Gl^albäer entlehnt ift. 9Sgl. barüber SSert^eau in ben 3bl^
(1878), ®. 657— 663.— 2(g^))tifc^en Urfprung toon Sctl^ meinte gr. Senormant (Les
origines de Thistoire 1, p. 217 ff.) annehmen ju bürfen, inbem er biefen Urfprung
bur^ bie Qi)^ta unb §^ffo« »ermittelt fein laffen lüollte. 3;nbe« fc^eint mir 6b. ^ile^er
20 in „Q^U%\)pl^on, eine religion«gefc^ic^tlic^e Stubie" (£eil)jig 1875) gezeigt ^u l^aben, bafe
Set ein „uraller unb ec^t äg^pttfc^er ®ott" mit einer „rein äg^J^tifc^en St^motogie"
(S. 4), nämlic^ „bie finftere, toernic^tenbe 5Kac^t" (S. 24) lüar, ba^ femer bie 3luf^
faffung be« Set al« Sonnengott au^ feiner S^^ntifijierung mit Saal unb ^hjar burc^
fanaanitifc^en (Sinflu^ t)on lani« au« entftanb (S. 54 unb fo auc^ 2Uf. SBiebemann in
26 „Religion of Egypt" im Extra- Volume üon §afting«' Bible Dict. 1905, p. 195^),
bafe bann bie &\)t\o^ mit i^rem Saal befonber« ben Set ^ufammenbrac^ten (S. 55), unb
(bafe infolgebejfen enblic^ ber Saal ber &f)^ta toon ben 2tg^))tem Set genannt tourbe
5. 57). ©inen 3ufö"^"^€'^^ö"9 bon Setl^ unb bem äg^^jtifd^en Set nimmt unrid^tig
toieber ^ommel an (3^itfc^t. „SBiffen unb ®lauben" 1903, S. 10; bie altorientalifc^en
aoDenfmäler u. b. 212:, 2.3tufl. 1903, S. 53. 56): „5Zac^ bem toieberJ^ergeftettten älteften
lejt toon ®en 5 ift Set^ bie biblifc^e ©ntfpred^ung t)on Slbapa; bie äg^^ter f^abm bie«
öerbunfelt, inbem fie Setl^ jum Sruber unb feinblid^en ®egner be« Dfiri« matten." —
Stammt bie Set^itentrabition enblic^ ettpaau« fanaanitifd^^pj^öni^if c^er DueDe? 3?ein,
el^er fönnte man fagen, baj bie Äainitengenealogie (®en 4, 17—24) mit i^rer Slbfic^t,
36 bie aUmäl^lic^e §erau«bitbung ber fertigt eiten, fiünfte unb £eben«ti)eifen bei ben 3Jlenfc^en,
alfo ben ^orlfc^ritt ber Kultur an ber Steige biefer 3?amen na^^uhjeifen, mit ben bei
eufebiu« überlieferten gortfe^ungen ber J)l;önijifd^en Äo«mogonie fo merftpürbig jufammen-
treffe, bafe man be^auj)ten fönnte, man fte^e bei ber Äainitengenealogie „auf paläftinifc^^
})bönijifc^em Soben" (Dillmann, 3)ie ^ertunft 2C., S. 435). Slber man betrachte bie
40 belreftenben Sä^c be« ^^ilo St^bliu« (bei ßufebiu«, Praep. ev. I, 10, 5 ff.), ba^ Amv
[3eit] bie Pflege ber Säume (§ 5) unb bann be« 2lion 9lac^fommen 0(og xal IIvq
xai <Pko^ [alfo Sic^t, geuer unb g-Iamme] ba« %^ü^x unb beffen ®ebrauc^ erfunben
l^ätten (§ ()), unb beren 9Jac^tommen feien Äafio« unb Sibano« unb Slntilibano« [alfo
Sergnamen !J getücfen. ^l^rc 3JJütter l^älten bie Sd^amlofigfeit ber damaligen SÖeibcr
45 angenommen, fic^ mit jebem, ben fie träfen, j\u toermifc^en! 3)ie ^l^nlic^feit ^toifd^en
biefen Sä^en unb ®cn 4,17—24 liegt boc^ nur in ber allgemeinen S^ee, bafe bie Sm
fange ber ßrfinbungcn angegeben iüerben fotlen, unb babei erinnern ^^ilo« Sä^e bod^
minbeften« aud^ an gried?ifd;e ©ebanfen (g. S. üon ber ©rfinbung be« ^euer« ; ipcfiob,
'"ßjgya x. rj. 48 ff. etc.) unb mit bem, tüa« er üon ber Sd;amlofigfeit jener grauen fogt,
5) fann er el^er auf bab^lonifd;e Xemjjelproftitution '(§erobot 1, 199) anf^jielen, al« an ®en
6, 1 f. erinnern, Wo bie grauen burd^au« eine unfc^ulbige SloUe fj)ielen. 3- Söö^^önge
(fitudes sur les religions sömitiques, 2. 6d. 1905, p. 411f.) betont, ^bilo Sl^bliu«
l^abe au« ben ^ebräifd)cn Überlieferungen cntlel^nt (empruntö), lüeil er ben 5Ramcn Jao
bei ben ^l^önijiern ertoä^ne. 2lbcr auc^ bie« ift fraglich, ba e« tpo^l einen alten ®otte«-
55 namen Ja-u gegeben l}ai (ügl. mein Sdjriftd^en „2)ie babl^lonifd^e ®efangenf^aft bcr Sibel
al« beenbet erlüiefen" 1905, S. 68 f.). ^ebenfatl« aber fann ein fanaanitifc^s))l^ömjifcl^cr
Urjj)rung ber bei ben Hebräern gefunbenen Urüäterrei^en nid^t an^ pofitit)en 2ln^alt«j)unften
abgeleitet tücrben. — Setreff« bcr gcnctif(^en Se^iel^ung ber bebräifc^en Urtoäterrei^en lann
alfo nur ba« Urteil gefällt Serben, ba^ in i^ncn alte Überlieferungen unb 3been, bie fu^
Go auc^ auf bie 2lbra^amiben bererbt Ratten, in einer eigenartigen ®eftaltun8 botlicgen.
®etl| 241
2. ^a^ genctifc^c Ser^ältnte bcr ©et^ttcnrci^c jur Äainitenrctl^e. Dabei t[t nic^t
bie^ bie ^auj^tfac^e, bafe au^ bcr ia^t)t[ttfc^en ^ßentateuc^fd^ic^t nur bie Äaimtenreil^e
(®en 4, 17— 24)t)oIIftänbig, bie ©etl^itenrci^e blofe fragmcntarifd^er^alten i[t(®en4,25f.;
5,29; i)öl. I^ierüber toeiter meine ©inleitung in^ %%, @. 196 f. 240), bie öoHftänbigc
©et^itenrcibe aber an^ ber cfoterifc^st^riefterlic^en ^ßentateuc^fc^ic^t ftammt. Sejonber^ 6
auffattenb ift öielme^r bcr Ümftanb, bafe bie Flamen ber Äainiten (Adam, Kain,
Ch<^nökh, 'Irad, Mechuja'^1, Methuscha'^1, Lemekh fott)ie beffen brei @öl^ne j'abal,
Jubal unb Tubalkain) ben obenerwähnten ?Ramen ber ©et^iten öielfac^ ä^nlic^ ober
gar gleich fmb. 2luf biefen Umftanb l^at Suttmann im 3Jl^tl^oIogu^ 1, ©.171 bie
SBcl^auptung gegrünbet, bafe „jioeimal biefelbe ©tammlifte t)orIiege, nur mit Meinen Slb^ lo
toci(^ungen in ber SJoIge unb in ben 9iamen«formen, toie fie in allen Irabitionen fic^
finben". 2)iefe 3luffaj|ung ^at öielen Seifall gefunben unb toirb noc^ j. 95. t)on §oIjinger
(Äurjer 6)anbIom. gur Oen. 1898, ©. 63) unb in ber Encyclopaedia Bibl. (1903,
c. 4411) vertreten. Silber toie ic^ in ber toorigen Sttuflage erflärte, bafe bie Dberation,
burc^ Umformung unb Umstellung einiger Flamen eine jioeite Urtoäterrcil^e ju prooujiercn, i6
mir aU gu reficftiert erfd[^eine, fo ift neuerbing« auc^ toon anbern ©eiten |er bie ©elbft-
ftänbigfeit ber beiben 9iamenrci^en anerlannt ioorben: Driöer (The Book of Gen.
1905, p. 80) erlennt einfach ben eigenartigen ß^arafter ber beiben ©enealogien an;
©unlel (1901, ©. 122) erllärt gegenüber Subbe (2)ie bibl. Urgefc^i(^te, ©. 90 ff.) „bie
2:rabition be^ Je unb P (©etl^iten) bem Orunbftod (nic^t ber gegentoärtigen gorm) nac^ 20
für älter oI« bie be« Jj (Äainiten)". Sluc^ gimmern fommt in KAT», ©. 542 m bem
©d^Iuffe: Seibe (bie je^n unb bie fteben) fmb „uralt", nur ba^ er bie fragliche äln*
fc^auung l^injufügt, ba& bie Äainitenreil^e in jieben afferbing« nic^t ganj fieberen bab^«
lonifc^en Urtoeifen ober Dffenbarung^öermittlem il^re ^rotot^lc)en befeffen Ratten (©. 538.
542). 3lad) allebem fc^eint mir na^ toie öor bie 3lnnalbme riitig, ba^ bie Slbral^amiben 25
unb , bann bie Oefamtnation 3«rael — felbftöerftänblicl in i^ren 2^rabitionSträgem —
bie Überlieferung öon jtoei Sinien ber äbam^nad^Iommen befejfen l^aben.
3. Die in ber ©etl^itenlinie öerförj^erte ©efamtibee. — Sängere 3^^ ^^"^ 6h)alb
mit feiner 9Reinung, ba^ //jener jel^n Urtoäter SRul^m unter ben SSorfa^ren be^ ^a^\)t'
bortet getoife einft toie ber öon Halbgöttern ober teilioeife gar @'6tttm überaus ]^o(^ 30
gefeiert tourbe" (Sa^rbb. ber Sibl. SBiffenfc^aft VI, ©. 1), unb bafe ^JWa^alal'el ber
©lanjgott getoefen fei 2c. (Oef^. be« aSoüe« 3i«rael I', ©. 383) jiemlic^ in ber Ser*
einjelung geblieben (ögl. aber SBeH^aufen, 3jb2:^ 1876, ©. 400, 2lnm.). 3lber bann
toottte 3ftob. Sroton jun. (inbcrAcademy, ögl. „Setoei« be« ©tauben«" 1893, ©.353 f.)
geltenb machen, ba^ ben ge^n Urtjätem ein aftronomifd^er ©inn eigne: fte Ratten je^nss
Qttm^ be« Sierlreife« bebeutet. 3)ie genaueren 5ta(^h)eife, bie er öerfproc^en l^at, finb
meine« 335iffen« noc^ nic^t Veröffentlicht, gemer §ommeI bemerlt, ba^ „bie legten fieben
Urväter, Kain bi« Noach ober Ummanu bi« Ghisuthros (Pir-napi§ti ober Ghasis-
atra), Von ben ßl^albäem in Sejiel^ung nj ben fteben ^ßlaneten gefegt tourben unb bann
Von ben Sab^Ioniem unter bie ^e^n Monate be« fog. ÜBeltjal^re« verteilt tourben" 40
(The Exp. Times 1902/3, p. 105), unb and) ^mmttn meint, e« fei nic^t unh)a]^r=
fc^einlic^, bafe „auc^ bie biblifd^cn je^n Urväter urfprünglit^ alö §eroen ber ^el^n erften
SBeltmonate be« erften SBeltjal^re« ju beulen feien" (KAT», ©. 541). 3lber bie« fmb leine
ftreng betoei«baren annahmen, unb jjebenfaH« in ber un« Vorliegenben Überlieferung
toeift feine ©pur auf bie ®otte«fteHung ber ©etl^iten ^in. 'Sind) ^ffciai ®oIbji^er46
(3)er aß^tl^u« bei ben Hebräern, ©. 149) mufetc bavon abfte^en, feine folarifd^e 3Jb)ti}m'
beutung auc^ auf bie ©et^iten au«jube^nen (vgl. aber \>od) bei i^m ©. 152 : Üioad^ =
bie äbenbfonne). Slllerbing« %x. Ulmer, 3)ie femitifc^en ©igennamen im 'HX (1901),
©.26 bemerlt: „2)er ?Rame ntp, ben ein ©ol^n be« 07? fü^rt, ift tl^atfäc^Iit^ ein
®ottc«name". ätber er giebt feinen Setoei«, unb e« lä^t ftc^ über^aujt nic^t begrünben, 50
baft bie je^n Urväter aui ©öttern ober Halbgöttern bepotenjiert feien. 3)e« ©ötterpant^eon
ber Sabl^IoniersSlff^rer u. f. to. ift Vor bem ®eiftc ber ^jroj^^etifc^en 3<^bereligion über-
f^yüpt jerftoben unb ni(^t in transformierter ©eftalt fonfervicrt toorben. — ©0 ioenig
toie ber m^tl^ologifc^e toar ferner ber et^nogra))l^if(^e ®eftc^t«punft ber J^rimäre, tomn
ber 3«raeüt bie ätteften 3Dlenfci^engefc^led[^ter in jtoei Sinien jerlegte. 5Wämlidb Senormant 55
(Les orijdnes etc. 1, p. 208 ss.) meinte, au« et^nologifc^em ®eftc^t«t)unft feien bie
älleften 5Kenfc^engefci^lec^ter in bie nomabifierenben unb in bie je^l^aften, ober in bie
gelben 3KongoIen unb bie toeifeen Äaufafier jerteilt ioorben. Sttoer bie« ^at im 'H%
feinen %xff(Ai, fonbem bana* pnb bie beiben Sinien ber älteften 5Kenfcl^^eit — vielmehr
au« religiö«nnoraIif(l^em ®efi(i^t«))unft unterfd^ieben h)orben. ®egenüber ben Jlainiten, eo
KeaUdnclyCtot^dbie für Zk^oloqit unb ftitc^e. 8. «. xyill. IQ
242 @ftl)
bic für bag i^raclitifd^e Schju^tfcm toon bornl^ercin bon bcr ©otte^gcmeinfc^aft toeit ab-
tCTten, finb bic ©et^iten ber relatib befferc 5Kcnj(^^eit«jh)eig. 3)er Schjetö liegt in
folgenbem. Slud^ fc^on bcr S^^^if^ toollte in feiner nur fragmentarifc^ erl^altenen Set^iten-
genealogic bic t)er^ältniigmä|ig gute 5Jac^Iommcnfc^aft 3lbamg barftetten, öon toeld^er bcr
6 9)iann ftanimte, ber bic 5Kenfc^^eit burd^ bic %lvit ^inburc^retten burfte. 3)cnn jn>ar ift
nic^t bic^ an^uncl^mcn, ba^ bcr S^^^'f^ ^^^ ^^" SetJ^iten bic SScrcl^rung 3^^^^ b^'
ginnen lic^ (®cn 4, 2G^ ögl. bagcgen 6j 3,13), aber bcnnoc^ liegt in 4, 25 f. ein
t)om ^a^Diften ftammenbcr, hjcnn and) l^infit^tlic^ be« artilellofcn nn« unb be^ elohim
umgcftaltetcr Slbfc^nitt t)or. SRämlic^ einfach t)on einem Slebaltor fönnen 4, 25 f. nic^t
10 mit Sc^raber (©tubien Jc, ©. 132) abgeleitet hjcrben. 3)enn toenn aud^ ®runb öor=
^anbcn gemefen hjäre, ba| er bic ©cncalogic bc« Äain (4, 17—24) mit ber bc^ Set^
(5, 3 ff.) in „eine angemeffenc 3Scrbinbung" brächte, fo l^ättc er biefen 3^)^ toeniger
erreicht, alö t)crfe^lt, inbcm er über @etl^ ^inau« auc^ bie®cburt bc^ßnofc^ eingcft^oltct
^ätte. 3lIfo fönnen 4, 25 ff. nur bc^l^alb, hjcil ftc Slu^fagcn enthielten, bic ni(^t toer-
15 loren gc^en folltcn, bchjal^rt tüorben fein, toenn fie babei an^ betreff« be« tJiN unb cvrVx
umgeformt toorbcn fmb. Übrigen« S. S^cob (3)er ^entateuc^ 1905, @. lof.) meint,
mit enofd^ fei ber Sefer in 4, 26* be«^alb belannt gemacht Sorben, bamit ber ©a^ 26^
„bamatö fing man an mit bem SRamen ga^bc« gu benennen", toie ^acob o^ne t^at^
fäd^lic^en äln^alt beuten toiH, al« §inh)ei« auf 5, 29 angefünbigt toerbe. Slber abgefe^cn
20 bat)on, bafe in bem 9iamen n'- bic öon ^acob barin gefunbene ©pur öom 9lamen ^a^toc«
Ieinc«h)eg« entbedtt tDcrbcn lann, l^ätte ber ßr^ä^Icr, tpcnn er mitgacob al« ein einjigcr
öorau^^ufe^en tpäre, biefe Semerfung aud^ in 5, 11 anfügen lönncn, unb bann toärc
mit bem tn ,,bamal«" noc^ bcutli(^er auf bic ©eneration bon 6nofc^ ^ingetoiefen toorben.
— Sllfo auc^ ber ^al^bift l^at in ber ©runblagc bon 4, 25 f. feine SJarftcKung ber
26 ©ct^itenlinie begonnen unb boc^ l^at auc^ fc^on ber Sa^bift nid^t au^ ber Äainitenrcil^e,
fonbern au^ ber ©ct^itcnlinic benienigen SJlann ftammen laffen, ber toegen feiner ber^
^ältni«mäfeigen ©otttoo^Igcfälliglcit für ben göttlid^en ^lan ba« geeignete Sßerljcug tourbe,
ba« 3Jienfd^cngcfc^lcd^t bur(^ ba« ©trafgerid^t ^inburc^ in eine bejjere ^eriobe ber ®ef(^i(^tc
l^inübcrjulcitcn (®en 5, 29 ; 6, 5—8). SJamit ftimmt aud^ bic ©rtoä^nung 9ioal^ al«
30 eine« ^erbonagenbcn frommen $ef 14,40. 20 Qef 54, 9) mfammen, unb bafe nad^ bem
rcligiö^^moralifc^en ®efid^t«t)unlt bic borfmtflutlid^e SKenfd^l^eit fc^on bon ber älteftcn
i«raclitifc^en 2;rabition in ^hjci Sinien ^erlegt hjorben fei, bic« toar auc^ bie gemeinfamc
Überzeugung ber ?5ntcr))reten be« 2tltertum« bi« auf Senormant (Lesorigines etc., 1880,
p. 262). Man lann aud) in ber Il^at fd^on bic« nic^t jugeben (gegen 3)UImann im
35 Äurjgef. ejcg. §anbb. 5. ®en. 1882, ©. 87), ba^ erft berjenigc, toeu^er ba« 4. Äa^itcl
au« Duellen 5ufammengearbeitet Ijabc, ben ®egcnfa| ber böfen unb ber guten Urbäter
eingeführt i}ab^. 5Jun meint aber Subbe (3)ie bibl. Urgcf(^ic^tc, ©. 93—103) fogar bie«
beroiefen m l^aben, ba^ auc^ bie efoterifd^=priefterli(^e ©et^itenlinie nad^ i^rem genuinen
©inn nic^t bie relatito fromme Slbteilung ber borfintflutlid^cn 5Kenfd[>^eit fein tooHc.
40 3)cnn bcr ©ünbenfaU f}ab^ and) bei ben ©et^iten nad^roirten muffen ; ^enoc^ toerbe tocgen
feiner grömmigfeit ^erüorgc^obcn (®en 5,24); nac^ bem mafforetifc^en Sejtc aHcrbing«
fommc nur ein ©etbit in bcr glut um, aber nac^ bem famaritanifc^en ^^cjte toieU
me^r brci; bic ©ctl^itcnlinie fei urfprünglid^ fclbftftänbig, fem bon ber berbor^ebenben
^olie be« brubermörberifc^en Äain«gefc^led^tc« gebadet. |>olginger l^at biefe anficht nur
45 rej)robujicrt, nid^t mit neuen ®rünben gcftüfet, unb ®unfcl \)ßx\d)t nid^t gerabe über
biefe aiuöfübrung 33ubbe«, toeil er meint: „fe)ie gan^c 2;rabition bon biefer Urzeit, toic
fie P bietet, ftammt au« Sabi^lonicn" (©. 122). 2Bcr aber, lüie e« oben in 3lx. 1 al«
rid^tig criDiefen lüorben ift, bic ^ebräifd^e ^arfteUung ber Urjcit al« eine minbcften« rclatiö
felbftftänbige betradbtct unb bc«^alb fragen mufe, lüa« benn bic ^ebräifc^cn Duellen mit
tiO ber 3i^<Ji^cit bcr Urüätcrrei^cn gemeint baben, bcr mu^ gegenüber ber neuen Slnfc^auung
f olgcnbe« ^u bcbcnfcn geben : a) 2)ie ben ©ct^iten bi«^er beigelegte rcliaiö«5et]^if(^e ®üte
foU nur eine relative fein, ß) 6« ift ein ^Jaftum, baj nid^t au« ben Äainiten, fonbern
au« ber Sctbitenlinic (fo^ol^l bei J: 5, 29; 6, 5—8 2C., al« aud^ bei EP: 6, 9ff.) ber
©tammüater ber nacbfintflutlic^en 9JJenfc^l;eit abgeleitet mürbe, unb ber bon 9?oa^ er^
65 tüartete «Iroft (5, 29) beftanb barin, bafe ^JJoal; berjenige ^Jlcnfd^ fein fottte, ber nac^ bem
Eintritt bcr boUen ©ül^nc für bie mit ätbam begonnene ®otte«t)erlc^ung eine neue
^^5eriobc bcr ®otte«= unb 2)Jcnfd^cnbe;iic^ung einleite, lüo bic Sldtcrcrbe md^t mel^r einem
^lucbc unterioorfeu fein tocrbc (8, 2 1 f .). 2)a bie in 33etrac^t fommenben ^Partien be«
jabüiftifdbcu alterte« (3, 17; 5,29; 8, 21 f.) fid^ [0 genau entfprec^en, fo ift bic focben
(V) gegebene SDeutung jene« 3:röften« jioeifcllo« bie be« ^al^üiftcn felbft. ©ic ift aber au(^
bie be« 213: überbau»)! (9, 8 ff., 09!. §ef 14, 14. 20; Scj 54, 9). 35ie öon 5Joa^ er^
tüartetc 2:röftunö (5, 29) tarn nic^t mit (Sb. »öl^mcr (3)a^ l.Su^ bcr %f)oxa, 6. 140 f.),
93ubbe (Urgejc^., ©. 306—309) unb ©unlel (ju 5,29; @. 50) auf bie änpflan^ung bc«
aSeinbcrg« belogen toetbcn. 2)cnn 3!ö^^c« S'^wti^ f^nn "öc^ bcm 313: ni(^t burd^ mcnjc^-
lid^c Snitiotiöe befeitigt tocrben; ber^ai^bift fclbft fagt ni(^t^ babon in 9, 20 ff. unb f)at s
im ©egentcil ben erften SBcingenufe bc^ 9Joa^ nid^t afö tröftcnb ^ingeftcHt; eine folc^e
8ejie^ung bon ®otte«fluc^ unb SBeingcnufe fann and) n\d)t burc^ Sertoeifung auf 2 Sa
13,28; IG, 2; ^f 104, 15 2c. begrünbet toerben. y) Die mafforelifd^en S^I^Ien fc^einen
gegenüber ben famaritanifd^en bie relatib originalen ju fein, h)ie id^ in meinen Öei«
trägen jur bibl. ß^ronologie (312B2 1883, ©. 286. 401) beriefen ju ^aben meine. 10
d) ü8on ber Äainitenlinie fann ja junäc^ft bie ja^biftifd^e Setl^ilenlinie nic^t unabhängig
gebadet Serben. Unb mie ift man in ^^rael ^ur Slufftellung einer gleiten Urbäterrei^e
gefommen? Subbe(S. 184) anttportel, hjeil e^ gerabe bon 9lbam in ber Urtrabition jlüci
©ö^ne (Äain unb ©etl^) gegeben l^abe. 3^ mm^ aber bielmcl^r fagen gu müfjen: meil
bie Urtrabition eine bon ®ott Leiter abinenbe unb eine ber goltgeiDoIIten 9Kenfc^en= 15
aufgäbe (21® 17,27: Tva Crj^ojaiv xbv xvqiov) nä^er bleibenbe ?Kenfc^enrei^e unter-
fc^ieb. aifo toar bie 2lnfc^auung toefentlic^ richtig, bie befonber« beutlid^ bon 2luguftin,
De civitate Dei 15, 17 bertreten tourbe. — 3)ie Sorftellung, bag bie fct^itifc^en Ur^
bäter relatib gottgefällig toaren, f(^eint auc^ barin einen Sleflej gefunbcn gu ^abcn, bafe
ben ©eti^iten im ®egenfa^ ju ben Seben^altcrn ber fj^äteren SRenfc^en (®en 47, 9 ; 20
^f 90, 10) biel längere fieben^jeiten beigelegt toorben ftnb. Unb fann bie mit einem
9tad^^aII be^ ©ünbenfatebetoufetfein^, aljo einem SKoment ber generellen Offenbarung
(bgl. j. S. $efiob« „SBerfe unb läge", 35. 50—201), unb ^ugleic^ mit bem ftrengeren
©ünbenbetoufetfein be« bon ber fj^e^iellen Offenbarung erleuchteten JDienfc^^eit^teile« ^^xad
^ufammenl^ängenbe ^bee, bafe bie menfd^Iid^e Seben^jeit in ungeraber ^ßro^ortion mit bem 25
gortfc^ritt ber ©ünbenfall^fonfequen^en ftd^ berringert ^abc, nic^t ein erlaubter gaftor
bei ber 3}orfteIIung über bie ältcften Seben^Iter gehjefen fein? ®eh)ö^nli(^ ftellt man
ja bie l^ol^en Seben^alter bon ®en 5 einfad^ nur ate eine parallele ber langen Slegierung^s
geiten ber bab^l. Urfönige ^in (lo + 3 + 13 -f 12 + 18 + 10 + 18 + 10 + 8 + 18 =
120©aren, ä 3600 = 432000 ^abre; fo in Encycl. Bibl, c. 4416 unb 3immern, 30
KAT», ©. 541); aber auc^ ®unfel (©. 122) begnügt f\i) n\6)i bamit, Jonbern finbet in
ben l^ol^en Seben^altern ben ©inn „SBie ungeheure Äraft muffen bie 2llterbäter bcfcffen
^aben, bie bie ganje 5Kenfcb^eit ^aben gcugen lönnen!" 2tber abgefe^en babon, bafe
jene Urbäter boc^ auc^ nur ii^ren eigenen Äinbern unb nic^t ber ganzen 'iDienjcI^l^eit ba^
Sieben gegeben l^aben, bürfte ber biblifc^e ®ebanle jener ^o^en Scben^alter^angaben bod^ ao
richtiger nic^t auf bem ^^^fifc^en, fonbem auf bem ct^ifc^en ®ebiete gcfuc^t ioerben.
4. 3)ie Sebeutung ber einzelnen ©et^iten. — 3la^ meinem Urteil (bgl. oben
5Rr. 3 gegen (gnbe) ^at©et^ bei ben Hebräern, fobalb er in i^ren 3:rabitionen auftauchte,
ben „ßrfo^mann" für ben burd^ einen getoaltfamen 2tu^bruc^ ber Sünben^>otenji hjeggerafften
2tbamöfol^n ^^A^l (2lbel) be^^eic^net. 2luc^ bleibt e^ fraglich, ob ber cfoterifd^^priefter^ 40
lic^e ©rjäl^ler, h)ie I)illmann ju ®en 5, 3 unb Subbe (I)ie bibl. Urgefc^id^te, ©. 163)
tooHen, bie ®eburt be« ©et^ (®en 5, 3) al« bie be« fd[^lec^t^in erften Äinbc^ bon
2lbam gemeint f)aU, 3)enn barau^, bafe er bon ber Sejie^ung be^ ©et^ 5U bor*
au^e^enben Äinbem 2lbamg nic^t au^brüdtlic^ fptid^t, fann nid^t ftc^er gefd^loffen
toerben, bafe er bei feinen Sefern Unfenntni« biejer Se^ic^ung borau^fe^t, ober ba^ er 45
folc^e Unfenntni« ertoedten tüiÜ. 3lai} bcr Sinologie ber in bemfelben Kapitel Leiter
folgenben gätte (SJer^ 6 2c.) müfete man meinen, bag ©et^ ate erfte« Äinb 2lbam« ge=
bad^t fei. Die bon 38. 6 2C. abtoeic^enbe 2lu^brudt^h)eife „unb er gcugte in feinem
Silbe u. f. h)." unb bie Sermeibung ber einfacl^en 2luöfage „unb er ^eugte @et^" (35. 3)
fann boc^ tüol^l bie 2lnalogie mit 35. 6 2c. nic^t ^erftbren. 2tber ob man nun tro^bem 60
fagen barf, bafe biefer ©rjäbler bei feinen £e[ern nid^t bie Äenntniö ber bor^erge^enben
©enerationen „Äain unb §ebel" borau^gefe^t i)ah^ unb nur unter biefer 35orauiJfefeung
über beren ©efc^ic^te ^inlüeggegangen fei, ift eine anbere unb fc^toer ju bejal^enbe 5^age.
gnblic^ ber Umftanb, bafe ber nä4»fte ©etl^it Enösch aU 2lp^ellatibum „5iRenfd^" be*
beutet, erjtoingt für ©etl^ ebenfo menig bie urfjjrünglic^e Sebeutung „©e^ling, ©))rofe", bö
h)ie für §ebel bie einftige 2luöf})rac^e habal „©ol;n" (gegen ©d^raber, KAT 1883, ©. 41).
Überbau^jt aber ift e^ bon biefer 35ergleid;ung fjjäter ftill gelüorben: nac^ ©unfein @e=
toä^gmännem (1901 ju 4,2) lautet ber 2lu«brucf aplu; in KAT^ 1903 ift nic^t« ba=
bon ertPä^nt, aber „ablu, son" tüirb toieber bon 9i. %. ^ar^er, The Code of liam-
murabi (1904) an^ jtoei ©teilen biefe« Äobej aufgefül^rt (p. 147). — Ob Kenan atö &>
16*
244 ©et*
,,®ef(^öt)f" (t)ftl. kinjan), ober al« „aRctattbilbner u. ä." gemeint i[t, läfet fic^ nu^t
entfc^eiben. — Mahalal'el ift ,,£ob ®otte^" (praise of God bei Sroh)n5a)riöer=8ri09«,
Hebrew-English Lex., p. 339), h)ie in 9Ze^ 11, 4. 3luf „splendeur de Dieu" lommt
Senormant (Les origines etc. 1, 220) nur be^^lb, toeil er bie je^n Urt>äter toie bie
6 jel^n t)orfIutIici^en §errfc^er Sab^Ionien« mit je^n geic^en be« lierfreifeö jufammen^
bringen ^u bütrfen meint. — Sem 9lamen Jered (Jared) giebt grb. ^tl\^\d) (SGBo lag
ba^ ^ßarabie«? 1881, S. 149; ögl. and) ^rolegomena ju einem neuen l^br.=aram. SBb.
1886, ©. 120, 2lnm.) bie »ebeutung „3lblömmling". tber bob.^afl. n"n f^ai neben ber
eigentlichen Sebeutung „l^inobp^en" in Ableitungen and) bie meta})l^orifci^e „untert^änig
10 fein" (ögl. wardu „servant" oft in ben §ammurabigefe^en bei ^atptt p. 155). S3e=
beutet e^ aber and) „abftammen"? (3immem in KAT* 542 beutet Jered nid^t). aSieU
me^r lann alfo bie SBortbebeutung öon Jered nur „Sliebergang" fein. — Ch*n6kh
(§enod^) l^ci^t „©intoeil^ung" ober bann öieHeic^t al^ abstr. pro concreto „Singetoei^ter",
unb biefer 9?ame erfc^eint auc^ bei bem ölteften Sol^ne Sluben« (®en 46, 9) unb einem
16 So^ne 5Kibian« (25, 4). — Methüschölach (3Ret^ufaIal^) ift „5Kannbe«SQ3urfgefc^offe«". —
L^mekh (2ame4) toage ic^ nac^ bem arab. lämaka „ben ieig Ineten" afe „Sebrücfung"
ju beuten. Sietteic^t beutet Subbe (6. 102. 129) ebenfo ri(|tig „Ärieger" ober „Über^
toinber". — Nöach (9loal^) ift jebenfaH^ afe „Stulpe" gemeint. 3)a« diavanavaei ber
LXX [timmt birefter \n nb, afe ba« „toirb (ung) tröften" (®en 5, 29), läfet aber tro^^
20 bem nid^t bie DriginaUe^art ^T^:'r^, vermuten, ainbererfeit« ift e« ebenfo unberechtigt,
toegen ber 3lu«beutung be« n: „Stulpe" burc^ „er toirb tröften" (i«nach(ch)*m6nu) einen
urft^rünglid^en „®ott Nakhum" in Noach ju Vermuten (©a^ce in The Expos. Times
1904, p. 514). — Clb biefe foeben nac^ ibrem fiebern ober toal^rfc^etnlic^en SBortfmn
gebeuteten 9iamen auc^ nod^ je einen f^ejieUeren Segriff einfc^Iie^en, l^ängt toon ber Se-
26 anttüortung ber grage ai, ob ber Hebräer auc^ mit ben einzelnen ©etl^itennamen, unb
jioar enttoeber aUen ober boc^ einigen, 5Komcnte ber 9Renfc^l^eit«enth>icfelung \^ai auö-
brüdten tooHen. Son ber 9Reinung an^, ba^ bie einzelnen Setl^itennamen aHe ein f olc^e^
enttoicfelunggftabium bejeic^nen follten, l^at gr. Söttc^er in feiner ©jegetifc^-Iritifd^en
Sä^renlefe jum 312: (1849), ©. 4 f. biefelben ber Steige nac^ fo interpretiert: ©eti^: ©afe
30 (bie ?Reugef(^affenen fuc^en junäd^ft SBol^nft^e); ©nofc^ [toa« aUerbingg bem arab. 'aniäa
,,assuetum, familiärem esse" entfpric^t: l^cijov jiohxixdvf fiebe barüber mein Se^rgeb.
2, 142]: (g^mann (e« bilbete fic^ geregelte Serbinbung ber ®efc9lec^ter); Äenan: ©c^aff=
gut(beh)eglic^e§abe); 3)lal^alarcl: £obegott(®otte^t)erel^rungentfte^t); ^axit: 9liebergang
(Don ben Sergen in bie Ebenen); Ch*n6kh (§enoc^): ©igen^ab (man ertoirbt ®runb=
35 unb^erfoneneigentum); SKet^ufala^: ©d^iefel^arbt ; Samec^: SBürgeric^; 9loal^: SRu^au^.
Sei biefen Deutungen ift Söttd^er aud^ in feiner 9ieuen Irit. 2tl^renlefe, 8b 1 (1863),
©. 12 f. geblieben. Stber barin ift nic^t nur bie Deutung be^ äluöbrucf« §enod^ ganj
ober faft unmöglich, fonbem auc^ bie Sorftelluna, bafe bie SWenfc^l^eit öor 3arA auf ben
Sergen gelool^nt l^abe, ift nic^t im l^ebräifc^en stltertum gu finben. — ©obann ift Don
40 Subbe in „35ie bibl. Urgefc^ic^te" bie Slnfic^t entfaltet toorben, bafe toenigften« bie jtoeitc
$älfte ber ©et^itennamen ^Komentc ber ßntioidtetung ausprägen. 5lad^ feiner 3Keinung
(©. 180) foll ^ax^\> ben 3Jiebergang ober %aU be^ SJlenfd^engefd^lec^t« be^eic^nen, toeil
bon i^m an bie SKenfc^^eit bem fittUc^en unb leiblichen Untergang entgegengegangen fei.
3lber ba ber auf ^areb folgenbe ^eno^ toeber in feinem 9lamen noc^ in feinem %l)nn
45 eine ©tufe biefe^ angeblich mit ^a^eb bcginnenben SerfaBe« barftellt, fo ift auc^ biefer
2Deutung^bcrfuc^ nic^t mal^rfc^cinlic^. — 35a femer bag l^ebr. 2lltertum nic^t einmal
mit 3Ka^alaleI (Sob ®otte^), fonbern mit 6no^ ben Slnfang ber S^^^^berel^rung ber=
fnüjjft i}at (®en 4, 26^), fo fc^eint e« mir am ric^tigften, toenn man urteilt, ba^ öon ben
einjelnen ©etl^itennamen nur ber au^jubeuten ift, Don ioeld^em fc^on bie Sibel felbft ge^
öo fagt ^at, bafe er mit ber SBirflic^feit ^ufammentreffe, nämlic^ 9ioa^. 2)iefer ift ein Slu^es
fj)cnber ober 2^röfter nac^ bem 3lu5brudt be« an^ ber ja^Diftifd^en ©etl^itenerjä^Iung in
bie efoterifc^=j)rieftcrIid^e ^entateuc^fc^ic^t aufgenommenen Slbfd^nittd^en^ (®cn 5, 29) in
boj)j)eItem ©inne. 2)enn erften^ loar ^Jloal) bie ^erfönlid^Ieit, burc^ beren Sermittelung
ba^ Sienfc^engefd^lec^t au^ ber ®otte^fcrne unb ber %nxd)i Dor göttlichen ©trafgerid^ten
66 in neue Harmonie mit ber ®ott^cit ^inübergeleitet mürbe (®en8, 21f. S^^iP; 9,
1—17 EP), unb jroeitenig ioar ^hai) and) ber, ber auf bem Dom ®otte^fIud^ befreiten
erbboben auc^ bie äöeinrcbe j)fI<Jnjen lehrte (9, 20 ff. Sa^Dift). 9Jid^t ift mit Subbe (a.a.D.
©. :507f.) bie erfterc biefer beibcn 3!)eutungen au^ijufc^lie^en.
5. ^JJac^fanonifc^c ^been über ©etp unb bie ©ct^iten. — Sei ber 3)eutung, bie
60 nac^ bem obigen bie einzige ben ®enefi^beric^ten entfprec^enbe ift, f)at bie jübif^e Sd^rift«
@ftl| 245
öelcl^rfamleit nit^t Sctul^igung faffcn ju lönncn gemeint. Sie f^ai toielmel^r etmelnen
©etl^iten totc^tige Stollen in ber religiöfen unb allgemein lulturgefd^ic^tlic^en ©nttDiaelung
^uerteilt: ©etl^ felbft foHte 40 3kxge in ben §immel entrüdft unb öon ben ßngeln über
bie Orunblagen be^ Sittengefefee« (3)u follft nid^t töten, nic^t el^ebrec^en u.J. \v,), alfo
über eine SBorftufe ber noac^if^en ®e6ote unterrichtet toorben fein. ®r foute aud) bie 5
Äunft be^ Schreiben« juerft geübt, bie fünf Planeten (aufeer Sonne unb Srbe) benannt,
bie einteilung ber g^t in '©lonate, SBoc^en unb ^af)Xi (eine n\ä)t unintereffante Steigern
folge!) entbeat unb fogar fd^on bom ©rfd^eincn be« bie 3Keffia^eburt anfünbigenben
©teme^ getoufet l^aben. Damit biefe bon @etl^ erworbenen Äenntniffe nic^t berloren
gingen unb auc^ bie mögliche boj)t)eIte JJer^eerung ber 6rbe (burc^ geuer unb SBaffer) 10
überbauerten, fotten ©etl^ 5Wa(^Iommen eine ©äule au« <3'^0^^" ^^^ ^'"^ anbere au«
Steinen errichtet unb mit ben ßrlenntniffen ©etl^ befc^rieben l^aben. Die erftere follte
burc^ bie ^lut jerftört, bie le^tere aber noc^ äxgl tov devgo xatä rrjv yfjv ZiQidda
toorl^anben fein (3!of., Antiq. I, 2, 3). 3*>^t>^"^ fd^eint babei eine bon ©^ncellu« auf*
betoal^te ©teDe au« 5Kanet^o berüdffic^tigt 5U l^aben, hjo biefer fagt, ba^ er bie h yfj 16
ZtjQiadixfj ftel^enben ©äulcn benüfet l^abe, bie im l^eiligen SJialcIt unb in ^ßriefterbud^s
ftaben bon iJ^otl^, bem erften ©ol^n be« §erme«, befc^rieben feien {ZtQig ät^iot^ifd^er
9iame be« 5lil. äBer beult nic^t auc^ an ®efe^e«fäulen, toie bie be« Hammurabi!)!
Sd^riften ©et^« jiu beft^en, rühmten ftc^ S^ben, ©amaritaner, gnoftifc^e ß^riften (bef.
bie ©et^ianer) unb 3Rol^ammebaner. 3SgI. barüber gabriciu«, Codex pseudepigraphicus 20
Veteris Test. I (1722), p. 141—147; 11(1742), p. 49—55, md) §erber, titefte
Urlunbe be« aRenfc^engefc^Iec^t«, 3, III (SQäerfe jur Siel. 2c., ©tuttgart 1827, 6. 2:eil,
©. 179 ff.) unb Äau^fc^, 3tt)ofrVt)^en unb $feubet)igrat)l^en be« 213: (1900) II, ©. 538!
2tu(^ ©etl^« grau hjufete man fpäter gu benennen: 9lfura imSuc^e ber Jubiläen, RapA,
§ 11; £ea im „ß^riftl. 2lbam«bu(^ be« 5KorgenIanbe«" (überfe^t bon aJiUmann in ©toalb« 26
Sal^rbb. b. bibl. 2Bif[enfc^aft V, ©. 80); ^^wia bei ben©etl^ianem(et)ii)]^aniu«, ^äreft«
39, 5), toorau« bietteid^t 3Rorea (bei ^^^^u«, Adv. Haereses 1, 34) berberbt ift. —
3)afe 6no« über bie Sleligion unb über bie 9lrt, ®ott anzubeten, gefc^rieben f)ab^, ift
eine ganj fj)äte 3lngabe (bgl. gabriciu« a. a. D. I, p. 157 s. unb bei Äau^fd^ a. a. D. I,
467; II, 46. 73. 258). — Über ba« ®rab Äenan«, ber feine ©d^ioefter 5KuaIelet ^ei^ao
ratete (Jubiläen 4, § 14), aber bor ber glutlataftrop^e bon feiner gamilie hjeggetoanbert
fein foIIte, foll ätlejanber b. ®r. an 3lriftoteIe« gefd^rieben l^aben (gabriciu« a. a. D. I,
p. 1598.). — 3)en 9Jamen S^reb beuteten ©j)ätere fo, ba^ p feiner 3^^* ^M^ ßngel
©otte«, toelc^e bie SBäc^ter ^ei^en, auf bie ®rbe geftiegen feien, um bie 9Jlenf(^en ju
lehren, Siecht unb ®ered^tigleit auf ber 6rbe gu üben" (Jubiläen 4, § 15). ^m §eno^* 35
bud^e 6, § 5f. aber fte^t bafür: 200 ©ö^ne be« §immefö ftiegen in ben 3agen 3iareb«
(tüofür Ardis gelefen hjorben fein mag, bgl. ®. Seer bei Äaufefc^ a. a. D. II, ©. 239)
auf ben ®ij)fel be« Serge« §ermon; fie nannten ben 33erg aber fo, toeil fte auf i^m
burd^ SSertoünfc^ungen fic^ einanber berj)f(i(^tet l^atten (bgl. ®en 6, 1 f.). Ober man
beutete Ss^teb fo, ba^ „feine ©ö^ne anfingen, bie Sefe^le, bie er i|>nen gab, gu über^ 40
treten unb bon bem ^I. Serge ^inabmge^en unb fic^ mit ben Äainiten, ber unreinen
9lotte, ju bermifc^en (ß^riftl. 3lbam«buc^ a. a. D. ©. 92). — Über §eno(^ fie^e oben
8b VII, 682f. — ©c^on 5Ket^ufala^, ber feine« Sater« ©d^toefter gbna e^elid^te
(3ubiläen4, §27, bgl. toeiter bei Äau^fd^ a.a.O. II, ©.536), fott ein ®eri^t«^au« (bßth
din), eine ©^ule gegrünbet ^aben, toorin ^auj)tfä(^lid^ ba« au^ ber 9iatur entnommene 45
®efe| gelehrt toorben fei. 6« ift auc^ erllärlid^, ba^ toon i^m, ber nac^ ber überlieferten
ß^ronologie alle 5Kenf(^en an £eben«erfa^rungen übertroffen l^atte, auc^ ©Jjric^hjörter
abgeleitet tourben (gabrtciu« a.a.D. I, p.224— 227). — Über ?Roab f. oben SbXIV.—
3lod) biele 6injel|eiten finben fid^ in ben ^feubej^igrajj^en, bie ben älteften biblifc^en
^erfonen jugefd^rieben tourben (bgl. oben Sb XVI, 237 ff.) unb in ben jufammenf;ängens 00
ben 2)arftenungen, bie man fj^äter bon ber Urgef^id^te geben ju lönnen meinte, toie im
Sud^ ber ^wbiläen, bem ßl^riftl. 2tbam«bud^ u. f. W.
6. Segiel^ung ber ©etl^iten ju ben „®otte«fö^nen" bon ®en6, 1—4. — Unter
„ben ©binnen ®otte«" lönnen nid^t bie ©et^iten berftanben fein. Die ®rünbe, hjeld^e
gegen bie ®Ieic^fe$ung ber beiben genannten ®röfeen entfc^eiben, fmb biefe brei: a) 3)a« 55
mit bemairtilel barfe^ene Q^'^s' (6, 1) meint groeifello« ba« ganjc 5Kenf(^engef(^Iec^t, unb
ebenberfelbe beterminierte 3lu«brudt mufe o^ne allen 3^^ifrf i" S. 2 ebenbenfelben Segriff
beieic^nen. ällerbing« meint ©tradt (2)ie ®enefi« au«gelegt 1905, ©. 26 f.), e« „fänben
fiep SeifJ)iele bafür, ba^ ba«felbe SSJort guerft in allgemeinem, unmittelbar barauf in
einem burc^ einen ®egenfa^ befd^ränlten ©inne gebraucht toirb: ?H\ 19, 30 ff. bejeid^net eo
246 @et^ Seticrian
,,bic ©öl^nc ^S^tacl^" crft alle jhjölf ©tämtnc, bann bic übrtßen ^^^ö^^i^cn mit 9luö=
f(^Iuft berSenjaminitcn". aber oa liegt ja nur ber belanntc %aü \)ox, lüonac^ ein äu^-
brud nac^ ber gormel a parte potior! fit denominatio auc^ t)Ott ber ^Jlajorität
feinet Umfangt gcbraud^t toerben lann, aber ^ier in ®en 6 fte^t ber SKeinung ©trad^
6 folgenbeg ^mx^a^i: entgegen : a) Ci^rt foß ja nad) ©trad in 6, 1 nic^t bie ganje 5Kenf(^-
^eit bejeic^nen, h)iebo^bie„3^raditen" in9li 19, 30ff. guerft aanjS^rael; ß) mit an^n,
ba^ in 6, 1 bie gan^je SKenfd^l^eit bejeic^nct, mären in 2 a bie Jtainitenlinie bejeic^net, alf o
ni(^t ber ^auj)tteil, hjie im tüeitercn 93erlauf t)on 9li 19, 30 ff. ; y) f}kx in @en 6, 2 toäre
tüieber nidpt, lüie in 9li 19, 30 ff., ber Slu^brucf ha'adam mieber^olt, um eine Stbteilung
10 be^ 3!Henf4>engefci^Iec^t^ ^u bejei^nen, fonbern anstatt ha'adam h)äre ein anberer 3lu^
brucf, nämlic^ b®n§ ha'elöhlm „bie ©ö^ne ©otte^" gelüä^It. älfo ber anbere 3:eil
ber 3Jlenfd^cn hjäre nic^t nur nic^t unter bem Flamen „5Dlenfcl^en" mitbegriffen, fonbern
er ^ättc einen bejonberen 9iamen, ber ^ier al« ©egenfa^ ju „SRenfd^en" gebraucht nicbt
einen Steil berfelben meinen fann. goIgli(^ bleibt jener erfter ^auj^tgrunb beftcben, urib
16 bamit ift bie ganje grage fc^on entf^ieben. 5Jur fefunbär fmb alfo noc^ jtoei anbere
®rünbe, nämlid^ b) ber äu^brud „bie ©ö^ne ®otte«" ift im fonftigen Sfe eine Se--
jeid^nung ber ßngel (unb nur ba^ (grtoäl^Iung^bolf fohjie beffen l^ö(^fte Vertreter Serben
linterl^er in metat^^orifd^er SBeife in ilinbe«üerl^ältni^ ju ®ott gefegt). 3llfo ift aud)
bc^^alb ^öd^ft untoa^rfc^einlic^, ba^ ber Slufgeid^ner ber fraglid^en Irabition mit jenem
20 Sluöbrud bie gegenüber bcn ^ainiten rclatit) beffere ©ct^itcnreibe gemeint fyiU, c) @r
tooHte i)öi)\i hja^rfd^einlid^ berichten, bafe bie 3Serbinbung überirbifc^er unb irbifc^er 2Öefen
ben Urfprung ber SHiefen (6, 4) t)eranlafet l^abe. Dur(^ 6l^cn öon ©ctJ^iten mit Äai=
nitinnen hjürbe biefer nic^t erflärt. Die ^ier vertretene 3luffaffung toon ®en 6, 2 liegt
auc^ in »rief ^ubä (3?. 6) t)or, obgleid^ 6. g. Äeil (Die SSrief e 5ßetri unb^ubä, ©.307)
26 bie Slufeinanberbejie^ung beiber SiuelfteHen leugnet. SBie alfo bie ©ctl^iten nid^t^ mit
ben „©ö^nen ®otteö" ju tf)un l^aben, fo auc^ enblid^ nid^t^ mit ben benß scheth, ben
„©ö^nen be« firac^en^ ober ^umultei^", b. 1^. bie greunbc be« Äricg^etümmefe CJJu
24, 17). db. »tii0.
Sct^tttuer f. b. 31. D^ leiten Sb XIV ©. 405,3iff.
30 ©enertttttcr, ©nojHlcr f. b. 31. Dt^^itcn Sb XIV ©. 405, 6i.
®t\)man, Sifc^of t)on &abala, geft. nad^ 408. — SSgl. 5abnciu§=$)arIeS, Biblio-
theca graeca. 10. .^amb. 1807, 507—510 (abgebrucft MSG 65, lOff.): ß. ^crucö in
DchrB 4, ßonbon 1887, G25f.; O. SBavben^eroer in m 11, &veiburg 1899, 215ff.
Der Sifc^of ©etoerian t)on &abala in ©^rien i)at in ber Ionftantino})oIitanifd^en
36 Äirc^^en^olitif eine Stoße gefj)ielt, auf bie bereite im 3lrt. ßl^r^foftomud (f. S3b IV,
104,5jff.) üorübergej^enb ^ingetoiefen toorben ift. Duellen bafür fmb ©ofrate« H.E. 6, 11
(t)gl. aud) bie abtoeicbenbe Slelation im 3lnl^ang j\um 6. Su(^), ben ©o^omenu^ H. E.
8, 10 auö'fc^reibt, unb ^^attabiug (f. Sb IV, 102, 20). 3iac^ ©ofrate^ tourbe ©eöerian burc^
ben ßrfolg, ben fein 3lmtgbruber Stntiodbu^ bon ^tolemai^ in ^l^oenijien (Genn. vir. ill. 20;
40 3itate au^ feinen nid)t erf^altcnen ©c^riften bei X^eoboret, Seontiu« u. a. |MSG 83, 205.
86, 1, 1:3 16. 86, 2, 20441; bgl. auc^ Äaro-^Sie^majin, Ratenenf atalog 3. 566. 584 f. 589.,
©({>ermann, ^lorilegien, 22. 25. 34. 36) mit feinen ®aftj)rebigtcn ju Äonftantinoj)eI l^atte,
betoogcn, glcidbfatlö in ber SieiA^^aujjtftabt fein Sic^t leuchten ^u laffen, unb gleid^faH^
mit Grfolg, obioobl feine 3tu^f})rac^e bed ®riec^ifd^en unangenehm auffiel. Siome^mlid»
46 in ber ,^ofgefeüfd»aft hat er (Sinbrud gemad^t, auc^ bei (S(>r^foftomuö ftc^ lieb itinb )\u
mad)en berftanben. Da^ ibm biefer bei borübergel^enber 3lbrüefen^eit in 6j)l^efuö (401)
bic Sorge für bie 5?ird^e ant>crtraut babe, ift eine Se^auJ^tung be« ©o^omenuig, bie, toeil
fie !cinc ©tü^c bei ©ofrateö finbet, feinen ®Iauben Derbicnt. ^ebenfaH^ ober ^at ©.
bicfc 3lbu>cfcnbcit bcnu^t, gegen (Sbrt;foftomu^ ju intriguieren, unb ift mit beffen 3lrc^i=
50 biafon ©craj^ion (f. b. 3lrt. oben 3. 220, 12) in einen ®egenfa^ geraten, ber nac^ be^
6r;^bifcbof^ fflüdfc^r juni 93ruc^> führte. Gbrvfoftomu^ fd^enfte feinem Diaionen SSertrauen
unb ,;^ioang (fo Sofrate^) ben Sci^crian, bic ©tabt ju ijcrlajjcn. Slllerbingg toeranlafete
bic Maifcrin (Subojia fofort feine ^Wüdtcbr. 2>erföbnuugö^rebigten (f. u.) Derbedten ben
3üft. ©eüerian aber intriguicrte tocitcr. 3tuf jener „(Sid)cnft)nobe" (f. ob IV, 105, 28 ff.)
66 toar er einer ber ^Infläger bc^ (5(;rvfoftomu^ (Pallad. Dial. MSG 47, 29. Phot.Cod.59
p. '>']). Qx hatte bie ^frcc^beit, bic 3Ibfcfeuug feinet ®egncr^ auf ber Stam^l ^u fytx-
teibigen (Sotratcö 6, 16. ©ojomenu^ 8, 19). 3lucl? in ber toeiteren ©nttoidelung ber
Senerian 247
3)ingc (f. b. 3lrt. ß^rvjoftomu^) f}ai er eine toenig erfreulid^e SioIIe gcfjjielt. ^aHabiu^
öiebt il^m ©(^ulb an ber 2;ran^t)ortation be^ berbannten G^r^foftomu^ bon Gticufug na($
$it^u« (»b IV, 107, 27). 3)ie3eit feine« lobe« ift unbefannt. ©ennabiu« (vir.ill.21)
giebt lebigüt^ an, toa« tüir un« o^nebie« lonftruieren lönnen, ba^ ©etoerian unter ber
9legterung I^eoboftue* II., b. i). jhjifc^en 408 unb 450, geftorben fei. ö
Son Seberian fagt @ennabiu« (1. c): in divinis scripturis eniditus et in
homiliis declamator admirabilis fuit. Damit ift ber Sercid^ ber fd^riftftellerifc^en
3:^ätigleit be« 3Kanne« richtig umfd^rieben. ©ennabiu« l^at bon ©cberian einen Jtoms
nientar ju @a unb einen libellus gratissimus de baptismate et epiphaniae sollem-
nitate gelefen. 6« hjäre benfbar, bafe biefc Sdbrift mit bem Xoyog elg xä ^eotpdvinf lo
ber in Cod. Mosqu. syn. CCLXXI al« feberianifc^ überliefert unb Don SKatt^äi (Lee-
tiones Mosqu. 2, 2ei}3jig 1779, Iff. ; MSG65, 15— 26) herausgegeben mürbe, ibentifc^
ift, obtool^l barin bon ber 2^aufe nur beiläufig bie Siebe ift. Der litterarifd^e 3lad)la^
©eberian« ^arrt aber nod) ber Iritifd[^en Untcrfuc^ung, unb im golgenben fann nur eine
Überfielet über ba« 9RateriaI gegeben toerben. ^on ben Kommentaren fd^eint ni(^t« er^ i6
galten geblieben ju fein al« hja« in Äatenen unb ?fIorilegien citiert hjirb (f. ben General
Index in SBrigbt« Catalogue of the Syriac MSS in the British Museum, fohjic
bie SRegifter bei «aro^Sie^mann unb ©(^ermann [o. ©. 246, 4iJ s. v. ©eberian). Sleid^er ift
ber ^omiliennad^Iafe. SBir beft^en 1. eine ©ammlung bon 15 §omilien ©eberiang in alt^
armenifdber Überfe^ung (^erauSgeg. bon 3- 35. Sluc^er u. b. 3:. Severiani sive Seberiani 20
Gabalorum episcopiEmesensishomiliae, 3Senebig 1827; bie 7. unb 13. biejer§omiIien
[Sluc^er 250—293 unb 414—427] finb auc^ griec^ifd^ unter ben SBerlen be« S^rVfoftomu«
erhalten: elg xö §t]x6v xov 'Aßgadju Gen. 24, 2 [MSG 56, 553—564] unb elg xrjv
Tragaßolriv negl ovxrjg [59, 585—590]; bie 10.§omiIie [äluc^er 370— 401 J, ift ibem
tif(^ mit ber 13. ber 24 ^omilien Safiliu«' be^ ©rofeen [MSG 31, bgl. Sarben^emer, 25
^atrologie*, 248J); 2. bie §omiIie negl 6e^i;v?7^ (de pace), bie ©eberian bei ©elegenl^eit
feiner borüberge^cnben Slu^fö^nung mit G^ri^foftomu^ (f. 0. 246, 53) gehalten ^at (^erauögeg.
bon 31. ^aj)aboi)uIo^sÄerameue in ben 'AvdXexxa leQoooXv^xixtjg axnxvoXoyiag 1,
^^eter^b. 1891, 15—26; ein Iateinif(^e§ Sruc^ftücf unter ben SBerfen be« G^rbfoftomu^
MSG 52, 425—428); 3. jtoei faibifd^ erhaltene Srud^ftücfe einer §omilie ;\um ^Jlic^aete- 30
tage, bie für bie ©efd^ic^te ber enaelbere^rung nid^t o^ne Sclang fmb (^erau^geg. bon
3. Seipolbt in ben älg^plifc^en Urfunben ber fgl. ^Jlufeen ju Serlin, Äojptifd^e Ürlunben
16, Serlin 1904, 189 f.; bgl. Seij^olbt, 3)ib^mu« ber Slinbe bon SlIeEanbria, Seij^^jig 1905,
923lnm.); 4. ein burd^Cosm.IndicoplTopogr. Chr. lib. 10 (MSG 88, 41 7 ff.) beglaubigte«,
unter ben JBerlen be« 6^rt;foftomu« (MSG 56, 429—500) gebrudtte« 'ESarjjuegov (orationes ss
sex in mundi creationem). 5. 6in Heine« 95ru(^ftüdt au« einer ©d^rift ctr. Novatum
(ob ^omilie'O finbet fic^ bei ©elafiu«, de duabus naturis (3;biel Epist. Pont. Rom. p. 552,
bgl. ba« ^toeite al« feberianif(^ o^ne Slngabe ber ©c^rift begeid^nete Srud^ftüd p. 556).
6. 3n fobtifd^er Überlieferung ejiftieren nod^ berfc^iebene ^rebigten ©eberian«, tüic au«
3oega, Catalogus codicum copticorum (SRom 1810; anaft. 9Jeubrudt Seijijig 1903)40
unb au^ SB. 6. Grum, Catalogue of the Coptic. Mss. in the British Museum
(Sonbon 1905) ^u erfe^en ift (^loti^ bon 3- S^^l^olbt, ber bie 2lbft(^t ^at, biefe Ie?te ju
fammeln). 3"W^^*^^" möchte man ©eberian ferner §omiIien tieqI xov xaxd McDvaicog
ö<p€cog, 8v iaxavQcoaev h xfj igijjufOf xal negi xfjg '&eiag xgiddog (de serpente
quem Moyses in cruce suspendit), elg xdg o(pQayTdag ßißUayv (de sigillis 46
librorum) unb xaTa7oi;^a(a)v(adv.Judaeos), aße brei unter be« ßl^r^foftomu« 9?amen
überliefert (MSG 56, 499—516. 63, 531—544. 61, 793—802; für xaxd 'lovdaicov ift
jubead^ten, bafeCosm.Topogr. lib.7 [MSG88, 373J jtoar eine fold^e ©d^rift beglaubigt,
feine Slngabe au« bem Qn^alt aber in ber })feubo(^rVfoftomi[(^cn feinen SBiber^all finbet).
3n ben Sacra Parallela be« go^anne« bon a)ama«fu« (MSG 96, 533) loirb eine 50
^onülie xaxd algexixdyv citiert, bon ber ^itra ein ©tücfc^en in bem bon il^m beröffcnt^
lichten Fragment unter ©eberian« 9?amen o^ne Überschrift tüicbererfennen möchte. 35a6
ba« bon max (SpiciL Rom. 10, 221—223) publizierte, nod^ MSG 65, 27 f. unter
©eberian« Flamen gel^cnbe Srucbftüdt einer §omilie de pythonibus et maleficis nid)t
bon ©eberian flammt,' fonbern original latcinifcb ift unb bon ^etru« Gbr^fologu« l^er= 55
rüf^rt, geigte %x. Siberani (Spicilegium Liberianum 1, glorenj 1863, 192 f.; bgl.
SarbenJ^ehjer, $atrologie^ 306). Urbain Souriant ^at im Recueil de travaux rela-
tifs ä la Philologie et ä Tarch^logie ^gyptiennes et assyriennes 7, 1886, i)l
ein furge« bo^eirifc^e« BtM beröffentli^t, ba« ben 2:itet fül^rt: „6ine xa{>r]xr]oig (sie)
unfere« l^eiligen SSater« 2lbba oev}]Qiavog'* (5Jotij bon £et^)olbt). ®. Ärügcr. eo
248 Setiertttttd, ber ^eilige
SeHerimtd^ bcr ßciligc, gcft. 482. — Eugippü Vita Scverini rec. 4>. ©nuppe in
MG Auct. ant ©b I, 2, 1877; rec. $. ^noell in CSEL S3b 8, 2, 1886; gdcbricf), St©
2)cuti(^Ianb§ 1. SBb 1867; Kaufmann, 3)ciitfd)c ®cf(^. 2. ©b 1881; ©attenbad), ®efd)icf)tö-'
quellen 1. S3b, 7. §(ufl. \). 3)ümmler, 1904 6.50ff.; 3ung, 3)ie vornan. fianbfd>aftcn beö röm.
6$Rei(^§, 1881; SernouKi, 3)ie |)eingen bev ^erouingcr, 1900 ©. 47 ff.; ^laurf, Äö) ^eutf(^=
Ianb§ 1 ©b, 3. ^lufl., @. 361 ff.
3)ic Sita Setocrini geigt bie fird^Iit^cn gwftänbe be« nörblic^en Sioricum unb bcr
benad^barten rälijd^en (Srcnjregion tüä^renb ber bur(^ ba« Vorbringen ber ©ermancn
bebingten 3luflöfung ber 9lömerl^errf(^aft in ben äl^engegenben. a)ie immenjc Sebeutung
10 ber Äird^e in bem 3w|ammcn[turj ber WdÜxi^m Oetüalt lommt laum irgenbh)o fo flar
gur ainfd^auung, ate in biejcn anf})ruc^öIojen 93Iättem.
Sioricum, baig 2tlj)engebiet, ba^ nörblic^ bon ber 3)onau, toeftüt^ bom 3nn, füblic^
bon ber §aui)tfc^eibelette be« (Sebirge« begrenjt hjar unb ftc^ öftlic^ bi^ jum äCbfaß bc^
©ebirge« nadf ber Jjannonifc^en ßbene gu erftrcdfte, h)ar öon ben feltifd^en Sauriölcm
15 betool^nt unb tourbe Ib \>. &f)x. mit bem römif d^en 9lei(^ berbunben. Seit bem ©nbc
be« 3. 3fl^tl^u«b^^ unferer ^ra toar e^ in bie gtoei ^robinjen Noricum ripense unb
mediterraneum gerlegt.
©d^on in biefer 3^*^ begann ba« ß^riftentum in 9loricum pu^ gu faffen. 33ei ber
engen Serbinbung ber ^rot)ing mit ^ialkn ift ba^ an fxd) toa^rfd^ieinlic^; au^rüdtlic^
20 beftätigt toerben bie frül^en anfange beö ßl^riftentum^ in Sloricum burc^ aitbanafm^, ber,
ol^ne einen beftimmten Sifc^of^fi^ gu nennen, boc^ toiberlj^olt norifc^e Sifd^ijfe ertüä^nt
(apol. c. Arian. 1, ögl. 37; bist. Arian. ad. mon. 28). ©rinnert man ftd^, ha^ ber
93if(^of SJictorin bon $etot)ium, einer jpannonifc^en, aber genau an ber ®renje 5Woricum^
gelegenen ©tabt (5ßettau in ©teiertnarl), mit bem Orient gufammen^ing (Hier, de vir.
26 ill. 74), fo barf man anncl^men, bafe bei ber Verbreitung be^ Gl^riftentumö in 9loricum
ftc^ griec^ifd^e unb lateinifc^e ©inflüjfe Ireugtcn.
3ln Siac^ricbten über bad ßl^riftentiim in Sioricum toäl^renb be^ 4. unb 5. 3a^r=
l^unbertg bi^ auf ©eberin fe^It e« t)i)IIig. gn ber 2eben«befc^retbung ©eöerin« erf^eint
ber Übergang ber 93et)ölferung jur neuen 9leIigion ate DoIIenbet, toenn auc^ ^eibnifc^c
30 D^fer im ©e^eimen noc^ borfamen (c. 11). Sord^ (Lauriacum) toar ©ii^ eine^Si^tum^
(c. 30); bie ©tabt befa^ mehrere Äird^en (c. 28). ßine gleite bif(^öflid^e ©tabt hjar
iibumia (2:eumia, an ber Drau, SRuinen ber ©tabt in Sumfelbe in Äämtl^en; c. 21).
3Da^ and) ßeleja (6iHi in ©teiermarl) unb Sirunum (im gottfelbe bei Älagenfurt)
»if^^ofgft^e ^etoefen feien (®Iüdf in ben SBicner ©S. XVII, ®. 143 ff.), läfet fi(^ nic^t
36 betoeifen. Äird^en Serben erh)ä^nt in ©algburg (c. 13), in Slftura unb ßomagena (c. 1
bei illofterneuburg unb lulln), in bem Äaftett ßucußä (c. 11 Äuc^el a. b. ©algad^),
in ben rätifc^en (t)inbelicifc^en) Orten Quintana (^lattling ober Äünjing an ber 3!)onau
oberhalb ^affau c. 15, bie Äirc^e ift ein §olgbau), Sojoburum (Soitro, bie S^nftabt Don
^affau) unb 5ßajfau (c. 22, l^ier aud) ein eigene^ Sa})tifterium), Älöfter fc^eint e« t)or
40 ©ct)erin nid^t gegeben ju ^aben, obtüo^l Sl^feten ni^t fcl^Ilen (c. 16); er grünbete Älöftcr
bei gaüianä (c. 14) unb in ^affau (c. 19). 3)ie Äirc^en Ratten einen jal^lrcid^en Äleru^;
aufeer ben Sifc^öfen finbet man ^re^b^ter, 2)iafonen, ©ubbiafonen, Dftiarii, Äantorcn
ertüä^nt (c. 16. 25). Die Sifc^öfe tourben t)on bem SSoIIe getüälj^It (c. 30, tjgl. c. 9).
Die Äird^en befafeen 3lltargeräte Don ©belmetall (c. 45).
45 ©0 hjaren bie lirc^Iic^en 33er^ältniffe analog benen in ben übrigen teilen bc« 9leic^
georbnet. Da^ 53ilb nun aber, ba^ bie Sita ©eöerin^ toon ben j)olitifd^en 3uf^änben in
iKoricum am Slui^gange be^ 5. S^^^^wnbcrt^ enltoirft, ift ba^ ööHiger 3lufu)fung. Die
SJlad^t ber ^unnen toar ^toax gebrochen, aber bie nun toieber freien germanifd^en Stämme
befanben fi^ in ftetem Vorbringen gegen bie Slömer; Don SBeften l^er fielen bie äla=
50 mannen in ba^ römifd^e ©ebiet ein, )oon ?Rorben bie I^üringer unb SRugicr: im Dften
bebro^te bie 3)?ac^t ber ®oten ebenfo ben 9left ber SHömer^errfc^aft h)ie bie unabl^ängig=
leil ber genannten germanifc^en ©tämmc (c. 5). Unabläffig fül^tte man fic^ ber ®efabr
feinblic^er Überfätte au^gcfe^t; in Sorc^ tourbcn 3;ag unb 5lac^t bie 3Kauem betoadit
(c. 30); bie Ileinen Raufen fc^lcc^t betüaffneter römifd^er ©olbaten tagten nid^t, ben
55 Äamj)f auf freiem gelbe aufzunehmen (c. 4). SJon ^ialim fa^en fte fid^ im ©tid^e ge=
laffen; nx6)t einmal ber ©olb roar ju erlangen; bie Sefa^ung $affau^ fanbteSoten, um
bie Sö^nung ^u forbern, nac^ ^^talien; fic fanben auf bem Sffiege i^ren 3^ob (c. 10).
Crte, \ok Gomagena fallen fic^ genötigt, gcrmanifdfje ©d^aren al^ eine 3lrt Sefaftung in
i^re 3)lauern aufzunehmen; man glaubte fid; boc^ nur fidler, lüenn man ben (gintritt in
60 bie ©tabt unb ben Slu^tritt au^ il^r jebcrmann Derlüeigerte, unb bie ®ermanen in ber
(Bt^tthin», ber ^eilige (Bt^ttinM, 2(iüpft 249
©tabt fürchtete nmn laum hjcniget, ali bic öor berfelben (c. 1). anbete Orte mußten
afö uni^altbar aufgegeben toetben, ober tourben überfallen unb ^ejjlünbert ober gerieten
bauemb in bie §änbe ber ©ermanen. 2Bag ftc^ auf bem freien gelbe befanb, toar
fc^u^lo« ben beutemac^enben Deutjc^en Jjrei^gegeben (c. 4. 10. 25. 30). 3)ie Stäbte fa^en
fid^ auf bie S^fu^ren öon (Setreibe au[ ^nn unb I)onau angehjiefen (c. 3); um bie 6
9iot ju fteigem, öertoe^rten bie germanifd^en Äönige ben ©täbten ben ^anoel (c. 22).
(Sine ©tabt um bie anbere tourbe verloren.
Unter biefen SJerl^ältniffen toirlte ©et)erin: o^ne bafe er einen Stüdl^alt an einem
lirc^Iid^en ober irgenb einem anberen 2lmt gebabt l^ätte, hju^te er imd) bie5Kac^t feiner
im})onierenben ^erfönlid^Ieit eine leitenbe ©tettung einzunehmen. Über feine 5PexJon lie^ lo
er auc^ feine näc^ften ©c^üler im Ungetoiffen: man tou^te nur, bafe er öon ®eburt ein
Sateiner toar unb ftc^ eine ^Ät lang bei ben 9Jlönc^en be« SRorgenlanbe^ aufgehalten
^atte, an^ feiner ©j^rac^e glaubten feine ©ci^üler fc^Iie^en ^u bürfen, bafe er ein älfrilaner
getüefen fei (ep. ad Pasch.): einem unmittelbar göttlichen 3lntrieb fArieb er e^ gu, bafe
er baö nörblicpe Sloricum ju feinem SlufentJ^alt^orte na^m. 3)a^ gw^^ ^ t>^ näc^ften i6
3eit nad^ bem lobe älttila^ (453). 6r lebte in 5loricum afe ein Stufet; fein Siogra))^
erjö^lt öoH 35eh)unberung, toie ftreng er in ber Beobachtung ber gaften toar, bafe er
mit äCu^nal^me ber geiertage nie öor ©onnenuntergang a^, bafe er ba^ ganje ^a^x
j^inburd^, auc^ in ber ftrengften SBinterlälte, barfuß ging, lein anbere^ Sager lannU, afe
ba^ auf bem Soben au^ebreitete Gilicium. SBir hjiffen an^ einer anberen Quelle, bafe ao
fic^ um ben berül^mten SK«Ieten ©c^üler fammelten (Ennod. Vit. Ant. Ler., CSEL VI
©. 385), für bie er bann ein paar Älöfter grünbete (f. o.). 3lber bie innere ©timme, bie
er für göttliche Eingebung erfannte, trieb ilj^n immer toieber an, au^ ber 35erborgenl^eit
l^ertoorgutreten unb ber bebrängten Seööllerung burc^ SRat unb 2:i^at beijuftel^en. ©eine
2^ätigleit hjar in erfter Sinie eine religio« unb fittlid^ anregenbe: er fuc^te ba« SSer^ 26
trauen ber Set)olIerung auf ben göttlichen ©(^u^ ju feftigen (c. 1.27 f.), über^auj)t il^ren
2)iut toieber aufzurichten (c. 4). (gr toirlte ber ©elbftfu^t ©injelner entgegen unb be«
ftimmte fie, ba« ^\)xt in ben a)ienft 3lller gu ftellen; eine regelmäßige Serforgung ber
airmen, begrünbet auf bie allgemeine ©ntric^tung ber R^^nten, juckte er einzuführen (c. 3.
12. 17 f. 28). 3)em (Smft ber Sage entfjjrac^en bie ^äufig angeorbneten gafttage (c. 2. ao
11. 12. 18. 25). 3)abei toar er unterftü^t burd^ ben Äleru«, bem 3SolIe aber erfc^ien
er toie ein ^roj)l^et: in biefem Sid^te betrachtet il^n 6ugil)j)iu«. 3)arf man annel^men,
baß biefe Slrt öon (Sinhjirfung bie näc^fte abfielt ©et)erin« mar, fo ging er boc^ barüber
l^inau«, inbem er bie Sehjo^ner befonber« ejj)onierter Orte gu beftimmen fuc^te, fie ju
öerlaffen unb fic^ an gefiederteren ju lonjentrieren (c. 24. 27 f.), befonber« aber, inbem 36
er afö Vertreter ber Jtomanen ben ©ermanen gegenübertrat. §öd^ft eigentümlich ift ba«
aSer^ältni« be« fat^olifc^en 9Könc^« ju ben anber^gläubigen 3)eutfc^en: nid^t nur burc^
tool^lberec^nete ©d^onung unb !ül^ne« (Entgegentreten h)u|te er ©inbrudf auf fie ju machen
(c. 4. 19), befonber« im})onierte ilj^nen feine ^erfönlic^Ieit: bem arianifd^en Slugierfönig
glaccit^eu« galt er ate ein $ro))l^et (c. 5) ; nic^t minber e^rte i^n fein ©o^n %a\)a unb 40
felbft beffen ©ema^lin, bie getoalttl^ätige Äönigin ®ifa, fc^eute ben ^eiligen (c. 8.31.40).
Da« l^örte man and) öon bem toopl gleic^fall« arianijc^gt Sllamannenlönig ©ibulb
(c. 19). Überhaupt fuc^ten bie ©ermanen ben ©egen be« für hjunberfräftig gehaltenen
3Kanne«; ba« berü^mtefte Scif^jiel ift Dboafer, ben ©eöerin mit einer SBei«fagung auf
feine jufünftige ©röfee entlajfen f)aUn foU (c. 7). 3)urc^ biefe ©teHung ben ©ermanen 46
gegenüber fear e« i^m möglid^, nic^t nur für ^Befreiung jal^lreic^er Ärieg«gefangener ju
forgen (c. 9), fonbem auc^ mand^e anbere (Erleichterung für bie Slomanen gu betoirfen.
©eberin ftarb am 8. Januar 482: er fal^ beutlic^ toorau«, baß 9loricum Don ben
SRömern ben (Germanen gegenüber nic^t gehalten Serben lönnte, unb beftimmte beöl^alb,
baß fein Seic^nam bon feinen ©c^ülem nac^ 3^«'*^" mitgenommen toerbe. Die« gefd^al^ w
benn auc^ al« Dboaler fec^« ^ahxt nad) ©et)erin« %o\> bie romanifc^e Seböllerung hjirf-
lic^ and 9loricum abrief; fein Seid^nam tourbe ^uerft in SKonte geltri bei 9lea))el beigefe^t;
öier ^af)x^ ianad) nad) bem Älofter SucuBanum (auf bem $ijjofalcone bei vltapA)
gebraut, ba« eine reiche %xan, Flamen« Sarbaria, für bie exilierten SKönc^e errichtete.
S^ttxnn», ^a^)ft, 638—640. — Vita Severini im lib. pontif. I, 8. 175; Jaff^
6. 227; 53ottJer=9iam6a(^, Unpart. ©iftorie ber römii(i)eu ^äpftc IV, 6. 59; öJregovouiuö,
®efc^i(^te ber @tabt diom im aJl^I. II, ©. 146; ^k^rmann, 3)ic ^olitif ber Ppfte I, @. 170;
Sangen, (iJcjc^ic^tc ber römifcticn Äircfte, S. 516. '
260 ®etieriiittd, ^otifl Seticm«, 9if4«f
a)cr lob bc« $a})ft^ §onoriud I. (12. CItobcr 638) bctotritc ben äu«bru(^ einer
militärifd^en SleDoIte in SRom. S*'^^'^ h)urbe ein SHömer, ©eöerinu«, ju feinem Stad^folger
gehjä^It; aber bag §eer, aufgeregt burc^ ben G^artulartu« 3Kauritiu^ unb lüftcm nac^
ben ©c^ä^en, bie ^onoriug angeblich aufgel^äuft, ftürmte, unterftü^t öom ri>mifd^en SSol!,
6 ben fiateran. ©eberin ^atte fi(^ in ben Sefife" be^ ^Palafte^ ö^j^^t; e^ gelang i^m, ben=
felben brei Sage ju galten, nun aber griffen ^Diauritiuö unb bie iudices ein unb legten
©ieacl an ben Äird^enf d^a^. 3?on 3)lauritiu^ herbeigerufen, erfd^ien barouf ber ©rard^
Sfaf üon 9lat)enna, t)erbannte bie ipäuj)ter be^ Sleru« unb bemächtigte fid^ be« ©c^afte^
ber römifd^en Sird^e. 3!)ie Drbination be« ©eberinu« fonnte unter biefen SSerl^ältniffen
10 ni^t erfolgen; auc^ fehlte noc^ bie laiferlic^e Slnerfennung ber SBal^l, \üild)t bie römifd^en
2lbgefanbten burd^ 3wft^"^"^""9 i^ ^^ monotl^eletijt^en ©Itl^efi« erlaufen mußten, ßrft
VU S^^re nac^ bem iobe be« fionoriu^ tourbe ©eberinu^ orbiniert (28. 3Kai 640); er
lebte nur noc^ bi« jum 2. äuguft biefe« 3a^re«. Semerfen^toert ift nur feine ©tcUung*
na^me im monot^eletift^en ©treit: er erftärtc ftd^ gemäfe ber 3h>ri^eit ber Staturen für
16 ilpei (Snergien unb jtoei SBiBen in G^rifto, alfo gegen bie Sftl^eft« unb gegen feinen
SSorgänger §onoriug, bgl. Lib. diurn. Rom. pont. ed. ©idtel 9ir. 73 ©. 72. $att(f.
^tt>ttu», Sifc^of bon Slntiod^ien, geft. 538. — Ouellcn unb Sittcratur.
©ä^renb man bid tjov furi^em fid) bie jDueflcn für bie S3io9rap^ic beS @. müMam 5ufommcn=
futften mugte, ift man jc^t biejer 9(rbcit iiberfioben burcft bie ^cröffcntlicöungcn öon 3R.=9(.
20 Sl^ugener, nämlid): 1. Vie de S^vfere par Zacharie le Scholastique. Texte syriaque publi<^,
traduit et annot6, in ber Patrologia Oricntalis, l)V<Jgg. \). SR. (öraffin unb 5- ^^öu, Tom. II,
Fase. I, $ar. o. 3- [1903]; ügl. Xt^. mibeh in fi(5^:8 1004, m, 1, @p. 7-10 u. 33. SR^ffel
in SBl)^. JJeitjc^r. 13, 1904, 531 ff. 2. Vie de S^v^re par Jean, sup^rieur du monastbre de
ßcith-Aphthonia. Texte syriaque etc. Suivi d'un recueil de fragments historiques 8}Tia-
26 que», grecs, latins et arabes relatifs ä Severe (b. 6- eine uoflftänbigc Sammlung aller be=
fanntcn Ginjclnoti.^cn ^um iOeben bc^ S.; biefc 5tej:tc rocrbcn im golgenben, mo nidjt-s
anbereö bemcrft ift, mit ben Seitenzahlen uonÄugencr cttiert). Patr. Orient. Tom. II. Fase. 3.
$ar. 0. g. [19051; tjgl. «Rölbefe in 2m 1905, 92r. 27, @p. 885 f. unb ®. Ärüger in »Dj.
äcitfcbr. 15, 1906, 2. .J-)eft. 5)cr u. b. %. Vies de S^vfere. Introduction, commentaire, index
80 et table» anocfünbigte 3. Xeil mar pr ^tit ber 9lbfaffung biefed 3lrtifcI«J nod) nirfjt er^
fcftienen. 3^ Vorbereitung ift bie ^lu^i^abe einer fttl)iopifd)cn SSita he^ 6. üon Gbg. Q. @oob-
fpceb (Patrol. Orient). 3)ie in bie ^-orm eineS ©efpröcftcö mit einem Ungenannten gefleibetc
3ad)aria§ = 53ita (im JJoIgcnben = Zach., über btn SBcrf. f. ben 9lrt. ä^cÖariaS (Bcftolafti:
fud) eri^ft^It ba^ ßebcn bi§ ,^ur 6lu^Ibcfteiflung in ?rntiocfticn, ücriüeilt bef. bei ber Sugenb^^cit
86 (9lle;:anbrien) unb ift au^ bem apologetifdjen Sntcreffc t)ert>orgeganaen, ben 8. oon ber
mc^rfnd) (p. 9 f. 44. 65. 70. 75. 91) enüäf)nten ^(nflage eineS gegnerifc^en Ungenannten rein
üu mafct)en, büfj er al§ junger SWann nod) ^eibe unb ber ^ag'ie ergeben gemcfen fei,. 3)ic
äobanne^'^ila (im golgenbeu = Joh.) ift nadj ber Ueberfcf)nft üon Qo^anneÄ, 9lbt be§
i^Iofterö 93et()=^p^tljonjn, oerfaf^t, ber mit 3ot)anneö S3ar=?(p^t^onja (f. über i^n 3?au, in
40 Rev. de l'Or. Chr^t. 7, 1902, 97 ff.) nicf)t ibentifd) fein fann, ba beffen %ob in ber SSita
(p. 258) oorauöacfe^t luirb. Sie ift gerid)tet an einen Wondi beöfelbeu Älofter^, 3)omitiu^,
ber üor o\:\ (Jon. Eph. Comm. Beat. Orient, cp. 50) SSifc^of üon fiaobicca mürbe, unb er-
ftrerft fid) über ba^ ganje fieben beö 6.; für bie ßeit üor ber dr^ebung ,^um Patriarchen ift
Zach, üuelle. 5lu§iügc ai^ biefer SBita in beutfd)er Ucberfeijung gab ^^ ^eiSfer, S. oon
46 ^}lntiod)ien. (Sin fritifdier DueKeubeitrag ;^ur QJefd)id)te be§ ^on'opbDfiti^muS, ^aüt 11K)3,
mit bi^ jum (Srfd)einen üon Siugener 3 'braud)barem Kommentar. 2)ic Ucbcrfctung üon Zach.
burd)9iau, in Rev. de l'Or. ChrcU. 4, 1899. 348— :J53. 548—571; 5, 1900, 74—98) ift burcb
Äiigener antiquiert, ^i^lud) bie (übrigeu-5 im ^ud)^anbcl üergriffcne) §(uSgabc bc§ ft)rifc^en
Ze^ie^ üon Job. Spannt^ (ÜJi)mn.*^rogr. Äiel), ®btt. 1898, ift burd) Äua. überholt.- ^lußcr
60 ben ^ug.'fdieu 91rbeiteu ügl. man ben ilommentar in 9(^ren^=Ärügerö Ueocrfctung ber fog.
Ätrd)engcfd)id)te beö 3*^^^)^^^^^ 9il^etor (Historia Miscellanca), Seipi^. 1899, mit ben 58erbeffe-
rungen unb Grgän.^iunc^en Äugener^^- in Rev. Or. Chr. 5, 1900, 201 ff. 461 ff. 9?atürlicö finb
aud) bie übrigen Ouellen j\nr ®cfd)id)te be§ ^hniop]^l)f itiömuä i^u 9Jate ju 5iet)en
(ügl. 33b XIl'l, 872 ff.); für bie (iJcfd)id)te ber unten me^rfad) ertoä^nten ?löfeten üomebmiid)
66 bie ^Icropt)orien unb bie 58ita i^etrn« be« 3berer§ (ügl. XIII, 374, 8 ff. 16 ff.). Uebcr^aupt
fe^t ber nadiftebenbe ?trtifel S?enntni§ beö 'iJlrt. 'iDionopbi)fiten überall üorauS. Statt JHenaus
bot^ 'Jluogabc ber Historia juitriarcharuni (f. 53b XIII, 874, 48) ift fünftig 33. ©üctt«,
History of thc Patriarch« of tho Coptic Churcli of Alexandria (Patrol. Orient. Tom. I,
Fase. 2 nnb 4, 'ij^ar. o. 3- jlIK)4;0r)l) ju benu^en. (£inc 3Ji onograp^ie über 6. lieferte
»K) 3 C£nftratiü'J, JiVr/yor)> 6 Moio / ioin/::, rrdrnidfjj^ij^ r/y> \it'tio^Fia-;j y.al t) d:t6 Tov fvoiiixov
rnv Ziironn^ !*^'/.'J^ ^'1^ ''''^' Mt/rn rs)'ro()ot' (481- 580) rsytnic: to? fiovoqpvatTtOftoif .toos rtjr
ofjihx^oziur. iip.v 1891. ^ux Xl)CüIügic finb, außer ben Dogmengefd)id)ten, ju ügl. 3.(^.2.
ÖJiefeler, (.-onnncntatio. qua Mono])hy.sitaruni vctcruin variac de Christi persona . . . opi-
nionetj illustrantur, (öött. 1885^1. 1888, 2 Ile.; 3- 51. 3)orner, (Sntmicfelung«gef(^. ber 2c$re
SfHentd, a3iff^9f 251
ü. b. ^crfon Görifti u.f.io. 2.S3b, 2. ?lufl., S3crl. 1853, 164 [f.; 5- Soof«, Scontiug uon 33lMaua
u. f. tu (XU, 3.33b, 1. unb 2. ^eft), Seipj. 1888, pass., bcj. e. 54ff. 3m Sufammen^anq
imfereö 9(rt. barübcv ju ^anbcln, cmieS iid) mit Sflücffic^t auf bie 9luöfü^rungen im SBb IX,
007,34 ff. unb XIII, 398, 60 ff. qI^ unnötig. 2)ie SBicbcrgabc öon ein^el^citcn ^ätte, menn
fic fruchtbar fein füllte, ju uiel Sflaum erforbert. ^crr ^rof. ^ugcner in SBrüffel f^at eine 6
S^orreftur beä nad)fteöenben ^rtifelS gelefen unb einige roertüoUe Sf^otigen beigefteuert, wofür
i<i) i^m aucft an biefer ©teüe meinen *3)Qnf au^fprecften möchte.
3)ie (S^ronologie beS fiebenS bis jum (gpiffopat ift unfic^er; aud) roaS Äugener(Rev.
Or.Chr. 1900, 205 j.j barüber fagt, ift nitftt eintoanbSfrei. 9Sia man cS mit Äugener q(« ge*
fiebert betradjten, ba^ Qadiaxia^ ^txh\t 4S7 nadi ^txx)\u^ nhtx]kbtüt (f. u. @. 252,86), fo roürbc lo
für be« @. Ueberftebelung ber .^erbft 486 ausuferen fein (f. bagu au* ^eiSfer @. 13 31. 3).
©ein Geburtsjahr mag bann jroifdjen 465 unb 470 fallen, ^ie Qtit beS erften ^(ufentl^alteS
in Äonftantinopel feft ^ug. roo^I ridfttig auf 508/Q9— 511 an, obroo^I bie (S^ronologie ber
S^ep^aüuSsUuru^en bamit nic^t ganj ju ftimmen fcfieint (f. unten @. 252,48).
3Jon ber reichen litterarifc^en ^interlaffenfc^aft beS@. ift bisher nur ein fleiner i5
Ücil ber 5orfcf)ung burd) ben 3)rud ^ugänglid) gemacht luorben. 3)aS Reifte fcftlummert notft
in ben großen SBibUot^efen, üomeömlid) be§ SBritifdjen 9JlufeumS (f. SBrlgl^t, Catalogue of
the Syriac MSS. in the British Museum, öonb. 1872, General Index, @. 1322 ff., unb bie
aenauen ©efc^reibungen beS g^^ölts ber ^anbf^riften) unb beS 5BatifanS. ©ine ßifte ber il^m
befonnten @(öriften beS @. gab 9Kontfaucon in feiner Bibliotheca Coisliniana, $ar. 1715, 20
53—57. SSgl. audj JJabriciuS (|)arle§), Bibl. graeca 10, ^amburgl807, 614—623. 3m goU
genben fann nur eine Ueberfiftt über baS gebrudte Material üerfucfit merbeu (ju ben
Äatenen- unb glorilegicnfragmenten ugl. bie iRegifter bei .f^aro=Sietmann, Catenarum grae-
carum catalogus, ©ött. 1902, unb Sd^ermann, ®ef(bic^te ber bogmat. glotilegen u.f.ro. (ZW,
^l^, 13. 93b, 1. ^.), fieipj. 1904): 1. ®ried)ifd)e Fragmente unb j^toar a) ejegetift^e: jju 26
3ef unb @j bei 3Kai, Script, vet nov. coli. 9, $Rom i837, 725- 741 ; ju 2c unb 31® bei
"mai, Class. auct. 10. 9?om 1838, 408—473; ju ^i bei SKai, Spicilrom. 10 (1. %l), SRom
iai4, 202—205; b) bogmatif d)c: in ber fog. Doctrina patrum {mal, Nov. coli. 7, 1833,
Sff. 71. 73), inLeontiusctr.Monoph. (ebb. 137f. = MSG86, 2, 1841— 49) unb in Eustathius
Mon. Ep. ad Timotli. Schol. (ebb, 277— 291 = M8G 86, 1, 901—942 pass.). 2. @t)rifd>e30
lieb er fe Jungen: a) ^omilien: S3on ben 125 Xöyoi emOgdvioi ober emi^Qovimixol, b.%
ben Don @. aB ^atriart^ gehaltenen, in einem ÄorpuS vereinigten unb in ^^luei ft)rif(6cn
Ueberfejungen üon bem jeitgenöffifcften ^aul üon Äallinifuä (?; Cod. Mus.Brit. Add. 14599
©rig^t @. 546 ff. [nur «Rr. 31-59|, unb Codd. Vat. Syr. 142, 143 unb 256 [unüoU^
ftänbig, iRotix üon ^ugener]) unb üon 3afüb u. ebeffa, oeft. 701 (Cod. M. B. Add. 12159 36
"©r. 534—542 mit fur^er S^^WtSangabe; Vat. Syr. 141) überlieferten 9lnfpracften finb bie über
?lntoniu§ ben ^egi)pter (9?r.86), ben "im«rti)rer 2:!)aneIöuS (ißr. 110) u. bie •3)?ärtt)rerin 3)rofig
' m, 100 unb 114) bei SJ^ai, N. C. 9, 742-759 (latein.), eine über ^Karia (9ir. 67) beigWai,
Spie. Rom. 10 (1. %{.), 212—220 (lat.), eine über bie maffnbäifd)en 93rüber (9ir. 52) in
^loci SBerfionen bei 93enÖli)=5Barne^, The fourth book of Maccabees and kindred documents 40
in syriac, ©ambr. 1895, 75—102, euglifrfie lleberfe^ung ber erften ^Serfion, 6. XXVII bi«
XXXIX (biefe iWoti^ w^^) ©arbenberoer, 9trt. Seuerud im m^. 9,223) gebrucft. ^lußerbem
l^at Äugener (Une hom^lie de S^v^re d'Antioche, attribu^ ä Gr^goire de Nysse et ä H^sychius
de Jerusalem, in Rev. de TOr. Chr^t. 3, 1898, 435— 451) erroiefen, bafe bie unter ben ^föerfen
(^regor^ uon iRt)ffa gebrudte (MSG 46, 627—652) Oratio II de resurrectione domini jmeifeUoS 46
bem @. onge^ört unb mit ber 77. ^omilie ber «Sammlung ibentifd) ift. Einige gragmente auS
ben C^om. nad) ber llcberfetjung 3ö!obö uon ©beffa bei 9?eftle, Brev. ling. Syr. gramm.,
Äarlör. unb fieipj. 1882, Sftreftom. 79—83 (m ben fpäteren 93earbeitunaen meggelaffen).
(Sine Slnja^l üon ^omilien beö 8., bie in fionbon unb JRom fehlen, finben fid) in Dublin in
ber S3ibliot]^ef bc^ 2^rinitQ (JoIIege (9?otiä oon Ä.ugcner). ©ine ©efamtau^gabe ber ^omilicn 50
üon 9t. 3)uüal, "iD^=9l. tugener u. 6. 3Ö. iBroof^s fiir bie Patrol. Orient, ift in aSorbereitung.
(£inc 9(nal^fe giebt 91. SBaumftarf in feinen 9lrtifeln über ba^ Äirdjenja^r in 9lntiod)ien in
JH05 11, 1897, 31—66 u. 13,1899, 305—323. b) 9lb^nnbluugen. ^luSjüge auö ber bem
33riefme(öfel jmifd^en @. unb 3unan üon ^alifavnaß (f. u. @. 255, si) angeböngteu 9lb^anblung
gegen Sulian, bei 3Woi, Spie. Rom. 10 (1. %l), 169—201 (Cod. Vat. 140; f. aud) bie 65
i«otij bei ©rig^t @. 555 nad) Cod. M. Br. Add. 172(K)). c) <B riefe. %\t Briefe be§ 6.
finb früftjeitig gefammelt unb in 3 9lbtei(ungeu d)ronoIogifd) georbnet morben; man unter:
fcftieb babei SBriefe'üor, mä^renb unb nad) ber ^atriard)at^,^eit. ^ie Sammlung umfaßte 23
'^üdjer, unb bxt ©efamtja^l ber bariu enthaltenen 33riefe fdieint minbeftenö 3759 betragen
i^u ^aben (ogl. SBroof^ [f«u-8-^'^] P- ^^)- ^^ fl^^ mehrere (luenigften^ 3) fi)rifd)e lleberfe^ungen, 60
bie freiließ mo^I nur eine 9luifma^I lotebevi^iaben. 8id)cr ift ba^ ber gfall bei ber Ueberfe^nng
bt^ $re^bl)terö 9Ubanüfiu§ uon 9?ifibi«, bie etma 700 ^Briefe umfaßt ju l^oben fd)eint. Vaix
ba^ 6. ©ucft biefer Ueberfc&ung, 123 53riefe entftaltenb, ift erbalten unb gebrudt u. b. X. : The
sixthbook of the select letters ofS., Patriarch of Antiochia, in the syriac versiou of Atha-
nasius of Nisibis (ann. 669), cdit. and Iransl. by H W. Brooks, 2 Vols. (4 Parts), fionb. (;,->
1902—04 (nad) Codd. M. B. Add. 12181 |iinüoaft«nbig] unb 14600; 3Br. 558-5()9, \igt. ben
Ueberblicf über ben Unbalt uon 93b 1 bei ^Jti)|iel, 11)^3 1904, 9?r. 5, 8|J. 143-148). ^n
252 SetientiS, »ifi^of
bcr Historia Miscellanea (fog. S^cöariaS SR^etor f. o. 8. 250,5i) ftnb gcbriirft: 2 ©riefe an
gulian üon |)aatQrnaS (ber cjanjc S3ncfiüed)fel in Cod. M. R Add. 17 200 [®r. 554 f.] unb
Vat. 140) in SBucb 9, Aap. il— 13; ein Söricf on Äaifcr 3uftinian 9, 16; ein 53rief an bic
morgcnlönbilcöen ^riefter imb ^Jiönc^e 9, 20; ein SBrief an ^Intl^imuS Don Äonftantinopcl
6 9, 22, ein ©rief an X^eobofiu^ uon ^lejanbrien 9, 23 (bic legten 4 anfc^eincnb nur M^v cr=
galten), d) ,g)t)mnen. 3)er Oftoecöu« bc§ ©., in§ S^rifc^c übcrfe^t üon 3lbt $aul öon
Äcnneörin, bur(^gcfc^en üon SBifc^of Safob oon ©bcffa, ift in Cod. Vat. öyr. 15 unb ja^l=
rcid)en (f. SBrig^t @. 1324a) ^anbjd^riftcn beS britif(^engKufcunt8(baruntcr Cod. Add. 1713-1,
auf 675 baticrt, roa^rfdjeinli^ üon 3afob felbft gef^riebcn) erhalten. @inc ?ludgabe üon
10 @. 3Ö. 93roü!^ (fi)vtfc^ unb englifcb) in ber Patrologia OrieDtalis ift in Vorbereitung. ©.
^ugener(2) 3. 326. e) ^on unferem @. fc^eint and) bie ft)rif(fie Xaufliturgie ju ftammcn,
bie üon &. g. SBoberianuS, §lntiD. 1572, fl)r. unb lat. herausgegeben würbe, ©gl. bie 'Äuö^
jüge bei SU, Otefcfi, ^Igrap^a (XU 5. ©b.,. 4. ,&.), fieipjig 1889, 361—372. 5^ac^ brieflidjer
3Kitteilung be§ $errn ?lrd)imanbriten Lic. 6. 2:er:9Kinafriant in ^tfcötniobfin bepnbct flcft
16 in ber bortigeu ÄIofterbibIiott)ef eine Äatenc jum fieü in armenifd)cr Ueberfefung, bie außer
gragmenten be§ OrigeneS u. a. aucfi folcbe beS ©eücruS enthält. 3)te foptifd)e unb ät^io«
pifc^e fiitteratur ^at manches ©ruc^ftücf ber ^erfe beS @. aufbema^rt (Ü'^otii üon Äugener).
S. ftammte au« ©050j)oH« in pfibien. ©ein ®ro^toatcr(Joh.211 ; Zach. 11 fpric^t
nur t)on SSorfa^r) h)ar bort Sifc^of gehjefcn unb ^atte gu ben 2^eilnel^mcm am erften Äongil
20 t)on Sj)^efug (431) gehört, auc^ bic 35erbammung be« Sicftoriu« untcrfd^rieben (Zach. 11;
ögl. bic Stftc bcr Unterschriften bei 5Kariug SKcrcator MSL 48, 894; in bcr Siftc bei
Mansi 4, 1211 ff. crfd^cint bagcgcn ein gcmijfcr 3lt^anafiug atö Sifd^of t)on ©ojopoli«).
3tai) bcm 2^obc bc« 38atcr« f^idtc bic Slutter ben ©ol^n mit gh)ci älteren Srübcm gum
©tubium ber (Srammatil unb Sl^ctorif nad^ Sllcjanbricn. ©ic Ratten bamafe, bcr ©itte
asgcmäfeZach. 11; Joh. 217), bic2:aufc no(^ ni^t emj^fangcn. ^n ätlcjanbricn trat ©.
}u einem t^ictiftifd^cn ilrcifc, ben fog. ^döjiovoi (Zach. 12 ; 24), in Scjicl^ung unb fanb
m bcm cltüa« älteren SlIcEanbrincr 3ö<^ö^ö^^ feinem f})ätercn Siogra^)l^cn, einen feine
©nttüidtclung mit 3>ntereffe üerfolgenben SSefannten. ^n ber Sita gicbt So^^ria« fic^
grofee SKül^c, fc^on für biefe 3^it bei bcm innqtn wlanm tiefcrgcl^enbe xcilnal^mc an
30 ben religiöfen ^'^agen nad^jumeifen, ol^nc bafe e« i^m gelänge, ben Sefer gu überjeugen.
3lber ©. hjar ein fleißiger unb eifriger ©tubent. ©d^on jc^t fcffelte ben für bie 5R^e-
tori!, befonber« be« Sioaniu« Segeifterten ber Scrgleid^ ber ©d^riften bc« beibnifc^en
Slcbncrg mit benen Safiliu« be« ©rofeen unb ©regor« (bon 9?ajiam), auf bic i^n
3ac^aria« ^ingeiüicfen ^atte. 9Son Sllejanbrien fiebcite er — biellei^t §erbft 486, f. o.
35 ©. 251, 11 — nac^ Ser^tu« über. 6in ^af)x f^äter folgte i^m Qad)ax\ai (Zach. 46; man
bgl. übrigen« bie inlercffantc ©c^ilberung ber an bie „3)ej)ofttioncn" erinnemben ®ebräu(^e
bei ber aufnähme üon ©tubierenben, unb baju ben Strtilcl bon Äugencr in bcr Revue de
ITJni versitz de Bruxelles, 2JJai 1905). ßr fanb ben ©. in einer inneren Umtüanblung
begriffen. 3)en eifrigen ©tubiofu« ber Steckte l^atte ba« ^"t^^ffc ^^ Sleligion unb 2^^eo=
40 logie gcpadtt. ®Ieid^ am erften Sage fud^te er ben alten Sciannten auf unb erbat fic^
SRatfd^läge, hjie er e« einrichten folle, jum §eil ^u gelangen. 3^^^^^^^ fül^rte il^n in
bic ^eil«gejc^id^llid^e Betrachtung ein. 3" ^^^^ SKaricnlird^e führen fie ein längere« ©e^
\pxäd): üon Slbam unb ©üa, beren Silber in ber Äird^e Rängen (Zach. 49), bi« gur 6r=
fc^einung be« jungfräulid^ geborenen £ogo« in bicfer SBclt unb feinen ©rofetl^aten geigt
45 3öd^aria« bem greunbe bie ffiege ©otte«. 2luf feinen Sorfd^lag tüibmct man nun bic Don
ber 2lrbcit für bie ÄoHegien (Zach. 53) freigelaffene 3^^*^ ^- ^- «ufe^ t>cm ©onntag aud^
ben ©onnabenb SRad^mittag, ber Seftüre ber großen lirc^lid^en ©c^riftfteller, in erfter fiinie
ber Äa))j)abo;^ier, aber auc^ be« ß^rt^foftomu« unb G^riß«. 3)en hjcltlic^cn Vergnügungen,
bon benen ®. fid^ bi«^er (Zach. 51, Ic^ter Slbfa^) nid^t fern gel^alten ^atU, fud^t il^n
50 ber greunb ju entjiel^cn. Slud^ anberc üben in bicfer Sejie^ung ilj^rcr ßinflu^, befonber«
(Sbagriu« au« ©amofata. 2lbcnb für Slbcnb Ukn fie gufammen in ber Sluferftcl^ung«^
lird^e; balb fommen anberc, alle« Stubiercnbe, ^imu. 3)ic giil^ning l^at Sbagriu«, bcr
in ber 2l«Iefc üon Äör^)er unb ©eift bereit« üorgefc^ritten ift. 3^n nimmt au(| ©. jum
Sorbilb; er beginnt fic^ ber ^leifd^na^rung unb be« Saben« ^u entl^altcn. ©cinc©tubien
65 betreibt er mit h>acf)fenbem ßifer unb bringt in bie 5Rcd^t«le^ren balb fo tief ein, ba^ er
bei feinen ©cnoffen um feiner ©ac^funbc lüiUen befonbere« 2tnfc^en genicfet (Zach. 82).
3)amal« lieferte er auc^ ba« erfte ©Regimen feiner c^riftlid^en SHj^etoril, einen ^Pancg^tihi«
auf ben 3(j)oftel $aulu« (Zach. 76). ©bagriu« aber begann in ^ad^axxai ^u brängcn,
er möge feinen g^eunb jur 2^aufc üeranlafjen. ^cbod^ ©. fül^lte ftc^ ben tücUlic^cn ^cr^
60 fud^ungen noc^ r\xd)t gctüad^fcn, unb e« fc^rcdtte i^n ber ©ebanfe, fic^ nad^ ber 3kxufe
lüieber mit fittlid^em ©c^mu^ befubelt ju fe^en (Zach. 77). 6nblid[! \t>xd) er bem 3"=
Setientd, Stfi^of 253
reben unb toünfc^te S^^^riö^ i^^ ^aten, toa« bicfet mit bem ^intocte barauf, ba^ er
mit bem Jtleru^ k)on Ser^tu^ nic^t fommunijiere, ablel^nte. 9ltö älle^anbriner belannte
er fic^ jur Partei ^etru^ be« 3^^^/ ^' l^- ^^ monojj^^fttifc^en (f. barüber Sb XIII,
381, 6o). 3)a erllärte fid^ 6t)agrtug bereit, bie ^atenfteüie ju übernehmen. 3Kan ful^r
nai) 2^rit)oIi^, unb bort, in ber Äaj)ene be« 1^1. Seontiu^, tourbe ©. in bie ©emeinfd^aft 6
ber Äird^e aufgenommen (Zach. 81). 2)ann leierte man nad) Ser^tu« jurüdt.
3Kit ber laufe beginnt ein neuer Slbfc^nitt im Seben be« ©. Sr gel^t mel^r unb
mel^r auf bie ®rUje(fung«beh)egung ein. 6r toirb ein großer gafter unb toerbrinat nic^t
nur bie 3lbenbe, fonbern auc^ einen 2^eil ber 3lad)t (Zach. 82) betenb in ben «irc^en.
Slllerbing^ f)aiU ,er frül^er (Zach. 52) feinem greunbe erllärt, einen 2Könc^ hjerbe er lo
nic^t au« i^m mad^en, unb auc^ je^t noc^ beburfte e« eine« befonberen 3lnlaffe«, um
i^m bie glu(^t au« ber SBelt al« ba« le^te 3'^^ \^^^^ grömmigleit erfc^einen ju laffen.
3lad} Ser^tu« lam bie 9Jacl^ric^t t)om lobe be« ^'^^^^ (Zach. 86; t)ermutlic9 1. ®ej.
488, togl. Äugener in ©VJ- 3«tfc^i^- 9, 1900, 464—470); juglei^ erfuhr man, ba^
5|8etru« im Älofter e(^te „ßrben" (Zach. 86) feine« ©eifte«, einen gol^ann \>on Äanojju«, is
2:]^eobor t)on ä«faIon, ^jo^ann 9lufu« (f. über fie bie Vita Petri ed. SRaabe [Sb XIII,
374,16] p. 124), ^interlaffen l^atte. ©bagriu« brang in bie greunbe, fic^ unter ben ßinflu^ biefer
3Ränner ju fteHen. (£r felbft ging mit feinem Seif))iel öoran unb trat in« Älofter ju ^Ufatuma
(ju biefen Vorgängen togl. auc^ Vita Petri 107). 5Roc^ jögerte ©., aber ilj^n ergriff bie
Unrul^e, bie ber (gntfc^eibung t)orangugel^en ^Jpegt. 3Kit goc^oria« (t)gl. über beften SBer^alten 20
ben Slrt.) fu^r er nac^ 2;ri))oIi«, um bie Statte feiner 3kxufe aufjufuc^en, nad^iGmefa, um
ba« t)or furjem bort aufgefunbene ^aupt 3!o^anne« be« iäufer« anjiubeten ; bann aHein
nad^ g^^föicm, mn an ben l^eiligen ©tätten feine 3lnba(^t ju t)erri(^ten. auf ber Slücfs
reife toar er im ^etru«flofter, mit ber äbftd^t fid^ t)on Söagriu« ju berabfc^ieben unb
bann über Ser^tu« in bie §eimat jurüdt jufclj^ren. a)a erfolgte angeftc^t« be« Sü^er^ 26
leben« ber SBeltabgefc^iebenen ber Umfc^toung. 6r lie^ fic^ einlleiben unb fc^idEte ben
©flaöen, ber il^n begleitet Ij^atte, nad^ Ser^tu« gurüdf, mit bem 3luftrag für ^ai^axiai,
feinen bortigen $au«T^alt auf^ulöfen. 9tac^ lurj^em 3lufent^alt im Älofter genügte il^m
biefe 2l«Iefe nic^t mel^r, unb er jog ftc^ in bie SBüfte öon (gleut^erojjoli« jurüd. §ier
unterwarf er ftdj^ ben fc^ärfften Äafteiungen unb lenfte baburt^ bie 3lufmerffamfeit be« so
9lbte« be« 9lomanu«Hofter« (9Kama«? Dgl. Zach. 107; über Dlomanu« bgl. Vit. Petr.
p. 53. Pleroph. cp. 10 u. 25) auf fid^, ber i^n öeranlafete, in feinem itlofter SBol^nung
gu nehmen. 2tber auc^ ba« hjar nic^t t)on a)auer, ber 3wg jur ©infamleit erh)a(^t \>on
neuem, ^n einer R^^e bei SJlajuma gicbt er fid^ toicber allein feinen 2lnbac^t«übungen
l^in. aber ber Sluf feiner ejem^jlarifqien grömmigleit l^at fic^ Verbreitet unb anbere 35
l^erbeigej^olt, bie burd^ il^n jum $eil gefül^rt gu tüerben toünfc^en. 2)a baut er öom
Sleft feine« öäterlic^en Vermögen« (Zach. 97) ein Älofter mit ©injeljetten. SBie einft
3ad^aria« il^n in bie c^riftüAe 5ß^ilofo^)^ie ber ÄajjJ^abojier eingefül^rt |atte, fo mac^t er
e« nun mit feinen jungen 3lbet)ten. ^i}n felbft öeranlafet man, bie SQäeil^en m nel^men,
unb ej)i^)]^aniu« (i)on ÜKag^bum, ber bamal« in ^aläftina toeilte; bgl. ©.« Sriefe 1, 1 40
p. 8 Sroo!« unb 2, 3 p. 218 unb 221) nimmt i^n unter bie ^riefter auf (Zach. 100).
2öir ftelj^en in ber 3eit ber SBirren, bie ba« auftreten be« SRetJJ^aliu« (f. 93b XIII,
381,47, h)o öerfe^entlic^ 3ie))^cliu« gebrudtt ift) unter ben baläftinenftfc^en 3Könc^en ^erbor*
rief. aSie ein S^amäleon (Joh. 232) Ij^attc ba« „nubifc^e 3Konftrum" (Joh. 231) feine
^arbe geluec^felt. 2lu« einem enragierten (Segner be« ß^alcebonenfe l^atte er pc^ in 45
feinen 93erteibiger t)erh)anbelt. 6r ^atte gü^Iung genommen mit bem Äleru« bon
3erufalem (Zach. 102), ber gur %al)m ber Drtl^oboEie fc^lüur, unb in 9Raj|uma unb (äa^a
gegen bie 3Könc^«Iolonien ge|e^t, bie al« Sln^änger ^etru« be« 3^«^^^ M Ö^Ö^ t>i^
©^jnobe able^nenb öerl^ielten. ©eine 5Kac^enfd^aften toaren bon ©rfolg begleitet. 2)ie
"üRönd)^ tourben bertrieben. 2tl« i^r Vertreter ging ©. öon t)ielen SKönc^en (200 nadj^ 50
Theod. Lect. Mill. 396; 3Kama« ff. 0.] befanb fic^ barunter nac^ Cyrill. Vit. Sab. 55)
begleitet, mi) Ronftantinopel (508/509 V f. 0.). ffiä^renb ber brei 3ia^re (Zach. 108)
feine« 2tufent^alte« in ber SRefibenj t)erbiente er fid^ feine ©J^oren al« Äir(^ent)oIitiIer.
93ei ilaifer Slnaftafiu« toirfte er im ©inn be« §enoti«mu«. SBermitteIung«t)erfudbe, luie ben
be« 3<'^ö'^"^ bon ÄIaubio})oIi«, ba^ man bie ©^nobe öon Gl^alcebon anerfennen folle 65
um i^rer SBerbammung be« 5Jeftoriu« Tillen, menn man auc^ il^rem ®laubcn«belenntni«
nic^t juftimmc, hjie« er al« unflar unb bertüirrenb jurüdt (ögl. feinen 93rief 1, 1 p.4ff.
33rooI«). ^n ben ©reigniffen, bie jum ©turj be« d^alcebonianifc^ gefinnten 5ßatriar(^en
aWaceboniu« führten, ^atte er feine §anb im ©öiele (93b XIII, 385, eff.; 386, 1 ff.).
Auf ber anberen ©eite toufete er felbft fic^ be« äsortourf«, bafe er eut^c^ianifiere, er^ so
254 ®etientd, Sifi^of
toel^rcn; h)ic Ääfer unb SBefpen umfc^tpintcn i^n bie ®egner (Joh. 234). 3)ic „aU--
p^akn'' ifaurifd^en Sifc^öfc unb bie antioc^cnifc^en 3Hönc^c, bie „ber ©inigung ber Äirc^en
^inberlid^ lüarcn" (Zach. 107), mufete er mit ©lud im ©innc be« §enotifon^ ju be=
arbeiten. 3" 3Rifomebien „entlarble" er ben Drigeniften ^^it>ox (Zach. 1. c). ^on
6 tDurbcn Stimmen laut, bie i^n aU Äanbibaten für ben erlebigten ©tu^I ber SRefiben^
bezeichneten (Zach. 110). 2Benn ba« nid^t in Erfüllung ging, fo toar bod^ ber neue
^atriarc^ limotl^eug (S3b XIII, 386, aiff.) ein 9Jlann mi) bem ^er^en bet^ ©., ber
mit i^m auf SßJunfd^ be« Äaifer« bie fir^enjjolitifc^en JJer^anblungen fortfe^en foBte.
aber bie ©e^nfuc^t nac^ bem „j)^iIofot)^if(^en Seben" überlam i^n öon neuem; er JEe^rte
10(511) in fein Äiofter jurüd. ©ein nä(^fte^ Rkl unb ba« feiner Sluftraggeber ^atte er
erreid^t; bie 5Könc^e öon SKajuma burften fic|^ lieber ungeftört il^ren frommen Übungen
Eingeben. Söä^renb jeine« 2lufent^alte^ in Äonftantinot^el hjar ©. auc^ fd^riftfteHerift^
tl^ätig gchjefen. SSor allem »erfaßte er ^ier feinen gegen bie „3?eftorianer", b.^. bie 6l^alce=
bonianer, gerichteten „^^ilalet^ed", in bem er — nad) Rad)ax\ai — nac^toeifen tüoHte,
16 bafe bie ©egner fic^ ^u Unrecht auf öerfälfc^te, berftümmelte ober an^ bem ^ufonimenl^ang
geriflene SBorte G^rill« beriefen, toä^renb 3lnaftaftu^ ©inaita (Hodegos 6. MSG 89, 105)
ber 3Jleinung ift, ©. I^abe bie !äutorität ber Säter für bie 3^einaturenle^re baburc^
toeguibi^putieren berfuc^t, ba^ er ade il^m unbequemen 3^w0"ni^ ^te gcfälfc^t beifeitc
fc^alfte (bgl. Zach. 106; bie ©injell^eiten bei Joh. 235 f. h)irb man mitSBorft^t benu^cn
20 müjfen ; übrigeng liegt nad) Slffemani, Bibliothecae apost. Vatic. codicum manuscr.
catalogus 3, 221 eine fbrifc^e Überfefeung ber ©c^rift in ber batifanifc^en Sibliot^ef;
einige ßitate an^ ber ©c^rift bei 2Bng^t p. 926 a, 943 b, 944 a unb 957 b). SDem
laiferlic^en Äammer^erm ©u^jrajiug (berfelbe, für ben ^ac^aria^ Sl^etor feine Äirc^en=
gefdS^ic^te [93b XIII, 373, 36] fc^rteb) beantwortete er in bejonberer ©c^rift {'Ajioxgiasig
2ö7iQdg EvTiQd^iov xovßixovXdgiov) eine 3lnga^I bogmatifc^er fragen (Zach. 106; Dgl.
Hist. Mise. 7, 10 äb^enei^Ärüger p. 131,28; ber Äom»)iIator ^at aber ben gtoed
unrichtig angegeben, toie fc^on Äugener Rev. Or. Chr. 1900, 476 ^erborl^ebt; bgl. bie
^Wotijen beiffirig^t p. 944 b [Cod. M. B. Add. 12155] unb 961a [Cod. 14532]; mti}
Hist. Mise. Waren e^ fieben S'^agen, bei SBrig^t 944 Werben neun genannt). 3" ^^^
80 Ionftantino})oIitanifcbe ^eit fällt nac^ 3^^^^^^^ (!• c.) aud^ bie äu^einanberfcfeung mit
bem „3:eftament" be^ ^am^)etiu«, be^ §auj)teg ber Slbelö^ianer (3Keffalianer ; f. b. 2lrt.
aSb XII, 663, n2ff. unb t)gl. Phot. Cod. 52 p. 13 Seif.; eine ©rinnerung an £am))e=
tiuö aud^ im Sriefe 1, 13 p. 55 33roote).
Sängere ^^\t in ber 3w^*0^i^0C"^^it jw berbarren. War ©. nid^t befc^ieben; man
35 möchte and) nad) allem, tva^ bon feinem öffentlid^en 2Azn bdanni ift, baran jWeifeln,
ob i^m bamit gebient geWefen Wäre, ©eine ©rfolge in Äonftantinojjel Ratten i^n in
aller ^Tinrio gebracht; in^befonbere War er ber §elb ber 3JJönc^gfd^aren geworben, bcren
Sinflufe auf bie öffentlichen 2lngelegenl;eiten in biefer 3^^* f^ft ^ö^^ hjar aU je. 2)ic
Vorgänge, bie ba^in führten, bafe ^^aüian t)on Slntio^ien t)ertrieben unb ©. ^u feinem
40 9lad^foIger beftimmt Würbe, finb, foWeit fie für bie allgemeine ©efc^id^te bon 3^^*^^^
fmb, bereite früher (93b XIII, 385, nff.) bargefteßt Worbcn. Die fieben^ef^i^ten be^
©. berid^ten un^ noc^ manche (Sinjel^eit, u. a. bie in ber ©efc^ic^te ber Sifd^of^Wablen
ftereoti;})c 2Beigerung beö Äanbibaten, bem 5Rufe golge ju leiften, ba er fic^ bem f^o^en
ämte nic^t geWac^fen fü^It (ügl. bie ^übfc^e ßrjäl^lung Joh. 239 ff.). 2lm 6. 9lob. 512
46 (fo Evagr. 3, 33; Mal. 400 sqq. ed. Bonn.; bie orientalifc^en Cuetten bifferieren be^
^üglic^ be^ ^af^reig f)iert)on, aber aud^ untereinanber; f. für ba^ 5lä^ere meine 93e=
merfungen in 93i;^. ^eitfc^r. 14, 1905, 633 f.) Würbe S. 5ßatriarc^ (bie 5lamen ber
lonfefriercnben 93ifcf^öfc fmb in berfc^iebencn Slegenfionen erl^alten; toal. Äugener [2]
319 ff.); am 25.?Rob. l^ielt er feine erfte ^rebigt (ügl. ^Ä^Ux ©. 43 unb Ärüger a. a.D.).
50 ©eine 3lntritt^[d^reiben Würben ben übrigen Patriarchen jugeftellt: ber äliejanbriner
^ot^ann III. (93b XIII 385, 58) unb ber Äonftantinoj)oIitaner Stimot^eu^ (f. o. ©. 254, 7)
erfannten i^n an (Evagr. 4, 4 ; Hist. Patr. (Süctt« p. 450), ßlia^ Don 3!^r"f<tlem ignorierte
bag ©c^reiben(Cyr. Vit. Sab. 56) unb büj^te mit Slbfe^ung (bag 9Jä^ere 93b XIII, 386, m).
2lud; in ber eigenen 3)iccefe War ber SELUberftanb rege. 3)ie 93ifci^öfe 3!wKö" öon Softra
65 unb 6j)ij)^aniug üon 1t;ruö Wiberfe^ten ftc^ unb jogen e« Dor, il^re ©i^e ju toerlaffen
(Epist.mon. ad Alcis. bei Evagr. 3, 33; Zach. 114); auc^ bie ifaurifien 93ifc^öfe (f. o.
©.254,2) Weigerten bem neuen "^Patriarchen bie iMnertcnnung. ^ie 93ifc9öfe Äo^ma^ bon
6p^ij)f^ania am Drontee unb Seberian bon 9lretl^ufa Wagten e^, über ben ^atriard^en
bie 3Ib[e^ung au^jufprccf^cn (Evagr. 3, 34 nac^ ber CJrjä^lung jeinc^ 9Saterg; ber Über=
w bringer be^ 2)efretg üerüeibete fic^ ali grau, bie eine 93ittfd^rift ^u überreichen öorgab).
3m aHöemcincn toirb bod^ bic Stimmung für ©. gctDefcn fein, bcr aui) aU ^atriard^
bie 5ßoIitif bc« ^cnoti^mu^ fortfc^tc (bgl. bic jigoatpcovi^aig in Cod. Mus. Br.
Add. 14533 bei Äugener [2] 322 ff.) unb i^r burc^ bic ©^nobc t)on %t}xn^ (Sb XIII,
386, 49 ff.) öffentliche 9tnerfennunö öerfc^affte. Selbftt)crftänblic^ \)at er fic^ and) t^co«
logifc^ be« öfteren öcäufecrt. 2)ie $au))tfc^rift biefer 3^'^ bürften bie brei Sucher xard b
'Icüdwov ygajbLjuaTixov rov Kaioagelag fein (bgl. bie griec^. Srud^ftüdfe bei SJlai 7,
137f. [f.o.©.251,29junbbie3itatebei3yri0^t [f.ben Snbej 1323a]; aud^ Job. 248 ff.,
ber bie Slbfaffung ber ©c^rift erft nad) ber Verbannung ertoä^nt). @ine Äorrefponbenj
mit bem ©rammatiler ©ergiu^ betreffenb bie ^WmatuxmUi)x^, beftel^enb au^ brei
Sriefen be« ©ergiud unb brei 9Jej)IiIen be« ©., gu benen fid^ noc^ eine 2lj)olo0ie gefeHt, lo
ift f^rifc^ erhalten in Cod. M. B. Add. 17154 (2Bri0^t ©. 557 ff.; Dgl. Hist.Misc. 7,
10, h)o freiließ ber Se^t aud) in ber öerbefferten Überfe^ung Äugener« [2] 271 Unflor*
l^eiten entl^ält). Db auc^ bie „9tj)ologie für ben ^P^ilalet^e«" (SBrigbt ^nh^x^ 1. c), bie
©(^rift gegen bie xcodUiUoi eine^ äliejanber Q. c), fotpie bie Sudler Ttegl ovo qw-
aecov gegen geliciffimu« (^tpei ^iiai^ bei ^Kai 7, p. 8, ba« gtoeite au« bem 15. Su^; ib
t>gl. toeiter SBrig^t 1. c.) au« biefer ^t\i ftammen, mufe ba^ingefteHt bleiben. 3)a« 6. 93uc^>
ber Sriefe (f. o. ©.251,63) enthält fein bogmatifc^e« 9JfatcriaI; um fo tieferen ©inblid
läfet e« un« in bie fird^enregimentlic^e 3:^ätigleit be« ^Patriarchen t^un. 35er rei^e 3"'
^alt lann ^ier nid^t einmal anbeutung«U)eife toiebergegeben, gefd^tpeige erfd^ö^ft tperben
(i>gl. SH^ffel« Überfid^t über ben erften 93anb [j. o. ©. 251, c?]). ©. jeigt fic^ in biefer 20
Äorrefj)onbenj ate Äirc^enfürft toon Vorteilhafter ©eite: ftreng unb geredet, umfid^tig unb
tlug, fogar tpeit^erjig, o^ne ^ßebanterie unb nic^t o^ne einen ©c^ein t)on Sieben^toürbig«
feit. 2)abei f)at er eine aufeerorbentlic^ beftimmte unb Ilare Slrt, bie 35inge anjufaffen
unb barjulegen. ©ein befonnenc« Urteil bei S^^Ö^"/ ^'^ fanoniftifd^er ©ntfc^eibung untere
liegen, berührt tpo^lt^uenb. 2luc^ jeigt er ]xd) in ber firc^lid^en 33ergangen^eit trefflid^ 25
betoanbert unb ift nic^t nur um ber monoj)^^ritifd^en grage toillen in ben alten 33ätem
gut gu §aufe (i>gl. ben 3"^^ ^^ Sroof«). 9latürlic^ bricht aud^ bie Seibenfd^aft burd^,
tpenn e« ftd^ um ben ®egner ^nbelt: „toa« für ein 3)fenfd^ berSifd^of ber^^ölemer
(6lia«) ift nac^ ß^arafter unb ®lauben«überjeugung, ift jebermann befannt, aber mid^
efelt e«, baöon gu fprec^en" (1, 47 p. 129). ®a« a«fetifc^e 5Koment brängt ft^ nic^t so
unangenel^m ^ertoor. ©. felbft blieb auc^ at« 5PatriarA ber mönc^ifc^en Seben^toeifc treu.
!^ie| er boc^ gleid^ nac^ feiner 9lntunft 5{öc^e unb Jtüc^enjungen au« bem @m«fo^eion
entfernen unb bie Sabeeinric^tungen l^erau«ne^men (Job. 243). Übrigen« jinb feine
Sriefe nid^t unfere einjige Duelle, um feine 3lmt«t|ätigfeit gu verfolgen. 98enn erft
einmal feine Äomilien im DrudE Vorliegen, toirb man aud^ an^ il^nen Viel entnehmen ss
fönnen. 6r ift viel auf 3}ifitation«reifen getoefen unb f)ai brausen h)ie in feiner Sifc^of«
ftabt gern geprebigt (Vgl. bie 5Jotigen bei ^45ei«iEer 43 unb' bie einge^enbe E^arafteriftiiE ber
^rebigttpcife be«©. in bem3luffa^ von Saumftarf [f. 0. ©.251,52]). SBJie ba« burftigeßrbreid^
— fo l^eifet e« Job. 243 — faugte ba« 3?olf Von ätntioc^ien bie SBorte be« ^ßatriard^en ein,
ber bem ©j)ringquell gleid; i^m belebenbe« SBaffer bot. 2Bie einft Sarbefane« unb 40
Qpi)X&m l)at auq ©. fid^ ber §^mnenbic^tung befleißigt unb tpie fie bamit ber toeltlid^en,
in«befonbere ber I^eaterbic^tung entgegentoirfen tpoUen (Job. 244; vgl. baju aud^ ben
intereffanten Srief 1, 27, p. 88 f. über ba« 3lbfaffen Von Sl^eaterftüdfen burd^ ©eiftlid^e).
2)er I^ronbefteigung 3;uftin« (f. Sb XIII, 388, 44 ff.) folgte eine Völlige SBeränbe^
rung ber fird^enjjolitifd^en Sage. 6« ift bereit« erjä^lt toorben (a. a. D. 389, 28 ff.), ipie 46
e« in ber 2)iöcefe von 9tntiod;ien jur Vertreibung ber mono})^^fttifd^ gefinnten Sifc^öfe,
aJlönc^e unb 5Ronnen (Hist. Patr. (Svett« 453) fam. ®. felbft tüurbe ©evt. 518 Ver«
trieben unb flo^ nac^ ätlejanbrien, too er, toie ber fojjtifc^e Äalenber h)iu (Slenaubot,
Hist. Patr.p. 311), 29. ©ept. eintraf. Sei Stimot^eu« IV. fanben bie Slefugi^ liebevolle
9tufnal^me. 2öäl^renb ber Jlegierung '^n\i\n^ ift ®. öffentlich nic^t hervorgetreten. 3)oc^ w
fällt in biefe ^tii ber bogmatifc^e ©treit mit Julian Von §alifamaß, ber gu unJ^eilVoHer
©}3attung im eigenen Sager führte (vgl. barüber bie 3lrt. Julian 93b IX, 606 ff., bef.
607, 34 ff. unb 3)lono}3^^fiten 93b XIII, 400, 19 ff.). 3)lit feinen ätn^ängem in ©^rien blieb
er, h)ie bie erhaltenen 93ricfe jeigen, in lebhaftem 9Serfe^r. ßrft bie Stegierung 3iuftinian«
unb ber nunmehr freigetoorbene (Sinflufe J^eobora« (Vgl. ^ierju unb gum J^olgenben 56
93b XIII, 391, 42 ff.) eröffnete S. bie aiu«rtc^t, feine antic^alcebonenfifd^e ^olitif nod^
einmal mit ßrfolg aufnehmen ju fönnen. ^Wax toax er an bem Von ber ^Regierung Ver^
anlasten 9leligion«gefj3räc^ von 533 (nic^t 531) nod^ nid^t beteiligt. 93alb barauf aber
tpurben bie 9Ser^anblungen mit il^m eröffnet, bie h)ol;l im ©ommer 535 (fo; Vgl. 93b XIII,
392, 58 ff.) ju feiner Steife nad^ Äonftantino})el fül^rten. 3)er ©turj be« 2lntl;imu« eo
256 Setientd, Sifi^of Setientd, ftaifer
(t)fll. au^ct bcm Sb XIII, 393 über fein SBerl^ältnte gu ©. (Sefagten nod^ Job. 253 ff.)
machte feine Hoffnung auf ben ©ieg feiner ©ad^e ju nickte. 6r tourbe mit anberen
aWonop^^fttenfüI^rern toon ber S^nobe t)on 536 ejfommuni^iert, unb ba« faiferlid^c 6bi!t
t)om 6. ätuguft (Nov. 42 ed. Zach. ?Rr. 56) öeriüie^ aud^ i^n au« ber §aut)tftabt.
5 ©eine .Schriften fottten benen be^ ^orpl^^riu^ gleich öemid^tet toerben. ©o fe^rte er
nai) äg^^ten ^iuriicf; auf ber SWücfreife toirb er 6^io« berührt l^aben (togl. feinen toon
bort an ben 2)iafonen Wi\aü gerid^teten 93rief 1, 63, p. 199). ^n ber SBüfte „füblic^
t)on 9tlejanbrien" (Job. Eph. Beat. Orient, p. 48) nal^m er fein 6infieblerle6en toieber
auf. 2)od^ tparen feine 2^ge gejault. 3)en fd^mer 6r!ranften t)erbrac^te man nad) Xo'x^
10 am febennitifc^en Siilarm (ögl. ^ei^Ier 53 3[nm. 2), unb l^ier tft er toal^rfc^einlic^
8. gebr. 538 (nic^t 543, tote 93b XIII, 395, 9 gefagt ift; t)gl. 5PeiöIer 56 9tnm. 4)
geftorben. ^oi^anne« (Job. 259 ff.) I^at bie legten ©tunben erbaulic^ gefc^ilbert. 3)ie
^reunbe jtoangen i^n, ein Sab gu nehmen; er beftanb toenigften^ barauf, bafe er babei
in ben Äleibem blieb, um feinen Äörper nid^t feigen gu muffen, ©ein Seic^nam behielt
16 ben füfeen 2^aufgerud^. 9ttö man i^n in ben @arIo})l^ag legen toollte, ertoie« biefer fid^
ate gu Mein. i)od) toie burc^ ein Sfeunber glitt ber Rötpn, ol^ne bafe ein (Slieb fic^
Irümmte, hinunter. 2)er ^eiliae (Seift aber bef chattete (2c 1, 35) feine ^Reliquien unb
berlie^ i^nen bie 5traft, atte ©ebrec^en ju feilen, gür bie 9)lonoj)l^b5ten toar ©. ein
$om be« §eite (Hist. Patr. göett« 449), ber ^eilige, burd^ beffen aJlunb atte itirc^cn^
20 leerer gefüroc^en Ratten (bgl. bie §^mnen auf ©. bei Äugener [2] 327 ff.), aber auc^
ber §afe ber ®egner blieb i^m über ba^ ®rab. 9Jod^ gal^r^unberte ft)äter tilgte ein
eifriger Drt^obojer bei ber Seitüre einer ©ammlung bon 9tu«f})rüd^en ^eiliger Säter
überaH ben 5Ramen be« fc^redflic^en Äe^er« (f. SBrig^t 923 a 2lnm.). ®. «rftger.
®etient8, ^tptmin» unb SIeganber, römifc^e itaifer. — Dio Cass. Hist. Rom.
26Söud) 74—76 u. 80; @partionu§, SeuevuS; Sompribiu?, ?llej. ©euer.; ^erobian Siuc^ 5 u. 6.
(gufcb. H.e.V, 26; VI, Iff. 3er)treute ^iotljen c^rlftlidier ©c^riftltetter finb imXertc angcfüM;
ogl. Quc^ btw ?lrt. «Perpetua ©b XV @. 160; ^. ©(Ritter, ©efc^. ber röm. Raifcrjeit I, 2
®ot^a 1883, ©. 705 ff.; 6. gud^«, (öefc^. bcS Äaijcrä ß. ©cptim. ©eoeruS, mtn 1884;
91 ub^, Les Chr^tiens dans Fempire Romain de la fin des ADtonins au milieu du III. si^cle,
solaris 1881, ©. 53 ff.; ®.U^Il^orn, 5)er ^ampf beS ß^viftent., ©tutt. 1875, ©.284 ff.; ®örre«
bei ÄrouS, SR(S. b. c^r. ^Htertüincr I, greiburg 1882, ©. 227 ff. u. 8mSt^ 20, ©. 48 ff.; Ä. 3,
9?eumann, 3)er röm. ©taat u. bie allg. ÄIrrfie I, Seipjig 1890, ©. 95 ff.; 3. 3. ^KüUcr,
©toat u. tirdje unter 9llej. ©euer, in ©tub. j. ®efd). b. röm. Ä., 3üric^ 1874; $. ?inavb,
Hist. des pers^cussions pend. ia prem. moiti^ du III. si^cle, $ari^ 1886, ©. 79 ff. u.
36 171 ff.; 3- O^^üiQe, La religion tl Kome sous les S^v^es, ^ari§ 1885, bcutf(^c Übcrfejumi
\>on &. Krüger, ficipjig 1888; 91. fiinfcnma^er, 3)ic 53cfämpfung bcg ß^riftcnt. burc^ ben
röm. ©tQQt, 'äJiüncftcn 1905, ©. 109 ff. unb 117 ff.
©e})timiu^ ©eberu^ tourbe am 11. 9t})ril 146 ju £ej)tid in 2lfrila geboren. 6r
gel^örte einer gamilie be^ römifc^en Slitterftanbe^ an; t)on 5WarI äurel toal^rfc^einlic^ 172
40 in ben ©enat aufgenommen, 190 ÄonfuI, erl^ielt er 191 toon ßommobu^ ben Dberbefel^I
über bie germanifc^en Segionen in ^ßannonien. 3lad) ber ßrmorbung be« ^ßertinaj
im ^a\)xt 193 bon biefen xum Äaifer angerufen, eilte er fofort nac^ 3^Ii^>^ ^"^ 6^'
mäc^tigte fic^ ol^ne SBiberftanb SRom^, nac^bem ba« SSoII ben 3)ibiu^ 3"Iiö>^w^ bereite
geftürgt l}aiU. Slber gleid^jeitig erl^oben bie Segionen in ©^rien ben 5ße«cenniu« 9Jiger,
46 bie in Sritannien ben Sllbmu^ ju Äaifem, unb erft nad^ blutigen Äriegen gelang e^
©eberu^, beibe ^u befiegen unb ftc^ ^um §enn be^ ganzen SWeid^e^ ju mad^en. vilaa
ba^ SBort, toelc^e^ bem ©eberu^ in ben 9J?unb gelegt toirb: „^Kad^t bie ©olbaten reic^
unb t)era4[tet ben SReftl" (2)io 76, 15) auc^ öielteic^t unecht fein, immerhin ift c«
d^aralteriftifc^.
60 3JJit ©eptimiu^ ©eberu« beginnt, nur ju 9tnfang nod^ bon einjelnen, bem alten
Säfarentoal^nfinn toerfattenen Siegenten unterbrod^en, bie Sleil^e ber ©olbatenfaifer bie im
gelblager aufgetoac^fen, ba^ jerfatlenbe Sleid^ noc^ einmal mit SBaffengetoalt jufammen«
jul;alten toerfuc^ten. 3lfö bie eigentliche 3)et)ife feine« Seben« lann man fein lei^tcö SKort
anfe^en, ba« er gleic^fam aU leftament feinen ©ö^nen l^interliefe: „2a^t und arbeiten!"
K ©eine gange 9legierung toar ftrenge Slrbeit jum SBo^le be« Sleic^d, toie er benn aud^ ben
änftrengungen be« Äriegeig in einem ^^^^^3^9^ 9^9^" ^'^ (S^alebonier gu ©boracum, bem
f^äteren Jjorf, am 4. ^ebruar211 erlag, ©ein ß^arafter toar ftreng^ec^tlic^, nic^t o^ne
eine Seimifc^ung bon ©raufamfeit. ©taat^flug unb energifc^ l^at er bcm Sleicle nai)
ber TOi^regierung be« (Sommobu« unb ben bann folgenben SSürgerfciegen toieber ßalt
60 unb ^rieben gegeben. 2)ie ^Regierung leineig Äaiferö bi« auf Äonftantin ift für bie äu^
Sft^tvn», fiaiftt 257
bilbung bc« römifc^en SWec^tö fo fruchtbar gctpcfen h)ic bie feine; ^JJapinian machte er
3um praefectus praetorii, Ulpian unb $aulu^ gehörten ju feinen intimften Späten.
aSielfad^ nimmt man an, bafe ©eöeru« big jum ^a1)xt 202 c^riftenfreunblid^, bann,
bur^ irgenbtoeld^e un^ unbefannte ©rünbe umgeftimmt, jum ©cgner unb SSerfolger be«
(S^riftentumg getoorben fei. 35ie 2lnnal^me einer UmleJ^rung ber Stellung be^ Äaifer^ 6
5U ben ß^rtften möchte aber einer genaueren ^rüfung ber Quellen gegenüber fc^toerlic^
faltbar fein. Sltö ©renjfc^eibe ber beiben ^erioben in feiner Slegierung gilt ba« ®efe^,
h)elc^eg ©eöerug im ^af^x^ 202, nad^ glänjenben Siegen über bie 2lrmenier unb ^art^er
jurüdflel^renb, in ^ßaläftina erlaffen ^at. Sjjartian berichtet barüber (Severus cap. 17):
„In itinere Palaestinis plurima jura fundavit, Judaeos üeri sub gravi poena lo
vetuit, idem etiam de Christianis sanxit.'' 92un ift iWax nid^t ju be^tveifeln, bag
bie aingabe be« ©jjartian richtig ift;*auc^ toirb er ben §au})tinl;alt be^ ©efc^e« richtig
toiebergegeben l^aben. 2)anac^ lann aber bag ®efe§ nic^t au^ ber 9tbfic^t hervorgegangen
fein, eine attgemeine 33erfolgung jur Slu^rottung beö ß^riftentum^ an^uorbnen. 93ielme^r
fann bie äbftd^t nur getoefen fein, ber bebenflic^ fortfc^reitenben ^rojjaganba be^ ß^riften^ 15
tumg §alt gu gebieten. 35ag g^riftentum toar Verbotene 9leligion; inbem ber Übertritt
5u i^m mit fc^tüerer ©träfe bebrol^t tourbe, tourbe ber Sled^t^ftanb nic^t geänbert; e«
h)urbe nur nac^brücflic^ an il^n erinnert. 2)arauö erllärt fid^, ba^ fji^ au^er ber
5Roti^ bei ©j)artian fonft feine Bpnx bc« ©efe^eö finbet. 3" ^^^^^ ^Kärt^rerafte ber
3cit tpirb eg ertoäl^nt, fein Slic^ter beruft fic^ barauf, fein Slngeflagter nimmt barauf 20
Sie^ug. SBir Serben alfo annehmen muffen, bafe e^ jiemlic^ fj^urlo« Vorüberging, nur
ba| ^ie unb ba too^l ein ^rofonful fidb baburc^ angetrieben füllte, bie geltenben ®efe^e
gegen bie 6l^riften fc^ärfer ju l;anbl^aben. 3Son einer attgemeinen 33erfoIgung unter
©evcrug ift alfo feine 5lebe, bie partiellen aber fallen, toie bie in aig^pten unb and) tpol^l
ber änfang ber afrifanifc^en, fc^on Vor ßrlafe be^ ®efe§eg. Überl^ai4)t tPtrb man fc^toer^ 25
lic^ annel^men bürfen, bafe biefe 33erfolgungen bireft Vom Äaifer ausgingen. 6^ finben
ftc^ manche ©^m})tomc, bafe ©everu^ perfönlid^ ben ß^riften nic^t feinb toar. lertuHian
er^ö^lt (ad Scap. 4), ber Äaifer fei in einer fc^toeren Äranf^eit Von einem 6l;riften
^roculug 3:orpation burd^ Salbung mit Öl geseilt unb ^abe biefen ß^riftcn au^ ^anh
barfeit in feinen ^alaft aufgenommen; er berid^tct, ber ältefte ©o^n be^ ©cveru^ ^abeso
eine g^riftin jur Stmmc gehabt, SeVcrug felbft ^abe bie ß^riften bem 3Solf gegenüber in
Sd^u^ genommen: Sed et clarissimas feminas et clarissimos viros Severus
sciens hujus sectae esse, non modo non laesit verum et testimonio exornavit
et populo furenti in nos palam restitit. 3Künter (Primordia ecclesiae africanae
pag. 172) benft fic^ biefen Vorgang in Slfrifa, rid^tiger möchte e^ fein, ben ©d^aupla^ 35
in 9lom ju fuc^en. 5Rur ben 5JJitgliebern fenatorifc^er gamilien fommt bie Sejeid^nung
clarissimi m, unb bafe bamalö bereite manche au^ ben vorne^mften römifc^en ®e-
f(^lec^tem g^riften haaren, bezeugen bie 2i"fd^riften ber Äatafomben (be Slofft, Bullet,
di arch. crist. III. 1, 177 ff.).
2luc^ im §aufe beg Äaifer^ gab eö jmeifelloö G^riften, unb U)ir finben feine ©})ur, 40
bafe fie beunruhigt tourben. ®erabe bie römifd^e ®emeinbe l^at f\d) unter ©eVeru^ be^
voHen, nur vielleicht l^ie unb ba burd; einen einjclnen 6^riftcni)ro^efe unterbrod;enen,
grieben« gu erfreuen gehabt. Dafe ©eVeru^ fpäter umgeftimmt fei, bafür lä^t fid^ au^er
bem oben bereite getvürbigten ©efefee fo toenig ein SSetoei^ erbringen, alö auc^ nur Ver^
muten, tpa^ il^n jum »Jeinbe ber ß^riften gemacht l^aben mag. 45
3)aburc^ ift jeboc^ nic^t au^gefd^lojjen, ba^ einzelne ©tatt^alter, fei e^ au^ J)erföns
lieber äbneigung gegen bie ß^riften, fei eö burc^ bie ©timmung be^ SSolfe« in i^rer
^rovinj veranlagt, mit ©trenge gegen bie ß^rlften vorgingen, tooju ja bie befte^enben
®efe$e bie ^Kittel boten. Dafe ba^ Vom Saifer nic^t ge^inbert tourbe, Verfte^t fid^ von
felbft, \a tomn unter feiner Slegierung bcrartige >)artielle SSerfolgungen me^r atö fonft 50
Vorfommen, fo cntfjjric^t baö nur feinem ftrengen unb auf ftrenge §anbl^abung ber ©e^
fe$e gertd^teten ©inne. 3"f^f^n l^aben. bie ©tatt^alter getoife aud^ nid;t gegen bie
Intentionen be« Äaifer« ge^anbelt.
Solche leilverfolgungen famen in ä(gVt)ten unb ber I^ebai^, im })rofonful. 2lfrifa
unb im Orient vor. 3n Sllejanbrien erlitten ^a^lreic^e ß^riften ben SWärt^rertob. „iäg^ 60
lid^," fd^rctbt ßlemen^ von Stlesanbrien (Stromata II, 20 ©. 494 ed. ^otter) „fe^en
toir Viele ^Dlärt^rer Vor unfern Slugen Verbrennen, fremigen, mÜ}aupUn". ßufebiu^ giebt
VI, Iff. eine ©c^ilberung biefer SSerfolgung. 9iamentli^ genannt toerben aU 5Rärt^rer
Seonibe«, ber 3Sater be^ Drigeneä;, ©erenuö, §eraflibe^ u. a. 9tudfü^rlic^ beridfitet toirb
über ben SKärti^rertob einer Jungfrau 5ßotamiäna unb i^rer ^Kutter aitarceHa (bie Sitten w)
ffUaU(hici9tlopählt für Xf)toloqit unb Stixdtt. 8. «. XVUI. ]^7
258 Setimtd, Saiftt
bei SRuinart, Acta mart. sine. p. 107 cntl^alten mand&c^ Unfic^crc unb ©agen^aftc).
3^r Selenntni^ gctoann auf bcm SBcöc jur Stid^tflatt Safilibc«, bcr balb barauf felbft
feinen (Stauben mit bem 2^obe befiegelte. ?Ric^t minber l^eftig toaren bie SBcrfoIgungen
in äfrifa. §ier fc^einen fie fc^on 197 ober 198 begonnen m l^aben (ögl. IcttuHian^
6 ©c^rift Ad Martyres). ©enannt toerben fjjäter einige G^riften mit j)unifc^em ?Ramen
(?Ram})l^an, Augustini ep. 16f.) u. a. ^m römif^en SWart^rologium l^ei^en fie bie
aJlärt^rer öon 3Kabaura. ©ttoa in ba^ ^al}x 202 ober 203 toerben toir ba^
3JJart^rium ber gelicita« unb ^er^)etua ^u legen ^aben (bgl. 93b XV ©. 161,8). 9tac^
einer jeittoeiligen 3iu^e fc^eint bie 5Berfolgung unter bem $rofonfuI ©ca^ula 211 noc^-
10 mate, namentlich in 5Jumibien unb 5Wauritanien, iebod^ nur für furje S^xt angebrochen
ju fein (t)gl. Tert. Ad Scap. u. Scorpiace). 3)ie fj)äteren 9^ac^ricl^ten öon einer Verfolgung
in ©attien, namentlid^ in 2^on, Wo ba^ ßl^rifteÄblut in Strömen öergoffen fein foü
(Greg. T. H. Fr. I, 29, ©.47), ftnb ©age; befonber« ift ba« SJlart^rium be« ^rcnäu^
fic^er ungefc^ic^tlid^. 9licl^t in bie 3^i^ ^^^ ©e})timiug ©eberug fäüt ba^ 3)Jartt»rium
15 ber ei^riften bon ©citti f. b. 3lrt. oben ©. 84. 3n ©^ricn unb ^ontu« führte bcr
©inbrudf ber 33erfoIgung gu ent^ufiaftifd^en ©rfd^einungen in ben d^riftlid^en ©emeinbcn,
i>gl. ©ufeb. H. e. VI, 7 unb bie ÜRad^ric^ten be« $i^})oI^tu« im 3)an. Äomm. IV,
18 f., ©.230 ff.
3m gangen U)irb man fagen bürfen, ba^ bie Sage ber ßl^riften unter ©eptimiu^
2o©eberu^ biefelbe blieb, toie unter ben Slntoninen. 3JJa^gebenb toaren bie ®runbfä|c
be« S^rajanifd^en SReflri^t^; aber baö ®efe^ be^ ©eberu^, fo toenig e^ für ben 9lugen=
blid bebeutet ^aben mag, toar bod^ toie ein 33etoei^, ba^ jene^ nid^t genügte, fo auc^ ein
3Sorfj)ieI lommenber ftrengerer 3JJa^regeIn, unb bal;in beuten ebenfalls bie toenn auc^
nur lofalen boc^ l^eftigen SBerfoIgungen in einjelnen (Sebieten.
25 3w"^^P freilid^ folgte eine ^eriobe tiefften ^rieben^ für bie Äird^e, ja eine ^Äi,
in ber man fic^ in ben regierenben Äreifen Slom^ bem ßbriftentum auf cfleftifd^er unb
f^nhetiftifc^er ©runblage näherte, tool^I gar mit ©ebanlen einer Äonforbie jtoifd^en
ßl^rißentum unb ^eibentum trug. 6« ift bie Rtxi ber f^rifc^en Äaifer, gu bcnen in gc=
toiflem ©inne auc^ fc^on ©ejjtimiu^ ©eberu^ gehört. 3^^^ ^ f^l^f* ^^^ 9tfrifaner, aber
30 feine ©ema^Iin 3ulia Domna toar eine ©^rerin, unb bie grauen am §ofe, ^ulia Domna
felbft, i^re ©c^toefter ^uüa SRoefa unb il^re Siid^ten, bie Söc^ter ber 3ulia SJloefa,
©oömia^, bie 3JJutter be^ Raifere ©lagabal, unb S^lia SJlamäa, bie SJlutter bc« Äaifer»
SBllejanber ©eberu«, Ratten auf bie rcligiöfe Slidbtung ber näc^ftfolgenben itaifer einen
bebeutenben ©influfe. Um fte fammeltc fic^ ein itrei^ öon ^pi^ilofojjpen unb ©ele^rtcn,
35 unb in biefcm Äreife tourben aud^ bie religiöfen S^^ögen biel öerl^anbelt. ®ine Steigung
jur römifd^en ©taat^religion l;atte man ^ier nic^t. 3Bar boc^ ^ulxa 2)omna bie 2^oc^ter
eine^ ©onnen>)riefter^ in (Smefa. 2)er ^\xq, ber l;ier l^errfc^te, toar bielmel^r cc^t fün=
hetiftifc^, unb in bicfem ©^nfreti^mue l^atte man aud^ ein getoiffe^ 33erftänbnig für ba^
ß^riftentum. 3JJan fül;Ite bod^, ba^ an ber mn^n ^Religion dWa^ toar, man berfc^lofe
40 fid^ bem nid^t me^r, bafe bie G^riften ettoa^ l;atten, toa^ bem §eibentum fel^Ite, unb
tuig fid^ mit bem ©ebanfen, ba^ bem ^eibentum jugufül^ren, um e^ fo ju reftaurieren.
äug biefem Greife ift ba^ 33ud^ bei^ ^biloftrat ^erborgegangen, in bem Stpottoniu^
bon It^ana gerabegu al^ eine 2lrt §eibenc^riftu« bargefteHt toirb.
3n grober SBeife tritt biefer ©t;nlretigmug bei bem Äaifer ©lagabal (218—222)
45 ^er\)or, bcm bie Älugl^eit ber SJulia SItoefa unb i^rer 2öc^tcr, nac^bcm ßaracalla burc^
9Jlacrinug crmorbct toar, ba^ Sfteic^ ju ücrfd^affen tou^te. ©lagabal ftrcbtc bal^in, alle
bie t)erfct)icbenen 9teligioncn beö römifc^en 9teid)g gu bereinigen unb aHe ®ötter feinem
^öc^ften ©Ott, bem ©onnengott bon @mefa, beffcn ©i;mbol, einen fc^toarjen ©tein, er
na4 5Hom gebracht ^atte, ju untcrtocrfen. S^m tooHte er in SRom einen großen lem^jcl
50 enic^ten, unb in biefem 2cm})el follte auc^ bcr 3ub^"0ott unb ber Gl^riftengott feine
Äa^cHe l^abcn. 3" eblcrer SBeifc re^räfentiert ben ©^nfreti^mu^ Sllejanber ©eöeru^,
bcr, nac^bem bie bon ßlagabal in ©cene gefegte Orgie 222 il^r ®nbe erreid^t ^tte, ben
I^ron bcfticg. 3(lcjanbcr ©ebcru^ nac^ §erobian (V, 3) 208, nötiger too^I nad^ Sam-
pxWxui' angäbe (Sllcj. ©cbcruö c. 60, bgl. (Sdf^el, doctr. numm. VII, 267) 205 ju
55 Strfe in ^^Sl^önijicn geboren, toar bon feiner 3Kutter 9Jfamäa forgfam erjogen, ein eblcr
e^araltcr, gctoiffcnl;aft, faft ffrupulö^, fanft, ein greunb aller ©ötter unb 3Jlenf(^en.
SSor allem toar bie rcligiöfe ©citc bei i^m ftarl enttoidfclt, unb jtoar ber 9Jeigung feiner
3DJuttcr entf>)rcc^cnb in efleftifd;cr, fbnlrctiftifc^er SHic^tung. gr toar emjjfänglidp für oflc^
©Ute, unb jebe 3leligion flößte i^m S^rfurc^t ein. ^n biefem ©inne ad^tcte er auc^
60 bad g^riftentum, e^ toar il^m eine Religion ncbm ben anbern, unb in feinem Sararium
Setient9, ftaifer S^aterd 259
ftanb baö Silb Gl^rifti neben bem be« Dr))^eu^, be« Hbral^am, be« Srj)offoniu^ t)on 3:]9ana
(£amj)ribiu^ c. 29). SBie er bie t)on ©lagabal öe))Iünberten %^mptl ber ©taatöreligion
tüiebet ^erftetten liefe unb il^nen bie, t)on Qla^ahal in feinen ©onnentemj)eI flefcl^Iej)})ten
Heiligtümer jurücfgab, fo toottte er audb, h)ie 2anH)ribiu^ erjö^lt (c. 43), unb bie ®rs
gä^lung ^at nid^tö Untoa^rfd^einlid^e^, ß^rifto in 9lom einen %tmpd errieten, gn einem b
©treit jtüifd^en ber 3""f^ ^^ (Sarföc^e unb ber c^riftlid^en (Semeinbe in 9lom um ein
@runbftü(f entfc^ieb er ju ®unften ber (enteren, inbem er bemertte ,,meliu8 esse ut
quomodocumque illic Deus colatur quam popinariis dedatur" (£am))ribiu^ c. 49).
9iament[ic^ fc^eint i^n aud^ bie c^riftü^e @t^il angejogen gu ^aben. @r führte ben
©^rud^ ,,h)ad il^r nic^t tooHet, bafe euc^ bie £eute tl^un JoQen, ba^ tj^ut i^r i^nen aud^ lo
ni(|>t", l^äufig im 3JJunbe unb liefe i^n an öffentlid^en ©ebäuben anbringen. 9lod^ naiver
fd^eint SJlamäa bent g^riftentum geftanben ju l^aben. Sei einer 2lnU)efen^eit in an=
tiod^ien liefe fie Drigene« ju fid^ fommen unb öerfc^rte mit i^m (®ufeb. H. e. VI, 21).
SDafe pe felbft ßl^riftin getoefen fei, ift ©age. ©ufebiu^ nennt fie ffvax „yvvij ^eo-
oeßcoiärr]", U)ill fte bamit aber getpife nic^t al^ 6l^ri)tin be^eic^nen. Sbenfo n^enig iDeife i5
^icron^mu« baöon; ber erfte, ber fie jur ßl^riftin mad^t, ift Drofiu^ (VII, 18). 3luf
ben 9Küngen erfcbeint fie mit ^eibnif^en ©mblemen unb 3"f^rift«n-
3)afe unter Sllejanber^ ^Regierung bie ßl^riften unbe^eUigt blieben, U)ar bie natürliche
§olge feiner religiöfen ©teOung. 9lu^brüdlic^ fagt Sam^ribiud t)on il^m: ,,Christianos
esse passus est". 9luc^ fonft tpirb bie 3^it feiner Slegierung atö eine S^xi ungetrübten 20
griebend für bie itird^c begeid^net. ©ebeutfam ift in biefer Sejiel^ung ba« t)on ©ufebiu«
gelegentlid^ (H. e. V, 16, 19) mitgeteilte Rtugnl^ au« einer gleicpjcitigen antimonta«
niftifd^en ©d^rift. 3)ie 5Pro})^etin aJlapmiua ^atte für bie näd^fte 3^^^ Verfolgungen
geh)eidfagt, jene antimontaniftifd^e ©d^rift ftraft nun bie 5ßro))^etin Sügen, inbem fie ba«
rauf l^intoeift, bafe feit bem Sobe ber ^roj)betin (ungefähr 218) bie ßl^riften Dielme^r 26
bauemben griebcn {elgi^vt] didjuovog) genoffen l^ätten. 3lud^ g^^^^^^^" ^^"^^^ i" ^'"^"*
Sriefe an 6^j)rian, ber ettoa 256 gefd^rieben ift (ep. 75), baöon, bafe bie ß^riften im
folge be« langen ^rieben« (longa pax) bertoö^nt feien, gmmer^in ift e« aber möglid^,
bafe ^ie unb ba einem ß^riften ber $rojefe gemacht tourbe, aber getoife l^at feine eigent«
lic^c 35erfolgung ftattgefunben. ^m 3Släxi 234 tourbe Sllejanber bom §eere ermorbet. ao
©eltfam fc^toanfenb ioar ba« f^ätere Urteil über älleganber ©eöeru«. SBäl^renb
man im 3. ^al^r^unbert bei ben Äaifern, bie ßl^riften getoefen fein foHen (3)ion^f. t)on
Sllej. bei 6ufeb. h. e. VII, 10, 3: ol kex^^vreg ävacpavdbv ;|j^taT£avo2 yeyovivai),
neben ^^ili^i)u« Slrab« toal^rfd^einlic^ cm i^n backte, ift er t)on ber fjjäteren ©age ju
einem toütenben ß^riftenöerfotger gcftem>)elt toorben, unter bem 2^aufenbe t)on ß^riften S5
ben 2^ob erlitten. 5Ramentlic^ hjerben al^ 3)lärt^rer unter i^m genannt bie römifdjjen
93ifd^öfe GaHiftu« unb Urbanu«, unb auc^ ba« berühmte 3JJart^rium ber l^eiligen
ßäcilia toirb in biefe 3^'^ verlegt. älHe biefe Slngaben fmb ungefc^id^tlid^. 3^^^^
toirb ßalliftu« bereit« in ber Depositio martyrum ber liberianifd^en ßl^onif t)on 354
ate SKärt^rer bejeid^net, aber Sipfiu« ^at getoife Stecht, toenn er (ßl^ronologie ber w
römifc^en Sifd^öfe ©. 172 ff.) be^aujjtet, biefe JJoti^ be^ie^e fid^ nur auf ein Se^
fenntni« be« 6alliftu« in feiner früheren Sebeng^eit (Philosophumena IX, 12).
2)er liberanifc^e ^aj)ftfatalog (Üi^)fiu« ©. 260) fennt i^n aud; nid^t al« SJlärtl^rer.
äud^ bie Sitten ber ^eiligen Säcilia (bei ©uriu«, auc^ t)on Sofio, 9lom 1660, ^erau«s
gegeben) fmb getoife uned^t. 3)e Sloffi unb 3lub^ ^aben jtoar toerfud^t, einen ^iftorifd^en 46
Sern ju retten ; be Sloffi verlegt ba« DJJart^rium in bie le^te ^zxi 9J?arI 2lurel« (Roma
sotteranea II, 147), Slub^ (a. a. D. ©. 417) toiH e« unter 2)eciu« legen, beibe mit
augenfc^einlid; unl;altbaren ©rünben. Dbtool^l bie l^eilige ßäcilia bereit« bei ^Pfeubo*
2)amafu« um 530 ertoä^nt h)irb, unb i^r Stultu« boc^ in« fird^lid^e Slltertum l^inaufs
^ureid^en fd^eint, ift e« boc^ unmöglid^, au« biefen Sitten einen ^iftorifc^en Äern l^erau«« 50
iiufd^älen. SRod^ unl^altbarer fmb bie fonftigen (Sr^äl^lungen t)on SKärt^rem unter
aiejanber ©eöeru« (f. 5Reumann ©. 309 ff.). «.Hl|Il|onit «^awi!).
S^ofteöbur^ f. b. 31. 3)ei«mu« Sb IV ©. 547,8.
Später«, entJ^ufiaftifc^^tommuniftifd^e ©efte. — ßitteratur: SBitt. 9llfr.
^inb«, American CJommunities, 1878, revised edition, (J^tcago 1902 (biefe Icjtere ^uggobe fann 65
aßeinnoc^ in^ctrad^t fommen; fie bietet eine 2)QrftcÖunfl uon oicrjifl me^r ober weniger fom=
muniftifc^ organifictten ®emeinf(^aften, mcift religiöten (Betten, in 9lorbamerifa ; oal. für bie
S^Icr« @. 26—62); ?(rt. @§afcr« in Encyclopaedia Britannica 9"» edit, vol. XXI, 188G;
17*
260 e^alerS
^rt. Lee, Ann, in Dictionary of National Biography ed. by Sidney Lee, vol. XXXII, 1892 :
in beiben ^vtifeln weitere ©pejinllitteratuv, bic nidjt gering ift (eine Ueberfic^t aud) in bctn
SBcrfe tjon 's©. @. SI. Stion, Biographical Notice of Ann iJee, Liverpool 1876, njcIc^cS mir
nid)t jugönglid^ war).
6 2)ic ©l^aler fmb in einer Sleil^c bcr öftlid^en ©taaten bcr norbamertfanifd;cn Union
vertreten, 1902 in 15 „societies", bie jebe für fid^ toenigften« 2 „families" bilben;
jebc ber leiteten ift im ©igentum unb überl^au^jt in allen Stngelegcn^citen („matters",
b. 1^. tpol^l in il^ren (Scfc^äften unb befonberen öfonomifc^en ©inric^tungen) ein ®an^e^
für fid^. §inb^ giebt bie ^af}l ber families = communities auf 35 an, bemerft aber,
10 bafe jtoei neue Settlements im ßntfle^en feien. 3)ie ©efamtjal^l ber aJlitglieber beläuft
fid9 bo(^ nic^t auf mel^r afe 1000; geittpetlig Wax bie ©che fünfmal fo ftarf, ift alfo
toie mc^r ober Weniger aHe fommuniftifd^en ®nH)j)en mit ber ßüt fel^r jufammen=
gejc^moljen. ^i)xc crfte SJieberlaffung (settlement) toar bie in ÜRi^fa^una (jefet 3Bater=
öliet) im ©taate ?Reh)59)orf, 1776; i^re erfte „completed Community", noc| je^t bie
16 bebeutfamfte society, iourbe gebilbet in 3Kt Sebanon Sletos^orl, 1787. 3)ie finanjicHc
2aa^ ift nirgenb^ eine glänjenbe; §inb^ fonftatiert, bafe bie ©l^aler iebenfattö entfernt
ni(9t fo reid^ feien, h)ie baö (Serüd^t gel^t. Sängere ^^i l^ätten fie unter *er „land-mania"
geftanben, fie befäfeen nod^ je^t loo^I in ben öcrfd^iebenen ©taaten jufammen 100000 acres
(3JJorgen), aber jum leil ertraglofc^ 2anb. SSiel ju gering an Ral}l, um ben ganzen
20 33efi| felbft nu^bar iju mad^en (man l^at toefentlid^ bie 3:enbeng auf „%xbtit ber $änbe"),
^abe man mand^e^ öerpac^tet, toielfac^ Sffiälber angelegt, ©d^aftriften l^ergeftettt 2C. 9tm
einträglic^ften l^abe ftd^ ber ©artenbau ertoiefen, baneben bie Anfertigung unb ber 3?er=
lauf bon allen möglic|>en ©erätfc^aften, gu benen bie SBälber ba^ ^ol^ lieferten, aber
energifc^er Äonfurrenj feien bie families meift nid^t getoad^fen gehjefen. 3)ie Dörfer
26 ber ©^afer toerben gerül^mt al^ ftet^ freunblid^ gelegen, fe^r reinlich, tüo^l g^fl^gt,
frieblic^ ftitt. Slirgenbd treffe man ein 3Birt^|au«; unb ä^nlic^e«. 2)ie SBen^äufer,
©d^eunen, ©tätte, Rücken, ©d^lafl^äufer, SBerfammlung^^äufer (e^ fann ftd^ überaH nur
um ganj fleine Ortfc^aftcn l^anbeln) ^aben, h)ie ^inbd fagt, aQe „something of the
air of a chapel". 3)ie ©elte beftel^t nur aug Sölibatären (^TOännem unb ^auen).
80 3l^rem Urf^runge nac^ Rängen bie ©^afer mit ben Dualem gufammen unb finb
begrünbet bon einer gehjiffen älnna See, bie fie furgtpeg „mother Lee" nennen. 3)ie See
toar geboren ^u 5Wand^efter am 29. gebruar 1735 (nad; je^iger Slec^nung 1736), ^^oc^ter
eine^ ©robfc^mieb^, nie be^ Sefenö unb ©c^reiben^ funbig, öon friil^ auf ^^fterifd^, bon
„tiefem ©ünbengefüJ^l" ergriffen, feit 1762(1763) mit 2lbral^am ©tanberin ober ©tanle^
86 verheiratet, ebenfaDö einem ©c^mieb, bem fte bier Äinber gebar, bie aber fämtlic^ balb
ftarben. ©eit 1758 gel;örte fie einem Äreife öon Duäfem an, ber unter ber ^ü^rung
be« ©d^neiber^ gameö SBarble^ unb feinet SBeibe^ ftanb unb feinerfeit« fi(^ f^Jegiett bem
„5Pro^)^eten" ^ol^n Sac^ (1664 bi« c. 1737; f. b. ärt. im Dict of Nat. Biogr.,
voll. XXXI) erfc^loffen l^atte. 2ac^ Wax m feiner Slotte afe ^ro})l^et (mit SBei^fagungen
40 über ba« 6nbe, fc^toerc 2)rangfale k.), SÖunbert^äter (Teilungen), 3w"Ö^"'^^^'^^ ^c. ge^
tommen im 3"f^"i"^^"^^"0 *"'^ ^^" ^^fi^onjbfifc^en ^JJroji^eten", ben S^fpi^erten au« ben
ßetoennen, beren ©efi^te unb anberen Offenbarungen er litterarif(|> für ©nglanb tytx-
arbeitet l^atte, babei je länger je mel^r felbft bon gnfjjirationen befallen. (3Sgl. für bie
$ro))^etcn au« ben Getoennen, bie jum ieil nad^ gnglanb geflol^en tparen, auc^ nac^
46 i)cutfc^lanb famcu, ben älrt. bon Regler über „3nfJ)irierte unb 3"f>>ii^ö*ion«gemeinben",
in Sb IX; ^ier ift ^ol}n 2aCg nic^t ertoä^nt, f. jeboc^ meinen 2(rt. „^einecciu«" in
S3b VII, fvejietl ©. 600, 4b). gn feinen eJftatifc^en 3wftänben geriet er in 3utfungen
be« ganzen Äörper«. Verfolgungen burc^ bie ©taat«Iirc^c unb ben ©taat, benen er au«=
gefefet loar, fc^ufen il^m neue Sln^änger unb beranlafeten i^n ba« 2anb ^u burc^gie^en.
60 9Ja4 ben afe befonbere Werfmale ber SBirffamJeit be« ^l. Seifte« betrad^teten unb attent*
falben auftretenben fc^üttelnben 33ch)egungen ber Äörper erl;ielten feine Seute ben 5Ramen
„Shakers" (©d^üttler). 2)ie See trat in bem oben bejeid^neten lolalen Äreife balb in
ben SSorbergrunb, inbem fie befonber« burc^ Sifionen begnabet tpurbe. Salb brad^te fie
atler^anb „I^corien" auf bie Sal^n, befonber« bie t)on ber 9lotU)enbigfeit ber gefc^lec^t^
66 liefen ßnt^altung unb bon einer 3BicberiEunft ß^rifti in ©eftalt eine« SBeibe«. 9latürli(^
tDurbe fie felbft balb al« ba« 3Beib erfannt, in bem ber^err erfd^ienen fei. gortab galt
fie i^ren junäc^ft boc^ toenig ^ahlreid^en ©onberanl^ängem unter ben ©^alem afe „erfte
9J?utter ober geiftlid^e Sll^nfrau ber ffleibe«linic (Gl^rifti)". 3^^ 3nann^ toerliefe fie toegen
i^rer Slnfc^auung über bie @l^e, jeboc^ erft nad^ il^rer (gemeinsamen) Überfiebelung noc^
60 3lmerila(1774:), juber fie fid^ burd^ eine Offenbarung, bie i^rtoäl^renb einer „SJerfolgung"
(B^ahv» @i6d 261
in (Snfllanb ^u] teil tourbe, öcranlafet fal^. SJJit 18 3""0^i^" hüxat fic bcn 35oben
2lmerifa^ in ^ItW-^oxt unb trad^tctc fortab bie true church, tpic i^r tocrl^ei^cn Wax,
^u errichten, ^ßrebigcnb ba^ 2anb burc^jie^enb, rief fie Dielfad^ eine „ertoeching" l^ertoor.
©ic mufe eine nid^t geringe Sieben unb jumal aud^ 2)ici^tergabe befeffen ^aben ; ibre geift-
lic^en Sieber ftnb noc^ unter ben ©^afem Verbreitet, äud^ in 9tmerila Verfiel 3JJutter 6
See ber „Serfolgung" unb einer ©efangenfd^aft. Q^ ift faum ju unterfc^eiben, toa^ an
ben gegen fie unb i^re Sln^änger gerid^teten Slnflagen, bafe fie fid^ geißelten, nadEt taugten
unb anbere« Sebenllic^e tl^äten, ber SBal^rl^eit entfjjrac^ unb toa« nid^t; mit ber ^6t
haben jebenfatt^ fold^e ßirtraVaganjen, tpenn fie je U)irflid^ vorgefommen, ein 6nbe ge^
funben — ben je^igen ©j^alem totrb nid^t^ fotc^e^ me^r nad^gefagt, fic gelten im ®egen= lo
teil für VöDig unanftöfeigc fieute. 3" ^Kutter £ec^ Sebjeiten tpar ber Kommunismus
noc^ unenttoiäelt. ©ie ftarb in 3JiSfa^una bereits 1783; i^r erfter 9lad^f olger toar
3iameS SBittafer, bann (feit 1787) S'^f^^ SRead^am, ber eigentlid^c Drganifator ber
„Shaker Community".
3)er 9Jame, ben bie ©l^afer fid^ felbft unb offiziell geben, ift „The United Society i6
of Believers in Christ» second Appearing", auc^ „The Millennial Church". gl^re
3been fmb niebergelegt in bem „Testimony of Christs second Appearing, exem-
plified by the Principle and Practice of the True Church of Christ" (Vierte,
n)ie eS ft^eint Ie|te Ausgabe, 1856) unb in %. 2B. ©VanS „Shakers' Compendium"
(1859). §inbS friert bie Seigre in ber Äürje. ©ie ruj^e auf Vier „pillars or basic»
principles", nämlid; ber ^orberung ber gwnöf'^öulic^feit (bejto. ^Preisgabe ber @l^e),
eines brüberlic^en ÄommuniSmuS, eineS rüdfl^altlofcn SelenntniffeS auer begangenen
©ünben Vor 3^0^" ^^ Community (nur haft eineS foId;en fönne man ^nixxtt gu ber
true church finben), enbli(^ „3;rennung Von berSBelt". 6S ift eine 3lrt von 3Rönc^S-
folonien, bie bie families barfteQen. SiS Sm)uS eines redeten ©l^aferS gilt }uoberft26
G^riftuS, ber aber als toieberinfamiert in wfin See („Ann the Word") angefe^en
loirb. 6S fd^eint, ba^ fie ein ganjeS „t^eoIogifd;eS ©#c"^" ^erauSgebilbet l^aben, unter
©runblegung beS ©ebanfenS einer „3h)ei^cit" (tool^l uRanntoeiblic^feit) in ber Oottl^eit
unb mit bem §inblitf auf baS fommenbe „taufenbiäl^rige SReic^". 2)aS detail ^at faum
^ntercffe. J^inbS berid^tet nod[> über bie SSerfaffung ber ©ef te (bie fe^r einfach ift), il^re 3lrt ao
ber ^ro}3agation (burd^ greitoiHigfeit, aber anfc^einenb im 3wffl*""^c"^Ä"0 *"it einer 2lrt
t)on äufeenfreiS), bie ©tufen unter ben 3RitgIiebem, il^r regelmäßiges lagehjerl, il^rc ©r^
fd^Iiefeung für mand^c mobeme gbeen, jumal für ein mäßiges gntereffe an geiftigen Äultur«
gutem. Über bie 3lrt il;rer regelmäßigen ©otteSbienfte finbe ic^ nid^tS, too^I bagegen
bie 5Kitteilung, baß fie „SBerle^r mit ben ©eiftem" l^ätten; jeittoeilig feien i^nen 2)u^enbe 86
Von „^Kebien" bef^eert getoefen. gn ^toei großen volumes, mit bem 2^itel „A Holy
Sacred and Divine Roll and Book from the Lord God of Heaven to the In-
habitants of Barth", 1843, unb „The Divine Book of Holy and Eternal Wisdom,
Revealing the Word of God", 1849, finb bie toic^tigften „messages" ber ©eifter
Vcröffentli^t toorben. g. ftotteniufi^. 40
Sibel, Äafjjar, geft. 1658. — Historica narratio de curriculo totius vitae et
peregrinationis meae. ^ffr. in ber ©tobtbibliot^ef ju 3)eüenter, in 2 SBben (ber 3. ift no^
nit^t aufgefunben), ?lbbrucf bis jum 3a^re 1609 in ber Jeftfc^r. j^ur geicr beä 300jö^rigcn
23cftc§cnS ber gum ®l)mnafium auSgebitbctcn fiatein. @d)ule j^u iSIbcrfelb o. Subtoig ©djcibe,
eibcrfelb 1893, ?lbfd^r. in ber ©ibl. beö S3crg. ©efc^.=SBer. eiberfelb, «B9l(S» ?lrt. @ibcl üon 46
St. m »outcrttjef, W^^ von^. Ärafft, 9lbS3 34. S3b, geitfdjr. b. SBerg. ®efd^. SScr. 4. 83b: 3)ie
^Reformation im SBuppertl^al von ^Bouterwef, 28. 93b : 3iir (SIberfelber Äird^en- unb ®elc^rten=
gcfc^ic^tc 0. SB. ©arlefe. ?l. 3. V. b. ?ta, Biogr. Woordeob. d. Nederl.
Ra^pax ©ibel, geboren am 9. ^unx 1590 in Unterbarmen auf einem Sauern^of feine»
aSaterö, entftammte einer angefe^enen ©Iberfelber gamilie. 3!)er SBater, ^ßeter S., betrieb go
bie ©ambleic^erei unb Seinentoeberei, Snbuftriejtoeige, burc^ toel^e neben ber ©erberei
unb ber Verfertigung von Sebertafc^en @Iberf elb auf vielen beutfd^en 3JJärften unb ^Reffen,
ja and) im Slu^Ianb fic^ einen geachteten DJamcn ertoorben l^atte. Slber aui) in lirc^-
liefen SJingen \)aiU bie mitSarmen ^ufammen nic^t mehr al^ 3000 ©intool^ner jä^Ienbe
©emeinbe fd^on ettoa« ;iu bebeuten. $ier l^atte feit 1552 ^etru^So evangelifc^ gejjrebigt, öö
in (utl^erifc^em ©inn. @r tourbe Vertrieben, fe^rte aber 1566 gurücf unb führte nun bie
Sieformation in feiner ßeimat burc^, unb jtoar in reformierter Jorm, ber er fic^ in^toifc^en
gugetoanbt ^atte. So tiefge^enb toar [eine SBirffamfeit, bafe ©Iberfelb balb ^um Stü^=
puntt ber eVangelif^en Setoegung im Sergifd^en £anb, jum SWitteljjunlt einer anje^n^
262 ®t6d
Kd^cn ^ai)l reformierter ©emeinben tpurbe, bie, anfangt ber Äölnifd^en Älaffe b. 1^. ber
fj)äteren SüUd^Wen ©^"obe jugel^öriö, feit 1589 eine bef onbere Sergifd^c ©^nobc bilbeten.
Sflid^t tDeniger ate clfmal na^m in ben Salären 1591—94 SIberfelb bie ©^nobe bei fic^
auf, atö i^r SSorort. auf biefem Soben, bem fc^on im 16. unb 17. Sal^r^unbert eine
6 beträd^tlid^e S^]^" eöangelif^er ^ßr^iger entftammte, tpud^ ©. I^eran j in ber 2uft
ftrenger g^ömmigfeit unb Äird^Iid;Ieit, bie t)on beiben ©Item eifrig flejjftegt tDurbe; alö
2)iafon unb ate ^ßre^b^ter toirlte ber 33ater für ba« (Sebei^en ber ©emeinbe, unb bie
aWutter toar eine 3:od^ter t)on ^eter So! ©d;on frül^ ^atte fic^ bie Steigung be^ Knaben
bem t^eologifd^en ©tubium jugetoanbt; bafe fein älterer ©ruber (Sngelbert, nad^mal^
10 nieberlänbif^er ^JJrebiger in ^ranffurt a. 9K., benfelben Seruf ergriffen ^atte, mag ij^n
in feinem SBerlangen beftärlt ^aben. 2)er SJater, toietoo^I er i^n gern in fein ®ef(^äft
genommen l^ätte, erllärtc fid^ einöerftanben unb fanbte il^n, nad;bem er bie lateinifd^e
©d^ule in feiner aSaterftabt befuc^t i)atU, 1605 nad^ §erbom. 2)ad bortige 5ßäbagogium
bilbete bie SSorftufe ju ber l^o^en ©d^ule, ber öome^mften Silbung^ftättc für ba« norb=
16 toeftlid^e 2)eutfci^lanb, fo toeit c^ reformiert tpar. 3lad^ Dletoian« 2obe toar 3^1^. $i^'
cator i^e bebeutenbfte ßwöhöft. Sereit^ nad^ einem SJa^r erl^ielt ©. bie ©rlaubni« ^um
Übertritt in bie Uniöerfität unb toibmete ftc^ juerft nac^ bamaliger Drbnung J)^ilologifcben
unb })^iIofoj)l^ifd^en 3Sorftubien. 2)ie ©ic^er^eit, mit ber er ber einem ^ßromotion^It
ref))onbierte, entlodfte $i^ator ben Stu^ruf: ,,2)a^ toirb einen feinen ^ßrebiger geben".
30 gn bie tl^eologifd^e galultät trat er in ©iegen ein, tool^in ber ^ßeft toegen bie ^od^fd^ule
»erlegt Sorben toar; eifrig befud^te er bie SBorlefungen unb Übungen; ju biefen gehörten
aud^ toöd^entlid^e 2)i^utationen unter toed^felnbem S?orfi^ t)on ^iScator unb ®g. ?ßafor.
SRad^bem er feine 2)iffertation de fide iustificant« öffentlich berteibigt unb ein glänjen^
be« 3lbgang^]ieugni« erlangt l^atte, ging er nac^ Sei^ben. $ier ^örte er jtoar au(^ bei
26 arminiu«, em})fanb e« aber afe fel^r ungel^öri^, bafe biefer t)om ©tubium ber ort^obojen
SReformierten, eine« ßatoin, 93e|\a u. a. nic^t t)iel ^ielt, fonbem i^nen gegenüber bie ©r^
forfc^ung ber I^L ©d^rift betonte, baneben aber bie ©d^riften eine« ©ocinu«, Slcontiu«,
Saftettio, 5Cl^omag öon aquino, SKoIina, ©uarej em})fa^l, „bie bo))})elt fo teuer berfauft
tourben toie bie Sudler ber ort^obojen 2:l^eoIogen". Um fo fefter fc^lofe fid^ ©. an
80 ®omaru« an; unter beffen SSorfi^ t>erteibigtc er 1609 feine Ij^efen de Dei praedesti-
natione. 9lber nun toar „genug bi^toutiert, genug argumentiert, benn ber ^mi be«
t^eologifdben ©tubium« ift ni^t bie 2^$corie, fonbem bie ^JJraji«", fo fc^rieb ber 6Iber=
f eiber ?|}aftor ^ßetm« ßurteniu« unb rief im gintjerftänbni« mit bemSJater ben 19iäl^rigen
jurütf, bamit er in ben 2)ienft ber l^eimatlid[>en Äird^e trete. 3)mn e« l^attm fic^ l^ier
36 bie günftiaften 2lu«fid;ten eröffnet unb gugleid^ 2lufgabm öon großer SJringlic^feit fic^
!;eftefft. 2lm 25. 5Kärj 1609 toar mit bem lobe be« §erjog« Sodann SSUj^elm baö
atl^oKfd^e gürftengefd^Iec^t t)on 3üIic^=6let)esS3erg erlofc^en, bie ^errfc^aft ber im 3"ter=
effe SWom« unb ©})anieng toirfenben Säte be« fc^toac^finnigen gürften ging ju ©nbe,
Äurbranbenburg unb 5PfaIjs9Jeuburg ergriffen Seft^ t)on ben Sanbm, unb bamit ft^ien
40 ein ööttiger Umfc^toung in ber fird^Iic^en Sage t)or ber 3:ür ju fte^en. S)ie ©tjange^
lifc^en, bie bi« ba^in nur mit 9tufbietung ber äu^erften SBiberftanb^fraft, meift in „l^eim=
lid;en ©emeinben", „Semeinben unter bem Äreuji", bem 2)mdf ber ©egmreformation
©tanbgel^alten l^atten, atmeten auf; fte erlangten ^eligiongfreil^eit, unb eine ungel^emmtc
©nttoidcelung ber Sergifc^en reformierten Äirdbe tourbe mit ©ic^er^eit ertoartet ©. prc-
46 bigte in mel^reren ©emeinben, unb balb emt?fing er eine Semfung an bie big öor lur^em
^eimlic^e ©emeinbe ;^u Satingm, einer ber üier alten ^aujjtftäbte be« Sergifc^en Sanbc«.
aber burd^ bie 9J?ac^enfc^aften einer ©egent)artei tourbe bie änftettung toereitclt. 35a fam
burc^ ben il^m bcfreunbeten ^aftor t)on ^einöberg, 3i«>^önneig Seuneflab, ben nad^maligen
l^od^Derbicnten ^aftor bon ©olingcn, bie Sitte an il^n, er möge ben bertoaiften ©emeinbm
60 Sanberatl^ unb ©eilenfirc^en im gürftentum ^jülic^ bienen. ©, nabm bie Semfung an,
tourbe barauf hin in ©Iberfelb gejjrüft unb „fonprmiert" (orbiniert) unb it^ann im ©e^ember
1609 feine STmt^t^ätigfeit, ju ber balb barauf bie 5yerf orgung ber „bienerlofen" @e=
meinbc Sinnic^ l^injufam ; gtoar toirlte er nun in ber ^ülic^f^en unb nid^t ber 8ergif(^m
Äird^e, aber i^toifd^cn bicfen beiben beftanben befonberg enge Sejiel^ungen. 3"Ä^if^^
66 hatten fic^ bie günftigen Slu^fic^ten ber (Sbangelifc^en getrübt. 35ie Säte be« öerftorbenm
^er^og« tooHten bie §errfd^aft ber ^^poffibierenben" j^ürften nic^t anerfennen, fonbem im
9!amen ber .^erjogintoittoc toeiter regieren, faiferlidbe ©olbaten befe|ten mehrere fefle
^lä^e unb riefen fj)anifc^e öeerbaufcn Bin|\u, unb für bie et)angelif(f»en 5ßaftorm in ber
(Segenb öon Sanberat^ tourbe bie Sage gcfäbrlicb genug; tourbe boc^ auf iebm bon
eo i^nen — ^ toaren aufer ©. Dr. I^cob. §orbäu« in ©ittarb, ^oi). Seuneflab in ^ein^
®t6d 263
bcrg unb SEBcmcr £ad^ in SEBaffenbcrö -— ein ganggclb bon 3000 Äönig^tl^alcm augs
gefegt, dreimal cntginö ©., ba er ftd^ t)on feinen ämt^ängen nid^t abl^alten liefe, mit
fnaj)j)er 5Kot ber grofeen (Sefa^r.
2)ie ©emeinbe Slanberatl^ banite feiner 2reue burc^ SCreue. ©ie Wax eine ber älteften
im gülic^erlanb, ate (Semeinbe organiftcrt U)ie fo mand^e anbere tDO^I burc^ nieberlänbifc^e ö
glüq>tlinge, aber ©. ergä^It, bafe bie Überbleibfel flücl(>tiger 2llbigenfer f. 3- in ber ©tabt
^ufluc^t gefunben Ratten unb ein ©amen für bie 3"^""f* g^h)^f«t feien. 2)er Äird^en«
befuc^ toar erftaunlid^, au^ einer Sauerfc^aft in ber 5Rä^e mit 100§äufem famen burd^«
fc^nittlic^ 95 gamilien jur Äird^e, ju Dftem 1611 gä^lte ©. 995 Äommunifanten; in
ber fur;^en §eit öon ftarl 2 3^^^^^*^^ ^'^ ^^ ^*>^^ ftan\>, tpurben 360 ^erfonen nad^ lo
öffentlichen ©lauben^befenntni^ in bie ©emeinbe aufgenommen. ©. tpar nic^t fo un«
befc^eiben, folc^ed atte^ al« gruc^t feiner 2lrbeit anjufe^en; er gebenft treuer Vorgänger
auf feinem 2lrbeit«felb, barunter be« 3JJitbegrünberg ber rl^einifc^en reformierten Äird^e,
Sol^anneg C^enrab unb be« SKärt^rer^ ß^riftoj))^ 5^er, ber 1586 nac^ ber Eroberung
bon 9leufe burd^ bie ©))anier jum ^enfter l^inau^ gel^enlt toorben toar. Seicht Ratten fiep i6
je^t ä^nli(^e (Sreuel begeben, toenn nid^t ber ^ürft Gl^riftian t)on 2ln^alt, bon ben
^offibierenben gur ^ül^rung be^ Äriegeig gerufen, in ffierbinbung mit ben ?RieberIänbem
bie Äaiferlid;en berjagt ^ätte; felbft ba^ bon il^nen befe^te ^ülic^, ba« für unübertoinblid^
galt, öffnete feine 2;ore. 3lod) toäl;renb biefer Belagerung tparen Stbgeorbnete ber refor*
micrten ©emcinben au« ^ülxd), Siebe, 93erg, Äöln, äac^en unb benad^barten ©errfc^aften, 20
am 17. äuguft 1610 in $üren jufammengefommen, um bie erfte nieberr^einifq>e ©eneraU
f^nobe borjubereiten, bie im ©e^)tember in 3)uigburg ftattfanb unb bie Sieformierten ber
genannten Sanbftric^e in Seigre unb 33erfaffung fefter miteinanber bereinigte. SBaren
bor^er bie Sefd^lüffe ber nieberlänbifc^en SRationalf^noben auc^ für bie Sieformierten in
3ülic^, Siebe, 33erg, Stadien, Äöln unb ben bajtoifd^enliegenben felbftftänbigen 3:erritorien 26
mafegebenb getoefcn, fo tourben biefe burd^ i^re eigene (Seneralf^nobe au« ber engen
fird^Iid^en SBerbinbung mit ben Slieberlanben gelöft. Seiben SSerfammlungen too^nte ©.
aU 3)ej)utierter bei. ^n gleid^er ©igenfc^aft toar er auf mehreren fjjäteren ©i;noben gu«
gegen, fo auf ber 93ergifd;en ju 2BüIfrat$, um il^re 2;rennung bon ben übrigen bereuten
ju l^elfen. Gine i^m angebotene ^PrebigerfteHe in 9lebige« bei eiberfelb ^atte er ab^ 80
gelel^nt, fo lodfenb ber 9luf in me^r al« einer ^infic^t für i^n toar; er l^atte feine ba«
mal« nod^ burc^ bie friegerifd^e SSertoitflung bebrängte ©emeinbe nic^t berlaffen tootten.
3ie$t aber, ba ber griebe gefid^ert fc^ien, folgte er einer Berufung nac^ ^lülic^. §ier
beftanb eine Heine ©emeinbe, bie l^au))tfäc^Iic^9JciIitärgemeinbe toar; boc^ nal^m toä^renb
e.« eifriger 3lmt«tl^ätigleit ber bürgerliche 2;eil um 300 ^erfonen ju, unb bon biefen 80
toaren biele au« ber römifd^cn Äirc^e gefommen. 2)ie arbeit, bie ©. ^u leiften ^atU,
toar nid^t gering, benn auc^ in ben umlicgcnben Drtfc^aften l^atte er bie ©bangelifc^en
j;u berforgen, in §ambad^ jeben ©onntag Siac^mittag ^u j)rebigen, in 2lIbenl^oben unb
Rattern abtoed^felnb am 3Kontag; al« burc^ bie $eft fc^toere §eimfud^ung ^ereinbrad^,
betoäl^rte er fid^ al« treuer ©eelforger in täglicher iobe«gefal^r. ©inen 9luf nad^ ©ittarb 40
jum Slad^f olger SBemer 2;ef^enma^er« I;atte er abgelehnt. 3lber al« er, infolge einer
floQeftenreife nac^ ben Slieberlanben, einftimntig jum ^rebigcr in 2)ebenter aetoäl^It tourbe,
fonnte er nic^t toiberfte^en. §atte er fid; bod^ fd^on al« ©tubent in Serben ju ben
Slieberlänbem ^inge;|ogen gefül^It unb einen 2Birfung«frei« unter il^nen fidj> getoünfd^t.
Unb nun bereitete il^m bort ®ott, fo fc^reibt er felbft, ein 3lf^I, toie einft für ^oj^\) in 46
äg^jjten. 2)enn er erfannte, bafe bie SBirren in ^ülid^-SIebe-Serg, burd^ bie ©nt«
^toeiung ber dürften l^erborgcrufen, nur ein 3Sorfj}ieI be« langen Sürgerfriege« feien, ber
S^eutfc^Ianb jerfleifd^en fottte. 3)effen ©reuein entrüdft ju toerben em})fanb er al« eine
SBo^Itl^at, unb bie ^rage, ob bie Überfieblung unter ben obtoaltenben Umftänben nicl;t
bod^ ^itoa^ bon »Ja^nentluc^t an ftc^ f}abc, toarf er nic^t auf. 2lm 22. DItober 1617 50
^ielt er feine 3lntritt«j3rebigt unb ^at bann 30 ^a\^xc ber ©emeinbe ju 2)ebenter
mit ber il^m eigenen ©etoiffen^aftigfeit gcbicnt. ßr toufete ftd^ l^ier im ©afen, fo bafe er
mehrere e^renboDe Berufungen oI;nc biele öebenlen au«fc^Iug. 2)afür liefe e« bie ©e«
meinbc an 9tnerlennung unb 3)anfbarfeit nic^t fel^Ien. 2lber über i^ren Ärei« l^inau«
reichte feine SBirffamfeit. Dbtool^I erft 28iäbrig getoann er fo rafd^ in ber neuen Um^ 56
gebung änfe^en unb Vertrauen, bafe er ^u ben Vorbereitungen für bie Slationalf^nobe
JU 2)ortrec^t l^injugejogen unb bon ber Dber^ffelf^cn ©i^nobe al« einer ber 3)e^)utierten
bal^in entfanbt tourbe. ^ier ftanb er auf ©eiten feine« Se^rer« ©omaru«. auf feinen
atntrag ai)J)robierten bie ©tänbe bon Dbervffel bie 2)ortrec^ter Canones unb bie Dber«
^ffelfc^e ©^nobe bie ^w^üdEtoeifung ber fünf Strminianifd^en Slrtifel. SBic^tiger ift feine eo
264 eibcl
2^F?ätigfcit in bcr ftommiffton für eine neue J^ottänbifd^c Sibelüberfc^ung, tDcId^e üon bot
2)ortrcc^ter S^nobe 6efd;Ioflcn hjorbcn Voar. 3lte einer ber SWcöiforen hjurbc er für bic
2)auer be§ Sleöiforenf ontoent^, ber elf 9Ronate in Serben ta^U, toäl^renb bie $cft ununter-
brochen in bcr ©tabt tpütete, jum 3}i^efcriba ertüä^It. 3)rei ^oÜ^xc l^inburc^ l}ai er bag
6 nationale Sibetoerl (f. b. Sttrt. Sibelüberfe^ungen $916» III, 123) in örünblid^er ärbcit
geförbert. 3luc^ burd; feine gürforge für baö ^äbagogiuni ju 2)et)enter, bem er tüd^tige £ebr=
ftäfte toerfc^affte, hat er fic^ öerbient gemad^t. Ram fonüt ferne Segabung unb grofee 2lrbeit^=
fraft bem £anb ^ugute, ba^ il^n aufiS §reunblic^fte aufgenommen l^atte unb in bem er fic^ nic^t
alögrcmbling füllte, fo l^ielterboc^ ben^ujammen^ang mit ber alten ^eimat feft unb fucbtc
10 ben bortigen bebrängtcn ©lauben^genoffen fic^ l^ilfrei^ ju ertoeifen, \oo immer er fonnte.
2llg nad^ fünfmonatlid^er Belagerung ^ülic^ fic^ 1622 ben Bpani^m übergeben mu|te,
begann bie J)lanmä6ige Unterbrücfung ber ©öangelifd^en im gülic^erlanb ; ^arafteriftifd^
für i^rc Sage \oax, bafe bie ©emeinbe ^u §einßberg i. 3- 1624 ba^ SBei^nad^ti^feft unb
ba^ 1^1. 3(benbmal^l auf freiem J^clbc feiern mufete. %nd) im Sergifc^en ging ber ^faljgraf
15 SBoIfgang SBill^elm, feit feinem liebertritt einSBerf jeug ber S^fuiten, mit ©etpaltmaferegeln t)or.
35er 2)üffeIborfer reformierten ©emeinbe tourbe bie Äird^e gef(^loffen unb ba^ öffentliche
ßjercitium t)erf})errt unb fogar in bent auöfc^lie^lid^ reformierten ©Iberfetb burd^ ben
3efuitenj)ater So^^ ber ©otte^bienft unterbrüdt. 3)a tpar e^ ©., ber burc^ feinen ©in-
pufe unb feine unermüblic^e g^ürfjjrac^e baju beitrug, bafe bie ©encralftaaten mit JRetor-
20 fion^maferegeln brol^ten. Unb tpieberum, al^ ber ^t^nit i. 3- 1629 jum jtpeitenmal im
Sergifc^en erfct;ien unb toie ba^ erftemal Raufte, ja aud^ in^ ^Jlärfifc^e ^inübergriff unb
man toiebcr in ben ?Rieberlanben ^Rettung fuc^en mufete, h)anbten fid^ bie äbgefanbten
an S., ber atleö aufbot, il;nen bie SäJege ^u ebnen, unb ßilfe gu Vermitteln. Unb §ilfc
lam. ?Ricmal^, fd^reibt ©., h)erbe er ben gubelruf öergeffen, ber in ©eöenter burc^ alle
25 Straften unb §äufer erfc^oU: „SBefel iö geuS". Sm 19. ^uguft 1629 tpurbe SBefel, am
14. Se|)tember §ergogenbufc^ öon ben 9lieberlänbern erobert, nun befe^ten fie auc^ feftc
5ptä^e in 3wlic^=6lebe-93erg unb brad^ten ben ©öangelifc^en (Srleic^tcruiw. 3luc^ öielen
einzelnen feiner ©lauben^genoffen bot ©. bie §anb, feien e« ©Iberfelbcr Kaufleute, bencn
il^re ©üter toibenec^tlid^ fonfi^jiert haaren, feien e^ Vertriebene ^aftoren, fieser, ®elel;rtc,
30 Kriegsgefangene, bie Unterftü^ung ober ^ürfprac^e fud^ten, fei eS ein abtrünnig geworbener
ober ein gefallener älmtSbruber ($^il. ßilbrac^t älbfalon i>. fteffel), benen ^jured^t^
jul^elfen toar.
S. ftarb am 1. Januar 1658, nad^bem er fd^on ^ei^n ^aljXi luryox tpegcn eine^
©c^laganfaHS baS geliebte ^rebigtamt l^atte nieberlegen müf[en. 2lfe ^rebiger U)ar er
35 fe^r ^oc^ gefc^ö^t; beit (Sl^r^foftomuS feinet ^^^^^''^^^^ W "^ö" ^^^ ^^^^ genannt. Gin
einfluft ber §omiletif be« ^\)pmn^ (^JSte^ VIII, 505) läftt fic^ nid^t öerlennen. SBol?l
legt er SBert auf faubere gorm unb gute Drbnung, aber ber ^n\)ali ift i^m bie ^aiüpU
fac^e, unb fo fe^lt eS troft jiemlic^er aSeitläufigfeit nic^t an guten unb frommen ©e=
banlen. 6r arbeitete feine ^rebigten fel^r forgfältig in lateinifc^er ©J)rac^e auS unb bat
40 fie fo in grofeer ^^l^^ '" 2)rudf gegeben, ©em be^anbelte er einen ©c^riftabfc^nitt in
einer längeren $rebigtreil^e. ©ine folc^e über 9)it 16, mit einer tDertöotlen SSorrebe
über feinen ©ro^bater ^^eter So, toibmete er bem ^)olitifd^en unb bem fird^lid^en ®cmcinbe=
öorftanb feiner Saterftabt ©Ibexfelb. ©eine bis 1644 veröffentlichten ^rebigten crfd^ienen
^n einem ©efamttoerf bereinigt unter bem a:itel Caspari Sibelii opera theologica,
45 3(mfterbam 1644, in fünf leilen, ein h^eitläufigeS fated^etifct;eS 3Berf, Meditationes
catecheticae, in toelct^em bie (Sintoürfe ber Semonftranten gegen ben §eibclberga
.Uatedf^iSmuS ^urüdfgehjiefen hjurben, in 4 "Seilen 1646—50 (bgl. g. Sl^r. Äocd^er, Äatec^et,
©efd). b. reformierten Sirenen 1756, ©.291,362; ein Serjeid^niS fämtlid^er ©d^riften
bei Soutertoel, ber in Iieutfc^lanb juerft ©ibelS anbenJen erneuert ^at, 5ßSR®* 70 f.).
60 3llS Sl^eologe ift ©. ein unbcirrter Vertreter unb IM^c^ter ber reformierten Drtbo-
bojie; fie ift ibm ber allein ri^tige SluSbrudE beS ©c^riftglaubenS, ber i^m mit bem
c^riftlic^en ©lauben o^ne toeitereS jufammenfätlt. 2)al^er trägt er au^ nic^t baS minbeftc
Sebenfen, bie 3?erl^ängung bon ©trafen über Äat^olifen, Sut^eraner, Strminianer, SEBieber^
täufer \)on feiten bcr Cbrigfeit, baS i^erbot i^rer ©otteSbienfte, bic er^toungene S^eilno^me
55 i^rer fiinber am ©otteSbicnft unb ftated^iSmueunterric^t ber Sleformierten ju berteibigen.
©ogar bagcgen l)atu er nid^ts cinj^utoenbcn, ba^ bie Seiter anberSgläubiger ilonDentilcl auf etoig
berbannt tourben, bie 3"^örer aber bie, meiere bie 3?erfammlung aufgefj)ürt Ratten, mit
einem Slfantel unb 25 ©olbgulben bef^enfcn mußten! 3)iefer lonfef^oneHen Snge unb
^ärte cntfj)ric^t eS, Wenn er Söiberfj^rud^ gegen Crgclf|)iel im ©otteSbienft, gegen ^^eater
60 unb fccnifd^e 2)arftcllungen crl^ebt, toenn er bie ©ottloftgleit ber fio))emifancr betoeift.
®tiid SiB^Ucn unb Sib^Oiutfi^e Satter 265
Sin 5?anatifer h>ar er barum nid^t, tocbcr ein l^ciftblütiger nod; ein falter. 2(ud; fein
Silb t)on %xani ^aU ieigt nid^t einen fold^en, fonbem e^er einen freunblid^en, \üof)U
troHenben 2lu^brucf; fein fmb bie 3^0« nid^t, ba^ (Seftc^t ift breit, aber ba^ Slugc
f^rec^enb, Icbenbig. Unb au^ feiner ©elbftbioarai)^ie f})ric^t eine lebenbige grömmigfeit,
in il^en äufeerungen freiließ red^t umftänbli(v unb an ©elbflgefäDigfeit ftreifenb, babei 5
t)on ®efe^Ii(|fcit nic^t frei, 9tm anfj)red^enbften ftnb bie Biixi^, in benen feine Sin«
^änglid^Iett an bie §eimat, an Stnge^örifje unb ^eunbe fic^ äußert unb feine ^fürforge
für ^ilf^bebürftige erfc^eint. 9(fe ptx\'6nli(S)^ Sinbeglieb Jtoifc^en 9tteben^ein unb
iKieberlanb, eifrig unb einflufereid^, behält er toie aU "^^irebiger ^iflorifc^e Sebeutung. Unb
feine Seben^befd^reibung ift eine Duelle für bie noc^ nid^t genug erforfd^te (Sefc^i^te be^ 10
niebcrrl^einifc^en ^ßroteftanti^mu^, bie an SBec^felfäHen reic^, burd; fc^toere ©d^itffale
Jvie burc^ treuem 2lu^l^alten unb älrbeiten toieler ©emeinben toid^tig unb mer!h)ürbig ift.
Gbitotb ^tmottd.
@t6))Ucn unb ®tb))Uiutf4c Sucher. — 3)ie fiittcratur finbet fic^ in ©c^ürer« ®e=
fdjicbtc bt^ jübifc^en ^olfeä III, 447—450 i)crjeici)net ff. bort auc^ bie ^^inweije auf ältere 15
fiitteraturonciaben); ügl. nod) cbcnba III, 421 5lnm. 87, 425 §lnm. 106, 428 5lnm. 119,
431 ^Inm. 126 u. ö. 4)insuf ommen : 3)ie ?luffä&c üon 3- ®effdcn, ©gSi 1899, 47 ff.
unb 446 ff. (über bie ^Jerofage); ebcnba 1900, 88 ff. (bie bQbi)Iünifcfte ©ibljüc); ebenba 1901
•0.2: 9?ümi|(^e ftaifcr im SBolf§munb ber^Prouinj; SS9?t 1899, 698 ff. (cinegnoftifc^c S?ifion);
9?eue3a5rb. für $^iIologie 1898, 262ff. (JRegeunjunber im Ouabenlanbe); S. iöouffet, 3)ie 20
»ejicl^ungen ber ölteften jübifdjen ©ib^fle jur cftalbäifd)en (BihXjUe, 3nt^ 1902, 23 ff.;
3. (^cffden, ^ie Oracula Sibyllina bearbeitet im auftrage ber Äird)enüäterfommiffion, fieipjig
1902; berf. Äompofition unb entfte^ungSjeit ber Oracula Sibyllina, ficipjig 1902 (XU,
925 VIII, 1); berf., $3 53b CVI |). 2 (S)ie @ibl)ne); ^. grieblänber, ®efc^. ber jübifc^en
^(pologeti!, äüxidi 1903, 31—54; Encyclopaedia Biblica, ?lrt. Apocalyptic Literature 25
§ 88—98 I, 245—250; Äau^c^, ^tpofr^p^en unb «Bfcubcpigrap^en b. ?12: II, 177-217
(Uebcrf. b. iüb. 6tücfe unb Einleitung üon gr« S3la6); ®' ^ennedc, S'^cuteft. ^pofn)p§en
318—345 unb |)anbbud^ ber neuteft. 9(pofn)p]^en 339—350 (Ueberf. unb (grl. b. d^riftl. ©ibJjtten
üon ÖJeffrfen). (Sinige meitere eingaben innerhalb ber ^arfteHung.
Unter ben ©rjeugniffen f))ätiübifc^er unb frü^c^riftlic^er Sitteratur nel^men bie fog. 30
fib^üinifd^en Drafel toegen i^rer mannigfachen SSejie^ungen jum römifc^sgried^ifd^en
DraleltDefen befonbereö 3"^^^f[^ i" Slnf^rud^. ©ib^uen nannte man im griec^ifc^en unb
römifdj^en 2lltertum ^ro})^etinnen, hjelc^e ^ier unb bort balb über biefe balb über jene
©täbte unb Sänber il^re bunllen 3)rof)tpeigfagungen au^fc^ütteten. 3)ie §erfunft unb
Sebeutung be^ 3?amen^ ift unbefannt. SBa« tpir bon i^nen an 5Rac^rid^ten ^aben, ift 35
nur „Sitteratur"; beftimmte l^iftorifc^e ßrinnerungen an toirllid^e hjei^fagenbe 5ProJ)l^es
tinnen alter ^Ät l^aben fid^ nid;t erhalten. 2)ennod^ toerben h)ir annehmen bürfen, bafe
biefe Unmaffe toon öertoorrenen legenbarifc^en ßrinnerungen nid^t reine ßrfinbungen ftnb,
fonbern le^te 3?ad^flänge einft bor|anbener fflirflic^leit (9lo^be, ^f^c^e^ II, 68). 6« mag
einft in älltgried^enlanb in grauer 3?ergangenl;eit, ethja in ber religiös aufgeregten ©pod^e ber achten 4o
unb fiebenten t)ord^riftlic|en ^ai^t^unberte h)irfli(^ ^rojj^etinnen gegeben ^aben, Raffanbra«
geftalten, bie mit i^ren 35ro^h)eiSfagungen t)on ©tabt ^u ©tabt jogen unb bie 3Kenfd^en
f(^rerften. ^a \r)\x tonnen öielleic^t no^ beftimmter Vermuten, ba^ Äleinafien unb bie
fleinafiatifc^en 3nf^In baS §eimatlanb biefcr ^rojj^etinnen gehjefen fei. 3)ie frül^eften
9Ja(^ric^ten über ©ib^Hen tpeifen uns nac^ @n;tl^räa unb ©amoS. Unb bie anerbingd45
legenbarifc^en 5Rac^rid^ten, bie h)ir über bie er^tl^räifc^e ©ibt;lle befi^en, beuten in jiemlid^er
Übereinftimmung in ferne 2}ergangenl;eit, inS a^te 3<^^^^i»"^^^^ iWcM 2)elj3^i toar
jebenfallg nid^t ber ^eimatöort ber ©ib^Uc. ©bätere ©c^riftfteHer lennen jhjar auc^ eine
belj)^ifd^e ©ib^He (©c^meftcr beS SljjoDo mit 9(amen SlrtemiS), aber fie laffen biefe felbft
Don i^rer geinbfd;aft mit bem Sruber ät^oDo berichten (ßlemenS Sllejanbrinuö, Stromat. 50
I, 21, 108). 3)ie ^riefterfc^aft beS bel>)^ifc^en DrafelS l^at nichts öon ber ©ib^He toiffen
hJoUen. 3luc^ nad^ Som ift bie ©ib^He erft am (Snbe ber römifd^en iRaifergeit t)on ben
griec^ifc^en Kolonien in ©übitalien gelommen. 3)ie ?Rac^ric^ten über orientalifd^e ©ib^tten
beginnen erft mit ber 3!)iabod^en5eit. ©0 bleibt Äleinafien ber ^eimatboben ber ©ib^tte.
3}lan ^at ba^er auc^ baö Söort auS fleinafiatifc^er Urfprac^e ableiten tooDen. §ier in 55
Äleinafien, tpo griec^ifc^eS unb orientalifc^eS Säefen fi(^ mifdfiten, tüo bie ^raii nad^
orientalifc^er äBeife in ftrenger Sw'^üdgejogenljeit gehalten fic^ öffentlich nur in au^er«
orbentli4>er SBeife betl^ätigen lonnte, nur als ^^Jriefterin, ober l^eilige §etäre, ober als
ijer^ücfte ©e^erin, mögen jene alten $ro|)l?etinnen aufgetreten fein. SBaS toir aber t)on
i^nen nod^ tüiffcn, ift, toie gefagt, in trübe 3)ämmerung gel^üllt. Iiennod^ ^aben jene eo
266 SiB^Uen itttb Stb^Ointfi^e fSUftt
^xopf^cWnmn \mUx getüirft, tocnn ani) nid^t aU ^erfönlid^f eitert, fo bod^ berart, bafe
fie einer gangen ^)feubon^men SBeigfaöunö^Iitteratur i^ren Flamen gaben ; fo toie etn?a bic
^Patriarchen unb ^eroen ber alten iübifc^en ©efd^id^tc im aj)oIaI^))ttfcl^en 3«*<>^t^ bc^
Subentum^ einer ganjen Sitteratur i^e 9Jamen gegeben ^aben.
6 3um fülgenben ugl. befonberö SBlaai, de Sibyllarum indicibus, ©rcifSmalb. SJiffcrt. 1871),
unb ha^ prncf)tuoIIe g)laterial bei 9llejanbre, Oracula SibyUioa 11, 2, 1—253. 421—433;
mel&r fiitterQtur bei Scftürcr III, 421 9inm. 87. 3)aj^u cttoQ nodj ^. 3)iel§, SibijH. 93Iätter
1890; Ä. ©urcfd), ÄtaroS 1889; Olo^bc, $fij*e« II, 62—69.
Der ältefte ©d^rififteUer , ber nac^ atigemeinen ©rtpä^nungen ber Sib^He bei
10 §craclit, gurij^ibeig, 9triftoj)^aneg, ^lato (Slaa^ ©. 1) eine SKeil^e beftimmter ©ib^tten nennt ift
^eraclibeg ^onticug {negl yqv^Q^'^)' ^^^ Giemen« Sllejanbrinu« (Stromat. I, 21,
108) mnnU er neben ber $^rvgifc|=35el|)^ifc^en (ärtemigs)©ib^ne bie ®r^t^räa=§ero^^ile.
SJferltDürbig ift e«, bafe 33arro (Sactanj I 6) fic^ für feine octava Hellespontia in agro
Trojano nata vico Marpesso circa oppidum Gergithium ebenfatt« auf ö^aclibe«
16 beruft. 2)en brei genannten ©ib^Hen begegnen h>ir bann überall in ben fjjäteren Äatalogen
toieber. 2)iefe ©ib^Uenliften fd^tPoHen aHmä^lic^^ an. ^P^ileta« t)on e})l^efu« (©d^ol. gu ariftot.
SJögeln 962) unb Soct^u« (bei ©olinu« II, 18 ed. aRommfen 1895; jur ßeit be«
Äaifer« ßlaubiu«) jaulen ebenfatt« erft brei ©ib^Hen auf, erfterer bie 3)elt)l^ifd9e, ßr^s
tJ^räifie unb ©arbifd^e; le^terer bie SDelJj^ifd^e, ©r^t^räifd^e unb Äumäifc^e. Giemen«
20 i>on äflejanbria (Stromat. I, 21. 108) fügt ju ben beiben bc« §eraclibe« bie ^^^if^«
unb %V^)tifc^e ^inju. Dann liegen bei ßlemen« (Stromat. I, 21. 119) unb ©uiba« (s.v.
2ißvU.a\ ©uiba« fott l^ier ben §ef^(^ au«fd^reiben, a)laa^ 54) eng bertüanbtc Äataloge
bor, in benen ad^t refj). neun ©ib^llen genannt toerben. 5Reue Slamen finben ipir ^ier
ben alten ^injugefügt; ic^ nenne nur bie anbertoeitig (f. u.) gut bezeugte ©amicrin mit
25 Seinamen ^^^to. Den umfaffenbften Äatalog l^at un« SBarro burd; bie 3Sermittclung
be« Sactan^ überliefert. 6r jäl^lt nic^t Weniger al« jel^n ©ib^Hen auf: 1. bie ^erftfc^e
(f. u.), 2. bie Sib^fd^e [biefe unter Berufung auf ben ^Prolog be« Surij)ibe« ju einem
Drama 2amia. Dioboru« XX, § 41. 6. aJlüHer, Fragm. Hist. Graec. II, 476, citiert jtoei
58er[e be« 6uri^)ibe«, in benen bon ber Sib^erin Samia bie Siebe, "^ai^ ^aufania« X 12
30 tüar bie ©ib^lle eine 2!od^ter be« 3^"^ ^^^^ ^^ Samia. 3" ^^ gonjen Überlieferung
fd^eint ©uri^jibe« bie Seranlaffung gegeben ju b^ben], 3. bie Deljjl^ifd^e, 4. bic Äim-
mcrifc^e [in 3töIi^«J/ 5. bie Sr^t^räa, 6. bie ©amifc^e, 7. bie Äumäifd^e mit Flamen
Hmaltl^ea, 8. bie öeUefjjontifc^e, 9. bie $^r^gifc^e, 10. bie 3:iburtina mit 5Ramen älbunea.
Slufeer ber Jjerpfdpen unb lib^fc^en ftnb alfo ^ier nod^ jtoei italienifc^e bie Äimmeria unb
35 3^iburtina ju ben bereit« genannten l^injugetreten. Da« SSarrofc^e SRegifter ift un« burc^
eine Sleil^e öon 3^g<^n überliefert. Der ältefte ift Sactanj, Instit. Div. I, 6. 2ln Sactanj
fd^lie^en ftd^ 3f^oru«, Orig. VIII, 8 unb bie Anleitung ber mittelalterlid^en 3:iburtina
(f. u.) genau an. Da« SSerjeic^ni« l^at ein befonbere« ^ntereffc, toeil ber Slnont^mu«,
ber ben Prolog },\x ber ©ammlung ber jübifc^-c^riftlic^en fibtottinifd^en 93üd^er (I — VIII)
40 fd^rieb, e« ebenfall« in einer ii\oa^ erweiterten gorm bietet. m\i ber Sifte be« Slnon^mu«
berühren fic^ il^rerfeit« auf ba« engfte: 1. bie in f^)äteren g^j^ertoten erhaltene fog. Tübinger
2l^eofo>)^ie (§ 75. ed. Surefc^, Rlaro« ©. 120); 2. ber ©d^oliaft ju 5piato« ^ß^äbru«,
p. 244; 3. ^l^otiu«, Sttmjj^ilo^iu« quaest. 150 MSG 101. 811 ff., t)on bem ©d^oliaften
abhängig; 4. ein StüdE ber 3lu«fül^rungen in ©uiba« Sejilon s. v. HißvXka; bann
45 ti\};>a^ tüeitcr abfteF^enb 5. ber Stutor negl ZißvXXcov in Gramer« anecdota Paris. I,
332 ff.; 0. ba« Chronicon Paschale (ed. Sonn I, 516). SBie fic^ ba« l^ier gebotene
3?erjeid^ni« ju bem bei Sactanj i;)erl)alte, ift bi« freute noc^ nic^t IlargefteDt. (^Vermutungen
bei -JOJaa^ 13, bagegen Surefd^, Älaro« 121). Seac^tenetoert für bie Seftimmung ber
§erfunft ber jtoeiten JHebaltion ift e«, ba^ bie meiften ber fic^ ^ier finbenben 3^f^^c in
60 ber bem (Slemen« Sllejanbrinu« unb ©uiba« gemeinfamen DueHe (togl. bef. Giemen«, Stro-
mat. I, 21. 108, 119) iüieberfc^ren. Die toid^tigftc 9?eränberung ber Sifte in biefer
Slebaftion ift bic ^bentifitation ber bei Sactan^ erftgenannten Jjerfifd^en ©ib^tte mit ber
d^albäifc^cn (^cbräifcbcn) ©ib^lle ©ambetF^e, bic un« Weiter unten befd^äftigen Wirb. 3luc^
ba« gegenfeitige i^crl^ältni« ber 3^^^9^"/ WclAc bicfe g^orm bc« SSarronianift^en 3?erjcic^s
55 niffe« liefern, ift nocb nic^t aufgctlärt. Die bcibcn ältcften 3<^W9^" f^"^ ^^ STnon^mu«
ber ©ib^ßcnfammlung unb bic lübinger 2:i^cofo))bie (5. ^a^^r^unbert). ©rf^toerlicb ift
ber 3tnonl)mu« bic CucHc für fämtlic^c anberc 3^^i9CJ^- ^Iber anbrerfeit« \^ai ©effdfen
fid^cr nicbt Skc^t, Wenn er in feiner 2lu«gabc ©. 1 al« Cluelle be« 2lnon^mu« bie
3!übinger Jl^cofopl^ic annimmt, ßine befonbere ©tcHung nel^men enblic^ bie äu«fü^rungen
60 be« ''^aufania« X, 12 über bic ©ib^Den ein, bie ilJaa^ 12 ff., ob mit Stecht ift fraglich,
SiB^Oeu nttb SiB^ttitttfi^e »filier 267
auf ailejanbcr ^Poli^^iftor jurüdffü^t. ©ie rcjjräfentiert bereit« einen SSerfuc^ ber SRebut
tion ber langen Steife ber ©ib^tten auf bier, bie ^aufaniaö ben öerfd^iebenen ^Rationen
iiuteilt. 5ßaufania« nennt 1. bie Sib^fc^e, 2. bie ^ero^j^ile, auf bie er alle 5Rac^ric^ten
über grieclifcl^e ©ib^tten jurücffül^rt unb bie er (nid^t mit ber ßr^tl^iräa fonbern) mit
ber troif(()-mar))effifc^en ©ib^He inbentifijiert, 3. bie Äumäifd^e mit Flamen 35emo, 5
1, bie $ebräifc^s93abi^Ionif(i^'3t0^J)tifcl^e mit Flamen ©abbe.
SKon allen ben in biefen Siften aufgejä^lten ©ib^tten, t)on benen bie meiften niemate
me^r aU eine litterarifcbe gif tion getoefen fmb, ift bie ©r^t^räa bie ältefte, beftbejeugte
©eftalt. 9?ac^ SSarro (bei Sactang k.) ift fie bereit« \>on bem gj^ronograjjj^en 3^)000«
boru« t)on ©r^tl^rä bezeugt. 3?euerbing« ift fogar (im ^ai)x^ 1891) bie t)on ^ßaufania« 10
(X, 12) ertDäf^nte ©ib^Hengrotte entbedft (©c^ürer, ®efc^. be« jübifd^en SSoHe« III, 425).
3n einer ^ier gefunbenen ^nfci^rift r?DlitteiI. b. arc^äolog. ^nftitutg, ältl^en 1892, ©. 21.
©d^ürer 1. c. 425 9tnm. 107) berietet bie ©ib^tte felbft über i^re tounberbare ®eburt,
toie fie atebalb nadb il;rer ©eburt begonnen ^abe, Dralel ju erteilen, unb nunmehr be*
reit« 900 3a^re alt fei. 3)amit ftimmt merflDürbig überein, ba^ ©ufebiu« ba« aufs 15
treten biefer ©ib^Hc in feiner ßl^ronil (ed. ©d^oene II, 82) in ber neunten DIbm))iabe an«
fe^t. 6« fd^eint alfo eine alte Irabition ejiftiert ^u l^aben, toelc^e ba« 2luf treten ber
er^tl^räifc^en ©ib^tte in ba« ad^te öord^riftlid^e 3;abr^unbert Verlegte. Sieben ber
er^tl^räifc^cn ©ib^He ift bie famifd^e gut bezeugt. 3lam aSarro fanb bereit« ©ratoftl^ene«
bie ©ib^tte in ben famifd^en 2lnnalen genannt. Sluq für fie giebt ©ufebiu« in ber 20
(Sl^ronif eine beftimmte ^Ät an: Dl^mj). 17,1. dagegen entfjjrang bie marjjeffifA tro^
janifd^c nur bem £ofalt)atrioti«mu«, ber fid^ bie ^ttop})xk toon Sr^t^räa einfach an^
eignete, ©in nod^ bunflere« unb fd^attenl^oftere« 3)afein ^aben bie meiften ber übrigen
gried^ifdiien ©ib^tten (t)ielleic^t mit Slu^na^me ber ^l^gifd^en).
2)ie ^ert)orragenbe ©tettung ber er^tl^räifc^en ©ib^Üe U)irb aud^ baburd^ beriefen, 25
bafe bie nad^ il^r am berü^mteften geworbene fumäifd^e ©ib^IIe nad^ ben älteften ^^Ö-
nijfen nur al« ein äbleger ber er^t^räifc^en erjdfjeint SBenn in bem ©ib^ttenöergeid^ni«
bei 93arro=2actan5 bie lumäifc^e ©ib^tte neben il^rem eigentlichen 9?amen 2)emo (fo gu
lefen ftatt 2)emoJ)^ile) auc^ ben 5Ramen Jpero^jl^ile belommt, b. l). ben 9?amen ber er^«
t^räifd^cn ©ib^tte, fo ift ba« ein Setoei« für bie l^ier borgenommene ^bentifüation (t)gl. 30
auc^ bie au« 93arro gefc^ö^ften 3?otigcn bei ©eröiu« in Aen. VI, 36 unb VI, 321). ^aai
1. c. 35 f. vermutet, bafe biefe 9tuffaffung (bgl. auc^ Ps. Aristoteles de mirab. 95) bi«
auf ümäu« (4. gal^r^unbert) jurüdfjufül^ren fei(?) SBon ber gried^ifd^en Kolonie Ä^me
ift bann ber ®laube an bie ©ibt^tte unb ibre 333ei«fagungen bielleic^t ft^on am 3lu«gang
ber Äönig«5eit nac^ 9lom gebrungen (SBiffohja, 5Rel. unb Äultu« ber Slömer 462 ff.), 35
unb bort f)ahtn bie fib^llinifct;en Dralel bann befanntlic^ eine ftaatlic^e Sebeutung er^
langt, äl« im Sa^rc 83 b. 6^r. beim Sranbe be« Äaj)itol« bie im %mpA bc«
fa^itolinifd^en 3^i^<^ aufbctoal^rten ©ib^Binifd^en Drafelfjjrüd^e ju ©runbe gegangen
toaren, tourbe bie ©efanbtfc^aft, bie im ^al)xt 76 pr Seranftaltung einer neuen ©amm*
lung au«gefanbt hjurbe, bor allem nac^ ©r^ti^rä gefanbt. 2)ie ©rotte ber fumäifd^cn 4o
©ibvtle l^at ber 3Serfaffer ber ^)feubojuftinif^en Cohortatio noc^ gefeiten unb giebt un«
Siap. 37 feine intereffante Sefc^reibung bon bem, toa« er fal^. 3)ie lumäifd^e ©ibi;lle
irurbe übrigen« aud^, toeil man in ber ©egenb bon Äumä ba« l^omerifc^e Rimmerien
toieberfanb, bie limmerifc^e ©ib^He genannt. . 2)iefc tourbe bann bon .ber itumäifc^en
©ib^lle abgetrennt, nac^ 5Rom bcrfefet unb mit ber ^lufe= unb Dralel^öttin 6armenta(i«) 46
ibcntifijiert. ßnblic^ gtoeigte fid; bann nod^ eine britte ©ib^öe, bie tiburtinifd^e (mit
SJamen Sllbunea) ab, beren Heiligtum in ber 9?ä^e bon SCibur am 3lnio ftanb.
%ixx un« fommen in erfter Sinie bie bcrfc^iebencn SJac^rid^ten über eine ejiftierenbc
bab^lonifd^e ©ib^He in Setrac^t. Über fie berichtet bor allem ^aufania« X, 12. ®r
fprid^t bon einer ^ebräifc^cn ©ibi;lle mit 9?amen Bahbt, beren 3?ater (ber babl^lonif^e 50
^riefter unb ®efc^ic^t«fc^reiber) Seroffu«, beren 3JJutter ©rtimant^e fei. 3)ie einen
nennten fie bab^lonifc^e, bie anbent ägb^tifd^e ©ibt;lle. 35ie ^feubojuftinifdie Cohor-
tatio 37 fjjrid^t ebenfatt« bon einer au« Sab^lon ftammenben ©ib^lle, ber iod;ter bc«
babt»lonifd^en ®efd^ic^t«fc^reiber 33erof)u«, bie er mit ber fumäifd^en ©ib^De ibentifi^iert.
Slodp ber ^iftorifer 9J?ofc« b. Sporen (Historia armen. I, 5, ed. SB^ifton p. 16) 60
ft)rtd^t bon feiner geliebten unb im SL^erglcic^ mit ben übrigen toa^reren, berofftanifc^cn
©ib^llc. 3n bem urf^)rünglid^en ©ibl^llenber^eid^ni« bei Jsarro (Sactanj) toirb ;;mar feine
c^albäifc^e, aber (an erfter ©teile) eine })crfifd;e ©ibbUe crtüä^nt, beren 5Ricanor ber Siograp^
ätejanoer«, Srtoä^nung t^uc. 3lc*>^"fÄtt^ ^^^ ölfo fc^on 3Sarro eine orientalifc^c ©ibi;lle
betannt, bie bicUcitbt mit ber c^albäifc^cn ibentifc^ fein mag, ba in ber fpäteren 3^it60
268 (Sii\)Utn mh @tii))tttiitf(4e mi^tt
bic öcgriffc c^albäifc^ unb ^jerfifd^ ineinanbcr überkugelten beginnen (togl. ärc^ib für
Sleligion^tüiffenfd^. IV, 245 f.). ©o l^at bcnn ber ©c^riftftetler, öon bcm bie überarbeitete
Sifte be^ SSarro (f. o.) ftammt, öielleic^t mit Siedet biefe ^jbentififation öodgogen unb
nmn\ bie j>erfifc^e Sibylle jugleid^ bie c^albäifc^e ober (,,lieber") bie l^ebräifc^e mit 9Jamen
5 ©ambetl^c, bie 3^oc^ter be^ vloal), bie mit i^m in ber Slrd^e getoefen fei (fo ber ©Aoliaft
ju Pato^ ^l^äbru^ [ber nod^ ^injufügt, bafe bie ©ih;Ue über ben iurmbau gehjei^fagt
l^abe], ^^otiu^, ber Slnon^mu^ in gramer« Anecdota, nad^ i^m ©uiba«; cttva^ für^er
ber änonmnu« be« ©ib^DenjjroIog«, noc^ fürjer bie a^übinger H^eofoj)^ie). SBol^er biefe
!Rad^ric^ten ftammen unb toelc^e« älter fie f)abm, ift nid^t fidler feftjulegen. ^flaa^,
10©. 12 ff. ^at bie Vermutung au«gefj)rod^en, ba^ bie DueHe be« ^aufania« 2llejanber
^ol^l^iftor gctoefen fei; boc^ ift ba« nid^t fidler. 3" ^^ ^^n ßlemen« Sllejanbrinu«
unb ©uiba« ($^fVW) t)orau«gefe^ten Duette, bie fid^ mit ber überarbeiteten 3Sarronifc^en
Sifte fo ftarf berührt, fc^eint bie bab^lonifc^e ©ib^lle nic^t ertoä^nt gu fein, tpenn freiließ
Giemen« eine „ägi9J)tifd^e" (bgl. ^aufania«) ©ibi^Ue fennt. SDagegen berührt fid^ ber
15 Stnon^mu« be« ©ib^tten>)roIogeö, ber bie überarbeitete Sifte bietet (unb bie öemjanbten
3eugen), aud^ fonft mit ber Cohortatio (togl. älejanbrc II, 430). @« fc^eint aU h)enn
atte ^loti^en le^tlic^ auf eine Duette gurüdfgel^en, unb ba« fönnte atterbing« 3llejanber
5ßoIi;I;iftor fein, t)on bem mir überbie« h)i|fen, bafe er eine ©ib^tte über ben 2;unnbau
jitiert l^at. — 9Jun ift atterbing« gugugeben, bafe atte bie genannten Duetten in ibren
20 ^?otijen über bie bab^Ionifd^e ©ib^tte jugleicb bie t)on un« ju befjjret^enbe älteftc jübifc^e
Sib^tte üor äugen Ratten. 2)enn biefe nennt fxd) (III, 823 ff.) eine 2:oc^ter 5Roa^, fagt,
bafe fie au^ S3abi;lon ftamme (809) unb enthält eine 2Bei«faguna toom Turmbau (97 ff.).
Slnbrcrfeit« \pxid)t bereit« ^aufania« bon einer bebräifd^en ©ib^Ue. 3)anac^ fönnte man
annehmen, bafe bie bab^Ionifc^e ©ib^tte gar nid^t« anbre« fei, al« bie ^ebräifc^e ©ib^tte.
25 2tber t)on biefer unableitbar bleibt ber 9lame ber ©ib^tte: ©ambet^e — ©abbe, unb bie
angäbe, bafe bie ©ib^tte eine 2od^ter be« bab^Ionifd^en ©elel^rten Seroffu« getoefcn fei.
äu^ ba^ bie jübifd^e ©ib^tte ftänbig jugleid^ al« d^albäifc^e bejeic^net toirb, bleibt bon
jener annähme au« unerllärbar. 9?un ift ferner auf einer ®rabf(^rift in a:^^atira
au« ber ^rit a^rajan« (Corpus Inscr. Graec. 3509) bie SRebe öon einem Ort, ber ngog toj
30 Zaßxßa&elcp iv reo Xaldaiov neQißoXcp gelegen fei. 9Kit Siecht bermutet ©d^ürer, bafe
e« fiq; hierum ein (Dralel')§eiligtum ber (|albäifd^en ©ambetl^e l^anble (III, 428; über
anbere unfic^ere ©>)uren eine« ©ambet^elultu« bgl.III, 428 3(nm. 119; femer ©c^ürer«
äuffa^ in ben t^eol. Slb^anblungen ju SBeijfädEer« 70. ®eburt«tag 1892, ©. 48 ff.).
3ft aber fo ein d^albäifc^e« ©ambet^cl^eiligtum nad^gehjiefen, fo h?irb e« nic^t ju fübn
36 fein, in ber Überlieferung einer c^albäifd^en ©ib^tte mit Flamen ©ambetl;e eine gute
^iftorifd^e ©rinnerung ^u fe^en. 6« l^at alfo tüiriEIid^ eine babi^lonifc^e ©ib^tte gegeben;
natürlich toar auc^ biefe ©ib^tte eine l^etteniftif^e unb h?irb in griec^ifd^en Jpejametem
gefc^rieben ^aben. Safe man bann biefe ©ib^tte mit bem berühmten bab^Ionifc^en
^iftorifer Seroffu« in SBerbinbung brachte, fann nid^t hjunbeme^men. Über ba« aSer^ält-
40 ni« ber älteften jübifc^en ©ib^Ue ^u ber bab^lonifc^en ©ambet^e U)irb toeiter unten
ge^anbelt toerben.
3n biefem SWilieu erblühte nun auc^ im l^etteniftifc^en ß^italter bie jübifd^e ©ib^tten?
bid^tung. 3" Stlejanbria (3igl)j3ten) begann ba« Siiafporajubentum SJliffion im großen
©til ju treiben. 9JJan eignete fic^ ein guje« ©tütf j^ettenifc^er Äultur, l^ettenifc^er 5p^ilo=
46 foJ)l^ie unb bie formen ^cttenifc^er Sitteratur an. Unb man benu^te biefe 9KitteI, um
ben ßettenen bie jübifd^e Kultur fc^macf^aft gu machen. (S« entftanb eine jjübifc^e G^rono-
gra})^ie jum ^\ütd be« D^ad^toeife«, bafe bem jübifc^en SSolf ein biel größere« unb e^r-
tpürbigere« Sliter ^ulomme al« bem l^ettenifc^en. 9JJan begann nad^ 3^WÖ"'R^ ^^ ^^
gried^ifc^cn $l^ilofo)3l>en unb 2)ic^tem ^u fu^en, burc^ toelc^e bie 95Jei«^eit be« SWofe«
jo beftätigt tourbe, man begann ju bcm ^^^cfe aud^ ju fälfc^en, man fagte fül^nUc^, bafe
bie SBeifen unb Siebter ber (öriec^en ba« Sefte, iüa« fie ifOiXitn, 3JJofe« toerbanlten. 2)iefen
apologetifc^en Seftrebungen bot fic^ in ber ©ibl;Ue ein toorjüglic^e« 3JJittel. 9Kan la«
fic^ in ben ©til biefer ©ibt;ttcn l^inein; biele bon ben bunflen 2öei«fagun^en, bic unter
ben 3?amen ber bielen ©ibbtten umliefen unb bie feinen au«geprägten l^eibnifc^^en ß^rafter
65 \:iaiUn, tonnte man cinfad; übernehmen. Unb nun lief^ man bie ^eibnifc^e ©ib^ttc toei«-
fagcn Don ber uralten ©röfee unb ^errlicbfeit be« i«raelitifc^en 9Solfe«, bon ber 3BSa^rbeit
be« einen ©otte« unb feinem l^ciligcn 9Sitten, bon Sufee unb Umfe^r für bie Äettenen,
bon bcm tommcnben golbncn 3<?italter. I)er erfte 9?erfuc^ gelang jur S^ftiebcn^eit: an
i^n reihten fic^ toeiterc. ©o entftanb eine jübifd^c ©ibt;ttcnbi(^tung unb ))Parute fid^ bi«
60 in« brittc nad)d)riftlid)e S^^t^unbcrt fort. Son ben ^v!t)^n übcrnal^men bic ß^riften bic
Stb^Octt nub SiB^UJuif^e Silber 269
Äunft bcr SRad^a^mung fib^Hinifc^er SBci^fagung, fie übten pc freiließ in befc^eibcncrem
3JJa^c. 3)tc gro^e 3)laffc ber fib^Hinifc^cn Sitteratur tft jübifc^, unb loa« c^rifllic^ ift,
ift, toenn man übcr^au))t einen SBertma^ftab anlegen h)Ul, meift jtoeiten Stange^. 5Dlan
^atte ja aud^ fd^on genug an ben l^erübergenommenen jübifc^en äSei^fagungen unb fonnte
fid^ ber \d)on t)orl^anbenen ^errlic^en unb tDunberbaren SBei^fagungen ber alten ©ib^tle 5
freuen. Unb alle, aud^ bie angefe$enften 33äter l^aben an ben ^lum^jen ©c^toinbel geglaubt
(t)gl. ben ©pott be^ Selfu« barüber; Origenes c. Celsum V, 61). 2Bir begegnen bei
i^nen ga^lreid^en ßitaten an^ ben ©ib^tten. ^uftin, 3lt^enagora^, 2;i(^eo|)^ilug, atten t)oran
Siemens öon Stlejanbrien unb fiactan^, aber auc^ nod) 9tuguftin citieren bie ©ib^tte.
3Dlit ber 3^* i>^ unterge^enben ©eibentum« erlifc^t bann natürlich im gl^riftentum ber 10
2:rieb jur fib^Hinifc^en 3)ic^tung; aHmä^Iic^ — tüenigften^ in hjeiteren Äreifen — aud^
bag Si^t^^ff« «n biefen 3)id^tungen. 2lber bi^ tief in« 3JJittelaIter l^inein begegnen un«
?Rad^fc^öfelinge ftb^Dinifc^er ©id^tung; noc^ unter ben §ol^enftaufen j)ro})agierte man bie
SBei^fagungen ber tiburtinifc^en unb ber jungen er^tl^räifc^en ©ib^De. '
2)a« meifte, toa^ jübifd^e unb c^riftlid^e ©ib^tten im au^oel^enben g^talter beg JpeHes 15
nigmuö unb ben erften brei ^a^rl^unberten ber römifd^en ilaiferjeit bid^teten, ift toon
eifrigen §änben gefammelt unb un« erhalten. SBir ^aben nod^©j3uren ber allmählichen
ßntfte^ung biefer ©ammlung (ref}3. ©ammlungcn). ©0 läfet fic^ au^ ben Überfc^riften
ber ung erhaltenen erften brei ©üd^er nad^toeifen, bafe biefe einmal eine ßin^eit für fid^
gebilbet l^ben muffen. ©0 fc^eint e^, al^ toenn bie ©ammlung 93u(^ XI— XIV fo 20
entftanben fei, bafe jeweilig ber ©d^reiber be^ fotgenben Sud^e« ba«f öorangel^enbe feinem
SBJerf einverleibt l^abe. 2lud^ je^t liegen in unferer ^anbfc^riftlic^en Überlieferung eigents
li(^ jtpei (refj). brei) öerfd^iebene 3Serfud;e einer folc^en ©ammlung bor. 3)ie erfte &x\ippt
t)on §anbfd^r. (APSB = (P) enthält ben öon einem anon^mu« geschriebenen ^Prolog unb
bann bie ftb^Hinifd^en Sudler I— VIII, 485; bie jtoeite ®nH)t)e (FRLT= !fO um^26
fafet Sud^ VIII ganj unb bann 93ud^ I— VII. ®in Äennjeic^en biefer ®ru})pe ift toor
allem aud^ ber ©infcpub ber J)feuboJ)l^of^libcifc^en 3Serfe inll, 56— 148; bie bntte ®ruj)j)e
(MQVH = ß) umfafet in einer tounberlic^en 3äl;lung Sud^ VI. VII, 1. VIII, 218-428
ate neunte«, Suc^ IV al« je^nte« ^ni), bann S3ud^ XI— XIV. [3)ie §anbfc^riften
tourben erft f})ätcr belannt, bal^er bie älteren 3lu^aben nur ad^t Sucher enthalten, erfte 30
ausgäbe ber Sudler XI— XIV t)on 3Rai, Scriptorum vet. nova collectio III, 3. 1828.]
Sebenfatt« ift biefe ©ammlung ate eine gortfe^ung einer fc^on öorl^anbenen ©ammlung
t)on ac^t Suchern gebac^t, bie öielleic^t Suc^ I— VIII, 217 umfaßte. SReine Siact^läffigs
feit ift e« bann aUerbing«, toenn in biefe jtoeite ©ammlungen bie fc^on öor^anbenen
©tüde, ba« Heine S3uc^ VI, (VII 1) unb 93uc^ IV, noc^ einmal aufgenommen tourben. 35
3)ie 3rit ^i^fw ©ammlung«t)erfuct;e läfet fid^ nur annä^emb beftimmen. 3lfö terminus
a quo läfet fic^ ettoa ber Stnfang be« 4. 3ifl^^^^w»i^^^ feftlegen, ba bie fjjäteften
©tüde in beiben ©ammlungen ettoa in ba« ®nbe be« 3. 3a^rl;unbert« fallen. SBenn bie
a:übinger 3:^eofo))l^ie in ber ^toeiten §älfte be« 5. ^^v^'^""^^'^^ toirflid^ bereit« ba«
^roömium ber ©ru^JJje I benu^t, fo hätten toir bamit einen terminus ad quem ber 40
©ammlung ber erften ac^t Sucher. 93iel fjjäter toerben toir bie jtoeite ©ammlung
(IX— XI^ aud^ nic^t fefeen bürfen, ba fie in ben Suchern, bie fte mit ber erften ©amm^
lung gemeinfam l^at, im 2)urc^f^nitt fogar nod^ einen befferen X^jctügpu^ jcigt. 2luc^
ift e« bebeutfam, bafe toie (Sefftfen XXXV nac^toeift, bie §anbfd^m. biefer mvipp^ noc^
auf einen alten, in Uncialen gefd^riebenenÄobej jurüclge^en, SBir bürfen annel^men, ba^ 46
im 4. bi« 5. ^al^r^unbert unfere ©ammlung entftanben fei.
eine au«fü^rlic^e Unterfuc^ung be« 35er^ältniffe« biefer Jpanbfc^riftengrujj^en gu-
einanber bietet ©effdfen in feiner 2lu«gabe XXV— LIII (togl. aud^ bie jtoifc^en Sljac^
unb 9urefc^ gefül^rten SBerl^anblungen, bereu litel ©c^ürer III, 448 ff. gufammenftellt).
^anad) ^at Q ben relatit) beften lejt. Slber leine ber brei ®ruj)j}en ift ber anbem ab^ do
folut öor^ujie^en. Sefonber« fmb bie 3itate ber Äird^entoäter (SE^eojjljilu«, 2lt^enagora«,
Giemen«, ^f. ^uftin, bor allem Sactam unb bie Oratio Constantini), bei ber Stelon^
ftrultion be« S^e^te« l^eranjmiel^en. 6« geigt fic^, ba^ Ü fe^r oft mit biefen älteren
3eugen gegen bie jüngeren ge^t. ^m ganzen gilt e« toorftc^tigcnßllelticigmu«: „0 unb
T taugen beibe nid^t«, W meift noc^ toeniger at« 0, unb mit Q ift c« ja auc^ nid^t 55
immer übermäßig günftig beftetlt, aber jebe Älaffe entl^ält i^r ®ute« unb mu^ fonfuU
tiert toerben."
2)ie älteren 9tu«gaben t)on i>ftu« Setuleju« (1545), ©eb. ßaftalio (1555), D^fo^
))0cu« (1599), ©aaaeu« (1689), ©attanbi (Bibliotheca veterum patrum Sb I, Venet.
1788) mögen nur regiftriert toerben. 3lud^ grieblieb, bie fib^Uinifd^en 2Bei«fagungen 1852 co
270 eignen nnb Sib^Utittfi^e eft^er
(mit beutfc^cr Übcrjc^ung), ift faum noc^ ju nennen, ©runblegenb unb bon bleibenbem
SBert aber ift baö grofee IJBer! bon 2llejanbre, noc^ je^t eine unerfd^öpflid^e JJunbqueDc
be^ aßiften^ für jeben, ber auf biefem ©ebiet arbeitet (Oracula Sibyllina 2 SBbe, ^ariö
1841—1856, ößt. auc^ bie Heinere editio altera 1869). Stjadii« SBerf, Oracula
6 Sibyllina 1891, ift bei faft bottftänbiger §eranjiel^ung be« ^anbfc^riftenmateriate ein
erfter SSerfud^ einer mobemen 2lnfj)rüc^en genügenben 2!ejtl^erftettung. 3lber nur ein
SSerfuc^; biel nä^er lommt bem erftrebten ^xA 3- ©effcfen^ 2lu^gabe ber Oracula
Sibyllina 1902 (bie gried^ifc^en (^riftlic^en ©c^riftftetter ber erften brei gal^r^unberte
l^erau^. bon ber Äird^enbäterlotnmiffton). 2luf ^Vorarbeiten bon 2. ÜJlenbel^fo^n fufienb,
10 bon aBilamotüi^ SHat unterftü^t, l)at (Seffden in biefer Slu^abe borläufig 2lbfd;liefeenbe^
gefd^affen.
i)ie ältefte, bebeutenbfte unb inl^alt^reic^fte bon aBen ©ib^tten ift ©ib^He III,
97-829. ©ie jerfättt in brei beutUcb marfierte 2lbf(^nitte b. 97—294; 295—488;
489—795 (796—829 ftnb ©c^Iu|bemeriEungen). 2)er erfte 2lbf(^nitt fefct ahxvOßi mit
16 ber (Srjäl^lung bom 2Iurmbau ein 97—104, e« folgt eine euemeriftifc^e 3)arftettung ber
Äämjjfe ber Äroniben unb litanen 105—155; ein lurjer ÜberbtidE über bie SReic^e ber
3Belt 156—161; nac^ einer erneuten ßinleitung (162—167) eine cttoa^ au^fü^rlic^erc
SBeiöfagung über bie SReid^e .bom falomonifd^en SReic^ bi^ jum 2luftaud^en ber 3lömer
unb bem ftebenten Äönig in 9tg^j)ten, tüobei jum ©c|luf; bemerft tüirb, baf; 5u biefer
20 3«it ba« aSoI! ®otte« tüieber ftarf fein toirb 168—195, enbli(^ toieber nad) einer
rec^t naiben Einleitung (196—210) eine fel^r beac^ten^toerte ß^arafterifii! g^raete unb
feinet Oefc^idE^ bon 3Kofe« bi« ju ber SRüdEf el^r au« bem @jil. 98on ganj anbrer 2lrt fmb
bie aßei^fagungen be« jtoeiten Slbfd^nittc«. 6« ftnb eine SReil^e aneinanber gel^ängter
Drafelf^rüc^e über bie ganje 2Belt, fo gut e« nur ging geogra^l^ifc^ georbnet:
25 295—302 ginleitung, 303—313 Sab^lon, 314— 333 Sg^ten, Sät^ioj)ien, Sib^en,
334—336 ber SBeften — bann eingefj)rengt ein Drofel über eine Steige bon ©täbten
337—349 - SRom unb baö italifd^e Sleid^ (in feinem Serl^ältni« ju äfften) 336—380;
9Kacebonien 381—387; Slfien 388—400; ^l^r^gien 401—413; eine ffiei^fagung über
Slion berbunben mit ber berühmten ^olemif gegen §omer 414—432; bann enblic^ ein
80 ßento bermifc^ter SBeiöfagungen 433—488. ^m britten ^eil folgt nac^ einer ßin=
leitung 489—519 ein grofee« jufammen^ängenbe«©tüdE,ba« eine95u|})rebigt gegen bie bonSRom
gebemütigten Hellenen 520—572 unb eine ©d^ilberung be« mit bem ©ef^irf ber i^eUenen
berglic^enen günftigen ©efc^idE« be« ^ubenbolfe« 573—596 entl^ält, um bann tbtcber in
eine ^erbe Äritif ber Slufeentoelt unb 2)rol^ungen be« Oerid^t« 597—651 au^jumünben.
35 6« folgt eine Sffieiöfaguna bom meffianifc^en 9leid^ unb nochmaligen Slnfturm ber Äönigc
gegen biefe« unb beren 35emid^tung 652-731; SufH}rebigt 732—740 unb ©c^ilberung
ber fünftigen ©cligfeit 741—795. ^\im ©c^lufe einige« über 33orjeic^en bc« Snbce
796—808 unb Jjerfönlid^e Semertungen ber ©ib^tte 809—829.
2)a in ber ©ibt;lle breimat bon bem ftebenten Äönigreic^ (König) in ägVJ)ten bie
40 Siebe ift b. 192—193, 314—318, 608—615, fo neigte man faft allgemein baju, bie
©ib^He in ba« ^Regiment ^tolemäu« VII. ^^l^^fon ju berlegen, toobei e« bann jtbeifel-
l^aft blieb, ob man an bie erfte 5Regierung«jeit (170-^164, gemeinfam mit ^totemäu«VI.)
ober bie ^n^cite (145—117) ju benfen ^abe. 9iad^ ^ilgenfelb« Sorgang (a[j)olal5ptif
69f.; ^\i)%f) 1860, 314ff.; 1871, 35), ber in ber bunflen 3Bei«fagung 388—400 bie
45 ©d^icffale ber ©eleuciben bon 2lntiod^u« IV. bi« 2:rVJ}l^on getoei^fagt fanb, batierten bie
meiften '^ox\6)tx unfer S3ud^ eitoa in ba« ^ai}x 140. @rft gam neuerbing« ift ©effcfen
(Äompofttion Iff.) trieber neue Sahnen gegangen. 3Ran überfielet bei jener SJatierung
nämlic^, bafe bei einem fo au«gebe^nten S3}ei«fagung«ftüdE mit ber !!Röglid^leit ber
§erüberna^me älterer 2Bei«fagung gerechnet Serben mufe. 5Run aber ift c« toenigfien«
50 bei bem in Setrac^t fommenben au^fü^rlid^ften 3Bei«fagung«ftüdE bom SRegiment be«
ftebenten Äönig« 608— 615 beutlid^, bafe biefc« fid^ ftörenb in einen gefc^lojjenen, anber«-
artigen 3"fantmenbang einfd^iebt; ebenfo gehört 192— 195 einer für \\d) fte^enben Keinen
2lj}ofalV})fe 168—105 an; auc^ ba« ©tüdE 314—318 fte^t für fic^ in einem äbfc^nitt,
in bem fic^ über^aujjt gragment an gragment rei^t. ^ilgenfelb« 2)eutung bon 388—400
55 aber ift fcine^toeg« überjeugenb, e« bleiben bon ©d^ürer 437f. ^erborge^obene un^
gelöfte ©c^ioierigfeiten ; bor allem lann ic^ nid^t finben, bafe bei bem Äerrfc^er
38cSff. an älntioc^u« IV. gebadet loerbcn fann. ©effcfen 10 f. i}ai ber ^ilgenfclbfc^en
eine gan^ anbere I)eutung gegenübcrgeftcHt, bie m. ®. nic^t überjeugeitber ift. ffiir
toerben gut tl;un, bon bem ©tücf 388—400 bei ber 3<^itbeftimmung ber Bib\fÜc ganj
CO ab^ufe^en.
Stb^Oeit ttnb Stb^Uinifi^e Sfic^er 271
S^b^nföK^ ober tüerbcn toxx \>ai eine mit ©ic^erl^cit fagen, bafe bie ©ibl^He noc^ in
bcr SMaffabäcrjeit entftanben fein mufe. ^\)x^ ©efamtftimmung ift nur an^ biefer ^^\i
begreifbar. 3)er 3ube, bcr ^ier f(^reibt, fe^t überall ben Seftanb be« felbftftänbigen
jübifd^en ©taate« borau«; er fül^lt fw^ in feinem nationalen Setüufetfein rul^ig unb fi^er
unb })rebigt bem bon bem 9lömem unterjochten unb mifel^anbelten §ellen^ntum Suf;e. 6
SJirgenb^ — eine fc^einbare 2lu^nal^me toirb unten befj}rod^en Serben — rid^tet er feine
Äriti! unb feine Sufejjrebigt gegen bie Slömer. 3)ie ^^xkn be« ^omjjeju^, ber ßinna^me
Serufatem^ burd^ i^n !ann er noc^ nid^t erlebt ^aben. 2Bir toerben aber mit bem äln^
faj^ be« ©tücfe^ big in bie fjjäteren S^tm ber 5IWatIabäer^errfc^aft ^inuntergel^en muffen,
©in^elne Beobachtungen jtüingen baju. 3)eutlic^ ift 464—469 ber marfifc^e Sunbe^s lo
genoffenhieg getoeiöfagt, unb bemgemäfe tüirb 470 ff. bon ©uUa unb feinem ^"9 n^c^
äfien bie Siebe fein, ferner bringt 350 ff. ein Dralet au^ bem Ärieg gegen ultit^rabat
im3öi^te88 bor: „6^ ift ein intereffante« ©tüd, \\>xxi)t boc^ ganj^ unberl^o^Ien au^ i^m
ber ÄöB ^^ §ellenen gegen bie 3;talier, bie nun in 2lfien gro^nbienfte leiften muffen"
(®effc!en, Äomjjofition 8). 2)a nun ber ©ib^Hift biefe SBei^fagungen nid^t felbft ent^ 15
Torfen, fonbem bereite übernommen l^at (f. u.), fo mufe er einige 3^it nac^ 88 gefc^irieben
l^aben. SBBir toerben alfo fagen bürfen, ba| unfere ©ib^Ue ate ©anje« am 6nbe ber
3)lalfabäerjeit unb jtoar bann bielleid^t in bcr S^xt be« bon ben 3uben fo gej)riefcncn
Slegimente« ber Sllejanbra entftanben ift. ^cnn bon ben SBirren unb fiämipfen ber
3llejanber-3annäu^-3^* 8^9* M V^^ ^^^"^ ©pur. 20
2)cr ©ib^Uift arbeitet toie ber 3[pofal^j}tifer nur jum leil mit eigenem SKaterial,
jum größeren ^eil mit überfommenem fiebngut. SBir fudjien junäd^jt ba« unferem
©ib^ttiften eigene 2)laterial abzugrenzen, mit ©id^er^eit ift il^m ber grofee 2lbfc^nitt IIL
211—294, bie ß^aralterifierung be« jtibifd^en 38ol!e« gujufjjred^en. 9Jlan lann freiließ
auf ben erften 33lidE jtoeifeln, ob toir biefen 2tbfc^nitt nic^t ju ben nad^toei^bar bor« 25
l^anbenen ©tüd(en au^ bcr ^^xt bed ftebenten äg^))tifc^en Jtönigd fd^lagen h)ill. älber
to^nn e^ 271 f. Reifet: näoa de yaia as&ev nXiJQijg xal Jiäoa '&dlaoaa, nag de
jiQoaox&iCcov Sarai röig oöig i&iuoiaiVf — fo pa^t biefe ©c^ilberung ber jübifd^en
2)iafpora borjüglic^ in bie S^xt Sllejanbra^, an ba^ @nbc ber SRaffabäerzeit, in ber
bie grofie älu^be^nung^betoegung beö ^ubentum erft begann (bgl. ben jeitlid^ ganj ao
na^eliegenben $f ©alom. 1); bagegen um 140 toäre fie noc^ eine arge Übertreibung
(bgl. meine im Slnfc^lufe an SBiHrid^^ Unterfuc^ungen gegebene 3)arfteuung ber 3tu§-
breitung be« jübifc^en SSolfe«; 9lel. be« ^ubentum« 56 ff.). 3)iefeg ©tüdt ift aber formeD,
in feiner breiten, be^aglid^en 3Ranier ber ©c^ilberung, unb in^altlic^, in feiner 6^ara!tes
rifierung beö ^ubentum^ auf^ engfte mit bem großen jufammen^ängenben ©tüdE 520—795 sö
bertoanbt. ®iefe« toirb alfo ebenfatlg ^ierper ju ftcHen fein. ÜJlan fann bielleid^t
jtoeifeln, ob nic^t bie Su^t>rebigt gegen bie §ellenen ebenfogut in bie 3^^* l^incinj)a|t,
ba bie Hellenen jum erften iDlale bie 3"^trute SRom^ füllen mußten, ettoa in bie 3«it
ber 3€^ftörung Ä^orint^« (146), alfo in bieS^t be« fiebenten äg^jjtifd^en Äönig^. StUein
ebenfogut pa^t fie in bie 3^^^^" ©uUa^ unb ber Sltit^rabatifd^en flriege. Seftimmt 40
möchte id^ mic^ gegen jeben 3Serfud^ ber 2lu£feinanbenei^ung biefe^ ©tüde^ unb feiner
SSerteilung auf mehrere Duellen au^fprec^en, too^u l^ier unb ba bie SBieberl^olungen unb
Häufungen ber ©c^ilberungen lodEen möd^ten. Sin toirflid^er ®runb jur DueUenfc^eibung
liegt nic^t bor, nur bafe l^ier unb ba ber ^^ejt burc^ bie Überlieferung berborben ift.
3Kan tüirb gut tl^un, ba« ©tücf im großen unb ganzen fo ftel^en ju laffen, toie e« ftel^t. 45
5Wur barauf möd^te id^ noc^ ^inmeifen, bafe feine bertoidtelte ©Teratologie (fie^re bom
3h)ifcrenreid^) ebenfalls el^er auf einen fpätercn aU frül^eren 3^i^ö"fö^ beutet.
3)emfelben ©ib^Hiften toäre bann ettoa z"3u^»eifen ba« ©tüdE 156—161, bcr Über«
blidt über bie Jleid^e [ein ©ibtoHift, ber 79—69 t). ß^r. in Sg^pten fc^rieb, fonnte
bereit« bon einer SBeltJ^errfc^aft 9tomö fj)red^en, el^er ate ein um 140 fc^reibenber] ferner w
aufier ber Überleitung 162—166, bie (Einleitung ju 211 ff.: 194—210 [bie toirre, bem
eignen ©til be« ©ibl^Hiften fo toenig entfpred^enbe ©d^reibtüeife erllärt ftd^ barau«, baf;
biefer ^ier ben üblichen ftb^llinifd^cn Drafelftiel nad^al^mt], bie (Einleitung unb bie erften
atbfd^nitte be« zweiten 3:eite 295— 336 (333); bie ßinleitung be« britten leite 489— 519,
ioieber ein red^ter fib^Hiftifc^er (Sattimat^ia«, unb enblic^ mit einiger SDäal^rfd^einlid^feit 65
aud^ ben ganzen ©c^lufe. 3llfo im ganjen 156—166. 196—294. 295—336. 489—795
(mit Stuönal^me bon 608—615). ^n biefen 3^fö>""^^"^<*"9 P"i^ "wn ältere jübifd^e
Stücfe au« ber 3eit ^tolemäu« VII. eingearbeitet; III, 167(162)— 195. |®effcfcn, Äom^
pofttion ©. 6 pnbet innerl^alb biefer 2Jerfc in 179—189 eine Einarbeitung au« ber
jüngeren ^ertobe ber ©ib^Keubid^tung; namentlid^ avL^ bem (ärunbe, h)eil ^ier ben eo
2?2 Sih^tltn nnb Sib^Utnifi^e Ofi^er
SRömcm bereite ba^ fiaftcr ber ^Päbetaftic ijorgctoorfen toerbc. aber c^ ift bei bcr un=
Haren Slu^brudetDcijc bc^ Sib^Iliftcn \^fyc biegtage, auf tuen ftc^ ber 9?orh)urf 33. 185 f.
bejiel^t; c^am grunblo« i[t e«, toenn ®. 33.192. 193, bie (grtüä^nung be« 7. SRegiment«,
atö ©loffe befeitigt]; 314—318; 608—615; baneben bielleid^t nod^ biefe« unb knti
5 nid^t näl^er bcftimmbare Heinere Fragment. 2luf;erbem aber \)at nun ber ©ib^ttift —
e^ ift befonber« ein i^erbienft ©effcfen«, barauf aufmerifam gemacht ju ^aben — eine
ganje SRei^e l^eibnifc^er Dratel in fein SBerf i^ertüoben. 3)er 33organg, ber ^ier ftatt=
gefunben, ift ein burc^au« berftänblid^er. Snbem man ber jtibifc^en ©ib^jtte ^eibnifc^e
Drafel unterfc^ob unb biefe in jübifc^e Umgebung t>erfe^te, meinte man am beften auf
10 bie aiufeennjelt ©inbruc! machen ju lönnen. Slamentliqi fmb, toie tüir bereit« fa^en, im
jtoeiten 3;eil berartige ^eibnifc^e Dralel »erarbeitet. leitoeife lä^t fic^ ba« nod^ bireft
nac^toeifen. ©o ift un« au^brütflic^, burd^ l^eibnifc^e g^^Ö^^Ml^ (S3arro bei fiactanj,
Socd^u« bei Solinu« [f. o.], ißaufania« X, 12s ; ^ic ©teilen im 3lj)parat ber 3lu^abe bon
Oeffcfen ©. 69 f.) überliefert, ba^ bie ertot^räifc^e (refp. belp^ifdS^e) ©ib^Be glion« gott
15 getoei^fagt unb §omer 2üaen unb 2)iebftal^l i^rer aSerfe i^orgetüorfen. 2)iefen ^affu«
ber er^t^räifd^en {beljjj^ifc^en) ©ib^tte finben toir in unferer ©ib^tte III, 414—432
l^erübergenommen. 3lud[^ ba« borl^ergel^cnbe Drafel über ^^r^gien« 93ern)üftung unb
Untergang 401—413 mac^t einen burd^au« ^eibnifc^cn ßinbrucf. Sbenfo finbet fid^
381—387 ein tüal^rfd^einlid^ ^cibnifd^e« Drafel über ällejanber ben ®rof;en. 6« ift
20 un« bejeugt (ügl. ©effcfen« Stu^gabe 68), bafe bie perfifc^e refj). c^albäifc^e ©ib^ttc über
Sllejanber gen)ei%gt (iabe(f.o.) unb bei©trabo p. 814 mirb nad^ Äattift^ene« bon einer
©ib^Be 'Egv^gaia *A^vatg bagfetbe bel^auj)tet. 2luc^ ba« bielgequälte Drafel 388—400
(f. 0.), fc^eint mir ein jtüeite« 2ltejanberorafel mit angehängter, für un« unbeutbarer Über=
arbeitung (396—400) ju fein (3nt2iB III, 34f.). 2)ie gegen SRom erbittert feinbjeligc
26 Stimmung be« Drafete au« ber -iroit^rabatc^jeit 350ff. teilt unfer ftd^ gegen bie ^ellenen
tüenbenber ©ib^Hift nic^t. 2)a« Drafel ift ein ^eibnifd^e«, i)on eminent Jjolitifd^em gntcreffe.
3)ie im ed^ten alten ©ib^üenftil burc^einanber gewürfelten 2Bei«fagungen 337— 349,
433—488 ftammen pci^er nid^t a\x% be« ©ib. eigner §anb. 3)er l^atte an allen biefen
3)ingen faum nod^ ein ^ntereffe, für ben tpar ba« alle« 2lufpu^. 2llfo ^aben toir bon
30 337—488 burc^ge^enbe (gntle^nung. ^Wac^ ©effdEen« 3Reinung foll biefer ganje ©toff
bom ©ib. ber er^t^räifc^cn ©ib^He (bgl. bie ertüäl^nung ber ©r^t^räa III, 814) ent=
lel^nt fein, ©efic^ert fd^eint mir bie SSermutung nic^t. 3)er ©ib. toirb ^ier Drafel
berfc^iebener §erfunft gefammelt ^aben. 3Jur bie fünftlic^e änorbnung ber Drafel ift
fein äöerf.
86 atber aud^ im 2lnfang ber ©ib^lle ^oX eine folc^e §erübernal^me ftattgefunben. 2)a«
©tüdE 105—154 ift fpegififc^ ^eCeniftifc^. 33ei fiactanj (Inst. Div. I, 14. 2) finbet S^
a\x^ Snniu«' ©uemero« eine birefte parallele biefer euemeriftifc^en 3)eutung ber Säm^jfc
ber Äroniben unb 2!itanen. [SKan ügl. a\x6^ bie merftüürbige 2)arftetlung biefer ßr^
jä^lung bei SJlofe« M, Äl^oren 1. c. unb baju meine 2tu«fü^rungen 3"*2ß III, 30.]
40 3)iefc« ©tüdE ftef^t aber in engfter SJerbinbung mit ber 2Bei«fagung bom Turmbau mit
bcr bie ©ib^lle beginnt. 9Jur barf man e«, tüie mir oben nac^toiefen, al« geftd^ert be-
trachten, bafe e« eine ältere bab^lonijd^e ©ib^He mit 5Jamen ©ambetl^e gab. Unferc
©ib^He ibentipjiert fid^ mit biefer älteren ©ib^lle III, 809 ff. SBir bürfen bon bom-
herein bcrmuten, bafe fie un« ©tücfe au« i^r ermatten ^at. SBenn nun ätlejanber ^^Jol^-
iö^iftor (bei ©ufeb. (S^roniconI,23f. ed.©c^oene), au« biefcm3ofep^u«Antiquitate8 1,118,
unb biellcic^t unab^^ängig bon i^m Slb^benu« (Sufeb. ß^ronicon I, 33f. = Praep. Ev.
IX, 1 1,2) ein Drafel über ben ^^urmbau in einer fpejifijc^ l^eibnifd^en gorm bringen, fo brängt
fic^ bod^ bie Vermutung auf, bafe biefe« urfprünglid^ in ber älteren ©ib^lle geftanben, unb ba|
unfer ©ib^Hift III, 96—104 unb bann auc^ 105-154 bort^er entle^^nt ^abe. 2Benn man
sobagegcn eintüenben möchte, bafe bieSegenbe bom2:urmbau ftc^ in ber alten bobt^lonifc^en
Überlieferung burc^au« ni^t nac^tüeifen laffe, fo brauchen mir einer ^etteniftifc^en ©ibl^tte
a\xi^ gar nic^t rein altbab^lonifc^e« ®ut jujutrauen. ©ie mag bie ©age enttoeber au« bolf«-
tümlic^er Überlieferung, ober bielleid^t auc^ bireft au« jübifd^er Irabition gefc^öj)ft ^ben.
®a« ift el^er anjune^men, al« bafe ädejanber ^oll^^iftor, ber un« eine au«gebe]^nte
55 jübifc^e Sitteratur fo getreulich überliefert ^at, ba« ©tücf ber jübifc^en ©ibl^lle l^cibnifc^
gefälfc^t ^ätte; Dgl. ©cffcfen, ®g5J 1900, 88 ff.; Souffet, 3nt3B III, 1902, 23 ff. —
©0 ftellt fic^ un« bie britte ©ib^iHe al« ein SBerf au« ber 3eit ber ällejanbra bar, in
toelc^er ältere jübifd^e fib^Hinifd^e gragmentc au« ber 3^^^ ^tolemäu« VII, ein ©tüdE
bcr alten babl)lonifc^cn ©ibi^He, ©tücfc ber crl;tl)räifc^en ©ib^lle unb anbrc l^ellenifc^'
60 ftbvUinifc^e Drafel eingearbeitet finb. $ür bie jübifc^e religiöfe ©timmung am @nbe be«
Stt^Ortt ttnb Sib^Oiitiff^e mdftt 273
?KatIabäerte0iment« ftnb bte flrofecn ©tüdtc 211— 294 unb 520—795 befonbct« IcJ^rtcid^.
LSBenn III, 218 totrtlic^ lori jiöXig Ka/idQiva ju lefcn ift, bßL III, 736, fo ^ätte
ber ©ibt^ttift ba« SBerl bc« Gl^onogra^j^en ®iH)olcmo« (l^gl. Sufcb.Praep.ev. IX, 17,3)
gefannt; unb 218 ff. toärc ate eine ^olemi! gegen beffen 3)arftettung aufjufaflen.]
3Kit bem 2lnfang biefer ©ib^tte l^at e« nun eine bef onbere Setoanbni^. 2)er genuine 5
Slnfang ber ©ibtotte ift au^gebrod^en. SBa^ toir 1—95 lefen, gcl^ört nic^t urfj}rünglic^
au i^r, fonbem ift frembe« ®vLt ^a tüir lönnen ^ier minbeften^ jtoei §änbe nac^toeifen.
äSon ber einen $anb ftammen III, 46—62, ein ©tücf, ba^ feinerfeit« am ©c^Iuf; ber*
ftümmelt ui fein fc^eint (t>gl. a\x6) bie ^anbjc^riftlid^en 93emerfungen jtüifc^en v. 62. 63.
®cffc!en ©. 50), bon ber jtüeiten $anb ftammt III, 63-92. [9Kan barf nic^t, tüie 10
©c^ürer bie« im ätnfc^Iufe an Sleel unb Surfe tl^ut, burc^ §erau«bre(^en ber (^araftes
riftifc^en 3Bei«fagung, bafe Seliar ix HeßaaTtjvcov fommen foDe, bie beiben ©türfe ge«
tüaltfam jufammenf^meifeen]. — Da« erfte ©ttirf III, 46—62 berlegt man faft ein«
ftimmig in bie ^Ät be« atoeiten Iriumbirat«. ^i) jtoeifle an bem Siecht biefer 2)atierung.
3Ran finbet bei ber getoöpnlic^en Deutung b. 46—50 ba« ^Regiment be« (jübifc^en) 3Keffia« 15
geh)ei«fagt. 2tber h)enn ba« richtig ift, h)ie lann bann ber ©ib^ttift 51 fortfal^ren xal
TÖre AarlvcDv änaQahrjTog x^^^ ävÖQcbv' rgeig 'Pcourjv . . . xaradrjli^aovTaL
3R. e. rebet in ben b. 46—50 ein ßl^rift, ber bon ber ©eburt feine« §erm unb ber
äufridj^tung feine« SReid^e« tpei«fagt, jur ^At, ba SRom über 3(gt;j}ten l^errfd^t. 3Jlitb.51
ober ift ber ettoa in ben Slnfänpen 3Sefj)afian« fd^reibenbe ©ib^Hift beim römifc^en 20
Interregnum. 2Bir l^ätten aljo m III, 46—62, ju ber bielleic^t bie ©inleituna III,
1—45 ö« fd^lagen ift, eine c^riftlic^e Bearbeitung um ba« ^al}x 70. 3)a« ©tuet III,
63—92 ift noq fd^toerer ju batieren. Da ber Slntid^rift au« ©ebafte erwartet toirb, fo
mufe ba« ©türf nad^ 25 p. 6l^r., bem ®rünbung«ial^r ber famaritanift^en ©tabt ©ebafte
angefe^t Serben. 2lu(^ mag bei biefer ^pi^antafte bie ©eftalt be« ©imon SKagu« md)^ 25
getüirlt ^oben. Damit erjielten tüir al« terminus a quo bie jtoette ^älfte be« erften
^riftliAen ^^^l^unbert«. Sefonber« rätfell^aft ift ^ier bie ®rh)äl^nung ber ^errfc^aft
einer SQJittoe, bie nattirlid^ nid^t me^r, toie man frül^er annal^m, Jlleo^atra fein lann.
SBir toerben bie fiöfung be« SRätfel« erft berfud^en lönnen, toenn tüir bie beiben Sucher
I unb II mit in bie Unterfud^ung ]^ineinge}ogen baben. 9}un ift e« aOgemein anerlannt, ao
bafe ©ib. I unb II einft eineßinl^eit gebilbet l^aben, unb erft burc^ eine Bearbeitung au«=
einanbergerijfen tourben. ©ine ©j}ur biefe« 3:^atbeftanbe« geigt no(^ bie §anbf(^riftengruppe
0 in ber uberfd^rift jum britten 33uc^ : jtdXiv h reo xottcp airtfjg rdfico rdde qjtjalv
ix Tov devrigov iöyov negl ^ew, unb in ber jum erften unb itoeitenSud^: ix xov
TiQwxou Xöyov. 6r l^at fic^ ^ier in ber ^üt, too ©ib. I— III fd^on brei miteinanber 35
überlieferte Bücher h)aren, bie ©rinnerung erhalten, baf; ©ib. I— II ber ngcbroq loyog,
©ib. III ber devxegog Xöyog fei. 2lud^ notieren eine SRei^e bon §anbf(^riften am ©d^Iuffe
bon II bie I unb II gemeinfame 93er«fumme. ferner l^at namentlich Dec^ent (Über ba«
erfte, jtoeite unb elfte Buc^ ber fib^Hinifd^en 2Bei«fagungen, ^Jranff. 1873) überjeugenb
nac^getoiefen, bafe bie gemeinfame ©runbtage bon I unb II in I, 1—323 borliege unb 40
bann toieber mit II, 6—33 einfe^e, um bann noc^ einmal burc^ eine breite ©inlage
(bgl. bor attem ba« allerbing« nur in (P überlieferte ^agment be« pfeubojj^ol^libeifd^en
©ebid^te« 56—148) unterbrod^en in 154 ff. feinen ©c^lufe ju finben. fön bem äb^
fc^nitt II, 154—338 ift e« nic^t fo einfad^, bie ©runblage bon ber Überarbeitung ju
fonbem.l gn biefer ©ib^He fmb bie ©efc^idfe ber 2Belt nac^ jebn ©efd^led^tem getoei«- 45
fagt. L*^i^f^ ätuffaffung, bafe bie 9Kenfc^b^it«gefd^ic^te ftd^ in je^n ©enerattonen abfbielt,
ift ben ©ib^tten geläufig. IV, 20. 47. 86 ff. VII, 97. VIII, 199. XI, Uff. ^araUelen
in ^elleniftifc^srömtfc^en Quellen bei ©arfur, ©ib^llinifc^e 2:ejte unb g^orfd^ungen 150 f.]
ßr^lten aber ift nur bie 2i5ei«fagung über bie erften fteben ©efd^lecpter, bie folgenben
2!Bei«fagungen ftnb bei ber Überarbeitung au«gebrod^en. II, 15 ftel^t bereit« beim je^nten bo
©efc^le^t. Diefe nac^ allgemeiner annähme jübifd^e ©ib^^lle ift nun burc^ einen Be-
arbeiter bon au«gefj)rod^en c^riftlic^em G^atafter ju xtoei Büdnern aufgearbeitet. 6« ift
nun aber nic^t leicht, bie 3^^^ ^^^ jübift^en ©runbfdprift unb be« d^riftlic^en Bearbeiter«
bon I — II feftjulegen. ffiJäl^rcnb Ded^^ent für bie jübifd^e ©runbfd^rift ba« 3^^^^^^^
ß^rifti annahm, möd^te ©effrfen mit beiben Berfaffem bi« in« britte nadf^c^riftlid^e ^^^r^ 66
j^unbert ^inuntergel^en. 3""^ Bereife ^^bt er (^omj}ofttion ©. 49) ^erbor, ba| fic^ aud^
in ber „©runbfc^rift" bereit« bie metrifc^c Grfc^einung jeige, bafe ^ier unb ba nad) mann«
lieber ßäfur nur noc^ eine Äürgc folge (g. B. 228. 303). Diefe (Srfd^einung aber beute
in ba« britte nac^c^riftlic^e S^i^r^unbert. 3tber e« fragt fic^, ob toir bie ©efc^ic^te ber
3Retri! fo genau feftlegen fönnen, bafe fid^ mit ©ic^erl^eit bie Unmöglic^feit bcrartiger eo
ffttaU(inc\itlopäbit fOr ar^eologie unb ftirt^e. 3. «. XVIII. 18
274 Sib^Ben titib (Sib^Ottitf^e fbUftt
6rf (Meinungen am (Snbc be^ crftcn ^a^r^unbcrt^ bcl^am^tcn liefie. änbcmfall« bliebe
immer noc^ bie ?WögIi(^!eit ber ännalj^me, bafe ber Überarbeiter auc^ in bie aufgenommenen
Scftanbteile ber örunbfd^rift rebaftionell eingegriffen l^ätte. gemer foll nad^ ®. bie
©inbürgerung ber ^Jlutfage in ^l^r^gien, bie bon ber ®runblage borauggefci^t tüirb,
5 1, 2Glff. erft im britten S^*^^^«"^^ erfolgt fein. 3lber mit einem SSertoei^ barauf, bafe
auf bieje ©age l^inbeutcnbe SJlünjen erft in biefer ^Äi borfommen, fann boc^ biefe 8e=
l^auptung nidpt crtoiefen toerben. 2)ie ©tabt Wpam^a in ^r^^gien l^iefe fc^on unter Sluguftu«
KißcoTÖg unb bereit« ©ib. III, 401 ff. (bgl. I, 184—188) finbet ftd^ eine beutlic^e än^
fptelung auf bie ))^rVgif(i^e ^(ut.
10 3^ glaube, baf; ©rtoägungen anberer 2lrt un« toeiter fübren. 6« Iäf;t fic^ m. 6.
betoeifen, bafe bie ä^trümmerung ber britten ©ib^tte am Stnfang mit ber ©ntftcl^ung
ber ©runbfd^rift ber erften beiben Sudler j\ufammenl^ängt. 6« ift lein ^n^aü, bafe auc|
unfere ^anbfc^riften auf einen engen Überlieferung^jufammen^ang gerabe ber brei erften
Sucher f^inbeuten. Überbie« finben toir in ber erften ©ib^IIe ba« Il^cma bel^anbelt, ba«
15 aller SBal^rfc^einlic^Ieit nac^ in bem au^ebrod^enen 2lnl^ang bon ©ib. III be^anbelt ge=
ioefen fein mu|, nämlic^ aBeltfd^öjjfung unb glutej)0«. Unb cnblic^ finben fu^ in ben
9(u«fü^rungen ber erften ©ib^Qe über bie f^lut gan^ unleugbare älntlänge an ba« alte
bab^Ionifd&e glutej)Oö (bgl. namentlich ben 93eri(^t über bie 2lu«fenbung ber SJögel
b. 230—260, 3nt9B III, 1902, ©. 31). tiefer fonberbarc 3:l^atbeftanb läfet
20 ftc^ faum anber« erllären, ate baf; toir annel^men, ber glutberid^t bon I toenigften«
^abe einft in ©ib. III gcftanben unb fei toie III, 96—154 (f. o.) in Sin-
Ic^nung an bie bab^lonijc^e ©ambet^e enttoorfen. 2Bie Diel toon ©ib. III in ©ib. I
übergegangen ift, toirb fid^ freiließ bei ber bojjjjetten Bearbeitung toon I. II ni(^t mebr
au^mad^en laRen. 3Sielleic|t giebt auc^ ber Umftanb, bafe bie §anbfd^riften 1084 3Serfe
25 für ©ib^He III notieren (®effdEen, Slu^gabe LI), toäl^renb toir gegenwärtig nur
829 (—95) beft^en, einen gingerjeig für ben Umfang be« ©tüdEe«, ber am Swifang bon III
^erau^ebrod^en ift — SKJir toerben un« ben Hergang ber ©ad^ alfo fo bori^uftellen
l^aben, ba^ ber 38erfafjer ber ©runblage bon I. II biefe unter ^erübema^me oe« Sin*
fange« bon III l^erfteltte unb bann ben lorfo bon III afö jloeite« 33u(^ (bielleic^t mit
ao einer lurjen (Einleitung b. 1—45 (?) öerfel^en) folgen liefe.
aSon l^ier au« lönnen toir nun bieHeid^t auc^ bie 3^^ ^^ 3Serfaffer« biefer ®runb^
läge feftlegen. 6« ift nämlid^ fel^r toal^rfc^einlic^, bafe oie 3n*^öl<^tionen, bie in III,
46—62, 63—92 Vorliegen, erft nai^ ber 3)efomj)ofition bon ©ib. III erfolgt fmb. SBenn
nun III, 46—62 in ber geit ettoa 70 nac^ 6l^r. geschrieben finb, fo muf; bie ^^ftörung be«
36 Stnfange« bon ©ib. III unb bie ©ntfte^ung ber ®runblage bon I unb II bor 70 erfolgt fein.
aÖann aber ift bie d^riftlic^e Überarbeitung bon I— II anjufe^en? 3Kan toirb bei
ber Unterfuc^ung m. ®. ben 2tu«gang bon ber SKeiöfagung II, 167—176 ju nel^men
l^aben. 3!)enn bieJe« ©türf gel^ört ftc^er nid^t, toie 2)ed^ent toiH, ber jübifc^en ®runblagc,
fonbem ber d^riftlic^en Bearbeitung an (bgl. b. 167—169, über^au^jt ben 3lu«brud
40 'Eßgaioi, ber d^arafteriftifd^ für biefem c^riftli^en Bearbeiter ift: I 346. 362. 387. 395.
II, 170. 173. 175. 248. 250). 6« ift in biefem Slbfc^nitt bie 5Rebe bon ber aiüdffe^r bc«
^toölfftämmcoolfc« au« bem Dften, toeld^e« 5Rad^e nehmen toirb für ba« SSolf ftamm-
bertoanbter Hebräer, 8v äjzcoXeoev *AoovQiog xkcov. 2)ie ^htc bon ber StüdEfe^r ber
;itoölf ©tämme ift nun ein befonbere« £iebling«tl^ema gerabe ber fjjäteren jübifcben
4ö äpofaivptif. ©ie ift im IV ß«ra unb bem f^rifd^en Barud^buc^, ©c^riften toom ®nbe
bc« crftcn nac^c^riftlic()en ^a^r^unbert«, bcfonber« breit au«gefül^rt ©ie toar namentlich
noc^ im britten ^a^'^^un^C'^t lebenbig; in biefer ^c\i ift fie in Gommobian« Carmen
apologeticum 941 ff. unb in ber ^ebräifc^cn 6lia«a^)ofal^t)fe (ed. Buttentoiefer) nac^^
h)ci«bar. ^n ba« britte ^a^r^unbert toeifen un« auc^ ®effdEen« metrifd^ Beobac^tunaen.
50 3;n biefen 3t})ot. be« britten ^a^r^unbcrt« fpielt auc^ bie 3Bci«fagung bom äntic^rift
(Scliar) eine grofee -Wolle. SRun tonnen toir fagen, toer ber l;ier ertoä^nte *AoavQu>g
xkcov ift. ein aff^rifc^er (f^rifc^er) %ixx% im britten Sö^^^"'^^^/ ^^ ^^^ Subcn öer^
folgt, fann laum ein anberer al« Db^aenat bon ^alm^ra, ber R^^örer ber jübifcben
Äolonie 9Ja^arbea fein, ber ja anö^ ber $auj)tgegenftanb ber SBei«faaung öon ©ib. XIII
55 (f. u.) ift. 6r gilt in ber l^ebräifc^en (l(ia«aj}olalVj)fe al« antid^riftlicper ^aiJH)tg<gner
be« ^w^^i^tum«. 2)anad^ fiele alfo ber Bearbeiter bon ©ib. I unb II in bie »tüeitc ^älftc
bc« britten d^riftlid^cn 3ö^^^w"^<^t^- Unb in biefe ^t\t toürbe bie ^l^antajte über ba^
9lcinigung«feuer unb bie 3Sermittclung ber ^eiligen ^wngfrau II, 312 f. gut pa^m, äu(^
bie (^Jeftalt bc« „1be«bitcr ßlia«" II, 187 fpielte gerabe in ben genannten äj)o=
60 (ah;j)fcn eine Jpau))troUc.
Stt^flrtt ttnb Stb^nittiff^e »fieser 275
3tm aber ertoeift ftd^ tüciter ba« Heine ©tücf III, ()3— 92 auf^ engfte mit II, 167 ff.
bertoanbt. §ier tüie bort ift i)on Seliar, feinen S^d)m unb SBunbem bie SRebe, ^ier h)ie
bort Reifet e^ beinal^e in ben gleichen Slu^brücten, bafe in biefer 3^^^ ^'^ au^ertoäWten
©laubigen unb bie Hebräer in grofee 9Jot geraten toerben, re|j). bom Slntid^rift t>erfübrt
toerben (II, 168—170. III, 69). $ier toie bort toirb ber SBeltenbranb in benfelb'en 5
2Borten getoei^fagt (II, 196 ff. — III, 80 f.). 2)er Überarbeiter t)on ©ib. II unb ber
Schreiber toon ©ib. III, 63 ff. muffen ibentif^ fein, ober au« berfelben Umgebung unb
3eit l^erau« toei^fagen. 9lunmel^r ergiebt ftd^ auc^ bie 2luflöfung ber rätfel^aften SBei^^
fagung III, 77 f. bon ber SBittoe, toelc^e am ©nbe ber 3«t bie SBelt be^errfd^en toirb.
©ie toirb faum jemanb anber« fein aU Rmobia bon ^Palm^ra, bie nac^ ber fermorbung 10
Dbaenat^« (267—273) regierte. JRätfel^aft bleibt babei nur, h)e«^atb l^ier III, 63
ber atntic^rift au« ©ebafte ertoartet toirb. SKir hjerben ^ier eine alte unberftanben
l^erübergenommene SBei«fagung, bei lüelc^er bie ©imon=9Jlagu«geftaIt nac^toirft, anju^
nehmen l^aben.
2in biefen 3ufA^ntenl^ang rücft nun aud^ ba« ac^te ©ib^Qenbuc^ in feiner gegen^ 15
tüärtigen gorm ein. 3)a« ac^te 33uc^ ift befanntlic^, toie e« un« borliegt, ein Konglomerat
berfc^iebenartiger ©tüdte. 3" feinem erften SPbfd^nitt ift eine ältere ©ib^He (1—216),
bie bor bem lobe 5Karf Siurel« (180) gefd^rieben fein mufe, erl^alten, bie aber jebenfall«
in il^rem ©c^lufeftüd ftarl überarbeitet fein toirb. SJon biefem älteren ©tüdt toerben toir
noc^ unten jju ^anbeln l^aben. 2ln biefe rei^t ftc^ ba« befannte 2Krofti(^on auf ^ha&vg ao
Xgeiorbg ^eov vldg ocoxijQ aravQÖg an (217—250), baran toieber eine lange dpriftos
logifc^e Partie (251—323) an, bann folgen ^Paränefen, e^c^atologifd^e unb (^riftoloaifc^e
(über ben 2ogo«) 2lu«fül^rungen in bunter SRei^e. 3)ie ganje 3lrt biefer fib^Kiftifc^en ©c^rift^
ftellerei in ber jlbeiten §älfte bon VIII mit il^rer ben Soben ber ©ib^uiftil berlaffenben,
ganj in« Sel^r^afte übergel^enben SKJei«fagung erinnert auf« ftärifte an ben Bearbeiter bon 25
I unb II. ®« lommt |inju, baf; ganje ©erien bon SSerfen ftd^ in toörtlic^er Überein*
ftimmung l^ier unb bort finben, fo namentlid^ bie aiu«fü^rungen über ben SBeltbranb,
über ba« 9letnigung«feuer unb über bie ^ürbitte ber ^e^ren Qiunöfwu. SBgl. II, 200—202
= VIII, 339—341; II, 203—204 = VIII, 350. 352; 11206—210= VIII, 337 f.
312. 347 f.; II, 213 = VIII, 412; II, 306—313 = VIII, 350—357; II, 325 = ao
VIII 210. SBenn bie Bearbeiter bon VIII unb I. II nic^t ibentifd^ fmb, — (bagegen
fj}ri(^t bie reinere TOetrif in VIII), fo Iberben tDir bie beiben il^rer ganjen 2lrt nad^
berit)anbten ©ib^Kiften jeitlic^ ganj na^e j^ufammenrücfen muffen. 3)abei mag ba^in^
geftellt bleiben, toer bon ben beiben bon bem anbem abl^ängig ift. Unb fomit begreifen
tbir e« nun enblid^, toenn toir aud^ l^ier VIII, 200 (bead^te in VIII, 199 in i^ dexdzt] 85
yeved bie 9lemini«cenj an ©ib. II, 15) bie ©rtüä^nung be« rätfell^af ten SBeibe« unb
i^rer getüaltigen SKac^t toieberfinben. 3)iefem ©ib^ßiften le^ter §anb toerben tüir möglicher«
tüeife auc^ bie SKJei«fagung 169—177 jufc^reiben. Bictleic^t l^at nämlic^ Oeffcfen (Äom-
j)ofttion 40) ben äyvdg äva^, ber jule^t auf ©rben ^enfc^en toirb unb gegen ben fi(^
bann ber „ßlenbe" toieber ergeben tüirb, unter ^eranjie^ung bon ßommobian« Carmen 40
apologeticum richtig auf 6lia« unb feine J{ämj}fe mit 9iero gebeutet. 3tber bann
gehört bie 3Bei«fagung nid^t bem jtüeiten, fonbem ber jtüciten §älfte be« britten
3al^rl^unbert« an. — SBir fommcn bemgemäfe ju bem grgcbni«, bafe ber Bearbeiter bon
I. II; ber Berfaffer bon III, 63—92 unb ber Äomj}ilator bon ©ib. VIII in ber gegen»
toärtigen ^orm in ber 3eit (Dbaenat^« unb) 3enobia« (ober unmittelbar nad^ 3enobia« 45
Untergang«) anjufe^en feien.
6ine jtocite ®ruj}j}e ettoa gufammenge^örigcr ©ib^UenftüdEe bilben ba« bierte, fünfte
unb ber ältefte Beftanbteil be« ai^izn Bud^e«. BoHIommen burd^fid^tia ift feiner Sin»
1^9^, 3eit unb §er!unft nad^ ba« bierte Bud^. Sluc^ biefe« Bu(^ ift fimer jübifc^. 9Jlan
^t too^l at« Beloei« gegen ben jübifd^en Urfprung bie bollftänbige Bertoerfung alle« ßo
lemjjel» unb blutigen Opferbienfte« b. 27 f. angeführt. Slber bie ©ibljtte ift eben nac^
ber Se'i^örung be« ^^emjiel« gefd^riebcn unb ein c^arafteriftifc^er Beleg bafür, toie fc^neH
ftc^ ba« 3ui>entum nad^ ber 3erftörung be« Xempel« innerlid^ bon ber 3bee be« Djjfer»
lulte« löfte. — 3)er Berfaffer ber ©ib^jlle ):}ai, tüie gefagt, ben ©turj be« 3:emj}el« unb
bie bem boraufae^enben furchtbaren 3eiten ber inneren 3erfe^ung unb Sluflöfung im be» 65
lagerten gerufafem erlebt. B. 115—118. 125—127. 2)afür l^aftt er SRom unb Italien
unb in bem furd^tbaren 3(u«bruc^ be« Bulfan bom 3^l(ire 79 erblidt er bie ©träfe
®ottc« für bie Bemid^tung ber ^^^^»"»"en 130—136. 6in befonbere« 3ei^en ber legten
3eit ift il^m ba« grofee ©rbbeben auf ß^pern, bon bem (gufebiu« (ed. ©c^oene II, 158)
jum ^a\}xt ätbra^am« 2092 berichtet. (Sr toirb nac^ bem allen unmittelbar nac^ 79 ge» go
18*
276 ^OfttUtn titib Sib^Uititf^e Sfic^er
fc^riebcn ^abm. SSor attcm ertoartet er in bicfer legten ^c\t bie aBteberlunft 9lero6 \>on
ben ^artl^em mit erl^obenem Sj)ecr jut SRac^e an 9{om 119--124. 137—139 unb
liefert fo ben frü^eften Seleg für bie gnttoidelung ber JJerofage. 3n bem Stbfc^nitt
b. 49—114 l)ai ber ©ib^Hift eine ältere, aller aBaJ^rfc^einlid^feit na$ eine ^eHenifci^e
öSBei^fagung aufgenommen (©effcfen, Äomjjofition 19). \>, 97—98 fuib bireft afö ein
ältere« bon Strabo p. 52 bezeugte« Drafel nad^toeiiSbar unb ^aufania« II, 7, , finbet
ftd^ eine (^eibnifd^e) ^Parallele ju ber .Sei^fagung über SRl^obo« 101. 2)ie eingelegte
©ib^tte toei^fagt ben SBerlauf ber SBeltgefc^ic^te in je^n (Sefc^lec^tern (f. o.). S)a fie
mit ber §errfci^aft ber SDlacebonier bereit« gum jel^nten ©efc^led^t gelangt ift unb ba
10 ber auftauc^enben SRömerl^enfc^aft nur noc^ foeben gebadet toirb, baben h)ir bietteid^t l^ier
nocb ein alte« ©tücf au« bem erften ober gar jtoeiten toorc^riftliqen ^ö^^^i^unbert. [9(fad^
©effcfen ©. 19 foll fic^ allerbing« bie SBei«fagung be« ©rbbeben« bon fiaobicea 107f.
auf bie Äataftro»)l^e üom Satire 60 n. 6br. (lacitu« Annal. XIV, 27) bejie^en. 2lber
and} III, 471 finbet jtc^ bereit« eine ä^nlid^e aBei«fagung über fiaobicea. Derartige
15 Äataftrotol^en fönncn toieber^olt borgelommen fein. 3Röglic^ bleibt aud^, bafe to. 107 f.
fcätere Einlage.] SSieDeid^t l^at biefe 3Bei«fagung bon ben jei^n ®efd[^le(^tem bem 35er=
faffer bon I. II al« Vorlage gcbient. ^ntereffant ift am ßnbe unferer ©ib^tte bie
©(^ilberung be« Untergange« ber SBelt burc^ ben gro|en SBBeltenbranb, auf ben bann erft bie
aiuferfte^ung ber loten folgen foll. %ixx un« liegt l^ier bie ältefte au«fü^rlid^e ©d^ilbcrung
20 biefer Slrt innerhalb ber ©ib^uiftil bor (bod^ togl. bereit« III, 54 f.). 9Kan toirb berartige
©d^ilberung aber nic^t mit ©effdEen (©. 20) unbebingt al« Slnjeic^en ftoifc^en ©injluffe«
toertoerten lönnen. 2)ie ^l^antaften bom SBeltenbranb entftammen bem orientalif^^en
33olI«glauben, toon bem bie ©toa il^rerfeit« abl^ängig ju fein fc^eint.
©el^r biel fd^toieriger ift e«, über ba« fünfte Sud^ jur Älarl^eit ju lommen. 3)a-
25 rüber, bafe auc^ l^ier übertoiegenb jübifd^e 3Bei«fagungen vorlagen, ift man im allgemeinen
einig. 3lber toä^renb 3al^n (^fiBfi VII, 37 ff.) in einer funftboHen Duellen^
f(^eibung an^ ©ib. V eine SReil^e einzelner ©ib^Hen getoann, tüill ®. im grofien
unb ganjen an ber §er!unft bon einer $anb feftl^alten. SRid^tig aber i^tbt ®.
I^ertjor, bafe ba« ©tücf V 1—51 in feiner langweiligen unb unintereffierten 3luhä^lung
aober römifc^en ilotijer bi« §abrian (refj). toenn man i). 51 für et^t l^ält bi« SKarf 2lurel)
%u ber übrigen SKaffe ber ©ib^lle mit i^rem befonber« leibenfd^aftlic^en ©uralter in
fc^roffem ©egenfa^ ftel^e, alfo einem befonberen Bearbeiter angehöre. — SBenn toir ba«
übrig bleibenbe maffen^afte unb toirre 3Katerial überfd^auen, fo lieben [xd) au« i^m brei
(ober bier) unter ftc^ eng bertoanbte ©tücte l^erau«. 6« fmb bie SJerfc 137—178;
85 214—285; 301—446. 3)ie in biefen 2lb|c^nitten ftc^ tüieber^olenben 2:i^emata fmb bie brei:
aBei«fagung be« toieberle^renben 9iero, 3Bei«fagung be« meffianifc^en 3^i^öl^^ «nb be«
neuen Serufalem« unb 3)rol^reben gegen 95abel — SRom. ®a toir auc^ in 93 — 110 eine
5Reroh)ei«fagung l^aben, fo toürben fid^ biefe« ©tücf al« bierte« ^injugefellen. ®. ^t h)o^l
mit SRed^t betont, bafe alle biefe ©türfe a\x^ ettoa berfelben ©ituation ^erau« gefc^riebcn
40 fmb. 2)er SSerfaffer i)at ben ©turj be« jtüeiten a:emj)el« felbft erlebt ; bal^er ber flammenbc
3orn gegen 5Rom, baber bie glänjenben 3"fw"fl^bilber be« neuen Qj^i^ffll^n^^ "«b bc«
neuen 2^empel«. 6« ift richtig, bafe bie SJorfteUungen üon 9iero Variieren, bafe feine gigur
balb mebr rein menfc^lic^ erf^eint, balb ba« ©efpenftifd^e in ilj^r überwiegt. Sber e^
fönnte fid^ ba« auc^ au« berfc^iebenen ©timmungen be« 33erfaffer«, ber bie })arallelcn
45 a^ciöjagungen fic^er nicf^t ganj jur felbcn ^^it fc^ricb, erflären; ^umal toenn h)ir am
nehmen bürfcn, bafe in biefen S55ei«fagungen ältere« l^eibnifd^e« ^Material Verarbeitet ift
(ügl. ü. 137—142, ©effcfen ®q31 1899, 446 ff.; Äompofttion 2C. ©. 26). gebem
faß« ift in allen biefen Fragmenten SRero noc^ immer ber glüc^tlina, ber bom 6uj)^rat jurüdfs
fe^rt (bie SSorftellung, bafe il^n bie ^arjcn ^od^ burd^ bie £uft ^erbeifül^ren ö. 214|f.,
50 ift boc^ tüol^l nur Silb). ^iirgenb« trirb er jum ^öllengefjjenft, ba« au« bem §abe«
lurüdEfel^rt, h)ie in ber Offenbarung be« !Jo^anne«. 3)ie ©tüdPe toerben im SRaume eine«
5)tenfc^enalter« md) ber Acrftörung S^rwfal^nt gefc^rieben fein, ©effrfen 29 betoeift, bafe
un« bie Eingabe äU^ öjiotav Uegoig yaV äTiöoxrjTai jtToXijuoio (p. 247) in bie ^tü ber
glabier Weift. [2)ie ©rloä^nung be« t)ierten Safere« t>. 155 lann Wegen be« mangetnben
05 terminus a quo nid^t jur 3^i^&^f^i"^n^w"9 bcnü^t Werben.] 3)ie SBerbinbuna ber brei
%l}^mata : 3"nicffe^renber 9^ero, 2)ro^>reben gegen 3lom, mnt^ ^nn\aUm ift üBrigen« be^
fonber« c^arafteriftifd^. 2tu« biefem 9)iilieu ftammt bie 3wf<J^Ji^^nftenung 3lj)t So 17.
18. 21. [2)a^er möchte ic^ borf) (gegen ©effcfen ©.29^ b. 228 ff. eine, Wenn oud^ in
ber Überlieferung t)crberbte2)ro^rcbe, gegen 3lom finben.] ©ine §auj)tfrage ift e« nun, Wie [\d)
w» bie nod; übrig bleibenben ©tücfe i)on V ju bem Sefproc^enen Verhalten. 6« fmb SBei«^
Sib^Uftt ttnb Stb^Otntff^e Sfic^er 277
fagungen bermifc^tcn G^arafter«, bei lüdc^en bet äg^ptifc^c Sofalt^j^uig befonbcr« ftarf
^crt)ortritt. Sefonber^ (^arafteriftifc^ ift ^icr ba« ©tticf 484—510, bei bcRen 3)cutung
bod^ an bcr ScjicJ^ung auf bcn IcnHjel ju Scontojjoli^ feftju^altcn fein toirb. 3)ic ^l^an^
taftc, bafe man in ber ä^^wnft einen 2!enH)eI ®otteö in äg^JJten bauen toerbe, tüitb
bann bcrftänblid^, toenn \v\x baran benfen, ba^ ber jübifd^e 2!em})el in 2eontot)oIiö 6
bi^ 73 p. 6^r. (©c^tirer III, 99) beftanben f)at. (Sin äg^lp^tifc^er 3ubc ertüartete feine
ßmeucrung, toei^faate aber and) bie erneute A^törung beefelben burd^ bie geinbe ber
legten ©nbjett bor oem großen ©eric^t (504 ff^). Dh nun bie übrigbleibenben Slbfc^nitte,
bie tüir im attgemeinen aÖ ägl^ptifc^e bejeic^nen tootten (53—92, 111—136, 179—213,
280—360, 447—531 (t>gl. barin bie SKJei^fagungen Dom SBeltuntergang unb ßnbgeridbt lo
344-360, 464—483, 512—531), bom SSerfaffer ber 9JeroftüdEe ftammen, toage ic^nid^t
ju entfd^eiben. gd^ möchte e^er meinen, bafe biefer ägtoptifc^e ©ib^Hift bie älteren JJero«
fragmente erft in fein SBerl aufgenommen l^abe. SBenn (SeffdEen bagegen auf bie ©leid^f örmig«
feit ber ©Jjrad^e unfere« 33u^e« ^intoeift (©. 27), fo gel^ören bie meiften bon i^m ©.27
aufgejäl^Iten ®igentümlid^leiten eben biefen äg^j}tifc^en äbfd^nitten an, unb e« bleibt boc^ is
möglich, baf; ber Serfaffer be« ganjen bie ©jjrad^e ber älteren ©ttidte nad^geal^mt. 3)ie bielen
3Bieber^olungen, auf bie ®. ©. 27i l^intoeift, fc^einen mir gerabe für emen Bearbeiter
gu fjjred^en. ^i)xm Anfang l^at bie ©ib^Ke bann in b. 1—50 (51) in ber ^Ät ^abrianS
ober SKarl Slurefe erl^alten. ^n ben SSerfen 62 ff. (bgl. ba^ ^eoxgloxovg b. 68) unb
256—259 [9leben b. 257 bead^te man auc^ ba« ben Überarbeiter bon I unb II ber*ao
ratenbe 'Eßgaicov 258 ; bon l^ier au« toirb auc^ ba« jebenfatt« bi« jur Unberftänblic^feit
überarbeitete ©tüdP 155—161, mit feinen ""EßgalcDv 161 berbäd^tig] liegen bermutlic^
c^riftlic^c 3nteiH)olationen bor. 3)ie ^erüberna^me einer SRei^e l^eibnifc^er Drafel läfet
ftc^ au^ in biefer ©ib^lle toal^rf^einltc^ machen (©effcten 28 f.).
3n biefen S^f^mmenl^ang gehört nun britten« auc^ ba« erfte unb ältere ©tüdt bon 26
©ib. VIII (b. 1—216). «ud^ l^ier ftel^t ber toieberlel^renbe 9Jero noc^ im 3Wittetj)unft
bc« 3ntereffe«. 3)er 3Serfaffer biefer 3?erfe ift — barin ift man einig — G^rift. @r
fc^rieb, toie fw^ ftd^er feftfteHen läfet, in ber Mi 3Rarf Slurefö unb jtoar toa^rfc^einlid^
gegen 6nbe feiner ^Regierung 65 ff. 6r toei^fagt biefer ^Regierung einen fc^limmen 3lu«=
gang. 2)enn bie grofee 9?eronot foll balb beginnen 70 ff. Unb fo toei^fagte er au^ao
einer gematrifc^en Stu^beutung i^re« 9iamen« ber ©tabt 9lom beren Untergang für ba«
3a^r 195 (148—150). 2lu^ in biefer ©ib^lle ftnb eine SRei^e älterer 2Bei«fagungen
aufgenommen, fo tool^l fic^er ber Sobjjrei« auf bie Slntoninen 131—138. (Seffcfen rechnet
^ier^er aucb bie 9Jerotoet«fagung 151—159 (®g9l 10 1899. 443 ff.). 2)ie Serfe
160—168 ftnb (mit Slu^nal^me bon 163 f.) nac^toei^bar übernommene« ®ut. SJagegenss
glaube xd) nid^t, bafe man (mit ®.) nötig l^at, biefe erfte Äälfte bon ©ib. VIII noc^
ibieber auf itüÄ (d^riftlid^e) Serfaffer ju berteilen, ©it^er ijt aber, bafe ba« ©türf am
©c^lufe 169—216 bon Stebaftor bc« ganzen Suc^e« VIII bearbeitet ift, fo bafe ftc^
ba« Urfj}rünglic^e !aum no(^ ^erau«fc^älen laffen toirb.
Unb toteber geboren bie jcc^fte unb fiebente ©ib^lle i^rem Gl^aralter nad^ jufammen. 40
©ie pe^ören beibe c^riftlid^en Serfaffem an; iod) ift i^r Sl^riftentum ein a^jofr^J)^ ober
^ärettf4 gefärbte«. 3)ie furjc fcd^fte ©ib^lle ift ein Soblieb auf ben ©o^n ®otte«.
99emerfen«h)ert ift bie aboj}tianif(^e (Sl^riftologie berfetben (b. 3. ovtko yewrj^^evTi),
a)a^er l^ier auc^ bie SBertlegung auf bie jaufe 3^f"# i" ^^^" au«fü^rlic^er ©d^ilberung
bieau(^ fonft überlieferte ^euererf Meinung am ^orban berichtet h)irb(bgl. VII, 67).(93eac^te auc^ 45
bie ^p^ntaften über ba« Äreuj ..b. 26—28.) 2)ie 3eit biefe« Iletnen ©tüdte« ift fc^toer ju
befttmmen. Sietleid^t l^at ber Überarbeiter bon I. II e« bereit« gelaunt (bgl. VI, 13
mit I, 356). Übrigen« ift ber SJerfaffer ber ©ib^tte f^jejieH jubenfeinblid^ geftnnt. 21ff. —
gingegen ift ber ©ib^Hift be« ftebenten Sud^e«, ber ben bon i^m gefc^ilberten falfc^en
$roJ)^eten bortoirft, ba| fie fic^ fälfc^lic^ al« Hebräer au«geben (135), bielleic^t felbft so
geborener ^nh^, @r bringt in billiger 5Rac^al^mung ber älteren ©ib^Ben eine SReil^e ju=
fammengerujjfter, inl^alt«leerer 2Bei«fagungcn. 3"^^^ff<^"^ *^i^^ ^ '" *^^" Partien, too
er bon feinem ©ignen giebt b. 64—95 unb and) 118—162. §ier jeigt er ein merftoürbig
^äretifc^ gefärbte« G^riftentum mit gan^ eigentümlichen, fonft nirgenb« nad^h)ei«barcn
m^fteriöfen ®ebräud^en (76—84; 85—91). Übrigen« ift er Sn^änger ber 2ogo«c^rifto^ 65
logie 68 f. 2Bir fönnen i^n bietteid^t al« 3)litalicb irgenb einer jubenc^riftlic^ gnoftif d^en
©elte bejeic^nen; feine §eimat Serben toir nic^t in 3lgV>>ten, fonbern in ©^rien fuc^en
64 f. S3emerfen«n)ert ift, bafe ber i^crfaffcr bie ^^f^^on, baf; er im 5Ramen einer Ijeib-
nifd^en ©ib^He rebet, fotoeit feft^ält, bafe er feine ©e^erin j^um ©c^lufe ein grofee« ©ünben-
befenntni« bortragen läfet. 2)ie ^cxt ber ©ib^He läfet [xd) toegen ber farblofen §altung eo
278 eib^Hen tttO^ etb^Otniff^e fbMftt
i^rcr attgcmcincn Syci^fagungcn nic^t genau fcfticgcn. 2öir h)crbcit fte am Itebftcn (mit
®cffc!en u. a.) in bic 3Kittc bc« jtoctten na^c^rifttic^cn S^l^^^unbert^ berkgen.
ß« bleiben noc^ ©ib. XI—XIV, bie toieber unter fi^ nac^ Slnlage unb Überlieferung
eine getüiffe ©inl^eit bilben. 3)ie toeitau^ ältefte unter biefen ©ib^Uen ift ©ib. XI, an
t beren jübifc^em Ürftorung fein 3^^^^^ möglich fein toirb D. 307—310. Der lefetc Sear^
beiter ber fib^Uinifdpen Sitteratur l^at biefe^ Suc^ in ba^ britte S^^^^wnbert berlegt. Gr
fül^rt ate Setoeiö neben ber grunbfc^lec^ten 3Ketrif (fc^led^te 33erfefc^miebc aber ^at^ boc^
tool^l gu o&m 3^iten gegeben!) an, bafe nad^ b. 161 ba^ ^ßartl^eneic^ (SReic^ ber Slrfa^
ciben) ber Vergangenheit ange^iörte. Slber bieje ^^t'^^ftintmung l^ängt an einem Su(^=
10 [taben. SWeineö ßrad^ten^ ift na(^ bem gamen 3wfö*nn^^n]^ön9 "i^t ^^^f] jutjxvvero
nÖLQ&og gu lefen, fonbem junxvvezai (bic fd^lec^te SKetril ift burd^ koißriaetai 201 ge=
becf t). 3m übrigen toüfete id^ nid^t, toa« für einen ©inn bie gange SBeiöfagung im britten
nac^(^riftlid^en 3iöi^tl^unbert noc^ gel^abt l^aben follte. 3)enn ber Sibl^uift läfet feine
aöei^fagung in eine ©d^ilberung be^ ^z\ia\i^^ ber Äleoj}atra unb be^ Untergang^ be^
15 äg^))tif^en 9lei(^ed au^münben unb barüber l^inau^ reicht feine SBei^fagung nic^t. Unb
fo fc^le^t er in ber älteren ©efc^id^te untenic^tet ift, fo „toa^nfmnig" feine 6(iarafteri=
fierungbe«römif(^en9leic^e^ift, beffen ©efc^ic^teer auf^uliu^gäfar (267) unb2luguftu^(27fi)
^erabfül^rt, in ^g^jjten unb ber ^zxi ber Äleoj}atra toeife er Sefc^eib. ©effcfen felbft geftel^t i^m
iu, bafe er l^ier „gar nic^t einmal fo fc^led^t" fd^ilbert. 2öir iuerben alfo biefen ©ib^t
20 liften ettüa in ba^ augufteifd^e g^i^alter verlegen. Seine SBeiöfagungen fmb, tüaö ibren
Snl^alt betrifft, nal^eju toertlo«. SSor allen fe^lt i^nen jeglicher f^jejififc^ religiöfe ©e^alt.
3Der SSerfafJer l^at übrigen^ ba^ britte ©ibl^Kenbuc^ toeitl^in au^gefc^rieben. Semerfen^^
toert ift babei, baft er bie SBeiöfagung III, 388 ff. — bietteid^t unbetüufet richtig (f. o.)
— auf ällejanber ben ©rofeen beutet 215 ff., tüäl^renb er bie angel^ängten SJerfc über bie
26 nad^folgenben Äönige III, 397 ff. auf bie SBirrenm 3tgt;^ten unter ben testen ^ptolemäem
ju beuten fc^eint (277 ff.).
Über ba« Suc^ XII l^at (Seffcfen (SRömifc^e Äaifer im SJolfömunbe ber ^roi^ing
®g9J 1901, 1—13) ba^ 95efte gejagt. 93on einem Sl&riften fann ba3 8uc^ mit
feiner rul^igen 3)arftellung ber römifcpen Äaifergefd^id^te toon Sluguftuö bi^ älejanber
30 ©eberug nid^t ftammen. @^ ift gefc^rieben „bon einem regierungstreuen, ganj unb gar
nic^t me^r ortl^obojen, f on))ern rec^t reic^Sbürgerlic^en in ber ^zxi nai^ Stlejanber ©eberuiJ
bic^tenben 3[uben". 6§ jeigt fid^ in feiner 2)arftellung oft in rec^t bemerfenStoerter SBeifc
baS Urteil be« öftlic^en ^robingialen über bie römif^en Äaifer. Sin einigen fünften ift
e« befonber« intereffant. 9)lan bergleic^e baS in einer urftorünglid^ (^riftlic^cn ©ib^Hc
36 ganj unmöglid^e Urteil über 2)omitian (126—132. 135—138). 2)ann ^at ein Gl^rift bie
©ib^He abaptiert unb in b. 28—34 bei ber 3)arfteHung beS SRegimentei^ beS Sluguftuö
eine SBeiefagung auf Cl^rifti ©eburt eingebracht (bgl. v. 232). Übrigen^ giebt fid^
95uc^ XII (bgl. b. 1 ff.) erfid^tlid^ afe ^Jo^tfe^w"? "om Suc^ XI. 3Bir berbanlen eS
tüo^l bem SSerfaffer Don XII, baf; uni5 mit feiner gortfe^ung ba« ältere Suc^ auf=
40 betoa^rt ift.
eine« ber intereffanteren fib^Hinifd^en ©tüdPe ift Suc^ XIII. Suc^ XIII fe^t
tüieberum zi^coa ba ein, h)o XII aufgehört l^atte. 6« bringt eine SBeiSfagung über btc
5?ac^folger beö Stlejanber ©cberuS bis ©atlienuS. 2)eutlid^ erfennen toir (öietteic^t fc^on
©orbian I. b. 7) ©orbianuS III. (15 ff.), ^^ilip^uS 2lrabS unb beffen ©o^n (21 ff. ba^
46 3al^lenrätfel b. 24f. gef^t auf <PiXuinog Kaiaag Avyovaxog), 3)eciuS (84 eoaetai ix
xETQddog x£Qau]g)^ ®aHuS(102), SlmiliuS ^Jlmilian 143— 145, Sturelian unbSaHicnu^
(156 f.). SefonberS intereffant aber ift jum ©c^lufe bie Serl^errlid^ung Dbaenatl^ bon
^alm^ra, beS fonnenentftammten SletterS (150 ff.). @r ift auc^ ber £öh?e (1G5), ber
nad^ aiurelianö 3iicberlage unb ©efangenfd^aft (158 ff.) ben jjerfifd^en $irfd^ unb bic
60 römifrf)cn Ufur})atoren (QuietuS, Salifta) fd^lägt. ^i)m tüirb bie ^enfq^aft über bic
■Wömer ber^eifecn. 3JJittcn ^erauS auS ber 3^'^ ^^^f^^ furchtbaren ©irren l^t ein ^6U
gcnoffe unfcrc ©ib^Hc gefc^ricben, fo bafe er an met^rcren fünften unfere ^iftorifc^cn
Äcnntnifje biejer 3eiten ergänjcn fann (©effcfen, ÄomtJofition 59 f.). 6r h>ar g^rift.
2)cciuS tommt in ber ©dbilbcrung fd;lcc^t iocg, unb bie G^riftenberfolgung unter i^m
56 h)irb ertüä^nt (87 nac^ 2i5ilamoh)i^ Äonjcfur morwv re Xef]Xaalai). 2lnf})rec^cnb ift
©cffcfenS a3crmutung, ba^ ber äJcrfaffer bon ©ib. XIII ber 3nteri)olator bon ©ib. XII
ift. es toürbc bann anjunc()mcn fein, bafe er ©ib. XI— XII jugleic^ mit feiner 2BeiS=
fagung neu cbicrt ^ättc. ©ib. XIII gcl^ört fomit in einen ganjen ÄreiS bcrhmnbtcr
SBciSfagungcn l^incin. 2tuS bcrfclbcn 3^it ftammen bic (bon Suttentoiefer l^erauSgegebfnc)
60 ^ebräifcä^e unb loa^rfc^cinlic^ aud^ bie ©runblage ber foj)tifc^en eiiaSatJoIol^fe; femer
Stb^Oen tiitb Stb^Uttttf^e »filier 279
(cth)a« \ipäUx Icbcnb) bcr Seatbcitcr bon ©ib. I. II unb ©ib. VIII (f. oben). 3luc^
ßommobian« Carmen apologeticum unb Sactanj cH)o!al^ptifc^e SKJci^fagunöen gehören
^ier^er. ^mz totrte ^ext toar alfo rctd^ an SBctgfagungcn aller 3lrt. Semerfen^toert ift
babei, toic bcr c^riftlid^e 38crfaffer ben Obaenat^ ber^errltc^t, mä^renb biefer in ben jübifc^cn
äjjolal^jjfen ate antic^riftlid^c ®rfd^einung gilt. &
©agegen ift bog 14. S3u(^ ein toottfommener ©attiniatbia^. „^n Sud^ XIV aber
tobt ein Ignorant, ber gar nic^t« lennt aU 9iamen ber 33ölfer, fiänber unb ©täbtc unb
biefe beliebig burc^einanbertoirft" (®effcfen 66). 3)er 3Serfaffer fd^eint einen Stbrife ber
römifd^en Äaifergefc^id^te ju geben, aber eö ift eben atte^ in l^offnungötofer 3Serh)irrung.
SKöglid^ bleibt ^, bafe er in ber furd^tbaren Rüt, bie über SSg^tJten nad^ Dbaenat^^ (unb lo
^enobia^) lob l^erborbrad^en, toei^fagte. 3)aJ5 er ein ^v!t>t toax, tüie (SeffdEen annimmt,
n>itt mir rcd^t untoa^c^einlic^ erfc^einen. SKJeber ift „bie ©tabt, bie biel erbulbet l^at"
(t). 350) mit irgenb einer ©ic^erl^eit auf 3i^nifalem ju bejiel^en, noc^ 349 ber SBieber^
au^bau be« lem^jetö gctoei^fagt. 3)ie ©ib^De ift eine 3)ro^rebe gegen bie unerfättlic^en,
f(^Ie(^tgefinnten, gottlofen Äönige tiber^uj)t. 3R, @. fünbet ftc^ ^ier bie ©timmung beö i5
ß^riftentum« lurj bor bem ®nbe be« l^eibnifc^en 3"^?>^w»"^ «n. Unb ba« äyvdv S^og
360 fmb ba^er nid^t bie 3"^^"/ fonbem bie ß^riften. ©ib. XIV mag am ßnbe be«
3. ^öWwnbertg entftanben fein. i)ie interefjante ßrtüäl^nung ber ^av^ä xdQtjva (346)
giebt leine 3^'tbeftimmung ab. SSietteid^t l^aben tüir in bem aSerfaffer be^ Öuc^e^ ben
Sammler bon XI— XIV ju feigen. »>
6nblid^ fmb un^ angeblid^ au^ einem ^ßroömium ber ©ib^Ile bei Theophilus
Antiochenus ad Autolycum II, 36 jtoei umfangreiche fib^ttinifd^e ^agmente, in
bcnen in breiter SBeife ber eine ioa^re ®ott ber^errli^t unb bie Siorl^eit be^ (Sö^en^
bienfted betDtefcn ft)irb, er^Iten. ^er allgemeinen 9lnf(^auung nad^ befägen n)ir l^ier
ba^ alte ^roömium ber ©ib^tte III. Sla^ l^at in feiner Überje^ung in Äau^fc^' ^feub- 25
tpxQxapl^m fogar unter Unterbrüdtung be« im S3uc^ felbft ftc^ finbenben $roömium« biefe
ajerfe an ben Stnfang bon ©ib. III geftettt. 9Jeuerbing^ l^at ©effdten entfc^eibenbe Se*
beuten gegen biefe SBertung ber ©tüdfe geltenb gemacht, ©einer SJleinung nac^ gel^ören
— tüegen ber jal^Ireic^en SSieberl^olungen — bie beiben Fragmente über^aujjt nid^t aU
ein ©tüd jufammen. (S. I^ält eö femer für unbenfbar, bafe biefe ©türfe burc^i ba^ öiel 30
fürjere unb mattere ©tüdt III, Iff. bitten berbrängt fein f ollen, ©ie feien bielmel^r
eine Weitere unb me^r Jjj^ilofojjj^ifdj^e 2lu«fü]^rung be^ bort angefc^lagenen Il^ema^. ©ie
l^dtUn niemals in einem ©ib^llenbud^ geftanben, fonbem ftammten au« einem gloritegium
öon gefälfc^ten SJerfm ^eibnifc^er 3)i(^ter unb ^ProtJl^eten, ba« ju aj)ologetifd^en gh^^tl^«
verfertigt fei. 3""^ Setoeife ioeift ®. barauf ^in, bafe il^eopl^ilu« im folgenben RapM 35
nad^^tüei^lic^ bon einem folc^mglorilegium (bier mit allerbing« echter Überlieferung) abhängig
fei, unb namentlich barauf, bafe (Stemen« 2llejanbrinui3 einige 3Serfc biefer Fragmente (I,
10—13. 28—35) an ©tetten bringe (Stromat. V, 14. 109; Protrept. VI, 71; VIII,
77), ft)o er nac^toeiölid^ ganj unb gar bon gefälfd^tcn glorilegien abl^ängig fei (t)gt.
Gtter, De gnomologiorum Graecorum historia atque origene, 93onn, Unib.-^rogr. 40
1894—95; ßl^rift, $l^ilotog. ©tubien ju gtemen« Sllejanbrinu«. 213D121 I.A., XXI, 3,
©.22 ff.). ®. mag Vielleicht mit feiner Vermutung SRed^t l)ahm, ^mmerl^in \px\dft
gegen ®. ber Von ©c^ürer III, 439 j^erborge^obene Il^atbeftanb, bafe fiactanj gerabe
Seife unfere« ^ßroömium« unb bcr britten ©ib^Ue unb nur folc^e 33erfe al« axii ber
er^tl^äifc^en ©ib^He ftammenb citicrt. fiactanj mufe alfo biefe äSerfe fd^on al« ^roömium 46
\)on ©ib. III angefel^cn l^abcn. S^^^^f^^^ vermag ic^ ®. barin nic^t beijuftimmen, bafe
bie beiben ©ib^uenftüdte d^riftlid^en Urfjimng« fein foUen. ©ie fmb e« fo toenig, tüie bie
©ammlungen gefälfdf^ter SBerfe bei (Siemens unb tüie ber gälfd^er 2lriftobul. 2)er 2lu«s
brurf (^i^agm. III, 47) C(oijv xkrjQovo/ui^aovoiv, ben ®. ate einzigen ©etoei« für feine
I^efe anfüi^rt, belveift gar nic^tg für nic^tjübifd^en Urfjjrung (Vgl. meine SRel. be« 50
^ubentum« 263). 2lber mol^l i^cigt bie tran^cenbentc ©«d^atologie ^agm. III, 43—49,
ba^ bie Fragmente nid^t von bem S?erfaffer Von ©ib. III ftammen lönnen.
SIU auf einen 3lu«läufer bcr ftbi^Üinifc^cn Sitteratur fei ^ier enblic^ auf bie tibur=
tinifd^e ©ib^tte bingetviefcn. Unter bicfem -namcn ift ein Vertvirrenbe« SJielcrlei von
mittelalterlichen eng miteinanber vcrloanbtcn, ivicber unb tvieber überarbeiteten SBcii^fagungen v.
ersten, ©adur ^at in einer meiftcr^aft geführten Unterfuc^ung (ftb^Uinifd^c a:e£te
u. ^orfd^. III) bie ®efc^id^te ber Überarbeitungen biefer ©ibi^lle Verfolgt. Unb eö ift
i^m ber 9Jac^tvei« gelungen, bafe bie tiburtinif^e Sibt^lle auf eine SKei^fagung jurücf«
ge^t, bie balb nad^ bem lobe be« Saifer« Äonftantiuö I. (361) im älnfang ber SHcgierung
^ulianig gefc^riebcn ift. 3lte ber tvieberf e^renbe Äaif er tvirb ^ier Von einem rechtgläubigen go
280 etb^tteti mA Sib^ainifdie Sfic^er Stktnter
(Sänften ber 350 acftorbcnc Äonftam crtDartet. 3lbcT bamit juxb totr immer noc^ nid^t
am Slnfang bcr ©efd^id^te eine« ftb^ttinifc^en Sc^iftftücfe«, bie fic^ beinah über ein
^al^rtaufenb erftrecft. ^leuerbing« f^at Raffet Qea apocryphes 6thiopiennes X) au«
bem ät^ioj}ifc^en unb arabifd^en ein 2lJ)ofrvi)l^on „la Sagesse deSibyDe" t)eröffentlic^t
6 6« fann bemnac^ fein ^tvÄ^A fein, bafe bie beiben Schriften, bie Jiburtina unb bie
arabifc^=ätl^iopifc^e Sibylle auf eine gemeinfame (Srunbfd^rtft jurücfge^en. ®enn in beiben
tüeiöfagt bie Sibylle bie Oefc^ide ber neun SBeltalter unter bem Silbe t>on neun ©onnen.
gemer beftätigt bie neuentbetfte IQuette auf ba« glänjenbfte bie Sluöfc^eibungen ber mittel
alterlid^en Übermalungen ber 2:iburtina burc^ Bainx. änbererfeit« ift bie arabifd^-ät^io^
10 jjifc^c (Sibylle un« toieber nur in einer Ueberarbeitung au« ber 3«* "^^ ^lad^folga
tarun-al'Slafc^ib« erl^alten. 3)ie gemeinfame (SrunbqueHe toirb ftc^ alfo mit bottfommener
id^er^eit nic^t mel^r feftfteKen laffen. ^mmer^in toirb fw^ fagen laffen, bafe in il^r aud^
bie gigur be« toieberlel^renben Äonftanj fi(^ noc^ nid^t pnbet unb bafe toir t>ietteic^t mit
bcr 3^it i«"^ ©runbfd^rift toerben bi« an« 6nbe be« 3. ^fll^t^unbert« jurüdEge^en muffen.
15 SBir gelangen bamit an bie S^^^^^h^f ^^^ toetc^er bie poetifc^e ©ibl^ttifti! aufhört unb
in bie profaifc^e übergebt unb toieberum, toenn toir bie (Sefc^idS^te ber SCiburtina »erfolgen
bom 4. bi« in« 12. S^v^^^nbert. Unb toir begreifen bon l^ier au«, bafe aud^ bem SKitteU
alter bie Sibylle noo) eine )}opuläre ^igur \üax: Dies irae, dies illa, solvet saeclum
in favilla, teste David cum Sibylla. Über bl^jantinifc^e unb mittelalterliche ftb^Dinifd^e
20 aQ8ei«fagungcn bgl. befonber« nod^ %. Äamjjer«, 3)ie beutfd^e Äaiferibee in ^rop^etie unb
6age 1896. »snffet.
Sibottter. — fiittcratur: ^.gorbigcr, ^onbbu^ ber alten ®cogra>)^tc II (1844)
634 ff. 659 ff.; g. e. 9Rot)cr«, 3)ic Wnijicr 1, 1841; II, 1—3, 1849—56 (ob I, 5)ic 9leUgion
bcr $^., ift unbrauchbar; Ab II muß mit SSorftd)t f\cbraucbt werben); 6. 9tittcr. (Srbfunbc
26 XVI u. XVII, 1852—1855; e. »lenan, Mission de Ph^nicie, <ßori« 1864; «. ®u^rin, De-
scription de la Palestine III, Galil^e 2, 1880; Survey of Western Palestine, Memoire etc.
I, Galil^ 1881; ®.ebcr« u. ©. ®ut^c, ^aläftinn in Silb unb ?Bort II, 1884; ©b. «ic^cr,
®cfd)id)tc bc« Altertum« I, 1884; bcrf., Slrtifcl Phoenicla in Encycl. Biblica III (1902);
gricbricb 3)clitf(^, SSo lag ba« ^arobic«? 1881; SB. 3Raj3KüIIcr, ?lficn unb Europa nad)
80 altä9t)ptif(^cn 3)cnfmälcrn 1893; JR. ^ictfcfimann, ®cfc^. ber Wni^^icr 1889; «. t)on ®ul=
fc^mib, S)ic $^önljicr, qu« ber Encyclopaedia ßritannica vol. XVIII, 801—810 beutfcb in
§t. t). öJutfcömib« kleine ©cöriftcu ^crau«geg. üon granj SRü^l II (1890), 36—80; $. SBincflcr,
mtoricntalifc^c gorf^ungen I, 5(1897), 421 ff.; II, 1(1898), 65—70; 2 (1899), 295 ff.; bcrf.,
ÖJcfdiic^tc Söroel« I (1895), 114 ff.; bcrf., 3)ic ^cilinfd)riften unb ba« %%* (1902), 125 ff.
86 176 ff.; bcrf., 3)ic SBcbcutung bcr ^^önij^icr für bie Äulturen bc« 9Rittclmccrc« in ßcitfcbrift
für ©ocialroiffcnfcftaft VI (1903), 337 ff. 434 ff.; 3B. ü. ilanbou, 3)ic ^^önii^ier (3)cr alte
Orient II, 4) 1901; bcrf., 3)ic SBcbcutung bcr ^^önijiev im SSöIf erleben 1905 (Ex Oriente lux
I, 4); Itinera hierosolymitana saec. IV— VIII rec. % ®e^cr 1898. — S^r Sprache bcr
¥^. : ?5. ©(ftröbcr, 3)ic p^. Sprache 1869; 33. ©tabe, (Erneute Prüfung beS jloifcbcn bem
40 ^^önijifcbcn unb 4'>cbräifcöcn befte^enben ^eriüanbtfcftaft^grQbcö in ^orgcnlönbifcftc gorfcbungcn,
ficipjig 1875, 167 ff.; Corpus inscriptionum semiticarum (CIS) I, 1 — 4 (^ari« 1881—1887);
2^. TOtbcfe, 2)ie femitifdjen Sprachen (1887), 25—27; 3R. fiibibar«!i, ^anbbu^ ber norb^
iemitifd)en (Spigrap^i! 1898; bcrf., (£pt)cmeri§ für femitifcbc ©pigrap^if 1900 ff.; SR. ?l. 2c\Ji),
i^^öntiifcbe« ©örtcrbucö 1864 (mit ^iacbtrag in ben ^^öniiifcftcn ©tubicn IV, 1870); ^. »lodj,
46 <ßl)üniäifd)e§®loffar 1890; ®. ^offmann, Ucber einige p^. Snfc^riften in 510® XXXVI (1889).
— Qur ^unft ber <P^.: ÖJ. i^errot u. S^. ©^ipic.v Histoire de Tart dans Tantiquit^ III,
Ph^nicie-Cypre 1885. — Qur ^Religion: B. (SJraf SBaubiffin, ©tubicn jur fcmitifcbcn 9JcIi^
gionögefc^ic^te I unb II (1876. 1878); ©oet^gen, SBeiträqe jur femitifcöen 9lcligion«gcfcbic^tc
1888; a^antepie be la 6aufial)e, Sc^rbudi ber JRcIigionögefcöicöte« I (1905), 348—383 (gr.
50 3eremia§, 2)ie femitifc^en SSöIfer im nörblid)en ^orberafien). — 8" ii)ru« unb Umgebung:
^ünQtöberid)te bcr berliner ®efenfd)aft für ©rbfunbc, ^5 «b I (1844), 234 f.; $.$ruVr
%n^ ^f)önijien 1876; g. 9i. ©epp, aJicerfal^rt nod) ^l}ruS 1879 unb boju gb^ßSJ II, 108ff.
254 ff. 257 f. — 3u b^n 3)enfmn(ern am Nähr el-kelb Sepfinö, 2)enfmäler III, 197;
iBo^^caiDcn in Transactions of the Society of Biblical Archacology VII (1881), 331 ff.;
66 8tep6en üangbon, Les inscriptions du Wadi Brissa et du Nähr el-kelb in Recueil de tra-
vaux relatifs il la phil. et ä Tarch^ol. dgypt. et assyr. Vol. XXVIII (^art« 1906], 26—61 ;
5- .&. ^Seifebod), S)ie 3nfd)rifteii 9^ebu!abnejar^ II im Wädi Brisä unb am Nanr el-kelb,
l*eip/\ig 1906. — harten: Carte du Liban, d'apr^s les reconnaissances de la brigade topo-
graphiquc du corps expdditionnaire de Syrie 1800—1861, dress^c au d^pöt de la guerre
60 itant directeur le g^n(5ral Blondel ot€. 1862; .^. Kiepert, Nouvelle Carte g^n^rale des Pro-
vince» Asiatiques de lern p Ire ottoman, SBerlin 1864 (1 : 15(X)000); Oüu ber großen cnglifcftcn
liforte beo $3eftjorbQnIanbeö(Map of Western Palestine, 1880) m. 1 u. 3; 9)?. »landcnboni.
Äarte üuii ^Jorbfijricn (o. Q.j 1 : 500000, 53erlin, 9t Srieblänber u. 8o^n; 6ijricn u. 3Rcfo--
®ib9iiter 281
potamicn ^m !3)arftcnun9 ber SHcifc bc«J Dr. 3W. gr^rn. uon Dppcn^cim t»om 9}iittclmccre
j^um »crftfc^cn ®olt 1893. S3earbcitct x>on Dr. SR. ^ic|)crt. I (3BcftIi(i^c8 S3lalt), 1 : 850000,
Scrün, 2)ictricö 9lcimcr.
2)cr 5Ramc ©ibonicr bcjctc^net im 212 in bcr SRegcl bic ^pi^önijicr übtt^au^t ©o
iüirb bcr Äönig ©t^baal üon 2:^ru^, ber 3Satcr ber bon Sl^b geheirateten Sf^lE^^I/ ^
Äönifl ber ©ibonier genannt 1 Äg 16, 31, unb in einem Sriefe ©alomo« an ben Äönig
$iram toon 2;^ru^ |eif;t e« 1 Äg 5, 20, eö gebe in 3^racl feine Seute, bie ftd^ fo auf
ba^ 3wrid^ten bon Saul^olj berftönben tüie bie ©ibonier. SBir finben bort benfelben
©tjrac^gebrauc^, ber bei §omer borl^errfd^t, too bon ben ©iboniem ober, ben fibonifc^en
3Jtännem bie 3flcbe ift (Ob. 15, 415; 17, 424; 3I. 6, 289; 23, 743). ß« ift balj^^r ^ier 10
toon ben ^pi^öni^iem überl^au})t ju l^anbeln, bie unter biefem 5Ramen in ber 33ibel niemals
toorlommen. 5Rur ber Sanbe^name ^pi^önice ober ^l^önicia pnbet fxd) in einigen 0^)0=
hVJJ^ifc^en »üd^em (3 ßör 2, 17ff.; 2 mal 3, 5. 8 k.) fotoie in ber 21® (11, 19;
15,3; 21,2; 27,12).
1. 3)a3 2anb, bie Stäbte unb bie Sauten ber ^l^önijier. 3)ie ©renjen 16
be« Sanbe^ laffen ftd^ au^ berfc^iebenen ©rünben nid^t genau beftimmen. ®ie bürftigen
Slai^rid^ten, bie toir über bie Sß^. beft^en, geben un^ nur 5!unbc bon il^en toid^tigften
©tobten an ber f^rifd^en Äüfte, laffen e« aber ungetoife, toie toeit fic^ beren Oebiet ju
ben berfd^iebenen 3riten lanbeintoärt« erftredEte. 3)afe fte 2:eile be^ Sinnenlanbe« be*
l^errfc^t ^aben, unterliegt feinem 3^^^M» ^^^ fönnte fonft ©alomo burc^ fte ba« juao
feinen Sauten nötige $oIj an^ bem Sibanon bejogen j^aben (1 % 5, 21ff.)V Unb
3ofe})^u^ bejeic^net bie ©tabt Äebafa ober Ä^b^ffa aU eine geftung ber 2!^rier an ber
©renje ©alilöa« (Antiq. XIII, 5, 6; BeU. jud. II, 18, 1; IV, 2,3; bgl. 33b VI,
340, 28). SBie toeit ftc^ aber bie §errf(^aft ber einzelnen Stäbte in ba3 2anb l^inein
erftredtt ^t, toiffen toir nid^t. 3)er BpxaAt ober ber 2lbftammung nad^ läfet ftc^ nac^ 26
©üben ober ©üboften ^in jtmfd^en ben 5p^. unb il^ren 5Rac^baren feine ©renjUnie jie^en
(f. ©. 295, 25), unb e« ift bon boml^erein toal^rfd^einlid^, bafe ber Umfang il^re^ ©ebiet« in
ben S^^^wnberten il^er ©efd^id^te getoed&felt l^at. 2lber aud^ barüber geben bie Duetten,
bie un« JU ®ebote ftel^en, feine 2lu^funft. ß^ bleibt ba^er nic^t^ anberc^ übrig, al^
naä) ben toi^tigften ©täbten ber ^f). im ©üben unb 9Jorbcn nur bie ©trecfe ber f^rifd^en ao
Äüfte p beftimmen, bic ate ber eigentlid^e ©i§ ber ^f), ju gelten 1)at 3)a^ Serfal^ren
ber griec^ifd^en unb römifc^cn ©d^riftftettcr ift tn Diefer ßinftd^t ba« gleid^e, nur bafe fte
\xd) öortoiegenb nac^ j}olitifd^en ©intcitungen richten. 3Sgl. bafür ^orbiger, §anbbuc^ ber
alten ®eograj)l^ie II, 659; ^ietfc^ntann a. a,D, 16 ff. 5Rac^ ber natürlid^cn Sefd^affen*
^cit läfet ftd^ bie b^. Äüfte im eigentlid^en ©inn in brei Seite jerlegen : in ba« fübtid^e 36
^^. bom toeifien äSorgcbirge (f. u.) bi^ jum nähr el-'awali nörblidj t)on ©ibon ; in ba^
mittlere ^1^. bom nähr el-'awall bi^ jum ras schakkä unb in ba^ nörblic^e ^1^. bon
ras schakkä bid jum ras ihn häni ober bi^ jum ras el-basit. ^n ber alten ©c-
fc^ic^te treten nur baö füblic^e unb baö nörblid^e ^f). ^erbor. 6^ fmb bie ©tredten, auf
benen ftc^ fleinc gbenen hinter ber flüfte ausbreiten, unb too toieberl^olt felftge ^nfeln 40
ber Äüfte borgelagert finb, bie ben ^1^. für i^ren ©ee^anbel bon großer Sebeutung
n?aren. 3)aS mittlere ^i). f)at einen fel^r fc^malen ober tocnig fruchtbaren Äüftenfaum
unb l^at für ben ^1^. ^anbel, fobiel fid^ erfennen läfet, feine nennenStoerte Sebcutung
gehabt. 2)ie folgenbc Sefd^reibung greift im ©üben unb 5Rorben über biefe ©renjen
hinüber, toeil bie ^b. namentlich in .ber ^erfcrjcit über bie natürlid^en ©renjen il^reS46
eigentlid^en ©ebietS hinaufgegangen fmb.
3)ie ©täbtc ber ^^ilifter i)atUn urft)rünglic^ biefclben (Sintoo^ner toie baS übrige
Äanaan, ba« bejeugen ung bie äg^ptifd^cn 2)enfmäler (bgl. Sb XV, 339, 4«). 2lber bie
©roberung burd^ bie ^bilifter l^at bie füblic^cn ©täbte auf immer au^ ber SSerbinbung
mit ben v^f), gelöft unb bie nörblid^crcn, toic ^ap^o unb 3)or (bgl. 33b XIV, 340, 42 ; 50
XVII, 427, 66), auf längere ^üi. 6rft unter bcr $crrfc^aft ber, ^erfer ftnb bie ^^.
toieber als J^errcn in biefe Drtc eingebogen (f. unten ©. 300, eo). Über Sa^l^o toar fc^on
33b XV, 346, 15 bie Siebe, über 2)or 33b XVII, 427, 55, über ben fiarmel 33b X, 80 ff.;
über bie 33cfc^affcn^cit bcr Äüfte bis jum dschebel el-muschakkah bgl. ^aläftina
33b XIV, 571 ff. 9Jur jioci alte Drtc ftnb f^ier furi^ }^l crtoäl^nen, e^c tbir ben 33obcn 66
beS eigentlichen ^^.S betreten, nämli^ 2lcco unb 2ld(^jib. 2lcco, i^cute ^akkä, liegt auf
einer mäfftg l^o^en ©teilfüfte, bie fübirärts inS 3)Jccr borfjjringt unb mit bem inneren
öftltd^en SRanbe ber ©t. ©corgSbai einen bon 9iatur bortrcfflid^cn §afen bon mittlerer ©röfee
(12 km : 4 km) bilbet. gr ift icbod; ftarl berfanbet unb bemac^läfftgt, fo bafe fic^ bcr
^anbelSberfel^r gcgentoärtig mc^r bem gegenüber liegenben Halfä jugetoenbet bat (bgl. eo
282 Stbonter
95b X, 83, 31)). 3*" älltcrtum tuar bic ©tabt burd^ il^rcn guten §afcn unb burc^ i^rc
Qnim Straficn nad^ bcm 3i»^«cm bc^ Sanbc^, befonbcr^ bte via maris = 2;^ ^n ^cf
8, 23 (f. 33b VI, 337, 20) bon SKJid^tigfcit. 3«racl t;at biefc „Stabt ber Äanaanitcr" nie
befeffen 5Ri 1, 31. aud^ menn ^of 19, 30 ftatt be« überlieferten 'ummä toirllic^ 'akkö
6 gu lefen ift, toie man Vermutet l^ai, fo toäre bamit ba^ ©egenteil nic^t beriefen, fonbem
bie 3tuf jä^lung 2tcco^ unter ben Stäbten 2tffer« toäre ju beurteilen, tüie j. 33. bic Er-
toäl^nung ßfron^, Slebob^ u. f. to. unter ben ©täbten 3[uba^ 3«^f l^r ^^ff- ©won Setl^o« I.
ertüäl^nt äcco um 1320 b. 6l^r. unter ben SJamen'Aka; bie Slffl^rer, berenÄönig äffur*
banipal bic ©tabt beftrafte, nennen e« Akkü; bie LXX fe^en 'Axxco, tüä^enb fid^ bei
10 3ofei)l^u« Antiq. IX, 14, 2 in bem 33erid^te 3Kenanber^ (f. unter IV) über bie Äämjjfc
©almanaffar^ IV. ""AQxri \xn\>''Axtj finben. %üx bie 33ebeutun0 unb ben Umfang ber ©tabt
toar e^ fe^r förbcrlic^, bafe fie unter Slrtajerjeö 3Jlnemon um 380 jum ©tüfe^unft be^
Jjcrftfc^en Slngriff^ auf Slg^tJtcn gemacht tüurbe. 3)urd^ ^tolemäu^ IL ^9ilabel^)hu«
tourbe fie neu gegrünbet unb erl^ielt ben 9iamen ^tolemai^. 3^^^ S3lüte bauertc fort
16 auc^ unter ben ©eleuüben, benen fte 198 b. 6^. jugef allen ioax. 3" ^^" 9Jac^ric^tcn
über bie 3Jlaf f abäerlriege tüirb fie ate hjic^tiger S5}affenj)Ia^ ertuäl^nt 1 3KaI 11 f. togl.
3of. Antiq. XIII. SDurc^ ^ompeju« tam fte 65 to. 6l^r. unter bie §errfc^aft ber
3lömer, für bie fte gerabeju ber erfte §afenort ^aläftina« toar, troft ßäfarea« (33b XVII,
427, 1»). ®ic ©tabt red^nete fpäter nac^ einer Sira toom ^af)x 47 b. 6^r. 3" ii)ttm
3o„®ebiet" l5Waf 10,39 bergleid^e man bie Angaben 3of.Bell. jud. II, 10,2, h)ou.a.
ber glu| B^keog, — bei Stacituö Hist. V, 7 unb ^piin. h. nat. XXXVI, 190 Belus
— crTDäl^nt tüirb, beffen Uferfanb bie $^. jur ®la«bereitung bertoenbet ^ben foUcn.
aßa^rfd^einlic^ gehörte baju ber nac^ 3of. Bell. jud. III, 3, 1 unb Onom. 272 J)^ö^
nijifc^e Äarmel. 3)ie flämjjfc um Sicco jur 2i^\i ber Äreugjügc ftnb berühmt. 1103
25toon SJalbuin I. erobert, 1187 an ©alabin übergeben, 1189 toieber burd^ bie Äreujfal^rer
bcjtüungen, tourbe e« 1291 nac^ heftigen Äämtjfen burc^ ben ©ultan 3KeIiI el^äfd^^raf
erobert unb ^erftört. 3)ur4 ben ©d^öc^ Dahir el-'amr 1749 toieberl^ergeftettt unb burc^
Dschezzär Pascha berfd^önert, l^at ftd^ 2lcco lanjfam gehoben, tro^ be« angriffe
9laj)olcon^ 1799 unb bc^ 33ombarbcmentö ber bercintgten englifc^en, öfterreic^ifc^en unb
aotürlifc^en glotte 1840, unb yxijlX jc^t cttoa 11000 ©intoo^ner. — ßttoa 15 km nörb::
lid^cr liegt untoeit ber Äüfte ba^ Heine 3)orf ez-zlb auf einem braunen §ügel, ber bie
SRcfte bc« alten Drte« Stc^fib 3ofl9, 29 bcjcic^nct. (gr ift niemals i^raelitifc^ getoefen
9li 1, 31. Sebenft man, bafe m bicjcr Segcnb bic jtoanjig ©täbtc ber Sanbfdj^aft Äabul
gelegen l^aben, bic ©alomo an ben König 3!^ru« abtrat 1 Jlg 9, 10—13 (f. 33b VI,
36 338, 32), fo tüirb c^ fc^r toa^rfc^einlic^, bafe Slc^ftb bamafe unb too^f fd^on frül^er unter ber
§crrfd^aft bon3:^ru« gcftanbcn ^at (bgl. ©.299,65). auf ben aff^rifdS^en Snfd^riften ^eiftt
e« akzibi, bei ben ©riechen, g. 33. Onomastiken ed. bcfiagarbc 224; 95, Ekdippa (Dgl.
3ofc})l^u« Bell. jud. I, 13, 4; Antiq. V, 1, 22). gine a5icrtelftunbc nörblid^er befinbct
\x6^ neben ® arten bie Duelle 'ain el-mescherfe; auc^ eine f leine Sluine baneben unb
40 ba^ im 9Jorbcn ftd^ er^cbcnbc 35orgcbirgc tragen ben glcid^cn SJamen. JRan ^t bamit
ben 9?amen misr^föt majim ^o\ 11, 8; 13,6 bcrghrf^en, ber eine Drtlic^feit an ber
Sfficftgrcnjc Don ©aliläa unb an ber ©übgrcnje ber $^. bejetd^net. fiutl^er^ Überfe^ung
„toarmc SBaffcr" ift nic^t richtig, aber bie 33cbcutung be^ alten SJamen^ ift unllar.
3n ber 9Jä|^c bon '^ain el-mescherfe treten bic 2lbbänge be^ dschebel el-
45 muschakkah nä^cr an bic Äüftc ^cran, unb ber Sluffticg ju bcm SSorgcbirgc
ras en-näküra (69 m) bringt ung in baö eigentliche ^^. $ie SRcftc eine^ äiJad^t=
turm^ unb Ortsnamen, bic mit ber frül^crcn ßr^ebung t>on 3^11= ober SBeggebül^rcn
(ghafr) jujammcn^ängcn, erinnern baran, ba^ toir ung auf einer alten ©renjlinic
bcfinbcn. 3)cr SBcg fü^rt über ben nacftcn, njcife Icud^tcnbcn Reifen l^art am 9lanbe
60 ber Älippc ^in, an ber fid^ unten bic ffiogcn bred^cn. 3ln ber 9Rorbfeite bcl^nt ft(^
ein formaler ftcinigcr Äüftcnftrid^ in gorm eine« §albmonb§ bi« ju bem jtoeiten S^or^
gebirgc aw^, bcm ras el-abjad ober Promontorium album, bem „toeifeen 3Bor=
gebirgc", beffcn Spifcc bon bcm crftcn cttoa 10 km in ber Suftlinie entfernt ift. 2)ic
©cnfung ^irijc^cn bciocn trägt bic ©})urcn ^tocicr alten Drtc, bon benen ber erfte umm
55 el-'araüd (ober el-'awämid), ber jtocitc iskenderüne Reifet, '^tn^ l^at feinen 9lamcn
t)on ben ©äulcnrcftcn, bic fic^ bort a\x^ ber gricdbifc^cn ^t\i ^er pnben. SRcnan ^t ieboc^
1861 unb anbcrc nac^ i^m burd^ 2tu«grabungcn nad^gctoicfcn, bafe fc^on bie %^. bier
gebaut f^aben. 2)cr a\ii DJame bc« Drtc« lä^t fid^ nid^t fic^cr nad^toeifen. gn einer bort
gcfunbcncn Jjbönijifd^cn Snfc^rift fd^cint üon „bcm 33c^irf Saobicca«" (OIS I, 29—32)
60 bie iKcbc ju fein ; ob bamit ber 9lamc gcrabc bicfcr ©tätte gemeint ift, fielet frcilid^ ba^
eibonter 283
l^in. 6g ift aber baburd^ bie ^agc neu angeregt tporben, oh bic Jjj^önijijc^^gried^tfc^en
3Rünim a\x^ ber Seit be^ Stntiod^u« IV. Qpipi^ant^ (175—164 bor ßl^r.) mit ber J)^.
Sluffd^rift ,,£aobifeia, 3Jlutter (b. i. §aiH)t[tabt) in Jlanaan" ber norbf^rifc^en ©tabt
Saobicea (ad mare), bem l^eutigen Lädkije (f. ©. 293, 55), angel^ören ober ber alten
©tabt, bie einft an ber Stelle bon umm el-'amüd gelegen ^at. Segen bie erftere Sin* 6
na^me ^rid^t, bafe feine ber alten SJefd^reibungen ^1^.^ eine ©tabt biefe« 5Ramen« nennt.
3u ©unftcn ber jtoeiten annähme l^at ^ietfc^mann a,a,D. 74 ff. barauf ^ingetoiefen,
bafe e^ nad^ bem Äommentar be^ ©rjbifc^ofg ©uftat^io^ (12. Sa^f;.) jur 5ßeriegefig be^
S)iontofiog unb nac^ ©tepj^anu« bonS^janj in ^1^. eine Stabt gegeben l^at, bie urfj}rüng5
lic^ Stamanti^a ober Slamit^a ^ie^ (^- *• SRamatl^ ober SRama, „§ö^e'Or toon ben ©riechen 10
levxh äxnfi unb fpäter Saobifeia genannt tourbe. 3)iefe Slngabe auf ba^ norbft;rifc^c
gaobileia ju bejiel^en, emjjfie^lt fic^ burc^aug nid^t. 2)enn ber 5Rame kevxi] äxtij, b. i.
h)ei^e ©teilfüfte, paf^t auf bie Sage bed Saobicea ad mare in einer @bene gar nid^t, h)o^l
ober 5U ber (Segenb bon umm el-'amüd, toeil bie toeifeen JUi^jJjen ber beiben SJorgebirge
U)eit in bie ©ee l^inau^leuc^ten, h)ie fein anberer ^unlt ber Äüfte ©^rien^. 3)a^er ift 15
e^ nic^t untoal^rfd^einlid^, baft fid^ bie oben ertoä^nte 2lngabe toirltic^ auf bie ®egenb
;^h)ifc^en bem l^eutigen ras en-näküra unb ras el-abjad be^iel^t unb Stamit^a ber alte
3tame für umm el-*amüd ift. 35ie ^age betreffe Saobifeia ift bamit freiließ nic^t böHig
geflärt; nur pa^t bie ätngabe ber 3Ktinjen „in Äanaan" (= in 5pi^.) beffer für biefen
äeil ber Äüftc afe für bie Sage toon Laodicea ad mare. — Äurj bor bem äSorgebirge 20
ras el-abjad finben fxd) bieSlefte eine« anberen alten Drte^, bie l^eutc ben5Jamen isken-
derüne tragen, ^m 4. ga^rl^unbert nac^ 6^r. ertoäl^nt i^n ber ^Pilger bon Sorbeaus
(t)gl. Itinera hierosolym. rec. $. ©el^er p. 19) aU mutatio Alexandroschene =
Aie^avdQooxYivrj, 3)amit berbanb fid^ bie SSolf^fage, bafe l^ier 2llejanber b. ®r. toäl^enb
ber Belagerung bon ^^ru^ fein Rdt aufgefd^lagen l^abe. 3n SBal^r^eit gel^t ber 9Jame 26
icbo(^ auf ben römif^en Äaifer 2llejanber ©eDeru« (222—235) jurürf, ber toie fc^on
früher Garacalla (211—217) ben befc^toerlic^en SBeg über ba^ Vorgebirge in ben gelfen
l}ai einbauen laffen. 3)er Äönig Salbuin I. bon 3^«!^^ li^fe m^ bie f leine ^eftung
toieber aufbauen, um fie atö ©tü^tjunft für feine Singriffe auf I^ru^ gu benu^en; fie
toirb unter bem 9lamen Scandarium ober Scandalium ertüäl^nt. 2)er SBeg über badao
,,h)eifee SSorgebirge" fül^rt ettoa 40 SJlinuten lang ^art an bem Slbl^ang ber Älit)J)cn
entlang, balb l^ö^er, balb niebriger über bem 3Keeregfpiegel, beffen SBetten in einer iicfc
uon cttüa 70 m bie fteil abftünenben Reifen umbraufen unb jum leil bereit« unter^ö^lt
^aben. ®iefe ©trafee an ber Äufte ift uralt, fd^on bie äg^ptifc^en $eere unb bie aff^s
rifd^en gröberer j^aben fie betreten, toie ftc^ avA il^en 2)enfmälem am nähr el-kelb bei 35
Seirut (f. u.) ergiebt. 3lber fie ift im Saufe ber Sa^rl^. me^rfac^ beränbert tüorben, j. %.
in ben ^^Ifen einge^auen unb an befonber« ftcilen ©teilen gerabeju ju einer %t^pz, p
gelfenftufen geftaltet. 3Kan bemerft auc^ l^ier unb ba noc^ bie ©Jjuren ber SBagengleife
in bem ^eteboben. gofejjj^u« unb ber ^|atmub l^aben un« ben Flamen, ben biefe ©tra^e
im älltertum l^attc, überliefert, nämlid^ 2;re^)j}e (ober 3^rejjj}en) ber 3^^rier, mie fc^on 40
Sb XrV, 558, 4 ertoä^nt ift; bafür fagte man bei ben Äreujfa^rem scieda Tyriorum,
boc^ finbet fic^ auc^ ber 3(u«brudf passepoulain.
SRörblidj^ öom ras el-abjad be^nt fid^ eine fleine (Sbenc jtoifc^en bem ©tranbe unb
bem ^ufee ber Serge bon ©aliläa a\x^. 2)ann ^ebt fic^ nod^ einmal bie Äüfte ettoa«
f(^roffcr au« bem Speere, bod^ ftcigt fie im attgemeinen je^t fanft, o^ne fteilen 3lbfall, 45
a\xi bem SKeere an. I)ie SKünbungcn ber S^üffe, bie a\x^ bem Serglanbe bon Dber«
galiläa ^erabfommen (t)gl. Sb XIV, 571, 2), finb feiert unb führen tocnig ober gar fein
aSaffer, aber an einigen ©teilen tritt ba« ©runbtoaffer in guten unb rei^lid^en Duetten
^u iage. 2)a« ift namentlich ber galt ti\oa eine ©tunbe füblid^ bon 3:^ru« in ras
el-'ain unb 10 SWinuten nörbUd^er bei bem Sanbgute er-reschidije, beibe ^Xoa eine 50
aSiertelftunbe t>om ©tranbe entfernt. 3)er 2Bafjeneic^tum bon ras el-^ain, b. i. Ä'opf
ber Duelle, ift erftaunlic^. 3)tan i^ai bie Duetten mit fel^r ftarfen ÜJlauem umgeben unb
biefe bi« ju einer anfel^nlic^en §ö^e aufgeführt, jo bafe ba« SBaffer, bon il^nen feft um-
fc^loffen unb bon bem unterirbifd^en Xruct getrieben, in einer gewaltigen fünftlid^en
Säule auffteigen mufe. 3)er größte Se^älter, unmittelbar füblid^ bon bem fletnen 55
gleid(^namigcn SDorfe, ift ac^tecfig, jebod; mit ungleichen ©eiten, angelegt unb 7,50 m l^od^;
er \^i einen 2)urcJ^meffer bon 2() m im Sid;tcn, unb feine SBänbe ^aben oben eine 2)idfe
öon fafk 2,50 m. "^ijxz Söfd^ung ift fo breit aufgemauert, bafe man felbft ju 5}ferbe
bi« oben an ben SRanb be« 33edEen« reiten fann. 3)ie innere ©eite be« 3)JauertDer!e« ift
ftarf cementiert. 3)a« flare unb fc^öne äüaffer toirb burc^ ben ©))rubel üon unten ftet« 60
284 Stbottter
in ?3eh)C0unö gei^altcn; e^ f)at im Saufe bcr Jl^^rc fogar bcn Üragfranj bc^ ©cmäuer^
untertDül^It unb jic^ baburc^ einen freien Slbflufe tn^ SKeer eröffnet. 2fn beni 3)?aualDn:!
ift oft gebeffert tüorben, fo bofe bie Seftimmung feina^ Sllter^ fc^toierig ift SBenn man
nad^ bem urteilt, toa^ je^t ftcftbar ift, fo toirb man nic^t über bie römifd^e ^e\t f}man^
5 geführt. 6g ift aber fe|r mal^rfd^einlid^, bafe ältere Sauten tooranaegangen finb. ^n
unmittelbarer 9läl^e giebt e^ nod^ brei anbere äl^nlic^ angelegte, bod^ nid^t fo grofee Se^älter,
bie ^. %, burd^ fieitungen mit einanber unb mit bem großen 95erfen berbunben toaren. 3)icfe
Seitungen fmb offenbar toieber^olt geänbert unb ergänzt toorben. (Sine nac^ ©üben
fül^renbe, nur lurje Seitung ift arabifc^e Slrbeit, eine anbere nad^ 5Rorben gerichtete ift
10 römijd^. (Sie brad^te einft ba^ SBaffer nad^ bem Äügel el-ma*^schük öftlic^ (lanbetn^
toärtö) t)on %\)xn^, t>on bem au^ in alter RÄt UxU mxi) oberirbifc^e, teife burd^ (ältere)
unterirbifd^e Seitungen bie ©tabt mit SBaffer berforgt tourbe. ®egentoärtig lommt ber
foftbare ^nf)aU biefer ftattlic^en 95el^älter nur ber unmittelbaren Umgebung ju gute;
ba^ 2Baf[er treibt einige 3Kü^len unb beriefelt bie in ber 3lä^c angelegten (Särten, bann
16 fliegt e« ungenu^t in^ 3Keer. 9loc^ im ^Mittelalter tourbe l^ier biel 3w*^««>^y gebaut.
2)ie SBafferleitungen getoä^ren einen • Jjräd^tigen Slnblidt fotoobl burc^ ba« üppige ®rün,
bag ben Soben beberft unb au« ben ©tjalten be« 3Kauerh)erI« in unjäl^ligen SJanfen
l^ertoorftjriefet, aU auc^ burc^ bie feltfame SJerjierung mit ©talagmiten, bie ba« lalf^altige
SBaffer an ba« SKauerioerl angefeftt l^at. Sttoa 15 3Kinuten nörblic^ t)on ras el-'ain
20 befinben ftc^ neben bem neueren Sanbgute er-reschldije noc^ brei toeitere Se^älter, auc^
ein Slquäbult, ber ber Sauart nac^ römifd^ ju fein fc^eint. 3Serf(^iebene angaben au«
bem ailtertum melben bon ben SBafferleitungen unb Duellen, bie Z\)xvi^ toerforgten; fo
5Wenanber bei Sofep^u« Antiq. IX, 14, 1, älrrian Anab. II, 20, Putard^ Vita Alex.
24, 5Ronnu« in Dionys. XL, 359 ff. 3)a e« anbere bebeutenbe Duellen in ber 9Jäl^e
26 bon %\)xn^ nic^t giebt, fo toirb e« eben ber SBafferreic^tum bon ras el-*^ain fein, ben bie
5ßl^. juerft gefaxt unb für bie Sebürfniffe i^rer ©tabt bertoertet l^aben.
3)ic (Entfernung bon ras el-'ain nad^ 3:^ru« beträgt eine ©tunbe. 3)ie ebene
neben ber fanbigen Süfte ift bon SBeften na^ Dflen nid^t ganj 2 km breit. 3" ^^
3lä\)t ber ©tabt meieren fid^ bie ©anbanl^äufungen. 3)a« je^ige I^ru«, ein unbebcutenber
80 Ort bon ettoa 6000 einit>oI^nem, liegt im 9Jorben einer §albinfel, bie ungefähr iVskm
über bie anftofeenbe Jlüfte in« SKeer l^inau«ragt. ®ie alte Jjbönijifd^e ©tabt lag bagegcn
auf einer ^nfel. 5Wac^ bem ^ajj^ru« Anastasi I brad^te man ba« SBaffer in Schiffen
5U ber ©tabt; ber aff^rifd^e Äönig älffurbanijjal fagt bon bem Äönig Saal bon SC^ru«,
er tool^ne inmitten be« 5Keere«; ber $roj)^et ©jed&iel läfet ben gürften bon S^ru« ftd^
35 rül^men : 6in (Sott bin id^, einen ©ötterft^ betoo^ne ic^ inmitten be« 3Kecre« (28, 1),
unb bergleic^t bie ©tabt treffenb mit einem ipanbel«jc^iff, ba«- „mitten im Weere" gebaut
fei (27, 3 f.; bgl. auc^ 26,4. 14. 17 ff.) — ba« fmb fidlere 3eugen bafür, bafe St^ru«
urfjjrünglid^ eine 3»^f^^ftöbt gctbefen ift. SBie bei arwäd im 9lorben (f. u.) unb im
Heineren 5!Jla6ftabe bei ©ibon unb a:ri))oli«, fo ^aben auc^ ^ier einige felfige ^n\dn
40 nabe bor ber Äüfte gelegen; ioenn toir bon ben Heineren, bie aud) je^t noc^ in jiem-
lid^er 9lu«bel^nung unb ^a^ an^ bem STOeere bei 2:^ru« ^erborragen, abfeilen, in ber
§au})tfac^e ^toei größere, bon benen bie nörblic^e bie umfangreichere getoefen unb juerft
Ubaut tüorben ju fein fc^eint. Da« läfet fic^ einerfeit« au« bem 9Jamen erfc^liefeen: ba«
gried^ifc^e Tvgog ge^t jurüdE auf ""ii: ober geh), "li:, aff^r. surru, äa\}pt sar(a), l^eute
45 sür, unb bebeutet „?5elfen" (gel«infel); ber 5Jame fc^eint ju ben ©riechen nidj^t um
mittelbar bon ben ^^., fonbem burc^ Sermittelung eine« anberen, bieHeid^t fleinaftatif(^en
Solle« gcfommen m fein, ba« ben s-Saut ^art au«f)3rac^, fo bafe bie ©riechen ein x nu
^ören glaubten. 2lnbererfeit« teilt 3ofe>)l)u« c. Ap. I, 17 § 113; Antiq. VIII, 5,3
§ 117 au« bem SBerte eine« fonft nid}t belannten 2)io« über bie ©efd^id^te ber ^^. mit,
ö() bafe Äönig §iram (I) bie ©tabt felbft bergröfeert unb bcn bi« ba^in auf einer gnfcl für
[\^ ftcl^enben SCempel bc« Reu« Clbmpio« (bgl. S3b II ©. 328, 4) burd^ Stuffc^üttungen
mit bcr ©tabt berbunbcn oabc. Xer eigentlid^e, größere leil ber ©tabt lag bal^er
nid^t auf ber burd^ biefen 2:em})cl auögcjeid^neten ^n\ü, fonbem auf einer anberen, bie
offenbar größer ^u bentcn ift. I)ie Unterfud^ungen be« je^igcn Untergrunbe« ^aben e«
56 mal^rfc^cinlic^ gemacht, ba^ bie größere '^n\d im nörblic^cn 2^eile ber je^igen §albinfel
XU fucf)cn ift, alfo bort, ioo fid^ auc^ bie moberne ©tabt lieber crl^oben fyit Denn bie
3tu«grabungcn bc« Wünd^cner ^rof. Dr. 3-'JJ-®W 1874 Ijaben erliefen, bafe bicÄirc^en-
ruine an^ bem 93Jittclnltcr an bcr ©übfeite be« beutigen 3:bru« nod^ auf J^eUboben ftel^t;
bagegcn ift (S. Mcnan 1860/61 locitcr nad^ ©üben bin nic^t überall aufhelfen geftofeen.
60 Überhaupt fc^cint im ©üben ber jc^igen ^albinfcl bie bicHeic^t fünftli(^ oefeftigte ©renjs
@tboititr 286
linic bcr alten ©tabt burd^ ben SlrH)raD bc« SKcere« ober aud), tüic ^ru^ meint, burd^
@vbbeben ftärfer gelitten gu l^aben. Über bie 93auten bed alten %\)xui h)iffen ton nur
toenifl. 3?ac^ SRenanber öon e))^efu« (ögl. Sofej)^ c. Ap. I, 18; Antiq. VIII, 5, 3)
l^at §tram I., ber 3^'^Ö^"öjfe ©alomo«, bie alten 2:embel neu gebaut. Sefonber« ge-
nannt toirb ber Tempel be« ^eralle«, b. i. be« 3Jlelfartb (f. unten ©. 297 f.), unb ber 6
2lftarte, femer öon §erob. II, 44 ber 2eni))el be« tbaftfc^en $erafle3, ber loieHeic^t mit
bem Slflenorium Slrrian« (Anab. II, 25 f.) gufammenfättt. 3lad) SOienanber unb 3)io«
(bei 3ofej)l^u« a. a. D.) I^at §iram bie ©tabt, b. ^. toobl bie gnfel, nac^ Dften ^in er=
h>eitert unb l^ier ben großen ^la^, (Sur^d^oron, gefd^affen. 2)ad alte 3:^rud l^atte )h)ei
^äfen (©trabo XVI, 2,23; ?Jlin. V, 17; 3lrrian. II, 20f.; 6? 27, 3). 5Der nörblic^e, lo
ber ftbonifd^e, ift in ber $auj)tfad^e big ^eute erl^alten, iebod^ an ber inneren Seite ftarl
toerfanbet unb für größere ©eefc^iffe nid^t jugänglid^. ®er füblic^e §afen, ber ä0^))tifd^e,
ift bagegen gang )oerfc^n)unben. 3lad) 9ienan unb $ru^ l^at er n^a^rfd^einlid^ füböftlid^
))on ber fc^on erh)ä^nten 5{irc^enruine gelegen, too no|^ l^eute ein gut ben^ac^fener ©arten
burd^ feine tiefe Sage mitten in ber SSerfanbung auffällt. is
3)er Snfdftöbt gegenüber auf bem geftlanbe lag ein toeit au^ebe^nter Ort, bem
3Kcnanber öon ®)[)l^efu« nac^ bem ®rie(§tf d^en bei 3ofe))l^u« Antiq. IX, 14, 2, femer
©trabo, ^liniu« u. a. bm 9Jamen naXattvgog^ b. i. SKltt^m^, gebm. Daburd^ ift bie
ätuffaflung Veranlagt, ba^ ed au^er ber ^nfelftabt aud^ auf bem ^^eftlanbe eine ©tabt
%\li\x^ gegebm ^abe. ©ie l(^at jeboc^ in bm übrigen älteren 92ad^n4ten !eine ©tü^e ; 20
nac^ il^nm ift eg üielmel^r toa^rfd^einlic^, bafe ber Ort an ber Äüfte bm 5lamm uschu
^atte, ber in ben ^Amärna-iafeln unb in bm afl^rifd^en gnft^riftm öorlommt unb
lüol^I mit bem authu ber ägl9))tifd^m 3)mfmäler jufammmuiftellm ift. ©ein ©c^u^l^err
ift, U)ie ^raSel unb Gi^e^ne öermutet l^m, Ufoo^, ber Oöocbog be3 ©anc^unia^on,
ber guerft auf einem S3aumftamme bad ^eer befahren ^abm foQ, toäl^renb fein 93ruber25
©amemrumo« (SafxrifjLQovfiog) in S^ru« ^üttm au^ Slo^r erbaute, ©iefe ©age nimmt,
tüte ^ fc^eint, an, ba^i^ S^f^lf^^t^^ ^om geftlanbe a\xi beftebelt tüorbm ift. 3)a5 ift
o^ne 3^^^f^I rid^tig, aber baburc^ toirb bie Übertragung beg 9iamen^ I^ru« auf bm
Drt am ^eftlanbe boc^ nid^t gered^tf ertigt ; öielleid^t toiD 3Wenanber burd^ ben 2lu«brudf
nur fagm, bafe ber Drt ju feiner 3^^ W^" jerftört toar. 3)ie Slngabm über feine Sage ao
gelten fotoeit au^einanber, ba^ e« fel^r jtoeifelpaft toirb, ob man an einm ober mel^rere
Orte }u bmim l^at, ober ob ^ ftd^ um Drte ^anbelt, bie öerfd^iebmen 3riten angel^ören.
3la6^ ©trabo foH $alaitt;rug 30 ©tabim, b. i. eine ©tunbe, füblid^ bon 3:^ru« gelegm
l^abm, bemnad^ = ras el-^'ain ; nad^ $liniu^ Jollen 2:^ru^ unb ^alait^ru^ jufammm
einm Umfang t>on 22 ©tabim = 4100 m gel^aot traben, ba« toäre nur tomig me^r afö 35
ber Umfang be« altm 2t;ru« betragm l^at. Die ©bene auf bem geftlanDe ber SnfeU
ftabt gegmüber ift in alter 3^^ ö^ne 3^^M 0wt bebaut unb rei$ mit Sanb^äufem
unb Dörfern befe^t gehjejen. Darauf toeifm au^ bie gwnbe ^in, bie bort im 33obm
gemacht toorben ftnb : Ölleltem, Sffiafferbel^älter unb ®rabf ammem, in gelf m au^gel^auen,
fotoie ©teinfärge, nirgmb« aber bmtlic^e Überrefte einer eigmtlic^m ©tabt, mit 2lu«s 40
nal^me ber unterirbifd^en unb oberirbifd^m SIBafferleitungen (bgl. obm ©. 284, 5). am
teil el-ma^schük fd9eint ein bebeutenber SSorort bon I^ru« gelegm ju Ij^aben.
Da« alte i^ru« ^örte auf, eine 3inf^Ifl«bt ju fein, infolge ber Belagerung burd^
aiejanber b. ®r. 332 (ögl. 3lrrian Anab. II, 17 ff.), ßr fuc^te ber bi« ba^in niematö
bejtoungenm 3"f^lf^fl^ (^ßl- w"l^ IV, ©. 300, ao) nad^ einer Selaaerung bon fteben 45
3Honatm baburd^ beijufommen, ba^ er öon bem ^eftlanbe a\x^ auf einem ^fal^lrofte
einm Damm au« ©teinen unb @rbe auffc^üttcn lie|, um bie Dftjeite ber S^f^l jw er«
reid^en. Die (gntfernung jtoifd^en ben bciben ^ßunften foH 4 ©tabien (ettoa 600 m) be«
tragm ^aben, ber 9Beere«arm in ber 9läl^e ber ^nfel mel^r al« 3 Älafter tief getoefm
fein. Die ©reite be« Damme«, für ben eine feierte ©teile mit moraftigem Untergrunbe bo
t)on ber Äüfte a\x^ benu^t tourbe, totrb bon Diobor 17, 40 auf 2 ?pietl(^ren (= 61 m)
angegeben. SRit SRed^t ^at fc^on ba« 2lltertum biefe« fül^ne Unteme^mm Sllejanber« al«
ein SBunbertoerl gepriefen. 2lber bie ©rftürmung ber ©tabt gelang i^m boc^ nic^t öon
bem Damm a\x^, ba l^ier bie SRingmauern angeblid^ me^r al« 150 Äu^ ^od^ empor*
ragten unb fel^r breit unb feft toaren. Die ja^Ireid^en ©d^iffe, bie bie benad^barten ©ee* 55
mäd^te aie^anber b. ®r. gur Verfügung geftellt batten, jtoangm bie t^rifd^e flotte, fic^
in bie beiben §äfen jurüdjujieben, unb ermöglichten e« baburd^, ba^ ba« gried^ifd^c §eer
bon ©iibm l^er auf bie bort fcptoäc^eren 9Jlauern ber tJ^Pung «inm regelrechten Sturm*
angriff au«fül^rm lonnte, ber aber aud^ erft, al« er toieber^olt tourbe, ©rfolg ^atte.
ärrian giebt an, baft 8000 Seute bei ber ©roberung i^ren lob gefunben l^ättcn unb co
286 @tbonter
30000^crfonen, cinl^cimifd^c unb frembe, ate ©Haben Verlauf t toorbcn tüären. 3)tcfc3öWen
erlauben un^ einen SRüctfd^Iu^ auf bie ßintoo^nerjal^l ber bamaligen Stabt in friebli^en
Seiten; fte toirb cttoa, toenn lüir 10—15000 auf ©olbatcn unb SJflüd^tlinge abrechnen,
25000 betragen ^aben — eine f)o\)t ^ai}l für einen Slaum, ber nad^ neueren SKeffungen
6 57,6 ^eftaren umfaftt. 3)er 2)amm ift naiS) 2200 Qjal^ren in feiner S3reite bebeutenb
getüad^fen, öcrmutlicp befonber^ an feiner ©übfeite, ba biefe ber regelmäßigen 3Heere^ftrömung
au^gefe^t ift, unb mit ber anftofeenben Äüftenlinie in bereite böQig abgerunbeten gormen
berbunben. 3)er QaU — um in einem Silbe ju reben — ber gegenwärtig bcn Äo})f,
bie frül^ere gnfelftabt, mit bem Stumpfe, bem ^eftlanbe, öerbinbet, l^at im SBeftcn bie
10 93reite bon 600 m, im Dften ober fd^on bie Sreite öon 2 km eneic^t, b. i. mel^r atö bie
Stuöbe^nung be^ Äopfe^ bon ©üben nad^ 5iorben einft betragen \^at
ällejanber ^at ibru^ nid^t böllig jerftört. 3)ie toeit reid^enben §anbetöberbinbungen
ber ©tabt, mod^ten fte aud^ burc^ bie ^fJeugrünbung 2llejanbriag mannigfach bebrol^t
toerben, fü^rteit i^r neue« 2Am ju • i^re ^eftigleit toar noc^ immer fo bebeutenb, bafe
löfie 316/15 öon Slntigonu« bierjclj^n SWonate lang bergeblid^ belagert tDurbe. (gineSra be«
38olfö bon Il^ru« bom ^al^re 274/3 tüirb CIS I, 1, 9lr. 7 ertoäl^nt; bie ©tabt mufe
bai^er bamate toieber größere Siedete erl^alten ^aben. SSon ben ©eleuctben, unter bcren
§errfd^aft fte 198 lam, erfaufte fie fid^ toa^rfd^einlid^ 126 boHftänbige 9lutonomie, bie
$onH)eiu« betätigte (©trabo XVI, 2, 23 ; 3iofej)^uö Antiq. XV, 4, 1), 3luguftu« jeboc^
20 20 bor 6^r. toieber einfd^ränfte. ^aulu« fanb auf feiner Seife bon 3Wilet nac^ S^^f^lcn^
in I^rug fd^on Gl^riften 31® 21, 3—6. Sin Sifd^of bon 3:^ru«, Safftu«, toirb gegen
®nbe be« 2. ^jabrl^unbert« auf bem Äonjiil bon ßäfarea ertoäl^nt. Äierom;mu« nennt ju
©j 26, 7 unb 27, 2 Tqxn^ nod^ bie bomel^mfte unb fd^önfte, toeitfin §anbcl treibcnbc
©tabt ^^.g. 2)ie Äreujfal^rer l^atten fie bon 1124—1291 inne. Sine ungenaue Äunbe,
26 baß bie ©ebeine be« beutfd^en Äaifer« griebrid^« I. Sarbaroffa nac^ feinem 3:obe am
9. Suni 1189 in ben SIBogen be« gluffe« ©elef burd^ feinen ©ol^n, ben §erjog griebric^
bon ©d^toaben, in Sbrug beftattet toorben feien, benu^te ?Profeffor Dr. 3- 91 ^tpp in
9Rün(^en, um für ftd9 unb ben il^m beigegebenen ^rof. Dr. $. 5ßru^ auö Äönig^berg
burd^ ben SReid^^Ianjler gürft Sigmare! bie ßrlaubni« ^u Slulgrabungen ju crtoirfen.
90 <B^p toä^lte bie berfcbüttete Äird^enruine an bem ©übranbe ber l(^eutigcn ©tabt unb
träumte fc^on babon, bie „©ebeine" Sarbaroffa« na^ bem fd^önften 9Rünfter in 3)eutfc^lanb,
bem Äölner 3)om, bringen ju fönnen. 3lber er fanb nur Stefte einer ftattlic^en ßirc^e auö
bem SJlittelalter, in ber er bie mittelalterlid^e Äatl^ebrale „ jum ^eiligen Äreuj" er!ennen tbiö,
bie an ber ©teDe ber altd^riftUd[>en Safilifa be« Sifc^of« ^jjaulinu« (um 330) errichtet
36 tporben fei, toäl^renb ^ru^ bie Sluinen auf eine burd^ bie Senetianer in i^rem Quartier
erbaute ©t. 3KarfugIird^e beutet. 5kc^ bem Slbjuge ber Äreujfabrer 1291 befc^te ber
©ultan 3)Jelif el=2tfd^raf bie ©tabt unb ließ il^re geftungötoerfe f^leifen. 3)ie ®ef(^t(^tc
be« l^eutigen %\)xu^ beginnt erft mit bem g^l^re 1766, alö [xd) ein getoiffer $anjar, ein
&6)e6) ber 2Ketäh)ilcfefte, unter bem ©c^u^e Dahir el-'^Amr's mit feinen Seuten in
40 ben Xrümmem nieberließ unb fte lieber aufbaute. 3?ad^ ber S^^f^'^^Ö ^"^<^ ^<»^
(Srbbeben bon 1837 trug ^lE^wl^im ^ßafc^a für bie ßmeuerung ber Sauten ©orge. ©eit
ber 3eit ift %\}xvi^ langfam bi« ju einer befc^cibenen Jlüftenftabt mit 6000 ©intool^nem
l(^crangeh)ad^fen, bie teil« Sateiner, teil« ortl^obo^e unb unierte ©riechen ftnb.
&äJ)renb bie unmittelbare Umgebung bon I^ru^, fobiel bi^^er belannt geworben ift,
45 nur burd^ gelfengräber, Äeltern unb Söafferleitungen an bie alten ?P^. erinnert, finb un^
im ^nnern be« Sanbe^ einige bemcrfcnötüertere 2)cnf mäler erhalten geblieben. Slnbert^alb
©tunbcn füböftlid^ bon 3:i;ru^ erl^cbt fic^ neben bem Keinen 3)orf hanäwi auf einer
maffiben äafi^ ein mächtiger ©arfoj)l^ag, ber einen unregelmäßig )[)^ramibal geformten
3)ectel bon 1,50 m ©tärfe gu 3,60 m Sänge trägt. 35a^ ©anje ift eth>a 6'/, m \^od},
60 hinter bem I)enfmal ift eine getüölbte Sammer, bie 6. 5Henan unterfu^t l^at, o^ne j^od^
irgenb tücld^e 3^^^^" ^^ Stlterö ober ber Seftimmung be^ eigentümlid^en 93auh>erfe^ gu
finben. 6^ trug im 5Uunbe be^ Sollet ^en ^Jiamen kabr hairän, an^ bem burc^ ben
englifd^en entbcdtcr ^lonro 1833 unb anbere habr kiram, b. i. ®rab be^ §iram
(be^ befannteften Hönig^ bon 3:i;ru^, f. u. ©. 299, 56) gemacht toorben ift. 3)aß ba^
55 35enfmal älter ift afö bie 5lömer;|eit, leibet leinen 3^^ifcl- — 2luf l^albem ffiegc jh)ifc^[en
bem kabr hairän unb bem ßl^riftcnborfe känä, ba^ fd^on S3b VI, 339, 48 ertüd^nt ifl,
finben ftc^ oberhalb be^ wädi el-'akkab an ben gelötoänben robe ©fulj)turen in me^r
affvrifd^em aU ägbptifd^em ©efd^madt, bie bielleic^t..bon ben el^emafe in ben na^enStein^
brüd^en befd;äftigten §anbJocrtern ^crrü^rcn. — Öftlic^) bon bem 3)orfe känä ^at man
00 in bcn oberen Slnfängcn be^ wädi el-'äschür eine urf))rünglic^ fein aufgeführte, jejt
eibonttr 287
aber jicmlic^ berh)ittertc Silbl^auerarbeit cntbcdt, eine ©rm)})c bon fünf ^Jigurcn, bcren
mittlere bon ben übrigen D))fergaben ju em))fangen fc^eint, barüber bie geflügelte ©onnen^
fc^eibe mit ben Uräuöfc^langen, baö belannte ägt;j)tifc^e ©^mbol.
3)te Äüfte nörblic^ bon 2^ru^ ift bon äl^nlic^er Sefc^affenl^eit U)ie in ber füblid^en
3Jä^e ber ©tabt: am 3Jleere 6anb, bann ebener ©oben mit SReften auö bem ältertum 6
1—2 km lanbeintoärt«, bann bie unterften ©tuf en be« ^od^lanbe« öon ®aliläa (S3b XIV,
570 f.), bie ebenfaH« ^äufig nod) ®rab!ammem unb anbere Bearbeitungen be« Reifen«
auftoeifen. 3lx6)t ganj jtoei ©tunben nörblid^ bon 2^ru« trifft man auf bie SKünbung
be^ nähr eUkäsimije, ber in einem nid^t breiten, aber }iemlid^ tiefen unb ftar! ge^
tounbenen 33ette bie SBafjer ber füblid^en bikjf gtoifd^en Sibanon unb §ermon bem lo
aRittelmecrc jufübrt (bgl. ben 2lrt. Sibanon S3b XI, 433, 22 ; 434, 47). 3)er ebene
Streifen an ber Hüfte toirb nac^ 9iorben ju eth)a« f(^mäler; bie unteren ©tufen ber
Serge ftnb au^erorbentlid^ reid^ an Orablammem öerf^iebener 3^^^^" ""^ ^formen, an
i^rem gu^e finben fid^ Bpnxm ber alten Slömerftrafee, auf ber man nad^ bem Iti-
nerarium Antonini Aug. in 24 röm. 9Reiten (= 36 km) öon 2^ru« au« ©ibon er= i6
reichte, unb SReftc bon alten SRofaifböben, bie einft ben ja^lreic^en ßanb^äufem biefer
®egenb jur 3'^^^ gebient Ij^aben. 3lörblic^ bon bem wädi abu'l-aswad trägt eine
2^rümmerftätte ben Flamen 'adlün, ben man burc^ ben latcinifc^en Sludbrucf (mutatio)
ad nonum (lapidem) — freilid^ im SBiberfprud^ mit ben 5Diafeen be^ SBege« jtoifd^en
©ibon unb 3^l9ru« — l^at erllären tooDen (ögl. ®u6rin, Oalil^e II, 472 ff.). SBa^rfd^einlic^ 20
^at Ij^ier ba« bon ©trabo ermähnte ©täbtd^en Drnitl^jopoli«, eineÄolonie ber©ibonier,
gelegen. 6in ©tunbe toeiter nac^ 9lorben trägt ein SSorgebirge unb ein3)orf ben3iamcn
sarafand; ba^ ift baö S^^J^^^^ (^^^^- sär«fät), h)o (Sliaö bei einer armen SBittoe
fic^ auffielt 1 Äg 17, 9 f. (ober ©arejjta £c 4,26), baö Db20 aU lünftiger ©renjort ^i^raetö
bejeid^net toirb. 3)er alte Ort lag am SSorgebirge unb bid^t am 3Jleere, toie nocp l^eute 20
Sluinen unb ein in ben gelfen ge^auene^ Heiner ^afenbafpn betoeifen. Später l^at man
ben Ort an einer mel^r nörblid^ unb lanbeintoärt« gelegenen ©teile aufgebaut; bie Äreuj«
fairer mad^ten rÜ^n ju einem ©ifd^of^ft^, unb ein weli el-chidr (= ©t. ®eorg = ©lia«)
bejeid^net bort l^eute ben SQo^nort bed ^rop^eten. äJon sarafand an tritt bie 5{üfte in
einem flad^en Sogen nad^ SBeften jurücf. 3)ie erften größeren glüffe bom toeftlic^en so
atb^ang be« Sibanon öffnen ftd^ in breiten, tiefen ©infc^nitten ju ber Äüftenebene, ber
nähr ez-zaheränl unb ber nähr senlk. Sei biefem beginnen bie ®ärten, bie immer
ja^lreic^er unb fc^öner toerben, je nä^er man ber ©tabt saidä, bem alten ©ibon, fommt.
Slud^ einige gifd^erboote beleben ben ©tranb.
3)a^ Ij^eutige ©ibon liegt auf einem flachen, ettoa 2— 300 m breiten Sorgebirge, 35
bem nac^ SBeften eine fd^male, 600 m lange felfige §albinfel borgelagert ift. ^fyct nörb^
lic^e $älfte unb bie angrenjcnben, in norböftlic^er Slid^tung jie^enben g^^f^nriffe unb
3nfeln umfd^lie|en ben inneren §af en, beffen 9iorboftecf e burc^ ein Heiner gort, kaFat
el-bahr, 0. i. bie SReerburg, betoac^t toirb. 6ö ftammt fieser au^ bem 3Bittelalter, iool^l
aud bem 13. ^ö^J^^w^t^^lf ip "lit einigen Ileinen Kanonen armiert unb mad^t, obtoo^l 40
e^ fd^on im SerfaQ begriffen ift, jufammen mit ber ad^tbogigen Srücfe, bie ju bem füb-
lic^ gegenüber liegenben g^f^^^nbe fü^rt, mitten in ben braufenben SBogen einen Iriege-
rifd^en, malerifd^en ©inbruct. hieben ben Sliffen unb ^n]dn ftnb bie SRefte bon ge*
mauerten 2)ämmen fi(t^tbar, beren ©teine ^ad^r eb-3)in ju Sauten in ber ©tabt ^at
bertoenben lafjen, fo bafe nun bie SBellcn mit bem, toa« fie mit ftc^ ju fül^ren J)flegen, 45
unge^inbert in ba^ alte §afenbecten l^ineinfluten. DfttüärtS baran fd^lofe fid^ ber
äußere, offene §afen, ber im ©ommcr al^ 3lnfert)la^ benu^t tourbe. 2)afe ©ibon
einen füblic^en (äg^jitifd^en) §afcn gehabt ^abc, ift ein 3"^^"/ ^^" ^ietfd^mamt
a. a. D. 54 ff. auf ®runb einer Sefd^reibung be^ 2ld^ille^ latiuö befeitigt f)at §ier
fann man, toenigften« toa« bie füb))^önijiyc^cn ©täbte anlangt, ben Unterfd^ieb jtoif^en 00
bem je^igen unb bem ehemaligen 3uftanbe be^ ©tranbe^ am fic^erften ftubieren, toenn
man fi^ enttoeber auf einem Soot an bie ^n\dn unb SRiffe l^eranrubern läfet ober
auc^ nur auf einem ber ein^eimifd^en Süftenbam^ifcr mit geringem Tiefgänge gan^ nal^e
an i^nen borbeifä^rt. 3)ie $albinfel meift nod^ berfd^iebene ©puren babon auf, bafe fte
einft ben reid^en Kaufherren öon ©ibon für i^re 3^^*^ gebient l^at ©ie trägt bie 50
Slefte alter 3Jlauem, beren ©teine ftd^ freilid^ in ber garbe nid^t im ®eringften mel^r
toon bem gelfen unterfd^eiben, auf bem fie rul^en. 3tu^ ber gerne betrad[>tet feigen fie
felbft n>ie ein ©tücf gelpad^fenen gelfen^ au!^, fo täufd^enb, ba^ man ^u ber Slnna^me
neigt, SBoffer unb ffietter ^aU im iaufe ber S^^^^wn^crte ba« ®eftein fo jemagt, ba^
e^ je^t toie lünftlid^ gefc^ic^tct erfc^eine. älbcr je loeitcr man fw^ umfielt, befto fieserer eo
288 @tbo«ter
erfennt man biefc annähme ate eine läufc^ung. Auf einer toor bem ^en im 9Jorben
liegenben 3nfel, bie je^t mit einem ttl)'6\)iai £eu(t^tf euer öerfe^ ift, läfet fic^ ba« SRouer^
toert mit einer jeben 3*^^H augfd^Ii^enben SJeutlid^feit erlennen. %ttntx piebt eö an
ber Dftfcite ber §albinfel. jtoei rec^tedige ßinf^nitte in ben g^Ifen, burd^ bie fünftlic^
6 Safftn^ ^ergefteüt finb, bie toermutlic^ bem fog. 2eid^tert>erfel(^r ^ben bienen foDen. Äu^»
baraue Ipürbe ju fcf^Ue^en fein, ba^ Aauf^äufer unb 2Barenf)}ei(^er einft bier geftanben
l^ben. ^äl^nlici^ ift e^ mit ben %cl]m, bie i^ru^ umgeben. 9ln ber 9lorbfeite biefer Stabt,
bor bem fibonifd^en §afen, liegen brei Sliffe, bie no^ Slefte )Don aJlauertoerl tragen, an
ber 9brbh)eftecfe liegt eine änja^I größerer unb Ileinerer ©äulen im SBäaffer, ettt>a
10 30—40 m aufterl^alb ber mittelalterli^en SRingmauer; ba fte fc^toerlid^ alle bort^in gu=
fammengeroUt ober sgefd^le))))t h>orben ftnb, fo ift angunel^men, baft fte früher neben
i^rem je^igen ^la^ geftanben ^en, b. \). aufeer^alb ber Slingmauer ber Äreugfa^er.
©aburq tüirb auc^ für St^ru« eine größere Sludbel^nung nac^ ber ©eefeite ju fei^r loa^r-
fd^einlic^ gcmad^t. 3)afe am ©übranbe alter ©tabtboben berloren gegangen in fein
15 f(|eint, tourbe fd^on oben ©.284 f. gefagt. äl^nlid^e^ ift auc^ auf ben brei ^el^ff en, bie
öor ez-zlb (f. o. ©. 282, so), ungefä^ 1 km bom ©tranbe entfernt, au^ bem 3Reere
aufragen, ju fe^en; feitbem ic^ im2Jlail904 jtoifd^en i^nen unb bem g^tlanbe ^inbun^^
gefahren bin, jtoeifle id^ nic^t mel^r baran, bafe auc^ auf il^rem SRüdfen no(^ Stefte toon
^auertoerl bor^anben fmb. 3)ag alte aid^fib tpirb, toie einft Slrtoab ©. 293, 2«, feine SCnfer^
ao unb £ab(^lä^e unter bem ©c^u^e jener Kliffe gel^abt l^aben. 3)at)on ift aOed bi$ auf
tpinjioe 3tefte berfd^tounben !
$)ie aiu^grabungen Slenan^ 1862 ^aben erliefen, ba^ ftd^ ba^ p\^, ©ibon nad)
Dften ^in um 700 m toeiter afe bie l^eutige ©tabt au^ebel^nt l^t. darüber l^inau«
begann im 3lltertum bie ®egenb ber ©arten unb ©räber, le^tere namentlich an ben äb=
25 Rängen be^ Sibanongebirge^, bie ^iemlid^ fteil unb ^oc^ au^ ber @bene anfteigen. '3)en
Safaltfarfopl^ag be^ ÄönigS ©fc^munajar (mit ^"f^rift) fanb man 1855 unh>eit ber
mughärat ablün (^öJ^le be« a))ollo?) 10 ^Minuten füböftlic^ bon ber ©tabt. I)ic
franjöftfc^e ®a)ebition unter Slenan ^at berfd^iebene 9leIro})olen bon ber §öl^e seijidet
el-mantara im ©üboften bi^ gu ben Dörfern el-helällje unb el-baramlje im 9torboften
80 feftgefteÖt. ^ieje Unterfud^ungen ber ^angofen veranlagten bie 6inh)ol(^ner bon saidä
gu einem fd^toungl^aften Setriebe ber ©d^a^gräberei, burc^ bie in erfter 2inie jal^lreit^c
)[)räd^tige 2ilejanbermün>en ju läge geförbert lourben, bie je^t il^ren ^la^ in euro})äif(t^en
unb amerifanifd^en 3Kufeen gefunbcn baben. 2)ann ftiefe man 1887 unterl^alb bc^ 2)orfc^
el-helällje auf 17 J)räd^tige ji^önijifd^e unb gried^ifc^e ©arfot)|^age, unter benen fid^ ber
36 be^ Äönigg labnit, be^ 3?ater« beö ©fc^munagar, unb ber angeblid^e ©arg Sllejanber^ b. ®r.
befanben, beibe je^t im faiferlid^en 5!Kufeum in Äonftantino))el. ©eit 1900 ^at biefe^
3Jlufeum toieber bei ©ibon graben laffen unb u. a. am nähr el-^awall einen 3^em)[)el
be« efd^mun aufgebecft (bgl. Revue Biblique 1902, 490ff.; 1903, 69ff. 410ff.- 1904,
390 ff. 547 ff.). Slud^ SQSafferleitungcn au« alter geit finben ftd^; felbft an ben Duetten
40 ber Sibanonflüfje, j. 8. be« nähr ez-zaheränl, l^at man Äanäle in ben gelfen genauen,
um i^r SBaffer nac^ ©ibon ju fül^rcn. ^m kz ift bon einem ©ro^^Sibon bie Siebe
3of 11, 8: 19, 28; biefer äuöbrud fommt auc^ auf bem fed^^feitigen I^ond^linber 3:a^lor«
bor unb t)ai bort neben fu^ „Älein=©ibon" ; aber biö^er lüei^ man nic^t, U)ie biefc Untere
fd^eibung ju beuten ift.
46 2)a« alte ©ibon, 'oon bem nad^ bem Obigen nur toenig auf un« gelommen ift, be-
ftanb mit toed^fclnber Slüte (f. unter IV) bi« jur ß^^rung burc^ Slrtajerje« Dc^u«
348 bor 6^r. auf biefe« ßreigni« bejiel^t fid^ toa^rfd^einlic^ bie Älage ^ef 23, 1—14,
bie burd^ 35. 1. 5. 8 auf Stbru« gebeutet toorben ift. 3)oc^ blieb ©ibon nad^ älejanber
unb unter ben SRömern nocp immer eine bcbeutenbe ©tabt, toie auc^ bie gunbe ber
50 neueren Reit beriefen traben, ^aulu« fanb l^ier auf feiner ga^rt nac^ 0tom fc^on
G^riftcn Sä© 27, 3, unb auf bem Äonjil bon 9itcäa 325 tritt ein Sijc^of t)on ©ibon auf.
2)od^ bcrlor fie mc^t unb mel^r an Slcid^tum unbScbeutung ; ben 3KueIimen ergab fie fic^ 637,8
ol^nc ffiibcrftanb. ^n ber ^di ber SEreujjüge ift fie loieberl^olt erobert unb neu bef^Ö*
lüorbcn, ^ulc^t burd^ Submig IX. tjon granfretd^ 1253. 9?ac^bem fie 1260 bon ben ©d^aren
56 ber iDJongolen ber^cert fear, fiel fie 1291 in bie §änbc be« ©ultan« 3ReliI etSlfc^raf,
ber bie Sefeftigung^tücrfc fd^leifen lic^. 2)er 2)rufenfürft Fachr ed-Din l^alf i^r im
ainfang bc« 17. 3al^rl;unbcrt« tüiebcr emj)or; al« §afenftabt bon 3)ama«fu« gelangte fie
j\u Steid^tum. Stud; ^lE^i^ö^ioi ^afd^a bon 3tgVJ>t^n förberte fie. 1840 tourbe bie Heine
$afcnfcftung bou ber bcrbünbctcn glottc ber europäifd^en 3Räc^tc befd^offen. ®ie älteren
CO ©cbäube ber ©tabt reichen nid^t über bie ^ni ber Jtreujfa^rer hinauf. 3i^^Ii^ «"*
@tbomtr 289
fc^nlic^ ift ber %\xxm bct S'^öt^cH^ i»" ©üboften ber ©tabt, kaPat el-mu'ezze genannt,
l^od^ auf einem ©c^uttl^ügeT gelegen unb ba^er il^r SOSa^eid^en • in bem ©c^utte lagern
3)iengen bon ^urj)urmufd^eln. $)ie ©arten ftnb in ben legten ^ai^tjel^nten eine l^errlid^e
3ierbe ber ©tabt getoorben; fte ^oben faft eine Slu^bel^nung U)ie bie \)on ^a^a 33b XIV,
571, 59 unb bringen reid^e ©rträge an Orangen, ßjtronen, ?ölanbeln unb äl^rifofen. 5
3)ie Heine Sbene um ©ibon erftrecft ftc^ nad^^orben ^ttoa big jum nähr el-'awall,
toon beffen 9lorbfeite an, ettoa V/» ©tunbe öon ber ©tabt, baö ®ebiet beiS Sibanonbiftrift«
(f. S3b XI, 437, u) bie Äüfte in ft^ einfd^Uefet big furj bor taräbulus = 2:ri))oIig (f . u.),
mit aiugnal^me ber ©tabt beirut unb i^rer näd^ften Umgegenb. 35iefeg Il^al unb bie
toerl^ältnigmä^ig niebrigen 5ßäffe in ber 9iä^e feiner Slnfänge bei el-bärük fmb hjol^l 10
fd^on im 3lltertum ju bem lürjeften SQSege bon ©ibon nac^ 3)amagfug benu|t loorben.
3)er %l\xi l^iefe bei ben SRömem Softrenug, bermutli* nac^ einem Orte 33oftra (bosrä),
toon bem fid^ jeboc^ fonft feine ©j)ur gefunben ^at. 2)ie Äüfte toirb nun toieber
ftciniger; für eine ßbene am gufte ber Serge, bie aümäl^lic^ fteiler unb f)ö\)^x ftc^ er-
geben, bleibt fein Slaum, ober ber ©oben ift, fotoeit er fic^ nic^t l^ebt, mit l^ellbraunem 15
©anbe bebecft, toie füblid^ bon Seirut. 35er füblid^e %exl ?P^.g mit feinen frud^tbaren
Äüftenebenen ift öorüber, ber mittlere bietet ber Stnftebelung toeniger Vorteile unb l^at
ba^er im Slltertum nur ©täbte bon geringerer Sebeutung getragen. 3*^if^^" "^^^ ras
dschedra unb bem ras ed-dämür muffen bie Orte ^latanoö (?piatana) unb ^or«
^l^l^reon gelegen ^aben, bei benen 3lntioc^ug b. ®r. ben ^elbl^erm ^ptolemäug IV. 20
qS^iloj)ator, 3?ifolaog, im gjal^re218 bor 6^r. beftegte (Polyb. V, 68 f.). SBir erfennen
au^ bicjem SSorgange, ba^ auc^ bamate biefe unbequeme Äüftenftra^e bon Iriegfü^renben
beeren benu^t tourbe. 9lörblid^ bom ras ed-dämür münbet ber nähr ed-dämür, ber
unter ben 9Jamen 3)amurag, 3)emarug ober Sam^rag bei ben 2llten borfommt. Sei
bem chän el-chulde, ber an bie ,,mutatio Heldua'' beg ^ilgerg bon Sorbeau^ er- 25
innert, liegen bie SRefte einer auggebe^nten ©räberftabt ju 3:age. ©in toeit^in ouffaHen«
ber ?Punft an berÄüjle ift bag SSorgebirge bon Seirut, ras beirüt genannt (101 m). @g
bietet bon 9Jorben l^er gefe^en ein pxäd)txQ^ Silb: an feinem gu^e bie auggebel^nte,
freunblid^e ©tabt Seirut bon mobemem ätugfe^en; toeiter nad^ Dften eine fleine gut
bebaute ßbene (es-sfihil) an ben Ufern beg nähr beirüt, beg 3Jlagorag ber 5llten, unb so
an ber Äüfte, bie bon ber ©j)i^e beg SSorgebirgeg an im SBeften ungefähr 10 km nac^
Dften jurüdftritt unb bie ©übfeite ber fog. ©eorggbai bilbet; ate §intergrunb bie fteilen
natürlichen 2!erraffen beg Sibanon, unten mit grünen ©arten, fc^mucfen Sanbl^äufem unb
flcinen 3)örfem befe^t, l^ö^er l^inauf nod^ einige Slefte ber einft fo berühmten SBälber
tragcnb, toä^renb ber la^le fd^arfe SRücfen in toei^em ©lange, mag er befd^neit fein ober 35
nid^t, toeit auf« 3Kcer l^inaug ben ©d^iffern entgegenleud^tct. ©0 toid^tig ber Ort gegem
toärtig ift, im ^. 3lltertum f)at er feine SRoHe gefpielt. 3)er 9iame bebeutet toa^rfd^einlid^
Srunnen (bgl. Seerot^ im 212 93b IX, 577, ög) unb finbet fid^ fc^on in ben 'Amärna-
Sriefen, bie ben Ort aU ©i| be^ ägqpti]6)m SafaHentönig« älmmunira bejeid^nen unb
jum ©ebiet ber ©ibliter, ber ßintoo^ner bon ©ebal (f. u.), red^nen. 3)ie erfte JBlüte 40
erlebte bie ©tabt aU römifc^e Kolonie, Colonia Julia Augusta Felix Berytus ; fte
toar berühmt burd^ il^re SWed^t^fd^ule unb burc^ il^re ©eibentoeberei, bi« fte burd^ ba^
erbbeben bon 529 ftarf mitgenommen tourbe. '3)ie jtoeite Slüte beginnt mit bem SReic^
be^ flugen 2)rufenfürften Fachr ed-Dln (1595—1634), ber ^ier l(^au))tfäc^lid^ reftbierte.
©eine Serbinbungen mit ben 5?encjianern unb SJlebiceem l^oben ben $anbel ber ©tabt 45
mit Quxopa jum ©c^aben bon 2:ri})oli^ unb ©ibon, unb bie golgc babon ift getoefen,
ba^ Seirut ^eute ber 2Kittelj)unft be« ^anbete unb SSerfe^r^ an ber gefamten f^ritten
Äüfte getoorben ift, bcfonberö feitbem e« mit 3)amaöfuö anfangt burd^ bie franjöfifc^e
^oft, 1895 burd^ eine ©ifenbal^n berbunben tourbe. (g« barf aber aud^ atö ber aWittel-
)[)unlt ber unter bem Sinflu^ besf ß^riftentumg fte^enben S3ilbung in ©^rien bejei^net 50
tüerben. 3)ie amerifanifcpen ^Preöb^terianer legten 1823 ben ©runb ju i^ren l^erbor^:
ragenben a^nftalten, bie aufeer berfc^iebenen 3iw0C«t>Wwl^n i" t)em fog. „College" ein
tl^eotogifd^e^ ©eminar, eine ^räj)aranbenanftalt, ein aftronomifd^e« Dbferbatorium, eine
mebijinifd^e ^afultät unb eine 35rucferci umfaffen. 3)ie ©t. 3iofc))^^uniberfttät ber ^^e^
fuiten ift mit einer t^eologifc^en, mebixinifd^en unb orientaliftifd^en ^afultät au^eftattet 55
unb befi^t eine 2)rucferei, au^ ber fcpon bebeutenbe, namentlich arabifd^e SBerfe ^erbor*
gegangen ftnb. 3)er beutfd^e ^ßroteftanti^mu^ ift burc^ ba« ^reu^ifc^e 3ol^anniter^ofj)ij,
\>\xxd) ba« SBaifenl^au^ unb ^t^enfionat ber Saifer^mertl^er 3)iafoniJfen unb burd^ eine ^rren*
anftalt bertreten. 35ie britifd^-fi;rifc^e 9Kiffion unterhält eine Sleil^e bon guten ©^ulen,
bie fc^ottifc^e aJlijfton arbeitet ^aui)tfäc^lici^ für bie ^liOm, aWueJlimen unb 3)rufcn. aSer= go
maUdnctiUopmt ffit XtftoloQit unb mxäit. 3. 9t. xviir. ^9
290 Sikonttr
jd^iebcne frangöftfc^c 9Jlänncrs unb ^aucnorben fmb für bic @rjiel(;un0 bcr ßingcborcncn
unb für Äranfcni)fleöc t^ätig. 3)tefer ©tfer l}at and) bie einl^cimifd^en Äreifc angcft)omt,
©dualen für ben Unterricht ber Sugcnb ju grünben. S3etrut ift ©i^ eine« türfifc^en
SßJali unb iä^lt titoa 120000 (gintoo^ner.
5 Ungefähr 4 km öftlid^ bon S3eirut gel^t bie Äüftenlinie toieber in i^re fübnörblid^e
SRid^tung über unb fül^rt un^ balb an bie 3Wünbung be« nähr el-kdb, be3 $unb^
fluffe^, ber bei ben ©ried^en unb Stömem Si^lo^ (Lycus) l^iefe, b. i. SBoIf^flu^, unb in
einer engen ©d^lud^t bon bem dschebel sannln (33b XI, 433, 38. 58) l^erabfommt.
3)aö ©ebtrge tritt unmittelbar bis an baS 9)ieer bor, ift aber bennod^ feit ben älteften 3^iten bon
10 ber Äüftenftrafee überfd^ritten toorben, freilid^ in toec^felnben Salinen, bie un« bie ted^nif(^en
Sortfc^ritte in ber Übertoinbung öon natürlid^en ßinbemiffen fel^ lel^neic^ bor bie äugen
führen. 3)ie je^ige 3Serbinbung öon 33eirut naq bem 9?orben, ©tra^e unb @ifcnba|n,
l^ält ftd^ am abrang beS SJorgebirgeS bem 2Keere«f))iegeI am ndd^ften. Dann folgt
ettoa 30 m über bem SJeere bie Slömerftrafee, bie nac^ einer in ber 9läl^e beS S'^ff^ '" ^^^
16 getetoanb eingemeißelten lat. ^nfci^rift ber Äaifer 3Jl. 3lureliu« 3lntoninu« um 176—180
nad^ (Si}x. ^at ^erftellen laffen. 3lod) \)'6f)tt finben ftc^ brei äg^t)tifd^e unb fet^ öff^ritoc
Snfc^riften ober ©!ulj)turen; fte bezeugen unS, bafe bie auf i^nen genannten i&errfcper,
barunter Slamfe« II. um 1300, Siglattoilefer I. um 1140, ©almanaffar IL um 850,
©anl^erib 702 unb 2lfjarl^abbon 670, ipre §eere auf einem biel fteileren, aber leid^^ter
20 jugänglid^en SBege über biefeS Vorgebirge gefülj^rt l^aben. Sffield^e ftegreid^en dürften
unb $eerfül^rer, toetd^e ^a^lreid^en ÄriegSfd^aren ftnb über biefen fc^malen 5ßfab gebogen!
ailejanber b. ®r., bie Segionen berSlömer, bie tobeömutigen ©c^aren ber Äreujfal^rer unb
ber 3Ruglimen — fie alle ^aben fc^on öertounbert ju ben ilj^nen unbefftänblid^en 3)enf-
mälem ber Sg^t)ter unb ber Slff^rer emt)orgefd^aut. 3)ie legten ftnb bie ©olbaten ber
26 franjöfifd^en 6|ct)ebition öom ^afyct 1860; auc^ fte ^aben eine eiserne lafel mit 3nfd^rift
gum (Sebäc^tniS il^rer Slntoefenl^eit Ij^interlaffen. 3ln bem ^elfenabl^ang be« nörblid^^en
glußufer« tourben burd^ Slrbeiter 1878 ©c^riftgeic^en entbecft, bie Dr. ÜB. ^artmann,
bamate Äanjler be« beutfd^en Äonfulat«, aU aff^rifd^^bab^lonifc^e Äeilfd^rift feftftellte.
3)ie 3"f<^i^fi if* Pörf bertvittert unb fc^toer lesbar; boc^ l^at man ben Siamen 9lebu-
ao fabnc^arö II. bon S3ab^lonien crlannt. 3)ie ßifenbal^n fü^rt neben ber ©trafee bi« gur
malertfd^en SSuc^t bon dschünije, bi^ gu bem Orte ma^ämilten. 9Son Bier ob gie^t
ftd^ toieber allein bie alte ©trafee an oer Äüfte l^in. ©ic ift an bem Slorbenbe ber
33ud^t in baö ©eftein be^ bortretenben ©ebirgcö cinge^auen, jule^t bon ben Slömem,
bie and) für ?Pflafterung geforgt ^aben. 93ci Strabo l^eifet ba^er biefe ©teHe xUßiaSf
35 b. 1^. %x^p\>t; in i^rer JJä^e nennt er ben Ort ^Palaibl^blo«, ber tool^l üYoa^ füb^
lieber gelegen ^at.
Slnbert^alb ©tunben nörblid^er eilt ber nähr ibrähim, am enger unb toilbcr
©^lud^t l^erborlommenb, in baö 2Keer: er ift ber 2lboni«fluß ber ©riechen unb
SRömer, bcr mit bem TO^tl^enlreife ber Sl^^robite in eigentümlid(>er SBeife berlnüi)ft toar.
40 ailiäi^rlid^ im §erbft, fo ergä^lte man, tocnn ba^ SBaffer be« ^l. g'wffe« fxd) blutrot
färbt, erfd^allt in bem naiven S3t;blo^ (ober ©ebaO bie Sotenflage um ba« 33erfc^h)inben
beö fc^önen ©otteö, be^ ,,§enn" {pi}. Slbon, banadj) grie^. 2lboni^); ein toilber 6ber fyit
ü}n auf ber gagb getötet, fein Slut l^at fid^ mit bem Ilaren SBaffer ber DueHc ber^
mijd^t, ba^cr finb bie äßeDen be^ ^luffc« blutrot getoorben; ^Jy^uen unb ^""öf'fflw^
4ö \nd}Qn nun, gleid;fam in ben ^^ufetapfen ber befümmcrten ©öttin, ben ©cliebten ; fte
l^attcn fein I^öl^erne^ Silb in ben fog. äbonii^gärten üerftedEt, in tl^önenien, mit ©rbc an^
gefüllten ©efägen, bie mit allerlei raf$ auf|>riefeenben ©ämereien befäet unb ben ©tra^lcn
ber l;eifecn Sonne bor ben lüren ber Käufer au^gefe^t tourben; fobalb fte nun unter
biefen Sinnbilbern ber SJergänglid^fett, ben fc^nell grün geworbenen unb fernen bcr:
50 brannten ^flanjen, baß Silb bc^ ©otteig gefunben ^aben, beginnen fte bie fiebentägtgc
Iraner unb lotenflage mit 'Üänjen unb ©efängen; aber am ad^ten läge erf(^allt bcr
SHuf „aiboniö lebt", er bertüanbclt bie 3:rauer unb ßntl^altjamfeit ber grauen in bie
gügellofefte 5?reube; fte Wollen nun bie Sffionne ber ©öttin barftellen, mit ber fte an bcr
DucHc be*J 5l"ff^^ h^^^ erftcnmal in bic 2(rme beö ©otte^ gefunlen toar. 3)a« ift un«
65 gefä^r bie ©cftalt, bie ber 9}lv^M ^^'^ fpäteren ©c^riftfteHem ber gricdjfifc^srömifc^en 3«^
angenommen i)at ; )oon feinem eigentlid^en ©inn foQ f)jäter bie Stebe fein (f. ©. 298, »»)•
2)ic ©öttin, bei ben ^1^. bie Stftarte, l^atte i^ren berühmten 3:em))el neben ber hniffcrrcic^
Duelle be^g Jluffe^g, bie unter einer fteilen unb ^oben aSanb be^ dschebel el-mune-
tira (93b XI, 4:]:], r.s) au^ einer .^öt^le hervorbringt. Slaufd^enb f})ringt bod SEBoficr,
00. mit anbcrn ^äc^en t^ercinigt, bie ©tufcn ber Jlalffteinfd^ic^ten in ba^ grünbetoad^fcnc
Sibomtr 291
%fyA f)mai, 3)er ^'6ffU gegenüber i^aben ftd^ auf einer ^el^latte noä) Siefte eined
5Cem)[)etö erl^alten, ber 30 m lang unb 15 m breit toar. 33ermutlic^ fällt er mit bem
3:cmi)el ber 33enu^ t>on aipl^ala (3lt)l^el) jufammen, ben Äonftantin b. ®r. im 4:.^af}X'
l^unbert gerftören liefe; ba« l^eutige ©orf afkä liegt nur 15 ^Minuten l^öl^er ate bie
jQueHe. Menan l^at in ber 51% be« 3)orfe« el-ghlne an ber ©übfeitc be« ^luffe« 5
@ful))turen gefunben, bie ben %oi bed älboni^ burc^ einen @ber unb bie h)einenbe ®öttin
borfteOen (Mission de Phönicie 292 ff., PL XXXVIII). 3lud^ in bem ©lauten be«
Solfö f)[)ielt bie „grofee grau" — ba« ift bie ,,$errtn" 2lftarte — noc^ eine grofee SRoIle.
S)ie aiboni^rö^en blül^en jai^rau« jal^rein im 3:i^ale, unb öon ^txt ju ^di- färben ftd^
bie aEBojfer ber Duelle öon afkä nod^ immer blutrot, befonberö im $erbft unb im grül^s lo
Itng, fo oft ftarle Siegengüffe ober ©d^neetoajler ben roten ©anbftein im Sett beg
glufje« auftüül^len unb infolgebeffen burd^ feine eifenl^altigen SBeftanbteile rot gefärbt
tocrben, eine ©rfc^einung, bie man aud^ in bem naiven nähr fedär Wahrgenommen ^at.
3)er 9Bittelj)unft be« 3lboni«fultu«, bie ©tabt S3^blo« bei ben Oried^en ober ®e*
bat bei ben $1^., liegt l'/i ©tunben norbtoärt^ bon ber ^ünbung be^ nähr ibrähim, i6
^eute dschebeil mit öieDeid^t 1000 ©intDobnem. 3)ie ©tabt ^tte für ben §anbel
feine 33ebeutung — bie größte Sreite be^ ^alfmi beträgt nur 160 m — , um fo mel^
für ben Äultu«, toie fd^on in bem ärt. Oebal Sb VI, 385 f. gefagt toorben ift Über
einige neuere gunbe bort f. Rev. Bibl. 1903, 404ff. 5E)er meip felfige Äüftentoeg fül^rt
bann ju bem ©täbtc^en batrün, ba« bem alten 33otr^« entft)rid^t. 9ieuerbing^ ift 20
bie ^Reinung aui^ef^rod^en toorben, ba^ bie ©tabt sumur, bie nad^ ben ^'Amärna-
Sriefen ber ämurrufürft 3lgiru auf feinem 3w0« öon 3lrta gegen ®ebal bebrol^t, an
ber ©teile Don batrün gelegen l^abe, ba biefer $unft ben 9Beg um ben ras schakkfi
be^errfd^t (bod^ bgl. u.). 9Jörblid^ öom nähr ed-dschöz nämlid^ erl^ebt ftd^ ein breite«
äSorgebirge Ui gu 200 m, ba« bon ber alten ©tra^e unter 93enu^ung tleiner S^äler 35
burcp eine 93tegung lanbeinn^ärtd umgangen n^irb. @« l^ei^t l^eute ras schakkfi nac^
einem naf^t gelegenen Orte schakkfi (^Robtnjon, ^al. III, 954) bie ©ried^en nannten ed
&€ov TtQÖocoTtoVf ba« allem 3lnf(^ein nadp bie Überfe^ung eine« pf^, b»n2s ober b«*^»
(t>gl. ®en 32, 31; 1 Äg 12, 25) ift.' SRan l^at berfud^t, in ben Sinien be« Serge« eine
3lel^nlid^f eit mit einem menfc^lid^en @efic^t l^erau«)|ufinben ; aber toa^rfc^einlid^ l^atte ber 30
Ort al« berühmte Äultu«ftätte ben 5Wamen „Slntli^ ®otte«"; bafe er ba« getoefen ift,
barauf toeift noc^ l^eute ^in bie grofee ^ai)l ber griec^ifd^en Älöjler, bie auf i$m er*
baut ftnb.
3Dltt biefem aSorgebirge fc^liefet ba« mittlere 5p^. ab. 3)er 9Beg an ber Äüfte
füi^rt noc^ über einige fleinere 38orgebirge, toie enfe („-Jlafe", ^ebr. q«) unb ras en- 35
natür, neben benen bie Orte friere« unb ßalamo« {l)^uU kalamün) lagen, bann aber
in bie Sbene bon Sri)}oli«, bie ftd^ an ber ^ünbung be« nähr abu 'all ober be«
nähr kadlschä au«breitet, ber a\x^ ber ®egenb be« alten Sebem^ain« bei bscherre
^abfommt (bgl. Sb XI, 434, 10). 2Bir öerlaffen bamit juglei^ ben Sibanonbejirf (f. 0.
©.289,7) unb betreten toieber fold^e 3:eile ©^rien«, bie bon türfifd^en Beamten ber^ 40
toalUi n>erben. 3)ie je^ige ©tabt jerfäQt in jtoei 2:eile, in bie ^afenftabt d-minä, bie
an bem 9Jorbranbe eine« niebrigen, jeboc^ felftgen Vorgebirge« liegt, t)on einem Äranji
fleiner 3"!^" umgeben, bie ben flachen §afen einfd^lie^en, unb in bie eigentliche ©tabt,
bie bei ben @intoo^nem taräbulus l^ei^t. 3)iefe liegt an beiben Ufern be« nähr abu
'all, 2 km lanbeintoärt« öon ber 3Jlünbung unb 3—4 km bon ber ^afenftabt entfernt, «
mit ber fie je^t burc^ eine Sßferbcba^n berbunben ift, ju ben güfeen einer S3urg, bie ber
®raf SRa^munb bon ©t. ®ile« 1104 auf einen SSorfj)rung be« ®cbirge« (Mons pelle-
grinus) bei ber Belagerung ber alten ©tabt erbaut \)at 3)icfe je^ige ©tabt berbanft
i^re ©ntftel^ung erft ben 3Jlu«limen, bie bie frül^ere, am 3Heer gelegene ©tabt unter bem
©ultan Kiläwün 1289 eroberten unb jerftörten. 2)ic ©tabt ber ^9. unb ber Äreujfal^rer so
^at ol^ne 3*^^if^I ^^ 2Keere gelegen, ettoa an ber ©teile be« l^eutigen d-minä, toirb
jeboc^ gröfecr getoefen fein. Sie foH näinlid^ brei berfc^iebene Quartiere umfafet l^aben,
in benen bie I^rier, ©ibonier unb Slrabier getrennt für ftc^ too^nten. 3" "^^^ ^erferjeit
)[)flegten bie brei 3Jlutterftäbte nad^ 2!ri)joli« Vertreter ju fenben, bie ben 3tuftrag l^atten,
gemeinfame älngelegenl^eiten ^u bzxattn unb ©treitigfeiten )u fd^lic^ten. 3)aburc^ erlangte 55
bie ©tabt ein po^e« älnfel^en. Vor biefer ^Ät toirb fie nid^t eriväl^nt, toir fennen aud^
ibren pi). Flamen nid^t (bod^ bgl. 3)eli|fd^, ^arab. 283). 2)a in bem c^ronologifc^en
Kanon be« ©ufebiu« (eb. ©(|öne II, 80) bie Seficbelung ber „gjnfel 3lr(a)bo«'' auf ba«
3fl^r 761 bor 6l^r. angeje|t toirb, fo fd^liefet man barau«, bafe 3^r^oli« fpäter, balb
pl^er entfkonben fei. ^^Sietfc^mann a. a. 0. 41f. ^at bie Unfid^erl^eit biefer annähme üo
19*
292 eibomtr
mit Sed^t betont unb gctüinnt au^ ben alten 3lad)xxd)im nur baö ©rgebni^, bafe '3^ri^)olte,
eine fefunbäre ©d^öj)fung, fd^toerlid^ aug früher 3^^ ftammc. einige gelfengemät^er
unb SKauerftüde in el-mlnä ftnb bie einzigen SHcfte aug bem Slltertum.
3)a bie §öl^enjüge be^ ßibanon in ber ®egenb be« ras schakkä nac^ Dften ab-
B fd^toenlen (bgl. S3b XI, 434, 56), fo tritt aud^ bie Äüftenlinie bei taräbulus in einem
flad^en Sogen bebeutenb nad^ SBeften jurüdE. 3)iefe Sinbud^tung \)ai nad) bem nörblid^en
SHuöIäufer be^ ßibanon, bem dschebel 'akkär (Sb XI, 433, 40), unb feinem ,§auj)torte
ben 3?amen dschün 'akkär, b. f), Sud^t öon 'akkär. 3)a^ ©ebirgc ift bebeutenb niebriger
unb breiter ate ber mäd^tige Oebirg^toaH be^ eigentlid^en Sibanon, ba^er l^at bie fiüftc
10 ^ier au6) einen milberen ß^arafter. 2)ag ift namentlich ba ber goU, too ber nähr el-
keblr, ber ©leut^ero« ber ©riechen (banac^ bi5U)eiIen noc^ je^t nähr lefterä genannt),
auö bem Zinnern be^ Sanbe^ in einem offenen 3:i^al ben SBeg nac^ ber ßüfte genommen
bat 3)te ßbene an feiner SRünbung ift jiemli^ au^ebe^nt; burd^ fie fül^rte ftct« tpic
l^cute bie ©tra^e in baö %al be« Dronte^, ju ben ©tobten ßmefa (höms) unb i^amat^ ;
16 fte tüar jugleic^ eine tüid^tige Sanbeiggrenje, ber 3w9öng nac^ Jpamatl^ (bgl. 33b XIV, 559, r>6).
3U)ifd^en 2ri})oli^ unb bem nähr el-keblr ^aben einige alte ©täbte gelegen: am ©üb=
ufer be^ nähr el-bSrid (Sruttu^ bei bem ?pilger öon Sorbeauj ed. ©e^er p. 18)
Drtl^ofia, arabifd^ artüsija (3i>$3S III, 247) ober artüsi, femer an ber 9iorbfeitc
be^ nähr 'arkä ettoaö lanbeintoärtg 2lrfa ober Slrfe (gof. Ant. I, 6,2), ate römifc^e
20 Äolonie Caesarea Libani, ber ©eburt^ort be^ Äaifcr« älejanber ©eöeru«, l^eutc no(^
teil 'arkä (JRobinfon, 91. 93ibl. gorfd^ungen 755). auf biefen Ort begießt man auä} bie
®xnp)p^ ber Äanaanitcr, bie in ber SSölfertafel Slrfiter CPTH» LXX *Agovxaiog) genannt
tpirb. 3)er beutfd^e Sleifenbe Sern^arb Don 33reibenbad^ berül^rtc 1483 faum Vj SKeile,
b. i. 5 km, nörblid^ )oom nähr '^arkä, mithin füblic^ )oom l^eutigen nähr 'akkär einen
26 ^lecfen ©^n. 3)amit ^at man bie Slngabe be« §ieron^mu« in feinen Quaestiones in
Genes, ju 10, 17 berglid^en, bafe nid^t t^eit bom Sibanon eine Drt^lage noc^ ben 9iamen
ber©tabt©ini erhalten Ifjabe. 2)ie ©initerftnballcrbing^ nac^ bem ^ufammenl^ng ber
©teffe im nörblid^en 5|il^. ju fud^en, unb bie Äeilinfd^riften nennen einen Drt Siänu
(^riebr. 3)eli|fd^, ?Parab. 282) neben Simira (f. unten) unb 'Arkä (i)gl. auc^ ba« 2ivra be^
30 ©trabo XVI, 755). 3*" 9Jorben be« nähr el-keblr fteigt ber dschebel el-ansärije auf,
ber mons Bargylus ber Sateincr, l^eutc benannt nad^ ber eigentümlichen, ^u ben ©c^i'itcn
Sel^örigen ©efte ber 3?usairier, bie l^auj)tfäd^lid^ auf biefem ©ebirge, aber aud) norbtoärt^
i« in bie abhänge be^ 3:auru« l^inein too^nen. 3)er Slücfen be« ©ebirge« erlj^ebt fic^
l^öd^ften« bi« ju 1200 m, ift alfo um 2000 m niebriger atö ber Sibanon, ebenfall« breiter
35 nad) Often l^in, h)o e« jum Orontc« abfällt. Sil« feine 9lorbgrenje barf ber anbere, bei
el-lädiklje in« 3Keer gcl^enbe nähr el-kebir angefel^en U)erben. 3)ie Äüftenlanbfd^aft
ift im allgemeinen freunblid^er unb milber, al« im mittleren unb füblic^en ^\),, and}
grüner, ba bie SBenge be« jä^rlid^en 3?ieberfd^lag« nad^ Siorben l^in junimmt. 2)ie Qaljl
ber pb. ©täbte, bie toir au« biefer ©egenb fennen, ift ba^er au^ auffaHenb grofe. 3)ic
4onäd^ftc ift ©im^ra ober©imt;ro«(Ptolem. V, 15, 4; Plin. V, 17), auf ben äg^})tifd^en
^nfd^riftcn samar, in ben 'Amärna-Sricfen sumur (0. f. ©.291, 21), auf ben aff^^rifd^en
^nfc^riften simirra, too^l ibentifc^ mit bem 3)orfe sumra, ba« toie ärfa lanbeintoärt«
in ber dbmt jtoifd^en bem nähr el-keblr unb bem nähr el-abrasch gelegen ift. 9lac6
l^toei bi« brei ©tunbcn befinben toir un« in ber ©egenb ber alten Slrabicr unb ftofeen
45 bei bem nähr el-kible unb bem nähr amrit auf eine gro^e Slnjalj^l bon ©räbem,
Dcnfmälcrn unb ©cmäd^ern, bie enthjeber ganj in ben Reifen genauen ober au« großen
Slöctcn errichtet tüorben finb. 6« fmb bie SRefte ber ©tabt 3Jlarat, gried^ifc^ ÜRaratl^o«,
bie bon ben 2lrabiern gegrünbet toorben fein foll. ^thod) fmb in ber SSölIertafel Slrla
(ober 6ref), ©in, 2lrt)ab unb ©amar (ober ©imir) offenbar al« felbftftänbige ©röfeen neben^
50 einanber genannt. ^\x 2tlejanber« be« ©rofeen ^eit toar 3Maratl^o« grofe unb reic^, ftanb
bamal« allcrbing« fc^on unter ben 2trabiern. ©eme Slütejeit toürbe bemnad^ toa^c^einlic^
in bie 3eit ber 'ißerfer^errfd^aft fallen, ß« fd^eint in ben Ääm))fen am 6nbe be« ©eleuciben^
rcid^« jerftört Sorben gu fein, ©in bemerfen«h)erte« ©robmal ift ber burdsch el-bezzäk,
„ber ©d^ncdenturm", füblid^ öon bem nähr el-kible, ein bicredRge« ÜRauertocrl t)on
66 11 m §öl^e, au« gut bcl^auenen anfel^nlic^en 33lödEen jufammengefügt, ba« jiüei ©emäc^er
übereinanber umfd^Iicfet, in bie bie Scid^cn burd^ jtüei fd^male ßinläffe ^ineingefc^obcn
toerben tonnten; tüo^l al« fünftlic^er ßrfa$ eine« gelfengrabe« gebac^t 2)en Sttfc^lufe
l^at öermutlid^ ein )jt?ramibcnartigcr Slufbau gcbilbct, ber je^t jerftört ift. 9lörblic^ t)om
nähr el-kible, untüeit ber fog. ©df^langenquette ('ain el-haijät), fte^en ettoa« erl^öl^t bie
fo merftoürbigen „©^jinbeln", arab. el-maghäzil, ebenfaH« ©rabbenimäler, bie iebod^ i^
@tbonter 293
Scid^enfammetn neben ftd^ i^abcn. 2luf einem breiten ^iebeftal ergeben fic^ monolit^ifd^e
Slöcfe ober ß^Iinber (2—4 m l^oc^), bie öon |)l9ramibenförmi0en ober oben gerunbeten
Slöcfen gehont ftnb. 9iörbUci^ bon biefen ©rabmälern ftel^t ein au^ bem Reifen ge^auene^
$au^, beffen SJront 30 m lang, beffen SBänbe ungefäl^r 6 m l^od^ unb 80 cm biet ftnb.
3)a« gnnere pat brei (Semädber, beren SDSänbc ebenfalls auö bem anfte^enben gclfen auö« 6
gcfj)art ftnb. 9iur an ber 9Jorb= unb ©übfeitc be« §aufe^ i}ai man mit 93au[teinen
nad^gej^olfen. ©üblid^ bom nähr amrlt befinbet ftd^ ein großer in ben Reifen gel^auener
$of, in beffen SWitte ein gewaltiger 3Q3ürfel au^efj)art ift, 3 m \)od) unb 5,50 m im
©et)iert, ber eine gebedftc, nac^ 9Jorben offene ßella trägt. 3)ie älraber nennen il^n el-
ma'bad, ben ^ultu^ort; fte ^aben bie Seftimmung be« §ofe« ju einem Heiligtum rid^tig lo
geal^nt. 3ln bem Siorbufer be^ Meinen ?fluffe^ ftnb Slefte öon äJ^nlid^en Heiligtümern,
foloie eine 2lrena bon 125 m Sänge unb 30 m S3reite, teite in ben Reifen gel^aucn, teilö
auö Duabem aufgebaut, nac^ Dften burd^ ein 2lmj)l^it^eater abgefd^loffen.
eine ©tunbe nörblid^er liegt am ©tranbe tartüs, Slortofa beg ^Mittelalter^,
3tntarabu^be« Slltertum^. 3^iW^w amnt unb tartüs l^at nac^ ©trabo bie pi), ©tabt i5
ön^bra (6nl(^V^ra) gelegen, öon ber big je^t feine ©puren gefunben toorben ftnb. änta«
rabug toirb erft öon ^ptolemäu^ im ^Weiten ^ja^rl^unbert nac^ 6^r. ertoä^nt unb fommt
ba^er für bie ?P^. nid^t tnSetrad^t. ©er aKittel))unIt ber^^. an biefem 2:eile ber Äüfte
tvax tpieber eine 3jnfelftabt, nämlic^ Slrabu«, Ij^ebr. 3lri)ab ei27, 8. 11, in ben^Amärna-
Sriefen ärtoaba (über bie ägt;))tifd^e gorm tjgl. SQ3. 3Kaj ÜKülIer a. a. D. 186), l^eute 20
ru'äd ober arwäd. ©ie liegt ber Äüfte jtoifd^en amrit unb tartus in einer ©n^emung
t)on 3 km gegenüber unb toirb bon bem (enteren Drte auö burd^ Sluberboot in einer
Ileinen ©tunbe erreicht, ©ie beftel^t aug einem gelfen öon unregelmäßiger gorm, ber
ettpa 800 m lana unb 500 m breit ift. 3)ie 5P^. j^aben bie Äante be« ^elfenö fenlrec^t
bel^auen unb auf i^ren SRanb eine 3Mauer au^ mäd^tigen Duabem gefegt, ©ie umjog 26
einft bie ganje ^n\ü, mit Slu^na^me ber Dftfeite, auf ber ber Heine §afen fic^ au^bei^nte.
3im SBeften jic^t nod^ ein ©tücf, baö 9—12 m l^oc^ ift unb Slöde Don 3 m §öl^e unb
d— 5 m Sänge enti^ält. ©onft ift t>on ben alten Käufern, bie nac^ ©trabo« Angabe
toiele ©todftoerfe l^od^ toaren, nid^t« me^r übrig geblieben. 35ie 33aufteine ftnb toal^rs
fc^einlic^ nad^ anberen Drten berfc^ifft unb bort toieber bertoertet toorben. 9Jur ßiftemen so
unb gelfengemät^er finben ftd^ jal^lreid^ im ©oben, aud^ einige ©tüde bon ©ranitfäulen
liegen in ber 9?ä^e be« Ufer«. Sluf bem l^öd^ften ^ßunfte ber ^n]ü ftelj^t ein ©d^lofe
an^ faracenifd^er ^^xt; bie je^igcn S3etool^ner öon ru^äd, titoa 2—3000, fte^en in bem
SRufe, tüd^tige ©c^iffer ju fem (gj 27, 8), unb treiben ©d^toammfifd^erei. 2lrh)ab hjirb
fc^on um 1500 bei ben äg^ptifc^en Ärieg^jügen ate eine ©tabt be« pf). Sanbe« ertoä^ntsö
(2B. 3BaE SKütter 180); a:^iglat^j)ilefer I. befäl^rt mit artoabifd^en ©d^iffen ba« große
aJieer. ©j)äter toirb Slrtoab toieberl^olt in ben aff^rifd^en ^nfd^riften al« ein Drt „mitten
im 3Keer" ertoä^nt. ©eine S3ch)o^ner toaren ba^er, äj^nlid^ toie bie be« alten SEt;ru«, in
öielen 3)ingen öom gefilanbe abhängig, 5. 33. in frijd^em SBaffer, ba« fic^ bie reichen
Seute je^t täglich in Ärügen öom ^eftlanbe jufü^ren laffen, in §ol} unb Lebensmitteln. 40
©trabo (XVI, 754) u. a. erjä^len, baß fte ba« SQSaffer einer fußen Duelle im 3Keer
ghjifc^en ü^rer ^n\A unb bem geftlanbe burd^ einen au« Slei Verfertigten TOantel, ber,
über bie Duelle geftülj)t, al« §eber biente, unb burd^ einen lebemen ©d^lauc^ au« ber
liefe be« 3Weere« ju fd^öj)fen öerftanben. 3)a« ift ba«felbe Serfal^ren, ba« für bie jjaffung
ber Duellen bei S^ru« nad^ ©. 283, 52 angetoenbet tourbe. ^^U giebt e« folc^e fubmarine 45
Duetten in ber 9iä^e öon 2:ortofa unb norbtoärt«. 3)er näd^fte §afen am ^eftlanbe bon
Slrtoab au« toar Äarne ober Äarno«, l^eute karnün, eine ©tunbe nörblic^ t>on tartüs,.
Wo nod^ SRefte Von alten Sefeftigungen bor^anben ftnb. 3lnbere gu 3lrtoab gered^nete
^afenftäbte be« nörblic^en ?P^. finb Salania« ober aud^ £eu!a« (Rev. Bibl. 1904, 572ff.),
im 3)littelalter ein ©i$ ber Si^^onniterritter namen« 3Salania, ^eute bänijäs, femer so
?Jalto«, ^tuk beide, unb ©abala, l^eute dseheble.
®« ift nid^t toa^rfc^cinlid^, baß bie Seöölferung biefe« nörblid^en Äüftenftrid^« eine
gefc^loffme pf). toar, ober baß barübcr ^inau« noc^ ^i). il^re eigentlitf^e §eimat gehabt
^bm. ©inigc $afenftäbte auc^ be« nörblid^ften ©^rten« freilid^ toerbm i^nen jugefd^rieben.
Db ba« für ßaobicea, ba« ©eleucu« I. 5Jifator (312—282) feiner S'Jutter Saobice 5U b5
6|ren fo genannt ^aben fott, zutrifft, ift fd^on oben ©. 283, 1 bef))roc^en toorben. §eute
l^eißt ber Drt el-lädikije (lädklje). 3lnber 9iorboftfeite be« Vorgebirge« ras ibn häni
lag ein ^eracleia,' beffen 9iame pf}. anmutet, unb betreff« ber ©tabt Sl^ofu«, ^eutc
arsüz, tm 9?orben be« Promontorium rhosicum (ras el-chanzir), fott?ie über
9)l^rianbro« (5)J^rianbo«) Ijahcn Wxx bie au«brü(flid^e Angabe, baß fie in ben §änben eo
294 @tbo«ttr
bct ^\). öctocfen ftnb. 3)iefer le^itcrc Ort toor ber Sorgänger be« l^cuttgm aicjanbrettc
ober iskenderün, f)at ober toiellrid^t cttoa« fübltc^er flclegen (t>gL Slitter a. a. D. XVII,
2, 1815 f.).
IL 9Jame unb §crf unf t bcr ^l(^. 2)er 5Rame ^1^. ge^t auf btc ©ried^cn ^urüd,
5 *omf, ^olvixeg; fo fc^on bei ^orner (Od. 14, 288; 15, 41f9), aud) bei ^crob. I,
1—8 2C. ®abon ift abgeleitet ber 3lame be« 2anbe« ^oivUrj (Od. 4, 83; 14,291;
.§erob. II, 44 ff.), Phoenice; bie gorm Phoenicia ift jünger. 2öelc^en ©inn biefc
Senennung ^abe, ift öielfac^ erörtert toorben. 2)er geleierte ©rjbifc^of euftat^iuö t)on
%l}^alonx6^ im 12. ^al^i^unbert bertritt ju Dionys. Perieg. 912 bie SReinung, bafe
10 0oTviS bon (jpoivög = ioy^Qog l^erlomme, alfo ben roten ober rötlidj^sbraunen SKenfc^en
bebeute. Ru, il^rer S3eftätigung läfet fxd) anfül^ren, bafe ber SBäortfiamm toon (poivdg unb
*o?v«f offenbar in Poenus, „^unier," toieberfel^, in einer »ejeic^nung, bie bie
italienifd^cn ©tämme toermutlic^ bon ben ©riechen in ©übitalien ober in ©ijilien für
bie Selj^errfd^er 9?orbafrifa« übernommen Ij^aben. SJaburt^ toirb ^uj)tfäc^lic^ bie Deutung
15 au^efd^Ioffen, bie SBober« leblj^aft bertreten f)at, ba^ nämlid^ 0oiv(xtj nid^t bon 0oZvi^,
„bcr 5ßl^.", fonbem bon qxHvii^, „bie 2)attellialme", l^erfomme unb ^oivixtj ba« „Sanb
ber 3)attel))alme" bebeute; au« bem 5lamen bed Sanbe« foH bann erft 0oTviS afe Sflamc
ber Setoo^ner abgeleitet (!) fein. 3)iefe 3)eutung l^at burd^fd^lagenbe fjjra^Ud^e Sebenfen
gegen f\d) unb grünbet ftd^ auf bie irrtümlid^e 3Sorau«fe|ung, ba^ ?P^. ba« Sanb ber
20 Dattelpalme fei. ^n bem eigentlichen ^1^. ift ber Saum nur bereinjelt bertreten; einen
Ileinen ^almen^ain giebt e« bei Haifa, nörblic^ barüber l^inau« l^abe ic^ einen fold^en
nidbt gefeiten, ^n Haifa toerben bie 35atteln nod^ reif, aber fie ftnb für ben §anbel
nic^t gut genug. 3ln ben nörblic^eren Äüftenorten ftel^t e« mit ben Datteln ettoa n>ic
mit bem SSein in ©d^lefien ober Dftjjreufeen. 6« ift alfo nic^t gut benttar, ba^ man
25 baiS Sanb unb bie SBetool^ner nad^ einer grudbt benannt l^aben follte, bie bort gar nic^t
reif toirb. Die ßrllärung an^ bem ägVl[)tif(9en Fenchu ift bon SB. 3Ka£ SJlüDer a. a. D.
208—212 böllig toiberleat toorben. Über^au^)t ift e« fel^ untoal^rf(^einlid(^, ba^ bie $^.
in il^rem frül^eften 93erfel^ mit ben ©ried^en ein äg^^tif^e« SBort benu|t ^aben follten,
um über fid^ felbft 3lugfagen ju mad^en. Diefe ©rtoögung trifft jum %6l aud) bie Ser-
9ofud^e, bie D. 3Kel^er in feiner ©efd^id^te ber Äartl^ager I (1879), ©. 5 f. unb 31. $.
©at;ce in The Ancient Empires of The East (1883), ©. 406 jur ©rflärung be^
9lamen« gemacht l^aben. Die 'ilggpUx nennen um 1500 bie )p\), Äüfte 3al^i, 3a^e, ba«
Sanb mit ben ©tobten bon 3lrtoab im 9lorben an bi« in bie ©egenb bon SlRo im
©üben; toie ber 9Jame ju beuten ift, bleibt bunfel (2B. 3Jlaj ^üDer a. a. D. 176 ff.).
86§ür bie Sab^lonier gehört 5ßl^. ju bem Sanbe ätmurru; bgl. barüber ben 3[rt. ^läftina
Sb XIV, 561. aSon I^iglat^^^ilefer III. an toirb für ©l^rien unb ^aläftina neben bem
älteren aiuöbrudf aud^ „Sanb Haiti" gebrandet, toeil e« al« ben Haiti ober ben ^etbitern
entriffen angefe^en tourbe (bgl. ben 3lrt. Ranaan 93b IX, 737 f.). ©in befonbcrer 9iame
für $^. finbet ftc^ nic^t.
40 auf bie ^Jrage, toie bie ^^. ftc^ felbft genannt ^aben, geben \päU gried^ifc^e ©c^rift--
fteller, tote au^ ?p]^ilo bon 93i;blo^ (um 100 nac^ 6l^r.) bie 2lnth)ort: Äanaaniter. Die
33elcge bafür finb in bem 3lrt. Ranaan 93b IX, 732 f. angeführt, too aud^ ber BpraA-
gebraud^ ber ägb))tifd^en gnf^j^'^^ftcn unb ber 'Amärna=93riefe l^inftc^tlic^ biefc« Sanbe ^^
namens befJ)rod9cn toorben ift. §ier läfet fic^ ^injufügcn ber SSerloei^ auf bie oben
45 ©. 283, 1 befj)rod^encn ^Künge bon Saobicea unb auf bie 2lngabe äluguftin«, baf; [\i}
noc^ ju feiner ^dt bie 93auern in bem ehemaligen ©ebiet bon Äartl^ago ate ßl^anani,
b. i). aU äanaaniter, bejeicbnet bätten. ^^n ber aSölfertafel (f. b. ärt.) toirb ©ibon, b. b.
baö aSolf ber ©. = ^l^., al^ ber ßrftgcborene Äanaan«, ate ber mäd^tigfte unter feinen
9[kübcnt bcjcid^net (©cn. 10, 17). 2lber bamit ^aben toir nur bie3lu«fage bor un«, bafe bie
60^^. iu bem Sanbe ßanaan gehören; ctl^nograJ)l^ifd^e 93cbeutung ^at fie nic^t. SBenn
baö 212 an mebreren ©tcDcn (f. 93b IX, 736, g) ben Sluöbrucf Äanaaniter in bem ©inne
bon Kaufmann, Ärcimer gebrandet, fo entl^ält baö getoife eine 3lnf))ielung auf bie ^1^.;
aber bie gragc t^rer Slbftamnmng mirb bamit nid^t berührt. SBie einerfeitä ber Bpiad^-
gebrauch bcr 3[?ölfcrtafcl, anbcrcrfcitg bie Slcbetocifc §omcr« bermuten läfet, l^aben fic^ bie
55 ^4$^. felbft in bcr Siegel nad^ il^rer 58aterftabt benannt, alfo ©ibonier, 3:^er, ärabier.
Den 'JJamcn bcr angefcl^cnftcn unb mäd;tigften ©tabt, ber am ^äufigften genannt tourbe,
l^abcn bann au^tüärtigc isolier gctoä^lt, um bie 5ji^. überlf^aupt bamit gu bejeic^nen.
Dal^cr ift im 21X bcr 5iame „©ibon" unb „©ibonier", ioenn nic^t ber ßwföJnn^cn^ng
beutlid) auf bie ©tabt ©. unb ibre 93etD0^ncr bintoeift, toie j.93. ©en 10, 19; 9ffi 1, 31;
60 2 ©a 24, ü; 1 % 17, 9 (bgl. Sc 4, 26); ^ef 23, 2. 1. 12; ßj 28, 21 f., ftetd bon ^.
Gibomtr 295
unb ben^i^. überl^uj)! ^^u öerfte^en ©t 1:3,9; 3ofl3, 1.6; 9li3,3; 10,12; 18,7.28;
1 Ä0 5, 6 (20); 11,33; 16, 31 ; (gj 32, 30; fibonifd^ 1 Äfl 11, 1 bebeutet ba^er p^önijtfd^.
2)a« ift ber &pxad^^Axa\xi^, ben bie Sl^^öeliten im Sanbe borfanben unb fortfei^ten. @r
f)at jur nottoenbigen 3!5oraugfe^ung, bafe ©ibon jur 3eit feiner ®ntftc^una bie anflefelj^enfte
unb mäc^tiflfte ©tabt ber $9. getoefen iji. SBSir ftnoen i^n ebenjo, toie fd^on «efagt, bei 5
§omer, bei griec^ifcl^en unb felbft römifd^en 2)id^tem, bie bamit o^ne 3*^^m^' ^i" ^^'
rülj^mte« SSorbilb nac^a^men tooHen. ^n ber ^erfergeit ge^t biefer Sprachgebrauch alls
mä^lid^ öerloren. 5We^ 13, 16 toerben bie pf). $änbler in gerufalem 2:^rier genannt.
$erobot gebraucht ^1^. im allgemeinen, ©ibonier fmb il^m bie Setoo^ner ber ©tabt ©., Syrier
bie Setoo^ner ber ©tabt %, 3n jungen ©teilen be« 312:, toie ^oel 4, 4; ©ac^9, 2 — 10
toielleic^t fmb auc^ 3er 25,22; 27,3; 47,4 fo ju beurteilen — femer 1 3»al 5, 15
unb im 9M gjlc 3, 8; 7, 24. 31; 3Jlt 11, 21 f.; 15, 21; 2c 6, 17; 21® 12, 20 tritt bie
formell^afte SSerbinbung „Slbruö unb ©ibon" auf, um bie $1^. überl^uj)t ju bejeid^nen;
l^ier fte^t alfo 3:^ru^ an crfter ©teile.
3Roberö l^at bie 3Weinung bertreten, bafe bie ^^. in il^rem ©ebiete \)pn 3lnfang an 16
j^eimifd^ getoefen toären. ©r beruft ftd^ barauf, bafe nac^ angeblid^ pf). Überlieferungen
bie ^f), felbft fo bon fid^ gebac^t Ratten, aber ba« älter unb bie S^berläffigleit biefer
Angaben ftnb fe^r unftc^er; fie totirben aufeerbem nur betoeifen, bafe bie $1^. in ber
l^eHeniftifd^en ^üt unb fpäter biefe Slnfc^auung über i^re 3Sergangenl(^eit gei^obt ^aben.
Sie erjäl^Ien babon, ba^ bie ©ottl^eiten ber ©täbte, benen biefe ibre ©rtinbung ju ber« 20
banlen Ratten, an biefen Orten urf))rtinglic^ ju $aufe feien, bafe jte ^ier auf ©rben ge«
toanbelt toären unb bie erften 3Wenfc^en, bor aüm bie ©tammbäter ber ^i). gefc^affen
hätten. 3)iefe Slngaben jeugen getoife bon einem l^ol^en älter ber p\). 9lieberlafjungen,
aber fie betoeifen junäd^ft nur, baft ftd^ bie ?pi^. felbft einen Zeitraum, in bem biefe nod^
nid^t borl^anben Uraren, nic^t mel^r borfteHen fonnten. Um über bie grage ber §erfunft 25
ber ^f). einen fic^ereren 33oben ju gewinnen, mufe man fid^ baran erinnern, bafe bie
Setüol^ner ber j)!^. Äüfte bon ber älteren, bori^raelitifd^en Seböllerung Äanaan« nid^t ge^
trennt toerben lönnen. SQ3a« fte mit biefen feft berbinbet, ift bor aHem bie ^^atfadje,
ba^ i^re ©J>rac^e eine gemeinsame toar. SBir fennen bie ))b. Bpxad)t gegenwärtig au«
ben belannt geworbenen ^nfcbriften, au« ben j)^. ßigennamen, au^ einzelnen SBSörtem, bie so
©ried^en unb SHömer geleaentlid^ anfül^ren, unb au^ ben ©ä|en, bie ^lautu« in feiner
Äomöbie Poenulus ben Äart^ager ^anno fbred^en lä^t. Obgleich biefe ^Kittel nid^t gcs
nügen, ju einer Wirllic^en Äenntni« ber p\). ©prad^e ju gelangen, fo geben fte bocj^
barüber bolle ©etoife^eit, ba^ i^re Bpxa6)t mit ber „©J)rad^e Äanaan«" g^f 19, 18, b. i.
mit ber „^ebräifd^en", im toefentlid^en jufammenfiel, fid^ bon i^r ettoa U)ie eine ^JKunbart 86
bon ber anberen unterfd^ieb (bgl. S3b IX, 734, 53). SJamit ift für bie gefd^id^tlid^en Reiten
fui^ergeftellt, bafe bie ^f}, mit ben übrigen 33eh)o^nem Äanaan« f))rad^lic^ eine ©ml^eit
gebilbet l^aben. 6« ift barum freiließ nid^t nottocnbig, an eine gemeinsame äbftammung
;u benfen, ba ein 2:eil ja eine ©j)rac^enänberung borgenommen I^aben tonnte; aber biefe
annähme liegt bod^ na^^, jumal toenn e« an entgegenfte^enben ^eben!en fel^lt. 3Ran4o
iDtrb nun angefid^t« ber natürlichen äSefc^affenl^eit Kanaan« ben 3ufammen^ang jtoifc^en
ben Setoo^nem ber Äüfte unb benen bc« Sinnenlanbc« nid^t fo auffaffen bürfen, al« ob
bie Setüo^ner ber Äüfte bon bort au« ba« Ser^lanb ^aläftina« befe^t l^ätten. 3)a«
S5eif))iel ber ^^ilifter barf man bafür nic^t ^eranjtel^en ; benn bie ^P^ilifter toaren ein
^erborragenb megerifd^e« SSolf, unb bie Serge ^aläftina«, in bie fie fd^lie^lic^ boA nid^t 46
einbrangen, toaren für fie ba« unmittelbare $interlanb; e« bebarf feiner äu«fül9rung,
ba^ nac^ beiben ©eiten l^in bie ©ac^c für bie 551^. anber« lag. 3)ann toirb man ben
umgef eierten %a\l in« 2luge f äffen muffen: bieÄüjte ift bon bem füblic^en Serglanbe au«
befe^t toorben. Da« toürbe in ber %\)at ber SRid^tung entfj)red^en, in ber fic^ bie 33öller
unb ©tämme be« füblid^en ©^rien« bortoiegenb betüegt ju ^abm fc^einen, ber SHic^tung so
bon Dften nad^ SBeften, au« ber SQSüfte nac^ bem Serglanbe unb an bie Äüfte l^inob.
3)ie anbere ©trömung bon SJorben nad^ ©üben, bie baneben ftd^ geltenb mad^^t — id^
benfe an bie Slmoriter, an bie 3>turäer unb 3)rufen — tritt entfc^ieben fc^toäd^cr auf
unb f ommt fc^on im nörblic^en $aläftina jum ©tißftanb ; für fte ift ba« ®ebirge SKtttet
ftorien« bon großer Sebeutung. Cb jtoifcfjcn beffen Setoo^nem unb ben 5P^. an ber 55
Äüfte ein ^wfammen^ang beftanben i)at unb toelc^er 3lrt er getoefen fei, liegt im 3)unfeln.
S)a fic^ aber ein folc^er jh)ifd^cn ben alten 33eh)o^nem be« füblid^en ©^rien« unb ben
^^. ^erau«geftellt l^at, fo ift anjune^mcn, bafe bie pl). Äüftenftäbte bon ©üben ber bc^
fiebelt h>orben fmb unb il^ren Ärci« mel^r unb mel^r nad^ 5Rorben l^in au«gebe^nt l)abcn.
3)ie Slnttport auf bie ^age, ob bie ^1^. in ©t;rien über^au^)t ein^eimifc^ ftnb ober nicf^t, ro
296 eikonter
ift bälget nic^t gu trennen t)on ber Weiteren %xaQt, ob bic boriöraeKtifc^e 53ct)öKerung
Äanaan« atö einJ^cimifd^ ^u bctrad^tcn tft ober nic^t. B^^^c^ft fmb j^toei eingaben au^
bem ailtertum m bcrüdfid^tigen. a)ie eine finbet fic^ Jperob. 1, 1 ; VII, 80 unb lautet
bal^in, ba^ bie ^if}. el^emate an bem (gr^t^räifc^en 3Jleer getüolj^nt Ratten unb bon ba an^
5 quer burd; Sorten nad^ il^ren je^iöcn ©eftabcn geloanbert tüären. i)k Sejetd^nung bcr e^c=
maligen ^eimat ber ^^. ift freilid^ jei^r ungenau; benn §erobot benft fic^ ba^ ©rtit^täifc^e
SDieer in einer 3tuöbel^nung bom perjifd^en 3Keerbufen biö jum ^ft^mu^ bon ©uej al^ tJaraDel
^jum 5RitteImeere; aber man barf bod^ im aHgemeinen an Arabien benfcn. 2)ic anbere
fte^t bei ^uftin XVIII, 3, 2 f. unb melbet (nad^ ^ontj)ciu« 3:togug), bafe ba^ :5Bol!
10 ber I^rier bon ^1^. abftammc, bie urfprünglic^ ad Syrium stagnum (fo ift ^u lefcn)
gctool^nt, bann aber am ©eftabe bc^ 3KitteImeere« bie ©tabt ©ibon (= „gif^") gc=
grünbet Ratten. Unter Syrium stagnum ift too^l fidler ba^ lote 3Keer gu Derftel^en
unb bann ein 3"fönimenl^ang biefer ©rjäl^lung mit ber urf)[)rünglid^ lanaanitifc^en ©agc
bon bem Untergang ©obomg unb ©omonlfja^ in ber SBeife angunel^men, bafe baö ge=
16 toaltigc ©otte^eric^t ben 2lnla^ ju einer 3^t^«"wn0 «"*> SBanberung ber aSöIfer ge-
geben f)aU {äf}nl\i) toie ®en 11, Iff.; togl. ©en 19,31). Damit toäre biefer 3:eil ber
3RitteiIung ^wftin« ate böttig fagenl^aft erlannt. Die 3lngabe §erobot^ f(t^cint me^r
n>ert ju fein; tDcnigftenö läfet fte fic^ J)afjenb einfügen, toenn man bie grage ber ^erfunft
ber ?pi^. im 3wfö»"wi^'^ö'^9c ber ©efd^id(>te be^ t)orberen Orient« überl^aupt bctrad^tet.
20 3)a« ^at neuerbing« §. SQSincfler getl^an unb barüber bie Vermutung au^cf))rod^en, bafe
bie „))l^önijifd^=fanaanäifd^e" ßintoanberung bie jtoeite fei, bie an^ Slrabien nadj^ ben an-
grenjenben Äulturlänbem ftattgefunben l^abe, ungefäl^r in ber 3rit t>on 2800—1600 öor
6^r. (SBindEler, ©ejc^. 3«raefö I, 126—132).
Die ^1^. ate ein befonbere« Soll ju betrad^ten, ba« bon ben übrigen Selüol^nem
26 Kanaan« nad) Stbftammung unb ©torad^e m unterfd^eiben jei, ^at nac^ bem Obigen in
ben et^nograjp^ifd^en 33er^ältnif{en feinen ©runb. SBenn e« bennoc^ in ber ©efct^ic^tc
üblid^ getoorben ift, bon bem 3SoIf e ber 5ßl(^. ju reben, fo muft bie ^Berechtigung baju auf
einem anberen ©ebiete nad^getüiefen toerben. 3Son einer folc^en lä^t ft4> fcrec^en, n>cnn
man bie 2lrt unb 2Beife in« 2luge fafet, toie bie 35^. ben anberen 3Söuem gegenüber
30 getreten ftnb, unb bie Sebeutung, bie fte baburd^ für bie SBeltgefc^id^te erlangt ^aben.
Die ^1^. tüurben in il^ren 3Q3o^nft^en, in benen fte auf ber einen ©eite ba« offene ÜKeer,
auf ber anberen ©eite ba« toenig zugängliche, fd^toer ju be^errfc^enbe ©ebirge l^atten,
tttoa^ anbere« al« Säuern unb SSie^j^ü^ter, fie tourben ©eefal^rer unb ^anbel«Ieute.
Daburd^ lodferte fic^ auf ber einen ©eite il^r 3"f^'""^^"^öng mit ben bori«raeIitifc^en
36 33eh)o^nem 5?anaan«, auf ber anberen ©eite öerbanben fte bie gleid^en 3h)ecfe be« ^anbete
j|U einer neuen 3i»itereffengemeinfd^aft. ^n ber §eimat l^aben fte e« nid^t ju einer ein^
l^eitlid^en SRec^t«^ ober S3olf«gemeinfc^aft gebrad^t. @« l^at bort ftet« eine 3)lel^a^l öon
3Kittelj)unIten gegeben, bie größeren ©täbte mit i^rer naiveren ober entfernteren Um^
gebung. Danad^ jbflegten bie $1^. fid^ felbft ju nennen, ©ibonier, Slrabier, ©ibliter ober
40 im SQSeften be« 3JcitteImeere« Jlart^agcr, ©abitaner u. f. h). @« ift nid^t richtig, in biefen
Unterfd^eibungen befonbere Stämme ber 'iß^. ju erlenncn, iDic man auf ©runb bon
©en 10, 17; 1 ßg 5, 18 unb ^of 13, 5 getDoIlt l^at; bie Slamen bejeid^nen fämtlicf^ nur
S3eh)ol^ner berfc^icbener ©täbte. 3lber brausen erfd^icnen fie ben gremben al« Seute t)on
einem ©c^Iage, al« fül^ne ©ecfa^rer, al« fc^laue, getoiffenlofe fträmer. Durc^ ihren
45 5ä^cn Untcme^mung«gcift unb bur^ bie ©unft ber jeitlid^en 5?erl^ältniffe l^aben fte in
ber I^at eine grofee älrbeit für bie ©cfd^id^te ber alten SBelt geleiftet: fie ^aben bießr-
rungenfcbaften unb bic ©d^ä^e bcr beiben grofecn Äultur^eerbe be« öorberen Orient«,
Sabiilonien« unb 2igt;j)tcn«, nac^ bem 3lbenblanbc gcbrad^t unb baburd^ bie f))ätere gemein-
famc Äultur bcr ^Blittelmeerööüer tücfcntlic^ gcförbert. Unter biefem ©eftc9t«})un!te barf
60 man Don einem 3}oIIc bcr ^f). unb tjon feiner iücltgcfd^ic^tltc^en Sebeutung reben.
III. Religion bcr ^^. ©crabe für bic fragen bcr Sleligion unb be« Äultu«
mac^t fid^ bic Dürftigfeit unferer 9Jac^rid;ten über bie ^i), fcbr fühlbar. Die 3nf4^riften
bieten faft nur ©oltcrnamcn, bcrcn 2lu«fi>rad^c nid^t feiten unftd^cr bleibt, unb manche
formell^aftc SBcnbungcn, bcrcn ©inn unflar ift. Daju flammen bie gnfd^riften au« ber
66 f)jätcrcn 3^^^ bcr 'iß^., bic Wunden DoUcnb«, iüic fd^on äu^erlic^ il^r griec^ifd^cr %\)pu^
erfenncn läßt. 9hin ^abcn h)ir frcilid^ ein 2Bcrf, ba« bic I^cogonie unb Äo«mogonic
ber ^^i), abfi^tlid^ bcf^anbclt, nämlicf^ bic „j^fiönijifcf^c ©cfd^ic^te" be« angeblich im 13. ga^r^
l^unbcrt D. 6f)r. fd^rcibenbcn 93ciruticr« ©ancf)uniat^on, bic ^^Jl^ilo §erenniu« toon S^blo«
im 2. 3öt;r^unbcrt n. 6f?r. an^ bcr '^Ncvborgcnficit (;crt?orgc^ogcn l^abcn tüill, in SBabr^
60 l(;cit aber felbft unter Scnu^ung ein^cimifc^cr ©toffc unb mit eigenen 3"t^ten an=
etbonttr 297
gefertigt f)at (ed. 6. aJlüHcr in Fragm. histor. Gr. III, 1849). 2)a^ biefe« im 3)ienfte
bc^ ßul^emetigmu^ gcfc^riebcne SQSerl für bic alten ^^\tm gar nic^t ober bod^ nur mit
grofeer ä?orfic^t benu^t toerben fann, liegt auf ber $anb.
3Kerfh)ürbig ift, bafe bei einem burd^ feine ©cefal^rten belannt getüorbenen SJoHe
ber Äultug ber SWeergott^eiten nid^t fd^ärfcr ^erbortritt. ©eit ber 2)iaboc^emeit Ij^aben 6
lüir eine 3lnga^l öon ?Blünjen, bie in gried^ifd^er SIBeife eine ©ott^eit be^ SReereö ab=
bilben, $ef^d^iu^ ertoä^nt einen ^akdoaiog Zeug, unb für S3eirut werben bie ad^t
,,Äabiren" (bie ®rofeen, bie SKäd^tigen) ate ßrfinber unb Sefc^i'ifeer ber ©d^iffa^rt er^
Jüä^nt. 6« ift h)a^rfc^einli(t^, bafe mit ben 3h)^09^P<^^ten biefer (Sott^eiten bie ^atäfen
be^ $erobot III, 37 jufammen^ängen (ögl. S3b XVII, 570,32). Jjn ben Siamen ber lo
©Otter, bie bi^^er befannt getoorben ftnb, lä^t fic^ eine Segiel^ung ju §anbe( unb See*
fa^rt nid^t bemerlen. 2)iefe ©igentümlid^Ieit ift too^I fo ju berfte^en, bafe bie ^1^. i^re
@otte^t)orfteHungen nic^t erft am ^Jlittelmeer unb atö ©eefa^rer, fonbern urft)rüngli^
in einer anberen (Segenb unb atö Sie^jüd^ter ober Säuern auSgebilbet l^aben, toie
bie übrigen i^nen bertoanbten Äanaaniter; fie toürbe bemnac^ bie oben ©. 295, i5 15
au^ef})roc^ene Slnna^me beftätigen, bafe bie ^1^. in il^re SBol^nftätten am 3Jleer ein^
getoanbert finb.
3)ie ©ott^eiten ber ^i), fmb junäd^ft Oottl^eiten be^ Drte^, ber afö i^r ©igentum
gilt, ben fic befc^ü|en, ben fie nad^ ber f))äteten 3}J^tl^e l^äufig aud^ begrünbet l^aben.
Sieben ben ©öttern ber ©täbte finben toir ©ötter ber Serge, aife „95efi|er" biefer 20
Statten ^eifeen fte ba^al, al^ „©ebieter" adön, afe „^errfd^er" (mit unumfd^ränlter
©etoalt) melek, Äönig. 3)em entf))rid^t e^, toenn fid^ i^re .SJerel^rer al^ gerlm, ate
©c^u^befol^lene (urfj)rüngti^ öielleid^t in bem befonberen ©inne bon 2:em))elange^örigen),
unb aU 'abadim, al^ Änec^te ber ®ott^eit bejeid^nen (ögl. ^f 39, 13 unb ©igennamen
trie Obabja, Slbbiaö). 3)er ®egenfa^ bon 3Wann unb SBeib ^at für bie ©otte^öorfteQung 25
grofie Sebeutung ; neben bem el giebt ed eine ilät, neben ben alonim „®öttem'' alonot,
neben ba^al eine ba'alat, neben melek eine milkat. 3)ie jeugenbe unb gebärenbe
9?aturfraft, baö ©e^eimni« be« ßeben«, geigt ftd^ barin atö bie ©runblage ber ©otte««
auffaffung. 3)ie ©ott^eiten toerben in ber Siegel genannt nad^ bem Orte, an bem fie
toerel(^rt toerben, fo ba'al sör, ber ©ott bon 2:^rug, ba'al sidön, ber ©ott öon ©ibon, 30
ba'al lebanön, ber ©Ott beö Sibanon, ba*^alat gebal, bie ©öttin Don 33^blo^ k. 3)as
mit ift auc^ ber urfj)rünglid^e, befd^ränfte Sereid^ i^rer SQSirffamfeit beftimmt. Siefeen ftd^
bie ^1^. an einem anberen Orte nieber, fo begrünbeten fte bort eine neue Äultu^ftätte
il^rer ^eimifc^en ©ott^eit; aber beren Sereic^ ging aud^ bort nic^t über bie ©renjen ber
neuen, unter il^ren ©d^u^ gefteHten 2lnftebelung ^inauö. ^m getoöl^nlid^en Seben rebete 35
man nur öon bem 93aal ober öon ber Saalat, ol^ne jebe naivere Seftimmung; e^ toar
felbftöerftänbtic^, toeld^e ©ottl^eit in bem Ärei« il^rer SSere^rer gemeint toar (bgl. 1 Äg 18,
19 ff.). ^TOan mufe ftd^ Dor bem S^tum büten, afö ob e« ^ottl^eiten mit bem ©igen*
namen Saal ober Saalat gegeben l^abe. 35ie toeiblid^e gorm ba'alat fommt fettener
toor ; toä^renb ©igennamen, mit ba''al gebilbet, fel^r ^äufig ftnb, j. S. hanniba'al, 40
"^azruba'al, adoniba'^al, ba^^alhanan, finben ftc^ folc^e mit ba^alat nid^t. ©etoöl^nlid^
n)irb bafür *^aschtart gebrandet* toie in 'abd'aschtart, ger^aschtart. 3)a^ SBort ent*
fpric^t bem befannten viarmn ber babi;lonifd^en ©öttin ischtar mit ber ^emininenbung t.
SBie fte im Sab^loniftf^en jum 2llppetlatiönamen für „©öttin" getoorben ift (bgl.
KAT', 420), fo aud^ im $^. 3lber ber alte (Sl^arafter ate ©igenname jeigt ftc^ barin, 45
bafe fte eine naivere Seftimmung bcö Drte« neben fic^ nid^t nötig f)at, toie bag bei ba'al
unb ba'alat üblid^ ift. Slftarte (2lft^oret) erfd^eint im äS aU bie ©oUl^eit ber ©ibonier
= ^f). über^au^t 1 % 11, 5. 33; 23, 13. Sgl. nähere angaben in b. Slrt. Slftarte
unb aifc^era Sb II, 147 ff. unb Saal II, 323 ff.
9lur toenige pi}. ©ott^eiten fennen toir nad^ bem ©igennamen. 3)er belanntefte so
ift aRelfartl^ (§erafle«), urfj^rünglid^ freilid^ auc^ 3lj)j)cllatiöum rrnp ^b?:, ber Äönig
ber ©tabt (I^ni^); ^on bem nod^ naiver bie Siebe fein toirb. ©fc^mun, '{n^t^, geniefet
grofeeiS Stnfe^en in ©ibon, er toirb bem Asclepios ober Aesculap gleic^gefe^t unb fc^eint
ba^er aU ein ©ott ber Seben^fraft unb §eilfunft aufgefaßt toerben jju muffen, ^n
©igennamen finbet fid^ nic^t feiten bie ©ott^cit li:, sad ober sid (mit ©ibon bcrtoanbtV 66
2)er 3«9W ober gifc^erV bgl. ^^ilo 2, 9), ferner ©äffün ipo] ^12^ ^ßumaj*^, aud^ t:?c.
2)ie ©öttin n:n loirb geiüöl^nlid^ Tanith au^ef)jrod^cn. Sßon au^länbifd&en ©ottl^citen,
bie in ^1^. Sere^rung fanben, ftnb gu erioäl^nen gfi^ unb Dftri^, bie mit ber „$crrin
toon S^blo«" t)er!nüj)ft tourben, $oruö, Saft, 2bot, ber afö Tdavxog, al« ßrfinber ber
©c^rift unb Sater aller aSSei^l(;eit, bei ^^5l;ilo eine grofee SloDe f))ielt — fämtlic^ ägV^Jtifd^; eo
298 Stbomtr
9lef(i()q)^ unb "Stnat au<^ ©^cn ; 3:l^animu}, bcr (Sott bc^ erU)ac^cnben ^rül^lingö, ^bab
unb ^agon au^ 93ab^lomcn.
2)en 3:em))el bc« 3KcI!artl5> in 3:^ru« ertoäi^nen §erob. II, 44 unb 3ofe))l^ud c.Ap.1, 18.
Der crfterc fagt, er f)aU au^cr btclen SBei^gefc^cnfen barin g^^en „jtpei ©äulcn, bic
6 eine bon lauterem ©olbe, bie anbere au« ©maragbgeftein, ba« be« 9?(tc^t« ))räc^tig leuchtete",
©ie fc^einen bie ©teile be« ©otte^bilbe«, ba« $erobot gar nid^t erlüä^nt, bertreten ju
l^ben. 6« toar bei ben ?P^. (tpie bei ben Äanaanitem 93b IX, 735, u) ^eimifc^c ©itte,
neben bem ältar l^eilige ©teine aufzurichten, bie afe ffio^nft^e ber ®ottl(^eit angefe^en
tpurben. 3)en nattirli^en ©tein vertritt ^ier bie bel^auene unb lunfttJoH übertleibete
10 ©äule. ©old^e ©teinj)feiler ober ©teinfegel nannte man massebä (CIS I, 44) ober
nasib (CIS I, 139) ober auc^ hammänim (ögl. ^ef 17, 8; 27) 9; 2 6^r 34, 4). ©ic
toerben öon ^^ilo 2, 19 ßairvha (b^rr^n ögl. ®en 28, 10 ff., tat. baetulus) genannt unb
al« befeelte ©teine aufgefaßt, ^fftitn entfj)rici^t im Äuitu« ber toeiblic^en ©ott^eit ber
^eilige ^fai^l, ber a!5ertreter beiS l^eiligen SBaum«, für ben ber 9Rame Slfd&era (rr-CN)
16 übli$ ift toie im 312:. (gr ailt ate ber Sffiol^nft^ ber äftarte. Tt, Dl^nefalfd^ 9?ic^ter
l^at in 6VJ)em (f. R\)pxo^, bte S3ibel 2C. I, 171; II, 2:af. 17, 2) ba« a3ilb einer ©öttin
gefunben, bie au« bem 33aumftum))f j^erau^toäd^ft; ba« barf tool^I afe S3eleg für bic
SBenbung ber S^f^^f^ bon Ma'süb „3lftarte in ber 3lf(^era" aufgefaßt n>erben. S^Qltid}
beranfd^aulic^t biefer gunb fel^r beutlic^, U)ie ba« ©^mbol ber ®öttin in il^r 93ilb über^
20 ge^t, unb tote ber 5Rame be« ©^mbol« jugleic^ SRame einer ®öttin toerben lann (i)gl.
b. Slrt. Slftarte unb Stfc^era »b II, 147 ff.). 3)ie Stoeija^I ber ©äulen beutet n>obI
auf ben in ber 3?atur m^f)x^aA toieberlel^renben jtoiefältigen ®egenfa^ l^in, bcr fw^ am
fc^ärfften in ben betben §älften be« ^al^re«, in ben SBirfungen ber ^rü^jal^r«» unb
^erbftfonne, jeigt. Sin anberen Orten begegnen ®ru)j})ierungen bon je brei ©äulen, bic
26 öielleid^t auf eine au^ brei Vorgängen ftc^ jufammenfe^enbe 9iaturerWeinung ^inh>eifen
follen. 2)ie betebenbe ilraft ber §rül^ja^r«fonne feierte man im 3KelIart^tem)[)el bon
Il^ru« in bem macebonifc^en 3Konat Peritios (^ebruar/ü)iärj) gof. c.Ap.I, 18 lyegoig
Tov 'HgaxUovg, Sil« ®egenfa^ baju ift bie 93erbrennung be« $eraIle«53Relfartb
Recogn. Clem. X, 17 in %)cix\x^ anjufül^ren. ^n S^blo« fanb bie Älage um ben ^^ob
30 be« 3lboni« (f. o. 290, 4o) im ^erbft ftatt. SJa« SSerftegen ber DueDen, ba« Serbonen ber
^flamen, ba« Äa^ltoerben be« Sanbe« im ^od^fommer unb $erbft berftanb man fo, bafe
eine ®ottl^eit il^re "^ai^i verloren ober i^rc gürforge jurütfgejoaen l^abe. Sluf bie S^agc:
toe«M6'^ Ööt ^ jal^lreid^e Slnttoorten. Sinige einfachere ftejfien 1 Äg 18, 27, aber man l^at bic
©ac^e aud^i mit ber Äraft ber ^oefie angefaßt. 2)ie ®öttin t^ut nid^t mel^r h>ic geh)ö^n=
86 lid^ (fie lä^t nic^t mcl^r grünen unb toad^fcn), toeit fte 2iebe«!ummer \^ai\ i^r ©eliebtcr
(bie 3^wgung«Iraft ber SJatur) ):}at fte oerfct^mäl^t, fic^ felbft entmannt unb babei ben
2:0b gefunben. Ober ber ®runb ift bcr, bafe bie ®öttin i^r gro^e« ®lü(f öerloren ^t,
toeil toilbe Siere i^ren fiiebling umgebracht l^aben ober toeil ein eiferfüd^tiger ®ott il^n
ermorbet l^at; ober man erjäl^lt, ba^ bic ®öttin entführt toorben fei u. f. h).
40 §ier tritt toieber toie oben ©. 297,27 unb 298, 21 ba« natürlid^e Sebcn ber Srbe ate ®runb=
läge be« ®ottc«gebanfcn« ^erDor. Daneben mad^en fic^ aftrale 3SorfteHungcn, abgefeben
Don A starte =Istar, bemerfbar. 3)ie fiebcn Äabiren, beren ^alfi burd^ ©fc^mun auf
ad^t gcbrad^t toirb, fmb Dermutl^lic^ bie ficbcn ^lanetengottl^eiten (ber 33ab»;lonier), nac^
benen fic^ bie ©eefal^rt rid^tct. Über bie urfjjrünglid^c ®nge ber Solalfulte fü^rt l^inauö
46 bie ©otte^bcjeid^nung ba'al schamem, Saal be« Äimmcl^, bcffen 3)ienft toeit Verbreitet
toar (gried^. Zevg tiovgdviog). ^\x ü}m gehört „oie ®öttin be« $immeU be^ Saal^"
(f. S3b II, 150f.),bei§erobot I, 105 \)k*A(pQodiTr] ovgdviaf mit bcr bie „^immetelönigin"
^cr 7, 18 unb bie „Caelestis" in Äartl^ago §u öerglcid^en ift. 2)ie Sebeutung ber ®ott=
l^cit ei ift nid^t buvd^ftd^tig ; ift ei bic Slbfürgung einc^ öottcren 5Ramen8 ober ^tte ber
60 ®ott übcrl^aupt leinen ©igennamen'!; 6r fcf^cint urf))rünglid^ in 33^blo« berel^rt toorbcn
gu fein. 3)ic ®riccben fc^cn i^n bem Ärono« glcid^ unb crjäl^len, bafe er in ^1^., Aar-
tl^ago unb ©arbinien burd^ Äinbcrojjfcr bcrcl^rt toorbcn fei (bgl. b. 2trt. 5Woloc^ Sb XIII,
269 ff.). 3)cr eigentümliche ©J)racbgcbraud^ bon ba'al lf>at befonberg grembe ju ber
?)lcinung gcbrad^t, ba^ 33aal bcr ^öd^fte @ott bcr ^f). fei. gür ben ®lauben unb ben
66 Äultu« bcr ^. felbft trifft ba<^ nicf^t gu. 2öcnn 3. S. ^I^ilo in feinem ®ötterf#em fo
bcrfäbrt, fo gicbt er bamit f})ätcrc ©)jcfulationcn toiebcr, au^ benen für bie @rfenntni^
bcr eigentlichen ^Icligion birclt nid^t^ ju gewinnen ift. ^ür Äartl^ago ift toon SSJid^tigleit
bic aiuf^ät^lung Dort ©ott^citcn, bic ^annibal ju 3^"0^" "^^ i^ertrag^ mit ^P^Ui^))) Don
Wacebonicn anruft (^ol^b. VII, 9).
60 ^m ^ultuc$ treten befonbcre Untcrfd;icbe gegen bie ®ebräud^e ber ftanoaniter
Sibomtr 299
(Sb IX, 734 f.) nic^t l^aDor. ^eilige Sejirtc mit äHtärcn, ©tcinen unb Säumen (5ßfäl^Icn),
eine 6ella ober ein flröfeere«$au« für ein Ootte^bilb (f. oben ©.288, 37 ; 393, 7)— fol^e »eigen
ftarle älb^ängigieit bon ägvt)tifd^en aWuftem — bie nttjsn (CIS I, 9Rr. 5) atö Slbgabe
an bie (Sott^eit bon jebem ©etoinn, aud^ bon ber Ärieg^beute, 3:teroj)fcr, ^eilige 3:änje,
©ottgeloeii^te, ^riefter, SBafd^ungen, Sef^neibung finb un« bezeugt. Über Dj)fergebül^ren 6
ber $riefter ^anbeln bie beiben D^fertafeln bon ÜRarfeille unb Äorti^go (CIS I, 3lx. 165.
167). 3n ber Äo^mogonie liegt eine 3>reiteilung berSBelt bor, ^immel, ®rbe unb SReer,
h)ie i. SB. ®en 1, 28; ©i 20, 4; ^ßf 69, 35 x.
IV. ©efc^id^te ber ^f). 3u bcn Duellen bgl. 6. aßad^ömut^, Einleitung in ba«
©tubium ber Alten ©efc^id^te (1895), 403—412. a)ie ©tüdfe au« 3Jlenanber bon lo
Qpi}^u^ (2. Sa^rl^unbert b. 6^.) finben fic^ 3ofe^)l(^u« Antiq. VIII, 5, 3 § 144—146 =
c. Ap. 1, 18 § 116—120; Antiq. VIII, 13, 2 § 324; IX, 14,2 § 284—287. SBa^r«
fc^einlid^ gelten aud^ bie SReü^en bon Königen unb §errfc^em über %\)x\x^ c. Ap. I, 18
§ 121—125 unb I, 21 § 155—158 auf aRenonber jurtid ®io«, ber Serfaffer eine«
Antiq. VIII, 5,3 § 147— 149 = c. Ap. I, 17 § 113—115 mitgeteilten ©tücfe«, unb i5
?P^Uoftrato«, ber fürger afö §euge genannt toirb Antiq. X, 11, 1 § 228 = c. Ap. I, 20
§ 144, fmb nid^t toeiter befannt. SBal^rfc^einlid^ l}at jeboc^ S^f^^u^ «Be i>H^ ©tüdfe
an^ ben ©ammeltoerlen be« Sllejanber $oIt;l^iftor gefc^ö^ft. 2)ie 2)enlmäler be« borberen
Orient«, befonber« bie (Entzifferung ber aff^nfc^^n 3»^f^^^"/ ^«^^ ^^^\^ btirftigen
5Rotijen tttoa^ erweitert. ao
3)ie erfte ©rtoäi^nung ber p^. Ätifte ift bi«l^er in ben angaben über ben Äönig
©argon bon Slgabe au« ber 9)litte be« 3. ^ö^^wf^w^^ bor Qi^x. cntl^alten; er foll bie
pf). Äüfte unterworfen, ba« „9Beer überfc^ritten unb im SBSeften feine 93ilbfäulen errid^tet"
^aben. gaß« e« fxd) babei toirllic^ um eine gef(^id^tK(^e 3lai)xxi^t l^nbelt, fo jeigt fte
un«, bafe fc^on bamal« ©c^iffa^rt an ber pf^. Äüfte getrieben toorben ift. Seiber erfal^en 26
n>ir nid^t: bon toem unb tool^in? SBindfler (bgl. oben ©. 296, 20) bermutet, baf; bie $1^.
erft jj)äter eingetoanbert feien, bafe fd^on bor il^ 3lnfunft §anbel unb ©d^iffabrt bon
biefer Äüfte au« getrieben toorben unb auc^ bie fj)äter burd^ i^ren 5Ramen berül^mt ge«
toorbcnen ©tobte bereit« bor^anben getoefen feien. Die au« ber SQSüfte ftammenben ^f).
tpürben bann in bie 3:l^ätigfeit unb in bie Jtultur ber Äüftenbetoo^ner l(^ineingeload^fen so
unb felbft il^e 3:räger getoorben fein, toie ba« j. 95. f))äter ^jtoifc^en bem eintoanbemben
3«rael unb ben fanaanitifc^en Säuern ebcnfo gegangen ift. Um bie ^eit ber 'Amärna-
Sriefe, um 1400 bor 6l^r., fe^en toir bie Äüfte in großer 33ebrängm«. 2)ie ^errfd^aft
ber ägt^J)ter, ber bie ^1^. feit 1500 bur(^ il^utmoft« III. unterworfen toaren, gerät
ftarl in« ©d^toanfen. 3)ie §etl^iter (f. 93b IX, 737 f.) brängen bon 9?orben Ifjer in« Sanb; 86
i^ilfe gelaffen. ©ctl^o« I. unb SRamfe« II. ftcllten ba« Slnfe^en ber äg^))tif(^en Dber'=
^errfd^aft toieber ^er, leffterer burd^ einen Vertrag mit ben §etitl^em (um 1320), ber 40
jeboc^ nur ben füblic^en ieil ©i^rien«, bienei(^t bom nähr el-kelb ab, ben ägi^ptem
überlief. 35ennod^ jerfiel bie Dberl^errfc^aft ber ^l^araonen; ber Stnfturm ber „©ee*
böller" jur 3eit SHamfe«^III. (bgl. b. ärt. ^^ilifter 93b XV, 340 f.) toarf ftc böHig über
ben Raufen unb fül^rte fd^Uefelic^ ju ber 2lnftebelung ber ^l^ilifter. 3)a« SReid^ ber
tet^iter löfte fic^ im 12. gal^r^unbert in einjelne §enfd^aft«gebiete auf. 2)a« @rf (feinen 46
igIatl(^))Uefer« I. in ©i^rien bctoirlte feine Umloähungen auf j)olitifd^em (Sebiet, ebenfo
toenig Wie ber 3ug ©ifaf« (f. 93b XVI, 555). SBeber Slff^rien no^ ^Q\)ptm griffen
für längere ^^xi in bie f^rifd^en SSlngelegenl^eiten ein; ba^er begann nun bie erfte 93Iüte
ber pf), ©täbte.
3m Slnfang biefe« 2lrtifel« ©. 281,4 ift barauf aufmerifam gemacht Worben, bafe 60
„©ibonier" im 10. unb 9. 3«^^^«"^«^^ bor 6^r. ben allgemeinen ©inn bon $^. ^at,
unb ba^ barau« auf ein aSorred^t ©ibon« aud^ bor S^ru« gefd^Ioffen Werben mu^. gin
SJorred^t J)oIitifc^er 2Rad^t läfet ft* in ber ®^d}xd)k nxd)t erfennen, Wa^rftf^einlic^ l^at
man ba^er an ein alte« 9Sorrcd9t mc^r auf bem ©ebicte be« Äuitu« unb ber ftultur
^u beulen. 3)ie ©tabt, bie um 1000 bor 6^r. in bcn 9?orbergrunb tritt, ift 3:^ru«. 3)cr 55
Äönig $iram I. (969—936, bgl. meine ©cfc^. 3«racl« § 49) läfet ftd^ für bie ©alomo
gewäl^e Unterftü^ung ba« i«raelitifd^c ©cbict bonSabuI(f. 95b VI, 338 f.) abixctm, betreibt
mit i^m gemeinfame §anbe(«unternc^mungen (f. Dp^ir 93b XIV, 400 ff. unb 2:arfi«
99b XVII, 751 f.) unb grünbet bie pl}. Äolonie Äition auf 6VJ>^nt, bie ben 9?amen Karta
hadascht, b. i. 5Reuftabt (Äart^ago), erhielt {^iatt hvxaioig [=Uthika?] ^of. Ant. XIII, eo
300 (Stbonter
5, 3; c. Ap. I, 18 I. Kmeotg), Unter bcm Äönigc ^P^gmalion 3>of. c. Ap. I, 18 (l>gl.
ba^u meine ©efd^. 3[ör. § 49) foH 8U bie jmette „SJeuftabt", ba^g belannte Karthago in
SRorbafrila, Don I^ru^g auö gcgrünbet tvorben fein. 35iefe ©rünbung ift nac^ ber ©itte
be^ ailtertuniö gu öerfte^en: ein bereite beftel^enber Ort erl^ält einen neuen §errn, einen
6 neuen Äultug unb neuen 5Ramen; tviebiel babei tvirflic^ neu gebaut tüirb, ift eine untere
georbnete ^age. 6eit biefer 3cit ift Äartl^ago mit I^ru^g fo öerbunben, bafe lefetereö
ate 'öiutterftabt gilt, Äart^ago ate abhängige Kolonie. 3Kan })flegte biö^er biefeö
„jjunifd^e" SReid^ an ber SJorblüfte 3lfrilag cX^ eine betüunbem^lüerte ©d^öjjfung j)^. Äraft
unb 3Ä^igIcit anjufe^en. 5Weucrbing^ l^at jeboc^ ^. SQäintfler bie grage aufgetüorfen, i>h
10 ein fo tvenig ja^Ireic^e« SRanböolf toiebie^l^. mirflic^ einen foIc^enÜberf(^u^an3)Jenfc^en
gebabt i)cb^, tüie er für bie 93efiebelung eineö umfangreid^en ©ebiet^ nötig fei, m. a. äS.
ob fic^ Äartl^ago lebiglic^ ate ®c^öj)fung ber $^. begreifen laffe. ßr l^at im ^ufammen-
l^ang bamit bie 3Sermut^ung aus^geflpro^en, ba^ biefelbe SöIferbeUjegung, bie bie ^1^. u. a.
nad^ Äanaan gebrad^t ^abe, öon Slrabien aud^ eine i^rer SQäeHen an bie 9JorbIüfte Don
15 Slfrila unb bielleid^t nod^ tveiter bi^ in ba^g füblid^e ßurojja gefanbt ^abe; baburd^ fei
bie „})unifc^e" ^errfc^aft in äCfrifa entftanben, unb bie „Srünbung" Äartl^ago« l^abe
barin il^re 93ebeutung, ba^ I^rug biefe Stabt unb il^r ©ebiet i)on fid^ abl^ängig gu
mad^en i)erftanben l^abe. 2Bie man barüber a\xä^ urteilen mag, ftd^er ift, bafe bie Unter-
orbnung Karthago« unter ^^^niö ben ööttigen ©ieg be^ leftteren im mefUic^en 5WitteImeere
20 bejeic^net, unb bafe biefem ßrfolge eine lange, barauf gerid^tete Slrbeit Vorangegangen
ift. X^ru!^ fc^eint Vermöge feiner fteigenben ^Dlac^t aud^ bie SSorl^crrfc^aft über einen
ieil ber l^eimifc^en ©täbte erlangt ju l^aben. aSä^renb §iram I. im 212 ftet« „Äönig
Don 3:i;ru«" genannt toirb (2®a 5, 21; 1 Äg 5, 15; 9,10), Reifet ©t^baal 1 Äg 16,:31
„Äönig ber Sibonier". 3" ^^ 3*^'W^"J^it fd^eint bemnad^ eine 3Serbinbung von %\ft{x^
26 unb ©ibon unter ^ül^rung von St^ru^ ftattgefunben ju l^aben. 35aö tvirb beftätigt burc^
bie aingabe SRenanber^ bei 3of. Antiq. VIII, 13, 2 § 324, ba| etbbaal Sotr^« an
ras schakka (nörblic^ Von ®ebal!) gegrünbet ^ahz (au^ 2luja in Sib^en). 3)ie nörb^
liefen Orte um 2lraboö toerben burd^ biefe 33or^errfd^aft Von li^ru« ni^t berührt
Ivorben fein.
30 2)ie aingriffe ber aff^rifc^en Äönige 3lffumafirj)al unb ©almanaffar II. im 9. 3ö1^^'
^unbert toufeten bie })l^. §anbelgftäbte burd^ mieberl^olte Xributgal^Iungen Von fic^ aJo-
jutoenben. 2;^iglat^})ilefer III. bilbete 738 auö ben Stäbten be« ©leut^crueft^Ic^,
©im^ra, 3lrla, ©iana (Vgl. oben ©. 292) bie afft^rifd^e ^roving ©im^ra. 2)ic übrigen
J)]^. ©täbte — airaboö, 93^blo« unb 2:i9rug fmb bie ÜJlitteljjunfte — fuc^en toieber
36 burd^ 2;ribute i^re gnt^^ff^n ju ftd^em. 35od^ gel^t Äition auf 6^})em gunäd^ft auf
fürjere ^t\i, bann unter ©an^erib enbgiltig für 2;^ru« Verloren. 35iefer ilönig ver--
fu^te iv^uig burc^ fünfjälfjrige Belagerung (701—696) ju untertverfen; aber bie ^n\A'
ftabt tviberftanb i^m. J^i^eili^ verlor fie i^re 93efi|ungen auf bem geftlanbe, unb ©ibon
erl^ielt einen neuen, gum 2;ribut Verjjflid^teten Äönig Von ©an^erib^ ©naben. 2llö fi(^
40 biefe ©tabt unter 3lfar^abbon emjjörte, h)urbe fie 675 jerftört unb eine „äfarJ^abbon^-
ftabt" an anberer ©tette erbaut, in ber Sluölänber angefiebelt tvurben unb ein aff^rifd^er
Beamter repbierte. ©päter tourbe aud^ ber Äönig Sa'al Von SC^ru« angegriffen; er
mad^te unter 2tffurbanij)al, ebenfo tvie äCrabu^, feinen ^rieben mit ben Slffi^rem. äte
bie 3)Jac^t be^ affl;rifd^en 3ieid^e^ in ber gtüeiten §älfte be« 7. ^ö^rl^unbert« fani, mögen
45 fid^ bie })l^. ©täbte eth)ag erl^olt iiahm. 3(g^t)teng 33erfud^e, feine Dberi^crrfc^aft über
©t;rien Joieberl^erjufteHen, h)aren nur furj unb nid^t Von entfd^eibenbem ©rfolge. 3)ic
93abi;lonier unter JJebufabnegar II. Verjagten bie 3ig^i)ter auö ©^rien. I^ru« Vcrtoeigertc
bie UnterJoerfung unb tvurbe 585—573 auf^ fc^ärffte, bod^ Vergeblid^ belagert (Vgl.
gj 27—29). Slber eine Volle ©elbftftänbigfeit ber ©tabt in bem großen bob^Ionift^en
60 Sleic^c tvar unmöglich. SJagu brachen balb nad^^er ©treitigfeiten unter ben Vomel^men
gamilien Von 2;^ru^ au^; an bie ©teile ber Könige traten ©uff eten (Slid^ter, Vgl. c-^ps^
im 312:); um biefe 2lnard^ie los; gu h)erben, berief man einen Äönig au^ Sab^Ion, too-
l^in Vermutlid) einige ©lieber bc^ frül^eren ÄonigiSgcfd^led^tg Von 2^ruö al^ (Seifein ober ate
©cfangene Verpflanzt iDorben tüaren. Unter ber ^errfc^aft ber^erfer, bie in$^. o^ne 2Biber=
56 ftreben aufgenommen tüurbe, tritt ©ibon an bie ©tii^c ber p^. ©täbte (Vgl. §erob. VII,
96. 98; VIII, 67). ©eine Sevölferung unb befonber^ feine Könige Iverben üicbl^aber
unb ^45p<^Ö^'^ l^cHenifcbcn 3Befen^. ffiä^renb |\ur ^^\i Sllejanber^ be^ ®ro^cn ol^ bie
Vier .^auptorte 3:|9ru^, ©ibon, St;bluö unb Slrabu^ genannt tverben, ertvä^nt ^erobot
(VII, 98) nur ©ibon, 2:i)ru^ unb 3lrabu^, unb biefe brei finb e^ aud^, bie für 2:rij)oIi^
60 in Setrad^t lommen (f. o. ©.291,72). Slrabu^ bel^nte in ber ^ßerferjeit feine SWa^t an ber
Sibonter 301
fiüftc toeiter an^ aU früher; im ©üben gehörten SlIIo unb bcr Äarmel ju %t}ux^, 35or
unb 3oö})e gu ©ibon, Sl^^bob unb ä^Ialon mieber gu 2:^01« (böl. Sb XV, 345,37), bic
gange Küfte gut fünften, ©atro^jie md) Aerob. III, 91. ^m ßinöerftänbnte mit bcm
fiönige 9teItanebo§ öon SÜg^jjten erl^oben ftd^ bie pf). ©täbte unter bem Könige %mnt2
t)on ©ibon 350 gegen bie Jjerftfd^e §crrfd^aft, beren Vertreter fel^r gehjaltt^ätig bort 5
aufgetreten toaren. äCrtajerie^g III. aber erftidfte mit getoaltiger ^eere^mad^t ben Slufs
ftanb in Slut unb ^euer; befonber« l^atte ©ibon gu leiben. 35oc^ finben toir fjjäter
iDieber einen bon ben Verfem eingefeftten Äönig. 3llejanber ber ©rofee fanb nur bor i^ru«
a^iberftanb, unb il^m gelang e« enblid^, bie ^nfelftabt gu erobern (bgl. 0. ©. 285, 43). ©ie
erhielt eine macebonifd^e 93efa§ung. . 10
SJac^bem au^ ben SQäirren, bie auf Sllejanber^g 2^ob folgten, bie 'Sleic^e ber ^tole^
mäer unb ©eleuciben im öorberen Orient hervorgegangen toaren, famen bie pf). ©täbte
j^unäd^ft unter bie Äerrfd^aft ©eleulu^g' I. ©eine 9Jac^foIger bel^ielten auc^ 3lrabug unb
fein ®ebiet ol^ne SBed^fel, toäl^renb bie ©täbte füblid^ öom eieut^eru« öon 281—198
unter ber §errf(l^aft ber ^tolemäer ftanben. 3" ben Königen bon ©ibon im 3. ^oi)Xi 15
^unbert gel^ören toa^d^einlic^ ©fdbmunagar I., 3^l^abnit unb Sfd^munagar II. SBir
iDiffen il^re 9?amen burd^ bie ©arfojj^age ber legten beiben, bie in ©ibon gefunben
hjorben fmb (©.288,26.36). grüner Jjflegte man fie in bie Jjerftfc^e ^eriobe gu fefeen (fo
noc^ Sb XV, 345, 38). ^laq Sfc^munagarö II. SCobe fd^eint ©ibon bie rejjublifanifdpe
Serfaffung getoäl^It gu I^aben, %\)xvi^ ti)at ba^felbe 274. 2lud^ bie anberen pf), ©täbte ao
hjufeten fic^ bon ben ©eleuciben bie Autonomie gu ertüerben. 3)iefe Privilegien tvurben
in ber Snegel von ben Slömem (nac^ ^omjjeju^ 64 borßl^r.) bcftätigt. 35ie pf). ©jjrad^e
toar aHmäpd^ burc^ bie aramäif4>e öerbrängt toorben. 35ie oberen Älaffen ber Se«
töllerung fa^en eine ß^re barin, gried^ifc^e ober römifc^e Silbung angunel^men.
V. ßanbel, Kunft unb Äultur. 35er ßanbel ber $^. toar teite Sanbl^anbel, 25
teite ©ee|anbel. 3)er Sanbl^anbel fül^rte öon llrabien, Sabi^Ionien, Armenien, fjjäter
auc^ öon ^erfien unb ^nhxm bie ßrgeugniffe unb ©d^ä^e biefer Sänber an ba^ SWittet
meer ; feine Sluöbe^nung l^at mit bem Seftanb ber großen „SBeltreid^e" el^er gu^ aU ah
genommen. 3Kit Sa[gl^>)ten öoHgog ftc^ ber 35erfel^r tvo^I mel^r gu SBaffer aU m 2anbe.
^l}x ©eel^anbel toar m SBirlli^feit nic^t fo bebeutenb, tvie man fic^ i^n auf ^runb ber 30
griec^ifd^en 3lad)xxd)tm öorguftctten jjflegt. Sigentlit^e Kolonien l^at ^ nur auf (^\}pctn
unb in SRorbafrifa gegeben; ®abe^ im fübli^en ©j^anien (togl. 93b XVII, 571) tann
noc^ ^ingugefügt toerben, obtool^l bie 3Sermutung nal^e liegt, ba| biefe ©egenb urfjjrüngs
Ixd) öon äfrita an^ befiebelt tvurbe. Äition unb Äart^ago tverben auf %\}m^ gurürfs
geführt; überfeeifd^e Kolonien anberer p^. ©täbte fennen toir nic^t. 35ie $1^. befafeen ss
an ben Ufern be« SWittelmeere^ getvi^ eine grofee 2lngal^I öon §anbetenieberlaf[ungen
ober galtoreien, bie aber ben SJamen Kolonien ni^t öerbienen. ^n 3Kemj)l^i^ l^atten fte
ein eigene^ Quartier §erob. II, 112. ^^^f^^''*^^ ^P ^^ ©c^iff^öerfe^r in bem öftlic^en
3Jlittelmeer fel^r alt, aber er loar bur$au^ nic^t ein 3Konoj}Ol ber 5pi^. ^n ber fog.
m^Ienifc^en ^eripbe finb Don ben ©riechen öiele SQäaren nad^ bem Dften oebrad^t toorben; 40
in ßbpern fmb fie el^er getvefen al^ bie $1^. Site X^xu^ burd^ feine S3erbinbung mit
Karthago bie ^errfc^aft über iai toeftlic^e 3KitteImeer erlangte, tvurben bie ©ried^en bie
§errcn in feinem norböftlic^en 2:eile. 3lte I^ru^ tvä^renb ber ^erfergeit anfing gu finfen,
tourbe Kartl^ago mäd^tig, öiel mäd^tiger, alö bie 3Kutterftabt je getvefen toar.
3)lan mufe Smft bamit machen, fid^ bie ^^. aU Kauflcute m benfen, ate §änbler, 46
bie ftetg banad^ trachteten, i^ren 3Karft mit bem 93eften unb 9leueften gu gieren (ögl.
6g 27), unb immer barauf bebad^t toaren, bie SBünfd^e i^rer Kunben gu erfüllen. 93ei
fold^en 2euten loirb man nic^t nad^ eigentlid^er Kunft fragen, unb bie })l^. 2)enfmäler,
bie toir fennen gelernt l^aben, freilid^ erft öon ber Jjerfifc^en 3^^^ ^b, ftnb aud^ nid^t
bagu geeignet, einen befonberen Kunftftil gu belegen. 3!Han finbet öerfc^iebene SJlotiöe 60
miteinanber berbunben, äg^>)tifc^e, bab^lonifd^e, Jjerfifc^e, gule^t audb gried^ifd^e. 3)ie
Slrt i^rer SSertvenbung berftö^t jeboc^ gar nid^t feiten geaen i^ren urfj)rünglici[>en ©inn
(tjgl. ^ietfc^mann a. a. D. 265 ff.). Sefonberg lel^rreic^ für biefe^ SSerfal^ren fmb bie
pl^. SJlüngen. ©ie loerben ge>)rägt feit bem Snbe be^ 5. S^^tl^unbert«, in 3trabo§ nad^
perfifdf^em, in 93^blo^, ©ibon unb 2:^ru^ nac^ J)^. ®ch)ic^t; benu^t toerben jebod^ bagu 65
griec^ifc^e 3Wufter. ©^er öerbienen bie Seiftungen ber ^^. auf bem (Sebiet ber Saufunft
betounbert gu toerben. 2)ie Stnregung bagu tocrben fte freiließ öon ben Sg^j>tem erhalten
^aben, aber bie Sel^anblung bc^ gclfen^ i}at bei i^nen boc^ eine gang anbere Sebeutung
gewonnen (ögl. "IRman a. a, 0. 822. 824). 3)a| fte bie ^nfelftabt I^ru«, toie e« fd^eint,
gegen 6nDe be^ 8. g^^^unbert^ bur^ unterirbifc^e Seitungen mit frifd^em SBaffer öont go
302 Sibonter Stboitittd ^oUiuaxi»
geftlanbc ^er öcrforgtcn — freiließ n\6)t burd^ 3:l^onröl^rcn, fonbem burc^ eine auö be?
pauencn ©teilten jufammengefc^te Slöl^re (ögl. 93b VIII, 682, 42), bie no^ ^eute i^rcn
S)ienft Ü)Vin foH — jeugt öon großer ©efc^idflid^Ieit in SäSafferbauten. 3^^^ Sieifter*
fd^aft in ber §erftettung ber ©eefc^iffe, bie tüegen il^rer runben gorm yavix)i genannt
ötourben, toar im ältertum berül^mt (ögl. (£»27; §erob. VII, 96.128; i)gl. b. ärt.
©d^iffalrt 93b XVII, 568 ff.), ©ie öerftanben fid^ borauf, 3Jleere«Iüften ju unterfu^cn
unb aiifjunel^men ($erob. III, 136). ^I^r 9luf Wax nid^t ber beftc, tüie bie in bie
Db^ffee eingefd^alteten ©rjäl^lungen über ph, ©d^urfereien betoeifen.
^ie griec^ifc^en Slngoben ^aben ben ^if). and) ben 9lu^m, gro^e (Srfinber getoefcn
10 5u fein, eingebracht, aber biefer Slul^m ift l^infättig; er erflärt fid^ fo, ba^ bie Oried^en
bie Sleuigfeiten, bie bie ^^. i^nen Vermittelten, al^ il^re ©rfinbungen anfallen; ganj
unfd^ulbig iperben aUerbing^g bie fd^lauen ^1^.. an biefem 3if>^»n tool^l ni^t gelpefen fein,
©la^^flu^ , unb ^a^encefad^en l^at man in äg^^ten früher l^ergefteQt atö in $^. (t)g(.
6rman, '^ggpUn 607—609). $urj)urh)aren nannte man in 3lom farranifc^ (sarranus,
15 öon ©orra ober ©ara = sör, %\}xvi^), unb bie Seute öon %\}xn^ fotten fi^ in ber Ti^t
auf bie ^Purjjurfärberei am beften öerftanben ^äbm; ögl. b. 3lrt. garben 93bV, 757,i6.
S(ber bie älu^brüdte, bie h)ir au^ bem $ebräifc^en für $ur^ur fennen, finb nic^t j^ebröifd^
ober >)l^önicifd^, el^er babblonifc^ (Dgl. KAT', 649); alfo ftammi bie ©ad^e nidf^t auS
^^. 3"^ Äabmo^fage bei ben ©ried^en gel^ört ber 3^0/ ^<^i ^"^ %^xn^ bie 93 uc^^
aoftabenfd^rift nad^ ©ried^enlanb gelommen fei. SSermutli^ fte^t baö im ^wf^mmen-
bang bamit, bafe bie 5Wad^t öon X^xu^ um« ^al^r 1000 bor 6^r. bebeutenb ftieg.
3)er ©inn ber ©age tDürbe bann barauf ^inaudfommen, ba^ ^ru« bie ©cbrift, toie
fte bamate bort gel^nbl^abt tourbe, nämlic^ bie 93uc^ftabenfd^ft, ben ©rieben über=
mittclt l^abe. Über ben Ort, too biefe ©d^rift, im ©egenfa^ jur Äeilfd^rift, entftanben
25 fei, ift bamit gar nid^t« au^efagt. 3Ran nimmt neuerbmg« an, ba^ bie SSud^ftaben^
fd^rift in 93ab)^Ionien au^gebilbet toorben fei unb bon bort i^ren SBeg na^ bem 99ieften
genommen l^abe. (Stt^e*
©ibonnid 3I)ioIIttiartd, ber le^te bebeutenbe 9lej)räfentant antiler 93ilbung in ben
gattifd^en SRI^etorenfd^uIen, geft. aU 95ifd^of t)on (Slermont ca. 480. — «u§floben:M8L
30 58, 435—751 mit ben unentbehrlichen 9?ütcn 6trmonb«. — Oeuvres de Sidoine ApollinaiFe
Texte latin par E. ßaret. $ariS 1879 (einiges Srauc^bare in ben beiaefügten 3)iffertationen;
blc angeblid^ cöronologifcftc Drbnung ift bilettantifd)). — Gaii Sollii Apollinaris Sidonii
Epiatolae et Carmina ed. Luetjohann MG A. a. VIII (Praefatio unb Indices üou 3Rommfcn ;
Loci similes auctorum Sidonio anteriorum uon (S. Deisler), SBevIin 1887. — ?lu§gabc üon
35 $aul 'äWol^r, fieipgifl 1895. — iJittevatur: Gennad. Mass. c. 92 (baä l^eißt ber Sntcrpolator
im cod. Paris, saec. VII); Greg. Tur. h. Fr. II, 21 ff., giebt bie bereite legcnbarifcftc fiofaI=
trabition ber ^utjergne (ügl. Sb VII, 153, 3« 34 n. 43). — XilTemont, M^m. pour servir
ä rhist. eccl. des six prem. si^cles XVI, 195—284. — ®ibbonS S3cf)anb(ung beS @iboniu5
(Ch. 30) ^ält fi* nidjt ganj auf ber fouftigen ^ö^c feine« 5G8er!«. tll. ©crmain, Essai litt^-
40 raire et historique sur Ap. Sid , 3RontpeUier 1840; SSfl. Scrtifl, ©. @. 9lp. @ib. unb f. 3cit
nadf f. SBerfen borgeftcnt, I 5G8üriburg 1845, II ©ürjburg 1846, Ill^affau 1848. — OJrunb--
legenb üier 9lrbcitcn üou ©eorg Kaufmann: 3)ie 503erfe beä 6. ©. ?(. @. alS eine Oiieüe für
bie ®ef(6id)te feiner 3cit, ©öttinaer 2)iff. 1864 (I); berf. im 92. ©d^meiaer 3Ruf. V (g3afcl
1805) 8. 1—28 (II); berf. im ®gm 1868, ©. 1001—1021 (III) unb in SRaumcr« ^ift. Xafdjenb.
46 4. 5. 10. Sa^rg., fieipäig 1809, „$Rf)etorenfd)ulen unb ^lofterfdjulcn" bef. 6. 30—40 (IV). —
©^aij, Saint Sidoine Apollinaire et son sifecle I. II Clermont Ferrand 1866. — 3)a]^n,
Könige ber Germanen V (©ütäbura 1870) 8. 82—101; gjj. SBübinger, % @. a(« ^olitifcv,
eine untt)erfal^iftürifcf)c (Stubie, Qmi 97. «b (1881) ©.915—953 (inl^altrcicft, aber mit «or=
ftd)t ju benagen; DchrB IV (1887) p. 049—061 tjon $. 2B. ^^irfott (cingc^enb, aber ju
öoab^ngiq üon d^aif); 2lb. ebcrt, ^Ilg. ßJefcfi. ber ^^iitterotur beS Mittelalter« im tlbenblanbe
I« (1889) @. 419-448; M. Manitiu«, Oefc^ic^te ber d^riftl. kt. ^oefie biÄ jur «Ritte beS
8. 3a^r6. (1891) ©. 218—225; ^aurf, m 2)eutfd)IanbS P (1898) @. 79 ff., 83 ff. u. ö.;
3)u(l)eöue, Fastes ^piscopaux de ranciennc Gaule II, ^oriS 1899, p. 12, 34 u. ö. ; ©atten=
bad)=3)üm(er, 5)cutic^Ianb^ ®efc^ic^t§qucaen im 'iölittelalter V (1904) @. 97 f.; (S. ©racman,
55 Sidoniana et Boethiana, Utrcdbt 1904; Dr. 91. ^oKanb, Studia Sidoniana ficipjig 1905
(^rogr. "Dk. 650, ber fieipaigev X^omaöfc^ule).
I. Seben^efd^ic^te. 6. SoHiu^ 3)tobeftu^ 3tpottinari«, öon i^m fclbft unb 3«tflcnoffen
meift mit bem felbftgemä^lten Seinamen (signum) Siboniu^, ober aud^ ©ottiu«, flcnannt
— iDurbc um ba« 3abr 430 gu £^on (ögl. ep. IV, 25, 5, c. XIII v. 23 f. u. ö.) in
CO einer üorncl^men gamilic geboren (Stammtafel MG VIII p. XLVIII), ögl. ep. VII, 9, 15;
I, 3, 1. ©ein ^rofeöater üertoaltete in ©allicn ba^ oberfte Sleic^mt unb tourbe ber
iSibotiitii» npDOinari» 303
erfle ßl^rift in ber fjamilie. 3luc^ bcr SSatcr brad^tc ^ unter SSalentinian III. im ^aÜ^x^
448/9 5um praefectus praetorio Galliarum (ep. V, 9, 2 VIII, 6, 5). 3)a« ®eburl3*
iafyc be« ©ib. föDt nad) ep. VIII, 6, 5 ztfüa 430—433 n. 6^r.; aU ®eburt«tag ßiebt
et fclbft c. XX ben 5. Sloöember an. Stuf feine förjjerlid^e aiu^bilbung unb geiftiße
©d^ulung tourbe bie attergröfete ©orgfalt öertoanbt (ep. VIII, 6,5; c, IX, 313; ep. VI, 5
1, 3; tjßl. c. II V. 155). 35er Unterrid^t in ben bamate nod^ blül^enben ©rammatilera
unb Sl^etorenfd^ulen trug einen au^e^rägt formalen ß^arafter. 3^^^ ^öd^fte^ 3'^ ^<*^
f))ielenbe Seid^tigleit t)irtuofer ^m))rol?ifation in £»anbl^abung aQer überlieferten Jtunftf ormen
unb ©tilgattungen ber lateinifc^en $oefte unb $rofa. ßrfüllt ^on bem bo|)^eIten Streben
nad^ fc^riftfteDerifd^em JRul^m unb l^o^er BUÜuriQ im ©taat^bienft, beteiligte fxd) ©ib. 10
eifrig an ©i^gjjutation^übungen unter Seitung be« ^Sre^bi^ter« 9Jlamertu« ßlaubianu« (f.
ben 3lrt. IV, 132 f.), bem er ep. IV, 11 5Rad^rufe in $rofa unb SSerfen toibmet (ögl.
ep. V, 2, 1), an einer jjoetifd^en ©efeUfc^aft unter bem öielfeitig gebilbeten 2lntl^ebiu8
(c. XXII ep. § 2), burd^ 2lnf^Iufe an ben burbigalenftf^en Stbetor Samjjribiu« unb
anbere litterarifd^e (Sröfeen, befonber« ober burd^ 2lbfaf[ung i)on ©elegenbeit^^bid^tungen, 15
h>eld^er Slrt fie immer ertoünfc^t tüaren (ep. VI, 21). ©eine §eirat mit ^Pat)ianitta, ber
%od)in be« 2tt)itu^, eine« öorne^men 3lrt)ernerd (c. VII v. 119), mad&te il^n in berSanb«
fdfiaft ^eimifd^, bie i^m jum SSaterlanbe toerben fottte (ep. 1, 11, 3 f. 11,2 c. XVII, 20).
3)er il^m Don feiner ®attin ju^ebrad^te Sanbfi^ in ber 2luöergne (ep. II, 2, 3) unb fein
glüdflid^e« Familienleben l^ätte il^n, toie fein t>oetifc^e« SSorbilb ©tatiu«, uu einem 3)id9ter ao
bed t)omel^men l^äu^lid^en äBol^lbe^agen« ma^en lönnen. ©ein Sl^rgei) lie^ il^n aber
ba«, toennglei^ mit ben ©ütern berÄultur gefd^müdfte, Seben eine« inglorius nisticus
öerac^ten (ep. I, 6, 4). 35ie ßr^ebung feine« ©d^toiegeröater« jum römifd^en ©d^atten«
laifer (c. VII v. 540) leitete feine ftet« burd^ äußere änläffe beftimmte 5Wufe auf bie
3)id^tung«art, toeld^e bamal« ba« l^eroifd^e ©jjo« öertrat: ben 5Paneg^ricu« (®bert ©. 419). 26
Sr begleitete feinen ©d^toiegeröater nad^ 3lom unb trug bort bei bef[en Äonfulat«antritt
am 1. S^nwör 456 fein Sob^ebic^t auf biefen toor (c. VII). S« \pmAi bie 3«itgef^ic^te
feit ca. 420 auf feine Slrt toieber; beutli^ ift ^u erfennen, bafe bie Sr^ebung be« 2li)itu«
einer gaUifd^en SBetoegung entf^rang, bie nid^t ol^ne Bpxi^t gegen Italien toar (boc^ f.
Äaufm. III ©. 1017). 33emerlen«h)ert ift ber befonber« bei ben ^Partien über Sitoriu« 30
(v. 246—302) ^ortretenbe ©egenfa^ jur S3eurteilung«loeife ©alöian« de gub. Dei VII^
9, 10, loie ©ib. übttfyiyupt beffen 2lntij)obe ijl (ögl. $audf, Ä® 35. V, ©. 18 f.). SSon
c^riftlic^er Sluffaffung feine ©J)ur. 3)a« SQäerl be« jungen 3)ic^ter« tourbe fo beifällig
aufgenommen, baB man il^m eine Sronceftatue bei benen ber berül^mteften ©d^riftfteller
in ber 3:raian«l^tte fefete (ep. IX, 16 c. v. 25). 3lber ber in bem ^aneg^ricu« (c. VII 35
V. 116) ate neuer, gauifc^er Irajan gefeierte Sletter be« ßrblreife« (v. 317 tibi pareat
orbiB, Ne pereat) tourbe nad^ 17monatlic^cr ^Regierung burc^ ben ©ueöenfürften ^icimer
Seftürjt unb ftarb balb barauf. 3lm 1. Sluguft 457 er^ob Slicimer ben aKajorianu« jum
!aifer, ©ib. loiberfe^te fid^ mit feiner 3Saterftabt; al« aber 2t)on gef aßen toar, gelobte
ber 2)id^ter, fortan feine 3w"9^ i" *^^ 2)ienft be« ©ieger« ju fteHen, ber il^m großmütig 40
ba« Seben gefd^enlt ^e (c. IV, 13 f.). ®r cmbfing i^n 458 in S^on mit einem Sob«
gebiegt (c. V), ba« aud^ ben 2;^ronräuber be« Jtaifer« 2lt)itu« in nieberträd^tiger SSäeife
öer^errlid^t (v. 266). §iftorifdg> h)ertt)oll ift aber bie ©c^ilberung ber granlen v. 238— 254.
3lad) ber ßrmorbung SRajorian« am 1. 2luguft 461, toä^renb ber §errfc^aft be« Äaifer«
©eoeru«461— 466, toirb für un« bie 2cbcn«gefc^ic^te be« ©ib. unbeutlicp. SQäal^rf^erhli^ 46
lebte ©ib. in biefen ^ai)xm al« fianbebclmann. 3)ie au«fü^rlic^e Sef^reibung feine«
@ute« ätoitäcum ep. II, 2 ift lulturgefd^id^ttid^ ebenfo toertööD, loie bie v. 263—306
be« bamat« entftanbenen c. XXIII gelieferte Sefd^reibung ber 5}}antomimen, bie le|te ein«
gel^enbe, bie au« bem Altertum überliefert ift (erläutert t)on ßottanb ©. 30—33). 2lu^
bie ©rjä^lung v. 69 ff. öon bem 33errat 9iarbonne« an bie ®oten ift bead^ten«loert, bes 50
barf aber fel^r ber ©rgänjung burd^ bie Vita Lupicini A. S. ^Kärj 21 p. 263 f. 35ie«
Sobgebid^t e. XXIII auf ben al« ©efanbten toeit gereiften 9Jarbonenfer ßonfentiu« fü^rt
ben Sefer burd^ bie ganje bamalige Äutturtoelt. ©0 lange ber SBeftgotenIi)nig i^coborid^ II.
(453—466) regierte, na^m ©ib., ber beffen formale Slb^ängigfeit öon Slom c. V v. 562 u. ö.
freiließ übertreibt, eine gotcnfreunblic^e ©tettung ein. Ep. I, 2 (^ara^)l^afe öon ®ibbon, 55
eh. 36; Überfe^ung öon »fertig I, 28 ff.) liefert er eine au«fübrlid^e ß^arafteriftif jene«
gfürften, berülj^rt § 4 auq ben arianif(|en §ofgotte«bienft. 211« aber Äönig ®urid^
(466 — 485) auf ben I^ron lam, ber nac^ Qi^^^^ö"^ c- 45 Gallias suo iure nisus est
oceupare (ögl. ©ib. ep. VII, 6, 4; VIII, 3, 3), fc^lofe ftc^ ©ib. ber entgegengefe^ten
$(artei an. @r trennte fid^ bamit Don feinem greunbe 3lrt)anbu«, ber al« ^räfeit ®aQien« 00
"m "j" %ii'i'
Stbontttd 9I)ioI(iitartd 306
jiel^t, bafe er mel^r ate ScItcnl^aiH)t, benn al5 SSolfefönig baftcl^t. ©d^on [teilen 9 SSifc^of^«
ftüf^le t^ertDatft. Salb fann ed bal^tn !ommen, ba^ clericalis non modo disciplina,
sed etiam memoria perit. (3Son Einrichtungen ber SBifd^öfe fagt ©ib. fein SBort: erft
bie Segcnbe bei ©regor i)on %o\xx^ l^at auö ßurid^ einen blutbürftigen 3Büteri(^ gemalt.)
Surgunber unb ®oten bro^en ba^g Sanb aufjuteilen (fo ift VI, 10, 5 mit 35a^n V, 91 6
ju erllären, gegen Sübinger ©. 946; ba^g gm^jerium Reifet bei ©ib. nie regnum).
2)arauf mu^ aUe 2lnftrengung gerid^tet toerben, bafe Suric^ lieber Sifd^öfe hjei^en lä^x,
ut populos Galliarum . . . teneamus ex fide, etsi non tenemus ex foedere.
Sßicber bie Carole: SRettung be^ Slömertum^ in bie fatl^olifc^e Äirc^e, h)enn e^ jjolitifd^
toon ber res publica (fo nennt ©ib. öfter baö Sleid^) abgetrennt tvirb! 3)afe e^ foh)eit lo
tarn, gab ©ib. ben Äird^en^ämjtcrn ber Slrelatenfer 35iöcefe ©d^ulb. Sifc^of ®räcuö
mufe ep. VII, 7 bie l^eftigften 3Sortoürfe ^ören. 3)ie 5Kaffilienfer feien au^ ben ßrften
(i)gl. 2)u(l^e^ne, Fastes p. 101) bie Seilten gelüorben, hjeil pe i^ren $rii)ati)ürtetl über
ba^ Oemeintvo^I fc^en unter ^rei^abe „unfere« unglücflic^en SQäinlete" (nostri infelicis
anguli; ögl. III, 1, 4). ßlermont toar öerloren. ©ib. flagt: f actus est servitus i6
nostra pretium securitatis alienae, b. 1^. \>ai Sleid^ trat bie Slutoergne gegen ben
Äüftenftrid^ ijon ben $^renäen biö jur SR^onemünbunp ab (MG VIII, 446). Surid^ aber
geigte fic^ nic^t aU ber ep. VII, 6 gefd^ilberte ^anatifer. ßlermont tourbe nid^t jerftört,
©ib. öerbanite abermals feinem litterarifc^en 9lu] eine milbe Sel^anblung. 35er gotifc^e
§of tvax nid)t bilbung^feinblic^er ate ber 9)taioriang. 3n 2;ouloufe toar nad^ bem Äönig 20
Üco t)on 9?arbonne ber einflufereid^fte 5Kann, Slac^Iomme be^ 3K. gronto, be« Se^rer^g
3JJarf aiurete in ber Serebtfamleit, felbft gefeiert aU Slec^tigantoalt, ä)id^ter unb ^olitiler
(ep. IV, 22, 3; VIII, 3, 3; Ennod. vita Epiph. e. 85, N. A. XXIV, 119 f.; ?!Jlommfen,
Sieben ©.139). ©ib. fd^icfte i^m eine äCbfd^rift ber lateinifd^en Überfe^ung ber S3iogra))^ie
be^ 2l})ottoniu§ t). %\)ana. 2lu« ber milben §aft balb entlaffen, burfte er nid^t fofort nac^ 20
ßlermont jurüdtfel^ren, fonbem foHte feine Soi^alität erft in einem nid^t qrjjonierten ©d^ein^
amt bctoä^ren (per officii imaginem solo patrio exactus ep. IX, 3, 3). 3)er be=
rüt^mtefte aller Sriefe be^ ©ib. (ep. VIII, 9) fällt in biefe gcit; ba« barin enthaltene
©ebic^t, gtüeifello« gur SKitteilung an ben Äönig beftimmt, fc^ilbert bie ffleltmad^t be^
Sffieftgoten^errfc^er^, bie an feinen ^of ftc^ brängenben jai^Ireic^cn aSölfer; bie Sinleitungso
geigt, tvie ©ib. jUjei SKonate lang auf bie in eigener Slngelegenbeit erbetene Slubienj
lüarten mu^te. 3^"^ ©cbid^t lönnte man ben ijierten öon ©ib. öerfa|ten ^JJaneg^ricu^
nennen, er ift gugleic^ eine ^alinobie, hjie ber c^aralterfc^toanfe 3Kann öiele gefungen l^at.
(Über bie bamalige ©ituation beö ©ib. am Ilarften: Saufm. III, ©. 1007 f.; anbere
atuffaffung: Sübinger ©.949 ff.; Überfe^ung be« (Sebid^te Don v. 12 an: gertig II, 23 f.; 35
aSertvertung ate ©efd^ic^tgqueHe: 9JJommfen, Sieben ©. 136 f.; ögl. aud^ 2)al^n, Ä® 3).
V, 90). — 9lac^ längerer S^'it burfte ©ib. auf feinen Sifc^of^Pl jurücffel^ren unb \)at,
in feiner Strt Jjflic^ttreu, feinet Stmte^ getoaltet. 211« amtierenber Sifc^of (peragratis
dioecesibus) nimmt er in bem legten Srief ber ©ammlung Dom Sefer 2tbfd§>ieb. Siel
älter aU 50 ^ai}x^ fann er nic^t geh)orben fein. 3)ie c^ronologifc^en Slngaben be« fc^on 40
Don ©irmonb au« bem cod. Cluniacensis saec. X/XI mitgeteilten ß})ita^)l^« taffen ftc^
nidf^t leicht mit ep. IX, 12, 2 unb IX, 13, 6, foh)ie anbern ©teilen bereinigen. 9limmt
man fic tüörtlid^, fo mu^©ib. minbeften« noc^ ben Anfang be« 3i<»^re« 481 erlebt ^aben;
ältere gorfc^er gingen fogar bi« jum ^S^l^re 490 ^inab (ögl. u. a. MSL 58, 437 f.).
dlad^ bem Vorgang 2Kommfen« MG VIII p. XLIX büxad^ict man ^eute jene Srief- 45
auefagen al« ungenau unb beftimmt nac^ bem Spita))^ ben 21. äluguft 479 al« Xag
feine« Segräbniffe«. 3luc^ Suc^eöne II, 34 entfrf^eibet fic^ für 479 al« 2;obe«ia^r.
II. ©iboniu«al« ©d^riftfteller. „Son allen ©c^riftftellern, in benen fonft biefer nationale
Äonflift (jtoifc^en ben unterliegenben Slömern unb ben ©ermanen) fic^ ffi^clt, ift an
öome^mer $erlunft unb gciftiger 3)urc^bilbung feiner mit ©ib. aud^ nur entfernt ju 50
Dergleichen, unb tvie gering man auc^ Dom abfoluten ©tanbjjunft über feine litterarifc^en
arbeiten benfen mag, nirgenb« ijerfolgt man fo beutlid^ h)ie bei il^m ben merftvürbigen
^Projcfe nid^t fo fe^r ber ©ermanifierung ber Stömer, al« ber 9lomanifterung ber 3)eutfc^en."
®icfe getoi^^tigen Sföorte 3Rommfen« (Seben ©. 139) finb l^ier fur^ ju erläutern, äft^etifd^
betrad^tet ^at bie ^Joefte be« ©ib., obgleich fententiöfe, foh)ie fatinfc^e ober auc^ anmutige bö
©teilen i^m mand9mal gelingen, einen nod^ geringeren SBert al« bie be« Slufoniu«. §od^
ift aber i|re litterar^iftorifrf^e Sebeutung einjufd^ä^cn : teil« formal, toeil fie ben Übergang
gur mittelalterlid^en lateinifd^en $oefie bilbet, in ber §äufigfeit be« Sleim«, ber 2lIIitteration
unb ä^nlid^er flunftformen (ögl. 3)Janitiu« ©. 225); teil« material, toeil man cinerfeit«
au« i^r erftel^t, toeld^e ^i^ter unb ©d^riftfteQer man bamol« la« (©c^anj, @efc^. b. 60
ftcaI<(hicDr(opabtc far a:^eo(oaie unb tiix^t. 3. K. xviii. 20
SM
ri:zr zxziz, IT ::>>( B. '2:^J =S7 ^ o^rsi Btsrs cswr JLMhwiLiflg bei ^^mbenth»,
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Knc:*!, *c: ^ssCtUtf ijscsuv catboavcs V€tt<x sawfrc SKiihuuz hiliMrtiftpnk^ tokbtig,
xed ^ föosE. r*d:&e Smus tu fiancNfrai 3C»hai bä boB ^t^ammaSBrab bcr okat
V iidt X ^f^cläai *Ti.yr:OTca! botroi i^cfloat jl o. £. p. 1—16: De cmmimis noiii
argtuiKxttif lasSUynas et mitfakis, toL Sctefr. De indieibiis deomm, lipsUe
K«*^»/' .ftz^as^oehfhfkfr tiwvcflfr d« he eamiimi «oib he 9iiefe. Sb^ fti^ fdb^
k£crn Sc, Sso: mm Setanfcn (o^L fiasne. IT, S. ISf.i. S(te feinem eiregboren,
iz^zz^mai %CBrdI ctefo, trenn tocnunbe etci^nne e# tieften^ in ber mit manierietta
'Xi Stns^^ci: ^ctfle^ten iwdb^efrifbeten Srmfre em fnr Ht lenmcB %uncen ouigearbeilete^
^jjmsincem va ^rmspm^ ScH eigeH er nct, bn infeaüsoxmeB Sitnationen, nnb tpeitn
er trennenren ?ycma%m im @efüH »einer £<lhräi!^ oastoeiil^t, feitenlon^ in bcblen
^ßtenen; irc ]eo(6 ber fRcmem ihi iradt, bennag a mit bn^ 9n&^yrä6en, bie fett
Cirtbitn (wtJL eh. '^ n. 1 u6er ep. II, 13 1 jder OeWiMctteib« Jena 3^ toteber^
ts Mt, treneiä bie xa%t m Memfoen. 2ie 9 9iiba Sriete iinb in 9Kä^ beraudgegcben.
Xad eine, grcBtoueiB um \ilfy in Slcm geftbrieben, beginnt mit ber aS^ung an ben
^ogbunenükben iUerifer flonnamin^, tem eine $ita be# (ben Stb. ep. Vlll, 15, 1 cr^
iMLbnten; 9th^0V6 @ennanu6 b. Xioene ^efcbrieben unrb (f. benSd. ^ VI S. 606).
-- Xie Sriefe te$ II. 9iub$ fc^oi erft noib ber !Nitte b. ^ 472 beroffentlid^t ju
»fein; üe tbib aber \dM fämtÜc^ älter, ba fie teineiiei Snbeutung auf bot flertiEalcn
3taitb entboüen. Sie beibnifc^ Sib. bomai^ bacbte, ^eigt bie @iabinf(^rift für bie jung
berftcrbene^bilomotbia (togL ^iaud, Ä@ I. P, g. 23>, H?e% in bem Sudfimu^ 9i»)feü,
ungerecbtertreife bobe bod @rab So fräb fein Stecht genommen (bgL ep. IV, 11). S^iefc
25 Srtefe ber i^toet elften Sä(^ finb Mibörberfi ebiert tDoiben. S^ie folgenbe @ru))pe,
a J8u(^ III— VII ^etgt eine beränbeite Situation. S^iefe 70 Sriefe beginnen mit ber Se^
meitung, bei 3?erfatiei fei untourbigenoeife Sif<^of bon SIermont gekooiben unb f(^Iie|en
ben an jenen obigen genannten flonfiantiud gerichteten S))iIog mit ber Sntfc^ulbigung,
baB er ed tooge, if^n bon frommer Settüre ab^ugieben. ^n biefer Sammlung bilben bie
an »ifiböfe gerichteten »riefe (VI, 1 bi^ VII, 11) toiAer eine befonbere ®rul))>e. 6^
ar; finb ijloei 3^u^b, toemt man beachtet, bafe VII, 12 fca^ g*ört, ein Schreiben an ben
Senator unb Sitteroturfreunb lonantiuö J^rreoluö, (Snlel jene^ Xfraniud gi^griu«, bem
Sufoniu^ t)or ettoa 90 "^obim feine Epigrammata getoibmet ^atte. Sib. motibiert bie
SteQe biefed Sc^eiben^ am Sc^Iu^ ba bifc^ofüc^en @ni^ c^aralterifüfc^ fo: 9Ber bei
einem öffentli^en Sanlett an ber erften lafel i^ule^ fi^t, toirb me^ geehrt ate burd^
36 ben elften ^lo^ an bei jtoeiten : sie absque (X)nfl]ctatione praestantior secundum
bonorum sententiam (K)mputatur honorato maximo minimus religiosas (bgl.
ben aiuebruct c}jiöfo>)aIen Selbftbetoufetfein^ ep. IV, 14, 4 unb bie bon ®eorg Äaufm.
in r^eljere; $iot. 3Konatßbl. 1868 S. 107 f. angeführten ^attelpeDcn). — St)ätei
buic^niufteite Sib. auf ffiunfc^ bei ^eunbe (boc^ bgl. Äaufm. IV, 20) feine Sc^ieine
4f) ju äibemum nac^ Stüdcn, bie für ein acbte« 33uc^ geeignet tooien (VIII, 1, 1 bgl.
IX, 13, 6), unb fteüte nac^ längerer 3^* aud^ ein neunte« jufammcn, „um ben ©j)uien
bee ^liniu« ju folgen" (IX, 1, 2). SDie ßl^ionologie bei entfteljfung ift in bei 9lei^en=
folge, auc^ innei^alb bei (Siu^ijen, nic^t ftieng feftgebalten, obtoo^I eine getoifje foit^
laufenbe Cibnung bcabftc^tigt ift. 2)ic ate Supjjlemerite übeiliefciten toid^tigcn Sricfe
45 VII, 0 unb VII, 7 unteibrec^en ben 3wf<»»"ni^"^ön9/ ^^ jtoifc^en VII, 5 unb VII, 8
befiehl; äf^nlic^ ift e« mit IX, 2. 3)er le^te SBrief ber gangen Sammlung toeift auf 1,1
juiücf.
3)iefc 147 ©riefe ^aben junäc^ft be^^alb giofeen f^iftorifd^en SBSert, toeil fie bie
SJtanicr bei lateinifd^en SRI^etoienfci^uIc fuij boi il^iem Unteigang, in i^er äufeerftcn
60 ilonfequen;^, fo rein barfleücn, toie fein anbere« litteiarifc^e« 3)oIument. 3" Wefer ^in^
ficf^t ift jebesJ Stücf iDeitöott, unb bie inl^altleerften oft am meiften. 3Bie bid ^ier für ba«
gef(^id;tlid;e i^eiftänbnie bei gangen gallifcl^=})atriflifc^en Sitteiatui, abei au^ äuguftin« unb
feinei (Gegner, gu gctoinnen ift, IjaX Äaufmann« ba^nbied^enbe Slb^anblung IV nur an-
beutcn fönncn. Unter ben 3lbicfjaten bei Siiefc finben fic^ gtoei fjjanifd^c Jl^etoien
66 (VIII, 5. IX, 12); fonft ftnb e« aufeei bem Slfrifanei 2)omnuIu« (fo ri^tig 3Ro^
p. \\iy\ 8. V. Africa gegen -Dlommfen) unb ein )^aax Setoo^nem bei Sl^^ennins^albinfel,
mit benen ei auf feinen SRomieifen in 35eiü^iung fam (g. 33. 1, 10 unb I, 8, too ei fic^
^bf;cic äUeitfd^ä^ung bei 1ran«al>)inei au^bittet), (autei ©alliei im loeiteften Sinne bc«
ai^oit«. Ep. IV, 17 ift an einen g^anfen, ben comes Treverorum Arbogastes, ge<
60 rid;tet, an ben a\x6^ bei Äonefponbent be« Sib. Sifc^of 2luf))iciu« b. SIouI einen »rief
Stbontit» fMioatnan» 307
gcfc^eben f)at (MSL 61, 1006), ögl. Raufm. IV, ©. 23, 30. — ^n 3lric« lebte
girminug, an ben ep. IX, 1 unb IX, 16 gef daneben fmb, ber (Sönner be^ Eäfatiu«
(2lmoIb, 6äf. ö. 3lrle« ©. 79 ff.; 3)laInor^, ©t. G^faire p. 16 f.). (gttoa ein 3)rittel
ber Sriefe be« ©ib. ift an Äleriler gerid^tet; 36, bie ade mit bergormel memor nostri
esse dignare, domine papa fd^He^en, an Sifc^öfe. 3Son 31 laffen ftd^ bie ©i^e feft« ß
ftetten. 2)afe leiner au« ben 5Diöcefen Sorbeauj, Sourge« unb Sauje barunter ift, lä^t
fic^ nad^ ep. VII, 6, 7 ertüarten (jeittoeilig feine SBäieberbefe^ung erlebigter ©tül^le unter
@urid^ Dgl. VII, 6, 8 in illa ecciesia sacerdotium moritur, non sacerdos) ; l^in-
gegen Xouv^ toar nod^ römifd^ (i)gl. §euffi*5KuIert, 3ltla3 jur St® V A). 3toifd^en ben
Kird^en t>on %o\xxi unb Sourge« beftanben alte enge Sejie^ungen (35uc^e«ne II, 301). lo
©ib. fc^idft be^l^alb an $erj)etuu«, ben fec^ften Slad^f olger be« 1^1. 3Kartinu« (ep. IV, 17, 5),
feine bemerlen^tüerte Siebe bei ber SBa^I be« 3Ketroj)oIiten ber Situriger unb gtebt i^m
getoiffermafeen SRec^enfd^aft (ep. VII, 9 ögl. SKommfen, Sieben ©. 138; Äaufm. IV,
©. 31; $aucf P, ©. 79). 2lud^ bie 2)iöcefe ©en« toar ben SBeftgoten nic^t unterworfen.
2Bir pnben bal^er Sriefe an bie ©tül^Ie bon ©eng, Slujerre, Drl^an« unb befonber« an ib
2ut)ug b. Xxoifti (bgl 3)ud^e«ne II, 449). 2)ie an Sla^jjl^emie ftreifenbe SSerel^ng,
toeld^e ©ib. i^m joDt, — er loenbet ep. VI, 1, 2 auf i^n 2c 5, 8 unb 5, 12 an —
crflärt fi^ großenteils au« bem altfird^lid^en a[ltcrgj)rimat: jur S^t ber ©eburt beS
©ib. toar 2ut)ug fd^on ein berül^mter Sifd^of. Um fo auffaDenber finb bie gefjjannten
Sejiel^ungen ju 2eontiu3 b. 2lrleS, ber ipiquierte 3:on in ep. VI, 3, 3, bem einzigen 20
an il^n gerid^teten Sriefe. Sleligiöfe Stic^tungSunterfc^iebe mögen ^ier mitaetoirlt ^aben
(§aucf, m 3). I*, ©. 79); jebenfaa« l^at ©ib. ben Slrelatenfer ^rimat (f. 9b I ©. 56 ff.)
tjöttig ignoriert. 2)ai3 ift um fo auffaHenber, ba einzelne Äorref})onbenten, toie Sifd^of
gonteiu« ö. Saifon (ep. VI, 7; VII, 4) an ber Slbreffe ber 19 Sifd^öfe ju (Sunften
beS arler Primate« beteiligt getoefen toaren (3)ud^e«ne Fastes I, 254, 119), faft alle25
aber an bem Jtonjil gegen 2ucibug IX 474 teilnabmen, bei bem 2eontiu« jjräftbierte
(t)gl. MG VIII, 290 geile 9—14). 3Kit Slrler ©uffraganen, ju Drange, SSaifon unb
SWarfeiUe, ftel^t ©ib. in engem 3SerIel^r ; ben mit ber ©eeftabt Vermittelt ber §anbetemann
unb 2eItor Slmantiu«. 3" ^^ 3Wetroj)ole 2toon ^at er ate gebomer 2ugbunenfer ein
^ietätSberl^ältniS; feine Serl^errlid^ung beS Sifc^ofS ^ßatienS l^at aber aud^ in beffen 30
2eiftungen unb Serbienften ®runb (§aud, Ä® 3). P, ©. 84). 2)ie Srjäl^lung öon ber
burc^ biefen öottjogenen Sinfe^ung cineS Sifc^ofS ju ßl^alon für ©aone (ep. IV, 25)
bilbet ein ©eitenftüdf ju ber Sifd^ofStoabl ju Sourge« (ep. VII, 9). 3ln bie 2ugbunenfer
©uffragane m Slutun unb 2angreS rietet ©ib. ebenfo ©(^reiben, toie an ben SKetro*
))oIiten t)on 2lij unb beffen ©uffraganen ^u 9liej. Öftlic^ unb nörblic^ gel^n bie 93riefc 35
an Sifd^öfe bi« SReimS (Slemigiu« ep. IX, 7), SCoul (3luf})iciu«, bgl. IV, 17 unb^audt,
Ä® 3). P, ©. 107), 93ela^ unb ®enf. Dl^ne gtoeifel l^aben biefe 93riefe öiel beigetragen,
ben 3wfömmenl^ang ber auf lateinifd^e Silbung SBert legenben Äir(^enl^äuj)ter ®allien«
ju ftärlen. — Slac^getoirft l^aben feine ©cbriften junäc^ft in ben Sleften ber St^etoren^
freifc unb ©d^ulen. 93ifc^of SluriciuS ö. SimogeS fc^rieb in feiner üJlanier, mit noc^ 40
gefteigertem gormaliSmug unb o^ne feinen ®ebanlen folgen ^u lönnen (Rur. ep. II, 26
cuius lectio prae obseuritate verborum non accendit ineenium). SllcimuS älDitud,
mit feinem §aufe öertoanbt, ging in bcnfelben fd^riftfteHerif^en Salinen. SnnobiuS ift
in ber SR^etorenfc^ule an xi)m unb ßaffiobor gcbilbet; ^erreolu« t). Ufej (f 581) tourbe
burc^ bie S3riefe be« ©ib. gur 9Ja4>a^mung gereijt. 3n Glun^ ertoad^te fjJäter ein neue^ 45
3ntereffe für il^n. globoarb, §elinanb, ©igbert t). ©cmbtouj, Sincentiu« b. 93eaubai3,
$etrud SSenerabiliö, ^ßeter ö. $oitier«, 3«>^- ^- ©ali^bur^ lefen unb betounbern i^n.
$etru« 2)amiani fd§>öj)fte tciltocife au^ bem ^aneg^ricu^g auf ^ajorian, um feine Ser«
^errlic^ung ®regor« VII. augjubrüdfen (211. ®ermain p. 114). ^ann l^at er auf bie
§umaniften getoirlt, mnn ano) Petrarca fanb, er toerbe bem ßicero nid^t geredbt. üJlit 60
2:ilIemont beginnt ba^ l^iftorifc^e Serftänbni^g biefer toic^tigen 3)oIumente be« Stuflöfunggs
))rojeffe« ber alten SBett.
III. ©ib. ate e^rift, 93ifc^of unb ate Ideologe. 6« l^at bem ©ib. an religiöfen
3ugenbcinbrtidEen nic^t gefehlt; aber fie ^aben i^n nur oberfläd^lid^ berül^rt (V, 17, 3
®otte«bienft am ®rabe be« ^l. Suftu«, 14. 93ifc^of;8 t). 2^on um 381). ©eine ®ebid^te 55
fönnten faft aDe bon einem SJid^tc^riften gemacht fein; bie l^eibnifd^e SR^t^ologie ift i^m
anbererfeit« nur fc^müdfenbe« SScitoerf, unb er erj^ebt ftc^ ep. IX, 13 v. 103 (Überfe^ung
Don fertig I, 12 ff.) -jur §öbe monotf^eiftifd^^-d^riftlid^er ©ebanlen, je^t auc^, afö feine
Zo^itt erfranit, feine Hoffnung me^r auf ba^ ®ebet )u ß^nftu« aU auf bie
Ätjte (ep. II, 11). Slber bie c^riftlid^en ©cbriften gelten il^m offenbar atö nid^t öornel^m eo
20*
308 Stbonttid 9()iolItit«ri9
genug (ijgl. Äaufm. IV, 36 mit ep. IV, 11). äln bicfcm Urteil i^aben tüeber ßlaubianus
iIKamertu^ noA gauftug öiel änbem lönnen, fo l^o^^ er an erfterem bie ©elc^rfamleit, an
Ie$»terem bic 39erebtfamfeit fd^ä^te. Äatl^olifd^e Äirc^eni^iftoriler nel^men mcift einen ent^
fc^iebenen religiöjen Umfc^Ujung i)or antritt be^ (^p'x^lopat^ an. ^n 3BirfIid^Ieit ftctttc
6 er nur feinen S^ätigleit^trieb in ben 2)ienft ber Iirc^Kd9en Drgantfation, beren ©influB
bamate fo grofe mar, toie laum je f onft, unb in ber er eine gortfe^ung ber res publica
fielet. 9Jur in biefem Sinne ifi Sübinger ©. 935 jujuftimmen: „©eine gange geiftigc
ßjiftenj ru^te in bem fatl^oUfd^en SRömerreic^." 3tad) 2lnaIogie be^ Sifc^of« SRuriciu^
b. Simoge^, ber aUerbingö burc^ bie Seitüre beö gauftu^ b. Stieg jur ännal^mc be^
10 flerifalen 2^bm^ gefül^rt gu fein fc^eint (Rur. ep. I, 1, 1), lönnte man eine ä^nlic^c
©nttoicfelung bei ©ib. toa^rfd^einlid^ finben. Sgl. MG VIII p. LXIII unb p. LVII.
2)ie^ toäre fogar fic^er, hjenn Ärufd^ beiguftimmen toäre, ber 1. c. fd^reibt: Faustus...
Sidonium ,,pridem Reios venientem" (c. XVI, 78) hospitio accepit, quin immo
effecity ,,ut sanctae matris sanctum quoque limen adiref' (c. XVI, 84). Id de
15 matre Tillemont XVI, p. 408 aliique interpretati sunt, sed Fausti nescio an
,,saneta mater" sit ecclesia etc. Slber 1. Jjflegt ©ib. in folgen gäHen felbft bie
aillegorie gu erllären, toie ep. IX, 9, 12, too er bie fc^öne ^au, um bie gauftu« ge-
toorben l^abe, felbft begeic^net: philosophiam scilicet. 2. 2Ba^ c. XVI t)or unb nac^
V. 84 ftel^t, fmb lauter lonfrete 3)inge. gauftu« l^atte einen leiblid^en Sruber bc« ©ib.
30 ergogen (v. 72, toa^ Ärufd^ ebenfo erüärt), unb e^ gel^t auf bie tüirflic^e 5Wuttcr bes
berühmten 3Kanneg, toenn er fortfährt, ein ©efü^I ber ßbrfurci^t ^abe i^n ergriffen, toie
tomn \\)n ^aloh gur SRebelfa, ober ©amuel gu panm^ gefül^rt ^ätte. 3. äöie bei
Slufoniu« ift aud^ bei ©ib. ber anf>)rec^enbe 3wg ^o^er SBertf^ä^ung älterer toeiblic^er
gamilienglieber öor^anben; bie gange jjrauentoelt fte^t bei le^terem auf einem nod^ ^öl^eren
25 SRibeau afe bei jenem. 4. Sluriciu^ ift eine biel toeic^ere, bestimmbarere SRatur, ate ©ib.; bei
i^m lommen bie 9Jlotibe be^ Unteren gar nic^t in 5^age. 5. SSääre ©ib. öon gauftu^
für feinen Serufötoec^fel gewonnen, fo l^ätte er fiqi für baiJ Seben^ibeal biefe^ ent=
fc^iebenen 3Jianne« gang anber^ m^ 3^"9 0^I^9^- ®*^^i h^^m fyit er fid^ nic^t einmal
ÜJlü^e gegeben, feine ©ebanfen gu berftel^en; fo oft er auf ^rebigten ober ©c^riften be^
30 atejenfer^ gu reben lommt, überfd^üttet er nur beffen ©til mit Sobfjjrüd^en, Dom gn^alt
erfahren toir n\d)ii (Ep. IX, 3; II, 10 u. ö.; bgl. 31. Stod), 3)er ^I. gauftu^ (1895)
©. 14, 17, 23). 6r Jjreift gauftu^ unb bie übrigen Seiter ber Serinenfer ©remitenfolonie,
er „begönnert bie SJlönd^e" (§aucf); aber obtoobl er fid^ bor i^ren gorberungen beugt,
bleibt er il^nen innerlid^ fremb. 6r fel^nt ftc^ gurüdf nac^ ber ^errlic^Ieit ber Slntife,
35 obne Hoffnung, ba^ ftc je tüieberfel^ren toerbe. ©o lange man jung ift, fott man bic
3eit nu^en unb Älaffif er lefen, el^e ba^g 2llter lommt, ba^ ba mal^nt an^ etoige Seben gu
beulen (ep. VIII, 4, 3). — ^m ©runbe berad^tet er bie niebere 5Wenge, bie meift au^
personae despectabiles befte^t unb fd^Iec^te^ Satein fjjric^t (ep. IV, 7); aber fein e^r=
geiziger ^ätigfeitöbrang öerbunben mit lieben^toürbiger ^ilf^bereitf^^aft leiftet in jener
40 3cit be^ SSerfagenö ber ftaatlid^en unb fommunalen Organe ber il^m unterfteHten SSolfe
gemeinbe toertöolle ^ilfe. 3lU ©eelforger unb ^rebiger toar er (tro^ Greg. Tur.
h. Fr. II, 22) nur ein mittelmäßiger Sifd^of; aber er ftelltc feine 93ilbun^ unb focialc
©eltung in ben Sienft De^ fiirc^enamte^ unb übte baburd^ einen fegen^reic^en (Sinfluß
au^. — erinnert feine Sifd^ofötoal^l an bie be« Stmbroftu«, fo ^atte er bod^ tocber
46 9Jeigung nod^ ^{uße, noc^ Segabung, fic^, toie biefer, bie fel^lenbe t^eologifc^e Silbuna
nachträglich angueignen. ©eine Sibelfenntni^g blieb ebenfo lümmerlic^ toic feine Dogmatil
ffienn er c. XVI v. 42 leiert, in G^riftuö fei ber l^eilige ®eift gleifc^ getoorben, fo ift
baiS fein Slrd^ai^mu^, fonbem einfach 30"'^'^<»"8- *«>" ^^" Äird^enbätem, aud^ ben latei-
nijc^en, gilt ba^felbe, toa^ 3Kommfen (Sieben ©. 137 f.) bon feiner ftenntni« be« §cDcni^-
öomuö fagt: „®riec^ifc^ fonnte er toenigftenö fo Diel, um bie berühmten 5Ramcn aDer
©attungen auf feine r^etorifd^en ©c^nüre gu giel^en, unb für jeben berfelben einen ©emein^
)i>la^ gur öanb gu ^aben (Dgl. ep. II, 9, 4 unb 5; IV, 3, 7; IX, 2, 2). Den bog=
matif(^en ÄontroDerfen feiner 3^^^, motten fie aud^ fjpegiett bic gaDift^c Äirc^e lebboft
erregen unb il^m Don guten ^reunben gerabegu aufgebrängt toerben, ging er gefliffentli^
56 au^ bem fflcge (ep. IV, 2; IV, 3; IX, 3; IV, 9; Äaufm. IV, 32 f.). 3^m fcl^aeba^
Sntercffe ebenfo fe^r, ioie baö Serftänbni^. SBieberl^oIt lourbe er aufgeforbert, ftd^ an
l^iftorifc^e DarftcDungen gu mad^en (ep. IV, 22 bon bem ©taat^gmanne Seo b. Siarbonne,
ep. VIII, 15 t)on bem Öifct^of ^rüf>)er D. Drleanö). ^n ber ric^ti^en ©rlenntni«, baß
feine ^eber bagu nic^t geeignet fei, hat er ba« abgelehnt, ©ein SSerbienft ift^ ben beffem
Zeil bed gaUifc^en älbel« um bie Sofung gefd^art gu ^ben: „Der römifd^e Staat bricht
Sibontttd 9I)ioOitiartö Stebenf^Hfer 309
jufammcn; rettet eure Slobilität in bie Äierarc^ie, betl^ätigt euer Slömertum im Äirc^en^
amt!" ^äik er nur t)on ha bie Srücfe gefunben ju feinem litterarifc^en Seben^ibeal!
SQääre öon bem ©emai^I einer ftaifertod^ter, bem gefeierten ©c^riftfteDer, bem angefel^enen
Sifdfiof, bem ©d^üler eine« 3Ramertu« unb'^reunb eine« gauftu« ade Äraft bafür ein«
gefegt, bie formale Z^d)nxl ber SH^etorenfd^uie mit c^riftli^em Seift m erfüHen, ben s
©eaenfa^ jhjifd^en tüeltlid^er 3Q3iffenf4>aft unb ber Äirc^e aufiu^eben: bann ^äiU x^n nid^t ba«
Oefü^I verfolgt, aß feine SSäerte feien eigentlich lauter ©rabinfd^riften (ep. I, 9, 7 bgl.
Oermain ©. 130). SBa« ^alf e« il^m, bud^ftäblid^ mit öer^ängtem ^ü^A (pernicibus
equis) l^inter ber neueften ©c^rift be« gauftu« j^ergujagen, unb fie fofort nad^fteno?
0ra^)l^ieren ju laffen, tüa« nü^te e«, bafe i^m ber anbere bebeutenbe Sil^eolog ®allien« lo
ein Sud^ toibmete, tpenn er unb bie Seinen verborum, non rerum amatores bleiben
tooHten'f (ögl. Äaufm. IV, 29). 6rft nad) ^a^rje^nten fanb nid^t blofe bie fjorm, fon-
bem auc^ ber ^nl^alt jene« bem ©ib. bebijierten Sud^e« 2lnerfennung unb Serh)ertung
(f. 9b III, 750, 19). 2)a« gefc^al^ burd^ ben SJlann, ber (um bie 3eit ettoa, ba ©ib.
ftarb, in Unteritalien geboren) unter oftgotifc^er §errfc^aft au«fü^rtc, toa« unter n)eft== i5
gotifd^er ber an ßl^aralter unb 3!alent fc^toäc^ere ©ib. fic^ unb ber Äirc^e öerfagt ^atte:
ßaffiobor. 9(nto(b.
©iboiittt«, aWtc^oel f. §elbing 93b. VII ©. 610.
©tebenfdiiafer, bie l^eiligen. — ©ull. ©uperu« (©m)pcr«) in AStVI, p. 375-397.
Photii Biblioth. c. 235 (bei MSG CIV, 99). ©l)m. SKetap^rafte« in M8G CXV, 427—448 20
(ügl. bie lat Bearbeitung bei (Jup. I.e., p. 392 sqq.). SSeftc frit. ^uSgobe bcS uon ®rcgor
üon 2our« feiner iRotij in De gJor. martt. c.94 ju ©runbc gelegten unb aud) al« bcf.
Xraftat bargebotenen lot. Xcjt« ber Passio sanctorum martyrum septem dormientium apud
Ephesum auctore Jo. Syro ift bie tJon S3r. Sfrufcft in f. 9tu«g. be« Tregor u. Xour« : Scrip-
tores rcr. Meroving. I, 2, 847—850; ügl. Anal. BoU. XII, 371—378. 3)er Xejt in AS 26
p. :^5— 387 fu6t auf einer fl)r. ^omilic be« Sacob 0. @arug. ?lnbere fl)r. SSerfionen ber ©agc
bieten Sanb, Anecd. Syr. III, 87 u. $. Jöcbjan in S3b I feiner fl)r. Acta martyrum, 1890
(ogl. bie SSerbeutfrfiung oon 5B. gfl^p: „S^rifd)c üueöen abcnblänbifd)cr erjä^IungSftoffc",
im 9lr(^iü f. b. ©tubium neuerer (5prad)en unb Sittcraturen ©b 93, @. 241 ff.; 94, ©.369 ff.;
95, ©. 1 — 54). SSgl. ferner Sgnacio ®uibi, Testi orientali Bopra i Sette Dormienti di Efeso ao
publ. e tradotti, $Rom 1885 (ane^ ben Elften ber R. Accad. dei Lincei 1884), famt ber 9tn=
Scigc oon X^. 5RöIbefc: ®®5( 1886, ©. 453—459. 3. Äo*, 3)ic ©icbenfcftläfcrlcgenbc, i^r
, Urfprung unb i^re Verbreitung, ficipAig 1883. ^auluS ßaffel, ^armagcbbon: apüfall)pttfd)e
Beobachtungen, ©erlln 1890 (intcreff. SBcrfucft einer 3urücffü()rung ber Segenbc auf eine jübifcfte
Unourjcl in ber Assumptio Mosis; ogl. unten). 3- ßlermont=®anneau, El Kahf et la ca- 35
vemo des Septs Dormants: C. R. des S^ances de TAc. d. Sc. et BL, 4« S^rie, t. 26
(1899), p. 564—576 (ba^u Anal. Boll. 1900, p. 356— 357). SBernoutti, 3)ic ^eiligen ber
^eroüinger (Tübingen 1900), @. 160-169.
©egcn fonfttger ^icrf)cr gehöriger fiittcratur ogl. nocft UI. ß^eoalier, Rupert, s. v. Maximien
d'Eph^e (col. 1547) unb bcfonbcr§ ^ott^aft, Bibl. II, 1568. 40
3lad) ©regor bon Xour« (beffen Slelation in De glor. mart. c. 94, fotoie in bem
au«fü^lic^en Iraltat: Passio ss. martyrum etc. [f. o.J au« einem alten, urfprünglic^
f^rifd^ überlieferten ^^ejt ber Segenbe gefloffen ift) flüchteten ftc^ fteben c^riftlicJ^e S^ng^
linge ju ©pi^efu«, nac^bem fte ijor Äaifer 3)eciu^ i^ren ©lauben ftanb^aft belannt, in
eine $ö^le aufeerl^alb jener ©tabt, beren ©ingang bie Reiben auf be^ Äaifer^ 93efel^l 45
berntauerten. 35ie tro^bem nid^t ettoa (Srfticften ober 33erl^unaerten, fonbem nur (tm
gefc^Iafenen erioac^en a\x^ i^rem nal^eju 200iä^riaen ©^lafe unter Äaifer Xl^eobo-
fiu^II., belennen bor bem §errfc^er unb bor Sifc^of ^Kajimuö i^ren Gl^riftenglauben
auf^ 5ieue unb entfc^Iafen bann, angeftd^t^ ber baö gefd^el^cne SBunber mit Sobbrei^
ber^errlic^enbcn ep^efinifc^cn Gl^riftengemeinbe, abermals bi^ gum 6nbe ber irbifd^en SBelts 50
geit. 2)ie berfc^iebenen Überlieferungen ber Segenbe ergeben mebrerlei Varianten, betreffenb
1. bie 3cittiflw^i^ 3toif4^en bem ßinfd^Iafen unb bem SQSieberertoac^en ber ©ieben (nad)
ber furjerften Slngabe 175, nad^ ber tocitge^enbften 197 3ö^re); 2. baig Äalenbcr-
batum ober bie firc^Iid^e Oebenfjeit be^ SÖunbcr^ (bei ben ©riechen ber 4. 2lug. ober ber
22*. [nac^ bem Menolog. ber 23.] Dftobcr; bei ben Sateinem ber 27. 3uli ober nac^ 66
SRab. 3Jlauru§, ber 27. ^uni); 3. bie ba^ Scfannttocrben be^SSäunberg begleitenben Um =
ftänbe (toobei namentltd^ bie bei ^l^otio^ überlieferte ©agc bom Sifd^of 2^^eoboro^ bon
äegeä, beffen Seugnung be^g c^riftlic^en Sluferftebung^glauben^ burc^ baö 3Biebererh)ad;cn
ber fteben 3w"9J'"9^ toiberlegt toorbcn fei, eine toic^tige SloDe fpielt); 4. bie ^ai}i ber
J^d^Ienfcf^Iäfer (nämlid^ ftatt ©ieben bielme^r Slc^t — nac^ ber burc^ Slffcmani B. O. II, eo
310 Stcftenf^Hfrr @tc»eiisi|I
335 unb burc^ eine f^rifc^e ^anbfd^rift be« 6. ^af)xf), (im Sritifc^en 3Rufcum [CataL
Syr. Mss. 1090J überlieferten SlngaJbe); 5. ben 9iamen be« jum 3^9^ ^^ 28ieber^
ertüedfung getoorbenen e})^efm. Sif^of^ (gctüöl^nlici^ 3Karinug; nac$ be« 5p^otio« 9lela=
tion 3Karo«); cnblid^ 6. bie 9?amen ber fieben ©d&Iäfer felbft. 2)iefe lauten in ber
6 obenblänbif^en Überlieferung : 37tacimianud, 3J2aIc^u^, SRartinionud, ^ion^fuid, S^'^^n^f
©era^ion, Äonftantinu^, bei ben ©ried^en: SWajimUiano«, ejahiftobiano^, SomMic^o^,
SRartimo«, SJion^fio«, Spanne«, Slntonino« (ö^nlid^ in ber ruffifc^en ©eftalt ber Segcnbe,
bie aber bem ©jaluftobian einen SRarceHu^ fubftituiert) ; in ber ätl^iojjifd^en ©age: är^
l^alebe^, 35iomebe^, Sugeniu^, 2)iniatl^eu^, Sronat^eu^, ©tet)l^anu^, ßV^acuö. — 2)ie
10 neueren SSerfud^e jur 3w'^*füJ^nin0 ber Segenbe auf i^ren urfi)rün^Iic^en Äem unb ©inn
bleiben enttoeber ftel^fen a) bei ber 9(nna^me il^red rein-c^riftlt^en Urf))run0^, Sa-
roniu«; Gu^^jer« in AS p. 386, ©tabler im „^eiligenlesilon" IV, 356, ober fie fuj)^
jjonieren b) einen öorc^riftlid^-l^eibnifc^en Urlem ber Büm, beftel^enb tttoa in einem
fortleben t)on Überlieferungen be^ Äabirenbienfte^ Sorberajtenö bi« in bie altd^riftlic^
16 3rit hinein, toelc^e Überlieferungen bann ein l^iftorif^e^ galtum, beftelj^enb im 3:obe einer
ämai^l »erfolgter Soften in einer ßöl^le j^ur 3^ be« 3)eciu«, mit einem m^ti^ifd^en
©qleier umtvoben Ratten (fo Äod^ unb ö^nlic^ ^emouHi, 1. c), ober beftel^enb m einer
Umbilbung be^ ^eDenifd^en ©nb^mion^SK^ti^u^, öerbunben mit Übergetoanbertfcin ber
©age au^ il^rer f^rif4>en §eimat nad^ ber ®egenb bon ®})^efug (fo 6lermont=®anneaU;
20 ber bie im Dorän enthaltene mol^ammebanifd^e (Seftalt ber Segenbe beöorjugt, ba^er bie
tounberbare ©c^lafl^öl^le [im Dorän er-Raqlm] in Dftjjaläftina fut^t unb i|re'3bentität
mit ber ^öl^le el Kahf bei 3lmmön annimmt [bgl. bagegen Anal. Boll. 1. cl) ; ober eg
tüirb c) einer bord^riftlic^sjübifd^en Ur^eftalt ber ©age nad^gefj)ürt; fo öon Gaffel a.a.£,,
ber ben laut Assumpt. Mosis c. 9 mit fteben ©ö^nen l^or ber SSerfolgung bedX);|rannen
26 D fid^ in eine Äöl^le flüd^tenben 2ei)iten %aio [Tie] burd^ fjjätere ©age jum c^riftlid^en
SRärt^rer umgejtaltet unb au« ber QAi be« ^laöifd^en Äaifer [D = 35omitianu« !] in bie
be« 3)eciu§ ober gar be« SJioHetian ^erabgerüdft toerben läfet. ®g fönnte, faß« eine ber-
artige 2lnnal^me burd^ftil^rbar toäre, ettoa bie c^riftlic^e ^J^tcita^fage (ögl. gof. gu^er,
Seitrag jur Söfung ber ^Jelicita^frage, Seijjjig 1890) in i^em SSer^ältni« jur jüb. Über^
30 lieferung öon ben fieben 9JlaIfabäermärt^rem (2 5KaI 7) ate ^Parallele ^erbeigejogcn
toerben; aud^ lie^e fic^ l^ierbei an jene Se^eugung einer äld^tjal^l ber f^lafenben SRört^rcr
burd^ mand^e Orient. Duellen t?ielleid^t ennnem. BScfftr f.
Stebenja^I, l^eilige. — I. ^eilige §e})taben in bor- unb aufecrd^rift^
lid^en ^Religionen, gerbinanb ü. Slnbrian, 3)ie ©iebeni^al^l im ©ciftc^leben ber SSöIfcr:
36 3JlittciIungen ber Slnt^vopol. ©cfea^aft in SSicn, 93b XXXI (1901), ©. 225—274. ©. .v>.
iRofcftcr, 5)le SBebeutung ber ©iebenja^l im ^ultuS unb 3JlQt^u§ ber ©riechen: Philologus
1901, 260—373. 5)erf., 9lrt. ,,«ßlanctcn unb «ßlanctengötter" im ficjifon b. gnecft. u. rbm.
^^t^ologie, III. 3)crf., 3)ie enneabifcftcn unb öebbomabifc^en griftcn unb 3Bo4en ber ältcftcn
®rie*en: 9{@öJ, «b XXI, i«r.4. 5)crf., 35ic ©iebenja^I u. S^cunj^al^l imIhiltuS u. 3R^t^u§
40 ber ©riechen: ebb. SBbXXIV.
gaft allen altoricntalifc^cn 3Sölfern galt, ebenfo toie ben ©ried^en unb Sömem, bie
©ieben al« eine t)orjugöh)eife l^l.3ö'^I- 6^ '^f!^^ f»4> i>öfür un^ä^lige Selege beibringen
(f. bef. bag bei ö. Slnbrian ©efammelte). ©tettt man, junädg^ft ol^ne Slüdffi^t auf ba« au^
fd;laggcbenbe Stlter unb 3lnfel^en ber befragten 3^9^"/ ^^^ flüd^tigeö 3^W0^^^^.ör in
46 ber Seife an, baft man bei ben öftlid^ften Söllern beginnt, fo getoinnt man bereit« bei
ben ß^inefen öerfd^iebene bebeutfamc 93elege für bie X^atfac^e (Sinteilung be« alt^
d^incfif^en 5Weid;« in 7 ^roöinjen ; ßinfargung be« öerftorbenen Äaifer« am 7. Sag nac^
bem iobe unb Scgrabung im 7. SKonat na^l^er ; D^ferbarbringungen ber Äaifer auf
7 Slltärcn für bie 7 §au))tgru>)toen t)on©eiftem; Snt^altenfein i)on 7 Heineren 3;em)>eln
60 in bem großen 3ll^nentem})el be« Äaifer« 2c.; f. Stofc^er, Snneab. u. I^e})t. SWftcn jc, ©.35,
unb t)gl. §. 5Hitter, Slfien I, 199). 3" i>cr religiöfen Überlieferung oer alten 3 «ber
lennt bereit« bie Sligljeba 7 2lbit^a«, 7 ^riefter, 7 Slifc^i« al« mi^tl^ifc^e Sorfa^ren ber
7 grofeen S3ral^minengef4)ted^ter, 7 (Srbteilc, 7 ^inboftanifd^e ©tröme, 7 Serge be« ^ra^
biefc«, aud^ üier 7tägi0c 2ßücf)en al« ^ufammen einen ^Konbmonat bilbenb, 2c. (p. Sohlen,
66 5D. alte3;nbien II, 247; §oj)fin«, Thereligion of India [5Jeh)^2)orI 18951, p.32ff.). Sei
ben Werfern entf^jrad^ jenen 7 inbifd^en Slbit^a« bie gleiche ©iebeitjal^l öonSlmefd^afJjenta«;
aud; fic l^atten 7tägi0c2Bod^en [entlehnt Don ben^nbernl, 7tägige Stiften für t>crfd^iebene
if^rer j^eft|jeiten, aud^ 7iä^rige Jyriften 2c. ; im 3J?itl^ra«fult \p\dtm bie 7 ^Pforten bc« 5D?itl^ra«
eine n)ic^ti9e3lolle((Sumont, Mithra, Introd. p. 114: ijgl. ©Jjiegel, 6ran. aUertumelunbe
Stciienja^I 311
111,668; SRofc^er, ©.33 f.). ^m altgermantfd^cn unb altnorbifc^cn Solf^bcrglaubcn
tüirb überaus ^äufig nad) Ttägigm unb Tjä^rigcn griften gercdg^nct (befonbcr?^ bei Äranf-
leiten unb beim ^Muna^tx^a^xtn) tinb fommen aud^ fonft bebcutfame ©iebenjal^Ien
bielfad^ öor ((Stimm« SBörterbut^ s. v. „©ieben": SJBcinl^oIb, 9133^,1897, ©.40 ff.;
SHofd^cr, ©. 36—41). ^a^xÄd)^ ^eilige §e})taben ^attc bie bruibifc^e Überlieferung bei 5
ben altleltif d^en aSölIem (©lene, Celtic Scotland, 1877, II, 112 f.). ^n ber3)l^t^o::
logie ber alten ©riechen begegnen faft unjäl^tige ©iebenjal^Ien, namentlich in ben auf
ben a^JoDoIultu« bezüglichen ©agen; fo bie 7 ©aiten ber Seier be« §elio«, bie 7 §elioös
fö^ne auf Sl^obo«, bie 7 geheiligten Slinber* unb ©c^af^erben auf Irinafria, bie 7 l^ei^
ligen ©^rüc^e be« betjjj^ifc^en ätooDotemjjete; be^leid^en aud^ in anberen Überlieferungen, 10
g. S. im aW^t^u« bon ben „(Sieben gegen Il^eben", in ber ©age Don ben „©ieben
SBeifen", in ben 7 2llterdftufen be« §lenfd^enleben« nac^ ©olon unb §i))poIrate« 2c.
(SHofd^er 1. c, ©. 41 ff. ; auc^ in f. frül^eren ©c^rift „Wpoüon unb 3Rar«", £t)j. 1874).
Sei ben alten SRömern bilben bie 7 §ügel ber ^eiligen Stoma nid^t bie einzige bebeuts
fame §e^)ta§; allerlei Selege für eine befonbere Sebeutfamleit ber ©icben fteHte bei il^nen is
3K. a:erent. S3arro in f. §ebbomabe« jufammen (21. ©ettiu«, Noct. Att. III, 10; bgl.
aSarro, De ling. lat. I, 255).
SBid^tiger afö biefe 3^W0"'ff« öu« i>c*" altaftatifd^en unb alteurojjäifd^en 3Sölferleben
ber beiben testen gö^ttaufenbe bor ßl^riftu« ift, toa« bie in ein noc^ ^öl^ere« 2llter jurüdE?
reic^enbe Überlieferung ber Sab^lonier (unb 2lff^rer) betreff« ber Äeiliglcit ber 3abl2o
Sieben ergiebt. 3lu« i^r fd^einen ftd^, )n>mn nid^t abfolut ftd^ere 3luffcflüf[e, bod^ manche
mel^r ober Weniger toa^d^einlid^e Slnbeutungen über bie mutma^lid^e gemeinfame Statur*
grunblage, biefer vielerlei l^eiligen §ej}taben be« 2lltertum« gewinnen gu laffen. 6« barf
al« geft^erte« ßrgebni« ber neueren bab^lonifc^en gorfd^ung gelten, oafe nid^t ettoa bie
©iebenjal^l ber Planeten, fonbem bie 7tägige 95auer eine« jeben ber bier 33iertel be« 26
28tägigen SKonbmonat« (ober lürjer: bie ©lebenjal^l ber läge be« 3Wonbbiertel«) al« ein
nic^t untoid^tiger ®rllärung«grunb für ba« ^pi^änomen be« toeiten SSerbreitetfein« l^eiliger
l^ej)tabifd^er griften im toorc^riftlic^en SSölferleben gu betrad^ten ift. 2)ie Sab^lonier l^atten
feit alter 3^tt eine ^ebbomabifc^e aKonat«teilung, fie l^atten aber fo frül^jeitig nod^ nic^t
bie 3lnnal^me einer ©iebemal^l bon ^kneten. 3)ie bi«l^er in ber orientaliftifc^en gorfc^ung 90
öielfad^ beliebt getüefene aJleinung, al« liege ber $eiligl^altung ber ©iebenja^l bie be«
fannte oftronomiBe (rid^tiger: aftrologifc^e) 3:^eorie bon einer 5pianetenl^eipta« (©onne,
ÜKonb, !IWerfur, SSenu«, aJlar«, ^ujjiter, ©atum) urfj)rünglid^ gu ©runbe — eine neuer-
bing« j. 93. nod^ bon Sb. SJle^er (®efd^. b. Altertum« I, 148), 5Rölbecfe (26531 1902,
©. 901), auc^ bon %. tj. Slnbrian (a. a. D. ©. 271) au«gefj)rod[>ene ännal^me — mufe 35
aufgegeben toerben; biefe ^lanetentl^eorie, ba« lünfttid^e ^robuft einer jünaeren aftrono*
mif^en ©t)eIulation (f. bef. ®. ©d^ia))aretti, 35ie Slftronomie im 313:, beutf^ burd^ Sübtfe
[(Sieben 1904, ©. 113 ff.], fotvie ©c^ürer in ber unten [II] angeg. äb^blg.) jc^eint erft
im alejanbrinifd^en 3^itölter «ine 3Serbreitung in Weiteren Äreifen erlangt ju pöben. 3)ie
auf i^r berul^enbe ^Benennung ber 7 SJBoc^entage al« „3:ag ber ©onne, be« 3Wonb«" 2c. 40
fc^eint ben alten Sab^loniem nod^ unbelannt getvefen gu fein, mäl^renb fie bagegen jene
3eitcinteilung nad^ 7tägigen 5Konat«bierteln, toie urlunblic^ erh)iefen ift, fqon frül^e
rannten unb übtm. ^mmerl^in lann auc^ biefe« S^f^'^w^ ^^ l^ebbomabifd^en 3Konat«*
biertel f^tverlic^ al« alleiniger ober urfprüglic^fter @rllärung«grunb für ba« reic^lic^e Sor«
fommen aud^ bon fonftigen bebcutfamen ©iebenja^len in ber bab^lonifc^^aff^rifc^en Äultu«« 45
Überlieferung in Setrad^t fommen. 2)ie 2lu«geid^nung je be« 7., be« 14., be« 21. unb
be« 28. 3Ronat«tag« al« fd^limmer Xage, too manche 3)inge nic^t i)errid^tet tverben
burften, f^eint bo^ bei toeitem nic^t fo tief in bie 2eben«anfc^auung unb ^jjraji« ber
Sab^lonier eingegriffen gu l^aben al« ba« mit il^r ijarattele unb bertoanbte ©abbatl[^«s
inftitut in bie ber ^nhm (3immem, in S>SX.\ 592 ff.). 6« muffen noc^ tveiter rüdf-eo
toärt« gelegene unb bebeutung«Dotterc SÄomente ber älteften religiöfen unb fulturellen
gnttoidfelung be« 6uj)l^ratool!« geioejen fein, bon tvelc^cn bie beträc^tlid^e 3^^' w"i>
aWannigfaltigfeit ber teil« guten teil« üblen ©eptenare in feinen Xrabitionen — bctreffenb
j. S. bie 7 ^öttentore im 3K^tf^u« bon ber ^^iax, bie 7 böfen ©eifter, bie öfteren 3"=^
fammcnfteHungen üon 7 ©ötterbilbem, 7 2lltären, 7 Släuc^erbedfen, 7 ©egalen, 7 jjadfetn Jc, 66
au<^ mancherlei 3lnorbnungen unb Sinrid^tungen in ber religiöfen Äunft — fid^ ^er-
f^rcibt (bgl. Senfen, Äo«mol. ber 93abt;lonier 171 ff.; 3'"^"^«^/ Seiträge jur Äenntni«
ber babbl. Sleligion I, 23 ff.; .Slojd^er, ßuneabifd^e u. ^ebbom. Triften; ©. 30 f.). ©n
^o^e« Sllter ift bielen biefer Überlieferungen auf jeben %aü jujufc^reibcn. Unb h)ie bie
unten be« 5Jä^eren ju betrac^tenben {^ebräifc^^jübifd^cn §ej)taben auf eine UrberlDanbt? eo
312 Siebctisa^I
fd^aft bcr 3Sort)äter S^racfö mit bcr BaB^Iontfci^en ^Rationalität unb Äultur bcutlid^ ge*
nug l^intocifcn, fo toirb ein entfjjrcd^enber Urjufammcnl^ang mit SSabcl (nic^t grabe nots
tüenbig ein 3*"^5ort an^ Sabel) für bie auc^ fonft in öorberafiatifc^en unb norboftafrifa?
nifd^en Sleligionen I^ie unb ba toal^mel^mbaren l^ei)tabifc^en ^l^änomene al^ ßrflärung^runb
5 anjunebmen fein. So für ha^, \oa^ Sucian De Syra Dea (c. 7 u. 20) über 7tägige
^nften imJlultu^ unba)J^t^u§ ber ^J^öniüer berichtet; be^gleic^en, toa« bie3ig^j3tcr
angelet, für i^re ©iebenjal^I bon Äaften (nac^ $erobot II, 164), and) too^I für bie 2lc^t=
ial)l, b. b. bie erweiterte Siebenjal^I i^rer älteften ®öttergru|3t)e (nad) §er. II, 145)
unb für mand^e« ä^nlic^e. 3^^^//^^'^^" ^pianetengötter" freilid^ Derbaniten fte iüo^I
10 erft fjjätercr Überlieferung, Vermittelt burd^ „d^albäifc^e" äftrologic (ögl. 35iob. ©ic.
II, 30); aber für baö ^ol^e älter fonftiger ^ejptabifd^er ^irabitionen bei il^nen ^eugen
ba« SCotenbud^ u. a. Wichtige Quellen; ögl. ©ber«, Sleg^jjten unb bie 93b. 3Jlofe, 1868,
5. 339 f.
IL 2)ie Sieben jal^I in ber biblifd^en Überlieferung 3llten unbSlcuen
löXeftament«. S3al. b. ^Trt. „Numbers" tjon S- (g-^önig in ^ftingö u. @elbin, Dict. of
the Bible III, 562. 565; au* »arton in e^epne unb »lad Encycl. III, 3436. ferner
9t. Samuel, Seven, the sacred Number; its use in Scripture and its application to biblical
criticism, fionbon 1887 (unioiffcnfdjaftlid) xmb pl^antaftlfd) — f. u.). Segen bcr altteftam.
eabbat^gefe^gebung inäbcf. f. b. 91. „©abbatV t)on ü. Drelli ob XVII ©.283. S^gl. im übrigen,
20 Jütt« ba« 912: betrifft, (g. @d)raber, 3). Äcillnf^riftcn u. ba« "äZ, 3. 9tufl., bcarb. tJ. 3immcm
unb ^Biucflcr, 1883; ®unfel, ©*öpfung unb S^ao« k. (1895), ©.294 ff.; gercmia«, 3)a§
912 im filmte bc« alten Orient«, 1904 ff. ©.86 (nebft ber ^ritif Drefliö im %f)2^{ 1904,
©.482 ff.).
[2Begcn bcr ©icbcnja^l in bcr nacftbiblifdj'jüb. fiittcratur f. bcf. au* 3R. Srieblftnbcr,
26eJcfd). b. iüb. 9(t)oIogetir, Süri* 1903, ©.30, ©.364 ff., fomie bie unten (iRr. III) im Zeit
angcg. 9lrbeiten tjon SSünf*c, ©trorf k.].
S-crner, toa« ba^ 9^2: betrifft: ^übef, Komment. 5. ^Ipofal^pfe (in ©trad u. 3ödf(. S^uxy^
gcf. Komment.), 2. ^lufl., ©. 179 f. 6JunfcI, 8nm rcligiouSacfd). SScrftänbni« bc« 9^5:« 1903;
i. Ä. ©l^c^ne, Bible Problems and the new material for their Solution, ßonb. 1904, p. 57 ff.
30 — fomie gegenüber man*cr bcr ©jtratjaganjcn in ben 9(nna]^mcn bcr bcibcn Icfetcren : 91. 3c=
rcmio«, 93abi)Ionifd)e« im 9?2:, ficipäig 1905. genier (i. ©*ürcr, 3)ic 7tfigige feo*c im ®c^
brou*c ber diriftl. tir*c bcr crften Sa^r^unberte : S^m 1905, ^.I, 1—66 (toofclbft nod)
. reid)Ii*crc fiitteraturangaben, betr. foioo^l bie jübif*c 2öo*e, wie bie S3crbrcitung bcr
^Ianctcmoo*c im SRömerrei* foioie bie ©tellung bcr Äir*c ju bcrfclbcn).
35 3)a^ ba« Äultu«h)efen unb ba« gefamtc religiöfe Äulturleben be« altteftament=
li^en ®otte«t)oII« eine güDe Don Sejie|ungen auf bie Sieben al« ^eilige 3^^^ barbot,
jeigen
1. ja^Ireic^e Seftimmungen be« mofaifc^en ©efefee«. 2)iefelben betreffen a) ba«
®ebiet ber §eortoIogie, \üo öor allem ba« ®ebot ber Sabbat^feier (ßj20, 9— 11;
40 35t 5, 12) af« prin^ijjieH bebeutfame ©runbforberung l^erijortritt, baju al« Weitere ^ep^
tabifc^e griften: bie 7 2;age be« ^affal^ unb be« Saub^üttenfcft« ; bie 7tägige 35auer ber
^riefteriüeil^e ; bie 3tu«jeic^nung be« 7. 3)Jonat« Durc^ geier nid^t nur ber Saubrüft,
fonbem aud^ be« 33erfö9nung«tag« unb be« ^ofaunenfeft«; ferner ba« Sabbat^a^r nac^
7 Sauren unb ba« ^aüjal^r na^ 7X7 S^^ren; — b) ba« Heiligtum, beffen 2)la^=
45 öer^ältniffe üerfc^icbene« §et)tabifc^e ^erbortreten laffen (7X8 Säulen im SSorl^of bcr
Stift«l^ütte, 7 airme be« ^I. fieud^ter«, 7 §anbbreiten al«9)lafe ber ^l. SDe, md) gj 40,5;
43, 13 K.); — c) ba« ®eric$t«Derfal^ren, foUjobl beim Sc^toören (toobei 7 al«
Sc^lDurjal^I bie üoHgiltige Sejeugung einer Sad^c au«brücft [^^'^r fd^toören = „ftd^ bc^
ftebencn, ®cn21, 24; St 4, 31 2c.), tote bei ben auf ©enugt^uung unb SSergeltung ab-
50 i^toedfenben §anblungen (j. S. £e 26, 18 ff.; ©t 28, 7 ff.; bgl. ®en 4, 24; ©j 7, 25; epx
6, 3 1 ) ; — d) ba« 91 e i n i g u n g « t) e r f a ^ r e n in Derfd^icbenen auf Äranll^eit, ® eburt
unb Sterben bezüglichen gällen (bef. 7malige Slbtoafc^ung be« 3tu«fä§igen [Sc 14,51;
2 Äg 10, 11], 7tägige 3)auer ber 3^^»^ gtoif^en ®eburt unb 93efd;neibung be« Äinbe«;
7tägigc ^riftcn in fällen bon üKenftruation, Samenflufe, Serü^rung eine« loten; 7tägigc
55 Sraucr^eit 2c.); — e) bie 3l!te ber Sunbfd^liefeung unb 3?erföl^nung im Cjjfcr^
ritual (7maligc« Sjjrcngcn be« D))ferblut« bei Sünboijfern nac^ £e 4, 6. 17; 16, 14 ff.;
SiebenAal^I ber j^u opfernbcn ^arren, SÜibbcr unb Sd^afe bei feierlid^en Slnläffen, tt)ie
t. äl m 23, 2; §i 12, 18; 2 (S^r 15, 11; 17, 11 ; 29, 21; Siebenga^l ber Cj)fergegen=
ftänbc übcrl^auj)t/ nämlid; viererlei 2:iere I^Hinbcr, Sd^afe, 3^egen, 3iauben] unb brcierlei
60 ^flanjenprobufte [®etreibc, Öl, SBein], k.). — ferner tritt bie Sieben al« gel^eiligte,
iebenfall« al« bebeutfame ^ai}l f;ert)or:
etebenja^I 313
2. in mand^crlct f))ric^n)ö rtUd^en 3lu«bru(f^tüeifcn bc« alltäglichen Sc6cng;
a. ». 3cf 4, 11; 11, 15; 30, 26; 3cr 15, 9; m 5, 4; @px 6, IG; 9, 1; 26, 16. 25;
^f 12, 7; 119, 164: §i 5, 19; Sir 7, 3; 20, 12. M; 37, 18 u. f. f. 3)c^leic^cn
3. in ber f)l ©cfd^id^t^übcrliefcrung, tocld^c balb ©iebenl^eitcn ^ufammcn«
gcl^örigcr ^ßerfonen ober Sachen, balb f onftigc §ci)tabcn ^erborl^ebt. ©o 7 ©ö^nc 3at)l^ctg 6
(®en 10, 2), ©ante (2 ©a 21, 9), 3ofai)bat!g (2 6^r 21,2), ^\oU ($i 1, 2), ber frommen
SJkllabäermutter (2 3WaI 7) ; fo in ber ©efd^i^te ber ©rjbäter ba« 7iäl^ri9e 3)ienen
^alobig um bie 3:öcl^ter Saban« (®en 29), ba« 7malige ©ic^öerneigen ^alob^ t>ox @fau
(®en 33,4); bie 7 fetten unb 7 mageren ^al^re in ber (Sefd^ic^te 3ofej)l^« (®en41), in
fpäterer Reit bie 7 S^^te Neuerung, tüomit 3)aDib bebrol(>t tvirb (2 ©a 24, 13), bie lo
7iäl^rige ®auer bon ©alomo^ 2:em})elbau (1 Äg 6, 38), u. f. h). — Slud^ bie berjel^n«
fachte ©iebenjal^l fpielt eine tvid^tige SloIIe auf nic^t tvenigen ^Sunlten ber altteft. ©e*
fc^ic^te; f. ®en 46, 27 (ba« $au^ ^alob« gä^lt 70 ©celen); Sj 15, 27 (bie ^almbäume
gu eiim), ^n 11, 24 (70 ältefte), SRi 9, 2 ff. (70 ©ö^ne ^crubbaal^g) 2C. unb bgl. bie
„70 Sal^e" in 5Pf 90, 10; 3ef 23, 15; ger 25, 11 2C. — auc^ jene anbere ©teigerung is
ber ©iebengaf^I in Samed^^ ©c^Iac^tgefang (,,77 mal"): ®en 4, 24.
5lici^t toenige biefer Strten i)on§e^taben begegnen auc^ im 9!euen Xeftament. ©o
in gefc^id^tlic^en angaben ber Sbangelien unb ber Stpoftelgefd^ici^te, betreffenb teite @xvcppm
^ufammengel^öriger $erfonen (fo bie 7 jünger S^fw in ^o 21, 2; bie 7 X ^0 jünger in
Sc 10, 1; bie 7 Srüber unb beren SBeiber in ber berf anglichen ^age ber ©abbujäer: 20
mt 12, 20 unb $ar.; bie 7 2)iaIonen in Serufalem 31® 6, 5; bie 7 ©feuaöfö^ne 21®
19, 14), teite 7tägige 3eiten (3Kt 17, If.; 21® 20, 6; 21, 4. 27; 28, 14). gerner in
fprid^toörtlic^en Slebetveifen, tvie 3Kt 18, 31 ff. (too in^befonbere bie ©teigerung : 70 X 7 mal
,^u b^ad)im ift), 5Kt 19, 29 nad^ ber 2:eEtüberlieferung be^ cod. D (ber l^ier ftatt nol-
Xcmlaolova btianXaoiova bietet; bgl. 5Reftle, Philologia sacra 1896, p. 21); 59it26
12, 45 (nebftber Baratt. Seil, 26); auc^ Sc 8, 2 (3Kar. SWagbalena, bontvelc^er 7 SCeufel
au^gefal^ren toaren). — SSon befonberer 93ebeutung ftnb bieJJäDc bon 2tneinanberreil^ung
t)on fieben jjufammenge^örigen 3)ingen ober ^erfonen, bie jloar nic^t au^brüdflic^ ate
©ieben bejeic^net tverben, aber jtoeifello^ eine bebeutfame ©iebenjal^l barfteüen fotten.
©olc^er latenten §e})taben ioeijt auc^ fd^on ba« 212 einige auf. S)ie hjid^tigfte ift bie 90
7fad^e Sejeid^nung be« ®eifteö ®otte^ in 3ef 11, 2 (bgl. unten); neben i^r berbienen bie
7 Sitten in ©alomoö SCemtoetoei^gebet (lÄg8, 29— 53; 1 6^r.6, 21— 40) unb bie
7 Su|))falmen im ^jalter l^erüorge^oben ju tperben. 3Ser^äItniömä|ig i)iel xal^lreic^er
finb bie latenten ©iebenjal^len im 515E. ^l^rer laffen fic^ namentliti^ im SWatt^äu^et^ans
gelium mehrere nad^tveifen. 35ie 7 SSatenmferbitten ber 3Watt^äu§relation ber Sergjjrebigt 35
(fi. 6, 9—13), bie 7 ®Ieid^niffe in K. 13 unb bie 7 SBe^e in ber großen 9lebe toiber
bie ^l^arifäer Ä. 23 ftnb bie offenfunbigftenj betreff!^ einiger anberen bebarf e^ einiger
^reffung be« %te« ober (gintragung, bamit bie ©iebenjal^I j^erau^^lomme (fo bei ben
äRaiari^men in Ä. 5, 3 ff., beren e^ eigentlid^ 8 ober 9 fmb; bei ben bem reid^en Jüngling
vorgehaltenen ®eboten in Ä. 19, 18, beren nur 6 ftnb; bei ber 2lufgäl^lung ber Siebe«- 40
toerfe in ber SRebe be« SBeltrid^ter« an bie ®uten unb bie ®ottlofen, Ä. 25, 31 ff.; bei
ben legten Sorten beö ®efi:eujigten, bie nur bei If^armoniftifd^er Senu^ung aller ©bangeliens
tejte 5ur ©iebengal^l ergänjt hjerben fönnen). aSid^tige latente §e})taben ber ajjoftolifc^en
Sriefe ftnb : im SRömerbrtef bie fiebenerlei 3:rübfale im Ä. 8, 35 (Dgl. §i 5, 16) unb bie
7 G^ariömen in Ä. 12,6—8; bei $^afobug bie 7 ßigenfd^aften ber f^immlifc^en SBei«- 45
f^cit: 9ia3, 17; bei betrug bie 7 au« bem ®lauben ^erborge^enben 2:ugenben: 2 5pt
1,5—8. — aSor c&zn reid; an ©iebcn^eiten ift bie 2l))o!aI^j)fe. ©tarier bertreten
al« bie nur ftittfd^toeigenb angebcuteten §e})taben (toie 5, 12; 6, 15; 7, 12; 19, 18;
21, 8), ftnb in \i}X bie au^brüdflid^ naml^aft gemad^ten, in beren Slei^enfolge ber ftufen«
mäßige 2tufbau ber fc^riftftellerifd^en ßonH)ofition be« Sud^e« fic^ bargeftettt: bie 7®es«)
mcinben (2 u. 3), 7 ©icgel (5, 1 ff.), 7 ^ofaunen (8, 2 ff.), 7 SJonner (10, 3 f.), 7 (Sngel
(15, Iff.), 7 ^omfd^alen (16, Iff.). 2luc^ h)o eine ric^tenbe, fd^redfenöerbreitenbe ober
jerftörenbe SQäirfung m^ bem ©ingreifen biefer lonftitutiD bebeutfamen ipejjtaben ^erbor^
ge^t, öerbicibt benfelben immer bte Sebeutung ijon guten, in ®ott originierenben ^0=
tenjen. ^):}mn fteben fd^Iimmc, toiberc^riftlid^e, bem Stcic^ be« Söfen bienenbe §c})taben bö
gegenüber, bie itöjjfe, §ömer unb 3)iabeme bc« Xiere« (ß. 12, 3; 13, 1; 17, 7 ff.), auf
beren ©eficgung unb ^Sernic^tung ber aj>ofaIt;})tifc^e ^ro^efe fd^Iiefelid^ abhielt. i)a« ge=
mcinfame Urbilb unb bie allbel^crrfd[;enbe ®runbfraft jener guten l^et)tabifc^cn ^otcn^en
ift ber 7fältige ®otte«geift, bejeid^net balb al« bie „7 ®eifter, bie ba finb t)or ®otte«
©tu^I" (1, 4), balb al« bie „7 ©elfter ®ottcö" lur^tveg (3, 1 ; 4, 5), balb al« bie m
314 &tituiüffl
„1 (Seiftet ®otte«, au^cfcnbct in atte Sanbe" (.5, 6). 3)icfc göttliche ©ciftcr^to^ ift,
fo getvife ate fie in 1, 4 mit (Sott bem S3atcr unb mit 3cfu ß^rifto (bcm „treuen 3^9^"
unb (Srftgeborenen öon ben 2loten" 2C.) ju einer trinitorifd^en (Sinl^eit jufammengeft^Ioffen
erfc^eint, nid^t ettoa d^ eine @(^ar t)on 7 bienenben (Sngeln ^eba^t, fonbem ald obfo^:
6 lute Jjneumatifc^e (Sinl^eit, öon bcr eine 7foItig toirlenbe ©eifle^oft airöfhal^It. 95ct
©c^Iüffel jur richtigen 3)eutung ber bna nvevfwxa rov &eov liegt toeber in ben
„7 Sternen" ft. 1, 16 (toelc^e öielme^r laut 1, 20 unb 2, 1 Bilblic^e »ejeic^nung ber
„®ngel" ober $irten ber 7 Ileinafiatifd^en ©emeinben ftnb), nod^ in ben 7 ^Ianeten=
göttem ber bcw^Ionifd^en Jto^mologie (toie bie mobeme 9a6bIoniften[d^uIe annimmt),
10 fonbem in ber für ben neuteft. a^)ofaI^j)tifer mafegebenben ^ro})^etenfteDe gef 11, 2,
toelc^e ben auf ben 3Weffta§ fid^ ^erabfenlenben ©ottelgeift 7fältig — mit bem 3?amen
„®eift bc« §erm, (Seift ber ffiei^g^eit unb ber (ginful^t, (Seift be« 9lat« unb bcr ©torfe,
®eift ber (Srienntnie unb ber gurd^t beö §erm" — bejeid^net 35em Sl^olal^^tifer ift,
gemä^ bem loa« fd^on jener bomel^mfte ber altteft. ^Projjj^eten anbeutete, bie ©iebenja^I
i6©ianatur be« göttlid^en (Seifte«. (£r bejeid^net ®ott felbft, fofem berfelbe im
®eifte ftd^ gefd^ic^tlic^ unb gerid^tlid^ offenbart, al« eine ©ieben^eit öon ®eiftem, o^ne
bamit bie göttli^e (Sin^eit !prei«)ugeben. Sag bob^lonifd^e ober ög^))tif^e ober fonftige
orientalifd^e ^lonetengott^eiten ibm )um 3Rotio für jene ^ejeicpnung gebient ^en
fottten, ift unbenibar. 2)ie Sntfc^ieben^eit, toomit er in feinen Sc^Iufel^iteln (Ä. 16 ff.)
20 aDe« bab^lonifd^sj^eibnifc^e SBefen über^u))t ate SSerlörjjerung be« SBiberc^riftentum« unb
be« fatamfc^ Söfen öerurteUt, verbietet jcbe berartige 2(nna^me.
@« ift ixb^^aupt unjuläffig, bie« $l^änomen ber religio« bebeutfamen ©iebenl^eiten
ber 1^1. ©d^rift einfeitig Io«mif(^5naturaliftifd^, ju beuten, b. \), bie ^et)tabifc^en ®ebilbe alt^
^eibnifc^er Äo«moIogie unb üK^tl^oIogie al« a 11 e i n i g e ertlärenbe Urfad^e für fie ju bcrtoerten.
26 3n nebenfät^lid^erSBeife mag immerl^in au« bem©c^a^ ber93orfteDungen unb2^rabitionen
ber ^eibnifd(>en 9Jad^barijöHer 2llti«rael« auf bie SJenl* unb ©pretptoeife be« le^teren
unb toeiterl^in aud^ auf bie ber Urd^riftenl^eit manche (Sintoirlung ergangen fein. Sn«-
befonbere für bie 95erftnnbilblid^una il^rer religiöfen Segriffe unb ?Kotibe mag bon ben
$roj)l^eten unb ^Pfalmiften be« 3uten S3unbe« einige« — unb fo aud^ biefe ober jene
ao l^ej)tabifc^e ^ormel unb $rafe ~ öon bal^er entnommen, unb bann auc^ in« 913) über^
geaangen fem (fo bag bem, tüa« 21. 3«^"iiö^ Lf/33abvIonifc^e« im 9KE" a. a. O.] Dom
„Ssermitteltfein auc^ ber tieferen ®ebanlen ber neuteft. Offenbarung burc^ bie 2)arfteIIung
ber ben 3Kenf(^en belannten SQBelt" fagt, eine getoiffe SEBal^r^eit jujugefte^en ift). 9lbcr
me^r al« im Seeinflugtfein ^infic^tlid^ il^rer S)arfteIIung«5 unb Se^r formen fann bei
86 ben biblifc^en ©d^riftftettem überl^au))t nic^t angenommen Serben. 2)ie 3lnna^me, bafe
toefentlid^e Qtixit and) Dom S^^^It ber biblifd^en Offenbarung au« ber 2lftralm^t^o=
logie be« orientalifc^en Slltertum« ftammten, fül^rt m ungel^euerhd^en §^i)otl^efen unb ift
mit bem Seifte be«, ade« berartige toie ©eftirntult unb Vergötterung ber (Elemente
entfc^ieben jurücfftogenben biblifc^en 3Konot^ei«mu« fc^led^t^in unvereinbar. 6« muft
40 be«l^alb auc|> für bie I^atfad^e, bag ber ©ieben al« ber ©ignatur be« ®otte«geifte« eine
befonbere ^eiliglcit in ber biblifc^en Überlieferung julam, eine tieferliegenbe Urfad^e al«
bie be« ßntle^ntfein« au« c^albäifd^er 2lftrologie ftatuiert toerben; flad^e Deutungen, toic
j. 33. bie t)on ^l. ^ofe^i^u« De B. Jud. V, 5, 5 in Segug auf ben 7armigen Seuc^ter
öerfuc^te (ivicpaivov ol /Jikv ijrcä i.vyvoL xovg nlavrjrag, ol dk im z^ff TQOTtiCrjg ägroi
46 ÖMexa xov Ccodiaxov xvxXov ml) fmb al« müßige $^antaftej)robufte o^ne gefd^^tc^t^
lid^e Unterlage abjulcl^nen. (5« mug jugeftanben tücrben, bag in einer ©teile h)ie 3ef
11,2 ein^intvei« auf eine religiöfe Urtrabition vorliegt, bie einft gemeinfamer Scft^
ber beiben femitifc^en Sruberftämme \oax unb beren monotl^eiftifc^e ®runbgebanfen bei
bem tvefttoärt« au«geh)anberten ©tammc treuer unb reiner behja^rt blieben al« bei bem
50 frü^jeitig im ©ö^enbienft berfunlenen (5u>)|^ratvolIc. 2)iefelben trübenben unb entfteHen-
ben (Sinflüffe be« ^ol^tl^et«mu«, h)cld^e beim 3Sergleid^ ber feilfd^riftlic^ überlieferten oft^
femitifc^en Seric^te über bie 3Beltfc^ö))fung, bie ©intflut, bie SSölIertrennung 2C. mit bcn^
jenigen ber Hebräer ftd^ bemerflid^ mad^cn (Vgl. bie 2lrtifel „$ol^t^ei«mu«" (Sb XV,
545 ff.) unb „©d^ö»)fun0" (33b XVII, 681 ff.), treten in ber bab^lonifd^en Slelation über
66 ben religiöfen Sinn unb Schalt ber ©icbenjal^l ya 3:agc. äftralm^t^ologifd^er unb
i^ol^bämoniftifd^er 3lbcrglaube i)aX bie fd^lic^tere unb reinere Sebeutung, toelc^e biefer
tnnbilblic^cn ^^Jotenj urf^jrünglid^ eignete unb tveld^c in ben bebr. Urfunben (Vor allen in
®en 1; @e 20; St 5 u. 3<^f H) "^^ Mar erpc^tlic^ ift, Verbrängt unb me^r ober toeniger
bi« gur Unfenntlic^feit entfteHt.
60 III. 3)ie ©iebenja^l in bcr religion«))^ilofoj)l^ifc^en, bogmatifc^^
Siebenjafpl 315
ct^ifd^cn unb litutgijd^cn Überlieferung ber Äird^e. g.^iper, Xie^immelö^
leitet: &. Sa^rb. »b VII (1856), 6. 67—75. 3)uvfci), ©t^mbolif b. c^r. S^elig. (1858f.), II,
536. Gniel, ®cf(^. ber ^rebigt Im 9KittclaItcr, passim, bef. @. 522 ff. fiinfenma^er, ®ejc^.
ber $rebigt in 3)eutJ4Ianb big (S. be^ 14. So^r^., 1886. e. Äicfctoctter, ®ef4. b. neueren
OccuItiSmuS, 5BbII (1891), @. 16 ff. 59 ff. ©cf^idP, 3)ie ^iftor. SSorauSfe^ungcn ber @onntog8= 6
feier: "öltS V (1894), bef. @. 748—760. 3of. 6auer, ©^mbolif b. SHrt^engebftubeö unb
feiner 5luöftattung 2C., greiburg 1902, 6. 61—78. Sörfler, 3)ie Sugenble^re beS ©^riften^
tumS, gef4ic^t(i4 bargefteüt mit bef. 9f}ücfft(t}t auf bie S^^^^nftimbolit i^rer iSel^rformen,
®üter«Io^ 1904, bef. 6. 99 ff. 243 ff.
3ur neueften tl^cofop^ift^en fiitterotur über bie ©iebenja^l ügl. aujcr Samuel, Seven etc. lo
(oben II) aud^ bie om ©djiuffc b. ^rtifelö önge^. Schriften öon SDlartcnfen, S3ettcj 2C.
©djon bie Äirdbcnöätcr ^aben um Deutung unb ft)elu(atit)e SSertoertung ber
©iebenjol^I ftd^ öielfad^ bemüht, ©ie fonnten babei anfni4)fen an iübifd^sj^etteniftifd^e
unb neiH)Iatonif(i^e 3^rabittonen au^ jum Seil fd^on öord^riftlid^er ß^t, j. 93. Slrtftobul
(bei ®ufeb. Praep. ev. XIII, 12 — ögl. ^eblänber, ©efd^id^te ber jüb. ä[))oIogetiI k., iö
©. 30), 5P^ilo (ber u. a. t)om 7tägigen S^xlxx^ ber Sßod^e fagt: berfelbe fei ndvdrj/Liog
xal xov xdofiov yeviaiog [De opiif. mundi c. 27], unb ben Sogo^ aU ©runblage ber
geiftigen SQBelt mit ber ©iebenja^l öergleid^t [Leg. alleg. I, 8] u. f. f.), SKacrobiu« (Comm.
in Somn. Sdp. c. 6: Tot virtutibus insignis septenarius iure plenus ha-
betur et dicitur), 3Jtartianu^ ^cC^tüa (De nupt. Philol. et Mercur. 11^ 108: quiao
numerus [sc. Septem] rationis superae perfectio est etc.). Sie ®intt)trlung biefer
unb ä^nlid^er S)eutungen, befonber« ber 3luffaffung be^ Btptmox^ ate be^ ©innbUb«
ber SoMommenl^eit unb ber 2öeItt)oHenbung, tritt an gal^Irei(|en ©teffen ber jjatriftifd^en
Sitteratur ju 2:age. SSiele bleiben toefentlid^ fte^en bei biefer Sluffaffung; fo 3lmbroftu3
(De Noa c. 12: septenarius numerus plenus etc.), ^[uguftin (De cons. evang. 36
2| '^f 3)9 ^ieron^mu^ (Comm. in Ezech. 12, 41: Aeternam requiem, quae in
septenario numero demonstratur), ®regor b. @r. (Moral. I, 1, 18: Quid in
septenario numero nisi summa perfectionis accipitur?), aud^ Sl^foftomud, beffen
Slu^brudt TiX^&og ädiögiarov (Adv. Judaeos, VIII) nicpt ettoa ba8 Unbeftimmte,
fonbem ba« unenblid^e, SlHumfaffenbe ber ©iebenjal^l bejeid^nen foH. 2lnbere ©teilen so
befunben ein ©treben nad^ Vertiefung unb mel^ ober Weniger lünftlid^e 2lu^beutung
be^ ©inne«; fo 6^))rian De exhort. mart. adFortunat. c. 11 (Septenarius iste ...
ternarius creatorem propter trinitatem enuntiet, et quaternarius creaturam
propter quattuor elementa); äl^nlid^ äluguftin De div. quaest. 81 unb De civ.
Dei XI, 31 (an toeld^er le^teren ©teile in bie ©iebcn al8 2BeItfd^ö))fun5«f^mboI fotool^l 85
bie göttlid^e SBoIIIommenl^eit toie bie UnöoHIommen^eit ber Äreatur ^ineingebeutet toirb:
Ibi requies Dei, qua requiescitur in Deo; in toto quippe, i. e. in plena per-
fectione, requies; in parte autem labor, etc.). 9tic^t feiten toirb, nad^ bem SJor«
^ng 9S^iIo^ (De opif. mundi c. 40; Quod det. pot. ins. 46, etc.), ber menfc^ilid^e
iholo^mo^ nad^ l^ejjtabifd^em ©d^ema anal^ftert ; fo bei ämbroftug (De Ab. et Cain 40
IIp 10: octavus est homo; habet rationabile; quo praestet ceteris, habet et
quinque sensus corporis, habet etiam vocem, habet et generandi gratiam)
unb in ettoa« anberer 3lu«fü^rung bei ®regor b. ®r. Mor. XXX, 16 (Homo, qui ex
anima constat et corpore, in Septem qualitatibus continetur; nam tribus spi-
ritaliter et quattuor corporaliter viget). 45
®ie Iird^Iid^=bogmatif^e unb set^tf(|e Sitteratur be« 3WittcIaIterd fä^rt fort, ju*
näd^ft mit äl^nlid^en 2lu«fül^rungen tote bie ^ier angegebenen; fo ^\ü>ox ^iip. De diff.
rer. et verbor. 1. II, 3isq. unb Lib. numeror. c. 8. 9; and) Sent. 1. II, 35sq.;
$rabanu« üJlauru^ De univ. XVIII, 3; bie $feubo-3WeIitonifd(>e Clavis (bei ^ßitra,
Spicil. Solesm. III, 282 ss.), folüie bie fl)ätercn 6ncv!Iol)äbifer toie ^onoriu^ äugufto* 60
bun., Selet^, ©icarbu^, Duranbu^ (ögl. ©aur a. a. D.). ©tc fügt aber j^u ben Jjatriftifd^
überlieferten l^et)tabtfd^en Äonftruftionen noc^ vielerlei neue ^ingu, inbem fte befonber^ au«
bem ®ebiet jener latenten ©tebemal^Ien bc« 21 unb 31%^ folgte au« ben §ej)taben ber
2l})oIaIVJ)fe 5DJotit)e für bie betrcffcnben 9JeubtIbunaen entnimmt. ©0 lüirb benn ber
trabitioneHe §eptabent)orrat um mehrere toid^tige mmmem aHmä^Iid^ öerme^rt. 9lod^ 65
bi« in bie jjatriftifc^e $eriobe reicht bie 93ilbung«gefd^id^te be« ©el)tenar« ber Safter ober
^au))tfünben jurüd, für beffen abfc^Iie^cnbe 2lu«geftaltung namentlid^ ©regor b. ®r. unb
Sfibor t^ätig lüaren (f. 3ödler, 3)a« Sc^rftüd t)on b. 7 $au))tfünben, 1893, fotoie: 2).
d^r. 3:ugenble^re k., ©. 109 ff.), ©cit bem 11. ^Q^i^^unbert reil^en ftc^ nad^ unb nac^i
an : bie 7 $auj)ttugenben (in ftrenger fd^ematifd^er gijicrung erft bei $ugo t)on ©t. SJictor so
unb $etr. Sombarbu«, f. 3i)dler ®. 148 ff.), bie 7 ®eifte«gaben (nac^ 3ef 11,2), bie
316 eiebenja^l
7 ©efigfcttcn (anftatt bcr 8 \n 3Sli 5, 3 ff.), bic 7 2BorU ß^rtfti am Äreu3, f oiote bie
7 ©alramcnte — biefc le^tercn ate am ttcfflcn in bic gcfamlc lird^Hd^c 2!^coric unb
$raji^ cingrcifcnbc ^cjitabtfc^c Silbung. Slllerlci öon mcl^r nur fclunbärem 93clang gebt
ncbcnl^cr; fo in ber mariologifd^cn ^ßrebigt« unb ^bmnenlitteratur bic 7 ^rcubcn unb bic
6 7 ©c^mcrjcn SRariä ; in bcr Sittcratur bcr Sctcptfpicgcl unb moralif^cn erbauungö-
fd^riftcn, bic 7 93arml^crjiglcil^h)crlc Iciblid^cr 3lrt (nad^ 3Kt 25, 31 ff.) famt 7 gcifllic^cn
35arml^crjigfcit^h)crfcn, u. bgl. m.
©Icid^ bcr Dogmatil unb ©tl^il, unb jum 2:cil nod^ frül^cr alö bicfc t^corctifc^cn
©cbictc tourbc bic Siturgif mit vielerlei ^ci)tabifci^cn Silbungcn bcrcid^crt. S)ic alttcft.
10 Äultu^gcfc^gcbung bot i^icrfür eine SJüHc toon SSorbilbcm unb SKotiben bar ; au6) lagen
bcm bereite frül^jcitig in bcr JllofterJ)rajig üblid^ gctoorbcncn 3"f*'^^ ^^ 7 lagc^-
anbad^tcn ober lanonifd^cn §oren alttcft. 3Jlotitoc ju ®runb (5ßf 119, 164, fombiniert
mit 5ßf 55, 11 unb Da 6, 10) unb rcid^t bc^glcici^cn bie S^^^w^Ö t^^ 3lmt^rabc bc^
Älcru^ atö einer ©icbenjal^l fd^on in bie altlirc^Iid^e 3^* l^inauf. 2)er faframentalc
15 ©cjjtcnar griff felbftbcrftänblic| in bic (Snttoidclung aud^ biefe^ ©cbiete« mäd^tig ein;
bod^ ioar fc^on öor feiner ßntftc^ung (toie bic SBcrfc jener liturgifd^en ®nc^noi)äbifcr
^onoriu^, Selct^ k. jcigen) bielcrici ^icrl^er ©c^örige^ in Übung gelommen; fo bic
7maligc Segrü^ung be« Sßolfö burd^ ben 5ßricftcr bei ber SKcffc, bie S^^'w^fl ^^ ©onn^
tage bcr gaftenjeit alö einer ©iebengaj^I, bie 7 2)iaIoncn bei ber 5Paj)ftmeffc 2C. — SScr-
20 fd^iebene l^cjjtabifc^c ®ruljpcn toon ^eiligen im Äird^cnlalenber öerbanfen bcr ficgcnben^
bilbung be^ 3JlittclaItcr^ il^rc (gntftelung; einige, toie bie ©iebcnfd^läfcrfage [f. b.] unb
bicOcic^t aud^ bic bon ben 2 X 7 9lot^cIfem (f. b. 3lrt. Sb XIV, 217) loffcn fxc^ bi^
in bic altlir^lic^e S^xi jurüdEbatiercn. — Slud^ in jcbem ber brei §au})tgn)eige ber bilben=
ben Äunft bc« 3JlitteIaIter^ fjjielcn l^cjjtabifd^c Äonj^cjjtioncn eine me^r ober tücniger bc-
26 beutcnbe SloIIe ; bc^glcid^cn in ber mittelalterlichen ^ocfic. Die Icfetcre l^at namentlich
bic lugenbcn- unb bic iobfünbcns§ct)ta^ öiclfad^ afö 9JJotito, fotool^f für ei)ifd^=bibaftif(bc
unb l^rifd^c afö aud^ für bramatifc^ic 2)idg>tungen benuftt (f. 3ödfl., 3:ugcnbl. jc, ©. 259—280).
SBcfcntlic^ auc^ bcm l)oetifd^cn 33ercid^ ange^örig ift bic im 3W31. ungemein beliebte 2?cr=
toertung l^ci)tabifc^cr Scgenbenftoffe für Erzählungen balb in 5ßrofa, balb in metrifd^er
30 gaffung. 2lu^cr bcr ©icbcnfc^läferlcgenbe gel^ört l^ier^er ber toielbel^anbclte ©agcnftoff
bon Äaifer Diolletian unb ben „7 iDcifen 3Kciftcrn" ate (Srjiel^em für bcffen $rinjen (i)gl.
bic barauf bcjjüglid^cn 3Konogra})l^icn toon 3Jluffafia, 3WurIo u. a. älteren 2lutorcn, fo--
toie au^ jüngfter 3^'^ b^l §crm. gifc^er,^ Beiträge jur Sittcratur ber 7 toeifen 3Keiftcr,
©rcif^toalb 1902).
36 Siö in unfere ^zxt hinein reid^t bic f^cIulatit)^j)l^ilofo))l^ifd^e (tl^eofo))^ifd^e)
33e^anblung bcr l^e))tabifd^en Probleme, tüclc^c, gleich ber fird^lic^ bogmatifd^en, an bic
bctr.ÄonjcjJtionenbc^l^etleniftifc^cnSubcntum^ unbbcg9Jcuplatoni^mu^ anfnüi)ft. SBä^rcnb
be3 3Jlittclalter^ unb nod^ bi^ in^ 17. ^a^rl^unbcrt hinein trägt bicfc Scl^anblungötoeifc
bortüiegenb naturt)^ilofoj)^ifc^en ßl^araf tcr ; ftc erborgt toä^rcnb biefer 3^it toiclcö axx^ ben
40 pl^antaftifc^cn ©rübclcicn be^ talmubifc^en unb fabbaliftifc^en ^wbcntumg, ba^ u. a. auc^
im ^unlte abenteuerlicher l^el)tabifc^er 3<^^'[c"n^#it ®rofecg Iciftete (f. SBünfd^e, ärt.
„Äabbala", in Sb IX b. ©nc, bef. ©. 681, i— 7; togl. aud^ ©tradf, Prolegg. crit. in
V. T. hebr. p. 73 u. 91, foh)ic be^felbcn Art. „St^almub" in 5ß5R®» XVIII, ©. 356).
9lod^ bei ben tl^cofojj^icrcnbcn 9Jli;ftifcm bc^ 16. u. 17. 3io^i^^wnbert^, toie ägri^^ja toon
45 9?cttc^^eim, ^aracclfu^, 3[}. SBcigcl, 3- 33öl^me, D. §elmont k. fi)ielt bicfc SeJ^rtDcifc, bic
i^re ^cj)tabifd^cn Äonftruftioncn auf bcm ©runbc bcr 7 ©ciftcönamcn in 3^ H, 2 unb
bcr ©icbcn.^^al^lcn bcr 2lj)of. ju cnic^tcn liebte, eine gro^cSlollc; ögl. bic 7 ^ßaracclfifd^en
„©nmbgeiftcr" im 3Kcnfc^cn („Slcmentarifc^cr Seib; 3lrd^eug ober 3Kumia; ftberifc^cr
3Jlenfc^ ober Evestrum; ticrifc^cr ®eift ; tocrftänbigcScele; (Sciftfee; 3Jlcnfd^ beö Olympi
öo novi"), bic Sö^mfc^en „7 DuaHgciftcr" u. bgl. m. (Äicfctoctter, 2). alt. Dcculti^mu^ I,
297 ff.; bc^felben ,,9icuerer Dcculti^m." I, 16. 59 ff.). Dbfc^on bie ©nttoidfelung ber
Slaturtüiffcnfc^aft unb bcr 3lntbroj)ologic toä^rcnb bcr jtoei legten 3iai^rl^unbertc berartigcn
2lnfcf)auungcn jeglichen ®runb unb 93obcn entzogen ^at, ift in t^cofo})l^ifd^ gerid^teten
Äreifcn bi^ in bic jüngftc ^cxt l^inein ba^ ^eftl^altcn an getoiffen ©runbgcbanfcn icner
65 bcm Mittelalter entftammcnbcn 1^cofoi)^cnh)etg^cit unb il^rcr 3«^Icnni^ftil berfuc^t toorben.
3lod) 1887 fonnte ein Mc. ©amucl c^ untcrncbmcn, in einem c. 500 Seiten ftarlen
93uc^c mittele unglaublid^ fünftlid^er Gjpcrimcntc bic ©icbcn^a^l al^ ben „©c^lüffel ju
allen SWiiftcricn bcr ©cbrift" ^u crU^cifcn („Seven, the sacred number" etc., f. o.
b. Sitt. unter 5Rr. 11, u.'bgl. Gü.ft3. 1887, ©. 512 f.). 9Joc^ gu 2lnfang be^ 20.3a^r=
60 l^unbcrt^ tonnte ein §r. ^. diaai^ (in 'JJr. 3 bcr ©c^riftcnfcric „Stl^cofojj^ifd^e ©tral^len",
Siebeitja^l Sieffert 317
Serlin 1901) e^ toagen, btc „©iebcnfad^c Äon[titution bc^ 3Rcnfci^cn" tocfcntlic^ gcrnä^
jenem $aracelfu^fc^en ©d^ema bar^ut^un; tote benn über^au})t ber mobeme Dcculti^mu^
au^ ber älteren fabbaliftifc^en 3)rabition ^u retten bemül;t ift, toa^ ftc^ irgenb retten
läfet (f. b. 3lrt. „3J?agic", XII, 68, 46 ff.). — 6^ ßicbt baneben aud^ befonnenere 3?ertreter
tl^eofopl^ifd^er ©Refutation, beren ablel^nenbe« aSerl^alten gegenüber ber l^eutigen toiffen= 5
fd^aftlid(^en SBeltanfid^t n\d)i bi^ gu extremer Sjntranfigeng fortfc^reitet unb an beren Äon*
5ei)tionen eine auf gune^menbe SSertiefung ber Ootte^ctfenntni^ gerichtetem c^iriftlid^eg
©treben nic^it of;ne 3lu«ftc^t auf günftigen ©rfolg angufnüjjfen bermag. SQBir rechnen
ba^in u. a. §. SBJartenfen^ : 3:i^eofoj)^if(9e ©tubien über gal. 93ö^m (au« bem 3!)änifc^en
burd^ 2t. üKi^elfen, £ei*)jig 1882); SR. SRod^ofö ©tubie „®er 4nftRcbe ®otte«begriff", 10
©öttingen 1900 (toorin freilic^i grabe im fünfte l^eptabifd^er ©pelulation nic^t überall
bie nötige Sorftd^t getoa^rt erfc^eint [f. bef. ©. 122 ff.]; Ä. Sed^Ier« „Siblifd^e Se^re bom
bl. ®eift", ©ütcrglo^ 1899 ff. (bef. I, 59 ff.); gum Steil aud^ g. Sette?' „Sieb bon ber
©d^öjjfung", ©tuttgart 1900 (too namentlid^ bie 2lu«füf;rungen über bie „7 ©eifter bor
®otte« I^ron" auf ©. 128 f. bead^tet gu toerben berbienen). 3ötfler t- iß
Sieffett^ gricbrid^ Subtoig, geft. 1877. — gf. ©ieffcrt, 5. fi. ©icffcrt. eineerijjc
feine« ficbcnS. Königsberg 1880.
5. 2. ©ieffert, ein befonber« um bie görberung ber (Sbangelienlritif unb um bie
eb. Äird^e Dft^reu^en« berbienter Ideologe, tourbe am 1. gebruar 1803 afö ©ol^n be«
Kaufmann« S^i^ann ©ieffert in ®Ibing geboren unb auf bem bortigen ®bmnafium au«s 20
gebilbet. 5Da| er 3:^eologe toerben foHte, toar bon Slnfang an ber äBunfcp ber frommen
3)lutter, ben er felbft aHmäl^lic^ mit immer boDerem 33etou|tfein gu bem feinigen mad^te,
befonber« nad^bem feine religiöfe ©tellung ftd& befeftigt ^atte. 3iltere6rbauung«bü(^er,
bie i^m gufättig in bie $änbe fielen, führten il^n in ein tiefere« ßl^riftentum ein, atö e«
f onft in ber burd^ ben 9lationaIi«mu« beeinflufeten ©tabt ^errfd^enb toar. Unb al« er 25
beim Seginn feine« Äonfirmanbenunterrid^t«, obfd^on bon einem lut^erifd^en ©eiftlid^en
getauft, [xi) ber reformierten ©emeinbe anf(|lofe, toeld^er bie SKutter angehörte, beran«
lafete il^n bie«, [\d} über bie fonfefftoneHen Unterfd^iebe ber beiben ebangelifd^en Äird^en
genauer gu unterrichten, unb fid^ banad^ ein Jfelbftftänbige« Urteil ju bilben. daneben
befd^äftigten i^n fd^on auf ber ©d^ule aud^ ^Probleme, bie fid^ auf bie ©efdbic^tc ber so
Äird^e bejogen. 3)l\t feinen religiöfen ^ntereffen berbanben jtd^ überl^au})t bie toiffenfd^afts
liefen ungetoöl^nlic^ frü^ fo enge, bafe er baburc^ ftd^ nic^t blofe gur SBal^I be« tl^eo^
logifc^en ©tubium«, fonbem aud^ gu bem SBunfd^e, bie alabemifd^e Saufba^n gu betreten,
getrieben füllte. Diefer ©ntfd^Iufe getoann fofort auc^ auf bie ©eftaltung feine« ©tubium«
bcftimmenben ßinflufe. Um fo me^r nämlid^ erfannte er, al« er Dftem 1821 bie Äönig«^ 35
berger Uniberfität al« ©tubent ber Ideologie begog, bie Slottoenbigfeit, fid^ gunäd^ft fefte
))^Uofoj)^ifc^e unb })]^iIoIogifc^e ©runblagen gu ertoerben. Qn ber $^iIoJo})]^ie tourbe
Serbart fein gü^rer unb in immer fteigenbem 3Kafee tourbe er ebenfo fe^r öon beffen
aralterboUer, cbler $erfönlic^feit al« bon ber fd^arfen unb nüchternen 3lrt feine« pj^ilo^
fop^ifd^en gorfd^en« angegogen. 2luf j)^ilofo^^ifc^em ®ebiet ift er immer §erbartianer 40
geblieben unb ba« nähere jjerfönlid^e SSer^ältni« gu ^erbart tourbe nod^ fj)äter, al« ber=
fclbe nac^ ®öttingen ging, burd^ Sefuc^e unb Srieftoed^fel aufrecht erhalten. Unter ben
t^eologif^en S)ogenten fd^ä^te er am meiften 3luguft ^a\)n, burd^ ben er fic^ befonber«
in ba« aSerftänbni« be« Sil«, fotoie in orientalifc^e ^l^ilologie einführen liefe. Jlament^
lic^ ba« ©tubium be« ©^rifc^en betrieb er fo eifrig, bafe er fc^on 1824 mit ^af)n gu* 46
fammen an ber §erau«gabe einer ©ammlung öon f^rifc^en ©ebic^ten mit Iritif^en 31ns
merfungen unb einem ©loffar arbeiten lonnte (Cbrestomathia syriaca sive
S. Ephraemi carmina selecta edd. 21. §a^n unb g. £. ©ieffert 1825). ®egen Dftem
1824 Jjromobierte er nac^ Überreid^ung einer 2lrbeit über bie tran«cenbentare grei^eit
gum 5DoItor ber ^P^ilof oi)l^ie. 5Dann ging er nad^ Serlin , um ftd^ je^t gang bem tl^eo- 50
ogifc^en ©tubium gu toibmen. §ier toar e« 9Jeanber, ber ben bleibenbften ©influfe auf
leine toeitere ßnttoidelung au«übte. 3" entfd;iebenem biblifd^en Dffenbarung«glauben, in
xeier ober befonnener Äritil, auc^ in ber 33erel^ning für $lato unb ©c^leiermad^er blieb
er immer mit Sleanber, bem er auc^ })erfönlic^ bauernb na^c trat, in Übereinftimmung.
3m ©ommer 1825 unterbrad^ er feinen gtoeijä^rigen berliner 2lufentl^alt, um mit einem bö
5Heifefti})enbium be« i)reufeifc^en 3Jlinifterium« au«gerüftet nad^ ffiien gu ge^en. 3)er
3toedf feiner Steife toar, in eine §anbfc^rift ber SBiener Sibliot^el ßinfic^t gu getoinncn,
toelc^e ben Kommentar be« Sifc^of SEl^eoboru« bon ^J)lo})fueftia gu ben Ileinen $roj)]^eten
cntl^ielt. 5Rac^bcm er bicfelbe e£cerj)iert l^atte, leierte er na^ SJerlin gurüdf, um l^ier 1826
318 eieffert
gum Stcentiatcn ber ^^l^eologic ju jjromoDieren, unb bann nai) Äöntg^berg, too er ftd^
burd^ SSetteibigung einer ©^rifi über 3^^eobor (Theodorus Mopsuestenus veteris
testamenti sobrie interpretanti vindex) 1827 aU ^ribatbojent in ber t^eologif d^en
^alultät habilitierte.
6 5Da bieje ©d^rift ©.« aHgemeine Stnerlennung fanb unb feine afabemifd^en SSorlefungen
feine fie^rtüc^tigteit betunbeten, fo befd^Iofe bie S^afultät fc^on 1828, il^n bem 3Jliniftertum jur
Seförberung ^u einer au^erorbentlid^en ^ßrofeffur ju emjjfe^Ien. Sereitg im Df tober 1828
erfolgte bie ßrnennung. 1829 übernahm ©. aud(> bie fieitung be^ ejegetifd^^Iritifc^en ©eminar^
unb im folgenben Qal^re berlie^ i^m bie Äönig^berger galultät bie t^eol. 3)oftortoürbe.
10 SBäl^renb beffen toar er in feinen toiffenfd^aftlid^en ^Priöatftubien toon ber 3lu«Iegung^=
gefd^id^te jur ßjegefe felbft unb jur Sibelfritil, toon bem äl jum 9?euen übergegangen,
unb al^ eine %ivii)t berfelben erfd^ien nun feine ©d^rift: Über ben Urfjjrung be^ erften
lanonifd^en ©toangelium^, Äönig^b. 1832. SSon berfelben urteilt eine Slutorität auf
bi^fem ©ebiete, S3. SQBeife (3:^01 1861, 94), i^re e^)od^emad^enbe Sebeutung lönne nic^t
15 genug ^erborge^oben toerben. g^^^f^ß^ ^^^ ^ ^" jeitgemä^e« Untemel^men, bie bun^
ben bi^^erigen ©tanb ber Söangelienlritil me^rfeitig naf)^ gelegte, aber noc^ nic^t ein-
ge^enb unterfud^te tJ'^age, ob ba^ erfte ©Dangelium in feiner l^eute borliegenben ©eftalt
Don bem Stj). üJlattl^äu« berfafet fei, jum ©egenftanbe einer bejonberen ©(^rift m mad^en.
3)er ®ang berfelben ergab ftc^ niqt fd^toer. 2luf eine 3Jcufterung ber altlird^lid^en
20 Seugniffe über ba« üJlattj^äu^eb. folgt eine forgfältige 3Sergleid^ung mit ben anberen
ßbangelien, namentlid^ mit bem ate jol^anneifd^ unb l^iftorifd^ anerfannten bierten. 93eibe^
fül^rt ju bem ©rgebni^, bafe unfer erfte^ (Sbangelium eine Überarbeitung ber bom 3lp.
3Jlatt^äu« in ^ebräifd^er ©jjrad^e berfa^ten ©d^rift fei, toeld^e beren Seftanbteile im
toefentlid^en unDerfe^rt erhielt unb nur burd^ 3«!^^^ erweiterte. 3)a aber ni(^t blofe
26 bie« Slefultat, fonbem aud^ bie Iritifc^en Unterfud^ungen, toeld^e e« borjüglid^ mit ben
SKängeln be« erften (gDangeliumg ju tl^un Ratten, bieten anftö^ig fein lonnten, fo bemühte
[xd) ®. in ber SSorrebe gerabe auf bem ©tanbjjunft eine« entfd^iebenen Offenbarung«^
glauben«, auf bem er au«brüdflic^ ju [teilen erllärt, ba« 9ted^t ber bon t^m geübten
Äritif ju toal^ren. SKand^e« in biefen aHgemeinen SSorbemerfungen bürfte audp no(^
30 l^eutjutage red^t bead^ten«h)ert fein. ©. erinnert baran, tote e« gerabe jum SBefentlicben
be« d^riftlid^en Setoufetfein« gel^öre, bafe ba« ©öttlid^e unter SKenfd^en au6) in ber ®e^
ftalt ber menfc^lid^en ©d^toac^l^eit erfd^iene, unb toie ba« etoige SBort in ber gütte ber
3eit in 3efu Gl^rijlo in ber gamen ©d^toad^^eit be« ^leifd^e« erfd^einen mufete, fo aucb
ba« überlieferte ®otte«toort al« ^ibetoort bie ganje ©c^mäd^e be« überlieferten SKenfd^en^
36toorte« an fid^ trage, alfo nottoenbig aud^ SSerfe^en finben laffe, bie eben au« ber
©d^mac^^eit menfd^lic^sftnnlid^er SBa^me^mung unb ^Mitteilungen ^erborgegangen feien.
3h)ar ioa« eigentlid^ ba« Äeil ber Äird^e beh)trle, fei ja ba« ©öttlid^e in jenem, aber
eine flare ©rlenntni« be«felben fei nid^t möglid^, toenn nid^t jubor bie fd^toad^e, unboH*
fommene gorm erfannt fei. 3n 93egug auf ba« in ßl^riftu« })erfönlid& erfd^ienene SBJort
40 ®otte« ^abe ba« aud^ bie Äird^e immer anerfannt. 3)agegen an bem gefc^iriebcnen SBortc
®otte« i)aht fte bie menfd^lid^e gorm be« ®öttlid^en jur redeten 3lnerlennung gu bringen
berfäumt unb fo e« felbft öetfd^ulbet, toenn ber 9laturali«mu«, al« er jene entberfte, biefc«
infolge baöon bertoarf. Irofe biefer toerföl^ncnben Sorbemerlungen blieben Slnftöfee an
ben fritifd^en Stefultaten be« Sud^e« in ben Äreifen, mit benen ©. burd^ biblifc^en Dffen-
46 barung«glauben toerbunben toar, nic^t gänjlid^ au^, ^m gangen aber tourbe bie ©c^rift
mit lebhafter 3lnerfennung aufgenommen, unb jufammen mit ber fte ergängenbcn b^
lannten 2lb^anblung ©d^leiermad^er« t)on bemfelben ^af)x^ über bie 3^0"ifr^ ^^ ^ojjia«
bon unferen beiben erften ©öangelien f)at fte gu einer SReil^e mel^r ober tocntger toert^
boller arbeiten auf bem ®ebiet ber ßbangelienfritif ben 2lnftofe gegeben. $ier tpurben
50 il^re Slefultate mobifijiert, begrenjt ober meitergubilben öerfuc^t, toäl^renb bo« ^aupu
ergebni« unter ben begonnenen neuteftamentlic^en gorfd^em giemlic^ aHgemein angenommen
blieb. ®cgen bie rabifale Äritil aber erflärte ft^ ©. balb barauf in einer alabemtfd^en
®elegenl^eit«fc^rift, beren 5?eröffcntlic^ung mit feiner 1834 erfolgten Seförberung gum
orbentlic^en ^rofeffor in 3wfammen]^ang ftanb (de singulorum librorum sacrorum
66 auctoritate canonica, Regiom. 1836). 2Bä^renb er aud^ Bier ba« Siecht ber SibeU
fritil an fid^ fcl^r beftimmt bei^auptet, erfennt er eine ©d^ranfe berfelben in ber SSer^
binbung, in Welcher fte gum ®lauben unb gur ®lauben«le^re [teilen muffe. Unb gum
93eh)eife bafür giebt er einen Seitrag burc^ ^iftorifc^e Sefämjjfung einiger an ©emier
ftd^ anfc^liefeenben 2lnfd;auungen über ben Segriff be« Äanon« al« eine« Scrgeid^niffc«
60 t)on Iird[|lid[ien @rbauung«bü(^ern. ^ngtoifd^ien ^atte ©. aber aud^ feine ©tubien über
eieffert 319
2:i^eobot t)on 5iKoj)fueftia fortgcfe^t unb ein gröfecre« SBerl üBcr fein Seben, feine Sibel«
audlegung unb feine G^riftobgie öOTbereitet. ®er erfte Seil \oax 1837 brudfertig, für
bie Beiben anbeten toar ba« 3KatertaI in großer Sonftänbigleit gefammelt. Unb toä^renb
fid^ fo feine äußere ©teHung einigermaßen befeftigt, feine £el^rt|ätigleit unb feine f(|rifts
ftellerifcpe 2lrbeit guten tJo^gang genommen l^atte, toar aud^ ^äu^lid^e^ ©lud ij^nt auf« 6
fd^önfte erblül^t, nad^bem er fd^on 1833 burd^ Sermä^Iung mit ßmma 3)unler fid^ einen
^öu^Iid^en ^erb gegrünbet l^atte.
®a gepel e« GJott, i^n öon biefer $öl^e be« irbifd^en ©lüdfe« mit fd^toerem ©daläge
l^erabjufitirgen. 3n jenem ga^re 1837 entftanb plöiilxi) ein 2lugenübel, ba« eine lange
9leibe t)on Seiben mit ftcb führen follte. 3lad) einigen ©d^toanlungen in bemfelben jeiate lo
e« fw^ jtoei 3a^re barauf, bafe ba8 linle ä[uge t)on unl^eilbarer 2lmaurofe, ba« redete
öon einer 9lefel^autablöfung ergriffen toar. SSor aHem toar ©. je^t in feiner fd^rift*
ftetterifd^en Slpätigleit gehemmt. 9lur Heinere Slrbeiten toaren i^m je^t allenfattS möglid^
(toie bie äbl^anblung toom Slbenbmal^I im Dfterj)r0gramm ber Uniöerfität t)on 1839).
Sin größere litterarif^e 5piäne toar laum mebr ju beulen. S)amit toar aber ein redete« is
SBeiterlommen in ber alabemifd^cn Saufba^n tiberbaut)t abgefd^nittcn, unb ba l^iermit aud^
bie ä[u«ftd^ten auf balbige Serbefferung be« äußerft fd^malen^Profefforengej^alte« fd^toanben,
fal^ fi(^ ©. Veranlaßt, an bie Bereinigung ber alabemifd^en Il^ätigfeit mit einer
Weniger bie äugen in 3lnf^jrud^ ne^menben praltifd^en ju beulen, ©o na^m er 1839
eine bamate gerabe öafantc Äoft)rebiger- unb ^farrftette an ber beutfd^^reformierten ©e« ao
meinbe ber Surglird^e an, SBalb barauf tourbe feine 93eruf8toirffamleit nod^ erweitert,
inbem er 1841 atö 3lffeffor, 1842 ate dlat in ba« Äonftftorium ber ^Proöinj ^Preußen
eintrat, ©o l^at er feitbem Qal^re lana brei öolle Ämter nebeneinanber tjertoaltet, in
allen breien, obh)ol^l i^m ba« alabemifme Sel^ramt ba« liebfte blieb; bod^ bie gleiche &^
h)iffenl^aftigleit beh^eifenb, in allen aber freililc^ aud^ immer burd^ fein STugenleiben 26
be^inbert. ä[ud^ fein Vortrag auf Äanjel unb Jlat^eber mußte barunter leiben, baß bers
felbe bloß im Äotofe o^ne fd^riftlid^e gijierung ber ©ebanlen entworfen tourbe. 2lber
gegen ben baburd^ bebingten üJlangel einer etloa« abftralten unb breiten 3)arfteHung
bilbete ber Umftanb ein ©egengetoic^t, baß gerabe infolge ber 3lbgejogen^eit t)on ber i^n
umgebenben ffielt fein SJenlen eine l^ertoonagenbe Konzentration erhielt, äud^ öertoidEelte ao
©egenftänbe loiffenfd^aftlid^er ober })raltifd^er 3lrt toußte er ungctoö^nlid^ fd^nell aufs
^ufaffen unb bie lic^tt)olle illar^eit be« SSortrag« jeugte t)on angeftrengtefter geiftiger
Slrbeit. Söenn er ba^er aud^ um ber berül^rten 3Wängel toiHen in feinen $rebigten auf
eine ))o^juläre SBirfung öenid^ten mußte, fo feffelte er bod^ forttoä^renb Heinere Äreife
Don hrarmen SSere^rem. S)abei toirfie ber ©inbrudt feiner ^erfönlid^Ieit immer mit, 85
befonber« feiner großen SBal^r^aftigleit, vermöge bcren man in allen feinen 2lu«laffungen
immer nur bie eigenfte Überzeugung ju ^ören getoiß toar. Unb ba« Derfd^affte i^m atte*
zeit aud^ bei feinen ®egnem Sichtung. 5Denn an Ääm})fen l^at e« il^m bei feiner Dffen«
|eit unb Unerfd^rodfen^eit nid^t gefehlt, jumal in ben lirc^lid^en SBirren, bie in ben
öierjiger unb fünfziger Qa^ren aud^ in Äönig«berg ftarl l^ert)ortraten. Qnnerl^alb feiner 4o
©emeinbe l^atte er toor allem fe^r energifd^ ba« })ofttit)e S^riftentum gegenüber auflöfens
ben Seftrebungen z« öerteibigen, am mü^famften bamal«, al« ba« Äirc^follegium bie
Berufung be« fl)äteren 3Jlitbegrünber« ber freien ©emeinben Dr. 3lu})J) in eine öalante
$farrftelle bcfd^loffen batte, unb er bagegcn entfc^iebene Sertoa^rung einlegte, daneben
aber betäm))fte er aud^ überall unb fo befonber« in feiner !onfiftorialen ©teKung ben 45
ungefunben $ieti«mu« unb Drt^oboji«mu«, loie er in ber Rtxt ber Jjplitifd^en unb lird^«
liefen Sleaftion aud^ in Dft))reußen ftc^ breit z« niad^cn begann. Übrigen« lonnte @.
fe^r leidbt jid^ auc^ mit 3Jlännem bon gam DerfAiebener SRic^itung öerftänbigen, loenn er
nur aufrichtige« 9Ba^r^eit«ftreben fanb. ätuc^ bei ben ©tubierenben gab er ftd^ aHe
3Kül^e bie« anzuregen. 3"^*"^^^ toieber loie« er feine Äu^örer barauf ^in, baß ba« tl^eo« w
logifc^e ©tubium ztoar nid^t ben ©lauben erzeugen tonne, ber au« anberen Duellen
bertoorgel^en muffe, ober aud^ nid^t bloß Äenntniffe Derfd^affen ober für ba« pxatti\i)t
2tmt breffteren foUe, fonbem toor aHem bazu beftimntt fei, ben ©lauben zu läutern unb
loiffaifd^aJFtlid^ Z" befeftigen, alfo eine perfönlid^e t^eotogifc^e Überzeugung z« gewinnen.
Unb biefer 3*^^* bel^errfc^te erlennbar auc^ ba« &an^^ unb ßinzelne in ber 3)arftellung 66
be« ©toffe« bei feinen SSorlefungen, toelc^e in Serbinbung mit })erfönlid^em Serle^r il^m
immer bie t)erel^rung«t)ollfte 5Danfbarfeit feiner gui^örer ftd^erten. %\xx ifyn fclbft aber
f^iegelte fid^ bie Ilare Wct feine« 5Denfcn« auc^ in ber ^eiteren Älar^eit feine« ©lauben«
loieber, bie i^n aud^ in 3:rübfal aufrecht erhielt unb eine linblid^e ^rö^lid^feit zu feiner
©runbftimmung mad^te, toenn e« aud^ nic^t ganz t'^ue innere Jtäm^fe bei feinem fc^toeren eo
3a0 ©icffcrt Sicflfrlcb
Seiben abging. Da^ fortfc^reitenbe äugenübel mad^te ^ \l}m fd^Iiefelid^ jur SJottoenbig^
feit, ein^ naq bcm anbcm \>on feinen Ämtern aufjugeben. 3w"öci^P ^"^^^ ^ 1857 au^
bem ftonftftorium au^, bei toeld^er ©elegen^eit i^n bie reformierte Oeiftlid^feit bcr ^roUing
burd^ ein fcl^r anerfennenbe^ ®anff einreiben eierte. 6^ l^ie^ barin: „3Sa^ imferc @e-
6 meinben noc^ in unferer $robinj t)on ©elbftflänbigfeit unb gemeinfamem fieben bcft^en,
toerbanfen fte ^f}x^ 33erh)enbung." Später beantragte er eine teiltoeife Duie^jierung in
feinem Pfarramt. (S^e er aber alle S^ätigfeit aufgab, machte er nod^ einmal am Slbenbe
feine« Sebenö einen fd^riftftellerifci^en SSerfuc^. 6r biftierte unb Veröffentlichte ba^
©c^riftAen „3lnbeutungen über bie a^jologetifdg^e gunbamentierung ber c^riftlici[»en ®lauben^=
10 Jüiffenfdbaft", ®üter«lo^ 1871. 3)er ©runbgebanle be^felben ift, ba^ bie ®lauben^=
Jüiffenfd^aft auf ben ®runb unb SKafeftab alle« ßl^riftlic^ien, auf 6^ftug unb beffen eigene
Intention jurüdfgel^en muffe. Unb jtoar fei e« nai) lefeterer h)ieberum bie eigene ^JJerfon
ß^rifti mit allem, toa^ xu il^r gehört, feine ganje ^erfönlic^e Srfd^einung mit ßinf^lu^
t>on aBort, SBerl unb (Sefd^idt, toorin bem menfd^lid^en 93eh)ufetfein bie lebenbige ®ott=
16 ^eit erfennbar fein folle, toobei in^befonbere ß^rifti ©ünbloftgleit, SBunber, Ser^ältni^
)ur altteftamentlid^en SBei^fagung unb 3Bir!ung auf bie ©efci^id^te ber imenfd^l^eit al^
Btüi^m be^ ®lauben^ in ^etra(|t lämen. SBo^l nid^t mit Unred^t fanb man bierin
„fel^r bebeutfame Fingerzeige für einen umfaffenben a^jologetifc^en 33au" (fo §. ©c^mibt
in feiner SRecenfton ber ©^rift in 2:^©tÄ 1873). S3alb aber fa^ fid^ ©. in bie 3loU
20 toenbigfeit t)erfe|t, ben geierabenb feine« Seben« anzutreten. SJad^bem er 1873 auf fein
änfuc^en aller feiner gunitionen im afabemifc^en toie im geiftlid^en 3lmte entl^oben toar,
zog er nad^ Sonn am 9t^ein, too er nad^ langen quatooUen Seiben, bie in bem früber
fo mäd^tig jjulfierenben nun aber gefd^mäd^ten ^erjen i^re Duelle Ratten, am 2. 9Jotoember
1877 ^eimgerufen Jourbe. g. @ieffert.
25 Sicgfrieb, Äarl 2lbolf, geft. 1903. — SBgl. ©.»ftntfc^, 8um ®cbft(^tiii« ^rl Sicg^
frieb§ in bcr StoX^ ©b 46 (1903), ©. 580—589 unb boS „Ecce bcr Äöniglit^cn SanbeSf^ule
^forta" für ba8 3a^r 1903.
Ä. 21. ©iegfrieb toar geboren am 22. ganwör 1830 in 9JJagbeburg, ate ältcfter
©ol^n be« Saurate« Äarl Söil^elm ©iegfrieb. 6r befud^te ba« 3)omg^mnaftum feiner
30 SSaterftabt, ba« er im IJa^re 1849 mit bem 3^"Ö"'^ ^^ ^l^f^ herliefe. (Sr h)ibmete ftcb
3Jlid^aea« 1849 bi« Dftem 1851 in ^atte, toon Dftem 1851 bi« SKi^aeli« 1851 in
Sonn unb bon 3Kic^aeli« 1851 bi« SKid^aeli« 1852 lieber in $alle bem ©tubium ber
2:^eologie unb $l^ilologie. 3Son ben tl^eologijd^en Di«5il)tinen naj^m bie altteftament=
lic^e fein 3"^<^^^<^ff^ ^^ befonberer Söcife in 2lnfi)ruc^. ^n ber 5ßl^ilologie bcfd^ränfte er
35 [xd) nic^t nur auf ein grünblic^ie« ©tubium be« $ebräifc^en unb ber bamit toertoanbten
orientalifc^en Bpxa^cn, foh)eit il^re ßenntni« für ben Slltteftamentler nottoenbig ift,
fonbem er befd^äftigte ftc^ aud^ mit bem ©tubium be« griec^ifc^en unb römifc^en
ailtertum« unb feiner ©^jrac^e unb Sitteratur. 5Die grünblid^e l)^ilologifd^e ©c^ulung, bie
er ftc^ h)äl^renb feiner ©tubiengeit ertoorben, fam bem Il^eologen fjjäter in ^ertjorragenber
4o3Beife ju gute. 3lad) 2lblegung ber t^eologifd^en (Sjamina unb ber Dberlel^rerj^rüfung
abfolöierte er im ^ai)xt 1856 fein ^robejal^r am ®^mnaftum jum Älofter Unferer lieben
grauen ju 3Kagbeburg. 2luc^i im folgenben Saläre (1857) mar er an biefem ©^mnafmm
nod^ al« Seigrer tätig, z^Ö^^'^ ^^^ ^^ i" biefem ^af)xt 3)Jitglieb be« t^eologifc^en
Äanbibatenfonöilte« z" 5Wagbeburg. ^m 3a^re 1858 h)urbe er al« ®^mnaftalld^rer nad^
46 ©üben berufen, too er bi« 1860 tätig ioar. Son l^ier au« ))romotoierte er im ^aj^re
1859 in §alle zwn^ 2)oftor ber $]^ilofoi)^ie auf ®runb einer S)iffertation, beren 5Citel
bie für i^ren Serfaffer fo c^aralteriftifd^e Serbinbung tl^eologifc^en unb J)l^ilologifc^en
2Biffen« bezeugte. S)er 2;itel lautete: De sacrificiorum Hebraeorum, Graecorum,
Romanorum et originis et rituum similitudine. 9tad^bem er fo feinen ©tubien in
50 äußerlicher Steife einen getoiffen 3lbfd^lufe gegeben, »erheiratete er fic^ am 2. DItober
1860 mit ainna ©c^neller, ber Xod^ter be« bamaligen Dberj)faner« in ®uben, mit
ber er 42 ^ai}xc ^inburcb in glüdElid^er l^armonifc^er 6^e berbunben bleiben burftc. 3"
ben Sauren 1860—1865 toirfte er al« Se^rer am 5Domg^mnaftum z" 2)lagbeburg,
alfo an bemfelben ®bmnafium, bem er bie ®runblage feiner eigenen toiffenfc^ftlit^en
55 Silbung öerbanfte. Son bort tourbe er im 3a^re 1865 in ba« fd^toierige Sboj)j)clamt
eine« ^rofeffor« unb z^^citen ®eiftlic^en nac^ ber Sanbe«fd^ule ^forta berufen, too er
bi« zum ^a^re 1875 eine überau« anregenbe unb fru^tbare lätigfeit entfaltete, ©iegfrieb
^at bie 10 ^a\)xc feiner ^fortenfcr SKirtfamfeit ftet« z" ben glüdflid^ften feine« Sebcn«
flczö^lt.
@ie«frteb 321
Über ber ©rfüflung feinet fc^uIamlUd^en ^flic^ten ^atte ©icßfricb feine tüiffenfd^afts
Ud^e SSJeiterbilbung nid^t t)erfäumt. Sefpnber^ intereffierte i^n bte ©ejc^id^te ber 3(u^
legung be^ 313;«, unb l^ier \t>ax ti t)or aUem triebet ber alejanbrinifc^e $^iIofo))l^ $^Uo,
beffen Sebeutung al« 3lu«Ieger be« 213;« t)on ©iegfrieb jum ©egenftanb cinge^enbfter
©tubten gemad^it tourbe. Sereit« im 3^^^ 1863 öeröffentlic^e ©iegfrieb eine ^Programms 5
ob^anblung über ,;^ie ^ebröifd^en 3BorterIIärungen be« $l^ilo unb bie @))uren i^rer Sin^^
h)irlung auf bie Äird^enöäter". gm ^al^re 1873 erfd^ien t)on ibm in $ilgenfelb« S^%1)
33b 16 eine älbl^nblung über ,,$l&iIo unb ber überlieferte %^ ber ©^tuaginta" unb
im 3a^re 1874 im 17. S3b berfelben 3eitfd^rift ein 2luffa^ „3ur Äritif ber ©d^riften
^l^ilo«". Sine S^fammenfaffung feiner $biloftubien gab er im 3^1^^^ 1875 in bem be- 10
beutenben, nod^ l^eute h^erü^oQcn äüJerfe „^^ilo t)on älle^anbria al« 9lu«leger be« 9(3;«
an ftd^ felbft unb nad^ feinem gefd^id[|tlid^en ©influffe betrad^tet. SJebft Unterfud^ungen
über bie ©räcität ^pi^ilo«". gür ben Ideologen bebeutete biefe« SBerl einen fei^r tocrt«
t)olIcn Seitrag }u ber ©efd^id^te ber 9(u«legung be« 9(3:«, für ben $^ilofo))^en eine
tDiUIommene görberung ber @rlenntni« ber eigenartigen ))^ilonifd^en ®ebamenh)elt unb 15
il^re« 3ufA^tn^^^n0^ >ntt ber altteftamentlic^en, für ben ^^ilologen bilbeten f))e2iell
bie Unterfud^ungen über bie ©räcität ^l^ilo« eine fd^äÄen«toerte SSorarbeit für ba« neuer*
bing« ju neuem Seben ertoad^te ©tubium ber gried^^ifi^en ©^rac^e im ^elleniftifc^en ®e-
h)anbe. ©onft feien au^ ber öoralabemifc^en ^ßeriobe feiner litterarifd^en SBirffamleit nod^
folgenbe ^Programmabl^anblungen genannt: „de inscriptione Qerbitana", 4'', 1863 20
unb „©))inoja al« Äritiler unb 3(u«leger be« 3(3:«", 4^ 1867.
^ie eben erh>äl^nte bebeutenbe ©d^rift über SS^ilo fül^rte eine bebeutfame SQenbung
im geben ©iegfrieb« ^erbei, fofem fie i^m eine e^renöotte SJerufung auf ben ^mai^i^m
Se^rftul^l für oltteftamentlic^e 3;^eologie, ber bamal« gerabe burd^ ben SBeggang ©ber^arb
©c^raber« nad^ SJerlin öertüaift toar, eintrug, ©iegfrieb folgte im ga^re 1875, alfo in 25
einem älter toon 45 3?^^"/ biefem Stufe unb ift bann ber Qenaifd^en Uniöerfität bi«
IM feinem 3;obe über ein äSiertelja^r^unbert treu geblieben, ©leid^jeitig mit feiner 93e«
rufung erfolgte feine Ernennung jum 3)oItor ber 3;^eologie feiten« ber t^eologifdbcn
galultät ber Uniöerfität 3ena. ®ie gülle ber Slufgaben, ber ber au« bem jjrafiifdben
©c^ulamt 33erufene fu^ ^ter auf einmal gegenüber geftedt fa^, unb ber übergroße @ifer, so
mit bem er [xd) in bie nun feiner l^arrenbeit 9(rbeiten l^ineinftürjte, führte leiber gleid^ in
ben erften Sauren feiner alabemifd^en 2BirffamIeit m einer ftarfen Überarbeitung. ®r
verfiel in eine fAtoere langwierige Äranf^eit, bie i^n }u feinem größten ©c^merje, ber
oft in SSerjtoeiflung überjufc^lagen bro^te, auf brei Qa^re (1878—1880) feinem lieb^
gewonnenen Serufe cntgog. ©eine Vertretung tourbe t)on feinen ÄoHeaen, in«befonbere 30
t)on bem aud^ in altteftamentlid^en fingen befd^lagenenen 9(bolf ^ilgenfelb übernommen.
3m ^af)x^ 1881 lonnte er mit boUftänbig toiebergetoonnenen geizigen Gräften feine ala*
bemif^e 3;^ätigleit h)ieber aufnehmen. Slderbing« ^atte er al« bauembe ^^olae feiner
ßrfrantung eine Sä^mung be« linlen Seine« baöongetragen, bie il^m mannigf ad^e S3c*
f(^h)erben unb unliebfame Hemmungen bereitete. 3Son ba an toar ©iegfrieb faft ganj 4o
an feine $äu«lid^Ieit gefeffelt; aufeer ||u ben SSorlefungen, ju benen er fic^ regelmäßig
fahren li^, l^at er fein §au« nur feiten öerlaffen. gür bie ntand^erlei ©ntbel^rungen
unb @ntfagungen, bie i^m bamit auferlegt toaren, fanb er aber reid^en 3;rofi unb 6rfa^
in feiner toiebergetoonnenen geiftigen ^rifc^e unb in intenfitoer, toiffenf(^aftlic^er 3lrbeit,
bie fid^ nun in toielfeitiger äöeife auf bie ©cbicte ber ^ebräifd^en ©rammatil unb Sejifos 45
grap^ie fotoie ber biblifd^en Äritif unb Sjcgefe erftredEte, babei aber and) bie ©ebiete be«
^elleni«mu«, be« ©pätjubentum« unb ber ©efc^ic^te ber 3lu«legung be« 3(3;« nic^it bei
feite ließ. ®ie erfte größere Slrbeit, bie er md) feiner ©enefung Dollenbete, toar ba«
„Se^bu^ ber neu^cbräifc^en ©prad^e unb Sitteratur" (Äarterul^e, Sleut^er 1884), ju
beffcn Slbfaffung er ftd^ mit bem ^ebraiften $. 2. ©tradt in 93erlin jufammenget^an 50
l^tte. SSon ©iegfrieb felbft ftammt ber lid^tDoHc, fein geglieberte 2lbriß ber ®rammatil,
toä^renb ©tradE bie f orgf ältig gearbeitete bibliogra))l^ifc^e Überfielt ju t)erbanf en ift. Salb
barauf toerbanb er ftc^ mit S. ©tabe in ®ießen jur äbfaffung be« „^ebräifd^en 3Börter=
buc^e« jum 3(3:", ba« im ^a^rc 1893 öoflenbet h)urbe (2ei»)jig, Seit). S)iefe« SBörter*
bu4 löm feiner S^t einem tief empfunbenen Sebürfniffe entgegen, ©ein eigentlid^er unb 60
bleibenber SSäert liegt in ber })einlic^ genauen Sle^iftrierung be« altteftamentlid^en ©^rad^-
gebraud^e«. Daß bie $erau«geber bie et^mologif^e ßrllärung ber SBörter geflijfentlid;
au«gef<^loffen ^aben, erfd^eint ^eute al« SKangel, Wax aber bei bem bamaligen ©tanbe
ber femitifd^en ©jjrad^lüiffenfc^aft nid^t ungerechtfertigt, ""^ad) ben 3lngaben be« isor^
toorte« ftammt ber größere 3:eil be« SBerle« axx^ ©iegfrieb« geber, ber 3)iit^erau«geber go
fatal'(hi09tiopmt ffir {Ideologie unb fiirc^e. 3. «. XVIII. 21
322 Siegfrieb
S3. ©tabe f)ai aber naä) Sieöfrteb^ 2!obe Slnlafe genommen, bte betreffenbe angäbe etn^
xufd^ränlen (p^l SatSJB »b 14 (1904), ©. 145. 3)tc übrigen größeren 2lrbeitcn ©ieg=
trieb« liegen auf bem ©ebiete ber biblifd^en Ärittl unb ©regefe. 3m ^afyct 1893 erf(^ten
feine toerttootte Iritifd^e Sejtau^abe be« ^iobbud^e«, bie ben 17. 3:eil ber Don ?J. ^avapt
6 in Baltimore l^erau^egebenen Sacred Books of the Old Testament ober ber fog.
Stegenbogenbibel (Seijjjig, ^inrid^) bilbet. Qn ber 1894 erfc^ienenen t)on 6. Äaufefd^ in
^aUe öeranftalteten Ueberf^ung ber 1^1. ©d^rift be« 3iX^ (Tübingen unb Seijjjig, SRo^r)
toar öon ©iegfrieb be« an te^tlritifd^en ©d^toierigleiten befonber« reid^e Sud^ be« ^ßro^
))^eten ©ged^iel bearbeitet toorben. ^m Saläre 1898 erfd^ien afe grud^t einbringenber
10 ©tubien ©iegfrieb« Äommentar mm ^ßrebiger ©alomoni« unb jum ^o^enliebe (^anb^
lommentar jum 31%, l^erau^gegebcn t)on SB. 9?otoadf, 2. Slbt., 3. 9b, 2. %l, ®öttingen,
SSanbenl^oedt unb 9tu))rec^t). Slerti^ er ftd^ in ber 9luffaf[ung be« ^ol^enliebe« al« einer
©ammlung erotifc^ Sieber t)ielfad^ mit Subbe, fo gel^t er in ber Seurteilung be« rätfel^
reid^en 9u<^e« be« ^ßrebiger« burc^au« eigene SBege. ®r öertoirft bie 3Keinung, bafe
16 biefe« Sud^ eine organifdpe (Sinbeit bilbe, unb fuqt e« toielme^r toermittelft einer jtoar
ettoa« lom^jlijierten unb öielleicpt ber SSereinfadjjung fälligen, jebenfatt« aber l^ö(^ft fcparf*
finnigen 3nter))oIation«^^bot^efe al« au« t)erf(^iebenen S9eftanbteilen erttHic^fen begreiflich
)u mad^en. 92ad^bem er bann noc^ im ^ai)x^ 1899 für bie Don @. ilau|f4 t>eranftaltete
Ueberfejung ber altteftamentlid^en 3lpoit\}pf)m unb ?Pfeube|)igraj)^en bie Sapientia Salo-
20 monis überfejt unb burc^ 9loten erläutert l^atte, mad^te er ftd^ im Solare 1900, al«
bereit« bie SSorboten einer fd^toeren ßrlrantung ftd^ einteilten, no(^ an oie Ausarbeitung
eine« Äommentar« ju ben an ^Problemen fo reid^en Suchern ®fra unb 9le^emia unb
jum 93ud^e (gftl^er (^anblommentar jum äS, l^au«gegeben Don 2B. 9lotoadt, 1. äbt.,
6. 9b, 2. 3:1., ©öttingen, SSanbenl^oedf unb 9tuj)red^t). ?!Kit 3)lü^e gelang e« i^m nodf,
25 ba« SQerf }um 9lbfd^Iu| )u bringen, er mu^te e« jebod^, ba in ber SBeil^nad^t«h)0(^e 1900
eine töblid^ie ilrant^t i^n auf« Sager toarf, einem anberen überlaffen, bie le|te ^le an
ba« äSert )u legen unb e« jum 3)rudf }u bringen.
9leben biefen größeren SBerlen Derbanfen toir ©iegfrieb eine ftattlid^e ^af^l Heiner
©(^riften unb Stbl^anblungen, beren loid^tigere l^ier nad^ ber SKaterie georbnet angeführt
30 fein mögen. BpcmU auf ba« ^% bejiel^en ftd^ folgenbe 3(uffä^e: Gad Meni unb Gad
Manasse, ^px%^ 1 (1875), ©. 356—367: ©ötterglaube unb ®otte«gIaube im alten
3«rael, ^ßrot. Äird^enjeitung 1882 5Rr. 2; ©te ^ßrobebtbel (»30, ebb. 1884 9lr. 38; aRil*
unb Äontg, ebb. 1887 9lr. 15; bie tl^eologifd^e unb l^iftorifd^e 9etrad&tung«toeife be« 8t3:«,
granff., 3)iefterh)eg 1890 (axx^ SP^%^ S^ 12 [1890] ©. 97—120); ©tettcnfe^Ier in
86 ^Kanbellem« Äonlorban^ jum SISC, R\ü%^ 33b 40 (1897), ©. 465—467. 2luf (Srammatit
unb Seji!ogra))^ie l^aben folgenbe mbeiten Sejug: S^x ©efd^id^te ber neu^ebräifd^en
Sejifograj)^ie, 3atSB S3b 2 (1882), ©. 177—192; 3)ie ^ebräifc^ien SBJorterflärungen be«
Sofejj^u«, ebb. S5b 3 (1883), ©. 32—55 ; S)ie 2lu«f^)rac^e be« ^ebräifd^en bei ^ieron^mu«,
ebb. S5b 4 (1884), ©. 34—83; Sleuefte j^ebräifd^e ßlementargrammatilen , aUgem.
iöÖfterr. Sitteraturjeitung 1886, 9lr. 7; Seiträge mx Seigre Dom jufammengefe^ten ©a^e
im gjeul^ebräifc^en, in ben Semitic Studies, geftfd^rift für Äo^ut (1897), ©. 543—556.
Stuf bie ©efc^id^te ber 3lu«Iegung begießen fic^ bie Slb^anblungen: ®ie aufgäbe ber ©c^
fc^id^te ber altteftamentlid^en 3lu«legung in ber ©egentoart (1876); 3Dlibraf<^ifdjfe« ju
tieron^mu«, ^pt%f) Sb 9 (1883), ©. 346—352; 9Ki«ceaanea, R)n>%^ »b 26 (1883),
. 235—239, 93b 27 (1884), ©. 355—359; 33^oma« Don 3lqutno al« 3lu«leger be«
213:«, ebb. 93b 37 (1894), ©. 603—625. 3luf $cneni«mu« unb ^ßl^ilo begießen ftc^:
3)er jübifc^e §eneni«mu«. 6in SlüdEblicf auf feine gefd^id^tlid^e ©nttoidfelung mit 95e-
jie^ung auf bie neueften gorfd^ungen innerhalb feine« ©ebtete«, 3*d3:^ 9b 18 (1875),
©. 465—489; Sebeutung unb ©c^idffal be« ßelleni«mu« in bem Seben be« jjübtfc^en
50 aSoIfe«, ^px%f) 9b 12 (1886), ©. 228—253: 3)er jübifdbe ßeneni«mu«, StOgcm. 8«W-
b. Subent. 1890, 11. u. 18. 3uli; Die (gjjtfobe be« jübif^en §elleni«mu« in ber na(^
ejilifd^en Gnttoidtelung be« ^ubentum«, gja^rbuc^ für jüb. ©efd^id^te u. Sitteratur, 9b 3
(1900), ©.42—60; Über bie $^iIo jugefd^riebene ©c^rift Dom befd^uli(^en Seben, t^i^ot
Äirc^enjcitung 1896, 5Jr. 42. 3luf ^ubentum unb jübifdbe Sitteratur baben 9ejufl: 9labbi-
55 nifc^c ainalefien, 3iDr3:^ 9b 2 (1876), ©. 476—480; 5ßro^^etifdJe SRifftonöflebanlen
unb bie jübifd^en 5)iifrton«beftrebungen, ebb. 9b 16 (1890), ©. 435—453; ?Probc au«
ben 3nafamcn bc« ^^^mmanuel 3lomi, ebb. 9b 11 (1885), ©. 289—298; ^efhebe jur
afabemifc^cn ^rci«DerteiIung, UniDerfität«programm ; IJena 1895. gcmer feten folgenbe
Slbbanblungen Dcrmifc^tcn ijn^altc« crh)äl^nt: ©ine arabifc^e Äreu|igung«gefd9idjfte, ^pxfXb
60 9b 3 (1877), ©. 537—539; 9ibel unb 9Jaturtoiffenf(^aft, ebb. 9b 7 (1881), ©..1—59;
Stegfrteb ®ietia 323
3)a« 3tX im l^eBt. ©etoanbe, ebb. Sb 13 (1887), ©. 160—169; a:i^eol00if(^e^ ©tubtum
unb ^Prüfung^toefen, ^ßrot. Äird^enaettuna 1887 9lr. 37, 1888 9lr. 3; SrieftDec^d
jtotfd^en ©oetl^c unb ©ie^, ®oetbc=3al^r6u(i& 11 (1890), 6. 14—41. 3)a}u lommen
eine SReil^e t)on 2lrtiWn, bie Siegfrieb für ©utl^e^ Äune^ Sibeltoörterbud^ unb für bie
Jewish Encydopedia gefd^rieben ffat, ferner eine ftattlic^e 9(n)al^l bioaro^jl^ifc^er ä(rttfel 5
in ber äUgem. Seutfd^en 9iogra))^te, bie aiihufül^ren ^ier ju toeit fül^ren toürbe. —
3n SSerbinbung mit ^. ®eljer in 3ena gab ©iegfrieb im ga^re 1884 l^erau«: Eusebii
canonum epitome ex Dionysii Telmaharensis chronico petita (SeifDjig, Xeubner);
jufammen mtt S3. ©euffert beforate er 1888 bie (Sbition ber 5Woten unb Slb^anblungen
p ®oetl^e^ SBeftöftlicbem ^i\>an für ben 7. 93b ber SBeimarer @of?^ienaui^abe. ®rn)ä|nt lo
fei fc^Iie^Iid^ nodb, ba| er 1893 bie ^erau^abe eine^ SQerIed feineiS berftorbenen ^eunbed
6. Äa^fer, betitelt: Sud^ ber ©rlenntni« ber SBa^rl^eit [ani bem ©Vrifd^en], (©tra^burg,
2:rübner) beforgt 1^1
Sie SBürbigun^ ber litterorifcben SSerbienfte ©iegfriebd toäre aber nic^t boSflänbig,
tpenn nid^t auA femer überaus fruchtbaren älecenfentent^äti^Ieit gebac^t toürbe. ©ein 15
^erbonogenb fc^arfer SSerftanb, fein feiner 9B^, feine fatinfd^e 9(ber mad^te i^n jum
Stecenfenten in ^o^m ®rabe geeignet ©eine Siecenfionen fmb j. I. SJleiftertoerle, bie
bem Sefer nid^t nur einen äftl^etifd^en ®znvi^ getoä^ren, fonbem bie aud^ in toiffenfc^aft^:
lid^er Sejie^ung oft meijjr afe einen e)>^emeren Söert befi^en. ©ie finben [xd) namentlid^
in ber 2^23 wnb in ber ®£3- ®in^" bleibenben SBert befi^en Dor allem feine jjäl^rs 20
liefen Seric^te über bie in ben einjelnen g^ren erfc^ienene Sitteratur betreffenb bie
orientolifd^en ^ilfdtpiffenfd^aften unb ba^ WH, bie er für ben ^39 t)erfa|t l^at. 3l^un'
je^n 3a^ binburc^ (für bie ^afyc^ 1881—1889) ift er einer ber ^eröorragenbften unb
begabteften aWitarbeiter birfe« 3al^re«berid^te« getoefen. Slm ®nbe beö gal^re« 1900
jtoang i^n feine fd^n^ere Srfranlung, bie i^m befonber^ an^ $er) gett^ad^fene Mitarbeit 25
am X^S^ nieberjulegen.
^m 9(nfange be^ ^af)x^ 1901 mu^te ©iegfrieb aud^ feine Sei^rtl^ätigleit einfteKen.
6^ ^oMi ein ra})iber SSerfall ber Äräfte. ®iefe« unb baö folgenbe Qa^r 1902 toaren
für il^n ga^re furd[|tbarer Iör))erlid^er Dualen unb feelifc^er $ein. 2lm 9. ganuar 1903
erlöfte i^n ein fanfter 2ob bon fernen namenbfenÖeiben; am 12. Januar tourbe er auf 30
bem neuen gtiebl^ofe ju gena aur etoigen SRu^e beftattet.
©iegfrieb^ ©tärle, fotpeit {te ftc^ menigftend in ber ©^l^öre feiner öffentlid^en ^^ätig«
leit b. f), bei ü^m in ber ber litterarifd^en ^robultion unb ber Se^l^ätigleit geltenb mad^te,
lag iDortpiegeti^ auf bem ®ebiete be^ ^nteUettd. @r befa| eine ungeh^öBnlic^e ©d^ärfe
be^ SSerftanbe« unb beiJ Iritifd^en SlidEe«. 3"^^^ berftanb er c^, ben Siagel auf ben 35
Stop\ )u treffen. ^Daneben eignete i^m in ^o^em ®rabe bie ®abe eine« treffenben 2öi^e«,
einer beifeenben ^ronie, eine«, toenn ee fein mu|te, fd^onung«lofen ©arla«mu«, eine &Qbz,
Don ber er namentlid^i in feinen Stecenfionen xtxd)lxi) ®ebraud^ mad^te, toenn er auf^
geblafene Sefc^ränltl^eit, anf))ruc^«t)oae llntt)if(enl^eit unb ^ol^le 3Bid|tigt^uerei aei^eln ju
muffen glaubte. 3^0^^^^ ^^^ ©iegfrieb eine in äft^etifd^er 93e)ie^ung fe^r feinfühlige 40
3latux, ber aUe« ^äpd^e, Ungefc^idte, $Ium^e unb Unmanierlid^e xn ber ©eete ^utoiber
toar. ®erabe ba« äft^etifd^e Moment jetgt fic^ beutlid^ auc^ in jetnen litterarifc^en
9(rbeiten; ber gefällige ©til unb bie feine ))ointierte SarfteQung^toeife mad^en bieSe!türe
feiner ä[rbeiten oft gerabeju ju einem ®enu^. S)a« gleiche tou^tcn feine 3w^örer toon
feinen SSorlefungen, bie jugleid^ SKufter an Älar^eit maren, niät genug ju rühmen. 45
©einer tl^eologifc^en SRic^tung nad^ loar ©iegfrieb im loefentlid^en ein Sln^änger ber
naif SHeu^, ®raf, Äa^fer, SDäeH^aufen benannten ^iftorifc^-Iritifd^en ©d^ule, o^ne bafe er
jeboc^ fein 2luge loie t)or ben ©d^loäd^cn ber eigenen SRid^tung, fo toor bem SSortrefflid^en,
ba« in anberen Sägern geleiftet tourbe, berfd^Ioffen l^ätte. SBie toenig er ettoa ein ein«
gefleifd^ter ^ßarteimann loar, jeigt in d^aralteriftifd^er SBeife bie S^atfad^e, bafe er ftd^ 50
mit 3Kännem Don fo grunbtoerf^iebener Slic^tung, toie $. ß. ©tradf unb 35. ©tabe gu
gemeinfc^afllid^er ä(rbeit jufammenfd^Ue^en fonnte.
3)ie SSerbienfte, bie ©iegfrieb fic^ aU afabemifc^ier Seigrer um bie Jenaer tl^ologifd^e
^ohiltät unb jbejieU audb um bie SBeimarifc^ unb bie anberen X^ringifd^en Sanbe«Iirc^en
ertDorben l^t, ^aoen an oen maggebenben ©teilen me^rfad^ bie gebü^enbe älneriennung 55
erfabren. 3m Anfang ber ad^tjiger ^al^re be« öortgen3ia^rl^unbert«hmrbe er jum®ro^^erjogn(|
©äd9ftf(^en Äird^cnrat, im gjal^re 1892 jum ®e^eimen Äird^enrat ernannt. ». »aewtfc^.
©iena^Äonjil Don, 1423—24 (Synodus ßenensis). — ^louptqucUc finb bie 9(iu
goben M Sol^ann öon SRagufa (deputierter ber Unberfitftt ^ri«, ba^r, trofr feiner {laüifc^cn
21*
324 Siena Sienettitg
S^ationalitöt, 3JiitgIieb bcr franjbfifdicn 9iation), in feiner ©c^rift „Initium et proeecutio
Ba8il. CoDcilii in Monumenta Conciliorum general. saeculi XV., Vindob. 1857, Tom. I.
p. 12sqq. ^a^u ^anft, CoUectio conciliorum Tom. 28. 9?al)nalbud, Annales ad. aon. 1423.
— fiittcratur: ^efclc, ÄonjitiengcWic^te 5Bb 1, 392—409 u. beSf. %x\, „©icna" in
6 t2* 11, 290ff.
2lm 22. 3wni 1423 l^atte bö^ Äonjil Don ^ßaDia (f. b.) feine SSerlegung nai^ ©tena
befc^Ioffen, too^in bte Äonjttemitglieber aud^ atebalb fa[t aHe abreiften, feie cinft in
Ronftan^, fo erfd^einen fie aud^ biet in Stationen eingeteilt; e^ giebt öuf bent ©enenfer
Äongil eine italienifd^e, franjöftfc^e, beutfc^e, englifd^e unb f))anifd^c „Station"; in ber
10 franjöfifd^en (gallifd^en) madpte fid^ u. a. ber ^ßrofcffor ^ol^ann Don SRagufa, O.Pr., ein
Dalmatiner Don ®eburt, befonberg bemerllid^. 3lm 21. guli 1423 tourbe e« unter ben-
felben $räftbenten, bie ba^ Äonjil in ?ßak)ia gehabt ^^^f feicrlid^ eri)ffnet; aber ben
gan}en ©ommer Derbrad^te e^ bie 3^^ ^i^ nu|Iofen 93erl^anblungcn über einen salvus
Conductus, toeld^en bie ©tabt ©icna au^jufteuen batte, ben aber ber ?Paj)ft möglic^ft
15 ju feinem eigenen Vorteile geftaltet toiffen toollte. 3)ie 3)e!rete, toeld^e Don ben 3Sätem
tn ber enblid^ am 8. 9loDembcr 1423 gu ftanbe gelommcnen gleiten ©i^ung Dcröffent^
lid^t iDurben, toieberl^olten bie SScrurteilung SOäiclif^ unb §u«', aud^ bie be§ ?Peter Don
Suna unb betrafen toeiter bie Union mit ben (Sried^en unb bie SScrttIgung ber Äeftereien
über^au^)t. 68 toaren babei aber nur 2 Äarbinäle unb 25 infulierte ?BräIaten antocfenb.
20 3)ann begannen SSerl^anblungen über bie Sieformation ber Äird^e, toobei bie franjöfifc^e
Station mand^e bead^ten^merte SSorfc^Iäge mac^ite. ©ie Derlangte u. a., ba^ bie Äarbinäle,
bem Äonftamer Äonjil gemäfe, avi^ aHen 3)eilen ber G^riften^eit genommen unb i^re
3a^I 18, l^öcpftend 24 betragen foQte. %cS SSorfd^Iagdred^t gum Jlarbinalat aber f outen
bie Stationen l^aben, ber $^ft nur ba$ Seftäti^ungdred^t. Obaleid^ biefe 93orfd^läge
25 toeber ba$ Dogma nod^ bie Slserfaffung ber l^ierard^tfd^en Jlird^enanftalt trgenbtoo tvefent^
lic^ änberten, ftiefeen fte bennod^ auf ben l^eftigften SBiberftanb ber ))oj)ftIid^en Segaten.
Diefe arbeiteten Je^t ben Seftrebungen ber entfc^iebenen 9teformfreunbe heftig entgegen
unb fud^ten ba$ Hongil aufgulöfen. @^ lam )u @))altungen; man fal^ batb ein, bag
man ju feinem ^\th lomme unb bie game Sleform einem neuen Äongile überlafjen muffe.
30 Dafür tourbe am 19. gebruar 1424 al« Ort bie ©tabt Safel beftimmt. Der ^fi
SJlartin V. Ke^ fid^ biefe, eine beutfd^e ©tabt, gefallen, toeil il^m mit einer frangöfifcben
Sjebro^t toorben toar; in granlreid^ aber toar bie anti^)ä})ftlid^e ©eftnnung bamate toeit
tärfer ate in Deutfc^Ianb. Sereit^ am 7. SRärj fd^Iugen barauf bie fiegaten einDefret
an, in toeld^em fie erllärten: fd^on am 26. gebruar fei ba8 Äongil Don il^ncn aufgeloft
35 Unb aUen ©rjbifd^öfen, Sifd^öfen u. f. to. fei ftrengften« Derboten, eine gortfe^ung be^-
felben ju Derfuc^en. 3[n bemfelben 2iige reiften fie nad^ S'^'^^^S ^^' Damit \oax ba^
Äonjil tro| aller 55rotefte ber franjöftfqen Station gu 6nbe. (Srreid^t aber ^tte e^ gar
nid^t^. SJtit toeldpen GJefül^Ien bie reformfreunblid^en üJtitglieber bemfelben au^einanber
gingen, befd^reibt ^ol^ann Don Siagufa: ,,Multae habitae fuerunt deliberationes/'
40 fagt er, ... et tandem propter vitandum ecclesiae scandalum . . . ac propriarum
personarum periculum, propter propinquam temporalem Papae potentdam
(Ställe be^ Jtirc^enftaatS) deliberarunt res ecclesiae Deo committere et unusquis-
que ad propria remeare" (Mon. pag. 61 f. u., bei §efele f. u. ©. 408). Der $a})ft
Slartin V. aber fe^te, um ben ©c^ein ber SleformtDiUigleit Dor ber öffentlid^en ÜReinung
45 ju lüal^rcn, in Slom an ber Äurie eine Äarbinal^Iommiffton ein, toeld^e Don aDen, bie
geeignet feien, SteformDorfc^Iäge entgegennehmen foHte. @r unb fein Stad^f olger Sugcmu^IV.
\fahm bie ©^nobe Don Siena nocp „generalis" genannt, ba8 gleid^e gefd^a^ a\x6^ Don
feiten be^ Safeler itonjilö; bie ft)ätere Äird^e aber ^at il^r toie ber Don ?|JaDia biefe«
^räbifat Dorent^alten. ^. Sfdlaifert«
50 ©teDefing^ Slmalie SB., geft. 1859. — fiittcratur: (©mma ^ocl) 5)cnhüürbia=
fetten auS bcm fiebcn üon §lmalic Sicocfing. ^it Vorwort oon ©id^cm. ^omburg 1860.
%\t^ SBerf rourbc inS granjöfifdje unb inS ©ngllfc^c überfett.— «bS3, ©b34, 6. 217 ff. —
gü^ann ^mx\6) ^öcf, SBilber au§ bcr (S>cf(^id|tc ber ^amburgif^cn Äirc^c feit bcr Slefonnation.
Hamburg 1900, @. 353 ff. — Ucbcr bie gamilic 6tct)cftng ügl. SJtc^cr unb Xc«borpf, ^am--
56 burglfc^c SBappcn unb ©cncalogien, C^amburg 1890, @. 385 ff. — ficcfcnbcrg, %\t 3pamiüc ©ictjc-
fing. 9llö 3)tanuffrlpt gcbrucft, S^erlin 1886, ©.23 f.— Ucbcr ben »atcr SlmoHcn« unb bcffcn
5Bnibcr, beten im ^(rtifel gcbac^t roirb, ugl. bie ?lb93 im 34. 93anbe.
Slmalie SEBil^etmine ©icDefing, ©rünberin unb Seiterin be« „SBeiblid^en SSerein« für
airmen- unb Äranfenpflege" in Hamburg, tourbe am 25.3uli 1794 gu Hamburg geboren.
60 3^r äJater toar ^einrid^ ß^riftian ©ieDefing, Kaufmann, unb feit bcm S^^re 1800 auc^
6ietifKit0 325
Senator in §ömbutg. ®te gamilie ©tctoeling ftamntt au« SOäcftfalcn, loofelBft im
16. unb 17. ^A^^^unbert ju i^r gel^ötige lut^ertfc^c ©eiftlid^c nac^tDcidBar ftnb. äSon
bort loar ber ©ro^batcr 2lmalien3, $cter 5Wic(ac8 ©., bor bcm 3a^rc 1747 nac^ ^am^
bürg gebogen; er l^atte ^ier eine ^ud^^anblung unb heiratete ilat^arina üRargaret^a
m\6), eine Goufme be« berül^mten ^ßrofeffor« Solenn ®eorg m\i) (geft. 1800). 3la^'^ 6
bem er in bie nieberen firc^Iic^en Saienämter (älbjuntt, bann ©ubbialonu«) eingetreten
toar, toürbe er jtd^er a&mö^lic^ )u angefel^eneren @teSungen in feiner neuen i^eimat
gelangt fein, toenn er nid^t fd^on im ^a^re 1763, erft 45 3al^e alt, geftorben toäre.
2)rei feiner ©ö^ne tourben bie ©tammt>äter ber feitbem in brei 3*^^0^ ausgebreiteten
unb eine 2lnjal^I au^ejeid^neter ?!KitgIieber auftoeifenben gamilie; bon bem älteften, lo
®eorg ^einrid^, einem Kaufmann, ber eine iod^ter be« 3o^. WA, Äeinr. Sleimaru«
(bgl. 95b VI ©. 138, 7 ff.) heiratete unb beffen §au3 in 9?eumü^Ien ber befannte ©ammel*
ißla^ ber bebeutenbften 3Wänner toar, ftammt ber Hamburger 3*^rig ; bon bem mittleren,
bem aSater 2lmalien«, ftammt ber Sonboner S^^^fl ^^ ©iebenng; unb bon bem britten,
bem Hamburger ©^nbituS Qol^ann ^ßeter (geft. 1806 in ^anau, erft 43 ^a!f)x^ alt), i6
ftammt ber Slltonaer ^\oäq, — 2lmalie berlor fd^on im Qo^e 1799 il^e 3Wutter; ate
bann aui) im Sal^e 1809 i^ SSater ftarb, o^ne 3JlitteI ju ^interlaffen, tourbe fie bon
i^ren beiben S3rübem getrennt unb lam in ba« ^au& ber gräulein 3)im^jfel, einer bamate
fd^on giemlid^ bejahen ©d^toägerin ÄlojjftodfS. SBäl^renb fte bi« ba^in böHig im SRatio-
naliSmu« erjogen loar unb ben f})ejififd^sd^riftlid^en Se^ren bott 3*^^fd gegentiberftanb, 20
lernte fie l^ier loenigfteng bie biblifc^e ©efd^id^te genauer lennen; fte felbft unterrid^tete
bie 9{id^ten ber.^äulein ^im^fel unb begann bamit eine Xl^ätigteit, bie fie bis turj
bor i^rem ®nbe mit nur geringen Unterbred^ungen fortgefejt $at. 2lte il^r älterer ©ruber
ßbuarb ^mxid) auf ein Jlom))toir in Snglanb fam, htqann ein Sriefloec^fel ber ©e^
fd^toifter, ber aud^ bi« ju Slmalicn« lobe fortgeführt ift unb für beibe, namentlid^ aber 25
auä) für fte, bie an bem geliebten ©ruber einen treuen Statgeber unb fjreunb ^atte unb
au6) ^ernad^ an ber ^amilie beSfelben mit inniger Siebe l^ing, bon ^ro^er Sebeutung
toar. @inen angenel^men ^amilienanl^alt fanb 9lmalie in bem ^aufe i|rer feit bem
Sa^re 1799 bertoittoeten Siante ©iebeling in 9leumü^Ien; im übngen toar fte meiften«
auf ftd^ felbft angetoiefen unb burd^ bie 3lb^ängigleit i^rer Sage babor betoal^rt, fid^ 30
mei^ gefettige S^^t^^wnfl 8« fud^en, aU xf}x für il^re innere Snttoidfelung ^eilfam toar.
Sm ^Jal^re 1811 nal^m eine SSertoanbte il^er ?Rutter, bie bertoittoete grau 33runnemann,
abmalte ju fid^ in« iQavi^, junäd^ft bamit fte il^r bei ber 5ßflege eine« Iranlen ©o^ne«
bel^ilflid^ fei; al« biefer aber fd^on nad^ toenigen Monaten ftarb, blieb älmalie bei il^r
unb fanb in i^ eine treue mütterlid^e f^eunbin, ber fte fbäter aud^ ben 3Jtuttemamen 35
nid^t vorenthalten burfte; 28 ^af}xt lang, bi« m bem %cltt berfelben im 3al^e 1839,
hat fte bei i^r getoo^nt unb bet il^rer ftc^ attmä^lid^ immer toeiter au«breitenben I^ätig*
reit an biefem $äu«lid^en SSerl^ältni« mit ben au^ i^m il^r ertoad^fenben ^Pflid^ten ben
Müdfl^alt gel^abt, ber il^r einerfeit« ein felbftftänbigere« Sluftreten ermöglid^te unb fte
anbererfeit« babei innerhalb ber toeiblid^en ©renjen l^ielt. S^näd^ft loar ber Unterrid^t 40
junger 3Jläbd^en i^re S3efc^äftigung; |ie l^atte ftet« eincÄIaffe, nur gang turge 3<^i* i*^^J
im ©ommer, too il^re ^Pflegemutter auf bem Sanbe (in Dtl^marfc^en) tool^nte, lam fte gu
ben ©tunben breimal toöd^entlid^ gur ©tabt. älu^erbem unterrid^tete fte aud^ in einer
bon einigen S)amen errid^teten greifd^ule für arme SKäbd^en. ®a« ^afyc 1815 brac^ite
i^r bie Irennunp bon i^rem jüngeren Sruber ©uftaö, ber bi«l^er in §amburg in einer 45
belannten gamilie ergogen loar unb nun jum ©tubium ber Ideologie nad^ SeitJjig ging.
2Bir toürben feiner nicft gebenlen, toenn nic^t bie tl^eologifd^e ©ntmidfelung be«felben unb
bann [ein Jjlö^lid^er frül^er 3:ob, ~ er ftarb am 1.3Wai 1817 in Serlin an einer Unterleib«*
entjünbung, — auf bie ©d^toefter bon befonberem ©influ^ getoefen loäre. S)a^ bie blofee
SSemunftreligion tot fei unb ba« $erg falt laffe, ^atte fie fd^on erfahren unb fanb babei 00
felbft lein ©enüge an bem, toa« fic im Unterrid^t ben Äinbem bot* bennod^ fürd^tetc
fte, ba^ il^r ©ruber jum ÜJl^ftilw neige, unb erllärte i^m fd^riftlid^, ba§ fte fid^ nie ben
©lauben an bie Serföl^nung (S^rifti, toie ber Sruber il^n ^abe, f)ai^ aneignen lönnen.
©^jäter batierte fie bie SSeränberung in i^rem ^nnern bon bem 3:obe ©uftab«. 3)urc^
X^oma« a Rtmpxi jur 93ibel geführt, fud^te fie bergeben« nad^ i^r iufagenben ©rllärungen 65
berfelben, bi« fte burd^ 31. §. grandfe« Slntoeifung, toie man bie feibel lefen muffe, ber*
anlaßt toarb, bie Sibelftetten untereinanber gu bergleic^en unb atte« ©elefene in ®ebet
unb Slntoenbung auf fi(^ felbft gu bertoanbeln. „3)a legte id^ alle Sudler tveg unb
mad^te mic^ attein an bie 33ibel," fo äußerte fte ftd^ barüber fl)äter, „unb ber ^err liefe
ftd^ finben bon mir. ^6) lann alfo mit Säa^r^eit be^au))ten, bafe mein ©laube fic^ nid^t eo
326 Stetietiiig
auf mcnfc^Itd^e Slutottlät, jonbem blo§ auf bcn §errn grünbet. 3d^ ftanb fe^r allein,
ba e« bcm ganjcn Ärcifc, in toclc^m i(^ lebte, toie au^ meiner öere^rtcn ?ßflegemuttet,
an eigentltd^ eöan^clifc^er (SrfenntniiS gebrad^ . . . ßinige ^^^^^M 6Kcben mir anfang«
noc^ übrig über bte 3Serfö^nung«Iel^re, iod^ tourben fie mir fpäter aud^ gelöft" {^tä^
6 ipürbigfeiten ©. 80 f.). ®em Sebürfniffe, fw^ burd^ eigene Slrbeit Älar^it über STbfc^nitle
ber ^L ©(^rift ju öerfd^affen, entftammte auc^i Ido^I junäd^ft il^ 6ntf(^lu^, „S5etrac<^
tungen über einjelne ©teÜen ber l^eiligen ©d^rift" auf ju|d[|reiben, bie fte bann, ba fie mit
Stecht glaubte, in jener ^Ai be^ lüicber crtoa^enben lirc^Iid^en Seben^ aud^ anbem mit
benfelben nü^en iu lönnen, im ^af)xc 1823 anonym l^erau^ab. Um biefc 3rit reifte
10 aud^ in il^r ein ©ebanle, ber fte lange befd^äftigt ^at, ben in biefer SKeife au^^ufü^
fte felbft \xd) bann bo(^ nic^t entfd^Io|, h)eil fte baju eine« SBBinle« ®otte« bebürfe, ben
aber fpäter (im ^a^re 1836) a:^eobor glicbner bertoirllid^t f)at (bgLSbVI ©.108), ber
©ebanfe nämli^, eine barmherzige ©c^tvefterfd^aft in ber ebangelif^en Äir(^e }u grünben.
(£« toar einerfeit« ba« Serlangen, burd^ einen fold^en „int 9Jamen be« $erm gefc^loffenen
15 ßiebe«berein" ba« bamal« in ber Äirc^e neu crtoac^te ÜAm ju befeftigen unb ju förbcm,
toa« fte eine fold^e ©tiftung für h)ünfd^en«toert l^alten liefe, anbererfeit« bic ipoffnung,
ben bielen einjelftel^enben ^auenjtmmem, bie il^re ^üi unb Äraft gröfetenteil« auf um
nüfee unb im ©runbe fc^äblic^e 3)inge bertoenbcten, einen toic^tigen unb fte innerlid^ be^
frieoigenben 93eruf )u toerfd^affen. 2)er erfte, ber öon biefem ?pian erfuhr, toax (Sorl
20 griebr. äug. ^artmann, ^ßrof. ber ©ef^id^te am afabemifd^en ®V*""<^P«'" ""^ Siblio=
tj^elar (geb. 1783, geft. am 23. Wpxxl 1828), mit bem 3lmalie im grübja^re 1823 münb^
lid^ unb fd^riftlid^ bie ©a<^e befprad^ unb bei bem fte lebhafte« ^ntereffe unb SJerftönbni«
für biefelbe fanb. §artmann forberte fte auf, f(^on Vorläufig Siegeln für bie ©d^loefter-
fc^aft ^u entwerfen, ©ie fd^rieb bann auc^ i^rem ©ruber in Sonbon barübcr. Sefonber«
26 förberlid^ Waxm xfyc aber Unterrebungen über bie ©ad^c mit Qol^anne« ©ofener, ber im
©ommer 1824 nai) 3lltona lam unb l^ier einige SKonate bertoeilte (togl. Sb VI ©. 770,
h)o e« aber ©. 771, 57 ftatt §ambura „Slltona" ^eifeen mufe). ®« toar begreiflich, bafe
©ofener ftd^ lebl^aft für biefen $lan tntereffterte; er fd^rieb bann aud^ no^ to>eiter Don
2^Pm öu« an ämalie über bie Slngelegen^eit unb fd^idte il^r ©nbe 1824 bie ©tatuten
90 ber barmj^erjigen ©c^toeftern in SKünd^en. S)urd^ ©ofener tourbe fte aud^ in i^rer än^
ftc^t beftärlt, bafe fte bie Bad^t nid^t übereilen bürfe unb ftd^er „einige ^af)x^ minbeften«''
nod^ toarten muffe, ©ie h)eift, too fte babon \px\ä)i, auf ba« SSorbilb be« SSincentiu^
bon 5Paulo in biefer §inftd^t, ber anfang« langfam ju 2Bege gegangen fei unb ben 2Bitlen
©otte« mand^mal lange ju l)rüfen pflegte. 2)a« Seben bc«felben bon griebrid^ ©tolberg
35 (SWünfter 1818) la« fte um biefe 3eit. 3)abei arbeitete fte an einem jtoeiten eigenen
aSerle, ba« fte unter bem 2;itel „Sefd^äftigungen mit ber ^l. ©d^rift" im ^a^re 1827
^erau«gab, in toeld^em fte 2lbfc^nitte au^ bem erften leil ber Offenbarung go^nni^
erflärte. S)er Ärei« bebeutenber 2eute, bie fte lennen lernte, erweiterte ftc^ immer me^r;
©eibel (ber SSater) unb Sleanber traten je^t in benfelben ein; erfteren fa^ fte mel^at^
40 in SübedE. gi^re 2;i^ätigleit blieb babei borgüglid^ ba« Unterrid^ten junger SMäbc^^en,
beren fte immer ettoa 12 bi« 15 unterrid^tete, fo bafe fte nad^ Seenbigung eine« Äurfu^
einen anberen anfing, äl« bic ßl^olera im ^al^re 1831 nac^ Hamburg lam, glaubte fte,
jc^t fei e« 3eit ntit ber 3lu«fü^rung i^re« 5piane«, eine barm^erjige ©d^toefterfd^aft ^u
grünben, ben 3lnfang j|u machen. SBaren 3lntafe unb Umftänbe au$ gang anber«, ale
46 fte c« fid^ bi«l^er gebad(>t, fo ;ih)eifelte fte bod^ nid^t baran, bafe e« ein SBinl i^re« §ei*
lanbe« fei, bem fie folgen muffe; unb al« auf il^ren 3lufruf an d^riftlid^e ©eelen, ftc^ mit
i^r 3ur Äranfen})flege im c^riftlid[>en ©eifte ju bereinigen, ftc^ niemanb melbete {pml
tDürbigfeiten ©. 179), melbete fie ftd^, nad^bem fte öon i^rer Pflegemutter baju bie Cr*
laubni« crl^alten, bei ber 3)ireItion bc« für bie G^olerafranlen erbauten ßof))ital« unb
50 ioarb gerufen, al« bic erfte tueibltc^e Äranfc aufgenommen mar, am 13. Dltober 1831.
5öarb fic anfang« aud^ toon benarbten be« §ofj)ital« al« eine ©d^h>ärmerin betrachtet,
fo crtuarb fie fi^ bod^ burc^ il^r berftänbige« unb einftc^t«bolle« Senel^men unb bie rüd-
fid;t«lofc Eingabe an ben übernommenen 93eruf balb ba« toolle SBertrauen berfelben, fo
bafe fic balb gur Dberauffcberin über ba« gan^e männlid^e unb h>eiblid^e aBärterperfonal
55 ernannt ioarb. 3lm 7. SDcjembcr »erliefe fie, nad^bcm fie il^re Aufgabe bort böflia ju
(£nbc geführt ^atte, ti?iebcr ba« öofi)ital. Unb al« fte nun öon ber äd^tung unb Siebe
be« gcfamten ,ö'^f>>ital«j)crfonal« unb einer grofeen Sln^al^l genefener Äranlen begleitet,
felbft toöKig gefunb unb frifd^ tuiebcr in« ii^^b^n ^urüdtrat, ba Jjric« man allgemein, hwt«
man frül^er getabelt l^attc. ©ie felbft aber l^attc aufecr bielen anberen 6rfal^ungen, bic
60 fte gcmad(^t, bie Überjcugung gehjonncn, bafe e« boc^ noc^ nic^t für fte bie ^üi fei, eine
etendtng 327
etHingeltfc^e batmJ^erjige Sd^^n^eftecfc^ft )u grünben; ftatt biefe^ früheren j^tte nun ein
anbetet t)etn>anbtet ^lan getabe in biefet 3^ ^^ i^^ f^^ au^ebilbet, nämlic^ bet bet
©tünbung „eine« toeiblid^icn SSetein« füt 2ltmens unb Ätanlent)flege". liefet 3Setcin,
bcn ämalie bann im Sollte 1832 in« SeBen tief unb bet nid^t nut nod^ in ^arnbutg
in 38itl[am!eit ift, fonbetn nad^ toelc^em aud^ eine gto^e ^(ngal^l öJ^nlic^et 93eteine in 6
Dielen anbeten ©tobten gegtünbet jmb, toutbe fottan fo ted^t eigentlich bet Wittel^^unlt
ii^te« SSitlend; et ift.e« aui) Dotjüglic^, bet fte übet i^te SSotetftabt ^inau« belannt
gemacht l^at unb i^ten 9Jamen neben benen einet ©lifabetl^ gt^, eine« ^liebnet unb
eine« SJBit^etn genannt toetben läfet. ®et 23. 3Jlai 1832 ift al« bet ©tiftung«tag be«
)iBetein« }u bettad[|ten ; nac^bem ätmalie mit einet äln^a^l ^auen unb ^ungftauen au« lo
ben ^ö^eten unb mittleten @tänben übet bie @adbe gefi)toqen unb il^tet 12 baju ^e«
h)onnen l^atte, mit i^t biefen äSetein )u gtünben^ tamen fte an bem genannten ^ge tm
i^aufe il^et ^Pflegemuttet jufammen, unb ä[malie etöffnete bie SSetfammlung mit einet
Slntebe, bie ftc^ im je^nten 3al^te«betic^t be« SSetein« (^ambut^ 1842, ©. 56—68) ge*
btudt befinbet unb tn n^eld^et fte in Ilatet unb nücBtetnet SBetfe bie allgemeinen ^ttn- 15
ixpim be« gjetein« feftfteHt. Sefonbet« beutlid^ fjjtic^t fte e« untet ^intoei« auf 3ef 58
unb 3Kt 25 au«, bafe e« auf Übung einet Satm^etjigleit abgefe^en fei, bie au« bem
®lauben lomme; ©oben lönnten nut ©egen bringen, \omn ba« $etg be« ®ebet« unb
be« ßm^jfänget« nid^t lalt bleibe; bet fd^önfte ©egen, bet ©egen bet Siebe, toetbe
fid^ nut offenbaten, too toit bem @lenbe bet Stübet nic^t nut ben Seutcl, fonbetn aud^ 20
bie ^etjen öffnen unb i^nen nid^t nut ben t)etgängli(^en SJlammon, fonbetn aud^ S^xt
unb ittäfte o))fetn. 3)ie ))etfönlid^e Sejiei^ung ju ben Sltmen unb Jttanlen foQte, fo
beftimmten e« bann bie ©tatuten, but(| »efud^e bei i^nen gewonnen toetben, unb jtoat
foöte eine unb biefelbe gamilie abtoed^felnb t)on öetjd^iebenen 3)amen befuc^t toetben.
@efunbe 9ltme foEen toomöglid^ lein ällmofen, fonbetn Sltbeit etl^lten. ^ie motalifd^e 25
unb teligiöfe @intoitfung auf bie Pfleglinge folle \>ox allem t)on bem 3Bitfen bet Siebe
im ©eifte be« ©tauben« au«ge^n; baneben foll eigentlid^et teligiöfet 3wf<>ifud^ ftattfinbcn
unb jut Sefung bet 1^1. ©^tift, jum ^t\ui) be« ©otte«bienfte« unb jum ©enufe.be«
^l. Slbenbmo^l« etmuntett toetben. 3)a« 3led^nung«toefen be« SSetein«, bet gut Untet^
ftü^ung bet atmen ftd^ fteitoiHig Seittäge anöetttauen lie^, ftanb untet bet Slufftd^t so
Ijtoeiet Stitget; fonft toutbe bie ganje Settoaltung u. f. f. Don ben 3)amen felbft befotgt.
3)ie ganje mannigfaltige Sl^ätigleit (au^et ben Sefud^ien bie SSetteilung toon 8eben«mitteln
unb geuetung, bie 2lntoeifung bet Sltbeit füt bie ättmen nad) i^ten öetfd^iebenen Rtoeigen,
bie Sluffid^t übet bie Slo^ftoffbeftänbe, bet SSetlauf bet Sltbeiten bet 3ltmen, bie Set^
toaltung bet Sltmen^öufet unb be« ilinbetl^of))ital«, bie bet äSetein f))ätet gtünbete, unb 35
Diele« anbete) toutbe auf« genauefte geotbnet; toöd^entlid^e unb monatliche SSetjammlungen
bet aSetein«mitgliebet, beten 3lma^l balb ftc^ fel^t Detgtö^ette, toutben füt bie Detfd^iebenen
Slbteilungen gellten, in toelc^en toid^tige ©egenftänbe betaten unb übet bie Sefd^lüffe
ein genaue« $totoIoll gefü^tt tvatb; unb biefe bi« in« einzelne hinein fotgfame Otgani=
fation, bie Don einem nicj^^t geringen ©efd^ide 9[malien« füt bie Seitung be« ©an^ 40
ieugte unb butd^ toeld^e alle SKitgliebet be« 33etein« in ilatet 2;^ätigleit getegelt unb ju*
fammen^el^lten toutben, ^at nicbt jum minbeften baju beigettagen, bem SSeteine mit
Stecht ein gto|e« 3Setttauen in oet ganjen ©tabt ju Detfd^affen. 3luf einjelne« lann
^iet nic^t toeitet eingegangen toetben; toet fic^ einge^enb übet Dtbnung unb aöitlfamlcit
be« Setein« untetri^ten toill, ift auf bie Seti^te^u Dettoeifen, bie 2lmalie iä^tlidjf 45
l^ctau«gab. ®« blieb natütlic^ nid^t au^, bafe bie 3Jcitgliebet be« Sctein« oft Don ben
Sttmen bittet getäufd^t unb bafe bie Untetftü^ungen ttofe allet SSotftd^t Untoütbigen gu
teil toutben; ja e« fc^eint, al« toenn getabe bie Dotttefflic^e Dtganifation be« ©anjen bet
betec^nenben ©d^led^tigfeit Jpanb^aben bot. Sefonbet« ^öufig ift bann bem Setetn Dot«
getootfen, bafe et bie §eud^elei bei ben 2ltmen begünftige, fo bafe ftd^ fogat in D)))ofition so
gegen biefen ein anbetet bilbete, bet geflijf entließ Don jebet teligiöfen unb fttd^lid^en
©teUung bet gu Untetftü^enben abfa^ unb nun au« feinet Unlitdl^lidjleit fid^ ein 93et=
bienft mad^te; abet im gtofeen unb ganjen toitb man boc^ fagen müjfen, ba| 3lmalie
©ieDeling füt bie Übung c^tiftlid^et Satml^etgigfeit an Sltmen unb Ätanlen butd^ ©tün=
bung il^te« SSetein« einen Säcg beschritten l^at, auf toelc^cm e« im toefentlic^en möglich 66
ift, bie bet d^riftlic^cn ©emeinbe auf biejem ©ebiete in gto^en ©tobten gefteHte 3lufgabe
ju löfen, unb iebcnfaH« f^at biefet 3Screin in ungä^ligen einzelnen fällen geiftlidpe unb leibliche
Silfe gebtac^t, in toclc^cn o^ne i^n einzelne nic^t ju l^elfen im ftanbe getoefen ioärcn.
>ie felbft l^atte in biejet 3ltbcit i^te Dolle Scfriebigung; e« toat, al« tvenn mit bem Um-
Itei« i^tet 5ßflic^ten auc^ il^te 2eiftun9«fä]^igfeit junäl^me. ®et SJetein brachte fte in eo
328 Stetiding eigebnrt
3Scrfe^ mit Königinnen (j. S. Caroline Smalie toon 3)änemarf) unb mand^en berühmten
Scutcn; fic h)urbc erfud^t, au^h>ärtg (in Sternen, SKagbebutö u.f. f.) Vorträge über biefc
Strbeit ui galten, um jur ©rünbung äl^nlici^er 33eretne ben 2lnfto^ ju geben; fic h)urbe aber
burd^ alle 3lu^geid^nung, bie i^r ju teil hjarb, nid^t t)on il^rem fd^lid^ten einfachen SMefen
6 abgebrad^t. — ®egen dnbe i^re« Seben^ gab fie noc^ einmal ein 93ud^ l^etau^, ba^ ben
beiben Vorigen äl^nlicb ift: „Untetl^altungen über einzelne 2lbf(^nitte ber l^eiligen ©c^rift/'
Seijpjig 1855, 2. 2lufl. 185G. 3" ben legten |\h)ei ga^ren füllte ftc eine 2lbna^me i^er
Äräfte infolge eine^ fiungenleiben^ unb ftarb am 1. %pnl 1859 im 65. S^l^re. Sie
l^atte angeorbnet, bafe fte ganj fo begraben tverbe, toie bie Slrmenanftalt oamate bie
10 3lrmen begrub, in einem niebrigen ©arge mit ganj pad^em Dedtel, um babur(^ bae SJor-
urteil gegen biefe Seerbigung^tueife bei i^ren Strmen ju befäm^jfen. Sar( Sert^ean.
Stgebnrt tion @embIonc, geft. 1112. — ^lUgcmcinc Sitteratur: 6. ^irfcö, De vita
et ßcriptis Sigeberti monachi Gemblacensis, Berolini 1841. — ©. SBattcnbac^, 3)cutfÄlQnb^j
®cfd)ic|t§queaen im 3R91. IP, 154—163. — (£'ine große «In^o^l bcr SSertc ©igcbcrtö (aud)
16 bie ei^ronif aitS MG SS VI) fitib in MSL CLX abgebrudtt, bie ©injelaudgabcn unb bie
Spejionitteratuv, fotoeit fie ^icr anjufüliren nüjjlic^ fc^ien, fmb unten genonnt.
©igebert ift einer ber berborragenbften ßiftoriler, ber bielfeitigften unb fruc^tbarften
©d^riftfteHer be^ frül^eren SKittetalterg, ein 5Kann, ber burd^ feine litterarifc^e 2:^ätigleit
nat^^altig auf bie S/)lgejeit eingeh)irft l^at. ^n bem 9enebiftiner!lofter ®emblou£, ba^
20 in ber billigen belgifc^ien $rot)ing 9Jamur, untoeit ber ®renje öon Srabant lag, ^atte
W)t Dlbert (1012-1048), ein tüchtiger, auc^ litterarifd^ t^ätiger 3Wann, bie Älofterjuc^t
^ergefteHt, eine gute iöofterfd^ule unb eine nid^t unbebeutenbe SBibliot^el gef(^affcn. §ier
erl^ielt ©. nod^ bei fiebjeiten Dlbert« feine erfte Sluöbilbung unb trat frü^ al« 9Rönd^ in
ba« Älofter ein. SQBir bürfen annehmen, ba^ er' in ber 9?ä^e bon (Semblour, too^l
25 e^er um ba« ga^r 1035 afe um 1030, geboren h)ar. 63 ift toa^rfd^etnli(^, bafe er
romanifd^er Stblunft h)ar, er fc^eint ftd^ nid^t für einen 3)eutfd^en gehalten ju ^aben.
3)o(^ \pxa6) er h)ol^l, toie e« in biefen ©renjgcbieten ber beiben Slationalitäten natürlich
ift, foh)o^l ben franjöfifc^en 3)ialeft jener ©e^enb h)ie bie Dlämifc^e ©))rac^e. 3lo6) in
frül^er Sugenb h)urbe er bon bem Slbte J^olqum, bem Sruber bc« Slbte^ SKadceUn (au(^
30 SKat^elin, 9R^fad^ genannt, 1048—1071) bon ©emblouj, aU fiel^rer ber Älofterfc^ule
nad^ bem ©. Sincenjflofter ju 2JJe$ berufen unb leierte bort längere 3^'^ ^^^ gro|em
(Erfolge, ©eine erften litterarifc^en arbeiten, bie er ^ier öerfafete, galten ben ^eiligen
unb ben gntereffen biefe« Älofter«. 6r fc^rieb ba« Seben be« SBifd^of« S^eoberic^ l. Don
3Re^ (964—985), ber ba« SSincenjIlofter im ^a^re 968 gegrünbet l^atte (ed. ®. ö. ^Pcrff,
36 MG SS IV, 461—483). ©c^on in biefe flei^iae unb in i^rer 2lrt red^t tüchtige arbeit
fügte er me^rfad^ 3Serfe, namentlid^ ein Sobgebid^t auf bie ©tabt 3Jle^ ein. 3)a« näc^fte
aSJerf h>ar ein ganj jjoetifd^e«. 3m ^a^re 970 batte ber ©tifter be« Älofter« Sifc^of
3:^eoberid^ bie ®ebeine einer angeblichen ^eiligen fiucia au« ber Verfallenen ©tabt ßor^
finium nad^ bem SSincenjflofter gebraut, um feine ©tiftung mit ben unumgänglid^ not=
40 h)enbigen §eiligenreliquien ju berforgen. 3)iefe Sucia l^ielt man für bie f^rafufanifc^c
3Rärt^rerin, beren Acta man lannte. 3*" cngften 3lnfdS>lu6 an biefe berfafete ©. nun ein
umfangreiche« ®ebid^t, Passio S. Luciae virginis, in aleäifc^en ©trojjl^en, bon boren toicr
33erfen je ;|h)ei meift miteinanber gereimt finb (ed. 6. Dümmler in 31S331 1893, ©. 1—43),
unb lie| biefer Slrbeit noc^ einen Srief über eine ^roj)]^e5eiung ber ^l. Sucia unb einen
46 ©ermo ju il^rem fiobe, in meld^em er auc^ bie Übertragung t)on i^ren ®ebeinen nac^
ßorfinium unb t)on ba nad^ 3Jle^ bel^anbelte, folgen (ed. Dct. (Saietanu«, Vitae sanct.
Siculonim I, 100—102). gür ba« ©. aRartin«flofter bei aWe^ toerfa^te ©. nod^ bie
Vita Sigeberti III. regis, ber bie« Älofter geftiftet ^aben foHte (fie liegt in gtüeifac^er
gaffung öor: ed. 2)ud^ne«ne, Hist. Franc. Script. I, 591—593 unb MSL LXXXVII,
60 303—314; CLX, 725—730; togl. ©. ^irfc^ a. a. D. ©. 239ff.). 6« ift toa^rfc^eim
lid^, bafe bie Übertragung ber angeblichen ®ebeine be« Äönig« im ^af^x 1063 änlafe jur
(Sntfte^ung biefe« SBerld^en« mar, ba« al« gefc^ic^tlid^e Dueue natürlid^ nid^t in Setrac^t
fommen fann. 2)anacf), ettoa um ba« ^ai}x 1070, lehrte ©. nac^ ®emblou| gurüd unb
übernahm aud^ ^ier bi« ^u feinem 2;obe bie Seitung ber Älofterfd^ule, aui ber mehrere
66 un« befannte litterarifc^ t^ätige 3Jlänner ^ert)orgingen. Sföie in 3Ke$ toanbte ©. au(^ l^ier
feine 1|^ätigfeit ^^unäc^ft barauf, bie .gjeiligen unb ben ©tifter be« l^eimifc^en Älofter« ju
berl^enlidfien. ^k 3JJ5nd^e tjon ®emblour glaubten bie ®ebeine be« ^l. (55U}>eriu«, eine«
angeblichen gü^rer« ber 2:bebäifc^en Legion, ju befi^en. Dal^er berfa|te ©. im Sllter Don
14 3öbren ein gro^c« ®cbic^t, Passio SS. Thebeorum, t)on brei Suchern in §eja:
(Sigebert 329
metern (bte (Einleitung in ^iftid^en) auf ®runb ber nad) ben Acta be^ (Sud^eriu^ gemad^ten
jäteten Searbeitung ber Segenbe (ed. 6. 3)ümmler, äS93l 1893, ©. 44—125). ®iefe«
®ebic^t giebt ungtoeifel^afte« 3^9"^^ ^on ))oetif(i^ef Segabung be^ S^td^ter«. 6« folgte
bie Seben^befc^retbung SBBicbert« (©uibert«, geft. 962), be^ ©rünber^ ber äbtei (Semblous
(ed. ®. §. ?Per^, MG SS Vni, 507—516). Unb bamit in engem 3ufammen^ange ß
fte^t bog folgenbc SJBerl, bie ©efd^id^te ber tbte bon ©emblouj (ed. ®.^. $er^, MG
SS VIII, 523—542), ba« S. aber nur bi« ju ben anfangen be« 3lbte« 3Ra«ceHn 1048
fül^rte. (6^ tourbe f))öter bon feinem ©(^üler ®obe«caIc fortgefejt.) ®a er für bicfe
airbeit neben ber münblid^en Überlieferung unb einem Sruc^ftüd in SSerfen über ba^
Seben beö erften 9lbte« ®rluin anberer DueDen für bie ältere gfit entbehrte, l^alf fid^ lo
©., ber ftet« atted eneid^bare ?!JlateriaI für feine gefc^id^tlid^en ffierle l^eranjujie^en b^
mü^t toar, baburd^, bafe er bie im Älofterard^ib aufbetoaJ^rten Urlunben burd^forfd^te unb
aufnal^m. 3n biefem Sud^e fe^te er bem toerel^rten Slbte DIbert, ben er tool^l nodb ge-
launt ^at, in bem Seric^t über feine Xl^ätigleit ein fd^öned unb ))ietätt)o(Ie^ ^enlmal.
3)a man in ®emb(ouj aud^ bie ®ebeine be« ^l. 3KacIobiu^, eine^ »ifc^of« ber Bretagne is
im 6. S^^'f^wnbert, ^atte ober ju befi^en meinte, mu^te ©. auf ©el^eife be^ 2lbte^
Sn^ietmar beffen bor^anbene ältere 2eben«befd^reibung überarbeiten, um fte lesbarer ju
mad^en (nad) ©uriu« abgebrudft MSL CLX, 729—746), ebenfo bie Siten ber beiben
alten Süttid^er (HKaaftric^ter) »ifd^öfe SCI^eobarb (AS Sept. III, 593—599) unb Sambert
(geft. 708), bie le^tere fogar ^toeimal in berfd^iebener gorm (MSL CLX, 759—810). 20
^ie beiben legten toaren jtoar feine ©jjejiall^eiligen t)on ©emblouj, aber bod^ fold^e ber
Süttic^er S)iöcefe, in tpeld^er ®embIou| lag. 3lSd^ mag ertoäl^nt toerben, bafe ©. Sinti*
^l(^onen unb 3lef]ppnforien jur ^eier ber ^eiligen 3Jlaclobiu« unb SBicbert in 5KufiI feftte.
aber ber grofee ©treit jtotfc^en Äöntgtum unb 5Pa})fttum, toeld^er ben größten leil
ber Seben^jeit ©. erfüllte, jtoang feine gefd^idtte §eber t)on ber Sefc^äftigung mit 25
ben l^mifdpen heiligen unb ber Äloftergef^id^te ^intoeg in eine anbere Stid^tuna. ®r
felbft toie fein Älofter unb ba« ganje 9i«tum Süttid^ ftanb treu auf feiten be« König«,
unb fo trat er aud9 mit feiner g*^ für beffen Sted^t unb gegen bie neuen änf})rüd^e
be« 5PaJ)fttum« auf. ®r felbft fagt, ba^ er eine Slnttoort berfafet l^at auf ben ©rief
^ilbebranb« (5Paj)ft ®regor« VII.) an Sifc^iof ^ermann toon ?!Jle^ toom ^abre 1081 so
(Sieg. VIII, 21), in toeld^em biefer nad^juh)eifen öerfud^t, bafe bie ^ßäjjfte ba« Siedet l^aben
Äönige ju ejlommunijieren. ^mc ©d^rtft fd^eint berloren. 3*^^^ glaubte S. Set^mann
fie toieberjucriennen in bem SBerld^en, loel^e« bie Überfc^rift trägt Dicta quaedam de
discordia papae et regia, bad je^t in brei t)erfd^tebenen Raffungen (MG Lib. de lite I,
454—460) borliegt, unb 91. Saud^ie, La querelle des investitures dans les dioc^ses so
de lAhgß et de Cambrai (Soutoain 1890), I, 66—99 trat bafür ein, bafe bie in einer
au^ ®emblouj ftammenben öanbfc^rift überlieferte Slecenfion be8 SBerfd^en« h)irllid^
bie gefud^te ©d^rift ©. fei, aber ba« ift bod^ unmöglich, benn jener lejt befaßt fid^
burd^au« nid^t mit bem genannten 55riefe be« $aj)fte«. 5Da8 verlorene SBerfd^cn
fte^t l^eute nod^ neben einer anbem unten ju ertoäl^nenben ©treitfd^rift ©. auf bem 40
römifd^en gnbej librorum prohibitonim, bod^ ift m bebauem, baf{ toir nid^t in ber
Sage ftnb, ba« 3Serbot ju übertreten. 3lber erl^alten finb un« jloei anbere ©d^riften, mit
benen ©. in bie großen Streitfragen ber Reit eingriff, äfö ©regor VII. 1074 verboten
l}atU, bie 3Jleffen toerl^eirateter Sßriefter ^u boren, unb nun eine loüfte Slgitation im 33oH
gegen biefe einfette, öerfafete ©. ein Süc^lein jur SSerteibigung ber 3Weffen fold^er ^ßriefter (eb. ®. 46
©adtur, MG Lib. de lite IL 436—448). ©d^on ui biefer ©d^rift h)ie ju ber borl^er^
genannten berlorenen ©treitfcprift unb ben beiben Bearbeitungen ber Vita Lamberti
botte ber fiüttid^er 2lrd^ibiaIon §einric^ ben SBerfaffer angeregt. 3118 nun ben Süttic^em
ber »rief be« $a))fte8 ^afc^aliö II. Dom 21. Januar 1103 (Saffö, Sieg.' Sir. 5889 jum
3. 1102) betannt tourbc, in loeld^em ber ^atoft ben ®rafen SRobert II. bon glanbemso
aufforberte, bie fiüttid^er, toie fd^on früher bie Seute bon gambrai, toegen il^rer Sln^äng*
li(^feit an ben Äaifer ßeinrid^ IV. ju jü^tigcn unb ben Äaifer felbft }u befnegen, fc^rieb
©. auf Seranlaffung be^felben 3lrq>ibtafon8 im Slamen ber Süttid^er Äird^e eine fel^r ge-
fd^idEte unb trofe aller SKäfeiguna unb ftetö betonter SSerel^runa bor ber römifd^en ÄirS^e
bo<^ red^t fd^arfe unb beifeenbe 3lnth)ort, in ber er bie Und^riftlic^Ieit beö SSorgel^enö be8 5b
^ßa))fted geißelte (Epistola Leodiensium adversus Paschalem papam ed. @. ©adhtr,
MG Lib. de lite II, 449—464). ebenfalls auf Sitten be« Süttid^er 9lrd^ibiafon8
Äeinrid^ fd^rieb ©. bann noc^ jtoei ©riefe über bie Duatemberfaften an bie 2:rierer ®eift=
fi(^Ieit (SRartene, Thesaurus anecd. I, 295, 306).
©4on im ®reifenalter, too^l nal^e bem 70. ^a\)xc, untemal^m ©. ba8 SBerl, toelc^e^ eo
330 iSitthnt
feinen 92amen b\^ l^eute berül^ntt gemad^t f)at, bie SBeltc^tonif, nac^bem er t)or^er noc^
ein öerlotcne« ©ebidj^t in ^ejametem t)erfa|t l^atte, toelc^e« eine äu^legung be« gcciefiafted
enll^ielt. 2)ie gl^ronil fc^rieb er im $inblirf auf bie SBcItc^ronif be« SMarianu^ ©cotu«,
mit beffen c^ronologifc^em Softem er fxä) nid^t ;iufrieben geben modj^te. 6r fügte fic als
5 f^ortfe^ung an be^ Jpieron^mud lateinifd^e Überfe^ung unb f^ortfe^ung Don @ufebiu^'
ßl^ronif unb begann fie mit bem gal^re 381 (ftatt 379). @r folgte bem ^ieron^mu^
audj^ barin, bafe er jebem ^af)xt bie S^egierung^jal^re ber Äönige ber toerfc^iebencn SJeic^e
(^ule^t ber SRömer [2)eutfc^enJ, granjofen unb ©nglänber) beifügte, jum fü^enben c^rono=
logifcl^en ©d^ema bie 3"Iömation«ial^re toie ?Blarianu« ©cotu« nal^m. @g ift leidet er=
10 Härli^, meldte großen ©c^toierigleiten er bei 3)urd^fül^ng biefer öielfac^en Sal^r^ä^Iung
ju überh)inben ^aiU. 3liä)t ©efd^ic^te l^at ©. in biefem Söerl fd^reiben tootten, fonbem
nur eine d^ronologifd^e Überfu^t ber für il^n toid^tigften ©reigniffe gegeben mit möglid^fta
SerüdEfid^tigung ber öerfd^iebenen SReid^e, toenn auc^ naturgemäß in ber il^m näl^cr
liegenben 3rit bie 9lad{>ric^ten über ba« römifd^sbeutfdf^e 3leidE> unb bie belgifd^e ^cimat
16 überwiegen, aber aud^ für bie bon i^m felbft burd^lebte ^eriobe bringt er nur eine
bürftige 3lu«loal^l furjer 9?ad{>rid^ten, nur für bie le^te 3«t bon 1105—1111, bercn
^ajjlrberid^te er too^I jum Xeil nac^ äSoQenbung ber S^onil allmä|^(i(^ l^injugefügt ^t,
giebt er eine tttoa^ au^fül^rlid^ere 2)arfteIIung ber loid^tigften ®reigniffe im Stei^ unb
^t l^ier auc^ einige 3lltenftüde aufgenommen. TOit bem ^afyct Uli fd^^liefet ba« SBcrf.
20 3)er ei^ronil l^atte er eine längere Einleitung t)on brei Seilen in Dialogform borau^
gefc^idft, in ber er über ben 3^^*/ 9lu^en unb ba« d^ronologifc^e ©Aftern be^ SSerfe^,
bad er felbft Decennalis über benannte, l^anbelte. ^on biefer Einleitung fmb bi^^er
nur toenige 3^^« befannt. Die ßbronil geloann fel^r fc^neU ba« größte Slnfe^, fic
tourbe in überaus jal^lreid^en Sbfc^riften namentlich in Belgien, granlreic^ unb ben
25 9Jieberlanben verbreitet, an bielen Orten burd^ 3wf% ""^ gortfe^ungen ertoeitert, au^
i^r fd^öt)ften bie genannten ©ebiete in ben folgenSen 3^1^^«"^^*^" bomel^mli(^ i^rc
Renntniö ber mittelalterlichen ©efdj^id^te, fie tourbe, oft fdpon burc^ 3"?^^^ bereichert unb
fortgefe^t, bie @runblage einer faft unüberfel^baren 9{ei^e \)on ft)äteren @efc^id^t^toerfen,
toie ber be^ Stöbert bon 2^origni, ^elinanb, Slnbrea^ öon 3Kard{>ienne«, Stöbert i)on
aoSlujerre, 3Sincenj bon Seaubai« u. f. lo. unb f^at fo eine ungeheure Sebeutunggetoonnen,
einen nic^t ^oc^ genug ju fd^äfeenben Einfluß auf bie 3laä)\odi au^eübt. Die einzige
^eute braudjfbare äu^abe ber ß^ronil ift bie öon 2. Set^mann in MG SS VI, 268
bi« 374 (bie gortfe^ungen unb 3ufä$e bafelbft ©. 375—535). Slber ba« Slefultat ber
OueUenunterfuc^ung, ba^ bort vorliegt, ift l^eute ganj unjulänglid^. ©e^r Diele Hein
35 gebrudEte ©teilen fmb leine^toeg^ ben bort am Staube angegebenen JQueQen entnommen,
). 93. finb bie oft angeführten Annales Leodienses nic^t Duelle ber E^ronil, fonbem
au« i^r ejcerj^iert.
©c^on ate bie ßl^ronif im toefentlidj^en boUenbet toar, begann ©. fein l^te« SBerf,
bag näd^ft jener für un« ba«; loertbotlfte ift. ^m älnfd^luß an §ieron^mu«' unb ®ennabiu«'
40 ©c^riften de viris illustribus unb al« beren gortfefeung fd^rieb er ein 8u^ über bie
©d^riftfteUer (man braucht nid^t l^injujufe^en ,ber Jtirc^e', benn anbere gab e« nic^t) unb
beren 3Berfe bon ©ennabiud an bi« auf feine 3cit (de scriptoribus eccüesiasticis ed.
J. A. Fabricii Bibliotheca ecclesiastic^a p. 93—116; abgebrudtt MSL GLX, 517
bi«; 592). Oetoiß, bie ßl^ronif mie biefe« SBerf ftnb reid^ an UJerfel^en, geilem, c^rono^
45 logifd^en ^trtümem, aber toer ben SSerfaffer be^^alb l^art tabeln tooUte, al^nt nic^t, toelc^c
©d^toierigfeiten ein 5)lann ju übertoinben ^atte, ber foldf^e 2Ber!e fd^affen tooDte. ^in=
gebenber gleiß, ^arte« Slingen gur Seloältigung bcö mafjenl^aften Dueuenftoffe«, eine für
bie 3«t ftaunen^toertc Selefenl^eit jeigen ]\i) jebem Äunbigen in beiben SBerfen, bal^
barf i^m unferc ^nt ben Stu^m nicpt berfagen, ben il^m bie S^itgcnoffen unb bie folgen=
60 ben 3a^r^unbcrtc reid^Uc^ juerfannt ^aben. 3n bem legten RapxUl ber Scriptores
ecKjlesiastici jäl^lt er feine eigenen SBerfe auf, c« ift beö^alb ba« toertboUfte für un«.
^fyn unb einem ^a^itel in @obe«calc« Gesta abbatum Gemblacensium t)erban{en
toir faft alle«, toa« tüir über fein Seben unb feine ©c^riften toiffen. 3" ^^^ äufjiäl^
lung bin i^ ber ^Reihenfolge ©. felbft faft ganj gefolgt, ba id^ ber SReinung bin, bafe
55 er fie toenigften« innerhalb ber einzelnen ®ruipj)en ber 3^i^ol0C nac^ auffül^tt, toenn
er fte auc^ nic^t burc^h)cg ftreng d^ronologifc^ anorbnete. Diefe« SBerf ^t er etfl in
feinem leisten 2eben«jal^rc bollcnbet. ^^m ^ai}xc 1110 l^atte er e^ noc^ burd^efe^t, bafe
bie ©ebcine be^ ©tiftcr^ beö Älofterö ©emblouj, SBicbert, mit Billigung be« 2üttic^
93ifc^of^ feierlich erhoben unb biefer bamtt al^ ^eiliger offi/^ieH anerfannt toutbe. ^oc^
60 betagt unb ^od^t)ere^rt Don jcinen ©c^ülcm, \)on ben ü)lönc^en öon ©embloug, beren
Stgebert Stgtdmttttb 331
einet ii^n ba«; Sfuge be« Älofter« nannte, öon öiclen 9RUIcbenben, ftarb er am 5. Sflobember
1112. ©. ift ba« 9RufterbUb be« tüd^tigen, braöen, geleierten Senebiftinermönd^eö alter
Süd^tuna unb alter ©4ule, \)oü ed^ter unb toal^rer grömmigleit, aber abgeneigt jeber
übertriebenen a«fefc, t>oü be« eckten unb emfien toiffenfd^aftlidben Streben«, ein lauterer
©(uralter, über^u))t eine ^'6ä)\i liebendtoürbige unb fvi^t^atl^ifcve Srfc^einung. 6
C. $o(ber^C^00er.
Sigtdmttiib, gol^ann unb bie Sinfül^rung be« reform. 33elenntniffe« in
ber 3Karf Sranbcnburg. — Duellen unb ßitteratur: Urfunben in „2)cö 5)ur*=
Iaud)tigften . . . ^rm 3i>^anu @igmunbd . . . Setäuntnid $ou ie^tgen Dnber ben ^uangelifc^en
fdjtüebcnbcn, unb in ftrcit gezogenen punctcn...", 1614; Initia Reformationis Marchicae, lo
1615; 2)cV e^ur Sranbcbiirg Stcfornmtion «krd, ©crlin 1615; SWt)Iiu8, Corpus Constitu-
tionum Marchicarum I, 351 ff.; ß. Äcder, S)ie ©egeureformation in ©eftfofcn unb am ^iieber*
x\)t\\\ III, ßcipjig 1895, 6. 219 ff.; Anton d^rouft in fjorfcftungen jur branbenb. u. <)rcu6.
®ef4i(l)tc IX (1897), 12 ff.; bie ßeid)enpreblgten auf 3- @. oon m. »üffel, »rantf. 1620
unb oon 3o^. 33ergiu8, 3rran!f. 1621; ouf bie Äurfürftin ^nna oon 3o^. 83crgiu« am is
4. 3uli 1625 im ©erlincr 3)om (bei bcr Ucberfül^rung ber ßcid^c nocft Äöniqöbcvg). —
fiitteratur: 3* <^rift. 93ecmann, Oratio secularis in memoriam a divo Pnncipe Job.
Sigismundo . . . introductae Bcformatae Beligionis, Francof. 1713; ^. &. gering, ^iftorifd)e
9?acöri(ftt oon bem crftcu Anfang bcr coang.-rcform. Äirc^c in öronocnburg u. ^reufeen,
^IIc 1778; bcrf., ^Beiträge jur ®cf(b. bcr cüattg.=ref. Äirc^c in bcn $rcu6,5S3ronbcnb. ao
Sänbcm, »rcälau 1784; Suliu« @(ftmibt in 4 ©(ftiocibniftcr ®^mn.=3reftf Triften unb $ro=
grammen 1858, 1859, 1863 unb 1866; Ä ^öacr, ^of^. 6.8 Ucbertritt jum reform, ©e*
tenntni« in 5)eutf4c 3citf(ftrift für c^riftl. «ßiffcnfcftaft 1858, @. 189 ff.; 3)ro^fcn, ®cfd). bcr
prcuft. ^Jolitit II, 2 (1859), @. 510f.; SW. trcnfcl, 3Bie würben ^rcufienS gürften refor^
micvt? fieipjig 1873; S. o. Slanfc, Sioölf öü*cr ^rcuftifc^cr ®cf((ii(btc, Sci^^ig 1874, 1,25
185 ff.; 3Bangemann, 3. S. u. ^aul ©erwarbt, «crlin 1884; 2:^. i^ix\(b in «b« 14, 169 ff.;
eb. eiauSnijcr, S)ic märfifdjen @t«nbe unter Sol^. @., ^aflcl895; gronj 3)ittri(ö in Scitfcftr.
f. b. Ökfcb. bcr «ItcrtumStunbc (grmlonbS XIII (1900), 72 ff.; JR.S^nicbc, 3)cr ©(^riftenftreit
über bie SRcformation bc8 Äurfürftcn 3. @. feit 1613, ^aUc 1902. — S)ic Confessio Sigis-
mundi außer In bcn ^ucrft genannten bcibcn ©d^riftcn in 5)ic brci) Confessiones, 3Bcl(6c in ao
ben c^urfürftlid) $ranbcnburgif(^cn bie 97cligiün bctrcffcnben Edictis ju beobachten bcfobtcn
mcrbcn, ©üftrin 1695; hti gering, ^iftor. 92a(^ricftt Im ^In^angc; juleft bei tarl SKüOcr, 3)ic
Sk!enntni8f(6riftcn bcr reform. Äircfie, ficipjig 1903, @. LVIff., 835 ff.; baju: Otto ©cgcr,
3ur Confessio Sigismundi, ©crlin 1899. — Uniücrfität fironffurt: ^ftcn u. Urfunben bcr
Unio. grantf. a. O.III (»rcSlau 1900), S. 79f. — Ucbcr ^clargu« Seidjcnprcbigt u. Vita oon 35
X^oj)]^. (gbcrt, granff. 1633; Spittex, ©cfcfircibung u. ®ef(6. ber aWarien* ober Obcrfircbc
ju granffurt, 3rran!f. 1835, @. 246 ff.; 3?. Sc^loari^c in ?lb93 25, 328 ff.; Slcttbcrg in @vfd)
u. ©ruber III, 15, 108 ff. — 3)ümfir(^e in SBcrIin: 9^. aRüfler inSal^rb. für branbenburgifd^c
Ä®. II/III (1906).
®ie 2KarI ^tte loäl&renb be« 16. ^al^r^unbert« je nac^ ber toerfbnlic^en ©teKung 40
ber Äurfürften mand^erlei ©d^loanfungen m ber religiiJfen grage burc^gemac^t. Soad^im I.
(1499—1535; t)gl. »b IX, 220 ff.) batte mit ©etoalt jebe lutl^erifd^ SRegung im Sanbc
toie in feiner ^amilie }u unterbrüc!en, ja nod^ über feinen ^b l^inau^ burd^ $er)}fli(i^-
tung feiner ©öl^ne fein Sanb ber lat^olifdben Äirc^e ju er^Iten öerfud^t. Unter ^oad^irn II.
(1535—71; S3b IX, 223 ff.) loaren nac^ anfänglichem S^gcnt biefe ©c^ranlen gefallen, 46
bie SReformation l^tte i^ren Sinj^ug galten lönnen. 2)ocl^ öerfud^te er nod^ längere ^Äi
Iircl^en})oUtifclSl eine mittlere ©teÜung jtoifcl^en 9tom unb SBittenberg innejul^alten, unb
feine 92eigung, im Jtultu^ mi^glid^ft \)xd t)om lat^olifd^en 9litual ju behalten, fd^uf Un-
Hörweiten. 5Die SJertoirrung toucb^ in ben S^^ten be^ 2lug^burger Interim«, ^ann
folgte feit beffen Sefeitigung eine fräftige, aber red^t äufeerlid^e SRealtion in« Suti^ertum 50
au^ Slnlafe ber Dfianberfc^en ©treitigfeiten. 3la6) me^rjäl^rigem Äamjjf unterlagen bie
SRelanc^t^onianer in ber gRarl. »nbrea« ?Ku«cuIu« (93b XIII, 577 ff.) toirb ber SRe^
>)räfentant ber je^t ^um ©iege gelangten SRid^tung. 2)artn folgte unter go^ann (Seorg
(1571—98) bie 3eit unbeftrittener ^crrfd^aft be« ftrengen Sutl^ertum«. 2)a« 1572 er=
fc^ienene Corpus doctrinae Brandenburgicum (33b IV, 296) ^ebt in gefj>errtem 2)rudE ^
iSut^erd SBort, bafe er 3*^'"ö'i ^^^ ^^^ \^^^^^ Se^re für einen Und^riften ^alte, nad^-
brücflicb l^ertor; lanbe^l^errlic^e 93efel^lc Derfc^Ioffen baö Sanb geaen ba« Sinbringen cal^
t)iniftif(i^er 93üd^er. S)ie Äonforbienformcl, an hjeld^er feine 2;9eologen 3Ku«culu« unb
S^ftoj)]^ ßomeru« mitgearbeitet Ratten, h)urbe — 5. %, mit ©etoalt — eingeführt, bie
®eiftli<i^leit in i^rem©inne J)urifiprt. Äan^^ler 2)iftelme^er ift befannt burc^ feinaOSort: eo
impleat nos Deus odio Calvinianismi ! 3(uf ^^'^^n'^ @eorg« 93efel^l l^atten fein
©o^n 3«>ö^i»w griebridSi unb aud^ fd^on ber ßnlel ^o^ann ©igi^munb burd^ 5Rei)er«
332 StgUtnttttb
(27. 3^"- 1593) geloben muffen, bei ber lutJ^erifd^en Seigre (in!l. Äonforbienformcl) ju
bleiben, „and) lünftig in @cl^ulen unb ^itd^en biejem jutDiber leine äSeränberung machen
nod) bcrettDegen einen Untertl^an ober ixmz Sekret befd^loeren nod^ berfolgen" j^u tooHen
(Sc^mibt II, 7). 3lber fd^on unter ^oad^im griebrid^ (1598 bi« 18. guli 1608) änberten
6 fic^ bic SBerl^ältniffe, tocnn aud^ bie Untert^anen nod{> menig babon mertten. ©eine ^ßolitif
fc^Iug eine anbere 9tid^tung ein. ^er (atl^olifd^en 9{eaItion im SReid^e gegenüber em))fanb
er e« ah ^flid^t, für bie ©efamt^eit ber ^roteftanten einzutreten ; feine ^olitif trennte
[xd) bon fiurfac^fen unb bem Äaifer unb fud^te S^i^Iung mit ilur})falj unb 3?af[au-Dranien.
Damit bahnte er in feinem §aufe eine berfö^nlic^e unb freunblic^e Stimmung bcn Gal-
lo biniften gegenüber an, Setreff« feiner fortgelegten SBemü^ungen um eine SReform ber noc^
immer ftarf fat^olifierenben Äultu^formen in ber berliner SDomlird^e bgl. 31. 3)JülIer
©. 349ff. — ©ein ©o^n ^ol^ann ©igi^munb, geb. 8. (18.) 9lobember 1572 ^u
$alle, too ber Sater ate Sftminiftrator be« ßrjbi^tum« SRagbeburg refibierte, toar
ftreng lutl^erifd^ nai) ben Slnorbnungen be« ©rofebater« erjogen toorben. Der ftreitbare
16 Sutl^eraner ©imon ©ebidte, bamate ^oft)rebiger in $alle, l^atte il^n untertoiefen. aber
1588 l^atte ii^n fein SSater jufammen mit feinem 93ruber go^ann ®eorg auf bie Uniber^
fität ©trafeburg gefenbet, too beibe Crimen bereit« bem 6albini«mu« freunblid^er gejtnnt
tourben. 1605 ^nben toir i^n in §eibelberg (©d^mibt 1,22; 11,8; $. $agen, 3"^ ®^
fd^idjfte ber $^ilol. 199. 204. 206), h)0 er in enge g^eunbfd^aft ju bem ^fal^rafen
20 »Jriebrid^ IV. unb feiner ®attin, ber 3:oc^ter SBill^elm« bon Dranien, trat unb feinen
Sol^n ®eorg aSill^elm mit ber J)fälgifd^en ^rinxeffin Slifabetl^ ß^arlotte berlobte. Der
t)erfönlid^e Serlel^r mit reformierten gürften uno Il^eologen, beren ^^ömmigfeit auf i^n
tiefen SinbrudE mad^te, aud^ ber feinere %on unb bie ^ö|eren geiftigen gntereflen, bie er
bort fanb — ba« alle« führte eine Umgeftaltung feiner Überzeugungen ^erbei. Die
26 Seitüre bon §ofj)inian« Concordia discors (1607) mit il^rer einfdjneibenben Äritil bc«
Äonlorbientoerle« (bgl. 93b VIII, 393) mad^te i^n fortan ju einem entfd^iebenen ®cgner
ber Äonlorbienformel unb ber Ubiquität«lel^re. 6r l^at fj)äter ettoa ba« ^afyc 1606 al«
ba« bejeid^net, bon bem an er reformierter Überzeugungen geloefen fei; 1609 bezeichnet
il^n Sodann ®eorg bon Slnl^alt fd^on al« „ber SReligion lool^l affectionirt unb zugeti^n",
30 toünfd^t i^m aber SRäte, „bie e« mit ber Sfleligion treulid^ meinen", benn „er reutet, toie
man il^n fe^et" (3K. SWitter, ©riefe u. äfften II, 532); bod^ jögerte er no(^, feinen
©tanbjjunit öffentlid^ flar l^erbortreten z« IcL^^n, Dafe fein 93e!enntni«toe(^fel auf p^--
fönlic^er Über^ugung beruhte, lann gar nid^t bezweifelt toetben (bgl. befonber« fein
©d^reiben an bie ©tänbe, 9laumburg 28. 5Wärz 1614). 'SHan lann nur fragen, ob ettoa
36 ba« öffentlid^e $erbortreten mit feinem Äonfejfion«loedMel burd^ jjolitifd^e ®rtoägungen b^
ftimmt loorben fei. ©eine lutl^erifc^en 3^i^0^"*^R^ i}abm il^m jebod^ biefen SSortourf
nic^t gemad^t — erft in gramer« „^omrtfd^en Äirc^en^ronifon" 1628 toirb er laut, t>gl.
©4niibt II, 16f. — , bielmel^r umgefe^rt feinen ©4ritt al« jjolitifc^ berlel^rt unb gefa^r^
bringenb betrad^tet, ba er 93ranbenburg unb Äurfad^fen au«einanbertreibe. Unb toenn toir
40 geneigt fein möchten, bei biefem Jlonfejfion«n)e(^fel bie jülic^sclebifd^e ßrbfd^aft al« )fi)lu
tifc^en Setoeggrunb l^ineinzuziel^en, inbem er baburc^ bei ben Slieberlänbem Südf^alt gc-
fud^t l^abe, fo barf nic^t überfe^en toerben, ba^ berfelbe ©c^ritt il^m feine ^ofttion nic^t
nur in ber 5WarI, fonbem bor allem auc^ im Herzogtum ^reu^en, mit bem er am
16. 9lot)ember 1611 burc^ $olen belehnt toorbcn toar, auftcrorbentlid^ erfc^toerte. ©r felbft
45 l^at erflärt, bafe i^m fein ©eloiffen nic^t länger Stulpe lajfe, unb iebenfaU« geftaltcten ftd^
1613 bie Dinge in ber 5WarI fo, bafe er notgcbrungen garbe belennen mufete. ©c^on
am §immelfa^rt«tage 1613 mar in ber berliner ©d^lofifat)eue für ben zum 93efud^ antoefenben
Sanbgrafen 3Wori$ z" großem SJerbrufe ber lut^er. ®eiftlid^feit reformierter ®otte«bienfl ge=
l^alten toorben. 311« bann fein Sruber SWarfgraf (Smft, ber bereit« 1610 in Düffelborf bic
50 ßonfeffion getüec^felt Ij^atte (3lbr. ©cultetu«, gbang. 3ubelia^r«>)rebiat, gftanff. 1617, ©.36);
im ^nl\ 1613, zum 3^obe crfranft, bon einem reformierten ®eiftli$en ba« äbenbma^I
emj)fangen tüoHte, tourbe ber ^nb^t^ ©ut)erintenbent 3Kartin Rüflel (bgl. über i^n
©c^mibt III, 9 f.) nac^ Serlin berufen, unb e« fanb im ©d^lofe ]üx il^n unb fein ®^
folge eine reformierte 2lbenbmal^l«feier ftatt. Der Äurfürft felbft blieb jebod^ in ßl^orin
56 unb lie^ fic^ ^Jüffel nur bort^in zu einer ^rebigt fommcn, bermieb alfo no(^ borfid^tig,
feinen Übertritt zu bolumentieren ; benn eben toar ber 5Reid^«tag berfammelt, bei bem ber
Äaifcr bie jülid^^fc^c Streitfrage jum 3lu«trag bringen h)olIte. Slud^ trat je^t fc^on ^-
bor, bafe in ber ^erfon ber Äurfürjtin, Herzogin 3lnna bon ^reufeen, bem RonfefTton«*
toed^fel eine entfc^iebene ©cgnerin entftanbcn toar. ®egen jene 3lbenbmal^l«feier in Serlin
60 er^ob ber Domj)roj)ft ©imon ©ebicfe am 27. 3luli eine bittere Sefd^toerbc toegen Ser-
Sigtdnittttb 333
le^ung ber ^arod^ialtcdbte unb „SBerbad^t bc« leibigcn Calvinismi" an ben btc Statt«
l^altcrfc^aft in ber 2Karf fül^rcnbcn 3Jlarfgrafen Sol^ann ®coxq, bie bicfer am 8. ©c)}tcmber
in einem au^fübrlid^cn, öon bem Slat ^iftori« Derfafeten, fcl^r beftimmten Scfdbeibc ab«
fertigte; barin belannte er [lä) felbft offen jum 6albini«mu« (bgl. ©d^mibt II, 9 f.). ®ic
©rregung ftieg, ate ber 1612 bon Äönig^berg nac^ Serlin berufene $ofj)rebiger ©alomo 6
ginrf (t)gl. ©dpmibt III, 10) fid^ in feinen ^rebigten burd^ Serteibigung be^ Srotbred^en«
atö golöinift bohimentierte ; ber Slu^fd^ufe ber ©tänbe fül^Ite M öeranlafet, ben (Seneral-
fu^jerintenbenten ber SKarl ßl^rifioj)]^ ^elargu«, $rof. b. I^eol. in granfurt a. D., ju
amtlid^em ©nfd^reiten gegen il^n aufjuforbem (7.®ejember 1613). 2)iefer oberfte ©eift*
lid^e ber 9Rarf, bon $aufe au^ bem $^ilij)t)igmu3 jugetl^an, l^tte fu^ unter S^l^^^nn ®eorg lo
bem ftrengen Sutl^ertum anbequemt- er l^atte j. 35. 1591 in einer SJigjjutation ertoiefen,
„bafe Suti^eraner unb (Salbinianer faft in aßen Slrtileln ber d^riftlid^en Se^re toiber einanber
unb mit nickten bertragen toerben lönnen/' unb noi) 1606 ff. mit einem Ealbiniften über
ba^ 33rotbreci^en beim ätbenbmal^l ©treit aefü^rt, unb tUn [e^t, Wo er ftd^ um bie erfte
^farrfteHe an ber Warienürci^e in ^an!furt betoarb, fein Sut^ertum feierlich bejeugen i6
muffen, obgleich er im ^er^en bem Salbinidmu^ geneigt toar. ^d^t anttoortete er borfic^tig
au^eid^enb (17. ®ejember): man möge auf eine öffentlid^e 2)i^utation toarten; er l^abe
je^t ju biel 9(mti^efc^äfte u. bergl., unb mad^te ftc^ felber baburd(| im Sanbe grünblid^
öerbäc^tig. (Sebicfe f)aiU bie Slufregung gefc|ürt burd^ eine ©c^rift bom 15. DItobcr
„SSon ben ßeremonien bei bem 1^1. 3lbenbma^l" „tüiber bie nmm ©c^meifebögel, bie äße« 20
berunreinigen toollen". äHg nun ber Äurfürft im 2)ejember bom Slbein in bie 5DlarI
gurüdHel^e, ftanb er bor ber Slltematibe, enttoeber nac^ bem 3Bunf4 ber ©tänbe ben
©tattl^alter ju be^t)ouieren unb gegen ^ind unb $elargu^ eimufc^reiten, ober mit feinem
93efenntni« offen l^erborjutreten. ®r toä^Ite trofe ber Sebenlen feiner Släte ba« lejtere.
3lm 8. ®ejember j>etitionierten bie ©tänbe bei i^m, er möge gind abfc^ffen, ^PelarguS 26
unb bod Jtonfiftorium ju il^rer älmtd))flic^t gegen irrige £e^re anl^alten, aud^ felber feinet
9ieberfed eingebenl fein. @Ieid^)eitig toenbeten fte ftd^ an bie Aurfürftin ^nna mit ber
Sitte, fie möge ü^ren ®ema^l t)or bem gefürd^teten ©d^ritte toamen, ben fie mit ^intoeid
auf bie für jüngere ©lieber bed $aufed ^toa px erlangenben Si^tümer aU l^öc^ft unIlug
barfteHten. 3- ©• «nttoortete bamit, bafe er am 12. SJe^cmber bon feinem S^fl^fci<^l 9o
@rimni^ an^ an eine bleibe bon boc^gqteOten ^erfönlicpfeiten bie @inlabung ergeben
liefe, am SBei^nad^t^tage fit? in ber S)omfird^e ui Äöln a. b. ©J)ree an einer Slbenbmal^fe
|eier „o^ne J)ät)ftlid^e S^]ät^ nad^ gorm unb 2Bdfe, toie e« m ber 3l|)oftel ^Aim unb
m ben reformiertsebangelifc^en Äird^en bräuc^lic^ fei", ju beteiligen (f. ©d^mibt III, 8 f.;
Äellerlll, 219f.). gemer citierte er am 18.2)ejember bie (Seiftlid^en ber ©täbte SBerlin 36
unb 6öln auf^ ©d^lofe, liefe i^nen burc^ ben (reformierten) ilanjler 93rudmann (^Prudf«
mann) anlünbigen, er beanfprud^e leine ^errfd^aft über bie @etotffen feiner Untertanen,
aber ebenfo toenig bürften biefe il^m feinen ®laubm borfd^reiben ; er t)erbiete aQed un«
jeitige ©d^reien auf ben Hameln unb laffe fte toiffen, bafe er bemnäd^ft Äommunion nad^
reformierter SBeife toerbe balten laffen. ^aiu tourbe toieber güffel an^ 3^'^P berufen, 40
ber am (S^riftabenb einen SJorbereitung^gotte^bienft ^ielt unb bann am 1. SBei^nad^tStage
im S)om an eine Heine (Semeinbe öon 55 Äommunifanten, unter benen ber Äurfürft
toar, ba« ©ahament nai) ber ^fäljer Siturgie fj)enbete. ®er SRitu^ toar babei ber, bafe
bon getoöl^nlid^em SEBeifebrot bie Slinbe abgefc^nitten, bie Jtrume in länglid^e ©tüde ge-
fc^nitten unb biefe bann bei ber Slu^teilung in äSroden gebrod(|en tDurben. @ntfei^t 46
melbete ®ebide ba« Sorgefattene nad^ 2)re«ben an ben $of]prebiger $o§ bon ^oenegg,
toorauf nic^t nur biefer aUbalb bie 3)iärler in einer ©treitfd^rift t)or ben gräulid^en S^le^ren
ber ßalbiniften toamte, fonbem auc^ berÄurfürft t>on©ad^fen(l. gebr. 1614) ein bringenbe«
3lbmal&nung«fd^reiben an ©igi^munb rid^tete. 3)iefer liefe le^terem burd^ feinen Sßruber
^ol^ann ®eorg barauf antb>orten: er l^abe bie SSeränberung nid^t um jeitlid^en ®viM, fonbem 60
um feiner ©eligleit loillen Vorgenommen, ©ein (Slaube fei ber ber berbefferten Conf . Aug. unb
biefe Se^re fei im SReic^e jugelaffen. 3Sor feinem Sanbe erflärte er fidj in bem 9Ranbat bom
24.gebruar 1614, in toeld^em er aUeö ©gelten unb Serbammen auf ben Äanjeln berbot
unb ate Sel^grunbtage für äße ^rebiger „bie Seigre be« göttlid^en SBort« naq ben bier
^au^tf^mbola (er jäl^It bad Ghalcedonense mit), ber berbefferten älugdburger Jtonfeffton 66
unb berfelben 3lt)oloaie" jjrollamierte. 2)ie Äonforbienformel toirb nidpt genannt, ifi aber
gemeint unb aufeer Kraft gefefet, toenn er mhm biefen öon il^m aneriannten Sefennt-
nijfen alle barüber ^inau^el^enben lutl^erifc^en 2)oftrinen atö „SJerfälfd^ungen, felbft^
erbic^tete (Sloffen unb mm Sel^rformeln etlidjier müfeigen, bortot^igen unb l^offärtigen
X^eologen'' verbietet. 3Ber batoiber ^anble, foUe pi $ofe citiert, ebentueU abgebanft eo
334 Stgtemitiib
unb nod} fc^ärfcr bcftrafl toerben. Übrißen^ märe i^m ertoünfd^t, toenn fic^ bic „xin-
jettigen ®ifcrer unb ^^loim aufeer^alb unfcrö Äurfürftentum« in fold^en Örtem nieber^
laffcn, bic i^ncn fold^ unc^riftlid^ SBütcn juflclajfen". Offenbar toaltet ^ier noc^ ber
®ebanle ob, feine Untertl^en nai^ ftc^ ^^u jiel^en, fein Qan}^^^ Sanb unter Sefettigung ber
5 Äonf orbienformel unb mit Unterfd^icbunfl ber Aug. Var. in ein reformierte« umjus
toanbeln. (Sin boQftänbiger ^lan, toie biefe Umtoanblung jielbetou^t au^jufü^ren fei,
toor bon bem SRarfgrofen gol^onn (Seorfl unb bem (Se^.SRat am 21. S^bruor 1614 au^
gearbeitet toorben. 3)em Kurfürften tourbe barin em^oi^Ien, iiunäd^ft ben SBäiberf^ruc^
ber Äurfürftin bur* ©rmaJ^nungen ju übertüinben, güffel unb nod^ anbere reformierte
10 ©eiftlic^e nad^ ber SWarl m berufen, bie ©d^ulen, fonberlidb bie gürftenfc^ule unb bie
t^eologifc^e gohiltät ju ghfönffurt mit „2euten t)on ber Sleligion" ju befe^en, einen
„Äird^enrat" nad^ ^ßfäUer SKufter einjurit^tcn, burc^ 2)ru(f jenfur alle angriffe gegen fein
Unternehmen ju berl^inbem, ben @£orci«mu« bei ber ^ufe ahufc^ffen ober toenigften«
für falultatib ju erHSren, bie SJlarienfefte, Fronleichnam (bie Sfranbenb. ägenbe b. 1572
16 behält biefe« unter bem Slamen „2^g coenae domini" bei) unb 3Ric^aeIi«feft abjufd^en.
2)agegen toamten fie i^n baöor, ein eigene« ®lauben«belenntni« aufjufkeHen (f. ©i^mibt
IV, 11; ®angemann ©.40 ff.). 9lu« ®ebide« ©d^riften unb ?Prebigten fyitt^ man an=
flöfeige ©teilen jufammengetragen. 6r tourbe am 9. 9Rärj jur iBeronttoortung öor=
geforbert unb foQte am nöc^ften ©onntag eine SrHörung bon ber Jtanael borlefen, ba^
30 er mit feinen Singriffen bie Umgebung be« Äurfürften nid^t gemeint l^abe. ©r toeigerte
M befjen unb berliefe, bon ber Äurfürftin getoamt, nod^ am 11. 9Jlär^ l(^mU(^ Berlin.
Salb barauf ergiff aud^ ber Slrd^ibiafonu« ®illid^ bon ©t. ?Petri, gleicMaD« bur(^ bic
Äurfürftin getoamt, bic^lud^t (©<^mibt III, 17 ff.). Um ba« 3BerI ret^t in ®ang ju
brinaen, l^attc fid^ 3- ®- bom Äurfürften bon ber $falg ben angefel^cnen ^etbelbergcr
26 $rofef[or äbral^am ©cultetu« erbeten. 3)iefcr forberte atebalb, bafe ber Serliner SDom
„gefäubert, ben Unferigen gam cingetl^n toerbe". auf feinen fRai gefd^ol^ e« too^il and),
bafe am 10. 9)lai ein „®lauben«bdcnntni« ber reformierten Äird^en 2)eutf(^Ianb«" ber^
öffentlic^t tourbe, beffen bon i^m berfafete, bon 93rudtmann ^üoa^ ßcmilberte Sorrcbc
ben @cbanlen au«ft)rid^t, burd^ ^oad^im II. I^abc jtoar ba« $a))fttum tn ber 3Jlart einen
90 gewaltigen ©tofe bclommen, e« fei aber noc^ mand^erlei bon J)ajjiftifc^cm SBefen bcr^
blieben; bal^cr fei e« nötig, bic märlifd^c Äird^e „anbcm ebongclifd^en Hir(^en unb ber
alten ojjoftolifc^en gleid^förmig ju madjfcn". 3)iefc löblid^e „Slcformation" ^labc jje^t ber
Äurfürft borgenommen. SBcil aber biel böfe 9lac^rcbe über bie Se^re ber Sieformierten
im ©<9h)ange ge^e, toürbe in biefem Sefenntni« aüm ®ut^erjigen unb ®otte«für(^tigen
36 ®elegen^eit gegeben, [xi) m überjeugen, bafe il^r Äurfürft fte nur untem>eifen tooDe, „toic
fte red^t glauben, c^ftlicp leben unb feiig fterben" lönntcn. 2)iefe« Sdenntni«, ba^
nid^t mit ber Confessio Sigismundi bem>ed^felt tbcrben barf, mar ber Slbbrudt eine«
juerft 1562 (bgl. gering, §iftor. 9?ad^rid^t, ©. 114 f.) in ßeibelberg gebrudtten, bann
h)ieberl^oIt, j. S. §erbom 1601, 1605 unb 1619, nac^gebrucrtcn reformierten ©lauben«^
40 belcnntniffe« (20 ärtilel in 55 äbfd^nitten), ba« leiber in Äarl 9RülIer« ©ammlung ber
reformierten Selcnntni«fd^riften feine aufnähme gefunben f^at (2)ie äu«gabe ^omfurt
1617 trägt ben 35ermcrl: „3wm 9. mal gebrucft". ®cgen biefe« Seicnntnt«, nit^t
gegen bie Confessio Sigismundi, ift 2eonl^arb ^utter« „Examen" SBittenberg 1614
gerid^tet, f. 93b VII, 499.) 9lod^ in bemfelbcn ga^rc liefe aber audji ber 5hirfürft fein
46 eigene« Scfcnntni« au«gc^en, ba« aber nid^t ein boBftänbigc« Scl^rbclcnntni« ift, fonbem
nur bie ^unlte ^erborl^ebt, bie fontrobcr« toaren. Sil« 3)atum be« ßrfc^einen« biefer
Confessio Sigismundi ftnbet man faft allgemein ben ^ai ober nod^ genauer ben
10. 3Jlai 1614 angegeben. Slber fämtlid{>e mir befannt getborbenc 3)rudte entölten ein
berartige« Saturn nid^t. 6« ift j^u bermuten, bafe man irrtümlid^ ba« SDatum be« „Sc-
60 lenntniffe« ber reformierten Äirc^en 3)eutfd^lanb«" auf ba« Sefenntni« 3- ©«^ übertragen
^at. 3" ^i^f^ f^^"^ Äonfeffion bcrfolgt ber Äurfürft bie bem beutfc^en 6albini«mu«
eigene lenbenj, feine Se^ranfd^auung al« ba« toa^re, bon ber „pojjiftiftpen ©uJ)erftttion"
unb bon ben „abgöttifd^en ober bon menfd^Iic^er Slnbac^t erbid^tcten Gercmonien" ge*
reinigte Sut^ertum, al« ba« legitime Selenntni« jur 3lug«b. Äonfeffwn, „fo anno 1530
66 Äaifer ßarolo V. übergeben unb nac^mal« in etlid^en fünften nottoenbig überfe^ unb
berbeffert toorben", au«gugeben. 35er Äurfürft befennt ftd^ ju ben allgemeinen ^aupt^
f^mboli«, nämlic^ Apostol., Athanas., Nicaen., Ephes., Chalcedon., unb )ur Conf.
Aug. (Variata). ^u ben anbem „bon 3Rcnfc^en fonji))icrten" ©c^riften toolle er toeber
fic^ fclbft noc^ feine lieben Untert^anen mit Scbrängni« ber ®eloiffen berbinben laffcn;
eo bie ©d^rift allein foUe regieren. 3" S3ejug auf bie ftrittigen Slrtilel bertoirft er a) in
®%Uiitiuib 336
ber S^riftologte bie Ubiquttät^Iel^te unb bte lut^etifd^e Oommunicatio idiomatum al^
„^\xt\^xanx\d)zn Stttum". b) ^n SSejug auf bie laufe lebnt er bte „abergläubifc^e 6ere*
monie be« Siorcidmu«" ab. ®ie laufe ifl i^m „toa^r^fttg einSSab ber SBiebergeburt'',
b. f), „ein S^d^m unb SBerf @oited, barinnen unjer ®Iaube geforbert, bur^ toel^en tütr
toiebergeboren toerben". c) 3" ^^i^fl ^"f ^^^ äoenbma^I lel^ er bie ßoincibenj be« s
leiblid^en ©enuffe« bon SSrot unb SBein unb bc« burd^ ben (Stauben »ermittelten bon
2eib unb Slut (Sl^rifki. Srot unb SBein finb „ftd^tlid^e Scid^en ber unftc^tbaren ®nabe",
eingefe^t „jum ©ebäd^tni« ßl^rifti", nämlid^ j|u einem „Xroft*, 2)anl- unb Siebedgebäc^t«
ni«". 2)a ber ®laube ber SKunb ift, ber 2eib unb Slut emj)fängt, lönnen Ungläubige
folc^e^ nic^t emj)fangen. 3)ag SSrot mufe natürliche« ungefäuerte« ©rot fein, nic^t Oblaten lo
(§ofKen), bie nur ,,©(l^einbrot" pnb. 2)a« 33rotbredffen mufe nac^ bem Sjemjjel ßl^rifli
unb ber äl^oftel ate „33ilbni«" bc« lobe« 6^rifK beibehalten Serben, ©r toill jtoar
niemanb mit ©etoalt ju fold^er Slbminiftration be« älbenbmabld anbalten, giebt aber ben
Untertl^anen ju bebenfen, ob e« befjer fei „S^fto ober bem Sintie^rip" }u folgen, d) 2)ie
Se^re t>on ber ©nabentoa^l ift einer ber aUertrdftlic^ften SCrtilel, benn er fagt un«, bafe 15
„®ott au« })urlauterer ®nabe unb Sarm^erjigleit ol^ne aKe« SSerbienfl, e^e ber SSBelt
®runb gelegt \oax, gum etoigen Seben Derorbnet unb au«ertoäl^lt babe aKe, fo an S^riftum
beftonbig glauben". ;;ffiie er fie bon Stoigfeit geliebet, alfo fdyenft er au4 il^nen au«
lauter ®naben ben re^tfd^affenen toa^en ®lauben unb Iräftige Seftänbigfeit bi« an^
@nbe." „^n fagen, ba^ ®ott propter fidem praevisam etlid^e au«ertoö^lt f)Qb^, ift 20
|)elagianifd^." ,,urfad^e ber @ünbe unb be« äSerberben« ift allein bei bem @atan unb
in ben ®ottlofen }U fuc^en, tDeld^e toegen ü^e« Unglauben« berftogen toerben." „3)er "SiaU
fd^lu^ ber SSertoerfung ift nic^t ein absolutum decretum, fonbem gefd^ie^t um i^e«
Unglauben« toillen." 6« ift fc^toierig, biefe 3[u«fagen ju bereinigen, ©c^lie^id^ erllärt
er, bafe er jtoar biefer Se^re al« ber fdbriftgemäfeen in feinem J^erjen genugfam berjtd^ert 26
fei, er aud^ nic^t« Siebere« toünfd^te, al« ba^ ®ott feine Untert^anen mit bem Sid^t ber
unfehlbaren Sa^l^eit erleud^ten tDoOte; aber ber ®laube fei nic^t jebermann« ^ing, ba«
^ toerbc er niemanb öffentlid^ ober ^eimlid^ toiber feinen SBiUen ju biefem Selenntni«
gtoingen, fonbem tooKe ben itur« unb Sauf ber SBa^rl^eit ®ott allein befehlen. @r be<
fe^le aber emftlid^, ba^ alle, toeld^e bie ftreitige 9teligion«fad^e nid^t berftünben ober nod^ 90
nic^t genug barin informiert toären, fid^ be« Softem« unb ©d^mäl^en« toiber bie „Ortho-
doxos etReformatos", bie man ge^äfftg ,,calbinifc^" nmnte, gönglidb entl^alten foOten.
(©^mbolifd^e« Slnfe^en erlangte biefe Conf. Sig. fortan bei ben Sieformierten in ben
öftlic^m ieilen be« branbenb.^jjreuf;. ©taatc«.)
%xoii biefer 6rllämng ging er boc^ auf bem ffiege einer ,,3leformation" feine« 35
Sanbe« junäd^ft toeiter fort. 6r fc^ritt jur Äonftituierung eine« „Äirc^enrate«", ju bejfm
^räftbentm 35Jolf 3)ietric^ bon Siod^oto am 11. guli 1614 emannt tourbe. ^ie neue
^e^örbe foOte al« Organ be« iturfürften fein 9leformation«red^t im Sanbe au«übm. ©ie
follte allem toel^ren, „toa« bm Sauf unferer toal^m SReligion berl^inbern möd^te"; bor
aDem follte fie auf bie Slnftellung bon ^crfonen „reiner Sefre" Sebadjt nehmen. Sjamen 40
unb Orbination atter ®eiftlic^en follte nur nod^ in fjranffurt gefd^e^m unb le^tere nur
folc^en erteilt toerben, toeld^e „unfer (^riftlic^e« ®lauben«belenntni«, reformierten Äate«
(^i«mu« unb Äirc^enorbnung beloben unb banac^ il^re ?Prebigm ju birigierm angeloben"
tbürbm ; bur(^ Sieber« fottten fie ba« @bift bom 24. gebmar anerlennen. SSor allem
follte in granffurt fein ^rofeffor angeftellt toerben, „ber unferer d^riftlic^m Sieligion 46
ge^äfftg ober h)iberft)enftig" h)äre. 3)ie 3tbfid{>t toar, burd^ bie ©ttj)enbiaten an ber
^oadi^im«t^aler ^ürftenfc^ule unb ber ^ranlfurter Uniberfttät ben 6albini«mu« in«Sanb ein«
gufül^m. etliche ©tijjenbiaten tourbcn fogar nad^ $eibelberg jum ©tubium gef^idft. gn
balante ^farrftellm tourben calbinifc^ geftnnte ©eifüic^e eingefc^obm.
(Sine Slnnäl^emng ber ®eiftli^m an feine ^nfd^auungen hoffte 3. ©. burd^ ein 60
9leli9ion«geft)räc^ ju erreichen. 2lm 21. ^uni lub er bie lutl^erifd^en ®eiftlid^n bon
Serlm unb Äöln ju einem folc^en bor, mit ber (Srlaubni«, aud^ nod^ anbere märfifc^e
®eiftlic^e mitzubringen. 3)ic93erliner boltm fid^ in SBittmberg Slat unb bege^irtm barauf
Sorlabung fämtlic^er geiftli(^en ^nf>)eItoren (©ujjerintenbentm) ber 3Jlarf. 3)a« aef(^al^,
unb fo follte am 3. DItober auf bem ©d^loffe bie 2)i«j)utation ftattpnben. Slbra^m 66
©cultetu« toar bon il^m baju auf« nm^ na^ Serlin bemfm toorbm. 3)er ®eneral5
fujyerintmbent ^elargu«, ber bon 3lmt«h)egcn jefet al« ffiortfti^rer ber Sutl^eraner ^ätte
l^ortreten muffen, fc^ü^te Äranl^eit bor unb blieb an^. 3lod) einmal beduc^tm bie
SBerliner ®eiftlic^m, ben gefürd^tetm 9lcbefamj>f ju bcrtagen, ba bie QAi, um fxd) mit ben
3nf)>e(toren }u bef^rec^en, gu lurj bemeffen fei. 3lber bie« ®efuc^ tburbe abgefc^lagm. go
336 Sigidnittiib
Gdetd^tool^I toteber^olten {te ben SSertagung^ntrag nod^ in legtet @tunbe, h>urben aber
toicbcr abgetDtefen ; ebcnfo blieb eine Petition ber @tönbe )u @unften be^ älnttaged ber
©eiftlic^en unbcrüdfid^tigt. ©o erfc^ienen am 3. DItober 45 märfifc^c 3nfj)cItoren unb
Pfarrer bor bem Äurfürften unb feinem ©ruber. 2)er Jlurfürft befc^toerte ficl^ \>ox i^nen
5 über ba« Säftem unb 3Serbammen; er toäre bereit bon feiner Sleligion abmtrcten, toenn
er au^ ®otted 3Bort überfül^rt toürbe. ^lägüd^ lautete bie 9(nttDort ber ^orgelabenen :
fte fc^euten fid^ in beutfd^er S^rad^e über biefe tl^eologifc^en Sachen )u ber^nbeln, bie
bod^ lateinifd^er lermini bebürften; pe berftänben fid{> nic^t aufd Di^utieren, unb ba
ber Äurfürft au^länbifd^e Ideologen l^be fommen laffen, fo möge er aud^ für fic au^
10 tDörtige lut^erifd^e Xl^eologen atö i^re SBortfül^rer julaffen. ®ie feien ftc^ übrigen^ nid^t
betou^t, gefc^mä|t ju baben. 3)araufl^in fteQte ber jlurfürft ba^ angefagte SoOoquium
ein unb ber))fli(^tete fte nun imä) ^anbfc^lag auf bie Beobachtung bed @bift^ bom
24. gebruar (©c^mibt III, 20 ff.).
2)ie ßoffnung ber (Seiftlic^en berul^te jefet auf bem (Singreifen ber ©tänbe. liefen
16 l^atte ber Kurfürft auf il^e SSorfteOung ^in ]d(|on am 28. 3Jlör) bie 3ufage gegeben, er
tooUe i^re Oetoiffen „unberftridft unb unbeirrt" laffen, toobei er fic^ freiließ nic^t ^tte
berfagen tonnen, i^nen borjurüden, ba^ bie unberönberte Slug^b. Jtonfeffton „ben ab-
fd^eulic^en unb gotte^läfterlic^en ©d^toarm ber ^ajjiftifc^en 3!ran«fubftantiation gutl^eifee",
bafe bie Äonlorbienformel ba« Söerl be« „ehrgeizigen ^Pfaffen" ^atob Änbreä getoefen, bafe
ao Sut^er nod^ „fel^r tief in ber ginftemi« bc« ^ajjfttum« geftedt" unb feine äbeubmaJ^fe
leiere nic^t bom ^l. ®eift, fonbem bom Jtarbinal älliaco gelernt ^be. 3(te nun aber
anfangt 1615 bie ©tänbe )u neuen ©elbbetoiHigungen nac^ 93erlin berufen tpurben, be^
fd^toerten fie fid^ emftlic^ barüber, ba^ i^nen berbäd^tige ^rebiger ie^t aufgebrungen
toürben, forberten unberbäc^tige Sutl^eraner an ben ©d^ulen unb ber Unibetfität unb
26 toeigerten fu^, 5ßelargu« aU einen lut^erifc^en ®eneralfu{)erintenbenten anjuerfennen. (Sr
foBe toenigften« befragt toerben, ob er noc^ am Äonlorbienbuc^e feft^olte. S)er Äurfürft
antwortete am 22. Januar, bafe er bon feinem (Slauben nid^t laffe, auc^ toenn fie ü^m
bie geforberten Selber bertoeigerten. 3^r @ifer für bie SReligion fei (Sott mißfällig, ba
fte bie Invariata ut ^od^ ftellten. (Sr fönne boc^ nic^t $elargu« barum abfd^affen, ba^
80 er ein 3)2ann beiS Rieben« fei. 9(ber bie ©tänbe ruhten ni$t. ©ie berlangten bom
Äurfürften bie (Smeuerung unb 93eftätigung ber frül^er uim ©c^u^ be« Sut^ertum« er^
teilten SReberfe unb ba« Serfj)red^en, feine berbäd^tigen $rebiger ben ©emeinbcn aufju^
brängen, ba« Äonfiftorium, bie ®eneralfut)erintenbentur, bie Uniberfttät unb bie gürftenfd^ulc
mit Sutl^eranem ju befe^en. ^elargu« foHe ftd^ bi« Dftem über feine SRedJtgläubigleit
86 au«toetfen. ä(l« fte jum biertenmal il^re gorberung toieber^olten, er!annte ber Jtur^rft,
bafe er nad^geben muffe, unb erllärte nun (5. gebr., ©d^mibt IV, 10 f.), bafe „ein jeber
im Sanbe, ber ba tooUe, bei Sut^er« Seigre unb ungeänberten ä(ug«b. Äonfefflon, au(^
bei bem Äonforbienbucb berbleiben foBe". (5r betonte jtoar, bafe er nac^ bem Siechte
aSoBmad^t ^abe, eine Sieligion einjufül^ren, aber auf bie 2lueübung biefe« Siechte« ber=
40 wd^ten looBe. Unb abermal« erteilte er am G.gebruar benSReber« (bei ©d^mibtlV, 14 f.),
oafe er ber lutl^erifd^en SReligion „il^ren freien ®ang unb Sauf ol^ne allen 3*^ö**0 w"^
2)rang ber (Setoiffen" gönnen looBe.
©leid^loo^l gingen bie Serfud^e, ba« reformierte 93elenntni« burc^ aBerlei Singriffe
ju beförbem, junäc^ft noc^ loeiter. 2)er Äird^enrat fe^te feine Il^ätigteit fort, 3Kar!graf
46 Sodann ®eorg riet feinem Sruber, bie ©taat«bel^örben, befonber« ben (Sel^eimen Slat,
bor aBem aber bie 2anbe«uniberfität unb bie gürftenfd^ule nur mit Sieformierten ju be-
fe^en. 3n ber 2:^at liefe ftd^ ber Äurfürft bie ©tatuten ber granffurter Uniberfttät ein^
reid^en, ftrid^ ^ier betreff« ber tl^eologifc^en ^rofefforen bie JJerjjflic^tung auf bie Formula
Concordiae, ba ba« Ubiquität«bogma ein „jämmerlid^er Setrug ber Äir(^c" fei, ba«
60 ^er er niemanb mit biefen ,,moiistrosae opiniones'' belaften tooBe, unb erflärte:
,,Sufficiat schoHs et ecclesiis nostris iuxta Biblla sacra et Symbola atque CSonf.
Augustanam corpus doctrinae a Philippe traditum (bgl. 93b IV, 294), ad cuius
normam ecclesiarum et scholarum professores et ministri sese componanf'
(17. 2luguft 1616). 3m 2)oItoreib blieb ^toar bie Conf. Aug., aber bie Form. Ck)iic.
66iourbe geftric^en; ftatt ber Sertoerfung ber Sacramentarii tourbe je^t bie ber Ubiqui-
tarii eingefe^t (Slften unb Urfunben III, 76. 80). 2)aburc^ toar bte Sanbe«uniberfttät
il^re« reinen lutl^erifc^en ß^aralter« berluftig gegangen; unter ben neu angepeilten ?ßro^
fefforen befanben fid^ fortan aud^ reformierte, Rüffel tourbe bon granffurt jum D. theol.
bromobiert. 2)er Äird^jenrat ful^r fort, reformierte ©eiftlid^e an lutl^erijc^e ©emeinben ju
60 fe^en, ^elargu« orbinterte in feiner {!^ieben«liebe auc^ reformierte @ei|tli4ie. Stuf« muc
eigidmttttb 337
tücnbeten fid^ bic ©tänbc 1616 mit einer fc^r cmftcn SSorftcHung an ben ßurfürften,
forberten für il^rc Äonfeffion ben t)er|t)roc^enen ©c^u^, bie Sefeitigung be^ abtrünnigen
unb unbeftänbigen ^elargu^ unb bie Sefteßung ^jeblid^er" Sutl^eraner ju ©uberinten=
benten unb ^aftoren. $ie gro^e 3Jlcngc bcr ©eiftlic^en rüftete ftc^ ju entfc^icbenem
aSiberftanb ge^en bie Steuerungen unb ertüiberte bie angriffe auf il^re Seigre unb i^re 5
ßeremonien mit bitterer unb gel^äffiger ^olemif gegen ben 6atoini«mui§. ^\xi) ber
©täbtetag (^ebr. 1617) befd^Io^ eine 2)et)utation an ben Äurfürften, umfu^ über bieSScr*
getüaltigung ber lutl^erifc^en Äirc^e ju befd^meren. Slngefid^t^ biefer Haltung be^ Sanbe^
entf(^Jo| [x6) ber®el^eime 9lat am 23. 3Jlärj 1617, bem in ÄönigeJberg toeilenben Äurfürften
über ben @mft ber Sage Serid^t ju erftatten. 3)a« gange Sanb ftel^e in biefer Bad)^ toiber 10
ben Äurfürften unb feinen SRat. SBoHe man bie Slufregung ftiHen, fo möge man ben
Äirc^enrat toieber abfd^affen, benn bie Hoffnung, „bie Sieligion" im ganjen Sanbe ein«
jufül^ren, fei gu fd^anoen geworben. 3ln be« Äird^enrat^ ©ebote unb 3Serbote lel^re fic^
fein 3Kenfd9, aufeerbem ^abe ber ^räfibent öon Slod^oh) fein Slmt ju feiner J)edönlic^en
93ereid^erung übel mifebrauc^t. 3)emgemäfe tourbe ber Äird^enrat 1618 aufgelöft unb 15
bamit ba« „SWeformationgtoerl" in ber 5)larf eingefteHt. Jrok mand^er Unllarl^eiten be«
Sefenntnigftanbe^ blieb bod^ bie lut^erifd^e Äirc^e in ber 5DcarI erl^alten; ber Äurfürft
blieb mit feinem Selenntni^iüec^fel fo jiemlid^ allein. 3)ie 2)omlirc^e freilid^ mürbe mit
reformierten §of))rebigem befefet. ©d^on am 30. SJlärj 1615 tDurben Silber unb SlrujifiEe
unb beibe SHtäre au^ if)x entfernt, ein SJorgang, ber ju einem Solfötumult in 93erlin 20
2lnla| gab. Übrigen^ blieb ber lut^erifc^e Äofiprebiger 5Küller bi^ an feinen lob im2)ienfte,
unb bie ©dE>loyaj)elle biente je^t ben lut^. ©liebem ber Jpofgemeinbe al^ Äirc^e. SSgl. 5R. SKüÜer
S. 104. 200f. 351 f. ©onft bilbetenfid^ nur fj)ärlid^e, jum 2^eil nur fümmerlid^ befte^enbe re«
formierte Oemeinben, befonber^ an benDrten, too furfürftlid^e ©d^löffer ftd^ befanben. 3)ie
Äurfürftin felbft famt il^ren Zbd^ttm blieb bem lut^erifd^en Sefenntni« treu (©d^mibt 26
I, 25; II, 11); fie ftarb 1625 mit ber le^ttoilligen ©rJElärung, ber calbinifd^en Seigre
f einb leben unb fterben ju looHen. Iro^bem fj)rac^ bei ber Überführung i^rer Seid^e nad^
Königsberg ber reformierte §of})rebiger ^ol), 33ergiu«{ an il^rem ©arge unb beloieS babei,
bafe bie reformierte Seigre bie redete fei.
©c^loierigleiten bereitete bem Äurfürftcn fein ÄonfeffionSmed^fel im ^erjogtum ^reufeen. ao
Um bie Unterftü^ung be« ^olenfönigS gegen bie angriffe Der Sut^eraner auf bie Slefor^
mierten ju erlangen, mu^te er biefem in fat^olifd^en fragen entgegenfommen, unb fo
liefe er eS gefc^e^en, bafe ber Äönig am 10. ^vlx 1616 auS bem Corpus doctrinae
Prutenicum (S5b IV, 295), f>)cjiell auS ben ©d^malfalbijd^en 2lrtileln, alle für bie
fatj^olifdj^e Äir^e em>)finblic^en ©teilen auömerjen liefe. S)ie jjreufeifd^en ©tänbe erhoben 35
gegen 3- ®- ben Sortüurf, bafe er burd^ Slnna^me be« reformierten SelenntniffeS bic
gunbamentalgcfe^e beS §ergogtumg berieft l^abe. 2)em geaenüber toagte er in feiner
^nttüort Dom 29. 3Kai 1617 nur [\6) auf fein Siedet gu berufen, in feinem eigenen
„©aale" im ©c^lofe, aber nid^t in loco publice reformierten ®otteSbienft fid^ l^alten ju
laffen. 2)ur(^ biefe feine ^ritoatgotteSbienfte merbe ber Äonfeffionöftanb be« SanbeS ni^t 40
im minbeften geänbert. 2ln biefem ©tanb>)unft ^ielt er feft aud^ gegen ben König Don
^olen, ber jene ©otteSbienfte in ber ©d^lofefa}>elle boc^ als öffentliche SluSübung einer
neuen SReligion betrad^ten toolltc. ßr fonnte eS aber nid^t ber^inbern, bafe ber Sanb^
tagSrejefe öom 5. Sluguft 1617 erneut fc^arfe Seftimmungen gegen bie Sieformierten
erliefe, bie als ©törer ber öffentlichen Stulpe ju be^anbcln feien. Rnx S)orbrec^ter ©^nobe 46
1618 eingelaben, looBte 3-®- f^i"^ 3:^eologen ^elarguS unb SJ. S3ergiuS bort^in fenben;
aber beibe entjogen fic^ burc^ mand^erlei ©rünbe biefem Sluftrage; ber toal^re ©runb
i^rer SBcigerung mar, bafe fie ber Sc^re ber ©omariften nid^t beitreten fonnten. 2)en
Sefc^lüffen ber ©^nobe mürbe ^emad^ bon branbenburgifd^er ©eite nic^t miberfjjrod^en,
fie erl^ielten ^ier aber a\x6) feine ©iltigfeit (©c^mibt II, 18- III, 6 ff.; oben 93b IV, 799). eo
infolge eines ©c^laganfallS, ber i^n im ^wni 1618 traf, fa^ fxi) X ©. genötigt, am
22. 9lot)ember 1619 bie Slegicrung an feinen ©ol^n ©eorg SBil^elm abzutreten. SBenige
SlBod^en barauf, am 23. ^De^ember, entfc^licf er (9iä^ereS f. bei ©c^mibt I, 27 f.). güffel
^ielt il^mam 3.Dftober 1620 bei ber Überführung berSeid^e inS Erbbegräbnis im2)ombie
®ebäd^tniS})rebigt. 2ln bemfelben S^agc t^at 3«>^ann SergiuS baS gleiche bor bem bamalS 66
in ^reufeen befinblid^en Jpoflager. 2)er ScfenntniStoed^fel 3- ®-^ ""*> ^^ '^^^^ l>wrd^ bic
5Kac^t ber Ser^ältniffe aufgcbrängte ä^er^ic^t auf fein territoriales 9leformationSredE>t ^at
feinen 9JadSifolgem ben UnionSgebanlcn nahegelegt, ber feitbem fird^lid^e 3^rabition ber
J^o^enjoDem getoorben unb geblieben ift.
S)er ÄonfeffionSloe^fel öeranlafete eine faft unüberfel^bare ©treitfd^riftcnlitteratur. eo
KeaUiSnc^nopable fttr ^^cologie unb ßixäft. 8. ». XVIII. 22
338 (gigidmttttb (gUneßtr t., $a)ifl
Änicbc ^at in bcr anöcfü^rtcn Sd;rift allem für bic ^ai)XQ 1613—1619 2:31 ©c^riftcn
bicfcr 3lrt genau öerseic^net. 3tufeer ©ebicfc beteiligten fid^ lutl^erifd^erfeit« Sconbarb
tutter, §oe Don C)o^"<^00/ ^^iebric^ ä3albuin unb biele anbcre geringeren 9Jamen^ an ber
ontroi>erfe. Sieformicrterfeit!^ fäinj)ftc man faft nur in anonymen Streitfc^riften, al^
5 ,,£ieb^aber be^ gricben«^ unb ber ®a^r^cit". it^ ift üblid^, babei bie Sutl^eraner toegen
i^rer ©rob^eit unb i^rer mafelofen SJerläfterung ber ©egner al^ bie eigentlichen Stören-
triebe ^u betrachten; ah^ e^ barf boc^ ni^t Dergejfen Serben, bafe l^icr bie reformierte
^IJartei bie ber Angreifer toar, bie no^ baju unter ber ®unft be^ Äurfürften i^re ^i>ox'
ftö^e machte, unb ba^ gerabe bie laf tif, i^re Se^rtüeife al^ bag t)om ^at)i«mud gereinigte
10 iJutl^ertum ^in;\uftellen unb fic^ in beffen 33efi^ftanb einjubrängen, unb bie 2lrt unb SKeife,
toie fic fic^ aU „bie bon ber Sieligion" gebärbeten, eine ftaric ©ntrüftung auf bcr @egen=
feite berüorrufen mufete. 3:^eotogifc^ toar ber ©treit DöHig unergiebig. aSJenn Seonfyarb
^utter feinen „Calvinista aulico-politicus alter" bamate aulgc^en liefe (SBittenbcrg
1614), fo traf er bamit eben jene Äirc^enjjolitif, bie unter bem äJortoanbe, ba^ Sut^ertum
16 reinigen ju motten, fic^ in jeinen Äirc^en feftjufe^en öerfuc^te. &. Statotxan.
®iJ|oti f. b. 31. älmoriter 33b I S. 459,45.
(Bila», SUnamiö f. b. 21. ^ au luig 33b XV ©. 80, co.
©tltimutS, ^^C^jft, 536—537. — Vita Silverii im Lib. pontif. 9lu§g. n. SKommien
I, @. 144; Liberati brcvianum causae Nestorianorum et Eutychianorum c. 22; ^vocopiuo,
20 De belle Gothico I, 25; ^a^6 I, S. 115; Söomcr-SRambact», lluport^. ^liftorie bcr römifd)eii
$äpfte III; öJregoroüiuö, C^efcf). bcr @tabt diom II; ^cfclc, (5onciUcnge|(ftic^te II; Sangen,
®efct)icf)te ber ront. toct}e 1885, 8. 341 ff.
©iberiu^ tDar ber ©o^n be^ ^ajjftcig §ormi^ba^. ©ein furjer ^ontififat fiel in
bie 3<^i^ ^^ Äämpfe be^ oftrömifd^en SReic^e^ mit ben (Soten unb bcr ©treitigfcitcn um
26 bie ®eltung beö (S^alcebonenfe. 6r üerbanfte feine (Sr^ebung bem ©otenfönige 2:beobat,
ben er nacl> bem 33eric^t beö Lib. pont. burc^ ®elb für ft^ getoann; eine orbentlicbc
3äai}l fanb nic^t ftatt; ber lag feiner Drbination ift ber 8. ^\xn\ 536. 3)urc^ bic balb
barauf erfolgenbe Sanbung Selifar^ in ijtalien unb beffen rafc^e ßrfolge hjurbc bieiiagc
beö ^ajjfte^ ^öc^ft fc^toierig. 9^un trat ber ©c^ü^ling be^ ©otenfönige in 3Scrbinbimg
somit bcmgelbl^erm^uftinianiS; im 6ini)erftänbnii§ mit i^m befc^te 33elifar am 9. S^ej^cmbcr
536 Stom. 2lber bie 3?erbinbung \mx nic^t bon 3)auer. ©iltoeriuö nalj^m bie Äaiferin
Il^eobora baburc^ gegen fic^ ein, bafe er ber SBiebcrcinfc^ung be^ Don feinem iNorgänger
ägapet geftür^ten $atriard^en 3lnt^imuö (f. S3b XIII ©.393, 39 ff.) Sffiibcrftanb Iciftetc;
er fud^te be!?l;alb hjieber eine ©tü^e an ben ®oten. ^tnn man fann faum 5h?eifcln,
36 bafe er fid^ in gcbeime Unter^anblungen mit 93itigi^, bem 5Zac^folgcr S^^cobat«, einlief,
um il^m bic ©tabt in bie ijänbe ju f))iclen, bercn I^ore eben crft auf feinen antrieb
ben ©ried^en geöffnet toorbcn toaren. S^ax crflärt ber 33iograJ)^ bc^ ©ilDeriu^ biefe
älnflagc für faljc^; cbenfo auc^ Siberatu^ in feinem 33ret)iarium. 3lbcr fic ift an fic^
nicbt umoabtfc^einlid;: bcr ^apft mocbtc l^offen, unter gotifc^cr §crrfdE>aft leichter an bem
40 (Sbalccboncnfc fcftbaltcn .^u fönnen, al^ unter griecbifd;er, unb Regierungen j\u ben ©otcn
battc er ja bereite; bcr "Jortfc^er be^ ^Biarccttinuö (Someö berichtet fic al^ i^atfac^c, unb
^^roco^), !^iberatuö unb ba^ $aj)ftbuc^ jcigen ipcnigftcn^, bafe bcr SScrbac^t allgemein »ar.
J^clifar hielt i^n für gegrünbet, bcnn im "DJfärj 537 entfette er ©iltocriu^ be^ ^ontifif at^
unb fanbte ibn alö 33töncb in bie SJerbannung nai) ^atara in Speien, ©ein 9lac^folger
46 tourbc iUgiliu'^, bcr fic^ burc^ 3Jacl>giebigteit in ber bognmtifc^cn Jf'^agc bie ©unft bcr
Äaiferin erlauft battc. 'JJadE» einiger $üi h)urbc ber ^rojefe gegen Silt)eriu« toicber auf=
genommen; man brachte i^n nad^ Italien ^urüdE: aber ba^ 6nbc toar eine jtücitc 3Jcr=
urtciluug, er lourbc nac^i bcr ^n]d $ontiä im t^n^enifd^cn 9Rcerc t>ertt)iefcn. §ier ift
er gcftorben; bae ^obcöjabr ftcl;t nicht feft. ^and.
50 ©ilücpcr I., "]iap]i, 314—335. — SSertlofe :öiogra^f}ten im Lib. pontif. I, S. 47
bcr ^JCuvJq. u. 9JZümmien. im Sanetuarium be^ 3Jlombritiu^ II, 931. 279 unb bei Suriuö, V.
Sanct. ^oj. e. 368; ^ü]i6 l, 8. 28 f. ; fiipfiuö, e^ronolüftie b. rom. SBifc^öfe @. 259; S)öningcr,
<lJap)*tfabeIu 2. ^Jlufl., 8. Ol ff.; 3BeiIanb, &orjcl)ungen XIV, 6.467; Dgl. b. 9lrt. fionftant.
Sdicnfuug ^b XI, 3. 1 ff.
65 ^)n bic 3cit bc^ ^oniifitatö ©ilücftcr^ I. fättt ba^ tDid^tigftc ßrcigni^ bcr ©efc^icbtc
bcr alten S\\xd)c: bcr Jyricbcnefd^lufe jioifc^icn bcni römifd^cn ©taat unb bem 6l(^riftcntum
burd^ bcn Übertritt Äonftanting, fäKt bcr Slnfang bcö arianifd^cn unb be« bonatiftifd^en
Streit«. Slirgenb« aber tritt ©itoeftcr mitl^anbelnb l^ertjor. 6rft bie römifd^e ^apftfagc
l^at i^n in Se^ie^ung ju Äonftantin gefegt; ba« einzige, toa« über feine Seteiligung
am arianifd^en ©treite belannt ift, ift bie burd^ ßufebiu« (Vit. Const. III, 7) bezeugte
S^atfad^e, bafe er einige römifd^e ^reöb^ter al« ©ejanbte jum nicänifc^en Äonjil f^itfte, 6
tüä^renb er felbft ^(d vrJQag ferne blieb. 3lud^ auf ber ©i^nobe bon Slrlei; War er nur
burd^ eine (Sefanbtfc^aft vertreten (Mansi II, 476); bie S^nobe teilte i^m i^re SSe*
fc^Iüffe mit, aber nic^t jur SBeftätigung, fonbem jur 2)anac^ac^tung (quid decrevimus
communi consilio, caritati tuae significamus, ut omnes sciant, quid in futurum
observare debeant, ©. 471). lo
9lad^ bem Catalogus Liberianus begann ber ^ontifilat ©ilöefter« am 31. ^^nuar
314 unb reid^te er bi« 31. SDejember 335. ^otiif.
©tlHeptr II., ^at)ft, 999—1003. — Sittcratur: Oeuvres de Gerbert par A. 01-
leris, eiermont 1867; Lettres de Gerbert p. p. J. Havel, $ari« 1889, MSL SBb 139; Opera
mathematica ed. ^l, ^ubnoü, 93crlin 1899; unter bcn ^iftorifc^cn ©Triften bcS 10. 3a^r= iß
^unbcrtä fmb für ®erbert am loic^tigftcn bie ^iftonen feincä @(^ülcr« SHid)er, bcr W6nS) im
$Rcmigiu«!Ioftcr in 9l6cim« war. ©ocf, ©crbcrt ober $apft ©ilücftcr II. unb f. 3Q^r^., 1837 ;
SSübingcr, Ucbcr ©crbcrt« ioiifcnfd)aftIic6e unb polittfc^c ©teflung, 1851 ; Scrncr, ®crbcrt üon
^uriQac, 1878 ; S(^ulte6, ?apft ©ilDcfter II. al§ Sc^rcr unb @taat§monn, Hamburg 1891 ;
bcrf. in b. ?lbS3; ^icaDct, Gerbert, un pape philoeophe d'apr^ Thistoire et d'apr^s la 20
legende, $ari8 1897; Sair, Etudes critiques I, (5. 94 ff., «Paria 1899; ed^Iocfroerbcr, Unter-
fuc^ungen jur S^ronologie ber S3ricfe ®crbcrt§, ^allcl893; SBubnoi), 5)ic Briefe Herberts alS
l^ift. ducflc (ruffifcb), 3 SBbc, ^etcröb. 1888—90; ®icfebrccf)t, ®efcf)ic^te bcr bcutfc^en Äoifcrjcit
I, 5.«ufr. 1881; Silman«, 3a^rbü(6er beö beutfc^cn SRcic^ä unter Otto III., 1840; fiuy,
6ilt)efterö II. einflufe auf bie ^olitif OttoS III., SBreSIau 1898; 6cpct, Gerbert, et le change- 25
ment de dynastie (Rev. des quest. bist. VII f., 1869 f.); Ui)Uxi, So^rbb. b. bcutfc^cn SRcIc^e
unter Otto II. u. III., 1. SBb 1902; 3Battcnbocb, 3)cutf(^I. ©cf^icfitäqucacn 1. 336, 7.9luf(. oon
Xixmmkx 1904, @. 460 ff.; Saimoun, $olitif ber «Päpfte II, 1869; ®rcgorooiu«, ®cfd). ber
©tabta^om im3)l9(. III, 4.9tufI.1890, 6. 447 ff.; ü.SRcumont, ®ef*. ber @tabt9Rom II, 1867;
.{löflcr, 3)ic beutfc^cn^äpfte 1,1839; ^efcle, 6onciUengefcij.,IV, 2.$(uff., 1879; 9tcuter, öJefd). 30
ber rclig. $(uf!lfirung im ^?l. I, 1875; «ßrantl, ©cft^ic^tc bcr fiogi! II, ©.53, 1861; 92agl,
Herbert unb bie 9?cct)cnfunft bc§ 10. Sa^rl^unbcrt«, ©©"31 1888, S3b 116, @. 861; ^Seifeenborn,
öJcrbert. »citr. jur ^cnntni^ ber ^at^emotif be§ ^91., «erün 1888; berf., 8ur (A)ejd)id)tc
ber (Sinfü^rung ber iefiflcn Siff^^*^ ^"^^ Herbert, S5erfin 1892; ßantor, SJorIeJungen über
(iJef*. ber 3Rat^em. 1. 33b, 2.?lufl., ©. 797; 5)üainqcr, ?5apftfabeln beö m^^., 1863; ©d^ulteft, 35
^ic ©agen über ©ibefter IL, Hamburg 1893.
2)a^ ©eburt^ja^r ©erbert« ift unbefannt; ba er fic^ afe ©rjbifc^of bon Slatjenna
(998—999) al« alten ?Kann fd^ilbert (ep. 208 nac^ ber gä^lung Don §at)et), fo mufe er
toor 950 geboren fein, ba aber Stierer i^n 970 nod^ alg adolescens unb iuvenis be«
jeid^net (Hist. III, 43 f.), fo !ann man mit bem STnfa^ feiner ©eburt^jeit nic^t über 40
ba« ^af)x 940 jurüdEgel^en. ©eine §eimat ift bie Slut^ergne, toietteid^t bie ©tabt 3luriIIac
(2)et). Gantal), beren Senebiftinerflofter er fc^on alö Änabe übergeben mürbe: er blieb
auc^ alö 3Kann in SSerbinbung mit bem 3lbte ©eralb (geft. 986) unb mit beffen "ilad)-
folger Slaimunb: ba^Älofter inSlurittac betrachtete er aU feine Jpeimat (togl. bcf. ep. 194).
§ier luurbe er juerft in Da« SBiffcn ber 3^'^ eingeführt, l^ier murbc man auc^ atebalb 45
auf fein ^erborragenbe« S^alent aufmerffgm. 2)ie 3lnh?efen^eit be« fj)anifc^en 2)uE8orett
im Älofter (um 967) gab Slnlafe jur Überfiebelung ©erbert« nac^ ©jjanien. 2Bar ber
Unterricht in SluriUac in erfter Sinie grammatifd^, fo boten fic^ i^m in (Bpanim, beffen
geiftige« 2eben burc^ bie Serü^rung mit ben Slrabem angeregt unb befrud^tet toar, reichere
Silbung^mittel bar : an bem SBifc^of §atto bon 23id^ in ßatalonien fanb er einen Se^rer, 50
ber ben ©runb ju bem matf^ematifc^en, aftronomifc^en unb mufifalifc^en ®iffen legte,
ba« i^m fj)äter ben ^öd^ften Su^m gebracht ^at. 2tber nur ben 2)ienft einer ^open
©c^ule leiftete il^m ©Jjanien (bgl. and) ep. 24 u. 25); feine« Sleiben« toar nic^t bort,
fein ©efd^idt führte in h)eiter nad^ 9lom. ^n ber Segleitung be« S3ifd^of«§atto fam er
970 an ben i)äi)ftlic^en §of. ©eine Äenntniffe in ber 3lftronomie unb ?!Kufif nal^mcn 55
ben ^apft 3io^ann XIII. für i^n ein; er emj)fal^l il^nDttob. ©r. ©0 tüurbe bie folgen-
reiche aSerbinbung ©erbert« mit bem fäc^fifd^en Äaifcr^aufe angebahnt. 2)oc^ aud; ber
2lufentf|alt in SRom toar nur eine @j)ifobc in feinem 2eben; noc^ reijte i^n nic^t bcr
2)ienft ber ©rofien unb ber 9?er!el^r mit i^nen, fein ©inn ftanb nac^ 3Biffen: bcr bia=
leltifcJ^e 5Ru^m eine« SR^eimfer ärc^ibiafonu« ©., bcr al« ©efanbter Äönig Sot^ar« üon go
granfrcic^ bamal« nac^ SRom lam (i^crmutungen über feinen 9tamen bei Sübingcr unb
340 eUnefitr n., ^ap^
unb ^ranll, bgl. aud) ^icabct S. 40), bciüog i^n, fid^ an i^n anjufc^Iiefecn unb ibm na(^
SJ^eim« ju folgen, um fid^ in feiner ßunft untermeifen ^n laffen (6nbe 972 ober Snfang
973, toeil üor bem 2:obe Ctlo^ I., ögl. ep. 187 unb Stid^. III, 45). S« ^Hlj^eim« aber
traf er ben Mann, ber me^r ate irgenb ein anberer beftimntenb auf fein Seben einge^
5 loirft l)at, ben erjbifdj^of 3lbaIbero. Sifc^of einer franjöftfc^en Stabt, aber S^rö^Iing
einer lotl^ringifc^en gamilie, f}atk er fein Siötum burc^ ben ßinflufe Dtto^ b. ®r. erlangt,
unb i^m, loie feinem So^ne unb ßnfel, toar er mit loanbellofer Ireue ergeben. 6r
fül^lte fid^ minbeften^ ebenfofe^r ate ^ürft toie al^ Sifd^of, in ben Jjolttifc^en 3)ingen
loar er biel unb mit ®lücf tf^ätig. Ginem 5Kanne be^ großen öffentlichen Seben^ trat
10 ber 6c^üler ber SJBiffenfc^aft fomit naf)^; e^ fonnte nic^t fel^len, bafe fein beweglicher (Seift
baijon einen ginbrucf emjjfing: ber toiffenfc^aftlici^e SRu^m blieb nicpt ba« einjige ^h^ai
©erbertg; e^ erl^ob [xi) baneben, barüber bie Suft an einer großen ©tettung.
3unäc^ft beftimmte i^n Slbalbero nic^t nur ju lernen, fonbem ju leieren; er unter=
toie^, loie in ber 5Dlat^ematif, fo auc^ in ber neu erworbenen Äunft ber 2)ialeftil, toobl
16 bamafö bereite mit bem ©ebanf en fic| berul^igenb, ben er fj)äter einmal au^fprad^ : SBir
lehren toa^ Wir Wiffen, unb Wa^ Wir nic^t Wiffen, lernen Wir (ep. 44). Slic^er (III,
46—54), teilt ben ©tubiengang mit, ben er einfielt: er erllärte in feinen SSorlefungen
©d^riften berSllten; ben beginn machte er bem §erIommen gemäfe mit ber Sf^goge be^
^orp^^riug (bgl. ^rantl II, ©. 7); e« folgten bie Äategorien be« äriftotele^ unb ba^
2oSud(i negl igfÄtivElag, alle« natürlich in lateinifc^erÜberfe^ung; bann bie ^^opif ßicero«
unb eine"3lnja^l logifc^er ©c^riften be« SBoet^iu«. Site 35orbereitung jur Sil^etori! Würben
bie Dichter gelefen: SSirgil, Qtaim^, ^iereng, ^w^^nöl, 5ßerftu«, §oraj, Sucan; nac^ bem
rl^ctorifc^en Unterrid^t übergab ©erbert feine ©d^üler einem 2)il>)utator, bamit fie bei
il^m fic^ ©d^lagfertigleit unb ©eWanbt^eit im Wortgefecht aneigneten. ®ie e« fc^eint,
26 Würben — tva^ für bie ßntftel^ung ber fc^olaftif^en 5Ket^obe bemerlen^Wert ift —
Sled^t^fälle be^anbelt. Slic^er fagt: in contro versus exercjerentur; controversia
aber ift terminus technicus für ben Sle^t^faH. 2)en älbfc^lu^ be« Unterricht« bilbeten
bie bier matl^ematifd^en gäd^er: Slritl^mctil, 5Kufif, Slftronomie unb ©eometrie. Slic^er
erjäf^lt, bafe (Serbert mit glül^enbem ßifer bei ben ©tubien geWefen fei; auc^ fein mec^a--
80 nifc^e« (Sefc^idf lam i^m ju ftatten: er rife feine ©d^üler jur 93eWunberung ^in burcb
Anfertigung Don allerlei aftronomifc^en ^nftrumenten. ©o ftieg nid^t nur bie ^a^l feiner
©d^üler: auc^ fein Slu^m erfüllte balb Wie granheic^, fo 2)eutfd{>lanb unb Italien, ßr
berWidfelte il^n in ein gelehrte« lumier mit bem ©a^fen D^trif, ber bi« furj Dörfer
Seiter ber 9JJagbeburger 2)omfc^ule geWefen War. 6« Würbe in SRaöenna in ©egenWart
a«-, Äaifer Otto« II. au^gefod^ten (980). "^aö^ Slic^er« »eric^t (III, 56—65) enbete e« febr
el^rentJoH für ©erbert, ber bon bem Äaifer reid^ befd^enft nac^ granlreid{> ^urücHe^rtc.
SDoc^ Wa^rfc^einlic^ ift bie le^tere 5Wad^ric^t irrig, Wie Stierer auc^ aufeerbem über ba«
©efpräd^ Unmöglid^e« berichtet: er berlegt e« noc| unter Otto b. ®r.' Unb foHte ©erbcrt
auc^ Wirflic^ üon 9lat)enna na^ granfreic^ jurüdtgefel^rt fein, fo löfte fid^ boc^ balb fein
40 SSer^ältni« ju S^eim«. 3)enn in biefer 3cit erhielt er t)on Dtto II. bie Slbtei Sobbio bei
$at)ia. 3)a« Sa^r fte^t nic^t feft. 3)a ©erbert »obbio im ©pätjobr 983 berliefe, mufe
er bie 2lbtei fpäteften« älnfang bieje« 3a^r« erhalten \)abm. 3)ie 3Serlei^ung fann aber
anä^ in ben 3tu«gang be« bor^ergc^enben ^a^x^^ fallen (Dgl. ep. 19). 2)er quondam
scholasticus, Wie fic^ ©erbert al« aibt Wo^l bejeic^net, trat bamit ein in bie ^Rei^e ber
i:» ©rofecn be« 9teic^«: nic^t nur bie 3}erWaltung be« Älofterbefi^e« lag i^m ob, er mufetc
auc^ in ben politijc^en 35tngen ©teßung nehmen, Partei ergreifen. Sie berühmte Stifs
tung be« ^1^^"^^^^^ ßolumba War überau« reic^ begütert in ganj ^^^^^^^^^ (®P- 12 : Quae
pars Italiae possessiones beati Columbani non (K)iitinet ?) ; aber bie ©üter Waren ^um
großen Xeil bem Älofter entfrembet, biejDlönc^e litten gerabe^u 5Rot (ügl. bef. ep. 2). Die
6)Semü^ungen ©erbert«, ^ier SBanbel m f(^affen, ni^t minbcr feine 3:reue gegen ben
Äaifcr, matten feine Sage äu|erft fcpwierig: ^n Weld^em 2^eile Italien«, jammert er
balb, l^abe ic^ nic^t geinbe'^ meine Sraft ift ben Gräften Italien« nid^t geWac^fcn (ep. 12,
bgl. ep. 5). (Sr Würbe feiner ÜBürbe niemal« fro^ ; fein frühere« Seben bünite il^n t>er=
lorene ^rei^eit (ep. 1: Gerbertus quondam über) unb er Wünfc^te fid^, lieber in
65 Äranlreic^ allein arm gu fein, al« in Italien mit fo t^ielen 2lrmen ju betteln (ep. 2).
3)er Xob Dtto« II. (7. Dej. 983) brachte i^n tooUenb« gur SerjWeiflung: Ätrc^e unb
©taat fd^icnen i^m bom Untergange bcbro^t, jeber fernere ffiiberftanb gegen bie Italiener
bergcblic^ (ep. 16). ©o fam er ju bem öntj^Iufe, au« Sobbio ju Weid^en; er platte ba«
Älofter im §erbft 983 bcrlaffen (ergiebt [xd) au« ber Urf. Dtto« III. bom 1. DIt 998
'-» Dipl. III, ©.729, 'Jlr. 303: abbatia per XV annos viduata), unb fic^ nac^
eUnefÜtr II., ^ap^ 341
$at)ia begeben; im Dcjember entfc^lofe er fic^, ftatt in feine Slbtei.jurücf^uf eieren, nac^
^ranheid^ ju gelten (ep. 16 ögl. 91); er entjog ftd^ bamit ber 5Roth)enbigfeit, in 9Ser=
llanblungen mit ben ^einben beö Äaiferö einjutreten (ep. 92).
©ein S33eg führte i^n jurtirf nao) Sl^eim^, ju ben Stubien, bic er, eine ^c\t lang
unterbrochen, nie Dergeffen ^atte (ep. 16), „ju ben füfeen ^d^ten ber freien Sünfte" 6
(ep. 92). ®r fammelte eine möglic^ft reid^e SSibliot^el (ep. 44), trat h)ieber ate 2e^rer
auf unb fanb babei ben früheren Erfolg; aber trofe aller Siebe ju bem toiffenfc^aftlid^en
Seben, nur scholasticus tooHte unb fonnte er nidpt toieber fein; bie 3lbtei SBobbio aufs
zugeben, fonnte er fic^ nic^t entfd^Iie^en, ja Wa^ il^m borf^er nur mie eine Saft erfc^ien,
tüurbe i^m je^t toertboH (ep. 34) ; er bürftcte nac^ einer neuen firc^lic^en ©teHung, ber lo
Äaiferin 3:i^eo)5^ano lie^ er fic^ für irgenb einSi^tum emj)f eitlen (ep. 117). Unb au^ ju
einer ruf^igen Se^rt^ätigfeit gelangte er nid^t toieber; ate ©efretär Slbalbero^ tourbe er
2^eilne^mer an beffen j)oIitif(^er Il^ätigfeit. 2)er ©rjbifd^of Don SR^eim« betoie^ ftd^ in biefen
für bie §errfc^aft Dtto^ III. gefal^rbollen ^a^xm aU ein überaus toic^tiger 93unbe^s
genoffe be^ laiferlic^en Äinbe^ ; fein 3^^^ ^^^f Sotl^ringen il^m gu erl^alten, bie 3lbftd^ten i5
.§einridE>g Don Saiern unb bie gntriguen Sot^ar« bon granlreic^ m bereitein. ©erbert
biente il^m babei mit feiner ftetö getoanbten geber (ijgl. bie ja^lreicpen SSriefe ex persona
Adalb. 26 f., 29 f., 36 u. a.). ^m einzelnen ift ber ©egenftanb ^ier nic^t m Verfolgen;
auc^ ift ©erbert babei faum ettoaö anbere^, al^ ber Vertraute SDiener unb ©e^ilfe feine«
J^erm, ber beffen 3lnorbnungen au^füf^rte. SBar ba« Slugenmert ber SRfieimfer $oIitifer2o
^unäc^ft auf bie beutfc^en 33er^ältniffe gerichtet, fo bod^ nic^t au^fd^liefelid^ : balb tourben
bie franjöfifc^en 2)inge noc^ toic^tiger alg bie beutfc^en. 3)er 3:ob Sot^ar« (2. 3Rärj 986)
unb lurj barauf ber feine« ©o^ne« Subloig V. (22. 5Wai 987) betoirfte eine toic^tige
aSenbung in granlreic^: befonber« burd^ ben (Sinflufe Slbalbero« tourbe unter Serle^ung
be« (Srbred^t« ber lotl^ringifd^en Äarolinger $ugo 6aj)et auf ben franjöfifc^en J^ron er= 25
^oben (1. 3iuni 987); aud^ babei toar ©erbert mittoirfenb; nid^t of^ne eine getoiffe SBe«
triebigung erjäl^lt er ba« ©erebe feiner ©egner, bafe er Äönige abfege unb ergebe (ep. 163 b.
989). IDlit bem neuen Äönige ftanb er in freunblic^en Sejie^ngen ; auc^ für i^n fc^rieb er
einzelne ©riefe (ep. 107, 111, 112 \), 987 unb 988), feinen ©o^n SRobert jäl^Ite er ju
feinen ©^ülem. Um fo ungünftiger freiließ geftaltete fid^ fein SSer^ältni« ju ^erjog so
Äarl bon Sotl^rtgen.
3lm 23. Si^nuar 989 — toenn bie getoöl^nlic^e annähme richtig ift ; nac^ Sair 990
— ftarb (Srjbifc^of 2lbaIbero; ©erbert burftc erwarten unb l^atte gehofft, bafe er ba«
33i«tum SRbeim« erhalten toerbe (ep. 152); aber er tourbe übergangen. §ugo dap^t
beranlafete bie S33a^I 3lmulf«, eine« illegitimen ©o^ne« be« Äönig« Sot^ar; fo fuc^te er 85
bie Äarolinger ben diaub ber Ärone üergeffen ju mad^en. ärnulf leiftetc i^m ben (Sib
ber 2^reue, \pklU bann aber Sl^eim« feinem Df^eim Karl bon Sot^ringen in bie §änbe ;
c« bauerte nic^t lange, bi« er offen auf be« ^erjog« ©eite trat (Stierer IV, 25 ff),
©erbert, ber cine3€it lang bebenflic^ in ber2^reue gegen $ugo gefc^toanf t ^atte (ep. 164 f.,
Gnbe 989 tjgl. ep. 172), erllärte fid; bann boc^ gegen Slmulf (ep. 178) unb begab fxä) 40
an ben ©of §ugo« (ep. 172).
2)iefer l^atte atebalb nac^ ber ginna^me ber ©tabt burc^ Äarl, al« 2lmulf no(^
unfc^ulbig fd^ien, eine SW^eimfer 3)iöcefanf)^nobe in ©enli« abflauen unb bie ©tabt
mit bem 3"^^^^^^/ ^*^ Verräter bc« 8ifc^of« mit bem Sänne belegen laffen (Act.
conc. Rem. 14). 5Wac^bem nun aber an ben 2^ag fam, ba^ 2lmulf felbft ber 33er- 46
räter toar, forberte er, bafe JS^^ann XV. gegen i^n einfc^reite (ib. 24); ba« gleiche Sßer^
langen fj)rac^en bic Sifc^öfe be« SJ^cimfer ©j)rengel« au« (ib. 25). Unb man toartete
ba« j)äj)ft(ic^e Urteil nic^t ab: aJ« Äarl unb 3lmulf bur(^ üßerrat in bie ©etoalt be«
Äönig« gefommen toaren, liefe er eine ©^nobe in ber Safilifa be« ^l. Safolu« bei Sl^eim«
^ufammentretön (17. u. 18. 3uni 991), um über ben gefangenen @rjbifd^of ju rid^ten. so
Ginen au«fül^rlic^en Seric^t über biefe 3Serfammtung geben bie bon ©erbert rebigierten
Acta concilii Remensis ad s. Basolum. 35a ber ^^riefter 3lbalgar, ber bem |ierjog
fiarl bic I^ore üon 5R^eim« geöffnet ^atte, al« ^^^9^^ ^'^'^^^ feinen 33ifc^of auftrat, fo
War beffen ©(^ulb rafc^ fonftatiert; e« fragte fic^ nur, ob man toagen hjürbe, ein Urteil
über il^n gu fällen. 3luf ber St;nobc gab e« eine 9Jlinorität, loelc^c bie Berechtigung 65
^ierju beftritt; fie beftanb au^ ben bcibcn 3lbten Somulf bon ©cn« unb 3lbbo bon
^leur^f unb bem Sc^olaftilu« ^o^annc« bon Slu^erre; fic ftü^tc fic^ auf ben )3feubo=
tfiborifc^en ©a$, bafe 3lnflagen gegen Sifc^öfc bor ba«5orum be«^a|pfte« gcl^örtcn, unb
forberte bemgemäfe bie Sleftitution Sirnulf«. 6« läfet fid; nun nic^t bcl^aujjten, bafe bie
93if(^öfe ymm ©aJ ^feuboifibor« ^)rinjij)iell leugneten, obglcidji i^nen bie Erinnerung an eo
342 Sitoeper IL, ^^
ba^ SSerl^altcn ber Sffrilancr gegen bic ?18äj)ftc 3«>finiu« unb Sontfa^ tarn; fic urteilten
bielme^, bafe i^m burd^ bic ©(^reiben an ^o^^nn XV. ©enüge gefd^e^cn fei, unb fie
fteüten bic 93e^aut)tung auf, bafe ba« ^ojjfttum fic^ in einem ^uftanbe fo tiefen aSerfaflö
befinbe, bafe bic Äinl^c fid^ nid^t an ba^felbc unb feine Siedete gebunben l^alten tonne. 3)ie
6 fül^nften Söortc f)at naä^ ©etbert« Script babci ber gül^rer ber ©l^nobc, ämulf öon
Drl^n^, gcfl^roc^en; er c^aratteriftcrte bic legten römif^en $ä^fte, „biefe monstra i)on
a){enfc^en, öoÜ allcö Sc^mä^lid^en unb o^nc eine Bpux ber Äenntni« göttlicher unb
menfd^Iid^er 2)inge". 2Bofür ^abc man einen folc^en, auf erl^abenem 3:^rone fifeenbcn,
in J)uq)umem unb golbenem ©ctoanbc ftral^Ienben 3Jlenfc^en ju l^alten: „3Jlangeft il^m
10 bic Siebe unb ift er aufgeblafcn blofe burc^ ba« SBiffen, fo i|t er ber Slntic^rift, ber im
Xtmptl @otte« ft^t unb ful^ ^i^gt, ate toäre er (Sott. 3f* ^ ^^ ^^'^^ i" ^^ 2i*^
gegrünbet noc^ burd^ ©rienntni« erl^oben, bann ift er im 2;em>)el (Sottet gleid^fam eine
©tatuC; ein ©ö^cnbilb, t)on bem änttoort begehren einen SJlarmorblodE fragen ^ei^t."
2)er frangöfifc^c Sj)ifIoj>at öere^re, toie er bon feinen 35ätem emt)fangen, bic römifc^c
lö Äirc^c in ber ßrinncrung an ben 3lt)ofteIfürften ; ol^ne SBürbigleit ober Untüürbigf eit ber
?Pä>)fte ju (prüfen, erhole er i^re Scfcpcibe, toenn e« bic Sage be« 9leid^ geftatte ; fic
mögen bann eine gerechte ober eine ungerechte SJorfc^rift geben; im erfteren gatte toerbc
SWebe unb (SintradJ^t ber Äird^en erl^alten, im (enteren aber toerbe man auf bedä)>oftel^
^udf^rud^ l^ören: 3Scx euc^ ein anbereS @bangc(ium bertünbigt, fei cd auc^ ein (Sngel
30 t)om ^immel, ber fei bcrfluc^t. 3Kan toar cntfc^Ioffen, öictteid^t burd^ ben Äönig gc-
;|h)ungen; ol^ne 9lüdEfid^t auf 9lom gegen 3lmulf ju tjcrfal^ren. 2)iefcr fud^te anfangt ju
leugnen, tpurbe bann }u einem ©eftönbniffe genötigt unb t)erftanb fic^, nad^bem i^m
Äönig §u^o ba^ 2tbtn jugeftc^ert, jur ßntfagung. 2ln feiner ©teile tourbe ®erbert
^um ßr^bifc^of bon SRI^eimg getoäl^lt (ep. 179). ©ein bei bicfcm Slnlafe abgelegte^
26 ®Iaubeni§bcfenntni^ ep. 180 ift faft toörllic^e SBiebcrl^oIung ber gormel ber 4. fart^ag.
©t^nobc bon 398 (Srung I, ©. 140 f.). ©clbft bic gegen bic 9)ianid^äer gerichteten ©ä^c
fmb tüieberl^olt. ®« ift bei il^nen alfo ni^t an franjöftfd^c Äatl^arer ju benfen.
(Serbert ^tte ba« ^\tl feinet (Sl^rgeije« erreiit, eine neue, ^öl^cre lirc^lic^c ©tellung.
Slber fein (Srfolg führte ju bem Unglürf feinet Sebend. S)enn er fam burd^ bic Slnnal^me
30 ber SBal^l nij^t nur in 3^Mi>öIt mit Slom, fonbem aud^ mit ben entfc^iebcn tirc^Iic^
gefinnten 5Dlänncm S^anircid^^ unb S)eutfc^Ianbg, toeld^c in ber Slbfe^ung Slmulf^ ein
Unrecht erblidtten. (Sr mufetc ben 5Bortourf ^ören, bafe bic Iriebfeber feinet SSer^Itenö
bic Hoffnung getücfen fei, Slrnulfg ©teile ju erhalten (ep. 197. 217). 2)od^ t>erlor er
ben 9Kut nic^t. 2)ic 93cbcnfcn ber 2)eutfd^cn meinte er befeitigen, gegen 9lom fic^ be-
36 ^auj)tcn JU lönnen. SDcm erfteren 3h)ec(e biente nic^t nur bic Sicröffentlic^ung ber 3Hten
ber SRI^eimfcr ©t^nobe, fonbem ®erbcrt liefe e« ftd^ nid^t Derbriefeen, in einem ©rief an
aSilberob öon Strasburg fein SBer^altcn einge^enb ju red^tfertigen (ep. 217). aber er
mufetc crfal^ren, ba| bic berebteften SBorte mad^tloiS fmb gegen eingetourjcite Über^
Beugungen; in ©eutfc^Ianb l^ielt man baran feft, bafe ba« Serfal^en gegen 3lmulf un=
40 rcc^tmäfeig fei; man agitierte bei bem ^JaJ)fte gegen ©erbert (SRic^. IV, 95). ©agegcn
ftanben bie franjöfifd^en Sifc^öfe treu m i^m ; auf einer ©^nobe m ßJ^cUe«, 992 (?), bc-
ftimmte er fic ju einem Sefc^Iufe, ber Partei für i^n ergriff, fclbft auf bic ©cfai^r eine^
Srud^e^ mit bem ^a>)fte (9lic^. IV, 89: Placuit quoque sanciri, si quid a papa
Romano contra patrum decreta suggereretur, cassum et irritum fieri, iuxta
4r> quod apostohis alt : Hereticum hominem et ab ecclesia dissentientem penitus
devita. Nee minus abdicationem Arnulfi, et promotionem Gerberti prout ab
eis ordinatae et peractae essen t, perpetuo placuit sanciri). 3Jlan l^ört je^t bic
lü^nftcn ^iufecrungen gegen 9lom a\x^ feinem 5)lunbe; er tücnbet UnQpmd): 3Ran mufe
©Ott mel^r ge^or^en aU ben 3Jlenfc^en, gegen ben ^^ft; er btf^avipttt: ©ünbigt ber
60 $at)ft an einem Sruber unb ^ört er, öfter ermahnt, bie Äirc|e nic^t, fo ift er nac^ (Sottet
©ebot für einen Reiben unb ^öKncr ju I^alten; belegt er ben, ber il^m nid^t beiftimmt,
bann mit bem 33anne, fo fann er i^n baburd^ nic^t bon ber ©emeinfcbaft mit ß^riftu^
trennen (ep. 192 an ©iguin t)on ©en^ toor ber Stta^ener ©Vnobe bon 992, t)gl. ©.181:
Concilia numquam devitastis, unbConc. Mosom. ©. ()90: Causa synodi ad Aquisgr.
66 palat. invitasse et eos illo venire noluisse). 3lber ber ^ann, auf biefent
aWege h^citerjufc^reiten unb bie Äonfcquenjen feiner SBorte ^u jie^en, \oax ©erbert nic^t.
Sodann XV. I^attc tpal^rfc^einlic^ fc^on 991 ben Slbt Seo Don ©t. 93onifatiu« in 9lom
(t>gl. Ann. CoL, Corb. u. Bern. ehr. 3. 992, Ann. Weissenb. j. 993 mit bem 8f.
iJeo^ an Äönig $ugo MG SS III ©. 090) al^ Segaten nac^ ^ranheic^ unb 2)eutf(^^
60 lanb gefanbt, um bie Ul^eimfer ©ac^e ju unterfuc^en unb ju entfdjieiben. S)iefer ^ielt
eUneficr II., ^apfi 343
nad^ ÜbcrtDinbung mancher ©c^tüicrigfcilcn am 2. ^\xn\ 095 ju 'ÜWoujon in bcr Si^citnfcr
2)iöccfc eine S^nobc, ^u h)elc^er fid) jcboc^ nur Dicr bcutfd^c SBifc^öfe cinfanbcn, ipä^rcnb
[xd) bic granjofen auf änlafe be« Äönig« ferne hielten. ®ie 3[}erteibigung^rcbc, h)cld;e
©crbert l^ier ^ielt, ift bereit« ber 93eflinn be« Stücfjug«; man ^ört fein Slöürt be^S 3lns
griff« auf SWom, öielmcl^r legt ©erbert ben 9la(^brucf lieber barauf, bafe nac^ Stom be- 6
richtet tDorben fei unb bafe man 18 3}lonate lang ijergeblic^ auf 3lnth)ort gehjartet i^aU;
er gibt ju, bafe bei feiner 9öa^I möglic^ermeife eine firc^lic^e 3Jorfd;rift berieft fein möge;
nur bel^aut)tet er, ba« fei unter bem S^anQt ber Umftänbe, nid^t au« übler Slbfid^t ge=
fc^cben. ßr backte offenbar an eine 23erftänbigung mit 5Rom. 3)ie ^ortfe^ung be« 3{ücf=
^ug« h)ar e«, ba| ©erbert fic^ ber Stnorbnung be« Segaten, tüoburc^ i^m geiftlic^e 3tmt«s lo
hanblungen borläufig unterfagt maren, fügte (Conc. Mosom. ©. 245 ff. unb SRic^. IV,
1)9 ff.). 3)a in äbtoefen^eit ber franjöfifc^en Sifc^öfe eine Sntf^eibung nic^t gefaßt
luerben tonnte, ^ielt ber Segat am 1. ^uli 995 eine neue ©i^nobe hja^rfd^einlic^ in ober
bei SR^eim«. Bpxai) ©erbert ^ier, toenigften« in ber ^Jorm, toieber ettoa« fc^ärfer, fo
crflärt fic^ ba« barau«, bafe er ber franjöfifc^en Sifd^öfe fic^er \vax (Orat. episc. habit. i6
in conc. Gauseio ©. 251 ff. Sair S. 245 erflärt ba« rätfel^afte Causeio al« ©c^rcibs
fehler für Varseio ober Verseio; ift ba« richtig, fo fanb biefe ©^nobe tDieber in ber
Sajolusfird^e \iatt), 3" einer 3}erurteilung fam e« nid^t; ©erbert bielt bie ©ad)Iage für
fo günftig, bafe er ftc^ J)erfönlic^ nac^ Slom begab, um eine ßntfc^eibung ^erbeij;ufübren.
Offenbar jtoeifelte er nic^t, bafe fie gu feinen ©unften auffallen h)ürbe. 3fea« ibm biefe 20
ßuiJerfici^t gab, toar ^öc^ft toa^rfd^einlic^ bie 3lnh?efen^eit Otto« III. in Italien feit 5JJär|i
99f): er burfte borau«fe^en, an i^m eine ©tü§e ju finben. 3)ie 2)inge nal^men aber
einen gan^ unerwarteten Sauf; benn im äjjril 996 ftarb 5lof|ann XV., i^m folgte, bon
Dtto erhoben, ©regorV. 2)er erfte beutfc^e ^aj)ft mar erfüllt bon ben '^^ytcn ber firc^-
lid^en Sieform ; tro^ ber SBerloanbtfc^aft mit Dtto III. fonnte ©erbertbei i^m tDeit Jc^tocrer 25
cttoa^ erreichen, al« bei ^o^ann XV. ; fc^on im 5Kai f^jrac^ ber $aj)ft bei bcr SBei^e
§erluin« \}on Äamerij! bon ©erbert al« einem Sinbringling (Gest. p. Cam. I, 111.
MG SS VII, 449). 95am'it l^iatte er, genau genommen, feine CSntfc^eibung fc^on feierlich
üerfünbigt. 3luc^ in granfrcic^ geftaltcte fid^ -bie Sage für ©erbert ungünftiger, inbem
ber Segat bie greilaffung 2tmulf« toon Äönig Stöbert erlangte; feine Steftitution fc^ien»>
fcine«h)eg« unmöglich; ©erbert felbft fat^ bie i^erF^ältniffe je^t fo ^offnung«lo« an, bafe
er bie 3lufforberung jur Sücffel^r nac^ -W^eim« beftimmt ablehnte (ep. 181 ^ü^fommer
997). 2)aju tDirfte nun freilich ein anberer Umftanb mit; ©erbert fear in ein na^eö
Jjcrfönlic^e« 33erl^ältni« ju Dtto III. getreten, eine Stellung, bie feinem ®^rgeiäc toeiterc
3(u«ftc^ten eröffnete, at« bie Slücffel^r nad^ JR^eim«. Sc^on bie Mitteilung Dtto« über 35
feine Ärönung (21. 9)iai99C)) an bie Äatfer«n)itn)e 3lbel^eib ift bon feiner §anb (ep.215);
balb ift er bauemb in ber Umgebung be« jugenblid^en Äaifer«: ber beh)unberte ©ele^rte,
üor bem ber Äaifer fic^ feiner fäd^fif^en Slbfunft beinahe fc^ämte, ber grofee SJJann, Don
bem er Sat auc^ in ben fingen be« BiaaU^ begehrte unb annahm (ep. 186 b. 997),
ber treue ^reunb, ben er mit mancherlei ©unft unb ®aUn überhäufte (ep. 183 §erbft -lo
997). ©erbert fonnte fic^ in ber Seh)unberung, bie i^n am beutfc^en .sjofe umftra^tte;
er bergalt fie mit fc^mei^el^aftcn Sobfj)rüd^en auf bic Äatfermac^t unb bie Äaifertaten
(ep. 183 u. 187), auf bie göttliche Rlug^eit Dtto« (de rat. et rat. uti, praef.). ^n
Welchem lonc er bon ber §eirlic^feit feine« SReid^e« f^rad^, jeigt bie SBibmung ber ©c^rift
de rationali et ratione uti, in ber toir ein 2)enfmal be« geiftigen Seben« am ^ofc 46
Dtto« beft^en : Unfer, ruft er i^m gu, unfer ift ba« römifc^e SWeid; ; c« geben Äräfte ba«
früd^tereic^e Italien, ba« friegerreic^e ©aHien unb ©ermanien, axiä) bie taj)fem SWeic^e ber
©cbt^en fehlen un« nid^t. Unfer bift bu, ßäfar, ber SRömer Äaifer unb Sluguftu«, ber
bu, geboren au« bem eblen Slute ©ried^enlanb«, an ^errfc^aft bie ©riechen übertriffft,
über bie Slömer traft (Srbrcc^t« gebieteft unb beibe an ©eift unb Serebtfamleit übenagft. so
(S« ift ein oft gerühmte«, in ber ll^at fcl^ir tpcnig crfreulid^e« Silb, ba« biefer 3?erfe^r be«
Äaifer« unb be« ^^ilofo})^cn bietet: ber ßnfel Dtto« b. ©r. mit einem franjöfifc^cn
©oji^iften bi«putiercnb unb pl^antaftifc^e $läne au«benlenb, toäl^rcnb ba« Jteid; Dtto« b. ©r.
eine« 3J?anne« bcburfte, ber c« ju erl^alten berftanb.
35od^ ©erbert lebte nic^t fo gan|\ in ber ^^^cube an bcr SSJiffenfd^aft unb bem ^bcal 65
be« Steid^«, ba^ er feine ^jcrfönlic^en ^ntercffcn babei bcrgcffen bättc. ^^näc^ft fain feine
Stellung am $ofe i^m im i^erbältni« jum ^^Japft ^ugut. aSä^renb ©regorV. bic fran=
xöfifc^en Sifc^i^fc, bic an 3lntulf« 3lbfe^ung teilgenommen Ratten, auf einer ©bnobc ju
^4Jabia (997) fu«i)cnbierte (can. 1 abgebrudt bei Dlleri« ©. 545), tourbe gegen ©erbert
n\d)ti unternommen, g« bauerte nid;t lange, fo beförberte ber Äaifer feinen greunb auf eo
344 eUneper II., ^apfi
baiJ erjbfetum Slaöenna; bct $aj)ft erteilte i^m am 28. 3lt)ril 998 baö ^Dtum (Clleri^
©. 547). ©erbert« ©etft toar betDefllid^ ö^"9/ M f«>f«>^ *" ^^^ "^"^ Sage gu finben;
er erfd^eint nun ate äifdj^of ber 9lefomtj)artei, aU görberer ber ^läne ©regor« V. ©c^on
am l.yHax l^ielt er in SRaöenna eine ^roöinjialftonobe ^ur äfiftettung getoiffer 5IKifebräiu^
5 unb ©infd^ärfunö ber älteren ürc^Kc^en Sorfd^riften (Dtteri« ©. 257)j bann finben toir
il^n auf einer ©i^nobe in ^aöia, too SKafereaeln jum ©d^u^e be« Ätrc^engut^ getroffen
tourben (©et)t. 998, DHeri« ©. 261) ; enblid^ ift er 2:eilnel&mer an ber legten römifd^cn
©^nobe, hjelc^e ©regor V. ^ielt; er unterfd^rieb bcn 93efc^lufe, in toeld^em fein el^emaliger
©d^üler Stöbert r)on granfreic^ loegen feiner 6^e mit bem Sänne bebrol^t toarb (Mansi
lü XIX, 225). aiber fo toenig loie einft in Jt^eim« bermod^te er nun in Stabenna unge=
^inbert ju loirlen, er fanb SJBiberftanb, ben er nid^t ju bred^en bermod^te (Vit. Heriberti 4
MG SS IV, 742) ; e« betoie« fid^ and) l^ier, bafe bem talentboHen unb geloanbten Sitte*
raten ba3 Talent ju ^errfd^en fehlte.
®r foDte ba^ nod^ an einem bebeutenberen ^Ia§e erfal^ren. ^m Februar 999 ftarb
16 ©regor V. unb im Wfxxl b. 3. folgte if^m, erl^oben burc^ ben ©influf; Dtto« III., ©crbert
ate ©ifeefter II., ber erfte ^^anjofe auf bem })ä))ftlid^en ©tul^I. Säeld^e ©tellung er cim
nehmen toürbe, lonnte nic^t jtoetfel^aft fein. Senn axid) ber sermo de informatione
episcoporum mit feinen Sleformgebanfen (DUeri^ ©. 269 ff.) nid^t t)on,i^m geilten ift,
(f. u. 3. 54), fo belüie« boc^ fein SSerfa^ren gegen Smulf bon Sll^eim^, bafe ©ilbefter IL
Ä) (Serbert bon St^eim^ nic^t me^r lennen looHte ; er verleugnete feine 35ergangenl^eit, inbem
er bie Slbfe^ung 3lmulf3 al« ber g^fti^^w^w^Ö Slom« entbel^renb, aufl^ob unb il^n bur(^
äüieberberlei^ung bon SRing unb ©tab al« ©rjbifc^of anerlannte (ep. IV. app.)
Unb nun lonnte ©ilbefter bem Äaifer bie §anb (eilten bei ber SJertoirflic^ung bc^
$Ian^, ba^ 9teid^ neu ju lonftituieren, lo^gelöft bon feiner nationalen 93aftö im beutfc^
25 ajolle. 3" ^^ 2^t gefd^al^en ba^in jielcnbe ©d^ritte: bie ©rünbung be« ©rjbi^tum^
©nefen (2;^ietmar, Chron. IV, 45) unb bie bamit gegebene 2o«Iöfung ber norböftlit^en
Äirc^cn ani il^rer Serbinbung mit SKagbeburg, bie Dr^anifation ber ungarifc^en Äirc^c
(3:bietmar, Chron. IV, 59), looburd^ ^affau feinen 3Jlifrton«fj>rengeI berlor, tonnten als
ßrfolge betradj^tet toerben ; tatfäc^lid^ bienten fte freilid^ nur ber ©cptoäc^ung 35eutfc^Ianb^
»0 unb ixai^Un Äaifer unb 5ßaj)ft il^rem unenei^baren 3*^'^ "i^^ "ä^^- 3SoIlenb^ un*
befriebigenb geftalteten fid^ bie näd^ften SerJ^ältniffe; in 2)eutJd^Ianb toiberftanb 6rjbif(^of
©iefeler bon 3Kagbeburg bem 2)rängen be« $aj)fte« auf SJBieberl^erftellung be« Si^tum^
3)lerfeburg bur(^ at)>)eBation an eine allgemeine ©l^nobe. Sluc^ SBiUigi« bon 3Rain^ ber
trat feine Siechte auf ©anber^f^eim o^nc biel 9lüdffi(|t auf ben 5ßaj)ft unb feinen Segatcn,
36 unb er l^atte babei ba« Soll auf. feiner ©eite (2:i^angmar, V. Bernw. Uff. MG SS IV,
764 ff.), gjid^t einmal miteinanber loaren ^ajjft unb Äaifer ftet« einig; bafe eö an Sei*
bnnam nic^t ganj fel^lte, ergiebt bie berül^mte ©c^enlung^urlunbe über bie ac^t ©raf*
fc^aften MG DI II, 2 ©. 818 ?Rr. 389 (über bie grage ber ©d^t^eit f. ©idtel in ber Sot=
bcmerlung ju ber Urfunbe). Sollcnb« ber ^ircue ber SRömer toaren Äaifer unb ^P
10 niemals ^d^er; am 17. gebruar 1001 mufeten fte SRom berlaffen; Otto fyit bie ©tobt
ni(^t lüicber betreten, am 23. ^anmx 1002 ift er in ^aterno geftorben. 2)em ^pe
gelang c^ jtoar, fid^ mit ben ^Römern gu bertragen; aber mit bem lobe Ctto^ hniren
alle großen ^läne unb ^h^aU jergangen, axxd) feine Äraft loar gebrod^en, am 12. 9Rai
1003 folgte er Ctto im 2;obe na^.
46 l^on ©erbert« ©d^riften ift bie bialeltifc^e ©c^rift de rationall et ratione uti bereite
ertoä^nt; anbere ©c^riften fallen in ba^ mat^ematifc^c ©ebict (Regula de abaoo com-
puti; libellus de numerorum divisione; Liber abaci; Epistola ad Adalboldmn
de causa diversitatis arearum in trigono aequilatero ; über bie Geometria Gerberti
f. ^^iicabet ©. 80 jf.). auf bie Ideologie bejüglid^ ift bie ©erbert jugef(^ebene ©«(nrift
u) de corpore et sanguine domini. ©ie bcfc^äftigt fic^ mit ber grage, ob ber eu(^i'
riftifdjic unb ber l^iftorifc^c Seib G^rifH ibcntifd^ fei. 2)er SJerfajfer beanttoortet fie in be-
ial^cnbem ©iunc, erflärt fic^ alfo für bie Sbeorie be« ^afc^afiu« Slabbert Sfta bie Sm
nal?mc, ©erbert ^abe biefen Iraftat berfeblt, ift fc^toerlic^ rid^tig. 2)er SSerföff« ^^
H)al?rfdl>eiulid^ ein 5Dcutf(^cr (f. Ä©. S^eutfc^lanb« III, 3. äufl., ©. 319 «nm.2). ßbenfj^
66 toenig gehört ©erbert ber sermo de informatione episcoporum, f . ^orttung 929 If
©.587 ff.
©erbertüJ ©elebrfamfeit genofe unter feinen 3eitgenoffen ben ^oc^flen Stul^m. 3>on
ber ©ottbeit felbft läftt ibn SJic^er nac^ SRbeim« gefübrt loerben, toie ein ftroblenbee
Vict)t ^abe er burdb ganii J^ranfrei* geleucbtet (bist. III, 43). 9lod^ eine gro^ mi
m bigung brac^^te i^^m bie golgejeit bar; feine SKiffenfc^ft fc^ien i^ boÄ mei^ic^ 5KaB
Stlnefiler II., ^apfi SiMa nt^nitam 345
^u übcrfteigen, fic lonntc fic nur begreifen, tuenn ©erBert ein ^auUx^ iüar. 3[}gl. Be^
fonbcr« Wüh. Malmesb. Gest. Reg. Angl. II, 167 ff. Unb in ber %at läfet ftd^ nid^t
bejiüetfeln, bafe ©erbert feine gelehrten 3«itgenoffen übenö^te; ba« beiüeift nid^t nur ber
3flu^m, ben er fanb, fonbem mel^ nod^ bie Älar^eit unb gielbeit)u|te ©d^ärfe bcfjen, iüa«
er fd^rieb, bie umfaffenbe Stnftd^t öon SBiffenfd^aft, ber man bei i^m begegnet, ^reilid^ b
fc^öj)ferifd^ toar er fo tuenig, ate irgenbein 5Dflann biefer ^t\t Er toieber^olte bie ©e^
bauten unb erllärte bie ©d^riften ber Sllten. 3)od^ man barf ©erbert nid^t nur afö
aRann ber SBiffeufd^aft beurteilen. Sänge '^al^x^ toar er bolitif^ tbätig, unb toenn nid^t
feine Mi, fo l^at um fo mel^r bie ©egentoart ben $olitifer ©erbert gerühmt, l^at
man i^n bod^ einen Sirtuofen in ber realiftifd^en ^Politil genannt. 2lber ftd^er mit lo
Unred^t. 35enn Erfolg ^atte ©erbert nur fo lange, afö er burd^ Stbalbero öon Sl^eim«
geleitet tourbe; bann öerfül^rte \i}n feine Segeifterung für ben 9lamen be^ Äaifertum«,
einem bolitift^en ^xtk nad^jutrad^ten, ba« unerreid^bar toar. 35a« gbeal „eine« friebfam
burd^ Kaifermat^t unb ^ai)ftgeh)alt regierten ßrbenrunbei^" tonnte nur ein 3Kann l^aben,
ber unfähig toar, bie Äräfte, bie in ber SBelt toirften, m öerfte^en unb ju beurteilen, i5
unb barum nod^ unföl^iger, fte ju belj^errfd^en. 9Kan tput ©erbert lein Unred^t, toenn
man il^n me^r für einen getoanbten ^ublijiften al« für einen großen SJolitüer erllärt.
Unb er toar aud^ in ber ^oliti! nit^t, toa« er überl^aut)t nid^t toar: ein fefter unb flarer
G^aralter; abgefel^en üon feiner Segeifterung für ba« Äaifertum unb üon feiner 2;reue
aegen ba« fäd^ftfd^e §au« — ber einjige ganj reine 3^*0 i^ S5ilbe ©erbert« — l^atte er 20
feinen jjolitifd^en ober ürd^lid^en ©tanbj)unlt; er tourbe ein anberer, toenn er an einen
anbern ^la^ geftettt tourbe. 35iefer SBanbel iüurbe i^m möglid^, iüeil fein Ser^alten ftet«
bebingt toar burd^ egoiftifd^e aWotiüe, burd^ jjerfönlid^en ß^rgeij. ©ein ^kl ^at er er^
rcid^t; er, ber fxd^ felbft gelegentlid^ aU einen armen unb fremben, toeber reid^en nod^
toomei^men SJlann bejeid^nete (ep. 217), na^m fd^liefelid^ ben l^ödbften ^la^ ein, ben ein 26
3J?enfd^ be« SKittelalter« eneic^en tonnte. 2lber für SBelt unb Äird^e l^at er bort nid^t«
geleiftet. SDer ^ontifitat ©ilöefter« II. in ber ©efd^id^te be« ^ai)fttum« fo in^alt«lo«
toie ber ber unbebeutenbften ^öp\U. ^auä.
Stfticper m. f. b. Strt. »enebitt IX. »b II ©. 563, 50.
©tltita Sqttttana, ^il gerin, um 385. — Unter biefcm, na^ ben neucften ao
5orf(ftungcn nt(^t mc^r jutrcffenben ©titfitüort foH über bie unter ber ©ejeic^nung Pere-
grinatio S. Silviae Aquitanae ad loca sancta berül^mt gctoorbcne SReifc in« §ciltgc fianb c^e-
^anbelt unb einige Sf^otijen über toeitcrc ©allfa^rt^bcnc^te beigefügt werben. SÄan finbet
bicfc Seridjtc am bcftcn herausgegeben bei $. feiger, Itinera Hierosolymitana saec. IV — VIII
(CSEL Vol. XXXIX), SSien 1898. 3)ie ^ier gemachten fiittcraturangaben finb wicber^olt 30
unb eraänjt bei ^JK. ©cftanj, ®efd)ic^te b. röm. Sitteratur, 4.. 21., ^Künc^en 1904, 365 f. 3m
JJüIgcnocn toerben folcfte Eingaben nur be^üglidj ber Peregrioatio gemacht. ?lu« gaben:
3» U' ©amurrini, 8. Hilarii tractatus de mysteriis et hymni et S. Silviae Aquit. pere-
griDatio ad loca sancta; acc. Petri Diaconi liber de locis sanctis, Rom. 1887 (2. üerb.
Su«g. 1888; ital. Uebcrf. Don ®. 3R., ^ail 1890); 3. «ßomialom^h) (mit ruff. Uebcrf. unb 40
.^omm.), Petersburg 1889; 3- -&• 3Jcrnarb (mit englifc^er Ucberfc^ung unb Kommentar),
i^onbon 1891; % ®ci)cr (f. 0.); ^btt). 5J. 93ed)tel, ' S. Silviae Peregnnatio (auf ®runb
einer notfimaltgen Äottation ber ^anbfcftrift burcf) O. 3K. SSaf^burn), ©^icago 1902. 3)a«
auf (Sbeffa bcjüglicftc @tiic! aucf) bei ©. ü. 3)obfd)ü0, e§riftu«bilber (2U 925 3), ßcipjig 1899,
167 ff. fiitteratur: 3:^. gjiommfen, in 69391 1887, 357—364; g. ©ölfflln, in ^Hr*. f. lat. 46
Scj. u. ®r. 4, 1887, 259-277 u. 388; 6. »i)nian, in X^D© 70, 1888, 38—50; S. bc
(Baint^^ignan, Le pfelerinage de sainte Sylvie aux lieux saints en 385, Orleans 1889;
@. trüger, in $3 66, 1890, 491—505; $., ®ei)er, trit. ©emerlungen ju S. Silviae Aquit.
peregr. ad 1. s., 9lu^§b. 1890; g. Sobrol, Etüde sur la Peregrinatio Silviae. Les ^glises
de Jerusalem, la discipline et la liturgie au IVe sikjle, $art§ 1895; 3- ö- b. 93(iet, in 50
2:^col. ©tubien 14, 1896, 1—29; ^l. g^rotin, Le v^ritable auteur de la P. Silv. La vierge
espagnole Etheria, in ber Rev. des Quest. Hist. 74, 1903, 367—397 (auc^ fcparat, «ßartS 1903);
9t. »lubau, 3)ic 93erfaffcrtn ber Peregrinatio „Silviae", in tat^. 84, 2. SBb, 1904, 61—74; 81—98;
167 — 179; 3» 5lnglabe, De latinitate libelli que inscriptus est Peregrioatio etc., $ari8 1905.
a)er Irieb, bie ^eiligen Stätten ^aläftinag auf jufud^en , ift im 4. ^ölS^rlbunbert 55
mäd^tig ertoad^t unb balb m einer Iranfl^aften ©ud^t geiüorben, öor ber einfid^tige Äird^en^
leerer toie ©regor bon 3l)i)\\a (Ep. 3 MSG 46, 1016—24) toamten, iüä^renb ^ieron^'-
mu« im 9lamen feiner frommen ^eunbinnen (Ep. 46 ad. Marc. MSL 22, 489) bie
r^etorifc^e Se^au^tung aufftetite, bafe nicmanb „c^ne biefe« unfer Sltl^en" bag 3iel feiner
Seftrebungen erreichen lönne. 2lu^ ber erften §älfte be« 4. ga^r^unbert« (333) befx^en eo
346 SilUta Squitana
toir eine 3lrt 9lci|cl[;anbbuc^, ba^ üon einem G^riften l^errül^renbc Itinearrium Bur-
digalense (Hierosolymitanum), in bem eine Steife üon Sorbeauj nad) J^crufalem mit
ber Siücfreife über SRom nai} 5Dlailanb !urj \tx^\ttt ift (®ever 1—33). 6^ mcrben bic
Stationen (mutationes) unb bie ©aftl^äufet (mansiones) angegeben, gelegentlid^ aud^
6 einige 3KerIh)ürbigfeiten ertuä^nt. aber t^ ^anbelt fxd^ babei nic^t um eine Seife-
befd^reibung. (Sine fold^e liegt erft üor in ber fog. Peregrinatio S. Silviae ad loca
sancta (©e^er 35—101). ^n einem Äobej ber Sibliotbel ber 5Karienbruberfcbaft j\u
3lre;;go (saec. XI) in langobarbifd^er ©dbrift entbedfte ber bortige Stabtbibliot^efar 3- %-
©amunini 1884 auper Srud^ftücfen ber ^)^mmn be^ $ilariug üon ^oitier^ unb feinet
10 3:raftate^ de mysteriis (ügl.bom SbVIII, 65, i5ff. unb je^t §. Sinbemann, be« bl.6il.
ü. ^. „über mysteriorum", ^ünfl. 1905) bie Sefd^reibung einer Steife in« f>eiligc
Sanb in gorm eine« 95riefe«, ben bie ^ilgerin an i^re „sorores venerabiles" (p. (»5,
21), b. l}. an bie Slonnen il^re« l^eimatlid^en Älofter«, aefd^rieben l^at: ber eigentlicben
9leifebefd;reibung (®e^er 37—71) folgt babei bie Sefc^reibung be« ®otte«bienfte« ber
i6Äird;e in 3^ufalem (71— 101). Seiber ift bie Sd^rift nur unöollftänbig überliefert
— ©ingang unb ©d^Iufe f eitlen unb in ber3Jlitte flafft einefiüdfe — ; jum ©lue! läfet fic^
aber ba« ^el^Ienbe an^ ber Sd^rift de locis sanctis be« Sibliot^efar« öon 3){ontc (Safftno
^etru« 3)iaIonu« (ca. 1037), ber aufeer 95eba (f. u. ©. 347,36) unfer lagebud^ benu^te,
einigermaßen ergänzen, ©^on ©amunini l^at bie Stbfaffungöjeit annäl^emb richtig auf
20 385—388 gefegt; bod^ bürfte bie S^xi üon 379—387 üorjujie^en fein, ba unter bem
episcopus confessor üon (Sbeffa (p. 61, 20) fd^toerlic^ ein anberer al« ber um biefc
Reit amtierenbe Gulogiu« gemeint fein !ann, ber al« $re«btoter unter ber 3?erfoIgung be«;
ajalen« ju leiben gel^abt i)atU. 35ie SSerfolgung^jeit felbfi ift Vorüber. 211« äufeerfte
®ren;e nac^ unten mufe ba« ^ai}x 394 bejei^net ioerben, bcnn in biefem ^al^xc lourben
26 bie (äebeine be« 2lj)ofteI« Il^oma« in bie $auj)tlird^e ju ßbeffa übertragen, ijon ber
unfere ^ilgerin ba« öon il^r befud^te SWart^rium (p. 60, 14 ff.; 61, 28 f.) unterfd^eibet.
©amurrini glaubte bie Sleifenbe mit ber bei ^atlabiu«, Hist. Laus. cp. 143 (Sutler,
cp. 55, p. 148 f.) ertoä^nten ©ilöia (©ilbania) ibentifijieren ju f ollen, unb fc^lofe, ba er
biefe ©ilöia auf ©runb falfd;er £e«art für bie ©d^ioefter (ftatt für bie ©d^ioägcrin) bc^
80 2lquitanier« Slufinu«, be« fipätercn 3)lini[ter« l^ielt, auf ©aHien al« i^re $eimat. ©eine
©rünbe reid^ten nic^t ^n (f. barüber je^t 95utler, TheLausiac History 1,296; 2, 229 f.
unb 95lubau a. a. D. 84 ff.) unb fmb l[;mfällig geworben, nac^bem görotin c« jiur l^öc^ften
SBal^rfc^einlid^feit erhoben f)qt, bafe unfere Peregrinatio feine anbere ift al« bie ber
f))anifd^en 9Jonne (üielleit^t Stbtiffxn) ßuc^eria (fo Slubau 169; ^rotin betoor^ugt bic
36 ?^orm ßtberia; fall« ßuc^eria fic^ beiüä^ren foHte, bürften auc^ bie 95emerlungen 33lubau!ö
173 ff. über ein mögliche« 3[}ertoanbtfc^aft«öer^ältni« jioifd^en i^r [ber 3:od^ter be« Äon=
ful« ßud^eriu«] unb Äaifer I^cobofiu« ju beachten fein), ijon ber ber f^janifc^e ßremit
SSaleriu« im 7. 3iö^^^w"t>^ in einem 33rtefe ad fratres Bergidenses (SRönd^e t)on
SBierjo in Hispania Tarraconensis ; f. öübner bei ^^JaulV^SiJiffotoa 3, 291) ergä^lt
40 (ügl. g^rotin 15—24). 3^^^"f<^tt« ift „©. ©ifcta au« Stquitanien" „a purely mythi-
cal personage" (Sutler 230). (Sine angefel)ene ^erfönlic^feit mufe bie SReifenbc getoefen
fein, benn man lommt i^r überall jutjorfommenb entgegen: Älerifer unb SKönd^e begleiten
fie (47, 7; 51, 5 f.; 55, 26 f. u. ö.), SifAöfe emj)fangen fie mit g^ren unb bieten fic^
al« gü^rer an (49, 20—25: 54, 24 f.; 60, 3; 62, 2 ff.; 65, 7; 69, 19); gelegentlich
45 tüirb 3Jlilitär ju i^rem ©dputf beorbert (47, 18 f.; 49, 25 ff.), ©ie reift mit mancber
Sequemlirf)feit, h)enn auc^ bie 2tu«baucr gu betüunbcrn ift, mit ber fie ftc^ ben ©tro^jajen
ber anftrengenben Steife unterjiel^t.
^ctru« Dialonu« entnel^mcn h)ir, baft bie Steifenbe fi^ ^erufalem jum ©tanb-
quartier für i^re 3lu«flüge getüäblt ^atte. ©ic l^at in Sctlc^em an ben ©räbem SDatoib^
60 unb ©alomo« unb in ber §irtenlaj)etlc i^rc Slnbac^t berric^tet. ©ie tvax in Hebron
unb an ben anberen burd^ bic ^^^atriarcbengefd^id^tc geheiligten ©tobten, ©anj ^läftina
l^at fie burcl^rcift, ben Xl^abor unb Äarmcl, Sjta^arct unb 9tain, 2:iberia« unb Äo^jemaum
gefe^cn. Xann bat fie il;rc ©cl^rittc nac^ Slgt^ptcn gelenft, ift lieber nac^ S^^f^lem
xurüdgcfcf^rt, aber bic ©cbnfud;t treibt fie, ben ©inai ju fe^en unb bie ©tätten auf jufuien,
66 oenen ber 5^anie 53tofe« ben ©lan^ tjcrleibt. $icr fe^t ber erbqltcne 2:eil be« äßerfcben«
ein. Söir ijcrfolgcn unfere !fleifenbc auf bem Sinai, beffen Crtlid^feiten fie genau be-
fd^rcibt. 2luf bem ©ipfcl ^ält fie :^Hunbfd;au. ^ic 5Rönc^c jeigcn il^r ben 3)ombufc^;
fie fcnncn and) ben Sl^afferfclfcn, tüiffcn, iüo cö Lianna regnete, h)o bie 3Bad^teln er^
fc^ienen, Wo 5J2ofc« ba« %c\x^x löfdfttc. >\W(\ Inge raftct fie in ^^J^aran, J)affiert Äl^ma
60 (©uej; f. 'JJJommfcn ©. 361) unb bcfuc^t Stameffe im Sanbe ©ofen (terra Oesse p. 46, 22).
Stlnia üqttthiita Sttttler 347
3)cr aSeg mä) %anx^, ber ©eburt^ftabt bc^5Kofc«, crfd^cint i^r afö ber fc^önfte, ben fie
je gemacht f^al 9?on bort gel^tö über ^clufiuni nad) gerufalem jurüd. 2)0(i^ bic SRul^cs
lofe l^ält c^ nu^it lange. Sie befteigt ben 95erg 9lebo unb läfet fxd^ ba« ®rab SKofi«
jeigcn. (Sine Steife üon ac^t 2;agemärfci^en fü^rt fie jum Orabe §iob« im §auran
(regio Ausitis p. 55, 20). 3)er SBeg fü^rt an ßnon Vorüber, tüo ber leid^ gezeigt 6
tDirb, mit beffen SBaffcr gol^anne« taufte, ©o Dergel^cn brei ^a\)xt (p. 60, 8). 3)ie
ÜHeifenbe mad^t fid^ auf ben §eimit)cg. 2lber il^re jäl^e SBi^begier (ut sum satis
curiosa, fagt fte felbft, p. 58, 31) ift nic^t erf(i^öt)ft. ©ie reift über Slntiod^ien nat^
§ierat)oIi« unb üon bort an ben 6uj)brat. ^n ßbeffa btUt fie in ber Orabfird^e be^
l;I. Il^oma« (f. 0.©. 346,26) unb läfet ftq eine Slbfd^rift be« SrieftDed^fete jtoifd^en älbgar lo
unb ß^riftu« mitgeben, ß^anae (§anan) ift ber äufeerfte ?ßunlt, bi« ^u bem fxe Vor-
bringt. 3)en Slücfhoeg nad^ Äonftantinojjel, üon too ber Serid^t abgefenbet ift, nimmt
fie über Äleinafien: ^u ©eleucia lieft fie bie I^ellaolten, in ß^alcebon befud^t fie bad
@rab ber 1^1. @u)}l^emia.
35a« atte« ift au^erorbentlid^ anfd^aulid^ gcfd^ilbert, unb ber Serid^t legt 3^w9"i^ iß
ah, fotüo^l üon ber ©id^er^eit, mit ber bie ©d9reiberin bad ©efe^ene erfaßt toie üon ber
2^rcue unb ©etoiffenj^aftigleit, mit ber fie e« aufgejeid^net l)at, nid^t jule^t freilid^ aud^
Don i^rer leid^tgläubi^en ©infalt. Sefonbere 95caqtung üerbient aber ber ©d^Iufeteil, in
tüeld^em bie 3Serfaffenn il^ren Sieben (affectio vestra p. 44, 16 u. ö.) Sluffd^lüffe über
ben ©otte^bienft ber jerufalemifd^en ©emeinbe giebt, bie um fo toertüoHer fmb, toeil il^r ao
Scric^t bie einzige Urlunbe ift, bie fid^ jumal über ben 5^t0Otte«*>J^ft an einer Äirc^e
im 4. 3[ö^^^w>t^^ eingcl^enb Verbreitet, ©efd^ilbert toerben bie ©otte^bienfte an QpU
pl^anxm (noA nid^t Von SBei^nad^ten gefd^iebcn; Vgl. Sb VI, 55,i6ff.), 35arftettung im
lemjjel (nod^ am 14. gebruar), Dftern, §immclfa^ unb ^fingften; aud^ über laufe
unb 3)aufunterri(^t tocrben iüir genau unterrichtet (über ba« Sinjelne ögl. Gabrol). 2>ie26
(Srjäl^Iung bricht ab in einer 95ef(^reibung be« am 13. Se^jtember, bem 2iage ber Äreuj*
aujfinbung, gefeierten Äird^iüeil^fefte«.
§inter biefem trepd^en unb in mancher §infi(^t einzigartigen plgerberid^t ftc^t
Wa^ h)ir üon berartigen ßrjeugniffen nod^ befi^en toeit jurüdE, jumal bann, toenn e« fi^
nic^t um Slugemeugenfd^aft ^anbelt: fo ift be« Sudlerin« (Sifd^of üon %on, geft. 450; ao
bic ätutorfd^aft Dürfte fteftftelS^en, aud^ ©e^er l^at [p. XVIII feiner Slu^gabe] frühere
^^toeifel fatten laffen; f. bef. guner in %\)2S 20, 1896, ©t).473) de situ Hierosoly-
mitanae urbis atque ipsius Judaeae epistola ad Faustum presbyterum (©e^er
123—134) nur eine Äom^jilation au« münblic^en unb fd^riftlid^en Serid^ten; ba^felbc
gilt üon bem im 6. S^W""*^^* entftanbenen fog. Breviarius de Hierosolyma 35
(®. 151—155) unb öon bem über de locis sanctis bc« 95eba SSenerabili« (299—324)
ber aud ©uc^eriu«, Slbamnanu« (f. u. 347,43) unb ^egefi)))) ejzerj)iert ift; enblid^ aud^ üon
$etru« 3)iaIonu« (©.103—121; f. 0. ©. 346, 17). ©elbftftänbigen SSBert befi^en Xl^to-^
bofiu^ (fo nur in einer Jpanbfd^rift) de situ terrae sanctae (©. 135—150; ögl. au^er«
bem ©ilbemeifter^ Stu^gabe, Sonn 1882) au^ ber 5)litte be« 6. 3<*^^'^WJ^*>^^^/ ^^^ nat^ 40
Stntoninu^ ^Placentinuö (3)lart^r) QmannU, aber öon einem feiner Sleifebegleiter um 580
Ijerfafete Itinerarium (©. 157—191; baju ©rifar, 3"*^ ^aläftinareife be^ fog.
ä. smarter, 3f2^ 26, 1902, 760—770) unb be^ äbamnanug (f. b. 2lrt. »b I, 166)
de locis sanctis libri tres (©. 219—297), bie auf ben Sendeten be^ gaDifc^en Sifd^of«
airculfu« ru^en. . (^. Shrftger. 45
S'mtm, ©tamm, f. b. 21. 5Wcgcb Sb XIII ©. 695,49.
©tmler, Sofia«, geb. 6. 9loöcmber 1530, geft. 2. 3uli 1576. — Sitteratur:
Jo. Guil. Stukius, Vita Josiae Simleri, Tiguri 1577. ®. D. 5Bd6: ^^^cuja^rsJblalt jum «eftcn
bcö ©atfcn^aufc« in 8ürirf| für 1855, unb: ?(b« S3b XXXIV, 6.355-358; &. mtt}tx
von Änonau: 3ofia§ 8imlcr qI^ SSerfaffev ber „VaJlcsiae descriptio" unb bc^ „Commen- 50
tarius de Alpibus'* (Sa^rbuc^ beö 8ct)n)c^cr ^Upenflub, 3a§rg. XXXII, @. 217—235);
Ä ?l. 53. ßoolibge: Josias Simler et les origines de rÄlpinisme jusqu^en 1000,
©rcnoble 1904.
Site ber ©ol^n eine« ehemaligen 3Jlönc^e«, ber mit bem 2lbte SBolfgang S^ner unb
bem ganzen Äonöente be« Giftercienfcrflofter« (lappd burdf^ ben jungen Se^rer SuUinger &6
1526 für bie Sieformation getüonncn hjorben h)ar, bc« ^rior« ^^Jeter ©imler, ber feit
1529 at« Pfarrer bon (^appd, al« i^eripalter ber föinfünfte unb Sorfte^er ber im Älofter
burc^ S^'^^fl^i ^^ ^<*^ S^^bm gerufenen Sateinfc^ule h)irlte, toar ©. in &appd geboren.
348 Stmler
unb bic (SItem erbaten Sullingcr aU 3^auft)atcn bc^ Änabcn. 3)er iktcr crl^ielt 15:^3
— er ftammte au^ 9ll[;cinau, iüo feine ä5orfal[;ren bic ©immeler, bie Älcinbäder, bc^
bortigen Senebiftinerflofter^ öetuefen h)aren — iur Slnerfennung feiner treuen ^ienfte in
ber 3<^i^ fd^iüerer Sebrängnig — ba^ ©efec^t bei dappd 11. Dftober 1531 unb beffen
5 folgen — bag S^xd)cx Sürgerred^t gefc^enlt, unb er blieb bid ju feinem 3:obe 1557 im
$farramte feiner ©emeinbe. 2)er So^n bagegen befuc^te jtuar big ^um 14. ^ai}x^ bic
6aj}J)eIer ©d^ulc, tuo er fc^on burc^ ^leife, 95c|arrlici^iEeit, trcfflid^c fittlic^e Haltung fx(^
augjeid^netc, fam bann aber 1544 nad^ S^^^^ ^" bag §aug SuHingerg unb fe^te naiver
in Safel unb Strasburg feine ©tubien fort. Dieben bem tl^eologifd^en gac^ftubium
10 iüibmete er fic^ ^jj^ilologifc^cn, matbematifd^en, naturiüiffcnfd^aftlic^en ^äc^cm. 1549 bc^
cnbigte er in S^rid^ feine ©tubienjeit unb mar nun teite au^^ilf^mcife atö ^rebiger in
ber ©tabt benachbarten fianbgemeinben, femer ate Seigrer an ben [täbtifc^en ©c^ulen
t^ätig; bem großen 9Jaturforfd^er Äonrab ®e«ner, beffen garte ©efunbl^eit öftere ©c^onung
er^eifd9tc, l^alf er, ju beffen isolier Sefriebigung , al^ ©tettbertreter im Sel^ramte au^.
löSKit ber^rofeffur für neuteftamentlic^e ©jegefe am ßarolinum, bie i^m 1552 übertragen
tourbe, üerbanb ©. big 1557 bag Pfarramt in bem 3wric^ nal^eliegenben ®orfe 3«>öifon,
fotoie 1557 big 1560 bog 35iafonat an ber ©tabtfirq^e ©t. ^eter. ©c^on ju bicfer3<^it
toaren befonberg ßnglänber, bie jur 3^it ber Verfolgung burc^ bie Königin 3Jlaria big 1558
in Mxid) teilten, fo ^eiüel, ^arl^urft, bie nac^l^erigen Sifd^öfe üon ©aligbur^ unb DJor^
20 h)t^, feine eifrigen ßwi^örer- 1553 begleitete ©. ben nac^ SBürttemberg ftd^ begebenben
33ergeriug ju §erjog ß^rifto^l^, burd^ ®mj)feblungen Suttingerg in ©tuttgart unb in
Tübingen it)ol[;I eingefül^rt; mit ^eter DKart^r, ber fd^on in ©tra^burg fein Se^rcr gc=
toefen tuar, ber 1556 in S^xid^ fein 2lmt antrat, [tanb er in üertrauengüoHem 3lug'
taufd^e. Stber ganj befonberg tüar er forttoäl^renb mit 95ullinger, beffen britte Zod^icc
25 6li|abetl^a 1551 fic^ mit ü)m üermä^Ite, in engfter 33erbinbung. 3(lg Stblianber loHO
in ben Jlul^eftanb entlaffen tuurbe, gab ber 9lat bie 9Jac^foIge an ©. ©o trat biefcr
ööllig aug bem firc^Iic^en ämte gurüd unb teilte fid^ big ju SKart^rg 2^obe — 1562 —
mit biefem in bie tl^eologifd^en SJorlefungen. Sluf ben SBunfd^ beg SSerftorbenen iüurbe er
beffen SJad^foIger unb beforgte fobann im üollen Umfange bie ^rofeffur beg 9l3:g. 3"
ao biefer 3:i^ätigfeit ber^arrte ©. big ju feinem frül(;en, fd^on im 46. Stltcrgia^r cintrctenben
lobe, ©eit 1559 litt er — bamalg batte bag ®erüc|t, er fei geftorben, feine ^eunbc
in ßnglanb in ©t^redfen gefegt — lörjierlid^ fc^tüer, unb immer bon neuem feffelten ibn
©id^tfd^merjen oft 2Bo(^en l^mburd^ an bag Sager. 3!)aju iüurbe fein hjeic^eg ®emüt
burd^ Serlufte, burc^ ben lob DJlart^rg, bann 1565, alg er burc^ bie ^eft feiner ^rau
86 beraubt tourbe — 1566 öere^elic^te er fi^ tüieber, mit ber 3)oc^ter 5)targaret^a beg f}}ätercn
aintifteg Slubolf ©hjalter — , gam befonberg burc^ ben $infc^ieb SuDingerg 1575, tief
erfd^üttert. Dag burc^ ben 3"^^^^ Äünftler Äonrab DKe^er 1662 re>)robuuerte Silb
xeigt in feinen, gütig milben ©efic^tggügen bag 3{ugfel^en eineg tüeit l^ö^eren Sllterg, aU
bie Saläre beg Iranfen 3Kanneg jaulten. 3lber eg ftimmt ju ber G^arafteriftil, bie ber
40 aimtggenoffe unb Siogra}}^ gol^. SBil^elm ©tufi bon ©. entmarf, feiner Siebengmürbigleit,
feiner ^rö^Iit^Ieit tro^ ber Seiben, feiner 3i^'i^I^i* w"^ gaftfreien SBeife bei atter 9c=
fd^eibenl^eit ber SSer^ältniffc, ber 9)Jilbe unb greunblic^feit in einer 3^'* toielfac^ bitterer
g^^ben.
©erabegu erftaunlic^ ift nun bie grofee unb mannigfaltige litterarifd^e 2^^ätigleit, bic
45 ber fo tjielfat^ burc^ feine 2lmtgfun!tionen in 2(nfprud; genommene unb burc^ feine Äränf=
lirf)feit gehemmte ©elel^rtc entfaltet l}ai. 3)ag SJcrjei^nig feiner im 35rurf erfd^ienencn
©rf^riften umfaßt 26 5Jummern.
Sclbfttjcrftänblid^ liegen bie ga^Irci^ften arbeiten beg tf^eologif^cn Se^rerg auf bem
©ebietc ber 2!(^eoIogie unb ber ftir^e. CJrftlic^ überfe^te er beutfd^e ©c^riften, nament=
öo lic^ üon SuHinger, in bag i^m öorjüglic^ Vertraute Satein, 1556 bag Gompendium
Christianae Religionis X libris comprehensum — 1559 eine äl^nlic^c Summa
fidel beg 3^^^<^^^ Otto SSJerbmüUer — , 1560 bie ©^rift ad versus anabaptistas
libri VI unb SuUingerg ©d^u^fd^rift — Institutio (etc.) — für bie bebrängten bairifc^en
^roteftantcn, 1566 ben lert ber tjon ?)ullinger auggegangenen j^ioeiten belbetifc^en Äon=
55 feffion (boc^ mit eigener isorrebc), 1572 bic Adhortatio ad omnes in Ecclesia
Domini nostri Jesu Christi Verbi Dei ministros, 1573 bie burd^ bie 95art^oIomäugs
narf)t beranla^te ©c^rift De persecutionibus Ecclesiae Christianae, 1575 bic gegen
3RugcuIug burc^ SuHingcr gericbtctc Ad Septem accusationis capifÜEi . . . responsio.
Slug Wartt;rg 9?ad&(a6 gab er 15()3 unb 1564 mcl^rcre ©d^riften ^eraug, unb big 1569
60 befdf^äftigten i^n 3[}orarbeiten für eine ©cfamtauggabe ber SÖäcrfe SKart^rg, h>ag ober
®itttler 349
teil« hnxd) bcn lob bc« in Stu^jid^t genommenen SJerlegerö ^^of^auer, teife burd^ feine
eigene Äränflid^feit berl^inbert iourbe. 3)aneben aber gehen felbftftänbig Don S. ^erau^s
gegebene t^eologifd^e, mel^rfac^ a))oIogetif(^ gelj^altene ©d^riften. SJefonber« nal^mcn i^n
fragen ber f^ftematifd^en Ideologie in 2lnft)rud^, burdj^ iüeld^e bie reformierten ©emeinben
be« öftlid^en ©urojja, gumal bie in ^olen unb Ungarn, jum %^\l aud) biejenigen ©rau^ 6
bünben«, l^au^tfäd^lid^ bon antitrinitarifc^en StaUenern, beunnii^igt iourben. ©emäfe ber
©tettung 3üric^^ in jener 3^'* f"«^^^ ^ ^'^ öß^"^ S^cifee unter ben obtoaltenben Sel^rs
ftreitigfeiten bie gefunbe unb ioal^re Seigre toiffcnfc^aftlid^ ^u unterftü^en unb üerberblit^e
2tbirrungen abjutüe^ren. äte bie Jjolnifd^en Sieformierten unter i^rem ©uj)erintenbenten
gelij ßruciger in ben burd^ ^^ance^co Stancaro erregten Ääm})fen [xd) an bie Ideologen lo
in 3^^^ ""^ ®^"f flcioanbt unb üon ben ^ixxd)^n jioei ©d^reiben erl^alten Ratten,
gegen tüelc^e ©tancaro 1561 feine §aiH)tf(^rift rid^tetc, fo toar e« ©., ber 1563 beffen
£e|re, bafe S^riftud nur feiner menfd^lic^en 9Jatur nad^ SWittler fei, toiberlegte, burd^ bie
Responsio ad maledicum Francisci Stancari Mantuani librum adversus Tigu-
rinae ecclesiae ministros de Trinitate et Mediatore Nostro Jesu Christo. ®a« 15
Serl^ältni« ber beiben 9Jaturen in ß^rifto bebanbeln au6) feine ferneren ©d^riften, unb
^tryax, toie fein Äollege ©tufi anbeutet, fo, oafe bie einen gegen biejenigen fic^ ritzten,
toelc^e bie ©ott^eit ß^rifti beftreiten, bie anbem me^r gegen folc^e, toelc^e feine SKenfd^s
l^eit abfd^iüäd^en ober jtoeifel^aft mad^en. 3" ^^ erftcren Klaffe gehört ba« 1568 er«
fc^ienene, burc^ bie ©enbung be« t)oInifc^cn ^Prebigerd I^rctiu« in bie ©d^toeij ücran* 20
lafete 95ud^ De aeterno Del filio Domino et Servatore nostro Jesu Christo et de
Spiritu sancto, adversus veteres et novos Antitrinitarios, id est Arianos, Tri-
theitaSy Samosatenianos et Pneumatomachos libri IV, mit einer SSonebe ^nU
linger«, ben 5Kagnaten 5ßoIeng, Slufelanb« unb Sittl^auen« geioibmet. 9Jac^bem ©. bie
p^'6nl\6)t 5ßräejiftenj ß^rifti bargelegt, beftreitet er bie Seigre bom ©oj^ne ©otte^ ate 20
einer öortoeltlic^en Kreatur, bie er aU Dccd^ino^ SKeinung bejeid^net, foioie aud^ bie fog.
tritl^eiftifd^e Sluffaffung, afe beren ^aut)tfä(^lid^er Serf echter ber im ga^re 1566 in Sem
l^ingerid^tete Salentino ©cntile genannt toirb ; fd^^lie^it^ toirb ba^ SJerjf^ältnid be« ^eiligen
©eifte« j|um SSater unb jum ©ol^ne bel^anbelt. ^n bemfelben ©inne erfdj>ien 1575
©.^ Assertio ortbodoxae doctrinae de duabus naturis Christi opposita blas- so
phemiis et sophismatibus Simonis Budnaei, nuper ab ipso in Lithavia evul-
gatis (93ubnäu^ tourbe al^ ^au^t ber Semijudaizantes im ^a^re 1582 abgefegt unb
h)iberrief fjjäter). SWel^r nad^ ber anbem ©eite l^in, gegen „älnaba))tiften, ©d^toenl*
felbianer unb Ubiquiften", rietet fid^ ©.g 1571 erfd^ienene ©d^rift Scripta veterum
latina de una persona et duabus naturis Christi adversus Nestorium, Eu- 35
tychen et Acephalos olim edita, benen er eine narratio veterum controversiarum
una cum collatione controversiarum nostri temporis beigab; ba Sünben gerabe
burc^ ben ßinflufe italienifd^er Flüchtlinge üon fold^en ©treitigleitm betoegt toar, toibmete
er bicö aSerl ber bortigen Stegiemng. ®benfo erfd^ien \)on il^m im 3^1^^^ 1574 De
Vera Christi secundum humanam naturam in his terris praesentia orthodoxa 40
expositio nebft einer Responsio ad duas disputationes Andreae Musculi, bed
fc^on ertoä^nten 5ßrofeffor« in granffurt a. b. D., foioie 1575 bie o^ne ©.^ 5?amm
herausgegebene, aber öon ihm öerfa^te Ministrorum ecclesiae Tigurinae ad confu-
tationem Jacob! Andreae apologia, fotoie als 3ln{^ang }u SuQingerS Sebm eine
nochmalige SQSiberlegung beSfelben. ©.S Commentarii in Exodum lamm nad^ feinem 45
2;obe 1584 ^erauS. — ^n engem 3wfommen^ange mit biefen t^eologif d^m ©d^riften
fte^en bie biogra^j^ifc^en arbeiten, bie ©. feinen Se^rern unb ^reunben toibmete unb bie
feine eble ^jietätboQe ©efmnung in f^önfter SBeife barlegen. 1563 fc^rieb er bie Oratio
über ^art^r; 1566 folgte bie Vita beS clarissimus philosophus et medicus ex-
cellentissimus flonrab ©eSner; bie 1575 erfd^ienene Narratio über fieben unb 2iob 50
SuDinaerS enthält jugleic^ einen älbri^ ber ©ef^ic^te ber ^üxd)^ Sieformation.
SEBar ber 9lame beS 3^^^^ 2;i^eologen burd^ biefe ©d^riften h)eitl[;in in ber pxoU^
[tantifdf^en SBelt befannt unb geachtet, fo liegt boc^ feine bis \)^\xtt fortbauembe toiffen«
fc^aftlid^e §au})tleiftung nod^ auf anberem ©ebiete, unb gerabe hierin erfc^eint feine be«
tounbemStoerte SSielfeitigfeit. 65
Einige ^ublifationen frül^erer ^ai)x^ jä^lm noc^ ju ben burt^ ©. betriebenen matl^e«
matifc^fen unb naturtoiffenfc^aftlid^en ©tubien. 1550 gab er bie lateinifd^e Überfe^ung
ber ©d^rift beS beutfd^en Slrc^itelten ^o^. Silum über bie fünf ©äulenorbnungen
^erauS. 1559 folgte, nad) Vorträgen, bie er felbft gehalten, baS 95uc^ De Principiis
Astronomiae libri duo, atterbingS nod^ ol^ne jebe ©})ur ber burd^ 6oj)emicuS ^erbci= eo
350 @ttttlet
geführten Umgcftaltungen biefer SBiffenfd^aft. ^tv^\ äu^crft gctüiffcnl^aft unb mit grofeem
Sluftoanb üon %k\^ gcfc^affene ffierfc fc^loffen fic^ an bic Slrbeit bc^ geehrten Öcl^rer^
Äonrab ©e^ner an. ©c^ner^ umfaffenbe« SJetjcici^nte ber ganzen SSäcItlittetatur: Biblio-
theca universalis, bon 1545, l^attt S.ö Se^rer in Safel, Monrab SBolfl^art (Sl^foftbcne^),
5 in einen 2tugjug gebrad^t, ber aber nid^t genügte, fo bafe je^t ©. 1555 in ber Epitome
bibliothecae Conradi Qesneri . . . nunc denuo recognita (etc.) eine neue Stu^abe,
mit einer SSorrebe ©e^ner^ unb einer SSerme^rung ber aufgeführten ©t^riftfteller bi^ auf
4500, beranftaltcte unb biefe bem ^faljgrafen Otto §einri(^ afe einem befonberen ©önner
ber ®elel[;rfamleit toibmete. 3lo6)maU liefe ©. 1574 biefe Bibliotheca instituta et
10 coUecta primum a Conrado Oesnero (etc.) erft^einen, bod^ je^t in boj)J)eItem Umfange,
mit 7500 Slutomamen, geiuibmet bem ^faljgrafen Subtüig; ba^ treue ©ebäd^tni« be^
fammeinben ©ele^rten iüufete ben ^n\)ali be« getoaltigen ffläerle« faft au^hjenbig.
3(IIein bie §aut)tfd^öj)fung be« S^eologen ©., mit ber er eine SBirlung größter ärt
geiüann, entftanb auf bem gelbe ber geogra<)l^ifd^4iP*>^ify^^ ©tubien. ©. toar fd^on feit
16 1570 mit bem großen franjöfxfd^en ©ele^rten ^etru3 ^itl^öu« t)erfönlid^ befannt, unb in
freunbfc^aftlid^em Slu^taufd^e fanbtc biefer an ©. tuerttjolle Hilfsmittel, bie bereits 1571
bei bem über bie ^erfon ß^rifti üerfa|ten t^eologift^en SBerle ©. bienlid^ tüurben. 1575
gab nun ©. auf ©runb bon §anbf(^riften, bie er teils bon ^itl^öuS erhalten, teils felbft
in ber 3ür(^er ©tiftSbibliot^el gefunben f)atU, geograjjj^ifd^e SBerfe beS ältertumS l&erauS:
20 Aetnici Ck)smographia — Antonini Augusti Itinerarium provinciarum, eine ©bition,
bie bis in baS 18. S^l^^i^unbert nod^ brei 2Iuf lagen erlebte. Slber fd^on öorl^er ^atte S.
feinen gleife aud^ näl^cr liegenben 2luf gaben gef^enlt. ©eit 1561 gab er fxc^, nac^beni
er bie 1548 erfc^ienene gro|e ©d^toeijer ß^ronif beS ^o^anneS ©tumt)ff burd^gearbeitet,
l^iftorifd^en ©tubien l^in unb trat, angeregt burd^ feinen ja auc^ als ©eft^id^tsfc^reiber
26 l^ertoorragenb betl[;ätigten ©^h)iegeröater SuHinger, 1566 in nähere SJerbinbung mit 2legibiu6
ifd^ubi, tüobei gleid^ertoeife bei bem fonft fo auSgej^rägt fatl^otif^ geftnnten ©larner bic
fonfeffionett trenncnben ©efü^le jurüatratcn. ©erabeju auf ©.S Slufmunterung bin fafetc
3:fc^ubi 1568 ben ?pian, bie ganje „§iftoric" ber ®ibgenoffenfd^aft feit ben älteften 3^ten
ui fd^reiben, unb banfbar nal^m er nad^^ier bon ©. baS anerbieten an, baS SBerf in baS
30 Sateinifd^e üu übertragen, iüonac^ Original unb Überfe^ung gleid^jeitig l^erauSgefommcn
toären. 3lber Sfc^ubiS %o\) 1572 l^inbcrte ben 3lbfc^lufe ber arbeit, unb bie Unvernunft
ber 3:fd^ubifd^en ©rben öerfd^ulbete, bafe erft tjon 1734 an an eine 3)rudflegung bcS
beutfc^en 2;erteS gefAritten h)urbe, eine lateinifd^e Überfe^ung aber niemals ^u ftanbc
fam. ©. jebod^ tjerl^arrtc auf bem einmal betretenen 9Bege. @r arbeitete an einer ®e--
36 fc^id^te ber eibgenoffenfd^aft bis 1519 unb an einer ausführlichen Sefc^reibung berfelbcn
in lateinifd^er ©J}ra4>e, bie freilid^ bei ber großen ©efc^äf tsbelaftung beS 3SerfafferS nur lang-
fam öorrürften. 1574 erfd^ien bie Descriptio Vallesiae, als ein ^robeftüdt, h)ie ©. fid»
auSbrürfte, mit ber 95emerfung, er entfage gern ber Slufgabe, tüenn ein anberer fie aufnehme.
3)iefe l[;iftorifc^=to})ogra))^ifd^e Sefc^reibung beS 3BalliS mit einem Sln^ang: Commen-
40 tarius de Alpibus, ift alS baS 3Berf eineS 5ß^ilologen amufe^en, ni^t auS felbft^
ftänbiger ÄenntniS ermad^fen; aber burd^ gute StuStoa^l beS ©toffeS, burt^ überfic^tlid^e unb
elegante 3!)arftellung, bur^ bie Einfügung eigener, meift richtiger unb ^efunber Urteile bat
eS einen bebeutenben Söert. ©. entfd^lofe fic^ je^t, auS ber beabfid^ttgten großen Slrbeit
iüenigftenS einen gebrängten SluSjug ju tjeröffentlid^en, unb biefe lur^e 3)arftettung ber
46 ©efc^i^te ber eibgenöffif^en 93ünbe, il)rer SSerfaffung, ber j)olitifd(>en unb gefeDf^aftlic^en
3uftänbe ber ©d^iüeij unb il^rcr einzelnen leile f^atte er f^on bis 1573 in jih?ei Suchern
gefd^riebcn. ^n feinem lobeSja^re, 1576, erfd^ienen biefe De Re Publica Helvetionim
libri duo, in benen bie nat^ ber ©efamt^eit unb nat^ ben einzelnen ftaatlic^en ®nH)j)en
geteilte ©taatsbcfd^reibung gerabeju unübertrefflich ift, fo bafe bie gro^e 3^^^ immer ficb
50 iüieberl^olenber 9leuauSgaben — jufammcngered^net überl^au))t fxeben lateinift^c bis
1738, 5tüölf beutfc^e bis 1735, ac^t fTanjöfif^c (in ©enf, ^ariS äntit)er»)en) bis 1639,
jtoei ^oHänbifc^c bis 1644 — boDfommen begreif lid^ ift. SiS in baS 18. ^i^^r^unbert,
h)o eben 1735 ber 3wtc^^ 2^" ^^"^ "^"^ 2luSgabe, mit 3Jad^trägen, beutft^ ^erauSgab:
„3Son bem SRegimente ber Söblic^en ßibgenoffenfc^aft", toar ©.S 95ud^ baS unenblid^ oft
56 gebrauchte unb tjicl Von fremben3tutorcnbcnu^te§auj)tauSlunftSmittel über ben fomJ)li}ierten
t)olitiJd^en S3au ber ßibgenofjenf^aft, unb bis ju beren Untergang im ^a^x^ 1798 bebielt
eS biefe SSebeutung. ©. mibmete bicfeS fie^rbuc^ eibgenöffxfc^en ©taatSrec^tcS Sürgcr^
meifter unb ^ai ijon ©t. ©allen, ba beren untemebmenbe Sürger als ^anbeltreibenbc
tueit burd^ @uro|}a fämen unb fo ben 3luSlänbern richtige Segriffe üon ben f(^h>ei5enf(^en
60 SJer^ältniffen beibringen tonnten. Seiber fa^ ©. felbft nur erft ben Anfang beS grofe-
Stmler Sttttott ber SKagier 351
artigen GrfoIgciS bicfcr feiner ©eiftc^arbeit. ©einen l^anbfc^riftlid^en biftorifc^en 9Jac^Ia6
fammelte ber lOOO geborene fj)ätere SSürgermeifter 3t>^önn ^einrid^ 2Bafer, fein @nlel,
unb er liegt mit beffen Bd^x\\tm auf ber ^üxd)^ ©tabtbibliotl^ef.
ein JJac^fomme be« ^o^xa^ in fünfter ®efc^Ied;tgfolge ift ^o^ann 3«! ob Simler,
geb. 1716, geft. 5. Stuguft 1788, 3nf)c)eftor ber Sllumnen unb Se^rer an ber ©tiftöfc^ule ju 6
3üri(^. ©eine in i^rer 3lrt einjige älbfd^riftenfammlung, 35ofumente unb 95ücber,
19ß %ol\antm, nebft 62 Sänben cine^ boj)J)elten Stegifter«, auf ber 3ürc^^ ©t^btbiblio*
tbef, ift eine ber reic^ften, ftet« toieber benu^ten Cuetten für firc^engefd^ic^tlic^e %ox^
fd^ung, üorgüglic^ ^ur ßjjod^e ber Slefomtation. 1759 bi« 1763 üeröffentlid^te er au^
feinen ÄoIIeftaneen jtüei Sänbe einer „©ammlung alter unb neuer Urfunben jur Se- lo
leuc^tung ber Äirc^engefc^i^tc üomel^mlid^ be« ©d^iüeijerlanbe«".
(€. ¥efta(05$it) ®* SRe^ertioti jhtotian.
Simon ber äRagter« — l. Sitte ratur. 911^ aRunograp^ien fornmcn in Setrac^t
.i>. Simfon, Sebcn unb fic^rc ©.§ in 36^1) H» Seip-^ig 1841; ©c^luricf, De Simonis magi
fatis, beißen 1844; 3. ®rimm, 3)ie ©amariter, 3Kün(^cn 1854, 125—175; ®. SSolImar, 15
lieber bcn ©. iKagu^ in Zilh., 2:^353 185C; S. '}load, ©. ber "ölagier in ^fpcfte, 3, Seipjig 1860;
5.^., Ucber ba§ SJenfmal bc§ ^JKagierg @. in ^iftor.^polit. ©tötter 47, ^JKünd^cn 1861;
91. .^ilgenfetb, 3)cr Magier 8. in S^"^^ 1^» fieipj^ig 1868 ; ©ülfcn, Simonis magi vita, Berlin
1868; 3. 3)eli^fc^, 3ur aueUenfritif ber ftitcften ^erid)tc über Simon $ctru8 unb ®.9Kagu8,
2^@tÄ47, ®üt^al874; 9?. 91. fiipfiu«, 8.^Ugu^ in Sdjeufel, ^öibellejüon V, 301 ff., Seipjig 20
1875; 3)ieterlen, L'Apötre Paul et S. le Magicien, 9Mnci) 1878; 5ß. Wolitx, @. 3Kagu§ in
ip^HiS.* XIV; 91. $a(rnacf), S. "iD^agu^ in Encycl. Brit.» XXII, (£binburgU887 ; *.Sugano,
I^ memorie leggendarie di S. Mago in Nuovo Bulletino di archeologia crist. VI, Koma
1900; % SB. ©(cfjmiebcO. ©• ^^gu^^ in Encycl. Bibl., fionbon 1903; ^. 5Saif, ©. 9JJngu§
in ber altc^riftt. fiitteratur in 3nt^ V, (^Jicfeen 1904. 25
3u ogl. finb augerbem bie allgemeinen 5)arftcUungen ber Äir(^en= unb ^ogmengcfcfiidite
foioic bcS ®noftici§mu^ (f. b. 91. 93b VI, 728, toobci narf)jutragen ift; 3. ^rcQcnbü^I, 3)a4J doans
gcliumbcr Säa^rfieit, I, 174-265, II. 100 ff. u.ö., 33crlinl900. 1905; 9l.fiic*tenftan, 3)ic Offene
i)arungim©noftici§muö,®öttingenl901,5ff.,56f.); ferner bie fiitteraturjur9lpoftelgcfcfti(^tc (91®),
(S. BcUer, 5)ie 91®, Stuttgart 1854, 158 ff.; 9(. 3afob)en, 2)ie CueOen ber 9(®, SBcrIin 30
1885, 11 ff.; J£). $)oltmann, {Jorfc^ungen über bie 91® in QtüX^ 28, ficipjig 1885, 430f.;
% Seine, 3)ie alte Duelle in ber erften $)ä(ftc ber 91® in 3pr2:ö 16, SBraunfcfjroeig 1890,
109 ff.; SW. Sorof, 5)ie (Sntfte^ung ber 91®, SBcrlin 1890; g-r. Spitta, 3)ie 91®, it)re Cueaen,
.{)one 1891, 145 ff.; ß. Giemen, C£t)ronologic ber paulin. ^Briefe, .JiaHe 1893; 3. 3üngft, 5)ic
Cueflen ber9l® ®ot^a 1895; 91. ^ilgenfelb, 3)ie9l®na(l) iljren Cueflenfcftriflen in 3^3:5 38. 39. 35
i'eipjig 1895. 96 ; enblld) bie iJitteratur ju ben apo!rt)pöen 9l!ten unb ben ^feuboüementineu
(f. b. 91. Glementinen 33bIV, 171, nad)5ut ragen: $. U. 9)iet)boom, ^e Slemen«=9loman I. II,
®roningen 1902. 04; ^. ma% 3)ie ^feubotlementinen, %n 925 10, fieipjig 1904, 170 ff.
202ff. u. ö.; 91. i>aruad, G^ronologie ber altd)rtftlid)eu fiitteratur II, 1904, 518—540;
3B. ©üuffet in ®g9l 1905, 425—447; 91. C)ifgenfelb, $feubo=eiemen§ in SroX^ 47, 1904,40
545—567; berf. 3)er eiemenSromau Sio^MÖ. 1*^06, 66—133).
2. Quellen. Schriften S.ö e^iftiereu nid)t. Db unter htn assertionibus ber ©.ianer(3reu.I.
23. 4.) Schriften berfelben ju oerftet)en finb, ift fraglic^. 3)ocb ift auö i!)rem Greife bie d:t6ffaoig
fifyah) Ijeroorgegangen, oon ber .t>ippoll)t, Phil. VI, 7 — 18 91u^jüge giebt (ogl. ba^^u $. Stä:6e=
lin, 3)ie gnoft. Clueüen ^ippüll)t§ in XU VI, Seipjig 1891 foioie u. 6. 360 48 ff.). 3öaS 46
.t)ieron. Comm. in Mt. 24, 5 au§ b. voluminibus @.* anführt, bejie^t ficb raobl auf biefelbc
Scbrift (f. u. S. 360i6ff.). mn ben Rec. 2,38 ermähnten scriptis ©.ö finb @d)riften
^iarcionS gemeint. 5)arauf loeifen iüol)l aud) bie bei ^ion^f. 9lreop. De divin. nom. 6, 2 ge^
nannten it}? jtagavoiai ^füfiono^ dvziooriiixoi /Jyoi. 2)ie apoft. Äonftitutionen VI, 16 nennen
ßißUa, bie oi negi Zi/itO)va y.al Klfofiiov tn,^ orofiaTt Xotoxov xai tcDv inai}rjTd)v aviov 50
oerfafet ^aben follen. öejiel^t fitfi bieä ebenfall^S auf marcionitifcbe Schriften ober auf 3Wit=
teilungen über @. unb illeobiu^ in bem apofnjp^en Äorint^erbrief ber ?5auluSa!ten ? Moses
Barcepha, Comm. de paradiso III, 1 bringt 91u^5füf)rungen S.^ über ben 3)emiurgen, bie auS
ben ^feuboflementinen gefcftöpft finb (ogl. Rec. 2, 53 unb ^o^^cim. Inst. bist. Christ. I, ^elm=
ftäbt 1739, 403). 9^acl) einer arabifd)en 33orrebe 5U ben .tanoneä beä 9iicänif(6en Äonjilö 66
follen bie S.ianer ein in uier 9lbfcftuitte geteilte^ (Suangelium gel)abt l)aben, über quatuor angu-
lorum et cardinum mundi genannt, vllä Gueflen fommen ba^er übermieaenb S3erid)te über
e. in 33etrad)t: 91® 8, 5—24; 3uft. Ap. I, 26, 56; Dial. c. Tryph. 120; ^egefipp. hei
euf. H. E. IV, 22, 5; delfu« bei Orig. c. Cels. V,62; 3reu. Adv. haer. I, 23, 1-4 u. ö.;
Xert. Apol. 13; De anima 34, 57, u. o.; ,&ippüll)t. Syntagraa (nad:! ^feubotert. 1, ©pip^an. go
Haer. 21, 1-6; «P^ilaftr. Haer. 29); .J)ippoh)t, Phil. VI, 7—18. 19. 20; X, 12; IV, 51;
(£lem. 9lle?., Strom. II, 11, 52; VII, 17, 107. 108; Drig. c. Cels. I, 57; VI, 11 u. ö.;
Didascal. VI, 8, 9; Const. ap. VI, 7, 8, 16; Act. Pctr. unb bereU SSerroanbte öfter*^. ^Icm.
Hom. 2, 18—34; 3, 2; 4, 2. 4; 6, 26; 7, 9. 11; 8, 3; 11, 35; 18, 4—12; 2ü, 11 ff. u. i).;
352 6tttt0tt ber SRagter
Rec. 1, 70. 72; 2, 7-15; 3, 47. 69; 4, 1-3; 10, 53 u.ö.; Guf. H. E. II, 1, 12-15;
^feubotcrt. Carra. adv. Marc. I, 157—159; ^Irnob. Adv. gent. II, 15; $fcuboci)pr. De
rebapt. 16; ^feuboaug. De haer. 1; 3)tbQmu§ ?Uc;r. De trin. III, 19, 42; ei)r. ^icrof.
Cat VI, 14, 15; XVI, 16; öJrcg. ^iaj. Orat. 23, 16; 44, 2; X^eobor. Haer. fab. I, 1.
5 3)cr SJlagiet ©. [teilt bie ©cfd^ic^t^Betrad^tung be« at)oftolifc^en unb naci^aj)o[toUfc^en
Zeitalter« üor eine« ber intereffanteften, aber auc^ fd^iüierigften Probleme. SBa« ift biefer
©amariter geiüejen, ber nn^ jugleid^ ate ßi^rijt, 3"*^^ wnb §etbe, afe SKagier unb
®oet, aU ($riftlic^ier 5Reliöionej)l^iIofoj)^ unb 3lrc^i^äretiler, al« ^feubocujoftel unb 5ßfeubo=
meffta«, afe Steligiondftifter unb ^nlamatton ber ®ott^eit entgegentritt?
10 I. SBoQen toir biefen ^roteu« ber altd^riftUc^en Sitteratur faffen, bamit er un« fein
toal^reö ffiefen ent^üttt, fo müfjen tuir un« üor allem an bie Seric^te über i^n ^Iten.
S^re Äritif foll babei §elfer«bien[te leiften.
1. aSir beginnen mit 31® 8,5— 24. 5Ric^t SBenige« fättt babei bem Iritifc^en Stuge
auf, junäd^ft in 33. 5— 13. ©d^on l^ier liegen jtoei berfd^iebeneänfci^auungen bon ©. \)ox.
15 ©0 tuirb er 33. 9 aU ein SKagier Bejeic^net, ber mit feinen 3<Jw6w^J^»i *>i^ 95eböl!crung
ber ©tabt ©amaria für fi^ ju getoinnen fut^t, inbem er fagt, er fei ettoaö ©rofee«.
Unb h)ie nad^ 93. 11 ba« SJoIf um feiner Söwbereien tuiHen an i^m ^ängt, fo i}Qlt er
[\d) felbft naä) 93. 13 ju ^^ili|)t)us; an^ bem gleid^en ©runb, aui^ 95etüunberung über
bie bon biefem üoDbradf^ten 3^^«" ""*> großen SBunber. ®anj anber« toirb er 93. 10
20 d^arafterifiert, inbem er ^ier ^ dvva/Lug tov ^eov fj xakovjuhn] jueyakrj genannt
toirb. 5Wag man bad SBort /leydXtjin feiner eigentlid^en 95ebeutung fcft^alten ober al^
eine Übertragung be« aramäifd^en SBorte« «bra ober '^ba?: = ber Offenbarer auffaffen
(fo 21. Äloftermann, Probleme im 3lj)ofteltejt, ®otl^a 1883, 15—21), fo ift er bod^ ^ier
nid^t me^r ber ^Magier unb ®oet, fonbem eine ^immlifc^e ^otenj. Sead^ten h>ir baju
26 bie aOäieber^olung be« Slu^brurf« jigooeTyov in 93. 10 bejto. 93. 11, toeld^e fic^ alö eine
rebaltioneQe 9Jat üerrät, fo toerben ioir 93. 10 ate eine f^jötere 3"*^«* betrad^ten muffen.
SBenn nun ©. in ber Srjäl^Iung 93. 14—19, in ber er fxd^ nid^t mebr toie in 93. 5
unb 9 in ber ©tabt, fonbem im fianb ©amaria, aud^ nid^t me^r bem ^9ili^)t)u«, fonbem
bem ^etru« unb 3i<>^ö>^w^ gegenüber befinbet, nit^t ettoa, toie man au^ feiner (Strafte-'
30 riftil ate 3öwberer f(|liefeen möd^te, um bie ^raft bittet, and) fold^e SBunber ju t^un
toie 5P^ilij)t)ug, bielmel^r nur noc^ bon bem 9Bunf(^ befeelt ift, bie a))oftoIifc^e ®abe ber
®eifte«mitteilung ju erlangen, fo ioirb man biefelbe §anb toie in 93. 10 nic^t berfennen,
jumal bie l^ier toie aud) ä® 19, 6 ju 2Aige tretenbe j^ierarc^ifc^^faframentale Stuffaffung
bon bem a^oftolifd^en Slmt unb ber §anbauflegung in eine fjJätere 3^^* *^><^ip- 3)« ^
85 ftd^ babei um eine Umarbeitung be« SKotib« in ber 95itte ©.i^ l^anbelt, lönnen biefc
fbäteren 3wtl^aten nic^t einem 3tbf(^reiber, fonbern nur bem Sßerfaffer bejh>. legten
SHebaftor ber 21® ju Saft gelegt toerben, ber eine il^m borliegenbe DueHenfd^rift benü^t
unb »erarbeitet f}ai, bie« mit um fo me^r ®runb, ali ber 93erfaffer ber 21® nad^toci^li^
aud) fonft, befonber« R. 1—12, Ductlenft^riftcn in fein SBer! aufgenommen unb frei ber-
40 arbeitet i)at. 35arauf ioeift aber nod^ ein anbre^ l^in. SQääl^renb nämlit^ 93. 14 jtoei
2l})oftel, ^etrug unb goi^anne^, auftreten, ift 93. 20 ff. nur einer, 5ßetrug, in 2^ätigfeit.
©oute nic^t berfclbe, ber bem ©. bie Sitte um bie &aU ber ®eifte^mitteilung in ben
5Kunb legte, bem 5Petruö ben ^o^anne^ beigegeben ^aben? ^oi^anne« ft^ielt überall in
ber 21®, h)o er mit ^Petru« jufammen auftritt, biefelbe SRoUe eine« ©tatiften (bgl. :3,
45 1. 3. 4. 11.; 4, 13. 19), toä^renb ^etru« ber 2lltör ift. (3, 6. 7. 12ff.; 4, 8; 5, l.ff.;
9, 32 ff. 36. ff.; 10, 9. ff.) 95.2Beii (ßinlcitung in« 913:* 573 2lnm., unabl^ängig toon i^m
and) xd) in ^fcubollementinen 224) l^at be^^alb Vermutet, bafe er ^ier überall erft nad}--
träglid^ üon bem 93erfaffer ber 21® in eine il^m borliegenbe ^etru^gefc^ic^te eingefügt
fei. ®g ioirb barum bie ^injufügung be« ^of^annci, toie über^aujjt bie ©rjä^lung
60 93. Uff. al« feine rebaftionette Sciftung anjufcl^en fein. Äommt 93. 14—18* {nvevfia)
unb $}. 19»> auf feine 3fled^nung, fo ift 33. 18»> unb S. 19», 20— 24 ber Quettenfc^rift ju=
mioeifen. 5Rur mufe ftatt bc« $lural« {amoig 93. 18, doxe Sß. 19, dsi^^xe, eigtjxare
93. 24) ber entf^jred^enbe ©ingular gefefet toerben. ä5ergleid^en toir nun ben ©(^lufe ber
Dueaenfd^rift 3J. 18^ 19% 20—24 mit il^rcm 2tnfang S. 5—9, 11 -13, fo finben toir noc^
65 eine ^nfongruenj. Jöä^renb xule^t ^etru« bem ©. gegenüber fte^t, befinbet fic^ im 2lm
fang $l^ili))))u« an feiner ©teile, um 93. 14 ganj unvermittelt ju üerfd^toinben unb 93.26
ebenfo unvermittelt in ^^^^wf^lem toieber aufjutau^en. ©ottte nid^t berfelbe, ber ben
So^anne« bem ^etruiS bcigefeHt unb beibe ju ben .öierar^en in S^wföt^^ gemad^t ^at,
ben 5ß^ilij)t)u« an ©teile be« betrug eingefe^t Ij^abcn? 35aft ber 93erfaffer ber Ä® aU
60 eine $au))tquelle in Ä. 1—12 eine ?|Jetru^efd^id^te, ^etru^afien, benu^t fyit, fyAcn bie
®tttt0tt ber attagter 353
quettenfritifd^en Untetfuc^ungcn bcr 21© im toefcntlic^cn übetcinftimmcnb barget^an
(ögl. aufeer 95. SBeife a. a. 0. bie gorfc^ungen bon §. §oI^mann, 5ß. geinc, 9)1. Sorof,
6. Giemen, 3- Süngft). ßine ^^ilit))iu«0ef(^ic^te fann bagegen bagegen au^er l^icr
nirgenb^ aU Duelle nat^getuiefen tuerben unb erfd^eint aud^ fonft üerbädf^tig, ba fie bem
3)iafon ?ßpij)t)u« (bgl.G, 5; 21, 8) txo^ ber 2lbmac^ung 6, 3 f. eine at)oftolifc^e aSirffam? 5
feit jutoeift. 35arf ba^er mit ©id^etl^eit nur eine ^etru^efd^idf^te atö DueBenfd^rift ber
2t® angenommen tocrben, fo liegt fie in unferm 2tbfc^nitt in S8. 20—24 offen ju Jage.
3)a nun 33. 18^ 19», 20— 24 auf^engfte mit 93. 5—9, 11—13 jufammen^ängt, mufe auc^
biefe ©teile auf biefelbe ^etru^cfd^id^te ^urüdfgefül^rt ioerben, inbem ^ier für ^^ilijj^ju«
^etru^ eingefe^t ioirb. 2)ann aber mufe H}x and) 93. 26—40 jugetüiefen Serben. 2Bir 10
fommen ju bem Ergebnis, bafe ber 33erfaffer ber 2t® in 8, 5—24 (be^h). 40) eine
Duettenfd^rift, Sßetru^Iten, »erarbeitet ^al, inbem er für ben ^Petru« junäd^ft in 93. 5. 6.
12. 13 ben 5ßl^ili))j)u« einfette, aUbann in 93.10 feine 2tuffaffung S.ö al^ ber großen
2)^namig ju 25. 9 erllärenb einfc^altete unb fd^liefelid^ in 93. 14 ff. bieSReife ber beiben ©äulen:=
a!po\Ul unb bie 95itte ©.g um bie &abt ber ®eiftedmitteilung|injufügte. gn biefer Duellen- 15
fc^rift ftel^en fi^ allein ©imon ^etruö unb ©imon ber ÜRagter gegenüber, ber fid^ nur
be^^alb taufen läfet unb bem ^etru« ®elb bringt, toeil er burc^ i^n biefelbe i^ovoia
gu erlangen ^offt, orj/tieia xal dvvd/iieig jueydXag ju t^un, toie biefer. 3)edbalb h)irb er
öon 5ßetru« ani ber d^riftlic^en ©emeinbe au^eftofeen, bi^ er Sufee t^ut. 2tl^ 93es
[tätigung biefe« ßrgebniffe« barf betrad^tet Serben, ba| foiool^l bie 93eric^te ber Äird^enöäter 20
al« aud^ bie ^etru^aften (f. u. 2 unb 3) ben $l^ili^l|)u« unb ^[ol^anne« nid^t ertoäl;nen,
h?o fxe auf ben Vorgang 21® 8, 5—24 anfpielen, alfo eine ©arftellung öorau^fe^en, ioie
fxe bie DueHenfc^rift ber 2t® in unfrer Slelonftruftion bietet.
2. ßine eigenartige gortfe^ung ber $etru«5©.gcfd^ic^te, 2t® 8, 5—24, bilben bie
a^ottt)pf)tn ^etru^ften in il^ren üerfd^iebenen Slebaftionen (Act. Petr. c. Sim., getoöl^ns 25
lid^ Act. Vercellenses genannt; Act. Petr. et Paul.; Dgt. Acta apostolorum apo-
crypha ed. Lipsius et Bonnet, Lips. 1891) unb bie bamit k^ertoanbte Sttteratur
(Dgl. baju 6lem. 2tlcE., Strom. Vn, 17; ^\ppol% Phil. VI, 20; Didascal. VI, 9;
Const. ap. VI, 9; ßufeb., H. E. 11, 14, 15; 2trnob., Adv. gentes II, 12; ^^ilaftr.,
Haer.29; ®))i))b.,21,4; 2tmbrof.,HexaemeronIV,8; ^feubo^egefipj).,DebelloJud.III,2; 30
Act. Ner. et Achil.; Sul^. ©el>., Hist. II, 41; ^fxb. ^\^p., Chronic, ©^r. ^rebigt
be« ©imon Äe>)^a in Sflom, Hypomnema be« ©imeon SKetajj^rafte«; ^0. 3Jialala,
Chronogr.X; ©d^olienbuc^ be« ^^eoboroö bar Äöni, lurmbu^ be« 3Wär(j) ibn ©ulai«
man, f)ion^ftud bar ©alibi, 93ieret)angelienIommentar; 5R. 2t. Sijjfiu« 2tj}ofc^j}^e
2tj)oftelgefc^ic^ten, 95raunfd^h)eig 1887 ; 2t. 93aumftarl, 2)ie betrug- unb ^aulueaften, 35
2eij)jig 1902). 2tuc^ il^r 2:^ema ift ber Äam^jf be« ©imon ^etru«, neben bem erft in
bäteren 95earbeitungen ^aulu« genannt toirb, mit ©. SKagu«, toobei ber 2t® 8 jju
®runbe liegenbe 95erid^t legenbarifd^ ioeitergebilbet ift. 2tte ©^auj)la$ ber §anblung er^*
fd^eint nur üereinjelt ©amaria (Act. Verc). ©tatt beffen h)irb 3wbäa, bejto. 3^^f^'<^"i
unb ßäfarea, öor altem aber Slom genannt. 2tte S^xt ber §anblung toirb übertoiegenb 40
bie be« 9Jero, baneben bie be« ßlaubiu« (Act. Verc.) angegeben. Da« Silb be« ^Petru«
unb fo auc^ ba« be« ©. ^at im großen unb ganjen biefelben ^üqc. ^etru« ift ber
grofee 3)ämonenau«treiber, Äranfen^eiler unb SQSunbertl^äter. ©benfo ift ©. bor allem
3Ragier unb ®oet, beffen ^anbct^ unb 93efd^tüörung«fünfte jebod^ im einzelnen au«s
gemalt toerben. ©0 legenbarifc^ aud^ biefe ßrjä^lungen finb, fo fnüt>fen fxe le^tlid^ an 4ß
bie DueDenfc^rift in 2t® 8 an. 2)aneben h)irb ©. toie im gegeniüärtigen 2!ejt bcr 2t®
bie grofee Äraft ®otte« genannt. 2tl« neue 3üge in feinem 93ilbe, bie ^ier fel^len unb
auf bie 95erid(^te ber §ärefeologen (f. u. 3) jurüdge^en, finb nur fein ^^}feubomeffia«tum,
ba« fxd^ u. a. and) in feiner burd^ ba« ®ebet bc« 5ßctru« vereitelten Himmelfahrt jeigt,
f oh>ie feine 93egeid^nung al« be« iatcog anjufel^en (ügl. Act. Verc. ; Act. Petr. et Paul.). 50
3. @in üötlig anber«artige« Silb bieten bie ^ärefeologen ber alten Äirt^e. ©0 fc^on
ber ältefte, auf ben bie f})äteren Seric^te g. gr. 3:. jurüdgel^en, ^n^tin ber 3Ilärt^irer.
Seiber ift fein ovvtay/bia xaxd naacbv xGiv y€yevvt]/bL€v(ov algiaecov Verloren gegangen
unb lann mit ©ic^er^eit in feinem größeren Umfang miebcr^ergefteHt ioorben, al« e« feine
2tu«aüge barau« (Ap. 1,26. 56; Dial. c. Tryph. 120) erlauben. (93gl. 3ft. 2t. 2i))fiu«, 65
3ur DueHenfeitif be« (gt)i))^anio«, 2Bien 1865, 77 ff.; 2t. §amadE, Rur DueHenfritif ber
®efd^id^te be« ®noftici«mu«, 2eiJ)jig 1873 unb in 3^2:^ 1874; 91. 2t. Sijjfiu«, 5)ie
Duetten ber ölteften Äird^engefc^i^te, Sei^jjig 1878, 74 ff.; 3- ^wnje. De hist. gnost.
fontibus Lips. 1894). galten h)ir un« l^ieran, fo finben ioir benfelben 3}f agier tvk in
ber 8t®., ber üiele burd^ feine 3öuberlünfte betrügt. 2tber, toie ber ganjje 93organg 2t® 8 eo
9ttaU9nttitlot>at>\t ffir Z^toXo^it unb Stitdit. B. 91. XVTIT. 23
364 Stttt0it ber SKogter
mit feinem SBorte berührt iüirb, fo ftnbcn fid^ anbere 9la(^ric^ten über ©., bie Suflin
auö ber l^eimatlid^en Überlieferung über feinen Sanb^mann aefd^öjjft i}at ©o hjeife er
Don il^m, bafe er au^ bem famaritifd^en 3i)orf ©ittä (®itta) ftammt unb unter Glaubiu^
md) iRom gefornmen ift. 3Son ben SWömern fott er burd^ ein auf ber 3:iberinfel erric^^
6 tete^ ©tanbbilb mit ber Snfd^rift Simoni deo sancto geehrt tuorben fein. Sediere
3la^x\i)t berul^t freilid^ auf einem 3^tum S^P^*^^/ ^^/ ^^^ ^^^ ^^ "^aJjxt 1574 an ber
üon il^m befd^riebenen ©teile gefunbencr ©odfel mit ber 3nf4>rift SEMONI SANCO
DEO FIDIO SACRUM SEX. POM PEI US . . DONUM DEDIT betueift, auf ©.
bejogen ^at, toa« ^ier üon ber fabinifc^en ©ottl^eit ©emo gefagt tuar. 2lber l^at er auc^ l^ierin
10 geirrt, fo mufe er be^^alb nod^ nic^t ben ganjcn 2lufent^alt ©.« in 9tom a\x^ bicfer 3"=
fc^rift gefc^loffen ^aben, fonbern ^at i^n ebenfo tuie bie t^ronologifd^e Seftimmung (inl
KXavdiov Kaloagog) anberhjeitig bejeugt gefunben. 2Iuf berfelben famaritift^en S^rabi-
tion beruht tüo^I au^ bie 5lad^rid^t, ba| faft alle ©amariter il^n d)g xov nganov ^eov
(Ap. I, 26), ber ynegdvo) ndarjg ägrv^^ ««i i^ovalag xal dvvd/iecog (Dial. 120) fei,
16 befennen unb \)ml}xm unb feine Segletterin, eine getoiffe §elena, bie fxc^ früher in einem
Sorbett t)rei^egeben ^abe, ate rtjv an avrov hn^oiav 7iQd)Tt]v bejeid^nen (Ap. I, 26). —
(Sin toertbotte Ergänzung ber 3wpi"f^^n 9Jad^rid^ten ift bie l^ärefeologifc^e ©d^rift
römifd^en Urfjjrungg au« ber 3«it bor 175, toeld^e S^^wäu^ ^n fein aSerf Adv. haer. I,
11. 12. 22,2—27,4 aufgenommen, aber tüolS^l and) ßelfu«, 'Akrj^g löyog^ 2;ert., De
2oanima 34; §toj)ol^t, Syntagma unb ^feubotert. (= Äommobian), Carm. adv. Marc.
I, 157 ff. nocf benü^t l^at. (98gl. bie oben ©. 353, 56 ff. angefül^rte fittteratur, aufeerbem meine
©(^rift über 35ad t)feubotert. ®ebid^t adv. Marc, 3)armftabt 1900.) 2luc^ l^iemad^ ift
©. noc^ ber 3Kagier, babei toirb au^brüdflic^ auf 21® 8 bertoiefen. (3>ten.; iert.; ^tppol
bei ^feubotert., Adv. omn. haer. unb Qpxpi}an,). aber biefe Sluffaffung ©.^ ge^t
26 faft böttig in einem gnoftifd^en ©^ftem auf, in beffen 9KittdJ)unIt ©. fte^t. §icr ift er
ber summus deus (^Pfeubotert., Adv. omn. haer. ; '^xm. II, 9) bejto. pater (3ren.
I, 23. 1; lert.). ®Ieid^5eitig nennt er ftd^ im SBiberfj)rud^ hiermit bie sublimissima
bejh). summa virtus, ^ jLteydXrj dvvafug ®otte« (ß^f-; 3^^n.; Carm. adv. Marc;
(Sjpit)l[;an.). ©eine ©enoffin ^elena, bie l^ier mit 3:^ru« in 3Serbinbung gebracht ift
3o(3;ren.; S^ert., 6})i))^an.), ift ferne hvoia (3ten.), bie aud^ prima mentis ejus con-
ceptio, mater omnium (3ren.), prima injectio (3^ert.), sapientia (^feubotert., Adv.
omn. haer.), nvevua äyiov, Jigovvixog {Qpxphan.) Reifet. 35urd^ fte l^at er ben 6nt=
fd^Iu^ gefaxt, bie 6ngefömäd[^te ju fd^affen. 3lber im Seft^ biefe« ßntft^Iuffe« ift fic
bem SSater entft)rungen unb in bie unteren $Hegionen niebergcftiegen. 3)em SBJitten be^
86 aSater« juöorf ommenb (lert. ; fcl^It bei ^xm.) i}at fie l^ier bie ßngetemät^te ^erbor-
gebrad^t, iüelAe, o^ne ^t\üa^ öon bem SSater /\u toiffen, bie SBelt (unb bie ?Kenfc^cn,
6t)i))^an.) erfc^affen ^aben. SBeil fte, bie 2Beltfd^ö})fer, nid^t aU ein ®efc^öj)f gelten
tüotten, ^aben fxe ilj^re 5Kutter in ber SBelt gefangen gehalten unb in toeiblidj^e Seiber
eingefc^Ioffen. ©o l^at fie Don einem Seib gum anbern tuanbem muffen, ^n ber troja^
40 nif^en unb ^ule^t in ber t^irifc^en §elena erfc^einenb, ift fie ba« berlorene ©d^af, gu
beffen ^Rettung ber SSater (©.) erfd^iencn ift, um fte unb bamit aud^ bie ÜJlenfc^en
au« ber fnec^tenben ®eh)alt ber fo«mifd^en ßngetemäd^te ui befreien. 3)urd^ bie ^immel
l[;erabfteigenb unb fid^ il^nen in ber ©eftalt ieh)eilen an})affenb, um bie ^ier ^errf^cnben
@ngcl«mäd^te ju täufc^en ( Jert.; @))h)^an.; fe^It bei ^xtn.), ift er unerfannt auf bie ßrbc
46 ^erabgefommen unb ben 5Kenfd^en aü 5Kenfc^ erfc^ienen, ben ©amaritcm al« SBater, ben
gubcn al« ©of;n (lert.; §i}}}}ol., Phil. VI, 19; Q)(>'ipl}an.] ^l^ilaftr.), ber l^ier jum
©d^eine gelitten f^abe. (^ren. ; §ij)j)oI. ; ^Pfeubotert., Adv. omn. haer.; ßj^i^jl^an.). ^wnäu«
fügt ^u biefer 3!)arftettung noc^ i^inju, ba| er aud^ ben Reiben ate j^eiliger ®eift er^
fd^ienen fei. 3tu« ber Duettenfc^rift f^at er biefe Semerlung nid^t gefd^öt)ft. Sffiic fte bei ben
50 übrigen fe^It, fo hjiberfjjrid^t fte ber SJad^rid^t be« (^\>xpi)an,, tüonaö) bie Helena al« ^l.
®eift ju gelten l}aU, foh)ie ber fonft Verbreiteten 2tuffaffung, hjonad^ ber ^I. ®eift ba«
toeibli^e H^nnjij) ift. 35a 3^^<^nöu«, h)ie ein SSergleid^ mit ben anbern ^Relationen geigt,
bie ganjc ©teile tjon ber ©elbftoffenbarung S.« ate be« SSater« unb ©o^nc« au«
il^rem urfj)rünglic^en 3ufö»"n^cn^ang ^erau«geriffen unb bom ©c^lu^ an ben Slnfang feiner
66 2)arftettung be« fimonianifc^en ©^ftem« (I, 23, 1) gefefet l^at, toirb er glcic^jettig biefen
3ufa^ öon ber ©elbftoffenbarung ©.« al« be« 1^1. ®eifte« hinzugefügt paben, tnbem er
ftc^ baju burrf) ben älnflang an bie d^riftlic^^trinitarifc^e go^n^^^I berleiten liefe, ft^enäu«
I; 23,3^. 4 unb 6j)i))l^amu« (= §ij)J}olt;t'0 21,4 bringen noc^ einige anbere 5la^ric^tcn,
bie i^rcm ^nl)ali nad) in ben Stammen ber Duettenfc^rift fel^r gut ^incinj)affen, aber au«
60 äußeren ®rünben i^r nic^t mit ©id^er^eit jugef^jroc^en toerben lönnen. SBic bie SBelt
Sittt0tt ber SKagier 356
unb bie ÜJlenfd^cn, fo ftnb anä) ba« ®efcj (®j)it)l^n.) unb bie ^rot)l^eten ntd^t 'öon bem
oberften ®ott, fonbctn üon bcn SBcItmäd9ten gegeben tuorben unb jtoar jebe« ^ud^ üon
einer anbem dvvauig ober dp;^jy, um bie ■ilKenfc^en baburd^ in i^re Äned^tf^aft j|u bringen.
3Q3ie bal^er jeber, ber biefen SSüc^em glaubt, bem %o\) Verfallen ift (®i)ij)^an.), fo muffen
bie, toelt^e üon ben aSeltmäc^ten befreit fein tuollen, gefe^e^frei leben. 9?ur burc^ bie b
®nabe be« SSaterd, aber nid^t tuvä) SBerle be« ©efe^e« lönnen fte enettet iüerben (Sten.).
SDäirb bal^er eine toöttige ©rlöfung erft mit bem ®nbe ber SBelt erfolgen, fo jeigt bie
3RVftagogie fc^on je^t ben SBeg jum §eil. SBer bie 9lamen ber loiSmifd^en SJläc^tc unb
t^re Sef^toörungen, bie ^a\xh^pxixd)t unb Dj)ferbräuci^e, lennt, beffen ©eele toirb üon
bcn aSeltmäd^ten errettet toerben (3ren.I, 23. 4; (^pip^an. 21, 4). lo
4. 6ine toefentlid^ anbere ©arftettung be« ©.ianidmu« finbet fic9 anbeutung^iüeife bei
(Element unb DrigeneS, toeiter au^efül^rt in ben fog. Philosophumena, bie bann toieber
für 3^^eobor., Haer. fab. 1 Duette loaren. Sin 2)o^j)eIte^ ift ^ier d^aralteriftift^ : bie
ijöttige Unlenntni« ber ^elena-ßnnoia einerfeit« unb bie ©elbftbmid^nung ©.« al« be«
ioTcog anbrerfeiti^. ßlemen« toeife nur, bafe ©. ein ßw^örer be« ^Jetru« toar unb bafe is
feine Anhänger il^n aU ben iGX(6g bereiten. Drigene« lennt i^n jiüar aud^ ate ben
Magier au« ©amarien, ber üon ben ©einen bie grofee 3)tonami« genannt toerbe; aber
bie« nur auf ®runb ber 21® ; bo(^ üerrät er einige Äenntniffe über i^n, bie er nic^t au«
ber 31® gefd^öt)ft l^at, inbem er \)on i^m be^aujjtet, er l^aU ben ®ötfenbicnft al« ein
Slbia<)l^oron angefe^en (c. Geis. VI, 11). 35afe er \>on ber §eIena=®nnoia leine Sll^nung 20
gehabt ^at, ge^t an^ feiner ^olemif gegen ßelfu« l^erbor (c. Gels. V, 62).
2lud^ bie Darftettung be« fxmomanifc^en ©t^ftem« Phil. VI, 7—18. X, 12, toelt^e
größere 3[u«jüge au« einer fxmonianifd^en ©d^rift, ber &n6<paoig jixeydXrj = „grofee Dffen^
barung", bringt, jeigt nic^t bie geringfte Äenntni« ber §eIena-6nnoia. ©tatt beffen rücft
fie bie Sejeid^nung ©.« al« be« iarcog in ben 3KitteIj)unIt. 3)ie SBurjel atte« ©ein« ift 25
bie äjiigavTog dvvafug, bie auc^ im 2lnfd^lufe an bie ftoifd^e ^^ilofojj^ie unter bem
95ilb be« geuer« erfd^eint. 2i^z\ ©eiten ^at fie, eine überiüeltlic^e, ba« unfaßbare fclige
©c^toeigen, unb eine inncrtoeltlid^e, bie ber SSater, ber Icrrai?, axäg, artjod^ievog, ge«
nanni toirb, &v ägaevö&tjkvg dvvajuig xaxd, ti]v TigovjtdQxovoav dvvauiv ojiiQavrov,
fjTig (Ai ägxv^ ovre niqag ix^i h /lov&irjn ovoa (VI, 18). ^nitm fie in ben SKelt^ 30
Jjrojefe eingebt, entfaltet fie fic^ f^j^gientoeife in fec^« 9BeItj)otenjen, bie nad^ i^rer geiftigen
©eite vovg unb inlvoia, cpcovr} unb dvo/na, Xoyio/btög unb iv^vjurjaig, nad) i^rer
materietten ©eite ovgavog unb yfj, ^hog unb oeXi^rrj, ä^g unb vdcog Reiften (VI, 12.
13. 18), bleibt aber toieber al« fiebente ^otcnj bon i^nen untcrfd^ieben (VI, 14. X,12). Unb
biefe ift eben ber brcifat^e iotcog, ber iarcog al« bie änegavrog dvva/üLig in ibrer SJor^ 35
toeltlid^leit {iarcog ävco h xfj äyewrjrcp dvvd/bisi), ber atdg al« biefelbe Äraft in ber
®eftalt be« SBerben« (prdg xdro) iv tfj gofj tcov vddtcov h elxövi yewri^eig), ber
ortjoöfuvog biefelbe Kraft, infofem fie jur enblic^en SJertoirflid^ung gelaifgt (axrjad^ievog
ävco Ttagä rrjv fiaxaglav &7iigavxov dvvafuv, idv i^etxovioi^ij, VI, 17). ^iefe 3Ser*
toirllidj^ung aber üolhie^t ftd^ in bem 9Jlcnfc^cn. SBie bie unenblic^e Äraft, bie in i^ren 4o
fe(^« toeltbilbenben ^otenjen ßimmel unb @rbe, ©onne unb 9Jlonb, fiuft unb SBaffer
in« 3)afein ruft, il^rer 2lrt nacf nid^t« anberc« ift al« bie Äraft be« menfc^lid^en ®eifte«,
(vovg, inivoia, (pcovT], ovojua, koyiojnög, hd-vjurjaig), fo ift ber SJlenfd^ nidbt« anberc«
al« bie aSerhJirflic^ung ber unenblid^en Äraft, ber be«balb aud^ ju i^r fagen fann: iyä)
xal av €v, Jigo ijuov av, x6 de jtiezd as iyco (VI, 17). @r ift ba« Ic^te ^kl be« 45
SBelttorojeffe«, in bem bie ®ottj^cit ju i^rem ©elbftbeioufetjcin fommt. 2)cnn ba« ift biefe
J)ant^eiftifd^ gebadete ®ottl^eit in il[;rer ©elbftentmidEelung övra/tug jula dirjgrjfxevr] ävco
xdxcOf avxfjv yewcooa, avxrjv av^oi^oa, avrijv C^xavoa^ avxrjv evgiaxovaa, avxtjg
IJtrjXYig ovoa, avxfjg naxijp, avxrjg ädektpijt avxfjg ov^vyog, avxtjg 'dvyaxYjg, avxfjg
vlog, firjftrjg, Jiaxijg ?v, ovoa §lCa xcßv öka)v (VI, 17). ßO
5. eine SRelajJitulation att bicfcr 35arftettungen ©.«, baiu ein neue« ©.bilb geben
bie Jjfeubollementinifc^en §omilien (H.) unb 5Refognitionen (R.) (unb 6j)itomc). 2lud^ l^ier
ift er 5Kagier unb ®oet (ögl. H. 2, 22. 32. 34. 4, 4. R. 2, 9. 3, 47 f. 60); in«be^
fonbere ift bie 5Wefromantie fein §anbtt)crl (H. 2, 26—31. 4,4; R. 2, 13 f.). Sil« folc^er
ift er ber üon ^jjetru« »erfolgte ®egncr, ber bon ßäfarca nac^ 2Intioc^ien unb julc^t 55
nac^ SRom flicl^t, um überall al« ©auflcr entlarvt unb burc^ gottgctoirlte Ärafterh)cifungcn
übertounben ju iücrben. Slud^ al« bie obcrfte Äraft ®otte« (H. 2, 22; R. 1, 72. 2, 7.
3, 47), ja al« ber obcrfte @ott (R. 2, 7. 22) tüitt er ^icr gelten unb tritt and^ al« ßl^riftu« unb
ioxcog auf (H. 2, 22« R. 2, 7. 3,47). SBie ba« ©.bilb ber Stiten, fo fefeen bie^fcubo=
Itementinen and) ba« oer §ärefeologen öorau«, in«befonbcre ba« S^f^n«. 3)a« betocift bie go
23*
m ^jm H. 2, 2:7: ß. 2. r. :i, •>* nnnie 3« fzsämmzn^ 3c: ^^eLeaa .H-2, 25?.; R2,
12). 5iifit P^wvTMtr 'aasenc «k^«1t :3Brzi&iAifri!m}. 29:0^1 jrTiuHiiL. de fu cccs cbfiflen
Jiovnmd 3uk6 3« cnmiK^äczsnnssc Scsfr^snar^ (H. 2. 2^: R. 2« 12 . 3^to Gngd bot fte
$ aa6<|€us&t^ 3<3 ^nnfiT. 3ie hiäz ^ n&sW 3ec mficx 3io5 i8eM| ts Jpetei iH. 18, 12,
IK^ '^, 2 v Stt nifi i6<r jfsie sie ^fytnyiah äfe le ifityrnuy 5iifeiL Sc Ku fic in bn
tr0«iräK6<!C ans 2icU€3j^<£aix erifieineg mäsksL 3nD ^se&c aus acr 3. aoiher (H. 2,25).
— X<cu6€ic *in36c ^nfi Jtficr jik6 bx 3d iSciPofri^'.iiii!i ' lUigt SomilaiBiiaL iDclcbc nic^t
iTi iinMtv'jai nA xrtiefi^e Scfhni; amyr^pgr. ^öer amc 3« ^I* Bärida (IcKmiic^ be»
Xitst^r^ o^ßCSTiDiDSiy iaz <c ^k6 ]ikii& 50Mi Xj^ i^xbb ^hzisc d<i Sc&c oiu»cik^cKbtDim9fn
IOC 9C« ifo sie %medacBaa% da scs «ct^;^ cLbb^H. 2. 2Sr.; R 2, 7. 11 f.), bcr ouc^
staiM is actennnm rB. :3;, 47» nte «;n^«9&a£F0i;^ -H. IS. 12. U* ^aumt irist. Ser^
tottii tiek SetJUEsEagcK eine ^€iBcm j?<ni;aBKo6iXF: onr ^a Xamflmig ba SUcranbriner
M htf». tn i:9/j^fan€i, ^ mct catsta ^sq CTjnMTtig; Bc 'A a mai H. 2, 22 Scrtreter
M ia»antij«i<s Sbdzt^ off ttm 9^ &an:fai, t<r bal 6ck^ oilA^rnicb auslegt unb
Mc Xctoavfetiicfaoi^ bngsft, nsb H. 4—^; R 9. 1*> Sotictä ber hahriktet ^tilo-
^tfpbk, taiMaCttu iti jfmaCtf^IkSca %aij£ema&, msi H.o, :^. 45. 49. 16,5fT.; R.2,
2^ß^, t^fi. ^ tcrlkrtco^o: der ouxdcsxtmbai Siimbm ccb bos jstoi unb gerechten
» (fictL Xu» altti btittbt naxiaüA md^ auf 'n^aßt tedAm dxm tbtd^aun^m, f onbem
fiiit<t bte eiitf«frtte (Eifionaig in tcn UaasaSdm gmiud'uu^^yrojCB bi<f(r Sänften.
^ tKttimtt er feinen knnoxmk^ Xi^m ba 5<be ber 3anuzitcr, R. l,-54. 57, baen
iubttti cxi fbn vxooA ätenzo^en tooiten finb, Kincn bribnlktai un^ nuzcuHiUi^c^en X^))u^
ba XaakSLvm% b<$ fyauaxami nnbfRardimitienniS, tcdibeccnbon ^exfanor ber filententtncn
9 <iu^ {^nttt C iieffenk^m ten bfnnt auf ^encnnnen iinizbf ,ba^ er S. «u ibicni dt<)?Täf entonten machte.
Sottte ti fifb nid^ dbnlicb mit ben Steffen bieter Scbcinen iKxboUen, an benen er
bie fRoele bed ^oulu^ trä^^tr Unoeriennbar i^ toerauf fcbcn 9. 5Ieanba, @enet OnU
tMdun^, 9et(tn 1818, Z^A bingetüieien bat, ber iz^gog Sw&goKMo;, in £p. Petr. ad
Joe, 2, beffen /trofu/r xal ffivaooßdf] öidaaxaAiar einige tcJf dm i&rwr an Stelle
'jfß be« t^etrintfi^ rö/ufu/r xrjgvvßia annobmen, ber ^mar 6 noo Ifiov (= IHtqov)
ek r/i fihn) Tiomog IXOdir m H. 2, 17; bgL R.3, 61, ber ämxeißierog, ber ben
^etru* xfar/r(öofurar nennt in H. 17, 13—19 (ijgL 0a 2,11; 2 Xb 2, 4) lein
onberer de ber bon $etru0 befamt^fte ^MIu5. 9u<^ an anbem Steffen (H. 2, 23. 11,
35. 18,21; R2,23. 36. 63. 65. 3,12. 4,35) ifi eine >>olemifc^ Sugfinanbcricjung
86 mit (Kiulinifc^ 9[nf4fauungen unb Sl^orten tpabme^mbar. 9ber fo koenig bied geleugnet
toerben tonn, So unruhig ifi ed, bae S.bUb ber Alementinen mit ber Xäbinger Schule
(öaur, ^ilgenfelb, fci^fiuä, ^We^boom, S(^mid)el, ÄreVenbübl u.a,) überhaupt unter bem
Wefu^t^toimel «jubaiftif«^ ^olemif ate ein 3^üb beö großen ipeibenaj)ofietö ju bc
trachten, bad ber fyi% be« Subaiemu^ berfertigt hebt, inebefonbere in bem Äamj)f jtoifc^en
¥) $etru0 unb Simon eine 9uu^bi(bung ber Aam))fe gtoifc^ ^[ktru^ unb ^ulud, in ber
Uebertptnbung S.0 burc^ ^etru^ ben Sieg be^ petrinifc^ ^w^^^P^^"^^ w6^ ^
bauüntfc^e d*Hbenc^riftentum 5U erfennen. 2)ad tpiberfprid^t bem gangen ©runbgebanlen
ber ^etrud^S.Iegenbe in ben Älementinen; benn ^Petruö benft gar ni^t baran, ben bon
xifm Wehrten Reiben ba^ ©efe^ aufzulegen, h)ie auc^ S. nirgenb^ ein gefe^c^freie^, no(^
46 über^auj)t ein G^riftentum berfünbigt. 3P «wc^ S. ber SSorläufer bc« $etru«, fo toill
er nur burc^ feine bämonifc^en 3flu^^^icn bie Reiben für fxd^ gewinnen. $ctrud abet
l^at nur bie aufgäbe, a\^ ein 9)(agter ^ö^ercr Chrbnung, burc^ göttliche Ärafterh>cifungen
ba« G^riftentum in ben l[;eibnifd^en Stäbten aufzurichten. 2Bie ber ©runbgebanfe, fo
lalfen aud^ bie einzelnen 3üge biefer Segenbe feine berartige 3)eutung auf ^aulu« ju.
ßo Xie })autinifrf)en ßüge in bem S.bilb ber Älemcntinen, foh)eit folt^e toirflic^i nad^^utoeijen
finb; erflären fid^ nic^t burc^ bie 2Innal^mc, bafe S. urf))rünglid^ nur $aulu^ fei, beflen
SBitb f^jäter eine Übermalung mit ben garbcn ber ä® bejh). ber ^örcfeologen erfa^n
^abe, fonbern umgefe^rt, baft er urfjjrünglic^ nur ber SKagier bejto. ^feubomeffia« toat,
ber nac^träglid^ ^jaulinifd^c, iüie auc^ ^eibnifd^e unb marcionitifd^e, ßüge erhalten l^t 35ie«
66 beruht aber nic^t auf einer jubaiftifd^^anti^jaulinifcben Xenbenj ber Klementinen, fonbern
auf ilS^ren litterarifc^en Gntfte^ung«JberbäItniffen. 9li(^t ein ^feubot)auIu«, fonbern ein
^Jcubocbriftu^ unb be^^nlb ein äntij)etru^ — ba« ift bie urfj)rüngli(^e ©efialt be^ S.
tt)ie in ben a^ofrl)))^en 2(ftcn, fo auc^ in ben ^fcuboflcmentincn.
II. ©tc^t aber bie« Grgebni^ unfrer quellenlritifc^cn Unterfud^ung ju rec^t, toeld^c«
flo!öiIb erhalten toir bon S. bem 5IRagicr?
(Bimnn ber aRagier 367
1. 2Bie in bcn ^pfcubollemcntinen, fo glaubte bte lübinger Schule bic iubatftifd^e
$oIemif gegen ^aulu« and) in bet 21® unb in ben apott^pf^m ^etru^ften, ganj be^
fonber^ aber in ber ?Petru^=©.fage tüieberjufinben. ©ie iüottte barum in ©. nid^t^ anbere^
feigen, ate ein jubend^riftlid^e^ 3^^^^^"^ ^^ §eibenaj)ofteB (fo aufeer ben ©enannten
©d^toegler, 3^ß^^/ SSolfmar), ober aber UfyxvüpkU toenigften« bie ^^Jriorität biefe« Silben 6
öor bem ber §ärefeoIogen, too fie unter bem 2)ru(! ber %f)a^ai)m jene ^iItion«I^V)><>*W«
nid^t mel^r ganj aufrecht erl^alten lonnte (fo §ilgenfelb feit 1878, &\p[xu^ feit 1887,
Äre^enbü^I, ©c^miebeO- 3p «^^ ^^ ®- ^^ Klementinen urfj)rüngli^ lein ^feuboj)auIu«
bann fann ber ©. ber übrigen fiitteratur bie« nod^ iüeniger fein. 2)ic anti^jaulinifd^e
Deutung biefe« ©.bilbe« ^at il^r gwnbament in bem ^feubot)auIug ber Äleinentinen unb lo
mufe mit il^m jufammenftürjen. ^tnn toa« junäd^ft bie 21® anlangt, fo fann bie Sitte
©.« um bie ®abe ber ®eiftegmitteilung ft^on be^^alb nid^t auf bie öon ^aulu« erftrebte
©leid^fteDung mit ben Urat)ofteIn gebeutet toerben, toeil fie ni^t ju ber urfjjrünglic^en
©rjjä^Iung gehört, unb lann bal^er nur auf ben SBunf^ be« 3Ilagier« begogen toerben,
biefetben SBunber toie ^etru« ju Vollbringen. Damit fällt bie Deutung be« ®elbaner5 ib
bieten«©.« (21® 8, 18) auf bie Äottelte be« ^aulu« für bie 2lrmen in ^erufalem (Solt
mar) toie bie ber — gnoftifc^en — Segcic^nung ©;« al« ber ßjieydXtj dvvauug auf ©tetten
h)ie SRö 1, 16. 2lud^ in ben a^o!r^))^en 2lften ftnb nirgenb« anti^jauiinifd^e ßüge ju
entbedfen, toeber in ber Di«J)utation über bie Seft^neibung (Act. Petr. et Paul, sect.
63—66; in ben Act. Verc. unb in ber armenifc^en Überfe^ung ber Act. Petr. et Pa. 20*
fe^It biefer 2lbfd^nitt), nod^ in ben ®aufeIftüdEen ©.« toon feiner (Sntl^aujjtung unb ^immel^
fa^rt, bie il^ ®egenftüdt nit^t in ber ®efc^ic^te ^auli, fonbem ß^rifti ^aben. Da« gilt
nod^ üiel me^r toon bem ©. ber Äird^enüäter (t)gl. 3- Deli^fd^ a. a. D). Db ©. unter
bem 95eliar %\x berftel^en ift, bec nac^ ©ib^II.III, 63 ff. ix Heßamrjvcbv lommen unb
öiele 3^i^^ om $immel unb auf Erben t^un tüirb (ügl. ®. ^reufd^en, 5ßaulu« al« 2lnti5 25
c^rift in 3ntaB II, 1901, 174f.), mufe ba^ingefteHt bleiben. Dod^ \px\6)t mand^e« für
bie Deutung auf ©ebafte=©amarien. 9Beniger emj)fiel^It e« fid^, ba« 2^ier in ber Offen*
barung ^0 13, 11—17 auf i^n ju begiel^en (ügl. ©Jjitta, Die Offenbarung go^.,
^alle 1889, 380 ff.). 2tber auc^ angenommen, bafe beibemal ©. al« 2lnti^rift
gebac^t ift, fo barf er be«l(;alb nid^t mit 5Paulu« ibentifigiert toerben, aud^ toennao
fic^ biefer fonft ba ober bort al« 2lntid^rift nad^iüeifen tiefte, ©onat^ ift überatt ©. al«
3crrbilb bc« ^p^uiyg j^eiter nid^t« at« ein ^i^antafxegebilbe ber iübinger ©d^ule,
ba«, ^erau«geit)ac^fen an^ bem Dunftfrei« ber j)fcuboIIementinif(^en fiitteratur, mit biefem
fic^ in Slicft« auflöft. Dann aber fann er nur al« eine geft^ic^tlit^e ®röfte getoertet
toerben. Da« 3^ugni«, ba« bie 21® begto. beren Duelle unb l^ierbon unabbängig ber 35
©amariter ^wftin feinem £anb«mann ©. au«[tellt, barf al« genügenbe Beglaubigung für
il^n angefel^en toerben, beren ©iegel bie l[;inreic^enb betätigte ßjiftenj einer ©elte ber
©.ianer ift (f. u. ©. 359, 31 ff.).
2. 2Bie aber öcrl^ält ftc^ biefer ©. ?Dlagu« gu bem ©. haereticus, üon bem bie
Äirt^enbäter berichten V 3Son ber 3Sorau«fe^ung au«ge^enb, baft jener ©. nur eine Aar- 40
rifatur be«^autu«, alfo eine ungefd[>i(^tlid^e ®röfte fei, ^at Äre^enbül^l (a.a.O. I, 199 ff.
217 ff.) bie Sel^au^tung aufgefteut, baft neben i^m ein ©. bon ®ittä al« ©tifter ber
fimonianifc^en ©elte unb 2^erfaffer ber ändq^aoig jueydXrj feftjul^alten, aber al« folc^er
in ben 2lnfang be« 2. ^a^iflS^wnbert« ju öerfe^en fei. SÜl^nlid^ l^at ©d^miebet (1. c. 4557)
h)ie fd^on früher 33itringa unb Seaufobre (bgl. ^o«^eim 1. c. 390 sq.) ©. ben 5Kagter, 46
ben 3^i*9^noffen bc« $etru«, al« gcft^id^tlic^e ^erfönlid^Ieit öon bem ©. öon ®ittä am
2lnfang be« 2.3iai^tl^unbert« unterft^ieben. 2lber biefe 2lnnal^me ift unhaltbar, guftin
fann nit^t, toie Äre^enbül^l annimmt, feinen ©. um V2 S^^^IS^""^^ J" f^^ angefe^t
l^ben. Da« 95u(^ biefe« ©. aber, bie äjioq^aaig jtieydkrjy lann ebenfo toeni^ öor bie 3^t
be«3uftinberlegth)erben, ba fic^ ^i^f**" ""^ felbft S^enäu« barüber au«fd^h)eigen. Daft e«60
aber üon biefen jur Dqrftcllung be« ftmonianifd^en ©vftcm« benufet fei, tüirb niemanb aufter
Äre^enbü^l glauben. Überbie« ^aben mir 3^ugniffe, bie üon 3iUitin unabl^ängi^ ftnb, tüie
ba« ber 21® unb be« Giemen« 2lle£., bie bie ^bentität beiber beftätigen. @« ift alfo ein
unb berfclbe ©., ber nac^ 21® 8 unb ßlemen« 2llej. ein 3^i*0^"offe be« ^etru« unb
nad^ Swftin ein 3^it9^"<>n« *^^ ßlaubiu« mar unb in ©amarien fein SBefen trieb. 55
3. Da öon S^f^J^^"^^ Antiqu. XX, 7 ein jjübif^er 3)lagier ©. au« ß^pem cr^
)n>äf)ni toirb, ber bcn ^rofurator ^eliir mit DrufiÜa, ber grau be« Äönig« Stjiju« t)on
ßmefa üerlu^j^jelt b^be, ift bie grage aufgeworfen Sorben, ob er mit bem famaritifd^cn
3Wagier ibcntifd^ ift. Äann man if^n Ieine«fall« (tjgl. Äre^enbü^l a.a.O. 205 ff.) Weber
bem cV>)rifd^cn 3)fagier ®t^ma« 21® 13, 6. 8 noc^ auc^ mit biefem bem $aulu« gleich eo
3Ö8 @tiii0ti ber aRagter
fcfeen, fo toirb nmn mit ber anbcm 5Kö0Rd^fcit rechnen bürfen, bafe er btefelbe ^erfön=
li^feit ioie ber ©. ber ä® ift, jumal er in berfelben 3^'^ wnb ©egenb lebte unb auc^
öffentlid^ l^erüortrat. 35ann toirb man ober bie angäbe feine« Sanb^mann« gwf^" über
feine §eimat (®ittä) atö juöerläfftg, bie feine« 3^it0^"oft^ ^^f^M ^^^ ^i"^ ^rrtum
6 betrachten, ber auf einer ^ertoed^felung be« unbeTannten ^lecfen« (Sittä (— ^ebr. ®ittim)
mit ber c^j^rifd^en ^aiH)t[tabt ßittium (= ^ebr. Äittim) beruht. SBie für bie ©efd^ic^tlit^f ett fo
toürbe and) für bic ^Ät be« ©. bie Slngabe ber altd^riftlid^en ©d^riften burd^ ben jübifc^en
®efd^ici^t«fd[>reiber eine Seftätigung erfahren. 9Jad^ 21® 8 mufe er f^on im Slnfang ber
breifeiger gal^re in ©amarien fein SBefen gel^abt ^aben. 9iaci^ ^n^ün ift er unter Glaubiu«
10 (41—54) nad^ 9iom gefommen. 3P ^ bon gelij, ber 52—60 ^rofurator in Gäfarea
tpar, ate öeirat«öermittler hmni^i Iporben, fo fann er erft jtoift^en 52 unb 54 nad^ 9tom
gefommen fein. 35a ^üii nai) S^acitu«, Annal. VII, 54; Hist. V, 5 fdjjon lange öor
62 neben feinem 2lmt«t)orgänger SSentibiu« Gumanu« einen leil ber ^robinj ©amarien
Dertoaltete, lann er l^ier i^n fennen gelernt i}abcn. SBie ^ol^ römifd^e 95eamte folc^c
16 Seute an f\i) ^eranjogen, jeigt bie ßrjäl^Iung bon bem 3<^uberer Sar ^efud unb bem
Statthalter ©ergiu« fawM, 31® 13.
4. ©einer gefd^td9tli(^en Sebeutung nat^ ift er ate ba« ju bejeid^nen, h>a« fein
ftänbiger SSeiname fagt, ate SKagicr b. ^. ^anbtttt, 3)amit ftimmt, bafe au^ feine
3(nl^änger ftd^ mit 3^^^^^^ abgegeben l^aben. ^afe er feiner 3Ragie ju lieb mit ^etru«
ao ($l^ilü)))u«) in ©amarien SSejiepungen anfnü))fte, um fo in ben 93eft| ber 6^ari«men
ju gelangen, toirb man al« gefd^id^tlid^e ^atfa^e feft^alten, toenn man nid^t ber 31®
bejh). i^rer CueDenfd^rift jeben gefd[>i(^tlid^en SBert abfjjredf^en tuitt. Db ©. me^r al« ba«
l^at fein tuotten, ift nid^t ftc^fer ju entfd^eiben. 5Rad^ 3(® 8, 9 unb 3uft., Ap. I, 26 ift
e« hjal^rfd^einlic^, bafe er fx4> auf ®runb feiner magifd^en Äünfte nid^t nur al« ^tttyai
28 ®rofee«, fonbem im |eibnifd^en ©inn afe einen ®ott bejeic^net ^at, ber in 3)lenfc^en-
geftalt erfd^ienen ift. »litfd^l (©ntfte^una ber altlat^. Äirc^e, »onn 1850^ 158 ff.; 1857=,
228), 3loai, §amad, £ij)ftu« (a. a. C.) laben i^n be«^alb aU einen famaritift^en aJleffxa^
betrachtet, toie aut^ ber ©amariter 3)ofit^eu« fxd^ al« ben toon ?Kofe« 3)t 18, 18 getoei«^
fagten ^rot)^eten unb Slleffia« (lal^eb) ausgegeben ^abe. 3lber für ein 9)leffw«tum ©.s
80 bieten tueber bie 3t® no^ S^ftin bie geringfte §anb^abe. 3)ie a^oIr^j)^en Sitten d^axah
terifxeren i^n jiüar al« ^feubod^riftu«, aber nur auf ®runb ber SSorfteHungen, bic eine
fj)ätere ^tit \\d) bon bem ßrftgeborenen be« ©atan (Pseudoignat. ad Trall. 11) gc^
mac^t ijat ; ä^nlid^ bie ^feuboflementinen. 3" *>^"^ gnoftifd^en ©^ftem ber §ärefeologen
ift er aUerbing« nid^t nur ber oberfte ®ott, fonbern auc^ ber ßrlöfer, ber in ©amarien
85 ate 3Jater unb in ^u!täa ate ©ol^n erft^ienen ift. 3lber l^at er ftd^ aud^ ate einen ®ott
bejeic^net, tuetterge^enbe SluSfagen lann er nid^t üon fi^ gemad^t l^ahm; bann müfete
er ja aud^ bon fid^ gefagt ^aben, bafe er nur gum ©c^ein gelitten ^abe unb geftorben
fei. SBie er eine berartige 9JleffiaSbebeutung au^ in bem ©^ftem ber öjiöcpaaig
fjieydXrj n\d)t l)at, fo l^at er ftc über^au}3t nic^t für fid^ in Slnfbrud^ genommen;
40 fonbern erft feine 2tnt>änger, bie i^re SSerei^runQ ©.S jur gnoftift^en fie^re auSbilbeten,
^abcn fie ibm — nid^t ol^ne ®influfe c^riftlid^er ^^been — beigelegt. ®erabe an
biefem fünfte ^at ba^er bic SJortcntiridfclung beS ©imonianiSmud cingefeftt. 3)aö
jcigt fd;on grcnäuS, ber i^n afe Ij^l. ®cift ftc^ offenbaren läfet, fotoie G^riH. §ierof.,
Cat. VI, 14, ber ate Sc^rc ©.S auSgicbt iavrdv ^ elvai rdv ijil oQovg 2Vvd (hg
46 Tiaieoa (pavivra, nagä de ^lovdalotg voiegov ovx h oagxi älXd doxrjaei d}g
Xqiütov ^Ifiöovv wavevxa xal juerd ravra (bg Jivevjua äyiov x6 vno xov Xqigxov
cbg naQGLxiijxov anooxeXkeo^ai ijiayyek'&ev. ^a^u ift ju üerglcid^cn 3lug., De haer. 1
dixerat enim se in monte Sina legem Moysi in patris persona dedisse,
Judaeis tempore Tiberii in filii persona apparuisse, postea se in Unguis igneis
60 spiritum sanctum super apostolos venisse.
SBic aber fein 3KcffiaS, fo ift er aud) nid^t, iüic ®. SRcnan, I-ies Apötres, ^ariö
1860, 154 fagt, le chefd'un mouvement religieux parallele ä celui du christia-
nisme, noc^ h)ic §arnadE (a. a. D. unb 3)ogmcngcfc^.^ 179) bc^au^tet, ber ©tifter einer
Uniljerfalrcligton beS l^ö^ften ®ottcS. 3)cr IWrfud^, ein berartige^ mit bem 6l^riftentum
66 ribalifiercnbeS iHcligion^f^ftcm auf^uftcUcn, l)at aUcrbing^ in jener 3^* t>^ ©tjnfrctiSmuS
unb gcrabe aud; in ©amarien nic^ti^ UnglaubtüürbigeS. Slbcr l^at ©. fid^ nid^^t ate
Gl^riftuS be^tü. ate SSater, ©o^n unb l;l. ®eift bejeic^net, fo ift er aud^ fein Slcligion^i
firünber geiocfen, nod^ aud; ber ©tifter einer Unitjcrfalrcligion, t^atfäd^li^^ ^at er ja aucb
aft auöfd;liefelic^ nur in ©amarien "Jln^änger gefunben (f. u. ©. 359, 82 ff.),
tiü (Jbenfo fann er aud; nic^t ate S^egrünber einer ©cftc, fei e^ einer famaritifd^en ober
®im0tt ber aRagter 359
(^riftlid^cn, betrachtet iDerben, iüic c^ \. 95. SKarcion iüor. 35a er in bem gnoftifd^en
©toftem, ba« na6) t^ni genannt tft, felbcr Dbjeft ber gnoftifd^en ©})cfulation ift, iüoju
fiep SKarcion nie geniad^t l)at, iann er nid^t Urheber be^felben fein. 3" *>c" älteften
SBcrid^ten erfd^eint er auc^ niemals ate fold^er. (grft feine 2ln^änger ^aben ü^n baju
geftem^jelt unb bamit gum ©e!ten^au})t erl^oben. 6d ift barum eine tüilllürlic^e Oe* 5
fc^id^tdlonftruftion, iüenn ^u^tin i^n an bie ©))i^e ber d^riftlit^en Äe^er geftcttt unb ba^
mit }\um ©tammöater ber t^riftlid^en ©nofiig gemad^t f^at ©. felbft ift fein ©noftiler,
ba« gnoftifd^e ©Aftern ber ©.ianer ift lein d^riftlid^e« getoefen. G^riftu« ^at barin
feinen ^la^.
5. 3P <*Ifo ®- geft^ic^tlic^ betrad^tet nid^t me^r afö ein S^wberer, ber fid^ für einen 10
©Ott angegeben H^at, tuie f}ai er bann bai^ ^immlifc^e SBefen, bie ©ottl^eit toerben fönnen,
beren Äultu^ in ©amarien 3iuftin nn^ bejeugt (Ap. I, 26)? 3)ie ^ol^e SJere^rung, bie er
nac^ 21® 8 in ©amarien genofe, mu^te baju h)efentlid^ mittoirfen. ©ie tourbe bur^ ben
2lnft)rud^ gefteigert, ben er für ftd^ erl^ob, ein ®ott ju fein, ©t^liefelid^ üerfd^molj fie —
barauf tueift un« ©.« Segleiterin Äelena l^in — mit bem Äuitu« be« ©onnengotte« ©em 15
(©(^emefc^, $erafle^, 9BoIo^, 3KeIfart, 95aal) unb ber 5Konbgöttin 2lftarte ($elena,
©elene, Suna), ber in bem benad^barten 5ßl^önijien ^eimift^ unb auc^ in ©amarien in
griec^ijc^er unb römifd^er ^Ät ni(|t ganj erlofcpen tuar (Dgl. 21. Äil^enfelb, 3)ie Äefeer*
gef^ic^te, Sei}) jia 1884, 153 f.). 2)enn aU gefd^id^tlid^e ^erfönli^fext toirb man biefe
^elena nic^t auffaffen bürfen, ba fte toeber ber fanonifc^en 21®, noc^ ben apotti^pbtn 20
äiften, no(^ ben 2llejanbrinen, noc^ an^ ber än6<paaig jueyäkrj befannt ift. Seacptet
man aber i^ren 9lamen, ij^re ßriinöt (S^^ni^)/ i^te SJergangenl^eit, fo toirb man barin
bie Sejie^ung auf bie t^rifd^e lUlonbgöttin unb il^ren fTttenlofen Äult nid^t berfennen.
3ft aber §elena nid^t« anberö al« bie ))l^önijifc^e ®ott^eit 2lftarte, bann ift ©. überall
ba, iüo er mit i^r genannt unb göttlid^ öere^rt tuirb, nic^t mel^r blofe ber Vergötterte ober 25
f\d) felbft üergötternbe 3)lagier, fonbern ber ))l[;önijifc^e ®ott ©em^Sc^emefd^, mit beffen
kvdt fxc^ ber ©.fult üerfd^molj. ©0 ift ©. — jebenfattg lange öor ^wpin — ber fa^
maritifc^e Sanbe^ott gctoorben, bon bem ^n^ün fagt: ^aft alle ©amariter, aber aud^
einiae in ben anbern Sölfem verehrten il^n aii ben oberften ®ott (ügl. baju 95aur,
Gl^rtftl. ®nofx« 304 ff.; fetter a,a,D 169; £i})fiug a. a. D. II, 1. 35. ao
6. SBie lange biefer ©.fult in ©amarien unb in ben anbem Sänbern beftanben ^at,
toiffen iüir nid^t. Sebenfallg ift er fc^on balb nac^ ^wpi" i^^ Ba6)t einer ©efte ju-
fammengefc^moljen, beren 2lnl^änger ©.ianer genannt tourben. SBie lange fte in il^rer
^eimat, in ©amarien, beftanben f)ai, toiffen h)ir ebenfatt^ nit^t. 3" ^öläftina bejit). in
ben angrenjenben Sänbern gab e^ nod^ jur ^t\t be^ Drigene^ ©.ianer, aDerbingdsö
o(p6dQa iXdxKnoi (c. Geis. I, 57). S^x ^rit be« @})i})^aniug (Haer. 22, 2) iüaren
fie fc^on erlofd^en. ®ufeb. H. E. ,11, 13 iüei^ noc^ babon ju reben, ba§ fie big ju feiner
3eit beftanben (elg devgo). ^n Slg^i^ten ift i^re ®Eiftenx burd^ßlemen« üon 2lIeEanbrien
bezeugt, ber auc^ eine 2lbjh)eigung berfelben, bie ^\ii\)qxtm, nennt (Strom. VII, 17).
3ur ^^xi be« Drigene^ mufe jeboc^ i^re ^aijl an^ ^ier fe^r flein getoefen fein (c. Gels. 40
I, 57; an einer anbern ©teile VI, 11 fagt er gar: ovdafxov yäq xrig olxov/ihrjg
2:tjLLCüviavoi)* 2)od^ ^aben fxe fic^ üor 200 auq im 2lbenblanb au^ebreitet unb ^ier
längere >^t\t beftanben, iüie h)ir au^ ^xzn. I, 23, 4; lert., De anim. 57; §i})})ol.,
Phil. VI, 19 {ecogvvv); $feuboc^J)r., De rebaptis. 16 entnel^men fönnen. 9Jad^ biefen
©d^ilberungen, tüoju auc^ @})ij)l^an., Haer. 21 ju Dergleichen ift, ^at biefe ©efte einen 45
toefentlid^ off ultiftifd^=libertiniftifd^en ß^araf ter gehabt. 2Benn fie mit ©. nac^ Orig. c. Gels,
ben ©ö^enbienft al^ ein 3lbia^^oron angejei^en l^at, fann fie faum ate eine d^riftlid^e
bejeic^net Voerben. ^^re SSere^rung l^at auc^ nac^ ^xm. I, 23, 4 nur ©. gegolten. 2lber
in berfelben SBeife toie baö ^i^bentum unter bem ©influfe 5ß^iloö feine gnoftifc^en ©eften
^erüorbrac^te (bie 3Jiinim togl. 9K. grieblänber, 35er borc^riftlic^e jübifcle ®nofticigmug, 50
©öttingen 1898), tüte ba^ ß^riftentum feit ben lagen ^irajang fi(^ feine gnoftif^en
©Vfteme fc^uf unb barin bie ^erfon ßl^rifti in ben 3!)ienft gnoftifc^er ©J)efulationen
ftetlte, fo ^at au^ ber ©.iani^mu^ feine gnoftifc^en ©^fteme au^ebilbet unb barin ©.
jum 3:räger beg SBBeltprogeffe^ unb ber ©rlöfunggibee i^ugleic^ gemad^t. 35ag ift in üer-
fd^iebener SDBeife auf alejanbrinifd^em unb ft^rifc^em Soben gefc^el^en. ©0 fmb bie beibcn 65
un^ befannten fimonianifc^=gnoftifd^cn ©^jfteme entftanben, ba^ ber &n6(paoig /tieydXrj
unb baö ber auf ^wftin jurücfge^enben §ärcfeologen. ©0 ift ber famaritift^e ®ott ©. in
bie ®efc^id^te be^ ©nofticiiSmu^ eingerücft.
7. 2)ie &7i6(paaig fieydXr] ift freilid^ mit anberen gnoftift^en Duellen §i^))oh;t^ al«
eine gälfdj^ung üerbäd^tigt ioorben (l>gl. §. ©täl^elin a. a. D.), unb jtoar au« einem bojjj^elten eo
360 ®nMK bcr Slagter
®runb: (Sinmal jeigc fic eine aufföBifle Übereinftimmung im Orunbgebanfen toic in
einzelnen SBcnbungen mit anbem gnoftifc^cn S^ftemen, bie in §i^t)oll?tö Phil, toibe^
Uöt toerbcn. ©obann ftimme fie niö^t in ber ajarftettung bc« fimonianif^fcn ©i?pem^,
toie toir fte bei bcn anbem §ärcfeoIoöen finben. 3ft c« aber Don Doml^erein fe^ toenig
6 toa^rfc^einlic^, bafe ein fo tieffinnige« unb eiflenartige« ©i^ftem toie ba« ber djuitpaotg
eine gälfd^ung neben bieten anbem fei, fo jeigt e« vbttfyaiapi nur eine geringe )8er=
toanbtfc^aft mit bm anbem ©i^ftemm, bie i&H)i)oIi;t beft)ri(^t. SBo fie ober Dor^ben
ift, ertlärt fie fic^ babur(^, bafe ebm bie änoq^aaiq l^ier bie ©mnblage für anbere ©i^ftemc
getoefcn ift (Dgl. Phil. IV, 51 ; V, 9). SBa^ il^r Ser^ältni^ ju ben übrigen a^arftellungcn
10 be^ ©.iani^mu^ anlangt, fo lann ber grofee Unterf^iieb, ber ^ier befielt, ni^t geleugnet
toerbm. 2tber f o anber^rtig ba« ©^ftem ber an6(paau; ift, fo finbet e^ fic^ bod& au^^ fonft
bejeugt, toie fd^on bei 6Um. Älej. II, 11 (ber iarcog), fo au(^ in ben ^Pfeuboflementinen
(l^ier aud} ber arrjaofievog), fotoie bei Gregor. Naz., Orat. 44, 2, ber Dier ftott brei
©V5t;gim aufjä^lt (bgl. baju eiia« 6ret., Comm. in Greg. Naz. Orat. 23, 16 fotoic
15 9liceta^, Comm. in Orat. 44, 2) unb bamit betoeift, baft er feine Äenntni« nic^t ou^
&iip\>olt}i gefc^öj)ft l^at. ^a^^n bringt j^ieron^mu^, Comm. in Mt 24, 5 em gitat aud einer
fimonianifc^m ©c^rift, bag feinem ©til unb Sn^^It nac^ nur au& ber djiöqxiaig gef(^öj)ft
fein lann: Ego sum sermo Dei, ego sum speciosus, ego paracletus, ego omni-
potens, ego omnia Dei. 2)iefe 3^0"^^^ betoeifen, baft ein ftmonianifc^^noftifc^
20 ©^ftem, tüie ba« ber AjioqyaoK; tjKxtfäc^Iid^ ejiftiert ^at. 2)er bor^nbme Untörfc^i*
biefe^ ©^ftem^ unb be« burc^ SwfKn bejeugtm erllärt fic^ ba^er ni(^t burc^ bie abi-
nal^me einer gälfc^ung, fonbem burc^ bie einfache ^tfac^e, baft e^ jtoei Dcrfc^iebenc
fimonianifd^^e ©Vfteme gegeben Ifai. 2)iefe Si^atfac^e aber finbet toieber i^rc ertldrung
in ben öerf(^iebenartigm ßinflüffen, bmm ber ©.iani^mu« inälejanbrim bejto. inS^^rien
26 unterworfen toar.
Sft nun für bm aleianbrinifc^en ©.iani^mu^, toie toir i^n in ber &3i6(paau; g^
funben ^abm, nebm bem gei^Im ber ^elma^^ßunoia befonber« ber Segriff be« lairnq
(^aralteriftifc^, fo toeift biefer unberlmnbar auf bie alqranbrinifc^e 9leIigiong|)^iIofoj)bic
jurücf. ©0 fte^t er toieber^olt bei ^l^ilo ate Seiname ber ©ott^eit {6 juev [t?w]
30 xarä lä avxd ioKog, De nom. mut.) unb bejeic^net fie al^ ba^ Untoonbelbare, bo^
bem unauf ^örlic^m gluff e ber ySveoig gegenüberfte^t (xo juiv oiv äxlivak iaxcbg i^eo;
ioTi, x6 de xivrnbv ff yheoig^ De poster. Cain. ögl. baju feine ©d^rift Quod Deus
Sit immutabilis). 2)a^felbe bebeutet er bei 6Iem. äle|., Strom. I, 24, 163: d^ildl xh
iaicog xal judviiiov Tov&eov xal tö äxQeJttov 9?a>g(bgl. (pa>g lax6g Strom. VIII, 10.
86 57). ©an^ ba^felbe ift aber ©. ate ber loxd>g im ©^ftem ber äjiöqniaig. ©o fagt
ba^er ^i^ilo. De poster. Cain. : 6 tiqooiojv ^ecß oxdoexog i(pUjai, 6 dk &ncüJü(m6fi£-
vog äre yevioet rfj xQeJitofihj} ngooicbv xatä xo elxög (pogevezai. 3)amit fümmt
toieber, toa^ bie ä7i6<paoig aU iai 3^^' ^^ SKmfc^i^eit^enttoicfetung l^inftellt, fotoie too^
6Icm. 2lIeE. II, 11. 52 aU ba^ Sebm^ibeal ber ©.ianer bejeic^net, ä^nli(^ ju toerben
40 bem eorcog, bcn fte Dere^ren. gft aber ber ©influfe ber aleianbrinifc^m Sleligion^^ilo-
fo))^ie in bicfem ©^ftem be^ ©.iani^muö unöerlennbar, fo fann feine §eimat nur
SJIejanbrien fein, tool^in ung fd^on feine litterarifc^e Segeugung bei ben alejanbrinifc^cn
Äir^cnlcl^rem gefül^rt ^at. 2)iefe emt)fängt aber toieber ein befonber« l^elle^ 2\^t inxi}
bie SJtitteilung ber j)feuboIIementinifd^m ^omilim (H. 2, 22 — 24), bafe für bie ©eftc
46 ber ©.ianer, bie in 2lle|anbrien beftc^t, ber SJegriff iatcig gerabegu grunblegmbe 35cs
beutung ^atte. 2)ie Icgenbarifd^e, grob finnlid^e ©rllämng, toelc^e ber Sctfaffcr ber
Älemcntinen l^ierfür gicbt (t>gl. aud^ R. 2, 7), betoeift nur, bafe er nic^t me^r ein richtige«
a?erftänbni« für bie i^m fonfttoic getoorbene 3KitteiIung l^attc. Ob in älqranbrim aud^
ba« Suc^, bie äjiocpaotg fieydXtif gefd^riebm ift, mufe bal^in gefteHt bleibm. 2Benn c^
60 ,,ganj unfamaritifc^" ^rot)^eten oe« "äXi unb bie ©))rüd^e ©alomo^ bmu^t, lann c^
iebrnfaD^ nic^t t>on Simon fclbft noc^ aud^ im Äreife feiner famaritifc^m än^änger ber*
fafet fein. 2tn bie j)]^iIonifc^e ©c^riftau^Iegung erinnert bie rein allegorifd^e 9Ket^obe,
mit ber bie Sibclfteüm für reIigion«t)^iIofo^^if c^e ^bcen ausgebeutet toerbm. 2)afe bei ber
äbfaffung auc^ d^riftlid^c ßinflüffc mitgetoirft l^aben, berrät bie Sertoertung fc^riftlic^er
66 ßoangelien, ber ©riefe beS ^auIuS unb 5ßetruS (t>gl. ^ilgenfelb, Äe|ergef(^i(^te a. a. 0.
453 f.).
Unter toefmtlid^ anbcrSartigen ©inflüffen l;at fic^ bagegm ber ©.ianiSmuS ent*
toidfclt, üon bem uns $);uftin unb feine 9^ad^a^mer Äunbc geben. 3" feinen Orunbjügm
mit anbern älteren gnoftifd^en ©^ftemcn Dcrtoanbt, ift fein ©^ftem toie baö alejanbri^
eo nifc^e barin eigen^^ unb einjigartig, bafe eS ben oberftm ®ott einer ^iftorifc^en $erfön-
Simon htt SRagirr Simon, Sitd^arb . 361
lic^Icit glcic^fc^t. ©iS ift ballet unbcnibar, ba^ c^ ©. fclbft crfonnen unb auögebilbet
f)ai, @« finb biclmcl^ aud^ ^ter feine Stn^änger gelDcfen, toelc^c ben bon i^nen gött=
lic^ öerej^rten ©. = ©em-©c^emefc^ unb bie ^elena^Slftarte ju Objelten gnoftifc^er
©Ipefulationen mad^ten. 3ft biefe^ ©Aftern md) Suftin, Ap. I, 26 in ©amarien ent^
ftanben, fo \)at e^ feine JjoHe Slu^bilbuna erft ba gefunben, too e^ fotoo^l mit ber babl^= 6
lonifd^en aU aud) mit bei ^ettenifc^en ©ebanlentoelt in SJerü^rung treten lonnte; \mx
t)ermuten in ©^rien. ßier in äntio^iien, l}at ftc^ ba^ ©bftem be^ SJlenanber, eine^ au^
bem famaritifd^en %Uam Rauppaxataxa ftammenben Bö^mni ©.g, ju feiner SJIüte ent=
toidfelt. ^itv tvax aud} ber günftigfte SJoben für bie ftmonianifc^e ©nofi^, in ber fotoo^I
in ben ©runbgebanlen h)ie aud^ in ©injeli^eiten ber ßinfc^Iag bab^Ionifc^er 5K^tboIogie lo
fotoie l^ellenifc^er ällegoriftif unberlennbar ift. 9?ic^t blofe auf ben J)l;önigifc^en ©ö^en«
bienft, fonbem le^tlic^ auf ben bab^Ionifc^en 5Kvtl;u^ bon ber §immcl«göttin IStar, ber
©(^ö^ferin ber SJlenfc^i^eit unb 2el;rmeifterin ber Unguc^t, gel^t bie j5^I^"ö-3lftarte gurüdf;
auf bab\^Ionifd^e SSorftettungen öon ber §errfc^aft ber ©eftimmäc^te bie ©d^ilberung öon
ber iperrfc^aft ber ßngel über bie gefallene ®nnoia unb 5Wenfc^l^eit, auf ben 3!urm gu is
93abel mit feinen fieben ©todtoerlen, ben „S^urm ber fieben ^jSIanetcn", h)ie er in ben
Äeilinfc^riften ^ei^t, ber lurm, burc^ beffen ©tocfiDerl man einft bie $elena (= Qn^
noia) l^erunterftürgen fa^ (R. 2,12; H. 2,25; l)gl. baju SB. 3lng, 3ur grage nad^
bem Urft)rung be« ®noftici«mu« in %VL XV, 4, Sei^jig 1897). aiuf ^eDenif^je Tlf
tl^ologie toeift bie SJemerlung be« 3^^"öu^ 1/ 23, 4 (t>gl. 6t)i))^., Haer. 21), bafe bie 20
©.ianer ben ©. unter bem Silbe be^ 3^ug unb bie §elena unter bem SJilbe ber
SKinertoa berel^rt Ratten. SBo man bie ^ejiel^ung ber (Snnoia gu ber ^elena^Slftarte
nod(^ lannte, ^ätte man fte unter bem Siloe ber 2lrtemigs2)iana bargeftettt. ßrft ba,
tüo man biefen gwfönimen^ang nic^t me^r burc^fc^aute, lonnte man fte, bie ©nnoia, mit
ber ait^ene^aJlinertoa ibentifijieren, bie ate ber erfte ©ebanle bem paupU be« 3^^ ^** 25
fj}rang. auf l^ettenifd^er Sluegoriftil, in^befonbere auf ber attegorifierenben Deutung ber
^elena bei^omer, Odyss. IV. 121. 122 \>nxd} bie gried^ifc^en 5ßl^iIofot)^en, h)ie ©uftat^iu«,
Comm. in Hom.Od. IV, 121 sq. berul^t bie 3ibentifigierung ber ßelenasennoia mit ber
trojanifc^en ^elena (bgL^ren. I, 23, 3; SEert., Deanim. 34; Qpxpt^an,, Haer. 21,2—3).
Sluf aiu^fül^rungen, h)ie tüir fte bei ^lato. De republ. 9 (bie unt)emünftigen üRenfd^en, so
unbelannt mit ber toa^ren ^dovi^ ftritten für ein Srugbilb, toie nad^ bem ©teftd^oru^
in bem troj. ürieg für ein etdcolov ber §elena geftritten tDorben fei, au^ Unlunbe ber
toal^en), aber au^ fonft tüie bei ©ejt. emj)iricu«, Adv. Mathem. 7, Slriftibe«, Orat.
Plat. I, Orat. Panathen, 6uri))ibe^, Helena 31 sq. finben, alfo auf iXXrjvixol uv^oi
(H. 2, 25), greifen bie t)arallelen ©ebanfen be« ftmonianifd^en ©Vftem^ gurüdf, bafe 36
bie ©riechen unb Barbaren nur um ba« Silb ber ßunoia gelämj)ft l^ätten, o^ne fte
felbft JU lennen, toeil fte bei bem oberften ®ott teilte (H. 2. 25 ; R. 2, 12 ögl. bagu
5leanber a. a. D. 348 f.; ©imfon a. a. D. 63 f.). 33on ben ©ebanfen bab^Ionifc^er ^K^tf^o*
logie unb griec^ifc^er ätttegoriftil in gleicher SBeife befruchtet, ift fo ba« fVrifd(^e ©^ftem
be« ©.iani«mu« entftanben. S)afe babei auc^ d^riftlid^e ©inflüffe mitgetüirft ^aben, betoeift 40
foh)ol^I ber Serglei^^ ber §elena mit bem verlorenen ©d^af (^i 18, 12; 2c 15, 6), afe
auä) bie Semerlung, bafe '©. in ^nhäa ate ©ol^n erfc^ienen fei unb l^ier gelitten l^abe.
3m übrigen ift auc^ ba« f^rifd^e toie ba« alejanbrinifc^e ©Vftem o^ne jebe innere SJegiei^ung
gu bem ßl^riftentum.
®a« ift barum nur bie biftorifd^e SJebeutung be« ©.iani«mu«, bafe er eine ^ßaraüele 46
gur ©nttoidfelung be« ßl^riftentum« barfteHt : ^ier toie bort eine gefc^ic^tlid^e ^ßerfönlic^s
feit, bie il^re geit in ©taunen fe|t unb fic^ felbft eine göttliche SBefen^eit beilegt, ^ier
loie bort i^re göttlid^e Sere^rung unb Sergottung, l^ier toie bort i^re 33erfd^meljung mit
Glementen orientalifd^cr SK^t^oIogie unb griec^ifdj^er 5ß^iIofot)l^ie, l^ier toie bort i^re Ser-
toenbung im SDienfte gnoftif^er 5BeItentloidfeIung«s unb aBeIterIöfung«tl^eorien. 00
©tmon, ber aWoffobäcr f. b. ä. $a«monäer »b VII, ©. 466,46.
Simon, SWid^arb, geb. 1638, geft. 1712. — fiittcratur: 51. S3crnu« (cjcft. 1904),
Kichard Simon et son Histoire Critique du Vieux Testament. La Critique Biblique au
8ik;le de Louis XIV. Th^se; I^usanne 1869, 144 pp.; bcrf., Notice Bibliographique sur 66
Kichard Simon (Extrait de TEssai de Bibliographie Oratorienne, par le Pfere A-M-P. In-
fold) BÄle 1882, 48 pp. (Notice biographique ; Liste chronologique des publications de S.;
ravaux sur TAncien Testament ÜJh. 1—92; sur le NT '^x 93—147; relatifs aux ^glises
362 Simon, Sltc^tb
orienUles 92r. 148 — 175; ouvrages divers 92r. 176—242; o. projet^s par Ö. 'Kr. 243—256;
faussement attribu^s k S. ^x. 257—261; sur R. Simon ^x. 262—296; in hex Icjiteii «b=
tcilung ?lrbcitcn r>on SRcnan, 3)laffon, Jroc^on, St. ^. (äJraf); 3)icftel, ©cfdjicfttc bcd «X in
ber c^Tiftüd)en ^irc^e, passim; bie alt^ unb neuteftamentlid^en Einleitungen; bie (^na)f(opöbien,
5 aulc&t bie JE X, 374 (3acob«); über eine Ginjcl^eit 91. S3IubQu, 9». Simon unb baö
Comma Johanneum (1 3ü 5, 7) in: ^er Rotbolif 1904, 1, ©. 29—422, 2, @, 114—122).
au ber eigentliche Segrünber ber l^iftorifc^4ritifd[)en biblifd^en einleitungötüiffcnfc^aft
tüirb 31. ©imon l^eute nod) mit SRed^t biel genannt. (Seboren in ^xtppc in ber 9lor=
manbie ben 13. 3Wai 1638, 1658 9?obije ber Dratorianer, toieber jurücfgctreten, im
10 September 1662 in $arid aufd neue eingetreten, aU i^m bie Sriaubnid gugeftc^ert
tourbe, feine Stubien and) toä^renb bc« ^lobijiat^ fortjufeften, am 20. ©qjtember 1()70
jum Sßriefter getoei^t, am 21. Mai 1678 infolge ber 33cröffentlic^ung feiner Histoire
critique du Vieux Testament au^ ber Kongregation au^efc^loffen. ©r pg fxö) auf
bie ^Pfarrei SJoHebitte in ber 5lormanbie jurücf, bie er 1676 erl^Iten l^atte; fj)äter lebte
15 er in ^'xtppt, Slouen unb 5ßari« unb ftarb in 2)ie))j}e 11. 3lt)ril 1712 (nid^t 21. Sfril
1721, tüie e^ in ber Jew. Enc. X, 374 ^ei|t). 3lfe Oratorianer toar er eine ß^t lang
^rofeffor ber ^^ilofojji^ie in 3uiII^; mel^r feinen Steigungen cntfj}rad^ e^, bie orientalifc^en
^anbf^^riften ber Drben^btbltot^el ju fatalogifteren unb babei btblifd^e, rabbinifd^e unb
J)atriftifd^e ©tubien gu treiben, ©einer ganjen 9latur unb ©eifte^rid&tung nac^ S?er-
20 ftanbe^menfd^^, Slattonalift, ^atte er toenig Bt)mpaÜ}U mit ber mj^ftifc^sjanfeniftifd^en
grömmigleit feiner Oefettfc^aft, mel^r mit i^ren ©egnern, ben 3^"^^^"/ ^i^ fi^ ^^^
g(etc^faU^ }u(e^t bon ibm abtDanbten, aU fte ber5tt)eifelten, ftc^ i^n ganj bienftbar ^n
machen, ©eine neuen erfenntniffe, aber auc^ fein atteaeit angriff^bereiter ß^arafter tm-
h)idfelten tbn in ungä^Iige ©treitigleiten. 2tm belannteften unb tüic^tigften ift ber ©treit,
25 ber ftc^ an feine Histoire critique du Vieux Testament antnü})ft.
enbe 1677 ^atte \>a^ SBerl, an bem er feit fieben Salären arbeitete, glüdflic^ bie
3cnfur ^Jaffiert, lag aud^ fc^on im 5Dlärj 1678 bi^ auf 3:itel unb Su^iflnunö ^^ "^
König gebrudft bor, ate burd^ ben Serleger 3lbgüge ber ^nbaltgüberfic^t unb SJorrebc in frembc
§änbe lamen, ein Qitmplav über Slenaubot aud^ an SJoffuet. 2)ie Überfd^rift öon Ä. 5
30 'Moyse ne peut ötre Tauteur de tous les livres qui lui sont attribu^s' genügte,
noc^ am ®rünbonner«tag fein ©infc^reiten ^n beranlaffen unb am 19. ^nnx bie 3Jer=
nic^tung be^ SBerfö gu ertüirlen. äUon ben 1300 6jemj)laren be« 700 ©eiten ftarlcn
Sanbe^ l^aben ftc^ nur tüenige erbalten. 3lad) einem berfelben öeranftaltete ber ämftcr-
bamer 35uc^brudfer Daniel 6Ijet>ir 1680 eine ungenaue Slu^abe (in mel^reren Auflagen),
35 bi^ 1685 in SRotterbam (anbere ejcmj)Iarc ^aben 3lmfterbam auf bem Sitel) eine aus-
gäbe folgte, bie jtüeifello^ bon ©. felbft berrübrte, tro^bem eine SSonebe au^ angeblich
j)roteftantif^er ^anb unb ätnmerlungcn, bie Don ©. in britter ^erfon ft)rad^en, aud^ eine
gleichzeitig erfc^emenbe, einem reformierten ©eiftlic^en in ben SRunb gelegte 'Reponse
de Pierre Ambrun' ineleiten foHte, tciltoeife aud^ inegeleitet F^at. Über bie Se^
40 ftreiter be^ SBerf^ (6^. 3)1. be 35cil, ein jum ilatl^olicigmu^ befel^rter ^nht bon aHc|,
bann 2lnglilanifc^er ^rieftcr bon ^ull^am, jule^t S5aj)tiftenj)farrer, (gjec^iel ©)>an=
^eim, 9ifaal SJofe, 5ßaul Golomie^, 3- Sa^nage, g. ßlericu«, SK. le Saffor unb anbete)
f. SJemu^ 3lx. 13—86. Der neutefiamentlic^c 2^eil tüurbc, gum 3;eil burd^ SRad^träac
jium altteftamentlid^en, fo au^fül^rlic^, bafe er in brei Quartbänbe mit befonbem iitein
45 gerfiel: Histoire critique du text du NT 1689, des versions 1690, des princi-
paux commentaires 1693 (»ernu^ 3lx. 92—110; 111—118; 119—122). 2)aran
^loffen fid^ 1695 Nouvelles Observations sur le text et les versions du NT,
bie fogar unter bem ©d^u^ be^ ben ^önf^nip^n. feinblid^en ßrgbifc^of^ bon ^arief er=
fc^einen burften (S3ernu^ 3lx. 123 f.), enblid^ eine Überfe^ung be^ 3tZ^ ind fjranjöfifc^c
50 au^ ber Sulgata (SJemu« 3lx. 131—147). ©ine fold^e tüar ein tüirllid^e^ 33ebürfniö
(f. 33b III, 135, 57), eine anbete ^rage freiließ, ob gerabe er, ber ju ber Slufgabe jtoar
eine größere ©clcbrfamleit ate anbere mitbrachte, aber fcl(}r Irenig an anberen ni^t minber
nötigen (Sigcnfd^aften, ber 3Kann Wax, fic glüdflid^er m löfen, ate feine jal^Ireid^en 5Rit-
betüetbcr um bie ß^rc be^ ©elingen^. ©clbft fein Irangöfifd^er ©til, ber übrigen^ im
55 bcften ^aüc noc^ nid^t bie ^ä^igieit verbürgte, ben biblifc^en tüibergugeben, fo bebeutenb
er abftic^t gegen bie gelehrte Unbeboifcnbeit ber Schreibart ber au^länbifd^en ä^i^fl^noffen,
fann nic^t ah ein üon tieferem ©tubium ber 3)lutterfJ)rad^c jeugenber gelobt Serben.
Slllein ©. ^atte fein fieben lang fo unenblic^ Diel an jebem anberen Überfe^er, befonberö
an ben bamaU bcliebteftcn, ben ^^^anfeniften, ^\x tabeln gefunben, bafe e« getoiffermaften
60 für i^n eine (S(?renfad^e h)ar, burc^ bie i^at ju jeigen, bafe er ein Slec^^t baju gel^t.
SimoK, Slid^arb 363
Gr fing mit bcm 3fX an, tüoju er ble SSuIgata ju ®runbc legte, in untcrgefefeten Stn^
merfungen aber tei(d bie griec^ifc^en Se^rten b^pxad}, teil^ Bad^i unb äBorterHärungen
gab mit l^äufiger (toir bürfen tüol^l fagen affeltierter) SJerüdtfic^tigung ber Äirc^enbäter.
2)a^ SBerf erfc^ien 1702 in bier SJänb^en ol^ne ben 9?amen be« Serfafferg, unb tourbe
^u mehrerer ©ic^er^eit in bem ©täbtc^en Iröboui, toeit bon 5ßari^ hjeg unb unter bem 6
©d[)u^e be^ bort regierenbcn fouberänen 3)uobejfürften gebrudft. 5Wic^t^beftoh?cniger toufete
man tn ber ßauj)tftabt Jof^^^^f ^^^ ^ t^^^^i* für eine SJctüanbtniö ^abe, unb ber grofte
93offuet gab jtc^ bie SKül^e, bie gehörige 3^^' ^^^ ile^ereien, befonber^ foctnianifc^en,
unb bie aQerbing^ ^^ablretd^en 9lbtt)eid^ungen t)on ber trabitioneUen @rllärung barin auf-
iuf^üren, um juerft burc^ bifc^öflid^e 9lutorität in einjelnen ^iöcefen, balb aud^ burd^ lo
öniglic^e, im ganjen SReic^e bg^ 33ud^ ju unterbrüdfen. 33ergeben« fuc^^te ©..burcb ben
S)rudf einzelner Äarton« mit änberungen in Überfe^ung unb Srflärung ba^ ^ufeerfte ju
t)ermeiben; er lonnte ba^ Serbot mä^t abtoenbcn, gab aud^ bie gortfe^ung feinet Unter-
nehmend auf, aQein er lieg ftd^ bod^ nid^t ju äBiberruf unb bemütigem 93e!enntnid feiner
Srrtümer l^erbei. Übrigen« ift fein SJKE je^t beraeffen unb feiten geworben, l^at auc^ 15
nur burd^ feine ©d^idEfale ein 3"^«!^^« für ben Sitterärl^iftoriler, leine« für ba« größere
^ublifum, eth)a ate unberbient Jjerfolgte«, eine« befferen SoF^ne« toürbige« 38olwbud^.
3n bem @jemj)Iare, toeld^e« @. SHeufe befafe, fmb bieilarton« nid^t eingefügt, fonbern am
ßnbe nur beigebunben, fo bafe man bie gemad^ten Snberungen neben ber erfien tjaffung
febr leidS^t überfeinen unb beurteilen lann. 20
SBir ertüäbnen bon ©.« arbeiten nur nodj^ jtoei ©ammlunaen bon ©riefen unb
t)ermifd[^ten Sluffä^en, bie er gegen ba« ßnbe feine« £eben« beranjtaltete: Lettres choi-
sies de M. Simon, 1700—1705, 3 3!eile unb Biblioth^ue critique ou recueil
de diverses pi^ces . . . publi^s par M. de Sainjore, 1708 ff., 4 Xeile. ^n
beiben berftedte er ftc^ nadj^ feiner ©etüo^n^eit hinter bie ft)anifdne SBanb ber Slnon^mis 26
tot, ol^ne irgenb jemanb gu täufd^en; beibe enthalten biele beitrage }ur Sitteraturgefc^ic^te
jener geit unb fc^öne 5ßrobcn ber umfaffenben (Selel^rfamleit be« 5Wanne«. 3lad} ©.«
2!obe erfc^ienen noc^ jtoei S3änbe: Nouvelle biblioth^ue choisie, 1714 etc. —
älKe biefe SBerle tragen hoHänbifd^e S)rudforte auf bem 3!itel, lamen aber au« Dffijinen
t)on XxiiDOui, 3lancg unb 5ßari«. 30
©. brad^te feine I^ten 2eben«ia^re in feiner 33aterftabt 3)te})t)e ju, jiemlid^ abs
gefd^Ioffen unb o^ne nähere greunbe. S)ie ^efuiten brad^ten e« ba^in, bafe if;m bon
feiten ber SBe^örbe mit einer Unterfud^ung femer 5Pat)iere gebro^t tourbe, unb fo fafete
ber geängftigte 5Wann ben entfd^Iug, bicfelben eigenbänbig ju gerftören. ©0 berid^tet
toenigften« bie Überlieferung, einige« jeboc^, unb nid^t Unbebeutenbe«, bel^ielt er jeben- 86
fall« jurüdf, Slnbere« l^atte er in Sloucn unb $ari« bei gi^eunben untergebracht, ©eine
litterarifd^e Äinterlaffenfd^aft, bie fd^öne SJibliotbel inbegritfen, bermad^te er ber Äatl^ebraU
lird^e öon SHouen, toeldj^e aud^ nad) feinem 17i2 erfolgten Sobe biefe« loftbare SJeft^tum
an fid^ gog. 9tu« einer Notice des MSS. de la biblioth^ue de T^glise m^tro-
politaine de Rouen öon 2lbb6 Qaai 1746, fie^t man, toie gal^Ireic^ bie Don ©.40
lommenben §anbfc^riften, eigene unb alte, unb bie bon feiner $anb annotierten SBüd^er
toaren. Seiber ging ba« meifte baüon in bem (S^^ao^ ber SHeDoIution fjjurlo« Verloren,
barunter beifj)iel«h)etfe ein ejcmt)Iar ber Sonboner ^ßol^glotte, toelc^e« ©. mm Se^ufe
eine« neuen Dereinfad^enben unb bequemeren 3)rudEc« (einzelne Segte überilebenb unb
bafür beren Varianten einfül^renb) cigenl^änbig jugerid^tet ^atte. 3lod) gab ©ouciet 1730 46
in toier 33änben au« ©,« 5Pat)ieren eine grünbli(|c Jlritil ber Biblioth^ue des auteurs
ecclesiastiques unb ber Prol^gom^nes de la Bible t>on 2. @. bu $in ^erau«.
2)er ^attenfer 3:i^eoIoge ©. §• Saumgarten befafe in feiner SJibliotl^el Le Pentateuch,
traduit par R. S., avec des remarques, ein 9)lf. öon 726 goliofeiten, ba« feit bem
aSerfauf feiner S5ibliotl;eI 1765/66 t>erf(|oIIm gu fein fc^cint (SJemu« SWr. 246). %üx bie so
SBürbigung feine« §auj}th)erfc« unb feine« gangen ©tanbjjunlte« behalten toir am beften
bie SBorte be« erftcn Bearbeiter« biefe« 2t., ßb. 9leu^ bei, ber urteilte: 6« toar, um e«
mit einem SBorte gu fagen, ber erfte emftlic^ gemeinte unb bi« auf einen getoiffen ®rab
auc^ toiffenfd^aftlic^ überbac^te aSerfud^ einer ©efc^ic^te ber Sibel al« eine« Sitteratur*
loerfe«. SBenn man bebenit, Irie gering bamal« bie 3Sorarbciten gu einer folc^en ®es 66
fd^id^te toarcn, befonber« aber, toie noc^ beute, nad^ taufenben öon grünblic^en unb ber-
bienftt)onen gorfd^ungen, biefe nid^t gefd^rieben ift, fo erhält man einen Segriff Don ber
Äü^nbeit unb Originalität be« ©ebanlen« unb einen billigen 5Ka6ftab für bie Beurteilung
ber 2iu«fübrung; benn biefe barf aUerbing« nicbt nad) ben Begriffen unb gorberungen
unferer ^t\t gcfd^ä^t toerben, h?enn man bem SSerf. irgenb gerecht hjerbcn Irill. 2)afe60
364 (Simon, Sflic^arb
S. Don bcm Sin^öltc ber 93ibcl gang abfielet, alfo burd;au^ feine SHüdffid^t nimmt auf
ba^, tua^ \mx bie ©nttridtelung ber religiöfen ^been nennen tüürben, bog i^er^ältni^ ber=
felben ju Staat unb Äird^e einerfeit^, anbererjeit^ gur Sitteratur, ba^ barf un^ nic^t be^
fremben. SDa^er ba^, ioa^ \m bie fi)eycne Einleitung gu nennen t)flegen, tüenigften^ im
6 311, tüo e^ jubem noc^ \)on größerer SBid^tigleit ift, gerabeju tuegfättt, mit äu^na^me
einiger geringen unb tüenig befriebigenben änfä^e. 2)a^ toirllid^ in bie Unterfuc^ung
hereingezogene 3JlateriaI teilt fic^ beim 91 tüie beim 913: in bie brei 9tubrilen einer ©cfd^ic^tc
be« 2^ejte^, ber Überfe^ungen unb ber ßrllärungen. 3"*^'^^" """ ®- V^^^ überall fid^
beflife, ftatt ba^ bon ber Überlieferung ©ebotene einfad^ iufammcnjufteHen, n^ie feine
10 SSorgänger meift get^an , bie 2;i^atfad^en burc^ Vorläufige unb grünbUc^e Unterfuc^ungen
ju ermitteln unb t>anai) in eine jtüedmä^igc unb natürliche Drbnung ju bringen, burfte
er aUerbingg feine ©efc^id^te eine Iritifdj^e nennen unb ihr baburc^ eine l^ö^ere ©teile
neben ber öerhjanbten Sitteratur öinbigieren. SlHein bei biefer Äritil, tüufete er fid^ boc^
nic^t ju l^ö^eren ©efic^t^unftcn m erl^eben; in ber ©efd^idf^te ber Überfe^ungen ^, 33.,
15 h)o e^ mit Slnerlennung i^crtjorge^oben tüerben mufe, bafe er biefelben nic^t blo^ aU
Hilfsmittel ber 3!c|tlritil betrad^tet unb folglich aui), ja borgüglic^ bie ju feiner 3«t ge^
bräuc^Iic^en, in lebenben Bpxad)m berürfftd9tigt, bertüenbet er einen ber|ältnigmäfeig biel
ju großen 9laum auf bie Äritil ber Art unb SBeife, tüie bie ober jene eimelne Stelle
toiebergegeben ift. S)ie ^ßarteiftettungen feiner 3^i^9^"öf?^"# befonber« in granfceic^, fallen
20 babei gar gu ftarf inS ©etüid^t unb feine Ileinlid^en Änti^pati^ien toerlümmem tl^m bie
objeltiöe SJel^anblung feinet ©egenftanbeS. ©anj'bie gleiche Semerlung trifft feine ®c=
fc^id^te ber ©c^rifterllärer, too er einen leitenben ©ebanfen gar nid^t bat unb ebenfalls
nur bann tiefer, ing gingeine eingebt, tüenn er feinem SJebürfni«, gu tabeln, einmal
![enügen tüiH. Übrigen^ toar il^m bie beutfc^e unb bie englifd^e Sitteratur fremb; er
onnte l^ier nur gum S^eil unb auS gtüeiter §anb nehmen unb geben. 2)efto länger ^ält
er ftd^ bei ttalienifd^en unb frangöfifd(^en ©d^riften auf. gu tüirflic^em 2obe gereicht
bem 2Berl bie berftänbige unb tüirllic^? frittfd^e Unterfud^ung über Urft)rung, SBert unb
©d^irffale ber alejanbrinifd^en 33ibel unb ber SJuIgata, gegenüber bem trabitioneKen unb
bogmatifc^en Vorurteil, ebenfo feine Serteibigung ber SJibel in 3SoItefj)rad^en. ^nä) ben
80 allegorifc^en ©d&tüinbeleien ber patriftifd&en @regefe gel^t er l^erjl^aft ju Seibe, ja, tro^
attem Sebürfniffe, burd^ gelegentlid^e« ^erfiflieren be« j)roteftantifd^en ©c^rift))rinjit>S fic^
ben SHüdEen gu bedfen, ift er unbefangen genug, Galbin« ©jegefe ©ered^tigleit toiberfa^ren
gu laffen, unb gu fe^r SRationalift, um nid^t f clbft für bie f ocinianifd^e eine getoiffe ©^m=
paü}k gu berft)üren.
85 3n bem erften Seile, ber eigentlichen Slejtgefdbid^te, enthalten bie beiben Slbteilungen
beS 9BerIeS, tüelc^e aU histoire du texte eingefül^rt tüerben, nid^t nur bie eigentliche
bon uns je^t nod} fo genannte (Sefc^id^te beS (^anbfd^riftlid^en, benn bom gebrudften ift
nid^t bie Siebe) 3!ejteS, fonbem auc^ baS SBJenige, tüaS ©. bon ft)egietter Sitteratur^
gefd^ic^te unb öon ber 6ntftel?ung beS ÄanonS fagt, fotüie ßrörterungen über bie bib-
40 lifd^en Bpxad^m. SSon ber burd^ bie ^roteftanten ^auj)tfäd^Iid^ unb gtüar auS bog=
matifc^em ^ntereffe Vertretenen SorfteHung bon ber SReinl^eit unb ©etüi^eit beS Orunb^
tejteS ift er burc^auS frei unb tüeift auc^ fe^r gut, freiließ noc^ nic^t mit ber heutigen
©rünblic^Ieit ber Äritil, bie Urfac^en unb ben ®ang ber SSerberbniS nac^; allein er
nimmt bod^ ben maforetl^ifd(^en iejt gegen bie 93erunglimj)fungen t)atriftifc^er Untüiffen^
45 l^cit unb mobemer Übertreibung gu ©unften ber LXX in ©d^u^ unb erlennt toillig in
bemfelben eine mit relatit) guten §iIfSmitteIn gemad^te geleierte Slccenfton, bie, obgleich
ber 9?ad^befferung bebürftig, bod^ ben Sergleid^ mit ieber anberen ClueHe ouS^alte.
@benfo erflärt er bie 3Sofalj)unftc für eine Jüngere @rfinbung geleierter ^u\>m, bie
Cuabratfd&rift für f^äter eingeführt, unb ftellt fid^ auf bie ©eite einer richtigen i)^ilo=
50 logifd^en ßrfenntniS in ber Beurteilung beS l?elleniftifc^en ^biomS gegenüber ben fünften,
äöeniger tüirb man üon benjenigen ätbfd^nitten befriebigt, in tüel^^en ©. ein nod^ brac^
liegenbeS gelb gu bearbeiten l^atte. S)abin rechnen tüir gubörberft bie fjjegiette Einleitung
in bie ©cfriftcn beS 9KCS unb bie ©efc^id^te beS ÄanonS beSfelben. Se^tere fe^lt eigent^
lic^ gang, tro^bem ba^ ber Serfaffer trefflich in ben ©d^riften ber Äird^enbäter bctoanbert
65 tüar, man mü^te benn bie beiläu^gen unb gang bagen Berufungen auf bie Xrabition
in ätnfd^lag bringen tüoHen, tüeld^e bei ber Unterfd^eibung lanonifc^er unb aj>ofr^^)^ifc^fer
©c^riftcn tbätig getocfen fein foH, bon lücld^en man aber nirgenbS eine Hare, an ^ßerfonen
unb SC^atfad^en [\d) anlebnenbe 2lnfcl)auung bcfömmt unb bie tüojjl eigentlicj^ nur öor-
gebalten tüirb, um bie anbertüeittgc Äritif gu bec!en. 3" ^^ fpegiellen Einleitung bleibt
60 bie SBiffenfc^aft beS aJerf.S iüirllic^ auf bem 33oben ber t)atriftifdeen Srabition fte^
366 SiniOK, Sttc^rb Simon 3ebteil
rechnen bürfcn. S)ic ©d^tüäd^cn feine« G^aralter« aber fatten grofeenteifö, tüenn auc^
ni4t burd^au«, bem feinigen jur Saft, ba« für freie« gorfd[^en feinen Sinn ^atte unb fi(^
im h)iberlid[)en ©ejänle lorjjoratiber ^ßarteiintereffen bergel^rte. (eb.gieit§t) (&ff.9ltftU.
Stmoit tion 2^0ltnta9, um 1200. — fiittcratur: Hist. lit^r. de la France XVI,
5 ©.394; 91. gjeanbcfr ^lügcmeine ®cfd)ic^tc ber (ftriftl. 9lcligiün u. tircfie V, 2.9lbt., ©.557 f.,
^mburfl 1845; g. S. fi. ©iefcler, fie^rb. bcr ^irc^enaef*. II, 2. ^bt., ©. 143 u. 409, «onn
1848; 2B. gWöUcr, fic^rb. ber tir^engef*. II, ©. 414, greiburfl i. S^r. 1891; $). iRlttcr,
®c[tf). bcr ^^ilüfop^ie VII, ©. 623, Hamburg 1844; gr. Uebcrtoeg, ®runbri6 bcr ®e)*i(fttc
bcr ^^ilofop^ic II, 7. 9luf(., ©.259, ©crlin 1886; ^aur^au, Hist de la phil. scol. II, 1,
10 ©. 58 ff., <Parl8 1880; Söuläu«, Hist. univ. Paris III, ©. 8; 3)cnif(c=e^atclain, Chartul.
univ. Paris. I, ©. 45 u. 71, «ßari« 1889.
33on ben Seben^beri^ältniffen Simon« ift nur befannt, bafe er um 1200 ein gc^
feierter Seigrer ber Sorbonne toar; e« läfet fic^ nid^t einmal fagen, toe^^alb er „bon
3!oumaV" genannt toirb. SP ^ loirllic^ unter bem Simon gemeint, ber in einem Sriefc
16 6tej)l^an« toon lourna^ (f. b. ärt.) an ben grjbifc^of bon SW^eim« (MSL CCXI, S. 353)
bem le^teren emj)fobIen toirb, toa« atterbing« burd^ nid^t« toirllid^ gu betoeifen ift, fo loirb
2ouma^ auf ben ®eburt«ort gelten: benn ber 33rief ift jebenfatt« (gegen bie 2)atierung
a. a. 0.), toeil an SBil^elm bon SR^eim« (feit 1195 ©rjbifd^of : Sd^ulte, S)ie 6umma be«
®tej)l^anu« Somacenfi«, ©iefeen 1891, ©. XXII 3lnm.3) gerichtet, gefd^rieben, al«
2oStei)^an fd^onSJifiof bon Souma^ toar; bann mufe aber ber im ©riefe ertoä^nte 33ifd[)of,
mit bem ber betreffenbe Simon entjtoeit toar, ein anberer Suffragan be« ßrjbifd^^of« öon
SR^eim« unb infolgebeffen auc^ ba« Äanonilat, ba« Simon nac^ bem ©riefe gu beileiben
teeint, an einem anberen Orte, al« S^ourna^, gelegen fein, fo bafe le^tere« al« bermaliger
SBol^nort Simon« au«gefc^loffen toäre. Übrigen« toürbe für Simon öon Xoumai; bic
25 ß^aralteriftit be« im ©riefe 6mj)fo^lenen : „gratiosus et commendabilis, hinc auc-
toritate morum, hinc peritia literarum" nur fc^meid^el^aft fein unb toürbe bie o^nc=
^in g. %. fagenl^aft gefärbten unb einanber toiberfjired^enben ©endete anberer 3citgenoffen
über jenen no6^ me^r al« bö«toillige ßrfinbungen toerbädbtigen. 3)lattl^. ^ari«, ©enebif-
tiner in St. Älban«, geft. 1259, auf ben ©erid^t eine« Slugenjeugcn fxd^ berufenb, ber
90 in ?ßari« ftubiert l^ätte unb nad^^er ©ifc^of bon ©ur^am getoorben fei, erjö^lt bon i^m
(Hist. maior, ed. Gull. Wats, 2onb. 1640, S.206), bafe er in einer ©orlefung im
3a^rc 1201 biele ^toti^d über bie 2:rinität«lel^re aufgetoorfen, für ben anberen 2iag aber
li^re Söfung t)erft)roc^en l^abe; al« er bann feinem ©erfjJredf^en nad^gelommen fei unb
reid^en ©eifaH geemtet l^abe, fei er, fold^en 6rfolge« fid^ überl^ebenb, mit großem ©e-
86 läc^ter in bie Sßorte au«gebrod(^en: ,,0 Jesule, Jesule, quantum in hac quaestione
confirmavi legem tuam et exaltavi; profecto si malignando et adversando
vellem, fortioHbus rationibus et argumentis scirem illam inürmare et depri-
mendo improbare"; bann ^abe er Bpxai^t unb Cäebäc^tni« Verloren unb jtoei Sa^rc
baju gebrandet, ba« iHlpf)abct toieber gu erlernen, ein jüngerer 3^*0^*^R^f 2^^oma^
40 6antij)ratanu«, ein SDominilaner, geft. 1263, lä^t il(}n bagegen fagen (Bonum univer-
sale de apibus, IIb. II c. 48, 5): „Tres sunt, qui mundum sectis suis et dog-
matibus subiugarunt, Moyses, Jesus et Mahometus" (f. b. ä(. De tribus Im-
postoribus, ©b. IX, S. 72,8'? ff.) unb lä^t il;m bann ba«felbe toiberfal^ren, toa« 9K.
^ari« il^m gcfc^e^en lä^t. Unb §enricu« ©anbarenft«, um 1280 Se^rer an ber Sor-
46 bonne, berichtet einfad^ t>on i^m (Lib. de scriptor. eccles. c. 24 : g^briciu«, Bibl.
eccl. II, 121) : „Dum nimis Aristotelem sequitur, a nonnullis modernis haereseos
arguitur". 9^eanber toirb be«^alb ba« Slic^tige treffen mit feiner ©ermutung, baft „ein
Unfall, ber Simon mitten in feiner rul^mrei^en alabcmifd^en I^ätigleit betroffen unb
biefer ein 6nbe gemacht l^atte", bie ©eranlaffung ber legenbenl^aften ßrjä^lung getoefen
50 ift, unb biefe nur 3^9"^^ bafür ablegt, toie „bie neue bialeltifd^e 9lic^tung — ber Simon
l^ulbigte — bem religiöfen 3^'^0^ift^ crfd^ien". ^n ä^nlid^er SBeife fc^^liefet Übertoeg, bafe
Simon bermöge feiner 2)ialcftil „mit gleicher Seic^tigfeit ben Iird[^lid^en (älauben (öffent^
lic^) al« toa^r unb (in«ge^eim) al« untoal^r ju ertoeifen" fällig getoefen fei. Unb SRötter
finbct in ben ßrjä^lungen Don Simon einen d^aralteriftifd^en 9lu«brudf bafür, bafe — obgleic^^
6G bie bialefttfc^c ©c^anblung ber 2)l^eologie im 12. 3;ol(iri^unbert fic^ burd^efe^t ^tte —
„boc^ ber (Sinbrudf einer großen ©efal^r für ben (Slauben, ber auf biefe SBaffe ftd^ ftü^tc,
nic^t oerfc^tounben fei". gferblttattb Go^rd.
Simon S^loM. — SBgl. bie betr. 9lrti!el in ben ^^örtcrbüc^crn Oon ©Incr, ©t^nfcl.
SSebc u. SBeltcr, 9iie^m, C£^ct)ne, u. gal^n, Jorfc^ungen j. öJefc^. b. neut. Äanon« VI, 1900,
60 ©. 293. 321. 361.
368 Stmoitte
burd^ bte ^efinttton au^brüdt, bie Simonie fei determinata voluntas ad emenda et
vendenda spiritualia iisque annexa. SSorjug^tDeife galt aber immer al^ Simonie
ber Äanbel mit geiftlic^en Ämtern, alfo ba^ bem römifc^en crimen ambitus (SSerbrei^en
bet Slmt^erfc^Ieid^ung) analoge Äitc^entoerbrec^en, ba^ aud^ burd^ bie römifc^e Äaifergefe^
6 gebung (L. 31, C. de episcopis et dericis 1, 3 bon 2eo unb änt^emiu« 469) be=
fonber^ ber^önt toar: „ad instar public! criminis et laesae majestatis." 3)ie 3$er^
bammlic^Ieit ber ©imonie in biefem befonberen Sinne be« SBorte^ tourbe bann mit bem
obfic^tliclften 3?ac^brudf bon ben 5ßä))ften gegenüber ben Äaifem im Snbeftiturftreit geltenb
gemacht unb ate §au})ttüaffe in biefem Streite gebraucht, toa^ in neuerer 3^^ 5" ber
10 bon 3. §. Söl^mer (J. E. P. IV, 5, 3, §§ 10 sqq.) mit ber unbefangenften ®rünblic^=
!eit toiberlegten Weinung füj^e, ali fei bie 93e$anblung bed lirc^Iic^en ambitus al^
Simonie überl^au))t eine gu jenem ^to^dt erfonnene ©rfinbung gcloefen. Vermöge ber
ebangelifd^en ßrfenntni^ be« toa^en SBefen^ ber Orbination muft e^ allerbingg al^ ein
3ntum betrachtet toerben, toenn il^re Spenbung unb ßrtoerbung unb folgetoeife auc^ bie
16 aierlei^ung unb ©rlangung bon geiftli(^en Slmtem für ®elb bem grebel Simons glei(^^=
Steftettt toirb. aber ebenfofel^r fann nur eine l^^i)erj)roteftantifc^j äuffaffung e^ ber^
ennen, bafe ber S^^ac^er mit geiftlic^en aimtem ein bie gemeine ämtererfd^leidf^ung toeit
überbietenber (Sreuel unb in ber 2:at ber Sünbe Simon« ä^nlic^ fei. 3)enn toenn auc^
bie Orbination nic^t eine 9KitteiIung besJ 1^1. ®eifte« ifi, fo ift bocp getoi^, baft ber 33e=
20 ruf, ben fte feierlicl überträgt unb ber h)efentli(^er Snl^lt jebe« geiftlid^en Amte« ift, bie
SSerloaltung ber gottgeftifteten SJlittel ber SBirIfamleit be« 1^1. ®eifte« jum ®egenftanbe
fyii. 3e el^rtoürbiger l^iemac^ biefe« Slmt bem toal^r^aft c^riftlid^^en Sinne erfc^^einen
mufe, um fo fd^änblid^er ift bie ßnttoei^ung be«felben, bie e« al« eine berläuflic^e unb
!äuflic^e SBare bejubelt, eine ©nttoei^ung, bie leine^toeg« barum toeniger fd^änblic^ ifl,
26 n>eil man babei nur bie mit bem 9lmte berbunbene geitlic^e SSerforgung im ä(uge l^t.
@« ift aQerbing« an Simon« Sünbe befonber« graueni^aft, bag er in bem ©lauben, er
toürbe burc^ bie a^oftoUfd^e ^anbauflegung, toeld^e er erlaufen tooQte, übernatürliche
®nabengaben erlangen, feinen 33eftec^una«t)erfud^ toagte. aiUein offenbar begehrte boc^
ouc^ er eigentlich nur bie äufeerlid^en ®üter, loelc^e er mittelft jener übematürlid^en
80 ®aben %u ertüerben l^offte. Unb barin toirb immer ber eigentlid^e eintrieb )u bem, loa«
bie Äircpe,. Simonie benannt l^at, liegen, bafe geiftlic^e ®üter im eigentlichen Sinne ober
lirc^lic^e 2tmter unb Stetlungen al« ÜKittel ber ßrlangung i^eitlic^er äußerlicher Sorteile
erfc(^einen unb e« auc^ erfa^rung«gemäfe fein lönnen. 2)ic Simonie ift immer eine im
Sereid^e be« firc^lid^en Seben«, toobon fte am meiften fem bleiben foHte, ^erbortretenbe
86 Äußerung ber cpdaQyvQla^ bie merftoürbigertoeife 5ßaulu« gerabe in einem feiner ^Paftoral-
briefc (1 a:im 6, 10) al« bie „SQäurjel alle« Übel«" branbmarft, toie er bie fte in ftc^
fd^ließenbe nhove^ia toieberl^olt (6^)^5,5; Äol 5,13) fogar al« eldcoXoXaxQia be=
jeic^net. ©ben barum mußte bie Simonie, feit bie SBei^en nic^t mel^r on fid^ SSedorgung
berfc^afften, fonbern ben Seft^ einer aSerforgung borau«fe$ten, toeniger bie SBei^en all
40 bie mit ^Pfrünben berbunbenen üird^enämter gum ®egenftanbe ^aben.
3)er berechtigte ßifer ber alten Äird^e jcipte ftcp toa^rl^aft unerfc^öt)flid^ in ^erbei^
jiel^ung biblifdj^er ®cfd^id^ten unb 3Borte, um in beren Sichte bie Simonie bon möglic^ft
Dielen Seiten al« l^äßlic^ unb berabfd^euen«toert erfc^einen gu laffen. Sie tourbe mit ©fau«
33erlauf be« erftgeburt«rec^t«, mit Sileam« „SJelicben am So^n ber Ungerec^tigleit", ja
45 felbft mit bem äSerrat, ben ^nhai am §erm beging, berglidj^en; e« tourbe barauf bie
Vertreibung ber S^aubenlrämer au^ bem %impA burd[) ß^riftu« bejogen (toeil bie iaube
bo« Sinnbilb be« ^l. ®cifte« fei), unb enblic^ auc^ bie SSJorte be« §erm (3Rt 10, 6):
„Umfonft ^abt i^r e« empfangen, umfonft gebt e« auc^", unb (3o 10, 1): „SBer nic^t
pr i^üre (ß^riftu«) bineinge^et in ben Sd^afftaH, fonbern fteigct anber«h)o hinein, ber
eotft ein S)ieb unb ein 3Kbrber." — Sgl. g.S5. im Decretum Gratiani can. 11. 16. 20.
21. 113. 117. caus. 1. qu. 1. can. 8—11. c. 1. qu. 3. Die fe^r häufige Seaeic^fnung
be« Serbred^en« ber Simonie al« simoniaca haeresis, ja al« bie Äej^erei atter Ke^ercien
erllärt fic^ befonber« barau«, baß man baburc^ in bie gußftajjfen jene« Simon« tritt,
loeld^er ber alten Äirc^e al« ber eigentlid^e §ärefiard^, ber Urfefeer, galt (bgl. b. ärt. Simon
66 oben S. 351). — änbercrfeit« l(}aben xl}xt eigene, jpft^c^ologifc^ unb etl^ifc^ intereffante ®cfd^ic^te
bie Seftrebungen, 9JJittel unb SBegc gur Umgcl^ung be« Verbot« ber Simonie ju er^
finben, toeld^er nac^jugcljien ^icr ju toeit führen tüürbe (bgl. ban 6fJ)en, Jus. Ecdes.
Univ. P. II, t. 30, cap. 3—5, unb 3- ®- ^^i^tfd^/ I^iss- de involucris simoniae
detectis, 1715).
60 Unmittelbar mit bem Urbegriff ber Simonie ftcl(^t e« im S^fammenl^gc, baß al«
370 Stfume ®tiiMPltcbi9, ^§p^
toibcr, bafe c^ afe ein SSctmögenebcftanbtcil bctrad^tet toerbe, unb lann eg fAon bc§balb
nic^t ©egcnftanb einc^ SauftHertrag^ fein. 6^ tft aber and) im j>roteftantifcben Äird>en=
red[)t ancrtannt, baß ein onerofc^ @efd[^äft über ein ^tronatre<^t ate Simonie anjufehen
fei unb bal^er ben Serluft bcefelben betoirle.
B 3"^^ SoHenbung bc^ SSerbrec^en^ ber Simonie gehört, bafe für ein geiftlid^ ®ut
jeitlid^e Sorteile (aud^ toenn fie nic^t ju ®elb angef^^Iagen toerben fönnen, toie obse-
quium ober favor: c. 114, C. 1. qu. 1) auf ©runb einer Übereinfunft toirllic^ ge=
iDäl^rt unb angenommen toorben finb. älufeerbem lann nur Don einem SJerfuc^ ber
Simonie gerebet toerben, ber (toenn nic^t blofe bie gntbedung feine äuefü^ng ber^inbcrt
10 l^at) bIo| arbiträr gu al^nben ift. auf bie blofee Vermutung ^in, bafe ein jeitli(^er 9Sor=
teil gelDä^rt toorben fei, um baburd^ ^n einer res spiritualls ^u gelangen, lann über^
^anpt nic^t mit Strafen eingefc^ritten toerben, obtoo^l, toenn bie Vermutung begrünbct
ift, baburd[) eine mentalis simonia unb alfo immerhin eine Sünbe begangen h>urbc.
SBoUenbete Simonie giel^t für bie fämtlic^en SJlitfc^uIbigen nac^ fanonifd^^em Siedet eine
15 excommunicatio latae sententiae nac^ pc^, iDObon nur ber ^Jaj)ft abfobieren lann (c. 6.
X. de simonia 5, 3; c. 2. Extra v. comm. eod. 5, 1). 9?ur toenn bie Simonie geheim
geblieben ift, fönnen babon bie Sifd^öfe in foro conscientiae abfolbieren (CJonc. Trid.
Sess. 24. c. de reform.) 35ei ber Drbination fyii bie Simonie überbie^ für ben Crbi-
nierten Su^j)enfbn bon ber emjjfangenen SBei^e unb Irregularität j^ur golge; für ben
20 Drbinator ebenfall« Suetjenfton bon ben ^ontififalien (c. 37. 45. X. h. t. c. 2 Extr.
comm. eod.). Sllle 5ßrobifionö^anbIungen, bei toelc^en Simonie begangen n^orben ift,
ftnb ungültig, toer eine 5ßfrünbe burd^ Simonie fid^ berfd^afft fyii, toirb inegulär, bes
Slmte« entfe|t unb ber ©riangung eine« anberen unfähig; ber SSerluft ber ^Pfrünbe trifft
felbft ben, ber fte burd^ eine o^ne fein 3Jlittoiffen unb feine ®ut^eifeung bon anberen bc=
26 gangene Simonie erlangt l^at, nur fann er fie burc^ 3!)i«t)enfation toiebererlangen, aufecr
toenn er fte burd^ eine fimonifc^e SBa^I erlangt l^at (c. 11. 22. 25. 27. 3-4. X. h. t. c, 12.
59. X. de elect. 1, 6). 3)en ülofterlonbent, ber ftc^ bei einer Slufnai^me in ba« Älofter
ber Simonie fc^ulbig Qcmad^t i)at, trifft bie Su«))enfion bon aßen Ia})itularif(^en Smtem
unb bon allen guri^biltion^rec^ten (c. 1. Extr. comm. h. t.). 5leuefte Seftimmungen
80 in ber Const. Pii IX. Apost. sedis bom 12. Dttober 1869. Über bie ©iltigfeit ber
bon i^nen boUgogenen Sah:ament«l;anblungen bgl. ©igafefi, I^S 79, 216.
"llud) in ber t)roteftantifc^cn Äirc^e gelten aUc $robifton«^anbIungen, bei meieren
Simonie begangen Irorben ift, al« nichtig, unb toirb bal^er bie barauf ^in erfolgte 8lmt^=
berleil(}ung fafftert ; bei Patronen toirb too^l bie Simonie, toenigften« im 3Bieber^olung«=
35 falle, mit ßntjie^ung be« ^räfcntationöred^t« für i^e 5ßerfon beftraft ; auc^ 3l^nbung ber
Simonie mit ®clb= unb ©cfängnieftrafen lommt bor. ^^t ift bie Simonie burätocg
nur aU 3(mt«erfd^Ieic^ung frimineU ftrafbar unb lommt infofem bie ilognition barübcr
nur ben tocltlic^en ©eric^ten ju. Stufeerbem ift fie aud^ l^infid^tlid^ ber latl^ofift^en Äirtbc
blofe ©egcnftanb ber Äird^engud^t unb ber 2!)i«jit)linargctoalt ber Äird^enbe^örben (f. C.
40 3Keier, ginftitutionen be« gem. beutfc^. Äird^cnrec^t« § 117, 9?ote 11 ; § 159, 9lr. 2; § 160,
3lx. 2' bgl. mit § 158, änm. 3lx. V).
^in eigentümlicher ^all ber Simonie toar ber in ^Pommern üblich getoorbene ©rtoerb
eine« Sirc^cnamte« burd^ ßl^eberftjrec^en (bgl. 3Bolter«borff, in griebberg unb ©e^ling,
2). ^mu, 177ff. 12, Iff. 182 ff.).
46 ^ux 3Scr^ütung ber Simonie tourbc fd;on burc^ S^nobalftatuten be« 13. 3abr=
l^unbcrt« borgefc^rtcben, bafe ^robibcnben bor ber institutio canonica einen 6ib fc^toören
foHen, fid^ in Scgie^ung auf bie i^ncn §u berleil;cnbc 5ßfrünbe feiner Simonie fc^ulbig
gemad^t ju l;aben unb früher aud^ in tjroteftantifd^cn 2anbe«fird^en ein folc^er Simonieeib
gcforbert (f. 3. §. Sommer, J. E. P. T.IV. L. V, T. III, §§ 27, 28; Sa^me, De
50 iuram. simoniae a candidatis S. minist, in consist. regni Prussiae praestando.
[Regiom. 1719]). 3!)a« lanonifd^c Siedet fennt biefen gib nur al« einen ba« 33or^anben=
fein F)inrci(^cnber 3Serbad^t«grünbe borau«fe^enben 9leinigung«eib: c. 38. X. de electione
(1, 6). (Si^enrlt) 6e^Uitg.
(BimpVxcxn», ^at)ft, 468—483. — SBriefc bc« ©im^ticiu« bei X^icl, Epistolae Ro-
65 manorum pontificiim I, @. 174 ff.; Jaff($ I, 6. 77 ff.; 53iogrQp6ic im Lib. pontif. I, @. 112
bcv Vhb^c^abe u. ^Kominfen; Liberati breviar. caus. Nest, et Eutych. 16—18, MSL 68,
8. lOlO'ff.; (iuagriu«, h. c III, 4ff.; gadjariaö 9i()ctor, Ä® V, 9f., @. 79f. ber 9(udgabc
Don 9ü)ven§ u. Mvüqer; .t)efele, C£ünci(lciigefdjicl)tc II, 6. 602 ff. ; ©rcqoroöiud, ©cfcb- ber
Sabt JHom im 'Wi , 1, 8. 24()ff.; fianqen, (yefd)ic6te ber römifcftcn ^iv*c 1885, @. 126 ff.
tt)3Jian ugl. b. ?lrt. ^J}bnop^i)fitcn u. bie bort angegebene fiitteratur, 33b XIII, ©. 372 ff.
372 Stmfoit
bcrSBürbc eine« ®otte^Iämt)ferg nid^t« an fic^ tragen; aud^ bic emfteren Ääm))fe bleiben
ol^ne ßwfanimen^ang, bie blutißen ©iege o^iie jene %tud)t, bie ein Solfebefreier barau«
f)äiit gctüinnen muffen. 6« l^eifet itoax, ©tmfon l^abe 3;^rael „gerid^tet" 203«^^^ Iö"9
(15, 2U; 16,31); aber nur um ber ©leid^förmiglcit mit ben übrigen „9lid^tcm" neiden
5 fdf^cint biefer 2lu«brud gebraucht, nic^t öon bem eigentüd^en ßrjäljiler ber ©imfonötbaten,
fonbem bom SRebaftor be« Slid^terbuc^e«. S)enn t)on ber Stu^übung einer ©erid^t^barfeit
fej;en Irir nic^t«; ©imfon \)ätU fic^ baju auc^ laum geeignet. 9Jic^t einmal, bafe er
feinen Stamm anführte, tuirb befttmmter bezeugt. SBa« er tl^ut, tl^ut er auf eigene
gauft, bonbringt« attein huxö) feine t)erfönlid[)e gottgefd^enfte Jlraft unb ju feinem SRubm.
10 ©einem S3olf ertüäc^ft me^r mittelbar ein ®en?inn barau« unb jjtvax nur ein befc^ränlter
(13, 5). 6r felbft aber, ber mit ganjen ©c^aren öon geinben ftc^ furc^tlo« meffen burfte,
iDirb burd^ Icibenfc^aftlid^e unb ungeorbnete SKeibcrIiebe, . h)orin er pc^ nie ent^altfam
Ö^jjcigt, fd^Iicfelid^ ju %aU gebrad^t. ©0 geigt biefe ©eftalt allerbing« einen getoijfcn
3)uali«mu«, aber e« ift ba« nid&t ber 3Biberft)rud^ gtoifc^en ^eibnifc^em 3?aturm^tbu« unb
16 monotifjeiftifd^er Überarbeitung (©einedEe), aud^ n\d)i blo^ ber gtüifc^en berb öolf^tümlid^em
©toff unb reIigiö«=nationaIer ^orm (SBelll^aufen), fonbem im ®runb ber SBiberf^ruc^
ijt)if4)en göttlichem Seruf unb menfd^li^er 9?atürlid^feit, tüeldj^e bei noc^ fo au«gegeic^netcr
S3egabung bon oben ftc^ unfäl^ig ertoeift, il^re ^öl^ere Seftimmung gu erfüflen, h?o fic
nicpt t)om göttlid^en ©eifte gang unb gar burc^brungen unb geheiligt ift. 2)iefer felbe
20 SBiberftreit, ber fic^ an ©imfon fo t)erfönlid^ barfteHt, jeigt ftc^ t)erl^ängni«botI an feinem
gangen SSolIe, gumal in jener ©türm- unb 2)rangbenobe ber Slid^tergeit: obtoo^l bon
bem $erm großartig au«gerüftet unb erftaunlic^er Saaten fä^ig, erlag e« al« ein in feiner
natürlichen (Sigenart unbraud^bare« SÖerfgcug göttlichen ^Regiment«.
ÄaJ). 13 tüirb guerft eine glreifai^e ®rfc^einung be« ßngel« ®otte« berichtet, loelcbe
26 an bic ^atriarAengeit unb ben Slnfang ber ®ef^id^te ®ibeon« erinnert. 2)en lange
bergeblic^ auf itinberfegen l^anenben Sltem ©imfon« tüirb babei bie ®eburt unb ber
33eruf ibre« ©o^ne« angelünbtgt unb feine SBei^ung an ben $errn eingefc^ärft. 6r h?ar
(13, 5) gum Siamp^ tütber bie ^l^ilifter beftimmt, bie übermütigen 35ebrängcr feine«
©tamme« unb SSolIe«, tüeld^e gerabe in biefer 3^^^ offenfib gegen 3i"^<*=3^^^c' ^^^''
30 gegangen toaren (13, 1. 3um Reitjjunlt bgl. 33b XVI, 767, isff.). 6« tuar ber 33eginn
ber t)l;iliftäifc^en 35ebrüdfung, tüelc^er erft ©amuel unb bie crften Äönige ein 6nbe mad^ten.
6in erfter ß^flu« bon ^elbent^aten ©imfon« betregt ftc^ um fein löcr^ältni« gu einer
^l^ilijtertod^ter gu SCimnat^. 2luf bem SBJege gu feiner Sraut geneigt er einen Sömen,
ber i^^m ftjäter bei ber §od^geit ben ©toff giebt gu feinem SHätfel, toomit er bie ®efett=
85 fc^aft ber Unbcfd^nittencn in SSerlegenl^eit fe^t, bi« feine gutmütige SRac^giebigfeit bem
SBeibe gegenüber i^m gum erftenmal 9lad^teil bringt, ben er iebod^ burc^ einen fübnen
Seutegug au«guglcid^en it?ei^ (Äaj). 14). gn biefem Jlaj)itei entfernen b. Doomind,
©tabe (3at5B IV, 250 ff.), SKoore bie a3cteiligung ber (gltem ©imfon« an ber »raut=
Irerbung unb §od^geit burdE» tejtfritifd^e ©treid^ungen. ©imfon f)aU nad^ ber SBeigcrung
40 ber genannten (3S«. 3) eine au«tbärtige 6^e eingel^en tboHen, toobei er ftc^ im §aufc
feiner %xan gu 3:imnatl(} niebergelaffen ^ätte unb ^l^ilifter getDorben toäre. 3)c«tt)egen
feien auc^ feine ®enoffen an ber §od^geit ^l(}ilifter getDefen, älHein biefe 2tu«fc^cibung
gelingt ^«. 9 unb 16 fc^lec^t, ift bal^er gtbeifel^aften Siedet«. Unabhängig babon ift
©tabe« Sonjeftur 33«. 18 ftatt nc-nn gu lefen nnnnn toie 15, 1. Dann ift bie §ocb=
45 geit bor ber abfc^liefeenben 33rautnad^t abgebrod^en tüorben. S^^^^M^ ^^^¥ ^^<^
©im Jon 15, 1 bie ^^ilifterin al« fein rechtmäßige« ß^etDeib an. SJimmer berlegcn, tüo
e« galt einen §anbel au«gufed^ten, räd^te er burd^ ^ertbüftung ber gelber am gangen
^l^iltfterbolf ben i^m angetl^anen ©c^im^f, baß man feine 33rauttberbung unb §oc^=
Kit nic^t tbeitcr gelten ließ, fonbern feine S3raut einem anbem gab. Unb al« bie
50 ^^ilifter i^ren ©^aben ben ©c^tbiegerbater unb fein §au« entgelten ließen, no^m
er babon einen neuen Stnlaß, i^nen ben ftärleren gu geigen. 3)ie größte 3?iebcrlagc
ricbtctc er balb barauf unter il^nen an, al« bie feigen gwbäer il;n ben ^l^iliftem al«
untDiHfommcncn 3?ubeftörer au«gcliefert Ratten {^ap, 15). (Sin ©iege«lieb(^cn (15, 16)
erinnert an biefe §elbentl(}at, bie mit ber unboUIommenen SBaffe eine« ®fel«finnbacfen«
55 boHbrac^t tborben tDar, ebcnfo bie Örtlic^Ieit bon Slamat^ Sec^i, tbo man, tbic e« fd^eint,
ben Äinnbadfcn noc^ in ben g^l^Ö^^tlben gu erfennen glaubte. 9lud^ ben 33etPol^cm
• bon ®aga fj)icltc ©imfon einen gtDar l^armloferen, aber für fte gar fd^imt)flid^en ©treid^,
inbem er i^nen bie 3;l)orflügel i^rer ©tabt näd(^tlic^ertDeile au«fü^rte, al« fte ben in
2icbc«luft berftricften gelben tbo^l eingefd^loffcn gu l^aben glaubten. SSer^ängnidboH
60 tburbe i^m bie Siebe gu einer anbern ^^iliftäerin Delila, toelc^e il^m ba« ®e^mni«
374 Stmfon Stmnltaiteititi
^cUenifd^er ^^antafte fid^ tuic 9öirflid^leit unb 3beal untcrfc^cibct. S)a^ Scbcn ©iinfon«
ift lolal bcftimmt unb in enge (Srenjen gefc^Ioffen bom erften auftreten (13, 25) bte ^um
©rabc (16,31); bgl. 14,1. 5. 19; 15, 17 ff.; 16,1. 3. 4. SJgl. lu ben Sololitäten
and) 3b^i8 1887, ©. 156. ebenfo ift bet t)erfönlic^e ßl^aralter ein naturtüa^r inbU
ööibueuer; „bie ^üge gelten jur ©inl^eit eine« ß^aralter« gufammen" (§t^ig). S)ie ganic
©eftalt ift eine ec^t l^ebräifc^e; bie Segebenl^eiten ftü^en f4 toie auf beftimmte Örtlic^=
feiten, fo auf unüberfe|bare l^ebräifd^e ©t)rü(l^e 14,4. 18; 15, 7. 16 unb fonft. ©iebc
über bie babei l^äufigen Steinte unb Alliterationen ©ommer, SJibl. 3[b^anblungen I, ©.86 f.
2fuc^ baö religiöfe SJloment, ba^ atterbing« in ber tüeitem ©efc^i^te ni^t mel^r fo ^er^
10 bortritt toie in ber SSorgefd^ic^te Roj). 13, ift boc^ nic^t blofe fj)äter in eine ))rofane
§elbenfage l^ineingetragen, fonbem burc^giel^t ba« ®anit. ©imfon ift jtoar fein „i)er=
rücft geworbener ©fftatifer unb Slnac^oret" (illoftermann, ©ef*. ©. 120), too^I aber
ein ^iafiräer, unb nur be«l(}alb, toeil er ®ott getoei^t ift, ein «raftl^elb o^ne gleid^^en.
aiiit biefer SBeii^e fc^toinbet feine Äraft, bie alfo feine rein fleifc^Iic^e ift, toenn fic auc^
15 nid;t ^ö^erem 3h)ccfe bienftbar toirb. u. OreOt.
Simnltanenm. — aJlajer, Scutfcftcö geiftl. ©taatSr. 1773; ^infd^iuS, Äirc^cnr. 4, 358ff.;
C)ir[d)cl, in ^rdiio für !at^. tirc^cnr. 25, Iff., 46, 329 ff.; u. b.^lurodi, 3)ic fir(ftl.©imultan--
uer^ältniffc in ber ^falj am SR^cin, 9Wann^eim 1866; Wartung, 2)a« fird)t. 9Jed)t ber $ro-
teftontcn im üormoligcu ^crjoat^um ©uljbad), (Srlongcn 1872; Äöl^Icr, Simultan fiv^cn im
ao^cräofltum Reffen, ^armftabt 1889; beif., C>cffif*eS Rir^cnvcd&t, 3)annftabt 1884 ; SBagncr,
Unter'fuc^ung über bie SRt)8mi(ffci)c SRetigiongf laufet, 93crlin 1889; Slraiö, Itirc^l. ©imuitan=
ucr^ftltniffe, inSbcf. nac^ bo^r. gfJcdit, ©üti^burg 1890; ajlcurcr, Ärit. SJicrtcIJQ^rf(^r. 1891,
6. 133; ©e^Iing, lieber firdjL @imu(tant)cr^«ltni|fc, fjreiburg 1891 (auc^ tm^rc^io für öffcntl.
mcdjt 7, C>cftl); bcrf., in 9^f3 2, 777 ff.; fiautcr, 3)ic ©ntftc^ung ber !ir*I. ©imwltanccn,
26 SBür^iburg 1894; Äal^I, fie^rfi)ftcm beö ^ird)cnr. unb ber Äirc^enpolitif 1 (^rciburg 1894),
8. 405 ff.; ©Quer, S3eitr. ^um SJcdit ber ©imultancen, mit bef. ©erudri^tigung ber «cr^. ber
©tabt Reiben ((gvlonger 3)iffert. 1905); ©tolj, 3)a8 ©imultancum in $Rcppcrnbovf («^ürjb.
3)if[. 1905); iOampcrt, in ^rd). f. fat^. Äircftcnr. 85, 375 ff.; ©cftön, 3)a§ eo. Äirc^cnr. in
^ircuficn S3b 1 (33erlin 1903), ©. 197; Siittgcrt, ©o. Äivc^cnr. in 9fJ^cinIanb unb Scftfalen,
30 ®üterSlo§ 1905, ©. 51. 489 ff.
©imultaneum (seil, religionis excercitium). I. ©o bejeid^nete man im frül^ercn
beutfd^en Sleic^ ba^ SSerl^ältni^, toeld^e« entftanb, toenn mel^rere SReligion^jjarteien bcred^tigt
toaren, il^re SReligion nebeneinanber in ein unb bemfelben Territorium au^juüben, unb
^Irar ber ärt, bafe ba« "^a^ ber Sleligion^übung ber etlra fc^Ied^ter geftellten Sleligion^-
85 ipartei über ba« Siedet ber blofeen §au«anbac^t ^inau^ging.
3Som ©tanbt)unft ber römifd^-fat^olifc^en Äirc^e au«, welche allen anberen Äird^en
unb SleligionggefeUfd^aften bie ejiftengberec^tigung abft)rid^t, erfd^eint ba« ©imultaneum
afe ein Unbing. 3" 2)eutfd^Ianb ift e^ erft möglid^ getoorben, nad^bem ber Slugöburgcr
SReligion^friebe (f. b. ärt. »b II ©. 250) für bie SWeic^^ftänbe bie grei^eit, fid& ^u bem
40 in ber ätuguftana niebergelegten ebangclifdf^en ©lauben ^u befennen, anerfannt ^atte unb
benmäc^ft im toeftfälifc^en gi^ieben Don 1648 beftimmt toar, bafe ba^ in bem erftercn
griebcn^fd^lufe anerfannte jus reformandi ber Sleid^^ftänbe in Sejug auf ba^ 2?er^ält=
ni^ ber ßüangelifd^en unb fiat!;olifen barin feine ©c^ranfe ^aben foHte, baft ben 3ln=
bangem ber einen ober anberen Äonfeffton il^re bi^^erige Sleligion^übung, toann unb toic
46 fic bicfelbe in einem g^'^i^i^ntte be« fog. ^Kormaljal^re^ (b. ^. be^ 3^^^^ 1624, f. auc^
Sb I S. 560) gehabt Ratten, belaffen bleiben unb bafe, fo toeit ba« SSerl^ältni^ jtoifd^en
2utl;eranem unb 9teformterten in ^rage fam, in ber gebac^ten Senie^ung ber S^ftanb
^\xx ^cxt beö ^rieben^fd^Iuffe« entfd^eiben fottte (Instrum. pacis Osnabrug. Art. V,
§ 31. 32 unb Art. VII, § 1. 2).
60 SÖä^renb unter ben erlräl^nten Sorau^fefeungen bie Sln^änger ber einen ober anberen
9teligionöj)artei t)on bem anber^gläubigen dürften gebulbet toerben mußten, erl&ob fic^
balb nac^ bem gricben^fc^Iuffe bie ©treitfrage, ob bei einer Serfc^iebenl^eit ber Sieligion
beö Sanbcöl^cnn unb ber Untertl(}anen ber erftere aud^ feiner Äonf effion bie freie SleUgions^
Übung über ba^ "ißla^ be^ §aui^otte^bienfte^ l^inau^ jiu geftatten befugt fei, felbft toenn
66biefc im 9Jormalj[al^r eine fold^c nic^t befcffen batte. ^raftifc^e Sebcutung l^tte biegrage
namcntltd; für ben J^aH, bafe ber Siegent eine^ J)roteftantifc^en fianbe« nad) feinem lieber--
tritt Dorn ^^rotcftanti^muö jum 5^at^olici^mu^ nunmel(}r and) ber lat^olifd^en Äirc^e freie
(Entfaltung im Sanbc gcioä^ren tooütc ober geioä^rte, ba ber ioeftfäIifc(^e grieben (cit.
•3(rt. VII) für ben ^all cinc^ 34.^ed^fel^ bcö 2anbe€^!;errn ^toifd^en ben beiben ebange=
60 lifc^en Äonfeffionen nic^t allein biefem felbft bie (Sinric^tung eine« ^ofgotteöbienfte«,
376 Simultauettm
ntd^t ancrfanntcn Älaufcl tüar guglcid^ bcftimmt hjorbcn, bafe bic hjiberrcd^tlid^ cingc-
brungcncn Äatl^olifcn in i^rcr bamal« bcftel^cnbcn Steligiongübung bclaflen tücrben f olltcn.
3ur aSoIIjielfiung btefcr Älaufcl fülfirtc ber fatl^olifc^e Äurfürft Sodann aBil^clm burd^ baö
ebift ijom 29. Df tober 1698 aBgcmcm ba^ fog. ©tmultancum ein, b. 1^. er crflärtc aUc
5 reformierten Äirc^en unb Äird^J^öfc für alle brei Äonfeffionen gemeinfc^aftlid^, trogegcn er
bie Äatbolifen im SlBeinbefi^ i^rer Äird^en beließ. 3"^ 3"fö"^"^^"^^"9 ^amxt tourbc
ferner bie 3Serh)altun0 beg allgemeinen Äirc^eni^ermögen^ einer au^ Äat^olifen unb
^roteftanten gemifd^ten fog. Slbminiftration^Iommiffion (1699) übertragen. Sefd^tocrben
ber Steformierten über biefe 93ergeh)altigungen beim Steic^^tagc blieben erfolglos unb erft
lü al^ ^reufeen mit gleid^er Sel^anblung ber Äatl^olifen in feinen Sänbern bro^te (3JI. See-
mann, ^reufeen u. bie fat^. Äird^e feit 1640, 1, 386) toerftanb fic^ ber Äurfürft baju,
burd; bie fog. SReligion^beflaration öon Düffelborf (öom 26. 9loi)ember 1705) ba^ cin^
geführte ©imultaneum im allgemeinen lüieber auf^ul^eben. 9lu«genommen tourbcn bie
Äird^en, an benen eg fc^on \)ox bem 9lu^fterben ber t^falj^fimmemfc^en Sinie (1673) bt-
15 ftanben l^atte, femer foÜte in ben §au})tftäbten mit mehreren ilird^en hjcnigften^ eine ben
Äatl^olilen verbleiben, in ben übrigen Dberamtöftäbten mit einer Äird^e aber, folüie in
^eibelberg bei ber ^eiliggeiftlird^e bie Senü^ung be« £anglfiau|e« ben ^Reformierten, bic
be^ 6^ore^ ben Äatifiolifen jufommen. S)ie Äird^en in ben übrigen ©tobten unb auf
bem Sanbe, fotoie bie ©infünfte be^ allgemeinen reformierten Äirc^enöermögen^ trurbcn ju
20 »/, ben Sieformierten, ju '/^ aber ben Äatl^olifen jugeioiefen (S. ®. ©truöc, ^fäljifcpe
Kird^en^iftorie, ^ranffurt a. 5K. 1721, ©. 768 ff.).
Die red^tlid^e H()eorie be« ©imultangebraud^e« bon lird^lid^en ©inrid^tungen, in^be=
fonbere i)on Äirc^engebäuben, ift, ba meiften« gefe^lic^e Seftimmungen barüber fehlen
(nur ba« ^^reu^. 2lllg. £.91. II, 11, §§ 309—317 unb ba« baierifd^e 9leligion«cbift bom
26 26. 3)Jai 1818 §§ 90—99 enthalten fold^e, ba« le^tere im h)efentlic^en änfd^lufe an ba«
^reufeifd^e Sanbrec^t), toenig au«gebilbet unb fe^r beftritten.
35ie red^tlid^e ©runblage für ben gemeinfd^aftlic^en ®ebrauc^ einer Äirc^e fann
einmal ba« ^Miteigentum beiber ©emeinben an bem ©ebäube bilben, ein %aü, bei toelc^em
auc^ ^ugleic^ mel^rfac^ ein SRiteigentum am Äird^enöermögcn öorlommt. ß« ift aber
30 auc^ möglid^, bafe bie Äird^e im Sllleineigentum ber einen ©emeinbe fte^t unb bafe bic
S3ered?tigung ber ©emeinbe ber anberen Äonfeffion fic^ blo^ al« ein ®ebraud^«re(^t
c^aratterifiert. Db ba« eine ober anbere, unb im lefeteren fjalle, loelc^e 3trt be« ®ebrau(b«=
re^te« an^une^men ift, läfet ftd^ nur unter Serüdffidbtigung ber Slrt ber ©ntftebung bc«
©imultaneum«, in«befonbere ettoaiger jloifd^en ben ©emeinben gefc^loffener SBerträge (fo
36 auc^ a.2.!JH. II, 11, § 309 unb 9leligion«ebtft § 90) bejto. nad^ bem ^errfd^enben S3eft^
ftanbe feftftellen. 6« ftel^en fid^ in biefen fällen ftet« gh)ei ©emeinben, al« öerfd^iebeiic
9lecbt«fubiefte gebac^t, gegenüber unb e« ift unl^altbar, h)enn neuerbing«, fo öon |)irfd^cl,
bie rechtlichen Sßerbältniffe bejüglid^ ber ©imultanlird^en im 2lrd^ti) für fatl^. Äirc|enrec^t
46, ©. 365 bel^au})tet h)orben ift, bafe bie betreffenben 5Religion«gefeIlfd^aften bejüglid^ ber
40 ©imultanürc^e nic^t al« ijoneinanber getrennte (Sefellfd^aften, fonbern al« eine einzige, in
Sejug auf bie. betreffenbe ilirc^e bie ©emeinfd^aft unb bie Q\ni}t\t ber SWeligion noc^ feft=
baltenbe ©emeinbe betrachtet toerben müfetcn. I)er Berechtigung gum 3Kiteigcntum ober
5DJitgebraud) ftel^t e« aber gleich, h)enn nur bie t^atfäd^lidbe SRitbenu^ung burd^ eine be=
fonbere Seftimmung, h)ie j. S. ber be« lüeftfälifc^en gi^ieben« über ba« SJormaljabr, eine
45 rcc^tlid;c Slnerfennung erl^alten ^at. (Sin ©imultaneum im 9iec^t«fmne entfielet aucb,
iücnn bie eine 9leligion«)3artei ber anberen blofe bitttoeife (precario) bie 3Ritbenü^ung
einräumt, unb bie ßrlaubni« ba^u ieber3cit h)iberrufen fann (f. 91.2.91. II, 11, §§314.
317; 9{eligion«bift §§ 94. 97). Dagegen fann — felbft nic^t burc^ geitablauf — ein
©. entfte^en, menn bicDulbung ber SJlitbenü^ung gegenüber ber bered^tigten Partei burc^
6o(3etoalt erjnjungen ift (ügl. ben 9ied;t«fall in ber 3Ä91 17, ©.326). Die crtoal^nten
beiben ©efe^gcbungen beftimmen für ben %ali, bafe bei einem ©treit bie Berechtigung
beiber ©emeinben nid^t feft^ufteHen ift, bafe bie Senüftung berjenigen, toeld^e am f^äteften
5um 3JJitgebraud^e gelangt ift, nur al« eine lüiberruflic^e unb bitttoetfe eingeräumte gilt,
unb ba^, menn bagegen ba« 3?erl^ältni« ber 5!Ritbenü^ung nid^t flar ju fteßen ift, beibe
55 ©emeinben al« gleid;berec^tigt j^u betrad^ten fmb. ©oioeit feine befonberen gefe^lic<^en
5Rormen beftel^en, muffen bie ©runbfä^e be« ^rit)atrec^t« über 3)litctgentum ober @cs
brauc^«red^te an frember ©ac^e in ©eltung treten. (9Sgl. ©ebling, ©imultant>cr^ältniffe
©. 62 ff.)
Die 9lrt unb ba« '3JJa^ ber bciberfeitigen Benü^ung fann fel^r toerfc^ieben fein, ©o
eo fommt eine räumliche 2:rennung \)ox in ber SBJeife j. S3., bafe bie eine ^rtei ba« ©d^iff,
378 Sintttltaueitm
fclbc QCöcn ben Ifieutc ancrianntcn ©runbfa^, bafe er ben Äirc^cn unb ScIigion^cfeHs
fd^aftcn in i^rcn inneren Slngelegcnlfieiten Slutonomie geioä^ren unb feine ju Seiftungen
unb j\u Saften ju ©unften einer anberen jitüingen foll, berftofeen, iüenn er, fei eö auf bem
aSertpaltung^hjege, fei e^ burd^ bie Oefe^gebung einen ©imultangebrauc^ bon Äirc^en
6 erjtüingen tooBte. (Über eine 3tu«na^me f. unter IV.) I)a^ I. babifd^e Äonftitution^-
ebift toom 14. 3J{ai 1807 beftimmt in § 10, toeld^er nic^t aufgel^oben ift, in biefer ^infuf^t:
„9luc^ ein geteilte« ober gemeinfd^aftUc^e« SRed^t be« ©ebraud^e« ober ©enuffe« bcr Äirc^en,
ber ^Pfarrs unb ©c^ulgebäube ober be« lird^Iic^en SJermögen«, ba« ben Äirc^fj)ielen einer
ober ber anberen Äonfeffion angel^ört, foH unter leinerlei SSortoanb eingeführt, noc^ mit
10 irgenb einer Slngabe ber Unfd^äblid^feit gerechtfertigt toerben . . . %üx einen Verbotenen
3Dlitgebrauc^ foH jebod^ berjcnige nid^t geartet toerben bürfen, ber nur für einen SJotfaH
auf eine lurje 3^^/ h- ®- ^^Ö^" Sranbfc^äben, Ätrd^enau^bejferung ober für tranbeinbe
©emeinben, mithin für öorübergel^enbe 2lnläffe, j. 83. für eingelegte Ärieggüölfer Verlangt
hjtrb. hierüber bleibt ber ©taat^getoalt jebe 3lnorbnung, hjeld^er ben ©enufe ber cigen=
15 tum^berec^tigten Äird^e nid^t fd^mälert ober Ifiinbert, unbenommen".
dagegen [xni bie Staate, inöbefonberc bie ^olijeibe^örben befugt, 3tnorbnungen
ju treffen, hjenn bie« im ^ntereffe ber 3tufred^terl^altung ber SRul^e unb Drbnung bei
öorfommenben ©treitigfeiten unter ben 9leligion«>)arteien erforberlic^ toirb (Strc^iö f. lat^.
Äird^enrec^t 12, 470), unb biefe loerben unter Umftänben bei fc^lüeren Störungen unb
20 ©efälfirbungen ber öffentlichen Drbnung aud^ auf jeittoeife Unterfagung be« ©imultan^
gebrauche« gelten fönnen. 6ine birefte ©rjloingung ber 2lufl^ebung be^felben tüiberSBillcn
ber beiben ^eligion^parteien hJürbe aber gegen bie ©tellung öerftofeen, toeld^c ber mobemc
©taat gegenüber ben Sleligiong^efellfd^aften einzunehmen l^at. 3lnber« ftel^t e« freiließ
nac^ ^artifularrec^t. I)a« baterifd^e 9leligion«ebift § 99 beftimmt: „Slu^ lann eine
26 fold^e Abteilung öon ber ©taat^gehjalt au« })oligeilid^en ober abminiftratitoen ®rmägungen
ober auf3lnfu(|en ber beteiligten toerfügt Serben" ; unb ba« citierte babifc^e ßbüt a.a.O,:
. . . „5lur ba, \üo ein folc^e« ©imultaneum jefet fd^on beftebt ober angeorbnet ift, bleibt
e« femer, fo lange nic^t bie 2^eillfiaber unter fic| eine Abteilung einöerftänblid^ befd^liefeen,
ober bie ©taat«geh)alt burd^ eine 2lu«Iunft, bie jebem leile gleic^l^eitlic^ unb billig feine
30 fefarate Äirc^enfonDenienj jutüeifet, fic^ in ben ©tanb gefegt ^at, il^re 3:eilung«anorb=
nungen gegen ettoaige §mbemiffe burc^jufe^en, inbem jebe noc^ befte|enbe ©emcinfc^aft
nic^t jtoar burd^ gerid^tlic^e Ätagen, hjol^l aber burc^ 3tufforberung ber ©infc^reitung ba
oberften ©taat«t)oli^ei aufgelfioben, aud^ ijon einem Xeile allein auf Teilung gebrungcn
toerben fann, fobalb billige Ieilung«i)orfd^läge gemacht tüerben fönnen."
36 III. %ixx Äird^lfiöfe ift, abgefe|en bon ben bi«l^er beft^roc^enen fallen, toieber^olt
burd^ bie toeltlid^en ©efe^gebungen ein befd^ränfter ober et)entueller ©imultangebrauc^
feftgefe^t hjorben, eine Sorfc^rift, toeld^e im toefentlic^en 3ufö^""^^"^^"9^ "^^t ^^"^ ft^^^^
lid^en SRed^te auf §anbl^abung ber Seichen* unb S3egräbni«})oli^ei ftelfit. ©c^on ba^
Instrum. pac. Osnabr. Slrt. V, § 35 l^atte angeorbnet, bafe 2lnge|>örige einer ber Sleicb^
40 tonfeffionen, toenn biefelben feinen eigenen Sird^^of am Drte befäfeen, auf bem ber anberen
il^r 33egräbni« finben fotlten, unb biefe 2tnorbnung ift mit teilloeifen ©rtoeiterungen auc^
burd^ eine Steige bon ^artifulaned^ten tüieberl^olt toorben, ijgl. breu^. 2ltlg. 2.31. II, 11,
§ 189: Sludf; bie im ©taate aufgenommenen Äird^engefellfd^aften ber berfd^iebencn
3fleligion«>)arteien bürfen einanber lüec^feltoeife, in Ermangelung eigener Äirc^l^öfe, baö
45 Öegräbni« nid^t öerfagen" ; baier. 9leligion«ebift § 100 : „SBenn ein 5Heligion«teil feinen
eigenen ftird^l^of befiftt, ober nid^t bei ber 2^eilung be« gemeinfd^aftlid^en Äirc^enDermögeii^
einen fold^en für fic^ anlegt, fo ift ber im Drte bepnblic^e al« ein gemeinfc^aftlic^cr
S3egräbni«pla| für fämtlid^e ©intoo^ner be« Drte« ju betrachten, ^u beffen Stnlage unb
Untcrl^altung aber aud^ fämtlic^e 9leligion«t)erh)anbte toer^ältni«mä6ig beitragen muffen."
50 § 103: „Der ©locfen auf ben Äird^l^öfen fann fid^ jebe öffentlid^ aufgenommene Äird^en-
gemeinbe bei il^ren Seid^enfeierlic^feitcn, gegen 33e|;al^lung ber ®ebü^r, bebienen"; tüürt^
temb. 3S. ijom 12. ©e>)tember 1818, S. IV, 9k^fd(>er, ©ammlung 9, 432; öfterr. intcr*
fonfeffionelte« ©efe^ Dom 25. 3JJai 1868, Slrt. 12: „Äeine 9leUgion«gemeinbe fann ber
Seid^e eine« il^r nid;t aingel^örigen bie anftänbige Seerbigung auf ilfirem ^rieb^ofe tm-
55 tüeigern . . ., menn 2. ba, ioo ber 2:obe«fatl eintrat ober bie Seiche gefunben tuarb, im
Untfrei« ber Drt«gemeinbe ein für ©enoffen ber Äirclje ober 9leligion«genoffenfc^aft be« 9Jer-
ftorbenen beftintmter 5riebl;of fid; nidit befinbet". Sie ^onfequen^ biefer 3Sorfc^riften bebingt
e«, bafe ba« i^cgräbni« in ber ber betreffenben Äonfeffion eigentümlichen 2Beife, alfo auc^
unter S3egleitung eine« ©eiftUcl^en berfelben gefd;iel^t, fofern nur babei aße« ettoa bie
<io anbere Äonfeffion i5erle^enbe üermieben ioirb. 2)ie eüangelifd^e Äirc^e crfcnnt biefe
Stnmltoiteiiitt Sin, Stobt 379
©runbfä^c an, cbcnfo ift biefcr ©tanbt)un!t and) meiften« ftaatüd^crfcit« eingenommen
Sorben (bgl. für ^reufeen Roi), Äommentar ^um äüg. 2.91., 6. 2lu^., Sb 4, ®. 389 ;
für Saiem ©tlbemagl a. a. D. ©. 303), bagegen bertoeigert bie lat^oUfc^e Äirc^e ba«
Segräbntö ))rtnji})iett. 9iur bann, tpenn e« ni^t ^u bcrmeiben ift, toleriert fic ba^felbe,
of)m inbeffen bem Oeiftlic^en ber anberen Äonfeffton bie SSoma^me ber lird^lid^cn gunfc 5
tionen ju geftatten, bgl. ärd^ib für lat^. Äirc^enred^t 40, 20, ©.91 unb ebcnba 3, 486,
auc^ toirlt fie toomöglid^ auf ^erfteüung einer befonberen Abteilung für bie 3l\d)U
latl^olilen auf ben Äird^l^öfen l^in (toie bieö jj. S. in öftenei(^ unter Äonnibenj ber
Staat^regierung gefdjiel^en ift, bgl. 3Dlin.::6rIa6 bom 21. ÜRai 1856, ^orub^jl^/
9le(t>te ber ^roteftanten in Öfterreid^, SBien 1867, ®. 272 ff. unb in ber 3^ 9, lo
©. 30ff.).
IV. ßtn Sebürfnig, neue, ben frül^eren ©imultanberlflältniffen ä^nlid^e ju begrünben,
unb eine Sered^tigung be« ©taate«, in biefer ^infid^t einzugreifen, liegt in heutiger ^cit
nur in bem galle bor, toenn ein unb biefelbe Sfleligion«))artei ftd^ toegen Differenjen,
trelc^e in il^rem ©d^ofee entfte^en, f^altet. tiefer ^aH ift in ©eutfd^lanb nac^ bem is
batifanifd^en Äomil bon 1869/1870 infolge ber aSerhjerfung ber Dogmen be^felben burc^
bie fog. Sntlatifiolifen eingetreten, ^n Saben (®tfe^ b. 15.3unil874) unb in ^reufeen
(®efe^ b. 4. ^ü 1875) ift ben altfat^olifd^en ©emeinfc^aften unter befttmmten 3Sorau«*
fe^ungen ein med^t auf 5Kitgebraud^ ber biö^erigen latl^olifc^en Äird^en, ürc^Iic^en ®eräts
fc^aften unb Äird^lfiöfen unb auf SKitgenufe be« firc^lic^en 9Sermögen« eingeräumt toorbcn. 20
3;nbeffen ift e« ju einem ©imultangebraud^e bon Ätrc^en burc^ bie SRömifc^^Äat^olilen
unb bie SÖtlatIfiolilen nid^t gelommen, hjeil ber t)äj)ftlid^e ©tu^l ben erfteren ben toeiteren
5Jlitgebraud^ ber ben lefeteren übertoiefenen ilirc^en unterfagt l^at. 3Sgl. 5ß. $infd^iu«,
3)ie preufe. ftird^engefe^e ber SJa^re 1874 unb 1875, »erlin 1875, ©. 179. 184; 2trc^ib
für lati^. Äird^enre^t 29, 434 unb 46, 333. (*. ^ittfi^ifid t) ©c^Iiiig. 26
©In, ein Ort in äg^))ten (®j 30, 15f.). — fiittcratur: 5)ie Äommentare jum
S3u(^ ejc^iel öon 9?. @menb, e. öon Drcfli. ?(. ©ert^olet unb 91. Sir«M*niov; 6.^. eomitt,
S)aö SBucö $cf. herausgegeben (1886) unb ®. 3a^n, 2)a8 93ud) ^ef. auf ®runb ber 6cptua=
ginto iergeflcat, überlebt unb fritifc^ erflävt (1905); bie Serfe über 5le9i)ptcn8 (5Jcfd)tc^tc,
namcntlicp ha^ öon 3ö6- 3)ümi(jftcn in DndtcnS 9ScItgefci)ic^tc in ©injclborflellunaen ; bie so
9?caltt)ürtcrbüc^cr hi^ ju S3lac!=(5§eQneS Encyclopaedia Biblica (1903) unb ber Jewish Ency-
clopedia (1905).
Setreffg ber Sage be« in ©j 30, 15 f. genannten Drte^ VP ift junäd^ft ein ^^f^tum
JU bcfeitigen, ber fxd) bei ®. ©ber« in SRie^m^ ^anbtoörterbud^ be^ bibl. Slltertumg,
©. 1487 geltenb mac^t. 6r ft^ric^t nämlid^ bie 5Keinung a\x^, man lönne au« ber ge= 86
nannten $roj)l^etenfteE[e nid^t erfennen, ob ©in einen unteräg^t)tifd^en, ober ob e« einen
oberäg^t)tifd^en Ort bejeid^nen folle. (gntfc^ulbigt toirb biefer grrtum burd^ bie je^ige
Abteilung ber SSerfe 14. 15. 16. Slber biefe Seröabgremung, bie freilid^ ©menb im
Äurjgef. ejeg. §anbb. i. ©t. afe „olfine 3*^eifel richtig" anfielfit, ertennt man ate ^toeifet
lo« unrichtig, toenn man bie in jenen brei SSerfen genannten äg^>)tifc^en Drtfc^aften j|ä^It. 40
3)enn beren jtnb 4X2, unb bon biefen jlüeien ift immer ber erfte ein oberäg^))tif(^er,
ber jtoette em unteräg^t^tifc^er: l. ^jSatlfiro« unb ßoan; 2.„9?o unb ©in; 3. 3?o unb
©in; 4. 3lo unb 9?oj)^. Q,omxü fe^t 3. "^SRmp^x^ unb ^g^t^ten unb 4. ©^ene unb
Hieben, aber ba auc^ er bie SBiebcrl^olung bon lieben (3?o) nic^t bermeiben lann, fo
ift bie Slufjä^Iun^ be« MT üor^uj^ie^en. Sert^olet, ber ebenfalls mit LXX in 15** 45
3)fem})^i« lefen toiB, geftel^t felbft, bafe man bamit auf ba« SBortfpiel bergic^ten muffe,
ba« in bamon No' (15^) unb Nd* amon (9?a 3, 8) liege. Xro^bem fc^reibt ^al^n in
15^ lieber einfad^ 3lopf) (5)iem)3^i«). S)a alfo ber überlieferte |ebräifd^e 2:ejt borju-
jie^en ift, fo ift fd^on banad^ ba« Urteil rid^tig, baj ©in eine ©tabt in Unteräg^))ten
bejeic^net. SBenn ©ber« fobann al« ^toeiten ®runb, ©in nad^ Dberägt^ptcn gu berlegen, 50
bie« anfül^rt, bafe ftd^ mit bem ^ebräifd^en 3lu«brudf am beften ba« altäg^})tifd^e ©un,
ber 9lame be« gried^ifc^en S^ene, bedte, fo i}ai er überfeinen, bafe biefer Ort auc^ bei
ben Hebräern unbjtpar gerabc bei Sjed^iel (29, 10 u. 30,6) in ber 3?% unferer ©teile
in ber gorm ©etoene^ eriftiert. ^ux Unterftü^ung feiner annähme ^ätte ©ber« ftc^ auc^
nid^t barauf berufen fönnen, ba^ auA ba« in 6j 30, 14—16 bem ©in barallele ^oan 65
(9?u 13, 222c.) toa^rfc^einlic^ bei ben Hebräern noc^ unter einem anbem 3?amen (nämlic^
Sla'mfe«, ®en 47, 11 k.) üorfommt. 2)cnn biefer 9Jamc ift ja ein SBeiname ^oam ge^
toefen, obgleid; aÖerbing« biefe Don Srugfcl) im Dictionnaire göographique begrünbete
unb bon ©ber« u. a. gebilligte 2lnnal;me bon 2Ö. 3Rai SKüller in ber Enc. Bibl. s. v.
380 ein, Stabt Sin, »fifle
Rameses (c, 4013) bcftrittcn h)irb, inbcm er öiclmcl^ jtüci ©täbtc Sla'mfc^ annimmt.
— Sfficld^c Örtlic^fcit Unteräg^t^ten^ aber ©jed^icl mit ©in gemeint ^at, h)irb barau^
erfid^tlid^, bafe er ©in afe jtpeimalige parallele öon lieben ju ben bebeutenbften Drten
Unteräg^^teng gerechnet, unb bafe er e« ,,bie J^eftung !äg^>)ten«" genannt ^at. 35ana(^
6 lann ©in nid^t ein unbebeutenber Drt be^ öpiid^en Unterägi;pten fein. I)aran fc^eitert
bie annähme SB. 5K. ^Küllerg (Enc. Bibl. c. 4629), bafe „Ezekiers Sin was a fortress
similar to (perhaps not very far from) Pelusium, but of a somewhat ephe-
meral importance", unb ein fold^e^ 9?eben=^elufium öorau^pfe^en, ift bod^ überhaupt
fel^r pxMx, ©ic lann aber femer auc^ nic^t ba« Don ben LXX gefegte I^ätg fein, toeil
10 biefe^, im toeftlic^en Unteräg^jjten gelegen, ber militärifd^en Sebeutung entbehrte, hjeebalb
au(^ SB. 3W.3Jlüner biefc angebliche „fie^art" öon LXX nid^t anjuerfennen öermag. älö
„bie ^eftung Sg^))teng" ^at ftc^ aber im Saufe ber ©efc^ic^te bie am öftlic^ften
5nilarm liegenbe ©tabt ^elufium beh)äl[irt. Denn im Dften biefer ©tabt iüar ein
l^o^er Orenjtpan aufgeführt (2)ioborug Siculu^ 1, 57), unb bie ©tabt felbft toar mit
15 3Kauem t)on 20 ©tabien Sänge umgeben (©trabo, ©. 803). Die öon Dften ber ein-
bringenben §eere lonnten biefcn bebeutenben 3Q5affen)3la^ äg^pten^ (bgl. Caesaris Bellum
dvile 3, 108), biefen ©c^Iüffel Sg^))teng (öirtiu^. Bellum Alexandrinum 26 unb
Sibiu^ 45, 11) nic^t ignorieren; bgl. 5. 85. über ben Äriegö^ug be«©an^erib bei ^erobot
(2, 141) unb bei 3iofe})l^u« (Antiq. X, 1, 4), über bie be« äntiod^u« Qp}!p^. bei'Siöiu^
20 (45, 11). SBie aber in ber ftrategifd^en 2Bi(|tigfeit, fo ftimmen ©in unb ^eluftum and)
in ber SBortbebeutung (SKoraft 0. ä.) jufammen, benn fc^on ©trabo bejiel^t ben 'D'iamen
^elufium auf bie fc^Iammige Umgebung biefer ©tabt. ^elufium tourbe fc^on t>on §ieron.
unb toirb toon GomiH, Sertifiolet, gal^n, ©ocin in (Suti^eö Ä93SBS. angenommen. — S®ic
aber ^iefe ©in^^eluftum bei ben äg^lptemV 9lun fc^on Srugfd^ i)at im 9Jad^trag ^u
26 feinem Dictionnaire g^gr. bie Stnfi^t afce})tiert, bie ber bebeutenbe äg^))toIog Dümic^cn
in feiner „®efd^. be« alten äg.", ©. 74 (1878) unb ©. 263 begrünbet ^at. Die ^aupU
ftabt be^ 19. unteräg^t^tifc^cn ®aue« toar banad^ 3tm. ©0 h)ar biefe ©tabt nad^ ben
beiben Slugenbrauen be^ Dftri^ benannt, bie im Xcmj)el biefer ©tabt al^ ^eilige JHeliquien
berel^rt tourben. SB. 5Kaj 3RnM (Enc. Bibl., c. 4628) giebt ate 3flame ber „grofecn
30 befeftigten ©renjftabt" öielmel^r 2lme(t), beffen offizielle ©t^mologic in „^ürft t>on Unter-
äg^lpten" lag, toag er aber felbft ate „toietteid^t fünftlic^" bejcid^net. 3m ältäg^))tif(ben
^at nun femer ein 2Bort am {topt ome) bie Sebeutung beö nrjXdg, alfo üKoraft = V^-
Db fc^on bie alten 3tg^|)ter, bie eine befonbere aSorliebe für 2Bortf})iele l^atten, gelegent^
lic^ für „©tabt ber beiben Augenbrauen" bie ^toeite Sebeutung be^ 3BorteiS am bei
86 9lennung be^ ©tabtnameng in benfelben legten, ober ob ©riechen unb ©emiten nur in
falfd^er Deutung beö SBorte« am eine ^toeite Deutung benfelben für bie erfte einfetten,
bag mufe bal^ingeftellt bleiben. 3i^^^"f«ß^ Ratten 2tg^J)ter, (Sried^en unb ©emiten ben
ftärfften Slnlafe, mit bem ©tabtnamen 3lm ober aime(t) ein SBortfjpiel ijor^une^men, iocil
bie Äau^jtftabt be« 19. unteräg^jjtif d^en ®aue^ bon Süm})fen umgeben mar, bie na(6
40 ©trabo (p. 803) ßdga&ga „Slbgrünbe" l^iefeen. 6in 3^0"^^ babon, bafe ©in eine Se^
nennung bon ^elufium toegen beffen fum})figer Sage getoorben ift, liefert aud^ ber Um=
ftanb, ba^ nod) je^t ein norbtoeftlid^ bon ben tüenigen Sluinen be^ alten ^elufium bc^
finblic^ei^ berfallene^ Äaftell Tinel^ (Se^m, ©d^mufe) (reifet, ^n biefer Benennung, an
bie ÜKüIler mit Unrecht ben 3)Ja6ftab ber h)iffenf(|aftlid^en ©t^mologie legen ioill (bei
45 ®ef.=53ul^l, §ebr. SBb., 1905, 492 a), mufe aud^ er eine, tomn anö) nad) feiner anficht
nid^t ^inreic^enb tragfäl^ige Safig für bie ^bcntifijierung bon ©in mit ^elufium aner=
lennen (Enc. Bibl., c. 4628). Da^ l^eute füböftlid^ bon ^^elufiumg SRuinen liegenbe
^l^aramel^, ba^ mit ^elufium^ fo})tifc^em 9?amen ^eremun gufammenflingt, brücft nic^t
benfelben ©inn toie $elufium au^, toeil jener Ioj)tifc^e 3?ame nid^t mit bem atterbingö
50 in ber to})tifc^en ©J)rad^e ate ome k. erl^altenen altägtoptifc^en am (Ttrjlog) gufammem
bangt, fonbern bielmel^r einen anbem 9Jamen ber $aut)tftabt 3tm (nämlic^ ^omen) bur(^
i^orfe^ung be^ 3lrtifelg pa miebergiebt Da toir (fagt Dümid^en, ©. 264) in ber üon
ben ^"f^^iftcn 2lm genannten $au)3tftabt be^ 19. ®aue« bie nac^mate in ber ®cfc^i(^tc
be^ Oriente unter bem 9?amen $elufium eine ^ert)orragenbe Slolle fpielenbe ©tabt ju er-
66 fennen l^aben, fo lann biefelbe nid^t mit ber neben i^r al^ befonbere ©tabt genannten
§t^ffo^feftung $at=uär (3lüari^) ibentifd^ fein, bie ettoa 10 km fübtoeftlid^ bon i^r lag,
nac^ Sejjftu^' annähme an ber ©teile, ioo l^eute bie ©c^uttl^ügel bon %tü el Ä^r ft$
befinben. ». Mmg.
©in, aBäfJe, f. b. 31. ffiüftentoanberung.
Sinai 381
Siltoi. — fiitteratiir: G. SRittcr, OTgcmcinc erbfimbe, 93b XIV; &. SRobinfon,
$Qlä|HnaI (1841), 145 ff.; SepftuS, Steife öon i^eben nod) ber ^albinfel bcd 6inai, 1845;
berfelbc, ©riefe ou^ 9(ej\t)ptcn, ^letl^iopien unb ber .^albinfel bee Sinai, 1852; ®. (Sber^,
2)urd) föüfcn jum 8inai^ 1881; (SJ. @ber§ unb ^. ÖJut^e, ^alöftina in ©ilb unb ^ort II
(1884), 255 ff.; für bie Kenntnis ber ©inoil^albinfcl ift grunblegenb: Ordnance Survey of 6
tho Peninsula of Sinai. Bv Capt Ch. W. Wilson and H. S. Palmer, @üutt)Qmpton
1869—72, 5 93be (mit t<irten.' ?lbbilbungen k.); ^. ©. Volmer, The Desert of the ExoduB,
C£nmbribge 1871, beutfd) unter bem 3^itel: 3)er ©c^au^Ioti ber 40jä^rigen 2Büftcntt)anberung,
1876; ®rft^ in 3J?onQt§fd)r. für ®ef(t). bc« 3ubenti 1878, 327 ff.; Itinera hierosolymitana
saec. IV — VIII, rec. % ®e^cr 1898; Qu^erbem bie Kommentare jum ^entateuc^. — gür lO
bie 5Ber(egung beS @. in ba§ i!anb ^iibian ober nad) 3(rabien: (S^arle^ S3efe, Discoveries of
Sinai in Arabia and of Midian (fionbon 1878), 45 ff. 124 ff. 285 ff. 387 ff.; 9Uct)arb g.
5Burton, The Land of Midian (revisited) I (1879), 144 ff., 235 f.; g. ^SeD^aufen, ^rolego--
mena', 359; ©eorge &. 3Koüre, Commentar>^ on Judges (1895), 140. 179; 93. 6tabe. ^nU
fte^ung bcö 9SoI!cS Sfi^racl, 12; Sl. grei^. Don mn, 9lltiöraelitifcf)c Äultftätten (1898), lff.;i5
(Sb. äRei^cr, 2)ie 3Kofcfagen unb bie ficöiten in @939(, 1905 (XXXI), 640 ff.; berfelbe, 3)ie
3^rnelitcn unb i^rc 9?ac^barft«mme (1906), 60, 67 ff.; $. ©unfcl, ?ludgctt)«^Itc $falmen*,
80 f., 116 f., 180f., 216; Jp. ©rej^mann, 5)er Urfprung ber igraelitifdj^jübifcben eScDatologic
(1905), 40 ff. Ucber bie SSuIfane im norbmeftlidicn §lrabien ugl. ©. SRitter, ©rbfunbe SBbXIII,
165 ff. unb O.fiot^ in ßbmöXXII, 365 ff.; .£>. ^Sinctler Derfuc^t in ber ^(b^anblung „Sinai" 20
in ben «ritorientalifdjen 5orfd)ungen, britte fWei^e, S3b II (1905), 360—380, benS3erg ber ®e^
fe^gebung alS fo^mifc^en ^Begriff ju beleuchten.
©cit ettüa 1500 ^afycm gilt atö ber Scrg Sinai, an bcm nad^ ber ©arftcHung
be« ^entateud^^ 3Kofeg bie 5Kc^rjal^l feiner ©cfe^c ben ^^^öclitcn gegeben ^aben foH,
einer ber ®ij)fel be^ (Scbirgftocf«; ber ben 3KitteI})unft ber ^albinfel ;\iüif(^en ben bcibcn 25
ni>rbac^cn armen be« SRot^en 3Keere« (f. b. 2trt. Sb XII, 497 ff.) bilbet; fie f)at banac^
ben Flamen ©inai^albinfel erhalten. Um ein annä^ernbe« Silb bon ber Sage biefe«
^od^gebirge« ju geben, ift e^ geraten, in aßer Äürje bie SBege ju nennen, auf benen c«
cneid^bar ift. 35on bem 6nbt)un!te beö ©ue^fanalc^, bon ber ©tabt ®ue^ au^ fül^rt
ber erfte 3Beg, ber f)m angcfülfirt toerben foB, brei Xagereifen am Dftufer be^ ÜKeer« so
bufen^ fübtüörtg über ^iemlid^ ebenem, mcift bürrc^ Sanb, bann in füböftltd^er Slic^tung
enttoeber über bie frud^tbare Dafe firän unb am dschebel serbäl Vorbei ober ettoa^^
nörblid^er burc^ ben wädi esch-scbech in öier big fünf 2^agcreifen ju ber S3erggru})))e beö
dschebel ed-der (2055 m), be^ dschebel müsä (b. i. 9Jlofe«berg, 2244 m) unb beö
dschebel käterin (Äatl^arinenberg, 2602 m), tn^gefamt 215—220 km. ©in jtoeiter 35
SBcg fü^rt öon bem Weinen 35Jad^t)}often kal'at en-nachl am oberen wädi el-*^arisch
in ber bädijet et-tih (f. b. »rt. ^aläfttna 35b XIV, 564, 49—55), cttoa in ber 5Kitte
j;h)ifd^en ©ue« unb ber kafat el-^'akaba (= eiat^ 35b V, 285 ff.) gelegen, in füblid^er
Stiftung auf biefelbe S5erggruj)))e ju, fünf lagereifen gu etma 150 km. ©in britter, toenig
benu^ter 3Beg gelfit t)on ber kal'at el-'akaba an bem öftUd^en 2lrm be^ Sloten 9JJeercg 40
an^, läuft anfangt fübtoärt^ an bem SBcftufer beö 5Keerbufeng unb toenbet fid^ bann in
füblüeftüc^er Slic^tung nac^ bem mittleren GJebirg^ftodE, ebenfalls 5 3:agereifen ^^n 150 km.
35er vierte SBeg beginnt toon bem fletnen Drte tür an ber 9i5eftfüfte ber $albinfel ; man
erreicht biefen gu ©c^iff in jlüei lagen toon ©ue^ unb gelangt bann auf jtoei i)erfd^ie=
benen SBegen in tcilg öftlid^er, teilg nörbli(f|cr Sltc^tung in brei Ziagen an^ ^\d, \)on tür 45
brei 2;agereifen ju ettüa 100 km. 2)ag (Sebirge ift alfo fc^tüer ju eneiqen, e^ liegt
ööllig abfeit« öon allen größeren ©trafen unb ift nad^ aÜen ©citen, befonber^ nac^
9?orben Don tüüften, böHig bürren ©treden umgeben.
3)er mittlere ©ebirgeftodE felbft ift auf brei ©eiten Don 2:^älern umgrenjt, nur nad^
©üben ^ängt er mit ben anftofeenben §i>l;en5ügen o^ne tiefere (Sinfc^nittc jufammen. 50
I)er dschebel ed-der fc^iebt feinen %\x^ in ®eftalt eine^ 3)reiedfö am toeiteften nad^
3?orben Dor. 6r ift im Dften öon bem wädi es-sadad begrenzt, bag in feiner füblid^en
gortfe^ung ben 9?amen wädi es-seba'ije annimmt. 9ln ber ^lorbtoeftfeite be« dschebel
ed-der jie^t ber wädi esch-schech mit nörblic^ gerichtetem (SefäHc, an ber ©übtocft^
feite ber furje wädi ed-der, b. i. ba^ I^al be^ ^lofter^, nämlic^ be« je^igen ÄatJ^arinen* 65
flofter«, ba^ in feinen oberen 2lnfängen auc^ ben Flamen wädi schu'aib (= ^etl^ro
@j 18) trägt unb fein 3legentoaf|er bem wädi esch-schech ^ufü^rt. 2)ie anbcre ©eite
bcö wädi ed-der hjirb burc^ bte Slb^änge bc^ jtoeiten gelüaltigen SSergrüdfen« gebilbet,
beffen fübi>ftlid^er ®ij)fel dschebel müsä l^ei^t, beffen norbtoeftli^er ©i^fet ras es-safsäf
(ber „3Beibento^f", 1994 m) genannt h)irb. S)ie norbtocftlid^en Slbl^änge biefe^ Ic^tercn so
®i^)fete liegen in |\iemli(^ gleid^er 2inic mit benen bee dschebel ed-der gum wädi
esch-schech. 9lud^ biefe^^ Xl^al finbet nad^ @übU)eften if^in feine ^ortfe^ung in bem
382 Sinoi
ftarf anftcigenben wädi el-ledschä, bag fid^ halb nad^ ©üboftcn hjenbet unb ^u bcm
5h)eiten, je^t ijcriaflenen Äloftcr der el-arba'ln („Slo\kx bcr SJierjig" Don bcn SKuelimen
erfd^lagcnen d^rtftHd^cn 5Kärt^rcr) .fül^rt. 6« liegt fübtocftlid^ unterhalb ber Sj>i$e bc^
dschebel müsä, in bcn oberen älnfängen be^ wädi. ©üblid^ t)om dscbebel müsä
6 unb bem eben genannten Älofter erl^ebt fic^ bie bebeutenbfte ^öf)t be« ganjen ©ebirgc^,
ber dschebel käterin 2602 m, ber 35erg ber \)l Äatl^arina, beffcn niebrigere Sorbö^
ftd^ unmittelbar an ben dschebel müsä anfc^Ue^en.
I)ag je^igc Äatifiarinenllofter ift au^ einem Äaftell entftanben, ba^ bcr Äaifcr
^uftinian 526 jum (S(|u$e ber ©infiebler am dschebel serbäl bauen liefe, unb mac^t nod?
10 l^eute ganj ben ©inbrudf einer geftung. ©g enthält SRaum für 20—30 SDlönd^e, einige
^rembemimmer, bie ÄajjeHe bcr ^anagia, in beren erftem ©todf ftd^ ber gröfete icil ber
Älofterbibliot^ef befinbet, unb bie Äirc^c ber SScrflärun^, neben ber fiep eine einfache
SRofc^ee erificbt, bie jum ©ebrauc^ für bie bem Älofter btenftbaren Sebuinen beftimmt ift.
^inter ber kp[\^ ber Äird^e toirb bie ÄajJcHe be« feurigen Sufc^c« ßejeigt, ber nac^ ©i 3, 5
15 bie befonbere (Sl^re be« 3lugjie^en« ber ®d)ni)c erliefen toirb. 3"^ SBcften be« ftlofter^
bel^nt ftd^ ber forgfam ge^)flegte ©arten aug. 3Dlan ^at bie in ben Jfiartcn ®ranit ge=
kiuenen 2;enaflen mit 6rbe belegt, bie au^ tür ober fogar au^ Kairo Äamellaft für
ftamellaft l^erbeigefd^afft lücrbcn mufete! 2)a^ fefte Urgeftein tritt überall ol^ne eine
.giumu^bccfe ;u 3:age. ffield^ eine ©rquicfung für 2luge unb (Semüt biefer ©arten f^jcnbct,
läfet ftc^ benlen.
35er dschebel müsä ober ?()lofe«berg läfet ftd^ bom Älofter au^ in brei ©tunben
^in unb gurüÄ befteigen. 9Jlan toäl^lt enttoeber bie untooHenbete gal^trafee, bie Slbbä« I.,
98icelönig \)on ^gqpUn, für einen auf ber p'6i}t gej)lanten ©ommerj)alaft ^at anlegen
lafjen, ober bie befd^toerlic^e, ettoa 3000 ©tufen jä^lenbe ^ilgertrq)))e. 3ln t^r liegt eine
26 Heine Duelle (! bgl. ßj 2, 15), an ber 3Rofe« bie ©c^afe g^^^^^g gehjcibet l^aben foll.
3n ber $ö^e bon 2097 m fte^t bie f leine eiiagfajJcHc (Dgl 1 Äg. 19, 11 ff.), auf bem oberften
©ij)fel hjicber eine ÄajjcBc unb eine fletne 9Jlofc^ee, neben benen bie Slefte einer einfügen
Ätr^e bemerfbar finb. ©er anbere ®ij)fel biefe« SRüdfen«, ras es-safsäf, ift fc^toer ju
erflimmen. 6r trägt feinen SRamen t>on einer alten „2öeibe", bon beren §ol} 3Rofc«
30 feinen tounbertoirlenben ©tab ©j 4, 2 gefc^nitten l^aben foB (!). 2)ie Sefteigung be^
dschebel käterin erforbert öom ©inaiflofter au« l^in unb jurücf jtoölf ©tunben. 2)er
SBcg fü^rt burd^ ben wädi ed-der l^inab in ben wädi el-ledschä unb in bicfem auf-
toärt« über ba« Älofter ber 40 'Btärt^rer. Untertoeg« hjirb ber "BJofe^ftein, hadschar
müsä, gejeigt, au« bem"3JJofe« ben DucH l^erborf})rubeln liefe 9lu 20, 8 ff., cm rotbrauner
85 ©ranitbloa bon 3,60 m §ö^e; er foll mit feiner Duelle bie ^^weliten auf t^rer 83?an=
berung begleitet l^aben (1 Äo 10, 4) unb bann Ifiierl^er jurüÄge!e^rt fein. Sin bie ©teile,
h)0 fi^ ber wädi el-ledschä, wädi ed-der unb wädi esch-schech bereinigen, tritt
t>on 9Jorbh)eften l^er ber wädi er-rähä, ber ftc^ ju einer Keinen ©bene jtoifc^en bcn
ftcilen unb l^ol^^cn ©ranittoänbcn ertücitert. 3l\ä)t toeit bon ber SSercinigung ber I^älcr
40 hjirb bie ©teile gezeigt, loo bie ©rbe bie Slottc iloral^ berfd^lungen l^aben foH 5Ru 16, unb
ein gelfcnlod^ toirb aU bie ©ufeform be« golbenen Äalbe« 6j32 ausgegeben. 3*^ bcr
©bene er-rähä f)at man gern ben Ort für ba« Säger ber 3j«taeliten gefe^en ©5 19, 2. 17.
3la^ ber üblichen 3tnnal^me ift ber dschebel müsä ber ®otte«berg, an bem fic^
SJal^toe juerft 5Kofe« geoffenbart l^aben ©j 3, auf ben er in SBSolfen unb 5^^ ^^^ab=
46 geftiegen fein foB ©? 19, toon bem an^ er bie „je^n SIBorte" ©5 20 unb ^t 5 ^u bcm
SJolfe gerebet, unb iio er 9Jlofe« bie 40tägige Untertoeifung geacben l^aben foB®j24, 18;
3)t 9, 9. 3?erfud^te man nun ernftlid^, bie Grjä^lungen be« $entateuc^ mit feiner llm=
gebung gu bergleic^en, fo geriet man au« einer SJcrlcgenl^eit in bie anbere. 9la^m man bie
hjaff erarme ©bene er-rähä für ben Ort be« Sager«, fo fam man nac^ ©j 19, 17; 24, 17
60 folgerichtig ju bem ©rgebni«, bafe bann ber ras es-safsäf ber ©inai fein muffe, toeil ber
®ij)fcl bc« dschebel müsä t>on jener ©bene au« nid^t ftc^tbar ift. ^te jerriffene unb
gcfä^rlid^e ©pi^e bc« ras es-safsäf eignet fic^ aber nid^t ju einem längeren äufentbalt
?Kofe«' toor ^aljtvc. Sllfo mufe boc^ ber dschebel müsä ber ®otte«berg fein! SBo
fann man aber ^icr ba« )8olf unterbringen, ba« unmittelbar au« feinem Ssager an bcn
oüSerg gefül^rt toirb ©j 19, 17? 9JJan griff nac^ bem öftlic^ angrenjenben wädi es-
seba'ije. 2lber ba« 2:^al ift felftg, mit Sic«^ügeln unb ©tcinblöcfen angefüBt, baju
iüafferarm, aud^ nic^t geräumig genug. ©« fam (>inju, bafe man fid^ bie offenbare %baU
fad^e, bafe biefe fcrtlic^fcit unb bie angaben ber SBibel ni(|t jueinanber pa^m, nic^t ein=
gcftc^en tvoBtc. ©ine 3Serfc^iebung ber Bad)^ t>erfud^ten bann 2q)fm« imb namentlich
60 ©ber«. 2)er erftere trat in feinen Briefen au« 3ig);^tcn u. f. to. lebhaft für ben dschebd
®inat 383
serbäl ein, unb 6bct^ l^at biefcn SSorfd^Iag in bcm Sud^c ,,3!)ur(i^ ®ofcn jum ©inai"
au^fü^rlid^ bcgrünbct. 2)iefer majcftätifd^e, fünf0ij)Pt0C Serg (2052 m) liegt im ©üben
be^ 2;l^a(e^ unb ber Dafe firän. ©eine SSefteigung ift felfir befd^ioerlic^ unb nimmt öom
wädi firän au^ l^in unb jurüd einen Xag in 9lnfj)ruc^. an feinen Säblfiängcn befinben
ftc^ öiele gremiten^ölfilen ober Slefte öon i^ren Selfiaufungen, ©})uren alter ffiege unb 6
ber Xx^pa, bie jum ®ij)fe( führte. 3*^ ^^"^ wädi firän ftö^t man nod^ l^eute auf bie
Sluinen eine^ Älofter^ unb einer ftattlid^en Äirc^e, fotpie auf ja^Iretd^e Irümmer öon
J^äufem. e^ unterliegt ba^er feinem 3*^^^f^^ ^^fe ^^^f^ '^^^^ ^i'^P 9"^ bebaut unb
bid^t betpo^nt tpar. Sie ältefte ©rtoä^nung einer ©tabt 5ßbaran unb eineg gleichnamigen
3Sorgebirge«, ba^ am 3)ieerbufen Don ©ue^ lag, pnbet fid^ bei bem ©eograjjl^en ^tole^ lo
mäu« (V, 17, 3) aus bem jtoeiten galfir^unbert nac^ &)x. 35a aud^ bie ^almen be«
Drte^ ertüä^nt toerben, fo fann laum ein anberer ^la^ aU bie i^^tige Dafe firän ge^
meint fein, jumal fte nic^t toeit Don bem toeftlid^en arm be« SRoten 3Keere« gelegen ift.
35a eö im 4. ^^^tlfiunbert Sifd^öfe bon ^Ifiaran gab, fo toirb 6ufebiu^ Don Säfarea ben
5Ramen be« Drte^ tool^l gefannt ^aben; aber bie 2lngaben in feinem Onomasticon 215, 15
298, 301 jeigen, bafe er Don feiner Sage nid^t^ ©id^ere« toufete, ba er xf)n mit bem biblifc^en
$aran (f. b. 9lrt. Sb X}Y, 684 f.) in aScrbinbung bringt, ba« Leiter nac^ Dften ober 9lorb=
often, nad^ bem wädi el-'araba l^in gelegen toar. ^m 5. ^a^t^unbert erhielt ^l^aran \>nx6) bag
Äonjil ju Gl^alcebon einen eigenen grjbifc^of ; e« Ifiatte burd^ feine jal^lreid^en Slnac^oreten
eine grofee Sebeutung für ba« fird^licpe 2eben erlangt. 3)ie ÜKönd^e hielten e« jebod^ 20
mit ben 2Konot)lfi^fiten unb üJlonotl^eleten. 35eö^alb entzog il^nen ber faiferlid^e §of,
befonbcr^ ^wf^^^^^^^^^ \^^^^ ®unft; bie ort^obojren 5Könd^e begaben ftc^ nad^ bem Don
^uftinian am gufee be^ dschebel müsä gebauten Äaftell unb übertrugen nun, fo meint
@ber^, bie bi^ ba^in am dschebel serbäl l^aftenbe Xrabttion nad^ bem dschebel müsä.
@rft feit biefer ^txi foB biefer S3erg atö ber ©inai bejeic^net toorben fein, toäl^renb frül^er 25
bei ben ^Könc^en ber §albinfel ber dschebel serbäl bafür galt, ^iefe SJleinung
Derträgt fid^ jebod^ nid^t mit ber 1884 Don ®amurrini entbedften unb jule^t Don
^. ®eDer l^erau^egebenen ^ilgerfc^rift ber ©ilDia, bie um 385 gefc^rieben fein loirb. ©ie
unterfd^eibet p. 45 beftimmt gtoift^en ^aran unb bem mons dei (= ©inai unb §oreb)
unb giebt bie (Entfernung jtoifc^en betben fünften auf 35 römifc^e 3Keilen an, b. i. so
52 km. 3la^ ben Ifieutigen ©c^ä^ungen gebraucht man Don ber Dafe firän burd^ ben
wädi seläf bi^ jum ©inaiflofter 12— 13 Äamelftunben; ba§ finb, bie Äamelftunbe ju
4 km gered^net, 48—52 km. 35ie Übereinftimmung ift bal^er fo gut, toie man fxe fid^
nur h)ünfc^en fann. Sebenft man nun, ba^ ©ilDia Don ^aran nad^ bem ©inai reift
unb Dom ©inai naä) %axan ju ben 3Könc^en jurüdHe^rt, fo ift fxd^er au^gefd^loffen, bafesö
man bamal^ in ^^aran ben dschebel serbäl al^ Serg ber ®efe$gebung betrad^tet l^at,
ganj abgefel^en baDon, ba^ ber serbäl Dom wädi firän nur fünf ©tunben ju ^u^ ent«
fernt ift. 2)ur(^ ba^ 3^0"*^ ^^^f^ ^ilgerfc^rift ftel^t bemnad^ feft, bafe ber dschebel
müsä in ber jtoeiten öälfte be« 4. ga^rlfiunbertg für ben Sinai ber Stbel gelfialten
iüorben ift. SBie e^ nac| ber 35arftellung ber ©ilDia ben 2lnfc^ein l^at, fa^ man in bem 40
ras es-safsäf bamal^ ben §oreb. §öl^er ^inauf lönnen toir big je^t biefe ^Keinung
nic^t Derfolgen; benn h)ag g^^f^)^^"^ Antiq. II 12, 1; III 5, 15 baju bemcrft, ift Diel
ju allgemein, afö baf; fxc^ barau« ein ©rgebni^ für bie Sage be^ ©inai getüinnen liefee.
35te §aut)tfrage ift felbftDerftänblic^, toeld^c angaben ftc^ im äX über bie ®egenb
be« „®ottegbergeg" finben. 2Bir begegnen bort gmei Derf^iebenen 9iamen für biefe ©tätte, 45
nämlid^ ©inai unb §oreb. 5)fan ^)flcgte fic^ früher biefen auffallenben Umftanb fo ju
erflären, ba^ man §oreb ate ben allgemeineren 3?amen ber ®egenb, ©inai bagegen alg
ben eigentlid^en 9Jamen be« Sergej anfa^. Slber biefe 2luglunft befriebigt nic^t. 2lte
man bie einzelnen QueHenfd^riften im §ejateuc^ ju unterfd[;eiben begann, hjurbe man
barauf aufmenfam, bag ber 9lame §oreb bem ßlol^iften unb bem 35euteronomifer (35t 18, 6), 60
ber 9?ame ©inai bem Qa^toiften unb bem ^rieftcrlobeE eigentümlich ift. 6^ eröffnen ftd^
bamit jugleic^ jtüei 3Jlögli(^Ieiten, nämlid^, enttveber bafe berfelbe 93erg jtoei Derfd^iebene
!Ramen gel^abt l^at, toie j. 93. ber §ermon 93b VII, 758, ober bafe bie Quellenfd^riften
Jtüei Derfd^iebene fünfte meinen.
Über bie Sage be« §oreb fd^einen einige ©teilen be^ 35t am beften äu^Iunft ju ge^ 55
toäl^ren. 3" 35t 1, 2 liegt Dermutlid^ baö ©tüdf eine« 3l^^"^örg ^^r un^; e« red^net
Dom iQOxtb auf bem 5öege (ober in ber 9lic^tung) nac^ bem ®ebirge ©eir ,big Äabeö
elf 2iage. SBenn man nun auf b i e f e m aSegc nac^ Äabe^ f ommt, fo betoegt man fid^ Don
SBeften nad^ Dften; benn bag ®ebirge ©eir liegt; öftlic^ Don Äabe«. 35arin liegt bcm=
nac^ bie SSorau^fe^ung, bafe ber ^oreb toeftlid^ (nic^t aber füblid^) Don Äabe« liegt. 9Jac^ eo
384 Sinai
Dt 1,6 f. 19 f. tpanbert S^racl Dom §orcb burc^ bte SBüftc auf bcm 5Ißegc nad^ bem
»crglanbe ber Slmoriter nac^ Äabc« (bgl. 85b XIII, 698 ff.) unb ift bamit an ber (Srcnjc
be« gelobten Sanbe^ angefomnien. 4)icfe Slngabe fönnte ju ber Sluffafjung führen, bafe
e^ fic^ l^ier um einen 3^0 JJon ©üben l^er, alfo au^ ber ©inai^albinfel, burcb bie 3Büftc
6 bädijet et-tlh nad^ Äabe« banble. 2öenn man ba« ju S5eh)cifenbe, bie Sage be^ $orcb,
nad) ber üblid^en 3(nnal^me aU betpiefen borau^fe^t, fo toirb man allerbingg ju biefer
9luffaffung fommen. 6^ ftcl^t aber in aBirflid^teit fo, bafe feine ©teile be«; 313: barauf
^inbeutet, bafe '^^xad auf feiner SIBanbcrung ba^ ©ebirge ber ©inail^albinfel betreten \:}at
(Dgl. b. Slrt. 9Jteer, rote«, Sb XII, 499 f. unb b. 3lrt. SBüftentoanberung). man i^at
10 ba^er ju jener äuffaffung im 211 felbft feinen SlnlaJ unb mufe 3)t 1, 6f. 19f. fo öer-
ftel^en, luie bie übrigen ©teilen, j. S. Dt 1, 2 e« f orbern, nämlic^ ben §oreb in ber
2Büfte tpeftlic^ t)onÄabeg anfe^en. dlad) bem eiol^iften gj4, 27 foU 3taron t?on Sg^t^ten
au« Slofe« nac^ ber 2Büfte ju, alfo nac^ Dften, entgegengelfien, unb er trifft il^n am
„Serge ®otte«", am §oreb, h)o ftd^ ÜKofe« na^ Qiß, 1 aufl^ält. 9lucl^ l^ier liegt ein
16 §inh)cie barauf bor, bafe ber §oreb am SBege bon 3tg^})ten au^ nad^ Dften, nai) Äabe«
jii gebadet ift. 6j 17, 6 fe^t ben §oreb bei 5Diaffa unb SJleriba an; ba aber 3)Jeriba
fonft ^ Äabe« ift (f. S3b XIII, 699, 20), fo mufe ber 2lu«brudf ^,am §oreb" l^ier it)a^r=
fc^einlid^ al« eine falfd^ erflärenbe (Sloffe au«gefd^ieben h)erben (ögl. bie Kommentare).
Die ©teile 1 Äg 19, 8 ift für unfere ^^tdi unbraud^bar; il^r ©inn ift tool^I ber, bafe
20 6Iia« nac^ langem ©uc^en enblid^ ben „S3erg ©ottc«", ben §oreb, gefunben l^at.
SBenben h)ir un« nun ^u bem ^a^toiften! (gr nennt ben ^erg, auf bem 3^^*^^
mit 5Kofe« rebet, ©inai ßj 19, 11. 18. 20. (23); 34, 4. 3n ©e 3, 18; 5, 3; 8, 23 ift
baijon bie Siebe, bafe ÜKofe« bie g^taeliten brei iagereifen tüeit in bie SBüfte führen foll,
bamit fie i^rem ®ott an feinem Serge Dt^fer barbringen. Da bie SBallfa^rt mit grauen,
26 Äinbem unb 3Sie^ unternommen tperben foII, fo barf man nac^ 9?u 21, 12—20 (f. ben
airt. aOäüftentüanberung) l^öd^ften« 10 km auf ben 3::ag rechnen. W\t ber fic^ barau« er-
gebenben ©ntfemung ijon 30 km, bie au« bem oben angegebenen (Srunbe nic^t nac^ ©üben,
fonbem naö) Dften ju gerechnet tperben mu^, gelangt man faum in bie ©egcnb ber
hjenig befannten §öi^en dschebel mughära unb dscbebel jelek öftlid^ \)on bem ^eu-
30 tigen isma'iiije in ber Slic^tung auf Äabe«. 6« hjäre \a möglich, bafe ^JDJofc« im
©inne be« 6rjä^Ier« bie (Entfernung abfi^tlid^ gering bemeffen l^ätte, um bie ©rlaubnie
gum 3"öe befto el^er ju erlangen. 2lber tro^bem müfete man boc^ babei fte^en bleiben,
bafe für femitifd^e 5Romaben bie „SBüfte" an ber Orenje bon 2ig^j)ten im Dften be»
Delta« ju fud^en ift, nic^t innerl^alb ber ©inai^albinfel; man müfete alfo boc^ an einen
35 33erg i)ftli(^ i)on llnteräg^))ten benfen.
Der ^^riefterfobeg fe^t 3?u 10, 12 neben bie SBüfte ©inai, bie offenbar Don bem
Serge i^ren Flamen erl^alten ^at unb oft erhjä^nt toirb (6? 16, 1 ; 19. 1; 5Wu 1, 1. 19;
3, 4 2c.), bie SBüfte ^ISaran (f. Sb XIV, 684 f.). Da« tpäre i)om dschebel müsä au^
ein grofeer ©t^rung, ber burc^ fein SBort be« X^M angebeutet ift. Der SSerf. I^at fic^
40 h)al^rfd^einlid^ ben ©inai nid^t fe^r tüeit üon Äabe« gebadet, innerifialb ber nörblic^ bon
ber eigentlid^en §albinfcl liegenben 3Büfte.
9tun bleiben noc^ einige ©teilen be« 312^ für unfere JJrage übrig, bie \}on SRi 5, 4 f.
abhängig finb, nämlic^ Dt33,2f.; §ab 3,3; ^f 68, 9. Da« Sieb ber Debora rebct
bat>on, bafe fid^ ^al)W^ öon feinem befannten SBo^nfi^e, bem ©inai 33. 5, au« aufmacht,
46 um 3«rael im Samj)fe gegen bie. Äanaaniter gu §ilfe ju fommen. 3tl« bie Ocgenben,
t)on benen er l^erfommt, Serben S. 4 genannt ©eir unb ^elb (ober ©ebirge?) 6bom^.
Diefe 2lu«brüdEe fönnen fotüol^l ba« Sanb ber ©bomiter im Dften al« au<$ im SBcftcn
be« wädi el-^araba begeid^nen. Da nun ber ©inai getüife nid?t im Sanbc ber 6bomitet
felbft, am lüenigften in feinem öftlic^en leile, gefudit toerben barf, fo muffen ©eir unb
50 SJelb 6bom« ^ier al« Sejeic^nung ber ©übgrenje be« Sanbe« Äanaan ober bc« Serg-
fonbe« ber 2lmoriter (f. 0.) ijerftanben h)erben. 3" biefem ©inne ift ber 8(u«bru(f be«
alten Siebe« 9li 5 auc^ in ber Diel jüngeren Dichtung Dt 33, 2 f. berftanben toorben. Da
finben mir al« ^Parallelen gu bem ©inai: ©eir unb ^^aran, lüäl^renb al« ba« ^xd ber
(grfd^einung Sa^toe« Äabe« (l. ^-p^ ftatt ^i?) genannt ift, Örtlid^feiten, bie ben Slicf
66 auf bie ©übgreme Äanaan« gegen @bom rid^ten. gn §ab 3, 3 ift Vt'^k) nxdft 9lame
be« Sanbc« im 9iorboften ijon ©bom tüie 3lm 1, 12; 63 25, 13; Db9, fonbem bebeutet
al« ^araKele gu $aran „©üben" h)ie So 15, 1. Die le^te ©teile $f. 68, 8 f. bietet
feinen lüeiteren aiuffc^lu^.
Ueberblidfen tüir bie angeführten ©teilen be« 211, fo ergiebt fu^, bafe bie gu 9li 5,
60 4 f. ge^örenben ©teilen ben ©inai in bte füblid^e ober el^er füböftlid^e @egenb bon Jtabe«
Sinai Sittecttre 385
fe|fen. 2Bäl^renb bic Stngabc bcö ^ricfterfobej ftd^ leidet bamit bcrcmigen läfet, fd^cint
bcr S^^^if^/ bcutlic^cr jeboc^ bet ©lolfitft unb bcr 2)eutcronomilcr me^t in bie tüeftlic^e
©cgcnb t)on Äabc^ ju hjcifcn. SÖiH man ben ©inai be^ ^alfiiüiften auf benfclbcn Serg
tric bcn 6inai öon ^li 5, 4 f. bcgieJ^en, fo mufe man bic brci ^^gcreifen bon Sj3, 18 2c.
ate eine ^d)x ftartc SScrfürjung ber tüirflic^en Sntfernung anfe^en. ^ält man an bcn 5
brci S^agereifen fcft, fo fommen bic Stngaben be« S^I^^U^^/ ^^ ®Iol^tftcn unb bcö Dcu^
teronomiumg toefentlid^ auf ba^felbc Ifiinau^ unb fpred^en ju ©unftcn ber 3tnna^mc, ba^
biefe QueHenfc^riften Sinai unb §oreb ate jtoei öerfc^iebene Flamen bc^fclben Sergej be-
trad^tet ober toenigflcn^ bie Serge jiemlid^ in berfelben ®egenb gefud^t Ifiaben. 3)ag ältefte
3eugni^ 9li5, 4f. fe^t ben ©inai ^toeifeno« öftUc^er an, atö bie möglid^e ober toal^r- 10
fc^einlid^e Übereinftimmung ber älteren Quellenfd^riften bcö ^entateu^^ erfennen lä^t.
(S^ liegen alfo im WX Derfc^iebene Slngaben über bie Sage bc« Serge« ber ©efe^gebung
toor. 3lm el^eften tatin nod) 9li5,4f. ben 2lnft)rud^ auf eine toirllid^e Überlieferung er«
^cben. I)a aber bic ganje in Setrad^t fommenbe ®egenb nur loenig belannt ift unb
eine örtlid^e Überlieferung bort !aum ertoartct toerben barf (ügl. ben 9lrt. ^aläftina 15
33b XIV, 563 ff.), fo finb bie SJemü^ungen, ben ©inai ober §oreb aufjufinben, bei bem
gegcntoärtigen ©tanbe unferer Äenntnifje au^ftd^tölo«. ©er dschebel müsä ate ©inai
unb bie ©inail^albinfel toerben in unferem ©))rad^gebraud^ ibren Flamen belfialten, aber
mit 3)lofe« unb ber ©tiftung ber i^raelitifc^en Sieligion ^at iai granbiofe, einfame ©e^
birge ber ^albinfel nid^t« ju t^un. Über 3lu 33 Dgl. bcn Slrt. SBtiftentoanberung. ©ic 20
;,fmaitijd^en ^nf^^f^^"/ teite nabatäifd^e, teil« gried^ifc^e, tcitö lot^tifd^e unb arabijc^e
©c^riftgeic^en mit rollen Silbern, rül^ren öon burc^gie^enben aBanberem au« bem 1. bi«
4. Sabrbunbert nac^ 6^r. ^er. Sgl. 3. ©uting, ©inaitifc^e gnfc^riften (Serlin 1891).
Sluf (Srunb eigentümlicher l^orau«fe^ungen (g. S. ®a 4, 25) entbedfte ber ©nglänber
6^. Sele 1874 ben toalfiren ©inai in bem dschebel bäghir Xbarghir ?) ober dschebel 26
en-nür 4—5 ©tunben norböftlic^ t)on kal'at el-'akaba. Stl^nli^c 5Keinungen, freiließ
mit tücfentlic^ anberer Segrünbung, ftnb neuerbing« bon beutfd^en ©elelfirten geäußert
iDorben. SBSeB^aufen erfennt ben beften 2ln^alt für bie Soge be« ©inai in 6j 2, unb
©tabe betont ebcnfall« bie Serbinbung ÜKofc«' mit bem ^Ribianiter '^tÜ)xo (6e 3, 1 ;
18, 1; ?Wu 10, 29ff.; SRi 4, 11; 1, 16): 3i«rael ^abe üon Äabe« au« ben 3ug jum ©inai 30
unternommen unb bort bie göttli^e Sele^rung erl^attcn. '"Ulan Vermutet bal^er, ba^ bcr
©inai füböftlid^ bon @bom im Sanbe 3Jlibian gelegen i}aU, 3P SKofc« tüirftic^ mit
einem mibianitifd^en (nic^t fenitifc^en) ^rieftergef^le^t in Serbinbung getreten, jo ift ba=
mit burc^au« noc^ nid^t gefagt, ba^ e« nur fe|^afte 9)libianiter für bic ©rgäl^ler be« 31X
gegeben |abc, unb bafe ^Kofe« bie gerben be« ^riefter« aud^ im „2anbe" 'JJJibian fclbft 35
gemeibet ^aben, ba^ alfo bcr ©inai auc^ innerl^alb be« „Sanbe«" 2)libian gcfud^t mcrben
muffe (t)gl. bcn 2lrt. 3)libian Sb XIII, 59, 25). ^J3iit bcr für bic gragc ioic^tigftcn ©teUe
9li 5, 4 f. t)erträgt fi^ biefe annähme nid^t. ©unlcl f erliefet in ber 2)23 1903, ©.3058 f.
au« bcr ©(fiilberung ber %l}^opl}ank (gg 19, 16. 18; 2)t 9, 15; 4, 11, bafe ber ©inai
al« ein Sulfan gebac^t fei, unb l^at bamit bic 3Jlcinung erneuert, bic 6^. Scfc 1873 in 40
bcr ©c^rift Mount Sinai a Volcano ijcrtrat. Db man im alten ^^xad bon fcucrfpcicn=
bcn Sergen cttoa« getoufet Ijai, läfet ftc^ nic^t fieser au«mac^en. Sicltcid^t ftnb einige
Ärater be« Haurän ober bcr Harra öfttic| öon 2)ama«fu« no^in ^iftorifd^cr ^nt tl^ätig
getrefen. i)ic ertüä^nten Slngabcn be« 211 nötigen nic^t, an fcucrf^cienbc Serge xu
bcnfen, fic laffen ftc^ au« ®eh)ittcrerf(^cinungcn ijcrfte^en. 6b. 3[Rct;cr Vermutet ebenfaU« 45
in bem ©inai einen Sulfan unb fud^t biefcn, inbcm er im Slnfc^lu^ an SBeHl^auicn bcn
3ug nac^ bem l^eiligen Serge 6jl9 — 5Ru 10 al« f})äterc ertociterung be« S^^^ift^n
(J'O auffaßt (Dgl. bcn Slrt. SBüftenmanbcrung), in einem ber au«gebrannten Krater be«
norbh)cftlid^en Arabien« füböftlic^ öon ^Jlibian in ber ®cgenb jtüifc^cn 3:cbüf unb ÜKccca.
&uifit. 50
Sinaita f. 3iolE;anne« Älimafu« Sb IX ©.305.
Sinecure (sine cura) nennt man eine ^frünbe (praebenda, beneficium), t)crcn
®enufe nic^t an ©icnftlciftungcn (ein 2lmt, officium) gefnü^)ft ift. SBä^rcnb orbcnt^
lic^erttjcifc ber ®runbfa^ gilt: Beneficium datur propter officium (BonifaciusVIII.
in cap. 3 de rescriptis in VI« [I. 3J), tritt bei ©inccure ba« ®egenteil ein, bcnn fic 55
ift ein beneficium sine officio, ©ie ift ba^er nic^t ibcntifc^ mit einem beneficium
ober officium non curatum, simplex (f. b. 21. „Scnefi^ium" Sb II ©. 592), ba
cura bei einem fold^cn bic engere Sebeutung bon cura animarum ^at. SBcnn aber
ffttaU9ttt)9nopmt für Zytologie unb ftirc^e. 8. «. xvili. 25
386 Stiitcitre Stnint
ber .^nl^abcr einc^ officium unb beneficium non curatum pgletc^ bic SefugntS bat,
fxd^ entfernt i)on ber Slmt^ftette aufju^alten unb burc^ einen ä^tfartu^ bertrcten ju laffen
(beneficium non residentiale), fo tpirb fein Sencpjiunt baburc^ felbfl jur ©inecure
(m. f. üb^f)aupi b. 21. „SReribens" 55b XVI 6. 674). SDie 3uläfftgleit einer foldben
6 ^ängt baijon ab, bafe jemanb ein anbere^ 3lmt belleibet, bejfen ©infünfte ^u feinem
Unterl^alte nid^t Ifiinreic^en. 3)ie ©inecure tpirb bann ein beneficium compatibiie
(J. 33b II e. 594), aber auc^ h)o^I eine commenda (f. Sb X ©. 656). SBää^renb in
ber römifc^sfatlfiolifd^en Sirene folc^e ©inecuren h)ol^l nur feiten borfommen, finben fie ftcb
noc^ öfter in ber ebangelifc|en Äird^e. ©tifter unb Älöfter hjurben infolge ber 91efor=
10 mation gctüö^nlic^ gleich aufgelfioben unb 'ii)xt ®üter für Äirc^en unb ©d^ulen t>ertoenbet,
fotocit nid^t bie dürften biefelben aud^ bem fjisfu^ eini^erleibten. ..6in ieil ber Älofter-
unb ©tift^fteHen mürbe aber erhalten unb entlüeber mit getpijfen Slmtem Derbunben ober
aud^ felbftftänbig afö ^frünbe öerliel^en. 9lur einzelne berfclben fielen an bie Unitjerfttäten
atö 2)oItorJ)frünben (praebenda scholastici u. f. U). ; f. 3- $• Soel^mer, Jus eccles.
15 Protestantium libr. III, tit. I, § L u. a.), bic meiften aber tourben i^rem urf))rüng'
lid^en 3h)ede ganj entfrembet. 6« bemerft barüber ganj rid^tig gic^^om (beutf^^c
©taatg= unb Slec^t^gefd^id^te, 2:eil IV, § 558) : „Die Älöfter, in toeld^en man bie $räla^
turen unb Äonijentualftellen al« Äird^ent^frünben bergab, tourben ebenfo h)ie bie Äollegiat:
[tifter toeber ber Äirc^e nod^ bem ©taatc befonberlid^ nü^lid^. 2)enn bie le^teren behielten
20 in Slüdffxc^t ber S^or^erren im ganjen il^re bi^^erige Serfaffung, nur fo, bafe biefe gan^
aufiflörten, Oeiftlid^e ju fein, toeil ba« S^P^^^t unberänbert mx ))roteftantifc^en Äir^en^
berfaffung nid^t pa^U, Die })roteftantif^en ©tift«= unb Älofterjjfrünben tourben ba^er
jiu ©inecuren, bie gar feine toa^re firc^lic^e SJejie^ung me^r Ratten" (m. f. aud^ no*
eic^lfiorn, Äirc^enred^t II, 599. 600. 626. 627). ßine Aufhebung biefer ©inecuren unb
25 Sierloenbung für Äird^e unb ©d^ule ift fd^on öfter beantragt (m. f. g. 35. ^inber, Über
bie ebangelifd^en Dom« unb Äottegiatfajjitel in ©ac^fen, SBeimar 1820. Die ebangelifcben
Dom!aj)itel in ber ^robinj ©ad^fen, $alle 1850). Rum %dl ift eine folc^e auc^ bereite
erfolgt ober toenigften« in Sluöfid^t geftettt (m. f. Denlfd^rift be« ebangelifd^en Cbcr!ird^en=
rat^, betreffenb bie 3Sermel^rung ber Dotation ber ebangelifd^en Äirc^e in ^reufeen,
aogSerlin 1852).
Sei toeitem mel^r al« in Deutfc^lanb giebt eö aber in ©nglanb biele §of^, ©taat^=
unb Äirc^enftcHen, bie nur ©inecuren finb. 3Ran f. barüber SJad^toeifungen bei ©neift,
Dag l^eutige englifc^e SSerfajfung^s unb äSertoaltungeret^t, 3:eil I (SSerlin 1857), ©.61.
62. 159. 297. 537f. 603. Derfelbe bemerft: „Die ©(Reibung ber cnglifd^cn (Seiftlic^fcit
35 in orbentlic^e ^frünben unb Sifare ift unter ben 5la^h)el^en be^ 3Serfallg ber Äirc^e bi^
l^eute bie fü^lbarfte; unb bie englifc^e Rirc^enijerfaffung l^at nic^t bieÄraft gel^abt, fte |iu
überlüinbcn, ba fte im näc^ften gntereffe ber regierenben Älaffen ift. Die älteren ®efe^c
gegen bie mifebräuc^lid^e ©c^eibung ber 3trbeit unb be^ ©infommen« in ber Äirtbc,
15 Ric. II. c. b. unb fpäter tourben fc^tüac^ gelfianb^abt, bei 2lufl^ebung ber Jtlöfter
40 unter §einric^ VIII. ging bie 3Kaffe ber ejj3roj)riierten ^farreinfünfte in frcmbe $änbc
über unb tourbe fpäter nur teiltoeifc reftituiert. 3e me^r bann bie Äird^e mit ben 3n=
tereffen ber regierenben ©cntr^ jufammentüuc^g, um fo mel^r griff ba^ Untocfcn ber nit^t
refibicrenben Pfarrer um fid?, iveld^e irgenbtüo bie ©intünfte tjerjel^rten, tüä^renb ein
äxmlii} bcfolbeter, oft untoiffenber iUfar ber ©eeljorge oblag, ©rft ber ftarfe SlbfaH ber
4o Setjölfcrung bon ber ©taatelirc^e unb bag reformierenbe (Sinfc^reiten ber ©taat^etoalt
l^aben im 19. ^o^rl^unbert fic^tbare 95cfferung ^ertjorgerufen. 3?od^ im 3^^^^ 18^^
tuaren 4000Äuraten furniert refibente Pfarreien borl^anben, 1854 nur nod^ 1800 u. f. to."
a?gl. I^ieju 3)lafotoer, Die 35erfaffung ber Äird^e t)on ©nglanb (S5erlin 1894), ©. 342 ff.
345 ff.; tjgl. auc^ ebenba ©. 282 3lnm. 12. (^. gf. Sacofifoiit) Schling.
60 Stmrn. — ßittcvatur: ©efeniu^, ßornm. ju 3cf., III. Je« (1821), @. 151 unb
^QUptfnd)Iicl) im Thesaurus linguae hebr., p. 948—950; ^i0ig, Scf. (1833) j. @t.; egli in
.^ilflcnfelbS 3jü3:^, 53b VI (1863), S. 400—410; ßmalb, 2)ie ^ropf). beS $(. ^., «b III (1868),
S.30.81; 9?ÖIbefe in Scftenfelä SBibclleyifon, SbV (1875), 6.331; 9ieu6,LaBible, VoI.III, 2
(187G), p. 263: mnel^bacf), 5)er ^rop$ 3e). (1877), 6.570; 3)ea&f(^, S3ibl. (Jomm. über ben
66 *rüpf).3ef.(1889), 6.488 f. m\) bcfonberö 1879 6. 688—692; e;i;fur^ Don SJictor oon 6trau6''
iornei) (ugl. aud) be[)en ^^luffalj über bie SBcj^iefiung be§ Sö^Dc^nomenS ^^u ®^ina in ber
Qam 1884, 6. 33); ^aü{\\ö), ?(rt. „6inim" in J)tie^mö ©ibl. ^anbmörtcrbu* (1882); bic
Äommentave uon 5)u^m (2. 9hifl. 1902), gWorti (1900), o. Orefli (2. ?lufl. 1904): 9(Ib.
Gonbamin, Le libre d'Isaie (190.')); 6ocin in 6Jittl)e§ ihir^cm S3ibeIioörter bu(^ (1903); S^l^nc
GO in ber Eucyclopaedia ßiblica (1903).
Siitim 387
3;n 3^f 49, 12 bcriünbigt bcr ^ropl^et, ba^ ^alpc fein je^^t jcrftrcutc« 33oIf au^
bcn Drten feiner ©efangenfd^aft hiebet fammeln merbc, unb fagt in bem citierten 33erfe:
„Sic^e, biefe Serben bon fem fommen, unb fte^e, biefc toerbcn Don 9Jorben unb öom
3Reere lommen, unb biefe öom Sanbe ber ©iniler" (©inim, D-^rD). Sringt man nun
bei biefer gang tpörtlic^en Überfe^ung ber ^ropl^etcnioorte nod^ bie untücfentlid^en 3}Jobis 6
filationen an, bafe bag jtpeite unb britte „biefe" in „jene" unb „h)ieber anberc (LXX:
äXkoi d£) öcrlDanbelt toirb, fo [teilt fte bie 5Heinung be« ^ropl^eten genau bar. 3)enn
bie 3. S3. t)on 5lägeföbac^ 3. ©t. Vertretene anfielt, bafe bie ^eimfe^renben Sgulanten ijom
JRebner erft im aßgemeinen atö i)on fernl^er fommenbe bejcid^nct unb bann nur in jtüci
(ober brci) Scharen jerlegt toürben, ijerträgt fic^ nid^l mit bem 2^ejte. ^mn ha breimal 10
ber gleid^e 2ludbru(f „biefe" unb überbieg beim erften unb jh)eiten ©a^e ebenbiefelbe
^nterjeftion „fiebe" gefegt ift, fo fmb brei einanber loorbinierte 3üge bon ijeimle^renben
gemeint. 2)icg lann hjebcr babur^ geänbert toerben, bafe beim britten ©a^e ba^ „fie^e"
toeggelaflen ift, noc^ baburc^, bafe ber generelle Slu^brudf „öon fern" gu ben folgenben
f})ejieBen Ort^egeic^nungen lein (Segenftücf bilbcn gu lönncn fc^eint. SDenn nac^ jh)ei= 15
maligcr SBieber^oIung lonnte ba« jur 2)eterminierung feiner Slu^fage glcid^giltigc „ftel^c"
bem Siebner überflüffig erfc^einen, unb biefer fonnte aud^ erlüarten, ba^ ber genercHe
Sluöbrud „bon fem" nac^ ben folgenben fpegiellcren Drt^bejeic^nunaen inter})retiert toerbc.
— SBie bemnac^ brei (fo je^t aud^ ö. DrcHi unb ßonbamin auc^ bom ftro})^ifd;en ®e-
fic^t^t^unft) unb nid^t jtoei, fo fmb femer aber aud^ nic^t t)ier 3wge i)on l^eimfe^renben 20
S^raelitcn unterfc^ieben (gegen ®u^m unb 5!Jlarti, bie ba^ „bon SJorben ^er" ftreic^en
unb bafür ben ©a^ „unb jene üom 6nbe ber 6rbe" einfc^alten lüollen). 2)enn h)eil
bag „biefe" nur breimal ftel^t, fo ift „bon 5lorben unb i)om 5Keere" afe gufammengcfc^te
Sefd^reibung eine« unb be^felben 2lu^angi^ebieteg ^eimfe^renber ©efangenen gemeint:
bie ganje ®egmb be« Storbtoeften«, b. \). bie Sinncnlänber, ©eftabe unb gnfcln ^^önijien«, 25
©Vrien«, Äleinaften«, alfo bie 'ijjim, bie ber SRebner (49, 1) jum 2ln^ören ber aSerlünbigung
aufruft unb toolfiin fd^on feit bem 9. ^o^^^^un^^^t ©efangcne t?erfauft lüurben (ber erfte
©aft t)on Dbab. 19 gel^ört jur Urfd^rift, togl. meine ©inlcitung in« ^%, ©. 361). 3)er
^rop^et tüollte alfo ^ier nic^t (h)ie 43, 5 f.) bie öier §immel^egenben nennen. 2)iefc
breiteilige 2luffaffung ber ©teile h)ar auc^ ber griec^ifd^en unb ber aramäifc^en ^ubenfc^aft 30
(in LXX unb iargum) ba« fidlere Slement ber SCrabition. ß« liegt alfo aud^ fein 2ln=
lafe bor, für 2;?? (meerfeit«, b. ^. öon SBeften ^er) ^ier au«na^m«h)eife mit 6^et;ne
(The prophecies of Isaiah 1884, II, p. 16: „from the South") bie SJebeutung
„bon ©üben" anjunelfimen. — Um ben xat i^oxrjy „fern" genannten Slufcntl^altöort
beftimmen gu fönnen, mufe man bebenfen, ba^, U)ie ba« geiftige ßentmm aud^ ber in aUc 35
aBinbe ierftreuten 3!«raelitm, fo bie ibeelle Slebnerbülfine auc^ be« in SJab^Ionien mirfen^
ben (ögl. mein The Exiles' Book of Consolation 1899, p. 124—142) SBerfaffer« öon
3cf 40ff. ^aläftina toar, h)ie man j. 33. au« 40, 9; 49, 14; 52, 7 erfie^t. SSon
$aläftina au« h)aren nun bie norbtveftlid^en ©eftabe ^^önijien«, ©^rien« u. f. W. ijer^
^ältni«mäfeig benachbart, ijerglic^cn mit ben SÜgri«^ unb 6ut)l^ratgegenben. 3)a nun 40
^ierbin bie ©efangenen S^rael« unb 3!wba« beportiert Sorben h)aren (2Äg 17, 6; 24, 15;
lo i, 10. 14: TOnibe, ^Öiebien), fo toaren biefe öftlid)en ©ebietc ber §au})taufentl^aIt«ort
ber @Eulanten unb mußten unter ben ©i^en ber @EuIantenfc^aft juerft in Setrad^t
fommen, unb e« tourbe be«^alb auä) ganj felbftüerftänbtic^ beim §bren unb Sefen bcr
in Siebe fte^enben lejtmorte juerft an fie gebad[;t. 33on bort ^er alfo toerben biejcnigen 46
ßjulanten lüanbern, bie „bon fern" fommen follen. — 3)ie „fernen" ©egenben aber
ümf äffen nic^t blofe nad^ ber oben bargelegten rid;tigen 3!)i«po[ition bon 49, 12 ba« Sanb
ber ©inim nic^t mit, fonbern biefc« Sanb lag auc^ an fic^ nid^t im fernftcn Dften ober
©üben. 2)a« ergiebt fid^ au« folgenber Grioägung. 9Jämlid^ bie fieser batiertcn ^ro^
bl^etien geigen einen ^aralleli«mu« ber ©efc^ic^te unb bcr 9Bei«fagung (ögl. barüber meine so
Einleitung in« Sil, S. 322 f.). 3llfo fönnen üom ^rop^eten nur fold^e Sänber genannt
fein, bie al« 3lufentl^alt«orte üon ejulantcn bereit« im ®cfc^ic^t«^orijonte feiner ^u^brer
ober 2efer lagen. (Semäfe biefem ©runbgcfe^e muj id^ ba« Sanb ber ©inim al« ba«
(Sebiet ber Setoolfiner toon ©in (Dgl. biefen 3trt.), alfo ber ^elufioten unb bc«Sanbe«
2igW)ten anfe^en, tooöon ©in bie nörblic^e ©renjfcftung unb ber ©d^lüffel, ber ainfang«- 55
pnnit unb ba« ©mbtem (ügl. 3^f l^^ 1^0 h)<i^- l^nb toelc^e relatit) ^eröorragenbc Se=
beutung l^atte ba« mit ©in beginnenbe Unteräg^pten für bie (gjulantcnfdhaft !
3Dlan üergleic^e boc^ nur 3cr42, Iff.! Sluc^ bejeic^net (um bie getoö^nlic^cn ßinmänbc
abjufc^neiben) 7"^« ganj flcine Se^irfc (mie ba« „Sanb 3Ja^^taIi" ^ef 8, 23), unb biefc«
aSort tüirb aui) bertoenbet, h)o fein aiu«bmd ber feftftel^enben geogra^j^ifc^en Icrmino^ eo
25*
388 Stnint Stunbilber
logic vorliegt (togl. ,,bctn Sanb, o gnin^anucl!" 3i^f Ö, 8). 3)iefc toon mir burd^ ben oben
fligj^ierten ©cbanlcngang gctüonnenc Sluffafjung t)ertrat aber auc^ ba^ 3:argum mit „t)om
Sanb be« ©üben«" (w^^^^'i^'J n^fp, bgl. a. berliner, Scittäge jur ^cbr. ©ram. u. f. h).,
©. 56); §ieron. „de terra australi"; SRafd^i „bom Sanb ber ©übUd^en"; ebenfo
öSDaöib Äimc^i, gbn g^ra; SSoc^art (Phaleg 4, 27): ©tüalb; Sunfen« SJibcItoerf bei
3ef 49, 12. 2)ie ^efd^ita behält Sinim (?©enim) bei, nur bafe bie ^anbfd^riften ^trifc^en
„bom 3Hcere ©inim" unb „bom 2anbe ©inim" tped^fcln (bgl. ®. ©iettric^, Apparatus
critieus jnr ^eSitto bc« ^xopf). 3ef. 1905, ©. 169). Übrigen« a"^5.19 (Setoenim) ober
C"»?!? (©etoinim) mit Äloftermann (Deuterojefaia 1893), G^e^ne (ginl. in b. S3uc^
io3ef.l897, ©.279f.), 3Karti (1900), 6obb (On Integrating the Book of Isaiah 1901,
p. 82) unb ©ocin (in ®ut^e« ÄSSBb. 1903) ju forrigieren, ift um fo hjeniger rid^tig,
ba J7?:^5 (©5 29, 10 u. 30, 6) unb 7? (30, 15 f.) jtoei t^erfc^tebene Drte ägVJJten«
jtnb. — I)a« oben ertoälfinte Ifiermeneutifd^e ®runbgefe| betreff« ber ^rot^^etenreben lie^c
e« gtoar aud^ ju, bafe biein®enlO,17 genannten ©initer ber })lfiönijifd^en Äüfte gemeint
15 toären (2)ul^m); aber biefe ift fd^on in bem 3tu«brudE „bom 5Keere" mit inbegriffen, unb
bie bon 35ul^m aufgeteilte ^\^poti)t\^, bafe Sieuterojefaia felbft unter ben „Jj^önijifc^en
©initern" gelebt Ifiabe, ift in meinem The Exiles' Book etc., p. 122 f. gc))rüft Sorben.
9lad^ jenem l^ermeneutiteen ®runbgefe^ fönnte aud^ ber Äurbenclan ©in gemeint fein,
für ben @gli pläbiert l^at („bie ©in im 9legierung«bejirf Äerfü! in ber ^robinj S3agbab")r
20 loenn nur biefer ©tamme«name, faß« er toirllic^ alt ift, für bie ®efangenen S^rael« bon
befonberer Sebeutung unb barum für bie §örer ober Sefer biefer $ro))l9etie eine belannte
®rD6e toar. ^ann iüäre aber ju ertoarten, ba^ t)on ben ©kulanten in bie fem ©in
mc^r bie 9kbe fei. Sei bem befannten ©in al« einem Vertreter Unteräg^})ten« lag bie
©ac^e anber«. — ©d^on jene« ®runbgefe$ ber 9Bei«Jagung«au«tegung geftattet aber hrnd}--
26 au« nid^t, an ß^ina jiu beulen. S)enn jur 3<^i^ ^^ ©ntftel^ung bon 3^ 49# 12 batte
e« nod^ leine ßintoanberung öon ^v!t>cti in ß^ina gegeben, unb aud^ ß^e^ne toagt nid^t
mel^r gu fagen, al« bafe nac^ 3"f^^f^^" ^^ ©^nagoge t?on Äai-fung^fu (ber §au))tftabt
bon ^onan, ber centralften ^robing be« d^inefxfd^en SReic^e«) ^uben in ßl^ina fic^
„lüenigften«" im 3. borc^riftlic^en ^^^^^wnbert niebergelaffen ^aben, unb je^t fagt er in
30 ber Enc. Bihl, c. 4644 einfad^ y,Ghina became known too late". @« ift aba
überl&au})t unmöglich, bafe ber SSerfafjer bon gef 49, 12 mit C'rP ben heutigen Flamen
ber Setoo^ner be« Sleic^e« ber 3Jlitte meinen unb tranfcribieren fonnte. 3)enn ber mit
einem tönenben (fog. toric^en) ©ibilantcn anlautenbe 9lame ©inefen !am crft feit 255
. b. Gl^r. auf. 3luc^ 31. b. ®utf^mib fann in ßbm® 34, 208 (öal. 39, 132) nicbt bc=
35 hjeifen, bafe bie ß^inefen überl^au})t fd^on toorl^er nad^ ber nörblic^en ^^robinj 2:l^in ge=
nannt toorben ftnb, unb auc^ in ber Jewish Encyclopedia IV (1903), p. 33 f. lann
nic^t« toeiter gefagt toerben al« folgenbe«: Die Irabition ber d^ineftfd^en guben felbft
fül^rt bie erfte ßintoanberung bi« mr ^an^D^naftie (206 b. —201 n. ß^r.) unb nod^»
genauer auf bie ^t\i be« Äaifer« ^King^ti jurüdf (9JJöllenborf, 9Jlonat«f(^rift für ®efc^.
40 unb SBifJenfd^aft be«3ubentum« 1895, ©.329), unb fie leiten i^re Religion bon 3«^icn
ber. SBenn 33ictor toon ©trau^-Siorne^ femer meint, bie SJetoobner be« Sleic^e« ber
5Dlittc fönnten fd^on toorbcr naä^ bem ijon ihnen l^äufig gebrauchten schin burc^ bie
9iac^barn genannt unb biefe Benennung fönnte a\x^ ben inbifc^en^äfen ober burc^ 2anb=
faralüanen ober burc^ ©Haben nac^ Säbel getragen toorben Jein, fo hjürben h)ir im
45§ebr. ein c-^rd (schinim) ober tocnigften« c-^ri (zinim) ertuarten, toeil c i>on bem
genannten ©elel^rten unrid^tig al« ber fog. „lüeid^e" ©ibilant aufgefaßt toirb. 2Bic
ß^e^ne in ber Enc. Bibl., c. 4644 fagen lann „toir toürben c-ri: eriüarten" ift un=
toerftänblid^, ba ^ ja ben em^j^atifc^en Sibilanten (s) unb jebenfatt« auc^ nid^t ben ^ril-
fatiülaut ts bejeic^net. 2llfo bie l^auptfäc^lic^ ijon ®efeniu« unb feit t^m bon melen
50 ^nte^reten ($i^ig, Änobel=S)ieftel, 9?äg., 2)el., früher auc^ ßl^e^ne, b. DreHt 1904), au*
bon Hau^fd^ foh)ie Saffen vertretene 2tnfid)t, bie in bie %mi^ fd^toeifenb ©inim mit ben
ß^inefen ibentifii^iert, mufe al« nid^t Weniger un^uläffig erfc^einen, toie bie nac^ bem
näc^ftliegenben Quidproquo greifcnbe Interpretation ber LXX: „au« bem Sanbe ber
^erfer". 9?ac^ ben obigen 2)arlegungen fann e« mir aber auc^ nid^t einleud^ten, baft
56 man mit 9?ölbefe unb SReufe bei einem non liquet fte^en blriben, alfo j. S. mit bem
erfteren urteilen müfete: 2Bir fönnen unmöglich äße ®cgenben unb SSölfer fennen, bie
bem Hebräer bamal« al« im fernften Cften ober ©üben liegenb erfc^ienen. &. ftSnig.
Stnnbüber (^erfonififationen) ber c^riftlid^en Äunft. — g. $ipcr, ®tut6u=
logie inib ©ijmbolir ber d)riftli(^en ^m\t, Scimav 1847, 2 3Jbe; ^. Otte, Äunftardjäologic
Sinnhüitt 389
beö bciitfcfjcn Mittelalter^, 5. ?(iifl. fieip-^ig 1883—85, 2 ©be; QJrimouarb be ©aint^fiaurent,
Guide de Fart chretien, $Qri<^ 1872 ff. 5 ©bc; 9(uber, Histoire et th^orie du symbolisme
religieux avant et depuis le christiaDisme, 2. 9lufl. ^ariö 1884, 4 Öbc; 3- ^' *lflen, Early
Christian Symbolisme in Great ßritain and Jreland before the 13^ Century, fionbon 1887 ;
)ü. öloquct, Elements d'iconographio chr^tienne, SiÜe 1900; 3- ^- ©effell), 3^»J"ograpöie 5
(öotteö imb ber :^iligen, Seipjig 1874; &. ^e^el, ei)riftUcf)c 3fünograp^ie, grciburg 1894.06,
2 33bc; $). ^ergner, Äird)Iici[)c Äunftaltcrtümer in 2)cutfc^Ianb, fieipi^ig 1903—1905. 3)a^ii
bie großen funftgcfd)ic^tlid)en ®cr!e, baruntcr in erfterfiinie g. 3f.^raii$, ÖJefc^i(^te ber d)rift-
litten ^unft, greiburg 1896 ff., 3 ^be, unb ^Q^lreidjc 3)lonograp^ien.
35ur(i^ bie ganje ©efc^ic^te ber d^riftlic^en Äunft gel^t neben ben auf unmittelbare lo
aSirlung geftimmten ©arfteUungen ba^ feinen '^nf)ali me^r ober minber nur anbeutcnbe,
ein getpifJciS innere« SSerftänbni« jtoifc^en jtd^ unb bem Sefd^auer öorau^fe^enbe ©^m=
bol, ©innbilb. 35te ^riftlid^c Äunft befinbet fu^ in btefer ^inftd^t auf ber einen Seite
in Übercinftimmung mit ben ^ejc^id^tlic^en ©rfc^einung^formen ber Äunft überlfiau})t,
anbererfeit« aber l^at ber ber relxgiöfcn ^^antafie unb ©t^rad^c be« ßbnftentum« unb ber i6
Äirc^e eigenartige aufeergehjöl^nlic^e JReid^tum an Symbolen, ©leic^niffen, aillegorien unb
X^pologien auc^ eine befonber« fräftige unb erfolgreid^e SBirfung auf bie Äunft ausgeübt;
aud^ bie Xl^eoloaie ^at il^ren beftimmten Slnteil baran. SSorjüglid^ ertoie« fw^ ber ftarl
au«ge})räate t^raftifd^-religiöfe 3ug ber mittelalterlid^en Äunft m biefer SRiAtung frud^tbar.
3n frü^^riftlic^er ^^it, bereinjelt aud^ nod^ in ben anfd^Iiefeenben ^a^r^unbertcn, finb 20
neben genuin c^rifthd^en SSorftellungen auc^ antue Überlieferungen toirffam getpefen.
3n ber 2luffinbung unb 35eutung ber Äunftf^mbole ift nid^t immer bie nottüenbige
aSorft^t in ber Unterf^eibung beffen, h)a« auöfc^liefelid^ ber Sitteratur unb tpa« ber
Sitteratur unb ber Äunft ober biefer allein angel^ört, geübt tporben. 35ie Siturgiler j.S3.
bc« 3BitteIalter«, §onoriu« toon 3tuguftobunum, ©icarbu«, Duranbu«, um nur bicfc ju 25
nennen, bedfen fid^ in i^ren f^mbolifc^en 2lu«beutungen nur ju ganj geringem leile mit
ber fmnbilblid^en ©^rac^e ber Äunft. %üx ba« ^Mittelalter ^aben m erfter Sinie fran«
jöfifc^e ©elel^rte (Sanier, Dibron u. a.), für bie frül^c^riftlid^e ^eriobe beutfd^c t^roteftan^
tifc^e ^orfd^er an ber Söfung ber aufgäbe gearbeitet.
I)ie frül^d^riftlid^e Äunft. — gricbr. gjluntcr, 6innbilber unb Äunftüorftenungcu 30
ber alten C^^riften, 9lItona 1825 (veraltet); @mitö unb (S^eet^am, Dictionary of Christian
antiquities, Sonbon 1876 ff,, 2 5Bbc; g. X. .#rau§, 9leaIenct)fropäbic ber d)ri|tlid)en ^Utertumcr,
Sreiburg 1882 ff., 2 ©be (fatöolifdi^trabitionefl); ^Bictor Sd^ultc, ^trc^SoIogifcfte ©tubien über
nltd)riftnd)e Monumente, 5Bien 1880 (I: ^volegomena über bie @t)mboIif bt^ alt(^riftnd)en
iöilbcrtreifee); ^Irdjöologic ber altd^riftUc^en »tunft, 9Kün(6en 1895; (iJ. ^einrici, 3"^* 2)cutung 35
ber iöilbiücrte alldjriftlidjer QJrabftätteu, Xt}<Bi^ 1882, IV, 720 ff.; 91. ^afencleuer, 2)er alt=
d)riftlid)e ÖJräberfc^miicf, S3raimfd)iüeig 1886; S. 4)cnne(fe, ?lltd)riftlic^e Malerei unb oltürcft^
lic^c IMtteratur, Seipjig 1896; <^. md^d, ®ebet unb 93ilb in früt)d)riftli(6er Seit, Seipjig 1902;
3. "©ilpert, 3)le SJialereien ber Äatafomben JRom«, Sveiburg 1904, 2 5Bbe; g. Gabrol, Dic-
tionnaire dWchdologie chrdtienne et de liturgie, ^Qri§19Ö3ff. (im (Srfc^einen) ; ß. 3K. ilaufs 40
mann, .^anbbud) ber cftriftlirfien 9(rd)(ioIogie, ^aberborn 1905.
5ür bie Dorfonftantinifc^e ^c\t ift man faft au^fd^liefeltd^ auf bie fe})ulfrale 5Kalerei
angetoiefen (f. ben 2lrt. TOalerei XII, 111). 2)ie ©efd^ic^t^ergäl^lung berfelben ift
toef entließ f^mbolifd^: bie barin auftrctenben alt= unb neuteftamentlid^en ©cenen bringen
in öoHem 3wfö"^'"<^^an8<^ ^^^ ^^"^ religiöfen 6mj)finben ber ©emeinbe 3^"!^*^^^'^^* ^
ftellungen unb 3«"f^it«^offnungen gum 2lu^brudE (fo juerft ber SSerfaffer a. a. D.). Sigen^
Reiten, bie mit biefem ©toffe gar nic^t ober nur lofe jufammen^ängen, fügen fic^ mit
bcmfelben 3n^alte an. 2)ie 3al^l ber aufeer^alb bicfe^ fe})ulIral=f^mbolifc|en 6i;^lu^ faßen«
ben ©tüdfe ift anfangt fel^r gering. 3)ie früher allgemein ijorauögefefeten unb in ber
^olemif gern t)ertüerteten le^r^aften Se^ie^ungen auf bie jeitgenöffifc|e 3)ogmatif unb so
et^il — bie fat^olifd^e trabitioneHe 2lnfc^auung unb ^rajig — fmb ebenfo unifialtbar,
U)tc birelte 3tn!nü))fung an einen beftimmten neutcftamentli^en ©cbanfen (§einrici) ober
bie Seugnung einer urft^rünglic^en ftombolifc^en 3h>^dt6eftimmung überl^aujjt (§afenclet)er).
9lofen, Slütenjtpeige, blumige 3lucn unb Säume, befonber^ bie $alme, öerfmnbilben
ba^ ^arabie« : feinen ßingang bejeid^nen jmei Pfeiler ober aud^ (in fpäterer ^^t) ^tüei 55
mächtige ficucpter. 3lod) beutlic^er tüeift bal^in ba^ 2amm, auf einem Serge fte|enb, au^
bem bie öier §8arabiefe^ftröme fid^ ergießen; auc^ ber 3orban tommt in biefem 3ufan^n^cn-
l^ange i)or. (Ä. DJJaria Äaufmann, 2)ie fe)3ulfralcn 3cnfcit^benfmäler ber 2lntiYe unb be^
Urc^riftentumö, 5Kainj 1900). 3" unmittelbarem innem 3"f^^"^^"^ö"Ö^ ^^"^^^ ^^^¥
ber ®ute §irt, biefe« beliebtefte ©innbilb, gebac^t al^ §err unb Sefd^irmer ber SEotcn 60
(§. Sergner, Der (Sute §irt in ber altd;riftlic^cn Äunft, Serlin 1890). Die .^erbe, bie
futf um i^n fammelt, ift bie (Semeinbe ber (Sntfd^lafenen, unb ju i^r ge^ijrt baö Sc^af
390 @ttitibilber
auf feiner Sd^ulter. ^o^ fommt ba^ ©c^af aud^ lo^elöft Ijon biefem ^wfömmenl^angc
afe Sinnbtib Uor: bie ^tDöIfjal^l be^eid^net bie at)ofteI (Dgl. 9Rt 10, 16), ba« Samm
in^befonbere ßl^riftuö unb jtüar ate ba« Dt)fetlamm; augnal^nnSh?cifc tritt auf bem be^
lannten ©arfo^j^age bc^ 3""^"^ Saffu^ ba^S Samm für ben h?unbert^ucnbcn 3cfu^ ein
5 (3iSIl© 1896). 2)er %i]d), eine« ber ältcften ©^ni^ole, gel^ört ebenfall« l^icrl^er, infofem
er bie nUiftifd^e ©cmeinfc^aft auöbrüdt, tüelc^e baö 1^1. SJia^l mit bem §errn l^erftcHt unb
bejjen ^vruc^t bie ä(p&aQoia ift (SJictor ©c^ul^e, ärc^äologie b. altc^riftl. Äunft ©.173;
3(cbeli«, 3)a« ©i;mbol be« gifc^e«, ^Karburg 1888). ^ie Umfe^ung in ein Sefcnntni«:
JXOY^ = 'Ir]öovg Kgiorog Geov Ylog Zcoxyiq ift erft im 4. 3io'^^'^w"^<^ nac^tvei^-
10 bar. ^ie Sejeid^nung pisciculi für bie ßl^riften (3:ertuH. de bapt. 1) fc^cint in bie
Äunft nid^t übernommen ju lein, ©er SBeinftodE, fc^on im 2. ^o^'^'^wnbert auftretenb,
be^ie^t fid; enttüeber auc^ auf ba« 9lbenbma^l in ber angegebenen SBirfung, ober er fteflt
bie £eben«gemeinfc^aft mit G^riftu« über^aujjt Dor nac^ 3^15/^ff- 3)ie laube afe
©Vmbol be« l^immlifc^en ^rieben« mit ober o^ne Öljtoeig orbnet fic^ ^ier Ijcrftänblic^»
15 ein; öfter« freiließ ift fie blofec« Ornament, unb baneben fteHt fie ben bl. (Seift bar. 2)a«'
felbe gilt bon ben ©innbilbem: $alme (Dffenb. 7, 9) Äranj bejh?. Ärone (1 Äo 9, 25;
2 sei 4, 8) unb 3(nfer (§br 6, 19). 3)en $fau befi^t bie antife, jübifc^e unb c^riftlic^c
Oräbcrf^mbolif; bie Deutung ift unfid^er ($. ©c^ul^e, Slrd^äologie ©. 180), aber ieben=
fall« nid^t a\x^ ber d^riftlid^en 3SorfteIIung«h?elt ju erl^eben. 3!)a«felbe gilt toon ben
20 ©irenen, ®io«furen unb 6ro« unb ^ßf^c^e, too ber attgemein fet)uI!ral5f^mbolifc^e 3^^'^
ol^ne 9lefle?ion unb abgeblaßt au« ber 2tntife ^erübergenommen ift; be«gleid5^en Don
ber Crp^eu«figur, bie feinerlei Sejug auf ß^riftu« nimmt, fonbem enth)eber a\x^ ben Dr^
^l^ica, ben angeblicben Sejeugungen be« d^riftlid^en 3JlDnotl^ei«mu« ober a\x^ ben bie Un=
fterblic^feit Uergetoiffernben or))l^ifcl^en 3W^fterien fid^ erllärt (31. Jpeufener, ^ie altd^rifl=
26 Iid;en Drt)l^eu«barfteIIungen, 6af[el 1893). ©c^iff unb Seuc^tturm berfinnbilben bie gabrt
jur (Stoigfeit, ber §irfd^ ba« ©eignen ber ©eele nac^ bem einigen ^rieben ($f 42, 2), l^er=
nad^ lüurbe er nid^t in bemfelben, aber in äl^nlid^en ©inne eine beliebte 2)arftenung in
ben Sa})tiflcrien. Ob bie betenben, meift toeiblid^en »^iguren, bie fog. Dranten, bie in
ber Stegel Porträt« ber 2^oten fmb, bereinjelt ba« c^rijtlid^e Oebet al« folc^c« au«brüdtcn,
30 ift nic^t untoal^rfc^einlidf); ^erfoniplationen ber Äird^e fmb fie in feinem ^atte. SReligiöfc
Bd)m bermieb bie })erfönli(^e ^^arfteHung Ootte«; bafür trat bie aui ber $öl^c gererftc
§anb ein, toeld^e in f})äterer ^z\i ein 9Jimbu« umjiel^t ober bon toeld^er ©trabten
au«ge^en.
i)em toeltlic^en ©ebiete gehören an unb nehmen i^ren ^vüiali a\x^ bem SJamen,
35©tanbe, ©etoerbe u. a.: Sötoe (Leo), äbler (Aquilina), 5ßferb, SBage, Sot, gafe,
Snftrumente (B^nge, Jammer, ©äge, ^Keifeel u. f. h?., frül^er al« SKärt^rerinftrumcnte
angefeuert), ®efd^irr, ©^iff u. f. to. (c. 2.-5. 3^1^^^w"^^0-
W\i bem 3lu«gange be« 4. S^br^unbert« beginnt bie äuflöfung ber fc})ulfaalen
Walerei unb bamit ber faft böUige Untergang i^rer ©^mbolif. änbererfeit« treten in
40 unb nad^ bem fonftantinifd^en 3^^*^'^^ neue ©tüdfe auf. ^ie toic^tigeren fmb: ba^
3Konogramm ßl^rifti; h?elc^e« mit bem ©icg Äonftantin« über SRajentiu« auflommt (f. b.
Slrt. Sb XIII, :i67), ba« Äreu^, A—ü, allein ober in SJerbinbung mit jenen beibcn
(f. b. 3Irt. 93b I, 1), ba« §afenfreuj;, fog. ©Daftila PJJ («. ©c^ul^e in G^riftl. Äunftbl.
188:], ©. 50 ff.), ein antife« })ro^^^Iaftifc^e« 3^^^^"/ ^^^ ©bangeliftenf^mbole (6ngcl,
45 Sütoc, ©tier, 3lbler), cnttoidfelt a\x^ ©ii 1, 10 unb 3l^f 4, 7 (I^. 3a^n, gorjd^ungen jur
@cfd)icbte b. ncut. Äanon« unb ber altfird^I. SJitteratur 1883, ©. 257 ff.), ber $^ijnir,
ioeld^e bereit« im 1. ÄIemen«brief c. 25 mit ber c^riftlic^en 3luferftel^ung«l^offnung in
i^erbinbung gebracht ift, ber 3lbler in bemfelben ©inne. 35er Äantl^aru«, a\xi^ toelcbem
älUnnranten ent))ortoac^fen (oft auf rabennatifc^en ©arfo^l^agen) toill an ba« 1^1. Slbenb^
Bo ma(;l erinnern. 3;m Dlimbu« (f. b. airt. 93b VII, 559, befonber« aber 31. Ärüde, 3:^er
Üümbu« unb bcrtoanbtc 3Jttribute in ber frül^d&riftlid^en Äunft, ©trafeburg 1905), toirb
feit bem 4. !3al^rF)unbert ^uerft bie ©öttlid^feit ß^rifti, bann bie l^öl^ere SDSürbe bergngel,
ber 3(voftel unb ber ^eiligen beutlid) gemacht, ©erlangen, 3)rac^en unb anbere« Ungetiet
}}x ben güfeen (Sbrifti ober Dom ga^nenfpeer be« Äaifer« burc^bo^rt ftetten, gemäft bei
6r> @cfd»id;te be« ©ünbenfaD«, XKxi) $f 91, 13 unb nac^ geläufiger 93ilberft)rac^c bc« 5J2e
(31))! 12, 9; 20, 2 u. fonft) ben SCeufel unb feine ®ef eilen bor.
3in ber Skgel toerben aufeerbem in grijfeerer ober geringerer 3^^! 2)arftellungen biet
einbezogen (fo auc^ in bem Slrt. ber 2. SlufL), bie enttreber über^au})t feine ©innbilba
finb ober bem -ÜJittcIalter angefroren (ßibedbfe, ßic^l^orn, 6^>^reffe, 93runnen, §unb, Sling
60 u. f. to.). 3tu«jufc^eiben finb a\x6^ bie rein ](>eibnifc^en ©^mbole, Xodift bem ^\x]cSl unb
(SititibUber 391
einem rein meci^anifd;en SJer^alten il^r 3SorIommen in ber alte^riftlid^en Äunft bcrbanfcn
unb leinerlei Sljfimilierung erfahren ^obcn: bcr 6roö mit gefenfter g^adel, ber äöWc a(g
S\)n\bol be« atte^Derfc^Iingenben lobe^ungel^euer^ (93eif})iele bei ©arrucci, Storia dell'arte
cristiana V, 295. 297. 299 u. fonft), bo« ®oxQomnf)aupt, ber Oranata^fcl (Attribut
ber ^erfe}}^one). ^oc^ mufe jugeftanben h?erben, bafe bie innerlich trennenbe Sinie l^ier 6
nic^t mit Sid^erl^eit ju jielj^en ift.
eine ^ö^ere entlüidelung^ftufe ber lünftlerifc^en ©^mbolif bejeic^net bie ^ßerfoni*
fifation, bie ßrfe^ung be^ einfadj^en gcid^end burd^ eine menfd^lid^e %\^nx. ©ie ift inJ^altg-
t)oIIer unb rubt auf tieferer (Srlpägung. 3)ie Slntife bot ber c^riftli(|en Äunft eine reiche
?füUe bon ^erfonififationen, unb biefe f)ai ^id) bemgegenüber faft nur reje})tib berl^alten. lo
öine nacfte ^albfigur, bie einen ^e})Io^ im Sogen über bem ^aiüpic gefjjannt ^ält, auf
toclc^en ber tl^ronenbe ß^riftug feine Äüfee fe^t {Bavtopi)aQ be^ ^wniuö Sciffu^), ift ber
§immel (2t® 7, 49). ©onne unb SWonb erfqeinen ate ©c^eibe unb ©c^eibenteil, aber
and) auf einem äöagen mit beflügelten Slofjen fä^rt ©ol am girmament auf, ober er
U>irb ate 33üfte gebilbet mit ©tra^IenJ^autot unb ebenjo Suna mit ber ©id^el auf bem i6
§aar ober ein ©eloanbftüdf im Sogen über fic^ fd^toingenb. 3Weer unb glüffe, im be^
fonbem galle ^ier bag 9lote SReer unD ber ^orban, jeigen fic^ afö Eingelagerte mann«
lic^e ©eftalten, baneben eine 3Safe, au^ ber SBaffer f})rubelt. 2lud^ bte DueHn^m))l^e
fe^lt nic^t (33. ©c^ul^e, airc^äologie ©. 189, gig. 58). ßine fi^enbe grauengeftalt mit
3Wauerfrone giebt bie ©tabt h?ieber. ^n ber ^ßerfonifilation ber 3iaEi^^^J^i*^i^ fitt^ bi<5 20
$oren bermieben, bafür fmb ^utti eingeführt. SBenn in aüm biefen fallen bie 2lntife
ma^gebenb getoefen ift, fo bietet un§ ber ßobej SRoffanenfi^ in ber $erfon ber SBei^^eit,
genauer ber Snfriwtion (2tugg. Don ^afeloff 3:af. 14), eine eigentlich ^riftlic^e ©c^öjjfung;
ein c^riftlic^e^ (Sebilbe ift axid) bie ben iob ^erfonifijierenbe, auf einem ©arIo]pl^age
fi|enbe l^albnadte ^üngling^geftalt in ben ^Kuftrationen jur „ßj^riftlic^en %o)ßOQxapl)xe" 26
be^ Äo«ma8 3nbifo})leufte« (®arr. III 2:af. 142 ff.). 3Son ber ^ßerfonifilation be^S ®ebet«
n>ar oben bie Siebe; anbere^ ift unfid^er (S. Bd)\xl% Slrd^äologie ©. 377).
2) ad 9)littelalter. — e^. eal)ier unb 91. SKartin, M^langes d'arch^ologie, d'histoire
et de litt^rature sur le moyen-age, $arid 1847 — 1856; Nouveaux m^lanees 1874—1877;
Xib ron, Iconographie chr^tiennc. Histoirc de Dieu, $ari§ 1843; Manuel d'icoiiographie 30
chr^t., grecque et latine; ®. .J)eibev, Heber 2:icril)mbolif unb ba§ ©l^mbol be§ ßöiocn tu ber
djriftlicöen Äunft, 58ien 1849; 51. Springer, Ucber bie üuellen ber ÄunftbarfteHuugcn im
Mittelalter ,(«cr. über b. SBer^anbl. b. ^qI @äd)f. ®ef. b. 3B. XXXI, @. 1 ff., Seipstg 1880;
S. iJiüntj, Etudes iconographiques et arch^ologiques sur le moyen-age- 1, ^ariö 1887;
Saucftert, @\efcöict)te besJ $f)l)fiologu^, Straßburg 1889; 3o^. @trai)gott)§tt, ^er iöilberfreiö beö 35
gricdiifc^en ^JJ()i)fiüIogug be§ Äoema« 3nbifopleufte§ unb Oftateud), Seipaigl899: e.<B. (Süonö,
Animal symbolism in ecclesiastical architecture, fionbon 1896; @m. 5JiäIc, L'art religieux
du Xlllsi^le en France, ^ariö 1896 (inbaltrcid)) ; 3o^. 6auer, @t)mboIif bc§ Äird)cns
c^eböubed unb feiner 9lu§ftattunn in ber ^luffaffung beS SKitteklter^, Jreiburg 1902.
^m 3Wittelalter erfolgt ein mäd^tiged ©inftromen neuer Silber unb 3t>ccn in bie 40
Äunftf^mbolif. Slu^er ber ^l. ©d^rift unb ber ^rebigt Serben bie Siturgie unb bie
liturgifc^en ©c^riftfteHer, bie Jpeiligenlegenbe, ba^ geiftlid^e B6^au\pkl, bie 5!Koralitäten,
bie 2:ierfabeln, unter le^tem befonberg ber antif^d^riftlid^e $l^l;fiologug, bie boll^tümlic^e
^^antafie, aber auc^ bie ®elel^rfamfeit ergiebige Cluellen. StUerbingg ift bon bem über=
axi^ reichen SWaterial nur ein Heiner Srud^teil in bie Äunft umgefe^t toorben, bod^ übers 45
l^olt biefer an Umfang loeit ben Sefi^ ber borl^ergel^enben ^eriobe.
3)a« 3)l^fterium ber 2^rinität umfd^rieb man je^t burd^ ein gleid^feitige^ SJreied,
burc^ brei ineinanbergefd^lungene Slinge ober auc^ brei gleid^mäfeig geftaltete, f^mmetrifc^
aneinanbergefügte liere, trä^renb bie ältere ©i;mbolif baran borübergegangen tpar. ^n^
fc^riften berbeutlic^en gelegentlid^ ben ©inn. (Srft gegen 2lu^gang be« 3Kittelalter^ f ommt 60
ba« breilö})fige ®ebilbe auf, gegen Wild)^ bie Äirc^e fic^ au^fj)rad[^ (3)ibron a. a. D.;
göcfter, Srinität^fvmbole in Senjei^ be^ ©lauben« 1881 ©.289 ff.). 2)ie gal^l 3 fpiett
aU l^eilige ^ai)l aufeerbem eine 3lolle in ber 2trd^iteftur unb lünftlerifc^en Äomjjofition
über^auj)t. SJreilid^ ift aud^ ^ier Dielet nad^träglid^ erft l^ineingebeutet tüorben. ^er
^l. ®eift berbleibt im ©^mbol ber Staube, unb aU lauben n?erben auc^ bie bon i^m 65
au^e^enben fieben ®aben boraeftetit. 9Jur aui^na^mi^tpeife fa^te i^n bie Äunft in menfd^s
lid^er ®eftalt, ^. 33. aU ein Änäblein, ba^ auf ben 2öaffem fd^mebt (®en 1,2). ßine
reiche ©l;mbolif umgiebt ba^ i^bcn IJcfu. gür bie 9)ienfd^h)erbung lieferte ber d;riftianis
fierte ^iJS^^fiologu^ bie ßinl^omlegenbe: ge^e^t bon bem (Sngel ®abriel unb feinen bier
$unben misericordia, veritas, pax, justitia (nac^ $f 81, 11) ftürmt baö gin^om 60
in ben ©d^ofe ber fi^enben ^w^öf^^" (©d;neiber, La l^nde de la licorne in Revue
392 ®mttbUber
de l'art chröt. 1888 I, ©. 16 ff.; and) ^ipn im euang. Äalcnbcr 1859 ©. 34 ff.).
®ic jungfräultdj^c ®cburt tüirb auf mannigfaltige 3Bcifc in äJetbinbung mit ber 3ung=
fröulid^fcit 5)lariag übct^amjt jum äu^brudf gebracht. 3)al^in tocift bic Silic in bcr
©cene bcr 3ScrItinbigung; au^ bcmJpSfinb entnommen: fons signatus (4, 15), hortus
6concluBus (4,12), turris (4,4; 7,4); 6j 44, 2 gab an bie i^^nb ba^ bcrfc^Ioffene
%\)ox, 9ti 6, 37 ba^ 93Iieft ®ibeon^ (j^immlifd^e Sefrud^tung). 6^ lommen baju: bcr
brcnnenbc ^ombufc^ (Unbcrlcfet^eit burd^ bie ©eburt ^^n), ba« ©efäfe mit 3)Janna
((Sm})fängni« bom ^l. ©eifte), ber fj)rofeenbc Biob 3laron^ (9Ju 17,8, bie o^nc SRann
^ruc|>tbare) u. a. 9Ran ertennt l^icran bie l^ol^e SBcrtfd^ä^ung biefc« Se^rftücfö in bcr
10 mittelalterlid^en 2:l^eoIogie unb ^^ömmigfeit.
3!)ag Seiben unb ©tcrben ßl^rifti öerfmnbilbet nac^brücflid^ ba^ ©ottc^Slamm mit bcr
Äreujeöfa^ne unb bem auö ber ©ruft j^erborbred^enben Slutftrome, eine beliebte ^arfteHung an
romanifd^en portalen. 3^ ^'"^"^ felbftftänbigen Silbe Iperben in ben legten ^^tm bcö
SJlittelalterö bie Seiben^tücrljieuge (arma Christi), befonber« feitbem [id) ber älblafe an
16 fie ](>eftete (SDSintmer im Organ für d^riftlid^e Äunft 1868 9Jr. 14). ^n bcr Saumform
be« Äreuje^ tritt bie Segenbe bom Äreuje^^olj, in ber menfc^lic^en ^igur ober in ben
©ebeinen am gufee be^ Äreuje^ bie ©age bom ©rabe Slbam^S auf ©olgatl^a toor ba^
äuge ($ij)er in (gb. Menber 1861 ©. 17ff.; 1863 ©. 17ff.). 3ur fc^arfen äuö^rägung
be^ D^fertobe^ Gl^rifti bient ber bem 5ß|tofiologu« entnommene ^clifan, ber fic^ bie ©ruft
20 aufrißt, um feine Sangen gu tränien. 38on bort^er ftammt au^ bie Söloin, bie il^r tot=
geborene^ 3unge burc^ Slnl^uc^en gum Seben ertoedft (bic SlufcrtDcdfung ßJ^ifti). ^a--
neben, um ba^ gleich '^^^J" bemerlen, fennt bie mittelaltcrlid^e Äunft ben Sötocn aU
9let)räfentanten bcr böfen 5DRäd^te, be« SCeufel« nac^ $f 22, 22; 91, 13; 1 5pt 5, 8, unb
in biejem ©inne ift er ate bienenbc^ Sauglieb bei portalen bertoanbt.
26 %nx ben §erm in feiner l^immlifc^cn ©r^öl^ung ^at [xd) eine eigene Äomjjofition
Scbilbct, bie fog. Majestas domini, tocld^c ü)n auf einem ^^rone ober auf bem Stegen-
ogen fi^cnb geigt, umgeben bon mancherlei giß"^^" (Ottc I, ©. 514). 3)er Silicnftcngcl,
iüclc^cr rec^t^ bon feinem ßau))te auSgcI^t, berfinnbitbet bie ©nabe, bad ©c^toert, ba^ fic^
nac^ ber entgegengefe^ten SWid^tung l^in ftrcdft, ba« ©cric^t.
80 3!)ie l^o^e SBürbe bcr 3Karia ]pxxd)i fic^, abgefe^cn bon ben thm crtüäl^nten ©inn-
bilbcm il^rer ^ungfräulic^feit, au^ im 3)iabem (baneben auc^ ©ccjjtcr unb Sl^ron), toclc^c^
fte ate regina coeli d^aralterificrt; ©onne, ©terne unb 3Wonb fmb mit i^ berbunbcn
(21})1 12, 1). ^cr ©nabenmantel, ber bon il^ren ©c^ultcm l^crabflicfet unb ^ilfefuc^cnbe
bebedft, cmj)fie^lt fte ate mater misericordiae. Slufecr ber Silic ift il^r bic Slofc ^cilii^.
36 3n ben Siofenfrangbitbem bejeid^ncn bie roten Slofcn i^re Seiben, bie h?eiftcn il^re greubcn.
2äic fie auf ber einen ©eite in ben ©tammbaum Q,\)x\\ii bcrflod^ten h?irb, fo cneicfet
fie tnhlid) in ber Ärönung burd^ ©Ott ober ßl^riftug ben §ö^e))unft i^rer rcligiöfcn
SBürbigung.
Die $rot)^eten unb 2l})oftel, bann aber auc^ fonftigc Seigrer ber Äird^c tücrbcn al^
40 SBortbcrlünbigcr burd^ ©d^riftroHc ober ^nd) eingeführt; jene trägt ^öufig einen bcgctc^-
nenben ®pxnd), feltencr ben SJamen. S)ic genauere Senennung boHgic^t fic^ burc^ bc^
fonbere älttributc, loeld^e enttpcber auf ben Seruf ober ©tanb anf})ielen (3)at)ib mit
Ärone unb Scier, ^etru^ mit bem ©d^lüffcl), ober h>ic baö instrumentum martyrii
auf 3)lartcr ober ba^ Scben^enbe tücifcn (^auluö mit bem ©c^locrt, bie 1(^1. Äatl^arina
45 mit bem ^erbrochenen $Rabe), ober ba^ rcligiöfe ^atronat begeid^nen (^afobu^ mit ^ilgcr--
ftab unb 3)lufd;ell^ut). Daneben laufen gal^lreic^e anberc Sejic^ungen; baö ©ebiet ift
fcl^r inl^altrcic^. ^krfoncn, bie mit einer Äird^cngrünbung berbunbcn fmb, tragen (fo
fd^on in altc^riftlic^cr Seit) ba^ SJobcH ber ^ir^c in ber §anb. Sgl. baö SBerjcic^niö
bei Cttc I, ©.554 ff.; bagu b. $Raboh?i^, 3fonogra})l^ic bcr ^eiligen, Serlin 1834; neue
6o2lufl. in ©efammelten ©d^r. I, Iff. Serlin 1852; 3Beffel^ unb Dc^el a. a. D.
©clbftbcrftänblic^ f)at and) bie Äird^e i^rc ©^mbolif. 3" ^^ bicllcic^t fc^önften
^^crfonififation bc^ 3Kittelalter^ erfd^eint fte ate eine föni^lic^c ^rau, auf bem ^au^>tc
bic Ärone, in ber $anb ba^ ficgreic|e S?reujc^j)anicr unb ben Äel^ (©lul^tur am ©trafen
burger ^fünfter). Ober bom Äreuge l^crab frönt fic ßj^riftu^, ober im Kcld^c fängt fte
65 baisJ au^ ber ©eitentounbe ftrömcnbe Slut auf, ein "ipropl^ct begleitet fte. ^f)xt ^dU-
bebeutung brängt fic^ unmittelbar auf in bem Silbe be^ ©d^iffe^, ingbefonbcrc bcr ärc^e.
3im ©cgcnfaj^ gu i^r ftc^t bic ©l;nagogc, baö ungläubige ^w^^n^wm, eine jufammen-
brec^enbc h)ciblic^c ©cftalt, bic in bcr ^Kec^tcn einen gefnidften Qiah, in ber Sinfen bic
gur @rbc gleitenben ©cfc^c^tafcln trägt. Sine Sinbc bedtt il^re Slugcn. 3)ic Ärone fällt
(io bom $au})tc. Der 3wfammenl;ang mit bem geiftlic^en ©d[^auf))iel tritt überall beutlic^
(SinnbUker 393
l^ertoor (^. SEBebet, ©ciftltc^c« Sd^aufricl unb firc^Iic^c Äunft in il(^rem 9Serl^ältntg ct=
läutert an einer Slonograjjl^ic ber Äird^e unb Synagoge, Stuttgart 1894; einige« SBeitere
bei Sauer a. a. D. ©. 246 ff.), ^er ijolfötümlid^e Bpott über ba« ^ubentum berfd&affte
fic^ äuöbrudf in ben 3)arfteIIungen eine« ©c^loein«, an toelc^em ^vä>m fangen (Dttc I,
S. 494). 6
Äelc^ unb äbre nel^men 33ejug auf ba« Slbenbma^töfahament. 3)a nun bie 2lmt«5
iDürbe be« ^riefter« in bem SRed^te ber 3lbenbmal^I«f})enbung unb in ber SSoUjiel^ung ber
3)ieffe am l^öc^ften jum 2tu«bru(l lommt, fo bexeic^net auf Orabfteinen ber Äelc^ ba«
^rieftertum be« loten. SDie 2:ran«fubftantiation ift populär gemad^t in ber fog. Jpoftiens
mü^le: bie ©bangeliften fd^ütten S^rud^bänber in einen 9)lü|llaften; unten fommt afö lo
(Srgebni« eine in einem Äeld^ fte^enbe fleine 6l^riftu«pgur l^erau« (S3eif})iel u. a. in Irieb»
fee« unb SJoberan). Sluf einer ^ö^em Sinie [te^t in berfelben Sebeutung Gl^riftu« in
ber Äelter (3ef 63, 2; bgl. SBemidfe im (S^riftl. Runftblatt 1887 ©. 36; auc^ »ergner,
Äirc^lic^e Äunftaltertümer ©. 543 ff.).
2)er moralifierenbe Gl^arafter ber mittelalterlid^en Äirc^e mac^t e« begreiflid^, bafe is
bie 2^ugenben in ben Äunftbarftellungen einen breiten Slaum einnehmen. 9tn portalen,
Äanjeln, ©rabbenfmälem, al« gu^bobenfc^mudf unb fonft jeigen fie jid^ bem ©laubigen
in ber ®rut)))ierung, h)el4>e bamate geläufig toar. gaft au«nal^m«lo« treten fte ate grauen*
geftalten auf: Fides mit Rdd) unb Äreuj, Caritas, einen Settier befc^enlenb ober ein
Äinb näl^renb, Spes auftoärt« blidfenb ober bie §anb nad^ einer Ärone au«ftredfenb (bie brei ao
t^eol. lugenben), Pnidentia mit einem Sud^, Justitia mit ber SBJage, aud^ mit Sc^loert,
Fortitudo in Sltiftung, Temperantia mit einem 9Jiefeinftrumente (bie bier SarbinaU
tugenben). Über biefen Ärei« l^inau« l^aben natürlid^ auc^ noc^ anbere 3:ugenben eine
f^mbolifc^e 3lu«^rägung erlangt, loie Castitas (^Jalme, ^l^önij, niftenbe laube), Humi-
litas (iaube), Perseverantia (Ärone), Concordia (Öhloeig) u. f. lo. ^ie moralifd^e 26
SBirfung toirb berftärft burd^ bie ©egenüberfteHung ber Safter, h?ie Idololatria (3Jlenf(^
einen. ®ö^en anbetenb), Avaritia (5!Kann ober %xaM bor einem ©elblaften fi^enb),
Desperatio (SWann, ber fic^ mit einem ©c^toert burc^ftöfet), Inconstantia (ein a\x^ bem
Älofter flüd^tiger Möndf) u. f. to. Slufeerbem nod^ anbere 2lu«t)rägungen (Gloquet ©. 232 ff. ;
bie inftrultibe SCabeße bei Ärau« II, ©. 394, ferner S^iln, 2)ie SCugenble^re be« e^riften* 30
tum« mit befonberer Slüdffid^t auf beren jal^Ienf^mbolifc^e ßinlleibung, ®üter«Iol^ 1904).
3:ugenben unb Safter Serben auc^ im Äam})fe gegeneinanber baraefteHt, ein SWotib,
h)eld[^e« juerft ^rubentiu« mit feiner ^f^d^omac^ia erfolgreid^ in bie Äunft einführte.
SBie bie 3iöi^re«jeiten ben allgemeinen toe4>feIboIIen Verlauf be« menfd^lid;en Seben«
f^mbolifieren, fo ba« ®IüdE«rab nod^ im Sefonbem. ^a« Silb ift in ber SorfteHung 35
unb in ber Äunft bord^riftlic^, boc^ ift bie altc^riftlic^e Äunft baran borübergegangen,
bagegen im 5KitteIaIter tourbe e« al« moralifd^e« ^Kittel beliebt, unb man finbet e« mit
biefer ghjcdfbeftimmung an Äirc^engebäuben (^eiber, 2)a« ®lüdf«rab unb feine Slnmenbung
in ber d^riftlid^en Äunft, in b. 5KitteiI. b. Ä. Ä. ^entralfommiffion IV, 1855 ©. 113 ff.).
2)ie gerftörenbc 3Wad^t be« 3^obe« tpirb anfd^auli^ gemad^t burc^ einen ?Kann, ber ben 4o
(*^arten be« Seben« jätet ober Säume fällt, ober na^ änmeifung bon 31})I 6, 8 al« SReiter
mit gefj)anntem Sogen, bor aßcm aber al« ein abgemagerter ®rei«, ber fic^ fc^Iie|lic^
unter bem 6influf[e ber Slenaiffance jum ®erij)j)e mit §i^})e unb ©tunbengia« meiter*
bilbet. 9Kit ben ber^eerenben 3ügcn be« fd^h)arjen Sobe« tpirb in Serbinbung gebrad(;t
bie ©ntftel^ung be« lotentanje«, ber rafd^ grofee Verbreitung geh)ann unb ba« TlitttUib
alter toeit überbauert \)at (SiJeffel^, 2)ie ®eftalten be« 2:obe« unb be« leufel« in ber
barftettenben Äunft, Seidig 1876; Dtte I, ©. 503 ff., tpofelbft auc^ bie Sitteratur ber
2:otcntänge; §ornung, Seitr. pr 3Jonograj)F^ie be« lobe«, ^^^eiburg 1903). Die bem
Röxptt entfc^tpinbenbe ©cele h>irb regelmäßig al« eine fleine naote, gef^led^t«lofe 9Jlenfd(;ens
figur geformt, bie axi^ bem SJJunbc l^erau«tritt. ©0 am ^äufigften bei ben Bi)äd)txn, öo
gn ben StBeltgeric^töbilbem fommt toeniger bie ^arabiefe«borfte&ung al« bie braftifc^e
Sotf«))l^antafie in Sc^ie^ung auf bie ©öUe ^u i^rem JRed^te (S^ffcn^ Die Darftellung be«
aBeltgeric^t« bi« auf 9J}ic^eIangelo, Serlin 1883; ®. Soft, Da« jünafte ®eric^t in ber
bilbenben Äunft be« frül^en Mittelalter«, Scip.vg 1884; Ärau« II, 6. 373 ff.; ©auer
©. 319 ff.). Den 2JlitteIbunft barin bilbet ber aufgefjjerrte Stadien be« §öllenungel^euer«, 55
lüofür bor allem ber Sebiatl^an Jrjiob 40. 41 bie ^üge lieferte, unb in ben $enen unb
Änec^te, -Dlännlid^ unb SBeiblic^, ®ciftlid; unb SBeltlic^ l^inabgeftofeen h)erben. 2lllerlei
leufel treiben l^ier ba« ®efd^äft be« §ohn« unb ber ^Jarter unter bem SHegiment be«
JJürften ber .ööUe. 2luf biefen 2^cufcl fammelte bie Solf«i)^antafte alle«, toa« fie Don
Un^olben tou^te, unb fo entftanb ber biclgeftaltige 9)iann mit Soct«^örnem, ^^Jferbefufe, eo
394 ®ttttibilber
glcbcrnmu^flügcln unb6c^tDam; ja and) ol^ jcbnjari^cr 33ogel tDirb er fici(;tbar unb fäbrt.
fo bcm ^uba^ bei bem legten ma^l in ben 3Kunb ober inf})irtert ben rid^tenben ^ilatii^.
2lu(i^ ber ^Jolfel^umor ift l^ier nicf^t leer au^egangen (SBcfJel^ a. a. D. ; ty. Slombcrg,
SDer 2:eufel unb feine ®ef eilen in ber bilbenben Äunft, Serlin 1867).
6 So tpenig ak in ber Sitteratur ift im 5KittelaIter in ber Äunft btc 3lntilc Der-
ftunnnt. ©irenen unb ßentaurcn berfinnbilben bie berfü^rerifc^en 3Räd)ic innerhalb unb
aufeer^alb ber 3fienfc^enfcele, bie Sib^Ke reil^t fic^, legitimiert burd^ bie fibl;Uinif(^en
Drrtfel, ben $ro})l^eten an ate ^roj)l^etin be^ §eibentumg (Teste David cum Sibylla
im §l;mnu^ Dies irae ; S3arbier be SWontault, Iconographie des Sibylles in Revue de
loTart chr^t. 1874), nic^t minber SSirgil al^ SJici^ter ber vierten ©flöge : jam redit et
virgo (granjöfifc^e^ ^Di^pöre be^ 11. ^^I^rl^unbert^: Maro, vates gentilium I Da
Christo testimonium, bgl. $ij)er im ®b. Äalenber 1862 ©. 17 ff.; 6omj)oretti, Vergilio
nel medio, Sibomo 1872, beutfc^ Seipjig 1875). Slud^ bie ^^ilofo^J^en ^lato unb
äriftotele^ fel^len nic^t. Sie ftnb aufgeboten, foloo^I um bie ©uj)eriorität ber c^riftlic^en
15 Sieligion, ak aU and) bie äBal^r^eit berfelben ju bezeugen.
Orofee ©d^loierigleiten bereiten bem SSerftänbni^ bie })l^antaftifc^en ober toirflic^cn
2:iere unb lierfcenen, bie fid^ oft in Änäuel jufammentoinben unb in loilbem 5lan^)fc
mitcinanber begriffen fmb ober in ruhiger Spaltung fteben. ©ie fmb befonber« auf ger=
manifci(;em 33oben beliebt geh?efen: portale, 5la))itäle, Äonfolen, Miniaturen, ?|Jaramente
20 bieten fie. @g mag in manchen gäUen ber ©ebonte ber fflamung bor ben teufclifc^en
SWäc^ten, 9Serfud^ungen unb ©ünben unb Seibenfd^aften bag 3)lotiD obgegeben l^obcn,
meiften^ bagegen lam e^ too^l nur barauf an, eine padtnbt, bie ^ßl^antafie feffelnbe S^elo-
ration ju fd^affen. ©ine eigene ®ru})j)c bilben biejenigen 3)arftellungen, toelc^e, h?ie ber
bor §ül^nem })rebigenbe %nq^, ba^ Seic^cnbegängni« beö %^^d)\^, ber SBolf in ber Äuttc,
25 bireft ber 3:ierfabel entnommen fmb. §ier läfet fic^ eine ironifierenbe 2:enbenj laum in
aibrebe ftetten.
®ie angefül^rten 2)arfteHungen erfci^ö))fen, auc^ abgefel^en bon ben ^ier nic^t in 9c=
trad^t ju jie^enben toeltlic^en ©tüdfen, ben ^n^alt ber Äunftf^mbolit be« obenblänbifc^cn
9Jiittelalterö nic^t böHig, mo^l aber fül^ren fie feine mic^tigen Seftanbteile bor, unb biefe
30 geben eine beutlid^e SSorfteHung bon ber großen SKtiöität ber auf ©innbilber unb $er=
fonififationcn gerid^teten religiöfen ^l^antafie unb i^rem ftarfen Sinttjirfen auf bieÄunft.
3)ie b^jantinifc^e Äunft fann f\d) mit biefem ^^etc^tum nid^t im entfemteften meffcn.
6« entf})ric^t ber lonferDatiben Slrt beg öftlid^en Äirc^entumg, bag nac^ 3^^^*^"^*"<^"9
be« fejiulfralf^mbolifd^en Silberfreife« ein 6rfa^, eine 9Jeufc^ö})fung nur in geringem
35 5Ka6e berfud^t ift. ®a« gefd^a^ aber nic^t in 3lnle^nung an bie Sitteratur, bie an
©Embolen, SlHegorien, ^erfonififationen unb ^V^ologien ber abenblänbifc^en nic^t nai-
ftanb, fonbern im Äreije ber Sier^ unb ^flanjenf^mbolil. 3Kit Sed^t ift geurteitt Sorben,
„bafe bie altd^riftlic^e Äunft be« SBeften« im loefentlic^en f^jmboUfc^ W^fft mit ber ^ilfc
ber 5!Kenfd^engeftalt, ioie bie 2lntife, ba^ bagegen bie altd^riftlid^e Kunft be« Dften« ftom-
40 bolifc^ fcbafft mit ^ilfe Don lier unb $flame mie ber Orient bon 3llter« ^cr" (©trü^^
goh)«fi, a)er S3ilberfrei« be« gried^ifd^en "iJJl^^fiologu«, ©. 98), nur gilt bie« toeniger öon
ber altc^riftlic^en al« ber frül^mittelalterlid[)en ^eriobe ber b^jantinifd^en Äunft 2)iefc
Slic^tung erlag jebod^ im Silberftreite unb bamit toax bie Äraft i^rer ©^mbolil gebrochen,
unb fo erflärt ftc^ bie toeit geringere SBirhing be« ^^vP^Iogu« auf bie Äunft. 3nbc«
45 aud^ bie fiegreid^e antl>ro})omor))l^e ©Emboli! ertpie« fid^ nic^t fruchtbar, unb fo ift ba«
ßrgebni« ein t)er^ältni«mä6ig fleiner Sefife an ©Embolen, ber ftc^ in ber §au^)tfac^e mit
bem abenblänbifc^en Seftanbe bedft. ©elbftt)erftänblic^ fe^lt e« nid^t an (Eigenartigem.
3n einem 3Beltgeric^t«bilbe fie^t man einmal ben gefrönten §öllenfönig auf einem greifen*^
artigen 2:iere reitenb, auf feinem ©c^o^e eine natfte (Seftalt, eine ©eete tragenb (Ärau« I^
50 ©. 588). ©benbal^in gehört bie fog. ßtimafie (t] hoijuaöid rov '&q6vov nad) %\ 88)^
ein I^ron, auf h)eld^em fireuj, £amm, 'iBuc^ ru^en, toomit beutli^ bie S3cjiel^ung ju-
Gl^riftu« l^ergeftellt ift, toäf^renb ber leere Ttfim ber 2lu«brudf ber SKajeftät ®ottc« ift
(be 9ioffi im Bull, di archeol. crist. 1872, ©. 123 ff.; Ärau«, 9fleal=encVfIo))äbic I^
©. 4:52 ff., beibc nur ynwx Jcil richtig). 2)ie bei ben (Sried^en nie übertounbene urc^rift-
55 lic^e ©rf»eu, ®ott al« ^^Jerfon bar|;uftetlen, ift l^ieran erfennbar, h?ie fie benn auc^ ba^
ganj;e 9J}ittelalter j[;inburd^ beim ©Vmbol ber ,,$anb ®otte«" berbleiben, (Snger enbli(^
al« in ber abenblänbifd(>en Äunft bat fic^ ber 3wf<^"^wicn^ang mit ben antifen ^erfonifi^
fationen erl^altcn. I^s" Voller 3"^<?9^itöt ^^*<^t^n S^^ jutoeilen l^erbor. 8eif))iele fmb: ber
in einer ibt)llifd^en Winiatur be« 9.— 10. 3<^l^r^unbert« bie §arfe f})ielenbe ^irtenfnabe
60 2)abib, bem Mekwdia bie redete ffieife angiebt, toä^renb in ber gerne hinter einer Säule
®ttittbUber Shrtcttt«, ^iMifl 395
bie Drcabc 7/;^oi bcn Ion aufnimmt unb im Sorberörunbc bct l^albnadEtc Scrggott be^
quem ^ingcftreat ^ord^t. (9i. Äonbaloff, Histoire de l'art byzantin, consider6 prin-
cipalement dans les miniatures, $ari« 1886 ff., II, ©.31; Äraug I, ©. 569); bets
fclbc ^abib aU föniölic^cr Sänget; il^m jiir ©ette ftel^en bie grauengeftalten I^owla
unb IlQoq)rjTeiaf h?ä^renb über feinem §aut)te ber ibn inf})ierierenbe I^I.Seift in ©eftalt 6
ber 2:aube fd^lpebt (Äonbafoff II, ©. 35) ; bie ^räd^tige 33ifion be^ (Sged^iel jtoifd&en 9tac^t
unb 2}lor0en, h?ie bie linfö ftel^enbe l^ol^eitgbolle ©eftalt bet Nv^ unb bet red^t^ f(^rei=
tenbe Änabe mit bet ^ödfel, O^qoq, betbeutlid^en (II, ©. 37 ; eine äl^nlic^e 35arfteIIunfl
be^ 3)?ot9en^ bei ©ttj^gotpöfi laf. 32, 1, tpoju bie Slu^fül^tungen be^felben ju biefcm
©egenftanbe ©. 72 ff. ^u betgleic^en fmb). 3)er getingfügiöe auf urnS gefommene Seftanb lo
ber bVjantinifc^en Äunft an Silbtpetfen (faft nut 3Kiniatuten) fc^Iiefet leibet eine genaue
einfielt in i^te f^mbolifd^e (Sigenart a\x^, fo fe^t auc^ bie (Srunbjüge fic^tbat ftnb. 2)a8
^aletbudj) bom S3etge 2tt^o« (f. S3bXII, 116,35) f})iegelt, fo h?enig aud^ e« ate frftet
Äanon ongefe^en Ipetben batf, bie alte Situation noc^ gut Ipicbet, oblpo^l injh?ifd9en
Dielet betloten gegangen ift, i6
^ie tömifc^e Äitc^e bet ©egentpatt ift befttebt, mit bet f^mbotifc^en Äunftf))tad&e be^
SJJittetaltet^ tüiebet ^w^^^^^^G X" getoinnen, in ^anlteic^ unb auf getmanifd^cm S3oben,
einfc^lieftlid[^ (Snglanb^, mit gtofeem Stfolge, toä^tenb Stalten unb bie })^tenäifc^e ^alb«
infel noc^ jutüdfju^alten fc^einen. SBa^ in^befonbete Italien anbetrifft, fo ^at bie SRc=
naiffancc bott bie 3wfammen^änge mit bet 3Setgangenl^eit ju Jel^t jetftött, ak ba^ eine 20
SBiebetanInü})fung tafd^ bot fic^ ^eben lönnte. ®ie Unmittelbatfeit unb Ätaft bet alten Äunft
muf; fic^ abet in biefem ^Jtojef oft genug eine ftarfe SJetbünnung unb SRobetnifietung
gefallen lafjen, lootübet bie bei Gloquet unb 3)e$el mitgeteilten S3eif})iete l^inteid^enb 3lu«s
ifunft geben. 6« fe^lt auc^ nid^t an SBetfuc^en },\x 9Jeubilbungen, unb ;\u biefen jäl^It
ba^ abftofeenbe „§etj=3iefu" unb „§eti=3Karia" (^toben Sloquet ©.83 ff.; ©. 145 ff.; 25
2)e^et I, ©.91 f.; bgl. ©timouatb be ©aint^Sautent, Les Images du sacrö coeur au
point de vue de Thistoire et de Tart, ^ari^ 1880; ©e})atatabbtudf a\x% Revue de
Tart chr^t., übet ben Äultu« f. b. Sltt. Sb VII, 777). 3m «ßtoteftanti^mu« ift ebem
faH« neuetbing« ein etfteutic^e^ 3?etftänbni« füt bie ©innbilbet unb il^te Slntoenbung in
bet ebangelifd[^=fit(^lidE)en Äunft ettüac^t. 2Belc^e ©d^tanlen jeboc^ l^iet innejul^alten fmb, »^
batübet i^aht \ii mic^ gelegentlich bet ^atamente S3b XIV, 681 ff. beteitg au^gef})toc^en.
^n bet anatolifd^en Äitd^e fmb befonbete Sefttebungen nic^t ju bemetfen.
Sictor ^^Viliit.
©mtfint f. b. a. 51 oa^ 93b XIV ©. 139.
©irai^ f. b. 31. a})oft^})^en be^ älSC 93b I ©. 650,20. 35
®iriritt9, %a\i\i 384—398. — SBriefe bei douftant, Epistolae Romanorum |)onU-
ficnm, M8L XIII unb .f)infcöiu-3, Decretales Pseudo-Isidorianac S. 520 ff.; Jaff(5 1, 8. 40 ff.;
Lib. pontif. ^uö(^. u. g)ionunfen I, S. 85 f.; ^roöper Chron. 5. 384; S3owcr=9?amba(f),
4;)iftoric b. röm. Ißfipfte I, ©. 360; iJanc^en, ©efd). bev röm. ^ird)e, 1881, S. 611; 4>cfclc,
aoncüicngefd). II, 2. 9IufI., 6.45 ff.; 9tQui(^cn, 3at)rbb. b. d)r. Äirdje unter 2:]^eobofiu§, 1897, 40
e. 197 u. ö.
©iriciu«, ein JRömet, h)utbe im 2)ej\embet 384 obet ganuat 385 j^um SJad^folget
be« 93ifd^of<S 3)amafu« geioäl^lt. 6t ge^ötte j\u ben tömifd^en Sifc^öfen btittet obet
Uiettet ®töfee (t)gl. Hier. ep. 127, 9 MSL 22 ©. 1093: Simplicitati episcopi, qui
de suo ingenio caeteros aestimabat), bie gleic^tool^l füt bie Cnth>idEelung be« i^a})fts 45
tum« nic^t ol^ne 93ebeutung finb. (£« h?at nic^t« ÜJeue«, bafe bie tömifd&c Äitc^e, bie
einzige o^oftolifc^e Äitc^e be« älbenblanb«, übet ^Jtagen be« fitc^lid^en ©lauben« unb
fit(|tid(;en Siedet« intet})elliett toutbe. ©., bet nic^t geting t)on ftd^ backte (Dgl. Paulini
Nol. ep. 5, 14 ©. 33: Urbici papae superba discretio), Ivat butc^btungen bon bet
Übetjeugung, Sted^t unb ^flid^t jut 3luffid^t übet bie ganje Äitc^e ju l^aben (ep. ad so
Himer.: Portamus onera omnium qui gravantur, quin immo haec portal in
nobis b. Petrus; Nr. 7: Quibus praecipue secundum b. Paulum instantia quo-
tidiana et sollicitudo omnium ecclesiarum incumbit, u. 0.). ^n biefet Übet^eugung
etteilte et auf betattige gtagcn ^ilnttoott in einet ^orm, bie i^n al« ben oberften Seiter
bet Äitd[^e unb feine (Sutac^tcn al« toerpflic^tenbe Gebote erfd^einen lie^ (a. a. D. 9?r. 2 : 56
Hactenus erratum in hac parte sufficiat, nunc praefatam regulam omnes
teneant sacerdotes). 3(ucl» ofine Dorbergel^enbe 3lnfrage richtete er Sia^nungen an
bie Iat^olifd[^en 93ifc^öfe (Ep. ad orthod. per divers, prov.: Perlatum est ad
396 6mcttt0, ^apft ®initPttb
conscientiam apostolicae scdis contra ecciesiasticum canonem praesumi etc.).
3ft bic Stngabc bcö Lib. pontif. rtd^tig, fo Verlangte er bic aiufbcmaJ^rung feiner (Jr-
lafjc in bcn lirc^Iic^en älrd^itoen. ^oburd^ mugte ber ßinflufe be« römifd^en »ifc^of^
er^^ö^t tperben: ©. bereitete fo ben ©rünbern be^ ^<H)fttum^, Q^^^ocenj I. unb Seo I.,
6 bic SBal^n.
3Ba«} bag eimelne anlangt, fo toar fein crftcr SSrief Dom 10. gcbruar 385 bic ant^
toort auf eine nod9 an 3)amafug gerichtete anfrage be^ Sifd^ofS .^imeriu« toon larraco
(jc^t 2^arragona in ©panien) ; e^ ^anbelte fid^ barin um bic SBiebertaufe übertrctenbcr
ärianer, um bie Beobachtung ber alten 3:aufjeiten, Dftern unb 5ßfingften, ba^ ©erfahren
10 gegen reuige abtrünnige, gegen ^önitenten, bie bie $önitenj brachen, unjüc^tige SReligiofcn,
verheiratete ^riefter, um bie äuflöfung ijon SSerlöbniffen, tücld^e ben jjriefterlici^en Segen
erjialten Ratten, enblic^ um bie 3!)i^ji})Kn ber Älerifer. ^[nl^altlici^ bcrtoanbt mit bcn an
Jpimeriu^ gefanbten Sorfc^riften finb bie Sefd^Iüffe einer bon ©. am 6. ganuar 386 ge^
faltenen römifd^en ©V"obc; neu fmb nur einzelne Äanone^, tüic ber erfte, h)onac^ feine
16 Drbination ol^ne 3Sorh?iffen be^ 5ßa))fte^, bejlo. be^ $rima^ (fo in ber 9)?itteilung an bic
Stfrifaner, f. u.) ftattfinben foHe, unb ber gh?eite, toomä^ nie eine Drbination burc^ einen
einzigen !öifci(;of Vorgenommen toerben bürfe. Die Sefc^Iüffc biefer römifc^en ©V"<>bc
teilte ©. bcn afrilanifd^en Sifd^öfen unb tool^l auc^ anberen ^roVinjiiaßirci^cn jur Scob^
ac^tung mit.
20 3" ^i"^ allgemeinen 3)elret forberte er Beobachtung ber lanonifd^en Borfc^riften
bejsüglidj^ ber Befe^ung ber Bistümer unb ber äufnal^me unter ben Äleru^.
6nblid& ift ju crtoäl^ncn, bafe er ^tt^rien gegenüber bie ^olitil be^ 3)amafu^ forts
fe^te, bic Bedienungen gu ^ll^effalonic^ ;iu j)flegen, um burc^ ^l^effalonic^ 3"'^^^^" h^ ^^'
^errfd^en unb burdj) ^H^^cn fid^ eine SCI^üre in§ 3)iorgenlanb offen ju galten (über bcn
25 j)ät)ftlid^en Bifariat bon SC^effalonic^ f. SRaufd^cn ©. 469 ff.), unb bafe er 390 ober 392
auf einer römifc^cn ©^nobe S'^binian mit ad^t (Senoffen qritommunijierte, f. Sb IX
©. 399, 31, unb über ba« ^al^r Slaufd^en ©. 378 f. Dap ber Brief Gouftant ©. 679
Jaffö 3lx. 261 ©. angehöre, l^alte ic^ für loenig toal^rfd^cinlic^ : er berftöfet gegen bic
oben ©.395 ertvä^nten (Srunbfci|e. ^ancT.
30 Sirmotib, ^alob, neben ^etabiuö ber bebeutenbfte latJ^olifc^e 3:l^eologc graul-
reic^«, geb. ben 12./22. Oft. 1559 ju SNiom, geft. ben 7./16. DIt. 1651 ju ^ariö. -
Sitteratur: Henr. Valesii oratio in obitum Jac. Sirmondi, ^ar. 1651; loieber^olt üor
bem 1. Saube ber Opera, bem ber Herausgeber be In S3aune baS ^ortrftt 6.Ö unb einen
QiiUn fiebenöabriö uorauöflcfc^icft l&at; 5t. be 53acfer = ß. ©ommcrüogel, Biblioth^que de la
36 comp, de J(58us, VII (1896), 1237—1261 (fe()r üerme^rt gegen bic 9lu^g. üon 1876, III,
801—814), 100 fämtüd)c (au(ft bic ungebrudften) ©djrifteu uon @., feine Beiträge ^u bcn
5luualen bcö S3aroniuS, ju ben Acta SS, feine abriefe unb bic ßitteratur über ii)n \>tx-'
^eid^nct finb.
3im ^a^rc 1576 in bcn 3^f"itenorbcn eingetreten, lourbc ©. nac^ 3lbfobicrung
40 feiner ©tubien unb fünfjäl^rigcr 3Serh>enbung im Scl^ramt (unter feinen ©c^ülem toar
aud^ 'J^ran^ Don ©alc^) 1590 nac^ SRom berufen, loo er 16 ^aljxt l^inburc^ ©efretär bc^
Crbcn^gcncral^ 2lquabiba toar, nebenbei aber unermübet bie ©d^äfee Der batitanifc^cn
Bibliot^cf unb anbcrer ©ammlungcn burc^forfc^tc unb neben Bergfeic^ung bon 3;ejtcn
nod; ungcbrudfte §anbfd^riften mit fad^funbiger älu^tüa^I unb in folc^er 3Waffe abfd^ricb,
46 bafe er nid^t nur bem Baroniu^ biete bon biefem mit öffenttid^em 3)anl anerfannte Bei-
träge ju feinen Stnnalen lieferte, fonbern aud^ nad^ feiner 1608 erfolgten SRüdfle^r na^
granlrcid^, Wo er neuerbing^ biete glüdftid^e ^anbfc^riftlid^c gunbe mad^te, feit 1610 faft
aUc ^al}x^ irgcnb eine DJobität beröffentlid^te unb überbie^ anbere Drben^enoffen bei
i^^ren ©tubien unb 3(rbcitcn untcrftü^te. — ©. ivar nur ©elel^rtcr; toa^ feine jiolitifc^c
50 ©tcUung betrifft, fo geborte er |\u ben ^cfuiten, toelc^e fid^ am 22. ^cbruar 1612 bor
bem Parlamente bereit erttärlcn, bie Se^rc ber ©orbonne aud^ bcjügfic^ ber ©rl^altung
bc^ Könige unb ber ^rei^citen ber gatlifanifd^cn Äirc^c ju befolgen, bgl. ^errcn^, L'^Ilse
et l'ötat II, 92; über feine Icilnat^mc an ber Äonbemnation be« ©uarej burc^ bae
Parlament ibid. p. 230, über bcibc^ and) '^oux't^am, Hist. de l'univ. de Paris p. 67.
66 78, unb Ji. M, i^rat, Recherches sur la comp, de J^sus III, 563 u. ö. — ©cit
1612 in bem „(Slcrmontcr ÄoUcgium" in ^^arig tpo^ncnb, h?urbc ©. 1617 Stcftor bc^-
felbcn (f. Stanonif, 5^ion. ^ilSctabiu^, ©. 27 f. unb 108) unb feit 1637 Bcic^tbater bc^
Äi)nig«J ifubh)ig XIII. "^m ^a^rc 1045 reifte er |\um brittenmalc nac^ 9lom, um, toic
cinft 1615 nac^ Slquabiba« Xob, aud) jc^t an ber Sßa^l eine« neuen Drben^eneral^
Stmtottb ®ife(ttt 397
teiljunel^men. ^n ungebtod^encr Äraft beö 5tört)Ct^ unb ©etfte« blieb er litletarifd^ tl^ätig
bi« an fein (gnbe. ©J crfle ^ublifation brachte bie SBerfe ©ottfrieb« Uon aingeri^,
Scnebiltinerabtö ju 2?enbome, ber bon ?5a^ft Urban II. jum Äarbinalat erhoben, bon
Äönig Subiüig bem liefen bon f^anfrei^ unb bon ben ^öjjften m uerfd^iebcncn ®e=
fd^äften üertDenbct tourbe unb aufer bieten anberen fd^ä^baren Straftaten auc^ einen de 6
investitura gefd^^rieben l^at: Goffridi abbatis Vindocinensis epistolae, opuscula,
sermones (^ar. 1610); fd^on im näd&ften ^a\)x erfd[^ien feine äu^abe be^S dnnobiu^,
in ber er, tro^bem il^m nur i5ö"i>W^ft^« bon geringem SDSert ju ©ebote ftanben, burdS;
©ele^rfamleit unb rid^tige^ fcitifqe« Urteil einen erträglid^en %tjct lieferte, ben erft in
unferen SCagen bie ausgaben uon 2B. §artel (1882) unb gr. 55ogeI (1885) antiquiert lo
I^aben. darauf folgten, größtenteils bis bal^in ungebrudft unb bon ©. mit trefflichen Sr«
löuterungen auSgeftattet, Flodoardi bist, ecclesiae Remensis (1611), Fulgentius
(Ruspensis) de veritate praedestinationis et gratiae (1612) unb librorum contra
Fabianum Excerpta (1643), Valeriani epise. homiliae XX (1612), Petri Cellensis
epistolae (1618), bie äl^erle beS Apollinaris Sidonius (1614), Pascbasii Radberti i6
opera (1618), beS galläjifd^en S3ifd[^ofS g^atiuS Chronicon etfasti consulares (1619),
Marcellini comitis Illyriciani chronicon (1619), Anastasii bibliothecarii collec-
tanea (1620), Facundus episc. Hermianensis pro defensione trium capitulorum
concllii Calchedonensis (1629), S. Augustini novi sermones XL (1631), bie SBerle
bon SC^eoboretu« G^renft« in 4 golianten (1642, S3b 5 Don 3. (Sarnier 1684), älcimuig 20
Slbitu« (1643, je^t burc^ % ^ßei^erS 3lu^. [1883] abgelöft), §inlmar bon SR^eimS
(1645), I^eobulfuS 2tureIianenfnS (1646). 3!)ie bamalS biel erörterte ^räbeftinationSlel^re
beranlafete ©.« Praedestinatus (1643) unb Historia Praedestinatiana (1648), foloie
feine 3tu^aben Derjd^iebener barauf bezüglicher ©d^riften be« SlabanuS, 3lmolo, Sluguftinuö
unb ©eröatug Su})uS. — äuSfc^Iießlidp firc^enrec^tlic^en ^jn^fllteS »ft bie ©ammlung Don 25
18 Äonftitutionen, Iveld^e ©. unter bem Xitel Appendix codicis Theodosiani novis
constitutionibus cumulatior (^ar. 1631, befte äu^abe bon ®. öänet, Sonn 1844),
bercn ©d^tl^eit, ^nl}alt unb Scbeutung augfül^rlid[^ erörtert tft Don ®. §änel in ben
Prolegomena unb bon %x. 5Kaaffen, ®efd^. ber Duellen unb ber Sitter. be^ fanon.
Slec^t^ I, 792—796. — S&id^tig für bie fiird[^engefd^ic^te toaren bie bier, in ben opera ao
varia IV, 1—244 lieber abgebrudtten ©d^riften, toorin ©. 1618—1622 gegen ^al.
©ot^ofrebu« unb 61. ©almafiu« (f. oben Sb XVII ©. 398, too axii) bie Sitteratur ber«
jeid^net ift) ber Segriff unb bie Slu^bei^nung ber regiones unb ecclesiae suburbicariae
feftgeftettt tourbe. 3Rad^ Seenbigung biefe^ ©treite^ toanbtc er ftd^ jur ^erau^abe toic^ttger
^a))itularien: Karoli Galvi et successorum aliquot Franciae regum Capitula (1623). 86
1629 liefe er bie ©ammlung ber meift noc^ unebierten Concilia antiqua Qalliae, cum
epistolis pontificum, principum constitutionibus, et aliis Gallicanae rei ecclesi-
asticae monimentis in brei Folianten (©u})})lementbanb bon 5ß. ^elalanbe, ©.^ ©rofes
neffen, $ar. 1666), mit trefflichen 9Joten am ©c^lufe jebe^Sanbcg folgen; biefelbe gelj^ört
m ben beften DueHentoerfen ber früheren ^i\i unb \)ai ©. ftc^ bamit einen bauernben 40
9?amen gemacht (Don ber neuen 2lu^gabe ber 3Kauriner erfd^ien nur ber l.Sanb, 5ßar.
1789). ©c^on frül^er ^attc er bie ßinlcitung gefc^rieben ju ben bon il^m unb berf^ic?
benen anberen unter })(H)ftlic^er 3tgibc herausgegebenen, al^ CoUectio Romana jube*
nannten Concilia generalia ecclesiae cathoUcae (9lom 1608—1612, Dier ^oliobänbe).
äufeerbem ertoäl^nen h?ir: Antirrbeticus I et II (1633) de canone Arausicano 46
(©^nobc Don Drange), Diss. in qua Dionysii Parisiensis et Dion. Areopagitae
discrimen ostenditur (1641), Diatribae duae de anno synodi Sirmiensis, foh)ie
bie treffliche Historia poenitentiae publicae, item disquisitio de azymo, bie ©.
im älter Don 92 ^a^xm (1651) Dcrfafete. 3« >)rac^tDoller äluSftattung finben ftd^ bie
fämtlid^en ^robufte ©.fc^cr ©ele^rfamfeit Dereinigt in feinen, bem Äönig Subh?ig XIV. 60
getoibmeten, mit trefflichen ©inleitungen Don bem Herausgeber be la S3aune berfel^enen
Opera varia nunc primum collecta, ex ipsius schedis emendatiora, notis post-
humis, epistolis, et opusculis aliquibus auctiora. Accedunt S. Theodor! Stu>
ditae epistolae, aliaque scripta dogmatica, nunquam antea graece vulgata,
pleraque Sirmondo interprete (5ßar. 1696, toieber^olt [unb um 2 ©tüdfe Dermc^rt], 66
3?eneb. 1728, fünf goliobänbe, beren Ic^ter ganj bie ©c^riften 2:i^eoborg bon ©tubium
entl^ält). @. Saubmaim.
©ifebttt, f))anifdbcr äöeftgotenfönig (612 bi« 620), jumal feine Su^enber^
folgung unb ©teHung jum ®t)iffo})at. — üuellcn unb ßittcratur: I. S)cv Api^ndix
398 ®tfebttt
j^um chronicon Marii Aventicensis, ed. Guil. Arndt, Lipsiae 1878, @. 16, Isidori Hispalensis
chronica, ed. Tli.Momm8en,M. G.H.,Berolini 1894 = auct. aut. XI, 3. 479 j.,92r. 414* »>, 416,
41G»>, Isid. Hisp. bist. Gothoriim, ed. Momnisen a. n. 0-, ©. 291 f., c. 60. 61. 62, bic 86d|rciben
Sifebutä, baruntCT fein iuterefjanter S3riefn)ed)fcl mit bcm oftrömifdicn ^atriciuS ©ifariud, ed.
6 W. Gundlach, MG, Epistol. III, Berolini 1892, epistolac Wisigoticae, ep.2— 9, 8.662— 67r^;
Sifebutg 61 red)t fc^ttJÜlftijje latcinifdje ^ejameter über ©onneu- unb ^Dionb^finftcrniffe, ed.
G. Goetz, Index scholarumjenensium 1^7/88, 8 p.; bic Sftronit b. fofl. grcbcgar, ed. Bruno
Krusch, Scriptor. rer. Merovingic. II, Hannoverae 1888, lib, IV, c. 33, @. 133, c. 73 [nur
mit äugcrftcr 58or|icf)t ;^u benutzen, loeil üiclfac^ fngen^aftc 3"9C «nb toirreS 8cw9 bictcnbll,
10 leges Visigothorum, ed. Karol.Zeumer, Hannoverae et Lipsiae 1894, lib. XII, tit. 2. 13.
14, ©. 305—309 incl., chronica seu series regum Viaig. (uon 680), ed. Zeumer a. a. 0.
©.316, Sifcbutö ^ün^cn bei Alois Heiss, Monnaies des rois Wisigoths d'Espagne, ^ari-ä
1872, 6. 103—106 unb planches V. XIII; Aem. Hübner, Inacr. Hisp. christ., Berol. 1871,
'^x. 171 unb mieberbolt, Supplementum (1900), S. 4(X) (biefe Snfc^rift üom 13. gebr.
15 614, worin Äönig ©ifebut ermähnt wirb, ift nur für bic S^ronoloflic bebeutfam !). ^©eitere
üueaen, oud) getrübte, im ^trtifel fclbft.
II. 5c!ij5)aön, Könige V, @. 177-184, 233, 242, VI (1.91.), @. 422 f., 442 f., «rt.
©iftbut, 9lb53, XXXIV, ßcip^ig 1891, ©.418—421; granj ®örreS, Äönig aiefarcb unb ba^
gubentum, 3id3:^, 40. S3b, ©.284—296; berf., Sifdjof 6«ciliu« üon ^3Kentcfa, cbenba, 41. »b,
20©. 105— 111; berf., Äi)nig SReforeb bcrÄat^olifdje, ebenbo, 42. m ©.270-322; berf., ©ifc^
but§©(§rciben an ©ufcbiuö üon Xarragona, cbcnba, 42. S3b, ©.442—450; berf., 2)er fpanif^^
roeftgotifdje ©piffopat unb boS römifc^e ^apfttum . . ., (586—680), ebenbo, 45. ©b, ©.41—72;
öJeorg Älaufmann, 9lppenbijr be« 3Rariud . . ., fjb® XIII = 1872, ©.418—424; 9lfdjbad3,
3Beftgoten, Sranffurt a. 3K. 1827, ©.236—241; g. ®. ßembfc, ©panicn [I], C)amburg 1831,
26 ©.88— 90; 9lb. ^elfferi4 2Beftgoten^5Red)t, iBerlin 1858, ©.68-71; berf., 3Seftgotifd)cr«lria-
niSmuS, ©erlin 1860, ©. .54f., 68 f.; ^ott^aft, Bibliotheca bist. IP, ©.1023 f.; SRariana,
De rebus Hispaniae, Moguntiae 1605, 1. VI, c. 3, p. 213—216; ®amS, m ©panienS II, 2,
©. 78-80. 85—90, 101 ; gcrrera^^SSaumgarten, Ä® ü. ©panicn U, |)allc a. ©. 1754, III. X-,
§469, ©.339f., ©.340 §470, ©.341, §472, ©. 341 f., §473, ©.342-345, §§474—481,
30 § 485, ©. 347—350, ©. 350, §487, ©. 352 f., ^§ 492—494; ^iobcfto ijafuentc, Hist gen. de
Espana, Seg. ed., I, ^iabrib 1869, ©.503—505 (unfritifc^!); SSicente be la fjucntc, Hist
eccl. de Espaiia, Seg. ed., II, 3Rabrib 1873, ©. 254 f.; ®ibbon, History of the De-
cline... of tbe Eoman empirelV, ißariS 1840, cbap. XXXVII, p.289f.; ©ilft. ©attcm
bad), S)cutfd)Ianb« ®cf4i(f)t«quellen im gjlittelalter I'' (1904), ©.92 f.; Soft, ®cfc^id)te bcr
36 3«racliten V, SBerlin 1825, ©. 110—120; ®rac&, Suben V, 3.«., ßetpjig 1895, ©. 60 f.;
^efcle, (5unc.=(Sef(fticl)te IIP, ©. 72 f.; iCarl 3cumcr, Sfl% XXVII, 1902 (©. 409-441),
©. 429 f., 443 f.; 2:cuffel.©d)n)abc, ®cfd)id)te bcr römifc^en ßitteratur I^ Scip^ig 181K),
©.1291, §495, 1.
3)cr Sßcftgotenlönifl Stfebut, ©unbcmarig 9lac^foIger, fonfl ein t)ortrcffltci(;cr §errf (^cr,
40 milbe, gerecht, t)on glül^enber grömmigicit, im JBoHbcfi^c ber bamaligen geleierten 33ü=
bung, gleich auggejeid^net ate Sc^riftftcUcr, mie al^ ^dt>, f)at fid^ tro^ aü biefcr fc^öncn
®igcnfd^aften aU bcr erfte f^anifd^c 3iubcnt)erfoIger einen büfteren SJamcn gcmad^t.
3!)ic Äinber 3i^wcl^ tparen auf ber ^ß^renäens^albtnfel feit ber frül^crcn römtft^cn
Äaifer^eit überaus jal^Ireic^ vertreten unb h>egen tl^rcS Sleic^tumg fel^r angefel^cn. 2)ic
45 bulbfamcn SBeftgotcn hielten bie Don ben 3ii">>^ratorcn übcrfommenc ftaat«rc(^tlici(;e an-
erfennung bcig ^wbcntum^ tvä^renb iF^rer gangen arianifc^en ^ßcriobe uncnttoegt auf*
rec^t. erft Slcfareb ber ÄatF^olifc^c legte ben ^ubcn eine folgenf^tperc Scfc^räntung auf,
inbcm er ben auf bie c^riftUc^en ©tlaüen bejüglid^en ©c^Iu^affu^ be^ cap. 14 bc^
Tolet. III t)on 589 in folgenber er^eblid^ toerfc^ärfter gorm in bie „Leges Visi-
50 gothorum" aufnahm (Leg. Visigothor. ed. 3«""^^^^ li^- XII, tit. 2, 9Jr. 12, p. 305):
„Äetn 3iube barf einen cf>nftlicieen ©Haben bcfd^neiben. Äein ^ube barf einen c^riftlic^en
©flauen burd^ Äauf ober ©d^enfung crtverben. $ift bie^ bennod[^ gcfc^el^en, unb $at er
i^n gar befc^nitten, fo foH ber Äne^t ol^nc Grftattung be^ Äaufjjreifeg frei tocrbcn. 3)er=
jenige aber, ber einen d^riflltc^en Stla\)m befd^nitten l}ai, foH fein gefomte« 3?ermögen
56 einbüßen unb Seibeigener beögi^fui^ Iperben". aSon biefer Sefttmmung ging ©ifebut, al«
er gletc^ bei Seginn feiner SHcgierung (612 '13) ben antifemitifd^en gelbjug eröffnete, im
erftcn feiner berü^tigten Subengefe^e au« (Leg. Visig. 1. XII, tit. 2, 13, p. 305f.). Seibc
eifebut=(SbiIte (a. a. D. 9lr. 13 u. 14, ©. 305—309) finb einanber ergänjenbe lang=
atmige Slftenftüdfe. Ireffenb unb fad^funbig fenngeid^net 3)a^n bie SCenbenj unb 3:ra0=
eotoeite ber beiben ©ifebut=(Sefe$e (ÄönigcVI 11. 3(.], ©. 422 f. u. SlbS a. a. D. ©. 420):
„©eine [©ifebut« | bcibcn ^u^cngcfe^e . . . befc^äftigen fid^ junäd^ft mit ben d^riftli<i^en
Unfreien bcr ^uben. 3!)icfc foHen ba« röniifd^e 33ürgerred(>t erlangen, burd^ (Sefei^ frei'
gelaffen, unb gleic^tuo^l lieber 3SerIauftc h)erben für frei erflärt, ebenfo unter 33elaffung
i^re« ^efulium« (®elb, ipeld^e« ber ©flabe fid^ unterbe«, b. ^. falld er frei getoorben
®tfebttt 399
W&xt, ^ättc crtoerben fönncn) entlaufene jübifc^e Äned^te, bie ftd^ taufen laffen trotten;
nic^t einmal ate freie 3WietIinge barf beraube c^riftli(^c Diener galten; d^riftlid^c Äned^te
mufe er binnen borgeftredter ^\\i („bi« ^um 1. ^ulV\ be^ näc^ften ^ai^rc^'O ""t il^^^m ^elu^
lium an Sänften bcrfaufen; (S^en jtpifd^en G^riften unb ^uben Ujerbcn getrennt, G^riften, bie
jum Subentum übertreten, fd^^toer geftraft. SJad^foIger auf bem I^ron, iüeld^e biefc ®efe^e 5
aufgeben . . ., toerben famt ben Stuben am jüngften 3^age in bie ^öHe Derfluc^t". ©ifebut
richtet fein erfte« ®efei natürlich an bie 9lic^ter („iudices"), aber nur an brei Sifc^öfc
(f. ben eingang bon 1.' XII, 2, 3lx, 13 bei ^eumer a.a.D. ©. 305f. unb 2)abn, Könige
V, ©. 183, 2lnm. 2). 3^*>^ ^^^ i'^^^ ^" f«^"^ bereite 615 berfafeten ßl^ronif noc^ lein
$Kort be« labete für bie ^wben^e^e feinet föniglid&en greunbe^ (ed. SKommfen a. a. D. 10
S. 480, 9ir. 416), l^ält aber in feiner 626 beröffentli^ten „historia Gothorum" bei
aller anerfennung ber frommen Slbfic^t be^ §errfd^er^ mit feiner 3)iipittigung biefcr 3lrt
ber Sefebrung nid^t jurücf (ed. ÜJJommfen a. a. D. ©.291, c. 60). 3)afe bie ©ifebutfc^e
^ubenl^c^c in i^rer SBirfung tüeit über bie ben Äinbem 3|graete in ben beiben Oefe^en
auferlegten freilid^ unerhörten Sefc^ränfungen ^inauöging, erbeut fc^on au^ ben Slnbeutungen i6
bc^ §ift)alenferö. UnjtüeifellJ^aft fanben jal^lreic^e 3^a"9^^awfen ber ^uben ftatt. Die^
befagt ber Appendix Marii, eine fc^on bem ^abx 623/24 ange^örenbe DueHe. ferner:
JJanon 57 beö bom Sruber Seanber^ geleiteten Toletanum IV bon 633 (Mansi X, ©. 633)
erhjä^nt unb berh?irft auöbrücflic^ bie unter ©ifebut Dorgefommenen 3^an0^taufen. ©ic^
ftüfeenb auf bie bicr Duellenbelege, nimmt ^o\t a. a. C ©.110 gar ein britte^ ^n^tm- 20
ebift ©ifebut« an, tüelc^e« bie 3l^^aditen gerabeju bor bie SBal^l jlpifc^en laufe unb
Sjil ftettte, mol^I ol^ne 9lot. Die maffenl^aften 3h)ang«taufen tafjen ]\d) auereic^enb auc^
"tvLxä^ erfd^ö})fenbe 2lu§beutung ber beiben 9lejfrij)te unb burc^ anbere unerträglidj^e
g^ifanen im SJertoaltungötoeg erflären; e« h?irb alfo bamal« in Spanien bielfac^ ein
t^atfäd^Iid^er Sauf jtpang, nirgenb« aber, abgefe^en bon ben HJlifd^e^en, in Setreff beren 25
ba« xtüixtc ®efe^ (ed. 3^wmer a. a. D, ©. 309) für ben jübifd^en ieil bie 3:aufe bei
©träfe etoiger Verbannung ^eifd^t, and) ein formeller gel^errfc^t l^ciben, unb bie unbeftimmten
3Serf})red^ungen, iDoburc^ baS jtoeite Defret aUe ^n\>in jum Übertritt ju lodfen ijerfuc^t,
ermangeln h?o^I be« })raftifc^en fflerte«. Durc^ glud^t in« granlenreid^ fuc^ten fic^ biele
ju retten. 30
Unter einem fo eifrig latl^olifd^en dürften lonnte bie Äird^e eine au«gebel^nte S^ätig«
feit entfalten, t)or attem aud^ auf f^nobalem ©ebiet. Unter bemSorft^ be« 3JJetro})oKten
©ufebiu« bon 2^anagona tagte am 13. ^an. 614 ein ^robinjialfonjil ju ®gara, toelc^e«
lebiglic^ im 2tnfc^lufe an ba« Oscense ($ue«ca) bon 598 ben Äleru« erneut jum
ßölibat Derjjflic^tete (Mansi X, ©. 531 f.). auf bem Hispalense II (Mansi X, ©. 555—570) 36
t)on 619 })räfibierte3ftbor; aufeer i^m h?aren ad^t ©uffragane jugegen. Sei aller leiben-
fd^aftlic^er grömmigfeit toar ©ifebut boc^ burd^au« fein „^faffenfönig", berftanb e« biel=
me^r, gelegentlid[^ auc^ bem ©jjiffo^at gegenüber ein urfräftige« SDSort ju f})red^en.
ßäciliu« bon 5Dlentefa (gaen im füböftlic^en ©j)anien), toar, toie e« fc^eint, ju Anfang
be« atebalb ju erörtemben ©ifebutfc^en ^elbjuge« gegen bie ©riechen in bie ©efangen» 40
fd^aft berfelben geraten unb fpielte bann, el^rent)oII freigelaffen, al« gotifd^er griebeng^
unterl^änbler eine nid^t untpic^tige SRoHe. 3" ^^^^^"^ ©(^reiben an ben Sifd^of (ed.
®unblad(; a.a.D. ep. 2, ©. 662 f.) rüdft nun ber Äönig bem Dberl^irten, ber fid^ anfang«,
ftatt fic^ feiner (tüol^I bon ben S^antinern bebrängtcn) 2)iöcefanen anjunel^men, in ein
Älofter eingefc^Ioffen, in marfigen aSorten a«Icfe jur Unzeit bor. gerner richtet ©ifebut 40
einen l^öd[^ft ungnäbigen Srief an ben 3)letroj)oüten bon iarragona (ed. ®unblac^ a.a.O.
ep. 7, ©. 668 f.).
9Ja(bbem ©ifebut burc^ feine gclbl^errn Slefila unb ©bint^ila mit ben SRucconen unb
anberen Siebellen be« 9lorben« blutige abred^nung gehalten, begann er 615 im ©tile
eine« Seobigilb ben 3Semid^tung«fam^f gegen ba« oftrömifc^e ©jjanien. 3BirIfam unterftüfet eo
t)on ©bint^ila, befiegte er bie 8^5^"^'"^ ""^^ ^^^ ^atriciu« ßäfariu«, einer i^m felbfi
fongenialen ritterlichen 9tatur, in gtrei grofeen ©c^lad^ten unb fc^lofe bann nad^ längeren
Unterl^anblungen mitßäfariu« unb bem Äaifer §erafleio« einen el^renboHen ^rieben, ber
nur noc^ jtoei Äüftenftäbte im l^eutigen aigarbe in ben §änben ber ®ried^en beliefe.
3)iefer Iläglic^e Sleft ber einft fo anfe^nlid^en oftrömifd;en ^eft^ungen tourbe fc^on 624 55
burd^ Äönig ©bint^ila h?ieber erobert, ©iefebut jeigte ft^ al« ©ieger fo menfd^en^
freunblic^, bafe er bie oftrömifc^en ®cfangcnen bon feinem eigenen §eerbann abfaufte unb
in bie Jpeimat entliefe. 8ran§ ©örreö.
©ifera f. b. a. 5Debora Sb IV ©.524,49.
400 (Stftitittit0 Sitte, Stttlti^Iett, (Stttengeff«
Stfititttud. aSon ?inänncm biefc^ 9lanicn« fmb j;u ermähnen: 1. Der '^o^jft ©ifm^
niu^. ®r h?ar bon (Scburt ein ©^rer, bereit«; ein hanfer 'äWann, aU er nad) einer
©ebii^bafanj Don brei 5!Konaten Qttoahlt tüurbe; er fül^rte ben ^ontififat benn ouc^ nur
bom 18. Januar bi^ 7. gebruar 708. 3)a^ 5ßaj)ftbuc^ tüeife bon ibm nic^t« ^u berichten,
6 atö bofe er Vorbereitungen j|ur aBieber^erfteflung ber ©tabtmauer traf. — 2. Der noba-
tionifc^e Sifc^of ©ifinniu« bon Äonftantino})eI. -ßr toar SKitfc^üIer ^ulian^ bei bem
5pi^iIofo})^cn SRajimu«, trat bann in ben fird[^Ii(i^en Dienft unb h?ar fd^on ate Sehor ein
einflu^reid^e^ Olieb ber nobatianifci(;en ©emeinbe; fc^liefelidi^ h?urbe er 395 i^r Sifc^of.
©ofratc^ \px\d)i bon feiner fdj^riftftcllerifc^en 3:]^ätialeit, inbem er fein ^n6^ über bie Sufec
10 gegen (Sl^r^foftoinu^ unb feine ©ci(;rift gegen bie ^Kefjalianer eigene anfül^rt ; bod^ bemerft
er: leycov uaXXov f) ävayivcooxöjuevog i&avjudCeio. Qx, tbie ©ojomeno^ überliefern
eine 2lnja^l bona mots be^ nobatianifci(;en Äird^en^aubt«. Socr. h. e.V, 10; 21. VI, 1;
21. Soz. h. e. VII, 12. VIII, 1., bgl. Skufc^en, ^al^rbb. b. d^riftl. Äirc^e 1897 ©.465 f.
3. ©ofrate« erh)äl^nt einen ort^obojen S3ifci^of ©ifmniuö bon Äonftantino))eI 426—427;
15 bebeutenber fdj^eint ber jüngere ^atriarc^ ©ifmniu^ 995—999 getoefen ju fein. Sluf ibn
gelten einige, auf ba« g^ered^t bemglid^e ßrlaffe jurücf, MSG 119 S. 728, 'i'itra,
Spicüeg. Solesm. IV, ©. 464, bgl. Gabe, Scr. eccl. bist, litter., ®enf 1720 ©. 510
S(uc^ berfafete er eine ^EyxvxXiog huaxolt} jigog rovg rrjg ävaioltjg ägxisQfiTixovs
'ägovovg negl rrjg ixjiogevoeojg lov äyiov jivevjuaTog, f. 2)cmetrato})uIo^, ^Og^o-
20 do^og "EXXag, 2eiJ)jig 1872 ©. 4 f. ^oucf.
Sitte, @tttltl^lctt,®tttetigefc^. — ßittera tut: 3ur oII(jemcinen Dricnticrunt;: 9ixU
„(gt^i!" oben V, 532 ff. — £). SRitfd)!, '3)ic ^tW ber ©cgenioart in ber bcntfc^cn 2:^colo(iie,
St^col. atunbid). VI, ©.399 ff. 445 ff. 491 ff., 1903. 3)ie mit ber ©egcnnjart in ber bcutfdicn
^^ilofop^ie. (Sbenba VIII, @. 309 ff. 407 ff. 451 ff., 1905. - X^'S% „miV\ feit 1882. — Rr. ^oK
26 (iJcfcfti(^te ber ©t^i! in ber neueren ^ftilofopl^ic, 2 ÜBbe, Stuttgart 1882/89.
3u 1 : ^ant, (SJrunblegung j^ur 3KetQp^l)fif ber 6ittcn, 1785. ^riti! ber praftifc^en Ver-
nunft, 1768. JHcIigion innert)alb ber blofeen Vernunft, 1793. (Seitenja^len nad) ber Dtcclomfdjcn
9luögabc.) — SBr^Saud), Sut^er unb tant, Scrlin 1904.
Qu 2: @dilciermad)er, ©runbUnien einer iö^riti! ber bisherigen Sittenlehre, 18C».'?
aoCföerfelll, 1). ^Ib^anblungen über ben Unterfdiieb ^roifd^en 9?atur unb ©ittcngcfcU, über ben
aJegriff beS ^öc^ften ÖJute« u. a. (3Bcrle III, 2). <B^iIofüp^ifd)c (St^if, no(ft ben öorlefunc^en
^crauSg. bon ©djtociäer 1835 (SSerfe III, 5), oon %tüe\tcn 1841 (fclbftftftnbig). 3)ic d)riftlid)c
Sitte (feerle I, 12). — ©. 5ud)§, S3om 35erbcn breier ^^enfer, Seipjig 1904. — ©.^ift^en,
2ehtn Scftleiermac^erS I, S3erlin 1870.
36 3u 3.: 38. 4'>errmann, et{)if, Tübingen 1901. »1904. SRömiftfte unb eoan9eIifd)c Sitt
lic^feit, *3Karburg 1903. 3)ic fittlidien '^öeifungen gefu, öJbttingen 1904. — (5. Stange,
Einleitung in ber Et^if, 2 93be, i'eipjig 1900/01. — 58. Äoppclmann, .^tritit bcv^ fitt-
Ucften 33etou6tfein«, 33erUn 1904. - m. '28entfd)er, (Stt)i!, 2 5öbe, ficipjig 1902/05. -
.&. So^cn, üti)it beS reinen 28iUenS, SBerlin 1904. (^efonbcrS gegen pfi^d)olo(\ifdi^anl^ro=
40poIogifd)C JBegrünbung ber (St^il S. 8—78.) — gür bie ÖJüteret^Ü: uor aacm (5. Xrocltfd),
©ruiibprobleme ber (£tt)if, ?,%m XII, S.44ff. S. 125 ff., 1902. <ßülitifd)e (St^if unb C£t)riftcn^
tum, öJüttingen 1904. ^roteft. ß^riftentum unb Äirdie in ber 92eujeit. 3n: ^ic Äultur ber
©egentoart 1, S3crlin 1900. — 9(rt. „'3)a§ f)b6))k ®ut" oben VII, S. 257 ff. — 91. Slotl^e,
X^eologifdie CSt^if, 4 g3be, 'Wittenberg 1845/48 (M868/71). — ö>. SRümelin, Ueber ben «egrif?
45 eineö josialen ÖJcfe^eö. JReben unb 9Iuffä^e I, S. Iff., befunberd 29 ff., Jyreiburg 1875.
Ueber ben begriff ber 05efeflfd)aft unb einer (iJefeUfd)QftöIe()re. 91. u. 91. III, S. 248 ff. @bcnba
1894. — ö). einfj, 3beale unb ©üler, Erlangen 1886.
3u 4: ^^ 0. Stjering, 5?er 3tüed im 9?ed)t, 2.^, Seipjig* 1898, S. 241— 281. 38. ©unb t,
El^it, 2. i&b, 'Stuttgart 1903, S. 107—243. 51. 3Butt!e, .^anbbndj ber cftriftlidicn Sitten-
50 Ic^re, 2 ^^be, Berlin 1862. I, § 133, 156, 159; II, § 215, 239, 269, 286, 307, 315.
(M886). ^. fiüje, 'imifrofüömu^, Seipjig «1869, II, 391 ff. dt. JHümcIin, Ueber ba§ ©efcn
ber CMewo^n^eit. 9?eben unb 9luffft|e II, S. 149 ff., 8-reiburg 1881. — fi. ©iefe, lieber ben
rittlidjen ©crt gegebener formen, Söcriin 1878. X^. öoppc, S^riftlidie Sitte, ^annooer 1883.
0. grid, Ueber ba§ 38cfen ber Sitte. |)eiIbronn 1884. '^. 9teif(^Ie, 3)ic SBebcutung ber
66 Sitte für ba§ «riftlic^e Seben, 32:t)i^V, S. 244 ff, 1895. — 3ur Sittcngcfc^i*tc unb Sittcm
funbe feien nur bie midjtigften 3eitfd)riften genannt: 3citid)rift beö SSereinö für SSoI{*!unbc.
Seit 1891. (gortjet^ung ber feit 1860 ^erauggegebenen 3eitfd)rift für 5Bbtfcrpf^(öoIogie unb
Sprad)n)iffenfd)aft.) SBe'rlin, ^Iftjer. — .1pcfiifd)e »lätter für ^^olf^funbe. Seit 1902. (gort^
fej^ung ber feit 1899 beftef)enben 3^Iätter für öeffifd)c ^oIf«funbc.) fieipi^ig, 2:cubncr. ^er
GO Sa^rgang 1903 enthält eine Uebcrfid)t über fftmtlid)c fünft in 33etra^t !ommenbc 3eltfd)riftcn.
3u 5: i^orrefpünbenjblatt jur '^^efämpfung ber öffentlichen Sittenlofigfeit. Seit 1888.
93erlin, (iJcfdjäftöfteUc ber S8ercinc i\ur ^cbung'^ber Sittlid)feit. — '3J?uttcrf(^ut. 3«itW^"ii*
^ur SReform ber feiueücn (£t^if. Seit 1905. granffurt a/IDt., Saucrlänbcr.
®itte, (Sittlii^Ieit, Sittengefe^ 401
ßö banbelt fid^ um bie begriffe unb t^r i^crJ^ältni^ jueinanber. SBiriperbcit am
fic^ctflen Älor^eit gewinnen, tücnn toir bei bicfcr (Srörtetunö bon Äaitt unb ©c^leier^
mad^er au^el^en.
1. Äant^ ©Vftcm ift Iritifd^cr 9lationaIi<Smu8. Scroti au^ biefem ©runbc muffen
bie Segriffe bei i^m befonbcr^ Hat fein, ßr lueife feinen anbem SBeg, ,,bie ©itten auf 6
il^re cd^len $rinjij)ien ju grünben", al§ jjunäd[^ft SKoral „a\x^ bem attgemeinen Segriffe
einc^ Ijemünftigen ffiefen^" abzuleiten. 6^ gilt, fie junäcbft afe ,,reine ^l^ilofo})l^ie",
al^ „3Weta))l^^fiI" aufzurichten, banac^ erft fann man fie auf ben 9Jlenfc^en ber 3lntl^ro=
jjologie mit ßrfolg antoenben. Sitte bi^l^erigen Semül^ungen um baS „^rin^ij) ber ©itts
lic^Ieit" l^aben fel^Ifd^lagen muffen, h?eil man enttoeber blofe emjjirifd^, ober, toenn rational, lo
bann o^ne Äritil Ijorgina. Unb fo fc^reibt Stant in bem Seloufetfein, einen böttig neuen
©runb für bie 3)loraIh?iffenfc^aft toic für bie moralifd^e ßrjiel^ung ju legen, erft feine
„®runblegung jur 3KetÄ()l^^riI ber ©itten" unb fobann feine „firitil ber ^raltif d^en Ser=
nunft." ©itten (immer m ber SWe^rja^O unb ©ittlic^Ieit (ober SKoralität) fmb i^m
babei ©^non^ma. is
©ittlid^Ieit begreift Kant, inbem er ba^ ©itten^efe^ entbecft. ©ittengefefee, b. i.
negative ober })ofttii)e, ba^ Jpanbeln unb axii) bie (Sefmnung ber 3Wcnfci^en in ^nf})nfc^
ne^menbe ©ebote, ffat eS ijor Sant in unüberfel^barer 3Kenge gegeben unb giebt e^ feitl^er
o^ne atte SRüdtftc^t auf Äant, ja o^ne jebe Äenntni^ feiner begriffe. ®efe|^eber toaren
©Otter unb ^Religionen, ^ürften unb &aaim, Se^rer unb ©c^ulen, Säter, 5Dlütter, 20
©ijjpen, ©tänbe unb SSereine, 2lutoritäten bon jegli^er 9lrt. ^en ^rü^alt ber ©efe^e^s
t)orfci[^riften leitete man ab a\i^ ber 9Jatur ober a\i^ bem ^erlommen ober au^ öermemt^
lid^er Söitttür. 2tud^ gab baö 3u*>i^ibuu"i f^^ f^^&^^ ©efe^e moralifdj^en gnl^altig, loo
irgenb e^'ftdj^ auf eine eigne le^te ©etoiffen^entfAeibung geftettt fa^, fobalb e« fic^ au^
©etoiffen^grünben aud^ toirflid^ entfd^ieb. Slber «ant juerft l^at bei feiner Iritifd^en 2lnas 25
l^fe be^ Söemunftbermögen^ ba§ ©ef^eimni« ber ©ittlid^Ieit erfannt, mbem er ba^ SBefen
ber fittlid^en ©efe^gebung entbedfte ate ©elbftgefe^gebung (älutonomie). ©ittlic^ ift eine
tanblung (©eftnnung), bie ber aSitte fi^ felbft auferlegt, in bem Seloufttfein, bafe bie
iaiime, ber er bamit folgt, ju einem attgemeinen ©efe^ taugen toürbe. ßine folc^e
tanblung ift })flid^tmäfeig, toirb ate ^flid^t emj^funben unb geti^an. 3!)ag vernünftige so
kfen, ba^ fid^ fo ba^S ©ittengebot felber giebt, ift im SReid^e ber ©itten ^ugleid^ Ober-
f)ai\pt unb Untert^an: atö gefefegebenbe^ Dber^aujjt bel^au})tet e^ eine beftimmte SSJürbe,
al^ gel^ord(;enber Üntertl^an erfüllt ed feine ^flid^t. ^n ben Äorrelatbegriffen ber ^flic^t
unb be^ ©ittengefefee atmet bie Äantfc^e SRoral. 3" i>^^ berühmten 3[})oftro})l^e an bie
^^flic^t (i)r. aSn. ©. 105) bejeugt Äant bon ber Wx(i)i, bafe fie nic^tg h?eiter t^ut atess
ein ©ef4 aufftetten, ba^ bon felbft im ©emüte ßingang finbet, aber einmal angenommen,
aud^ toiber SBitten unb tvenn loir eö nid^t befolgen, Derel^rt loirb; nic^t ßinfd^meid^elung
nod^ ^rol^ung ftel^en i^r babei gu 2)icnfte: Steigungen mögen il^r babei entgegentoirfen,
muffen aber berftummen, too eö fi^ bielmcl^r um ba§ einzige SWittel jur drlangung
unferer SKenfc^enloürbe ^anbelt. ©ut ift ber SQäitte, ber bie $flic^t tl^ut um ber ^flid^t 40
iüillen, ber ba^ ©efe^ erfüllt au^ Sichtung bor bem ©cfe$, ber fo ^anbelt, bafe bie
3Rajime feinet ^anbelnig iebergeit jugleid^ afö ^ringi^j einer attgemeinen ©efe^gebung
gelten fönnte {px, 3Sn. ©. 36). gür bie ©ittlic^feit ift alfo fonftitutib bie Segiel^ung be«
^anbelne (ber ©efinnung) auf ein Slttgemeingiltige^ unb SJotlocnbige«. ®ag ©ittengcfe^
ift barin bem SfJaturgefe^ gleich, bafe e^ mit abfoluter äUgemein^eit für atte bemünftigen 45
SBefen ol^ne Slu^na^me nottpenbig gilt, älber eö ift ber 2lu§brudf einer SJottoenbigleit,
bie nid^t S^^^^Ö H^- ®^ ^ft ^'" fflittenggefe^, ein 3i"i>>cratib. Äein ](>^))ot^etifd(;er blofe,
ber hnxd) irgenb einen bon feinem S^i^alt unabl^ängigen ^\ü^d bebingt loäre, fonbern
ein tategorif^er, unter atten Umftänben unbebingt giltiger. 2tber immer nur für ben
fittlic^en, b. i. für ben bemünftigen ©eift. ®en giebt e« eben, unb barum atte«, Wa^ so
bie fritifd^e 2lnal^fe in xi^m finbet. ©0 geh)ife e^S bernünftige SBefen giebt, fo geUjife ift
j)flic^tmä^ige§ Jpanbeln, §anbeln einzig au^ Sld^tung bor bem ©ittengefe^, Ij^atfac^e.
2)iefc Il^atfac^e fc^liefet atte em^jirifd^en äriebfebern a\x^. ©ie ift aber ni^t möglid^ o^nc
greil^eit. ©ittlid^feit, Slutonomie, SffiiHcn^frei^eit finb ein unb ba^felbe. ©er Urf})rung
ber ^flid^t ift ein ber reinen tl^eoretifd^en Vernunft berborgener (Slpoftro^be px. 3?n. 55
©. 105) ; nur fo biel lann unb mufe man fagen, bafe er in ber greil^eit gegeben ift, bie
attein ©elbftgefe^gebung ermöglid^t. 3)l\i ber ^eil^eit ^at bie ©ittlid^feit il^rc §eimat in
einer anbern SBelt ate ber bem Kaufalgufammen^ang unterlDorfenen ßrfd^einung^trelt;
aber loeil nur fo bie 3:l^atfac^e ber autonomen ©ittlic^fcit möglid^ ift, fo ift ebenbarum
grei^eit %\)at\ad)t. SBo^lberftanben : grei^eit ate Sebingung unb ßrmöglid^ung fUtUc^er «o
Keal'dnci^nopabic für Xfttoloqlt unb ßird^c. 8. K. xviii. 26
402 Sitte, ®tttl^feit, eitttngefe^
autononiic. SEtr 9Jlcnf(^cn l^abcn eben nic^t nur unfern enH)trtfc^en S^araftcr, o(« bem
Äaiifal^ufammenl^ang unterworfene 9Jaturh>efen, fonbem tüir ^abcn jiugldd^ auc^ unfern
inteHigtblen ßharafter, gehören einer fittlid^en überfinnlic^en SBelt an, bie mit feiner ihrer
SBirflid^Ieiten fo jtüingenb in unfere fenftble SSelt fiereinrogt ote mit biefer 3:^atfad&e ber
5 ^ei^eit. 2)ic grei^eit be« SBiUeng jur fittlic^en ©elbftgefe^gcbung bcfi^t — unmittelbar
für bie ))raftifc^e SSemunft — bolle ^Realität. 9Jic^t auf bem SBcge t)f^d5^olo0ifc^er ober
l^iftorifc^jCT gorfci(;ung fönnte man ju biefem ßrgebni^ tommcn, mit ibr bliebe man im
®egenteii im Serei^ be« ßm^irifd^en unb SwfäHigen. grei^eit, ?5pic^t, ©ittengefeh er--
lennt man einjig Dermittelft ber 5Dietl^obe be« tran^fcenbentalen Äritici^mue, b. i. jener
10 ^et^obe, toeld^e burc^ Slui^fc^eibung alle« (Srfenntni^ftoffe« bie in ber SBentunft gegebenen
allgemeinen gcifttgen Scbingungen ergrünbet, unter benen ©rfcnntni« ju ftanbe fommt,
ober, auf bie SJcoral angetoanbt, bie allgemeinen geiftigen Sebingungen, unter benen
3KoraI ju ftanbe fommt. ©o finbet man ba« 3lj)riori ber Semunft, bem allein dloU
ioenbigfeit eignet. ÜJJan fann nid^t au^ ber 6rfci(;cinung einer SBelt ber Sitten obnc
iBloeitere« ablefen, toag ©ittlic^feit fei; man mufe erft burc^ bie 6rfci(;einung Iritifc^ bin=
burc^bringenb ba« 2l})riori, bie ^orm gefudj^t unb gefunben l^abcn, meldte ©egenftänbc
ber erfd^einunggioelt (in biefem %aa, ^anblungen unb ©efmnungen) ju fittltc^cn macbt.
©0 lann baiS $rinji}) ber ©ittlicpeit nur ein formale« fein, h?ie e« eben im fategorifd^en
3m})eratii) gegeben ift, im (Sebanlen ber $flici(>t, ber ^reil^eit unb ber ©elbftgefe^cbung.
20 aiber biefe« formale ^rinji^j, ba« burc^ bie Stbfd^eibung jebe« ®ef(bid^tli^s3ufäUig=
©tofflid&en geloonnen ift, ertoeift fic^ a(« ein überau« geftaltenbe« unb fd^öpferifc^e«. 2^ic
erfte gaffung be« fategorifc^cn 3"i^^ötibe« lautete ba^in, bafe toir bie 3Rajimen unfere^
^anbcln« (unb unferer Oeftnnung) fo toä^Ien muffen, ate foUten fie gelten toic allgemeine
^aturgefe^e. 6« l^anbelt ftc^ aber im SReid^e ber ©itten nic^t blofe um iftatur, um
25 ©ad^cn, fonbem um eine ©efe^gebung für ^erfonen, um SBillen unb 3^^*^/ unb barum
bietet fid^ für benfelben ))raftif(|en 3ini>)cratito bie nh?eite gaffung: §anble fo, bafe bu bie
3Renfc^^eit fotool^l in beiner ^erfon aU in ber ^iperjon jebe« anberen jeber^cit jugleid»
ate 3h?edf, nicmal« blofe ate 5DlitteI braud^ft. (®rblgg. ©. 65.)
aSeld^e Sejiel^ung finbet nun Äant Don ber9Koral jur Steligion? 2tuf« bcftimmteftc
90 bat er au« ber Don i^m Vertretenen ©ittlic^feit jeben Subämoni«mu« au«gefc^loffen. ^aö
SSerlangen nad^ (Slüdtfeligleit barf niemal« 3:riebfeber, ÜJJotib be« §anbeln« fein. 3^en=
nod^ enennt er ein SJemunftbebürfni« an, für ba« ©ittengefe^ unb feine gorberungen
„ben ganzen in einer SfiJelt möglid^en, jum ftttlic^en gnbjtoedf jufammenftimmenben
ßffeft" p ^joftulieren. $ienu bebarf bie })raltifc^c 3?ernunft ba« Dafein (Sötte« unb bie
86 Unfterblid^feit ber ©eele. 55. i}. ber fittlid^e 3Renfd^ fann nic^t anber«, al« biefe für bie
t^eoretifd^e Semunft nur benfbaren, nur jenfeit« ber (Srenje be« ©rfa^r^ unb ffiSifebaren
auftaud^enben ^been für real annel^men. 3)Jan t^ut aberÄant unrecht, toenn man babci
auf bie ©^ntl^efe Don 3:ugenb unb ©lüdffeligfeit unb bamit auf ba« §ereinlaf[en ber
©lürffeligfeit in ben Segriff be« gnbjtoedf« ober be« böd^ften CSute« fc^eltcnb ben ginger
40 legt: tooran i^m liegt, toenn er Unfterblid^feit unb ©Ott })oftuliert, ba« ift bie ©rreic^um]
eine« bem ©ittengefe^ angemeffenen Sffeft« fotro^I für ba« ein^^elne bemtinftige ffiefeii
ioic für i^re äH^eit. 3)iefer ©ebanfe ift relatiD unabhängig Don bem bem 3^ttgef(^macf
angel^örigen ber ©lüdtfeligfeit. 3lu« bem ©ebanfen be« unentbel^rlic^en 6ffeft« ergibt fid^ bae
Sernunftbebürfni«, eine Mad^t anjune^men, bie jugicicb oberfte Urfad^e ber 5Watur ift unb
45 jugleid^ au6} il^rerfeit« ba« ©ittengefe^ troHen fann, bamit alfo bie moralifc^c ©etoifebeit
©otte«. Sieligion ift bann = 5Woral, Derbunben mit bem Segriffe be«ienigcn, h)a« ihrem
legten 3iü^dte ßffcft Derfd^affen fann, bem Segriff Don ©ott al« moralifd^em SBcItur^eber,
unb belogen auf eine I)auer be« ?)ienfci^en, bie biefem ganjen 3*^^^ angemeffen ift
(91el. inr^. ©.183). Ober auc^: fubjeftiD betrad^tet, bie (Srfenntni« aller unfrer ^flit^ten
50 al« (bie«„al«" Don Äant gef))ent gebrudft) gottlid^er ©ebote (ebenba ©. 178). ^at Äant
bamit bie ^Religion ju einem 9lnl^ängfel ber 3Koral gemad^t? Sei folc^er 9lcbe toürbigt
man nic^t, h>a« e« für Äant biefe, toenn er bie fittlic^e ©efe^gebung, bie Srfenntni« ber
^flid^t, toeld;e bem Sermögen be« Demünftigen 3)lenfd^en al« feine freie %f^t jujueignen
Äern unb ©tern feiner ßt^if toar, nunmehr al« reine D^f ergäbe ©Ott barbringt — in
5^. aller 9tüc^tern^eit be« ©ebanfen«, ol^ne bie Don i^m fo fe^r Derabfc^eute ©c^toärmerei:
bennoc^ 03ott ber moralifc^e 2Beltur^eber unb ©efe^geber fatejoc^en, ol^ne ben aü ba^
©rfcnnen unb ^anbeln nid^t ^um 3^^'^ fommt imb ber auc^ ben 3Wenf(^en autonom
gctooHt f}at 3)a« Sleid^ ber ©itten, ber 3toedEe, ba« 9teid^ ber ©utcn te^tlic^ ©otte«
9leid^, beffen Url^eber nur er felbft fein fann (ebenba 176).
60 ©0 beantwortet ^ani bie grage nad) bem SBefen ber ©ittlid^tcit, Dom ©tanb))unftc
®ttte, ^miifitti, ®ittetifleft^ 403
be« frommen ^n^itoi^wwm^, ba^ feine ^flid^t fennt unb fein (SeUjiffen l}at gnbem er
bie %\)ai\a6)^ ber fittlic^en ©elbfigefe^gebung in il^m entbedft, ift ha^ Stätfel, bem er nad^s
gc^t, für i^n gelöft. 3)er autonome 3Wenf^ fielet nun mitten in ber SBelt mit ber ätufs
gäbe, au^ il^r feine fittlid^e SBelt ju fd^affen. ®afür, bafe eö eine fittlic^e SBelt toirb,
ein Sleid^ ber ©itten, forgt ber 3n^J>ctatiD, ber i^m unabläfftgt fagt, bafe er nic^t^ looHen 6
barf, Uja« nxi^t jeber an feiner ©tette h?oIIen foHte. 3)ie änerfennung biefe^ ,,3"^P^^^'
iir>^ ber Sitten" ober be« „©ittengefe^e^" ober ber „^flic^t" lonftituiert ben Segriff ber
fittUc^en $erfon; inbem i^re (Seftnnung bem Oefe^e gemäfe ift axi^ äc^tung bor bem
®efe^, l^at fte lugenb; bamit toirb freiließ ba« 8eh?ufetfein eineö bleibenden §ange^ jur
Übertretung berbunben fein, ba^ eingetüurjelte S3öfe ; baS tDirb fie mißbilligen, aber ^u^ lo
gleid^ ftc^ an ber i5t>ffnw"0 ^i"^^ gortfc^ritt« m^ Unenblici(;e aufrid^ten: für ben legten
effett h?irb ®ott forgen. Rani \iü}lt fid^ babei in Übereinftimmung mit ber „moralifd^en
33orfc^rift be« ©Dangclii", h?elc^e „bie fittlid^e Oefmnung in il^rer ganjen SJoIIfommenl^eit
barftcttt, fo mie fie ate ein ^h^al ber ^eiligteit bon leinem ®ef(^ö})fe erreichbar bennod^
ba^ Urbilb ift, h?elc^em loir ung m nä!i)txn unb in einem ununterbrod^enen, aber un= i5
enblic^en ^rogrefJuiS gleich ju loerben ftreben foHen" (px. SSn. ©.101, b^l. oben VII,
263, 39 ff.). 3" ^^ ^W iüurjeln bie fittUc^en Segriffe Äant« in ber ©efmnung^moral
Sut^er^, $auli unb 3iefu. Unb leine Qti)it ftel^t mit ibren allgemeinen Segriffen ber
d^riftlid^en 5!Koral in unferm Solfe naiver aB bie ßt^if Äant«. Stud^ ba« fc^lvierigfte
©tüdf feiner Seigre, ba^S bon ber inteüigiblen SBelt, bom inteHigiblen G^arafter unb bon 20
ber ^rei^eit, betoegt ftc^ genau jiugefel^en in einer merftoürbigen Sertoanbtfc^aft mit ber
et)angelifd(;en 3Jloral. Unb feine Sinbe^ie^ung ber ©lüdEfeligfeit l^at il^re überrajd^enb
ä^nlic^e parallele in ber Serloertung be^ Soi^ngebanlen^ burc^ 3^fu^- S^ölric^ 06er
ftel^t bie Äantfc^e HJloral h?egen il^rer rationaliftifd^en bualiftifc^en ©runblagc unb h?egen
i^rer Äonjentration auf ba« eigentlich })ralttfc^c Problem ber perfönlid^en ©ittlic^feit in 25
einem fe^r na^en Ser^ältni^ ju unferer beutfc^en ))o))ulären 3Woral überl^au})t, fofern
biefe 6mft in fic^ f)ai, ©er Sinflufe ift babei ein gegenfeitiger; tüie fie au^ beutfc^*
^)roteftantifd^em 3Befen ^erau^eh)ad(;fen ift, fo ^at fte ii^rerfeitö toieberum auf bieje^ tief
eingctoirft: man bergegcnh?ärtige fic^ bie fittlic^e atmof})l(|äre in ben 3:agen ber Se=
frciung^friege. 30
2. 3" eine ganj anbere SegriffiStoelt fül^rt ©d^leiermac^er. ©eine ©t^if ift oben
XVII, 610,89—614,19 eingel^enber d^arafterifiert h?orben. 2luc^ ber Iritifd^en 3lbloägung,
bie 612,62—60 an ©^leiermad^cr^ unb Äant^ 5ßrin]\i^)ien boUjogen ift, ftimmen toir ju.
©d^Ieiermac^er^ Serl^ältnig ju Äant au^fü^rlic^er iu be^anbeln, tüäre I^ier nic^t am
^lafee. Sgl. and) oben VII, 263, 54 ff. Um fo fräftiger bürfen toir bie 2lrt, h?ie ©d^Ieier^ 35
mac^er bie et^ifc^en §au})tbegriffe beftimmt, mit ber ärt Rani^ in Äontraft fteHen. 3ift
er t>o6) bamit ber X'gpn^ geh>orben für eine große 9Zac^folge. Som ©ittengefe^ unb bom
©ollen unb bon ber ^reil^eit ift nur loenig nod^ bie Siebe; biefe SJloral erlennt er jUjar
an, aber fie ift i^m gar ju banaufifd;. ©eine Qü}\l l^anbelt bom ftttUc^en ©ein, bom
fittlid[^en SBerben, bom futlid^en irieb, Dom fittlic^en ©efül^I, bon fittlid^er 3:i^ätigfeit 40
unb bor aDem bom fittlid^en ^rojeß. 3)effen ^nl^alt ift: Sernunft ibirb 9Jatur unb
9Jatur tbirb Sernunft. 6in 2lnfang^})unft biefe« ^^rojeffe«; ift fc^on immer unb überaß
bor^anben, ber '^kU unb SoHenbung^jJunft immer unb überall nod^ nid^t erreicht. 3)ie
botle ßin^eit ber Sernunft unb ber 5tatur ift ba« ^öd^fte Out. ^n bem ^ro^eß, ber
auf bie« ^kl l^in läuft, muß jebe« tba^r^aft frei gebadete ^anbeut and) objefttbc 9Jot= 45
h)enbigfeit ^aben (Itbeften ©. 212). 3^^?^^" 9Jaturgefe§ unb ©ittengefefe befte^t fein
fVejififd[^er Unterfd^ieb. 3)er ©egenfa^ bon 9Jatur unb Sitte tbirb erfe^t bur^ ben anbern :
9latur unb Sernunft. ©0 fte^t bem 9Jaturgefe§ ba« Semunftgefefe gegenüber. 2lber ber
Unterfc^ieb liegt nidj^t barin, baß ba« 9?aturgefe| eine 3lu«fage enthielte über @tlba«, ba«
gefc^e^en muß unb mirflic^ ö^fc^i^^t, ba« Semunftgefe^ eine 2lu«fage über ßtma«, ba« bo
itvax gefc^el^en foH, aber bielleic^t auc^ nid^t gefd^ie^t, alfo über Qitoa^, ba« gelten mürbe,
auc^ toenn niemals gefc^ä^e, Wa^ e« gebietet. 3Rein, ßttba« gef^iej^t unb muß gefc^el^en
auc^ unter bem Semunfts ober ©ittengefe^. I)a« Sittengefefe ift ja ba« Oefei, ba« bie
Sernunft fid^ felbft giebt (im fünfte ber Autonomie ift ©c|leiermac^er mit Kant gan|\
einberftanben). Die ^d^tung bor bem ®efe^ fonftituiert barum eigentlid^ erft ba« ®cfei 55
unb ift bie JBirflid^feit be« ©efeöe«. ®« ift ein unb berfelbe 3lft, iboburd^ bie Sernunft
praftifd^ Ibirb, b. 1^. al« ^'"l^"!^ beftc^t, unb tooburd^ e« ein ©ittcngefe^ giebt (SBerfc III,
2, 408). SBirb bem ®cfe^ gemäß getboUt, fo ift bamit eine innerfte Seftimmtl^cit be« 3^
gegeben, bie tbeit me^r ein ©ein ift, al« bie äußere %\)at unb loa« ani xf)x l^erborge^t.
^enn bie beftimmenbe Äraft ber (Seftnnung ift ba« eigentlid[^e unb urf))rünglid[^e fittlic^e Sein, ßo
26*
404 (Sitte, (Stttlii^Iett, ®tttettflefe^
tüoburd^ allein bic crfc^cinenbc %f}at, fei fie mm boHfommener ober untooHfornmcner, an
ber ©ittlid&feit teilnimmt, ^a^ ©itten= ober Sernunftgefe^ ift alfo nur ®efe^, infofem
e^ aud^ ein Sein beftimmt (tüie ba^ ^Jaturgefe^), unb ift nid^t nur ein blofte^ ©otlen,
„tt)ie benn ein folc^e^ ftreng genommen gar nic^t nac^getoiefen h?erben fann" (a. a.D. 409).
6 6in ©otten ift nur, Ipo ein TOci(;tfein ift, unb infofem (^^toeften ©. 27). ©ittlic^fcit ift
eben biefe^ bom ©ittcn= ober Semunftgefefe geforderte ©ein ober SDSerben, baö immer
\d)on angefangene aber immer aud) noc^ nxii)t bollenbete 9?aturlperben ber Vernunft
(ebenba ©. 24). 2)ie ©ä^e ber ©ittenlel^re bürfen nic^t ®ebote fein, fonbem muffen ba^
mirflic^e §anbeln ber 2]emunft auf bie 9?atur au^Sbrüden (ebenba ©. 28).
10 So fragt ftc^, ob benn ba« ©ubjeft biefe« ©ein^ ober SBerben^ noc^ ber 9Kenfcb
ift. ©ic^er mad^t bie ©ittlic^teit be« menfd^lic^en SJnbibibuumg einen Icil be^ etf^ifc^^en
^ßrojeffe« an^. (Sinen fel^r ftarfen fogar, fofem ©($leiermac^er, ber 3!)id[^ter ber „3Kono=
logen", mit ben SRomantilern ba^ Siedet unb bie ^flic^t ber ©igentümlid^Ieit (toir fagen
l^eute: be^ Sled^tg auf ein ©id^au^Ieben ber ^nbibibualität) auf« fc^ärffte betont, aber
15 biefe« Stecht binbijiert er nic^t nur ber 6injeI})erfon, fonbem in Diel l^öl^erem ®rabe ben
bie 6injel})erfon überragenben unb um^üHmben ®efamt))erfonen ber gomilie, be« ©taate«,
ber Äirc^e u. f. h). 3!)ie ©ittlic^Ieit ber ©injelmenfc^en ift jebenfaU« nur ein 2eil unb
®lieb be« SBed^felleben«, ba« 38emunft unb 9Jatur, bie beiben ^ole atte« ©ein«, mit=
einanber fül^ren. Si«^er, meint ©c^leiermad^er, l^at man ju Unred^t ba« ?jnbiDibuum ^um
20©ubielt unb ©ubftrat be« ftttlic^en Seben« gemacht; il^m toerben $fli($ten jugef^oben,
l^interbrein fd^lie^ic^ aud^ 3Serl^ältniffe nac^gefagt: aber fein ganje« 3)afein unb ^bun ift
ja burd^ 93erbältniffe bebingt; fo muffen feine §anblungen j^ueqt ate Elemente einer c«
tüeit überragenben ©efamttl^ätigfeit begriffen, alle« Rufammengel^örige mu^ umfaßt, bie „9e-
bingung", bie „Sefd^ränlung", bie „^ugnal^me" al« ba« 9lormale et^ifd(; begriffen toerben.
25 ®ie (Sinjetoefen fmb nur al« bic Organe unb ©^mbole ber SSemunft gu fe^m; ibr
Jpanbeln lann ni^t ifoliert toerben; loa« lebt unb l^anbelt in ber etl^ifd(;en ©))^ärc, ift
„bie gan^e SSemunft", bie auf „bie gange 9Jatur" l^anbelt (Xh). ©. 255). Unb bic h?a^ren
organifc^en ßlemmte fmb niAt bic ))l^^rtfd^en ^erfönlic^feiten, bic ^"^ibibuen, fonbem
bie moralif(^en, bie ®cmeinf4aften. — Xro^ ber unermüblic^en 2)ialettil, in ber ba«
30 Jlscd;feneben jtoifd^en SSemunft unb Statur bon ©c^leiermac^er ergriffen unb befc^ricben
tüirb, l^at fein ©^ftem einen au«gef})roc^enen moniftifc^m ®mnbjug, unb man fielet nidbt
ein, h?e«l^alb ni^t einfad^ ®ott, ber Urgmnb be« ®egenfa^e« Don 3Semunft unb SJatur,
gum ©ubjeft be« ftttlid[^en ^^rogefje« unb mitl^in ber ©ittlid^feit gemacbt toirb. 35ic
©d;leiemiad^erfd^e 6t^if ift me^r SBeltanfc^auung, ®efc^id^t«s unb Äulturt)l^ilofoj)^ie, aucb
35 5Religion«t)^ilofo})^ie, al« SKoral, ©ittmlel^re. ©ie toitt ja auc^ gar niqt« anbere« fein
al« bie aSiffenfd^aft bon ben ^ringi^jien ber ®efd^id^te, bie ®mnblcgung unb 3i*f^w^*"<^'
fafjung aDlcr ®eifte«h>iffenfc^aft im UnterWieb bon ber ®efamtnaturh)iffenfd[^aft. ©ie bc=
^anbelt genau ba«, toa« Äant in feiner ÜKoral nid^t bel^anbelt: ben ©toff, mit bem eö
ber SKcnfc^ be« fittlic^m ^n^^^cratib« gu t^un l^at, bie Gräfte, ®üter, ^toti^ ber i^n um=
40 gebcnbcn, aud^ in il^m felbft feine fittlid^e ®efinnung unb ^anblung umgebmben SBclt.
2)a« atätfel ber ©ittlid^feit ijat Rani mti}üüt im SJad^toei« be« 2öefen« ber ^^flid^t ober
ber ©elbftgefe^gebung bc« Demünftigen 3>^biDibuum«; ©d(;leiermad^er l^at bo« ®ebiet
au«gcforfd^t unb au«gemeffen, auf ba« ber ^flid^tmäfeig $anbelnbe angelpiefen ift, ba^
auf i^n angelegt ift: feine«lDeg« ein Gl^ao«, fonbem ein fd^on geftaltete«, fic^ immer ac-
45 ftaltenbe«, aud^ auf be« 3"^^^^^""^"^ h)eitergeftaltenbe einh?irlung toartenbe« organifcm
©ange. ®etoi6 eine toiUfommme Sereid^emng: borauggefe^t, baf Äant« Sntbedtung be^
3;m})eratiD«, ber ^flic^t, ber 2lutonomic feft beftel^en bleibt; t)orau«gefe^t, ba^ bie ^^Jfli^ten^
leiere nic^t bon ber ®üterle^re berfc^lungen Ipirb. 2)iefe ®efa^r ift bei ©(^leicrma<i^er
felbft bieUeic^t noc^ ebm bermiebm, aber h)0 fie afut Ibirb, pc^t bie ©ittltc^feit felbft
00 auf bem ©})iele. 3Kan erlennt, Ipcnn man mit ©(^leierma^er« äugen fte^t, ftaunenb
ba« organifc^e äBac^^tum überall in ber 2Belt ber ®efd^ic^te; ba« Söfc ift ba« 9licbt=
feienbe, aUe« ©eienbe nimmt teil an ber 3Semunft be« SBcrbenbcn; nid^t« ift fertig, aber
e« gilt für ba« fittlic^c Urteil, nur jebem einzelnen ben rid&tigcn $lai^ im ^ufammen^
l^ng be« ®angen anjumeifen — unb fie^c, alle« ift gut. 3)a« ^räbÜat bc« ©tttlicben
55 beftet fic^ auc^ an ©ad^en unb 3)inge, an bie 2i5elt ber Grf^cinungm, an bic Sflatur,
freilid^ immer nur, fofem i^emunft bilbenb auf ftc toirft. 2lud^ btefer ©t)rad^ebrau(<|
f)ai fic^ in ber ©^rad(>e unferer Öilbung h?eitl|in burd^gefe^t; er ftcHt fic^ bon felbft rin,
too bic ©ittenlel^rc bon bem ®ebanfen ber ®üter, SBJerte unb ^Wtdc bcl^errfd^t toirb:
benn ein ®ut fein, einen üüert l^aben, einem 3*bedf bienen lann aud^ eine ©ac^e. ©o
fio lange e« [xd) babei um h)iffmfd(;aftlic^e Terminologie l^anbelt, ift fein emfte« Sebenten
Sitte, Sittlic^fett, Sittengefe« 405
babct; aber Rani ^at mit feiner Iritifd^en Unterfud^ung ber 3KoraIität ma^rlid^ rein
toiffenfd^aftlicl^e Slrbeit get^an unb bod^ bamit ^jugleid^ ber ^raji«; beffer gebient. Son bem
^orfa^, ba^ ganje enblid^e ©ein ,,unter ber ^oten^ ber SJernunft" ^u betrad^ten, biö ju
ber ^irtuofität, aHe^ ©eienbe bemünftig ju finben, ift nur ein ©d^ritt. ^egel, ber barum
nie eine ed^te (Stl^if juftanbe brad^te, f}at biefen ©d^ritt Dottenb^ get^an. 6in me^r äftl^e^ 5
tifd^er ate et^ifd^er C)J)limigmu^ bro^t afe ®nbe biefer Setradfitung.
älber fe^ren tüir jurüc! ju ©d^Ieiermad^er. 3)a^ ^öd^fte ©ut ate (gin^eit be^ ©ein^
ber SSernunft in ber vtainx fommt nad^ i^m nur ^um Setüufetfein im g^^i^^nber unb
3)ur^einanber aDer einzelnen ®üter. Unb nun meiftert ©c^Ieiermad^er n)unbert)ott bie
©efamt^eit be^ ivirllid^en Sebenö in feinen ©rfd^einungen ; im ,,3Serfe^r" j. 33. ba^ Siecht, lo
ben ©lauben, bie ©efeÖigfeit unb bie Offenbarung ber 9Jienfd^en untereinanber (Xw. ©. 60
bi^ 65); fd^einbar äufeerft abftraft rottt er bie güHe beg itonfreten öor ung auf. 3WerI=
iüürbig genug ift bie SloHe, bie babei in feiner })^iIofo})^ifd5>en (Stl^il ba^ 2öort ,,©itte"
fpielt; bie fittlid^en ©runbbegriffe finb i^m alle früher ba atö ber 93egriff ber ,;©itte",
obtoo^I il^m eigentlid^ biefer befonber^ liegen müfete. 5!Jlitten unter ben naiveren 33es i5
ftimmungen über bie ©efettigfeit (©aftfrei^eit, ^reunbfd^aft, ©tanbe^gemeinfd^aft) l^eifet
e^ bann: „2)ie burd^ alle^ ^inburd^gel^enbe ^^^ntität be^ %\^pn^ in ben 3:^ätigfeiten ber
bilbenben ^unftion, h>eld;e burd^ ben G^arafter einer beftimmten S3ilbungöftufe ober eineg
©tanbe« pjiert ivirb, ift bie ©itte. 3^^^ tüal^re ti)k ©itte ift alfo gleid^ gut (!). 2)ie
Stärfe, mit h>eld()er bie ©itte heraustritt, b. f), mit tüelc^er jeber einzelne feine ©igen- 20
tümlic^feit nur in biefem SC^Jju« offenbart unb mit ioeld^er bie ©tufe i^re 2)ignität au^=
brüdt, ift ber Ion ber ©efellfc^aft" (SEto. ©. 173). SBä^renb fo in ber J)^ilofoj)^ifc^en
(St^it ber Segriff ©itte nur beiläufig am begremteften Orte jur ©eltung fommt, fc^eint
er in ber d^riftlid^en ßt^if Safi« unb ^ringij) bilben ^u foHen. Serfte^t boc^ ©c^Ieier^
mad^er unter d^riftlid^er ©ittenlel^re ,,eine georbnete ßwfömmenfaffung ber Stegein, nad^ 25
bcnen ein ?!Kitglieb ber d^riftlid;cn Äird^e fein Seben geftalten foÜ". 2lber ber litel feiner
nac^gelaffenen SSorlefungen barüber „Die dfiriftlic^e ©itte" ftammt nid^t bon ©dE^leier-
mad^er, unb i^r Slufbau folgt anberen ©efic^t^})unften (f. 0. XVII, ©. 613). 3"^"^^]^*"
melbet fic^ bie ©itte gelegentlich afö „bie Sele^rung ber ©c^rift ergän^^enb", ba näm^
lii^, too bie 1^1. ©d^rift, h)ie über ben §au!ggotte^bienft ate organifd^eö ©lieb beö d^rifts 30
liefen geben« in (Srmangelung d^riftlidfier gamilien, nodfi feine Siegel unb gorberung auf-
fteßen tonnte (2Berfe I, 12' ©.228), unb e« gilt ber ©runbfa^: „3äa^ un« in ber
(Srfa^rung nid^t fann gegeben fein, toorauf e« feine 2lntoenbung giebt, bem ift leine fitt^
Iid;e Siegel ju entnehmen" (ebenba ©. 532).
3äa^ ba« ^er^ältni« ber ©ittlidfifeit jur ^römmigfeit betrifft, fo ^at ©d^Ieiermad^er 35
in feinen Sieben 1799 bie böllige Unab^ängigfeit ber Sieligion bon ber 3Koral öerfünbigt
unb ber Sieligion il^re eigene ^roüin^ im 9)lenfd^engcmüte getoa^rt (bgl. oben XVI, 594, eo).
aber toie feine et^ifal«IaIle©eifte«toiffenf(^aften umfaffenbe ©efamttoiflenfd^aft bie Sleligion«-
ioiffenfd^aft felbfttjerftänblic^ einfdf^Uefet, fo ift i^m feine c^riftlid^e Sittenlehre im iüefent-
liefen mit feiner d^riftlid^en ©lauben^le^re ibcntifd^. ßr ^at in ber Sieligion ein bon 4d
Äant nic^t böttig überfd^aute« unb getoürbigte« ©ein fräftig jur ©eltung gebrad^t, aber ba«
Äant fo ^ell unb ttar aufgeleudfitete ©ollen ber ©ittlic^feit ift i^m mel^r ober minber im
©ein untergegangen.
3. ßrlebigen toir junäc^ft bie Segriffe ©ittlic^feit unb ©ittengefe^. Unfere SBieber^
gäbe ber Äantfc^en unb ©d^leiermad^erfc^en Se^re l^at fd^on gezeigt, ba| \mx bie iüic^tigere 45
unb reinere (Srfenntni« bei Äant finben. ^ant allein leiert, h)a« ©ittlic^feit fei, iva« iüir
at« ©ittlid()feit begreifen muffen, Ujenn W'ix auf fittlid^cr §öl^e bleiben Collen. SBo^l
Derftanben, e« ^anbelt fid^ f|ier nid^t um bie rid^tige öeftaltung ber ®tl^if al« toiffenfd^aft=
lieber 2)i«jii)lin. Diefc fann man auc^ auf ©d^leierma^erfc^er ©runblage aufbauen unb
Sant babei bod^ geredet toerben. S« ^anbelt fid^ in«befonbere nid()t um bie gorberung 60
einer normativen ßt^if aufteile einer beffrijjtitjen, bie toir un« feine«n>eg« aneignen. Da«
finb fragen ber njiffenf^aftli^cn 2:aftif. 6« l^anbelt fi^ für un« um bie jjorberung,
bafe ber Segriff ber „©ittlic^fcit" fo ftrcng fategorifd^ gefaxt toerben mufe, toie er bur$
Äant gefaxt tuorben ift, toeil jcbc anbere Raffung einen Serluft unb Slüdfd;ritt gegenüber
ber Äantfc|en gntbedung bebeutet. ^\t crft ber 3ni)>^ötib ber ©ittlic^feit in feiner ein- 55
^eitlid; gefd;loffenen, jebe« Äom))romi6 auöfdfiliefeenben, ben ganjen SJlenfdfien unter allen
Umftänben in Slnfprud; ne^mcnben 3lrt erfannt, bann mag man ba« erfennenbe ^ntereffe
getroft in bie SKannigfaltigfeit ber ©üter, Gräfte, SBcrtc unb ^\oti^ ^inau« cntlaffen.
aber bie ftarfe §altbariEeit, bie fie betoäl^ren muf;, ivenn fie über^auj)t ettua« taugen foll,
befommt bie ^loralität allein im Setoufetfein ber ^flid^t, unb biefe« rul^t im gaftum be« go
406 Sitte, SitU^fett, Sittengefe«
©ittcngejcfecd, bcr fittlic^cn 2lutonomic. S)tc ^crhinft bcö ^fltc^tbctoufetfcin« ift bun^
leinerlei ))fvc^olo0ifci^e ober ^iftorifd^c ^orberuitö ju crörtinben. ©etoife f)at bic 5ßfli(bt
and) il^rc emj)irif(i^c ©jiftcnj, aber fic tüirb au^ t^r nid^t begriffen. 5Jlan fann ba bie
mannigfaltigften Seobad^tunaen beibringen, bie allefamt rid^tig fmb : bie genetifd^e 3Ret^obe
6 rcid^t bod^ einfach an ba« ^Problem ni^t ^inan. Sie fü^rt nid^t jum 2lIIgemein=®üUigen
unb ©ittlid^s^Rotiüenbigen, fonbem löft eö auf in ba« mit ben 3riten, SSölfem unb ^^er=
fönen immer SBed^felnbe. Ober fic bleibt im SJaturgefe^Iid^en fangen ; 3^ö"0 ^f* ^^^ "^^
bie anbere SBeife, bie Sittlid^Ieit ju jerftören. ^\t mxüjxn ©ittlic^feit al« ba« ®ine äfl-
gcmcins®iltige unb Slottoenbige, ba« ol^ne 3*^^"9 ^^"^ 3lu«nal^me über bic ©eiftcr
10 ^errfd^t, bejtü. I^errfd^en Wxü, mittelft ber ^iftorifd^^genetifd^en SRetl^obe nid^t feftmfteUen,
fo ift l^ier biefe 3)Ml^obe falfd^. ®ie ©a^e, bie toir ergrünben Collen, rid^tet ftd^ nicbt
nac^ ben 3}let^oben, fonbem bie SRetl^oben ^aben fid^ nad^ ben ©ad^en ju rid^tcn. ^a,
tüo §eteronomie ftattpnbet, ba tritt fofort bie§iftorie in i^r $Hed^t. Unb unenblid^ oft l^at äuto^:
nomie mit §eteronomie ben ©toff gemeinfam, für ben fd^Iid^ten ©terblidfien faft immer, inbem
15 er nur frei ftd^ felbft jum ®efe| mad^t, toa« anbere al« fittlid^e ^orberung aufgeftcUt
l^aben. ^nfofem bleibt ber ©top ber ©elbftgefe^gebung jeber genetifd^en gorfd^ung au«-
geliefert, aber ba« ©el^eimni« ber 3lutonomie felbft, ba« SEJefentlid^e alfo bicfc« 3?or=
juge« vernünftiger, fittlidj^er SKefen fann nid^t l^iftorifd^^genetifd^ aufgetoiefen, „erflärt"
iperben. 2)a« Sefte fann man nid^t erflären. (Senug, bafe e« ba ift. SBenn e« aßen
20 biologifc^en, j)fvd^ologifd^en unb fojiologifd^en ®rflärung«berfud^en tro^t, fo ift ba« felbft
le^tlid^ Ünbegreiflidj^e barum erft red^t ber f efte 3lu«gang«)[)unft für ba« Segreifen bcr gc-
famten 2i}elt be« ©ittlidfien. 2)a« Problem fällt genau jufammen mit bem ^roblem bcr
greibeit. ©o lange man öerfud^t, ^e biologifc^, t)fVc^ologifd^, l^iftorifd^, emj)irifdb ,^u a?
forfd^en, fann man nur gu negativen Slefultaten fommen. ^^eil^eit im Äaufalgufammcns
26 ^ang auffinben toollen, ift enttoeber ein nidfit ernft gemeinte« ober ein nid^t emft ju
ne^menbe« Unterfangen. 3""^'^ö''& ^^ SRatumottPcnbigfeit giebt e« feine fjrci^cit. aber
ba« ^at niemanb flarer gefe^en al« Äant, inbem er ben 9laturjufammenl^ang unb bic
SRaturcrfenntni«, bie mat|ematifd^e 3laturh)iffenfd^aft, gegen ^ume feft auf bie ilaufalität
grünbete. 2)erfelbe flant l^at ber ^ii^ bcr ^i^ei^eit eine Sleahtät ol^neglcid^cn jugef})rod^cn,
80 inbem er unter ^eil^eit berftc^t, loa« allein im })^ilofo})^ifd^en ©inne greil^cit fein fann:
bie gäl^igfcit be« 9)lenf4en, feinen 9leigung«toillen burc^ ben fittlic^en SBJiHen p ber-
brängen. Ober m. a. SB. bie gäl^igfeit be« menfd^lic^en 2lUlIen«, [\i) fittlidfte ®efe^e ju
geben. S)iefe gä^igfeit mufe t)on allen ßt^ifem immer neu begriffen, öon aßen emftcn
2Kenfd^en jeitleben« immer neu geübt tocrben, fonft l^ört ©ittlic^fcit auf. ©o allein gc^
35 beil^t ber SKut jur $flid()t, ju })flid^tmäfeiger ©efinnung unb §anblung. Unb ben brauchen
toir l^eute in Äird^e unb ©taat toie ba« täglid^e Srot : toie anber« f ollen toir bie fd()toeren
Sluf gaben unferer 3"^""!^ betoältigenV
aiber, fagt man, bie im ©ittengefe^, toeld^e« ber freie SBiHe fid^ felbft giebt, be=
grünbete ©ittlid^feit ift eine rein formale! 9lun, inbem bie grei^eit fid^ ®efe^c giebt,
40 Drbnung unb (Semeinfd^aft njill, entfielet ein SReid^ ber ®uten, ber freiwillig ))flid^ttrcucn
^erfonen, bie nid^t« anbere« ftatuieren, al« tva« aud^ ^ur 5Kajime eine« jcbcn taugt. So
ift e« ni^t ber jufällige ßimelmenfc^, ber al« ©ubjeft biefer ®efe^gebung fungiert, fonbcrn
mit ßo^en ju reben, ber 3)cenfc^ ber ätlll^cit, ber feinem Segriff genügenbe SRcnfdj^. Unb
ba« fittli^e ^hzal bleibt befte^en, auc^ wenn e« t^atfä^lic^ nid^t eneid^t toirb, toebcr
45 t)om 3i"bit)ibuum, nod^ t)on ber Stillzeit. ®erabe barum, ba^ e« beftefien bleibt, Rubelt
e« [\d).
6« fragt [xä) nur, ob man bicfem autonomen 3;nbiDibuum ber ^flic^tenle^rc nic^t
bod^ JU .^ilfe fommen foU mit einer bie ganje 3ßelt ber S^^^e, 3Berte unb 9)lDglic^
feiten crfc!>ö})fcnben ®üterlc^reV ^a toarum nid^t? 2)ie innere 2ogif, bie ben SJatur-
60 unb l'eben«erf^cinungcn bcr un« umgcbenbcn 2Belt innetoo^nt, unb ber fompliucrte
6^araftcr, ben fie im Saufe ber ®efd^id^tc erlangt ^aben — ipie foH e« nid()t öon j^öj^pcm
gntercffc fein für ba« jur fittlic^cn ©elbftgefc^gebung berufene 3ittbit)ibuum, biefe innere
SJcrfaffung feiner Umtoelt grünblid^ fennen ju lernen 1? 3)lan toirb gang gctüife feine
^fli^t bcffcr tl^un, tocnn man bie 2)inge, 3wpnbe, 9Jlcnfd^en um ftd^ ^er fennt, al« toenn
66 man fie nic^t f ennt ; locnn man mit bem Stoff, ben man xn bilben i}at, gciftig iKrtraut
ift. §ier liegt eine gro^c Slufgabc für ßrgie^ung unb Sete^rung ieber ^rt. 3lber bcr
Stoff ift nid^t an fic^ fittlid;, fonbcrn ift teil« 9tour, teil« gefd^id^tlid^e« ßrbe. ^n jenem
%a\i f}at xljrx bem t^corctif^cn ßrfcnncn bie 9iaturh)iffcnfd^aft (cinfc^licfelid^ Slnt^rojjologic,
^oxiologie unb 9iaturi)l^ilofo})bie), in bicfem gall bie ®efc^id^te unb il^re Bearbeitung al^
60 Äultur=, 9le(^t«= unb 3lcligion«t)^ilofo})l^ie barjubieten. 9latürlid5> entl^ält bie ©cfd^ic^te
Sitte, Stttltc^Irit, Sittengefe« 407
ungcmencncn etJ^ifd^cn Stoff, ^n \i)x liegt bic 6tf|ificrung bc^ ^Raturgcgebcncn in taufenb
formen unb I^atfad^en ^u %a^, lauter ,,98entunfttücrbcn ber 9?atur": bic Slrbeit Dieler
©enerationen fittlid^ tl^ätiger Ullenfd^en (Äultur) unb bic Slrbeit cine^ bon uncrgrünb*
lid^en, Dorgcitlid()cn Slnfängcn ^er [li} offcnbarcnbcn l^eiligcn ©otte^ (®nabc). SBitt unb
fann man ba^ alle« bewältigen in bcm (ginen umf})annenben Sla^mcn einer ,,®t^if" — 6
iüarum nid^tV Slber ba« ^f^änomen ber Sittlic^feit mufe bor^er begriffen toerben, el^e
Don bem aßen aud) nur bie Siebe ift. 3?ielme^r bie ©ittlidj^feit mu| gefunben toerben
unb erfannt werben burd^ fritifd^e 2lu«fc^eibung all biefe« Stoffe«, bi« nid^t« übrig bleibt
al« bie rein fd^affenbe unb bilbenbe S?orm.
3Kan forgt fidj^ aber unt ben auf Autonomie geftellten SKitlcn, bafe er nun bod^ nid^t lo
Wiffe, Wie er ^u ^anbeln l^at. 3ja fül;rt nid^t bie If^iftorifd^ funbierte ©üteret^il crft red^t
ben SKillen in lauter 9Jelatit)i«men*? 3" lauter ©rabe, Stufen, SSerj^ältniffe, ©egenfä^e?
gür ben, ber alle« in feinem äüerben unb SBad^fen, in feinen relativen SßJerten berfte^t,
giebt e« fein aut aut, fein ©ut unb )8dfe. Tout comprendre, c'est tout pardonner!
3)ie Sittlic^feit lebt unb ftirbt mit ber ^äl^igfeit be« SIBillen«, bie Unterfc^eibung bon i6
gut unb böfe ju boDjiel^en. 3!)iefe gäl^igfeit aber mufe in ilf^m liegen, fie Wirb nidbt
burd^ bic 2)inge an \f}n ^crangebrad^t. Igcbc ebolutioniftifd^e, moniftifd^e, beterminiftifd^e
Betrachtung berträgt fid^ mit ber ©üteret^if. 2)abei fann biefe irreligiö« unb auäge«
fprodj^en at^ciftifd^ fein, ober rein religio« bi« ^ur äufterften Äonfequen^ be« ^räbeftina^
tiani«mu«. 9Jac^ beiben Seiten l^in jeigt fxd) nur, baft bie Seigre bon bem fflefcn ber 20
2cbcn«güter, auc^ ber ^o^en unb be« l^öd^ften, ftreng genommen in bie SBcltanfd^auung
^ineinge^()rt unb nid^t in bie ftttlid^e ©efe|gebung, in bie Sieligion unb nid^t in bie
iSloxal fiollifionen ber 5ßflid;t giebt e« für bie ftreng al« Slutonomie begriffene Sittlid^s
feit nic^t, fonbem nur 5ßroben, in benen ba« ^flid^tbeWufttfein feine 33irtuofität, feine
©cfc^lofjenfieit unb ®ntf^loffenl^eit ju beWäl^rcn ^at. §ierju l^ilft Übung; bic Wieberl^olt 20
getroffene ßntfd^cibung be« ^flid^tgefü^l« (bie Wicber^olte Selbftgefe^gebung) bilbet fertig«
feit, iugenb; entfc^eibet man in fraft biefer, o^ne feine fittlic^c greifieit erft in SeWegung
ju fe^en, fo bebeutet ba« Ärafterfpami«. Slber e« ift gut, ba^ Wir au« foldj^er lugenb^
i^aftigfeit immer Wieber aufgerüttelt Werben. (Sielte unter 4.)
3tuc^ d^riftlic^c Sittlid^fcit ift junäc^ft Slutonomie, fonft Wäre fte feine Sittlid^feit. so
3;m centralen ©ebot ber Siebe ift il^r ba« befonber« aufge})rägt, benn Siebe läfet fid^ nid^t
fommanbieren. ^a^u S^fu Äamjjf gegen bie ^cteronome Strenge ber ^l^arifäcr unb
®d{)riftgele^rten, be« ^aulu« Äam^f gegen bie jübifd^e ©cfe^lidfifcit überl^auj)t. 2lllc«
brängt in ^^\u ^loral auf ßin^eit, ^[nnigfeit, 2;iefc, Slcinl^cit unb Sreue ber fittlid^en
©efinnung. hierauf berul^t ba« ewig .Slnjiel^cnbe unb Slcibenbe ber bon ^cfu gewollten 86
unb bargeftcHten Sittlid^feit. '^\)xt 3tuf;erung im ein;\elnen ift felbftberftänblid^ bcbingt
teil« burd^ feine religiöfe, teil« burc^ bie geitgefc^id^tlid^e 9Sorftellung«Welt. gür bie religiöfc
üBcftimmt^eit genügt e«, an bie e«d^atologifcbe Erwartung gu erinnern, für bic ^citgefc^ic^t^
lid^e an bie ^n^iff^^^J Ö^Ö^n Stanb, ^amilie, Äird^e. — 3)ic fat^olifd^e Sittlid^fcit
mac^t fid^ au«gefJ)rod^cnerma^en abl^ängig Don Slutoritätcn bi« in bic intime ©cfmnung 40
j^incin unb bi« jur fafuiftifc^en Siegelung ber äußeren §anblungen in ber ganzen Summe
i^rer benfbaren SJlannigfaltigfeit. S)ennod^ fann Autonomie bamit Derbunben fein, fofem
ber freie äÖiHc fid^ inncrlidfi becft mit bem, \\)a^ bie anerfannte äußere Slutorität forbert,
teil« im einjclnen ber §anblung, teil« in bem einen 3lft ber Slnerfennung be« fatj^o«
lifd^en ^rinjip« felbft. SBo jeboc^ ber münbige 3)lm]d) rein abl^ängig ^anbclt, ift nic^t Sittlid^s 45
feit, fonbern Unfittlidj^fcit. 2)a« D^fer ber Slutonomie au« "Jrömmigfeit ift „böfe" ; man
fann nur bor 3)ienfcf)en für milbernbe Umftänbe pläbicren, Dor ©ott mit S^fu bitten:
3?ater, bergicb i^nen, benn fte Wiffen nic^t, toa^ fie tl^un. 3)a«felbe gilt Don unfreier
©ebunben^eit an ben Sc^riftbud^ftaben auf proteftantif^em Soben: fie ift im beften ^aHe
Sieligion auf Äoften ber 3JJoral unb bann im ftreng Wiffenfd^aftlic|icn Sinne unfittlid^. 50
Sut^er f)at in ben Übcrfd^riften ber beiben leite feiner Schrift Don ber SJreil;cit eine«
ßbriftenmenfd^en bie moralifd^e Situation be« ß^riften paraboj unb bod^ Wa^r formuliert.
4. 3Son biefen ©runbfä^en l^aben Wir nun auf ba« 3Serl^ältni« Don Sittlic^feit unb
Sitte bie StnWenbung ju madf^cn. 2iSa« Sitte fei, barum ^aben fid^ Dor anbem S^cring
unb 9Bunbt eingcfienb bemüht (f. 0. Sitteratur). S)cn gefc^ic^tlid^cn Scftanb ber Sitte 55
aufzunehmen, ift eine junge gorfdf)ung eifrig bei ber 2lrbcit (ebenba). 6tt;mologifd5> ftel^t
e« nac^ bem „Deutfd^en aBorterbud;" Don ^atob ©rimm unb SBilj^clm ©rimm X, 1
(Sei^j^ig 1905) fo: „Sitte" ift ein gcmcingermanifc^e« SBort, gotif^ sidus, altl^odf)bcutfd;
situ unb sito, mittel^od^beutfd^ site. "DJJan Dcrmutet 3SerWanbtf(^aft mit edog ©ewol^n^
^eit, Sitte, eico&a bin gewohnt, fjOog Sitte, 33rau(^, ^erfommen, iplur. SBo^nort, i)&Eiog w
408 Sitte, SUtlic^frtt, Sitteitgefe«
traut, sodalis &^^äfycU, suesco tverbc gctoo^nt; San^Irit svadha @ett)ol^nl^ett, Sitte,
Se^agen. 2)a^ ©cbraud^egebict bc^ (urf})rünölid^ ma^Iulinifd^en) 3Bort^ \vax früher, bc^
fonbct^ in mittclJ^od^bcutfc^er ^tit, größer ate l^eute. ^cil« t)om einzelnen au^efagt,
tcitö auf größere Ärcifc bon ^crfoncn belogen, bebeutet e« Seben^elüo^n^eit, ©cj)flogen=
6 l^eit, Sraud^ 1. im allgemeinen äufeerlid^en Sinne, 2. afe Set^ätigung einer inneren ärt
unb ©efmnung, jumal im ^inblic! auf 5!Jloral unb Sdj^icflid^feit, bann meift j)luralif(^f
gebraucht (Sutl^er 1 Äo 15, 33); aud^ ber Singular gufammenfaffenbe Sejeic^nung gc=
tool^nl^eit^mäfeiger 9lrt ju leben unb ju ^anbeln. 2)a^ in größeren Äreifen ®eh)öl^nli(^c
toirb in ältefter 3rit naturgemäß aU ba^ ®ute unb Sc^icHi^e aufgefaßt ; in bicfcr px%'
10 nantcn Sebeutung lann bal^er bie Sejiel^ung auf größere Äreife gegenüber ber Sejic^ung
auf einjelnc afe ba^ grünere be^eid^net toerben. Sluf einzelne bcjogen ge^t ber Sinn be^
aiSorte^ bann über in ben öon maßt)ott im Senel^men, ^öflid^, fittig. „Sittig", alti^od}-
beutfdj) sitig = Sitte ^abenb, gefittet. „Sittlich", aIt^od;beutf(i^ situlih ober sitilih =
ber Sitte gemäß, jur Sitte gehörig; ben guten Sitten gemäß; ben allgemein giltigen
16 ©efe^en beö guten menfd^lid^en Äanbeln« unb ber il^m ^u (Srunbe liegenben inneren
menfc^lid^en 2lrt gemäß, moralif^ im prägnanten Sinn. „Sittlid^feit" = ba^ Sittlit^f
fein, moralitas. 2)ie SEJcnbung in« SejueHe l^aben ,,ftttlici^" unb „Sittlic^lcit" nac^
bem ©rimmfc^en SBörterbud^ erft neuerbing« befommen: bgl. unfittlid^, Sittlic^Ieit^ercin,
Sittlid^Ieit^öerbred^en. 2)od^ ba;^u fiel^e unten 5. 2)ie 5IKenge ber mit „Sitten" jufammen^
20 gefegten SBörter ift groß (ba« aiSörterbud^ fül^rt 130 auf) unb intereffant. 3)cr Slu^brud
„Sittenlel^re" ift 1659 jum erften 9Rale be^^eugt: Se^re bon ben guten Sitten, ethica.
SBir bürfen ^ier abfegen bon ber Sitte al« Sitte be« einzelnen, bie toir bodj^ befler
©etoöl^nung ober ©etoo^nl^eit nennen. Sobalb ber einzelne fagt „S)a« ift meine Sitte"
ober nod^ bejeid^nenber „2)a« ift bei mir Sitte", benft er gar nic^t nur an fic^ unb feine
26 Gktoo^nl^eit, fonbem baran, baß biefe feine (Setoo^nbeit audj^ öon anbem anerlannt unb
berücffid^tigt loirb, baß fie ®efe| ift ober fein toiH aud^ für bie, bie mit i^m ju t^un
l^aben. SEJir öerftel^en alfo unter Sitte ba« innerl^alb einer 5IKel^rl^eit unb burd^f beren
Uebergeiüid^t über ben ein;\elnen ^errfd^enbe ^erfommen. Sie erl^ebt immer ben 3lnfl)ru(^
auf 2lllgemeingiltigleit, toenngleic^ nur für emen begremten Ärei«, für bie ^an^-, 2)orf=,
so Stanbe^s, S?olwgemeinfd^aft u. f. to., beren öorjüglid^en Äitt fte bann bilbet. Sie begnügt
fid^ im 9?otfall, too fie leine innere 9Jad^folge finbet, mit Slüdfid^t unb Sd^onung; aber
fie bejie^t fic^ feinc^toeg« nur auf äußeren S3rauc^, fonbern fe|t aud) Segriffe, Urteile,
©efmnungen öorau« unb p^amt fie, too fie fann. 3Son biefer Sitte fagen toir in Über=
einftimmung mit bem S})rac^georaud(> : fie fann beibe« fein, gut unb böfe, Sitte unb Un=
86 fitte. Unfitte bleibt immer Sitte, dagegen ift Sittlid^feit immer gut, unb Unfittlic^feit
ba« 35}ibcrfj)icl ber Sittlid^feit. Sitte fann auc^ böllig inbifferent fein, toeber gut no*
böfe. Sitte ift eben i^rem llrfj)rung nad) nid^t« anbere« afö 9latur. Sitte toar üor
gamilie, Staat unb 5lird^e. 3)lan fann gamilie, Btaai, ©efcUfd^aft, SBirtfd^aft, aBifjen"
fd^aft, flunft, Äird^e — getoiß nid^t i^ren Oberbegriff erfc^öj)fenb, aber einen ftarlen Icil
40 xfyctd Sl^efen« begreifcnb — gerabe;iu auffaffen ate Sitte, ate 3)iffcren5ierungen, ßnt-
faltungen öon Sitte. Sie fmb felbftgetoad^fene 5Raturformen für menfd^lic^eg ©emeinfc^aft^
leben, bie in ber Slu^breitung be« gefd^id^tlid^en SSerlauf« immer reid^ere ©lieberung unb
unterfd^iebeneren Gl^arafter annehmen. Sittlid^feit arbeitet in biefen formen, toirlft auf
biefe formen, aber fd(^afft fie nid^t. ßbenfo toenig aber fd^afft Sitte Sittlic^tcit. 3Han
46 müßte benn ba« Ser^ältni« t)on Sd^ö))fer unb ®efd^ö})f ftatuieren ^toifd^en gtoei SBefen,
t)on benen baö ^toeite infraft ber 2lufle^nung toiber ba« crfte entftanben ift. Sitte ift
ate gefetigebenb unter allen Umftänben f^eteronom. 3)abci ift fic toanbelbar, mitl^in toic
räumlich fo aud^ jeitlidfi begrenzt. 3llte unb neue Sitte ringen bann um bie ^errftf^iftf
toicberum mcl^r in ber Slrt t)on S^aturmäd^ten ate t)on fittlidj^en 5ßerfönlidj^feiten. ■älur
50 baß in biefen Äamjjf bie fittlid^cn ^erfönlid^feiten einzugreifen in ber Sage fmb. 2)a^
Sittlid^c bc^to. Unfittlid^e fommt in biefe Hergänge baburd^ hinein, baß c« fw^ um ^er
fönen ^anbclt, bie gur Sittlic^feit berufen fmb. Unb ba ift t)rin5i})iell Sitte immer ba^
Sllte, Sittlid)fcit ba« 9Jeue. Sittlic^fcit toirb in bem ßinj^elmenfAen geboren, inbem er
fid^ t)on ber Sitte cman,^it)iert. 2)iefe ibat ber grei^eit, biefe« ginfe^en ber Selbftgefe^ebung,
66 ba« 3)Jünbigtoerben be« 3JJenfd^cn, ift bie ®eburt ber fittlid^en ^erfönlid^feit, feine „:föieber=
?ieburt". !öon Sobrebnern ber Sitte toirb ba« 2llte oft bem ®uten gleic^ gefegt. 3lber ba« $ep
onmien ift al« folc^c« minbeften« fittlidfi inbifferent. 3^ ^^"^ ^'"^ ®egenb in unfenn
l^aterlanbc, too t)on Süb nad; 9?orb bie 3^^' i>^ 2lbenbmal^l«gäfte genau in bemfelben
^laßc junimmt toie bie ^a^ ber unel^elic|en (tjorcl^elid^en) Äinber. 3" beibcm toirJEt bie
(30 nämliche firaft alter unb ältefter Sitte, ^n ber S))rac^e neuteftamentlic^ dtiß fyd
Sitte, Sittltc^fcit, Sittengefe^ 409
ba^ SBort „alt" fafi burc^iüccj bie üble Scbcutung be^ Veralteten, bem Untergang Ser«
fattenen, ift j^utoeilen fcl()Icc^tJt)eg fo öiel toie ,,böfe"; umgelel^rt ift neu = gut. ^m
fird^Iid^en 3)ogma ift ba^ Q^d)\qtl\d)i Urbatum bie ßrbfünbe, ba^ Söfe überall früher
ate ba^ ©Ute. ®er Äampf, ben 3^M *" feinem 35oIfe geführt l^at, lann burc^au^ auf=
gefafet toerben ate ein flam^f gegen bie 5!Jläcl^te ber Sitte. ^JJic^t jtoar l^at er bie ©itte 5
an fid^ befämjjft, fo toenig lüie bie ^Jlatur. 2l6er bie ©itte, fofem fie SittlidE^^cit fein
tüoUte unb ba« Sleid^ ©otte« am flommen ^inberte. 6r fülf^rte ben Ramp^ pxmixpwü,
tüäl^enb er„ Iraft })erfönlici^er grei^eit ftd^ ber Sitte j)raftifdE> in ber SRegcI fd^Iid^t ein=
orbnete. äfinlicl^ ^aulu^. 3)a« 3leue, ba« ber münbig aelüorbene 2)lenfc^ bem 3llten
entgegenfe^t, braud^t gar nid^t ü\oa^ bem Stoff, bem ^w^alt nad) 9leue^ ju fein ; e^ 10
liegt alle^ an bem formalen 6infa| ber fjrei^eit. 2luc^ ift ber 2öert biefe« ©infa^eö nid^t
grabueD größer nad^ ber 3Jlenge ber jerfj)litterten ©injelentfd^eibungen ; bie i^at ber
Sntfc^eibung, im bejafienben ober bemeinenben Sinne, lann gro^e Äomj)Ieje umfaffen —
nur bafe fie eigen unb frei fei. 3^ ^^^^ ^^^ "^^^ ®^*^^ ^»^^^ §öufe^, einer ©emeinbe
frei unterwerfen auf einmal aU einem ©anjen, ober fd^ritt* unb ftürftoeife: ba^ iftSac^e 16
be^ 3"i>ibibuum^, feinet ^emj)erament^ unb feiner ©efd^ic^te. 2lud^ ba^ Setoufetfcin bon
ber greil^eit, mit ber man Stellung nimmt, ift feinem ©rabe nad) überaus berjdffieben
unb nur für einen aUtoiffenben Seobat^ter meßbar, ©enug, bafe bie Sittli^Ieit um
fold^ eine fonferüatibe ober revolutionäre SteHungnalj^me nid^t ^erumfommt, toeil [k nur
fo lebt unb immer^ neu toirb. Silier Sturmlauf toiber bie Sitte, bon Slouffeau unb ben 20
Slomantilem bi^ ju 9lie|fd^e, ^iel^t l^ierau« feinen fittlid^en 2Bert. Slber auc^ bie gorbe«
rung einer rabifal bemeinenben Stettungnal^me ju Sitte unb Überlieferung, mag fie nod^
fo fe^r im 9?amen be^ ^d) unb ber greil^eit erhoben toerben, ift ^eteronom unb loirb
unfittlic^, toenn fie bem 3ni>ibibuum bie freie (Sntfd^eibung toe^rt. 2)ag autonome 3d^
toirb bielmel^r bann ;\ur Sitte bie rid^tigc Stellung finben, toenn e^ fid^ betou^t toirb, 25
bafe e^ jtoar Sitte fo toenig ju fd^affen braucht (toeil fie ba ift) toie e^ fic abfd^affen
fann (toeil il^m baju bie Äraft fe^lt), bafe e^ aber allerbing^ Sitte fd^affen lann, inbem
e^ bie Sitte beeinflußt. 3[ft Sitte toanbelbar, fo l^at Sittlid^feit ben Seruf, i^re Sffianb::
lungen ;\u beftimmen. 2)er 2)Jann unb bie grau, bie bei ©rünbung i^re^ ^aufe^ beffen
Sitte beftimmen, j. 93. S^ifd^gebet ober 3Korgenanbad^t einführen, geben bamit i^ren S3ei= so
trag ^ur ©efamtfitte aud^ eine^ größeren Äreifeö. 2)ie ungeheure Ümtoäljung unfrer 38er::
fe^r^er^ältniffe unb bie nibeHierenbc 2lrt unfrer allgemeinen Silbung toirft Sitte ftörenb
unb jerftörenb, aber überall toäd^ft bod^, Wo alte Sitte fiel, naturnottoenbig Sitte nac^.
3)ie So|\ialbemoIratie l^at in il^ren Äreifen nic^t nur Sitte jerftört, fonbem auc^ Sitte
gefd^affen, auf bie ber Äenner jä^len fann. §üten toirb fid^ ber fittlid^ feinfühlige, 35
Sitte JU brechen, e^e er fie fennt unb öerfteljt. 51Jland^er junge $aftor ift eifrig, abjus
fc^affen, too ^erlömmlic^c^ beffer befte^en bliebe ober fein gortbeftanb bod^ ganj ^arm«
log toäre. ®er 9leuembe Dertocd^felt leidet et^ifd^e unb äftf^etifc^e 3"*^^fl^"- ^lud^
äft^etifdf^e Sieformen ^aben nur bann ein Stecht, tomn ba«, toa« toei(|en fotl, toirflid^
berftanben ift, 40
Sitte JEann ebenfo eine 2)omäne ber Unfittlic^feit fein toie ber Sittlid^Ieit. Sie
getoinnt etl^ifd^en SBert in bem Slafee, aU fittlid^e ^crfonen fie mit il^rem ©eift unb
geben erfüllen. Unb jtoar gegenwärtige \)mi Icbcnbe ^erfonen. S)enn aud^ Srabitionen,
bie vergangene ©efc^lcd^ter frei unb gut ^interlaffcn ^abm, toerben fittlid^ toertlo« ober
gar bcbenflic^, toenn nid;t ba« neue ©efc^lec^t fie frei unb gut fid^ aneignet. 5Der Ärieg 45
ift eine Sitte; jeber 3)ienfd5> toirb ^cute tjor bie ßntfd^eibung geftellt, ob er il^n bejal^t
ober verneint; in beiben gällen ^at er bann cntf))red;cnb ju ^anbeln; fommt er ju
feinem getoiffen Urteil, fo ift ba« fittlic^e Unreife. Sitte ift überall nur $ülle, in ber
ba« fittlid^e Seben fid^ regen, Stoff, an bem bie fittlic^e Selbftftänbigfeit jic^ üben unb
betoäl^ren foll. ''IHad)t man fie jum Cuell ber Sittlic^feit, fo gerät man rettung«lo« auf 60
Untiefen, toie in §erm. Äurj' SRoman „5Der Sonnentoirt" ber junge Sonnentoirt unb ber
3igeuner fid^ barüber ftreiten, toa« moralifd^er fei, feinen 3?ater ju befte^len ober einen
fremben Sienfd^en. 3lber al« ein Sobcn, auf bem Sittlid^fcit guß faffen unb erfolg=
reiche 2lrbeit tl^un fann, ift fie nic^t leid;t ju überfd^ä^en. Unfer oft blöber unb blinber
beutfd^er 3;n^ibibuali«mu« fann ba Diel lernen von bem 3flef})eft bor ben 3laturformen 55
unb irabitionen, ber bei ben 2lngclfad;fcn ju §aufc ift.
SReligion, felber au« urf^rünglid;cm Grieben geboren, ift in l^o^em ©rabe überall
Sitte bilbenb. Unb too fie nun k\xä}c gctoorben, in l^oj^em ©rabe Sitte fonfervicrenb.
©erabe unfrer eVangelifc^en Äird^c ift aber burd() ba« eigentümlid^e Sünbni«, ba« ber
reformatorifc^c ©laube mit ber autonomen ©efinnung«et^if gefdj^loffen l^at, bie atuf^ <3o
410 Sitte, (BiMidftüi, Sittettgefe« 6t£tttd IL, ^ofip
gäbe bcfonbcr^ bringcnb gcftcttt, innerhalb ber ©ittc bcr ©ittlid^fcit frcteftcn (2l)ielraum
ju lajfen.
5. 3n ber Sprache ber l^eutigen Silbung ^at „Sittlid^Ieit" unb „fittlid^" eine Se-
grengung auf ba« (Sebiet be^ (Sej^Iec^tlid^en ^in belommen. ©o neu aber, tote ba^
6 ©rtmmfc^e SBörterbud^ meint, fann biefe Sebeutung nid^t fein. SQäenigften^ toirb bcr
5ßrebiger, ber auf ber Äanjel gegenüber feiner 2)orfgcnteinbe bon biefen äu^brüdfen ©c^
brauc^ mac^t, erfahren, baß fte bom SSoIfe im feEueÖen ©inn berftanben toerben ; meint
er e^ anber«, fo toirb ba« ^'^embtoort „moralifd^" eineg rid^tigen SSerftönbniffeö fid^cra
fein. Sudler toie ,,3)ie ©ittlid^Ieit auf bem Sanbe" förbem biefen ®l)rad^gebraud^. 5)ic
10 Jße^anblung ber fejueHen grage ift in ber römifd^sfati^oüfc^en 6tl^il bani iVem ©ünben=
begriff unb il^rer S3eid^tj)ra^« unbergleid^lidj) l^eimifd^er aU in ber Jjroteftantifd^cn. 9Jeucr-
bing« ^aben ßrfc^einungen toie bie fog. 3Wutterfd^u$betoegung unb ^enffenö SRoman
^iHigenlei ju aufgeregten SJerl^anblungen barüber geführt, benen l^offentlidf^ eine cmflcrc
unb tiefere Sefc^äftigung mit ben einfd^lägigen Problemen folgen toirb. 9)ie l^crcine
16 jur J&ebung ber ©ittlic^feit l^aben tro^ aller aufo})femben Semül^ung eine allgemeine
leilnal^me nid^t erjielt; faft fd^eint i^nen auf l^umanem Soben eine günftigere 3^^"?^
befdffieben ate auf d^riftlid^sfird^lid^em. 5Die ©d^toierigleit für au^cfjjrod^ene G^riftcns
leute, mitl^in für bie $aftoren, liegt angefiAt^ biefer Slufgabe barin, bafe fie gar nic^t
in ber Sage finb, bad ©ebiet ber Unftttlid^ieit au^ @rfa^rung ju fennen ober rennen ^u
20 lernen. Slu^nal^men betätigen nur biefe SRegel. ©o ^aftet ber Slrbeit ettoa^ Äünftlic^es,
Unmotivierte« unb Unfolibe« an, 2)amit foH ba« Serbienft berer* nid^t toerlümmert
toerben, bie unermübet auf biefe brennenbe SBunbe ben fjinger gelegt unb um berfäumtc
5ßflid^t bie ©etoifjen getoedt l^aben. SBie unb too man aber an bie aufgäbe heran-
treten mag, bie« ®ebiet neu ju regeln, überall toirb man fic^ barauf gefafet machen
25 muffen, einer güHe fd^toer genießbarer unb fontroUierbarer Sorf^läge ju begegnen. 6in
Ilajfifd^c« Seif))iel bafür ift bie Siebe t)on einer „neuen ßt^il", mit ber bie ?II(utterfd^u^
betoegung fid^ gefd^mücft unb fid^ fo unenblid^ gefc^abet f)at ®ilt e« bei biefer Setoegung
eine Sleugeftaltung ber 2eben«lage, in ber fid^ ba« une^elid^e Äinb unb feine SRuttcr
innerl^alb ber f^eutigen OefeHfd^aft befinben, fo jilt e« bamit eine 9leugeftaltung t)or=
30 ^anbener ©itte, ni^t eine neue ©ittlid^feit. ©ittlid^Icit giebt e« nur eine: bie unter
bem fategorifd^en 3'">>^ötit) be« ©ollen« fid^ jur %^ai aufraffenbe ©etbftgefe^gebung bcr
^erfönli^feit. O^ne bie toirb aud^ bie neu geftellte — unb einmal gefteflt, nic^t länger
ju umgc^enbc — ®etoiffen«frage nidfit beanttoortet toerben fönncn. 6« ift alfo bie „alte
St^if" Völlig au«reic^enb unb tompetent, bie ©ac^e m erlebigen. Db in fonfert)atibcm
35 ober reformerifc^em ©inne, entfd^eibet für jeben einj^elnen feine fittlic^e greil^eit, für ba^
®anje, alfo für bie ©efettfd^aft unb i^re ©itte, ba« 3wt^"^"^^'"*^i^^^" ^^^\^ fittlicbcn
(Singelentfc^eibungen. Um bie 5!Jlonogamic brandet einem babci nid^t bange ^u fein,
©ic liegt fo fel^r in erfter Sinie bcr J)raftifd^en Slntoenbung be« fategorifd^en 3"^1P^ö^H
bafe bie aJlenf^^eit biefe« fittlid;en ^ortf^ritt« nic^t toieber toirb berluftig gelten fonncn.
40 aiber um bie heutige (Sinc^c ^er ift fo Diele« nur ©itte unb fo mand^e« Unfitte, bafe bcr
einen etoigen ©ittlid^fcit ba ein große« gelb gegeben ift, noc^ ju arbeiten unb I^aten
ju Ü}nn. äKartin 9iabe.
©ittengefc^ f. b. 31. ©itte oben ©. 401.
©t^tu« I., ^^a})ft, toar nad^ ben ^aj)ftt)er|;eid^niffen ber 9iad^f olger be« Sifc^of^
45 ällcjanbcr. 5Der Sibcrianifd^e ^aj)ftIatalog Verlegt feinen ^ontififat in bie 9lcgierung«;;cit
.^abrian« a consulatu Nigri et Aproniani usque Vero III et Ambibuio, b. \}. Von
117—126. $Da aber bie monard^ifd^e i>crfaffung in Stom fic^ nid^t Vor ber 3)llitte bc^
2. ^a^rl^unbert« Völlig burd;gcfe^t ^at, fo barf man ©ijtu« für einen ^rc«b^ter bcr
römifc^cn öemeinbe galten, beffcn 3Jame toof|l be«l^alb nid^t Vergeffen tourbe, toeil er al^
öo aJJärt^rcr galt. ^aud,
©i^tu« II., $apft, 257—258. — «ipfia«, Gl)ro^o(üc^ie bcr röm. »iftftöfe 6.213;
fiaiiöcn, ÖJcfd). ber vom. ftivcöc 1881, 8.347; .^aimd, XU XIl'l, 1, 6.1ff.; XX, 3, e.llüff.;
beif., ®efd). bcv Qltcf)vi)t(. fiilteratuv II, 2, 8. 387 ff. lieber bie bem ^apftc jugefcöricbcncn
©e;Ltii^=Spiü(t)e f. .^'>ainafr 11, 2, 3. 190 ff.
ö5 ©iirtu« II., bcr SJacbfolgcr ©tc))^an« I., ftcHte bie im ©treite über bie Äe^ertaufc
von feinem i>orgängcr abgcbrod^cnc Äird^cngcmcinfd^aft jtoifd^cn 9lom unb ber afrifanif(^en
unb orientalifc^en Äird^e toieber ^er (Pontii Vit. Cypr. U. Euseb. h. e. VII, 5 u. 9),
fiel aber fdj^on am 6. Sluguft 258 ate ein Dj)fer bcr SJalerianifd^en SScrfoIgung (Cypr.
ep. 80, 1). 31m 10. Stußuft folgte il^m fein ©iafon Saurentiu« im SCobe, beffen Slul^m
ak 5IKärt^rer atebalb ben be^ ajajjfte^ überflral^Ite. %od) fmb alle 9Jacl^rici^ten über il^n
bereite burdj) bie Segenbe — man fann fagen, getrübt ober berflärt, f. Prudent. Perist. H. 2,
Ambr. de offic. 1,205; II, 140 f., August, serm. 302—305, Leo M. serm. 85, 5
Petr. Chrysol. serm. 135." Über bie 2)auer be« ^ontififate^ ©i|tu«' IL finben pd^
miberftorec^enbe unb unmöglid^e Slngaben bei Eus. h. e. VII, 23 unb im Catal. Liber.,
f. Si^jftu« ©. 213.
§amad ^at in ber oben angefül^rten 2lbl^anblung in ben 211 XIII bie Slnnal^me
aufgeftellt unb begrünbet, bafe ©ijtu« ber SSerfaRer ber j)feubocVJ)r. ©d^rift ad Novatia- lo
numfei. SlDgemeine guftimmung ^at er babei nic^t gefunben (f. bie Sluf jäf^Iung ber ein*
fd;lägigen 9Reinung«äufeerungen ®efc^. ber altd^rift. Sitt. II, 2, ©. 387 2lnm. 3). 9lber
er ift itoeifello« im fÜ^i^U, toenn er bie ^rage, ob eine ©c^rift, bie jtoifdj^en 253 unb
258 t)on einem Sifd^of in SJom gefc^rieben tourbe, einen anberen SSerfaffer aU ©ijtud
^aben lann, berneint. ^aud. i5
@tstitdIIL, 5ßaj)ft, 432—440. — 3aff4 I, @. 57; Lib. pont. I, @. 9ö StuSg.
oou SKommfcn ; Sangen, (äJcfd). b. röm. Äircöe, @. 387 ; ®regoroöiuö, @cfd). bcr @tabt
9lüm im 3R9(. I, 6. 432. Uebcr bie Gesta de Xysti purgatione öal. 3)uc6cönc, Lib. pont. I,
©. CXXVL
©ijtu« IIL tourbe am 31. 3uli 432 fonfefriert unb ftarb 19. Sluguft 440. ßr \vax 20
ein 3<^*9^ofl^ ^^ neftorianifd^en unb J)elagianifc^en ©treitigf eiten ; an ber dj^riftologifd^en
^tage fanb er, toie e^ fd^eint, nid^t öieljjntereffe; e^ lag if|m ^ai^jtfäd^Iid^ an ber mog*
lid^ft rafd^en §erftettung be^ griebeng ^toifd^en 6t;riII unb ben ©^rem (Sriefe an &i}xxü
unb Sol^ann öon Slntiod^ia bei Gouftant p. 1231 ff.), ßntfd^iebener ergriff er im Jjela«
gianifdj^en ©treite 5ßartei, inbem er fid^ Julian t)on ßclanum fd^roff ablebnenb gegenüber 25
ftellte, Prosp. chron. j 439 ©. 477 ber Slu^gabe t). ÜKommfen. ^Jacpbrüdtli^ bertrat
er bie })äj)ftlic^en 9ted()te auf ^H^nen unb be^^alb bie Stellung be^ 6rjbifd()ofg öon
^i^effalonid^ ate ^avüpt ber iD^rifc^en Äirc^en (©riefe an ^erigene^ bon Äorint?, ^ßroHu^
Don Äonftantinopel, eine S^nobe ju Il^effalonid^ unb an bie itt^rifd^en Sifd^öfe ßouft.
p. 1262 ff.), ©eine S3iogra})l^ie im !Paj)ftbuc^ btx\i}Ui t)on ber ©rbauuna \)on ©. ?!Karia 30
3Kaggiore unb ©. Sorenjo t). b. 5!l (gemeint ift bie größere bcr beiben itirdj^en) unb ben
reichen SBeifigefc^enfen für beibe Äird^en, toie t)on ben ®aben, bie SSalentinian III. auf
©.g Slnlaft für ©. 5ßeter unb bie lateranifdf^e Safilifa barbrac^te. ^aud.
StjtllÖlV., 5ßaj)ft 1471—1484. — Sitteratur: ^bgcfc^en tjon bcr oIlQcmcinen
LMttcratur ^ur ^opft= unb Äir(^engefc§id)te, mc fic u. a. ^u ben §lrtt. ,,¥aul lt.," unb 36
„Snnocenj VIII." notiert ift, üfl(. Infessiira, Diario della Cittä di Roma, 9liiSg. uon 2^om-
maffmi, SRom 1890; Burchardi "Diarium (ed. Thouaenc, 2 S3be, ^avi§ 1883—85) fc^t 1483
ein imb berichtet über %ob unb 53eftQttung be§ ^opftcfiJ; Diario di Roma del Notajo . . .
(14S1— 1492) bei 9RurQtori, E«r. Ital. Scr. II, p. III, col. 1071 ff. SRcic^^altige «eriüci=
fungcn auf Sitteratur jur glcicft^^citigcn 6Jefd)id)te ber ^unft, ßittcratur unb ^oliti! f. hei ^
^^aftor, ®cf*. b. ^äpftc III (3.9IufI.'^1904, 8. XXXI— LX, foioie in bcnlliotcn); inäioifci)cn
ift 1904 Don SBurcf^arbtd ®ef(^ici)te ber SRenaiffance in Stauen bie 4. 9luf(. (bcarb. üon
.Öol^inger) erfcbicnen.
grance^co bella SKobere iourbe am 21. 3;uli 14:14 in einem 3)orfe bei ©at)ona ges
boren, ©eine gamilie ioar berarmt, ^ing aber mit bem alten (Sefd^Ied^te ber })iemons 45
tefifc^en Stöbere jufammen; i^m unb feinem Steffen (Siuliano, ber auc^ ben })ä})ftlid^en
etu^l beftiegen ^at (f. b. 3lrt. ^uliu« IL SBb IX, 621 ff.) berbanft [xt 'ifyt aBieberemt)or=:
!ommen. grance^co trat frül^e in ben ^ranui^Ianerorben ein, ftubierte in ß^ieri, 5Jflt)ia
unb Bologna, erlangte in ^abua ben 2)iagiftergrab, bann ben 2)oltorgrab in ber SC^eo^
logic, lefirte an üerf^iebenen Unibcrfitäten unb tourbe 1464 ^\im ©eheral feinet Orben^ 50
getoÄ^lt. 2)rei ^[aj^re fpäter berlie^ i^m $aul IL, too^I auf ben 9tat be« i^m tool^Igetoogenen
Äarbinate Seffarion, ben roten ^ut. 2)er neue Äarbinal üon ©an 5ßietro in 3}incoIi
galt afö eineiS ber gele^rteften (er nahm an einer ^n Sßei^nac^ten 1462 in SRom öor
^45iu^ IL gcl^altenen 2)iöJ)utation teil, in toeirfjcr Don il^m gegen bominifanifd^e 2;l^eoIogen
bie Sel^au^Jtung be^ ^^co^jo bcIla 9Rarco aufredet erhalten tourbe, bafe baö bei bcr 55
©eifeelung unb Äreugigung Dcrgoffcnc 93lut 6^rifti lein ®egenftanb ber älnbctung fein
bürfe. 3" ^^" „Äommentaricn" ^iu^' IL l^eifet c^ barübcr: Maior pars sententiam
Praedicatorum probavit, pauci cum Minoribus sensere. Plus quoque in maiori
parte fuit, sed non visum est eo tempore decretum fieri declarationis, ne
412 S'^tn» IV., $a)ifl
multitudo Minonim, cuius erat contra Turcos praedicatio necessaria, offen-
deretur: in aliud tempus decisionem referre placuit. 3llfo: burc^ äußere diüd'
fid^ten liefe ber ^^Jo^ft fid^ ab^lten, in bcr Icibenfdj^aftlic^ l^üben unb brübm tocntilicrtcn
^age, bic nid^t Icbiglid^ ©d^ulftagc, f onbcrn au6) t)on Sebcutung fiir bic fird^lid^c ^rojisf
5 toax, bic crtoartctc (Sntfc^cibung m geben) unb fc^lagfertigftcn ^Ritglieber bc^ ^eiligen
ÄoHegium^ ; er Wax me^r — er patte aKe ßigenfd^aften eine^ rüdtftd^tsJlofen, nie um bic
aüa^l ber 9Rittcl berlegenen 2luto!raten. Sttte i^n bie eigene Sebeutung, bog ®ch)i(^t
feinet Drben^ unb bie ©efügigfcit ber übrigen fiarbindle im ^df)x^ U71 auf bcn J)ä^)ft=
©tul^I gehoben ^atte, belohnte er gunäc^ft bie Sci^ilfe feiner g^eunbe, ber 5larbinäle
10 Drfmi unb Sorgia, burc^ ämt unb ^frünben unb begann fobann feine Steffen in einem
ganj aufecrgetoöl^nlid^cn Umfange mit SBürben unb Senefijien au^juftatten. 3lod^ in
bcmfelbcn ^a1)x^ ernannte er beibe ju Äarbinälen. Der eine, ©iuliano, toar mittlertoeilc
fd^on bon i^m gum Sifc^of bon ßatipentra« in ber Slbignonefcr $errfd^aft gemacht toorben
unb erhielt nun ber Steige nac^ ba^ ©rgbi^tum bon Slbignon, bann ba^ bon Sologna,
löbaju bieleSiMmcr, mel^rcre Slbtcicn unb^frünben über ^JSfrünben, cnblid^ ateÄarbinaI=
bifd^of ben l^öd^ften litel, bcn bon Dftia unb 3Settetri. 6in anbcrer 9Jeffe, ^ßietro 9tiario,
ftanb nod^ ^ö^er bei Sijtu« in ®unft. er ^atte al« Äonflabift (f. 95b XIV ©. 665, -k^)
jur ßrreid^ung be^ günftigen 3lefuItate«J beigetragen: je^t tüurbe er in berfd^toenbcrifc^cr
2Beife belol^nt mit SBiiStümem unb flommenben, berfc^leuberte aber äße ©inlünfte in un=
20 erl^örtcmSuju^: fo j. 93. blieb ba^ geft, toclc^eö ber Äarbinal bon ©an ©ifto ber 95raut
be^ ßrcolc bon Gfte, ßleonora b*3lragona, bei beren 3)urc^reife bon 3ttccpd nad) gcrrara
im 3a^re 1473 gab, im ©ebäd^tni^ ber 3<^it9^"of5en al« ba^jenige l^aften, toeld^eö ben
@ii)fel aller SSerf^toenbung erreid^t ^abe. „3" ^^(^^ »«wfe ber Sleid^tum ber Äird^c bienen",
fe^t ber 95erid^terftatter Snfeffura ^inju. „mt 5. g^nuar 1474 aber", fä^rt berfclbe fort,
25 „ftarb ber Äarbinal bon ©an ©ifto an ©ift. ©o nabmen unfere ^efte ein ®nbe, toc^-
fydb ba« 9SoIf i^n fe^r beiveinte." 3toäf jtoci 9lej)oten mad^te nun bcr ^ctp^t ju Äar^
binälen, für einen fünften, ber bon il^m jum ©tabtj)räfelten bon 9lom ernannt toorben
toar, Sionarbo betta SKobere, erfaufte er bie S^^a^a ber ipanb einer natürlichen io(^[tcr
be^ Äönig^ genante bon 9leaj)el burd^ 98erjid^tleiftung auf ben feit S^W^nberten üb-
30 liefen £el^n;|in^ unb bie Sel^en^f^errlid^Ieit über ©ora, toomit nun Sionarbo bom Äönigc
belehnt tourbe. ßbenfo toufetc er für einen ©ruber ©iuliano^ bie Äanb ber loc^ter
unb ©rbin geberigo^ bon Urbino ju gewinnen unb bamit bem ©efc^fed^tc betta Stöbere
ba« iperjogtum Urbino ju fidlem, toelc^eg il;m bi§ j^um 6nbe beö 16. ga^^^unbcrt^ ber=
blieben ift. ©eine ganjc SSorliebe aber fd^icn fid^ auf bie ^Jerfon be^ ©irolamo 9liario,
36 ber ein ©ruber be^ berftorbenen Äarbinal^ toar, ju f ongentrieren : nic^t nur ernannte er
i^n gum 9?ifar bon ^mola unb 1480 gum „®eneralfaj)itän ber flirdfie", fonbem „^eftattetc
il^m aud^ auf bie römifd^en unb attgemeinen })oIitifd^en Slngelegenl^eitcn toie auf feine 6nt=
fd^Iiefeungen einen öinflufe, bcr bic traurigften folgen nac^ p^ gebogen ^at". 6o
ging fein^ ber ja^Ireic^en Äinber feiner 93rüber unb ©d^ioeftem leer au^; „atte befc^attetc
40 ber ßid^baum (ba^ 3amilicnU>aj)))en ; rovere = ©teineid^c), bon bem golbene grüc^tc
in i^ren ©c^ofe fielen" ©c^marfoio, Melozzo da Forli, 1886, ©. 36).
Slbgefe^en bon ber gürforge für feine gamilic ioaren e^ ^toei aufgaben, toeld^e bcr
$a})ft fi^ gcfteHt ju ^abcn fc^ien : bie Drbnung ber 2lngelegen^citen im Dften ®uro})a^,
alfo bic Slbtocnbung ber burd^ ba^ SSorbringen ber 2^ürfcn bro^enben ©efal^ren, fobann
45 bie ©icfjcrung bcr })äpftlic^en Slttgcioalt im 2lbcnblanbc nebft ber möglid^ft intenfiDcn
})cfuniärcn Slu^bcutung bcr burdfi fic ^crbei geführten fird^lid^en SScr^ältniffc. Äaum ^ttc
er ben Xl^ron bcfticgcn, fo licfecn i^m bic bei ber ©ad^c in erfter Sinie intereffierten
9Senctianer burd^ eine ©cfanbtf^aft Dorftetten, toie nötig e^ fei, gegenüber ben ©roberungen
•äJinhammcbg II. l^orfcl^rungcn ju treffen, ©ijtuig IV. berfud^tc burd^ Segaten in granf-
60 rcid(), ©panicn unb 2)eutfd;lanb fei c^ einen curo})äifd^en flongrefe gegen bie S^ürfen,
fei c^ bircitc Untcrftü^ung ju erlangen: bie Untcrl^anblungcn fd^eiterten, attein bie mit
Slürffid^t auf bic lürfcngcfa^r fd^on lange überaß geforbertcn unb in ©cutfc^lanb bctoittigten
fird^lid;cn ©cfällc tourben nad^ ivie bor bcjal)lt. 3tug biefen unb anberen ©elbem rüftctc
©. im i^crcin mit 'OJcapcl unb Ikncbig eine glottc au^. Unter bem 98cnetianer ^ietro
65 3)Joccnigo unb bem Äarbinal Dlibicro Garaffa (f. b. 31. $aul IV., g3b XV ©. 40, lo) liefen
im ^rül^jal^r 1472 l^unbcrt ©alccrcn au§, loclcbc einzelne ©rfolgc enangen, j.93. bie
©J)errlettc au^ bem §afcn bon ©nuima mitbrad^ten, auc^ bcn Stömern 1473 bic lang
entbehrte 93cfricbigung einc^ Xriumi)^^ugc^ (mit 25 türfifc^cn ©efangenen unb einem
2)u^cnb ilamclcn) Dcrfd^afftcn, eine bur^grcifenbc Seflerung aber um fo hjcniger onbalj^ncn
60 tonnten, aU bai^ ^ntcreffe be^ $a^fte^ fi4 nun bottig auf bie ^änbel ber ttalienif(^
St^tit« IV., ^iMifi 413
^Nolitil rid^tete, in bte il^n bic ©orge für bie 9?e})oten ^ani toerftricftc. ©. toax unter
bcn Sßöjjftcn bc^ 15. 3«l^i^^unbertg bcrjeniöe, Ivelc^er am unöenierteften in eine ganj
toeItIicl^s})ontifci^e Sabn einlenfte unb ber fic^ am ungefd^euleftcn bic 3)littcl ju ben })oIi5
tif^en ailtionen burd^ gefteigcrten StmtcrF^anbel unb ©nabcntjerfauf, burd^ f ird^lid^e ^inanjis
f})c{uIationcn unb rticf jid^t^Iofe Slu^nü^ung ber j)äj)ftlid^en SteDung ju öerfc^affen hjufete. 6
„Sd^on in furjer 3^'*"/ f<^0* ©regoroDiu^ t)on i^m, ,,Dcrlor er ba^ SKlgcmeine au« bem
Slid, um fw^ in bie italienifd^e lerritorialjjolitif gani unb gar ya öerfenfen, um mit
raftio« ränfet)ottem ®eift barin 3?ern)idtelungen ju fd^affen, beren ^\oci bie ßrtoeiterung
ber ^$at)ftmac^t in ^talxm toax . . . ®ie 3lej)otcn tüaren ber Slu^brucf ber ^erfönlidf^en
©ouberänetät ber $äj)fte unb ^uglei* bie Stuften tpie SBerljeuge if^rer toeltlid^en ^err* lo
fc^aft, i^rc Vertrauten 3Kini[tcr unb Generale. 5)er 9iej)otigmu^ lüurbe jum ©Aftern beg
römifd^en ©taate^. 6r erfe^te bie in if^m fef^Ienbe ßrblic^feit; er fd^uf für ben 5ßa})ft
eine 9legierung$})artei unb aud^ einen 2)amm geaen bie Oj)J)ofition be^ Äarbinalat« . . .
25ie 9Jet)oten übernahmen ben 3Semid^tung«fam))f gegen bie noc^ im Äird^enftaate be«
fte^enben geubal^äufer unb 9Je})ubItfen; fie Ralfen, benfelben in eine SRonarc^ie ber^ i5
tüanbeln, unb fie bienten am ®nbe bod^ immer ber römifd^en Äird^e . . . 3)er 3l^oi\^
mu^, im ^rieftertum ober in ber Äird^e eine 2lu^artung, i}at ba^er im Ätrc^enftaate feine
politifd^e Berechtigung ober bieUrfad^en feiner notivenbigen ©ntfte^ung gehabt" (XIII. S3ud^,
3. Äaj).).
3Son ber völligen SJertoeltlid^ung be^ römijd^en §ofeg fonnten ftd() bie ^ilger über* 20
^cugen, toeld^e 1475 jum Jubiläum nad^Slom famen: 9Jej)0ti«mu«, SBud^er unb©imonie
tüaren bie borfted^enben 6|aralterjüge in ber ^^^fiognomie ber ©tabt 9lom. Unb i^r
§err fügte je^t aU Vierten nod() ben beö ?!Keuc|elmorbe^ bin^u. Sängft mit bem blülf^en^
ben $aufe ber 3Jlebici in ^lorenj Verfeinbet, Verbanb fid^ ©. mit ber bortigen ^af tion ber
^a^ji jum ©turje Sorenjo^ il 3JlagnificO; nac^bem er Vergeblid^ öerfuc^t ^atte, ba^ Sunbe^s 25
tocr^ältni^ benfelben ^u 3?enebig jiu ftören. ©elang i^m, fo beregnete er, ber ©turj ber
SRebici, bann mod^te aud^ 2^ogcana il^m al« Seute für feine 3t^otm jufatten. SSergeben^
ift t)erfud^t Sorben, ben $aj)ft reinjutoafdfien ; felbft D. SReumont gefteF^t: ,Mi er um
bie 3Serfd()toörung tou^U unb fie nid^t ber^inberte, baf; feine SJertoanbten in biefelbe toer^
h)i(!elt toaren, ift eine traurige %f)ai^acS)^" (8b III, ©. 171). 2)ie 3Serfc^U)örung ber 30
^agji fjjielte fid^ in folgenber 3ßeife ab (bgl. (Sa})})oni, Storia di Firenze, II, cap. ^:
§rance«co be'^ajji fommt nad^ 9lom, berftänbigt fi^i mit bem fj)äteren ®enerallaj)itän
©irolamo Sliario über ben au^jufü^renben SJlorb ber beiben Mupttx ber 3Jlebict, ©iuliano
unb Sorenjo; ber $aj)ft ftimmt il^rem 3Jlorbj)Iane ju; bie SBerfc^toörer treffen in glorenji
iE^re 3?orbereitungen, unb ber junge Äarbinal SKiario Ujirb nad^ ^Jlorenj gefd^idt, um mit= 35
jutoirfen; am 26. 3lj)ril 1478 beim §od^amte, afö berRarbinal gerabe bie getoeil^te §oftic
erl^ob, fielen bie 5IKörber in ber ffirc^e über i^re D})fer l^er unb töteten ©iuliano, n)ä|renb
2oremo fic^ rettete. Die Äunbe t)on bem üKifeglüien be^ 2lnfd^lage^ brad^te ©. inSBut;
ben florcntinifd^en ©efanbten na^m er gefangen, belegte allc^ florentinifc^e ©igcntum im
Äirc^enftaat mit Sefdfilag unb bie 3le})ublif mit bem 3"terbift, lüeil burd^ bie ©efangen= 40
na^me be^ Rarbinal^ SKaffaele bie geiftlic^c Immunität berieft toorben fei. 3)er 3le})ublif
erflärte er ^ugleid^ ben Sricg, ber fidfi o^ne nennen^toerte Sqolge l^injog, bi^ am 3. Des
^ember 1480 unter Sebingung ber leilnal^me an bem bringenb erforberlic^ getoorbenen
Sürfenjuge triebe gefc^loffcn tourbe. 3)Jan rüftetc nun aHerfcit^ — ba befreite ber ^ob
3Jlo^ammebg II. im 3)lax 1481 bie abcnblänbifd^e G^riftcn^cit öon i^rem 2)ränger, unb 45
ba^ Sanner mit bem §albmonb, ioelc^c^ fcfjon in Otranto aufgej)flanjt ivar, öerfc^toanb
für immer Don bem 33oben beö italienifd^en geftlanbe^. Diefer ©orge entlebigt, ivanbte
©. feinen Slicf auf bic SRomagna, um enblidj) feinen 9Jeffen ©irolamo bie erfe^nte Äerr=
fc^aft ju ertoerben. 5Diefer, fc^on im Sefi^c Don ^mola unb gorli, fd^lofe im 2luftrag
be^ $a))fte^ mit 3?cnebig ein Sünbni^, um ben $erjog Don 6fte au^ ^^^^^^^ i^ ^^' ^
brängen. Um ba^ „®lcid;getoid^t" in Italien aufredet ju erhalten, traten 3)(ailanb,
^lorenj^ unb 9Jea})el auf örcoleö ©eitc. 9Jeaj)olitanifd^e ^nH)})en brangen j)lünbemb in
diom ein (9JJai 1482); erft nad^ SJonaten gelang e^ ben ^erbeigerürften benetianifd^en
©ölbnem, bei Selletri einen ©ieg baDongutragen unb 3lom gu befreien; im Dejember
erfolgte ber grieben^fd^tufe, ber boq> bem ^ergog Don 6fte fein gerrara fidperte, aber auc^ 55
bie greilaffung ber ))aj)ftfeinblic^en Äarbinäle ßolonna unb ©aDcHi feftfe^tc. ^n 91om
folgte balb ein gräfelid^e^ 9Jac^fpiel in ©eftalt eine^ Saronenlriege^ für unb toibcr bic
freigetaffencn Äarbinäle unb i^re gamilien, beren ©egner fic^ um bie Drfmi fc^artcn.
9ia^ ©tra^enfamjjf unb 3Jlorbfccnen tuarb ber ßolonna gefangen, gefoltert unb ^in^
gerid^tet, ber ^alaft ber g^milie niebergeriffcn; ©aDeUi l^atte beim Äam})f ba^ Scbeneo
414 St£htd IV., ^iMift Ststnd V^ f^ft
eingebüßt. ®ag öefd^al^ im grül^ial^r 1484; lüäl^rcnb man noä) b^\ä)ä^iiQt toax, bic
Surgcn ber ßolonna ring^ im Sanbe m jcrftören, ftarb ber ^cüp^i — am 12. äuguft
1484. a)em römifd^en ß^roniftcn ^nfeffura erfcbicn biefer 2:a0 a(« ein ©lüd^tag für
bie ganjc 6^riften|cit: feine Siebe ju feinem 3SoIfe Jei in ©. aetoefen, nur SffioHuft,
6®eij, 5ßninlfuc^t, gitelfeit; aug ©eftgicr F^abe er atteämter t)erlauft, mitÄorn geh)u4>ert,
abgaben auferlegt, ba^ SKec^t feilgeboten ; treulos unb graufam, f)ab^ er jal^IIofe ^JKenfc^en
burd^ feine Jtriege umgebrad^t. Setirat^.
Si^tltd V., 5ßa))ft bon 1585—1590. — ßitteratur:9(ufjci(ömmgenuon8.Sei(jencr
^nnb biencn old ÖJrunblage: Memoric autografe di papa Sixto V., Bibl. Chigi I. III., 72
10 ugL 5Raufe, SRöm. ^äpftc, III, 6. 65 ff. [G. ^Xufl.l; jc&t üeröffcutHd)t bur^ eugnoni in
bcm Archivio della Soc. Rom. di Storia patria (1882). — De vita Sixti V. ipsius manu
eraendata. Bibl. Altieri, 57 ÜBI., »gl. SRanfc a. a. D. @. G8*. — Sixtus V. PoDt Max.
ebb. 6. 09* unb Meraorie del Pontifi'cato di S. V., 6. 72*. — Sixti V. Pont. Max. vita a
Guido Gualterio Sangenesiuo deacripta, ebb. 6. 73*, uon lücld)cr je^t ha^ Arch. Stör. It.
16 1874, @. 345 bcn Eingang üeröffcntlidjt fiat — lieber fonftigeS ftanbf(ftriftlid)cö «tateriol
f. 9lanfc 0. n. D. S. 75* ff. unb |>übncr, Sixte-Quint, 33b II unb III. — 9?eu cbiertc 53nefe
bei ßugnoni o. a. D. @. 548 ff.; einige bei ^übncr Sb II, ein S3vicf öom Sö^re 1565 an ben
Äarbinal ©iricto uon^oftor gebnicft (^t. b. 3nft. für i3fterr. (SefcöiditSforfcftung 1882, ©. 635).
2)ic erfte fiebcn^befcbreibung, ipeld)c gcbrucft crfd)ien unb weite ^Verbreitung gefunben bat
20 ift bic Vita di S. V. Pont Rom. scritta da . . . Gregorio Leti, 2 Ȋnbc, Losanna 1669,
u. ö. JRanfe ^at nodigeiuicfen, bafe fie gum größten 2^ei(c nid)t§ anbereö alö 3Siebergabe über
^aropftrafe üon 2)aritcflungcn ift, njeld)c noc^ in römi(d)en SSibliot^efen cjiftiercn (f. a. a. C
S3b TU, @. 59* ff.) unb nur in beftöränftcm 3Raftc glaubmürbig finb. Um ficti ju luicber
legen, fdjrieb ber gran^idfaner 3:cmpefti feine Storia della vita e gestc die papa S. V.,
26 Roma 1755. SRomS ©ibliot^cfen unb ^rd)it)e boten i^m gutcS SRoterioI — befonberö cin-
gc^enb finb bic S3cri(^tc bcg 9?untin8 in granfrcic^, 5Worofinl, nenpcrtct — , aUcin ber Wofe
ftab, meieren er anlegt, ift ein cngl^cräigcr unb bie t^oxm ift trorfen fd)oIaftifrf|. 9?orf|bem nun
JHanfc, <P«pfte 53b I, mit S^orlicbe unb aReiftcrft^aft ha^ ©ilb ber ^^erfon unb bic «Sirtfamfeit
bc§ geiualtigcn $Qpftc§ maftgcbenb gcicii^nct ^attc, ift ^umeönil, Hist. de Sixte-Quint,
30 <|Sarid 1869, unb bann bie 3)arfteüung \)on S3aron .&übner (Sixte-Quint, $ari3 1870, 3 »be;
ba§f. bcutfd), fieipjig 1871, ital. 1888 f.) gefolgt, welche mit nod) reicherem biplomatifcbcm
^Jateriale ba^ 5Biib auSmalt unb j^ugleicb hk ganje 3citgcfc^icf)tc, fo weit erforbcrlid), in bcii
JRal^mcn faßt, .^at Sharon ,^übner üornc^nilidö ?lrd)iüaIifd)cS au§ @imanca§, alfo von
fpanifdjcn SBeric^tcrftattem, bcige,^ogcn, fo fuib tjon 93rofd) in ber ®efd)id)tc bed Äirdienftaatco
36 55b I [1880], ^ap. 7 (^ie fi;rt. Steformcn unb öJetualtfdirittc) aud) für bie 8eid|nimg unfcre-^
^apftcö befonbcrö bie ücnetianifd)en ^cpcfd)en, bic übrigen^ fd)on JRanfc ucru»crtct ^tlf,
Ciploitiert wovben. — S3gl. Capranica, Papa Sisto, storia dcl s. XVI, Milano 1884, 3 voll.
— lieber ha^ 5^crpitniS @.d ju ?iepoü tianbclt auSfü^rlid): (ö. ©oäüabini, Giov. Pepoli c
Sif«to V., 93oIogna 1879. — lieber bie 8.fd)c 9?euorbnung ber .^urialbe^örbcn ugl. bcjonbcr>
40». JRcumont, ÖJefdiic^tc Storno, III, 8. 584 ff. — SRcid)e§ 'üJJatcrial über bic ®eftaltung ber
Xingc in 2)cutfd)lanb unter öijiluö V. unb über feine Stellung in ben betr. g-ragen bieten bie
t)on ber eJörre<^gefcnf(ÖQft iierüffcntlid)tcn 'ü^untiaturbericftte a. S)eut(d)(anb nebft crgän.v ?lft.
1585—1590. I.?(bt. SDie tölner iRuntiatur; erfte C)älftc ^er. oon (S^c^ nnb 3Keifter (189:.),
jtüeite .^älfte ber. oon (S^feS (1899).
46 5Jelicc ^eretti tourbe am 13. 2)e5embcr 1521 in ©rottamare, eine 3Dieilc fübltc^ ücn
2lncona an ber abriatif^en Äüfte, geboren, ©ein 3Sater, ber einer einft angefc^encn
balmatifc^en gamilic angel^örenb \id) burc^ bie ort^übtt^^c ©ärtnerei mü^fam ernährte,
übergab ben neunjährigen Änaben, toon bem man fpäter in SHom toof;! nid^t o^ne ®runb
erjä^lte, er l^abe öorbem bie ©c^h)einc gelautet, bem benad^barten Stanjiefancrflofter in
60 3)Jonta(to, n)o fein Dl^eim, %xä Salöatore, Drben^bniber tvax. §o($begabt unb ftrebfam
^ei^netc ^elice fid^ balb öor allen ani, unb ragte, nac^bem er feit 1540 in genora
unb 93oIogna ftubiert unb in germo j)romoDtert If^atte, fd^on frti^e ate beliebter äbt>ent^'
unb gaftenprebiger ^ertoor. SRüdfid^t^loö tabelnb, toa« i^m unred^t fd^ien, caegte er ju
guliu^' III. Reiten in 3iom burd^ heftige 2lu^Iaffungen gegen bie ^olttif Raxli V.,
66 ^erbinanbg unb ^einrid^g II. t)on ^ranfreic^ Sluffe^en unb jog ftd^ Slnllage unb i^ertüci^
ju. aiber er gewann \>uxd) biefelben göpenprcbigten öon 1552 ba« Vertrauen unb bic
93eit?unbcrung t)on 5Känncrn Wk ?5l)ilipp 9Jert (f. b. 2lrt. Sb XIII ©. 71 5 ff.) unb ber
fpäteren Äarbinäle ®l)iglieri (f. b. »rt. ^iu« V. 93b XV S. 439 ff.) foluie 5ßio bon 6atpi,
toeld^e ibm bcn ffieg ju bcn l^örfjften ©teilen erijffnet ^aben. 5Der gürfl)rad^c be« Rav
eo binal^ ßarpi tjcrbanlte er e^ junäc^ft, ba^ man il^n ber Steige nad^ jurit Siegen« t>on
granjt^fanerflöftem in ©icna, 9Jeapel unb (1556) in 93enebtg mad^te. 6in 3?ernei(^ni^
ber Sucher, toelc^e fid; bamal« in feinem 33efi|e bcfanben, ift erhalten unb je^t bcröffent-
lid^t (Don gugnoni, Docum. Chig. conc. F. Peretü, f. o.). ^n SBmebig ertuorteten
&iftn» V., 3^0^ft 415
i^n fd^tpicrige Stufgaben. 3l\d)t attein toeJI er ba^ 5Reftorat be§ großen Äonöenteö
be' %xax\ unter bcm geheimen SBiberflanbe einer ganzen ^artei, bie feiner Strenge ent=
gegen \oax, führen mufete, fonbem axxd), toeti er ^ugleid^ ba« ber^a^te Slmt be^ SSers
treter« be« ©t. Uffiuo beim Senat übernommen ^atte. 3Kaci^inationen im Älofter unb bcr
Untoiüe ber S3et)öIIerung über bie rüdfid^t^Iofe §anb^abung ber ^nquifition burc^ grä 6
J^elice führten ju feiner SHücfberufung nac^ 9lom, too er bann im Älofter bei St. Slbouoli
erft al« ©eneratorofurator, bann afe ajjoftolifc^er lUfar be« Drben« eine au^eoe^nte
Syirtfamlett entfaltete, bie nur burd^ feine ieilnal^me an ber Segation be« Äarbinatö
8uoncomj)agni (f. b. 3lrt. (Sregor XIII. S5b VII,S.126ff.) nad^ Bpamm jeittoeife Unter«
bred^ung erlitt. 211« er t)on ber feanifd^en Slcife ^urüilel^rte , fanb er feinen (Sönner lo
©^i^lieri auf bem })äj)ftli(^en Stuhle: jefet beginnt bei i^m eine ^eriobe be« energifc^ften
SBBirfen« ju (Sunften be« in $iu« V. t)erfört)erten (Sebanlen« ber SReftauration be« Äatlf^olis
ci«mu« im Sinne be« abfoluten $aj)ali«mu«, getragen öon bem Seifall be«^aj)fte« unb
äufeerlid^ bejeid^net burd^ bie SSerlei^ung be« 95i«tum« Sta. 3lgata, bann §^i^»"<> wnb
enblid^ be« «arbinalate« (1570). 3^^ liefe ^ ^"^ fei"^ 55ö"'if'e"ö"0e^ö^\0e'* "^^ 3<om 15
fommen. Seine t)crlt)itu>ete S(^tüefter ßamilla ift bi« ju feinem lobe bei i^m geblieben:
il^ren ©ebeten, fagte er too^l, berbanfe er feine 3äai}l jum $a})fte. 3)eren Äinber unb
nod^ günftiger il^re t)ier Gnfel brad^te er burc^ $eirat in bie öorne^mften römifd^en
gamilien. (gr felbft lebte einfad^, faft ärmlid^: ben größten Xeil feiner nid^t ^o^en 6in=
fünfte öertoanbtc er fc^on bamal« auf Sauten. SBenn er ba« SBerf jeug unb ber SBer« 20
traute puS' V. bi« ^um lotenbette getoefen toar, fo l^ielt i^n beffen 9iad^folger, mit bem
er fid^ enttoeber öor ober auf jener 9ieife nad^ Si)anien berfeinbet ^atte, bon allen ein=
Pu^reid^en ©efd^äften fern. 6r entjog i^m fogar ben „piato", b. ^. ba« ga^rgelb, toelc^e«
i^m al« einem ,,armen" Äarbinal au« ber })äj)ftlid^en Äaffe gejal^lt tourbe, unter bem 9Sors
geben, bafe arm nic^t fei, toer toie er eine 33illa ^eretti bauen fönne. ^n ber 3:^at, 25
biefe 3}illa auf bem ©«quilin, toeld^e er ftet« ju öerfd^önem unb ju bergröfeem bemüht
toar, bilbete neben ber greube an Suchern, bie tl^n feine einft fe^r befc^eibene Sammlung
al« Äarbinal bebeutenb öergröfeem liefe, feine einjige noble 5ßaffion. ^n bie Stille feiner
gejhjungenen 3wi^*0CS<>9e"|ei* wnter ®regor XIII. fiel bie ©reuelt^at ber ßrmorbung
feine« 9Jeffen grance«co burc^ ben eigenen Sc^toager 3Karcetlo 3lccoramboni auf 2lnftiften 90
be« in grance«co« fd^öne ®emal^lin aSittoria tjerliebten ßerjog« ^aolo ©iorbano Drfmi
(Dgl. ®noli, Vitt. Accorambona, Firenze 1870), ber fid^ bann aud^, bie Serbote be«
aufgebracbten 5ßaj)fte« berl^ö^nenb, furj nad^^er im (Se^eimen mit ^ittoria bermäl^lte.
Über bie Umftänbe bei ber 5ßa})ftn)al^l ^eretti« l^at fid^ in ber römifc^en S5et)ölferung
felbft eine Srabition gebilbet, toelc^e ©regorio 2eti fixierte: 2)er Karbinal 3Jlontalto ^ahc 35
bie Stimmen ber übrigen burc^ erl^eud^elte Sanftmut unb ©ebred^lid^feit unb ben fünft«
liefen ainfd^ein ^ö^eren £eben«alter« ju getoinnen getoufet — getoä^lt, i}aU er bann bie
Ärüdfen ober ben Stab ioeggefd^leubert unb fei in feiner toafiren ©eftalt al« leben««
fräftiger energifc^er Wann jum Staunen ber getäufc^ten Kollegen aufgetreten. Die ©e«
fd^id{)te be« «onflatje nad^ ©regor« XIII. 3^obe, toeld^c« am 21. 2lj)ril feinen Slnfang 40
na^m unb fcbon am 24. mit ber SBa^l bur^ Slboration unb Il^ronbcfteigung Sijtu«' V.
enbigte, liegt un« in ben Sendeten ber bei ber Äurie beglaubigten ©efanbten unb anberen
Slftenftücfen unb 3lu«fünften flar genug t)or, um jene ©rjä^lung al« ein SKärd^en er«
fd^cinen j^u lafjen. Stber biefe« 3Wärd^cn l^at feinen tieferen Sinn: in ber 2:i^at fteigt
^ier ein 3)lann auf ben päj)ftlid^en Stu^l, toeld^er bi« ba^in o^ne Ginflufe, toie im Ser« 45
borgenen, gelebt l^at, ben fleinen Verfolgungen J)rei«gegeben, ivie fie bie 5lid^tbegünftigten
an ber Äurie fo gerne treffen, unb ftet« gejtoungen, ben feurigen ©eift jurüdjul^alten,
ber i^n treiben möd^te, ^erüorjutreten unb bie il^m gebü^renbe SKitioirfung ^u bean«
fpruc^en. Unb je^t fie^t er gegen feine ®rtoartung, infolge bon Kombinationen, toie fie
fid^ nid^t feiten beim ÄonflaDe einftellen, fid^ auf bie ^iJc^fte, mafegebenbe Stelle erhoben 60
— ba bricht fein feurige« 2emj)erament burc^, toeit toirft er bie Ärüden be« Sd^toeigen«
unb ber SRücffid^tna^me fort unb jeigt fid^ ber 2Belt al« geborenen §errfd^er.
3unäd^ft ftellte S. o^ne Sluftoenbung befonberer SKadfitmittel, aber mit einer Strenge,
bie [x6) toeber burc^ SHücffic^ten auf bie ^^üerfoncn nodf^ burd^ ©efü^l«erregungen je bcein«
Puffen liefe, bie Sid^er^eit im Äird^enftaate toieber l^er. ^m Serlaufe bon nic^t ^hjci bö
Salären rottete er ba« Sanbitentoefen grünblic^ au«: fd^on an feinem Ärönung«tage
ftarben bier junge Scute au« 6ori, ioel^c gegen ba« Verbot SBaffen getragen l^attcn,
am ©algen. 3tuf bie Jlöj)fe ber Sanbiten unb il^rer §elfer«l^elfer toaren greife gefegt;
bie rettenbe gluckt in bie benad^barten Strid;e t)on 2;o«fana unb Senebig toaren il^nen
burd^ befonbere Slbmad^ungen abgefd^nitten. „flein iag toar ol^ne $inrid^tung: aller eo
eingebüßt. 2)a« gefd^al^ im grü^jal^t 1484; mäl^rcnb man noc^ bcfc^äftigt toar, bie
Surgen bcr ßolonna ring^ im Sanbe m jcrftörcn, flarb bcr ^ßojjft — am 12. äuguft
1484. 3)em römifd^cn G^roniften gnfcffura erfd^ien bicfcr SCag aU ein ©lüfetag für
bie gan^e ßl^riften^eit: feine Siebe ju feinem SSoIfe Jei in ©. aetoefen, nur SBoDuft,
6®ei3, ^runlfud^t, gitelleit; au« ©elbgier l^abe er atteSlmter berlauft, mit Äom geh)u4>ert,
W)Qabm auferlegt, ba« SRed^t feilgeboten ; treulos unb graufam, ^abe er jal^IIofe ^Kenfc^en
burd^ feine Äriege umgebrad^t. f&tntatf^.
Si^tltd V., $aj)ft bon 1585—1590. — ßitteratur:9(ufjeic6nimgenUün6.§eigcncr
^nnb bleuen olö ÖJrunbiage: Memorie autografe di papa Sixto V., Bibl. Chigi I. III., 72
10 üfll. JRaiife, !Wöm. ?Jäpfte, III, @. 65ff. (G. ^Uifl.]; je^t üeröffentUdjt bur^ ©ugnoni in
bcm Archivio della Boc. Rom. di Storia patria (1882). — De vita Sixti V. ipßius manu
emeiidatÄ. ßibl. Altieri, 57 3^1., »gl. JRanfc a. a. D. 6. 68*. — Sixtus V. Pont. Max.
ühh. 8.Ü9* unb Memorie del Pontificato di S.V., ©. 72*. — Sixti V. Pont. Max. vita a
Guido Gualterio Sangenesino descripta, ebb. (2. 73*, üon ipcldjcr iej^t ha^ Arch. Stör. It.
16 1874, 6. 345 ben Eingang t)erbffentli(l)t ^at. — lieber fonftigcS t)anbfd)riftIidt)eS Material
f. SRanfc a. a. D. 6. 75* ff. unb ^übncr, Sixte-Quint, 33b II unb III. — 9?eu cbicrte 53nc(e
bei (Juguoni o. a. D. 6. 548ff.; einige hei ^iibncr ©b II, ein ©rief tjom Sa^re 1565 an ben
Äarbinal Siricto Hon^^aftor gebrucft (^it. b. 3nft. für öfterr. ©efdjiditSforfc^ung 1882, ©.635 1.
^ie erftc Sebcn^befcöreibung, n)cld)e gcbrurft crfd)ien unb weite ißerbreitung gefunben ^ot.
20 ift bie Vita di S. V. Pont. Rom. scritta da . . . Gregorio Ixjti, 2 93änbe, Losanna 1GG9,
u. b. 9?anfe ^at nad)geiuicfen, bafe fic jum gri36ten 2:eile nidjtS anbereö alö 3Siebcrgabe ober
^arapftrofe üon 2)or)tcIIungen ift, iueld)c nod^ in rbniifd)en 93ib(iot^efcn cjiftieren (f. a. a. C
5öb III, 6. 59* ff.) unb nur in befd)ränftem 3Waftc gloubwürbig finb. Um £cti ju luiebcr-
legen, fdjrieb ber granäi^fancr 3:empefti feine Storia della vita e geste die papa S. V.,
26 Roma 1755. $Rom§ ©ibliot^efen unb 9lrd)iüe boten i^m guteö gRoterial ~ befonberö ein
gcftcnb finb bie SBeric^tc be§ 9?untiu8 in granfrcic^, 3Jiorofinl, uenücrtet — , aUcin ber ^Mfe
ftob, njeld)en er anlegt, ift ein engl^ctiiger unb bie gorm ift trocfen fd)oIaftifrf). 9?a(^bem nun
SHanfe, ^ßpfte 53b I, mit Söorltcbe unb •©eeifterfrf)Qft i>a& 53ilb bcr ^Jerfon unb bie ©irtfamfeit
he^ geiualtigen $apfteö niaftgebenb gejetd)net ^atte, ift ^umeSnil, Hist. de Sixte-Quint,
30 <paril 1869, unb bann bie 3)arfteüung üon 93Qron ^übner (Sixte-Quint, $ari« 1870, 3 53bf;
ba^-f. beutfd), fieipjig 1871, itol. 1888f.) gefolgt, roelc^c mit nod) reicherem biplomatifctem
•iDJateriale baS ©ilb ausmalt imb i^ugleidj bie ganje 3citgef(^id)te, fo lueit erforbcrlic^, in ben
JRal^men fafjt. .£)at Sharon .f>übner nornef)mlid) 9lrc&it)alifd)e§ auS 8imanca§, alfo von
fpanifd)en 93eric^terftattern, beige.^ogen, fo finb üon 53rofd) in ber GJcfd)id)tc be§ Äirdienftante?
36 ^b I [IHSO], 5lap. 7 (2)ie fi^t. JKcformen unb (iJeiüaItf(t)ritte) and) für bie ß^idmung unfere-^
^apftcö befonbcrö bie üenetianifc&en ^epcfd)en, bie übrigen^ fd)on Jlianfc uermertet b«ttc,
eiploiticrt morben. — S3gl. Capranica, Papa Sisto, storia del s. XVI, Milaiio 1884, 3 voll.
— lieber ba^ SScrb«Itni§ @.d ju ^epoli l)anbclt nuöfü^rlid): (.^. C^ojjabini, Giov. Pepoli e
Siftto V., 33oIogna 1879. — lieber bie 6.fd)c 9ieuorbnung ber ^urialbe^brben Dgl. bcfonberv
40 1). JRcumont, (iiefd)id)te SHomS, III, S. 584 ff. — SReid)e§ 'iDJaterial über bie ©cftaltung ber
3)ingc in 3)eutfd)Ianb unter Si^tuö V. unb über feine Steflung in hen betr. 5'ragen bieten bie
üon ber ÖJbrre^gefefifc^aft verüffentlid)ten "iRuntiaturberic^te a. S)eutfd)lanb nebft crgän^v ?lfi.
1585—1590. I.9[bt. SDie ^lölner «Nuntiatur; crfte C^SIfte ^er. uon G^feS unb g)?cifter (1895),
5toeite pifte !)er. non (Sftfeö (1899).
46 JJclicc ^cretti tüurbe am 13. S^ejcmber 1521 in ©rottamare, eine 3)Jeile füblid^ ben
aincona an bcr abriatifd^en Äüftc, geboren. Sein 3iaUx, ber einer einft angefe^encn
balmatifdj^en gamilic angel^örcnb fic^ burcb bie ort^üblicJ>c ©ärtnerei mülj^fam ernährte,
übergab ben neunjäl^rigcn Änaben, l)on bem man fpätcr in 5Rom n)o^l nid^t ol^ne ®nmb
er^äl^lte, er l^abe öorbem bie ©d^n)einc gelautet, bem benad^barten granjißfanerllofter in
60 ^iontalto, Wo fein Ol^eim, %xk ©albatore, Drben^bniber mar. §o^begabt unb ftrebfani
jcid;nete ^clice fid^ balb tjor allen au^, unb ragte, na^bem er feit 1540 in gerrara
unb SBologna ftubiert unb in germo promobicrt l^atte, fc^on frü^e al^^ beliebter 3lbbcnt^=
unb ^aftenprebigcr l^erbor. ^RüdEfid^tölo^ tabclnb, mag iijm unred^t fdfiicn, erreate er ju
^uliug' III. ^^eitcn in 3Jom burc^ i^eftige Slu^laffungen gegen bie ^olitif Äarl^ V.,
66 gcrbinanbg unb ^cinrid^g II. Don ^ranfretc^ Sluffe^en unb ^og fid^ Slnllage unb i^crn>ciö
ju. 2lbcr er gewinn burc^ biefelben ^aftenprcbigten bon 1552 ba^ Vertrauen unb bie
93ch)unbcrung t)on ^3Jtänncm Wk ?Jl^iliW SRcri (f. b. 3trt. 93b XIII S. 71 5 ff.) unb bcr
f))ätercn Äarbinälc (55l^iglicri (f. b. ärt. ^iuö V. 93b XV ©. 439 ff.) fotüie po bon 6arpi,
tocld^e ibm ben SBeg ju ben l^bd^ftcn ©teilen eröffnet l^aben. 5Der gürfj)rac^c be^ Sar=
eo binaB (Eaxp'x üerbanfte er cö jundd^ft, ba^ man i^n ber Slei^e nac^ jum Siegen« bon
granjiigfancrflbftem in Sicna, 5ica))cl unb (1556) in iscnebig mad^te. 6in i^crjeic^ni^
ber 93üc^er, ioclc^c fic^ bamalö in feinem 53cfi^e bcfanben, ift erf^alten unb jc^t bcröffent-
lid^t (bon gugnoni, Docum. Chig. conc. F. Peretti, f. o.). 3« SSencbig crtDartctcn
Sictitd V., ^apft 415
i^n fd^tüierigc 3lufgaben. 3lxä)t attein h)eil er ba^ Slcftorat bc^ großen Äonbenlc^
be' grari unter bcm geheimen SBibcrftanbc einer ganjen ^artei, bie feiner Strenge ent^
gegen \oax, führen mu^te, fonbern axxd), toeil er jugleic^ \>a^ berl^a^te Slmt bc^ Ser*
treter« be^ St. Uffi^io beim Senat übernommen ^atte. 9Jlad5>inationen im Älofter unb ber
Untüille ber Sebölferung über bie rüdtjtd^t^lofe §anb^abung ber S^Quifition burc^ %xä 0
5?e(ice fül^rten ^u feiner SRüdberufung nad^ SRom, too er bann im Älofter bei St. Sl^popoli
erft ate ®eneraIj)roIurator, bann afö a})oftoIifd^er lUIar beö Drben« eine auggebel^nte
ayirtfamfeit entfaltete, bie nur burc^ feine ieilnal^me an ber Segation be^ Äarbinafö
»uoncomjjagni (f. b. Slrt. ©regor XIII. S5b VII,S.126ff.) nad^ Sjjanien jeitiveife Untere
bred^ung erlitt. Site er öon ber f})anifd^en 5Reife jurüdfe^rte , fanb er feinen ©önner 10
©l^i^lieri auf bem j)äj)ftlic^en Stuhle: jefet beginnt bei i^m eine ^eriobe bc§ energifc^ften
3Birfen« ju (Sunften be^ in ^iuö V. öert ört)erten (Sebanlenö ber SReftauration be^ watfioli^
ci^mu« im Sinne be« abfolutcn ^apali^muö, getragen t)on bem Seifall be^^^aj)fteö unb
äu^erlid^ bejeid^net burd^ bie 3Serleif;ung be^ Si^tumg Sta. Slgata, bann germo unb
enblic^ be^ «arbinalate^ (1570). 3^^ ^^^^ ^ <^"^ f^i"^^ ^amilienangel^örigen nad^ 9lom 15
fommen. Seine berlDittoete S(^tüefter GamiDa ift big ^u feinem 3:obe bei if|m geblieben:
il^ren ©ebeten, fagte er too^l, öerbanfe er feine SBa^l jum 5ßaj)fte. 5Deren Äinber unb
nod) günftiger il^re t)ier ßntel brad^te er burd^ §eirat in bie öome^mften römifd^en
Familien. (£r felbft lebte einfad^, faft ärmlid^: ben größten 2:eil feiner nic^t ^ol^en Gin::
fünfte öernjanbte er fc^on bamate auf Sauten. SBenn er ba« 9Berf jeug unb ber Ser* 20
traute puS' V. bi« gum lotenbette getoefen toar, fo l^ielt i^n beffen 9lad()folger, mit bem
er fid^ enttoeber t)or ober auf jener Steife nac^ Si)anien berfeinbet ^atte, t)on alten ein^
flufereid^en ©efc^äften fem. 6r entjog il^m fogar ben „piato", b. f). ba§ S^^'^Ö^l^r toeld^e^
i^m ate einem ,,armen" Äarbinal au« ber })äj)ftnd^en Äaffe gejal^lt tourbe, unter bem SSor*
geben, bafe arm nid^t fei, toer toie er eine 33itta 5ßeretti bauen fönne. ^n ber %\)ai, 25
biefe SiUa auf bem ®«quilin, toelc^e er ftet« ju t)erfd()önem unb ju bergröfeem bemül^t
toar, bilbete neben ber ?freube an Südfiem, bie i^n feine einfi fel^r befc^eibene Sammlung
ate Äarbinal bebeutenb t)ergrijfeem liefe, feine einzige noble ^affion. 3;n bie Stille feiner
gejhjungenen ^wnidfgejogenleit unter ©regor XIII. fiel bie ©reueltl^at ber ©rmorbung
feine« Steffen grance«co burd^ ben eigenen Sc^toager 3JlarcelIo 9lccoramboni auf Slnftiften 90
be« in grance«co« fd^ijne ©ema^lin SSittoria Verliebten ßerjog« $aolo ©iorbano Drfmi
(t)gl. ©noli, Vitt. Accorambona, Firenze 1870), ber fid^ bann auc^, bie i^erbote be«
aufgebraßten ^a})fte« berl^öl^nenb, furj nac^^er im ©e^eimen mit Sittoria öermäl^lte.
Über bie Umftänbe bei ber ^a})fth)a^l ^eretti« l^at fid^ in ber r()mifd^en Setoölferung
felbft ixm Srabition gebilbet, toelc^e ©regorio Seti fixierte: ©er Äarbinal 3Kontalto ^abe 35
bie Stimmen ber übrigen burdfi er^eudj^elte Sanftmut unb ©ebred^lidf^feit unb ben fünfte
liefen 3lnfc^ein ^ö^eren Seben^alter« ju gewinnen getoufet — geh)ä^lt, l^abe er bann bie
Ärüdfen ober ben Stab toeggefc^leubert unb fei in feiner toal^ren ©eftalt ale leben«^
fräftiger energifc^er TOann jum Staunen ber getäufd^ten floDegen aufgetreten. Die ©e^
fd^ic^te be« «onflatoe nad^ ©regor« XIII. 3^obe, toeld^e« am 21. 3lj)ril feinen Slnfang 40
nal^m unb fc^on am 24. mit ber SEJa^l bur^ 2lboration unb Il^ronbefteigung Sijtu«' V.
enbigte, liegt un« in ben Seric^ten ber bei ber Äurie beglaubigten ©efanbten unb anberen
Slftenftücfen unb 2lu«fünften flar genug t)or, um jene ©rgäblung al« ein SKärd^en er^
fd^einen ^u laffen. 2lber biefe« ÜJlärd^en l^at feinen tieferen Sinn: in ber %fyit fteigt
^ier ein 3)Jann auf ben })ä^ftlidE>en Stu^l, tüel^er bi« bal^in o^ne ©influfe, toie im Ser* 45
borgenen, gelebt l^at, ben tleinen Verfolgungen jjrei^gegeben, toie fie bie 9tid()tbegünftigten
an ber Äurie fo gerne treffen, unb ftet« ge^toungen, ben feurigen ©eift jurüdju^alten,
ber i^n treiben möchte, ^erborjutreten unb bie il^m gebül^renbe 3Kith)irfung ^u bean«
fj)rud^en. Unb je^t fielet er gegen feine 6rJt)artung, infolge t)on flombinationen, toie fie
ftc^ nid^t feiten beim Äonflabe einftellen, fid^ auf bie ^öd^fte, mafegebenbc Stelle erhoben 60
— ba brid^t fein feurige« 2:emj)crament burc^, toeit toirft er bie Ärüden be« Sd()ipeigen«
unb ber SRürffic^tna^me fort unb jeigt fid^ ber SBelt al« geborenen §errfc^er.
Runädf^ft ftetlte S. o^ne Sluftüenbung befonberer 3KadE>tmittel, aber mit einer Strenge,
bie fi$ toeber burd^ SKücffic^ten auf bie ^erfonen nod^ burd^ ©efü^l«erregungen je beeins
Puffen liefe, bie Sid^er^eit im Äird^enftaate toieber l^er. ^m Serlaufe t)on nid;t jtoei 55
Sauren rottete er ba« Sanbitentoefen grünblic^ au«: fd^on an feinem Ärönung«tage
ftarben bier junge Seute au« 6ori, toel^e gegen ba« Serbot SKaffen getragen Ratten,
am ©algen. 3tuf bie Jlö})fe ber Sanbiten unb il^rer $elfer«^elfer toaren greife gefegt;
bie rettenbe glud^t in bie benad^barten Strid^e t)on 2o«fana unb Senebig toaren i^nen
burc^ befonbere Slbmad^ungen abgefc^nitten. „Jtein ^ag Wax ol^ne ^inrid^tung: aller eo
416 SiCtttd V., ^dpft
Drtcn in SBalb unb JJcIb traf man auf ^fäMc, auf bcnen S3anbitenlö})fc ftalen. 9tur
biejenigen t)on feinen Segaten unb ©oöematoren lobte ber $apft, bic xi}m hierin genug
traten unb tjiele Äö})fe einfenbeten . . . 5Die 3?erf})rec^ungen beö 5ßaj)fte^ l^atten bie
Sanbitcn unein^ gemad^t; feiner traute bem anbern; fie morbeten ftd^ untereinanber".
5 3lucl^ für bie Sanbiten unter ben oberen 3c^ntaufenb fd^lug je^t bie Stunbe: ein @raf
^ejjoli au^ Sologna, ber am Sanbitentoefen Slnteil genommen, tourbe im ©efängni^
erbroffclt; bie Slu^lieferung beö Samberto 3)ialatefta öon bem befannten toilben ©efc^Ied^te
au^ Stimini, ben man nebenbei befd^ulbigte, mit ben Hugenotten SSerbinbungen gu i)pegen,
fefete ©. bei ber 9let)ublif 3Senebig burd^, um \l}n l^inric^ten ju laffen; bei bem 3Rörber
loScarcetto Slccoramboni (f. o.) übernahm ber 9lat ber 3^^" f^jfbft bie SJerurteilung; feine
©c^toefter iUttoria, jum ^toeiten 5WaIe SKittoe feit bem 9iot)ember 1585, h)arb o^ne S.^
gutl^un im ©e^ember b. 3. «uf 3lnftiften ber Erben Drfmi in ^abua ermorbet.
aJiittlertüeile ^atte ber '^ap\i and) für bie Sefferung ber Staat^bertoaltung, junäcbft
für bie Drbnung ber ^inanjen, Sorge getragen. „D^ne Strenge unb bicl ®elb/' fagte
15 er, ,,lä6t fid^ nic^t regieren". Sei ber i^ronbefteigung ^atte er böHige 6rfd^ö})fung i)or=
gefunben: ba^ (Sinfommen toar bereite bi^ jum nädfiften Dltober toeq^fänbet. ©})arfam
toie er in feiner §au^l^altung getoefen toar — mit alleiniger Slu^na^me feiner 33auten — ,
jeigte er [xä) ancS) in ber ©taat^t)erU>attung: im erften ^a^xi f})arte er bereite eine ?Wißion
©cubi auf, bi^ jum 6nbe be^ brüten beren brei — in ber ßngeteburg legte er ba^ ©elb
20 nieber, ber ÜHutter ®otte^ unb ben 2l})ofteln 5ßetru^ unb $aulu^ e^ lüeil^enb, b. b. bamit
e^ für ettoaige genau t)on il;m befinierte 5Jotfätte, bie an \f}n ober an feine 9Ja(^f olger
herantreten lönnten, jur §anb fei. 3)urd^ blofee @rf})amiffe ettoa am $of^alt ber Äuric
freiließ liefen ftd^ fo bebeutenbe ©ummen nid^t anfammeln: fo er^öl^te er benn ben Äauf^
breig vieler ämter, j.JB. ben be« ©d^a^meifter« ber Kammer bon 15000 auf 72000 ©cubi;
25 fobann berlaufte er Smter, bie man bi^l^er umfonft hergeben ^atte, unb fd^uf neue ber-
läuflid^e ©teilen — , fo ergab fid^ ein ©efamtbetrag Don iVi 3)linionen ©lubi. gemer
enid;tete er neue toerfäufli^e „9Jlonti", eine Slrt bon Slftienuntemel^men, beffen änteil=
fd^cinc meift t)on reid^en ©enuefen gefauft tourben unb beffen ©inlünfte an^ bem ©rtrage
t)on neu aufgelegten ©teuem bcftanben, j. 53. auf Srennl^olj unb 2Bein, ober bon 6in=
30 fu^rjöllen. ^er ßrtrag ber elf Don i^m gcfd^affenen „-iUlonti", bon benen brei „vacabiii"
toaren — b. 1^. fol^e, beren litel nad^ Slrt ber Seibrenten mit bem 2obe be^ Säufer^
erlofd^en — ad^t aber „perpetui" (fte^cnbe) tuaren, belief fid^ in ben fünf 3^^^" f^i"<^
^ontifüateö auf 2V2 Millionen, g^eilidfi tourben burd^ biefe^ ©^ftem bem 2anbe ft^liefe-
lic^ gcrabcju unerträglid^e Saften aufgebürbet; §anbel unb ^^buftric tourbcn geläl^mt
36 unb ber 2:obeöfeim in bie bolfetoirtfc^aftlic^en 3Jerl)ältniffe gelegt — aber ber ^ojjft fyit
für feine ^tit ba^ unmöglid^ fd^einenbe möglid^ gemad^t unb t)on furjpd^tigcn 3)l\U unb
9lad^lebenben baö ^öd^fte 2ob geerntet; er ^at fid^audfi felbft ein 3a^r bor feinem 2^Dbe febr
ftoli; unb befriebigt über feine ßrfolgc bem benetian. ©efanbten gegenüber au^ef})rod^cn
(bgl. Äübner a. a. D. I, ©. 355 [1. Slufl.]).
40 Siernjenbung fanben bie 3JJel^rcinnal^men ^unäd^ft nur nadf^ einer ©eite ^in: bie
alte Sauluft regte fic^ bei ©. unb tourbe nun im grofeartigften Waftftabe befriebigt. ©ein
Saumeifter, 2)omenico ^ontana, ein erftaunlid^ erfinberif^er Äo})f, leiber fein Äünftlcr
bon feinem ®efül)l, l^at, getrieben bon bem geftrengen $erm, ber ©igantifc^e^ in ©tein
auögcfübrt feigen tooHte, bic römifc^e Sauart in ben ©til be^ Saroden hineingebracht, ben
45 fie bon ba ab unter ben $ä))ften ftet^ bel^alten ^at. 3^^^"f«fl^ f)ahcn bcibe fid^ burcb
gemcinnü^ige 2lnlagen, befonber^ ben grofecn 9Ju^bau in 9lom, bie 9iJieberl^erftellung ber
bon aiejanber ©cberu^ cinft errid^tcten, je^t 3lqua gelice benannten, SQBaffcrlcitung auf
baulid^em ©ebiete i^r gröfete^ Serbienft eriüorben. ^n\>^m n)ir betreffe näherer angaben
über biefe ©eite ber Sl^ätigfeit be^ ^ajjfte^ auf ba^ fec^fte Sud^ bei Äübner fotoie auf
6o3leumont, ©efc^ic^te 9lom^, III, ©. 588 ff. unb 733 ff. bertoeifen, ge|en toir ju ben
anberloeitigen Sleformen in ber Sertoaltung über.
3luf biefem ©ebiete ioirb bie 3^^ätig{cit beö ^ajjfteö meift überfd^ä^, inbcm man
bie ganjc einri4)timg ber fomplijiertcn Scrnjaltungömafd^inc ber lird^hdj^en 3lngelegcn=
l^eitcn, fo toie fie bon ba an unb bi^ auf ben l^eutigen iage fungiert l^at, auf @. ^urüd=
66 fül;rt. 3)a^ ift nic^t genau. 2)ie meiften (Sinjelbe^örbcn, „Kongregationen," fanb er bor:
er l^at fie in eine feftc ©lieberung gebracht unb burd^ bie SuUe Immensa aeterni Dei
auf fünf|\c^n erböl;t unb ^Wax in ber 2Beife, bafe bie für bie römifc^e ©taatgs unb bie
für bic allgemeine Kird^cnbcrtoaltung bcftimmten ncbencinanber beftanben unb rangierten.
2)a nun bic Ernennung ber berfd;icbcncn Äarbinäle cinjig ber 6ntfd()eibung be^ ^Pojjfte«
60 unterlag, fo toar fc^on baburc^ bafür gcforgt, bafe feine ©utad^ten ober ©nifd^eibungen
St^tttd V., $a)ifl @t(atierrt ict bcn Hebräern 417
in irgenb einer Äongregation ergingen, tpeld^e ber Slic^hmg ber ))ä^ftli*en ^^olitif nid^)!
entfjjred^enb getoefen njären. 3"9'^^^ ^^fe ^^ ^^P^^ ^i^ fommunalen ''M^d)U ber Stabt
SKom bi^ auf SBenige^ an fid^: ben bom ^ajjfte ernannten Stonferbatoren blieb nur bie
Siegelung ber 5!)Jarft})olijei, ber Seben^mittel^ufu^r, ber Srot- unb 2Kel^l^reife; ber ©oDer=
natore ber Stabt übte bie flriminaljuftij im 5?amen be^ $a})fte^, jebod^ blieben einige 5
gäHe bem fraftlofen Raupte ber fläbtifd^en ÜSertoaltung, bem Senator, Vorbehalten. Slud^
ben übrigen Stäbten tüurben bie SRed^te il^rer fommunalen Selbftftänbigfeit entriffen. 2)a§
^ßrin^ij) ber Älerifalifterung ber ganjen ©taatöbertüaltung tourbe feit S. mit ftet^ geringer
iDerbenben Slu^nal^men burd^gefüj^rt, uimal in ben Drtf^aften, iuelc^e Sifcbof^fi^e toaren.
2)er fo ber 33erh)altung aufget)rägte ßl^arafter ift il^r in ber ^olge, fo lange bie tueltlic^e 10
^errfc^aft beflanb, Verblieben, tüä^renb ba^, toaS S. für bie Säuberung ber moralifdben
3ltmof})^äre im Sanbe getrau ^at, fe^r balb Vertue^te, fogar bie Sanbiten gegen (Snbe
feiner ^Regierung tüieber gefäl^rlid^ tüurben, unb feine auf Kräftigung be^ Staat^toefen^
abjlüedtenben finanziellen (Einrichtungen ju großem ©d^aben be^ SBo^lftanbe^ fo lange
fortgetoirft l^aben, bi^ fie enblic^ in fid^ verfallen [xn\>, 15
SKerltüürbig, tüie berfelbe S., toeldfier in allen fragen, bie fid^ auf feine Staat^=
ober Äird^envertoaltung bejogen, „bie ©etoalttl^ätigfeit felbft toar," anberen Staaten gcgen=
über bi})lomatifd^e 9la^giebigfeit, ja Sd^toanfen unb Unentfd^ieben^eit jeigte. 5Mit 9?enebig
^ielt er gefliff entließ bie beften Sejie^ungen aufredet; ben §erjog Von gerrara liefe er
gegenüber ber 9le})ublif im Stid^ ; in fird^lid^en tJragen gab er allen SBünfd^en be^ 20
Senate^ nad^ bei Sefe|ung Von Sifc^of^ftüblen, inbem er bie Drben in ber Serj^flic^tung
jur 3^^(^^t""0 bon 3)ecimen bem aSeltfleru^ gleid^ftellte, einen Soften unter ben Uditori
di Rota (f. b. 21. Äurie 93b XI S. 183 ff.), je für einen SSenetianer refervierte, ben
hjeiteren ©ebraud^ be^ alten flalenber« in ber SeVante j^ugab u. f. h). Selbft ate l^eftige
©nt^tveiung au^mbred^en bro^te infolge baVon, bafe bie i^enetianer ol^ne toeitere^ ben 25
fran^öfifd^en ©efanbtcn aU ©efanbten beö Von i^m ejfommunijierten Äönig« §einrid;ö V.
anerfannten, gelang e^ bem nac^ 9lom gefd^idEten Seonarbo Donato, ben ^a))ft ^u be^
fc^toic^tigen (Vgl. Slanle II, I36ff. [1874]). blieben nun bie guten Sejiel^ungcn j;u
l^enebig aufredet erhalten, fo fam e^ freilid^ mit Sj)anien, obtüol^l ber ^a^ft anfänglich
aUe^ gct^an, felbft auf bie angeblid;en Se^en^nfprüc^e auf 5leapel unb Siijilicn — iüic 30
übrigen^ fd^on anbere ^äp\U Vor i^m (Vgl. b. 2lrt. Siirtu^ IV.) — verjid5>tet l^atte, jum
offenen Srud^. 3)en erften Slnlafe gab ba^ Scheitern ber „großen 2lrmaba". I)er $aj)ft
f)aiU einen ^o^en 93eitrag, angebli(| 700000 Scubi, ju ben firieg^foften Verfprod^en, |\ai)lbar
nac^ erfolgter Sanbung an ber englif^en Küfte. Obgleid^ bie le^tere Vereitelt Sorben tüar,
ref lamierte ^^iliVJ) 11^ bie Unterftü^ung — natürlid^ Vergeben«. Xa^u tarn noc^ ba<^ freilief» 35
grunblofe ©erüd^t, ber $aj)ft ^abe im gel^eimen ber Äijnigin ßlifabetl^ ben Sieg getüünfc^t
(Vgl. §übner I, 338). SSiJHigen 93ruc^ führte bie franjöfifcfje Slngelegenl^eit ^erbci. 9iod^
unter bem 30. Se))tember 1589 ^atte S. bem Segaten ßaetani ben 2luftrag erteilt, fic^
an bie Sigue ju l^alten unb auf allgemeinen Slbfall ber ^rinjen imb be« 3lbclö von
^einrid^IV. I^injutvirfen (f. bie ^nftruftion bei §übner III, S. 303 ff.), unb ^atte barauf= 40
l^in bem Äönig von Bpanxm 3}erftänbigung angeboten. 6^e aber noc^ ^ß^ilipp« ixi-
ftimmenbe 3lnth)ort in SRom eintraf, l^atte S. bereit«, belogen burc^ ben Slbgefanbten
Öeinrid^« IV., fic^ bem entgegengefe^ten $lane angefd^loffen, nämlic^) bem: bie gan^e
fat^olifd^e 2lbel«})artei granfreic^« unter bem Sanner be« fatl^olifc^ ©etoorbenen ju Ver-
einigen. Dbgleid^ nun trofbem aud^ je^t S. fi^ nic^t offen für bie 5{ac^f olge be« Sear^ 40
ner« auf bem franjöfifd^en 2;brone crflärt l^at, brad^te biefe« Saviercn ben f^3anifdf»en
Äönig fo fel^r in SKut, bafe er i^m bur^ feinen ©efanbten DliVare« mit Dbebienjentjie^ung
unb offener ^einbfc^aft bro^en liefe. 9Jic^t gemißt, ben „fat^olifct^en Äijnig" ju Verlieren,
machte S. tvieber eine Sd^lvenfung nact^ Seiten ber f})anifc^en Stejjublif ju — ba ereilte
i^n noc^ Vor ber Sntfc^eibung ber SCob, 27. Sluguft 1590. S^eitrat^. 50
©fottklnavifc^e »ibelfiberfc^nnflen f. b. 21. Sibelüberfe^ungen Sb III S. MO.
@f<Hm«er f. b. 21. Karmeliter Sb X S. 85,35ff.
Sflaveret bei ben Hebräern. — 3. ^. ^id)aeli^, g}Jüfaifd)e§ SRet^t (1777), § 127 f.;
3. fi. @oalf(t)üt, ^ö^ mofaifcöe JKec()t mit 5öerücf|id)tigung be§ fpütcrn jübifdjen 1848, unb
^rdjäologie ber ^ebr&ex II (1856), S. 23« ff.; ^^ 9Jlicl;>iner, '3)ie SBerpltnific bev Stlauen 55
bei bcn ölten |)ebräern, ilopen^agen 1859; ^. 3abüc .Vfa^n, L'Esclavagc selon la Bible et
le Talmud. ?oti« 1867; aW. «Wonbl, 3)00 ©tloucnrec^t bc^ 9liö, i&omburg 1886; 91. C^rüu^
KcaI«<lttct)rio)>ab{e fttr tf^tolo^U unb lliT(4e. 8. 8. XVIII. 27
418 Sflatirret bei ben ^ebrSent
fclb, 1)\t SleHimg^ ber Stlnuen bei bcn 3uben und) bibl uiib tolmub. OucIIen, Scna 1886:
3. Söinler, ^ie vöteUimg ber ©flauen bei ben 3uben in red)tl. unb flefeüfdjaftl. ©Ci^ic^unfl
nada tolmub. Quellen, ^nUe 1886; ^oni) ?lnbr6, L'Esclavage chez les aociens H^breux,
^Qvig 1892; 91. 58ertt)olct, a)ie SteOunci ber 3örneliten unb berguben ju ben gremben, 1896;
6 Dgl. auc^ % Äleinert, 3JaS 3)cuterünomium unb ber 5)eutevonüm!fer 1872, 6. 55 ff. ©icbe
ferner bie ^anbbüc^er j^ur l^ebräifdien 9lrd)ftülügie üon ^c Sette=$Räbi9er (4. 9lufl. 1864),
ir ßwalb (^Utertümer 3. 9(uf(., @. 280 ff.), t- &r. ftcit f2.9lufl. 1876), ^otoad (1894), »en^
.^inger (1894). 58(il. ®. gr. C^lcr, ^Uttcftomentl. 3:^eülo9ic (3 «lufl. 1891) 6. 382 ff. 3ur
babi)lonifd)en Öiefefgebung ^ugo Sincfler, 3)ie ©efe^e ^ammurobiS 1902. SSon bcmfelben,
10 ?luögabe ber ®e{e0e ^ammurobiS in Umfd)rift unb Ueberfe^ung 1904; ^. ^. 'JKüUer, ^ie
(SJefe'^e .^ammurabid unb i^r SSerftältniS jur mofaifdjen ©efcfgcbung foroic ju ben XII Xofeln,
1903; 6. Cettn, 3)qä ®efe|5 CJöinntwrobiÄ unb bie X^oro 3grQel§ 1903, S. 30 ff.; 3ob.
3cremia8, Wofeö unb ^ommurabi 1903. Ueber bie Stellung beS 9?X§ unb ber nlten Ä'irAe
jur Sflouerei 3:^eobor 806", ©fiiSen an^ beut üeben ber alten Äirdje 1898, S. 116—159.
16— 6ief)e audj ben 9lrt. 6abbatf)= unb 3obeljal)r 93b XYli, 292 ff. unb bie 9lrt. ©flatjerei
u. f. U). in bcn Si3rterbüd)crn öon SBincr, 6^cnfel, 9?ict)m, Hamburger u. f. 10.
2>tc Sctbeigcnfci^aft finbct jtd^ bei bcm i^raclitifd^en SBoII Don ben anfangen be^
Stammlcbcng burd^ aDc ^ixUn ber nationalen ©ntlüidfelung bi^ jur Sluflöfung be^
jübifd^cn (Semeinioejeng, meiften^ übrigen^ in einet gorm, für toeld^e ber heutige ä[uö=
20 brurf „©flat)erei" mit feinem SBeigefd^madf untüürbigcr Srniebriaung unb ©raufamieit ^u
^art ift. Sut^er braud^t ftatt „©IIat)e" unb „©flatjin" regelmäßig ,,Änec^t" unb ,,9Kagb".
3n ber ^jatriard^alifd^en ^zit bereit« feigen lüir, baß ba« ©efinbe h)ie bie SSie^^erben einen
leil be« Sermögeng be« gamilien« ober ©tamm^aujjte« bilbet (®en24, 35; 26, 14;
$i 1, 3), baber aud^ ©flatjcnl^anbel nic^t fe^It (®en 37, 28), ber befonber« bon ben
26 $^önijicrn fd^lüungl^aft betrieben lüurbe. 33ei ben reid^en SWomaben^äujjtlingen h>ar bie
©^ar ber Seibeigenen xal^lreic^. 2lbram t)erfügt ®cn 14, 14 über 318 „§au^eborene",
lüaö erlennen läßt, baß bie Seibeigenjd^aft jtd^ tjeretbte. S)aju famen bie um ®elb
getauften Änec^te unb 50tägbe (17, 23. 27). 2>ie ?!Rägbe erfd^einen jum leil al« f^jejielle«
Eigentum ber ®attin ober ber 3^öd^ter, folüie ate 9lebenh)eiber beg §etm (16, 1 ; 29, 24u.a.).
30 aiDcin jd^on bie Jjatriard^alifd^e SJerfafJung unb Seben^toeife begünftigte ein perfönlid^e«
unb ctl^if^e« SSer^ältni« ^u biefen Unfreien, toeld^e« red^t t^erfd^ieben ift \>on bem, lüa«
man im mobemen Dccibent aU ©Ilaöerei bejeic^net. S)ie „im i^aufe (Geborenen" toaren
im allgemeinen ber gamilie anl^änglid^ unb einjelnen fd^enfte ber §en fein trotte« Ver-
trauen. Sgl. ben Äned^t 2lbramö 15, 2 f., ben er fogar m feinem Unit)erfalerben einfe^en
35 toitt, ba er linberlo« ift, unb bie jutrauen^Dotte SRifjion, bie er toa^rfd^einlic^ cben=
bemfelben ®en 24 überträgt. 311« red^tlofe SBare tourben bie Seibeigenen fc^on auf ber
nomabifd^cn ©tufe biefer fcmitifc^en ©tämme nic^t angefc^en. ©ie lüuc^jen in ben ©tamm
unb in bie gamilic l^inein, bcren fittlic^ religiöfer ®eift bei ben SSätern 3«rael« auA
i^nen ju gute fam. 2>aß fotüol^I bie im 5Dicnft geborenen al« bie burd^ Äauf ertoorbenen
40 befd^nitten fein foBtcn, fc^ließt in fid^, baß fic al« ©lieber be« ©tamme« aufgenommen
lüarcn unb al« folc^e aud^ il^re rcligiöfcn JHed^te unb ^flid^ten f)aiim,
2lud^ in ber nationalen ^eriobe blieb man ben übernommenen 9led^t«grunbfä$en treu,
toddjc ätyüxd) in ®cfe^e^})aragra})l^en formuliert tourben toie in 93abl;Ionien (§ammurabi);
nur baß feit 3)iofe bie ct^ifd^^religiöfen 3KotiDe fic^ im iöraelitifc^en ®efe^ burt^ i^rcn
45 milbcrnbcn, menfc^enfreunblic^cn Sinfluß bebcutcnb flärfer fül^lbar mad^ten ate bei jenem
Solfc. Der mofaifd^e ®ebanfe, baß ba« gan^e '^^xad in ^ig^J^ten ©Ilat)c getüefen unb
bon 3a^be^ au« bem Sncc^tfc^aft«^aufe befreit tvorben fei (©£ 19, 4f.; 20,2; ©t 5, 6
u. f. m.) f(I;loß bie 2lnerfennung in fid^, baß ba« 33olf je^t ^al^tje^ Äned^t unb ßigen^
tum fei unb führte ju ber Äonfequen^, baß eigentlid^ feine ©lieber nid^t lüieber ©Ilaben
50 ber 3JJenfcbcn, namentlid; nic^t Änec^tc bon gremben fein fodten, toa« befonber« P geltenb
mac^t, 2e 25, 42. 55; 2(), 13. 2(nberfeit« ertouc^« au« ber ßrinnerung an bie felbft^
erlebte unlicbfame §ärte ber ftned^tfd^aft bie Wal^nung, gegen bie Untergebenen rücfficbt«--
boU unb menfd^cnfreunblic^ ^u fein, toa« D befonber« einfc^ärft 2)t5, 15; 15, 15.
Sei ber ©tärfc be« nationalen Seioußtfein«, ba« jugleic^ religio« begrünbet h?ar,
56 fann nic^it bcfrentben, baß ^tüifc^en Seibeigcncn i«raelitif^en ®eblüt« unb folc^en au«
anbern äiölfcrn in ben ®efe^cn burd^tocg ein Unterfd^ieb gemad^t tourbe, ber in ber
^raj^i« freilid; Weniger mag eingel^alten toorbcn fein al« in ber Xij^eorie. 3)ie ®efetfc
be« '^iJentateud)« jcigen felbcr eine gctpiffe Jortbilbung biefer Drbnungen unb Sräuc^e.
2)ic ältefte Formation berfelben bietet ba« S3unbe«buc^ öe 20. Singer ift ba« 2)eutero=
60 nomium, ba« ficb burd; einige S^i\ä1^c baDon unterfc^eibet. ©tärfer tpei^^t P ab, beffen
9{ec^t«orbnung (Se 25, 39—46) ^eute geiüi)^nlic^ al« bie jüngfte gilt. ®« ift aber nic^t
SKaurret bei ben ^ebräcrti 419
öu^cfd^Ioffcn, bafe biefc« ^Pricftergcfc^ jum %q\1 alte, auf 5J?ofe jurüctöc^cnbe ^bccn aibS-
gebilbet I^at. — S)cr lalmub ^at alle biefc ©efe^e^beftimniungen auefü^rlic^ erörtert
unb nä^er ^räjifiert. S)oci^ fmb bei ber ]paUn ßntftel^ung biefe^ ©c^rifttumö feine 2(ns
gaben nid^t al« autbentifd^e 3i"terj)retationen be^ alten ®efe^e^ nad} ma^gebenber 2ras
bition unb aud^ nid^t ali fidlere 8^W0"iff^ für bie ^rajiö anjufe^en, fonbcrn nur mit 6
großer 3Sorfid^t ju t)erh)erten. Einen Xraftat über bie D"»nnr \)ai aud^ 3)taimonibe^ ge^
fdirieben (lateinifd^e Überfe|ung be^ielben t)on 5- 6. Äatt, De servis et ancillis 1744).
ßntftel^ung ber Seibeigenf c^aft. 6ine §auj)tquene berfelben iüar gu allen ^nim
ber Srieg. 9Benn aud^ bei ber gerabe im alten ^^rael in ber frül^eften ^c\t üblid^en
Äriegfül^rung bie tpe^r^aften 50länner feltener ui ©efangenen gemad^t, alö getötet iüurbcn, lo
\o gab e^ felbfttjerftänbli^ 9lugnal(;men, unb grauen, befonber^ 3""0^ö"^"/ bilbeten bei
Äriegg^ unb Saub^iügen eine gefc^ä^te SBeute, ®en 14, 12. 16; 9« 5, 30; 2 % 5, 2;
I)t 20, 14; 21, lOff. u. f. f. ©tetten toie ^oe 4, 3. (]; 2lm 1, G jeigen, bafe man folc^)e
erbeutete ©efangene l^äufig in anbere Sänber berlaufte. 2)abei lüaren namentlid^ bie
^l^öni^ier be^ilf lid^ , burc^ beren reifenbe ^änbler tool^l ja^lreic^e au^lüärtige ©Ilaben i6
unb ©Hat)innen ate „um (Selb gefaufte" m ben 33efi$ Don g^raeliten gelangt fmb.
eine anbere Quelle für nid^ti^raelitifc^e ©flatjen nennt 2e 25, 45 (bgl. 33. 44): ß^ gab
9iiebergelaf[ene fremben ©tammeö im Sanb, toeld^e in biefeö 2>ienftber^ältni^ geraten
lonnten. Sefanntlic^ fmb bie fanaanitifd^en SintDoI^ner nidbt ausgerottet tDorben, tvk
3)t 20, 16 ff. tjerlangte, fonbern mit bem ©rftarlen g^raete, befonberS unter ben Königen, 20
in ein §örigfeitst)erl^ältnig ju biefen gefommen. ©^on nadi bem 9luSjug tparen ftamm^
frcmbe Elemente ju niebrigen 2)ienftleiftungen im Sager, befonberS am Heiligtum tjer^
iüenbet Sorben 2)t29, 10. ©0 entftanben ©Hatten beS Heiligtum«, über tüeld^e fiebe
93b XI, 421,42ff. 2)aDib unb befonber« ©alomo gogen ^u ben öffentlid^en arbeiten in
erfter Sinie bie nid^tiSraelitifd^en Selüol^ner ate ^ö^ner l^eran 1 % 9, 20 f. 2)iefelben 25
njerben 2 6l^r 2, 16 ju 153600 Äö^fen gefd^ä|t. SBenn aud^ 1 ftg 9,22 nic^t mit 5,27
ftimmt (f. bie Äommentare), fo ift boc^ nic^t ju bejlüeifeln, ba^ biefe l^albfreien l>ln=
fäffigen rücffid^tSlofer für bie ©taatSlaften bcigejogen tvurben als bie 3;^taeliten, unb eS
ift nid^t unlüa^fd^einlid^, bafe and) im ^rit)atleben baS 3SerI^ältniS biefer görlm fid; oft
ju eigentlidier Seibeigenf(^aft geftaltete. 2)al^er foU)ie im ^ufammenl^ang mit ®en 9, 25 er* 30
ilärt fid^ tüol^l, bafe im rabbinifd^en ©Jjrac^gebrau^ ■^:r:2 i^y bie allgemeine Sc^^eid^nung
ber nic^t^ebräifd^en ©flatjen ift. Sgl. j. SB. bie gKifd^na Äibbujd^in 1, 3.
ßinen 3Renfc^en toiberredj^tlid^ ber greif^eit ju berauben unb ju tjerlaufen iüirb
fJenfd^enbiebftal^l genannt unb t)om ®efe$ mit bem lobe beftraft 6^21, 16; 2>t 24, 7.
^Übnlidi ij^eifet cS im bab^lonifd^en (§ammurabi 14): „SBenn jcmanb ben uncrn)ad;f enen 35
©ol^n eines anbern ftiel^lt, fo tüirb er getötet". ^ReditSgiltig ging bagegen ein ^^^^clit
in Seibeigenfcbaft über, toenn er beS 2)iebftaI^lS übertüiefen, ben tjorgcf^riebenen (5rfa^
für baS ©eftol^lene nid^t leiften fonnte ®j 22, 2. SBa^rfd^einlid^ lüurbe er junäc^ft bem
©efto^lenen jugejprod^en (^of. Ant. 4, 8, 27), ber i^n in ber Siegel tüeiter tjerlauft haben
tpirb. 9ln SÜuSlänber follte er ibn nad^ ber Irabition, bie aud^ getoip ber ^ntenlion 40
bcS Oeje^eS entj^rid^t, nic^t t)erfaufen. 2)a6 §erobeS Derorbnete, 2Diebe feien inS SluS^
lanb ju t)erfaufen (^oj. Ant. 16, 1, 1) tourbe i^m mit ®runb als fd^toerer SJerftofe gegen
bie tjäterlid^e ®efe|eSübung angerechnet. Jpäufiger aber Wax eS bie DöHige Verarmung
unb 3nf*>l*>^"i^ tüeld^e ben iNerluft ber ^rei^eit nad^ fid^ jog. ^n folc^er 9tot fonnte
ein SJater junäd^ft feine 3:od|ter tjerlaufen. 2)ie barauf be^üglid^e SSerorbnung beS SunbeS^ 40
buc^eS (B) ej21, 7—11 benft babei nur an Serfauf ^ur unfreien 9itebenfrau ober grau
beS ÄäuferS ober feines ©ol^neS unb tüal^rt i^r auSbrüdlidi baS Sed^t eineS gamilien*
glicbeS. D bagegen rebet2>t 15, 12 ff. t)on 5Rägben, bie 5um §auSl^errn (ober ber ÄauS^
frau) in einem blofeen 2)ienftt)erbältniffe fte^en lüie bie ftnec^te, toaS o^ne 3^^^f^l ^^"
je^er auc^ tjorfam. Db ein 3Sater aud^ feine ©öl^ne tjerfaufen fonnte, babon fagt baS oo
Oefe^ ni^tS. 2)od^ flcfd^a^ eS o^ne 3*^^ifcl i»n 9JotfalI, el^e er feine eigene jjerfönlic^e
grei^eit preisgab. 2>a^ bem ©laubiger baS SHed^t juftanb, auf bie gamilienangel^örigen,
unb tpenn bieS nic^t genügte, auf ben ©c^ulbner felbft ju greifen unb i^n ju öerfaufen,
bctoeifenSeifJjiele auS ben berfd^iebenften ßeiten 9lm 2, 6; 8, 6; 2 Äg 4, 1 ; t)gl. ^ej 5o, 1 ;
3ltf) 5, 5; 3Bt 18, 25 ff. ^Slan fagt freili^, ein fold^eS Siedet beS ©läubigerS fei in ben 55
pentateuc^ifc^en ©efe^en nirgenbS fanftioniert, Die öielmebr für ben ©(^ulbner ^inficbtlid»
beS ^Pfanbrec^tS fe^r milbe unb l^uman lauten 6^22, 25 f.; ®t 24, 10 ff. Mein baS
Äaufen (ej21,2) unb 93erfaufttoerben (Dt 15, 12; Se 25, :59. 47f.) imrb boc^ in ber
Siegel biefen ®nmb gel^abt \)abm. 2)ie 2luSleger berftel^en eS in Übereinftimmung mit
b«r talmubifc^^en 2^rabition aUerbingS bon einem ganj freiwilligen ©ic^uerfaufcn beS o)
27*
420 Sflatierct bei ben ^ebrSerii
airnicn, bcr iüegcn feiner ßntblöfeung fid; nid^t felbftftänbig balten lonntc unb be^^Ib
bor^og, „fid^ für leibeigen in erflären". ^ann I^ätte ja ein h)irllidicr ,,3Serfauf " gar
nid^t [tattgefunben; ba| e^ fid^ aber um einen fold^en l^anbelt, beh)eift £e 2b, 50 f., too
bon ber Äauffumntc bie Siebe ift, bie bei bcr 2lu^löfung in 3lnfc^lag gebrad^t h)erbcn foD.
6 2)iefe Summe ift fid^erlid^ nid^t in ben 33efi^ be« Änec^tcg übergegangen ; fonft ^ätlc er
fidi ja jeber^eit felber toiebcr freifaufen fönnen. 2>er 2llt läfet fi^ im allgemeinen nur
bcnlen, wznn bcr Sctrcffenbc tücgcn einer ©ummc, bie er jurüdfbcjal^Ien foHtc, unb nicbt
erftatten lonntc, unfrei geworben ift (ate ©d^ulbncr, au^nai^m^Jücifc 2)icb), in tocld^em
SJalt el^cr ju überfe^en lüärc: „totnn bir öcrfauft tüirb" al^ „iDcnn fid^ bir bcriauft".
10 Se^tereö ift immerhin aud^ benfbar im Slidf auf 3lm 8, ß, tvo l^abgicrigc Äorn^änblcr
ben ^reig fo in bie §öl^c treiben, bafe ber 3(rme, um nid^t ju bcr^ungcrn ober um
feinen Slcter befäen ^u fönnen, fid; ober bie Seinigen il^nen leibeigen juf^red^en mufe für
ben ©elbtücrt, ben fie i^m an ©ctreibe liefern. Sgl. bie SScrarmung alö ©runb bcr
Unfrcil^cit audb Sc 25, 39. 47.
15 2>er ^reiö eine« ©Ilaben fd^ioanlte natürlid^ nac^ feinen ©igenfd^aften (®cfd^lcc^t,
3lltcr, ©efunbl^cit, Sciftung^fäl^igfcit) unb nad) bem 3Scrl^ältnig t)on 9lngcbot unb 9Ja*=
frage. 9iad^ bem 5Durc^fc^nitt^^rei« ift (S? 21, 32 bie ©umme t)on 30 ©ilbcrfc^cfel ak
SBctrag bcr iscrgütung an ben ßigentümer für ben burc^ ben Dd^fen eincö anbcrn^crrn
getöteten Seibeigenen männli|^en ober iDciblid^cn ©cfd^lcd^t^ angefefet. ®inc genauere
20©fala, bie auc^ für bie ©d^ä^ung bcr Scibeigenen Icl^rreic^ ift, ftcut P für bicjcnigcn
auf, lücld^e fid^ fetbft bem ^ienft bc^ ^ciligtum^ gelobt l^abcn unb eine äuglöfung cnt=
richten f ollen Sc 27, 2 ff.: Unter 5 Sauren Änabc 5, 5Wäbc^en 3 ©c^efcl; bon 5—20 ^abrcn
Jünglinge 20, Jungfrauen 10 ©d^ctcl; bon 20— GO Jahren 3Känncr 50, SBcibcr 30;
©d^cfcl; Don GOaufiüärtö 3Känner 15, grauen 10 ©c^cfcl. 2)icg ftimmt lücfentlic^ mit
25 jenem i)urc^fd^nitteijreig bon 30 ©d^elcl (B) übcrcin. 3lu(^ bcr $rci«, ben 3of. Ant. 12,
2, 3 für gefangene '^nhm nennt, 120 3)rac^mcn ^er Äojjf, ^ält fxö^ nod^ faft auf bcr^
fclben ^ö^e. ®cr 3:almub betont aber mit 9lcd;t bie gro^e 3Scrfd^icbcn^cit bc^ 9Scrfcbr^=
Jücrt^ einc^ ©Haben je nacb feinen (gigcnfd^aften unb ben SScr^ältniffcn.
2^ie 3) au er ber Scibcigcnfc^aft \vax bei ben ©Haben i^raclitifc^cn S3lut^, nicbt aber
^ 30 bei ben übrigen, eine burd; ba^ ©efe^ begrenzte. ®g entfj)rid^t iai ber oben angcbcutctcn
3^ee, ba^ bcr IJ^raclit feiner Jytci^cit nie gänjlid^ entäufecrt tbcrbcn foHtc. 6^ lommen
bafür jtbcicrlei SScrorbnungen in Sctrad^t: cinerfeit« @J 21, 1—11 (B) unb St 15,
12— 18 (D), anberfeit^ £e25, 39— 55 (P). 2>ic beiben crftern bcftimmcn folgcnbc^:
2Öenn ein J^^^^^i^^ c^"^" 3Solfegcnoffcn gefauft ^at, fo fott bcffcn 3)icnftj\cit nur
35 fed^^ ^cd}X^ betragen, im fiebcntcn foll er frei au^gel^en. 3)a^ biefcö ®efc§ aucb ben
tbcgcn 2)icbftal^te SJcrIauftcn ju gute lommen fotlte, ift ioa^rfd^cinlic^. Sic jübifcbc
Irabition bc^og c^ fogar blof; auf folc^c. 3Sgl. auc^ ^o\. Ant. 16, 1, 1; $^tlo, de spec.
leg. M. II, 336. .^ammurabi beifügt § 117 für ben infolbcntcn ©d^ulbncr brci ^al^n:
Ribang^arbcit im ^aufe be<J „5läufer^", im bicrtcn foll er freigegeben iDcrbcn. Sic
40 ^eben ^al}x^ mögen auf altem $er!ommcn berufen (bgl. ®cn 29, 18), finb aber im
®cfc^ bcr ©abbatl^pcriobc nac^gcbilbet, oblDobl natürlich bie grcilaffung nid^t gcrabc mit
bem ©abbatbja^r pfammenfiel. 2öic biefei fd^cint bie greilaffung bcr Äncdbtc im
fiebcntcn $^^l^re meiftcne berfäumt hjorbcn ^u fein. Über ben aufecrorbcntlid^cn gall
!5cr 34, 8 ff., ber bamit ;|ufammcn^ängt, fic^e meinen Kommentar j. b. ©t. Sic Gnt=
45 laffung im fiebcntcn ^aljx bcljnt D au^brüdlicb aud^ auf bie 5)Jagb auö, iüä^rcnb B
babon fc^toeigt, tocil er nur bon in bie ßt;c trctcnbcn tociblid^cn Scibeigenen l^anbclt, bei
hjclc^en biefclbc natürlid) tocgficl. ©bcnfo ift bem D cigentümlid^ bie bun^cinc Scftini^
mung, bafe bie ßntlaffcncn, Äned^t unb SUtagb, eine Sluöftcucr an Siaturalicn (bon Älein=
bicb, 3;cnne unb 5!clter) mit auf ben SBcg betommen foBcn, um leidster fic^ toicbcr
50 felbftftänbig einrichten ju fönnen.
^iluf bicfc grcilafjung im fiebcntcn ^ahx !onntc jcbod^ ber Äncd^t nad^ B unb D
freiwillig ber;id^ten. B fü^rt für fold)cn 2?cr|^id^t ate na^elicgcnbcn ®runb neben bcr
Siebe jum 93(ciftcr an, ba^ er grau unb Äinbcr in ber Äncc^tfc^aft befommcn (nicbt
^ttva mitgcbracbt) }:}at, fo bafe er biefc jurüdlaffen müfetc. 6^ ^anbclt fic^ babci um
55 eine nic^ti^raclitifd;c !3iiagb feinet §crrn, bie ibm jur ®^c gegeben loorben. Siefc ^ttc
fein -"Ke^t auf grcilaffung, cbcnfoibcnig bie Sinber. 3lud; eine ^cbräifd^c ®attin $ättc
übrigen^ bor bcr grcilaffung nad; St 15, 12 iljrc fcd;^ ^al}XQ abbiencn muffen. D meint
bafi^fclbc, iocnn er allgemeiner bie Vicbc ^um .sjcrrn unb bcffcn $aufc al^ ®runb angiebt,
bcr ben Äned^t ^um JMcibcn bctocgen fönnc. Siefer 3?er|;ic^t foll nac^ B jucrft „bor
GO ©Ott", b. f). urf^jrünglic^ am Heiligtum, bann über]^auj)t an bcr ©cri^t^ftättc erflärt
@Hatierct (et ben Hebräern 421
tücrbcn, tüo^l namentlid^ um bic grcilüilliöfeit jcnc^ @ntfd[;Iuf[c^ aufecr 3^^^^*' 5« fcbcn.
9Jac^ B unb D foll fobann bcr §err ben Änec^t an bic 2:üre ober ben lürj^foften
(feinet §aufe^) füllten unb il^m ba^ D\)x (hjal^rfc^einlid) ba^ rechte) mit bem Pfriemen
an benfelbcn ^eftcn jum ©l;mboI feiner bicibenbcn ^"Ö^^örigfeit gunt .^aufe unb2>ienft-
pflid^t in bemfelben. Äonfequent läfet D aud^ bcr 3Waab, bic ba^ Qan^ nic^t tjcrlaffen 5
\mü, bicfc^ SScrfal^ren ajjjjlijiercn, obgleid^ bie talmubifcpe Irabition c^ nic^t SKort l^aben
\mü. 3)urcl^ bic annähme, mit bcr Xürc unb bem lürjjfoftcn feien 6^21, 6 bicjcnigen
bc^ ©tabttore^ (^bn (g^ra, 'Jlbrabancl u. a.) ober bie be^ Heiligtum« (eiüalb) gemeint,
cntftünbc nic^t nur eine Differenz mit D, fonbem and) eine unt)erftänblidie Sejie^ung
ber .f)örigfeit auf bie ©tabt ober ba^ Oottc^^au^, toä^rcnb bie ^anblung felbftrcbenb ben lo
.Hne^t für alle 3eit an baö §au« feffeln foII. 2)a^ cbyb ©r 21, 0 unb abir -iiar
®t 15, 17 lann nid^tnac^ 3of. Ant. 4, 8, 28, 5Rafd^i u. a. erflärt toerben: bi^ jum 3iobeU
jal^r, fonbem bebeutet Icbenölänglid^. ©ie^e Dretti, ©^^nont^ma ber S^xt ©. 77 f.
5(nber^ begrenzt bie Äncd[;tfci^aft be^ §ebräcr^ ba« gobeljal^rgefe^ £e 25, 39 ff. (P).
®er i^raclitifc^e Sefi^er fott einen folc^en nur big jum ^obclja^r (f. 93b XVII, 294) 10
behalten unb bann famt feinen Äinbern frei au^c^en laffcn, bafe er ^um 33cft^tum feiner
i^dter jurüdfc^re. 2luf ben %ati, bafe bie iWuttcr eine ^eibnifd^^e Unfreie toar (6^21,4)
ift babei fein 93cjug genommen. 2)ie talmubifc^e Irabition freilid^ meint, in biefem
Jall feien bie Äinber in bcr Äncd^tfci^aft geblieben. 2)er i^raclitifd^e Seibcigenc eine«
beibnifd^cn Sefi^er« fott in biefem ^cftjal^r ebenfalls frei lücrbcn; too immer möglid^, 20
foUcn i^n aber gamilien= ober 3Soltegenoffen fd^on frül^er au^Iöfen. 2)ie« gefc^ie^t burd^
iJa^lung eine« ber Äauffummc unb ben 35ienftial^ren entf^ree^^enben greife«: iene©umme
um bie ber ©flatjc gelauft lüorben ift, follte nad^ £e 25, 50 ff. burd^ bie ©umme ber
ga^rc t)on bcr 3?erlauf«jeit bi« ^um Sobeljal^r biDibiert unb bie fo gewonnene 3^^! iwit
ber ^a\)\ bcr bi« jum ^obtl nod^ au^ftcl^cnben ^a\)x^ multijjlijicrt lücrbcn (5loioad). — j5
3)ie i^crorbnung be« P ftel^t ganx unvermittelt ntbtn ben im ganj^cn übercinftimmenben bc«
B unb D. isgl. bic ^ufammenftcBung bei Äleinert, 3)eut. ©. 55 ff. '^Slan i)ai ben 5IlUber=
f)jrud^ auf tjcrfc^icbcnc SÖcifc au«;\ugleidf^cn gefud^t, bod^ ol^ne einleud^tenben ßrfolg. 9)?an
nal^m gelüöl^nli^ an, £e 25, 40 fei nur in ben lefeten fec^« ^a\)xtn ber gobclperiobc ^ur
3tnn)cnbung gcfommen ; tüäl^rcnb bcr crften 44 ^al)xt bcrfelbcn ^aben B unb D gegolten. 30
©0 3. 2). SWic^acIi«, 3JJof. Siecht § 127; ^cngftcnbcrg, Beiträge III, 440; Ö^lcr, Sältt.
2:^coI. 3. aiufl. ©. 389. 2)ic« ftimmt aber nid^t mit Sc 25, 40. — Ober man erflärte,
c« l^anblc fid^ um Derfd^icbenc Klaffen t)on Unfreien. ©0 fafet ©aalfd^ü^, 9)lof. ""M^ä^i
©. 703 ff. unb etn)a« anbcr« 2lrd;äoI. II, 240 ben »cgriff „§ebräer" dg 21, 2 eigene
artig. 2)ittmann ju (Sj 25 bagegen bcnft bei P nur an fold^c, bic lücgcn SScrarmung 35
fidi frcilüiüig tjcriauften unb bencn frül^cre greilaffung, bie i^nen felbftt)erftänblid^ frei^
ftanb, ebenbe«^alb ^ t)or bem ^obd feinen Sinken gebrad^t hätU. ©0 liege eine 3(b=
toeic^ung blo« in abirb (B D). 3(Kcin biefer grcihjittigfcit ftc^t, ioie oben gejeigt, bie
auc^ bei P crnftlic^ gemeinte 3;i^atfad^e eine« 3Scrfauf« gegenüber. Stuf einen 3lu«gleid^ Der-
jiic^tcnb ncl^mcn anbere an, bafe biefe 3)iffcrenj lebiglic^ auf Derfd^iebene ?P^afen bcr ©efe^s 40
gebung jurücfjufül^ren fei, ioeld^c tjcränbcrtcn ß^i^berl^ältniffcn entfprac^cn. ©0 Äleinert,
bann Äuenen, SBcU^aufcn unb bie meiften 9leuem. S)iefe tjcrtocifcn in bcr Siegel P in
bie nac^CEÜifc^c ^eit, lüäl^renb Sillmann Sc 25 für älter anfielet aU D. S)a6 £e 25
nad^CEilif^cn Urf^rung tjcnatc, ift aber nid^t ju bel^aujjten. SBoi^lI^abenbc 9lid^ti«raeliten,
bie ^ebräifdie £cibeigene I^aben mod^ten, gab e« in Äanaan ju aütn Seiten, äuc^ fc|en 46
3J. 47 ff. t)orau«, bafe ^^xad bie ®crid^t«barfcit über folc^e ^remblinge bcfi^c, toä^renb
jjerftfc^c unb gried;ifd^c 2>icnftl^crm fic^ fic^erlid^ nid^t fold^e Sorfc^riften mad^en liefen.
Unaufgc^ellt bleibt, toenn P ba« jüngfte ®cfe^ toar, ber auffällige Umftanb, ba^ biefer
ben i«raelitifd^en £eibeigcncn fo frcunblid^ gefmntc ®efc^e«le^rer bie 3Sorfd^rift Dom
fiebcnten ^af)x nid^t erneuerte. 2)a6 biefe in ber $raji« fic^ fd^lücr burd^fül^ren liefe, eo
fonnte für iij^n nic^t mafegebenb fein, ba bcr 2>urdS^fü^rung bc« Sobeljal^r« nod^ h>eit
größere ©dj^lüierigfeitcn entgcgcnftanben.
2)ie gcfc^iditlic^e ©nttoidclung ber Skc^tö^raji« erflärt bal^cr, für fid^ allein gc^
nommen, biefe ftarfe Slblücic^ung bcr ©cfc^c nic^t gcnügenb. SBäa^rfd^einlid^ l^anbclte c«
[\d) in biefen 9Serorbnungen ioirflid^ urf^rüngli^ um DerfdS^iebene 9lrtcn bcr Unfrcil^eit, 65
mag bie« aud^ in bcr I^eutigen Siebaftion be« P ettoa« Dcrtoifd^t fein, ^n BD ^anbclt
e« fid^ um fold^e, bie einem anbern ju perfönlid^cr ^icnftleiftung herfallen fmb, ä^nlic^
tüie bei jenem babi>lomfc^en ©d^utbnergefe^. ^m ^ntcreffe i^rer Jjerfönlid^cn grei^eit,
bie nid^t lcben«länglicl^ aufgehoben fein foH, lüirb im ilnfd^lufe an bie 3^«^ ^^^ Babbati}-
'\af)x^ bie S)ienftjcit auf fe(^« '^af^xt, alfo bojjj)elt fo lang h)ie in Sab^lonicn, angcfe^t. w
422 SHaucret bei bcn Hebräern
ßinc CSntlaffung nad^ annäF^crnb einem falben Sa^^^unbert (P) bagcgcn toäre bon biefem
®cfidbtö})unft aus> gan^ unangemeffen unb meift toertlo« getocfen. 2)ö^ ®efe^ bc^ P
baßegen i)at agrarifc^en 6f;arafler unb 3ufa"^"i<^nl^ang. 6^ tpirb eigentlich auf bäuerliche
üeibeigcnfc^aft gc^cn, ivobei bie Oüter famt ben erblid^en 3"^flt^" "öd^ ^i"w langem
6 ^iSetiobc hjieber unabhängig iuerben foBen. Seibe Stec^t^grunbfä^e fönnen auf biefc 2Beife
in frü^e^g 2(ltcrtum jiunicfreic^en unb fogar mofaifd^en Urfjjrung^ fein. 2)ie Snftitution
be^ Sabbathja^rs; h)ie bie ebenfalls auf einem gabbat^c^Ilu^ beru^enbe Igobeljjeriobe bünft
un^ nod^ immer üerftänblid^er afö ibealer Gntlüurf be« großen ©c^ö^ferö ber i^raclitifc^en
Station, benn aB eine nid;! emft ju ne^menbe ^^antafte eineö gw^Ö^^-
10 I^ie Sie^anblung ber Seibeigenen iüar in biefem SSolfe eine Diel milbcre ate ettüa
im alten öettaö ober Slom, ober aud^ in ^^J^öni^ien unb Sab^lonien, in beffen ^ißraji^
§ammurabi^ ©efe^ einen nähern ßinblidt getüäl^rt. 2lllerbing^ toirb aud^ barin toom
mofaifc^en ®efe^ ein Unterfc^ieb jtoifd^en Seibeigenen au^ S^rael unb folc^^en fremben
Urfprung^ gemad^t, am ftärfften in ber J)riefterlic^en ©efe^gebung (Se 25), lüonacli ber
15 unfrei getvorbene Hebräer gar nid^t al^ Btla'oc, fonbem lüie ein lagelöij^ner ("i-^sr: freier
Slrbeiter, ber fid^ um Sol^n auf beftimmte ^Ät berbingt f^at) angefc^en unb bejubelt
lüerben foll(l^. :39f. 40). ?!Ran foU il^m nic^t atlguftrenge ober ben 3Wann enttoürbigenbe
arbeiten auflegen, toäl^renb ber frembe ©Habe bafür jur 33crfügung geftcllt toirb. aber
allen ol^ne äu^nal^me lam boc^ ba^ Sabbat^gefej^ ju gut alö eine im ältertum ein^ig=
20 artige äöol^ttl^at gerabe für bie bon I^arter 3lrbeit Selafieten. gerner lüurben nic^t nur
bie im 2)ienft geborenen ©Haben, fonbem in ber Siegel auc^ bie getauften befc^^nitten, alfo
in bie ©emeinbe S^i^be^^ aufgenommen unb erlangten baburd^ ba^ Siecht an ben rcligiöfen
geften, j^umal bem ^affal^ teilzunehmen dx, 12, 44; bgl. ®en 17, 12. gür i^re 3:eil=
nabme an ben Cfferma^l^eiten bgl. I)t 12, 12. 18; 16, 11. 14. 9?ad^ ber rabbinifc^en
25 Irabition burfte ^tbar ein l^eibnif^er ©flabe nid^t ^ur Sefc^neibung gegtoungen lüerben,
tuar aber, \vmn er ftc^ be^arrlic^ bagegen fträubte, nac^ einem ^a\}x Ibieber gu berlaufen,
au^cr \mnn er beim Eintritt in ben 3)ienft bie ^reil^eit bon ber SBefd^neibung ftd^ au^-
brüdtlid^ au^bebungen l^atte; im le^tern %aü burfte ber §err i^n für immer behalten.
(Sin befc^nittener ©Habe burfte nid^t mel^r an einen Reiben berlauft lüerben. ©. TtkU
30 jiner S. 58. — 211^ ©lieb ber religiös getüei^ten aSofl^enoffenfd^aft lonnten bie Änec^^te
felbftberftänblid; nid^t lüie bei anbern isöllern lüie eine red^tlofe Söare ober lüie ^au^
tierc geachtet lüerben. Die ßrmaljnungen, einen ©Haben nid^t ju järtlic^ gu bejubeln,
i^r29, 19. 21; bgl. ©i 30, 33 ff. [33, 25 ff. | finb bom ^äbagogifd^en ®efic^|t^unft auö
gegeben, bon lüelc^em au^ ja aud^ ftrenge Äinber^uc^t empfoj^len lüurbe. 3!)afe ber faule
35 5{nec^t mit bem ©toc! gejüd^tigt lüirb, l^ält man für unerläßlich, lüeil burd^ Drbnung unb
3uc^t gcforbert. 2lber ®raufamfeit lüurbe gea^nbet, unb jlüar nid^t blofe lüie in ^aht}-
lonieu, iüo man nur ben 35efi$er entfd;äbigcn mufete, lüenn man feinem ©Haben ein
3luge auggefd;lagen ober einen Snod^en gebrochen I^atte (^ammurabi 199. bgl. 219),
fonbern ber .v>err felber mufite, lüenn er feinem Änec^t ober feiner 3Bagb eine emftlic(»c
40 i>erki3ung bcibrad;te, Stuge ober ^al}n auöfdilug, bicfelben unentgeltlich freilaffen 6j21,26.
Über baö Sebcn beö Seibeigenen l^atte ber $err feine ®elüalt, 6j21, 20f. „SEBenn ein
$err feinen ftncd;t ober feine 3)iagb mit bem Qiabc fd^lägt unb er ftirbt unter feiner
.s^anb, fo foll c^ geräd^t lüerben." -JJac^ ber jübifc^en Irabition ^ätte ber $err in biefem
J^alle bie 2:obe^ftrafe, unb gloar burd^ ba^ ©c^loert, gu erleiben gehabt (f. ^ottinger,
4ö Juris hebr. leges p. (iO). 2^od^ ift ba^ cpr allgemeiner auf eine bom ®eric^t je nacb
iöefd)affenl?eit be^ J^atle^ ,^u beftinmienbe ©träfe gu begiel^en. @^ ift aber m bead^ten,
baf; bie ©teile nur bon ber Rötung eine^ ©Haben mit bem BtaU au^ änla^ einer
^vjüd^tigung, nic^>t bon borfä^lic^er lötung ^anbelt (bgl. bagegen bie3lu«brüdfe9?u85, 16—18).
5Dicfc fiel of?ne ^loeifcl unter ba^ ©efe^ (Sj 21, 12; Se 21, 17; bgl. ben ®egenfa$ 4n. 18
50 unb 2 1,21 f. SiUirbc bodh axid) nad) ägi;ptifd;em Steckte (Diod. I, 77) bie lötung eineö
©Haben gicid) ber eine^ freien gea^nbet. 2)agegen bei bem %aü, ben ba^ borlicgenbe
©cjcl^ bevüd)'idt)tii3t, foüte ^ioar auf feinen ^all ©traflofigfeit ftattfinben, aber e^ lüaren
bod; bie llniftanbe unb nad; i^nen ba^ ■JJJa^ ber ©träfe bon bem Slid^ter nö^cr ju er-
lüägen. il>enn jebod; ber ©flabe bie ,,^üdj)tigung einen ober j^Ujei läge überlebte, foll e*
55 nad> iv 2 1 nicl)t geaf)nbet toerben, benn „c^ ift fein ®elb", b. 1^. ber §ea ift bur^ bie
(Sinbufje, bie ihm ber 2üb be^ iined^te^ bringt, bereite |^ur ®enüge beftraft. 3)ie ^Ibficbt
ju töten, fonnte hier obnebin nicl)t borau^gefe^t lüerben. Übrigen^ lüirb audf^ biefc 9e=
ftininuing burd[) bie l:vabition bei|d>ärft; nad; biefer follte, lüenn ber $err fid^ jiur 3^^=
tigung cinci5 'Ii>crf,^cugcö bebient hatte, mit bem äugen fd^einlid^ eine töblic^c 3Scrlc|ung
«() .zugefügt iüerben mubte, aud) in bem galle, loenn ber 2^ob be«; ©flauen crft nad^ längerer
SHatieret bei btn ^ebrarm SHatieret itnb S^rtfÜeiititm 423
3cit erfolgte, bic 3:obe^ftrafe über ben $errn Derij^ängt toerben. — SBie ber ©Habe britten
$erjonen öcgenüber in ftrafred^tUc^er SBejie^ung geftellt tvax, barüber ift im Oefe^e nic^tg
beftimmt. 3iad^ ber Irabition h)urbc Rötung unb SSertDunbung eine^ ©Haben burd^
einen dritten ganj be^anbelt, lüie toenn fie an einem ^eien berübt toorben iüäre; ebenfo
njurbe natürlidj umgeleij^rt ber ©Habe be^anbelt (t)gl. 3JtieIjiner ©. 55). dagegen iüar 5
nad^ Mischna Jadajim 4, 7 ©treit unter ben 5ßl(;arifäem unb ©abbuiäem barüber, ob
für ben ©d^aben, ben ein ©flat)e einem 2)ritten angerichtet F^atte, er felbft ober fein ^en
beranttDortlic^ fei. 2)ie ©abbujäer befc^^toerten fiep barüber, ba^ nad) ber 2lnfic^t ber
^^arifäer ber Äerr too^I jum Srfafe be« bur* fein 33ie^ angerichteten ©d^aben^ uer^
^flid^tet fei, ni^t aber DeranttDortIi(| fein foue für ba^ Unheil, bag fein ©Habe an^ 10
gerietet; Wogegen nun bie ?pi^arifäer ben Unterfc^ieb be^ mit 35emunft begabten Söefen^
unb be^ SJie^e« geltenb machten; fonft lönnte ber ©Habe, toenn i^n fein §err erjümt
ij^at, ^inge^cn unb baS (Setreibe eineö anberen an^ünben, toa^ bann ber §err ju be*
jaulen ^ätte.
3n 33egug auf bie in bie engere S<»"^iK^ aufgunel^menbe i^raelitifc^e Seibeigene be^ 15
ftimmt (gg 21, 7—11 (B): SBirb fie ß^egenoffm, fo berbleibt fie immer bei iij^rem §erm.
Wifefättt fie biefem l^inter^er, fo foll er fie lo^faufen lafjen (enttoeber burd^ ben SJater
ober burd^ einen anbem g^raeüten, ber fie heiraten lüitt); ^ ift aber, nad^bem er an xfyc
treulos getuorben, nid^t befugt, fie an frembe Seute m berlaufen. §atte er fie nic^t für
fid^, fonbem für feinen ©o^n beftimmt, fo foII fie i^m h)ie eine lod^ter gelten, ^at er 20
fie für fid^ felbft genommen, nimmt aber eine anbere baju, fo barf er fie bod^ nid^t in
ben brei debita conjugalia berfürjen: 9{a^rung, ^leibung unb ^ein^o^nuna. — Sine
Rumäne Seftimmung finbet fic^ auc^^ ju ©unften ber im Ärieg erbeuteten 3un9Trau (eö ift
babei an eine nid^tiöraelitifc^c gebac^t), tpclc^e jemanb jumSBeibe nimmt: er foII i^r erft
einen 3Ronat ^Ät (äffen, i^re SBertpanbten gu betoeinen, e^e er fic^ mit i^r e^elic^ ber^ 25
binbet, 2)t21, 10—14. — Sin fciöneg 3^W0"^^ bafür, ba^ man bon altera l^er e^ al^
ein göttlid^eö Oebot anfa^, bie lÖeibeigenen nid^t in i^rem 9led;te ju Iränfen, bietet
$i 31, 13—15. @in im &anim recbt erträgliche^ £0« ber leibeigenen Wiener finbet man
^eute nod^ im Orient bei ben bertbanbten ^ölferfd^aften unter bem g^Iam.
3ur böHigen 3lufl^ebung ber ©Haberei ift e« auf bem 33obcn be« antifen ^ubcntum« ao
nur bei ben ©ffenern unb Il^eraj)euten gefommen. ©ie bertoarfen bie ©Haberei ate eine
mit ber allgemeinen iNerbrüberung ber 3Jlenfc^en ftreitenbe unb barum tDibernatürlid^e
©ac^e (f. 5p|ilo, Quod omn. prob. M. II, 457; de vit. contempl. II, 482). — ^m
in% feigen h)ir bon G^rifto unb ben Slpofteln bie bei ben ^n\>m unb ben i^^ben l^er^
gebrachte JRedj^t^etoo^nl^eit ber Seibeigenfd^aft nid^t auf bem SBege rec^tlid^er Sorfd^riften 36
belämjpft unb aufgel^oben. SBo^l aber mufete bie Offenbarung, be« 3Renfd^enfol^ne^ jur
öefeitigung eineö 'i^er^ältniffe« fül^ren, ba^ mit ber anerfc^affenen unb burd^ bie (Srlöfung
^ergefteßten aöttlic^en SBürbe be« 3Renjd^en im SBäiberfprud^e ftanb. 3""äc^ft ermahnen
bie ajjoftolifc^en Sriefe bic d^riftliclien Änec^te unb 3Bägbe gu unge^eud^eltem Oeborfam
gegen i^re ©ebieter (1 $t 2, 18 ff.; Qp\) 6, 5 ff.; Äol 3, 22 ff.), ba berßij^rift aOe ^Pflic^ten 40
be^ Seben« getoiffen^aft ju erfüllen ^at, unb feine innere SBürbe bor ®ott burc^ eine
äufeerlic^ abhängige Sec^t^fteHung nic^t beeinträd^tigt toirb (1 Äo 7, 21f.; ®a 3, 28;
Äol3, 11). 2)0^ betonen fie auc^ ben §erren gegenüber bie ^flic^t ber 9Kenfd^enfreunbs
lid^feit (gp^ 6, 9; Äol 4, 1). $aulu« beutet aber bereit« 1 Äo 7, 21 (nac^ ber rid^tigen
SrHärung) an, bafe bie bem (S^riftenftanb beffer entfjjred^enbe Stellung bie ber bürgere 46
lid^en ^ei^eit fei, unb l^at im ^pi^iF^monbrief ein muftergiltige« Sorbilb bafür gegeben,
tt)ie ber c^^riftlid^e Seigrer unbillige ober ber tieferen Drbnung ®otte« jutDiberlaufenbe
®eh)o^nbeitdrec^te nid^t burd^ 3*^^"0/ ^^^ bon innen ^erau« burd^ ben ®eift ber Siebe
foll JU burd^brec^en ibiffen. ». Orelli.
©Hoberci unb Gij^riftentum. - fiitteratur: $. 3)cjuft, L'esclavage, ^ori« 1873; 50
Xourmogne, Histoire do Tcsclavage ancieo et moderne, $avi^l880; (Sbeling, 3)ic @Hoüevei
Don ben ältcftcn Reiten bi§ auf bic ©ecjcntüart, ^obcrb. 1889. — 1. ^. ©allon, Histoire de
Tcsclavage dans Fantiquitö 1847, 3 ^bc ; *©. JRic^ter, 3)ic @!laDcrci im gricrfjiWcn 'Jntcrtumc
1886; (^ttorc (Siccotti, II tramonto della schiavitü nel mondo antico 1899 (boj^u SR. fiange
in ^H^ö XVI, 761— 770); ©b. gjeei)er, ^ie ©tlaoerci im ^lltcrtum, ga^rb. ber ©c^cftiftung 66
III, 1899, 191 ff. (ugl. i^nv ^^ebeutunfl ber Sflaoerei in ber Äaifcrjett (Sonrob« 3a^rb. f.
9kt.:0cf. 64, 1895, 696 ff. 748); % QJuiraub, La main d'oeuvre iodustrielle daos Fancienne
Gr^, ^Qtid 1900; Ü. 3eMtfc|, 3)ie ©Houcrei bei ben antifen 2)icbtern, in 3)rci ©pajicrgftngc
eincd Süicn Inö rioffifd)e 9(Itertum 1900, 119—178. 300—306; ftermann^Slümncr, ©riect).
^rioataltcrtiimcr*, 80 ff.; 3. ©urcft)arbt, C^riecl). Äiilturgcfcft. 1, 152 ff.; aRavquarbt, Privatleben eo
424 SHanerci unb S^riftentitiit
bei ^Hbmev^ 1886, 135 ff. 175 ff.; möm. etaat^uenualtung- II, 123 ff.; 2:t). ^Rommfcn, mh
mifd)e CMefd)ic^te II, 74—77; i!. grieblänbev, ©ittengefd).* I, 126 ff. 479ff.; 3R. ©c^ncibcipin,
'ifliitife .tnimanität206ff.; S.?. QJarbt^aufen, ^;iluguftu§ I, 907; II, 528 f.; G. SBcffea), 3)cnf-
fd)rijteu b. Sieiier 9lfabemie 47, 4. 81 f.
B 2. ^J3iö()Ier, 53vud)ftiicfe au^ ber (^efdjic^te ber ^luf^ebung ber ©ftaücrci 1834 (®ef. ©cfirr. II,
54—140); (f. 8d)mlbt, 3)ic bürgerlidic ®efcafd)aft in bcv altrom. ^clt unb i^rc llmgcftoltung
bind) ha^i (Sl)rifteutum, 1857, 67 ff. 194 ff. 364 392; 91. JRiDiferc, L'^glisc et Tesclavage,
"^axi^i 1864; .f). SSii^fcmonn, 2)ie ©flaociei (^aagev ^reis>fd)rift) 1866; ^lOarb, Lee esclaves
chnHions 1875; gr. Duerbec!, lieber ha^ SScr^äJtniiJ ber alten kird)t ^ux 6fIaDerei im röm.
lOJRcidic, 8tubicn .^ur Ö)efd)id)te ber alten ^ird)e 1875, 158 ff.; ©. 85. fiec^Ier, ©flauerci unb
(iöviftentimi, 1877—78, 2 33be; 3:^. gaftn, ©flaüerei unb (J^riftentum in ber alten 3öelt 1879
(©ri^jeu au-j bem fieben ber alten Sfirdjc» 62-105. 290—296); (S. fi. 93race, Gesta Christi,
1882 41—71; &. lU)I!)ürn, ^ie c^riftl. fiiebeöt^ätigfeit, 1882; 2:.93redjt, Sird)e u. ©flauerei,
1889; (sj. ^)lbil^llcntc, La schiavitü nei siioi rapporti coUa chiesa e collaicato, 1890; @. 2^cidi^
16 miiöer, ^tx ^influjs t>c^ (£&riftentnmö auf bie ©flaüerei, 1894; ?(. SerouScF, 3)ie anlif-
I)cibnitdie ©flauerei unb ba$ 6l)riflentuin, 1903; 91. .&arnacf, gjliffion 121 ff. 'I, 145 ff.; e. Don
a)übf(^iit^, Urc^riftlic^e 03eineinben, 31 ff. 87 ff. 245. 266—269; 91. Änopf, 9?ad)apoft. 3eitaltcr,
67 ff. 428.
3. ?)anüföfi. De Tabolition de IcBclavage ancien au moyen-dge et sa transforroation
20 en servitudc de glebe, $ari^ 1860; ^ournier, Lee affranchissementa du V« au XIII© siMe,
Kev. bist. XXI, 1883 ; O. Sanger, ©tlaüerei in (Suro^a ioä^renb ber legten Sö^rftunbcrte
be^ ^ittelalter<äi, 1891 ; 6J. g. Änapp, ^ic fianbarbeiter in ßnecfttfdjaft unb grcifteit, 1891 ;
g. ^. gngram, History of Slavery and Serfdom, 1895 (beutfcft üon fi. Äatfd)er 1895).
4. 91. .t)iiuf, SBerönberungen beö 9Jegerfflaoen]^anbeI§, ©öttinqen 1820, 2$3bc; 5>. tapp,
25 ®etd)id)te ber Stiaüerei in bcn ^er. ©tdaten von 9?orbamerifa, 1861 ; SKargraf, Äircfte unb
©flauerei feit ber ©ntbecfung 9(merifa^, 1866; 3- 91. 33racfett, The Negro in Man^land,
1889; 9l^. C£-. 33. bu ^üiö, The suppresßion of the Afriean Slave trade to the Uoited States
of America, y^eiu^^orf 1896; $). 91. gieblcr, 3)ie 9?egerfragc in ben SJer. ©taatcn uon
9lmcrifa, $3 CXVI, 1904, 65—108; 3. 91. Xiüing^aft, The Negio in Africa and
30 America, 1902.
5Bgl. bie au§fü^rlid)en 9(rt. ©flauerei in S3rocf§auö u. 3)?et)erö 5?ünu.:ficf., bei Scfcr
unb "©ehe {(iJnipp), Encyclop. Brit. (Sngrani) unb ^Unfrei^eit" in donrabö $)anbn)brterbucö
ber ©taatöiuijfenfij^aften (Örünberg).
^k ncuefte nationalöfononiifci^ orientierte ©cfd^ic^t^forfd^ung i}at bie lanbläufigen
35 SBorftcIIungen über Urfprung, SBcfen, SlugbeF^nung, ©cftaltung unb ätuf^cbung ber ©IIat)crei
einer fo grünblid^cn Unibilbung unterzogen, ba^ batjon anä^ bie ^age nad) bem 6in=
flufe be<> ßbriftcntunt!^ auf bie ©flatjcrci [tarl berührt U)irb. ©laubte mön frül^cr, ihm
o^ue ioeitereö bie 3luf^ebung biefe^ 3"P'^i»*^ «'^ SJerbienft jufd^reiben ju fönnen, fo
iüollcn il;m je^t nmnd^e jebcn ©influfe in biefcr rein lüirtfd^aftltcl^ ju bctrac^tenben
40 J^ragc abfprcd^en. §iftoriIcr unb 9iationalöIononicn überfc^en börin jum ©d^aben ber
Sa^e, ba^ bie tbcologifd;e 3Kttarbeit längft einen richtigen 3RittcliDeg eingcfc^lagcn fyit
2(ufgabc biefeö 2lrtifcl^ n)irb e^ fein, ben Ideologen bie neueren tDirtfd^aftgcfc^ic^tlic^en
3lnfd;auungen ^u übermitteln, i^ugleid; aber, bie je^t mcift unterfc^ä^ten religiö^-fittlic^cn
gattoren jur ©eltung ^^u bringen.
45 I. Über bcn Don bem G^riftentum Dorgcfunbencn ^i^P^"*^ ^^^ llaxz^ Silb ju gc-
iDinncn ift nid)t ganj leidet. 1. I)er Umfang ber ©flaDerei im 9lltcrtum, frül^cr bicl-
(cid;t übcrfdiii^t, luirb ncuerbingö e^er ^u gering öugefe^t. @r fc^toanftc fcl^r. gür
Cs3ricd)cnlanb bilbet ben .^öl;epunft bie ^cxt nadj ben ^^crfcrfriegen ; ba fonnte ein reifer
Ü^ürgcr 9(tl?cn^ allein lOoO ©Haben in bie t^ratif^cn Scrgiüerfe Vermieten (•l'eno^b.
bo jTOQoi IV, 11). ^^n ^Hom ift cö ba^ (Snbe ber Slepublil unb ber 2lnfang ber Äatferjeit;
bamalö luurbcn auf 2}clo^, bem $auftpla^ beö ©flabcnmarltc^, täglich 3){V^iaben um=
gcfctjt (Strabo XIV, 5,2). 9iad;^er nimmt bie ©tlaDcnjuful^r fc^r [tarf ab. Sc^ä^t
iBiarquarbt mit 9()(ii)0u bei GOU 000 freien bie 3abl ber ©Ilaben in ber ©tabt Siom
IM hod), fo 33clod;mit2— ;]00 000 gcioif; ,^u niebrig;'grieblänber I, GOf., ^ält bie 3)Jittc.
65 ®ic 400 im .<)aufc bc^ ©tabt^jräfcftcn ^i?ebaniu^ ©ecunbu^ fönnen nic^t fo überburt^-
fdjnittlid) fein, ti>cnu äluguftu^ burc^ bie lex Furia Caninia (®aiu^ 1, 42, ba^u^oncl,
Corpus legum 2:{f.) bie tcftamentarifc^cn greilaffungen auf l^öc^ftcn^ jebc^mal 100
cinfd>ränf t. ikin anftänbigcr 3)tann gebt o^ne ©flabcnbcgleitung au^ ; bie Slömcr l^ielten
iücit \\kI)x X?uru^f!laDcn al^ bie auf Wcioinn au^gc^enben ©riechen (Slt^enäu^ VI, 272d).
60 SDic '3J(affc ber ©Üabcu iv>ar aber bod; im lanbh)irtfd;aftlid;en unb inbuftriellcn ©ro6=
betrieb bcjd^äftigt.
©cunfe ift ber freie 9(rbcitcr nie gan^ Don bem ©Haben bcrbrängt tborben, am
lücnigftcn in bcn ^^irobinjcn. gür 'jigt;)3tcn l;aben U. 2i}iWen, Oftrafa I, 695 ff. unb
SHatierei uub ^^rifietttitiit 425
6. aBad^gnmtl^, ^a\)xh, f. 3Jat.-ÖI. 74, 1900, 798 (Sb. 3)kl;cr^ 3luefü{;runöcn bcftätigt;
für ^aläftina t^un bic^ bic etjangclien, bic un^ neben bcn davXoi 3)k 13, 3 1 u. ö. bic
egyarai 3Kt 20, 1 ff., jluo ßcoroi "iJlc 1,20, fAio^ioi Sc 15, 17 ^ciöen. ©rcilid; tpar
grofeer Sflal^enbcfi^ aud^ ein jübifc^e^ S^cal, Oen 12, 16; 14, 14; §i 1, ;5; ÄoF^ 2, 7;
nad^ @^r2, 64; 9Je^ 7, 67 lamen mit 42360 ^^raeliten awi) 7337 ©flauen aw^ bcm 5
(Sjil jurüct). 2lber bic billigere 2(rbeit«Jlraft ^ai bod^ bem ©Habenbetrieb auf bcn Sanb^
gutem, in Sergtpericn unb ©teinbrüd^cn, in gabrifen unb aud^ im §anbn)erl^= unb
©cnjerbebetrieb ber ©rofeftäbte ba« Übergetoid^t Derfc^afft. ©flauen finben fid^ in allen
möglichen ©teUungen.
2. ßbenfo ftel^t e^ mit ber Sel^anblung ber ©Ilaben: tuurbc f rüber bic ®rau= 10
famleit überfd^ä^t, inbem man fid^ aa einzelne, bod^ nur atö auffatlenb überlieferte Sei-
fpiele ^ielt, fo fällt man je^t in ben entgegengefe^ten ??e^lcr; nad^ 3<^"*f^ f*^"^ "i ^<^
2tntile bic ^ragiö fo I^od^ über ber 2:^eorie al^ bei un^ unter i^r. Sluc^ ^ier mu| man
örtlich unb jeitlid^ fd[;arf unterfd^eibcn. 3" ^^^ ^atriard^alifd^en 3icr^ältniffen ber dlteften
^>^eit gel^ört ber meift frieg^gefangene ©Habe ^ur ^amilie unb iuirb alö fold^er gel^alten. 15
Gö bat bon ben 2;agen be^ ©umaioö an immer unb überaß freunblic^e .s^errn unb treu*
ergebene ©Haben gegeben, auc^ aU bie ä5er^ältnif[e fid^ umgeftaltet l;atten (f. bie Sei^
fpielfammlung für ©elbftauf Opferung treuer ©Haben bei©eneca, de benef. III, 18—28,
^ij?aaob. I, 11, 16—40) 3" ®riec^enlanb l^atten aud^ fpäter bie ©Haben grofee J^rei-
Reiten, jumal in 9ltl^en (Xenoj)!;., rep. Athen. 1, 10). 3" ^^lom bagegen I^errfc^te eifeme 20
(Strenge, fd^on im §aufe: mand^e §enen bcrboten jebe^ unaufgeforbcrte ©pred^en
(^lutard^, degarrul. 18; ©eneca, epist. 47,3; SJacrob. I, 11, 15). SJollenb« imföro^-
betrieb, h)o fid^ jlbifc^en §crm unb ©Haben ber meift bem ©Habenftanb entfjjroffene,
natürlid^ graufame äuffe^er cinfc^ob (bgl. ?!Rt 24, 49). 3*^^^ arbeitete aud^ ber ätdter^
ftlabe auf ben Satifunbien für gelbö^nlid^ ungefcffelt unb ioar leiblid^ gehalten ; 3)iommfen^ 25
bcfanntcr SJergleic^ mit ben Jie^erfHaben ber ameritanifd^en ^lantagen trifft faum basJ
richtige, ©raufam ioaren nur bie ©trafen, ioelc^e bie ©efügigleit fiebern unb bon bem
entlaufen abfc^tecfen foDten: fd^toere ßü^tigung, ^^fl^I""9^ 9lrbeit in ber 2:retmül^le,
im 3*binger, in ©teinbrüd^en unb SBergtoerlen. 3lber bie ©Habenaufftänbe betoeifen,
h)el^ übermäßiger ©ebrau^ bon biefen „©trafen" gemad^t tburbe. 6in ©jjrid^tbort mie 30
totidem hostes quot servi (©eneca, ep. V, 6 [471,5; 3Racrob. I, 11, 13) fagt genug.
©etoife l^atte e^ mand^er ©Habe beffer loie biele ^eie, h)enn er in bomel^mem ^aufe
;;u jjerfönlic^er Sebienung be^ §erm beftimmt, oft großen ßinflufe erlangte; bie ©unft
laiferlic^er ©Haben tburbe bon ©enatoren umtüorben. 2lu(^| ber felbftftänbig in ipanbel
unb ©etoerbe arbeitenbe ©Habe, ber bem $erm nur eine beftimmte älbgabe ^u entrichten 35
l^atte, baneben aber für fid^ bcrbienen fonnte, mar ^iemlid^ frei. Siele iocrben bon gugenb
auf an nid^t« anbere^ getoöbnt, i^r ©Habenlog atö felbftberftänblid^ l^ingenommen, mand^c
avi6^ bei ber 38er))flegung burc^ ben .^errn fic^ in relatib forgenlofer ßjiftenn XodifX bc«
funben ^aben (^^ilemon, Xagaeg 227, II, 536 Äodt). Slber jebcr Xag fonnte il^n in
anbere ^änbe bringen. Unb toenn auc^ gefc^riebene^ unb ungefd^riebeneö Siedet bem 40
©ftaben n\ani)m ©c^u^ bot, er blieb red^tlid^ bod^ nur Sefi^gegenftanb (res corporalis
©aiu« 2, 13), rec^tlog ber SBittfür bee ^enn J)reiggegeben, ber ij^ärtefte ©träfe um beg
geringften JJerfel^eng hjiHen, ja aug Saune berl^ängen fonnte. 2)aft SJebiuö ^oDio ©ftaben
njegen Heinftcr Ungefc^idElid^feiten feinen SDfuräncn al« gutter bortperfen lieg, fanb jlbar
Stabel, gefd^al^ aber boc^ (2)io (Saffiug 54, 23 ; ©eneca, dem. I, 18; dial. V, 40, 2; 45
^liniug h. n. IX, 23). Söag bon ©raufamfeiten eitler grauen berichtet Ibirb, ift
getüife ebenfo tüenig übertrieben, aU )n)mn bie Äomöbie ben ©Haben meift aU faul,
gefräffig, berfc^lagen, biebifd[^, auf ben ©d^aben beg Aperm bebac^t .^eid^net. SKie foUte ber
©Habe auc^ anberg fein*:? Sittliche 9)lenfc^entüürbe iourbe an iljm nid^t geartet, ioie
fic^ am meiften in ben gefd^led^tlid^en fragen ^eigt. ©ein 2eib ioar preisgegeben (2)io 50
G^rVfoft. or. XV, 5). 2ln alleg, iüag mit gamilie jufammcn^ängt, l^atte er fein Siecht;
Ibag beg §enn ©unft il^m in biefer §infid[^t berftattetc, toar ftetg tüiberruflic^ ; bonSöeib
unb Äinbcm fonnte er getrennt toerben. 2llg 3^"0"i^ ^^^ ©cric^t galt nur bie 3lug=
fagc auf ber golter (3Jlommfen, ©trafrec^t 416f.). daneben fdieint boc^ h)ieber in
rcligiöfcr §infu^t grei^eit getoäl^rt unb Siüdtfic^t genommen toorben ^u fein (Surcf^arbt 05
II, 134; fierdfenrati^, ©rabinfd^riften 49).
2)ie Sttntife fommt eben nicbt ^inaug über ben a^iberfprud^, baß ber ©flabe ein
SRenfc^ ift (^l^ilemon, ßjoifig. 22, II, 484 Äod, bgl. bie ©ammlung bon 3)ic^ter=
toorten bei ©tobäug, florileg. 62 unb aJJacrobiug I, 11) unb boc^ nur ein ^ing,
ävÖQdnodoVf mancipium, ein ögyavov ober xifjjLia e/üiipvxov i^^\ioi., ethic. Nicom. eo
426 Sflatierct nnb S^riftetttitiit
VIII, 11,6, polit. I, 2,4). %üx Pato (legg. VI, 10) ift er ein SBefen nicberer Crb=
nung, Don bcr 5latur nur mit Äörjjerlraft unb I^alber SSemunft (§omcr, Od. 17, 332)
au^ßeftattet. grcilid^ tüarcn bie ©Haben ber 3)te^rjal^l nad^ Sarbaren {^lat, rep. V, 15,
p. 469 ; Xmop\)., mem. II, 7, 6), alfo für ben ©riechen nur ^albmenfc^en. ^er alt=
srönüfc^c 6ato rechnet fieju ben STctergeräten unb iveift jte jum SJie^ auf bie ©preu.
Äne^t unb 3?ie^ fte^en 6^20, 10; ®t 5, 14 fo gut jufammen h)ie im altgermanift^en
unb Icltifc^en Siedet (MG LL, III, 660. 662; 'I, 2, 1, 112; aBafjerfd^Ieben, »ufeorb^
nungen 124 ff.).
3. ®egen @nbe ber $Rcpublif ba^nt fid^ ein Umfc^toung in Beurteilung unb 8e=
10 I^anblung ber ©flatjen an. SRom lernt aud^ hierin bon ©ried^enlanb. SWufeten boc^
bie römifd^en Ferren bie überlegene Silbung ber iij^nen maffentoeife in bie Äänbc faHen-
ben gried^ifc^en ©Ilatjen (Orac. Sib. III, 525) einfac^^ anerfennen. 3)iefe brad^ten aud^
ba^ freiere Senel^men Der ©riechen mit. Unb bie ben JRömem fo imjjonierenbc ftoif(^e
^l^ilofop^ie t)er^alf mit iij^rer Se^re bon ber natürlid^en ©leic^^eit atter 9Kenf(^en oucb
16 ben 9)lenfd^enrec^ten ber ©Matten m immer allgemeinerer älnerlennung. ^attc boc^
ß^rvrw ben ©flauen für einen „Öol^narbeiter auf 2)auer" mercenarius perpetuus
(©eneca, debenef. III, 22, 1) erllärt. 3^)^?^^" Cicero unb uro enttpidtelt jtc^^ ein ec^tc^
Sreunbfd^aft^berbältni^. Der Sanblüirt ßolumella tjerlel^rt fo famerabfd^aftlic^ mit feinen
Hatten, toie eö fd[^on .teno^jl^on im Difonomifo« Verlangt l^tte. piniu« betrachtet pe
20 afö feine bienenben greunbe unb Iä|t il^nen bie grei^eit nac^ ^Belieben ju berfd^enlcn
unb teftamentarifc^ ju t)erfügen, freilid^ mit ber d^arafterifttjc^^en Sefc^^ränlung dumtaxat
intra domum; ber ©Ilatjebarf bieSrenje ber familia nid^t überfd^reiten (ep. VIII, 16).
©eneca befämpft bie grauf ame Sel^anblung : homo res sacra homini ep. 95 unb be^
ftreitet bie I^eorie, bafe alleö, tva^ ber ©Ilat)e tlj^ue, nur fd^ulbige ^Pflic^^t fei (t)gl. £c
25 17, 10), er fönne bem §erm audj^ SBol^lt^at enoeifen, benef. III, 18—28; dem. I,
17 f. (Sjjiftet, einft felbft ©flatje, beflamicrt über bie innere fittlic^e greij^eit unb Unfreie
l^eit, bie mit bem äußeren ©tanb nic^t^ gu t^un f}ab^ (Diss. I, 13). Über bie in Sil-
bung i^ertjorragenben ©flatjen fc^reibt §ermij)p, einer aug ibrer ÜRitte, ein eigne« SBerf
(©uiba« s. V. "Eg/uiTuiog unb ^largog; FHG III, 35; bgl. SKacrob. I, 11, 41—45).
80 ^lutarc^ berlangt 2lIter«bcrforgung für abgearbeitete (6ato 5). 2)er S^nft Uip'xan (geft.
228) fü^rt biefe Sluffaffungen auc^ in ba« Siecht ein, inbem er Dig. I, 1, 4, au^brüd^
lic^ formuliert : iure natural! omnes liberi nascuntur ; quod attinet ad ius ci vile
servi pro nullis habentur (b. l). nad) bem ^iftorifd^en Siecht ift ber ©flatoe leine
$erfon), non tarnen et iure natural!, quia quod ad ius naturale attinet omnes
86 homines aequales sunt.
Den Umfc^iüung ber 3Solf^uffaffung ^xi ©unften l^umaner S3e^anblung ber ©IIat>cn
jeigen bie 3Sorgänge nad^ ber ©rmorbung be« ©tabniräfeften ^ebaniu« ©ecunbu« im
3;al^re 61 (lacituö, ann. XIV, 42 ff.): nur mit SDlül^e JEonnte ber ©enat bamal« no(^
ba^ alte ftrcnge Siecht, tDonac^ alle im Slugenblirf ber %f)at im ^aufe antoefenben ©flauen
40 — c^ ioaren 400 — bem lob berfaUen njaren, burd^fü^ren. Unter $abrian ttjurbc
ba^ ©cfc^ abgcänbcrt; biefer Äaifcr ent^iel^t aud^ ben §erren ba« lötung^red^t : bcr
Sflat)e ift — toie ba^ in ®ried[^entanb bon je^er Siedeten« toar (äntipl^., de caede
Herod. 48; I)cmoft^., de foed. c. Alex. 3) Dom öffenttid^en ©eric^t abjuurteilen.
3?erfauf in bie ©labiatorcnfd^ule ober baö Sorbett ift nur unter Slngabe eine« triftigen
45 ©runbcg geftattet. ^ic ^oltcr fott cingefd^ränft, bie ergastula fotten befeitigt toerbat
(©partian, vita Hadr. 18, 7—11; Inst. I, 1, 8,2 fül^rt bie« auf eine Äonftitution
bc^ Slntoninu« ^iu« j^urüdt). ?!Rarc 3lurcl gicbt ben ©Itatjen fogar ba« Siecht in ©ac^cn
Dcrfprod;encr greilaffung ben §errn t)or ©eric^t ^u forbem unb tpegen Ünterbrürfung
cine^^ gu ibrcn ©unften lautcnbcn 3;eftament« ju Ilagen. greilaffungen toerben immer
5() mc^r crlcii^tcrt, unb bie gcfc^enfte ober ertüorbene greil^eit toirb gegen ben SSerfuc^, fie
toicbcr ^u nickte gu mad^en, gcfd^ü^t (Cod. Theod. IV, 8).
©0 ift in ber ©cfe^gcbung be^ bcibnifd^en ))iom^ eine fortlüä^renbe Stufbefferung
bcr i?agc bcr ©flauen nic^t ;\u Dcrfcnnen. G^rifttic^c ©inflüffe fmb babei nic^t nac^ju-
hjcifcn unb tbatfäd>lid; cbcnfo unn?abrfd;cinlic^ aU ber t)on anberer ©eite be^aujjtctc
55 ]übifd>e (Sinfluift. ©ci ben ^ubcn ift frcilid; bcr bumanc 3ug ^^cit älter: er finbct fic^ fdjon
in bcr bcutcronomiftifd}cn ©cfct^gcbung ^t 15, 14 ff. ; 23, 16 ff. (t)gl. 9?oh)adf, ^ebr. 3lr(bäoI.
I, 173—180), ,sSi31, 13—15 ift ba^ Wenfcbcnrcd^t bc^S ©flaben ali eine«' gleic^ertücifc
t)on ©Ott crfd;»affcncn tiefer crfafet aU irgcnbiüo in bcr ©loa. 2lber e« ift jjunäd^ft nur
bcr Stlaüc aui^ ben eignen iU^lt^gcnoffcn, bem bie gürforge gilt : er mufe im 7. ^obrc
(50 toiebcr frcigclaffcn tocrbcn, CS]c21,2ff.; .5er34, 8ff. ^en nic^ti^raelitifd^en ©Haben bc-
SHatiem nub S^rifientitm 427
urteilt and) noc^ bcr lalmub nid^t önbcrö atö ba^ SJicl^ (Aboda zara I, 4, fol. 13*»).
Sotocit fi(^ bei ben bon "iRatur J^arten Sömem ein l^umaner 3^9 fleltenb mad^t, ift er
auf ben öerebclnben ©influfe ©ried^enlanb^ ^urücfgufül(iren. 25ie ^a^Ireid^en greilaffungen
fmb h)ic bie großartigen Sauten unb bie glän^enben Sjjiele Sluöfluß ber großt^uerifc^en
9Jeigung. 3" ^i"^ llbfd^affung ber ©flat^erei, h)ie Dberbedt meint, toäre e^ bon biefen 6
Siorau^fe^ungen au^ bo^ nid^t gefommen.
(Sinen 3^f*<*"t^ *>^"^ ©Hatten fann bie äntife ftd^ nic^t benfen. 5Jur aU ^j^ilo-
fojj^ifd^e Utoj)ie erfd^eint er ^ie unb ba (Dgl. SRoij^be, ®ried^. 3loman\ 196 ff.)- 3" ^^"^
golbenen ^^'italt^, toic eg Äomöbienbid^ter (^ufammengefteDt bei Stt^enäu^, deipnos. VI,
94— 98)unb$l^ilofo})^en(5.Ö. ^piato imTimaeus u.Kritias)f(^iIbem, brandete man freiließ lo
feine ©Hatten (3J?acrobiu«, saturn. I, 7, 26), ebenfo tüenig in bem ©dj^laraffenlanbe
Sucian« {äXt]&. lax, II, 11 ff.) ober bei ben ©t^mnofojj^iften be« $f. Gattift^. III, 6.9.
3)er Erinnerung an jene golbene 3^^* foUten bie römifc^en ©atumalien unb äl^nlid^e
©Ilat)enfefte in Sitten, fi^bonia unb fonft getoibmet fein, auf gried^ifd^e SJorbilber,
nid^t flJejiett d^riftlic^e 3^^^*^^ Ö^^t aud^ bie ©d^ilberung beö Ootte^Ianbe^ in ben arab.- 15
ät^io^. uRatt^äu^aften (p. 104 2en>i«, 119 Subge) jurücf; bgl. Orac. Sib. VIII, 110
(jübifc^): ©leid^^eit im $abe« = II, 323 (d^riftli^): gleic^^e ©eligfeit. aCBo ber Serfud^
gemad^t lüorben ift, jene Utojjien in Ileinem Äreife gu DertDirllic^en, bei ben ©ffenem im
Dftjorbanlanbe (^ofejjl^u^, arch. XVIII, 21), bei ben äg^j)tifc^en 3:^craj)euten (^^ilo,
de vita contempi. p. 109 Gon^beare), unb in gnoftif^en ©eften toie bem Äommu= 20
niftentjerein beö Äar^)o!ratianer« ©pijjl^ane« (Slem. älej., ström. III, 2, 6), tritt meift
auc^ ber Oebanfe ^erbor: leine ©Hatten! S)ie noth>enbige Sebienung beforgen bie
jüngeren, ganj fo toie eö limäu^ (bei 2lt^enäu« VI, 86) bon ben ^I^olem unb ßofrem
fdiilbert.
II. 2)a« S^riftentum l^at mit fold^en SBeftrebungen nid^t« gemein. SBie falfd^ ber 26
^erfud^ (Äalt^off«) ift, e« an^ fojialiftifc^^en lenbenjen, au^ ®manjii)ation^eIüften be«
Proletariats herleiten ^n tootten, erl^ellt grabe l^ier. ®ag (S^riftentum übernimmt einfad^
bie ©flat)erei ate einen nottoenbigen Seftanbteil ber antifen Äultur. 9lid^t einmal ber
®ebanfe, bafe ©Ilaöerei im ^rtnjip berttjerflid^ unb i^e Slbfd^affung nur mit SRiidtfic^t
auf bie 3Ser]^ältniffe ^inauSj^ufAieben fei (5)töl^lcr, 33aur, 6l(;riftentum unb Äird^e 369) 30
läfet ftd^ irgenbtoo in altd^riftlid^en Duellen belegen. 3efu« fe^t in ben Oleid^niffen ba«
aScr^ältni« t)on§erm unb ©Hatten einfad^ t)orau«: 3Jlc 13, 34; 3Rt 18, 23 ff.; 25, 14ff.;
Sc 12, 42ff.; 17, 7 ff.; lein 2Bort über Unred^tmäfeigtett! ^aulu« erllärt au^brücflic^,
baß ba« Sl;riftentum bie beftel^enben SSerl^ältniffe nic^t aufl(;ebt: toer ate ©Habe berufen
tourbe, foU ©Itoe bleiben, felbft toenn er bie greil^eit erlangen fönnte (biefe fc^on t)on 36
ben SSätem Vertretene allein rid^tige 3)eutung be« /näUov xQV^^f^ i" ^ ^^ '^f 2^ f^*
fid^ tro| Sutber, Galüin, 3Jeanber, §ofmann, ®obet u. a. neuerbing« immer allgemeiner
burc^^, f. U^l^om, SBeijfärfer, §einrici, ©d^miebel, §amacf u. f. f.). 9lud^ in bem Srief
an ^^ilemon beutet er nirgenb« ben Söunjd^ an, Dnefimu« frei^iulafjen, auc^ nic^t in
V. 16; nur milbe 93el^anblung be« nac^ ®efe^ unb Srauc^ ftrengfter ©träfe SSerfattenen 40
h>ill $aulu« burd^ feine gürfjjrac^e erjielen. ©0 finben toir überaß in ben j^eibend^rift«
liefen ®emeinben — über bie jubencpriftlid^en ftnb lüir troft 31® 12, 13 (bagegen ettoa
3a 5, 4; aJlt20, Iff.) nic^t l;inreic^enb unterrid^tet — ©Iiat)en, unb fivax in großer
3abl; l^ierij^er gehören bie Seute ber S^loe 1 Äo 1, 11, bie au« ben ©Ilabenfamilien
be« äriftobul, be« Siarcife 9lö 16, 10. 11, be« faiferlic^en §aufe« 5p^i 4, 22. Iro^bem 16
ift e« falfd^, fid^ bie älteften ®emeinben überlüiegenb al« ©Ilatjentjereine borjufteHen.
ßelfu« l^atte ba« Gbriftentum gerabeju al« Sieligion ber Ungebilbeten, ©Hatten unb 5Keiber
bejeic^net; Drigene« c. Geis. III, 44—49 na^m ben SSortpurf in ber jVorm auf: e«
toenbet fic^ aud^ an ©Hatten ! ©flatjen in c^riftlid^en §äufem fefeen bie 5Kal^nungen an
bie $erm Äol 4, 1 ; @pb 6, 9 unb befonber« 1 %\ 6, 2 tjorau«. j|ella erfd^eint na^ xfycn 50
©nettung mit großem ©Ilaöengcfolge bei ^aulu« (Acta apost. apocr. I, 266 Si^jftu«).
Giemen« 9llej., paed. III, 4, 26 t^erlüirft toie anbem Suju«, fo aud^ eine ga^lreic^e
35ienerfd^aft ; aber er fe^t boc^ and) im d^riftlid^en ^an\t ©flatjen t)orau« paed. III,
11, 73; 12, 84. ßine gute SHuftration ^ierju bieten Acta Philippi 66 (p. 27 Sonnet),
U)o ^ireo«, ber 3?orne^mfte ber ©tabt, nac^ feiner SBefe^rung ni^t me^r mit grofeem 5f»
®efolge {jxera dwixiov xal dyXov\ fonbem nur bon jloei ©Haben begleitet erfd^eint;
t)gl. nod^ ßl^r^foft. in I Cor. hom. 40 opp. X, 385.
Const. Apost. II, 62 ftnb unter ben nottüenbigen £cben«bebürfniffen, xn beren ßinlauf
ber ß^rift ben 3al?rmarlt befuc^en barf, auc^ ©Haben genannt. 2:^oma«aIten c. 2 (p. 101
Sonnet) öerfauft gar Gi^riftu« felbft feinen „©Haben" Jl^oma« al« Säaumeifter an einen inbi^ co
428 SHilieret nnb (S^ti^tmhm
fd^cn iT^änblcr (na(f»(5ebilbcl in bcr arob. ^rcbißt bc^ Sart^olomäu^ p. 70 Sclüie) ; Sobanne^
bicnt al^ ©IIat)C in einem Sabe^u^ (Acta Joh. p. 15 ff. i\a!^n). SDen ettoa burd^ bie $rcbigt
t)on ber (^riftUc^en ^ci^cit angeregten ßman^i^ation^elüften ber ©Hatten toitb bun^toeg ent-
gegengetreten, befonber^ beni 2?erlangen, au^ ©enieinbemitteln lo^elauft ju n^erben (Ign. ad
5 Polyc. 4,*0. 2)ie^ ^ätte nic^t nur bie ©emetnben finanziell überfaftet, fonbcm aud) eine
bebenfUc^e -Diaffe fc^toer ^u untcr^altenben ^Proletariats gefc^affen; mu^te boc^ ber Jvrei=
gelaffene für fic^ felbft forgen, tpeS^alb ber ^reilaffung meift eine Dotierung beigefügt
tourbe (Saltoian, ad eccles. III, 7 CSEL VIII, 278). 9?ur in einzelnen gäflen, tt)o ba^
(S^^riftentum beS ©Haben gefäbrbet fc^ien, ift bie Oemeinbe biw^ eingetreten (f. g. 3). mart.
10 Pionii 9) ; öfter mögen too^l^abenbe ©laubige il^re ?(Kitbrüber gefauft ^aben, um ftc
freijulaffen (§erm. mand. VIII, 10; sim. I, 8; Didasc. 18, p.91, 26 = Apost. Const.
IV, 1); mxi^ Perist. IX, 1 MSG 79, 801 a; §ieron. ep. 47). Sej^eugt ift aber aud?
bafe Gbriften fic^ freilüittig aU ©Haben ijerfauften, um mit bem 6rlöS arme in fpeifen
(I. Clem. 55, 2 ; baj^u bie Gr^ä^Iungen Don bem ^atrifioS ^etruS j. 3- S^ftinian^
15 [SeontioS, i^eben beö ^l. 3;oI;anneS b. Sarml^. 22, p. 43 ff. (Selber ; Synax. Const. 20 Jan.,
p. 408 2)ele^!ave| unb bem Wönd^ 2eon um 58n |3o^. OTofc^o«, prat. spir. 112, MSG
87, 29751; ®reg. Xur., bist. Franc. III, 15, p. 122 ff. »mbt).
2. ©0 bleibt e^ äu^erlid^ beim alten; innerlid^ aber änbert fidi bod^ biele^: ba^Ser-
l^ättni« bon $erm unb ©Halben erlangt einen neuen fittlid^en 3"^öl^f ^^^^ neuen reli=
20 giöfen .öintergrunb. 9)lilbe be^ §erm unb Streue beö ©Hauen erfd^einen im i^^»^^"^""!
afö läu^flufe ^jerf önlic^cr Outl^er^igfeit, bei ben G^riften gehören fic jum ^Prinjij) : bie §erren
toerben angel^alten, ben ©!taben ^u getoäl^ren h)a^ red^t ift Äol 4, 1, ba« ©dielten nacbju^
laffen CS^)l^ 6, 9 ; 2)ib. 4, 1 0 (l^arte 3ücbtigung gilt al« I^eibnif^ $erm. sim. IX, 28, 8),' bie
©Hatten iocrbcn fel^r energifc^ ^u freubigem ©e^orfam Äol 3, 22 f.; ©p^O, 5ff. ; 2)ib.
25 4, 11 unb lüiDigem ßrbulben aud^ unberbienter ©träfe 1 ^t 2, 18 ff. ermahnt, beibe aber
auf bie üBeranttoortung bor bem ^immlifd^en ^errn l^ingelüiefen. 3!)a^ brüberlic^e l^cr=
l^ältni^ n)irb ernft genommen ^^m 16, ?!Rifebräud^ feiten^ ber ©Hauen aber getoebrt,
1 Ix iy, 2. §eibnifd^en §erren gegenüber fidf^ burc^ treuen 2)ienft au^jujeic^nen, ift
Qad}C ber CSl^riftene^re IJiö, 1; 2:it2, 9f. Gl^riftu^ l^at nid^t au« ©Haben greie,
ao fonbern au^ fc^led^ten ©Haben gute gemacht (3luguftin, enarr. in Ps. 124, 7, MSL
37, U)53; bgl. conf. IX, 8,47 bie ©^ilberung ber d^riftlic^^en Äinbermagb feine« grofe^
t)ätcrli(I;cn §aufe«).
3m §eibentum bleiben bcftimmenb boc^ bie materietten Sjjntereffen: ber §cn forgt
für fein Äa^ital burc^ gute Se^anblung be« ©flaben, ber ©Habe für fein SDSol^l but^
35 treuen 2)ienft be« .^erm. I)a« ß^riftentum ftellt bem l^öl^ere ^ntereffen entgegen: $aulu^
fd^eut fid^ nic^t, ben ©eioinn ber §erren ^u fc^äbigen burc^ 2lu«treiben be« 2Ba^rfagc=
geifte« au« ber 5Jiagb ju $l^ilip>)i 31® 16, 16 ff. Die Stettung ber 3Kenfd^enfecle, auc^^
im ©flauen, ift ba« .Hauptanliegen. I)al^er c^riftlid^e ,?>erren bemül^t finb, il^rc noc^
l^eibnifc^en ©Haben bent (S^riftenglauben j^u gewinnen, burc^ Überrebung, o^ne S^anc^
40 (Slriftibe«, apol. 15, p. 37 ^cnnerfe); le^tere« bcftätigt burd^ bie 3;^atfa^e, bafe e« auc^
bcibnifd)e ©HaDen in cf^riftlid^en .Käufern gab; 6uf., h. e. V, 1, 14; 3lt^enagora^,
8uppl.35; Apost. Const. IV, 12; Cbrvfoft. in Eph. hom. XXII, op. IX, 753. '^Jlaö)
aiuguftin (serm. dorn, in monte I, 59; civ. dei XIX, 16) foH ber §au«bater toie
feine .sUnber fo and) feine ©flaben jur redbten SSercl^rung ©otte« erjiel^en.
45 I)cr d^riftlid^e ©laubc lieferte aber nic^t nur etbifc^e 5Wotibe: er gab bem ©Haben
auc^) etioa«, \va^ er fonft nid;t fo leicht fanb: innerhalb ber ©emeinbe fonnte er ju einem
©efübl glcid;bered;tigten 9Jtcnf4)fcin« fommen. aöenn ©Haben aud^ in anberen religiöfen
i^crcinen ^niüii Ijatim (goucart, Associations religieuses 6 ff. ; ^atd^^^amadt, ©efell-
fd;»aft«t)erfaffung 23, 14), fo tbut ba« bem feinen Slbbrud^, baft im (Sl^rtftentum mit ber
60 prinj^ipieacu ©leid)fteUung Dor ©Ott (1 Äo 12, 13; ©a 3, 28; Äol 3, 11, ber Unterfcbieb
Uon /freien unb ©flauen ift ebenfo aufgel)oben toie ber oft bamit jufammenfallenbe i)on
©ried^cn unbi^arbarcn !) UnrHic^ ßrnft gemad;t iourbe, aud^ im jlufteren ber 3?erfammlungen.
3ur laufe eine« SHaDen iuar allerbing«, ioic ,^u jebem Seitritt ju einem SSerein Dig.
47,22, 3,2, bie ©cnebmigung be« .sjerrn erforberlid^ (Can. Hippol. X, 63; noä
55 l^ubtüig« b. 5*rp»""nni iöeamte urteilen fo, 5lgobarb, epist. ad proc. palatil MSL 104,
175); iinirbe fie Derioeigert, fo galt ber ©HaDc al« aufeerorbentlic^e« ÜKitglieb. Xer ge=
taufte ©!lat)c aber gcnoji alle fledUe: Unterfd;ieb ber ''^Uäfee gab c« nic^t. ©Haben
treten in ben Mleruo ein. 3lUc ioir v>on bem römifc^en 33ifc^of ÄaUift burc^ feinen
©egncr .<piW«^lVl (Philos. IX, 12) beftimmt ioiffen, baf; er früher ©flabc toar (er battc
60 bie Iretmü^le unb bie 3*^fl"9^^'i^t><?i^ tn ben 33ergn)erfen ©arbinien« lennen gelernt)) fo
SHatieret unb S^riftetttnm 429
fönnen toir für bic '?Bl^f)x^af)l bcr crftcn römifc^cn SBifc^öfc bicfcn Urfprung crfd^Iicfecn :
ßuöreftog, 3lnifeto^ finb ©flabcnnamcn. ^iu^ ift 33ruber be^ früheren SHabcn $erma^.
^reilid^ lücrbcn fic meift erft öte beigeladene in Icitenbe ©tettung gelangt fein, lüie bae
ja au6) in ber faiferlid^en SScttoaltung gefc^ab. ©Haben unb ©flabinnen aber Iperben
aU SDläxi\)xcic bon ben (Semeinben t)ere^rt unb ge^riefen; man benfe nur an Slanbina 5
(ßufeb., h. e. V, 1, 17), gelicitag (Acta Perpetuae), ^otamiäna (nac^ ber SSerfion
bei ^ßattabiu«, bist. laus. 3), $orj)I^V^iu^ (ßufeb., mart. pal. p. 78 SSioIet), SJitali«
(aimbrofiug, exh. virg. 1,2). 3n ben Canones Hippolyti VI, 46 f. (p. 68 Sld^cli^)
ift beftimmt, ba^ ein tüegen feinet Gl^riftentum^ bon feinem Jperrn (alfo nic^t öor
bem öffentlid^en ®erid|t) ge^üd^tigter ©flaöe Äonfefforenred^te unb ^reSbhlerrang baben 10
foB. XertuBian, de idolol. 17 ertuartet Don bem d^riftlid^en ©Haben unb ^rei=j
gelafjcnen, bafe er feinem ^etbnifd^en §errn bei beffen Djjfem feine 3)ienftleiftung
t^ue, unb 5jJetru« 2lle|., can. 6 unb 7 belegt bie (^^riftlid^en Ferren, bie i^re ©flauen
t)eranla^ten für fie ju ojjfem, mit l^ärterer Su^e aU bie ©flauen felbft. 2luf ben®rabs
infc^riften ber d^rifllid^en ßömeterien finbet ftc^ nie bie Sejeic^nung „©flat)e" (beSioffi, 15
Bullet. 1866, 24); umgefe^rt ift e« fe^r gebräuc^^lid^, bie ß^riften ate fold^e „©flat)en
©otte«" ju nennen (1 ^t 2, 16; 3ljjf 1, 1; §erm. — ein ©ebrauc^ ber fic^ übrigeng a\x6^
in einjelnen tjorc^riftlic^en Äulten finbet).
Kräftiger atö bie 2)eflamationen eine^ ©eneca unb @j)iftet toirfen bie furzen SÖäorte
2!atiang orat. 11: „Sin ic^ ©flabe, fo trage ic^ bie ©flat)erei; bin id^ frei, fo 20
rül^me ic^ mid^ ber ebeln ®eburt nid^t"; tvomii ^^^enäu^ IV, 21, 3: „9lug JJreien
unb au^ ©flatjen mad^t ß^riftu^ ©otte^finber, aüm gleid^ertpeife ben Seben fd^affenben
©eift fc^enfenb" unb Drigene^ c. Geis. III, 51 ju t)ergleid^en ift: „2)en ©flat)en
i^cigen lüir, h)ie fie eine freie ©efmnung erl^alten unb burc^ ben Sogo^ geabelt toerben
fönnen". „grei^eit unb Rnec^lfc^aft ber 2BeIt fmb nur ©c^ein" fagt 2!ertuttian de 25
Corona 13; ß^r^foftomu^ (opp. I, 784; XII, 346) bejeidj^net fie nur afö Flamen;
©ünbe unb ©erec^tigfeit ma^en bie Baä)^ au^. „3)er ©flabengeftalt annal^m, öerad^tet
bie ©flaben nid^t", le^rt H^ritt bon ^erufalem catech. XV, 23, MSG 33, 901. 3)ie
d)riftnd^en ©flaben tperben unterfd^iebSlo^ SBrübcr genannt (2lrift., apoL); nobis tarnen
servi non sunt, sed eos et habemus et dicimus spiritu fratres, religione conservos 30
Sactan^ inst. V, 15,3. 2)ie ^ra^i^ mag biefem ^^eal nic^t immer entf^roc^en l^aben;
aber bie Äirc^e f^ält boc^ auf gute Se^anblung ber ©flaben aud^ im $aufe (2)ibagc. 18,
p. 89 — Apost. Const. IV, 6 ; ©l;n. bon (Slbira c. 5).
SSor allem i}ai baö ß^rtftentum mit boDer (gnergie bie ©ünbcn befämpft, tpeld^e bie
©flaben beiberlei ©efd;led^teö ju SBerf^eugen ber Safter mad)tm, "Slan lefe, \va^ 3"Pi" 3^
apol. I, 27; ^atian, orat. 28; Giemen« 2lle£., paed. III, 4, 26,2 über bie gerben
bon Sul^lfnaben u. ä. fagen (übrigen« auc^ fd^on ©eneca ep. XV, 3, 24). ßl^rifts
liebem ©influfe finb bann a\x^ bie 2lbfd^affung ber Äreujigung«ftrafe unb ba« Sjerbot
be« Sranbmarfen« ber gugitibi burd^ bie fonftantinifc^e ©efe^gebung (3Kommfen, SRöm.
©trafre(^t 921; "BJarquarbt, ^ribataltert. 184) ju^ufd^reiben. 40
III. 2)ie d^riftlic^e Äird;e l^at bie ©f laberei al« einen Xeil ber antifen Äultur über-
fommen, unb aud^ jur Äerrfd^aft gelangt i:}at fie nid^t baran gebadet, fie abjufd^affen.
3)ic Drbnung ber Ibirtfc^aftlic^cn ^erf^ältniffe überliefe fie bem Staat, \päta l}at fie biel^
fac^ beffen 6rbe angetreten unb bamit bie ^flid^^t, befte^enbe Siedete ju fc^üften. 9lid^t
bic 'ÜKenfd^enred^te im ©flaben, nur fein d^riftlid^er ©laube intereffierten fie. ^a man 46
mufe fagen, bafe je mef^r ba« d^riftlic^e Seben berlüeltlicbtc, befto ftärfer auc^ tüieber bcr
feciale Unterfd^ieb unb bie .^ärte be« 3"f^^*w^^ f^erbortreten, allen Semül^ungen um einen
äu«gleid^ unb eine Seffcrung bon innen ^erau« jum 3:ro^. 9iur in ben Älöftem erhielt
fic^ in eigenartiger 3Kifd^ung antitftoifd^er unb altc^rifthd^er 3)lotibe ber ©ebanfe ber
©leic^bered^tigung, ber 3Renf^enh)ürbe audi be« ©flaben. SSon l^ier ging bann fj)äter 50
bic UmtDäijung au«.
1. ©d^on in ber römifd^en Äaifer^eit toar al« ^olge ber im ^rieben ftarf ab?
ne^menben ©flaben^uful^r unb be« baburd^ bebingten Übergang« bon ber Satifunbien^
toirtfd^af 1 5um5}ieiereibetrieb an bie ©teile be« alten ©flabenre^t« ba« ber ßoloncn getreten,
b. ^. ber jtoar ^jcrfönlid^ freien, unberfäuflid^en, ^ribatred^tlid|^ red^t«fäl^igen, aber boc^ an 65
bic ©c^oUe gebunbenen §albfreien, §örigen (Cod. Theod. V, 17; Just. XI, 48, 50).
Oft mögen ©flaben gu Colonen aufgerürft, öfter no^ freie Säuern baui l^erabgebrüdft
toorbcn fein, tiefer ^rfc^einung«form be« 3uffli""^«"6nid^« ber antifen Äultur fteUt fidf»
bann in ben neu entfte^enben germanifd^en Slcic^en bie §örigfeit ber untertborfcnen ^e-
böltcrung jur ©eite, bic jtoar anber« begrünbet, boc^ ou« ber gleichen agrartoirtfc^^afts 60
430 SniHerei nttb S^riflttittim
liefen Setricb^form l^erau« ju t)crftcl^cn ift: bicr tDtcbcrl^oIt fic^ bie §eIotie bcr botifc^cn
3SöIfem)anberun0. 211^ ßrbuntcrtl^äntgfcit l^at fid^ biefe ärt ber Unfreiheit biclfa(<^ bi^
in bie neuere ßeit erhalten unb ift grabe nad) bem breifeigiä^rigen Äriege, im 18. ^a^x-
l^unbert fteDenlüeife tpieber ju einer an ©Ilat^erei erinnernben gorm ber £eibeiflen=
6 fd^aft entartet {Rna!pp 23 ff.). 2)ic fiird^e ift an alle bem fo gut h)ie unbeteiligt, fte bat
gelegentlid^ ber Unterbrüctten fid^ angenommen; au^ ben ßalbfreien f^ai fic^ ^etttpeife
il^r Äleru« refrutiert (3;i^eganu^, vita Ludov. imp. 20, MSL 106, 4U; ßj^robegang,
reg. 5); fie l^at aber felbft ^^errenrec^te au^eübt unb fd^Iie^lic^ fid^ toenig fällig crtüiefen
ju einer fittlid^en Seeinflufeung unb Umgeftaltung be^ Ser^ältnijfe^.
10 daneben aber l)at e« big in* fpätere 3)littelalter I^inein überall auc^ lüirflic^e ©flatoen
gegeben (baservus beibe arten ber Unfreiheit bejeic^net, ift bie ©ad^lage nic^t immer Mar |iu
erfennen; ba« englijd^e serfdom ift^örigfeit; erft feit bem lO-^a^r^unbert fommt im Untere
fd^ieb baju ©flat)e auf [nac^ ber bi^^er üblichen änfid^t infolge ber beutfd^en ©labcnfriege,
nad^ Sanger ^uerft bei ben 3Senetianem, bie t)om fc^toar jen *3)ieer l^er Slaben imjjortierten] unb
15 verbreitet fic^ feit bem 13.3jfl^ri^. über alle Sjjrad^en). 2)ie Äird^e felbft befafe folc^e unb
machte i^r Sec^t auf fte f o nad^brüdlid^ geltenb ate irgenb ein ©flabenbefiler. ßntflol^enc
muffen ^urüdtgebrac^t unb feftge^alten h)erben ((Sregor I., epist. IX, 30; conc. Drl6ang541
c. 32); bie an ©teile ber SBranbmarlung getretenen eifernen §aUringe fürgugitibi tragen
mel^rfad^ d^riftlic^e Embleme (be Sloffi, Bullet. I, 49— G7). 3)er ©flat)e blieb nac^ mittclalter=
20 lidj^er SRed^t^anfc^auung toerfäuflid^e Söare (fird^lid^e Äanone« bon SBale« unb ©d^ottlanb
fe^en ba« SBJergelb in ©flauen anl) unb in ben toid^tigften Seben^entfd^eibungen h)ic
bem ©inge^en einer Q^^ an bie S^ftimmung bc^ $erm gebunben (Drlßan^ 514, c. 24);
aber er erhielt (lüie fd^on bei ben ©riechen unb in ber fjjäteren römifc^^en ©efe^gebung)
eine befd^ränfte Stec^tg- unb SSermögen^freii^eit unb ben ©d^u| be« SBergelbe«. 3)te Äirt^e
25 nal^m fid() feiner infofem an, al^ fte biefe JRcd^tenormen unter il^ren ©d^u^ ftetttc, bem
©d^u^lofen ein 2lf^l bot, auc^ auf milbe SBel^anblung brang (Drlßan« 511, c. 3; (S^aon
517, c. 34. 39; Drl6ang 549, c. 22; 3)lacon 585, c. 8; ßlid^^ 627, c. 9; G^lon^
813, c. 51), i^m bie ©onntagörul^c fid^erte (Serg^amfteb 697 u. ö.). ©ie fuc^t ben
§erm für bie ©ittlic^Ieit feiner ©Hatten Deranttoortlid^ gu machen (SBenebif 1 2et)ita I, 9)
30 unb ftellt j. 33. ben Äonfubinat mit ber ©flaüin unter Äird^enjud^t (ginnian« Poenit.
39. 40, p. 117 SBafferfc^leben; S. Ä. m% ältruff. ftirc^enrec^t 278). 3Ba« früher ba^
faiferlidie ®efe^ getrau l^atte, ba« übernimmt je^t bie Äirc^e, bor allem bie ©idierftcllung
ber greilaffung gegen toiHfürlic^e Slücfnabme (Drl§an« 549, c. 7; 9leud^ing 772,
c. 9). 3)ie einjelne Äird^e übt eine 2lrt 5ßatronat über bie in il^r greigelaffenen (^ri^
35 556/73, c. 9).
^eilaffungen tparen bei ben Reiben fd^on in au^cbe^nteftem ?!Ka^e üblic^, jumal bei
lobe^fätlen, Ido fie tjietleic^t al« Umgeftaltung be^ urfprünglid^en ©flat)enoJ)fer« anjufe^en
fmb: bgl. Acta Philipp! 81, p. 32 Sonnet; ActaPetri c. Simone 28, p. 77 i'ipfiu^.
Sei ben ßl^riften nehmen fie befonbcr^ feit bem Übertritt ber ©ropen unb Sleic^en im
40 4. $ja^rl^unbert ungel^euern Umfang an. Slber man erfennt beutlic^^ fd^on in ben apctx.
3lj)oftelgefd^ic^ten (Petri etAndreae20, p. 126 Sonnet; ät^. ^etru^aften p. 11 Subge),
bafe fie nic^t al^ (E^riftcnpflic^t, fonbcm al^ aefetifc^e Überleiftung getoertet toerben, auf einer
©tufc mit 3Sermögengt)er|^ic^t ; nid^t um ber ©Ilaöen toillen gefd^el^en fie — im ©egenteil,
bicfc iüoHen fie oft gar nid^t (Hist. Laus. 61, p. 156 Sutler) — fonbem gur ©clbft=
45 cntäufeerung. ©ie gehört nic^t jur Selcl^rung jum Gl^riftenglauben (bie greilaffungen
Don 1250 U^tv. 1400 ©flauen au^ ainlafe ber 2;aufe in ben Slften be« $a))^eö
äleianber V. unb beö l^l. ©ebaftian ["üJiöljler 100] fmb burd^auö apoitopf)), fonbem pxx
Conversio in bem fpäteren ©innc beig Sintrittö in ben 3Könd^öftanb, f. bie ©efc^icbte be^
©ilbcrfd^mibtö 3lnbronicuö in ber vita abb. Daniel lo ed. ßlugnet, Revue de TOrient
50 ehr6t. V, 372. 377; 3luguftin, serm. 356,3.6.7; vita Melaniae 34, p. 19 ed.
9{am^oaa, ba^u p. 219ff. ; ^aulin. 5iül., carm. XXI, 256; vita Piatonis a. Theod.
Stud. 8, MSG 99, 809; vita Theodori Stud. 5, MSG 99, 241. 121; vita
Sampsonis3, MSG 115, 281; Synax. CPtanum, p. 714,23 3)cle^aVe. greilaffumj
gel;ört übrigen^ auc^ im ^Üam ju ben Derbienftlid^en SBcrfen. 2)er SKt boD^ie^t fic^
55 loie einft in ben 2:cnij)cln, fo im c^)riftlid;en ^Heid^ meift t)or bem Sifc^of in ber fiircl»c
(©ojom., h. e. I, 9, (>; Cod. Theod. IV, 7, p. 179 ^IKommfen). Slud^ bie eigentüm-
lid^e 3lrt ber Jyreilaffung in gorm einc^S ©d()einberfaufö ober einer ©d^einfc^enlung an
einen ©ott, einen icmjpel, \vk fie nn^ bie bclj)l^ifd^en 3;nfd^^if^<^" fennen gelehrt ^ben
(J^oucart 186f;; ©c^mrcr', III, 5:J), tüieberbolt fic^ ^ier (Seifpiele bei 3Ki)^ler 126f. unb
60 MSL 99, 659: AquUeja 1351!).
@f(atierei nnb S^rifletttitm 431
2. 3l\6)t bic offizielle Rird^e, bie ftd^ afö 8ejc^ü|crin be^ beftel^enbcn JRcc^tcg fü^It,
f onbem bic 5Dlöncl;^trcife ^aben auf SBefeitigung ber ©f laöcrci Eingearbeitet unb fie fc^lic^-
lid^ erreicht. 3)abei fmb e^ antife 3Kotit)c ftoifd^-f^^nifci^er ^P^ilofop^ie, bie fic^ l^ier mit
c^tiftlid^en Oebanfen Dcrbinben. ©o fd^on in ber übereinftimmenb Don G^r^foftomu^
(opp. I, 782; IV, 290; IX, 141. 165. 177; X, 385) unb äuguftin (civ. dei XIX, 6
15) Dorgetragenen I^eorie, bafe bie SIIat)crei ber Urzeit fremb getpefen (f. oben 6. 427
golbene^ 3^^^*"^^^) w"*^ ^P ^^rc^ bie ©ünbe i\p^, ®en 9, 25) in bie SKelt gelommen
fei. 3)iefer mönd^ifd^en X^eorie toirb t)on ben Äird^enmännern ^raftifc^ feine golge ge*
geben, bielmeij^r burd^toeg ba^ Siedet beö §enn an feine ©flaöen, aud^ ba^ 3^^^*0""9^-
red^t anerlannt (f. bie ^atriftifc^en Äommentare g. 1 Äo 7, 21; ^fioox $eluj. epist. IV, lo
12, MSG 78, 1060). 311^ mönd^ifc^er ©eelforger greift ©regor I. epist. VI, 12 in
©orten, bic an bie ftoifc^cn ^wi^iftcn erinnern, bic greilaffung al^ gute^ SBcrf ; al^Sifc^of
^ält er bi^ jur ©raufamleit S)i«jij)lin über bie ©Haben feiner Äird^e (ep. IX, 200);
ja fird>lid^e Kanone^ t)erbictcn ben Sifc^öfen unb Slbten bie greilaffung, bamit ba«
fiirc^cngut nid^t Verringert toerbe (ägbe 509 c. 7 u. o.) ; tro^bem fommt fte oft Dor 15
(f. u. a. §atcE-§arnadf, Orunblegung 36 f.). Äird^lid^e Äanone« fid^ern ba^ Scfi^rec^t
ber i^enen gegen (gnteignung unter bem 33orh)anbe ber Sleligion (®angra 343, c. 3);
o^ne 3uftimmung be^ §crm barf lein ©flabe in ben Äleru« eingereiht ober in ein Älofter
aufgenommen toerbcn (Seo I. epist. 4 MSL 54, 61 1 ; ßl^alfebon 451, c.4; Can. apost. 81 ;
Oelafiu« ep. 9, 14 MSL 59, 52); entlaufene müfjen jurüdgebrad^t toerben (DrI6an«2o
541, c. 32). Der 3Könd^^roman Der^enlic^t bie fromme Don ®ott bcfd^ü|tc ^luc^t
(Jpieron., vita Malchi). SDic ftird^c rid^tete balb aud^ ben fojialen Unterfc^ieb bei fid^
toiebcr auf: felbft greigelaf|ene fottten bom Äleru« au^gefc^lofjen fein (Slöira e. 80) —
fpäter traten freiließ Diele porige ein! — im Älofter fanben aud^ ©flauen unterfd^ieb^Io^
aiufna^me (3l\M, epist. IV, 4, MSG 79, 552). 3ftbor Don ^Pelufium ft)rid^t in 25
einem mit ^^m ju Dergleic^enben @mj)feElung^brief für einen toegen eine^ Ssergel^eng
entflogenen ©HaDen gerabeju fein SBefremben au^, bafe ein Gl^rift, ber bic aDbefrcicnbe
®nabe fenne, no^ ©flaDen 1)ah^ (ep. I, 142, MSG 78, 277); iebenfaD^ fmb fie al«
3Kenfd^en ju be^anbeln (ep. II, 471, p. 440) ; Sj^^Änncö ßlcemon toci^ J^art^crgigen
§erren einbringlid^ jur 3Jlilbc jugureben unb im 9iotfatl ben ä5erlauf beg ©IlaDcn ju 30
crgtoingen (vita 33, p. 65 ®eljer). S)ie Äirdj^e befx^t ©Haben, bic Älöfter foHcn bie«
nic^t. ©d^on ^piaton l^attc für ©aflubion feine ©flaben gebulbet(MSG 99, 825) unb
Il^eobor Don ©tubion jjrotcftiert in feinem leftament energif* gegen ba« ©flaDen^alten
mit bem beac^tcn^toerten B^f^l- ^^" SKcltc^riften ift e« erlaubt n)ie ba« heiraten! (c. 4,
MSG 99, 1817). Il^eobor Don Santcrburv, poenit. 8, MSL 99, 931 erflärt — übrigen« 35
nid^t jutreffenb — bie gried^ifc^en 3Bönd^e l^aben feine ©flaDen, bie römifd^en ^aben.
Senebift Don äniane nimmt j. 33. bie ©d^enfung Don porigen mit ben ©ütern für fein
Älofter nid^t an (AS Ord. Ben. I, 197). I^eobor fe^t auf ?!Kenfd^enraub unb ^^anbel
«ird^enbufee (MSL 99, 962. 966).
3. 2)ie Äirdj^e intcrefficrt fic^ nic^t fo fej^r für ben ©flaDen aU fold^cn, fonbem nur für 40
ba« ß^riftentum bc« ©flaDen : bal^er ba« feit Äonftantin immer erneute SSerbot, ba^ 3jwben
c^riftlidic ©flaDen befi^en (gufeb., vita Const. IV, 27; Cod. Theod. XVI, 9 = Just.1,
U)\ ©regorl., ep. II, 6; 111,37; IV, 21; IX, 104. 213. 215; Drl6an«538, e. 14; 541,
c. 30 u. f. f.). 2lud^ ba« 35crbot ber ©f laDenau^fu^r au« ben Derfc^iebenen c^riftlid^en SJeic^cn
(ß^alon« 639/54 c. 9; ©cfc^c Äarl«, I^affito« u. a.) ^at nid^t nur toirtfc^^aftlid^e Sc^^is
beutung, fonbern ^ängt jufammen mit bem 3Serbot, c^riftlid^e ©flaDen an Reiben m
Derfaufen (£e>)tine« 743, c. 3; än^am 1009, c. 77 ; 9Hcäa 787, c. 8; £. Ä. ®ö^, ält=
ruff. Äirc^^enrec^t 152; Dgl. 3ofe)>l^., arch. XVI, 1. 2). Sonifaj flagt, ba^ ben Reiben
©flaDen ju i^ren 3Renf(bcnopfern geliefert toürben (MSL 89, 578). 3"^^ 3^'^ Swbs
h)ig« b. gr. trieben jübifdpc §änbler Don St^on einen fc^lpungDolIen $anbcl mit ßijjriftens so
fflaDcn nac^ ©^anien unb2lfrifa (2lgobarb, de insolentia iudaeorum MSL 104, 72.
76 u. ö.). 3)aneben tparen bie 3?enetianer berüchtigt, bcnen 5paj)ft 3fld^fltia« einmal bic
geraubten Sbriften abfaufte, um fic frci^ulaffen (lib. pontif. 22, p.433 S)ud^c«ne). SRom
tpar fonft gerabe ein §au})t^anbel«jjla^. Über ben ©flaDcn^anbel Don 9lorb nac^ ©üb f.
^aulu«S)iac. Gesta Langob. I, 1. ©r fteigerte [xd^ beträd^tlid^ feit ben ©laDcnfriegcn 6b
unb ben ^rtareneinfäUen. 2)ie« toaren meift Reiben. 2lm ftrengften Der^)önt tuar bie
(Sntmannung, unb boc^ tourbe fie j. S. Don ben §änblem in Serbun eifrig geübt unb
SiuH^ranb bringt al« faiferlid^e« ©cjd^cnf Dicr au^gcjeid^nctc ©unud^en nad^ S^janj (leg.
VI, 6, MSL 136, 896).
@rft im 12. unb 13. ^al^rl^unbcrt fommt bic eigentliche ©IlaDerei im norbn)eftlid^en eo
432 SHatiern itnb S^rifietthiiit
©uropa ab — bic ßrbuntcrtbänißfcit (Scibci^jcnfc^^aft) bleibt. "^Stan mufe bic^ ate ^robuft
bcr neuen, l>on ber älntifc rclatto unab^ängicjen c^riftUd^cn Äultur auf nationaler ©runb-
läge be^eic^nen, bcren tüefentlic^fter Iräger bamal^ ba^ 3)tönd^tum toar. S)a^ DJeue i[t, bafe
je^t nic^t «lel^r ber 3JerIauf bon ß^riftenfflatjen an .Reiben, fonbern ber 3J?enfci^en^nbel
6 a(^ folc^er verboten tpirb; fo in einem ®rlaf; Äonrabg II. bom ^^^re 1031 (MG LL
II, 38*) unb auf einer ©^^nobe ju Sonbon 1 102, c. 27. 2)ic ^ormel ift homines
sicut bruta animalia venundari; ebenfo bei ®uibcrt bon ^logent, Gesta dei per
Francos I, 2.
Dagegen erhält fic^ bie ©Ilaberei im ganjen ©üben ©urojja«, l^auptfäc^lic^ burd^
10 bic fortbauernbc feinblid;e ScrüF^rung mit ben Sänbem be^ 3«Iam. 2)en Ungläubigen
gegenüber gilt beiberfeit^ ba^ alte Ärieg^rec^t: ber Ärieg^efangene toirb ©Habe. ®ie
Giraten Reifen mit TOenfd^enraub nad). 2)ie ®eh)o^n^eit lä^t bann bie ©flaDerei axidi
auf 6^riften au^be^nen, Wogegen bie Äird^e (j. 93. ^nnocenj IV. 1246) ijcrgeben^
Jjroteftiert, ^umal fie felbft ©flaberei aU ein ©trafmittel gegen Äefeer (conc. Later.
16 1179 c. 24) unb gcinbe be« aj)oftolifcl^en ©tul^Ie« (j. 93. bie Scnetianer 1309. 1483,
Florentiner 137(), Snglanb 1535), aber aud^ für Äinber am ^ßrieftere^en (lolcbo 655,
c. 10, tüieber^olt ^ama 1022 unb aufgenommen in ba^ 2)ecr. ©rat. II, c. 15, q. 8,3)
anerfennt. 2)ie Äreu^fal^rer nahmen im Orient al^balb bie bortige ©itte an; bic £a=
teiner fd^euten ftd& nid^t, gried^ifd^e Gl^riften ju Btia\)tn ju machen. 3)ic 9?ac^h>irfungcn
20 be^ römifd^en 5Hed^te^ in 93^jani unb ©panien, fein SBieberaufleben in S^^lien erleid^terten
bie <Ba6)^\ baö anfeilen, baö miftotele^ bei ber ©c^olaftif genofe, bcranlafete biefe fogar
ju einer t^eologifc^cn, ftc^ mit 2luguftin becfenben ^Rechtfertigung (Aegidius de reg.
prine. III, 2, 13—15; Il^omaö Siquin., Summa I, 96,4; äntonin bon ^lorenj,
Summa III, 3, 6, nod^ ®ur^, Compend. theol. mor. *1868, 238). Steic^c« urfunb=
26 lic^eö 3Katerial ift gcjammclt bei D. Sanger. 2)anac^ l)at nic^t nur 33vjanj bie ©flaberei
aU ftänbige Sled^töcinrid^tung gelaunt — meift ©flaben au^ bem Orient unb bom fd^tbar^en
SJlecrc ^er — , fonbcrn aud^ Italien. SDic grei^eit^bwHamationen griebricf|g IL für
©i^ilicn 1231, ber ©täbte Sologna 1250, glorenj 1289 begießen [xd^ auf hörige Sauem.
©rabc im 14. unb 15. !3a^rf)unbert fam e^ in3Kobe ©Haben ju galten, fretli^ nur aB
30 Suiu^fadf^e, in geringer 3^^!^ ^^^^ oud^ bei ©ciftlid^en unb am ^jä^ftlid^en §ofe. 5Jo(6
1518 beftätigte ^^iaul III. Saien unb Älerifem ba^ SRed^t ©Haben ^u [galten. 3Senetiancr,
l^ifaner unb ©enuefen finb mcl^r ©Haben^änbler al^ Sefi^er. dagegen ^at in ©panicn
bi^ in«! 16. S^^i^^wttbert fjinein eine ©flabeniüirtfd^aft im altrömifc^en ©inne beftanben,
mit laufcnbcn bon Waurcnftlaben, bie bei bem Unterfd^ieb ber ^Religion unb SJaffe aucfc
35 mit aller §ärte bebanbelt tourben. 9icger, bie bon jel^er unb überall atö ©flaben ju
finben toaren (fd^on im alten !ägbj)ten, in 93i;5an3 unb 3t<*li<^") ""^ ^'^ i^^^ ©Haberei
gefc^affen erjdjiencn, tocrbcn feit i441 bon bcn ^ortugiefen bireft eingefül^rt.
Umgefebrt gerieten freiließ auc^ ß^riftcn in bie ©Haberei ber Ungläubigen. 3^icö
führte ju bcr ©tiftung gtocicr Orbcn, ber "ilrinitaricr (1198) unb 3Kercebarier (1230) pro
40 redemptionecaptivorum(f. SbXIV, 150 ff.). Soöfauf bon ©efangenen galt bon altera ale
gute^ äöcrf, f. "iM) 5,8; 1 TOa 3, 41 ; 2Ü)la8,l 1 ; Smbr., ep. 18; ©ocr.,VII,21 ; ©rcgorl.,
epist. IV, 31; VI, 32; vita s. Remberti 18. Äird^lid^e ©infünfte tburben ba^u bcr-
tocnbct (Gl^alon^ (i50, c. 9). ^^ctru^ Jiola^fu^ na^m mit feinen 3)lercebariern fogar ba»
iknfpiel ber ©clbftcntäufeerung (f. oben ©. 428, 12) be^uf^ Befreiung ber in ©efa^r ber
40 3l>)oftafie fd)tbcbcnbcn ßbriftcnftlaben iüicbcr auf. Die Orben l^aben bi^ in bie Sieujcit
bincin fcgen^rcid) gctoirft.
IV. 3luö bcr bargcftelltcn Gntibidtclung begreift fic^ nun ani), ba^ nad^ Gntbecfung
unb ßroberung bcr neuen 2Uelt ©j)anier unb ^ortugiefen fein 93ebenten trugen, bort bic
SHabcrci cinjufül^ren, ^unäc^ft burd^ baö an bie ^elotic erinnernbe repartimento
50 bcr ^)bthäutc ; ebcnfo begreift fid^ ba^ Gintreten bc^ ^ominifaner^ 2a^ ßafa«. „ßr tbat
c^ au^ bem ©cift bcr Alirdf>c, ober bielmcljr ibrer gciftlid^en Orben beraub" (Ana)))) 10),
md)t ak^ 6l)rift, and) nod) n\d)t al^ SBelt^ricftcr, fonbern erft unter mönc^ifd^em Ginflu^.
3!)af{ aud) bic Sieger, bic man feit 1506 alg befjere 3lrbcitöfräfte einführte, ein gleic^e^
9tcd>t auf Freiheit Kitten ioie bic 5"^^«"^!^/ '^^^ (Sebante fc^eint Sa^ 6afa^ erft am Gnbe
65 feinet t^cbcn^ in bcr ftiltcn Mloftcr.^cltc gctommcn ju fein ; er blieb untbirlfam (0. ^ali,
Fra Bart, de las Casas 1905, 27). Salb toettciferten bic eurojjäifd^en ^anbcB-
ftaatcn in bcnt cinträglid)cn ©cfcbäft bcr SHabcncinful;r. 2)aö ©l;ftcm ber SJcger'
ftlabcrci ficht in cngftcr Ü^crbinbung mit bem agrarifd^-'inbuftrieUen ©rofebetrieb ber
^Uantagcntbirtfd)aft (iina^p), aber bic ©raufanitcit bcr öcbanblung ift bod^ nur jum
CO Heinften Seil baburd^ bebingt, gum bei toeitcm größeren burc^ ben Slaffcgegenfal unb
Stlatierct nn\> (S^rtftetttum @fitl)ititr 433
bcn 9lcIigiongunterfci^icb, burrf» bic borgefa^tc 3Weinung, bafe bicfe 9JJcnfd;en eben feine
5)Jenfci^en feien. 2luc^ für bic |eit 1727 Don ben Dualem ^ennfl;lbanieng au^e^enbe
Sleaftion mögen toirtfc^aftlic^e 3Kotit)e, eben ber ©egenfa^ gum ^lantagenf^ftem, mit-
beftimmenb getoefen fein, au^fc^Iaggebcnb toaren fie nic^t (f. Sb XVI, 379). 3laiS) langem
ftampf brachte 1865 ber Sieg ber 9?orbftaaten über bie fflaben^altenben ©übftaaten 5
bie ©manjipation für faft toier 3KiIIionen ©Haben, bamit freilid^ üwglcid^ eine neue
^Kaffenfrage.
e^ fear bie germanifci^=}jroteftantifci^e Äultur im ©egenfa^ gu ber romanifd^-Iat^o-
lifd^en, toelc^e biefe ©ntmidEelung betrieb. 3)a« jeigt fid^ auc^ in ber fü^renbcn Stellung
englanb« bei UnterbrüdEung be^ 3JegerfRabenl^anbeU. ®a^ aber c^riftlic^e Siebeömotibe 10
unb nic^t nur national=öfonomifc^e gn^ereffen babei auöfc^laggebenb toaren, bafür bürgt
ber 9Jame SBilberforce (f. b. 3lrt.). 1807 tourbc, nac^bem ©änemarf 1792 mit gutem
33eifpiel borangegangen n^ar, im englifd^en Parlament bie Abolition act of slavery
burc^gefe^t, 1841 lam ju Sonbon ber fog. Duintujjelbertrag ber ©rofemäc^tc jur Se^^
fämpfung be^ ©flabenl^anbelö ju ftanbe, ert^eitert unb berftärtt 1885 burd^ bie berliner 15
Äongoaftc. ®urd^ Sabigerie ift bann aud^ ber Äatl^olici^mu« in er^ö^tem 3)ta6e in bic
iBctücgung l^incingejogcn tporben. 1889 fanb ^u Srüffcl ein 3lntiff labereif ongrefe ftatt.
3)urc^ 3wfcimmenh)irfen aller beteiligten TOäd^te ift bic 3"^"*>^ÖJ^0""9 ^^ ©flabcn^:
banbelö auf ein enge^ ©ebiet gelungen, hieben ber ftaatlic^en SKirffamfeit ift babei aber
bic freie ^Mitarbeit ber c^riftlid^en 3Kiffion nic^t ju überfc^en. ooit 2)olifc^fi^. 20
(Btopitn f. b. 2t. Sla^folnifcn »b XVI ©. 441, uff.
Sfrutititen f. b. ä. Äatcc^umenat Sb X ©. 177, 12 u. ©. 178, 38 ff.
SMptnt. — ßittcratur: 5B. fiübfe, ®cfd)id)tc ber ^laftif. 3. 9luf(., @tutt(^art 1880.
— 5)ie 5)arftcnun9en ber ®efd)icl)te ber c^riftlic^en llunft (5- i'. Äxaug, greiburq 189Gff.;
ii. öJrabmann, Stuttgart 1902) unb ber allgemeinen ilunft(jcfct)icöte (?(. 8prinflcr, 4. ?lufi., 25
^^b 2 ff., fieipjig 1895 ff.; Sübfe^Semvau, 12. »(ufl., 53b 2 ff., Stuth^art 1901 ff.; ÄnocffuB^
Zimmermann, iBicIejelb 1897 ff., S3b 1—3, u. 91.). (5inc oortrefflic^e Üebcrficl)t bei ©ölcr non
JHaueneburg, CVJriuibriB ber S!unft9efd)icf)te, 2. $lufl., ©erlin 1903. ©eitere« 53b XU, 6. 110, 37 ff.
iKeid)e« bilblicficö Material in „Iunftgefd)ic^te in S3tlbern", SübU 2—5, fieipi^ig, e. 91. Seemann,
unb S. V. lieber u. 91. 58al)crsJborfer, $ila|fifd)cr 6fulpturauffa^, 'tWunct)en 1890 ff. 30
Unter ben brei großen ©ebieten ber bilbenben Sunft ^aben ßl^riftentum unb Äirc^e
ber 3)talerei unb ber 2lrd^iteftur ben SJorjug bor ber ^laftif gegeben, ^m 3Kittelalter
bient bie ^laftif toef entließ aU ßrgänjung ber 2(rd^iteftur; in ben babor liegenbcn ^abr?
l^unbcrten ift, offenbar unter ben 9Jac^h)irfungcn ber Stntifc, i^rc ^ofttion p)ax eine
freiere, aber feinc^tücg« eine felbftftänbigc. 6rft bie SWenaiffance, tpelc^e eine neue Äunft- 35
anfc^auung burc^fe^t, berl^alf x^x ju einer ben übrigen Äünften ebenbürtigen SBertung.
gür bie 3lnfänge unb ebenfo für ba^ ^Mittelalter ift jum 3Serftänbni« biefer "i^atfac^^e
o^ne 3*^^^f^^ ^^^ fünftlerifc^e Ünbermögen monumentalen ätufgaben gegenüber innerbalb
biefe^ ^Ha^men^ in Setrac^t gu gießen, aber bie eigentliche SBurjel mufe in ben 33ebenfen
gefuc^t werben, h)elct;e ba^ enge 'iNcrfloc^tenfein ber ^laftif, ingbefonbere ber ©tatue, mit 40
bem ©ötterfult crmedtte. ©0 erflärt fid^, ba^ bic altc^riftlid^e ^eriobe. Wo fie Jjlaftifd^
fc^afft, ftc^ faft ganj auf ba^ SHelief befc^ränft, unb bic gried^ifc^e Äirc^e ^eute nod^ bie
©tatue au^ ben gottc^bienftlid^en Släumen au^Wlicfet. Überl^aupt aber liegt bie ©cbor^
gugung ber 3Kalerei bor ber $laftif in ber auf ben -Heic^itum feclifc^er ©ttmmungen an^
gelegten religiöfen Gigenart be«J Gl^riftentumsJ (f. b. 21. aJJalerei S3b XII ©. 110). 46
1. ailtd^riftlic^c ^eriobe. — fiittcratur: 53ictor Scbul^c, 9lrcf)äologic ber alt=
cbriftUcben Äunft, ^üncf)enl895: .Starl "Ovaria Äaujmann, ^onbbud) ber d)riftlid)cn?lrc^äoloflic,
•^Jaberborn 1905; 9i. ÖJarrucci, Storia della arte cristiana, vol. V. VI (1879. 80); Qo^ girfcr,
3)ic Qltd)viftlicf)en SBübrocrtc im cbriftUdien ^JKufcum bcd fiatcranS, ficip^ig 1890.
31m umfaffcnbften unb bcutlic^ften bet^ätigt ftc^ bie frül^d^riftlic^e ©fuljjtur im 60
©arfo})^agrelief unb in Slfcnbcinmerfen. 'Die unterirbifd^en ßömeterien finb auf ba^
grbgrab ^in fonftruiert; ba^er beginnt bie eigentliche ©efc^ic^te be^ ©arfo})^ag« erft im
4. gö^'^^i^tti^^^ / ^«^ "cue Seftattung^formen gefud^t tDurben. 3" ^^" Äirc^en unb bcn
jeftt immer ja^lreid^er tücrbcnbcn coemeteria sub dio (bgl. S3b X ©. 813ff.) finbct ber
©tcinfarg feine aSertbcrtung- ber in gal;lreic^cn Gjem|plaren — im 3lbenblanbe bilbcn 55
9tom, Slabenna, Slrle^ bie ^cittel})unfte — auf un^ gefommen ift. 3ln bei %xont, feiten
an bcn ©citentbanbungen, reiben fic^ meift in fräftiger Stcliefau^arbcitung bibufc^e ©ccncn
in freier, meift l^iftorifc^er golge aneinanber. Die $au))tfigur tritt imtncr beutli^ ^erau^.
KeaI«(lnc))no)>abie fflr Zfftoloqit unb INr(te. 3. «. XVIII. 28
434 &u\pinT
2)ic cinjcincn 9?orgän(^c finb bid^t ancinanber ßcrücft; nur jutoeilcn Serben ©äulen unb
Sääumc unb anberc 3)littcl ai^ ©c^cibung benu^t. ®cm toirb in antifer SSJeifc baö
Porträt be^ 2otcn cingcfü0t. 3)ic latcinifd^c 2rabition j^eigt eine größere Steigung für
ba^ gigürlid^e, bic ^ettcniftifc^-orientalifc^e für lier^ unb ^flanjenomament. Site Duellen
6 bienten bic ältere fe})ullrale Äunft, t)on ber 5. S. ber ®ute ^irt ftammt, unb bie jeit-
genöjfifc^en Äirc^cnmalercien. 3""^^'^^^'^ ^"^^ flarfen (Sinl^eitlic^Ieit laufen lolalc Strö^
mungen, bie fid^ aug ©c^ulüberlieferung erflärcn. ^Jeucrbingg ift burc^ glüdlic^e %0X'
fd^ungen unb SntbedEungcn baö Silb ber ^eHeniftifd^^orientalifc^en 5piaftif bcutlic^er l^erau^-
getreten, beren ©igenart barin befielet, bafe in \i)x in toec^felnber 3Jlifc^ung gricc^ifc^c,
10 f^rifc^e unb aud^ äg^Jjtifc^ie SIemente jufammenfliefeen. Sin fünftlerifd^cm SBert überholt
fie toeit bie meift ^anbhjerf^mäfeig arbcitenbe abenblänbifc^4atcinifd^e ©arfo})^agfhilptur.
2)ie 3^ec^nif ift bie antife; ba^er auc^ bie älnfärbung.
3)ie fü^renbe Stellung ber altb^jantinifd^en Äunft tritt noc^ bebeutfamer bcrüor in
ben ©Ifenbeinfd^nitfereien (®. ©tu^Ifautb, ®ie altc^riftlic^e Slfcnbeinj^Iaftif, grei^urg unb
16 £ei})jig 1896). SBJenn auc^ bie barin hjirffamen ©c^ulric^tungen noc^ ni(^t in bolle^
Sid^t getreten fmb, fo fte^en boc^ 5i^^anj, 2lntiod^ien unb äliejanbrien ate tpic^tige 2tu^=
gang^Jjunfte feft. Sin biefen ©rjeugniffen lä^t fid^ bie Seiftungefä^igfcit ber ^laftif be^
4.-6. Sa^r^unbert« am fid^erften ericnncn. 3)ie 3i*f<^"^»"^"^^"0^ "^'^ ^<^ Slntife ftnb
nod^ innige; Sluffaffung unb Slu^fül^rung, ja auc^ jeile be^ 3"'^^^^^ fj"*^ ""^ ^<>" ^^rt-
20 l^er Derftänblic^. ©in fxifc^er 3^9 9^^^ ^inburc^. SBenn fic^ im figürlichen bie ab-
fteigenbe 6nth)idtelung au^jjrägt, fo lebt ba« Ornament nod^ ganj in ber rei^bollen 9Jatür=
lic^feit ber ^elleniftifc|cn Äunft. 2)ag Oebiet ift ein reid^e«: 3)H)t^d^en (f. b. 31. Liber
vitae 33b XI ©. 446 ff.), Ä'äftd^en gu treltlic^em ober falralem ©ebraud^ (bie fc^öne fog.
Sijjfanot^ela in 33re<gcia), platten jur SScrjierung t)on bifd^öflic^cn Äat^ebrcn (bic Äat^ebra
26 be^ a)lajiminianug, geft. 556 ober 557 in SRaDenna), ^igürd^cn unb anberc ßrgeugnijfc
ber Äleinlunft. 2)ic Seid^tigfeit be^ 3:ran^})ort^ regte bic ^ßrobultion mächtig an. dinen
eigentümlid^en Stu^fc^nitt bilbet bie fojjtifc^c ^laftif, in tDcIc^cr äg^jjtifd^c Irabitionen
ftarl nac^h)irlen (3. ©tr^^goto^fi, Sojjtifc^c Äunft. Catalogue g6n6ral des antiquit^
6gyptiennes du Mus^ de Caire, vol. XII. SBien 1904).
30 gür bic §oIj}jlaftiI bieten bie S^ürrcHef^ bon @. Bab'ma in 9lom ein J^ertjonagcn--
be^ Seifl^icl, aKerbing^ nid^t in fünftlerifc^er, fonbem in ard^äologifd^er Schiebung
(3. SBieganb, 3)ag altc^riftlic^c ßaujjtportal an ber Äirc^e ber 1^1. ©abina ju 9tom,
SEricr 1900). Sluc^ lerracotta uno ebelmetalle ftnb gur ^ßcrtDcnbung gelommcn. 2)a^
^au^gerät unD ba^ fird^Iic^e ^"^^"^^^ gaben reid^Iic^e ©clcgcnl^cit gur Sctl^ätigung.
36 Jsoran ftel^en bie Sampen, beren 2)i^fuö mit Äreuj, 3)lonogramm, lieren, ^flangen, toclt-
lid^cn unb biblifc^en Figuren ober ©cenen §u Dergicren toaren ober bie felbft eine fünfte
lerifc^c gormengebung erful^ren (Safilifa, ©c^iff u. f. h).); ferner bic lange Steige Don
3:^on:: unb 3}letallgcfä6en, toeld^e bie religiöfe DeDotion (3)Jena^fIäfd^d^en, ^IMonjaamjjuIIen)
unb bic liturgifc^e Drbnung forberten, bie Jjlaftifd^en gi^Püdfc an ^Portalen, ©äulcii,
40 ©d^ranfen, Slmboncn, ©c^mucfgegcnftänbe, barunter Dor allem bie gefc^nittenen ©teinc,
bic ^JJünjen u. f. h). 2)ag ®ebiet ift treit unb mannigfaltig.
3Son ber ftatuarifc^cn, alfo eigentlid^ monumentalen '^ia\i\t ift un^ nur ein gering^
fügiger Scftanb überliefert. 3)a6 bicfer einft reicher tDar, ift felbftberftänblid^ unb auBcr^
bem burd; littcrarifd^c 3^"9"fl^ 9^fic^crt, inbc^ litt biefeö ©ebiet ber ©ful^tur in erfta
46 2inie unter ber oben criüäbnten Ungunft unb mufe ba^er nur mäfeig gepflegt tüorben fein.
Unter bem, toa^ auf un^ gefommen ift, nehmen an ^af)l bie erfte ©teue ein bie ©tatucn
bcö ©Uten §irten, übrigen^ l^anbtocrfgmäfeige Seiftungen bi^ auf bie befannte fc^^öne 3)ar=
fteüung im 2ateranmufcum, beren d^riftti^er Urf})rung inbc^ nid^t aufecr R^^eifcl ftc^t
C4S. ©c^ul^e, Slrc^äologie ber altc^riftlic^en Äunft, ©. 285 f.). 3)ie eiserne ^etru^ftatue
ßo in ©t. ^eter (Slbb. Slrd^äotogic ©. 287) ift aU ein 2öerl be^ 13. ^a^r^unbert« ertoiefen,
eine gtoeitc, ftarf ergänzte bagegen auö 3Karmor in ben batifanifc^en ©rotten (Slbb. Äaui-
iitann ©.510) n)obl ed^t, n)ie auc^ ba^ Silbniö bc^ ft|enbcn ^i}j})oI^tu« im Satetait
ftd^crtid^ ein jcitgenöffifd^eö ffierf ift, ba^ fid^ genau an antile Sorbilbcr anlehnt (Slbb.
Kaufmann ©. 511; ber CbcrIörVer ergänjt).
66 2. Da^ !DMttcIa(ter. — Sitteratur: % (Kernen, g)?eroüingifc^c unb farolinglj*«
^laftif, ^i^onu 1892; 51^. 53bcje, 3)ie ^:?(nfän9e beö moimmenlalen Stile« im Mittelalter^ <Bu4-
hnv(\ 1894; ,^. Dtte, .S)anbbud) ber fircl)ticl)en Slunftardiäülogie be§ bcutfcften MittelaltcrvS
5. 'Hiüi, 2 93bc, i!cip,vi] 188:^. 85; .^% «Beniner, iianbbucl) ber rird)Ild)eii ifunftaltertiinicr
in Teut)d)lanb, idei\>sh\ 1905; 'h^. ^obc, bJefd)iditc ber bcutfd)en ^laftif, Berlin ISS.'i:
60 ^^U SBentiiri, Storia dell'arte il^aliana, 3}iallaub 1901 ff.; M. gimmcrmann, Obcritalienij^c
^Slaftif im frühen imb \)o\)tn «Mittelalter, ficip,Vil 18*^7 ; (£•. «Jä(e, L'art rcligieiix du XIII^
si^Ie eo France, ^ariiJ 1898; (^onfe, La sculpture franyalsc depuis le XIV^ si^cle, ^^arie
1895. — (SiujcIncS am gehörigen Orte.
SQSic ba^ öanjc ©cifte^Icbcn ber farolingifd^en ^cit feinen §alt unb ^nf^ali in ber
flaffifd^en Überlief erung l^al, fo and) bie Äunft. 3)ie gertnanifc^cn ©tämme, n^elc^e in b
ben Ärei^ unb ©influfe ber römifc^en Äultur traten, emjjfanbcn bicfe junäd^ft ate eine
imjjonierenbe SKad^t, ber fte ftc^ beugten, anbererfeit^ jebod^ tüar il^re natürli(^e (Sigenart
fo au^e})rägt unb n)iber[tanb^fräftig, bafe fie mit größerem ober geringcrem ßrfolge ftc^
burc^jufe^en t)erftanb. 3)ie ^laftif ift bortpiegenb ßlfenbeinfc^ni^erei unb ^at ü)x ®e=
^räge t)on ber römifd^en Äunft, tooburd^ i^rc ber^ältni^mäfeig l^ol^e Seiftung^fä^igfeit bers lo
ftänblid^ h)irb. Slber nic^t feiten ift barin bie frifc^e 9Jait)ität unb ba« eigene SBagen
be^ germanifc^en ßlemente« erfolgreid^ getüefcn. ^n Sänbem toie ^xlanh unb ßnglanb,
tüo^tn bie antifen ßinflüffe nur f})orabifc^ unb abgefc^toäd^t gelangten, nimmt natürlich
ba^ aSoIfötümlic^ noc^ einen Diel breiteren 9laum ein. ^n ^ranlreic^ ftnb mel^rere
3RitteI})unfte ber 6Ifenbein})Iaftif erfennbar (bgl. Giemen a. a. D.); in ©eutfd^Ianb blübt 15
ber Setrieb befonber^ am 9Jieberr^ein, aber aud^ Dberbeutfd^Ianb ))atU in bem Wönqc
3:uotiIo t)on ©t. ©aßen (geft. nac^ 912) einen lunftfertigen ©c^ni^er (3of. 3Kantuani,
3:uotiIo, ©tra^burg 1900). i)ie ftatuarifd^e ^laftif bebeutete iDenig, bagegen erfreute fid^
bie Äleinfunft in 6rj unb ©belmetall einer eifrigen Pflege.
3m 11. 3iö^.r^w"^^rt gewinnt ber auö ber aItd^riftIic^=IaroIingifd^en Überlieferung 20
em>ac^fene romanifd^e Sauftil feine c^aratteriftifd^e älu^bilbung. ®arin liegt befd^Ioffen
ber })Iaftifc^e ©c^mud. SBä^renb bi^^er bie Silbnerei ftd^ toefentlic^ in ben Äleinlünften
abf^ielte, gen^innt fte jefet eine unmittelbare unb l^ö^ere Sejic^ung jur 3lrc^iteftur. 9Son
bem '3:^m})anon au^ be^nt ftc^ bag 5iilbh)erf über ba« portal an^ unb barüber l^inau«;
im 3"nc^ reil^en ftc^ ^eilige ©eftalten, am Äa^itäl fammeln ftd^ gefc^ic^tlic^c unb pf)an' 26
tafttfd^e S^guren, ber 2iiufftein, ber 3lmbon, bie fultifc^en ®eräte nel^men ben Silbner
lebl^aft in Slnfi^rud^. 3)ie ^laftil tüurbe neben ber SÄalerei afö ein tüirifame« 3JlitteI
erfannt, bie großen ^läc^en ju beleben unb gugleic^ ber 9Jcigung für lel^rl^afte ©Emboli!
gu genügen. 3lm fräftigften äußert ftd^ biefe Stimmung unb Setüegung in ©eutfd^Ianb,
ba^ unter ben fäc^ftfc^cn Äaifem aufblühte unb ba^ 6rbe ber SSergangen^eit mit frifd^cm 30
©inne erfaßte unb tüanbelte. SQSie ^od^ man fc^on je^t bie Slufgabe fteßte, bereifen bie
reliefierten ©rgtüren in $ilbe^^eim (1015) unb 2lug«burg (ca. 1060) unb bie gleichfalls
aus beutfd^er §anb l^ert)orgegangenen Spüren in 9loh)gorob, ®nefen unb an ©. 3^"o in
aSerona. ^n ber SerntoarbSfäuIe in ^ilbeSl^eim (1022) ir>urbe in fü^nem ®riff eine
9Jac^abmung ber S^rajanSfäuIe Derfuc^t. 6« ift bead^tenStoert, ba^ bie neu an^cbenbc 35
^laftif ftc^ mit Sorlicbe bem ©rggu^ jutoenbet (®rab}jlatten). ©teinfluljjturen ftnb noc^
feiten (Slelief ber ©gternfteine).
3)ie aiuffaffung ift gebunben, o^ne gn^i^i^uöli^w^"^/ t>^n Sinicn ber Slrd^iteftur an«
gelernt unb gang in ber beforatitoen ßhJ^^'&eftimmung gehalten. 3Jlan tviH bie antile
^ormengebung be^aujjten, bie lenbenj gel^t nic^t auf 9JcueS, fonbem auf 5lonfert)icrung, 40
aber bie lünftlerif^e gä^igfeit reicht nic^t auS, unb fo ift bie golgc ein §eruntcrgleiten.
9inbeS l^ahm biefe äußeren 3JlängeI nid^t bie ©rreic^ung be« ^\A^ gel^inbert, bie ®cs
h)innung einer, auf ben 3*^^* ""^ '^^^ S*^^^ angefel^en, toirIungSt)oIIen ^laftif. 9lur in
ber lebhaft betriebenen ©Ifenbcinfd^ni^erei (Suc^bedfel, 3)i}jt^c^en,* Ääftc^en, Sifc^ofSftäbe
*u. f. fo.) tüirfen farolingifd^e Überlieferungen oft ganj ungebrochen nac^, anbererfeitS führen 45
ein felbftftänbigeS ©tubium ber SQSirflic^feit unb au«brudESt)oIIe ß^araftcriftif, bcfonberg
auf fäc^ftfd^em Soben, l^äufig barüber ^inau«. 2)ie Äunftübung ift im 11. unb \2,^af)Xi
l^unbert ©ad^c ber 3Könd^e unb ber ®eiftlic^feit, ba^er finbct ein Überfd^reiten beS
trabitioneHen S3tlberfreife« nur auSna^mStoeife ftatt.
3la6) einer langfamen SSornjärtöbetoegung im 12. Sia^rbunbert erl^ebt fic^ im IS.^o^ts 50
^unbert bie beutfc^e ^laftif beS ^Mittelalter« unter ben Anregungen , treidle bie ^eran*
gic^enbe junge ®otif brachte, ju il^rer flaffifd^en i^oHenbung unb ju eigcntlid^, monumen-
talen ©d^öl^fungen. Die gü^rung i)abm, h)ie in ber t)or^erqe^enben ^eriobe bie fäd^ftfc^en
Sänber. SBec^felburg (Äangel, ältar, Ärujifij; j. t)gl. 3Wonumente be« 3Jl2t. unb ber
Slenaiffance au« bem fäc^f. ßrjgebirge, DreSben 1875), ^reiberg (bie ®oIbene Pforte; 55
j. togl. 21. ®oIbfc^mibt, 3)ie ^reiberger ®oIbene Pforte in b. S^'^^'^w^ä^ ^^ h^- i^J^cufe.
Äunftfammlung, Serlin 1902), ^Jaumburg (Settner, ©tifterbilbcr; g. bgl. ä. ©d^marfom
unb (g. b. glotttDell, a)Jciftcrh)erfe beutfc^er Silbncrci in 9Jaumburg, ^JRagbeburg 1892)
bieten un« bie ^enlic^ften unb älteften Slu^i^rägungen ber Äraft unb ßm))finbung bicfcr
^eriobe. 2tber auc^ ©übbcutfc^Ianb tritt mit -Dlciftcrtoerfen l^or, hod) ftnb ^icr bie eo
28*
436 6hil)itur
franj^öfifc^cn ßinflüfjc ftärfcr, inbireft im 3)om ju 33amberg (jün^jcrc ©n4)t)e; n. bgl.
21. jyeefc, 2)ic Samberger Somffulpturcn, ©ttafeburg 1897; SB. S^öge, 5)ie Samberger
3)omftatuen, i^rc 3lufftcKung unb Deutung in ^eitfc^r. für c^riftl. Äunft 1902), bireft
in Strasburg (lob 3Jlariä, Äird^c unb ©^nagoge am 5Rünftcr; @. Sicher, 3)ic ©fulp=
sturen be« ©trafeburgcr 3Künftcrö, Strasburg 1894; Ä. grand, ©er 3Jleifter ber ecclepa
unb Synagoge am ©trafeburger 3Jlünfter, 2)üffclborf 1903). aber barin befte^t ©leicb^
förmidteit, bafe bic e^eierlid^feit be^ Äir^enftil^ ju ber 25irflid[|feit ber (Srjd^einung in
enge 2?erbinbung gcfeftt ift. 3"^^^*^"^^^ 2^hm burc^flutet bic ©eftaltcn. 2)er äu^^
brud fud;t ben ßontalt mit ber gefc^ic^tlid^cn Sebcutung ber ^erfönlid^feit unb ber
io$anblung. 3)aö 5Kaffige gerät in Setpcgung, ba^ lote toirb lebenb, %WiS6^ unb Slut.
$)ie 3KitteI ^u biefem ^totd finb nic^t immer glüdlic^ getüä^It — bad pereol^t)e Säckeln,
bie ftarfe Einbiegung be^ fd^Ianfen Seibe^ —, aber barquf fommt ^ an, bafe ba^ j^Iaftifcbe
Sbeal nic^t me^r nur in ben unfreier geworbenen Überlieferungen einer fernen SSer*
gangenl^eit gefud^t, fonbem burd^ bie Seobad^tung ber 5^atur rebibiert unb mit bem
16 6m})finbung^leben ber 3^'^ erfüllt n^irb. 3n ber Harmonie ber burc^ Drt unb ^tvcd
be^ SBerleö bebingten SoHemnität mit bem inbibibueÜen ©ein unb Seben — barin fanb
biefe Äunft i^r I^o^e« ^kl. 2Bie fie jeitlic^ bem Übergange bon ber romanifc^en jur
gotifd^en ^eriobe angel^ört, fo ^at fte ibren feften ©tanbort noc^ in ber emften ^]Konu=
mentalität be^ 12.3ö^t^unbertfi^ unb nimmt baö neue, fubjeftiberc unb lünfUerifc^ere ^beal
20 in fic^ auf, o^ne jene ^ofition gu berlaffen. ßrft eine jtoeite, mäd^tigere SBeße t?on
granfreic^ l^er rife, fie babon lofe (&. ©olbfd^mibt, ©tubien jur ©efc^id^te ber fäc^ftfc^en
©fuljjtur in ber Übergangszeit t)om rom. jum got. ©til, Scriin 1902).
granfreic^ toax bereite im 12. S^^^l^wnbert in eine lebhafte 95eh)egung ber ^laftit
eingetreten, in n^eld^er berfc^iebene ©d^ulen (^robence, 2!ouloufe, Surgunb), bie auc^
25 nad) ©Jjanien ^inübergriffen, fic^ anregten unb befruchteten, ©ie fnüjjften jum 3:eil an
römifc^e Überlieferungen an unb Jjflegten mit 3?orliebe ben ^ortalfd^mud. 3)ad 13. ^ahx'-
^unbert, baS 3<t^r^unbert beS gotijd^en Äat^ebralftite, brad^te einen entfd^cibenben Um-
fc^tüung. 35ie mächtigen Sauten, Welche je^t, bome^mlic^ in ben mittlem ^^Jrobinjcn
9iorbfranfreic^S entftanben, forberten für ibre imjjofanten I^ore unb ^oc^ftrebenbe, rcicb=
3() geglieberte Strc^iteltur eine gütle üon ©tatuen unb SRcliefS. 3Kit ent^ufiaeniuS ging bic
$laftil auf bie neuen aufgaben ein, i^re beften Äräftc gab fic in bicfen 3)ienft, unb bae
(Ergebnis fear bie flafftfd^e SoHenbung ber c^riftlic^^en Silbnerei über^auj^t. ©er 9Ralerei
na^^eifernb, befc^ränlte fie fi^ nic^t mel?r auf 55i9u^^n# ©cenen, &x\xppm, fonbem ibrcn
^öc^ften 3:riump^ fanb fie barin, baS ganje Drama ber $eilSgefc^ic^te bon ben Slnfängcn
36 ber 3)lenfd^l^eit bis jum ffieltgeric^te Dor bem 33efc^auer auszubreiten. @ine uncrfc^öpf'
lic^e ^^antafie läfet fte nac^ allen ©eiten l^in aufgreifen. Sibel, Scgenbe, bolfötümlichc
unb gelehrte SSorfteHungcn, ©efcl^ic^te unb 3:^})ologie fammelt fte ju großen, tiefftnnigcn
unb anregenben ©rjä^lungen. 6S feien nur bie Äat^ebralen bon (S^artreS unb
JHl^eimS genannt, ^n ben ©ful^turen ber le^tern liegt Dielleid^t bie l;ö4>fte Seiftung ber
40 franjöfifc^en $laftif bor. 2luc^ je^t noc^ ift überall baS Semü^en beutli^, bic 5^9"^^^"
ben ©efe^en ber 3lrci)iteftur untergcorbnet ju l^alten : gerabe unb fcl^lanf fteigen fte auf,
bie Setüegung ift auf baS 3^ottüenbigfte bcfd^ränft. ^nht^ innerhalb biefer ©c^ranfcn
tpirfen fic^ eine 2lnutut unb §ot;cit, eine iiefe ber ßmpfinbung unb eine geinbeit ber
5Katurbcobad}tung auS, loelc^e eS geftatten, biefe ©c^öjjfungen m ber 2lntife in liergleicf)
45 ju fe^jen. 3^iel mebr alS in ber fonferbatibcren beutfd^en Äunft ift bie emfte ©timmung
unb bie ^ol^citSboUe Haltung einer ftarfen, auf baS Augenblicke unb ^Heijbolle geftimmtcn
3iid^tung getoic^en. ^n ber 2)arftellung ber $erfon ß^rifti überholt bie franpfific
^laftif beS 13. ^^^rbunbertS alle frühere Ijal^r^unberte unb finbet auc^ Sa^r^unbcrlc
nac^^er nid^t ©leic^n)ertigeS. Unb h>elc^e äöürbe atmen bie 3l>)oftelgeftaltm ! Oft er-
60 fc^eint in biefcn SBerfen bie SKenaiffance borauSgenommen. 3)ie Sluffaffung ift frei unb
aus träftigent 9)iitmirfen beS inneren GmpfinbenS beS ÄünftlerS gefc^affen.
Sie biefe ^laftif mit ber Slütejeit ber franjöfifd^en ®otif aufS engfte berfloc^tcn
ift, fo gcl)t fic mit ber 2lrc^iteftur im 14. 3a(?J^^"n^crt ben 2öeg abtoärtS, nac^bem i^t
ßinflufe nac^ allen ©citen ^in auSgeftral^lt h>ar. 2luc^ ©eutfc^lanb ftel^t im 14. ^aW
66 ^unbert unter biefem Ginfluffe unb jtDar in bem aJlafee, bafe fein originales änfc^aucn
unb Äönncn baburcf) gebrod;cn toirb. ^a^n fommt, bafe in ben Saul^ütten bie ©fulptur
mel?r unb mehr in baubtocrfSmäfeigen 53etricb geriet. Der ©fulpturcnfc^imud in ber
^isorl^alle bcS ^reiburger ^3JJünftcrS (ca. 1270; z" bgl. ft. ^Jtoriz-'ßid^bom, Der ©ful^jturcn^
cbtluS in ber l^orballe bcS grciburger 3JJünftcrS, Strasburg 1899) fte^t ber früi^otifc^ien
00 iöilbncrei nod^ na^e, bagegen treten an bem toirlungSboHen SBef^ortal beS ©trafeburger
Sfnltitur 437
^JDiünftcr'g unb am Äöincr 2)om unb am fünfter ju Ulm, h)ie grofe aud^ bic Unterfd;icbc
im einzelnen fein mögen, bic franjöfifc^en (ginflüfjc ftarf ^crbor. ^n granlen (9Jümber0)
unb anberh)ärt« mifc^t fic^ ein bürgerlicher, jirofaifd^er, oft berber 3^9 ^i"- ©i"^ 6«*
fonbcren Pflege erfreute ftd^ in 3)eutf erlaub im 14. 3^^r^unbert bie ©rabffuljitur.
3)ltt ber ®otif tüudj^^ bie greubc an ber t)Iaftifc^en 2lu^geftaltung be« firc^^Iic^en b
^nbentars;; aud^ baö Unbebeutenbe ^. 8. ber liturgifc^e 5tamm, fanb babei SSerüdfs
fid^tigung (f. bie Hrt. 33b VI S. 412ff.; X ®. 25ff.; XI ©. 155ff.; 464ff.). ^m reichen,
farbigen Slufbau be« gotifc^cn fjlügelaltar« fteHte fic^ biefe Set^ätigung glanjDoII bem
3(uge bar (f. b. 2lrt. 2lltar Sb I ©. 398 ff.). 3)enn h)ie bor^er bebiente fic^ bie ?ilafttl
aud; je^t ber 3Kit^iIfe ber garbe. 3« fteigenbem SKafee toerfc^affte fid^ im 14. ^al}X'^ lo
l^unbert bie §oIjbiIbnerei ©eltung. 2)er alte ®ebrauc| be« ©tudf^ bauerte fort. J^ür
bic aintoenbung Don (SbelmetaH in SJerbinbung mit ©mail boten befonber« bie Steliquiens
bel^älter ©elegen^eit.
9lod^ [tarier alö 2)eutfc^lanb erfuhren bie 5>JieberIanbe bie 6j))anfton«fraft ber fran^
jöfifd;en ^aftif. 2)er ^ertoorragenbfte SSertreter in f})ätgotifd^er ^tit ift ber am §ofe i6
öon Surgunb t^ätige 6lauj 6luter (ßlauö ©lütcr) geft. 1411 (3)lofe^brunnen unb ©rabs
benlmal ^^ilii)pö be« ftül^nen in ©ijon). dagegen mifc^ten ftd^ in ßnglanb franjöftfd^c
unb ein^eimifc^e Ginflüfje; ^ier t)orgug^h>eife Setrieb ber ®rab}jlaftil. gn Italien ge^en
im 11. unb 12. 3«^^^""^^ berfc^iebene Strömungen bt^jantinifd^er, römifc^er ober
lombarbifc^er 2(rt ncbeneinanber unb gelegentlich aud^ ineinanber, in benen bic ober= 20
italienifd^c ^laftif t)oranfte{^t (3R. ®. ginimermann, Dberitalienif^c 5piaftif im frühen unb
l^o^en 3KitteIaltcr, Sei^jjig 1897). 2)er au^gang einer neuen Gnttoidelung h)urbe im
18. 3<^^^^w"^^t ba« ju l^o^er ?!Jlac^t emj)orgcftiegene ^ifa. §ier liefe 5^iccolo ^ifano
(geft. 1260) in fein burc^bac^ten, Don flafftft^em ©c^ön^eit^ibeal be^errfc^ten SBerfen bie
aintife unmittelbar, oft nur in leifer Umbeutung, tpirffam Serben (Äan^el im 33aj)tifterium 20
i^u 5pifa unb im 3!)om ju ©iena). „9?id^t tr>ie bic anberen Äünftler be^ romanifd^en
i^eitalterö i)at er bie J^ormenfjjrac^e ber 2lntife unt)crftanben nad^geftammelt, fonbcm ihre
©c^ön^eit unb ©röfec ift il^m aufgegangen." ©0 toeift er, obgleid^ feine Äunft in ber
romanifd^en ^tit tour^elt, bod; fc^on auf bie lommenbe SRenaiffance. ^nbe^ fein toeit
einflußreicherer ©ol^n ©iobanni 5Pifano (geft. ca. 1328) öerläfet baö ^'t^al abgcHärter, 30
rul;enber ©c^önf^eit; bei il^m brängt alle« auf belegte §anbtung, feine reid^en Äombos
fttionen ge^en in Icbenbigem glufe (Äanjel in ^iftoja unb im 3)om ju $ifa; ju bgl. Wa%
©auerlanbt, 3)ie Silbtoerle be« (Siotoanni ^ifano, 3)üffelborf 1904). fflenn barin ba«
fünftlcrifc^e ©mpfinben ber ®otif ftc^ au^fprid^t, fo nod^ mel^r ba^ inbibibuelle lems
perament bc« TOanne« fclbft. 2lber in feinem ©c^üler 2lnbrea ^ifano (geb. 1273) 35
tücnbct [\d) unter bem (Sinfluffc ®iottog bie to^Ianifc^c ^laftil toieber einer ruhigen unb
^armonifc^cn Stbgeftimmt^eit jju unb toirb tpieber auf bie ©rjbilbnerei getoiefen (Slelief^
ber ©übt^ür be^ Saptifteriumö in glorenj).
3n ber öftlic^en ß^riften^eit betl^ätigte fic^ bie Äunft t)orh)iegenb in ber 2lrc^iteltur
unb in ber 3)lalerei, tüä^rcnb bie frü^c^riftlid^e ©timmung gegen bic ^laftif fortbauert. 40
'3Jur bie ßlfcnbeinffulptur blü^t Leiter unb ergebt ftd^ nicpt feiten ju ^eröonagenben
Seiftungen; nod[| mef^r aber toirb bie ^laftif in änfprud^ genommen in ber lujuriöfcn
firc^lic^en Älcinfunft, beren l^o^e Seiftungen ja^lreid^e auf und gelommene (Srgeugniffe
und verbürgen, ^n ber ^ala b'oro in ©. 3Karco in 35enebig ^aben toir ein c^arafte?
riftifc^ed SBcrf mittelalterlid^er b^jantinifc^er QmaxU unb ®olbfc^miebefunft. Sefonberd 45
le^tere erreid^te eine l^o^e 2ludbilbung (Überfielt unb Sitteratur bei Äraud I, ©. 538 ff.;
bagu „S^gantinifd^e 3^itfc^rift" an toerfc^ieb. Do.).
3. 3)ie ^Icugeit. — Sitteratur: 3. 93urd6arbt, 2)ie Kultur ber Slcnatffance in
Stniieii, 7. 9(ufl., Seipjiq 1899; ^. «Solfflin, ^ic flaffifcöc Äunft. (Sine (Sinfü^rung in bic
itolienifdic ^cnaiffance, i ?lufl., gnünd)cn 1901; eorncliuö ©urlitt, ®cfd)ic^te bc§ Sorodf, 50
JHofüfo unb Älaffijiöttiuö, Stuttfl. 1887—89; ?(b. SRofcnbcvg, ®efd)i(]ötc ber moberncn Äunft,
2. 9[uH' S3b 1--3, Seipjig 1892'ff.; 91. |)eilmcl)er, 3)ic mobcrnc $laftit in '2)cutf(^Ianb, Seipj.
1903 (ÄünftIermonügrapt)ien). — 3)ie njicl)ti9erc ©injellittcratur im Verlaufe ber 3)QrftelIung.
3;m 15. ^a^r^unbert löft ftc^ in 3;*^^^^" ^^^ Äunft t)on ben Überlieferungen bed
3Rittclaltcrd. 3!)er ^n^i^i^ualidmud, toelc^en ber jtcgrcic^c ^umanidmud für bie ®eiftcd5 r^
bilbung unb bad Äulturleben ald ein ?Dienfd^cnrec^t in Slnfpruc^ nal^m, tourbe auc^ für
bie Äunft ber SBeg ber Befreiung, ©ie toenbet ftd^ ju ben Duellen jurüd, auö benen
i^r toa^red Seben quillt, gur 9iatur, unb fofort ertoäc^ft aud ber mannigfaltigen dic^
flejion ber Jöirflid^feit in ben ©eelen ber ßünftler eine güHc bon Slnregunaen, unb aud
biefen ein immer mcl;r tnd Sreite ftrebenbcr Sleid^tum bon ©c^öpfungen. 3lber bie 3?atur eo
438 Sfnl^ititr
h)irb in ber fd;öncn gornt crfafet, bod^ nic^t fo, bafe nac^ gricd^ifdfi^flaffifc^cr SBcifc bic
©d^önl^cit an ftc^ in bolllommencr ©rfd^cinung gefugt mürbe, fonbcm fo, bafe bic toon
einem tiefen Seben^in^alt erfüllte, fcelifd(i öeftimmte ©c^ön^eit afe Qkl gilt. 3)enn tocnn
über{^au))t barin ein toefentliid^er Unterf^^ieb jtoifc^en ber d^riftlic^en unb ber gricdbifc^en
5 Äunft befielet, bafe biefe bomel^mlic^ bie fc^öne ßrfd^einunggform, jene baö 3""^"'*^^^"
fud^t, fo mu^te biefe« le^te 3Jloment um fo Iräftiger fic^ geltenb mad^en in einer ©cne^
ration, in tüeld^er bie ^erfönlid^Ieit in entfdfieibenber SBeife in ben SSorbergrunb getreten
toar, fo bafe man in ber ,,entbe(fung be« ?!Jlenfd^en" eine bebeutfame (Sigentümlid^feit
bwJ 15. Sal^r^unbert« mit SRed^t )^at finben motten. SBid^tig toar femer, bafe bic^ßlaftil,
10 in (Srtenntni« il^rer eigentlid^en Slufgabe, fic^ bon bem 3)ienfte ber 2lrdf|iteltur löfte, aber
fte gab bann fofort einen 2:eil ber toiebergetoonnenen ^ei^eit an bie SKalerei ^in, o^nc
§h)eifel unter bem 3)rudEe ber fie bel^errfd^enben inbibibualiftifc^en Stimmung, für toelc^e
fte in ber 3)ialerei einen tocit bottlommeneren 2lu«brudE fanb. ©ie ift tpefentlid^ malerifc^
unb nimmt and^ barin eine bon ber antilen ^laftif fic^ toeit entfemenbe ^ofttion ein.
15 ßinter ben Äünftlem ftanb ber 6ntl^ufta«mu«J be« Sanbe«. ©eiftlid^e unb treltlic^e
§erren Wetteiferten in ber ©önnerfc^aft. @o ftarl hjar bie Äraft be« neuen 3^<^öte,
bafe bie Äirc^e toibcrftanb^lo« bie mittelalterlid^e Äunft fal^ren liefe unb ba« 3""<^c i^^^
©otte^l^äufer ber jungen ^laftif überliefe. 2ln ben Äanjcln, ben ältarfd^ranlen, ben
Slltären, bem G^orgeftü^l, ben ©rabbenimälem — h)o immer bi^l^er ber alte Stil
aol^eimifd^ getoefen toar..— fe^t ftd^ bie neue Äunfttoeife feft. ©ic fd^müdft bie ^Portale,
ftattet 3""^^^ wnt> Stufeere« mit il^ren ©tatuen au«, aud^ ber fonfertoatibe Äloftcrbau
giebt i^r gegenüber bie 3iö^i^!^wnt*^^ «l^^ Äunftübung auf. ^n^l^d) gcl^t auf attcn ®c=
bieten ber Äunftbetrieb in Saienl^anb über, ättterbing« lebt in biefen Äünftlcrn ein ^obcr
Sbealiömu«, ber Don bom^erein il^r SBcrl fi;mj>atl^ifd^ mad^en mufete. 3)ag JHingcn i^rer
26$l^antafie unb bie Slrbeit i^re« 3Keifetö fud^en bie (£l^re®otte« unb ber ^eiligen; fünft-
lerifd^e« ©d^affen gilt i^nen aU ein l^eiliger 2)ienft. ^f)U ^af){ ift grofe, aber ba« neue
3jbcal binbet fte feft jufammen, ol^ne bie ^nWbibualität au^gufc^alten. 5Deutlic^ treten
©Ovulen l^crtoor unb in ben ©d^ulen tr>ieberum ©onberl^eiten.
Die SRenaifJances^laftif l^at t)on bem t)erfd^iebenften 3Kateriat ©ebraudfi gemacht;
30 bod^ galt ber 3Karmor ate ba« ebelfte ®eftein. (Sine grofee Beliebtheit enetdjfte bie polt»=
d^romierte 2^enacotta, hjeld^e burd^ ©lafterung ober ©mailierung an 5Dauerl^aftigfeit
toefentlid^ gewann.
3)ie ?(JJeifterfc^aft f)ai ^lorenj. 2)ie Steige eröffnet ber ©rjgiefeer Sorenjo ®l>iberti
(geft. 1455), in bem noc^ bie gotifc^e Söeife nac^flingt (JJorbtl^ür unb $au})tj)ortal be^
35 33a})tifteriumg); in feinem jüngeren gcitgcnoffen 35onatetto (geft. 1466, gu bgl. ©c^marfoto,
3)onatetto, Sei|)jig 1886) entfaltet jid^ bann fofort bie ganje ©rfmbunggs unb©c^ajfen^
fraft ber neuen 3^^^- 3Sotte Eingabe an bie 9?atur unb fouberäne Se^errfc^ung ber
SBirflic^feit, .C^o^eit bi« gur ^erb^eit unb 2lnmut big gur 2öeid^l^eit, bomel^me ©röfec
unb greube an reigbotten 2)etaifö fliefeen in biefem fc^affen^frol^en, bielfeitigen 5)iannc
40 gu einzigartiger Harmonie jufammen. SSon beiben beeinflufet ift ber biefe ältere ®nH)))c
abfc^liefeenbe £uca beUa SJobbia (geft. 1482), aber bie feine, auf ruhigen, fd^önen äu^=
brud gerii^tetc unb bon frommer ©timmung be^errfd^te (feine 3)labonnen) 5)arfteQung^rt
ift fein ßigentum. Sr bor aüem ^at ber glaftcrten bemalten lerracotta SJerbreitunß
Dcrfc^afft, in ber fein ©c^üler unb 5ieffe 9lnbrca betta SRobbia (geft. 1528) t)orh)iegenb
46 fd)afftc. aöürbig fc^liefet ba« Quattrocento in glorenj ab änbrea bei l^errocc^io
(geft. 11 88), ber bie ^laftil be« ^^^^^""^^^^^ ?\" monumentaler §öl^e er^ob (ßbriftue
unb Xl^omag in glorenj, Sleitcrbilbni« bc« gotleoni in SJenebig). 2luc^ im übrigen
Stauen (©icna, ^abua, Sombarbei) treten bie SBirlungen be« neuen ßunftgeifte« ^ert)or.
gaft überaU ftc^t neben ber 3)Jarmorbilbnerei ber ßrjgufe.
&o ®oc^ biefe ßnttüirfelung toar nur bie 38orbereitung eine« ©röfeeren. 3lue ber
9)fannigfaltigfeit unb bem fröl^lid^en ©d^affen ber ^rül^renaiffance ergebt ftd^ feit bem
!i^lufangc bc« KJ. ^al^r^unbert« ber gefc^loffene, monumentale 33au ber §od5>renaiffancc.
Die bcibcn ^^^fciler, auf bencn jene ruF)t, 5?atur unb ©m^finben, bleiben unberrüdft, aber
bic ©cbanfcn unb Kräfte ftrcbcn über bie naibe ©d;önl;eit unb bie frei ftd^ erge^enbe
55 ^^il^antafic l)inau« auf ein l^ö^erc« ^kl Die Dkbcnbinge bleiben am SBege liegen, aUes
ftrcbt in ftraffcr 3wf^"^"icnfaffuug be« gangen Äönneng einem ®rofeen gu. 3Rit einem
SBortc, baö 9JJonuinentalc fc^t fi^ in Weitung. Die unter^altenbe, bel^aglid^e ©d^itberung
ber l^ciligen ©cfcbiAtc Dcrfcl>iüinbct hinter ber unmittelbaren, mirlungebotten ©rfaffung
ibreg entfd)eibcnbcn :3n()<Jltc«. Die frommen ©cftalten ber Äirc^e toerben öeroen. 3(1^
60 bie l^öd;ftc Aufgabe ber ^laftif ipirb ber 3)ienfc^ erfannt. ^nbem ft(^ in biefem ^beol
&Mpinx 439
bic Äünfticr bc« 16. 3[öl^tl^unbcrtö mit bcm ^bcal bcr 3tntilc bcgcönctcn, \mx ^iJJöglid^-
feit unb SBirflid^Icit einer Seeinfluffung öegeben. ^nh^^ l)at fic^ btefer ©influfe nie in
ber ^otm ber cinfod^en 9Jac^al^mung Dolljogen, fonbern ift ftet^ burc^ baö inbiöibucHc
(SnH)pnben bcd Äünftler« ^inburc^ge^angen unb afftmilicrt tDorben.
SBa« Slorenj für bie grü^renaiffance mar, tourbc für bic ^od^rcnaiffance SWom, h)o 6
nid^t nur erhabene Slefte be^ Slltertum«, fonbern a\xd) bie Erinnerungen einer großen
©cfc^idfjtc fortlebten.
2)ie 3^een unb Äräfte ber ^od^renaiffance ftrömen jufommen unb bereinigen fic^
|\u geiDoItiger, einzigartiger SBirfung in SKid^elangelo Suonanoti (1475—1564). 2)er
(Sturm unb ©rang ber ^At erfüllt ganj fein Seben. 2lte bcr grofee 9Jeuercr ftebt er lo
unter feinen 3^it0^noff<^n- Äeiner ^at ben 9Jlarmor in bem 3Jla6e bem 6igenh)itteh ju
unterwerfen berftanben h)ie er. 3)ie ©egenfä^lid^Ieit unb ber fc^arfe Subieftitoi^mu« feiner
$erfönlid^Ieit geben feinen SBerfen ein inbiüibuette«; ©ejjräge, unb bodp toirfen fic mit
unh)iberfte^lic^er ©etralt. „S5}a^ bic Äunft , be^ Quattrocento l^au})tfäd^Iici^ auszeichnet,
bie uncnblic^e greube am 3"f^ßi0^" ""^ SBielgeftaltigen ber 9?atur unb beS SebenS, i5
baS ift il^m in tieffter ©eele Der^afet; er fd^afft fid^ ein ©efc^IedS^t t)on ©emaltmenfc^en,
in bcm alle getüöl^nlid^e gorm inS ©igantifc^c geftcigert ift, baS einerfeitS ber einfallen
9Jatur nä^er fte^t aU bie zit)ilifierte 3Renf(^l^eit, anbererfeitS bie in i^r tool^nenben
geiftigen Äräfte auf« l^öd^fte enttüicfelt ^ai", 3n ber „^ietä" in ©t.«ßcter (1499) Hingt
bcr ©d^merz ber üHutter über ben 2:ob be« ©o^neS ergreifenb auS in ber ftitten ^Jügung 20
in baS unbegreifliche ßrlebniS. ^m ,,3)aDib", bem fd^önen, lamjjfeSfro^en Jüngling,
grüfet baS frifd^e Seben felbft. 3)er „9Kofe«" am SuHuSbcnlmal erfd^eint ate bcr %\^pn^
eines bon gewaltigem, ^eiligem gonte erfd^ütterten ^enifc^en 9KanneS, unb bcr „fterbcnbc
©fiaDc" Wieberum bcSfelben ©enimals ftellt unS baS langfame unb mübc ßrlöfd^en
eines jungen ^Kenfc^enlebenS erfc^üttcmb bor bie ©eele. 3)er auferftc^enbc ß^riftuS in 25
©. 3Karia fojpra SKinerba in -Wom burd^bric^t äße jungen unb alten 2^rabitioncn beS i^})uS:
Wie ein antifer (Sott tritt er in boller 9JadEt^eit mit bem fd^önften 9Kenfc^cnIeibe fiegreid^
l^erbor. Unb Wcld^e güHe bon eigenartigen ©ebanlen unb ßmjjfinbungen fammelt fid^ in
ben e5^0W^^«n ber ®rabla}jelle ber 3Kebici in glorenj. 9lIleS lag in bem 9Kad^tbereic^ beS
(SmpfinbenS unb ÄönncnS biefcS bon ben ebangelifc^en ©cbanlen ber ^At ergriffenen ao
großen ÄünftlerS; auc^ bie jarten 3:öne beS ©celenlebcnS Wufetc er ju finben, fo fe^r
bie ^Ric^tung feineS ©eifteS auf baS 3Käd>tige unb äufeergeWö^nlid^e geWanbt War (bic
Sitt. f. 8b XII ©. 121, 4(), baju je^t 3:i^obc, Michelangelo, 2 95be, Serlin 1902 f.).
es ift felbftberftänblic^, bafe ein folc^er 3Kann nid^t nur bic l^Iaftifc^e Äunft feiner
©cgenWart beftimmte, fonbern nod^ lange nad^^er leben grofee unb Heine ©eifter unter 35
bem ©Ratten feiner Äunft.
3nbem Wir bie SBirfungen bcr italienif^en 9lenaiffance unb berburdfi fie gegebenen
Anregungen auf bem ©ebietc ber ©ful})tur in ben romanifd^en Sänbem beifeite laffen,
Wenben Wir unS 3)cutfd^Ianb ju. 2)ie ©cfd^id^tc ber ^aftif in Deutfc^Ianb bcrläuft im
15. ^ai}xi}. o^ne jegliche 33crü^rung mit ber Slenaiffance. Stuf biefem 95oben bcJ^aujiteten 40
nic^t nur bie SBeltanfc^auung, fonbern auc^ ber fojiale unb über^au))t tuItureHe DrganiS*
muS beS 9)JittelaIterS faft ungebrochen i^re ©cltung, unb Wo neue SRegungen unb Sil*
bungen f^erbortraten, waren fic religiöfer 9?atur. 6S fel^Iten bie fiil^nen ©eifter, baS
freigebige 9Jläcenatentum unb bie unmittelbaren mäd^tigen SQSirlungen beS 3lltertumS.
2)a^er berbleibt bie Äunft in bürgerlid^em, jumeift l^anbWerfSmäfeigem §erfommcn. 3)er 45
3ug auf baS ©ro^e, ?!JlünumentaIc gel^t if^r ab. 2lber fic bilbet je^t foWo^I in ber
gorm bcr ^laftif Wie bcr 3!JlaIerei Iräftiger auS, WaS fie fc^on borbem als Eigentum
befafe, ben ©inn für bie aKirHid^feit unb bie SBaf^r^eit bcr ßrfd^einung. äHerbingS ift
ber 9?aturaKSmuS, in bem fte fic^ bewegt, ein naiber, ol^ne JReflejion auf baS Stilgemeine
unb o^nc ernftlid^eS 33emü^en um ein ©c^önl^eitsibeal. 3)er 3)arfteIIung beS 5Racften so
gej^t fie, gebunben burd^ alte religiöfc Sebenfen, gern auS bem SBege, ja ftc bcrl^üllt ben
Äörtoer mit fd^Werer, reid^^altiger ©ewanbung, für bie fte in ber zeitgenöfftfd^en ?DJobe
bic Vorlage finbet. ^mmer aber fud^t fic mit bcr äußern SBal^rl^eit bie innere SBa^r^eit ;
ber jjcrfönlic^en ©timmung, bem feelifcbcn 6m})finben ftrebt fte ju, unb in bem l^o^en
©dingen, mit Weld^cm fte gerabe bie religiöfc 3;nnigleit auSjuJjrägen berftel^t, bcfunbet 66
fte ben engen 3wfammen^ang mit einem religiöfcn SolfStum. Unb barin liegt ein
Weiterer 3Sorjug: fte ift SolfSfunft, fte rebet bie Bpxa6)t beS SSolIeS, em>)finbet mit
feinen ©m^jfinbungen. ©ie burd^ftreift nid^t ferne uttb frembe JRegionen, um bort gi^embs
artiges ju fuc^en unb f^eimjutragen, fonbern in ben ©ebanfen unb in bem Seben beS
SBoIteS fuc^t unb finbet ftc i^rcn ^n^alt. 3iox allem bie l^eiligc ©efc^ic^te unb bic ©c^ eo
440 ®fttl)itiir
fc^id^tc bcr öeiligcn fc^Itc^t ;;u cr^äl^Ien, toerftc^t fic. Sicbcr bcnn aU ^immcl^^fonicjin
erfaßt fie 'üJiaria aU liebliche ^w^öftau ober ak fc^mcrjen«Jrcic^e 3)Jutter unb ben ^ci^
lanb in bcn ergrctfcnbcn 3"9^" ^^^ 35ulbct«. 3l\d)t feiten toerirrt fic^ bicfcö ©u^ien
nad) SBaF^rf^eit in gerben, ja abftofeenben Sleali^mu^, aber man barf nid^t überfebcn, ba§
5 bic ©emüter ber ©d^auenben auf l^ärtere löne geftimmt lüoren unb burc^ bie geiftlic^en
Sc^auf>)iele immer tpieber bafür geftimmt tourben.
"iDlit biefem ftarl au^gejjräöten 3Serftänbniö für ba^ ^nnerlid^c, ©ubjeftitoc ^änc^t
üE^ne 3*^eifel jufanimen bie malerifc^c Slbfümmung ber ^laftif. 3lufecrbcm gefeilte fid^
bem ^ilb^auer in ber 3(u«fü^rung ber reichen Semalung unb ikrgolbung immer ber
io5JlaIer gu; bie Slltäre unb manc^e^ anbere SBerf ftnb gemeinfame älrbeit ber^ßlaftif unb
bcr 5KaIcrei. äud^ bie gunel^menbe Seborgugung be^ ^olge^ bor bem ©tein toirftc l^icr
mit, ba bie Sefc^affenbeit biefe^ 3Kateriatö pi einer malerifc^en Se^anblung unmittelbar
brängt.
%a^t man ba« ®anje in« 2tuge, fo mu^ bie ^eriobe ettoa 1450—1530 aU bie
15 j^toeite 33lütegeit ber beutfc^en ^laftif begeic^net Serben. (Sin rege« ©c^affen ge^t burc^
alle Sauen Deutfc^lanb«. ältlerorten erfte^en grofee ailtartoerle mit reichem malerifc^cn
unb Jjlaftifd^en ©d^mucf. 2)ic 3""ft^^0iP^ ^^Q^^ ga^lreic^e Äünftlernamen, h)ie immer
auc^ bie iräger einjufc^ä^en fmb. ^reilic^ ?Wittel})unfte toon fo beftimmenbem ßinflufe
toie glorenj unb 5Rom in ber italienifc^en Slenaiffance fmb nic^t bor^anben, Ido^I aber
•M ©tätten genug, bon benen in bie 9?äl^c unb in bie gerne getoiffe SBirfungen au«gel^en.
2)arin nimmt 9iürnberg al« 3lu«gang«))unlt ber fränfifd^en ©d&ule ben erften ^Ua^ ein.
2)ie ©c^ni^toerfe, bic au« ber SBerfftatt be« 3RaIer« aJlic^ael SBo^lgcmut (t>gl.
5Jb XII ©. 122) ^erborgingen, geboren ju ben erften 3^"0^ ^i^f<^ gel^obenen Silbnerci,
aber bereit« in feinem jüngeren ß^itgenojfen Seit ©to| (geb. ca. 1440, längere 3^'^ i"
25 Hradtau tl^ätig, gcft. 1533) entfaltet ftd^ bie neue JHic^tung t)oB. (£r ift in erfter Sinic
^oljfd^ni^er. ©ein 3'^^ Ö^l^t auf fd^arfe g^aralteriftif unb unmittelbare ßrfaffung bcr
Säirflic^feit (ber ungered^te Stic^ter im ©ermanifd^en 3Hufeum). ®er unruhige 3^9 ^"
fcinent erften §au})th)erle, bem 3Karienaltar in Äradtau (1477—1484), ift in bem ©ngc-
lifc^en ©rufe (1478) in ber Sorenjlirc^c einem bome^men, aber ettoa« inl^altlofen 3lue=
3(.) brudf geh)ic^en. ©eine 2:^ätigfeit greift h)cit an^ (^öfob«fird^c in 5Wümberg; ju ögl.
S. 3)aun, Seit ©tofe unb feine ©c^ule, Sei^gig 1903). 3lAm \f)m fte^t ebenbürtig al^
ÜReifter ber ©tein^laftif abam Sraft (geb. ca. 1450, gcft. 1509). 3n fieserem ©angc
l^at er [xd) bom ©teinmc^ gum Äünftler cm})orgearbeitet. 3lu« feiner Sergangenbeit gc|t
mit i^m ein ard^aiftifd^er 3w9- 2lb^olb allem Seibenfc^aftlic^en, breitet er über ^erfoncn
36 unb §anblungen eine faft anbac^t«t)olIe SRul^e unb läfet au« il^nen feine treul^ergige, ju^
iDcilen aUerbing« auc^ etn^a« l^au«badtene 2lrt h>iebcrfc^einen. ©eine fieben ©tationen bor
bem 3:iergärtnertore unb bie Äreugigung«gru))}je auf bem 3o^anni«frieb^of laffen feine
fünftlcrifc^e Scfonbcr^eit am beften errcnnen, tDäl^renb in bem berül^mten ©aframent^
l^äu«d;en in ber 2orengIird^e (1492—1496) fein beforatibe« Serftänbni« unb feine tec^^
10 nifcbc gjlcifterfd^aft glängcnb ^crDortreten (I)aun, Sbam Äraft, Serlinl897). 311« brittcr
rci^t [\6) an ber ©rggiefeer $cter SSifc^er (geb. ca. 1455, gcft. 1529), au« beffen ©icB-
l}\xiU, unter 9){ith>irlung bcr©öl^nc, gablrcid^c SBerf e hervorgingen. 3ln großer äuffaffung
unb ©c^önl;cit«emj)finben übenagt er feine beiben 3^itgcnoflen, obtoo^l jh)ifd^en i^m unb
Slbam Kraft beutlid^e Scjie^ungen befte^cn. ^n feiner fpäteren £eben«geit gclüinnt bic
45 iHenaiffance Ginflufe auf il^n, ol^ne i^n bon bem mütterlichen Soben ju löfen. 5)afür
^icugt fein .v^aujjttücrf, ba« l^errlic^e ©ebalbu«grabmal (boHenbet 1519) m bcr ©ebalbuß-
firc^c, in mcld^em alte unb neue SBJcifc in fc^öncr Harmonie gufammenflingen. 2)afe
ba« ©cl)affcn biefer 3)Jänncr Iräftigc unb erfolgreiche Anregung gab, befunbcn treffli(^c
Sßcrfc jener 3^^^, bcrcn ©d^öpfer unbefaunt geblieben fmb (j. S. SWaria mit bem gcici-
öi) nam Qi)x\\i\ in bcr 3flfob«firc^e, bie fd)merjcn«reic^e SKutter im ©ermanifd^en 3){ufcum).
3n Untcrfranfcn ragt bcr au« 9liebcrfad^fcn gebürtige unb in SSBürxburg gur ^öt^ftcn
ftäbtifd;cn ffiürbc aufgcftiegcnc Jilmann SRicmenf^nciber (gcft. 1531) ^erbor, gleich er-
fahren in bcr ©tcinfful^tur ioie in bcr ^oljbilbnerci. ©c^ön^cit«gefül^l (©iKi am portal
bcr 3}iaricnfird^c in SBür^burg) unb Sornef^m^cit berbinbcn fid^ in feinen ©dbö})fungen
55 mit feiner G^araftcriftif (^al^lrcidE)e Stltartocrfc unb ©rabbenfmäler, barunter ba« itaifcr
.^cinrid;« II. unb feiner ©cma^lin im I)om m Sambcrg). ©ine grofee ^üng^jf^^f^
fammcltc fid; um il^n (G. Jönnic«, iJcbcn unbS^erfc be« Silbfd^ni^er« 3^ilmann 9licmcn=
fc^ncibcr, ©trafeburg 1900).
Slud) ©c^hjabcn bat an biefer Gnttoidclung bcr beutfd^cn ^Uaftif einen l^erborragcnbcn
ö) 3lntcil, oblt)ol;l l;icr bic Vorliebe für bic 5Jfalcrci tiefer haftete, ^n Ulm, bem ^Kittel-
(BMptnt 441
Jjunfte bcr fc^luäbifd^cn Sd^iilc, entfalten ^örg Sl;tlin (geft. 1491) unb fein gleidbnaniiöer
©o^n eine bebcutfamc ^^f^ättgfeit. Sc^tercm toirb — ob mit Sted^t, bleibt ba^ingefteüt
— ber .öoc^altar gu 33Iaubeuren, cine<^ ber 3)Jeifterh)erfe c^riftlic^cr ^laftil, jugefd^rieben,
neben bent aber auc^ ber Ärujipju^ in ber ^auptfirc^e gu SRörblingen, ein 2öerf Don
F^o^er SJoHenbung genannt Serben nmfe. 5
SEiroI l^atte um biefe 3eit in 3Jli(|aeI ^adf^er (geft. 1498) einen 9!)teifter Don großen
lünftlerifd^en ßigenfc^aften. 2)agegen tourbe am Jlieberrl^ein unb in 9lorbbeutfc^Ianb baö
lofale Sd;affen burd^ ben maffenl^aften 3;"it^öi^^ ^^^ ©d;ni$altären unb anbem plaftifd^en
(Srjeugniffen au^ ben TOeberlanben ftarl beeinträchtigt ober gerabeju la^m gelegt, äöo
man felbft fd^uf, lel^nte man ftc^ faft immer an biefe auölänbifc^en SSorlagen an. Slber 10
bie blü^enbe ©d^ule in Äallar ift anbererfeit^ ein Setüei^, baß in biefer 2{bf;ängigfeit
boc^ aud^ eine gehjiffe Selbftftänbigfeit nid^t gefel^It ^at. So ift aud^ ber große 9)leifter
ber Silbnerei in 9iorbbeutfd^Ianb, .^an^ Srüggemann au^^ufum, jtoar bur^ bie5iiebers
(änber angeregt, aber feine ßigenart — feine Slbtönung be^ ©mjjfinbung^Ieben^ unb
Äraft biö jur ©erb^eit — gaben feiner Äunft ©epräge unb SBirfung. ©r ift ber ©d^öjjf er 15
be^ größten unb arc^iteftonifd^ am feinften em})funbenen 2lltarn)erl^ im 3?orben (im 2)om
}^u Sc^le^lüig, urf^jrünglid^ für bie Älofterfirc^e ^u Sarbe^l^olm gearbeitet, 1521; ju Dgl.
31. Qad), §an^ Srüggemann, Sd^Ie^mig 1896).
3m SSerlaufe be^ 16. ^al^rl^unbert^ beginnt bie italienifd^e SRenaiffance aHmäi^lid^
über 3)eutfc^Ianb fic^ auszubreiten ; bie t?oIge ift bie Sluflijfung ber beutfd^en *$laftif, an 20
beren Stelle nun ein manierierter ÄlafftciSmuS trat, ber in ber §anb auSlänbifd^er
eingetDanberter 3)leifter noc^ juna^m. ^n Italien felbft fe^t bann am ßnbe biefeS ^al^r^
l^unbertö baS 95arod ein unb getoinnt l^ier unb überall bie §errfc^aft. 3)er Sal^nbrec^er
ift, aud^ in ber ^laftif, ber j)ä>)ftlic^e Saumeifter Sorenjo Sernini (geft. 1680). 2)a«
äeftreben ge^t auf Jjatf^etifdbe Sd^ilberung, affeftöoHe SarfteDung. DaS Seelifd;e brängt 25
ficf) leibenfc^aftlic^ Dor, aÜk flutet in unrul^iger Setoegung. 2)a biefeS Rid nur mit
ben 5)fitteln ber 3)Jalerei DöHig ju errei^en ift, fo unterftetlt fid^ bie ^laftif ben ©e^
fe^en berfelben unb giebt i^re ©igenart auf. So entftel^en bie tl^eatralif^ fom^onierten
.^eiligengefd^id^ten, befonberS 3)Järtt;rerfc^ilberungen, in n^eld^en bie fc^tDärmerifc^sjefuis
tifc^e gj^ömmigleit ber fat^olifc^en Sieftauration, fritoole Sinnlic^Ieit unb abftoßenber 30
SlealiSmuS fi^ jufammenfinben. SJatur, SBal^r^eit unb S^lic^tl^eit finb au^efc^altet
unb bafür regellofe ^l^antafie, ©jaltation unb Lanier ate bie ^errfd^enben 'Släd)^ eins
geführt. Die religiöfe Äunft erlebt in biefer ©nttridelung i^re böHige Sluflöfung. Deutfc^*
lanb tpurbe baüon um fo l;ärter betroffen, ba ber breißigjä^rige 5triea SBo^lftanb unb
ißollehaft aufS tieffte erfc^ütterte, unb ba^er frembe 9)leifter herbeigerufen mürben. Slbersö
berjenige Staat, ber ^uerft fraftöoB unb jufunftSfreubig auS ben Irünnnem fic^ lieber
aufbaute, Preußen, i}ai and) ben erften l^erDonagenben beimifc^en 93arodfünftler, 3lnbreaS
Sd^lüter (geft. 1714). SKaS feine ßigenart bilbet, ^l^antafie, SBal^rl^eit, monumentaler
Sinn, tritt leuc^tenb l^erDor in feinem 5Reiterftanbbilbe beS ©roßen Äurfürften inSerlin.
(Sine anmutige unb bejeic^nenbe beforatiüe Äom^jofttion ift feine ^Karmorlanjel mit ben 4o
jubilierenben (Sngeln in ber 3J?arienfirc^e ju Serlin (6. ©urlitt, änbreaS Schlüter, Serlin
1891). •
3)aS auf franjöfifc^em 33oben entftanbene SRofofo, bie «erliefe, fjjielenbe Umbilbung
beS 93arod berfolgte beloratitoe 3^^^^ unb fommt für bie ©roßjjlaftif ni(f)t in Setrac^t.
3)lit bcm aiuSgange etira beS 18. ^la^rbunbertS ^ört bie Selbftftänbigleit berÄunft45
auf. „es beginnt ber Slunblauf burd^ alle 3^iten unb Stile, ber inSbefonbere ber "Hxd^'u
tettur unb ben beforatioen fünften, bann aber aud^ ber 3Kalerei unb 33ilbl?auerei be«
19. ^ö'^^'^w"^^^^^^ c^"^" föft c^aotijd^en G^arafter Derlei^t". 3)er mobeme SBerfcl^r, bie
äuSfteHungen, bie erleichterte 9Je})robuItion fül^rcn ^erfonen unb Scf)ulen aller Sänber
^ufammen unb fc^affen bie große, in forth>ä^renber Setoegung befinblic^e Stilmifc^ung, 00
bie h)ir @egenh>ärtigen erleben. 3""^^!^ f^"^ man in ber 2lntife baS SJorbilb. 2)er
Italiener Antonio GanoDa (geft. 1822) unb ber 3)äne »ertel SJ^ortüalbfen (geft. 1844)
vertraten fie glän^enb unb einfcf)meicl)elnb. 3" ^^^ c^riftlic^en Äunft lebt biefer ^eute
noc^ mit einem äÜerle, melc^em fic^ an Popularität nur n^enige an bie Seite ftellen
fönnen: ber einlabenbe G^riftuS, begleitet Don bem &)ox feiner Singer, in ber ^auen= 55
lirc^e JU Äojjenl^agen. ^o^eit unb 9Jiilbe ftral^lt biefe in antife Sd^ön^eit gefaßte
©eftalt an^, 35ie leicht erl^obencn 'Jlrme unb baS ftreng ebenmäßig gebilbete '2lntli^
bringen bie ffiorte 3Jlt 11,28 ju liebeDoHem 2luSbrud. Stber inbem biefer treidle 3"9
unb eine mitteibSDolle ipingabe bem Silbe fein eigentliche^ ©ejjräge geben, bagegen bie
gcbieterifc^e ©röße unb bie toeltübertüinbenbe 3JJac^t bcS §enn ganj im §intergrunbe »10
442 6fiiT)ihtr
bleiben, niufe bic 9(uffaffunö afö eine cinfeitiöe bcjeidfjnct tverbcn, bic ntd^t an bem qc-
fc^id;tlid;cn 6I;rtftu^, fonbem an bem leib= unb bemut^DoHen ^^eilanb bcr fünftlcrifd?cn
Stomantif bcr fog. 9lajarcner orientiert ift. (3lb. SfJofcnberg, 3:^om)aIbfen 1896 inÄünftIer=
monograt)I)ien.) ®er ^erDonagenbftc SSettreter be« Älafftciömu« in ©eutfd^Ianb ift Gl^riftian
5 2)aniel SKaud; (geft. 1857). 3)a« glatte, refleftiertc ©c^önl^eit^ibeal etne^ 6anot?a unb
2;l^orn>aIbfen erhielt in feiner lünftlerifc^en ^nbibibnalität einen fräftigen, greifbaren Sn^^It.
Seine JJeigung unb bic an i^n ^erantretenben 3(ufträge feffelten il^n faft au^f(f>Iie6(ic^
an bie h)eltlicl)e ^laftil. aber feine ®ru}j})e bc« betcnben 3Kofe^ in ber grieben^firc^c ju
•^Jot^bam criücift aud^ fein feinet Serftänbni^ für bie aufgaben ber rcligiöfen ©!ulj>tur,
10 unb er ^at ba« SBort gefjjrod^en, bafe bie ^"^"f^ '^^ beutfc^en ^laftif auf religiöfcm
®ebiete liege, unb babei auf feinen ©d^üler JHietfc^cl getoiefcn (%. unb ß. ©gger^, 6br.
2). $Raud;, 5 93be, S3erlin 1873 ff.). 3n ßrnft 3lietfc^el (gcft. 1861) t)oajiel^t fxd} eine
beutlid^c älnnä^erung an ben SReali^ntu^. SBä^renb bic cm})finbungöt)oIIe $ietä in bcr
^-ricbenefirc^c ^u ^ot^bam (18^7) nod^ im ibcalen Älafftci^mu^ ru^t, ift im Sutbcr^:
15 bcnfmal ju SBorm^ (DoUcnbet erft nac^ bem Sobe SRietfc^etö 1868) bic gclr>altigc ^^cr=
fönlic^fcit be^ 9leformator« in bcr gan.^en SBud^t i^rer gcfd^ic^tlid^cn ©rfc^cinung erfaßt,
unb biefer ©inbrud ift ftarf genug, bic unleugbaren SJlängel ber Äom})ofttion be^ ©anj^en
jurüdjubrängcn (21. SBoltmann, I)ic bcutfc^c Äunft unb bic Sieformation, Serlin 1867.
Dj)J)ermann, ©ruft Slictfd^el, 2. aiuft. Seijjjig 1873).
20 5^njloifd;cn i)at bic Situation ftc^ böHig getpanbelt. 35er Älafftciömu« ift in bcr
bcutfc^en ^laftil Dereinfamt; fein naml^afteftcr SJertreter ift gur R^xt äbolf ^ilbebranb
(geb. 1847), Don großer SReifterfd^aft. ^m übrigen erfd^öj^ft [xq bicfc Äunft in alloi
möglichen Stimmungen unb Strömungen Dom Jjj^antaftifcl^cn S^mboli^mu^ an bi« jum
cdigftcn Slcaliömu^ unb bijanften 3i"i}>^«fPoni^mu«. ^n ^ranfreid^ ift fte bcnfelbcn
2ö Äkg gegangen. 2)en fc^ärfftcn i^rud^ mit ber flafficiftifc^en 58ergangen^eit bcjcid^nct bort
nac^ feinen i>orläufern granQoiö Stube unb 2)at)ib b*3lnger§ bcr geniale äuguft Sobin
(geb. 1840), locld^er, Subjeltit)ift burd^ unb burd^ unb ab^olb allem "^Ola^ unb fc^licbt
9iaiürlid;cm, feine (Scftalten mit bcrCSlut leibcnfd^aftli^cn Seben^ erfüllt, imb bicfc ®lut
ift Dorh)icgenb bic Sinnlic^feit. „äbftofecnb unb unl^eimlid^ angie^enb guglcic^ crf(^cint
30 ba^ Sc^^affcn biefeö 3Kanne^." 2)oc^ mit Siecht gilt nid^t er, fonbem älbcrt Sart^o-
lomö (geb. 1848) atö ber größte fran^öftfc^c 33ilbl^auer bcr ©egentoart. ®roßc 2(uffaffung,
$armonic unb 3Jlai d^aralterifiercn fein Schaffen unb Dor allem fein §au|)th)crf, ba^
Monument aux niorts, aB ®rabbenlmal bcr Siamcnlofcn 1899 aufgeftcUt auf bem
^rieb^ofe ^^Jörc la (S^aife in ^iari«. Sic Snfd^rift (3Kt 4, 16) unb ein (gngel ober
35 ®cniuö, ber einen "Soten jum Seben ruft, f})rec^en eine 3"t"nft^^offnung au«, aber auf
ben ®cftalten, bic gur bunfeln 3:obe«pforte tvanfen, liegt ber ®eift bumpfer Slefignation
ober troftlofer ^JScr^tDcifelung. ^n Belgien ftettte Äonftantin 3)lcunier (gcft. 1905) fein
große« 3:alcnt in ben 2)ienft ber fogialen ^rage, inbem er marfige ®cftaltcn au« ben
arbeitenben klaffen in jjadenber £eben«lt)af;r^eit Dorfül^rt. 2)ic übrigen eurojjäifc^cn S?änt»cr
40 fte^en jurüd.
211« ©anjc« betrad^tet erfc^cint bie 5tunft ber ®egenh)art elleftifd^ unb original iu=
gleid). ^nbc« aud^ \vo fie efleltifd; ftc^ Der^ält, ift fie um ben ©infaft eigener ®eban!cn
bemüf^t. (Sin ftarler 3)rang bel^ervfd;t fte, Jjcrfönlic^, inbiöibueÜ in fein, unb ibre 3"^^-
bibualität bcr i>crgangenl^eit gegenüber burd^jufe^en. ^rcilic^ läuft oft genug Sclbft-
45 täufc^ung mit unter. 3)ie angeblid;c gretl;eit ift gcfd^idt ober ungefcbidt toerbedte 3lb-
^ängigfcit. 2lnbcrcrfcit« lebt ber ^Ktleni«mu« in ber ^laftif nod^ fort, aud^ romantific
2lntüanblunnen unb fircf^lid^e 3:rabition ^aben, befonber« in ber fatl^olifc^en Äunft, noc^
®eh)id;t. 2lbcr bic ®efamtric^tung gcl^t in ben regellofcn S3a^nen eine« taufenbfac^
fd»itlcrnbcn Subicftit)i«mu«. 2)ic geiftige, et^ifc^e unb religiöfe ßcrfal^rcn^ctt ber ®cgcn'
50 iuart fiiibet lt)ic in bcr Sitteratur fo auc^i in bcr ß'unft il?ren unmittelbaren aSiberfcbein.
2(uf einem fo burd}ioül^lten unb fd;toanfcnben 33oben aber fann feine religiöfe, am aUcr'
ivcnigftcn eine firdblic^e Äunft gcbciFjen, benn jene n)ic bicfc toäc^ft nur au« großen,
tiefen unb crnftcn ®ebanfen, ni^t au« bem <Bpxd ber Saune unb au« gerriffcnen Stim-
mungen. Siefcn SdE)tuß bcftätigcn tro^ mancher 2lu«na^me bie 3^^atfac^en. Übrigen^
55 l}ai bic lird^lid^c 2lvc^iteftur für bic ftatuarifc^c ^laftif nur noc^ geringe fficrtocnbimg ;
ber enge Sunb ^tvifd^en 33i(bncrci unb 23aufunft, ben ba« DJiittelaltcr geigt, f>at fw^ längft
gclöft. 2)agcgcn bietet bic ®rabbcnfmalfunft bcr rcligiöfen ^laftif ncuerbing« tDi^tigc
2lufgabcn, 2lufgabcu, in bcncn aber aucf^ große ©cfabren bcfd^loffcn liegen, h)ic man an
ben j?runfi>oIIcn Twicb^öfen in roinanifd^cn Säubern lernen fann. Die bcforatit)e ^laftif
»io cnblid; erfreut fid; innerl^alb ber tird^Ii^Kn Äunft gur ^cxi einer lebl^aften ^^flcgc,
@titl)ihtr Sletbanud 443
allcrbing« faft au^fc^Iicfelid^ in Slnlcl^nung an bic Iirci^Iid;c ftlcinfunft bcö WxtkU
altere. Sictor Sf^ull^e.
Slaiiett, Sefe^rnng jnm (S^nfitetttuttt, f. b. äl3(. e^^illud unb 3Rctl^obtu$
»b IV S. 384ff., aniecj^^IaD Sb XIII @. 60ff., SRufelanb Sb XVII 6. 2d7,
^fc^cc^en unb SSienben. 5
Sloötfc^e »tbelflbcrfe^ungen f. b. 31. Stbelübcrfc^unöcn Sb III ©. 151 ff.
SIeibanud, ^ol^«""/ ^^ C^if^^^^ögra^)^ bcr bcutfd^cn Sieformatton, geft. 1556. —
3)ic früheren ^^(rbeiten (^antaleon, Prosopographiae heroum, ßasilcae 1565/()6 III, 392 f.;
'üDMdiacI S3cut^er, Äiir^cr S^cvid)! üom 8tonbc unb üebcn 3- ®I-S i" feinev Üebcrfc^ung ber
Comraeiitarii, ©traftbiirg 1568; €d)abäuö in ber JJ^T^tfc^ung bcr Coraraentarii, Strafebiirg 10
1625; X. ^. "iDioncr, Disputatio circularis de Jo. Sleidano, Slltborf 1697; «ßft. föclt, Etüde
siir öleidan, ©ifc^meiler 1862 u.a.) finb antiquiert burd) ^crm. SBaunigartenö ©diriftcn: lieber
©I.§ fieben unb^riefiüecfifel, @trQ6burgl878; 8I.§ öriefroedjfel, ©trafeburg 1881 ; ?Jb53 34, 354 ff.
S^aju fcitbem 9iad)träge: in Stra^burg^ politifcfte Sorrefponbeni^ S3b III; üou ^Ilfuin .^oflftuber
in ^orrefponben^blatt b. ^löeftb. 3eitfd)r. f. ®cfd). u. ^unft VII (1888), 150 ff.; bcrf. in 3eitf4r. 16
f. b. ®efd). b. Oberrbein« IV, 337 ff.; XIV, 428 ff ; ix XUmann thh. X, 547 ff.; £, mndcU
mann ebb. XIV, 565 ff.; $lb. ^afencleoer ebb. XX, 224ff., bef.247ff.; berf., ©Ieiban=@tubien,
»onn 1905; 33üurinD. Jean Sl. et le Cardinal du Bellay in Bulletin bist, et litt., ^arig 1901,
225 ff.; berf., Guillaume du Bellay, <ßariöl904; g.CüKüaer, $luS ben ©ifelbergen, ijangen^
berg 1887. * 20
©I.ö Schriften: 3)ie fleineren @d)riftcn gefammelt in btw Opuscula, Hanoviae 1608. ™
©eine JReben neu berauögeg. üon @b. Sommer, Qujei ditben an Äaifer unb SRcid), ©tnttgorter
litt, herein CXLV, Tübingen 1879. — gu de quatuor suramis imperiis: ©eift^irt, Epistola
historico-critica ad celeb Heumannum, Isenaci 1726. gortfe^ungen Pon ?legibiuö ©traud)
(—1668), Sranffurt 1672; oon Äonrab ©am. ©d)uri^fteifd) (—1678), Seipjtg 1697. — 3u 25
ben Commentarii: SBefte 9lu8gabe üon (Iftr. 9t. am ©nbe, 3 59be, granffurt a. ^. 1785/86;
berf. in ©dielftorn, ergötlid)!eiten II, 414 ff.; 653 ff.; IIJ, 900 ff.; 1029 ff.; berf., S8ermifd)te
9lnmerfungen über ben berühmten ®ef(^id)tfd)rei6er 3. ©l., 9?ürnberg 1780; X^. $aur, 3- ^t.ö
i^ommentare über bie Sf^egierungöjeit ^arlS V., ßeipjig 1843; ß. üianfe, ^ur Äritif neuerer
®ef(^i(^tfd)reiber; fi. ©cnben, De J. Sleidano reformationis Coloniensis . . . scriptore, 30
Coloniae 1870; tampfd)ulte in 3rorfd)ungen ^ur beutfdjen ®efd)id)te IV (1864), 57 ff.; "üKauren*
brec^er, ©tubien unb ©fi^en, ©. 212 ff.; C. ©incfelmann f. 0.; ®. S^oigt, 3)ie ®efd)idit-
fd)reibung über ben fdjmalfalb. ^ieg, fieipjig 1874; SR. gefter, ©leiban, ©abinuö, ^eland)-
t^on in C)3 89 (1902), Iff.: 3Qnffen=?Jaftor, Cttcfd). b. beutfd)en «olfeS VII, 287 ff.; it^at^olif
1895, II, 573 f.; 2R. fien^i, ®efd)id)tfd)reibung unb ®efd)id)t§auffafiung im (Slfaf? jur 3eit ber 36
SReformation, ^allc 1895, ©. 13 ff.; SReufd), 5)ie Indices libr. prohib. beS 16, 3a^r^unbertö,
Tübingen 1886, ©.60.— gortfe^ungen ber Ck)mmentarii : öon 3"ftin ®übler. Sranff. 1568;
oon ©hd). aSeut^er (8 53ü(öer ergänjungen. ba« 9. 53ucb gortfe^ung bi« 1566; ©traftb. 1568;
Pon 3R. 6. ßunborp, granff. 1610; oon Slrtl)ufiu§, Sleidanus redivivus 1618; Pon Oöfar
©c^aböud 1625. 40
2)cr berül^mtc 2lnnalift ber Sleformation^efd^ici^te 3ol^ann ©leibanuö tourbc toal^r»
fc^cinltdfi 1506 ju Sd^leiben in ber (Sifel geboren (bgl. S^itf^'^- f- ®^^- ^- Dberrl^ein« XIV,
430; Sentker: 1508), ein Sllterögenoffe unb £anb«mann be^ am 1. DItober 1507 bort
geborenen ^oi^ann ©türm, ©ein gamütenname toar ^^ilij)bi (0. 3- Füller, 3lu« ben
©ifclbergen, Sangenberg 1887, 2lnbana ©. 57 ff.). 6r befud^tc bic l^eimifc^e ©d^ule unb 46
cmj)fing bann toeitere Slu^bilbung in Süttid^. (5r fc^eint in Äöln ftubiert ju ^aben (bie
■iDJatrifcl ^at feinen SJamen nid^t); benn er ift tool^I ber Serfaffer t)on Überfe^ungen
griec^ifd^er @})igramme, bie in einer bei S^l^ann ©oter in Äöln crfd^ienenen ©ammlung
(1528) mit bem 9Jamen ©leibanu^ gejeic^nct finb. $ter toirb er ©d^üler be« ßäfariu«
getocfen fein. Son Äöln foll ©türm feinen Sanb^mann gur gortfc^ung feiner ^uma^ öo
niftifc^en ©tubien nad^ £öh)cn mitgenommen ^aben. 35ann finben toir il^n, toa^rfc^cinlic^
alö §ofmeifter feinet S^ölino^f be« ®rafen %xan}i bon SJlanberfd^eib, in Süttic^. 3)ag
ältefte fidlere 3)ofument, ba^ toir toon i^m beji^en, ift ein ©rief an^ bem ©ommer 1530,
in bem er afe era^mianifd^er ^umanift erfd^eint, ber aber aud^ für 9Reland^t^on toarmc
aScrel^rung jeigt; mit Harem Slicf burd^fc^aut er ben fd^arfen (Scgenfa^ ber fqifcrlid^cn 55
$olitif jur cDangelifc^cn 33ch)egung 2)cutfc^Ianb^. 3"^ 3<^l^re 1533 fiebcite er nad;
^anlrei^ über unb blieb ^icr längere ^ai)xc in ©tettungen, bie ibn mit bem Jjolitifc^en
Seben bertraut machten. 3öir finben tl^n 1534 in ^ari^ bei 3^^^"" ©türm, im
9lot)ember 1535 toirb er in Orleans inffribicrt, too^I um bort |\um Lic. ber Slec^^tc ^^u
j)romoüicren. Sei feinem Fortgang bon ^ari^ emjjfa^l i^n ©türm @nbe 1536 bem w)
444 Slcibnnitd
Äavbiiial '^can bu SJcUai), 53ifci^of Don ^]iax\^, al« feinen 9Jac^foIger, um beffen Äorte=
fj?onbenj mit ben beutfc^en ^roteftanten, f^je^icH mit Strafeburg ^u beforgen. %ün^ gabre
bientc er fo teil^ bicfem, teil^ bcffen älterem Sruber ©uiÖaume bu 95etla^, ©etgneur bc
S?angcV. 33eibe marcn 23ertreter einer gegen ba« §auö §abgburg gerichteten unb bal^er
5 mit bem beulfc^en ^roteftantiemu^ SSerbinbung fud^enben ^olitif am Äöntgö^ofe grang' L,
ber felber ben 3tuftrag erteilte, ©letban für tjolitifc^e 3)ienfte in franjöfif^en ©olb ju
nel;men. Diefe Sefolbung f)ai ©leiban big gum 3^obe ^ranj* I. belogen. 6r gehörte ^u
jenen praftifc^^en ^olitifern, bie ftd^ über bie ©eftnnungen Äaifer Äarte gegen ben
^yroteftanti^mue nie l^atten täufd^en laffen unb ba^er o^ne Sebenfen mit ber burc^ bie
10 iserf^ältniff e gen?tefenen 'JlottDenbiglett rechneten , in ^ranfreic^« aintagoni^mu^ gegen
bie fpanifcf).'^abgburgtfdE»e y)lad)t einen ©c^u$ für ben $roteftanti§mug ju fuc^en, in^'-
befonbere ben ©d^malfalbifc^en 33unb mit ^ranfreid^ in feftc i^erbinbung ju bringen.
®a§ ©tubium ber ©d^riften GalDin«, bem er ^toax in $arig nid^t begegnet toax, mit bem
er aber balb in brieflichen 3?er!ef;r trat, tourbe für feine gange Seben^auffaffung ent^
löfd^eibenb (Dg(. §afencleber, ©leiban. ©tubien ©. 13 ff.). Gr tDanbte je^t fein g^^^^ff^
ber (Sefcf)ic^tfc^reibung ju, irelcbe bie Greigniffe ber ©egentüart jum ©egenftanbe nimmt.
15:37 gab er in lateinifc^er Bearbeitung einen Slu^gug Don groiffarfo ©cfc^id^t^^erf
^erau^: Johannis Frossardi Historiärum Epitome. 3" ^^ SSorrebe J^reift er bie
Sebeutung, irelc^e bie ©efd^ic^te ber ®egenh)art für ben Staatsmann ^abe. 6r ^alf
20 iüo^I qud^ ©uiHaume bu S3ellaV bei ber Drucflegung feiner ©treitfd^rift für ^xan^ gegen
Sari V. (Exeniplaria litterarum etc., ^ariS 1537) unb bei beren SBerfenbung nac^
2)eutfc^?lanb. 3(te bie franjöfifd^e ^olitif 1540 ben Stnfc^lufe ber ©c^malfalbener, »er
allem Sanbgraf ^f;ili))pg an ben Äaifer ju l^inbern fud^te unb ju biefem 3^^^ ^" ®^=
fanbter jum 3:age Don §agenau abgefanbt tDurbe, tDurbe ©leiban in geheimer 3Rifficn
25 biefem gur Überwachung beigeorbnet. 53ei biefer ©elegen^eit fam er guerft in ^agenau
tüie in ©trafeburg mit ben SJännern, tDelc^e bie eDangelifd^e Setoegung leiteten, in pn\br\'
lic^c Serü^rung. $ier reifte h)o^l in i^m ber Gntfd(>lu6, Jjubligiftifc^ an bem grofeen
Äamjjfe teiljunel^men unb bie ^Materialien gu einer ©efd^ic^te ber beutfd^en SRcformation
gu fammeln. §eimgefel^rt fc^rieb er: „93efc^eibener, l^iftorif^er, unfd^mä^lidfier Seric^t an
30 aüc Äurfürften unb ©tänbe bcS 9leic^g Don beS ^a))fttumg äluf- unb abnehmen/' eine
mächtige ©treitfc^rift gegen ben ^a>)ft als baS „9ieben^au})t", ber „tDeber Äaifer no*
feinem ^otentat auf ßrben ^olb ift, fonbern allein unb über allen ^enfcl^en toitl". Gr
fei ber geborene unb gefdE)h)orene ^einb beS ftaifertumS, ber ftd^ baju als 2lntic^rift offen-
bare in feiner blutigen Verfolgung beS GDangeliumS. §ier Derl^üHte ©leiban noc^ feinen
35 5Jamen in Sa>)tifta SaSbenuS. Salb liefe er eine gtieite Dration an ben Äaifer nad»--
folgen, bie er biefem frangijfifc^ überfanbte, bann aber auc^ beutfd^ (1514), fpäter aud»
lateinifd; brudten liefe, ^ier fud^it er bem Kaifer ©otteS SBalten in feinem Seben gu beuten, ber
if^n, fo oft er im Sunbe mit bem -^.^ajjft baS GDangelium i}ahc unterbrüdfen tDolIen, ftel^
burd; Sriege an ber 9luSfü^rung gel^inbert \:}ab^. ©eine S3eftimmung fei, ben recfeten
40 ©lauben tüieberl^erjuftellen ; bagu muffe er ficb aber Dom $apft loSfagen, beffen 3tnf))rü(^c
fid) nur auf Setrug, nic^t auf giltige 3lec^tStitel grünbeten.
©eine erftc biplomatifc^e -iJjiffion blieb erfolglos, ^^iliW ^on §effen näherte W
bem ßaifer. 1541 iourbe h>ieber eine 3J?iffion bireft an bie .sjäu})ter beS ©d^malfalbifc^cn
33unbeS unternommen, bem ©cfanbt^n 3Korlet tourbe ©leiban als 3)olmetf^er beigegeben;
40 aber fcbon untertoegS erfuhren fie, bafe i^re SRiffion gefc^eitert toar. ^^ilii)J) toie QolKinn
5*riebric^ lel^nten 58erl;anblungen mit ^^^"^^i^ ^b- 3)ie ©efanbten begaben ftc^ ^irav
noc^ nad) SRegenSburg, aber ol;ne beffcren Grfolg. ©tatt eineS SünbniffeS mit granfreii
erfolgten 53efci)ioerbcn über bie !öebrüdungen ber frangöfifc^en Protestanten burc^ Rom
gran^. 2)aburdi fam ©leiban in ä5crbad^t, als l;abe er felbft berartigc 95ef(^h)erben in=
50 f>)iriert, aber ber ©trafeburger JHat recf^tfertigte ibn in auSfü^rlid;em ©c^reiben bei König
5^rang. 2Jic "ilJrotcftantenDcrfolgungen Dericibeten il^m aber feine ©tellung in granfrei*;
er feinte fid; nad> feinem beutfcbcn i^aterlanbe unb J^roteftantifc^er llmgcbung. 3'"
©ommer 1512 begab er ficl^ auf einige ^c\i nad) 2^eutfc^lanb (h>ol^l in feine |»fi"iöÖ;
feierte aber loiebcr nad> granfreicb gurüd unb begleitete nun lieber 1544 ben Harbinal
55 bu Seüai; auf eine ©cfanbtfc^aftSreife gum ©peierer SleidbStage. ©ie famen aber nur
bis ^3iancD, ba freies ©cleit Derii^eigert tourbe; unb nun fc^eint ©letban in gel^eimer
^JJtiffion olmc ©elcit fic^ nadj Deutfd;Ianb begeben gu l;aben, um im gntercffe eineSän-
fcl^luffeS ber ©cbnialfalbcner an ^ranfreic^ t^^tig gu fein. Gr rebet fjjäter Don biefer
Steife als ber „bei Weitem gefährÜcbften", bie er je unternommen l^obe. ^i^i blieb er in
60 2)eutfcl?lanb, unb g\uar in ©trafeburg unb unter(;ielt Don ^ier auS SSerbinbung mit granfreic^-
SfeiDauttd 445
S3u^cr, beffcn „lür^crn ßatcd^temu^" ©leiban 1514 in^ Sateinifc^c übertrug
(Catechismus ecclesiae et scholae Argentinensis), toanbtc ftc^ baniofö an Sanbgraf
^4?^tlij>t) mit bem i>or|c^Iag, t^n aU ©cfd^id^tfc^reibcr t?on ,,©otte^ SBimbertoerf unb
©uttaten" in ben SReformation^taöen an^uftcllen. ßr berichtete babei, ©leiban l^abe
fc^on bie ;,t)omel^mften Stüde bicfer §iftorie" gefammelt, unb bat, bafe fic^ ber ©c^maU 6
falbifc^e Sunb biefer Sac^e annehmen möchte, ©dbon feit mehreren Saferen trug fid^
©leiban mit einem fold^en ^lane. 2lber einfttoeilen brängte ber Ärieg mit granfreic^
ben SJorfc^lag prücf. ^njlDifc^en bearbeitete er bie ÜKemoiren be^ franjöfifd^en §iftorifer«
^4?^. (Somine^ über 2ubh>ig XI. unb Äarl bon Surgunb in lateinifc^er Bpxad)Q, toobei
er fic^ in einer angefügten Descriptio Galliae al^ forgfältiger Seobac^tcr öffentlicher lo
Ginric^tungen geigte. 6r toibmcte bie 3lrbeit ben ipäuptern be^ ©c^malfalbifc^en 93unbe^,
bie je^t enblid^ auf ^afob ©turm^ unb Su^ersJ 2)rängen (Dgl. 3R. Scnj, Sriefloec^fel
be« Sanbgrafen ^i^ilipj) mit Su^er II, 262 u. ö.; Saumgarten, Sriefh)eci;fel ©. 42 ff.;
33ranbenburg, ^JSolit. Äonefponbenj 3)lori^' b. ©ac^fen II, 224 f., 267) fid^ ^u einem ${er=
trag mit ©leiban atö Sotfc^after, Dolmetfc^er Don 2lftenftüden unb (S^roniften be^ i6
?)teligionß^anbel« beftimmen liefen. Slüftig ging er an bie Slrbeit, fo bafe er baö erfte
Suc^ fc^on am 11. ^liii 1545 an ^j^tob ©türm fenben fonnte. §ier l^atic i^m ber fo«
eben erjc^ienene erftc 93anb Der Opp. Luth. Viteb. bie nötigften Urlunben geliefert.
6in ©c^reiben an Sutl^er felbft um autl^entifc^e^ 3Jlaterial au^ ben ^a^ren 1517—21
(33ricfmec^fel ©leiban« ©. 60 unb 64) fc^eint erfolglos geblieben gu fein. Slber nun 20
beburftc er be« 3"^^^^^^ J" ^^n Slrc^tben. SDie 2lrbeit h)urbe auf furjje ^t\i unterbrod^en
burd^ eine freili^ Döttig ergebni^lofe ©efanbtfc^aft^reife an ben englifc^en $of, ba bie
©c^malfalbener jirifc^en Snglanb unb granfreic^ vermitteln Sollten (©))ät^erbft 1545).
^od) fammelte er bort manche« ^Material unb Inüpfte toertbolle litterarifc^e Sefannt-
f haften an. ^ux S3eric^terftattung'über biefe Steife befuc^te er gebruar 1546 ben %xanh 23
furter Sunbe^tag. 35ann folgte feine gl^efc^liefeung mit ler 2:oc^ter be« Dr. ^of^ann
i>on SRiebbrucf in 3Keft, barauf feine Sleife jum SJormfer 93unbe«tage unb ein Sefud; in
ber §eimat. ^m ©ommer 1546 Sollte er bie Slrbeit fortfe^en (»gl. ©ecfenborf, Com-
ment. de Lutheranismo 1692 III, 665). Sanbgraf ^^ili})}? lub i^n auc^ nac^ SKar^
bürg ein, um bort Slrc^ibalien ju benu^en, toä^renb Äurfac^fen i^n befd^ieb, in 3^orgau .jo
ober SBittenberg feien nur toenig für i^n brauchbare Stiten toor^anben, bon biefem iocnigen
fotte er Stbfc^riften ober 2lu«güge erl^alten. ®a brac^ ber Ärieg an^, ber auc^ i^n in
bie übelfte Sage brachte. Die 3^Iw"0cn be« Sunbeg blieben au«, ebenfo bie Sefolbtng
an^ granfreic^ ; ba fuc^te er neue ©ubftbien in ©nglanb, aU Su^er unb t^agiu« bort^in
feieren. ®r bebi^^ierte ben bortigen 3Kac^thabern berfd^iebene ©c^riften: aufeer ber nunmehr 35
DoUenbeten Überfe^ung be« Cominaeus eine Summa doctrinae Platonis de republica et
legibus (1548), fotoie Claudii Sesellii (Claude de Seyssel) et de rep. Gall. et
Regum officiis libr. duo (1548). 6nbtic^ im ^Dlärj 1551 Derfc^afftc i^m ßranmer
Don ©buarb VI. ba« 2Serf})red^en einer jä^rlic^en ^enfton. SSom §erbft 1551 bi«
Sll^ril 1552 toeilte er afe ©efanbter in Irient. Salb barauf nabm er an einer ©efanbt* 40
fc^aft gu Äönig ^einrid^ II. teil. SJunmehr (©eptember 1552) berfd^afften ihm feine
®önner eine Slnftetlung al« ©efanbter ©trafeburg« mit 150 ©ulben auf bier gal^re.
(Der i^crtrag jurüdtbatiert auf ^ol^anni« 1552.) 3Kit biefen 3JJitteln ioar e« il^m aber
unmöglid^, Steifen für fein ®ejc^ic^t«h)erl ju unternelf^men. 6r blieb auf ba« befc^ränlt,
h)a« i^m ©trafeburg, ba« ärc^iö be« ^fal^grafen Dtt^einric^, feine t)erfönlic^en ßrinnes 45
rungen unb ©ammlungen unb bie ^Mitteilungen feiner bortigen greunbe boten. 6rft
f^äter famen tool^l noc^ 9lrc^iüalien au« SBeimar bingu. 3Kan^e« fteuertc i^m befonber«
im '^ai)x^ 1554 noc^ SSergerio bei (Srieflocc^fel gtoif^en §erjog G^rifto}?^ unb aSergeriu«
©. 69 ff.; Hubert, SSergerio« publijiftifc^e 2:l^ätigfeit, ©öttingen 1892, ©. 150 ff.).
3öä^renb be« Äriege« toar er (alfo o^ne Senu^ung bon 2lrc^iDalien) bi« gum 6nbe be« so
metten 33uc^e« gelangt (Otlober 1547). Seim fünften Suc^e na^m er im ©et)tember 1552
bie Strbeit lieber auf. 2lm 2. 2li)ril 1554 melbet er: „Absolvi totum opus", ^m
SWai pnben h)ir ihn al« Stbgefanbten ©trafeburg« auf bem Äonbent ju 5Raumburg (CR VIII,
282 ff.; t>. 2)ruffel=53ranbi, »riefe unb äften IV, 461; ^. glemming, * »eiträge jum
93rtefh>ed^fel 3Kelanc^tl^on« 1904, ©. 70 f.). Unter fc^toerem bäu«lid^em 2eib — feine 55
grau mar 1553 geftorben — unb >)efuniären 93ebrängniffen ma^te er im §erbft fein
Opus brudffertig. 3m SBinter 1554/55 ging ber 2)rucf bei ffienbelin 9li^el in ©trafen
bürg bor ftc^ — ba bro^te nod; in le^ter ©tunbe ber ©tra^urger 9lat (auf anregen
bc« Äaifer«) bie ^erau«gabe ju berbieten; enblic^ lam bie ©ene^migung. 2lber $erjog
ß^rifto})]^ bon SBürttemberg lehnte bie Debifation ab unb riet, ba« 8uc^ nic^t au«ge^en co
446 @(eibauud
ju laffcn, obolcid^ SIciban fd^on au^ Stüdfic^t auf tl^n fein SBcrf überarbeitet l^attc.
Äurfürft aiuguft Don ©ac^fen bagegen nahm bie SBibmunö an (bom 23. 3Kär3 1555, idqI
to. 3)ruffel=Sranbi, Sriefc unb 3ltten IV, 655). aber nun gab e« bon allen ©eiten 9lumor.
Äeinem battc er e^ rec^t gemacht. 3lm faiferlid^cn §ofe gümte man; 3)iana bon ^oi=
6 tier^ fül^tte fid^ bcleibigt. 3lber aud^ in ben toerjc^tebenen Sägern ber ßlKingelifc^en fühlte
man fic^ burd^ feine ßruil^Iunö berieft ober hielt hjeniöftend ba« ©rfc^einen feinet Sud^e^
für nic^t geitgemä^. „^ßon Jjroteftantifc^er tpie fatl^olifc^er ©eite tüurben i^m 2ügen,
entfteUungen unb bö^tüiHige äu^Iaffungen borgetüorfen ... Die 9Ke^rja^I berer, bic
in ben gefc^ilberten ^al}Xi^^ntm Jjolitifc^ thätig getpefen, toar eben noc^ am Seben unb
10 nur tüenige unter i^nen l^attm ftd^ in biefen tüed^fcboßen äjitlöuften ftet« fo benommen,
bafe fte ba« Sid^t in feiner SBeife ju fd^euen brandeten, mit tiefem SKi^be^agen fa^en
fie burc^ ©leiban fo mand^e« an bie breite Öffentlid^feit gejogen, toag fie am liebften für
immer mit bem 3RanteI ber SSergeffenheit bebcdft Ratten" (SBindelmann in 3*f^^* für
b. ®efc^. be« Oben^ein«, 31% XIV, 569). gharafteriftifd^ ift 9Relanc^tbon« ©euf^cr:
16 er lönne ba« Suc^ nid^t loben, benn unfc^öne §anblungen foBten nid^t in fc^öne 9Sortc
gefleibet tperben; ©leiban erzähle biele«, toa^ beffer mit etDigem ©tillf(^h)eigen bebcrft
tüürbe. aBenigften^ bie jungen Seute möd^ten bie (Sefd^id^te biefer SSertoirrungen nic^t
lefen, bie bod^ nur unfere 3^^orl^eit unb (Srbärmlic^Ieit zeigten (CR VIII, 483).
©leiban^ 3)ienftjcit in ©trafeburg, h)o er feit 1553 aud^ an ber ©d^ufeertoaltung
20 eifrig teilgenommen unb auc^ ber franjöfifd^en ©emeinbe fid^ Iräftig angenommen hatte,
lief im ^\xn\ 1556 ab. Sei bem Serbrufe, ben er mit feinem Suc^e angerid^tet, hiolltc
il^n niemanb in feine Dienfte nel^men. 3)od^ afö in Duisburg eine Unibcrfttät gegrünbet
tperben foBte, gebac^te man i^n bortl^in al^ ^rofeffor ber ©efd^id^te ju oerufen. aber
injirifc^en \)atk il^n im 2luguft 1556 eine Äranfl^eit ergriffen, ber er am 31. Cftober
26 erlag. Äurj juDor Quni 1556) tDar noc^ feine ©(^rift De quattuor summis imperiis
lib. III erfc^ienen, bie aföbalb ber beliebtefte Seitfaben ber SBcItgefd^id^te (bi^ jum SRcgics
rung^antritt Sarld V. reid^enb) tüurbe unb nic^t allein in 3)eutfc^lanb, fonbem auc^ in
ber ©c^toeig, $ollanb unb (Snglanb, ja fogar Don baierifd^en 3^1"^*^^ tn Überfe^ungen,
Bearbeitungen unb gortfe^ungen al^ ©c^ullel^rbuc^ bi^ in« 18. ^fl^^^wnbert toicl gebraucht
80 loorben ift. 3loi) ^^iebrid^ Sffiil^elm I. bon ^reufeen ]^at au« i^r SBeltgefc^ic^te gelernt.
©ie erjäl^lt me^r Äird^en^: ate SBeltgefd^id^te, betont bie Unred^tmäfeigfeit unb ben 3:rug
be« $aj)fttum«, toelc^e« im SJerein mit bem dürfen bag 3Kenfd^engef(|led^t bi« gur SSieber^
fuffft G^rifti plagen h)irb. Die beigefügten Quetlencitate gehören übrigen« erft fjjätcrcn
Herausgebern an.
35 ©ein $au}jth)erf De statu religionis et reipublicae Carolo V. Caesare Com-
mentarionim libri XXVI (ba« XXVI. Suc^, ba« bi« jum ©ejjtember 1556 reicht,
fanb man in feinem 9Jad^lafe unb fügte c« 1558 an) ift ba« grunblegenbe ©efd^ic^t«h>crf
über bie beutfc^e SReformation getDorben. 6« ift ber §au})tfad^e na^ eine Slneinanbcr-
rcil^ung bon Ürlunben unb urlunblic^en ^Relationen, bie er in halb längeren, balb lürjercn
40 GjcerVten loiebergiebt in einer an ßäfar gebilbeten ©})rac^e, bie freiließ an ben Urfunbcn
unt be« Gbenmafee« Tillen manche« glättet unb abfc^tüäc^t. 3)ie Jjolitifc^en ßreignijfc
fmb anfangt nur ioenig, fpäter immer auSfül^rlid^er berüdtfid^tigt. 3?erfe^cn unb ^IKi^-
bcrftänbniffc laffen fic^ nac^toeifen. Über manche« ge^t er abfi^tlid^ mit ©tiUfc^toeigcn
^inhjeg, h)obei JlüdEfic^ten auf nod^ Sebcnbe mitf^ielen, and), h)ie beim ©c^tüeigen über
45 be« Sanbgrafen 3)o>)pelcl?e, biellcic^t ba« Qntereffe, ben ÜKalel bergeffen ju machen.
„2(ber fc^n)erlid^ möd^tc e« jemanb gelingen, i^n einer abfid^tlid^en Süge ober auc^ nur
einer 3Serbrebung ober unreblid^en 93enü|ung eine« 2lltenftücfe« mit (Srunb gu jei^cn."
©einen förunbfa^: Historiam nihil magis decet quam veritas atque candor, bat
er miffcntlid; nic^t verleugnet. @« \vax ein 2lft ber ©elbftberleugnung, toenn er aue
00 ftaat«männif^cn ©rünben über manche« fcf)lt)ieg, h)a« i^m mo^l befannt toar. ßinjelnce
überging er auc^, hjeil er beffen Scbeutung ju gering tarierte, fo nac^ feiner eignen S?er-
fid;crung ben ganzen ©c^h>enffelbiani«mu«. Über feine Ducüenbenuftung urteilt ®. 2?o»9^
(a. a. D. S. 141): ,Man crfennt, ba^ ©leiban bic if^m jugeftedten 3Raterialien feinet-
locg« mit gutem ©laubcn hinnahm, fonbern nad^ 2tutl;cntie unb SBert rec^t loo^l ju
65 fiepten tjerftanb." ""Man hat neucrbing« bon fatl^olifd^er ©eite i^n baburd^ bi«frebitiercn
n)oUcn, ba^ man ^eitgenöffifd^e 2lnflagen toiber feine SBa^rf^aftigfeit l^erborgog, fyit aber
feinen Scmci« bafür erbracht, bafe biefe älnflagen begrünbet toaren. 9JJan j^t ferner
i^ormürfe gegen ihn crl^ohen bon ber unbilligen gorberung au«, ba^ er mit unferer
itcnntni« ber 3(rc^iDc unb für bic 93cbürfniffc bc« ^iftorifcr« bon l^eute l^ättc fc^rciben
6ö fotlcn, an\tait i^n an ber ^iftorif feiner 3<^it }^n meffen. 3)Jan bermi^t femer bei i^ni
Sfeibauud Smaragbttd 447
bic Uninittclbarfcit bcr aiiifd^auunQ, folltc aber nic^t Ucrgcffen, bafe er bei langen 3lbs
fd^nitten biejer ©efc^ic^te im 2lu^Ianb gelebt l^atte, ober t)ermi6t bie 3){itteilunö feiner
i^erfönlidfien (SrlcbniRe, um bie e^ ftd^ i^m gar ni^t I;anbelle; man h)irft il^m Dor, bafe
er bie grofee 3JoIfeben)e(^ung ber erften SWeformation^jal^re gar nid^t ,^ur Slnld^auung
bringe, ©etoife faßt un« auf, bafe g. S. Sutl^er^ ©c^rift „3ln ben c^riftlid^en 3lbel" in 5
feiner 2)arftcllung fe^lt, bafe $utten unb fein ©inlreten in bie Setoegung übergangen
tpirb (au« Slücfftc^t auf SBürltemberg ober beeinflußt t)on bem ainbenlen an (Sra^muö?).
äfber neben ber le^neic^en ©rfd^einung, baß ber ^^Jroteftantie^mu!^ fd^on nad^ toenigen
Sa^rje^nten bie Äunbc t)on ben ©türmen feine« erften Stuftreten« faft Da*Ioreu I;atte,
bezeugt un« feine ©efd^id^tfc^reibung bod^ auc^ ba« (Erfreuliche, baß e« 3){änner gab, bie 10
im ftanbe toaren, jenen al« eine einl^eitlid^e ßrfc^einung auf jufaffen unb in einer ^tit, too
er fic^ in mancherlei SRid^tungen ;ierf))Ktterte unb berfeinbete, i^n al« eine folc^e ein^eit^:
lid^e ®röße Ieibenfd^aft«lo« ben ®Iauben«genoffen bor äugen ^u ftetten. 311« Diplomat
^atte ©leiban ju fd^toer bie Sd^h)ä(^ung be« ©c^mallalb. Sunbe« burc^ feine innere Um
einigfeit erfahren, al« baß i^m nic^t ber 3uf<i»nwi«nfc^lwß ber römifc^en 3Jlac^t gegenüber am ib
^erjen gelegen ^aben foHte. ©einSefenntni«: „licet hancEvangeliidoctrinam, beneficio
dei restitutam, libenter profiteor et ad eum coetum aggregatum esse me vehe-
menter gaudeo, tarnen ab omni acerbitate verborum absBneo, remque totam,
sie ut est acta, simpliciter expono" (ed. am @nbe I, 15) offenbart eine in feinen
2^gen feltene SRul^e unb ©ad;lic^feit. 3)er ©eneration, für bie ©leiban fc^rieb, ift feine 20
3)arftellung bon außerorbentlicl^em SBerte getoefen, benn fte bot ein ®efd^ic^t«bilb, ba«
nic^t al« ©treitfc^rift bie ©egenfä^e berfd^ärfen, fonbem in ebler ßinfad^l^eit „®ottc«
5IBunbertt)erI unb ©uttl^aten" auftoeifen unb bamit jur ©inigung unb 9Serföl;nung ber^
Reifen toollte. — ©ein ®efd^ic^t«toerf tourbe al«balb Don ben berfq^iebenften in« 2)eutfc^e
überfe^t. 3)ie eingige toon ©leiban felbft autorifterte unb untcrftüfetc 38erbeutfc^ung toar 2b
bie bon 3Karfu« ©tammler. 2)ann lamen bie Überfe^ungen in anbere ©j)rac^en, ebenfo
bann bie gortfe^ungen. Slber auc^ bic ®egenfd^riften bon fat^olifc^er ©eite blieben n\d)t
am (^ontaine 1558, Äa«par ®enne}) 1559, Saurentiu« ©uriu« 1564). Wilan fc^rieb i^n
nad^ Kräften au« unb fc^mä^te il^n gugleid^. ©c^on 1558 lam fein Sud^ auf ben ^nhcTc.
3lud^ biefe ®egnerfc^aft bej^eugt ben ©inbrudt, ben feine 2lrbeit auf bie 3«i*9<^noffen ao
gemad^t l^atte. &. Staiucratt.
Smaragbu«. — "üKabiUon, VetcraAnalocta, <ßar. 1723, p.SöOsqq.; Histoire lit^r. de
la France IV, 439—447 unb 708; ^aurdau, Singularit^s historiques et litt^raires, $ari«
1801, p. 100 sq.; itarl '©cmer, Wlfuin uiib fein 3a^rftunbcrt (1876), @. 25 u. 317 f.; ?lbülf
ebcrt, (Sefd)icl)te bcr ßitteratur bc« gKittcIaltcr« im ?lbcnblaubc II (1880), @. 108— 1J2;85
53cnnett im DchrB IV, 708 f.; ßaucf, ^irc^engefdiic^tc 3)cutf(ölanb« II, 113 f. 303. 536.
592—594; 2Berminiit)off, 5)er Sürftenfpicgel bcr ÄaroIingcv;icit : C^Q 1902, 6. 193—213;
Böcflcr, 55ie 2:u9enblet)ve bc« ß^riftcutum« k. (1903), @. 133 f.; ^. ^urtcr, Nomenciator
lit. theol. cath., 3. ed., I (1903), p. 738 unb 762.
SSon ben berfd^iebenen mittelalterlichen 3Rönc^«fd^riftftelIem Flamen« ©maragbu« toar 40
ber bebeutenbfte
1. ©maragbu«, Slbt be« Älofter« ©t. 3Mi^iel (2)iöcefe SSerbun) an ber 3Raa^, einer
ber gele^rteften i>ertreter ber fränfifc^en ^l^eologic im larolingifc^en 3«^töl^W- %^^ ^«^
l^o^e anfeben, ba« er unter Äarl b. ®r. genoß, j^eugt ber Umftanb, baß er 810 mit ben
Sifc^öfen $^effe unb Sernariu« unb bem '^bU Slbel^arb bon ßorbie al« ®efanbter be« 45
Äaifer« bic Sefd^lüffe ber ©t)nobe gu Stachen b. 3. 809, betreffenb ben 3ufa$ Filioque
im ©^mbolum, an $apft £eo III. gu überbringen unb bei ben bamal« geführten 2jcr=
^anbtungen über ben 2lu«gang be« ^l. ®eifte« unb ben liturgifc^en ®ebrau(i^ be« ©^m*
bol« al« ©elretär ju fungieren ^atte (f. bie bon i^m aufgejeid^neten Acta collationis
Romanae bei Saroniu« Ann. a. 809, num. 54—63, in Labb. Coli, concil. Tom. VII, w
foh)ie MSL äu«g. be« ©maragbu«, $ari« 1852, ©. 971 ff.). 3lu4 bei Subioig bem
frommen muß er biel gegolten l^aben, h)ie i^m benn berfelbe nidfit bloß ga^lreid^c ©d^en^
fungen unb Privilegien für fein Älofter erteilte (f. Chart. Ludovici Pii et Lotharii
filii ejus pro monast. S. Michaelis bei Saluj. Miscell. 1. IV, unb barau« bei 3Kigne
©. 975 ff.), fonbem auc^ i^n nebft bem Sifc^of ^rotl^ariu« bon lout (geft. um 837)55
lum ©c^ieb«ric^ter in bem Streite be« mailänbifd^en 2lbt« 3«munbu« mit feinen SJJönc^en
befteHte (Dgl. bie bon il^m unb Don grotl^ar gemeinfd^aftlic^ berfaßte Epist. ad Ludo-
vicum Augustum bon 825—830 MG EE V ©. 290 3lr. 21, au^ bei 2)uct;e«ne
Script, rer. Franc. Tom. II, p. 713 sqq.). ©ein 2obe«ial^r ifi unbelannt. 3)oc^ fd^eint
448 Smarrtgbni^
er 2ubh)ig b. ^r. nid;t überlebt gu ^aben. — Seine ©d^riften, bte gum größeren 2eilc,
bon 3Rtgne unb ^^itra in be^ erfteren ^atrologie, 1. 102 (1851) gcfammelt ^erau^
gegeben fmb, Derraten eine nic^t unbebeutenbe Jjatriftifc^e Selcjenl^eit unb einen prafttf(6=
frommen ©eift, ber Don ber frifc^en unb bib(ifci^=nü4)temen ©runbric^tung ber fränfifcb=
5 beutfc^en 3:i^eologie unter Staxi b. ®r. nid^t unberührt geblieben ju fein fd^eint. SlUein
fie entbehren faft aKer Originalität ber geiftigen Äonjejjtion. 3)er i^erfaffer gehört |^u
jenen rejjrobuftiöen 9Jaturen, beren Vermögen über eine ^Wax getoanbte, aber burcbau^
trodene Äom|)ilatton ber Seiftungen grünerer nic^t l^inau^Iangt. — 6r fann be^l^alb mit
mand^en anberen tl^eologifd^en Autoritäten ber älteren Äarolingerjeit, h)ie ällfuin, 2:beobulf
10 unb ^ona^ Don Crl^anö, 3lgobarb Don £^on, Älaubiuö Don 3:urin, bie toenigften^ auf
einzelnen (Sebieten l^robuftiD ju fein beftrebt maren, nic^t auf eine Sinie gcfteUt toerben.
Sein ejegetifc^e^ §aupth)erf: Commentarius s. Collectiones in Evangelia et
Epistolas, quae per eireuitum anni in templis leguntur (perft Strafeburg 1536,
bann toicber bei SDJigne a. a. D.' S. 1—594) ift eine Äom))iIation für ben ©ebrauc^
16 ^rebigenber ^riefter (bal^er Dom )ßerfaffer al« Liber Comitis bejeid^net), in tpcld^er bic
ejegetifd^en Semerhingen ^a^lreid^er älterer firc^lic^er Sd^riftftelter, namentlid^ bc^ Origenc^,
§ieront)muö, Stmbrofiuö, ätuguftin, (Sregor b. ®r., Gajfiobor, ©uc^eriu«, ^f^^^^^^ ""^
Seba, Iritilloö in ber fjjred^falartigen ffieife früherer ßatenenfc^reiber gufammcngctragen
finb. 3Jiel^r (Sigene^ bietet fein j|h)eite^ Jj3au|)th)erf bar: einÄommentar ^ux 3){önc^regcl
20 beg ^l. Senebift Don 9lurfia (Expositio s. Commentari in reg. S. Bened., I^erau^-
gegeben Äöln 1595; bann in |)rabanuiS Wauru^ Opp. Tom. IV, p. 246 sqq.; bei
3Kigne S. 090—932), toorin Smaragbu^ fid^ ate äln$ängcr unb ©önncr ber ftrengen
monaftifd^en SHeformgrunbfä^e feinet 3^i^9<^"offen Senebift^ Don 2lniane lunbgiebt (Dgl.
^aurf, m 2)eutfc^lanbiS II, S. 643 unb Rödler, ml unb SJlönc^tum, S. 393 ff.). (Sine ä^n=
25 Itc^e ienbeng Derfolgt brittenö ba^ Diadema monachorum, eine Sammlung a^fetijier
Siegeln unb Setrad;tungen, betreffenb bie Dorne^mften ^flicbten unb lugenben bc^ 2RiJnc^=
lebend, au« ben Ä.^SSätern, bef. au« (Safftan unb ©regor b. ®r. gufammengetragen unb
in 100 Äa^iteln angeorbnet (nac^ ben früheren ausgaben, ^^Jar. 1532, äntto. 1540 unb
^:i5ar. 1040, in ber B. m. Tom. XVI, unb bei SDligne S. 593—690). (Sin ^^n^^
30 barau« ift getriffermafeen bie Via regia, eine für Äaifer 2ubh)ig b. %x. beftimmte unb
bemfelben burd^ eine befonbere Epistola nuncupatoria getoibmete moralifd^e ^obegelif
in 32 Äajjiteln, h)orin bie nur für bie SKönd^e geeigneten acfetifc^en 3Sorfc^rif ten toeg;
gelaffen, bie übrigen aber je nac^ Sebürfni« eripeitert ober in« Äurje gepgen fmb (j;ucr|t
bei SDad^erD, Spicileg. Nova ed., ^ari« 1723. Tom. I, p. 238 sqq.; bann bei 5Diignc
35 S. 932—970; Dgl. |)aud II, S. 113f., foh)ie befonber« aS^ermingl^off a. a. C). §ierju
fommen noc^ bie oben angegebenen Acta collationis Romanae unb Ep. Frotharii et
Smaragdi ad Ludov. Aug.; be«gleic^en eine Epistola Caroli M. ad Leonem III.
Pontif. de proeess. Sp. Sancti (bei 9Jiigne Tom. 98, eol. 923), tüelc^e eigentli*
Smaragbu« abgefaßt l^aben foH, \o\vk einige« Ungebrudfte, 5. 93. ein Commentarius in
40 Prophetas unb eine Historia monasterii S. Michaelis, tüorüber 3JJabiIton Anall.
350sqq. ju Dergleid;en. I)ie Grammatica major s. Comment. in Donatum, m
njelc^er ^JOJabiFon a.a.O. S. 558f. groben au« einer Gorbieer Jpanbfc^rift mitgeteilt
l}at, fd;eint t»tc frübefte feiner 3lrbeitcn ^u fein, Derfafet Dor feinem ©elangcn gur Slbt-
mürbe, mä^tenb er nod; 3Kagifter ber Sd^ule feine« Älofter« toar (jtoifc^en 800 u. 805).
45 Sie ift i\mx feine l^erDoaagenbe i^eiftung, läfet i^n aber bod^ al« einen ber ftrebjamcrcn
mittelalterlichen Bearbeiter ber latein. ©rammatit evfd^ienen (Dgl. Äeil, De grammaticis
quibusdam latinis infimae aetatis, (Erlangen 1864). — 3?on bem bi«^er Se^anbeltcn
finb Dcrfc^ieben:
2. Smaragbu« ober, n)ie er mit feinem eigentlichen Üiamen l^ief;, 2trbo, ein ^reunb
51) unb Sd)üler Öencbitt« Don Slniane, ber al« 5(ugen^euge feine« 2:obe« bic Slbfaffung einer
Seben«gefcl)id;te biefe« ^eiligen aufgetragen befam, fi^ bicfer Slufgabe mit ©ejcbid, in
fd;licf»ter 2)arfteÜung eine reiche gülle interefjanten biograp^ifc^en ^IJtaterial« Derorbeitent»,
unterzog (gebrudt bei "SlabiUon, ASB, Saec. IV, part. I, p. 191 sqq.; auc^ bei'iDttönc
%l 103, S. 354 ff.) unb im ^al^re 813, eojä^rig, Don feinen Äloftergcnoffen al«$eili9^
55Devel)rt, ftarb. ÜJgl. (Sbert, S. 346 unb A^urter, p. 762, n. 2. — ^ierju fommt:
3. Smaragbu«, i?lbt eine« Älofter? ^u Süneburg in Sacf)fen, ber erft um ba^
^al)x 1000 gelebt haben fann, ba fein Slofter 972 Don §erjog ipermann Siflung fiC"
grünbet tourbe. Über feine etmaige fcbriftftellerifd^e Xl)ätigfeit ift nic^t« 9?ä^cre« betannt.
einer nicl)t binreic^cnb fieser begrünbeten l^ermutung ?iufolge Ujäre er iNerfajfer jener
üo Grammatica major gelDefen (Dgl. Sachen;, Spicileg. I, p. 238). S^^^^^ t-
Smit^, g. $. 449
@mitf), gol^n $V^ (1774—1851), englifc^cr 3:^coIo(5 unb (Seolog.— fiitteratur
über i^n: iicbroai), Memoire of the Life and Writings of J. P. S., fionbon 1853; fiebeii^s
abri6 in 5Bo^n, The Relation between Holy Scripture and some parte of Geological Science ;
Congregational Yearbook 1851, (&. 223 ff.; Gentleman's Magazine 1801, II, @. 864; 1843,
I, <B. 312; 1851, I, @. 668; 6. See, Dictionary of Nat. Biography vol. LUX, @. 86. b
9lm 25. 9Wat 1774 al« einziger So^n bc^ ^^^l^" ®v ^i"^ tletncn Sud^^änbler^ in
S^effielb, geboren, entbehrte ©. in feinen jugenblid^en ^ja^ren bie SBoi^lt^at georbneten
Unterrichte; h)a« er an geiftigem ®ute getoann, eine nic^t fc^r ttefge^enbe SSertrautl^eit
mit ber englifc^en unb franjöfifc^en Sitteratur unb ber Ilaffifd^en Silbung^toelt, berbanfte
er im toefentlid^cn feinem Sefel^unger, ben er burd^ toa^llofe Seftüre in einem SBinfel lo
be« bätcrli^en Sud^Iaben« ju befriebigen fud^te. SReligiöfe ©inflüffe fc^einen auf i^n
irgenbtüic tief ntc^t getoirlt ju l^aben. ©eine ©Item gehörten ber longregationaliftifc^m
©cmeinfd^aft an, in bie er felbft, gegen bie fird^Iic^e Sitte ber 3^^^/ ouffäHig \pät, erft
in feinem 19. Sa^re, ate üJlitglieb aufgenommen tourbe. Snjhjifd^en ^atte er ben Sud^^
^anbel erlernt unb öerfuc^te juerft feine litterarifc^en ©c^tüingen in ber £uft ber ib
Deffentlid^feit burc^ bie llebema^me ber Slebaftton ber Sri«, einer ß^^^ft^rift/ beren §er»
auägcber eben eine ®efängni«ftrafe abjubüfecn ^atte. Um bicfe 3^^^ fd9etnt er, — burd^
tDcI^e SScrmittelungen, ift ungetoif;, — in bie Äreifc öon ßoleribge unb SRo^coe gefommen
in fein, au^ benen er ftarfc Anregungen ju cr^öbten 2ebengjielen mitnal^m. ©eit 1796,
nac^bcm er ben bud^l^änblerifd^en Seruf aufgegeben, ftubierte er unter ber 2eitung öon 20
Dr. ©btoarb SBäiHiam^ auf ber nonfonformiftifd^en 2lfabemie bon SRotl^er^am Ideologie
unb erl^ielt im ^a^re 1800 bie ©tellung eine^ Sntematlc^rer^ (resident tutor) an ber
3nbej)enbenten=2uabemie in §omerton-2onbon, beren aufgeben in ba« auf njiffenfd^aft-
lic^^erem ©runbe errichtete inbe^enbentifc^e 3lc\t> (SoUege in ©t. go^n'^ 2Boob er nac^ faft
fünfäigjä^rigem 35ienfte noc^ mit erlebte. 3?ac^ ben flaffif^en 35i«ji})linen (literae2B
humaniores) ber erften fünf ^a^x^ übemal^m er in ben folgcnben toieber^olt bie 2Jor=
Icfungen über bae9ieue2ieftament, l^ebräifc^e ©rammatil, 2ogif, Sl^etoril unb aJlatl^ematil,
in feinen fjjätercn 2cbeneial^ren au^ naturtDiffenfd^aftlic^e. ©eine gange 2ebcngarbeit in
i^ren ^erfönlic^en formen ber ©rjie^ung unb bc^ Unterricht« ber jungen 3lfabemifer
l^at er, nac^bem er 1804 bie Drbination empfangen, ate t^eologifd^er ßoHegeleiter (feit 90
1806) burc^ 45 ^ai^xt l^inburc^ bi« ju feinem 3:obe biefer änftalt geh)ibmet.
3luf Weitere Greife, auc^ über bie ©rengen Snglanb« l^inau«, l^at er burc^ feine
fc^riftftellerifc^^en arbeiten getoirlt. 3)urc^ eifemen %U\^, bctüunbem^njerte Sßielfeitigfeit
unb tiefe ^römmigf eit, aber iueber burc^ jp^ilofopbifd^e 2:icfe noc^ (Slam ber ©jjrad^e au^
gejeic^net, l)at er feine Äraft gtoar im toefentlic^en in ber litterarifc^=j)otemifc^en leil^ 35
na^me an ben fragen be« ^age« öerbrauc^t, aber boc^ auc^ burd^ jtoei SBcrfe ber
biblifc^en SBäiffenfd^aft in ßnglanb 9lic^tung«linien gegeben, bie für bie SBege ber ftaat^^
fird^lid^en unb nonfonformiftifc^en ^l^eologie eine 3^'^ Iö"0 mapgebenb toaren unb au«
biefem ©runbe i^m eine ©teHe auf bicfen 93lättem fiebern.
©ein t^eologifd^e« Jpau^ttoerf, ba« i^m feiner ^eit einen 6^ren))la| in ber firc^)^ 40
lid^en SBiffenfcl^aft bc« Jjroteftantifd^en ©nglanb« fc^uf, trägt ben 3:itel: The Scripture
Testimony to the Messiah: an inquiry with a view to a satisfactory determi-
nation of the doctrine taught in the Holy Scriptures conc^rning the person
of Christ (4 Sucher; 1. 3tu«gabe 1818 unb 1821; 6. 5Reubrud 1871). SJeranlafet burc^
bie ©ocinianifd^c Äontroüerfe, bie fein toarme« cDangelifd^e« ©m^finben in jener 3^it ber 45
troftlofeften ^Jlac^^eit einer^, unb beg l^oc^gefjjannten gormettum^ m ber Djforber Geologie
anbererfeit^ geaen bie unitarifc^en ,,5Rüdfic^t^lortgfeitcn" emjjortricb, \t>nd)^ ba^ SBerf [\6)
HU bem SSerfuc^e einer miffenfc^aftlic^en 9?eugeftaltung be^ c^riftologifc^en (Slauben^in^alt^
axii ber ^l. ©c^rift au«. SSon betoegenben ßinflüffen ber jum Stoangelium fic^ eben
gurüdtfinbenben beutfd^en 2i^eotogie, al« beren banfbaren unb überzeugten ©c^üler er fid^ 00
f))äter befannte, lann ju biefer 3^i^ "i^^ hjol^l bie Siebe fein; öielmel^r au« feinem
junger nad^ religiöfer SSertiefung unb feiner Segeifterung für bie biblifc^e 2i^eologie
^erau«, bie in ©taatefird^e h)ie ©eftentum um bie 3Benbc be« ^a^r^unbert« i^ren lief^
panb erreicht ^atte, toarf er feine ©ä^e auf ben 3:ifc^ ber 3^^*/ wm ben eben gebrudten
angriffen be« ju ben Unitariern übergetretenen SleD. 5p^. S3cl«^am (in beffen Calm In- 55
quiry on the Person of Christ) auf (Sl^riftu« mit bem 3^W9"i^ ^^ 33ibel ju be-
gegnen. 3n engem, je unb bann ermübenbem 3lnfc^lu6 an bie abtoeid^enben ^uf-
fteltungen ber englif^en Unitarier unb ber rationaliftifc^en beutfc^en Ideologie ((Sefeniu«,
Sretfc^neiber, ©emier, 3Kic^aeli«, SHofenmüHer, SBäegfc^eiber, Äuinöl unb ®e SBette) ge-
haltet er, unöerbroffen bemüht, mit ben gemäfeeften SßJorten allen ©eiten be« ^Problem«, co
9tttiU%iu^tlopmt ffir Geologie unb IHrd^c 8. n. XYili. 29
450 (Smitfi, % ?p.
allen Slbtönungcn bcö ©cbanfen« jum Siechte }^x üerl^clfen, in bömafö bielBchJunberter
ftraft unb ©d^ön^eit baiS gefamtc 3^"9"i^ ^^ ^^^^^ f"^ ^^^ SBJunbcr ber $crfon be^
©ottmcnfc^cn ju einer hjuc^tigen änflagc bet d^riftu^Iofen ä^'^t^^ologie. — ©eine ©e*
banlenfül^rung 0el;t (I. 93uc^) öon met^obifd^en (Erörterungen über SBert unb Umfang ber
5 c^riftocentrifd^en Sd^riftau^legung ani, beren Vertreter gefc^ic^tlic^ getoürbigt toerben,
unb fü^rt ben JJad^mei^ ber JJottoenbigfeit unb SBirllid^feit eine^ großen SBeltbefreierö,
nac^ bem bie SRenf^^eit (pon i^ren Slnfängen an in ber flajfifc^en ^rofanlitteratur) burc^
äße (Sntiüicfelung^ftufen ^inburc^ bi« jur %ixüc ber ^^^'xt i^re ©e^nfud^t getoenbet. —
II. 93uc^ : 3« ®ebet, Djjfer unb ©el^eimlult f)ai bie ©eele beö §eibentum^ (bet ^ßerfer,
10 äg^pter, 3"^^/ SRömer unb ©ried^en) atemlos auf ben fommenben Selben gelaujc^^t; ba^
3llte Xeftanient fü^rt in ben SBäei^fagungen bie ^age an bie ©d^hjeUe ber änttoort. Ta^
grgebniö biefer mit bem ^ßrotebangelium ©en 3, 15 einfe^enben Unterfud^ung ift ber
5Jac^h)ei^, bafe burd^ bag gefamte altteft. ©c^rifttum bie J^offnung auf einen toon ©ott
berl^eifeenen, im eminenten ©inne afö ^Reffia« bezeichneten §elfer gel^t, ber afö Slac^-
15 fomme 9lbamg, 2lbra^amg, SJabibö, alö „Söeibe^fame" (hjofür auc^ ^ct:M,22 bertüanbt
toirb), al^ treuer „Änec^t ©otteö", aU ber aKe anberen an SBürbe überragenbe ,,®efanbte
©otte^" (hjobei ©. mit Jj^ilologifd^er 3lfribie ben !7in^ m^?^» ben Angel of Jehovah
al^ üDeite ?ßerfon ber ©ott^eit nad^jutoeifen fuc^t), a\k ^Jrieben^ftifter ^hjifc^en ©ott unb
ber aöelt, al« Sefreier bom Übel (bon ffieltelenb unb ©ünbe), enblic^ afe ©ol^n ©ottc^
20 (5Pf 2, 7 unb 3^f 9/ 6), bem bie 2lnbetung ber (Sngel unb 3Menf(^en gulommt, feftgeftcflt
toirb. — 3"i in. Sud^e iuirb ber inbuftibe Setoeiig, baf; alle Am feftgeftellten 3i}efen^=
jüge in bem ©c^rifttum be^ SReuen leftamentg fid^ toieberfinben, burd^gefül^rt: nac^ S^fu
©elbft^eugni^ ift er ber ©otte^fol^n, ber über alle« menfc^lid^e ©rfennen (3Kt 11,27;
3o 10, 15) unb gleicher e^^re unb 3}la^t mit bem SSater ift (3o 5, 17—30; 36), unb
26 ber 3Kenfd^enfo^n, ber, bom §immel in ber ^^xt l^emiebcrgefommen, öor ber 2BeIt in
^errlic^feit beim SSater toar (9iol7, 5; 8,58) unb etoig gegenwärtig bleibt (?Kt28,
19—20; 18,20), bie 3:oten aufertüedft unb bie 2Belt richtet; toobei aud^ bie X^efc, baB
3eM r/^inc ben Slnfd^ein öon religiöfer SSere^rung annel^menbe §ulbigung fid^ gefallen
liefe", auftritt (auf ©runb t)on2Rt2, 2; 11; 5,8; 8,2; 9,18; 14,33; 15,25; 20,20;
80 28, 9 ; 3o 20, 28). — ^m IV. 33uc^c enblic^ toirb bie 2e^re ber %po\Ul unter bem
d^riftologifc^en ©efic^t^^junft erörtert, in einer auggebe^nten Unterfuc^ung ber 3(u«fagen
ber 9lj)oftelgefc^ic^tc (über bie Anbetung 3efu 2,21; 1,24; 20,32), beg ^o^anne^^
})rologiS unb ber Offenbarung, ber Slpoftel ^ßetru«, ^uha^, ^atobn^ unb ^45flulu« über
Gl^riftu« alö ben ©eber geiftlic^en Seben«, al« bie Duette ber Autorität unb ber SBunbertraft
85 ber 2lj)oftel, al« ben §enn eine« cUjigen Königreiche«, enblid^ al« ben ©egenftanb religiöf«^
3(nbetung, bem auc^ ber 9?amc ©ott beigelegt ioerbe (bie Sejie^ung be« deog ddoytjro:
9lö 9, 5 auf G^riftu« h)irb einge^enb unterfuc^t unb Derteibigt unb baju §brl,8;
3, 1—5; 2 %i} 1, 12- (£»3^5, 5; 2:it2, 13; 1 3:i3, 16 ^eigc^ogen).— ®a«(gnbergcbni^
ift bie«: nac^ ntl. Sie^re laufen bie beiben Sinien ber aufgenommenen Unterfuc^ung in
40 (Sl^rifto ^c\vL, ber cinerfeit« mit bem SSater „ein« ift in ffiillen, Slbfic^t, 3:i^ätigfeit unb
©cin«ioeifc", bem göttlid^e Gbre unb Anbetung, göttliche« SJBefen unb göttlicher 9Janic
jugeft^rod^cn Serben unb ber anbererfeit« in üoHem unb toa^rem 3Renf^entume ftanb,
^ufammen, b. 1^. in ber ^erfon be« 3)Jenjc^enfo^ne« ftettt fic^ nad^ bem 3^"9"^^ ^^^
Schrift 31 unb 9JI« in einzigartiger Seife bie gottmenfc^lid^e ßin^eit bar; er ift „ber
45 im 311 I3erl;ci6cnc Söeltcrlöfer, ber im 9iX geoffenbarte (i^rift". —
2)iefe Unterfuc^ungen, mit ben ?liitteln ber tl;eologifd^en Srienntni« ber 3^^^ 0?'
führt, lönnen an ©c^ärfe, liefe unb ^cinfinn mit ben Slrbeiten 3- 31. 35orner« unb t). §of-
mann« nic^t in 2?ergleic^ geftettt Serben ; ju il^rer 3^^* i}ahm fie in ©nglanb al« W
Standard work über bie d^riftologifAc g^rage gegolten, nac^ bem 3^"Ö"'^ ^^ Dxforba
50 Sifcf^of« Dr. 2loi;b al« „bie befte ©c^u^fc^rift, bie in ßnglanb gegen bie mobcrnen 6nt=
fteflungen ber Unitarier e^iftiert"; axid) ba« SJerbienft, ber fird^li(|en I^coloaie in ßng^
lanb neue 2öcge gen)icfcn unb bie biblifc^e Setrac^tung«h)ei|e burc^ 3?ertiefung, Äraft
unb 3Bärmc auf gefunbe ©runblage gcftettt ^u l^aben, Derbleibt i^nen; aber ^e l^bcn
ioebcr ben 3lnfpru^ auf eine c^jod^emac^enbe Sciftung noc^ auf bleibenben toiffenfc^ft^
55 lid;en SBcrt. —
^n 2?erfol0 biefer biblifc^cn ©tubien, bie in ber ^aubtfad^e ba« ©rträgni« feiner
mittleren Scben«ia^rc finb, manbtc er fic^ fpäter, au« bem Scbürfni« ^erau«, bie imma
brol^enber an bie ^fortcn ber biblifc^en (Srfenntni«t^eorie poc^enben Singriffe ber neu
ermad)enbcn 5Jaturioiffenfcl)aft in i^re ©d;ranfen ju ioeifen, bem geologifc^en ©tubium ju.
cjo ßr oeröffentlic^te 1839, Don ben Äongregationaliften jur Übernahme ber fog. Congre-
Smit^, 3. $. (Smt4 aSJ. ^J{. 45i
gational Lecture gebrängt, eine a^ologettfd^e Untersuchung ber Se^tel^ungen jtDifc^en
ber ©eologie unb beni altteft. Sc^ö^fungdberic^t u. b. I. Ön the Relation between
Holy Scripture and some parts of Geological Science (5. 9lup. 1852), in ber er
Dorurteitefrci bie bon ber Jlaturtoiffenfc^aft gewonnenen 2i^atfacl^en in ben §am3tjüaen
auf ba« t^eologifc^c ©ebiet ^erübcmö^m unb jjugleid^ bie SSereinbarleit ber mofaifc^en 6
©arfteltung mit \mm Si^efen nac^toie«. 3" I^"^ 3^^^ ^"^ ötelbetounberte Seiftung,
bie ©. nid^t nur in bie öorberc Sleibe ber c^riftlid^en 2l})oIogeten ©nglanbiJ rüdte,
fonbem and) auf ber ©egenfeite, bon 3Jlänncm toie §erfci^ell, SK^etoell, Sebgtoicf unb
33aben::^oh)eII, toarmen SSeifaH fanb. 6« toirb ber 3lac^h)ei^ üerfuc^t, baf; bie 3lnna^me
einer micberl^olten ©^ö^fung, eine^ allgemeinem (Si}ao^, ber ^rei^eit ber nieberen ^iüer^ 10
tüelt Dom Xobe (Dor bem galle be^ SKcnfd^en), bie Slbleitung ber 3:;ier= unb ^flanjen^
toelt au« einem einjigen ©c^öjjfung^centrum, enblid^ eine geograjjj^ifc^ allgemeine ©intflut
gcologifc^ nic^t faltbar fei, toä^renb eine i)räabamitif(i^e SBäelt, mit 2eben unb %oh, ein
örtlich abgegrenzte« 6^ao« unb eine in fed^« ©tufen (Don ungefäl^r 24 ©tunben 3«itbauer)
fid^ öoHjie^enbc ^jartieHe 9Jeubilbung, enblid^ eine lebiglid^ auf bie menfc^lic^en fflo^nfi^e 16
befc^ränfte, „ant^robologifc^, aber ni^t geogra^^ifd^ allgemeine" glut in „Übereinftim^
mung mit ben örgeoniflcn ber Oeologie toie ber ©d^riftle^re" geforbert toirb ; alfo liefen,
bie Don bem Süeltbilbe ber mobernen 5WaturerIenntni« ^toar überholt fmb, aber feiner ß^it
auf il^rem ©ebiete bal^nbrec^enb toirlten. —
ßnblid^ ^at ©. auc^ in bie jtoifd^en ©taat^fird^e unb 3)iffent fc^toebenben ^^iU 20
unb ©treitfragen je unb bann eingegriffen, immer mit ebenfo begonnenem ioie entfd^ie-
benem Urteil unb einem au« feinen freieren 2lnf(^auungen l^erau« fic^ ergebenben uniberfetten
»tidte. —
3luf toiffenfc^aftlic^em ©ebiete auc^ über bie Äreifc feiner Denomination ^inau« al«
ein fü^renber (Seift anerlannt, bon feinen ©tubcnten al« the blessed Doctor geliebt 23
unb l^od^öere^rt, aber al« ^ßrebiger tocgen feine« le^rl^aften, bie ©aiten ber ©emüter nic^t
treffenben ©))rad^e o^ne ©rfolg geblieben, ging ©., ein ^od^betagter, taub geworbener
®rei«, nac^bem er eben feine ämter niebcrgelegt l^atte, am ö.^cbruar 1851 im Olauben
an feinen ©rlöfer, beffen ©ad^e lcben«lang geführt ^u ^aben feine greube unb fein ©tolj
toar, l^eim ; im SlbneV ^arl Äird^^of (im 9Jorben Sonbon«) liegt er begraben. ^
92ttbolf »nbbenfieg.
©mit^, SBilliam SRobertfon, geft. 1894. — fiittcratur: (Sine luirfücfte 93io^
f(rapl)ic \)on SB. JRob. 6mit6 giebt eö nicftt. 3)ic äu&ereu 3)aten feine« ficbcii« loic inancftevJ
über feine ^erfönlicftfeit ({tben folgenbc 9?adirufe: Athenaeum, 1894, ?lpril 7, @. 44r)f. ;
Academy, 1894, iBb 45, ©.289; Saturday Review. <Bb 77, 6.359 f.; Nation (N.Y.) ©5 58,35
S. 308—10; ebtu. ®. ©roiüu: Journ. of the Roy. As. Soc. 1894, @. 594—603; JV- ^^
©urfitt. Engl. Hist. Rev. IX, 6. 684—89; 3. &. Rrajer, Fortnightly Rev., N. 8. 55.
S. 800-807; 3. @. ©lad, Dictionary of National Biography, Vol. LIII (1898), S. 160
bl<J 162 (njcrtüoller biograp^. Vlrtifcl nad) •ajlitteilungen ber gamilic). — lieber bie ©tellung
SRob. Smitö« in ber ®cfd)irf)te ber cngtifc^cn J^cologie f. D. ^ffciberer, 3)ic ©nttüirfelimg 40
ber protcft. X^eologic in 3)eutfc6lQnb fei't ^ani unb in (VJvofebritannien feit 1825, 6. 187 f. —
CSinc bibnoc^rapt)ifd) uoüftänbige ^lufiö^Iung aUer 35crfe, ?lrtitel, ^Ibl^anblun^en unb fiirjcren
9iüli,^en üon dioh. 8mitt) ift bei bcm (^roöen Umfang ber fiiftc an biefcr «Stelle unmöglid).
3nbe« werben in bem folgenben 9(riifel alle midjtigevcn 9lrbeiten genannt unb — föwcit
moglid) — in S^üv^t djaiafterificvt. (g« fei nod) bavouf bingewiefen, büfe bie jQ^lreic^cn 93e- 45
fpred)ungcn ber ^auptroerfc üielfod) oon groBcm Serie finb imb micblißc (Srgäni^ungen bieten.
(£« gilt ba^ befonber« üon ben $efpred)ungen ju „Kioship and marriagc in the exirly Ara-
bia", unter bcnen bie wirbelten \)on ?(ug. ^üQer (ÖJg?! 1886, ©. 329—41); % bc Üagarbc
(md)r. ü. b. %l. ®ef. b. 33ifienfd). ^u ®i)tt. 1886, @. 262-277); 3gn. ©olb^i^er (fiittcva=
turbl. f- Orient, ^^ilol., 53b III, S. 19-28) unb befonber« $^. 9?ölbcfe (ßbrn® 40, 6. 148 50
bi« 187) ^crüorjut)ebeu finb.
I. Seben«gang unb ^erfönlic^feit. SBittiam Slobertfon ©mitl^ ift geboren
am 8. 5Woöcmber 1846 ju 9leh) ^Jarm bei fteig in 3lberbeenf^irc (©d^ottlanb) al« ©ol^n
eine« ^rebiger« ber fd^ottifc^en ^reifird^c (3Billiam ^ßirie ©mit^). 3)urd^ ben Unterrid^t
feine« SSater« Dorgebilbet, befud^te 9lob. ©m. feit 9?oöember 1861 bie Uniöerjität 2lber= 55
been, an ber er 1865 feine ©tubien- mit ^öc^fter a[u«jei(^nung abfc^lofe. %ixx feine njiffen^
fd^aftli(^c ©nttoirfelung tourben feine ©tubien in 3)eutfd^lanb (©ommer 1867 in 95onn,
©ommer 1869 in ®öttingen) öon entfc^eibenber Sebeutung. §ier getoann er bie ^rin=
^ipitn toiffenfc^aftlic^er J^orfd^ung übcr^auj)t; befonber« übernal^m er bie fritifd^c 3)?etbobe
ber altteftamcntlid^cn J^orfd^ung, beren (Srgebniffe er fj)äter erfolgreich vertreten ^at. Dieben 60
feinen tl^eologifd^en ©tubien trieb er in Sonn (unter $lüder) matl^ematifc^e ©tubien.
29*
452 @mttf|, SB. 9i.
3n ©öttingcn toirlten auf t^it neben So^e^ t)]^tIofo))^ifc^en Sorlefungen auf« nac^^tigfte
bie äJorlefunöen Stitfc^^B über 6t^if. 3)ie SBielfeitigfeit feine« 2Biffen« unb feine geiflige
Setoeglid^iEeit ermöglid^ten il^m auf gang berfd^iebenen 2Biffen«gebieten tljfätig ju fein,
©in 3^9"^^ ^^f"^ f^"^ ^i^ mat^ematifd^en unb ))^^fi!alifc^en arbeiten, bic er aH
saffiftent am jj^^filalifc^en ^nftitut ju Sbinburg^ unter ^rof.^. ®. 3:ait (1869—1870)
beröffentlic^tc (Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Vol. VI unb
VII unb Transactions of the R. Soc. of Edinb. XXV). 3m go^re 1870 tourbc
er auf ben Se^tu^l für ^ebröifc^ unb altteftamentlic^e ©jegefe am Free Church
College in 3lberbeen berufen, ©eine antritt^borlefung bel^anbeltc ba« 2^ema „What
to history teaches us to look for in the Bible" (erfd^ienen 9tobember 1870). 3loib
einmal lehrte er (©ommer 1872) nad^ (Söttingen uirüdf, too er unter 5ß. be Sagarbe
^au^tfäd^Iid^ ärabifd^ trieb. 3ngh)ifd^en tourbe SR. ©m. bon ©))encer 93e^ne« jur 3)lit=
arbeit an ber 9. Stuflage ber „Encydopaedia Britannica" oufgeforbert. ©eine erftcn
ärtifel ,,Angel" (vol. II) unb „Bible" (vol. III) erfdjiienen im ^afyct 1875. ©ie
16 erregten in ben ortl^obojen Äreifen ber f(^ottifd^en greilird^e ftarle« üRifefaHen unb
boten bie (Srunblage ju einer Stnflage toegen ^ärefie. 3)er fird^ilid^e ^rojefe jog fic^
mehrere ^f)x^ (bon 1876—1880) ^in unb rief in ganj ©d^ottlanb bie tieffte ©rrcgung
^erbor. iR.©m. forberte in ben ©d^riften „Answer to the form of libel now be-
fore the Free Church Presbytery of Aberdeen" (1878) unb ,,Additional answer
20 to the libel" (1878) eine Prüfung ber „Äe^ereien unb S'^tümer", beren man i^n bc^
fd^ulbigte. 3n biefen ^al^ren be« fiam^feö erfc^ienen in ber Encycl. Brit. feine ärtilel:
Canticles, Chronicles (voLV, 1876), David (vol. VI, 1877), Eva (vol. VIII, 1878),
Haggai, Hebrew Language and Literature (vol. XI, 1880). ©ie foHten na(^ ber
offiziellen 2lnllage bon ^. ©m. Derfafet fein, um gu geigen, bafe „the Bible does not
25 present a reliable Statement of the truth of God and that Gk>d is not the
author of it." ©eit 1878 ^atte SH. ©m. feine Se^rt^ätigleit eingeftettt, im Suni 1881
erfolgte feine ©ntfemung bon bem fie^rfhil^l ju Stberbeen. 91. ©m. fonnte felbft biefen
äußeren ©ieg feiner Oegner aU einen borüberge^cnben ©rfolg bejeid^nen. ©eine glän-
jenbe (Sele^rfamfeit, bie ©ic^er^eit unb 93erebfamfeit feiner SSerteibigung, bor allem bic
30 unbeftreitbare Sauterfeit feiner ^ßerfönlic^Ieit unb bie 2:iefe feiner religiöfen ©efmnung
l^atten i^m ga^lreic^e greunbe gewonnen.
SJBäi^renb 31. ©m. bon feinem Se^ramte in Slberbeen fu^benbiert toar, traten ja^I=
reidbe {^i\t>a 600) angefe^enc 3Ritglieber ber fc^ottifd^en ^reifircpe an il^n l^eran mit ber
äutforberung, einige SÖorlefungen über bie altteftamentlic^e Äritif ju galten. S. Sm.
35 folgte i^rem SBunfcye unb j^ielt imSlnfang be^S^l^re^ 1881 ^u ©binburg^ unbSla^oh?
bie SSorlefungen, bie in beiben ©täbten bon ^t\oa 1800 3w^örem befud^t unb mit an-
l^altenbem ^nt^^f!« gehört tourben. 3lu^ biefen Sßorlefungen entftanb ba« Suc^ „The
Old Testament in the Jewish Church", 1881 (2. äufl. 1892. 3)eutfd^ bon 3. »
aiot^ftein, 1894). 3m hinter 1881/82 ftettte 91. ©m. in ad^t «orlefungen juSla^oto
40 unb (gbinburgb ben altteftamentlic^en ^Projjl^etigmu^ bar. 6r fefete bamit fort, toa^ in
bem borigen Sfeerle begonnen h)ar. 3lber burc^ bie ge^altreid^e 5)arftellung ift ba^ SBcrt
„The Prophets of Israel and their place in history to the clothe of the eight
Century, 1882 (2. 3lufl. 1895) toeit über feine näc^fte 2ienbeng ^inau^etoac^fen. äl^
ü)iit^erau^eber ber „Encyclopaedia Britannica" (feit 1881) beröffentlic^te 91. ©m. bic
45 Slrtitcl Levites, Messiah, Nahum, Nineveh, Obadiäh, Palmyra, Passover, Phi-
listines, Priest, Prophet, Psalms, Ruth, Sabbath, Sacrifice, Samaritans, Tithes
(in Vol. XIV— XXIII, 1882—1888). Slufeerbem erfc^ienen in biefen ^o^ren Heinere
ejegetifc^e 3lrbeitcn (Old Testament notes. = Journ. of philol. vol. 13; On the
forms of divination and magic enumerated in Deut. 18, 10. 11 = ib. vol. 13)
50 unb ber Sluffa^ „3n ben Siebern ber ^ub^ailiten" (3bm® Sb 39). Sn^toi^en
l^atte fic^ 91. ©m. bem ©tubium beg arabifd^en Slltertum« gugetoanbt ©in längerer
Slufentf^alt in äg^|)ten, ^paläftina, ©^rien unb Arabien (1879—81) l^atte i^m burt^ um
mittelbare Serül^rung mit bem arabifd^cn Sebcn einen tieferen ßinblicf in bejfen ©igenart
crfc^loffen. 3llö Seigrer be« Slrabifc^en an ^almer« ©teile tourbe 9t. ©m. 1883 naij
56 6ambribge berufen. 33ei feinen Unterfud^ungen über bie arabifd^e ©tammegberfaffung
Wax SR. ©in. ^n bem (Srgebni« gefommen, bafe bie ®emeinfc^aft be« gleid^en 93lutc« aU
©runblage ber ©tamine«gemeinfd)aft urf))rünglic^ burd^ äbftammung bon berfelben
9)iuttcr bcgrünbct \vax. SDiefc« fojialc ©^ftem finbet feinen religiöfen aCuSbrudf im lote-
mi«ntu«. 9Jo(^ in Ijiftorifd^en ^dtm glaubte 9i. ©m. ©^uren •be« ehemaligen aRatriat-
eoc^at« unb Xotemi«mu« aufgetuiefen ju ^aben in feiner älb^anblung ,,Animal worsbip
(Bmiifi, 3S. 91. 453
and animal tribes among the Arabs and in tbe Old Testament (Sambttbßc,
Journal of Philol. IX, 1880, S. 75—100). 3n größerem 3wf<^"^n^^«^^n9<^ Ö^b er
bann ein 93tlb ber altarabifc^en ©efellfc^aft in bent SBäerle „Kinship and marriage in
the early Arabia" 1885. 5Ja^bem er t)on 1886—1889 ba^ i^m toentg gufagenbc
2lmt eineö Sibliotl^elarö ber Untberjität EamBribgc geführt ^atte, tourbe er nad) SBiH. 6
3Brigl^t^ 2iob 1886 ^ßrofeffor ber arabifd^en ©J^rad^e unb Sitteratur am Christa College
ju Gambrtbge. ^"i^'^if^cn toar SR. ©m. ber attetnige Seiter für bie §erau^abe ber
Eneyclopaedia Britannica geworben. 3)ie Sßollenbung be^ jrofeen SSäerfeö im ^aj^re
1888 ift toefentlic^^ feiner Umfu^t unb ©nergie ju banlen. ©eine umfaffenbe unb tief«
cinbringenbe fienntni^ ber arabifd^en Sitteratur, be« 213:; toie ber übrigen femitifc^en Sitte* lo
raturen führten SR. ©m. ju allgenteinsfemitifd^en ^Problemen. 6r üerfud^te, au^ ben
X^atfac^en ber j^iftorifc^ belannten SSolföreligionen bie grunblegenben (Sebanfen unb
formen be« religiöfen ©lauben^ ber ©emiten überl^aujjt ju erfd^Iiefeen. 93ei bem 8e*
ftreben, eine innerlich gefc^loffene ©nttoidelung feftiufteHen, toar ba« §ilf«mittel ber 2lna=
logien nic^t ;^u umgel^en. ^nxä) ja^lreic^e ^arauelen aud anberen @ebieten fud^te er i6
bie bei ben ©emiten bezeugten i^atfa^en ju ergänzen unb bie religiöfen SSorftellungen
ber ©emiten aU atten ^jrimitiöen SRetigionen gemeinsam ju erhjeifen. 3)urd^ bie 95umetts
Stiftung in 3lberbeen hjurbe 3fl. ©m. beranla^t, bie ©rgebniffe feiner umfaffenben reli*
aion«gefd^ic^tlid^en g^rfd^ungen über bie femitifc^en Slefigionen gufammenfaffenb barju-
ftcHen. 6r tourbe eingelaben, in brei SSSintem SSorlefungen ju galten über „bie urf^jrüng* 20
liefen Sieligionen ber femitifc^en SSöIIer in i^rem SSer^ältni^ ^u anbern Religionen beö
atltertumg ""^1^ ^^ flriftigen SReligion be^ 213:; unb be« G|rtftentum3".
3)ie erfte Sleil^e biefer Sßorlefungen ^ielt SR. ©m. im SBinter 1888/89. ©ie um*
faxten au|cr ben allgemeinen SSorau^fe^ungen unb ben ®runbgeban!en ber femitifc^en
3iolföreligion bag ®ebiet ber religiöfen ^nftttutionen, b. 1^. in ber §auj)tfa(^e bie 3)ar= 25
fteHung bed D})feng, toö^renb bie %^U unb ba« ^ßrieftertum — bei ber übergroßen güHe
be^ ©toffe^ unb ber ©d^toierigleit ber in i^m liegenben ^Probleme — in bie jtoeiten SJor*
lefung^rei^e berlegt tourbe. I)iefe, gehalten im ^ärj 1890, l^tte jum §auptgegenftanb
ben religiöfen ©Tauben, toä^renb bie britte SSorlefung^reil^e (3)ejember 1891) bie gc-
fd^id^tlic^e äcbeutung unb 2Bir!ung ber femitif^en SReligion barfteUte. Seiber ift nur bie 30
erfte SJorlefung^reil^e erfc^ienen in bem großen SBerfe „Lectures on the religion of
the Semites, First series: The fundamental institutions. @binburgH889/ 2. 2lufl.
1894. ©c^toere« Seiben f^at ben SSerfaffer gel^inbert, auc^ bie jtoeitc unb britte Sleil^c
5um 3)rucf fertig ju ftellen. ©0 bringenb ju toünfc^en toäre, ba| auc^ bieie beibenSSor*
lefungen aug ben Slotijen unb ettoa öorl^anbenen ftenogra|)l^ifc^en SRad^fc^rtften ^ergeftetttss
toürben, fo fd^eint baju boc^ leine 2lugfic^t me^r ^ju fein nac^ ben 3Witteilungen, bie
Ä. 93ubbe (I^SB 1895, 554) gemacht ^at. 93ereit« im Seginn be«3aM 1890 Ratten
fid^ bei SR. ©m. ©|)uren eineö organifc^en Seiben^ g«jcigt, ba^ il^m fd^on feine SSor=
lefungen über bie SReligion ber ©emiten fe^r erfd^toerte unb eine Slu^rbeitung ber SSor«
träge öer^inberte. f^m ©e^jtember 1892 führte er noc^ ben Sorft^ auf bem ^ntematio- 40
naien Drientaliften^ongre^ ju Sonbon unb toar an bem ^lan, eine 6nc^Hoj)äbie ber
orientalifc^en Söiffenfd^aften gu fc^affen, lebl^aft beteiligt, ©eine le^tc 2trbeit galt ber alt*
femitifc^en 3"f^^^ft <^wf einem GJetoic^t au^©amaria; fte erfd^ien am 18. SRoöember 1893
in ber „Academy" (©. 443—45). ©0 toeit feine firäfte nod^ reichten, arbeitete er an
ber SSottenbung feiner „Religion of the Semites". 2lm 17. SKärj 1894 übergab er 46
ba« burd^gearbeitete §anbeEem})lar ber 1.2luflage nebft einem §eft mit ?Rac^trägen feinem
greunbe 6lj;e^ne, ber bie ©orge für bie 2. 2luflage übemal^m. 3t, ©m. ^at fein SSSerl
nid^t üollenbet gefe^en. 2lm 31. 3Rörj 1894 ftarb er. ©eine Sebeutung ging nid^t auf
in bem, toa^ er ate ©elel^rter toar; er l^at aud^ ate eine eigenartige ^erfönlic^fett Don
fd^arfer ^Prägung einen tiefen ßinbrud l^interlaffen. S^ bereinigte ^c^ in i^m ber glän^ 50
ienbe ©c^arffinn unb ber unerfd^rotfene SBa^rl^eit^rmn be^ gorfc^er« mit öome^mer ©e^
ftnnung unb ed^ter SQSärme eine« tiefen religiöfen ©efü^te. Unb biefe ^ßerfönlic^feit tritt
aud^ in feinen toiffenfd^aftlid^en Söerlen oft fühlbar lebenbig na^c.
II. 3)ie toiffenfd^aftlic^en 2lrbeiten. @ine feltene SSielfeitigleit unb 2:icfe
be« 2Biffen«, eine aufeerorbentlid^e Setoeglic^feit be« ©eifte« öerbinben fic^ bei SR. ©m. mit 66
uncrmüblic^er ©orgfalt in ber SDetailforfd^ung, ber burc^ eine grofee ©efamtauffaffung
ftet« 3wf^'""'^"^<^I^ w"^ 3^^^ gegeben ift. Sie ©ic^er^eit, mit ber er in ber ^üUe ber
®injelunterfud^ungen fogleid^ einen ©efamteinbrutf getoann, ermöglid^te i^m, bei jeber
Unterfuc^ung ba« SBefentlid^e mit öoHer Älar^eit unb ©d^ärfe ju erfaffen unb neben^
fä(^lt4;e 3i»9^ ^^>n untcrjuorbnen. 3)a^er ber^üHt bie güUe be« 3)etaite niemal« ben eo
454 ^nxitt), 9B. 9i.
i^au^jigebanfcn; fic h)irlt fauni jemals bebrücfenb. ^ür bic tDiflcnfd^aftlid^c ßnttoidclung
di. ©m.ö ift fobann bic ©tciocrung unb 6rh)citeruna feiner Sirbeilen d^aralteriftifc^, bic
immer umfaficnbcr toerbcn. 6r gcl^t au^ bon alttcftamcntlid^en St\ibicn. ®iefc ©tufc
ift bcgcic^nct burd^ bic SfiJcrIc The Old Testament in the Jewish Church, 1881,
5 The prophets of Israel, 1882 unb burc^ bic Slrtücl, bic er für bic Encyclopaedia
Britannica geliefert i}at ^n biefen SBcrfcn fafete er bic ©rgebniffe ber gorfd^ung ju=
fcimmcn ju einer allgemein berftänbli^en 2)arftellung, toie fic burc^ bic Sntfte^ung
ber 3BerIc bebin^t toar. ©eine iviffcnfcl^aftlici^c Sebeutun^ geigen erft bic SBerte bcr
legten ^af)x^, mit benen er ali bal^nbrcc^cnber gorfc^cr m ber Oefd^id^te ber aBiffen?
10 fd^aft leben toirb. 3" *^*^^" erfolgt gugleic^ jene (grtociterung be« ©efic^t^lreifc«, in
bcn er bic einzelnen Probleme rücft. ^n „Kinship and marriage" rid^tet fw^ bic
Unterfud^ung gtoar in ber $am)tfad^e auf ba^ arabifd^c ©tamme^lcbcn ; aber e^ er=
öffnet fic^ fd^on ber 2ludblta auf bic ältcftc go^*" '^^^ femitifd^cn, ja ber mcnfdblic^cn
OcfcHfdpaft über^au<)t. 2)en ©emiten in i^rer ©cfamt^eit gilt bann ba3 SBerf „Reli-
16 gion of the Semites" ; gleic^;ieitig aber ift toieberum ba$ Silb ber älteften femi=
tifd^en 3uftänbe in bcn tociteften SRa^men allgemeiner etl^nogra))l^ifd^cr SBcr^öltniffc l^incin=
geftcHt. 3n ber ®efd^id&tc ber t^eologifd^cn Söiffenfc^aft bejcic^net ba^SßJirlen öon^H.©m.
für bic englifc^cn SScrl^ältniffe einen SBcnbcjjunft. @r berl^alf ^ier bcr gcfc^id^tlic^m
3luffaffung be^ 3t2i jum ©iege. 31. ©m. felbft befennt fic^ afö ©d^ülcr SBcHlj^aufen^ unb
20 Äuenen^, benen er fic^ in aßen cntfc^cibcnbcn litterarfritif(^en änfc^auungen anfc^liefet.
1. The Old Testament in the Jewish Churchl881. 35ic 9SerInüi)fung
biefe^ SBerfeiJ mit 5K. ©m.^ jjcrfönlic^em &t]d)\d bebingt bcn ?|iJlan unb ba^ ®e))rägc.
SH. ©m. tooHte ber ^iftorifd^en 2luffaffung be^ all ju i^rem SRcc^te berl^elfen unb burd^ eine
^ufammenfaffenbe 3)arftellung ber litterarifd^cn unb rcligion^gcfd^id^tlic^en $au))tj)robleme il^c
26 3Betl^obc unb ©rgebnijjc al^ fac^lic^ begrünbet ertoeifen. 3m SJortoort jur 1. Sluflagc
legt er feinen ^crfönliqcn ©tanb^unlt bar: „6^ ift bon ollergr()|ter Sebeutung, bafe bcr
Scfcr h)irllic^ einfielet, ba^ bic biblifc^c firitil burc^au^ nic^t eine ©rfinbung mobemcr
©clel^rtcn, fonbem bic berechtigte ßrtlärung gcfc^id^tlidgier I^atfac^en ifi. . . . a)er ^obc
5ßJcrl ber gefd^ic^tlic^cn Äritif befte^t barin, bafe ftc un^ ba« 211 lebenbigcr nahebringt.
30 2)ag 6f;riftentum lann fic^ nimmermehr bon feiner gefd^id^tlic^cn Segrünbung auf bie
SReligion S^taete lo^löfcn* bie Offenbarung ®otte« in ßbrifto fann unmöglid^ öon bcr
frül>eren Offenbarung, auf ber unfer §err aufgebaut ^at, getrennt hjcrbcn. 3" ^^^^
magren SHcligion beruht ba^ 5Jcue auf bem 2tltcn. 2)cmgemä| fann fic^ aud^ nicmanb,
für bcn ba^ (S^riftentum eine Slcalität ift, o^ne ©cfa^r bei einer ber SBirflid^fcit nid^t
35 cntfjjrcd^cnbcn äluffaffung ber ®efc^id&te bcö alten 93unbe« bcrul^igen, unb in einem ^txt'
alter, in bem äße ber gefd^id^tlic^en ^orfc^ung boll 3:eilnal^me gegenüberfte^en, ift feine
3tj)ologetif im ftanbe, nad^benfenbe ®eifter baüor gu betoa^ren, fw^ bom ®laubcn ab-
hjcnbcn ju laffen, faHg bie gefc^ic^tlid^c (Srforfc^ung beö 2li^ bon bcr Äird^e öerbammt
unb bcn Rauben Ungläubiger überlaffen tüirb." 35ie 2. Sluflagc be« Söerfe^ (1692)
40 l^ält an bcn grunblcgenben älnfc^auungcn über bie (Sntftc^ung bcr alttcft. ©Triften bun^^
auö fcft, h)obci mand^e^ einzelne nad^ fd^ärfcr begrünbet toirb. 3)ic ®efcbi(^tc bc^
Äanonö ift (al« Sßorl. VI) ein fclbftftänbigcr Slbfd^nitt getvorben. 3la6) feinem 2lrtifcl
„Psalms" in bcr 9. aufläge ber Encyel. Britan. ift ba« fiajjitcl über bie ^^falnicn
(5?orl. VII) neugcftaltet, too^u befonber^ burd^ (Sl^e^ne^ „The Origin and Religous
46 Contents of the Psalter" 1891 ein 2lnlafe gegeben Wax. SSor allem ift ganj neu bic
ä?orl. XIII „2)ie ©cfd^ic^ts^cr^ä^lung bcö $eEateud()" eingefügt. Sluf biefer 2. Auflage bcruH
bic üortrefflii^c bcutfc^e Überfeiung Don 3. 2B. Slot^ftein (1891). SR. ©m. fnü^ft an bic
i^orftcKungen be^ fc^lic^tcn Sibelleferjg ber ©cgennjart an, um ij^nen gegenüber gunä# bic
3lufgaben h)if jcnfd^aftlid^cr Sibclforfc^ung flar gu mad^en. ®er biblifd^e Sc^t felbft, ba^ 0^
50 er in bcn ferf^^ erftcn 3?orlefungcn, ftellt fold^c burd^ feine üorliegenbe ®cftalt unb bie binter ih
liegcnbe ®ef(^ic^te. 3luf einem rüdfh)ärtö fü^renben Sfi^ege burd^ bie ®cfd^id^te ber Über-
fc^ungen näbcrt fic^ biej^orfc^ung bem Problem bc^ ®runbtcjtc^. älbcr bcr i^atbcftanb,bcr
firf^ au^ bcr Xejtgcf^irf^te ^nlc^t ergiebt, fü^rt bereite jur Sittcrarfritif unb bamit jur Unter-
fu^ung über bic Öntftc^ung bcr einzelnen 53üd^cr. SDiefe fragen barjufteHen untcr-
55 neunten bic fiebcn legten a?orlefungen. 3)ic ^aulpt|)robleme in ber Gntftcl^ung^cfd^id^tc
bcr gcjc^ic^tlidj?cn unb gcfc^lic^cn Sürf^cr, ber^falmcn unb bcn ^^ro^^eten. 3)a^ litteror^
gefd^i(btlid)e ^roblcm, ba^ bicfe ©d^riftcn ftellen, ift jeborf» nid^t unmittelbar ju löfen; ^
crfc^cint junäc^ft al^ eine 2tufgabc bcr littcrarfritifd;cn Slnallifc, bic bie Äom))ofition bcr
©dmftcn 3u ermitteln l)at 2lnbcr^ liegt cö beim ^^falmbud^; ^ier fucbt S. ©m. auf
bu einem anbern Si^eg 3U gefd;ic^tlic^em ikrftänbniö ber ^falme ju gelangen, dl ©m. betont,
Smit^, SB. 31. 455
ba^ bcr Stu^angejjunlt bcr Unterfuc^ung bic Scftimmung bc^Stlter^ bcr cinjclucn Sicbcr^
famnilungen fein mufe. 35ann crft lann man nad) bem 3llter bcr einzelnen ^falmc fragen.
Öicr ift er nun geneigt, bie 93üc^er I— III fo l^oc^ hinauf ^u rüden, bafe maHabäifc^e Sßfalme
in i^ncn nic^t ipalj^rfc^einlic^ fmb. Sefonber^ beac^ten^toert ift in biefem 3"f«»^"^<^n^<inö
bie annähme, bafe bie Überfc^riften ber ^Pfalme urferünglic^ nic^t ju bem einzelnen ©ebid^tc 5
gehören, fonbem gange Sammlungen bejeid^net ^aben. 311« bann bie jal^lreic^en Keinen
Sammlungen einem größeren 6orj)u« eingefügt tourben, Verloren fic il^ren felbftftänbigen
G^araf ter, aber il^re allgemeine Sejeid^nung tourbe bor jebe« eingelne Sieb gefegt (©. 203,
3)eutfc^e 9lu«g. ©. 190). 3)afür benu^t 31. ©m. bie Segeic^nung mby^in n-^d, bie mit
,,bte äßaUfa^rtglieber" überfe^t toerben mu^ (©efeniuS-Äau^fd^, §ebr. ®ram. 27. 2tup., lo
§ 124' unb 127"). 3)ann toerben aud^ Überfd^riften toie mib u. a. nic^t ben SBerfaffer
begeic^nen tooUen, fonbem Sejeic^nung Don ©ammlungen fein. 3jn lüeld^em (Sinne
bann biefer 3:itel ju berfte^en ift, barübcr fann man nic^t« Sichere« fagen. Söa^rfd^ein-
lid; foH bamit nic^t ber lejt atö babibifd^ bejeic^net hjerben, fonbern eine ältere Ueber^
lieferung mag bie fiunftform, bor allem bie SKufil, auf 3)aöib jurüdfgefü^rt ^aben. 35ie i5
ä5orlefungen VIII unb IX fteHen bie SReligion ber Äönig^geit bar; baran fc^lie^t fi^
mit 3Sorl. X ber 5proj)l^eti«mug, ber in feinem SSer^ältni« jur SSolI^religion unb jum
Siitualgefefe h)ie in feinen grunblegenben religiijfen Oebanlen gefd^ilbert toirb. 35ie litte^
rarifc^cn ^Probleme, bie bie j)roj)l^etif(^e Sitteratur ftellt, treten bem gegenüber jurüd. 3)ic
brei legten SJorlefungen gelten bem ^ßentateuc^ unb fteUen bie ®efe|gebung bar auf ben 20
brei Stufen, bie aU litterarifc^e Corpora im ^entateud^ borliegen (gj 21—2:3, 3)eus
teronomifc^e ©efe^gebung, ^Priefterfobeg). ^n bcr legten 3Sorlefung toirb ba« ©anjc be«
Jf^ejatcuc^ burc^ eine jufantmenfaffenbe (Srörtcrung feiner GJcfd^ic^t^crjä^lung unb feiner
Seftanbtcile bargeftcHt.
2. The Prophets of Israel 1882. Sine gortf e^ung ju biefem Söcrfc bilbet ba« 25
93uc^ „The Prophets of Israel" (1882. 2. 9lufl. 1895). $ier ift bie auf Saien berechnete
2)arftellung bcr l^orlefungen burd^ umfangreiche änmerfungen ergänjt, bie totffcnfd^aftlic^ fe^r
iücrtboU fmb. an Schärfe unb Älar^eit überragt biefe« SJBert biellcic^t nod^ ba« 33oraufs
ge^enbe. 3)ie beiben erften Sorlefungen betitelt „Israel and Jehovah" unb „Jehovah
and the Qods of the Nations" bereiten bie 3)arftellung be« 5proJ)^etentum^ bor, ba^ 30
in feiner Sluffaffung be« Scrl^ältniffe« bon gal^be gu ^ixad unb jur 3Sölfertoelt im
ganzen an einen in ber bor^roJ)^etifd^en SSolföreligion gegebenen ©ebanfcnfrciö anlnü})ft.
2)iefe beiben aSorlcfungcn fmb na^eju eine fna^)j)e ©efd^ic^te ber borproj)^etifd^en Sieligion.
2)ie fed^^ folgenben ^orlefungen fteUen bie j)roJ)^ettfc^e SSetoegung bar bi^ m i^rer
Überfül^rung in bie gefe^lid^e ^o^m burd^ ba« 2)euteronomium unb bi^ auf i^rc lefetc 86
t)crfönltc^e ®rij^e, ^i^^niia. 3)abei toirb ftetig ber 3wfö"^"^€"^öng mit ber 3«itgefc^ic9tc
betont, bie me^r bebeutet ate nur ben ßintergrunb unb Stntrieb ber })ro^^ctif^en 93e=
toegung. 3)icfe ©nttoidclung gru))))iert 5K. Sm. in folgenbe 9lbfd^nitte: Arnos and the
house of Jehu; Hosea and the fall of Ephraim; The kingdom of Judah and
the beginnings of Isaiah's Work; The earlier prophecies of Isaiah; Isaiah 40
and Micah in the reign of Hezekiah; The deliverance from Assyria.
3. Kinship and marriage in earlyArabia 1885. 3)ie altteft. ^orfc^ung
ftanb für SH. Sm. biigl^er im SKittel^unlt; feine S^eilnal^me ^at fie bauemb behalten,
atber er ift auf biefem ©ebiet mc^r 3)arftelter ate %ox\6)^x. Seine bolle hjiffenfc^aftlid^e
Scbcutung liegt crft in ben SJBerfen, bie ben allgemein femitifc^en ^i^agen gelten, ßier 45
entfaltete er fein ßntbedtertalent unb feine Sombination^abe im a[ufft)üren unb ^ßers
fnüpfen bon 2:Mf ac^cn, bie nic^t an ber Oberfläche lagen. Unb au8 i^nen fuc^te a*bann
ein äilb ältefter femitifc^er Seben^ber^ältniffe p relonftruieren. 3)ie genaue Äenntni^ b©^
212 berbanb fid^ bei i^m mit umfaffenber 93elefen^eit in ber arabifc^en Sitteratur unb
mit lebenbiger 3lnf^auung be^ arabifd^en Seben^. 95or allem ^atte er ba^ grofee 3lcj)er- 00
torium bcr altarabifc^en Äultur, ba« Kitäb el-agänl, genau ftubiert; au^ ber alten
^Poefic, au^ ber „S^rabition" unb ben arabifc^en Kommentatoren getoann feine ^Jorfc^ung
ein 'Slaterial an 2i^atfac^cn, h)ic e^ fic^ feiten in einer $anb bereinigt, unb ba^ bi^
ba^in nad^ nic^t luttur^iftorifc^ bertoertet unb geftaltet ioar. 5K. Sm. tourbe auf bog
Problem gefül^rt, toie ba« gefettfc^aftlid^e Seben im bori^lamifc^en Slrabicn aufgebaut 66
toar. @r untcrfuc^te be^^alb bie fojialen 3wftä»i^<^ ""^ '^^^ gamilienberpltniffe im alten
Arabien. Sc^on ber 3tuffa^ „Animal worship and animal tribes among the
Arabs and in the old Testament" (Cambridge Journal of Philology IX,
S. 75—100) fam j|u bem grgebni^, bafe fic^ bei älrabern unb ?[«raeliten Sjjuren beö
3)iatriard^at^ finben. 3"J^^W^" W ®- 21. aSBillen in feinem Su^e „Het Matriarchat eo
456 (Smiifi, 2B. 9fl.
by de oujde Arabieren" (2(mftcrbam 1884. ^cutfd^c ÜBerfc^ung Scibjig 1884) unter
Senufeung be^ bon SH. ®m. Beigebrachten 9Kateriafö bte annähme beö 3Katriard^at^ bei
bcn Slrabern neu ju begrünben toerfu^t bor allem burc^ Senufeung eine^ reid^cn etl^no-
gra^)^ifci^en 3JiateriaIg au« ber malavifd^en ffielt. 3)arauf erfcpien ba« SBert, in bem
6 91. ©ni. feine ©rgebniffe in abfd^lie^enber gorm barftettte : „Kinship and Marriage in
early Arabia, 6ambribge 1885. 91. ©m. ^at ^uerft mit ben 9Kitteln ber femitifc^en
^P^ilologic bie foi^ialen Seben^formen ber femitifd^en ©tämme ju erforfc^en gefuc^t. 2)ie
etl^nologifd^cn unb f ulturgefd;id^tli(i^en ©rgebnifle toerben burc^ eine fc^arflinnigc Srflorung
unb Äombination öereinjelter, toeit berftrcuter unb öer^ältni^mäfeig f))äter Slngaben ge-
10 iponnen. ^n i^nen fie^t 91. ©m. bie SRac^Ilänge au« einem älteren fojialen ©cfüge be«
arabifc^en Seben«. Unb toa« er al« Urform arabifc^en Seben« erliefen ju l^oben glaubt,
barin fie^t er unfraglic^ im toefentlid^en ben femitijc^en Urjuftanb. 9lu« ben toorliegen=
ben 9Kitteilungen läfet fic^ freiließ eine Oefamtanfqauung Dom altarabifd^en Sebcn erft
bann gewinnen, toenn man bie ßinjell^eiten nad^ einer allgemeinen 3:^eorie über bie
16 älteften gwftänbe ber menfc^lic^en ®efellf(^aft beutet unb fte in eine etl^nologifc^e ®runb-
anfd^auung eingliebert. Unb eine fold^e bilbet bie 9Sorau«fe$ung für ba« SBerf Don
91. ©m. 6r ift abl^ängig Don bem ©^ftem ber })rimitiöen ©efettfc^aft, bo« ber gurift
9K. %. 3)lc Sennan feinen „Studies in Ancient History", Sonbon 1886 (befonber«
2eill: „Ancient Marriage") enttoicfelt ^at. 91. ©m. finbet bie 2luffteHungen biefee
20 ©ele^rten burd^ bie 3:^atfad^en, bie in ber femitifd^en Überlieferung Vorliegen, bi« in« einzelne
beftätigt. 9Ja^ 9)Jc Sennan nimmt 91. ©m. al« älteften S^fiöitb ber arabifd^en ©cfcH-
fd^aft ba« üJlatriarc^at mit ejogamifd^er ^ßol^anbrie unb eine totemiftifd^e (Slanötocrfaffung
an. derartig toären aud^ bie älteften JlulturDer^ältniffc ber ©emtten über^ai4)t ju
beulen. 3^ ^^^f^ Slnnabme führen bie 'parallelen, bie bie arabifd^en SSer^ältniffe bei
26 ^pebräern unb 2lramäem finben. 35a« ift ba« §auj)tergebni« be« SBerte«. 25a« ©d^toer-
geioic^t ber 93eU)ei«fü^rung liegt barin, ba^ 91. ©m. bie innere 3wfcimmengel^örigfett bon
9Katriard^at, Iotemi«mu« unb $eterogeneität ber älteften ©tämme erloeift. 2)ic 9Ret^obc
ift babei eine logifd^*bebuItibe ; unb in ber 3:^at ergiebt fie ein 93ilb ber ©nttoidfelung, ba^
burc^ feine innere ©efc^loffen^eit unmittelbar überjeugenb toirlt. 9Kan toirb ni^t be-
30 imcifeln fönnen, ba^ c« bei einzelnen arabifc^en ©tämmen unb unter getoiffcn SScrl^ältniffcn
$oli^anbrie mit 3Ratriarc^at gab; ob ber 3:otemi«mu« ebenfo fic^er angune^men ift, fann
^toeifel^aft erfd^einen. 35ie 2lrt, toie 91. ©m. bie überlieferten 3^^atfac^en gnH)^iert unb
au« i^nen mit einbringenbem ©d^arffinn ©c^lüffe jie^t, erzeugen junäc^ft ben (Sinbrucf,
ba^ bie ^ier fonftruierte6nth)idEelung«gefcbic^te ber altarabifqen ©efellfc^aft, ber ©tammc^-
35 berfaffung unb ber ^amilie, rid^tig fein muffe. 2lber bie etl^nologifd^en Si^eorien, bie bie
©runblage be« ganj^en S3aue« bilben, bebürfen noc^ öielfac^ ber ^Prüfung unb fmb
Ieinc«iDeg« unbeftritten. 3lud^ ^at bie bergleic^enbe, mit Analogien arbeitenbe ÜRet^obe
einen 9)langel: fic erfc^lie^t oft eine urf|)runglic^c unb einl^eitlic^e gorm ber 2lnfd^auung
au« Sl^atfad^en, bie erft für h)eit fpätere 3^^^ bezeugt finb. ®a« SQSerl ^at ein berec^^
40 tigte« Sluf feigen cnegt; mit il^m l^at firf^ fogleid^ auq ber SQBiberf^ruc^ gegen bie öautJt-
gcbanfcn erboben. 35cr bogntatifd^e G^arafter feiner attgemeinen 3Sorau«fe^ungen ift
nic^t ju Dertenncn unb ebenfotoenig bie Äül^n^eit ber Äonftruftionen. ©e^r üielc h)crt'
Dolle Beiträge für einjell^citen loie für bie ©runbfragen ^aben bie 93ef))rec^ungcn m
%f). 9Jölbcfc, $. be Sagarbe, äug. 9)Jüller unb 3gn. ©olbjil^er gebracht auf fie ntu6
46 öor allem öertoiefen toerben. 2)er bkibenbe SlÜert be« Sffierfe« liegt bor allem barin,
ba^ e« eine metl^obifc^e 3lu«nu^ung ber einzelnen 2;]^atfac^en für ein Iulturgef(^i(^t=
lic^c« ©cfomtbilb gelehrt l^at, ioie bie femitifc^e ^l^ilologie fie bi« ba^in nic^t caeid^t ^attc.
4. 9JJit feinem legten Söcrfe, Lectures on the religion of the Semites,
1889(2.2lufl.l894, bcutfc^ b. 91. ©tübe 1899) l^at 91. ©m. fein reiche« Söiffen unb fein gan^c^-
50 iüiffenfd^aftlid;e« 35enlen am DoUcnbeftcn bargeftettt. Seiber ift ba« 2öerf ein Sorfo ; e« fehlen
bie beiben Sänbe, mit bencn c« jum 2lbfc^lufe gef ommen ioäre. 3)a« Söerf gehört tro^ feiner
unüoKcnbetcn ©cftalt in bie erftc 9Jeil^c religion«h)iffenfd^aftlic^er 2)arftellungen. gür baö
gefc^id^tlic^c 2?erftänbni« ber femitifc^cn 91eligion ift e« ejjod^emad^enb geworben. &
2. 2luflagc be« 2öerfe« l^at Diel neue« 5ltaterial aufgenommen. Singeine älbfd^nitte fmb
55 neu l^injugef ommen, fo bie njic^tige 2)arlegung über ^eiligleit unb tabu (©.159—164),
über bie Übertragbarfeit ber „§ei(igfeit" (herem., ©. 231 f.), über SBafferlibation
(©.411 ff.). 3)ic Scbeutung bc«^2lkrfe« im gangen berul^t barauf, bafe 9i. ©m. ben
urfjjrünglid^en ©inn unb bie Scbeutung ber älteften religiöfen ^nftitutionen erfd^loffen ^at.
^amit n)erben allgemeine, funbamentale Probleme ber antifen 9leligion bel^nbelt. 3)enn
60 alle religiöfen Segicl^uitgcn finb in ben ä5olf«rcligionen be« Slltertum« on feftc 3"PitU'
@mit!|, 2Ö. 91. 457
tioncn gebunbcn. 2)ic ©cjc^id^tc bcr antticn Slcligioncn mu^ alfo öon bcn S^ftitutionen,
b. f). hjcfcntlic^ bom Äultu^, Djjfcr unb l^cUigcn Stecht, au^gc^en. 2luf biefem Söege
bcrfuc^t SR. ©m. bic Sleügion al^ einheitlichen, gemeiiifamen SSefifc be^ öotgefci^ic^tUci^cn
fcmitifc^en SSoItetum« barjuftellen. ^eilid^ tft bie fcmitifd^e 3Solfegemcinfc^aft nur eine
l}t}pot^^t\]d)i ®rö^e; toir fennen bie ©emiten nur ate einzelne, na^c Dertoanbte SSöIIer, 5
bic längft in t)olfötümli(l^er (gigenart befielen unb bic ftc^ in i^rer Äultur fc^on fe^r
toeit bon einem ettoa gemcinfamen, urfemitifd^en Äulturbefife entfernt ^abcn. Unb bem
entfpric^t bie SReligionggefd^ici^te. äud^ bie jemitifd^en SSofföreligioncn, bon benen \\d)
allein eine annä^emb julänglic^e ^iftorifc^e SBorftellung gewinnen lä^t, l^aben ein inbi-
öibuelI=nationale« ®ej)räge. Unb boc^ tritt babei — toie in SRaffe unb ©J^rac^e — eine 10
güUe be^ Oemeinfamen i)Mox. üiegt barin ein gemeinjemitifc^er Sefife unb läfet fic^
ein 93ilb ber urfemitif^en SRetigion unb mit i^m eine SSorfteHung bon urfemitifc^er Äultur
unb ben geiftigen SBefen^jügen ber 9laffe aetoinnen? SBenn man baS ^Problem jo [teilt
— h)ie eö SR. ©m. tl^ut— fo liegt barin freiließ eine 9?orau^fe|ung, ba| nämlid^ gleiche
2tnfc|iauungcn unb ^nftitutionen ate gortfülj^rung einer urf))rüngli(^en Äulturgemeinfd^aft, 16
bcr eine SJolfeein^eit entf^rad^, ju betrachten fmb.
%üx bie ©rf or jc^ung bcr altfemitif^en SReligtonen liegt aber eine befonbere ©c^toierigs
Icit barin, ba^ fie ung nur in einzelnen 3üg«t burd^ toeit berftreute, gelegentliche 2lns
gaben entgegentreten. 3)a^ urf^rünglic^fte unb ber^ältni^mä^ig reid^fte 5Dlaterial bietet
bie altarabifc^e 2itteratur, baneben treten bie älteren Btüdt be^ 212:^. Slber ein ge^ 20
Jd^loffene^ Silb bon ber altfemitifd^en SReligion ift au^ i^nen nic^t ju gewinnen, ^aiu
ift eine breitere ©runblage nötig. 9lac^ ben ®efe|en Jjrimitiöen 3)enfen^ überl^aujjt
fuc^t 5R. ©m. bie erhaltenen SRefte ju beuten unb ein ©efamtbilb ber gemeinfemitifd^en
Sieligion ju gewinnen. 2)aju ^at er in toeitem ^a^c ^ParaHelen au^ anbem SSölJEem,
bie eine torimitibe Äultur f^u bertretcn fd^einen, j^erangcjogen. 2)ie 33orftelIungcn unb 26
ba« 3)enlen j)rtmttiöer 3Sölfer fd^eint ftc^ toeit naiver ^u [teilen ate ba« gciftige Seben in
f)od) enttüidtelten Äulturen; bie Differenzierung ber Seben^formen ift nod^ nic^t toirffam
geworben. 3)arin liegt eine getoiffe Berechtigung für bie t)f^d^ologifc^e ^nt^i^^ö^ion
ber I^atfac^en einer toenig belannten ))rimitiöen Äultur burc^ ^eranp^ung bon ^Parallelen
aug anberen, ä^nlic^en Äulturjuftänben. 2lber fo fe^r bie SJerl^ältniffe auc^ baju nötigen, ao
biefen SBeg ^u befd^rciten, fo lücnig barf man il^n im ®efül^l öoller ©ic^erl^eit ge^en.
6« liegen biefem 3Serfa^ren eine Steige allgemeiner 9Sorau«fe^ungen unb 3lnalogief^lüffe
in ®runbe, burc^ bie man t)on ber gefd^id^tlid^en SBirlltd^feit fc^r toeit abgefül^rt
toerben lann.
35a^ SBefen ber urfemitifd^en SReligion fuc^t 5R. ©m. ju gewinnen au« ben Äultur^ ss
formen ber urfemitifc^en ©efellfd^aft unb au^ ber 2lrt, toic ber 3Kenfc^ biefer ©tufe bie
umgebenbe 5Ratur unb fid^ felbft auffaßt. 3)er Iräger ber SReligion ift nämlid^ ber burc^
Slut^bertoanbtfc^aft aller feiner ©lieber geeinte ©tamm; feine toirtfd^aftlid^e fiulturform
ift ein J)rimitiber Äommuni^mu«. Demgemäß ^ebt fic^ bie ^ßerfönlid^Ieit überbaut)t nod^ nid^t
au« ber feften ®cmeinfc^aft ^erau«. 3n bem ®efü^l biefe« ^^"t^*"*"^^^"?^ oetoegt fid^ äße« 40
t)rimitibe 3)enlen. ©0 fafet e« nic^tnurbiemenfd^lid^e®emeinteaft auf; bie ganje 5Jatur, mit
ber ber 5Kenfd^ in toirlfamer Scjiel^ung ftel^t, loirb in ben ÄreiS ber menfc^li^en ®emcins
fc^af t einbcjogen. 3)a« ift nid^t eine 2lnalogie, fonbem für ^rimititoe« 3)cnlen eine boUe 3lealität.
Die ganjc5Ratur ift belebt unb bilbet einen großen 3ufö»nmen^ang gemeinfamen, toefen^s
gleichen Seben«. (£i5 giebt faum fc^arfc ®renxen jtoifd^en befeelten SBefen unb Dingen. 46
Der ©tamme^berbanb erweitert fic^, er umfaßt ben ©tamme^gott, feinen ©tamm unb
aÜQ^, toa« in beffen Sereic^e lebt unb borl^anben ift. %\xx bie religionSgefc^id^tlic^e gor-
fc^ung rid^tet ftc^ ba« 3i"^^^fi^ «^"f ^i^ ©teHung beö ©tamme^gotteg. 6r ift burc^au«
in t)^^ftf(^er SBeife ate ber Url^eber be« ©tammee gebadet unb bamit ein ®lieb in ber
natur^aft begrünbeten ®emeinfd^aft. Dem alten 9Ratriard^at entfjjric^t eine toeiblic^e, ateeo
SRutter gebadete ®ott^eit. Durc^ bie @ntlt)idelung be« ®efe^eö ber männlid^en 3Ser=
toanbtfd^aft tritt ber ^Batergott an bie ©teile, ^n \l)m refleftiert fic^ ba« altfemitifc^c
5?amilienred^t; bamit erl^ebt fid^ bie ®otte«borftettung ate „SSater" über i^re JjI^^PI^^^
©runbbebeutung ju einem et^ifc^ h)ertt)otlen Segriff. SR. ©m. gel^t biefem ®ebanfen
(©. 49 ff. unb 59 ff.) mit befonberer SSorliebe nac^ unb ivitt bic %nxd}t ate 3Motiö zur66
au^cftaltung ber ©ötterborfteUung abtoeifen. 5Rit bem Seben be« ©tammeö ge^t bai5
feine« ®otte« jufammen. ®eh)innt ein ©tamm burc^ 3?erbinbung mit anberen, burc^
Untcrtoerfung, eine größere SDiac^t, fo enttoidfelt fic^ ein ®efü^l für bie erweiterte ©tetlung
in ber 2Belt, ba« Soll entftel^t. ^^m entf>)ric^t bie Sorfteltung öom ©tamme«gott ate
Äönig. 3)lxi bem fiönigtum ift überall eine er^ö^te Sebeutung be« SRec^te« öerlnü})ft ; eo
458 (Bmlift, SB. 9{.
ba^ 9lcd;t fiiibct im Äöntg tjiclfad^ feinen llrf))rung; an il^n tritt bic 5PfIi(^t, Sd^ü^a
bc^ Slec^tö in fein. 2)er äußeren SMad^tertoeiterung bc^ ©ottee entf))ric^t bamit nnc
et^ifc^e ©teigerung ber ©otte^üorfteHung. 25te ^\)z^ ber ©ercc^tigleit toitb in fte auf-
genommen.
5 2)iefc alte Glanö^SReligion ftellt [xi) nun bar in feften Snftitutioncn unb finbct
il^ren Stu^brudf bor allem im Djjfer. 3)er aUe^ erfüHenbe Segriff in i^r ift ,,$eiligleit".
3n biefem S3egriff liegt ^unä^ft leine etl^ifc^e Qualität, fonbem eine älrt 5He(^t^=
DorfteHung, bic auf einem Sefi^Der^ältni^ berul^t. 91. ©m. ^at ben urf^jrünglic^en 8e=
griff ,,^eilig" burd^ ba^ Tabu t)ol^nefifc^er unb auftralifd^er SReligionen erläutert.
10 „$eilig" ift aUe^, lt)aö ber ®ott]^eit berfatten ober gugetoiefen ift. 9Rit biefem .^eilig^
feitöbegriff ift befonberö bie ©nttoidtelung ^eiliger Orte unb ©ebiete t)erfnü<)ft.
6ine ganj^ anbere (Snttoicfelungglinie, bie in ber urfemitifc^en Äultur feine 3ln=
fnüpfungifpunfte ^at, fie^t ^H. ®m. in ber Sa^atSleligion. ©ie ift bie ^Religion ber
fcmitifc^en Äutturlänber; in äderbau unb ^Wbatbefit liegen ilj^re SSorau^fe^ungen. ©c^on
15 bie Se^eid^nung beö ©otte^ alö Sa'al = §err, Sefi^er beutet auf bie öeränbcrten h?irt-
fd^aftlic^en unb recbtlic^en Ser^ältniffe ^in. ®er Slderbau, ber inbibibuett betrieben h?irb,
fü^rt jum ^ribateigentum. ,,§en" eine^ ©ebietc^ ift, toer e« burc^ Setoäfferung unb
Seftellung in ein drtrag liefcmbe^ Sldferlanb öertüanbelt. 2Bo aber bie Siatur felbft
burd^ Duellen unb ^Jlüffe bem 3Renf(^en 3Baffer fj)enbet unb ^flanjentouc^^ ermöglicht,
20 ba ift e^ ber ®ott, ber ben S3oben fo beftellt l^at; er ift bamit 93efi$er fold^er ®ebietc
t)on natürlicher ^rud^tbarfcit. 9?atürlic^ loerben biefe ©ebiete bie beborgugten ©tättcn
mcnfd^lic^er ©iebelung; aber fie bleiben ^enfc^aft^ebiete be^ Srfal, öon bem bie Se--
too^ner bie ®aben be«f £anbe^ empfangen, ©o tritt auc^ ber 9Menfd^ al^ Stdferbauer
unter bic §crrfd^aft be^ Ferren be^ gruc^tlanbe«, bem er im begetabilifd^en D^)fer feinen
25 2:ribut barbringt. 3)cr 93a' al ift ber ©c^öjjfer aller grud^tbarleit, urfprünglic^ bc^
^flanjentüuc^fe^, bann aud^ ber tierifc^en unb menfc^li^en gruc^tbarfeit. 2)ie 95a'al=
Skligion ift alfo au« bem £eben ber 2lderbau treibenben SSölfer ertoac^fen unb reflefticri
bie Sebenöformen einer agrarifc^cn Äulturftufe. Söenn fic^ freiließ ber 33a'ol!ultu« ani}
in Slrabien finbct, fo ift er — lüie 91. ©m. annimmt — ^ierl^in erft übertragen. Stuc^
ao ^ier fmb e« bor allem bie Dafen, itjo er 93oben finbet. 2)urc^ feinen G^aralter aU
®runbl^crr ift ber Sa'al örtlich gebunben. 25iefe ^h^^ fe|t fid^ bi« in bie flöten ©tufcn
ber ^iftorifc^en ^Religionen fort in ber SSorftettung, bafe ber ®ott einen feften 2Bobm
fi^ i}at
91. ©m. I^at fomit nid^t eine gemeinfemitifd^e Urreligion gewonnen, fonbern jlDci
35 burc^au« berfc^iebene J^ormen ber Religion, bie 35ater59leligion ber 9lomaben unb bie 93rfal--
9leligion ber 3ldferbauer. Seiben 9leligionen ift ba« D^fer aU 35arftellung biefer Sc^
jiel(^ungen eigen; aber e« ^at naturgemäß in beiben Religionen eine gan^ öerfd^iebene Sc-
beutung. 3" ^^ 53a'^al59leligion bebeutet ba« D|)fer bie bem ®otte ate ©runb^erm
bar0cbrad;tc »^ulbigung; e« ift alfo ein Iribut, ber bon ben ©rträgen be« Slder« bem
40 ©i^enbcr ber ^ruc^tbarteit bargebrad^t ioirb. ^i)xc gortbilbung finben biefe „(grftlinge"
an üegctabilifd^en Dj^fern im 3e^"ten unb in ber minha. — ®anj anber« fmb Her-
gang unb ©inn beim Djjfer ber 9tomabcn. 2)a« C^fcr beftelj^t l^ier in ber ©d^lac^tung
eine« liere«, bcffcn 33lut bem ®otte al« fein 2lnteil burci^ 93efi)rengung ober Sibation
bargcbrad;t ipurbe, iüäl^renb ba« ^Icifc^ — urfjjrünglic^ ro^ — öon ben 0))femben ijer-
45 i^cl^rt iourbc. 2)ic gorm be« Djjfer« ift alfo ba« faframentale 9Kal^l ber ©tammc^
gcmcinfcf^aft, ba« burc^ ®cnuß bc^felben Dpfertiere« ben ®ott mit bem ©tamme t?cr'
binbct. T>ie ^\>^c bc« Dbfer« ift l^ier, bie natürlid^e Slut«gemeinfc^aft innerbalb bce
©tammc« h)ic mit bem i^atergott ^u erneuen unb ju fcftigen. 35iefe ®emeinfc^aft bc-
grünbenbe Äraft fann aber nur ba« 53lut eine« ftammberloanbten 2;iere« l^aben, b. b.
50 ba« Dpfcrtier ift ba« ^^otemtier be« ©tamme«, ba« nur für ba« faframentale Djjfcrmabl
getötet mcrbcn barf. — 93i« auf bicfcn ^^unft ergiebt fid^ ba« SBefen be« D})fer^ «"^
ben rcligiöfcn ©runbanfc^auungcn. ^n ber gefc^id^tlid^en (Sntioidelung be« Dpfer« aber
möd^tc 9(. ©m. bie gortbilbung be« faframentalcn 9Jla^le« feigen ; banac^ fuc^t er ab-
tüeid;cnbe (Srfd;einungcn auf 9Jiißt)crftänbniffcn unb falfc^en Deutungen ju erflären. 2)ic
55 erftc Sdt)n)icrigfeit mad;t ba« 5Dlenfd;enoj)fcr, über ba« 91 ©m. folgenbe Jl^eoric ent^
ioidelt: G« blieb für bic faframentale SBirfung be« Dpfer« bie gorberung ber SJluts^
Derioanbtfc^aft be« geopferten Sycfem:^ bcftel^en, verloren aber ging bic SBorftetlungJJon
ber Scrtoanbtfcbaft ber ^icrc mit beut 9JJenfd^en. SBcnn man tro^bem liere opferte,
fo fonntcn fie nur (Srfa^ für ein mirflicf) blut«i)erit)anbte« 3Befen fein, b. 1^. für einen
(io 3Jtcnjcbcn, am bcftcn für einen iJcriüanbtcn. 3tuf ©runb biefer I^corie Dom 2;iero))fet
@mi% 38. dl ®ocin 459
lam man ^n bcr anfd;auun0 bon bcr l^öd;ftcn 2BirIun0«!raft bc^ 9}icnfci^cnoj)fcrö in
befonbcr^ fd^iuieriöcn fingen. SSon ber %i}com an^ crft tarn man ^ur ^Pra^i«. 2)ann
aber War \>a^ Dp\ttmaf)l au^gefd^Ioffen, an feine ©teile trat bie S?ernid;tung be^ Dj)fer«,
meift burc^ ä>erbrennen. ©o toirb ba^ geuero^fer bie ^orm für bie Übergabe be^
£)>)ferg an bie ©ottl^eit, obtüol^I bag SSerbrennen urf>)rün0li(^ nur ben ^w^d ber 3Ser= b
nic^tung ^atle unb beö^alb and) n\d)t auf bem 2lltar, fonbem an abgelegenen Orten
erfolgte. 3)aö Sranbopfer aber fonnte bie ^-orm ber 2)arbrtngung iuerben, toeil fid; bie
©otte^borftellung bergeiftigt ^atte. 6^ mar ber §intmeIggott, ju beui ber D})ferrauc^
enipqrftieg. — SDamit ift bie Ü^erbinbung jiüifd^en bem Dj)fer aU 9)ial;l unb bent Djjfer
aU Übergabe an bie ©ott^eit j^ergefteUt. 2)iefe le^te Sluffajfung tritt burc^ bie Slugs lo
bilbung be^ ^IJritjateigentumg immer mel^r in ben SSorbergrunb unb iDirb enblic^ bie
be^errfd^enbe ^hcc. Sluö feinem Sefi^ erteilt ber 3Kenfci^ bem ©otte einen Slnteil. Um
fo tDOJ^IgefäHiger ift aber ba^ Cjjfer bem ©otte, je reid^er fein Stnteil ift; bag tüirifamfte
0^?fer ift alfo ba«, toelc^e« bem ©otte aHein unb ganj jufäHt. 25amit aber gclüinnt
ba^ D^fer aHmäblid^ eine ganj anbere öebeutung; e^ toirb ju einem 3Rittel auf ben i5
©Ott einj^ulüirfen. 25aö Opfer befommt einen magifc^en 3"9; ^ ^wdt in bie bebenfs
lic^e 9Jäbe ber 3«ubermittel. greilic^ ^atte biefe I^eorie beö £)t)ferö nic^t auf femitifd^em
©oben il^re legten Ä'onfequenjen gefunben, fonbern in 3"t^i<^n- — ®o bebeutenb biefe
3luöfül^rungen unb i^re ©rgebnijfe im einzelnen fuib — bei bem ©treben, eine ein^eit^
lic^e, urfemitifd^e SKurjel aöer ßrfd^einungen ju gelvinnen l^ält % ©m. ben |)rinjit)ieHen 20
Unterfc^ieb jtüifi^cn einer Sieligion, bie ©Ott aU ßr^euger, unb einer, bie ilm afö ®runb=
l^erm beult, nid;t aufredet. 6r tü'xü au« einer gorm — au« bem fatramentalen ©emein^
fd>aft«ma^l — aUe gormen be« D>)fer« ableiten, hierbei gebt e« — ebenfo toie bei ber
(Einfügung bcr Sämonen in ba« ©^ftem be« S^otemiömu« — nid^t obne ©ctpaltfamleiten
ab. 5t. ©m. neigt baju, atte ©rf^cinungen auö einem Urfprung herzuleiten. 3i)a« tpirb 25
auf bem Soben ber femitifd^en SReligionegefc^id^te für un« biellei^t niemals möglid^ fein,
©iel^t man bie Il^atfat^en unbefangen an, fo h)irb man in il^nen nic^t bie ^ortbilbung
einer einzigen ©runberfd;einung fe^en bürfen, fonbern toir muffen jtoei fclbftflänbig neben^
einanber bergel^enbe SReiben annehmen, bie au« öerfc^iebenen Äulturtjcr^ältniffen ertoad^fen
fmb, fomit einen felbftftänbigen Urf))rung l^aben. Seibe fmb Jjrinjijjietl gefc^iebenao
in ber Sluffaffung be« Ser^ältniffe« ^hjifc^en ©Ott unb 3)ienfc^. SÄud; für ba« Dj)fer
mufe man bann eine 5n)eifad^c i^orau«fe^ung unb ©runbbebeutung i;ugeben. 3)ie innere
Äonfequcnj in ber ©ntloidfelung ift gehjifj mannigfach gebrod^en, aber nic^t burd^ allerlei
9Jliftt)erftänbniffe unb falfd^e ©d;Iüffe, — toic m, Sm. annimmt — fonbern burc^ ge*
fc^i^tlid^e Serül^rungen, gegenfeitigen ä[u«taufc^, Äreujung unb ^ulc^t aud^ burc^ 3^-35
fammenge^en in einer gemeinfamen SKeiterbilbung. üßor allem ift bie i^eorie t)om
3Kenfd^eno})fer ganj unhaltbar. 333cnn e« in ben 3[nfc^auung«frei« gebort, für ben ba«
Opfer bie älutögemeinfc^aft feftigt unb bc«^alb ein blut«t)erh)anbtes; 2Uefen forbert, fo
toirb man fic^ nic^t fc^euen bürfen, ba« 9Jienf(^enot)fer für ba« ällefte unb eigcntlid^e
0>)fcr in galten, an beffen ©teile ba« Xiero^ifer getreten ift. 3nbe« beftel^t ivobl tein 40
j)rin;;it)ieller Untcrfc^ieb i^toifc^en 5DJenfc^en- unb 3:iero})fer gu einer 3cit, für beren 2)enfen
ade« Scben ©emeinjc^aft be« gleid^en ?3lute« ift. 2lud^ bie 9?erbrcnnung be« Opfer«
h)irb nic^t lebiglic^ bie äefeitigung be« itörjjer« bcjlocden — berartige ^n^^^ff^" Ik^m
Söllern Jjrimitiüer Äultur ganj^ fem. 2Öa^rfc^einlic^ ift e« bod^ al« eine ^ot"t ber
Übergabe ju faffen. (Snblit^ h)irb man fragen bürfen , ob nhcxl)an!pt alle SorfteUungen 45
unb ©ebanfen, bie eine jjrimitiüe Sieligion erfüllen, ju einem feften ©cfüge jufammens
gefc^loffen hjerben muffen, ob fie in ein ©^ftcm ;4U orbnen finb, ober ob ni^t neben un=
fraglich öorbanbenen ©runbgebanten jal;lreid^e iNorftcKungen nebenber ge^en, bie i^re
befonberen 33orau«fe|ungen ^ab^n, 2)ie Unlerfud^ung jjrimitiöer SHeligionen, fotoeit ivir
fold^e bi«^er überhaupt rid^tig berfte^en fönnen, üermag barauf laum fc^on eine feftew
älnn^ort ju geben. 9i. @tfibe.
Societö övangcllqnc f. b. ä. ^ranlreic^ 93b VI ©. 196, 8ff.
Socitt itnb bcr ®ociiitaiii«mui9. I. äußere ©efd^ic^te be« ©ociniani«-
mu« bi« um bie 3JJitte be« 18. 3«^'f'^w"t)ert«. — (£uifte^uiiii§3e{d)icl}ic imb 53iü=
9ropl)i|d)e« über bie bciben Sociiie: 8Qiio=^>r5l)füiDfi^f!, Vila Faiisti S<>cini, Ävafau H)3H; 56
&corQC 9l§btt)en, De Socino et Socinianismo, Oifovb 1680. Vlbral). CSalot), Scripta Auti-
sociDiana, III voll., Ulm H384 (t»fl(. b. Vlrt. 6aIoü i>^b III, 651). IMutl). Histoirc du Bo-
ciniaoisme, $ari^ 1723. ^am. [yriebv. ^autcrbad), Ariano-iSociiiianisQius olim in PoloDia,
460 @ociit
über et)cinal. vo(nifd):ananiJ(öcr ©ociuiauiSmuö, granffuvt unb ficipjig 1725. gr. S. ^ocf,
Historia Antitrinitarionmi, maxime Socinianorum, Regiomont. 1774—84, 2 t 3- *äÄ.
©cftröcfö, ^lird)engc|c^. feit ber SRefürmotion, Sb V (523—631). gilqen, Symbola ad vitam
et doctrinam Fausti Socini (3 ^efte), fipj. 1826—40. g. Xrerfjfel. ^ic pvoteftant. ^Intitrini^
5 tarier üor Sauft. @ocinu<J, 2 ZU., 4)cibeI6crö 1839—44 (ingbcf. Sb II, 2tiio ©o^sini). C. ^od,
3)er ©üciniani^mu^ nad) feiner ©tcüung in ber öJefomtenttoicflung bc^ 4nftl. ®cifted, fein
mov. 53erlauf unb f. fie^rbegriff, 2 XIc, Äict 1847 (inSbcf. I, 121—263). «Baflacc, Anti-
trinitarian Biography, fionb. 1850. (5. il^. ^enfe, SSorlefungcn über neuere ^irdjengefc^ic^tc,
l)erau§cj. uon ®af} (1874), I, 453 ff. 3ofep6 Scvenc^, kleiner Unitarierfpieflel, beiitfdi t)on
10 9^ ^e^mann, SBicn 1879. O. toniecfi, ®efd)id)te ber SRcformation in $oIcn, 2. 91., »rcöl.
1901, @. 198—120. @. ßurffiet, 3)er ©ociniani^muö unb feine ©ntmirflunfl in (SJro&poIen;
atfd)r. ber ^ift. ©ef. b. ^roo. ^ofen, 1892/93. 6cmbrjit)(fi, 3)ie polnifc^en 9lcformicrtcn unb
Unitarier in iPreuften: ?lltpreuft. 3Ronat^fd)r. 1893, Iq, 1 unb 2 (au* fcp.). g. ^. 9(ncn,
Hist. of Unit. (f. unten III), p. 49—120. ©urnat, Lelio Socin, Vevey 1894. «3. 3. unn
16 3)oruiüen, Socinianen en Doopgezinden: Th.Tydsciir. 1898, I— III. .&. 5)aIton, Lasciana,
S3erlin 1898 (bietet luertooUe Urfunben=Sciträge jur SSorgefrfjicftte beS poln. ©ocinianiömu§;
f. bef. @. 388 ff.). &. Äroufe, 9?eformation unb ®egenveformatton int ehemaligen Äönigrcic^
^olen. «ßofen 1901.
[©pei^ieüere fiitteratur, bef. aut^ betr. b. heutigen fiebcnbürgift^en UnitariSmud f. unten
20 im Xejte.]
SDie Steformalion^fird^en bc^ 16. ^ö^^^uitbcrts fa^cn fd^on toä^tenb ber crftcnSa^^-
je^ntc t^rc« ©cftel^cn« fic^ jur Slbtoe^r einer bo^)>)elten ©egncrfd^aft öon ultrasreforma^
torifc^er Sicnben^ geni)tigt. 2luf ber einen ©eite tourben jte üon ber Dt)^)ofition ber
SBtcbertäufer gegen t^rc fonfertjatibc 2;auft)ra^« bebrol^t, auf ber anbcrcn richteten fn^
25 bie 2lngriffe antitrinttarifd^er ©c^toärmer unb Selten gegen il^ren ©otte^bcgriff unb i^r
fird^lic^st^cologif^e^ ©Aftern übcrl^aupt. ®egner ber le^teren ärt traten — , bon jenen
frü^eften, jugletc^ auc^ anaba>)ttfti{ci^ gerichteten SBiberfac^em ber 3)retcinigfeit^Iel^re h?ic
®enl, §e^er, Äau$ 2c. an btö ju ©erbet unb beffen näd^ften 5Jad^folgem (Ocntili^,
Slanbrata, Sllciatt 2c.) in beträd^tlic^er Sq!S)1 l^erbor; boc^ fehlte eö benfelbcn furo erfte
30 noc^ an jeber feftercn einheitlichen Drganifation. 2lu(^ ber ältere ©ocin (fiel io ©ouini)— ,
geb. in ©iena 1525, geft. 1562 ju S^xi6) (nad) einem unruhigen SBanberleben, bast
i^n feit 1547 in toieberl^olte Serül^rungen mit ben SSorfämJjfem ber SReformatton in
3üri(^ [Sullinger], (Senf |6alt)in], SJBittcnberg [OTelanc^t^on] gebracl^t unb i^n u. a. auc^
jtüeimal [1556 unb 1558] nac^ ^olen geführt ^atte), gel^örte ju biefen noc^ ifolicrt
3ö fte^enben, auf ©ammlung einer (Scmeinbe i^rer ©lauben^enoffen nid^t au^el^enben änti^
trinitariern. SJBirb ber 9?ame ber focinianifc^en Partei ^utoeilen mit aud^ toon il^m ^a-
geleitet, fo gefd^ie^t ba^, toenn auc^ nid^t gan^ mit Unrecht, bod^ ungenauer SBJcifc.
Segrünber ber großen Slntitrinitarierfelte, bie man atö ©ocinianer ober ältere ())oInif(i=
fiebenbürgifd^e) Unitarier Dom mobemcn (englifd^en unb amerifanifd^en) Unitariertum ^u
*o unterfd^eiben ^at, tourbe erft Sclioö 9Jeffe gauftu^ ©octnu«, über beffen ©d^idffale unb
Sc^rtüirfen je^t Dor allem nä^er ^u l^anbeln ift.
5?aufto ©ojjini, geb. 1539 in ©ina, bon mütterlicher ©eite mit bem ©efc^IcAte
ber ^iccolomini öerhjanbt (bgl. Sitten, 1. c. p. 50 ff.), tourbe frü][^e jurSBaife unb gcno^
eine nac^läfRge ^uö^^^^il^unö ^^^ giemlic^ mangelhaftem Unterricht, ben fein l^eller Scr-
^ ftanb nie ganj m erfe^en bermod^tc. S)em Seiftjiele ber 2ll^nen unb in^befonbere au(^
feinet Dl^eimö fielio folgenb, lüibmcte er fid& anfangt ber SHed^tiStoijfenfd^aft, Befc^äftigte
fid^ aber bancben mit religiöfen unb tl^eologifd^en ?fragen. 3)er Unterricht in t^eologi-
feigen 2)ingen, ben er genofe, Wax antirömif^ nac^ feinem eigenen ©eftänbni«, 6^ fcficint
aber bicfer Unterricht |au|)tfäc^lid^ ober faft auöfd^liefelic^ in ben Belehrungen beftanbcn
w ;;u ^aben, bie er uon feinem D^eim Selio, fei e^ burd^ 93riefe, fei eö bei ^)erfönli(bcr
ainioefen^cit, emj)fing. 3)enn Selio erfannte frül^e ben ©eift, ber fic^ in feinem 5Jcffen
regte, unb fagtc oftmals, biefcr hjerbe fein angefangene^ 2Berf jur SJoHcnbung führen.
Sei 2lnlafe ber Verfolgung, bie 1559 über feine ^amilie einbrach, begab fic^ %au\tiii
nad) 2^on unb nad; breijä^rigem 3lufent^alte bafelbft nac^ S^rid^-: 1*"^ ^'^ 5PaJ)iere feine»
5& bafelbft Derftorbcnen D^eim^ in ©ic^erl^eit ju bringen, fie ju ftubieren, fic^ in bie barin
nicbergelcgtcn Slnfc^auungen l^inein^^uleben ; e^ loaren toenig ^ufammeni^ängenbe äb^nb-
lungen, üiele einzelne ^JJotijen (^odt ©. 161). J)a aber ber ^nf)ali mit bem, )mi wn
3lnfang an in be^ Jyauftu^ ©eiftc fic^ geregt, übereinftimmte, lüurbe er fo in ber ein-
gefcf;lagencn 31icf^tung bcfeftigt unb feine Überzeugungen runbeten fic^ ju einem ©anjen
60 ah. itx rül^mtc ba^cr, auger ber bl. ©c^rift nur feinen Dl(^eim jum Selber gehabt ^u
l^aben.
T^amalö begann er feine litterarifc^e 2:^ätigfeit mit ber Expli(»tio primae partis
Soritt 461
primi capitis Evang. Joa. 1562, todd^e anonym crfcbtcn unb bon bieten bem Selio
uigeWriebcn tourbc ; fc^on fie fonn aU eine Slrt 5Pro0ramm be^ 2lntitrinitati^muö gelten,
gauftu^ leierte hierauf in fein 3SaterIanb gurüd unb Derbrad^tc jitjölf^al^re (1562— 1574)
am §ofe be^ ©rofe^cnog^ %^c^^ bon 3Webici in tJI^renj, burq) ^mter unb 6^ren au^^
geieiqinct, babei freilicp berfunfen in bie 3^ft^^ww"0^" '^^ SBäeltlebeniS, lt)ie er fic^ felbft 5
beften anflagt. 3n biefer langen 3^^^ bcrfa^te er nur eine einjigc Heinere Stb^anblung
t^eologifc^en 3"^ölt^- ^ S. S. Script, autoritate. ©nblic^ tonnte er ba^ §of leben
nebft ben vielerlei Hemmungen, bie e« feinem t^eologijt^en orange auferlegte, nid^t me^r
ertragen. D^ne feine ßntlaffung öom ©rofe^er^og gu nel^men, \t>of)l au8 Seforgni«, fie
nic^t gu erhalten, Verliefe er ^''«^'^^"J wnb g^ol'^" wnb toiberftanb allen noc^ fo freunb= 10
lid^en ©inlabungen be« freifinnigen dürften aur iRücKe^r. 3)ie näc^ften bicr 3öi(^te (1574
bi« 1578) verlebte er meift in Safel, befd^öftigt mit ber 9lui5bilbung feine« Softem« unb
mit ber ^raltifd^en 95eh)ä^rung unb 9lu«breitung be^fclben in Unterrebungcn unb 3)i«s
^)utationen. ©0 entftanben gtoei feiner bebcutenbften Schriften : „De Jesu Christo Ser-
vatore" gegen ben franjöfifc^cn ref. ®eiftli(^en ßobet, unb „De statu primi hominis 16
ante lapsuni" gegen ben Florentiner $ucci. Unter fold^en Sefc^äftigungen traf ilj^n
Slanbrataö ©inlabung nac^ Siebenbürgen gur Seläm^fung be« bortigen Dtonaboranten
granj 3)aöibi«. ©eine 3)i«j)utationen mit bicfem Ij^artnätfigcn ®egncr ber änbetungS*
ipürbigfeit 3^fw blieben olj^ne (Srfolg; an bem graufamen SJerfal^ren gegen i^n ^at er
feinen Slnteil gelj^abt, obfd^on er erflärte, bafe biejenigen, toeld^e, toie ^aöibi«, bie gött^: 20
lid^e Screening 6lj;rifti öertoarfen, be« d^riftHc^en 9lamen« untoürbig feien. ®er über
biefc ©ac^e entftanbene $aber, fotoie eine bamate in Siebenbürgen au^ebrod^ene ^eft
belogen i^n fd^on 1579, biefe« £anb gu berlaffen (aiHen p. 63). Sr begab fic^ fofort
nac^ '^okn, too feit feine« Dlj^eim« bojj^elter äntoefen^eit ber 9iame ©ocin einen guten
Älang ^atte unb \üo hnxd) nambafte 2lnlj;änger ber unitarifd^en Se^ren (namentlid^ burd^ 26
ben bei ber Umgeftaltung ber 2anbe«öerfaffung im rcj)ubliIanif(^5ariftofratifd^en ©innc
im ^a^xc 1573 eine §au))troHe f})ielenben äbetefü^rer SJitolau« ©iniedti) bie unitarifc^e
SRic^tung aud^ Jjolitifc^ gu ©influfe gelangt toar. fortan toar er big an fein ®nbe im
3(a^re 1604 unabläffig bemüht, bie berfc^iebenen au^einanberftrebenben ^Parteien ber
bortigen Unitarier in (Sine ©emeinfd^aft gu bereinigen. 30
SSorerft freiließ fc^ien feine Hoffnung öor^anben, bafe feine 93emü^ungen 6rfoIg
fyibtn toürben. 3n Ärafau, too er t>ier ^a^x^ t)ertüeilte, melbete er fid^ bcrgeblic^ gur
aufnähme in ben SSerein ber Unitaricr ober „^ßolnifd^en 93rüber" unb gur 3"^^ff""9
gu i^rer Kommunion. 3)a« §au^)t^inbemi« beftanb barin, ba| er ftc^ Weigerte, fid^ einer
neuen 3)aufe gu untergie^en. 3)ie SBiebertaufe tourbe nämlic^ bon aßen Sintretenben 35
ber(angt unb niemanb ol^ne biefelbe gum ^benbma^Ie gugelaffen. ^auftu« mi^biQigte gtvar
bie Äinbertaufe, meinte aber, bafe nur bie bon anberen Sieligionen gum (S^riftentum Ueber=
tretenben getauft toerben foHten; toenigften« foHe e« jebem, ber fc^on einmal bie 3!aufc
empfangen, freiftel^en, ob er fic^ toieber taufen laffen toofle ober nid^t. SKit jener ana=
bajjtiftifc^ien Stid^tung Ij^ing ber (Srunbfa^ gufammen, bafe e« bem g^riften berboten fei, 40
obrigfeitlic^c 3tmter gu bcfleiben, ^ßrojeffe gu führen unb Jlrieg^bienfte gu leiften, toelc^en
®runbfä$en bie unter ber t^eologifcpen ^ü^rung eine« getoiffen ©onionb^fi fte^enben
Unitarier ^ulbigten (bg(. über beren ®(aubengbefenntni« Catechesis et Confessio,
Cracoviae 1574, jjocf I, 152 f. fotoic 2lIIen, 1. c. p. 76 f.). änbere 3)ifferengen be«
trafen bogmatifc^e ^ßunfte unb traten Weniger in ben 3Sorbergrunb : fo ber ©egenfa^ 46
glvifd^en ben eine reale t)erfönlid^e ^ßräejifteng G^rifti be^aut)tenben 2lrianern ober ^amo^
bianern (änl^änger beö'Stani^lau« gamoü^fi) unb ben biefelbe leugnenben übrigen Uni«
tariem; nid^t minber bie fiontroberfe toiber eine ^Partei öon 6lj;iliaften (üJliHennariem)
unter S3ubgin«fi, ©regor $auli 2c, fotoie enblid^ bie toiber ben audSi in 5ßolen bamatö
nod^ ftarf verbreiteten 3lonaboranti«mu« unter ß^ftian granfen, 3^- 5ßaläoloaug, 50
©imon Subne^ ober Subneu« (in Sitauen, ^ülj^rer ber bort Verbreiteten 5ßartei ber SSub^
neiften) u. a.
fieid^t Ij^ätte ein anberer 6^arafter burc^ biefe ©d^toierigfeiten fid^ bon einer fold^en
©emeinfc^aft gänglid^ entfremben laffen. ©ocinu« tourbe aber um fo me^r gereigt, fid^
ber ©emeinfc^aft, bie \f)n verfto^en, gu nöbem unb i^r feine ®runbfä$e eingup^en. (Sd 55
ertlört fid^ ba« eine^teild au« ber ^eftialeit feine« S^aratter«, anbemteit« au« feiner
Übergeugung, baf; bie unitarifd^e ©emeinf^aft, ungeachtet fie Vielerlei il^m unf^m^jat^ifc^e
(Elemente in fxi) fd^lo^, bod^ bie eingige religiöfc ©emeinfd^aft fei, an bie er fic^ an^
fd^liefeen fönne. ©0 Vertoenbete er benn alle feine Äraft barauf, ben Unitari«mu« gu
^cboi, nac^ feinem ©inne gu einigen unb gu verteibigen — in SBort unb ©c^rift auf eo
462 Socitt
S^nobcn unb in bcfonbercn Untcrrcbungcn, foloic in einer 9lei^c öon Schriften, ßr
tourbe bie §öw})tftü^c be^fclben, unb fc^on bicö mufete toefenttiA bagu beitragen, bafe
feine befonberen Slnficbten ©ingang fanbcn. 3lm 9lbenbe feine« Ißeben« ^atlc er bie ®e-
nugtl^uung, ^u feben, bafe in ben ;§aiH)tpunftcn ©inigleit gewonnen toar. ©eine anficht
6 \)on ber 3:aufe er(;ielt 160:3 auf ber ®l;ni>bc Don 3?afoh) ben Sieg, ©aniit ivar bie
anaba>)tiftifc^e SRit^tung auögcmerjt. 3lud^ in jenen bogntatifd^en ^ßunften f^aitt ©ocinu^
bie 3Ke^rjal^l feiner ©egner ju feiner anfielet belehrt ober boc^ num ©d^ioeigcn gebracht.
3lu« bem ^Pritjatlcben be« 3Ranne« ift nod^ an^ufübren, ba^ er 1583 Ärafau ber-
liefe au« gurd^t t»or Verfolgung bon ©eite be« König« Btcpf)ün Sat^or^. auf ben Stat
10 2)ubit^«, mit bcin er in freunbfd^afllid^er 3Scrbinbung ftanb, fiebeltc er fic^^ in einem
2)orfe na^e bei Äralau, ^atolifotüicc, an unb beiratete bafelbft bie 2iod^ter bw abeligen
©orfbefi^er« 6^rifto>)^?D?or«3t^n; feine 35erbinbung mit biefer angefef^enen f^^mitie biente
ba^u, feinen ©influ^ auf bie ^olnifd^en 9tbeligen gu cr^ö^en. 3)am trug aber aud^ feine
licben«h)ürbige ^erfön(id;feit, ber feine 3(nftanb feiner 3Kanieren bei. ßr toerlor um biefc
15 3eit feine ®üter in ^töHen. 2)iefer ©d^Iag ioar für ilj^n um fo emjjfinblic^er, aU er
ben (grtrag berfelbcn auc^ auf Sefolbung Don Slbfd^reibern bertoenbete; fortan mufete er
felbft feine Sudler abfc^reiben, toenn er fie für feine ja^Ireid^en greunbe DcrDielfältigen
tüoltte, o^ne juni 35rudE ju relurricren. 3;n ben ^jal^ren 1585 unb 1587 fam er na*
firalau jurüdE. 1588 befuc^te er bie ©l;nobe ju S3rje«c in Litauen, h)o er burd^ ben
20 glänjenben ßrfolg feine« t^cologifd^en 2)i«})utieren« feinen ßinflufe auf bie Unitarier
bauernb befeftigtc. 2ln 39life^anblungen fel^lte e« nid^t, juerft 1594. burd^ eine a:ru^)>c
SKilitär, bann am $immelfa^rt«fefte 1598, h)0 er, Iran! unb bettlägerig, bon Äralauer
©tubcnten, bie burc| römifrf^e ^^Jriefter fanatifiert toaren, au« bem Sette getooi*fen, fydb
nadt burc^ bie ©tabt gefd^le^jjt unb blutig gefd^lagen tourbe unb nur mit genauer 9?ot
25 burd; SSermittelung eine« ^ßrofeffor« ber UniDerfität, SJlartin SSaboDita, ber t^n in fein
$au« aufnahm, bem 2;obe ber ©rtränlung entging. SBälj^renb be« 2:umulte« toaren aüc
Rapiere, ©d^riften unb Sucher ©ocin«, bie man in feiner SBol^nung gefunben, auf bem
3Karft^la$ Derbrannt toorben. Si« ju feinem 3:obe im ^af)xt 1604 lebte er nun toiebcr
aufeerl^alb Äralau« in einem benachbarten ®orfe Suclatüice, beffen Sefi^er i^n bcberbergte.
30 ©eine Söerfe erfd^ienen fpäter gefammelt in 33b I unb II ber Don feinem ßnlet ®if||o-
\mt\} 1656 ff. ^erau«gegeOenen Bibliotheca fratrum Polonorum (Dgl. unten II), foh>ic
auc^ unter ^em bef. litel: Fausti Senensis opera omnia in duos Tomos distincta.
6« befinben fic^ barunter ©d^rifterflärungcn, >)olcmifd^e ©d^riften gegen Mat^olilcn, X^xo--
tcftanten unb Unitarier, foh)ie ^jofitiD-bogmatifc^^e SBerfe. 35on biefen letztgenannten fmb
35 bie bebeutenbften: 1. Praelectiones theologicae (babei bie toegen i^re« fj>äter er-
langten ßinfluffe« auc^ auf bie ort^obo^^reformicrtc 2e^rbilbung toic^tig geioorbene Sorl.
De J. Christo Servatore), 2. Christianae religionis brevissima Institutio per
interrogationes et responsiones , quam Catechismum vulgo vocant , unb
:]. Fragmentum Catechismi prioris F.L. S., qui periit in Cracoviensi rerum ejus
40 direptione.
Unmittelbar nac^ feinem 3:obe erfc^ien ber Don il^m Dorbereitete Slafotofd^e (5Kafaucr)
Äate(^i«mu«, ba« §au^tf^mbol ber ©ocinianer. ©ocin toar nebft einem anbeven Unitaria,
©tatoriu«, beauftragt Sorben, eine neue Derbcfjerte 3lu«gabe be« älteren Äated^i«nm« im
1571 5u bcforgcn (f. god a. a. C. ©. 152). Seibe Siänner hJoBten aber eine felb^
45 ftänbige Slrbeit. gauftu« fd^rieb bie oben angegebene Institutio, beren 2>otlenbung buri
feinen Xo't) unterbrocf^en tourbe. 3iac^bcm and) ©tatoriu«, ber fid; nac^ ©ocin« %o^i
mit ber ©ad)c befdjäftigte, geftorben mar, ttjurbe bie 2trbeit Don Valentin ©c^mal^, .{^if-
ront;mu« ^3Jioefor30it)«ti unb SSölfel ju 6nbe gefül^rt, auf ®runb ber ©d^riftcn ©ociii^.
©0 erfd)icn 1605 ber genannte Älated)i«mu« in polnifd^er ©|)rad^e. 3m Safere 1608
50 erfc^ien eine bcutfd;e ^i(u«gabe be« größeren Jiatcd;i«mu«, 1609 eine lateinifc^e, Don 5Ri>ö^
lori^oioöfi Dcrfafetc unb mit S^fä^cn bcreicbcrte, ^atob I. Don ßnglanb getoibmete äuv^'
gäbe unter bem d^arafteriftif(^en 2:itcl: Catechesis ecclesiarum, quae in Regne Po-
loniae, m. ducatu Lithuaniae etc. affirmant, neminem alium praeter patrem
Domini nostri J. Christi esse illum verum Deum Israelis, hominem autem
55illum, Jesum Nazarenum, qui ex virgine natus est, nee alium praeter aut
ante ipsum Dei filium unigenitum et agnoscunt et confitentur — neuerbind^
geiüö^nli^) furj al« Catech. Racoviensis citiert (Dgl. über i^n : 3- ^f- ©c^mibt, De
catechesi Racov., llelmstad. 1707; Äöc^cr, Älatecl)ct. ®cfc^. ber SBalbenfcr, böbm-
S3rübcr 2c., '^cm 17()8). Ginc jUnntc latcinif(^c 3lu«gabc erfd^ien 1665 ju atmfterbam,
60 mit iBerbefferungen unb 3ufä^en Don '^ol). ßrcK unb 3o^. ©c^lic^ting, tt)a^rf(^einli(^
®ocin 463
bon 2Bifjoh)ati^ unb ©tcgmann beforQt. (Sine 3. unb 4. Slu^gaSc crfc^ienen nI^i<^föB^
in 2lmfterbam 1680 unb 1684, tootjon befonberö btc leitete toicle^ ©igcntümltd^e bietet.
9lac6 ber Sfuggabe bon 1609 bcforgte Debet eine mn^, mit lut^erif^-'ort^obojer SKiber^
(egu'ng begleitete ßbition 1793, Jfranff. a.?K. unb Seiip^ig. S5ci ber unten ju bietenben
©fine be^ focinianijc^en SeJ^rbegriff« Serben h)ir borju0öh)eije bie Slu^gabc bon 1609 ^
^u ©runbe legen.
95i^ 5um lobe ©ocin^ ^atte ber Unitari^mu^ in $oIen einen bebeutenben 9luf=
fc^h)ung getoonnen (togl. hierüber foh)ie für ba^ fjolgenbe bef. Sudfiel a. a. D.). 6^
gab ja^lreic^e jocinianifc^e ©emeinben, bie freiließ an 5)?itgliebem nic^t ftarf tüaren; ben
faft au^fci(|liefelic^en 8eftanbtei( bilbete ber äbel, ber ftc^ bamal^ burc^ ^umaniftifc^e 8ils lo
bung auöjiei^nete. gaft äße bieje ©emeinben befa^en melf^r ober minber bebeutenbe
©c^ulen. 3!)ie bebeutcnbfte ©emeinbe unb ©c^^ule \üax bie bon JRaloh) im ^alatinat
©enbomir. 3)ie ©tabt toar urf})rünglici(i bon einem SReformierten, 3o^. ©ieningfi,
Äaftellan toon göif^öh), im ga^re 1569 begrünbet Sorben, ©ie h)urbe balb, ba bicie
Unitarier ftc^ in i^r anftebelten, gu einem §au})t^erbe freiftnnigen ©eiftceleben«, befon* i6
ber^ feitbem ^atoi ©ieninöfi, ber ©o^n be^ Segrünber«, gum ©ocinianiömu« übertrat
(1600) unb bafelbft eine Bd^nU (Gymnasium bonarum artium, nac^ ©anb« Slu^^
brucf), grünbete, ^n ben ^ö^eren Älafjen biefer rajc^ aufblülf^enben änftalt h)urbe }3^iIos
fo})^ifc^er unb tj^eologifc^er Unterricht erteilt, fo bafe bie fünftigen ©eiftlici(ien barin bie
3?orbilbung ju il^rem Slmte erhalten tonnten. 5Dlit biejer ßoc^fc^ulc toar eine toon Ärafau 20
ba^in t)ert)flan;|te 33uc^bruc!erei tjerbunben, iDorin faft aue §au})tfc^riften ber jjolnifc^en
©ocinianer gebructt iDurben. 3)ie änftalt erl^ielt balb einen aufeerorbentlic^en, toeit über
bie ©ren;^en $olen^ unb ber Partei reic^enben JRuf. ^n i^rer SSIütejeit ^ä^lte fie an
taufenb ©c^üIer, unter il^nen faft brei^unbert ©5^ne abeliger ßltem. ßtoangelifc^e unb
Äat^olilen ftubierten in SRaloh) neben 3(nabat)tiften unb Unitariem. alle burc^ mufter=25
bafte, ftrenge 3!)i^5i})lin toerbunben. 3)ie 33ebeutung SRaloh)^ h)urbe noc^ gehoben burc^
bie ®eneraljt;nobe ber ©ocinianer, bie ftc^ bajelbft aDjä^rli^ auf bie 3!)auer bon 8 bi^
I4 3:agen Derfammelte, jufammengefefet aug jämtli4»en ©eiftlic^en, älteften unbajiafoncn
ber berfc^iebenen ©emeinben. ©ie befc|äftiaten ftc^ mit allen Slngelegenlj^eiten unb fragen,
h)elc^e bie äußeren unb inneren 55erl^ältniffe ber ©emeinben betrafen; neben ben ©eneral- 30
f^noben unb unter i^nen ftanben bie ^attifularf^noben, gebilbet aug ben ©eiftlic^en,
äelteften unb 3)iafonen eine« geh)i|fen 2)iftriltg. j)iefe h)oblorganifierte Äirc^entjerfaffung
trug Diel jur Hebung unb f^^ftigung be« ©emeinbeleben« oei.
3Ba« aber noc^ h)efentlici(ier bie S3lüte be« ©ociniani^mu« förbem ^alf, haaren bie
Dielen auggejeic^neten ©eiftlic^en, 2:^eologen unb ©ele^rten, bie an^ ber Slafotoer ©c^ule 35
l^crDorgingen ober auf biefelbe einmirften. — 35er fc^on genannte Valentin ©c^mal^,
geboren in ©ot^a 1572, 1591 in ©trafeburg, h)0 er ftubicrte, burc^ aBoiboh)gIi für ben
Unitari^mu« geiüonnen, bann nac^ ^^Jolen übergefiebelt, \vo er bie 2;aufe noc^mafö emfing
unb jucrft Sieftor ber ©c^ule 5U ©gmigel, bann 1598 ^rebiger in Sublin, enblic^ 1605
^rebiger unb Se^rer in ikatoto tourbe (geft. 1622), gehört ju ben eifrigften unb tl^ätig- ^
ften SBeförberem be« Unitari^mug. ^m ?;ntereffe be^felben machte er Diele Steifen unb
fcbrieb im ganzen 52 ©c^riften, bie eine heftige ^olemil atmen unb h)orunter bie bebeu^
tenbften eine über bie ©ott^^eit 6l;rifti foh)ie bie gegen ben SBittenberger $rof eff or f^if^ns
gerichteten fmb. 3)er ebenfalls fc^on genannte ^o^ann 3Sölfel, geb. in ©rimma, trat
nac^ 58olIenbung feiner ©tubien in SBittenberg jum ©ocinianiömu« über 1585, iDobei 46
er fic^ toieber taufen liefe, tourbe SRettor ber ©c^ule in SBengroh), balb barauf ^rebiger
ber ©emeinbe $bilij3})on) in Sitauen, fjjäter in ©jmigel. @r ftarb, nac^bem er h)egen
SBiberfe^lic^Ieit Don ber allgemeinen ©^nobe für furje ^tii fu^jienbiert ^etDefen War, im
3a^re 1618. ©ein öau})th)erf: „De vera religione", eine f^ftematifc^e 35arftellung
be« ©ocinianijc^en Sef^rbegriff«, ^at in feiner Partei ein faft f^mbolifd^e« Slnfel^en erlangt eo
(nac^ feinem iobe Don ^o^. (Sreß j[^erau«gegeben, Slafoh) 1630, unb DerDollftänbigt burc^
bie Se^re Don ©ott unb feinen ßigenfc^aften). — G^rifto})]^ Dftorobt, geb. in ©o«lar,
ftubierte in Königsberg, h)arb barauf Sleftor ber ©d^ule in B\xd)o)n> in ^Pommern an ber
i)olnifc^en ©renje. §ier trat er in 33erbinbung mit Unitariem unb h)urbe 1585 nac^
Smjjfang ber Saufe in i^re ©emeinfc^aft aufgenommen. @r flüchtete mit 5Kutter unb 55
95ruber, bie er für feinen (Stauben gewonnen, nac^ $olen, \t>o er ft^ balb grofee Sld^tung
ertDarb. ßr Wax eine ^cxi lang ^rebigcr in Stafoh) unb ftarb 1611 aU ^rebiger ber
©emeinbe SuSfotD bei 3)an5ig. gn i^m regte [xd) Dor5ug«h)eife ftarf ba« anabaj)tiftifc^c
©lement be« UnitariSmuS: Kriegführung, Öefleibung öffentlicher Slmter, 9{ec^t«fac^en,
eibedleiftung, SReic^tum, ba« alle« toar i^m ein ©reuel. ©0 ftritt er auc^ ^eftig toiber eo
464 Socitt
aSalcntin Sc^malj, ber be^aujjtct f)atic, bafe nic^t qKc 3Sorfc^rif tcn ß^rtfti unb bcr ajjoftd
jur ©eligfeit nötig feien. Dftorobt toax be^f^alb im Segriffe, au« bem äSerbanbe bcr
focinianifc^en ©cmeinben auszutreten, aU ein burc^ 2)e})utierte ber ©eneralf^nobe i>cram
ftalteteg ÄoDoquium h)enigftenS äufeerlid^i ben ^rieben l^crfteHte, fo bafe Dftorobt toegen
5 feiner §ärte unb Übereilung um aSerjei^ung bat. I)ie bebeutenbfte unb belannteftc
©c^rift Dftorobt« ift bie „Unterric^tung toon ben toome^mften §au^t))unlten bcr c^rift^
liefen Sieligion", toelc^e in j)0})ulärcr 2)arftellung unb o^ne Driginalität bic ©ä^eSoctn«
reprobujiert. — 2)er gleichfalls fc^on genannte §ieron. ?Ko«forjoh)«fi (3Ko«corot)iu«), feit
1595 3U ben Unitariem übergegangen, 8egrünber unb ^atron ber unitarifc^cn ®emeinbe
10 be« i^m ange^örenben ©täbtd^en« (Sjarfoto, geftorben 1625, öerf afete öerfc^iebene J)ole=
mifc^e 6ci(iriften, fotpie eine „3l})o(ogie ber Socinianer", an ben j)oInif(^en Äönig unb
©enat gerichtet. — Über 9Ibam ®o«lato, 2lnbr. 3Boiboh)«Ii unb einige anberc focinia^
nifci(ie Ideologen berfelben ©eneration togl. godE I, 193 f.
3n ber folgenben ©eneration ber focinianifd(ien Selj^rer nimmt burd^ ausgezeichnete
16 Begabung, tüd(|tige 8i(bung unb unermüblic^en glei^ 3^1^*^»^ 6^^D *^'c ^^^ ©teDc ein.
©eboren in §clmerS^eim in fj^onfen 1590, erhielt er in Siümberg feine 35orbiIbung unb
ftubierte feit 1606 auf ber Uniberfität Slltorf. ßier lourbe er burc^ ^rofeffor ©oner
unb ben ©ocinianer ©üttic^ (®ittic^iuS), ber bafelbft ftubierte, für ben UnitariSmuS ge=
toonnen. ©^on toar er SSaccalaureuS getoorben unb ftanb im 53egriff, mit bcr ^n^pd-
20 tion ber ftubierenben 3"0^»^^ betraut ju toerben, als man SScrbac^t gegen i^n f^ö^ftc;
benn gu jenem ämte toar bie SSerjjflicptung auf bie Sluguftana erforberlic^, bic 6reH nic^t
leiften tonnte, unb ba^er jenes Slmt bon fic^ h)ieS. @r entflog 1612 l^eimlic^ nac^ $olen,
h)o man i^n mit offenen Slrmen emjjfing; 1613 erhielt er in Slafolo eine ^rofcffur ber
griec^ifci(ien ©jjrad^e, 1616 baS Sleltorat über bie ©d^ule, 1621 bertaufc^te er bicfe©tellc
25 mit bem 2lmte eines ^rebigerS in Slafoh), toelc^eS er bis an feinen 1631 erfolgten 2ob
belleibete. 6reD ift ein äu|erft frud^tbarer ©c^riftftcDer gch)efen, feine SBSerfc füHen ben
3. unb einen beträchtlichen leil beS 4. S5anbcS ber Bibliotheca Fr. Polon. 6S fmb
biblifd^e Kommentare, jtoei 93üd[ier De uno Deo patre (ber fc^ärffte focinianifc^e Slngriff
auf bie ortl^oboje IrinitätSlel^re), femer bie 33erteibigung ber ©c^rift ©ocinS „de Christo
30 Servatore" gegen ©rotiuS, fotoie mehrere ©c^riften moraltl^eologifc^en 3n^<»l^^- — 3^»"
rei^t ftc^ toürbig an bie ©eite ^onaS ©c^li^ing bon 93uf oh)iec (Sauc^toi^), beffen 5>atcr
fc^on fid^ ber unitarifc^en ©emeinbe angefd^loffen ^atte. @r loar geboren 1592 unb bejog
nad) 35olIenbung ber l^orbereitungSftubien in SRaloto 1616 bie Unitjerfttät 3lltorf, loo er
jeboc^ nur mit 5Kü^e äufnal^me fanb, infolge ber bereits begonnenen Unterfuc^ung, bc=
36 treffenb ben bafelbft graffierenben Kr^ptofocinianiSmuS. 9lac^ $olcn gurüdEgele^rt, h)urbe er
juerft ©eiftlic^er in Slafoto, unternahm aber balb im ^ntereffe feiner Partei toeite Steifen.
3im 3a^re 1638 reifte er nac^ ©iebenbürgen, um bie ©treitigteiten mit ben 9lonaborantcn
beizulegen, aber o^ne Erfolg. 2luf SJeranlaffung eines im^^^^fc 1642berfa^ten®lauben^
befenntniffeS ber })olnifd(ien ©ocinianer tourbc er 1647 bom SRcic^Stage geächtet unb
40 fein ©laubenSbefenntniS Derbrannt, ^m ^al)xc 1658 berliefe er ^olen unb ftarb 1661
ju ©elc^oto in ber 5KarI. 6r ^interliefe Kommentare jur 3Kelj;rja^l ber neuteftament-
lid;en ©d(iriften (gefammelt in t. IV ber Bibl. Fr. Polon), foh)te jene Äonfeffton öon
1G42, toelc^e nad^ unb nac^ inS ^olnifd^e, 2)eutfd^e, granjöf^fc^e, ^oDänbifc^c überfc^t
tourbe. 2lud^ i^at er mel^rere apologetifc^e ©cbriften öerfa^t. Son bef onbcrer Sebeutung
45 ift fein SBerf gegen ben Sßittenberger ^rof effor 3KeiSner : De trinitate, de moralibus
V. et N. Test., itemque de eucharistiae et baptismi ritibus, 1637.
3?on ben übrigen focinianifd^en Il^eologen mögen ^ier noc^ folgenbc ertoö^nt loerbcn:
5DJartin 5HuaruS, geboren in Krempe in ber Sübermarl 1589, in 3lltorf, loo er ftubierte,
für ben ©ocinianiSmuS burc^ ©oner getoonnen, barauf in Sialoto in bic focinianifc^e
50 ©emeinbe aufgenommen, nad) mehreren Steifen Steftor bcr Bd^aU in SRafoto als 9?ac^'
folger i)on ßreH, fpäter in 3)anjig angefiebclt (1631), h)urbe bon ba nad^ fteben Qa^ren
toermiefen, burfte aber unter ber Öcbingung bleiben, ba^ er feine Slnfid^ten nic^t üet-
breitete, ©päter mu^tc er bie ©tabt toirflict? öerlaffen unb lebte fortan in ©traSjin na^e
bei Danjig. @r ftarb 1657, ein SKann bon fel^r toielfeitiger Silbung, ber u. a. h)i(^ti9e
65 änmerfungen jum Slafomfc^en Jlated^iSmuS fotoie einen t^eologifc^ unb gefc^ic^tlii^ in-
tereffantcn Sricftocct^fcl f^interliefe. — ^oac^im ©tegmann, juerft Pfarrer ju ^rlanb in
ber9)Jarf, 1626 tocgen feiner Hinneigung jum ©ocinianiSmuS abgefegt, bann als refop
miertcr ©ciftlic^cr in 2)an5ig angcftcUt, aber aud; l^ier ioegen feiner 3icigung ^um Soci-
nianiSmuS abgefegt, l^ierauf ^){e!tor ber©c^ule in 3{af oto bis 1631, bon ba an ©ciftlit^ier
60 in Älaufenburg, too er 1633 ftarb. ßr fd^frieb eine ©c^rift gegen Sotfadt, ^tebiger unb
Soctn 465
JReltoT in 2)angtg, ber bic foctnianifc^c Sc^rc angegriffen l^atte, fotDie eine über ba« Äri*
terium unb bie 9Jorm ber ©laubenöfontroöerfen, ate meiere 9iorm er bie 9Semunft bar^
gutlf^un \vid)t — ©ein ©o^n, ^öcici^int ©tegmann jun., geft. 1678 aU ©eiftlic^er ber
unitarifc^en (Semeinbe in Älaufenburg, ift nebft SBi^gotoat^ 3Jerfaffer ber 33orrebe m ben
fpäteren 2lu^aben bc^ focinianifc^en ^atec^i^mu^; fc^rieb au6) eine „Unterfud^ung", 5
\üiAci)Q bon ben beiben über bie irinität bi^putierenben Parteien Siecht l^abe, eine lurje
I)emonftration ber SBa^r^cit ber ^riftli(^en SReligion u. a. — S3ebeutenber ift ^o^. 2ubh).
r>on SBolpgen, g^ei^err bon 9leu^äufe(, geb. 1599, urfjjrüngli^ reformiert; er h)anberte
au^ Öfterreic^ na6) ^oUn, trat ^ier jur unitarifci(ien ©emeinbe über, \üax eine 3^'^ I^»^0
in 95afel, ftarb 1661. 211^ ßjeget nimmt er burd^ feine biblifc^en Äommentare feine 10
©tette neben 6rett unb ©c^Iic^ting. 6r fc^rieb au^erbem ein Gompendium religionis
christianae unb eine fc^arfe Äritil ber ^reicinigleitöle^e. — ©amuel 5Prj^})foh)ö!i,
geb. 1592, ftubiertc in Slltorf (1614—1616), h)urbe (nac^bem er burc^ feine ^eirat einer
^JJac^fommin be« %. ©ocin jum Urenlel be^ berühmten i^eologen geh)orben toax), Ig(.
>)olnifc^er SHat, mufete aber mit ben übrigen ©ociniancm um bie 5Diitte be^ 17. ga^r^ 15
bunbertö $o(en berlaffen unb ftarb ate furfürftl. branbenburgif(^er SRat 1670. @r f^rieb
ein Sebcn bc^ %, ©ocin, eine SSergleic^ung be^ a))oftoIifc^en ©^mbol^ mit bem heutigen,
einen Sraftat über ©emiffen^freüf^eit unb eine ©efc^idpte ber unitarifd^en Äirc^en bon
^olen, bie leiber berloren gegangen ift (bgl. %od I, 204 f. unb SlDen, p. 66 f. 92 f.). —
änbrea« SBi^jotüat^ (aBiffotoatiu«), bon mütterlicher ©eite ßnfcl be« %, ©ocinu«, geb. 20
1608, ftubierte in SHaloh) unter SRuaru« unb ßreD, f))äter in Seiben unb ämfterbam,
wo er SSerbinbungen mit @})ifcobiug, (SurceDäu^ (fj)äter bei einer Steife nac^ J^anlfurt
auc^ mit ©rotiu^) fnü^jfte. 3laa) au^gcbebnten Steifen leitete er feit 1643 aU ®eift(ic^er
berfc^icbene ©emeinben ber Ufraine, Sol^^nien^ unb Älein^^PoIen«, bi« er 1648 burc^
ben Ärieg bon bort bertrieben h)urbe. Stac^bem er nod^ mehrere ©emeinben bebient 25
^atte, h)urbe er 1657 ani $oIen berjagt burc^ ba^felbe Sbilt, toeld^e^ bic focinianifc^en
©emeinben biefe« Sanbe^ über^au})t ju ©runbe xxd^ttU. 6r fe^rte 1661 nac^ 5ßolen
prürf, um bie jurücfgebliebenen Sleligion^enoffen ju tröften. ©citbem lebte er bi^ 1666
in 9)iann^eim aU ©eiftlic^er ber au^ $oIen bafelbft angeftebelten ©ocinianer, fpäter in
Slmfterbam, h?o er 1678 ftarb. 6^ h)erben bon i^m 62 ©d(iriften genannt, tpobon bie 30
bcbcutenbfte ben Xitel fül^rt: Religio rationalis seu de rationis judicio in contro-
versiis etiam theologicis ac religiosis adhibendo Tractatus. älu^erbcm beran«
ftaltete er mel^rere 9Iu«gaben be^ 9flafoh)fc^en Äated^iemug unb bie ber Biblioth. Fr.
Polonorum. — ©tani^lauö Subienif ober Subienicfi (ber jüngere), geboren 1623 ju
Älaloh), nad^ unruhigem, an ßjilen unb Verfolgungen reic^fem Seben geftorben ju §am* .15
bürg 1675, erlangte Slu^m burc^ feine (unboKenbet gebliebene) Historia Reformationis
Polonicae, in qua tum Reformatorum tum Antitrinitariorum origo et pro-
gressus in Polonia et ünitimis provinciis narrantur; Freistadii (= 9(mfterbam)
1685 — bie h)ic^tigftc ältere ©efc^id^t^queHe be« l^olnifd^en ©ociniani^mu^ (bgl. %odl,
209—212). — 3^0^ nennen toir 5ßeter 9Kor^foh)«ti, einen ©c^üler 6reH«, ^rebiger an '40
mehreren ©emeinben, SSerfaffer ber Politia ecclesiastica ober focinianifc^en Slgenbe,
gef (trieben im Sluftrage eine^ Äoni^ent^ bon I)a5n)ie 1646; fie blieb 3Ranuffri})t unb
lüurbe erft bonDeber 1745 mit 3(nmerfungen l^erauögegeben. ©ie If^anbelt in 3 Suchern:
1. de membris Ecclesiae, 2. de officiis eorum qui regunt Ecclesiam, 3. de
modo et ratione omnis Ecclesiae membra in officio continendi. 40
3)er h)ä^renb ber erften 3i<J^i^3^^nte be^ 17. 3io^r^unbert^ fo fräftig erblülfjte ©0-
cinianigmu^ erlag ber lat^olif^en Sleaftion, bie unter ©igi^munb III. il^r $aupt erhoben
l^attc. Unter feiner SRegierung tüurbe fc^on 1627 bie ©emeinbe in Sublin hnxi) ben
tjon S^fwi^^ fanatifterten ^öbel bernic^tet. Die ^efuiten richteten nun i^r $auj)taugens
mer! auf bie Slalohjer ©c^ule. Unter ber Slegierung 3Blabiglah)g IV. (feit 1632), bot fic^ 50
ber änlafe and) ju i^rer g^ftörung (Stilen, p. 88 f.). 35er Äönig toar jtoar SRdigion^s
Verfolgungen abgeneigt, aber in ben ^änben ber ^cfuitenfreunbe toaren alle ^o^en Slemter,
befonber^ bie ©eric^t^ftetlen. -Da gef^a^ e^, baft einige S^glinge bon Slafoh) ein bor ber
©tabt fte^enbe^ Ärujifij mit ©teinen bewarfen, ©ie hjurben toegen biefer Slo^eit au^ ber
©c^ule entlaffen. 2lber bie Äat^olilen xid^Uim eine 3(nflage gegen bie gonjc ©emein= 55
fc^aft ber ©ocinianer. ©ienin^Ii, ber ©runb^err bon SRaloh), h)urbe be^ Serbred^en^ ber
bcleibigten göttlid^en 5Kajeftät angeflagt. Sitte möglid^en SBerleumbungen h)urben an^-
geftreut. 3!)er SBarfd^auer 9teid(|gtag bon 1 638 befd(|äf tigte fxd) mit ber ©ac^e unb orbnete
bie Unterfuc^ung an, fid^ bie Sntfc^eibung tjorbel^altenb. ©ie lonnte laum j^toeifel^aft
fein, ba bie Stafotofd^e ©emeinbe unfc^ulbig tDor. Slber bie jefuttifc^e Partei tougtc e^ go
ReaUdttc^nopable fOr 2:^eotoflic unb fiMc. 8. «. XVUI. 39
466 Socttt
babin ju bringen, bafe ber Btnai, entgegen ber ©rtlärung be^ Slett^tageg, unb o^nc bie
ängellagten angehört gu ^aben, olj^ne B^jic^ung ber Sanbbotenfammer ba« Urteil fällte
(im 3.1638). e« lautete ba^in, ba^ bie ©c^ule in JRafoh) jerftört, bic Äitc^c ben
Slrianern genommen, bie Suc^brudferei aufgehoben, bie ®eiftlici(ien unb Sekret atö infam
5 erilärt unb geächtet h^erben foKten. 3!)ie SSerle^ung ber ftaatlic^ getoä^rlciftetcn pax
dissidentium befd^önigte man mit ber @rflärung, ba^ fte fid^! nur auf bie 3)ifftbenten in
ber Sleligion, nic^t auf bie über bie SReligion erftrccfte. 2)er alte ©ienin^fi ftarb balb
barauf au^ ®ram. 3lad^ feinem 2;obe ging SRaloh) in fat^olifc^e $änbe über, ^ute ift
e« ein armfeligeg 2)orf. 9Mit fc^lauer ^olitil fe^te bie jefuitifc^ Partei i^re angriffe
10 gegen bie ©ocinianer fort, bie toegen i^rer 3>foIiert^eit um fo leichter gu unterbrücfen
Waren. 6« Wax aber auf bie Unterbrücfung aller 3!)iffibenten abgrfcl^en. Unter SSla-
bi^Iab IV. gelang e^ Jener Partei noc^, bie Hirc^e unb ©c^ule tjon Äiefelin, bie fic^ au^
ben Krümmern ber 9taIoh)f(|en gebilbet ^atte, ju jerftören unb bie Unitarier öon bcm
3leligionggef))rä(^e in %f)otn in bemfelben Sa^re (1646) au^jufd^liefeen.
15 Unter Sodann Äafimir, ber 1648 ben Il^ron ^olen« beftieg, gef^al^en im3ufammen=
^ange mit ^olitifc^en 6reigniffen bie legten entfc^eibenben Schläge toiber bic unitarift^en
©emeinben. Sd^on im ÄofaJEenlriege, ber bejonber^ bie füblici(ien ^Protjinjen öertüüftete,
tüurben bie bafelbft befinblic^en fodnianifd^en ©emeinben Don ben Äofalcn l>crfj)rcngt unb
öemic^tet. 2)ie übrigen ©orinianer atmeten lieber auf, all bie ©d^locben in bal £anb
20 lamen. Siele ergriffen bie 5ßartei bei ©ci(|h)ebenlönigl, bon bem fie Sinberung il^rer Seiben
hofften, ©eitbem tourben fie all 2anbe«t>erräter angefe^en; fte erlitten unfäglic^ 5^rang=
fale. 3Mit bem Slbjuge ber ©c^h)eben 1658 \üax bal ©c^itffal ber ©ociniancr cntf (Rieben.
Sttuf bem Sleic^ltage in SßJarf^au (1658) fam i^re Slultoeifung jur SJerl^anblung. ®cr
focinianifc^e Sanbbote ©h)anlfi legte fein 35eto ein; biefel Sorrec^t, burc^ eine cinjigc
25 ©timme ben Sefd^lufe bei ganjen Jteic^ltag« aufju^lten, toar 1652 jum erften Wale
in 2lnh)enbung gefommen; je^t fe^te man fic^ barüber ^inloeg. ©o fam ber Sefc^lufe
gu ftanbe, ba| bal Sefenntnil unb bie götberung bei „ärianilmul" bei Sebeniftrafc
verboten unb ben Beamten bie aSoUjie^ung bei Sefc^luffel bei 38erluft i^rer ©tetten gc=
boten h)urbc. 35er Termin Don brei 3<^^if^"/ '^^^ ^^ Äönig anfänglid^ ben ©odnianem
30 getüäl^rt f)aiit, bamit fie ilj^re ®üter üeräu|ern tonnten, lourbe balb auf jtoei Sa^re ht-
fd^tänlt. SSergeblic^ blieben bie ^rotefte feitenl Äurbranbenburgl unb ber ©c^toeben.
SSicle ©ocinianer toanberten an^ nad) Derfd^iebenen ©egenben unb unter man^crlci
I)rangfalen, Diele tuurben latbolifc^, Diele blieben bem SJaterlanbc unb il^m ©laubcn
getreu, ^eimlic^ befci(|ü^t Don Jtatl^olifen unb ^ßroteftanten, h)orauf 1661 ein neud @bift
35 bie Befolgung ber gegen jene erlafjenen ®cfe^e einfc^ärfte. 33alb fam bie Slei^e an bic
übrigen ^roteftanten ; bal Slutbab Don %i}oxn im 2>a^re 1724 loar bie ^olge ber ©r-
ftarlung bei jcfuitifc^en Äat^oUcilmul (Dgl. %xani g^cobi, ^a^ Isomer Slutgeric^t bon
1724, §atte 1896; and) beljelben „9?eue gorf^ungen über b. 3:iS;omer Slutgcrid^t: 3tf(^r.
b. n)eftt)reuft. ®efc^.=3?er. §. 35, Xanm 1896).
40 2)ie weitere ©nttüicfelung bei ©ocinianilmul fül^rt un^ junäc^ft nac^ 2)eutfc^Ianb,
bal bemfelben in ber ^erfon Don ^rof. ©oner in Slltorf einen fe^r einpiufereit^en Se-
förbcrer getüäl^rt ^atte.
grnft ©oner ^atte in 2eiben, mo er 1597 unb 1598 ftubierte, bie 33efanntf(6aft
Cftorobtl unb SBoibotolfil gemad^t, tüax burc^ fie für ben ©odnianilmul getoonncn
45 iüorbcn, l)attc feitbem enge i^erbinbungen mit ben $äu})tcm belfelben in $olen angc-
Inüpft unb fuc^tc feit feiner 2lnftctlung all ^^rofeffor ber 5JJebijin unb ^l)t}\{l beimlid»
für fein Selenntnil ju mirfen. Der -iKuf, ben er unter ben ©ocinianem genofe, jög eine
grofee 2tn;^a^l berfclben aul Siebenbürgen, Ungarn unb $olen nac^ 2lltorf. 6r prägte
il^ncn in ^l^ilofo})bifd?en ^^^riDatiffima feine 2lnfict?ten ein unb gewann einige feiner nid^t^
50 focinianifct^en ^n\)öx^ für biefe Seigre, fo Grell unb Stuarul. 6r iDufetc fo gefd^idtt ju
biffimulicrcn, ba| er bil ^u feinem Xobe 1612 im unangefod^tenen 9lufe ber Or^oborie
blieb. Unter fdnen ©c^riften ift l^auptfä^lic^ ju nennen eine äb^anblung über bie
ßmigfeit ber ^öUenftrafen. (Srft einige ^txi nac$ ©onerl lobe toarb mm grofeen ©t^
ftaunen bei beutfc^cn ^ublifuml ber §erb bei ©ocinianilmul in Slltorf cntbedtt. 3)er
55 )){at ju 9iürnber0, j^u beffen ®ebiet bie UniDerfität gehörte, inquirierte bie ©tubcntcn;
manche toiberriefen, anbcre mürben Derbannt, bie $olen tDurben aulgetoiefen, bie fori«
nianifd^cn Sd^riften, beren man bab^aft merbcn tonnte. Derbrannt. 3Man tourbe auf'
merlfam auf bic ^Verbreitung focinianifc^cr 2lnfid^ten; el erfd^ienen mehrere polemifie
©cbriften gegen fie, Don iklbuin, ©c^cr^cr, ©c^omer, 2lbr. ßaloD. Unterbeffen fyittc eine
60 aibtcilung ber i^olnifc^en ©iiilanten in ©^Icfien ein Unterfommen gefunben in ben pol«
®octii 467
ntfc^cn ^ii^ftcntümern D))})eln unb SRatibor unb im ©ebictc be^ ^er^og^ toon Srieg,
h^oju Äreujburg gehörte. 2)iefc ©julantcn J^ieltcn in Ärcujburö xh)ci©^noben 1661 unb
1 663. ^ic crftc crlie| ein 6irt u(arfci(irciben, tocld^e« bic ungerccptc SBertrcibung fc^ilbcrte
unb bic gcgm bic ©ociniancr erhobenen Scfc^ulbigungcn gu toibctlcgcn fuc^tc; bic j\h)ettc
fanbtc SBi^jolDat^ unb bcn jüngeren ©tcgmann nad) ber ^falg, um bcn SSctbanntcn 5
bort einen fieberen Slufent^alt au^jutoirlcn. Äurfürft Raxl Subtoig geh)ä^rtc bcn poU
nifc^cn (Splantcn in ber %l}at ben Slufent^alt in 5Kann^cim. SBcnn fte nid^t gejuckt
f)ätUn, i^rc Slnfid^ten ju Verbreiten, fo h)ürbe man fie geh)ife in 9flul^e gelaffen ^aben.
2)a fte aber burd^ ©c^rift unb 3Bort ^rofcl^ti^mu^ tricbenj fo lourbe il^ncn ba« toer*
boten unb balb verloren fie auc^ bic Stu^fic^t auf Erlaubnis ju fernerem Sfufent^altc. lo
©ic Dcrliefeen ba^er 1666 ba^Sanb lieber unb jerftreuten ftc^ nac^ tocrfc^iebenen Sänbem,
^oüanb, ^reu^en, ©c^Icfien, nac^ ber 3MarI. $ier bilbeten fid^ einige fociniantfd(ie ®e=
meinben ; in einer berf clben, Äönigeh)albe bei J^anlfurt a. D., toar Samuel 6reB, ßnlcl
be^ 3ob. SrcK, ®eiftlid(ier. ©amuel Grell, geb. 1660, tourbe juerft Don feinem Sater
unterridptet, ftubierte barauf im arminianifd(ien (S^mnafium Don Sfmfterbam 1680 unb tuurbe i6
f))äter (Seiftlic^er in Äönig^hjalbe. 6r Verliefe bie ©emeinbc in ber legten ^eit feine«
£eben« unb ftarb 1747 in 3lmfterbam. ^n ber ©rlöfung^Ie^rc neigte er jum armtnianifc^en
Sc^rbegriffe. ^n mehreren Schriften fud^te er ju bctücifcn, ba| bic trinitarifc^c 2lnfi(^t
ber Domicänifd^en Äird^cnle^rcr öerfc^ieben geh)cfen fei Don ber, bie nac^ ber ©^nobe
Don 3?icäa gelommen. Unter bem 5Wamen ärtcmoniu« fd^rieb er eine 3lb^anb(ung über 3o
bcn ^Prolog be« 4. ©Dang., toortn er unter SSergeubung Dielen gelehrten ©c^arfftnne«
ba« ©efälfc^tfein beg %tict^ biefe« Slbfc^nitte« ju crtücifcn fud^te (f. bagegen b. ©c^rift
Don ^of). $^il. SaDater, Anti-Artemonius s. initium evangelii S. Joannis vindi-
catum, Norimb. 1785). grüner (1716) ^atte ßrcll auc^ ein Olaubcn^bclenntni« feiner
©citc in bcutfd^er Bpxa6)t herausgegeben, h^elc^c« bamafö bie J)rcu6ifc^en Unitarier bem 25
Äurfürften übencic^ten (Dgl. unten). 2lu« feinem bogmatifd^en Sraftat über 3lö5, 12ff.:
Cogitationes novae de primo et secundo Adamo (9lmfterbam 1700) ^at ber
§elmftebtcr (fj)äter berliner) 3;^coIoge 3tbral^am leHer mand^e ber ^etcrobojen Sc^r*
h)eifen cntlel^nt, bie er ju einem ©^ftem bereinigt in feinem „Sc^rbuc^ beS ^riftlic^cn
©laubene" (1764) Dcröffcntlic^te; fo bie ®Ieid(^fe$ung be« Don ®ott (®en 2, 17) bem 90
Sttbam angebro^ten %oi^ mit „eloiger 3^^'^^w"9"^ f^^^^ *>'^ ä!uSfc^eibuna ber Se^r^
ftüdfc Don ß^rifti beiben 9laturen unb Don ber 2!rinität au« bem bogmatifqen ©^ftem
(Dgl. b. ärtifel „Setter" foloie ben Suffa^ Don g. SBoIff, „3)er gaU SEctter", in ßD.
A3 1905, 5lr. 35.
9Ilit bem lobe ©amuel 6rett« Derfd^toanb ber UnitariSmu« in ber SRarf, aber 36
nic^t in ben übrigen ©cbicten ber j)rcufeifd^en 3Jlonard^ie. ©c^on in ben legten 35e;iennien
be« 16. 9ia^rl^unbert« batte er ftc^ in gch)iffe ®ebiete be« branbenburgifd^cn ^reufeen«
Derbreitet, fo bafe ?Kar!graf §erjog ®eorg griebric^ e« nötig fanb, ein 9)canbat gegen bie
SBJiebertäufcr (folc^e toaren bic Damaligen Unitarier) unb ©aframenticrer, gu crlaffcn. ^n
ber 9läl^e Don 35anj%ig, S3u«Ioh) unb ©tra««n bilbeten ftd(i focinianifd^e ®emcinben. ^n 40
Sangig l^ielten fic^ Diele unb gum 2!eil fc^r bebeutenbc ©ociniancr lürjcre ober längere
3eit auf. 6« tuurben gu i^rer Syertreibung Dom ©tabtmagiftrat eigene ßbifte crlaffcn.
Um bicfclbe3eit (1640) befahl bcrÄurfürft ®eorg SBil^elm auf anbringen ber Jjrcufeifc^cn
©tänbe auf« fc^ärffte, über bie Vertreibung ber 2lntitrinitaricr, ©ociniancr, 5JJ^otiniancr
m hjac^en. änber« geftalteten fic^ bic SSer^ältniffc unter ber Slcgicrung be« grofeen Äur^ 45
fürften. @r l^atte bcn ®runbfafc ber 3!)ulbung, h)omit fic^ bie abfielt Dcrbanb, fein Sanb
ui bcDölfem. 93on glcid(ier ®eftnnung toar fein ©tatt^alter in ^reufecn, gürft Sogu«laD
SlabgilDil befeclt. ©0 tuurbe alfo jenem ©biltc be« Derftorbenen Äurfürften toeiter feine
golge gegeben unb bic ©ociniancr ftcbeltcn fic^ in ben ämtem 2^1, SH^ein unb So^nni«^
bürg an, boc^ o^ne ba« JRec^t, ®runbbert^ gu crtDcrben. ^m ^af^xc 1665 Riehen bie so
©ociniancr fogar eine ©l;nobc gu 3io^^""i^^w^0 ; *>o(^ kbUn \k in bcfiänbigcr Un-
fii^er^eit. Um be«h)itten überreichten fie 1666 bem Äurfürften eine Don ©amuel
?ßrjV^foh)«Ii Dcrfafetc 3lpologie, h)orin fte ben ®runbfa^ au«fi)rad^cn, bafe e« ber Dbrig^
feit nic^t jufommc, bie ®ch)iffen«frci^eit ^u becinträd^tigen. ©t3äter übergaben fte il^m
auc^ ba« oben crtDä^ntc, Don ©am. 6rctt (1716) beutfc^ l^erau«gegebcne ®lauben«5 55
befenntni«, al« beffen 3Serfaffer ncuerbing« be« älnbrca« SfBiffotDatiu« 93ater Sencbift
aSifjotoat^ ertüicfcn h)urbe (f. 0. Giemen in ber M® XVIII [1897], ©. 140 ff.).
3nt ^alfxi 1670 ertotrf ten aber bie ©tänbc ein Slcffript, h^clc^c« bie Vertreibung ber
©ociniancr in nal^c 2lu«ftd^t ftettte; fte gaben bem Äurfürften eine ©u))})lifation ein,
biefcc liefe fte bcn ©tänben Dor^alten, „ob fte ettoa auf anbere ©cbanfen fommen eo
468 @ocin
möchten". 35a ^ugleic^ ber Äönig toon ^^olcn für ftc tnterccbicrtc, iDurbc ber ©türm
bcfc^toic^tigt, aber immer auf^ neue toieber^olten bie ©tönbe i^rc 9(nträge auf Suß=
treibung, fo 1679 unb 1721, 1729 unter griebrid^ 2ötll^elm I. (Über Spencr^ anti=
focinianifc^e Schrift „Scrteibigung ber etoigen ©ottbeit ß^rifti", 35ernnl705, fotoic über
6 bereu Vorläufer, ben 1689 toon b*äbbabic Veröffentlichten Srattat De la divinum de
N. Seigneur J.-Christ l^anbelt % ©rünberg, 5^^. 3. Bpmtt k. [1893], 346 f. 494 ff.).
3)ie ©ocinianer erl^ielten fu^ in fümmerlid^cn SSer^ältniffen unb in fe^ Heiner 3^1 6i^
in^ 19. ^al^r^unbert. (gigentlid^ie ©emeinben gab e^ nur in Slutoto unb Stnbrea^albe,
)\h)eien 35örjfem im Dle^Ioer Äreife. ^ene ging nac^ ber3Mitte be^ 18., biefe juänfang
10 be« 19. S^i^if^wnbcrt« ein. 1833 aab ^ in ^reufeen nur noc^ jtoei alte ^länner aU
©ocinianer, h^obon ber eine ©c^lid^tling ^iefe (bgl. ©embr^t^tfi a. a. D.).
3n ben 9JieberIanben regten fid^ antitrinitarifc^e gbeen jugleic^ mit anabajjtijiifc^cn,
tüic benn beibe anfangt bielfaci(i unter fic^ berbunben erfd^einen. gm ^af)xt 1569 tourbc
ein Sttntitrinitarier, §ermann bon SSIedhj^df, in 53rügge berbrannt gn ben Sorten 1597
15 unb 1598 getuannen Dftorobt unb SBoibotoiSfi in Slmfterbam unb Seiben bielen Sln^ng.
3)ie ©eneralftaaten erliefen 1599 cinöbift, bafe bie aufgefangenen f ocinianifc^en ©c^riftcn
in ®egenh)art jener ^toei 9Känner t>erbrannt unb fic felbft au^ bem ganbc bcrtoiefen
Serben foUten; boc^ fonnte bie ganje JHid^tung baburd^ ni(^t unterbrüdft toerben. 3)cr
©ocinianigmuö breitete fic^ fo fel^r au^, bafe bon 1628 an bie ©^noben fu^ mit ber
20 Bad^t emftlic^ befd^äftigten unb ^u toieber^olten ?Kalen bie ©eneralftaaten um '^a^
regeln angingen, bie neue Se^re ;\u bertreiben. 3lttein äße (Eingaben ber ©tonoben
blieben o^ne SBirfung bi^ 1653. abanmte Verlangten bie ©eneralftaaten auf eine neue
©Vnobaleingabe ^in ein ©utac^ten bon ber t^eologifd(ien gafultät in Seiben, toorauf ber
Sociniani^mu^ burc^ ein eigene^ @bift Verboten h)urbe. 35iefe^ 6bift tourbc aber ni*t
25 ftreng au^efü^rt, unb bie um biefelbe ^üi erfolgte 33ertreibung ber ©ocinianer au^
^olen führte einen 3"*^«^^^ ^^^^ Partei in ßollanb ^erbei.
Unter ben ©ingetoanberten berbienen brei iDJänner eine bef onbere 6rtt)äl^nung. 3crc=
miag gelbinger, geb. 1616 in S3rieg in ©c^leften, eine ^^\i lang ©eiftlic^er in ©tra^^in,
bcrmeilte ft)äter in ^olcn, ^reufeen, jule^t in Slmfterbam, h)o er 1687 in grofeer Sürftii»'
30 Icit lebte. @r tvar nic^t ein ftrenger ©ocinianer ; in ber ßrlöfungöle^re backte er armi-
nianifc^ unb lehrte bie Sluferftel^ung ber ©ottlofen jum ©eric^t @r ^at Viele ©(^riftcn
gcfc^rieben. — 6^r. ©anb, ber 3lii"9^^/ 5"^" Unterfc^iebe Von feinem SJater, ©eiftlic^cr
in Äönig^berg, toegen feiner Hinneigung jum ©ociniani^mu^ abgefegt, auf ber Unitocr-
Tität Königsberg gebilbct, verliefe er im ^al}x^ 1668 ^reufeen unb begab fic^ mi
35 Slmfterbam, h)0 er 1680 ftarb. Unter feinen jal^lreic^en ©d^riften ift bie bebeutenbftc bie
Bibliotheca Antitrinitariorum, erjcbienen nad) beS Serfafferö 3:obe 1684, eine rei^c
gunbgrube für bie litterarifc^e ©efd(|id[>te feiner ^artei. — i)aniel ^toxict, geb. in SMn^ig,
1612 burd^ glorian Grufiug für ben ©ocinianifiJmu« gewonnen, mufete mit i^m unb
••HuaruS 1643 bie SJaterftabt Verlaffen, lebte feit 1657 in ben 9Jieberlanben unb ftart
ü) 1678 in 3lmfterbam. ©ein Sl^erl „Irenicum Irenicorum" mad^te grofee^ äuffckn;
eS ift ben Dbrigfeitcn unb geiftlicbcn Häuptern aller Äonfeffionen getoibmet. 3)ie Ver-
nunft, bie ric^itig aufgelegte 1)1. ©c^rift unb bie tva^re 3^rabition fmb ate bie brei ©runb=
normen ber SteligionStva^rl^eit aufgefteHt. — Übrigen^ erlangte ber ©ociniani^mu^ in
ben 9Jicberlanbcn niemals freie SlcligionSübung ; er Verjc^molj fic^ bal^er aHmä^lic^ mit
15 ben Stcmonftrantcn, ober aud? mit ben laueren 3^aufgefinnten ober ben fiollegianten.
gn Siebenbürgen l^altc ber UnitariSmuS faft gleichzeitig mit feiner crften 3lu«Brei^
tung in ^olcn, unb jioar burd; bie SBSirffamfcit beS abtoec^felnb in beiben Sänbem öcr^
ioeilenbcn t^cologifd^ gebilbeten air^teS ©eorg Slanbrata (f. b. Srt. 53b III ©. 250),
ßingang gefunben. 2:^eologifc^er §auj)tanmalt berfelben tuurbe bemnäc^ft %xam 5)atoibi^
50 (f. b. 3trt. »b IV ©. 517). 3iac^bem 1568 burd? 8efc^lufe be«Sanbtag« i|u ^borenburg
baS unitarif4)e 53cfenntniS unter bie religiones receptae 2)rangf^lvanieng aufgenommen
tüorbenS ioar, fehlen baSjelbe gegen 6nbe ber Stegierung Rapolt^a^ IL jur berrf(^enben
SanbcSrcligion hjerbcn ^u f ollen. 2luc^ unter ©tej)^an ^atbori feit 1571 trat no(^
nid;t fofortigcr 3(ü(!gang ber unitarifd^en ©ac^e ein, ba Slanbrata auc^ bei biefcm
66 S"^f^c"^ obfd;on bcrjelbe Äatl^oli! ivar, fic^ in ©unft ju belf)auj)ten toufete. allein
f4)on banmls liefe beS 2)avibiS Übergang ^um 9JonaborantigmuS einen inneren 3h)i^{P^^
im unitarifdien Säger bcrvortrcten, ben bie fatl^olifc^en ©egner am §ofe be« gürften mit
ßrfolg );u benu^en Vcrftanben. 58ergebenS fuc^te ber Von Sölanbrata ju jpilfe gerufene
©ocin 2)avibi!^ famt feinem 3lnl)ange auf bem 2öege beS t^eologifc^en 3)i^J)utierenS liuni
m aBiberanfd^luffe an bie befonnenere Slic^tung ^u betvegen (9lov. 1578 b\^ 3M 1579).
@ocra 469
Xro^bcm Ifjicit ftd; bie unitarif^c ©cmcinfc^aft noc^ mel^rere ^^^^J^^ntc ]^inburc^ in
^iemlic^cr ©tärtc, mufete aber freilid^, bent einfluffc bc« j)olnif(^cn ©ocintani^mug mi)--
gcbcnb, bag nonaborantifc^c ßlcmcnt aHmö^Hc^ unterbrücfcn unb (e^tlic^, 1638 — burc^
bic fog. Complanatio Deesiana (eine SSereinbarung auf bem Sanbta^e ju 3)eefc^, n)0=
nac^ bie unitarif(^en Sirenen fic^ gur Slntufung ß^rifti im ®cbete fotoie jur Slntoenbung 6
ber 3:aufformeI: „^m Flamen be« SJater«, be^^ ©ol^ne^ unb beö ^I. Seiftet" ber})flicl^ten
mußten) — e« boUftänbig bon [id) au^jc^Iie^en. Um eben biefe ^Ät erfolgte bie Unter-
brüdung be^ fabbatierifci(ien 3^^^Ö^ ^«^ trangf^Ibanifc^en Unitarier (bgl. b. 3[rt. „©onn^
tag^feier"). allein eine faft ununterbrochene SRei^e bon Sebrüdungen, Seraubungen unb
^Verfolgungen rebujierte bie Partei h)äl^renb be^ 17. unb 18. ^ö^^^wn^^^t^ unb be* lo
förberte jugleic^ i^re june^menbe ?!Kag^arifierung. 3)ag anfänglich in jiemlic^er ©tärfe
bei i^r Vertretene beutfc^e unb J)olnifci^e Slement ift feit @nbe be^ 18. ^^^t^unbert^
DoUftänbig erlofd^en; \d)on 1792 tourbe ju Älaufenburg^ bie le^te beulfc^e ^rebigt ges
If^alten. Site einigermaßen l^ertoonagenber t^eologifd^er Vertreter be^ tran^f^labanifc^en
Unitari^mu^ tuä^renb biefer feiner f))äteren @nth)ic!elung toirb ber h)ä^renb ber ^oi}xt is
1737—58 atö 8ifci(|of loirfenbe Sifd^of ©entabral^ami (2)licbael ©t. äbra^am) genannt,
^erfaffer einer Summa universae theologiae christianae secundum Unitarios,
iüeld^e freilid^ erft lange nad^ feinem lobe, unter Äaifer ^o\^f) II. (Claudiopoli 1787)
5um 3)rud gelangte, ©eit 1821 ift ber Unitariömu« Siebenbürgen^ mit bemjenigen
©nglanbg unb feit 1834 mit bem 5lorbamerifag in eine engere SSerbinbung getreten, 20
iüelc^e förbernb auf feine materielle \vk geiftige ©ubftftenj eingutoirfen begonnen l^at.
2)ie ©ejamtja^l ber ftebenb. Unitarier betrug (nac^ bem 6enfu^ bon 1881) 53862 ©eelen
in 106 Äirdjfgemeinben, barf alfo je^t — bie tttoa 1000 ungartfc^en Unitarier mit«
gerechnet — auf gegen 60000 gefc^ö^t Serben. SJgl. über^aul}t ®. b. SRat^, ©icben-
bürgen; JReifebeobad^tungen unb ©tubien, ^eibelberg 1880, ©.80—108 (famt ber I^ier26
©. U9 angegebenen älteren Siiteratur); 3lllg. eb. lutb. A3 1882, ©. 108 ff. ; 3.$.
atHen, Hist. of the Unitarians, p. 113—120; gramKan^arö (^rof. in Älaufenburg),
Unitarier in Ungarn, mit Serüdftc^tigung ber aQg. ©efd^. be^ Unitari^mud, ^laufenburg
1891 (baju bie Slnjeige im 3:^233 1892, ©. 124).
II. Se^rbegriff be« ©ociniani^mu^ ober älteren Unitariömu^. $as 30
Sammlung ber ftitcren OueUenfdjriften ift üor allem tt)id)tig bie \>on 9(nbr. SifimoatiuS
bcrauögegebcne Bibliotheca Fratrum Polooorum, quos Unitarios vocant, Irenopoli (b. i.
9lmfterbam) 1656 ff. Xie fünf ©änbe enthalten: bie fömtlic^cn 3Bcrfc bcd Sauft. ©ocinuS
(t. I. II), bie @d)riftcn 3o^. ®ren§ famt ben ejeget. SSerfen Sonaö ©cblidjtingS (t. III. IV), bie
©crfc "©oKjogen^J ncb|t einigen ©cbriften \)on 8tecjmann jun. u. t)on Siffowotiu^ (t. V). ?(lö 35
ob VI crfdiiencn nadjträglidj bie Ser!e <ßrjl)pon)öfig (Eleutheropoli, b. i. ?lmfterbam 1692).
^gen ber eini^elnen ^auptfcf)riften bogmatifc^en, ejegct. unb fatec^et. Qn^altd f. bie obigen
eingaben im 2lejt.
3)arftenungen. ?lld reicft^altigfte unb prftjifeftc ÖJefamtborftellung ftat immer nocft
bie üon god ju gelten; f. ?lbt. II, @. 291—722 beö oben gen. SBcrfS. SSgl. ouc^ 51. §ilgen= 40
felb, 5^ritifc^e Stubien über bie ©ocinianer: 2:^eol. 3^33. o. iöauer u. 3eUer 1848, 6. 371 ff.
9JJ. Sdjnecfenburger, SSorf. über bie Se^rbcgviffe ber fleineren prot. l^iTd)enparleien (^ernuög.
u. .t)unbe<>^a9en 1863), @. 27—68. 8. ^ieftel, 3)ie focin. §lnfd^anung 00m «2 (3b3:^ 1862,
IV. 91. mtW, 3). fie^rc o. b. 9ie(^tf. u. S3er[ö^nung I\ 324—335. 91. ^ornad, fiebrb. b.
3)® III», @. 702—725. 45
gür bie Se^re be^ ©ociniani^mu« in feiner früheren, hrnd) mobcm rationaliftitee
©inflüffe noc^ nic^t mobifijiertcn ©eftalt, finb ^ai^)tqueHen, bie 3BcrIe beg gauftu^
©ocin, ber $RaIoh)fc^e Äated^igmuö, foiüie bie ©c^riftcn ber bebeutenbften focinianifd^en
3:l^eotogen bid um 2Ritte be« 17. ^^^i^^utt^^tg^ namentlich bie in t. III— VI ber Bibl.
Fratrum Pol. entl^altenen. 3)iefer ältere ©ociniani^mu« ^ält burc^au^ bie älutorität 50
bc^ göttlichen SBorteö feft; er ift entfc^ieben fujjranaturaliftifdff. 2lber er l^at afö hinter-
grunb einen ÄomJ)lej bon 3^^^ ^"^ änfc^auungen, h^elc^e aufeer^alb bed ß^riftentum^
pe^cn unb burc^ gejjoungene Sjegefe in bag SBort ®otte« hineingelegt Serben, nic^t o^ne
ba| fte felbft einige UJlobififationen erleiben unb einen geh)iffen biblifd^en 3lnftrici(i annehmen,
gn ben neueren ßüolutionen be^ ©ociniani^mu« löfen ftc^ biefe aufeer^alb be^ Gl^riften» 65
tumd ftel^enben ^been unb 3tnfc^auungen toom ©c^rifttuorte ab unb treten in beftimmterer
Älarl^eit unb Äonfequen^ ^erbor.
(S^ gilt juerft bie grunblegenben allgemeinen $rinji^)ien be« ©ociniani^mu^ ^u
flijjieren, alfo feine Segriffe i)on Sieligion, Offenbarung unb ^l. ©c^rift.
®en attgemeinen Segriff ber ^Religion läf;t ber ©ociniani^mu« gang beifeite; er fafet «o
bie Religion lebiglic^ al^ c^riftlic^e auf. 3)er Cat. Racov. ^ebt an mit ber Definition
470 ©icttt
(qu. 1) : Religio christiana est via patefacta divinitus, vitam aetemam con-
sequendi. ätfnlic^ <Socin^ Brevissima Institutio }u SCnfang (Rel. ehr. est via di-
vinitus proposita et patefacta perveniendi ad immoriEÜitatem sea vitam
aeternam). 3(uget ber ^riftltc^m ift nur noc^ bte fübifc^ ^leltgton biejfed i^Iomen^
5 tvürbtg, fofem and) fte auf äußerer ))oftttt)er Cffenborung berul^t. SOetn bie mofaifcbe
Slcltgton, ^u ber fxd) bte Uroffenbatung unb bte ^leligton "Xbxafyim^ enttoidelt ^tte, tüax
in fi^ felbft unfäl^ia, bie2Rac^t be^gletfc^ed gu brechen, ba fte bic Hoffnung ber Unfler^
l\i)U\t nxd)i auef^raq unb bie ßrfüDung t^er ® ebote nur auf aSeri^ei^ngen ttbtf^er ®lü(ffelig=
feit grünbete, ^^fyalh toar eine ^ö^ere ©tuf e ber Sieligion nötig, toelc^ burd^ äufftettung
10 einer ^ö^eren 33elo^nung bie 3Menf(^en ^ur ©otteeliebe ent^ünbete. 5"^ 6^rificntum fmb
bie ceremonieQen unb juribifd^en ®ebote ber mofaifc^eil 9leligion abgetan, bie ftttlid>en
bagegen beibehalten, berfc^ärft unb i^re ßrfüUung burc^ ^öl^ere Ser^feungen ermöglicht
©0 ift ba« ß^riftentum lebigli(^ ein toerboHfommneter SRofai^mu«, laut ^t 5, 17, »gl.
3o 1 7, 3. ®er ®laubc an Gl^riftum nihil novi attulit, sed novas tantum
15 qualitates religioni addidit, quatenus Christus perfectiora et praestantiora tum
praecepta tum promissa Dei nomine proposuit (Fragm. catech. prior. F. Socini,
Biblioth. fratr. Polonor. I, 677). %xoii biefe« feine« grunblegenben 35erl^tniffe« lur
ntl. 9leligion gilt ba« 31% ben ©ocinianem faftifd^ al« überflüffig unb entbehrlich für
ben G^riften. G« enthält nad) i^nen nic^t«, loa« nic^t aud^ im SKE, unb jtoor ^ier oicl
30 tiarer unb beffer, gelehrt toäre ; e« f ommt al« Dffenbarung«quelle für« ß^ftentum nic^t
mit in Setrad^t, ^at oiclme^r nur noc^ ^iftorifc^e Sebeutung. Übrigen« toirb txoi
biefer Jperabje^una be« 212« boc^ eine S^ft^^^^^^^»^ ^wc^ '" S5^U0 öwf biefe« gc=
leiert. 3)te ^l. ©c^rtftfteller ^aben nac^ ©octn divino spiritu impulsi eoque dictante
gef (^rieben; freiließ fei nur ba« jum religtöfen S03al^r^eit«ge^alt ©el^örige al« infpiricrt
26 px betrachten ; in 9Jebenbingen Ratten and) bie 3lj)oftel iaen fönncn. ©emäg bicfcm
bebingten unb befc^ränften 3infl^i^ötton«begriff (ju toelc^em noc^ bie 3Sorau«fe^ung,
bafe Oerfc^tebene« Üned(;te, mtttelft Äritif ju Sefeitigenbe, fic^ in ben ©(^rifttejt ein:
gefc^lid(ien i}aU, l^in^utritt) le^rt bann ber ©ociniani«mu« in feiner SSBeifc getoiffe 3>or:
^üge ober feoltlommenl^eiten ber ^l. ©c^rift: i^re 3ljioj)iftie, fofem pe bie allein loa^rt
80 unb göttliche Sieligion berfünbige ; femer il^re ^erfj)icuität, il^re ©uffijienj jc. Siegt
hierin eine gcloifje Unterwerfung unter bie Autorität ber 95ibel al« einer göttlid^ einpe^
gebenen Urfunbe, fo ftellt anbererfeit« ber ©ocintaner fid^ toieber über bie ^l. ©c^rift.
Sr beanfpruc^t für fic^ bie ©elbftentfc^eibung über ba«, h)a« al« echter ©c^riftinbalt
anguerfennen fei. hierfür bebient er fid^ jtoeier Kriterien: 1. be«ienigen ber 3Semunft--
85 gemä^l^eit: e« fönne in ber 93ibel jloar manche« supra rationem et humanum captum,
aber nic^t« contra rationem sensumque ipsum communem enthalten fein (i?gl.
Bibl. fratr. Pol. II, 617); 2. be« Kriterium« ber moraltfc^en Sebeutfamfeit unb 3lni^
barfeit: gum Dffenbamng«gel^alt ber ^l. ©c^rift fönne nid^t« moralifc^ Unnü^e«, nic^tl
praftifd^ Unoertoertbare« gefrören (ijgl. ^arnacf ©. 705 f.). — 2)iefer ^albe 9lationali«mu^
40 bc« focinianif d;en $RcIigion«prinjip« entioidtclte fic^ im Saufe ber Q^xt in einem immer
cntfd^Kibcnberen ä5emunftglauben ; Dgl. bcf. ffiif^iotoatl^« Religio rationalis. Iro^cm
bleiben j^ioijcbcn ber religiöfen Söeltanfic^t ber focinianifd^en unb bcrjenigcn ber mobemcn
euglifc^cn unb neucnglifd^en Unitarier erl^eblid^e Differen;;en jurücf. ^ei ben legieren
erfd;cint ade« ©ujjranaturaliftijc^c i)icl ooUftänbiger au«gefc^ieben ; i^r ©J)iritua(i^mutf
45 jcigt einen me^r ober Weniger jpantf^eifiercnben G^arafter.
2öir betrad^ten l^iema^ in Äürje bie einzelnen c^arafteriftifd^en §auj)tlel^ren bie fo-
cinianifd;en ©Iauben«t^ftem«.
1. Sc^reoon©ott. ©ie ;;erfäKt in bie Seigre toom SBefen (essentia) ®otte« unb
Oon feinem SÜitten. 2)a« Sein ©otte«, loelc^e« mefentlic^ mit bem 2)afein ®otted ju^
50 fanmicnfäHt, toirb nicl^t abftraft meta^^t^fifcl^, fonbem in fonfreter 33ejie^ung auf bie
jydt be« enblid^cn ©ein«, beftimmter au«gebrü(ft, in 8e^ie^ung auf ben 3Renfd^en auf-
gefaßt. „2Ba« Reifet crfennen, baß ®ott fciV" fragt ber Cat. Rac. qu. 54 unb ant^
ioortct: „crfennen, ober oor allem feft überzeugt fein, bafe er an^ [xd) felbft über uns
göttlicl^c d)lad)t i}ahc". — ©o ift ©ein unb 6errf4»aft ®otte« al« ibentifd^ gefegt; abfo-
55 (utc 5rcil;cit ber 2lUllcn«bcftimmung fommt ®ott über, un« ju; abfolut auc^ in bcm
Sinne, baf^ er fie an^ fid) felbft (ex se ipso) hat ä^nlic^ toie in ber 2^eologie ber
fcotifcl^cn Sd^olaftif toirb ®ott al« abfohlte SKiUfür gebac^t (§amacf ©. 707). — 2öB
aber ©Ott fei unb loa« er fei, nebft allen ba;\u gel^örigen Seftimmungen, ba« fann ber
^3JJenfd; nur burd) >)ofitioe Offenbarung ioiffen. Unb fo muffen ftd^ bie Seioeife für boö
Go 2)afein ©otte« in bem Öeloei« ber Ülutorität ber ©c^rift lonjentrierm.
®9Cttt 471
3n S3cjug auf ®ottce (Siöcnfdjiaften h)trb aU attgemcmcr Ration aufgcftcKt, ,,bafe
bie tocfcntlidfcn ©igcnjc^aften ®ottc^ (ea quae naturaliter Deo insunt) in SBirllic^Ieit
niemals tjoncinanbcr getrennt h^erben lönnen, fobann, bafe \t>ix nic^t um^in fönncn, fic
al^ öerfc^ieben unb unterfc^ieben auf^ufaffen, fo bafe, h>enn nur bie eine erlannt unb er?
läutert ift, bamit nid(|t eo ipso auc^ bie anberen erlannt unb erläutert ftnb." SBa^ bie 6
einzelnen ßigenfc^aften betrifft, fo l}at ben ©ociniani^niu« in^befonbere baä ^Problem ber
göttlichen 3ltth)iffen^eit befc^äftigt. 3)iefe (Sigenfc^aft, fofem fte ein 3Sorau^h)iffen and)
beö 3w*^"f*^Ö^" i" W ftä^l'^fet, betrachtet er al^ eine befci(iränlte; ba^ noth)enbige 3"-
fünftige tüiffe ®ott tjorau«, ni^t aber ba^ SJlöglid^e, fo toeit e^ toon ber menf^ti^en
grei^eit abfängt. 9?ac^ biefer ©eite ^in fei ®otte« SBiffen befd^ränlt, benn fein tooH« lo
ftänbige« unb genaue« 33orau«erIennen unferer freien ^anblungen toürbe unfere greil^eit
felbft aufgeben (Dgl. %, Socin, Praell. theoll. c. 8— 11; 3. Grell, De Deo et eius
attributis, c. 24; bgLgorf ©. 438ff.). ©in ä^nlic^e« antij)räbeftinatianifci^e« 3"^^^<^/
h)ie bei biefer ßigenf^aft, beftimmt bie ©ocinianer bei i^rer (grörterung be« SBefen« ber
©ered^tigleit ®otte«, h)o fte ba« aWoment ber ©trafgereci(|tigleit fe^r jurüdftreten laffen is
unb bielme^r bag ber 33illigleit (aequitas), ®üte unb 3Ba^r^aftia!eit tjoruig^toeife be«
tonen. — SSor attem einge^enb Dermeilt ber ©ociniani^mu« beim Slttribut oer göttlici(ien
ßin^eit. 2)a«|elbe fällt nac^ il^m mit ber göttlichen Slfeität, ja mit bem ®otte«begriff
felbft jufammen. ^ie Äenntni« ber ©in^eit ®otte« ift jur ©eligleit nötig, tocil loir fonft
ungenjife h)ären, toer un« bie ©eligleit eröffnet ^at (Cat. Rac. qu. 66). ^a^er in ber 20
©c^rift fo oft gefagt h)irb, baft ®ott (giner fei (5Dt 6, 4; SKc 12, 29; 3)t 32, 39; 1 3:i
2,5; e»)M. 6; ®a 3, 20). gerner ift e« iur ©eligleit nüfelic^ gu toiffen, bafe ®ott
nur (Sine 5perfon ift (Cat. qu. 71). ©0 milbe J^icrin ber (äegenfa^ gegen bie ortlj^oboje
2)reieinigfeit«le^re au«gef})rod[)en ift, fo ftarl unb entfc^ieben ift bie ^ßolemil bagegen, ja
fie bilbet rec^t eigentli^ ben 9)Uttel})unft ber focinianifd^en DlpJ)orttion gegen bie (lat^o* 25
lifc^e h)ie J)roteftantifc^e) ort^oboje Seigre über^aujjt. ©d^on ber Äatec^i^mu« ift fe^r au^s
fü^rlici(l barüber; biefelbe Dj)i)ofttion bilbet ba« il^ema bieler focinianifc^er ©c^riften. 6«
iDirb babei fo berfal^ren, bafe bie Dreieinigfeit^le^re xunäc^ft aU fc^rifth)ibrig bargefteHt
iDirb. Äcine« ber belannten Dicta probantia au« bem 212, loelcf^e bie ältere Drtl^o=
borie aufjufül^ren liebte, h)eber ®en 1,26; 3, 22; 18 2c., noc^ 3ef 6, 3. 8 k., h)irb ateao
beiüeiölräftig anerfannt. 6« n^irb geleugnet, bafe in ber ©c^rift ber f)l ®eift irgenbh)0
®ott genannt toerbe (Cat. qu. 80); tDenn i^m bi^toeilen göttlid^e Attribute beigelegt
njerben, fo fomme biefe« ba^er, h)eil er eine Äraft unb SBirIfamfeit ®otte« fei (2cl,35;
24,49); unter bem Flamen be« ^l. ®eifte« loerbe ba^er oft ®ott felbft, fofern er Wxxlt,
öerftanben. Sßenn toon ort^obojer ©eite al« Seloeife ber ®ottlj;eit be« ©ol^ne« unb be« 36
©eifte« ©teilen angefül^rt lourben, Wo 33ater, ©o^n unb ®eift auf Sine Sinie geftellt
h)erben (Sit 28, 19; 1 Äo 12, 4—6; 1 30 5, 7), fo h^erben aud^ biefe ©teHen }u ent*
Iräften toerfuc^t. §ieran fc^liefet ftc^ tüeiter ber 9Scmunftbeh)ei« gegen bie 35reiemigfeit.
e« \oax nid)i fc^toer, manche ©d(|h)ierigfdten, toeld^e ba« firc^lic^ formulierte Srinität««
bogma ber JJemunft barjubieten fc^ien, auf^ubedfen, unb fo eine Slei^e logifd^er ©c^ein« 40
grünbe für bie Sl^efe: Plures numero personae in una essentia div. esse non
possunt (Cat. qu. 72) inö gelb ^u fülfjren. ©oh)o^l ba^ gel^len ber Slu^brüdEe per-
sona, substantia, aeterna generatio Filii, praeexistentia u. f. f. in ber 1^1. ©4tift,
h)ie bie mancherlei angeblid^en SBiberfjjrüc^e unb Sn'onfequenjen in ber bogmatifd^en
Formulierung be« SJer^ältniffe« ber brei ^^erfonen jueinanber hjerben angelegentlich be* 45
tont (bgl. gocf ©. 454 ff.; i^axnad 708 f.; auc^ 21. tj. Dettingen, Sut^. S)ogm.II, 1,
©. 228f.).
2. Seigre tjon ber ©d^öj)fung unb Dom 3Kenfc^en. 3)em ©ociniani^mu« fallen
bei ber ©c^öj)fung ®ott unb 2Belt me^r ober Weniger au^einanber. 3)ie« jeigt ftd^ be«
fonber^ barin, ba^ bie ©c^öpfung aug 3l\d)i^ geleugnet unb eine })räejiftente SKaterie so
gefegt toirb, toorau^ ®ott bie SQSclt gebilbct l^abe; fo jmar nic^t ber Äatec^i^mu« ober
über^au})t ©ocin felbft, tool^l aber 35ölfel (de vera religione) unb bie folgenben (GreD,
5Ko^orotj, SBif^otoat^ k., f. %od ©. 482). &x ge^t batjon an^, bafe bie ©teHe 2 3)lal
7, 28, h)onac^ ®ott bie 9öclt ex nihilo gefc^affcn, nad^ 2lnalogie ber ©tette SBeiö^eit
©alomod 11, 17, bafe ®ott alle^ ex informi materia gebilbet, erllärt h^erben muffe. 66
3)a^ 9iic^t0 ber erften ©teHe fei ibentifc^ mit ber geftaltlofen ?Katerie ber jtoeiten, b. f).
einer folc^en 9Jiaterie, bie tueber in ffiirllidjileit, noc^ nad) einer natürlicJ^en 2lnlage ba«
toar, iüaö fj)äter auö ibr gebilbet ioarb, fo bafi, h)äre nic^t eine unenblic^c Äraft l^inju^
gefommen, niemals ettoa^ an^ 'd)x geworben h)äre. 2lu^ $br 11, 3 foH angeblich erhellen,
ba^ bog ©ic^tbare au« tttoa^ \d)on SSor^anbenem, freiließ Unftc^tbarem Ij^eröorgebrac^t ^v)
472 @9cw
tüorbcn. SSon h)clc^cr 3lrt biefc^ toor^anbenc Qt\va^ gelDefen, Ul^re am bcftcn bie mofaifc^
Ro^moöonic. 3m crftcn Sa^c: „im Slnfang fc^uf ®ott $tmmcl unb 6rbc", fei bie nad^
folgcnbe erjälfjlung fummarifdjf, glcic^fam in eine Überjci(irift jufammengefa|t. äüc^
golgenbe enthält leine neuen SMomente, fonbem ift nur ber Äommentar gu jenem aü-
5 gemeinen 3(u«f})ruc^e. ©o ift alfo ba^ Tohu wabohu, toeld^ed öon ber ©rbe in ibrem
urfj)rün9lid[iem ß^ft^^^c au^efagt loirb, bie geftaltlofe 3Katerie, bie belegen in ber ge*
nannten neuteftamentlic^cn ©teÜe ein ni^t ©rfc^einenbeö genannt h)irb, toeil, h?ie e^ Reifet
(®en 1,2), ^inftemi^ auf ber 3^iefe lagerte. 3Kofe^ unb bie Schrift über^au^t fagen
nic^t, bafe biefe^ Tohu wabohu gefc^affen h)orben, ba^er l^en toir öoHfommene grei^
10 l^eit angune^men, h?a^ ber SSemunft gemä^ ift. @^ tritt ^ier berfelbe 3)ualidmud ^u
iage, ber ba^ ganje ©^ftem bel^errfd^t (ögl. 3^*1^^ ©efd^ic^te ber Sejiel^ungen gtoifc^cn
%i}tol unb 5naturh). I, 716 ff. 766).
®er aWenfc^ ift nac^ bem Silbe ®ottc« gefc^affen. S)iefe« »Mb ®otte« im aJienfc^en
befte^t toefentlic^ in ber ^enfd^aft über aHe i^m untergeorbneten, toor i^m gefc^ffenen
15 SBefen. ®eift unb Vernunft finb in biefe §errfci^aft eingefc^Ioffen, ba fie bie betoirtcnbe
Urfac^e biefer §errf(^aft fmb; fomit ift ba^ Silb ®otte« nid^t gerabeju ®eift unb SJcr^
nunft (mens et ratio) be^ 9!Kenfci(ien, fonbem barau« ergiebt ft$ erft ba« ©ottebenbilb-
lid^e. I)iefe 3^if^"wng be« Silben ®otte^ meint ©ocin ®en 1, 26 beutlic^ au^ebrücft
gu finben, fo bafe bie SBorte: ,,er möge ^errfd^en über bie gifc^e be« 9Reere«" nur aU
20 6})ejegefe ber toorigen anjufe^en feien; jene Sßorte müßten fo öerftanben Serben: „aU
ber ba ^errfd^e, qui scilicet dominatur'' (©ocin, De statu primi hom. ante lapsum
adv. Puccium, in ber Bibl. Fr. Pol. II, p. 286). gemer ift ber 3Kenfc^ nac^ foci^
nianifc^er Seigre (ebiglic^ fterblic^ gefc^affen unb l^at öon 9Jatur mit ber Unfterblid^lcit
nic^t^ gemein. 2)ie natürliche Unfterblic^Ieit bed 5Blenfd^en folgt nic^t barauö, ba| er
25 na6) ®otte^ Silbe gefd^affen ift, benn and) nad) bem ©ünbenfaDe ift ®otte$J Silb in li^m,
toie bie^ gegenüber ber ortl^obojen ßrbfünbele^re auf ®runb tjon ©teilen h)ie ®en 9, 6;
3a 3, 9 feftftelE^t. Suc^ bafe ®en 1, 31 atte« Don ®ott ®ef(^affene gut genannt mt,
fbric^t nic^t für bie natürlid^e Ünfterblic^Ieit; benn gut Reifet feinem 3h>eae entf})red[>cnb.
i)er gan^e mofaifc^e 33eric^t fjjric^t für bie urf})rünglid^e ©terblic^feit be^ SKenfc^en. So--
30 fem ber üKenfc^ au^ einem ßrbenllo^ gcbilbet, hjar er fterblid^ gefc^affm (Cat. qu. 41),
bie^ ergiebt fxc^ auc^ barauö, bafe er t)om 3Koment feiner (grfd^affung an bie Seftimmung
5um 6jfen unb ^ur 3^"0""9 W^^'k — f^'^^^ barau^, ba^ erft ber 93aum beö Sebcn^
bie Unfterblid(|feit Derleil^en foDte. Überbie^, tuäre bie ©terblic^feit erft infolge ber ©ünbc
entftanbcn, fo lönnte fie über biejenigen nic^t mel^r ^errfd(ien, bie an G^riftum glauben,
36 fofem biefer bie ©trafm ber ©ünbc getilgt ^at. 3!)ie ©tette Sflö 5, 12 aber, toona^f burt^
bie ©ünbc ber lob in bie 3Belt gefommcn ift, tuiH fagen, bafe 2lbam toegen feiner ©ünbc
bem etoigen 3:obe toerficl (Cat. qu. 44. 45).
®cgen bie ort^obojen SJorftcDungcn i)on ber l^oben SÖei^l^eit unb ©rienntnig 2lbam^
mad)t ©ocin geltcnb, bafe e^ gar nic^t^ Scfonbere^ luar, bie liere mit 9Jamm ju be^
10 nennen, ba biefe \\d} nur auf ba^ bcn ©innen SBa^mcl^mbare, nic^t auf ba^ innere
fficfen ber lierc begiel^cn lonntcn. 3lud^ be^cid^ne bie Benennung be^ SBeibe^ al^ SKutter
ber iJcbenben ober alg 3Kännin nur ba^ in bie©inne gallenbe; e^ fei alfo nur finWicbc
Untoiffcn^cit gctocfcn, ba^ 2lbam unb 6i)a urfjjrüngli^ an ber 9iadt^eit feinen änfiofe
nal^men. Scfonberö eifrig h)irb ferner tjom ©ocinianiömu« gegm bie anerfc^affene ©e-
45 rcd;tigfcit unb ^ciligleit Jjroteftiert. Dafür lönnc bie ©tette ®en 1, 31, h)0 Don 0ott
aUc^ gut genannt toirb, cbcnfo menig angcfül^rt locrben, al^ für bie natürliche Unfterblicb'
feit; bie 2Üortc, bafe ®ott ben ajJenfc^cn rcd^t crfd^affen (Sap. Sal. 7, 20), befagen nur
fo biel, bafe tjon 2lnfang nid^t^ äJerfef^rte^ im 9)knfc^en toar. 3!)er 9Renfd^, fo toic er
aus ber ©cf?ö>)fer^anb @otte^ J^eri^orgegangen loar, bcfaft nur ba^ posse, nic^t ba^ velle;
50 il^m eignete nur bie ^^Jotcn^ be^ freien SBitten^, nietet h)irflid(ie 3Bitteni^frei^eit (Cat.
Rac. qu. 41 sqq.).
®em aüm entfprac^ nun bie focinianifc^e (Srflärung be^ ©ünbmfaDe^. 3)a bie
ürfenntni^ fd^load;, ber fittlicl^c SöiHe ber erften 9)Jenf(^en ungeübt toar, ba bie Sinn-
Iid;feit über i^re Jkrnunft bieCber^anb l^atte, fo mufete ber burc^ ba^ SJerbot angeregte
55 finnlic^e Steig fic^ geltenb mad;cn, bie fd;ioa^e S^cmunfl betören unb bie 5Dlmfd^en ^ur
Uebertretung be^^ Serbote^ fortreiten, ßö ift bamit im ®mnbe nur in bie äufecre Gr-
fc^einung getreten, \va^ \n i^nen t)erborgen ioar. 3)oc^ ift ber ©ocinianiSmu^ möglich?
barauf bcbad)t, bie ©ünbc al^ 1l)at ber ^rei^eit, bie fid; gum ®uten ober jum Söfen
tücnben fonnte, ;^u begreifen, \va^ i^m frcilict? unDoHfommen genug gelingt.
r.u 2)urd^ bie ©ünbc 3lbam^ l^at loeber er, no^ ^aben feine 5Ra4ffommen bie grei^it
®ocin 473
tjcriorcn, b. 1^. ba^ 9Scrmögcn, bic rechte SBal^I jtoijc^cn ®ut unb 33öfc gu treffen (Cat.
qu. 422). Sofern bic ßrbfünbe bte Seugnung bicfer ^ei^eit ift, beftrcitet fie ber ©oci^
niancr auf bag älDerentf^iebenfte (Cat. qu. 423). Die ©teilen ®en 6, 5; 8,21 bejiel^t
ber Ratec^i^mu« lebiglic^ auf altuette Sünben, 5Pf 51, 7 blofe auf 3)abib, unb gtoar unter
nur bilbUc^er gafjung berSBorte; eth)a« tueniger Derle^rt, immerbin aber boc^ auc^ o^ne 6
rid^tige^ aSerftänbni« ber J)aulinijci^en ^eitele^re (Dgl. ©.472,35), h)irb über 3lö5, 12ff.
gel^anbelt (Cat. qu. 424—426). Überl^aujjt h)iberf})rec^e bie (Srbfünbe al^ 9?egation ber
grei^eit jum Outen, ate über ben 3Kenfc^en ber^ängte ©träfe, buri^au^ ber ©c^rift,
tücld)c in i^ren ßrma^nungen gur Sufee unb Umle^r überall bie ^rei^eit be^ -JRenfdJien
öorau^fe^e unb nici(|t minber entfd[|ieben toiberfprec^e fie ber 9Semunft. Die ÄonfuJ)i^5en5 lo
unb ©cneigt^eit ^ur ©ünbe, toorin man bie Srbfünbe fe^t, ift, nac^ ©ocin, Woi)l ate
SDJöglid^feit in allen bor^anben, aber nic^t ertoiefenermafeen in aüzn. ©efe^t aber, e^
bcftünbe biefe SlHgemeinl^eit be^ $ange^, fo toäre fxe noc^ nic^t afö golge ber abamitifci(ien
©ünbe amufe^en: unb tuäre bie^ ber gaÜ, fo toürbe bie ßrbfünbe bamit aufhören, ©ünbe
5u fein. Denn bie ©ünbe ift nur ba, \t>o ©c^ulb ift; nun aber loäre bie ©ünbe in ben i6
tjon 2lbam abftammenben 3Kenfc^en o^ne i^rc ©c^ulb. Demnach giebt e^ nic^t einmal
im uneigentlic^en ©inne eine Srbfünbe, b. ^. h^egen ber ©ünbe be^ erften 3)lenfc^en ift
feinen SJac^fommen feine Sefledfung unb ©c^Ied^tigleit (labes et pravitas) auferlegt
h)orben. 35ie 9lac^fommen 3(bam« tuerben in bemfelben gwftonbe geboren, in h^elc^em
er felbft h)ar; benn e^ toar ilj;m nic^tg genommen, toa« er Don 5Ratur l^atte ober ^aben 20
foHte. — gmmer^in loirb, öermöge einer eigentümlichen S^lonfequenj, bie allgemeine
©terblic^feit be^ 9Renfci(|cngefci^lec^te auf bie ©ünbe 3lbam« jurücfgefül^rt, ate ba^ einzige
a\x9^ \f)x refultierenbe Übel. SSor bem galle, lel^rt ©ocin, \üax eö natürlid; unb aUen
(Scfe^en ber menfc^lid^en 9iatur angemeffen, bafe ber 3Kenf(^ ftarb; nac^ bem gatte iüurbc
barau^ eine 9Joth)enbigIeit, ber bon -Jlatur ftcrbli^^e ?Kenfci^ tuurbe um jener ©ünbe h^iHen 25
feiner natürli^en ©terbli^Ieit überlaffen. W\t biefer Slnnal^me ^ängt Leiter bie eine^
geiüiffen, burd^ ba^ fortgefe^te ©ünbigen atter ©enerationen erzeugte habitus peccandi,
einer 2lrt bon fünblic^er De^jraDation ber 9Renfc^^eit jufammen. Cupiditas ista mala,
quae cum plerisque hominibus nasci dici potest, non ex peccato illo primi
parentis manat, sed ex eo quod humanum genus frequentibus peccatorum so
actibus habitum peccandi contraxit et se ipsum corrupit, quae corruptio per
propagationem in posteros transfunditur. Demgemäß ift bie grei^eit be^ 9Jlenfd^en
hoäf nic^t me^r in normalem gwftanbe; fie ift gefd^toäd^t, fann aber mit ber ^ilfe
(Sottet ba« §eil fid^ aneignen. Diefer göttlichen Kräftigung bebarf er ^auj)tfäci(|licl) jur
SJcrmeibung ber minber groben, jügellofen unb bemunfttoibrigen ©ünben, ber peccata, 36
quae ipsi rationi per se non omnino adversantur. ©oD ber 3Kenfc^ aud) biefer
Älaffe Don ©ünben, über bie feine natürliche Vernunft i^m feinen bejltimmten äluffc^lufe
bietet, §err h)erben, fo mufe (Sott il^m burd^ getuiffc bcfonber« fräftige unb ^o^e SJer^
l^eifeungen ju fiilfe fommen unb bie« ftnb eben bie ©nabenber^eifeungen in ^^u G^rifto
(©ocin, Opp. III, p. 463). 40
3. 2)ie Gl^riftologie bejiel^t ftc^ auf bie befonbcren 3Bitten«bct]^ätigungen ®otte«,
toelc^c nic^t aüm SÖlenfd^en inggefamt gelten, fonbem nur benjenigen, toelc^e ba« eioige
Sebcn erlangen follen. 2)a nun (nad^ bem Obigen) bie aufeerbalb be« Gl^riftentum«
©te^enben bem Untergange, ber eigentlichen SSerni^tung berfallen, geh)innt ba« (S^riften^
tum unb bie i^er^ei^ung be« etuigcn geben« eine ganj eigentümliche Sebeutung. ®ie 46
focinianifc^e §eil«lel5;re behielt nur einen beDor^ugten 3;eil, eine ßlite be« SKenfc^em
gefc^lec^t«; fie trägt einen etl^ifc^-ariftofratifc^en G^arafter (bgl. $amarf ©. 709 f. unb
bic bafelbft mitgeteilte Semcriung bon 3!)ilt^e^, iücld^e auf ben inneren 3wf<^w^"^<^^önö
biefe« et^ifc^en ariftofrati«mu« mit ber cinfeitig If^umaniftifc^en ©runbrid^lung be« ©ocis
niani«mu« l^inh?eift). ($« ift eine plus quam human a vitae ratio, bie S^riftu« Uor^ 60
fd^reibt; ber 3lu«brucf „neue Kreatur" toirb jum 3lu«brudE eine« neuen Seben« ber ganjen
menfc^lid^en 9Jatur. 2)a« ßbangelium beh)irlt eine totale Seränberung in ber geiftigen
9?atur be« 3Jlenfc^en, infofem e« i^m eine ©igenfc^aft Derlei^t, bie il^m fonft fd^lecf)ters
bing« abgebt, er mag gottlo« ober fromm fein. ©0 geh)innt aud^ ber ©a^, bafe G^riftu«
nic^t gefommen ift, um un« in ben ©tanb h)ieber^erjuftellen, in totld)tm äbam Dor bem 66
tittc fid^ befanb, fonbem um un« ju einem tueit Dorjüglid^eren ju ergeben, eine ungeahnte
cbeutung: ba« (S^riftlic^e ift mel^r al« ba« toabr^aft 9Kenfc^ltc^e. SP ^^^ berjcnigc,
ber bie Slcnfc^en über xfyc üRenfd^ifein l?inau«^ebt, me^r al« ein 5DTenfd(i? 2luf biefe
grage giebt ber ©ociniani«mu« bie 2lnth)ort, bafe (Sl^riftu« einerfeit« toa^rer, fterblic^ ge^
borener ÜRenfc^ getoefen, fonft lönnte fein $eil ni(|t bem 3Wenfd^en jugeeignet toerben; oo
474 ®ocm
anbcrcrfeit^ aber fei er aud^ me^r ate ein blofeer 3Menf(^ ßetoefen, ein ^Jlenfc^ öon um
getDöl^nlic^en Stgenfd^aften, au^gerüftet mit äBei^^eit o^ne Ma^ unb t>on ©Ott }u irn^
bcfd^ränlter 3)Ja^t erl^oben unb mit Unfterblic^Ieit begabt.
SBatum mufete dl^riftu« toal^r^aft unb toefentlic^ 5Dlenf(^ fein? 2)ie 9?oth>cnbigfeit
6 bQt)on ift gegeben in ber für bie (Srlöfung nottüenbigen ©leid^artigleit mit ben 5IKenf^en.
3)ag Snbjiel ber d^riftlid^en Sleligion ift nämlid^ bie Unfterblid^feit, toelc^c bun^ bic
Sluferfte^ung Slj^rifti vermittelt toirb. 9lun aber toäre biefe leine Sürgfdjfaft für unferc
Sttuferfte^ung, menn (S^riftug feiner SRatur nac^ njefentlid^ öon un^ öerfc^ieben, tocnn feine
äuferfte^ung ein f})e^ietter SSorjug feiner 9Jatur loäre (tjgl. hierfür 1 Äo 15, 13. 16).
loßätte anbererfeitg G^rifti SSorjug tjor atten.aJlenfc^en in feiner ©ottl^eit beftanben, bann
tonnte er n\d)t fterben. ^n beiberlei §infxc^t ftel()t e^ alfo feft, ba^ ß^ftu^ h>efent(i(^
nic^t^ anbere^ afö ein ^JJlenf^ loar.
3)iefer §auj)tfa^ ber focinianifc^en ßl^riftologie ^at aber ben ©inn, bafe er nic^t auc^
göttlici(ie 3latur ^atte; ber Cat. Rac. leiert auöbrüdflic^, bafe bie ©c^rift, fofem fic S^rifti
16 3)knfc^fein bejcugt, il^m bie göttli^e SRatur abftreite (Qu. 100: ... Scriptura testatur,
J. Christum natura esse hominem ; quo ipso naturam illi adimit divinam).
35ie ^Polemif gegen bie göttliche 9Jatur ß^rifti bilbet ben anberen §auptbeftanbteil ber
^olemil be^ ©ociniani^mu^ h)iber bie ort^obo^e Se^re über^aujjt.
ausführlich toirb auc^ l^ier j|unäci(ift beim ©c^riftbeloeiS tjertoeilt 3)ie ©ott^cit
2og|j;rtfti folge nid^t barauS, bafe er So^n ©otted genannt loirb; benn bie Schrift nenne
auc^ anbere 3)lenfci(ien fo, j. 33. §o 1, 10; 3ftö 9, 26. SBenn So 3, 16; 9lö 8, 32 gefagt
tüirb, bafe ©Ott feinen ©ol^n in ben 3:ob bal^in gegeben, fo folgt barauS, bafe bicfer ©obn
toon 5latur nic^^t ©Ott ift, benn fonft tonnte folc^eS öon i^m niit au^efagt toerbeit.
3luci^ um beSmiBen lann ber ©o(^n nid^t ©Ott fein, toeil fonft ©ott fi^ felbfl Sobn
26 märe. SBenn aber GbriftuS ber eingeborene ©o^n ©otte« l^eifet, fo loiH baS fo biel fagen,
bafe er unter aü^n ©ö^nen ©otteö ber borjüglic^fte unb ©ott liebfte fei, fotoie 3faal
unb ©alomon um ä^nlic^er ®igenfc^aften tüiuen in ber ©c^rift auc^ eingeborene ©ö^nc
genannt Serben ($br 2, 17; Bpx, Bai 4, 3. Cat. qu. 166). ©er 9iame ©o^n ©ottc^
begicl^t fic^ (ebiglic^ auf ben ^iftorifc^en ß^riftug. gür bie etoige 3^flW"0 ^""<^
30 5)ii 5, 1 nic^t angeführt h)crben, h)o ber ^rop^et nur fo biel fagen toiH, bafe ba
Urfprung G^rifti in baS 2lltertum hinaufreiche, in bie Rutm 35at)ibS, beS Urahnen be^
©tammeS G^rifti. gn ber ©teile 1 go 5, 20 feien bie äÖorte: „biefer ift ber tua^r^ftigc
©Ott" u. f. U). nietet auf (S^riftum gu bejie^en; ä© 20, 28 fei ba« S5Iut, loomit ®ott
fic^ feine ©emeinbc ertoorben, junäc^ft ßbrifti 33Iut, baS ©otte« S3Iut genannt tperbe
36 h)egen ber innigen SBerbinbung ßbrifti mit bem SJater (Cat. qu. 116—126). 3o 1, 1
unb -fiö 9, 5 fei baS (S^rifto beigelegte ^räbifat ©ott als aj)j)enatit)ifci^e Sejeic^nung be^
ainfel^cnS, ber SKact^t ju faffen, bie and) auf ©efct^ö^fe übertragen Mrben. SBaS ba^
^räbitat ffiort, SogoS betrifft, fo merbc eS (S^rifto beigelegt, fofern er ber Sertünbigcr
ber göttlichen Offenbarung ift, fofern er baS jut)or in ©ott 35erborgene auefjjric^t; Süb
40 beS unfic^tbaren ©otteS tüirb er in bemfclbcn ©inne genannt (Äol 1, 16). ©ott gictti
ift er 3o 5, 18; ^^i 2, 6 in $inf4t ber 3)iac^t unb SKirtfamfeit. 3)ie SBorte: .,'ii}
unb ber 3?ater finb 6inS", muffen nac^ 3tnalogie berjenigen ©teilen tjerftanbcn toerbcn,
Wo gefagt mirb, baft bie ©laubigen unter fiel? einS fein follen, h)ie er felbft unb ber
^atct eins finb (^o 17, 11. 22), b. 1^. fic be^ie^en ftc^ auf gin^eit beS SBittenS unb ber
45 ^JJJacl;t. 3luf (Einheit ber 'Slad^i bc^iel^en fic^ aud^ bic ©teilen ^o 16, 15: „SlDeS, ttwis
ber äJatcr l;at, ift mein", ^o 17, 10, folüie bie ^räbitate ^err, Äönig u. f. lo.
Über bic ©c^ioicrigteitcn, mclct^e für ben ©ocinianiSmuS an^ ben ©teilen fic^ p
gabcn, tuo Gl^riftuS als j)räc5iftcntcS SKcfen erfc^eint unb morauS man auf feine 6h)i9'
reit, folglid; auf feine ©ott^eit, einen ©c^Iufe ^og, J;alf er [xd) jiemlid^ leicht ^intocg;
50 nirgcnbS frcilid; jcigt feine lünftclnbe (£?cgefe fid? in grellerem iJic^te als ^ier. 3Bcnn
CS Reifet: im Stnfange tüar baS 2öort, — fo loill baS fagen, am anfange beS ßtwn*
gcliumS, baS eben burc^ ben SluSbruc! ,,2Bort" bcjcic^net hjirb, gemäfe ber SRegcl, toomi^
in ber ©d^rift baS 2Bort „Slnfang" auf bie bc^anbclte 3)Jaterie bejogen toirb (^o 15,27;
IG, 1; %& 11, 15). 2)a nun in ^o 1, 1 baS (Sijangclium, beffen Sefc^retbuna So^annc^
66 übernommen, bic subjecta materia ift, fo l^at er ol^ne 3^^^f^I ""^^ ^^"^ Sporte „An-
fang" ben Slnfang bcS (SDangcliumS ^o^anniS ijcrftanben (Cat. qu. 104). SBenn ferner
gelehrt ioirb, bafe burd) baS JiJort ober burd; G^riftum 3llleS gemacht, gefc^affen toorben
{^0 1, 3; ^lol 1, HO, fo tüirb baS äBort „5lllcS" md) berfelben SRegel toieber auf bie
subjecta materia bc.^ogcn unb mufe nun alleS baS bebeuten, h)aS jum (StKingelium ße-
tio ^ört; bemnad; locrben jene SluSfprüc^c 'oon ber fittlic^en 9Jeufc^öJ)fung beS G^riftentum^
Socin 475
öcrftanbcn. 3)ie ©tcHc 3io 1, 10, toonac^ huxd) ba« SBort bic SBelt gcmad^t ift, tann
nad) bcm ©ociniantemu^ auf xtocicrlci 3lrt ouggclegt tocrbcn; enttueber fo, bafe baö
menfc^Uc^e ©efc^Icd^t burc^ G^rtftum neu gcbilbct unb glcid^jam tutcbcr gcfc^affcn Sorben
(reformatum et quasi denuo factum), ober fo, bafe jene Unfterblicllcit, bie toir er^
tparten, burc^ ßl^rtftum ju ftanbe gebracht jet, — hjonac^ ber Slu^brudE „SBcIt" im ß
Sinne bon julünftiger SBclt, futurum seculum, genommen h)irb (Cat. qu. 127—131).
So mufe and) bie SteHe §br 1, 2, ®ott Ij^abe burci(i ßbriftum bie al(bvag gefc^affen, ben
Sinn geben, bafe 6lj;riftu« burd^ feine Sluferftel^ung Srbe atter 2)inge geh)orben ift; bie
alcüveg bejiel^en [\d) nämlic^ auf bie 3"'""f^ ^- ^- ^"f *^i^ ^"^^ G^riftum eingeführte
l^ö^ere SBeltorbnung (Cat. qu. 134). — 9lun aber fd^ien ber Segriff ber SKenfc^toerbung lo
felbft auf eine ^räepftenj G^rifti ju führen. ®a^er h^erben alle barauf be^üglid^en
Stellen anber^ gchjenbet; bag 6 loyog oäg^ iySveio Qo 1, 14) befagt nur, ba| ber«
jenige, burc^ ben ®ott feinen SBillen geoffenbart ^at, unb ber be^^lb toon 3«>i^önne^
„aSäort" genannt loorben, aDem menfc^Iici(ien SIenbe unb bem 5Cobe unterworfen getuefen;
^Icifc^ bebeutet ^icr ba^felbe loie in ©en 6, 3; 1 ^^Pt 1, 24, unb iyeveio f)at ni6)t bie i6
Sebeutung be« SKerbeng, fonbem be^ Sein«, toie in ^o 1, 6 unb Sc 24, 19 (Cat. qu.
144. 145). gn ber St. $^i 2, 6 fönne göttlid^e ©eftalt nic^t fo biel fein, aU göttlic^fc
9Jatur, ba e« ijÄ^t, baft G^riftu« berfelben fic^ entäufeerte, toä^renb boc^ ®ott fxq feiner
DJatur nic^t entäufeern fann. Änec^tögeftalt bebeute auc^ nid^t bie menfdjflic^e 9latur an
fic^, fonbem einen befonberen 3wf^^"*> ^^^ ^Kenfdjfcn; bemnad^ fei ber Sinn ber SteHe 20
biefer, bafe ßl^riftuö, ber in ber SKelt gleic^h)ie ®ott bie SBerle ®otte« Derrid^tete, unb
bem, gleid^tuie ®otte, alle« untert^an toax, unb bem göttlid^e Slnbetung bargebrac^t tourbe,
al« ein Änec^t unb SHatoe geworben ift, al« ein ganj vulgärer SRenfd^, ba er freiwillig
fic^ ergreifen, binben, geißeln unb töten liefe (Cat. qu. 147—149) u. f. f.
au« ben SteHen 30 3, 13. 31; 6, 36. 62; 16, 28 folgert ber Sociniani«mu« eine 25
zeitweilige Sierfe^ung G^rifti in ben ^immel. Gr fott nämlic^ furj bor bem Antritte
feine« Sel^ramte« auf Wunberbare 3Beife in ben §immel entrürft toorben fein, um l^ier
bon ®ott in eigener ^JJerfon in ben 2ßa^rl^eitcn be« Gl^riftentum« Unterrid^t ju emjjfangen.
3)er Cat. qu. 194 berü()rt bie Sac^e fe^r furj unb fü^rt nur jene Sc^riftgeugniffe bafür
an. 6inge$enber ^anbelt Socin in ber Brevissima institutio p. 675 bon biefem 30
raptus in coelum. 2luc^ $aulu« fei in ben britten §imme( entrüdtt toorben unb ^abe
bafclbft unau«f})rec^Iic^e SEBorte gehört, Warum nic^t aud^ Gl^riftu«? CS« fei möglich, bafe
biefc ©egenWart im §immcl unförjjerlid^ War; Wa^rfcbeinlic^ jebodji fei Gl^riftu« nic^t
blofe bem ®eifte, fonbem auc^ bem £eibe nac^ bafelbft geWefen, — Wie benn aud^ 9Jlofe,
t>or 33eröffcntlid^unp be« ®efe$e«, 40 %aQt lang auf bem Serge Sinai mit ®ott Don 35
^Ingeftc^t ju 3lngefid(|t Derfc^rte unb bon i^m Unterricht über ba« ®efe^ emj)fing. SKie
3Kofe« äntittoj)u« G^rifti, fo ift Sinai äntitVJ)u« be« ^immcl«.
3ur Sc9riftbeWei«fül^mng Wiber bie ®ott^eit Gbrifti gefeilt ber Sociniani«mu« feine
SSerfuc^e ^ur GrWeifung ilj^rer SemunftWibrigfeit. 3(1« J)ofttit)e 33eWeife berfelben l^ebt
ber Cat. Rac. u. a. IfjerDor: 1. ^\m abfolut Derfc^iebene Subftan^en lönnen unter feiner 40
Sebin^ung in Giner $erfon jufammengel^en. Weil Sterblic^Ieit unb Unfterblic^feit, SSer^
änberltd^teit unb Unberänberlid^Icit burd^au« nic^t in berfelben ^crfon bereinigt fein
fönnen, unb Weil bann ftatt einer jWei ^erfonen ^erau«Iämen, Wir alfo ^Wei G^riftu«
anzunehmen l^ätten (qu. 98). 2. Soll bie Union ber beiben 9?aturen eine unjertrennlid^e
fein, bann lonnte Gl^riftu« unmöglid(i fterben, ba ber 3:ob eine 3:rennung borau«fc$t ; 46
benn Wie lonnte ber Rör^)er G^rifti tot fein, Wenn bie ©ottl^eit mit i^m bereinigt blieb?
3. äl« §ö^ej)unft ber 9SemunftWibrigfeit erfc^ien ben Socinianem bie communicatio
idiomatum be« lutl^erifc^en Se^rbcgriffe«. SBon^ogen meinte mit 33ejug auf bie Ubi^
quität be« Seibe« G^rifti, bafe nac^ biefer Seigre G^riftu«, nad^bem er fc^on bon feiner
SMutter geboren Worben, ftc^ boc^ nod? im uterus berfelben befunbcn ^be (Declaratio so
duarum contrariarum sententiar., in ber Bibl. Fr. Pol. V, c. 17).
3)oc^ begnügt ber Sociniani«mu« \xd) nid(|t, G^riftum al« blofecn SRenfc^en ju be^
Rubeln. 35a er benn boc^ an ber Schrift feft^ält, fo tann er nxd)i umlj^in, G^riftum
über bie Sinie ber 3Kenfd^^eit ju ftellcn. Der iStat bemeint e« entf trieben, bafe ^c\u^
ein 3Kenfc^ geWefen fei Wie alle anberen ^3)lenfc^cn, ein purus et vulgaris homo. 55
Dftorobt brüdt ba« fo an^, bafe G^riftu« etwa« me^r War benn alle anbere 3)lenf4)en.
3)iefe« „me^r" begießt fic^ nicbt auf ba« SBefen, fonbem auf bie Gigenfc^aften be«
aSefen«. G^riftu« ^at nämlic^ gcwiffc i^or;;üge bor allen anberen 3)lenfc^en. G« ift
t)^^fif(^ anber« erzeugt al« alle anberen 3Renfc^en, b. f}, ohne ^wtlf^un be« 9Kanne«, wobei
borau«gefe^t wirb, bafe ®ott ben bcfruc^tenben männlidj^en Samen auf Wunberbare 3Beife go
476 Sms
gcfd^affcn l^abc (Cat. Rac. qu. 9G; Soctn, Breviss. inst. p. 654»; Cjbrobt, Untere
rid^t Ä. fi, S. 18 2c.). äufecr bicfcm Jj^tofifc^cn ^t (^frifUi^ einen moTalif(^ 3?otju|H
tjor aüen anbeten Slenfc^en, nämlidSf ben ber tjoDfommenen ^eiliflfeit unb @ered»tig!ett
unb ber barau^ fu^ ergebenben ä^nlic^feit mit ©Ott. 6in bntterSor^g S^nftt tfl ber
6 ber Wac^t. Me Singe fmb i^m unterworfen; h)ie Die i^errf(^ft be^ iRenfc^ über
bie (Srbe ba^ Qbenbilb @otte^ in i^m lonftituiert, fo bie t)on ®ott G^fto übertragene
Wac^t beffen ©ott^eit. 3nfofem Reifet er Um^r^ftiger ©Ott 1 ^o 5, 20 (Cat qu. 120).
Sofern G^fto in biefem Sinne ©ott^eit ^ugef^rieben tourbe, forbert ber eodnionidmu^
für i^n göttliche SJere^rung. G« gab eine Partei unter ben Unttariem, toelc^e übrifto,
10 lüeil er nic^t eigentlich ©Ott fei, bie göttliche SSere^rung toertoeigerten. SBie fc^on Socin
um be^n)i(Ien ben $ü^er biefer 9{onaboranten)>artei aU bed c^ri^tc^ 9tamen^ untoürbtg
bejeidjinet ^atte, fo erflärte auc^ berÄat. biejenigen, qui Christum non inTocant nee
adorandum censent, für Unc^riften, ba fie in ber Zfyit ßbriftum nic^t ^tten (Pror-
sus Don esse christianos sentio, quia reipsa Christum non habeant, qu. 246).
15 35ie Rauptet biefer ^artei loaren ^alob 5PaIäoIogu«, 3o^. Sommer, üKatt^u^ ©liriu^,
granj 3)at)ibig, (S^riftian granfen. Socin befämt3fte bie beiben legten in 35i^utationcn,
ben erften 1578 unb 1579, ben jtoeiten am 14. SKärj 1584, unb gab bie Ser^blungcn
im 3)ruc!e ^erau^; fie finben \id) in ber Bibl. Fr. Pol. Vol. II. ©egenüber ibrem
S^ttogi^mu«^: „Xk Anbetung gebührt allein ©ott, ßl^riftu« ift nic^t ©Ott, olfo barf er
20 auc^ nic^t angebetet toerben", Werben focinianifc^erfeit« bie Stellen in^ gelb gefübrt, too
bie ©laubigen aufgeforbert Würben, ben So^n ju e^ren. Wie fie ben 3Sater e^rcn: 3o5,
22.32; 5ß^i2,9— 11; ^o 14, 13; 15, 16; 16,23—26; ^br4, 14 k. (Cat. qu. 239— 243).
2)iefe göttliche Sere^runa G^rifti fei feine äJerlefeung be« ©ebote«, ©ott allein anzubeten.
3Denn alle G^rifto bargebrac^te Serc^rung gereiche jur G^c bed 3Sater« (in Dei Patris
•jögloriam redundat, Cat. qu. 244); ba« ©ebot, feine fremben ©ötter ju ^aben, gelte
|ier nic^t, ba G^riftu^ fein frember ©ott ift, fonbem bie 93ere^rung, bie Wir i^m bar-
bringen, ber bc^ aiJater^ untergeorbnet ift. ©ott Werbe bere^rt aU erfte Urfac^e unferc^
§eile^, jener aU bie ;\Weite; biefer al^ bcrjcnigc, au^ bem äUed, Gbriftu« ali berjenige,
burc^ welchen aiBc^ ift (Cat. qu. 245).
90 1. 3)er focinianifc^en Se^rc bon Gl^rijti SBcrf gebü^ ein befonberer Slbfc^nitt.
3)er Äcm beffen, tva^ Gl^riftu^ jum §eile ber -iKenfc^beit gcWirft, brängt ftdjf für ben
Soctniani^muö in fein })ro))^etifc^c^ unb föniglici(ie^ Slmt jufammen. 3)0^ bohc=
pricftcrlic^e Slmt ift nur ein 3tccibenj be^ föniglic^en, unb Wirb nic^t Wegen feiner eigen-
tümlid^en Sebcutung, fonbem nur ber trabitioneHen ©eWo^nbeit ^ulieb mitbe^nbclt
86 (Cat. qu. 191). 3" feinem i^ropl^etifc^cn Slmtc Würbe G^riftu« burc^ jenen Unterricht,
ben er im §immcT crl^alten, befäl^igt. 2)er gnl^alt ber burc^ i^n un^ mitgeteilten Offen-
barung ift Wcfentlid? ©efc^, beffen ^Wei ^eftanbteilc ©ebote unb SSer^eifeungen finb
(praecepta et promissiones ; togl. oben). Stufeer bem neubeftätigten unb burd^ bielc
neue SBorfd^riften erweiterten 3Koralgefe^e be^ Sllten 33unbe^ lj;at Gbriftu^ auc^ ein eigen-;
40 tüutlic^ee Gcrcmonialgebot gegeben, nämlic^ ba^ ^l. 2lbenbma^l. 35er !^at gicbt auf
bie S^agc 333, „Weld^c^ fmb bie gemeinhin fog. Geremonialgebote G^rifti:!;" bie Slnttoort:
„cö giebt nur cine^, nämlic^ baö 'BJal^l bc^ ^erm". ©a^er berfelbe Äat. ba« äbenb^
maf^l iJoranftcUt unb crft nac^^er bie 2:aufe berül^ret. Diefe Drbnung ift in ber Stu^abe
Don 1684 umgcfebrt, unb ftatt bafe baö 3lbenbma^l ba« einzige Geremoniatgebot genannt
15 wirb, finbet fid; l)icr bie 2lntWort, bafe „in ber Sirene G^rifti immer jWei äufeerlicl^c
rcligiöfc Blüten im ©ebraucf^c geWcfcn finb, nämlid^ 2:aufe unb ©rechen be« Srote^/'
2luf beibc 3lfte, ben be« Untertauchen« in ber 'Xaufe unb ben be« Srotbrec^en« beim
2lbenbma^( Wirb ibrc« ft;mbolifc^en Sinne« Wegen ber ftärffte 9Jac^brud gelegt. 3Ba^
bie Se^rc Dom !:Ubcnbmal?l. betrifft, fo Wirb gleic^erWeifc bie fat^olif^e, lutberifc^e unb
M) ca(oinifd;e DerWorfcn. atl^nlid) Wie bei ^Wingli rebujiert ftc^ alle« auf eine blo^e ßr-
innerung an ben Xob Cl)rifti (commemoratio mortis Chr.); babei Wirb ber 3lamc
Safranient für biefc Geremonie al« unftatt^aft abgelel^nt (Cat. qu. 334—338; ^^•
Dftorobt, i^ölfc( :c.). — 2)a«felbc gilt für bie iaufe, Don ber obenbrein be^uj)tet trirb,
fie fei gar nid;t al« Geremonie Don bleibenber ©iltigfeit, fonbem nur für bie erften ^Ätm
55 be« Gbriftentum« cingefe^t Worben. Sie ift ihrer urfjjrünglic^en 93ebeutung nat^ nickte
al« ein äufjerlic^ier ')(itu«, Woburd^ biejenigen, Weld;e Dom ^wbentum ober Dom Jpeibentum
^ur d;riftUd;cn 3{eligion fid) Wenbeten, öffentlich befannten, bafe fie G^riftum al« t^ten
^crrn anerfanntcn (Cat. qu. olfJ); bie i)eflaration eine« inneren SSorgange« berSBiebct-
gcburt, bie mit bem finnlicben Glemente in feinem 3iaj)>)ort fte^t. 3)a^er bebürfen bie
60 im Sd;o^c ber d;riftlic^en ftird;e ©eborenen ber I^uf e nic^t ; bieSBorte: „Wer ba glaubt
Soctti 477
unb getauft toirb, ber h)irb fclig toerbcn" ftnb tjon ber Sufee ju Dcrfte^cn, meiere bic
©cclc rein toäfd^t unb be^to^gen bie ajer^ctfeung be« ch)i0en ficbenö f^at. gür bie Äinber
ift biefer SHttug auf feine SBeife beftimmt, ba bic ©c^rift hierfür lein ®ebot unb lein
Seifpicl gicbt, unb ba bic Äinber, h)ie \id) öon felbft Dcrftel^t, nic^t fä^ig finb, (S^riftum
al^ il^ren §erm anjjuerlcnnen; obenbrein feien nac^ 1 Äo 7, 14 bie Äinber c^riftlic^er ß
ßltem fd^on o^ne^in beilig. 3"*^^ff^" f^i ^i<^ Äinbertaufe, toenn auc^ ein Irrtum, bod^
nic^t ©ünbc (Cat. 1. c). 35icfe 3luffaffung ber 3:aufc ^atte, fotoeit ftc ber lonfequenteren
tpiebertäuferifd^en entgegenftanb, 9Mü^c, burc^^ubringen ; ftc erlangte 1603 ben Sieg auf
einer (B\)noU Don SRafoto. 3n ben fj)äteren ausgaben be« Äatec^ilmu^ iüurbe gelehrt,
bafe bic 3^aufe auf Äinber angetoenbet jtDar feinen ©inn habe, man aber bic Äinbcr= lo
taufe, aU uralten (Sebraud^ ber Äirc^e, nid^t abfolut Derbammen bürfe.
3)a^ ßl^riftentum l^at aber nic^t blofe ©ebote, fonbem auc^ ^Ber^ctftungcn. 35iefc
fxnb 1. ba^ eh)ige Seben, eine bem 31% eigentümliche, bem 312 aber unbefanntc 3Ser-
^eifeung; benn nur ein §offen auf etoige^ §eil olj^ne göttlichen aier^eifeung^runb fanb
bei ben altteftamentlid(ien frommen ftatt (Cat. qu. 352. 355). 2. 3)er l^eilige ®eift, i6
ber nic^t aU $erfon gu benfen ift, fonbem lebiglic^ ate Äraft ober, SiJirffamfcit (Sottet,
bic Don biefem auf bie 3Menfc^en übergebt. 6^ giebt eine bo^^cltc äufeerung be^ ^eiligen
©eifte^, eine temporäre, in ben erften Seiten ber Äirc^e, in bie Slugcn fattcnb, beftel^enb
in ben aSJunbergaben, gum Schüfe ber Sefeftigung be^ ßj^riftentum«. 3(1^ biefer S^e^
encid^t toax, ^örte fic auf unb e« trat bie jtüeite 3lrt ber 2lu^erung ein, bic nic^t in bic 20
atugen faDenbe. 3!)iefe ift teite objcftito, teifö fubjeftit), b. 1^. fic ift teitö ber ©eift ber
Offenbarung (spiritus revelationis), ber mit bem ßtoangclium ;\ufammenfäDt, tcil^ bie
in ben ^erjen ber ©laubigen getoirfte ©ctoifel^eit ber ctoigen ©etiglEcit.
3n ben Sercic^ be« }3rop^etifd;cn Sfmte« Gl^fti gel^ört ferner fein 3:ob, unb ba^
ift eben bie tocfentlicljc 93ebeutung be^felben. 3)er ^npali ber neuen Offenbarung beburftc 25
einer Seftcgclung; biefe gefc^ie^t auf breifad^e SBcife, burc^ G^rifti ©ünbloftgfeit unb
^eilige« Seben, burc^ feine ffiunber, burc^ feinen 2ob. 3!)arauf toirb bie ©teile 1 ^0
5, 8 belogen: brei ftnb bic ba jeugen auf Srben, ©eift, SBaffer unb 93lut; ber ©eift
iüirft SBunber, ba« Söaffcr bebeutet bie SRcin^eit be« Seben«, ba« Slut ben 3:ob (Cat.
qu. 374); ba« §au)3tgch?ic^t in jenem ©efc^äftc ber Scftcgelung toirb aber auf benS^obao
gelegt. 2)ie fati«faftorifc^e ©eltung be«felben al« einer Seiftung be« $o^en})riefteramte«
G^rifti tüirb, mit DicIfadS^cn Slnflängcn an ba« Stäfonnement ber fcotiftifc^en ©c^olaftifer,
nac^brürflici(i beftritten (godt II, 615ff.; Sitfc^l I, 316 ff.: i^amacf III, 717f.). 5Wur
al« Seftätigung be« bur^ \f)n pxopi}^ti](i) Dcrfünbigten aJJiuen« ©otte« toar ber SLob bc«
^erm nottoenbig j\um §eil ber SKenfc^en. 33eftätigcn aber mu^te er ©otte« §eil«h)illen 35
in bo}3j)cIter ffieife: juerft fo, bafe er un« ber großen Siebe ©otte« tocrfic^erte, toermöge
tDcIc^er biefer un« fc^enfen toiH, ma« er im 9t. 93unb Der^eifet Qo 3, 16; 9lö 5, 8 2c.);
fobann fo, bafe toir burc^ bie Slufcrftcl^ung G^rifti, toclc^e nottoenbig ben lob toorau«^
fe^t, unferer eigenen 2luferfte^ung unb be« etüigcn Seben« Derfid^ert tuerben, unter ber
Sebingung, bafe W\x ben ©eboten be« $erm ^cfu ©e^orfam Iciften. ^enn baburc^ h)irb 40
un« gegeigt, bafe bieienigen, bie ©ott ge^ord^cn, au« jebcr 2lrt be« 3:obe« erlöft h)crben,
unb ba| G^riftu« biejenigc 2Kad(|t erlangt ^at, toermöge toeld^er er benen, bie ilf^m golgc
leiften, ba« eh)igc Seben geben fann. §terau« folgt, bafe unfer §eil eigentlich me^ bon
ber äuferfte^ung G^rifti al« üon feinem 3:obe abfängt; fc^reibt bie ©c^rift e« nic^t«s
beftotoeniger bem lobe G^rifti gu, fo fommt bie« bal^er, bafe ber lob ber Uebergang jur 45
2luferfte^ung \vax, unb baft Dorgüglic^ ber lob Gl^rifti un« bic Siebe ©otte« bor 3lugen
ftettt ( Cat. qu. 386. 387). 3Öie benn ©ocin G^rifti 2luferftel?ung gerabeju caput et
tanquam fundamentum totius fidei et salutis nöstrae in Christi persona nennt
(gemäfe 1 Äo 15, 14ff.). a)ie 3luffaffung be« 3:obe« al« einer ©cnugt^uung für unfere
©ünben beftreitet ber ©ociniani«mu« al« falfc^, inig unb tocrbcrblic^ unter Beibringung 50
ja^lreic^er Slr^umcnte au« ©d(irift unb Semunft (Cat. qu. 388—414).
2)a« föniglic^e ätmt Gl^rifti befte^t barin, bafe ber Don ben loten Slufcrtoecfte unb
in ben $immcl atufgenommene jur Siechten ©otte« ft^t, bafe i^m alle ©etoalt im
§immel unb auf Grben übergeben ift, ba^ alle feine geinbe i^m ju güfeen gelegt ftnb,
fo bafe er bie ©einen regieren, fc^ü^cn unb in Gtüigfcit betua^ren fann. G^riftu« ift nun 55
gch)iffermafeen ©tattl^alter ©otte«. 9luf bie grage: toa« Reifet e«, jur Siedeten ©otte«
fi|cn? giebt ber Cat. qu. 472 bie älnttoort: an feiner ©teHe regieren, vices Dei ge-
rere; bodjf ift biefer 3lu«brudf in beraiu«gabe Don 1684 au«gelaffcn toorben. 35ie fönig^
Itdj^e §errfc^aft Gl^rifti ift, h)ie Oftorobt bcmerft, „bie Dorne^mfte Urfac^e, unt tuclc^er
toiJDlen er unfer $etlanb, unb ©ott unb ©otte« ©o^n tft unb genennet toirb''. ©ie boQs eo
478 Soctn
mbct fxd) barin, bafe 6^ri[tu^ bic ©einen tüicber in bag fieben ruft unb i^nen llnfter6=
lic^Ieit f^enlt, bafe er über^auj)t al^ SRid^ter über Die Sebenbigen unb bie 2üten iebem
md) feinen Söerlen vergelten toirb. 3)ie Sr^ö^ung ßbrifti unb fomit auc^ fein löniglic^e«
ämt beginnt nic^t mit ber äuferftc^ung, fonbem crft mit ber äuffal^rt, ba er ben t)er-
5 Härten Seib empfing unb jur Siedeten be^ SSatcr^ ftd^ fe^te. 3)er ©ociniani^mu^ nä^c
anfangt and) c^iliaftifc^c 3been; burc^ ben ©influfe Socin^, ber fte fc^riftlic^ belämjjfte,
gcfic^a^ e«, bafe fte toenigftcn^ t)on ben bebeutenbcren focinianifc^en Il^cologcn nic^t t)or=
getragen tourben, h)ic bcnn auc^ im Äat. feine Bpux babon fic^ finbet.
3)a« ^ol^e^)riefterlic^e 2lmt l^ängt mit bem löniglic^en enge jufammen. SSermögc
10 biefe^ le^teren fann ßl^riftu^ ung in allen 9Jötcn ^u Äilfc lommen ; bermöge jenc^ erfteren
to'iil er ung ju $ilfc fommen unb fommt ung h)irfli4 J^u §ilfe, unb biefe 2lrt feiner
§ilfelciftung ^eipt (figürlich) fein Dj)fer. 3)cmnac^ ift ba^ l^ol^ej)ricfterlici^e 2lmt nur
fubjcltit) t)om löniglic^cn berfc^ieben, nur beffcn boHe SBirllic^feit. 3)ie Urfac^e, toarum
ßbrifti l^ol^ej)rieftcrlic^e« Dj)fer erft im §immcl gebracht tpirb, ift, ba^ e« ein Xabemafel
15 erforberte angemeffen ber Sefc^affenl^eit be« §ol^enj)riefterg. ©o lange ß^riftu^ auf ßrben
toax, toar er noc^ nic^t §o^er})riefter, nad^ $ebr 8, 4; 7, 26 k.
5. S)ag foteriologifc^e Se^rgebict jeigt, cntf^red^enb ben bargelegten antf^xopo-
logifc^en unb d^riftologifc^en ^Ißrämiffen, eine mcfentlic^ j)clagianif(^e ©eftalt. 2)em SWenfc^en
toirb ®otte« SBiHe funbget^an mit feinen Ser^eifeungen ; barauf folgt bic SBUIcn^
20 beftimmung be« 3Renfc^cn, bem göttlichen ©efe^e ©el^orfam ^u leiften ; barauf crgicbt
ftd^ bie innere SSerftegelung ber äufeerli^ bemommenen 3Serl^ci^ung, tüorin fic^ bic gött-
liche Unterftü^ung boHcnbet. 3" cinjelnen bcfonberen Ratten tritt, na^ ©ocin^ Slnft^t,
ein unmittelbare^ (gingreifen in bie ©elbftbcftimmung be« SJlenfc^en ein. 2)a« ©chjö^n-
lic^e aber ift ber angegebene, bie tücfentlicl^e Autonomie be« menfc^lic^en SBittcn^ borau^
25 fe^enbe ^rojefe.
3)ie ^Rechtfertigung burc^ ben ©lauben mirb gelehrt, aber freilid^ mit ftarfen Stb^
tücicl^ungen bom ortJ^oboj-cbangelifc^en fiel^rbegriffe. 35er ©laube entl^ält in ftd^ brci
SJlomente: 1. ben 2lffenfug, tüobur^ iüir ^^fw S^^c aU \üa\)x belcnnen; biefcr (Slaubc
bringt nic^t notmcnbig ba^ §eil; 2. bag 2^crtrauen auf ®ott burc^ ßl^riftum, h)a« auc^
30 bag Vertrauen auf 6|riftum in fic^ enthält ; baran rei^t ftd^ 3. ber ©el^orfam gegen
®ottc^ ©cbote. 6rft fofem ber®laube audj^ bie^ lefttere leiftet, bringt er baö §cil unb
ift rec^tfertigenb (Cat. qu. 416—421). 2)er Segriff ber ^Rechtfertigung mirb junäcbft
fo gefaxt, mie bei ben 9lcformatorcn im ©egenfa^e gu ber lat^olifc^cn Scftimmung.
Justificatio est, cum nos Deus pro iustis habet, quod ea ratione facit, cum
35 nobis et peccata remittit et nos vita aeterna donat (Cat. qu. 453 ; bgl. ©ocin^
Praelectt. c. 15 unb Tr. de iustificat., Opp. I, p. 602). SlDein ba« ©ered^tge^altcn=
ober sgefprod^enmcrbcn um Gl^rifti miHen l^at bei ben ©ocinianern, tbcil i^nen bcrSati^^
faltion^begriff in ber (Srlöfunggle^rc fe^lt, einen tvefentlic^ anbercn ©inn ate bei ben
übrigen cbangclifc^cn Äird^engemeinfd^aften. „©Ott ber^eil^t un« auc^ fc^on o^ne blutigen
40 Dpfertob ß^rifti, au« Siebe, unb ß^riftu« fül^rt un« nur gu i^m l^in" k. 3)er ©laubc
toirtt unfere ^Rechtfertigung toefentlic^ nur, fofem er ©el^orfam gegen ß^rifti ©ebote unb
Vertrauen auf Ser^ei^ung be« eh)igen Seben« ift. S^ie Üöerfe finb ba« eigcntlid^ ^)iec^t^
fertigenbe; bafe fie immer unbotlfommen finb, mac^t bie Slecl^tfertigung nicf)t unmöglich,
g« fommt auf ba« 33cftreben an, (S^rifto ge^orfam fein ju tooHen, auf ba« im ©eiftc
45 SBanbcln, nid^t nad) bem glcifd^e. 3)ie ^"^^^"""Ö ^^"^ fremben ©ered^tigfcit ift
nid^t biblifc^ begrünbct; ba« ©rgreifen ber ©erec^tigfeit ß^rifti ift ein menfc^lic^e« günb=
lein 2c.
(). Die Se^re bon ber Äirc^e bietet manche äl^nlicl^leit mit ber ebangclifc^cn,
befonbcr« in iljrer reformierten gaffung. 35er Cat. qu. 488 ff . erörtert in J)roteftantifc^cr
50 JiJcife ben Unterfc^ieb ber fic^tbarcn unb ber unfic^tbaren itird^e. 211« Äennjeic^en ber
maljren Äirc^e loirb bic gefunbc Seigre angegeben ; bie fid^tbare Äirc^e ift „coetus eorum
hominum, qui doctrinam salutarem tenent et profitentur." 2llfo ein cinfeitig
boftrinärcr Äirdbcnbegriff! 3)ie ^ird^e gilt ben ©ocinianern al« ein« mit ber Bd^nU
magrer ©otte«ertcnntni«. „Der ©ociniani«mu« ^at in ber gangen 3^^^ \^xnt^ Sefte^cn«
55 h)efent(iA bic^orm einer t^eologtfd^cn Slfabemic befcffen" (§arnad ©.722, 91. 1).— Setreff«
be« Sird^cnregiment« (Cat. qu. 491—508) mirb bon bem ©runbfa^e au«gegangen, bafe
ba«fclbc bom li^ltlid^en 9legimcntc forgfältig j^u untcrfd^cibcn fei. 35a« Äirc^enregimcnt
ift infofcrn monarcl)ifcl), al« ß^riftu« ber König, ba« ipaupt ber Jlird^e ift, aber unter
i^m finb alle gleid^; alle ftc^cn gu i^m in bcmfelbcn i>er^ältniffe unb l^aben bicfclben
CO Jlcd^te. 2)a« öebürfni« ber ©emeinfd^aft ruft nun berfd^icbenc fird^lic^e Ämter ^erbor, bie
Socin 479
aber immer ber ©emdnfc^aft untergeorbnet bleiben. 6ö tverben breierlei Stmtcr unters
fc^ieben: ^ajtoren, Sältefte, S)iaIonen; bie erften bertpalten ba« Se^ramt, bie jmeiten be^
faffen ftc^ mit ber allgemeinen Seitung ber ©emeinbe unb mit ©c^licl^tung bon ©treitig^
leiten; ben,2)iaIonen lommt bie ginanjijertüaltunö, bie Strmem, SBittoens unb aBaifenj^flege
;\u. Xk älteften unb 35iaIonen hjerben bon ber ®emeinbe getpä^It, bie ©eiftlic^en ober 6
^aftoren bon ber ©^^nobe. 3)ie Vertreter ber brei genannten ämter bilben bereinigt ben
58orftanb jeber ®emeinbe, beren 3Ser{ammIung bi^toeilen für bie Äirc^engud^t unb ben
ginanjftanb l^erbeigejogen toirb. 3)ie l^öcl^fte unb Ie|tc Snftanj für fircl^lic^e Slngelegen«
Reiten bilbet bie allgemeine ©^nobe, beftepenb au« ben SSorftänben ber einzelnen ©e-
meinben. — Der ©ociniani^mu« ^ält ftreng auf ftird;enjuc^t (Cat. qu. 509— 521). ©ic lo
ift il^m eine boJ)j)elte, fofem fie teitö bon aÖenß^riften geübt toirb, teil« bon benjenigen
^erfonen, bie ber ©emeinbe borftel^en; femer toirb fx^ teil« al« Jjribate, teil« al« öffent^
Ixd^c au«geübt, je nac^bem bie SBergel^ungen jur öffentlichen Äunbe gelangt fmb ober nic^t.
2)ie öjfentlid^e Äircl^enjuc^t befte^t „verbis, oratione et facto", b. f), junäc^ft au« einer
öffentlicl^en ©rma^nung unb 3w^^^th)eifung (1 %i 5, 20 ; 2 3:i 2, 6), fobann au« 2lu«* 15
fc^liefeung bon bem Umgange, enblic^ au« ©Efommunifation (1 Äo 5, 11; 2 2M# 6ff-;
5)it 18, 17). 3*^^* ^P ^^^ Sefjerung ber fo ©eftraften; tüenn fie fic^ beffern, Serben
fie iüieber aufgenommen. S)ie ©etbalt ju binben unb ju löfen, bie ber $err ber Äirc^e
gegeben, ift bie erflärung nac^ bem SBorte ©otte«, tbcr tbürbig fei, toer nic^t, SJlitglieb
ber Äird^e gu fein. — 9Kit löblicher ©orgfalt tourbe ber ©runbfa^ feftgel^alten, bafe ft^ 20
ber Biaai in bie Jtirc^enjud^t nic^t 5U mifc^en l^abe. 3)er ©taat foute überl^au^t bie
§äretifer nic^t mit bürgcrli^en ©trafen belegen; bie ©ocinianer l^atten ein na^e liegen«
be« ^"tereffe, biefen ©runbfa^ auf^ufteHen, ber fo oft gegen fie beriefet tüorben mar.
3)amit berbanb fic^ anbererfeit« bie ftrengftc Untertoürfigleit unter bie njeltlid^e Dbrigfeit.
©ocin berbammte fc^led^t^in aßen altiben SBiberftanb gegen biefelbe, felbft h)o er ben 25
©c^u^ ber religiöfen Überzeugung betraf; ba|^er erfd^ienen il^m bie ÄämlJ)fe ber ^rotc«
ftanten in fjranlreici^ unb in §olIanb für il^rc religiöfe ^^ei^eit al« frebel^afte äufs
le^nung. 2)er ß^rift ift alfo berflic^tct, alle« \\x leiben, tt>a« bie toeltlic^e Dbrigleit über
i^n ber^ängt; aber t^ätigen ©e^orfam i^r ju leiften ift er nur in ben fällen bert)flic^tet,
n)o bie ©ebote bem SBorte ©otte« nic^t toiberftreiten. 2)er ©runbfa^, lieber Unrecht 30
leiben al« Unred^t t^un, toirb auc^ auf bie ^ribatberl^ältniffe angetoenbet; man foH nur
in bringenben gäHen ein ©cmeinbeglieb bot ber it>eltlic^en ®eric^t«barfcit bcrfolgen; auc^
auf ben Ärieg mirb jener ©runbfafe angetoenbet, unb ber Jlrieg«bienft bertüorfen, bo4
mit einer gemiffen 3)Jobififation. ^0 tüie e« erlaubt ift, SBaffen bei fid^ ju tragen, um
bie Släuber bon fxd) abju^alten, fo barf man auc^ bem geinbe in Steige unb ©lieb ent= 36
gegenge^en, bie SBaffen gegen i^n fc^tüingen, um i^m gurc^t einzujagen, aber niemal«
bie SKaffen felbft gebrauchen (Socin. ad Palaeolog. p. 81 sq.; ad Eliam Arcissev.
etc. ; bgl. %oi II, ©. 708). — 3n biefelbe Äategorie gehört and) bie ^rage, ob e« bem
ßbriften erlaubt fei, ein obrigleitlic^e« 3lmt ju beileiben, ©ocin unb bie ^Ke^rja^l ber
focinianifc^en 3:^eologen beantworten ftc bejal^enb, unter ber SBebingung, bafe babei bie 40
©ebote G^rifti niemal« übertreten tberben. ^nfofern nun bie Äriminaljuftij unb ber
i^rieg al« ben ©eboten ß^rifti abfolut jutüiberlaufenb angefe^en tpurben, fear baburc^
bie Sefleibung eine« öffentlichen Slmte« jur Unmöglic^Ieit gemacht (^od ©. 709 f.). -—
3m §inblic! einerfeit« auf biefe gefe^lic^ cna^erjige unb meltflüc|)tigc Slic^tung, bie fte
mit ber ©efte 3)lenno« teilten, anbererfeit« auf i^re geleierten Seftrebungen ^at ber ^^ilo« 46
löge 3. Sipftu« über bie ©ocinianer einft aeurteilt: „Sunt docti Menonistae'' (bgl.
bie hierauf bejüglid^e 3lnc!bote bei Slitfc^l, »lec^tf. 2c.', I, 323).
7. 3n ber ©«c^atologie fommen ^aujjtfäc^lic^ ^iüei ^unlte in 35etrac^t. 1. 3)ie
Sluferftel^ung be« »Jleifc^e« mirb al« fold^e aufgegeben, b. i}. al« Sluferftel^ung berjenigen
Seiber, bie tbir auf 6rben gehabt ^aben; toir tperben tool^l toieber Scibcr erl^alten, aber«)
geiftlid^e, toie $aulu« le^rt, 1 Äo 15. S^aburd^ ift bie ^bentität ber ^erfon nic^t in
3meifel gefteHt; benn baju bebarf e« nur ber ©rl^altung ber eigentlichen ©ubftanx be«
ajJenfc^en, unb biefe ift nic^t ber berh)e«lic^e Äör})er, fonbem ber ©eift. 2. 3)ie ©Ott*
lofen nebft bem 3:eufel unb feinen ßngeln toerben ber enblic^en Vernichtung j)rei«gegeben
unb barin befte^t i^re ©träfe. 3)ie ä[u«brüde emiger 2ob, ctoige 93erbammni« ^aben 65
biefen ©inn. ©c^ienen 2lu«f})rüd^e ß^rifti unb ber 2lj)oftel biefer 2luffaf[ung ju tüibers
fj)rec^en, fo be^alfen fic^ bie focinianifq)en Sl^eologen mitSlnnabme bon Slccommobationen
(S^rifti unb beräj)oftel an bie 3eitborfteaungen (bgl. %oi ©.714—721). ©0 fü^rt un«
ba« @nbe be« Se^rbegriffe« an beffen Slnfang jurüc!, mo al« 3h>etf ber c^riftlic^en ^eli«
gion angegeben tourbc, bem fterblic^ erf^affenen SWenfc^en unflerblic^e«, etoige« 3)afein go
480 Socttt (So^tt
5u fid^ern. 2)ic Unftcrblic^feit bcr Seele gel^ört ju ben öom Unitari^mu^ btö in ba^
19. 3a^i'*^""^ert hinein mit iJoKer Gntfc^ieben^ett feftQe^altertert ©lauben^artifcln. 8e=
lannt ift, h)a^ ber fterbenbe ^rieftlc^ (geft. 4. gcbruar 1804) ju ben fein Saget um^
fte^enben ©nleln unb übrigen Slngef^örigcn tröftenb fagte: „3^ fc^lafe jeftt ein, toic
6 auc^ i^r einft ; aber Wir toerben alle bcreinft ju neuem geben aufttjac^en, unb ic^ l^offc
auf eine nimmer enbenbe Seligleit!" (^eraog t) 3örflcr f.
Sobpm f. b. ä. ^aläftina Sb XIV @. 580, ai.
®ol)or f. b. 21. Äabbala 93b IX S. G85,i2ff.
@oI)n, ®eorg, reformierter 2:^eoIog, 1551—1589. — 3o^. eoloin (^rof. in
10 .{)cibelberfl), Oratio de vita et obitu Georgii Sohn, ^eibclberg 1580, abcjcbrurft alo ^onport
in: Opera Gcorgii Sohnii, tom. I, ^crbovn IT)!)!; fie ift bie ©runblagc für: Melchioris
Adami Vitae cruditorum, Francofurti ad Mocnum 170G, p. 296—301; Joh. Tileinanui,
dicti Schenck, Vitae professorum theologiae qiii in academia Marburgensi dociierunt. Mar-
burgi Cattorum 1727, p. 129—140. ^eräcicf)ni« feiner ©diriftcn: ??r. 5S. ©trieber, ®ruub-
15 lofle ^u einer ^^effifctien e)elef)rtcn= unb @c^riftfteacrflefcf)icftte, 15. ©b, ßoffcl 180G, 8. IGT*
bi^ 112; :£). ^eppe, ®c(cl)icftte ber ^cffifdjen ©cneralfijnoben üon 1568—1582, 2 ^be, Gaffel
1847 (I, ©. 119. 168; II, @. 25. 45f. 62. 107. 159—170. 219-221).
®eorg®ol^n, einer ber angefel^enften ^effifc^en X^eologen im IG. 3^ Wunbert, tourbc
am 31. Se^ember 1551 gu Siofebac^ in Cberl^effen ate ber ©o^n cineil lanbgräf liefen
20 35eamten geboren. Sluf ber lateinifd^en ©d^ule m griebberg für bie alabemifc^en ©tubicn
vorbereitet, bejog er im^ö^te 15GG bie Uniberfität SJlarburg, bon ba ging er 1569 nac^
SBittcnberg. ©r ftubierte bie SRed^tgtoiffenfc^aft, trat aber, na^bem er bafelbft 1571
5)lagifter ber freien ftünftc getüorben toar, jur If^eölogie über; feine t^eologifc^en ©tubien
begann er in SKarburg, h)o|in er 1572 ^urürfte^rte. ©eine ungetpöl^nlic^e ©ele^rfamfeit
25 eröffnete i^m fc^on im Sllter Don 23 ^al^xm 1574 bie aufnähme in ben Se^rlöri)er ber
Unibcrfität. 1575 h)arb il^m bie ^rofeffur ber ^ebräifd^en ©J)rac^e mit ber aufläge
übertragen, bafe er nic^t blofe „grammaticalia, fonbern auc^ res ipsas theologicas
trattieren follte". Drei ga^re fpäter, am 9. 3«*^"^^ 1^78, erteilte i^m bie t^cologifc^c
gafultät bie Sürbe eine^ 35ottor^ ber i^eologie.
30 3" ben3o^ten 1578—1582 nal^m©ol^n faft an allen ©eneralf^noben ber J^effifcf^en
Äird^e teil, ällerbing^ griff er in bie J^er^anblungen h)enig ein, aber fein, namcntli*
burd; ben Sanbgrafen aiSil^elm bon 9Jieber^effen, beranlafete^ ©rfd^einen auf ben ©^nobcn
trug boc^ baju bei, ba^ er in bie lonfefftonetlen Äämpfe jener ^tit mitten ^incingeftellt
iüarb. ©ein t^eologifc^er §auptgegner toar fein ÄoIIege 3lgibiu^ §unniu^, ber 157(» (Dgl.
35 S3b VIII ©. 455) au^ SBürttemberg berufen h)orben toar. 3" bemfelben SJafee, alö
Sanbgraf SBilfjelm bon .^iaffel A^unniu« feinen ^oxn erfahren liefe, machte iJanbgraf
£ubn)ig ju 3)larburg beffen ®egncr ©oF^n für bie Kreislichen ©irren beranttoortlic^, ioc^-
l)alb Subtüig, al^ Sanbgraf SBill^elm im 3^^^^ ^ 580 auf bie 3)ienftentlaffung bc^ §unniuö
brang, biefen nur unter ber Sebingung i^erabfc^ieben iüollte, bafe gugleid^ aud^ ©o^n bon
40 ber ÜniDerfität entfernt h)ürbe.
Unter fold^en Sierf^ältniffen lonnte für ©o^n bag 2Am in Harburg nic^t allju
bicl 2lnj^ief)enbeg ^aben, unb er leiftete ba^cr einem bon ^faljgraf 3olscinn Äafimir 1584
an \l)n ergangenen 9luf nac^ §cibelberg ^olge; afe ^rofeffor ber i^eologie unb 3"=
fpettor be^ ©apienjIoHegiumg ^ielt er am 18. 3"li f<^in^ S^^UQU^^^^"^"^^^^^- 3"^ 3^^^^
45 158H mürbe ©of^n im 5iebenamt aud^ 5Diitglieb be« Äirc^enratg. 9Jur eine furj baucrnbe
ffiirtfamfeit tvax ©of^n befd^ieben, er ftarb bereite am 23. Slpril 1589 im älter üon
37 3«)^^^"-
©eine ©d^riften, fotveit fie bogmatifc^en 3"^ö^tö f^nb, be^anbeln bortüiegenb bie
bamalg 5lüifd;en Sutl^eranern unb SHeformicrten erörterten Streitfragen (3tbenbma^l, 6brifto=
60 logie, freier a^illc), iücnbcn fic^ aber auc^ gegen bie römifd^e Äird^e (Anti-Christus Ro-
manus seu quod papa romanus sit Anti-Christus). 3" feinen gefammelten ffierfcn
(3 Sbe, ^erborn 1591. 1592; 2. Sluflagc ©iegen 1598; 3. Auflage §erbom 1609)
bringt tomus I bie „scripta methodica" : De verbo Dei et eius tractatione libri II ;
Synopsis sive delineatio methodi theologiae; Methodus theologiae; Idea loco-
56 rum communium theologicorum ; tomus II: Exegesis praecipuorum articu-
lorum Augustanae confessionis ; tomus III: Exegesis interpretationis scholasti-
cae et theologicae super selectos aliquot Psalmos Davidis. 3lufeerbem ift noc^
l^erbor}ut)ebcn feine „Synopsis corporis doctrinae Phil. Melanchthonis", §eibelberg
1588. (*. ^tppt t) ^^ SKirbt.
&üttaM 481
Sofrated. — 9lu§gabcn uon 9?. 6tcp6anu§ ^ari§ 1544, Gftriftopljürfon ®cnf
1612, 25alcfiu§ $ovi§ 1G68, Dteobinfl ©ombribae 1720 (nact)9cbru(ft in bcr Djforbcr @cf)ul=
auSflobc uon 1844 unb bei MSG LXVII), Ruffel) Dj^forb 1853 (nodigcbrucft uon ©rig^t
1878). ßinc cngliicl)c Uebcrfefung uon 3«"^ nnb ^artranft in bcn Nicene and Post-
üicene Fathers edit. by Schaff and Wace, II Series, Vol. II. — 6on)t ift neben anberem 5
.V Z. im 2:cjt (öcnonnten ju ucr9leid)cn: jum Ztp: 9?oIte in bev 2:t)Cl@ 1859, 308. 518;
i^um fiebcn: bie Testimonia veterum (om uoüftänbigftcn in bcr^luSgobc Uon .ßuffcl)) wnb bic
ben 9t umgaben uorgefcjjtcn 58iten, bcf. 58olefiuS: De vita et scriptis Socratis atque Sozo-
meni; ferner: 3)iipin, Nouvelle Biblioth^que, IV, 78; deiHicr, Histoire g^n^rale, XIII,
069; 6auc. Hist. lit., 1,427; &abriciuS=$arIe6, Bibliotheca, VII, 423; ©orben^cmer, ^otro= lo
logic, 332f. unb bie üblichen enct)!Iopäbif(^cn SGBerfc; ju ben du eilen : 3ccp, -iiiicncn»
unterfud)ungen j^u ben griec^ifc^en Äirc^en^iftorifem (= S^cdeifenö Qal^rbb. für claff. ^bilol.,
@uppl. XIV) 105 ff., feJeppcrt, 3)ic GueHen be« Äird)cn§iftorifcrS Socrole« ©c^olofticu« =
6tubien jur ÖJefc^. ber 2^^eofogie unb ber Slirc^e, ^rög. uon ©onroetf^ u. ©ccbercjIII, 4; pr
allgemeinen ß^arattcriftif: ^arnacf in bcr 2. 9(ufi. biefer ©ncijMopfibic; jur ©rflärung 15
unb ^ritü: bic im 3. 93anb bcr ^luSgobc öuffcl)8 gefommcltcn 9lnnotQtioneS unb bic gc-
fc^i(^tlid)en 3)arftettungen bcr uon @ofrote§ bc^onbeltcn QtiU
93on bcm Sebcn bc^ Äirc^en^iftorilcr^ ©olratc^ fd^eint fd^on ba« Slltcrtum nic^t bicl
me^r gctoufet ju \)abtn, ate ftd^ a\x^ gelegentlichen 9Jotijen feiner Äirc^cngefc^ic^te crgiebt.
®r toar nac^ V, 24, 9 in Äonftantinojjel geboren unb aufgetoad^fen; ate feine Seigrer 20
nennt er V, 16, 9 bie ©rammatiler ^ellabiug unb Slmmoniu^; fie [tammten an^ Sllejan^
brien, h)o fte l^eibnifc^e ^rieftet getoefen haaren; einSlufftanb ber dejanbrinifc^en ß^riften,
bei bem bie ®ö|entem})el geftürmt tüurben, jtoang beibe jur 5'w4*I P^ toanbten fid^
nac^ Äonftantinopel, tpo ©. in noc^ fe^r jungen Sauren i^ren Unterricht genofe. 3)er
alejanbrinifc^e 3lufftanb ift auf zitoa 390 ju batieren. (3Sgl. bie 2lnnotatione« SReabing^ unb 25
§uffe^« ju©oIr.V,16, 1 fotpie SRaufc^en; ^a^rbüc^er ber c^riftlid^en Äird^e, 534 ff.) 2)afe
S. \päitt, toie aSalefiu^ bel^auj)tet, ben Unterricht be« ©ojjl^iften Sroilu^ genoffen f^i, ift
nic^t ju erhjeifen. ©inb tüir boc^ nic^t einmal über bcn S3eruf, ben ©. fd^Iie^lid^
ergriffen ^at, ^öüia ftd^cr unterrichtet, ©ein SBerl ergiebt burc^ feine ©efamt^altung nur fo
ijiel, bafe er nic^t Äleriler toar. ^n bem 2itel be^ SBerle^ toirb er ijon unferen ^anbfc^riften 30
al^ ©c^olaftifu^ b. f). ©ac^hjalter bejeic^net. S)a« lann richtig fein. 3)oc^ tpirb man, ba
^^otiu« Bibl. 28 bie 2lngabe in ber i^m borliegenben Überlieferung nid^t gefunben %\x
^aben fc^eint, borfic^tig fein muffen, ^n bem Seruf felbft mag man SJalefiu« ju ©oir.
VI, 6, 36, ^abriciug=$arlefe VII, 423, &üppttt 133 dergleichen. a)afe ©. in fpäteren
3ial;ren gereift unb u. a. nac^ ^ßapl^lagonien unb Supern gelommen ift, ift hjal^rfd^einlicl^ : 35
h. e. I, 12, 8 lefen h?ir: Tavra de iyo) xal äxon nagä noXXcbv KvjiqIcov nage-
Xaßov unb II 38,30 l^cifet e^: xavxa iyo} Jiagd aygoixov llafpXaydvog Sua&ov, og
tkeye nageivai rfj fJidxj]- Uyovoi de xavxa xal äXXoL UacpXaydvcov noXioi
3)ie Äirc^engefc^icI^te be^ ©. ift gried^ifc^ jum erftenmal ijon St ©tej)l^anu« ^erau^^
gegeben tüorben; feine Slui^gabe benufet einjig ben cod. Regius 1443. 6^ folgte bic 40
lateinifc^e Überfe^ung be§ S^^^^^^J^^ ^v^ftop^orfon, toic^tig burc^ bie (in bem mir einj;ig
jugänglid^en ©enfer S)rudf bon 1612 p. 905 ff.) angehängten variae lectiones. ©ie
gingen, leiber toeber boUftänbig noc^ juberläfftg, in bie in bemfelben 3^^^^ 1612 gleic^^
faH^ ju ®enf erfc^ienene gricc^ifc^-lateinifc^e Slu^abe über. 3^^^ $enunft ift tro^ ber
33cmcr!ungen 9Jolte« 3:^D© 1861, 422 3lnm. nod^ immer jiemlic^ bunfel; ju einem 45
3:eil ift allein. 9Jluf. 59, 465 3lnm. gu bergleid^en. Sieben biefen lectiones Christo-
phorsoni buc^t bie ©enfer 3lu^abe nac^ lectiones Scaligeri; 9Joltc 308 tyit barauf
lingemiefen, ba^ [k bon ©caliger faft alle au^ be^ Vulcanius Castigationes in histo-
riam ecdesiasticam Eusebii Pamphili et aliorum entnommen ^nb; bie castig^i-
tiones liegen l^eute nod^ in Serben (bgl. aud^ §uffe^ praef. in Soz. VII). 3)ie fc^lie^lic^ so
noc^ beigegebenen tvenig ga^lreic^en lectiones Curterii fmb, toie ^uffe^ praef. in Soz.
VI gegeigt l^at, iücrtlo^. — 3)ie grunblegenbe älu^abe be^ ©. tourbe bon Saleftuö gc^
fd^affen ; au|er bem Regius be« ©tej)^anu« benu^te er einen cod. Vaticanus unb einen
cod. Florentinus (bei $uffeV F) unb gog toenigften^ jeittoeilig bie inbirelte Überlieferung
be« 3:^eoborug Seftor (codex Leonis AUatii) ^eran. 3luc^ auf bie anbem ^Plagiatoren 05
bcig ©., 6affiobor-ej)it)^aniug unb 9Jicet)^orug Sattifti, nal^m er gebü^renbe Sltidfftc^t.
9leabing fügte bann au^gemä^lte Se^rten eine^ codex Domini Jones unb eined codex
Castellani episc. ^inju, unb ^uffe^ foUationierte auger einem in bcm cod. Barocc.
142 {}^\x biefer §anbfc^rift bergleidjje man bie 3lu^fü^rungen 6. be 93oor« in ber 3^®
VI, 478ff.) erl^altencn gragment, einen jtoeiten codex Florentinus (M). 6ine ausgäbe co
ber berliner Äird^enbäterlommiffion toirb borbereitet. 35i« fte borliegt, toirb, toer ©. unb
8lra(<9ncDfIopAb<e für ^eotogic unb ffir^e. 8. S. XVIii. 3X
482 @ofratcd
bcfonbcrg §uffc^^ 9tii^gabc bcnu^en tviü, folgcnbc^ ^u bcbenlen l^aben: 1. bic Goßa^
tioncn unb bcfonbcr^ a\x6) bic bw> bon Ä^ufjc^ neu l^crangcjogencn cod. Florentinus M
fmb unjubcriäffig (bgl. 9?oItc 521); 2. bic beibcn ötunbicgcnbcn ^Florentiner §anb'
fcf)riften (saec. X et XI) fmb auf ba^ näc^ftc bertoanbt ; unfere birelte gricc^ift^e lieber^
5 licfcrunö ift alfo jung, ^m attgemeincn ift cod. F bem cod. M rjorju^ie^en; M bat
ganj iDitlfürlid^ gcänbcrt; bgl. Dor allem ben ©cl^lufe bon 35uc^ VI, Wo M bic in F
erhaltene ^araHelrecenfton getilgt f)ai (bafe e^ fxc gefannt l^at, bciDcift XI, 11, too c^
bie erftc Stecenfion nac^ bcr itüciten interjjolicrt l^at) unb II, 22, 5 bc^to. 23, 3 too M
in äl^nlic^er SBeife ben mit 2ltl^anafiug im ßjil h?eilenben 5ßaulu« geftric^en ^at; 11,23,
10 39. 43 ^at e« i^n Derräterifd^crtücife fte^en laffen; 3. bie 1897 bon 3)ie«roj) Dr. 3:6r 3)J6fe^
fcan (publizierte armenifc^c Überfe^ung be« ©. ift bi^^cr jur Äritil noc^ gar nic^t bcr=
iücrtet tüorben; ba fie au^ bem 7. ^al^r^unbert ftammt, toirb fie, obtoo^I ba^, h?a«
?5reufci^en Xl^S^ 1902, 209 au« i^r mitteilt, fie nic^t fonbcrlic^ emjjfie^It, toielleidit
boc^ Sead^tung ijerbicnen; 4. bon bcr inbireften Überlieferung ift ba« B^^Ö"*^ ^^^
15 5Jicej)^oru« unb anberer 6. gelegentlich au«fc^reibenber Jtomj)ilatorcn (bgl. 5. 35. ba« bon
6. ©oeHer im Oriens Christianus I, 82 ff. (publizierte neftorianifc^c Srud^ftüc! jur
Rirc^engcfc^ic^te be« 4. unb 5. ga^r^unbert«) it>enig toert, ba« be« Gajfioborsß^itJ^niue
unb 2:^eoboru« Sector um fo mel^r. %üx bic SRelonftruf tion be« 3:e5te« ift e« nodS^ lange
nid;t genügenb bertücrtet, ja, ba il^eoboru« Sector gar nicl^t, (Safftobor ungenügenb ebicrt
20 ift, j. 3- noc^ ni^t einmal boH berh?ertbar. §uffe^« 2lu«gabe ift h)ic überl^u^jt fo aucb
in biefem $unft ganj ungurcicl^enb. Eine Steige bon ©tcHen ^at 9Jolte 524 ff. gu beffem
gefud^t.
3)ie Äirc^engefd^ic^te be« ©. umfafet bic ^ai}xc 305—439, b. 1^. ftc umfj^annt einen
3citraum bon 135 ober, mie ©. felbft VII, 48, 8 abrunbenb rechnet, 140 ^^^i^^^- ^^^
25 toirb 439 ober balb na4>^er jum äbj^lu^ gebracht fein, iebenfaD« nocl^ ju Scbzciten bc«
ßaifer« SE^eobofiu«, alfo bor 450 (bgl. VII, 22, 1 ; ba« 9iä^erc bei ^cc)) 137, ®ej3j)ert 7,
©ülbenjjenning : 3)ie Äird;engefc^id^te be« il^eoborct bon R\)xxf}0^ 10). ^f)x^ abfielt ift,
eine ^ortfe^ung ju bem Söerf be« ßufeb px geben (I, 1); fic Wxü in einfacher ©^racj^c
unb ol^ne )3anegl;rif^ ju tverben (1,1, bgl. prooem. in libr. VI) berichten, h>a«bicÄir4c
3() bon ben lagen Äonftantin« bi« jur (IJegentüart erlebt l)at 3>m 3Sorbcrgrunb ihre« 3nter=
effe« ftel^en babei bie lircl^lic^en Unrul^en. 3)enn menn bic Äirc^c ^rieben ^at, fo l^at, loic
VII, 48,7 (bgl. aucl^ 1, 19, 15) fagt, ber ilird^en^iftorifer feinen ©toff zu feiner 3)arftelIunoi ;
er lann bann nic^t biel me^r tl^un, al« bie Sleil^enfolge bcr Sifc^öfc fonftatieren unb
atnefboten erzählen. 3)afe aufeer über bic ©efc^i^tc bcr Sirene auc^ über ben 3lnani«mu£^
35 imb bie politifc^e ©efdiicvte berid^tet ioirb, meint ba« SSormort zu Suc^ V entfd^ulbigcn
ZU muffen. — S)en 3lnfto6 Z" feinem ^^lan berbanit ©. einem z- 33. im prooemium
ZU Sud; VI genannten fonft unbetannten 3:^eoboru«. S)a er hge rov ^eov äv&Qcom
angerebet toirb, mu^ er ein 5Wönd^ ober ^öl^erer Älcriler getoefen fein; eine JJcrmutunc;
über feine ^erfon z- 33. bei §uffe^ z" ^^1/ '^8, 7.
40 2)ic Äird>engcfd)idbtc be« S. liegt un« nid^t in erfter 3luflagc bor. !Da« bctoeift ba^
5>oriüort zu ibrcm zitJcitcn 33ud), too ©. erzäblt, iüie er ba« erftc unb z^Jcite 33ud^ einer
burd)greifenbcn Umarbeitung unterzogen I;abe. Der (Srunb fei folgenber gelocfcn: er fei
in ben bciben erften 33üd^crn urfprünglic^ bem 9tufin gefolgt, unb l^abe bom 3. bi« 7.
einige« bem >Hufin entnommen, anberc« au« anbern Duellen gefc^ö^jft. 2)a fei er auf
45 bie Söcrtc bc« 2(tl)anafiu« imb auf 33riefc bamal« fübrenber 9)iänner geftofeen unb babc
a\\<6 bicfcn Urfunbcn gelernt, bafi $Kufin ein unzubcrläfftger ^ü^rer fei. ©0 ^aht er fid^
bcnn zur Umarbeitung entfd^loffen unb ber neuen 2(uf(age aud; bie zal^lreid;en burc^ bic
Zioei erften 93ü4>cr zcrftreuten Ürtunbcn eingefügt. 3)a^ bie Umarbeitung fic^ nid^t nur
auf bie z^i^ci erften $3üd}er befd^räntt F^at, fonbern ftd^, toenn auc^ in geringerem Umfang,
w) C[\\d) auf bic folgenben 33üd^er erftredt ^at, zeigt bie oben erh)ä^nte in bcr z^üciten glo=
rcntincr .C^anbfd;rift geftrid;ene 3)ublette am (Snbe be« 6. 93ud)e«. S)ie zweite Raffung
ift ein ^-Itcft ber erften Sluflage: § K). 11 ber erften ^^affung erfc^eint § 3 ber z^v^iten
Raffung gegenüber fcfunbär: ba« xQovlCeiv be« ^c^l^anne« ift im 3lnl^ang biel bcffer
motibiert. Die ©teile beioeift zugleich, ba^ bie erftc Stuflage nic^t nur borbereitet,, fon-
55 bern aucb Jjubliziert loorben ift. ©onft mürbe fid; fd^h)erli^ ein 9left bon i^r erhalten
ijahm (bgl. 6ej)pert 130; toa« Ruffel;, annotationes p. 495 borbringt, ift nic^t hc-
iücifenb).
Der 'Iserfud^^ feftzuftellen, u>a« ©. für feine Darftellung für Duellen benufft i)ai, ift
in gvöfu^rein ^iJiaf^ftab erft bon ^ecp gemad^t iüorben; i^m folgte beftätigenb, }urüd=
CO loeifenb, ioeiter fül;renb ©ebj^ert« Slrbcit, bie 113 ff. eine bequeme Slnal^fc bc« gcfamten
484 iBottaM
folgen fon (\d) tü'iü fc^rciben äre avrbg i&eaodfjitjv ... äre Tiagd twv ecDgaxojon'
fjduvrj^rjjbtEv fxadeiv) unb ©ej))3crt^ ^abcDcn geigen, bafe bie Kttetarifd^cn Quellen je^t
toirfli^ ^urürftreten unb bie münblic^e Überlieferung bie §auJ)lrone f^ielt.
2Ba^ bie 3lrbcitigh?eife be^ ©. anQQf)i, fo ift fte tüenigften« jeittüeilig ^iemlic^ met^a-
5 nijc^er 9(rt. ßufeb unb Slt^anaftu^ (11, 37) citiert er g. %. toörtlic^; bafe er feine Duetten
ftillfc^tüeigenb mel^r ober minber toörllic^ au^fc^reibt, ift nic^t feilen; für Gutroj)iuö ift
oben ein Seif^jicl gebracht, für SRufin fann JR^ein. 3Jluf. 60, 599 berglic^en toerben, für
Sltl^anaftu^ ift 3. 35. 1, 31 Ic^rreic^: baö RapM ift ein dicctpi au« ber Apologia c. Ar.
Qccp 111, ®e^)pert 117). 3)abei fann ©. ftc^ manchmal fo toenig bon feiner Duette
10 freimachen, bafe er auf früher ©efagte« gurürfijcrtoeift, nur toeil feine Duette ba« Don i^m
fcl^on frül;er ©efagte jeftt erft bringt; bgl. ©ofr. II, 25 mit Qnixop. X, 9 (3ee)) 124).
3n anbem Ratten ergänzt er bie au^efc^riebene Duette aber auc^ mit §ilfe anberer Über=
lieferung; fo I, 2 (gutroj) au« ben , Mtcn (©ejjjjert 13 bgl. auc^ See}) 124), I, 10
(Sufeb, Slufin u. f. tp. an^ münblic^er Überlieferung. S)ie äntoenbung bon Äritif feinen
IG Duetten gegenüber ift nic^t feiten: an ©abino« ^t er biel au«jufe^en, befonber« auc^
(II, 17), bafe er für feine Partei ungünftige Urfunben unterfc^lägt, mit 5P^ili^j)u« ©ibete^
gebt er (VII, 27) fc^arf in« ©eric^t, bie ©rfenntni« bon ber Unjuberläffigleit be« Stufin
pat i^n jur 9Jeubearbeitung feine« SBerle« beranla^t: lyvcojLisv delv maxeveiv jnäUov
Tcß 7i£7iov&6xi xal rocg yivofiivayv xwv nQayfx&twv nagovaiv, fj roig xaxaGxoxaaa'
20 jiiivoig avxcov xal did xovxo nXavn&eTaiv (II, 1). I, 14 fd^reibt ©. fogar unab^
gängig bon jeber j^ufammen^ängenben Duette, attein auf ®runb einer bon il^m au«
©abino« ober fonft tool^er l^erborgeiogenen Urfunbc ©efc^ic^te; er bringt ben Srief be«
eufebiu« unb St^eogni« an bieSSifd^öfe bon 9Kcäa unb fä^rt bann fort: xal xovxo fih
xo xTJg Jiahvfpdiag ßißkiov Evaeßiov xal OeöyvMg iaxiv' änb dh xcbv qtj^tcov
2B avxov xEXjLialQoiLiai, Sxi ovxoi jbtsv xfj vnayoQBV&elon Jiloxei vjteatj/xfjvavxo^ xf} de
xa^aiQEOEi 'Ageiov ovjbttprjcpoi yeveavai ovx ifiovlrfOrjoav ' xal oxi ''Ageiog ngo
xovxiov (paivexai ävaxXrj&elg, ä?d* et xal xovxo ovxcog ex^iv doxei, B/Licog xrjg
^AXe^avögeiag ijiißaiveiv xexcokirxo' xovro de deixwxai, &tp^ cor vaxegov eavrco
xd(}odov elg xrjv ixxXrjaiav xal elg xrjv ^AXe^dvögeiav ijievorjaeVf hiuiXdaxfp //£-
30 xavola xQ^od/bLei'og, cbg xaxd xcogav igovjusv,
S)ie erfte unb bi« ^eute bome^mfte attgemeine Gl^aralteriftif ber ^erfi)nli(^Ieit, ber
Sntereffen unb be« SBerle« be« ©. berbanlen mir 31. §arnarf. — ©. jäl^lt, mag er nun
©c^olaftitu« getüefen fein ober nic^t, ju ben ,,®ebilbeten" feiner ^tit unb h>eife bie
^EUrjvixrj naidevaig too^l ju fc^ä^en. ^a er füf^lt ftc^ fogar m i^rem Slntoalt berufen,
85 unb berteibigt fic III, 16, 8 ff. bei ©elegen^eit be« befannten dbilte« be« Äaifer« Julian
au«brüdflic^ gegen folcf^e, bie bon i^r nic^t« h)iffen tootten. 6r meint, man muffe gmeierlci
feft^alten: junäd^ft: ß^riftu« unb feine 3lj)ofteI ^aben fie tüeber al« göttlich noi^ al«
fc^äblic^ betrachtet ; ba^er mufj e« auc^ ^eute noc^ bem Urteil eine« jeben einzelnen über=
laffen toerben, h)ie er fic^ ^u i^r ftetten h)itt; fobann: bie ^eiligen ©c^riften offenbaren
40 un« h)o^I göttliche 2)ogmen unb tüirfen in un« grömmigfeit, redete« Seben unb ©lauben,
aber bie koytxrj xixv^, ntit ber U)ir ben ®egnern ber ^föal^rl^eit begegnen muffen, geben
fie un« nid^t; unb bod; ift pe nü^lic^; benn am beften befämpft man ben geinb mit
feinen eigenen SÖaffen. — 2Bie biel ©. bon ^eibnifc^er unb c^riftlicl^er Sitteratur gelefen
^at, (äfet fid; tro^ ber jiemlid^ ja^Irei^ien ßitate (ber index auctorum bei Mignel6lH
45 ift unboUftänbig) fc^mer feftftetten ; aber ba« fpürt man fogleic^ : eigentliche ©ele^rfamteit
bcfi^t ©. nic^t. (Sr erjäfjlt f^lic^t, ben gaben ber 2)arftettung nur feiten burc^ Sieflejionen
burd;fd;neibenb, h)ie 5. 33. III, 7, 16 ff., Wo über ben ©t)racl^gebrauc^ bon ovala unb
vTToamoig ge^anbelt h)irb, V, 22, h)0 fircl^lid^ liturgif^e Differenzen unb äl^nlic^e«
bcfprod;en toirb, VII, 32, \vo bie ße^erei be« SJeftorio« loiberlegt unb auf feine Un-
50 h)iffenl^cit jurüdgcfü^rt h)irb, VII, 36, 9 ff., mo firc^enred^tlic^e fragen erörtert Serben
unb h)ir eine gifte ber 33ifd(>i)fc, bie il^ren ©i^ geh)ec^felt ^aben, erl^alten. 3)a6 6.
ba« 9)Jaterial für bicfc ß^Iurfe felbft gefammelt ^at, ift untüal^rfc^einlic^ ; ^axnai
412 3(nm. toirb rcd^t l^aben, bafe V, 22 unb VII, 36 „au« lirc^enrec^tlic^en ®utac^tcn
ftammen."
65 3luc^ ba« eigentlid^ t^eologifd^e gntereffe be« ©. ift gering. 35ie §auj)tfac^e am
ßbriftcntuni ift i^m (bgl. §amact 409) bie 3:rinität«lel^re; aber fte berftanbe«mä^ig fc^arf
jiu faffcn unb ^u formulieren ift i^m fein 33ebürfni«; er bittigt im Orunbe, toa« er au^
(Suagriu« monachicum citiert (III, 7, 23): jräoa nqoxaaig tj yevog exei xaxtjyogovuevov
i) eldog i) diar/ogav f) tdtov i) avjußeßfjxdg i) xo ex xovxcov avyxel/xevor*' ovoev de
60 ejtl xijg ayiag xgiddog xcbv eigTj/ui^vajv eoxi iaßeTv OKOJifj ngooxwela&o} xo äggrj-
486 SritüM
lönnen: 9(u]ranon toax einft t)on ben üRacebonianem ^ufammen mit einem ^^^blagonier
(3llerartber) in« ©efönöniö getoorfen toorben ; et felbft fyd S. Don bicfem grcimb er-
imi (11, 38).
3)afe bon einem 3Jlanne bon bcr ärt be« ©. trofe allen guten SBiOen« (unb baß »
6 an i^m nid^t fel^Ite, geigen allein fc^on bie fritifd^en SSerfuc^e, t)on benen oben bic ^ebe
toar) nic^td Sebeutenbe« ju ertuarten \oax, ift faft felbftoerftänblic^. ©eine firaft rei4»tc
l^öd;ften« baju, Stiebte« ju et^ö^Ien; nac^ f(l>tiftnc^en SllueOien ©efc^ic^te fc^teiben {onntc
et nic^t. 2)a« l^at fc^on 3Salertu«, bet gum golgenben ftet« ju t>et9leic^en ift, gcfebcn,
unb bie aitbeit bet ©(jäteten ^t e« beftätigt. 2oof« fyd oben in bem ätt. iöiaceboniue
10 Sb XII ©.43,37 übet bie 3ladjfnd)tm, bie ©. unb il^m folgenb ©ogomeno« übet 3Kacc=
boniu« bringt, mit Med^t geutteilt: „fiebiglid^ mit ben Sendeten be« ©oftate« unb ©ogomenoe
ift nid^t« 5U machen, unb bie t>on U^nen berici^teten 6teignif[e; ioie e« bid^et gumeift gc^
fd^el^en ift, mel^t obet toeniget fämtlic^ itgenbtoie in ben nad^ fu^etn Duetten berid^tigtcn
^iftorijc^en SRal^men einzufügen, ift unmetl^obite. 9lut ba« lann t)etn)enbet toetben, toa^ ]\6
16 ungegtoungen al« au^fül^tlic^ete Itabition übet fonft fidj^et feftfte^eibe 6teignif[e auffaffcn
läfet." 3)cit ben Stac^ric^ten, bie ©. übet Slt^anafm« unb bie ariatiifc^e Setoegung bietet,
fte^t e« um nici^t« beffet: II, 11 etgä^lt, ioie ®tegot nac^ bet 341 in Stntiod^ien gebol-
tenen ©^nobe butc^ ©^tiano« in Slejanbtien eingefü^tt toitb; in SBitHic^feit jog (Stegor
nac^ bet antioc^enifc^en ©^nobe öon 339 in aiejanbrien ein unb eteigneten fu^ bie t?on
20©. im cinjelncn gefc^ilbetten ©cenen 357 bei bet ©infü^tung beeOeotg; ba«felbe Äai>itcl
fe^t bie ©efanbtfc^aft bet Gufcbianet an ^ulin^ ^intet bie Äitc^toei^J^nobe; t^tfäc^lic^
fiel fic babot. II, 14 berichtet bann bon bet Slbfe^ung be« ©tegot unb bet Sinfe^ung
©eot^«; in SBitflic^feit l^at (Stegot ben S3ifc^of«ft$ bon Sleianbrien bi« ju feinem lob
345 mncge^abt unb ift ®eotg 357 eingefe^t tootben; II, 15 etjä^It bon einet antio^c=
25 nifd^en©Vnobc, bie 9[wliu« gefc^rieben l}abt fxrj detv xavovi^eo'&ai, nag avtov ei ßov-
Xoivto i^ekavveiv nväg rcbv ixxkrjoicbv' jurjöe yciQ atrtovg dvreiJieiv Sxe Navarov
xfjg lxxit]olag fjXavvov; tbatfäc^licl^ ift biejet S5rief 341 gefc^rieben tootbcn. II, ITtoeife
gegen atte beglaubigte ©efcpic^te babon, bafe ätl^anaftu« ein gtoeite^mal gu Sw^iw« bon
$Rom geflol^cn fei. II, 20 batiett bie ©^nobc bon ©atbica auf 347 ftatt 342/43 unb
80 bettoed^fclt fie, toenn e« bon ben ßntfcl^ulbigungen bet toenig gal^Itcic^ etfd^iencnen Cxicn^
taten \px\d)t, übetbie« mit bet tömifc^cn ©l;nobe bon 340. II, 29. 30 toitft bie bet=
fd^iebenen fttmifd^en ©^noben butc^einanbet u. f. to. — ^n ben folgenben Süc^etn fd^cint
bie 3wbetläffigfeit be« ©. bann langfam gujune^men; abet c^ataftetiftifc^ ift e« boc^,
ba^, ioo h)it il^n einmal ioiebet fc^atf lonttotticten lönnen, mie in ben Sendeten über
86 3)afiliu«, ©tegot bon 9Jagiang unb ©tegorio« 3:^aumatutgo« (IV, 26. 27), et faft
gang berfagt: bic beiben Ra^xid fmb in bem beliebten Stnelbotenftil gcfc^riebcn unb
toa« übet bie 2lnefboten ^inau^ge^t, ift gtöfetenteil« falf(^. Stud^ ba« fünfte 93u(^ bcö
©. ift noc^ mit gtofect 23otfic^t gu benu^en- 9laufd[)en: ^af)xbixd)cx 2, f^ai einmal bic
J^c^lct gufammengeftellt, bie©. nut in bem 33eric^t übet bie tiai}xz 384—388 mac^t; er
40 fcl^tcibt : „V, 14 nennt et ben ©^mmac^u« für ba« ^al}X 389 äjid vjidxmv^ obfc^on er
etft 391 ba« ßonfulat beflcibctc; ebenfo l^at et bafelbft, loic auc^ ©ojomcnoö VII, 15,
einen gum 3:eil falfd^en ©ctic^t übet bie lefcten ©c^idffale be« 9)iajmiu«; V, 15 bcr^
iüed;fe(t er ben ^a^ift 3)amafu« mit feinem 5iac^folger; loa« etV, 18, 10 übet bie Se^anb-
lung ber (Sbebred^crinnen gu Slom etgä^lt, ift anefbotenl^aft unb ftimmt nid;t bagu, bafe
15 biefe feit Äouftantin mit bem S^obc bcfttaft iourbcn ; VI, 3 berichtet et gang falfd^, (S^rv-
foftomo« fei bon (Sbagrio«, bem 5tad;f olger be« ^Paulino«, gum ^^rieftet getoet^t tootbcn;
bie 6(;arafteriftif, bie er ebcnba bon biefem ilird^enbatet giebt, ift gc^äffig unb ungetcd^t."
^m fec^ften unb fiebenten ^Sud; fd^reibt ®. 3^itgefd^ic^te; er ^at fefteten SSobcn unter
ben ^üfecn unb feine 3)atftenung geioinnt a\x6^ füt un« an SBett. ©etnc l^ött man if?m
50 gu, login et ^^^^Ö^^offen d^araftcrifiert unb nid;t ol^nc 3"^<^cff<^ beobachtet man, ioic er
e^ erfaßt ^at, bafe politifd(>c (Srloägungen ftärfer \o'\z bogmatifd^c finb, ^olitif oft auc^^
ba^ 3^ognta gemad;t IfaX. 3(ud^ im 3)etail fmb feiner ^atftellung ^iet iocniget gel^lcr
nac^igetüiefen loorben; immerbin finben fid; nod; in ber ©d^ilberung bet ^JJcftoriu^
6l)rittimb ^Vienmon berbammenben epl^efinifcben ©bnoben nic^t unbebeutcnbe ^ntümer
55 (VII, 31).
^JJiit bem ©cfagten ift baö Urteil über ©. alö Sird^enbiftoriter gegeben. 3" ^^
erftcn 53üd(?ern feinet aiU^rte^ ma^] fid; mand;e fel^r gute JJacI^rid^t berbctgen (©. ^at
g. 2. aufiJgegeidinetc Duellen gut .^anb gehabt), aber allein auf baö 3^"0"i^ ^^^ ®- W
loirb man fic bod; nur in (Srnuingehing eine^ beffercn annel;men; gu ben legten S)ü(^em
a) toirb man etloa^ me^r 3^^^^u^>^ l^aben bürfen. ®et)otb l^oefc^cfe.
Solitartud Somadfer 487
Solttanud, ^^ilij^tJU«. — ^itteratuv: Sombeciu^, Comiuentar. de Aug. bibl.
Caesar. Vindob. ed. altera, Sien 1778, 1. V, 7(5—84; Dubiiii, Comiuentar. II, ©. 851;
(Soue. Öcriptores eccle«. histor. litt., Oxon. 1743, II, S. IGG; 55?e|jcr uub 3BeIte, ftiid)eu=
leiifüM, SHxühl uoii 5(. (iövf)arb, S5b 9, @. 2023. 8onftic|c üittcratur bei Struiubad)ev, Öc=
jd)id)te bcr S3i)5antinifd)en fiittcratur, 1897, namentlid) @. 742 ff. 6
3)cn 9Jamcn ^^ilitJ^JU^ ©oUtatiu^ (o MovdxQonog) fül^rtc ein gric^ifc^cr 3)iönc^
bort unbcfanntcr ^ctlunft, tücld^er m ßnbc bc« 11. Sal^r^unbcrtsf, toal^rfc^einlid; in Äon^
ftantino^jcl, ein ni^flifc^'a^lctifc^eg ©cbic^t unter bcm Stttel Alomga, ©Riegel bei^ d;rift=
liefen aiäefeng, berfa^te. ^^ ift gerichtet an ben 9Könc^ ßallinicu^ unb in |)olitifd;en
'-yerfcn gefc^rieben. 3)ie gorm ift bialogifd^, Seib unb Seele iüerben öerfonifijiert unb lo
treten aB ^otenjen ber mcnfd^lic^en 9Jatur einanber gegenüber, um fiq über i^re 93es
ftinunung gegenfcitig aufjuflärcn unb auf ba^ @nbe be^ ^Azm borjubereiten. Stu^ bem
Sc^Iufe ge^t ^erbor, bafe bie Seenbigung ber ©^rift in ba« 3a^r 1095 fäDt. a)aS SBerf
niufe fc^on unter ben gri^Ö^ioff^?" 2(uffel^en erregt unb SeifaK gefunben l^aben, ba e^
bon ber $anb be^ 3Jüc^ael ^iJjellug mit Sorrebe unb ©^olien berfe^en tDurbe. S)er grie^ i6
d^if^e 3'ejt ift big auf tbcnige ©teilen ungebrudtt geblieben, ^n lateinifc^er $ro{a ba^
gegen tpurbe biefe Dioptra sive amussis fidel et vitae Christianae bon bem ^efuiten
^alob ^ontanug famt ber Sorrebe unb ben ©c^olien be« ^PfeHu^ unb mit 9Joten bon
©retfer au^ einer unboKftcinbigen Slug^burger ^anbfc^rift (Ingolstadii 1604) in Quart
l^erau^egeben, tvelc^e Slu^abe bann in bie Biblioth. Patr. Colon. Tom. XII unb in 20
bie Biblioth. Max. Patr. Lugdun. Tom. XXI überging. 3luc^ bei MSG B. 127,
©. 701—902. ^n^altlid; berivanbt ift mit ber Dioptra ein Heinere« ©ebicl^t beö ^l;i=
lit)j)uö, bie „Älagen" (xXav&fxoi) genannt. 3Sa^rf(|einli(^ l^at e« ba« ac^te (bei ^om
Xan\x% au^elajjene) S3uci^ ber Dioptra gebilbet. 3m 12. Jlfl^^^wn^c^t beranftaltete ^^ia^
(itet^ auf SJeranlaffung be« 3)ion^fiuö, (grjbifc^of« bon Öl^^ilene, eine neue Slebaltion 26
ber beiben ©ebic^te (bei ^Pontanuö ©. 4). '^n ben SBiener §anbfc^riften ber Dioptra
finben fid^ einige merftüürbige Sln^änge, namentlich ^iftorifd^e SJotijen über 2)ogma unb
^Heligiondgebräuc^e ber Armenier, g^l^biten unb SRi)mer ober ^ranfen, fie toerben bon
l^ambeciu« aufgejäl^It unb finben ftd^ gried^ifc^, obtoo^l mit SBeglaffung be« auf bie Slömer
lüejüglid^en, in Combefis. Auctar. nov. II, p. 2öl. 271. 2tu« ber Dioptra felberao
ioerben lur^je gried^ifc^e ©teilen bon Dubin, Sambeciu« unb bei ßoteleriu« ad Constitt.
apost. libr. VIII, cap. 42 mitgeteilt. SUa« ben ^xüioXi be« SBerfö betrifft, fo mufe,
fo lange ftatt ber unguberläffigen Überfe^ung be« ^ßontanu« nid^t eine 3lu«gabe beö Ur^
terte« borliegt, bie Semertung genügen, bafe e« im befferen ©inne be« gried^^ifcl^cn 93tönc^=
tum« unb nid;t ol^ne religiijfen ®eift gefc^rieben ift. (£« toürbe, iwenn e« gricc^if^ be^ 35
lanni iuäre, in ber a^fetifd^en 9iic^tung ber gried^ifc^en 3)l^ftif, bie tpir au« biefem ;>^eits
alter nic^t biel belegen fi)nnen, eine ©tette einnel^men. (®og t) ¥i- SWc^cr.
®oma«fcr (SRegularlleriler bon ©t. SJlajolu«, a\xi^ SRajoliften). —
Vita Hicronymi Aemiliaui auct. Augustino Tortora, in ASB t. II, Febr. p. 217—274.
I^iefelbe Vita aud) ital. \>\\x6) ^icgabi 1865. Sßgl. bie ölteren ©iu^rapöien beö 6tiftev« oou 40
Scipio ^Jllbaiii (9)iai(anb 1()00) unb üun 5lnbvea« StcIliU^enebig 1G05); aud) 3B. (S. ^ubcrt
in b. „iJebeuobilbcrn fat()oIifd)er (Svi^ie^cr", ^b IV: „3)cr 1)1. ^Mef. ^leniilianu«", ^iaiui^ 1895.
!^ün pvotcft. Seite ift iuid)tig bie 6ti5jc bei (£ber§. Wut^ein, ^ci^w^h y- fiiJt)oIa unb bie ÖJci]cn=
refuimotion [^aWt 1895), 8. 193—198; 09I. aud) Ütanfe, 3). *äpfte I, 175f. — 5)ic Stün=
ftitntiuncn beö Crben« f. bei .l^oIftcniuS^örucfie, Coilex rcgul. mon. III, p. 199—292. 3ur 46
nufjercn ÖJcfd)id)te bc^5 Orben« ogl. ÖJiucci, Iconografia storica d. ord. rel. VII, 160 sqq.;
"üJi. .^eimbud)ev, Crben u. Äongreg. II, 262—264.
3u ben bebeutenbften ©tiftungen, toelc^e bie lontrareformatorifd^e 3tenai?^ancc be«
3)lönd^tum« im 1(5. 3«^^^"«i><^i^t ing Seben rief, ge^i)rt bie Kongregation bcx ©omaöler
(©omaöc^er) ober ber regulierten Hlerifer be^ l^l. 9Kaiolu^ (Clerici regularea S.Majoli w
Papiae congregationis Somaschae). ©ie l^at ipren 9Jamcn toon bcm Dxtd^cn ©o*
maiJd^o ^ioifc^cn 5)iailanb unb Sergamo, ioo il^r ©rünber ©irolamo ?[H\am CftVetonymus
Aemilianus) bie befinitibe ©tiftung feiner geiftlic^en ©enoffcn^d^aH üotcxvcäiv^ uvfe du
erfte Siegel für bicfelbe fc^rieb. 3)erfelbe h)urbe ate©o^n be^Senatova 2i\%<^^^^^^^^iJ^^
ju äJenebig geboren 1481. Söä^rcnb ber gelb^üge gegen Äarl VUi ^x^ ^\Äi\\i\V^^- ^
bon granfretcb, bie er afö Offizier feiner aSaterftabt mitmachte, cxaa^ cX "^^ '^'^''^'^^
©inn unb üppigem Sebeneitoanbel, biö feine ©efangennel^muuci ^ » ^g^t^VxÄXWW».^ ^^
©c^loffe« (Saftelnuobo untoeit Slrebifo feine Sefebrung ^erbeifubtt^^\i&^^^^* w
finftem Äerfer, in ioelc^en er getDorfen iourbe, empfanb er cmfti^rf.^\vl^'^'^
«^\tUä)^9**
488 Somadler
©ünbm unb gelobte ®ott grünblid^c Sefferurta feinet SBanbcte, toenn er if)n befreien
toerbe. SDiag nun aud) jeine balb barauf erfolgte Befreiung auf anberem 3Bcge, aU
burd^ bie h)unbcrbare §ilfeleiftung ber 1^1. ^w^öfi^öw S" ftanbe gelommen fein, jebenfall^
h)ar unb blieb er öon jenem 3Komcnte an ein bon ®runb au^ umgen)anbelter 3){enfc^,
6 ber fid; ftrengc Sl^Iefe, eifrige^ ®ebet unb aufotjfembe 2lrmen= unb Äranlenjjflege über
aKe^ angelegen fein lie^. 3)ie eJ^entooHc unb einträgliche Stellung eine^ ^obcfta bon
ßaftelnuobo, toomit man feine 2iij)ferleit belobnt l^atte, öertaufd^te er ali^balb mit einer
befc^eibeneren in SJenebig felbft. — 6r trat pier in bcn geiftlid^en ©taub, empfing im
Sa^re 1518 bie ^rieftertoei^e unb begann balb eine großartige Siebe^t^ätigleit an 5Zot=
10 leibenben aller 2lrt, namentlich in ber großen ßunger^not unb ©euc^e beö S^l^^^^ ^^'-^
au^juüben. 3)ie fd(^toere Grfranlung, bie er ful^ felbft bei biefer ©elegen^eit burc^ än^
ftedung jujog, er^ob i^n nur auf eine nocl^ l^ö^ere ©tufe bemütiger ©elbfttoerleugnung.
@r begann mit gänjlic|»er 35arangabe feiner h?ol^l^abenben SebeniSftellung, im bürftigen
Slufjuge eine^ bettelnben Sleligiofen einl^er]\ujie^en unb ftd^ auiSfd^ließlic^ mit ber ^Pflege,
15 (Srjie^ung unb Selel^rung armer SBaifenlinber unb gefallener grauen^erfonen ju befc^äf^
tigen. 3Kit ber ©rünbung eine« SBaifen^aufe« bei ber ©t. SRoc^u^Iird^e ya 3?enebig
(1528) machte er ben 3lnfang gu ben jal^lreic^en too^ltl^ätigen ©tiftungen, bie feinen
9iamen rjeretvi^en fotlten. 93alb folgte bie ©rridf^tung ä^nlic^er Slnftalten in Sergamo,
SJerona, S5re«cm; bann bie eine« §aufe« uir 2lufna^me unb Sefferung lieberlic^er SBeib«^
2o))erfonen ju 35enebig 1532; enbli^ im Vereine mit mehreren gleicpgefmnten Älerifem,
bie fic^ injtoifc^en il^m angefc^loffen Ratten, bie ©rünbung einer Kongregation ju gemein--
famer Sebienung jener 3lnftalten unb jur 3lu«bilbung jüngerer 3öglinge für ben gleicben
^ioec!. S)er §au)3tfi^ biefe« gleich bei feiner ©tiftung (1532 ober 1533) Don ^ajjft
Giemen« VII. mit befonberer greube begrüßten unb begünftigten SQ3o^ltJ^ätigIeit«orbenö
26 h)urbe ba« $fleges unb @rjie^ung«^au« ju ©oma«c^o, \)on tüo am ©miliani nocf^ bie
$äufer ju $abia unb 3)lailanb grünbete unb h)o er am 8. fjebruar 1537 ftarb. — ßr
tüurbe toon Senebilt XIV. feiig gefJ)rod^en unb ijon Giemen« XIII. (1761) lanonifiert,
unter geftfteUung be« 20. ^\xl\ }^\xi geier feine« ©ebäc^tniffe«. SSon ben al« Sal^nbrecbcr
für bie Gegenreformation ju Slu^m unb ©influß gelangten ^eiligen be« neueren ßat^o=
30 lici«mu« ift er — ben man too^l aud^ einen „2lug. 6erm.^anc!e be« 16. ^öi^^^unbert«"
genannt ^at — jebenfaH« einer ber bebeutenbften. ä)a« 5Ölarmorftanbbilb, ba« i^m in
ber 9leil;e ber großen Drben«ftifter (neben ßamillo be ßatli«, ^o\tpl) Galafanje, SSincenj
b. 5ßaul 2c.) in ber $eter«lircl^e ju SRom erricf^tet tourbe, ift ein nic^t unberbiente«.
©miliani« 9laci^folger al« SSorftel^er ber Kongregation, 3lngelu« SWarfu« Oambarana,
36 erlangte nac^ ber borläufigen ))ä|)ftlid^en Seftätigung bon 1540 (burc^ ^aul III.) im
^a^re 1568 unter ^iu« V. bie feierlid(^e ©r^ebung feiner ©emeinfc^aft ^u einem nad)
ber SHegel 3luguftin« berfaßten Drben regulierter Klerifer mit bem 5Wamen: Älerifer bon
©t. 93{ajolu«, nac^ einer in ^JJabia bcfinblid^en Kirche, bie il^nen lurj mbor erjbifcbof
Äarl Sonomeu« bon 3Jlailanb gefc^enft l^atte. 2)er Drben — beffen Sjereinigung mit
40 bem ber 3:^eatiner (1546—1555) unb fpäter mit ben SSätem ber c^riftlid^en 2e|re in
l^ranlreicl^ (1616—1247) nur bon borübcrge^enbem Seftanbe h?ar — touc^« fotoo^l an
innerer Scbcutung burc^ ben geiftlic^cn ßinfluß, ben feine gal^lreic^en Kollegien, namentlich
ba« 1595 unter Giemen« VIII. in SRom gcftiftetc Glementinum, auf ben 3ugenbunta=
rid;t au«übten, al« auc^ an SKitglieberja^l. 3)er toad^fenbe Umfang ber Kongregation
45 nötigte ^u einer Teilung in brei ^ßrobinjen, eine lombarbifc^e, benetianifc^e unb römifcl)e;
iüogu fj)äter nod; eine franjöfifd;e fam. Son biefen ^JJrobin^en ift je^t bie römifc^e bie
^enfc^enbc getoorbcn, toie benn ju 5Rom, in SSerbinbung mit jenem nac^ Giemen« VIII.
benannten unb nod^ gegemoärtig al« l^olje 3lbel«fci^ule blü^enbcn Kollegium, ba« ^avapU
^au« be« Drben« beftel^t.
60 a)ie auf ©runblage ber eigenl^änbigen Sluf^eic^nungen be« ©tifter« aDmäl^li^ ent=
ftanbenen Konftitutionen ber Kongregation, toie fie 1626 bom ©eneralJ)rofurator Sin-
toniu« ^aulinu« gefammelt unb bon ^a^ft Urban VIII. beftätigt tourbcn, ftnb obnc
ioefentlid()e Stbänberungen ober ^Keformen bi« in bie neuefte ^c\t in ©eltung geblieben.
Sie fd;rciben einfache unb ärmliche, fid; burd^ nic^t« bon berjenigen ber getoö^nlic^en
55 regulierten Kleriter imterfd;eibenbe Kleibung (Lib. II, 11; III, 11), ftrenge Ginfacbbeit
ber Koft unb ber §au«gerätc (II, 11. 14), jal^lreid^e fromme ©ebet«übungen bei 2ag
unb bei 9iad;t in ^^erbinbung mit l^äufigcn gottc«bienftlid^en ^a\Un unb ©elbftgeißelungen
(II, 3—7. 14), fotüie bie Sefd^äftigung mit ^anbarbeiten (III, 17), Kranfen- unb
Sffiaifenjjflege (III, 13. 20. 21) unb gelehrtem ^ugenbunterric^t (III, 10. 19) bor, 3>gl.
60 bie Sa^ungen bei §olfteniu«, 1. c. Sf^ditt j.
Soner Sonne 489
©oner, erufl f. b. 31. ©ocin oben 6. 466,43.
Sonne bei Den Hebräern. — aj(jl. bic ?lrtifel „@onnc" imb „©onncnfinftcmiß"
uun Siner in bcffeu JR5S.» II, 1848, ,,@omte, ©oniienbicnft" öon 3- CV). 3}Jüner in $>erao9^
JHG.S XIV, 1861, ,,@onnc, eonnenfinftcrniB" uon ©Araber in @d)enfclö 330 V, 1875, „©onne"
üün JRiefim in bcijen i)2S., Sief. 16, 1882, 2. «(. ob II, 1894; $incfteö, ?l. Sun in t^uftingö* ß
Dictiouary of the Bible, 8b IV, 1902; 6^et)nc, 91. Sun in ber Encyclopacdia Biblica üon
St)el)ne unb SBIocf, S3b IV, 1903; @. ®. ^irf« unb 3.2). ©ifenftein, 91. Sdn in The Jei^vish
Encyclopedia Ijög^b. öon ©ingcr, ob XI, 1905.
3u § I unb II: ©cf)iaparcüi, 2)ic 9lftronomie im Eilten 2:cftamcnt, bcutfd)c Ubcrfcfung
1904, befonbcrS 6. 35 ff. 101 ff. lo
8u § III: «oüer«, 3)ie folarc ©cite beS olttcftomcntlic^en ©ottcöbcgviffcS, 9lrcl)iu für
JHeliQionSmiffenfc^aft IX, 1906, ©. 176—184. UnmiffcnfcÖQftlirf) unb iuertloä ift ©cbvift uon
2. ^bt), Les adoratcurs du soleil; juifs et chr^tiens — Etüde philosophique populaire sur les
origines du judaisme et du christianisme, ^ariö 1903.
ß. SR. ßonbcv, Sun worship in Syria in: Palestine Exploration Fund, Quartcrly State- 16
ment 1881, ©. 80—84 gicbt, obgefc^cn öon einer aKittcilung über Xempelorientierung (fie^e
unten § III, 2, g), über fi)rifc5cn ©unnenbienft feblglidt) ^^antafien. 3)uffQub, Notes de my-
thologie Syrienne, ^oriS 1903 unb 1905 (ugl. ba.^u ©reftmann, ®g9l 1904, ©. 282 bi§
293; 2^03 1906, l^o[.294ff.) ^onbelt im erften l:eil auöfdjlicfelic^ öon ©onnengöttern unb
©onnenfijmbolen; ber SSerfaffer ge^t ben Äombinotionen femitif^er ©ott^eiten mit griccfiifcö- 20
römifcftcn, befonber^ auf ben 9Ronumenten, nad^, o^ne einge^enber bie Qltfenutifd)en ®runb-
(agen ju ermitteln, »öfirenb unfer 9lrtifel ficö ouf bie früher ober fpäter ouf fcmitifcftem
S3ubeu auäbrücflid» oI§ ©onnengott^eiten bezeichneten ÖJbttergeftalten unb bie birefte (£noät)=
nung ber ©onne auf fultifd^em ÖJebict befc^rftnfen muß, um eine 9(nfcf)Quung j^u gewinnen
über ba^ 9Hter be§ ©onnenbienfteS bei ben femittfc^en 93ölfern unb bie 3Bege feiner SSerbrei* 26
tung unb bamit über bie ^orau^feßung beö ©onnenbienfteö auc^ bei ben älteften $)ebröem.
— ^J?ic^t ungenannt mag §ier bleiben 5^^obentu§, 3)aS 3^^*^^^^^ beä ©onncngotteS, S3b I,
1904, obgleid) ber Unterzeichnete nicftt in ber Sage ift, ber SWetl^obe beä S^erfaffer^ ^u folgen
unb uon feinen 9(uffteflungen an biefer ©teile ctnjaS ju uermerten. 3" ben n>enigften§ teil-
meife nicftt unrichtigen ©eobad^tungen Oon g. 51. ^aktf, Gold-worship in ita relation to sun- 30
worehip in The Contemporary Review, S3b XLVI, 3uli— 3)eä. 1884, ©. 270—277 finbet
fic^ nicfttö für unfer 2:^ema.
3)er gctüöl^nltci^e 9lame für bie ©onnc iji im 211 ^7;? (^axti), SJominalbilbung
§ 19 c), h)ie auc^ im ^^önigifd^cn, 2lramäifc^cn, ©^rifc^en; Slff^rifc^cn unb Slrabifd^en
bie biefem SBort entf))rec^enben SejeicI^nungen bie berbreitetften ©onnennamcrt fmb. SJac^ 35
gleifc^er (bei 3.2ebV, 6^alb. SBörterbuc^ über bie ^argumim 1867 f., 35b II, ©. 578 f.)
toäre bie ©onne fo benannt toorben ate bie „gefd^äftigc" (bienenbe), b. f}. bie „laufenbe",
„ioanbeinbe", alfo ate 0ri)feter SBanbelftem im Unterf^ieb t)on ben |fijftemen; \va^ in
ber 3lnna^me ber ©runbbebeutung bc^9Jamen« unfic^er unb in ber SJorfteHung \>on ber
Sebeutung^tüanblung red^t unloa^rfc^einlic^ ift. ©erabeju unbenibar finbe id^, bafe ber 40
Sonnengott „3)iener" ober „Untergebener" genannt toärc toegen feiner „untergcorbneten
Stellung" im bab^lonifc^en ^ant^eon (Saftroto [f. unten § III, 1] ©. 66). 2)ic „unter-
georbnete" ©tctlung mirb nic^t urfj)rünglid^ fein. 3)ie im airamäifd^cn für ia^ SScrbum
■d72'd borliegenbc Sebeutung „bienen" ift Diclleic^t felunbär ober ^at bod^ anbemfall«
mi)glic^ermcife mit bem 9Jamen ber ©onne nic^t« p t^un (f. ©efeniu^^gSuJ^l >*, ©.848). 46
3)aö l^ebräifc^e "^1^4 ift balb 3)la«!ulinum; balb Femininum, toäl^renb ba« aff^rifdjie
samsu immer 9Ka^Iulinum, ba^ arabifc^e §ams bagegen immer unb ba« l^rifc^e semsft
jutoeilen Femininum ift (f. SUbrec^t, ^a^ ©efc^lcc^t ber ^cbräifc^en §au|)ttoörtcr, ^ai3S
XV, 1895, ©. 324). 3lad) 3lnalogic be« 3lrabifc|en liegt e^ na^c, amunc^men (tooui
Sllbrec^t öcneigt ift), bafe ber femininifc^e ©ebrauc^ bei ben Hebräern ber urfjjrünglidpe 50
loar (anber^ SBindfler in: ©d^rabcr, 5Die Äeilinfc^riften unb ba« %%\ 1903, ©. 139).
2lu^ bem Traume 3ofe|)^« ©en 37, 9 f. (in ber QueHenfc^rift E) ift ba« fenjinlrnjc^e
©efd^lec^t ber ©onne nic^t ju erfe^en, ba f^c l^ier getoife nic^t, itie SJBindler („8am8 =
©öttin", 3bm® LIV, 1900, ©. 417, änmig. 2) annimmt, bie pultet ^onbexn ben
^ater rejjräfentiert; auf \>a^ ©efc^lec^t ber 9Jamen für bie ^immetelbt\>et \\t an bieget 55
©teile leine JHürffid^t genommen, ba ber Slufgä^lung: „bic ©onne t)cx '^Slijvfe un\> ^\\
t anbere entfjjric^t: „ic^ (ber ä5ater), beine gjluttet unb fe^tv^ *'^^^" • ^^''
Btexne'' bie anbere entf})ric^t: „ic^ (ber ä5ater), beine 3Jluttet unb
gleich ni;, tooburc^ bemnad^ bie SJluttcr rej^räfenticrt fein iüitb, ^(.afuvvwxw m^-
3n )30ctifd^er ©))rac^e fommt für bie ©onne auc^ bic Sö^x^X^ut^^ ^\^^V\v.«^ ^
„glü^enbc". ©^non^^m hiermit foH nac^ ©efeniuö (Thesaur J^^ ^-^^^^^^t^^^
©onnenname cnn fein (ijgl. -nn „beife fein"; f. jeboc^ 3R'^^%ie^ V- ^CS ^vN , \^v.v),
©. 422 f.). ^' S^
4iK) @onne
I. 3)ic Sefd;affcnl^cit bcr ©onnc unb il^r ©influft auf baö 3^^'f^<^-
^a^ F)crrUd;ftc unter bcn SBJcrten beö ©c^öt)fcr^, bertünbct bic Sonne nad) altteftament-
lic^er i^orfteDung neben ben übrigen ©eflirnen unb an il;rer ©J)i^e ba« £ob ©ottes
C^Jf 148, 3). ^f}x Sauf iüirb gebac^t bon bem einen ©nbe ber äöelt fic^ crftredenb bi^
5 an ba^ entgegengefe^te ; bort, ioo (grbe unb §imniel fxd) berül^ren, fte^t ber 2)i(^ter l>f
19, 5ff. ba^ ^di ber ©onne (Dgl. §ab 3, 11), tporau^ ber ©onnenbaK aömorgenblic^
l^erau^tritt, um mit ber greubigleit be^ Sräutigam^g unb ber Äraft be« gelben feinen
bie SBelt umf^jannenben SBeg jurüdjulegen. 3)ie SJorfteKung bon bem ^elte ber ©onne
liegt ben Stuöbrüdfen ns:"» „^erauöge^n" für ba^ Slufge^n unb «^^'J „ßinfel^r" für ben
10 Untergang bcr ©onne juSrunbe. 5Prbl,5 pnbet ftd^ bie me^r refleltierenbe SSorfteDung,
bafe bie ©onne nac^ il^rem Untergang fic^ an ben Ort (im Dften) begiebt, öon ioo fic
aufgellt. Sei ben Sab^Ioniem i)at ber Fimmel 3^^üren „an beiben ©eiten": au^ einer
tritt bie ©onne am 3Worgcn l^erau^ unb in eine anbere gel^t fte be« 2lbenb^ hinein
(3cnfen, 2)ie Äoömologie ber Sabl;lonier 1890, ©. 9). ©ine 2tbänberung beö gu ftetigcr
16 aicgelmäfeigleit bon ®ott georbneten ©onncnlaufe« (bgl. noc^^f74, 16; 104, 19) ba(|tc
man nur aU burc^ aufeerorbentlicl^e^ ©ingreifen ber ©ott^eit betüirft (§i 9, 7), loic
bei bem ©onnenftiüftanb unter ^o]ua {^o\ 10, 12 f.) unb bem Slürfgang bc« ©c^atten^
an ben „©tufen bc« St^ag" (2Äg20, 11) ober (im ^arattelberic^t 3;ef38, 8) ber ©onne
felbft unter $ii$fia (f. über bie ßinric^tung biefer „©onnenu^r" ©c^ia^jareDi a.a. £., ©.87 ff. ;
20 Qd)Waü\}, ©emitif(^e Ärieg^altertümer I, 1901, ©. 23ff. beutet ba^ äöunber Sofuaö
unb bag 3icf<Jiö^ ol^ einen „©onnenjauber" — jene^ lann man etwa fo anfeilen, biefcö
faum). SSerfinfterung ber ©onne \vax ein beängftigenbe^ B^^^^n unb ift be^^alb ein
ftel^enber 3ubef^ör ber ©c^redfen be« gnbgeric^te« (3ef 13, 10; 3oe2, 10; 3, 4; 4, 15
[togl. arm 8, 9; anberö 9Ki 3, 6]; mt 24, 29 ; 3Kc 13, 24 [bgl. Sc 21, 25]; 2lj)I 6, 12 ;
26 8, 12).
3ioci ©eiten be^ t)^^fifc^en (Sinfluffeö ber ©onne auf bie (Srbloelt toerben im 312
befonberö ^erborge^oben: (Srleud^tung unb ßribärmung — jene bie SBebingung aü^
irbifd;en Sebeng (3)t 33, 14; 2 ©a 23, 4), be^^alb ate bag erfreulic^fte in ber 3fiatur
bargeftcUt (2 ©a 23, 4; bgl. $rb 11, 7); biefe, ben Ilimatifc^en SSer^ältniffen ber füb^
30 lid^ern ©egenben entf^jrec^enb, mel^r fc^äbigenb ate förbernb gebac^t. 3m ©cgenfaft ^um
aJionbe, bem baö SBac^^tum erjeugenben ©eftim (f. 31. 3Jionb 33b XIII ©.341 f.), gilt
bie ©onne ate Derfengenb unb tötenb (©i 43, 3 f.; 3lJ)I 7, IG; 16, 8 f.).
Daft man bie ©lut ber ©onne (^f 19, 7), nac^ ber pe in ber ^JJoefie benannt
tourbc, bon einer feurigen 9Jatur be« ©eftirn^ au^ge^enb bacj^te, fommt im 213: nid^t
35 mr (Sriüäbnung. ©en)ife aber ^at man fic^ bie ©onne feurig borgefteüt, toie bei bcn
^abl;lonicrn ber ©Ott 9Jergal gugleic^ ©onne unb geuer re^jräfentiert (f. 3i*""^cni in:
©d^raber, ltciün{d;r. u. b. StSC', ©. 412, 3lnmfg. 3). 3luf berfelben Kombination bc=
rul^t e^, bafe ber ^jcrfifc^e ^JÖJit^ra, ber aU ba^ SicI^t ber ©onne bere^rt unb bei bcn
3lramäem mit i^rcn ©onnengöttern ibcntifijiert tüurbe (f. unten §111, 3, c,a), bei bcn
40 3trmcniern ali mWjx mit .öepI;aiftog glcicf^gefc^t ioirb (f. 3l.3Janaia 93b XIII, ©. 642, 1 ff.),
alfo aU ein ©ott be^ %cntx^ gilt. Stud; ber Jj^önijifd^e 3)klfart l^at, ioenn nid^t t)on
§aufc au^, fo bod; bei ben ©^Jätern eine Se^iel^ung jur ©onne unb bicDeic^t guglctc^
i\um gcucr (f. 3t. a)JoIod; 33b XIII, ©. 291, 43 ff.), ßu toergleic^en finb bic feurigen
$innnel«^n)agcn ber @lia= unb (SIifas©ef^ic^te (f. unten § III, 5, e), beren geuer fc^ipcrlicb
4b auf bcn 33(i^ bcrlocift, fonbern c^er auf bie ©eftime, bie aU ein ftc^ am §immcl bc=
iocgcnbe^ gcuer crfd;cincn.
2)ic ^f 19, 6 au^gcbrüdtc 3?orfteC[ung bon ber ©onne ate einem gelben C^-^)
unb bon i^rcr g^rcubigteit Hingt in ber ^oefie aud^ fonft noc^ an: ben 3<>^ibc Siebenben
ioirb gcioünfd^t, ba^ fic glcid^cn ber ©onne, iocnn fie aufgebt in i^rer Kraft (^^T?^^ di\
50 5, 31); oF^nc Sonnen fd;cin ift feine greube, bcr Srauernbc ift fonnenlo^ (^i 30, 28).
5DJit bcr Sonne, iDcnn fic (crfrcucnb unb bcicbcnb) aufgebt am tooüenlofen ,^immel nadb
näc^tlid;cm 9kgcn, loirb bcr gcrcd;tc König bcrglic^cn, toeil fein Siegiment ^rcube unb
©cbcit)cn bcrbrcitct (2 Sa 23, 4). ^n il^rcm mafeüofcn ©lang ift bie Sonne 33ilb bcr
Slcinbcit bc^ ^Wcnfd;cn (§2 6,10; bgl. Mi 13, 1:3). 9Jur einmal toagt e^ ein fbätcr
65 ©ic^tcr, aud; bic (5^ottE;cit unter bem 33ilbc bcr Sonne barjuftellen mit Säe^ug auf bic
bon il^r auögcl;cnbcn looblt^ätigcn Süirtungcn: „Sonne unb Sc^ilb ift ga^ioe (globim;
©nabc unb .N>crrlic(ifcit bcrkif^t ^^aljioc" (^[81, 12; bgl. ^cf 60, 20: „^a^toc tpirb bir
fein ^^ium cioigcn Sid;tc"). (5bcnfo mirb bic göttlid^c (Snabc mit ber Sonne berglic^cn
53ial 3, 20 : ,,3(ufgcbn luirb cud\ bie \l)x meinen 9iamen fürchtet, bic Sonne ber ©nabc
üo (©crcd;tigtcit) unb .Teilung unter il;rcu g-ittigcn" (bgl. gcgcnfä^lic^ 3)Ji 3, 6). — "DJic^t
4»2 S9MMt
unb nad) il^m ba^ SRonbjo^ mobifijicTt, bamit bie t)on ber ©onnc ab^genben 3ö^ws=
jdtcn immer toieber auf bicfclben Reiten bc^ Äalcnberjo^ fielen. Süc^u^tnobme auf
ben Sonnenlauf erfie^t man fc^on Jux bie ältere ^6i beutlic^ auS ben alten 9Ronat^
namen, bie auf beftimmte ^afyct^itiim t)ertDeifen. Grft au^ \pättt 3«t be^ 3"^«^>"^
6 toiffen mir, toie bie 2lu^lei<^ung be« 3Ronbial^e« mit bem Sonnenlauf ^geftefft tourbe,
nämlid^ burc^ 9nn)enbund eine^ @<^tmonate^. filoftermann (Ueber bie falenbarifc^ Se^
beutung beö Sobelja^reö, "XfjStSt 1880, ©. 720—748) fiebt ba« Sobeljabr (^obd =
„au^louc^"?) an cdi ein Bd^^afyc, baö ber äu^leic^ung bee SHonbjo^re^ mit bem
©onnenja^r bienleCO- 2.. übcdfoupt 8. ,,^afyc bei ben Hebräern" 93b VIII, ©. 524 ff.
10 III. Äultifc^e aSere^rung ber Sonne bei femitifc^en Sölfern. öei
faft allen SSölfem be^ 9(ltertumd tuar ber Sinbrud ber Sonne fo getoaltig, ba^ fte in
i^ ein göttlii^e^ 3Befen ju erfennen glaubten ober fie bod^ ju einzelnen ®öttergeftalten
in irgenbtoetc^c 93egie^ung fe^en. 3)ie alten ^nbogermanen benannten i^re ®ötter toic
nac^ bem ^immel fo au^ nac^ ber Sonne unb bem Sid^tglanj, ber fte t)erfunbet unb
15 begleitet. Unberechtigt unb ergebnislos, toie bem Unterzeichneten \d)zmt, ^t man boruba
t>erl^anbelt, ob in ber Snttoidfelung ber SleligbnSgefc^ic^te über^u^t ober boc^ in ber
ber femitifd^en aSölfer Sonnen- ober aber 3Dlonbbienft als baS primäre anjufe^ fei
Sei einjelnen SSölfem ober Stämmen toirb eS ber SJlonbbienft, bei anbem ber Sonnen-
bienft gehjefen fein (»gl. 3t. 9Ronb S. 344 ff.). Sonnenbienft läfet fic^ nic^t mit Sc=
ao ftimmt^eit bei aOen, ober bod^ bei ben meiften femitifd^en 93öllem als feit l^o^em ällter=
tum beftel^enb nad^mcifen, bei ben SBeftfemiten für bie ältefte Q6t nid^t mit ber fclben
Sic^cr^eit tüic namentlich bei Sab^loniem unb äffVrem. ®ieS fönnte inbeffen nur auf
ber bcrfc^iebenen Sefc^affen^eit unfercS 3KaterialS für bie ©efc^ic^te ber h)eft= unb ber
oftfcmitifd^en Sieligionen berul^en.
25 2luS ben altteftl. SluSfagen ijon ber Sonne l^aben toir gefe^en, bafe fie jugleic^ als
erfreuenb unb lebenförbemb unb als berberbenb aufgefaßt tourbe. 3)ie Bereinigung
biefcr ©egenfä^e entfpric^t burc^auS ber SSorfteHung bon ber ©ott^eit bei ben femitifc^en
JJölfem. (SS ift irrig, toenn man i^nen ober fJjejieH ben Hebräern früher h)o^l bie
SSorftcHung einer lebiglid^ ijemid^tenben ©ott^eit jugefjjrod^en unb bieS gelegentlich mit einer
30 analogen anfd(;auung bon ber Sonne in Serbinbung gebracht f)at
1. Sab^lonier unb Slff^rcr. S5ei ben Sab^loniem unb 3lffVtem ift ber ®ott
äamag burc^ feinen 9Jamen = '^^'4 als ein Sonnengott d^aralteriftert. Sama§ ift
einer ber menigcn femitifc^en ©otteSnamcn, morin bie naturaliftifc^e Sebeutung unber-
lennbar ift, unter ben norbfemitifd^en ©otteSnamen, fo biel icl^ fel^e, tpo^l ber einzige,
36 h)eld()ter mit ber im Sprad^gebrauc^ fortbauernben Sejeic^nung eines SlaturgegenftanbcS
ibentifd; ift. 3)er ©Ott SamaS ift in 'ißerfoncnnamen feit uralten ß^ten bezeugt. 3m
alten Sab^lonien tüaren Sarfa unb Si}))3ar §auptfi^e feines ÄultuS. 2)afe SamaS in
bem auSgebilbeten ©ötterf^ftem bem ^JKonbgott nac^georbnct ift, als fein So^n erfc^eint,
ift noc^ fein 93ch)eiS für baS ^ö^ere 3lltcr beS 3JlonbbicnfteS, fonbem lann auf lofalen
*o ÄultuSberl^ältniffen berufen, bie für bie f))ätere ^dt altgemein mafegebenb tourben. —
SRebcn SamaS fxn\> aud^ anberc ©ötter beS babl^lonifc^-aff^rifc^en ^ant^eonS ent-
loeber urfprünglic^ Sonnengötter getDcfcn ober nachmals ^u ber Sonne in eine 33€=
jlie^ung gefegt morbcn, fo 9){arbuf, 5Jinib unb 9Jergal (f. 3^"^"^^^ ^"- Sc^rabcr,
Äeilinfc^r. u. b. 2tX^ S. 367 ff.; Saftroh), S^ie Seligion »abtolonienS unb äff^rienS,
*5beutfd;e 2luSg. 93b I, 1905, S. 66—71. 134. 220—222; bgl. Änub^on, Slff^rifd^e ®e^
bete an ben Sonnengott 2 93be, 1893; The Samas religious texts classified in the
Brit. Museum catalogue . . . coUected by C. D. Gray, ßl^icago 1901 — mir nicbt
jugänglic^ ; baju noc^ bie oben § I angeführten 93emerfungen über ben Solar disk
bon ai^arb, Americ. Journ. of Theology, 93b II, S. 115—118). ^n ber aff^rifcben
50 Xarftettung eincS pfeilfd^iefeenben ÄriegcrS über einer geflügelten Sd^eibe, bie als ^eiliges
3eid;cn bcin ÄricgSljeer Dorangetragen tüurbe, iocift bie Sd(^eibe boc^ iüo^l auf ben fic^
beh)cgcnbcn SonncnfrciS. 93cjieF)ung unb ^erfunft biefer ©arftettung, bie an ben dajifp'
tifc^cn SonnenbiStuS erinnert, fmb jtoeifel^aft. ©etoöl^nlic^ fie^t man barin ein Silb
beS 3iationa(gottcS 2lfur, ber alfo au^ feinerfeitS ju ber Sonne in einer 93ejiel^ung ge^
ööftanbcn tjättc (ügl. gaftrolo a. a. D„ S. 206 f.).
Saums ift als ber alleS anS Sidj^t bringenbe „ber obcrftc 5lid;ter", ber mit gerechtem
®erid;t bem ©iitcm jum Siege Dcrl^ilft unb baS 93öfe ftraft, jugleic^ ein 93eförberer ber
3Bal)rF)cit, ber ^S^^^^f^'^ ^öft unb auf Drafelfragen 3lntioort giebt". 6r gilt auc^ als
„fiebcn unb ©cfunbbcit fpcnbcnb" (3imntcrn a. a. D., S. 368). ^d} bejtpeifle, bafe bie
öo ^eilenbe äüirfung abgeleitet morben ift bon bem Sichte, baS bie Sonne verbreitet, als
@otttte 493
bcm tDol^ll^ucnben (fo 3^»"*"^^" ; ^ßl- *>ö5U oben § I). 35icfc SSorftcHung bcrul^t )okU
Uid)t toiclmc^r barauf, bafe bie ©onnc in il^rcm jä^rlid^en Saufe mit bem SBed^fel bon
SÖäinter unb ©ommer abftirbt unb toieber ertoad^t, alfo in fic^ eine ben lob übertoinbenbe
3nad)t ret)räfentirt. ®ben biefe l^ätte man bann bom Sonnengott aud^ aufeer^alb feiner
felbft befunbet gebadet in Äranlenbeilungen, bie ate eine Übertoinbung be« 3:obe« auf* 6
gefaxt tourben. Sei ben 5ßl^önijiem toenigften« fd^eint jum f})ejieKen ^eilgott gctDorben
m fein ein @ott, ber mit ber @onne tool^l junöd^ft nid^td ju tl^un l^at, fonbem ba^ älb*
fterben unb SBieberaufleben ber Vegetation barftettt (f. Saubiffm, 35er )3^önijifd^e ®ott
e^mun, gbm® LIX, 1905, 6.459 ff. unb ,,g«mun=3l«!lej)io«" in ben Drientalifc^en
©tubien [9lölbele*geftfd^rift], 1906, ©. 729 ff.). gnttDeber tool^I fmb ft)äter ber ©onnen* lo
gott unb ber SSegetationögott, ben aud^ bie Sab^lonier fennen (f. ä. 3:ammuj), ber«
fd^molgen tDorben, ba ba« 3""^»"^ ^^ ©onne mit bem Sluftoad^en ber SSegetation ju*
fammenfättt unb e§ bebingt, ober aud^ berfelbe ^ßrojefe ber älu^legung be^ auferftel^enben
©otte« atö eine« §eUgotteö l^at ftc^ fj)ontan für ben ©onnengott einerfeit« unb für ben
$egetation«gott anbererfeit« bottjogen. i6
Unter ben anbem gu ber ©onne in eine Segiel^ung gefegten bab^Ionifd^^aff^rifd^en
©Ottern rej)räfentiert ber bab^Ionifd^e 30larbul (3immem a. a. D., ©. 370 ff.) borjug«*
njeife bie too^Itl^ätigen, bagegen Slinib (ebenb. ©. 408 ff.) unb Slergal (ebenb. ©. 412 ff.)
me^r bie fd^äbigenben SBirfungen, bie bon ber ©onne au«^el^n. Starbul ift ein „§eiU
gott in allen Äranl^eiten unb fiöfer jeglid^en Sänne«" (3tmmem ©.372 f.); ba« mag 20
bon i^m in feiner ©igenfd^aft al« ©onnengott ju berfte^n unb in ber einen ober anbem
aScife ebenfo ju erflärcn fein toie bie äl^nlic^en 3lu«fagen bon ©ama«.
®otte«namen, bie bem bab^lonifd^en ©ama« entf})red^en, begegnen toir bei ben
Slrabem unb aud^ bei ben SBeftfemiten, bei biefen in beutlid^en Seiegen erft ber^ältni««
mäfeig f})ät. Sei ben SBeftfemiten liegt babei jum Seil beutlid^, biefieid^t überall baby- 25
lonifd^er ßinflufe bor. 3lber bie toeiblid^e ©onnengottl^eit Sams bei ben Slrabem ift
toal^rfd^einlic^ toeber Sorbilb nod^ Slad^bilb be« männlid^en ©ama«. 35a« berf^iebene
©cfd^Icd^t entfd^eibet atterbing« nid^t unbebingt bagegen, auc^ nid^t gegen einen urfemi*
tifd^m 3wfanimenl^ang (bgl. bie toeiblid^e IStar bei ben Sab^loniem unb ben männlid^en
'Attar bei ben ©übarabem), ift aber immerl^in ber Slnna^me günftig, bafe ber ©onnenbimft so
ober boc^ bie Senennung ber ©onnengottl^eit nad^ ber ©onne auf beiben ©eiten fj)ontan ents
ftanben ift. (SBinrfler [©efc^ic^te 3«rael«, Sbll, 1900, ©. 70f., Slnmlg. 4] toiC änjeic^m
einer toeiblid^en 3luffaffung ber Sonne auf affi^rifdbem Sobm gefunben l^aben unb erfennt
barin fanaanäifd^en ßinflufe, obgleich fid^ bodp auf lanaanäif^em Soben, abgefel^en bon
bm jule^t eingetDanberten $ebräem, eine toeiblid^e 3luffaffung ber ©onne ebm nid^t 86
nac^njeifen läfet.) Sei ben $ebräem finb ©t)urm be« ©onnenbienfte« für ba« j^öc^fte
ailtertum gar nid^t unb für bie 3eit be« 3lufentbalte« in Äanaan mit ©id^erl^eit erft
feit ber aff^rifd^en 5ßeriobe m erfmnen. 35ie« noq mel^r läfet einen bei bm Urfemitm
allgemeinen ©onnenbienft al« jtDeifell^aft erfd^einm.
2. Äanaanäer unb 5ßl^önijier. a) ^Paläftinifd^e Drt«namen. 3luf h)eft5 40
femitifc^em Sobm begegnen ioir im 312^ bem 5Wamm eine« Drte« an ber ©renje 3uba«
*fin-§emeS „©onnenqueUe" (3of 15, 7; 18, 17), ber möglid^ertoeife bon Sere^rung ber
©onnengott^eit an einer Duelle gu berfte^n ift. Sgl. ben l^eutigcn Drt«namen 2lin=
©c^cm« an ber Äüfte nörblid^ bon ©ibon (Saebefer, 5ßaläftina*, Äartc ju ©. 320).
©benfo ift ber im 312^ oft toorfommenbe 9lame mel^rerer })aläftinifc^er ©täbte B6t-§eme8 46
(barunter ber Ort in 35an ioo^l ibentifd^ mit bem einmal 3of 19, 41 genannten "Ir
§eme§ „©onnenftabt") bieHeic^t auf ©onnmbienft ju bejielSim mit ber nä^ftliegmbm
aiuffaffung bon bet in bem ©inne „%^mpd'\ 35arauf, bafe ft^ in bem jubäifd^m
Set5fd(>emefd^ (je^t 3lin=©d^em«, Saebefer*, ©. 16) ein Heiligtum befanb, mag bie 3lufs
aäl^lung be« Drte« unter ben fiebitenftäbten (3jof 21, 16) bertoeifen. 3)iefe Drt«namm so
finb getoife fanaanäifd^ unb bon bm jpebräem borgefunben ioorbm. ©ie fönntm mög«
lid^ertoeifc auf bab^lonifc^em ©influfe in ber bori«raeliti|cl^en $eriobe berufen. SBal^rs
fd^einlid^ ift ba« aber nid^t, ba ic^ fonft nur eine bereinjelte ©^)ur für bie iperübemal^me
bab^lonitem ©onnenbienfte« bei ben alten Äanaanäem toeife (in ben %^zn au« Xell
Sa^'annel, f. unten § III, 2, b), fold^e ßntlel^nungm ftdfi auc^ nid^t ^o leicht gerabe in 56
Drt«namen befunbet ^abm ioerben, toenigften« nid^t in 9iamen, We ^a^en bU^en, unb
namentlid^ nic^t in Drt«namen be« plattm fianbe«.
3nbeffen bie Sejiel^ung jener jtoei ober brei Ortsnamen au^ ©onnwblcn^t \^t
bod^ überl^au})t nid^t ftc^er; bot in Drt«namm ift nt^t tinwex ^e}f\(!^nunö eine«
Xmpdi, unb für jene Stamm liefem ftc^ nod^ anbere 5tomb\nat^^^ P'\^^ „Sonne" eo
494 Sonne
cincrfcitg, ^^Quettc" unb „^am" ober „Bta'bV* anbcterfeit« benlen ate bie auf bem ilultu^
berul^enbe.
^Jlod) tücniger fid^cr läfet ftd^ auf alttanaanäifc^cn ©onnenbienft fc^Hepen au^ bem
in Drtönamcn angctoanblen o*;n^ tüeil bie^ ®ort nid^t borlommt al« 9iame einer ©onnen=
6 ßott^eit, h)ie e§ für '«^'"v. = SamaS ber %aü ift, unb in ben Ortsnamen überl^am)t eine
. anbere Scbeutung l^abcn tonnte ate ,,©onne" (bgl. arab. hars = ,,Seh)al^rung")- 3"
ber ganj f})äten ©teile 3ef 19, 18 ift aUerbing« ^öd^fttüa^rfd^einlid^ p lefen cnnri ^,^
unb bic^ bon bem ä0^t)tif(i^en §elio})olig j\u toerftel^n. Unter t)aläfttnif(i^en Ortsnamen
fommt toor s";inn (in pausa) für einen Ort bei ©ulfot 9li 8, 13, too aber bie Sefung
10 ^h)eifcll;aft ift,_ ferner ^"".T*"" 9li 1, 35 für einen Ort im ©tamme 35an, möglic^ertocifc
ibentijcfi mit 'Ir Semos. 3n bem ct)^raimitifcl^en Ortsnamen s"in-n:rri 3li 2, 9 ift na^
3of 19, 50; 24, 30 bie £e«;art onn nid^t ganj fidler, unb iebenfatt^ ift e« nic^t toal^r=
fd^einli^, ba^ eine Benennung nad^ ©onncnfult nur afö eine nähere Seftimmung ^u bem
eigentlichen Ortsnamen (nrsn) ^inj^ugefügt toäre. (einigermaßen analoge Ortsnamen
16 lauten 5)faria ©inftebeln, SKaria Xafert, SJariaj^efl, ni^t umgelel^rt: Sinftebeln ber
9Jlaria.) 3(ug biefen ©rünben lann ic^ ber Sic^erl^eit nid^t juftimmen, toomit 6bu. fDJcber
(Die Se^raeliten 1906, ©. 476, änmfg. 2 ; ©. 528) au« ben Ortsnamen B§t-§eme§,
Harheres, Timnat-heres auf ©onnenlult ber t)ori«raelitif(^en „d^oritifd^en" Se=
böHenmg fd^Iiefet. 9lod^ toeniger toal^rfc^eintic^ ift, bafe in bem moabitifd^en Ortsnamen
20 b'7n"'n''p ba« b^in ibentifd^ mit onn ift, namentlid^ ba baneben bie gorm r.b'^n-n-'i:
borfommt.
b) ©ama«. 2^cm})eIorientierung. 9Kel!art. 3n nr. 4 ber ileilinfc^riften au^
2:cII 3:a'annct (^rojny bei ©ellin, leH ^'annef, Denlfd^r. b. ffiien. Slab., ip^ilof^iftor.
AI., Sb L, 1904, 4, ©.119) toirb (ilu) Sam[a§J genannt. Diefe bereinjelte ßrtoäl^nung
25 befagt nocfi nic^tg für §erüberna^me babi;Ionifd^en ©onnenbienfte« in h?eiterm Umfang
bei ben alten Äanaanäem.
gür bie ©alomonifc^e 3eit aber l^aben h)ir ein ganj beutlic^e« 3^'^^/ *^^^ ^"f ©onnen-
bienft bei ben ^^önijiern ober bod^ auf Seeinfluffung i^rer 3;em})elbautcn burd^ ben ©onnen^
bienft eine« anbern l<oIte« ^intoeift, in ber Orientierung be« ©alomonifd^en 3:emj)ct« na*
30 bem ©onnenaufgang. ©ic ift nic^t zufällig, ba fie für bie fiofalität be« jerufalemijcben
2:em^cl0 burd^au« nid^t j^afet, unb ift t>on bem })^öniiif(^en SSorbilb be« ganzen Sauc§
l^erjuleiten, ba n)eber ber ©Ott ©alomo« nod^ ber ber altem Hebräer 3üge eine« ©onnen=
gotte« an fid^ trägt. Da« 9[5orbilb be« ©alomonifc^en Semj^el« ift in 2:^ru« gu fuc^en,
tDoI^er ber Saumeifter ©alomo« !am. ^öd^fttüal^rfd^einlid^ toar bie« 3?orbiIb ber 3:em}}el
35 be« ^au^tgottc« bon I^ru«, be« ®ottc«, für njelc^en n)ir au« |})äterer 3^^^ ^^" 9lamen
3)ielfart fenneh. (Sr mag alfo fc^on gu ©alomo« 3^^^ ^^^ ©onnengott angefe^en
tDorben fein.
^ür biefc Scbcutung laffen ftd^ aud^ in ben 2lu«fagen über ben ®ott einzelne
©J)uren gcltenb mad^cn. ©ie gehören f})ätcr 3^^^ o"- ®i"^ angäbe, bie man ju biefen
40 ©jjuren gered^net I;at, fönnte freilid^ bi« in bie 3^^^ ©alomo« ^urüdfiDeifen. ©. barübcr
91. Saal a3b II, ©. 331 f. 3lber e« ift bod^ nid^t fid[>cr, bafe biefe eine angebliche ©})ur,
ba« bi« auf ©alomo« 3^itgenoffen §iram jurüdfbatiertc 2luferftel^ung«feft be« 3DJelfarl,
fic^ auf ben ©onnenlauf bcjog ; bie 3tngabc be« 3;oJ^i>^u^ ^^^ 3Renanber (Antiq. VIII,
5,3; bgl. C. Ap. I, 18), bafe e« im 3)lonai ^ßeritio«, b. i. im gebruar=3)lärj, gefeiert
46 hjorbcn fei (nad; ber für 2:i;ru« bezeugten Sere^nung, an bie ^ier bod^ tüol^l gu benfen
ift, begann ber ^eritio« mit bem 16. gebruar unb ^äl^lte 30 läge, f. Sbeler, §anbbud^
ber Chronologie, 95b I, 1825, ©. 435), pa^i faum ^u biefer ^nnal^me, ba ba« 3Kieber=
crlüad^en ber ©onne mit ber 2Binterfonncnh)enbe beginnt, unb fd^eint fid^ el^er auf bae
SiJiebcrerhjad^en ber ^flangenn)elt gu belieben. — aßenn toirflid^ unter bem Zevg fui-
50 UxKK be« ^^ilo S^bliu« (Fragm. histor. Graec. ed. 6. 5WülIer, Sb III, ©. 50()
fr. 2/.0 Weifart ^u berfteljn fein foQte (91. Saal ©.332, 30 ff.; 31. ©anc^uniatbon
Sb XVII, ©. 463, 34 f.; 468, 24 ff.; bgl. Saubiffin, ©tubien ^ur fcmitifc^en 9{eligion«^
gefd^id^te I, 1876, ©. 36; II, 1878, ©. 174), n)a« allerbing« unfi^er bleibt, fo belöge
fic^ bie 2)arftellung be« 3^"^ 3)Jeili^io« al« eine« ©d;iffer« bei ^P^ilo faum auf bie
56 ^-a^rten be« foloniengrünbenben 3:i)ru« fonbern eljcr auf bie be« ®otte« felbft, ber ak>
©onnengott über ba« 9)icer l^in nac^ bem fernen SBeften ^k^. 9lber aud^ biefe 2luf^
faffung fönnte nad^ ber 9{rt ibrer Sejcugung für alte i>orftelIung«h)eifc nic^t in Sctrad^t
fommen. isgl. baju eine allerbing« ebcnfaH« fel^r unfic^ere Vermutung 3^"f^^ bon bem
babt^lonifc^en ©onnengott auf einem ©d;iffc (bei 3"""^^!^ ^- ^- D., ©. 632). — auf alten
60 fanaanäifcl;en ©onnenbienft unb f^ejieH auf bie äSorftcHung be« ?)lelfart al« eine^
496 Sotttte
35t«fu§ im ^albmonb auf bie ©onnc \>qL eine i)alm^renifc^e SJarfteHung ber Süftc be§
©onnengotteö im §aIbnionb unten § III, 3, e SKorbtmann n. 80).
^6) mufe mi^ barauf befd^ränten, toeitere Silber gu nennen, tDorin man Dor^
fteHungen bet ©onne in 93erbinbung mit bem 3Konb ober ber ©onne für [x6) aflein unb
6 möglic^ertoeife eine Se^ieJ^ung auf ©onnenbienft erlennen tonnte. 35em 3)i^Iu^ im §alb=
monb entf})rici^t auf })l^önijif^en SKünjen bie, fo biel id) fe^e, nur feiten tjorfommenbc
35arfteIIung eine^ ©tra^lengeftim^ (ber ©onne?) im ^albmonb (Wünge toon ©ibon
44—117 n. 6^r. bei Sloubier, Journal International d'arch^logie numismatique,
»b V, 1902, ©.238 n. 1354; 3»ünje t>on polemai« mit5lo})f be« 3Jero ebenb. SblV,
10 1901, ©. 215 n. 996). ©ofem®abaIa noc^ l^ier^er gejogen toerben barf, feien ertoä^nt
auf beffen 9)Jünjen ©onne unb ^albmonb nebeneinander (SBrot^, Catalogue of the
Oreek coins of Oalatia, Gappadocia, and Syria, Sonbon 1899, ©. 245 n. 11. 12
mit S3üfte be^ ßaracafla), auf anbem 5Ölünjen toon ®abala ©tem ober ©onne allein
(ebenb. ©. 244 n. 4. 5 mit Rop^ beö S^rajan). aJlel^r ate biefe f})äten %if)ßm ^ätte ^u
15 bebeuten bie toeit ältere unb i^äufige SJarfteHung eineö „©onnenglobu^" unb $aIbmonbe^
am Hinterteil einer ®alere auf 9Jcünjen toon ©ibon au^ t)erfifd^er 3^^^/ ^^^" P^ ^^
©onnenglobu^ toirflid^ al« fold^er erfennen läfet (460—450 t). 6|lr. unb f^)äter, bei
SRoutoier a. a. D., »b V, ©. 100 ff. n. 1082, 1083 unb, h?ie e« fc^eint, auf allen folgern
ben 9lummem bi^ n. 1170). 6in ©tra^Iengeftim, ba« ein ©tem ober iool^l auc^ bie
20 ©onne fein lann, lommt nod^ f onft auf })l^önijif^en 3Wünjen toor (ic^ l^abe bafür bemerft
bei Sloutoier a. a. D., »b III, 1900, ©. 307 f. n. 603. 604. 604 bis; 35b IV, ©. 62
n. 735; S3bV, ©. 130 n. 1274; ©.267 n.l527; »bVI, 1903, ©.22 n. 1647; ©.24
n. 1651; Sb VII, 1904, ©. 80 n. 2387; ©. 87 n. 2434; ©. 100 n. 2507; ©. lOOf.
n. 2511). Sei allen biefen Darftellungen bleibt, auc^ toenn fte rid^tig al^ ©onnenfrei^
26 ober StraJ^lenfonne aufgefaßt fmb, j^toeifel^aft, inioietoeit fte einen 5lult ber ©onne
toorau^fe^en. Sttud^ bag Silb toon ©onne unb 9Konb an ber ©alere fönnte [\6) lebiglic^
barauf bejiej^en, bafe bie ^a^rt be« ©c^iffc« bom ©onnen^ unb 9Konbfci^ein abhängig ift
unb begünftigt toerben foll. — ^ebenfaü^ lä^t ftd^ au« allem bi^l^er toon un« ängegäenen
nic^t mit ©id^erl^eit erfel^en, bafe ©onnenbienft ben 5lanaanäem toon $aufe au« eignete.
90 d) Saal ßl^amman unb G^ammanim. SKöglid^ertoeife fönnten ein toeiterc^
3lrgument für lanaanäifd^en ©onnenbienft bie im 3l2i unter bem Flamen ß^ammanim
ertüä^nten l^eiligen ©äulen fein, benen in })unifd^en ^^f^^ft^" ^i"^ ©ott^eit jizn Vrn
entftoric^t. 3lber e« ift boc^ fraglid^, ob biefer 9lame mit n?:n ^,©onne" in Scrbinbung
ju bringen ift. 6r toäre bann aU Slbjeltibum mit ber Sebeutung „^eife" junäd^ft eine
35 Sejeid^nung bc« ©onnengotte« felbft, erft fetunbär feiner ©äule. Sgl. 31. »aal ©. 330f.
3u ber anbem 5Köglici^!eit, i^^n al« einen Ortsnamen („Saal toon i7:n") ju tocrftel^n, ift je^t
nod^ in Setrac^t ju jie^en bie bem jtDeitcn nad^d^riftlid^^en g^^^^wnbert ange^örenbe 3"'
f^rift: MeQxovQio) Acofuvco xco/itjg Xdjii(ov[og] au« bem Drte§am in ber 9iä^e bon
S3aalbe! (juerft begannt gemad^t Don 6lermonts©anneau, Recueil d'archöologie orien-
40 tale, 93b I, ^ari« 1888, ©. 22), n)orin ^fib. S^to^ (Cultes et rites Syriens dans le
Talmud in ber Revue des Stades juives XLIII, 1901, ©. 188f.) ben ®otte«namen
•;7:n brn ^u ertennen glaubt. Db bann ^ier ba« SJorbilb be« lartl^agifc^en ®otte« ju
finben n)äre, toirb man jebenfaH« beffer mit 3- 2^^^ ba^ingeftellt fein laffen, namentlich
ba bie 3"f^^ift burc^ ba« 5n)ifc^en bie (Sotte«namen gefteHte xco/urjg bie 3Sermutung ertoedt,
46 bafe l^ö^ftcn« ein 3Bortf})iel mit bem jufäHig an ben (Sotte«namm v:n anlUngenbcn
Ortsnamen vorliegt (jo Sagrange, fitudes sur les religions S^mitiques*, ^ari«1905,
©. 87 f.). ®enn ycn in "i?:n brn Drt«begeici^nung fein follte, fo toären bie (S^am^
manim fd^tüerlid^ bamit in SSerbinDuna ju bringen, ©ie fönnten bann aber i^rerfeit^
faum au« bem 3Jamen ber ©onne erfiärt toerben, ba i':n [id) nic^t toon iT'?" fonbem
50 nur ci\üa bire!t bom ©tamme zun ableiten läfet. %\xx fcbr alten ©onnenbienft fmb bie
G^ammanim fcincnfall« geltenb ju mad^en,. ba eine ©rtoä^nung toor ©jec^iel nid^t nac^-
j^utoeifcn ift; bie in gef 17, 8 ift fc^toerlid^ gcfaianifd^. — 3"'«%^ aUerbing« ift Saal
ß^amman ein Sonnengott gen)efen; er ift abgebilbet al« ftra^lenumfränjte« ^auüßi auf
einem bei 2^l;ugga gefunbenen Denfmal mit neu^unifd^er 3i"W^if^ ((Sefeniu«, Script.
55 linguaeque Phoen. monumenta 1837, laf. 21). Slber ba« ben)eift nic^t« für feine
urfjjrünglid^e Sluffafjung, ba in ber 3^i^ ^^ neuj)unifd^cn gnfd^riften bie t)]^öni5iWen
©Otter faft allgemein ju Sonnengöttern geloorben toarcn. ®a 93otibfteine für Saal
(Sl^anmian mit ©clp^incn, Slumcn unb2:rauben, ben3cid^en ber ^rud^tbarleit, gefd^müdt
fmb (f. ä. Saal S. 328, 51 ff.), fo bad;te man babei menigften« in f})äterer 3eit bie
60 ©onne al« bie ^rud^tbarteit förbemb (f. barüber oben § I).
498 ®0tiiie
^nri^ 1804, S. 172) in einer SnfArift ju S^blo« fanb, t)^önijifc^em CTitmn? ent^
fprcd;en, ferner ebcnfo, h)ie 6Iermonl=©anneau (Recueil, S3b III, ©. 145 ff.) gcfc^ ^t,
IlkiodcoQog al^ Slame eine^ au« Ser^to« gebürtigen ©ibonicr« in einer ^"f^'^ft ju
^Q\pf)i (lIXio\dcoQog]y Bulletin de correspondance hellßnique 1898, ©.409) unb
6 eine« ©ibonier« in einem 2)e!ret ber Söotier toon 3lro})o« (bic beiben lefttgcnannten 5n=
fc^riften 8. bi« 2. 3a^r(^unbert t). 6^r.).
3tuf ©onnenfult toertoeift bielleid^t aud^ ber Ortsname 'Ä72C"T3p72 auf maurctonifc^
SKün^en (£. 3)Jüner, Numismatique de Tancienne Afrique, Äoj^en^gen, 35b III,
1862, ©.111. 124. 164 ff.). SÖäenn ber 9lame bebeutet „©onnenort", ift aber boc^ bic
10 S3ejie^unö auf ben ©onnengott jtoeifell^aft, unb jene Sebeutung ift unpd^er, ba für ben
Crt aud^ ber 9lame 'Ciz'O o^ne 7:p?2 borfommt (a. a. D., © 98—100. 165 n. 247).
g) ^elio«. ßine S^f^^ft gu SScirut au« ber Äaiferjeit lautet: Kq6vov 'HXiov
ßcojuög (Golonna ßeccalbi, Stöle inßdite de Beyrouth in ber Revue archßologique,
Nouv. S^rie, S3b XXIII, 1872, ©. 253—256); toeld^er t)^önijif(^e ®ott l^ier mit
16 Kqüvog gemeint ift, mufe ba^ingefteHt bleiben.
$Henan ^at gu 5)lafc^na!a in ber Umgegenb bon 95^blo« einen Keinen ältar gefunben
mit ber Stcliefbarftcllung be« ftral^lenumgebenen Äo})fe« eine« jugenblic^en ©onncngottee
(Mission de Ph^nicie, laf. XXXII, 2), toielleic^t ein »ilb be« ju S3^blo« toerebrten
2lboni«, ber aUerbing« urft)rünglici^ fein Sonnengott toar (f. 31. S^ammuj). 3)arauf, ba|
20 man i^n in f})äter ^z\\ al« ©onnengott badete, mag 3}lartianu« 6a))etla II, 192 "o^x-
tocifcn : unter toielen ®otte«namen, bie er in einer SReil^e mit Sol al« berfelbcn ©ottbeit
geltcnb aufgäl^It, nennt er Byblius Adon. 30lacrobiu«, ber überall ©onncngöttcr ficht,
fagt (Saturn. I, 21, 1) au«brüd(lici^: Adonin . . . solem esse non dubitabitur. &r
giebt (1,21,1 ff.) eine au«fül^rlid[>e Deutung be« 3lboni« al« ber im SBinter fmfenben, mit
25 bcm grü^ja^r toieber fteigenben ©onne unb toiU biefe Deutung bereit« borgefunben ^ben.
6lermont=®anneau (Rapports sur une mission en Palestine et en Ph^nicie
entreprise en 1881, Cinquiöme rapport, in ben Archives des missions seien ti-
fiques et litt^raires, S^rie III, Sb XI, 1885, ©. 172 n. 23) ^at ben abgebrod^encn
Sopf einer Sronjeftatuette au« bem f^rifd^en 2^ri^oli« befannt gemacht: ein jugenblic^cr
30 ©onnengott mit fteben ©tra^len, Duffaub (©. 62) eine ä^nli^e Heine Sronjebüfte boj
©onnengotte«, ebenfaH« au« 2:rit)oli«. 3" Slimat bei ©ibon ift in einem ©aceHum bic
Sronjcftatuette eine« einen ffiibber tragenben Jüngling« gefunben toorben, umgeben toon
^hjei Süften be« ©onnengotte« (2)uffaub ©. 60 f.). Dem Drte ©d^alabun bei cb-Duh)er
in ber Umgegenb t)on 2^i;ru« gehört an ein mit gried^ifc^er Sy^f^^f* berfe^ene« Selicf
35 au« fcbr fjjäter 3^*^/ ^^^ ^" barbarifc^en formen 9l})ollon unb 3lrtemi« al« ©onnengott
unb *jDJonbgöttin barftellt mit teil« gried^if^en, teil« f^ro^j^l^öni^ifd^en Attributen (SRenan,
Mission, ©. 677 unb SEaf. LVII, 3; Duffaub ©. 88 ff.).
3(uf j)^öni^ifc^en Wunden \:}C[hz xij nur für Slrabo« bie beutlid^e DarfteHung einc^
©onnengotte« bemerft, in bem bort mel^rfad^ au« ben "^oifx^n 101—116 n. 6^r. bcr^
40 fommenbcn 2^l>t)u« ber flra^lenumtränjtcn Süftc be« jugenbli^en ©otte« (SRoubier a. a. C,
©b III, ©. 251 f. n. 378-382). Der Sictoer« biejer ^Künp |;cigt einen Äorb mit i;n>ci
iäbren unb eine Jlcbenrnnfc mit einer Traube, boc^ tool^l ein .^inmei« auf ben ©onnen-
gott al« ^örberer be« ©rntefegen« (bgl. ba|\u oben § III, 2, d über Saal ß^mman unb
§ I). ©onft fenne id^ nur nod^ auf einer 3Künje ber ©tabt ©abala, bie aber bo(^ toobi
45 fd^on bcm aramäifrf)cn Screicb jujujäl^lcn ift, einen ftral^lenumfränjten jugenblic^en Äo))f,
t)icncid>t ein ©onnengott (fflrotl;, Coins of Galatia etc., ©. 143 n. 1, nad^ Sörotb
2. ^abrbunbert D. (5^r.), unb auf einer 9)iünje t)on Saobicea ad mare, ba« ebenfalls
e^cr al« aramäifd; anjufc^cn fein toirb, einen ftra^lenumfränjten jugenblid^en SDJannc^-
fopf (ebcnb. ©. 248 n. 12, nad^ fflrotl^ 1. ^a^r^unbert b. 6^r.).
50 (Sin ©d^olion ju &;fopl^ron v. 1300 (ed. Sac^mann ©. 263): 7i6hg 0oivixi]c
ZnQaqxVi l\dci)vh]g, Ilklov olxrjTtjQiov i)at mit §elio« nid)t« gu tl^un, h)ie man c^
aUcrbing« Dcrftanben l;at; 'Ilkiov öiclmeljr = 7/Aftot; 1 % 17,9.
9iid>t nur au« jenen gricd}ifc^=römtfci^cn 3tbbilbungen be« ©onnengotte« auf ^^böni-
^ifdbcm 33obcn fonbcrn bcftimmter nod^ au« ber ©Icic^fe^ung be« w7rc: mit ^elio« in ber
5K ^^entifi|\icrungbcr^crfonennamen •::?r^-nny unb IlXiodcogog unb femer au« ben^erfonen-
namcn -wric-r-iN unb ^V-c- w?rw' ergicbt fid; jiocifello«, ba^ bie ©onnengott^eit ber \päim
^^böni^icrials^^männlidf) gebadet iinirbe.
Dafür, ba^ ber fiult eine« bcftimmten ©onnengotte« bei ben ^^öni^iem auc^ in ber
fpätcrn S^it mdjt ftarf bcrüortrctenb getüefen ift, fprid^t ber Umftanb, bafe 5P^ilo öv^iu^
60 einen befonbern ©onnengott nic^t nennt, gr berichtet aUerbing«, bafe bic ^^önigier a(^
500 8otitte
toor in ber ^abab^ {R. 2. 3. 11. 18) unb ber ^anammu^Snfc^rift (3. 22) au« Senbf(^irli,
bie bciu ai)tcn ^(^xi}nn\>cxi angehören, unb in einer ber Snjc^riflen au« 9terab bei
"ilUppo (1, 9) ungefähr au« bem fiebenlcn ^a^t^unbcrt. 3)er ©ott ;ö73'i5 toirb ^ier überall
neben anbcrn ®ott()eiten genannt unb niemal« an erftcr ©teile. 3n^ bcn ^"W'^f^^
5 au« ©enbfc^irli ift bie Slci^enfolge ber ®ö|ter: Hadad,'El, Rekub'el, Semes, (Reseph)
iinb: Hadad, 'El,'Reseph, Rekub'el, Semes, in ber S^W^f* ^"^ 9lcrab: öahar,
SemesjNikal (br:), Nusk (7^:52; bie l^ier ber ©eutlic^feit liegen gegebenen 3^ran«f!rij)tioncn
fönnen auf Äoneftbeit feinen 3lnfj)ruc^ machen). §ier ftel^t ber Sonnengott l^inter bem
9)ionbgott "^rrc. 3)abei fonimt aber in Sctrac^t, bafe biefe ^nfc^rift ber ©rabftelc eine«
10 ^riefter« be« 9){onbgotte« gu 9Jerab angel^ört, bafe ()ier alfo eine befonberc SSeranlafJung toor=
lag, bcn 3)ionbgott tooran^ufteDen. ^n einer ^toeiten Snfd^rift au« Slerab, au« berfelben
3eit unb cbenfaü« auf ber ©rabftelc eine« ?[Jriefter« be« 3)lonbgotte«, ift ber ©onnen-
gott übcrbau})t nid^t genannt (f. bie ^nfci^riftcn bei fiibjbar«!!, 9iorbfemit. @^)igra})bif
1898, ©.440 ff.). Sluf Fjöbcre« 2llter be« SKoubbienfte« bor bem ©onnenbienft bei bcn
15 SBeftaramäem ift au« bicfer ©teHung be« 3Wonbgotte« leincnfafl« j^u fd^liefeen; Dielmebr
fd^cint ber -BJonbgott, ber in jenen beiben Snfd^riften au« ©enbfd^irli ni^t borlommt,
jur 3cit ber um einige« Jüngern 3infci^nften bon 9lerab erft fürjlic^ au« iparan imt>ortiert
ioorben ju fein (bgl. 2l.3Wonb ©. 347, 12 ff.), ^rgenbtoelc^e ©})uren, bie bireft barauf
binn)iefcn, bafe au^ ber ©onnenfult au« bem Dften in biefe ©egenben eingefül^rt tüorben
20 n)äre, hjüfete id^ nic^t geltenb ^u machen. 2lber foöiel toir bon ben aramäifc^en Äulten
n)iffcn, jeigcn fie über|au})t toenig au«get)rägtc ßigenart unb befunben \>on Anfang
an 3lbbängigfeit bon bab^lonifd^en ßinflüffen. 3)anad^ ift aud^ für ben ©onnenbienft
eine ßntle^nung feinc«n)eg« au«gef(^Ioffen. ^n ber ^Rerabs^nfd^rift folgen auf ben 9Jamcn
be« ©onncngotte« unberfennbar bab^lonifc^saff^rifd^e ©otte«namen (bgl. Glermont=®anneau,
25 fitudes d'arch^ologie Orientale, S3b II, in ber Biblioth^ue de Tficole des Hautes
fitudes, fasc. 113, 1897, ©. 215ff.).
3n '^niws;:: ber Snfc^rift 2 bon 9lcrab 3. 1 ift wSD, ba« ftc^ in t)alm^renifd&en 3m
fc^iriften am 6nbe bon ^erfonennamen beutlic| al« Slbhir^ung für N'w?:c finbet (f. unten
§ III, 3,e), getoife nidbt ebenfaH« eine Slbfürjung für ben Siamcn be« ©onncngotte«, bie
30 fic^ am Slnfang eine« !om})oniertcn 5ßerfonnamen« nid^t rechtfertigen liefee. 6« fd^eint firf»
bielmel^r m6) 2ibjbar«fi« 3(nnaf)me (6})l^emcri« f. femitifc^e 6j)igraj)^if I, ©. 318f.)
um bie gorm be« })^öni;^ifd^en ober be« aff^rifd;en Sielatiüum« tid ju ^anbcln unb ber
^crfonnamc •n:!« ju lauten.
c) ßbcffa, Gmefa, §eIio})oli«, §icra})oIi«, 9lijib. 3lufeer in ©cnbf(^irli
35 unb 3lcrab begegnen irir bem ©otte«namcn c::'*:: auf aramäifd^em SSoben infc^riftlic^ unb
birc!t nur no^ in ^almvjra (f. unten § III, 3,e). äBobl aber ift burc^ ^erfonennamen,
bie mit r^rc: jufammengcfe^t fmb, biefer ©otte«name aud^ noc^ für anberc aramäifcfcc
©cgcnbcn bezeugt, ebenfo burc^ 3(ngabcn ber ©c^riftftetter ©onnenbienft.
3)iefc Sclcgc unb 3Jac^rid;tcn ftammen au« fj)ätcr ^6t, fo bafe ftc^ babci tok für
40 bcn J)bönijifd^en ©onnenfult an frcmben ßinflu^, bab^lonifd^cn unb biellcid^t auc^ äg^i)?^
tifd;cni bcnfcn läfet. 2)en ©onncngott bc« f^rifd^cn ^clio^oli«, b. i. Saalbcf (f. über ihn
unten i^ III, 3, c, y), bringt 5JJacrobiu« au«brüdtlic9 mit bem ©Ott be« ägl)t)tif(ben
§cliovoli«=Cn, bem ©onncngott 9la, in SJerbinbung, toa« auf toittfürlic^er Kombination
ber Crt«namen beruhen mag (fo S)uffaub, Notes, ©. 49 ff.). Übrigen« fönntc boc^ fck
45 alter äg^ptifdf)cr ßinflufe auf ben Äult t)on ^clioj)oli« an^unel^men fein, hjcnn hjirflic^
ba« Dunip ber 3{mama=S3ricfe für .?>elioi)oli«=53aalbcf an^ufc^en fein foHtc (f. in:
©d^rabcr, Äcilinfrf^r. u. b. ä2:^ ©. 44 Stnmlg. 2; ©. 472 3tnmfg. 2), ba in einem ber
S3riefe Don ben ©öttern be« Äönig« Don "äQijptm, bie „in ^\xn\p fi^en", bie 5Rebc ift
(41, 9, ©. 103 ed. aSinilcr).
60 a) ©beffa. Wit bem ®otte«namen ^iJ^rc jufammengefc^tc ^grfonennamen lommcn
in ßbcffa Dor: ;::t:w-7:x = a::c-n?:5^, Ajuaooajuotjg „*Ü)Jagb bc« Sms" in einer bilin=
gucn 3nfd;rift, bie bem 2. ober 3. nad^c^riftlic^cn 3öl;r^unbcrt^ ju^utoeifen ift (©ac^au,
3bm© XXXVI, 1882, ©. 145 ff. n. 1); c-;r-n ,,©o^n bc« Sms" infc^riftlic^ (©acbau
a. a. £., ©. 163 n. (i), ferner al« 9iame eine« (Sbeffener« in ber Doctrina Addai (ed.
55 ^^U;illip«, Sonbon 187(), ©. 39) unb cbcnfaH« für 6beffa in ber ßbeffenifd^en (Sbronif
(ed. aiffcnmnu«, Bibliotheca Orientalis I, ©.393) für ba« 3al>r 201n. 6l^r. (f.2)uDal,
Histoire d'Edesse im Journ. Asiatique, S^rie VIII, 93b XVIII, 1891, S. 217 f.),
loo inbcffcn in bem 9Jamcn be« ©c^rciber« tionebcffa: 'iiarjal^b 93ar=©d^mcfc^ c^:c ber
5}amc bc« 5>aler« ift, \\d) alfo ,nid;t notioenbig auf bcn ©onncngott (al« §^})oforiftif on) bc=
eojicbt; 'r-ic-i^r „Wiener bc« Sms" in ber Doctrina Addai (©. 16); C-u-;::?:'»^, ein
Sotine 501
a\xd) anberlüärt« auf aramäifd^cm ©oben oft toorlommenbev 9iame, in einer 3nf<i?'^ift/ bie
anfd^cinenb älter ift aU 411 n. ß^r. (Sad^au a. a. D., ©. 158), berfelbe 5lame ferner
in ber Doctrina Addai öfter« (©. If. 16 f. 18. 31) aU ebejfenifd^er 3lamc, Wk eö
fc^eint t)on ein unb berfelben ^erfon. Slud^ ber n*T:i-c:7:^ (falfc^ jjunftiert >Oi.^wAiaA), ber
in beni bcm Sarbefane« juflefd^riebenen Sud^e ber „®efe^e ber Sänber" (ßureton, 5
Spicilegium Syriacum, Sonbon 1855, ©. 1. 77) afe ein 3^i^9^"<>ff^ ^^^ Sarbefane«
erU)äl^nt toirb, ift getDife ein ©beffener (anbertoeitige Selege biefe« 9lanien« f. unten § III,
:3, c, /^; d unb e; III, 4, b; über Sebeutung unb .?>erlunft § III, 4, b).
3n ber Doctrina Addai (©. 24) h)irb toon ben ©beffenem gefagt, bafe fie 3?er=
el^rer ber Sonne (Nd^ra) unb be« SKonbe« feien „as the rest of the inhabitants lo
of Harran" (fo ^f^iHi})«, mit einer Äoneftur) ober „comme d'autres" (f. ju ber
Sefung Slcrmont=®anneau, fitudes d'arch^ologie Orientale, Sb II, ©. 219). ftaifer
Julian (Orat. IV, ©. 150 CD ed. ©})anl^eim) nennt gbcffa iegöv i^ atcovog "HUov
XcoQiov, 6r fügt l^ingu, bafe bie ßbeffener ben 9Konimo« unb Sljij^o« bem $eIioö ovy-
xa&iSQvovoiv unb bejeid^net beibe aU 'HXltw jidgeögoi. 9{a(i^ ber (Sbeffenifc|en ßl^ronif i5
gab e« in ßbeffa im 6. ^oi^i^^wnbert ein Jl^or, ba« ben Flamen „3;i^or be«Bßt-Sme§",
b. 1^. be« ©onnentem})efö, trug (ed. Stffeman. a. a. D., ©. 405).
ßumont (Le culte de Mithra ä £desse in ber Revue arch^logique, S^rie III,
Sb XII, 1888, ©. 95—98) ^at in ben ndtQedgoi be« §e(io« ju (Sbeffa bie beiben
3üngling«geftalten er!ennen tooDen, bie auf ben Slelief« ber SKit^räen neben 9){it^ra ^u 20
ftc^n })flegen. 3Rir fd^eint bie ^Kombination fel^r nal^eliegenb ju fein tro^ ber 3"^*-
^altung, mit ber Gumont felbft neuerbing« fte be^anbelt (Textes et monuments figurös
relatifs aux myst^res de Mithra, S3b I, SBrüffel 1899, ©. 207, änmfg. 3; togl.
jeboc^ ©. 231, Stnmfg. 8 unb ben 31«^ neben 3Jlit^ra ©. 260, 3lnm!g. 2). 2)arau«
loürbe fid^ 3Wit^rabienft gu ©beffa ergeben, aber feine^tDegö bie $er!unft be^ ebeffenifd^en 25
©onnenbienfte^ auö bem 3)lit^rafult unb fomit fein J^erfifd^er Urfprung. äluc^ ßumont
(Rev. arch. a. a. D., ©. 98) ift ber aJleinung, bafe ber \päUxc 3)lit^ra unter femitifd^em
Öinflufe „ce caractöre astronomique" erhalten l)abc, ben er im Slbcfta nid^t in bem=
felben ®rabe jeige. SBa^rfc^einlic^ ipäre ber 3Jlitl^ra üon ©beffa, toenn er mirllid^ an^
^une^men ift, mit einem ©onnengott femitifd^cr §erfunft ibentifijiert toorben. I)afür30
fpric^t, bafe ber ebeffenijd^e ©onnengott in ben ^erfonennamen bie femitifc^e S3e5eid;nung
c?:'»:: trägt unb bafe toir neben bemÄuItu^ ber bab^Ionifc^en ©ottl^eiten 9Jebo unb ^aU
Mtal ju ebeffa fjjc^iell toon bem Äultu« be^ Sei toiffen (Dutoal a. a. D., ©. 228 f.
232 f.), ioorin nad; jenen Analogien fraglos ber babblonifc^c ©onnengott SeI=5Warbuf ju
erfennen ift. 3!)ie beiben ©eftalten be^ 3ljijo^ unb 3Konimo^ fmb feinenfaü^ an^ bem 35
^arfi^mu^ entlel^nt, fonbeni femitifd^en Urfj)rung^, am untoerlennbarften Slji^o^ (t''^^).
©ic finb toa(^rfd;einIic^ beibe arabifd^er §er!unft (SJuffaub, Notes, ©. 10). S)arau^ ift
aber nid^t gu entnel^men, ba^ aud^ ber eoeffenifd^e $eliog bieg toar, bem fie beigefettt er^
fc^einen ; benn bie 2lraber fannten nur eine toeibli^e ©onnengottlSieit (f. unten § III, 4,
a unb c). SlHem 2(nfc^ein nad) ftel^t toielme^r ber ebeffenifc^e ©onnenbienft in einem 40
2lb^ängigfeitgüerl^ältnig ju bem bab^Ionifd^en. 6inc Sejiel^ung be« 3Ritl^ra ju aramäifc^em
©onnenfult ift bod^ too^I femer in feiner SSorftellung ate „fcl^eborener" 5U erfennen.
ISlan toirb babei, nid^t allein, aber bod^ auc^, gebac^t l^aben an ben ^eiligen ©tein, ber
in aramäifc^en 2em})eln afö ba^ 3^*^^ be« ©onnengotteg galt, toie toir e^ au^brüdtlid^
öon ©mefa toiffen. 40
ß) (Smef a. 3" ©n^^f« (für beffen ®egenb öieUeid^t fd^on in ben SlmamasSriefcn au^
2lgVJ)ten imjjortierter ©onnenbienft nad^tDei^bar ift, f. oben § III, 3, a) fommt ber
52ame ©amfigeram in gried^ijd^er unb lateinifd^er Ümfd^reibung me^rfad^ toor. (ginen
^a/LwiyeQajuog nennt eine Snfd^rift bom ^ai)x 78/9 n. 6^r. (Äalinüa, 3nfd^riftcn au^
©Vrien, in ben ^a^rc^l^eften beg Öfterr. ard9äologifd;en ^nftitute^ III, 1900, S3eiblatt, 50
Sol. 26 n. 13 = JÖabbington n. 2567 = CIG 4511). ©trabo ([. XVI, 2, lOf. C.
753) nennt einen ZaixxpixeQafiog afö ^^Vjlard^en ber (Smifener unb jeine fiyefwvia alö
3U 2lJ)amea ge^örenb ; nad) bem 3wföJ""^^n^^"0 ^^"tt er an bie 3^i)xe 46—42 to. 6^r.
(f. «iarquarbt, 9{ömifd^e ©taat«berh)altung, Sb I^ 1881, ©. 403, ^nrntQ. 9). eben
biefen '']H)\}laxd}m \o\xh 3)iobor (Diod. Sic. Excerpta bei 6. ?Dlüttci, Fragm. bistor. 55
Graec., 33b II, ©. XXIV f.) meinen mit bem Don i^m crtDä^t^ten \siV<W'^ ^ext^^ct
i:afiifnyeQajuog (in ber §anbfd^rift J^afiipvxegafxog). 3)iit©eiua ^^^ *^^ xxQXXXXt (i'vccxo
ad Attic. II, 14. 16. 17. 23 ben 5Pomj)eiu!g toegen feinet ^^c%^^^^'^^^^ ^^ ^^^^^^
Sampsiceramus. 3ofe}}^u^ (Antiq. XVIII, 5, 4; XIX, 8, l) ^UJÖS^^^ ^^^^^ ^^"^^^
602 ®o««e
„König" ZajtnfHyegafAog toon gmcfa um 41 n. 6l^rifto. Sbcn biefcn f}>ätcm meint eine
lateinifc^e ^nfcprtft gu ^aalbet mit „ . . . regis magni Samsigerami" (CIL III,
1 4^587 a) unb too^I aud^ eine in ber 9lä^e toon Slom gefunbene S^Wrif* «i«^ 2hfci=
gelaflenen : C. Julio regis Samsicerami l[iberto] Olago (SR. Gagnat unb 3R. Se^nier,
6 Revue archÄ)!., S6rie III, »b XXXVII, 1900, ©. 491 n. 134). Sei 9Rala(a^
(Chronogr. 1. XII, 3910) toirb ein Ha/niptylgaßiog oI« 5ßrieftet ber „3^^obite" |;u
(gmefa unter fiaifer SSalerianu^ genannt. — 2luf ben Sonnengott t)ertoeift femer ber
für (Smefa infd^riftlic^ erhaltene 3?ame Aßdaoajtwolv] (®enet., SBabbington n. 25(59).
2)er ©Ott t)on ßmefa eiagabal, b. i. bsri-nb« *, beffen Äult Äaifer §eliogabaI nad}
10 9lom brad^te, tourbe toon ben Slbenblänbem ate ein Sonnengott angefe^en, ioorauf id^on
bic Umformung feine^g 3?amen« toertoeift (f. über ben ®ott unb feinen Äult 3- <&• 9Korbt=
mann jr., ämmubate« eiagabalu«, 3bm® XXXI, 1877, ©. 91—99; gr. genormant,
Sol Elagabalus in ber Revue de Thistoire des religions, Sb III, 1881, ©, 310
biö 322 mit rctl^t untoabrfc^einlid^er 3?amenderflärung unb me^rfad^ ioiHlürlid^en Äom=
16 binationcn; @b. SDle^er, 21. ©lagabal in SRofd^er« fiejifon ber griec^. u. römifc^en 3)lVtbo=
logie, 95b I, fiiefer. 7, 1885). 35ie 35arftettung be« ©otte^g in einem lonifd^en Steine
(f. 2(. ?)ta(fteinc 35b XII S. 135, 23 ff.) unb fein aramäif^er (fd^toerlic^ arabifd^er) 3lame
beuten in feiner SBcife auf bie Sonne (über ben 9iamen „®ott bon bni" f. 3bm® LVII,
S. 817; übrigen^ ift bna l^ier bod^ tool^l = &abala unb nid^t = S^blo«, ba befjcn
20 alter 9lame laum Oabal au^gef^rod^en tourbe: neben aff^rifc^em Oubal unb Bvßkog
finbct fid^ nod^ FoßiX bei ßufebiu^, Onomast. ed. Äloftermann S. 58 f., ^icron^mu^
Gobel; bagegen 3:i^eobotion 6^27,9 reßaX\ über bie annähme ®b. SKe^er«, bafeßla^
gabal ein arabifd^er ®ott toar, f. unten § III, 4, b). 3)ie Vita Heliogabali (Script,
bist. Augustae ed. 5ßeter 1, 5) nennt mit unbeftimmter 3)eutung ben Äaifer Helio-
26 gabali vel lovis vel Solis sacerdos (togl. c. 17, 8); ebenfo fagt bie VitaCaracalli
(11, 7 ed. ^eter) bon ipeliogabal: sibi vel lovi Syrio vel Soli — incertum id est
-— templum fecit. dagegen toirb in Snfd^riften unb auf SKünjen Elagabalus ober
Alagabalus birett a\^ deus Sol bejcid^net (3Rorbtmann S. 95 f.). 2lud^ §erobian (ed.
35effer V, 3, 4 f.) erllärt ben 'EXaiaydßaHog toon ßmefa beftimmt al^ ^elio^ unb fagt
30 t)on bem l^eiligen Steine feinet %tmpm, bafe man i^n afö dxöva fjUov ävegyaorov
an\ai}' togl. Vita Macrini 9, 2 ed. ^ßeter: Heliogabalum Foenices vocant solem
unb 2)io Gaffiu« 78, 31: vtzö tov Miov, dv 'EhydßaXov hitxaXovoi (toeitere 3^cm
tifijierungen Don Elagabalus unb Sol bei SKorbtmann a. a. D., S. 93). 3luf ben
SKün^en toon ßmefa, aud^ benen be« ©egenfaifer^ Uraniu^, unb auf ben r(>mifd^en bc^
36 Äaiferig §e(iogabaI fommt ba« S5Ub eine« Slbler«, be« 3SogeI« be« 3^^« ober be« Sonnen^
gotte«, bor, in 3Serbinbung mit bem l^eiligen Stein ober auc^ für ftd^ allein (3)lorbt=
mann a. a. D., S. 95 f.; Seuormant a. a. D., S. 311 f.; ffirot^, Coins of Galatia etc.,
S. 237 ff. n. 1 ff.), ebenfalls auf ^Dlün^en toon ©mefa ber Äo})f bc« Sonnengottes mit
bem StraJ^Ienfranj (Scnormant S. 311; SBrot^ S. 238 n. 8) ober ber l^cilige Stein,
40 bem ba« Silb eine« ®eftim« aufgezeichnet ift, icbenfaH« bie Sonne (SBrot^ S. 2:57
n. ()). 3)a« t)ern)eift barauf, ba| fd^on in Gmefa (Slagabal al« Sonnengott galt;
bicjc 2)cutung bei ben 3tbenblänbern beruht alfo nid^t nur barauf, bafe ba« Ela
ober FAaia bc« ®otte«namen« an "IRiog erinnerte. Sluc^ bie Segenbe HXta (neben
JIv{>ia) auf einer 3Wünje Don ßmefa mit bem Äo^f be« Äaifer« §eIiogabal (Si^rotb
*6S.210 n.21) öcrn)cift auf bie J^orfteHung be« ®otte« ßlagabal al« Sonne (nad^ 5örotb
S. LXV ttje^ictt auf Stiele, bie if^m ^u (S^rcn gefeiert tourben). SBenn ber ®ott ioirflitb
au« bem Drte ®abala flammte, fo j^af^t ju feiner folaren Sebcutung bie SJarfteÜuncj
ber Sonne unb bc« Sonncngottc«, bie toir auf ^Künjcn toon ®ciboX<i ju erfennen glaubten
(f. oben § III, 2, c unb g). 6« fann faum einem 3^<^iM unterliegen, bafe bieftönigc
60 Don (Snicfa mit bem 9lamcn Samfigeram nad^ bem §auj)tgott ber Stabt, ©lagabal, bc=
nannt ioarcn, biefer alfo mit 'Ciy:: be5eid^nct h)urbc.
}0 ^clio^oli« unb ß^alci«. ^n f^ätcr 3^^^ *f^ ^wd; ber ®ott üon Saalbcf
in 6ölefl;ricn al« ein Sonnengott angefe^en n)orben, toa« ber griec^ifd^e 9lame be«Ortc«,
$cUoj)oIi«, j^hjcifcllo« mad)t unb anbete 2{u«fagcn beftätigen (f. 21. 35aal S. 331, 15 ff.;
6-^' 2)uffaub, Notes, g. 29—51 : Jupiter H^Iiopolitain). (Sin Selief au« »aalbe! fteüt
ben Äojjf bc« Sonncngottc« bnr über j^mei 3lb(ern (®uffaub S. 20). @ine je^t im
berliner 'DJhifeum (i^orbcrafiatifd^c Slbtcilung) bcfinbüd^c 95rongeftatuette be« ^u^itcr
.Öeliopolitanu«, bic au« Äefr SDf^cjjin fübfid; üon S^blo« flammen foH, geigt einen
3(blcr auf ber ^Küdfcitc bc« ^^anjcr« (^uerfl barüber 6lermont=®anneau, Comptes
üorend. de l'Acad. des Inscr. 1903, S. 385, togl. S. 89 ff.; 2)uffaub S. 125f.
Sonne 503
55*10. 31), ebenfo eine ä^nlid^c Sromeftatuette ber ©ammlung be ßlercq (2)uffaub©. 126f.
^ig. 32). Duffaub (©. 33. 38) pat an bcm §aföbanb bc« ^npxUx §clioj)olttanu«J auf
j^tüci Steliefbarftettungen einen 35tefu^ erlannt mit ben Uräui^fc^langen, ba^ ©onnen^eid^cn.
Unter ben Süftcn, bie ben ^ßanger be^ ®otte« fc^müdten, finbct fic^ auf bem einen Slelief
(©. 35) unb ebenfo auf toier Sronjefiguren §eliog neben ©elene ober für fic^ allein 5
(Duffaub ©. 41. 125 f. 127. 128; auf ber einen biefer toier S3ron|;en, ber berliner, finb
bie©tra^len be^ ©onnengotte^ ganj beutltc^, Weniger bagegen, auc^ iüeniger ate in ber
äibbilbung bei 35uffaub, ein §aIbmonb auf bem Rop^c ber ,,©elene" ; bie ©tatuette jcigt
^efte bon 33ergoIbung, bie für ben ©onnengott pa^m toürbe). 3luf 3)Jünjen toon $eIios
^jolifi; fommt toor bie ftra^Ienumfränjte Süfte be^ ©onnengotte« unter einem Slbler lo
(SSrotl^, Coins of Galatia etc., ©. 291 n. 5 mit Silb ber Sulia SDomna, n. 7—10
mit Äo})f beg ßaracafla). (Sine ber Äaiferjeit angel^örenbe SBeil^infcl^rift für I. O. M.
H(eliopolitanus) augSaalbe! (CIL III, 14386 d), bie öon ber ©rric^tung bon©tatuen
für Sol unb Luna rebet, fc^eint §eIio^oIitanuö unb ©ol m unterfc^eiben.
35er §aut)tgott toon §eliot)oIig toirb BaXdviog ober ood^ fein 33ilb BaXdviov gc- 15
nannt, toorin jtoeifello« ber allgemeine (Sotte^name brs ftecft (obgleich ic^ bie (Snbung
aviov nid^t ju erflären toeife, ba in biefer 93erbinbung ba^ ©uffe ber 1. ^lur. h)enig
iüa^rfd^einlicl^ ift unb ebenfotoenig bie Slbjeltitoenbung an: BaXdviov = ^baö bem 33aal
©e^örenbe"). '^twx biefer 93aal ber aramäifd^e .§abab h)ar, ioie mit einiger ©ic^erbeit
anjunc^men ift (f. 31. §abab=3limmon S3b VII, ©. 289, 33 ff.), fo ^at er bon ^aufe au^^Jo
mit ber ©onne nic^t^ gu t^un; benn §abab ift beutlid^ ein ®en)ittergott (ebenb.
e. 291, 48ff.; 292, 34 ff.). 3)iefer %oXi ^eigt bann, bafe bie folare Sebeutung auc^ ben
aramäifc^en ©öttem jum 2^eil erft in ft)äterer ^{ii beigelegt tDorben ift. (Sbenfo h)ie mit
bem Saal toon |)elio})oli^ erfd^eint in einer bilblic^en 2)arftettung be^ S^t^^^^^ 2)olic^enu«,
einer gorm be^ aramäifd^en §abab, mit biefem ®ott unter anbem ©öttergeftalten auc^ 25
Sol toerbunben (SJuffaub, Notes, ©. 44, 3lnmlg. 1).
3n einer 3infc^rift au^^Tiagluto öftlid^ bon 35aalbef toom ga^r 182/3 n. ß^rifto
fommt ber 9?ame lafxoiyeQa[jx]og bor (SBabbington n. 2564), ber ^ierl^er el^er unter
bem ©influfe bon Smefa gelangt fein toirb ate unter bem be^ allerbing^ nic^t um Dielet
tociter entfernten 5ßatm^ra, h)o toir bcmfelben 5lamen begegnen toerben (unten § III, so
3, e). — (gin 3klief toon rollen »formen ju %^x};ix\ im Sibanon fübtoeftlic^ öon Saalbet
ftellt in feiner einen ?[igur einen 9(eiter gu ^ferbe bar, ol^ne 3*^^M ben ©onnengott,
ba ba^ §au^t be^ SReiter^ toon einem ©trablenreif umgeben ift. (Sr trägt oricntalifd^eö
Äloftüm mit toeiten Seinfleibern (2)uffaub, Notes, ©. 53 ff.).
Stuf einer Wxay^ bon 6^alcig finbet fic^ bie Segenbe Ilhooeigog (boc^ tool^l — as
^elioö + Dftri^) mit ber DarfteHung eine« ftel^enben §elioö. SSielleid^t ift toegen be^
bamit bezeugten ©onnenbienfte^ an G^alci^ im Sibanon in ber Siäl^e toon §elio})oli^ ju
bcnfen unb nid^t an (S^alci^ bei Stleppo, n)o ©onnenbienft aber ebenfalls bentbar toäre
(togl. unten § III, 3, c, 6; im übrigen f. 2)rejler, 21. §eliofeiro« in Slofd^er^ Sejifon ber
gried^. unb röm. aK^t^ologie Sb I, Siefer. 12, 1887; ffirotl^, Coins of Galatia etc., ©. LV). 40
d) ^iitapolx^ unb 5Jigib. 93on ©onnenberc^rung ju $iera})oli^ am gu^j^rat,
beffen Äulte 5U bencn toon §elio})oliö in Segiel^ung geftanben ^n f)abm fd^einen, ift mir
infc^riftlic^ nid^t^ befannt. Sucian (Syria dea § 34) rebet toon einer bilblofen 33erel^rung
be^ $elio^, beffen 2^^ron im bortigen 2:em})el fte^e, o^ne bafe Silber be« §elio« ober
ber ©elene gejeigt toürben, toeil ©onne unb aJlonb an fw^ böflig offenbar feien unb toon 46
allen erblidt toürben.
3tu^ 9Ji3ib bei 3tintab nörblid^ toon §iera})oli^ ftammt eine Heine 3!)arftellung eine«
Slbler« in Sronje mit ber 3"l^^^f^ Hhog (2)uffaub, Notes, ©. 22 f.). ©onnenbienft
fanben toir in bicfen ©cgenbcn, im Sereid^ be« älmanu« unb in ber 9läbe toon 2lle^J)0,
fd^on in alter ^nt bezeugt burc^ bie ^nfd^riften toon ©enbfd^irli unb 9lerab (f. oben so
§ III, 2, b). 3)er Srongcabler ift nac^ feiner Snfd^rift gerabeju Vertreter be« ©onnen«
gotte«. 3öir fanben ben Slbler in 35crbinbung mit bem ©onnengott gu S3aalbef
unb toieUcid^t j;u (Smefa, unb er toirb un«, ebenfall« al« Slttribut toon ©onnengöttern,
noc^ in ^alnu;ra begegnen (f. unten § III, 3, e). 6« ift barau« nic^t unbebingt ju
fd^liefeen, bafe er auf f^rifd^em Soben überall, toie I)uffaub annimmt, ben ©onnengott 66
be^eid^net; biefe Slnnal^me i}at aber boc^ öiele Söa^rfd^einlic^feit. SJafe ber Slbler in
©Vrien ;\u bem i^ogcl be« mit 3«"^ ibentifi^ierten ©onnengotte« gen)orben ift, nad;^
bem er urfprünglid^ ber be« ^m^ gcioefen tt>äre (3)uffaub ©. 16), fd^eint mir nic^t
au«gefc^loffen ;;u fein (tro^ ber ©egenbemerfungen toon GJreJmann a. a. D., ©. 285 ff.).
Slber allerbing« ift ber Slbler bei ben SßJeftfemiten too^l nid^t erft unter gried^ifd;em (£in= go
504 @9WMt
flufe gum ^eiligen %im getuorbcn, fonbcrn fc^eint ba« fc^on frü^ gctoefen ju fein,
entf})TC(^enb bcm arobifc^cn ©eicrgotl Nasr (f. «. SRtörod^ »b XIV, S. 122 ff.). 2)a§
im ärabifd^en nasr beit ©cict bqeid^net, bcr Sogcl bcr f^rifc^^en Sonnengötter abct
beutlid^ ein Stbicr ift, enlfc^eibet nid^t gegen biefen Sufammen^mig; benn ba im $ebräi=
6 fc^cn *""??; fotool^I ben ®eier a\^ aui) ben äbler ^u be^eic^^nen fc^t, lonnte unabhängig
öon gricd^ifd^em ßinflufe eine SQSanblung in ber Sorflettung be« ^igen äJogelö üor f4
gegangen fein. 2Benn nun bei ben ©übarabern „ber öftlid^e SRafr" unb ,,bcr toeftlid^c
9iafr" mit 6b. aKct^er ju berftel^n fein foHten bon ber aufgelS^enben unb ber untergel^enben
©onne (Dgl unten § III, 4, c), fo toäre e^ aUerbing« toafyc^dfmilid^, bafe ber (Seier
10 ober Slbler aud^ bei ben SBeftfemiten bon ipaufe a\x^ folare Sebeutung ^tte.
d) 3lramäifd^e« unbeftimmter ^erfunft. Sei ^^otiuö (Biblioth. Cod. 181,
©. 126 a H) ioirb ein lafifpiyigajuog genannt aU SJorfal^r be^Samblid^, toomit ioo^l
Samblid^ au^ 6l^alcig in ßölcf^rien gemeint ift Slud^ fein %^n ©am}>figeram h>ar ftc^er
ein S^rer.
16 äu« bem ajerfonnamen 07:t:"inbr) in aramäifc^er ©c^rift auf einem ©icgelj^linbcr
unbefannter ^erfunft au« t)erftfd^er ^eit (CIS II, n. 97) ift, ba ber 9lame toa^d^einlid^
aff^rifd^ ift, für aramäifd^en Kult nic^t« ju entnel^men. 3)ie giguren be« ©iegete geigen
einen t)erfifd^ gelleibeten ^Priefter in anbetenber ©teHung bor einem gfeueraltar, über
feinem ^avapU oer gune^menbe 3Ronb unb^ bie ©onne. — ©benfo ift nid^td ©idf^eresJ ju
2üentnel^men au« bem 3lamcn ^^t-ctz'D „8m§ ift meine $ilfe" (CIS II, n.87; ^n nic^t
gang ftc^er) auf einem ©iegelj^linber, ba toir beffen iperlunft ebenfatt« nid^t lenncn, alfo
aud^ ^ier troft ber aramäifd^en 9lamen«form an bab^lonifd^e iperftinft unb ben bab^loni-
fd^cn ©ama« beulen lönnen.
3lu« ©Vrien ftammt ein bei 3)uffaub, Notes, ©. 8 nad^ be 35ogü€ abgebtlbeter
25 Sntaglio mit aramäifd^er ©c^rifi: über bem §albmonb ein grofeer 3)i«Iu«, toorin eine
männlid^e ©oltl^eit fte^l, unb toieber barüber ein geflügelter Ärei«; in bcr SSerbinbunci
mit bem SKonbc badete man gtoeifello« bei biefem geflügelten 3)i«Iu« unb bieHeid^t au|
bei bem in ber 9Jlitte an bie ©onne.
e) $alm^ra. @ine ©onberfteQung nimmt auf aramäifd^em Soben au6^ in ful^
30 tifd^er Seüe^ung 5ßalm^ra ein. 2Bie überaß im ^alm^renifc^en, geigt ftd^ in ben SJamen
unb 6})itbeten ber ®öttcr eine 9)lifd^ung bon Slramäifd^, 3lrabifd^ unb Sab^lonif^.
Stile unferc Slqc^rtc^ten au« j^alm^renifd^en ^nfci^nften beginnen crft in ben le^teit
3al^ren bor unferer ära. @ine unter bcm 9lamcn ^?:r: bercl^rtc ©ott^cit toirb inf^riftli(^
mit §elio« ibcntifijiert, ift alfo ein männlicher ©Ott unb be«l^alb enttoeber aramäif^er
35 ober bab^lonifd^er §erf unft, ba bie Araber nur eine ©onncngöttin Icnnen (f. unten § III,
4, a unb c). aJlit bem ®ott SmS toed^felt al« 9lcj)räfentant bcr ©onne ber in männ=
tid^er ©eftalt abgebilbete aJlalalbel. 2)aneben toerben nod^ anbcrc (Söttcr gu bcr ©onne
in eine Segie^ung gefegt.
auf jjalm^rcnifd^en 3JJüngen finbet fid^ i^äufig bie 93üfte be« ©onncngottc« mi}
40 aJlorbtmann, 9feuc Seilrägc gur Kunbe ^alm^ra'«, ©9W31, J)]^ilof.=^)^ilol. unb ^ift. Qi
1875, ©u))})lcment-'$eft III, ©. 74ff • bgl. ben ftra^lenumlrängten bärtigen 3Kanne«i=
foj)f auf J)alnmrenifd^en aJlüngen bei SBrot^, Coins of Galatia etc., ©. 149, n. 3. 4.
aud^ auf ben icfferä begegnen toir in ^alm^ra toicbcr^olt bcm Silbe ber ©onne. 3^
nenne gunäd^ft fold^e gäHc, too infd^riftlid^ auf ben ©onnengott nid^t bertoiefen ioirb:
45 2)arftcllung eine« ©tral^lengeftim«, boc^ n)ol^l ber ©onne, unb be« ,§albmonbe« (ol^nc
©otte«namcn) bei be 3Sogü6, Syrie Centrale, Inscriptions Sömitiques, ^Pari« 1868
bi« 1877 n. 136. 147, Süftc be« ©onnengotte« ebenb. n. 139. 157 (n. 157 mit um
berftänblic^en ©d;riftgeid^en auf ber anbern ©eite), 35arftcllung be« ©onnengotte« bei
5)Jorbtmann a. a. D. n. 67 (gur S^W^ft Ogl. 2ibgbar«fi, 9lorbfemit. ®t)igraj)^i!, ©. 489),
60 S3üfte be« ©onnengotte« in einem großen §albmonb ebenb. n. 80 (gur gnfdf^rift i>gl.
2ibgbar«ti a. a. D., ©. 490). ©in ©onnengcic^en ift aller ffia^rfd^einlid^Icit nad^ au(^ ber
oft oortommcnbe Ärci« mit brci Stn^ängfeln, ben £ibgbar«fi unb nac^ ii^m ©uffaub fo
gebeutet l^aben.
35er 5Jame be« })alm^rcnifd^cn ®otte« *^7:t3 fommt t)or in ben S^f^nften bei be
66aSogü6 a.a.O. n. 8, 5; 108; 123a, 6 (Oxon. 1); 135; 137 (mit ©tra^lertgeftim unb
girei Ajalbmonben); 138 (mit 93üfte be« ©onnengotte«); SRorbtmann a. a. D. n. 69 (tjgl.
Sibgbar«« ©. 490). 3(ud^ auf ber Xljontafel bei 3Korbtmann n. 54 (bgl. 2ibgbar«fi
©. 489) hjirb ^-z'C 5?ame ber ©onne ober be« ©onnengotte« fein. Son bem 'ötic,
toeld^e« "JJJorbtmann auf ben Sljontafcln n. 80—85 lefen hJoHte, bleibt nai) 2ibgbar«fi
60 ©. 490 mit ©id;er^eit nur n. 82 übrig, öieüeic^t n. 83 unb ferner n. 85 ^"cd: . . .,
506 ®9««e
bcr jugeJ^örigcn Snfd^rift aU lagißcoXog ^u tocrftcbn gu fein (f. Mongctnittc, Comptes
rendus de rAcad.des Inscr. 190:5, ©.276 ff.; togl. Sagrongc, Relig. Somit.', S. 451,
änmlg. 8; 2)u|faub, Notes, S. 73 f.). gbcnfo finbct fi§ ein 3Wünj^}>uö mit berSüfic
be^ jugenblic^en Sonnengottes unb ber fiegenbe AyXiß(oko[g] (HRorbtmann, 9ieue 9ri=
6 träge a. a. D., S. 74), toö^renb fonft äglibol beutlid^ als 3Konbgott batgeftcttt toirb.
3lu^ bet t)alm^renifcl&e Sei (bn) fc^eint als Sonnengott angefe|en toorbcn gu fein,
obgleich er gelegentlich als ^^n^ bcjei4net toirb (SibjbarSfi, @))^em. I, ©. 255). 2BaS
Sact^gen (^Beiträge gur jenutifc^en SleligionSgefd&ic^te 1888, ©. 86 f.) für bic folarc 8c=
beutung angefügt l^at, ift atterbingS ni^t betoeifenb, e^er ber Umftanb, bafe eincXeffera
10 (äJogüö, Syr. Centr. n. 137) auf ber einen ©eite ben 9lamen ctic, auf ber anbem
eine Stnrufung an SScl barbietet. SBeiter bertoeift fiibjbarSli (6t)^em. I, ©. 255 f.) auf
jenes anfd^einenb bic ©onne barftettcnbe 3^^^^# ^^S ben 9lamen bs auf ben JEleincn
2efferä begleitet. Sticht unbebingt barf bagegen für folare Sebeutung beS Sei geltenb
gemad^t toerben eine leffera bei be 9Sogü6 n. 156, beren ^nf^nft eine 3tuSfagc über
16 Sei barbietet, toä^renb auf ber anbem ©eite ein 35iSfuS im ^albmonb abgebilbet ift ;
bieS Silb lä^t fic^ l&ier als ein allgemeines ©ottl^eitSgeic^en toerfte^n, unb ber S)iSfu^
im 9Ronb ift nic^t nottoenbig bie ©onne (bgl. oben § III, 2, c). SBol^l ober fd^eint
bie Serbinbung ber ©ötter Sei unb gariboloS j\u einem ^aar als ^eol nargcoot in
einer grteci^ifci^'t)alm^renifd^en SilinguiS gu SRom (be Sogüö, Syr. Centr., Inscr.' S6m.,
20 ©. 64) bem fonft toorfommenben ^ar Slglibol unb 3Jlalafbel ju entft)re(i^en. Sei ^icr
alfo neben bemSWonbgott S^^t^ibol ber ©onnengott gu fein, ebenfo toie 3)lalafbel. I^icfcr
ift bcmnac^ tool^l nur eine befonbere gorm beS fd^led^tl^in Sei genannten ©otteS. 31tlcr=
bingS toerben auf ber 3:^ontafel 3Worbtm. n. 61) nad^ SibjbarSfi, @}>igr., ©. 490 Vn unb
•j:?rj nebeneinanber genannt, unb toon Äaifer 3lurelian erfahren toir, bafe er in feinem
26 ©onnentem})el auS ben Seuteftüdfen bon $alm^ra bie Silber beS §elioS unb beS Selo^
aufftcHte (^ofimuS bei Sagrange, Religions*, ©. 468), alfo beibe unterfd^ieb. §icr toirb
für "IlXiog an Sms ober aud^ an SKalafbel ju benfen fein.
Unfere ÄenntniS ber Sebeutung ber balm^renifd^en ©ott^eiten berul^t nod^ immer als
auf einer ©runblage auf ber 35arfteHung oc Sogü^, Syr. Centr., Inscr. S6m., befonbere
80 ©. f)2 ff. ;^ür baS Ser^ältniS ber ©ötter jueinanber lafjen ftc^, feitbem bieHei^t bo(^
einige nähere Seftimmungen unb ^JDJobifilationen geltenb mad^en. Über bie ©onncngöttcr
I^anbelt 35uffaub, Notes, ©. 58—65: Les dieux solaires de Palmyre unb cbenb.
©. 73 ff. 2)ic Öottl^eiten Sms, Sei unb 3){ala!bel fmb geh)i^, h>eil fie alle ©onnen=
göttcr tDarcn, nic^t ober boc^ nic^t immer genau auSeinanbergcl^alten njorben; eS fcbeint
36 mir aber na^ bem borliegenben Material nic^t an^une^men ^u fein, bafe, h)ie I)ujfaub
(©. 73) meint, bie 9Jamen Sms unb Sei nur ©ipitl^eta beS einen ©onnengotteS äja-
tafbel gcioefen feien. S>aS ift um f o tDenigcr n)al;rfc^einlid^, als bei ben Sabbloniern
Sei unb ©amaS, bic allem Stnjc^cin nac^ in ben })alm^renifc^en ©öttem bn unb crc
fopicrt finb, unterfd^ieblicbe ©ott^eiten maren. ^reilid^ floffen fte aud^ bei ben Sabbloniern
40 j^ulc^t ineinanber über. Sib^barSfi (®})l^em. I, ©.256 f.) bringt bie berfd^iebenen ©onncn-
göttcr in ber SBeife in einen 3wf«»""^^i^^<»"9f ^^6 « ü){alafbel für eine anbere Se)\etc^-
nung bcS Sms ^ält unb feinen 9Jamen als bn ^fi^b?: beutet, als Sote, „ftc^tbare Dffcm
barung", beS Sei. Sei alfo toäre ein bcfonberer ®ott neben SKalafbel = ^Sms. £b
rb": in bnzb?: als ^n^^: aufgufaffen ift, ift aHerbingS immerhin jtoeifel^aft (bgl. 31.
ibmoiod) ©. 276, 17 ff., tüoju nod^ gu berüdtftd^tigen ^unifc^eS -]Nb72b7n CIS I, n. 1373,
4; bgl. n. 182, 2 f.).
S)aS Ik^rpltniS beS Sei ju Sms unb ^u 3KalaIbel fd^eint mir nid^t beutlic^ jiu
fein. 2BoI;I aber möd^tc id^ annehmen, bafe ber nur in jufammengefe^tcn ©ottcS= unb
^}}erfoncnnanicn bovlommcnbe fpcjififd^ palmi;renifc^e ©otteSnamc bis böl eine hieben-
60 form für bz bei ift unb \v'k bicfcS einen ©onnengott be^icidinet. Der bab^lonifc^c Sel-
^JJiarbut, bod^ ioo^I baS i>orbiIb bcS palnu;renifd;en Sei, ift, ioie auc^ ©amaS, ein «peilgott
(f. 0. §111, 1); in ^^ilm^ra aber !ommcn bor bic ^crfonennamcn bins*", Peq^aßcolog m't}
NE-m (aus wNr--b-n) „Sol f}at gebellt", I)icr fcbeint alfo bin bic ©teile bcS babbloni^
fd;cn Sei cinjuncf)incn. 2)ic Umbcutimg beS 3)JonbgottcS ^^tcbibol unb, toie eS fcbeint,
66 and) bcS ^glibül |;iim ©onnengott mag barauf beruhen, baj bm, urfj^rünglicb eine aU-
gemeine ©ottcSbc^ciduuiiu';, fv^Htcr für einen 9{amen beS ©onnengotteS galt. Sieücic^t
aud; \vax bei bcr UlH^cutlllU'^ bcr "DJionbgöttcr in ©onncngöttcr bon ßinflufe bic tocrnQ-
ftenS in bcr ipiiUxn ^ai bei ben Semiten bcr 'DJ^ittclntccrfüfte berbreitete älnfc^auung
bon bem "ilJbnb ah bcni Öcftirn einer tociblid^cn ©ottl^cit, obgleid^ ic^ ©t>urcn biefer
oo 3(uffatfung in *ipalml;ra nid;t nad;5uh)ei|cn bcrmag.
®ott«e 507
Äctnc biefcr tocrfd^icbcnen formen bc^ Sonnengottes ju 5ßalmt?ra fd^eint ben bem
i)(ange nac^ ^öc^ften unter ben bort toere^rten ®öttem gu rej)räfentieren. 3)aö toax biel-
mc^r, h)ie be SBogüö boc^ too^I mit iRtd^i angenommen f)at, anfd^einenb Saalic^amen.
GS ift faum anberS benfbar, als bafe ber ÄimmelSgott, too beffen SorfteHung benimmt
auSget)rägt toar, im B\)\Um ben SBorrang patte bor bem Sonnengott. 2)afe nid^t ^aaU 5
Jd^amen fonbern öielmcf^r 3)ialafbel „an ber ©t)ifte ber ein^cimifc^en ©ötter ftanb" (2ibg-
barSli, ej)^em. I, ©. 255), fc^eint mir auS ber oben angeführten römtfc^en ©ölbncr«
infc^rift nod^ nid^t l^erbor^ugcl^n fonbern nur, bafe im ÄuItuS SWalatbel enttoebcr über^auj)t
ober in bem f})egieKen ^alle bctoorgugt tourbe. 2)aS mag barauf berufen, bafe man Saat
fd^amen gelegentUd^ mit bem Sonnengott SKalafbel ibentifijierte, toogu ftimmen toürbe, 10
ba6 35aalfamen bei ^pi^ilo S^bliuS als 9lcj)räfcntant ber ©onne erfc^eint (f. oben § III,
2, g). Db Saalfc^amen gemeint ift in toicber^olt toorlommcnben Anrufungen eineS un-
genannten, allgemein als «rrbN bezeichneten ©otteS, ift jtüeifell^aft, ba biejer ungenannte
©Ott ^räbilate beS bab^Ionifc^en SetfDIarbu! ju tragen fd^eint (f. 3l.Saal ©.339,21ff.)
unb bicfem bem Flamen nad^ ber })alm^renifc^e 33el entfjjric^t. 3)a S3el in ben offiziellen 10
^nfd^riften ju ?5alm^ra nic^t genannt toirb, fo mag er unter jenem namenlofen «nb«
ZU toerfte^n fein.(fo fiibjbarSfi, @})l^em. I, ©. 255 ff.) unb ^ätte alfo too^I in ber refc
giöfen $rajiS in ber Segel bie erfte ©tette eingenommen.
^m ©ötterfvftem, fotoeit batoon für ^alm^ra bie Siebe fein !ann, fc^eint, um unfere
red^t unbeftimmten unb unfid^em Kombinationen zwfanimenjufaffen, neben einem mel^r in 20
ber Il^eorie l^öd^ften ®ott Saalfc^amen, als erfter ber ©ötter ju gelten Sei (ober Sol),
mit bem bab^lonifc^cn 3KarbuI ibentifd^ unb tote biefer 3üge eineS ©onnengotteS tragenb.
Unter i^m fc^einen zu fte^n bie f})ezietten ©onnengötter ?lKalafbel, als mit biefem öiet
leicht ibentifc^ Öms unb gelegentliqj als zh)eiter ober britter ©onnengott S^^^^bol (ftatt
feiner einmal auc^ 3lglibol). ffiie immer man bie toerfc^iebencn 9?amen z^einanber in 25
Sezic^ung fe|en toitt, fo biel ift beutlid^: ber ÄultuS bon ^Palmi^ra gel^t faft ganz i"
' ©onnenbienft auf, unb z^ar ift bie Sorftettung beS ©onnengotteS untoerlennbar toac^fenb
in i^rer SluSbel^nung ; er ift auf bem SBege, anbere ©otteSborfteHungen z« abforbieren.
Gbenfo beutlid^ ift ber 3w|oi"n^^nbang ber J^alm^renif^en ©onnengötter mit bab^lonifd^cn
'^orftettungen. 6S ift banad^ nic^t unmöglich, bafe ber j)alm^renifd^e ©onnentult über- an
havcpt aus Sab^lonien ftammt. — 3)en ©onnengott l^at man in 5ßalm^ra nac^ bab^to^
nif(^em Sorbilb als eine too^lt^ätige ©ott^eit gebadet, ba ber ungenannte ®ott, toorin
tüir ben ©onnengott Sei zu erfennen glaubten, als „gütig" unb „barmherzig" bezeichnet
toirb (f. 31. Saal ©. 339, 21 ff. ; fiibzbarSfi, ßj^^em. I, ©. 80 ift geneigt, «n^n ftatt
xi"*n zu lefen) unb ber, toie toir glaubten annel^men zu muffen, mit il^m ibentifd^e Sol 36
als ^eilgott gilt.
f)NDin5Pcrfonennamen. I)ie gorm NC, bie h?ir in $alm^ra in ^ßerfonem
namen als 3tbfürzung beS SiamenS N'»3?:t: fanben, fommt auc^ aufeerl^alb ^almtoraS am
@nbc t)on ^erfonennamen toor, bieHeid^t imSöert eineS ©otteSnamenS. 3^ itOQv\U aber,
ob h)ir fte in biefen fällen ebcnfo zu er!lären l^aben. 3öefll^aufen (Stefte arabifd^en «)
.^eibentumeS», 1887, ©.62; in 9lufl. 2, fo toiel id^ fe^e, nic^t toieberl^olt) l^at vermutet,
baS })alml;renifc^e iv::, über beffen S^entität mit no?:;^ er fid^ nid^t auSfpric^t, möd^te
ZU erfennen fein in bem9Jamen beS iSraelitifd^en ÄönigS N'jrn (fi<"^?5 ober «9??) als
cntftanben auS NC-b:?n. liefern 9lamen entfj^rid^t getoife ber feilfd^riftlic^ erl^altene eineS
ammonitifd^en ÄönigS Ba*sa unter ©almanaffar II im 9. ^ö^^^unbert (SBindtler in: 46
©c^raber, Äcilinfd^r. u. b. 212: ", ©. 42) unb too^l auc^ ber neut)unifd^e ^erfonname
Ncrs (SibbarSÜ, ßpigr., ©. 242). ßS ift toenig toa^d^einlic^, bafe bie nur auS bem
Slramäifdbcn öerftänblic^e lUbfürzung auS nc?:o in einem fo alten Siamen bei ben gSrae^
Uten tooriommen follte. Saefa toon S^racl toar auS bem©tamme Sföf^^^- 3)cr ammo*
nitifc^e Äönig biefeS 9lamenS fd^eint aUerbingS ein 3tramäer getoefen zu jetn. S^ciS ö^t: 00
am 6nbe t)on ^erfoncnnamen lie^e fid^ auc^ auS ber bab^lonifcl^en ^\)^)olox\\t\\d)m
(gnbung sha (f. SibjbarSfi, e^^em. II, ©. 314, älnmfg. 2) erHätcn. ^jn 5^'C^""^^^*
tüäre aber N'»2 toa^d^cinlid^ gar nic^t ©otteSnamc, ba für fo alte ^eit bie au^cwimw*
fe^ung bon brn mit einem zweiten ©otteSnamen nic^t toal^rfd^einlic^ \\i (tü\x ba^n ^^^^^
25o})j)eInamen nur auS toicl fj)äterer ^dt) unb auS z^ei ©otteSnamen tomtooni^^^ v^'-^
fonennamen fic^ bei ben aSeftfemiten überl;auj)t faum nac^toci^m laRen S^e* ä^^^'
Zifc^e ^}}erfonname -bT^-brn gcl^ört nid^t ^ier^cr; er toirb bcbcutcn ^^m >ct ^- Iv \w
(k>gl. 3bm© LIX, 1905, ©. 517 ff.; 2t. moloi) ©. 283, 27 ^.y" iSj^^^J^t J^ V
Ncrn baS n ^^räpofition unb nc:^ ©otteSname, aber fd^tocrUcb Vxe cSÄ!r^^/ih.^\vam-^
Bommel, 2lltiSracatifc^e Überlieferung 1897, ©. 274 2lnmlfl.) ^onbetti oi/^^'^
608 Sotttte
l\i)Q^ ^ßenbanl ju ü}x, clhja = "J'iL-r (tjgl. a. (gbom »b V, S. 166, 37 ff.). SDer 9Zamc
N'^rrn h)ärc hanai) ju i^erftc^n na^ Slnalogic bc^ fübarabifd^cn -innrn „in at^tar", bcö
))a(m^renifci^en '»öTr^Db unb bc^ t^rifd^en Aedozagtog = n'in*::^ „bcr äftartc gc^örcnb"
(ju bicfcn IRamen ijgl. 9Jölbcfc, Seittößc jur fcmitifci(|cn S))raci(|tpiffcnfc^aft 1904, ©. 104 f.).
5 g)3Kutma6li(i(^3lramäifci^cg. 2Bag hjir auf oftiotbanifd^cm 33obcn au^ \pätax
3eil Don ©onncnbicnft berid^tct finbcn, toirb hjol^l allcd atamäifc^m Urfjjrung« fein,
iDa^rfd^cinlic^ auc^ h)a^ fid^ baüon pnbct in nabatäifc^en ^nf^^ftcn unb in griec^ifd^en,
bic i)on 5?abatäern l^erjurü^rcn fc^cincn. 2)a aber bic 5iabatäer Slraber n^arcn unb fic^
nur unter bem ©influfe aramäifc^er Äultur in il^rem nörblid^ big nac^ 3)amag!ug au^=
10 gebe^nten SReic^e ber Bpxai)t ber äramäcr für il^re ^nf^^^^if*^" bebienten, fe^c ic^ üon
ben Snfc^riften in nabatäifc^ier S})rac^e an biefer ©teile ab. 3luc^ tva^ \d) ^ier au^
griec^ifd^en ^infc^^ften be^ Dftiorbanlanbe^ mitzuteilen l^abe, bie feine beutlic^e ^in=
toeifung auf nabatäifc^e §erfunft entl^alten, ift too^I teilh)eife ober aud^ gan; bcn SJaba^
täern ^u^utoeifen. SBenn ^ier ba^ 3KateriaI, hjofür fid^ bieg nid(|t mit boller Seftimnit^eit
16 augmad^en (äfet, unter „3lramäifd(iem" gegeben h)irb, fo ift bag in jebem gälte fac^Iidb
nic^t unrichtig. 35ie religiöfen SSorfteHungen ber 9iabatäer fmb beutlid^ beeinflufet
toorben i)on ben 3lramäern, unter benen fte \\d) nieberlie^en, unb gerabe bie gorm i^rc^
©onnenbienfteg ift aramäifc^en, nic^t arpbifc^en, Urf})rungg (bag fj)ejififc^ 9Jabatäif(bc
f. unten § III, 4, b).
20 am h)eft(id^en Sore öon 2)fd^erafc^ finbet fid^ eine Sjnfc^rift: . . . Aiog HXiov . . .
(5»t u. 5Rac^r. b. b5ß33 1899, ©. 2), tooraug man bielleid^t mit ©d^umac^er (cbenb.
1900, ©. 55) folgern barf, „bafe ber grofee 'Semjjel in 35fc^erafd^ bem ..§eIiDg getoeif^t
hjar". eine ^nfcfrift aug ©uf bei 2)fd^erafd^ bom ^a^r 161 (eth)a ber ära beg ?}om=
Jjejug?) nennt ben §eliog: Ad ayiq> Bee{Xß)o}od>Q(p [tit)^ Dekhc)o>a(jDQcoi\ xai'Hüco
26 ((SIermont*®anneau , Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1902,
©. 15 ff. 135). a)ag geh)i6 richtig ergänzte Beeil) ift aramäifd(| (^3?a). — Sor ber
©tabtmauer bon eUÄanah)at finben fic$ SRuinen eineg 2:eiiH)ete, ber nac^ einer !3nfc^nft
bem §eIiog öeh)ei|^t toar (Saebefer, ^aläftina», ©. 191). (Sine S^ff^^ft au« 9limct=
^a^im in 2luranitig lautet r//|>UV/> '&ec5 jLieyia[tcp] , . . (SBabbington n. 2407).
30 3u gjra (3oroa) in 2:rad^onitig nennt eine ^nf^rift vadv 'Hkiov 7iQO(p(fixov) (SSabb.
n. 2497). §eIiog ift l^ier aljo tvie aud^ fonft noc^ unter d^riftlid(iem ©influfe in ben
$rot)^eten ©liag umgetranbelt tporben (f. SBabbington j\u n. 2497). 9SgI. nod^ bie i^rer
§erfunft nad^ nid^t gan^ ^uDerläffige gemalte 9;"f^^ft on einer ?Wofc^ee ju 9{ebf(bran
in Iradjionitig SBabb. n. 2430 : *Aya^ Tv^yj. "Hhog, ZeXrivri. 2)er .^eliog beg Tft^
36 jorbanlanbeg mag j^um 2^eil, bieUcic^t überall, "ibentifd^ fein mit bem ^eliog=3lum(og), ben
h)ir in biefen ®egenben, bcfonberg in 3!)er'el=£eben, xdi^i toeit nörblfd^ bon eI=Äanatoat,
aU nabatäifd(|en ®ott bezeugt finben (f. über i^n unten § III, 4 b).
2llg aramäif(^ ift too^l an^ufe^en ber 9?ame "'^'f^, ben in SB. @gra (c. 4, 8 f. 17. 23)
ein TOc^tjubeJrägt; ein ©ruber beg ©imeon ©t^liteg ^iefe ''d?:d, unb in Sab^lon ift ein
40 aramäifd(^eg Öamsai gefunben hjorben. 2)ie ©nbung bejeid^net l^ier boc^ tüol^I eine
9{i^be=S3ilbung (9iölbeife, Seiträge, ©. 105, 3lnmfg. 2). ©räcifiert fommt ber 3iaine
tjor alö ZafjLoaiov (®cnct., 3nfd;rift ^u 9lad^Ie am $ermon in ber Umgegenb bon ^a^
ma^Stuö, 2l?abbington n. 2557 c) unb Hajuoeog (3|nfd^rift ju ©ald(|ab im §auran,
3yabb. n. 2007 = CIG 4642). S)er ^Jiame be^ie^t fid^ nid^t nottrcnbig auf ben
45 Sonnengott ; bcnn er lann bebeuten „ber ©onnige" unb üergleic^ung^tüeife bie Slrt bc^
mcnfd;lid;en 5?amen^träger^ bejeid^nen toie ber arabifd^c ^erfonname Sumeis „Heine
©onnc". 2)a| ""d^rd bebeuten fönne „ber bem ©onnengott ©c^örenbe", läfet fid^ bc-
jtoeifcln. aycnigftenö fcnne ic^ fonft feinen mit ber (Snbung aj ober i üon einem ®ottc^-
namen gcbilbctcn ^erfonnamen, man müfete benn ettDa an ben t)almVrenifc^en unb
50 l^cbrciifd^cn "^ni^ (lagator) benfen hJoHen ; aber nn-^ für fid^ allein fommt nid^t al^
®ottc«Jname t)or (nur bmn-^). ginc analoge 9ii^be=Silbimg fönnte fein aartga^iomii
= ^:-rc;wX 'n-^iin (3bm® LIX, ©. 462). 3)aö "^ in t)almVrenifd;cm ^x::'!2C^ fafet 3Jölbefc
(a. a. D., ©. 105) anbete auf als; baö in -^tiz-c, l^ält e^ für bie Segeic^nung be^ ata=
bifc^en ©enctib^; aber bie ncuerbingö gefunbene Iran^ffrijjtion inSilinguen burdj^ .liöa/i-
66 acKot» (öcnet. ; Sib^bar^ft, ej)l^em. II, ©. 282. 296) ^cigt bod(| tpo^l, ba| ba« i
^ier fein anberc^ ift alvü bort, alfo too^l an w^zvjb angehängt tvurbe nad^ 3lnalogie uon
rr:"w\ 3" i^^^"i ?v^itlc fännut mir ^-^.-iwb nur bebeuten |^u fönnen „bem ©onnengott"
sc. gel)örenb. ^3?ad; l'ib.^barv^ü Icivjc in biefcm 1 überall eine J^i^jjoforiftifc^e Gnbuncj
i)or; ba^ ioäre für ^w'-:d bcnlbar, \d} toeift mir aber feine möglid^e aSertJoUftänbigung
60 eineö abgetürjten ^^Jerjonnamen^ 'cizd-: Dorjuftellen. Sei iJib^bariSfi«^ 9luffaffung Ipürbe
510 @oittte
bcn 9Jamcn Bei „§en" trägt, unb ftcl^t in ^uf^nimcnl^anö mit bcr auö bcm ^X bdaimten
SSorftettung ber ©onnc al^ eine« §e(bcn ^f 19, G; ^Hi 5, 31. ®amit ftimmt überein bie
Sejeic^nung bcd nabatäifc^en ''HJiiog ^edg Avju\og] aU deajidrrjg (f. unten § III, 4, b),
be« §clio« aU ^eog fiiyiaxog in ber l^auranifc^en S'^ff'^rift 3Babb. n. 2407 (f. oben
6 § III, 3, g) unb bc« ))alml;renifc^en Sonnengottes Sei mit fieyiarov &eov Aiög Bri[kov]
(fiibjbargfi, ej)l^em. II, ©. 304). a)ie in ber Snfd^rift Don a^ire auf bie änrebe
folgenben Sitten: Yka^i xal dldov jiäaiv fifxelv vyirjv xa^agdv^ ngri^ig äya'&ag xdi
ßiov TÜog io&Xöv erinnern fe^r beftimmt an ba« bei ben Sab^loniem bon gamas
unb 3Karbuf äu^efagte (bgl. oben § III, 1). SBir Serben l^ier ben ©influfe bob^Ionifc^er
10 3been ju erfennen ^aben. 333ie in biefcn entbehrte nad^ jenen Sitten aud^ auf ara=
mäifd^em ®ebiet ber ©onnenbienft nic^t eine« etl^ifd^en d^after«. 3)er bab^lonifc^^
aramäifd^e ©onnenbienft toirb feine in ber Sleligionigefc^id^te befunbete getoinnenbe firaft
baburd^ erlangt ^aben, bafe bie ^"ttcn bcd Steinen, ®uten unb 6be(n ii^m bie ^erjcn
ber 3Men|d^en erfc^Ioffen. Sn bie in ber 3"W^'f^ bon ätl^ire bem ®ott ebenjo toie bem
16 Jjalm^renifd^en So! (f. oben § III, 3, e) jugefjjrod^ene @abt ber ©efunbl^eitberlei^ung
hingt an iila 3, 20, too bilblic^ bon ßeilung («r*?'^) unter ben gittigen ber (^icr aUer^
bingg femininifd^en) Sonne bie Siebe ift unb biefe als „©onne ber ®nabe" (^7^) 6«=
jeic^net h)irb. ®efunbl^eitberleil^enbe Äraft toirb and) bon anbem femitifd^en ©öttem
auSgefagt, bie junäc^ft mit ber ©onne nid^tS ya tl^un i}abcn (bgl. „@Smumälbf(et>ioS'' in
aobenDrientaIifd^en©tubien [SJöIbele^geftfc^rift], ©. 729 ff.; aud^ fürSMarbuI [f.o.§ III, 1]
läfet fic^ bielleid^t bejtüeifeln, bafe er bon §aufe auS ein Sonnengott h)ar). 3)iefe 55or'
fteHung l^at in mancherlei ®eftalten bon ®ottl^eiten mit bem 5ßräbilat ücon^g bie ©ebn=
fud^t ber 'äJJenfc^l^eit bcS ju @nbe ge^enben §eibentumS nad^ ©rlöfung bon Rranfbeit
unb ?lot j\u hjedfen unb burd^ Hoffnung ju befd^hjic^tigen bermod^t. * $)ie Segeic^nung
26 ber ®efunbbeit als xa^agd in ber ^"Wi^ft bon Sll^ire geigt, ba^ man fie als bem
„guten X^un" bertDanbt anfal^. — 2öie biel bon biefen SSorfteÜungen ettpa fd^on bem
^öl^em Slltertum ber 2lramäer angehört, fmb h)ir gu erlennen (eiber nxi^t in ber Sage;
aber bie bab^Ionifd^en 3luSfagen geftatten, als nid^t unh)a^d^ein(ic^ an^ufel^en, bafe biefc
SSorfteHungSreibcn auc^ bei ben äramäem alt tvaren. Si)ät bagegen ift bie mit feiner
30 Segrcnjung berfe^ene Sitte ber S^W^ft bon 9l^ire für „unS alle", bie lautet, als ob ein
uniberjaliftifc^er ®otteSbegriff gu ®runbe liege. 3luS bem bab^lonifc^=aramäif(^en unb
bem ägVJJtifd^en ©onnenbienft f}at [li) in ber X^at eine 3lrt monot^eiftifd^er Uniberjal-
religion enttvidfelt. 35ie ©onne h)ar, h)eil fic me^r als irgenbein anberer Slaturgegcnftanb
ununterbrochen bie gange Grbtoelt glcidjimä^ig beberrfd^t, bor anbem ©rfd^einungen gc-
36 eignet, einem unibcrjali[tifd^en ®otteSglauben als ®runblage gu bienen.
j) Sfabicr unb SKanbäer. 3luf altaramäifd(|en ÄultuS trirb gurüdfgc^n, tüa\?
bon ©onnenbienft ber ^aranifd(|cn ©fabier berid;tet hjirb. 3nh)ieh)eit toir eS ^icr aber
mit einem ÄultuS, ber bon .^aufc aus aramäifc^ hjar, gu tt^un ober bielmel^r an bab^lonifc^cn
©influfe gu benfcn l^aben, läfet fid; nod(i Weniger entfc^eiben als überall fonft auf ara^
40 mäifc^em ®ebiet. 2lud& ift f^iper gu jagen, h)ic biel bon bem, toaS bon iSlamifc^cn
3lutoren ben „Sfabiern" ober „§aranicrn" gugejd(irieben h)irb, ben Semo^nem bon ^aran
gilt, ba bcibc Scgeid^nungen biclfad^ in einem hjeitern ©innc bon ben Reiben über^aujjt
gebraucht Serben, "ilad) 6n=9lebim (087 n. &)x.) feierten bie „d^albäifc^en §aranict"
ober „©fabier" an einem beftimmt genannten 5KonatStag bie Segrüfeung ber ©onne,
46 bcS ©aturnS unb bcr i^cnuS unb fafteten einmal im '^abxe fieben 2;age lang gu (Sbren
bcr ©onne, „beS großen §errn, bcS §errn beS ®uten" (6l^h)olfol^n, a)ie ©fabier,
©t. ^^ictcrSburg 1856, Sb II, ©. 30. 35 f.). Dbglcid^ aud^ en=9lebim bie Scgcic^nung
„©fabicr" in jener allgemeinen Scbcutung gu gebraud[>en fc^eint, lauten bodj) feine SJac^-
richten über bie ,,^aranifd(|en" ©fabicr ni^^t nur fe^r beftimmt unb betaiHiert (^ier bie
60 Slngabcn über SJJonatStage), fonbem tragen üielfad^ fo unberlennbarc lolale gärbung,
bafe fid; n\d)t an ber Scrcc^tigung gh)eifeln läßt, fie auf bie toirflic^en §aranicr gu be-
giehcn. 2)ic Scncnnung bcr ©onne als bcS „großen §errn" unb beS „^errn be^
©Uten" erinnert bcutlid; an baS unS auS Sabl;lonien, ^almi;ra unb ber gried^ifd^en 3"'
fc^rift bon 3lhirc (f. oben § III, 1 ; 3, e unb h) über bcn ©onnengott Sefannte. Scr
66 ©onnenbienft bcr ,,©fabicr" barf bcmnad^ üon bcn tüirtlic^en §araniern toerftanben
iücrbcn. 3luS bcr Sc^cic^nung bcr ©onne als beS ,,$crm" ift bod^ tool^l gu entnebmcn,
baß bei 6n=9lcbim bie 3lnfd^auung bon einem männlid^cn Sonnengott mic bei Sab^-
lonicrn unb aücn SBcftfcmitcn ;;uin SluSbrud gcbrad^t Serben fofl.
©cl^r ;ioeifcll)aft ift, inioicJocit anbcriocitige 3lngabcn über ©onnenbienft bcr ©fabicr
60 auf trirflid^e ^aranier gu begießen fmb. 3lad) ajimefd^li l^aben fie einen golbfarbigcn
512 Sonne .
Äu^fjjrac^e mit i auf einer falfd^en Slnalogiebilbunö md) anbem ate ein ®enetit>öer^alt=
ni^ gebilbeten ©igennamen, h)ic baö auc^ für bic ©otte^namen lagipcoXog unb Ayh-
ßioXog anjune^men fein mag, bie ebenfalls laum ate ®cnetiüöer^ältni^ ju berftebn fmb
{IaQißo)kog = „Jarch[i], ber Bol" ; anber« Derl^ält e^ fic^ öielleid^t mit bem i ber tjer^
6 einjelt üorfommenben ^orm Malachibe[lusJ bei Gumont, Textes et mon. II, ©. 1 14
n. 123). Unbebingt entfc^eibenb ift bie ma^Iulinifc^e SSerbalform too^l ni(^t; ba« SSer=
bum lönnte Qt\Da a\xd) beim femininifd^en 9lomen in ber ®runbform fte^n (in bem
jjalm^renifc^en 5Kanne^namen nb'-i:: = nb^-^x: ift ': atterbing« laum 3. 5ßcrf. bc^ 2?er=
bum«, el^er = „Semal^rter ber 2lIIat"). 2)er ©tamm grm ift arobifc^ unb aramäif*
10 unb lommt toie im ärabifc^en ebenfo auc^ im Äramäifc^en unb ©^rifc^en in Sebeutungen
bor, bie [xi) auf eine ©ottl^eit bejie^en laffen (ögl. ragfirjXog — bH-72^ ju ®mefa bei
Äalinifa, ^a^re^beftc b. Öfterrei*. ard^. 3nft. III, Seibl., Äol 27 n. 15, ba« §vpo=
foriftifon ■•7:^5 Garmai in ßbeffa, Doctr. Addai, ©. 31 unb fonfl, f. ^a^ne ©mitb,
Thesaur. s. v • "^'^Ti-Ln i gbr 4, 19, ift h)ol^l bon einem Ortsnamen abxuleiten). g« ift
16 aber bod^ auffauenb, bafe ber Slame Smsgrm nur ba Dorlommt, too fi($ arabifd^er 6in=
flufe annebmen (äfet, in §ebfd^ra, ^Palm^ra, (gbeffa, ©rnefa. 3öir toerben toeiterl^in fcben
(f. unten über AviJ^og\ unb 2)ufare«), bafe bie 5labatäer ben männlichen ©onnengott in
öerfc^iebenen formen bon ben äramäem entlel^nten. SSielleic^t tourbe ber 9iame D^:i-cr:c
nac^ aramäifd^er 3lrt gebilbet üonälrabem, bie unter aramäifc^em ©influfe ftanben unb
20 ben aramäif^en ©onnengott afjejjtierten; ben 9lamen bilbeten fie mit bem ©tamme grm,
h)eil er ii^nen in arabifqen 9iamen geläufig h)ar. ®ie Sebeutung be« 9lamcn« läfet fi(b
Derfd(|ieben beftimmen, mag man nun an ba« Slrabifd^e ober 3lramäifc(?e beulen. 9Ja(6
be 3Sogü6, Syr. Centr., Inscr. S6m., ©.54 bebeutet er: Sol confortavit (feine anbere
aiuffaffung ebenb.: Solls robur ift unmöglid^), nad^ ©. 31. 6oof (Glossary, ©. 116):
26 ,/o has caused"; beffer be SSogüö ju CIS II, n. 355: radix D^^s chald., syr. et
arab. „abscidit" significat, tropice vero „decrevit, statuit". gür unmöglid^ ^(tc
tc^ bie ßrflärung l)on 9tenan (M^tnoires de Tlnstitut, Acad. des Inscript., Sb XXIII,
2, 1858, ©. 334): „cultor solis", nic^t nur h)egen ber Überfe^ung Don grm fonbem
namentlich h)egen ber gflnorierung ber 9Bortftellung.
80 2luc^ ben ®otte^namen (Slagabal, ber neben bem ^erfonnamen ©amfigeram ju
©mefa Dorfommt, \jOX man für arabifd(i gel^alten (f. oben § III, 3, c, ß). ©d^h)erli(fc
ift er eg h)irflid^, h)eil er bie ©onnengott^eit mit einem männlichen 9iomen bc^eic^nct.
SKan mü^te benn annel^men, erft auf aramäifc^em ©oben l^abe ber ®ott bie folare S3^
beutung erhalten. 3lber „®ott be« Serge«", h)ie ber 9?ame al« arabifd^er toerftanbett
36 tüerben müfete, träre eine %\x allgemeine Sejeid^nung \\oXi ber Benennung nac^ einem
beftimmten Serge.
3)er 9iame be« ©onnengotte« ift trol^I nod^ ju finben in einem unöoBftänbig cr=
l^altcnen nabatäifd(|en ^erfonnamen . . . -c:?:'^ CIS II, n. 260.
211« §eIio« tvirb bcjeidjinet ein im Dftjorbanlanb üorlommenber ®ott Avp^o^]
40 äßabbington n. 2392, 2394, 2395: UXiov ^eov Avjuov; 2393: Hhov »eov Av/iov;
2441: &ECÜ Avljtio)]; 2455, 2456: '^eco Avfiov. 3luc^ ber in n. 2398 mit Hlu(
angcrcbete ©Ott ift 2lumo«, ba bie ^nfc^rift ebenfo hjie n. 2392—2395 bem Orte 2)er^
eingeben in Sluraniti« angehört; $clio«=3lumo« befafe bort nad^ n. 2393 einen Xem)?el.
3)Jan bcad^te in ber 2lnrcben. 2398: EloeX^k x^'^Qoyv "HXie rov xöauov ben änöan^
45 an bic aiuffaffung ^f 19, (> C^""^;). Sgl. ani^ Avuog al« männlichen ?ßerfonnamen
n. 2393 unb nod; ^äufig (f. Sactl^gen, Sciträge, ©. 101, 3lnmfg. 5 unb ba^u fema
Sib5bar«fi, ejjj^cm. I, ©. 329). S)er ®ottc«name trirb arabifd^ fein unb ber Äult
ben 9iabatäern angehören, ba ber -iWamc aud^ bei ben ©übarabern Dorfommt (f. unten
§ III, 4, c) unb in SBabb. n. 2455 unb 2456 (au« Slgräna ober 2)fd^uren in Xratbo-
60 niti«) {}eco Avjuov bie arabifd^c ©nbung jcigt (fo Sact^gen ©. 101, fc^h)erlid^ ©cnetiD:
„©Ott bc« 3lumo«" [fo Sagrange, Relig. S6mit.% ©. 462, 3lnmfg. 2; bgl. bei ©d^ürer,
©cfd;id;te\ Sb II, ©. 34, 3lnmfg. 56], h)a« burd^ ba« öftere Sorfommen biefer ®ottc«=
bc^cid^nung unb auc^ burc^ ben fübarabifd^en ®ottc«namen mx untral^rfd(ieinlic^ gemacht
tvirb, au^ mü^te bann in Söabb. n. 2393 i^ov Avjuoi' al« Derfd^rieben angefe^cn
65 hjcrbcn ; ba« überall bor Av/u . . ftclienbe ^eog ift freilid^ einigermaßen auffaßenb unb
fd^cint für bie 2tuffaffung al« genetiDifc^c Serbinbungju fjjrcd^en, i)gt. aber j. 8. Deo
Soli Hierobolo unb deo Apollini Dys|ari]). 3"^^fr?" ^<^"" ^<^^ 9lame ein arabifc^cr
©üttc«name ift, fo mirb bocf» bie Sorftcltung be« fo benannten ©otte« al« ©onnengott
i)on ben Slramäcrn ber cntlcl^nt fein, ba bic 3lrabcr nur eine tveiblic^e ©onnengottbcit
60 gefannt ^u l^aben fd^einen.
@ottite 513
'Tlhog i?€oc Avfi . . trägt toic aud^ fonft bie Sonnengötter unb befonber« SKit^ra
ba^^räbifat ävixrjtog: 2Babb. n. 2392, 2394, 2395 Aiög ävixi^Tov {dveixmov) 'HXiov
§€ov Avfxov, n. 2393 ävixrjiov'^HXiov ^eov Av/liov. 6^ ift mir nid^t toaJ^rfdjieinlic^, ba^
biefe 93e^eici(inung crft auf ®runb üon Scrü^rung mit bem 3Kit^rabienft bcn fcmitifc^en
Sonnengöttern beigelegt hjorben ift, ba fie ber anfc^einenb altfemitifc^en SSorftellung ber 6
Sonne aU eine^ gelben entft)rici^t. 3lu(^ ba^ ^räbifat deanoTrjg für ben 'Hhog ^eög
Avfi . . in 2Babb. n. 2393 {jov deojtönjv [xal] ävixi]Tov "Hhov '&e6v Av/xov)
ftimmt überein mit femitifdjier äuffaffung ber Sonne (f. oben § III, 3, h).
Strabo (1. XVI, 3, 26 C. 784) berichtet öon ben 9?abatäern, bafe fie für bie Sonne
oben auf ben §äufem Slltäre erbauten unb Dj)fer barbrac^ten, h)ie ba^ 213^ Don ben lo
Subäern bie 3Serel^rung be^ §immefö^eere^ auf ben ©ackern erh)äl^nt (3e 1, 5; 3^ 19,
13; ögl. 2 Äg 23, 12; ^er 32, 29). SOäeC^aufen (9^efte^ S. 61) jtpeifelt an ber
Äorreft^eit ber Se^iel^ung biefer Djjfer auf ben $elio«, ba fid^ Sjjuren eine« Sonnen^
gotte« in ben nabatäifd^en ^nfc^riften bi« je^t nic^t gefunben Ratten. 9Jur bod^ ettoa in
bem einmal barin ijorfommenben Flamen d"i5-o?:i::. 3lud^ ber ^edg Avjulog] ate $elio« i6
ift boc^ h>oI;l fidler ein nabatäifd(ier @ott.
3|n bem nabatäifc^en ®ott 35ufare« trollten Ärel^I (Sleligion ber üoriölamifd^en
2traber 1863, S. 48 ff.); 3- §• 5Korbtmann (35ufare« bei e»)ij)^aniu«, gbm® XXIX,
1875, S. 99—106), Saetbgeh (Beiträge, S. 92 ff.) unb neuerbing« toieber ö. 35oma«5
geh)«fi (Srünnoh) unb D.'S)., 35ie ^roi^incia ärabia, Sb I, 1904, S. 189), einen 20
Sonnengott erfennen. 2lu« bem 9iamen be« ®otte§ ift biefe Sebeutung nic^t ju erfe^en
(Saubiffm, Stubien II, S. 250 f.; SBett^aufen a. a. D., S. 48 ff.; i)gl. noc^ Slöfc^, SJa«
ft;nfretiftif4>e Süeibnac^tgfeft ^u ^ßetra, gbm® XXXVIII, 1884, S. 644 f., mit bejfen
2)eutung Dom „Sü^funfeln" Isolier« a. a. D., S. 419 übereinftimmt). 35afe, h)ie
to. ©oma^^etü^fi annimmt, ber Äult auf ben 35äd(iern bei Strabo bem 35ufare« gegolten 26
I^abe, ift nic^t erfic^tlid^. (J^er mit SRec^t mad^t er für folare Sebeutung geltenb bie
„Sbole bed 2)ufare« an ben ®räbem unb Steinbrüchen, bie boc^ mit ätbjic^t bie ^orm
ber äQ\)pt\\i)m Dbeli^fen \)ahm'\ 9lod^ beutlid^er ift 3)ufare« aU Sonnengott d^aralte^
rifiert in einer ^^f^^^f* ^on ed=Suh)eba in Satanäa (®abbington n. 2312),
h?orin trofe i^rer SSerftümmelung ba« ^ßräbifat ävixrpov ju [dojvodgeog feftfte^t; bie« 90
^räbifat be^eidjinet überall Sonnengötter, ©er Urfjjrung ber folaren Sebeutung ift für
2)ufare« ^meifello« auf aramäifd(iem 93oben ju fuc^en, au« bem felben ®runbc mie bei bcnt
©Ott 3lumo«. 2)a ber arabifd^ gebilbete viamc nac^ ber 2lrt feiner Sejeugung in ber
arabifd^en Sittcratur nid^t erft unter aramäifd^em ©influfe bei ben 9Jabatäem aufgefommen
fein fann, ^atte ber ®ott urfjjrünglid^ eine anbere Sebeutung. Sei ben 9labatäem galt 35
Sufare« al« ein bie ^uc^tbarfeit förbernber ®ott, ba er mit 3)ionbfo« ibentifi^iert toirb
unb bie Xraube fein Symbol ift (j. Saet^en a. a. D. ; altarabifc^ ift bie äuffaffung al«
biom^fifd^er ®ott be« Söeinbau« nid^t, f. SBeHl^aufen a. a. D., S. 50f.; übrigen« mürbe
auf ben Sjjenber ber gtuc^tbarfeit auc^ ba« al« anberer 9lame be« 3)ufare« Dorfommenbe
wS^rwS üertüeifen [N^rx N-^cn], toenn £ib;bar«fi, @p^m. II, S. 262 e« richtig 40
beuten foHte). äßir l^aben in ber ft)ätern 3luffaffung be« 3)ufare« a(« Sonnengott bie
felbc SSorfteÖung tjon ber Sonne al« ber bie gruc^tbarleit förbemben, hjelc^er toir in ber
3tuffaffung be« Saal ß^amman, trenigften« ber fpätem, unb auf 3Münjen Don 2lrabo« gu
begegnen glaubten (f. oben § III, 2, d unb g unb baju § I).
c) Sübaraber. Son Sonnenfult ber^imjaren toeift 2lbulfarabfc^ in ber Historia 45
dynastiarum (ed. ^ocodf S. 160). ^n ben Jübarabifd^en, l^imiarifd^en ober fabäifc^en,
Snfd^riften ift ber Äu(t einer Sonnengottl^eit Sams Dielfac^ bejeugt, aud^ l^ier toie fonft
bei ben 2lrabern h)eiblid(ien ®efc^led^te« (fic trirb bejeid^net mit bem (Slpitl^eton nbrn).
3c^ gebe bie Selege, bie fid^ im Corp. Inscript. Semit, finben für ben ®otte«namen
üoiz'ä of)m Suffij ober mit einem auf bie SSere^rer Dertoeifenben 5ßronominaIfuffij: IV, 50
n. 11, l; 41,4; 43,2; 74, 12f.; 106,5; 132,3; 143,5; 149,2; 172, 2f.; 180, 2;
241,3; 288; 293,2; 294,2; unboUftänbig n. 223;. 261. 3)er Pural •,7:nc73dK „i^rc
Sonnengöttinnen" n. 46, 5 unb in ber Sauinfd^rift Don §alir, f. £ibjbar«Ii, S))l^em.
II, 1, 1903, S. 98. S" ^^^^ ^^^^^ fom))onierter Sßerfonennamen ift ber ®ottl^eit«name
enthalten: co^rdn-i CIS IV, n. 31, 4; 67, 8; 104, 6. 8f.; 153, 1: 164, 6;b-,
276, 1; 287, 7. 12; 300, 1; 306, 2; Dgl. 145, 1; OC?r::nn-i n. 43, 1; üOizx-vz „®Iücf
ber Sc^am«" n. 3, If., 9; 102,2; 154, 1; 224,1; 285,2; E:D?:v:-inr „3)iener ber
Sc^am«" n. 81, 1 unb ju n. 40, 1; üoirciz'-^y n. 40, 1; c?:dnm „®abc ber Sd^am«"
n. 226, 1. 3n c-:c.xn-: „3)Jann ber Sd(|am«" n. 287, If. ift DicIIcic^t nid^t ein 9lame
fonbern ein cfircnbc« @j)it^cton ju erfennen. (S. treitcrc« über ben Sonnenfult ber on
Kealst^c^riopäbie ffir Zl^eoloflie unb fiird^c. 8. 81. XYIII. 33
514 Sonne
eübaraber bei Drwnber, ^bm® VII, 1853, ©. 468 unb cb,enb. XX, 1866 [„3ur Km--
jari|c^cn Qpxad)'^ unb 9lltert^um«funbe"], ©.283—286: ,,8am8 (c::c), bte ©onne";
3. §. 3Jlorbtmann unb 35. &. 3RüUex, ©abäi|c^c ®cnfmäler 1883, ©. 55 ff.) 3lu« bcr
Serbinbung be«,®otte«nammöO7:dmit©uffijcnJol0ert SBindf Icr ftulefet 3bm(S LIV, 1900,
5 ©.408—420: „Sams = ©öttin")/ bafe l^icr Sams in bem at)eDattöen ©innc „®öttin"
flcbraud^l hjcrbc hjic I§tar im Slff^tifc^cn (f. bic fiitteratur über biefc fjrage bei Sib^--
bareli, Qpf)m. I, ©.222 f.).
35ie beiben ®ötterbilber, ben „?Rafr be« Dften«" unb ben „3la\x bed aBeften«" in
einer fübarabifd^en ^nfcl^rift ^t ©b. 5»e^er (3bm® XXXI, 1877, ©. 741) erHört aU
10 ben ©onnengcier be^ älufgana« unb be^ Untergang«, äbfolut fidler fd^etnt mir biefc
freilici(l fe^r na^e liegenbe ßrllörung noc^ nic^t ju fein (iJgl. 91. $Ri«rod^ ©. 123, 20 ff.
unb über ben 3lbler ate SSogel bed ©onnengotte« bei ben äranmern oben § III, 3, c, 6).
^n 3;nW^ift«n 2:iglatj)ilefer« III unb ©argon« ani ben S^^ren 733 unb 715 toirb
eine Königin be« Sleid^e« Aribi, b. i. ber 2lraber, mit Flamen Samse (Samsij'e) gc-
16 nannt (SQäincfler in: ©c^raber, Äeilinfc^r. u. b. ax*, ©. 150; ®. $. 9JlüIIer, QpxQxcüpb.
ajenfmöler au« Arabien, 35enlfc^rift. b. SBien. 3lfab., »j^ilof.^iftor. 61., 9b XXXVII, 2,
1889, ©. 45 f. glaubt, il^en 9Jamen in einer fübarabifd^en S^f^ft gefunben ju ^en:
■'[bl7rc-i). 35er 9Jame lönnte auf ©onnenbienft üertoeifen unb toäre bann ber ältefte
Seleg für ©onnenlult bei ben ärabem.
20 Sei ben ©übarabem lommt ein bem nabatäifc^en Av/j[og] (f. oben § III, 4, b)
bod^ h)o^l entfjjrec^enber ®ott din (Aum) bor in ben ^erfonennamen aiN-TTO unb
mws-nm (3bm® XXX, 1876, ©. 116; 3»orbtmann unb 3RnM a. a. D., ©. 10. 12;
§ommel, 2luffä$e u. Slbl^anbl. II, 1900, ©. 184; aiKnro CIS FV, n. 103; 153, 1;
226, 2; 278; OiNnm n 1, 2; 4, 1; 24, 1). Sluc^ al« Ortsname lommt anx üor;
25 ber Ort fci(ieint alfo „ate ®ott })erfonifijiert" gu fein (fo 3). §. SKüHer, 3bm® XXX,
©. 116), ober iDol^I beffer: bie ©c^ufegottl^eit be« Drte« trägt beffen giamen, toetl e« ein
alter ©tamme^name h)ar unb ber ®ott ein ©tamme«gott. Wxt bem ©onnengott hat
alfo ber 5?ame al« folc^er nici(|t« ju tl^un, unb ba^ ber fübarabifc^e Dix ein ©onnengott
hjäre, ift ani) fonft in feiner äBeife erfic^tlid^. 3)er nabatäifc^e Avju[og] fd^eint biefe Sc-
30 beutung Jj)äter erlangt ju l^aben.
d) 3ltl^io})en. SSon ©onnenbienft bei ben alten ätl^io})en ift, fo toiel id^ fcbc,
bi« jefet nid(|t« befannt. §atetj^ (Journ. Asiatique, Sßrie VIII, 8b II, 1883, ©.46«;)
l^at aUerbing^ in einer ajumitifc^en 3"f^^f.t ^"^^ ©rgän^ung nad^ unfid^em än^lt&=
jiunften ben 9?amen ber ©onnengott^eit Sams lefen iDolIen; f. aber bagegen 9Jölbc!e,
3ß3bm® XLII, 1888, ©. 475f.
5. Hebräer. 3)a| bie Hebräer ober einer il^rer ©tämme in älteften Reiten ber
©onne gebient I^ätten, ift nid(|t ertoei^bar unb bei bem geilen irgenbh)eld(^er auc^ nur
inbirefter ©J)uren nic^t einmal toal^rfd(ieinlid^.
a) Ortsnamen, ©imfon. Über bie Jjaläftinifc^en Ortsnamen „©onnentempcl"
40 unb „©onnenqueHe" f. oben § III, 2, a. gür bie Hebräer jebenfaUg befagen fie nidbt^.
3!)er 5Jame be^ gelben ©imfon ift getoi^ bon semes abzuleiten (bgl. ju arab. sams:
LXX l^ajuymv; in bab^lonifd^en „contract tablets" au^ ber ^^^^'^ ärtajerjed* I Sam-
sänu al^ ^rüeifello^ nic^tbab^lonifc^er unb ^öd(|fth)al;rfc^einlid^ jübifd^er 9iame, f. ^ilpreit,
Babylonian Expedition of the University of Pennsylvania, Series A, Sb IX,
46 ^^tlabcl^j^ia 1898, ©. 27. 70; in einer c^riftlid^en 3nfd(|rift m^ Äatabfc^el^ in 9iubicn
CIG 9115, :]. 9 2:a/io(jov). aillerbing^ toäre bie üon 9lo«foff (2)ie ©imfon^fage, 1860,
g. 110) unb Slenan (Histoire du peuple d'Israel, Sb I, ^jjari^ 1887, ©. 348) nacb
bem i^organg anberer baneben üorgefc^lagene ©rflärung al^ 9lebuj)liIationgform uom
©tanime yrö „fett, ftarf fein" (SofejJ^ug, Antiq. V, 8, 4 laxvgdg) nic^t gerabe un-
ßo möglid^ ; für jene 2i[blcitung aber \px\d)t bie 3lnalogie anberer bon semes abgeleiteter
^crfonennanien. ©imfon erinnert in feinen Staaten an ben gried(|ifc^en ^eratle^. 3>a^
fönntc auf einem 3wfö^"J"cn^öng mit bem Jj^önijijc^en 5Kelfart (bgl. oben § III, 2, b)
berufen, ber mitt^erafkö ibcnttfii^iert toorben ift (f. 21. Saal ©. 331 f.), betoeift aber auc^i
bann ntd^t^ für einen ©onnengott ber Hebräer. Serül^rung ber Srjä^Iung unb bc^
65 Diamenö mit einem ^j^önijifc^en ©onnengott, tocnn 3Kelfart über^auj)t ein ©onnengott
toar, liejie fid; au^reid^cnb erflärcn au^ einer 3Sermengung ber ^ebräifd^en §elbenfagc
mit ^3(;öni,vfd^cm llit;tl^o^\ 2tber fold^e Berührungen fmb mit irgenbmeld^er ©ic^er^eit
nij^t nad()3utoctfen. 3)a ©imfon ein ©d^oJ)^ct bon ber 3lrt ber anbem gelben be^
Stidbterbucbe^^ nid^t ift, fo lä^t fid; bcjtoeifeln, ob ben ßrjäl^lungen bon i^m toie anbem
60 Süd^tergefd^id^ten bie ®eftalt eineö l^iftorifc^en Reiben ^u ©runbe liegt. 3ft e8 ber eJafl,
@otttte 516
fo f}ai bic Srinncrung i^n au^gefc^müdEt mit fagen^aften S^ö^n unb h)o^I and) frei ct^
funbenen Sc^mänlen. Unter bcm ©agenl^aften ift l^iclleic^t folc^e« cntl^alten, ba« Don
einer m^t^ologifc^en ^elbengeftalt entlel^nt h)ar; ob gerabe üon einem ©onnenl^elben,
bleibt bie %xaQt, (3ltö einen Sonnengott ober ^ßelben nad) bem SSorbilb be^ 3)leIIart=
§eraf(e^ l^aben ben ©imfon gebac^t SSatfe, 35ie ^Religion be^ 2llten Jeftamente« I, 1835, ß
S. 369 f.; ©teintbal, 3i)ic ©age bon ©imfon, in ber S^'^^\^^' f- 9SölIert)f^ci^oIogie u.
©t)raci(|h)iff., »b it 1862, ©. 129—178; §. ^uffon, La legende de Samson et les
mythes solaires in ber Revue arch^lo^que, Nouy. S^rie, Sb XX, 1869,
©. 333—346; aU einen lanaanäifc^en, „c^oritifc^en", ©onnengott unb bann „folaren
§ero«" Sb. 3»eVer, 3)ie S^raeliten, ©. 529; für bie SKöglic^Ieit be« „hineinragen«" lo
einer „fiberifd^en 33ejiel^ung" in bie ©imfonfaaen and) SRo^foff a. a. D., ©. 109 f. unb
SJenan a. a. D., ©. 347 ff., ber noc^ barauf aufmerifam mac^t, bafe bie ©imjonfagen in
ber Umgegenb be« Orte« .S3et=©cl^emefd^ „©onnentem))eI", be« l^eutigen 3lin=®c^em«,
f>)iclen.) ®er 9lame lTw73p ober beffer ©amfon mac^t in feiner gorm bie Sebeutung
be« fo benannten ate ©onnengott nid^t unbcbingt h)al^rf(^ein(icl^. ®ie 6nbung ön i5
bcjeid^^net (ebenfo toie bie 6nbung aj ober l in •*;D7:d, f. oben § III, 3, g) eine abgeleitete
gorm; Wa^ fic bebeutet, h)iffen h)ir nic^t fic^er. ©ie lönnte ben „©onnigen" bejcic^nen
(fo 9JöIbefe, 3bm® XV, 1861, ©. 806f.) ober aud^ ©eminutiüum fein: „bic fleinc
©onne" (bgl. 9tölbefe, 31. Names in ber Encyclopaedia Biblica § 77). 2)ie jh)eite
unter biefen möglichen SSebeutungen h)ürbe auf ben ©onnengott feinenfall« JJCiffen, bie 20
erfte ^itva auf i^n im Unterfqieb üon bem (Seftirn. S« ift aber nid^t h)al^rfc^ein(icl^,
bafe man fc^on in l^ol^em ältertum biefe Unterfc^eibung machte; fxt lommt über^aujjt
fonft nici(|t Dor. 3)ie SSab^Ionier jebenfall« nannten ben ©onnengott einfach Samas, unb
auc$ auf aramäifc^em ^93oben fd^eint man il^n überall ^5'^ ober NU572t5 genannt
gu l^aben. 3)er 5?ame SamSön fönnte aber eth)a in ber SBeifc mit ©onnenm^t^o« in 25
ißerbinbung ftel^n, bafe an^ bem urfjjrtinglic^en ©onnengott mit 3lnflang an feinen
Flamen Sm» ein 3Kenfd^ be« Flamen« Samsön getoorben h)ar. 9Jeucrbing« ift eine
Sejiel^ung be« ©imfon jur ©onne gefunben toorben n\d)t in 3"fö"^"i^"^öng mit alU
^ebräifc^em ober ))l^öni^ifd^em ©onnenbienft fonbern a(« 5iac^bilbung äg^jjtifd^er 9Sor-
ftetlungen (ba« SSorbilb foH fein ber ©onnengott 9la, fo mit ganj unl(;altbaren Segrün^ 30
bungen 2Bie$fe, 2)cr biblifd^e ©imfon ber aeg^jjtifd^e $oru«-9ta 1888, ober ber ju ber
©onne in einer Segiel^ung ftel^enbe ®ott ©c^u, mit bem and) 3al;h)e ate üermanbt an^
gefc^en toirb, foSölter, äeg^pten unb bie ©ibel, Seiben 1903, ©. 103—112, bgl.©. 75 ff.,
unb inTeyler*s Theol. Tijd8chr.l906, ©.78—89: Opmerkingen over de Simson-
sage). 2Öie mir fd^eint, onerieren auc^ bie beffern bafür geltenb gemachten 3lrgumente 36
mit jerftreuten Slnalogien, bie in feinen ^wfammenl^ang ^u bringen fmb.
b) Urbäter- unb ^ro))^etenfage. 3lud^ bie Flamen ber altteftl. Urbäter §enoc^
unb 5Dlal^aIaleI, iDorin man 5Jamen Don ©onnengöttem ^at erfennen tüollen (f. Saubiffm,
Jahve et Moloch 1874, ©.68, 2lnmfg. 2), fönnen für alt^ebräifc^en ©onnenbienft nid^t
entfc^eiben. S)er 9Jame 5Kal^aIaIeI ift ganj bunfel. §enod^ mit feinen 365 ^al^ren nad^ 40
ber SCageja^I be« ©onnenja^re« (Dgl. oben § II) ift allerbing« h)ol^( ein jum 3Kcnfc^en
umgeh)anbe(ter ®ott be« ©onnenlauf«, möglic^crh)eife be« ^al^re«anfang«, h)enn man
feinen 9lamen üon "^rn „einh)eil^en" ableiten barf; aber bic ©eftalten ber borabral^amifc^en
Urbäter fmb offenbar \ci}x ücrfd^iebencn, burc^au« nid^t rein l^ebräifc^en Urfj)rung«. Siel-
leicht entfj)ric^t, mie 3""»«^" 0" • ©d(|raber, Keilinfc^r. u. b. 2li", ©. 540) Dermutet, 45
§enod^ bem bab^Ionif^en Urfönig ©nmeburanfi, Äönig ber ©onnenftabt ©ijjjjar, ber in
bie ©emeinfd^aft ber GJötter ©ama« unb 9Jamman aufgenommen unb in bie ©el^eims
niffe beg ^immete unb ber ßrbe eingeführt h)irb (bgl. ju $eno(^ 6b. SWe^er, I)ie 3^*
raeliten, ©. 318).
3n hjittfürlid^er unb gefuc^ter 3Beife fmb eine grofee 3ö1^I bon (Seftalten ber ^ebräifd^en so
3?orgefc^id(|te unb auc^ noc^ ber mirflid(ien ©efd^id^te aU ©onnengötter erflärt Sorben bon
®olbgil;er in feinem 3>u0enblperf „3)er SK^tbo« beibenßebräem" 1876, auf anbernaSegcn
neuerbing« einzelne ®eftalten ber SSätergefd^ic^te bon ^indfler (®efc(?i<^te S^raete, Sb II,
1900, ©. 70 ff. 78 ff.), au« äg^^Jtifd^em ©onnenbienft bon SSöIter (3legV»)ten u. bie »ibel
1903). ©oUte, mie ©unfel (3um religionggefc^idjjtl. Serftänbni« be« 9Jeuen leftament« 55
1903, ©. 80) tjoraugfe^t, ber H5rot)l^et ^ona imgifc^baud^ einem ©onnengott entfjjrec^en,
toa« id^ noc^ md)i einfel^e (tro^ grobeniu«), fo mürbe anjunel^men fein, bafe biefe SSor«
ftellung Dom ©onnengott Don au^toärt«; entlehnt mar, mic ba« Äeto« Don Sojjjjc e« un«
jtDeifel^aft ift. 3" ^cn ©rjä^lungen Don@(ia unb ©Ufa fc^einen fi(^ änflänge ^u finben
an bie entlehnte 38orfteIIung Don ©onnentoagen unb s^fcrben (f. unten § III, 5, e); go
33*
516 Smne
ütcr tc*talb fmb &ia unb (rlna nr6 iiid»t al^ goimengöttcr ober aud^ nur ate mit
3cnneiu;cttan fcmbrnicrtc 0cnalten an^iuicbcn, toic g. 3lorI in feinem biejiplinlojen
unt toünen *u*e „Ter t-nn?bct (rlio« ein 2cnnen=3H^tbu«" (Seijjgig 1837) toollte.
c) i*ernieintlid>e fulttfcfce unb icractlic^e Sefte Don ©onnenbienft
5 Sütnbcle bes Salcmcnifdben 2cnn>d#, rrcrin man mit jtoeifel^aftem Steckte §in-
kreifun^en auf bie Senne bot finben tDcüm, tonnen md)i^ für alt^ebräifc^en @lauben
betreifen, ebenfctoenig bie Anlage b<^ 2en^5 mit bcm Gingang nad^ Dflen (f. oben
^ III, 2, hl ba Solcmce 2emi?el eine SRacbobmung ))Böni^fc(?er 5Wufter toar. Xic
Crientierung ber )>entateu(fcifcfcen Stift^tte t?cn Cfken nad^ SKeften ift S^^^^ötion bes
10 Salcmonifcben 2enn>el6. S?enn man bos oltbebraifcbe ober aud» in fel^r alter 3^^ bon
ben Äanaanäem entlebnte @ctte*bilb be^ Stiert^ (f. S. ,^alb, golbeneö" Sb IX, ©. 704 ff.)
mit ©olbbletfc überwog, fo gefcfcob bü# nicbt nottoenbig „ioegen feinet bem ©onnenlidbt
unb bem ^ci bergleicbbaren ®lan;c&" (ihibm, 2beoIogie ber ^ro})l^eten 1875, ©. 51)
fonbem bielleic^t nur jum Si^mud;^ auc^ jene 3^eutung aber toürbe nic^t gcrabe auf
15 einen Sonnengott t>erti>eifen, nur auf einen ^immel^ott. 9lic^t ganj emftl^aft fann man
ee nebmen, toenn au^ "}iu 25, 4 gefolgert toorben ift, bafe 3^^h>c gerabep bie Sonne jci
(Xuncter, ©efcb. b. aitertbum6\ Sb I, €.324 f.; anber«a.5). SQBenn l^ier ju ÜRofe gefaxt
toirb: „5^imm aDeöau^ter beg3?olfe^ unb bange fie auf für ^sa^toe bor ber Sonne, bamit
ablaffe ber 3om Sabtoe* bon gi^rael", fo bebeutet Bier offenbar „bor ber Sonne" ni(^t^
20 anbere^ ale ,,öffentlic^", toie 2 Ba 12, 12. — «Ile Silber be^ äl« bon ber ©ott^cit,
toelcbe fub ale Sefte einer bormofaifcben 9laturreIigion ersten ^ben, bertoeifen für bie
^l^eriobe be^ 9Jaturbienfte^ auf eine anbersortige "ßorfteDung be« §auJ)tgotte« ber ^ebräifcbcn
Stämme. Gr toobnt im J^unfel ber ©etoitterlrolfe. ^m g^uer, ba« au« ber aSoItem
bülic auf bie Grbe berabfäbrt, offenbart er ficb, unb ber SJonner ift feine Stimme. JBoH
25 erft aus fpäterer 3^^ ftammen J^arftettungen, bie ^^^^e fic^ in ben ßrfc^einungcn
be^ ßimmclölid&te« offenbaren laffen, unb gan^ üereinüdt fielet im 84. ^falm bie Scr-
glcicbung ©otte« mit ber Sonne. 3?gl. «. 3Rolodf S. 302 f. Sn bem bod^ toobi
fpäten $fa(m 19 (v. 1—7) ift bie v. 6 anfd^einenb ^u ®runbe liegenbe m^t^ologifcbc
l^orftellung fcbtrcrlic^ altbebräifc^, eher bon ben äramäem l^er (bgl. oben § III, 3, h)
30 entlcbnt.
Sei ber großen 3äbigfeit, mit ber fid? in ben altteftl. 3lu«fagen bon ber ©ottbcit
ipintocifungcn auf ba« ©etoitter erbalten baben, toäre e« in ^ol^cm ©rab auffaUcnb,
tocnn alter Sonnenbicnft ber Jg^ebräer im Sjjracbgebraucb fo ganj bertoifc^t toorbcn fein
foUte. SoHcr« aüerbing« (a. a. £.) tv'iü in ber äntoenbung be« Scrbum« rTb:i auf bie
35 ©otte«offcnbarung unb in beren Sejeic^nung mit """-s 9tefte eine« bergcffenen Sonnen^
bicnfte« erfennen, inbcm er al« eine ber urfjjrünglic^ften Sertoenbungen be« Stamme^
gäläh nad> bcm 2trabifd>cn annimmt feine Slntoenbung auf bie Befreiung ber Sonne von
©eiüötf ober anberer Serfinfterung. G« ift aber nid^t nad^n)ci«bar, bafe ber Stamm
neben bicfer einen befonbem Schiebung in ältefter ^cxi anbere au«fd^lo6, unb ba aufecr
40 ber Sonne nod(^ biele« anbere „enthüllt" toerben fann, fo ift nid^t einjufel^en, loc«balb
biefer 2tu«brud für bie ©ottc«offcnbarung gerabe bon ber Seohad^tung ber Sonne ent--
lehnt fein foll. 5^och Weniger fann ber Unterzeichnete e« toal^rf(^einlid(| finben, bafe für
"^-^, arab. kabid, bie 53cbeutung«li>anblungen anjunel^men feien: Seher, Seih, "Btitte,
fj)c;\icll 5Kittc bc« Sogen«, bon ba au^ Sd^eiteljjunft be« §immel«hogen« unb enblicb
45 ,,bic Sonne am ©öl^ebunft be« J^irmamcntc«". 5>on ber legten in biefer Steige tüirf=
l\d) nad(?toci6baren Sebcutung ,/Sc^citelpunft be« §immel«" (im 3lrahifd^en) fann man
frf»merlid> locitcr bi« ^u einer Sejcichnung ber Sonne fc^reiten, ba bie Sonne eben
nid^t immer am Sd^eiteljjunft be« §immcl« fteht. ^ie aufgel^enbe Sonne fann man
n)ol>l bie öftlic^e nennen, aber boc^ nic^t ein'SBort für „Dften" ftatt „Sonne" ge=
w hraud;en.
d) J^remblänbifd^e ©eftirnanhetung. Gjed^iel. ^^^toietoeit e« ftc^ in ben
.ftultcn, toclchc bie ^«taclitcn feit ber 3cit i^rcr Sefe^aftigfeit bon ben Äanaanäem fenncn
lernten unb biclfa^ annahmen, um Sonnenbienft l^anbelt, ift fraglid^ (bgl. oben über
bie ^^önijicr i- III, 2). Sjjejicll bafür, bie geuer be« 5Woloc^bienfte«, hjo^cr er bcnn
65 ftammen mag, al« Sonnenmenbfeuer anjufehcn (fo Wannl^arbt, 2Balb= unb gelbfulte,
Icil II', 1877, S. 302 ff.), haben ioir feinerlei Seranlaffung: toeber in einem heftimmtcn
3citvunft, an bcm jene J^eucthräuchc ftattgcfunben hätten, noc^ in einem mit ben
Sonncntocnbfcucm inbogcrmani)4)cr i>olfer ühercinftimmenben Srauc^e be« ^inburc^gebne
burd) ba« geucr (f. 31. ^JJlolod^ S. 270, (Iff.). Gigentlid^er ©eftimbienft jebenfall«, b. b.
öobireltc änhetung ber ©cftimc, fommt erft gegen ba« Gnbe ber Äönig«jeit in ^uba auf
Sotttte 617
unb ift jipeifcllo« afft;rifc^cn (ginflüRen imufc^reibcn (ügt. % 3DJonb 6. 343, 15 ff.).
2)a^ Sicutcronoinium Verbietet, ju ©onne, 5Wonb unb ©tcrncn, bcm gamen ^immete^cer,
aufjubUdfcn unb ftc ui Derc^rcn, inbem man fid^ üor i^nen niebcrtrctfc unb Derbcuge
(I)t 4, 19; 17, 3). O^ne bafe fjje^icll ber ©onnc gebac^t hjirb, bctici(|tct 2 % 21, 3 üon
^äRanaffc, ba^ er bcm ganzen §immete^cer gebicnt l^abc, unb benfelbcn 35icnft criuä^nt 5
3ej)l^ania (c. 1, 5). 2)cm 3)icnftc ber ©onnc, beö 5Wonbc«, bc« üerfreifc^ unb bc^
ganzen §immetöl^eerc^ Ü)ai König ^^fia ©inl^alt (2 Äg 23, 5). 3;^^"iJ<^ ^ügt aScre^rung
ber ©onnc h)ic ber übrigen ©eftirne (c. 8, 2; ijgt. c. 19, 13).
e^ed^iel fd^ilbert c. 8, 16 unter anbcrn Slbgöttercicn 3)ien[t ber ©onnc, Dor ber fic^
bic 3lbgöttifc^cn im innern Iemj)eIi)orl^of, gen Dften ftc^ tücnbenb, ijcmeigtcn. 6r rebet lo
jtDcifello^ t)on Abgöttereien ju feiner eigenen ^^\i, nic^t ^ttva \)on frühem; c^g ift a(fo
an^ feiner ©arfteflung ju erfe^en, baf md) ber Äultu^reinigung 3<>f^ö^ <^i"c P^rf^
iHcaftion be^ fremblänbifc^en Äultuemefcn^ fid^ gcltcnb gemad^t l^atte.
@inc verbreitete ©rllärung ijcrftel^t t)on ©onnenijcre^rung a\x6) nod; ben @j 8, 17
unmittelbar nac^ ber Sm?äl^nung be^ Äultu^ ber Sonne gerügten 35ienft, inbem man i5
f^ier ein an bie 9iafc gehaltene« 9leiö ("T^D ertüä^nt finbet unb barin eine yiad)-
a^mung ber })errtfci^cn ©itte ericnnen triÖ, bei 2lnbetung ber ©onnc einen Süfd;el t)on
33aum^h)eigen, ben Saregma, in ber linlen §anb ju galten (f. ©menb j. b. ©t. nac^ bem
iJorgang bon be Sagarbe, ©efammelte 2lb^anblungen 1866, ©. 159, ber ^T^-1 in cinn
= baftrifc^ baregma änbern ober für „eine femitifierung biefe« h)orte^" anfe^en iDottte ; 20
bgl. etralb, 5Die ^rojj^eten-, »b II, 1868, ©. 383 ; % ©c^ol^, ©ö^enbienft u. gauber^
n?cfen bei ben alten Hebräern 1877, ©. 62; an ben Saregma beult auc^ DreHi 3. b. ©t.).
2)iefer Äultu^braud^ tonnte ja ettra nad^ Sabi^Ionien unb i)on ba na6) ^aläjtina bor-
gebrungen fein; bie SSorau^fe^ung ift aber boc^ n\i)i gerabe hjal^rfd^einlic^. 2luc^
^ieltcn bie ^Perfer ben Süfc^el niqi an bie 9lafe, toa^ man millfürlic^ fubftituiert f}at für 25
il^re ©itte, bei ber Anbetung ben 5Kunb ju bcrJ^üHen. 2)afe ^T^"^'-! fic^ noc^ auf ben
bei G^ed^iel lurj vorder (v. 14) ertoä^nten 3^ammu|\bienft begieße (fo 6Iermont=©anneau,
£tudes d'arch^logie Orientale, Sb I, in ber Biblioth^que de Tficole des Hautes
fitudes, fasc. 44, 1880—1895, ©.28), ift nic^t an^une^men, ba bajtoifd^en (v. 15)
ber ©onnenbienft bargeftettt h)orben trar, ber bom lammujbienft ju unterfd^eiben 30
ift. Überbie« ift ""• ^y-], mobon 3;ef 17, 10, trie e« fc^eint, mit Sejug auf 3lboni^=
bienft bie Siebe ift, ein pi fc^toac^er Anwalt, um 638, 17 an ben S^ammuj 3U benfen,
ber jubem nid^t unbebingt mit Aboni« ibentifijiert Serben barf : nac^ 3i^f 17, 10, tvirb
eine n^.'-j gej)flanit, aber nic^t an bie 9lafe gehalten (bgl. 3(. Sammuj). ~ 3öeil in
65 8, 17 mit ber Sebeutung „SRanfe, Sleiö" laum auöjufommen ift, bermutet ©unfel 35
(Sd(|ö))fung unb ßl^ao^ 1895, ©.Ulf. 2lnmfg.) bafür eine anberc Sebeutung unb
in ber gefd^ilberten §anblung einen ©eftu^ be« Jpo^ned gegen 3^^^^/ h)ofür aber
eine entfjjred^enbe ,, Sebeutung ober befriebigenbe iejtemenbation nid^t nad^getoiefen
njirb. An eine Äußerung be« §o^ne« badete fd^on ©^mmac^u«: xal cog äqpievreg
elolv t]xov ü)g aajua did rcöv juvxti^qcov avxcbv nac^ ber 35eutung bon ^iero^ 40
n^mu« (Explanatio in Ezechielem ju c. 8, 17): Symmachi ... interpretatio
foedum raucumque sonitum de naribus procedentem in Dei contemtum signi-
ficat; aber bie Sluffaffung minbeften« bon nsNbN ift unmöglich. 3luc^ fonft ift an^ ben
alten Überfe^ungen nic^t« ^u entnel^men. ©er Sorfc^Iog bon %o\) (in §auj)t« Sacr.
books of the O. T. j. b. ©t.), nni?:; nad^ rabbinifc^em SSorgang al« crepitus ventris 45
aufijufaffen (bon Äraefefc^mar j. b. 2t. ahejjtiert) ober bafür m lefen n^T = n^t 3l\x
11,20, fo bafe bie a^eräd^tlic^feit be« Äuitu« ber 3lbgöttifd^en jum 3lu«bru4 !ämc
((. "'S»), beruht auf h)itlfürlid(ier Söorterflärung ober ^änberung (ieben^att« ibnnten bie
Djjfer nur al« ©eftanf, aber bod^ nid^t al« crepitus bejeic^net toerben). ^e^ex \)\eüe\d)t
benft »ert^olet 5. b. ©t (ebenfafl« "2« lefenb) an eine (nid^t ^um ©onnenVut\\t ^eVöxen'be) 50
uni^üd^tige Sultu«fitte nac^ ber bon ©rae^ (gjionatöfd^rift für ®e?dbid)t<^ ^^^ ®\^w*
fc^aft be« ^ubent^um«, Sb XXV, 1876, ©. 507 f.: „2)ie euj)f?em\\ti7^e ^öiwXuxv^ ^t%
SBorte« r^rzi im Jpebräifd^en") al« ßui)^emi«mu« angenommenen, (^h^x oSL^Vm<?>^ \oxv^
nic^t nad;h)ei«baren Scbeutung membrum virile für Ti^nizj. 5Öen\cirtC^^ ^^^ ^^^ \^ V
rid^tig, bafe l^ier nid;t mel^r üon ©onnenbienft fonbern bon cluetn VtlD^^ ®xm\ ^^^
Sebe ift unb jtoar bon einem Slitualgreuel, ber nid^t im3:emj>cl betv\?\t Vo>x»^ N^"^^^^
'^^ Sanbe. ^^U\)ci
3Son Äufe^änbcn für ©onne unb 3Wonb ift bie JRebe ^x ai ^ O' f\iM.
©eftu«bera^ere^nmg2t. ^onb ©.343,41ff.). SBelc^e 3eit unb Vx)^{i^\. ^*^fS^^^^
be« 35uc^e« öiob babei im 2tuge ^at, läfet [\d) nic^t beftimmt J?^^^*^
518 Sonne
feine eigene ^f:\t unb ^iixatl, ha er feinen Reiben in l^o^em Altertum im unbclannten
£anb Uj lebenb benit unb ben 33erfuc^ mac^t, religiöfc unb hiltifc^e SJer^öItniffc ber Ur=
jeit in fd^ilbem.
e) ©onnenjjferbe unb ^SQäagen. 6ine eigentümlid^eßinric^tunöbe^Sonncnbienftee
6 loirb 2 Ä0 23, 1 1 ate üon Sofia abgcfd^afft ertoci|nt. 3)anad^ ^tten „bie Äönige gubas"
an einem ber lemjjel^ugänge im Sorl^of ^fcrbe aufgefteHt, bie ber Sonne getoeil^t toaren,
nebft ©onnenlDagen. ^o^ia liefe bie ^ferbe entfernen, bie SBagen öerbrennen. gür
©onnenj)ferbc unb ^SBagen tvar bi« bor lurjem eine Analogie au^ bem Sercid^ ber
femitifc^cn Sölfer nic^t beizubringen (bgl. bie geleierte 3)iffertation bon ßbrift. 3SiIeIm.
ioS3oftu^, De losia quadrigas solis removente ad 11. Reg. XXIIl/ 11, £ei))^ig
1741). ^dji hjiffen toir aber, bafe bie Sab^Ionier üon einem mit Sloffen befpanntcn
SQäagen be« Sonnengottes rebeten (S^nfen, ÄoSmoIogie, ©. 108 ff.; 3^'«'"^«, in: ©{^rabcr,
Äeilinfc^r. u. b. äSC^ ©. 368). aUerbingS ift bon SBagen unb 5ßferben, bie in bcn
babl;(onifc^en 3^emj)eln gel^alten toorben toären toie im jerufalemifci^^en, bisher, fo öiel id^
16 h)eife, nichts belannt. Sei inbogermanifc^en SSöIIern, namentlid(^ bei ben 5ßerfern, toar bae
5ßferb baS bie ©onne in il^rem Saufe barftellenbe lier. ® ie ein aItinbifd(^eS 2icb bie ©onne
auffaßt ate ein ben §immel burc^eilenbe« Slofe (9lotl^, gbm© II, 1848, ©. 223), fo rebct
auc^ baS 3^n^öbefta l^äufig Don ber ©onne aU ber „mit fc^neDen ^ferben begabten"
(©J)iegel, ßränifc^e ältert^umSlunbe, 8b II, 1873, ©. 66 ff.). 9ion äbenblänbem toirb
20 berid^tet, bafe bie ^erfer J^eiüge SBJagen unb ^ferbe l^ielten. ©ie toerben toon §erobot
(I, 189; VII, 55; VIII, 115), Xenojj^on (Cyrop. VIII, 3, 12)unb6urttuS (III, 3 [7],
11) afe bem 3^^ ober 3wj)iter ^eilig bejeic^net; baneben ift bei 3£eno))^on au6) öon
D})ferpferben unb einem feagen, bei GurtiuS Don einem einzelnen ?ßferbe beS ^erftfc^cn
$clioS ober ©ol bie SRebe, unb 3;wf*^J^ (1/ 10) berichtet bon ^eiligen ?ßf erben ber
26 ©onne, h)ie biefe Xenojjl^on (Anab. IV, 5, 35) auc^ bei ben Slrmeniem erloäl^nt (Dgl.
baju S)ibeliug, 35ie 2abe ^a^be« 1906, ©. 60 ff. unb bafelbft ©. 63 eine 9lemini^en]|
bei apio (S^rvfoftomu«). SQäa« §cIiobor (Aethiop. X, 6 ©. 278 ed. Seffer) toon
ben 3it^ioj)en ju 3Keroe berichtet: 'HXUo juhv ze&Qumov levxdv tirjyov, nämlic^ auf
einen 3lltar afe Opfer, ift h)ol^l entftanben auS einer ©rinnerung an baS SSiergefjMinn
30 be« griec^ifd^en §eHoS, DieHeid^t auc^, ba ^eliobor (um 400 n. 6l^r.) au« ©mefa, ber
©tabt beig ©onnenbienfteS (f. oben § III, 3, c, ß), ftammte, baran, bafe auf Iateinif(^cn
9)iünjen beS ^eliogabal unb beS UraniuS ber l^eilige ©tein beS ©onnengotteS Don ßmefa
auf einem SBagen mit Dier ^f erben gefal^ren hjirb (3Morbtmann, 3*>»"®XXXI, ©.95 f.),
tpoE^l mit Sejug auf ben römifd(ien Äult beS ®otte«. ffiaS §eIiobor l^in^ufügt, bafe bie
86 3(tl^io})en bie $ferbe geo})fert l^ätten, xco Tax^Tdro) xcov ^ecbvy (bg eoixe, to zdxioxov
xa'&oaiovvreg, ift fjjätere Slu^legung. — 2lug @ran unb ben benachbarten Sanbfc^aften
belogen n?al^rfc^einlici(i bie femitifc^en SSöIfer i^re ?Pferbe (§e^n, Äulturt^flanjen unb ^au^-
ti}xm\ 1877, ©. 33). ^lad) ejed;iel (c. 27, 14) er^anbelte %\)xn^ feine ^ferbe au^ bem
Sanbe logarma, toomit DieHeic^t 2trmenien gemeint ift. 9JJit ben 5ßferben ate §anbel^
40 gegenftanb toirb [\i) il^re fultifd;e Sebeutung Derbreitet ^aben, unb bie Stoffe be^ ©ama^
hjie bie beö jerufalemifc^en Iemj)el^ Rängen getvi^ ^ule^t irgenbtvie mit ber J)erfif(bcit
SSorftedung unb Äultu^fitte ^ufammen.
^n bem feurigen J^agen unb ben feurigen ^ferben bei ber Himmelfahrt beö 6lia
2 % 2, 1 1 erfennen Äittel (5. b. ©t.) u. a. ben ©onnenh)agen. 2tud^ tvenn bie (grjä^lung
4ö auö ^3JüfeDcrftänbni^ ber auf bie ^erfon be^ @Iia ^u bejie^enben bilblid^en Slebelpenbung
V. 12 entftanben fein foUte, mu| bod^ bie 3SorfteIIung Don l^immlifc^en SBagen unb
^ferbcn bem ßr^ä^Ier irgenblvic geläufig getoefcn fein. Sie ift femer bezeugt in ben
sterben unb Sagen Don ^Jeuer ring^ um ©Ufa 2 ^g 6, 17, bie ebenfafe aif^ |immlif(^c
^u Derfte^n finb. S)abci ift aber allcrbing«^ nid^t nottoenbig gerabe an ben ©onnen=
bo loagen ju bcnfen, fonbern junäc^ft nur an ein bimmlifd^c^ §eer h)ie ^oj 5, 14; ©en32,3.
2)ic l^iminlifd;en ^ecrfc^aren unb i^re 3luörüftung fmb natürlid^ feurig, toeil h>a« man
am i^immel erblidt, nämlic^ bie ©eftime, bie mit ben (Sngeln ibentifijiert tourben, feurig
erfd(?eint (Dgl. oben § I).
3m Sud^e §cnod() l)ai mdji nur bie ©onne (c. 72, 5. 37 ; 75, 4) einen SBagcn
65 fonbern aud; 3Wonb unb ©tcrne (c. 75, 3. 8). S)er ©onnentoagen fommt auc^ Dor in
ber gried)ifd;cn 2l^3ofah;j)fe 53arud^ 6 (Dgl. Scer §u §en. 72, 5, Steffel ju Sar. 6 in Äau^ft^
3lj)o!rV>)ben) unb ÄNngcn ber 7 ^Manctcn bei ben 9Jianbäern (Sranbt, 3)Janbäif4>c ©c^riftcn,
©.189 f.). ^d) fte^c nn, barüber ju urteilen, ob ber SBagen, ber auf 5Wünjen Don
©ibon bie Slftarte bar^^uftcden fc^eint, .^ufammenbängt mit il^rer Sebeutung al« ©eftirn-
00 gott^eit, fei e^ aU 3JJonb fei eö al^ ä^enuöjjlanet. SBabrfc^einlic^ ift ba^ nid^t nac!; ber
Sotitie 519
!i(rt, \vk btefer äBagen barge[tellt iptrb, ol^ne @ef))ann unb ol^ne J5inU)eiJung auf ein
®cftlm (bic 3)arfteIIun0 biefcö 2Bagcn^ auf einer 3Künje mit bcm Silbe Äaifer (Slagabate
;^n)ifc^n ^albmonb unb ©tem [3lout)ier, Journ. Internat, d'arch^l. numismatique
V, 6. 267 n. 1527] lommt, abgefel^en üon ber 3^^^^ "«^ t>^ 9^^ ^^^ Kombination
Don ^üa^m unb ©eftimen l^ier ni^t in 95etra(^t). 3^ W^^ ^^^ SKagen ber 3lftartc 6
e^er für ein Äultu^erät, ba^ ber ^erumfüJ^rung be« ©otte^bilbcd in ^rojeffioncn bientc.
3tlt^ebräifc^ ift bie SSorfteQung Don ben ^euerh)agen @liad unb @Iifa^ natürlich
nic^t, ba J^rieg^tüagen unb ^ferbe nic^t alt^ebräifd^ fmb. SQäenigften« inbireft l^ängen
alfo biefe 2Bagen gehjife mit bem bab^Ionifc^en ©onnenh)agcn jufammen. ®ie 3?or=
ftellung mufe aber, ba bie ©r^ä^Ier ber 6Iia- unb eiifa=®efc^ici^tcn fte al« einen feftfte^enben lo
Seftanbteil überfommen l^aben, öer^ältni^mäfeig frül^jeitig ju ben S^^^eliten gefommen
fein ; e^ !ann fraglich erfd^einen, ob erft hxxxi) Sermittelung ber äff^rer ober fc^on burd^
früj^ere 3wfö*"*"^^änge, bann toal^rfc^einlic^ bab^Ionifc^sfanaanäifc^e. Über ©buren für
§eiligfeit be^ ^ßferbeiJ bei ben ^l^öni^iem f. Äerber, 2)ie religion^efd^id^tlic^e Sebeutung
ber ^cbräifc^cn Eigennamen 1897, ©. 36 f. ^oio unb ■^?:co beh)eifen n\6)t^ für 3^^^^^); i5
S«. Slobertfon ©mit^, ®ie Sleligion ber ©emiten, beutfc^e äu^. 1899, ©. 223 ; über ba«
^ferb auf bama^j^enifc^en 3Wünjen SJuffaub, Notes, ©.96; über ben ©onnenh)agen auf
fVrifdjiem 93oben in römifc^er ^Ai ebenb., ©. 51 f. (Quadrige et char solaires). Über
brei f^rifc^e SJarfteHungen eine« Sleiter« l^anbelt 2)uffaub, ber barin ben ©onnengott ju
erfennen glaubt, ebenb. ©. 52—58 (Le dieu solaire cavalier). 3" ^^ ^^^^^ t^'^f^ 20
35arfteIIungen, bem oben § III, 3, c, y ertoäl^nten SRelicf bon ?ferjul, ift bie folare Se«
beutung ^h)eifeIIo«. 6ine jhjeite ^arftettung bietet ein Slelief nic^t nä^er befannter §er5
lunft au« fj)äter 3^^*- «in Sleiter in Jjerfift^er Srac^t, bcm bie ^nfc^nft: Oecp Fewia
Tzargcpo) . . . gilt, t^ält eine Ocifeel in ber ßanb toie ber 3u})iter §elioj)oIitanu« (f. bic
aibbilbung bei §cuje^, ün dieu cavalier in ben Comptes rend. de TAcad. des In- 25
Script. 1902, ©. 190 ff.), ift alfo h)o^l toie biefer ein ©onnengott. 2)ie britte 3)ar-
ftettung ift nur inbirelt bie eine« ©onnengotte«: auf einem Slclief öon c«5©un>eba im
^auran fi^t Äaifer SKa^imianu« ju ^ferbc; eine ©onne ift hinter i^m, toä^renb ®io-
cictian eine ©onne in ben 3lrmen l^ält.
©onft fennt ba« 311 am §immel al« SBagen nur bie SBoIIen, auf benen ^ai}\ot 30
ein^erfä^rt (^f 104, 3; Dgl. ^ef 19, 1; ?}f 18, 11 unb and) ©a 7, 13; Dietteid^t fmb
ferner bie abjagen mit ^ferben Bai) 6, 1 ff. al« l^immlifd^e ju beulen, aber l^ier h)irb
bab\;Ionifd(ier ober i)erfifc^er ©influfe Dorliegen). 35ie SBoIIcn in il^rem rafd^en 3"9 0I«
ein ©cfä^rt Dorjuftetten, liegt nal^e, aud^ mit SRüdEfw^t auf gornten ber SöoIIen. Siet
leicht ift erft Don ba au« bie 3luffaffung ber ®eftirne al« mittelft eine« ©agen« fic^ betoegenb 86
entftanben. 3luf irgcnbh)eld(jer SiJorftellung Don einem ®otte«h)agcn berul^t boc^ h)ol^I auc^
ber fonberbare ®ottc«name bxnDn Rekub-'el ober Rakkab-*ei in ben ^n^riften Don
Scnbfd^irli (Dgl. ba^u ©. |)offmann, ^eitfd^r. f. 3lff^rioIogie, 8b XI, 1896, ©. 252) unb
bann Dicttcicbt and) ber ebenbort Dorlommenbe ^erfonnamc nD^r'-n, nr^nn. 3?gl, noc^
bie Släber ber ßjjec^ielifc^en I^eojjl^anie 6j 1, 15 ff. 40
f) 9lad^c5ilifd(ie 3flemini«cenjen unb neuteftamentlic^e 9ln!länge. 2tn
bie Derfc^iebenen gormen be«©onnenbienfte« bei ben Reiben unb auc^ ben gubäem ben!t ein
ätj3ofali;})tifer ber fjjätjjerftfd^en ober gricc^ifd^en ^eriobe 3ef 24, 23, ber Don 3Konb unb
©onne fagl, bafe fie im ©nbgerid^t erröten unb \xd) fc^ämen toerbcn, nämlic^ um ber Don
ben abgöttischen i^nen erh)iefenen ßl^re h)illen, bic allein '^a\)tt)^ ber §eerfd^aren jus 45
fommt. 2)ie beiben ®eftime merben babei al« reale bämonifc^c 3R&d)U Dorgeftellt
(Dgl. «aubiffut, ©tubien I, ©. 118 ff.). ®ie ärt, h)ic J^ier Don ©onne unb 9Konb al«
belebten unb Deranthjortlic^cn SQäcfcn bie SRebe ift, jeigt beutlic^, h)ie fe|^r noc^ im
Sctoufetfcin fpäter 3^'^^" ^^^ ®ottl^eitcn Don ©onne unb 3)ionb al« mit ben ©e^
ftimcn ibentifd; erfdiiienen unb h)ic bireft fid^ ber Äultu« an bie ®eftirne felbft gclDcnbet 50
l^aben tvirb.
Äeincrlei ^intDci« auf jübifc^^en ©onnenbienft lä]&t Jid^ erlennen in bemSiamen be«
Stattl^alter« ber ^uben in ber erften nac^c^ilifd^en ^At SeSbassar 6«r 1, 8 u. f. h)., ob=
gleich? barin ber 5{ame be« ©onnengo^tte« mti}aUm märe nad^ ber nid^t unh)al^rfd^ein=
lid^cn ßrllärung be« 9lamen« = SamaS-abal-usur „©ama« fd^ü^c ben ©o^n" (fo 66
3immem in: ©d^rabcr, Äeilinfc^r. u. b. 213^', ©. 370). SBar ber 2:räger be« 9lamcn«
ein 3iube, tüa« jtoeifcl^aft ift (f. Saubiffm, (Sinleitung in bie 53ü(^er be« 212: 1901,
©. 280 ff.), fo tDar ber 5iame i^m geh)i6 beigelegt al« ein in Sab^lonicn üblid(|er, o^ne
bafe fid^ barau« irgenbettoa« für ©onncnDercprung bei ben bab^lonifc^en ^n\)m ergäbe
(Dgl. ben jübifc^en ^erfonnamcn "1";^ = mr5-,n, Saubiffin, ©tubien I, ©.314). eo
620 Sonne
3Son jübifc^em ©onncnlult in bcr nad^ejtlifd^cn 3cit iDiffen toir nid^tg. SBol^I ober
!ommt in bcr fbätern jübif^en ängclologic, bic eine naturaliftifd^e Seite an ben ©ngcin
betont, eine na^ §enoc^ 8, 3 faum nur bxMxi) ^n berftel^enbe Sejiel^ung eine« (Sngel« ^ut
©onne Dor in bem ©ngelnmnen Samsaveel, Simapisiel = ^ö<'"»?';'P $en. 6, 7; 8,3;
6 69, 2 (i)0l. bie 33esief^ung eine« engeU ^um 3)ionb ä. 9Konb ©. 347, 33 ff.).
S)a| naä) ^o^cpiiu^ bie jübifd^ie ©elte ber ßffener il^re ®ebete i^enid^tcte, bet auf=
ge^enben Sonne ju^etoenbet (Bell. Jud. II, 8, 5), im Unterfc^ieb üon ber ©ebetöric^tumj
ber ort^obojcn ^xihm nai) ^^xvi\aUm, ift IdoI^I bon 3ofeJ)^u« irrtümlich ijerftanben toorbcn
fll« eine „Sitte an bie Sonne, fie möge aufge^n", jebenfaH« nic^t behjeifenb für gött^
10 lid^e Sere^rung ber Sonne (fiuciu«, S)er ®fjeni«mu« 1881, S. 61 f.). 2öo]^I aber h>irb
bie Sefte ber Samjjfäer bei @j)l^i))l^aniu« nac^ i^rem 9?amen mit Sonnenbienft in 3>cr=
binbung fte^n. Wan i^ergleidbe gu ber Sejeidjinung G^rifti bei ben mit ben Sam))fäem
Dertoanbten (gllefaiten a(« juiyag ßaodevg (f. 21. (Slfefaiten 93b V, S. 315, 59) bie
femitifd^en 6j)it^eta be« Sonnengottes (f. oben § III, 3, h). §ier h)irb toie bei ben
16 3Kanbäem gntle^nung au« aramäifd^^bab^lonifd^em §eibentum Dorliegen. ^afür aber, bafe
fc^on Dor ber djiriftlici^en ära ©influ^ be« Sonnenlultu« auf ba« fj)äte gubentum ftc^ gellenb
gemad^t l^abe, finbe ic^ feine 3lnjeid(|en. 2)ie in SBei«^. Sal. 16,28 iJorauSgefe^tc Sitte
be« (Sebete« Dor Sonnenaufgang braucht feinerlei Sqiel^ung gu Sonnenbienft unb \p^li:\i
ju ber im au«ge^enben §eibentum toeit Verbreiteten ^itte ber Slnbetung ber aufge^enben
20 Sonne (f. I^ierüber Gumont, Textes et monum., 33b I, S. 128 f.) ju l^aben. So
gelDife e« ift, bafe in ber ^aiferxeit unb i^ieHeid^t fd(?on früher, namentlich in Älein=
afien, jübifc^e ©emeinfd^aften ftarf Don l^eibnifc^en 3SorfteIIungen unb Sräuc^en beeinflußt
hjorben finb, tvofür Gumont (Les mystöres de Sabazius et le Judaisme in
ben Compt. rend. de TAcad. des Inscript. 1906, S. 63 ff.) fra})t)ante Belege iie=
25 liefert i^at, erjd(|eint e« mir bod^ ^h)eifel^aft, ob ba« J)a(äftinifc^e ^ubentum unb überl^aupt
ba« 3"^^"^""^^ öw« h)eld(iem bie erften d^riftlid^en ©emeinben ^erijorgingen, fotc^en @in=
flüffen jugänglid(i getvefen ift (3DJa 3, 20 unb 5Pf 19, 6 l^anbelt e« fic^ l^öc^ften« um bic
3lu«brud«h)eije).
3)ie d(iriftlid^e geier be« Sonntag« l^at getvife in il^rer ©ntfte^ung mit Sonnenbienft
:k) nid(|t« ju tl^un (h)a« ©unlel, ^\xm reUgion«gefd^id^tl. 3?erftänbni«, S. 73 ff. annimmt),
ba fie fic^ au«reic^enb au« ben i)on il^r üorau^efei^ten Sendeten i)on ber äufcrftcbung
3efu erllärt; aber bafe ber Sonntag in ben 3Wit^ramt;fterien gefeiert h)urbe (au« femi=
tifd^em ^eibentum ift barüber bi« je^t nid(|t« befannt), mag ber 3Serbreitung ber Sonn-
tag«feier günftig getoefen fein. %ixx ben 2luferfte^ung«tag erfd^eint ber Sonntag aU
36 fold^er in feiner Slelation bebeutfam, fonbern nur al« britter 3:ag. 3lud^ in bem 2)atum
be« äluf erfte^ung«tage« vermag id^ einen 3nf<n"men^ang mit Sonnenbienft (®unfc( a. a.D.,
S. 79 ff.) nic^t gu erfennen. ®a« ß^fcimmenfallen mit einem altfemitifc^en ^rüf^lingefcft
(f. oben § III, 2, b) beruht barauf, bafe ber 2ob Qefu in bie geit be« ^^affa^fefte« fiel unb
bafe ba« alt^ebräifc^e ^affal^ au« jenem grü{;Iing«feft beröorgegangen ift. Sei bem altjcmi^
10 tif(|en grü^ling«feft ift ädern 3lnfd^ein nad) nid^t eigent(id(| an ein Sonnenfeft ^^u benfen
fonbern e^cr an ein ^eft ber toiebererttjad^enben Segetation.
g) Stücfblidf. 2Bo immer tüir bei ben Hebräern unb ^ubäern beutlic^e S)>uren bc^
Sonncnbienfte« beoba^ten, ift er enttüeber bcftimmt ober boc^ aflem 2lnfd^ein nad^ au« bcr
grembe entlel^nt. gür alt^ebräifc^en Sonnenbienft l^aben toir feinerlei fiebere Slngeic^en. äucfa
45 bei ben näcf^ften 5(ac^barn unb 3§erti)anbten ber Hebräer, ben Sanaanäem, lä^t fid^ alt-
ein(;cimifc^er Sonnenbienft mit Seftimmt^eit nid^t fonftatieren. 2lHerbing« fommt fcbon
üerhältni«mä6ig frühjeitig eine Vereinzelte Sj5ur für ein folare« Clement in ber v^öni^
gifd^en Stcligion t)or, ba« aber entlel;nt fein tann. ^er Sonnenbienft ber fj)ätern ^^Nt^önijier,
ber allem Slnfc^ein nacf> auc^ bei il^nen nid^t gerabe eine centrale Stellung ein^jc-
50 nommen Ijat, ift offenbar unter aramäifd;em (Sinflu^ aufgefommen. ^SBei ben Slramäern
finben toir feit unfern ältcften 9Jacl^rid;ten bic 3?ere^rung be« ®otte« Sm§ beftef^enb unb
l^aben au« fjjäten Reiten fel^r reid()^altige« 5)taterial für il^rcn Sonnenfult. ©r mag gum
babVlonifd)cn ÄuUu« in einem 3lb^ängigfeit«tjerl;ältni« ftel^n, ioie e« and) fo^ft für
formen bcr aramäifc^cn -Hcligion ber %aü ift. 93ei ben 53abl;loniern ift ber (Sott Sama§
55 bon uralter« l;er bezeugt. CSr ift Diellei^t baö Urbilb aller Sonnengötter bei ben 5iorb--
unb ffieftfcmiten. 211^ eine anfcbcincnb fclbftftänbige gefd(?ic^tlic^e ßrfd^einung finbet fic^
bancbcn bei 2lrabcrn unb Sübarabern bcr 2)icnft einer Sonnengöttin. — Soh>eit une
bie ipenigen erhaltenen Slnbcutungcn über bic 3?orftcllungcn bon bem norbfcmitifcbcn
Sonnengott fül^ren, ift c« bor^ugömeife ba^ "^B^oment ber (Srlcud^tung gehjefen, ba^ in
Go ber Sonne Derc^rt iourbe unb fd;on frü^geitig ben Sonnengott al« görbercr bcr SKa^r--
@otitie Sotttitagdfeter 621
^cit unb ®crcci(|tiöfcil ctfd;eincn liefe; juglcic^ ftanb im aSorbcrgrunb bcv 33eobaci(|tung bic
überhjältigenbe 3)lai)t bcr ©onnc, um bcrcnltuiUcn ber ®ott gcbac^t hjirb ate ein §clb,
ein $err unb j^önig. 9SBo(f ä^aubiffm.
Sonntagdfrier. — I. gn ber alten Äird^c unb im 3DJitteIaIter. $.53artel, De
stato die vcterum Christianonim, Viteb. 1727. 3. ®. 9(bid)t, De sabbato Christianorum, ib. B
1731. 3). $). ?lrnolbt. De antiquitate diei dominici, Regiomont. 1754; 3. 93. Gilbert, Decclebra-
tione aabbati et diei dorn, interveteres et recentiores, Viteb. 1772. K. CS.Ü. granfc, De diei
dominici apud vett. Christt. celebratione, Hai. Sax. 1826 [bie brei le^tgcn. (5d)rifteu nbgcbrucft
in ^4SoI6ebingö Tbesaur. commentationum I, 1826]; (ö. 33. ©ifenfdjmibt, ©c|cf). ber d)v. Sonn=
unb Sefttoge, 1793. SBinterini, 2)cnfiüürbigreitcnber d)riftfat&. Äirdje (1825ff.) V, 1. g. ^robft, 10
Mird)!. 3)ii5jiiplln ber brci erften 3a^röimbeitc III, 1. (J. ©. .C'>engftenberg, ^cr %ac[ bes>
i^cnn, ^^erlin 1852 (and „ßu. ^3." 1851). Reffet), Sunday. The Bampton Lectures for
1860 (5. ed. 1889). 3. ^l v^lnbreiod, Hist. of the Sabbat, i>onb. 1861 (aud) franaöf., 2« 6dit.,
Bäle 1886). e. Se&el, Heber ben Urfprunq ber ^riftl. ©onntogÄfcicr, Stettin 1874. 9(.5^arrl),
5(rt. „Lords Day" in DchrA II (1880). 'j^cob. Sobn, ©efc^i^tc beö 6onntag«, uorne^mlid) 16
in bcr alten ^irdie, ^annouer 1878 (aud) in ßo^n« „©fii^^ien auö bem lieben ber alten Ikix&ic",
1893; 2.91. 1898). ^. S- ©vaftd, The Sabbath for Man. A study of the origin, Obli-
gation, history and present State of the Sabbath Observance, ^elo ?)orf 1885. O. ^enfe,
3ur ®efd)l(^te*ber fie^re u. b. 8onntagöfeier, XfiSt^ 1886, IV. U. ©riniehmb, 5)ie (5Jc|d).
be<j ©onntagö. 9hi§ b. 9bnüegifd)en uon ^. C^anfcn, (SJüteröfo^ 1889. ß. XöomaS, I^e jour 20
du Seigneur, 2vol8, Genfeve 1892f. (bef. t. II: Le Sabbat moßai'que et ledimanche). Sdjicf,
3:ie tjiftor. SSorauöfe^ungen ber ©onntogSfeier: 9^f3 1894, ©. 748ff. (berf.: „(Stnjaö über
bie (£ntftet)ung unb S3egrünbung ber ©onntagöf.", ebb. 1903 ff., 6. 883 ff.; .f). 2:6urftun, The
mcdiaeval Sunday: The XIXth Cent. Jul. 1889; 3. $R. "iDMIne, Primitive Christianity and
Sundav Observance, ßonbon 1900. .§. fft, ®amble, Sunday and the Sabbath (The Clolden 26
IxKJtures for 1900), 9?enj ?)orf 1901. 9i. 3. 5). S^ite, 9lrt. „Lords Day" in ^afting^ unb
@clbie, Dict. of the Bible III, 338—350.
2)te ftüt^eftcn ©J)uren einer feftlic^en 2lu«jcic^nung be^ erften SBod^cntagg aU be^
Sluferfte^unggtageg Gl^rifti begegnen ung in ber Jjaulinifc^en (Sjjod^e be^ Qt)oftoIifci()en
3eitalter^. SBä^renb ber (cttua Don 30—50 nad^ 6l^r. ju erftreienben) ))etrinif4^n 30
iipod)t \)attQ bic aj)o[toIifd^c ßl^riftenl^eit, in Befolgung bc^ bom $errn fclbft gegebenen
S8eifj)iel^, einerfeitij noc^ am geftcvflug ber altteftamentlic^en Äultu^orbnung feftge^altcn
(tjgl. 31® 2, 1 ; 3, 1 2c.), anbererfeit^ fic^ fd^on eine freiere Stellung jur l^erfömmlicl^en
iübif4)en Sabbatl^^beobad^tung — entf})rcc^enb bem ©runbfa^e, ben ber §err bei feinen
©abbat^^eilungen befolgte [30 5, 17] — ^u geben begonnen, ©ie ^atte angefangen, i^rcm 36
ft)e^ififci^ djiriftlic^en (ober ncutcftamentlic^, b. 1^. nid^t me^r burd^ bcn §inblidf auf ©otte^
©c^ö))fung^orbnung,fonbem burd^ bantbareSSer^errlid^ung feinet 6rli)fung^h)erlg motibierten)
änbac^t^bcbürfniffe iuxi) tägliche gotte^bienftlid^c ßufammenlünfte ®enügc ju leiften (31®
2, 42—46). eine bejonbere fultifd(ie 3lu^jeic^nung tourbe, unb jtoar ^uerft too^l in
J)aulinifd^4€i^enc^riftlid^en Äreifen (t)gl. 1 Äo 16, 2 mit 21® 20, 7), bem erften SBoc^en^ 4o
tage baburd^ ^u teil, bafe berlängerte (bgl. 31® 1. c.) unb burc^ ba^ Sammeln üon
Siebe^^aben (1 Äo 1. c.) befonber^ emft unb feierlich geftaltete ^Bereinigungen ju gemein^
famer 2lnbac^t an i|^m gel^alten iDurben. 3)ie ßua td>v oaßßdxoyv tourbe fo jur xv-
Qiaxij fii^äga — ein 9iame, ber juerft 3l))I 1, 10, jotrie bann bei 30"<J^iwiB »d Magn.
c. 9 begegnet. 2lud(| bie Didache (c. 14) fennt ben ©onntag al« ^riftlid(|en ^eiertag, 46
unb iXoax unter ben 9lamen xvQiaxi] xvgiov, dagegen bejeic|net ber §eibe ^liniu^ in
feinem Serid^te an ^^rajan il^n nur al^ einen „beftimmten 3^ag" (Ep. X, 96). 3)cr SSer^
faffer be« Sarnaba^briefiB aber nennt il^n ben „ad)Un S^ag" unb l^ebt afö ®runb für
feine feftlic^e Segel^ung G^rifti 3luferftanbenfein an biefem läge ^erbor, unter 3)l\U
ertoäl^nung feinet erftmaligen ©rfc^einen^ bei ben 3üngem (bgl. ^0 20, 26), foh)ie feiner 00
Ä>immelfabrt ; ügl. 2c 24,51; a)ic 16, 14 (Barnab.Ep. c. 15). Unter bem Flamen „©onm
tag" begegnet unö ber iag beö §erm ^uerft bei 3wftinu^ 3)iart]9r, ber biefe Sejeid(inung
„'lag be^ .öelioö" mit bem boJ)J)elten §intrei^ einerfeit« auf bie ©rfd^affung be« Sic^t«
am erften Sd^öpfung^tage ®en 1, anbererfeit« auf ba« ^erDorgel^en 6^rifti („ber Bonne
ber ®erec^tigfeit" «ia3, 20; bgl. Sc 1, 78) au« ber bunllen ®rabe«nac^t rechtfertigt 66
(Apol. I, 67). ©eit 3uftin Raufen fid^ bie ©rträ^nungen be« $errntage« al« be« SBod^ens
fefte« bcr G^riftcn immer mel^r; Dgl. nod^ 3"^^" ^^^»1. c. Tryph. c. 138; Theophil.
Ant. ad Autol. II, 17; 3)ionvriu« bon Äorint^ bei ©uf. h. e. IV, 22, fotoie ßufcb«
Slott^ über bie Gbioniten, h)eld;c ben ©abbatl^ neben bem ©onntag gefeiert l^ätten (h. e.
III, 27, 5). 3u erinnern ift aud^ an bie befonberc ©c^rift 3Kelito« bon ©arbe« über m
bcn ©cgcnftanb (ertoä^nt bon (Suf. h. e. IV, 26 al« 6 jiegl xvgiaxfjg k6yog\ foh)ie
522 ®oittitag9feter
an IcrtuIIian^ Slbtuc^r bcr ^eibnifd;cn acfd;ulbi0un0, afe l^ulbiötcn bic ßbriftcn, tocnn
fic bcn Sonntag ate ^rcubentag begingen, einer religio Solis (Apologet, c. 16). —
®egenüber ber Se^aiH)tung ®unfete (^um religion^gefd^ic^tlic^en SSerftänbni^ be« "dlX^
1903, S. 71 f.): bie ci(irift(ici^e ®cmeinbe f)aU, inbem fte ben Sonntag feierte, ,,inbirelt
6 bie ^cier eincg alten ©öttertag^ übernommen", i[t ju bebenlen, bafe ber naturgemäße
aibfc^eu ber alten ß^riften Dor attem gö^enbienerifdpen Söefen (1 Äo 10, 22) eine ber=
artige öe^ie^ung i^re« toöd^entlic^en geiertag^ iebenfaH^ unbebingt au^fc^lofe unb bafe
Suftin unb ^feubobarnaba^S 1. c. bie Sonntag^feier ganj unb gar anber« motivieren (t?g(.
auc^ t>. Sobfd^ü^, ^Probl. b. aj)oft. Zeitalter«, 1903, S. 48 f.).
10 Über bie 3(rt ber feftlic^en Sege^ung be« Sonntag« im nad^o^^^f^^^lif^^" 3<^^^^I*^
erfahren toir burd^ StertuKian, bafe man ba« gaften fotpie ba« tnieenbe Seien an i^m,
ate einem greubentage, üermieb (Tert. de cor. mil. 3). 3)ie erfte biefer beibcrlei
Äußerungen fonntäglid^er greube {sifcpQoovvrjf Barnab. 1. c.) ermäl^nen aud^ Can.
apost. 65, (S))it)^aniug (Expos, fidei c. 22), fotvie öerfc^iebene Äonjilienbefc^lüffe bc^
16 4. Sabr^unbert« (Conc. Gangr. c. 370, can. 18: Conc. Carth. 398, c. 64). 3)c^
StcJ;en« beim fonntäglid^en ©ebete gebenft auc^ \qon ^tenäu« (Fragm. de Paschate),
fotpie treiter^in Conc. Nicaen. can. 20 ; Constitt. app. II, 59 u. f. f. — SQäenn 2cr^
tuHian einmal auc^ Sermeibung tDerltäglid^er arbeiten atö jur Sonntag^feier ber G^riften
gehörig ^erbor^ebt, fo motiviert er ba«, entfjjrec^enb bem ^reubenc^arafter be« iageö,
20 nid;t ettoa altteftamentlid^^gefeftlic^ (unter SSermeifung auf Sabbatbgebote h)ie 6^20, 8 f.;
31, 13 ff.), fonbem fj)ejififc^ neuteftamentlic^, mit®rünben d^riftlicper 3*ve(fmäfeig!eit unb
SBSoE^lanftänbigfeit (De orat. c. 23). S)iefe 3luffaffung bed Sonntag« al« um feiner
felbft toitten unb nid^t citoa toegen ber altteftamentlic^en Sabbat^orbnung mit arbeite-
lofigfeit }u bege^enben lag« (gemäß bem ®runbfa^ unb ben befannten 3ru«fj)rüc^en bcö
25§errn trie 3^ 5, 17; 3Kt 12, 3—8 u. ^ar., 2C.) bleibt noc^ mel^rere gal^r^unberte ^in-
burdf» in ®eltung. 9ioci^ ein Äonjil m Saobicea bon 363 bleibt bei ber milben gorbc=
rung, baß man ^xd) „möglid^ft ber mbeit entl^alten" folle, ftel^en. ga noc^ bi« inö
6. 3i<^^i^^un^crt hinein behält biefe gelinbere, bon ber 3^^^ «ner „Subftitution" bc« Sonn=
tag« für ben Bahbati) be« 21. Sunbe« gänjUc^ unberül^rte 3luffaffung be« 'Jag« bc^
30 §enn angefe^ene unb cinflußreid^e firc^Iid^c 3?ertreter : bgl. ba« CJoncil. Aurelian. bon
538, tüo e« al« jubaifierenb bcrurteilt tt)irb, toenn man meine, man bürfe Sonntag^
iDeber reiten noi) fabren, loeber 5Ka^ljeiten bereiten, noci(i fid^ felbft ober ba« $au§
fd^mücfcn u. f. f.
^ie erfte gefe^lid^e SSerorbnung jur Seförberung ber Sonntag«rul^e unb Sonntagö--
35 feier erließ, tpie e« fd^eint, ber alejanbrinif^^e 3KärtVrerbifci(|of ^etru« iDäl^renb ber 9)Jaji5
minfc^en ß^riftcnberfolgung c. 310 (f. ba« \)on 6.Sc^mibt Derbeutfci(|te fojjtifc^egragmcnt:
%\X XX, 4, b, S. 39). ^en ßf^arafter ftaatUci(|er Sdjju^maßregeln tragen bie befannten
(Sriafjc Sonftantin«, über tocId;e (Sufeb (V. C. IV) berichtet. Da« erfte jjolijeilit^e Sonn-
tag«gefe^ bom ^ai)x^ 321 ftü^t fid^ nid^t ethja auf altteftamentlid(|e ©abbatl^gebotc,
40 fonbem barauf, baß ber dies Solls gef;eiligt unb feftüc^ au«gejeid^net h>erben müfjc;
ber 3nfttin»ncn^ang ber ä5erorbnung mit be« Äaifer« f^nfretiftifc^em $eIio«fultu« ift ba un=
üerfcnnbar (ma« 2:i;oma«, Le jour du Seigneur 1. c. |t. II, App. p. 23] toergeben^
^u bcftrcitcn fud()t; f. i^m gegenüber bcf. 3<^^n <^- ö- D.). 2Bie biefe« erfte lonftantinifcbc
Sonntag«gcfe^ ^unäc^ft nur ben ®erid^ten unb ben ftäbtifc^en ©etverben .©tillftanb am
45 erftcn Sl^oc^cntagc gebietet, fo fügen gn^ei f^jäterc S5erorbnungen auc^ ba« Verbot aller
bic 3lnba4>t ftörenbcn militärifcpen Übungen ^in^u (V. C. IV, 18—20). Strengere
Salbungen ließen bie f^jätcrcn d;riftlid;cn Ätaifer folgen. 3Jalentinian unterfagtc gericbt^
lid()c 33eitrcibung bon Scbulben an Sonntagen (368). I^eobofiu« b. ®r. h)ieberl;oitc
bicfc« 3nnnunität«gcfe^ ju ®unften be« rf>riftlid^en Feiertag«, biefe« „dies Solls, quem
50 dominicum rite dicere maiores", unb branbmarfte jeben Übertreter be«felben aU
einen non modo notabilis, verum etiam sacrilegus (Cod. Theodos. VIII, tit. XII, 2).
2lud) bic 3luffübrung Don S4)aufj)ielcn am Sonntage ber (S^riften unterfagte bereit« bcr
ältere a^cobofiu« im ^al^rc 38() (Cod. Th. XV, tit. V, 2), unb ber jüngere fügte
bem 125 ein gänjlicf^c« i^erbot irgenbtDclcber "leilnabme an fonntäglid(|en 3^rfu^ ^^^
55 2;^catcrt)orftcllungcn l;ingu ; felbft bie /yeier be« faiferlic^en ®eburt«tage« muffe uom
Sonntag ^intoeg Dcrlcgt tperben, bamit beffen anbäd^tige 9Ju^e nic^t geftört toerbe (ib.
XV, tit. V, :>). (Sin abermalige« Scbaufpieberbot im 3l"tereffe ber Sonntag«^eiligung
ließen 469 bic .Viaifcr 2co I. unb 3lntbcmiu« au«gel)en; mit ftrengen Strafen h?erben
barin alle Teilnehmer an „obfcöncn" l^cater-, ^>^irtu«= ober 3lmt)^it]^eatert)orftettungcn
CO bebro^t (Cod. Just. 1. III, tit. XII, 11). — (Sin ®efe$ jur Sic^erfteUung ber &t^
@ottittagdfeter 523
fangcncn tuibcr attju l^artc Sc^anblung unb in^bcfonbcrc jut ©ciuä^rung gctüiffet fonn^
täflUci(;cr ®rlcici(;tcrun0cn unb @tquicfun0en (bcftc^cnb in beffercr 9la^runfl, in einem
Sab 2c.) an biefelben ^atte fci(;on ßonoriu« 409 erlaffcn (Cod. Just. I, tit. IV, 9).
äH>nIi(^c SBerotbnunflen brachte bie Äird^engefelgcbunfl beö äbenblanbe« ; ein Äonjil ju
Ctlöan^ 549 bcfal^I anfonntäglid^^e Sifitation ber ©efängnifle butd^ einen ärd^ibialon 6
ober $tot)ft, um nad^ ben Sebürfniffen bet ©efangenen ju fe^en unb gegen inl^umane
ÜBe^anblung berfelben eituufc^teiten (Labbei Concill. Coli. IX, p. 134). — 3Son SBäid^-
tigfeit ift nod) ein bie ©onntag^^eiligung betteffenbe^ befonber^ ftrenge« ©^nobalbetret
bon 5)Jäcon au« bem ^a^re 585. 3)a«felbe bebrol^t Säuern unb ©flauen, toeld^e am
Sonntage gelbarbeiten tl^un h)ürben, mit ^rügelftrafen, ©erid^töbeamte, todd^c bie ©onn= lo
tag^ru^e öerleften würben, mit SSerluft il^rer ©tetten, fotüie Älerif er im gleid^en gaUe mit
fcd^«monatIici(;er ®inf})errung unb S)egrabation. ©er.gefe^Iid^ l^erbe unb fd^roffe 6^aralter
biejer Stoang^maferegeln ber alten fränfifd(;cn Äirc^e jt)iegelt fid^ auf lel^neic^e Slrt in
ben Segenben öon allerlei ©traftounbem für Übertreter be« ©onntag^ebot« tüorüber ©regor
t)on 3:our« in De glor. martyrum etc. me^rfac^ bn\d)Ut (t>gl. SemouIIi, 3)ie ^eiligen i6
ber5Weroöinger, 1900, ©.330f.). Slllein tro^ biefer gefefelid^en ©c^roff^eit finbet ftc^ anö^
^ier noö) feine birefte Übertragung altteftamentlid^er ©abbat^gebote auf ba« ci(;riftlid^e
öebiet. 3)er ©onntag foH in ber bejeid^neten ftrengen SBSeife gefeiert tüerben ate 3luf-
crfte^ungötag, ber un« SBiebergeburt unb ©ünbenfrei^eit gebrad^t bat- nur nebenjäd^Iid^er-
toeife ioirb berührt, bafe er atö ein ©egenbilb be« Slu^etage« be« 31. Sunbe« ju betrachten ao
unb bemgemäfe ä^nlic^ h)ie biefer bon Slrbeit frei ju erpalten fei (Conc. Matiscon., bei
Sabbele, IX, 947). — 2(ud(; fämtli^e Äird^enbäter bi« um eben biefe geit, ©regor b.®r.
nod^ mit eingefd(;Ioffen, motivieren i^re 5Wal^nungen jur §eiligl^altung be« ©onntag«
nic^t altteftamentlid^=fabbat^arifd&, mittelft ßurüdfgel^en« auf« britte mofaifc^e ©ebot,
fonbem neuteftamentlic^. „3)er ©abbatl^ bebeutet 3lul;e, ber ©onntag aber äuferfte^ung", 26
le^rt aiuguftin (in Ps. CL), unb: „Unfer toa^rer ©abbat^ ift ber §err ^efu« 6^riftu«
felbft", fd^reibt ©regor b. ©r. ben SRömem (Ep. XIII, 1). ©o auc^ ^ef^c^iu« öon
Serufalem (geft. 433) in einer bie Untoerbinblidpfeit be« mofaifc^en ©abbatl^gebot« für
Gl^riften ^ett)orl^ebenben §omiIie über eine ©Eobu^ftelle; be«glei(^en ber merftvürbige
aj)ofrvt)^e „Srief G^rifti bom §immel", ber, toie e« fc^eint, junäc^ft im Orient (fc^on im ao
6. 3jal^r^. '0 auftauchte, bann c. 740 bur^ älbebert in'SBeftfranfreid^ Verbreitet, unb
ba^er burd^ ein römifc^e« Äonjilbefret 745 al« gefälfc^te Urlunbe berbammt iourbe
(bgl. $audf, Ä© ©eutfc^lanb« I, 510), \pixtn aber bei ben glagettanten be« 14. unb
15. 3a^r^unbert« auf« neue ju änfe^en gelangte, ja noc^ je^t tatl^olifd^en 3^tufalem=
j)ilgem al« ein ioirffame« 2lmulet jum Äaufe angeboten toirb (f. §i})t)oh;te 2)ele^aVe S. J., 86
Note sur la lögende de la lettre du Christ tomb^ du ciel, 33rüf{el 1899 [au«
b. SuUet. ber Ac. R. de Beligique, 5Rr. 2] unb bgl. baju 2Ö. Äöl^ler in 2)23 1899,
9lr. 39, ber bie 2)ele^avfd(;e Slnna^me eine« abenblänbifc^en Urfjjrung« be« 2(j)ofrV^^on
beftreitet; — auc^ ©. 'iDlorin in b. Rev. bönöd. 1899, p. 210— 219 unb b. ©obfc^ü^:
2®BI 1899, 5Rr. 25). 40
6rft feit ber Äarolingerjeit (nic^t fd^on frül^er toie 2. 2^^oma« 1. c. toiB) bringt bie
3bee einer ©ubftitution be« ©onntag« für ben altteftamentlid^en ©obbatl^ im d^riftlid(;en
äbenblanbe jur §enfd^aft burd^ unb toirb bemgemäfe bie Segrünbung aller bie ©onn=
tag«feier bctreffenben SSörfd^riften mit bem ©abbat^gebot be« $)e!aIog« allgemein üblic^.
ailfuin (Homil. XVIII post. Pentecost.) bemerlt über ben ©abbat^ ber ^vbm au«^ 46
brücflid^: cuius observationem mos Christianus ad diem Dominicum competentius
transtulit. Unb Raxl b. @r. (787) leitet eine Steige ftrenger SSerorbnungen ju ©unften
ber ©onntag«^eiIigung mit ber c^arafteriftifc^en gormel ein: Statuimus secundum
quod et in lege Dominus praecepit (Cap. Car. M. c. 80 ; Conc. Mogunt. 813,
c. 37). i?on ba an be^errfc^en fabbat^arifd(;e ©runbfä^e bie ©onntag«gefe^gebung burc^ ao
ganjeJKittelalter ^inburc^ (bgl. S^urfton I.e.).
3(^nlid^ auc^ im ^Dlorgcnlanbe, h)o fc^on 2eo b. ^f^urier mit befonber« \d)ax\m
a[rbeit«berboten für ben ©onntag borgegangen h)ar, unb h)o 2eo VI. b. ^^ilofo^)!^ (884)
bie älteren, bon Äonftantin b. ©r. ^errü^renben ©onntag«gefe|e al« ju lajc aufeer Äraft
fefete, i^nen ftrengere „gemäfe bem, ma« ber ^I. ©eift unb bie bon il^m geleiteten 3l})ofteI 66
beftimmt Ratten", fubftituierenb (Constit. 54, bei ^e^lin 1. c.). — Über f))äter in ber
ortl^obojen Äird^e in biefer Jpinfic^t ^erborgetretcne freiere ^Regungen bietet ^f). 3Ke^er in
f. ©efc^icbte ber t^eoIogifd(;en 2ittcratur ber gried;. Kirche im 16. ga^^l^. (2etpjiig 1899)
intereffante 5JlitteiIungen, fo über ein faft ganj lutberifd^ flingenbe« Sotum be« ^^ac^omio«
9il^ufano« gur ©onntag«frage (©. 52, — bgl. Ärunibat^er, ^% 2itt.* 137. 593). SBegen «J
526 Sottntagdfeter
tag§feier!ontrot)erfcn in Snglanb^ Ideologie unb Äirc^c lein 6nbc. ©egen ein ßbift
3afob^ I., tooburc^ bem 3Solf öetoifle ©onntagöüergnügen geftattet tourbcn, ba^ fog.
Book of Sports bom ^af)xt 1616, erhoben f\6) bie J)rcdbi;terianifci^en 2^eoloaen in
^eiligem 6ifer, toä^tenb Slnglifaner h)ie Sifd^of SBäbite bon @I^, $eter §e^Iin (Äaj)lan
6be^ enbifc^of« Saub unb 93erfaffer einer History of the Sabbath [2. ed. 1636]),
^oi}n "ipocllinöton (SJerf. "oon Sunday, not Sabbath, Sonbon 1636) u. a. für ben
fönigli^en ©rlafe eintraten (bgl. üb^^upi Schaff 1. c). — Unter ben f))ätcren Stuarts
rief ba« 2luftreten ber Sam^jpelbs^Kumforbf^en Sabbat^arierfefte (feit 1671) eine neue
Äontroberfe biefer 2lrt l^erbor, tüobei u. a. ^o^n Sun^an fe^r miloe, ebangelifc^ freie än=
10 fiepten enttvicfelte. @ben bamafö toar e^, tüo ^o\)n Wilton ba^ erft nad) feinem Xobe
befannt getüorbene Säerf On Christian doctrine berfafete (^erau^eg. burc^ ©umner,
Gambr. 1825), toorin er ben in ber SSäeftnünfterfonfeffion oufgefteHten ©runbfä^en
jiemlid^ liberale älnfid^ten gegenüberfteHte, in^befonbere e^ beftritt, bafe bie ©abbat^feicr
bereit« im ^arabiefe ®efe^ für bie 3J?enfci^en gemcfen fei. Unter ben ängtifanem ber=
16 felben ^t\i tvax ^ befonber« 3^^*^ ©t)encer, ber in feinem großen SBerfc De legibus
Hebraeorum ritualibus (1685) für bie freiere Slnfid^t eintrat (bgl. übtt^avopt 3o^n
§unt, History of Relig. Thought in England etc. I, 131. 194; II, 116. 310 2C.,
fotüie 2). 6amt)beII 1. c).
3Jerl^anblungen ö^nlid^er 2lrt befc^äftigten teiltücife auc^ bie l^ottänbifd^s unb fc^toci^
20 jerifc^4l^eologifci^en ilreifc jener 3^itj toie benn jene 3Bitfiu«fc^e fabbat^arifd^e ^rabiefe^
t^eorie u. a. burc^ 3. §. §eibegger m ^ixx'xd) (aeft. 1698), fotoie burc^ berfd^iebene anbete
ßoccejaner toon ber minber ftrengcn Slic^tung (bef. Sam})e x.) beftritten tüurbe. (Sin ba=
mate hervorgetretene« antifabbat^arifc^e« ßjtrem bejeid^net bie ©onntag^t^eorie ^ean
bc Sababie« unb ber ©c^ürmann: ben ß^riften fei leinerlei geier eine« befonbercn
26 2!age« toorgefc^rieben, aDe Söerfe eine« jünger« G^rifti feien 2Kte ber ®otte«t)ere^rung ;
man brauche be«^alb bie alltägliche arbeit am ©onntage nic^t ;iu unterbrechen ober aue=
jufc^en, öorau«gefe^t, bafe bie redete feiertägliche ©efmnung im ^erjen bor^nben fei
(^HitHl a. a. D. I, 229. 253. 269). »i« in ©eutfd^lanb« lut^erifd^'-t^eologifc^e Greife
hinein läfet fic^ ber SöeHenfc^lag ber huxd) ben Jjuritanifd^en unb coccejanifc^en ©abbatb^^
3origori«mu« erzeugten ©treitber^anblungen berfolgen. ged^t(1688), ©tr^dt (ober bielmebr
ber unter bcffen Sluf^^i^ien ^iromoüierenbe 9le^t«fanbibat SBagener (in ber ^allenfcr
3)iffertation De jure sabbati, 1702); auc^ 3)ün in f. Compendium theol. mor.
(ed. 3, 1698), Salbuin in f. Kafuiftif (Gas. Consc. 1. II, 6), be«gleici(;en ®raf 3injen=
borf 2c. traten für bie freiere lut^. Sluffaffung ein. dagegen Derteibigten ^ufenborf in
86 ber oben cit. 2lb^blg., ©J)cner (ber u. a. an Sonntagen leine anbere al« erbauliche Seftürc
geftatten toottte fbgl. 5Kat^ufiu« ©.383), and) »ö^mer: 5Rf3 1895, 684), »ubbeu^,
2üalcl^ 2C. bie ftrengere ©onntag«feiert^eorie (bgl. Xi). $arnacf, ^raft. Ideologie II, 301 f.).
Unb auf cnglifd^^l^eologifc^em Sobcn lebte ber eine ^tii lang gleid^fam fc^lafen gegangene
©trcit in ber 6j)oc^e be« 3Ket^obi«mu« Jpieber auf, ^ie unb ba ejtrem rabilale ©rfc^ci;
40 nungen unb Scftrebungen IjerDonufenb (§unt 1. c. III, 267).
9loci^ immer erfc^einen bie brci ^aujptrid^tungen, tüelc^e biefe gefc^ici(;ttic^c Überfi*t
un« üorgefü^rt l}at, bie fabbat^arifc^=rigoriftifd^e, bie ejtrcm antifabbat^arifc^e, luelcbe ben
©onntag \vk jcben anbern 2ag ber SUoc^e be^anbelt tpiffen tüill, unb bie im ©eiftc
cDangcüfc^cr 9Jiilbe tocrmittelnbe, nebcneinanber Vertreten unb gelegentlich aud^ in tl^eoretific
45 ©trcitvcr^anbhmgen cintretenb. 2)urd^ Vorjug«n)eifc ftrengc §anb^abung ber ©onntag«--
gefe^c auf ®runb prc«bhterianifc^er I^corie ge^en ©c^ottlanb unb bie neucnglifcbcn
©taaten S^orbamcrifa« allen übrigen 2änbem üoran. Sorgfältige 3Ba^rung ber fonn=
täglid^en JHube gilt ^icr al« ju ben ©runbrcd^ten be« 3Solf« gehörig, bie ber ©taat auf
ade 3i>eifc ju fc^ü^en f)aU. 3ln t(>eologifd^en ©cgnern jener überaÖ auf ba« mofaifcl^c
60 @cbot f^urüdtgcl^enben ©ubftitution«tbcoric ber Conf. Westm. fe^lt e« immerhin auc^
^icr nic^t. I)er berühmte ®la«gottier ^aftor 9?orman 5)tacleob (®rünber ber einflu^^
XQxd)Qn relig. 3^itfcl?nft Good Words geft. 1872 al« fgl. Äa^lan) enegte 1865 burt^
einen gegen bie engherzigeren ©runbfä^jc Dieler feiner £anb«leute fic^ erllärenbcn Vortrag
einen ©türm ber ßntrüftung unb Dcranta^te ba« ßrfc^einen j^a^lreic^er ©c^riften teil« gegen
66 teil« für feine freiere Sluffaffung (Dgl. bie unter b. 2;itel ,,6in fojialer ^farrer" ©tuttgort
1902 crfd^ienenc 2)arftellung feine« SBirfen«, ©. 144 ff.), gin ä^nlid^er ©treit tüurbc
\\>ätcx burc^ ba« Sluftreten be« Sonboner b^c^btUerianifd;en ©eiftlic^en 3)onalb ^tajcr
erregt (^Jieue et). ^3. 1880, 3Jr. 18, unb 1888, '^3]r. 2). Übrigen« ^at ba« ©onntag^^
fcbuÜDefen, befonber« in 'DJorbamerita, teiltücife einen milbernben ©influfe auf ben %o^O'
60 ri«mu« ber ©ittc ^u ixbm unb einer aßju abftralten ©cltenbma^ung bc^ ®ebot« b«
528 Sotttttagdfeter
auf fonntäglid^c Slu^c unb Sammlung; fomic t>or aUcm 3Sorangcl^cn be§ ©taatc^ fclbft
mit bem 8eifj)tcl einer c^riftlid^en ©onntag^fcier in allen ä^^^Ö^" ^^ öffcntltd^en 3)icnftc^.
Si^nlic^e 3;orberungcn gelangten bei ben 3Ser^anblungen beö bcutfc^en 6t). Kirchentage ;^u
Stuttgart in bcmfelben ^af)x^ i^um Stu^brucf; bc^gleic^en in einer öon ben äuöfc^üRen
5 bicfe^ Äongrcffe^ ju 3lnfang 1851 erlaffenen 3lnf))rac^e an ba^ beutfc^c SSolf. ^n öbn-
lid^em Sinne begannen bie 2pIalmijfionigöereine ^a^Ireic^er ^JSrobinjen unbStäbtc^ Song-
ling^s unb ©efeuenbereine, Sonntagöfci(;utocreine 2c. auf görberung ber g^i^^QQ^^^^^^'öwnö
^in^ulüirten. (Sin SJerein toon 52 ©rofegrunbbeftfeem ber Jjreufeif^en ^robin^cn ©ad^fen,
Sranbenburg unb Sommern erliefe einen Stufruf an bie 9tittergut«beft^er unb größeren
10 Sanbmirte, um auf SlbfteHung ber fonntäglid^en gelbarbcit, auf greigebung l^inrcic^enbcr
3cit an bie 3:agli)^ner jur Scftettung i^rer eigenen Sänbcreien u. bgl. m. gu bringen.
(Sin jur görbcrung chm biefer Seftrebungcn bienenbe^ „3Ronat^bIatt für Sonntag^
l^eiligung, Stabtmiffton 2c." üon Wann unb SBäaltl^er, begrünbet 1850, ging« aUerbing^
fc^on 1853 lüieber ein; boc^ gcfc^a^ «ud; öon feiten ber c^riftlid^en treffe lüä^rcnb ber
16 fünfziger unb fccl^jiger ^a!f)xc ungemein biel, um bie öffentliche älufmcrlfamfeit auf ben
©egenftanb ^n lenfen unb bie ffiic^tigfeit fräftiger Unterftü^ung ber il^m geltcnben Se^
mü|ungen barjut^un. 3)ie betreffenbe Sitteratur ift eine faft unüberfe^bare. 3" ^^
l^auptfäcl^lic^ einflußreich geiporbenen 3lrbeiten beutjd^er älutoren gehört biejcnige ^cngften:
bcrgö toon 1851 (Dgl. toegen ber \\d) an fie anfc^ließenben Iitterarifci(;en 3)i«fuffton bie
20 §engftenberg=33iograj)^ie toon 33aci^mann=ScI^maIcnbac^, Sb III (®üter«l. 1892), S. 231 ff.);
äxid) bie im i^erlag be« Staunen §aufe« erfdEjienene üon Sierna^fi, SQ3a« ift feit bcm gö^rc
1848 jur SBieber^erfteHung ber Sonntag^feier in 2)eutfc^Ianb gcfd^e^en? Hamburg 1850.
3)anlen«tüertc Stnregung getüä^rten auc^ mehrere ber in«2)eutf^c überfe^ten etnfc^Iägigcn
©r^eugniffe ber Sitteratur (Snglanb« unb granlreic^«. So bon ben erpercn außer bem
25 Straftat ,,2)ie ^erle ber läge" (f. o., Sitt.) ba« Sc^riftd^en bon 3j. 3BiIfon, 35er Xag
be^ §errn ((Sot^a 1861), öon ben leftteren bietüegen i^rer §eröor^ebung ber fo^iologifc^^
utilitarijd;en (Sefid^t^^junfte intereffante 2lrbeit be« •ißarifer Äommuniften ^roub^on (f. o.).
9Jac^bcm ipä^renb ber fed^^iger ^a\)x^ ein geh)if[e« (grmatten ber bie ©onntagÄ^
Heiligung förbernben Seftrebungen fic^ bemerllid^ gemacht ^i^^, nal^men biefelben jcit
30 ettDa 1871; im ^uf^^^n^^n^ang mit Derfd^iebenen fonftigen Maßregeln lirc^Iid^cr ©egen^
toirlung gegen ben fog. Äulturfampf, einen neuen Sluff^toung. 3)er 1875 ju 2)re6bcn
geF)altcnc Kongreß für innere 3)Jiffton banbcite einge^enb über ba« I^ema (Sleferate t?cn
^ögel unb 9Jictl^ammer). ^n Seutfc^Ianb Jpie in ber Sd^meij bilbetcn pc^ jal^Ireictc
Vereine ^u fräftiger görbcrung ber Sac^e, bie fic^ feit 1876 ^u einem „internationalen
36 Kongreß für Beobachtung ber Sonntag^rul^e" jufammenfc^loffen. Sin ber Sv>i^e bc§
fd^tpeijerifd^cn ^^^^^G^ ^^^f^^ ©efellfd;aft tpirftc mit befonberem (Sifer unb (Srfolg Sller.
Sombarb (geft. 1887), an ber be« beutfcf^en mel^rere befannte !Jßorfämj)fcr ber inneren
3JJiffion«fa^e, namentlid; ^ofjjrebiger (ft^ätcr ®cneralfu))erintenbent) 2B. Säur (geft. 1897).
2(1^ ^)criobifd;c^ Drgan bient bem erftcren 3^^ci0^ ^^^ i" ®c"f (4:mal jährlich) crfc^einenbe^
40 Bulletin dominical, famt ben jetpcilig nac^ Slb^altung ber internationialen Äongreijc
jjublijierten ,;2lttcn'' (togl. bie be^ ^iDeitcn Äongreffe« }^u 33ern unb ©cnf, 1880). %i\x
2)eutfc^)lanb biencn bie beiben Journale für ba« innere -DJiffion^gebiet: bie Hamburger
„gliegenben Slätter au« bem Staunen .sjaufe" al« ältere« Slatt (feit 1845), foiuie %b.
Sd;äfer« ,;^)Jonat«fd;rift für innere 3)üf]'ion, 2)iafonie, 2)iafj)oraj)flege k." (feit 1877ff.)
45 jugleid; ben Sonntag«beftrcbungen al« Organe. 6ine jtvifd^en reformierter Strenge unb
alt4ut^erifd;er aycitl;er5igfeit befonnen t>ermittelnbe Sttc^tung (entfj)rec^enb im ©anjcn
ben ©runbfä^en ber gemäßigteren 3Sertreter be« älteren ^ieti«mu«) ^at bei ben einfluß--
reic^eren ^^übrern ber betreffenben öctpegung nacb unb nad^ faft überall bie SSor^errfc^aft
erlangt. 'Jioc^ um bie Wiik be« berfloffcnen ^o^^i^unbert« maren j^n?ifc^en bem auf bie
60 altreformierte 3^rabition ;urüdgel;enben ätigoriömu« mancher 33orfämj)fer ber Sonntag^-
fadic (3. 33. !l^icbctrut, D. Mröc^er) unb ben SSertretem ber ebangelifc^^freieren ©runbfä^c,
iDic fie bie Sluguftana unb Sutl^cr« Satec^i«mu« cnttüidfeln, l^ie unb ba auc^ im beutfcb-
eüangelifd)en Äircf^engebiet mand;e Äonflifte entbrannt; bod) ift bie bermittclnbe än=
fd;auung«lücifc fon)ol;l im lutl;erifc^en \m im reformierten Sager me^r unb me^r ju
65 maßgebenber ©eltung gelangt (ügl. auf ber erfteren Seite befonber« U^l^om unb 5Jatbu^
fiu«, auf ber Ic^tcvcn (S. 5^. Ä. "üJJülIer (oben 11, a). 2luf Segrünbung emftcrer Xrabi^
tionen in ber bie J^cicrtavj^beiligung betreffenben 3?olf«fitte, auf 33erminberung fonntäg-
Ud;er gelb= unb öctnbarbeit, auf (5infd;ränfung be« §anbel«toerte^r« an ©onn= unb
gefttagen, auf 2lu«bel;nung ber Sonntag«rul;e Don "il^oft^, ßifenba^m unb 'J:clegraj}ben=
Go beamten 2c. ^eigt, ungead;tet man^er t^eoretifcf^er 3)ifferenjen, ba« gemeinfame Seftrebcn
Sontttagdfeier @o)i^rontnd 529
attcr fid^ flcrtd^tct. — Sluc^ bie beutfd^e Staat^efc^ßcbung l^at feit bcn 90er ^a^rcn für
ben ©<i^u$ ber Sonntagsruhe mand^^eS Srfrculi^e getl^an, namentlich burc^ baS SReic^^s
gefe^ bom 1. ^wni 1891 betreff enb älbänberung, ber (Setüerbeorbnung, fotüie burc^ baS
})reu6. ©taat«gefe| bom 9. 3Kai 1892 (tüelc^eS bie Dberj)räfibenten jum 6rlafe bon
^oligeiberorbnungen ju ©unften ber äußeren $eilig^altung ber Sonn^ unb ^J^fttage er« 6
mäc^tigt (f. bie oben angej. Slrtifel in ber 3^*^W^- ^^^ ©taatStüiffenfc^. unb im Srod^
l^augfcl^en Äonberf.sfiej.). 3di!ter f-
Sottiitagdff^iilett f. b. 91. JtinbergotteSbienft 93b X @. 287.
So^rottiitd. — 1. ©., 3eitgenoffe beS §ieron^mu«. SBgl. ®. SBcn^el, S)ic
ßvtec^. Ueberfe^ung ber viri inlustres bed ^teron^mud (Z\X 13. $b, 3. ^,), fietpj. 1895; lo
0. ü. ®cb^avbt, $ieront)mu§ de viris inlustribus in griet^. Ueberfefung. 3)er fogen. ©opl^ro«
niu8 ($11 14. ©b, 1. $).), Seipä- 1896; SR. @*ana, ®ef(^id)tc ber röm. Sittcratur, 4. Xcil,
mm. 1904, @. 407 f., 448, 449 ?t. 1.
Unter feine viri inlustres (cp. 134) \)at ^ieron^muS einen nic^t tüeiter belannten
So)}l^roniuS aufgenommen, ben er als einen vir adprime eruditus d^arafterifiert unb i5
bem er, abgefe^en bon einer „laudes Bethlehem" betitelten ^ugenbfc^rif t, eine Slbl^anb«
lung „de subversione Serapis" (b. f), über bie 3crftörung beS atejanbrinifci(>en ©erat>iSs
temt)ete im ^af^xt 392) jufd(;reibt. 3)en SRubmeStitel beS 3DRanneS fielet ^ieron^muS aber
offenbar barin, bafe er einige feiner ©d^riften inS ®ried(>ifc^e übertragen f)aU, nämlic^
de virginitate ad Eustochium, bie vita Hilarionis unb baS „psalterium et pro- 20
phetas, quos nos de hebraeo vertimus in latinum". ^ie Überfe|ung ber vita
Hilarionis ^at 31. ^at)abo))uto^5lerameu^ im 5. Sanb ber 'Avdlexra tegoookvßuxixng
araxvokoyiag, $eter^b. 1898, ®. 82—136 beröffentlid(;t. Unfer ®. galt bi« bie jüngfte
3eit auc^ aU SSerfaffer ber gried(;ifd^en Überfeftung ber viri inlustres be^ ^ierontomu^
(f. Sb VIII, 49, 7 ff., unb bagegen Sb XV, 1,51 ff.). 3)iefe ännal^me rul^te tebiglic^as
barauf, ba^ ©ra^mu^ bie bon i^m erftmalig l^erau^gegebene Überfe^ung bem ©. in-
gefc^rieben ^at 3)ie Sluffinbung ber bon ©raömu^ benu^ten §anbfd(;rift (Cod. C. 11
ber 3üric^er ©tabtbibliot^ef ; bgt. b. ©ebl^arbt ©. III ff.) ^at ben Setüei« erbracht, bafe
bicfer 3lnna^me bie l^anbfd&riftlic^e, bamit aber überl^au^t jebe ©runblage fel^lt. 2lu^
inneren ©rünben ift bie Überfe^ung in bie ^z\t jtvifc^en bem 6. ober 7. unb bem 9. 3^1^^* ^o
^unbert ju fefeen.
2. ©., ber ©ot)l^ift, unb ©., ber ^atriard^ bon Serufalem (geft. 638).
2)er nacl}ftci)cnbe ?lrtifel ift imter ber Sorau^fcftung aefd)rieben, bofe @. ber ©op^ift unb @.
ber ?Jatriardj ibentijcfte ^Jerfönlic^ feiten finb. ^iefe SßorauSfefung, bie gelegentlich bcftritten
»oorben ift (fo Don ©el^er, (Sin griec^ifcfter S3oIt^f(^riftftelIer beS 7. 3a^r^. [SeontioS uon 9?ca» 85
poli§] in .&8 61. 5?& 25, 1889, @. 4; bod) ^at QJefjer in feiner ^luSgobe Don fieontioS'
fieben be§ f)I. gol^anneä beö SBarml^crjigen in ^rügerS ©ammlung ftrcpen^ unb bogmen=
gefcftic^tl. OucIIcnfcöriften, ^eft 5, greiburg 1893. ©. 117—120 feine anjttjeifclung juriidf^
gcnouimen), !ann aucft t)eutc unb tro^ ber forgföltigen unb unparteiifc^cn Erwägungen \>on
@. ^a\ifj4i in bem unten 3- ^5 5U ncnncnben ?luffaft ni|^t al^ erliefen gelten. @ie löft 40
ober bie ©cfitoierigfeiten bcffer alS bie Slnna^me ^»eicr ißerfönlidjfcitcn. (Sine locrtDoHe ©tü^c
finbet bie ^Inno^mc ber Sbentitöt an bev 3:rabition, jofem jwar nicfjt ^^otiuS (Ckxi. 199 MSG
103. 668), iDoql aber 3ot)anneS Don 3)amQSru§ (Imag. oratt. MSG 94. 1280, 1316, 1336),
euftat^iuö 3Konac!)ug (Mansi 13, 60) unb go^onncS gonaroS (12. Sol^r^.) in feiner SSita bcS
©. (^r^g. Don $apabopuIog=Äcramcu8, 'AvdXexTa [f. 0. 3- 22J 5, 137—151) bcn ©op^iflen 45
@. mit bem Patriarchen tbentifisiercn. Heber ba^ auS ber fd)rtftftellcrif^cn (Sigentümlid^feit
ht^ <B. ^u entne^menbc ?(rgument f. u. @. 531, 14. (ginc (Sntfcbeibung ift nur Don einer ge^
nouen, fritifd) Dergleid)enbe'n, gorm unb Sn^alt gleicftmäjig bcrücfficfttigcnben 3)urc]öarbeltung
ber literarifc^en ^interloffcnfc^aft bcS ober ber beibcn ©op^roniuö ju erwarten, unb biefe
wieber fann nid^t angefteKt werben, e^e ha^ ^IJJaterial in einer tritif4 brau^baren ^uSgabe 50
Dorgelegt ift, bie ju unternehmen fid) qu§ ontiquorifcfjen wie littcrörifd^en ®rünben fc^r lol^nen
würbe. S3id^er ift man auf bie banfenäwerte Sufammenfaffung beS hi^ jur SKitte beS Dorigen
3al)röunbert^5 33efannten in MSG 87, 3. Xeil, 3115— 4014 unb auf ©onberauSgabcn einzelner
©cftriften (Dg(. Xeyt be§ 9lrtifeI5) angewiefen. 9lud ber fiittcratur ift für bie allgemeinen
fragen bie Qudge5eid)netc ^Ib^anblung Don ©im^on SSail^6, Sophrone le sophiste et Sophrone m
le patriarche in Rev.de P Orient Chr^tien 7, 1902, 360—385 u. 8,1903,32—69; 356—387
tlcrDor^ul^eben fticr 8, 362 ein SSerjcidinid ber älteren fiitteratur). Ucbcr ben i)id)ter imb
©tiliften @. Dgl. (£. S3ouDi), Pontes et m^lodes, iRimcS 1886, 169—182 unb 195 ff., fowie
©. "^iexjtr, 2)er afjentuicrte ©atjfd^lufj in ber gried). $rofa Dom 4. bi« jum 16. 3o^rl)nnbcrt,
®ött. 1891 (wicber abgebrudt in: ®efammclte ?(b^anbtungeu jur mittellatcin. $R^l)t^mi!, 2.S3b, eo
83erl. 1905, 202—235).
8lea(s(hic))r(o)}abie für Z^toloqlt unb illr^e. 8. K. xvm. 34
530 ®o)i^roittitd
2 eben. 3" bcn 93crfen, bie (3o})^romu^ unter ben©c^Iuft fernem ^anefl^rilu^ auf bie
^eUigcnev^u« unb^o^anne^ (f.u.©.531,29) gefefet l^at (MSG 3421), bcrid^tet er, bafe er
au^ 3)amaöfu^ ftamme unb feine (gltem ^l^ntl^a^ unb 3Jl^ro genannt feien; er felbft
^abe nid^t grau unb nid^t Äinber, fonbem lebe ate 9Rönci^. 5Da^ ©eburtdjai^r ift un=
5 befannt. 3Benn SSail^ö e^ neucrbingg auf ca. 550 jurüdffc^ieben tüiH (f. feine 6rörtc=
rungen a. a. D. 7, 364 f.), fo ift ju bebenlen, bafe be^ ©. SSer^fältni« m bem um eben
biefe Reit geborenen ^o^anne« 5Wofc^u« (f. u. 3. 22 ff. unb bgl. ben älrt. »b XIII, 483 ff.,
au^^ail^ Jean Mosch, in fichos d'Orient 5, 1901, 107—116) i^n aU ben jüngeren
erfcbcinen lägt ; auc^ ift nic^t, tüenigften^ bei 2lnnal^me ber ^bentität (f. 0. ©. 529,S4), ju
10 toergeff en, ba| ©. bei feiner ©rl^ebung jum Patriarchen minbc^en^ 80, toietteic^t 85 ^ai}u
ae^ä^lt ^aben müfete, toa^ jumal angefic^t« ber t)on il^m lurj üorl^er (f. u. 3- 54 ff.) cnt=
falteten anftrengenben Xl^ättg!eit nic^t ald h)a^rfc^einlid^, tDenn auc^ geh)ig nic^t al^ un-
möglich gelten fann. Süie gro^e formale Silbung, bie i^n au^jeic^nct, läfet auf eine gute
©rjiebung fci(;lieften. ^er i^m in ben Duellen beigelegte 2^itel „©ot)l^ift" toeift auf feinen
16 Seruf ate Se^rer ber Sl^etorif, ben er mit freiem Sßitten aufgab, um fid^ im 2^eobofiu^=
Ilofter ju S^tufalem bem befc^aulic^en Scben ju toibmen. Seeinflu^t tourbe er bei biefem
6ntfc^lu6 nad^ eigener 3lngabe (MSG 3816) burc^ baö Seift>iel eine« jüngeren Ser-
toanbten, ebenfaß« ©. gel^eifeen (auf biefe Slamen^leic^^eit ift ju achten, fofem bei Se=
jjtoeifelung ber ^bentität bie ^Jrage aufgeh)orfen toerben !ann, ob tttoa in bem jüngeren
20 ©. ber ^atriarq ju finben ift), ber in bemfelben Älofter bie Slu^e gefunben ^>atte. Slber
ber entfd^lufe tourbe nic^t })lö$lic^ gefaßt. Sfe ©. im ^aigire 579 (f. SSail^ö 7, 364)
mit ^o^anneö 'äJlofd^u« in UnterägV})ten toeilte unö bie bortigen 9)lönd^«größen auffuc^tc,
toar er nocl^ nic^t burc^ ©elübbe gebunben (Joh. Mosch. Prat. spir. cp. 69). aber
nac^ berSRücffebr, too^l 580, trat er in« Jllofter (1. ccp. 102). §ier ^t er über 30 3a^
25 gen>eilt, nid^t o^ne Don 3^^^ 5" 3^'* 3öanberungen burd^ ba« l^eilige Sanb 5U untere
nehmen, immer in ber ©efeUfc^oft be« 3Jlofc^u«, ber 590 feine 3^0^ «uf bem ©inai
berlaffen ^atte. 5Koc^ ju Sebjeiten be« Patriarchen Sulogiu« (geft. 607 ; f. b. 8t. Sb V,
594) ^aben fid^ bie greunbe tüieber nac^ Sllejanbrien begeben unb fotüo^l ju Gulogiu«
h)ie p feinem 5Rad^folger, ^c^^ann bem Sarm^erjigen (f. b. 31. 95b IX, 300 f.), in engen
30 93ejie|ungen geftanben. ^n Sllejanbricn tourbe ©. öon einer quälenben 2lugenentjünbung
befallen, beren Teilung er ben ^eiligen ß^^u« unb 3t>^ö>^>^^^ 8" berbanlen glaubte (f. u.
©.531,29ff.). 3)er aiufent^alt tpirb eth)a lOQja^re gebauert ^en. 3)ie SBotfc^aft Don ber
©roberung ^erufalem« burc^ bie ^erfer im 3)Jai 614 traf i^n noc^ in 3(g^j>ten; feiner
Iraner über ba« bie ß^riften^eit tief erfc^üttembe ©reigni« gab er in einer erft fürjlid)
35 (f. u. ©. 532, 49) tüieber aufgefunbenen Dbe ftimmuna«üollen 3lu«brudf. Äur^e 3^it barauf
muffen bie beiben ^reunbe Sg^lpten öerlaffen unb fic^ nac^ SRom begeben l^aben. §ier
\d)mb ^JJJofd^u« (Dgt. gum ^olgenben bie anonyme Vita be« 5Wofc^u« in gronto le 2)uctf
Auctarium bibliothecae patrum 2, $ari« 1624, p. 1055), ba« Pratum spirituale,
ba« feinen 9Jamen berühmt gemacht l^at, unb eignete e« bem getreuen ©enoffen feiner
40 SBanberjal^re ju. 5?ac^ 5Rof^u«' lobe überführte ©. bie Seiche nac^ ^aläftina. Wo ftc
auf bem ^riebl^of bc« St^coboftu^Iloftcr« beigefe^t tourbe. 3)a« gefd^a^ nac^ ber Slngabe
be« ungenannten 93io0ra^)(>en be« 9JJofd^u« ju Slnfang ber 8. ^"biftion, b. ^. böc^ft
h)a^rfd()einlid} im §erbft 619, nicl^t 634, toeld^e^ ^a\)x bei 3lnna^me ber ^bentität öon
©Dipl;ift unb ^atriarcl)» fogar au^gcfct^loffen ift. 3)er Siograp^ fügt ^in^u, baß ©. ficb
45 nun iDicbcr in bie ©title be^ Äloftcr^ begeben ^abc, rov vjiokoiJiov xqovov iv ainfj
rfj /Ltovi] diavvoag. 2öäre mit ©ic^erl^cit anjuncl^men, bafe ber Slnon^mu^ nac^ bem
xobe be^ S. fd^reibt, fo mürbe au^ biefen 2öorten folgen, bafe ©. nid^t lieber a\x^ bem
Älofter l^erauögetommen ift, unb cbm bamit tüärc bie Slnna^me feiner i^bentität mit bem
Patriarchen (?infäQig. 2)er Wortlaut läfet aber ebcnfo gut ben ©c^lufe ju, bafe ©. jur
60 3^it ber 3lbfaffung jener 33iograp^ie noct^ im Älofter lebte, unb bafür fte^t ein 3ritraum
Don 14 bi^ 15 ^a^ren offen, ßnbe 633 nämlic^ (Dgl. jum golgenben bie auf bem
Srief bc^ ©erging, ^atriard^en toon 5!onftantinoj3el, an §onoriug toon 5lom ru^enbc
au^fü^rlic^e 2)arfteaung im 2lrt. 3)Jonot^eleteu Sb XIII, 404 f.) erfc^ien in ältejanbricn
ber jjaläftinenfifc^e 3Könc^ ©., um bem feit ^\xm 631 amtierenben Patriarchen ßbrus
55 3Sorh)ürfe über bie Union mit ben „SljjoHinariften" 5U machen, bie al^ 5Wonenergißmu^
unb fjjäter üJonotl^eleti^mu^ ber ©d;recfen ber Drt^oboric loerben foUte. "Da er nic^t
^um ^kl tarn, ful^r er nac^ Äonftantino^^cl. ^ier mufetc er erleben, bafe ber ^atriardb
©erging auf bem, mag er alg 5^^^^!?^^ em))fanb, tro^y aller ©egenüorftcllungen bebantc
unb babei fogar toom ^apfte unterftü^t iourbe. SDafür batte fein rül^rige^ (Eintreten für
60 ben X^energigmug ^ur golge, ba| er im Saufe beg ^al)X(^ 634 auf ben ^attiar^enftu^l
532 So^i^rontitd
3tutorf(^aft be^©. frrtci(;t; 5. in Cod. 190 bc« ©abaöflofter« (nac^ ^JkH)abo})uIo^4tcrameu$,
^JegoookvjLuuxTj BißXiod^xrj 4, $ctcr«b. 1899, 162 f.), cbenfo tüie in Cod. Ath. Dion. 3U
toctbcn bem ©. Sebcnebcfc^reibunöcn ber 4 (güangcliftcn jugefc^ricbcn (f. 3SaU^ 8, 374) ;
6. ba^ Pratum spirituale bcd 3lol^anne^ 3Kof(^ug f)at ©. möfllic^^crtüeifc rebii^iert,
5 jcbenfall^ ber ßffcntlic^feit übergeben, ba^er er in ber 3^rabition j. S5. für go^annei toon
2)ama«fu« unb (Suftat^iu« Wonac^u« (f. o. ©. 529,44) gerabegu ate 33crfaficr galt.
b) §omilien: in MSG fmb 8 (9) Orationes abgebrucft, nämfic^ 1. in Christi na-
talitia (p. 3201—12, nur lateinifd^), gried^ifc^ ^r^. bon Ufener, Söeü^nac^t^rebiöt be^
©., im Sl^ein. Wuf. 41, 1886, 500—516 (bßl. SReligion^gefc^. Unterfuc^ungen 1, Sonn
10 1889, 326—330), bom Patriarchen ©. am 25. 3)eüember 634 in ber 3KarienIirc^e ju
Scrufalcm gehalten; 2. in SS. Deiparae annuntiationem (3217—88), anfc^einenb ^u
ber mönc^ifd^en ©enoflenfd^aft im Älofter Q^pxod^m; 3. de hypapante (3287—3307,
nur lat.), griec^. ^rög. bon Ufener, Sophronii de praesentatione domini sermo,
SSonner Unib.s^rogramm bon 1889; 4. in exaltationem s. crucis (3301 — 10), bom
16 ^atriard^en ©. (bgl. 3304 C) an einem 13. (bgl. 3304 D) ©ej)t. gehalten; 5. de festo
8. crucis (3309—16), bon©. ah 3Rbn6) gefj)roc^en (bgl. bie Überfd^rift unb 3312 B);
6. de SS. angelis et archangelis (3315 — 22, nur lat.); 7. encomium in S. Joannem
baptistam (3321—54); 8. in ss. apostolos Petrum et Paulum (3355 — 64), unb
9. ein Sruc^ftürf au^ einem encomium in s. Joannem theologum (3363 — 64). ^a^u
20 fommt 10. ein bon $at>abot)ulo^=Äerameu^, ^Avdlexxa (f. o. ©.529,22) 5, 151—168 beraub
gegebener Xoyog eig x6 äyiov ßdmio/xaf bom Patriarchen ©. am 3^auffeft (S^rifti
(6. 3^""^^) angeftd^t« ber ©arajenengefa^r (cp. 10 p. 166, 13 ff.) gef})roc^en. c) 2)og =
matijc^e ©c^riften: 1. bie oben ©.531, i) erioä^nte unb S3b XIII, 405, 8 ff. in^Itlicb
befc^riebene Epistula Synodica beiS ^atriard^en (3147—3200); 2. brei Sruc^ftüdte un=
25 beutlic^er §erfunft: de peccatorum confessione (3365—72), de baptismate aposto-
lorum (3371—72) unb ein ©c^olion über einen 2lugfj)ruc^ be^ Saftliu^ bon Gäfarca
(4011—12); 3. in ber bogmatif^en RaUnt, bie ^otm^ Cod. 231 (MSG 103, 1089)
in 55erbinbung mit bem ©^nobalfc^reiben be« ©. citiert, o^ne fie ü^m au^brücflid^ juju=
fc^reiben, möchte 3Sail^6 8, 378 ff. gegen (S^r^arb bei Ärumbac^er, ®efc^. ber b^j. 2itt.^
80 209, bie ci)n>a 600 a3äterf^rüd(;e ent^altenbe ©c^rift erfennen, bie ©. bem Sifc^of ®tej)ban
bon Sor (f. Sb XIII, 405,2?) nad^ SRom mitgab- 4. nad) 5Pa})abot)ulo^=Äeramuö,
7eQoa, BißL 2, 403 ift in Cod. Hieros. 281 ein koyog doy/Äanxog tkqI mareio^
unter bem Flamen be^ ©. erhalten. d)2iturgifc^e^: 2)a« noc^ ^eute in ber griec^ifc^en
Äircbe am gj)i})^anientage rej^itierte ®ebet (MSG 4001—04) toirb auf ©. ^urüdfgefübrt ;
35 bagegen gehört ber Commentarius liturgicus (3Kai, Spie. Rom. 4, 31—48; MSG 3981
bi^4002) in meit fj)ätere geit (Jßail^^ 8, 386). IL 3)ic^tungen: a) 3n ber ©efc^icbte
ber r^^t^mifd^en Äird^enbic^tung griec^ifc^er ©J>rad^e ^aben bie bem ©. jugefc^riebcncn
anafreontifcl^cn Oben eine nic^t geringe Sebeutung erlangt. Überfd^toänglic^e Sc=
urteiler (ügl. 5!Katranga, MSG 87, 3728) tpagten fogar, biefe ^oefien mit benen bc^
40 golbcnen g^i^oltere ber griec^ifc^en SDic^ttunft ju bergleic^en. Söenn berartige Über=
treibungen fic^ bon felbft richten, fo tüäre e^ ho^ ebenfo Unrecht, bie 2)ic^tungen an bcn
flaffifc^en (Srgeugniffen gu i^rcm 9Jad^teil ju mcffen. 2)aö ^arte Urteil Ärumbac^ert^ {^%
Sitt.^ 672), ber ben ^id^ter em^^finbungelcer unb trodten nennt, bürfte faum begrünbet
fein, '^m ©cgenteil gel;t burc^ manche biefer ©efänge ein Farmer, ^erjlic^er, mit ber
45 §ciinat unb i(;ren ^eiltümern cm))finbcnber, fojufagen ))erfönlic^er 3wg ^inburc^, unb
eine getoiffc ©clbftftänbigfeit in ber Söal^l ^üetifd;cr 53ilbcr toirb fic^ auc^ nic^t leugnen
laffen. 2)ic 22 Cben mürben üon ^^Jetr. 3Katranga in 3Ra\^ Spicil. Rom. 4, 184U,
40—125 (MSG 3725—3838) herausgegeben, 9ir. 16 aU Sruc^ftüdt, bon 5Rr. 15 nur
ber 2;itel, üon 9ir. 17 3:itel unb (SingangSüerS. 9lr. 14 (in excidium sanctae urbis
60 a Persis captis) ift auS Cod. Bibl. Nat. Par. 3282 bon 2. ß^r^arb im Programm
beS ©tc^^anSg^mnafiumig in ©tra^burg 1887 unb üom ©rafen ßouret in Rev. de
rOrient Chr^tien 2, 1807 (©. 133 ff. ber 2lb^anblung La prise de Jerusalem par
les Perses, en 614) herausgegeben ioorbcn. 5Jr. 9 (in s. Paulum apostolum) 13 (in
8. protomartyrem Theclam) unb 20 (de desiderio suo sanctae urbis et sanc-
66 torum locorum) finben fic^ auc^ in ber Anthologia graeca carminum christianorum,
Mpi. 1871, 13 ff., toon ßf^rift unb ^aranifa^. 3)ie erften 13 Oben ftammen au^ ber
3eit be^ erften 2lufcnt(;alte2J im X^eobofiußtlofter^, bie folgenben teilö au« ber Söanbcrs
jeit, teilg (9ir 18 ö^mnu^ auf bie äBieberaufric^tung be« ^reu^e« 628) au« ber ^toeiten
Klofter^eit. b) 2)a| ©. aud; ber ©clegen^cit«bid;tung l^ulbigte, geigen bie S)iftidben
60 (MSG 4009) auf ba« eulogiu«^ofj)ital in Stlejanbrien unb auf^o^ann benSarm^ergigcn;
634 Sorbosne
bic ^rac^t ber ÄIcibung, ben S^afeHuju^. 3)abei entfaltete er eine ^^ntafie, einen
©Atoung ber Siebe unb eine Äü^n^^eit ber Qpxad^t, bie ftc^ nic^t fc^euten, bie S)inge beim
rechten 3lamm ju nennen, hinter biefer Slau^^eit bed Sittenrichter^ berborg fu^ eine
tDai^r^aftige @üte. Qx tvar e^, ber an @teOe SubtDig^ be^ ^eiligen am ß^bonner^tag
5 ben armen bie güfee tüufc^ unb i^nen mit bem föniglic^en SHmofen ben griebcnöfu6 gab.
3ft e^ ba nic^t flar, ba^ il^m fein gute^ ^erj ben ®ebanlen eingab, ein $eim für un=
bemittelte ©tubierenbe ber 3^^eoIogie m grünbenV
3)a bie ^a^ ber Se^er unb ber ©tubierenben berartig getoac^fen toar, bafe fic
nid^t me^r im SSer^ältni^ ju ber ^a!^l ber borl^anbenen SBo^nungen ftanb, fo hmren bic
10 9Jtieten fe^r geftiegen. @^ gab freiließ biele Älöfter, bie fid^ auf unb um ben ^ügel
©te. ®enebiöi)e angeftebelt ^tten, aber bie ©tift^l^erren bon ©t. SSictor, bie ^rämpn=
ftratenfer unb fogar bie ^o^anniter, toaren faft ebenfo getoinnfüc^tig tüie bie toeltlitften
§au^h)irte. Slufeerbem toar bei il^nen bie t^eologifc^e SBiffenfd^aft in fc^olaftifc^e 2)if)er5
tationen unb in 3)i^Iufftonen über Ileinlid^e fragen au^eartet.
16 3)iefen beiben Übeln, an benen bie Unibetfität litt, toottte ber gute, bcrebte fianonifu^
abl^elfen. ©ein Siogra^l^ ^m6x6 fagt barüber folgcnbe^: „3)ag einjige unb ^eilfamfte
3KitteI fd^ien il^m ju fein, ber tl^eologifc^en SBijfenfd^aft in $ari^ jtüeierlei ju bieten:
einen feften unb tüo^egrünbeten ß^P^d^t^ort, tüo jie gelehrt toerben !önne, unb fobonn
Se^rer, bie biefelbe SBo^nung miteinanber teilen, ein gemeinjame« Seben führen, unb
20 biefe SBiffenfc^aft ftrebfamen $örem auf uneigennü^ige unb aufrid^tige ®etfe über=
mittein." 3)ie^ toar ber §auj)tjh)edf, ben Stöbert Verfolgte, aber au^erbem erfc^eint c^
unjtüeifell^aft, baft er bie Ideologie bon ber Älofter^errfd^aft freimad^en tooHte, benn bic
3Kön(^e Ratten leinen t^tträftigeren ®egner ate i^n unb feinen g^f^wn^/ ©uittaume bc
©t. aimour.
25 3)iefer fiil^ne ©ittenric^ter h)ar aufeerbem ein fluger ©efd^äft^mann. 3*^iW^" 1'-^^
unb 1274 unterzeichnete er nid^t tüeniger aU 141 Äontralte betreffenb Äauf ober louft^
bon §äufem, ©Rennen ober ©arten. Subtüig IX. I^atte in ber fog. „Rue des Ma^ons"
jtoei ober brei ^äuferf om))Ieje, bie er i^m abtrat. 3)er bebeutenfte lag an ber ©trafee Coupe
Gorge, ben SRuinen ber Säber be^ Äaifer^ Julian gegenüber. Stöbert fefete e« burcb,
90 bafe biefe ©trafee, bie fel^r berüd^tigt h)ar, be« 3lbenb^ burd^ jtoei I^ore gefd^loffen tourbc;
unb bort gvünbete er feine „95rüberfc^aft (1254) ber armen Älerifer" („Communaute
des pauvres clercs")- 6r übertoie^ i^nen ein Heine« Kapital, bad burd^ eine ©cf»cn=
!ung ber Königin bon Slabarra bergrö|ert tourbe. ^a er aber toufete, toelc^e ÜRifebräucfec
bie Sln^äufung ber ®üter in ben Klöftern erzeugt l^atte, fo mollte er nic^t, ba^ feine
86 Srüberfd^aft ^u reid^ toürbe. „2)urc^ 2lrme gebilbet, fott fie aud^ arm bleiben," fagte er;
unb am ftoljeften toar er auf ben litel: „2)a« arme ^au^ ber ©orbonne."
2)ie ©ta tuten. 2)ie 3J?itgIieber foÜtcn burd^ lein ©elübbe gebunben fein. Ja«
Sleglement, ba« au« 38 Slrtifeln befte^t, beren jeber mit bem 2lu«brudte „Volo" beginnt,
lüurbe erft nac^ ISjäbriger (grfa^rung bon i^m aufgefteUt. 6« nimmt bielme^r Sc^ug
40 auf bie 2)i«ii))lin unb bie gute 2eben«art al« auf bie ®laubcn«lel^re. 6« toar ba« (Sr-
gebni« einer burd^ bie ^^'it gereiften ßrfa^rung unb nic^t ber 3[u«flufe einer augenblicf:
liefen eingebung. ^n biefem Sleglement fagt Stöbert: „^d) tottt, bafe biefe«, au« ber
2Bei«l;eit ber Seften ,bert)orgegangene ©tatut unbcränbert beftel^e; bafe man fid^ niemals
ba« Stecht lu einer Snberung ncl^me, um \päUx mehrere borjune^men". Unb in ber
45 %i)at blieb c« fo mit einigen 3"f^^c" ^i^ i^"^ franjöfif d^en Stebolution. ^m ^ai^xc 1740
tüurbe ba« ®anjc unter bem 2itcl Disciplina Sorbonae domus gefammelt.
Drganifation. 2)anac^ ioar bie Crganifation folgenbc: ®a« §au« ^atte brci
Kategorien bon aWitgliebern: I. bie ©ocii (bic 2lffociiertcn) bie nid(;t bcr))flic^tet toarcn,
im ^aufc ^u leben, fonbcrn bie in ber SJä^e, felbft in ben SSorftäbten too^nen lonntcn;
60 II. bic §ofj3itc«, bic gröfetcntcil« ^^ricfter ioaren unb III. bie Senefi^ianten. ^icfe
Ic^teren beftanbcn au« franjbfifc^cn unbemittelten ©tubcnten, bie fid^ auf bie geiftlicfcc
Saufbal^n Vorbereiteten, unb bie unentgcltlidl^ SBo^nung, Äoft unb Unterrid^t erbieltcn,
unb au« 3lu«länbern, bic gegen eine (Sntfc^äbigung, bort einen me^rmonatlic^en ©tubicn-
aufcntl^alt nahmen.
65 öof))itc« unb ©ocii bilbctcn bic Icitcnbc Klaffe ber ©orbonne. 2)ie ^of})ite« tourben
erft aufgenommen, nadjbem fic fic^ einer bo^^l^cltcn ^rüfung unterj|ogen ^tten: nämlii
einer ^^Jrüfung il;rc« fittlic^cn Gbaraftcr«, ber übcrbic« burd^ bie jubor auferlegte i^er=
i^flic^tung Verbürgt \vax, fid; orbinicrcn ju laffcn, unb fobann ein t^eologifd^e« ß^amen
ju befte^en. Um ^u bcmfclbcn jugclaffen ^u merbcn, mu^tc man Saccalaureu« ber 2:^C0'
jg.iogie unb Kanbibat ber fiiccntiatur fein. I)a« (Sjamen beftanb in ber SJerteibigung einer
536 Sorbonne
SRobcTt bc ©orbonö 6mj)fel^Iun0, bic ©tubentcn bm $am)t0eban!en fdbriftlic^ jufammen=
faffen, l^ierauf über i^n nad^jubcnlen unb im ®cbet 6rlcuci(;tun0 ju fuc^en^ um ba^
©c^tücrt bc^ ffiorle« ©otte^ ui \d)äx^m, o^nc c^ burc^ ©i)t^finbiglctten abju[tumj)fen.
S)ic 3)i^))utation fanb icbc feod^c ©am^tag^ ftatt; fie tourbc jtotfc^cn glüci ©tubcnten
6 über ein bor^cr bejeic^nete^ I^ema geführt unb bon einem ©ociu« geleitet, bcr al^
Magister Scolarium fungierte. ®ie ©tubenten füllten fic^ and) in ber ^rebigt üben,
aber über biefen ^unft berichten unfere Urfunben nic^t^, tüa^ bie Vermutung erlpedt,
ba^ berfelben tocnig ^i\t getoibmct tourbe.
Die erften £e^rer. 3)ie erften 2e^rer, bie jtoei ^«^r^unberte lang (1257—1457)
10 au« ben §of)c)ite« unb ©ocii ^ett)orgingen, tparen §reunbe be« ©tifter«: ©uiUaume bc
©t. Slmour, Dbon bc Douai, ©erarb be Sleim«, ©uiarb b'SlbbeDille, Saurent rstnglaie.
©j)äter na^m man aud^ Se^rer au« anbern ÄoHegien ber Unibcrfität.
3)ie Sibliot^ef unb bie 3)rudferei. 2)te Sibliot^ef f))ielte in bem §aufc eine
h)ici(;tige Siotte; auc^ galt bie erfte SSerfammlung be« ©d^ulja^re« ber SBa^l be« Siblio--
15 t^elar«. 3)er erfte ©runbftod öon §anbfcl^riften tüurbe \>on SRobert bon ©orbon angelegt
unb burc^ freiwillige ©))enben bermel^rt; ©uiarb b'2lbbeöille fc^enfte nid^t Weniger al«
118 ^anbf (fünften. 2)ie Sibliotl^ef Wud^« balb an burc^ bie ßinfü^rung ber Suc^bruders
fünft in ^ari«, an ber ba« ÄoUegium t^ätigen Slnteil nal^m. ^m 3al^r 1469 liefe näm^
lid^ S^^önn $e^nlin (21 Sapibe, t)on ©tein bei Äonftanj), $rior ber ©orbonne, ein=
20 ftimmig mit ©uillaume gießet, bem bamaligen Sleftor ber Unitoerfität, ben Magister
Artium Wic^ael griburger (au« Äolmar), mit jWei Arbeitern Ulrich ©ering au« Äonftan^
unb 3Kartin 6ranj naö) ^ari« lommen. 3)iefe brei Wänner xxd)Utm im ©rbgefc^of
eine« ber §äufer ber ©orbonne bie erfte S3ucl^bruderj)rene ein. 3)ie erften SBerfe, bic
barau« ^erüoraingen, Waren bie (g^^ifteln be« ©af})arino ba Sergamo unb ein Sallustius
26 (1470). günf ^a\)x^ fj)äter Verlegte Ulrich ©ering bie 3)ruderei in ein anbete« ber
©orbonne gehörige« §au«, in ben „Soleil d'Or" rue St. Jacques, Wo man bic
Biblia Sacra in ;|Wei golianten brudte (1478).
2)iefer ©ering War ein frommer unb uneigennüfeiger 3Kann, bem e« SSergnügen
maö^U, fic^ mit „Messieurs de Sorbonne" ju unterhalten, (gr fd^enfte ber Sibliot^cl
30 mand^e Sudler. 311« in einem ber ©äle bie 3)ede einftürjte, gab er ber ©efeüfc^aft
50 Sibre« für bie 3tet)aratur unb t)erf))rac^ bie ©umme ju t)erbot)j)eln. Wenn bie Strbcit
fertig Wäre, ^ux Selo^nung für biefe« ebelmütige ©efd^enl unb in Setrad^t feiner
2^ugenb Würbe er, obwohl ein 2aie, al« ©aft an bie 3^afel ber ipofj>ite« be« gelehrten
§aufe« jugetafjen. 3)a er unverheiratet War, teilte er bei feinem lobe fein Vermögen
35 jwifd^cn ber ©orbonne unb bem ßottöge öon 3Kontaigü.
©efd^ic^te i^re« ©influfee«. 3lu« ber ©orbonne gingen im 15. S^l^^^unbert bic
$äu))ter ber ^arifer Uniberfität l^ert)or, Welche bie SReformation ber Äird^e in capite et
in membris, auf bem SBege eine« allgemeinen Äonjil« forberten: $ierre b'ätill^, 5Wicola^
be Glamengi«, (S^arlier be ©erfon.
40 3lber im 16.3al^r^unbert änbertcftd^biejer ©eift; bie©orbonne Würbe jebem gor t^d^ritt bcr
Ideologie, in«bef. bem ©tubium ber ^ebräifc^en unb grie(^ifd(;en ©prac^e, unb ber Wiff enfd^aft-
Ixö^m 3lu«legung ber ^l. ©d^rift feinblic^ gefinnt. 2)ie 3)oftoren ber ©orbonne Verurteilten,
bon 1517—1534, mehrere ©d^riften be« 6ra«mu« unb be«SeföDre b'6tat)le«, bcrbammtcn
bie Sudler Sut^er« unb Verlangten bie SSernic^tung ber gebrudten SBerfe Don ®tiennc
46 2)olet. 2)ie ©rünbung be« College Royal burd^ %xani I. für ba« ©tubium ba
flaffifd;en ©))rac^en unb ber neuen 3Biffenfd^aften Würbe ju ftanbe gebrad^t, um bic
5Reigung ber ©orbonne ju befämj)fen, bie neue 2e^re nic^t unter bic bürgerlichen
bringen j^u laffcn. ^m 17. 3^^^^^^""^^^^ "^N f^^ ^i^ t5ü^^""9 ^^ Äat^olici«mu« in
granlreic^ Wieber auf. 2)ie berüj^mteften ^rälaten l^ielten e« für eine 6^re „^roviforen"
60 ber ©orbonne ^u fein, 5. 33. bie Sarbinäle ßonbö, Slic^elieu, 3Kajarin, 3^e^, 9Joaillc«
unb gleur^.
^bcr 9{id^elieu War e«, ber unter allen bie größte 3lufmerlfamfeit gegen bie ©or=
bonne jeigte. 2)er SRegicrcr granhcic^« Wählte al« 33eid^tt)ater einen ber „Messieurs
de Sorbonne". SWel^rere ber alten ©ebäube ftürjten ein, er lic^ fie nieberrei^en, um
55 ba« SoDöge nac^ ben planen Don Scmercier bauen ju laffcn (1626). S)ie Slrbeiten
fingen 1627 an unb Slic^clieu fd^cute fein ©olbobfer, unt fte fc^neU ju 6nbe i;u
bringen. 9!JJan fielet au« feinem 2!agebudEj, ba^ er nic^t Weniger eifrig bie ßrric^tung bcr
neuen ©orbonne al« bie 3<^rftörung Don Sa ^Kod)cIle bcförberte. S)ort, in ber Äapclle,
Wählte er ben ^la^ für feine ©rabftätte. 2Ba« bie ©ebräu^e betrifft, fo änbate er nicbt«
ßo unb be^d^ränfte fic^ barauf, eine jjWeite I^efe (Slobertine) bem 3ulaffung«ejamen beizufügen.
Sorbonne Sorte» Sanctonim 537
5[m 17. Sfl^'^^wJ^k^^t bcftanbcn Soffuet, 6onb6, bcr gtofee 2lmaulb bic %f)t]tn auf
bcr Sorbonne, h)o ber 3ianf«ni[tifci^e ©treit begann.
gm 18. 3öii>t^unbert öffnete fic^ enbUc^ ba^ alte SoBöge bem ©eifte ber 3^oIeranj
unb Humanität, tüelc^er ^anfreic^ burc^tüe^te. infolge be« Sefuc^e^ t)on ^eter bem
©rofeen (üon SHufelanb) berfuc^ten bie S)oItoren ber Sorbonne bie 3}eretnigung ber b
rufftfc^en mit ber römifci(;en itird^e l^erbeijufül^ren. ^m ^a\)xc 1730 ^ielt a^urgot al^ ^rior
ber Sorbonne feine berühmte SRebe über bie „gortfd^ritte be^ menfci(;lici^en ©eifte^", tüeld^e
ein ^Ä6)m ber neuen ^^'itm toor. Sotoiel gloneic^e ßrinnerungen aber retteten ba^
$auö Sobert^ be Sorbon nid^t öor ber SBut ber 3Känner ber Sleöolution, atö ob e«
bie abfolute Sebingung jebe« gortfd^ritte^ toäre, aUe Slnftaltcn be^ „Ancien Regime" gu lo
l^erftijren. ^m 3- 1791 behetierte bie „Äonüention" bie ©efeUf^aft ber „^riefter ber
Sorbonne" aU aufgelöft. 3)ennoc^ mürben bie IGö Witglieber, bie fie bamate jä^Ite,
nic^t beunruhigt, ^ie Äanbfc^riften unb 93üci(;er ber Sibliotl^el tourben in bie 5RationaU
bibliot^e! gefd^afft, h)o pe no(^ l^eute liegen. SBa« bie ©ebäube betrifft, fo bro^ten fie,
ba man jie nici(;t im ftanbe er^^ielt, nac^ Wenigen ^a^xm einjuftürjen. i6
211^ im 3- 1801 ber $remier!onfuI ber fran^öfifc^en 9let)ublif, Sonaparte, bie SSottenbung
be^ 2ouöre^ befc^loft, befferte man biefelben ein tüenig auö, um barin bie Äünftler untere
jubringen, bie bi« ba^in in jenem ^alaft getvo^nt l^atten. Site Kaifer 9la)3oIeon I., eine
einzige UniDerfität für ganj granfreici(; (1808) fd^uf, errichtete er ju $ari« eineSafuItät
ber Il^eologie. 3)ie ^Regierung ber SReftauration machte au^ bem $aufe bon Stic^elieu ao
ben Si^ t)on brei ^alultäten: Ideologie, SBiffenfc^aften unb Sitteratur; benen man feits
^er ben ru^mboHen 5Ramen Sorbonne beilegte. Um biefe ^Ät gaben SRo^er ßoHarb,
©uigot, Sittemain unb ßouftn biefer Sorbonne bon neuer 3lrt einen neuen ©lang burc^
i^re au^ejeic^neten 3Sorlefungen. 3)ie 3"Ki^«bolution 1830 brachte bie 3luf^ebung ber
t^eologif^en gafuttät mit fidy!, aber fie tourbe, im g. 1841, tüieber l^ergeftellt unb i^re 26
Sel^rftü^le tvurben berül^mt burd^ bie ÄoHegien ber $rofef{oren, bie ju ben gete^rteften unb
berebeften aSertretem ber franj. ©eiftlid^feit gel^örten, x. 35. ber 2lbb6d 2)uj)anlouj), Sautain,
^errel^be, ^erraub, e5^ej)j3el 2c. 3^r leftter 3)efan, W\x, Wäret lonftatierte in feinem im
3. 1883 bem ^räftbenten ber 3flei)ublii übeneic^ten Seric^t, bafe feit toeniger afö einem
falben 3^^^^""^^^ ^"^ i^^^ $rofef[oren me^r afe 20 (Srjbifc^öfe ober Sifc^öfe, 30
1 Äarbinal, 3 SWitglieber ber „Acadömie fran^aise" 2c. ^ert)orgegangen toären.
Unglüdflic^erhjeife fehlte i^ren (g^rentiteln bie „Institutio Canonica", toelc^e bie
$ät>fte, fogar 2eo XIII., i^r bi^ jule^t öerhjeigerten. SJon ba an toar fie nic^t mel^r
unentbehrlich für bie Silbung ber l^öl^eren ©eiftli^^feit unb bie Kammer ber Slbgeorbneten
l^ob fte 1885 auf, ebenfo toie bie bier anbem tl^eologif d(;en gahiltäten in ben 3)e))artement^, 36
inbem fie bie Krebite für i^re Unterl^altung bertoeigerte.
gm 3. 1889, ate Dctabe ©r^rb, bamate Sleftor ber Unit)erfität \>on ^axx^,
bie ffiiebererbauung ber Sorbonne mieber aufgenommen l^atte, nac^ bem ^lan
be« 2lrd^ite!ten 9l6not, umfaßte fie 112 ^rofejforen, 13 ^ribatbojenten, ungefäl^r
11000 Stubenten. Seitbem finb bie ©ebäube öollenbet unb eingerichtet toorben. 3Son40
ber Sorbonne SRid^elieu« ift nur bie Äat)ene übrig, h)o fein §erj, ru^t unb bon bem
„armen §aufe üon Stöbert be Sorbon" nur noc^ ber Slame. 3!)iefer Slame aber h)irb
eh)ig leben, aU 2)enlmal einer burc^ einen eblen 5ßriefter gegrünbeten Se^ranftalt, toeld^e
aufeerorbentlic^ öiel jur reltgiöfen unb fittlid(;en Silbung bed mittelaltcrlid(;en granlreid^
beigetragen l)at d^afron Sonet^V^antti« 45
Sortes Apostolorum ober Sanctorum. — ßittcratur: A.vanDale,Deoraculi8
ethnicorum diss. II, 1683, 341—78, n700, 288—324; 3. ©ofaubonuS ju Hist. Aug., $ari«
1620, App. 0; 3. ÖJretier ju Anast. Sin. MSG 89, 761; Du Gange s. v. sortes, gr. s. v.
gixioXoytov; $)crd)er, Astrampsychus (^vogr.) 1863; ^artcI=Soc»De, @93S 113, 1886, 235 f.;
C>. l©innefelb. Sortes Sangall. (S)ifi. ©onn) 1887; ^cim, Incantamenta, 3rlecfeifcnö 3a6rb. 60
Suppl.XIX, 1893, 502. 19; Xeuffel^gc^lüabe, $Röm. Sitt.*506; $. (Saffcl, 3Bci6nacötcn274f.;
5. JRocquain, Les sorts des saints ou des apötres (ßibl. de rÄx)le des chartes 41) 1880,
457 ff. ; 3- ^' ^cirriö, The sortes sanctorum in the S. Germain codex, Amer. Journ. of
Phil. IX, 58; Study of Codex Bezae, TSt. II, 1, 7 f.; The annotators of the Codex Bezae
1901, 45 ff. — S8gl. b. ?(. fioS bei ben Hebräern 93b XI, 642. 66
3)er tüo^l bon 21© 1, 26 genommene Slu^brudf be^eicj^net eine 3lrt ben SöiHen ©otte«,
bie 3"^*^f^ S" ^a^^^n. Unter ben mancherlei ^Jlitteln hierfür ift in faft atten Sieligionen
ein^ ber t)erbreitetften ba^ Sluffc^lagen eine^ ^eiligen Sud^e«: toorauf ber Slidt gerabe
fättt, barin foH eine göttliche §inh)eifung auf ba^ Seüorfte^enbe, eine 2(nh)eifung für ben
9Jlenfd(;en gegeben fein, ^m ^eibnifc^en SRom fonfuttierte man fo aSergil (Sj^artian eo
538 Sorte» Sanctomm
b. §abr.2,8; 3(cl. £amt)nbiu^ to. 3llcj. Scto. 14,5). SlufgcIIärtc Reiben nannten ba^ frci=
üd^ ein ©^iel mit bem ^n^aü (2(ug. conf . IV, 3, 5). 35ie (Soften t)crtt)arfen ba^ Crafeln
mit fieibnifc^en Suchern, machten e^ aber mit i^ren l^eiligen Schriften nid^t anberS (Dgl.
Sluguftin^ Sefe^rung conf. VIII, 12, 29 f.), tro^ mifebiDigenber Sfufeerungen bcr fircfc=
6 liefen Autoritäten, 5. S. 3lug. ep. 55, 37 (CSEL 34, 2, 212): qui de paginis evan-
gelicis sortes legunt; $ier. ^u S«^«- 1 MSL 25, 1180. (Sin (^arafteriftifcbc^ Seif^icl
in ber Segenbe ber f|I. 4f|eobora p. 27, SBeffel^: fte läfet fic^ ba« ©ban^elienbudb
(t6 ßißUov xov äyiov fieyakeiov) geben xal ävaTuv^aoa evgev h rfj 7igoyga(pij'
o yiygafpa yiygaqya (3o 19,22). ©ine 9lec^tfertigung bafür bietet 2(naft.* Sin. qu. 108
10 MSG 89, 761 : e^ fommt auf ba^ boranjufd^idfcnbe ®ebet anl Äaifer ^eraflio^ bcftimmt
fo bie SBinterquartiere für fein §eer im ^erferfrieg 614 (I^eoj)^. 308, 15); 2(nbroni!w
fuc^t im ^falter bie Söfung für alle Sc^tpierigfeiten (®regoraö VIII, 11,8). Sefonber^
eifrig tpurbe bie^ 3)äumeln ^ur 3^it ©regor^ toon lourg ge))flegt (Hist. Franc. IV, 16,
V, 14, 49 p. 154, 203, 240 Slmbt), obtüo^I bie S^n^ben üon Sännet 465 c. 16 unb
16 agbe 506 c. 42 (9)knfx VII, 955, VIII, 332), Drl^anö 511 c. 30 unb äurerre 573: 603
c. 4 (MG LL III, 1, 9. 180), ®regor I., ep. IX, 204, XI, 33 (MG 192, 20. 302, 21)
u. a. (8. Corp. iur. can. P. II, c. 26, qu. 5, c. 7—11) ed berboten. Sgl. ySS^ox,
orig. VIII, 9, 28, MSL 82, 313: sortilegi sunt, qui sub nomine fictae religionis
per quasdam quas sanctorum sortes vocant [in älnlef^nung an Jl(. 1, 12?] divi-
20 nationis scientiam profitentur aut quarumcumque scripturarum inspectione
futura promittunt (Dgl. 3;ol^. gari^b. polier. I, 12, MSL 199, 409). 2)ie Iir(^=
liefen Sierbote (fc^ondecr.Gelas. VI, 36 bei 6rebner220 [£ij)ftu^ a^ocr. a))ofteIgef4 1, 34
benit ^ier j^u Unrecht an bie SSerlofung ber Sänber]; i^eobor ßantuar. poenit. 358,
MSL 99, 973 = »urd^arb X, 9; cod. Sang. 193 fol. 196) erneuert, j. 2. unter »erufung
26 auf ba^ biblifc^e 3aubereiberbot 2e 19, 26 bie Äarolingifc^e Sleic^^efe^gebung; ögl. Capit
V. 789, 20 : ut nullus in psalterio vel in evangelio vel in aliis rebus sortire
presumat(MG LL II, 1, 64, l,togl.25, 33. 45, 25. 58. 69, 45. 96, 15. 104,5.223, 10; 2, 44,
35. 345, 10). ®ie bäufige 35Bieberf|oIung be^ Serbot^ jeigt bie 93eliebtf|eit biefer 2Babr-
fagerei im SoI!. äuc^ Slgobarb bon S^on de imag. I, 25f. MSL 104, 220 fämpft
30 bagegen an. 2:ro^bem hjurbe e^ toeiterl^in ganj^ offiziell bei Sifc^of^hjei^en geübt, um
ben G^aratter be« betreffenben gu erfahren C^ad^^m. VIII (II), 15, [II, 146, 12j
SBil^. to. 5KaIme«b. de pontif. Angl. I, p. 214. 219 u. a.). a)ie Sebeutung be^
»ibelorateU für granj bon aiffiffi ift befannt (^gler, B^^S VI, 413; ©abatier 57;
Ä. 5Wüaer, SE^Sg 1895, 182; gioretti, beutfc^ toon D. to. laube 166). äBie gried^if(^c
35 3Könd^^frcife neben ber Sibel bad ^aterifon benu^ten (^ofc^o«, prat. spir. 55,
MSG 86, 2909), fo griffen bie §umaniften ^u iJergil jurücf (3. »urcf^arbt, Äultur ber
Slcnaiffance 528). 2)er ^^lam treibt ba^ gleiche mit bem Äoran, ber ß^inefe mit ben
©J)rüci^en be^ ßonfuciu^.
2)anebcn giebt e^ anbere S^ftemc: "^an fd^rieb einzelne Stellen auf lofe Slättcr
40 unb ^og bann ba^ 2o^ (sortes sumere Cic. de div. I, 58, 132, II, 41, 86, Tibull. I,
3, 11) ober man baute ganje Drafelfvftcme in ?^ragc unb 3lnttoort auf (barübcr f.ßercbcr
unb ^arri^). ©0 erflärcn fic^ iüo^I gctrifee Seifc^riften am Sanbe be^ (3odex Bezäe (D)
unb be^ Sangermanensis (g*). hierbei bicntc nic^t ber (immerhin oft bielbeutige) Sibel-
tejt, fonbcrn nur ba^ Sibelbuc^ afe Drafelquelle. daneben fc^rieb man fold^e S^rüc^c
45 auf einzelne 3€ttel, bie man mit blauen unb gelben gäben 50g; fo in ber nad^ $itf|oeu^
t)on Soquain lateinifc^ unb })roüengalifcl^ Veröffentlichten Sammlung a\x^ Sllbi. 2)ic
©riechen l^attcn eine SlntDeifung, auö 6i>ang. unb ^^ßfalter bie 3wf"nft l^ erforfc^en, unter
bem 92amen fiaifer 8eo^ be^ 2öeifen (S3erol. ^^^itli})^ 1479); bgl. baö ^ixxoXdytov Ix
Tcbv XOV äyiov EvayyeXiov xE(paXai(jov in Par. gr. 2149, 2243, 2510 (Du Gonge),
50 ba^ Xax/^t]ri]oiov xojv äylcov AttooxoXcdv in ?DJatrit. 105 (^riarte I, 424). So^bü^er
(sorti) ir>aren" aud; im fj^ätercn 'JJJittclalter, bef. toon Italien a\x%, in ber ganzen ß^riftem
^eit berbreitet.
%m bie neuere 3eit ^at Siitfc^l (©efc^. beö ^ietiömutg II, 160 ff. u. ö.) ba« SJäumeln
in ber Öibel al^ eine 6igentümlici()teit pietiftifd^er Äreife ertriefen. (S^ gefd^a^ %u mand^erlei
56 3{^ecfen, felbft jur (Srprobung ber §eil^gen)i^l)eit (III, 155); am meiften ba, too bcr
5Dtenfc^, felbft unfcf)lüffig, ein 3ci*en begcl^rtc, tpaö (Sottet 2Bitle fei. ©0 ^at e^ 6pener
bei ber Jierufung nacb ^rc^ben ,:^a>ar nic^t felbft ci,^\xhi, aber boc^ jugelaffen unb ftc^ banac^
gerid^tet ((Srünberg I, 211). :3""9 Stilling öerWrf e^ al^ 3)Jittcl jur ®rforfd^ung bcr
3ufuuft, lie^ e^ aber gelten ;;ur ßrlangung lion iroftfj)rüc^cn (Sitfd^l I, 479). ©0 ift
60 ei§ noc^ je^t manchen Drt^ üblic^, in ber JJcuja^riSnac^t fic^ unb anbem 33ibelf))rüc^e ju
540 @oto, 2)omtmhtd bc &oto, ^ettud be
Äatfiarinu« — f. 5?ä^ere« bei $offmann a. a. D., bgl. aud& Scntatl^, Art. „Rat^axxnu^" X,
191); femer um bie Seiten ion bet ©rbfünbe, toon ber Äraft bc^ ®iDcn^ nac^ bem
gaDe, bon ber Slec^tfertigung, ^räbeftmation, ben 2öer!en ber Ungläubigen, ber SRefibenjs
J)flic^t ber Sifc^öfe jure divino. S)iefe Streitfragen füfirten ben 3!)omtnifuö ^ur 2lb=
6 faffung ber tpiber Äatfiarinu^ gerichteten Schriften: De natura et gratia Lib. III. ad
synodum Tridentinam, Ven. 1547, ed. 2, Antw. 1550 (togl. §offmann 1. c), unb
Apologia, qua episcopo Minorensi de certitudine gratiae respondet D. S.
Ven. 1547; toäfirenb jener i^m feine leibenfc^aftlic^ gereiften Disceptationes super
quinque articulis (Rom. 1552) entgcgenfe^te. 93ei ber SSerlegung beö Äonjife ^on
10 2:ribent nac^ Sologna (1547) fe^rte ©oto an ben J^of Raxl^ V. ^urüdf. Der Äaifet
ernannte i^n je^t ^u feinem Seic^ttjater fotpie 1549 ^um grjbifc^of toon ©egoüia; bod>
lehnte ^ominifu^ biefe 2(u^^eidbnung ab, ja er legte felbft fein Slmt aH Seic^tDater
nieber, ging (1550) in ba^ Älofter ju ©alamanca gurücf unb tpurbe ^icr $rior. Um
biefe 3cit toerfafete er, im ©egenfat^e ^um ^roteftanti^mu^, Commentarii in epistolam
16 Pauli ad Romanos (Antw. 1550, Salm. 1552). 2luc^ griff er bamate im 3luftrage
Äarte V. fc^lic^tenb in ben Streit ^toifc^en ©ejjultoeba unb £a« 6afag (f. ben Slrt. XI,
290, 3 7 ff.) über bie Sefianblung ber ^nbianer ein. 9lac^bem er jene^ ^riorat jh>ei '^af^xt
lang toertoaltet l^atte, übemafim er toieber ein t^eologifc^e^ Se^ramt ^u ©alamanca. Site
tueitere ©Triften erfc^ienen (|ier t?on i^m De ratione tegendi et detegendi secretum
20 praelectio theologica (1551); Annotationes in Job. Feri Franciscani Mogunti-
nensis commentarios super evangelium Johannis (1554). ^ad^ t)ier ^a^ren ging
er toieber in^ Älofter jurücf, übernahm noc^mal^ ba^ ^riorat unb ftarb am 15.9Iot). 1560.
Slufeer toerfc^iebcnem minber SQäic^tigen Derfafete er noc^ bie ©c^riften: De justitia et
jure, 1. VII, ad Carolum Hispaniae principem, Salm. 1556; In quartum libnim
26 Sententiarum Commentaria s. de sacramentis. T. I, Salm. 1557; T. II, 1560.
"Sind} ^interlicfe er einen ungebrucften Äommentar über bag ©toangelium 3Jlatt^äi, eine
älb^anblung De ratione promulgandi Evangelium unb In primam partem
S. Thomae et in utramque secundam Commentarii. (9leitbe(fer f) S^^^^^f^
SotO, ?5ctru« be, geft. 1563. — audtif-'(£4arb, Scr. 0. Praed. II, 183 ss. ; C)ergem
30 rotier, Äi®^ II, 417; ©ein^art, M^ XI, 531; gurtet, Nomencl. th. cath. IV, 1245.
^etru^ bc ©oto ift ebcnfo betannt, h)ie 2)ominifu^ ©oto burd^ feinen Stuf t^co=
logifc^er (Selel^rfamfeit, ferner burc^ feine fd^riftftetlerifd&en arbeiten unb burc^ feine
geinbfc^aft gegen ben ^roteftanti^mu^ unb bie SReformation, ber er in 2)eutfc^lanb unb
©nglanb mit (Sifcr entgegentrat, ©eboren ju ßorboba al^ ©o^n toorne^mer CSltern, trat
36 er 1518 ui ©alamanca in ben Crben ber 2)omini!aner. äHmä^lic^ Verbreitete fic^ üon
i^m ber 9luf ungcnjö^nlid^er ©clebrfamteit, namentlich in ber fcbolaftif^en 3;^eologie, in
ber er fic^ jum ftrengen 2;i^omiömu^ bcfanntc. Äaifer Äarl V. er^ob i^n jum geheimen
9late unb ^\x feinem Seid^ttoater, fein Drben aber hjäl^lte il^n jum 35ifar ber nieber-
beutfd^cn ^rot)inj. ^n biefer ©tetlung gelangte er ^\x trauriger Serül^mt^eit baburc^,
40 ba| er (1543) ben cblcn fjjanifdben Sibelüberfcj^er ^ranj ©njinag ber 93rüffeler gm
quifition auslieferte (t)gl. Soc^mcr, ?^ran^ GnjinaS; ®enftt)ürbigleiten, Seipjig 1807,
^.4 unb 77 ff.; aud^ aBilfenS, (Sef^. beg fjjan. ^roteftantiSmuS [1888], ©. 57ff.).
©J)ätcr verliefe er bie 2)ienftc bcS ÄaiferS unb übernahm bie ©teile eine« Se^rerö ber
2:bcologic an bem toom Äarbinal Dtto SCrud^fefe Von SBalbburg, Sifc^of Von 9tug«burg,
46 in 2)iningen neu errid^tctcn ©eminar. ,?>ier fcbrieb er im ©inne feiner jürd^e unb gegen
bie 9leformation fein fatcc^etifc^eS 2el^rbuc| Institutiones christianae (Aug. Vind. 1548);
fj)ätcr eine Methodus confessionis s. doctrinae pietatisque Christianae epitome,
Dill. 1553. gerner ein Compendium doctrinae catholicae, Antw. 1556, unb einen
Tractatus de institutione Sacerdotum, qui sub episcopis animarum curam
60gerunt, s. Manuale clericorum, Dill. 1558, — le^tereS, eine Slrt ^Paftoralt^eologic,
baS §au))tn)erf ©otoS, tüelc^eS nod^ geraume ^cxt nad) feinem 2^obe in Stnje^en blieb.
2Bcgen feiner Assertio catholicae fidei circa articulos confessionis nomini illust.
ducis Wurtembergensis oblatae per ejus legatos concilio Tridentino, Antw.
1552, geriet er mit 33renj (f. b. 9lrt. III, 385, seff.) in einen ©treit, ber i^n noc^ ju
66 ber ©c^rift: Defensio catholicae confessionis et scholiorum circa confessionem
ducis Wurttemb. nomine editäm adversus prolegomena Joanni Brentii,
Antw. 1557, ijcranlafete. 3" 2)il(ingen fam er auc^ mit bem fiarbinal ^olu^ in S3c=
rül^rung. ©Jjäter ging er mit ^ipbiüj))) IL öon ©^^anien nad^ Gnglanb, h>o i^n bie
Äönigin 3)iaria jur 9i5iebereinfü^rung be^ ßatl^oliciömu^ toertoenbete unb aU Seigrer ber
@oto, $eint$ be Sojomettod 541
Ideologie nad) Dxforb berief. 35er %o\> 3)laria^ führte tl^n 1558 md) 2)ilKn0en jurüdf;
brei S^l^^^ \päitx berief ifin $iu^ IV. nac^ 3:ribent, um an bcm toieber ju eröffnenben
Äonjile teiljune^men. 6ö folgte bem Stufe unb toirfte bei bem Äonjil mit bejonberem
eifer für bie ©infe^ung ber J^ierarc^ie unb bie Slefibenj ber Sijc^öfe jure divino (für
hjelc^e« toic^tige anliegen ber f})anifc^en Äonjitemitglieber er nod^ brei 2^age bor feinem 5
2:obe ein bringenbe« Sittfc^reiben an ben ^ap\t richtete), für ben faframentalen (Sl^arafter
ber ^rieftertoei^e, fotoie für bie 9loth)enbigIeit bed burc^ ben Sifc^of gu boDjie^enben
ffieil^ealte«. er ftarb noc^ toä^renb ber 2)auer be« Äonjitö am 20. Sljjril 1563.
(9leitberfert) 3örftert.
@0tt%0te, 3. f. b. 31. ©abbat^arier »b XVII ©. 291, 40. 10
®oj0meil0d* — ausgaben wie bei Sofrate§ (f. oben @. 481). — @onft ift neben
aubcrm g. 2^. im 2^ejt QJenannten ju ücrgleic^en: gum Sebcn: bie Testimonia veterum (am
DoUftönbigften in ber 6ofrates^audgabe uon C>ujjet)) unb bie ben $ludgaben Dorgefe^ten ^iten,
bef. SBalefiuö: De vita et scriptis Socratis atque Sozomeni ; ferner: ^upin, Nouvelle Biblio-
th^que IV, 80 ff., deinier, Histoire gdn^rale XIII, 689 ff., Oaüe, Hist. lit. I, 427 f., Sabril 16
ciuö=§arle6, ßibliotheca'VIl, 427 ff., ^arbcn^emcr, ^atrologie 333 unb bie üblichen enct)lIos
päbifd)en^erfe; guXcjt u. Uebevlieferung: 92oIte in ber 2:^ D@ 1861, 417ff., e.beSoor,
gur Äenntni« ber C)anbfd)riften ber griecbifc^en S^ircften^iftorifcr = 3ft® VI, 478 ff., 3. SS.
Sarrazin: De Sozomeni historia nura integra sit = Commentationes philologac Jenenses
I, 165 ff., ^l. föülbenpcnnino, S)ie Äirdiengejc^icfttc bc« X^coboret \>on ^rr^oS 12 ff. — ßu 20
ben OucUen: 3eep, Clueüenunterfud)ungen ju ben gricd^ifcften Äirc^en^iftorifem (= glccf^
eifenS 3a^rbü*cr für claffifdje ^^ilologie, @uppl. XIV), 137 ff.; gr. S(. C>oIs&aufcn, Coramen-
tatio de fontibus quibus Socrates, Sozomenus ac Tlieodoretus . . . usi sunt, ©öttingen
1825, Kaufmann, Äritifc^e Unterfud)ungen ber Ouetten jur QJcfc^ic^te Ulfilaö (= 3b?l XXVII
[^l^ XVJ), 222 ff., ©ülbenpcnning unb Sflanb, 2)cr ^aifcr Xj^eobopuS ber ®ro6e 21 ff., 25
3. SRüfenfteiit, ^ritifcbc Unterfuc^ungen über baS SSer^ältnife jtoifc^en Olgmpiobor, 3ofimu§
unb @oäomcnu§ = &böJ I, 165 ff., % ©otiffol, Sozom^ne et Sabinos = 93^^. 8eitfd^r.
VII, 265 ff. bcrf, Le Synodikon de 8. Athanase = 50^ j. 3eitf(^r. X, 128 ff. — 3ur (£r=:
flärung unb Äritif wie bei ©ofrateS.
3)er 9Jame be^ ©ojomeno« ift nic^t fieser überliefert : 5pf|otiu«, Bibl. 30 f^rid^t Don so
ber Äirc^engefd^icl^te ZaXafidvov 'Egueiov HcoCo/xsvoVf unfere §anbfc^riften fc^reiben
'EqjusIov Zcotofjiivov 2aXaiAiviov {v^to.2!aXaßjii]vlov) Xöyog Jigdg xdv avzoxQdxoQa
Geodooiov xzL, unb entf})re(i^enb fagt 9ltce})lf>oru^ ßallifti h. e. I, 1 'Egjueiag jLihn^oi
^(oC6ßjL€vog 6 xai ZaXauiviog xrX. ; bei SEfieoboru^ Sector lefen toir 2akafjuov "^Eg-
fieiov I!(oCofi£vovt ber ^utor be^ t)on Seunclab 1596 ju granifurt l^erau^egebenen 30
ius Graeco-Romanum citiert p. 293 6 2o)Cofiev(yv 'Eg/ueiag ygdwei unb p* 295 6
^co^ofievov Uyei 'Eg/ueiag. ®ie richtige 5Ramen^form toirb bie be^^^otiu^ fein: ©ala^
mane^ i^ermeiad @o^omeno^ (t)gl. äSalefiu^ in ben annotationes ^u bem prooemium
bei §uffeV p. 1 u. 4 f.).
©. ift in einem c^riftlic^en ^Qaxi^^ geboren, ©ein Urgrofetoater toar noc^ $eibe, aber 40
fc^on fein (Srofetoater befe^rte fic^ jum Gl^riftentum pfammen mit feinem gangen §aufe
unb mit bem ©efc^Iec^t be^ 3tIaj)^ion, bie erften ßl^ften in bem bamaU nod^ gang ^eibs
nifc^en 2)orfe Sct^elia bei ®aia. 3)er ®runb ju ber Sele^rung toar eine tounberbare
Teilung: ber 9Rönc^ §tIarion b^tte au^ bcm 2lIa}}^ion einen 35ämon, ber leinem anbem
meieren tooHte , aufgetrieben. S)ie ©rftbetel^rten tuufeten in ber fii anfd^liefeenben 46
jungen G^riftengemeinbe Don Setl^elia fid^ eine angefefiene Stellung gu fc^affen ; Sßaj)l^ion
baute aU erfter JJirc^en unb Älöfter, be« ©. ©rofetjater toar al« ©jeget l^oc^gefc^ä^t ;
toar er bod^, toie fein (Snfel fagt, xard X6yov fieiglwg rjyiuivog (bg xal ägi^/xmixtjg
fxfj elvai äjuoigog. Unter ^xd'xan tvax er gegtoungen, um feine« Olauben« toiuen gu
fliefien(h. e. V, 15). — 3)er junge©, fc^eint in ben Äreifen be« SlIaj)l^ion ergogen toorben w
gu fein. SQJcnigften« l)at er in feiner 3"9^"^ "^i* 5?a(^fommen be« äIaj)^ion berfel^rt
(V, 15, 17) unb tpeife fic^ 3Könd^«freifen ju befonberem S)anl berjjflid^tet (1, 1, 19). Über
®aga unb Umgegcnb ift er gut untemd^tet: ba«J nörbUd^ bon ®aga gelegene S)orf
%^ahata (Dar. %f)anaii:}a) fennt er toie e« fd^eint au« ä[uto})fie (III, 14, 21), ben
Sifd^of 3c"o ^on ^aiuma, ber §afenftabt toon ®aga, ^at er gefe^en (VII, 28, 6), einen b5
5Pre«b)9ter in 3:arfu« in Äilifien ^at er gefj)rod^en (VII, 19, 11), auc^ in ^^^J'^m
(II, 26, 3 unb $uffev g. b. ©t.) fc^eint er getoefen gu fein ; ©})uren bon münblic^er
SCrabition üon ®aga (V, 9. 10) unb ^aläftina (V, 21, 11; 22, 14, bgl. VI, 38, 4)
jeigen ftc^ in feinem SBerl beutlid^; ber f^rifd^en Bpxad)t fc^eint er mächtig getpefen gu
fein (V, 15, 14, t>gl. III, 16). ©})äter Ijiat er ftubiert unb benöeruf eine« ©ac^toalter«, eo
542 SojomniQd
scholasticus, ergriffen. 3"^ 3^* f^"^ litterarifd^en auftretend tDtrfte er in Äonftan-
tinopd (II, 3, 10).
©. fyit jtoei Itrc^engefc^tc^tliie SBerfe gefc^eben; bo^ erfle (t>gl. h. e. 1, 1, 12) um?
fagte in )h)ei S3üc^em bie ©efc^icpte ber jtin^e t)on ber Himmelfahrt S^riftt bid ^u Sici-
5 niud; ed fc^eint au^er Sufeb bie clementinifc^en ^omilien, Qwfip'p unb @e:rttid ^uliu^
äfricanu« benu^t gu ^en unb ift, fotoeit toir j^. 3- urteilen tonnen, fjjurlo« gu ©runbe
^ai )h)eite, bem jtaifer X^eoboftu^ b. 3- getDibmete unb bie t^olge^eit bel^Kntbelnbe,
größere SBerf ift griec^ifc^ gum erftenmal \)on 9t. Bttp^ann^ gu $an6 1544 j^eraue^
10 gegeben h^orben; Qttpf^anu^ benu^te ju biefer Su^obe einjig ben cod. Regius 1444;
geittoeilig forrigierte er i^n nac^ ®utbünf en (ügl. 5loIte 419 ff.). Variae lectiones Christo-
phorsoni, Curterii et Scaligeri (au i^nen ift ba^ im ärt. ©ofrate^ ®efagte gu öeraleicbcn)
notierten bann im Sln^ng ober am 9tanb bie lateinifc^e unb grie^^ifc^Jateinifc^e ©enf er Stu^
gäbe. 9luf ftc^erere (Srunblage ftedte bie Xe^geftaltung aber erft 9$aleftud; er }og nebenbei
15 ^anbfd^rift be^ Ste))^anud noc^ einen Don i^m l^od^ gefc^ä^ten cod. Fucetianus (je^t
Paris. 1445) l^eran; er toar nic^t alt, mufete aber, toie aDein fc^on ba« f^^Ien einer
Äaj)iteleinteilung betoie^, au^ alter unb guter SSorlage ftammen. 2)aneben tourben lec-
tiones Savüii unb bor allem bie inbirefte Überlieferung be^ I^eoboru« Sector unb
6affiobors@)}i))l^aniud an^Atut^, Sleabing brudte bann bed Sialeftu^ Slu^abe ab, bon
20 3Rericu^ Safaubonu^ l^erftammenbe JloQationen eine^ cod. Castellani episc. unb eine^
cod. domini Jones ganj toie in feiner ©olrate^udgabe nac^tragenb; ber codex be^
3ione^ fc^eint mit bem codex, aug bem bie lectiones Scaligeri geflojfen finb, ibentifA
ober ioenigften^ näc^ft bertoanbt gu fein (pQl bie praefatio gu $uffe^« ©ojomeno^ VIII).
§uf[e^^ Slu^abe ift })oft^um unb jum größten leil toon SC^^^^n«^) S(arroh)) bun^ bie
26 treffe gefü^ ioorben ; Don S3anoh) ftammt aud^ bie praefatio. SBic^tig ift bie äu^
gäbe befonber^ baburc^, bafe in i^r jum erftenmal ber 9trc^et^j)u3 Don be« Ste^j^nu^
Regius, ber cod. Barocc. 142 loDationiert ift (pal bie praef. )u ©uffey^ ©ojomeno^
IX). 3tu§fü^rli(^er unb g. 2^. SBarroto lorrigierenb ^at bann 6. be Soor biefc §anbfc^rift
befd^rieben. @r betont mit Siecht, bafe bie J^anbfc^rift bon üerfAiebenen §änben gu t^t-
80 fd^iebenen ^c'xUn aefc^ricben toorben ift, unb ba^er „unmöglich bei ber 2:e5tedrejenfujn
ate eine einheitliche, in aßen 2:cilen gleicbioertige §anbf(^rift betrad^tet toerben" fann
(be Soor 482). Iro^bem toirb t)on bem bi^l^er betannten SKaterial neben il^ ^öd^ftene
noc^ ber cod. Fucetianus ernftlicl[> in Setrac^t lommen : 9Jolte 425 urteilt, ba^ er fajt
ade befferen Se^arten betS Bodleianus, be^ cod. Castellani unb be^ cod. Jones entl^It.
Böfieiber ift i^alefxu« ÄoUation nid^t gutoerläffig (5lolte 424 unb 426 ff., too gelegentlich
9?ac^träge). 3)a6 fid^ auc^ burc^ eine emftli^e Sluöbeute be^ 3:i^eoboru^ Sector unb be^
Gaffiobor über^uffeb ^eraußtommen läfet, l^at 3lolU 426 ff. gezeigt. 429 ff. finbet man %cb-
träge ju §uffe^g Äotlationcn unb 2Serfuc|e, feinen 3:ejt gu beffem. Sitten jufammen betoeift
bie toöllige Unbraud^barfeit ber englifc^en 2lu^gabe. 3!)ie berliner 2lu^abe befinbet fwi
40 in Vorbereitung.
I)ie Äirc^engefd^ic^te be^ ©. ift un^, toie befonber^ ©arragin 166 ff. gezeigt bat,
nur t)erftümmclt erhalten; ber ©d^lufe fe^lt: IX, 16, 4 tünbigt an, bafe öon ber äuf-
finbung ber Slcliquien be^ ^rojj^eten 3^^^^^^^ wnb be^ 35iafonen Step^anu^ berichtet
merben foH, cap. 17 beginnt äg^o/iai dk rov noocprjxov unb erjä^It, toie ber 2eib be^
45 3ac^öria^ gefunben tourbe ; bann brid^t ber 3^ejt" ah, o^ne bafe ©tejj^anu^ auc^ nur er-
toä^nt toirb. 2öic biel bon ber 2)arftellung be^ ©. fe^lt, Iä|t fid^ a\x^ bem SSortoort
in ber Äirc^engefc^ic^te ungefähr ermeffen ; nac^ i^m beftanb ba^ ganje 23Jerf au^ neun
Suchern unb reichte bi^ gum 17. 5!onfulat S^eobofiusJ b. 3iv ^- ^' ^^^ l^^ 3«^^« 439 n.(SBr.
Der \xn^ erj^altene Xejt ge^t bi^ ettoa 425 (ügl.^ee}) 140) ; eö mag ein ^albe^ 35uc^ toerloren
60 gegangen fein. (Sülbenjjenning, 2:^eoboret 13 ff. ^at atlerbing^ bie 3:^ef e berfocj[^ten, ©. ^bc
ben ©c^Iufe feinet SlSerfeg felbft nod^ unterbrüdft; ba^ fei nötig getoorben, ba in i^m bie um
i^reö üerincintlid[;en (S^ebrud^e^ toillen fjjätcr in Ungnabe gefallene Äaiferin ©ubofia genannt
tüorbenfci; „unmöglich burftc ein Äir4>enl;iftorifer, toel^er feinSKerl bem 2^^eobO'
fiu^toibmcte, burc^ DJennung bee 3Jaincn^ gubocia bie SBunbe berühren, toelc^e il^m bun^
66 feine eigene (Siferfucf)t fo tief gef erlagen toar." 3)ie Stnnal^me ift, Don allem anbem abgefe^en,
fc^on baruni me^r n)ie untoa^rfc^einlid^, toeil, toorauf fd^on ©arrajin aufmcrffam gemacht
\:}ai, noc^ 9Jicc}3^oru^ bcnSd^lufe beöSBerfe^ beö ©. gelcfen ^at; nac^bem er XIV, 8 im
Slnfc^lu^ an ©. über bie 3luffinbung ber Seiche be^ 3^^^^'^^ ge^anbelt l^at, er^ä^It er
XIV, 9 toon ber ber 2eicf)e bcö ©tejjl^anug. 3tud^ bie oon I^eojj^anee benu^ten ex-
60 cerpta Barocciana loiffen öon ©tei)(^anu^ ju berichten (©arrajin 166 f.); ba pe d^^
@ojomen0d 543
21^eoboru^ ficctor fd^öjjfcn, f o mu^ auc^ er in bcn und Verlorenen Suchern ben verlorenen
©d^Iu6 bed 6. 0e!annt unb benu^t ^ben (togl. be Soor 487 f., Il^eo^^aned I, p. VIII,
^iftortfd^e Unterfuc^ungen 21. ©c^äfer geioibmet 282). 3)a6 il^n aud^ ®regor b. ®r. getannt
i}at, läfet fid^ nid^t red^t beioeifen; jtoar [te^t bad £ob beg 3:^eobor Von aRoj)fueftia, bag
er nac^ ep. VII, 34 bei ©. gelefen ^aben toitt, in unferm ©. nid^t; aber ed ift fe^r 6
leicht mögltd^, bafe Oregor ©. mit I^eoboret (V, 40) toerioec^felt ^at (Vgl. SSalefiuö ju
ben testimonia veterum in §uffe^d ©ofrated I, p. XIX).
Sind bem (Sefagten folgt, ba^ bie Äirc^engcf^id^te bed ©. nic^t Vor 439 unb nic^t
nad) 450, bem 2^obedja^r bed I^eoboftud, gefd^rieben fein fann. ©ie genauer ju batieren
l^ot befonberd ®ülbenj)enning, 3:^eoboret 12 verfuc^t. 6r glaubt ben terminus post lo
quem auf 443, ben terminus ante quem auf 447 feftfejen unb ald ioal^rfc^einlic^e
Slbfaffungdjeit bad ^aljx 443/444 beftimmen ju fönnen. Slber nur ber Setoeid für bie
Slbfaffung nad^ 443 ift Voll gelungen (bad prooemium bed ©. ertoä^nt ben mit $ilfe
ber Novell. Theod. XXIII ^bm auf 443 )\u batierenben 3^0 ^^ 2:^eobofiud nad^
Äleinaften), bie 2lbfaffung Vor 447 bleibt unfic^er. hingegen läfet fid^ fd^on \)'m mit lö
größerer Seftimmt^eit fagen, bafe ©. nac^ ©ofrated gefd^rieben ^at. Setoeifenb ift allein
fd^on folgenbed: ©ofr. 1, 38, 9 loeife ^n er^ö^len, ba| ber äcpedgcov auf bem älriuö ge=
ftorben ift, in Äonftantinojjel gezeigt toerbe, ein bauernbed ©rinnerungd^eid^en an bie
lobedart bed 3lriud ; ©oj. II, 30, 6. 7 berid^tet, bafe, nac^bem lange niemanb ben Drt
^u betreten getoagt, fd^liefeüc^ ein ärianer bad ©runbftüdf getauft unb ein §aud barauf 2t)
gebaut . ^abe. 3)a beibe 2lutoren in Äonftantinot)el fc^reiben, tvirb man leinen eined ^xx^
tumd geilten mögen. SJlan ioirb Vielmel^r annehmen muffen, bafe bad Orunbftüdf nac^«
bem ©otratcd unb bevor ©. gefc^rieben fiat, Verlauft unb bebaut toorben ift.
2)a6 beibe Sc^riftfteHer litterarifd^ na^e verlüanbt fmb, jeigt fi^ auf ©d^ritt unb Iritt,
bag ©. ben ©o!rated benu^t ^at, i)at fd^on SSaleftud bel^au^tet, ^uffe^ in feinen annotationes 25
gu ©. unb ®ülbenj)enning in bem von ifim unb Sflanb ^erau^aegebenen Suc^ über 2^^eos
bofiud b. ®r. betoiefen. ^olg^aufend ^f)^^, ba^ bie SSertoanbtfc^aft nur in ber gemeinfamen
Senu^ung berfelben Duetten i^ren ®runb ^abe, tann, obtoo^l 9lolte I^D© 1859, 522
unb Äauffmann 223 i^r jugeftimmt l^aben, aU enbgiltig toiberlegt gelten. 3)enn bie bei
®ülben)3enning 26 ff. in tabettarifc^er ^orm gegebene Überfielt über ben 3"^^ von ©ofr. ao
V, 1—26 unb ©oj. VII, 1—29 jeigt, bafe beibe ©c^riftfteDer nic^t nur benfelben ©toff
Verarbeiten, fonbem auc^ „ber ®ang ber 2)arftettung bei beiben ein tounberbar glei^er
ift". ©ogar einßjIuriJ über liturgifd^e 2)ifferenjen jtvifc^en ben Verfd^iebenen ^roVinj^tal*
firc^en finbet fic^ bei beiben an genau entf))rec^enber ©teile (©o!r. V, 21. 22 = ©og.
VII, 18. 19). einjelncd fommt ^ingu. ©0 er^äl^lt 5. S. ©ofr. 1, 10 eine i^m auf bem 35
äl^ege münblid^er 3)rabition überfommene 2lnefbote; er bemerft audbrüdflic^, bafe toeber
©ufeb nod^ fonft jemanb fie fennt; bei ©oj. I, 22 finben tvir biefelbe 2lnetbote; ber
toörtlic^e Slnflang an ©ofr. betoeift, ba^ S. feinerfeit^S nic^t auc^ aud münbli(^er ^^ra^
bition, fonbem eben a\x^ ©ofrate^ fc^ö^ft (®ülbenj)enning a. a. D. 24, 3;eev 139). Ober:
®o!r. 1, 14, 1 ff. bringt ben befannten 93rief be« Sufebiu^ unbll^eognid an bie nicänifd^en 40
Sifc^öfe unb fagt § 7, bie Vorliegenbc Urfunbe beloeife, bafe Slriug Vor @ufeb unb
SE^eogni« ^urüdtberufen ioorben fei, ber gortgang ber ®efc^ic^tc betoeife aber, ba^ 2lriu«
bie ©tabt aiejanbrien nic^t l^abc betreten bürfen: rfjg ^AXe^avögelag biißaiveiv xexcO'
Xvxo. 2öaö©ofrate« au^Urfunben betoeift, bietet ©05. II, 16 (unb jtoar mit toörtlic^em
Slnflang an ben Ü^i be« ©ofrate«) einfad^ al« SE^atfad^e : "'ÄQeiog fih hü xnv iSo- 4&
Qiav djiayöjuevog dvExXrj&rj' "'AXe^avögeiag de hi imßaiveiv xexdyXvTO. ^ie Se«
nu^ung bcö ©ofrate« burc^ S. liegt toieber auf ber §anb.
kältere gorfc^er unb auc^ nodb 31. ^arnadf in ber 2. 2lufl. biefer ©ncvfloväbie (anberS,
ioie e« fd^eint, 2:^23 1884, 632) ^'aben auf ®runb biefe« ©ac^ver^alte« bie SRicbtigfeit ber von
©. in ber SSonebe ju feinem SKerf gemad^ten Slngaben bejtoeifelt; benn bort fü^rt ©. axx^, bafe w
er für feine ®efc^id^t«barftettung ©^nobalfc^reiben, faifcrlic^e Sriefe, ®efe|e unb anbere Ur«
funben eingefe^en \:)obz. — ©ine genauere S3etrad^tung ber Äirc^engefc^ic^te be« ©. betoeift, bafe
bie angaben i^re« 9[5erfaffer« ganj unb gar ju ^zi^i befte^en. 3)a^ man ba« nic^t fo*
fort gefeiten l;at, liegt ^auptfäd^Iicb baran, bafe e« bem Stilgefühl be« ©. toiberftrebt, ben
3ufammen^ang feiner i)arftettung irgenbtoie ju burc^brec^en, unb er bal^er, toie er I, 1, 65
14 au«brüd(icb fagt, auf 9Ritteilung ber i^m Vorliegenben Urfunben im attgemeinen
Verjic^tet. Jl>o er bicfem ®runbfat^ untreu mirb, ^at er getoöbnlid^ feinen guten ®runb:
er brandet bie Urfunbe xu einer Setoeisfü^rung toie 5. S. ben IV, 18 au«gefd^riebenen
S3rief ber ©^nobe Von Slriminum (vgl. IV, 19, 4 unb §uffe^ 5. b. ©t.), ober er bringt
fxe, toeil Sofrate« fie übergangen l^at unb er feinen äJorgänger erflöngcn toill ; fo g. S. go
544 ®o)omeuod
Don J)oUtijc^en Urhinbcn IV, 14 einen Srief be^ Üonftantin an bte Oemeinbc bon 3lm
ttoc^ien unb V, 16, 5 ff. einen Srief be^ ^nlxan an ben galatifc^en 93tfc^of Slrfalio^, t)on
lird^Iic^en Utfunben III, 22 einen 33rief ber ^^^f«'^*"^ ©Vnobe über ätl^anafni^,
III, 23 einen S3rief be^ Urfatio^ unb SSalenö an 3"'^"^^ m^ 24 einen 35rief berfelben
5 Sifc^öfe an ät^anafiug, IV, 13 einen Srief beg ©eorgiog üon Saobicea, VI, 23 einen
Srief ber römifc^en ©tjjnobe Don 369. 3)afe ©. auc^ ©efeje eingefe^en fyxi, jeigt fic^ bcö
öfteren ; Seifpiele für bie 3cit be^ I^eobofiug bringt Slaufc^en, gal^rbüc^er ber c^riftl. Äin^c
unter bemÄaifer 2^^eobofiu^ b. Orofeen, 4: nac^ il^m erhjci^nt ©03.VII, 5 (bgl. ©olr. V, 7)
„ein ®efe|, beffen gnl^alt er ju ®nbe be^ Vorigen Äa})itel« mitgeteilt l^at (Cod. Theod. XVI
10 1, 2), bon bem aber bei ©o!rate^ ntc^tg ju finben ift", teilt er VII, 9 (bgL©oIr. V,8)
„ba« ®efe^ Cod. Theodos. XVI 1, 3 richtig mit unb fättt nic^t in ben gel^lcr bcg©o=
frate^, ber in bem ®efe$e bie ©infe^ung öon »Patriarchen über bie fünf 2)iöcefen bc^
Dftreic^e^ finbet." gerner fügt er VII, 12 „ben äiu^^ug eine^ ®efe|e^ bei, todd)^ ©0=
Irate^ ni(^t ertoä^nt", benu^t VII, 15 baö ®efe^ Cod. Theodos. XVI 10, 11 unb er^
latoeitert VII 16 benSeric^t beö ©ofr. V, 19 u. a. „burc^ 3Kittl^eiIung be« ©efefte« Cod.
Theod. XVI 2,27 über bie ^ialoniffen." ä^nlic^ ift e« au^er^alb ber Slegierung^eit
beg SC^eoboftu«. ©0 j. 93. gleich I, 5, 2. 3 ober I, 8, 14, h)o ®efe|e al« 3eugcn
angeführt toerben.
3)ag t)on ifim bertpertete lird^lic^e 2lftenmaterial toirb ©. gum großen 2^cil ben
20©ammlungen entnommen l^aben, bie er I, 1, 15 (too^l im2lnf(^lu^ an ©ofr. II, 15, 8. 9
unb II, 17, 10) c^arafterifiert. Die größte unter i^nen toirb bie beö ©abino^ getoefen
fein. ©. ^at fie, ioie % »atiffol in ber 93^^. 3eitfc^rift VII, 265 ff. gezeigt ^at, bt-
ftänbig gur $anb gehabt unb grünblid^ benujt. 3)ie erften ©^uren fc^einen fic^ bei 9cs
ginn ber SJarfteßung be^ arianifd^en ©treite^ ju jeigen (Satiffol 269 ff.), bie legten bei
26 bem S3erid^t über bie 367 ju Slntiod^ien in Äarien tagenbe mafebonianifc^e ©^nobe
(Satiffol 283). 3)ajh)ifc^en giebt e« !aum ein „arianifc^e^" ÄonjU, ju bem ©. nic^t ©abino^
eingefel^en ^ätte; er fennt unb benu^t Urfunben gu ben ^^noben bon 3^^^« (335),
^erufalem (335), Äonftantino})el (336), Slntioc^ien (341), ^l^ilij)})0}3oa« (343), änttocbicn
(356), Sirmium (358), Slntioc^ien (358), änc^ra (358), Slimini^Seleucia (359), äoru
30 ftantino^el (360), Slntiod^ien (363), Samjjfatu« (364), SC^ana (366), aintio(^ien in Äaricn
(367). 3""^ 93eh)eife nur toenige au« 93atiffote 2)arfteIIung entnommene 35eif^iele: II,
25, 11 bertoeift auf bie 2lf ten ber ©^>nobe bonl^ruiJ unb be^aujjtet, bie Slrianer Ratten
für ftd^ Ungünftige« nic^t in fxe aufgenommen : ovx ifjupigerai röig Jiengay/uevoig ^et^t
e« bon ber t^öri^ten, toirflid^ ober angeblid^ gegen Slt^anafiu« erfiobenen Slnflage. — II,
35 27, 14 berid^tet über bie ©i^nobe bon ^^wf^I^^"^ wnb bemerft xal Sie rovro ijzolTjaav,
avTCp re x(p ßaoiXsT eygayfav, xal xfj IxxXrjoiq ^AXe^avdgelag xal TÖig ävä xijv
AXyvTttov xai &rjßaida xal Aißvrjv htioxdnoig xal xXrjgixoig. ©otrate« ertoöbnt
I, 33 bie 33riefe an ben Äaifer unb bie Stleianbriner auc^, ben an bie Sifc^öfe SgVijtcn^,
ber I^ebai« unb Sib^en« fennt er nic^t; S. ^at i^n nachgetragen. — 11,33, 1 bericbtet,
40 bie ©^nobe bon Äonftantinojjel l^abe an bie ßJemeinben ®alatien« gefc^rieben, fie foDten
dvaCtjT'^oai xrjv MagxeXXov ßlßXov xal i^aq^avioai xal xovg xd avxä (pgovoima;
eixivag evgoiev fiexaßdXkeiv. ©ofrateö (I, 36) toeife nic^tö bon biefem ©(^reiben. -
IV, 22 erjäl^It über bie ©t^nobe bon Seleucia mit me^r 2)etaite toie ©ofrate« unb refe-
riert befonber« § 22 über eine Siebe be« gleufiu« bon ß^^icug, bie ©ofr. II, 40, 35 ni(f»t
40 ertoä^nt. SBo^er ©. feine Äenntniffe ifoX, leigt § 28 : 6 de (pdcbv (3SaIefiu« bennutet
h)of)l richtig co öe (plkov) dxgißcog xd xau^ exaoxov sldevai, ix xcbv inl xovioi;
Tigax&evxcov vjiofivrjfxdxcüv eloexai, ä xaxvygdcpoi nagovxeg dviygaxpav,
hieben ©abino« benu^t©., toie toieberum 35atiff ol (S^^^. 3tfc^r. X, 130) beriefen bat,
bie 2)arfteIIung unb Urfunbenfammlung ber historia Athanasii : IV, 9 unb IV, 10 geben
50 \' 2^. öwf bie §§ 3 ff. ber historia ^urüct. 2)a ein SUergleic^ be« ©. mit ber historia
für bie Strt feiner Cueßcnbenu^ung le^rreid^ ift, fe^c id^ ben Stnfang ber ))araffelcn 2cftc
nebeneinanbcr ; ber SSergleic^ jeigt, toie ©. faft ade ®aten unb Flamen ^erau^ftreicbt;
baöfelbe Äunftgcfc^, baö i[;m berbot, Urfunben in extenso mitzuteilen, berbietet ii^m au(fi
biefe^ urfunblic^e SRaterial ^u überncE^men.
&6 Post hoc tempus Athanasius audiens ^Ädavdotog dk nei&dßevog tußov
adversum se turbam futuram, impera- keveo^ai h xdig ßaodeioig avxbg /^'
tore Constante in Mediolano consti- ngög ßaoiUa ll&eiv ovxe h^dggr^oev orrf
tuto, direxit ad comitatum navigium Ivotxekelv iöoxljuaoev . 'EjideSajuevog ^
cum episcopis quinque, Serapionem xcov h Äiyvmco huoxdTKov tibvxe^ o)v
CO Tuitanum, Triadelphum Niciotanum, r}v Hega7iiü)v 6 Ojxovalog, drijQ k ^^
Sojomcilod 545
Apollonem Cynopolitanum superioris judXiora xov ßlov ^eojiioiog xal Xeyetv
Ammonium Pachemonensem et pres- deivög, neunei (bg ßaodia, ngdg diotv
byteros Alexandriae tres Petrum me- töte Tfjg aQxofiivrjg didyovra. 2vujiifi'
dicum, Astericum et Phileam. Post nei de avxdig xal Tfjg vii avxbv exx^.1]-
nicorum navigationem de Alexandria oiag TiQeoßmigovg rgelg xataXXd^ovrag 6
consolato Gonstanti VI Aug. et Con- avrcß tdv XQarovvtaf xal f)v öeoi, Jigög
staute Caesare II, Pachom XXIV die: tag diaßoXdg xwv kvavxloiv äjiokoytjoo-
mox post IV dies Montanus Palatinus /Lisvovg, xal xä äXXa ngd^ovrag 8nr} äv
ingresestAlexandriam Pachom XXVIII, r/; ixxXi^aiq xal aincp ägioxa yivcoaxco-
eiusdem Augusti littera Gonstantis oiv. ^ÄJionXevodvTCDv de avrcbv fiei ov lo
dedit episcopo Athanasio, per quas vi- noXv ygd/bifiaTa xov ßaodicog iöi^aro
cabat eos occurre ad commitatum, ex xaXovyia avrov etg td ßaoiXeia (l^ier
qua re nimis vastatus est episcopus, fc^eint @o). vocabat gelefen ;|u l^aben).
et omnis populos fatigatus est valde: ^Em de rovtco avzdg 'Ai^avdoiog xal 6
ita Montanus nihil agens profectus kadg rfjg ixxXrjalag hagdx&rjoav xal 16
est, relinquens episcopum Alexandriae. ivaycovcoi fioav ovte nel^eo^ai rcß ßa-
{^lacf) einer ^^otogra^^ie, bie \d) ber odel hegood^cp övxi doqxxlkg voulCov-
®üte t)on §. £ie|mann toerbanfc. (Sine IxU xeg^ athe äjieii9eTv dxlvovvov . 'ExQdtei
tifc^e ausgäbe Bereitet 6. ©(^toar^ toor. Si Sjuwg ßieveiv xal 6 rd yQdjujuara
xopuaag onqaKxog dviotgeq^e. 20
3l^hm ber historia Athanasii benu^t @. auc^ bie ^erfe bed Slt^anaftud; fo er-
gänjt er II, 22 ben Seric^t be« ©olrate« (I, 27) au« ber Apologia c. Ar. 59 ff. (ügl.
3jeej) 144) ober f(^reibt II, 30 Äthan, ad. episc. Aegypt. 18 f. au^ (^jecj) 145). —
$on 2)arftettungen ber ©efd^ic^te ber (^rtftK(^en Äirc^e fat er neben 6ofrate« fi(^er noc^
^u)zb unb SRufin eingefe^en. 3)ag ^aben fc^on SSaleftu« unb §ujfe^ in ben Slnmerlungen 25
^uSo^omenod erlannt; ^ctp 141 ff. i)ai e« im 3ufan^nien^ang bargelegt. 38on6ufeb lommt,
h)ie e« fc^eint, nur bie Vita Constantini in S3etra(^t. 9lac^ i^r h)irb j. S3. 1, 3 unb
^toar unter au^brücflic^er Berufung auf ßufebiu« bie SSifion be« Äonftantin gefc^ilbert,
unb 11,2 berSerid^t be^Sofrate« (I, 17) über ipelena« grömmigleit unb SBallfa^rt nac^
3crufalem ergänjt (ögl. Soj. II, 2, 3 mit ßuf. III, 44 unb Sofr. 1, 17, 13). — Öfter ao
h)irb SRufin benu^t, fo j. S3. 1, 18, too bie bon ©ofrate« übergangene ©efc^ic^te ber Se^
fe^rung eine« arianifd^en ^^iIofoj)^en nac^ Stufin X, 3 nachgetragen toirb. S^lereffant
ift ber aUcrgleid^ bonSoj. II, 17, 6 ff. «nt ©ofr. I, 15 unb Slufin X, 14; alle brei erjä^Ien
biefelbe 3tneIbotc au« ber Äinb^eit bc« SltJ^anaftu« ; Slufin ift Original, ©olrate« fqreibt,
tüie er au«brücflic^ fagt, SKufin au«, S. lennt ©ohate«, aber er f)at fid^ nid^t mit feinem 36
33erid^t begnügt, fonbem fi^ burd^ il^n auf Slufin fül^ren laffen unb biefen nac^gelefen;
in ber Rorm ber 3)arfteUung fte^t er bem Stufin nä^er toie bem ©olrate«. Ob ©. ba«
lateinifcpe Original be« Slufin ober toie ©ofratc« bie griec^ifc^e Überfe|ung benu^t f}at,
ift meine« SÖiffen« noc^ nic^t unterfuc^t toorben. ^m übrigen bergleid^e man neben 3eej) aud^
bie annotationes ju ©oj.II,7,2; 11,7,8; 11,25,9; 111,2,10; V,20,3; VI,18,5; VI,40
20, 5; VII, 13, 5; VII, 15, 7; VII, 15, 10; VII, 22, 5 unb anö) too^l fonft. — SJafe
S. neben ben ort^obojen 2^arftellungen be« 6ufeb unb Slufin bie ^eterobojre be« ^^ilo-
florgio« eingefe^en ^abc, ^at gee}) 147 f. ^u betoeifen berfuc^t. ^eejp lann Stecht ^aben,
boc^ tpürbe man in ber ^ad)^ gern noc^ flarer fefien. — 35afe II, 17, V, 18 unb biel-
leicht auc^ VI, 22 bie a})ollinariftifc^e Äirc^engefc^id^te be« SCimotl^eu« bon Ser^tu« benu^t 46
toirb, bermutet $. Sie^mann, 9lJ)oßinari« bon 2aobicea 43 f.
SBon ^rofan^iftortfem ^at ©. bor allem unb bielleic^t einjig ben Ol^mjjiobor be«
nu^t. 2)en 93etoei« bafür ^at 3. Slofenftein erbracht (bgl. auc^ ^^tp 151). 3)urc^fc^J[agcnb
ift bie g. X. tt)i>rtlid^e Übereinftimmung, bie fic^ jtoifc^en bem Ol^mj)ioborfragment*Corp.
scriptt. hist. Byzant. I, 451 unb ©0^. IX, 11 finbet (bal. Stofenftein 171 ff.). Diefio
53enu|ung gc^t fe^r toeit ; bcnn ein 3[}erglcic^ mit bem gleic^faD« Ol^mj)iobor benu^enben
^>^ofimu« fc^eint ^u jeigen, bafe ba« game neunte 53u(^ be«©., fotoeit e« nic^t Sleflejionen
be« Sc^riftfteller« enthält ober bon ©oifrate« abfiängig ift, „ein gebrängter 9lu«jug au«
Dl^mjjiobor" ift (Stofenftein 201, Dgl. 178). — giften ^at ©. nid^t eingefe^en, ja er
übergebt fogar ba« bon So!rate« aix^ i^nen Iierau«ge5ogene SJlaterial faft bur(^gängig. 66
SBieber toirb e« ba« ©treben nad^ einer eleganten 3)arftellung fein, bafe i^n biefe chrono-
logifd^en Sbtijen aufzunehmen l^inbcrte.
©elegcntlic^ bcnu|t fd^eint neben münblid^er Irabition befonber« folc^er ^alä=
ftina« unb Äonftantino})cl« (bgl. j. ». II, 1, 12; II, 3, 10; IV, 16, 11. 13; VI,2, 8. 10.
14 ; VII, 15, 9 ; VII, 17, 8 ; VII, 19, 11 ; VII, 26, 5 ; VIII, 5, 6) be« at^nafiu« Vita eö
MiaUdncDnop&ble für t%tolo%\t unb ffMc. 3. «. XYlil. "^r^
546 @0)0ttteii0d
Antonii (I, 13 unb Slcabing j. b. ©t.), fitften l)erftf(^er SKärt^rer (II, 14, 5 unb $ujfcb
j. b. et.; Dgl. auc^ I, 1, 18), Xöyoi be« guftat^iu^J Don Stnriod^icn (II, 19, 7), Euseb.
c. Marc. (II, 33, 2 unb Saleriu« 5. b. St.), bcr S3ricf bc« 6t^a üon Serujolem an
ßonftantiug über bic hjunberborc Äreu^crfd^einung (IV, 5, 4), Sricfe Sw^an« (V, 3, 4)
5 Johannes Chrysostomos de S. Babyl. contra Julian, et Gentil. t. II p. 564
bejh). bcffcn Duette (V, 8, 3 unb ^uffe^ 5. b. ©t.), Otegor bon Slajianj (VI, 27, 2; V,
2, 3; V, 17, 10; VI, 16, 7 unb bte annotationes ^u benStctten), Sibaniu« (VI, 1, 15).
3)a^ bie griec^tfcl^e Überfe^ung ber Vita Hilarionis befannt fei, fud^te, ban ben 3Jen:
J^rome et la vie du moine Malchus le captif 108 ff. ju geigen. Über ba« 2?er=
to l^ältni^ be^ Sojomeno^ ju ber historia Lausiaca unb ber historia monachorum
l^anbelten u. a. Suciu«, 3Ä® VII, 177 ff., ^reufc^en, ^Pattabiu^ unb Slufinu« 180 jf.
226 ff., SButler, Texts and Studies VI, 51 ff., 6. S^mtbt, ®g9l 1899, 7 ff. ßin
toottftänbiger überblicf über bte Duetten be« ©. ift ^ur 3rit ni(^t möglic^. (grft bte fcbon
lange in SSorbereitung befinblic^e unb l^offentlic^ balb erfd^einenbe Slnal^fc ®e))})crt« toirb
16 il^n bringen.
gmmerl^in genügt ba^ ©efagte, um m jetgen, in toeld^em ®eift unb mit toclc^en
aibftc^ten ©. feine Äirc^engefd^ic^te gefd^rieben ^at. @r l^at ben gaben feiner SJarftettung
au« ©ofrate« entnommen, aber er fuc^t biefen ju berbeffem unb ju überbieten, nic^t nur
burc^ ßleganj ber ^arftettung, fonbem auc^ burc^ Äeranjiel^ung 5. %. auöge^eid^netcr
20 Duetten. Sor attem l^at er ftc^ bemüht, bad il^m jur SJerfügung fte^enbc 9HterimateriaI
forgfältig ju toertoerten. ®er Slnfc^Iu^ an feine Duetten ift getoöl^nlicl^ eng, h)i)rtU(^e
3(n!länge finb nic^t feiten. 3Bo bie Duetten au^einanbergel^en, toerben ^eittDeilig bie toer-
fc^icbenen SSerftonen ncbeneinanber borgelegt, fo 5. S. II, 1, 4: lyererö ye jurjv dijko^
6 roTiog, xal iq)(og(i'&ri ^ ojtovdao&eioa jieqI avzbv TiXävt) ' <bg fih xiveg keyovoiv
25 ävögögEßgalov tcov ava tijv Ico obcovvrcov ix Jiaxgcpag ygaqnjg xaTafirjvvoayTog'
(bg dh äXrj&iazEQOv hvoeiv iari xov {^eov biidel^avtog diA arjjLutcov xal övEigd'
TCOV. (»gl. I, 3; IV, 19, 5. 9. 12; VI, 12, 12; VI, 26; VI, 37, 3. 4; VII, 5, 3. 4;
VIII, 7, 2.) 6in fc^önc« )Beif}}iel bon 3wfammenarbeitung bcrfc^iebcner Duetten bietet
SRaufd^en, ^af)xbixi)n 4: „©oj. VII, 15 über bie SßJinen inSgi9))ten bor ber 3crftörung
80 be« ©eraj)i«temj)etö benu^t offenbar ben 9luf. II, 22, baneben ben ©ofr. V, 16 unb 17,
aufeerbem bad ®efc^ Cod. Theod. XVI, 10, 11 unb beruft fic^ noc^ jtocimal auf münb-
lic^e 3)Httetlung."
2)ie ^erfönlic^fcit be« ©. tritt hinter feiner 35arftettung ganji jurüdf; bogmatific
Urteile abzugeben ift, fo lefen toir III 15, nid^t bie aufgäbe ber ®ef(^ic^te fj eoyov
36 i^ova TGL övra d(prjyeTo{}€i ^irjdkv olxeiov ijieioayovot]. SÖenn ©. tro^bem ab unb ^u
Äritif übt, fo ^)flegt er ba« Urteil feiner Duetten jiemlic^ gcbanlenlo« ui übemebmcn:
fo lobt er j. 35. V, 18 ben Slvottinari« mit feiner Duette (bgl. Sie^mann, 3lt)ottinari^ 44),
unb urteilt VIII, 14, 1 über baö »erhalten beö 2:^eo})f|ilu« gegen ^ol^anne^ßl^rvfoftomov
fo tüic ©ofr. VI, 9, 13 e« i^n gelefirt l;at. 3luc^ auf feine ^arftettung bed arianifc^en ©treitc^
40 ^at bic Haltung ber i^m bcrf ügbarcn 5. X. arianifd^en Duetten f 0 ftar! eingetoirft, bafe ipufjcto
glauben fonntc, er fei fclbft im ®runbe ©cmiarianer. (3?gl. bie annotationes ju IV, 19, 12;
IV, 22, 22; VI, 4, 5; VI, 11, 1 unb anbererfcit« Satiffol, S^i^. ^eitfc^rift VII, 269.
276 unb fonft.) ©ogar bem 9Jerbad;te bc^ 9Jobatianigmug ift ©. nic^t entgangen. 3n
2BaI;rl^eit befi^t er feinem juriftif^Kn ©tanbc cntfjjrec^cnb in tbcologifd^en gragen übcr^
46 \)a\x\>t !cin Urteil: III, 15, 10 unb VI, 27, 7 mac^t barau^ aud^ gar fein§cl^l. Xro^bcm
ift er ein frommer 3)Jann: bie gorbcrungcn bcr 3lr!anbi^5i})lin l^ält er ftrenge inne (fic
bcrbicteu i^m I, 20, 3 baö nicänifc^c ©mnbol ^n citiercn unb ^toingen i^n VIII, 5, 1
fotric VIII, 21,2 bon ber euc^ariftifc^en geier nur anbcutungehjeife ju fpred^en), bae
3)lön(f;tum fc^äbt er ^od^; in bcm jn^ölftcn Äajjitel bc^ erften 33u(^e^ fingt er fein i^ob
60 unb in feiner ^Bunbcrtoclt l)at er ^citlebcn^ geftanbcn; an 2)rad^en unb äl^nlic^e^ ju
glauben l^at i^m nie ©d^toierigfeiten gemacht, äluc^ bie ®efd^ic^te be^ SRönd^tume bat
er au^fü^rlid^ crjä^lt; jlrar gehört fie md) I, 1, 18 eigentlid^ nic^t in bie Äird^engefd^itbtc,
aber attcin fdion bie Tanfbarfcit gegen mönc^if^e ^reunbe unb (Sr^ie^er forbert, bafe aud»
über fie berid;tct U^irb.
66 2)cr i^crfuc^ bc^ ©. in feiner Äirc^engcfd^id^tc Sotttommnere^ aU ©ofrate« ju liefern
ift nur 3. %. gcglürft. 2)ic ßrgän^ungcn ^u bcr 2)arftcttung be^ ©ofratcd finb ja^lrcii
unb oft ivcrtboU, bic 53cffcrungcn feiten. ®ic grofecn !Jrrtümer be^ ©olrate^ in bcr
©diilbcrung bcr .Slirc^cngcfd;id)tc bc^ "iWiorgenlanbc^ unb befonberö ber erften .^>älfte bcv
arianifc^cn Streitet bat 6. (;;. 33. III, 6 ff.) rul;ig übernommen; über bie ®efd^id>te be^
eo Slbcnblanbe« fc^eint er beffer orientiert ^u fein: fo fe^t g. S. ©ofr. II, 37, 91 bie Ser=
Sojomeitod S^alatm 547
bannung be« 2ibertu« l^inter bic ©^nobc bon Criminum, Soj. IV, 11, 3 batiert fic
richtig hinter bie ©^nobe üon 9RatIanb; ober ©olt. VI, 1, 2 be^aujjtct im lobe^jafir
be« Äaifer« Stl^coboftu« fei 3)amafu« Sifc^of bon 9lom getocfen, ©oj. VIII, 1, 1 nennt,
unb jtpar obtool^l er an biefer ©teOe fonft offenbar ben ©ofrated augfc^rcibt, richtig ben
©iriciu^. ®afe auc^ ganj ©eringfügige« geittoeilig geänbert ift, betocift ber Serglei^ Don 5
©ofr. III, 26, 5 mit ©oj. VI, 6, 1 : nac^ ©ofrate« i)at Sobian 7 nac^ ©. ä/Lupl öxtco
Monate gefierrfc^t; le^tere^ ift rid^tig; ^o\>xan f)at 7 3Konate 20 läge auf bem 3:^ron
gefeffen.
3tn gutem Söillen f)at ^ nad^ aUebcm©. nxd^t gefel^It; aber bieÄräfte l^aben nic^t
red^t gereicht. SQJer ©. benu^en toitt, mufe feine einjelncn Slac^ric^ten au^ i^rem 3"' lo
fammen^ang l^erauölöfen, b. f). bie bon ©. benu^ten unb un^ Verlorenen Urfunben toieber
gu getoinnen t)erfu(^en. ©er^orb fioefc^tfe.
^palaiin, ®eorg, geft. 1545. — C^^r. @cö(cgel, Historia vitae Georgil Spalatini etc.,
^ena 1693; 3- SBoflnev, ®. ©palotin unh bie SRcformation ber 5?irc^en «nb ©djulcn in
9(Uenb«rg, ?lltcnb. 1830; 6. (gngel^avbt, ®. ©palotinö i?e6en in 3R. 9Reuvev§ 2thtn ber 15
'^atttöter bev hit^crifc^e« Äird&e, 3. »b, fitipjig u. 3)ic§ben 1863; 91. 6eel^eim, ©.©palatin
ald fäd|fijd)er .J)iftoriOiUftp&. 4)allc 1876; G). <Dh*iaer in 9lb^; öcrbig, QJeorg ©palatinö »er--
!)nltni^ f^u Dr. «Wartin ßut^cr bi§ i^um Sa^rc 1518, <)^ AI. ^tfc^r. 1905, ^eft 10 unb 11.
®eorg ©))alatin, eigentlich 93ur!^arbt, toar eigener 9(ngabe }ufolge geboren am
17. 3ö"war 1484 ^u ©Jjalt (bal^er ©jjalatinu«), untoeit 9lümberg, im ^euti^en Sejirf 20
3JJitteIfranIen, too fein SBater baS §anbh)erl eine^ Slotgerber^ betrieb unb ein Heiner
^an^ befaft. 3JKt 13 ^af)xm gaben i^n bie ßltem na^ 5Rümberg, too er bie ©c^ule
^u ©t. ©ebalb befuc^te. aber fc^on im ©.©. 1198 («Iten ber Unit), ©rf. II, 204:
Georius Borgardi de Spaltz), alfo erft 14 3^^^^ alt, bejog er bie Unit)erfität ©r^
fürt unb tourbe bereite im 3afire 1499 bafelbft Saccalaureu^. 3)afe er bamal^ fd^on 25
mit ben gleid^jeitig bafelbft ftubierenben §umaniften Serfe^r l^atte, jeigt, ba^ er
1501 eine Heine, bem ^etrud ßberbac^ au^ Slot^enburg getoibmete ©ammtung teil^
älterer ©ebid^te, teilg fol^er feine« ^auj)tfä(i^li(^ften Se^rer« Slifolau« SRarfc^alf l^eraud=
gab, benen er in einem 2lj)l)enbir eine ßrläuterung fc^toieriger ©teilen beifügte (bgl. ^. 3t.
(Sr^arb, Überlieferungen jur baterlänbifd^en ©efc^ic^te, 5Kagbeburg 1825, ©. 81). SKitso
"JJüolau« 3Karfd^alf, beffen Slmanuenft« er tourbe, gog er 1502 nac^ ber neugegrünbeten
Unitoerfität SMittenberg. ©ogleic^ bei ber erften SWittenberger ^romotion am 2.§ebruar
1503 erhielt er bie fflürbe eine« Wagifter«, fd^eint aber toie fein Seigrer, mit bem er in
Srieftoed^fel blieb, fe^r balb Wittenberg toieber berlaffen ju ^abcn. 3^^^"foll« ftubierte
er im 3;a^re 1505 ioicber in ©rfurt unb gtoar l^auj)tfä(^lid^ 3uri«J)rubenj, inbem er ju-sö
gleich in einer bortigen ^atrijierfamilie al« $au«le^rer fungierte, ©c^on 1502 toar er
Don feinem Se^rer an 3)lutian em})fol^len toorben, unb fo finben toir i^n benn im engften
3Serfe^r mit biefem unb mit ber ganjen ^oetenfc^ar, einem gobanu« $effu«, Grotu« 2C.,
bie in bem Äanonilu« Don ®ot^a i^r ^axxpt \ai}. aWutian, ber fic^ be« jungen SRanne«
Däterlic^ annafim (ego sum Uli |Spalatino] quasi pater), gab il^m ah SBBaj)})en ben »0
©torc^, ba« ©innbilb ber Siebe unb ^^reunbf^aft (Äraufe, (gob. ö^ff"^ ^t ^4). 35a«
lärmenbe treiben ber ©enoffen fd^eint aber bem jungen, auf ba« S3ef(^auli(^e gerichteten
©elel;rten — prlusquam ex seducto et philosopho aulicus fierem, fagt er
einmal int ^inblidt auf bie Erfurter ^zxt (Jq. gering, Epistolae Langianae, Halis
1886, $rogr. ©.2) — nic^t fonberlid^ gugefagt gu ^aben, aud^ 3Wutian erfannte, baft ba^ 10
fclbft nic^t fein ^la^ fei. 6r üerfc^affte i^m, ber gu gleid^er ^cxi einen äntrag erhalten,
©tabtfc^reiber in 3*i^icfau ju toerben (®illert, Srieftoed^fel SKutian« ©. 10 ff.), 1505 eine
©teile in bem na^e gelegenen Älofter ©eorgent^al al« Seigrer ber jüngeren SRönd^e. ^m
Sa^re 1508 tourbe er bon bemfelben SBei^bif^of, 3»^- ^otx £aa«))^e, ber Butler orbinierte,
jum ^riefter gctoci^t. 2)anial« la« er auc|», toie er in feiner ©elbftbiograj)^ie ergäfilt, so
bie Sibel jum erften 3)iak burc^, bie er ft^ in ©rfurt für einen CO ©olbgulben gefauft
^atte (empta aureo). 9lur toiberftrcbenb, im ©efü^le, ber Slufgabe nid^t getoac^fen gu
fein, f}atU er bie ©teile in ©eorgent^al angenommen, unb ba« ©efürc^tete trat ein: man
fc^rie im Älofter über ben „^oeten", inbejfen, geftüjt auf ipeinrid^ Urbanu«, einen 3"-
faffen be« Älofter«, ber glei^fall« ju bem (Srfurter Greife gehörte, balb auc^ bom 2lbte 65
gern gefe^en, ^ielt er axi^. (Sine Hoffnung, an eine 9Jürnberger ©d;ule berufen gu toerben,
bie er in einem ©riefe axx 'j|iir!^eimer au«fj)rid^t (26. ©ej)t. 1508 bei §eumann, Doc.
litt. 234), ^erfc^lug fid^. Salb barauf, nac^bem bie SSerl^anblungen fc^on 1508 begonnen
^tten, im ^a^re 1509, führte i^n eine @m))fe^lung 9)lutian« an ben lurfürftlic^en iQof,
548 @)ialatitt
h)o er btc cfirenboHc Aufgabe crl^iclt, bie erftc erjie^ung be« nachmaligen Äurfürften
3o^. JJnebrid^, bet mit fünf Sllter^genoffen öon Slbcl unterrichtet tourbe, ju übernehmen
(2:en^el, Suppl. bist. Gothanae, 3ena 1701 sqq. I, 104. 120). 35er Umftanb, bafe er
neben einem alten, in alter 3)let^obe befangenen 5Dlanne, ^u toirlen \)atic, toä^renb
."i er mit bem 6ifer ber 3"0^"^/ ^^^ f^^'^f* ^"^"^ 3Hutian ^u toeit ging (Nosti mores
Spalatini: siquis uno dicterio laedat eius studia, hunc statim ipsum gravissi-
mis verbis accusat et suam quasi iniuriam deplorat. Mutian. ad Urbanum
bei Icnfeel, Suppl. I, 109), für bie neue SBiffenfc^aft unb il^re SÖeife, hjol^l auc^ mit
aH^ugrofeer ©trenge eintrat, brachte i^m mand^e 38erbrie^lic^feiten, fo bafe bie greunbe
10 9)iüfie l^atten, ben forttoä^renb über bie Si^^riö"^" ^m $ofe Älagenben feftj;u^Iten unb
il^n oftmals gur ©ebulb malten mußten. 3)er JJurfürft bezeugte il^m inbeflen feine ^^u^
friebenfieit, unb f(^on bamafe liefe er ftd^ öon ©j)alatin Überfefeungen aud lateinifd^cn
©c^riftftüdEen anfertigen, tooburc^ biefer f})äter fo großen ©influfe erlangen foHte. 3m
^erbft 1511 ftebelte er nac^ SBittcnberg über, um neben bem SRagifter Sgbert 9Hb^rt
15 bei ben ^rinjen Dtto unb 6rnft üon Sraunfc^toeig-Süneburg, 3leffen be^ Äurfürpen,
toeld^e bie bortige Unitoerfität belogen, al« 3Rentor ju fungieren. 3^ gleicher S^xt
erl^ielt er ein Äanonifat in 2lltenburg. ©ein SSer^ältnt^ pm lurfürftlic^en $ofe hjurbc
baburc^ nic^t gelöft, auc^ tpar fein ftänbiger Slufent^alt in SBittenberg nur t>on fur^er
35auer.
20 3)er Äurfürft fonnte ben t)ielfeitig gebilbeten, auc^ für bie bamalige 3^^^ ^^^ ^f"
griec^ifc^en Jtlaffilern ungeh)5^nlic^ Vertrauten (bgl. Epistolae Langfanae ed. $. gering,
Halis 1896, ©. Iff.) ©elel^rten, Don beffen Siebenötoürbigfeit, ®efällig!eit unb tiefer
Silbung felbft §ofleute toie ber Äan^ler S)egen^arb ^Pfeffinger (lenfeel, Suppl. I, 265)
entiüdft hjaren, faum nod^ entbel^ren. S^^^^^f^ 1512 ernannte er i|n ^u feinem Siblio-
26 t^etar (praefectus bibliothecae ducalis, bgl. ©c^eurte Sriefbuc^, ed. t). ©oben unb
Änaate, ^otÄam 1867 I, 105), eine ©teHung, bie ganj feinen 9leigungen entfprac^ unb
ju ber er um feiner fd^on bamafö fel^r ausgebreiteten ff onefjjonbenj toiuen toie toenige anberc
geeignet toar. 3)en Siebfiabereien feinet ffui-fürften entfjJrec^enb (togl. 3:1^. ffolbe, griebric^
berSöeife, ©rlangen 1881, ©.19) toaren eS juerft bie ©c^riften beS 3^^. Megtomontanu^,
30 beö „dürften unter ben Slftronomen", bie er ju ertoerben fuc^te (©^eurlS öriefb. I,
105 ff.). 2lber atebalb entfaltete er in feinem Slmte eine arofee 3:^ätigfeit, er !nü))fte im
auftrage feinet §erm nad^ aßen ©eiten ^in litterarifc^e 3?erbinbungen an, fo u. a. mit
SllbuS 3)Janutiug in 38enebig, unb berfolgte mit befonberem, ioo^l t)on feinem SJerfcbr
mit 9J}arfd^alf ^errü^renben ^ntereffe bag 2luffommen einer neu entfte^enben biftorifcbcn
35 Sitteratur, fammelte aud) in jenen ^al)xm fd^on ba« 3Jlaterial ^u feinen jal^lreic^en c^roni=
falifc^en aSerlen, mit beren Aufarbeitung er fc^on 1514 befd^äftigt toar .(bgl. 3^® XIX,
70). 3^ ^^^^ w"^ ^^^^ geioann er baö SSertrauen feinet ^^nt«"- Äufeerlic^ in ber
©tetlung eines §offa}3lanS, §oft)rebigerS unb ©efretärS, als toelc^er er u. a. im ^abxi
1521 im Stuftrage feineS ^enn einen eifrigen Srieftoec^fel mit bem Slftrologen ^oh.
40 33üllmar unterl^ielt (2trc^. ju ffieimar Skg.C. p. 881, I b), ioarb er balb ber Dertrau-
tefte SRat gricbric^S beS Jlseifen. gr bcforgte feine ff orrefjjonbenjen, überfe^te bie lateinifcfc
einlaufenbcn ©d^reibeu ins 2)eutfd^e, laS i^m bie „neuen 3citungen" toor, b. ^. baS, toa^
bie greunbe unb Sefannten auS aller SKclt über bie S^^^^^i^f^^/ ®rofeeS unb ÄleineS, in
bunter SOJifc^ung i^m fc^rieben. 3)a toar nid^tS, n^aS berffurfürft nic^t mit i^m bef^jrad»,
45 fei eS, bafe eS bie inneren Angelegenheiten bcS SanbeS, ben3)ienft amjpofe, bieSefe^ung
ber ^farrfteClen, bie 'J^euertoerbung foftbarer Steliquien, bie Sittfc^reiben ber Sebrängten
betraf, feien eS bie SBer^ältniffe im SWeid^e unb in Slom. 2Sor allem aber ioaren eS bie
Unit^erfitätSangelegen^eiten, bie alte huxd) feine .»panb gingen, ^n ffur^em h>ar ber fleinc
3JJann mit bem ^ellblonben J^aar, bem freunbltd^en, feinen, leicht errötenbem ®eft(btc
50 (©d;eurlS 33riefb. I, 85), ol^nc eS ^u toollcn, eine ber einflu^reic^ften ^erfonen bei ^ofe
gen^orben. DaS U^ufete man balb in 91 om ebenfogut als in Söittenberg. SBer ettoaS er--
reid^en tooltte, toanbte fic^ an ©Jjalatin. Unb eS begreift fic^ bei bem oben gefc^ilberten
SBerfafjren, tüenn eS beS ©efrctärS Aufgabe toar, bem ffurfürften AuSgüge ju machen
u. f. rv., toie toiel auf biefe $erfönlic^feit antam.
55 eben baburd^ ift feine Stf^ätigfeit bon faum überfefibarer SBic^tigleit für bie ©ac^c
Sut^erS gcn^orbcn. 2)a^ bie bciben fc^on in grfurt als ©tubenten miteinanber näher
befannt getoorben maren, beruht lebiglid^ auf einer unertoiefenen 3SorauSfefeung unb ift
um fo ioeniger an§unel;men, als Sutl^er jebenfallS nic^t jum SKutianifc^en Äreife gebort
l^atte. After aBa^rfAcinlicbfcit nac^ Reiben fic fic^ erft toä^renb ©jjalatinS Aufenthalt
Go in Wittenberg fennen gelernt, unb beS le^teren für greunbfc^aft fo fe^r cm))fän9li4fc
Spalaiin 549
9latur mufe foßletc^ in einjigartiger SBeife Don Sut^cr« ^crfönlid^Ictt j^ingcnommen toorben
fein. 3)cnn bei aller Jjeinlicl^en Sebenflic^fcit be^ ®ele^rten, „be^ i^cologen, be« $ofs
mannet, bie er ani) Sut^cr gegenüber, jumal too e^ fic^ um ^ufeerlid^e^ unb gormeDe^
fianbelte, ]^ert)orjufe^ren toerftanb, tourbe er bod^ je mefir unb nie^r in feine Sahnen ge^
jogen, beugte er ftc^ in ebrerbietiger ©d^cu bor bem gewaltigen (Seifte, ol^ne feinem gluge 6
folgen ^u lönnen.
6r toar ^riefter, aber e^ ift c^arafteriftifc^, baft tvir bon feinen tfieologifc^en ©tubien
nirgenb^ ettoag erfal^ren, unb e^ fte^t bal^in, ob bie früfier ertoä^nte Seftüre ber ^I. ©d^rift
nic^t blofe einem l^umaniftifc^en ^jntereffe entfjjran^. 3)a^ ^rieftertum toar fic^er junäd^ft
nur bie SSerforgung für ben brotlofen §umaniften unb ^oeten. SSon tfieologifd^en lo
■}Jeigungen tpufete man nic^tg; toa^ bie ^^^^u^i^^ <J" '^W ni^ntten, toar bie feltene §ar=
monie Don rei(|em ffiiffen unb großen 2^ugenben (huic homuncioni concentus muU
tarum literarum et magnarum virtutum contigit. Mutian. ad Herebordum.
2:en^el, Suppl. I, 205). 3Kan lobte feine leiblichen Serfe, ba« ^ntereffe für Sleud^lin,
ben 3om gegen bie Äölner Sarbaren unb freute fw^ feiner fteten S3ereitfc^aft, für bie i6
gute©ac^c einzutreten unb feinen dürften bafür ju gewinnen: furj nad) allem, toad toir
lijren, toar ©^alatin in jener erften ^tit lebiglic^ ^umanifi, babei ein 5Ke6})riefter tote
anbere auc^, ber toeit^erjig genug mit einem 3Kutian, einem §einrid^ Urbanu^, ßrotu«
iHubianu^ unb ben anberen ©j)öttern be^ ©rfurter Äreife^ auf bem beften JJufee ftanb,
bie bafür feine incomparabilis gravitas unb sanctimonia vitae ehrten. @rft burc^ 20
ben engen Serle^r mit Sut^er tourbe bad anber^. ^tj^t tourbe auc^ ©})alatin auf ein
tüirflic^e^ ©tubium ber ^eiligen ©c^rift gefüfirt, in bie er ftd^ mit emfigem gleite ber=
tiefte, ©eine Sriefe an Sutl^er ftnb un« faft fämtlid^ berloren, aber an^ Sut^erg 'UnU
loorten lönnen h)ir nod^ entnefimen, toie er bie Sibel ftubierte, h)ie er balb an biefem, balb
an jenem fünfte l^aften blieb unb nic^t ru^te, bi^ er burc^ bie ©ele^rfamleit be« 3Bitten= 25
berger ^i^^w"^^f i^^m SBorte er balb ate (gt)angelium ^inna^m, jur Älar^eit gefommen
tvax. müi) e^e ber grofte Äamjjf begann, l;atte er fid^ baran getoö^nt, in Butler feinen
®eh)iffen^rat, ben Berater in aütn fingen ^u fe^en. 3)aburc^ beftimmte fi(^ fein SSers
l^alten in ber golgejeit. ®^ lann feinem 3*^^'f^I unterliegen, bafe, toa^ ^ier nic^t im
einzelnen Verfolgt iperben tann, bei feiner einji^artigen 3Sertrauen^ftelIung am furfürft=30
liefen §ofe ba^ J)erfönlic^e SBerfiältni^ ©j)alatin^ ju Butler bon gro|er 2^ragh)eite
für bie erften 3;a^re ber beginnenben Sieformation toar. @r toar ed, ber ben Äurfürften
bafür intereffierte, ber ifin über bie 3Bittenberger 38er^ältniffe unterrichtete, Sut^erö ©üc^er
üorlaö, überfe^te, auf ba^ ß^riftlic^e in i^nen ^intoie^, bie Unc^riftlic^feit ber geinbc
Sut^erg h)ie ba^ £ob aller ©ebilbeten in« redete Sid^t fe|te; er ift e« ftc^erlic^ getoefen, 86
ber freilid^ unter ftetem ginfluffe Sut^erg ben Äurfürften nac^ unb nad^ in jene ©tettung*
na^me l^inüberleitete, bie e« ü}m möglieb machte, bei atter Setonung ber Untoerlej^lic^Ieit
ber ürc^lic^en Slutorität boc^ feinen |od9t)ere^rten ^rofeffor aU einen unred^tmä^ig 3?er=
urteilten in feinen ©c^u$ ju nehmen u. f. h). 3!)ie Slufgabe, bor ber fid^ ber fnebfertige
Scamte be« friebliebenbften, bebäc^tigften ?^ürften geftellt fal^, toar riefengrofe. Unb ba« 40
Ungeftüm be« ^reunbe«, bem bad Seifetreten, ba« ^öfifd^e 3lbtt)ägen jeben SBorte«, bie
fo tDo^l gemeinten Söamungen, bie i^m ©))alatin gufommen laffen mufete, jutoeilen un«
erträglich h)aren, mad^te il^m bie ©ac^e nic^t leichter. @r n?ar boc^ fcpon ju lange am
§ofe, um fic^ nic^t immer toieber bie ^rage borjulegen, bie für Sut^er gar nxd^i ejiflierte :
toa« foH barau« tperben? 6r t^at fein ^Ölöglid^fte«, ben greunb ju befänftigen, gurüdf- 46
ju^alten, il^n immer toieber bur^ J)raftifd&e aufgaben, ju benen er bie Anregung gab,
Dom Kampfe abjjulenfen. 2)abei überfc^aute er boc^, toorüber Sutl^er Ilagte, nur immer
ba« 3Zäc^ftliegenbe. 2)er innere 3wfö"^n^^"]S^<Jn0 ^^ *>on il^m über aUed gefd^ä^ten ^re*
bigt be« ©bangelium« mit ben Äämjjfen, bie Sut^er ertoud^fen, toar i^m nod; im 5ja^re
1520 nic^t böHig aufgegangen. 2)ie fromme, fc^üc^teme ©elel^rtennatur fc^redfte bor 50
jeber emften i^ertoidfelung jurüdf, toie fein Äurfürft. (3Sgl. 2^1^. Äolbe, SKartin Suti^er,
®ot^a 1881, I, 243 ff.). Sluf feinen ©influfe finb bie f leinen ^nfonfequenjen Sutfier«
in ben erften S^IS^^^"/ f^'"^ ©rbietungen jum ^rieben, h)o !ein griebe mel^r mö^lic^ toar
unb er felbft an feinen me^r glaubte, gurüdfjufü^ren. gaft jebedmal, toenn eine neue
©treitfd^rift Sut^er« erfd^einen foHte, geriet er in ©orge unb toamte bor i^rer ©eräug- 66
gäbe ; ^interbrein, nac^bem er fie gelefen, tbar er oft ber erfte, ber, l^ingeriffen bon Sut^er«
geifte^mäc^tigem Sl^orte, i^ren Slu^m nad^ aufeen berfünbigte ober jie gar burd^ Über=
fe^ungen Weiteren Äreifen jugänglic^ mad^te.
gaft mit allen nichtigeren ©reigniffen ber 9leformationi^jeit ift ©J)alatin« 9lame ber=
bunben. ^m ^a^re 1518 begleitete er ben 5turfürften auf ben Sleid^dtag nac^ älug^burg eo
550 S^ialatttt
unb leitete bort bie SJetl^anblungen mit ßajctan ein, tote et bie UnterJ^anblungen mit
5roilti^ bermittelte. ebenfo finben h)ir ifin in be« Äurfürftcn Segleitung auf ber SRcifc
jur Äaifcrtoa^I unb ;\ur «rönung Raxlü V., toie auf bem Meid^age ^u 9Bonnö. SBä{)=
renb Sut^erd Äufenti^alt auf bcrSBartbutg beforgte er beffen Äorrefponbcn^ unb i^erfe^
6 mit ben aBittenbergcm. SBar feine ©tettung ^toifc^en Sut^er unb bem fturfürften fd)on
toäl^renb ber 3^^^^^^ 1517 bi« 1521 eine fdbloierigc getoefen, fo nod) mel^r, afe man in
Wittenberg toirllic^ mit -Meformen anfing, unb üutl^er, toäl^renb Bpalatm no^ imnia
für feinen Äurfürften nad) neuen Sleliquien fud^en lajfen mufete, ftürmifd^ bie Sluf^bung
be« SQäittenberger Stift« mit feinem Steliquien« unb ßeremonienbienft ju forbcm anfing
10 unb bie ©tift^^erren fc^Iiefeli^ anging, felbft gegen ben SBitten be« gürften ba« offent=
H(^e ärgemi« au« bem SBege ju räumen (bgl. ^, Äolbe, griebric^ ber SBJcife, ©rlangen
1881, ©. 33 ff.). 3«*>#" 9rfang e« i^m tool^l, nad) unb nac^ ben gürftcn ju eban=
gelifd^er Slnfc^auung unb Seben^fül^rung auc^ in biefer Se^iel^ung l^erüberjufü^ren, unb
tote fel^r ©t)alatin felbft enblid^ im ^ai^re 1525 überzeugt toar, bafe nunmehr mit ber
16 3leformation ®mft gemacht toerben müfete, ergiebt fein le^te« ©id^reiben an griebrid^ ben
SEBeifen bom 1.9Rai 1525, in bem er ben Äurfürften unter SJertoeifung auf bie ©(^rift,
bie bie« ber Dbrigleit j^ur ^flid^t mac^e, aufforbert, aUentl^alben in feinen fianben bie
abgöttifc^en unb gotte«Iäfterlic^en ®otte«bienfte abjut^un (bgl. %f). Äolbe a. a. D. ©. 69),
unb toenige 3)lonate fj)äter übermittelte er in einem ©(^reiben an Äurfürft S^bann bom
20 1. DItober 1525 ben folgenfc^toeren SBunf^ Sutl^er«: „ba« 6. 6. ®. aDer Pfarren guter
in 3ren furftentumben ju fid^ nemen bnb bie Jjfarrer })rebiger (Kaplan unb berglcid^en Äird^en
biener bouon befteHenn." (ßbenb ©. 70 f.)
Sluc^ nac^ bem lobe be« bon i^m fein Beben lang betrauerten (ögl. &palaim an
3ona« 13.gebruar 1543 bei Äatoerau, S3rieftoe4(fel be« Suftu« 3jona«, ;g>aHe 1884 f.
26 II, 95) griebric^« be« SBeifen, bem er bi« in bie legten ©tunbcn tröftcnb jur ©eitc
ftanb, unb ber feinem treuen 3!)iener in feinem 2^eftamente ein fel^r bebeutenbe« 2egat
üerfc^rieben l^atte, blieb ©})alatin im §ofbienfte, bod^ trat infofern eine grofee Seränbe-
rung in feinem Seben ein, al« er fortan feinen ftänbigen SQJo^nfi^ in ältenburg nehmen
burfte, toa« i^m um fo lieber fein mochte, al« er fc^on ba« ^af^x toor^er um mancherlei
30 üJlifel^elligleiten toitten, bie bieHeic^t mit ben SBittenberger SJorfommniffen ^ufammen^ingcn,
ben $ofbienft berlaffen tooHte, fo bafe Sutl^er il^n nur fc^toer unter i^tntoci« auf ben
Iranlen Äurfürften barin ju l^alten bcrmod^te. 3« 3lltenburg foHte er nid^t nur fein
jlanonifat toirllic^ ausüben, fonbem auc^ bie burc^ ben Söeggang be« 38ence«lau« Sin!
(f. b. art. S3b XI ©. 511) erlebigte Pfarrei befleiben. »m 13. äuguft 1525 ^ielt er
36 bafelbft feine 3lntritt«})rebigt. S)a er fd^on frül^er, mnn aud) bergeblic^, feine aRitfano^
niler mit emften SBorten mx Sieformation be« Slltenburger ©tift« auf^eforbert l^atte unb
bamit natürlich al« erfter H^^^iß^i^ '^^^ ©tabt nic^t auffiörtc, fo begraft e« fic^, bafe cö
je^t ju fd^toeren Konfliften f ommen mufetc, bie baburc^ berfd^ärft tourben, . bafe er am
19. 9Jot)ember be«felben ^a^re« in bie &)c trat, unb ba« ©tift tl^n barauf l;in feiner
40 ©teile unb ^frünbe für berluftig erflärte. 9Jur mit §ilfe ber toeltli(^en ©etoalt fonntc
er fid^ barin bel^au}}ten unb nad^ unb nac^ bie Sieformation in ©tabt unb ©tift burc^^
fül^ren.
Übrigen« mufete er jebcn Slugenblidt eine« fürftlic^en Slufe« getoärtig fein, ©dbon
1526 ^attc er ben Äurfürften S^^^nn auf ben Slcic^«tag nac^ ©Jjeier ^u begleiten linb
45 3u beraten. ^Jlamentlic^ toar er ba tfiätig bei ber geftfteHung ber gnftruftion für bie
toom 9leic^«tage befd^lojfene ftänbifc^e ©efanbtfd^aft an ben Äaifer. ©eine un« no^ er-
l^altenen 93erbefferung«t)orf daläge (togl. gricben«burg, 2)er 9leid^«tag ju ©peicr 1520,
Serlin 1887, ©. 101 f. unb ©. 558 ff.) geigen bie ©d^ärfe feine« Slidte« unb bie ßm^
fc^iebenl^cit feiner cbangclifd^en ©tcllung. SJielfad^ nal^men il^n in ber golge bie 3Jifu
50 tationen in 2lnf}3ruc^, fo ^uerft im ^^nw^r 1526 im Slmte S3orna (t)gl. Surfl^arbt,
©cfc^. ber fäc^fifd^en Äird^cn^: unb ©c^ultjifitationen, äcxp^xQ 1879, ©. 10), bann im
grül^ja^r 1527 im Äurfreife, too er nad; Slngabe feiner ©clbftbiograj)l^ie an ©teile bev
urfprünglic^ jum SSifitator au«erfel^encn §ieron^mu« ©d^urff trat. Unb gerabe al« Sifi^
tator betoä^rte fid; fein burd^ ben §ofbienft gefcbulter Jjrattifc^er ©inn, fo bafe er immer
66 toieber ba^u berufen tourbe, fo 1528 mit 3)iufa unb ©tarfc^ebel für SRei^en unb äJoigt-
lanb (t)gl. Söagner, ©eora ©palatin S. llOff.), 1529 im ©ommer für ben tl^üringifc^en
©aalfrei« (53url^arbt 82 ff.) unb fo oftmal«. Unb fo toeit toir feigen, ftnb feine Seriite
bie au«fübrlid;ften unb cingebcnbftcn. Unb toar bie 3)Jcl^r3a^l ber Sifitatoren geneigt, nur
bie rein firdUid?en unb veligiöfen äScr^ältniffe in Setrac^t p )\ief|en, fo gebülj^rt ©>>alatin
60 ba« 3?erbienft, infonber^eit auc^ für bie 'Jieugeftaltung ber äußeren, burd^ ben gortfaB
(Stiatattii 551
fo k)te(cr ftiftung^mägtgcn (Sinfommen überaus jcrrüttctcn $aroc^talt)eT^äItnif(e, in bte
feine Sriefc einen reiben ©inblicf getoä^ren, mit ^rofeer Unermüblic^Ieit getoirlt ju ^aben,
tpobei er, j;umal aU bie ©teßunö ber äJifitatoten in ber gönn Don ©uj)crattcnbenten
nac^ unb nac^ eine ftänbige getootben toar, mit Dielen SBibcrtpärtigleiten ju läm^fen f^aiU.
^m ^ai}xt 1530 finben mir i^n auf bem Sleic^tage ^u älug^burg tbätig (ubi Spa- 5
latinus quamvis uxori abieas pollicitus non plus VII hebdomades abfuturum
ad XVIII hebdomades abfuit, fo fc^rcibt er in feiner Stutob.), toar aud^ aRitglicb
be<^ SluejAuffe^ für bie äu^Ieic^öer^anblungcn, fj)äter begleitete er ben iluri)rin^en
auf ber Sleife ^ur SEBa^I Äönig gerbinanb« na^ Äöln, 1532 finben toir il^n auf bem
läge ju ©c^^^^i^fu'^f ^^ ^^ ^^"^ Ö^ofee ^rebigttl^äti^feit entfaltete unb ba^ befonbere lo
Vertrauen ber bortigen ©emeinbe gen)ann, ber er auf i^re Sitte balb barauf eine ©c^rift
Jüibmete: „Gin getreh) 3Snterric^t, au^ ®otted 3Bort, toon allem bem, baö ein 6{;riften-
menf(^ toiffen fol. 2ln ben 9<at^ önb gemejne ©tabt ^un ©(^toeinfort, im ©lenbt genant
1533 (t)gl. 3Ä® XIX, 502). gbenfo tourbe er Don Äurfürft 3o^nn griebric^ ^u allen
tüic^tigen ©taat^ttionen ^ugejogen, fo 5u ben SJer^anblungen, bie ^ bem ^rieben Don i6
(Saban im ^af)xc 1534 fül;rten. 3m ^al^re 1535 reifte er mit i^m jur 93ele^nung nad)
aBien, 1538 tourbe er xu ben SSerl^anblungen mit bem Äarbinal älbrec^t Don Sranben«
bürg über ba^ Surggrafenlum Wagbeburg berufen u. f. to., gang abgefeben baDon, bafe
er bei fo ioic^tigen Beratungen toie über bie. Stellung ber ftjäter fog. ©c^malfalbifc^en
airtifel (Dgl. S3b XVII ©. 611,4off.) unb ben Scr^anblungen über bie Äonjitefrage auf ao
bem iage in ©c^malfalben im gebruar 1537 nic^t f eitlen burfte. 9la(^bem er f(^on im
JJal^re 1537 ba« Heine ®ebiet be^ Jpergog« ^einrid^ Don greiburg Difitiert unb reformiert
f)atu, toarb i^m im 3;a^e 15:39 md) bem 3:obe be^ .^erj^og« ©eorg mit anberen ber
aiuftrag gu teil, nunmehr in ben albertinifc^en Sänbem ju Difttieren.
Sludi mit ber UniDerfität Wittenberg ^atte er fein 2d)cn lang bie engftcn Se^ 25
;\ic^ungen unb toibmete il^r feine gürforge (Dgl. barüber ba« Urteil Don ^. 3ona« bei
Äatoerau ^ona^briefe I, 239). ©d^on frü^e, 1518, gehörte er ju ben für bte UniDerfität
angeftcHten Steformatoren unb SSifitatoren, in fj)äteren ^af)xm fc^eint er allein bie auf-
gäbe gehabt ju ^aben, jä^rlid^ brei= biö Diermal nac^ SWittenberg ^n reifen unb über bie
in ßrfüHung il^rer Slmt^flic^ten l^äufig fel^r läffigen SBittenberger §enen an ben Äur^ 30
fürften Scric^t gu erftatten. ©eine barauf bejüglicben ©utad^ten unb Berichte mit i^ren
3tngaben über bie gehaltenen SSorlefungen, ®e^altdDer^ältniffe 2c., fotoie SSorf(^lägen über
5Jeubefe^ung Don ^Profeffuren bieten ba« rei^fte ^Material für bie leiber no(^ immer ni(^t
gefc^riebene ®efd^i^te ber UniDerfität SBittenberg. 2)ic ©orge für bie SBittenberger Uni-
Derfitätebibliot^e! (bie Diclfacb ibentifc^ mit ber !urfürftlid[|en erfd^eint), fyit er h)ol;l nie^ 80
mate, tro^ ber Dielen ®efd^äfte, bie jeittoeilig auf i^m lafteten, ganj aufeer ac^t gelaffen,
unb im ^af)xt 1533 tpurbe il^m bie fj)ejielle Cbcrauffxd^t über fie Don neuem übertragen
(MD. XXXIII Princeps illustrissimus Elector Saxoniae Dux Johannes Pride-
ricus me denuo praefecit Bibliothecae in arce sua Wittenbergensi locupletan-
dae. Eo enim anno coepit augere bibliothecam llbris ut aliis et alibi, ita -m)
graecis et hebraeis apud Venetos emptis [3lutobiogra})l^iel), unb feiner Il^ätigleit
ift e^ i\u banfen, bafe fo mancher ©c^a| au^ ben Älofterbibliot^efen erhalten blieb. (Ueber
feine anfäufe Don Suchern Dgl. Suc^toalb, ©tabtfc^reiber 3)1. Bttpl). Slot^ in gtoicfau,
Slrc^. f. ®efd^ic^te b. beutfc^en Sud&^anbetö, m XVI unb berf., Strc^iD. 3Jlitteil. über
Süd^erbejüge ber furfürftl. 93ibl. ®eorgd unb ©Jjalatin^, ebenba XVIII. Äemer &)x. «
9Jit)liu«, Memorabilia bibl. Aead. Jenensis, 1736 n. 3 ff.) 9Rit ben aSittenberger
greunben, ^p^xcü mit Sut^er, blieb er fo in ftetem 38erfel^r, unb Sut^er blieb feine 3^=
flu(^t in aüm fc^toierigen ©etpiffencffragen, bie ben imSllter immer ängftlic^er toerbenben
^BJann nur ju häufig quälten.
©eine ©b^ ntit Äatfiarina ^eibenreic^ ober ©treubel, Don ber er nod^ in f})äteren w
^abren mit ^anf gegen ®ott f^reibt: unicam, talem eiusmodi, quam diceres ad
Ingenium Spalatini natam, factam, loar eine fe^r alüdflic^e. ^l^r entftammten )h)ei
löd^ter, um beren loie um feiner ?^rau 3"^"f* ^ P^ i« ^^« I^ten ^a^ren feine«
iJebene freiließ alljufel^r abforgte, tva^ um fo unDerftänblic^er ift, ate feine eigenen Sluf^
;;ei(^nungen i$n al« einen für bamalige l^er^ältniffe rec^t mo^ll^abenben 9)lann erfc^einen 05
laffen. (S^ gab mand^eö in feinem ^mte aU ^Pfaner unb ©uj)erintenbent, loa« ben
alternben Wlann, über beffen JReijbarleit e« ju mand^crlei ©treitigleiten mit bem 2(lten=
burger iRaU fam, ben £eben«abenb Derbitterte, fo bafe Sutl^er mel^rfac^ fc^lit^tenb unb
Derföbnenb eintreten muftte. ©d^on im 3^^^^ 1^^^ toollte er in ben Slu^eftanb treten.
(3ona«briefe ed. Äatoerau I, 234). ©eine ©timmung tourbe immer büftcrer, fc^lie^ic^ eo
552 ®)ialatttt
(1544) bcrficl er in ©i^tocmmi, toobci bic ©otgc über einen fc^iüeren (S^efaO, ben er
nai) ber ^JReinung ber SBittenberger nic^t richtig entfd^ieben f^attt, mitgett)irlt ^ben mocbte.
aRünbIi(^ unb f($riftRc^ fud&te Sutl^er ju tröften (ügl. be SBette IV, 639), ebenfo ^e=
land^t^on (CR V, 481. 487). 35er Äurfürft fanbte i^m too^ltooHenb feinen Seibarjt
5 Sla^eberger. 9(ber bie ßraft \üax gebrochen. 333abrenb er nod^ bi^ )ule$t tl^ätig }u fein
Derfuc^te, befonber^ anö) im ^ntereffe ber ©efamtau^abe Don &it^erd ^mm (t)gl.
2^. Äolbe, Analecta Lutherana, p. 397 sqq.), fiec^te er ba^in. Slm 16. Januar 1545
iP er im ©lauben an feinen ©rlöfer geftorben. ^n ber SartJ^oIomäifirc^e m ältenburg
^ai man i^n beigefe|t.
10 ©eine ©c^riftfteHerei toar eine quantitativ fel^r bebeutenbe, ein beinoi^e öoBlftänbige^
SJer^eic^ni« feiner gebrucften SBerfe unb ?IJlanuffri))te — nid^t SBeniged befinbet fic^ nocb
ungebrucft auf ber Sibliotl^ef ju ®ot^a unb im Slrt^ib ju SEBeimar — bei ©i^legei
©. 191ff.
3Rit SJorliebe l^at er fid^ in Überfe^ungen aud^ bon ©c^riften Sut^er^ unb ©ra^muö'
16 üerfud^t unb l^at fo. gu beren Verbreitung beigetragen. Originell ift er boc^ nur in feinen
ja^Ireic^en l^iftorifc^en ©d^riften, bie fid| mit Vorliebe mit ber ©efc^ic^te be« fäc^fifc^en
taufet befd^äftigen, tooju fc^on ^iebrid^ ber SBeife bie Anregung gegeben l^atte; eine
efj)red^ung berfelben, bie nic^t ^ierber gel^ören toürbe, bei ab. ©eelfeim cl a, D. ©ehr
tDertt)ott ftnb barunter feine bie 3^iigefd^i^te betreffenben arbeiten, bon benen manc^eg,
30 aber längft nic^t atte« für bie ©efc^ic^t^forfc^ung nu^bar gemacht toorben ift, fo fein
Ghronicon et Annales bei SRencIen, Scriptores rerum germanicarum, toro. II,
590 (SSerbeflerungen be^ 2!ejte^ bei Veefenme^er, ber ba^ bon 3Dlenien benu^tc SBeri
befafe, in ©täublin« Äirc^en^ift. 3trc^. 1825, ©. 72), feine Iciber berftümmelt abgebrudten
beutfd^en Slnnalen l^erau^eg. bon ß^prian 1718, bann fein Seben griebric^ be« Söeifen
26 in „®eorg ©J)alating ^iftor. Stad^la^ unb Briefen au« ben Driginal|anbfc^riften, ^erau«^
gegeben bon 5Jeubecfer unb greller, ^ma 1851, 8*"' (einziger 93anb) unb manche einzelne
©^riftftücfe, bie ©reigniffe, bei benen ©palatin felbft zugegen getoefen, be^anbeln, bic
man l^ier unb ba in ©ammetoerlen abgebrudft finbet ober bie noc^ be« 9lbbrudfe« Ivanen.
6ine fel^r toic^tige ®efc^ic^t«quelle für bie ®elel^rtens unb 2oIaIgef(^id^te ber 9lcformatione=
80 Kit bietet aber fein aufeerorbentlic^ großer Srieftoed^fel (bgl. über feine ©d^reibfeligleit
fd^on ba« Urteil 3J2utian« : Non tarn crebras f requens pluvia guttas habet quam
multivagas ad amicos litteras missittat Spalatinus. Nullus dies est, imo ne
hora quidem, qua non sexcentas nunc Lipsiam nunc Witteburgam nunc ex-
trorsum nunc laevorsum mittat (bei len^el, Suppl. I, 84), bon bem nur ein Heiner
86 2!eil bier unb ba gebrudft ift (aufeer bei 3:en^el g. S3. bei fi. Traufe, S)er Sricftoet^fcl
be« gjlutianu« SRufu«, ftaffel 1885; R. ©iUert, 2)er Srieftoed^fel be« ßonrab 3Rutianuö,
ÄaHe 1890; EpistolaeLangianae ed. §. gering, Halis 1896,^rogr.: 35ren)«,©))alatiniana
^m »b XIX. XX; Giemen, ebenba XXIII, 2c.). gaft auf aUm Slrc^iben 3)eutf(6=
lanb« finben ftd^ Sriefe bon ibm ober an i^n, bie meiften auf bem 2lrd^ib ju SBeimor (eine
40 Iciber nic^t fel^r genaue Slbfc^rift bon bicien berfelben bon 9leubedfcr auf ber Sibliot^d
j\u ®otfia). 2)a| fie in fo großer ^al}l borl^anbcn finb, berbanfen toir too^I ber gür=
forgc be« Äurfürften 3i'^'^<J"" griebnd^, ber ©j)alatin« litterarifd^en 9?ad^Iafe fogleic^ nac^
feinem Sobe an ftc^ na^m; aber auf Slcc^nung berfelben gürforge tperben tbir auc^ bie
Vernichtung ber Sriefe ©Jjalatin« an Sut^er ju fc^reiben \)abm, bie bi« auf ganj loenigc
46 unbebeutenbc fämtlid^ berloren fmb.
3!ebod^ nid^t in feinen ©c^riften ober in großen Ifiaten ift ©Jjalatin« Sebeutung ^u
fud^en, fonbem barin, bafe er in großer ^c'it auf einen beranth)ortung«bollen ^la^ bc=
rufen, nid^t ol^ne mand^c ©elbftberlcugnung fid^ ©rößerem bienftbar gemacht ^t, unb c^
liegt etn^a« SBal^rc« barin, hjcnn ein römifd^cr ©c^mäher ©Jjalatin«, SQJolfgang Stgritola,
60 i^m f^jäter (in ber ©d^rift „(Sin ßl^riftenlicfje ^rebig bon bem fie^Iigen ©fieftanb", 3"9^^'
ftabt 1580) bie Sebauptung unterfd^ob: „Sfecnn id^ nic^t getoefen tbäre, nimmermehr
ibärc c« mit Sut^er unb feiner 2ebrc fo toeit getommen'', eine Stufeerung, bie freiließ bei
einem Wanne bon ber Scfc^eibenl^cit ©})alatin« unbenfbar ift. 2)erfelbe Slgrilola Joeil
auc^ in ber angeführten ©d^rift ju berichten, baß ©J)alatin nac^ bem 2^obe ^o^ann« bc^
65 Seftänbigcn auf bie Äunbe bon bem SIbleben feiner 9JJutter nad^ ©Jjalt gelommen ioärc
unb bort unter tiefer SJeue über feinen 3lbfall bon ber Äirc^e unb mit ber ©mial^nung
an bic ©^)alter ©eiftlic^feit, beim alten ©laubcn unb ®otte«bienft ju ber^arren, eine
3Kuttcrgotte«ftatue, bic im Qnn^^ni ioftbare JJeliquien barg, geftiftet ^ahc. 3!)aß biefe
immer tpieber aufgch^ärmtc ©efd^id^te (bgl. Franconia, 2(n«ba^ 1813, I. 8b, ©. 195;
09 ^aftoralblatt be« 33i«tum« ©c^ftätt 1880, 9k. 27 ff.) b()«h)iaige Srfinbung ift, ergiebt
®)ialattit ®)ialbtng 553
fd^on attcin bcr Umftanb, bafe na6) ©palaixni eigener älngabe (bei -BUnim, Scriptores
II, 621) feine SJlutter bereit« am 14. Slvril 1523 ftarb unb er in feiner 3lutobiograj)l^ie
gerabe ju btefem ^a^re fc^reibt: Georgius Spalatinus divinis scripturis praesertim
il]is[aj magno nostro Reverendo Doctore Martino Luthero editis melius hinc
etiam ingenue professus se esse hominem i. e. peccatorem et idololatria et 6
nullis non vitiis, sceleribus, flagitiis obnoxium et tantum fide et fiducia in
filium Dei, Jesum Christum salvändum, hie hie resiluit Spalatinus ab Asino
Papa.
eine Siogra^^ie ©jjalatin« giebt e« nod^ nid^t ; ha er überaß hinter anberen ^urüdfs
tritt, fragt c« ftd^, ob fte, au« bem Stammen ber SReformation^efd^id^te (oögelöft, über* lo
l^aujpt möglid^ toäre. 2)ie SDurc^forfc^ung feine« Srieftoec^fete toäre baju erfte Sebingung.
3)ie me^rfac^ herangezogene (fd^on toon ^ortleber, SSon ben Urfad^en be« beutfdfien Äriege«
1645, p. 1479 f. benufete) fur^e 2lutobiogra^bie, eine d^roniIalif4e gwfammenfteCung ber
loid^tigftcn 9Sorfommniffe feine« Seben«, in ber Heine, burc^ gleidfijeitige Sriefe ju öer^
bcffembe S'^ümer mit unterlaufen, finbet fidfi abfd^riftlid^ in ber S^eubedferfc^en ©amm^ 15
(ung auf ber Sibliot^ef gu ®ot^a. Sin fdjiöner ^oIjfd(^nitt t)on 1515, S^alatin bar«
fteHenb, toie er t)or bem i^rujifir betet, mit ber Unterfd^rift Christo Salvatori Deo
Opt. Max. Georgius Spalatinus Peccator, toorauf einige (ateinifd^e SSerfe folgen, ift
un« Don ber ^anb be« Sufa« Äranadfi erhalten unb toiebergegeben t)on %. 2\ppmann,
Sufa« Äranac^, ©ammlung t)on 9Jad^bilbungen feiner öorjügliqften ^oljfc^nitte unb feiner 20
Stiche. Serlin 1895, 81. 48. 5:^cpbor Äolbc.
@)ialbtng, Sol^ann 3>oad^im, geft. 1804. — Ouellen unb Sitteratur:
6clbftbiograp^ic, herausgegeben tton ö) . 2. ©palbing, 1804 ; @d)Iid)tcgvon, 92e!roIog 1806;
«S^rödt^, t® feit ber 9?eforination, VIII, 138ff.; ^irfdiinq, l^iflor.ditt. ^onbbu* XII, 1,
©.298 ff.; Ä. ®.@Qcf, 6palbing al« ©^riflfteHer in ben X^StÄ 1864, IV; berf., öef«. b. 25
^rebigt 1866, @. 73ff.; ^ogenbacb, IBorlefungen über Äirdjengefdiidnc, VI, 342ff.; gronf,
@)efd). ber prot. Xl^eologie, III, 93 ff.; S)orner, ©efcfi. ber prot. X^eologie, 6. 699 f.; $etri(f|,
^Pommerfdfte iJebenSbilber, .£)amburg 1880, I; o. äcjfdfttoij, ^raüifc^e X^eologie in 3öcflcr«
C)anbbucö, III, 369 ff.; SRot^e, ®efc^. b. «Prebigt @. 431 ff.
3. ^- ®JJöIWng ift geb. 1. 9loDember 1714 ju 2^ribfee« in 3Sorj)ommem; feine 30
gamilie ftammte au« Sc^ottlanb, toon too fein Urgro^tKiter 1625 nad) 9Kcdt(enburg
eingetoanbert toar. ©ein ^ater, 3*^^^"" ®eorg ©., toar Sleftor an ber ©c^ule, fpäter
^Jrebiger in S^ribfeeö. 2)en erften Unterrid^t empfing er t)on feinem SSater. 9Kit einem
älteren Sruber befud^te er fobann bie ©djfulc ju ©tralfunb, feit 1731 bie Uniöerfttät
Sloftodt. $ier toar eö bamate mit bem t^eologifäen toie p^ilofop^ifc^en ©tubium mangel= 36
l^af t beftettt : bie 5ß^iIofopl^ie tourbe ariftotelifc^^fc^olaftifd^, bie 2^^eoIogie gebäc^tniömä^ig
nad) 3. ^r. ^önig^ theologia positiva acroamatica, bad ^omiletifc^e ©tubium in un^^
frud^tbarer SBJeife betrieben ; SBolfifd^e ^^ilofop^ie, Unioni^mu« unb ^ieti^mu^ toaren bie
SHid^tungen, gegen toelc^e gelämpft unb t)or benen getoarnt tourbe. ©ennodfi regten fidfi
in ©palbing fdpon je^t 3*^^^f^I 9^9^" ^^^ l^errfd^enbe Drt^obojie : „ber focinianif^e fie^r^ 40
begriff bünfte il^m nid^t untoal(^rfd^einIic^". Slodfi niAt 19 Sa^re alt, mu^te er eine
gnformatorfteHe bei einem Sanbebelmann annel^men, bie er aber balb toieber verliefe. ®r
iog fic^ in ba« öäterlic^c $aue jurüdt unb mad^te mit ben ©driften, t)on 6l^r. 9BoIf,
33ilfinger, 6an^ nähere Sefanntfdpaf t : l^ier fanb er fo Diel Sid^t unb Überjeuguna, toie
faft nirgenbö. Sine ^loeite ^nformatorfteHe, bie er 1734 in (Sreif^toalb annoi^im, bradfiteiö
i^n in SSerbinbung mit bortigen ^rofefforen, befonber« mit $. äll^Itoarbt (geft. 1791),
ber Am feine p^ilofop^ifd^en ^orlefungcn eröffnet l^atte. ©r fing an, am SBJolfianigmu^
ine ^u loerben; ba i^m aber bie jRübigerfdfien ®runbfä|e, nad^ benen 31. bojierte, ju
fünftlic^ unb öerioirfelt fc^ienen, lehrte er bod^ balb toieber jur alten ^af)nt jurüdE. 2)ie
folgenben ^af)x^ (1735 ff.) öerbrad^te er teil« ju ^aufe ate ^ilföprebiger feine« 9Sater«, bo
teil« auf bem Sanbe al« §au«le^rer in mehreren abeligen gamilien, befdfiäftigte ftd^ audj^
nebenl^er mit litterarifc^en 2lrbeiten (bigae quaestionum metaphysicarum 1736),
mit S^umalleftüre, Überfe^ungen au« bem Snglifd^en unb granjöftfc^en, Beiträgen für
Derfc^iebene ^^itfc^riften 2c. SJn ^aUe, too^in er ftc^ 1745 al« Segletter eine« jungen
$erm t)on SKolfrabt begab, f^lofe er ftd^ befonber« an ben SBolfianer 3. ©. Saumgarten 55
an; in Serlin, Wo er 1745—46 eine ^txi lang bie ©efd^äfte eine« ©efanbtf^aft«-
fehetär« bei bem fc^toebifd^en ©efanbten ^zxxn t)on 3lubenfd(^ölb öerfa^ unb na^e baran
toar, bie 2:i^eologie mit einer bi})lomatifc^en Karriere ju Dertaufdfien, lernte er ben ^ofs
unb 95omj)rebiger 21. g. 2Ö. ©adt lennen, ber i^m fein Vertrauen fdfienlte unb burc^ feinen
@mft unb 3)2Ube einen tool^lt^ätigen @influ^ auf i^n ühtt. ätud^^ ju ben 2)ic^tem ®leim 60
554 ®)ialbtng
unb 6^r. 6. D. Äleift trat er um jene ^cit in freuubfc^aftlid^e Sejtcl^uitf^en (\}qI. Q>paWm%^
Sricfe an @kxm, grantfurt unb Set^jj^ig 1771). 9?ad;bcm er 1747 in feine öeimat
Aurüdgefe^rt ipar, um feinen Iranfen SBater ju })flegen unb im^rebigtamt ;;u unterftü^en,
fafete er in ben ifläd^tm, bie er an beffen Äranf enbette ^ubrac^te, ben (Sntfc^Iufe, im ®egen=
6 fö$ Ö^gen ben bamal^ Don Serlin au^ ftd^ öerbreitenben 5)iateriali«mu^, inöbefonberc
gegen iia SRettrieö Schrift Thomme machine (1748), feine ,,®ebanfen über bie 8c=
ftimmung be^ 35ienf(^en" auf^ufe^en. 95ie ©d^rift erf^ien ju ©reif^albe 1748, ctlÄu
rafc^ f^intereinanber neue auflagen (1749. 1751. 1754 2C.; 13. äufL mit ^wf^i^^*^ ^^-
me^rt 1794), tüurbe 1750 t)on gorme^, 1752 t)on ^feffel, 1776 Don ber Äönigin
10 (Slifabetl^a (S^riftine Don ^reufeen, ber Oemal^Iin griebrid^ II., in^ ^anjöfifc^e, 1 765 Don
^. ^t. .^einje (u. b. %. Soliloquium h. e. quo consilio genitus sit homo deliberatio,
mit einer lat. SDebifation ©})albing^ an bie Königin Don ©c^toeben) in« 2atetnif(^c übcr=
fe^t. 95ie Heine ©c^rift bat ©jjalbing« fc^riftfteHerifc^en Slul^m begrünbet. ßr felbft
ioiH in bem SeifaH, ben fte in Seutfd^lanb toie im 2luölanbe fanb, nur einen Setoet^
15 baDon ertennen, „toieDiel (SetDalt eine geh)iffe ßinfalt unb SBa^r^eit ber ©efinnungen
unb be«J Slu^brudte« nod^ immer auf bie ®emüter ber ^RenfdSien l^at ; benn o^ne 3^^^^
hjürben Unjäf^Iige ebenfogut fc^reiben unb nod(^ mel^r £ob Derbienen lönncn, tpenn fie
nid^t mit älufojjferung biefer il^nen DieHeic^t ju geringen Sigenfc^aft gefünftelt unb fc^arf^
fmnig fein iDoHten". 3)amit ^at ©palbing felbft ba« riätige Sföort über fein fcbrift^
20 ftetterifdfie« 3?erbienft gefjjrod^en. 6« beftanb barin, in einer ^Qxt, bie mit ber fird^Iic^en
Crtl^obojie bereit« gebrochen ^atte, bie allgemeinen ftttlicben SBa^r^eiten bem 3Serftänbni^
ber ©ebilbetcn nal^e gelegt ju ^aben, unter SSer^ic^t auf tiefere j)biIofo})l^ifc^ ober thco=
logifd^e Segrünbung. gn biefer ^o})uIarifterung ber 5ß^ilofo})l^ie toaren bie ©nglänba
Dorangegangen, naq beren SKufter ©})albing ftd^ bilbete unb Don benen er einige ©i^riftcn
26 überfe^te (j. S. ©l^afte^burV« ©ittenlel^re 1745, be^felben Unterfudfiung über bie lugcnb
1747, gofter« Setrad^tungen über bie natürlicbe SReligion 1751—53). — SJac^bem fein
iJater geftorben, erhielt ©pa(bingl749 baö5ßaftorat juSaffal^n in^ommem, ba« er „mit
alter 2:reuc feine« ^er^en« ^n führen" bemüf^t ioar. greilidfi gelang e« il^m nid^t, „in bem
?Ka6e, lüie er e« hjünfd^te, ber ©emeinbe ju ©rlangung d^riftlic^er ßrfenntniffe unb ®c-
aofmnungen nüfelic^ ju fein": bie 3?erfd^iebcn^eit feine« neblogifc^en ©tanbpunfte« Don bem
noc^ gang ortbobojen feiner gw^örer, bie an bie alte „Äanjelfjjrac^e" gemö^nt hwren,
ma6)ic i^n anfang« befangen unb ^inberte i^n, „in bem „Dertrauten %on be« Umganges"
ju reben, ben er für ben -^uträglic^ften ^iclt. ©ein 3tmt getDä^rte i^m 9)lu^c ju litte-
rarifd^en arbeiten unb ^u einer regen ÄorrefDonben;; mit feinen berliner greunben. (fr
35 ioanbte fic^ aud) je^t befonber« ber englifd;en, beiftifd^en unb antibeiftifc^en, fiitteratur jiu.
©0 überfe^tc er eine anonl;mc ©d^rift axx^ bem 3(nfang be« 18. Sfll^^l^unbert«: The
principles of Deism fairly states 1754—55, mit einem ansang Don „brei ©riefen,
ben ©trcit über Stcligion betreffenb", bie f})äter aud^ in franjöftfd^er Überfe^ung in
?)raunfd;n)eig erfc^ienen; 1750 folgte eine Überfe^ung Don Sutler« Analogy unter bem
40 litel „Seftätigung ber natürlid^en unb geoffenbarten SReligion axxi^ i^rer ©leid^förmigfeti
mit ber (ginrid^tung unb bem Saufe ber 9Jatur". — 33on Saffal^n hjurbe ©palbingl757
al« erftcr ^IJrebiger unb ^rä})ofitu« nad; Sart^ berufen. 3)ie befonber« Don -iDledlenBurg
a\x<^ fid) Derbreitenbe >)ietiftifd^e Stic^tung Deranla^te ibn, feine „®ebanlen über ben ffiert
ber ®cfül^le im ßl^riftentum" ju ^ap'wx ju bringen. 3)iefe Schrift, bie 1761 erft^ien
45 unb mcl^rcrc beträd^tlic^ crlüeiterte 3tuflagen erlebte (17G4. 1769. 1775. 1784), ^atte bie
aibfid)t, bie ioal^ren religiöfen ®efü^le Don ben falf^en unb erlünftelten ju fc^eiben; ber
"SJafjftab, ben er babci anlegte, ift ioefentli4> ber moralifc^e: nic^t ®efü^l«erregungen ücr=
langt ba« (ibriftcntum, fonbern nur „ba« Setou^tfein rid^tiger ®efmnungen, bie fic^ in
einem guten i?erl;alten gegen ®ott unb 9Kenfc^en t^ätig ben)eifen". 2)er 9leIigion«begriif
50 ©palbing« ift ber einfeitig moralifd;e ber 2luf{länmg«jeit: „Dteligion l^aben", fagt er in
einer fpätercn ©c^rift, l?ci|t: „in bem geglaubten äöeltbel^errfd^er bie l^öcbfte iugenb l^er-
c^ren, ihr nacbftrcben unb fid; juDcrficbtlid(? i^re« Urbilbe« freuen". — ^n \vü6) bo^
3lcl?tung ©palbing fdt)on bamal« audt) im 3(u«lanbe ftanb, j^eigt ber SJefuc^, ben er im
"öilai 1 76:] Don brci ©d;iüci;;er S""9li"9<^"/ ^obann Äa«j)ar SaDater, i^einrid^ güßli unb
65 5^clir öcft crl^iclt, iüelc^e auf % &. ©ulj^cr« 3tat bieSlcife ju i^m unternahmen, um brei
^iUerteljal^rc feine« naiveren Umgang« .^ugcniefeen (über bieUKotiDe ber Seife f. bie gebend
befdbreibungcn SaDater« unb WS 53b XVIII, ©. 784). ©o Derfd^ieben auc^ Saüater
unb ©})albing ihrem gan^^en äBefcn nadt) trarcn, fo blieben fie bod» Don biefer S^it an
?freunbe, bie einanbcr l)od)\d)ci^tcn, ba fie fic^ Gin« loufeten in benri ©treben, i^r 3^^'
60 alter burc^ ^intoeifung auf bie l;öc^ften ©üter Dor bem äJerfmfen in ©emein^eit ^u b^-
®)ialbiitg 555
toaf)xm. ^m ^af)xc 1764 Derlicfe S})albing feine })ommerf(i^c Heimat, um einem Stufe
nac^ Serlin gu folgen al« ^tojjft, erfter ^aftor an ber 'JJilolats unb ^JJJarienfird^e unb
Dbcrfonfiftarialrat. ©eine ^rebigten fanben balb öielen SeifaU, befonberd bei ©ebilbeten,
auc^ bei §ofe, in^befonbere ber Äönigin, beten 33eic^tt)ater er h)ar, hjä^renb freiließ ber
Äönig ben „Pfaffen" ©})albing ebenfohjenig aU ben ,,3"^^"" aJlenbeföfo^n in bie berliner s
älfabenüe aufnehmen tüoUte. 3He^r afö i^toanjig ^ai)xt lang h)ar fein SRu^m aU Ran^tU
rebner ein ungeteilter. ®ebrurft fmb öiele einjelne ^rebigten unb ©elegenl^eit^reben, fo«
h)ie mehrere ^rebigtfammlungen, j. 8. Serlin 1763; 2.21.1768; 3.31. 1775; 9Jeue
5ßrebigten, 2 Sie., Serlin 1768. 1784; geftjjrebigten 1792; ^rebigten bei aufeerorbent^
liefen gäHen gehalten, granifurt 1775; Dgl. bie (Sl^aralteriftif berfelben nebft 3lugj;ügen lo
bei Bai, ©efd^id^te ber $rebigt ©. 73 ff. Unter ben arbeiten bed Dberfonfiftoriumg, bei
benen fid^ ©)c)albing beteiligte, fmb ju nennen ber 1765 l^erau^efommene neue 3ln^ang
ju bem ^orftfd^en ©efangbuc^ : gieber für ben öffentlid^en ®otte«bienft, an beffen 3lebals
tion jeboc^ fein ÄoUege 3)ieterid^ ben meiften Slnteil l^atte; ferner bie SSifttation unb
9Jeuorganifation be« berliner unb Äölnifd^en ®^mnaftumd ; Beratungen über nü^lic^e i5
(Sinrid^tung ber t^eologifdfien ÄoHegien auf ben Uniöerfttäten, hjobei ©palbing befonber^
auf 3?orlefungen über 2l})ologetif unb tbeologifdfie @ncvHo})äbie brang; 1769 na^m er
in fjjejiettem Stuftrag be^ Äönig« teil an ben SSer^anblungen über bie ß^efd^eibung^fac^e
be^ bamaligen ^rinjen Don 5ßreu|en, 1770 ff. an Beratungen über Slenberungen be^
©otte^bienfted, bie aber nur teiltüeife ^ux Slu^fü^rung famen. ©eit 1766 ftanben i^m 20
Süfd^ing, feit 1768 2B. 21. SCeUer, beffen Berufung au« §elmftebt ©jjolbing befonber«
betrieben ^aiU, ate Rollegen im Dberfonfiftorium jur ©eite. ^m S^^te 1770 lernte
©})albing auf einer amtlichen Steife nad^ 3Ragbeburg ben 2lbt ^^ölem, 3- ®- ©emier
unb einige anbere gleic^geftnnte 3Ränner lennen — bei einer Swf^^^'wenlunft, bie man
im 5ßublifum atö eine förmliche 33erfc^h)örung ber 2lufIlärung«tl^eologen jur 2lbfd^affung 20
be« JEird^lid^en Se^rbegriff« auffaßte. — 2luf feine bi^^erigen ©d^riften liefe er 1772 bie^
jenige folgen, bie i^m bie meiften 2lnfed^tungen jugepgen l^at : „Über bie 9lu^barteit be«
^rebigtamt« unb beren Seförberung", guerft anonym erfc^ienen, bann mit bed äJerfaffer«
5iamen 1773, jule^t in erhjeiterter ©eftalt 1791. Söcit entfernt, ba« d^riftlic^e ^rebigt*
amt I^erabfe^en ju hjotten, jeigt er öielmel^r, h)ie tüid^tig unb nottoenbig ba^felbe fei, unb 30
ba| e« barum mit ber äufeerften ©orgfalt öerhjaltet tüerben müfje; bad eigentliche ©e^
fd^äft be« ^rebiger« aber fe^t er barein, bafe burc^ ben Unterri^t in ber Sieligion bie
3Jlenfc^en teil« berul^igt, teil« gebeffert unb fo in bie 3?erfaffung gefegt toerben, bie jum
®lücffeligh)crben nötig ift; bal^er t)erh)irft er atte bogmatifd^en unb verlangt au^fc^liefelidfi
moralifd^e ^rebigten 2c. 3)iefe ©d^rift, befonber« bie barin geforberte „gänjlid^e SBeg^ 35
laffung tl^eoretif(|er 9teligion«le^ren, b. ^. in«befonbere ber 2^rinität«s, 9?erfö^nung«-, 3lec^t=
fertigung«lel^re au« ber ^rebigt" rief fd^arfe Entgegnungen t)on öerfc^iebenen ©eiten l^er=
t)or, j. S. Don Demier in ^ma, 3)öberlein in Slltorf, ©mefti in Seipjig, befonber« ober
Don §crber, bamal« in Südfeburg, in feinen 1774 ju Sei^g erfc^ienenen „funf^el^n
5ßroDinjialblättem" (ber 2lbbrucf in ^erber« ©ämtlid^en SBerfen, 2;übingen 1808, 40
SBb X, 293 ff., giebt bie ©c^rift nic^t in i^rer urf})rünglid^en ®eftalt unb ^at gerabe bie
polemifc^en ©teilen, tüobur^ ftc^ Derfd^iebene ®ele^rte beleibigt glaubten, toeggelaffen, f.
bie SJonebe be« .^erau«geber« 3. ®. 2)lüller ©. VI ff.). SDer farfaftifc^e SCon, beffen ftd^
^erber bebiente, befrembete unb fd^merjte ©})albing um fo me^r, al« fid^ §erber 1767
in ben Fragmenten über bie beutfd^e Sitteratur fe^r anerlennenb über ©>)albing« ^rebigt^ 45
tpeife au«gefproc^en, auc^ i^m feine ©^rift felbft mit einem überau« ^öf liefen Srief übers
fanbt l)atU, 3)er Äonflilt tüurbe Derfd^ärf t burd& bie unberufene ©inmifd^ung eine« dritten
(tüa^rfc^einlic^ 2;elter«). ©jjäter ^aben beibe 3Wänner ftc^ miteinanber 5U Derftänbi^en
gefuc^t: .^erber milberte ba« ©c^arfe feiner Urteile in einem Srieftüec^fel mit ©>>albmg
(f. ©ad in ben ^^©tÄ 1843, ©. 90 ff.), unb mit Siedet mad^t ©palbing« ©o^n (fieben«^ 60
befc^r. ©. 94ff.) barauf aufmerffam, toie fe^r beibe bei aller 9Serfc^ieben^eit i^rer Drgani=
fation unb 35enfart bod^ in Dielen fünften fid^ berül^rten, bal^er fie aud^ Diele gemein=
fame SUere^rer Ratten.
3)a« ©treben ©})albing« unb anberer feiner B^^tgenoffen, ba« ß^riftentum ber ^t\U
bilbung möglid;ft geregt ju machen, ^atte feinen ®runb in bem aufrid^tigen 3Serlangen, 55
e« m fd^ü^en gegen bie älngriffe be« friDolen Unglauben«, ber Don ßnglanb unb granf*
reic^ ^er and) über 25eutfd^lanb \\d) Derbreitet f}atU. 3Kan toollte ba« SBefentlic^e retten
inbem man ba« Dermeintlic^ Unlüefentlicbe J)rei«gab; man glaubte „ba« ß^riftentum mit
bem 3eitgcift ;\u Derfö^nen, inbem man bie "SiloxaU unb SBernunftreligion al« bie lo^vOßU
fad^e in bemfelben ^erDor^ob, o\)m feine j)ofitiDen Seigren au«brüdHid^ ju beftreiten". Um w)
556 ®)ialbtitg
ber abfpred^cnbcn gtcigctfterci unb bcr bon bicfcr ju bcfürd^tcnbcn SJcrbcrbung bcr
SJJoralttät cntgeöen ju treten, fehlen e^ bor altem nötig, über ba^ SBefen ber Sleligion
ftd^ ju öerftänbtgen unb jtoar mit SSermeibung atter t^eologifc^en ®(^uIj>oIemif. $ie^
\üi)xiz ©palbing jur 2lbfa)fung feiner „SJertrautcn Sriefc, bic Steligion betreffenb", tpelc^e
6 1784 anonym in Sre^lau erfc^iencn; eine itoeite, t)on fünf auf neun Sriefe bermebrte
Sluflage folgte 1785, eine britte mit bem 9camen be^ SSerfaffer« unb mit einer 3"9<^^^
an 2lbt ^erufalem 1788; fie cntl^alten „eine fdfiön gef^riebene Unter^Itimg mit einem
greunbe über unb toiber bie bamalige greigeifterei" unb fmb aud^ lultur^iftorifc^ intep
effant aU ein anfcl(^aulicl^e« S3ilb t)on ber bamafö in ben böseren ©tönben ^errfc^nben
10 griöolität unb religio fen ©leic^giltigfeit. — Unterbeffen toar gnebridSi II. 1786 geftorben.
Salb nad^ bem SWegierung^ntritt griebrid^ SBill^elm^ II. trat in ben fird^Iic^en Serbält-
niffen ^reufeen^ eine öer^ängniööoue SBenbung ein burc^ ba^ SBöttncrfd^c Sleligionöebift
Dom 9. 3iwli 1788 (f. I^ierüber ©adt, äJerl^anblungen über ba« 9leligion«ebift in ber 3^25
1859, 6.17 ff.; unb ebenbaf. 1862, ©. 412ff.). äuc^ ©palbing« SBirffamlcit tourbc
16 bat)on aufö ndt^fte berührt. 6r beteiligte fxi) mit feinen Äottegen SJüfc^ing, leHcr,
SDieterid^, ©ad bei einer Singabe an ben Äönig, in toeldfier fie biefem i^re Sebenlen unb
Seforgniffe toegen be« Sbiftö anzeigten unb SJorfdfiläae ui einer beru^tgenbcn 3)eflaration
madfiten k., tourben aber mit aUm i^ren 2lnträgen fcproff jurüdtgetoiefen. ©j)albtng felbft
bcfürdfitete md) bem ftrengen 2;on be^ 6bift§ eine berfe^erung^füc^tigc Beobachtung
20 feiner ^rebigten; er fud^te um feine Sntlaffung t)om ^rebigtamt nad^ unb erhielt fie:
am 25. ©e()tember 1788 ^ielt er feine behjeglic^e äbfc^ieb^rebigt, bie gebrucft ift ßr
log fic^ Don nun an ganj in ba« Seben ber gamilie gurüdE, banfte für ba«, tva^ er in
feinem langen Seben ®ute« a\x^ ®otte^ §anb cm})fangen batte unb in feinem unge^
toö^nlic^ l^o^en unb glüdPlidfien 3llter noc^ immer emjjfing. 2)aDon legt feine in gorm
25 eine^ ^Eagebudfig geführte ©elbftbiogra})l^ie ba« fd(^önfte 3^wgni^ ah ; fie bilbet bie §auj)t-
quelle für feine Seben^cfc^ic^tc. ©palbingö le^te ©c^rift, bie er im 95rudfe ^erau^ab,
ift: Sieligion, eine Angelegenheit be§ 3Kenfc^en (erft anonym 1797, bann 1798 unb mit
^ufä^en bermel^rt 1799) — gleic^fam ein 2;eftament be« 82iä^rigen ©reife«, für ein
fold^e« 2llter merltoürbig flar unb Iräftig gehalten, aber an fi^ fd^toäd^er unb ben 9«=
30 bürfniffen ber ^txi nic^t me^r genügenb, toie ftd^ befonber« jeigt bei 95ergleid^ung bicfer
legten ©d^rift ©jjalbing« mit ben faft gleichzeitig erfd^ienenen, eine neue ©cifte^^eriobc
anlünbigenben SReben über bie Sieligion feinet jungen Berliner Kollegen unb §au«freunbe^
©d^leiermac^cr (Dgl. über beffcn i^er^ältni« ^u bem ©adt5©J)albingfc^en Ärei!^ ©^leicr-
mad^er^ Briefe I, 166; 25ilt^e^, Seben ©d^leiermac^erö, I, 197 f.). 3)er t)on ben ongc-
35 fc^enften 3Kännern feiner ^M ^oc^Dere^rte ®reig, ber fic^ ^toar längft t)on aller ®efcllig=
feit jurüdfgejogen l^atte, ju bem aber ein ja^lreid^er gamilien= unb greunbe^freiö al« p
feinem geiftigen SKittel^unh in J)atriard^alifd(>er 5ßietät unb ßintrad^t aufblicfte, ftarb in
einem 2llter Don faft 90 Sauren ben 22. 3Kai 1804. eine too^ltoottenbe SBei^^eit unb
aufrid^tige grömmigfeit, Derbunben mit bem Beftreben, berfelben einen möglic^ft Haren,
40 einfachen, auc^ anbere überjeugenben 3lugbrudt ju geben, unb ein l^o^er, aber milber fitt^
lid^er 6mft, fern Don fünftlid^er geierlid^feit unb gezierter geiftlid^er SBürbe ioar bic
©celc feinet Seben^. „9Bir looHen gut fein, bann toerben toir ^ getoife unter Oott«
gügungen gut fjaben" — ba^ loar bie Sofung feinet Sebenö. „Stud^ feine äbtoeic^ungen
Don ^erfömmlid^en Sefjrmeinungen" — fagt fein ©o^n in ben Slnmerfungen ju feine« Satcts
45 Sebenöbefcbreibung ©. 172 — , „toe^l^alb er balb mit Beifall, balb in Berbammung^form
m ben Slufflärem ift ge^äfjlt toorben, ioar nid^tg anbere« al« ein 3^9 friner aufrichtigen
^römmigfeit, jener fein gan^e« Sffiefen burd^bringenben Sleblic^Ieit, bie burc^au^ emfi
mad^t au« bem, Wa^ fie unternimmt. 35ie ^criobe, in ber ©})albing öffentlich le^e,
beburftc gerabe eine« 3Hanne« in biefem ®eift unb ^er^en. Um t^n ju ^ören, brdngte
50 fic^ iebe«mal eine gro^c Slnja^l au^ aßen ©tänben, Don ber Derfc^iebenften SDenf- unb
®emütgart i^er^u; nic^t burd^ bie ®eh)alt ^inrei^enber 9lebe!ünfte, fonbem bun^ bie
rul^ig iüirfenbe Kraft ber 3Baf>rl;eit jog er jebe« nid^t Derloilberte ®emüt an. ©o hwr
er burc^ Sc^re unb Seben ein feftcr 2)amm gegen bie geioaltig ftrömenbe glut eine^
irrcligiöfen, egoiftifd^en ©eifte«, unb gen)ife Wax eine 2Bof>lt^at ber Borfe^ung barin ^u
55 erfcnnen, ba^ ©jjalbing gerabe in biefer 3cit unb in Berlin eine fo lange 9lei^ üon
Sauren fjinburd; gelehrt unb gelebt bat."
©palbing tüar fein großer 2:^colog ober "iß^ilofo})]^, fein fc^affenber ®eift, feine pof-
tifd;e ober fjjefulatiDc 5Jatur, aber aud^ fein 3lufflärer, fein SRationalift ober 35eift; aber
er toar ein ':)ioi)ularpl;ilofoj3l^ unb ^^5oj3uIart(;colog, ber bie göttlidfie £el(^re be« (S^rifien-
60 tum« jum ^^^d ber ^erjen^^erfa^rung unb 2Billen«beh)egung bem gefunben Berftanb, bem
®)ialbing ®)iaitgfitberg, 9(. @. 557
®efü^I unb SBtUcn na^e ju bringen tpu^te, unb fo, tt)ic man tl^n genannt i)at, ber ,,@rs
bauet feiner 3^^^9^of[en" getoorben ift. „©eine (lintüirfungen auf ba« S^i^^^^^^ f^"^"
— h)ie ©c^leiermac^er treffenb bemerlt — „eigcntlid^ Müdftoirlungen : ©elbftbilbung toar
immer fein näcMter 3^^*; ^^^ ^^^ 3^^^ö'*<^ anregte, prüfte er nac^ feinen ©runb«
fä^en, um jur Klarheit barüber ju gelangen, unb ba« h)ar bie SJeranlaffung feiner 6
Sd(^riften. 6ben barauö erllärt fiqj auc^ ber ungemeine Seifall, ben feine ©dfiriften fidfi
erwarben burd^ bie gefällige unb reine SJarfteHung, unb fein unleugbar fel^r vorteilhafter
©influfe auf bie SJilbung unferer ©})rac^e, befonbcr« jur j)Oipulären, fittlic^en unb religiöfen
SOlitteilung. Dl^ne ftdb einen S^^Q ^^ (Selel^rfamfcit ju feinem Eigentum getoä^lt ju
^aben unb ol^ne alö itünftler Dor feinen g^tgenoffen auftreten ju tooHen, tüurbe er einer lo
ber gebilbetften unb gerne gelefenften ©d^riftfteHer burd^ feinen ß^aralter, inbem ber rege
©inn für Harmonie unb bie innere Älar^eit feinet SBefen« aud^ in feine ©prac^e ftd^
ergog''. (^agenbai^ t) tBagcnmann f*
Span^tnittq, äuguft (Sottlieb, geft. 1792. — Cuellcn: ©ein ^anbfdjriftlicöer
9?nd)IaB im UnitätSorrfiit) in ^errnl^ut, barunter brei eigcn^Snbige fiebcn§befd)rcibimgcn, bie IB
evfle tjom 3q^i 1751, in ber brittcn ^erfon erjfi^lenb, bie jttjcitc 1789 tjcrfoftt, wcfentlic^
3uc;enbge|d)t(4te bid ^um 9(nfd)(uf) an bie ^rübergemetne, für bie öffentliche ^erlefung beim
^egrfibni^ beftimmt, abgebr. $). ^^. (J. $enfc: ^rc^io für hie ncuefte ft'ircftengcfdjicöle J, 40,
bie brittc, bei meitcm auSfü^vIidiftc, 1784 aufgefegt, mit ftorfen SBerlürjunaen abgebr. ^cnfe
a. a. 0. 11,429—487, SScimar 1796 unb «Racfiriditcn au§ ber »rübergemcinc 1872, e. 135— 180. 20
^on ber umfangreirfien Äorrcfponbcnj @p.3 finbet fid) abgebr.: Briefe an feinen älteftcn
!örubcr Sofob CiJeorg gvei^err üon ©pangcuberq au§ ben 3a^ren 1770—1779, ^atr!otifd)c§
9lrct)iü f. 3)eutidjlünb VII, 302—372. 53creinielle «riefe in ber ßeltfc^rift „3)er »rüberbole" :
on grj. 53oU. 9tcin{)arb, ben 53uc6^änbler 2:rautmann in 53rieg, an «afeboto, 1872, @. 9 ff.,
241 ff. 2)en «riefn)ed)fel mit feinem brüten ©ruber ®eorg «Philipp, 9lrjt in 2Bal!enrieb, befi^t 25
bie (ijüttingcr Uniüerfität^bibliotbef, hit Elften über feine S3ertrcibung aiid ^De in bem
bortigcn gof u(töt^ard)io unb ^rc^io bed SBaifen^aufeg, fpeiiaUfiert hei Änapp : ©citräge (f. u.).
8rf)ilberungen uon 3citgcnoffen : (J^r. ®. ©a^mann, Steifen ber 6a^maunf(^cn 3öglinge,
2. 35b, Öeipjig 1786; Srüberbote 1874, @.10ff.; 9lub. 3ad). 55ecfer, 3)eutfd6c 3eitung, 49 @tücf.
1792; «Hrüberbote 1876, ©. 309ff.; gänidjen, 3o^. SBernouUiS Sammlung turjer 9f^eife= 30
bcfd)reibun9cn unb anbrer jur ©rtoeiterung ber fiänber= unb 3WenfdjenfenntniS bienenben
^Mric^ten, Sa^rg. 1784, »b XVI, 195 ff.
fiittcratur: (S:in 9lbri6 feine« Heben Don [3o6.fiorcJ]; fiaupftifdic SWonatSfc^rift 1793,
I, 336-358, II, 13—31, 75—89; Seremiö SRi^ler, ficben 9(. &. ©pangenbergS, «ifc^ofS ber
eu 53rüberfird)e, 33arbi) 1794. fiebigltrf) auf i^m fufeenb bie fürjeren ficbenSbilber, Ä. g. 36
fiebberöofe, 3)ag 2ebcn ?(ug. C^5ottI. @pangenberg§, S3tfd)ofö ber «rübergemeinc, ^eibelberg 1846;
e. 3. ^DM^fd), ?l. &. ©pangenberg (^iperd eoang. 3abrbudi f. 1855, 6. 197). ©ine n)iffen=
fd)aftlid)e, au# ben CucOcn |erauä gearbeitete S3iograp^ic: ©erwarb 9tei(ftel, 9luguft (äJottlicb
Spangenberg, S3iid)of ber ©rübcrtirc^e, 2;übingen 1906. — (£ine attcnmägige ^arfteUung he^
Äonflift« in .^aDe: ® e^r. Änapp, 33citrägc jur fiebenSgefc^idftte ?luguft ®ottlieb @pangen= 40
bergS (1792). 3um erftenmaf herausgegeben t)on Dr. O. 8rricf, ^Ue 1884; ®. fianbau, Qk-^
fdjld)te ber gamilic oon 2!refurt mit ibten SSer^ttjeigungen 2C., fowic ÖJefcftidjte ber nod)
blü^enben gamilie tjou Spangenberg, Gaffel 1862. ^Heinere 3lufffite unb fjeftfdjriften finbet
man bei 9hid)cl uerjeic^net. iögl. aucft bie aflgemeinen SBerfc über 33rübergef(^id^tc (f. ^rt.
3in5enbürf). 46
2luguft ©ottlieb ©pangenberg, ber l^o(6t)erbiente Sifd^of ber Srüberfird^e, ift am
15. 3wfi 1704 in Älettcnberg am §arj geboren. 35er 25ater ®eorg ©^angenberg, ber
feit 1G97 ^icr ^farrer mar, mufe ber pietiftifc^en SHic^tung na^e geftanben ^aben; er
backte baran, feine ijier ©ö^ne bercinft ade nac^ §atte ju fc^idten. aber fein frül^ Job
(15. Df tober 1713) ^erftörte biefe ^läne. 95ie 5Kutter 35orot^ea Äat^arina geb. 5Wefe 60
toar ben Äinbem fc^on früher (10. 2tpril 1708) genommen toorben, unb eine jtoeite,
ß^riftine (S^arlotte Söl^mer, bie ber ^ater i^nen 1709 jugefü^rt, fd^eint toenig §erj für
i^re ©tieffinber gehabt ju J^aben. ©o tourben bie Äinber ^erftreut, bie älteren ^alob
®eorg unb 3ol^ann griebrid^ bepgen fd^on je^t bie Älofterfc^ule in ^l^tVt>, bie jüngeren
®eorg ^^ilipp unb Stuguft ©ottlieb fanben junäc^ft lool^l Stufna^me bei armen 9Ser= 66
tpanbten in bcm 35örfc^en Sranberobe bei Älettenberg. 1717 (10. ^ebruar) traten bann
auc^ fie in ^^f^^b ein. 9lber nirgenb« begegnen h)ir einer ©pur, bafe biefe ©d^ulja^re
einen nachhaltigen Sinflufe auf unfern ©p. l^interlaffen Ratten. ®^ befielet atte 3äai)X'
fd;einlid^feit, bafe er neben S'Hb nod^ ahbere ®V"i"öP^i^ befud^t l^at, bi« er 1722 bie
Unitjerfität ^ena bejie^en tonnte (30. 3uni immatrifuliert). ftier fanb er 2lufna^me im 60
$au^ be^ ^^Jrof. 3- %}h- Swbbeug ; er rücfte offenbar einfad^ in bie ©tette feinet älteften
Sruber«, ber bie Unit)erfität bereit« toieber t)erlaffen i)atU, toenn et amanuensis bei
558 8)iati(|enberg, 91. &.
Subbeu^ tpurbc. ©cit t^nen eine 5^"<^^6^"«ft ba§ Dätevlid^e Srbtetl jerftört, toarcn fu
tJoUftänbig mittellos gctüorbcn. 2Btr fennen baö $au^ be^ Subbeu^ ate einen ©tü^unft
be^ ^tettemu^ in ^ma. Slud^ für ©^. touvbe ber Sintritt in biefe $au^emeinfc^
bon entfd^eibenber Sebeutung. 5Jocl^ in ba^ crfle ^al}x feinet Jenaer Slufent^Ite^ faßt,
6 nad^bcm aud^ er anfangt in ®efal[ir gefc^tüebt, in ben Strubel ftubentifd^en gebend hinein-
gezogen ju tperben, bie grunblegenbe ©rfa^rung feine« inneren fieben«, bic er mit ben
SBJorten befd^reibt: „3)a Iriegte id^ einen neuen ©inn", „ber |)ei(anb Iriegte fein §erj".
Segreiflidfiertoeife beurteilt Bp, bon biefcm 9Bcnbe})unIt au« feine bi^^crigc SnttDtdelung
fel^r negattt), aber nad) allem, h)a« toir ^ören, l^at burdfiau« ba« Ätnb f^on fi^ für bic
10 frommen ©inbrücle be« ©Item^aufe« emtjfänglidfi gejeigt, unb ber Änabe ftd^ in emflem
fittlic^em Äamjjf gemüht. „S« ging aber inmter burd^ gaUen unb äuffte^en unb toax
ein S^Jnin'^I^ben". 2Ba« i^n j^t für fein Setüu^tfein auf eine ganj neue ©tufe bob,
ba« toar bie übertoältigenbe Srfenntni« ber „giftigen Duelle feiner ©ünben" auf bei
einen unb ber „SBol^lt^aten ®otte«" auf ber anbern ©eite. 3m ©efolge biefc« inneren
16 ®r(ebnif[e« ftanb nun aud^ ber ©ntfd^Iu^, 2;beo(ogie ^u ftubieren, anftatt, h)ie urfj)rüng=
lid^ beabftc^tigt, ^ura. ®erabe bie Semerlung be« Subbeu«, bie er gelegentltcb aU
^o\p\iant in einer feiner 3}orIefungen ^örte, „toer theologiam ftubieren unb ein Wiener
3efu tperben toottte, ber müf[e fic^ jum t)orau« baju refolmeren, um feine« 9?amen« unb
unb um feine« 2Bort« tpitten atte Seiben unb 3^rübfale über ftc^ ergeben gu laffen" ^ttc
20 e« i^m anQtif)an unb ben @ntfd^(ug unmittelbar jur ^olge gehabt. @r ^t bann im
Saufe ber 3^'^ ^^e Seile ber 3:^eologie bei Subbeu« gehört. SÖä^renb ©j). un« in
biefen erften ^hjei bi« brei Sauren ben ßinbrudE eine« ftiU gurücfge^ogenen, fleißigen, in
ben beglüclenben ©rfaf^rungen feine« ©efül^I« lebenben ©tubenten hinterläßt, bringt ba^
3a^r 1725 feiner ©nttüidtelung eine neue SBenbung. ®r fommt in Serü^rung mit
26 m^ftifd^^fejjaratiftifc^en Äreifen in ^ma unb h)irb t)on il^nen nun rafdj^ emtjorgetragen;
Sj „maq^ten ettüa« au« il^m/' „abmirierten ben ©cgen, ben fte bon feinem ®ebet unb
eben l^ätten". ©^. gerät barüber in ®efal^r, feine ©efüble nod^ fünftlic^ ju fteigem
unb „in ^euc^elei unb ©elbftgefäHigfeit" ju berfatten. ©ine ^arte ©müc^terung folgte.
„2)a ertat)j)te mic^ ber «öerr unb berlaufte mid^ tpieber unter bie ©ünbe." ©eine Sluf-
30 rid^tigleit toenigften« ju retten, jie^t er fic^ nun, allem 3)rängcn feiner bi«l^erigen greunbc
jum 2^ro$, hjieber ijöHig auf ftc^ jurüdt. 35oc^ nur, um alebalb toieber einem neuen
^alfd^fü^rer in bie 2lrme ju geraten: bem ®ic^teliani«mu« (VI, 657 ff.). 3)a« ^aupi
ber ®id^telianer in Hamburg unb älltona, ^oi}. Otto ®lürmg, toeilte eben bamal« (1725)
in ^ma. ®erabe toenn ©jj.« Serfe^lung bem fittlic^en ®ebiet angehörte, berfte^t man,
36 bafe biefe ©efte mit ifjrer ftreng a«fetiÄen ^orberung je^t über ibn ®eh)alt getoinnen
lonnte. 95abei em})fanb er bie ®efolgfc^aft, bie er i^r leiftcte, bod^ nid^t al« Befreiung,
fonbem h)ic eine fd^hjere ®efangcnfc^aft. (Sine ^6t äußerfter 9Sern)irrung ift über fein
innere« Seben ^ereingebrod^en; über ben ml;ftifd^=tl^eofo})^ifd^en ®ebantengängen feiner
©efte bro^t er feinen einfältigen Sibel= unb j^ird^englauben öoÜftänbig ^u t)erlieren.
40 ©eine beften greunbe j^iel^en fic^ fd(?eu t)on il^m jurüdE. 3)a bringt ba« ^ai}x 1727 ihm
Srlöfung. gn il^m trifft ber 2:ob jene« unheimlichen ®lüfing unb bic erfte Serübrung
mit öcrrnl^utern jufammen. 35urd; bie Subbeu«, bem .s>erau«gcber ber Srübcrgef^irf»te
be« (Someniu«, t)on jtoei ^iperrnl^utcrn überbrachte (8.— 10. Df tober) „^iftorie toom äue=
gang ber mä^rif d;en Srüber" crl^ält er bie erfte Äenntni« bon Jperrnl^ut. Salb barauf
45 folgt bic erfte J)crfönli4>c Scfanutfc^aft; einer jener Sotcn feiert auf bem Slüdhocg bei
ibm ein. 2)ic fd^lid^te (Einfalt bc« SlJanne«, bie ^armlofigfeit, mit ber er ibm aU
Srubcr begegnet, mad^t auf il?n ben tiefften ßinbrucf. Unb nun erfolgt ©d^ritt für
©c^ritt bic tt>eitere ®efunbung feiner rcligio«=fird^li4>cn Haltung unb bamit bie lebenbigc
einglicbcrung be« Sf*-^^^^^^" ^" ^^^ ©cntcinfd^aft crtoeäter ©tubenten in 3ena, beibc«
50 il^m tjcrmittclt burd^ bic Srüber in §crrn^ut. Sefonber« bebeutfam in biefer Siic^tung
h)irb ein längerer 2lufcntbalt, ben 3in^enborf im ©ommer 1728 (22. 3!uli bi« 19. Sluguft)
in '^ma tnac^t, nac^bem er bereit« 1727 (18.19. "Dlotjcmbcr) ein crfte«mal l)kx gcn?eilt
unb fcitbcm immer erneute ©cfanbtfcl^aften ben i^crfc^r j^toifcbcn bem Ärei« ^ietiftifcf>er
©tubenten unb ber ®cmcinc mäbrifdbcr 3(u«toanberer unterhalten l^atten. ^ci^t unter-
56 nimmt c« 3i"3^'"^«^^f/ ^^ ^^ f^^ bei naiverer Sctrad^tung in biefcm Ärei« ä^nlicbcn
®cgcnfä^en t)on ©cfc^lid»en unb 5?teien, Äird^lic^en unb Ünfird^lid^cn ioic feiner^eit in
^crrnbut gcgcnübcrficl^t, aud; hier einen lcbcn«t)ollcn 3wfammcnfd&lu6 ^u berfuc^en. 2)a|iu
em})fici>lt fic^ il?m ba^fclbc ^Jiittcl, ba« fic^ bort bcioäl;rt: i^erj)flid^tung ber Dcrfcbiebencn
£anb«mannfd;aftcn auf Statuten al« ben ®runbfät^en ber brübcrlid^en i^ercinigung (f. bic
60§erm^uter: ^o\. %h. a)lüllcr, 3i"i<^"borf al« (Erneuerer ber alten Srüberürd^e, £ei})3i0
S^iattgenBerg, 91. ®. 559
1900, ©. 110 ff.) unb SScrteilung ber a^oftoüfci^en Stmter unter fxd) ate bcn Organen,
bie btejc ©runbfä^e c^riftltc^er Siäc^ftenliebe in Äraft erl^alten foHten. ©^. ift unter ben
,,9Uteften ber neuen ©emeine". Scbiglid^ S3ebeutung nad) au^cn f)at eö, totnn er bem
®ahjen ,,bie %om\ eine« gelehrten 3j"ftitw^^"f ^ine« coUegium pastorale practicum
gibt; e« ift ber SJerfuc^, feine ©rünbung beni afabemifc^en Drganidmu« eimugliebern unb 5
fic baburd^ fidler ju ftetten; SJubbeu« foHtc ben 9Sorft$ übemel^men. Slber gerabe ba«
foHte für bie junge ©c^ötjfung ljer^ängni«t)oII hjerben, bie alabemifd^en Sel^örben hjaren
genötigt ©tettung ju nehmen, unb 2luflöfung bed ^nftitut« tt)ar bie ^'^^Ö^- älber ein«
ift ni^t h)ieber in grage gefteCt toorben: ©>).« fü^renbe Stellung im Ärei« biefer
ftubentifd^en ©ttlefiola, bie i^nt im gufömmenl^ang mit biefen ßreigniflen jugefatten toar. lo
6« folgen ^al)xc angefj)anntefter 2;^ätigfeit in il^rcm 2)ienft. 1729 (2. Sljjril) ertüirbt
er fic^ „an^ Siebe jum $eilanb" ben Öiagiftergrab. Sr l^ält ^biIoIogifd(^e unb ^^ilo-
fot)^ifd^e 3Sor(efungen; fein gan^e« §erj gehört aber feinem collegio ascetico, in bem
er über 100 3wi(^örer ^ä^It. 9lebenfer ge^t eine rege Beteiligung an ben airmenfdSiuIen
in ben SSorftäbten ^ma^. 3lad^ öereingelten Slnfä^en ^attc fi^ 1728 ein förmlid^er i6
©tubentenüerein gebilbet, beffen 3)litglieber fid^ ju unentgeltlid^em, regelmäßigem Unterridfit
armer Äinber t)er))flicl^tetcn. ©j). ift fel^r balb bie ©eele be« Unternehmen«. 9)Jan
i)at ©tatuten, regelmäßige Äonferenjen, eine 9Jerein«Iaf[e in biefem Seminarium
catecheticum, unb babci lüirb ganj beutlic^, baß ba« Slufblüi^en biefe« ©eminar«
(1729: 36 9Kitglieber, ISO ©c^ulfinber) in innerem gufammenl^ang mit bem ^ufammen* 20
brud^ ber 3in}<^nborfifc^en Drganifation ftel^t. 3^"J^"^<>h^ \S^^^f ^^"^ leben«üoue (Semcim
fc^aft j)u fc^affen, fluttet fic^, lörjjerlo« gehjorben, in ba« Seminarium catecheticum
unb finbet in i^m einen lebensfähigen Drgani«mu«. — 2ln einem ^unft fd^eibet ftdfi
aber je länger je mc^r bie ®nttt)idEelung ©p.« bon ber jene« ©eminar«. äBä^renb ba«
SBer^ältni« be« le^teren 5U ^injenborf ftarfen ©d^hjanfungen untertporfen ift, geftaltet 25
fidfi ba« ©j).« immer unlöslicher. Scfonber« feit einem S3efud^ in ^erm^ut (21. bi«
28. Sljjril 1730) gefrört er im ®runbe fd^on ganj bortl^in. 6r nimmt fortgefe^t an ben
intimften ©emeinangelegen^eiten teil unb h)irb tjerfdfiiebentlic^ t)on 3i"J^'^i>*>^ ol^ 3Ki**
arbeitcr in 2lnfprud^ genommen. 6« tüäre ba« 9?aturgemäBc getücfen, toenn biefe« 9Jers
^ältni« nun auc^ äußerlid) ftd^tbar in bie 6rf((fcinung getreten ioäre. 30
©tatt beffen na^m Bp. im grü^ja^r 1732 einen Suf nadfi §alle al« Stbjunft ber
tl^eologifc^en g^lultät unb ©e^ilfe am äBaifen^au« an. 3^"^^*^*^'^ f^^P ^^^ ^'" 3^^^^
früher bem jüngeren grancle biefen SSorfd(^lag gemad^t unb ®p. unbebingt ;\ur 2lnna^me
eine« ettüaigen yluf« jugerebet. 2lber in^toifc^en ^attt ficb bie ©ituation öoUftänbig geänbert.
SDie bamal« gej^egte Hoffnung, ein Sünbni« j^toifc^en §alle unb §erml^ut ju ftanbc ju bringen, 86
l^atte fic^ betrügcrifc^ critjicfcn unb bei ben Sergleic^«t)cr^anblungen fic^ bie ganje firc^«
lic^e ©xflufujität ber ^aUenfer erliefen, ©p. fonnte jefet, öoHenb« bei feiner ganjen ÜJer«
gangen^eit unb feinem Serl^ältni« ju §errn^ut, einem muf l^ier^er nur äußerft bebenflic^
gegenüberftel;cn. 3Bcnn er i^n tro^bem annal^m, fo l^at ba« bor allem feinen ®runb
in ber q uietiftif d;en .Spaltung bem fo bringlic^en Stuf gegenüber. SDaß er ftd^ aber bon 40
$errn^ut nid^t abbrängen gu laffen gebäj^te, bofumentierte er gehjiff ermaßen burdj^ einen
me^rtüöd^igen Slufcntbalt bafelbft unmittelbar öor feiner Überfiebclung nad) §altc
(28. aiuguft bi« 18. ©cjjtember 1732). 6« mußte fid) geigen, ob feine« bleiben« in
^atte tvax, and) tücnn er biefc 3>erbinbung aufrecht erl^ielt. ^""öd^ft fud^t man fic ju
ignorieren, ©eine 2lnfänge ftel^en ^ier fc^einbar unter bem glüdlid^ften ©tem. 3" f^i"^" ^
^rebigten unb 33orlefungen finbet er „ungemeinen Seifall". Slber feiner felbft bemächtigt
fxd) eine i^ac^fenbe ?Kißftimmung. 3i"S^^*^^ P"*^^^ ^^^ f^*>" ^^^ ^'"^"^ Sefudfi im
5Roüember „an ber causa Haliensi jiemlid^ irre". 3)ie aSeräußerlidfiung, ber er fidj^
allentl^albcn gegenüberftei^t, ruft feinen -ihJiberfpruc^ tvad^ unb bro^t feine ©timmung auf«
nt\x^ ju toerf^ärfen. ßr fuc^t 2ln|c^luß an einen Ärei« ertoedEter Sürger, bem fä)aratiftifc$e 60
eiemente angel^ören, unb ift beftrebt, fid^ ^ier eine eigene, il^m ^iufagenbc ipätigleit nu
fd^affen. Slber biefer üüerfud^ follte al«balb j\um Äonflift mit feinen ißorgefe^ten fül^ren.
(Sine gemeinfdf>aftlid;e Slbenbma^ljeit am 2. Sä5ci^nadSit«tag, bie ©J). nac^ ^erm^utifd^em
SWufter in einem ,,2iebc«ma^r' au«;\ugeftalten öerfuc^^t f)aik, ruft in ber ©tabt ba«
&ct\xd)i i)^x\)ox, ©p. I^abe mit ben bürgern Slbenbmal^l gehalten. 2)a« giebt i^m Slnlaß, 65
fidfi am näc^ftcn 2:ag in bemfelben Ärei« über ben Unterfd^ieb Don Slgaj)e unb Slbenb*
ma^l ju Verbreiten, ^uglcid; aber mit feinen Slnfc^auungen t)om Slbenbmal^l ^eröorjutreten.
6r ^atte bie öebenlen gegen ba« fircl^lid^e Stbenbma^l in „üermifc^tem Raufen", bie au«
feiner fe>)aratiftifc^en ^criobe ftammen mod;ten, nie tüirflic^ überlounben unb fic^ in ben
legten ^al)x^n in ^ma nur bem „gemeinen Srauc^^" anbequemt 3Jon feinen 3"' ^
560 @)iati0etiBerg, % ®.
I^örem baju ermuntert, mac^t er ben 9Serfucl^, bei bem $aftor t)on &lan^a, 3Dlartini,
eine Jjrtoate Slbcnbma^tefeier für t^ren Äret^ gu erh)irlen. SJlarttni erftattet ben beiben
35ireftoren be« SBaifen^auJe^, %xanit unb g^f^^ling^aujen, älnjetge öon biefem Segebr,
unb nun toirb befonber^ auf betreiben be« le|teren fofort ein offiziellem SJerfa^ren gegen
b&p. eingeleitet. (Sr tüirb gleich nac^ 9ieuia^r 1733 \)ox eine Äonfereng bon SlngcfteÜten
am aSaifen^aum ijorgeforbert unb i^m eröffnet, bafe man, h)äre er eine ^rit)att)erfon,
tt)o^l mit feinen ©fni^eln GJebuIb ^aben hjürbe, aber atö Se^rer muffe er mit ben ©runb^
fä^en unb ber ^rajim ber Äird^e übereinftimmen. Sinem Bp. gegenüber toar aber bie
tjerfteite 2)rol^ung ber Slmtöenlfe^ung, bie für ben SBeigerung^faH barin lag, ba^ befte
10 5Dlittel, il^n in feinem SBiberftanb ju Derfeftigen. Eine ghjeite unb britte ilonferenj
(8., 20. Sanuar) üerläuft ebenfo refultatlo^. 3)a fd^eint nöd^ einmal bie Sludfic^t auf
frieblid^e Söfung aufjutaud^en. Bp, fd^reibt, Deranlafet burd^ bie berjlic^en SorfteHungcn
bem "Slbt^ ©teinme^', einen überaus behjeglid^en Srief an bie ieilne^mer jener Äom
ferenjen. 2lber fofort foHte fid^ burd^ einen anbem Schritt bie fiage aufm neue J>cr-
löfd^ärfen; er bejud^t 3^^"i>orf auf feiner 35urd^reife in ©bermborf. Sei feiner SRücffebr
(6. gebruar) finbet er bie il^m jufommenbe ^rebigt einem anbem übertragen, unb bie
grage, ob i^m überl^aujjt nod^ $rebigttl^ätig!eit ju geftatten, h)irb Slnlafe, bie ©ac^e toor
bie gölultät ju bringen, ©m tritt ^ier beutlid^ ju 3:age, ba^ ber tieffte ®runb für btc
3lert)ofität ber Jpattenfer in ber begreiflid^en, obgleich ungeredfitfertigten Befürchtung lag,
20 ba^ hinter attem ber gefürc^tete ®raf fterfte. Sm lam nad^ ©t).m Slumfage im Sauf ber
3}erl^anblungen bim ju ber Srflärung, em fottte altem gut fein, h)enn er nur t)erfj)re<6en
tooHte, biefe 33erbinbung öoHftänbig aufzugeben. 3n ben offigietten äften tritt ba» frei-
ließ nicßt ^erDor; ßier ]^äufen ftd^ bie Älagejjunfte je länger je meßr. 3lad) brei gaful-
tätmfonöenten (8., 19., 24. gebruar) ift man fohjeit, beim Äönig feine ©ntlaffung na(b=
25 5ufudSien. 3lm ©rünbonnermtag (2. 2lj)ril) ift ber Sefeßl ba, ©J). I^abe nocß t)or Dftem
bie ©tabt m öerlaffen. 6r leiftet ißm unmittelbar ^olge (4. 2l^)ril). 2)iefer äumgang
t)on ©}).m 3lufentßalt in §aHe tüäre aufm tieffte ju beHagen, tomn er nicßt bim ju einem
getüiffen ®rab eine gefd^iqitlicße 5Joth)enbigIeit barfteHte. 5)er innerlich lang vorbereitete
^rud^ 3^"8^"^*^^^ ^^^ §ött^ mufete ftcß an einem ^unft DoHenben. 3)iefer ^unft tm
aoje^t encicßt; über ©p.m }}erfönli^em ®efd^id fcßieben ftcß bie beiben Äreife. 2lber au(^
auf ©j).m ^erfon gefe^en, l^atte bie furje ^tit feinem äufentßaltm in §alle genügt, um
bie ganje Unnatur unb Ungunft biefer 3Serbinbung aufzuzeigen, ^a^ Unbefriebigenbe
ber SJerl^ältniffe, in bie er \\d) ßier gefteHt faß, ^ätU ißn mit ber ^^\t unfehlbar auf
fej)aratiftifd^e Saßnen jurüdEgebrängt. 6m toar ßerDorgetrcten, bafe ftd^ bei ißm troö bei
35 formellen Übertoinbung bem ©e})aratimmum nod^ genug Don ber alten ©timmung bidt
SBenn man bebenft, ba^ gerabe ©}). em einft befdßieben fein foHte, ben fird^licßen gbarafter
ber Srübergemeine nacß au^cn ßin fidler ju fteHen unb im ^nntxn ber 9lot einer alt-
hjerbenben ^^\t gegenüber, h)ie fie §aHe je^t erlebte, gebulbig aumjußarren, fo ift beutlii,
ba^ em no^ einer entfcßiebenen 2Beiterenth)idtelung beburfte.
40 ©ie tooU^iebt ficß im Slnfd^lu^ an bie Snttüicfelung ber Srübergemeine, ber er nun
förmlid; beitritt, g^^i^^i^^orf hatU ißn unmittelbar nacß ber ©ntlaffung öon §alle
(H). Slpril) zu feinem Slbiunft berufen, unb tüir finben ißn in ben näcßften gaßren aU
feinen ®efcf»äftmträger mit ben toerfcßiebenftcn bijjlomatifd^en SKiffionen betraut. 9lber toon
Dornßerein n)ar burd^ ben 3^i^punft feinem Seitrittm gegeben, ba^ fie Dor allem in einer
45 9{id^tung lagen. 'S^a^ ^aßr 1733 ßatte ben ©dßlücnff eibern, bie ^inj^n^orf bei fuß auf-
genommen, einen 3lumtt>eifungmbefeßl gebracht unb bamit bie Unftd^er^eit ber ßeimatlid^en
6)riftenz aucß feiner 3Räßren offenbart. 2)iem in 3Serbinbung mit bem fommenben
afJifftonmeifer brad^te rafdß ben ©ebanfcn an übcrfeeifdße Äolonien jur 3lumfüßrung. 3"
ber 9tötigung, ben ©d^tt>enffelbern neue SQäoßnfi^e ju üerfcßaffen, toar ein unmittelbarer
60 2tnla6 gegeben. Sei ©t. ßru^ unb ®eorgien, ben erften brüberifcßen Kolonien in amerifa,
ioar in erfter Sinie an bie ©d;tt>enffelber gebadet, aber alm biefe Dorjogen, nacß ^ennf^l-
toanien zu geben, fanbtc man 9)läßren Binaum. ^n äßnlicßer SBeife lt)ie ßier bie anfange
bem ftolonifationeloertm ber 33rüber in 2imcrifa mit ber gürforge für bie ©cßtoenffelber »er-
fnüpft finb, ift nun aud^ S^.m 9Jame t)on 3lnfang an mit beibem üerflocßten. ©r bringt bie
66 ßrujer Äoloniften nadf> Äo})enbagcn unb fcßlic^t ßierbie entfcßeibenben Verträge ab (1733), er
leitet bie 2lnfänge ber fiolonie am ©atjannaflufe (1735) unb lüenbet fi(| enbließ nacfc
^^ennf^lt?anicn, um bier ficß für bie ©cßtt>enff eiber herzugeben (1736—1739). aber ba
biefer nädßfte 3n)ed einer inncrn Seeinfluffung biefer ©efte ijötlig feßlgeßt, fo ift bie
tßatfädßlid;c Scbeutung aud; biefer ^al}x^, ba^ bie ©dßule, in ber ber fünftige Äolonifator
Gü ber Srüber gebilbet h)irb, ficß DoUenbet, 9Jacßbem er manchen J&anbgriff gelernt unb
^panitnhtti, % ®. 561
ftc^ an crften 33crfuc^cn fx^xobi, erlangt er je^t noi} genauere Äenntnte t)on bem Oebiet,
auf bem er bann enbgiltig ben Sau aufführen fottte. SKä^renb ©t. 6ruj unb ©eorgien
aufgegeben Serben mufeten, foHte ^ennftofoanien gur Saftö be^ f})äteren Äolonifation^s
tüerfe^ ber Srüber tperben. Unb ©j).« 6etftung fottte e^ fein, in ibm ben ®runb jur
heutigen amerifanifd^en ^roüinj ber Srüberunität ju legen. 3)amit ift bie 2lufgabe be^ s
jeic^net, bie i^n bi« über 3i"i^"b*>^^ ^^'^ f}'mani feftgebalten l^at. 6^ erfd[>eint üon
^öc^fler ^roötbenj, bafe bie aSer^ältniffe i^m bie^ öerl^ältni^mäfeig felbftftänbige 2lrbeit^
gebiet jugehjtefen f)aUn. ©in engere^ 3"fani*n^av6^it^n ber beiben grunbt)crfcbiebenen
9)Jänner toäre nid^t möglidSi gehjefen.
Slber e^e er an fein SßJm ge^en lonnte, beburfte e^ noi) einer ©d^ule ba^eim. 95er lo
älufent^alt brausen ^atte gegeigt, bafe ber felparatiftifd^e ©ebanfe bei ©j). nur gefd^lummert
^atte, in ber lebenbigen ©emeinfc^aft ber Srüber jur SRul^e gelommen. 3)ie ©egenfä^e
^ennft;lt)anien^ mit feinem bunten ©emifc^ t)on ©efmntl^eiten fd^reiten i^n tpieber auf.
d^ tüar ®efa^r, bafe &p.^ fetjaratiftifc^e Äritit [id) nun aud^ gegen ba« ^eimif^e Srübers
tum hjanbte. 3)a^ lonnte um fo leichter gefd^e^en, ate auc^ biefeö injtoifd^en eine SBeiter^ i5
enthjidfelung erlebt f)att^. 3)a^ ^erüortreten ber 33erföl^nung3lel^re (1734) l^atte B^'^S^'^*
borf^ natürlid^e^ ^eimat^gefü^I ber lut^erifd^en Äirc^e gegenüber bebeutenb t)erftärft unb
feinen innerfird^lid;en planen eine n^z ©tü^e gegeben. $anb in $anb bamit \vax eine
entfc^iebene Umftimmung ber brüberifc^en grömmtgfeit gegangen. 3)ie ©trenge ber Ru^t
unb bie ängftlic^e ©elbftüberioad^ung l^atte fic^ ermäßigt unter bem frol^en eJeieruang 20
unb bem Semü^en, i^n immer t)ottIlingenber unb reid^er ju geftalten. Ein breiter, ftc^erer
'Jon ber §eitegeh)i^^eit burd^brang ba^ ©emeinleben. Umgefe^rt bro^te bei ©p. im 9?ers
fe^r mit ben jjrommen ^ennf^ibanienö bie rubelofe, uneljangelifc^e, Don a^Ietifd^en unb
quietiftifc^en 5ERotit?en beftimmte Jfrömmigfeit jener fejjaratiftifd^en Äreife toieber ftärler
burc^jufd^lagen. aber ber ®efa^r, bie in biefer gegenfä^lic^en (gnttoidEelung lag, h)urbe26
bur4 ©p.^ SWüdEfe^r in bie §eimat begegnet. SEBä^renb eine^ längeren älufent^alte^ l^ier
(1739—1744) gelang ber Döttige, innere 2lnfd^(u^ an ba« mm Srübertum. 2lud^ für
it^n rüdtt bie Serfünbigung ber freien ®nabe unbedingt in ben 3Kittel})unft. 3)amit ift
aber ba^ gefe^lic^e 3)ioment in feiner grömmigfeit enbgiltig jurüdEgebrängt. 3)ie ©efa^r,
bafe eine gorberung ioie bie asfetifd^e ober, hjeld^er 3trt fte aud^ fei, eine §orberung über* so
ijanpt, je iüieber ba^ Übergeh)i4)t erhält, ift befeitigt. 3^0^^^^. aber aud^ bie ©efa^r,
bafe, h)o er i^re (Srfüttung ^el^t, er über bie nur >)eri))^erifd^e Übereinftimmung in ber
religiöfcn ^J^^age l^inhjegfte^t. 35ie 33a^n ift für biejenige Setrac^tung^tüeife freier, bie
ba^ fonftitutiDe Element einer Äird^e in i^rer lauteren :Berfünbigung ]iaii in ber aftit?en
Öeiligfeit il^rer ©lieber fud^t. I)ie 3)Jögli(^Ieit einer })ofitit)en Beurteilung ber ä5olte= 35
fir4>en ift gegeben. ©}>. langt bei Ringenborfifc^en ©runbfä^en an. @^ tüirb auc^ für
il^n gerabegu ein ©tue! ber brüberif^en Slufgabc: „35ie ©eelen t)or bem ©et)aratiömo ^u
ijerlpal^ren unb il^nen ben ©enufe be« Söorteö ©otte« unb ber ^eiligen ©alramente in
ber öffentlid^en Äird^e i^re^ Ort« rec^t fc^ä^bar ju mad^en unb ju erhalten, bamit fie
ftc^ toon §erjen al^ treue SReligionöleute behjeifen." 40
Sereit« biefer SlufentjE^alt in ber §eimat ^attc ©J). ©elegen^eit gegeben, fein
Drganifationstalent ju behjä^ren; er Ijattc in (Snglanb (1741—1743) ßntteeibenbe^ für
bie ©runblegung unb Drganifation biefer Unität^jjroljing get^an (cf. ©. 2l. SBauer, SDic
anfange ber Srüberfirc^e in Snglanb. J. D., 2zxp^\Q 1900). äud^ l^atte er burdfi äe^
grünbung einer ^ilfögefettfc^aft für bie Srübermiffion in Sonbon, ber society for the 46
furtherance of the Gospel among the Heathen (S.F.G.) 1741 erh)iefen, hjeld^c Se«
ad^tung gerabe bie finanjiette ©id^erung ber brüberifd[>en Unternehmungen bei i^m fanb.
Slber fein eigentlid^e^ 3Reifterftüdf ^at er in Slmerifa geleiftet. 3)ie 9Karienborner grü^*
ja^r^f^nobe 1744 ^atte i^n gum Sifc^of ernannt unb mit ber Oberleitung bed bortigen
aOBerfö betraut. $ier h)ar ingtüifc^en an ben ijerfd^iebenften ßclen ber 9au begonnen, w
Sfleic^er Sanbbefi^ U^ar erioorbcn, jioei Srübevniebcrlaffungen, Set^le^em unb 9lajaret^, ents
ftanben, in 9Jeh)?)ort unb ^^ilabel>)l?ia ^atte man Heine ©tabtgemeinen, ring« im £anb
^Jrebigtftationen unb ©d^ull^äufer für bie tird^lic^ fc^led^t ijerforgten 2lnftebler enid^tet,
gro^e ®rjie^ung«anftalten Waxcn Qzplant unb fd^on in Slnfä^en ijor^anben, in ßl^elomefo
(Gonnecticut) \)attt [xd) bereit« ein ^nbianergemeinlein gefammelt, bie« atte« Slnfänge, 66
in ein, p)d ^ai}xm emjporgefd^offen. 2)ie fc^h)erere Slufgabe h)ar, atte«, toai l^ier jugleic^
begonnen, nun aud^ gleid^mäfeig fortzuführen unb ju bauembcm 93eftanb unb ni^igem
a5Jac^«tum ju bringen. 3)abei Wax bie gröf;te ©d^tüierigfeit, bafe, tüie ©}). ftc^ bei feinem
Siufent^alt ba^eim fattfam überzeugt ^atte, ber l^eimifc^en Äaffe feine tüeiteren Saften er^
toadS^fen burften. ^ie Söfung be« Problem« fanb ©)). in ber eigenartigen Drgani^itiQtx q(\
ffttaUdnctfllopmc fflr ^^eologie unb Aird^e. 8. a. XVIII. <^^
562 ®)iaitgfitberg, 91. ®.
Setl&Ic^cm«. ©tc ftettt eine fog. „gemetn|ci^aftltcl^e öfonomte" bar; bie ^arxi^ SanbtoiTt^
fc^aft, jebed ^anbtücrl, furg atte2lrbett tüirb gum Seften ber ©efamt^eit betrieben, bafür
übernimmt btefe bie ©orge für Unterfunft, Seföftigung unb Kleibung aller einzelnen;
babei gilt ber ®runbfa$ burcbgängiger 6igen>)robuftion. 3)iefe Drganifation Setblebeme
6 im einzelnen bietet bie fd^önfte SJeranfc^aulid^ung ber ©eifte^rt li^re^ ©<^öt)fer^. Sie
^interlögt t)or aQem ben ßinbrud eined h?unbert)olIen ®leic^geh>t(i(|td, jba^ @nt^ufta^mul
unb 9iü(^teml^eit, ©lauben^mut unb SRec^enfunft, Sn^^Kcl^P^ ""*> älufeerlic^ftc«, aber
aud) toieber ©trenge unb SBeit^erjigfeit, Unbeugfamfeit unb gnebfertigleit, Drbnung unb
33en)eglicl^feit fidfi ^ier l^alten. Unb ba^ ift Sp. auf ber ßö^c feiner ©nttDidtelungl aber
logerabe bamal^ h)ar nic^t bie 3eit, bie SSerftänbni^ für feine eigenartige Seiftung gezeigt
|ätte. %vix bie j^eimatlid^e Gemeine tüaren ^a^re fcl^h)ärmerif(^er ßntartung ^erauf^
gelommen; i^r Seben brobte fic^, in ein arbeitölofe^, bem unbefangenen religiöfen ©enuß
bienenbe« S^ftfP'^'^ jw tjern^anbeln. ©}). fa^ biefe ßnttüidelung mit fteigenber Seforgni».
ßine 3)iöglic^feit, fid^ mit S^^i^^^borf ju ijerftänbigen, beftanb nidfit; ba^ 3Ser^ltni^ ber
löbeiben l^atte. fic^ balb am änfang infolge Heiner aRifeberftänbniffe getrübt, unb
3injenborf l)aiU bie Äorrefponbenj fo gut h)ie abgebrochen. &p. fa^ fic^ immer beut=
lidfieren änjeid^en bon hjeitge^enbem ^iifetrauen gegenüber, mit bem man feiner $ierfon
unb arbeit begegnete, bi§ 1748 ^o^. ü. SBattetüillc, einer ber ^auptträger jener fitoärai^
rifdSien SnttDioelung, felbft erfd^ien unb i^n jur 5Jieberleguna feinet 3lmteö beron^
20 la|te. ©}). febrte 1749 nad^ @uroj)a jurüdt, mit bem SBunfcp, auf einem einfamcn
9Kiffton§>)often ben SHeft feinet Seben« ju Verbringen. Slber bie Serl^ältniffe felbft ba&en,
©c^ritt für ©c^ritt, feine änerlennung tüieber erjtüungen unb i^n toieber an bie ibm ju=
fommenbe ©teUe gel^oben. Qbzn jefet brad^ bei 3N^^orf bie ©rfenntni^ burd^, baB
man fxd} auf einem gefä^rlid^en äbtoeg befunben, unb bamit audji neue SBertfc^lung
26 ber ©igenart gerabe biefe« SKitarbeiter«. Sei ©elegenl^eit ber einge^enben fi^nobalcn
Beratungen 1750 äußerte er: „Bp. foHte tüo^l Theologus Unitatis fein; er felbft
fönnte ed nic^t fein." 3)amit toar ©)i. eine ganj neue S3eruf«aufgabe angebeutet, ßin
Slnfafe gu i^rer grfüttung toar e« auc^ bereit«, toenn er je^t atö t^eologifd^er Sljjologct
bie i^ertretung be« Srübertum« nac^ aufeen übemal^m. 6« erfdj^ienen in rafd^er auf-
80 cinanberfolge: M. 31. ®. ©j).« 3)eflaration über bie jeit^er gegen un« ausgegangenen
3)efcl)ulbigungen 2c,, Seijjjig unb ®örli^ 1751; 3R. 31. ®. ©}>.« 95arlegung ri(|tiger änt=
n)orten auf mel^r aU 300 3Jefd^ulbigungen gegen ben Ordinarium fratrum 2c., Sei^jijig
unb ®örli§ 1751; M. 31. ®. ©jj.« apologetif^e ©c^lufefc^rift 2c., 2 leile, Seip^ig unb
®örUfe 1752. 3lber biefe ©c^riften finb thatfäd^lid^ öielmei^r für bie Äenntni« 3^"J^'
söborfifc^cr 2:l^eologie toon SBert; benn \)on ber erften, fürjeften abgefel^en, bcfd^ränlt fi*
©>>.« 3lnteil im hjefentlid^en auf bie ^wf^ni^^^i^P^ßu^Ö ^^n fragen au« ben ©c^riftcn
ber ®egner, bie er 3i"5C"borf ^ur Seanttüottung üorlegte. @« tvax a\x6) gar nid^t ben!:
bar, ba| fic^ ©j).« tl^eologifc^e Gigenart burd^fe^te, folange 3in}^borf noc^ neben ibm
ftanb. 2)arum loar e« ein ®lüdE, bafe nocb einmal bie alte ^lufgabe fic^ öorfc^ob; p
40 glcid^ bebeutete ba« 5Rcdt)tfertigung unb änerfennung an einem ghjeiten ?5unft. Jn
Slmerifa brobte man innerlid^ unb äuperltcb abjutüirtfc^aften; e« h)ar l^obe 3^*^ ^i
„ber amerifanifc|e Originalmann", Wk ^xn^^an^ox^ \\)n nannte, toieber binüberging
(©ej)t. 1751). (£« gelang <Bp. auc^ xa\d}, ben innern Unfrieben ju übertoinben unb in
raftlofcr 3lrbeit bie öfonomifd^e Sage iDieber ju beffem. 311« 1753 über bie ^eimatlidKn
46 ®cmeinen al« cnH)finblid)ftc 5?adt)U)irtung ber fd)h)ärmerif4>en ^eriobc eine finanzielle
Ärifi« hereinbrach, bie fic bid^t toor ben 53anfrDtt brad^Ue, ftanb bie amerifanifcbe ^rouim
loieber in fräftiger ©elbftftänbigfeit ba. ^a, ©j). l^atte noc^ eben (1752 53) auf einer
äu^erft befc^ttjcrlic^en unb gefabröoßen Sieife, bie if>n monatelang bon Setble^em fctn^
^ielt, bie erften ©c^ritte ju einer bcbeutenbcn Grtoeiterung be« ffierf« t^un lönnen. 3n
50 dloxti} (Sarolina entftanb ein jtüeiter, großer Äomple^ brüberif^er Kolonien, bie H
„ißacf?au" ober bie heutige füblio^e 'i^^romnj ber amerifanifd^en Srüberunität. Unbal« 1755
ber cnglifd;=fran5öfifd)e .Hrieg auebracf? unb ben 9Ueberlaffungen ber Srüber neue ®efabr
unb nmc Saften bracl^te, ba l)abQn fie auc^ biefen ©to^ unter ©J).« umftd^tiger Seitunt;
nieifter^aft aufgehalten. 311« le^te« tonnte er nod^ bie 3luflöfung ber „gemeinfc^aftlicfccn
55 £lonomie" in bie 9Sege leiten ; e« beburfte biefe« Saugerüfte« nun nic^t me^r.
17G2 tc^rt er enbgiltig nacb SDeutfcblanb jurücf. 6r U)irb ^itglieb ber gntcrinie^
birettion, bie fid; nacb 3in5cnborf« lob (17()0) gebilbet bat, unb gehört nun bi« ^ix feinem
2obe ber leitenben Se^örbe an. ©J). toar toie gefd^affen für bie 3lufgabe, bie ftc^ gerabe
jetu gebieterifcl^ ftellte. G« galt, bie Äonfolibierung auf aßen ®ebieten ^erbeijufübren.
60 3llle«, feine Segabung, feine ®emüt«art, fein G^ara!ter, fam bem t)or^anbenen SSebörfni^
@)iaitgetiBerg, % ®. @)iatigeitBerg, 3. u. 6. 563
nad) Slul^c unb ^cfttgfcit entgegen. 9Jur tritt ba^ ßigentümlid^e ein, ba^ bie Sid^tung,
in ber fid^ feine Kraft bisher ^au>}tfäcl^Iicl^ betüäl^rt l^atte, gurürfttitt. ^^^t, h)0 bie äufeeren
®eftcl^t«})untte fic^ mit aller 3Ra6)t geltenb machen, ift er unau^gef^t bemüht, bie ent*
gegengefe^ten nic^t untergeben ^u laffen. ©0 l^at er bie eigentliche Slrbeit auf bem ®ebiet
ber ÜBerfaffung^grünbung unb öfonomifd^en äu^cinanberfe^ung ben S^riften unb ginanjs 5
ntännem überlaffen unb ift i^nen J^aujitfäd^lid^ jur $anb gegangen, tvo e^ galt, 2Öiber=
ftänbc perfönlic^er 9latur ju überh)inben. gn biefer SRid^tung bat auc^ er fic^ afö Seiter
auf ©Vnoben, atö ÄoHege in ber Se^örbe, aU SBifitator in ben ©emeinen entfd^iebene
Iserbienfte um bie ^erftcHung bauember SSerfaffung^tjerl^ältniffe erhjorben. Sloer feine
eigentlid^en Seiftungen liegen auf bem ©ebiet ber 9lormierung ber Se^re. ^ci^t ^at er 10
bie 2lufgabe be^ Unitätöt^eologen mit t)ottem Sehju^tfein ergriffen, ©eine ©d^riften be^
ginnen bie ß'^^S^"^*^^^ i^ t)erbrängen. Slber er f)at biefe Srfe^ung be^ 3^"i^"^^^^W^'^
Sel^rtV})u^' bur^ ben eigenen fo })ietätDott tüie möglic^ vorgenommen. 25ie erfte ©d^rift,
beren Slbfaffung er bei ber Sel^örbe anregte, h)ar eine Seben^befd^reibung be^ ©rafen.
9>on ber ©i^nobe 1764 bamit beauftraat, lamen i^m felbft über bem ©c^rciben bie 15
fc^tüerfkn Sebenfen Dor ber 38eröffentlic^ung. Grft ein jhjeiter, ftarl üerlürjter ©nttourf
gelangte amn 3)rudf unb erfd^ien in ben ^afjx^n 1772—1775: Seben be^ §erm TOcolau«
SubtDig örafm unb öenn to. ginj^nborf 2c., 8 Xeile. 3)ie 2)arftel(ung leibet unter ber
urfprünglid^ auc^ ni(|t beabftc^tigten d^ronifartigen (Einteilung nac^ einzelnen 3^^^^"-
Überbie^ liegt fein Streben nac^ gefd^ic^tlid^er SBa^rl^aftigleit mit feiner atjologetifd^en 20
3urücfl^altung beftänbig im Äam})f. SDamit ift ber offi^ietten ®efd^id(^t«fd^rcibung ber
S3rübergemeine auf ^af)X}i^hniz ^inau§ i^r ©temj)el aufgebrüdft. 2lud^ auf bem ©ebiet
ber eigentlid^en Se^rbarfteUung ift bie üorftd^tige gurüdE^altung ba^ c^arafteriftifc^e SKerl«
mal. 2llö unbebingter ®runbfa(j gilt i^m, an feinem $unlt über bie 2tu^fagen ber
l^eiligen ©4>rift l^inau^juge^en. ^n i^m \)atit er getüiffermafeen bie mittlere Sinie ge^ 25
funben, bercn genaue^ g""^'^^^*^" ^'^ 25fung aDer ©d^h)ierigfeiten bebeuten foHte. 2ttten
3?orh)ürfen auf 2lbh)eic^ung Don ber bi^fjerigen Rini^^i^örfifd^en Se^rhjeife ober auf 2lns
bequemung an bie ber Ürd^lic^en 2;beologen lie| fid^ entgegnen, bafe hjeber ba^ eine
nod) ba^ anbere beabficbtigt fei, bielmel^r ein burd^au^ „biblifc^er Typus doctrinae".
2)a^ flaffifd^e Dofument biefe^ ©^angenbergifc^en Se^ttljJ)u^' ift feine: Idea fidei fratnim 30
ober fur^er Segriff ber d^riftlic^en Se^re in ben ebangelifd^en Srübergemeinen bargelegt
Don 21. ®. ©>)., äarb^ 1779. 35er bogmatifd^c 3tufri| bc« ®anjen, ber manche ßigen^
tümlic^feit auftoeift, ftammt übrigen^ niq>t Don il^m, fonbem ift einem Scitfaben für ben
Steligion^unterric^t Don ©am. Sieberfü^n entlehnt. ©J). eigentümlich im 3Jerf>ältni^ p
Sieberfüfjn ift ba^ beutlid(^ere Scftreben, jtüifd^en ber jc^t beDorjugtcn firc^lid^en Se^rtoeife 35
unb ber 3i»S<^n^oi^f^ ju Vermitteln, iro^ bcffen ift nic^t ju leugnen, bafe mand^e hjert^
boHe Stnfä^c 3ii^5^"^o'^fif4>ct Ideologie unter feiner §anb Derfümmert ftnK Slber e^ ift
bie Srage, ob bie bamalige 3cit über^au})t im ftanbe \vax, fte i^re^ gufättigen ®eh)anbe^
ju entfleiben unb fac^gemäfe fortjubilben. ^^^«"föß^ t)erfügte ©t). nic^t über bie tl^eo-
logifd^e Äraft unb ©elbftftänbigfeit, bie ba^ erforbert ^ätte. Unb bann tüar e^ bcffer, 40
bafe fie ^unäc^ft unberüdEfid^tigt blieben, afö toenn fie fic^ in ber gorm befeftigt l^ätten,
bie 3i"icnborfö ber t^eologifd^en ©cbulung entbe^renber, imjjulfiDer ®eift il^nen gegeben
\)aiU. 6ö ift ©}).ö bleibcnbe^ 3Serbienft, ba^ er bie Srübergemeine Dor einer 6nttt)ic!cs
lung in^ ©eften^afte gcfid^ert unb ein freunbfd^aftlic^e^ SSerl^ältni^ ber Äirc^c il^r gegen=
über herbeigeführt l^at. Sieben feinen ©c^riften lüar e§ Dor allem feine au^ereifte c^rift* 4ö
lic^e ^IJerfönlic^feit, bie fo Dertrauenertt>ecfenb tüirfte. 6r toar unermüblic^ in ber Pflege
Jjerfönlic^er Se^ie^ungen ^u 5}ertretern ber ebangelifd^en Äird^e, unb niemals Verfehlte
feine bifd^öflid^e 6rfc^einung Don h)a^rf>aft flaffifd^em ®ej3räge il^re^ ©inbrudtö.
O^erliarb 9tct4c(.
@))angetibcrg, SSater unb ©ol^n, eDangelifc^e Ideologen. 1. ^ol^annw
©pangenberg, geft. 1550. — "^lud feinem S8viefiücc^[cl ift elnij^e^ erhalten c^Miebtn in
bc Seite V u. VI; CR VII u. X; l^rie(iDecf)ieI b. gonaä II; H. Eobani Hessi Epistolanim
familiarium Libri XII, Marpurgi 1543, p. 12. 102. 292; ^idftaffcrt, U^ jur 9?eformQtion§=
gef(bid)tc b. .^er^ocjt.^reuftenö III, 47—51 ; beif., Ungcbrucfte 'ijricfe 1894, S. 24; befonber^ aber
in.To. Manlii Epistolarum Ph. Mel. Farrago, Basil. 1565, wo p. 422 ff. .^al^lrcidje 35ricfe an it)n 55
gcjammelt finb. — ^^iüc\rapl)ie: .^ievon. Äen^el, Epicedion in memoriam Jo. S., ^öiltenberfl
1551, üud) 53afel 15G1, luieber übc\ebvucft in ÄinbeiüQtcr, Nordhusa illustris, SBoIfenbüttel
1715, S. 26(); beif., Narratio historica de statu ccclesiae in comitatu Mansfeldenai 1584,
in 3eitf(l)v. b. ,£)Qi5ueicinH:s XVI (1883), 8Gff.; M. Adami Vitae theol. Germ. p. 98; 3 CS),
fieucffelb, ^sBerbefferte l)i|türifd)e ^JMc()rid)t uon bem 2then 11. ©djrifften M. 3. (Sp.ö 1720 (1. Vlufl. co
564 ®)iangeiiberg, ^. u. 6.
1713); Äinberüüter a. a. O. ; (£. ®. JJörftenmnn, Mitteilungen ju einer GJcfcfe. hex ^cfiufen in
^J^orböaujen 1824, @.22tf.; berf. in 9?cue TOtteiiungen qu« bem ©cbiet ^ift. antiqu.
Sorfcftungen II, 543; berf., kleine @d)riften, 9?orb^aufen 1855, 8. 24 ff.; ®. ^. filippel,
5)eutfd)e fieben«-' unb e^arafterbilber I, 1853, @ Iff.; SSaterlänbifcfieS ^rcöit) b. ^ift. 3?erctn5
6 für 9?ieberfad)fcn 1840, @. 401 ff.; JJocö, ®efd). be§ Äir*enUebd P, 372 ff. (unäuoerläffia);
mc[. ©ü. Sutt). ^ird)eni^eitung 18Si, 9^r. 13; ©agemnann in 9fl(£' XIV, 468 ff.; Jfcftatfert
in km 35, 43 ff.; Sf). ^erfcftmonn, Üicformation in ^f^orbl^aufen, ^aHe 1881, ©. 19 ff.; Stum.-
i)aar, 2)ie (iJrafjc^aft 3Jlan8felb, 1855, 6. 345 ff.
Sodann ©J). ift oft, fc^on im 16. Sa^t^unbert (p^l 6^r. ©panflcnbcrgg 3Sorrebc ju feiner
10 14. ^srcbigt Don Sutl^er) mit bcm gleichnamigen 2higuftiner Sodann [Setl^el au^] Sjjongcn^
bcrg tjcrtüed^felt tüorbcn, ber auö bem fjeffifc^en ©täbtc^en ©pangenberg flammte, 1504
in 3Bittenberg immatrifulicrt tüurbe unb bort 1508 ff. bie t^eol. ©rabe ftc^ em>arb(Lib.
Decanonim p. 4 ff.). ®r tüar au^ bem 6fc^tt)egener Äonöent in« SSSittenberger Stubium
gefenbct hjorben; er reformierte 1516 ba^ 2)ortrccl^ter Sluguftinerflofter (enber^ I, 69),
15 tourbc 1518 ^rior in ©fd^tüege, gehörte aber bann ju ber altgläubigen gartet inner^b
ber bcutfd^en Kongregation, beteiligte fid^ 22. ^juni 1523 an ber ^roteftöerfammlung bicfer
Sluguftiner gegen bie lut^erifd^c Se^re in Seipjig, tourbe im ©ejjtember 1523 Don ber
fleinen fat^olifc^en 9Jlinorität in 5Jlül^I(^eim jum Silar getüä^lt. ßthja 1529 trat er t)Dn
biefem ämte jurürf; feine ferneren ©d^icffale fmb unbelannt. 9lur ba§ 6^r. &p. t>on
20 il^m berid^tet: „bejfcn lateinifc^ fc^reibcn aud^ nod^ üor^anben, hjarumb er ba^ SKünie^
leben berlaffen", nämlic^ in ber ©^rift : Epistola consolatoria super recessu suo ad
reliquias ordinis Eremitarum S. Augustini. 2Benn ßnnen, ®efc^. b. ©tabt Äcln
IV, 315 iF^n nod; ebangelifc^ unb Pfarrer in 9iorbl^aufen tüerben läfet, fo berubt baö
offenbar auf i^eriDed^öIung mit unferm 3- ^P- (^ö'- Äolbc, Sluguftinertongrcgation). 35iefcr
26 3. ©}). ift auc^ ber Serfaffer einer 1525 in £ei})jig gebrudten gefc^irftcn aSerteibigung^-
fc^rift für ba^ gegfeuer: äSom gegefeuer ob ba« fe^ ober ob e« bie t)f äffen unb SKönd^
erbid^t" (fficHcr, Repert. 3lx. 3641).
Unfern ©^.^ gamilie ftammt au^ DJieberfad^fen; fie l^at freilid^ auc^ i^rcn 5Janicn
bon jenem ^effifc^en ©t)angenberg erhalten, benn bor ber 2Ritte be^ 15. Sabr^unbert«
30 (;atte ein SSorfa^r Äonrab ®r})fen, feinet ^Äd)m^ ein ©c^^Ioffer, in ©Jjangenbcrg gearbeitet,
loar bann nad^ feiner Saterftabt §arbegfen (untceit ©öttingen im ßalenbergif^en) jurüd-
gelehrt unb ^ier fortan Äonrab Bp. genannt toorben. 3" §ötbegfen tüurbc ^0^. Sp.
am 29. 3JJärj 1484 geboren (nac^ bem 3^W0"i^ f^i"^ ©o^ne^ ß^riafu« bom 29.3Jlär5
1552). ©ein i^ater, Xilemann ©j)., ein ipanbloerfer, lie^ ben begabten ©o^n bie ©iule
35 in ©öttingen befuc^en, Wo er ftd? 1501, um fein ®ebäd)tni^ ju üben, eifrig mit 3Rnc--
monit befdiäftigte, über bie er \pätQX (1539) ben Artificiosae memoriae libellus, in
usum studiosorum collectus, ebierte, eine ©c^rift, bie nod^ im 17. ^a^rl^unbert in
SBcrfen über 3Jinemonif oft aU ba^ SBerf eine^ „Joh. Sp. Herd." abgebrudt tüurbe. >
folgenben '^af)x<i befuc^te er nod^ bie ßinbeder ©d^ule, tvo er bei einem 3Kefener Untp
40 tt>eifung in ber ©ange^funft erbielt unb burc^ einen Äürfc^ner in ben 3Keiftergefang ein-
getüei^t tüurbc (bgl. Scudfelb § 9). ©inige ^cxt lang unterrichtete er barauf an ber
©tiftöfcbuk in ©anbcr^l^eim. ©oßte er ibcntifd^ fein mit bem Joh. Sp. de Stolberg,
ber 1506 an ber eben erijffncten granf furter Unitjerfttät, unb jtüar alö 3"^ft ^^''
matrifuliert itjurbe, bann mü^tc er fcf^on t)or biefem '^a\:}xz aud^ in ©tolberg al^ 2ebm
45 tbätig geiüefcn fein. ^ebenfaH^ lourbe er im 20.=©. 1508/9 in 6rfurt al^ Johannes
Spangenberg de Herdegessen (Grf. älbum II, 259) immatrifuliert, tourbe 1511
33accalaureu^, erioarb aud; ^ier ben 3!}tagiftcrgrab ; er gehörte l^ier bem um Goban ^effu^
fid; fammcinbcn greunbe^freife an. 2)ann iüurbe er t)om ©rafen Sot^o bon ©tolberg als
^)(eftor an bie Sateinfd^ulc in ©tolberg berufen. Sr i)ah^, fcf^reibt er fj)äter (SJonebc jur
60 (Sjjiftelau^lcgung 1545), bafelbft „t)iel Qa^re ©ottlob jugebrac^t, beibe in ber ©t^ule bie
eble Öugenb mit guten fünften, unb bie c^rlid^e ©emeinbe bafelbft auf ber fian|;el mit
©otteö 2Bort nad) meinem 2?ermögcn ijerforget unb t)iel &ntt^ bon ®eiftlid(^cn unb9Belt=
liefen, 3lat unb gemeiner Sürgerfd^aft empfangen". 6r \oax bort ca. 1520 auc^ 3}Jittag»^
prebiger an ber 3Jtartinifird?e an ber ©eite 2:ilemann ^latner« getüorben. Sr erhielt bie
B5 i^ifarie beö Elitär« ©t. ßuftac^ii in biefer Äird;c, beren Sinfünfte er ^eitlcben« belieben
burfte, aud; al^ er längft ©tolberg berlaffen batte (3citf(i^r. b. ^arjberem« II, 2, 206 f.;
über fein 93ilb bafelbft f. XXIII, ^382). SutberiS Seigre na^m er freubig an, unb balb nwr
er am ©übbarj al^ ein ^crDorragcnber ^rebigcr bcö (Stjangeliumg befannt unb geartet.
Traber berief ihn ber ^Hat bon ^JJorbbaufen 1524, al^ er ben toom I)omfapitel jum^faner
w an St. SJlafii befteütcn ftreitbaren ©egner ber Sieformation ©corg 5iederfolb ^um Md-.
@|JOiigcubcrfl, 3. u. 6. 565
tritt Dcranla^t l^attc, al^ Pfarrer an bicfcÄirc^e, unb in ben 22 ^ai)XQn feiner mafeboßen,
aber feftcn unb erfolgrei^en 3;^ätigfeit in biefem Pfarramt gelang i^m bie Sefeftigung
bcr ebangetifd^^en Seigre unb, nad^ Uebertoinbung ber Unruhen bc« Sauemtriege^, and) bie
I)urc^fübrung einer neuen firc^lic^en Drbnung in bem !onferbatibem ®eift ber SRefors
mation ^Öut^er^, unterftü^t befonber^ burd^ ben grcunb 9KeIanc^t^on«, ben einflufereid^en 5
©^nbifu^ unb f})ätercn Sürgermeifter SRid^ael SKeienburg. einblidt in feine Stellung ju
biefem unb in feine Sluffaffung ber Slufgabe beö 9Jorb^äufer dlaU^, bie reine Sebre j^u
beförbem, gelüäl^rt feine Sd^rift „SSon ben 2Borten ß^rifti 9Rattb. XIII : Saffet beibe^ mit=
einanber auftoac^fen bi« gu ber drnte", SBittenberg 1541. Sefonberc SSerbicnfte eru^arb
ftc^ ber frühere Schulmann um ba^ ^ö^cre ©c^utoefen ber ©tabt. Die ©tiftöfd^ule unb 10
bie ftäbtifd^e 3^'öb^fd^ulc toaren im ©türm be^ Sauernfriegeg ju ®runbe gegangen.
3. ©}). eröffnete junäc^ft in feinem §aufe eine ^ribatfd^ule, bi^ ber diät auf feine
Sitte 1525 im 2)ominifanerflofter eine neue Sateinfc^ule errid^tete; für tüd^tige Se^rer
forgte bie nal^e Sejie^ung ju ben SBittenberger SWcformatoren (S3afi(iuig "^^ob^, Sodann
@iga^, 9Jlic^. 5Jeanber u. a.). Unermüblic^ fd^rteb ©j). Se^rbüc^er für bie 3h>edEe ber 15
©d^ule. äufeer ber bereite ertpäl^nten 9JlnemoniI finb ju nennen : eine Prosodia in usum
juventutis Northusanae 1535; Grammaticae latinae partes ... in pueriles
quaestiones versae, 1541 erweitert ^u Trivii erotemata, hoc est, Grammaticae,
Dialecticae, Rhetoricae, in beiben (äeftalten tüieber^olt aufgelegt. 3)aneben gab er bie an^
mutige ©c^er^fc^rift ätnbrea^ @uamad Bellum grammaticale neu l^eraud (1584 u.ö.), in ber 20
Nomen unb Verbum in ©treit geraben unb i^re Untertl^ancn jum Ärieg^juge aufbieten,
big fd^Iie^lid^^ ^ri^cian, ©ertjiu^ unb 2)onat ^rieben jhjifd^en il^nen ftiften; in biefer
fc^eril^aften 6infleibung h)irb aber mit ber S^Ö^"^ ^^ 9Wteg ©türf ©rammatil ret)etiert
(1. 2lu% Cremonae 1511; über ft)äteref. $an jer, Aünales X, 388). 3)er Su^abe ©}).g
^at biefer atterlei Seigaben hinzugefügt, bie offenbar au« frül^eren ^a^xtn ftammen, j. S. 25
einen Dialogus, in quo coUoquuntur Huttenus et Febris in ^egametem, im Snftllu^
an ^utteng Dialog Febris Don 1519). ferner fd^rieb er Quaestiones musicae in usum
scholae Northusianae 1536 unb 42. 3)en Satcinfd^ülem toibmet er aud^ fein Psal-
terium carmine Elegiaco redditum 1544; ebenfo bie oft aufgelegten Evangelia
dominicalia in versiculos versa (SBibmung öon 1538). 3)er religio fen Untertüeifung ao
ber 3i"95n^ Went er bor allem mit feiner „^oftiHe . . . %üx bie jungen ß^riftcn, Änaben
unb 3Keiblein, \nn grageftücfe üerfaffet", in Slnfc^lufe an bie ^oftitten t?on Sut^er, Gorbin
unb Srenj, ^u ber if>m Sut^er felbft ein Sornjort fc^rieb (@3t 63, 368 ; bgl. ©edenborf,
Comm. de Lutheranismo III, 414); er begann fie 1542 unb tJoHenbete fie 1541.
©ie tüurbe oft, auc^ nod^ im 17. unb 18. ^«i^^^wnbert aufgelegt, l)on SRein^arb Soric^iu^ 35
ing Sateinifc^e überfc^t, auc^ ing 9Jieberbeutf^e unb in^ Sö^mifd^e (1557) übertragen
(t)gl. Seucffelb § 24—30; 9leu, £i\xtüm ^ur ®efd^. b. fird^l. Untenid^t« II [1906], CIVff.
601 ff.). SQää^renb er ^ier h)ic auc^ in anberen feiner ©c^riften ba^ bem Sutberfc^en
f leinen Äatec^i^mug entlehnte SSerfal^ren in ^J^agen unb Slnthjorten antüenbete, fo be=
arbeitete er baneben nodE> biefelben ^erifo})entejte für bie ^rebiger in „2;afeln", beren 4o
jebc eine genaue 3<^0l^€^€^"n0 ""^ 3)i^porttion berfelben bietet; fein ©ol^n ß^riafu^ gab
biefe 2trbeit, berme^rt burd^ feine eigene gleid^artige Sel^nblung be^ Äated^iömu^ ^erau^
unter bem ^itel: Explicationes evangeliorum et epistolarum, quae dominicis
diebus more usitato proponi in ecclesia populo solent, in Tabulas . . . redactae,
Basileae 1564, fol. Sin 9Könc^, Fr. Laurentius a Villavicentio, beranftaltete bon 40
il^r SSenebig 1566 eine ab innumeris haereseon erroribus gereinigte fat^olifd^e 2tu^
gäbe. 2)er ©d^ule gilt femer fein „®ro6 Äatec^iömu^ . . . Sut^eri ... in g^agftüdte
berfaffet" 1541 unb 1551 mit 9Jorh)ort bon ^om^, nieberbeutfd^ 1558, lateinifc^ 1544
unb 1546, t)on bem Äölner ^a\pax b. ®mmp in einen fat^olifc^en Äatec^i^muö unter
a)Jifebraud^ be« 9Jamen^ Bp.^ umgearbeitet, Äöln 1561 (bgl. dl ^anlixi in Äatl^olif so
1895, I, 41 9 ff.), ©eine Bearbeitung ber Loci Welanc^tJ^onö in grageform in ber oft
aufgelegten Margarita theologica 1540, ^unäc^ft für bie Sanbgeiftli^en in Sraunfd^toeigs
©ruben^agen beftimmt, ^at hjeitefte Verbreitung gefunben (bgl. §e})j)e, 2)ogmatif bc«
beutfc^en ^roteftanti^mu^ im 16. ga^r^. I, 47 f.). ^n ^^ageform, in usum studio-
sorum, ift aud^ fein Computus ecclesiasticus 1539 gehalten, burd^ ben er ein exer- 65
citium olim in scholis frequens, nunc fere sepultum neu beleben möchte, eine ©c^rift,
bie noc^ oft aufgelegt hjorben ift; aud^ ^.33. Ärafau 1546 u. 1568. 3)a« grageberfa^ren,
ba^ er in feinen ©d[>ulbüd^ern erfolgreich im ^n^^i^^^ff^ ^^ 2)eutlic^feit unb Sel^rl^aftigs
leit antoenbete unb nad? toelc^cm er auc^ einen bollftänbigen Äommentar jur 3lpofteU
gefc^id^te (^antfurt 1546) bearbeitete, berfuc^t er auc^ jur erbaulichen Unterhjeifung ber eo
Ö6G ®)iatigcnbcrg, :i, u. 6.
G^riftcnocmcinbc nu^bar ju mad^cn. (Sr fc^rcibt in biefcr ^orm fein ,.3lc\v ^roftbuAIin
für bicHranfcn, Unb Dom c^riftlic^cn SRitter" (1511/2,1559) unb ,,3>e« cl^clic&cn Crbcn«
©picgcl unb DJegcl" (cntftanbcn au^ ^rebigtcn über bie §au«tafel im Äoloff erbrief) 1515.
^ferner überfe^t er Satjonarolaö Setrad^tungen über ^f 51 unb 80 1541 m^ 3)eutf4c
6 (ba^ Datum 5Jorb^aufen, 1. ^uli MDXXI in ber Slu^gabe £ei^)jifl 1551 ift ein 2:rud=
fehler), be^glcid^en „Siie ßjjiftel ©anct 33em^arb« t)on ber i^au^forge", SEBittenb. ir»41,
cbenfo Sut^er« Enarratio Psalmi XC, 1546 (bgl. opp. exeg. lat. 18, 261, Scrfcn--
borf III, 374). @r beginnt noc^ in 9Rorb^aufen mit ber^erau^abe öon 2eic^enj)rebiglcn
über altteftamentli^e S^ejte (1545); fein ©ol^n G^riafu^ f)at f})äter an^ be^ 9>atcT5
10 ^a})ieren, aber auc^ unter Seifügung eigener ^rebigten, in gleicher SBeifc Seic^entyrebi^toi
über 3:e5te au« 5Rt, 3Kc unb Sc berau^gegeben 1553 unb 1554. Siuc^ bie ctoangclifck
,f>l;mnologie bantt il^m mel^rfac^e Sörberung. 1543 erfd(^ien bie auc^ junäc^ft auf bic
Sc^uljugenb berechnete Sammlung „211t unb neue geiftlic^e Sieber unb Sob^öefcng Don ba
(Seburt (S^rifti ... für bie junge e^riften" (SBacfernagel, Sibliogra^jl^ie 9lr. CDLVI;
16 äu^g. 1544 ebb. 3lx. CDLXXII; 3. 3)tü^ea, ®eiftl. Sieber a\i^ bem 16. ^al^xf^. I, :W0);
bann 1545 feine gro^e Sieberfammlung, bie i^ren beiben teilen, einer lateintfcben unb
einer beutfc^en Slbteilung, entfpredfienb ben 2;itel trägt: Cantiones ecdesiasticae latinae
simul ac synceriores quaedam praeculae . . . per totius anni circulum can-
tandae ac praelegendae . . . Äird^engefänge beutf(| burdfi« gan^e ^^r . . . (^(Jagbcb.
•jofol. f. SBJarfernagel, SBibliograpl^ie 3lx. CDLXXVII). Die^bee be« Äirc^enia^r«, genauer
bie 2tudh)a^l ber Sieber für bie einj^elnen ©onn^ unb gefttage nac^ 3Rafegabc ber kxxdm
jcit unb ber ^crifo})cn ift für bie älnlage be« Sud^e« beftimmenb. 2(u<^ bie Sing'
toeifen finb beigefügt. 33eibe Sammlungen entl^alten auc^ eine 2lnjal^I feiner eigenen
2)ic^tungen, f. ajJü^ett 3lx. 207 ff.;, 2BacfernageI, Äird^enlieb III, 5Rr. 1103—1125; Rcä
26 I, 375; e« finb jum guten leil Übertragungen lateinifd^er ©efänge; boc^ ift faft nicbt«
bat)on in« eb. ©efangbuc^ ber ®egenh)art gcfommen. Seine Sd^rift „3h)ölff ß^riftliic
Sobgcfenge unb Seiffen . . . an^^ für^te aufgelegt" 1545 (SBacfernagel, Sibliogra^jbic
9ir. CDLXXVI), bie burd^ SReinf^arb Sorid^iu« 1550 auc^ in« Sateinif(|e überfe^t tpurbc
unb noc^ im Slnfang be« 18. 3iaf^r^unbert« einen neuen 2lbbrucl erlebte, bcjeicbnet bai
ao Slnfang einer neuen Sitteraturgattung, ber erbaulichen 2lu«legung be« Äirdj^enliebe«.
Berufungen nac^> aufeer^alb fonnten bem berüorragenben Ideologen nic^t fehlen.
5!JJagbeburg berief il^n 1542 al« 2lm«borf« Slacpf olger an St. Ulrich; aber er meinte,
grunbfä^lic^ ablehnen ju muffen (3?onebe j^um 3. 2:eil ber ^oftiHe, 1543; aRanliu*
Farrago 413 f.). §erjog 2llbrcd^t bcmül^te fic^ 1543 für fein Äömg«bergcr „?5artitular"
36 S>). al« SReltor ju gen)innen, aber er lehnte am 22. 9iot)ember hjegen 3llter«fc^h}ü(f>e üb
(Jfc^adtert, 118 I, 247; III, 46—51. 58). 2)a gefd^a^ e« 1546, bafe Sut^er bei jeinci
legten 3(nU)cfenbeit in 6i«leben ben 9)tan«felbcr ®rafen riet, jur Sefeitigung t)on S^'-^W
feiten aDcn Äird^en unb Schulen ber ©raff^aft einen gemeinfamen ©eneralinfpeftor ;u
geben; bafür fc^lug er i^nen Sp. t?or. (Einmütig beriefen i^n bie ©rafen, unb biefem
40 legten Söillen Sutl^er« glaubte er [\6) nidbt entjiel^en gu bürfen. So ftebeltc er noc^ im
^uni nad^ Gielebcn über al« ber vir pacificus et eruditus, al« ben man ibn ine
3tugc gefaxt (latte, nad^bem er nod^ im -iöiärg bei ber ^Reformation be« Älofter« 2i^al!en:
rieb mitgeloirft batte. ^n n)eldt)cm 3tnfe^cn er bei ben ©rafen ftanb, geigte ftc^i im
Sd^malfalb. Kriege, inbem ©raf Sllbrec^t ba« Stäbtc^en §arbegfen al« „feine« lieben
45 '^^fanl^crrn ©cburt«ort" t?or ber Sranbfd;a^ung Derfd^ontc (3eitfc^r. b. §arjt)erein« XVIII,
3!M)). aiber nur tocnig fonnte er bier noc^ leiften, ba i^n Seibe«fc^h)ac^l^eit in ber %ui-
Übung feine« 2(mte« mannigfa4> befjinbertc. S^cm il)eologenfont)ent am 23. Sluguft ir)4s,
auf toeld^em 5DkId^ior Äling« 33cmübungen, bic ©raffc^aft |;ur 2lnna^me be« ^nteriniö
^u bctoegcn, abgchjiefen lourben, mu^tc er franfbeit«l?albcr fernbleiben unb SJlid^ael (Joelius
50 bic Rührung überlaffen (^eitfd^r. b. .C^ar,^t>crcin« XVI, 88 f. togl. ftruml^aar S. 365 ff.). 3lne
.s^au« gcfcffclt, fucl^te er nod) mit ber ^^cbcr feine« 3lmt« ju tüalten (Sluölegung bc»
7:1 '^]}falm« 1550). 2lm 13.:;\uni 1550 cntfd;licf er, aHfcitig betrauert. Sein g)jita))biunt
f. bei ©rotier, Inscriptiones Islebienses 1883, S. 7 ff. 5WeIand^tl^on e^rte fein 3(n^
bcnfen burd; ein Schreiben an bic '93ian«f eiber G5ciftlicl?teit (CR 7, 696 ff.), in bem et
66 ihm nad;rübmt : Spangenbergii niodestia multum ad con(K)rdiam proderat. Hie
cum eruditione et multis virtutibus excelleret, tarnen ab ambitione alienissünus
erat. Et candor in eo erat eximius. ^fliclanditbon fclbft f)aiU ben (Si«lebener£cbul
mann .C^icron. 5}}cn.^cl i^cranlafet, ba« Epicedion j^u tjcrfaffcn, ba« er bann mit feinem
53cglcitiDort in aiUttcnbcrg ,^um ^xxid beförbcrtc, t)gl. CR 7, 644 f. Sj). hinterließ IHnc
60 (Sf^cfrau, Äatharina ©rau, bic er 1527 gcl;ciratct (latte (geft. 1576), unb t)ier Sö^ne, »on
©^ittiijciibcrj, 3. u. e. 567
bcnen ^ona^ feit 1544 in SBittenbcro bic freien Äünftc unb5Dlebijin ftubierte, aber fc^on
1553 in ßigleben, Ronrab 1560 afe §oft>rebiger be« ©rafen Qan^ üon 3Kan^fe(b ftarb,
SScrfaffer ber ©c^rift ,,2)er §eVlige ^falter . . . 35aljibg, in gch)iffe unb orbentlid^c
§au^tartifel ijcrfaffet", ©trafeburg 15f)0. TOid^ael h)ar 1569 Rantox an ber ^Zifolaifird^e
in einleben unb lebte nod) 1591 afö ©m)crintenbent ber ©raffdJKJft ftönigftein; ber 0
bclannteftc aber ift ß^riofu^^ i>on bcm b<c nmi^Dlgenbe Slrtifel l^anbelt. (Über bie Srüber
f. ^fiembe, 93rieftoec^fel be^ G^r. Bp, ©. 3. 4. 65 unb 138 ; ^eitfc^r. be« §arxt)erein«
XV, 215).
3lad) feinem a:obe gab fein So^n G^rialu« noc^, aufeer ben bereite ern)ä^nten Seichen*
l^rebigten unb ben ^eriu)t)entafeln, ber SKutter m 3:rofte be^ 3Sater^ „©4>öne nü|(ic^e 10
2:rüft))rebigt Dom aSJitioenftanbe" 1552 ^erau^, ebenfo be^felben erbaulid^e 2lI(egorie ,,@in
geiftüc^ Sab ber ©eelen, angezeigt im leiblid^en S3abe" 1552. ©eine langjährigen ißox-
arbeiten für eine gro^e SBeltd^ronif, für bie ß^rialu^ für ben SSater feit 1543 @£cerj)te
gefammelt ^atte, überlief biefer 1547 bem ©o^ne ju eigener Senu|ung unb Verarbeitung
(Dgl. 6vr. ©^. äbel«fj)iegel 1591, Sortüort). 15
2. G^riafu^ ©t)angenberg, gcft. 1604. — ducHcn: ^.9iembc, 3)er 33rieftüed)fel
bc^ M. (^i)riaf. epv 2 Xeilc, 3)re§ben 1887. 88 [= gWanöfcIber «lätter I u. II| (enthält bic
^Briefe bi^ 1591, aber eö feMen auftcr htn ©ibmungSbriefcn hit in Conr. Schlusselburgii
Epistolarura Volumen enthaltenen; aucf) einige, bie fcfton bei Jcc^t, Historiae ccclesiasticae
sacc. XVI. Supplementum 1684 c^ebrucft finb; eine f leine S^ocftlcfe in ,,3RanSfelber S3Iätter" 20
VII [1893], 150ff.). ^odi ungebrurftc ^Briefe in ^Bolfcnbüttel unb aWünc^en. öJricd)ifd)c SHcbe
auf feine .^ocö^icit in ^id). ^J?eanbcr, Orationes duae, Basil. 1553, p. 9ff. 3"^ 53iogrQp]^ic :
auftcr Adami Vitae Äeolog. Germ. 1653, @. 731 ff.; Redit a.a.O. Apparatus p. 107 ff.;
Äinbctüatcr, Nordhusa illustris p. 279 ff., üov oOeni 3. Q^. i!eufffelb, Historia Spangen-
bergensis, Cueblinburc^ 1712; ^. JRembe im ^leubrucf oon 6p.ö 5ormuIürbüd)Iein ber alten 25
VlbamMprad)e, 3)redben 1887; S)önincjev, 3iefüvmation II (1848), 270ff.; ^regcr, Tfiacin^ II;
^rnm^aar, ®raffd)aft ^Dian^felb 1855, bef. 357 ff. ; ?l. (VJ. gKel)cr, 3)er SlacianiSmuS in ber
OJraffdiaft ^an(^feIb, ftaüe 1873; (S. ©d)mib, ^e§ &IaciuS (grbfiinbcnftreit in Sötl) 1849 I
unb II; ;|p. ^Dkn^^cl, Narratio historica, ^citfdjr. b. $)ar^uerein§ XVI, 99 ff.; Rönncrfe in
ll^anöf. ^Blätter XIV, 42 ff.; ®. mMcx, (Sine (Spifobc au8 bem glacianifcficn Streite iu-Sf^^S 80
1888, 622 ff. ; mgcnmann in 5RIS^ XIV, 469 ff.; ßbu). @d)röber in 5lb© 35, 37 ff.; Äod),
®efd). be<5 Äirdienlicbeö II ^ 258 ff. 58evjieid)niffe feiner ©d)riftcn : ficurffelb a.a.O. 8.81—87;
JHcmbe, JVormularbüc^Iein 6. LV— LXVI; (öoebefe, ®runbri6 II, 171 ff.; 'iDJ.OSbürn, 5)ie
leufelölitleratur hei 16. 3a()r^unbeiie, ^43erlin 1893.
ß^riafuö S. n)urbe am 7. 3luni 1528 in 'JJorbl^aufen geboren. 2)a fein 3?ater 1527 35
geheiratet ^atte, unb fein ältefter ©ruber ^ona^g 1530 geboren h)urbe, fo ift er ber erft*
geborene, nic^t, toie oft angegeben ttjirb, ber jüngfte ©o^n go^. ©J).«. 3)er begabte unb
lerneifrige Änabe entloidelte ftc^ unter be^ SSaterö fieitung unb bem Unterrid^t be^ öortreffs
lid^en Se^rerö SSafiliu« JJaber fo rafc^ unb glänjcnb, ba^ er jugleic^ mit jtoei <B'6i)nzn be«
Sürgermeifter^ TOeienburg fd^on am 2.^ebr. 1542inSBittenberg immatrifuliert tourbe, nocl^40
nid(^t lljäl^rig. 35er Slu^bruc^ be^©c^maIfa(bifc^enÄriege« unterbrach feine ©tubien; er toar
aber fc^on fo geförbert, ba^ ilt)n ber eben nad) gi^leben übergeftebelte 9Sater bort im
©c^ulbienft an ber Sateinfc^ule befd^äftigen fonnte. 3lm ll.^ebruar 1550 beftanb er
mit Slu^jeid^nung aU erfter unter 42 Seloerbem in SBittenberg ba^ TOagifterejamen, ju*
gleid^ mit feinem Sruber ^ona^, ber 12. in ber 9letl(^e tourbe. 3)urd(^ benSSater junä^ft4ß
angeregt, bann burd^ 9Kelanc^t^on^ SSorlefungen genährt, toanbte ftd^ fein ^ntereffe neben
ber 3:^eo(ogie, für bie i^m Sut^er ber mafegebenbe Se^rmeifter tourbe, — noster a Deo
nobis missus Doctor, omnibus Patribus meo quidem iudicio longe praeferendus,
3)riefh)ed;fcl ©. 147 — , bem ©tubium ber ©efd^ic^te, befonber« ber Daterlänbifc^en, mit
brennenbcm Sammeleifer ju. 5lac^ bem Sobe be^ SJater^ (13. ^wni 1550) übertrugen»
i^m bie ©rafen eine ^rebigerfteHe an ber Stnbrea^firc^e in @i^leben; ate er aber l^ier,
ein eifriger ©egner be^ 5"^<^rim^ unb ber 2lbiaj)^oriften, toö^renb ber Belagerung 9Kagbe=
burg^ „für bie ^od^bebrängten Gl^riften ju 3)lagbeburg, tote aud^ für ®raf 2llbred^t ju
^JJJan^felb |ben t)om Äaifer üon ber 2lmneftie auögefdploffenen, auö feinem Sefi^e ljer=
triebenen | allzeit ba^ gemeine ® ebet getrau", lüurbe er \)t>n ben regierenben ©rafen 2lmtö 65
entlaffen, aber nac^ einem ^ilufent^alte in ©eeburg unb ©d^leupngen, „ba e^ mit bem
Ü)Jagbeburgifd;en Krieg t)iel einen anberen Slu^gang, benn bie ^Ri^günftigen gemeint, ge^
Tonnen", lieber angenommen (tjgl. §ennebergifcbe Chronica ©. 260) unb an ©teile be^
nad; Wagbeburg berufenen ^o^. SBiganb nad^ 5flan^felb a(^ ©tabt^ unb ©c^Iofejjrebiger
gefeilt, too er fic^ an ben alten, milben ^id^ael (Soeliu^ anfc^lofe, ber il^n „ben ^tab eo
feinet 2llter^" nannte, beffen „c^riftUd^e unb nü^Iid^e Auflegungen" er auc^ noc^ 1565
ebierte. ?Ja4> beffen lobe (1559) tourbe er ©eneralbef an ber ©raffd^aft unb Seifiger be^
568 S^iaiigciibcrg, 3. u. (5.
(Siölcbcncr Äonfiftorium^. ©cit bem ?f ottgang bc^ ßraemu^ Sarccriu^ (f. Sb XVII, 186)
h)ar (Bp. cntf^teben ber fenntni^rett^ftc unb befcnntni^ctfrigfte Scrfec^tct bc^ reinen
Sul^ertunig in ber ®raff(^aft, anfangt and) mit bem 2)i(^ter be^ Epicedions auf feinen
2?ater, §ieron^mu^ 5Kemel, ber 1560 ®eneralfuj)erintenbent ber Oraffc^aft gctoorben
6 \vax, fefl berbunben im Ramp^ gegen bie ©d^ule SKeland^t^on^, fo baf; bic ^Kan^felbijAc
©eiftlid^feit unter il^rer gül^rung in ben einfaDenben Sel^rftreitigfeiten feft gcfd^Ioffen blieb.
^aiU man unter ©arceriug nod^ 1554 t)er^ältni^mä^ig ma|boII ben SRajori^mu^ U-
fämj)ft, 1556 auf ber gegen 3- ^Jleniu^ beranftalteten 6ifena(^er ©t;nobe ben bort öon
©trigel aufgcfteDten ©ä^en fi^ angef(^loffen unb 1559 auf einer neuen ©^nobc in QU-
10 leben gegen alle äbtüeid^ungen t)om Sut^ertum entfd^ieben, aber o^ne 3SerIe^ung ber '$c^
fönen ))roteftiert, fo lourbe je^t unter 5DlenjeI unb Bp. ber 3:on fc^ärfer ; bic wan^felber
toaren bie entfd^iebenften Parteigänger be^ ^laciu^. SBar man auc^ im römifd^en Saget
©J). feinb toegen feiner berben ^olemif gegen bie „$a))iften", jümte man i^m ^eittoeifc
in ^ma unb am ipofe ^o^ann ^ebric^ö, biel nachhaltiger aber am §ofe be^ Äurfürftcn
16 Sluguft unb an ben Üniberfitäten Wittenberg unb £ei))jig, fo ^atte er boc^ im engeren
Äreife ber (Sraffd^aft gute^ 6int)erne^men unb frieblic^e« 3wfö"i»"^*^irf«" ^^^ t^i"^
2(mtggenoffen, geno^ bie Siebe unb2(d^tung feiner (Semeinbe unb arbeitete mit unermüb^
lid^em gleife an t^eologifd^en h)ie ^iftorifd^en ©d^riften. I)ie brei ©rafen Solrab, Äarl
unb ^an^ 6rnft liefeen ft^ böllig Don i^m in il^rer firt^lid^en ©teHung leiten, ©ein
20 Slnfe^en touc^g überall ba, iüo man e^ mit bem antit)l^ili^j)iftifci^en Sut^ertum bielt, fo
baf; e^ i^m nid^t an Berufungen (nac^ 9Jorb^aufen, SWagbeburg, Sübecf) fehlte ; er fübhc
fid^ aber an feinem $la^e hjol^l unb Sollte feine ©tellung nid^t t)erlaffen. gteilic^, aU
ju 6nbe beö ^alfXi^ 1566 auc^ an i^n ber 9luf erging, bie in Slnttoertjen für eine furjic
grift ju freier SReligion^übung gelangenbe lutl^erifd^e ©emeinbe orbnen ^u Reifen, folgte
25 er bemfelben unb traf @nbe 9Jot)ember bort ein, l^alf mit bei ber 3lbfaffung ber ägenbe
für bie ©emeinbe unb beranftaltete bon biefer iüie bon ber Confessio ber Slntioer^jenet
©emeinbe eine beutfd^e ätu^gabe. ©nbe gebruar 1567 erfolgte bie SRürfrcife. Ta^
SBäertDollfte — freiließ auc^ 9Ser|ängnigt)olIfte für fein fernere^ Seben toar bie ^ier erfolgte,
nun aud^ J)erfönlic^e 33efanntfd^aft mit glaeiu^, bie i^n balb in beffen trübe ©c^idEfalc
30 bertüidfeln foltte (bgl. ^reger II, 285 ff.). §ier in 3tnth)erj)en bottenbetc glaciu^ feine
Clavis Scripturae, mit ber gugleid^ fein 2^raltat De peccatl originalis essentia
1567 ausging, ber ben 3lnla6 jum ©rbfünbenftreit bot. aber and) ©J).ö „^lottoenbigc
SBarnung an atte . . . beutfd^e Äriegöleute" 1568 t)erbanft feinem Sluf enthalt in ben
5Kieberlanben if^re ©ntfte^ung. ßr iüamt ^ier t)or Ärieg^bienften in ber fj)anife^en ärmec
35 unb berichtet über ätlbaö „Slutrat".
(Sine 2Bol!e jog für Qp, balb nad^ feiner ^cimlel^r auf, al^ Äurfürft 3luguft 15(>7
fid^ fe^r energifd^ über SKen^el unb ©^. bei bem in 2)re^en iüeilenben ©rafen ^ane
©eorg, nämli^ über bie „©^mäl^büc^er" ber 5)tan^felber befd^toerte unb beibe auf ben
7. Januar 1568 nad^ I)re^ben gur 3Seranth)ortung toegen i^rer ^rebigten unb ©d^riflcn
40 bor feine 2:f)eologen eitierte. 3lnlaj5 ^atte ber Äam^f ber 3Jlan^felber gegen bie ^^ili))piften
gegeben, bei bem eg an fd^arfen 3tnfd)ulbigungen gegen bie 2^^eologen in SBittenberg unb
Sei^)^ig nid^t gefehlt l^atte. §an^ ®eorg forberte, bafe ft^ in I)reöben erfcbeinen follten;
ba aber bie ®rafen l^olrab unb ßl^rifto^)^ gegen biefe (Eitation afö eine SSerfür^ung i^rct
))kd)k J)roteftierten, toeigerten fid? beibe ®eiftlid^en nac^ 35re^ben gu ge^en, tüorüber ber
45 Äurfürft iüie ®raf §an^ ®eorg ^eftig gümten. Xa um biefelbe 3^^ ^i" ^^^^ ^^wf ^^^
Sübedf bei ©)>. eintraf, mad^te er fic^ fc^on auf ben 2öeg nad^ Sraunfd^iüeig, ioo a
etliche SübedEer ju treffen l^offte, bereit, bie Berufung anjunel^men. 2tber auf ber %ahxi
iüurbe er anbern ©inne^ unb lehrte iüieber nac^ 5}Jan^felb jurüdf. 6ö laftete aber feit^
bem ber ®rolI eine^ leite ber SJlan^felber ©rafen auf tl^m. Bp. felbft batte ben
50 fl;nergiftifd^ gefinnten lurfäd^fifd^en S^eotogen befonberö Slnftojs gegeben burd^ fieben '$re^
bigten de praedestinatione (ßrfurt 1567), in benen er Dom servum arbitrium im
©inne ber altreformatorifcben S^eologie lehrte. @r fa^ fid; genijtigt, fd^on 1568 für
biefe ^rebigten eine befonbcre „Apologia" ausgeben ju laffen unb no(^mate 1570 ber
„Slnttoort unb ®egenbericbt" ber 3)Janeifelbcr ^rebiger auf ber Seij)jiger unb SQäittenberger
56 2:]^eologen ,,53eric^t unb 6r!tärung" eine „fonberlic^e 3lnth)ort" beizufügen, in ber er fid»
t)or allem burd^ ^Berufung auf Sut^erö De servo arbitrio Ucrteibigte (Dgl. baju Döllingcr
II, 277). 2l$ie fdE^mer^lid) toäre e^ \l}m gemefen, \vmn er ^ätte a^nen tonnen, ba^
]päUx ^oljann <Bx(^\^\nnr\'t> bon 5}ranbcnburg biefe feine fieben ^rebigten ingranlfurta.ST.
1615 ioürbe neu bruden laffen ate 3)iittel jur 6nH)fe^lung be^ Galbini^mu^I
60 A)ier in ^JJanefelb entiüidcltc fic^ nun aber auc^ bie Xragöbic bei^ ßrbfünbcnflreitee,
(S^iatiflenbetg, 3. u. (5. 6G9
bic für fein fernere^ Sebcn berl^ängnigbott cntfc^ctbmb iüurbe. %lac\n^ ^atte fc^on 1560
(Dgl. Sb VI, 88) gegen ©trigel ben Slu^brucf gebraucht, bic ©rbfünbc fei bic Subftanj,
ba^ berberbte SBefen, bie bcrfel^rte 3laiux be« 3)lenfc^en. ©eine ^reunbe in ^tm l^atten
fc^on bamal^ il^n Dor ben novae loquendi formulae geiüamt ; man toerbe i^m mani(^äifc^e
Äe^erei borit?erfen. %U er ben Sluöbruc! 1567 iüieber^olte unb gegen bie 33ebenfen ber 6
gteunbe berteibigte, Ratten biefe gundt^ft aud^ nur ben SBunfc^, er möge ben Sluöbrudf
,,Subftan5" Dermeiben, um fid^ bor „Serleumbem" ^u fd^ü^en; aber bie 93raunfd^h)eiger
3Jlörlin unb 6^cmnift fenbeten eine fd^arfe 3^"f"^/ ^^^ "^^ ^"^ ipefei^ufen fc^arf machte,
unb balb iüar eg faft auf ber ganjen Sinie ber antilpbililp))iftifc^en Sutl^eraner eine au^s
gemachte 3:^atfad^e, ba^ jjlaciu^ ben ^^eufel gum ©(^ö))fer ber ©ubftang be^ 3Kenfd^en 10
mad^e unb bamit in mani(^äif(^e Äe^erei gefallen fei. 3)a berfu^te Bp. aU SSermittler
einzutreten unb glaciuö gegen SWi^beutungen in ©c^u^ gu nel^men. ©einer Cithara
Lutheri 1570 fügte er eine äb^anblung über ©ipengler^ Sieb „2)urd^ 2lbam^ ^aü ift
gang t)erberbt" bei unb ^ielt am 6. ^^ebruar 1570 in ©iöleben eine 3lebe über bie ßrbs
fünbe, tDobei er bie SWeinung be« ^'^^'"^ f^ t)ortrug, baf; bie ßiölebener (Seiftlic^Ieit 16
feinen Stnftof; baran na^m. ©r na^m an einer Seflpred^ung in ffieimar teil, bie §ergog
Sol^ann SBill^elm beranlafet l^atte, iüo befd^loffen h)urbe, im 5Kamen ber 3KangfeIber unb
©i^lebener ©eiftlid^en eine Unterrebung §e^l^ufeng unb SBiganb^ mit ^laciu^ l^erbeis
gufü^ren. Slber Bp.i alter greunb ^ieron. Wengel in Si^leben t)erfagte bie $Kith)irfung
unb fc^lofe fic^ ben (Segnem beö ^laciuö an ; bie Untenebung fam ni(^t gu ftanbe. 20
©inen S3eric^t, ben je^t ©)>. über bie ©treitfrage an $ergog go^. SBil^elm fanbte, griff
§<^6^"fcn ^cftig ön unb bef(^ulbigte nun aud^ il^n be^ 3Kanid^äiömuö. 3)ie ü)lan^felber
©rafen SSoIrab, Äarl unb §an^ ßmft berfud^ten nod^ hnxi) eine 3Ser^anbIung auf ©c^Iofe
9)lan^felb am 15. 5Wai 1571 ßinigleit unter ben ^rebigem ber Oraffc^aft l^erbeigufül^ren.
9to(^ gelang e« ©ip., für feine „Apologia" iüiber Äefi^ufen im toefentlic^en bie 3"P^"^- 26
mung 9JJenjete gu erl^alten, iüie ©J). umgele^rt fid? mit einer ©c^rift ber (Si^lebener
fad^lid^ einberftanben erflären tonnte; nur ber Unterfc^ieb blieb, baf; ©ip. baran feft^ielt,
man lege ^laciu^ ©ebanlen unter, bie biefer gar nic^t j^abe Vertreten toollen. @r errettete
aud? iüirflid^, baf; 3Jlengel noc^ am 26. 3jwli 1571 in SBeimar bie ßrllärung abgab,
glaciu^ l^abe mit feiner SRebe Peccatum est Substantia nur bie redete Se^re auö^ 30
brüdEen iüollen unb fei bal^er nic^t afe 5)tanic^äer gu t)erbtammen. 9lod^ h)ar ber Sruc^
unter ben ©eiftlid^en ber ©raffd^aft bermieben. 3)a erfc^ien 30^. SBiganb« ©d^rift „35on
ber erbfünbe" mit if^rer Jd^roffen Verurteilung be^ glaciu«. I)ie ©eiftlid^Ieit ber ®rafs
fc^aft foHte il^r Urteil barüber abgeben (2)egember 1571). ©Ip. unb fein Sln^ang (bef.
M. G^riftoj)]^ äjenäuö unb aOBill^. ©arceriuö) erflärten fic^ gegen SBiganb« Beurteilung 36
be^ glaciu^, ^Öfengel unb bie ©einen ixaUn il^m bei (SeudEfelb ©. 33). 3)amit iüar ber
Äamt)f unter il^nen entbrannt (Dgl. SKengelö SBrief bei gec^t p. 433). ßö fanben 1572
xa^lreid^e Untcncbungcn ftatt, in benen man um bie Formeln „bie ßrbfünbe ift bie
^erberbung ber 9Jatur" ober fie ift „bie t)erberbte 5Katur" ftritt, ol^ne fic^ gu einigen*
auc^ ba^ t)erfönlic^e ßrft^einen be^ ^laciuö unb eine gtoeitägige 3)i^utation mit i^m auf 40
©(^lofe 3)ian^felb (3. u. 4. B^t. 1572) führte gu feiner Serftänbigung, nur baf; Bp.
unb mit \i}m ®raf SSolrab noc^ entf(^lofjener fortan gu ^laciu^ l^ielten. 3^^ flogen
Streitfc^riften giüifd^en beibcn ^Parteien l^in unb ^er, aller freunbfAaftlic^e 3SerIe^r l^örte
auf. ®raf SSolrab fe^te in feinem $Ka^tbereid^ ©egner Bp.^ ab, ®raf $ang ®eorg unb
feine Srüber ftanben auf ber ®egen^)artei unb hinter i^nen ber 3lbminiftrator tJonWagbe« 46
bürg ^oad^im griebrid^. 9Jun liefen bie 3c"fwten ein, bie man t)on auötüärtigen 3:9eos
logen eingel^olt l^atte. ^an^ ®eorg Verlangte uon ©J). ben SBiberruf feiner Se^rtoeife,
biefer aber liefe auf ber je^t in SRan^felb t)on ®raf SSolrab für il^n errid^teten 2)rudterei
©d^rift um ©^rift au^el^en, unb bie ®egner antiüorteten mit §ilfe ber ©i^lebener treffe.
ÜJatürlid^ iDogte aud^ auf ben hangeln ber Ramp^ ^in unb l^er, unb au^ baö 3Sol! ergriff 60
lebl^aft t^artei für „Stccibeng" ober „©ubftang". Die ®rafen beiber ^Parteien ful^ren mit
ber 2lbfe^ung Don ^rebigern fort, bie nid^t gu i^nen l^ielten. 2)a §anö ®eorg unb ®e5
noffen bic ^^5rebiger in3Ranefelb nic^t abfegen fonnten, liefen fie fie iüenigften^ burd^ bie
©perrung ber ßinfünfte au^ i^rem ®ebiet (JBeibeberbot) i^ren ^orn füllen. 3" ^^^^
Situation fd^ritt goad^im ^Jriebrid^, feit 1570 ©equefter eine«; 2;eileiJ ber ®raffd^aft, auf 66
2lnfuc^en ^an^ ®eorg^ mit einem ®eh)altftreic^ ein. Slm 7. ©ej)t. 1574 rüdfte ein iru))^
behjaffnctcr Sürger bon §alle nac^ 5Wan^felb unb befe^te in ber 9?a(^t ©tabt unb ©d^lofe.
Bp. h)urbe t)on i^nen au^getoicfen. 311^ aber jene iüieber abgogen, lehrte er nac^)^3Kang-
felb gurüdE (Sembe, ?^ormularbüc^lein ©. VL). 2lber m JJeujai^r 1575 rüdften abermafe
Sanböfnec^te Don §aile l^er in ©tabt unb ©c^lofe 5Wan^felb ein. ÜJlit Ina))lper 9Jot entflog so
570 6)iaitgeiibcrg, 3. u. 6.
€^. ucdf in äJerllctbunß, bod^ )t)urbc feine l^oc^f(^n)anoere %xan arc) mi^^nbcd unb
toertboDe 3Jl(nniffcij|)le i^m fortgenommcn. 2)er ?Hat unb gai^lreic^e Sürgcr iüurbcn al^
(Sefangene nac^ ©iebtti^cnfltiÄ g^^^^^f ^^(^ Slnl^änger Sjp.^ unter ben Septem Sanbcs
beriüiefen (bgl. Sanften, ©ef(^i^te be« boitfd^ Sollet IV, 347 ff.; ©."üMüaer a.a,£.).
5 ©0 l^atte bie Seigre ber ©egner beö ^laciuö ben Sieg erfand unb bic Sieger Ratten
noc^ bie (Senugt^uung, ®p.i 3Kutter, bie l^oc^betagt ate aaSittoc in einleben I*tt, bmtb
JJertüeigerung ber Stbfolution unb be^ Slbcnbmol^I^ bor il^rem 2:obe, unb bann burt^
3?erfagung ber SSegräbnidceremonien für il^re^SoBne« Scl^rtocife bü^en ju laffen. ^reili*
h)ar biefer noä) längere 3^it mit feinem änl^ange in ber ©raffc^aft in briefli^em 3?erfcbr
10 geblieben unb ^atte a\x6) in ber ^eme bie SSerteibigung feiner Seigre burc^ neue Sd>riftcn
taj>fer unb unermüblic^ fortgefe^t. 6rft jel^n ^a^re f))äter iüar bie gartet ber „Sub^
ftanjianer" jiemlic^ berfc^iüunben (bgl. I)öIIinger II, 285 ff.).
©Ip. iüar inö 9lmt ©angerl^aufen geflüchtet, iüo er, bon ®raf 3SoIrab mit einem
^a^re^gel^alte bon 208 2:l^alem untcrftü^t, biö 1577 bertoeilte, befd^äftigt mit I^iftorifcben
15 arbeiten unb neuen ©Triften gum ßrbfünbenftreit. 5Jaci^ feinet ^reunbe^ g'^aciuö iobc
1575 iüibmete er beffen SBittoe eine Umbic^tung be« 88. ^falm«. 9Kit 3afob Slnbreä,
ber 1577 auc^ nad^ ©angerj^aufen lam, ^ielt er auf 33eranlaffung unb in ®egenn?art be^
©rafen 3SoIrab ein ßolloauium, ba^ aber bei ber airt, toie Stnbreä il^m babei eine ruhige
ßnttoirfelung feiner Slnfc^auungen unmöglid? machte, nur mit lebhaftem ^rotcft ©p.ö
20 fc^Iof;. Site er bann 1578 feinen SSerid^t bom ßolloquium beröffentlid^te, bertiicb man
i^n tüie feinen Patron, ben ©rafen 25olrab, au^ ©angerl^aufen. 3^^ 9in9cn betbc nad}
©trafeburg, aber am 30. ©ejember ftarb fein S3efc^ü^er, bem er nod^ bie Seic^enrcbc galten
fonnte. Sergeblic^ (petitionierte er jefet toieber^olt um bie ©rlaubniö, fw^ in 3:^üringen,
etiüa in ©aalfelb, ^ma ober ©anger^aufen nieberlaffen ju bürfen, um bon bort au^ ben
26 fo nötigen Stampf gegen bic „fubtilen ©aframentfc^tbärmer", bie (Ealbiniften führen i^u
fönnen (SSrieftoed^fel ©. 117. 121 ff.); aber bic §oft^eologen iüiberrieten bem fiurfurftcn
Sluguft energif(^ bie Slufnal^me be^ ^annt^, ber ftd^ bon feinen „gottlofen manicbäifdbcn
Irrtümern" no^nid^t gereinigt l^abe. @rft 1581 bot fic^ bem Exul Christi burc^ ©intoirfung
gtbcier ©bcllcute auf ben Sanbgrafen SBJil^elm bon Reffen bic Ober})farre gu ©(^li|fec
30 (©(^U^) a. b. gulba (in Dberl^effcn), h)o er bi^ 1590 amtieren fonnte. Diefer ruhigeren
3eit gel^i^rt ber 2lbf(^lu6 feiner großen ©efd^ic^tötoerle an (f. u.). 3lber 1591 finben tpir
il^n iüieber in Exilio. 6r tbar in ©d^li^fee Slmt^ entfe^t, aber ba^ bamalö befftfic
SJad^a a. b. fflerra i^m ate SBoJ^nfi^ geftattet toorben, iüo er nun „ol^ne 2)ienft", bom
3lbenbniaf)l au^gefc^loffen unb noc^ baju ate ,,2öinlel)3rebigcr" argtDö^nifc^ bon ber
35 calbinifd^ gefinnten ©eiftlic^feit beobachtet (bgl. Sriefibcd^fel ©. 136 ff.), ein einfamcö lieben
füf^rte, aber ungebeugten ©inneö in bem getroften ©lauben, bafe „©Ott bic ©einen nicht
berläjt, bie fteif über feiner 2Bal^r^>cit galten", ^ier trat er ate ein felbftftänbig ur=
tcilcnber Wann in feiner ©c^rift „i^om neuen comgierten ßalenber" 1592 ber gurcbt
ber ebangclifd^cn ^rebiger entgegen, ate tbcnn man burc^ Slnnal^mc be^ grcgorianifcfcen
40 Äalcnbcr^ ben ©lauben berleugnen unb fic^ tbieber unter bag t)ä})ftlid^c ^od} begeben
iüürbe. ©raf ^olrab^ 9Jeffc, ©raf Grnft bon aJtanöfelb, ber gelehrte Äanonifu« üon
Äi>ln unb Strasburg, ermöglid^te i^m ca. 1595 bie StüdEf e^r nad^ ©trajsburg, ibo er ben
••fleft feinet gebend frieblicf^ mit feinen geliebten ^iftorifcben ^orfd^ungcn berbringen fonnte.
6ine ^reffion ber ^ranffurter ©eiftlid^cn auf bie ©trafeburger, i^m baö ipcimatrccbt ju
45 berfagen unb if^n bom Slbcnbma^l au^jufd^liefeen, tbie^ 30^. $a})t)u^ (25. ÜKärj 1596)
tüürbig 5urüdE. ©0 fonnte er bort bleiben, bi^ er am 10. ^ebruar 1604 au^ bem geben
fd^icb. 2luc^ fein ©ol>n aSolfl^art, in Tübingen 1591 3)lagiftcr getborben, fanb bort
Bürgerrecht. 6r ift in ber 2itteraturgefd^icf^tc befannt ate Bearbeiter gried^ifdier 2)ramen
n beutfd^er ©Jjrad^c (Sllcefti^ 1604, .^ccuba 1605, aijar 1608, f. Sibl. b. ©tuttg. litter.
öoBerein^ 83b 211 u. 212, 2;übingen 1896; anbere« in 6. 3)lartin, ©Ifäfftfc^c gittcratuP
bcnfmälcr IV, ©traj^burg 1887; bgl. auc^ 5«. Deborn, ©. 203 f.; §. ^olftein, Sie ^^ic-
forniatiou im ©})icgclbilbe ber bramatifd;en Sittcratur 1886, ©.51 u. ö. ; Srieftü. bce
(St;riaf.©p. ©. 1:59, bor allem abcrß.Öoffcrt in3lb33 35, 46ff.). Über feine übrigen fiinba,
nocf> fünf ©ö^nc unb brei 2ödbter, bgl. 33ricfioed;fel ©.138 f.
65 i)cr ©d^riften (5l;riat. B\>M ift eine faft unüberfef^bare güHe. Sluc^ ba^ mit grcfeer
3)Jül)e aufgcftcUtc äscrjcid^ni^ bon ^Tlcmbe ift noc^ nid^t ganj boDftänbig. ©J). ging in
biclcn S3e;;ic(;ungon gctrculid; in ben Spuren ber fd^riftftcUerifc^en il)ätigf eit feinet Spätere
einiger. ©0 bor allem in 3al)lrcid^en prattifd() erbaulichen ©d^riften. S)en Seic^enprebigtcn
feine«^ isatcr^ fd;licfecn fic^ feine eigenen an (oben (©. 566,9); e«J folgt aber aud^ einegrofee
60 Sammlung bon 70 Brautprebigten unter bem litel „(S^efjjiegcl" (1561 u. ö.). Qx giebt
@)iaiigciiberg, 3. u. ß. 571
})rafttfd)c aiu^legungen bcr iJ^cffalomd^crbricfc (1557), bcr ^aftordbricfc (1550ff.), ber
Äorint^erbricfc (1551)ff.) I^craud. 6r bearbeitet in tabulae nac^ bäterlid^em SSorbilbc
. ben ^entatcud^ (156:j) unb anbere altteftamentlic^e ^iftorif(^e Sudler (1567). 6r bearbeitet
benÄated?igmuöin^rebi0ten(1564 U.Ö.). 6r fe^t beö 35aterg l^t^mnologijc^e arbeiten fort:
„G^riftlic^^ ©efangbüd^Iein, Son ben fürnembften geften"(137 Sieber, barnnter etliche eigene, b
15(58, t)al. fflacfernagel, Sibliogr. 9?r. DCCCXCVI), Cithara Lutheri (^rebigten über
Sutf^erg Sieber) 1569 u. 70 (9Jeubrucf bon SB. S^ilo, »erlin 1855); Über „gr^alt un§ §err
bei beinern 2öort"(1574); „Der ganje^falter . . . gefang^iüeife unb 114 fc^öne geiftreid^c
Sieber ... ber lieben ^atriar^en" (1582, gumeift eigene Umbi(^tungen, t)gl. SBJacfernagel
9Jr. CMLXXII). Sefonbere §erbor|ebung unter feinen ^Srebigtcn berbient fein 3^^"^ bon 10
21 'ißrebigten über W.Sut^er, bie er am 11.9?ot)ember 1562 in $KangfeIb begann unb 1574
becnbete ; eine 22. ging bei feiner gluckt bon 5)tan^felb berloren. Stuf bie Veröffentlichung in
(Sinjelbrucfen folgte 1589 eine ©ammelauögabe unter bem 2^itel Theander Lutherus.
6ie l^aben bei iüeitem nid^t bie Verbreitung gcfunben h)ie bie gleid^fatt^ 1562 begonnenen
berühmten, glei(^fattg uor Sergleuten gehaltenen be^ S^^^-^^^W"^; fie be^anbem freiließ 15
auc^ nx6)t gleich biefen ba^ Seben Sut^er^ in fortlaufenber ©r^ä^lung, fonbern l^anbeln
uon feiner 2lrt unb Sebeutung, feinen (Saben unb feiner göttlichen ?Dtiffion unter ber^
fc^iebenen ©efid^tgipunlten unb SSergleic^ungen (^ro^l^et, aj)oftel, Se^rer, 5ßriefter; ate
2:recfeiunge, $äuer unb ©teiger in (Sottet Sergtoerl u. bgl.). 3luf;er bem, baf; fie einzelne
lüertuoDe 9ia^rid&ten bringen, finb fie au^egeicbnet burc^ bolfötümlid^e JJrifc^e unb Ur* 20
iüüd^figfeit unb berbienen bie SSergeffenl^eit nid^t, ber fie berfallen ftnb (Sieubrudf bcr
15. ^rebigt burd^ §. 9tembe, einleben 1887; barin ©. I— XXIII Überblidf über fämt^
l\d)Q 21 $rebigten; bgl. auc^ Söfcbe, 3- ^RatJ^efiu^ I, 548). — @inen befonberen änteil
^at Bp. an ber bolfetümlid&en 3:eufetelitteratur, bie in ber giüeiten §älfte be^ 16. 3^^^^^=
l()unbert^ erfc^ienen ift. 6r läfet 1560 ben „Sagteufel" au^gel^en unb liefert ju 3«>ö^i"^ 25
9ücft^^ate „^offa^rtgteufel" bie auöfü^rlic^e abpanblung „Von %iau §offal^rt unb il^ren
iöd^tern"; !flembe berjeic^net aud& jum S^l^re 1561 eine ©d^rift „Vom ©auf^, gluc^^
BpkU unb lan^teufel". 3luf ©ip.ö Anregung h)irb ^ aber auc^ jjurüdtgufül^ren fein,
bafe toir aud^ nod; anberen 5Wan^f eiber (Seiftlid^en in biefer Sitteraturgattung begegnen:
Äonrab $orta mit einem „Sügem unb Säfterteufel" 1581, 2lnbreaö §o}))penrobt mit einem ao
„^urentcufel" 1558, ^u bem©}). baö Vortoort fd^rieb, Slnbr. ^abriciuö mit feinem „^ei^
ligen, fingen unb geleierten 3:eufel" 1567, ben glcic^faH^ Bp. einleitete (Siäl^ere^ barüber
in C^bom^ ©c^rift). SBaren e^ bocf? bor allem bie ©nefiolut^eraner, bie biefen 3^^fl
ber Volf^litteratur anbauten, ber ^rcbigt unb Slnelbote, SDJarnung unb Unterhaltung
lüirfungebolt ^u mifd^en berftanb. — ©)p.ö Vegabung für bolfötümli^e Wal^nrebe ertoeift 35
ftd; glänjienb in feinem lulturgefd^id^tlic^ toertboDen „^ormularbüd^lein ber alten SlbamiSs
fpracle" 1562 u. ö., bon bem Slembe 1887 einen Sieubrudt beforgte. @^ geiüä^rt leJ^r^
reid^en SinblidE in getüiffe toeltlic^ gefmnte Äreife ber ©emeinbe unb gei^t i^ren SReben
unb Slu^flüc^ten energifd[) ^u Seibe.
Von feinen ©treitfc^riften ift au^er ben gal^lreic&en ©d^riften im ßrbfünbenftreit, 40
einer ©c^rift im f^nergiftifÄen ©treit, mel^reren ©c^rif ten gu (Sunften ber lutl^erifc^en
2lbenbmal|l^le^re unb in einer Äontroberfe, ob bie Selber berftorbener G^riften beilig j|u
nennen feien (1583), befonber^ feine toud^tige ©^rift „SQäiber bie böfe ©ieben in leufetö
Äarnöffelf))ier' 1562 f^erborgu^eben, in ber er „in iüilbem 3orn unb mit einer Äraft ber
©prac^e, bie Sutl^er^ ©c^üler alle Qf)xt mad^t," ^ap\t ?Piug IV., ben Olmü^cr ^^Blbnd) 4ö
Sim^jriciu^, bie ßonbertiten ^riebric^ ©ta^jl^^lu^ unb Bt^f)an 2lgricola, (Sontarini, 3^^^^
bon &cnmp unb ©tani^^lau^ §oftu^ h)egen toerfc^iebencr bamate aftuetter 5ßublifationen
fritificrt unb abfertigt (t)gl. Ceborn ©. 131 ff.). — gu ®unften be^ ßbangelium^ in Volumen
Deröffcntlid^te er 1565 eine Steige Uon 3:roftbriefen Verfd^iebener an einen in $rag ing
©efängni^ gelegten ebangelifc^en ^rebiger, unb toibmete biefe Epistolae aliquot con- öo
solatoriae fü^nlic^ Äaifer 3Jlajimilian II.
^n ber bcutfd()en Sitteratur \^at er einen ^lafe auc^ al^ 2)ic^ter geiftlic^er Äomöbien,
bie ber ^cii feinet ^farramte^ in ©d^li^fec angehören: auf bie Sbangelien bon Remi-
niscei'e, Oculi, Laetare unb Judica (1589 u. 1590, bgl. §olftein a. a. D. ©. 133).
— ©eine ©c^rift „Von ber 3J?ufica unb ben SReifterfängem" tourbe au^ ber ©trajs- 56
burger §anbfdE)rift 1861 Don äbalbert b. Heller al^ Vb 62 ber Vibliot^ beö litter.
Vereint i;um erften 5)kle boBftänbig herausgegeben. ~ Unt)ergeffen bleiben feine Verbienfte auf
bem (Gebiete ber ©efd^id^te. 2Bie 6^r. ©}). felbft in ber Vorrebe ju feinem ,,2lbelS ©^jiegel"
erjä^lt, l?attc fein Vater einft ^u 9lorbl|aufen für eine gro^e SBJeltc^ronil ju fammcln
begonnen unb jc^on 1543 ben©o^n angehalten, täglic^i etlid^e ©tunben in alten ^iftorien eo
572 ®)iaitgeitbfrg, ^, u. 6. 6)iaiil^ettit
jiu lefcn unb GECcrj)te ju mad^en. 3)a^ ^attc biefcr lonfcquent fortgcfe^t, bann auc^ mit
Vorliebe im 9Jlan«fcIbtf(^en unb Umgcgenb nai) Urfunbcn unb Antiquitäten geforfc^t unb
ärd^ibc burc^fti^bert unb fo aDmöl^Uc^ reic^l^altigc Sammlungen gewonnen. ?IKit einer
2)arfteHung ber ©c^Iac^t am SBelfe^^oIj 1115 begann er 1556 bic Seröffentlid^ungen
6 aug biefen ©tubien. ß^ folgte ein „9Serjeic^ni^, h)ie oft, toann unb toarum ^Rom toon
ben 2)eutf(^en gewonnen" 1558. ©einer 3(uölegung ber Äorintl^erbriefe fügte er ein
Chronicon Corinthiacum bei, 1562. Xann gab er 1572 feine „9Ran^feIbifc^e ßbronica"
in 2)rucf. 2)er ©rbfünbenftreit beranlafete ü}n gu einer Historia Manicheorum 1578.
3n ©c^Ii^fee erweiterte er bie „"Kangfelbifd^e" gur „©äd^fifd^en Cl^ronica" 1585, gab bic
to „Duerfurtifc^e ßl^ronica" 1590 l^erauö, auc^ eine ©efd^ic^te be^ ©efc^Iec^tö bcrer t>on
9Koteborf, bieSBetter genannt, 1590; in3?a(^a beröffentlid^te er bie jtoei fjolianten feinet
„aibetö ©J)iegelg" 1591 unb 94. 3n©traj5burg ebierte er bann nod^ bie „Jpennebcrgifcbc
e^ronica" 1599, feinen „35onifaciu« ober beutfd^e Äird^en-§iftorie bon 714—755", 1603.
9lad^ feinem 3:obe erf(^ien noc^ bie „ß^ronica ber ©rafen gu §oIftein" 1614, fotoie
15 lOO^a^re fj)äter (ca. 1720) bie „ßj^ronica aüer »ifc^öfe gu Serben". 2lnbere^ blieb um
gebrudft. SBa^ für ein Calendarium historicum für jeben 2:ag be« S^^^c^ ^ fi<^
Sufammengetragen, jeigen biele feiner 33riefe, in benen er jum Datum eine %n\k
liftorifd^er Stemini^cengen auömfc^ütten liebt. „SQäenn feine ^iftorifd^en ©d^riften auö^
über bie ältere ©eft^id^te nac$ bamaliger ©itte biel gabel^afte^ entl^alten, fo liefern fic
20 bo(^, h)0 ber 9Serf. fidlere unb altenmäfeige DueDen benu^en tonnte, manche fd^ä^barc
SRa^ric^ten" (SBagenmann).
G^r. Bp. ift einer ber d^aralterbollften 5Känner ber gn)eiten ©eneration ber Slefor-
mationggeit ; eifemer glei^ be^ ©elel^rten berbinbet fw^ mit ))raftifd^ erbaulicher öegabung,
eine ftarre unb burc^ feine 9?ot gu beugenbc geftigfeit im Sel^rbelenntnig mit unerft^ütter-
25 liebem, finblic^em ©ottbertrauen, berle^enbe ©d^roff^eit unb Derbheit ber ^olemif mit
^i Sut^erfd^er l^umorgetüürgter 33oIfötümIic^!eit ber Siebe : ein glacianer in feiner Sc-
fenntniöfc^ärfe unb feiner ausgebreiteten ©ele^rfamfeit, aber gugleid^ ein ec^t beutft^cr
3Kann mit einem reichen 2;eil Sut^erfc^en 6rbeS. „6in bemütiger ©c^üler Sutl^erS ju
bleiben" h)ar feinet SebenS Sofung getoefen (bgl. SSorrebe gu feinem „flate^iSmuS").
*> @. Sitottveratt.
6)ian^etm, ^riebric^ (ber ältere), geb. 1600, geft. 1649. — Abr. Heidani, Oratio
funebris in obitum . . . Frider. Spanhemii . . . Lugd. Bat. MDCXLIX; P. Bayle, Dic-
tionaire historiquc et critique, f). 6d. 9lmft.sfiei)be 1740; Bulletin du Protestanlisme Fram;.
tom. XII, p. 96 sq. lieber Spanl^eimö ^Beteiligung om aml)ralbi)tijd)en Streit f. ^Ue^, Sc^weiser.
36 2)ic proteftantifdieu (Sentralbogmen, 2. Sanb, dixxi&i 1856.
griebrid^ S^an^eim tourbe geboren gu Stmberg in ber Dbcr^jfalg am 1. 30""^^
1600 ate ©o^n beS frommen unb geleierten SBiganb ©^janf^cim, Dr. theo!, unb 5Hit=
glieb beö fut^fäli^ifd^en Äird^enratS unter griebrid^ IV. unb V. ©eine 3Kutter SRen^e
2:offan ober louffaint tvax eine ^^od^ter beS bclannten ipeibelberger 5ßrofeff orS ber 3:^cc-
40 logie Daniel loffanuS. Unter ber forgfältigen Grgie^ung beS SaterS enttoidtelten ficfc
frü^ feine bebeutenben Slnlagen, unb nacbbem er baS ©^mnafium feiner Saterftabt bc=
fud;t ^atte, begog er 1614 bie Uniberfität §eibelberg, h)0 er guerft 5ßl^iIoIogie unb^^l^ilo:
\o)i>i)k ftubierte unb folc^e ^ortfcbritte mad^te, bafe man balb gro^e @rh)artungen bon ibm
^egte. '^aä) einem lurgen 2lufent^alt im elterli^en §aufc ging er 1619 nad^Senf, um
46 Ideologie gu ftubicrcn. 2)aS UnglüdE, n)eldeetg mit bem Seginn beig SOjäbrigen Äriegc^
über bie ^falg ^ereinbrad^, machte eS bem 9?ater fd^toer, ben ©ol^n auf ber Uniberfuät
ui unterl^alten ; aber auS ber Äonefjjonbeng mit bem trefflid^cn ©o^n ertoud^S i^m manche
^reube, rt)clcf;c il^n aurf^ in feiner ©terbeftunbe erquidfte; er berfc^ieb (1620), toä^rcnb
er einen 93rief feines ©offnes la^, ber i^n gu l:ieränen beioegte. 2)a ©J)anl|eim nac^ bem
60 2übe feines ikterS bie ©elbmittcl gur ^^ortfefeung feiner ©tubien fet^Iten, na^m er 1621
bei bem ©ouDerncur bon ömbrun im ^aupi}xn6, '^tan be 93onne, 33aron be 3SritoIIc,
eine §auSlebrerftcIIc an. ipicr blieb er brei ^a\)x^ unb ^atte er gtoeimal ©clegen^eit,
einmal mit einem !3«f"^^<^» w"^ ^i" anbereSmal mit einem grangiStaner, 3)iSputationcn
gu galten, in n?eld;cn er fic^ feinen ©egncrn gcioac^fcn geigte. 6r feierte l^ierauf nad^ ©cnf
56 gurüdE unb ging bon ba nac^ ^^ariS, Wo er Sefanntfqaft ma(i)tt mit feinem 93lutS=
berioanbten ©amuel Durant, bem ^^farrer ber reformierten ©emcinbe in ß^arenton, ber
if)m ben ?fiai gab, eine ü}m angebotene ^rofefjur ber ^^ilf)ilofobl^ie in Saufanne abgutoeifcn,
unb iljm fjjäter feine gange Süc^crei Uermad^tc. 5Jac^ einer Sleife Don bier 3Ronaten
nac^ (gnglanb feierte er über '^ari^ lüieber naö) ©enf gurüdE, Wo er 1626 anlam, ntiS}
@)iatil^ritit 573
in bcmfelben ^af^x^ rine 5ßrofcffur ber 5ß^Uofoj)l^ie erhielt. 1627 heiratete er Gl^ariolte
bu 5ßort, gebürtig aug 5ßoitou. '^m ga^re 1631 ging er gur t^cologifc^cn galultät über
unb iüurbe ber 9Ja(^foIger be« berftorbenen 3:unetini. ßr toax fd^on ß^renbürger ber
Stabt ®enf unb befleibete 1633—37 ba« SReftorat ber 3llabemie, in hjelc^c geit (1635)
bie erfte Jubelfeier ber ©enfer SHcformalion fiel, bie er bur(^ eine glänjenbe Siebe („Ge- 6
neva restituta") ber^errlic^te, äJerfc^iebene Uniberfitäten fachten ©Ipanl^eim, beffen ge^
lel^rterSRuf bamafö fc^on allgemein toar, für fic^ ju geiüinnen. ßnblid^ liefe er fic^ 1641
belegen, unter fe^r ehrenvollen Sebingungen eine Berufung nai) Seiben ate 5Rad^folger
be^ fd^on im Ja^re 1639 berftorbenen 3lnt. SBalaei anjune^men. 9Jlit bieler 3Jlül^e
tüurbe eö ba^in gebracht, bafe ber SRat bon (Senf, ber i^^n gern bel^alten toottte, i^m bie lo
geforberte ©ntlaffung getoäl^rte. I)a e^ in ^oHanb ©itte \t>ax (auf ben reformierten
2l!abemien in granfrei^ unb (Senf toar e^ nid^t ber %aü), bafe ein t^eologif(^er 5ßro=
feffor auc^ ben t^eologifd&en 2)oItorgrab befifeen mufete, fo ipromobierte er noc^ in S3afel
bor ben Stntritt feiner neuen ©teile. 6r fam nac^ Seiben am 3. Dftober 1642 unb
l^ielt balb barauf feine Slntrittörebe „de officio theologi". 3" §oDanb ioar ©Ipanl^eim i6
einer ber entfrf^iebenften SBerteibiger ber calbinifc^en ?Präbeftination^lel^re gegen äim^raut
(f. b. % 93b 1, 477). ©eine ^eunbfd^aft mit SRibet (f. b. 31.) f^at bieDeic^t baju ni^t toenig
beigetragen. 3lufeerbem fanb alle«, toa« le^erifc^ toar ober e« ju toerben bro^te, in Bpan^
l^eim einen entf^iebenen ©egner. ©ipan^eim ioar unermübli^ in ber 2lrbett unb ein
geraber G^aralter, gegen greunb unb %Är(t> gleich e^rlic^, unb bon beiben geachtet. 3lad) 20
feinem 3:obe fagteßmfiu«: „Majorem certe orbitatem pati non potuit aeademia'';
unb ©orbiöre: „qu'il avoit la teste forte et bien remplie d'örudition, qu'il estoit
propre aux affaires, ferme et adroit, ardent et laborieux" (Bayle IV, 249). 6r
ftanb im SSerle^r mit bem ^^ringen bon Dranien, nai} beffen 3:obe er eine 2;rauer})rebigt
(Laudationem funebrem Frid. Henr. Arausionum Prineipis. 1647) ^ielt, ioofür er 26
500 2)ulaten gef(^enlt belam, unb mit ben Äöniginnen ©lifabetl^ bon 33ö^men unb 6^riftine
bon ©d^ioeben. I)ie Kuratoren ber Uniberfität in Seiben liegten grofee äd^tung bor @pan^
f)m\ unb gebrauchten i^n mel^rmal«, um ©treitigfeiten gtoifc^en $rofefforen ober ©tubenten
ju bef eiligen, ©^jan^eim ftarb am 14. 5Kai (nic^t am 30. Sllpril, toie ^öä)^, SlDg.
©ele^rtensScjifon in voce fagt) 1649, überarbeitet unb gebrüdft bon ^äu^Ii^en Sorgen. 30
(Sr ^interliefe eine ffiitioe mit 7 Äinbern. 3)er belannte ^olf, ßocceju« (f. b. St. Sb IV
©. 186) ioar fein 3Jad^f olger.
©^an^eim ^at einige 9Berfe anont^m unb anbere unter feinem 9?amen l^erau^egeben.
3lnont^m fmb 1. Le Soldat Suedois (1633), eine ®efc^i(^te be« 30iä^rigen Äriege« bi«
1631, gefc^rieben auf SBlnfuc^en be« fc^toebift^en Äönig« ((Suftab II. Slbolf); 2. Le Mer- 36
eure Suisse (1634); 3. (IJommentaire historique de la vie et de la mort de
Messire Christofle Vicomte de Dohna, gefc^rieben auf Slnfuc^en ber SBitioe (1639).
3m 3^^^^ 1645 ^)ubli3ierte er, aud^ ol^ne 9Jamen, aufänfuc^en berÄönigin bon Söl^men
bie Oebenffd^riften i^rer ©c^loiegermutter Suife SuH^na, einer 3:od^ter SBill^elmd bon Ora^
nien.— ©eine t^eologifc^en ©d^riften fmb: 1. Dubia evangelica (3 tom. in 4". Genev. 40
1631—39), tüoburd^ feine Drt^obojie, feine grofee S3elefen^eit unb feine lpolemif(^e (Se*
toanbt^eit über äße 3*^€if^I erhoben iourben; 2. Ghamierus contractus, gefc^^rieben in
®enf, mir aber nic^t befannt, toobon 93a^Ie (1. e.) fagt, bajs er „fut entrepris en fa-
veur du Proposans, qui ne pouvoient par se servir commod^ment de la vaste
Panstratie de Chamier"; 3. Exereitationes de gratia universali (3 vol. in 8*), gegen 46
aimt^raut unb für Beurteilung be« Sel^r^ertoürfniffe« fel^r h)i(^tig ; 4. Epistola ad (3ottie-
rium de conciliatione gratiae universalis ; 5. Epistola ad Buchananum de eon-
troversiis Anglicanis et vindiciae de gratia universali, über ioelc^em SBerle ber
Xo't) ü)n befiel. (Segen bie laufgefinnten fmb gerichtet Variae disputationes anti-
Anabaptisticae (Lugd. Bat. 1643) unb Diatribe historica de origine, progressu, 60
sectis et nominibus anabaptistarum (bei Gloppenbureh, Gangraena Theologiae
anabaptisticae, Fran. 1645, p. 386 sq.). Seibe ©c^riften ftnb aber fel^r einfeitig unb
geben Setoeife feiner unboUftänbigen itenntni« ber ^ufgefmnten.
(0. 2:4elemanit t) ®* ^* ^an S^een.
^pan^tim, ß^ec^iel, greil^err bon, geb. 1629, geft. 1710.— eine ficben3befd)rei= 56
bung burd) Sfaac Verbürg 00 v ber ^mfterbonier ^luäaabc üon SpanöcimS Dissertationes de
neu et pracstantia numismatum antiquorum (1717); 9[öcfter, 9lflg. ®cle^rtcn=fiej!fon, in voce;
CSt)auffepi^, Nouveau dictionaire historique et critique, ^Imftcrbam 1750 — 1756.
e^ec^icl ©t)ant?eim, ber ältefte ©o^n be« borigen, ift geboren in (Senf 7. 2)ejember
1629 unb tourbe bereite aU 13iä^iger Anabe bei ber Überfiebelung feinet 3Sater^ nad^ oa
574 ®)iait^ettit
Seiben bon ben bortigen ^rofefforen hjegen feiner Äenntniffe mit äd^tung be^anbelt. Gr
ftubierte ^P^ilologie unb ibeologic unb bcrteibigtc in feinem la. gebenöja^re (1645)
Il^efen über baö älter ber ^ebräifc^en 33u(^ftaben, toorin er für SSujIorf gegen Qap^ü
eintrat. 1649 gab er be^ SSater« unboKenbete« 2Berf „Vindiciae" mit em«m bon ibm
6 berfafeten Stnl^ang ^eraug. 3m ^af)x^ barauf lehrte er nad^ ®enf jurücf, h>o i^m ber
3^itel eine^ ^rofejjor« ber ßloquenj berlie^en hjurbe, obgleid^ biefe ©teile nic^t erkbigt
h)ar, bal^er er auc^ feine SSorlefungen an ber Slfabemie ^ielt. Salb trat baö t|eoIogif(^
Sntereffe bei i^m ganj gurüc! unb feine ©teHung afö (Srjic^er be^ t)fälgifcl^en Äur^jrin^en
unb nachmaligen Äurfürften Äarl (feit 1656), toobei er fid^ ftaat^if]enf^a^lic^en ©tubicn
10 l^ingab, leitete il^n in bie bi^)Iomatifc^|e Äarriere über, für n)eld^e er, h)ie bie golge geigte,
eine grofee Segabung l^atte. ^m auftrage be« Äurfürften Äarl Subtoig reifte er 1661
nac^ 9lom, um bie gegen benfelben angeft)onnenen ^"triguen ber fat^olifc^en fturfürften
ju erforfd^en. 6r benu^te bie ©elegen^eit, um gto^i^n lennen gu lernen unb römift^e
3lntiquitäten, befonber^ Slumigmatif, ju ftubieren. SDort trat er auc^ mit ber ©jfonigin
16 ß^riftinc bon ©c^iüeben, bei ber er tn befonbere ®nabe fam, unb mit ber ^rinjeffin
©olpbie, ber 3Kutter be^ flpätcren Äönig^Oeorg bon (Snglanb, in Segiei^ung. ^ad^ feiner
SRürffel^r 1665 gebraud^te il^n ber Äurfürft ate Oefanbten an berfd^iebenen §öfen, gulc^t
in ßnglanb, h)0 i^m 1679 ber Äurfürft \)on 33ranbenburg gugleid^ bie S3ef orgung feiner
äffairen auftrug. 9Jlit SetoiHigung be^ Äurfürften bon ber^falg trat er im ^a^te 1680
20 mit bem Slang eine^ Staatgminifter^ in lurbranbenburgifc^e 9)ienfte über. 311^ (Sefanbtcr
be« großen Äurfürften am ipofe in 5ßari«, iüo er fic^ neun Sahire aufgellten, nal^m er
fid^ nad) ber Slufl^ebung be^ ßbift^ bon SJante« bieler ^Reformierten an, benen er in
feiner SBJo^nung ^wP"^* getoä^rte unb gur Sluötoanberung ber^alf. 2)arauf brachte er
einige ^a\)x^ in S3erlin mitStubieren gu, ging aber nad) bem rV^n)^Ifc^en gricben 1697
26 toieber aU Slmbaffabeur nac^ granlreic^, h)o er bi^ 1702 berblieb. ^n biefer ^t\t tourbc
©Ipan^eim bei ber Ärönung beg Äönigg griebric^ I. (1701) in Stnerlennung feiner SSers
bienfte in ben ^ei^errnftanb erhoben unb gum ©taat^minifter ernannt, ^m ÖJa^r 17<>2
ging er ate erfter ))reu^if(^er (Sefanbter nac^ ©nglanb, h)0 er am 7. Slobember 1710 in
Sonbon ftarb.
30 3ur Sc^riftfteHerei fehlte if)m bei feinen häufigen Steifen al^ (Sefanbter bie SRufec.
Sieben einigen ^^ilologif^en ©c^riften fd^rieb er in feiner 3iugenb bie fd^on oben genannten
Theses contra Ludovicum Capellum pro antiquitate literarum hebraicarum,
eine Disquisitio critica contra Amyraldum, barin er feinen SSater tüegen ber all;
gemeinen ®nabc bcrteibigte, unb Discours sur la Cr^che et sur la Croix de notre
36 Seigneur Jesus-Christ, n)eld&e^ gn)ei Sieben fmb, bie er a(^ ^rofeffor ber ©loquenj
lateinifd^ gu ®cnf gel^alten. ^n feinem Sllter gab er ^erauiS Cyrilli Alexandrini et
Juliani Opera omnia, gr. et lat. cum notis D.. Petavii et E. Spanhemii, Lips.
1696. ©eine §au)3tn)erfe finb: Disputationes de usu et praestantia numismatum
antiquorum (Rom. 1664; beftc 3tu^g., 2 33be, Sonb. unb 2lmfterbam 1706— 17) unb
4oOrbis Romanus (Sonb. 1704; §alle 1728). ^n feinem Slat^laffe fanb man „6brift=
lid^e Setrad^tungen" unb ®^bttz, loelc^e er bei ben toic^tigften ©reigniffen feinet gebcn^
nicbergefd^rieben ^alte, ein 3^^^^^"/ ^<^6 ^^/ *^c"" ^^4 "^^^ ^^^^ 3^^eologc, bod^ ein
frommer 3)iJ)(omat toar. — ©Jjan^eim befap eine bortrefflid^e 93ibliotbef, toeld^e ber fiöniij
bon ^reuftcn no(^ bei beffen Seben erhjarb. ( O. X^clemotin f) ®. 2). »on »ccn.
46 @<ian^etm, griebri^ (ber jüngere), geb. 1632, geft. 1701. — J. Triglandü lau-
datio funebris F. Spanhemii filii, Lugd. Bat. 1701 (oud) abc^ebrurft im 2. 53anb uou 5pan-
^eim^ Opera); ^^^iceroii, Memoircs pour servir j\ l'histoire des hommes illustres, 'J5avi<j 1734;
®()auffepiö, Nouveau dictionaire historique et critique, 'illmiterbani 1750—56; Qödjer, ^IQi].
ÖJeIet)rten=i^eiifün, in voce; Godgeleerde ßijdragen, 1802 blz. 289 vv. (loo ba^ ooUitÜm
60 bit^fte Sßerjeictjni^^ feiner Sct)rifteu 311 finben ifO-
griebrid^ ©^^an^eim ber jüngere ift geboren am 1. 5Jlai 1632 in ®enf, n)o fein
3Sater, gviebridE) ©panf^eim ber ältere, bamal^ ^rofeffor ber Ideologie toar. 6r bcrlebtc
ba feine erfte 3^9^"^/ ^i^ f^^" 2?ater 1642 nad^ Reiben berufen tourbe. ^ort ftubierte
er crft ^^hilofojjbie unb ertoarb fic^ am 17. Dftober 1648 ben 9Jlagiftergrab unter Isorft^
66 be^ 9lbr. .{^eibani (f. 3- 21. Gramer, Abr. Heidanus en zijn Cartesianisme, Utr.
1889, blz. 42). 311^ feine 93hitter nad) bem Sobc be^ Ikter^ (geft. 1649) nac^ ®enf
5urüdEtel;rte, blieb Spanl?cim in i^eibcn, loo er nad) bem SBunfc^, ben ber 33ater auf bem
©tcrbebcttc geäußert, unb nad) eigener -Jleigung, X^eologie ftubierte. ©eine Se^rer toarcn
:3ac. Iriglanb sen., glaub, ©almafiu^, 2lbr. ^eibanu^ unb 3o^- ßoccejud. Slac^ rü^mlic^
@)iatil^etin 575
beftanbencm ti^eologifc^cn ßjamen fungierte er ate ^^ro^onent an bcrfrf^iebenen Orten 3^^*
lanb« unb ein ^a'^x lang in Utred^t, bi« er 1655, nad^bem er eine Serufung atö ^ro*
feffor ber Il^eologie an ber §oc^fd^uIe ju 9Jt;mh)egen abgelel^nt ^at, einem 5Hufe beg
Äurfürften Äarl Subtüig bei ber Sleorganifation ber Uniberfität ^eibelberg afö ?Profeflor
ber 2;i^eoIogie bortf^in folgte. 3"^^^ ^roinot)ierte ber 23iä^rige Hanbibat no(^ in Seiben 6
Hum Dr. theol., toobei er in feiner 3)iffertation bie fünf §au)ptt)unlte ber 3)orbred^ter
Sejd^Iüffe gegen bie ärminianer berteibigte (Dissertatio theologica de quinquarticu-
lanis controversiis pridem in Belgio agitatis; aufö neue gebrucft in Opera III,
p. 1107 sqq.). 2)w Äurftirft betoie^ i^m auf mancherlei 2Beife fein SKof^tooIIen; bie«
fonnte i^n jebot^ n\6)t abgalten, bemfelben baö JJor^aben, bon feiner ©emal^Iin Charlotte lo
Don §effen ficb ju f(^eiben unb beren ipofbame Suife Don ©egenfelb gu l^eiraten, furd^tlo«
unb auf« einbringlic^fte, iüenn auc^ bcrgeblid^, j|u toiberraten. @« ergingen berfd^iebene
?3erufungen an il^n, u. a. nac^ Si^on ate ^aftor, nac^ Saufanne, Qtanffurt a. b. D.,
^arbertoijf unb granefer aU ^rofeffor, unb na^ Serlin al« §of}jrebiger, bie er aber ade
ablehnte, ^m ^a^re 1670 na^m er ben SRuf ate 5ßrofeffor ber Xl^eologie in Seiben an, is
an ber ©teDe be« berftorbenen 3^^. ßocceju«, ber ber Siad^f olger feine« SJater« getoefen.
2)ort trat er fein 2tmt an mit einer Siebe „de prudentia theologi" unb entfaltete
eine grofee Slrbeitfamleit. 1671 mürbe i^m ber Unterricht in ber Äirc^engefd^ic^te über*
tragen unb im folgenben ^al}x^ trugen bie Kuratoren i^m bie Sluffic^t über bie afabemi?
jd^e Sibliot^e! auf. Sil« SibliotJ^elor lief; er 1674 einen neuen Äatalog anfertigen unb 20
^iclt, al« biefer fertig loar, am 29. Dftober eine SHebe „Bibliothecae Lugduno-Batavae
nova auspicia". Die 93ibIiotl^ef l^atte bamal« 3725 Sucher unb 1702 3KanufIrit)te.
SSiermal l^at er ba« 3{e!torat befleibet unb bie Kuratoren ber Uniberfität fc^enlten i^m,
gleic^iüie früher feinem SBater, ba« größte 3Sertraucn. 35ei bem 2;obe ber ©ema^Iin 3ä\U
^elm« III., ber i!önigin 3Jlaria bon ©nglanb (geft. 1695) beauftragten fie il^n, eine 25
Seid^enrebe ^n J^alten (Oratio in obitum Mariae, M. Britanniae Reginae). Sßurbe
fein äJater feiner 3^* gebrüdft t)on l^äu«Iid^en ©orgen, mit bem ©oi^ne toar e« nic^t fo.
6r f}atU einen fel^r großen ©e^alt: „quadruplex accipit Stipendium, quorum primum
ei confertur pro theologiae, secundum pro S. historiae professoratu; tertium
pro munere bibliothecarii, quartum pro c^oncionibus Gallicis singulis mensibus :o
habendis" (Desid. Pacius, Stricturae breves, p. 34). 5Reben feinen SBorlefungen
tüar er auc^ litterarifcb fel^r tl^ätig. '^m ga^re 1684 tourbe i^m ber 3:itel Professor
Primarius »erliefen unb er bom galten bon Sorlefungen entbunben, um fic^ gang feinen
fc^riftfteDerifd^en 2lrbeitcn iüibmen ju fönnen, tüelc^e nur im ^af)x^ 1695 burd; eine
fd;lt?ere Äranfl^cit unterbrod^en mürben. 6r ftarb am 18. 3Jlai 1701. 35
©^an^eim« gal^Ireid^e ©c^riften (über 50 ol^ne feine gebrudften 5ßrebigten) fmb in
brei löänben gebammelt, beren erfter noc^ gu feinen Sebjeiten erfc^ien: Opera quatenus
(K)mplectantur geographiam, ehronologiam et historiam saeram atque eecle-
siasticam, Lugd. Bat. 1701—1703. Diefelben finb ^iftorifc^en, ejegetifc^en unb bog«
matifc^en S^^^lt«. 2luc^ auf bem )poIemifc^en ©ebiete toax Bpanf}Äm fel^r rül^rig nac^ 40
allen ©eiten ^in; er bcfänH)fte bie Slrminianer, ßartefianer, Goccejaner unb S^fw'ten.
Giner feiner (Segner fd^rieb barum, ba^ er toax „dictator academiarum et ecclesia-
rum totius Belgii, alter Papa, ex cathedra pronuneians et doeens infallibiliter."
2)arin ift jebod^ grofee Übertreibung. 2)od^ toar er ein heftiger 3lnti=6artefianer. Süic^tig
für bie Äenntni« ber bamaligen ©treitigfeitcn ift fein „De novissimis circa res 45
sacras in Belgio dissidiis, epistola ad amicum responsoria" (Lugd. Bat. 1677).
211« SDogmatifer geigte er fic^ fci^r lonferbatib, feine Ideologie \r>ax bie Theologia tra-
ditiva. Sr i)attt einen ftarlen SKibertüitlen gegen bie fogen. Novatores. 2)ie 9Jamcn
Arminii, Vorstii unb Episcopii galten i^m al« „infausta huic Reipublicae
nomina". ©ein CJommentarius in Jobum ift burc^ Oele^rte, toieSBitfiu« unb 3l.©c^ut eo
ten«, fel;r gepriefen unb fteDte feinen Serbienft al« Sieget in« Sid^t. Sefonber« aber al«
Äird^en^iftorifer f}ai er ficf? um bie SJiffenfd^aft berbient gemacht, ©eine 9Sorlefungen
über Äird^engefc^ic^te fing er 1672 an mit einer „Oratio paranaetica pro commen-
dando studio ecclesiasticae antiquitatis", meiere flpäter al« 3[^orrebe gebrudtt ift bor
feiner „Brevis Introductio ad Historiam saeram utriusque Testamenti, ac gö
praecipue Christianam, ad A. 1598 inchoata jam Reformat." (Lugd. Bat. 1694,
in 4"). 5Dicfe« 2öer!, lurg gefaxt aber boBftänbig, ift eine gruc^t genauer unb umfang*
reicher Untcrfud^ung unb bchjeift, ba^ ber 3>erfaffer ein fel^r gelehrter Tlann ift, ber feinen
eigenen SBcg ge^t. SDiefe Brevis Introductio tourbe ni^t aHein in Seiben aber auc^
anber«h)o, al« ^anbbuc^ bei bem afabemifc^en Unterricht gebraud^t unb ift biel ge^rie^en m
576 ®püniinm S^attien, fird^I* StaHfKI
u. a. bon 3Korf^of („optime ad instituendam juventutem comparatus, nam per
secula historiam deducit, sub certis ejus capitibus, adeo ut statim pateat,
qiiidnam singulis seculis contigerit", Polyhistor. II, 518) unb ©c^röc! („lauda-
tum merito hodieque", Hist. Rel. et Eccl. Chr. 1828, p. l9).
5 (0. Xtclcmanit f) ®- ^- ^an S^^«-
Spanitn, t\xd)l Statiftil. — Sittcratur: ®uftao 3)ier(fö, ®ef4id)tc (Spaniens:
ÄQt^ol. Äircöcnlcjrifon oon SBcfer unb ©che; • 3ö6vc8berid)te ber cd. ©emcinbcn ju "iKabrib
unb ju ©arcclona; „^löttcr auS Spanien'' (güebner) oon 1895—1905; Mitteilungen ber
«ßaftoren 2^. Sliebncr, 3S. 5llbred)t (9Rabrib) unb ©raunccf (93QrceIünQ); e. ©rfjfifer, S^ei^
10 träge 5ur ®efc^id)te be^ fpQnif(^en ^JvoteftantiSmu^.
3)iefe«Äöni0rei(^ umfafet cin®ebtctbon 497240qkm, bctüo^ntbon 17540000 ©eelen
(3ä^lung bon 1901). 3)a« £anb .ift in 48 ^roPinjcn eingeteilt, bon ©oubcmeurcn t>er--
toaltet, toclc^e aber jumal bei äinberung be« Winifterium« nic^t feiten h)e(i^fcln. 5Eic
©taatöregierung beruht auf ber SSerfaRung bon 1875, burd^ toeld^e bie lonftitutionellc
15 Wonord^ie georbnet ift, jugleic^ auq bie lat^olifc^e Steligion^u^übung alö bie allein
boHbercd^tiate anerlannt iüurbe.
3)ie Kirche ^at o^ne 3^<^if^' f^^^ f^wl^e in ©panxtn Seftanb erl^Iten, toenn e^ audb
gang unverbürgt ift, bafe ber 2lj)ofteI ^a^obu^ ^ier^er gefommen fei unb bejüglic^ be^
3l^)oftete 5ßaulu« nur fein aSorfa^ fcftfte^t, in biefem Sanbe gu iüirfcn (9li) 15, 24).
20 3«t>wfoö^ 0o6 ^ bereit« um 200 überatt im Sanbe gal^Ireid^e ß^riftengemeinben unb in
bertjorragenben Stömcrftäbten angefel^ene Si^tümer, h)ie in Siarragona, ©aragoffa, Seon,
3JJeriba. ©ine frühzeitige äu^bilbung fanonifc^er Seftimmung römifc^-!at^olif(^er 'Stid}-
tung geigte fic^ in ben Sef(^lüffen ber vielgenannten ©^nobe von ßlvira (3ifliberi«) 306,
an iüelc^er 19 Sifd^öfe ©ipanicn« ))erfönlid^ teilnahmen. Salb nat^^er lonntc ba« 2anb
26 in 3Ketrolpolitanbe5irfe eingeteilt toetben mit ben ^aulptorten 3:anagona, ^olebo, ©eViUa,
Sraga (in ©aDijien) ; im 6. S^^^^^unbert tüarb Sugo (©attijien) bagu erhoben, toeiterbin
noc^ ?IJleriba. D^nc em^jfinblid^e Benachteiligung ber lat^olifd^en Dtbnungen Verfc^afflc
fic^ ber Slrianigmu« ber Sanbalen unb ber SßJeftgotcn SRaum im Sanbe (Von 410 an),
bi« lefetere feit 589 md^ bem Seif)f)iel il^re« Äönig« 9leKarcb bem Iatl^olif(^en Sefennt-
30 niffe beitraten. Die arabifc^^maurifc^e ßroberung be« Sanbe« füFjrtc crft im 9. unb
10. 3al^r^unbert ju jeitiüeife fd^toercn Verfolgungen ber G^riften unb Seraubungen ber
Äird^e, toeld^ le^tere aber immerhin 29 S3i«tümer unter mu^ammebanif(^er Jperrfc^aft auf-
redet JU erhalten Vermod^te, fogar ba« gortlpirfen Von brei 3)letrolpoIien. 3)ie ^riftlid»c
ffiiebereroberung toarb von ber 3Jlitte be« 11. S^^^^w"^^*^ ö" immer erfolgreicher, fo
86 bafe fc^on 1085 bie einftige iüeftgotifd^e $au))tftabt 3:oIebo bem 5treujc tviebergetoonnen
unb 1139 ba« Äönigreicf; Portugal aufgerichtet tüurbe, bi« im ^al^re 1212 burc^ eine
mehrtägige ©c^Iad^t bie 9)Jad^t be« 3«lam auf bie Dauer gebrochen unb auf bie fübUc^cn
(Sebiete befd^ränlt tvarb. SBäl^renb ber fteten erbitterten Äämpfe bilbete fid^ naturgemäß
ein fraftVoDer ©lauben^eifer für ba« beftel^enbe firc^lid^e ß^riftentum an^, h)elc^er aber
40 aümäf^üc^ bie 3üge ber ^ärte unb unbulbfamen ©ifer« bezüglicher religiöfer ^^ragen in
bie fjjanifc^e SBolf^fecIe brachte. Durd^ bie SnttüidEelung c^rifttatl^olifc^er Stitterorbcn (Von
3l(cantara, Von ©an ^aQO be ßomjpoftela. Von ßalatrava), baju von 3)Jönc^^orbcn n?ic
feit 1215 be^jenigen be^ l^eiligen Dominifu^ mu^te jene Stic^tung Verftärft h^erbcn, bie
ju ©unften be^ alleinigen 93eftanbe^ ber auftS neue ausgebreiteten Äirc^e aU einer glcicf»-
(am nationalfpanifd^en gnftitution eintrat. Die unter ^^Japft ^nnocenj III. ju einem
bleibenben 3"f*i^^ gemachte 3"^"ifi^it>» (f- ^i^fO h>arb bereite 1233 bem Domtnifaner-
orben übertragen, burc^ hjelc^en i^r 33erfa^ren. feine tüic^ligfte SluSbilbung erl^iclt. gür
bie vereinigten Äönigreic^e ©panienS tourbe fic 1483 organisiert unb junäd^ft ber ©roB=
inquifitor I^omaS be lorquemaba ju i^rer ^anb^abung aufgcftellt, U)ic feine 9Jac^foIger
60 Vom Äönigc ^räfentiert unb Vom ^Ja^)fte ernannt. Durc^ bie oberfte 3"f^"i ^^'^ o".'
quifition, ben Consejo de la Suprema am §ofe, behielt ber Äijnig bauernben GinfluB
auf biefe furchtbare dinridbtung, tüeldE^e junäc^ft gegen baS 3"^^"^""'/ ^"^ ^'^ ^^^ ^^^''
tvalt befcl^rten SDlauren, bann aber gegen ben ^roteftantiSmuS fid^ tvcnbete.
Unb boc^ betüieS bie fjjanifc^e Rird^e auc^ ol^ne biefe ©inric^tung Viele geftigfeit.
66 ©0 tvar obne 5Rad^tei( für fie ba« t)cH}ftUc^e ©cf)iSma Von 1378—1417. äud^ fübrten
bie bcfonberS burc^ ben fpanifd^en Äarbinal unb ©taatSmann XimeneS (1492 Seid^tvater
ber Äiönigtn, 1195 ßrjbifc^of Von lolcbo, geft. 1517) betvirften Sieformen be« fileru!^
foloic be« äufeeren Äir^eniüefen<g ^farrgeiftUc^e unb baS 35olf iveniger bereit für
>)roteftantifc^e SReformationSbetoegungen in ba« 16. goi^rl^unbert l^inein, ol« bie« in ben
46 fa
^pmitn, Kr^I* Stattfiif 577
mctften römtfd^=fat^oüfd^en Sänbcm bcr %aü toar. ^v!t>tm trug bie im '^aifxc 1492
erfolgte au^treibung bon über 800000 3uben jur ür^lic^en ©efc^loffen^eit be« SSoIfe«
gtoeifellog bei.
®lei(^h)o^I fanben infolge bcr- Icbl^aften SSegiei^ungen jtoifc^en ben 9lieberlanben unb
bem §ofe RaxU V. Iut^erif(^e unb calbiniftifd^e ©ebanfen, baju reformatorif(^e ©c^riften ß
ßingang in ©))anien unb 1543 iüurbe bag 5KE in bie £anbe^fj)racl^e überfei^t. 35a unb
bort tarn ^ jur ßntfte^ung ebangelifd^er (Semeinben, toeld^e jiüar nic^t in bie Öffent*
lic^feit ixaUn, aber bie Stnl^ängerfd^aft ber ebangelifc^en (Slaubendric^tung toar ni^t gc^
ring, f. u. ben folgenben ärt.©. 580 ff. ^m ^af}xt 1542 begann ba^er bie ^nquifition i^r
jj^auerlic^eiS SBerl, junäc^ft mit ber ^Verbrennung eine« ebangelifc^en Sürger« (S^anj Bau lo
iRomano) in SSaDabolib unb nad) ettoa 25 ^al^rcn toax burd^ biele ipunberte bon
aiutobaf^, bei toeld^en junäc^ft ®xvi!ppm bon „Äe^em" ben flammen übergeben tourben,
bie reformatorifc^e ©trömung im ganjen jum SJerfiegen gebrad^t, obgleid^ noc^ fo mand^e
fraffe 2lfte biejer Verfolgung in nad^folgenber 3^it ftattfanben. Unge^inbert lonnte
ber S^witenorben, burc^ feine überfeeifc^e I^ätigfeit in f)panifd^en Äoloniallänbem nod^ i5
gcftärlt, im öffentlid^en Seben unb im amtlidf^en Äirc^entum feine SJiad^t entfalten, fotoeit
nic^t ber 3lbfoIuti«mu« fpanifd^er Könige ©c^ranlen jog. Se^tere« ö^ft^al^ aud^ geittoeife
gegenüber ben bon SRom ^er erfolgenben änfjjrüc^en auf eine unabl^ängigere ©elbft*
bertüaltung ber ftird^e unb ßjemtion be« a))oftoIifd^en 9?untiu« bon ben 3BiHen«meinungen
ber flpanif^en 3Jlonar(^en. So lam e«, baf; burc^ ba« Äonlorbat bon 1753, toeldSfe^ao
nai) mand^em 3*^ift gefc^Iojfen h)urbe, ber Äönig ba« SRed^t ber 9Jomination ber Si««
tümer jugef^rod^en erhielt, toie e« nod^ jeftt beftel^t. 9Jur für 52 5ßfrünben tourbe bem
^a))fte bae Sefe^ung^red^t getoäl^rt.
aSon ber Vertreibung be«, 3!^wi^^"*>^t>^^ <^^f Ibelc^e 1767 ftattfanb, lam e« toieber^
^oU ju 3MaJ5regeln, bie ba« Übergewicht ber Äird^e gegenüber ber ©taat^bertoaltung ju 25
befeitigen fud^ten. 3" benfelben gel^ören jene ju ©unften })olitifd^er Dberauffid^t unter
Äarl IV., b. 1^. feinem Äangler ü)tanuel ®obo^, Welcher bon 1789 an aud) bem Sin-
iDac^fen be« Äird^engute« äbbrud^ tl^at. aCBeiteri^in liejs ber 1808 über ba« 2anb gefegte
5lönig 3ofe})I; Sona)parte bie Älöfter eingießen. 3)ie ßr^ebung gegen bie napoleonifcbe
Öerrfd^aft im '^af)xz 1812 erllärte gtoar in ber neuen SSerfaffung bon ßabij bie latl^olifdje 30
Seligion für bie eingig toa^re unb für bie SReligion ber fbanif^en 5Ration, Worauf rafd^
ja^lreic^e Älöfter neu entftanben; aber 1835 Würben aDe Heineren Älöfter für aufgehoben
unb 1837 ba« gefamte Äirt^engut ate 9Jationateigentum er!lärt. SDurc^ ba« Äonlorbat
bon 1851 unb bcffen 3wföj^bertrag bon 1859 bergic^tete bie Äirc^e gu ®unften ber ©e^
mcinben auf ben ©üterbefife; bagegen Warb ber Unterhalt be« Äultu« unb be« Äleru« 35
bon feiten be« ©taate« gugefid^ert; ^infi(^tlic^ ber Sefe^ung ber geiftlid^en ©teilen erl^ielt
ber ^opft baö Sted^t, in allen bifc^öflid^en Äopitcln einen geiftli(^en ffiürbenträgcr gu
ernennen; aud) Würben bie ®rengen ber 2)iöcefen unb ßrgbiöcefen feftgeftellt. 3ln le^tercn
befi^t ba« 2anb 9, Weld^en 46 ©uffraganfi^e unterfteUt finb. 6« gehören gum ßrgs
bi^tum 93urgo«: Galal^ona, Seon, Dfma (am 2)uro), ^Jalencia, ©antanber, SSittoria. 3" ^^
Ban :^ago be 6omt)oftela: Sugo, $Konbonnebo, Drenfe, Dbiebo, %ut}. 3" ©ranaba:
©uabij, 3llmeria, ^a^n, ßartagena (©i$ gu 5DJurcia), 9)JaIaga. 3" ©aragoffa: lara*
gona, ^a^a, $ue«ca, 33arbaftro, ^am^jclona, 2:ubela, 3:eruel. 3" ©ebilla: Sabajog,
ßabig, ßeuta (3JlarofIo), ßorboba, bie (Sanarifcben ^nfeln, lenerifa. 3" Xarragona:
lortofa, Barcelona, Vic^, ©olfona, Seriba, Urgel, ®erona. 3" 3:oIebo: ßoria, 3Kabrib, 45
(Suenca, ©igüenga. 3" Valencia: Dribucla (in älicante), ©cgorbe, 9RaHorca, ^h'^a,
a)lcnorca. 3" Valtabolib: Slftorga, äbila, ©alamanca, ßiubab Slobrigo, ©egobia,
3amora. I)agu fommt nod^ ber über bie ®cbicte ber bormaligen Slitterorben (einfäliefe*
lic^ jener bcr ^laltcfcr) geje^te 5ßrior mit Vifd^of^rang (feit 1876) gu ßiubob 9leal.
®iefe ©iöcefcn umfc^lic^cn runb 22000 ^Jfarrcien, gunäc^ft eingeteilt in fold^e erfter»
unb ,^Weitcr Älaffc, fobann no(^ in fünf Slrtcn nad^ Heineren bienftlic^en aufgaben unter*
fc^icbcn unb unter (Srgpricfterf^aftcn ,^ufammengefafet.
3tu« bem 3"i^^^ ^^^ firc^lic^en unb geiftigcn Seben« be« Sanbe« lonnte e« laum
gu irgenb einem 2Banbcl ber fog. ®laubcn«cinl^cit fommen. aber nac^ ber 5Dlitte be«
19. ^o^r'&wtt^^'^i^ begann ba« ebangelifc^e ß^riftentum auf« neue gu feimen unb bann 6b
[x6) mannigfaltig gu entwideln. 2)cr ©Ipanicr ^anci«co be ^aula SKuet War in ^Jlorcng
bon bcr ^Jrebigt unb bem rcligiöfen Seben ber SBJalbenfer ergriffen Worben (1853) unb
berfünbigtc feit 1855 in Barcelona unb in ®ibraltar ben cbangelifc^en ®lauben. Sic«
regte anberc gu gleid;em 3^"0"^5^ «n, unter Weld^en befonber« SKatamoro« ^erbortrat.
®egen feine unb feiner näd^ften GJefinnung«genof[en ©inlerlerung Wenbetc fxd) eine Xtpu^ oo
»eaUatnci)(Io})äbic fttr %t)toloQit nnb ftir«^. 8. V. XVIII. <^^
678 eHmrs, tMfi. SttttfKf
tatton, tuelc^e bte intemattonale „&xaiQÜi\d)^ 90Iian)'' nac^ SRateib entfanbte, toorauf
bie Strafe in Serbannuna l>ertoanbelt tourbe (1864). Sie Vertreibung ber extrem
{at^oltf(^en Aöniain ^fabeua fu^e )ur Serlünbi^ng ber 9leltgton^fret^eit 1868 bun(
bie ))robtforifc^e Stegierung; biefelbe taHtrb bann am 5. 3Rax 1869 al^ flaat^efe^Itc^
fiSec^t genauer feftgeflettt 3)ie Südfe^r ber »erbannten (Sluet, ^Paftor in 3Rabrib)
unb eine (eb^e Anteilnahme englifd^ fnrc^Iic^er Streife jum beften ber @t>anaelifattün
&pamm^ fü^e bagu, ba^ balb an bieten Orten Stationen ebongelifc^er ^r^igt ent^
fianben unb bie Beteiligung <m ebongetifi^en ©otte^ienften ftc^ fe|r berbreitete. Xoc^
bereite 1874 änberte fu^ bie ^tung ber Staat^etoalt em)>finblii^: bie Sourbonen
10 geloannen bad jtonigtum )urü(f unb mit i^en lam ber Sinflu^ ber ^efuiten toieber ^ur
®eltung. 1875 lourbe bem Staate eine neue Serfaffung gegeben, beffen artifel 11 bie
Sleligiondfrei^t ber Sbangelifc^en in toic^tigen S^ingen bem ©utbünlen ber »ertoaltimg^
bel^örbe überanttoortet. gr lautet: ,,§ 1. 35ie Iatl^oIif(^, a))oftoIifc^e, römifc^ Sieligion
ift Staat«religion. 3)ie Station bert)flic^tet fic^, ben Jlultud unb beffen 3)iener ju
16 untersten. § 2. 9{iemanb foQ auf f))anifc^em ®ebiet h)egen feiner religiöfen SReinun^
ober \ot{fm ^u^übung feinet betreff enben ftultu^ beläfitgt toerben, unter »oraud^
fe|ung ber ber c^riftlid^en 3Roxal fc^ulbigen 3(d^tung. § 3. Slnbere Gerimonien unb
öffentliche jtunbgebungen ald bie ber Staat^religion finb nic^t geftattet/' Ser Segriff
,,öffentlic^e Äunbgebungen" tourbe aber ungemein berfc^ieben je nac^ ber firc^lit^cn
20 Stellung ber ^robinjgoubemeure, 9JJinifterien unb Stabtober^äuj)ter gefaxt. CbtooW
leine nachträgliche »erorbnung ^urm, ©loden, Jtir^enbauftil unb ^erfteDung eine$
Airc^eneingangd bon ber Strafe ^er t>erbot, tourbe boc^ felbft in ben beiben größten
Stöbten be^ Sanbe^ balb bad eine balb bad anbere lird^li^e Jtennjeid^en ben ©Mm-
gelifc^en l^atfäd^lic^ unterfagt. 6« tourbe balb burd^ ^intoeid auf gefäbrlic^e folgen
26 gur Unterlaffung aufgeforbert, ober man fertigte eine 93auIonjeffu>n nic^t au« u. bgl.
(So tourbe td j. S. unternommen, ben 6l^oralgefang in gotte^bienftlic^en SRäumen gu
bertoel^ren, toeil er auf bie Strafte l^inau« toirle, unb in 9Jlabrib felbft muftte noc^ im
gal^e 1894 bie f))auifc^sebangelifc^e ©emeinbe bon il^rer Äirc^ie bie äuffc^rift ,,3^"^
nrc^e" toieber entfernen.) Igmmer^in lamen einige Äirci^en ober Rcipdlm mit firc^li^em
ao dufteren gu ftanbe, in 3^ej, Sebitta, SJlabrib (fjpanifd^sanglifanifc^), Barcelona (anglu
lanifd^); aber aud^ bie Jtird^e ber beutfd^en Sbangelifc^en in le^terer Stabt muftte auf
anbringen eine« iürmc^en« (1903) berjic^ten.
So lonnte e« nur burc^ nachhaltige götberung au«toärtiger ebangelifc^er Äreifc, in
©roftbritannien unb S'^lö"^/ i" $olIanb, 9?orbbeutfc^lanb unb ber Sd^toeij, ermöglicht
86 toerben, bafe bod^ eine SSerbreitung cbangeltfd^en Olauben« immerju errcid^t tourbe. 3)abcr
entftanben in allen 2anbe«teilen 5ßrebigtftationen unb (Semeinben, beren ^a^ im ^abrc
1905 auf 180 fid^ er]^ob (barunter ettoa 40 organifierte ©emeinben). ^thod^ bie fc
berfc^iebenartige ©intoirfung bon feiten au«toärtiger (SefeUfd^aftcn, toel^e unter fid^ leine
S^erbinbung l^erftellten, führte baju, bafe auc^ bie ©emeinben ber ebangelifd^ getoorbencn
^ Slpanier in berfd^iebene ®ru)p)pcn fid^ teilen unb manche ©emeinbe böttig bereingelt ftcb
erl^ält. (3u Unteren gehört u. a. ^ißu^ö^-) 3"^ 3^i^ f^"*^ bier ©emeinfc^aften ft)anifc^cr
9tationalität ^erborjuf^ebcn.
1. I)ic Iglesia Espanola Reformada, toeld^e t)on ber Spanish & Portugu^e
Church Aid Society ber englifd^cn §od^!ird^c gegrünbet tourbe; fie ^at anglifanifc^e^
4^ ©laubcnöbefenntni« unb bergl. (Seremonien. ^f)x gcl^ören jcl^n ©emeinbcn an, beten
Sijd^of bon einem irlänbifdE^en ßr^bifc^of gctocil&t ift. (SlHerbingö erllärte fic^ bie Äircfec
Gnglanb^ mit ber Drbination eine^ f)panifc^en Sifd^of^ nid^t eint)erftanben, ba fte eng-
lifc^c Staat^ürd^e fei.) — 2. 3)ie 5Kel^obiften ^aben Jiau^jtfäc^lid^ im Dften, in SSarcclcna
unb auf ben Salearen, eine änga^l Heiner ©emeinben. — 3. ®en 33fli)tiften gehören
w ©emeinben in einigen großen Stäbten an (befonber^ in $Kabrib unb Valencia). Sic
©emeinfd^aft ber il^nen fo naf^efte^enben $lt;mout^brüber l^at namentlich im 9lorbtoeften
gaf)lrcid^e Stationen.
4. 2)ic bebcutenbfte unb bie einzige felbftftänbig organifierte ÄörJ)erfd^aft ift bie Jglesia
Evangelica Espaiiola, je^t mit 20 felbftftänbigen ©emeinben in ben größeren Stäbten
66 unb mit 80 '^.kebigtftationcn. Sej^tere toerben jumeift bon anfäffigen „ßbangeliftcn" (tjer-
fc^icbencn 'ik'ruf^ftänben angej^orig) bcbient, toä^renb bie ©eiftlic^en ber ©emeinben i^rc
loiffcnfd;aft(icf^=tl;cologifc^c Silbung biö^er in ber Scbtoeij, in bem t)on britifd^en ^re^-
bvterinnern unterljaltcncn t^cologifcf)en ^nftitut tjon Puerto Sta. Maria (in änbalufien)
unb in 2)eutfc^Ianb crioorben. 2)er gwlön^tt^cnfc^lu^ ber ©emeinben, toel^e burc^ Unta=
6f> ftü^ung auö ben ertoä^nten berfc^iebenen Sänbem entftanben finb, ift toefentlic^ ba^ 9Bcrf
Spanien, Krc^L StattfHf 579
bc^ um Spanien« gcfamtc ßbangelifation einätgartig bcrbicntcn 5ßaftor« %ix^ gitebner
(gcft. 25. iHpxxl 1901), fo bafe er naturgemäß auc^ btc nac^ je jiüei S^l^^^c" ^n 2Jlabrib
5ufammentretenbe (Scncralf^nobc gu leiten f^atte. — 3?telfettig bemüht fic^ biefe Äird^en«
gemeinjc^aft um 3"0^J^^"J^terric^t unb Verbreitung cbangelifcpcn Schrifttums. J^^iebner«
tüerbenber Strbeit berbanlen ba« meifte bie Slnftalten in unb na^e SKabrib: bie beiben 6
ßlementarfc^ulen, baS SBJaif en^au« , baö ©^mnaftum mit Internat (a6)t fiel^rer) in
aJlabrib unb ba« SBaiJenl^au« unb ßr^olung^eim in ßScorial; jtoei ©ö^ne führen in
ber Äirc^e unb ben 3lW0^nbanftaIten bon ^Rabrib ba« SOäerf beS 3SaterS fort. Rfvd
ebangelifd^e Äranfenl^äufer unb eine ^öl^ere S^öd^terfc^ule bienen gleic^fattS ben (SlaubenS-
genoffen. lo
S3emerlen«toert ftnb bie je^n ebangelifd^en S^i^W^ften ©ipanien«. SBoc^enfc^riften:
Äinberfreunb (gliebner); ©onntagSfc^uIblatt (ScH}tiften); Esfuerzo Cristiano (be«
amerifanifd^en Christian Endeavor,eincS 3^0^"^'^""^^) 5 $^olb (in^ißw^^^); ß^angelift
(in Barcelona); SQäa^r^eitgbote (3Rabrib, pVi"«>"^t^über); ©c^o ber SBal^r^eit (33a^)tiften);
el Cristiano (Religious Tract Society, Sonbon); la Luz (3lnglilaner). 3*^^i"^^l ^^
im 3)lonate: SDie c^riftUc^e 3lunbfc^au (JJIiebner). Sitte biefe Slätter bebürfen aUerbingg
eines 3"W^ff^^i ^^^ f^^ bienen in reichem Sllafee ber Verbreitung unb 33efeftigung ber
eDangeTifc^en SSJa^rbeit. — 3)ieS gef(^ie^t aber auc^ bur(^ bie I^ätigleit ber britifcfcen
unb auSlänbifc^en SBibelgefettfd^aft, toelc^e burc^ 18 ÄoI})orteure im Sanbe bie biblifdjen
©(^riften Verbreitet. Sluc^ bie f(^ottif(^e Sibelgefettfc^aft befc^äftigt mel^rerc Äoljjorteure. 30
©})anifc^e neue ßrjeugniffe in großer ^af)l tourben bon ber Religious Tract Society
in Sonbon unb bon ber Sud^l^anblung ber Iglesia Evang. Espan. in 3Kabrib unb
Barcelona l^ertoorgerufen unb unter baS Voll gebrad^t. 2)oc^ fmb natürlid^ bie mittel
baren ßinflüffe biefer Sitteratur auf baS f)panifc^c VoIfSleben bon größerer 33ebeutung
aU bie unmittelbaren. 2)iefeS ©c^rifttum finbct h)ie bie ©c^ulen, ja Äirc^engefang unb 26
^rebigt neueftenS auf latj^olifd^er ©eite SRac^a^mung. D^ne baSfelbe toäre j. S5. fic^er«
lic^ baS ©efc§; ben Slid^tlatl^olifen auf Verlangen in ben ©emeinben einen griebl^of
ju erftetten, ebenfo eingefd^Iafen atö baS 9le^t ber ßibiltrauung.
©0 gefd^ie^t fotoo^I bon ben oj)ferh)inigen ebangelifc^en Bpanxttn aU burd^ bie
2luSbauer ioarmer glaubenSgenöffifd^er Greife beS 2luSlanbS baS 3)lögli(^e, um berao
religiös jugänglid^en VolfSnatur ©ipanienS überatt im Sanbe baS ebangelifc^e ßl^riftentum
nahe gu bringen, befonberS auc^ ben 3:aufenben, U)eld^e fic^ fd^euen ^erborjutreten. SiS
je^t toerben bie ©üangelifc^en beS SanbeS gegen 12000 ©eelen jäi^len. SDurc^ bie bon
Äat^olüen gerne befuc^ten et)angelifd^en ©c^ulen ift ein toeitereS, borbereitcnbeS 3Rittel
gegeben, ein nac^folgenbeS litterarifc^eS Überzeugen ju erreichen. 85
2)en beiben beutf(^en ©emeinben liegt naturgemäß biefe Slufgabe nic^t ob. 2)ie
ältere baDon ift jene bon Barcelona, n)eld^e immerl^m f(^on 1885 fi^ fonftituierte, jc^t
in ber ©tabt attein über 500 ©eelen, fidler toeit über 1000 mit ber gefamten 3)iaf})ora
bcS 9?orboftenS. ©einergeit h)efentli(^ burc^ bie Verbürgung materiellen VeiftanbS bon
feiten ^liebnerS gu ftanbe gefommen, fonnte bie ©emeinbe erft 1903 i^re eigene Äirc^eio
erbauen. 35er ^aftorierung t)on ^ier auS ift bie gange beutfc^e 2)iafJ)ora bon Äatalonien,
Slragon unb Valencia unterftcUt, für toeld^e eine regelmäßige lirc^lic^e ^Jflege in SDurd^s
fü^rung begriffen ift. Dicfe tüurbe bereits georbnet in ber gilialgemeinbe Valencia (1905
für 50 (Srtt)a4)fene entftanben), hjobei icborf^ bie ©ottcSbienfte no(^ im beutfd^en Älub^aufe
ftattfinben), foloic in Ban %Am be ©uirolS, einem ©eeftäbtc^en im 9Jorboften beS SanbeS. 45
(Sine bcutfd^e ©d^ule ging in Barcelona auS ber Äirc^engemeinbe l^erbor, feit 1901 unter
einem ©c^ulauSfd^uffe felbftftänbig gebei^cnb (80 ©c^üler unb (Schülerinnen). %üx bie
im ,öafen anlegenben beutfc^cn ©d^iffe beftel^t eine „©eemannSmiffton" , burc^
&aUn eines Verliner ÄomiteeS unterftü^t; biefelbe toirlt befonberS burc^ geregelte
©c^riftcnberteilung an bie ©c^iffsbefa^ungen. Slud^ eine georbnete 3lrmenj)flege unb bie so
l^ätigfcit an ber Enfermeria Evangelica (Äranlcn^auS) im na^en ©arcia gel^ört jju
ben ScbenSäußcrungen beS ©eclforgebienfteS bon Barcelona. — 2)ie ©emeinbe in 3Jlabrib
h)urbc erft 1901 gegrünbet, ba bie gliebncrfd^e ©(^öt)fung längere 3^'^ ^wd^ ^^ '^^^
cbangelifc^cn 2)cutfd^en baS 5Roth)enbige bot. ^m britten '^al}x^ i^reS Vefte^enS gä^ltc
bie ©emeinbe 186 ©eelen, für hjeld^e natürlich bie ©otteSbienfte noc^ in einem gemieteten 66
Äapettcnraume abgehalten tüerben. Unter einem ©d^ulauSfd^uffe befielet eine beutf^e „9leal=
fd^ule", n)eld^e aber nur gu einem 35ritteil ebangelifc^e ©c^üler beft^t. (gine jtoeiflaffigc
beutfcf;e VolfSfc^ule befinbct fic^ in :i)Jtalaga.) 2)ie beiben beutfc^en Äirt^cngemeinben
unterftebcn bem Verlincr Cberfirc^enrat unb fül^ren bie jjreußifc^e SanbeSagenbe, fobann
baS r^einifd^=meftfälifc^e ©efangbuc^i; ein Äirc^ienrat bertritt bie ©emeinbe. 3)ie ^ftoren eo
37*
580 ^panitu, Vxi)U Stattfül Spanien, rtfomttt 8ttoicgttiig
Balten mit bcnen bon Portugal nac^ je jtoei ^Q!f)xm bie „beutfc^sibcrifc^c 5PaflotaI=
lonferenj" ah,
SDa^ öffentliche ©c^ullüefen beö ©taate« tourbe jtoar feit 1868 manc^fac^ geförbert;
aber ba^ ®efe^ ber aKgemeinen ©(^ulj)flic^t fonnte nod) nid^t burc^gefü^rt toerben, ba
5 e^ an Se^rem unb Saulic^lciten mangelt, fo baf; noc^ biele Älofler= unb 5ßrit)otf(^uIen
befte^en unb bie Beteiligung an ben ebangelifc^en ©c^ulen erllärlic^ ift. 35o(^ befteben
55 ©eminarien für Seigrer unb 32 für Sel^rerinnen. gür aJlittelfc^ulbilbung forgen
70 Slnftalten. ©obann toirb ber Äleru^ in 68 3)iöcefanfeminarien erjogen unb burt^
10 Uniberfitäten toerben bie ^oc^fc^ulftubien gej)flegt. SB. (89$.
10 ^panitn. SReformatorifc^eSetoegungen im 16.3al^rl^unbert. — Memoireadc
Francisco de Enzinas pbl. p. Compan. T. 1.2. Bnixelles 1862—63. 3)er in biefer ?lu*gQbe
fe^Icnbc ?[nfang bc« lat. Original« ift ocröffentlicftt in 3^® XIII, 1892. 3m ^Inl^ang ber
bcutfcftcn Uebcrf. ber 3)cn!roürbigfeiten 1892 oiele SBcridjti^ungen uim lat. Xejt unb 9iad):
trftgc 511 bem ^vtifel ©njina« in Bibl. Wiff., beibcS unb ein paar Xejtfapitcl tueggcloffen in
15 ber 2. §lufl. 1897, roo bagegen Uebcrf. eine« ©riefe« an Wclancftt^on (scripserim beliebt fidj
nacb lat. ^ricfftil auf eben biefen S3rief). — Sanctae Inquisitionis Hispanicae artes aliquot
detectae. Beginaldo Gonsalvio MoDtano authore. Heydelbergae 1567. Matariti 1857;
Llorente: Historia critica de la iDquisicion de E^pafia, T. 1 — 10, ^abrib [$ari«]. Histoire
critique de Tlnq. d'Espagne. Traduite, 2. 1—4, $ari8 1817—18, 2e 6d. 2. 1—4, ^ri^
20 1818; M' Crie: History of the progress and suppression of the reformation in Spain in
the 16. Century. Edinbuigh and London 1829. (Sbenba 1856; Ad. de Castro: Historia
de los Protestantes Espaiioles y de su persecucion, ©abij 1851, bcutfcft bearbeitet, bocb mit
bcbcnflic^cn &c^lcrn, granffurt a. W. 1866; öoel^mer, Bibliotheca Wiffeniana. Spanish
Bcfonners of two centuries. Vol. 1—3, Strasburg 1874 — 1904; Menendez y Pelavo:
26 Historia de los heterodoxoe espaiioles. ^nbrib 2. 2 1880, 2:. 3 1882; SJilfcn^, ®cfdj.
bc« fpanifc^cn $roteftanttdmu» im 16. Sa^rbv ®ütcrSlo§ 1888, 2. ?lu«g. 1897; SSon ficnncp,
De hervorming in Spanje in de zestiende eeuw. ^aarlem 1901; ©cftSfcr, 9)eiträge ,^ut
®cfc^. beS fpanifcften $rotcftanti«mu8 unb ber Snquifitton im 16. 3a^r^., 3 ©bc, OütcrSloö
1902; bcöfelben, 6cüifla unb SBallaboIib, bie eöang. ©cmcinben Spaniens im 9?eformation5-
80 jcitalter, ^aUt a. @. 1903.
^ojpft 2eo X. nannte in einer Untenebung mit bem Sotfc^after Äarte V. ben
Sifc^of Slcuna ben fpanifc^en Sut^er. 3)er SBerglcic^ ift gönglid^ un^utreffenb. Slcuila
fc^n)ang fic^ gum Seiter ber 9let)olution ber ßomunerog auf unb liefe ftd^ in ^olebo Don
feinen Sln^ängem jum $rima« t)on @})anien ernennen; nad^ ber SJieberlage ber 6omu-
85 nero^ 1521 fam er in (äefangenfci^aft, bi^ er in ©imancag, toeil er bei einem gluit^
DerfuA ben Äommanbanten getötet l^atte, l^ingerid^tet tourbe, 1526. ßine Äirc^enreformation,
bie fiep ber lut^erifc^en ^ätte an bie ©cite ftetten fönnen, lag i^m t)öttig fem. 6ö ift c^araftc-
riftifd^, bafe in bem Äonftitutiongjjrojeft ber funta de las comunidades beftimmt tourbc,
bafe gu ben Sorten iebeömal aud^ ein Vertreter ber grangiöfaner unb einer ber SJomini*
40 fancr gel^ören foDte; alterbing^ Ratten manche SJiitglieber biefer Drben befonber^ fräftig
für bie ©ad^e ber ßomunero^ getoü^lt.
©d^on toäl^renb be^ 3lei(^^tageg gu SBorm^ forberten bie (Sobemaboreö, ©rauben
unb Prälaten (Eaftilien^ i^ren Äönig auf, Sut^er ju beftrafen unb fipanifc^e Überfe^ungcn
feiner ©c^riften unter ben fc^n)erften ©trafen ju Verbieten.
46 2)er et)angelifd^en 93ett)egung gingen in ©jjanien gtoei anbere t)orau^ unb teilh)eifc gcitli*
paxaüd, bie bei größerer ^Verbreitung jener tüo^l Ratten förbemb toirfen fönnen: bie
m^ftifdje unb bie ^umaniftifc^e. 2)ie 3JJt^ftifer, SBllumbrabo^, (Srleud^tete genannt, fu(|tcn
))erfünlic^e ®ottinnig!eit unb ftanben ben äufeerlid^en 3Sorfd^riften i^rer Äirc^e mit einer
getüiffen Unab^ängigfeit gegenüber, ^ranci^co be Dfuna ging 1527 in 2:eil 3 feinet
50 Abendario fo n)eit, bafe er bie äJerbienftlofigfeit aller guten &erfe unb bie sola fides
^erDor^ob; im fed^ften leil 1554 ift er aber fc^on fo eingefd^üc^tert, bafe er fagt: 9Hc^t
jtt)ei Ringer breit ift toom ©c^iömatiler entfernt, n)er feine ü)ieinung t)erteibigt gegen bie
©d^ule t)on ^Jari^ unb bie anbem Unit)erfitäten unb bie römifc^e fflei^i^eit, boc^ untere
läfet er nic^t barauf ^inxuhjeifen , bafe ber ^l. 5ßaulu^ mit gefunber Seigre unb füfecn
55 ©rma^nungen unb brunftigen (Sebeten jum (Slauben gurüdfjufü^ren beftrebt fei unb ni(6t
„Äe^er!" rief unb mit bem ^euer brof^te. 2)en lumult ber flpanifd^en aftönd^e gegen
(Sra^mu^ bäm^jfte ber ©eneralinquifitor unb fogar ber 5ßa)3ft, unb am §ofc be« Saifer^
l^atte ber grofee $umanift einen begeifterten 9?ertrcter an bem faiferlic^en ©efretär älfonö
be 3?alb€«. 2)effcn 3^ißi"9^bruber ^uan toxxiU, bornel^mli(^ in Italien, für ben refor«
60 matorifd;en Sled^tfertigungöglauben ejjod^emad^enb no(^ innerhalb ber römifc^en Äird^e, ba
SSerfucpe jur ajerftänbigung mit ben ^roteftanten nid^t aufgegeben baren; er ftarb 1541.
®)iameti, reformat. Setuegititg 581
aiu^fü^rlic^crc^ über biefc ncucaftilifd^en 33rüber 3SaIb^ f. in bcnt bcfonbercn Stttilel
über fie.
SJJe^r baiUn bie altcaftilifc^en 33rüber ßminaö, ^axm^ unb granci^co, ju leiben t)on
ber injtoifc^en arg ergrimmten unb ju ©etoaltt^aten erftarften römifd^en Äurie. ^ranciöco
be ßnjina^ (er ^eüenifterte feinen fjamiliennamen ^u 2)r^anber), geboren in Surgoö ethja 6
1520, tüurbe jung m SSertoanbten in bie 9?ieberlanbe gefc^icft, aber fc^on 1537 ^urüd^
gerufen, toeil feine ©Item befürd^teten, er toerbe bort burc^ feine ©tubien fid^ in Un«
glauben berinen. (Sin 3lnge^öriger ber 5?ömilie, ^Jebro be Serma, ber im Sluftrag be^
©eneralinquiptor^ bie SBerfe bon 6ra«mu« ju beurteilen l^atte, loar burc^ fte für eine
fruchtbarere ^rebigttoeife gewonnen toorben, aber bon ber ^nquiption nac^ längerer ©e* lo
fangenfc^aft jum öffentlichen SBiberruf Verurteilt hjorben. I)er 70 jährige unterwarf fic^,
ging bann aber nad^ $ari^, h)o er lange aU SRitglieb ber ©orbonne gelebt ^atte. 2lte
^ranci^co in bie 9?ieberlanbe uirüdEfe^ren burfte, bejog er 1539 bie Uniberfttät fiötoen.
§ier befud^te i^n 1541 ^ranciöco be Ban SRoman, ber gleid^faH« au^ SSurgoö ge*
bürtig iüar, iüo ©njinag ben ein paax S^^re älteren fc^on gerannt l^atte, mit bem er i6
bann aud^ in Stnthjer^jen berle^rt l)aiU, 1541 iüar ©an SRoman mit einem anbern Sin::
gefteüten eine« 2lnth)erj)ener Kauf^aufe« nac^ 93remen gefd^idEt, um ß^^'fw^Ö^'^ ^'"*
^ufafrieren. 3)ort ging er in ben ebangelifd^en ©otteöbienft unb l^örte eine ^reblgt bon
^acobu^ ?Probft, ber $rior ber Stuguftiner in 3lnttDerJ)en getoefen toar. Sluf^ tieffte er*
griffen eilte ©an Soman ju bem ^rebiger. ©iefer behielt i^n brei Sage in feinem 20
§aufe, um ben i^eij^en SBiffen^burft be« ^lö^lic^ Sele^rten mel^r ju befriebigen. ©an
^oman blieb bann nod^ einige ffiod^en in Sremen, auc^ bon einem ©d^otten unterrichtet,
lag ebangelifd^e ©d^riften unb entiüarf felber einen fjjanif^en Äatec^iömuö; mehrere
9Ka^nbriefe fc^rieb er an ben ilaifer unb melbete feinen 2i[nth)er})ener Selannten, er toerbe
i^nen näc^ften« bon feiner neuen ©rienntni« reben, bann aber feiner 3Saterftabt bie 25
3Bal^rbeit berfünben. 3)iefe Selannten berftänbigten bie ©ominifaner, unb faum l^atte
©an 9loman 3lnth)er})en erreid^t, afö er bom ^Jferbe geriffen unb in ein $au« gefc^lej)))t
iüurbe, h)o man il^m $änbe unb güfee jufammenbanb unb i^n bann ber^örte. ^n einem
bunleln ©efängni« mufete er ac^t SKonate berbringen; atö er berf^rac^, fic^ befd^eiben gu
beraten, tourbe er freigelaffen. 9Jun fam er nacä^ Söiüen ju ßnjina«. Diefer mif;« 30
billigte e«, bafe er ol^ne orbnung«mä|ige Berufung ba« ^rebigtamt ausübe, jiumal bei
feinen mangell^aften Renntniffen unb feiner geringen Erfahrung; er folle fid^ junäd^ft in
ben ©rengen feine« J?aufmann«ftanbe« galten, ©an SRoman fagte, er toolle nun ein
tDol^lgefe^te« Seben fül^ren, aber feine ungeftüme 33egeifterung lie^ e« nic^t baju lommen.
(5r machte fic^ al^balb auf ben 2Beg nad^ 3legen«burg , too ber Äaifer 9lei^>«tag l^ielt. 35
Gr fuc^te breimal ben Äaifer auf unb biefer jeigte fic^ jebe^mal IboJ^llooHenb. Slber ba
©an SRoman nid^t ablief; unb nod^ iüieberfam, tourbe er berl^aftet, unb al« ber Äaifer am
29. '^uVx 1541 bon 9legen«burg abreifte, nal^m er i^n gefeffelt mit nad^ 3*^'^^" w"*^
©Ipanien. 3in 3)lallorca am 13. Df tober angelommen, toirb er i^n bort ber f))anifd^en
Snquifition übergeben ^aben, ba er felbft na^ älgier toeiter fu^r. ©an Sloman iüurbe 40
nac^ SSaUabolib gebracht, ber §aulptftabt feiner §eimat ältcaftilien, unb bort, ba fid^ äße
Sefel^rung^berfuc^e al« frud^tlo« erliefen, gum geuertobe berurteilt, ben er mit betounbe«
rung«h)ürbiger ©tanb^aftigleit erbulbete. m^ ba« %m^ angegünbet toar, machte er eine
Seiüegung, bie man ba^in beutete, baf; er reuig fei unb gog i^n ^erau«. Slber er rief:
3Ba« reifet i^r mic^ au« meiner ©lorie? 33alb fvax er l^ingerafft. 9)litglieber ber faifer* 45
liefen Scibtoac^e fammelten ftc^ Slfc^e unb ber gleic^fall« in jßallabolib antoefenbe engliwe
©efanbte gal^lte für einen l^albberxo^lten ©d^äbelft)litter, h)ie man fagte, mehrere ^unbert
©ulben. 2)er Äaifer liefe jene Seibtoäd^ter in §afi nehmen unb ber ©efanbte erfc^ien
mehrere Wonate nic^t bei $ofe. 6« fc^eint, bie Einrichtung fanb ftatt tüä^renb ber
Äaifer in SaHabolib toeilte, toa« bom 26. Januar bi« 22. 9Kai 1542 ber gatt toar. w
Salb nac^ ber legten Unterrebung mit Ban Sloman ging ßnjina« auf SBunfc^
feiner 6ltem nad^ $ari«, iüo Serma fterben«Iranf toar; im Sluguft 1541 geleitete er i^n
gum ©rabe. 9?unmc^r eilte er nad^ Wittenberg, ^m Dftober tourbe er immatriluliert
unb ?!Keland^tl^on nal^m il^n in fein .ipau« auf. ©ort überfe^te er ba« 31% au« bem
©ried^ifc^en in« ©Jjanifd^e. Um e« brucfen m laffen, reifte er mitten im Sffiinter 1542—43 65
nac^ ben 9Jieberlanben. I)ie ^inrid^tung (Ibangelifd^er, bie er in Sötoen miterlebte, be^
ftärfte i^n nur in ber Überzeugung bon ber SQäid^tigleit feine« Unternehmen«. 2lm
25. 9Jobember 1543 l^änbigte er v^önlid^ bem Äaifer ein ©jem^lar be« f))anifd^en 9KE«
ein. auf Seranlaffung be« Seic^tbater« be« Äaifer« iüurbe ©njina« am 13. 3)egember
berl^aftet. ^tod ®lauben«genoffen fa^ er gur Einrichtung ^tnau«fü^en. Sefonber« ber eo
582 CMNurirs, rrformat. 8ctvcgmg
eine t>on i^nen, ber fc^lid^te ^gibtud, toax tbm Xrdfter unb bctDunberter ^cunb gctoorbcn.
grft foft ein 3^^^^ "^4^ *^w ©efanaenna^me erhielt gngina^ bie äntlaöefc^rift am
1. Sjbniar 1545 fonb er bie Äerlertpüren offen unb entflog, ^m 9)lärg Umr er toicbcr
bei uRelan^t^on. auf beffen Sffiunfd^ fc^rieb er feine SJenftoürbigfeiten niebcr, eine Sd)rift,
5 bie mit 3Reifterf(^ ein S3ilb bon bebeutenben ^erfonen unb tuic^tigen ßreigniffen auf
bem ^intergrunb anfc^aulid^ jejei(^neter gwftönbe giebt. ©eine 6Itcm liefen i^m fagen,
biel lieber toürben fte il^m ®ift fd^iden aU Selb jum ©tubieren.
3u berfclben ^cit enegte ba^ ©<^i(ffal eine« anberen ©^mnier« in 3)eutf(^Ianb Icb=
l^afte« auffegen, ^uan SJiaj au« Guenca, ber SSaterftabt ber Srüber 9SaIb6ö, hatte
10 13 ^afyct lang ll^eologie in ^ri« ftubiert, too ^aitne ßnjina« il^n gan^ für ben etjan^
gelif^en ©lauben gelüann. 1545 ging er nad^ ®enf, too er einige ^lonatc blieb unb
ßalbin« $oc^fc^ä^ung erntete. Ste am 6nbe be« ^af)xt^ bie ©tabt Stra^urg jum
beabfic^tigten 9leligion«gefj)räc^ in 3legen«burg 93ufter fanbte, erbat fic^ biefer unb er^iielt
ate ©e^ilfen gwan ©iaj. SSon SRegeneburg ging %\a^ nai) Sieuburg a. 2)., too er feine
16 furge ebangelifc^e Summa bruden liefe, ^nglüifc^en l^atte fein Sruber Sllfon«, ber an
einem j)äi)ftlid^en ®erid^t«l^of in 3lom angeftellt toar, bon ^an^ äbfaU gehört unb
mad^te fid^ auf bie Steife mit einem 33üttel, burc^ ben er Iguan meuc^ling« mit einem
Seil erf dalagen Hefe, 27. 9JJärj 1540. S)en ^rogefe gegen 2(lfon« liefeen ^iap^ unb
Äaifer fc^liefeUd^ fotten: ^uan f)aiU bie 3:obe«ftrafe bertoirlt unb fein Sruber ^aiU eine
20 grofeartige ®lauben«treue betoiefen. @r lebte unbel^elligt in Bpanim, boc^ fott er ficb
enblid^ ^e^enft ^aben. granci«co ßnjina«, ber gel^offt l^tte, nac^ einem 3Sorfc^lag üon
©iag mit biefen in 9Jümberg jufammen ju treffen, ging nun im ^xmi au« Sßittenbcrg
nad^ ©trafeburg, h)0 er bei 33u^er tool^ntc, bann befud^te er in ^üric^ SuUinger unb
anbcre, 9?abian in ©t. ®atlen, ©ailcr in Sinbau, Slaurer in Äon]tang. 3" 35öfcl liefe
26 er fiA immatrifulieren unb liefe noc^ in bemfelben ^al)x 1546 ben bon il^m bearbeiteten
Sericpt über ben 3)iajmorb unb eine ©d^rift gegen ba« 2!rienter Äonjiil bruden.
3m SöHuar unb gebruar 1547 befud^te er noc^ einmal bie greunbe in3üri(^ unb
©t. ®allen. 33alb lam erfd^üttembe Äunbe bon feinem Sruber ^axmc, ©ie ^en
einanber gule^t in ben Slieberlanbcn gcfe^en. 35ort l^attc ^aime einen Äatec^i«mu« m
ao ©ipanifc^e überfe^t unb herausgegeben, fipäter toar er nadf 3lom gegangen. Um ben
3ai^re«f^lufe 1545 tourbe er bafelbft berl^aftet unb um SKitte 9Kärg 1547 berbrannt.
3m 3Rax 1547 mad^tc ^ancißco einen 2lu«flug nai) ©trafeburg, im Slobcmber toax
er in Slemmingcn. 1548 Derl^eiratete er fic^ mit einer ©trafeburgerin unb ftebeltc nad»
ßambribgc über, too er eine ^rofeffur für ba« ®riec^ifc^e erhielt. Slber fc^on im SZobemba
36 1549 ging er iüiebcr nac^ ^cutfd^lanb. eine f))anifd^e Überfe^ung bon i^m au«^lutarc^
tourbe in Safel gebrudt, in ©trafeburg liefe er Übcrfc^ungen au« ^luton^, Sudan,
Sibiu«, gloru« bruden. 3Son bcm Sibctoerf, an bem er bielc S^^re gearbeitet
l^atte, ift nid^t« gum l^orfc^ein gcfommcn. 3"^ ©ommer 1552 reifte er nac^ ®enf ,;u
ßalbin, bann nad^ 3lug«burg. älm 30. 3)egember ftarb er gu ©trafeburg an ber i^cft,
40 unb einige ffioc^en nad^ il^m feine grau. 3)kland^tl^on toünfd^tc eine ber beiben lö^tcr
ju ftc^ ju nel^mcn, aber bie ©trafeburger gaben fic nid^t ^er.
^uerft bilbeten ftc^ in ©ebilta ebangelifd^e ®ru}}lpen unb Ärcifc, bie gu einer öc=
meinbe j^ufammen^ufliefeen begannen.
3uan ^ereg be ^ineba, ^rior ber iürd^c bon D«ma, iüar 1527 faiferlic^er ®efanbt=
46 fd;aft«fefretär in SRom, al« bie ©tabt burd^ SBourbon« §eer erobert iüurbe. ®r lonnte fw^
glüdli(^ jjretfen, bafe er in einem ber jtoei ein]\igen Käufer toobnte, bie nac^ 3^^'""?
einer ^ol^cn ©umme ungej)lünbert blieben. @r berid^tet, bafe, um ben Slbmarfc^ bee
§cere« gu erlaufen, ©eine §eilig!eit fed^« Äarbinal«^üte verlaufen mufete. 5Pcrej hatte
bie römifc^e ftird^e ju genau !ennen gelernt, al« bafe fein ^o^er ©inn fid^ l^ätte in i6r
50 befriebigt finben !önnen. 3" feine anbalufifc^c §eimat jurüdgefe^rt, übernahm er in
©et)illa bie 2)ireftion ber ftäbtifd^en 6rjie^ung«anftalt, genannt Colegio de doctrina,
unb fuc^te, ol)ne angriff«h)eife borjugeben, wai}xe gri^mmigfeit gu förbem.
1533 tüurbe Gonftantino $once be la guentc, gebürtig aix^ ber ajiöcefc Guenca,
al« "^^Srebiger an bie ©eüiUaner Äatl^ebrale berufen, ein gemütboHer grofeer SRebner, ber
66 bie .^er^en ju rüf^ren Derftanb. SBenige ^al}xc fjjäter rief man ben 3tragonefen 3^^"
ßgibto in ein ^rebigtamt in ©etjiHa. ©eine fd;olaftifd^en Vorträge liefeen falt, ober er
geioann eine anbere SBeifc burd) benßinPufe eine« Saien, Sobrigo be isalera, ber, bur(^
eifrige« ©tubiuni ber lateinifc^H^n SBibel l)on römifd^en £et;ren abgefommen, in ©trafecn-
^)rebigten jur Umte^r nmt^nte. 2)ie 3"^wifition fa^ ibn gunäd^ft al« 9larren an, lon^
60 fi«jierte aber fein i>ermögen, enblic^ lourbc er, ba er fid^ nic^t berui^igte, ya lebenslange
®)iaiiteit, rcformot. Setoegimg 683
lid^cm ©cfängniö verurteilt, ägibiu« unb ßonftanttno ipirltcn nun freunbfd^aftlidS^ mit*
cinanbcr, unb in bemfelben ®eifte ^ielt 2)e SSarga^ Sorlefungen ü6er ben SRömerbrief
unb bic ^falmen. ßonftantino veröffentlichte 1544—48 in ©evitta: Selenntni« eine«
©ünberg, Se^rfumme mit ber SBergprebigt, fed^« ^rebigten über ben erften ^falm, einen
Äated^i^mu^ unb ben erften 3^eil feiner Dogmatil, ©d^riften, bie ate SMufter fjjanifd^en 5
©til^ galten.
1548 ging ßonftantino mit $rinj ^P^ilipjb nad) Srüjfel jum Äaifer, ber i^n jum
^oflaplan ernannte. 1550 n>ar er mtt bem Kaifer auf bem Slug^burger SReid^gtag. 3m
näd^ften 3a^r lelj^rte er nad^ ßaftilien jurüdt, ging aber 1554 mit $^ilij)J) nac^ ©nglanb.
6nbc 1555 tüar er h>ieber in ©evitta. 10
2)ort h>ar ingtDifdj^en im ^a\)x^ 1552 ägibio Von ber ^nquifition Verurteilt loorben,
jcl^n 3al^rc lang meber ju j)rebigen noc^ SSorlefungen ^u galten, unb l^attc einen SBiber«
ruf geleistet. Salb nad^ einem Sefuc^ bei greunben m SJaDabolib ftarb er j^u Slnfang
1556 in ©cViDa, voD SReue über feine fd^tvä^lidj^e SRetraftation.
^ereg lüar, c^e bie gnquifttion ilf^m ben ^ro^efe machte, in ben fünfziger ^f)xm nad) is
®cnf au^emanbert. Dort ^atte fc^on 1550 ein ©panier ben calvinifd^en Kated^iömug
inig ©>)anifd^e überfe^t unb herausgegeben. 1555 flüd^teten fieben ^erfonen, 9Känner
unb aSeiber, au« ©evitta ebenbal^in, jtDei ^af)x^ fj)äter jtoölf SWönc^e be« ©eviDaner
Sfibrotlofter«. $erej, ber Von ßnbe 1556 b\^ 3Kitte 1558 in ^ranlfurt a. SK. gemefen
\vax, erhielt im Dftober 1558 in ®enf bie ßrlaubni«, al^ ^ßrebiger einer fjjanifd^cn ©e^ 20
nieinbc in einer Ä'irc^e ©otteSbienft ju galten. 3"J^if^.^" toaren bafelbft Von i^m Ver^
öffentlid^t 1556 feine f>)anifd^e Überfe^ung beS ""JlZi unb fein Sumario breve dedoctrina
Chr., 1556 unb 1557 ber Äommentar Von ^wan be 3Salb6« jum SRömerbrief unb jum
erften Äorint^crbrief, 1557 feine ^falmenüberfe^ung unb fein S3rief an Äöni^ ^l^ili}))),
1557 erfc^ien bort auc^ unter bem S^itel 33ilb bc« 2lntic^rift eine ^rebigt Ddj^ino«, von 35
Sllonfo be ^efiafuorte in« ©jjanifd^e überfe^t. Söa^rfdjjeinlid^ lag bamal« aud^ fdj^on ba«
©ummarium Von Slbläffen flpanifd^ gebrudtt Vor. ßinige Von biefen ©d^riften unb Viel*
leicht anbcre tvurbcn etu>a im 3^1' 1557 nad^ ©evitta gebrad^t Von ^nlxan §emanbej,
ältcaftilier au« SSalVerbe in ber 2:ierra be ßam^jo«, ber al« 3)iaIon ber tvattonifd^en
(Semeinbe in granffurt a. 5K. t^ätig getvefen tvar. S)ie eingefc^muggelten Süc(;er tourbcn so
entbetft unb ^wlian tvurbe im Dftober auf ber 5^"^^ von ber ^nquifition gefangen
genommen.
3)a« führte jur SSer^aftung einer großen i\a^ von 2^uim, bie man ber „lut^erifc^en
Äe^erei" Verbäc^tig ^iclt. Slnge^örige atter ©tänbe: ^Männer unb grauen, 3Wönd^e unb
ÜJonnen, Saien unb ©eiftlic^e, auc^ ein ®ranbe von Bpanxm, ^nan ^ßonce be Seon, 86
manberten in bie Äerler be« 2:rianafd^loffe«. ßonftantino fud^te fid^ baburd(^ ju retten,
ba^ er ftd^ jum ßintritt in bie ©efcttfc^aft 3^fu melbete, bie il^m feinb h>ar, aber er
tourbe nid^t angenommen, ein gnquifitor hatte abgetoinit. 3"^ ©ommer 1558 gefangen,
mufete er fc^liefelic^ atte 3lu«flü(^te aufgeben, al« man feine Verftedften 9Wanuffrit)te ents
bcdtt i}atU, in bcnen er fic^ offen über feine unrömifd^en Slnfid^ten au«fj)rad^. 3)ie ^af)l 40
ber nac^ unb na^ gefangen ©efe^ten betrug etma 100, tvöi^renb e« einigen gelang, ftdj^
burc^ bie Jjluc^t in« 9lu«lanb ju retten.
2luc^ in ber 9leid^«^auj)tftabt Sattabolib unb in ber Umgebung Ivar eine eVangelifc^e
Setvegung entftanbcn. Slngeregt loar fie burc^ ben 33eronefer ßarle« be ©efo, beffen
®cma^lin eine SSertvanbte be« Äaifer« loar. @r l^atte in ^^li^n reformatorifd^e 2e^e 46
lennen gelernt unb nannte ftd^ einen ©d^üler Von ^nan be SSalb^, beffen fjjanifc^e
Äonfibcrationen foloie mand^e eVangelifc^e ©c^riften anberer er nad^ ©Jjanien mitnahm,
too^l balb nac^ 1550. 6r erhielt eine angef eigene öffentlid^e Slnftettung. SRadj^ einigen
Sauren begann er vorfid^tig ®lauben«genoffen ju getvinnen unb befreunbete fid^ in«»
befonbcre mit ber gamilie dajatta in ^attabolib. SKud^ ber ju Slnfang 1557 bortbin 60
übergeficbelte §ofprebiger3)e Gajatta, ber mit ben Äaifer in 2)eutfd^lanb geloefen Ivar, fc^lofe
ftc^ mi) einigen 3Ronaten an ©efo an. ©in ga^r fj)äter griff bie ^nqwif^tion ein unb
am 21. SWai 1559 fanb in SSattabolib ein ^roteftantenauto ftatt, in ®egenh)art ber
SHegentin unb be« 'ißringen ßarlo«. 3)e ßagatta lonnte fic^ nid^t genug tbun in reuigen
Sieben über feine iserirrungen unb in Ermahnungen an ba« 3SolI jum geft^alten an ber 66
^eiligen römifd^en Äird()e. ^JWan mufe glauben, ba^ feine Sleue aufrid^tig h>ar, benn ein
folc^e« Slufgebot Von §eud()elei loäre ni^t nötig getoefen, um noc$ am 9)larter))fal^l ^ur
®arrottierung begnabigt ju tverben. 6in Sruber unb eine ©d^tvefter Von i^m h?urben
garrottiert, ein Sruber unb eine ©dj^toefter ju arbiträrer ®efängni«ftrafe Verurteilt; auc^
bie au«gegrabencn ®ebeine ber 3)lutter biefer fünf tvurben Verbrannt. 3^r iQau^ tvurbe eo
584 Bptmku, rrformat Sciofgmm
nicbcrgeriffen unb on bcr Stelle h>urbe ein ©df^anbmal mit S^fdj^rift errichtet, bo^ man
noc^ im 19. gö^^^un^^ fö^. S)er eingige bon allen, ber fic^ nidj^t reuig geigte, hnir ber
Saccalaureu« §eregueIo, ein Äbbolat. JJergeblid^ gab ftd^ noc^ auf bem SBege inx
Stanbftätte De ßflJöDa 3Bü^e, i^n gu belehren. Ate er fd^on am $fa^l befeftigt toar,
5 einen Änebel im ÜJCunb, toarf i^m jemanb einen ©tein an ben Äopf, fo bafe er blutete,
unb ein §eDebarbier ftad^ il^n, — er rührte fic^ nidj^t. äDe 3uf<i^ucr toarcn tooll 33c=
U>unberung über feine ©tanb^ftigleit in ben glöi"»««^/ w* mancher l^t feinen unenblic^
tiefen 6mft nie bergeffen lönnen. äte er Dom äutogerüft ^erabfteigenb an feiner jungen
grau borbeifam, bie gu ©efängni« berurteilt loar, h>enbete er fidj^ untotOig ob. 9leun
10 ^al^re \pätzt ging fte aU rü(ffciOige 5te^erin freubig in ben glammentob.
3m äuguft 1559 h>urbe ber grgbifc^of bon 2:olebo, Garranja, ber^aftet; nac^
17 ^afycm ©efängni« tourbe er ate ^öd^ft berbädj^tig ber §ärefie berurteilt, Iut^erif(^
unb anbere S^^^ümer abjufd^tDören.
6in SebiDaner Sluto fanb am 24. ©et)tember 1559 ftatt. 3Serbrannt tourbe mit
15 mel^reren anbem SKaria be Sol^orque^, ein SMäbc^en bon 26 3^^^"/ ^^^ ^*^ ^^^ ?^^^
Gaffioboro be SRaina enH)fangene SelejS^rung feft^ielt, unb burc^ i^re Äenntniffe ini
Satcinifd^en unb aud^ etloaig im (Sriec^ifc^en unb i^re 93i6eßunbe in ßrftaunen fefttc;
mel^rere ©tunben bor il^rem S^obe fc^ien fte ftd^ belehren ju loollen, äußerte bann aber
immer nod^ 3Serbäc^tige^. 6in §au^, in bem ©bangelifd^e öfter Serfammlungen geilten
30 l^atten, h>urbe niebergeriffen, unb eine S^f^^P bezeichnete ben berfe^mten ^Pla^.
Sei bem jtoeiten Sut^eranerauto in SSoilaboIib am 8. CÖober 1559 toaren ber
Äönig unb feine ©dj^toefter unb fein ©ol^n jugegen. 3)er Äönig leiftete einen gib, bafe
er ber l^eiligen ^nquifition alle §ilfe unb ®unft bejeigen h>erbe. Serbrannt tvurben
ßarloö be ©efo unb 3uan ©anc^ej, ber Äüfter bon nod^ einem ©ruber 2)e 6<igaUa^,
26 ber ganottiert h>urbe.
3n ©ebiUa h>urbe 22.3)ejember 1560 verbrannt Julian §emanbeg, ein Saienbruber
be« SfibroIIofter« unb anbere, aud^ bie (Sebeine bon De ßgibio unb 3)e Gonftantino,
ber ber unerträglichen §ifee feine« ©efängniffe« erlegen toar, unb bie ©tatue bon ^mn
$erej be ^ineba. SDiefer pcitte 1559 eine fj)anifc^e Überfe^ung bon ©leiban« gtpei Seben
30 an Kaifer unb SReic^ beröffentlid^t, mit einem äSortoort an $^ili})j): toenn er fo fortfahre,
U>crbe er ein Äönig über 9lfc^e unb ©anbenito«; 1560 eine Bearbeitung t)on Urb. SRegiu«'
©c^rift: Sllte unb neue Se^re, unb einen S^rofibricf an bie fbanifd^en ®lauben«genoffen.
3lm 26. 2tJ)ril 1562 berbrannte man ebenba mehrere Sut^eraner, unb in statua
jel^n ^ieron^miten bc« Älofter« ©t. Sftbro. 2lm 28. Dftober be«felben ^al^re« erfcbicn
36 ßJarcia Slria«, 2lnbalufier au^ ^a^a, genannt 3Raeftro Slanco, auf bem Scheiterhaufen.
3)urc^ il^n loaren bie erften Junten etoangelifd()en Seben« in ba« 3fi^^olIofter gefaflcn.
Gr l^attc bon feinen ?!Könd;cn ba« Stubium ber ^I. Sd^rift berlangt, freiließ c« bann
loieber baburd() berborben, bafe er übertriebene fiafteiungcn em>)fa^I ate Vorbereitung
ju Grleuc^tungen, toie geloiffc älumbrabo«. ^m Stuguft 1558 gefangen, ging er fd^neB=
40 Ixi) „toegcn Sut^ertum«" in ben geuertob.
3?on aßen biefcn 3tuto« ^aben Irir alte Serid^te, au^ benen l^ier nur tpenige« mit=
geteilt loerbcn fonnte. 2)urd() fte ift im tDcfentlid^en mit ber ebangclifd()en Setoegung in
Sjjanien aufgeräumt h?orben. SBa« fidb fonft nod^ in ben 2lften ber Sn^wif^tion an
„Sut^eranem" finbet, ftnb burd^loeg 3tu«Iänber, gran^ofen, 3!)eutfd^c, Gnglänber, bie aU
45 ^anbeltreibcnbe unb Seeleute Sj)anien auf^ufud^cn acjloungen traren unb ber Snquifition
in bie ^änbc fielen. 3" S^olebo gelang e« bem f^arf bigilierenben ^l. Dffiuum einmal
fogar eine ganje (SrubJ)e franjöfif^er $roteftantcn aufjul^eben, bie i^re ®lauben«treue
im '^aa)xc 1565 auf einem Slutobafe beja^lcn mußten, nid^t ol^ne bafe mand^e bon i^ncn
bebauerlid^c Sj)uren bon Äleinmut gezeigt l^ätten. 3)Jit einer nationalen ebangelifc^cn
50 öciüegung aber l^aben bicfe 3lu«Iänber nid^t« ^u t^un gehabt.
2lu« bem Srei[e ber geflücf;tetcn 3Könc^e bon S. Sfi^^o ift ba« unter bem $feubo=
ni;m bc« „9teinalbu« ©onfalbiu« DJtontanu«" erfc^iencne befannte Suc^ über bie Artes
Inquisitionis, ^eibclberg 1567, l^erborgegangen, beffen ßuberläfftötcit jeboc^ burcb einen
ja [e^r bcgreiflid^cn ^afe bcö 3?erfaffer« gegen [eine ^^ciniger unb füblid^e Seibenf^aft^
65 lic^feit fcF?r in ^rage gcfteflt ioirb, unb beffen Scridbtcn bie neucrbing« ^n Jage geförbertcn
2lftcn in biclcn fünften ftrittc U)iber[j)red^en.
3)ie [^)anifd;c ©efanbtfd^aft in Gnglanb berichtet il^rcm Äönig im ^nlx 1568 unb
Sr^jril 1569 über ba« 2Berf unb ben 2>erf.: G« ift ^icr ein 3Kinifter H^roteft. ^rebiger],
Boljn eine« S^janier« unb geboren in ^oKanb f§oIanba|, ber a)Jönd^ in ©J>anien ge=
60 ioefcn unb bor ber ^nquifition gcflol^en ift, gegen bie er ein bIa«))l^emi{dS^e« S3ud(^ gefc^rieben
@)iaiiteit, rcfomtat Sctuegisisg 585
l}at, ha^ f)m in brci SSoIföfjjrad^en umläuft [franjöftfd^, cnglifd^, l^otlänbifc^]. 3)a ^ottanb
aud) in Weiterem ©inne für SRiebcrIanbe Dorfommt, fo bürftc c^ ^öc^ft U)a^rf^einlid;
fein, bafe 3Rontanu^, glorcntu« bc SWontcö in ?!Konö geboren h?ar, b. i. Sergen im
^enncgau (in berfelben ©tabt ift 1522 ®\x\) be 93ra^ geboren). SMöglic^ertoeife ^abcn
h)ir ben SSerfaffer in ber ^erfon be^ Saienbruberg bon 6. ^\it>xo, grang Senito, ju 6
fuc^en, ber im ^a^re 1559 bon ber ©eöiDa^^nquifition relonjiliiert, bann aber an^
©panien entfommen ift. 3)od^ lä^t fid^ ©idj^erc« barüber nic^t mel^r feftfteDen.
SSon ben fonftigen flücl()tigen gftbromönd^en mar 2lntonio bei 6ono ber erfte, ber
1557 in ©enf anlangte. 6r reifte aber fe^r balb Leiter nac^ Saufanne, um auf ber
bortigen 3lfabemie ju ftubieren. Der bebeutenbfte ^rofeffor bort, I^eobor 93eja, beel^rte lo
i^n mit feiner greunbfd^aft, unb bie SHegierung bon Sern, ber aud^ Saufanne untergeben
tvax, gab i^m eine greiftetle in einem bom ©taat geftifteten Äonöift. 9luc^ al^ nad^
einem ^a^x 93eja na^ ®enf an bie neuerrid^tete Stiabemie jurüdflel^rte, blieb (Sono nod^
ein ^albe^ ^al)x in Saufanne. 3ln berfelben 2tfabemie h>ar fjjäter, 1567 bi^ gu feinem
STobe 1580 $ebro 9iufie;i Sela au« ätoila ^rofeffor be« ®ried^ifdg>en. 31« ftd^ für (Sono i6
bie 3lu«rtd^t eröffnete, feinem 3Saterlanbe nä^er in ©übfranfrcid^ feinen i^olfögenoffen
nü^lic^ gu fein, jog er im SKai 1559 mit (SalDin« emjjfe^lung bort^in. SBei^nac^t 1563
lub er feinen ©eDiflaner Älofterbruber unb ^erjen«freunb ßafftoboro be SReina ein ju il^m
in tommen unb 9?alera mitzubringen, bamit fie ba« f})anifd^e 912^ brutften, h>a« bie
Äönigin t)on 9Jabaua in einem i^rer ©c^löjfer geftatte. 20
SHeina loar au^ ®enf nac^ Sonbon gegangen unb ^atte bort 1559 eine f^janifd^e
©emeinbe gefammelt auf ®runb eine« bon i^m Derfaftten ®lauben«betenntniffe«. 3!)em
al« ©erbetianer unb ©obomit 33erleumbeten entjog bie Äönigin bie erft beU>iIligte Äirc^e
unb ^enfion, unb er felbft bielt e« unter ben obmaltenben Umftänben, in benen er auf
unbefangene Seurteilung nicpt red()nen lonnte, für ba« geratenste, ©nglanb junäd^ft ju 26
bcrlaffen. 9iad^ feiner Slbreife tam jener Srief 6ouo« in bie §änbe be« franjöftfc^en
®emeinbeborftanbe«, ber il^n öffnete, toa« für ben SSerf. t)er^ängni«öoD h>urbe.
ßorro mar in ©übfranfreic^ an mej^reren Orten tl^ätig unb angefteUt. 3n 2:ouloufe
fam er auf bie ^roffrij)tion«lifte unb entging bem geh>altfamen 2:obe nur burq bie glud^t.
3n 33ergerac,n)oil^nSReina befud&te, mufete er ba«$rebigtamtal«2lu«länber aufgeben. 2)a«fclbe 30
©d^idtfal traf in Sloi« ^uan $ereg be 5}ineba. 2)iefer l^atte in ®enf 1561 im c^ofj)ital
gelegen unb Wax bann 1562 nac^ granireic^ übergejiebelt; bie ©Jjanier in ®enf mürben
fortan 9Kitglieber ber italienifd^en (Semeinbe. SlUe bie eben genannten ©ebiUaner fanben
aufnähme in ?Kontargi« bei kr franjöfifd^en Äönig«toc^ter 9len6e, §erjoginmitme bon
gerrara. 9^eina ging balb nocp 2)eutfc^lanb, 5Perej\ na^ 5Pari«, um ba« fjjanifc^e ^1% 36
JU brutfen. 3Begen biefer Slrbeit unb Iör^)erlid^en Seiben« lonnte ber ®rei« einem SRuf
nad^ Slnttrer^jen nid()t ^olge leiften. ©tatt feiner berief man 6ouo, unb biefer traf im
9Jobember 1566 bort ein. 3)er Slegentin n>ar ein ©panier al« ebangelifd()er ^ßrebiger
ein ®reuel, unb in berl^at ^at er nid^t öfter al« einmal prebigen lönnen. 3)er ©tatt«
kalter Dranien trünfd^te, bafe alle nieberlänbifd^en ©Dangelifd^en fid^ für bie 3tug«burger 40
Äonfeffion erflärten, ba nur fo eine 9leic^«^ilfe ju erwarten h>ar. 3la6) einer Unters
rebung mit glaciu« veröffentlichte 6ono einen franjöfifd^en 35rief an bie Setenner ber
3lug«burger Äonfeffton, toorin er ermahnte, bie ©onbcrle^ren in ben §intergrunb ju
brängen unb ftd^ j^u bem einzigen ©rlöfer jufammeruufd^aren. SlDein er l^atte feinen
j)raftifc^en ©rfolg. ^m SWärj lie| er eine franpfifd^e (gpiftel an ben Äönig bon ©panien 45
brucfen, loorin er erjä^lt, lüie er in ©ebitla ^lum ©Dangelium gelommen, fein ®lauben«5
betenntni« enttritfelt, bie neueften 3Jle§eleien in ben 9lieberlanben berichtet unb auf ©in?
fteDung ber 3Serfolgung ber CSöangelif^en bringt. 3)ie eöangelifd^en ^rebiger tourben
au« ben 9Jieberlanben au«geh)iefen unb 3llba trat bie §errfc^aft an. — 6ouo l^atte fic^
f(bon nad^ (Snglanb begeben. 60
!3n Sonbon fanb er bie Seiter ber franjöfifd^en ®emeinbe gegen i^n eingenommen,
infolge jene« Sriefe« an SReina, al« beffen intimer greunb er fi(§ jeigte unb bei bem er
fic^ nac^ Dfianber unb anbern bon ®enf Dertoorfenen 2:i^eologen erfunbigte. 3^^^ P^^"*^
i^m ber Sifd^of \)on Sonbon ein 3c"0"i^ füt feine Sled^tgläubigleit au«, unb tourbe er
in bie italienifd[)e ®emeinbe aufgenommen, ju ber aud^ ©jjanier gel^örten, benen er nun 66
J)rebigte. Dod^ aud^ bie Stflli^"^ h?aren mit i^m ni(^t aufrieben unb Dertoeigerten il^m
ba« aibenbmal^l. 2Begen beleibigenber Sieben entzog ihm ber Sifc^of bie Äanj^el. 2)ie
franjöfifd^e 9Jationalf^nobe toon 1571 unter Seja« SSorfift Verurteilte (Sorro« iafel ber
SBerxe ®otte«, bon ber er eine neue Sluflage im Sa^re bor^er ber Königin ^atte lüibmen
bürfen. ör f^lo^ fidj^ nun ber anglitanifc^en Äirdj^e an. SSon ber juriftifc^en Äorj)oration eo
3oB Spsnni^ twfwnML
6€r xtmvia m tcvltvn btaumaqn, bvdt er lattw^At tbfologifc^ S^oriefungcn. Tm
oaulhnktei Mcmabntr axbtixitu er 1574 um pi einem ®e{)9röc^ }ta>i|c^ Wm 9))ojtei
iiii£ einem 5lümer. XaB er Un tbteloq^dfm Xcfoorgrab in Crforb eriongte, binter^
trieben feine fran^ftKben Gk^ner. Seine lateini{<6e iSara)>brafe bed Ecclesiastes 1579
; m mebrmol^ getnicft tcciten. 1579 tmnbe er iMeitgiondle^rer in brei ^n^ituten btcfer
Unioerfttot 1581—85 tDor a tbeülogifcber 3^far tM>n Christ Chorch CoUege.
1582 eiHeü er eine ^röbenbe, bie pt St ^Soul in Smibon ge^rte. @r fiorb 1591 in
^nbon. Sie 9nniniana Y6ä^en ibn old einen mo^oSen X^togen. 93on ^dbcfti=
nierter Serbammni$ tücQte er nicbt^ tüiffen. Unter feine ite^creien tixtr aud^ gerechnet
10 tocrben, baB er 6ebau)>tete: ber Staat foHe nii^t gegen J^oretiter einfc^reiten, fonbcrn
i^em i^digion^eibeit getröbren.
^eina batte jtcb 1565 mit feiner ^omilie in grtoidfurt a. 3R. niebergelaffen, \üo er
J>on einem Seibengefcbäft lebte unb an feiner Sibdüberfe^ung arbeitete, ^ercn Tmd
übeitoacbte er in Safel 1568—69. Qi ift bie erfte f^KUiifc^ ganje Sibcl^ bic ouö boi
15 (9runbTpracben überfe^ ift ^Jtaib gfronlfiirt ^urüdgdebrt, erj^idt er bort ba^ Sürgenccbt
157') t)eröffentlt(bte er feine lateinifcbe Su^egung Don Watt^i 4 unb t>on 9(bfc^nitten
bed ^obaimtöMmQdiame, 1578, ol^ ber §nd)e Don älnttoert^en ben nieberlonbifc^
^roteftonten ^Jrreibdt gebracht botte, folgte er einem 9luf nac^ Xnttoerpen aU fran^ö^cber
^fbr ber 9ugfi^bttrger ftonfeffton. Sorber iebo(b fieOte er ftd^ ber föniglid^en Äommtffion
20 in ßnglanb ^ur 9burteUung ber alten Snflage auf Sobomie unb tourbe unf<^ulbtg er^
flärt. 1581 em))f ab( (Sb^träuS ibn ben 9(ntt9er))enem <d^ Su)>erintenbent, er lehnte iebcdb
ob. au 1585 Snttoerpen fu^ bem ^rin^en Don ^rma ergeben botte, febrte er na^ %xmi
fürt ^urüd. Sort Derf a^te er bamd^ bod Statut beö UnterftütiungSfonbi^, ben bie lutbe^
rifc^en 5lieberlänber grünbeten unb ber beute noc^ in SBirffamfett ifi 1594 trat er
26 bafdbft ald fran^öfifc^er ^rebtger ber 9tteberlänber ein auf ®runb ber Slugeburger Ron-
feffton, ber SBittenberger Äonlorbie Don 1536 unb be« itonforbienbud^ed Don 1580.
Sd^on im nä6)\icn ^abr ift er geftorben unb ein So^n Don t^m erhielt fein ^rebigtamt
6ij)riano be "l^lera flüchtete au^ ©. ^Titxo mit ben grcuiiben nac^ ®enf unb
tourbc 1502 tote 9{eina unb (Sorro in statua Derbrannt @r tourbe 1560 in Sambribdc
aoSac^dor, 1563 2)lagifter, unb toor bort au^ %dloto in SKagbalen SoDege. 1566 trat
er inforporiert in C^forb. 1588 erfc^iencn feine jtoei 2;ra!tate über ^Pa^)ft unb 3Ref)e,
2. äuf(. 1599; 1594 fein Iroftbrief für bie f^nifc^en ©efangenen in ber Serberei,
1596 eine neue 3tu^abc bc^ fpanifd^en Genfer Äatei^i^mu« Don 1559 unb ba^ 9G
^Heina^, 1597 bic fjjanifcbe Überfe^ung Don (SalDin^ 3"f<i^w^*o"^ti, 1600 fein Sc^rift^cn
36 über ba^ Jjäftlic^e ^ubdjabr, 1602 Iritetc er in änttüert)cn ben 3)ruc! fdner 9leDifu>n
ber fjjanifc^cn 93ibcl Sleinaö. 6r ift tool^l balb nad^ ber äu^abe in ßnglanb geftorben.
iJer Katalane ^cbro &al6^ tourbc aU junger ?!Kann cttoa 1559 in 9lom beruftet,
tocil er geäußert f;attc, c^ fei unnötig, einem ^ricftcr ju bdc^tcn unb an getoiffen 2agcn
fein '^U'i\d^ ^u cffen, unb mu|te abfcbloörcn. 6r ftubierte in SBologna unb ^ori«
4f) 157M nannte i^n ber bamal^ größte Äenuer bc« altrömifc^cn Siecht«, Gujadu^, doctissi-
mum et acutissimum. ßbenfo tourbe er fcl^r ^oc^ gefc^ä^t Don bem ßrjbifc^of t?on
lanagona, 2lntonio atuguftin, ber bic toiffcnjc^aftlicbc Sel^anblung beö lononifd^cn iWcd^ts
begann; er l^at einen latcinifd^cn 3!)iaIog i^interlaffen, ben er mit ®al^ über bü^
Decretum Gratiani 1581 gehalten bat. 1582 ging ®al^ ate ^rofeffor nad^ ®cnf,
46 too fein ÄoUcgc, ber grofee ^bilolog Gafaubonuö, i^m balb ßmenbattonen gu ben Äloffilem
Dcrbanftc. ÄI^ bic Stabt au^ ©clbnot il;rc ^^rofcfjoren cntlaffcn l^atte, begab er fw^
nad) Sübftanlrcid^ unb klärte bort an mehreren Drtcn, biö dne calDinifdi^e ^ftoral-
lonfercnj if;n bogmatifd; infortcft fanb. Gr machte fic^ mit %xau unb Äinbem nai^
5Borbcau)r auf, tourbe aber untcrtocg^ Don ben Siguiften feftgenommen unb an ©Jjanien
60 ausgeliefert 1 59:]. ^m 3"Q"ifi^ion^9cfängni^ ju ©aragoffa Dertocigerte er ben üWitf^en
ed;tour, bafe er bic SKa^r^cit fagcn tooKc, unb blieb U\ feinen ^a \a, 9Zein nein. &
erflärtc, bic fcc^rc ber romifc^cn Sird^c fei Diclfac^ im SQäiberfprud^ mit ber ßbrifti unb
ber 2l^)oftcI, toofür er nicbrcrcö anführte, ''^lad) bem jtocitcn SJerl^ör tourbe er ftetbeiw*
tranf. ^toci 2l?cologcn tjcrfuc^tcn il?n ju belehren, Dergeben^. 35er ^rojefe tourbe nai}
66 feinem lobe }^u Gnbc gcfül^rt, ber 2dd;nam tourbe ausgegraben unb nebft ©tatuc tjer-
brannt, 17. !Mpril 1595.
^JJicId>ior ^Koman, qxw Slragonicr, bcffcn i^atcrmutter dne %ttxct toar, eine Ser-
toanbtc bc<^ M. isinccn,^ ^cncrc, trat in ben Crbcn ber ^acobiner. ^n ber ^roüinü
'XouUnifc tourbc er ^um Procureur Provincial ernannt unb nac^ 9lom gefd^idtt; t)on
(j() bort jurücfgctc^rt tourbc er ^^rooinjialbifar unb Sdd()tDater ber ®ameö bu ßbopeDct
Spanitn, rrformat. ^ciotgiiitg Qptt 587
b'aincn. ßinen unauelöfd^Iic^cn ßinbrucf ijaiU cig einft auf i^n gcmad^t, bafe er ate
Begleiter cine^ S^^wifi^o^^ in ©aragoffa jcinanb U>e0cn bct Steligion verbrennen \a!i),
beffen SBorte unb iajjferfeit im 3)iartVrium x\)n bon ben S^"'"^^'^ 9iomg ipegriefen.
3m Sluguft 1600 trat er öffentlid^ in Sergerac jur reformierten Rxxi)^ über unb ber«
öffentlicl()te barüber ebenba eine Heine ©c^rift. (5b. Soe^mer t (3<^afer). 6
@)iatttf(^e 93t6elä6erfe^uitg f.b. 91. ä3ibelüberfe$ungen 93b III, @. 142,29.
®P^^f griebridi; bon, geft. 1635. — 2)iel, 5r. ü. @pcc, eine biograp^ifd^ Iitterar=
l^iftüvifdic ©fi^je, greiburg 1873, 2. «tufl. üon (53. 3)u^r) 1901; eorbounS, g. ü. 6pee,
Smnffurt 1884; (V)oebefe, öJefd). bcr beutfdjen SXdjtung« III (1887), 193—195; ®. "iD?.
^rcücd, Sr. 1). Sp.: ^Iflg. beutfcf)e 93iogr., 93b 35 (92 ff-); ^e 33ocfer=6ommerüO(\cI, Nouv. lo
Biblioth. des ^crivains de la Soc. de Jdsus, VIII, 1424 f.; »lochet, M'2' X'l, 575 ff.;
3gn. ©eb^arbt, gr. 6pee üon fiongcnfelb, .^ilbeö^eim 1893; Gugcn 3SoIff, 3)aö beutf^c
S^ird)eulieb be^ 16. u. 17. 3a6r^unbert«, 1894; 3. (Bd^aU, 3um ^(nbenfen an 5. l>. 6pee:
S^cutfdi-'Cü. 5BI. 1899, G72ff.; 5:^. (Sbner, gr. ©pcc unb bic C)ejenproacffe feiner Seit, $om=
bürg 1899; S3ern5. 3)u^r S. J., 3)ie ©tellung bcr Sefuiten in ben bcutfcben ^cjicnprojeffen, 16
ilöln 1900; 9?. gKüfler, 3um fieben beS gr.u.Spec: ^^oISBI., 93b 124 (1900), 785 ff., «b 125
(1901), 430 ff.
f^iebrid^ Don ©J)ee, afe latl^olifd^er Dichter geiftlid^er Sieber in beutfc^er 3wn0C
rü^mlid^ befannt, h>urbe alö ©Jjröfeling eine« rl^einifd^en atbel^efc^ledj^te« (Ssorfal^r ber
ie^igen ©rafen bon ©pee auf §eUor^)) 1591 juSaifer^loertl^ geboren, Wo fein aSaler2o
^eter b. ©j)ee afö lurlölnifd^er SurgDogt lebte. Über feine gugenbjal^jre unb bie Slns
fange feine« 93ilbung«gang« ift nid^t« ©id()cre« belannt. 3H« neunwl^njäbriger Jüngling
(1610) trat er in ben gefuitenorben, erlangte 1613 bie jj^ilof. 3Ragtftcrn>ürbe unb mürbe
nac^ SoHenbung feiner ©tubien unb erhaltener ^riefterh)eil^e 1621 Se^rer ber Oram«
matif, $l^ilofoJ)bie unb 3BoraI am ^efuitenfoHegium ju Äöln. 2?on ba ging er 1625 25
al« 2)omj)rebiger nac^ ^Paberbom, bann 1627 nac^SBürjburg, U)ol^in35ifc^of^lj^ifit)l)2lboI^^
i^n al« ©eelforger begel^rt l^atte. §ier l^atte feine ©eelforgertl^ätigleit fid^ ^äufig ben
UnglüdEIi^cn jujuh>enben, bie, ate §ejen angellagt, burd^ bie golter %\x ben unfinnigften
©eftänbniffen gebrad^t lourben unb beren allein in ber ©tabt SBürjburg hjäl^renb be«
genannten ^ai}x^ unb be« näd^ftfolgenben 158 (babei 3 Domherren unb 14 anbereao
®eiftlid^e; aud^ mehrere grauen unb Äinber) ben g^w^tob erleiben mußten. 2Bie er
biefen ©egenftanb feine« Seruf« anfal^, loie in i^m ber 3icfuit ben 3Renfd^en, ben Gl^riften
nid^t ju forrum^ieren bermodi^t f)atU, beloeift bie überaU, h)o ©J)ee« gebad()t loirb, erjä^Ite
unb in ber $au>)tfac^e geh>ife glaubloürbige Slnefbote, bafe er, bon bem nad^maligen Äur«
fürften bon Slainj, ^o^ann $^i(ij)J) bon ©d^önbom, eine« 3^ag« gefragt: lool^er er, nodj^ 35
ein Dreifeiger, \(i)on graue §aare babe? bie 3lntU)ort gab: bal^er, bafe er fo biele §ejen
muffe ;^um geuer geleiten, unb bod^ leine einjige befunben ^abe, bie nid^t loäre unfd^ulbig
getoefen. {^aiU boc^ er allein in Wenigen ^a^x^n 3h>ei^unbert jener ÜnglüdHidj^en biefen
3)ienft ju leiften!) Sauter, al« burc^ fein graue« §aar, fjjrac^ er fräter fein Urteil über
biefen bon t^eologifc^er Borniertheit unb juriftifc^er ^rojefeluft mit gemeinfamem ©ifer 40
betriebenen ®reuel burc^ bie lü^ne ©c^rift au«, bie i^m einen ®^renj)la$ in ber ©e«
fd^id^te ber 3Wenfd^b«t unb 5Jlenfd()lid()teit ftd()ert: Cautio criminalis v. de processu
contra sagas über, morin er in gorm bon 51 dubiis folool^l bie (Srunbfä^e, bon
benen man au«ging, al« aud^ ba« unberanttoortlid^e ric^terlid^e ©erfahren in natfter Slöfee
l^infteCte. ßr h?agte nic^t f ogleic^ \\d) al« SSerfaffer ju nennen ; anfang« fc^eint ba« 45
S3ud^ fogar nur in 9Kanuffrtj)ten unb in Heineren Äreifen in Umlauf gefommen ju fein,
ßntftanben ift e« mol^l erft in 3?ieberfa(^fen, loo^in ©pee bon feinen Drben«obem gegen
©nbe 1628 berfe^t h?orben h?ar unb U)o er al« erfolgreid&er Seiter ber tat^olifd^en ©egen«
reformation, befonber« ju ^eine (Si«tum §ilbe«^eim) Slul^m erhjarb. 3tud^ ba« me^=
monatliche Ärantenlager in §ilbe«^eim — herbeigeführt angeblich burd^ einen 3Worbs 00
anf4>lag bcU)affnetcr ^roteftanten (bei SBoltorj), 29. 2l>)ril 1629) auf fein Seben, ber
übrigen« anberU)eiter Stngabe jufolge nur in einer argen ^nfultierung ober 93er^öl^nung
beftanben l^aben foH (f. 2:i^onemann bei SSloe^er a. a. D. 577, beffen 2)arftettung übrigen«
bon 91. SKüUer [§^531. 124 unb 125, f. o.| beftritten toirb) — fotbie eine längere 3eit
ftitter 3"i^"*0<^3ogenl^eit in bem SDörfc^en galfen^agen bei Gorbe^ a. b. SBefer gingen ^
bem erftmaligen, nod^ anonymen ©rfc^einen ber Cautio tu Slinteln 1631 noc^ borl^er
(bgl. b. 2trt. „^ejcn" k. VIII, 35, 42-53, folüie loegen bc« S3ibliogra))l^ifc^en: Räuber«
Bibliotheca magica III, 2f. 500f. 783f. unb ©oebele 1. c). 2lud^ bon feinen geift^
lid^en Dichtungen fmb manche n>o^l h)%enb biefe« feine« SBirfen« im SBefergebietc ent^
588 &ptt ®ptitt, 8t9teM
ftanbcn. — ©eit 1G32 le^e er U>le^er in Äöln ^Jloraltl^cologic, unb ^hjar mit bebeutcn^
ben Seifall; — ^aiH)tfäc^Iici^ auf ®runb t). ©pcef^er ÄoOeöienl^cftc befennt Sufembaum,
bie berühmte Medulla theol. moralis (1645 — Dgl. b. ärt. III, 581) au^carbehet ju
l(^aben. 3)en Sefd^Iufe feinet SBirfen^ bilbet eine längere J)aftoraIe I^ätigfeit in Srier,
6 bie er mä^renb ber Selagerung unb nac^ grftürmung ber ©tabt burt^ ÄaiferUc^e unb
©panier im ^ai}x^ 1G35 ju üben ^atte. Unermübet ftanb er ^ier ben Äranfen, ben Scr=
tDunbetcn unb ©terbenben, ben i^rer §abc Seraubten unb ©efangenen bei, unb toagtc
fic^ fogar in ba^ Äampfgetümmel, um §ilfe ju leiftcn. @r tourbe ba^ Opfer foIAcr
Seruf^treue: Don einem Äranfen naf)m er ein anftedenbe^ gieber mit, ba^ feinem Seben
10 am 7. Sluguft be§ genannten 3^^^^ ^i" ®"^^ machte.
SRäd^ft ber Cautio er. ift e^ ©J)ee^ geiftlic^e ^ßoefie, bie i^m einen gcfc^ici^tli4»cn
9iamen erworben ^at. Diefelbe trat an« 2id^t in jih>ei SBerlen: 1. „3;ru^5flac^tigaü" —
eine SRei^e bon Siebem ber Siebe ju (Sott unb G^riftu« (unter jenem fcitfamen litd
barum bereinigt, lüeil, h>ie ber Siebter im aSorh)ort fagt: „ba« Süc^Iein tru$ aßen
15 Siad^tigaDen füfe unb lieblid^ finget")- 3"^^ 'P ^ gebrudft 1649 in Äi)ln, einige 8(u6=
gaben folgten. 3)ann mar ^ lange öergcffen, bi« bie Sflomantiler unfere« Sa^^unberts
an bem ^id^ter einen gunb machten; Srentano gab 1817 bie airui^Slacbtigall ettoas
mobernifiert ^erau«; eine anbere Slu^abe beforgten ^üppt unb 3wn*niann, 1841; bie
neuefte §auj)tau^abe ift bie Don SBalte (in „®eutfd9e 2)ic^ter be« 17. Sa^rl^unbert^",
20 l^erau^cg. t)on (Soebele u. 2:ittmann, 93b 14, Sei^jjig 1879, obgebrucft Sieh) ?)orf 1900).
2. 3)a« „(Sülbene 2:ugenbbuc^", ein groftenteife in ^rofa Derfa^teö, au« geiftlic^en
Übungen in (Sefj)rä(^en jtoifd^en Sei^töater unb Seic^tlinb, ^tüifd^en 3efu« unb ber
©eelc, nebft (Sleic^niffen, ßr^äl^lungen u. f. W. befte^enbe« 6rbauung«bu(^, in ba« aber
3)ic^tungen be« Serfaffer« Dielfad^ eingefd^altet finb. £e|tere« tourbe frü^cften« 1643,
26 tpo nic^t ebenfaD« erft 1649 gebrutft; in mobemifierenbcr Überarbeitung neu^erau^gcg.
goblenj 1850; beffer burc^ grj. Rattler, greiburg 1887 (2. «ufl. 1894).
©pee fte^t mit feiner ^oefie tfoliert ba ; leine ber 3)ic^terf4ulen feine« S^^t^nbert^
lann il^n ben S^rigen nennen. 3Rit Dj)i^ ^at ©J)ee ba« feine D^r für bie ^rofobic,
ben eu^l^onifc^en ^'^^»"cnpnn gemein, ßntfd^ieben ^ö^er al« Dpi^ fte^t er aber bun^
30 ben in tiefer Seele h)a^rl(^aft emj)funbenen ^nl^alt feiner Sieber; toä^renb jener fo mclc
eitle 3h)ec!e Verfolgt, biegtet biefer in aller 2?erborgenl(^eit, aber er tl^ut e« mit Slntoenbung
aCe« beften SBiffen« unb Äönnen«, um ®ott bamit ju e^ren. 3Rit ©d^effler Derglic^cn,
Verliert fic^ ©J)ee ^toar nie in jene« ®ebiet be« „©d^aucrlic^sübergöttlic^en unb barum
Ungöttlic^en", toic e« ^i«lmar (2itt.=®efcl^.', 431) nennt, toa« ba« 5JlerImal eine« ,,t^eo^
36 fo>)^ifcl()en ^ant^ci«mu«" ift, baju ift er ju nüd^tem, ^u natürlid^; um fic^ nac^ 3lrt ber
9Jh;ftiter Don ber 9Jatur DöUig ab^ufel^ren unb in ®ott flammenb aufjugel^en, baxu hat
er eine gu gro^e ^reube an ber 9Jatur unb i^rer ©d^önl^eit. dagegen i}abm bie ©cpeffler-
fd^cn Sieber bie ^^^iö^^^i^ Q^^^ibi, eDangclifc^e ®emeinbelieber ju toerben, tva« bie beften
beute noc^ finb; bie« ift aber unferc« 3Biffen« noc^ leinem Don ©pee« Siebem tribers
40 fahren. 2)iefc tragen faft burc^gängig ben G^aratter Don ®ebid()ten. 9lu(^ beloegt er
fid^ nur in einem bcfd^ränf ten 5?reife gciftlic^en Seben«: e« ift immer entn>eber Dlatur-
anfc^auung ober 3tu«brudt perfönlid^er, glü^enber Siebe ju G^riftu«, toa« toir Demebmen;
bem objeftiDen aBa^rbeit«^ unb Seben«gebiete be« G^riftentum« bleibt er fem. 3)ef[en=
ungeachtet ift biefer in ber ©tillc bic^tenbc Drben«bruber eine burc^au« e^rtoürbige ßr-
46 fd;einung. 6r gebort al« cl^rlid()er beutfd^er 9)ic^ter ber 9?ation an unb foH ol« folc^
befto mel^r in (Sl^ren gehalten toerbcn, je mel^r e« bie 3trt unb 2:enbenj feine« Drbens
i\x aUen RÄtm fvax, Station unb ©jjracbe für nid^t« ju achten unb bie ebelften ©ütcr
ber rönüfc^en Äird^cncin^eit jum Djjfer ju bringen. ($a(mert) 33<flert-
©freier, Si«tum. — Urhmbeubud) ,v ©efc^icfjte ber SBifcftöfc ju ©pc^cr, d. 5. X.JHein:
50 Hng, 2 ^^^be, ^ainj 1852 f.; llrfunben ^. ^^fäljijdjeu ^ircf)cnflefc^id)te im SSl^, Dcröffcntl. »on
5. X. Ö>Iaöfd)vöber, ^BUindieu 1903; llvtunben jur ßJeid)ic^te ber ©tobt @pcl)cr, ^crau^aea-
Don ?l. .^Mlaarb, ©trafjburg 1885. Annal. Spirens. MG SS XVII, 6. 80ff. Series episc XIII,
6. 318. •Jicfrolüiv, 3eitidn-. f. ®ejd). beö OberreieinÄ XXVI, 6. 414 ff. — 3«. X. SRemlinci.
(^e|d). ber 33ifd)üfe 511 8pei)er, 2 35bc, gJlaiUi^ 1852. 54; bevj., Urf. C^efc^. ber c^emol. «bteicn
öö u. Silöfter im jetucjen 9i^ein6al)ern, 2 iöbe, Si^euftabt 1836.
3u ben linf«r^cinifc^cn ®ermanen gcl^örten bie 9Jemeter. ^n bem Don i^nen be*
festen (Gebiet lag ba« fdion in ber Äclten,^cit gegrünbete Äaftetl 3?oDiomagu« am ©^eier^
bac^, ba« gur ^JJhmi3i>)aiftabt gctüorbcn ben 9Jamen (Solonia 'Jlemetum erhielt. & ift
nic^t unmöglid(), ba^ l;ier fc^on ioä^renb ber Slömerl^errfdS^aft ba« ßl^riftentum gu^ fafete.
eptitt, »idtnm (Spwx, 9Iei(^9tage 589
2tbcr bch>etfen lä^t c^ fid^ nidj^t: c^riftlid^c 3"Wriften auö bicfcr ^üt finb nic^t bor-
^anben, bie Sifc^oföltftc fül^rt nid^t in fic l^inauf, unb ber angebltclj^e crftc Sifc^of bct
Stabt, 3i<^ff<^/ 3^'"^/ ift "wt burc^ bie gcfälfd^tcn Slftcn bcr angeblichen Kölner ©^nobe
t)on 346 bezeugt. 3)a^ etfte ficl()ete B^u^ni^ für ben Seftanb eine^ Si^tumö in ©))eict
faßt in bie fränfifc^e ^axt 2luf ber $arifer ©l^nobe Don 614 ftnbet fid^ bie Unterfd()rift 5
Ex civitate Spira Hildericus episcopus, MG CG 1, S. 192. ©eitbem ift ber Se«
ftanb be^ Si^tumg nic^t mel^r erfc^üttert lüorben. ®« trat bei ber Drganifation be«
TOain^er ßrjbi^tumig in biefen ©jjrenoel. SDie Heinere §älfte ber 35iöcefe lag auf bem
linlen, bie größere auf bem redj^tcn 5ll^einufer. ßauterburg unb Slltrij) bei SMann^eim
bejeicl()ncn im ©üben unb 9iorben bie ©nb^^untte, im SBeften xÄi^U bie 3tuöbe^nung bi^ lo
in bie 9Jä|^c Don ^irmafenj, melc^er Ort jcboc^ fc^on gum Sii^tum SMefe gehörte, nac^
Dften eneic^te bie 3)iöcefe bie ®renje beö je^igen h>ürttembergifc^en ^agfifreife^, fo ba|
Sadnang noc^ in fie fiel.
Sifd^of^lifte. ^ilberid^, 614; ^rincij)iu« (unter ©igibert III. 634—656); 3)ragos
bob (unter 6l(^ilberic^ II. 663— 675 u. 700); SiuboV, 739; 35aDib 744.748; 93arin762, i5
um 780; graibo 782; g3enebi!t829; §ettin; Oebl^arb I. 847. 877 ; Gin^arb903, geft. 918;
»em^arb; ämalric^, geft. 941; SReginbalb I. 941—949; ©otfrib I. 950—961; Ctgar
961—970; »alberid^ 970— 986 ; ^Huoj)))ert 986— 1004; SQäalt^er 1004— 1027; Steginger
1028—1032; SReginbalb II. 1032—1039; ©igebob I. 1039—1054; 3lmoIb I.
1054—1055; Äonrabl. 1056—1060; ßin^arb II. 1060— 1067; ^einric^I. 1067— 1075; 20
Jgjujmann 1075—1090; ^of)am I. 1090—1104; ©eb^arb IL 1105—1107, 93run
geft. 1123; Strnolb IL 1123—1126; ©igfrib IL 1126—1146; ©untrer 1146—1161;
Ubalric^ L 1162—1163; ©otfrib IL 1163— 1167(?); 3ta))ob; Äonrab IL 1176;
Ubalric^ IL 1178?—?; Otto? —1200; ^onrab IIL D. ©c^arfenberg 1201(0—1224;
S3emger to. entringen 1224—1232; Äonrab IV. b. San 1233—1236; Äonrab V. 25
t). eberftein 1237—1245; §einric^ IL D. Seiningen 1245—1272; griebri^i D.SoIanben
1272—1302; ©igebob IL D. 2id()tenberg 1302—1314; Smic^ t). Seiningen 1314—1328;
Sert^olb b. Sud^cgg 1329; SBalram D. 33elbcnj 1329—1336; (Ser^arb b. (g^renberg
1336-1363; Samprec^t D. Som 1364—1371; Stbolf b. Siaffau 1371—1381, bejh>.
1389; molau^ b. SBie^baben 1381—1396; Slaban b. §elmftäbt 1396—1430; »bolf ao
b.e})j)enftein 1430— 1433; SRein^arb b.^elmftäbt 1431— 1455; ©igfrib IIL b. Henningen
1455—1459; ^o^ann i). §o^enecf 1459—1463; gjJatt^ia^ b. SRammung 1463—1478;
Submig D. §elmftäbt 1478-1504; W^^P b. SRofenberg 1504—1513; ®eorg, Wk'
graf 1513—1529. ^üud.
S»ictct, SReid^ötage in. 1. 1526. — ®. griebcnsburg, 3)er Sieic^gtag ju ©pcicr 36
1526, ^Berlin 1887; ber|., 8ur SBorgef^ic^te bed Xorgauifd^en ©ünbniffeö, SWorburg 1884;
g.^JM), S)er 9?cicf)$tag ,^u 8^.1526, C>ömburg 1889; 91. Älucf^o^u, 5)er JRcidjgtQg ju ©p. 1526
in ber C^3 ^^^ 193 ff. %I. ferner aufter Sleibon, ©ecfcnborf 2c., SBuc^oI^, ®efc^. gcrbinonbä I.,
SSien 1831, SSblL 371 ff.; SRanfe, 5)cutid)e ©efcfi. III, Sud) 4, tav.2; SRommcf, W^PP b.
®ro6mütiae L 141t.; II, 101 ff.; Sleim, ©d)möbif4c SReformationdgefcft. 48 ff.; Sonffen, ®ef(ö. 40
bc« bcutfcpen SBoIfö III, 39 ff.; ^efele=§ergenrbt]^er, ßon^iillengefc^. IX, 454 ff ; ^aurenbrcd)er,
®ef4. b. fot^.SRef. I, 259 ff.; ^43aum9Qrtcn, öJefd). Äarl§ V., Il) 552ff.; Äoroerau, 3o^. ^Tgricola
90 ff.; egeIt)Qaf, 5)eutfcf)e (iJefd). im lO.gQ^r^. I, 632 ff. — Elften 2c. bei Äopp, kleine 9?a(^=
lefejc, n, 679 ff.; ^^aldj, ©Triften fiut^evö XVI, 243 ff.; ü. b. Sitf), ©rläutcvungen b. JRefor=
mation^Öift. 170 ff. ; Annales Spalatini in 3Wenc!enS scriptores II, 657 ff.; 3Jecfenmci)er in 46
SSaterö 9lrc6iu 1825, I, 22 ff.; 3. 9h^, 9(naleften i^ur öJcfd). b. SRei^St. ju @p. 1526 in
RTO VIII, 300 ff.; IX, 137 ff.; XII, 334 ff. unb 593 ff.; (5>.3Jircf, ^olit. Äorrefponbenj bcr
§tabt 6tra{j6urg I, 253 ff.
aiHe Scmü^ungen Äarfö V., toä^renb feiner äbh>efenl^eit bon Deutfd^lanb bei ben
©täuben ben SSoHjug be« SBormfer ßbite burc^jufefeen, blieben erfolgloig. 3)er erfte go
9lürnbcrger Steic^^tag bon 1522/23 lehnte il^n ouöbrüalic^ ob, ber jh>eite bon 1524 be^
fc^lofe itvax bie Stu^fü^rung be« 3){anbat«, madj^te aber biefen Sefd^lufe burd^ ben 3"!^
„fo biel afö möglich" tl^atfäcl()Iic^ unloirffam. 6in auf ben 29. September 1525 nadp
Slugöburg berufener Steid^^tag mürbe fotoenig befuc^t, baft in bem aibfdj^iebe bom 9.3önuar
1526 nur bie 9Jürnberger ^eftimmungen U)ieber^olt h?crben lonnten, nac^ benen ba^ 66
i)l. ei)angelium nac^ Sluiglegung ber bon ber Äir^e angenommenen Se^rer geprebigt unb
um balbige Berufung eine^ Äonjilig gebeten h?erben follte. Sluf einem neuen Sleic^^tage
in ©peier foDten nun aü^ ©tänbe erfc^cinen, um bie religiöfen fragen jur ßntfd^eibung
ju bringen. 2)ie fic^ babei für bie greunbe ber Sieformation eröffnenben Slu^ftd^ten
toaren fc^limm genug. £ie @egner berfelben n>aren in ben legten gal^ren in engere go
590 Spdtt, 9Ici(49tage
33crbtnbun0 getreten, "^m ^uH 1524 l^atten fid^ in Stegenöturö bie fübbcutft^en, am
26. ^uni 1525 ju Deffau bie notbbeutf^en latl^olifc^en dürften nä^er ^ufammengefc^lofien.
grüner ©d^manfenbe toaren burd^ ben SBauemfrieg ftuftig getoorben. %m 11. 3lot)embcr
1525 befcl()Ioffen bie 9}litgliebcr beö fci^h>äbifcl()en Sunoe«, gegen 6nbe beö ^afycti bie
6 2)omfat)itel ber bem ßtjbifc^of t)on SDJainj untergeorbneten Siötümcr bie Selämpfung
ber lut^erifd^en ©ehe. 95alb barauf traten bie 3)effauer Serbünbeten in 3Haütg gufammen
unb fanbten Don ba ben §ergog §einricl^ bon 33raunfdS^h>eig nac^ ©jjanien^ um Raxl um
häftige Unterftü^ung be^ gefäl^rbeten alten ©laubeni^ ^u erfud^en. 3)er Jtatfer, toelc^er
bi^er nur burd^ feine fd^toierige ^jolitifc^e Sage an ber SluSfül^rung feiner ftel? gehegten
10 Slbfid^t, bie lut^erifc^e 2e^re m Vertilgen, ge^inbert n>orben h>ar, ging mit greuben auf
biefe Slnregung ein. 3)urd^ ben am 14. S^nuar 1526 mit^anSeid^ gefd^Ioffenen unb
t)on ^ranj I. burdj^ feierlichen 6ib befräftigten ^'^ieben bon SMabrib toor ii^m enblit^ bie
erfe^nte freie $anb gegeben, ©o tDoUte bcnn Äarl nunmel^r im ^uni «u^ S^mnien noc^
9{om aufbred^eU; bann nad^ ^eutfd^lanb lommen unb l^ier aQed aufbieten, um bem
löSutl^ertum ein 6nbe ju mad^en. 3)iefe Slbfid^t fünbigte er in einer öom 23.3Rärji 1526
au^ ©et)itla batierten ^nftrultion an, toelc^e bem fierjoge §einri(^ jur SKitteilung an bie
norbbeutfc^en lat^olifc^en ©tänbe mitgegeben h>uroe unb audj^ ben oberbeutfc^en bun^
ben Sifd^of bon ©trafeburg juging. 3."öl^i^ f orberte Äarl jum geft^alten an bem alten
®lauben auf unb verlangte Don ben einjelnen ©täuben eine @rflärung über i^re ©tellung
20 ju bemfelben. „6« lüar, al^ tDoDte ber Äaifer Jpeerfdj^au galten, beöor er ben angriff
eröffnete."
Unter fo bebro^lic^en Umftänben h>urbc ber SReid^^tag am 25. ^nnx 1526 burc^ ben
ßrj^erjog gerbinanb eröffnet. SRadj^ ber faiferlid^en ^roj)ofition foüte befonber« barüfcer
ber^anbelt Serben, h)ie bi^ ju einem in älu^ftc^t gesellten Jton^il ber c^riftlic^e ©laube
26 unb „bie tpo^l^ergebrad^ten guten d^riftlic^en Übungen unb Drbnungen" ber Äirc^e bon
allen ©täuben geJ^anbl^abt, Übertreter aber geftraft unb jum (Sel^orfam gebracht toerben
lönnten, bamit ba^ SBormfer 6bilt bei jebermann jur 9lu^fü^rung fomme. SSon ben
lirc^lic^en SMifebräuc^en unb ben SBefd^toerben gegen 9lom, bereu Slbfteltung noc^ bie
Qnftruftion ^\x bem äug^burger 9leid()ötage »erlangt l^atte, U)ar je^t leine ^ebe me^r.
30 9Jac^ bem ^erlommen berieten nun junäc^ft bie beiben fürftlidj^en ÄoDcgien über bie auf
biefen Vortrag ju erteilenbe Slnttoort. Obtrol^l Jiurfürft ^ol^ann Don ©ac^fen unb Sanb^
graf ^i^ilij)!? bon Reffen, bie §äut)ter ber eDangelifc^cn ^artei, noc^ nic^t anh>efenb hwren,
^el biefelbe hod) für bie ©ac^e ber SRef orm nic^t ungünftig au«. 3Kan einigte ftd^ ju einem
am 30. ^unx ben ©täbten mitgeteilten SSorfcf^lagc, nac^ toclc^em man ftc^ jn>ar mit ber
35 ^Beibehaltung ber lüol^l^ergebra^ten c^riftlid^en ©ebräuc^e eiuDerftanben erflärte, aber au(B
trofc be« anfänglichen 2ßiberf})ruc^« ber 8ifd;öfe »erlangte, baft über bie Sefeitigung ber
lirc^lic^en 3Jlifebräuc^e Der^anbelt loerbe. 5Rod^ günftiger lautete bie StntVüort ber©täbtc,
bei benen bie ®efanbten ber cntfd()icben eDangelifd^en ©täbte ©trafeburg, 9iümberg unb
Ulm bie fü^rcnbe SRollc fj)ielten. 3!)icfelben erllärten bie Durd^fül^rung be« SBormfcr
40 (Sbiftö für unmöglid^ unb bemerften, bie U)ol^l^ergebrad^ten d()riftlic^en Übungen müßten
aHcrbingg in Äraft bleiben, U)eil c« feinem 9Kcnf^en julomme, in unferem auf ß^ftu^
unb fein SBort gegrünbeten ©laubcn eine 3lnberung Dorjune^men. SOäo^ll^ergebrac^t
fönnc man aber bod^ feine Sräuc^e nennen, h?elc^e bem ©lauben an G^riftu« unb feinem
^l. Sporte jutoiber feien unb burc^ bie bie ß^riften Don ©ott lüeg unb auf menfc^Iic^en
45 2Bi| geführt h?ürben. ©olc^e Übungen tonne man nid;t beibehalten looHen. ©e^^ü*
mü^e über bereu Slbftcllung b(!xatcn h^erben. 3lm 4. ^ulx lüurbe biefe Slnttoort ber
©täbte ben fürftlic^en Kurien mitgeteilt unb machte auf fie einen folc^en ©inbrurf,
ba^ ftc ungeachtet besl 6inf^)rud()« ber ©eiftlid^en al^balb unDeränbert angenommen tourben.
Unb nun U)ä^lte jebe« ber brei Kollegien, ba« furfürftlid()e, fürftlid^e unb ftäbtifc^c, für
60 fid^ einen Stuöfd^ufe, ber bie abjuftetlenben iRi^bräuc^e Don ben beijube^altenben guten
Uebungen fc^eiben foHte. 2)erfelbc 9leic^«tag, ber berufen U)orben toar, um bie 3?er-
nid()tung ber lut^erifd()en ©efte Dor^ubereiten, \(i)'\cn ju einem ®eric^t«^ofe über bie fittf»-'
Helfen ^i^bräuc^c gch^orben ^u fein, ©tatt Sutl^er« unb feiner Sln^ängcr h>urben feine
©egner auf bie 2lnflagebanf Dcriüiefen. Die alten 33cfd()h)erben gegen bie ©eiftlic^Ieit unb bie
66 J)ä)3ftlid^c Kurie iourbcn U)ieber l^erDorgcl^olt unb bie antirömifc^e ©timmung be« grollen
3;eilö ber beutfcl^en 9?ation trat offenfunbig ju 2^age. SBelc^^e ©tärfung mufete biefe
©tröinung crft erfal^rcn, al« am 12. 3uli Sanbgraf ^^ili>)}) in ©Jjeier eintraf unb ibin
am 20. 3uli Kurfürft 3ol;ann folgte! ©egenübcr ben Sünbniffen ber tat^olifd()en gürften
l}aiim fid) 'iji^ili^^ unb Qo^ann burd; einen ©nbc gcbruar 1526 ju ©ot^a gefc^loffenen,
60 am 2. SWai in lorgau unterjeid^neten Vertrag eng Derbünbet. 2)em Sorgauer Sunbc
Stifter, 9let(^9tage 591
\vaxm bann am 12. ^unx inSWagbcbutg noc^ anbete gürftcn beigetreten, n>el(^e entjcl()Ioffen
h)aren, bie eöangelifcl^e Sffia^r^eit offen ju betennen. Unb pe traten baö in Sjjeier mit
aDer ©ntfc^ieben^eit. 33or ilj^rer äbreife bal^in l^atten fie eine Drbnung aufgefteUt, burc^
toeld^e il^rem jal^Ircid^en (Sefolge bie fonft auf SReid^i^tagen üblid(|e Unmäfeigfcit unb Un«
jud^t ftrengften« Verboten h>urbe. ^n i^ren SBa^jjen über ben Sporen i^rer Slbfteig« 5
quartiere unb an ben SiDreen il^ren SJiencr liefen fte jur öffentlichen Segeugung i^rer
©efmnung bie Sud^ftaben V. D. M. I. E. (Verbum Domini manet in Eternum)
anbringen. 3^re Sßrebiger ®eorg 6j)alatin, 3«>1^ö"" ägricola unb Slbam Ärafft Don gulba
J)rebigten, ate il^nen bie Überlaffung einer Äirc^e Derh>eigert h>orben h>ar, unter aufeer*
orbentlid^em S^lan^ be^ auc^ au^ ber Umgebung l^erjuftrömenben Solfö abtDed^felnb 10
täglidS^ einmal, an geiertagen jlüeimal in ben §öfen il^rer SBo^nungen unter freiem
^immel. 3lu(| jal^lreid^e dürften unb SSome^me, foh>ie ©eiftlic^e ber ©tabt nal^men an
biefen ®otte«bienften teil, toäprenb ber 3)om, in toeldj^em gaber unb ein granji^Ianer^
mönd^ j)rebigten, jiemlic^ berlaffen blieb. 2)ie firc^lid(ien gaftengebote beadj^teten bie eban?
gelif^en gürften nic^t unb liefen, oblüo^l bie faiferlidj^en Äommiffäre fie erfuc^ten, eö ju is
unterlaffen, öffentlid^ an greitagen unb ©ami^tagen auf i^ren lafeln gleifd^ auftragen.
3)iefe entfd^iebene Haltung berfelj^lte ibre ©irlung nic^t 5RodS^ auf leinem SReic^ötage lüar
fo freimütig lüiber 5Pat)ft unb Sifdj^öfe gerebet h>orben. ©4on \pxad) man Don einem
S3unbe bon melf^r alö fünfje^n gürften, bie ba« ßbangelium ^jrebigen laffen tDoDten.
Unter biefen Umftänben fmgen bie ®egner an fleinlaut ju lüerben unb Dermoc^ten 20
in ben brei 3(u^fc^üffen mit i^ren Slbftc^ten nic^t burd^}ubringen. ©elbft ba^ ©utad^ten
be^ fturfürftenrate« gebac^te be^ SQäormfer ßbift« nic^t. S)er fürftlid()e älu^fc^ufe h>ieber=
l^olte itoax bie SRümberger gorberung, bafe Sottet Säort nac^ Slu^legung ber bon ber
Äirc^e angenommenen Se^rer berfünbigt h>erben folle, fügte aber in edj^t ebangelifc^er SBeife
bei, bafe eine Schrift immer mit SSergleic^ung anberer ©c^riftfteDen ju erläutern fei. 2)od^ 25
foKe man babei nic^t neue Slu^legungen aud bem ^ebröifc^en unb gried^ifdj^en ^q^e bei«
bringen. 3)ie fieben ©atramente unb bie lateinifc^e 3Keffe tooDte ber Slu^fc^ufe jh>ar
beibehalten h?iffen, erf lärte aber bod^ bie 3Serlefung ber ©bift^ln unb Stoangelien in beutfd()er
©Jjrac^e für tDünfc^en^lüert. Sludj^ bie gwl^ffung ber ^jjrieftere^e unb be« Saienleldj^«, fo=
h)ie eine ßrmäfeigung ber gaftengebote tourbe ate erftreben^toert bejeidj^net. 6ine noc^ so
freiere ©J)rad^e führten bie ©täbte. Dbh>o^l enl(^erjog gerbinanb am 28. ^uli bie
©täbtegefanbten befonber« ermahnt ^attt, bem SBiuen be« Äaifer« nidj^t gu lüiberftreben,
fteDte ber ©täbteau^fd^ufe noc^ toeiterge^enbe gorberungen. 6r beanfjjruc^te für bie
U>eltlic^c Dbrigleit ba« Siedet, untaugliche $faua ju entfernen unb inxd) anbere ju er^
fc^en, fotoie über gaften unb geiertage Serfü^ung ju treffen, ßntfc^ieben erllärte er ftd^ 36
gegen bie Settelmön^e, beren Älöfter aUmä^lic^ ju ©unften bei^ gemeinen Stlmofenö ein«
jujiel^en feien. Überatt foDe man ba^ ßöangehum frei Jjrebigen laffen unb ei^ über«
|auj)t jebcm ©tanbe freiftetten, h>ie er e« bi« ju einem freien Äongil mit ben geremonien
^Iten tpoUe.
3)aö fürftlid^e ©utad^ten h>urbe an 30. 3uli ben ©täbten befannt gegeben unb ju= 40
gleid^ jur Weiteren Beratung ber ©ac^e ein „großer Stuöfd^ufe" beftetlt, in h>eld^en auc^
bie ©täbte jtDei 3Witglieber berorbneten. Seborbiefer aber feine I^ätigteit begann, trat ber
erg^erjog Iplö^lij^ mit ber gorberung l^erbor, fid^ in biefc Beratungen ni^t einjulaffen,
ba eine ben ©tänbcn nocl() nic^t mitgeteilte faiferlidj^e 9?ebeninftruItion alle berartigen
Scfc^lüffe bor bem ftonjil Verbiete. SJiefelbe h>urbe am 3. Stuguft ben Derfammelten 46
©tänben jur Äenntni^ gebrad^t unb entl^ielt in ber 2:^at ben au^brüdtlid^en S3efe^l, in ber
„furjcn ^zW* bx^ jum Äonjil nic^t« borjunel^men, toa^ bem c^riftlidj^en ©lauben, bem
alten genommen unb ben Einrichtungen ber Äirc^e juh>iber fei, bielme^r bem SBormfer
aWanbate einfach nac^jutommen. SBenn gerbinanb biefeö bom 23. ÜBärj 1526 batierte
©cbriftftüdt bi^^cr jurüdE gehalten ^atte, fo tl^at er bie^ offenbar in ber Slbftc^t, ben ©tänben 60
ben ©(^ein einer freien Setoegung j^u beloa^ren, unb in ber §offnung, bafe bie fc^on in
ber ^ropofition Har genug auögefjjroc^ene SßiUenömeinung be« Äaifer^ genügen U>erbe,
um ben 9leid()^tag t)on berartigen S5efd()lüffen jurüdtju^alten. äte er aber nun erlannte,
ba^ biefe Hoffnung fic^ nid()t erfülle, 50g er jenen SBefel^l ^ert)or, um alle Weiteren reform^
freunblic^en Sefc^lüffe ju berl^inbem. 50
35er erfte ßinbruct be« Sorbaltö ber laiferlic^en Äommiffäre U>ar Derblüffenb.
SDBäl^enb bie eifrigen Äat^olifen t>axa\x^ neue Hoffnung fc^ö^ften, Dema^m fte bie mtf)x^
l^eit ber ©tänbe mit ©taunen unb UntpiCen, ba fie baburd^ ben §auj)tjh)ec! be^ Wid)^--
tag« vereitelt fa^. ©c^on rüfteten fic^ Diele jur 3lbreife unb lonnten nur mit 9)iü^e
burc^ ben Srj^erpg babon abgel^alten roerben. Über bie auf bie SRitteilung ju erteilenbe eo
592 Sptitx, 9Iet(^9ia||e
3tnth)ort Der^anbeltcn junäc^ft bic fürftlid^en Äutien. 3" Reiben lam cö längere ^Ät
lu tciner ßinigung. enbli4> griff man im Äurfürftentate, nac^bcm bei brei erfolglofen
Slbftimmungen brei reformfreunblic^e gegen ebenfobiele gegnerifc^e (Stimmen geftanben
i}aiUn, auf Slnregung be^ ©rjbifc^ofö bon Irier ju einem bann auc^ öon ber J&älfte bc^
6 gürftenrat^ gebilligten 3tuöh)eg. 3Kan fc^Iug bor, ben Äommiffären gu ertoibem, ^in=
fidj^tiid^ ber ©laubenigfrage tüerbe getoife jeber Stanb i^re^ anbringend eingeben! fein
unb ftd^ „fo galten unb beme^mcn laffen, h>ie er ba« gegen ©Ott, auci^(!) laiferlicbe
^Kajcftät unb baig SReid^ getraue ju beranth?orten." SKit biefer nic^t neuen, fc^on am
9. 3«""«^ 1525 bon bem fianbgrafen gelegentlich gebraud^ten SBenbung, locld^e ^ier auf
10 bem SReic^^tag guerft auftauchte, ^offte man über bie ©c^h>ierigteiten ber augenblidlicben
Sage ^intveggulommen unb bie fac^Iicl()e @ntfc^eibung ju vertagen, über h)eld^e je^t .^ur
Einigung ju lommen feine 3tu^fic^t beftanb.
6fg lüar U)ieberum bie Haltung ber ©täbte, toelc^e in biefer fc^toicrigen Sage einen
für ben SReicl()^tag gangbaren SBeg jeigte. Diefelben überreicl()ten mit il^ren ingh>ifcben
16 fertig gefteDten Sefcpmerbeartifeln ben ©tänben eine Eingabe, U>el(^e il^rem greimute unb
i^rer ftaat^männifcl()en 6inficl()t äße ß^re mad^t. 9iac^ aSSicber^olung i^rer Srflärung,
bafe baö SQäormfer 3Ranbat nicl()t DoHjogcn h>erben tonne, bemerlten fie, ber Äaifer müfje ba^
felbft erfennen, menn er jjerfönlic^ antpefcnb h>äre. 3"^^"^ f^'^ ^^^ J)oIitifd^en S8erbäU:
niffe feit bem um me^r al« Dier 3)Jonate jurücfliegenben ©rlaffe jener gnftruftion bun^^
20 au^ anbere geworben. Dl^ne 3^^^f^l iDürbe ber Äaifer i^^uU, tvo ber ^kH)|l fic^ im
Äriegöjuftanb mit i^m beftnbe, anberö benfen, ate bamate. 3!)a« in Sluöfic^t gefteflte
Äonjil tüerbe auc^ in abfe^barer 3^'* Ö^^ "'^^ jufammentreten lönnen. 2)ie Stäbtc
fd()Iugen be^^alb bor, bem Äaifer burc^ eine Sotfc^aft SBeridj^t über ben ©tanb ber
35inge im SReic^e ju erftatten unb i^n um S3eU)itIigung ber in Siümberg befc^loffcncn,
25 bon i^m berbotenen 9Jationa(berfammlung, fotbie um ©ue^jenfion be^ Sffiormfcr ßbih^
5U erfuc^en.
3n ber I^at ^atte ftd^ bie politifd^e Sage in ben legten SKonaten böttig geänbert.
ßlemene VII., bem feine ^ntereffen in 3;tali^n me^r am §erjen lagen, ald bie Sctba^g
ber (Sinigteit mit bem Äaifer jur ©r^altung be^ alten (Slauben«, l^atte ben Äönig gran^;
30 bon feinem 6ibe entbunben, jum neuen Äriegc gegen Äarl ermuntert unb am 22. 3Rai
mit granfreid^, Senebig unb S'^orenj h?iber ben Äaifer bie „^eiligfte Siga" bon ßognac
gefc^loffen. ©c^on lagen bie laiferlidpen unb J)ä^ftlic^en S^rujppen aegen einanber ju ^vclbc
unb e^ tbar jtbifd()en beiben bereite gu einem blutigen 3wfammenfto6e gelommen. äucfc
in ©peier loar bieg befannt geioorben unb eig erfc^ien be^l^alb burc^auig glaublich, bü|,
35 n)ie man fic^ erj^äl^lte, ber Äaifer feine ©timmung geänbert unb nac^ ben 9iieberlanbcn
bie 3Beifung erlaffcn ijaU, in ©ad^en beö ©laubenig ,,fäuberlic^ ^u t^un." — 2)ie ben
3;^atfac^en burc^au^ entfjjred^cnbe l^orfteUung ber ©täbte berfe^lte i^re Slöirlung ni(6l.
©^on am 5. 3luguft na^m juerft ber grofee 2tu!gfd()u^ unb bann ber SReid^tag ben
^orfd()lag einer ©cfanbtfc^aft an ben Äaifer einmütig an. Über bie ben ©efanbten ju
40 erteilenbe 3"f*^"t^ion Jburbe bann im 2lugfd()uffe am 7., im^!)Jlenum am 12. äluguft Der-
l^anbelt. ^ic enbgiltige geftftcHung bcrfelben erfolgte nac^ Übertoinbung einiger bon ben
©eiftlid^en au^gcl^cnben ©d^toierigfeiten am 21. äuguft. 311^ ?!Ritglieber ber 93otf4afl
iburben neben bem 2luggburger 2)om^ro>)fte 3)larquarb bon ©tein unb bem ftreng
fatl^oUfc^cn '^ol). %abtx and) ©raf 3tibrcc^t bon OTanefelb unb ^alob ©tunn bon StraB-
45 bürg beftimmt. 2)icfe ©cfanbten foHten na6) il^rer ^nftruftion ben Äaifer baran erinnern,
lüaö fic^ in ben legten '^al)xm im Slcid^c toegcn be^ ©lauben^itbiefjjalt^ zugetragen 6ak
3luf bem Sleic^^tage l)abc man fic^ nun, bem faiferlid;en Sefe^fe gel^orfam, jeber Sefc^Iufe-
faffung in ber ©lauben^fragc enthalten. 5Rad^bcm aber ein Seil ber SleidS^öftänbe ber bi«f»er
geübten Äirc(}enlef;re unb bercn 3^^^^"^onien, ein anberer aber einer Se^re unb 3^re"^ö"^^
60 anl^angc, bie il^re^ Qxad^Un^ au6) d^riftlid() feien, unb jeber 2;eil feinen 3Beg für bic
c^riftli^e Söa^rl^eit ^alte unb babei beharren tboÖc, tonne ^ebe unb ©inigleit im SReid'C
nic^t bcffer ge^jflanjt ioerben, al^ burc^ ein frei ©eneralton^il ober toenigften^ eine 9Jational'
bcrfammlung. "De^l^alb follc ber Äaifer gebeten ioerben, fo balb möglid^ nad^ S)cutfd»=
lanb JU fommen, ioo burd^ feine ©cgenmart lüo^l guter tröfllic^er SRat gefunben tocrbc.
66 ferner möge er baran fein, bafe gum fürbcrlid;ften, fjjäteften^ nad^ anbert^alb S^^ren ein
fiemein frei Äonjilium in beutf^en Sanben ober, ibenn baö nid^t ^u erreid^en fei, eine
reic DJationalberfammlung aller ©tänbc beutfd;cr 3Jation borgenommen toerbe, bei ber
ber Äaifer aud; in ^!J.^erfon erfd;cincn möge. 3!)ie 25oUftredung beg SBonnfer @bite,
h?eld;eg nid^t überall |abe au^gefül)rt ioerben tonnen, möge ber Äaifer in Slnbetra^t ber
60 „fc^meren Saufe biefer S^'it", fo biel bie ©träfe be^felben belangt, „gnäbiglid^ in %x^
<Bptitt, 9tcid)dtage 593
ftctten." SDaig merbc o^nc 3*^^iM großen (Sc^orfam beh?irfen unb ju griebe unb eimg?
feit l^öc^ft bienlic^ fein, ©nbliclj) foHten bie ©efanbten noc^ Don bem ju ©r^altung be^
grieben^ unb SSetJ^ütung lünftigen äufru^rö gefaxten einmütigen Sefc^luffe be« Sleic^^s
tag^ 3Kittcilung mad^m, nac^ h?elc^em fic^ bie Stänbe bereinigt f)ätim, ,,mitt(er 3cit beö
Jlomilii ober aber 9iationalDerfammlung nicl()tgbeftoU)eniger mit il^ren Untert^anen in 6
Sachen, \o baö ©bitt, burc^ Iaijerlicl()e 3)Jaieftät auf bem SReic^etage ju 2Borm^ au^s
gangen, berül^ren motten, für ftc^ alfo ju regieren unb ju l^alten, h)ie ein jcber Sold^eg
gegen ®ott unb laiferlid^e SMaieftät l^offet unb vertrauet ju öerantioorten." 3)lit biefem
SSJortlaute mürbe ber ©a$ auc^ in ben SReic^ötagöabf^icb aufgenommen, tpele^er am
27. Sluguft unterzeichnet h>urbe, nadSfbem fianbgraf W^^^P f^^n am 22. unb iturfürft lo
3io^ann am 25. Sluguft Don Sjjeier abgereift ioaren. 2)erfelbe fanb auc^ bie 3uftimmung
bc^ ©rj^erjog^ gerbinanb, W^ld^zx, tnxd) fcl()limme 9Jaci^ric^ten über ben (jinbruc^ ber
dürfen in Ungarn beunrul^igt, bie ©tänbe am 17. Sluguft bringenb ju rafc^er ßrlebigung
ber (Sefd^äfte aufgeforbert bait^. Unter auöbrütflicber Berufung auf bie il^nen au^gefteDte
SJoHmac^t erflärte er mit ben übrigen taiferlic^en Äommiflären „Don römifdj^er taiferlic^er i6
3Haieftät tpegen", ätte^ unb 3ebe^, ioaö in bem Stbfc^ieb fte^t „unb faif erliefe 3)Jaieftät
berühren mag", feft, unDerbrü^Iic^ unb aufrichtig ju galten unb ju DoUjie^en.
?!Jlit ben örgebniffen be^ SReic^^tag^ tonnten bie ^reunbe ber SReformation jufrieben
fein. SDie fcl()Iimmen Slbfid^ten i^rer SBiberfac^er U)aren, nid^t jum U>enigften infolge ber
öerblenbeten ^olitil be^ ^ßo^fte«, vereitelt tüorben. 35ie 9Joth)enbigIeit einer SReform toax2o
burd^ bie 3Bieberl^o(ung ber Sefc^toerben U)iber bie ©eiftlic^feit unb bie einftimmige gor«
berung eine^ Äon^il^ Don neuem anerfannt tvorben. $ierju !am jene Seftimmung,
toelc^e bem Sleid^^tage feine bleibenbe gefc^ic^tlid^e Sebeutung gab. Über ben Sinn unb
bie S^ragioeite berfclben beftel^t 9!Keinung^berfcl(^iebenl^eit. SBöi^renb SRanle in i^r „bie
gcfe^licl()e (Srunblage ber Sluöbilbung ber beutfc^en £anbe^Iircl()en" ertennt unb bem Steic^^^ >o
tage bie Slbfic^t jufdj^reibt, „jebem 9leicl()^ftanbe in §infic^t ber SReligion Slutonomie ju
geloäl^ren", bemerlt S^^ff^"/ ^^fe "^4^ "^^^ SBortlaute beö 3lbfcl()ieb« bon einer „red()tlicl()en
^Jtnerfennung be^ lerritoriallirc^entumg" nic^t bie SRebe fein tonne. (Setoi^ infofem
nidbt mit Unrecl()t, a(g feine^toegg bie 2lbfic^t beftanb, einen bleibenben SRed^tö^uftanb ju
fc^ciffen, nac^ U^elc^em jeber SReid^i^ftanb Don nun an befugt fein foüte, in feinem Oebiete ao
in ©lauben^fac^en nac^ feinem ©efatten ju Verfügen. 2)a^ er^eÜt fd^on au^ ben Um^
ftänben, unter benen bie Älaufel entftanb, unb au^ ber jeitlic^en Segren^ung i^rer (Siltig*
feit bi^ jum Äonjil, toeld^e^ bie enbgiltige 6ntfd()eibung treffen foHte. Stuc^ ber §intoei^
auf bie SeranttDortung Dor bem Äaifcr l)aiic bei beffen befannter ©efmnung eine fe^r
tüefentlic^c Scbeutung. 2)er Sj)eierer älbfc^ieb brachte feinen bauemben grieben^fc^Iufe, 35
fonbern, ioie ^riebenßburg fagt, einen „SBaffenftiUftanb, h)ie er burd^ bie Sage ber 2)inge
geboten fd()ien", eine 3Sertaguna ber fd;liefelid()en 6ntfd()eibung, burd^ Wili^t man über bie
25erlegen^eiten ber augenblictlic^en Sage jj^intoeggufommen l^offte. 9lber auc^ Staute l^at
bag geloife nic^t Derfannt unb nxd)t be^au^^ten troDen, bafe burc^ ben 2lbfd()ieb ein für
äße 3wtunft geltenber rcd^tlid()cr 3"P^"^ herbeigeführt tüerben tooHte. SQäenn er aber -u)
bei feinen 3tuöfüf)rungen nic^t an bie formale SRec^t^lage, fonbern an bie gefd()ic^tli(^cn
folgen backte, U)elc^e ber ©peierer 2lbfd()ieb tl^atfäd^lid^ nad^ fic^ jog, fo entbehren bie^
fclben nid^t ber Sered^tigung. 2)enn bie Don bem Sleid^ötage in^ Sluge gefaxte enbgiltige
^Regelung ber religiöfen §rage blieb au^, 2)a^ Ronjil tam ebenfo tocnig toie bie 9tationals
Derfammlung. 2)ie ®efanbtfc^aft an ben Äaifcr fam nic^t ju ftanbe unb tourbe am 45
27. ÜJJai 1527 burd() biefen au^brücflic^ Derbotcn. 3!)a tonnten fic^ bie eDangelifd^jen
©tänbe burd() ben 3tbfd^icb in ber I^at für berechtigt halten, in i^ren ©ebieten nicl[|t
bloft bie bereite eingeführten Steuerungen in ©lauben^facpcn beizubehalten, fonbern and)
weitere inö SBert gu fe^en. 3)enn fie toaren überzeugt, bamit nur i^re ^flid^t ^u erfüllen
unb ©otte^ SBiUen ^u t^un, unb be^^alb bic^ jeberjeit Dor ©Ott ju DerantU)orten bereit, oo
i^on 3tnfang an ftanb i^ncn biefe Sted^enfd^aft Dor ©Ott in erftcr Sinie. ^n bem erften
©utac^ten be^ großen 3tu^fd()uffe^ ioar bic^ mit ben, erft nac^träglid() geftric^encn, äBorten :
„gegen ©Ott juDorab unb barnad() gegen faiferlid()e aRajeftät" audbrüdflic() au^gefproc^en
njorben. 9lud^ bie Seric^te über bie Slnna^me jener ^'^^"^^'^ la^'icn feinen 3^^if^^
barüber, bafe man ben ©inn berfelben allgemein fo auffaßte. ©0 fd^rieben am 6. 3luguft 60
bie furvfäljijclicn ©efanbten, man ^abe befc^loffen, bafe jebe Obrigfeit fxd) galten foUe,
toie fie baö i^rer ©etüiffen Ijalben gegen ©ott unb fonft geaen taiferlid()e -iDlaieftät
unb ba^ SRcic^ Dertraue ju Deranth^orten". Unb ber 35enetianer Songin beutet in einem
Sriefe au^ Speier Don 20. 3luguft ben Scfc^lufe gar bal;in, bafe jeber glauben möge,
toad i^m gefalle (che ognuno creda quel li place). S^a^ bie @Dangelifc^en aber Dor eo
VktaUdnc^tlop&hlt für ar^eologie nnb Rixä^t, 8. «. XVUI. <^<^
594 Sputt, 9Ift(49tagc
Oott Dcranttüorten lonntcn, toaxm fie aud^ t)ot bem Äaifct ju öeranttoortcn Gerrit, t)on
bcm fie ftetig nod^ hofften, bafe et ju bcfferet ßinfic^t lommen unb il^nen ntc^t t)crti>e^
toetbe, toa^ 'if)x (Selüiffen il^nen gebiete. Slufeer bem Äaifet ober, beffen Stbtoefcn^t
t)om 9{eicl^e t^nen ftetö bie SRöglidpIett offen lie^, ftd^ t)on bem fc^le^t unterrui^teten
5 Äaifer auf ben beffer ju unterrid^tenben ju berufen, toax a\xä) na^ bem ftrcngften SBort*
laute ber Älaufel lein SMenfd^ bered^tigt, fie über i^r SScrl^alten mm 3Sormfer ©bitt jur
Sled^enfd^aft ju jiel^en. ©o tourbe in ber %\)at ber ©peierer S3ef(^Iu^ Don 1526 bcr
tl^tfäd^Iic^e SRed^tgboben für bie nun betoirften h)eitcren SReformen ber eiKingcUfc^en ©tanbe.
2BeiI berfclbe aber jugleid^ auf eine einl^eitlid^c Söfung ber religiöfen grage toorcrft tKt-
10 jidj^tete, tonnten ft^ bie latl^olifd^en ©tdnbe bei il^rer Unterbrüdtung bed Stoanaelium^
ebenfatt« auf benfelben berufen, ^nfolgebeffcn batiert h>irllid^, h>ie SRanfc bemcrn, t)on
biefem Sleic^^tage bie ©J)altung ber beutfd^en 9iation in religiöfer ^infic^t unb toir fmb
beredj^tigt; il^n mit Aöftlin aU ba$ toic^tigfte Sreigni^ für bie äußere Snttutdelung ber
Sieformation feit bem ßrlaffe bed SQäormfer Sbittig ju bejeid^nen.
15 2. 1529. 3.3. Mütter, ®cf*. üon ben eo. ©tänbe ^rotcft. 2c., 3cnal705; Xtttmann,
S)ic ^rot. b. CD. ©täube auf bcm 3flci(^gt. ju ©pcier, ficip5igl829; «-Sung, ®cfd). b. SJcic^t.
juSp., ©troftb. 1830; 3. ^tX), ®efd). b. mmt ^u ©p. im 3. 1529, ^mb. 1880; bcrf., S)ic
^roteft. b. CD. ©t«nbe ju ©p. 1529, ©attc 1890; G. ©cujcr, 3)ic ^rotcftation t)on Sp., »cu:
ftobt n. ^ 1904. — Srcrucr oufecr ©Iciban u. ©ccfcnborf bie erwähnten ©erfe üon ©uc^olß
20 III, 391 ff., SRommcII, 233 ff. unb II, 213 ff., tcim86ff., ßorocrau90ff., 3onffcn III, 130 fr..
aRaurenbrc(^ev 273 ff.. C>efclc=©crgcnröt&er IX, 568 ff., (Sgel^aof II, 85 ff. — «ftcn u. «riefe
beifiünig, 3BaId) XVI, 315 ff., ^uQer, 3ung unb <«el) 0. o.O., J. 5)obeI, ^KinÄ ©Ringer Quf
b. SRcic^St. i^n ©p. 2C., 9(ugdb. 1877, im CR I, 1038 ff. bei SSircf I, 319 ff. 9tuc^ einige bie-
der unbenü^te arcbioaüfc^e 92ott^eu fu^b uerroertet. ^ie ^Blppetfationdf^rift neueftend bei
25 3 91et), 3)ie ^tppcüation unb ^roteft. bev et), ©tänbc 2c., ßeipi^ig 1906 (in bcu Ouettcnfdjr.
jur ©efc^. be8 $rot. ^. 5). ßur Beurteilung bcr ^ßroteftation ogl. 3R. ©alt^cr, gür äut§er
Wibcr 9»om, ^ttc 1906, ©. 321—334.
3?od^ bro^enber algl526 h>ar bie l)oIitifd^e Sage für bie SDangelijdS^en anfangt 1529
geworben. Äaifer unb ^ccip^i ftanben h>ieber in gutem 6inDeme|men unb ^tten bie
30 Ser^anblungen bereit« eröffnet, tüelc^e am 29. 3uni 1529 in bem ^neben toon Sarcelona
i^ren Slbfc^lufe fanben. Äarl V. tt>ax fefter ate je entjc^Ioffen, „ber öer))eftenben Äran!=
l^eit be« Sutl^ertum«" nötigenfati« auc^ mit ®eh>alt entgegenjuh>irfen, unb fein Sruber
gerbinanb, ber injh>ifc^cn Äöni^ bon Ungarn unb Sö^men getüorben h>ar, teilte feine
©efmnung. Durc^ baö übereilte 33orge^en be« fianbgrafen HJ^ili})^) in ben ^cfficn
35 ^änbeln erbittert, \vaxm Diele fat^olifd^e ©tänbe ebenfall« ju entf^iebenerem SJorge^en gegen
bie Sieformation geneigt. 9)ie eöangelifd^en ©tänbe U)urben mit ber Ungnabe bc« 5laifer§
gefc^redt. Sil« um biefe3«t bie ©täbte Strasburg unb SKemmingen bieSRcffc abfc^afften,
tDurbe Strasburg burd^ ba« SReid^^regiment ernftlid^ft öertüarnt, ber SJertreter Don ilJein--
mingen aber im gebruar 1529 au^ bem fc^U)äbifc^en Sunbeörate au^geftofeen. 9Son bem
40 am 30. 3loi)cmber 1528 nad^ ©^eier anberaumten neuen 5Heid^«lage U>ar be^^alb tocnig
©Ute« 3u erlüarten. 3lad) bcm 3lu«fd(^reiben foHte auf il^m aud^ barüber toerbanbelt
toerben, h?ic bi« gu bcm bon neuem in Slu^pc^t geftettten Äonjil „bie S^f'^"^ ""^
^tüeiung im ^eiligen (Slauben in Slu^e unb ^rieben gefteHt" Serben möge. 393ie bcr
Maifer aber biefe 3tu^e b^Ö^ft^Dt feigen U)oflte, mar au^ ber $roj)ofitton ju erfebcn,
45 tpelc^c bie faiferlic^en .^ommiffäre, an beren ©J)i^e lieber gerbinanb ftanb, bei ber öt-
Öffnung bc« Skcic^^tag« am 15. ^Rärj 1529 ben ©tänben mitteilten. ^ ungetoöbnlicb
fc^roffer ^orm lüurbe barin ba« 3Ki^fattcn be« Äaifer« über bie in 2)eutfc^lanb ent-
ftanbcnen unb täglich tDcitcr ausgebreiteten berberblic^cn Seigren unb ^xx^ak audgefprot^en,
burc^ h)eld;e nid^t nur bie löblichen ©ebräuc^c ber Äirc^e, ®ott ju ©c^mac^ unb Unebrc,
»0 beräc^tlic^ gemacht, fonbern aud) fc^toere (Smjjörungen Derurfac^t toorben feien. 2*er
ßaifer gcbenfe bem nic^t länger ^ujufe^en. 35a« Äonjil j^abe bi«^er nod^ nic^t berufen
lücrben fönnen, tDcrbc aber je^t „jum e^eften" au«gcfd()rieben tücrben fönnen, ba audi
ber '^a'p^i e« gerne förbem h)erbe. 35i« jum Äonjil aber Verbiete ber Äaifer bei ftrengfter
©träfe, bei be« JHcic^e« 9lc^t unb Slberac^t, irgenb jemanb, altem §erIommen jjutoibcr,
56 mit einjie^ung geiftlic^er unb loeltlic^er Dbrigfeit ju Dergeloaltigen ober ju unrechtem
©lauben ju herleiten, ßnblic^ U)urbc bemerft, au« ber befannten Seftimmung be« legten
©Jjeicrcr Slbfc^ieb« fei „grofjer Unrat unb ^Kifebcrftanb lüiber unfern ^eiligen d^riftlicben
©laubcn" gefolgt. SDer Äaifer l^cbe benfelben be«^alb ^iemit auf, laffiere unb toemid^tc
il^n au« faiferlic^er WacbttJoHfümmcn^eit unb bcfel^Ie ben ©tänben, an ©teile jene«
60 3trtifel« bie erlüä^nte in bcr ^rojjofttion enthaltene Seftimmung ju fe^en.
Dffm 3^^'f^l 1^8 ^i^i" ^i"^ Überfc^reitung ber SBefugniffe be« Äaifcr« unb ein
Stifter, Sleif^dtage 595
ßingriff in bte Siechte ber Stänbc. 9ia(^bem bct le^te 3tbfcl^icb in aller ^orm Mec^tcn^
bcjc^Ioffen unb bon bcn SSoHmac^tträgem be« Äatfer^ in beffen 9?amcn angenommen
tüorben U)ar, ftanb c^ bem Äaifer toeber ^u, i^n einteilig auf ju lieben, noc^ benStänben
ju befehlen, lüa^ an beffen ©teDe ju fe^en fei. 5Ricl()t nur bie entfcl()iebcn (Sbangelijc^en
erlannten be^^alb bie ^orberung ber ^^Jro^ofition als unannel^mbar, fonbern auc^ ge« 5
mäßigten Äat^olifen erf^ien fie bebenflic^. 3luf bem SReic^Stag ^atte freiließ bieSmal bie
ftreng lat^olifd^e Partei tpeitauig bie SWe^rl^eit. 3Känner h?ie Äarbinal 2ang bon ©alj«
bürg, Slbt ©ertüig bon SQäeingarten, Dr. 3[o|flnn ^Jaber unb ber baierifd^e Äanjler Seon^arb
bon (Sd Ratten bie gü^rung unb aud^ milber Denlenbe folgten i^rem ©influffe. ©c^on
am IG. Wiäxi fd^rieb beSI(^al6 3j«fcb ©türm nad^ ©trafeburg: „Seforg, lüie x6) bie ^ßer« 10
fönen, fo ^ier [xn\>, anfe^e, eS toerb nit biel ju erlangen fein. In summa, Christus
est denuo in manibus Caiphae et Pilati". Unb ber SWemminger Stbgeorbnete
AjanS e^inger Ilagte am 25. 3Rärj, h?ie Dr. ®tf ben fd^toäbifd^en Sunb regiere, fo
regiere er auc^ mit Dr. %ab^ unb bem äbt bon SBeingarten unb i^rem Sln^ang ben
Sleic^Srat. 15
3unäc^ft trat freiließ biefeS Übergeh>ic^t ber altgläubigen nid^t offen l^erbor. ^n
ber gleiten ©ifeung ber ©tänbe am 18. SDlärj gelang eS fogar, gegen ben 3Q3iberfj)ruc^
ber ©eiftlidj^en oie Seftellung eine« „großen 3lu«fc^uffeö" jur 35orbereitung ber SReic^Stag^s
befd^lüffe burd^jufe^en. Sei ber SQäa^l beSfelben ftellte fid^ aber ^erauö, toie ioenig bon
bem JHeic^ötag ju hoffen toar. Son ben 18 3Kitgliebem be« Sluöfc^uffe« h>aren nur 20
Äurfürft Sodann oon ©ac^fen unb bie SBertreter ber ©täbte, ^aloi ©türm bon ©tra^«
bürg unb ^oij^ann S^e^el bon SRürnbcrg, ebangelifc^. ßinige anbere neigten jur 3?ers
mittelung, aCe übrigen gehörten lüie gaber unb ®cf ju ben entfc^iebenften ©egnern ber
^Reformation ober folgten boc^ ber gü^rung biefer ?!Känner. ©0 brangen benn „bie
Pfaffen", h)ie fie ber ^fäljer ^letfcnftein nannte, tro^ be« SGBiberfJjrud^«; ber ebangelifdjien 25
•äRitglieber im äuSfc^uffe mit i^ren Sorfd^lägen burd^. Sc^on am 22. 9Kärj bcfd^lofe
berfelbe mit ©timmenme^rl^eit, bie Slufl^ebung ber belannten Seftimmung be« legten äbs
fd^iebS unb bie ßrfe^ung berfelben hnxd) bie in ber ^rojjofttion geforberte ju beantragen.
9Jur foHte biefer Slrtilel „ni(^t fo l^art", h>ie in ber Vorlage, fonbern „gemitbert" an bie
©tänbe gebrad^t Serben. 3" ^^"^ ©i^ung bom 23. 3Kärj h)urbe ber Slntrag nä^er :ju
formuliert. (Sin 3SermittelungSborfd^lag be« Äurfürften S^l^önn, ber bi« an bie äufeerfte
©renjc be« für ebangclifc^e ©tänbe SKöglid^cn ging, lüurbe bon ber 9Ke^r^eit abgelel^nt.
^lad) iljm foUte ber 3lbfd()ieb bon 1526 ba^in erläutert h>erben, bafe bie bei ber l^cr«
gebrad^ten Äird^enorbnung berbliebenen ©tänbe bis jum Äonjil babei ber^anen, bie
anberen aber [\d} nac^ jenem 3lbfd()icb galten foHten, h)ie fte cS gegen ®ott unb ben .15
Äaifer ju bcranttoortcn bertrauten, ba^ jeboc^ Weitere Steuerung ober ©elten im d^riftlid^en
©lauben aufzurichten bis jum Äonjil fo biet möglich unb mcnfdjjlidj^ ju berl^üten fei. 3)a
bei 2tnnal?me biefeS SSorfd^lagS jebe Ausbreitung ber Sieformation auf nod^ fatbolifdj^e
©ebiete unb ebenfo bie lüeitere SluSgeftaltung ber Sieformation in ebangelifc^en Sanben
auSgcfc^loJfen lüorben h)äre, U)ar beffen 3?erU)erfung burdj^ bie 2luSfc^ufemel(>rl^eit biel^ lo
leidet aucp für bie greunbe ber Sieformation ni^t j|u bebauem. 2)aS ©utac^ten beS
SluSfc^uffeS, h?eld^er in ben näd()ften Sagen nod^ feine Anträge über bie übrigen SReit^«
angelegen^eiten feftfteDte, U)urbe am 3. Stpril ben ©tänben jur ÄenntniS gebracht unb
am G. burc^ bie fiurfürften, am 7. burd^ baS fürftlid^e Äottcgium mit ©timmen«
me^r^cit angenommen. Da aber bie eöangelifc^en dürften bagegen Sefc^toerbe erhoben 45
unb erflärten, fie Jüürben fic^ bon bem borigen 3t6fc^iebe nic^t bringen laffen, gab man
baS Giutad^ten ju nochmaliger ©rträgung unb 3Rilberung einiger SluSbrüdte an benäuS«
fc^u^ ^urüdf, mobei jcbod() bie „©ubftanj" beS ©utac^tenS unberänbert bleiben fotitc.
2)aS führte axii) tüirflid^ ju einer nic^t untpic^tigen Stnberung beS 33or}d^lagS. 3n bem«
felben ^iefe eS juerft, bafe lein ©tanb ben anbem „mit ßntioe^rung ber Obrigfeiten, co
Stent, ^in^ unb ^ertommen Dergetoaltigen" foBe. Da biefe Seftimmung, h>ie bie
faiferli4)e ^ro})ofition auSbrüdtlic^ forbert, auc^ auf bie geiftlic^e Dbrigfeit ju bejiel^en
mar, fo h?äre burd^ fte bie ^«riSbiftion ber S3ifd()öfe aucp über bie ebangelifdj^e ©eiftlid^^
feit irieber^ergefteHt h^orben. SDurc^ ©treic^ung ber SQäorte „Obrigleit unb §erIommen"
tourbe biefer 3:cil beS SlntrageS nun für bie e^angelifc^en annehmbar gemad^t. ©ine t^^^
jtoeite 3tnberung, nai) h?elc^er in ©ebieten, in benen bie anbere ße^re entftanben fei,
niemanb mie bon ber SJleffe, aud; baxu gebrungen Serben foDte, Hang jh>ar fc^r ent=
gegenfommenb, l^atte aber, n)cil [k in tat^olifd^en ©ebieten nidj^t gelten foEte, leine reale
Öebeutung. 2)aS ©xitaAtm in feiner neuen gaffung h>urbe bann am 10. 2l^)ril ben
ftirftlidj^en ©tänben jur ÄenntniS gebrad^t. Dbiool^l ein furfäd^jtfd^ 9lat fofort ertlärtc, 00
596 &ptitx, Stetf^dtagc
ba| fein §en gegen einen folgen Sefcl^Iu| jjroteftieren h)erbe, U>urbe berStntrag in einer
toeiteren ©iftung ^om 12. 2lj)ril mit ©timmenme^r^eit angenommen unb ben ©tobten
burc^ ben 3Kaimer Äanjler jur SBefc^lu^fafJung mitgeteilt.
33i^ bal^in patten bie ©täbte, getreu il^rem ©runbfa^e, bie Sefd^toerben einer einzelnen
6 ©tabt alö gemeinsame ©ac^e aller ju betrad^ten, i^re ßinigleit betoal^rt, obtoo^I nic^t
U>enige unter t^nen marcn, beren 9lat flreng lat^olijc^ h)ar. 3)tejelbe h>urbc äufeerli(^ fogor
noc^ feftge^alten, nacl()bem Äönig gerbinanb am 3. 2lj)ril bie Sltgeorbneten ber fat^oIif(^cn
unb am 4. bie ber ebangelifd^en ©täbte bor ftd^ befc^ieben unb jene burc^ Sobfrrücbe
unb 3?erf})rec^ungen, biefe burc^ H^iö^ 5Borh>ürfe unb 2)rol^ungen mit ber Ungnabc t>k
10 Äaiferg gefügig ju machen Derfud^t l^atte. (So h?ar ein Reichen nicl()t geringen 3)lui§,
bafe fidj^ bie SJertreter ber le^teren, unter benen ftd^ bod^ au^ rec^t unbebeutenbc befanben,
baburc^ nid^t f(^retfen liefen. S^^ob ©türm lonnte bem Äönige in i^rem 9?amen fofott
erh>ibem, fie feien in aßen jeitlic^en 3)ingen bem Äaifer p ge^orc^en bereit; t)on bem
@t)angelium lonnten fie aber um be^ @eU)iffend tviOen mc^t abftel^en. 3luc^ bie lat^o^
16 lifdjjen ©täbte blieben junäd^ft feft. ©ie ftimmten nod() einer am 8. Sl^^ril ben fürftli(^en
©tänben übergebenen „©u})i)lifation" pi, in h?elc^er fie t)erfd^iebene Seftimmungen be^
®utad^ten« ablehnten unb baten, e^ bei ben bemä^rtcn geftfefeungen be^ legten äbf(^ieb^
ju belaffen. 9Jad()bem bie Sleic^^tag^me^r^eit aber i^re JJorfteHung nid^t bead^tet ^ttc,
mußten bie ©täbte nunmelf^r ni bem i^nen afö enbgiltig b^c^loffen mitgeteilten Sefd^luffe
20 ©teQung nehmen. SBeöor jte fic^ aber noc^ barüber äufeem tonnten, trat in jener ©ifeung
öom 12. 3tj)ril ein furfäc^fifd^er 3{ai mit ber (grflärung ^ert)or, bafe Äurfürft ^ofymn
t)on ©ac^fen, 3RarIgraf ®eorg Don Sranbenburg, Sanbgraf ^JJ^ili^j) bon Reffen, ^ürft
SEBolfgang t)on Sln^alt, foh?ie bie (Sefanbten bc^ Jperjog^ toon Süneburg unb be^ Sifc^ofiS
öon $aberborn, enblid^ ®raf ®eorg Don SBert^eim für ftc^ unb anbcre ©rafen bem Se^
25 fc^luffe nid()t jugeftimmt Ratten unb in i^n nic^t eintüilligen fönnten. 5Rac^ lurjer 5Jc=
ratung ber ©täbtegefanbten toieber^olte bann ©türm in beren 9Jamen bie Sitte, e« bei
bem borigen Stbfd^ieb bleiben ju laffen, ba Diele ©täbte ftc^ befi^loert füllen toürben, toenn
bie ©tänbe auf i^rem Sefd^luffe bebarren trollten, ^ci^t geigte e^ fid^ aber, baf; bie ein=
fd^üc^terung!gDerfud()e be^ Äönigg boc^ nid^t erfolglos geblieben loaren, unb ber bi^^er Der-
80 büDte 3*^iefl^ölt wnter ben ©täbten trat offen ui Jage. 9Joc^ bebor ©türm au^gercbct
Ipatte, ergriff ber ©efanbte Don SRotttpeil, Äonrab Wod, ba^ SBort unb erflärte, e« feien aud)
Diele ©täbte Dor^anben, beren SKeinun^ eö nid^t fei, jene Sitte m (teilen. Site bann bie
©täbtegefanbten aufgeforbert h?urben, fic^ einzeln barüber gu erllären, ob fic ben Slbfcbieb
annel^men ober Derh?eigcrn U)oUten, unterlparfen fid^ nod^ am 12. unbl3. 3tj)ril 21 ©täbte
86 bem 93efd^luffe, anbere gaben au^h?eic^enbe 9lnth?orten. 3)ic übrigen ©täbte aber, unter
ibnen a\xd) einige, bie fid^ fpäter ber ^roteftation nid()t anfd()loffen, loie granifurt, ©o^lar,
9(orb^aufen unb ©c^h?äbifd()=$atl, Ratten ben ?Kut, auc^ je^t noc^ il^re SintoiDigung j;u
bem 2lbfd()ieb ju Dertpeigern.
3lod) in berfelben ©i^ung Dom 12. 3t))ril liefeen bie ben Sefc^lu^ able^nenbcn
40 eDangelifd^en gürften unb trafen buxd) ben fä(^fif(|en Äan^ler eine fpäter aU erfte^
Slftenftücf in bie Sl^j^jcHation^urfunbc aufgenommene S3cfc^h?erbcfc^rift Derlefen. ©ie legten
barin eingcl^enb bie ©rünbe bar, au^ benen fie nic^t in ben Sefc^lu^ toiHigen tonnten,
unb baim noc^mate bringenb um beffen 2lbänberung. 2lber bie 5)le^r|eit gab nicbt na*,
©ie lie^ ben eDangelif4)en ^ürften (am 13. 2l))ril) nur mitteilen, [\z l^ätten ben Seftblufe
46 famt ber Sefd()iocrbc ben faifcrlid;en ßommiffären übergeben unb überliefen e^ biefen, ob
fie „Wittcl ^u bequemer iBcrglcid^ung finben mochten", unb ging in ben näc^ften 3:agen
jur 'Beratung unb Scfc^lu^faffung über anbere ©egenftänbe über. 5iod^ immer l^offtcn
bie eDangelifäen gürften, baft auf äJeranlaffung ber faiferlid()en Äommiffäre neue i^ct=
^anblungen mit il^nen angefnüjjft iüürben, um eine i^nen annehmbare Slnberung be»
50 Der^ängni^Dollcn Sefc^luffe^ l^erbcijufü^ren. Slber obioo^l fie be^^alb mel^rmate ibre
SRäte ^u bem i^önig gcrbinanb fcbirften, ivarteten fie Dergeblic^ auf Slnttoort. 3" ^^^^
^artnädigfeit too^l nod; burc^ ben injiüifc^en angenommenen })äj)ftliAen Segaten 3^^^""
i^omag ^icu^, ©rafcn Don ?D{iranbuIa beftärft, ber in einer feierlidpen Sleid^ötag^fi^ung
am 13. "^pxxl bie Berufung eine^ ©encralf onjite für ben näc^ften ©ommer (I) |;ufagte,
65 liefen bie faifcrlic^cn Sommiffäre bie Sitten ber bef4)h?erbefül;renben gürften DöUig un=
bead()tet.
©nblid; am 19. Stpril, bem 3)?ontag nad^ 3"'^^^«^^/ erfd^ien Äönig gerbinanb im
SHatbofe, um ben Derfammelten ©tänben bie fentfdblicfeung ber taiferlic^en Äommiffärc
mitzuteilen, ^n einem burd; ben "ipfal^grafen ^riebric^ Derlefenen, f})äter in einer 3lb=
60 fd^rift ber 3lj)J)ellation einDerleibten ©c^riftflüd erflärten biefelben, feaft il^rer SoHmac^^t
@)ietcr, 9Iei4dtage 597
im 9Janien bc^ Äaifcr« bcn SeWIufe ber ©tänbe anjunc^nicn, o6h>ol^I er nid^t alle
gorberungcn ber ^rojjofition erfülle. Derfelbe fei be^^alb nunmel^r in bie S^orm eine^
^Reic^^tag^bfcl^ieb^ ju bringen. 3Son ber S5efc^l»erbe ber ebangelifc^en ^ürflen i)ättm
bie Äommiffäre Kenntnis genommen unb liefen fie ,,in i^rem ffierte bleiben", looHten
fic^ aber ju i^nen „gänjKc^ berfe^en", bafe fie ben „burc^ Diel ben mel^rem ieil" orb= 6
nung^gmäfeig befd)(offenen 3tbfci^ieb nun aud^ nid^t loeigcrn tüürben. Unmittelbar nad^
biefem fc^roffen Sefcbeibc öerliefeen bie Äommiffäre ben ©i^ung^faal, o^ne bie (Srlüiberung
ber eDangclifd^en dürften abnuh?arten, meldte ju einer lurjen Beratung in ein 9Zebens
iimmer getreten tparen, unb lehrten aui) nid()t ba^in uirüdf, al^ bie eDangelifd^en dürften
fie burc^ i^re ^äU bringenb barum bitten liefen. 2)er Äönig anth?ortete barauf nur, lo
er ^abe ben taiferlic^en Sefel^l au^gerid^tet, babei foCe eö bleiben. 2)ie 2lrtitel feien
bcfc^loffen.
e^ h)ar eine bebenflic^e Sage, in ber fid^ bie eöangelifc^en ©tänbe nun befanben.
Zimmer flarer ^atte ftd^ gejeigt, h)ie ifoliert fte auf bem SReic^^tage lüaren. ©elbft im
!8crfc^re ber dürften trat bag l^erDor. 9Bar Äurfürft S<>^^"" ä»" ^3. 3Wärj bei feiner i6
2lnfunft in Sj)eier Don bem Könige gerbinanb unb ben anberen gürften nod^ in üb*
lieber aSeife in bie ©tabt geleitet toorben, fo begnügte fic^ jjerbinanb, al« er fünf 2:age
fjjäter bem Sanbgrafen ^i^ilit)!? bor feinem (Sinjugc jufättig auf bem ^elbe begegnete,
mit einer f(üd()tigen S3egrü|ung unb ritt auf einem anberen SQäege in bte ©tabt. Stc^t
3;age nac^ ber änfunft beig Äurfürften S^^ann lüar nod^ lein gürft ju 'il)m in bie §ers 20
berge gefommen. Sei ben Dielen öon ben tat^olifc^en dürften gegebenen Sanletten fehlten
bie eöangelifc^en regelmäßig. 9lfö ber Sanbgraf fic^ nad^ bem §erfommen bem Rux-
fürften Don ^öim alg bem Sleic^^er^fanjler DorfteDte, reichte i^m biefer jlüar bie §anb,
rebcte aber fein 9Bort mit i^m. 3lu(| baö ®efoIge ber dürften em^fanb biefe ©^jannung.
SÖlelanc^t^on, ber ben Äurfürften ^o^ann nac^ ©>)eier begleitet l^atte, glaubte ben ^afe ber 25
aßiberfac^cr felbft in i^ren SWienen lefen ju fönnen unb Oraf Sllbred^t Don 9}Iangfelb
flagte bem Äur))rin5en 3iol^ann griebric^ : „^falj fennt leinen ©adjjfen me^r". Rnx SSers
fd;ärfung beö ®egcnfa^e^ trug befonber^ 3ö^(?- S^ber bei, ber toie 1526 im Sluftragc
gerbinanbö im 3)ome jjrebigte unb ben §afe gegen bie ©Dangelifc^en auf jebe SBeife
fd^ürte. (SIeicb in feiner erften ^rebigt am ^almfonntag (21. 3!Kärj) fagte er, bie 2^ür!en so
feien beffer al^ bie Sut^eraner, h)eil jene faftetcn, biefe aber nid^t. SMm ©rünbonnerötaae
rief er auö, lüenn er bie SBa^l b^be, cnttoeber Don bem ©Dangelium ober Don berÄirc^e
ju faUen, tpoCe er lieber Dom ©Dangelium abfallen, ba er tüiffe, baß bie Äirdj^e nic^t
trren fönne. ^m SReic^^tagc machte ^aber auf Diele namentlid^ burd^ ben .^inh>ei^ auf
bie Derberblid^en fjolgen ßinbrudf, bie au« ber neuen Se^re entfte^en müßten. Die 35
■^n?ifd»en Sut^er unb 3*^i"öli beftcl^enbe Spaltung fuc^te er für feine ^toti^ befonber«
au^^unü^en. 3" Äonflanj, 'iBJemmingen, Ulm unb anberen oberbeutfd^en ©täbten h?urbe
nai) 3*^^"9l»^ 3Qc\\^ gejjrebigt unb auc^ ©traßburg ftanb ben ©d^lüeijem nic^t fem.
''^lun galt e«, biefe Don ben lutl^erifd()en ©tänben ju trennen unb ein gemeinfame« äSor«
gelten beibcr Slic^tungen ju Der^inbem. ®anj au^fic^t^lo« fc^ien biefe« S3eftreben nid^t, ba, 40
loic Welanc^tbon, aud^ anbere emfte 33ebenfen gegen ein 3wfönimengel^en mit ben ©c^toeijem
Ratten. Slber bennod^ Derfc^lten bie|c Umtriebe ibren 3^etf, ba man frü^e crlannte,
lüorauf e« babei abgelesen \vax. ©c^on am 24. 4)lärj fd^rieb ©türm nad^ ©traßburg,
man tDoCe unter ben GDangelifd^en nur eine S^rennung mad^en, „ut oppressa una
post facilius opprimatur et altera". 3Rit \1)m Wax befonber« Sanbgraf $^ili^J) eifrig 45
bemüht, bie Ginigfeit unter bcn ©Dangelifc^en ju erhalten. ©0 brängte fid^ bie Über«
jeugung Don ber 9JotU)enbigfeit bc« einmütigen 3wfammengel^en« aller öDangelifd^en afis
mä^lid» allen auf, unb al« e« mUxd) am 19. 3lpril galt, bie« burd^ bie I^at ju betoeifen,
jieigten fid^ bie eDangelif(^en ©tänbe geeinigt unb feft entfc^loffen, unbefümmert um bie
folgen gemeinfam für bie ©ad^e be« GDangelium« einjufte^en. 60
3?on ainfang an Ratten biefelbcn in ©J)eier Don i^rer eDanaelifd^en (Sefinnung um
l\loeibeutig 3^"9"^^ gegeben. 3?on ber jur ßröffnung bc« Steiq^tag« gel^altenen l)leffe
blieben fic fern, ebenfo Don einer fpäter Deranftalteten feierlichen ^roKjfion, an ber bie
anberen ^)kicl|«tag«tcilne^mer fid^ beteiligten. SBie 1526 trugen bie 2Bat)pen über ben
2:üren il^rer Verbergen bie 3"f<^nf^* V. D. M. I. E. SQäieber ließen fie in ber^aftem 55
jeit auf il?re 'J:afeln öffentlich ??lcifc^ auftragen. 3Bieber Derfünbigten bie Don ben eDan=
gelifd^en dürften mitgcbracf^tcn ^rcbiger ^ol). 3tgricola, ßr^arb ©c|nej)f unb 3tbam 3Beiß,
ba ibnen bie Kirchen Derfd()loffen blieben, in ben §öfen ber fürftlid^en SKoij^nungen „lauter
unb flar" ba« SBort ©otte« unb ftärften mäd^tig ba« eDangelifcf^e Setoußtfein ber außer^
orbentIid()ja^lrei(^en §örer. 35ie ben 3lbgeorbneten ber eDangelifc^en ©täbte au« ber «i
598 ®ptitt, 9lcii^dtage
§etmat guQefanbten ^jnftrufttoncn trugen baju ebenfalls nid^t tücntg bei. SRit ber leb--
l^aftcften 3:eilna^me berfolgte man bort bic i^orgängc in ©jjeier unb \üai entfc^loffen,
in feinen 2lbfc^ieb einjutpiÖigcn, ber bem Stjangelium irgenb ^itoa^ tjergäbe. Se|onber§
ber ^at ber ©tabt 9Jümberg toieber^olte ba^ in feinen ©riefen nad) ©Jjeier immer toieber.
6 ®r toax ber ,,umtüeifenlic^en ßuiJerfid^t, ®ott tüerbe fic an feinem 333ort befkinbiglic^ er=
l^alten, eö ge^e i^nen barüber, toie e^ feinem göttlici()en SBiUen gefatte" (27. 3Kärj). 3^m
tüar „\>kl lieber, ®ott auf ber©eite ju l^aben unb ben nid^t gu erjümen, bennöon ibm
abzufallen" (2. äjjril). ,/3)enn tpcr ift fo furc^tfam unb gottlob, ber nic^t t)iel lieber fein
jeitlid^ 3Serberben barauf fe^en tpoHte, benn fold^e 2lrti!el angunel^men, fo i^m barau^
10 ein öffentlid^ 9?erberben ber ©eele unb be^ ®ut^ getoiftlic^ ju ertvarten fte^tV" (9. ä^ril).
3)a aud^ ben ©efanbten anberer ©täbte ä^nlid^e gwfd^ififtcn bon i^ren SKagiftraten ^u-
gingen, fanb bie entfc^eibenbe ©tunbe ba^ „Heine ^äutlein" ber 6t)angelifd^en tro^ i^rer
fd^toierigen Sage „guteiJ 9Kute«".
3)aiS geigte ber Weitere SSerlauf jener ©i^ung t)om 19. 2(j)ril. SBäl^renb bie ©tänbc
16 noc^ berfammelt toaren, fe^rten bie ebangelifc^en dürften unb ©täbtegefanbten in ben
©i^ung^faal jurüdE. §ier |)roteftierten gunäc^ft Äurfürft ^ol^ann, 9Jlarfgraf ©eorg, ber
Sanbgraf, gürft SBolfgang bon 2lnl^alt unb im 9iamen ber in ©})eier noc^ nic^t ein=
getroffenen ^crjoge @mft unb ^^anj bon Süneburg beren Äanjler Dr. ^oi^ann görftcr
münblid^ ge^en jenen SSefc^Iufe, toorauf ^atob ©türm ben 2lnfc^Iuft ber etoangelifcicn
20 ©täbte an bte ^roteftation erllärte. 3^0^^^^ berabfc^icbeten fic^ bie })roteftierenben dürften
mit bem Semerfen, bafe fte an ben Weiteren 3Ser^anbIungen nid^t mel^r teilnel^mcn unb
o^ne SSeruig abreifen toürben. 3)ann übergaben fte ju ben 9lei4^^a!ten eine injtoifc^en t)on
bem fäd^jtfd^en Äanjler rafc^ aufgefegte ^roteftation^fd^rift, in ber fie erflärten, bafe fte
nid^t t)erpfüc^tet feien, o^ne i^re 3witi"^"^""Ö ou^ ^^"^ legten einmütig befc^loffcnen 3lb=
26 fd^ieb iu fc^reiten, unb gegen ben j^u ßr^altung be^ grieben« unb ber ©inigleit nic^t
bienftlid^en üRe^r^eit^befd^lufe ate nichtig unb unbinbig groteftierten. 9Jlit äbfaffung einer
jtveiten au^fü^rlid^eren ^roteftation^fd^rift beauftragten fte, nad^bem ein bon bem fäcbfi^
fc^en Äanjler angefertigter, in ber §au})tfa^e nur bie äu^fü^rungen ber erften ^rotefta=
tiongfd^rift h)ieber^oIenber ©nttourf i^re 35iHigung nid^t gefunben ^atte, ben branbcn=
80 burgifc^en Äanjler ®eorg 3Sogler, toelc^er nun in größter 6ile ein neueö, fec^jel^n golioblättct
ent^aitenbe^, tm ÄreiiSart^ibe Bamberg nod^ bor^anbene^ Äonjejjt anfertigte. 3!)a^fclbc
fd^liefet fic^ an bie ®ebanfen ber tool^l ebenfaHö toon i^ogler berfafeten Sefd^tocrbefd^rift
t)om 12. ätjjril an unb fü^rt fte unter einge^enber 35egrünbung nä^er au^. 9Jad^bem bic
})roteftierenben gürften, aiiä) ber eben in ©J)eier angelangte Aj^ä^Ö ß'^f^ ^*>" Süneburg,
86 biefc mittleritjeile in^ Steine gefd^riebene ghjeite ^roteftation unterzeichnet l^atten, fanbtcn
fte biefelbe am 20. 'Hpx'xl, nachmittags gn^ei U^r, burc^ i^re 9läte bem Äönige ^^binanb
ZU, ber fte auc^ jur §anb na^m, aber unfreunblid^erttjeife nachträglich ben et)angelifcbcn
gürften ttjieber jurüdEfd^idtte. (Sin burd^ ^erjog ^einrid^ bon 33raunfd^h?eig unb 3}laxl'
graf ^l^ili^ bon S3aben in le^tcr ©tunbe noc^ gemad;ter aSermittelungi§t)erfud^ fanb bei
40 ben eüangelifc^>en ^^ürften bereith)iHigeiS ©ntgegenfommen unb führte nac^ bierftünbic;cn
3Scrl^anblungen ju einem 3lbfc^iebSenth)urfe, zu bcffen annähme fte fid^ tro^ aller nocf»
bcftclienben Scbenfen bereit erflärten, fc^eiterte aber an ber ^artnädEigfeit ^erbinanbS, ber
biefe ^yorfd^läge unbebingt zurücflüieS. Dl^ne jebe S{ücffid;t auf bic erhobene ^roteftation
tourbe nun ber 2lbfc^ieb am 22. 3lj)ril unterzeichnet unb befiegelt. 9iac^bem auc^ bie bem
45 felben anne^menben ©täbte, zu benen je^t unter anberen noc^ 3lugöburg unb Jfranffurt
famen, i^re Unterfd^rift gegeben Ratten, tourbe ber Sleid^Stag am 24. 2l})ril feierlich ge--
fc^loffen. 2)ie euangelifd^en ^"^P«" nal^men an biefen ©i^ungen feinen 2lntcil mehr
unb üerfe^rten ntit bem Könige nur nod) burc^ ilire 9iäte ober auf fd[)riftlid[>em Sßege.
2)aö auf biefe Söeife an fte gebrachte 3lnfinnen gcrbinanbS, ben ätbfc^ieb noc^ nachträglich
60 anzuncbmen, ,,bamit fein 3^oi^fJ5<ilt erfd^öHe", lehnten fte ebenfo entfc^ieben ab, h)ic feine
Zumutung, bie ^Veröffentlichung ibrer ^roteftation zu unterlaffen, erflärten jeboc^ in
einem legten ©d;riftftücf, fic^ auf ©runb bcS Vorigen Slbfd^icbS gegen alle ©tänbe frieblicb,
nad^barlic^ unb freunblic^ z^ balten. ^\xx ©ic^erung gegen feinblid^e Singriffe ^tten,
bcfonbcrS auf Setreiben beS Sanbgrafen, biefer unb ^urfürft 3^^^"" ^^^ ^lürnberc^,
^ ©trafeburg unb Ulm am 22. 3lprtl ein ,A<erftänbniS" gefd^loffen, in bem fte ftcf» §ilfe
Zufagtcn, falls fie üom fc^toäbifc^en Sunbe, bem Sieid^Sregiment ober Äammergericbt an^
gegriffen toürbcn. 3luf einem im '^nni zu diotad) abzubaltenben Sage foDtc baS ^Jähere
barübcr feftgcfefet loerbcn. — ßs blieb nun noc^ übrig, bor erhobenen ^^roteftation bie er=
forberlic^e red;tlid;c ^orm z" geben. 3" biefcm 3*^^*^' erfc^icnen am ©onntag Kantate,
^ bem 25. Slpril, bic iHäte beS Äurfürften ^^l^ann öon ©ad;fen, beS üRarfgrafen ©eorg
Sptitv, Wetc^dtage 599
t)on Sranbenburg, ber ^erjogc 6mft unb "Sxawi t)on Süncburg, bc^ Sanbgrafen ^^tli^})
\)on §cffcn unb bc^ gürftcn SBoIfgang t)on 2lnl^alt in bcr Sc^aufung bc^ Äaj)lani^ Sl^citt
3)Jutterftabt bei ber ^o^anniöfird^c ,,unten in einem Keinen ©tüblein" unb liefen l^ier
burd^ bie SJotare £eon(;arb ©tettner unb ^anfcatiu« ©al^niann auf breije^n Pergament«
blättern ein 2lj)})eHationeinftrument errid^ten, in tüeld^ein fic unter 35eigabe aller geiued^s 5
feiten 3lftenftücfe für ftc^ felbft, i^re Untert^anen unb 33eriuanbten, auq alle jefeigen unb
fünftigen 2ln^änger, in aller gorm Siechten« gegen ben älbfc^ieb jjroteftierten unb an ben
Äaifer, bag Äonjil ober bie Slationatoerfammlung unb jeben in ber ©ac^e bequemen, un«
j)arteiifd^en unb d^riftlid^en Slid^ter a})})ellierten. 3)ie Sotfd^after ber t)ier^el^n ©täbte
©trafeburg, ^iümberg, Ulm, Äonftanj, Sinbau, SJlemmingen, Äemjjten, 9iörblingen, ^eil- lu
bronn, ^Reutlingen, ^^n^, ©anft ©allen, SBeifeenburg in granlen unb SBinbiS^eim er«
Härten fofort i^ren Seitritt ju biefer 2l<)J)ellation. dlod) an bemfelben 2^age reiften bie
etjangelifd^en gürften toon ©Jjeier ab unb forgtcn nad^ il^rer §eimlel?r atebalb für bie
i>eröffentlic^ung ber ^roteftation, toeld^e burc^ ben Sanbgrafen am 5., burd^ ben Äurs
fürften am 12. 3Rai erfolgte. 15
©c^on in ©<)eier l^atten bie Jjroteftierenben ©tänbe befc^loffen, i^re 3t^})etlation bem
Äaifer burc^ eine befonbere ©efanbtfc^aft überreichen ju laffen, uj toeld^er f j)äter bei einer
3ufantmenfunft in SJümberg am 26. 3JJai §anö ©i^inger t)on uRemmingen, ber branben^
burgifd^e ©efretär 2llejiu^ ^rauentraut unb ber 3?ürnberger ©^nbüu^ SWic^ael Don Äaben
abgeorbnet tourben. 3!)iefe reiften ®nbc 3uli ab, fonnten bem Äaifer aber erft am 12. ©ej)- 20
tember in ^iacema bie Urfunbe überreid^en. 9Jad^ längerem §in^alten erl^ielten fie
enblid^ am 13. Dftober ben ungnäbigen Sefd^eib, ber Äaifer ertoarte, bafe bie ^roteftie«
renben bem Slbfc^ieb ge^orfamen tüürben, unb muffe anbemfaHiS emftlic^e ©träfe gegen
fie bornel^men. 3"'^^ '^^fe P^ ^^^rf V. fogar in $aft nehmen, auä ber fie erft am
30. DItober entlalfen tourben. 25
3Son ber ©Jjeierer ^roteftation l^aben bie Sln^änger ber Sieformation ben 92amen
^roteftanten erhalten unb erlennen barin einen ^oc^c^arafteriftifdS^en Sl^rennamen. ®in
Ujürbige^ äufeere^ 2)enfmal berfelben ift neuerbing^ in bcr mit (Saben auö allen etjange*
lifc^en Sanben erbauten unb am 31. äuguft 1904 unter au|erorbentlid^er 2^eilna^me ber
gan;ien jjroteftantifc^en (S^riftenl^eit eingetoeil^ten ©ebäd^tnii^Iird^e ber ^roteftation in so
©peier crftanben, toeld^e t)on ber DjjfertoiUigfeit ber ^roteftanten unferer ^t\i ebenfo
berebte^ 3^?"^^ ö'^'^^' ^^^ ^^^ ^^^ ©lauoen^mute bcr SJäter. SSäenn bie ©})eiercr
^roteftation freiließ tüärc, Wai bie neuere tat^olifd^e ®cf(^i^tfc^rcibung in i^r fie^ fo
toäre fic nur ein SJctocid em})örenber Unbulbfamfeit i^rer Url^ebcr unb toürbe über^au})t
lein 3)enfmal ücrbienen. 9iadS^ biefer (3önf[en III, ©. VIII) laf[en ftdS^ bie Segeben- 30
Reiten auf bem SRcid^^tagc in bie äBorte ^ufammenf äffen: „3!)ie lat^olifd^cn ©tänbc tjcr*
langen t)on ben lut^erifd^en 3)ulbung i^re^ ®lauben^. 3)ie neugläubigen ©tänbe bertücigem
bie3)ulbung ber Äat^olifen in i^ren ©cbicten unb reichen eine ^roteftation bagegen ein".
35er Sleic^^tag, fo er^äl^lt man (a. a. D. ©. 132 unb 138) ^abe ben lutl^erifdS^cn ©täuben
bie 35cibel;altung bcr neuen Äirc^enform geftattet unb t)on i^nen „nur bie 3)ulbung 40
ber Äatbolifen" verlangt. 3)ie ©tänbe, tücld^c i^r Äirc^entum nur burc^ Unbulbfamfeit
Rotten aufrid^ten fönnen, bätten e^ burc^ bicfelbe Unbulbfamfeit erhalten tootlen. „©ie
jiroteftierten gegen ben Slcic^iStag^befc^luft, ber il^ncn 3)ulbfamfeit jur ^flic^t machte, unb
erhielten bon biefer ^roteftation ben SRamen ^roteftanten". — 3)a biefc 35arfteHung immer
Juieber^olt unb, h)ie c^ fd^eint, t)on t)ielen tüirflic^ aU gefdbi^tlic^e SBa^r^eit betrachtet 46
toirb, ift ci§ nid^t übcrflüffig, l(>icr barjulegen, hjogegen fidp ber ^roteft ber etjangelifd^en
©tänbe tl^atfäc^lid^ richtete, ^n bem t)on ber 3Ke|rl^eit befc^loffenen SReic^^tag^bfc^iebe
h)irb ^unäc^ft bie Sitte um balbige 2luiSfd^reibung eine« freien d^riftlic^en ©eneralfonute
in einer beutfc^en ©tabt ober hjcnigften« einer 92ationaberfammlung jur Erörterung oe«
rcligiöfen 3^i«^alt« ioicber^olt. 6ine Sitte, gegen tücld^c auc^ bie et)angelifd^en nid^tiS 00
cinjutoenben Ratten, ©obann tvirb bemerft, bcr befannte Sefc^lufe be« Slcid^tagiS t)on
152() fei Don Dielen in einen großen 'Bii^Dcrftanb unb ju ®ntfdS^ulbigung erfd^redtlic^er
neuer ile^rcn gejogen toorben. Um Weiterem SSlbfaH ^uDorjufommen, ^ättm fic^ be^l^alb
bie ©tänbe cntfd^loffcn, „bafe bieienigen, fo bei obgebadj^tem faiferlid(iem ßbift bi« an^er
blieben, nun l^infüro auc^ bei bemfelben ßbift bi« ju bem fünftigen Äonjilio Dcrl^arrcn 55
unb il)rc Untert^anen baju galten fotlen unb tvoUen".
©egen biefc Seftimmung bc« äbfd^icb« tücnbeten ftd^ bie ^roteftierenben in erfter
Sinic. Unb bafe fie i^r unmöglicb o^nc ©ctoiffenöDcrlc^ung ;\uftimmen fonnten, fann
niemanb in 2lbrebc fteUcn, bcr ben ^n\)alt be« SBormfer ßbift« fennt. SBcr e« galten
toollte, toar Dcr^flic^tet, nic^t blo^ Sut^er felbft tpcber )u laufen, nod(f )u ^öfen, ä^en eo
600 ^ptivc, Sici^dtase
ober tränlen unb tl^n flcfänglid^ anjunel^mcn, \vo er i^n betrete, fonbem axxi) feine Än-
l^änger, Snt^alter, gürjc^teber, ®önner unb 9iac^folger ,,nieberjuh)erfen unb gu fabcn,
t^re ®üter gu feinen §anben m nehmen unb ^um eigenen 9Ju^ ju hjenben", bemnacfc
leinen ©bangelifc^en in feinen Sanben ju bulben unb bie Stn^änger Sut^er« auf jebc
5 SBeife ju Verfolgen. Unb nun fottte ber 3t6fc^ieb bie fatl^oUf^en ©tänbe t>er}?flicfeten,
biefe^ tbatfäc^Ii(p bon bcn meiften unter ibnen nid)t üoHjogene ®bi!t felbft in bemjyaüe
burd^jufü^ren, bafe fie, ^n befferer ßinfic^t gelangt, eine fold^e Verfolgung ber et>ange--
lifd^en für unred^t erfennen tpürben. 2)a^ fonnten bie Jjroteftierenben ©tänbe nic^t
annehmen, ©ie fonnten eg, h?ie fie erfiärten, „\)ox ©Ott mit nickten berantn?orten,
10 jemanb ^ol^eiS ober nieber^ ©tanbe^ burd^ unfer SJlitentf^Iieften bon ber Seigre, bie ft?ir
unj^tpeifenlid^ für göttlich unb c^riftlic^ achten, ab^ufonbem unb tüiber unfer felbft ©c^
lüiffen unter bag ©bift ju bringen". 9Jic^t aU ioollten fte ben fat^olifc^cn ©tänbcn
öorfd^reiben, tpie fie \xd) „aufeerl^alb unferer 3Kitt)ergteic^ung" nac^ bem ßbilt unb fonft
galten lüoHen. SÖol^l bitten fie ©ott ,,täglic^ unb ^er^lid^", baft feine göttliche ©nabc
16 alle jur tpa^ren ßrfenntniiS erleud^ten tpoue, aber fte überlaffen t^ i^ncn, nad^ ibrem
©etptffen ju tjerfa^ren, h?ie fte bag gleiche "Si^ä^t für ftd^ in 3{nf})ruc^ nehmen.
3i)er Slbfc^ieb beftimtnte tpeiter: „Unb aber bei ben anbern ©tänben, bei benen bie
anbere Se^re entftanben unb jum Seil o^ne merllid^en 3tufrul^r, Sefc^tperbc unb ©efäbrbc
nic^t abgelüenbct Serben möge, foll bod^ ^infür äße tüeitere 9Jeuerung biö ^u fünfticjcm
20 Äonjilio fo biel möglich unb menfd;lic^ abgetl^an tperben." ©c^on bie Iränlenbe gaffunvj
biefe^ 3trtifel^ nötigte bie ebangelifc^e ©tänbe jum ?protefte bagegen. SBenn fte erflären,
ba^ aug i^rer guftimmung ba^u „männiglic^ arguieren möd^te, tpir l^ätten in bem 3lbfdE>icb
befannt, bafe unfere d^riftlic^e Se^re fo unred^t fei, bafe, toenn fte ol^ne Slufrubr abgcftcllt
tüerben fönnte, e^ billig gefc^el^en follte", fo toirb fein folgerichtig 35enfcnber bem toibcr^
25 fj)red;en fönnen. 3)a^ l^iefee aber, h)ie fte beifügen, ni($ti§ anbere^, ate S^riftum unb
fein l^eilige^ SBort nid^t afiein ftitlfc^toeigenb, fonbem öffentlid^ tjerleugnen. aber auA
bem jjofttiöen ^n^^I^^ i^'^^ Seftimmung fonnten bie ©öangelifd^en nid^t juftimmen. 5Rit
Unred^t bel^aujjtet 3!<inff^n (©. 132), bur^ fte fei il^nen „au^brücflic^" (!) bie Beibehaltung
il^rer Sleformcn ijugeftanben tporben. (Sin Slicf auf ben Wortlaut be^ 3trtifelö jeigt, bafe in
30 i^m nic^t eine ©rlaubni^, fonbern nur ba^SSerbot jcber h?eiteren Steuerung entbaltcn
ift. SDag in jener Seftimmung atlerbing^ enthaltene inbirefte g^Ö^f*^"^"*^ ^^ ^^^''
läufigen Beibehaltung bereite i^oHjogener 9Jeuerungen tüurbe aber nid^t nur burcb bie
erti?ä|nte j?laufel, fonbern au($ burc^ ba^ fjjäter folgenbe Verbot ber 2lbt^ung ber Sufc
ivieber illuforifc^ gemacht. 2)em im 2lrtifel j)ofitib au^gefjjroc^enen Verbote h^citcrcr
3ö Steuerungen fonnten aber bie ei?angelifd^en ©tänbe gerabc in jener ^tii, in tüelc^cr an
Dielen Orten bie 5?euorbnung be^ ebangclifc^en fiir^entücfeng cbm begonnen, aber nidn
DoHenbet iüar, o^nc ©ctüiffeu^Derle^ung ebenfalls nid;t nad;fommen.
SDer folgenbe 2lrtifel be^ 3lbfcfiicbö h)cnbcte fid), o^ne fie au^brüdlid^ ju nennen,
gegen bie Slbenbmal^l^lel^re ber ©d^ioei^cr unb lautete: „Unb fonberlic^ foU (Stlic^er X'eke
40 unb ©cftcn, fobiel bie bem bod^toürbigen ©aframcnt be^ iüaljren gronleic^name unt>
Slut^ unfern §cnn '^Q\n Gbrifiti zugegen, bei ben ©täuben bc^ l^eiligcn 3Jei(^^ beutfd»er
SJation nid^t angenommen noc^ l^infüro ju ^i^ebigen gcftattet ober ^ugelaffen" fein, ^i-
fanntlid; tparen bie proteftierenben j^ürftcn nebft ber SReljrgabl ber fid; il^nen anfcbliefecn-
beu ©täbte lutl^erif4>. ^^nffeu (©. 1:58) rebet bon i^rer „Unbulbfamfeit gegen alle
46 3lnber^gläubigcn". '^1}X ^koteft gegen bie fragliche Vcftimmung liätte il^m ben Semei-5
für bie Unrid;tigfcit biefcr Veljauptung liefern muffen. SBenn fie aber i^ren ^roteft bü=
gegen bamit begrünbeten, bafe man eine ßntfc^cibung über fo tüic^tige Slrtifel nid;t aufeet-
l^alb be^ .^onjilg treffen bürfc unb nid;t, oljne bie gel^ört ^u ^jaben, bie e^ angebe, fo
toirb man bie 9^id;tigfeit biefer SBcmerfung unb be^l^alb bie Vered^tigung i^re^ ^koteftcs
50 ni4»t beftreiten fönnen.
®er le^te 2lrtifel, gegen ben bie (Sbangelifc^en j)roteftierten, lautete: „2)e^leicfcen
foHen bie 'Jlmtcr ber l^eiligcn Weffe nidbt abgetban, aud; niemanb an ben Crten, ba bie
anbere Scljre entftanben, bie ^Hiefe ju boren i?erboten, berbinbert, noc^ ba^^u unb bal^on
gcbrungen iücrben". Offenbar entljält biejc geftfe^ung j;n?ei älnorbnungcn, bie man
56 jum Vcrftänbniffe ber ^sroteftation au^^cinanberl;alten mu^. 3""^^f^ ^^^^ geforbert,
bafe bie 3imter ber l)ciligen *i)teffe nicl>t abgetban toerben foHen. (S^ liegt auf ber i)anb,
ba| bie (SDangelifd;en biefcn 3(rtitel fo, h)ie er lautete unb gemeint tüar, nic^t anjunebmen
im ftanbc U>aren. 2)cnn nac^ ibm bättcn bie römijd;en 'ÜJIeffcn mit (Sinfd>lufe ber Seelen'
meffen aud; in l^anben, in bcnen bie gangen ©emeinben mit ibren ©eiftlic^en eüangelijcb
60 toaren, nad^ \vk Dor iociter gel;aUen ioerbcn muffen, aud; tvenn fein 3Jfenfc^ tnebr etioae
®ptitx, Weti^iStage 601
i)on bcr „Jjäjjftlid^cn 5Keffc" tpiffcn tüotttc. a)ann burftc bicfc nirgcnb^, tpie c« in bcr
^roteftation Reifet, burd^ bae „ebcl föftltd^e 9lac^tma^I unfern ^crrn ^c\n ß^rtftt" erfe^t
h)crbcn, „jo bic cüangelifd^e 3Wcffe genannt tpirb." ©ctpife mit t)oHcm Sted^tc tücifen
bic ^totefticrcnben barauf ^in, hjie il^rc ^rebigcr jene 3Keffen „au^ göttlicher unübcr^
iuinblid^er ©c^rift aufö ^öc^fte angefochten unb niebergelegt Ratten." SBäre ^ nun nic^t 6
eine unerträgliche ©etoiffengbebrüaung getüefen, tüenn man jene 35eftimmung üoHjogen
unb bie eöangelifd(;en ©eiftlic^en ge^h)ungen ^ätte, gegen ibre Übeneugung bie latl^olifc^e
3)kffe hjeiter ju lefen'-? ^uUm fa|en bie ^roteftierenben in biefer 93eftimmung nid^t o^ne
©runb ein birefteö 93 erbot ber ebangelif^en 3lbenbmal^föfeier. 3)enn fie toertoal^rten ftd^
bagegen, ba^ bie anberen ©tänbe il^nen verbieten („loiber ba^ fein") tüottten, ,,baft toir lo
un^ mit ben Unfern bee 92ac^tma^I^ ß^rifti aU ber eöangelifc^en unb aHein in göttlid(;er
©c^rift gegrünbeten 3Keffe nad^ ß^rifti untoiberfpred^Uc^er (Sinfe^ung gebraud^en." 9Ber
bie« erträgt, ber toirb aud^ in il^rer 93efd^h)erbe gegen biefen ^unft nid^t einen Setoei«
i^rer Unbulbfamfeit finben unb eg begreifen, hjenn fie in ber ^roteftation bemerfen: ,,©o
l^at e« be« ärtüete falben bie 3Kefe berü^renb bergleic^en unb biel me^r SSefc^hjerung." i6
3lber and) gegen ben jtüeitenieil jener SSeftimmung, nad^ h)eld^em niemanb an ben
Drten, ba bie anbere Se^re gel^alten toirb, bie SKeffe ju ^ören tjerboten, tjer^inbert, nodS^
baju ober baüon gcbrungen toerben foHte, rid^tete fxq i^r 9Biberf})rud^. ©ie erllärten,
bei bem gemeinen üRanne, fonberlid^ bei benen, bie einen red()ten 6ifer ju ®otte« 6^re
unb Flamen ^aben, Sibertoärtigfeit, Slufcu^r, ßm})örung unb alle« Unglücf beforgen ju 20
muffen, tpenn fie in il^ren ©ebieten „i^loeierlei einanber toibertvärtige 9Kef[en \)aiUn laffen
hjürben". 3)iefe i^re ©teHungnal^me ift e«, in njelc^er jene Se^au|)tung \>on i^rer Un=
bulbfamfeit il^re einzige ©tü^e finbet, ba aUe anberen t)on il^nen erl^obenen Sefd^toerbe*
fünfte JU il^r nic^t ben minbeften 2lnlafe bieten. 9Jun ^aben atterbing« biejenigen fein
Siedet, ftc^ über biefe ^ntoleranj ju entrüften, loelc^e e« in ber Drbnung finben, bafe ber 25
aibfd^icb bie fatJ^olijc^en ©tänbe berjjflid^tete, ba« Sffiormfer ßbilt au«jufü^ren, alfo nic^t
blofe in il^ren ©ebieten feinen eöangelifc^en Äultu« ju bulben, fonbern auc^ bie 9lnl^änger
ber Sieformation auf jebe Söeife |\u tjerfolgen. Unb e« liegt naiit, auf fold^e 3tnf(age ju
crtüibem, bafe bie jjroteftierenben ©tänbe in biefem ©tüdEe eben nod^ in ben mittelalter«
lieben Slnfc^auungen ber fat^olifc^en Äird^e ftanben. 2Bol^l erhoben ftd^ bamal« fd^on 30
einzelne erleuchtete ©eifter über biefen ©tanbjpunft. ©0 bie 5Wümberger 3;i^eologen, hjeld^e
in einem ßnbc 3Kärj nac^ ©jjeier gefanbten ©utac^ten fd^rieben : „SBer bie S^riften mit
©etoalt jtüingt, ju t^un, h)a« fie für unred^t galten, jh)ingt fie ju fünbigen. 2llfo mu^
man in biefen ©ac^en niemanb jtüingen, fonbern in ©otte« SBort leieren unb baneben
j^ulafien, ba^ niemanb toiber fein ©etoiffen tl^ue, er tl^äte fonfi ©ünbe unb hjürbe ber^ 36
bammt". 2luc^ in ber $roteftation«fc^rift felbfi fel^lt e« nic^t an ©teilen, au« benen
fic^ bie gegen jebermann ju übenbe iolerang al« Äonfequenj ergeben hjürbe. ©d^on ber
burc^ fie fic^ binburd^jicl^enbe ©runbgebanfe, bafe „in ©ad^en ©otte« ©l^re unb ber
©eelen ©eligfcit belangenb ein jeglicher für fic^ felbfi bor ©Ott \ki}m unb Slec^enfc^aft
geben mufe, alfo bafe fid^ be« Drt« feiner auf anberer minber« ober me^rer« 9Jlad^en 40
ober Sefc^liefeen entfd^utbigen fann", müfete noth)enbig baju führen. 2tber au«brücflid^
jogen bic J^roteftierenben ©tänbe biefe Folgerung nid^t. SfiJir toerben ba« beute getüift be«
bauem; aber toir tjerftel^en e« bennoc^, toenn [xe e« unter ben bamaligen Ümftänben nid^t
Ü}aUn, unb fönnen il^rcn ^rotefi gegen eine tolerant flingenbe Seftimmung be« 2lbfd^ieb«,
bie nur in i^ren ©ebicten gelten, auf bie fatl^olifc^en ©tänbe aber feine änloenbung 45
finben foHte, nur gered^tferiigt finben. ^^x aSerlangen, bafe man „boc^ billig bie©leid^5
^cit bebenfen" foKe, tuar ein geredete« unb billige«, unb toenn fie [\ö) bagegen bertoa^rten,
„bafe euer Siebben fürneljmt, un« in ben ein 3Jlafe ju fe|^en unb in unferen ©ebieten
Drbnung unb Slegiment ju ntad^en, tüclct^e« boc^ eure Siebben im ©egenfatl ungern,
aud; gar nid[)t leiben toürben", fo toaren [xz auc^ bamit burc^au« im Siedete. 2lud^ toer bo
bereit tt?äre, gegen 3lnber«benfcnbe jebe mögliche 3:oleranj px üben, ^ätte allen ©runb,
fic^ .einem folc^en ^rotefte anjufc^licfeen.
3;m übrigen toar bie ^'roteftation eine l^o^bebeutfame 93ejeugung ed^t ebangelifc^er
©efinnung, eine in ben fd^tocrfäHigen formen jener ^6i abgefaßte, aber in^altlic^ burd^s
au« flare Darlegung ber ^rinjijjien be« ^]Jroteftanti«mu«. ßiner grofeen in fic^ ab= 66
gefcbloficnen 5)lel}rbeit gegenüber bcrtcibigtcn l^ier trenige etjangelifd^e gürften unb ©tänbe
in Vollem Sctoufetfein ber ©efal^ren, bcncn ^k fic^ bamit au«fe^ten, mit freimütiger 6nt-
fc^loffcnbeit tjor bem ganj^en 5Hcic^e i^re ©runbfä^e unb \k\lim einem ungercdfttcn 5)Jel^rs
beit«befc^lufje i^r entfct^iebcnc«, mutige« Wxn entgegen. 3)a6 ber 1526 einftimmig
befd^loffene 3lbfcl?ieb nic^t o^nc il^rc ^4wf*i"^n»""Ö nbgeänbert toerben fönne, toar bereo
602 ^ptitr, Weic^iStage
äufecrc Sled^t^ßrunb, auf bcn pc fid^ ftü^ten. 2l6er ^öl^cr nod^ afe bicfcr ftanb i^ncn
ba« ®cbot i^re« ©ctoiffen^. Hub afö fic c« t)or Äaifcr unb SHcic^ öffentlich bezeugten,
baft in ©ad(;cn beiS ©etpiffcnd, bic „jeben fonbcrlid^ bcrül^ren", j|cbcr für ftd^ fclbft fielen
mufe unb ftc^ ni(^t burc^ Scrufunö auf bic Sefc^Iüffc ober bic Autorität anbcrer öon
6 feiner 3}crantiüortlid;fcit t)or ®ott befreien !ann, ^aben fic eine benftoürbigc aJlanneöt^
Qühan. ^l}xt ^roteftation aber, t)on ber SRcid^^tag^mc^rl^cit nid^t bead^tet, öon ben laifer:
lid^en SSoHniac^tträgern bei feite gefegt unb Don bem Äaifer ungnäbig gurüdgelüiefen, ifl
für alle ^Äizn „xn i^rem SBerte geblieben".
1542 unb 1544. 3)ic ertoä^ntcn ©ev!e üon »urfjol^, SRanfc, Sanffcn 2C. egelöaaf 2,
10 426 ff. ?(fteii2C. j. !ö. bei ©alc^ XVII, 1002 ff. u. 1198 ff. — 3u 1544: «. bc S3oor/ 5kitr.
h. (^efd). be^ epeicrcu 9leld)öt. \>, 3. 1544, 6traftb. 1878. ,&ier ift au« bie cinfc^Ifigige ältere
Öittcratur genau üerjcid)uct. \>. S)ruffcl, Äarl V. unb bic röm. Äuric 1544— 46 'in ?IÄ^,
33b 13, 16 2c.
6in britter am 9. ^ebruar 1542 burd^ Äönig fjcrbinanb in ©pcicr eröffneter
16 SReid^^tag fottte bemfelbcn, junäd^ft §ilfc gegen bic lürfcn geh)ä^ren, toelc^e in Ungarn
eingebrungen h)arcn unb Öfterreid^ l^art bebro^ten. 3)ic Jjrotcftantifc^en Stäube erflärtcn
fid^ jeboc^ jur SctoiHiguna einer §i(fc nur unter ber Sebingung bereit, bafe bic ^rojeifc
unb äc^terllärungcn be^ äamnicrgerid^t« gegen bic ßDangcIifc^en eingcftcHt unb bafe ber
1541 in JRegeniSburg erneuerte 9iürnbergcr Slcligion^friebc nebft ber bort bcn ci>angelif(^cn
20 ©tänben gegebenen faiferlic^en 3)eI(aratton (f. b. 31. Slegen^b. Slcligion^cfpräc^ Sb XVI
©. 552) aufredet crl^alten bleibe. 6rft nac^ langen 3Ser^anbIungen tarn e« cnblic^ am
11.2lj)ril iu einem bon beiben 3^eilen angenommenen äbfdS^icbc, in tücld^cm eine anife^m
lid^e §ilfc gegen bic 2^ürfen bctoiHigt unb ber SSegen^burger JJricbftanb famt ber ©uf))cn=
fion ber in Sleligion^fac^en bei bem Äammergeric^t anhängigen ^ro^icffc auf fünf toeitcrc
26 ^a^x^ erftrecft iDurbe. 3^ag^ j^uöor batte Äönig gerbinanb bcn Jjroteftantifd^en ©tänben
eine 33erfd^reibung au^efteUt, nac^^ {ücld^er auc^ bie Jtegen^burger 3!)ellaration für bic
3)auer be^ griebftanbiS in Äraft bleiben fottte. ^\)x SSäunfc^, biefelbc auc^ öffentlich tocn
atten ©tänben anerfannt gu feigen, tüurbe jeboc^ nic^t erfüttt. gn bem aibfc^iebc nabmcn
ferner bie fat^olifd^cn ©tänbe ba^ burc^ ben i)ä})ftlid^en Segaten gol^. 3JJorone auf beiii
ao Sleic^^tag gemad^te 3tncrbieten beö ^ajjfte^, auf ben 15. Stuguft ein Äonjil ju berufen,
mit bem Scmerfcn banfcnb an, ba| fte fid^ auc^ mit ^^rient aB üRalftatt bce fion^Uö
begnügen toottten, toenn ftd^ bie 2lb^altung be^felben in einer beutfc^en ©tabt nic^t cr^
reichen laffe. 2)ic ©tänbe ber Slug^burgcr Äonfeffion reichten inbeffen ^iegegen eine
fc^riftlid^c ^roteftation ein unb liefeen eine 5toti|; barüber in ben 3tbfc^ieb aufnebmen,
36 ßnblicf; tüurbe eine äJifttation be^ Äammcrgeri^t^ angeorbnet, ju tüel(^er ber SJeid^etag
unter fieben SSifttatoren bier Jjroteftantifc^e beftimmte.
3Jon größerer Scbcutung toar ber am 20.gcbruar 1544 burd^ ben Äaifer |)erfönli(t
eröffnete gfän^cnbe vierte ©|)etcrer9lcicf?^tag, öon loelc^em bicfcr auf;er gegen bieiürlen
befonber^ ju feinem firiegc gegen ^ranlreic^ bie Unterftü^ung beg Slcid^c« begcl^rte. 2luc6
40 je^t fnüjjften bie Jjroteftantifc^en ©tänbe bie 33eh)iUigung bicfcr ^ilfc an bie Sebingung,
bafe il^nen R^öcf^^^^^^iff^ ^^ ^^^ Sleligion^fragc gemacht iDürben, unb beftanben in^=
bcfonbere auf ber 3lufnal^me ber Slcgen^burgcr 2)efIaration in ben 2lbfc^icb, toä^reub bie
Iatl^oIifd;en ©tänbe ba^ unter atten Umftänben ablehnen p muffen glaubten. SKonate-
lang 5ögen fic^ bic SSer^anblungen l^in, bi^ man fic^ enbltc^ am 27. 3Kai cntfd^^lo^, ^n
46 ©c^toierigfeiten baburc^ au^ bem SBcge ^u ge^en, bafe man bie gaffung ber betreffenben
Scftimmungcn bem Äaifer überlieft. 2)ie JEatl^olifc^en ©tänbe cjrllärten nun, baft fie bulben
müßten, tpaö ber Äaifcr ex plenitudine potestatis annehme, obtpo^l e^ i^ncn be-
fd^tücrlic^ fei. SDen tücfcntlic^cn ^n\)alt ber einfc^lägigen gcftfeöungcn Ratten bic ^ko-
teftanten öorl^er mit bcn Surfürften üon ber ^falj unb \)on §3ranbenburg Vereinbart,
50 ioelAc in ber ©ac^e 5h)ifc^en il^nen unb bem Staifer Vermittelten. 3!)er am 10. ^nni U-
ficgclte 9{cic^gtag^abfd^icb ftettte h)iebcr ein freiet Äonjil ^ur 35efeitigung ber ©laubens^
fpaltung in nalie 5lu^fid^t. SDa cg aber boj^ ungctüift jei, toann ein folc^c^ jufammentrctcn
fönnc, fagtc ber Äkifer bereite auf ben näc^ften §erbft ober ffiinter einen neuen Sleic^^tag
gu, auf bem er h)icber ^jcrfönlid; erfd;eincn tootte. 35ann fotte man fic^ freunblic^ t>ct=
65 gleichen, \m cö in bcn ftrcitigcn Slrtifcln ber Sieligion bifJ ^um Äonjile ju leiten fei.
2)urc^ Von bem Saifcr unb bcn ©tänben mit^ubringenbc ÜRcformation^cnttoürfc foUte
man biefe ikr^anblungcn vorbereiten. 83i^ ^ur Vottfommenen Serglcidbung aber befehle
ber ^aifer, bcn frül^er aufgerid)tctcn Sanbfricben unverbrüchlich ^u l^altcn. 2)ie ©eiftlic^en,
©tifte, Älöftcr, ©d;ulcn unb ©Jjitälcr, unangefc^en Ivelc^cr Sieligion fte feien, fottten im
üo ©cnuffe ber ßinlünfte unb ©ütcr bleiben, bie fic gur ^cxi bc« Sicgcn^burgcr äbfd^icb«
^ptitv, gtetdidtagc Sf'eifesefc^e 603
Uon 1541 bcfeffen Ratten. 2)cr aiug^burger aibfd^ieb unb bic bor bem Äanimcrgerid^t
tpegcn bcr SKeltgion fd^hjebenben ^tojeffc fottten bte jur ^Serglctd^ung fufjjenbiert bleiben,
ßnblicl^ foBte auf bem neuen Sleic^tage baiS Äammergerid^t bur^» fromme unb gelehrte
^erfonen obne Slücffid^t auf ibre ^Religion neu befe^t ioerben. — ®eh)ife hjar ber Äaifer
ben ßbangeiifc^en bor^er niemaliS fo hjeit entgegengefommen, hjie mit biefem Slbfd^iebe. 5
2lu(l^ perfönlic^ trat er ben etoangelifd^en dürften auf bem Steic^etofje näljcr, ate je guöor.
®egen bie burd^ ben Sanbgrafen in einer Äird^e öeranftatteten ^^ircbigten fc^ritt er jtüar
ein, lieft e^ aber getoä^ren, aU bie ^rebigten teili§ in bcrt fütfllic^en .^crbergen, teil« in
3unfts unb SBirtiSl^äufern fortgefeftt tourben. 3!)en ßurfiltftcn goftann griebric^ b^i^arii
belte Äarl mit befonberer äfuiSxeic^nung unb auc^ iianb^töf ^^^Ui)?p ofteute fic^ einer lo
e^renöoHen aufnähme. Offenbar h?ar bem Äaifer \>u{ haxan gete^cn, beibe in guter
Stimmung ^u erhalten, unb er erreicl^te auc^ hjirflid>, bafj tiariKmtic^ bet Sanbgraf mit
berebtem ßifer für bie Setvilligung einer ausgiebigen §ilfe eintrat. — 5Kit bem 2lbfc^iebe
tüaren bie fat^olifd^en ©tänbe toenig jufrieben unb ber ^ojjft öertoa^rte ftc^ in einem
l^eftigen S3ret)e öom 24. 2luguft 1544 entfc^ieben gegen bie ©Jjeierer 35efc^lüffe. 2lber 16
aud^ bie ^roteftanten Ratten feine Urfad^e, burd^ ben 2lu^ang be« SReid^gtag« tJöHig be^
friebigt gu fein. Sie Ratten burc^ if^re 35efc^Iüffe hjefentlid^ ^ur Sefeftigung ber 3Kac^t=
fteBung be« Äaiferi^ beigetragen, toeld^er, auf bie in ©jjeier betüittigte SReid^Sbilfe geftü^t,
fiegreid^ in granlreic^ öorbrang unb nac^ bem grieben t)on 6re«})^ (14. Set)t. 1544)
toieber freie §anb ^atte, um feine 3Kac^t eintretenben %aü^ and) gegen bie ^roteftanten 20
5U gebrauchen. 2ltte feine in ©^eier gemachten ßugeftänbniffe, an bie fic^ bie fat^olifc^en
©tänbe o^nebieS nid^t gebunben fül^lten, hjeil fic alle 3Seranttüortung bafür bem Äaifer
5ugefc^oben Ratten, toaren nur .einfthjeilige unb bie 2luSbrücfe, in benen fie gegeben
toaren, jtoeibeutig. 2)aft aber bie ®efmnung Karte gegen bie Sieformation fic^ nic^t ge^
änbert unb bafe er fid^ Vorbehalten f}aiU, nötigenfalls auc^ mit ©etvalt gegen fie tjorju« 25
ge^en, leierte eine nic^t ferne 3w^""f^^ '" ^^^ P^ Äurfürft S^^ann Sriebrid^ unb 2anb-
graf ^^ilij)j) mand^mal bie jjrage Vorgelegt ^aben miJgen, ob il^r jyer^alten auf bem
©Jjeierer SReic^Stage nid^t boc^ ein aHju VertrauenSfeligeS getoefen fei. 9le^»
®tietfcgefe^e bet ben ^ebräetw. — Sitterat ur: ^?of. 3KaimonibcS tr. de cibis vetitis
in lat. liog. vers. notisque illustr. a Mrc. Woeldicke 1734; 3. ^. .{lottingev, Jims Hebr. 30
Leges CCLXI (Tigur. 1055) p. 204 ss.; @. S3ü(6Qrt, Hierozoicon, London 1603; 3.@elben,
De jure naturali (Argent. 1665) L. VII, c. 1; gji. ^. JRein^arb, De cibis Hebr. prohib.
(Viteb. 1697); 3- 6pencer, De legibus Hebr. ritual. (Lips. 1705) p. USss.; ^anj in
3}ieuefen, Nov. Test e talm. illustr. (Lips. 1736) p. 79588.; Sujtorf, De synagoga jud.
c. 33-30 (in Ugol. Thes. tom. IV.); 3. 3). ^icftaeliö, ^ofaifAed SRec^t (55ie^I 1777), IV, 35
6. 125 f.; 3. Ci). ©ommer, SBiblifc^e 9(b^anblungen I, (1846), @. 183 ff.; aufeerbem ügl. bic
betreffenben 9(bfc^nitte in ben arcftftologifc^en ^anbbüc^ern üon ^. @tt)alb (9Utert^iimer,
3. ^ilufl., 1866), be ©ette (4. ?tufl., ^erau^g. üon iRöbiqer 1864), ^elt (2. »lufl., 1876);
©aQlfd)ü0 (g)lü)aifd:)eö 9?ed)t, 2. Sliifl., 1853, unb 9lr*äoIogie, 1855, ia56); 9f?owad (1894);
SSenjinger (1894); bie Kommentare jnm fieoitifng, befonberö üon 3)iümann ('9tl)ffel) 1897; 40
SBert^oIet 1901. gern er 91. 3öiencr, 3)ie jübifd)en ©peifegefc^c 1895; 2Ö. 9?obertfon @mit^,
S)ie SRcIigion ber €enütcn, beutfd) üon SR. @tübe 1899. ©ie^e überhaupt bie 93b XVI, 564
angegebene fiitteratur, nomentlid) aud) bie 4>anbbü(6cr j^ur altteftnmentlic^en 2^^eoIogie üon
Cebfer, @d)ult, Smcnb, 3)illmann, @tabc u. f. f.; baju bie einfd)Iägigen $(rtifel in ben 9lcal*
tüörterbiid)em üon Sißiner, €c^enfcl („©peifcaejete" Don SRo^foff), 9?ie5m („©pcifegefefe" oon 45
Stamp^Qufen) u. f. f. für baö 3übi(d)e Hamburger, (5nci)f(opftbic beS Snbentums^.
SQJie bei ben f^mbolifc^ au^ebilbeten 9{eligionen be^ 2lltertumg über^auj)t, finben
fid^ auc^ in ben ^l. ©efe^en bei§ 212:^ geioiffe SSorfd^riften, toelc^e bie 2lu»h)a^l ber
©Ipeifen befc^ränfen unb für i^re g^bereitung geh)if[e Siegeln aufftetten.
I. 2llg unrein toerben manche liere genannt, bie toom 9Jlenfc^en toeber geojjfert 50
(bgl. Sb XVI, 564,43) nod^gegeffen, nod^ in totem ßuftanbe berührt h)erbcn foHen, tvä^renb
bie afö rein bejeid^netcn ju effen, aber nic^t alle ^u ojjfem (bgl. 35b XIV, 390,4) erlaubt
finb. 2e 11; 2)t 14, 3—21. 2)ie Xiere afc^einen ^ier nac^ ber Jjrimititjen ^ebräifc^en
Einteilung in 4—5 filaffen georbnet; bei mehreren Älaffen ift bie 9lufjä$lung ber
einzelnen 2lrten baburc^ erf|)art, bafe allgemeine SKerfmale angegeben h)erben. Unter ben 55
aSierfüfeem nämlic^ gelten ali rein biejenigen, tpelc^e erften^ einen au^gebilbeten gefj^altenen
Öuf I^aben unb jtoeiten^ toiberläuen. ©enannt finb 3)t 14, 4 f. SRinb, ©(^af, ^it^^,
Öirfd^, ©a^eHe, 3!)am^irf4l unb einige 3lntilo}jenarten. ©iel^e über biefe unb bie folgen^
ben Siamen 3)iflmann ju 2e 11, 2 ff. Unrein fmb bagegen bie, tüeld^e eineö jener beiben
2)ierlmale ober beibe öermiffen laffen, loie baig Sameel, ber ÄIiJ)t)bac^ (isMS fiel^e öoc^art, eo
«04 et'eifegefe^e
Hieroz. I, p. 1002), bcr $afe, baö ©d^tücin, ebcnfo btc la^cngängcr (Sc 11, 27).
Unter bcn äöafferticrcn fmb'efebat btc, hjclc^c au^gcbilbctc ^loffcn unb B^uppm haben,
bagcßcn ntc^t bic anbcm, ruclc^c (h)ic bcr 2lal) bcm ©c^Iangcngcfc^Icd^t ähneln, übcr^
i}anpi feine au^gq^rägtc 55if^"ötur auftücifcn. SSon bcn ißögcin fmb ohne aufftcHung
5 aHgcnicincr SKcrfmalc 19—21 2lrten ju effen verboten, meift 9laubt)ögcl, tote Slblcr,
(Scier, SRabc, @ule 2C., lüclc^c bon 2lag unb unfaubem ^Dingen leben, in^bcfonbcrc and)
©utnjpfs unb SßafferiJögel, toie bcr ©torc^ (nn^cn), Steiger, ^elifan u. ä.; anö^ bcr
SBüftcnbogcI ©trauft. 3ln bic i^ögcl tpirb nod^ bic ^I^bcrmau« angcfd^lofjen, Jvcicbc bic
ärabcr l^cute no6) ju bicfcn jä^Ien. I)aran rcil^t fic^ eine S[}orfc^rift über bic beflügelten
10 Kriechtiere (^nfcltcn), toelc^c ini^gcfanimt »erboten toerben mit einer (nur Sc aufgcftelltcn)
Slu^nal^mc: bicienigen, hjclc^c j^toei größere ©))rungbeine l^aben, alfo bic §cufcbrctfcn
(Dgl. Sb VIII, 28 ff.), nä^cr brei 3lrtcn berfelben nad^ 2c 11,22 fmb ju effcn erlaubt.
Unter bcn eigentlichen Äriecl^tiercn,_U)clcl^c nac^ Seil, 41. 42 unrein fmb, tocrbcn be^
fonber^ genannt bcr 9JJaulh)urf ("^V^ Säod^art a.a.O., I, p. 1023s8.; nac^ anbcm:
15 SBiefel), 2(lau^, öibec^fc unb einige ä^nlic^c nid^t fidler ju beftimmenbc 2!icrc, aucb ba»
gl^amälcon, 11, 29 ff. gu biefen toirb Sc 11, 32ff. bemerft, bafe ftc auc^ ©cfcbirre,
Kleiber u. bgl., ebenfo ©J^eifen Verunreinigen, tpcnn ftc in totem 3"ftanbe barauf geraten.
9iic^t ate ob bic Unreinigfeit bei biefen gclb^ unb §au«tieren befonber^ intcnfit) toärc
unb bci^l^alb aud^ auf Icblofc 2)ingc fic^ forti)flan|\te (©ommer), fonbem tücil ^icr bie
20 Serü^nmg mit menjc^lid^en ©eräten unb Vorräten leicht ftattfinben fonnte, toogcgcn
bcm ©d^tac^ten folc^cr 3:iere !aum getocl^rt toerben mu^tc (togl. S3b XVI, 567, 43). Unter
bcn Äried^ticren, toelc^c ein „Slbf^cu" fmb, hjcrbcn 9?^. 42 bic Saud^gänger, b. (».
©erlangen unb SBürmer, nod) bcfonbcr^ angemerft. 3)a^ Slnrü^rcn Icbenbigcr „unreiner''
3:ierc verunreinigt nic^t, too^l aber ba^ ßffen berfelben, ebenfo ba^ 3lnrü(^rcn unb fragen
25 i^rci§ 3lafe«, cnblid^ auc^ (au^ einem unten anjugebenben ®runbc) bic Serül^rung einee
2lafe^ 'oon reinen Vieren, üotlcnb^ ba^ (Sffen ober 2^ragcn folc^er gefallener, niät ge=
fcj^lac^tcter 2:iere Sc 11, 39. SBaiJ bie folgen bcr Übertretung biefer SJorfc^riften unb
bic baburc^ nötig ioerbenben Reinigungen betrifft, fo fmb fic einfach unb nic^t all;,u
läftig, ba e^ fic^ um 3?crunreinigungen niebrigen ©rabeö ^anbelt. SBcr aia^ t)on un^
30 reinen ober reinen Spieren anrührt, foH unrein fein bi^ ijum 3lbcnb ; tpcr fold^c^ äa»
trägt ober üon eßbaren, alfo reinen 2:iercn auc^ ifet, bat au^erbem feine Kleiber j;u
trafc^en 11, 24f., 28. 31. 39f. gn Sejug auf Verunreinigte ©cgcnftänbc fic^c ll,32tf.
aSgl. »b XVI, 575 f.
3)a6 bie Unterfc^cibung reiner unb unreiner 2^ierc fotücit jurüdfreic^t, al^ bie ßr-
35 innerungen bcr Hebräer über^au^^t jurüdEgcl^cn, feigen bie jjal^bifttfc^cn ©tcHen, n?o foWcr
Untcrfd;eibung fd^on bei bcr ©ünbflut erh)äl^nt toirb ©en7, 2; 8,20. C^nc ^tva\d
i}at bie mofaifc^e ©cfe^gcbung eine fold^e nic^t erft eingefüljrt, fonbem bereite al^ iÜQlt^
braud^ üorgefunben, bcr toie alle alten ©tammfitten eine getoiffe religiöfe 2lutorität ^tte.
3)Jofe hat axxd) biefen Srauc^ nur gefe^lic^ beftimmter gcftaltct unb mit bcm 3>fl^^#ienft
40 in SCj^iie^ung gefegt. Daburd^ erlangte er ein um fo l^öl;ereiS 3lnfe^cn. 3)a^ babci
iDaltenbe 3){otib \mx nid^t ein folc^e^ bloßer 3*^^tf"i^6^9fcit toicti^o^l biefe i^orfc^riften
geeignet loarcn, mcbijinifd^ fel^r l^cilfam ju toirfen, fonbem baö ©cfül^l, bafe bcn m=
botencn liercn eine J)bt)fifc^e Unreinigfeit innctoobne, \)on bcr bic ©lieber be^ '^aM
geii?eil^ten iNolfeg fic^ rein erhalten follten. ©iel)e bcn ^errfd^enben tl^eofratifd^cn ©eft^tö--
45j)unft Sc 11, 44 f.; ®t 14, 2f. aSiic in feinem ^nnenleben foH ba« 93unbe«üolf aucb
an feiner Seiblic^feit fic^ rein erl^alten au« 3(üdfficpt auf bcn in feiner ?0iittc toobncnbcn
(>5ott, bcm alle« Unreine ^utüiber ift. ß« foll alfo nic^t« Unreine« in ftd^ aufnebnicn.
äöa« aber bie materiale öeftimmung be« le^tern betrifft, fo l^at fic^ ba« ®efe^ getoiB
gerabe hierin an bic im S^oltc üor|anbene 3lnf4)auung angelcl^nt. ^u i^rer Grflärung
50 ift üor allem bie natürliche 5lbneigung, bie e« gegen getoiffe ©ijcifcn l^attc, bcr (Stel, bcn
e« bor geh)iffen Seren em>)fanb, in ^ilnfcblag ;^u bringen. j)iefcr gaftor ift urf^rüng^
lid;er al« bcr 3tberglaube, bcr fic^ baran bangen mod^tc. 3}lan i}at hjo^l bcn 2:otemi«mu^
unb Xabui«mu« al« r^ueHe biefer Untcvfd^eibung Vermutet (Sobertf. ©mitf^, ©emiten
©. 111). SlUcin bcr ^otcmi«mu«, biefc bei amcrifanifcl^en unb afrüantfd^en ©tämmcn
öö l^äufigc (5rfd)einung, bafe ein Xier al« 9lbnbcrr be« ©tamme« l^eilig gehalten unb nicbt
i?on ibm gcgeffen ioirb, foUnc aucf) bic J^ere^rung eine« lier« burc^ eine ©tabt ober
eine Sanbfd^aft, in iveld^cr c« nicbt tjcrjcbrt tverbcn barf, h)ie im alten 3igt»Vtcn, tvürbc
bod; nur auf ba« iscrbot eine« cin,:^igen ober ein.^elner 2:ierc fübren, nid^t aber bic
©c^cibung bcr licrli^clt in ;^iüci grofec Älaffcn crflären, Don beuen bie gröfeac al« unrein
60 gcad;tct ift. ^^n genügt audb t)on ferne nid;t bie 3lnnabme, c« feien bic t)on cinjclncn
S^^etfegefe^e 605
©tämmen bem (Scnufe entzogenen 3:ierc bei t^rer SSeteinigunö ju einem 35oIfe al^ öer^
boten üufammengefteHt h)orben (fo ©tabe, 5Joh)acf, Senjinger), bgl. 35b XVI, 575. 3)ie
i^raelitifd^e Speifeotbnunö ift aber aud^ fel^r öerjd^icben bon ben labu^Sa^ungen ber
Sluftralier, ^ol^nefier, 3i<^^"^ w- f- fv ^w^c^ hjcld^e beftimmten ?perfonen ober ©tänben
getoifle Sjjeifen, 2:iere unb fjrüd^te al« einer ©ottl^eit gehjeil^t ganj ober ju beftimmten 6
Reiten bertoe^rt finb. aSgl. and) bie Sab^Ionier 33b XVI, 572, i8. §ier liegt bie bem
älberglauben entfproffenc 3Bitt!ür auf ber $anb. 35ei ben 3^^«^^^^" bagegen ift bie
Unterfd^eibung au« bem gemein menfd^Iid^en Serlangen noc^ Sleinigfeit leid(;t berftänblid^,
tüeil objeltiö begrünbet. a)ied begriffe ftc^ nid^t, tüenn nac^ ©tabe, 2Utt. a:^eol. 135 f.
ba« auf einer niebrigem SWeligion^ftufc „^eilig" gead^tete Am be^^alb auf ber bö^em, lo
Ujo man eine erhabenere ©ott^eit öerel^rte, „unrein" getüorben tüäre. ©oUten bie 3^*
raeliten auf jener frühem ©tufe gtoar tpeber ©tier no^ Äu^, hjol^l aber ©um|)ft)öge(,
Snfelten, SBürmer u. bgl. für göttlid^ gehalten l^abenV 3!)er geiler ift ber, bafe man
aUe mit ber SHeligion in g^fammen^ang fte^enben ©})eifeDerbote auf ein einjige« 3)Jotii),
bai§ ber §eilia^altung, ^urüdEfübren hjiH. 3Sielmel^r l)at man bei ber 3lal^rung h)ie bei i6
ber fonftigen Seibe^jjflege ba» 35ebürfnig nac^ SReinigfeit aU ein uralte« religiöfe« ^oftulat
anjuerfennen. 35ie SJertüenbung be« SBaffer« ^ur 35efcitigung öon Unreinigfeit, bie
burc^ 35erül^rung üon 2la« ober unreinen 2:ieren entftanben ift, ^at nid^t in ber 35ors
ftellung i^ren Urfprung, bafe ba« SBajfer ben „§eiligIeit«ftoff" entferne (©tabe ©. 143),
jonbem barin, ba^ e« fauber mad^t gener äBibertoilte gegen bie Unfauberfeit begegnet 20
un« auc^ auf arifc^em ©ebiete, 5. 93. bei ben bral^manifc^en ©})eiferegeln. 3Sgl. ba«
©eje^bud^ be« 3Ranu V, 5—56 (3K. SDWaer, Sacred Books XXV, 170—177), tüo
©c^tüämme, toeil au« unreinen ©ubftangen hjad^fenb, ©um})ft)ögel, fleifc^freffenbe 35ögel,
©jjerling, §au«l^a^n u.a. ju effen Verboten fmb.
3!)ie im jjentateud^ifc^en (Sefefe öoUjogene Unterfd^eibung bon reinen unb unreinen 25
lieren ift bon ben genannten ®efic^t«})unften au« im attgemeinen mit ftc^er urteilenbem
3:afte getroffen, tvenn e« aud^ im einzelnen nid^t an 93efonber^eiten bc« ©efd^macf« fe^lt.
SDie Don gefunbem 9Jaturgefül^l eingegebene iNolI«anfc^auung toar nic^t untpert, t)on ber
mojaifd^en Sieligion aufgenommen, beftimmter geregelt unb i^r bienftbar gemad^t }u
h)erben. 2)ic auf ben erften 93licf befrembenben 3KerImale gur ©d^eibung ber ©äugetiere 90
(fie^e äl^nlid^e bei ben §inbu a. a. D.) fmb folgenbermaften ju erflären: ^tm Sierfü^er,
bie, t)on Kräutern lebenb, ba« reinfte unb geniefebarfte, ba^er auc^ ojjferbare ^leifc^ liefern,
h)ie 5Kinb, ©c^af u. f. f., \)abm al« bie normalen ©c^lad^ttiere bie 9Jlerfmale abgegeben
uir Unterfc^cibung ber jtoeifel^aften, g. 33. be« fflilbe«. 9lid^t bon jenen 9Jlerfmalen ift
bei ber 2)eutung au«xuge^cn, fonbem bon ben mit i^nen berbunbcnen, eben ertoä^nten 35
6igenf(^aften. 3)ie Sai^engänger bagegen fmb jugleid^ gleifd^freffer, meift SRaubticre
unb joldS^e, bie fid^ öon 2la« unb bgl. nähren; fie finb au« biefen ©rünben mit unreinem
®eru4l unb Unreinigfeit aller 9lrt öiel me^r behaftet al« jene Siormaltiere, unb mußten
ben 3«raeliten, toelc^en 2la«, ßerriffene«, ßrftidte« unb bgl. gu öerfc^lingen im ^öd^ften
üRafee anftöfeig toar, befonber« unrein erfd^einen. 9Jur ge^t man gu toeit, tüenn man 40
alle« let)itif(^ Unreine unb fo auc^ ade bie al« unrein bezeichneten Sierc burd^ ein be^
fonbere« SRaifonnement fjjejiell mit bem Job in SSejiel^ung fe^en tüiH. 3)ie freatürlid^e
Unreinigfeit, toelc^e bie i^ora fennt, gi<)felt aHcrbing« im 3:obe, aber fie tritt auc^ in
geh)iffen ßrfc^einungen unabl^ängig baöon auf. 3- ®- ^<^^ ©d^toein ftetlt biefelbe o^ne
jene fünftlic^e SSermittelung anf(|aulid(; genug bar, ebenfo überl^au|)t bie Siere, toelc^e in 46
unreinem Clement i^r 2)afein fül^ren, n)ie bie ©umpföögel, ober im ©taube friec^en, lüie
eibecl^fe, 5)iau« unb bgl., toä^renb umgefel^rt bie im reinen 333affer lebenbcn ^ifc^e,
obloo^l fie and) Sebenbige« berfc^lingen, nid^t unrein fmb. 2lu^ ba« 3Koment ift ni^t
aufea ad^t ^n laffen, bafe ba« ßfebare einer au«gej)rägten SDierf^jegie« angel^ören foll.
3)er SDUn^d) l^at einen natürlid^en @fel öor bem, h)a« „toeber %\^d) nod) gleifc^" ift, bor 50
3tDittergeftalten. 3)a« fommt bei ben 3Kerfmalen ber ^ifd^c in 33etra^t, bielleid^t aud^
bei ber ^lebermau«, bie fic^ freilieb überbie« in fc^mufeigen Söc^em aufl^ält, unb beim
©traufe, lüo ;ur 3lbfonbcrlic|feit ber ©eftalt bie ber £eben«art bicfe« SBüftenöoget« ^inju^
fommt. — aiHzu fj)iritualiftifd^ f)abm $^ilo unb anbere atlegorifterenbe ^nhm, nad)
il^nen aud; bie Äirc^enbäter, au« allen ©injeli^eiten biefer SSorfd^riften einen moralifd^en &5
®runb ober eine f^imbolijc^e 33ebeutung unmittelbar ^erau«lefen tooHen. 3lad) i^nen foll
j. S. ber gefjjaltcne §uf bie Unterfd^eibung g^ifc^en gut unb böfe, ba« SBiberfäuen bie
ftetige 93efd;äftigung mit bem göttlichen SÖort farfteUen, bie einjelnen unreinen 2:ierc
menfc^lic^e Seibenfc^aften unb Safter, fo bie SRaubüögel bie §abfuc^t, ber Jpafe bie ©eil-
l^eit ober bie geig^eit k. 3ft biefe SKanier al« Äünftelei ju öertoerfen, fo ergibt fic^ eo
606 St'etfegefe^e
bagegcn au« bcm Obigen, ba^ aUcrbing« xtpifc^en biefer Unreinheit ber Ärcatur unb ber
menfc^Iic^en Sünbe eine Se^ie^ung t)om ©efe^e angenommen toirb. 5?ic^t aU ob ber
Jjarftfd^e 2)uaIi«muiS jtoifc^en gut unb böfe gefd^affenen Äreatuten ju ®runbc läge; toobl
aber toirb in ber mofaif^en SKeltanfd^auung bie p^^ftfd^e Unreinigfeit ate ein Sleper ber
6 et^ifcl^en angefe^en; mit bem ^ienfte be« ^eiligen ®otte« ift bie eine fo unvereinbar irie
bie anbere; an ber §anb biefer jj^^ftfc^en ©afeungen, toeld^e il^m eine getoifle ©clbft=
bcberrfd^ung unb Übertpinbung ber ftnnlid^en ®ier gebieten, fott ber 9Jlenf^ lernen, au(^
jebe geiftige SJerunreinigung ju öcrabfd^euen unb ängftlic^ ju meiben.
IL SBefentlid^ anber« begrünbet ift ba« SSerbot, ba« Slut unb ba« %^tt ber (reinen,
10 efebaren) 2^iere ^u berge^ren. a) 3)a« SBIut ift nid^t an fid^ unrein, im ©cgenteil ift e^
ber loftbare Sebenöfaft, ber aH 't>a^ lüertöoHfte am 3^ier ®ott geojjfert toirb. ®ag Sebcn
ift au« ©Ott unb gehört ®ott. Um feiner naiven 33ejiel^ung gum Seben toiUcn foüen
bie 5DJenfc^en ba« 35lut, getviffermaften ba« materieUe ©ubftrat ber ©cele, nid^t t>er-
fc^Iingen, fonbem ®ott tüeil^en. 3)a« cigentlid^e Seben anberer ®ef(^ö})fe foHen bie
16 3Kenfc^en nid^t in fic^ ^ineintrinfen, fonbem bem ©d^öjjfer jurücfgeben bei ber ©dg^lad^tung.
3n ^bm biefer 6igenfd^aft ift benn auc^ ba« Slut ba« eigentliche ©ü^nmittel, lann für
bie SJlenfd^enfeele eintreten, an i^rcr Btatt ®ott bargebrad^t toerben. 2e 17, 11: „^'n
©eele be« gleifd^e« ift im 35lute, unb id^ l^be e« euq gegeben auf ben Slltar ju fiibncn
euere ©eelen." 35arum mu^ bei ber ©c^lac^tung barauf Sebad^t genommen toerben, ba|
20 ba« Slut auslaufe. 2llle« 3^ff^^ ""^ ßrftiote barf nid^t gegeben toerben, toeil babei
ba« Slut nic^t gel^örig ausgelaufen ift. — tiefer ®ebraud^, ben Slutgenufe ju üermeiben,
ift jebenfaH« uralt. ®en 9, 4 toirb er fc^on im noad^ifd^en 3^^^^^^^ ^^ Ü)ienf<^kit
jur ^flid^t gemacht. 3!)ort toirb jloar ber gleifd^genufj al« mit ber göttlid^en £5rbnung
übereinftimmenb bejeic^net, toenn aud^ in frü^efter 3^'* ^^^ SJlenfd^engefd^lec^t ftc^ mit
26Äräutern unb grüdj^ten begnügte; aber e« loirb bie ©infd^ränlung aufgeftellt: gleifcb in
feinem 33lute, feiner ©eele, foUt i^r nidS^t effen, b. ^. folc^e«, ba« mit feinem Slute unb
fomit feiner ©eele nod^ bel^aftet ift. ©benfo toirb bie« nad^brücflid^ft cingefc^ärft in Der=
fc^iebenen Auflagen unb Abteilungen be« ®efefte6: 2e 3, 17; 7, 26f.; 17, 10; 19, 26;
2)t 12, 16. 23 f.; 15, 23; t)gl. 6^ 33, 25; 1 ©a 14, 32 ff. 2lu4i bem in «anaan
90 niebergelaffenen grembling lüar ba« ßffen be« 35lute« t)erbo ten nad^ 2e 17, 10. 15,
tpäl^renb 3)t 14, 21 toenigften« gefallene« SSicl^ bemfelben überlaffen toirb. SBcr bcni
®ebote jutoiber^anbelte, mufete fi^ berfelben 83ufte unterhielten lt)ie bei ben obigen JJcr-
unreinigungen 2e 17, 10. 15, fonft f^atU er 2lu«rottung burc^ ®otte« §anb ^u ge^
toärtigen 17, IG; 7, 27. — Sei Djjfertieren !am ba« 33lut an ben 2lltar; fonft tourk
36 e« einfach jur @rbe gegoffen, auc^ tool^I mit @rbe bebecft 2e 17, 13. — 5)ie SScrmeibung
be« Slutgenuffe« ift ben ^nim fo ^ur Statur getoorbcn, ba^ man fte bi« auf bie ®egcn=
toart ftet« beobachtete. 3^ne Seftimmung, bafe beim ©c^lacbten be« liere« ba« Slut
gel^örig au«laufen muffe, ^at im rabbinifc^en 3l"bentum ju einem !omj)lijierten Sleglement
(angeblich ber 2)t 12, 21 erlüä^nten Überlieferung) in Sejug auf ba« ©c^lac^ten gcfübrt
40 2e^tere« foH burc^ einen „©c^äd^ter" gefc^el^en, ber bie talmubifc^en Seftimmungen genau
fennt. ©iel^e 2)lifc^na ßi^olin unb bie ©trafgefe^e bei Slutgenufe 9Kifd^na Äerit. Ä. 5;
ferner 5!laimonibe«, jad chasaka hilk. schechita; ©c^uld^an äruc^, jore dea; über
ba« ©d^äc^ten togl. auc^ Hamburger, Slealenc^fl. für Sibcl unb lalmub, II, 1099jf.
Über bie .c^riftlicl^e 3luffaffung f. unten.
45 b) Äbnlid^ öerl)ält e« fic^ mit bem gctt (=i?ri) ber ojjferbaren 3:iere, ba« tric bü^
S3lut ju effen Verboten ift 2e 3, 17; 7, 25. ®emcint ift nic^t ba« äufeere, mit bcm
gleifc^ i?ertoac^fene ^^tt, fonbem ba« um bie ©ingetpeibe, befonber« um bie 5Jiercn ([t-
lagerte, hjo^u bei ©c^afen ber gcttfd^toan^ fam (2c 3, 9). fficit entfernt, unrein ju fein,
ift ba« ^iit getoiffcrma^en bie Duinteffenj be« 2eibe«, bal^er ba« 3lu«gefuc^tefte, h>a« ber
eo^err fic^ Vorbehalten l^at. Der ®efidu«i)unft ift alfo aud; ^ier ein tl^eohatifd^er, nicfct
etn?a ein mebi^inifc^a, n?ie ®rotiu« unb ^. 2). 5}lid^aeli« e« anfa^en (ba« %^ti fcbabc
ber ©cfunb^eit !), aud^ nxd)t ein lanbtoirtfd^aftlic^er (jur Seförberung be« Clbauc^I
3». D. 5Jiic^acli«, SRofcnmüller). 2)a« Deuteronomium rebct übrigen« bon biefem l^er-
böte nid^t.
&-> c) 2)a^ bie bcm §errn ju iocibenbcn ßrftling«früc^te unb 6rftling«ticre bem Jjro'
fancn ®enu^ entzogen toaren, öerftc^t fic^ bon fclbft. i^gl. Sb V, 482 ff.
III. 6in;;elne iJcftiminungcn über Zubereitung üon ©Jjcifen finben ftd^ noc^ pm:
a) ®en 32, 33, Jtoar nietet eine 3Borfd;rift, fonbem ein in ^l^^ael allgemein anerfannter
©ebrauc^, ioonac^ bie ©cl^nc aiit .§üftmu«tel (nervus ischiadicus) ber ©d^lac^tticre
0) nid^t gegeffen tourbe. Sgl. §ottinger Jur. Hebr. nr. 3. — b) 3)a« au«brüdtli(^e Ser*
St'etfegefe^e Qptnttt 607
bot, bag Söilein in ber 3)iUcl^ feiner TOutter ju lochen, finbet ftd^ fd^on im Sunbe^bud^
ßj 23, 19, toieber^olt 34, 26 unb 2)t 14, 21. 35afe bamit ein ^eibnifc^er Djjfergcbrauc^
(^aimonibe^, 9loiS!off) ober fonft eine bem Slberglauben btenenbe ©itte (magifc^er Sraud^,
©tabe) abaefc^nitten h)erben foHte, ift nid^t nötig anjune^men. SBal^rfd^einlic^cr ift, baft
biefe« Sßerbot ä^nlic^ toic Sc 22, 28; a)t22, 6 f. (bgl. and) bie ©abbat^ru^e ber liere) 5
eine 0eh?if[c ©d^onung ber 9iatur aud^ in ber üertüelt jur ^flid^t mac^t. SBäre e^ boc^
graufam, toenn baö 3)Jutterlier felbft bie 3JWd^ l^ergeben mü^te, in ber fein S^nge«
gefoc^t loürbe. ©elbfttjerftänblic^ foHte biefe jarte Se^anblung ber 3:iere erjiel^erifd^en
ßinflufe auf baö SSoI! ausüben, feine eblern ©efül^le hjac^erl^alten unb Dor 3lbftum^fung
unb 3Serro^ung betoa^ren. ©jjäter ift biefei^ SSerbot t)on Sarg, unb ben SWabbinen ba^in i«»
ertoeitert toorben, man bürfc über^aujjt nic^t gleifd^ in 3Kild^ ober 35utter fod^en, hja«
ju ängftlid^er ©d^eibung ber Äüc^engefäfee unb ä^nlid^en bi^ ^eute bei ben ortl^obojen
guben geltenben ^ebantereien führte, ^ic^tiger crfennen ben urfprünglid^en ©inn nod^
bie ©amaritaner, tpeld^e %Ui\ä) unb 9KiI$ auö berfc^iebenen Sanbe^teilen bejiel^en
(t). DreKi, SJurc^^ ^eilige Sanb, 4. 2lufl. ©. 181). i?»
3im 31% finben Wh ^unäd^ft bie urd^riftlic^e ©emeinbe ben t)on 3Kofe ^er über=
lieferten ©a^ungen getreu. Slber toaiS einmal ben Unterfc^ieb t)on reinen unb unreinen
2:ieren betrifft, fo mufete biefe t)ielfac^ national geartete ©d^ranle toie anbere 9leinig!eit«5
toorfc^riften, bie einen 3^un um ^^xa^l bilbeten, fallen, toenn mit ber §etben\oelt eine
naivere 35erül[nfnng ftattfinben foHte. 3)iefe SBeifung hjurbe $ctro ju teil, 21® 10, 11 ff., 20
unb 5h?ar mit ber ^3Jiotit)ierung, ba^ aHe^ t)on ®ott ©efc^affene bon i^m gereinigt
tüerben fönne. ^mn SBegfaH abfc^lieftenber ©a^ungen ift eben in ber burd^ 6l^riftum
getüorbenen Offenbarung innerlid^ begrünbet: fie reinigt unb heiligt bie ganje Äreatur,
inbem fte öom ©ünber ben auf il^m laftenben 93ann ber Unreinigfeit tüegl^ebt. ©0 t)ers
liert jene äu&erlid^e Unterfd(;eibung öon rein unb unrein i^ren 3)afein^grunb. 3?gl. 25
übrigen^ gegen bie mit bem Slu^erlic^en fid^ begnügenbe ©elbftgerec^tigfeit ber ^l^arifäer
fc^on aJlt 23, 25; Sc 11, 39; aJlc 7, 8. 5Ramentlid^ aber ift ju bergleic^en ber Äanon
3JJt 15, 11. 17ff.; 9JJc 7, 15ff., burd^ toelc^cn bie ©peifegefe^c im ^rinji^j bereite auf*
gehoben fmb. 3(m längften unb ftrengften tpurbe in ber altd^riftlid^en Äirc^c ba^ Serbot
bc« Slutgenuffe^ aufrecht gel^alten, unb gtoar (ate ein nid^t ft)ejififc^ igraelitifd^e^, fonbem »»
fc^on noac^ifd^cö) aud^ ben ^eibenc^riften gegenüber, 2l®15, 20. 29; 21, 25. 2)ieÄirc^e
ad)Uk fid^ nod^ in 3:ertulliang 3^^* allgemein baran gebunben (lertuH. 2lj)ol. c. 9; de
monog. 5; idol. c. 24. — ßufebiug, h. eccl. 5, 1), bie griec^ifc^e Äird^e blieb ftet^
babci conc. Trull. II. can. 67; Suicer. thes. eccles. I, 113. 2tHein JjrinjijjicH h)ar
and) biefe^ SSerbot burd^ iene« SBort be« §erm, 3)it 15, 11, fotoie burc^ bie bon ben 36
2lj3ofteln, namentlich $aulu« berfünbetc ebangelifc^e greil^eit (1 %x 4, 3 f.), abgetl^an aU
iu ben oToixeia xov xdojuov (®a 4, 3) gehörig, bie nur Jjäbagogifc^ öorbereitenb fein
onnten für bie ®emeinbe, toeld^er gefagt ift: ältle^ ift euer, i^r aber feib Gl^rifti. Über
ba« Serl^alten ber ß^riften ju ben l^eibnifc^cn D^jferma^l^eiten unb ^eibnifd^em Djjfer«
flcifc^ fte^e Sb XIV, 399 f. ». Drctti. 40
S^icncct, Sio^n, englifc^er Il^colog, geft. 1693. — Sttteratur: eQlami)8 Ab-
ridgement of Baxter, 1713, vol. II, 118; CSoopevö Memories of Cambridge I, 149; .£>afteb§
Kent III, 9; Se 92eüe§ Fasti (.&arM)); ^Kafterö' History of Corpus Christi Coli., Sambr.,
163 unb 3nbej; 9Hct)oId' Lit. Anecdot. IV, 25. 26, 281; 9?id)arl)fonö Atheoae Cantabrig.,
MS p. 352; IsBent^am^^ Ely I, 237; SBarton* Life of Bathurst 105; ^afer« MS26, p. 281; 45
Seiüiö' Antiquities of Feversham, 87 ff.; Dict. of Nat. Biogr. vol. LIII.
©eine litterarifc^e 3lugbilbung fanb ber im ^al}i^ 1630 in SSocton (Äent) geborene
junge ©pencer im Corpus Christi College, ßambribge ; er burc^licf bie ^erlömmlid^cn
afabemifc^en ®rabe mitSlu^^eic^nung (1665Dr.theol.), unb bertüaltete, aU Uniberfttät^^
^rcbiger beginnenb, nac^cinanber bie Pfarrämter ©t. ®ile« unb ©t. SSenebilt in 6ams 50
bribgc, Sanbbeac^ (gambribgef^ire), tüciter^in eine $frünbe am a)om bon 61^, ba«
airc^ibiafonat öon ©ubbur^, ba^ il^m föniglic^e ®unft (1677) übertoie^, lourbe in bem^
felben 3;al^re jum SDefan t)on ßh; ernannt unb ftarb l^ier am 27. 3Kai 1693, nad^bem
er feit bem 3. 2tuguft 1667 auf ®runb einiger gelehrter Unterfud^ungen ber biblifc^en
ailtertümer pm 3iorftanb feinet goUcge^ (Corpus Christi) erloä^lt toorben h)ar. — 66
©eine ®clebrfamfeit, 3)cnff(^ärfc unb geiftige grei^eit ftd^em i^m einen 9?amen in
ber tl^eologifc^en ffiiffcnfd^aft^gefc^id^te ßnglanbg. ^n ber ^orm feiner gelehrten Untere
fud^ungen toirb er jtoar nod^ bom SSanne be^ überlieferten ©d^cmati^mu« gehalten, e^
fel^lt i^m ber SReij })adEenber ®eftaltung«Iraft unb tonH)ofitioncller ffinergie, in ber ©ac^e
608 Sptnttv
aber trägt tl^n fein ©ebanfenflug tDeit über bte ©d^ranfen ber jeitgcnöfftfc^en än=
fc^auungen, in beren ftumjjfe ©c^hjüle er neue^ Seben brachte. 92ici^t mit Unrecht ift er
ber Segrünbcr ber tjergleid^enben SReligionc^efc^icI^te genannt tüorben; jebenfaH^ i^at er in
Snglanb, uncrjc^rocfen unb bi^ jule^t in angriff unb äbh)e^r be^arrenb, au^ ber 3?cr=
5 ad^tung lauer Äomjjromiffe unb eine^ bequemen ^ro« unb Äontraftanbjjunitee ^erau^ bic
erften befreienbcn äu^blidEe in eine t)on ber geitgenöffifc^en ©ele^rtenjunft ängftlic^ gc:
miebene ©ebanlenhjelt gehjagt unb l^at ate erfter ©ä^e auf ben %\\ö^ fcina ^c\t gc=
iüorfen, bie für bie forfd^enbe S^eologie bi^ in bie iüngftc ©egentoart l^inein aScg^eigcr
geworben jtnb.
10 ©leid? in feiner erften ©d^rift tritt bie neue 2^^efe be^errfd^enb in bcn 33orbergrunb
unb giebt il^r fofort i^re litterarifd^e 35ebeutung, inbem er (in feiner Dissertatio de
Urim et Thummim) bie 2lnfc^auung bon ber 2lb(^ängigleit jübifc^sfcmitifc^er Äultu^banb^
lungen bon ^eibnifc^en Sinflüffen burc^ ben 9iac^h)ei^ ber ^erübemal^me biefer m^fttf^cn
ßmbleme aui^ äg^jjtifd^en ®ebräuc^en energifdS^ tjertritt. ©ie tpar ber SSorläufer ^u bem
15 grö|eren SBerle, ba^ in feinen ©runbgebanf en an bie ©d^toeDe ber neueren öerglei^enbcn
3leIigion^forfd(;ung fü^rt unb ©pencer« 9Jamen in iDiffenfc^aftlid^en Sl^ren erl^alten ^.
3;n il^m — e^ erfd^ien jum erften 3Kale 1685 u. b. 2.: De Legibus Hebraeorum
ritualibus et earum rationibus libri tres — iDerben bie 2lnfänge ber mofaift^en
Slitualien ber SRei^e nac^ einge^enb unterfuc^t, mit bem genialen ginberblidt, ber burd^
20 bie üerfd(;leiemben füllen in« SBefen ber ©ac^en gel^t, unb mit umfaffenber, nic^t ge--
tüö^nli^er ®elel;rfamfeit in einer ^zxt, in ber bie Drientalifti! in i^ren anfangen ftanb
unb ber S^Ö^^^Ö 5" '^^^ DueDenftoffen in bem griec^ifc^en unb römifc^en ©d^rifttum,
bei SofejJ^uö, ben Äirc^enüätern ober in ber Sibel felbft gefuc^t tüerben mufetc. 6^ toirb
ber ?Jad^h)eig unternommen, bafe ber ?Jtofai^muö in feiner 2lu^eftaltung, nad^ ^nbalt
25 tüie gorm, in ber göttlichen ^eil^orbnung tourjele unb jtüar bie ©runbibee be^ ^eil*^
Jjlanö in 35ilb unb 3^'^^^^ bai^tetle, nic^t aber bie ©ebanfengänge unb ftttlic^ religiöfcn
2lbftd^tcn beg ©efe^gebcr«. ^n SSerfolg biefe^ ©a^e^ ioerben bie einen JEultifd^en ©efe^c
au^ ber 9ioth)enbigfeit einer 3lbh)e^r be^ ba« SSolf ringsum bebrol^enben ©ö^enbienftc^
bcgrünbet unb in einer SReil^e anberer bie 2)arfteHung l^immlifc^er ©e^eimnifie gcfunbcn
30 (I. Sud^), in ben beiben folgenben, ben §auj)tteil be« SEBerle^ bilbenben Sudlern unter-
fud^t bann©toencer bie SSertüanbtfc^aft unb SSerbinbung^linien getüiffer mofaifd^er 9?ormcn
mit bem ©aoäigmu^ unb toeift bie §erüberna^mc, bejh?. Umformung anberer im bcib=
nifd^en Äultuö ber 9Jac^barlänber tjorl^anbencn futtifd^cn formen für ben ^entateu^ na*.
SDie aufgefc^loffene, freie Stu^fjjrad^e über biefe religiöfen SHeflejerfd^einungen mit bem
36 ©d^lu^fa^e: ber ^JJlofai^mu^ ift nic^t burd^au^ in Cffenbarung begrünbet, öielme^r gu einem
3:eile abgeleiteter, tvenn auc^^ mobifijierter ©ö^enbienft, erregte natürlich in ben finblicfccn
Greifen be^l7.3<ii^rl^-wnge^eure^ auffegen. §atte ©Jjenccr e^ al^ bie2lufgabe feiner Strbcit
be^eid^net, „bie ©ottbcit öon toiflfürlic^en unb Jj^antaftifd^en SSorftetlungen gu befreien",
fo gaben nun feine ©cgner il^m felbft ben ^l^antaften, in jenen ^^\im unter allgemeiner
40 ;>^uftimmung, jurüdt. ^ermann SBitfiu^ (1683 in feinen Aegyptiaca) eröffnete ben 3(n=
önff/ 3^1}. aSigerma, ^. gennema, 31. Äemjjfer, ^olj. 5JJei;er unb 3. ©btoarb^ folgten,
inbe^ o^nc ©|)encer ju h)efentlic^en 3^9cftänbniffen ^u bringen. 2)er SSiberfpruc^ uer^
anlaste il^n jtoar ^u einer 3leuj)rüfung unb in natürlicher golge ^u tieferer Segrünbung
feiner Stnfä^e unb in einigen ©tüden ju ßrUjeiterungen, bie er ^ugleid^ mit einer Slb-
45 fertigung feiner ©cgner in einem vierten 93uc^e aufarbeitete ; Veröffentlicht tpurbe bieje^
inbe« crft nad; feinem lobe im 3luftrage ber Uniberfität ßambribge, ber burc^ 6rjbifd»pf
Stenifon, ©J)cncer^ grben, bcffcn l^anbf^riftlidbe Slrbeiten le|tioillig jugefaHen toaren, im
3;al}re 1727 in 2 ^^oliobänben (bie 3luggabc ift i?on Seonl^. d^ajjjjeloh) beforgt); ein beut-
fc^er 3lbbrud mit einer Dissertatio praelim. erfc^ien burd^ 6. 3)1. $faff in Slübingcn
50 1732. ©egen biefe ^lüeite aufläge manbten fid^ im 18. ^al^r^. 5!iB.3one«::5Ra^lanb(1789),
3Koobh)arb (1776) unb (Srjbifcl^üf 9)Jagcn, auc^ biefe ol^ne ßi^olg, fotoeit c^ fic^ um
bie grunbfä^lic^en fragen lianbelte. 2)ie (Sntioicfelung ber biblifc^en SBSiffenfc^ft, ber
altteftamcntlic^en ;\umal, bat ©Jjencer im h)efentlid;en recl^t gegeben ; ^ÄeD^aufen^ 6^
fc^ic^te 3^^<^cl^ unb lielcö Histoire compar^e des anciennes Religions de l'Egypte
55 et des Peuples S^mitiques gelten auf feinen ©J)uren einher unb Slobertfon Smitb
nennt cö (in feiner Religion of the Semites 1894, 3?orto. ©.VI) „tro^ einiger ^Kängd
in feiner 3lrt ba^ loic^tigfte 2Bcrf über bie religiöfen SUtertümer ber §ebräer". —
^lufeer ben genannten SUertcn l^aben toir t)on ©>)encer noc^ A Discourse concern-
ing Prodigies vvherein the vanety of Presages by them is reprehendet and
cotheir true and proper Ends asserted and vindicated, £onbon 1663; ber 2. äluf'
Stieitccr 'Bptncv 609
läge 1665 ift ein Treatise concerning Vulgär Prophecies l^injugefügt. — 2)ie im
Xejt genannte Dissertatio erfc^ien 1669 in (Sambribge, 1670 ^um ^tvzxtm 3BaIe unb
tputbe 1744 öon Slafiu^ Ugolinug in beffen Thesaurus Antiquitatum aufgenommen;
De Legibus Hebrae. guerft 1685 in Gambribge, 1686 im §aag, 1705 in Seijjjig; bie
englifd^e 5?euauggabe 1727 in 2 goliobänben in ßambtibge. Siubolf öubbcnpeg. 6
Sjpencr, ^^ilij)}) S^^ob, geft. 1705.— auellen finb üor onem 8.« ©(Triften (feine
6eIbftbioflrai)^ie, ?5rebigten, fatec^etifc^e 8d)riften, crbauliie ^Ib^onblungen, SBebenfcn unb
^-Briefe, SSorreben, polemifd)e (5ct)riften, genealogifd)c unb ^eralbif^e 3Berfe), bie, obgefe^en uon
ben üerfcl)icbenen ^luflagen, in etwa 225 2)rucfn)erfen erfcftienen finb. ^ie !uirf)tigfteu unb
umfangreidiften finb: X^eologifcftc S3ebenfen, fiepte 2:^coI. siebenten, Consilia et iudicia latioa, lO
2:()fttigeö (J^riftentum, (Sü. (älaubenölc^re, ©ü. fiebenöpflid)ten, (Sü. ÖJIauben^troft, ßautcrfeit
be* CD. S^riftentumS, SBufeprebigten, Seicftprebigtcn, Äated)iSmu§prebigten , ßrfte (öeiftlid)e
Schriften, kleine ö)eiftlid)e 8cf)v{{ten, ^riefmedifel S-iQncfe§ unb 8.^, i^' uon ®. Äramev,
8.^ $)auptfd)riften, ^ög. üon ^. l5)rünberg in bei* ^-Bibl. $:f)eoI. ^loffifer, ©anb 21. ^anb*
fd)riftlid) finbet fict) uon 8. ba^ 5Sicfjtigfte in Jranffurt a. '^., ©alle imb fieip^ig. — 58on 16
Söearbeitungcn nenne ic^ nur biejenigen ^iSerfe, welcfie bie 8penerforfd)ung toefentlic^ Qn=
geregt unb geförbert ^aben; bie bis^ 1740 erfc^ienencn befi^en üugleid) CueQcntrert: Scicl^en=
prebigt auf 8., 1705; u. Sanftein, fiebenöbefd)reibung 8.S, 1729; biefelbe mit 9tnmerfungen
üon Öange, 1740; beögl. mit ?lnmerfungen üon 8teinme&, 1740; 3Öe{;eI, fieben^befd)rcibung
ber berül)mteften Sieberbid)ter, 1724; ©erber, ^iftovie ber SBiebergeborenen II, 1726; ®Ieid), 20
5!eben§befd)reibung ber fäc^fifdien Ober^ofprebigcr II, 1730; SSalc^, ©inteitung in bie ^teli^
gionöftreitigfeiten ber lut^er. ^irc^e, 1730ff.; (Sc^iröcfl, ^lüg. SBiogv. VI, 1787; .{loSbac^, 8. u.
feine 3cit, 1828; Änapp, fieben unb ß^arafter einiger gelet)rter unb frommer 'iDiänner, 1829;
©uericte, ©anbbud) ber f ir^engefd)., 1833; 8.« 8äeularfeier, 1836; SKärflin, 3)arftenung unb
Äritif beö mobernen <Piet., 1839; X^ilo, 8. alS Äatec^cf, 1840; 3BiIben§a^n, «ßb. 3- ©-26
1843; Äliefüt^, 5Beid)te u. ^Ibfolution, 1856; (Öa6, ®efc^. ber prot. ^ogmatif, 1857; <«effeU
mann, S3ud) ber ^rebigten, 1858;-5l;öoluc!, S)aä fird)!. fieben be« 17.3abrt).«, 1862: 84mib,
öJefdi. be^ qjiet., 1863; ü. ^ei^fcbmip, 8i)ftem ber tated)etif, 1863: St^olucf, ^b. 3. 8-, in
^l^iperö eu. Menber, 1865: gronf, (i^cfd). ber prot. 2:t)eüIogic, 1865; 3)orner, ©efcft. ber prot.
X^eologie, 1867; ^Brömel, §omiletifd)e S^arafterbilber, 1869; Äramer, ?t. $>. grancte, 1880. 30
1882; .J)orning, 8. in 9?appoIt^iüei(er, ©olmar unb 8tra6burg, 1883; 8ad)ffe, Urfprung unb
5Sefen beö ^letiSmu^S, 1884; 9Htfdjl, (53efd)id)te beg «Pietismus II, 1884; ®afj, ®ef'diid)te
ber diriftlid)en (£tl)if, 1886; 9?odioü, ®efc^id)te ber eüangetifc^en Äird)e S)eutfcftlanb§, 1897;
•ipering, ®efd)id)te ber prebigt, 1897; u. 8cbubert, ÖJrunbjüge ber Äircftengcfc^idjte, 1904.
Xroeltfd), ^ßroteft. G^riftentum unb Ätrcfte in ber llJeu^eit, in „?J)ie cbriftlidje ä^eligion" 1906. 36
— 9iae bi^^erigen Jyorfdnuigen finb bcnu^t, ^^ufammengcfaftt unb meitergcfü^rt in bem Serf:
% ®riinberg, ^b^ipp Safob 8pener. I (bie 3eit (&&\ ba§ geben 8.ö; bie X^eologie 8.§),
1893. II (8. olö praftifdier ^beologe unb fird^Iidier ^Reformer), 1905. III (8. im Urteil
ber ^3?ad)we(t unb feine (Sinmirfung auf bie golge^eit [1705—1905]; 8pener=©ibIiograpbie,
fl)ftematif^eö unb d)ronolügifd)e^ 58erjieid)nid ber gefamten 8pener;ßitteratur ; 9?ad)trftge 40
imb JHcgifter), 1906. 3n biefem 3Ber!e finben fid) ausführliche unb genaue Öitteratur*
angaben ' unb hie Belege für bie folgenbe 3)arftellung. ^ine furje populäre 3)arftenung
bietet % (SJrünberg, 8pener=(55ebenfbud^, 1905.
I. Seben^s unb ©nttpidelung^gang. — W^W S^^ob ©jjener (ügl. b. 2lrt.
^ieti^mu^ 93b XV ©. 775 ff.) ivurbe geboren am 13. Januar (a. ©t.) 1635 gu SRajjpoIt^^ 4.',
tüeiler im Dberelfafe. Sein 93ater 3J>f^^'^« ^^.i^^W ®% ^^^ unb 2lrc^iöar ber Ferren
bon 5RappoItftcin, ftammte aug ©trafeburg, feine 5)iutter SlgatF^e, geb. ©al^mann, tüar
üon (Solmar. 2)ie Sltern, bie ben Änabcn öon ÄinbE^eit auf mm 2)ienft be^ §crrn be^:
ftimmt Ratten, liefen „an gottfeliger äluferpl^ung nac^ il^rem SSermögen" nicbt^ an il^m
ermangeln, tlod) nachhaltigere religiöfc ßinbrücfe erhielt ber junge ©. burd^ feine ^atin, 50
bie t)crlt)itn?etc 3{gatbe bon SRajjpoltftein, eine geborene ®räfin öon ©olmg=£auba(^=9Bil5
benfcfö. ^x %o\> (1648) i^at ben ISjäf^rigen Änaben tief erfd;üttert unb ertoedEte in
i^m ben ^unfc^, „mit i^r bon ber SKclt abjuf (Reiben." ^n me^r männlic^^er, nüd^temer
unb entfd^iebcn f ird^lic^er SBcif e l^at fein Seigrer, ber $of})rebiger ^oad^im ©toll (geb. 1615
5u ®ar^ in ^ommcrn, feit 1647 in 9{ap>)olt0h)eiler, geft. 1678) auf ©. eingetoirft. &5
Mufterbem ^at ber ftitte, lcrn= unb lefebegierigc Sinabt in öerfc^iebenen 33üd^crn, in^^
befonbere in 3lrnbt^ „SBal^rem ß^riftentum" unb in einigen cnalifd^en ©rbauung^fc^riften
(©ont^om, Sa^lti, 2)^te, Sajter) feine geiftlic^e 9ia^rung gcfuc^t unb gefunben. — ^m
2(lai 1651 bejog ©. bie Unit)errität ©tra^burg mit bem au^gcf^rodS^enen 95orfa^, an
bem fogen. ©tubententeben fic^ nic^t ju beteiligen, jebc ®elegenl;eit jut Unmä^igfeit ju «>
fliegen, nic^t ju öiel 'Jreunbfc^aften ju fuc^cn unb namentlid^ ber toeiblid^en ßonüerfation
ftc^ 5U enthalten, al^ WM)^ ber acfä^rlid;fte 3^it^crberb in fold^em ©tanbe fei. ©. be=
fc^äftigte fic^ junäc^ft mit gefc^icptlic^en, p^ilofojj^ifc^en unb ft)rac^Iic^en ©tubien unb
9teaU(incp(Iopäbie für £l)eoIoflie unb STir^e. 8. 91. XYUI. ^<^
610 Syenet
erlangte bereit« 1653 bie SJlagiftertüürbe. ©eine tJ^eologtfc^en Se^rcr toaxm goBann
©c^mibt (1594—1658), ©cbaftian ©d>mibt (1617—1696) unb go^ann Äonrab 3Jann=
^auer (1603—1666; ügl. b. 2lrt. Sb IV ©. 460 ff.). 2)er fromme, emfte unb milbe
3jo^. ©c^mibt tpar tbm ein väterlicher greunb. ©cb. ©c^mibt öerbanft ©. namentliA
5 Anregung in ejegetifc^er Sejie^ung. 3Sor allem aber ift e« 3)annl^auer, ein „Sebenöjeugc
ber lutl^erifc^cn Äirc^e", ber öon größten ßinflufe auf ©.« religiöfe unb lirc^Iic^e ©teuung
unb Haltung tpar, ja beffen })raftifc^ unb et^if^ orientierte« Sutl^ertum getoife toefentli*
baju beigetragen ^at, baft nac^mal« bie religiöfen Sleformibeen ©.« einen fird^lic^en
Gbarafter betüa^rten unb er bor ben 3Ibh)egen eine« unfirc^lic^en ©cparati«mu« unb
10 eine« fd^ranfenlofen religiöfen ©üb je!tiüi«mu« beh?al^rt blieb. 3?on 1654 — 1656 befleibete
©. nebenbei bie ©tette eine« 3"f ^^^^^^^ ^^^ ^^" ©ö^nen be« ^fal^graf en Gl^riftian bon
3toeibrticfen=93irIenfeIb, h?a« i^m befonbere Seranlaffung gab, feine genealogif^en unb
l^eralbifd^en 2iebling«ftubien ju })flegen (©. ^at biefe ©tubien bi« jum gal^r 1690 fort-
gefegt unb burc^ tjerfc^iebene SfBerle, namentlich fein gro|te« Opus heraldicum, fic^
15 einen 9Jamen auf bem ®ebiet ber ©enealogie unb §eralbil gemacht). aSon 1656 cm
legte fid^ ©. tvieber ,,mit 6mft" auf feine t^eologif^en ©tubien, nac^bem er bereits
1655 feine erfte ^rebigt gehalten, unb öottenbete biefelben im Quli 1659 mit einer 2:bcfc
über ben Sinbefc^lüffel. 2)en SSorfä^en gemä^, mit benen er jur Uniöerfität gebogen
tüar, führte er bort ein fel^r ftitte«, etngej^ogene« Seben. 6r hjo^ntc bei einem linberlofen
2oD^eim, bem ^rofeffor iuris 3!«>^önn SReb^an (1604—1689). ©ein Umgang befc^änfte
fic^ auf toenige gleid^gefmnte g-reunbc. S^^^^f^^^^^^^ toaren bie ©onntage emfter Seftürc
unb geiftlid^em ©efang mit biefen geioibmet, fotoie ber 2lbfaffung öon Soliloquia et
meditationes sacrae. — 3!)er ©itte ber 3^^^ gemäfe unternahm ©. nac^^ Slbfc^lufe fcina
©tubien afabemifc^e SWeifen (1659—1662), bei benen e« i^m junäc^ft um geld^rte gort
26 bilbuna in ©Jjrac^en, Sitteratur unb ©efc^id^te ju t^un tpar, bie aber jugleid^ feinen
ürc^lic^en ®efic^t«Irei« erweiterten unb feine religiöfe ©nthjicfelung beempufeten. 3n
S3afel unb ®enf lernte er bei längerem 3lufentl^alt bie Serfaffung unb ba« innere fiebcn
ber reformierten Kirche fennen unb fc^äfeen. ^n ®enf tourbe er mit bem ehemaligen
aBalbenfert)rcbiger änton Seger (ügl. b.Slrt. 33b XI ©.349 ff.) unb bem feurigen üx-
30 h)ecfung«j3rebiger 3ean be Sababie (togl. b. älrt. 35b XI ©. 191 ff.) betannt. äl« Seifc^
begleiter be« ®rafen 3^^^"" ^atob Don 9laj)j)ültftein begab fic^ ©. im 5Rai 1662 nac^
©tuttgart, too er öon ben regierenben §er}ogen „Viel ®nabe" erfuhr. ®r ^ielt fid^ bann
üier 3Jtonate lang lel^renb unb lernenb in Tübingen auf unb fnüjjfte in Diefer Reit mit
lüürttembergifd^cn Il^eologen unb ®ele^rten (3. 31. grommann, 2^. 2öagner, 6^. ^ölfflin,
35 3i- 31. Dfianbcr unb 35. Stait^) perfönlic^e 85ej^iel^ungen an, Welche auf bie Stellung, bie
fj)äter bie h?ürttcmbergifc^e ^Regierung unb Uniijerfttät ju ber Jjietiftifc^en SSetregung cin-
nal^m, getüi^ nic^t ol^ne ©influ^ haaren, ©c^on backte man baran, ©. in SBürttembaii
feftjul^alten, al« il^m ijon ©tra^burg au« (Dhober 1662) ein Pfarramt angeboten tourbc.
2)iefe« na^m er jh)ar nid^t an, tüeil e« „ber SRuin feiner ©tubien" getoefen Juäre, bafür
40 aber im Slärj 166:] bie Stelle eine« grci))rebigcr« (§ilf«prebiger«) am3Künfter, bie ibm
3cit liefe, feinen gelehrten ©tubien unb feinen SSorlefungen fic^ ju tpibmen. Qm 3"'
faninien^ang mit feinen 9Jeigungen unb planen, bie auf eine t^eologifd^e ^rofepur qc--
ric^tct ^oaren, unb auf 3lntricb feiner afabemifc^en Seigrer eriüarb ftc^ ©. and} bie tko-
logifc^e 2)ottorioürbe. SDer 3^ag feiner ^^5romotion (23. guni 1664) toar juglcit^ bering
4o feiner iNcrniä^lung mit ©ufanna (Srl;arbt, ber locf^ter eine« ©trafeburger 5Wat«^erm.
311« ftiller ©ele^rter backte ©. fein Seben ju herbringen. 3lber ®ott J^atte e« anbete
bcfdbloffcu. ^m gebruar 1666 begannen bie äJerl^anblungen, bie©. auf ein gan^ anbae
geartete« 3lrbeit«felb fül^ren foUten. 311« bie toi^tige ©teile be« Senior« (Cberjifarrere)
in granffurt a. 5W. frei tüurbe, Icnfte ber 3flec^t«gelel^rte ^o\). '^l}xl\pp ©c^ul§ au« ßolmor,
50 ber bie elfäffifc^en ©täbte unb aud; granlfurt in bem 3lu«fcl)ufe ber ©öangelifc^en Stänbc
in Segcn«burg bertrat, bie 3lufmerffamfeit be« granffurter 9lat« auf ©., ber burcb ben
bcfd^eibenen ßrnft feine« Gl^araftcr«, burc^ 33egabung unb üielfeitige Äenntniffe, auc^ burdi
günftige unb glüdElic^e J)erfönlid;e Sejiel^ungen bereit« in tüeiteren Äreifen belannt unb
gcaci^tet toar. 9lac^bem ber Strafeburger dlat il^m freie §anb gelaffen unb bie t^eologifctc
55 3^atultät bie ^Berufung al« Don ®ott lommenb crllärt ^atte, entfc^lofe fic^ S. jur Slnnabmc
berfelben. 3lm 3. Quli 1666 biclt er feine 3lbfd;ieb«prebigt im 5Dlünfter, in ber er u. a. ft*
gegen ißerleumbungen Dcrioaif^rt, bie xljn ber S^mjjatl^ie mit ben ^Reformierten bcfcbul-
bigtcn. I)ie freie 3leicf)«ftabt granffurt a. 3)1., „ba« ftaufbau« ber SDeutfd^en", mar ein
Üiittclpunft be« §anbel« unb ^^erlelir«. 2)ent fird^lid^en unb fittlic^en Seben breiten
ti" unter einer n)ol(;ll;abenben unb leichtlebigen Seöölferung, bei bem ftarfen grembenberfc^t,
&ptntt 611
bei bcn ga^Ireid^en SDleffcn unb S^i^tmärften, mannigfache ®efabren. Sieben einer jiem=
Uelzen Sln^al^l 3iuben, tpenigen Äat^oliten unb einer Meinen reformierten ©emeinbe, be^
ftc^enb auiS ben 9Jac^Iommen eingetüanberter 5WieberIänber, jä^Ite bie ©tabt ettüa 20 000
Iutl^erif(^e ßl^riften. a)a« 3)linifterium beftanb au^ 12 SKitgliebern, ^atte aber nur bie
©teHung einer beratenben unb jjetitionierenben SSe^örbe; bie Äird^cngetoalt lag in ben 5
Äänben be^ 9Kagiftrati§, bcr ju biefem ^Wti^ einen 2luöfc^ufe (bie ©d^olarcl^en) beftettte.
3)ic ÄoHegen ©.g, \>on benen manche boj)})elt fo alt toaren ate il^r©enior, mad^ten i^m
im allgemeinen feine ©c^toierigfeiten, erlannten bielmel^r feine Überlegenheit unb feine
guten Stbfic^ten an, Ipenn fid^ aucl^ einjelne jiemlid^ refertoicrt berf^ielten. 2lm 1. 3luguft
1666 ^ielt ©. feine 2tntritt«}irebigt über 9tö 1, 16. 3i)er junge ©enior emjjfanb e« an- lo
fang« fcl^hjer, ba^ fein nunmel^rige« 9lmt bie gehjol^nte unb geliebte toiffenfc^aftlic^e 3Rufee
einfc^ränfte. 3Jlc^r ©orge bereitete i^m ber Umftanb, bafe feine Ortl^obojie nid^t unan*
gef ödsten blieb. 35a ^ielt er am 8. ©onntag nac^ 3:rin. 1667 eine ^rebigt „t)on not^
hjenbiger 3Sorfel^ung gegen bie falfc^en ^xopl}ücn'\ nämlic^ gegen bie Sieformierten. ®r
beröffenttic^tc bie $rebigt ein ^alb ga^r .\patzt, öerme^rt unb toerfd^ärft burd^ l^iftorif^e i6
2lnmerlungen über bie ^ranffurter Sieformierte ©emeinbe, in benen er entfc^ieben ba«
äJerlangen ber Sieformierten nac^ 3"'^i'I^0W"9 ^^"^ öffentlid^en ®otte«bienfte^ in granl*
fürt (fie mußten i^n au^erl^alb be^ granffurter ®ebiet^ in SodEenl^eim abgalten) be^
fäml)fte. ©jjöter bereute ©. ben ^ier gegen bie Sieformierten angefc^lagenen 2:on unb
fuc^te bie SBeitcrDerbreitung ber ^rebigt nac^ SJlöglid^feit ju tjer^inbem. (Sine ganj anbere 20
unb iebenfate fegenöreic^ere SSäirfung ging \>on einer ^rebigt an^, bie ©. am 18. 3^^
1669 (auf ®runb öon SJlt 5, 20) ^ielt über „ber ^^arifäer ungiltige ®erec^tigfeit". 95ie
ungiltige Jjl^arifäifc^e ®ered^tig!eit befd^ricb er ate jene fleifd^lid^e ©i^er^eit, bie an einem
äußerlichen ©id^sbefennen ju ber rechtgläubigen lut^erifc^en Äirc^e, an einer blofe öer*
ftanbe^mäfeigcn Aneignung ber reinen Seigre, äufeerlid^er ^Beteiligung am ®otte«bienft unb 25
©aframent unb ßnt^altung bon groben ©ünben unb Saftem fidS^ genügen läfet. 3)iefe
^Prebigt mad^te einen geteilten ßinbrudE. 3)ie meiften ßw^örer fanben, ©. forbere bon
fc^toa^en SUenfc^eu ju biel, le^re „gut })aj3iftifc^ unb fc^toäc^e alljufel^r ben ebangelifc^en
3:roft". 3lnbere tourben in eiii^n ^eilfamen ©d^recfen berfefet, ju emftlid^er Su|e auf-
gehjedt unb befliffen fic^ fortan, nad^ bem rec^tfd^affenen SBefen in ßl^rifto S^fu ju so
trad^ten. 2lu^ bem ©d^oft biefer fleinen ®emeinbe gingen ein ^ai^x f})äter (1670) bie
Collegia pietatis l^erbor (ögl. Släl^ere« 35b XV ©. 777). — ©. befc^ränfte fidj^ nid^t
^ttva auf bie Pflege biefe« fleinen §äuflein^. @r bemühte fid^ mit gleife unb 2^reue,
burc^ feine ^rebigten jjerfönlic^e^ unb lebenbigeö ß^riftentum gu tpedEen unb gu Ijflegen,
l)rcbigte gleid^ grünblid^ bie „ebangelifc^e ®lauben^le^re" unb bie „ebangelifc^en fiebends 85
jjflid^ten" an ber $anb ber ^erüojjen bur^, immer bcftrebt, alle ®lauben^artifel fo ju
be^anbeln, bafe Dantbarleit, Siebe unb ®e^orfam gegen ®ott baburc^ gctoirft ivürbe.
©. bemühte fi^ auc^ mit 6rnft um ^erftellung fircbli^er ©itte, ^nd^t unb Drbnung in
granffurt. 3tuf feine 2lnregung ^in tourben feit 1673 bierteljä^rhd^e Sufetage in granf*
fürt abgel^alten, bie freiließ für bie meiften mel^r ^eud^cl« ate 35u^tage toaren. 2lud^ 40
äJerorbnungeu gegen Äleiberluju^, ®aftereien u. bgl., bie ©. anregte ober boc^ tüitlfommen
f)x^, blieben, toie i^m nic^t entging, „auf bem $aj)ier ftel^en" ober goffen nur „Öl in«
geuer". Slac^^altiger ate burc^ fold^e biöjijjlinarifc^e Semü^ungen tDirfte ©. auf bem
®ebict be« lirc^lid^eu ^ugenbunterric^ti^. ®r belebte bie fonntäglic^en Äatec^i^mu^ejamina,
bereitete burc^ Äatec^i^mue|)rebigten (feit 1669) auf biefelben bor, berfertigte (1673)46
„Äated^i^mu^tabeHcn", tüclc^e ben ©toff ber Sefjjred^ungen regelten, unb fafete fd^liefelic^
(1677) ben '^n\)ait feiner Äatecl^i^mu^jjrebigten jufammen in feiner „ßrllärung ber c^rift«
lid^en Se^re nad^ ber Drbnung be« Äleinen Äated^i«muiS Sut^eriS", einem SudS^e, ba« bie
fatec^etifc^e Sitteratur unb ^raji« bii^ in bie ®cgenh)art beeinflußt ^at. ©eit 1667 be^
mü^te fic^ ©. auc^ um bie ©infü^rung ber Konfirmation, unb er erreichte biefelbe toenig« 50
ften« für bie granf furter Saubgemeinben. '^m ^al)X 1674 begrüßte©, mit greuben ba«
3uftanbefommen eine« 3"^^- ""^ 2lrbeit«^aufe« für muth)illige Settier, unb ba« barau«
entftanbene 3lrmcn=, aBaifen= unb 3lrbeit«l^au« bleibt ein ®egenftanb feiner ^ürforge in
bcn f|)äteren ^a^ren. (Sinen au^gcbebnten Srieftoec^fel, teil« firc^lidS^en, teil« litterarifd^en
gragen getüibmet, fü^rt nebenbei ©.bereit« in ben erften ^a^ren feine« granffurter Sluf* 55
enthalt« mit l^erborragenben ®eiftlict^cn (^o^ann Subhjig $artmann, ®lia« 3Seiel, ^oi^.
äöincfler), mit ©taat«männern unb ^liilofopl^en (ai^a«beru« gritfc^ unb Seibnij).
3)a« ßreigni«, meiere« in ©.« 2(h^n unjtoeifelbaft (Sjjoc^e mad^t, bie 9lufmerf famfeit
hjeitefter Äreife auf i^n lenft unb feiner 9üirffamfeit in g^antfurt eine neue Unterlage
bietet, ift bie SJeröffentlic^ung feiner Pia desideria, bie in . bcr Dftcrmeffe 1675 al« 60
^<3*
612 Sfiener
SJorrcbc gu einer neuen 2lu^abe toon 2lrnbtg ^oftiHe unb in ber §erbftmcfle bc^fclbcn
3a^re« ate befonbere gd^rift erfc^ienen (ögl. ^n^altöangabe Sb XV ©. 777 f.). ©. bat
in biefer ©c^rift niebergelegt, „tpaö i^n, feit er im SBcinbcrö be« §crrn arbeitete, öftere
betrübt, ibm ba^ ©etoiffen befd^toert unb öiel ©orge gemad^t batte". 9icu toarcn bic
5 ®ebanfcn biejer ©c^rift nic^t; fte foHten c« aud^ nid^t fein; ©. felbft tpeift überall auf
feine SSorgänger, öon Sut^er an, l^in. 2lber bermöge i^rer Überftc^tlic^feit, ©c^lic^tbeit,
©rünb(id(;feit, tüeifen ^Käfeigung unb Umftc^t bilbeten bie Pia desideria boc^ ein bc=
beutfameö, auffeilen erregenbe^ SReformjjrogramm. ©ie riefen eine ganje Sitteralur biefer
2lrt ^erbor unb trugen ©. in bier ^öi^ren über breij^unbert gwf^nften tpefentli^^ juftim=
10 menbcr 3lrt öon angefel^enen S^eologen unb gottfeligen ©taat^männern ein. — greilicfc
fel^Iten auc^ öon Slnfang an Sebenflid^feiten nid^t. 3>"^^^|o"^^^ erregte bic toieberboltc
©mjjfe^lung ber ^ribat=6rbauunggt)erfammlungen in ben Pia desideria, in getpiffeni
©inne ba^ einjig unb h)irllic^ 9Jeue in benfelben unb jugleid^ ber fonfreteftc unter feinen
35ef|erunggborf^Iägen, ben aud^ ©. in ber an bie Pia des. fid^ anfc^Iie^enben Äonefpon^
15 benj aU einen §au})t})unft bel^anbelte, öielfac^ 2lnftofe. 35a« ^ranlfurtcr ßoDegium, ba^
bi« bal^in ftiH unb unangefochten beftanben l^atte, hjurbe ein ©egenftanb allgemeiner Sluf-
merffamfeit für bie ßinl^eimifd^en unb für bie ^emben aliS eine Slnftalt, Die getoiffer:
mafien eine t^})ifc^e Sebeutung für bie bon ©. erftrebte Äird^enreform beanfjjrud^te. Ser
anfänglidS^ Meine unb bertraute Ärei« erh?eiterte fid^ burd^ ba« ^injutreten berfc^iebcncr,
20 fd^toer fontroHierbarer, nic^t immer lauterer unb nüd^temer (glemente. S« entftanbcn
aud^ in ^anffurt anbere Äontoentifel, bie nid^t immer fo borfic^tig geleitet toaren toic
ba^jenige in ©.iS ^aufe, 3)ie tpunberlic^ftcn unb ffanbalöfeften ©erüd^te über bie Äon^
öentifelleute gingen in 3)eutfc^Ianb um. 2)ie ^^^nffurter 5Polijei mif4lte ]\d) ein. !tic
böfen ©erüc^te unb falf^en 3ln!Iagen fuc^te ©. ^u jerftreuen, inbem er (1677) einerfetl^
25 in 70 fragen über „bai§ ©eiftlid^e ^rieftertum" ^rinji|)iell SWec^t unb ©c^ranfen ba
Collegia unterfud^te unb begrünbete, anberfeitiS in einem „©enbfc^reiben" bie SSer^äli-
niffe be« Jy^anffurter ÄoHegium« au^fül^rlid^ barlegte unb red^tfertigte. ©leic^lüobl tpurbc
1677 fd^on ber SBunfc^ in ©. lebenbia, feine „^auöübung" in bie Äirc^e ju t>crlegcn,
um Weiteren ©c^tpierigfeitcn unb Anfechtungen ju begegnen. 3" 3)armftabt crtpirftc
30 (Januar 1678) ber Dber^of>)rebiger Salt^afar SKen^er (bgl. b. 2lrt. S3b XII ©. 635 f.)
ein ©bift feine« 2anbe«fürften gegen bie Äontjentifel, ba« erfte lanbe^l^errlic^e ßbift in
©ac^en ber Jjietiftifc^en Seiüegung. 3lIImäl^Iicf^ nahmen aud^ bie Singriffe auf ©. ben
Gl^arafter bogmatifc^er 9?erbä^tigung unb SSerfe^erung an, 3laö) einigen me^r toerbccftcn
unb ijerftedtten angriffen beröffentli^te 1679 ber 2)iafon©eorg Äonrab 2)ilfelb in Djerb-
as Raufen eine „Theologia Horbio-Speneriana ober fonberbare ®otte«geIal(>rt^eit ^orb^
unb ©pener«", tporin er ©.« Se^auj)tung, ba^ e« ^um rechten ©tubium ber Sbeolo^ic
ber Sefe^rung unb 3Biebergeburt bebürfe, al« eine ßntl^uftafterei in fo ungefc^idfter 34>ci|'c
befämjjfte unb iF^r eine fo grobe unb äu^erlic^e Stuffaffung ber S^l^eologie entgegenfteDte, ba§
e« ©. nicf^t fd^lDer h?urbe, in feiner „2lßgemeinen ®otte«geIe^rt^cit aller gläubigen (E^riftcn
40 unb red^tfc^affenen 3:^eoIogen" (1680) il^n fo grünblid^ ab|\ufül^ren, baft ethja je^nSflt"^«
lang niemanb mel^r ©.« OrtJ^obogie öffentlich anzugreifen tüagte.
aBeil e« auc^ in grantfurt ruhiger geiüorben iüar, glaubte ©. fd^on bon einem Sieg
ber guten ©ac^e reben gu fönnen unb er boffte, in ber ©title unangefocf^ten ireilcr »u
arbeiten. I)a trat lf)82 ba« greigni« ein, hjcld^e« nac^ ©.« eigenem 2lu«ft)ruc^ „ba^
45 ]d)önc SBac^etum be« ©uten in ^ranffurt gleid^fain auf einmal alfo nieberfc^lut3, ba^
ic^ bie ganje ^^xt meine« 3tufentl^alt« in grantfurt e« nic^t hjieber in ben i)origcn gc^
fcgncten ©tanb babc bringen fönnen". @ine 3lnj\al^l ber eifrigften greunbe unb än^
l)änger ©.«, barunter ber Siebcrbic^ter ^o\^ann ^aloh ©d^ü^ (1640—1690), fej)aricrtcn
fic^ i)on ber Sircf^e, üon ®otte«bienft unb 3lbenbmal;l. ©. I^attc fold^en feparatiftijcten
50 Steigungen feit langem in ber ©tiHc ju begegnen gefud;t, tüeniger an^ einem Haren fi«^'
lieben ^rinjip l^erau«, al« au« amtlicher ©etoiffen^aftigfcit, au« aufrid^tigcr Siebe |iu
feiner ^ird^e unb au« bem inftinftiben ©efüi^l ^erau«, ba^ bie ©ejjaration ba« ^eil bct
Äirc^e nic^t bringe. SJad^bem bie ^Trennung 3:^atfac^e getüorben, jögerte er nic^t, tro^
feiner Jjerfönlic^en ©^mpatl^icn für bic ©ej^aratiften unb i^re ©mil)el, ftc^ offen toon
55 i^ncn lo«jufagen, jcbe Sfjeranttoortung für ibr %l}\xn bon fic^ unb feinen Collegia ab-
uitücifen unb in einer au«fü^rlicf)en ©c^rift (5Dcr Älagen über ba« berborbene Gbriftentum
äliifebraud; unb rccf^tcr ©ebraucl^, 1685) ein auf ben unüollfommenen ß^Panb ber.Hit(t>c
begrünbete« Siecht ber ©c^aration ^u bcftreiten. ©.« 2luftrcten l^at iebenfaH« baui bei-
getragen, bem Umficf)grcifen ber ©ejjaration ju tüebren. 3?on unberechenbaren golden
CO toäre e« geh^efen, tvenn ©. bie SBege ber ©eparation mitgegangen toäre. ßincn ©tac^cl
@)icnfr 613
l}at aber bic fd^mcr^Iic^c ©rfa^rung in feinem §er;^en jurüdEgelaffen. 3"i^^^f«>"*^^^^ P"*^
bie 6rn>artun0en, bie er an bie CoUegia für bic 9tcform ber Äitc^e gefnüj)ft l^atte, ent*
fc^ieben baburc^ ^erabgeftimnit n>orben. — 3)ic feit SWitte ber ac^tjigcr ^a\)xt an^ebenben
Ufiü, i\unc^menben Verfolgungen ber SReformierten in 5fran!reic^ (1685 Sluf^ebung be«
gbift^ Don 5?anteg) unb befonber« ber fiut^erifc^en im ßlfafe, unter benen feine näc^ften 5
ÜJertoanbten ju leiben Ratten, gaben ©. (Selegen^eit, gegen „ia^ überi^anbnelj^menbc ^oi^ft*
tum" fräftig 3^"9">^ abzulegen, bic SSerfoIgten gu beraten unb auf;\umuntem, bor ben
trügerifc^cn UniondDerfud^en tjon feiten Storni (2)eg, ©jjinola) ju n>amen, balj^ingcgcn
eine üßereinigung mit ben Sieformierten inö Stuge ju faffen, ,,bie nic^t um i^rer 3^-
tümer toißen, fonbem um ber ffia^r^eit tüiHcn, bie fie mit ben Sutl^erifc^cn gemein 10
^aben", Verfolgt h)ürben. — ®.^ Stellung in granifurt War burc^ bie ©c^jaration feiner
^reunbe erfd^üttert, bie JJreubigfeit feinet SBirfen^ in ^anffurt iebenfatlö baburc^ beein*
träc^tigt. 3)qg mangell^afte ©ntgegenCommen, ba^ er beim 5Jlagtftrat für bic S3efämt)fung
öffentlicher 2trgernijfe, für bie 2)ur(^fül^rung be^ regelmäßigen SSefuc^^ ber Äatec^i^mud-
ejamina unb für eine beffere ßinricbtuna ber Äirc^fj)iele unb be^ S5eici^tn>efen^ fanb, 15
fam ba^u, i^m ben 2lufentl^alt in Jwnffurt ju berleiben. So entfc^loß er ftc^ benn
nac^ längeren SSer^anblungen, im Sommer 1686 einem 3luf nac^ 3)re^ben ju folgen aö
Cber^ofjjrebiger be« Äurfürften ^oj^ann ©eorg III. (1647—1691). 3)iefe SteHe galt
aU bie ^öd^fte unb einflufereic^fte gciftlic^e ©teße in 3)eutfd^lanb, benn Sac^fen galt ate
bie 3Sorma(|t be^ 5Proteftanti^mu^ in 3)eutfd^lanb unb ber Äurfürft bon ©ac^fen l^atte 20
ben Sorp^ im 5Rat ber ebangelifc^en Stänbe.
Statt größerer 3lul^e erh)arteten S. inSad^fen noc^ biel fc^tücrere Äämjjfe. SIU ein
munber ^untt feiner amtlichen Il^ätigfeit ftettte [\d} balb ^erau^, bafe ba^ bomel^mfte
®lieb feiner §ofgemeinbe, eben ber Äurfürft, mit feinem ©efolgc nur feiten in ®reöben
unb nod^ feltener im ©otte^bienft antoefenb n>ar. 2)ic Sitten am fäd^jxfc^en §ofe haaren 25
momöglic^ noc^ ro^er unb juc^tlofer atö fonft. 9Rur bie 1687 t>erftorbene Äurfürftin*
"öintter unb bie Äurfürftin 2lnna Soj)l^ia, eine bänifc^e ^rinjeffm, h)anbten S. il^r3Sers
trauen ju. 5la(^bem bereit« 1687 ein ®erüc^t in ©eutfc^lanb erfc^otten, baß S. bei
^ofe nic^t mol^l angcfeben fei, erfolgte im ^af)X 1689 ber t^atfäd^lid^e Sruc^ jh)if(^en
®. unb bem Äurfürften. 3(n einem Sußtag erlaubte ftc^ S., toeil er ju einer münb- so
liefen Unterrebung nic^t gugelaffen tüurbe, bem Äurfürften brieflich bei(^ti)äterlid^e S}ors
f)altung über feinen fieben^manbel ju machen (geh)iffen änbeutungen j^ufolge ^anbelte eö
fid^ namentlich um bie 2:run!fuc^t be« ffurfürften). 2)er Äurfürft bätte bielleid^t bie
(Srinnerung ftiHfd^toeigenb ]^ingenommen, aber atler^anb (Sinflüfterungen, 3J"triguen unb
^JJißberftänbniffe famen l^inju, um i^n bergeftalt gegen feinen Dberl^of})rebiger cin^u^ 35
nehmen, bafe er beffcn ^Jrebigten fortan gänjlic^ mieb unb fxd^ einen anbern Seic^ttjater
na^m. — ä5on ber fäd^flfc^en (Seiftlic^Ieit unb feinen ÄoQegen in 2)regben h)ar ©. bon
ainfang an mit 3Kißtrauen aufgenommen toorben. @r füllte fid^ ate ein ^ember unter
il^nen. S)a« lag ni^t nur an ber ^erfönlic^feit S.«, fonbem f)att^ tieferliegenbc all-
gemeine ©rünbe. 2)er Slfäffer S. bertrat einen %\)pni be« Sut^ertum«, toic er fic^ in 10
bem auc^ fulturell anber« enth)icfelten h)eftlic^en unb fübh)eftlic^en 3)eutfc^lanb feit ber
SJeformation, Vermöge ber beftänbigen Serül^rung mit ber reformierten Äirc^e ber Sd^toeij,
j^ranfreic^« unb ber 5lieberlanbe, l^erau^ebilbet ^atte unb Don bem fäc^fifi^=norbbcutfd^en
ßutl^ertum cl^arafteriftifc^ Derfc^ieben hjar. ®a« 5?erl^ältni« S.« j|u ben fäc^fifd^en H^eo«
logen befferte fic^ auc^ nic^t, al« S. im ^ai}x^ 1687 ,,in d^riftlic^er ©infalt unb tl^eo« 46
logifc^er Slufric^tigfeit" eine 9trt offenen Senbbrief an bie fäc^fifc^e (Seiftlic^Ieit richtete,
in loeld^em er bie ©eiftlic^en angefleht« ber emften Sage ber Äird^e ermal^nte, il^r 2tmt
in aller Ireue ju führen unb ftc^ eine« tjorbilblid^en SQSanbete ju befleißigen. 3)iefe
Äunbgebung eine« Sleuling« in Sac^fen erfc^ien jumal ben SWitgliebem be« Äird^enregis
mcnt«, ben älteren ©eiftlic^en unb firc^lic^cn SBürbenträgem anmaßenb unb aufbringlic^. so
e« erregte auc^ 2tnftoß in 3)re«ben, baß S., o^ne SSereinbarung mit ber übrigen (Seift*
lic^feit unb o^ne eine 3lnorbnung ber ffirc^cnbe^örbe abjutoarten, gleid^ nad^ feinem
etn5ug in 2)re«bcn in feinem eigenen ^aufe fatec^etifc^e Übungen begann, ju benen auc^
balb ertoac^fene fic^ einfanben, ja fc^ließlic^ §unberte, barunter anq Äabaliere, ©taat«=
männer unb üorne^me 2)amen, fic^ brängten, nac^bem fte in bie ÄapeHe ber berftorbenen 55
Äiirfürftin=5)tutter »erlegt maren. 2öie menig 33erftänbni« für biefe 3lrbeit man bamal«
in toeiten Äreifen nod; ^atte, ge^t barau« ^erüor, baß Stimmen laut iourben, e« ber*
ftoße tüiber ben 3lmt«refj)eft eine« Dber^ofi^rebiger« mit folc^er Äinberarbeit umjuge^en,
lt)äl?renb anbere fpotteten: ber Äurfürft f)abt einen Cberl(|of))rebiger getDoHt unb einen
Sc^ulmeifter befommen ! — 2luc^ auf bie beiben fäd^ftfc^en Uniberjxtöten (Seipjig unb w
614 &ptntt
Sffiittcnberg) fuc^te ®., bcr atö 5KitgHcb bc« Dbcrlonfiftottum« aud^ mit bcr Prüfung
ber Äanbibaten bcfafet toar unb babci traurige SSeobad^tungen, namentlich l^tnfu^tücb bcr
mangelhaften ejegetifd^en 3lu^bilbung ber jungen Il^eologen machte, ©inpufe gu gewinnen.
9?a(^ einer 5KitteUung i)on Ganfteinsfiange fe^te ©. 1688 ein 9Wonitum gegen bie beiben
6 ^ßJuItäten beim Dberfonftftorium burc^ tüegen beö 3Kangel^ an eregetifc^en 3?orIefungen.
©eine ©c^rift „De impedimentis studii theologici" (1690) ^at getoife bie 3up^"bc
an ben fäc^ftfd^en Uniberfttäten befonber« im äuge. 35ie Unit>erjttät 2eij)jig foute benn
aud^ ber Drt fein, an bem ber Äonflilt jh)ifd^en ber alten Crt^obojie unb bem neuen
®eifte jum 2tu«bru(^ lam unb bie jjietiftifc^e Setoegung afut tüurbe. 2)er Slnflofe ging
lobon bem bon Stuguft ^ermann grandte (bgl. S5b VI ©. 151 ff.) unb anbem im ^vl\\
1686 gegrünbeten CoUegium philobiblicum, genauer genommen bon ben feit 1681»
bon JVrandte beranftalteten GoUegia biblica au5 (bgl. über biefelben 9b XV S. 771»).
3im 3}erlauf ber (1689) gegen bie 2ei))jiger 33en>egung auf Slntrieb ber 2eij>5iger gafultät
gerichteten Unterfuc^ung lam für bie än^änger ber neuen 93en>egung ber9lame„^ietiften"
16 in Slufnal^me, ber bereinjelt fc^on früher gebraucht h)orben n>ar (©. ertoäl^nt i^n ^um
erftenmal in einem SSriefe au« bem ^al^r 1680, bgl. S5eb. 3, 383). ©leic^jcitig mit ben
inquifitorifc^en unb bejatorifc^en 5Kafenal^men ber SSe^örben eröffnete ^Profeffor SpfKuin
SSenebilt 6ar})job in £eipj|ig (bgl. 9b III ©. 727 ff.), nac^ ©. ber „bomc^mftc 3)ieiftcr
be« ^rama«, ber gleid^fam l^inter ben Jtuliffen agierenb bie actores antipietisticK>s
20 einen nad^ bem anbem auf ba« Il^eater treten lie^", ben litterarifd^en gelb^ug gegen S.
unb feine ^Inl^änger mit berfc^iebenen afabemifc^en ^Programmen. 9ei einer S3eh)egung,
bie ettpa gleid^jeitig mit ber Seijjjiger 93eh)egung (ßSläxi 1690) ©.« ©d^toager Johann
§einrid^ §orb m Hamburg (bgl. b. 2(rt. 9b VIII ©. 353 ff.) beranlafete, inbcm er mit
einigen greunben fid^ tüeigerte, einen t>om Hamburger ^rebigerminifterium oufgefteHtcn,
26 gegen laxiores theologos unb anbere fanaticjos gerid^teten SReber« ju unterfc^eiben,
tüurbe ©. ebenfatt« in 9WitIeibenfd^aft gejogen, inbcm er mit einem ©utac^ten gegen ben
Hamburger „SReligion^eib" l^erüortrat unb fo ben gont be« geiftigen ^til^er« ber §am=
burger Kc^ermac^er, be« geh)anbten unb ftreitfüd^tigen 3l<^^^'^" ^eoric^ 3Wa^er (bgl.
b. art. 9b XII ©. 474 ff.), auf jtc^ jog.
80 SBäl^rcnb eben ber ^ietiftifd^c gebcriricg bon 2eij)jig unb Hamburg au« entbrannte,
erging an ©. (3Juni 1690) bon 9erlin au« eine erfte 9lnfrage, ob er bie ©teile cinei^
^roj)fte« an ©t. 9li!oIai annehmen toolle. ©. erüärte ficb bereit, faQ« ber Rurfürft bon
©ac^fen i^n o^ne fein 3"^^"" f^^"^ 2tmte« in 2)re«ben entbebcn toürbe; bon ft* am
fönnc er getoiffcn«l^aIber feinen 5Poften nic^t berlaffen. 9lun fc^eute ftc^ aber aud^ ber
36Äurfürft, ©. einfach gu entlaffen; ja er erflärte, bafe er feine Sleftbcn^ nad) lorgau
ober greiberg berlegen muffe, h)cnn ©. nic^t frcitüittig ginge, ©c^liefelic^ hjurbc ein
2(u«h)eg bal^in gefunben, bafe ber Äurfürft bon 9ranbenburg in 35rc«ben bie Übcrlaffung
©.« nac^fuc^en unb bicfe al«balb gugeftanben tocrben foHte. ©o gefc^al^ e«. 3(m 28. Tlär^
1601 erging barauf bon 9erlin au« an ©. bie 9erufung jum Äonfiftorialrat, ^^ropft
40 unb 3;nfJ)eftor an ©t. TOfoIai. 3lm 14. 3;uni 1601 trat ©. fein neue« 2tmt an. -
©. fanntc bie unioniftifcf^e 3^enbenj be« branbenburgifc^cn reformierten ^^ürftcn^aufc«. ^Tafe
er berfelben f^m})at^ifd; gegenübcrftanb, ^at getoife bei feiner 9erufung nac^ 9erlin mit-
gcfj)ielt. 35ic Bad)^ bc« ^ieti«mu«, bie im lut^erifc^cn ©ad^fen eine fc^roffe Slblcbnung
erfahren f)aiU, erfreute fic^ in 9erlin einer getoiffen Ürc^enjjolitifc^en ^rotettion. Unb
45 n?enn auc^ ber Surfürft griebri^ III. (feit 1701 al« Äönig bon 5Preu|en ^ebric^ I)
unb feine ©ema^Iin, bie fc^öngeiftige ©ojjj^ic (Sl^arlotte, für ©.fc^en ^Ueti«mu« })erfönlid'
nid;t« übrig l^attcn, fo eneic^te ©. boc^ manche« für feine ©ac^e beim ^ofe unb bei ber
^Kcgierung burc^ einflußreiche 3?ermittler (b. S)andfelmann, b. %ud}^, b. 6ani§, b. ©c^h)eini|,
b. 9ia^mer, b. Canftcin). (Sr bejeid^nete c« felbft al« einen befonbem Sor^ug feiner
-A) ©lellung in 9erlin, baß ,,@olt il^n jum SBerfjeugc gebraud^t, ettra« jur 9eförberung
bc« Wüten tl^un ^u fönnen bermittelft 5Re!ommenbation bei boben SKiniftri«" ; er benu^tc
bicfcn (Sinfluß, inbcm er ,,gutc i?cutc ju Ämtern bcfijrbern l^alf, bie mit ber 3<^i* ^^
äl^Tf bc« .^cnn fräftigcr j\u treiben bcrmöd^lcn", inbem er für bie (Sinfübrung ber
ftatcd;i«nm«cjamina in 9ranbcnburg tl^ätig hjar (ßbift bon 1()02), an ben SSerbanb-
55 lungcn über bie 9cfäinpfung bc« ©affcnbcttcl« unb bie i-Hcgclung ber Strmenfac^c in
©tabt unb 2anb fid; eifrig beteiligte (1608. 1605) u. bgl. ©. bcrfuc^tc au^ bonScrlin
an^ eine 2(rt biploniatifcfjcn ßin^uß ju ©unften bcr ^^^ictiftcn in ©acf)fen au«3uüben,
bod) bcrgcblic^ ; bie 'Diacf^folgcr ^obann ®corg« III., beffcn ©öl^ne gobann ©eorg IV.
(1601—1604) unb 3Iuguft bcr ©tarfe, bcr 1607 i;um Äat^oIici«mu« übertrat, batt^n
60 anbere ^ntereffen. äUidbtig unb frucf^tbar loar bie gürfprac^e unb 9ermittelung S.« in
Sptntt 615
©ad^cn ber Unti)crfttät §attc. ®. lam gctabc nac^ Scrlin, afe bcr Sßlan ber ©rünbung
bct Unibcrfttät eifrig crtüogen tüutbe; er erlannte unb benu^tc bie ®elegen^eit, eine
I^eologenfc^ule nad^ feinem ©inn unb ®eift in^ Seben ^\x rufen, jog (1692) 31. $.
grancfe nac^ Ö^tte unb toar fortan in S5erlin beffen ftänbiger ^ürfjjred^er unb SSerteibiger
in feinen Äämjjfen mit ber §aUefcl^en ©eiftlic^feit unb (feit 1695) in ber S5eförberung 5
ber ^rancfefd^en 2lnftalten (ber umfangreid^e Sßrieftüec^fel gh)if(^en grandfe unb ©. legt
3eugni^ ab ebenfotüof^l t>on bem treuen 3wfammen^alten unb ^wfammentüirfen bciber,
h)ie bon if^rer völligen 3^emj)erament«:: unb (S(^araftert>erfc^ieben]^eit). — 3Beniger ^eube
unb me^r ©orge ate ^anrfe bereitete ©. fein jugenblid^er greunb unb 35iaIon 3<^^ö"n
Äafj>ar ©c^abe (1666—1698; bgl. S5b XV ©. 780, 4off.), ber, feurigen 2:emj)erament^ lo
unb bon „melanc^olifc^er Äomj)Ie5ion", feit 1695 ben Seid^tftu^l al« „©atan^ftu^I unb
geuerjjfu^I" l^eftig angriff; bie ^Äifeftänbe be^felben ^atte ©. felbft häufig genug bellagt
unb befämpft, feine äbfd^affung erfd^ien i^m aber tro^ allen 3Wifebrauc^3 nid|t nötig
unb in^bcfonbere nic^t o})j)ortun, h)eil fie unter ben gegebenen 3Serl^äItniffen afö eine
Äonjcffion an bie ^Reformierten bon ber lutl^erifcfeen Drt^obojie ausgebeutet U^erben mufete. i5
2lte gleic^tvol^l (1 6. 9lobember 1698) ber Äurfürft bie Stuf^ebung ber obligatorifc^en
^ribatbeid^te Verfügte (©d^abe trar injjtrifd^en geftorben), toar ©. bemüht, bie neue Drb«
nung ju rechtfertigen unb fic^ rulj^ig einleben j|u laffen.
2)ie ))ictiftifd^e 35ch)egung l)aiU injtoifc^en h)eite Äreife gejogen; fte fjjaltete ba«
lutl^erifc^e 3)eutfd)Ianb in ;itrei Heerlager. 3)er ^ietiSmuS organifierte fic^ ju einer Slrt2o
^^Jartei, mld)cx t>on ber Crtl^obogie ba« lirc^lic^e e^iftcn^rec^t ftreitig gemacht h)urbe,
loäl^renb bie ^ietiften il^rerfeitS bebauj)teten, ber fogen. ^ietigmu« fei nur eine bödiüiUige
ßrbid^tung ber ®egner, jebenfate feine Äe^crei ober ©efte. 2)er ©treit Iom})lijierte ftc^
baburc^, bafe feit 1691/92 c^iliaftifc^e, entlj^ufiaftifc^e unb efftatifd^e ßrfc^einungen mit ber
J>ietiftif(^en Setoegung ftc^ berquidten, bie aud^ ernftgefinnte ®emüter bebenflid^ mad^en 26
mußten unb naturgemäß tjon ben t^eologifc^en ®egnern beS ^ietiSmuS ate bie genuine
gruc^t beSfelben ^ingefteHt tüurben. ©. tourbc bon greunb unb geinb ate ber H^ötron
beö ^iHietiSmuS angefel^en, bere^rt ober befäm})ft; unb in ber 2:i^at n>ar er, h)enigften«
in ben ^a^ren 1691—1698, beffen geiftige« ^au^jt. 2)ie eth)a 50 ©treitfd^riften, bie
in ben 3<^l^ren 1691—1698 jh)ijc^en i^m unb feinen ®egnem gcu^ed^felt tüurben, bilbenao
pvax ber ^al}l nad) nur einen Ileinen StuSjd^nitt, aber bem ^ni)ali nai) ben Äem ber
Äontroüerelitteratur biefer ^^t 2)ie litterarifc^en §auj)tgegner ©.« tüaren 1. bie fäc^fi*
fd^en 3:^eoIogen. Unter il^nen ragen b^rbor ^oi). S5en. Garpgob (bgl. oben) unb Salenlin
3llberti (1635—1697) in £eit)jig. 2)ie Söittenberger Ideologen unternahmen unter
gü^rung bonSo^ann SDeutf ermann (1625—1705; tjgl. S5b IV ©.589) einen Äotteltib^ 36
angriff auf ©. in i^rer ,,6l^riftlut^crifc^en Sorfteßung" (1695). 3o^ann ®eorg -Jleus
mann (1()61— 1709) griff aufeerbem ©. in berfc^iebenen ©c^riften an. 2. 2tu|er^alb
©ad^fenS toar eS ber Hamburger gol^ann ®eorg 5Jla\?er (tjgl. oben), ber in kmpaxmU
\>oüm ©c^riften unter effeftboßem iitel (5Jlifebrau(^ bcr greil^eit ber ©laubigen j^um
3)edtcl berSoS^eit, 1692. Scleibigte unb tjerteibigte Unfc^ulb, 1695. $err 35oftor ©J)cner, 40
h)o ift fein©iegV 1696) ©. jufe^te. 3. ©amuel ©c^eltoig in S)anjig (1643—1715: bgl.
33anb XVII ©. 553 ff.), tücniger brillant unb tüi^ig, aber eth)a« fac^Iid^er ate SKa^er,
eröffnete feit 1693 einen ^clbjug gegen bie „feltiererifd^e ^ietifterei". 4. ©.« „SSe^aup*
tung ber $offnun(j fünftiger befferer ^txtm" (1693), ein fubtiler, übrigen« unllarer unb
ungefä^rli^er 6^ihaSmuS, mel^r ©emütöbcbürfniö afe 3)ogma, rief neben anbem naments 46
lic^ ben gelehrten ©uperintcnbenten unb Drientaliften 3luguft ^Pfeiffer in SübedE (1640
bis 1698) auf ben ^lan, ber bann neben bem (S^iliaSmuS ©.« aud^ beffen „Scepticis-
mus exegeticus, dogmaticus unb practicus" belämjjftc. @S ift nid^t mögli(^, auf
ben ^nf)ali ber j^ahlreic^en ©treitjc^riften gegen ©. unb ©.S Entgegnungen (j. 85. ^rei^eit
ber ©laubigen 1691; ©ieg ber SBahr^eit unb Unfc^ulb 1692; äufri^tige Übereinfttm« 60
mung mit ber 3lugSb. Äonfeffion 1695; grcubigeS ©ehjiffcn 1695; Slettung ber gerechten
©ad^c gegen Pfeiffer 1696; 3Jölligc Slbfertigung ©c^eltoig« 1698) l^ier einjuge^en. SBenn
bcr ©treit im großen unb gangen einen fo unerquidflic^en ©inbrudf mac^t unb gu feinerlci
Älärung unb ä?erftänbigung führte, fo rü^rt bieS nid^t gum toenigften ba^er, bafe bie
Ci^egncr ©.S jmar baS bunfle unb nid^t unberechtigte ®efü^l l^atten, im ^ietiSmuö fte^e 66
i^nen eine neue ©eifteSric^tung gegenüber, bafe fie aber nic^t im ftanbe toaren, beren
eigcntlicbe 9Ratur gu crfafjen, fonbern fie in ben alten Slal^men ber ©eltiererei unb Äe^erei
einfpanncn moHten, in ben fte nic^t ^ineinj)afete. ^n bem ©cbriftenhjed^fel mac^t fic^
ba« Unfertige unb baS Unabgefc^loifene ber ©.fc^en Ideologie, bie infofem allerbingS
aingriffsjjuntte genug bot, beutlid^ bemerlbar, noc^ biel Irafler aber bie Unfä^igfeit ber eo
616 Sptntv
SQäortfü^rcr bcr l^crrfc^cnbcn 21^coIogic, bie 3^*^^*^ *^^ 3^^^ J" bcrfte^cn unb ;ium min=
beftcn bic rclattbc 33erecbttgung bc^ B.^^an ©tanb})un!tg eintgermafeen anjucrfenncn.
3Benn ®. [xd) ti)at\ä^l\d) bcn ©ieg jufi^teiben fonntc, fo berbanft er bic^ nic^t fo fe^
bcr Äonfequcnj unb Äorrcft^cit feiner t^eologifc^en unb lirc^lic^en ©teHung al« toiclme^r
6 bem Unberftanb unb bcr Setbcnfd^aftüc^feit feiner ©egncr, bie burc^ i^re Übertreibungen,
6ntfteBungen unb Ungcl^euerlic^feitcn ibm Icic^te^ ©))icl machten. äUerbingö ifi ©. SBürbe,
Slu^e, ©ad^Iic^feit unb SBaf^r^aftigfeit in ^öl^ercm ®rabe eigen, boc^ nic^t in bem Sinne,
ate Ratten feinen ©egncrn beffere SWotitJC übcrl^au})t gefel^It unb afö n>äre nic^t au4
©. manchmal Hcinlid^, Jjcrfönlic^ unb })arteüfcb geh)efen. ßinen Jjcinlic^cn Öinbrucf
10 mad^t e« (unb al^ SBamungögeic^en für ben tbeologifc^cn Übereifer aller 3^^^ \^^¥ ^
ba), baft beibe Seile an bie bona fides be^ (Segnerö faft nie unb nirgenb^ glauben
hJoUcn, tjiclmel^r mit gleid^er ^uberfid^t be« ©egner^ Schreiben unb treiben auf bcn
leufel jurüdfül^ren unb mit gletd^em $at^o^ an ®ott, ©eiviffen, Sortoelt unb 3lad^tüdt
a})})eUieren.
16 ©eit 1698 jog fic^ ©. gefliff entließ bon ben litterarifc^cn ffämj)fen, n>ie ühnf^avcpi t?on
bcr öffentlichen zöertretung bcr ipietiftifd^en Partei jurücf. 6r überlief e^ jüngeren Äräften,
ben (Segnem ju anthjorten, h)eil er n>eiterc^ ©trciten al^ nufelo« unb im (Srunbc bic
(Segner ate untjcrbeffcrüc^ anfa^. ^m ©tillcn i)erfu(^tc er noq), freilid^ jiemlic^ t>ergcbs
lic^, befdbh)ici^tigenb unb gurüdfl^altenb auf estrabagante SIcmente unter feinen anlJKingetn
20 einjun^irten. ©eine ftonefj)onbenj, bie frül^er fo umfangreich gehjcfcn, bafe bei a&em
^Icife i^m oft§unberte Don Briefen unbeantn>ortet liegen blieben, fc^ränlte er nac^ allen
leiten ^in ein. ©eine freie ^üt h)ibmete er ber ©ammlung unb §erau5gabc berfc^iebencr
©d^riften unb SBerfe (namentlich feiner „S3ebenfen" unb Sriefe, bie in bier Sänbcn in
ber SDruderei be^ §atlefc^en SBaifcnlj^aufc^ 1700—1702 ate beffen erfte« bebeutenbeö
25 SJerlag^h)erI erfc^ienen), bamit gleic^fam ba^ gaj^it feinet iJeben^ ^iel^enb. SBie h>eit £i
©influfe gerabe tjermöge feiner Äorrefj)onbcn5 mit fürftlic^en unb abeligen ^erfonen, mit
Ideologen, (Selel^rten unb ©taat^männem reichte, toeit über 2)eutfc^lanb« Orcnjen hin-
auf, toürbe im einjelnen biel leichter ju Verfolgen fein, n>enn nic^t©. felbft unb Sanftein
bei ber §erau^abe bcr S3riefe bie 2lbreffen, bie })erfönli^en unb lotalen Regierungen au^
30 gelaffen unb unterbrüdtt Ratten. ©.« le^tc^ fc^riftftcllcrifc^c^ SBcrf n>ar bic „SJerteibigung
be« 3^gniffei^ bon ber eh)igcn (Sott^eit ßl^rifti". — i)ie ©timmung ©.« fd^h>anltc in
ben lefetcn ^af)xm jtoifc^en einer getüiffen 9liebergcfcl)lagen^eit unb ber jpoffnung in bie
3u!untt. 3" Äatecf^ifationen unb $rebigten hjar er unermüblic^ bi^ jule^t. SBei^nad^tcn
1699 legte er noc^ ein Iräftige^ cDangclifc^c^ 3^^9"^^ ^^ 9^0^" //^^^ römifd^cn Äircfcc
85 atblafe unb ^ubclja^r". ^n bemfelben ^al)x ^ielt er noc^ befonbere ^rebigten jur 8c--
lel^ng ber ^uben. Sluc^ fuc^tc er immer noc^ auf bic öffentliche 35ig^ij)lin unb bic
SBcförbcrung c^riftlic^cr ©itte cinjumirfen, inbem er j. S. im Cf tober 1703 eine ßingabc
gegen ärgcrlicf^c ©c^aufjjiclc in Scrlin mad^te. (Sine feiner legten ^rebigten l^ieltS. am
25. 50^ai 1704 in Sid^tenburg bei ^rcttin an bcr 6lbc, h)o bie bcrtüithjctc Äurfürftin öon
40 ©ac^fen rcfibicrte. ©elegentli^ biefer ^Hcife tüciltc ©. in ®rofel;enner^borf, n>o er fein
^atcntinb, ben Dicrjäljrigcn 3i"J€"borf, unter $anbauflcgung jur Seförberung bee Sücicb^
©otte^ einfegnete. 2)ie legten fteben SKonate üerbrad^tc ©. nac^ einem heftigen änfaß
in guncl^mcnber ©c^hjäc^c, ftitt unb gcbulbig. ©ein crbaulic^ci^ 5lranlen= unb ©terbc^
lagcr f}at Saron Äarl §ilbebranb bon (Sanftein (bgl. b. 2t. S3b III ©. 710 ff.) al« aiugcn^
45 jeuge befd^rieben. 2lm 5. gebruar 1705, einem ®onner«tag, berfc^icb ©.
II. ^crfönlid^fcit unb ßl^aratter. — ©. erfreute fi(^, \>on Dorübergc^cnbcn
Äranf^eitganfättcn abgefc^cn, bi^ in fein 3lltcr einer bauerl^aftcn ©cfunbl^cit unb eines
glcicf^mäfeigcn Sßoribcfinbcn^. 2llle angriffe ber ©cgner unb auc^ bic ©orgc um ba^
SBo^l bcr Äird^c i}ab^n \i}n nur ;;toci ober brcimal in feinem Scben um bcn ©c^laf ge-
50 bracht. 3)iefc glücflicf^c gcfunbc 3Jatur ift bie ®runblagc feine« gciftigen ©leic^mafic«,
einer „®leid(!l;eit bc« ©cmütsJ", ja eine« geiDiffeu ^^^Icgma«, n>eld^c3 feinem Seben ben
©tcmjicl rul;igcr Äontinuität aufträgt. ®ercgclte i^ätigfeit ift i^m äebürfni«; fü^nc
^nitiatibc, ba« ^croifd^c, 2lggrcffit>e fcl^lt i^m, n?te er felbft Ido^I ipcife, ja eine getoiffc
j^ögcrubc 93cbäd;tigfcit unb Singftlic^fcit ift i^m eigen. 2ßa« bcn bcfd^eibenen, bon ^^aufc
55 au« pr „3:ranquillität", gu rcje^tiücr Kontemplation neigenben 5Rann über ftc^ felbft
l^inauöbebt unb aftiü macl?t, ift feine Icbcnbigc grömmigfcit, fein fittlic^cr (Srnft, fein au^
bem ®lauben geborene« ftarfe« ^flic^tgcfübl. Ünb in ben 2)icnft biefer Slftion fteHt er
bann feine &aUn unb Senntuiffc, %U\^, 2:rcuc, &i:bct unb Slrbcit. ©o intcnfib aber
and) ba« religiö«=ftttlid^c Schju^tfein ©J)cncr« ift unb fo fül^ne, freie unb toeite S)li(fe
60 er in 33ejug auf bic 33ctt;ätigung be«fclben manchmal t^ut, fo bel^ält bodj^ fein (S^riftcn-
^ptntx 617
tum für öeiDöJ^nlid^ ctiüa^ ßinfeUigc^, Scfc^ränlte^, ßngc^. ©ein ©emütg= unb ®cifte^s
leben tft nid^t rcic^ unb bielfeitig genug, er tft ju fel^rSüc^ers unb ©tubenmenfc^, ^oefie
unb ^^antafie, Sinn für 9latur unb Äunft, .^purnor unb Sd^erg, SSerle^r unb ©efeHig«
feit, ja für intimere^ Familienleben fehlen il^m ju febr, um n^irflicb ba^ religiöfe unb
fittlic^e Seben reic^ auöjugeftalten unb ;\u entfalten. ©. ^at eth)a« ©teife^ unb ^eban« 5
tifc^e^ bei aller innem SBärme. SBie fein ©til fc^hjerfäHig unb nüchtern ift, fo fel^Ite
i^m erft rec^t bie ®ab^ ber SRebe in ber ÜJribatunterbaltung. ^ro^bem l^at ©.^ ^erjön^
lic^feit, in unb aufeer bem 3lmt, ^Wax nic^t auf atte, aber auf biete, §ol^e unb 9iiebere,
felbft feinen religiöfen ^ntereffen ^ernftel^enbe, einen großen ®inbru(f gemacht tjermöge
jeine^ gleic^bleibenben ^eiligen 6mfte^, feiner pflichttreue unb ©emiffenl^aftigfeit, feiner lo
felbftlojen Sefc^eiben^cit unb greunblic^feit. ©. ^at manchmal Jeine 3^een unb SSe-
ftrebungen ober bie feiner ^reunbe mit ber ©ac^e ®otte^ tjorfc^nell ibentifijiert, er \oax bon
einer gehjiffen @nH)finbIic^feit unb frommen Sitterfeit, namentlich in ben legten S^^^^^^^r
nid^t gan^ frei; er ^at bon greunben fic^ manchmal tauften unb mißbrauchen laffen
unb ben (Segnern manchmal unrecht get^an ; er |at nic^t immer bie regten ?KitteI ju 15
feinen 3*^^*en gebraucht (namentlich bie 3lrt, toie er gemiffe ^ol^e§erren für feine lir^s
liefen 3^^*e mobil machte, ift nic^t einhjanb^frei unb l^at ftaat«* unb l^oflird^lid^em
^arteitreiben in bebenflid^er SBeife 33orfd^ub geleiftet); aber ba^ lonnte er mit gutem
®eh)iffen be^au^ten, bafe er mit SBiffen nicmanb Unrecht tl^un tüoHte unb baft er auf«
richtig unb el^rlic^ nic^t ba^ ©eine, fonbern ®otte^ S^re unb ®otted ©ac^e fuc^te. 20
III. Sebeutung für bie Ideologie. — ©.^ Sebeutung liegt nic^t eigent^
lic^ in feiner 3:^eologic. @r toottte auc^ feiner ©elbftbeurteilung nad^ ein Reformator
ber Ideologie nic^t fein, bielmc^r , nic^t^ anber^ ak ein ort^obojcr Suti^eraner ; er
l^at feine boUfommene unb ^er^lic^e Übereinftimmung mit ber Seigre, mit ben S5efenntni«s
fd^riften unb ben recf^tgläubigen Seigrem feiner Äird^e ungä(>ligemale beteuert. ®r 25
fonnte ba^ auc^, fofern bai^, h)a« man al^ bie eigentliche ©ubftanj ber ölumenifc^en
unb lut^erifc^en Örtl^obojie angufel^en gehjo^nt ift, il^m in einer 2lrt unb SBeife in
^leifc^ unb Slut übergegangen toar, baft feine fritifd^en, flejjtifd^en, fubjeltibierenben
unb moralirierenben 5ieigungen unb 3^enben^en biefen Äem feine« Äirc^englauben«
nic^t ju jerftören bermoc^tcn (t)gl. S3b XV ©. 780, 54 ff.). ©. ^at aber gleic^UJol^I ba« 30
ort^oboje ©i^ftem unb bie lutl^erifc^e 33ogmatif nad^ aUen ©eiten ^in erf^üttert, inbem
er 1. auögef^roc^enermafeen jtoifc^en einer efotcrifd^en unb ejoterifc^en Se^anblung ti^eo«
logifc^er fragen unterfcf^ieb, in tjielen ©tüdfen bei innerer Iritifc^er ©tellung eine äußere
Stccommobation an bie Äirc^enle^rc au« 3*^^**"^6*öt^t«grünben für erlaubt, ja geboten
hielt unb fo bie naibe ©leic^fe^ung ber Äird^enle^re mit ber j)erfönlic^en religiöfen Über- 30
;^eugung, ipelcf^e bie Drtbobojie eigentlich borau«fe|[te, untergraben ^alf. 2. ©. ftrebte an
eine SSereinfa^ung unb fionjentration be« bogmatifc^en ©toffe« ; an bie ©teile ber neuen
theologia scholastica, bie „außer unb über bie ©cf^rift flug unb mi^ig fein h)ill", mit
i^ren ©ubtilitäten unb „abfonberlicl)en determinationes" tüiu er eine theologia biblica
treten laffen. 3. 3)amit ^ängt ^ufammen eine größere ^urüdEl^altung be« t^eologifc^en 40
Urteil« unb eine freiere Semcgung gegenüber ber bogmatifc^en irabition, eine 2tbneigung
gegen bie übliche „9SerIe^erung«fu^t", bie Unterfd^eibung bon „Srunblei^ren" unb
„§au))tfac^en" einerfeit«, anbererfeit« bon 9lebenbingen, in benen man greilj^eit laffen
unb ®ebulb üben muß. 3*^^^ ^^^ 2tuffaffung ber ©c^rift al« eine« ein^eitlid^en unb in
fic^ Derbinblicf^en Se^rfobeje« taftet ©. nur fc^üc^tem an, boc^ fj)rid^t er gelegentlich bon 46
ber „Schale" unb bon bem „Äem ber göttli^en SBa^r^eitcn", Don einem „^nncrlid^en"
unb „3iußerlid^en" an ber©d^rift, h)ie er benn über^au^t bie Autorität ber©c^rift me^r
geiftig (testimonium Spiritus internum) al« äußerlich unb mec^anifc^ )u begrünben
beftrebt ift unb eine gefd^ic^tlic^e Sel^anblung ber ©c^rift anbahnt (burd^ geflijfentlic^e
Öerborl^ebung be« tjerfd^iebenen SSJerte« be« 21 unb be« 912;« für 2;f;eologie unb religiöfe 50
(Srbauung). 4. 33er entfc^eibenbe ^un!t, in bem bie eben bef^rod^enen fiinien jjufammen«
laufen, ift fc^ließlic^ bie beränberte 2Bertung bogmatifc^er ©ä^e unb t^eologifc^er ^ro*
bleme überl^aujjt, n?clcl)er ©. ba« 9Bort rebet; ber ©c^h)er})unft be« ^ntereffe« h)irb ber«
legt Don ber S3el;auj)tung unb ©r^altung ber reinen Se^re nac^ ber ©eite ber jjraltifc^en
®ottfeligfeit, Don ber objettiöen ©eltung ber §eil«tbatfac^en unb |)eil«le^ren nac^ ber &f>
©eite ber fubieftiben Sebingungen, an hjeld^e bie SSirfurig ber §eil«t^aten unb ^eife
mittel gefnü))ft ift, unb i^rer fubjettiben et^ifc^en 3Serj)flicf^tung. 3^^ 2öir!lic^Ieit !ommt
e« fc^ließlid; nicf^t fohjol^l auf bie fides quae creditur, al« auf bie fides quae credit
ober qua creditur an, auf ben red;ten Jjerfönlic^en .§er5en«glauben, ber felbft bei fc^toeren
Selj^rirrtümem üor^anben fein {ann. 2)a« bebeutete im 5Pringi^> eine SHetoolution ber eo
620 (Bptntv
SQää^rcnb er für feine greunbe unb Sln^ängcr fd^Iec^t^in „ha^ 3Kuftcr eine« rcc^tfc^ffcnen
fie^rer^", „ber um bie ganje ebangcltfc^e ftirc^e befttoerbiente Ideologe" toax, tüä^renb biefc
(3o. Sänge, 3. 3. S5reit^auj)t, 3. ®. ^ritiu«, 3. ©. ^unl^, 3. 21. ©teinme^, 3. 3. Sani=
bac^ u. a.) feine ©c^riften in immer neuen 2luflagen gu berbrciten unb ju em^fc^Ien fxc^ be^
6 mül;ten unb i^n in ^rofa unb ^oefie gerabeju verhimmelten, ^aben feine ort^obojen ©egner
i^m itüax nic^t bireft bie ©eligfeit abgefJ)ro(^en, aber biefe i^m bod^ nur in fe^r ^^pot^etifd^cr
9Beife jugeftanben (3^1^. ^edbt, De beatitudine in domino defunctorum 1708). Xer
fromme SDid^ler ßrbmann 9?eumeifter (bgl. b. 21. 93b XIII ©.771 f.) ^at noc^ 1727
einen fog. „fur;\en", in SBirllic^feit fe^r umfangreichen „2lu«jug ©Jjenerifd^cr 3i^^ün^<^r"
10 Veröffentlicht. 3"^ allgemeinen aber befanb ftc^ bie Drt^obojie auf bem Slücf^ug ; 3Ränner
tüie e. S. Söfc^er (bgl. b. 21. S3b XI ©. 593 ff.) machten fc^on bebeutenbe ^ugcftänbuiffc
an ben ©Jjenerfc^en ©eift. Sermitteinbe ©timmen (3- ®. SBald^) liefen fic^ ^ören.
3ingenborf, h)ieU)ol^I in ber §au))tfac^e mit ©. [xd) ein^ iviffenb, übte bod^ auc^ an ©. unb
bem ^ietiömu^ Äritil. 3)a^ 3"^^^^fji^ 0" ^^"^ ©treit um ©. naE;m überbau^jt feit bcn
16 30er 3<*l^ren be^ 18. 3ö^J^^"nt>ertd fic^tlic^ ab; man berftanb bielfad^ laum me^r, n>arum
unb um \oa^ man eigentlid^ brei bi^ Vier 3öi^rjebnte Vorder fo leibenfc^aftlic^ geftritten
l^atte. Um bai^ 3^^^^ 1750 ift ber ganje ©treit begraben. @ine neue ^^t, bie ^i\t
ber 2luftlärung Wax angebrod^en.
3n h)eld^em SWafee man mit ben 3ntereffen ber SSorieit gebrochen l^at, ge^t für un»
20 barau^ ^ert)or, bafe Von 1750—1825 ein 9leus unb ^Racpbrud ©.fc^er ©c^riften faft gar
nic^t mel^r erfolgte; fie Ivaren, tvk ©c^riftfteßer biefer 3^it fagen, „faft gan;\ in 2>eri
geffen^eit geraten". 9lur in §alle fing man feit 1775 an, fic^ luieber einge^enber mit
©. ju befd^äftigen (Änaj)j), ^liemej^er, 3Bagni§). ©. gehörte ber ©efc^ic^te an. Unb bie
tonangebenben Äirc^engefcbic^t^fcbreiber biefer ^t\t (t). 3Ko«^eim, ©c^rödt^, ©pittlcr, .^Jenfe)
25 mit il^rem aufgeflärten ^ragmati^mu^ achten i^n ^oc^, fd^reiben i^m in gch)iRem ©inn
eine epoc^emac^enbe S3ebeutung ju, infofem er bie Sel^rart in Kirchen unb ©d^ulen ver^
beffert, SJloral unb praftifc^e grömmigfeit betont, bogmatifd^e unb fonfeffxoneUe 2Beit-
^ergigteit unb 2)ulbung beförbert ^abe. 3'^^'^^fönbere feine SSerbienftc um einfache unb
erbauliche ^rebigt, um ftated^efe unb jjraftifc^e 3:^eologie toerben Von ÜKonnem tric
30 XeHer, ©J)albing, ©c^uler l^oc^, in mand^er Se^iel^ung m l}od), eingef^ä^t. Äurj, ber
SHationali^mud nimmt im allgemeinen ©. al^ Sa^nbre^er für fic^ in 2lnfpruc^. 3Ran
rügt tüol^l gemiffe ©c^toac^^eiten unb 5Jlängel an ©., j. S. feinen 3Kangel an }jbiIo=
fo>)l)ifc^er Silbung, eine getoiffe Befangenheit in ben Sorftellungen feiner ^txt; au«bnicf^
lidi; aber unterfcf^eibet man in ber JRegel jmifd^en ©. unb ben obffuren ^ietiften, bie au*
35 in ber 3^^^ ^^^ 2luftlärung nic^t ganj au^ftarben. ^BJit biefer jjietiftifc^en Segen- unb
Unterftrömung gegen ben ^ationali^mu« l^ängt ^ufammen ber bebeutfame ^'^onttoec^fcl,
ber fic^ aHmö^li^ ^oUjog, infofern ^ietiömu^ unb Drt^obojie ein 95ünbniö eingingen
gegen bie 2luf{lärung, unb bie 2(ufflärung i^rerfeit^ in bem neuen ^iett^mu^ einen
Sunbeegenoffen ber ihrer SReinung nad) abgetl^anen unb überlebten Drt^obofie erfannte.
40 Äraufe finbet in feinen „^iftorifc^en unb Jjf^^ologifd^en Semerfungen über ben ^^iieti^mue"
(1804), bafe ber ^ieti^mu^ ©.^ unb grandfe^ auf bem unbiblifc^en, unj>f^c^ologifcl>en unb
für bie moralifc^e Silbung gefäl^rlid^en ©runbfafe Von einem gänjlic^en moralifc^en Ser^
berben ber menfd^lid^en 9latur beruht; ber Sfeürttemberger Söurfter umgefe^rt ftcllt
(1822) bie (Sleicf^ung auf: 2)ie ^ietiften finb bie ©laubigen, unb bem Äamjjf gegen
15 ben Unglauben verbanft ber ^ieti^mu^ feine Sntftelj^ung (vgl. gu ber ©ntfte^ung be^
„ort^obojen ^Pieti^muö" Sb XV ©.811 ff.).
SSerfd^icbene Umftänbe l^aben feit 1825 bie 2lufmer!famfeit h)ieber in erbostem üJ^afec
auf ©. gelcnft: §o^bac^^ an^ ber hjarmen ©l;mpat^ie einetS vertieften religiöfcn unb
!ircl?licl)en 3"^c^cffe^ beraub gefd^riebene ©))enerbiograj)l|ie(1828), bie 200iäl^rige Sälular-
50 f cier ber ©eburt ©.^ in Berlin unb im 6lfa6(1835) unb bie in ben ^hjanjiger unb
brei^iger 3<^^^c" immer lebl^aftcr tvcrbenbe 2lu^einanbcrfe$ung be^ Slationali^mu^ unb
bee mobernen ^ieti^mu^ über basi SBefen unb ba^^ 9?ec^t be^ ^ieti^mu^. Söä^renb bie
JRationaliften (gritffcl^e, ^33Järflin) ben neuen ^ietiftcn immer noc^ ba^ Siecht abf^jrec^cn
iooUtcn, fic^ auf ©. ^u berufen, finb eö boc^ biefc unb il^re Ürd^lic^en ^reunbe, bie baö
56 2lnbcnfen ©.^ in poi)ulären Sebcn^bilbern erneuerten unb Verfc^iebene feiner ©c^riften
Ivieber l^erau^gaben. I?ic ,,ßrmedfung" ^at in ber ^^\t von 1830—1860 eine SJad^blüte
©.fcbcn ©d^rifttum^ gefc^affcn. — ^ie U)iflcnfcf>aftlicf)c Äird^engefc^ic^t^fd[^reibung fa^ in-
beffen fc^ärfer ju unb begann an ©. mirüicb l)iftorifd}e Äritif ju üben bei aller Sin-
er!ennung im allgemeinen, "übolucf Vermittelte burd; feine Unterfuc^ungen über ba^
eofird^lic^e unb atabemifd^e Üebcn be^ 1 7. 3ö^J^l;unbert^ (1852 ff.) eine genauere Äenntni^
(Sptntt 621
bc^ jeitgefd^id^tlid^cn ^intergrunbe«, t>on bcm au^ @. ju berftcfecn unb ju beurteilen ift.
3n geh)iffem Sinn gebül^rt ber neulut^erifc^en lonfeffioneHen 2!l^eoIogie, bie feit ben
Dieniger ^o^ren ftc^ bom ^ieti^mu« abfonberte, ba^ 33erbienft, eine h)irfli(^ fritifd^^e ©e^
fc^itpte beö ^picti^mu« (ß. ©d^mib 1863) angebabnt ju l^aben. Semerfeni^hjert ift aber,
bafe ba^ reftaurierte Sut^ertum m ©. felbft eine fel^r berfc^iebene ©teDung eingenommen 6
i}at, t>on fc^rofffter prin^ij)ietter Slblel^nung an (Äliefot^), burd^ unflare unb h)o^Ih)otIenbe
35ermittelung l^inburd^ (©ueridEe, Äal^niö) bi^ ju faft rüdf^altlofer Stnerfennung unb S3er=
el^rung. — 3)ie lird^engefc^ic^tlic^e Bp^ixaU unb gac^Iitteratur l^at bi^ auf ®afe (®e[(^.
ber j)rot. Dogmatil 1857) für bie Unterfuc^ung ber ©teHung ©.^ in ber ®ef^. oer
ül^eologie unb 3)ogmatiI h)enia ©rünblic^eS geleiftet, me^r bie ©efdbic^te ber praftifd^en lo
Rheologie (§omiIetiI, Äatec^etif). 2tud^ ^ier haaren e« jum 2:eil lonfeffioneHe i^eologen
(Srömel, b. 3^sW*^'ft)/ ^^^ ^^^ anbere (9Jeffe(mann, Il^ilo, e^renfeuc^ter), bie unfere
Äenntniö ©.^ auf biefem ®ebiet bermel^rten unb ba« Urteil fd^ärften. — äluc^ bie
})rofangef(^ic^tIic^e fiitteratur, befonberg beutfc^e unb ^reupifd^e, Äultur^ unb (Seifte^s
gefd^id^te, ift an ©. nic^t borbeigegangen, meift me^r feine inbireften SSerbienfte um SSe^ 15
freiung, gortfd^ritt unb lolerang alg feine Jjofitiben religiöfen unb fittlic^en Intentionen
tpürbigenb, in ber Siegel mit einem fc^arfen ©eitenblidf auf ben fjjäteren, beriümmerten
unb fultur^emmenben ^ieti^mu^.
®ine neue ßpod^e ber Beurteilung ©.^ ^at eingefe^t mit 9llbred^t Slitfd^te (bgl. b.
31. »bXVII ©.22) „Oefd^ic^te be^^ieti^mu^ (1880ff.). 2)ie einzelnen (glemente fetner 20
Stuffaffung unb Äriti! M ^ieti^mu^ tüaren jtüar nic^t neu, aber Mitfc^I \)at fie, auf
©runb neuer ©tubien unb mit neuen litterarifc^en SKitteln, gu einem ftimmung^ unb
cinbrudföt)oIIen ©efamtbilb bereinigt, bei bem ©. })erfönlic^ nodb berl^ältni^möfeig gut
tpegfommt, infofern ber fog. „53egrünber be^ ^ietii^mug" eigentlich felbft fein 5pietift ge-
lüefen, aber freiließ ber üerantmortlic^e Patron unb görberer biefer bem SBefen ber 20
lutl^erifc^en Äird^e unb ebangelifc^sreformatorifc^er grömmigfeit h)iberf})re(^enben Setoegung.
2)ie in bieler SSej^iebung fc^arf finnigen unb in manchen (ginjel^eiten autreff enben Urteile
5litf(^l^ toerben boc^ im ganjcn toeber ©. noc^ bem ^ieti^mu^ geredet; fie finb mel^r
ft)ftematifc^e unb t^eologifcpe Kombination unb Äonftruftion al^ ein au3 ber aHfeitigen
Betrachtung unb SKürbigung ber t^atfäc^lic^eu geitgefd^id^tlic^en unb Jjerfönlic^en Ber^so
l^ältniffe gehjonnene^ ©efc^ic^t^bilb. 3)e^^alb ^aben auc^ nid^t nur t^eologifc^e ©egner
Slitfdbfö (5lij)})olb) unb un^arteiifc^e Sairteiler (®afe, (SdEe), fonbern aud^ feine ^eunbe
unb ©c^üler (21. ^amadf, Soof^, b. ©c^ubert, SRirbt) feine Beurteilung ©.« unb be«
^ietiömu^ ate eine einfeitige unb berfel^lte jurüdfgeh^iefen. 3)ie ni^tstl^eologifd^e biftorifd^e
Sitteratur ^at faum babon Slotig genommen. ®leic^h)o^l ^at Slitfc^l^ 2trbeit ju einer 35
fc^ärferen ©rfaffung ber in ber ®efcf^ic^te ©.« unb be« 5pieti^mu^ liegenben Probleme
in banfenetoerter Seife angeregt; fie ^at, toeit über ben Äreiö ber mobemen i^eologie
binau^, in 2;i^eorie unb ^JJraji^, ben Seben^äufterungen be« 5pietigmuiS in Vergangenheit
unb ©egenioart gegenüber eine fritifc^sborpc^tige ©timmung unb Haltung gef^iaffen.
311« fraglich barf aber tro^ Stitfc^l je^t nid(»t mej^r gelten, ob ©.« Seftrebungen über^ 40
^aupt einen gortfc^ritt unb einen ®eh)inn für bie ebangelifc^e Äirc^e 2)eutfc^lanbg be=
beuten; fraglich unb ftreitig fann nur SHafe, ®rab unb 3tbgrengung feine« ©influffe«,
feiner Bebeutung unb feiner Berbienfte im gangen unb im einzelnen fein. — fragen, bie
nod^ offen finb, beren ^alic Beantwortung freili^ ber Slatur ber ©ad^e na^ entiDeber
fc^mer ober unmöglich ift, fmb l^aujjtfäc^lii^ folgenbe: 3!"^^^^^^^ ^P ®' petfönlic^ ber 45
Bcgrünber be« $ieli«mu« in ber lut^erifc^en Äird[^e 35eutfc^lanb«, inn>ieh)eit nur ber
Präger unb SUortfül^rer einer borl^anbenen Betoegung; inh)ieh)eit finb reformierte ßin^
flüffe für il^n beftimmenb geh)efen; inhjietoeit ^at er in ®lauben unb Seben, 3)ogmatif
unb Gt^if UneDangelifc^59)lt;ftifc^e« aufgenommen, ßbangelifc^sSlcformatorifd^e« gefä^rbet;
in tüelc^cm ©inn unb Umfang ift er ein Borläufer be« SRationali^mu« ; tüie ^oc^ ift so
feine ßintoirfung auf bie 3luflöfung ber ort^obojen Ideologie unb ^intüieberum auf bie
Stnbal^nung einer neuen 3:^eologie einjufc^ä^en ; toie t>er]^alten ftc^ bei i^m bie ba« tra=
bitioneUe Äirc^entum auflöfenben ©lemente gu ben pofttib lirc^enreformerifc^en; h)clc^en
Stu^gleic^ l^at bei ©. ba« objeftibe unb fubjeftibe Clement für ba« religiöfe unb firc^^
lic^e ©cbiet gefucl^t unb gefunben, unb inwiefern eth)a ift in i^m ein fird[^lic^ unmög- 66
lieber ©ubjettibi^mu« angelegt; toeld^e« ift im einzelnen feine förbembe ober bemmenbe
Bebeutung für bie tirc^lic^e ^raji« (^aftoralt^eologie, ^rebigt, Äatec^efe, Äircbenguc^t
unb Sirc^enberfaffung); inmieh^eit ift©. folibarifc^ gu erflären mit bem fjjäteren ^ieti«-
mu« unb beranttoortlid^ gu mad^en für beffen ©c^äben unb ©c^h)äc^en? — 3lu« Stnlafe
ber 200iä^rigen SKieberle^r be« lobe^tage« ©.« (5. gebruar 1905) tourbe feiner in ga^U go
624 ®)pfttglfr
aSiellcid^t fd^on au« bicfer 3eit ftammt fein Sieb ,,aScroebcn« ift att 3Kü^ unb Äoft" (t>gl.
gifc^cr, Äird^enlicberlesifon II, 295 f.), U)äbrenb fein anbetet, befanntere^ unb feiner ^^t
^oc^Oefd^ä^te^ Sieb „2)ur(^ 2(bam^ %aü ift aanj berberbt menfc^Iid^ 3lai\ix unb SBefcn"
(t>0l. ebenba I, 144), h)eld^e^ bie Äonfotbienfotmel (ed. 5JlüUer ©. 378) ate bic richtige
öSe^te ent^altenb, einer örtDä^nung für h)ürbig bcfunben f)at, eth)a« fjpätcr cntftanben
fein tüirb. ©»ruc^berfe Don il^m finben fic^ aud^ ^u jebem äbfc^nitt feiner an älbred^t
SDürer gerichteten „©cl^nft=@rmanung unb Unbterhje^ifung ju einem tugenl^aften 3öanbel"
1520 (h)ieberabgebrudft SJümberg, 9iümberg 1830, 4''). ^ür feinen bamalö in S^enebi^
fid^ auf^altenben Sruber (Seorg fd^rieb er J^eitag nad) Sleminifcere (17. üKärj 1525:
10 „®in fur^er SSegriff h)ie ftc^ ein mar^affter ß^rift in allem feinem h)efen t>nb toanbel,
gegen got bnb feinen nec^ften l^alten fott."
3J(it bem Seginn unb ber allmählichen ©rftarfung ber SHeformation 9Jümbcrgö, fctoic
i^rer jum Seil eigenartigen @nth)idEehmg ift fein 9tame eng berbunben, toenn er auc^ mit
immer babei in ben SSorbergrunb tritt, n>ie ba^ feine amtliche Stellung mit ftc^ bracbte.
15 2tber bie ärc^ibe beh)al^ren fel^r ja^lreic^e ©utad^ten Don feiner §anb, bie in bcn meiftcn
fällen au^fc^laggebenb h)aren, fo auc^ bei ber tJ^age beiS SRcligion^efpräc^^ in ÜZümberg
im üKär^ 1525, hjelcf^e^ ben ©ieg ber et>angelifc^en Qaä^^ in ber 9leic^öftabt em^
fc^ieb, unb be^ Serfa^ren^ gegenüber ben Älöftem (ögl. ^reffel ©. 42 ; aJlötter, Dfianbcr
©. 57 f.; g. 3lot^, SDie ©infü^rung b. 9lef. in SWmberg, aBürjb. 1885, ©. 194 ff,
20 CR I, 734). Unmittelbar barauf reifte er nac^ Wittenberg, bermutlid^ um mit Sutbcr
unb 5Keland^tbon tüegen ber (Srünbung einer ©c^ule ju 9lürnberg ju toer^anbeln, unb
ßamerariu^ fc^reibt ee; toefentlic^ i^m ju, bafe man auf biefen (Sebanlen fam unb mit
SJlelanc^t^on^ Jpilfe ba^ ©c^ottenftift ju ©t. 6gibien in ein ebangelifc^e^ ®^mnafwm
umh)anbelte. Suf feinen 5ßorfc^lag fam eö aud^ im ^af)x^ 1528 ju ber Äirc^enrnfitation
25 im "DWrnbergifc^en unb S5ranbenburgif(^en (Sebiete, an ber toir i^n im Df tober 1529
felbft beteiligt fe^en (©c^eurlsSlrd^ib im germ. 5Ruf. ju 9lürnberg XIV, Sleligionefac^cn).
Unb bafe bag bamit im 3"fö"^"^^"^ö"9^ fte^enbe grofee Unternehmen einer gemeinfaincn
5lürnbergifc^593ranbenburgifc^en Äirc^enorbnung nad^ t>ielen, langjährigen 9Serbanb=
lungen tpirfli^ ju ftanbe fam, hjurbe nic^t am h)enigften i^m berbanft. 2)enn obtooBI
8f> er in ben man^erlei territorialen ©treitigteiten mit bem SKarfgrafen bon 33ranbenburg
bie SRed^te ber JHeid^^ftabt mit großer ß^^iö^^^^ berfoc^t, bilbete er boc^ ob feiner \icx\m
liefen greunbfc^aft mit bem Kanzler l^ogler immer ben DJtittel^mann, unb mie er bic
eigentliche ©ecle ber 9lürnberger Äirc^enj)olitif tpar, fo t>erftanb er e^ auc^, immer ben
gürften unb feine 9läte für feine Stuffaffung ber ©ad(>lage unb für gemeinfame^ Sorgeben
35 JU getoinnen, unb fo loar er e^ auc^, ber, überzeugt üon ber -Wic^tberec^tigung, fiel» bem
Äaifer gegenüber jur 2öcl^r ju fe^en, bie ©onberfteHung ^JWrnbergg unb Sranbenbuivi^
in biefer grage unb bamit auc^ gegenüber bem fd^malfalbifcf^en Sunbe burd^fe^t. (i^gl.
©cl^ornbaum ©. 163 u. ö.) ^a^xi fam, bafe er auc^ bem 9)larfgrafen perfönlic^ nak
ftanb, für ben er @nbe 1529 jtoei 3^roftfd^riften fc^rieb: „2:roft in ßleinmutigfett bct
40 ^eiligen ©bangelii fachen belangenb" unb „6l(>riftlic^e 2:roftfd^rift famt bem 54. ^\alm
aufgelegt." (9igl. ©cl^ombaum ©. 395.) 2luf SSeranlaffung be« SWarfgrafen arbeitete
©})englcr auc^ (bgl. ^. Ifc^acfert, 3Ä91 XXII, ©. 435 ff.) unb jtvar fc^on feit bem
grül^ja^r 1528 (2tngb. Sleligion^aften XI, 11. Ärei^arcf^. in mrnberg) an einem
fräftigen 3(ngriff auf bie römifcf^c §ierarcl)ie, bic er (Snbe 1529 ober 2lnfang 1530
4oanont;m ^erau^gab unter bem 2:itel:„6vn tur^cr aufejug aufe ben Se^ftlic^en Siechten,
ber 2)ecret tonb 3)ccretalen, 3" ^c" artirfcln, bie bngeuerlic^ ®otte« hjort tjnn (Juangclio
gemeft fein, ober jum loenigftcn nicf^t toiberftreben", unb aU ßoc^läu^ unb Jleborfer
(^Hieberer, 9Jadbric^ten I, 69f.; m. ©pal)n, ^o^. ßod^läu«, Serlin 1898 ©. 151;
iseefenme^er, ^l. Beiträge jur (Sefc^. b. »leid^^t. j. aug«b., 9lürnb. 1830, ©. 93), fi*
60 bagcgen erl;obcn, anttoortete er al^ 33. ^ieroni^mu^ bon SSerc^niö^aufen : „Slnttoort aufr
ba^ untoarliafft gebid^t: fo ^o^an« ^ocleu^, ber fid^*J)octor nennet: SBibber ben gebrüdtcn
au^j^ug Scbftlic^er rechten: netülicl) bat au^gel^en laffen (ugl. baju SJeefcnmcber in Slll(i.
litt. ^Injeiger 1800, 9Jr. 25). 99tit ben SBittenbergern, fpejieU mit Sutl^er, ber ibm u.a.
1530 fcuic ©c^rift, „bafe man foQc Äinbcr 5ur©c^ule galten" (ßTll, 377, 2^. ßolbc,
55 3)1. Sutl^cr II, 351 f.) ioibmcte, ftanb er im fteten Serfe^r teil« bireft, teil« burc^ feinen
jungen ^reunb Seit I)ietrid^ (f. b. 21. 33b IV, 653) ben befannten langjäl^rigen ^amuluö unb
cC^au^genoffen Sut^er«. Unb feine mm 2:eil recf)t au«fü^r(ic^en Sriefe, in benen er bem
§reunbe fein .^er^ auöfc^üttet (bei m. 9JJ. ^Ka^er, Spengleriana ©. 69 ff.), getoäbren
einen fc^i)nen (Sinblicf in ba« xcxdjc fromme ©emütelcben ©pengier«, tpie fte anbererfeite
Goba« äüad^fen feiner ebangelifd^en (Srfenntni«, unb loeld^en 2lnteil er nidj^t nur an ber
®)iettgler Spttatn» 625
©itttütdEclung ber 9Rümbcrger Ser^ältniffc, fonbem bcr gcfamtcn etjan^eUfd^en ©ad^c nal^m,
erfennen laffcn, and) h)ic et gelegentlich auf Sut^et butc^ Seit 2)ictrici^ eingutoirfen fu^te
(bgl. Spengleriana ©. 71). ?Ölit öngftlicl^cr Sorge beobachtete er bie Äleinmütigfeit
3KeIanc^t^on^ tpä^renb ber 3Serl^anblungen in äug^bürg 1530, aö biefer na^e boron ju
fein fc^ien, njid^tige ®rrungenfci^aften be« ^roteftanti^mu« Jjrei^gugeben, ja er braufte auf, 6
atö er bat>on ^örte, mit l^artem Urteil über 5)Zelanc^t^on („©o i)erfi^e 3^ ^^^ ^wc^,
@^ foH ainer ober jh)een a^genfinnig Äo))f, nit alle ßl^riften regim, füren ober labten,
bo^in fie SBöQen")/ unb l^ielt e^ für feine ^flic^t („in meinem 3in(pi aÖ ein ßl^rift")/
bagegen aufzutreten, ©ofort (19. ©ej)tember) fc^icftc er an Sutl^er unb SSeit Dietrid^
einen 33oten nad^ Äoburg, um fte unter 3DUtteilung be« SSorgefoQenen jur entjd^iebenen lo
Stbtoe^r h)eiteren Unreife ju ermahnen (bgl. ©eibemann, aud ©J)englerd Sneftüed^Jel.
2:^©tft 1878, ©. 314ff.). Sine getoijfe ©pannung in bem SSer^ältni« ju SWeland^tl^on,
ber bon ©jjcngler^ (Sntrüftung gehört Ij^abcn mod^te, hjar bolb h)ieber au^eglid^en. 3"
bem ©aframetiteftreit ftanb ©Jjengler mit ®ntfc^ieben^eit auf feiten Sutl^er« unb toamte
tefonberg bor bem 2:reiben 93u|er^, bem er bon Stnfang an nid^t traute („ber liftig \>tv^ i6
fc^lagen 33u^erug, ben id^ bigl^ero nj^e sincerum gefunben l^ab". 33rief an SSeit Dietri^
bom 20. gebruar 1531, Spengleriana 81). 3)ie legten 3abre feine« 2eben« toaren
t)iel burc^ Äranll^eit getrübt, ©d^on im ^al^re 1530 liefe i^m ber 5Rürnberger SRat
„hjegen feiner täglichen ©d^toad^^eit ein geringe« SQSöglein" machen, ^m ^abxz 1531
glaubte er fein @nbe nal^e, aber er gena« noc^ einmal, bani, h)ie er feft glaubte, bem ao
treuen ®ebete ber greunbe: „toa« Gommunio sanctorum Irafft unb toürdtung ^at",
fc^rieb er am 31. 3uli 1531 an 33cit S)ieteric^, „l^ab ic^ in biefer meiner töbtlic^en
frandti^cit h)oI empfunben". Qx erlebte noc^ ba« enblid^e 3wftanbeIommen ber 9?üms
berger Äird^enorbnung, unb l^atte auc^ bie greube, 2ut^er« »ibelüberfe^ung tJoHenbet ju
fe^en unb öon biejem ein @5emj)lar mit eigenl^änbiger 33}ibmung gu erhalten. 3un 25
7. ©eptember 1534 U)urbe er i)on feinen langen 2eiben erlöft. „SBenige", fd^rieb Game*
rariu«, Vermögen je^t fd^on gu ermejfen, toie biel h)ir mit biejem 5Wanne verloren l^ben."
Sn feinem Xeftamente l^atte er ein boUftänbige« ©laubenebefenntni« niebergelegt, toelc^e«
2ut^er im 3;a^re 1535 mit einer aSorrebe (621 S3b 68, ©. 329 ff.) beraulgab aU ba«
Sefenntni« eine« ?Dlanne«, „ber U)ie ein red^ter ß^riften, bei feinem fieben ®otte« SBort 30
mit grnft angenommen, ^erjlic^ geglaubt, mit ber SC^at grofe unb biel babei getl^an, unb
nun i^t bei feinem Slbfd^teb unb ©terben fold^en ©lauben feliglic^ belennet unb beftätigt
l^at''. 2:4eobor ^olbe.
Spttatn», ^aul, geft. 1551. — CucUcn: 1. ©^cratuS 5Scrfc (Xrartatc, ®utac^ten,
SSifitotiongoften, ®ebicf)te u. f. m., bit unten citiert tuerbcn); 2. fein Sricfmecöfel, ja^lreic^c 36
58riefc t)oii i^m unb an il^n, fömtlic^ in $. Jfdjadfcrt, Urfunbcnbud) jur SReformationSgeWicfitc
bce i)eriiogtumg ^reufeen (^ublifationcn au§ ben Ä. ^rcufe. ©taatSarc^iücn, S3b 43—45),
3 S3be, fieip^lg 1890. 3)aju fommen einige Ü'iac^ richten au« ben ^önig«bergcr ß^ronifcn
33eler5<ßlatner$ unb grclberg«; bie au« ber G^ronif Simon ©runau« finb in ©cjug auf
Speratu« unbrauchbar. — fitttcratur: (5. 3. ©ofadf, ^. @p. fieben unb fiicbcr, ©raunfdjm. 40
1861 (ift nod) jcjt in ^Betreff ber fiieber be« % @p. wcrtooll, bagegen würbe c« in SÖejug
auf ba^ fieben be« 3)lcl)ter« burd) bie ja^Ireic^en in m. Urfunbbuc^e beigebrachten CucIIen
üoffftfinbig überholt); meine ©c^rift „^aul ©peratu« 0. ^Rötlen", coangelifc^er Sifc^of öon
^omefanien in SKaviemoerbcr, ^aüe 1891. 3)aju fommen: ®. ©offert in ©fättcr f. ^ürttcms
bergifdie ^& 4 u. 5, ^onatSbcilagc j^um (So. Äircf)en= u. @c^ulblattc für ©ürttcmbcrg 1886; 46
D. Xt). ^olbe, <ß. ©peratu« u. 3. ^olianbcr alS 3)omprcbiflcr in SBürjburg (JBclträge jur
ba^er. Ä(*J VI, 2, (Sri. 1899, mit üiel neuem Cucflcnmatcrial ju @p. ©ürjburger ^lufcnt^
ftalt); D. 93ubbe« ^Ib^anblung in ber 3pr2:^ 1892, @. 12 ff. (betrifft bie 9lbfaffung be«
fiiebc« „(£« ift ba« ^cil un« fommen ^er''); mein %„ ,,@pcratu«" in ber «b©; Dr. »runo
©d^umac^cr, 9?iebcrlänbifc^e 3lnficb(ungen im $)erjogtum ^rcufeen aur ßeit ^crjog ^Ibrcc^t«, 60
fieipjig 1903.
^aul ©j)eratu«, ein ©d^h)abe bon ®eburt, geboren toal^rfd^einlid^ am 13. 3)ejember
1484, neben Sutl^er al« einer ber älteften ebangelifc^en Äirc^enlieberbid^ter belannt, ^at fein
2eben«tt)erf im ^erjogtume ^reufeen tJoUbrac^t, beffen ftird^e ^au^)tfäc^lic^ burc^ ii^n
innerlich in luti^crifcpe Salinen geleitet tourbe. 6r ftammte au« Slötlen (niit 3lotth)eil) 66
bei (SUhjangen (in ©d^h)aben), ba« jur bifd^öflic^en Diöcefe 2lug«burj8 gelyörte. 3la(i)
jh)ei ^anbfcpriftlic^en 9iac^ric^ten au^ bem 16. Söi^^^wi^^erte lautete fein Familienname
„©pret", ben er nid^t in ©pretu« (loa« einen omin()fen Jiebenftnn ergeben l^ötte), fon*
bem in ©jjeratu« latinifierte. 3P ^^ ibentifd^ mit bem „5Paul Dffer be ©Htoangen",
h)eld^er im 3^^^^^ 1503 (nad^ Soffert« gorfd^ungen) in ^eiburg l 33. immatrimliert eo
SHealsChtcoriopfibie ffir Zytologie nnb ftitc^. 8. tt. xym. ^
626 (&pttata»
War, fo bürftc „Dffer" = $offer ©ermanificrung bon ©jjcratu^ fein, tote man ©j)eratu§
auc^ in „Slpibiu^" gräjifiert ^ot. @r fc^eint einer too^l^abenben gamtlie cntfproflcn ju
fein; benn e« tourbe i^m ntöglid^, noc^bem er in ber §eimat bie nötige Sotbilbung
emjjfangen l^atte, auf berfc^iebenen'Uniberfiläten (in greibutgV), in ^ari^, in „SBelfd^^
6 lanb" (Stauen), tpol^I aud^ in 2Bien mannigfachen ©tubien objuliegen unb nic^t blofe in
ber ))l^iIofo})^ifd^en; fonbem aud^ in ber tf^eologifc^en unb ber juriftifd^en ^alultat aU
2)oftor ju j)romot>ieren. 6th)a im ^ai}x^ 1506 emj)fing er bie 5Priefterh)etl^e unb toat
bi^ jum '^af)xz 1517 fo gut fatl^olif^, bafe er noc^ in biefem ^af)x^ ben Dr. 3^1^. 6cf,
Sut^eriS balbigen SBiberfa^er, in einem lateinifc^en (Sebid^te feierte, ©o angefe^en toar
10 er, bafe er unter Umftänben, bie n>ir nic^t fennen, bie SBürbe eine« „p&p\tlxd}m unb
faiferlid^en 5PfaIjgrafen" erhielt, eine äu^jeic^nung, bie i^n in „ben Slbefeftanb erl^ob unb
il^m ba« Siecht berliel^, anbere ju nobilitieren. ^n geiftlic^en SSmtem begegnen tüir ibm
juerft in ©aljburg, bann in ber freien SReic^^ftabt 3)inlel«bül^l in 3KitteIfranIen (beute
m Sägern gehörig) unb bon 6nbe 3uli 1520 an ate ^omprebiger in SBürjburg. 3)te
16 Berufung ba^in n>ar nod^ unter ber ^Regierung be« toleranten SSifc^of« Soren^ öon Sibra
erfolgt, unb ©peratu«, ber fc^on in 2)infetöbül^I ©c^riften Sut^er« auf ftc^ f}att^ toirfen
laffen, fanb in SJBürjburg im ^ö^eren Äleru« ©tomjjatl^ien für Sutl^er Dor : ber 3)om^cn
Salob %\x(iß fotoie bie Stiftg^erren 3iol^ann aijjel unb griebric^ ^ifc^er tourben feine
lutl^erifcpen ©efmnung^genoffen. älber ber neue Sifd^of Itonrab bon I^üngen machte
20 ber reformfreunblic^en Setoegung in feinem ©j)rengel balb ein 6nbe, unb % S^)eratu^
enth)id^ am 21. 9lobember 1521 unter 3"n»*laffung feiner $abe au« SBür^burg. 5Ra^
Äolbe« gorfc^ungen (f. oben ©. 58 ff.) finb e« finanzielle ©c^loierigfeiten getoefen, bie
i^n bon SBürjburg Weggetrieben l^aben; fte Waren e« aber ^öd^fthjai^rfc^einli^ nid^t au^
fd^Iiefelic^, fonbem ber ©egenfa^ feiner ebangelifc^en ^ßrebigt gegen bie Senbenjcn bc^
26 Sifc^of« unb feine 3Sere^eli$ung (mit änna guc^« [tjielleid^t einer SiertDanbten toon ^aloh
guc^«?], bie un« balb barauf in SQäien unb in 39'^" an feiner ©eite begegnet) bürften
Wefentlic^ l^u feiner gluckt mitgewirft l^aben. 6r na^m feinen SBeg nac^ ©al^burg, too
er furje 3rit J)rebigte, bi« ber ßrjbifc^of 5larbinal SWatt^ia« 2ang i^n aU unbequemen
©ittenric^ter „bon ftc^ bife". 3)a folgte er einer ^Berufung nac^ Dfen in Ungarn, auf
30 bemSBege bal^in l^ielt er am ©onntage nac^ 6)jibbania« 1522 (12.3önuar) im ©tep^an^
bome ju 3Bien eine reformatorifc^e ^rebigt, trie fie treber bor^er noc^ je nac^^er tjon ber
fiani^el biefe« ®otte«l^aufe« gel^alten trorben ift; fie berfünbete bie 9iic^ttgfeit ber ^Rönc^-
gelübbe in bemfelben Seifte, Wie ungefähr gleichzeitig Sut^er in feiner Wuchtigen ©treit-
fc^rift de votis monasticis argumentierte {Bp. bat fie 1524 in Äönigeberg unter bcm
36 litel „©ermon Dom l^o^en (Selübbe ber Saufe" brudfen laffen). ®ie SBiener t^eologif(fce
jjafultät ejfommunizierte i^n barauf am 20. Januar 1522. Unter folc^en Umftänbcn
tonnte er nic^t mel^r auf älnftetlung in Cfen hoffen, fonbem fuc^te in« §od^beutfc^e ^u
flüchten. 2luf bem SfBege ba^in blieb er CüJiärz 1522) in ^^laix, Wo er ©tabtjjfaner
Würbe unb ftc^ angenehm einlebte. 35a6 er l^ier in fül^nem ebangelifc^en ©eifte geprebigt
40 ^at, crfennt man au« feiner ben Sö'föwern geWibmeten ©c^rift bom 1. ganuar 1524,
bie ben 3:itel fül^rt „2Bie man trogen foH auf« Äreu^, Wiber alle SBelt ^u fteben bei
bem ©bangelio." Slber feine« bleiben« War bort nicl^t lange; auf Setreiben be«Sifcf»ofe
Don Dlmü|^ Würbe er i}kx gefangen gefegt unb ^um ^euertobe Verurteilt; boc^ rettete
ibn bie gürbitte angefel^ener 2Ragnateu: unter ber Sebmgung, bafe er ^^lan unb gan^
46 3)?äl)ren öerlaffc, Würbe er nad^ einer §aft Don jWölf aBod;en entlaffen. (£r ^og je^t,
feinem früberen ^lane entfprec^enb, über ^rag nac^ SBittenberg. (35ie CueHen ju Sp.
aBürjburger, ©aljburger, SlUener, ^glauer unb Clmü^er ©rlebniffen fxe^e in meiner
©dirift „$aul Bp. D. 9i." 2lnm. 13—38; ba^u aufeer ber obengenannten Slb^anblung
Solbc« nod^ bie Don Subbe in ^px^i} 1892, ©. 12 ff.). 2ln bem Dielgeprüften
50 3!Kärt^rer be« SDangelium« erhielt Sut^er ju guter ©tunbe einen i^m in jcber
^infic^t ft;mpatbifc^cn ©cl^ilfcn, unb ©peratu« ging mit ganzer ©eele auf feine Sc-
ftrebungen ein ; bei SBa^rung aller feiner geiftigen ©elbftftänbigfeit War er längft ein
entfc^iebener Sutl^eraner im beften ©innc be« JBorte«, !ein 5lac^beter be« SBittenberger
SReformator«, fonbern beffen c^arafterDoUcr ©efinnung«genoffe. Sutl^er tmg fic^ bantale
65 gerabe mit bem '^lant, beutfd^e eDangelifcf^e Äird^enlieber gu fd^affen; babei ging i^m
©peratu« l)ilfreid^ jur §anb: ba« crfte eDangclifd^e ©efangbuc^, ba« 1524 erfcpien, ba§
fog. „2(c^t=£icberbucf)", entl^ielt neben Dier Siebern gütiger« brei Sieber Don ©peratus,
Woju noc^ ein« Don einem Unbe!annten fam. 211« ©übbeutfd^er bic^tete er in ben
formen be« Weiftergefange«; nur in bem ©lauben«liebe „@« ift ba« $eil un« fommcn
60 ber" jeigt er einen bid^terifd^cn ©c^Wung, ber an Sut^er erinnert, unb, Worauf Subbc
a. 0. D. aufmetffam gemacht l}at, aud^ benfclben ScriSbau h)ie 2\xti)tx, 3lud feiner f))äteren
3eit ift unö nur bom gß^^^^ 1527 eine ))octif(^e SJonffagung nad^ ber ^rebigt unb eine
Umbic^tung be« 37. ^falm«, baju aug bem 3al^re 1530 ein toeltlic^e« Sieb über ben
SReid^^tag bon Slug^burg belannt. 3lu(^ lomponiert l^ot ®j)eratu^; boc^ ift leine feiner
Äom))ofttionen auf un« gefommen. gn Sjjeratu^' Sffiittenberger 3^^^ fetten bann noc^ 5
Überfe^ungen öon jh)ei ©d^riften Sut^er« au^ bem Sateinifd^en in« ®eutfd^e („Formula
missae" = ,,@ine Söeife, d^riftlid^ SJleffe ju galten", unb „Ad librum . . . Antonii
Catharini" = „Offenbarung be« ©nbec^rift« u. f. U)/'; beibe bei ffiald^). S)er ffiittem
berger Stufent^alt tüöl^rte bom $erbfte 1523 bi« jum ©ommer 1524. S)a folgte ©J)eratu«
burd^ Suti^erö SSermittelung einem Slufe be« ©od^meifter« be« beutfc^en Drben« ailbred^t 10
bon Sranbenburg aU ©^lo^rebigcr nad^ Königsberg in ^reufeen. §ier toirfte er
toon 1524—1529 in biefem Slmte in ber §au})tftabt be« 1525 jum §erjogtume um«
geh)anbelten Sanbe«, bon 1530 aber bi« an feinen Xoh 1551 aU ebangelif^er Sifc^of
in bem jtoeiten 33iStume be« Sanbeö, im 93idtume „^omefanien" mit bem ämtsft^e in
3Jlarienh)erber (im heutigen 233eft^reufeen). ?Kit ber ^Reformation beS §ergogtum5 ^ßreufeen is
ift feit 1524 ©j)cratuiS* 3?ame aufS innigfte i)erbunben. 3^^^ ^^^ ^^/ ^^ ©d^toabe bon
ärt unb ©ele^rte bon Steigung, fic^ in bem ,,farmatifd^en fianbe" geitlebenS nic^t h)ol^I
gefüllt (f. mein U39 II, 3lx. 1206); aber aU i^eologe unb SSifc^of l^at er bennod^ bort
me^r geleiftet aU bie anberen SReformatoren be« OrbenSlanbe« unb ^erjogtum« 5Preu|en:
auf feine 5Kitarbcit ift eö h^efentlic^ jurüdEjufül^ren, bofe bort bie Äir^e eine lut^erifd^e 20
®otte«bienftorbnung erhielt, bie ^arod^ien neu umgrenjt unb funbiert unb fo bie Sanbed«
firc^e rec^tUc^ organifiert, bie Pfarrer ju ebangelifc^er ^ßrebigt angeleitet unb tl^eologifc^
im ©inne beS (gbangelium« belehrt trurben, unb bafe man fic^ bie fj)iritualiftif(^en unb
freigeiftigen ©c^hjörmer emftlic^ bom Äalfe l^ielt. ©0 ift bie oft))reufeif(^e ÄirAe eine
genuin lut^erifc^e getoorben unb geblieben, biiS fte burd^ bie J)reufeif(^e Union in Äirdben« 26
regimcnt^s unb ©aframentSgemeinfd^aft mit ber reformierten trat, toad aber für Oft»
j>reufeen n>enig bebeutet, ba reformierte ©emeinben nur in einer faft berfc^toinbenben
"üRinber^eit borf^anben finb.
3in Königsberg fanb ©j)eratuS ben gleichfalls bon fiutber 1523 gefanbten Dr. ^ol^anneS
Sriefemann als ebangelifc^en ^rebiger am 3)ome bor unb erl^ielt 1525 in ber ^erfon ao
beS ebenfattS auf Sutl^erS 5Rat berufenen go^ann ^olianber, beS ^PfanerS an ber alts
ftäbtifc^en ftirc^c, nod^ einen beh)äl^rten ©efinnungSgenoffen; fie alle brei ^aben eng
berbunben als bie „gbangeliften" ^reufeenS getoirtt, unb baS 3Serbienft beS eüangelifcp
gcftnnten Sifc^ofS (Scorg bon ^olenft toar eS, ba^ er biefe ^^errlic^en SKönner l^at un«
gei^inbert malten laffen. $olen^ ftanb an ber ©j>ifee beS SiStumS ©amlanb, toä^renb 35
baS SiStum ^omefanien bamalS bon bem SSifd^ofe Dueife geleitet tourbe. Seibe 33ifAöfe
l^atten auf einem ))reufeifd^en Sanbtage ju Königsberg 1525 eine ebangelifdbe Kirchen*
orbnung eingebrad^t, bie am 10. Dezember 1525 genehmigt tourbe unb im 3Wärj 1526
im ®rudE erfc^ien; fie ^at ben 2:itel „ärtilel ber Geremonien unb anberer Kird^enorbnung".
3)ie 33if(^öfe fagen felbft in ber SSorrebe, bafe fte biefe Drbnung mit Slat il^rer 9Witbrüber, 40
ber 5Prebiger ju Königsberg", ju ftanbe gebracht l^aben; neben Srie^mann unb ^ßolianber
h)irb alfo ©})eratuS als 33erfaffer berfelben angenommen toerben muffen. 3llS nöc^ft
toic^tigfte SleformationSarbeit ergab fic^ bie 5loth)enbigIeit, bie ^ßarod^ien in bem burdjf
ben „})olnif(^en" Krieg (1519—21) arg berh)üfteten Sanbe neu ju umgrenjen, ben Unter«
^alt ber ^faner feftgufe^en, bei jeber Kirche einen „gemeinen Kaften" „ber Strmut jum 46
Seften" unb „jur (Srl^altung ber Kird^en 5lotburft" (b. 1^. alfo bamalS junäd^ft m bem
3)o})j)eljh)edte als Slrmen« unb als Kirc^enlaffe) einzurichten, bie Pfarrer ju prüfen, ob
unb toic fie baS SBort (SotteS j)rcbigten u. a. m. älS erfal^rener Kirc^enmann unb
juriftifd^ gebilbeter 2:^eologe h)urbe ©peratuS nebft bem State äbrian bon Waiblingen
Dom ^er^oge 2llbrec^t unb ben bciben S3ifc^öfen am 31. 3Körj 1526 als Kommiffar mit go
aSoDmac^t ^ur i^oma^me biefeS SBäerleS beftimmt; am 3. kpxü 1526 begannen beibe
il^ren „Um^ug in alle ämter" beS fianbeS. S)aS hjar bie erfte unb toid^tigfte Kirchen«
öifitation im ^erjogtume ^reufeen; eine gh^eite folgte 1528, boHjogen burd^ 33ifc^of
^olen^ unb ben injtvifc^en (am 25. 3uli 1526) jum ^erjoglid^en SRat ernannten ©jjeratuS,
in bem früher jum SiStume ©rmlanb gehörigen „Slatangifc^en Kreife" — eine ©rgönjung 66
ber Strbeit bon 1526. ©in forgfam gefc^riebeneS JjrotofollariteeS Stftenl^eft bon ©j)eratuS
§anb orientiert uns über ben Hergang biefer loic^tigen älttioncn. — ^m 3«^^ 1527
öeranftaltete ©peratuS, h)obl gemeinfam mit ^olianber, ein ebangelifc^eS ©efangbud^ für
bie jjreufeifc^e Kirche: „ßtlidS; CSefang, baburc^ ®ott in ber gebenebeiten 2Rutter ß^rifti . . .,
allen ^eiligen unb gngeln gelobt mirb. SlHeS auS ®runb göttUAer ©d^rift"; bie jh)eitc eo
628 ^pttam
3tbteilung f)ai bcn ©onbcrtitel „Stlid^c neue, Detbeutfd^te . . . d^riftlic^e §^mnuö unb
©efänge" (abgebrudt bei 6ofad a. a. 0. S. 268—320); aber bieje fiieber fmb nic^t bon
©})eratug, fonbem Don bem 9lümberget ^rebiger Äaf})ar Söner gebic^tct, auö bcfjen
Sammlung fte genommen tourben (Dgl. b. 31. Sb XI, 591, 4i, Sertbeau, 2lb93 ärt. „Sönct"
6 unb Subbe a. a. D.)- 6in 6Eem})lar biefe« ^eute äu^erft feltenen erften Äönig^berger
©efangbud^e^, bag bei SBeinreid^ bort gebrudt ift, befinbet fic^ auf ber R. u. Unit)crfttäte-
bibliot|ef ju Äönig^berg. — Oleic^geitig befc^äftigte ftc^ S})eratug mit bem ^lone, eine
Sammlung antit)ät)ftli(^er ©d^riften auö ber 33ergangenl^eit ^ufammen^uftetten, um baburt^
ben 3Sorh)urf ju toiberlegen, afö ob bie ^Reformatoren eine nod^ nie bagelüefenc Slrt ber
10 Beurteilung be^ ^a})fttum« ju ftanbe gebrad^t bätten. ^n\>^ ift bie 3tu^fü^rung biefc^
^lane« aug unö unbelannten ©rünben unterblieben. 1529 erfranfte er famt feiner
©attin am „englifc^en ©d^toetfee", einer })eftartigen ©eu^e, bie bamatö in ^eutfc^lonb
unb in ^reu^en toiele Djjfer forberte. ©Jjeratuö fam mit bem Seben batoon. S)a nun
aleid^jeitig ber Sifc^of Don ^omefanien ßr^arb toon Dueife an biefer gefä^rlid^en Äranf=
16 |eit unerwartet fc^nell geftorben War, machte ber ^erjog Sllbrec^t feinen ©c^lo^ebiaer
ju beflen 9Ja(^f olger; am 7. S^^^war 1530 lüirb ©jjeratu« jum erften 5Dlale al^ Sifcbof
t)on 5ßomefanien aufgefül^rt, unb er er^äl^lt felbft, bafe er (um biefe 3^i0 in ©egennjart
t)on 5Rotaren unb 3^0^*^ i" ^^ 2)omfird^e ju 3)larienh)erber toor ber öerfammelten ©c^
meinbe in fein 3tmt „eingetoiefen" Sorben fei.
20 35ag Siötum ^ßomefanien, beffen SSertoaltung er toon ba an big an feinen 2ob
(1551) inne l^atte, umfaßte toon bem frül^eren lat^olifc^en Si^tume gleichen 5Jamen^
benjenigen 3!eil, ber je^t jum §erjogtume ^reufeen gel^örte b. i. bie Slmter ^Rarientoerber
unb SHiefenburg, aufeerbem aber nun aud^ noc^ bag öftlic^ toon beiben gelegene ©ebict
unb ben lang geftredten ©üben be^ §erjogtumg biiS jum äufeerften öftlic^en @nbe Don
26 „3D?afuren", b. i. bie ^mter unb Äird^ft)iele ^reufeifc^man, ^reufifd(>=§oBanb, 3Ko^rungen,
Dfterobe, ©eutfc^^e^lau, £iebemü](;l, Äo^enftein, 5Reibenburg, ©ilgenburg, ©olbau, Drtel^=
bürg, 9?orbenburg, 3;oj^anniöburg, ©tr(K)auen, 2lngerburg, 9t](;ein, Slaftenburg, ©el^ften, Sö^cn
unb 2^(f. 2)ie ^aftorierung biefer au^gcbe^nten 2)iöccfe mufete bei bem bamaligen SKangcI
an 33erfe^rgftra|en unb bei ber SSerfc^iebenl^eit ber ^Bpxad^cn, bie ftd^ bort öorfanbcn,
80 ungemeine ©c^iüierigleiten bereiten, jumal ba ©Jjeratu^ fein SBort t)olnifc^ öcrftanb, tva^
bie Qpxad^t ber 3He^rja^l ber 33elt)o^ner be« ©übeniS feiner S)i5cefe toar. ©aju lam
eine grofee öfonomifc^e ©c^toierigfeit: er foBte feine Sinfünfte au« ben an ftc^ unftd^ercn
©innal^men be« 2lmte« 3Karienh)erber unb ani ben Erträgen begiel^en, meiere er burt^
SBelüirtfc^aftung ber gu bem „bifc^öf liefen $aufe" in ?D(arienh)erber gel^brigen Siegen-
86 fc^aften unb be« Sortücrfö ©arnfee eriielen toürbe. 2)a fear ber geleierte ©^toabe nun
in feinem 46. Seben^ja^re in bem l^albjjolnifc^en SBei^feltale auf ben Setrieb toon Sanb-
tüirtfc^aft im großen ©tile angetoiejen, tooju il^m aber aße SSorbilbung unb — ba^Se-
trieb^fo^ital fel^lte. 2)a fam er oalb in finanzielle 33erlegen](;eiten. ^m ^al)x^ 15-32
toerfd^rieb il^m ber .^erpg nod^ brei 3)örfer; aber biefelben toaren „toüft unb unbcfe^t",
40 fonnten il^m alfo auc^ nid^t Diel Reifen, ^m 3lnfange be« ^ahx^ 1533 ftieg feine 9lot
fo l}od), ba^ er nic^t blofe ben Sifc^of ^olen^, fonbem aud^ ben il^m nic^t angenehmen,
aber bei §ofe Diel Dermögcnben Gbelnmnn ^riebrid^ Don ^etbed um 5ütft)rac^e bei bem
^erjoge bat. „3)rei 2:age lebe id^ noc^"; fd;rieb er bamalg: „tva^ ift an mir gelegen!
©otte« SBillc gefd;el;e!" 1539 l^ören toir il^n feufgen: „5iic^t länger toill ic^ in foI(^et
45 ©efal^r in fo ^oljer 3lrmut 53ifc^of fjjielen; ein anberer SBeg mufe gefunben h)erben, ober
ic^ tücrbe gan^ in bie ä^erbannung geben, alt tüie id; bin, mit meinem Sffieibe in i^ren
Dorgerüdten Seben^ja^ren, mit ben Äinbern, bcnen ein Srbteil Dom 33ater l^er fehlt unb
bie fd^on bei meinen Sebjeiten SBaifen finb. Da« tüirb nun mein Sol^n fein, für hjel^ien
id) foDiel ^af)xt in ^reu|en gebient l^abe." 2)iefem Unmut cntf})rang ber äu^fpruc^:
50 [„Prussiam] quam patriam utinam nunquam vidissem" (m. U93 II, 9lr. 120ö).
3m grül^ja^rc 1540 backte er emftlid^ an ein „§inau«jiel^en nad^ 2)eutfc^lanb". 1513
erging e« il;m in ber §auöl;altung, im ^elbbau unb in ber SieJ^^uc^t fo fc^limm, b4
er 596 TOarf 25 ©d^ifiinge „3^ürfengelber", toelc^e in feiner Diöcefe jum Äriege gegen
bie Stürfen gefammelt hjaren, nic^t ön ben Äönigöberger Sanbtag, bie „Sanbfc^aft", ein-
66 fanbte, fonbem Don i^r fid^ ftunben liefe, ßr l;at fie nic^t ^urüdnal^lm fönnen; babcr
hDurben fie il^m 1550 gef4)cnft. ^m ^a^re 1549 mufete er auf feine ©üter 300 9RarI
aufnel^men. ©eine öfonomifdie Sage it>ar unb blieb alfo eine mifelid^e [gegen 6o(ad^
SDarftellung a. a. D. 220J. Um fo mebr mufe man ben burc^ beftänbige 9Jot gel^emmten
Wlann beiuunbern, bafe er bie moralifc^e Äraft unb ben ibealen ©inn befafe, eine
CO ftaunen^tüerte eDangelifc^'bifc^öflid;e 2;i(;ätigfeit ^u entfalten. SBir betrauten
^pttatu» 629
Hunäc^ft feine Slrbciten auf bem ©ebtcte ber 2c^rc, fobann fein eigentlid^ jjaftoralc^
aÖBirfen.
3)a ftc^ bag Sebürfni« mi) einer Sel^rorbnung J^eraui^fteHte, follte eine fold^e auf
öier.©^noben (brei Sejirf^s unb einer Sanbe^f^nobe) in ^reufeen 1530 vereinbart toerben.
2)en ©nthjurf baju lieferte, toie man mit l^o^er 35Jal^rf(|einIi(^Ieit annel^men barf, 5
S})eratu^. @in Sruc^ftücf biefe« Söerle^ liegt j^anbfc^riftlid^ auf bem Äönig^berger
@taat^rc^iü; ed l^at ben Xitel „Episcoporum Prussiae Pomezaniensis atque Sam-
biensis Constitutiones synodales evangelicae" unb ift ein Seitfaben gur (linfüJ^rung
ber (biiSl^er latl^olifcl^en) OeiftUc^Ieit in bie etoangelifc^e 3:i^eoloaie. SBietoeit ©t)eratug
auf ben Am erlüäl^nten ©^noben tl^ätig gehjefen ift, entjie^t fiep unferer ßenntni«, ba 10
h)ir toon i^nen leine 3lften befi^en. ^n ben Sauren 1531—1535 l^at fid^ fobann ©Jjeratug
aße erbenllic^e 3Hül^e gegeben, mit feiner fd^neHen geber, feinem fräftigen münblic^en
aBortc unb feiner bifc^öflic^en ©ehjalt bie in ©üb})reufeen um fic^ greifenbe, öon ^erm
toon ^eibed auf 3io^flnniiSburg unb Söfeen ftarf geförberte ©c^hjenffelbifc^e ©eifte^ric^tung
ju unterbrücfen. ßin 3fleIigionggef})räc$ |\u Siaftenburg am 29. unb 30. 2)eaember 1531, 15
ba^ ©jjeratuö leitete, ift ein d^arafteriftifc^er §öl^ej)unft in biefem geiftigen 9tingen. ©e^r
erfd^tücrt tourbe ©>)eratuiS feine 3luf^abe noc^ burc^ bie Dom 6ergoge Sllbrec^t in^ 2anb
aufgenommenen ^oBänbifd^en Äoloniften, bie „§oBänber" („Sataöer"), bie um il^rc«
})rotcftantifcben ©laubeng lüitten au« i^rer nieberlänbifd^en ^eimat au^getoanbert, aber
aße feine Sutl^eraner toaren (Dgl. ©c^umac^er f. oben). 6ine gegen fie gerid^tete ©c^rift 20
be« ©jjeratuiS „Epistola ad Batavos vagantes" ift bi« je^t leiber nur bem 3!itel naii^
befannt. 3" ^^" Semü|(;ungen be« })omefanifc^en Sifc^of« traten noc^ ßintoirfungen öon
au^lüärt«; an ben ßreigniffen bon 5Künfter 1535 erfannten bie hjeiteften Äreife bie
fc^liefelic^en Äonfequenjen einer Dertoilberten ©eifteiStreiberei. 3)a erlief ber §erjog an
©t)eratuö am 1. äuguft biefe« 3al^re« ein 9Jlanbat, beiS 3"^öItiS, bafe in ^reu|en bie 25
(gin^cit ber Seigre im (Seifte ber Iut](;erifc^en Äird^enorbnung öon 1525 aufredet erl^alten
merben foHe. gür ©>)eratu« bebeutete ba« einen ©ieg über ©^toenffelb unb fonftige
©l)iritualiften. — ^m 3a^re 1537, aU ^ fic^ um bie Sefc^idfung be« Äonjitö toon
3Rantua l^anbelte, finben h)ir ©j)eratug toieber l^erbonagenb t^ätig. 6r tüar ^u ben be=
jüglic^en 3Ser](;anbIungen nad^ Äönig^berg berufen, unb ettoa am 20. gebruar 1537 ao
brachte er ein ©utad^ten über bie ^age ju ftanbe, „toaö ju t^un fei, too ba« Goncilium
etioa«, ba« unc^riftlid^ unb toiber ®otte« SBort toürbe fein, beterminieret, unb ber ^aj)ft
burc^ feinen Slnl^ang fold^e« tooBftreden tooBte." S)a«felbe ift al« „3latfd^lag" in beutfc^er
unb al« „Consilium" in lateinifc^er Bpxad)t bor^anben*(m. U93 II, 3lx. 1067 u. 1068);
e« äußert fid^ ba^in, ba| fic^ dürften unb ©tänbe, toenn fte um be« Söorte« ®otte« as
tüitlen Derfolgt Serben, in ®otte« 9Jamen mit unbefc^toertem ©ehjiffen jur ©egentoe^r
anfd^idfen bürfen. S)em ^ccp\i ^ßaul III. aber bezeugte er unter bem 25. gebruar 1537
in einem lateinifd^en Sriefe feine S3ereith)ißigleit, oa« Äonjil gu befud^en in ber SBorau«*
fe^ung, bafe e« al« ein freie«, jebem frommen S^eilnebmer ungel^inberte 5Weinung«äu6erung
geftatten unb bie ^eilige ©c^rift jur Slic^tfc^nur feiner Sefc^Iüffe machen hjerbe; auc$ 40
Derfäumte er nic^t linjujufügen, bafe e« üon feinem £anbe«l^erm abl^ängen hjerbe, ob
i^m ber SSefuc^ be« Äon^il« überl^aut)t geftattet toerben toürbe. (3)iefer 33rief ift hjirllid^
abgefc^idt unb liegt im ©taat«ard^ib in glorenj; ögl. grieben«burg, 9luntiaturberic^te
au« 5Deutfc^lanb, 1. 2tbt. 2. Sb, ©ot^a 1902, ©. 46.) «on ba an ift ©>)eratu« in
})rin5it)ieß toic^tigen 2lngelegenl^eiten ber Äird^e nur nod^ in ben ^a^xm 1549 unb 1550 45
auf SBunfc^ feine« 2anbe«^erm al« Dogmatifer autoritativ aufgetreten. 6« gefc^al^ in
ben 2lnfängcn be« ofianbriftif d^en ©treite«, al« ber melanc^t^onifc^ geftnnte SJJagifter
Sauterhjalb gegen ben ofwnbriftifc^en $oft)rebiger TOagifter gundf aufgetreten hjar. auf
Anregung be« §crjog«, ber bie Unterfud^ung über biefen ©treit feinen beiben Sifc^öfen
^ßolen^ unb ©jjeratu« übertragen l^atte, toon benen ftc^ aber ^olen|, ber 3;urift, mit äbftd^t »
toon ber Ba(i)t fem ^ielt, ^atte fic^ ©Jjeratu« 1549 nad) Äönig«berg begeben, öerl^örte am
4. Suü bicfe« ^al^re« bie ftreitenben 3!^eoIogen in ber 9lat«ftube be« ©d^Iojf e« bafelbft unb er*
ftattetc in einer 60 Sogenfeiten langen ^anbfc^rift bem §erjoge Seric^t barüber. (3Jlein
U93 III, 9Jr. 2304.) ©})eratu« mar in feiner Sefc^eibenfeit mit bidem feinen ©(^rift=
ftüdfe nic^t jufriebcn; e« jeugt aber toon ber tüchtigen t^eologifd^en Silbung i^re« SSer^ 66
f äff er«, bie er fic^, tro^bem er 20 ^af)x^ al« t^eologifd^er ©infiebler in SKarienhjerber
gelebt unb bereit« 65 '^ai^xt ^äl^lte, bod^ in fel^r erfreulicher SBeife beh)al^rt l^atte. 2luf
ben Weiteren ©ang be« ofianbriftifd^en ©treite« ^at ©>)eratu« (ba er balb ftarb) feinen
©influfe mcjE^r gehabt. 211« aber f^jäter nac^ Beilegung ber oftanbriftifc^en SBinen ba«
2ut^ertum in '^reufeen toieber l^ergefteßt hjurbe, trat aud^ ©iperatu« £eben«h)erf hjieber eo
630 &pttata9
in toollc SBirIfamfeit bafclbft unb beeinflußte bie oftjjteufeifc^e Äirc^c btö in bic ^dUn
be^ Äantifd[>en SlationaliiSmug l^inein. @pttai\i^' gefamte boamatifd^c ^interlaffenfcfcaft,
bic ftc^ meift in §anbf^riften auf bem R. ©taat^rd^iüe ju ^tönig^berg befinbet unb in
meinem Urlunbenbud^e (f. oben) aufgeführt ift, mac^t auf un« ben ©inbrud ftarfer
5 ©eifteöarbeit, aber baiS eigentliche $au>)tftüd feiner bifc^öflic^en SBirffamfeit beftanb bo(^
in ber })aftoraIen fieitung ber ®eift(ic^en unb bcr ©emeinben.
3al^Irei(^e Sriefe unb Sitten laffen uniS erlennen, bafe er in feinem bifc^öflicbcn
2lmte mit >)einli^er Oetoiffenl^aftigfeit unb Drbnung^Iiebe gehaltet l^at: er l^at Äirc^em
toifitationen unb ©^noben abgehalten, Oeiftlic^e unb Seigrer angefteßt, bie S)i^gi^linar=
10 gemalt, too eö nötig toar, ausgeübt, ßl^efad^en mit rid^terlic^er äJotlmad^t entfc^icbcn unb
taufenb ^ßerfonalangelegenbeiten, gute unb fd^limme, geregelt, bafe il^n bie Slrbeitelaft faft
erbrüden toollte. Dbgteicp feine Steigung il^n am liebften in bie ©title be^ ^rit>atlebcn^
getrieben ^ätte, betoie^ er ate getoiffenl^after bifc^öflic^er ©eelforger eine §irtentreue, trie
fie feiten il^re« ©teid^en l^aben bürfte; mit unermüblid^er ©orgfalt ging er ben ©cmeinben
16 unb il^ren Oeiftlid^en nad^ in einer S^xt, too fein toeiter ©t)rengel ^toifc^en SWarientperber
(nal^e ber Söeic^fel) unb S^d (nal^e ber t)olnif(^4itauifc^en ©renje) jum großen 2:eilc
nodf^ „Söilbnig" toar, toie ba« füb})reu^ifd^e ©ebiet bamal^ auc^ einfad^ benannt tpurbe,
unb ber feften ©trafen faft nod^ ganj entbel^rte. 33ig jum ^a^xc 1535 bejh)edtten bie tjon
il^m gel^altenen ©^noben üortüiegenb bie TOebertoerfun^ ber ©c^toenlfelbfc^en greigeiftcrei;
20 öon ba an betrieb er afö bifd^öflic^er Sifitator toefentlic^ ben ftiHen Slufbau ber ))reu6ifcbcn
fianbe^fir^e unb beaufftc^tigte unb regelte, le^renb, ri^tenb, etoentuetl aud^ fhafenb, ba^
ganje Seben ber Oemeinben unb i^rer ^faner. Unb biefe brüdfenbe Slrbeit^Iraft trug
er, obgleich er jlüifc^en 1532 unb 1551 öfter öon fc^tüeren Äranf^eiten ge^jlagt tourbc
unb, nac^ feinem Silbe ju fd^liefeen, überl^aujjt leinen fräftigen Äör^er befafe. Cbne
25 jeben Slnflug toon Sureaufrati^mu^ haltete er babei mit väterlicher 5Kilbe unb ^alf ben
notleibenben Oeiftlic^en nic^t blofe mit feinem ^aU, fonbem auc^ oftmals, h)o e^ nötig
toar, mit Äleibem, Sudlern unb (Selb ; ßigenfmn unb %xo^ aber beftrafte er mit bem SSottbetouBt^
fein öerleftter Autorität unb in 2luiSbrüdfen, toie fte einem 5Wartin Sutl^er gelegentlich im
3om entfuhren. 5Kit gleicher ©orgfalt umfaßte feine bifc^öflid^e ©orge bie Angehörigen
30 ber berfd^iebenen Stationen, bie in feinem ©jjrengel tool^nten: 3)eutfc^e, 5ßolen, Sitaucr
unb bie gugetoanberten Emigranten, §oßänber unb feit 1549 auc^ Söl^men unb 5Dlä^ren.
©0 h)altete er feinet toeranttoortung^tooHen Stmte^ mit nie ermübenber Il^atfraft, bi^ ber
3!ob il^m ben ^irtenftab au« ber ^anb nal^m; er ftarb am 12. 3tuguft 1551 (nid^t 1551)
JU SKarienhDerber ; am 13. Stußuft, nachmittag« 2 Ul^r, tourbe er im 2)ome bafclbft
36 feierlich beigefe^t.
hinter il^m lag ein ungemein arbeit«reid^e« unb gefegnete« Seben. ©ein Silb
(Äu}3ferftic^ in ber tartograj)l^ifc^en Abteilung ber Ä. 33ibliot|ef ju Serlin, ©ignatur
Oe 6447) geigt ben emften SKann, h)ie er ftc^ bereit« mübe gearbeitet ^aben mag; er
^at einen milben ©efic^t^au^brud, freunblid^e grofeeSlugen unb einen SoHbart; auf bem
40 §au>)te trägt er eine 2ut](;ermü$e unb befleibet ift er mit lalar unb ^ßeljfragen, in ber
§anb l^ält er ein 33uc^ al« ©^mbol ber ©rbauung unb ber SKebitation. Überfc^auen
toir fein gefamte« Seben«h)erl, fo ^interläfet ©))eratu« ben (ginbrudf einer ftc^ ftet« gleich
bleibenben l^oc^gebilbeten, tieffrommen, arbcit«freubigen unb tüürbeboßen ^crfönlic^-
leit; bon feiner SBürjburger reformatorifc^en ^rebigttl;ätigleit bi« ju feinem ^eimgangc
45 in SRarientoerber entbcdft man in feiner religiöfen ©efinnung unb in feiner toilfenfcbaft-
lid^cn Überjeugung nirgenb« Unfic^erl^cit ober ©d^h?anfen; al« H^eologe ein gefc^lojfencr
2)enfer unb bem Söittenbcrger Jlcformator au« freier Überzeugung guget^an, ein lutbc-
rifd^er 53ibeld^rift au« einem ®uffe. ©ein ^rinjip Wax bie 33ibel, ba« gefc^riebenc ®otte^
ioort, toeld^e« er unter bem ®cfid^t«t3unfte bcr in ßl^rifto un« ju teil geworbenen freien
60 ©nabe ®ottc« ftd^ au«legtc unb folgerichtig auf aße 33er](;ältniffe ber Äirc^e unb ber
SBBclt anjutoenben fud^te, al« einbrucf«boBer Äanj^elrcbner, al« getoanbter S^ic^tcr in
beutfd^er unb in lateinifd^er Bpxad^z, al« umfic^tiger Äirc^enmann bei ber ^crftcHung
Don ©otte«bienftorbnungen, Sird^engefangbüc^ern, Sel^rorbnungen unb red^tlic^cr (bi^
beute giltigcn) Slbgrengung unb gunbicrung bcr ^farrbejirle unb ^arod^ien, in ber
65 gcitung ber bifc^öflic^en Diöcefc unb in ber §anbl?abung ber 3)i«|\i^lin unb bcr pa|V
ralcn ©eclforgc an ©cmeinben, Pfarrern unb anberen einzelnen Gl^riftenleuten. SSie er
gctüorbcn, hja« er fear, h?iffcn lüir nic^t; ol)nc Sut^cr perfönlic^ j^u fennen, toar er bcijen
®crtnnung«gcnoffe gctüorbcn ; fobalb toir ben tcmjjcramcntboßen ©c^toaben lennen lernen,
in ffiürjburg, ©al^burg, ^Qlaxi unb Süittcnbcrg, 1520—1523, fte(|t er h)ie mit einem
60 ©c^lagc fertig bor un« ; unb toa« er bamal« h?ar, blieb er fein 2^m lang, feft in ber
Spttatü» ^pit^d 631
©cfmnung, Ilar in ber ©rIcnntniiS, ftc^cr im Urteil, ftarfen SBitlcn«. 6in 9Jlann Don
fold^em entfc^iebenen Oe^rägc Wax er too^I im ftanbe, ber >)rcufeif(^en ©eiftlid^feit feine
tl^eologifc^e, lutl^erijc^e Oeifte^ric^tung einjut)rä0cn. 2Bir motten bie SJerbienfte ber anberen
ctoangelifc^en Sifc^öfe unb reformatorifc^en ^ßrebiger ^Preufeeng nic^t gering anfd^Iagen;
ioaö ein ®eorg Don ^olenft, ein ©r^arb Don Queife, D. ^of). Srie^mann, 3o^. ^olianber, 6
3Kic^acl 9}Jeurer unb anbere bamate geleiftet l^aben, fott unDergeffen bleiben, unb ber
eblc fromme Sanbe^l^err ^erjog 2llbrec^t Don ^ßreufecn erft re(|t; fte atte l^aben ber
cDangelifc^en, >)reufeif(^en ganbe^firc^e unfc^ä^bare ^ienfte geleiftet; aber ber toefentlid^
i^ren innerften ßl^arafter beftimmt i)at, ba^ tvax ^aul ©>)eratug. ^. Sfd^aifert.
@)piege( iei bm ^ebrftant. — fiittcratur: 2^§. ßarpoö. De speculis Hebraeorum lo
(Rostockü 1752); Oldermanni dissertatio de speculis Veterum (Helmstadii 1719); ^artmonn,
2)ic C)ebr«evin am ^uftifc^ II, 240 ff.; III, 245 ff.; 3o^. »cdCmann, 93cl)trä9C jur ®cfd)i*tc
ber (frfinbungen, brittcn S3anbed üievtc« ©tüd (1792), (B. 467— 535; Ä. S- .^ermann, fict^rbu^
bev griecf). Stntiquitätcn, 3. Steil: 5)ie ^riüQtaltcrtümer, 2. 9(ufl. öon 6torf (1870), 3.^uf[.
uon JBIümncv (1882), §20 u. 45; <|SQuh)=5:cuffcI, SHcaIenci)fIüpäbie ber flaff. 9ntcrtumßn)iiicn= 15
fd)aft 8. V. speculum ; ^anbh, ber röm. 9Utertümcr, VII, 2 : Q. ^arquart, ^a^ ^riüQtlebcn
ber mmtv, 2.?lufl. bcforgt üon ^Rau (1886), 6.690. 758; groan D. <Wüacr, .&anbbudj ber
flaff. 5lltcrtum8n)iffcn|cöaft VI(1893), § 227 ; ®eorge SRatoIinf on, Thefive great monarchies of the
ancient castern World, 2. edition, Vol. 1(1871); ($ÖincfIcr-3immern, Äcilinfdjr. u. 9lX [1903]
enthält nicftt^ über ©picgcl); 3BiItinfon, Manners and customs of the ancient Egyptians 20
(1837), Vol. III, p. 385; S^an fiennep, Biblc Lands, their modern customs and manners
illustrative of Scripture (fionbon 1875), II, p.536f.; The Jewish Encyclopedia VIII (1904)
8, V. mirror.
SBaiS junäd^ft bag Sorl^anbenfein Don ®})iege(n bei ben Hebräern anlangt, fo
fann freiließ nur mit Sertounberung ertoä^nt derben, bafe nad^ ß^arlier in ber 3^^!^^^- 25
b. S)eutjc^. morgenl. ©efettfc^aft (1904), ©. 393 bei jener ^oc^emften 3tugeinanberfe|ung
auf bem Äarmel (1 Äg 18) bie „^riefter S^^be«" unb fogar @lia mit einem lonfaDen
©piegel opttxnt Ratten, aber ber Oebrauc^ Don ©>)iegeln bei ben Hebräern ift burd^
einige, tomn aui) äuma:eil fragliche unb f})ät niebergefc^riebene ©tetten bezeugt. Slämlid^
in 3^f 3, 23, \üa^ nur au« unjurei^enben ©rünben neuerbing« Scfajja abgefjjrod^en so
toorben ift, fann betreff« Q^?''^'^ (giljönlm) nic^t i^i^aupUt derben, bafe bie Ueberfefeung
„S)3iegel" Dom Äontejt Derboten toerbe; benn toenn auc^ Äleiberarten bal^inter folgen,
fo ge^en boc^ bie „Oelbbörfen" unmittelbar Dörfer, unb auc^ in ä}. 18— 21 toec^feln Steile
ber Äleibung mit ©c^mudtgegenftänbcn ab. gemer bejeic^net ber ©ing. gillajön (3icf
8, 1) bie aufgebedfte, b. i), obgefc^abte (Dgl. nb.- feieren, rafteren), geglättete platte (aud^ 36
nac^ (Sef.^Sul^l« ^ebr. 2Bb. 1905: „glatte 5CafeI"). 35a^er fmb bte giljönim in ^ef
3, 23 fo gut toie ftc^er „®})iegel". Sllfo l^at ba« Skxrgum ric^tia mit machzejätb
„©e^inftrumente" überfe^t unb fo faft atte 3nteri)reten gebeutet, aber unrichtig l^aben
bie LXX, burc^ ben fc^einbaren S^an^ be« Äontejte« Derfül^rt, bie giljönim al« dia-
q^av^ Aaxcovixd aufgefaßt. 5Bgl. über bie nad^Iäffige Äleibung ber f})artanifd^en ^auen io
bei .permann a. a. 0. § 22, -Kote 4, unb in 9lote 18 hjirb Aristoph. Lysistr., V. 48
ertoät^nt, toonac^ rd diatparrj prdjvia 5Wittel ber SBeiber hjaren, um auf bie SKänner
einjulüirfcn. S)aß bie« aber nid^t bie 2lbfic^t ber ©))artanerinnen, fonbem nur i^rer
fofetten 9Jad^a^merinnen toar, barüber Dergleid^e man 1%. S. Söielanb, 2)ie äbberiten,
1. 33uc^, 10. Äo)). 2)ie ©})iegel fmb in ber au«fü^rlid^en Sefc^reibung toeiblic^er 2:oiletten' 45
gegenftänbe bei gef 3, 16—23 um fo untoa^rfd^einlic^er ju finben, ba ©>)iegel al«
©d^mudfad^en l^ebräifc^er grauen fc^on für bie 3^^ "^^ ^^«^ 3tu«jug aui Sägv>)ten (!)
in ber atterbing« f})ät (Dgl. ^oljinger im Äur^en ^anbf om. 1900 g. ©t.) nidöergefd^riebenen
©tette ßE 38, 8 Dorau«gefe^t fmb. 35anad^ tourbe ba« Secfen ber ©tift«l^ütte au« (fo
richtig fd^on im a^argum unb LXX) ben nix-iT^ (3!arg. michzejäth nad^ ®. 3)alman, »
9leu^ebr.^aram. 2öb. 1901, ©. 220) ber grauen bereitet (bie« bie toa^rf^einlid^fte 3)eu=
tung auc^ nac^ SSedfmann a. a. 0. ©. 469—471 unb j. 33. auc^ nac^ Saentfd^ im
•öanbfom. 1900 j. ©t.), bie am Heiligtum bienten (Dgl. 1 ©a 2, 22), toa« nid^t mit bem
2:argum ju „beten" ober mit ben LXX ju „faften" ju Dergeiftigen ift. gerner in §i
37, 18 ift "'fi?'* auc^ Dom 2)argum mit ispaqlarja = specularia toieber^egeben, unb 65
SeDV (Gl^albäifc^e« SÖBb. s. v.) beutet bie« unrichtig al« „genfter au^ ÜKanengla«" unb
ba« babei fte^enbe P?'^':^ al« „geläutert". 2)ie Deutung „gegoffener ©>)iegel" toirb
richtig auc^ Don ben brei neueften Äommentatoren (35ubbe im ^anbfom., %\x\^m im
Äurjen ^anbfom. unb griebr. 2)eli$f(^, 5Da« a3uc^ $iob 1902) Dertreten. ^toeifello« fmb
©Riegel bann Don bem um 200 D. 6l^r. fc^reibenben 33en ©ira ertpö^nt: 12, 11 „unb eo
632 ^pitid
tüttft il^m gegenüber fein toie einer, ber einen BpxtQtl >)oItert f)ai, unb toirft finben, bap
er immer mit SRoft überwogen ifL" „BpkQzV ift bort im neuentbedten ^d&r. ©trac^tcrt
0erau«0e0. öon $.S.©tra(1 1903) burd^ n (too^I berberbt au« ■^N'n 31, 18; §t 37, 18),
in ber gried^ifc^en Überfe^ung feine« ©nfefe burd^ etoomgov au^gebrüdt. — Über
5bie Sef^affen^eit ber öon ben ^ebräem gebrauchten @>)iegel enthalten bie ge^
nannten ©teilen a) bie«, bafe bie ©>)tegel nic^t, ober toenigften« in ber Siegel nitbt
aSBanbfbiegel, fonbem öon grauen benü^te ^anbf^iegel toaren. b) 3)ie ©picgel fmb
nic^t blofe afö „©e^hjerl^euge" (®j 38,8; $i 37,18; ©i 12,11), fonbem aud^ ol^
polierte ^platten (gef 3, 23) begeic^net. c) 9?ad^ ßj 38, 8 h)aren fie au« SWetaB, toic
10 bort auc^ ba« Xargum ^erufc^almi au«brüdlic^ „isp&<ll&^j& (= specularia) au« Qxi''
überfefet(ba«gragmententargum, ed. 3K.@ie«burgerl899, p. 44 fagt einfach t'^th, ettoa:
©d^aubinge), unb nati) $i 37, 18 tüaren fie „gegoffen". 2)iefe 2lu«fagen be« 23: toerben
aud^ burd9 bie 9?ad^rid^ten beftäti^t, bie in anbem ©Triften be« Slltertum« über bie S>)tcgcl
gegeben finb. 2)enn a) fogar m ben an allem Äomfort überreid^en 2Bo^nung«einric^
16 tungen ber f^äten ©ried^en unb 9lömer gab e« feiten äBanbf^iegel (t)gl. ^aul^-^euffel
a. a. D.)/ getüöl^nlic^ blofe Heine $anbf>)iegel. b) 3« l>wi griec^ifc^en ©djriften ber S^bcn
unb bei ben ©ried^en felbft toirb jtüar, toie im Sateinifd^en, ber ©>)iegel nur al« Seb=
tüerljeug bejeic^net {xdxoTvtQov^ eiootviqov ober iooTttqov^ Svojctgov, speculum, toos
bon ia„©J)tegel"^erIommt); aber c) bafe bie ©>)ie^el auc^ in ber fl)äteren3«t be«Sntet5
20 tum« faft nur geglättete 3KetalI>)latten toaren, ergiebt ftd^ teil« au« i^rer Jceigung, blinb
ju tüerben (©i 12, 11 : toie einer, ber ben ®>)iegel gleid^fam gelnetet ober jjoliert bat,
ber bod^ tüiebcr SRoft anfe^t ; SBei«!^. ©al. 7, 26 : toie ein unbefc^mu^ter ©))iegeO unb
teil« au« ber SKangel^aftigfeit il^re« Slefleje« (1 Ro 13, 12 [bie Jewish Enc. brucft:
XXXIII, 12!]), tüäl^renb allerbing« in 2 Äo 3, 18 bem ©>)iegelbilb nid^t bie eigenf(^ft
25 ber Ungenauigleit, fonbem nur bie ber 3RittelbarIeit gugefd^riebm tüerben foll. 3)icö
alle« ftimmt baju, bafe e« auc^ au^erl^alb S^^ö^^^ bei ben SSölfem be« ältertum« meifl
nur 3RetalIf^iegel gegeben l^at: 3n %^^ten toaren fie au« poliertem Rinn (Jew. Enc);
bei bm ©ried^m na^ Hermann a.a. D. §20, © 170 f. au« ©rj, ©ilber, ®olb u.f.to.;
bei bm Slömem tüarm fie „getoöl^nlid^ bon Äu>)fer, üermifc^t mit ^inn, Qnd unb anbetn
8o©toffm, öfter« berftlbcrt ober aud^ bon maffibem ©ilber" (3Karquart=9Kau, ©.690);
nur 3Retallf)3iegel hjcrbm aud^ im ^Imub ertoäl^nt (Kelim XXX, 2; Jew. Enc.
s. V. mirror). Übrigm« aud^ „in ber lefeten antiien ©d^ic^t" ber Sluinm ber alt-
lanaanitifd^m ©tabt 3:i^a*'anad^ (3jof 12, 21) ift „!ein ®la«" gefunben tüorbm (©cllin,
lett la'annel in bm 3tb^. b. Söiener Slfab. 1904, ©. 101). ®la«f>)iegel (au« bunflcm
86 ®la«, aber ol^ne golie) l^attc man nac^ ^liniu« ftc^ in ©ibon au«gebac^t (Nat. Hist.
36, 26: Sidone quondam bis officinis fvitri] nobili, siquidem etiam specula
excogitaverat). Über einm ®la«f);)iegel l^aben toir erft bei Alex. Apbrodis. im ätnfang
be« 3. 3ja^r^unbert« n. 6^r. ein fidlere« ^eugni« (aRarquart^SWau, ©. 758). S)afe ®te
f})iegel, bie mit ^^ü^ berfel^m tüaren, mit üoHer ©id^erl^eit erft im 13. S^^^^unbert er-
40 lüäl^nt tocrben, ^at Sedfmann a. a. D. ©. 501 ff. nad^gehjiefen. @r l^at nad^ Voyage
de Cbardin 1723, IV, ©.252 au^ bie« bemerft (©.523 f.), bafe metattene Spiegel
auc^ noc^ jc^t im Orient unb in ^ßerften Verfertigt unb gebraucht toerbm, unb bafe man
fie fogar ben gläfemen üorjiel^t, toeil fie nic^t fo jerbrec^lic^ finb unb fic^ in bcm
trodcenen, ^eifeen ßlima beffer al« ba« jur SJolie toertombete 3lmalgam ber gläfemm ©J)icgcl
46 erl^alten. 3tber in unfem ^Ätm finb bo^ bie 3RetaHfj)iegel burc^ bie gläfemen Spiegel
toerbrängt toorben ; benn auc^ »an 2ennep berichtet a. a. D., bafe bie jefeigen ®la«li)iegcl
ber orientalifc^en 2)amm in ®eftalt unb ®röfee ben SRctattfpicgeln m^pred^en, bie gc^
legmtlic^ unter bm Sluinen alter ©täbte gefunben hjerbcn. — 2Ba« mblid^ bie ^er-
lunft ber toon ben ^ebräem gebrauc^tm ©jpiegel anlangt, fo lönnen tüir nur al^tDobi-
60 fc^einlid^ annel^mm, bafe fie teil« toon ben l^cbräifd^en ?!Ketallarbeitem felbft gefertigt unb
teil« importiert toorben fmb. 3)enn ßanbfpiegel l^aben auc^ bie 2lff^rerinnm getragen,
bgl. Statolinfon a. a. D. ©. 573 f. : „eine bronjene ©d^eibe, ungefähr fünf 3olI im 2)urc^
meffer, mit einem ®riff bcrfebm, ift für einen ©piegel ju ^altm. 3n feiner d--
gemeinen gorm äl^nelt er fotool^l ben äg^ptifd^en al« auc^ ben Ilaffifd^en ©piegeln, aber
66 im Unterf^ieb üon biefm ift er üollfommen eben, inbem fogar ber ®riff ein blofeer
flad^er ©tab ift." ^a^n bemerft er noc^: „(Sin ©piegelgriff, ber öon Sa^arb juSlitnrub
gefunben tourbe, toar toerjiert", unb auf ©. 575 giebt er aud^ eine 9la(^bilbung be^ er-
h)äl^nten f^rifd^m ^anbfpiegel«. ©piegel truaen aber auc^ bie Ägypterinnen, toie 3BiI=
linfon a. a. D. nad^toeift. SSon ber ©piegelfabrifation ber Slg^pter ift bereit« oben bie
60 Siebe gelücfen, unb bei $ermann a. a. D. ift erVoäl^nt, bafe $u 3lt^en toiele mit ®#
@)iiege( ^pitk Bei best Hebräern 633
fd^mui unb SRelicfarbcit berfel^enc ©>)iegel, ferner anbere in bem burd^ feine Bp'wQ^U
fabrilation berül^mten 5lorintl^, anbere )u ^alifama^, l^au))tföcl^Iid^ t)ie(e aud^ in@trurien
gefunben toorben ftnb. 3tber and) too jufäßig in ber litterarifc^en ober monumentalen ^inter*
laffenfc^aft einer 9Jation bie ©(piegel nid^t ertüäl^nt fmb (Voie j. 33. nic^t bei §omer, toie
Secfmann a. a. D. ©. 474 betont), ba lann tro^bem nic^t ftd^er gefc^loffen toerben, bafe s
ber ©ebraud^ Don $anbf))iegeln nod^ unbe!annt gett)efen fei. (Sb. ^dnig.
®p\t%d, &xal ©Tjbifi^of boti ftölti f. b. 31. 2) r oft e 33b V ©. 24, 55 ff.
@)ite(e bei ben ^ebrSern. — ßittcratur: Sajaru«, 3)ic SHcijc bcS @»jiclc8, SBcrIin
1883; 3K.$c^ne ^eulfdieS ^Sörtcrbu* 1895, @.625; — Sagcnfcil, De ludie Hebraeorum in
feiner 6djrift De civitate Noriberg. (Altorf. 1697), p. 1648. ; @id)l^orn, De Judaeorum re 10
ecenica in ben CommentatioDes GottingeDses rec. II; (S. §. ^ofmonn, De ludis isthmicis
in N.T. commemoratis (3Bitten5erg 1760); SSani?ennep, Bible Lands, their modern customs
and manners illustrative ofScripture, fionbon 1875, p. 5738.; @. ©ellin, Teil Ta'annek (3)cnf5
fd)riften bev 2Bicncv 91fabcmie, Söb L, IV, 1904), 6.112; ?l.®ünfd&c, ^ie SRätfcImciS^eit bei
ben Hebräern im |)inblicf auf onberc alte ^ölfcr, fieip5igl883; ®. 3)alnmn, $alöflinifrf)cri5
3)iüon (1901): [Rötfcl (6. 95 ff.), ©picllieber (©. 182ff.), Xonj unb iRcigcn (@. 254 ff.); bie
Jewish Encyclopedia (1901 ff.) ni^t bei bem ^ortc „Play", ober beim 23orte „Gymnasium";
4). ©ut^c, ÄurjcS ©ibcltoörtcrbud) (1903), 9(rt. „@picl, fpicicn", bcorbcitet uon e.@icgfrieb; —
|)t)be, De ludis orientalibus 1695; ^cilinfd)riften unb SIX (1903) entl&ält nicfitSübcr „@piclc";
^ilfinfon, Manners and customs of the ancient Egyptians 1837; ?(nt. ^uber, Uebcr baS 20
„^eifir" genannte 8piel ber ^cibnifc^en Slraber, fieipjigcr 55o!torbiffcrtation 1883, 6. 9 ff.,
ugf. auc^ ^r.gifc^er in S^^® 1904, ©.800; SBuc^^oIä, 3)ie ^omerifd^cn SRealicn II. 1(1881),
©.280—299; Ä. griebr. ^ermonn, fic()rbud6 ber gried^. ^riüatalteitümer, 4. 2tufl., bcforgt
üonSBIümner, ©.291—301. 501—514; bie neue ?lufl. üon^ault), SRealcncijflopäbic ber flaif.
^Itertum§tt)iffcnf4aft, ^Sg. üon SBifforoa, ift nod^ nid^t fo meit Dorgefcftrittcn ; 2:^. ^ommfcn 26
SRömifdjc Altertümer, 3.?(ufr., II, ©.517 ff.
„Bp'xd" bejcid^net nac^ 3K. .^e^ne« S)eutfd^em SBörterbud^ a. a. 0. urf^rünglic^ ein
unter^altenbe« 3!reiben ober eine Sefd^äftigung p ©c^erj unb 2uft unb jum 3eitt)ertreib,
unb fiajaru« a. a. 0. ©.21 giebt folgenbe S)epnition: „©>)iel ift leidste, f^toanfenbe,
gielloö fc^toebenbe SCI^ätigleit." (gr |^at bamit and) nad) bem ^ebräifd^en ©J)rac^beh;)uf;t5 ao
fein ba«{ Sichtige getroffen. 35enn biefe bej^eid^nen baö ©Jjielen am aUgemeinften aU ein
fortgefe^te^ unb ftarle^ Sachen (sichchaq), bemnad^ atö ein ©d^erjen, feine 2uft ^aben,
Ipie bieg auc^ üon ber >)erfonifijierten SEBei^^eit auögefagt toirb (5ßr 8, 30). 3nbem id^
aber Sajaru^ betreffiS ber (ginteilung ber ©Jjiele, bie er in „^ufan^s unb Sßerftanbeg*
f>)iele, Übunggf})iele unb ©c^auj})iele" gerlegt, nid^t ganj beiftimme, ^anble xd) 86
1. üon ben ©>)ielen, Voeld^e bie ©ebanfentuelt auf leichte SBeife befd^äftigen, ger=
ftreuen unb au^bilben. ßg ift aber natürlid^, bafe biefe ©l)iele junäc^ft bei ben noc^ in
ber 3lu«bilbung befinblic^en (lÄolB, 11: „S)a id^ ein Äinb tuar u. f. h).")/ bei ben
i^inbern beliebt toaren, bie bon ber „ftrengen 2lrbeit" (b. f), ber alle ©ebanfen, Sterben
unb ?!KuiSleln anf^jannenben 3;^ätigfeit) noc^ befreit finb unb bielmel^r „ben im gaube 40
ftoielenben SBogel" nac^alj^men (©dritter« Sieb öon ber ®Iode, S. 267 f.). Sgl. Bad) 8,5:
Änaben unb 5)iäbc^en fpielen auf ben breiten ^lä|en ber ©täbte; 5IRtll,16f.:
3tuf bem ?!KarIte fi^en bie ^inblein unb fjjielen. Söelc^e furgtoeiligen unb barum ans
genehm unter^altenben ®ebanfcnbefc^äftigungen bie Äinber im l^ebräifd^en 2lltertum ge=
trieben ^abm, fagt ba« 212: ni*t. 5Rur im §iobgebic^t (40,29 [LXX: 33.24]) ift bie 46
grage aufgehjorfen, ob ettoa ber 9Kenfd^ ba« ßrof obil, ba« freiließ t)on feinem allmächtigen
Silbner gleid^ einem ©))iel3eug be^errfd^t toirb (^j 104,26), toie ein Söglein [LXX:
tuie einen ©>)erting] al« einen ©>)ielgegenftanb für bie5Wäbc^en an etne©d^nur binben
fönne. Slber natürlic^ertüeife ^aben bie Äinber ber Hebräer im gangen ebenbiefelben
Slrten üon ©)3ielen geübt, bie toon ben Äinbem alter unb neuer Söller au«gefonnen 60
tporben fmb. ^n ber %l)at lann \)an Sennej) a. a. D. erjäl^len, bafe äl^nlid^e ©^ielfac^en,
h)ie aSilfinfon (a. a. 0. I, ©. 196 k.) tt)dd)t nad) äg^jjtifc^en gunben abgebilbct ^at,
in üerfc^iebenen 3;eilen be« Voeftlid^en Slfien« ausgegraben toorben ftnb. ^an 2mntp
giebt äbbilbungen bon tönernen ^uj)t)enfö>)fen u. f. h)., ertoöl^nt aud^, bafe Heine
$ferbe, §unbe, gifc^e, fiöVoen u. f. h). gefunben tourben, bemerft bann, toie Voenig ber 66
3«lam burc^ fein Silbertoerbot üerl^inbern fönne, bafe bie Äinber feiner Selenner fid^ mit
SDarfteHungen üon ^ferben, ©d^afen u. f. tu. befd^äftigen, unb er Vermutet enblic^ mit
Stecht, ba^ ba« Silberüerbot be« 912: um fo lueniger in Sejug auf bie Äinbertuelt eine
ftrenge 2)urd^fül^rung gefunben l^aben toerbe, at« @j 20, 4f. nur bie Serfinnlic^ung ber
©ott^eit unterfagt, luäl^renb anbere ^ßrobulte ber ©tiderei, SBeberei unb ^laftif fogar in 60
634 @)ite(e bei bm ^fbraont
©tiftg^ütte unb %mpd anoebrad^t hjurben (Qi 25, 19 ; 26, 1 ; 1 flg 6, 23. 32. 35;
7, 18. 25; 10, 19 f. K.). "Hon „ben Ilcinen äffen", toie bie Äinber felbft ft(^ in einem
artigen Oebic^te nennen, ftnb femer felbftt)erftänbli4> auc^ manche (St)ielc „nachgemacht"
lüorben, bie junäc^ft unb meift toon ben @rn)a^fenen al^ mül^elofe unb boc^ bie Sänge-
5 iüeile toertreibenbe Sefc^äftigungen ber SBa^rne^niung unb ber 3Sorfteßungöh)cIt getoöJ^It
tüorben [xnt. 3Son folc^en ©})ielen ertüä^nt ba« 213! nur, bafe bie ÜKäc^tigen ber 6rbc
„mit ben SSögeln beg ^immel^ i^r (2})iel getrieben l^ätten" (Saruc^ 3, 17, bgl. ^auptf.
^ncud er, 2)ag 33u(^ 33aruc^, ©. 285 f.). ©ettin l^at aber bei feinen 3lu^grabungen im alten
Zd^anati} (^of 12, 21 2c.) „in aßen ©c^ic^ten überaus ja^lreid^e menfd&Iic^c ober tierifc^
10 fjerfenfnoc^en gefunben, mit benen bie Slraber bi^ auf ben heutigen %aQ ein bcfanntc«
®Itictf))iel \pkUn (ka^'ab genannt: faßt ber Änod^en aufrecht fte^enb, fo ift getuonncn
unb tüirb in bie §änbe gellatfc^t, unb umgele^rt). 2)a biefe Änoc^en nie ettpa 3u=
fammen mit anbern lagen, fo möd^te id^ glauben, bafe jeneiS ©})iel eine uralte Söurj^cl
i}at... @g ift bie ältefte unb })rimitibfte gorm ber SBürfel, toelc^e bal^er im Slrabifc^en
16 fc^lec^tl^in biefen Slamen ka^'ab befommen ](;aben." 2)er ialmub fobann ertoä^nt in
Rosch haschschana 1, 8 ate jum 3^wgni^blegen unfäbige ^erfonen bie, toclc^e iauben
abrichten, enttoeber, toie ber Kommentator (in „2)ie SJiifd^na", 33erlin 1832) ^in^ufügt,
jum 333ettfluge ober jum 3lnloden frember 3:auben in ben eigenen 3!aubenfc^lag. 2er
lalmub erloä^nt in bab. Sanhedrin 25** ein Sretf})iel, toeld^e^ 2eute treiben, bie
20 D'^pp"'D?a Q'^p.™?:. ®.2)alman öolatiftert in feinem 9ieu^ebr.saramäifd^en2Börterbu(b( 1901)
OE'^Ci? ,,©tein im Srelf})iel" mit mittlerem ^ ; ögl. aud^ ju biefem 3tu^brudf bie tinjtpwv
Tiaidid bei §ermann a. a. D. ©.510. 3)a^ aber bie Slabbinen bie (Srfinbung bc^
©(^ac^fl)ieU bem ©alomo jugef (^rieben l^ätten, fte^t nic^t im Liber Cosri, ed. Su|^
torf, p. 379 ober im Sud^ Äufari, ^erauggeg. Don S)aüib (Saffel, 2. 2lufl. 1869, ©. 42i^
26 ober im 33ud^e Al-Chazari, überfe^t Don ^artVoig ^irfc^felb (1885), ©. 96. 168. 286.
3tu(^ verurteilt fd^on ber 3;almub ate jur 3^"9"^^ßWegung untüd^tige ^crfonen bie
«•^n^pa c^i^nip?: (TOifc^na, Sanhedrin 3, 3; bab, Sanh. 24»>; »gl. über bie xvßeia,
hai SBürfeiflJiet bei ^ermann a. a. 0. ©. 511f.). SSon benSlabbinen toirb auc^ t>ai
©piel mit Ä arten (ö^P^k beiSujtorf, Lex. thalmud. s. v., ed. %x\i)n 1875, p. 1017;
90®. 5Dalman, 9?eu^ebr.^aram. 2Börterbud() 1901, ©.363: „^^\?,, ^Pergamentblatt") »«r:
urteilt. „3)a« burc^ ©jjiele gewonnene ®elb ift, h)enn ein 3jube e^ einem anbern 3ubcn
abgetoinnt, Staub. ®eh)innt e^ ein gwbe einem Reiben ab, fo ift e^ jtoar nic^t SHaub,
aber ein ^^erge^en gegen ba^ interdictum de non incumbendo rebus inanibus.
©in 9Bürfelfj)ieler ift nac^ ben Slabbinen ein ©eelenräuber unb barf toeber Slid^ter no4
86 S^uQc im (Seric^te fein" (ügt. aber aud^ ®. 5Warj=3)alman, ^übifc^e« g^embenrec^t 1886,
©. 8). aSie verbreitet in ber alten 33ölIertoelt folc^e leichte, fc^Voanfenbe Sefc^äftigungat
ber ©ebanlemoelt toaren, erfiel^t man au« folgenben Seif jjielen : Sei ben 2(g^))tem \m
baö ©Jjiel „®erabe unb Ungerabe" üblich (SBilfinjon II, p. 417); aff^rifc^e SBürfel m
33ronje mit golbenen Slugen fmb gefunben loorben (333ei6, Äoftümfunbe I, ©. 249) ; Bei
40 ben alten Slrabern loar ba« ©Jjiel „5Jlcifir" üblich, bei bem tool^ll^abenbe Seute burcf»
3iel)en Von Pfeilen um bie 2:eile eine« ftameel« fi)ielten, um fie bann an bebürfti(;c
^erfonen gu Derfc^enfen (fo nad) ber grünblic^en Unterfuc^ung öon§uber a. a. C ©. 9 ff):
bei ben l^omerifc^en ©riechen Vourbe nac^ Suc^^olj a. a. 0. ba« ©tein- ober Sretft)iel unt»
ba« 2Bürfclfl)iel geübt; über bie ®ermanen berichtet lacitu« (Gtermania, cap. 24);
45 Aleam, quod mirere, sobrii inter seria exercent. — SBeniger bie leidste, toec^fcl^
bofle unb barum unter^altenbe Sefd^äftigung ber Sorfteßungen, al« bie toenig mü^etoolle
Setl^ätigung ber Urteilötraft unb bie barau« rcfultierenbe ©c^ärfung be« Serftanbc^ er-
ftrcbte auc^ ber Hebräer, toenn er bei Unterbrechungen ber 3trbeit (unb Die ^ugenb bat
aud^ bie« in i^rer Dielen 9Wufee^eit nad^geal;mt) ficb an ben loren ber Drtft^aften (®cn
60 19, 1 ; ^f 69, 13 ; Älagel. 5, U) ober bei feftlic^en ^ufammenfünften (SRi 14, 10 ff.) mit
bem aufgeben unb Söfen Don Sätfeln bcfc^äftigte: 9lil4, 14ff.; IfiglO,!;
Öcf 17, 2 ; "i^r 30, 21 ff.; ©i 39, 3; 2öei«^. 8, 8; ^ofepM/ Antiqu. VIII, 5, 3; 6, 5.
j^gl. nod) Umbreit, Äom. über bie ©pr. ©al., ©. LIVf.; Sl.Söünfd^e a. a. D. unb meine
a3ibli)d;=fomj)aratit)c ©tiliftü, ©.12 u. 163. Stber bie ©c^aufpiele, toelc^e bie ©c^
56 banlcn^oelt in eine angenel^mc ©pannung Dcrfe^en unb jugleic^ mit neuen ^been bc-
reidiern, finb bei ben Hebräern nid}t üblich gctoefen. @« l^at ja nic^t einmal bie fpät-
arabifd;e 2ittcratur, al« fie fc^on bie @ried;en nac^al^mte, bramatifc^e 3)ic^tcr auf jutrcifeii.
2lßerbing« möcbte xd) gegen ben f^cuifc^en (E^arafter ber einzelnen 2:eile unb gegen ben
bramaäbnlic^cn 3"f<^^"»"<^n^ang bc« öobenliebe« mid^ feinc«Voeg« mit folc^er jloeifellofen
üu ©id;er^eit au«fj)red;cn, loie e« j. 33. 3<ob. Soiot^ (De sacra Poesi Hebraeorum, prae-
^pkU htx bm ^eBräertt 635
lectio XXX), X ®. §erbct (©alomon« Stcber ber Siebe ; SBctfc jur aieligion u. f. W,
1827, 4. Seil, ©. 81—84), ^etnr. Steinet (Über bicl^^ebr. «ßoefic 1873, ©. 9f.), (Sb. »teufe
(®ej(|. be« aa:, 2. 2(ufl. 1890, § 190f.) unb 6. 33ubbe in Äur^en §anbIom. jum ^o^en*
lieb (1898), ©. XIV getl^an l^aben. 3Kan öergleic^e barüber ben ©njelbetoeiö in m.
einl. in« äl, ©. 422 f. 3n f))äterer ßeit traten ^uben im 3lu«lanb ate ©c^auf>)ieler 6
auf. 2)enn 3lofe))^u« berid^tet (Vita § 3), bafe „er au« ^eunbj^aft gu ailit^ru« — ein
©cl^auj})ieler (fujuoXöyog) \oax aber biefer, bei 9lero auf« trefflic^fte beliebt, ein gube
Don Station — gefommen unb burc^ il^^n mit $ot)))äa belannt gehjorben fei." 2lucb be^
merft ßlemen« Sllejanbrinu« (Stromata 1, § 155): „Über bie Sluferj^iel^ung bc« 3Jlofe
foU un« 'ECexlrjXog, ber SJid^ter ber jübif^en 2:ra8öbien, fingen, ber in bem mit lo
^E^aywyrj betitelten 2)rama bem 3Jiofe folgenbe Söorte in ben 5Kunb legt". Über fjjätere Se-
giel^ungen ber ^ubenjc^aft jur bramatifd^en 5ßoefte bergleid^e man gunäc^ft grg. 2)eli|fc^,
3ur ©efd^id^te ber jübifc^en ^ßoefie, ©. 309.
2. ©>)iele,' bie junäc^ft bie (Sefü^Utoelt auf angenel^me SBeife beeinfluffen. —
^ier^er gel^ört junäd^ft ber (Sef an g, ber ftd^ feinerfeit« toieber ju anbem 2lrten be«S)3iel« i5
^injujugefeßen pflegt, tüie in d^arafteriftifc^er SBeife ber2lu«brud „bie Stimme ber ©>)ielen5
ben" (3ier 30, 19) bezeugt. 35afe "^^xad ebenfo gern fang, toie e« feine ©efüble gern in
l^rifc^er ^ßoefte au«brü(fte, befagen bie ©teUen ßj 15, 20 f.; 3li 11, 34; 1 ©a 16, 16ff.;
3ef 5, 12; 2lm 6, 5 ; ©i 40, 21. ^ntoielüeit femer bie Hebräer gu ben SBol^^Ilauten ber
^enfc^enftimme auc^ bie leidste ^anb^abung, b. ^. ba« ©l)ielen, ber mufifalifc^en 3"- 20
ftrumente gefügt M, barüber fte^e ben 3trt. „SJlufif" in Sb XIII ©. 585 ff. SCro^bem
mar e« getuagt, ba« ^ol^elieb al« ben Xe|t einer Dperette ju bel^anbeln, h)ie e« auc^
gefc^e^en ift (togl. §erber in feinen SBerlen jur SReligion u. f. h). 1827, ieil 4, ©. 81).
3. ©^iele, bie junäc^ft benÄört)er unb toon ba au« bie 2öinen«energie befc^äftigen
unb üben. — $ier mac^t ba« „^üj)fenbe a:angen ber Äinber" (§i21, 11) ben 3tnfang, 20
unb baran fd^liefet fic^ „ber 3leigentang ber ©>)ielenben" (ger 31, 4). ©olc^e unge^
tpöl^nlid^e, nic^t toirflic^ anftrengenbe, mel^r ober Weniger funftreic^e Sehjegung ber Seine
unb güfee liebten bie Hebräer glei^ anbern SSölIem bei ber bantbar feiemben Sin«
crlennung be« jä^rlic^en 9laturfegen« ober gefc^ic^tlic^er ßrfolge ber Station ober >)erföns
liefen ®lüie« : ^ef 9, 2 ; SRi 21, 21 f. ; 1 ©a 18, 6f. ; 5Pf 30, 12 2C. ; 2 3KaI 4, 14 : ao
XO}Qt]yiat c^orifd^er 3lufjug, Voofür in SS. 16 auc^ dycoyi^ unb in gütiger« Überfefeung
beibe 2Kale „©t)iel" ftel^t; 3Rt 14, 6; 2c 15, 25. 2)urc^ fold^e« ^^SCanjen unter ©aiten^
\pk\ unb ©efang" foBte toa^rfc^einlic^ auc^ ©imfon feine geinbe ergoßen (SRi 16,25;
e. Sert^eau, 35a« 33uc^ ber aiic^ter erflärt, j. ©t.; S. ©iegfrieb in ®ut^e« ÄSffi. s. v.
„©biel": ipnt 9lil6, 25f. „im ©inne toon tanken, fc^erjen"). SBenn aber biefer ^elbsö
audp nic^t fic^ l)att^ angelegen fein laffen, feine ©d^enfel im a:anjen ju üben, fo l^atte
er boc^ jebenfall« bem SBJettlauf gel^ulbigt. 2)enn bie 3lu«brua«h)eife „gleidp einem
§elb ben SBeg (b. ^. bie SRennbal^n) ^u burd^laufen" toar fo gebräuc^lici[>, bafe jie auc^
auf bie ©onne angetoenbet tourbe (5}j 19, 6). gebenfatt« toirb auc^ bonSaul, gonat^an
unb Slfal^el berichtet, bafe fie an ©e^ncHigfeit ber güfee bie 2ötoen unb ©ajeuen über- 40
trafen (2 ©a 1,23; 2, 18). Slber auc^ älrm unb $anb tourben minbeften« im Sali«
flpiiel geübt, ba in gef 22, 18 ber Saß ertoäl^nt ift. Dh berfelbe ^^'i, ober '^'^^5 ge^
^eifeen i/ai, fann ^hjeifcl^aft fein. 35ie gorm '^'i'^? ift aber fc^on in ber 3Kifc^na (Kdim
23, 1) angenommen unb lann boc^ too^l nid^t au« SSerirrung be« ©>)rad^beh)ufetfein«
abgeleitet Voerben. 3^^^"föß^ ^«t ftcb aud^ fc^on 35aü. Äimd^i in f. Söurjelbuc^ s. v. ba^ 45
für entfc^ieben, bafe kaddür auf ^rotoenjalifc^ pile l^eifee. Sgl. aff^r. kudüru, unb
"^^12 h)irb auc^ toon Sroton-Dritoer^Srigg« im ^ebr.^Cgngl. 2ej., p. 462 fohjie öon ©ef.s
33ul^l 1905 s. V. anerlannt. Slafc^i femer ^at in feiner Semerhing ju 3^] 22, 18 fein
Sebenfen getragm, in biefer ©teßc eine ßrtoäl^nung be« ©>)iel« ju pnbm, bei bem man
ben 33alI.„forth)irft unb Voieber aufnimmt toon §anb ju §anb". Säße finb ja auc^ 60
bei ben 3lg)9j)tem (SBilfinfon II, ©. 432) gefunben toorben, unb auc^ fd^on bei ben
^omerifd^en ©riechen tourbe mit bem Saß gefi)ielt (Suc^^olj a. a. 0.). SBic beim SKerfen
be« SaBe« tourben 3(rm, c^anb unb 3luge bejd^äftigt, hjenn ber 5ßfeil nac^ bem ^'x^l
gefc^ offen tourbe (l©a 20,20; $i 16 12; Älagel. 3, 12). 2)a« ganje SKu«fel=
tocrl aber fanb Unterl^altung unb ©tä^lung burc^ ba« ©teinl^eben, ba« in ©ac^ öö
12, 3 ertoä^nt unb nod^ bon ^ieron^mu« g. ©t. au« eigener 3lnfc^auung fo bc=
fc^rieben toorben ift: ,,Mos est in urbibus Palaestinae et usque hodie per
omnem Judaeam vetus consuetudo servatur, ut in viculis, oppidis et
castellis rotundi ponantur lapides gravissimi ponderis, ad quos iuvenes
exercere se soleant et eos pro varletate virium sublevare, alii usque ad 60
636 @)ite(e bei beit ^fbrftont (Bpitlt, grifUt^^e
genua, alii usque ad umbilicum, alii ad humeros et caput, nonnulli super
verticem, rectis iunctisque manibus, magnitudinem virium demonstrantes
pondus extollant. In arce Atheniensium iuxta simulacrum Minervae vidi
sphaeram aeneam gravissimi ponderis, quam ego pro imbecillitate corpusculi
6 movere vix potui. Quum autem quaererem, quidnam sibi vellet, responsum
est ab urbis eius cultoribus, athletarum in iUa massa fortitudinem comprobari
nee prius ad agonem quemquam descendere, quam ex levatione ponderis
sciatur, quis cui debeat comparari." Übrigene bte ©ittc be^ Stcinfio|cns hat
auc^ 6. t)on OrcIIi neucrbing« in ^ßaläftina beobad^tet (»gl. fein Suc^ „^uxd)§ bciligc
lofianb", S. 291). Obgleid^ aberbemnad^ bie Hebräer in mannigfachen Iör^>erlic^en Spielen
(abgefe^en üon ben nic^t birelt l^ier^ergel^örigen SBaffenübungen im griebcn unb im Äriege,
togl. 2 Sa 2, 14) Unterl^altung fachten, fo erl^obcn fte bod^ energifc^en ^ßroteft, al^ bic
(ä^riec^enfreunbe, ^aut)tfäc^Iic^ ber §ol^e})riefter ^a\on, in gerufalem ein yv^vdoiov er^
bauten unb manche $riefter eonevdov fxsxix^iv xrjg h TiaXaloTgq Ttagavouov x^'
16 Qtjyiag juetä trjv tov diaxov TtQÖxXrjaiv (1 5Waf 1, 14; 2 3)taf 4, 9 — 15). 3)ie ^cto^
bianer ^aben freiließ bann im ^eiligen Sanbe, junäc^ft gu ^erufalem unb S^J'P^/ ^^"
^EaxQoVf ein äjLKpi&iargov u. f. h). erbaut, unb über §erobeg I. toirb berichtet, baB et
ov juövov Toig Tzegi rag yvjuvixdg äoHrjöeig, äUa xal röig h rfj fxovoixfj diayevo-
juevoig ngoexi^ei jueyiata vixrjtmia (3ofe})bu«, Antiqu. XV* 8,1; 9,6; XVI,
20 5, 1 u. f. h).). 2lber in^befonbere bie ©Iabiatorenft)ieIe tüurben l^eftig \>on ben 3"ben
öertDorfen. darauf toeift auc^ folgenbe« SBortf))ieI au« Pesik (ed. Subcr, fol. 191**)
l^in, h)0 gemal^nt h)irb: „Oel^öre gu ben Beobachtern unb nid^t )u ben ®cfd^uten"
(Speetati). 9Jämlid^ ein ©labiator belam, toenn er bei feinem erften^ auftreten jiegreic^
toar, atö ß^^S"*^ ^" Heine« S^äfelc^en mit ber Sluffc^rift Speetatus. (Übrigen« tüenigften^
25 „ber toeifee Stein" in Offenb. 2, 17 l^ängt toa^rfd^einlic^ Dielmel^r mit tleinen Steinen
ber Erinnerung an ein religiöfe« ßrlebni« gufammen, bie bie 2luffc^rift spectat numen
getragen l^aben, tüte 3H. SB. JRamfat; in The Expository Times 1905, p. 559 f. au^
einanbergefefet f)at) ^m 31% ertüäl^nt ^aulu« ba« orddiov be« SBettläufer« unb bait
ben forint^ifd^en greunben ber iftl^mifc^en S>)iele toor, bafe bie (S^riften gleich il^m um
30 ben unvergänglichen @]^renj)rei« (ßgaßeiov) ober Siege«hang (pTi(pavog) ringen müjfen
(1 ^0 9, 24-27; togl. WI 3, 12 ; Äol 2, 18; 2 SCi 2, 5; ga 1, 12; Dffenb. 2, 10).
5Pau(u« felbft l^at aber nid^t mit ben Silben Vieren fämpfen muffen, fonbem fagt in
1 Äo 15, 32 nur, bafe er auf SHenfc^cnhDcife = in mcnfc^Iid^en Ser^ältniffen, b. b. mit
menfd^Iid^en SBibertoärtigfeiten unb Oegnem gleid^hjie mit Seftien geftritten habe. 3.^gl.
35 barüber namentlich 3Rai Ärenfel« Sluffa^ „3)ie ^gio/naxia be« 21}). ^aulu«" in §ilgen=
f^Ib« S^%1) (1866), S. 368 ff. db. mniq.
^pxtU, griftltc^e. — Qm folgenben loieber^ole id) in gebrönfltev Jorm bie drgcbniijc
ber Unterfuc^ungen, bie id) in meiner „(§)efd)i4te be« neueren 5)rama§'' (©b 1 : 3RilteIaIler
unb grü^renaiffance, ^alle 1893, S3b II unb III : SRenaiffance unb ^Reformation ebb. \9(r2,
40 1903) niebergclegt l^abe. 3)ort ift aucfi bie cinfcl)lftgige ©pesiallittcratur citiert. 2)o(^ feien
cinic^e ber bort citierten unb ber injtt)ifd)en erfd)ienenen 3Berfe ^ier nodj au§brüc!li(f) erttJQ^nt:
e. k. at)amber^, The mediaeval 8tage (Oiforb 1903, 2 58bc, mit üortrefflic^ gearbeiteter aü=
gemeiner Bibliographie, wie aucf) G^vonologie bc§ englif^en ^ramaS); ferner: 3)u SK^ril,
Origines latines du th^atre moderne ($ari§ 1849); Souffemafer, Drames liturgiqaes du
45 moyen dge (SRenne§ 1860); fi. ©autier, Histoire de la poesie liturgique aumoyen Äge. Les
tropes I (qjari^ 1886); 6epet, Les Prophötes du Christ («ßariS 1878. baS grunblei]enbe
3Serf über bie^ropftetenfpiele); berf., Origines catholiques du th^atre moderne (?ßariö 1901);
©. ^el)er, Fragmenta burana (53erlin 1901); ^Inj, 3)ie Iateinijd)en 3Kagierfpic(c {Mm
1905, fonnte l^ier nid)t meör benu^t merben). gär granfreid^ ift ba8 ^ouptroerf: $ctit be
50 3ufleüiae, Les mystßres (^ari§ 1888, 2 53be); ferner: fiintil&ac, Le th^atre s^rieiix du
moyen ägc (^ari^ 1905, eine grünblid) unb gefdimadCooII gearbeitete llebcrfidit mit groben).
S'ür Italien IU3I. b'9Incona, Origini del t^atro italiano, seconda edizione (2^urin 1891, 2^k).
3ür bie 9iiebevlanbe: 5öorp, Geschiedenis van het drama en van het tooneel in Neder-
land ($3b I, Wroninc^en 1904). Jür 3)eutfd)lQnb : C)cin5el, SBeftiöreibung bcS 9ciftlid)cn 8djau:
55 fpielö im beutfdjen ^Mittelalter (.^amburc^ unb ^eip^ig 1898, ftUiftifc^c Xetailunterfucöunflcn).
3:ejtfQmmIunflen qu^ neuerer 3eit: '2)a§ 2)rama be«< gjiittelalter^, ^^erauög. 0. groning IM
bi^^ III (5)cut{c^e g^itionallitteratur S3b 14, ©tnttcjort 1891); ^Itbcutfcfte ^afllonöfpielc aus
:2:iroI, mit 9(b[)anblungen f)erau^n. non ^Sacfernefl (©raj 1897). (VJrunbIcgenbe§ 3BerI über
bie ^ütentftnje: ©eelniann, ^ie totentftnje beö ^Mittelalter^ (9?orben 1893). Ueber bie ^t-
60 ^ieftungen ber 'iDMi)fterien 5ur bilbenben Äunft oeröffentlidite 93?AIe eine 9lci^e von 51rtifcln in
ber Gazetto des beaux art'^ 1904, 53b II. ^onograp()ien jur ®efd)id)te be§ Sefuitenbramn^
lieferten 53oi)fie, Siein^arbftöttner, S^i^^cr, 5)ürrtoäc^ter u. a. (ogl. aud^ ^ilen, ©cfc^i^te bf4
^pidt, gftfiltciie 637
3Biencr X^coteilucfehS, SBicn 1901 gol.), bodö gicbt c8 nocft feine Befriebigenbe ©cfamtbars
fteöuna. ©ertüollc 9Mcf)ricftten jur ®cfcfti(^tc be^ gorticbcn« beS gciftlic^cn 3)rQmQd im
fatl&olifrfien 6üben bei ©c^iffmann, ®c[d)i^te beS ^bcaterS in Deftcacicö ob ber dnn^, Sinj
1905. §luö ber reirfi^altigen Oberammcrgau=2itteratur crnjä^nc id) irautmann, DberammerflQu
unb fein ^affiongfpiel (Säomberfl 1890). 3u bcn frül^ercn ^Bei^na^t^fpieljanimlungen uon 5
^eint)oIb, ^aiHcr u. q. ift je^t |injuge!ommen : 5Sogt, 3)ie fc^Icfifc^cn ^Bcil^nadjtSfpiefe (fieipjig
1901, mit ausführlicher litterar^iftorifd^er ©inteitung). 3"^ S3ibIiograpt)ie ber SBei^nQd)t§=
fpiele ögl. »oltc in ben „^«rfifc^en gorfc^ungen" 18, @. 211 ff. SBibtiograp^if^.-fritifcfte
Ueberfid^ten über bie neue garfjlitterotur finbet mon: für 3)eutf^lQnb in ben ,,3a5re§berid)ten
für neuere beutfcl)e fiitteraturgefcftic^te", ^erauSg. Don (StiaS; für bie germonifd^cn ßänber lo
überhaupt, mit ©infc^lufe Don (Snglanb in bem „3Q^reSberid)t über bie ^rfc^einungen auf
bem Gebiete ber germanijd^en ^öilologie", ^erauSg. D. b. ®efenfcf)aft f. beutfd^e ^^ilologic in
93erlin; für bie romanijt^en ßänber in bem „Äritifcften So^i^eSberic^t über bie gortfrfiritte
ber romanifc^en ^^ilologie", l^erauög. Don SSoHmöDer. SBgl. andj ben ?lrt. „X^eater" Don
®. ©fiumfer im Äat^ol. ^irdjenleiifon S9b XI, 1455 ff.; ©ifora, 3)a8 SSerbot ber 53oItS= i5
fcf)aufpiele (1751) unb feine golgen (gorfc^ungen unb ^Jlitteilungen jur ®efd^irf)te S^irolS unb
SSorarlbergg II, 199 ff.).
S)ic geiftli(|en ©c^auf>)tele J^öngen in il^x^n 2lnfängen mit bem fird^Kd^en ©otte«*
bicnft auf^ engfte jufammen. 2)cnn bie lirdblic^en ©cfänge entl^ielten fd^on feit ben
erften S^^J^^unberten infofem einen bramatifd^en Äeim, aU bei manchen Slnläffen eine 20
2)eilung be^ ©ängerd^or« injtoei ^albc^ijre ftattfanb ober anö^ bag SSoII im SBec^fet
gefang auf ben ©efang bcö Äleru« antwortete. 2)od^ l^aben toir erft feit bem 10. '^a^x^
^unbert 95eifj)iele bafür, bafe mit bem SBec^felgcfang eine 2lrt üon t^eatralifc^er Slftion
Derbunben tourbe. ©eit biefer 3^* ^<^"^ immer me^r bie ©itte auf, bie 3:ejte ber ®es
fange burd^ 3!ro>)en ju erlüeitem. 2)ie äftefte ©ammlung folc^er %xopm, bie au« ©t. 25
©afien ftammt unb m bie3rit um 900 jurüdEreid^t, entl^ält einen 3!ro^ug, ber amOfter«
morgen in bem erften Seil ber SKeffe, bem gntroitu^, eingefd^oben tourbe unb folgenbcr=
magen lautet: Quem quaeritis in sepulchro, oChristicolae? — Jesum Nazarenum
crucifixum, o coelicolae. — Non est hie; surrexit, sicut praedixerat. Ite nun-
tiate, quia surrexit de sepulchro. — ßinen eigentlich bramatifd^en ß^arafter erhielt 30
biefer SBec^felgefang baburc^, bafe er mit ber ßeremonie ber Äreuje^beftattung in SBer*
binbung gebracht Vourbe. 6« toar nämlic^ in manchen Älöftem ©itte, beim ßarfreitaggs
gotte^bienft bor bem 2lltar ein Äreuj aufzurichten unb bie^ Äreuj in ein ©tüdE 3^9 ^^^'
gebüßt nad^ beenbigtem ©otte^bienft an einem Ort neben bem 2lltar niÄerjulegen, ber
ba^ l^eilige ®rab bebeuten fotite unb mol^t aud^ bementf>)red^enb hergerichtet toar. 3" ber 36
9lac^t öorDftem Vourbe biefe^Ärem toieber toeggebrac^t, unb toäl^renb be^ Oottcöbienfte^,
ber Ij^ierauf begann, Ilcibete ein Äiofterbruber ftd[> in eine 2llba unb Hefe fid^ mit einem
^almjvoeig beim Orabe nieber. 2)ann famen brei anbere Srüber in 5la^3ujenmänteln mit
äBeil^^rauc^fäffem in ber §anb, langfam, mit ©eberben, aU ob fie etvoa^ fuc^ten, in bie
9Jäj^e bcö ©rabe«. Unb nun tourbe öon bem 35arfteIIer be« Sngel« unb ben ä)arfteHem ber 40
brei ?f rauen ber SBec^felgefang anaeftimmt. SBann unb \üo juerft eine f old^e t^eatralifc^e
3?erli)r})erung beö ©t. ©aßer 2Bec|felgefang« ftattfanb, läfet fid^ nic^t angeben. 35ie obige
©c^ilberung berul^t auf bem Liber consuetudinum, einer SJorfc^rift für bie Drbnung be«
©otteöbienfte« in ben englifcj^en Älöftem, bie a\i^ ber jVoeiten ßälfte be^ 10. 3^^
l^unbertiS ftammt, äJ^nlic^e ©c^ilberungen l^aben ftc^ titoa an^ berfelben Q^xt auc^ anber« «
tpärt«, j. 33. in einem Troparium erl^alten, baö in ber fgl. Sibliotlj^el gu Samberg
aufbetoa^rt toirb. ?!Kit ber 3luöbreitung biefer bramatifc^en ©cene ging il^re umänberunß
unb grloeiterung $anb in $anb. ©0 finben toir feit bem 12. gß^tl^unbert eine 3uffl$fcene
gtoifc^en 5Waria SJagbalena unb ^^\\ii, ber alf 0 nun ptxjönlxd^ auftritt unb mel^r unb mel^r
al^ be^errfc^enber ?WitteIt)unIt ber fir^lic^en 33ül5^ne erfc^eint. ©r nal^t fid^ in glänjenben 50
toeifeen ©eVoänbern, föftlic^ gefd^müctt, bie Äreuje^fal^ne in ber $anb, toö^renb uRaria
3Dlagbalena ftc^ in xl^xcm ©c^merj unb il^rer g^eube lebenbiger unb leibenfc^aftlid^er ge«
berbet, ate bie^ urfjprüngtid^ im ßl^arafter ber liturgifd^en ©cene lag. gerner belebte
man bie ©cene burc^ §»injufüaung be« SEBettlauf« gtoifc^en 30^0««^ wnb ^ßetruiS unb
aufeerbem lourbe nod^ ein ©albenfrämer (uDguentarius) l^injugefügt, ber ben grauen 66
auf bem 9Beg jur ©rabftätte bie SBeil^raud^fäffer ober ©albengef ä|e übeneid^t, eine gigur,
bie im hjeitercn SSerlauf ber ßnttoidfelung immer me^r einen grote^fcfomifqen ßl^aralter
annal^m.
ßbenfo "^ai ftd^ aud^ im 2öcil^nac^t«gotte^bienft au^ bem SBed^felgefang ein fleincö
35rama entvoidfelt. §ier fnüt)ft bie (gntvoidtelung an einem 3:ro>)u« an, ber un« juerft eo
in jtoei a:ro>)arien be« 11. S^i^'^^wKt^^^ begegnet, bog eine ftammt an^ ©t ?lKartiali«
638 Solide, gripnc^e
m2imo0C«, ba« anberc, Don unbclannter ^crfunft, bepnbet ftd^ je^t tnDjforb. ®enn toir
ben 3lnfan0 biefe^ 2)ro>)u^ betrachten : Quem quaeritis in praesepe, pastores, dicite! —
Salvatorem Christum Dominum, infantem pannis involutum etc. — , fo ftnb tptr
jur ännal^me bered^tigt, bafe bem 33erfaj|er be^ 2öei^nacl^t«tro})ug ber Cftertro^u^ bor-
6 fd^toebte, benn bei biefem allein beruht ber 2)ialo8 auf bem lejt be^ ©öangelium^. 3"^
Troparium öon Djf orb hjirb öorgefd^rieben, bie ^^age foBe öon jhjet 35iaIonen gefangen
ioerben, bie in Voeite ®eh)änber (2)almatifen) gefleibet, l^inter bem 2lltare fte^en, bie ^nU
tooxt bon gVpei ©ängern im 6^or. 35urc^ bie toeiten ©etüänber follten bie 3!)iatonc
offenbar old ^auen q^araherifiert Vperben unb ^tvax aU bie beiben Hebammen, bie nac^
10 bem a)polxtfpl)cn ^rotetoangelium ^alobi ber ©otteömutter jur ©eite ftanben. ä^nli(^
bramatifc^e Söed^felgefänge finben lüir an anbem g^^t^Ö^ ^^ SBeil^nac^t^geit ; am lag
ber Unfc^ulbigen ftinber tourbe ein SBec^felgefang aufgeführt jtoif^en ber tlagenben Sa^I
unb einem ßngel, ber fie tröftet, am 2)reilöniggtag famen brei Oeiftlid^e, al^ ftönige ge^
fleibet, bon brei ©eiten ber Äir^e einl^erfd^reitenb am Stltar jufammen unb ^ogen bann
15 vereint, inbem il^nen ber ©tern an einem ©tri* boranfd^hjebte, in feierlichem 3u9« h^"^
Rxipp^, Wo fie, ebenfo toie bie §irten am SBeil^nac^tiStag Don jtoei ^rieftem in ®alma=
tifen em>)fangen tpurben. 9Jaci^bem fie il^re @aben bargebrac^t |^aben, ermahnt fie ein
ßngel — ein toeifegefleibeter Änabe, auf bem 9lücfh>eg bem Äönig §erobe^ au^juh?ei(^en
unb fie jiel^en burc^ ba« ©eitenfc^iff an^ ber Äird^e. 5Kanc^mal tourbe aucb noc^ bor-
JS) geftellt, toie bie Äönige auf bem 2öeg nad^ SetJ^lelj^em öor $erobe^ gebracht unb öon
biefem angefragt Serben, unb nun lag e^ auc^ na^e, bie ®reignif[e be« SBäci^nac^t^tag^,
be^ 3)reiIönigiStag« unb be^ 3!ag« ber unfd^ulbigen Äinber in einer gufammenfaffenben
2)arftellung ^u bereinigen. SSor allem aber tourbe burd^ $erobe^ baiS böfe ^rimii) unb
bamit ba^ eigentliche bramatifc^e Seben in bie urf))rünglid^e ^orm be^ c^riftßc^en ^rama^
25 eingefül^rt.
2)aneben enttoidelte ftd^ eine anbere bramatifd^e gorm aug einer ^rebigt, bie bem
^eiligen 2luguftinug iugefd&rieben Vourbe unb bie ju ben Seitionen gel^örte, toeld^e beim
SBei^nad^t^otte^bienft gum 33ortrag lamen. Diefe ^rebigt ift gegen bie 3uben gerichtet,
bie tro| ben Haren äuöfagen il^rer eignen ^rot)^eten fic^ hjeigem, 3efum ate ben 3Reffia^
30 anjuerfennen. 2)er 5ßrebiger ruft mit bramatifc^er Sebenbigfeit bie einzelnen 3^wgen auf:
„S^föiö^, lege 3^"Ö"^^ ^^n ßj^riftu« ab" u. f. h). unb läfet fobann i^rc Slu^fagen folgen,
nac^ ben ^ro})^eten citiert er noc^ SJirgil toegen ber angeblichen ^ro^jj^ejeiung auf
6](;riftuö in ber vierten ßf löge, femer 9JebuIabne5ar unb bieSib^ße. ©c^on im 11.3abr-
^unbert finben toir biefe 5Prebigt in einem gereimten Söec^felgefang überfe^t, ber iociterc
35 ©c^ritt, bie einzelnen 3^0<^" entf^rec^enb au^juftaffieren, toar balb getl^an unb toenn
j. S. in biefer Sleil^e Dorgefül^rt Voirb, h)ie bem Sileom, ber auf einer (Sfelin reitet, crft
}füÄ 33oten be^ Äönig« 33alac^, unb bann ein S^ngling, ate @ngel gefleibet entgegentreten,
fo ^eigt ftc^ barin fc^on bie 2)enbenj, baiS 3luftreten ber einzelnen ^^ro^^eten gu befon-
beren Keinen 2)ramen auiSjugeftalten. Die bramatifc^e SSorfül^rung biefer Steige Don 3^0^
40 foHte offenbar ben (Sebanfen beranfd^aulic^en, ba^ bie ganje üorc^riftlid^c SEBeltgefc^i^tc
eine Vorbereitung auf bie ©rfc^einung beö §eilanb« fei.
aSon geringerer Sebeutung für bie toeitere ßntlüicJEelung ftnb bie bramatifd^en änfä^e
im ©otteöbienft De« %aQ^ toon 5Kariä 3?erfünbigung, be« Cftermontag« (®ang mdi
6mau«), unb be« ^immelfal^rtötag«; bei ben Dramatif^en SJarfteßungen, bie ftc^ auf bie
45 legten 3)inge bejie^en, 3. S. bon ben Ilugen imb tl^örid^ten ^i^^öf^^wen, bcftanb njoW
urf^jrünglic^ ein 3wfammenl)ang mit ber 3Serlefung beö ßüangelium« toom jüngften Sage,
bie am legten ©onntag be« Äirc^enjal^re« ftattfinbet.
9Benn 2)icf?tungen h)ie ber §elianb unb Otfribg 6toangelien](;armonie au« ber Sen-
ben^ ^erborgegangen finb, bie h)eitlic^=^eibnifc^e et)ifc^e 3)ic^tung burc^ eine c^riftlic^e p
50 toerbrängcn, fo l;at tool^l aud^ bei ben geiftlic^en ©(^aufteßungen bie ienbenj mitgetoirtt,
ben h)eltlic^=l;eibnifd^en älufjügen, ©fielen unb 3Jlummereien entgegenzutreten unb ber
©d^auluft be« 3SoliEe« eine neue Sefricbigung im ©inne ber Äir^e gu getoä^ren. liefe
lebcnbigen 33ilber erfüßten in erl^öl^tem 3Ka|e ben 3*^^*/ ^^" "^^" ^^^ ^^^ ©emälbcn
in ber Äirc^e berbanb. 3Kan fönnte biefe Vorführungen ate eine 2lrt t)on Slnfc^uung^-
55 unterrid^t bejeid^nen ; baö 35olf, be^S Sateinifd^en unf unbig, fa^te mit bem 2luge auf, tw^
il^m mit bem ®el)örrmn unzugänglich toar, unb ber nait)e 3wfc^öuer toar geneigt, bie
leibhaftige 3!)arftcllung ber Gegebenheiten alö einen Setoei« für il^re SBirflic^feit ju be-
trad^ten. S)aburc^ toirb au^ ba«©treben t)erftänblic^, bie ganje Gegebenheit anfo^aulicfc
Dorjufübrcn, auc^ Joenn fie fic^ an berfc^iebenen Orten nad^- unb nebeneinanber jugetragen
col^attc; ba« @t;ftem be« antifen 3:l^eater«, h)o ein fo großer 3:eil ber$anblung l^inter bie
epiüt, getfUtctf 639
©cene bericgt unb burc^ Sotcnberid^te mitgeteilt h)itb, lonnte man l^ier nid^t brauchen.
©0 erflärt ftd^ fd^on au« btcfen anfangen ein $aiH3tunterJc^ieb ^tüifd^en bem Ilafjtfdben
unb bem romantifc^en ©til be^ 3)rama^. 2)ie fe^^ Äomöbien geiftlic^en gnl^altg, toeld^e
bie 5Jonne ^rotfuit^a ettoa gleichzeitig mit ben 2lnfängen be« liturgifd^en 3)rama« ate
©egenftüde gu ben fec^g Äomöbien be^ 2)erenj betfa^te, fmb blofec Sejebramen unb l^aben 5
auf bie toeitere ßnttoidelung nid^t eingehjirlt.
5Wtt ber attmäbüd^jen ©rtoeiterung ber %t)^t tourbe natürlid^ aud^ bie bid^terifd^e
Ü^ätigleit allmäl^ltc^ eine immer felbftftänbigere. ®ie ältcften lejte finb burc^ mofaifc
artige gwfammenfügung bon ©ä|en an^ ©öangelien unb lirc^lic^en Oefängen entftanben,
bann tüurben aud^ neue©ä^e in'ilJrofa unb SSerfen l^injugebic^tet. ©inegrit lang finben 10
h)ir, befonber« in ben a)retfönig«f>)ielen, eine Steigung ^ur Slntoenbung be« flaffifd^en
^ejameter^, boc^ bel^ölt bie immer fc^öner unb reicher emjjorblül^enbe lateinifc^c Sleim«
pocfte baiS Übergewicht. Unb unter ben Älerifem, in beren Äreife ftd^ im 12. ^a\)X'
^unbert bie flangtootle S5aganten})oefie enttoidelte, jeigt fic^ ba« Seftreben, nic^t nur bie
^ormenfütle, fonbern au^ bie ©innlid^feit unb SBeltfreubigleit biefer ^oefie auf ba« is
geiftlic^e ©rama l^inübertoirlen ju laffen. Seionber« gtänjenb entfaltet ftc^ bie formen«
fc^önl^eit ber lateinifc^en Sll^V^l^w^en in bem H5ro>)^etenf>)iel Daniel, beflen Serfaffer §ilas
riug, ein ©c^üIer 3tbälarbg bie erfte beftimmbare ^erf önlid^f eit in ber ©efc^ic^te be^ geift«
liefen Drama« ift. 3" ä^nlid^em ©til ift ein 2)rama öom Slntid^rift gehalten, ba« um
1060 Derfafet unb in einer au« bem Älofter 3!egemfec ftammenben ^anbfc^rift überliefert 20
ift. $icr ift ber ©c^ai4)la$ gu einem Slbbilb be« ganjen ßrbheife« erweitert ; bie Söei«*
fagung Don einem Äönig, ber öor bem ßrfd^einen be« 2tntid^rift noc^ einmal ba« ganje
römifd^e Äaifenetc^ unter feiner ^errfc^aft bereinigen toerbe, giebt bem 35iAter Slnlap,
fic^ im JHabmen be« geiftlic^en ©c^aufjjiel« aU einen SSertreter ber f ül^nen, ^ocpgefteigerten
Sbeen griebric^ 33arbarof[a« bom §errfc^crberuf ber beutfc^en Äönige gu befennen; bie 25
©c^ilberung be« 3lntid^rift unb ber $^>)ofriten, bie fein ©efolge bilben, benu^t er gu
bo«^af ten älnf})ielungen auf bie Oegner be« Äaifer« unb befonber« aud^ gegen bie >)ä^3ftlid9$
gefinnten 9Sorfäm})fer ber rigoriftifc^en SReformtenbenjen im Älcru«. 9[u|erbem ift feit
bem 12. ^ölSirbunbert in ben Dfterjt)ielen bie lenben^ erfennbar, burd^ ßinbegie^ung ber
3Sorgefc^id(^te i^r ©toffgebiet ju erweitern; ein Dfterfpiel in einer §anbfc|rift au« 2:our«3o
beginnt bamit, bafe bie Snben toon ^ilatu« eine Söac^e für ba« @rab ß^rifti Verlangen ;
in ber Senebiftbeurer $anbfc^rift, biefer merltoürbigen ©ammlung bon Sr^eugniffen ber
33agantent)oefte (ca. 1225), ift ein ©piel erhalten, ba« mit ber Berufung ber 3lj)oftel
$etru« unb 3lnbrea« beginnt unb mit ben Serl^anblungen j^toifd^en ^ilatu« unb Sofe}?^
t)on 3lrimat^ia toegcn ber ©rablegung abbricht, offenbar ift ber 3lbfc^nitt bon ba bi«35
5ur Sluferfte^ung au«gefaBen. i£)ier ^aben toir alfo ba« ältefte bi« je^t befannte Seif>)iel
einer bramatifc^en SSorfül^rung ber ^Paffion, biefc« §auj)tgegenftanbe« ber mittelalterlid^en
bramatifc^en Äunft. Denn ba« 5Paffton«fl3iel l)at fic^ mc|>t in ber 3trt au« ber Äar=
freitag«liturgie enthjidelt, h)ic ba« Ofterf>)iet au« ber Dfterliturgie. Der @mft be« Skxge«
liefe offenbar eine freie (gntfaltung be« bramatifc^en ©>)ieltrieb« nid^t auflommen, toenn 40
audS; bie im 12. S^^^^wnbert gebic^tete ©equenj ,,Planctu8 ante nescia", ein ftlage«
gefang, Welcher ber 93Jaria in ben ^JKunb gelegt unb \päUx ju einem Söed^felgefang jVoifc^en
i^r unb 3ö^«J"tte« erweitert mürbe, in ben Äarfreitag«gotte«bienft unb au^ in bie
^affton«f>)iele 6ingang fanb. Diefer Oefang begegnet un« auc^ im Senebiftbeurcr ©Jjiel,
ba« im übrigen bie $affion«gef^ic^te fel^r fummarifc^ belj^anbelt, bagegen bem ®eifte ber 45
3?aganteiH)oefic entf})rec^enb, bei ber ©c^ilberung be« SBeltleben« ber SWaria SWagbalena
au«fül^rlic^ toerioeilt. 3" ä^nlic^em ©til ift ein 2öei^nac^t«brama biefer ^anbfc^rift ge*
galten, ba« bie ^ro})^etenreil^e unb bie ebangelifd^en ©cenen gufammenfafet. hieben ben
biblifc^en Dramen f)abtn toir au« bem 12. ^ö^^f^unbert aud^ ^eiligenbramen, bie jebod^
junäc^ft, toie e« fc^eint, für bie 3tuffül^rung im intimeren Äreife ber ©d^ulen beftimmt w
Waren, ©ie be^iel^en fic^ fämtlid^ auf bie fiegenbe bom finberfreunblic^en ©t. 5litolau«,
ber al« Patron ber jüngeren ©d^üler galt, boA l)Qbm Wir einen 93elei bafür, bafe aud^
©t. Äatl^arina, bie ^^Jatronin ber älteren ©c^üler, in bramatifd^en Sluffül^ngen ge«
feiert Würbe.
Dafe auf biefcm @nttt)i(felung«gang ba« getftlic^e Drama fid^ bon ben urfj)rünglid^en, 66
feierlid^^ernften formen fo Weit entfernt l^atte, Würbe bon manchen ftrenger ©eftnnten al«
ein 3)li|ftanb em})funbcn. ©c^on im 12.3ial^t^unbert laffen fic^Älagen biefer Slrt t)emel^men.
Der Stigorift ©er^ol^ bon 9leic^cr«bcrg bejeic^net bie spectacula theatrica gerabem al«
ein 2)eufel«Werf unb eine SntWeil^ung be« ®otte«l^aufe«; bie Slbtiffin ^enab toon !2anb«5
berg meint, bafe biefe ©^iele in i^rer urf))rünglid^en ©eiftalt löbliq unb nü^lic^ Waren, 60
640 (S^itU, gri|IUci|e
bann aber in S^^'^iöi^jn unb Slu^fc^hDcifung entartet feien. Seibe nel^men offenbar Stn-
ftofe baran, bafe bie Oeiftlic^en ftc^ nic^t ntel^r begnügten, ben ß^arafter il^ret Wollen
ft^mboUfc^ anjubeuten: fte beflagen fid^, ba^ bie 2)arfteIIer in förmlichen Semtummungen
auftreten, bafe ©eiftlicpe fic^ aU Ärieger, ate ffleiber, alg "leufel öerfleiben. SBenn §errab
5 üon Sanböberg aufeerbem auc^ über ^offenreifeerei flagt, fo feigen Voir, bafe bamate fc^on
in ben geiftlic^en S})ielen eine toeitere toid^tige SlbVoei^ung beö romantifd^en toom !laffi=
fc^en bramatifc^en ©til, bie enge SSerbinbung be^ tragifd^en unb be« fomifc^en ©lemcnt^
^ert)ortrat. 3Jlitunter loirb auc^ bel^auj)tet, bafe burc^ berartige Stugfc^reitungcn bie geift=
liefen Se^örben üeranlafet Voorben feien, bie Sluffü^^rungen in ben Äird^en ju »erbieten.
10 3)o(^ f^einl e^, bafe mit ber Decretalis 3""oceng' III. toon 1210, bie fxo) gegen bie
ludi theatrales in ben Äirc^en Voenbet, fotoie mit äl^nlic^ (autenben ©^nobalbefc^lüffen
auiS ben f olgenben 3ölSlJ^5«l^nten Weniger bie geiftlic^en @pkk, ate toielmel^r bie 3Kummereien
unb unvoürbigen Sjjä^e getroffen Voerben foUten, beren ©c^auj^fa^ bie Äirc^e öftere, jumal
in ben SiBeü^nad^tiSjeit Voar. 2)afe bieö bie ^errfd^enbe Sluffaffung loar, ergtebt fic| aui
16 ber glossa ordinaria ju ber betreffenben ©teile in ben 2)eh:etalen ©regorö (lib. III,
tit. 1, cap. 12), h)0 eö l)t\it: „Non tarnen hie prohibetur repraesentare prae-
sepe Domini, Herodem, magos et qualiter Rachel ploravit filios suos etc. quae
tangunt festivitates illas, de quibus hie fit mentio, eum talia ad devotionem
potius indueant homines, quam ad laseiviam et voluptatem, sieut in pascha
20 sepulcrum Domini et alia repraesentantur ad devotionem exeitandam." kleben-
falte aber toar bie Decretalis fo abgefaßt, bafe man fte auf bie tirc^Uc^en Aufführungen
anloenben fonnte, Voenn ftc^ in il^nen ba« Voeltlic^e Slement in ungebül^rli(^er aÖeife breit
machte, unb bied mag mit baju beigetragen l^aben, ba^ bie ßnttoidelung ber geiftlic^
@})iele me^r unb mel^r au^ ber Äird^e in^ greie l^inauiSbrängte, Voo manc^cö ^rmlo^
25 erfd^einen mufete, loa« in ber Äirc^e änftofe erregte.
Seit bem 12. ^ö^tl^unbert jeigen ftc^ aud^ bie erften ©Jjuren babon, ba§ bie SSoll^
fjjrac^en in baö geiftlid^e 2)rama einbrangen. 3" S)cutfc^Ianb gefd^a^ bie« getoö^nlic^ in
ber ?form, bafe auf einen gefungenen lateinif^en ©a^ eine $araj)l^rafe in gef^jrot^encn
beutfc^en Sleimberfen folgte. 3Jiit ber SSerbrängung ber lateinifc^en &pxad)t burc^ bie
30 ä5oIföfj)rad^en ging alfo bie 33erbrängung be^ G^efang^ bure^ bie gef})ro^cne Siebe $anb
in ^anb, Voenn auc^ lateinifd^e ©efänge ftd^ noc^ lange ^dt im bolföfjjrac^lic^en I)rama
erl^ielten. Da^ erfte Drama in einer neueren ©})rac^e ift ein frangöfifc^e^ ^4}ro})l^etenf))ieI
(§anbfd^rift beg 12. ober 13. ^Q^^^unbert^), in Voelc^em 3lbam aU ber erfte in berScibe
ber Sorboten erfc^eint unb feine ©efc^ic^te gu einem befonbem fleinen 2)rama erweitert
35 toirb, toeigl^alb auc^ ba^ ©})iel feinen 9?amen fü^rt. 9luc^ l^abcn fic^ mehrere fran=
göfifd^e ^eiligenbramcn erl^alten, bie au^ bem Äreife ber geiftlid^en Srüberfd^aftcn
^ertjorgingen. S)a« bebeutenbftc ift ba^ ©J)iel bom {^eiligen 9Jifolauö bon ^ean Sobel
bon 2lna« (ca. 1200), loo bargefteHt loirb, Voie loäbrenb eine^ Ärieg^ ber Reiben
mit ben G^riften ber ^eilige einen feiner SSercl^rer tounberbar befc^ü^t, ein 2)rama,
40 in toelc^em ganj in ber älrt be^ f>)äteren romantifc^en ©tilg baiS religiöfc, ba^ ritter=
lid^c, baö ))l;antaftifc^e Clement mit ber realiftif4) burleöfen Darfteßung beö täglichen
Sebeng berfnüpft erfc^eint. 3lug f))äterer ^txi beft^en loir eine 9lei](;e toon 2*ramcn,
in benen gefc^ilbert Voirb, loie bie Jungfrau 3)Jaria burc^ il^r tounberbare^ ßin-
greifen iljren 33ere^rern in 9?ot unb ®efal;r beifte^t. ^n Deutfc^lanb f^at fic^ au^ bem
46 13. 3>al?r^unbcrt bag gragment eineg Dfterfjjielö au^ bem Älofter 3Kuri in ber ©c^tDeij
erhalten; e^ geigt in feinem ©til bie reinen unb gefc^madboßen formen ber gleichzeitigen
^öfifc^=ritterlia;en ^^oefie. 2>agegen ftel;en einige beutjc^e Dfterf^jiele be^ 14. ^ö^^bunbcrt^
burd^aug unter bem ßinflufe beg grote^fen ©tite ber ©))ielmann«bid^tung ; neben ben
©albenfrämcrfcenen tritt biefer ßinflufe befonberg in einer ©cenenrcil^e f^ctoox, in toclcbet
50 gefc^ilbert loirb, toic ber ^ößenfürft, nac^bem er burc^ bie c^ößenfal^rt ß^fti fo Diele
©celen berloren l)at, bie ä^eufel fortfc^idt, um @rfa^ gu fd^affen; e^ toerben nun ein
©c^ufter, ein ©c^nciber, ein Pfaffe, über^au))t 3?ertreter ber berfc^iebenften ©tänbe ^erein=
gefc^lepjjt unb fatirifd^ burc^gc^ec^elt. 2)ag e^c^atologifc^e Drama ift in biefer $eriobe
hvLxd) bag berül;mte ©J)iel bon ben üugcn unb t^örid^ten Jungfrauen bertreten, bo^ gh>at
£5 auc^ einige glüdflic^e realiftifd^e 3üge ^ai, aber boc^ im ©eloanb ber Sßolföfprac^c ben
ftrengen unb toürbeboßen '3;on ber alten lateinifc^en ©>)icle in l^öc^ft ioirffamer SSeife feft^ält;
biefer ©jjiel ift offenbar mit bemjcnigen ibentifd^, ba« bei einer Sluffü^rung in ßifcnac^
1322 auf ben SWarfgrafen griebric^ mit ber gebiffenen SBange einen fo erf^üttemben
Sinbrucf machte. Ju (Snglanb l^abcn fic^ aug bem 13. unb U. gal^rl^unbert feine Sejte
eo bon gciftlic^en Dramen er](;alten, toenn eö aud^ fcftftel^t, bafe folc^e bort in biefer ^Äi
(SpitU, geifHic^e 641
aufgefül^rt h)urben, au^ ©Jjanien bcjt^en toir blofe baiS Srud^ftüd eine« 2)rcilöni0«f>)iete
aud beni 12. ^al^t^unbctt, toclc^c^ alfo neben bem franjöfifc^en 2lbam«f})iel aU ba« ältefte
S3cifl)iel eine^ S)rama^ in einer neueren Bpxad}^ genannt werben mu^. 3" 3^^"^^ ^^
toidelten ftd^ bie Stnfänge be^ nationalen geiftlid^en ®ramag nic^t au^ ber lateinifd^en
Siturgic, fonbern au« jenen Oefängen ber Flagellanten, in bencn bie tiefe religiöfe 6r== s
rcgung be« S^^ted 1260 ^um Sluöbrucf fam. 3)iefe Oefänge toaren, toie bie SSolföbic^tung
übcr^aujjt fe](;r reic^ an bialogifc^en Seftanbteilen, bie fid^ befonber« leidet einftellen
mußten, h)enn ©toffe, toie etvoa ber ©treit jtoifc^en £eib unb ©eele ober tflaxiä 3Sers
fünbigung barin bel^anbelt tourben. 6« fc^eint, bafe nad^bem bie glageHanten ftc^ ju
33rüberf(^aften mit ftänbigen 33erfanimlung«orten organifiert l^atten, man baju überging, lo
bie bramatifd^en ßlemente ber geiftlic^en ©efänge 'auc^ burc^ eine entf>)red^enbe t^eatra«
lijc^e Slltion l^erbortreten ju laflen.
SBäl^renb un« au« ber ^txt ber SSorl^errfc^aft be« lateinifd^cn 2)rama«, bie Voir bi«
um ba« ^QÜ^x 1200 red^nen bürfen, fe^ jal^lreid^e leyte erl^alten fmb, ^at über ben
Xeyten au« ber älteften ^txt be« nationalen Drama« — ethja 1200 bi« 1400 — ein um i5
günftige« ©c^iifal geVoaltet, fo bafe toir un« an ber §anb ber erhaltenen Seijtoiele nur
einen fel^r unöoHfommenen Segriff babon bilben fönnen, h)ie bie großen SKaffenaufs
fü](;rungen, bie in ben legten S^xtm be« ^Mittelalter« öorl^errfc^en, ftd^ au« ben erften
2(nfängen enth)idtelten. S^^^f^ß^ ^^^ if* ^^ bic^terifd^e SBert öon Dramen toie ba«
franjö^fd^e 3lbam«j})iel ober ber 9lilolau« öon ^^an 33obel ober ba« ©))iel öon ben 20
fingen unb t^örid^ten Jungfrauen öiel größer al« berjenige ber 5W^fterien be« au«gel^enben
^Mittelalter«, ba« ja in feinem ber curo})äifc^en Äulturlänber eine Jjoetifd^e Slütejeit toar.
Dafür tourben bie 3luffül^rungen je^t in ben mächtig em})orftrebenben ©täbten, h)o bie
Steigung ^u })runfi>oBen geftlic^feiten fo ftarf au«gebilbet hjar, immer glänjenber unb
farbenjjräd^tiger. 3"^»"^ Ö'^öfeere 5Kaffen t)on 9Jlith)irfenben tourben l^erangejogen; bie 25
grofjen ^lä|e ber ©täbte mit i^rem ^intergrunb toon ftoljen Äird^en- unb 9lat^au«bauten
geloäl^rten bie 5Wögli(^feit einer immer Weiteren 3lu«be](;nung be« ©d^auj)la$e«, auf
tvelc^em äße bie Drte nebeneinanber bargefteHt toerben fonntcn, jtoifd^en benen fic^ bie
Öanblung Jj^in- unb ^erbeVoegte, j. 33. im ^affton«fj)iel ber 3!em]pel bon gerufalem, ber
Delberg, ba« Slic^tl^au« be« ^ilatu«, ber Äalüarienberg unb ba« l^eilige ®rab, e« tpar 30
fogar auf bicfem ©c^au})la| auc^ möglich, bie ^anblung ol^ne ©cenenhjec^fel tjon einer
©tabt in eine anbere toeit entlegene gu übertragen; ferner erl^ob fid^ über bem ©c^au«
pla^ ber fd^öngefc^müdte ©i^, auf bem ber ^ttx, umgeben bon feinen §eerf(^aren thronte,
toon h)o au« er feinen ©etreuen bie ßngel auf ben ©c^au^jla^ l^crabfenben fonnte, unb
Ipol^in bie ©eelen ber ©laubigen nac^ ii^rem §inf^eiben em})orgctragen Vourben. Slufeer^ 35
bem öffnete fic^ an einem (Snbe be« ©c^aut)lcÄe« ber ^öHenrad^en, au« ioelc^em jeben
2lugenblicf bie grote«f=fc^auerlic^en '2eufel«geftalten ^eröorf^jringen unb il^r SBefen treiben
fonnten. Se^örben unb Korporationen festen il^ren ß^rgeij barein, ba« alle« mögli^ft
reic^ au«5uftatten. 9Beil e« bon SBic^tigfetl hjar, ba^ biefe geftborftetlungen im greien
bei günftigcr Witterung ftattfanben, löften fie fic^ immer me^ toon ber SiBeil^nac^t«* unb 40
Dfterjeit lo« unb tourben in bie fd^öne J^^^f^J^ii berlegt, immer l^äufiger Vourbe ba«
gange 2Am gefu öon ber ©eburt bi« jur ätuferfte^ung öorgefül^rt, ja man fonnte fogar
bi« jur ©rfc^affung ber SBelt gurüdfgreifen unb bi« j^um jüngften ®eric^t in bie 3wf«nft
toorh)ärt«fc^reiten. 3ll«bann genügte auc^ meift einiag nic^t mel^r jur 2tuffül^rung; ba«
t^eatralifc^e SSolf«fcft mufete fic^ über eine ganje Slei^e öon Skigen erftreden. Durcp bie 45
grofee 3[u«bc](;nung unb ^erfonenjaljl ber ©>)iele erhielt auc^ ba« Saienelement ein immer
entfc^icbenere« Übergetoic^t, unb toeil eine fo großartige ©d^auftellung, ju ber bie Seute
au« ber na^en unb ferneren Umgebung ^erbeiftrömten, aud^ umfaffenbe Drbnung«maß5
regeln erforderte, fo trat ber Sinflu^ ber ftäbtifc^en Sebörben auf bie geiftlic^en ©>)iele
immer entfc^iebener l^eröor. 2lber bie ©eiftlic^fcit, bie ]xixf)tt, toor allem in ber 3^'* ^^ so
lateinifc^cn Dramen, bie 3Seranftaltung ber Sluffül^rungen au«fc^liefeli^ in ber §anb l^atte,
liefe fic^ bod^ aud^ je^t il^ren Sinflufe nic^t rauben. Die 2lbfaffung ber lejte unb bie
ßinftubierung blieb nac^ loie Dor in i^ren ^änben ; geiftlid^e Dramen, bon Säten berfafet,
finb in biefer ^txt berfd^toinbenb feiten. Unb e« l^errfd^te burc^au« bie 5Keinung, bafe
bie Stuffül^rung eine« geiftUd^en ©))iel« ein fromme« unb gottgefällige« SKerf fei ; bie 65
Sluffül^rungen tourben öfter« toeranftaltet, um ber Sorfel^ung für ein glüdflic^e« ©reigni«
ju banfen ober um fie bei einer bro^enben Oefa^r gnäbig ju ftimmen. Die« gefc^a^
namentlich bei ejjibemifc^cn Äranf^eiten, unb bie 2:rabition, bafe bie Dberammergauer
^affion«fpiele il;re ©ntftel^ung einem ©elübbe jur 3^'* brol^enber ?ßeftgefal^r toerbanfen,
ift burc^au« glaubtoürbig. Stuc^ fam ber gall bor, ba| ben DarfteÖem eine« ^afrion«^ so
VttaUdnctitlopmt ffir X^eologie unb SHt^c. 8. H. XVIII. 4\
642 ^pitU, Set|IHci|e
fjjiefö ein 2lblafe bchDittigt tourbc. ^n Slouen h)urbe fogar 1445 bie ©tunbc bcß Sottet
bienfte^ bcrlegt, bamit bie Äanonifer ber Sluffül^rung eine« geiftlic^en &pid^ bcihjo^nen
lönnten; au^ bem Äirc^enfc^a^ tourben öftere Oetoänber unb fonftige SRequiftten für
©))ieljh)ede ^etgelie^en. 2)ic religiöfe SBirfung, bie man fid^ bom ©d^auf^jiel berfpra*,
6 foöte nad^ ber and) bamate noc^ l^errfc^enben Sluffaffung t)or attem in ber bogniatifc^en
unb gejcl^ic^tlici^en Selel^rung befielen, toeld^e bie UnVpiffenben au^ ben Aufführungen,
h)ie aug einem großen lebenbigen Silberbud^ entnel^men lonnten. 93on fittlic^cr 6in=
tpirfung ift Weniger bie Siebe, toenn h)ir aud^ einmal bemerft finben, bie ^enfc^en toürben
bon ber Sünbe abgefc^redtt, toenn fie beren Seftrafung burc^ ben 3:eufel im ©c^ufpiel
10 erblidten. 3" ^^ Segenbenbramen l^errfc^t oft ber beutlic^ auggcft)roc^ene S^^, bie
aSerel^rung einciJ beftimmten ^eiligen jü em})fel^len, bie SBunberfraft feiner SReliquien unb
feiner l^immlifc^en ^ürbitte ju geigen. 3)ie ^affionfi;bramen foHten ju einer lebenbigen
5Kitemipfinbung beö marterüoHen fieiben^ 6](;rifti anregen, bie gäl^igfeit, über biefe^ Seiben
mit(eib^t)otte 2:i^ränen gu »ergießen, bie „gratia lacrimarum", beren ©rtoecfung bas
16 §au>)tjiel ber ^ßaffion^jjrebiger toax unb bie öon ben 3löfeten in brünftigem @d>ti^ ci-
Pel^t tourbe, biefe ®nabe lonnte tpol^I laum toirifamer l^erbeigefül^rt Serben, aU bunfc
bie leib](;aftige 2)arfteBung be^ S)ulber« unb ber ro^en §enfer«fned^te. Unb enbli(^ toirb
aud^ noc^ ber O^liortunität^grunb öorgefü^rt, bie ÜKenfc^en müßten nun einmal ibr
Vergnügen l^aben, unb ba feien bie geiftliti^en ©jjiele jebenfaH^ bejfer ate manc^e^ anberc.
ao 33on ben t^eologifd^en Sebenfen, bie in neuerer 3^'^ 9^0^" ^^^ SDramatifierung
l^eiliger ©toffe borgebrad[;t tourben, ift im 3JJitte(aIter nur toenig ju berf))üren. 6in ^aiipu
bebenlen, baß nämlic^ bie frei umgeftaltenbe bic^terifc^e ^^antafte fic^ nic^t an ben
©toffen au« ber ](;eiligen ©efc^id^te bergreifen bürfe, lommt, h)ie tüir nod^ feigen toerbcn,
für ba« SKittelalter in aSegfall. (gin anberer ßintoanb, nämlic^ baß e« eine Snttoei^ung
26 fei, toenn ß^riftu« unb bie ^eiligen burc^ jünbl^afte 3Renfd^en bargeftettt lüürben, fommt
fc^on au« bem ©runbe für ba« 3RitteIalter Weniger in Setrac^t, tüeil bie 3)arfteIIer feine
33eruf«fd^auf})ieler toarcn, bie fic^ geh)erb«mäßig ben einen %aQ in eine l^eilige, ben anbcm
3:ag in eine ))rofane SloIIe berfe^t Ratten; ber Sürger ober ^anbtoerler, ber eine Soße
im geiftlic^en ©})iel übemal^m, füllte fic^ feiner 3tHtag«h)irffamfeit entrüdft unb ju einer
ao ^ö^eren älufgabe erl^oben, in ber er i^ingebung«bo(I ganje ^]Jlonate l^inburc^ lebte unb
h)ebte. Unb außerbem l^at man oJ^ne B*^^^!^'^ ^^ ^^^ mittelalterlichen Sluffü^rungen,
ebenfo tok 5. 33. ^eute nod^ in Dberammergau, nad^ 3Wöglid^feit barauf geachtet, baß bie
^Perjönlic^feit ber Darfteller fic^ in leincm öerleteenben ©egenfaft jur ißürbe ber bar=
gcfteßten ^erfonen befanb; nod^ 1597 Ivurbe in £u|\em für ben 3)arfteßer ber ^"«gfrfl"
86 3Karia eine „inculpata vita" jur 33ebingung gemacht. Unb \omn ber berührte 3Wi^^
ftanb auc^ einmal nid^t ju bermeiben ioar, fo l^at man Voo^l barüber in einer 3^i^/ ^^^
bur^au« nic^t mm 9tigori«mu« neigte, mit einer bequemen Säßlic^teit ^intoeggefe^en. 3)ie
fUtlic^en Scbenfen, bie fid^ au« bem ^wfö"^^"^"^^^" ^^ beiben ©efc^led^ter ergeben
fönnten, l^aben fc^on be«^alb für ba« 3Kittelalter feine große 33ebeutung, h)eil in ben
40 meiften ^äHen bie grauenrollen Don ^J3Jännern gef})ielt Würben.
6« h)urbe fc^on barauf l^ingebeutet, baß e« in bicfer 3cit mit ber })oetifc^en Segabunci
ber 3:e5tbid^ter in ben meiften Rotten fel^r bürftig beftcUt tvar, bam fommt noe^, bafe fte
toegen ber unbegrenzten ^^itbauer unb ^erfonengal^l i^rer breiten Stebfeligfeit ben freieften
Sauf laffen unb ba« Untücfentlic^c mit gleid^er 2lu«fül?rlic9feit toie ba« SBefentlic^e bar-
45 ftellen fonnten. ©0 finben n?ir g. S3. öfter« in ben ^affion«mt;fterien bie SSerl^anblun^
barüber, h)a« mit ben bon '^u!t>a^ gurücfgebrac^ten breißig ©ilberlingen gejc^e^en fofle,
alfo eine ßpifobe, bie fe^r mof?I l}ätu Wegbleiben fönnen, mit läftiger 2tu«fül^rli^fcit
bargeftetlt. ©0 giebt im ßgerer $affion«fpiel bie 3)arftellung, lüic ^ilatu« fid» bie $änbc
tüäfc^t, bie i^eranlaffung gu einem langen (Serebe gtvifc^en ^ilatu« unb ben 9Hüitci^
50 Saurein unb 3)ictricl), bie i^m ba« SBaffer unb ba« §anbtuc^ bringen, ^infu^tlit^ ber
))fVc^ologifc^en ©c^ilberung ber .§auptj)erfonen unb ber 2lufbedtung ber 3;riebfebern ibrer
§anblungcn finb bie Xo:tbid;ter überall i)on ber tbeologifd)en Sitteratur abhängig, topr
allem Don ben ©c^riftcn ber fontemj)latiben "Ideologen, bie fic^ in bie Setracbtung ber
^affion bcrfentten. i^on bortber finb Situationen entlehnt, h)ie ber Slbfe^ieb ^q\u bon
55 Sliaria, ferner \vk bie ängftlid) bcforgte 93futtev il;ren ©ol^n ber Db^ut be« SJenätcr»
^uba« empfieblt, h)ic ^^ol^anne« nac^ ber ©efangcnna^me ^c]\x m^ Setl^anien eilt unb
bie e^^auen benacbricbtigt, \mc Waria bie ^iMöße bc« ©efreugigten mit einem 2u(^ bebedt,
ebenfo aud; bie fd)auerli^en (Sin^elheiten ber ^iiarterjcenen, g. S. baß ba« ftleib nac^ ber
©cißelung am munbenbcbedtcn Äörjjcr feftflebte unb bann bei ber Äreugigung getoaltfam
CO l^erabgeriffen ioerben mußte, ober baß ß^rifti Seib auf bem Äreuje getoaltfam mit ©trirfen
&pitU, getfllt^e 643
au^cinanbcrgejerrt toirb unb bann erft bic Slägcl cingcfd^Iagen tocrbcn. Gbcnfo tocrbcn
aucf^ Segenben j. 93. Don fiongtnuö unb 93etonifa ferner Don ^tlatu^ unb Don ben ^ugenb«
fc^iifalen be« ^niai Dertpertet. 2tm felbftftänbigften finb bte 3:e^bt(i^ter in ben fatirifc^en
unb fomifc^en 3w[ä|cn, too fie ftd^ ja and) auf einem ®ebiet belegten, ba^ bem ®eifte
ber bürgerlichen Sitteratur be^ f^iäteren SRittelalterö tpeit angcmeffener h)ar ate ba^ l^o^* 5
tragifd^e. Offenbar befafe baö ^ßublilum in l^ol^em ©rabe eine finblid^maiDe ?^äl^igleit be«
Überf))ringenö Dom fiad^en jum SBcinen. 2)o^ fam e« aud^ Dor, bafe bie «omit fid^ in
einer SBeife breit machte, bie ber Oeiftlic^feit älnlafe jum einschreiten gab. 2)er Sifd^of
SBebego Don §aDeIberg befallt 1471 ben (Seiftlid^en, bie 2)arfteIIung Don ^ßaffion^* unb
£egenbenf))ielen in ij^ren ^ßfangebieten ju unterbrüdten, hjegen ber eingemif^ten fd^imj)fs 10
lid^en ?ßoffen, bie nid^t jur ©ad^e gehörten. Sejonbern 2lnfto6 mußten bie hoffen ber
genfer unb 3luben in ben "jpaffton^fcenen erregen, fo fam e« hjieberl^olt Dor, ba| toäl^renb
ß^riftuö am Äreuje l^ing, bie 3"ben einen grote^ten 3kxnj mit (Sefang^begleitung um
ba^ Äreuj ^erum aufführten. 5TatürIic^ hjurbe in ben 3lw^<^nfcenen ber fomifd^c Gffeft
Dor allem burc^ farifierte 5Rac^af^mung be« Irciben^ ber jeitgenöffifd^en ^v!t>tn erhielt, is
2lud^ bie 33ettler unb ilrül)^el, an benen bie ^eiligen il^re ffiunberfraft jeigen, hjerben
oft fomifc^ be^anbelt; in einem franjöfifc^en ©j)iel Don ©t. äiartin toirb bargeftetit, toie
man bie Seiche beg ^eiligen beftattet, bie eine tounberbare §eilfraft befi^t, h)ie jhjei
33ettler, ein SBIinber unb ein Säumer, bie am SQSege fifeen, in bie größte Sngft geraten,
fie tonnten gel^eilt Serben unb müßten atebann burd^ Slrbeit il^r 33rot Derbicnen, U)ie fie 20
atebann nad^ bem SBorbilb ber befannten gabel ftc^ gegenfeitig bei ber glud^t bel^ilflid^
finb, aber boc^ an ber Seiche Dorüberfommen unb toiber i^ren SQSiQen gel^eilt Serben,
hjorauf bann bie 2)anfbarfeit für ba« SEBunber ben ärger über bic mißlungene gluc^^t
überwiegt.
Übrigen^ muffen toir unö bei Setrad^tung biefer S))iele Dor 2tugen l^alten, baß bie 2b
SSerfafJer gar nic^t bie ^Prätenfton befa|en, ein litterarifd^e^ Runfthjerf ju fc^affcn, fie
lüollten nur bie biblifd^en ober legenbarifc^en ©efd^ic^ten, um bie e^ fic^ gerabe ^anbelte,
au^ ber er^ä^Ienben in bie bramatifd^e gornt umfc^meljen unb fo bie leibl^aftige 35or=
fübrung ermöglichen. ^v!t>zm ^abcn aud^ bie unbebeutcnbften unb fc^toäd^ften unter if^nen
für un^ ein Sntc^^ff« «I^ tWM^^ Vertreter einer großen geiftigen ©emeinfd^aft, fie alle ao
laffen baö ein^eitlid^ burd^gefü^rte, ft)mmetrifd^ abgefd^Ioffene mittelalterliche 2BeIt= unb
®efd(^id^t^bilb f^erDortrcten. 2)ie Übereinftimmung ber brantatifc^en 5KotiDe in ben Der«
fd^iebenen Säubern barf nid^t, h)ie bieg too^l früher gefd^ef^en ift, auf internationale ©nt*
iel^nung jurüdEgefübrt toerben, fie ergab ftc^ Don Jelbft a\x^ ber gleichmäßigen Senufeung
ber nämlichen Serie ber lateinifd^en fird^lic^en Sitteratur, fotoie überl^au})t an^ ber ©leid^- 86
mäßigfeit be^ religiöfen @m>)finben^ unb ®enfen« auf bem ganjen tpeiten ©ebiete ber
abenblänbifc^-c^riftlid^cn SDSclt. 5Rur bei Dereinjelten tf;eatralifc^en ©ffeften liegt e« nal^e,
an internationale ©ntle^nung ju bcnfcn, unb ^ier fommt in erfter Sinie ber ©influß
^ranfreic^g in Setrac^t, hjo bie geiftlicf^e 2)ramatif am reid^ften unb glänjenbften ents
faltet h)ar. 3Son bort ^er ftammt auc^ bie Seieid^nung ber geiftlid^en 3)ramen ate 40
SK^fterien, bie in neuerer 3^it Don ben Sittcrarpiftorifem ate eine ©efamtbe^eid^nung
für bie großen geiftlic^cn ©jjiele be^ au^gc^cnben 3Hittelalterg angetocnbet toirb; übrigen«
fommt baö ffiort Dermutlic^ nic^t Don ^Jl^fterium (©el^eimnig), jonbern Don 3)linifterium
(Dorfd^rift^mäßig burc^gefü^rte §anblung, Dgt. baö f))anifcf^e äuto). Sefonberö amiej^enb
unb mannigfaltig toirb bie franjöfiicf^e Sitteratur auf biefem ©ebiet burd^ bie ja^lreic^en 46
2)ramatifierungen Don §ciligenlegenbcn ; bic 2)ramen, in bencn nic^t ba« Seben eine«
«f^ciligcn Dorgefü^rt tüirb, fonbcm iüie er nad^ bem lobe burc^ feine crf olgreid^c gürbitte
au« ber icnjeitigen SBelt in bie bic^Jcitige tounbcrbar eingreift, merben jum Unterfc^ieb
Don ben Slivfterien at« 9Kirafelfi)icle bcjeid^net. 3lu« 2)eutfd^lanb fmb un« mel^rcrc au«s
fü^rlid^e ^Pafftonöfl^ieltejte überliefert; tüir fönnen in granffurt unb Umgegenb, h)ie aud^ ßo
in 3:irol nod^ feftftcHen, h)ie ein 3:cjt fic^ in einer Sanbfd^aft Derbreitete unb an ben
Derfc^iebenen Orten umgemobclt tourbc. ^m öftlic^cn 2)cutfc^lanb hjaren jur ^^xt bc«
au^gc^cnben ^Mittelalter« am berü^mteften bie Dicrtägigen ^fingftj^iclc ju greiberg in
©ad^fen, alfo in bem ©ebietc, h)o gegen XHnfang be« 16. Sö^^^^unbcrt« im 3"f<J»^w^<^n=:
l^ang mit ber rafc^ cmjjorblül^enben ^crgmertöinbuftric bic fjjätmittelalterlic^e Äultur ju 55
fo !?o^er Slüte gcbiel^. 5Die Bpkk, bcren 2!cjt fid^ Icibcr nid^t erhalten l^at, toieber^olten
fid^ aÖe fieben ^a^rc unb tourben 1516 burd^ bie 9(nU)efenl^eit be« §erjog« ®corg Don
©ac^fen, bc« treuen 2lnl^änger« ber alten Äirc^c, auege^eid^nct; fic umfaßten ben gcfamtcn
SSerlauf ber 2)inge Don ber Srfc^affung ber SBelt unb bem ©tur^ Sucifer« bi« jum
Äntic^rift unb jüngften ®eric^t. äudfi Don ber ©ottung be« a)lirafelfj)iete ^aben fic^ eo
644 ^pitU, getfUti^e
itücx merltüürbtgc beutfc^e groben crl^alten; ba« Bpkl bon %f)topyilii^, too bic Se=
fd^ic^te bon bcm ^Prtcftcr, ber ftd^ bcm leufcl öcrfc^rctbt unb fj)äter burc^ bic Sa=
ilüifc^entunft ber gunö^öu Tlax'xa gerettet toirb, mit einem ftarfen 3"f^ft^ ^o" nieber^
beutfd^em Sßolföl^umor Dorgetragen ift, unb bag ©))iel bon grau ^uita bon S^ictri*
6 ©c^emberg, einem ©eiftlid^en ju 3)iül(>I^aufen in 2;^üringcn (ca. 1490); ^icr h)irb bic
lüunberlid^e Irabition bon bem tüeiblid^en Sßap\i, jebod^ ol^ne alle fatirifd^e 3!enbenj
bramatiftert, am ©d^lufe lüirb bie ^ä))ftin auf bie gürbitte 3Raria^ unb bcö beiligen
9JitoIauö au« ber §ölle befreit, ^n Italien iüurbe bie „sacra rappresentazione" t?cr
allem in glorenj fultibiert, boc^ ^anbelt e« ftc^ ^ier um Stücfe bon geringerem Umfang,
10 bie meift burd^ jugenblic^e 2)arfteIIer aufgefül^rt h?urben.
^njtüifc^cn toax eine neue gorm ber geiftlic^en ©j)iele au« ber ^onleicbnamö--
})rojefrion entftanben, bie ftc^ balb nad^ ber (Sinfe^ung be« neuen gefted (1264) ju einem
glänjenben 2riumj)l^jug berRird^e ju enttüiieln begann. 5!Ran liefe in biefen ^ro^effionen
©ru^pen einl^erfc^reiten, bie in il^rer 2lufeinanberfolge bie gefamte Krc^Iic^e ®clt= unb
16 ®efc|i(^t«auffaffung öon 3lnfang biö j^u (Snbe fi^mbolifd^ barfteHen foltten, alfo §. 93. SIbam
unb (gba im ^^arabie«, bie 3lrd^e, ber betl^Iel^emitifc^e Äinbermorb, ber ©ingug ^ffu in Sem-
falem u. f. \d. ©iefe &xvcppm tourben unter bie einzelnen fünfte ober bie einj^elncn
Äirc^enfjjrengel berteilt, bie in möglid^ft glän^enber Slu^ftattung miteinanber lüetteifcrtcn.
©0 ging man baju über, fte nic^t me^r ju %vii, fonbem auf fal^rbaren (Serüften i?orüfccr-
20 jiel^en ^u laffen unb nun tl^at man balb ben Weiteren ©c^ritt ;^ur bramatifc^en äftion,
bie bann auf ben öerfc^iebenen ©tationen be« ^ßrojeffton^tücg« toieber^olt tpurbe. 3)iefe bra-
matifd^en ^Projefftonen ^aben ftc^ befonber« in ßnglanb ^u ber c^arafteriftifd^en nationalen
gorm be« geiftUd^en Drama« enttoiielt; fie treten un« bort fc^on im 14. gö^^bunbcrt
in einer DöHig auefgebilbeten unb feftfte^enben gorm entgegen unb an^ mehreren ©täbten,
26 5. 95. a\x^ ber alten 93ifd^of«ftabt 3)orf, f^aben fid^ noc^ bie ent^rec^enben ©))ielterte a--
i^alten. 3Ran berteilte bie einjelnen ©cenen, ioenn e« irgenb anging in berärt, bafe fic
mit bem Arbeitsgebiet ber bctrcffenben 3""f^ ^^ Sejie^ung ftänben; fo n?urbe bie Slrdbc
3loaf)^ ben Sc^iff«jimmerem, bie 2tnbetung ber brei «önige ben (Solbfc^mieben übertragen.
Sn ©J)anien ^at erft fpäter ba« gronleid^nam«f})iel feine ^ö^fte 93lütc erreid^t. Jic
80 alten gotmen be« lateinifd^en liturgifc^en 2)rama« l^aben im f))äteren 3Jiittelalter unb bis
in bie 9leujeit l^inein fortbeftanben, aber nac^bem bie loeitere ©ntloicfelung in« grcic
l^inau«gebrängt (>atte, fc^rumpfte e« innerl^alb ber Äirc^e loieber in einfachere gotnien
jurüc! unb ^örte fc^licfelic^ ganj auf, boc^ tourben in ncueftcr 3^^^ i"^ Sencbiftinerflcftcr
(Smau« ju ^rag aJerfuc^e einer ffiieberbclebung unternommen.
86 3fJcben ben ©fielen au^ ber ^eiligen ©c^rift unb au« ber Segenbe lourbcn im
fpätcrcn 3Wittelatter auc^ ?!Jlotiöe au« aUegorifc^en I)id^tungen geiftlic^en ^nl^alt« brantiv
tifd^ öcrtoertet. ©eitbem ^rubcntiu« in feiner $f^c^omad;ie (ca. 400) ben Äampf ber
lugenbcn unb Saftcr unter bem 33ilbe einer großen gelbfc^lac^t bargefteltt l^atte, begegnen
un« biefe« unb ä^nlic^e 9)totiDe in ber mittelalterlid^en Sitteratur fc^r l^äupg, balb ivirb
40 ber Äampf al« Belagerung einer Surg aufgefaßt, bie l)on ben lugenben öertcibigt toirb, balb
ioirb ber 9Kenfc^ auf bem SBeg i^ur 33ufee gefdbilbert, Don ben 2:ugenben geleitet, ioäbrenb
bie Saftcr i^n Dom SBcge fortloden iooUcn, balb toirb im Slnfdblufe an Gp^ 6, 1 1 ff. bav
©lei4;ni« Don ber gciftigen 3lüftung gegen bie Anfechtungen bc« ieufel« loeiter auegcfübrt.
2)ie älteftcn 9iac^ric^tcn barüber, bafe biefer ©ebanfenfrei« tbcatralifd& t>erlört)crt iourbc,
45 reid;en nid^t über bie legten ^lal^rjel^nte be« 14. ^a^rl^unbcrt« juruc!, bann enttoirfelte
fid; bic neue bramatifc^e ©altung feit bcm 15. 3^^^^^""^^^^ befonber« in ^antreid«,
(Jnglanb unb ben OJicbcrlanbcn ju l^ol^er Slütc unb toir finbcn in biefcn ©tüden, bei
bcncn bic 2)id^ter ben ©ang ber .f^anblung felber erfanben, gar mand^e ftnnreidbe ^üo^i,
5. 93. in einem cnglifd^cn ©j)icl „Mankynd", loo ber 3;eufel bem 50{enfc^en fein arbeite^
60 tocrfjcug, einen S)?atcn, ^cimlid; tocgnimmt, bamit er ber 9Scrfud^ung zugänglicher n^erbc,
ober in einem anbern „Castle of Perseverance", ioo ber Wenfd^ in feinen jungen
^al^rcn ben i^crlodfungcn ber Sujruria, in feinem Stltcr ben SJerlodtungcn ber Slöaritia
au«gcfc^t ift. ©old;c ©tücfc ioerbcn im granj^öfifc^cn öfter« mit bem 2lu«bruc! „Mora-
lit^" bc^cici^nct, ber übrigen« für fittlic^ lcl)rl)afte Dichtungen übcr^aui}t gebraucht ioirb,
65 bod; ^abcn i^n in neuerer 3^it bic igitterarl^iftoriiEcr abojiticrt, um bie aUegorifd^en Dramen
gegenüber ben fonftigcn geiftlicben ©Jjiclcn mit einem gemeinfamen ®attung«h?ort ju^
fammenf äffen. Um ba« ^abr 1500 entftanben mcl^rere 3)loralitäten, bie fic^ im (Sc--
banicnfrci« ber Ars moriendi unb ber ©tcrbcbüc^lcin betocgen, fte })rebigen bic Sor^
bereitung auf ben 'Xob unb ben SKiberftanb gegen bie böfen ©cbanten, bic ber Jcufcl
eonod^ loö^renb ber ©terbeftunbe im SDtenfcpen ju erregen fuc^^e. 3n biefcn Ärei^
&pitk, geiftlii^e 645
gcl^ört bic bcrül^mtc unb biclfad^ nad^gcabmtc cnglifc^c SDloralität „Everyman", h)0
bargcftcHt \]i, tote bcr 9)lenfci^ auf feinem ®ange ju bem Slid^terftu^Ie ®otte« Don
!JBerlüanbtfc^aft, Sleic^tum, ^^eunbfc^aft Derkffen toirb; nur feine guten SBerte folgen
il^m nad). 311^ eine 2lbart ber 2JJoralitäten fann man bie SEotentänje bejeid^nen. 2)ie
crfte 9ibee ju bicfer neuen ©attung ftammt bon einem geiftlid^en Solferebner, bermutli^ 5
au^ bem ^ran^ifi^Ianerorben, ber in Serbinbung mit einer ^rebigt bie Slßgetoalt be^
3:obe^ anf($aulic^ barfteHen tooDte unb toäl^renb berfelben burd^ entf^red^enb berfleibcte
^erfonen borfü^ren lie^, h)ie ber 2^ob Vertreter bon atlen Stänben bcr ©efcDfci^aft, bom
^iJa})ft angefangen, inö ®ra6 abführt. ^\ütx lejte auö bem 15. 3i<J^t^w«^^/ ^in Sübedfer
unb ein fjjanijd^er fommen ber urf))rünglic^en gönn am näd^ften; in beiben fte^en |^u lo
2lnfang unb ju @nbe SBorte be« ^rebiger^, ba^toifc^en gereimte SBecl^Jelreben beö 2:obe^
mit feinen Djpfern. 2Ba^rfc^einlic^ f^at fic^ baö SRotib bon JJranfreid^ au^ fo toeit er-
ftrecft; Aufführungen fmb 1449 in Srügge unb 1453 in SefauQon (^ier bei (Gelegenheit
cine^ ^robinjiaIfaj)itetö ber grangifijfaner) nad^getoiefen.
211^ bie Sleformation^betoegung ftd^ über ganj Quxopa ju berbreiten begann, lonnte i5
natürlich baö geiftlid^e 3!)rama nic^t unberül^rt bleiben. 3lu^ granfreid^ ^aben \v\x mel^rere
3"eugniffe bafür, baf; bie Anhänger be^ alten nunmehr mit bo>)l)eItem ßifer bie Wt^fteriens
auffübrun^en ak glänjenbe 2)emonftrationen ber !ird;lic^en SBeltanfc^auung gegenüber ben
9Jeuerem tn Scene festen. 2)od^ finben U)ir bei ben fird^Iic^en Sel^örben je^t nid^t überaß
ba^ früf^rere SBoF^ItüoIIen gegenüber biefen ©J)ielen. ©ie 2)arfteIIung ber Reuigen ^erfonen 20
burd^ Seute, über beren ^riDatleben bielleic^t manche unerbaulid^e 2)etaite inö ^ublifum
gcbrungen toaren, bie berben ©>)äfee ber Solföfcenen, bie unfreiwillige Äomif, bie bei
©arfteUung ber erf^abenen (Seftalten burd^ 2)ilettanten auö bem Sürger- unb §anbh)er!ers
ftanb mit unterlief — aße^ Singe, bie man in früf^ercr 3cit l^armlo« l^ingenommen
f)attt — boten je^t einen gefä^rlid^en 3(ngriff^i)unft für bie gegncrifd^e Partei. Unb 25
aufeerbem trat in granfreic^ unter ben leitenben Greifen ber fat^olifc^en ^Partei immer
me|r eine Hinneigung gu ben litterarifd^en ^ienbenjen ber flaffijiftifd^en SHonfarbfd^en
gcbule bcrbör, bie ba^ mittelalterlid^e 2)rama ate ^ttoa^ Stillofeö unb Sarbarifd^e^ ber«
achtete. SBenn ba^er ber j;.S5. Sifc^of Sri^onnet in 3Jleau| 1527 eine 3^nfur ber ©pieltejte
einführte ober 1548 ba^ $arif er Parlament bie 3luffü^rung bon „myst^res sacr^s" burd^ 90
bie bortige ^affion^brüberfd^aft verbot, fo entfj^rangen fold^e 9Ka|regeln fc^toerlic^ ber
Seforgniö, e^ fönne ftd^ üWa^ Äc^erifd^e^ einfd^leic^en, fonbern bielme^r ber %nx^t bor
ungef^icfter SlofefteDung ber alten Se^re. Übrigen^ toar bie ©teCung ber franjöftfc^en
(Sabiniften gegenüber ben gciftlic^en Bpkkn ^unäc^ft feine grunbfäl^U^ ablel^nenbe ; noc^
1546 fanb in ®enf bic Sluffül^rung eine^ ^tocitägigen 3lj)ofteIm^fteriumö ftatt, unb6alt)in35
mipiüigte bamal^ au^brüdflid^ ba^ fc^'^offc 3tuftreten be^ ^ßrebigerö 6o>), ber gegen biefe
3(uffübrung eiferte, grft ettoa feit 1570 gelangte in ber catoiniftifc^cn SBelt bie 3tnftc^t
^ur §errfc^aft, bafe bie 2tuffü^rung bon 2)ramen auö ber l^eiligen Schrift nid^t gebulbet
werben bürfe, eine 3lnfid^t, bie in ben 33efd^Iüffen ber ©^noben bon Shme^ 1572 unb
t)on "^ic^^ac 1579 ^um 2lu^brudE lam. ^n ber beutfd^en ©d^toeij f^at and) bei ben ^ro^ 40
teftanten bie greube an ben geiftUc^en Spielen noc^ bi^ ioeit inö 16. ^ö^tl^wni^^ l^inein
l^orgel^alten. Sutl^er bittigte auöbrürflic^ bie bramatif^e Sorfül^rung biblifd^er Segebem
Reiten, \r)mn xijm and) gerabe bei ben $affton«fi)ieIen baö Streben nac^ Gnegung mit=
leibiger St^ränen im Sinne ber früheren Ä^fefe unf^m})at^ifc^ toar. ^m übrigen aber
l^at er bie bramatifd;e 3Sorfül^rung ber l^aten ß^rifti emj)fo^Ien (be SBette 3, 566), unb 45
al^ ber Sc^ulmeifter unb Sramatifer ©reff, toclc^cr ber Slnregung Sut^erö gefolgt toar,
im % 1543 in 2)effau auf ben SBiberf^ru^ feinet bortigcn ^faner^ ftie^, l^olte er Don
Sutf^cr, ^Jielanc^t^on u. a. ©utac^ten ein, bie il^m beftätigten, bafe burc^ folc^e S>)iele,
h)enn fie o^ne 2eic^tfertig!eit unb ^offenrei^erei borgefü^rt toürben, ben Untoiffenben auf
eine vortreffliche 2lrt bie S3efanntfd»aft mit ber (^eiligen ©efd^id^te bermittelt toerben fönne. so
Sie ja^Irei^en beutfc^en 3)ramen, bie nun entftanben, beioegen fid^ meift in einem äl^ns
lirf^en Stil, h)ie bie lateinifd^en Sc^ulbramen au^ ber ^eiligen ©efc^id^te, bie fic^ bem
terengifc^cn Stil annäl^erten unb ju benen bie 2lnregung bon ben TOeberlanben an^^
gegangen fear; ba^ einflufereic^fte ä^orbilb bicfer Stic^tung, ber Slcolaftuö be^ @napf)zn^,
eine 2)ramatifterung be^ ©leic^niffe^ Dom berlorenen So^n, lüar 1529 erfc^ienen. SSon 65
ber grote^fen Suntfd^ccfigfeit, bie mitunter bei ben mittetaltertid^en Aufführungen ^erbor=
getreten h?ar, ift in biefem proteftantifd^cn Sd^ulbramen nic^t^ mel^r ju berf>)üren; h)ie
©corg Wajor fic^ auöbrüdfte, foüte man auftreten mit „actionibus gravibus et mo-
destis, non histrionicis, ut olim erant in papatu''. Safür fe^lt auc^ je^t bie
l^eiterc $rac^t be«J mittelalterlichen 33ül^nenbilbc^; ober bie 5IKufif, bie fd^on bei beneo
646 SpitU, gdfUti^e
9Jl^ftericnauffül^rungcn eine gro^c SloHe gcfi^iclt l^attc, tourbc bon bcn 2)i(^tcm oft jur
6rl(>öl^un0 ber SBirfung l^crangejogen; fte foKtc im (protcftantifd^cn 2)rama toie im ^o^
teflantifd^cn Äultu^ für bcn mangclnbcn ©c^mudE ber äußeren (Srfd^cinung entfc^öbigen.
3in ben biblifc^en I)ramen ber 5Öleifterfinger, j. 33. in bcnen be^. $an^ ©ac^ tritt bie
5 ^ertpanbtfd^aft mit bem mittelalterlid^en ©til beutlid;er l^ertoor. Öftere lüirb anä) in bic
biblifd^en ©toffc eine ))oIemif(l^e lenbenj gegen bie f at^olifd^e Äirc^e gelegt, toic bie^ ft^on
bon 33urll^arb 35}aIbi<S in feinem gaftnac^töfjjiel t)om tjerlorenen ©o^n 1527 gefc^eben
h)ar, bor allem bcnu^te man in ben altteftamentlic^en ©tüien bie ©c^ilberung ber Saal^
j)faffen gerne ju Seitenbliien auf bie römifc^e ÄlerifeL
10 3)er §au))ttummel))la| ber lonfefftonetlen ^olemif toar aber bie aUegorifc^e 9JloralitdL
äug ben erften 3<^^^J^^"*^ ^^^^ 9tef ormationöbcloegung befi^en toir eine gan^c bleibe üon
franjöftfc^en ^BJoralitäten, loo ber franfe (Staube, nac^bem er ftd^ juerft tocrgeblid^ an
einen fd^olaftifc^en „Theolonginquus" getoanbt If^at, bon bem „Texte de saincte
scripture" geseilt loirb, ober loo „©imonie" unb „Slbaricc" bie „SBa^r^eit" mtfe^nbeln
löunb einf>)enen, bid ein bibelfunbiger £aie fte befreit; auc^ an^ ßnglanb baben pd^ ^ahU
reid^e 5Koralitäten in biefem ©til erl^altcn. 2)ie 3Roralität ßljer^man, bIc fic^ in mcb=
reren Bearbeitungen über ben kontinent Verbreitet IjaiU, tourbe jc^t in ber Slrt ^roteftantifc^
umgeftaltet, bafe ber 3Jlenfc^ nic^t mcf^r burd^ bie guten SQ3er!e, fonbem burc^ ben ©laubcn
SRettung finbet. ^\x biefer ©üer^man^Sru^^e fann man ben lat. „Mercator" red>nen, ta-
20 fafet t)on 9laogeorgug, bem tem^jeramentüoüften unb rüdtftc^telofeften bramatifd^cn SSertrcter
ber reformatorifc^en ©ac^e (ögl. S3b X ©.498,35). 2)ie tat^olifd^e Partei batte ^unäift
auf bramatijc^em ©ebiet ebenfo toie auf anbern ©ebieten feine fo ftattlid^c ängabi t»on
energifc^en unb braufgängerifd^en $orfäm})fern, erft feitbem gegen 6nbe be^ 16. S^^^^-
^unbert« bie 3l<^f"it^n il^re bramatifc^e ^ro})aganba entfalteten unb aud(> für bic 3lu^
25 ftattung alle raffinierten ©ffcttmittel be^ Sarocfftite in Setoegung festen, tourbc bae
anbere. 3" ©pflnicn finbcn toir feit ber WxttQ be^ le.^ö^t^unbertd jal^Ireic^c Seifpicie
bafür, bafe bie aBagenf})icle bcö gronlcic^namöfeftciS bic gorm Don 3){oraIitäten annagen.
Sic fmb natürlich ftrcng römifd)=fircf>Iid^; h)ieberl;olt äußert fid^ in i^nen ein glübenbcr
§afe gegen bie Äe^crci; ber ^nijali bient geioöl^nlid^ jur aSer^errlic^ung beö (Se^eimnijlcs
30 ber Iran^fubftantiation. ©^jäter, im 17. $^a^r^unbert, tourbe ba^ fljanifc^c gronleic^^
namef})iel burc^ Galberon jum böc^ften bic^terijc^en 3(ugbnic! be^ neu erftarftcn Äat^oli-
ci^mug crF^oben ; bie abftraftcn ©d^eintoefcn, bon Drt unb ^^\t loögelöft, fmb bier Don
bem magifc^cn ©lang ber f^janifc^en 3)t^ftif umfloffen; aiid) ber älnberöbenfenbe füWt
ftd^ bur^ bic ftnnreic^cn SlÜcgorien, burd; bie beraufc(»enbe -^Jrac^t ber Bpxad^c in eine
35 tüunberbare, toeltentrüdfte ©timmung berfe^t.
2)ie biblifc^en unb Scgenbcnbramen nac^ mittelalterlid^er 2(rt erhielten fic^ toeiter in
bcn fatl^olifd^en Sänbem unb Verbreiteten fid^ and) über Sänber, ioo fid^ nur bürftigc
©J)urcn auö f^jätcrer 3^^^ erhalten i}abm, 5. 33. ^olcn unb Kroatien, bod^ fonnen h?ir
allenthalben Verfolgen, toic bic geiftli4»cn ©j^iele fid^ Von ben ©tobten aufg £anb jurüd-
40 jogen, hjo fic in manchen ©egcnben nod^) bi^ Freute fortbcftebcn. 2)ie größte Scrübmt^ctt
erlangte ba^ ^affionöf^iicl von Cbcrammcrgau, ba^ guerft 1634 aufgeführt unb in ber
Siegel in jc^njäl;rigcn 3i^i|d;cnräumcn loieberl^olt lourbe. 3)er urfprünglid^e ©Jjieltcrt,
Von bem fic^ eine §anbfd&rift au^ bem ^^l^re 1662 erhalten i}at (^erauög. V. ^artmann,
2ci))jig 1880) cntftanb burc^ Kontamination au^ einem Slugöburger ^affion^ft^iel bce
45 1 o. ;i3a^rl;unbert^ unb au^ einem ^affion^f})iel bcö Slugöburger 3Keifterfängerö ©cbaftian
SLUlb (gebr. 1566), baö fcincrfcitö ioicberum in feinem jtociten leil auf einem latcinu
fc^en §umaniftcnbrama, bem Christus redivivus beö ßnglänbcrö ©rimalb beruht,
epätcr finb immer mcljr bic (Sinflüffc bc^ äJarodftil^ in ba^ Dberammcrgauer £)?icl
cingebrungcn, befonber^ al^ im '^ai)x 1750 auf Sitten ber Dberammcrgauer ber -^Jater
5<) ^fcrbinanb Sto^ner im naljcgelcgenen Scncbittinerftift ßttal ben legt einer VoUftänbigen
Umarbeitung untcr;^og. Sson ibm tourben iccnifd)c Gffefte im ©efd^mad ber 3^!"^^^-'
bül^nc, Slrien unb ß^örc im italienifdien D^jcrnftil, Vor allem aber bie für ba^ Ober--
ammcrgauer ©ijiel fo ^ara!tcriftifd)cn ^rüfigurationen eingefügt. 2)ie äluffaffung ber
alttcftamcntlid;cn (Srcigntffc al^ i^orbcbcutung auf bic ncuteftamcntlic^en toar ja jcbon
55 im 9)üttcltalter tocit Verbreitet, für i^re bvamatifd;e 93orfül)rung in 3Serbinbung mit bem
Scbcn 3cfw M"t mir jcbod; nur ein cinjigcö mittelalterliche^ SeifJ)iel befannt, ba^ ^'»cibel-
berger $affionö)>icl (^anbfd^^rift von 1513), too i. 3i Vor ber ©cene jtoifc^en ^efu unb
ber iüafferic6ö}jfcnbcn ©amaritcrin, bic 3"fa"^»i^cn!unft ßlieferg mitSRebeffa am Brunnen,
Vor ber ©ccnc |;ioi)d}en '^q^u unb ber (Sbcbrcd)crin bie greif)>rec^ung ber ©ufanna bur(^
60 Daniel bargeftcUt loirb. ^m ^cfuitcnbrama fpielen jcbod^ bie ^jjräfigurationen ein grofec
@pitk, griflK^e 647
SRoIIe unb bon bort l^at 3lo«ner offenbar bie SCnrcgung crl^altcn, in feinem Jejt ^ßrä«
figurationen in ber gorm öon lebenben Silbern eimufügen, bie atebann ber „©d^u^geift
biefer ©c^auBül^ne", bem anbere ©c^u^geifter afö 6^or afftftieren, einleitet unb erläutert.
3n ber jtoeiten §älfte be^ 18. S^^tl^unbertö feigen toir bie 9tegierungen in Sägern unb
Defteneic^ gegenüber ben geiftlid^en Bp'xdm eine äl^nlic^e able^nenbe |)altung einnehmen, 6
toie früf^er in |JranIreic^ (f. o. ©. 645, is); toie bamatö ben ©fott ber Protestanten, fo
fürchtete man je^t offenbar ben ©l)ott ber Slufflärer; man betrachtete je^t biefe ©jjiele
aU „mit ber SBBürbe ber SReligion unbereinbarlic^" unb fo tourbe in Sägern 1770 bie
Sluffü^rung Don ^affton^tragöbien t)erboten. 3Sergeben^ lüiefen bie Dberammergauer barauf
^in, ba^ ju il^ren ©fielen „nic^t nur einfältige Surger unb ^aur^^Seute, fonbem aud^AO
in atbelid^en ßaracteur« ftel^ente unb Oelel^rte ^ferfol^nen anl^ero eiKen"; erft 1780, nac^bem
ba« ©})iel burc^ einen anbem ©ttaler ©eiftlid^en „Don anfto^lid^en Ungebü^rlid^feiten
DoHfommen gereiniget" toorben toar, geftattete bie Slegierung für bie Dberammergauer
©j)iele eine äu^na^me Dom allgemeinen Verbot. 2)ann, nac^ einem abermaligen Sßerbot
Don 1801, fonnten bie 2luöfü^rungen feit bem ^df)xc 1811 alö eine „an unb für fid^ is
unfd^ulbige ©ad^e" unge^inbert ftattpnben ; ber ®eift ber SWomantif unb ba^ immer mel^r
erftarfenbe ^ntereffe für d^arafteriftifc^e SJolfögebräud^e lam il^nen ju §ilfe unb fo er«
langten fie allmä^lid^ einen SBeltruf. 1830 fanbtc ©ull^i^ Soifferee einen SJerid^t über
bie Dberammergauer ©piele an Ooetl^e, 1850 lentte (Sbuarb 2)eDrient in einer befon«
beren ©d^rift bie Slufmerlfamfeit ber Dramaturgen auf bie gewaltigen Sßjirfungen biefer 20
Dolfötümlic^en Sül^ne. Der SCejrt })aiU injtoifc^en unter ben ^änben be^ ©ttaler ^aitt^
3Bei^ eine neue ©cftalt angenommen; bie 3Serfe be^ Dialog^ tourben in 5Profa aufgelöft,
auc^ finb je|t Sintoirfungen ber Äumanitätöanfc^auungen be^ 18. ^a^tl^unbertö unb ber
Älo>)ftoc!fd^en religiöfen ^oefte erfennbar. aber jeber 3wf(^auer toirb bie ©mj)finbung
Ijahm, ba| je^t nod^, h)ie im ^Mittelalter bei biefen ©l)ielen ber %^i nic^t« bebeutet, bie 25
leibhaftige Sorfül^rung aHe^. ©cenen toie ber 6injug in g^öl^n^f Gl^riftud Dor ^ßilatu^,
ber ÄalDarienberg toerben jebem unDergefelid^ bleiben. §unberte Don Darftellern, jeber
Don ber 33ebeutung feiner SloHe burc^brungen, gam anber« al^ ein berufsmäßiger ©^au-
fpieler in il^r tebenb, in äugenbliien, toie Dor allem hjä^renb ber Slbenbma^löfcene, bie
eigene feierliche Stimmung Doli unb ganj auf ben ^^fd^auer übertragenb. Dabei fd^öne, 30
fräftige ©eftalten, burd^ Irabition unb Übung m einem ebeln änftanb erjogen, bem
(S^arafter ii)xtv SloHe gemäß au^etoäl^lt unb auc^ in ©injel^eiten, h)ie ^aar* unbSart«
trad^^t biefem S^arafter entf^^rec^enb, o^ne ©c^minfe, SrifotS unb ^erücfen. änflänge an
ben ba^erifd^en Dialeft ober fonftige fleine Ungejc^icflic^Ieiten fönnen nur ben eigentüm*
lid^en dkn er^öl^en. Die 3lnorbnung ber Sü^ne ift nic^t me^r bie mittelalterli^e ; fte 35
toeift benfelben l^j)uö auf, toie ber 3Jluftertl^eaterbau ber SRenaiffance, baS Teatro
Olimpico in 33incenja, ein 2!t?l)uS ber burd^ Vermittlung ber 3^fwit^*^6ül^ne feinen SQ3eg
auf baS Sauemtj^eater fanb. Die ©cene fteüt einen ^lal^ in ?j<^f^^<^n^ ^or, ein großer
Sogen in ber ^inberloanb, burc^ einen Vorgang Derfc^ließbar, lann tocd^felnbe SluSbliäe,
in ben ©aal, ioo baS Slbenbmal^l ftattfinbet, auf ben ÄalDarienberg u. f. h). getoäl^ren. 40
9iad^ bem großen ßrfolg ber Dberammergauer ©^iele l^at man aud) an anbem Drten
be« fatf^olifc^en ©üben^S, toie ju Srijlegg in Jirol, ju §ört$ in Sö^men, bie ^affton^
f))iele mit Derbol)^eltem Eifer toieber aufgenommen.
einen anf})ruc^dloferen ©runbton l^aben bie 2Bei^nac^t«fj)iele, bie fid^ auc^ in pxo^
tcftantifc^en ©egenben bi« in bie 9leujeit binein erl^alten l^aben. SBäl^renb im feäteren 45
SRittelalter bie 3:enbenj l^erDortrat, bie Darftetlung Don ßl^rifti ©eburt unb Äinbpeit mit
in bie jjrunfDoHen ct^Ilifc^en Sluffül^rungen ber ©ommerSj^eit einjubejie^en, bauerten bas
neben boc^ aud^ bie Sluffü^rungen jur SBei^nac^tSjeit Weiter fort, nur lag eS in ber
Siatur ber ©ac^e, baß man ftc^ ^ier Don ber urfjjrünglic^en fc^lid^ten ßinfac^l^eit nid^t
fo Weit entfernte. Diefe Aufführungen nal^men einen intimeren unb ^erjlid^eren 6l[>aralter so
an, Wie er gerabe jumSBefen biefeö gefteS })aßt; bie §irtenf|)iele unb bie DreiIönigSfj)iele
Waren ja Dor allem banac^ anget^an, auf linblid^ unb einfach em^finbenbe $örer gu
toirfen. Unter ben beutfcl^en SBei^nad^töf^ielen Derbient befonberS eines in l^effifc^er
5Wunbart ©rWä^nung, baS in einer §anbf4[rift beS 15. S^^rl^unbertS überliefert ift unb
fc^on manche 3^0^ aufWeift, bie in ben f})äteren 2Beil^nac^tSfj)ielen trabitioneU Würben. 66
Sor allem bie ^umoriftifc^e ©c^ilberung beS alten S'^f^t^^f '^^ jwerft in Set^le^em bei
mel^reren groben SBirtSleuten Dergeblic^ ein Unterfommen fuc^t unb jpäUx ftd^ baju
l^erbeiläßt, baS Äinb gu Wiegen unb il^m einen Srei ju !oc^en. Die §irtenfcenen gaben
Slnlaß gu realiftifd&sfomifc^en ©d^ilberungen beS SanbDolIS auf (Srunb eigener Seobac^s
tung, ba;\Wifd^en finben fic^ auc^ rofofo^afte ßinWirlungen ber ^aftoralj)oefie. gn ben eo
648 &pitU, getflltc^e ®pttta
2)rciföni0^s unb §crobc^fccncn finbcn totr öftere Slnflänge an ba^ ©j)icl be^ ^an^ Bad^
,,(£nt))fen0nufe unb ©eburbt Soi^anni« unb 6l^rifti", bicfe ©cencn crfc^einen aud) hxritcrbin
öfter« mit ben aBetl^na^töf^ielen ju einem ®anjen öerbunben. äud^ fommt c« bor, bafe
ba« SQ3ei^naci^t«fj)ieI mit bem Stbüent^fpiel bereinigt tpirb, bei toclc^em ba« G^tfinb
5 umF^erjiel^t, um jtc^ ju überzeugen, ob bie Äinber fromm unb fleifeig fmb, ein ©^iel, bas>
mit uralten germanifd^'l^eibnifc^en Sorftellungen ^ufammen^ängt. g^^^föK^ ftnb biefc
finnboHen ©ebräud^e, iüie Sogt mit Siedet bemerft, lebenötoert unb barum and) am geben
gu erf^alten. dretsenai^.
^pitta, grance^co, geb. 1502, ^eft. 1548. — iJittcrQtur:(Vergerio) LaHistoria
10 dl M. Franc. Spiera, 11 quäle per hauere in varij modi negata la conoeciuta veritä deirCuan-
gelio, cascö in vna miscra disperatione ... (2. 91uÖfl.) 1551; 9?eubruff: BibL d. Riforina
It. II (Jloren^ 1883); Fr. Spierae Civitatulani horrcndus casus, qui ob negatä in iudiciu
Evangelii veritatem in miseram incidit disperationem . . . (S3a[el 1547), ed. S. S. (Surionc:
ha^\, mit geänbertem ^itel (Historia Fr. Spierae . . . Basileae 1550), (3n^aft: 33orroorl
15 6iiriüne§; ÖJefcf). be§ ©p. nod) SSevgerio; Epistola Gribaldi; (Salüin an ben gcfcr, SSonron
ju bem Exeraplum niemorabile Henrico Scoto auctore fnu(^ in Op. Calv. Ck)rp. Reff. H7,
855ff.]; ÖJefd). bcö @p. Don 8ig. öJelouö; SSergevio an SRotta; 93orr^aus>' ?lb^anblung; 3n-
be^'. 2)aöf., o()ne 0. u. 3.; ba^f., Tubingae 1558. ^eut(cl)e ^lu^g. 1558, 1559, 1630, mi
ugi. Hubert, SScvgerioä publicift. 2:f)fttigfeit 1893, 6. 207 f.) — 9?ot^, &r. ©piera^^ fiebcneenbf.
20 9?üniberg 1829; Sijrt, ^. % SSergeriu^ (1855), 6. 125ff.; Somba: gr. 6p., Episodio della
Rif. rel. in Italia. Con docc. orig., giren^c 1872; beif., I nostri Protestant! II (girenje ISlKi,
6. 257—295; 9?önncfe, ^x. 8p., .^amburq 1874; Sommevfelt, &r. 8p., ein llnglii(flicf)er.
91. b. iWornjeg. Don Raufen 1896 (ugl. X^fiS3l 36, 437); de Leva, GH Eretici di attadella
(Atti deirist. Veneto, vol. II, ser. IV [1873]); ^enralt), ®efd). b. ^ef. in SScnebig (18S7),
25 8. 35 f. @nt)äE)nt finbe id) : Epistola di Giorgio Siculo alli cittadini di Riva di Trento
contro il mendacio di Fr. Sp. et falsa dottrina de* protestanti, Bologna 1550.
©piera, 9lec^t€anh)alt in ßittabeßa, tourbe 1548 feilend bed 3"^wifition^eric^te^ in
3?enebig in Stnflage h?egen Äe^erei berfe^t unb baö 3Serl^ör am 25. Tlax begomicii
2)abei tritt bon boml^erein baö Seftreben be^ Slngeflagten ^erbor, feine äbtvei^ungen ,
90 t)cn ber fat^olifc^en Se^re fei eö ^u leugnen, fei eö ab^ufd^toäc^en. Slber ba« ^If niAt,
jumal i^m and} ber Sefife fe^erif^er ©Triften nad^getoiefen tourbe. 3" ^^ Sefürc^tung,
fein 3lmt ju berlieren unb bamit ber SKöglid^feit, feine fel^r ja^lrei^e gamilie ju er-
nähren, beraubt ju h?erben, erfd^ien er bann am 12. ^uni B\>. Dor ben SRic^tem, um „rcu--
mütig" ein ©eftänbni^ abjulegen. @^ tourbe i^m am 26. ^nnx nad) geiciftetcr ^h-
36 fc^tüörung bor bem "Iribunale auferlegt , öffentlich ^u h)iberrufen unb gtoar foh?oM in
ber SKarfu^fird^e in 33enebig aU and) in ber §auftfirc^e ju ßittabeHa nac^ bem $c*^
amte am ©onntag ben 1. §w^i 1548.
©iefe 2lbfd;n)örung mit ibren golgen l^at bie ^erfon B\>.^ ju einer Sebeutung im
Steformation^jeitalter erf^oben, bie il}x fonft teine^hjegö gugef ommen fein mürbe, älö Sj).
40 nad) »^aufe jurüdffel^rte, fo erjä^lte er felbft, begann „ber ®eift", b. l). eine innere ©timmc,
i^m aiorU)ürfc gu mad^en, bafe er bie ffia^rF^eit berleugnet, bafe er ©Ott felbft ben ©c^
F^orfam aufgejagt, in ber geleisteten 2lbfcf>n)örung i|^m ben (Sib gebrochen i}ahc. Gin
furd^tbareö fingen begann in if^m jtoifc^ien S^roftgrünben aller 3lrt, bie er felbft fucfctc,
ober bie i^m bon ben ©einigen unb §reunben nalje gebrad^t hjurben, unb einer ^offnuncj^
45 lofen äiergtoeiflung, h)ie fie i^n in bem 33eh)ufetfein ergriff, bie ©ünbe toiber ben beiligen
Seift, bie nid^t bergeben h)irb, begangen ju f^aben. 5Wonatelang toäl^rte biefe« Slingcn,
ba^ ben ftarfen Wann aud^ i>^^fifc| auf ba^ aufeerfte angriff unb Slnla^ gab, ihn nad)
$abua in bie 33ebanblung ber berübmteften Slrjte übergufül^ren. 2ltte^ bergcbenä. Sis^
iüeilen fc^ien e^, al^ machten bie jrofttoorte ber ^reunbe ober gelbiffe SibelfteUcn uon
60 ber SlUgemeinbeit ber ©nabe ©otte^ ßinbrudf auf i^n; bann lag er ftitl unb mortlo»
ba — aber J)lö^lid^ ergriff ibn ioieber bie SSerjtoeiflung unb jammemb brac^ er in bie
Älage an^: „3luf mid^ finbet folcf^e SSer^eifeung feine Slntoenbung, id^ fann nic^t mel^r
gerettet toerben: eö ift fc^redlic^, in bie ^änbe be^ lebenbigen ©otte^ gu faBen!"
2tn bem Säger bc^ Unglücflid^en in $abua fanben fi^ 5JZänner gufammen, loclcfcc
65 innerhalb ber religiöfcn ÖctDegung ber ^^t l^erborgetreten fmb — ber berühmte Stet^t^-
lcl)rer an ber Uniberfität Siatteo ©ribalbi (f. b. art.SbVII ©.159), ber ©c^otte ßemv
©cringer (Enrico Scoto), ber ^-)3ole ©igiömunb ©elou^ unb ber Sifc^of bon 60^)0-
biftria $ier ^^aolo i^ergerio (f. b. 9(rt.). 3(tlc biefc l^abcn (bgl. oben) Sefc^reibun^en
bcjtb. 3JJittctlungen unb Urteile über ba^ gegeben, Wa^ bor i^ren Slugen ftc^ abfpicltc.
60 ©0 ftnb toir über bie (Sinjelbciten bc^ fur^tbaren Äamjjfc^ unterrichtet, ber furj mi
erfolgter StüdEfübrung in bie §eimat burd^ ben 3;ob enbigte.
Spina Spi^amt 649
2)cr ®inbruc!, toeld^cn bic Jragöbie auf bic Umgebung ©}).« mad^tc, fricgclt ftd^ in
ben Seric^tcn ber Slugcmeugcn ab, Sluf hjcnigftcn« einen unter il^nen, 3Sergerio, i)at fie
fo gehjirft, bafe er eine fru^tbare 3)iaf^nung für fid^ f eiber baüon trug; ate er ein ^af)x
fl)äter feine« Siötumö entfe^t unb ju ben ^roteftanten ftd^ toenbenb nac^ Safel Tarn,
fagte er bem ^ßrofeffor Son^au«: „^6) toäre je^t nic^t l^ier, toenn id^ ©p. nid^t \>ox 6
3lugen gehabt ^äitt . . . ®erabe im redeten Slugenblicf f)at ®ott mid^ mit il^m ju^
fammen gefül^rt, um burc^ ben 2lnblicf feineö grauenl^aften Serjtoeifelnd mic^ in bem
SBiberftanbe gegen baö Sleifd^, bie SBelt unb il^ren ^rften, ben Xeufel, ju ftärfen."
Unter biefem (Seftd^t^tüinfel ift ber casus Spierae ben meiften ber 3)amaligen erfc^ienen
unb i}at hjeitF^in atö tüamenbe« 3^'^^" aufeerorbentlid^ getoirlt. Über fein ))erfönlic^e« lo
SJerfc^ulben l)at Galöin ba« fc^ärffte Urteil gefaßt, toenn er aud^ ,,ienem Sanbe, Wo bie
?Die^rj^abl toeber an einen lebenbigen (Sott unb Schöpfer, nod^ an ben ^ufünftigen
SHic^ter mel^r glaubt", folc^ einen Sel^rmeifter gönnt. „2)enn biefer offenbar tpinbige unb
e^rfüc^tiger Dftcntation ergebene 3Kenjc^ lüoUte in Gl^rifti ©c^ule ))^iIofo))l^ieren unb
brängte ftd^ eine ^txt lang unter bie, ju benen er nic^t gel^brte. Sluö feinem ©d^iifal i6
mögen bic ^töK^ner, toeld^e nur gu gern mit ®ott \pkkn, e« lernen, bafe er feiner nid^t
fpotten lä|t . . . Slber auc^ unfere leichtfertigen unb fritjolen granjofen mögen barauf
ad^ten, tuie aud; bic 2)eutfc^en, bie unter il^ren gegentüärtigen ©rangfalen faft jebe«
feinere ©cfüF^I öerloren ju l^^aben fd^einen -— enblid^ bie ßnglänber mögen erfennen, mit
toclc^cr ©l^rfurd^t unb h)ie eifrig fie ßl^riftum aufnehmen muffen, beffen erfte Strahlen 20
ftd^ eben i^nen jcigen."
Über ba^S dnbe Bp.^ h?iffen bie ^abuaner Scric^terftatter nic^tö anjugeben. ©0
lonntc fic^ bie Srabition bilbcn, ba^©}). felbft fd^liefelic^ $anb an fic^ gelegt l^abe, unb
fo bie 3)tär Don feinem ©clbftmorb fogar in ben Dizionario storico di Bassano über^
ge^en. SlDein bie öenetianifd^en 3l"<|wif^^on«aften, toelc^e über feinen ^ßrojjcfe genaue 25
äiuSfunft bieten (abgebruit bei ßomba, %x, ©})iera 1872), laffen feinen 3*^^W barübcr
befte^en, bafe er, unb xtoax );h)anjig Sage nac^ berSRürffe^r am 27. ©ejember 1548, im
eigenen ^aufe natürlichen lobe« tjerftorben ift. 2)er Srj^riefter bon ßittabella lüar burd^
ben 3tubitor bc« Segaten beauftragt iDorben, über bie Umftönbe bei bem lobe be«
„SRcuigen" ju berichten, ber ben geleifteten 9leinigung«cib ate bie ©ünbe lüiber ben 30
^eiligen ®eift anfaf^. £)b\Doi}l nun bie Slnttoort bal^in lanUU, bafe ©>). bi« jum ©nbe
babei geblieben fei, ift bon eöentuell angebro^ten tüciteren 3Jta|na^men (dimostrazioni
a Chi tenesse mala opinione) gegen ben bereit« 3Scrftorbenen nid^t« me^r erfolgt —
man fc^eint ftc^ ftillfc^tDcigenb bem Urteile ber berid^terftattcnben ^riefter angefc^loffen ju
l^abcn, ba^ ©p. nic^t mel^r jured^nung«fä^ig getoefen fei. ^cttrat^. 35
Spi^amt, gafob "i^aul, geft. 1566. — La coppie du procfes criminel fait par les
tr^-honorcz Seigneurs sindiques, juges des cause» criminelles de la ville et cit^ de Gen^ve
contre Jacques Spifame avec la confession du dit Spifame ^tant au lieu du Supplicc,
Genbve 156G; lueitere 9^ad)ridUen über iE)n: Memoire de Cond^, Tom. IV; 2^t|. be ©55c,
Histoire eccl^siastique des Eglises R^formdes au Royaume de France, Tom. II; Senöbier, 40
Histoire litt^raire I, 384sq.; @pon, Histoire de Genbvc, Tom. II; Calvini opcra,
5Bb XVIII— XXI passim; $iaafl, La France protestante IX, 309s8.; ^. iSl. ©airb, Th. de
B^ze et Taffaire Spifame, in Bull, de la Soc. de Thist. du prot. frany. 1899, p. 22888.
(53b 48). — 9lu6cr ben in M^moires de Cond^, Tom. VI enthaltenen 9fieben fd)veibt man i^m
JU : Discours sur le cong6 obtenu par le cardinal de Lorraine de faire porter armes d^fen- 45
sives H ses gens, $ari§ 1565 unb bie lateinifc^e Uebcrfefung ber Refutation des folles res-
vcries et mensonges de N. Durand, 1562.
^atob 5ßaul ©j)ifame, §err Don $aff^, ftammte au« einer angefel^enen italienifc^en
gamilie, bie feit bem 14. S^l^r^unbert in ^ranfreic^ fid^ aufl^ielt. ©r toar im ^a})xz 1502
in ^ari« geboren alö ber jüngfte öon fünf Srübem. 5Rad^bem er bie Slec^t^elel^rfamleit 50
ftubiert l^atte, tourbe c« ihm burd^ ben ßinflu^ feine« SSater« S^bann, ber föntglic^er
©efretär toar, leicht, rafd^ eine angcfebene ©tcKung gu erringen, jumal ba ©j)ifamc felbft
burc^ Xalcnt unb ®efc^äft«gch)anbt(>eit, befonber« in ginanjfac^en, fic^ au^jeid^nete. 6r
hjurbe balb ?Hat im Parlament, bann pr^sident aux enquötes, maitre des requetes,
juleftt Staatsrat. 2)a trat er auf einmal in ben geiftlic^en ©tanb ein — bei ben äufeerft 55
bürftigen 5lac^ric^tcn über fein lieben fonnte ic^ leinen ©runb ju biefer ^anblung ent^
bec!en; nic^t unmöglid^ toäre e«, ba^ er Don Slnfang an conseiller-clerc im ^arijer
Parlament getDcfen unb fpäter \xd) gan^ ber geiftlid^en Sf^ätigfeit getoibmet f)at, — Slud^
i^ier öffnete ficl^ ibm eine glänj^cnbe Saufbabn; er hjurbe Äanonim« in 5Pari«, Äamler
ber UniDerfität u. f. to., ©encralbifar be« Äarbinal« Don Sotl^ringen, mit bem er fc^on eo
650 ®)itfame
frül^cr in l)crfönnc^cr Srfanntfd^aft ftanb unb ben er auc^ gum Äonjtl nad^ Irient bc^
gleitete, ^m Dftober 1548 erhielt er ben Sifc^of^ft^ bon 9ieber«; 11 ^al^rc ^ttc er
benfelben inne gel^abt, afe er auf bie SBürbe ju (Sunften feine« Sieffen Ggibiu^ twjic^tetc
unb fid^ nad^ ®enf begab, h)o er balb öffentlich ficf^ ;ium ))roteftantifc^en ©tauben be=
5 tannte. Sieben ber j)erfönlici^en Überzeugung — §ub. Sanguet öerftc^ert, er fei fc^on feit
i^ücx 3jfl^ren ber Äe^erei Derbäd^tig getoefen — mochten xi)n and) anbere Setoeggrünbe
In biefem Schritte getrieben l^aben; er gab ^toar ein Ginfommen i>on 40000 Sit), auf,
tüufete aber bod^ einen fd^önen 2eil feine« aSermögen« ju retten, fo bafe er nic^t nur
anftänbig in ®enf leben fonnte, fonbern fogar burd^ feinen Sluftianb auffeilen erregte.
10 gine §au})ttriebfeber ju jenem ©ntfd^Iufe trar getoife fein ajer^ältni« gu Äatfcarina üon
®a«))eme. ©ie toar bie ßl^cfrau be« löniglid^en ^Profurator« Etienne le Gresle in
5Pari«, al« ©jjifame fie fennen lernte; er öerfü^rte fie unb fte gebar i^m einen ©obn,
Slnbrea«, t)ier 5Konate öor bem 3:obe i^re« 3Kanne«, im % 1539. ©eitbcm lebte fie
mit ©))ifame, unb er fd^eint eine fog. ®eh?iffen«e^e mit il^r eingegangen ju f^abm, beren
lögruc^t eine ioc^ter, 3tnna, tüar. Um nun biefe gtoei Äinber gu legitimen (Srben gumaien,
entbedfte er fein SJcrl^ältni« gu Äat^arine bem ®enfer 9lat unb Äonfiftorium , erfidrtc,
ba^ er afö ©eiftUc^cr fie niqjt f^abe l^eiraten fönnen unb bafe er au« gurc^t tyox 9?er=
folgung geflol^en fei (bie« Se^tere toar aUerbing« nic^t unbegrünbet, benn ba« $arifcr
^Parlament erliefe eine Sorlabung an i^n) unb am 27. 3«^ 1559 lüurbe feine G^ für
20 giltig erllärt; aber ©})ifame f^atU fid& babei eine« 2?erge|en« fd^ulbig gemad^t, ba« ibm
fpätcr ben lob bringen foltte. @r ^atte eine Urfunbe borgeiüiefen, in toeld^er feine
®ett)iffen«ef^e mit Äat^arine bon beren Sater unb D^eim gebilligt tourbe. ©iegel unb
Unterfc^rift toaren öon ©})ifame gefälfd^t unb ber Äontraft bor ba« ^al)x 1539 jurücf^
batiert, um bem erften Äinbe bie Sd^mac^ be« ©l^ebruc^« ;iu nehmen, eine §anblung, bie
26 moralifd; ebcnfo t^ertoerflid^ , al« xtd)tix6) unflug toar. (gr führte al« §err t)on ^afito
ein rec^tfc^affene« 2eben in ®enf, feinen Suju« berjicl^ man i^m lüeaen feiner 2BobI-
tl^ätigfeit, feine Dielfettige Silbung unb ®eh)anbt^eit tourbe l)on ber 9te))ubKf unb toon
ben frangöfifd^en ^roteftanten mannigfad^ benu^t unb ban!bar anerfannt, unb im
Dftober erf^ielt er ba« ®enfer Sürgened^t. Salb fel^nte er ftc^ nad^ einer beftimmten,
30 fcftcn 2^l^ätigfeit unb er Verlangte, jum proteftantifc^en ®eiftlid^en getoei^t lu tperben.
(Sabin unb ik^^a, bie il^n mit grofeer Sichtung bel^anbelten, fanben nic^t« eingutoenbcn,
unb fo berliefe er im ^al^re 1560 ®enf unb tourbe ^rebiger in ^iffoubun.
2tuc^ anbere ®emeinben begel^rten feine 2)ienfte, fo feine frül^ere ®emeinbe in Sletoere,
unb ßalöin fd;rieb il;m baju: toenn er früher nur bem Jitel nad^ Sifd^of gctoefen fei,
85 fo foHe er biefen %ci)lct gut mad^cn unb e« je^t ber 3:^at nad^ fein; boc^ fc^eint et
bort nid^t gcjjrebigt ui ^abcn, bagegen finben ioir i^n in Sourge« unb ^}5ari«. &n
ungleid^ loid;tigerer ®ef(^äft«frei« eröffnete fid^ i^m, al« ber erfte Steligionslrieg au«bra4
unb bie ^rotcftantcn barauf bebac^t fein mufeten, eine Sinmifd^ung be« beutfc^en 9leicbc^
ju Derl^üten, tuenn fie nic^t gerabe ^u i^ren ®unften ftattfänbe; 6onb^ fd^idtc Spifame
40 al« feinen ®efanbtcn ^n bem gürftentage in ^anffurt (2l^ril bi« 5RoDember 15r)2).
211« ätbcligcr, al« berebtcr 2:^eolog unb getoanbter 3Dlann iüar er biefem auftrage Doö-
ftänbig gctüad;fen. @r legte bem Äaifer gerbinanb ein ®lauben«betenntni« ber &hW'
gelifc^en in granfreic^ bor, flar unb beftimmt abgefafet, befonber« au«fül^rlid^ in ba
2cbre Don ben ©aframenten; ebenfo übergab er öier Sriefe Don Hatl^arina Don 3)Jebici,
46 li)c(d;c an 6onb^ gerid^tct unb ioorin fie il^n in feinem SBiberftanbe gegen bie ©uifcn
untcrftü^t l}attQ] e« foHte bamit ber SetDci« geliefert tuerbcn, bafe 6onb^ unb bie Seinigen
nid)t al« 3lufrül)rer, fonbern eigentlich mit ^wftimmung unb im Sluftrage ber Äönigin-
SDJuttcr in ben Sl^affen gegriffen ^aUn. 3""^ ©dbluffe bat er ben Üaifer, bie 'Jln=
tDerbungcn, ioclc^e im 5?amen be« 2:riumDirat« gefd^al^en, ju unterfagen. ©^ifame fonnte
50 mit bem (Srfolge feiner 5Heife jufrieben fein, er ^atte ben Semü^ungen änbelott« unb
93eja«, bie nac^ i^m 2;eutfd)lanb im gleid&en 3^^*^ befuc^ten, ben 3Beg gebahnt. —
Sei feiner 3"^üd!unft nac^ granfrei^ tourbe er mitten in ben Ärieg«ftrubel ^ineim
gejo^en, unb al« ber öerr Don ©oubife [xd) V^on« bemäd&tigte, übernahm ©})ifame bie
(SiDilDcrivaltung ber ©tabt. ^n biefer ©teßung blieb er bi« jum ©c^luffe be« griebcn^
65 Don aimbüife (19. 53Järj; 1503), bann fe^rte er nac^ ®enf gurüd, ba« i^n iDö^renb feiner
älbmcfcnl^eit in ben ^iat ber ©ec^^^ig gemäl^lt hatte (9. ^ebruar), gerabe um biefelbe ^cxt,
ba ba« ^Parlament Don ^^ari« ibn in contumaciam Derurteilt ^att^f auf bem ®r^De-
))la^c gebenft ju hjerben (13. ^ebruar). Slber noc^ fanb ber t^ätige ®eift biefc« 5IKanne^
feine ^Ku^e. ^m 3i«"itar 15G4 reifte er auf ben äBunfc^ ber Äönigin Don 9?aDana,
60 ^ol;anna b'2llbret, nac^ ^^Jau, um beren Angelegenheiten ^u orbnen : ber Slufcnt^alt bort
Sfiifame Spina 651
lüurbe für il^n tjerJ^ängni^oII; unbcfricbigt unb im §abcr mit ber Äönigtn lam er \)on
bort im aij)ril 1565 gurüi. ^^m folgte ein 33rief öon Seja boll Sortoürfe, toeld^e
So^anna gegen ben größten Sügner unb el^rgeijigften ÜRenfd^en fc^Ieuberte; freiltd^ l^atte
er fie and) auf eine Säeife beleibigt, toeld^e ba^ gange G^rgefü^l einer %xa\i unb Äönigin
rege mad^en mufete, inbem er ftc^ fo toeit öergag, ju fagen, §einric^ (IV.) fei nid^t ber 6
©o^n Slnton« öon Sourbon, fonbem be« ©eiftlic^en 9Jlcrlin, mit toelc^em ^o^^nna im
ßl^ebrud^ gelebt ^abe. 2Bie leidet lonnte ein folc^er SSorlDurf gegen il^n gefeiert toerben!
Salb ^äu^en [\ä) bie Unanne^mlic^Ieiten feiner Sage; man fagte, er ftel^e in Unter*
^anblungen mit granfreic^, um bag Sidtum 3;oul ju erlangen, ober er tooKe Ober«
intenbant ber ginanjen toerben. ©ein 9leffe ^aloh , ber bad ganje ©e^eimnig feinet lo
3ufammenlebeng mit Äat^arine (äaiptxm h)u|te, l^tte Älage gegen if^n erl^oben unb
feine Äinber aU nid^t erbfäl^ig bejeid^net. (Slaube ©eröin, ate Slntoalt t)on 3ioi^anna,
f tagte il^n ber 93eleibigung be« föniglid^en §aufe^ öon SRatoana an, unb beibe gingen
naq ber (Senfer ©itte am 11. 3Rärji 1566 in^ ©efängni«. 9luc^ in (Senf toaren ©e*
rüd^^te über feinen ®^ebruc^ unb feine ^älfc^ung laut getoorben, man orbnete ba^er eine 15
Unterfuc^ung feiner 5ßaj)iere an. 2)abei entbedtte man einen bom 2. 2tuguft 1539 baticrten
ß^elontralt. ©})ifame^ grau mu^te auf befragen geftel^en, ba^ fte biefen Äontraft crft
öor jtoei ^a})xtn unterfd^rieben f)ab^, unb ebenfo leugnete er auc^ nid^t, ba^ er bie
übrigen Unterfc^riften unb©iegel gefälfc^t l^abe; feinen ß^ebrud^ glaubte er öerjäl^rt unb
burcp feine nac^^erige 33erl^eiratung toie burc^ ein tabellofe^ 2Am feitbem gefül^nt. SJon 20
jenem jtoeiten Äontralte l^abe er überbie^ feinen ©ebraud^ gemacht. 2)ie^ toar nun
rid^tig, aber nottoenbig mufete ftc^ bie Unterfuc^ung aud^ auf ben erften erftrcien, unb
biefer, t)on bem ©pifame t)or Galtoin unb anberen Seuten lüirflic^ (Sebraud^ gemad^t
^atte, ertoieg fic^ ebenfalls ate falfd^. 3)ie Slnflage, ate l^abe er gegen bad §au^ SRaöarra
gefd^rieben, toied er mit (Sntrüftung jurüi; ben Sifd^ofdfi^ öon loul l^abe er nid^t be5 25
geirrt, um toieber gur fatl^olifd^^en Hird^e überzutreten, fonbem um ate rechter Sifc^of bie
.v>erbe ßf^rifti ju toeiben. 2)a^ bie^ eine ©elbfttäufc^ung h)ar, liegt auf ber $anb, aber
äße jene 3tnllagen öcrfd^toanben bor bem Serbrec^en ber boj)})elten gälfc^ung; ber (Senf er
9lat fjjrac^ ba^ lobe^urteil über i^n an^, 2)ie Sertoenbung ber Serner unb 6oligni^«
(iüeld(>e le^tere aUerbing^ gu \pät eintraf), bie Erinnerungen an bie 2)ienfte, toelc^e er ber so
!iHe})ublif unb ber proteftantifc^en ©ad^e überl^au})t geleiftet f^aiU, f^alfen ni^t^. 3tm
23. (25?) 3Rärj 1566 tourbe er auf bem 3Kolarb entl^au))tet; mit großer ©tanbl^aftig^
feit erbulbete er ben 2ob.
Sei ben bürftigen 5lad^ric^len über il^n ift e^ nic^t ganj leidet, feinen (Sl^arafter ju
fd^ilbem unb ein Urteil über il^n auögufj)rec^en. ^m gangen mad^t er burc^ fein un- 35
ftäteö unb Dielgefd^äftige« SBefen ben ©tnbrucf eine^ 2lbenteurerg.
(X^eobor ^djvtt-f) &. Sail^cttmantt.
Spina, ail^^on« be, ä^ologet im 15. ^al^rl^unbert. — 3. 9(. JabriciuS, Bclectus
argumentorum et Syllabus Scnptorum, qiii de verit. relig. ehr. adv. Judaeos etc. etc. dis-
putaruut (.^ambiirg 1725), p. 575 f.; ^liM. '^Intoniuö, Biblioth. vet. Hisp. X, 1) (citievt bei 40
gabriciuS 1. c); jRic^arb ©imon, Biblioth. critique (1708), III, 316—322; Sdbrocfb,
Ä® XXX, 573 f.
Sllfonfu« be ©})ina, einer ber naml^afteften antijübifc^en unb antii^lamifd^en 31^)0«
logeten Ui au^el^enben SWittelalterig, lüar bon jübifd^er §erfunft. 9Jad^ feiner Sefc^rung
trat er in ben §rangigIanerorben, tourbe Sleftor ber ^ol^en ©c^ule gu ©alamanca unb 46
mleft (1466) Sifc^of Don Drenfe in (Saligien (geft. 1469). @x gilt tool^l mit Siecht afe
Serfaffer beö apologetifd^en fflerf^: Fortalitium fidel contra Judaeos, Saracenos
aliosque Christianae fidei inimicos, toelc^cd anonym guerft 1487, bann 5lümberg
1494, fotuie noc^ öfter (g. S. 2l;on 1511, 1524 unb 1629) erfc^ien. äu« ber angäbe
in ber Sorrebe, bafe e^ t)on einem berübmten Seigrer ber grangi^faner im ga^re 1458 60
^u SaHabolib berfa|t fei, fd^eint fic^ mit Seftimmtl^eit fein §errü]^ren t)on Sllfong
be ©)). gu ergeben. 2)ag SKJerf gerfäHt in Dier Sucher, jebe^ lüieber in mehrere con-
siderationes. Sud^ I betoeift ausJ bem gintreffen ber in ber SQSeiigfagung an^
gegebenen 3)lerlmale, ba| gefu« ber toa^re 9Jieffta« fei; S. II befc^äftigt fic^ mit ben
|)äretifem unb fd^lie^t mit einer ©d^ilberung ber mancherlei ©trafen berfelben. S. III 66
ift gegen bie ^uben gerichtet, beren (ginlüürfe gegen ba« ß^riftentum e« in üblicher
SBeife tuiberlegt. 3)a^ le^te Suc^ lägt auf eine einleitenbe Äritil be« SReligionöf^ftem«
ber aJJuf^ammebaner eine nic^t unintereffante, freiließ einseitige 2)arfteHung ber «äm))fe
gtüifd^en ben ß^riften unb ©aragenen folgen.
65tj ^pim ^pinüla
Über Sartolomco Bpxm au« ^ifa (pöjjftl. ^alaftmcifter unter ^aul III. 1542— IfJ,
Serteibtger be« §e£entt)al;nö in ber Schrift De strigibus et lamiis [t523J u. a. llxaU
taten, aud; äljologeten be«5 Unfterblid^fett^glauben« gegenüber ^etru« ^om)ponatiu^ (in
b. Tutela veritatis 1518), ber irrigertoeife manchen aU 3Serfajfcr be« Fortalitium
6 gegolten ^at, f. Duötif^ßcl^arb, Script. O. Pr. II, 126 sq. (ögl. ben 2(rt. „§ejcn :c."
VIII, 33, 59 f.). («Rattet t) S^dUx y.
Bpinola, ßbrifto})^ SRoja« bc, latj^olifd^er Unionift im 17. S^^rl^unbert. —
iiitteratur: 3n Söetracöt fommt ^imäd)ft bie oben oov bcm 9lrt. ,,2eibni.V' 93b XI 3. 35.) f.
angegebene fiitteratnv. Sobann : 3)Zain5er 5Sor(d)Inge oon 16G0 jur SHcIic^ions^ücrciniguncj in
10 (Övnber, (Jommerc. lit. Leibnitii T. I, p. 411 sqq. De commcrcio epistolico Leibnitiano circa
reconciliandarum ccclesiaruin Protcstantium opus: Annal. lit. Heimst, ann. 1784, vol. I.
p. 385. Union§uovfd)lä(^e üon 1673: Unfdi. ^^ad)!'. 1718, ©. 947 ff. itniferl. S^oÜinad)!:
llnfd). ^JJac^r. 1753, ©.888; 3- ^lanrf, ÖJefd). b. piot. Xtieologie, 6.314; ®icfeler, ÄOM,
181 ff.; 3. ©d)mibt, i^eibni^ nnb bie ßirdienuereinigung: öJrenjboten 1860, 9h-. 44 unb 45.
16 3. 3k'. kie^U 3)er griebenöplan beö Seibnij jnr SBieberoereinigung ber getrennten d}rlftlict)en
Ä'ivd)cn, «Bobevborn 1904.
<Bp, h)ar gran^töfanergeneral ju 5!Jlabrib, tarn aU 33ei(^tDater ber Äaiferin 3Kargareta
Iberefe, ©ema^lin Seopolb« I., Stoc^ter $l^ilt))j)« IV., nac^ SiMen, tüurbc auf ibre 3>cr^
hjenbung öoni ^a^)fte jum 3:ituIarbtfc^of t)on 3:ina in Kroatien ernannt, erhielt im 3abrc
20 1685 t)om Äaifer ba« Si^tum 35Jienerifc^=9Jeuftabt unb ftarb ben 12.2)Jär^ 1695. 2öenigcT
ein großer Sl^eolog, aU ein getoanbter Unter^änbler unb aU folc^er mebrfadb mit bi^lo-
matifd^en ©efd^äften betraut, t)on gefälligen, toeltmännifd^en 5!Jtanieren, lüobimeinenb unb
Don irentfc^er ©efmnung, ioar er Don h)armem ßifer für ben $Ian, bie ^roteftantcn,
umäc^ft 2)eutfc^lanb^ unb Ungarn^, burd^ 3"Ö^f^^"^"^ff^ f^^ ^^^ SBieberbcreinigung mit
25 älom JU geioinnen, erfüllt unb i)at fid^ in unermüblic^er SE^ätigfeit lange gabre bin^
burd^ ber Söfung biefer fcf>h)eren Slufgabe geh)ibmet. S3ei bem bamal^ an Dielen pxo^
teftantifd^en ^öfen 3)eutf4^Ianb^ l^enfd^enben religiöfen 3i"^iff<^^"^^"^w^^ ^^i ^^" ^"f-
faHenb milben ©efmnungen, toelc^e ben ortl^obojen abloten gegenüber bie S^eologen ber
§elmftäbter ©d^ule gegen bie fat^olifc^e Äirc^e funbgaben, fc^ien ein SJerfud^, bie i^rc:
30 teftanten jur Sinf^eit ber Äirc^e jurücfjufüF^ren, h)of?l äluöftd^ten auf ©rfolg ju babcn,
jumal e^ auc^ in ber 3^^t U)äl^renb unb nad^ ben ji>nlretiftifd^en ^änbeln nid^t an 3tuf^
fe^en erregenben Übertritten foId;er fehlte, bie eingeftanbenermafeen t)or ben einigen Sc^
febbungen ber 2:F)eoIogen Stulpe unter ber infallibelu Slutorität beö ^a^fteö fucbten, ober
auc^ au^brüdlid^ auf ben Don ßalijt geltenb gemadf^ten ©runbfa^ ber normatiDen 3lutoritat
36 ber erften fünf c^riftlic^en ^af^r^unberte fid& beriefen (Dg(. (^iefeler a.a.O. S. 177 ff.).
Unb bie Hoffnung, DieUeic^t auf bem 2Bege frieblid^er 3?erbanblungen ein grofee^^ ^crf
JU DoHbringen, meld^e<^ feine i>orfabreu burc^ 3Hittel ber ©etpalt nid^t l}atUn burcbfc^cn
iEönnen, Dermoc^te aud; ben bigotten unb Don ben g^fwiten abbängigen Äaifcr i'eo^^olb,
ber bie ^roteftantcn in feinen ßrblanben auf brutale 9Beife Derfolgen liefe, für ben in
40 ^Hebc ftel)enben Union^})lan günftig ju ftimmen. ©0 begann ©})inola, nac^bem er ficf»
fd;on 1671 mit bem päpftlid^en 3iuntiuö ju Jöien inö GinDerftänbni^ gefegt hatte, mit
faiferlid)er ©enel^migung feine mögli4>ft geheim gej)flogenen Serl^anblungen mit beutfdKn,
lutl^crifi^en mie reformierten, gürften unb Ibcologen. 3i)ian ^at tDo^l an ben mciftcn
Crtcn feine 5?orfd)läge mit bem ebenfo entfc^iebenen toie tDo^lbegrünbeten SRifetraucn
45 aufgenommen, treldjeö mit bebauernber §init?eifung auf bie gerabe auc^ in ben öftere
reid?ifd?en ©taaten fortträ^renb ftattfinbenben SSebrüdungen ber ^roteftanten ba^ unterm
27. !Juni 1682 bem Alurfürften Don Sranbenburg Don feinen berliner ^ofprcbigent
eingereid)te ablel^nenbe @utad)ten au%rid)t (f. gering, ©efc^. ber firc^li4)en Unione-
Derfud^e, 2.53b, 1838, ©.212 f.). 2)oc^ liefe aud; bie auf ben Äaifer ju nef^menbe Md-
60 ft4»t nic^t JU, ben öeDollmädt^tigten be^felbcn oFjne hjeitere^ abjuh)eifen. 5Ramentlict)
aber fanb er auc^ einen günftigen ©oben in ben berjoglid^ braunfc^tt)eigifc^4üneburgif(bcn
Sanben unb Dor allem in i)annoDcr. öier fanb er ben feit 1651 !atl)olifc^en ij^rjcii
^o^ann griebrid; mit feiner ©emal^lin 33enebifte, einer gleichfalls fat^olifd^en ^fäl^cr
$rinjeffin, obfd;on freilid; baS 35erl;ältniö ju ben ijroteftantijc^en Untertl^anen bop^citc
65 i>orfid^t gebot, gern bereit, baS Unionöircr! ju förbern ; unb mit noc^ gröfeerem Giicr
nabm fid; beffen 'trüber unb 9tad;folger (feit bem 3- 1679), ber in religiöfen Singai
gleid;giltige unb einem )3erfbnlid?en SonfeffionStDecbfel burd^>auS abgeneigte, aber gut öftere
reid;tf4> gefinnte unb baju nod; gerabe auf ben Älurbut refleftierenbe iperjog gmft Jluguft,
um bem Äaifcr gefällig ju fein, in äJerbinbung mit feiner ©emal^lin Sophie, einer Joc^ter
60 be^ unglüdlic^en 33öl;mentönigS griebridE; Don ber ^falj, ber Sac^e an. Unb ber erftc
(Bpinüla 653
©etftlid^c be« Sanbe«, ber lüeniger fd^arffinmge ate fricbliebenbc unb jfjelel^rtc lutJ^crifd^c
2:i^eolo0c ajlolanuö, 3lbt t)on Soccum, unb bcr ^annoberifc^e ^ofrat Seibni^, ber cttüa in
bem Sinne eine^ ®rottud (Dgl. beffen Annotationes ad Cassandri consultationem,
1641, unb Votum pro pace ecclesiastica, 1G42, h)ie and) jeine ©c^rift: loca quae-
dam N. T., quae de antichristo agunt aut agere putantur, h)orin er bte pxo^ 5
teftantifd^c annähme, ba^ ber $a})ft ber Slntic^rift fei, beftreitet) für eine Union mit ber
fat^olifd^en Jlirc^e günftig aeftimmt unb gu Äonjeffionen bofür geneigt tvax, tpelc^e bon
beiben §erjögen ju ben ^er^anblungen mit ©))mola fommittiert tuurben, famen bem-
felbcn mel nachgiebiger, ate rcd^t tvax, entgegen. 33ei bem erften Sefud^e be« Sifcbof^
1676 unter §erjog S^^ann ^t^iebrid^ Wax e^ toof^l gam bei ®efj)räc^cn mit ben beiben lo
(benannten geblieben. Slber bie Sacf^c nal^m eine bebentlic^ere ©eftalt an, aU ber Unter«
IE>änbler am Seginne b€§ ^af)x^^ 1683 toieber erfd^ien unb bie^mal mit toeitge^enben
äinerbietungen, bie er freili^ blo^ münblid^ mad^te: bie Kommunion sub utraque, bie
^riefterel^e unb \>ox allem ber unöeränberte S3efi$ ber fäfularifierten geiftlid^en (äüter,
ja bie Su^enfton be^ Sribentinumg follte jugeftanben, bie „9ieuIatf^oliIen" foHten ju i5
feinem förmlichen SBiberruf genötigt, fte foliten afö Seifiger be« ju berufenben aUge«
meinen Konzil«; jugelaffen toerben unb bagegen nur bie Öberl^errlid^!eit be« $a^fte^ an^
erfennen. ^ci^t t>erfammelte fid^ eine bon UWolanuö >)räfibierte Äonferenj t)on Ideologen,
lüelc^er ©J)inola ein 3JJemorial überreichte: Regulae circa Christianorum omnium
ecclesiasticam reunionem (in oeuvres de Bossuet, ed. Versailles, Tom. XXV, 20
p. 205, ber '^nl)alt angegeben bei gering a. a. D. 6. 2 15 ff.), unb bie 9Jlitglieber ber
Äonferenj, hjorunter au^ %, U. Galijt, einigten ftd^ 5U einer ©d^rift: Methodus redu-
cendae unionis ecclesiasticae inter Romanenses et Protestantes, toeld^e in
ber §au})tfad^e auf Spinolag i^orfc^läge unb namentlid^ auc^ auf ben })ä})ftlid^en ^Primat
einging, ©lüdflic^ertoeife ^atte bie ^ai)^ in ber fatl^olifd^en lüie ))roteftantifd^en Äirc^e 26
ui h?enig Soben, ate bafe fie fel^r gcfä^rlid^ l^ätte toerben fönnen. SBa^renb unter ben
^5roteftantcn ba^jenige, hjaö Don ben 3Serl^anblungen tro| aller SSorftc^t öerlautete, auc^
bei ben gemäßigten Ideologen nur UntoiHen unb Slrgtoo^n erlocdfte, tparen bie Äatbo«
lifen, toeld^e um ©^inola« Unternehmen toufeten, c^er geneigt, ba^felbe atö Il^or^eit ju
betrachten. 2luc^ in 5Hom, h?o bie bannoüerifc^e 2)enffd^rift aünftig aufgenommen tourbe, 30
tüar man natürlidb nic^t im ftanbe ^ofttiöe 3"fö0^" B" machen, unb fo blieb bie ©ac^c
t)orläufig auf fic^ berufen. 2)od^ blieben Seibnij unb 3Rolanu« (außer il^nen j. 93. auc^
©ecfenborf) in 93riefh)ec^fel mit ©})inola, unb im ^dl)xc 1691 tourbe aud^ t)on il^nen
mit 93offuet angefnü^jft. 9Kolanu^ überfanbte bemfelben einen eigene für biefen ^\ü^i
t)on i^m aufgearbeiteten Xraftat: Cogitationes privatae de methodo etc. ©iesö
barauf im äluguft 1692 erfolgenbe au^^l^rlic^e 2lnth)ort be« franjöftfc^en Prälaten, bie
auf einmal runbloeg aUe^ mit ©})inola aufgemachte ablehnte unb al^ conditio sine
qua non unbebingte Unterwerfung unter bie unfehlbare Autorität ber Äirc^e unb bem^
nad^ aud^ unter bie 3;ribentiner Sefd^lüffe forberte, toar lüo^l !lar genug unb geeignet,
aße Sttuftonen ber ^annotjerifc^en Union^mad&er nieberjufd^lagen. (Sleid(^h)ol^l fmb bie 40
23erbanblungen nocl^ bi^ in« ^a\)x 1694, h)o Soffuet, ber i^rer längft überbrüffig toar,
enblic^ abbracl^, fortgefül^rt hjorben. — ©j)inola l}atU fid^ inxtüifc^en mit ben ungarifd^en
Protestanten befd^äftigt, nac^bem er unterm 20. ^Jlär^ 1691 burd^ faif erliefe« patent jum
®cneralfommifjär be« Union^gefc^äftö innerl^alb ber faiferlid^en ©taaten ernannt unb
beftätigt hjar, mit meld^em ungel^inbert fc^riftlid^ unb münblid^ ^u t)erfe^ren aüen«
^rotcftantcn, fofern fie fid; al« 2)e^utierte i^rer Äirc^en au«U)iefen, freigefteHt tourbe.
^a« ^^atcnt tüurbe ben ^jroteftantifcf^en ©emeinben in Ungarn jugefanbt mit ben oben
ertoäl^nten regulae, inbem fie unter Berufung auf bie 3wf*i"^»"wng, toeld^e jene ans
geblid[) bei Dielen beutfd^en J^eologen gefunben l}ätUn, eingelaben tüurben, fid^ über bie«
felben ju erflären. ®j)inola glaubte aud^ bielen Slnflang gefunben |\u l^aben unb fe^tew
große Hoffnungen auf ein tüieber gan^ geheim ju 9Bien gu öeranftaltenbe« Sleligion««
gef^jräcl^, an tüelc^em auc^ folcl^e beutfcl^e 2:^eologen, in tuelc^e bie Ungarn Vertrauen
festen, teilnehmen foliten, unb für h)eld^e« im Saufe be« ^ahx^ 1693 bereit« unter ber
.^änb Vorläufige (Stnlabungen an dürften unb 2:^eologen ergingen. 2)a«felbe ift aber
riic^t mc^r ^u ftanbe gelommen; ©pinola ftarb barüber lüeg. ^m '^al^xt 1698 bat ber 65
Äaifer burc^ ©)>inola« "DJacl^folger, Sifd^of ©raf t)on Sud^^eim, noc^ einmal in §annot)er
lüegen ber Äircl^eneinigung anfragen laffen, unb Seibnij l^at noc^ einmal 1699—1701 im äufs
trage be« nac^^er nod& 1710 in feinem l^o^en 3(lter übergetretenen §erjog« StntonUlri^
bon Sraunfc^ioeig mit Soffuet öer^anbelt, o^ne baß man 5U irgenb einem SRefultate gef ommen
ipäre. Seibnij ift aber auf ©runb biefer 3Serl^anblungen noc^ titoa l^unbert S^i^re naö) co
654 ®)ittioIa Spmii»mn»
feinem 3:obe bem SJerbad^t tjerfaHen, im gel^eimen Äat^oHI getoefen ju fein. ®en 8nla|
baju bot ba« fog. „Systema theologicum", ba^ fic^ in feinem vlad^la^ öorgefunben
bat ; über ba^felbe ift fc^on oben in bem ä. Seibnij Sb XI, ©. 359, loff. berichtet £aB
Seibnij aber unenttoegt ber äugdburgifd^en Äonfeffton gugetl^an blieb, ift onbertoeitig bc^
6 lannt genug. (äRattet f) ¥• Xiäiudttt.
&pmti9mnd (auc^ ©})irituali«mug, 9Jlebiumi«mu«). — 1. 3ur ®cf(iid)tc
be§ S. e. 3B. CSopron, Modern Spiritualism ; it« Facts etc., SBofton 1855 ; 'übh^ Xftiboubet,
Des esprits et de ses rapports avec le monde visible, $ari8 1854; ^. J^otottt, BListory of
thc Supematural, 2 vola., fionbon 1863 (einfeitig apologctifc^ ju ®unften bt^ Spinü^mm
10 imb unfritifc^); "üKaj ^ertt), S)ic ml)ftifd)cn (Srfdjeinungcn bcr menf^Hcftcn 92atur, ^ibelbfrq
1861, 2. ?lufl. in 2^änbcn, 1873, — ncbft bcn ^Zac^trögcn: 3)cr jefigc 6|)intuQliömu« unö
öeriüanbte (Stfcfieinungcn, 1875, unb : S)ie fic^tbore imb bic unpcfttbarc ©elt, 1881 (fc^r rcidö-
faltig auc^ in Sc^ug auf hie SBorgefdjicftte beS ©piritiSmuS unb ber toenoanbtcn (Srfdjcinungcn,
aber auf magifd):getftergläubigem Stanbpunfte gearbeitet unb bed^alb nit^t ^tnretc^enb un^
15 befangen in frititd)cr ^inficf)t) ; 3. 33. 2^iffanbier, Des sciences occultes et du Spiritisme,
^axi^ 1866 (bürftig u. ueraltet); SH. 2).Otoen, The Debatable Land, 9Jew9orf 1872; beulidj:
3)aö ftreitige fianb, fieipi^ig 1876, 2 93be (?lpoIogie bc§ ©piritiSmuS, mit intcreff. beitragen
)u \. (Gefeilteste); ^. 33. ^rpenter, Mesmerism, Spiritualism etc. hlstorically and scientifi-
cally considered, fionbon 1877 (ogl. unten @. 663, 20) ; emma .f^arbingc-SBrttten, Nineteenth
30 Century Miracles, fionbon 1884 (reichhaltig, aber untritifcft, auf ä^nlidjem @tanbpunfte ge^
arbeitet wie ^otoittö History etc.) ; ©onftantin ©utbcrlet, S)er ©piritiSmuö (3^creinöf4rift h.
®örre§gefenfd)aft), ^ölnl882 ; ®. ©cftneiber, 5)er neuere ©eifterglaube, X^atfadjen, Xaufc^ungcti
unb Xbeorien, ^aberbom 1882 ; 2. ?lufl. 1885 (in ötftor. ftinfi^t befonberS retc^l^altige röm.-
fat^. S)arfteIIung) ; Igofepft 3)ippel, 2)er neuere (Spiritismus, in feinen ©efen bargelegt u. nad^
26 feinem ©erte geprüft (1. ^Tufl. 1881), 2. erweit. 9Iup. 3)^ünd)en 1897 ; %. ©aftn, Le spiritisme
dans l'antiquit^ et dans les temps modernes, $Qri8 1885; ^arl bu$rel, Stubien auf bem
®ebiet ber QJe^eimwiffenfdjQften, 2 93be, iJeipjig 1890f.; berf., 3)er Spiritismus (3fleclaine
Uniuevfalbibl.), fieipjig 1893; ^arl ^iejeroetter, ©efcfiic^tc beS neueren DccuItiSntuS, »b n
(fieip5ig 1895), bef. ©. 369—400 unb 737—780. ?lu(ö: „S)ie enttuidlungSgefdjicfitc bcS epiri-
30 tiSmuS üon ber Ürjeit biS gur ÖJegenroart (S^ortrag), ßeipäigl893; ©aubi bi SSeSme, 0efd).
b. (Spiritismus, 3 33be. 2(uS bem 3tQlieni{d)en burd) geilgen^auer, ßeipjia 1898—1900; ^üuI
Sd)ana, 5trt. „©piritualiSmuS" im Ä^ß« XI, 645 ff.; e. ^K. ©ibgmid, 9lrt. Spiritnab'sm in
b. Encycl. Britann. XXII, 402—407; 2:b. 2:raub (@tabtpf. in Stuttgart), S)er SpiritiSmue
— in ber Sammelfc^rift „ßird)en unb Seften ber QJegenmart'S l^erauSg. oon Äalb, Stuttgart
86 1905, S. 411—476.
2. 3iir ilritif beS S. a) 5Son naturaliftifd)em Stanbpunfte auS: ©. 53. 2:t)Ior, S)ie "Än^
fange ber Kultur I, 141 ff.; II, Iff.; ^irdjner, 3)er Spiritismus, hk ^iarrl^eit unfcreS QtiU
alters, ^^er(inl883; Simoni), Ueber fpirit. SRanifeftationen, ©ien 1884; Stcubel, 3). Spiri=
tiSmuS öor bem 9?irf)terftut)le beS p^ilofopft. ^BerftanbeS, Stuttg. 1886. b) S^on p^ilof. ober
40 tbeol. üermittelnbcm Stanbpunfte auS: ^21 fa "^af^an, The phenomena of Spiritualisme scien-
tifically explained and exposed, fionbon 1875 ; ©ottfr. (iJenfeel, Spiritifti(rf)e ©eftänbniilc
eines et). ®eiftlirf)en über bie 5Sat)rl)eit ber d)riftlid)en Offenbarung, fieipjig 1877 ; 5. 3öDner,
SBi)ienfd)aftlict)c ^^Ibftanblungen, i?eip^ig 1878; gr. ^offmann in ben ?(i)(^. Stubien 187(3 fr-r
unb $^i(oi. Srfjnflen, SBb VlI ((Erlangen 1881); 3.,^. gidjte, 3)er neue Spiritualismus, fein
46 SBertt) unb feine iäufd)un(^en, fieipjig 1878; §. Ulrici, Xer fog. Spiritismus: eine rel. ^xa^t,
•Ipalle 1871); 3o^. ^uber, '^JKoberne gjlagie (in „5^orb unb Süb", 1879); (XJ. 2:^. gccftner, 5)ic
äogeSanfid)t gegenüber ber 9?ad)tanfid)t, 2eip,ygl879; 3- ^rei)f)er, 5)ie mtjft. (Srfdjeinungen
beS Seelenleben« unb bie biblifc^en SSunber, 2 'teile, Stuttgart 1880 (S^erfuc^ einer ^(pologic
beS bibl. 53unbergIau6enS unter — nid)t überall DorfidJtiger — Senu^ung ber fpiritiftifd)CJi
5o¥l)önümc); (£. u.'.^-jartmann, 3)er Spiritismus, fieipjig 1885; gegen i^n ?l. ^Iffaforo, 9lnimi'^
muv unb Spiritismus, 2 S3be, l'eip^^ig 1890. c) ^iom fatl).=ortboboien Stanbpun!t (fftmtlid}
bcr bänioni)iifd)en ^^^covie bulbigenb) : Sdineib, 3)er moberue (SpiritiSmuS, p^ilofopbiftft 9^^
prüft, C£id)ftätt 18S0; 1^. Sd)anj, ^er Spiritismus, iüitterar. gtunbfc^au 1880, 5^r. 10— 12;
Hippel, 2)er neuere Spiritismus in feinem ©efen aufgejeigt ?c., ©ür^^burg 1881, 2.?liifl.
56 1H97; ^Biefcr, ^cr Spiritismus unb baS 6l)riftentl|um, JRegenSburg 1881 (auS ber 3^^^)-
(^utbcrlet, Sdinciber f. 0.; (f. miilicx, 9?atur u. ?öunber, Strasburg 1892. d) S^om pofitio^
eunnt^clif(i)cn Stanbpunft: ^odUx im Sl^eiueiS beS ÖJlaubenS in üerfdjicbenen 3a^rgfingcn feit
1870; berf., (ycfd)id)te ber iBe.ye^ungen .v^ifdjen Xljeologic unb 9?atuvmiffenfcf)aft II, 406 ff..
r)()4ff.; 5r. Cel)ninger, 2)er ntobcrne Spiritismus, ^lugSb. lasO; (£. ©eber, 3)er mobeme
60 Sptritt'JnmS, .'peilbr. 1S8:]; ?;-. Splittgerber, 3"^' ^ürbi'gung unb ^um 58erftänbniS beS mo'
bcrnen Spiritismus., (£ü. il3 1882. 83; i\D. kan\d), ^Sort'^u. (iJeift, SBerlin 1901, S.23lff.;
!Il). :5:raub, 3Bibcr b. Spiritismus, Stuttgart 1904.
2)cr Spiritismus (©piritualiSmuS), b. ^. bie „eö^erimentictenbe ©eifterlunbc", ber
ijermittelft getoiffer cigentümlidEi beanlagter ^ßerfonen ober 3Kebien J^ergefteUte angeblich
®pititi»mM 655
SSerlcl^r mit ben ©eiftcrn bc^ ^i^'^f^i^^ — "^^"^^ auc^ 3Kebiumtemug — bilbet btc neuer«
btnfl« Belieblefte gorm ber 3Ragte (ögl. bie art. Sb XII, bcf. ©. 60 ff.)- 3)a i^te faft
über alle cibilifterten Sänber ber ©egentoart in giemlid^er Ra\)l verbreiteten 2lbel)ten unb
2ll)ofteI tro^ mangeinber einl^eitlic^er Drganifation eine mt bon ©enoffenfc^aft bilben,
ber e« aud^ an einer trabitioneQ geworbenen religiöfen 2)oftrin unb einer 2lrt Don Äuitu«* 6
pxa^^ nic^t fel^lt, fo barf mit einem getoiffen Siecht bie ßjiftenj einer Sefte, ober, toenn
man U)iK, einer SHeligion ber ©l)iritiften bel^au^tet toerben (f. unten). 2)er Äem ber
Qad)^ ift uralt, mag immerhin ber 9iame (jurücfgel^enb auf spirits = abgefd^iebene
©eelen, ©eiftererfd^einungen) feinen mobemen angloamerilanifd^en Urfprung beutlid^ genug
benaten. lo
I. 2)ie 3Jorgefd^ic^te beffen, toa^ man ^eute „©})iriti«mu«" nennt, läfet fic^ bi^
in^ jtoeite bord^riftlid^e Sß^rtöwfenb gurüclberfolgen, h)o ba^ fd^on im ®efc| beö äl^
Verurteilte 3:reiben ber niniN ober Sotenbefc^toörer (1 ©a 28; 2)t 18, 11) ben ©egen*
ftanb rö)räfentiert unb too ba« ^eibnifd^e Sruberboll ber Hebräer im Cften, bie ß^albäer,
tüie auc^ fd^on il^re nic^t^femitifd^en 33orgänger, bie 2Hfabo-©umerier, ber Pflege ä^n= is
lieber SBa^rfagefünfte obliegen (bgl. ben ärt. „3Kagie", Sb XII, 59, 5, fotoie S?r. 2e«
normant, 35ie 9Jlagie ber Sl^albäer, 1874, ©. 508 ff.). Sluc^ in ber religiöfen ^raji«
ber ^nVxtt reicht totenbefd^toörenbe Äunft, ausgeübt burd^ bubbl^iftifc^e Slöfeten (bie
©ramanen = ben Hapiavaioi bei 6Iem. SHej. ©trom. I, 359, unb = ben l^eutigen ©d^a«
manen) too^I fd^on in bord^riftlic^e 3«ten jurüi; ebenfo bie entf^red^enbe ^rajiiS geh)ijfer2o
3auberfünftler bei ben ßl^inefen, hjeld^e abgefc^iebene ©eifter ober Sll^nengötter bermittelft
ber fog. 2)ual^öljer ober ©eiftergriffel giguren ober Sud^^ftaben in ben ©anb fc^reiben
laffen (Sodfamj), Unter bem Sanner be« 2)rad^en [Serlin 1898], ©. 24. 61. 70). Sei
ben $eßenen unb ^Römern tourben nid^t blofe Äünfte be^ ©eiftercitieren^, fonbern nod^
mel^rere anbere 3Ranij)ulationen beö l(ieutigen ©piriti^mud geübt. 2)en ©oeten ber 26
römifd^en Äaiferjeit lüar namentlid^ au4 bie ©etoinnung Von Oraleln mittelft flopfenber
ober fonfttüie betoegttoerbenber 2!if^e tvol^Ibelannt, toie bie merftoürbige faft alle 3*^-
grebienjien mobern^fl^iritiftifd^er $raji^ namhaft mac^enbe ©teile bei 2!ertuIIian, Apol.
c. 23, jeigt. ©))orabifc^e^ Sorfommen folc^er 3öuberfünfte läfet fic^ burd^ bie ganje
folgenbe qiriftlic^e ©efd^ic^^te l^inburc^ nac^toeifen. Slmmianu« 5KarceUinu« (XXIX, 1, 29) ao
tvtxi Von antio^enifc^en 5Dtagiem unter Äaifer 33aleng ^u erjäl^len, lüelc^e mittelft eine«
aud 2orbeerjh)cigen geflochtenen Keinen Sifd^e« toeidfagten. Ungefähr berfelben 3eit mag
baö bem 5(cu})Iatonifer S^^mblic^u« jugefd^riebene SBerf De mysteriis Aegyptiorum
entftammen, ba« auöfü^rlic^^e Slntveifung jum ßitieren Von ©eiftem erteilt (noc^ von
Äiefemetter 1. c. II, 804 atö ec^te ©c^rift bem ^amhl Verteibigt — aber f. §einje, Slrt. 86
„9ZeupIatoni«mu«" Sb XIII, 870, 64 ff.). 5Woc^ im f^^äten SDJittelalter unb in ber näc^ft«
folgenben 3eit foH ba« lifc^rüien, ober toie e« bamal« l^iefe, ba« „Slufgel^en ber lifd^e",
im Äreife fabbaliftifd^er beutfd^er ^n'bm ald ein getoö^nlid^e« Äunftftüdf geübt iüorben
fein ; f. be« Sonvertiten ©am. %, S3ren^ „^übifd^er abgeftreifter ©d^Iangenbalg", Dettingen
1614, fotüie ben Srief 6^r. 2lrnolb« an fflagenfeil Vom ^a^re 1674 (bei 35i. ®d^neibcrS40
©. 89). — 2)a« 18. ^öf^t^unbert liefe, aU Weiteren Slnfa^ jur 2lu«bilbung be« mobernen
©piriti^mu«, ba« „fanatifc^e ©c^auen" be« fc^toebifd^en aSifionär« unb ©eftenftifter«
©lüebenborg famt ber barauf gegrünbeten abenteuerlichen ©Teratologie ber „3lc\xm Äirc^e",
fotüie bamit gleichzeitig ben an ben angeblid^en m^ftifc^en SerleJ^r ber !ommuniftifd^en
Seite ber ©^afer« (gwerft in ©nglanb, bann in 9?orbamerifa mit l^immlifc^en ©eiftem 46
(Vgl. Senfeon in RdSM. 1897, 15. 5«oV.) ^erVortreten. SBoran f4 ferner (feit 1784)
bie mit allerlei abergläubiger ^nti)at Verbrämten magnetifc^en ÄeiBünfte 3)ie«merg unb
feiner 2ln^änger (ffiolfart, gnnemofer, 5liefer 2c.), bie fedfen ©aunerftreid^e be« italies
nifc^en lafd^enf^ielcr« ßaglioftro (geft. 1792), fotvie ber ©omnambuliömuö Von ^ui^fegur
in ©trafeburg (1807 ff.), ^uftinu« Äemer in äßein^berg (feit 1824) u. a. anfd^loffen. 60
II. llrf>)rung be« ©>)iriti«mu« in ben Vierziger ^öf^if«" ^^^ 19.3öl^rs
^unbertö. aiuf bie bejeicl^nete SSBcife Vorbereitet, gelangte ber eigentlid^e ©j)iriti«mug
tväl^renb ber Vierziger 3ia^re be« 19. ^ia^r^unbert« in 9Jeu=englanb burd^ ba« Voneinanber
unabhängige Sluftreten mehrerer mcbiumiftifd^ begabter ^erfonen jur Slu^bilbung. gür bie
tl^eoretifc^e ©runblegung beffen, h)a« je^t bie Subftanj ber f})iritiftifc^en Sel^rtrabition bilbet, 66
h)ar feit ungefäl^r 1843 ber tounberlid^ lonfufe ^eHfel^er älnbrch) 3jac!fon 2)avi« ju ^ougl)feej)fie
in 9Jeh) ?)orI am §ubfon t^ätig. ©eboren ben 21. 3(uguft 1826 gu Sloominggrove,
Drange 6ountv, 51. 5!)., bon armen ßltern unb h)äl;renb feiner Äinberjal^re mc^r mit
Siel^l^üten auf bem ^elbe aU mit Semen in ber ©c^ule befc^äftigt, lourbe er 1843 jum
erftenmal von jenen Vifionären 3uftänben überlommen^ bie er dd Aunbgebungen au^ eo
656 ®)iirittdmitd
bem 3^"?^*^ ober ,,Sceinbru(fungen" t)on ©elftem auffaffen ju muffen meinte. 66 foll
ein magnetifc^e^ ©treic^Derfa^ren gctoefen fein, hjomit ber im 3Ke^mertfieren gefcbitfte
©c^netber SBill. Sebingftone ba^ in i^m fd^lummembe ^ellfe^erifc^e SSermögen juerft
toeite. Qn ben beiben näc^ftfolgenben S^^^'^^" toaren eö getoifje auffallenbe fp^änomenc
5 an feinem 3awt^rfriftan, fotoie an feinem ^unbe, bie il^m neue ©rleuc^tungen jufubrtcn;
unb bereite 1846 begann er in 9?eh) ?)orf unter toac^fenbem 3^öwf mebtumiftifc^c 3?Dr-
träge ju galten, b. Ij. ben ^riijali beffen, h)aö er hjäl^renb längerer ober lür^crer i?er=
gücfungöjuftänbe mitgeteilt befommen ^atte, ju biltieren unb fo ben (Srunb m jener
ebenfo feltfam fonfufen unb tüeitfd^toeifigen ate bielbetounberten mcbiumiftifc^en Sitteratur
10 ju legen, tüelc^e in ©eftalt ^a^lreid^er Sänbe unter feinem Flamen Verbreitet tourbc.
Sereitö 1847 erfc^ien, entftanben auö 157 jener 2)i!tate, ba^ erfte, ungefähr 1200 ©eiten
ftarfe, biefer SBerfe: The Principles of Nature, her divine Revelations and aVoice
to Mankind, ba^ 1869 eine 3[§erbeutfc^ung unter bem 3:itel „2)ie ^ringijjien ber Siotui"
(2 S3be) erfuhr unb im englifc^en Original na^e^u 50 Sluflagen erlebt ^aben foll. gaft
16 jebeig Weitere ^af)x brad^te h)eitere S^^Ö^^*^ i>^ unaufl^altfam anfd^toeUcnben fi)tntiftif^en
Sibüot^ef, an beren 3Sermei^rung f})äter auc^ bie ^rau be« gefeierten ©cl^erg, aWr^. 3Rart>
g. 2)at)i«, fic^ beteiligte (babei u. a. ba^ ^u monftröfem Umfang angefc^tooKene fet^
bänbige Söerf: The great Harmonia [jerfallenb in bie fünf Slbteilungen „ber ärjt,
ber Se^rer, ber ©e^er, ber ^Reformator, ber Genfer"]; be^leic^en bie gtoeimal [1876
20 burd^ Äramer unb 1884 burd^ ®. 6. SBittig] berbeutf((|te „$^ilofo>)^ie be^ geiftigen 3>er=
!el^r«"; auc^ jtoei ©elbftbiogra^)f^icn be« Slutor^, beren erfte 1857 unter bem iitel „ler
ßauberftab" [The Magic Staff], bie gtreite 1885 u. b. %.: „^enfeit be« St^ol«''
[Beyond the Valley] inö Sic^t trat). — 3i"5*^if^^ W^^ ^^^ J)raftifd^=tec^nifc^e SSei-
fa^rcn bed ©})iritigmu^ auf einem anbem fünfte be^ ©taate^ 9?eh) 9)orf feine ©runb^
26 legung erhalten, ^mx hjeiblid^e TOebien, £eal^ unb Äat^arine (Äatie) go£, erfuhren in
noc^ jiemlic^ gartem 2llter — bie eine gel^n^, bie anbere jtoölfjä^rig — auffaKenbe Äunb=
gebungen au« ber 2Belt be« 3^"^^^^^ ^^^f^ ^^^^ fi^ ^^" mebiumiftifd^en ©eifterberfcbr
balb mit äl^nlic^er 3Sirtuofttät h)ie2)at)i«, unb mit nod^ rafd^erem Jjrojpaganbiftifd^em Gr-
folge aU er fultiöieren lernten. 6« toar eine unl^eimlic^e ©J)ulgefd^id^te, bie ba« ©d^h)efter=
80 paax bcrül^mt machte unb betoirfte, bafe fie 3)abi« — bon beffcn Drafeln fie übrigen^
anfänglich feine Äunbe Ratten — ate uRitftifterinnen ber fj)iritiftifd^en ©efte jur ©cttc
traten, ^m ©etäfel ber fflanb i^re« ©d^lafgemac^« ^ören bie beiben ÜJJäbc^en aü-
näc^tlid^ getoiffe Älojjftöne. ©ic forbem eine« 2lbenb« ben (Seift, ben fte al« Urheber
biefer iönc mutmaßen, gum ^erflo^fcn ber 3^^^^^" ^"fi berfelbe entf^rid^t i^rer auf-
86 forberung, flojjft aud>, al« bie 53tutter ber Jlinber ^injulommt unb if^n nadb beren Sllta
fragt, bie S^l}kn öon beren '^aljxm richtig l^er unb tnüp^ fo eine förmliche Äorrefponbenj
mit bem toeiblic^en ^eil ber ^amilie goj an, au« tpeld^er man balb bie ^erfonalien be«>
®eifte« fennen lernte. 2Bäl)renb biefer ©>)uf nad^ einiger i^cxt aufhörte, begannen ijcr-
fcf^iebene anbere Äloj)fgeifter, jucrft in 2l5änben unb 3:üren be« §aufe«, nac^gerabe butd»
40 Derfd[;iebene ©eräte unb SIJöbel, befonber« 2:ifcl^e, [xä^ ben beiben SWebien gu offenbaren.
I)iefe erlangten rafd^ eine beträd^tlidbe ©efc^icflic^teit im ^erborlodfen aDer möglicfcen
fiunbgebungen ber flojjfenben ©eifter, inbem fie — möglia;erh)eife in ben)u|ter i^laA-
bilbung ber furg guöor in 9?orbamenfa erfunbenen eleftrifd^en Ielegra})l^enfd^rift — ein
förmlid;c« Äloj)falj)^abet au«bad^ten, iDorin beifj)icl«n)eife ein breimalige« ^oc^en bie
46 älnttüort yes!, ein einmalige« bagegen no! bebeutete u. f. f. 2)ie ßntbedung ber balb
in gang 9icu=6nglanb ba« lebl^aftefte ^^t^J^cffe erregenben unb in unjä^ligen Heineren
unb größeren ^xxtdn nad;geal)mten neuen 3Ketl;obe be« ©eifterbefragen« fiel in ba^
grü^jal^r be« ^ReDolution«ial^re« 1848. ©ie traf auf bemerfen«h)erte 3Q3ei{c gu=
fammen einerfeit« mit bem SefanntiDerben jener 2)aüi«fc^en „^ringi})ien ber SJatur" in
60 toeiteren Greifen, fotric mit einer auffe^enerregenben ©Jjufgefc^ic^te im §aufe eine^
Dr. ^l^elp« gu Stratforb (Connecticut), anbererfeit« mit mehreren SJorgängen bertuaubter
3(rt in ber alten SBelt ; fo mit be« frangöfifc^en Wagnetifeur« unb ©eifterfe^er« ßo^agnet
ßntbüHungen in feinen Areanes de la vie future d^ volles (^ari« 1848), fotoie mit
ben erften 3JJitteilungen be« 33aron« Don SReic^enba^ (geft. 1869) über feine 6Ö)erimcnte
55 an fenfitiDcn ^^erfonen unb feine barauf gegrünbete Se^re bom Db ober Db\;L
III. gortentioicfelung ber fj)iritiftifd^en ^raji« bi« ;ium ©tabium
il^rer l;ö$ften 33lütc (1848—1880). ©eljr balb traten im gjjjerimentiertoerfabrcn
ber norbameritanifc^cn ©^jiritiften Derfd^iebenc gortbilbung«^ unb $BerboIIfommnung«=
berfucbe l)erDor, looburd^ ba« befragen ber ©j)irit« erleichtert unb bie Seiftungen ber
60 3){ebien in ^unc^menbem ^IJlafee reichhaltiger unb intereffanter geftaltet toerben foHten.
@)iiritt«tttitd 657
3unäc^ft erfanb man jur ßrletc^tcrung ber Äonefbonbcnj mit bcn ©ctjtem ben fog.
^f^c^ogrcu^l^en, beftc^enb in einem an einem ber ^ifd^beine befeftigten 33Ieiftift ober ©riffel,
hjeli^er auf einem untergelegten, mit ben Suc^ftaben be^ 2ll})^abetö bejc^riebenen ^a))ier-
ftreifen I^in unb f^er tanj^te unb bie jur Silbung ber SBorte miteinanber gu öerbinbenben
33u4)ftaben anzeigte. (Sin ettoa^ !om})lijiertere<S, aber angeblid^ toirffamere^ S^f*'^"^^"* ^
für bie aufnähme ber (Scifterorafel fonflruierte 1850 ber berühmte g^emif er Stöbert §are
(geft. 1858) in $l^ilabel>)bia: ba^ ©})irito{to^, beftel^enb in einem SRunbtiJc^c^en mit be*
iüeglic^em S^xQCx, ber auf bie um ben SHanb ^erumgefc^riebenen Suc^ftaben ober ^x^^
l^intüie^. 2)ie begabteren 3)iebien beburften freiließ folc^er mec^anijc^er 33onic^tungcn nid^t.
©ie teilten ba^ im 3wftanbe ber SSer^üdtung (ber trance) ijon ben ©eiftern ßrfal^renc lo
entiDeber fo h)ie ^a\)\^ dictando mit, ober i*ie l)robujierten fid^ alö „©c^rcibmcbien",
inbcm fie Dor ßintritt be« Jrancej^uftanbe« ftd^ mit ©c^rcibftift unb ^ßa^ier ijerfe^en
liefeen, um bann ba^ h)äl^renb beg ^uftanbe^ ü;nen gingegebene gleic^fam al« med^anifc^e
SKerfjeuge ber fic^ i^nen offcnbarenben Spiriti^ nieberjufd^reiben. — Salb jä^lte man
^unberte jolc^er ©d^reibmebien in ben größeren lüie fleineren ©täbten ber Union. Sea^ i6
unb Ratk %otc bef^auj)teten fic^ längere 3^^^ — ungead^tet be« Serfuc^e^ ber Suffaloer
^rofefforen glint unb See, fie al^ Setrügerinnen, bie jene Älo})flaute burc^ Rnacfen mit
i^ren Änieen l^eröorbräc^ten, ju ertoeifen (1851) — in befonberem Stul^m auf bicfem ©e*
biete, auc^ na(f>bcm beibe ftd^ Derl^eiratct Ratten.
Seibc 3Diet^oben ober ©tufen ber jl)iritiftifc^en 5Praji^: jene me^r mec^anifd^ geartete be^ 20
©cifterbefragen^ burd^ lifc^c, ^f^c^ograpl^en ober ©piritoffo^e, unb biefe boltf ommnere ber
©d^reibmebien unb Irancemebicn, tpanberten feit 1850 am Slmerifa in ber alten 2öelt ein unb
gewannen aud^ l^ier ber Setoegung Slnl^änger unb 33eh)unberer ju 3:aufenben. 6ine %xau
§a^ben au« Softon erntete 1852 unb in ben näc^ften 3<^^^^ i" ßnglanb bcfonberen
Stu^m burd& il^re mebiumiftifc^en ^ßrobuftionen. — 3^^"^^^^ "^^'^ ^^^ ^^^ ^^" '^^'"' 20
^aftcren 5Kebicn t)on ^rofeffion ein ©trebcn nad^ möglic^fter Steigerung unb Sermannig«
faltigung ber in il^ren ©^ancen jum 33eften gegebenen Sfeunbereffeftc l^erbor, tüoburc^ —
ettoa feit 3)litte ber fünfziger ^al)x^ — ber Steige nac^ bie folgenben gortfc^ritte in ber
Äunft beig 33erfel^r« mit ber ©eifterluelt erjielt iDurben.
a) 3)ie (Setoinnung birelter (Seifterfc^riften, ol^ne bie öcrmitteinbe 2l^ätig!eit fc^reiben« a^
ber ober biftierenber 5!Jtebien, gelang juerft 1856 in ^ßariö bem bafelbft lebenben beutfc^«
ruffifd^en Saron £ubU)ig \). ©ülbenftubbe (geft, 1873) unb feinem ©enoffen bem ©rafen
b'Durc^e«. 2(m 1. 3(uguft besJ genannten ^af^x^ ^atte ber Saron ein unbcfd^riebcne«
Siüi 33rief))a))ier nebft Sleiflifl in ein Derfd^loffene« ftäftc^en betoniert unb bcn ©d^lüffel
bem ©rafen jur 3lufbeh)a^rung übergeben ; unb am 13. be^felbcn 3Jlonat« tourben t)on sö
bem erftaunten greunbe«j)aar „bereit« 30 birette ©eifterfd^riftcn erjielt, inbcm fie jene«
^apkx auf einen fleinen ©la«tifd; legten". 5!)lerth)ürbigerU)eife fanben fie in biefcn unb
bcn folgenben ä^nlid;en fällen „nie biejenige ©eite be« ^atoier« befc^rieben, too ber
Sleiftift fid^ befanb, fonbern bie gel^eimni«t)oUen ©^riftjüge fanb man immer auf ber
gegen bie (Sla«j)Iatte gelegten, t)or SRcnfc^enblidten tjcrborgenen ©eite". Salb traten ju 40
bem granjöfifd^ ber erften ©eifterfc^riftcn anbere S^rad^en ^inju, babei aud^ alte ^biome,
ja fclbft äg^ptifd^e §ierogIt?j)l^enfc^rift; unb jugleid^ öermel^rten [xd} bie Drte foh)ic bie
3JJetl^oben jur ©etoinnung ber rätfel^aften ©c^rciboralcl, beren ©ülbenftubbe binnen
12 ^a\)xm nx6)t Weniger al« 2000 ©tücf in 20 tjerfd^icbenen ©prac^en erf^alten l^aben
to'xü. ^nx Äonftatierung be« tüirflid^en ©eiftcrurf^jrung« ober tounbcrbaren G^arafter« 46
ber 3"|c^nft^n iüurben angefel^cne ^erfoncn (iüie ber Dieter Sabouta^e, 5Wr. Sacorbaire,
ein Sruber bc« berühmten Sominilaner« u. a.) ^injugejogen, toeld^e ba« ©id^bilben ber
©d^riftjüge burc^ unfic^tbare §anb (alfo h)ie im ©aale Seltfajar«, SDa 5, 5) mit eigenen
2lugcn beobad^tet ju ^abcn enlärten. 35ie @jj)erimenle tourben an berfc^iebenen öffents
lid^en Orten gcmad^t, in ben ^arfö ju SerfaiUe« unb ©t. (Eloub, im Srit. 3Jlufeum unb so
ber SBeftminftcrabtei in Sonbon, fotoie mit ßrjielung befonber« auffaHenber Slefultate
auf ben Äönig^gräbern ju ©t. 2)eni« unb im 3)luf6e bu Sout)re. 3ln ber §erborbringung
ber rätfel^aften gnfc^riften fd^eint ©ülbenftubbe« ©d^tocfter, bie mebiumiftifc^^^begabte
Saroneffe 3lulie ©ülbenftubbe, einen nid;t unmefentlic^en älntcil gehabt ju ^aben. 2)ie
2lnna^me, ba^ eine un^ ober balbbemufete magtfc^e iJ^ätigtcit be« ©efc^loifterjjaare« ber 60
3JJaffen))robuftion ber angeblichen bireften ©eifterfd^riften ^u ©runbe lag, brängt fic^
beim Slefleftieren auf ben grofeentcil« feierten unb tritjialen ^ni^alt ber Drafel unmittel-
bar auf. ®cr 3lnf(^auung«frei« unb ba« Silbung«nit)eau be« belefenen, aber fentimental-
oberflä^lid^cn unb fd^öngciftigen Saron« unb feiner äl^nlic^ gearteten ©c^toefter erfc^eint
in ber 3lrt, h)ie bie angeblichen ©))irit« fu^ au«brüdten unb tunbgoben, auf« genauefte gü
KeaI>(lnc9(lop&bie fflT Z^eoloflie tmb IHi^c. 8. 81. XYiu. d^
658 e^ririttdntttd
abgcf))iegclt. SBßl. §. Seo^ einfd^nctbenbe Äritif bc« Oülbcnftubbefc^en SBerfd „Pneu-
matologie positive", $ari« 1857, in ^afycQ. 1858 ber ©t). A3; auc^ §r. St)littgcrbcr,
ebenbaf. Sa^tg. 1882, 5Wt. 40 unD 9®I. 9b VI, 1870, S. 347—360.
b) ®ic Ociftermatcrialifationen, ^ucrft l^crtoot0etreten um 1860, bejcic^ncn einen
6 tüeitcren ^aiH)tfortfci^rttt in 33ert)oIIIomnmun0 ber ft)iritiftif(^en %^nil. 2ln i^ gin-
fül^rung in ba^ SRe^ertoir bcö t)on ^erborragenberen üKebien Oeleifteten toaxm u. a. aucb
2ca^ unb Äatie gog, inbefonbcre bie (entere, tüäl^tenb be^ ft)ätcren ©tabium^ ibre^
aBirIcng beteiligt. $or allem aber brad^te 35aniel 35ou0la« §ome, ber „§ol^e}jnefler bc^
englifd^en ©})iritiömu^", biefe^ Sratoourftüd be« ©rfd^einenlaflen« toermatcrialirierter, b.l
lofic^tbat unb greifbar geworbener GJeifter in Übung, ©eboren 1833 auf ben Drfnebinfeln
(ober nad^ anberen angaben in ©binburgl^) foH berfelbe fd^on ate Äinb bie ®Qbc beg
gemgefid^tö unb be^ 9Serfcl^r^ mit ©eiftem betl^ätigt l^aben, tourbe bann, toä^renb er
al« ettoa jltjanjigjäl^riger junger SDlann im §aufe einer lante in 5Jorbamcrifa lebte,
feine ungetüöl^nlic^ bebeutenbe mebiumiftifd^e Äraft baran inne, bafe be^ Älopfen^, Um--
16 ^ertoerfenö unb Uml^erfliegenö ber Wobei in feinem 3^'"'"^ ^^n ®ttbe toerben toottte,
unb trat — einige 3^^ nad^bem jene iante il^n toegen biefer tollen ©Jjufoorgonge aviä
bem §aufc getüiefen — aU borfteHunggebenbe^ SKebium ftunftreifen burc^ toerfcpiebenc
fiänber euro^ja« an. ^n SRom ging er, faöciniert burd^ bie Seftüre Don ^eiligcnlegenben,
toorin il^m SÖunbereffefte äl^nlic$ ben feinigen entgegentraten, 1856 ;\um Äatl^oliciömu^
20 über, ^n SRufelanb l^olte er fxd^ feine (Sattin, bie iod^ter eine^ ©enerafö ©troll (1858).
3jn ^ankeid^ aber erl^ob er balb barauf fid^ auf ben (Sij)fel feinet SRul^md bun^ bie
aUe^ ^rül^ere toon f^iritiftifd^en SBunbern toerbunlelnben ©ikungen, bie er afe §of;auba:
fünftler 5iaj)oleonö III. in ©cgentoart biefciS ftaifer«, ber Äaiferin ßugenie, be« ^rinjen
SWurat unb jal^Ireid^er anberer l^ol^er ^erfonen abl^ielt. $ier foD ba« fxd^ Sermateriali-
26 fieren ber <B)ß\x\i^, junäd^ft in ©eftalt be« (Srfd^einenö einzelner fid^t: unb greifbarer
Äörjjerteile, befonberö $änbe toon ©eiftem, burd^ il^n bewirft tüorben fein (^ert^, 3!^ie
m^ft. ßrfc^einungen jc. II, 41 ; ©d^neiber^ 120). Sl^nlid^e SKaterialifationen, juerft bloß
t)on ^änbcn ober Slrmen, bann aber balb auc^ toon ganjen ^l^antomgeftalten, betoirfte
.f)ome fj)äter in feinen in Sonbon unb anberen ©täbten fenglanb« gegebenen ©i^ungen,
ao iüo er u. a. an bem berül^mten ^ß^^fifer SBiU. ßroofe« einen gläubigen Seobad^ter biefer
^l^änomene fanb. ©eit Slnfang ber fiebriger '^ai)xt berbunlelte i^n freilid^ ^Kife glorencc
6oof, toelc^e juerft al^ fed^^eJ^njäf^rigeö 5(Jäbc^en, bann Verheiratet aU 3Kr§. (Somcr, ben
9hif erlangte, ba^ häftigfte aUer 3DRaterialifationömebien ju fein unb, tüäl^rcnb fie felbft
gefcffelt im magnetifc^en 3:ieffcblaf im 9ieben3immcr fafe, ben ebenfo fd^önen aU inter-
36 effanten ©eift ber 9JJrg. Äatie Äing (einftiger .§ofbame ber Äönigin ftat^arina toon (Sn^--
lanb t)or ettoa 200 3^1)1^^") in leibl^after ©eftalt erfc^einen lafjen gu lönnen. 3luc^ in
biefem JJaHe ioar e^ l^aujjtfäc^lic^ (Sroofe^, ber ate iüifjenfc^aftlid^er ©etüä^r^mann für
bie 3;i^atfäc^lic^feit ber betreffenben 5ß^änomene eintrat, il^nen für längere ^di ©lauben
in Weiteren Äreifen toerfd^affte unb fo ba^ ^ertjortreten immer jal^lreic^erer 3Katerali-
40 fation^mebien t)roD05ieren ^alf.
c) @ine fernere SSertooHfommnung be^ fj^iritiftifd^en 6j))erimentiert)erfa^ren^ befta^^
in ber ^^robuftion bon ®cifterj)botogra>)^ien, b. ^. in ber ßr^eugung t)^otogra^)bif(beT
S3ilbniffc toon tjermatcrinlificrten (Sciftern. 3^^^^ ^'<^ ^^f^^" S8erfu^c biefer 3lrt, h?ie fic
um Wxtk ber fiebriger ^al}xc in ^ari^ ^eroortraten, tourben al« betrügerifd^e ©pcfu=
46 lation eincö ^Fjotograp^cn 33ouguet (unb feiner ^elfer^l^elfer : be^ amerilanifc^en 3)icbium^
Sllbert girnmn unb be^S 3^i^""0^^^^^^^^"^^ Se^maric) entlarvt unb, nad^ ibrer Slc^-
ftcöung burc^ einen großen ©fanbalj)ro|\e6, gebül^renb beftraft. 2lber h)a^ ^ier miftglüdt
tüar, gelang balb im 2lnfd^luffe an bie ^robuftionen berül^mter ?Dlaterialifation^mebien
aufö befte ; unb bcfonber«; bon jenem Äatic Äinggcifte ber glor. 6ooI toermod?te Groofe^ fett
5o5liai 1877 eine gan^^e älngabl gut gelungener 2lufna^men ju betüerfftelligen, beren ^robufte
in ben Greifen ber ßingeloeibten al^ treue 2lbbilber ber „engelfc^önen" ©eftalt unb ^ü^t
beö ©eifteö galten (toobci freiließ bie grage, ob nid^t ^i\va beibe, ©eift unb SDlebium,
eine unb bicfelbc ^krfon feien, unbeantioortet blieb).
d) SDen ®ij)fel \l)xcx Sciftungefäl^igfeit erflomm bie fjjiritiftifd^e ^rajiö gegen (Snbe
66 ber fiebriger ^ahxc in ben ftaunencrregenben ^robultionen mehrerer mebiumifrtfcber
Uniücrfalgenicg, h)elc^e bie angeführten .fiunftftüdte be^ Setüirfen«^ birefter ©eiftcrfc^riflen,
be^ Waterialifierenö unb "ißbotograj^t^icren^ allzumal mit SBirtuofität ausübten, unter $inju=
fügung nocb einiger Weiterer Söunbereffefte ber unlontroHierbarften 2lrt, befonber^ axx^ bem
S3creic^c jener Sebitationen ober §eb= unb ©c^toebungejjlfiänomene, ipomit $ome bereite
60 frül;er escelliert l^atte (bgl. betreff« biefer ©i)ejialität bie ©c^rift Don 31. 3). ^o6^,
Sfitritidmttd 659
Recueil de documents relatifs ä la l^vitation du corps humain, $and 1897,
unb baju RHR. 1898, 1). 35c^Ici(^cn au« bcm bc« ©rfc^cincn« unb 3Biebert)erfc^toinbens
laffcn« berfc^iebener ©egenftänbc (m^ftifc^er 3l))))ort bon Slumcn u. bgl.), ber ^crbot«
bringung ungetüöl^nlic^er £tc^t})^änomene unb auffaHenbcr %bm u. f. f. 3ilx. §ome, ber
^rotot^}) biefcr uniberfaliftif^ gufammenfafienbcn %oxm bc« 9Jlcbiumigmu«, h)ar, bebor 6
er eine größere ^af)l ebenbürtiger 5Jebenbu^ler barin erl^ielt, bom ©(i^aui)lafee feiner
%i)aUn gurüdjutreten genötigt tüorben, ba jtoet furj nac^einanber erfolgte Kalamitäten
— juerft 1868 ber SSerluft eine« großen 5ßrojeffe« gegen bie ©rben ber reidben SEBittoe
S^on in Sonbon, bie i^n toegen Sefd^tüinbelung berfelben berflagten unb gur SHüdja^lung
einer bon il^r et^)refeten Summe bon 65000 $fb. ©t. niJtigten; fobann 1871 ba« gäm« lo
lic^e %\aito, ba« er in einer ©i^ung in ©t. ^eter«burg machte, too feine mebiumiftifd^e
Kraft '\l}n faft böHig berliefe — ilfin im Urteil eine« grofeen 3:eil« feiner frül^eren S3e=
tounberer gu ®runbe richteten, ©tatt feiner (geft. im ©ommer 1886 ju äluteuil bei
?Pari«) gelangten im Saufe ber fiebriger ^al)xc mcl^rere anbere Uniberfalmebium« gu
großem 9lu^me, fämtlic^ ßnglänber ober 3lmerifaner unb balb in ber einen, balb in ber ib
anbem jener 5ßrobuftion«h)eifen befonber« getoanbt, olfine barum be« SSermögen« gur 2lu«=
Übung auc^ ber übrigen ju entbel^ren. 5Jeben jener 9)Jr«. Gomer (gl. 6oot) in Sonbon,
einer 3Ri6 3Boob in 35erbvfi^irc, ferner einigen gefc^idften unb begabten männlichen
a)lebien, h)ie SDlonf, $arrv 35oftian, ßglinton (bgl. ©. 661,i8) toar e« ber norb«
amerifanifc^e Dentift Dr. ^enr^ ©labe, ber al« Vertreter biefe« ®enre« befonberen SRul^m 20
erntete. ^l)m gelang e« auc^, gum erften 5Jlale bie 3lufmerffamfeit ber naturtoiffenfc^afts
liefen unb j}l^ilofo})l^ifc^en Äreife 3)eutfc^lanb« auf bie bi« bal^in l^ier übertoiegenb gering
gead^teten ober ganj ignorierten ^l^änomene be« ©})iriti«mu« gu gießen, ©eine Ser«
binbung mit bem 2eiJ)jiaer ^rofeffor ber aiftrojjb^fit %^' äöttner (geft. 1882), ber feit
einem Sefud^e bei ßroofe« in ©nglanb (1875) biefem Äreife bon ßrfd^einungen forfc^enb 2b
nä^er getreten h)ar unb in ilfinen l^anbgreiflic^e Seftätigungen für feine ibealiftifc^e Slaum«
t^eorie ($V>)otl^efe bon toierbimenfionalen 9laumh)efen) gu finben erwartete, bal^nte il^m
^iergu ben SBeg. gn ben ©i^ungen, bie im 9?obember unb S^egember 1877, fotüie im
3Jlai be« folgcnben ^al^re«, in gößner« SBo^nung ju Seijjgig, faft ftet« am ^eÜen Sage
(alfo unter Sermeibung be« bon faft allen übrigen 9Rebien al« erfbrberlic^ crad^teten so
abenblic^en ^eHbunfel« ober 2)unfel«), foioie bei 9)litantoefenl^eit no^ mebrerer natur«
toiffenfc^aftli^ gcfd^ulter 3^0^"/ befonber« ber 5ßrofefforen Süillfi. 2Seber, %l), gec^ner,
©dj^eibner jc. toon il^m gegeben tourben, ereigneten fic^ in ber %l}at feltfame 2)inge, bie
anber« al« burc^ bie Slnna^me ber 2l!tion bon ©})irtt« ober irgenbtoelc^er gang neuen
unb unerforfd^ten Diaturfraft nid^t erflärt Serben gu fönnen fd;ienen. Slufeer ber 2lu«s36
fü^rung auffaUenber ©c^reibgriffellunftftüdEe (§ert)orbringung längerer ©^riftftüdfe in
feftt)erfq)loffenen 2)oj)))eltafeln u. bgl.) unb Änotenfnül?fung«fünfte gel^örten bal^in feltfame
©))ufborgänge t)erfd^iebener 3lrt. üfd^e unb aWagnetnabeln in ©labe« 5Jäl^e fc^toanfen
l^eftig Ifiin unb ^er; eine unmagnetifc^e ©tal^lnabel toirb unter feinem ftiHtoirlenben ©in«
fluffe binnen üKinuten auf« ftärtfte magnetificrt ; eine gi^i^l^ötmonila f>)ielt o^ne fi(^tbare4o
93erü^rung bcrfc^iebene 9Welobien; ©tüde bon ©teinfo^len, $olg k. fatten bon ber35edfe
be« 3t»nni^^ l^erunter, o^ne bafe man toeife, . toer fie getoorfen; jtoei gebrec^felte ^olgringe
(jeber au« einem ©tüdf ol^ne irgenbtoelc^e Öffnung) befinben fid^ >>Iö$lid^ auf unerflär^
lid^^e SBeife am gebredE>fclten gufe eine« Slunbtifc^c^en«; eine 3:ifd^})latte toirb auf nic^t
minber unbegreifliche SKeife bon einer großen 3Jlufc^el burc^brungen 2c. 2luc^ an 3}roben 45
toon 3Katerialifierung geiftiger ©ubftangen fe^lt e« nic^t. göHner« „SBiffenfc^aftlic^e 3lbs
l^anblungen", ein mel^rbänbige« iUuftrierte« ©ammeltoerf, ba« neben ejafttoiffenfc^attlid^en
Seiträgen gur 3lftrol?l^l;fif, 6leltrigität«te^re 2c. berfc^iebene« 5taturj3^ilofo})^ifd^e unb
Äritifc^s^ßolemifc^e entf^ält, erftatteten toäl^renb ber ^a^re 1878—80 ber geleierten SBelt
93erid^t über biefe merftoürbigen 33eobac^tung«ergebniffe unb fuc^ten biefelben al« stamina 60
gur Segrünbung einer neuen 3)i«gii)lin — einer „iran«fcenbental})ie^fil", ber ficb auc^
eine „SCran«fcenbental})ieVf^*'^^0'^" ^^^ ^'cl^re bon ben ©rfc^einungen be« i&anfenfd^en
2eben«magneti«mu« ober §^})noti«mu« angufc^lieften l^abe — gu bertoerten. Sei einigen
^^ilofot)f;en, ioic Ulrici in öalle, §uber in ?Dcünc^en, grg. §offmann in 3Bürgburg,
teiltoeife au^ gec^ner in Sei^gig, fanben biefe ßößnerfc^en Sorfcä^läge banfbare« ßnt- 65
gegenfommen (ogl. 0. ©. 654,45 bie Sitt.), toäl^renb bie ^Kel^rgal^l ber naturtüiffen*
fc^aftlic^en ga^genoffen fid^ enttoeber bomel^m ignorierenb unb able(menb berl^ielt, ober
bem ©tanb>)unlte jener abfoluten ©Ic})fi« in 53egug auf bie S^j^atfäc^lid^feit ber ©labefd;en
SBunbereffefte fic^ guneigte, tüie i^n ber 2ei})giger ^^ilofo})l? Söunbt gleid^ nad^ beren
erftem Sefannttoerben in einem offenen ©enbf^reiben an feinen ^oOenfer Kollegen Ulrici 60
42*
660 &ph\ü»mn»
Vertreten l^attc. einctocfentUc^c9Kitfc^uIbam9Ki6Im0en bonäöIIneröSBerfud^, bcn ©jjirittömu^
mittclft ber ©labcfd^en 6E^)crtmentc gum ©cgenftanbc emftcrer unb an^altcnbercr Unterfudbung
feiten^ bcr bcutfd^cn SBiffenfd^aft ju ergeben, trug, abgefe^en bon bcr mafeloö heftigen
5ßolcmtf unb bcr ungeorbnctcn gönn feiner „SBiffenfc^aftlic^en Slb^nblungen", and} bos
6 Serifialten feinet 5Kebiumö ©labe. 35iefer reifte gerabe in bem 5Jlomentc, too eine gort^
fe^ung feiner eE^)erimente unter möglic^ft tjerf^ärfter un^arteilid^er Kontrolle behufs
ejafter ©ic^erfteHung bcg tbatfäd^Iic^ bleuen, 2lu|erorbentlid^en unb nic^t Safc^enfpielcr-
^aften an \i}mn bringenb toünfd^enötüert getoefen tüäre, ^Wfeli<^ (i^n «&crbft 1878) toon
£et))3ig ab, um fid^, angeblich erl^olungdbalber, nad^ — Melbourne in Slufttalien unb
10 ]päicx bon ba nad) feiner norbamerilanifc^en ^etmat gurüdtjubegeben ! 3)er auf ibm
laftenbe SSerbad^t, boc^ toefentlid^ nur mit 3:afc^enft)ielerfünftcn umguge^en, fonnte \o
nxd)i tüolfil befeitigt toerben. 3)teö um fo Weniger, ba er fc^on einmal früher (1876) in
®nglanb, burd^ ben ^^^fifer 5ßrof. 91. Sanfefter, toegen Setrug« angeflagt unb tDenigftcnl
in erfter 3«Pfl«3 berurteilt tüorben h)ar, unb ba manchem, h)a^ gu feinen (Sunften \pxaA
16 (— i. S. einer öffentlichen ßrllärung bc« berül^mten 5ßrofeffor« ber 2:afd^enfpielerfun^
SeHac^ini bom 6. 3)ejembcr 1877, toonad^ bie ©labefc^en ©ö^erimente Dom ©tanbtjunfte
ber 5ßreftibigitation an^ fc^lcc^t^in uncrHärbar feien — ) boc^ aud^ toieber anbercö, minber
©ünftigc gegenüberftanb, j. 33. bie erfolgreiche Jlad^al^mung einiger feiner i?notcnInü>)funge=
funftftüdfe (5Kärj 1878) bur^ bie berliner 5ß^^filer Gl^riftiani unb Äronedfcr. Über ba^
20 fpäter il^m toiberfal^rene SWi^gefd^idE einer böHi^en ßntlarbung f. u. bcn folg. äbfc^nitt
IV. Seginnenber SRiebergang ber f^jiritiftifc^cn Setoegung feit Stnfang
ber ac^tgiger ga^re. 35ie3cit ber©labcfc^en 5ßrobuftionen in 35eutfc^lanb barf öjo^I aii
ber ®i^fel})un!t beffen, toaö ber ©J)iritii5mu^ in Sejug auf toeite Verbreitung unb auf
geffelung be^ 3"^^^^ !om})etcnter Beurteiler bi^l^cr erreicht l^at, gelten, ©eine änJ^änger^o^I
26 burfte um ba« ^a\)x 1880 too^l auf etliche 3)lilIionen gefc^ä^t tocrbcn. ^atte man bie
©tärle ber Partei im britten ^al)x il^rer ©giften j (1850), ate fie noc^ h)cfentlid^ auf
9lorbamerifa befd^ränft toar, nac^ mäßiger ©c^äi^ung auf ungefäl^r 50000 5Perfonen an=
gegeben unb toar biefelbe gegen 6nbe ber fünfziger '^a'^xz bereit« auf mehrere ^unbert^
taufenb getoac^fen, fo fonnte im BtpUmbtt 1868, beim ^^^^^w^^^ti^g ber britifc^
80 „5l5rogrcffiben (SefeUfd^aft" in Sonbon, bie Se^auptung aufgefteUt toerben, bafe e« in b<T
alten unb bcr neuen SBelt gufammen bier TOiÜionen überzeugte 3w"0^ ^^ ©^iritiemus
gebe. 3;ft man feit ben fiebriger ^al)xm über biefc ©c^ä^ung noc^ toeit hinaufgegangen
— h)ie benn bie getoöf^nlic^c Sered^nung ber ©efamtftärle aller ©jJiritiften eine 3«^ ^«"9
auf 20 SRillionen lautete, ein bon bcm fjjiritiftifc^en aßanbenebner Dr. (S^riaj 1884 in
86 Serlin gcf^altener 33ortrag aber fogar t)on 60 ^KiUionen 2tnl^ängern ber ©ettc toiffen
tooHtc: fo fann bon irgcnb toclc^er ÄontroHc folc^er ejorbitanten g^i^l^nangaben felbji-
berftänblic^ nic^t bie Siebe fein, toeil gleich ber einl^citlic^en Drganifation auc^ jebe ®runb^
läge für bie ©tatifti! bcr ©c!tc fel^lt unb toeil bie ©renje gtoifc^en erflärten 3)iitgliebcni
ber gciftergläubigen ^xxld unb gtoifd^cn gelcgcntlid^en Teilnehmern an benfelbcn überall
40 gänglic^ fUcfecnb unb unfic^er genannt tocrbcn mufe. ^mmcrl^in barf man Don einigen
^unbcrttaufenbcn eigcntlici)cr ©>)iritiftcn toobl auc^ jc^t noc^ reben. allein in ben Vereinigten
Staaten 9lorbamcriIa« gab c« nad^ ber legten Voltegäf^lung bc« bor. 9io^^^u"bert« 45030
erflärtc S3c!cnner bc« ©J)iriti«mu« (tooju eben bamal« no$ ca. 2000 fog. „3:^eofoj>^en"
fanicn). Unb aud^ in 3)cutfc^lanb beftel^cn feit bcn 3;agen ©labe« unb Zöllner« etliche
46 f))iritiftifc^c Vereine, bcfonbcr« im Sönigreic^ ©ac^fen, in Scrlin unb mehreren anberen
©rofeftäbtcn, bcrcn ©cfamtftärfe bie 3«^^ ^on 10000 ÜKitglicbcrn tool^l übcrfteigen bürfte.
^cbenfatl« bcfi^t aud) 3)cutfd^lanb feit jenem 3citt)unft eine 3Kc^rl^eit f))iritiftifc^er Crgane
— aufecr bcr 1874 bon -Wu^tanb au« (burd^ 2tlejanber 3lffätoto, bgl. u.) begrünbeten
aKonat«fc^rift „^f^c^ifc^c@tubicn"brei3ßoc^cnblätter: „Sid^t! me^r Sic^t" [bgl. ©.662,4
60 „©biritualiftif^c Slätter" unb „3)cr ©jjrcc^faal", fotoie feit Df tober 1904 eine monaüic^
crfc^cincnbe „©J)iritiftifc^e Slunbfc^au" (bcrau«gegeben im Auftrag be« „35eutf(^
©j)iritiftcnbunbc«" burd^ %x. Slrtl^ur Sc^und^t in 6l^emni|). Unb bie ft)iritiftifc^c 3^^^
f4)nftenj)rcffc be« 3lu«(anbc« bcfinbct fic^ tciltoeifc in glän|;enben Verl^ältniffen (j. S. bie
Voftoncr 2Bodicnfd;rift The Banner of Light mit 30000 Abonnenten; bie Sonboner
66 Vlättcr: Light, The Spiritual Magazine, The Medium and Day break in äbnlic^er
©tärfe; bc«gletc^cn bie fc^on 1858 burc^ Slßan Äarbcc gegrünbete ^arifcr Revue
spirite u. f. f.). ©c^on gegen 1890 gab c« über 30 fl^irit. Organe in englifc^er ©pracbe
(aufter jenen i^onboner blättern noc^ 26 in 9Jorbamerifa unb 4 in Stuftralicn erfc^eincnbe);
baju 15—20 frangöfifc^c (bc^to. bclgifc^c), (> beutfc^c, 3 italienifc^e unb gegen 40 fi^nijc^
60 (teil« für ©Jjanien felbft, teil« für bie fübamerilanifd^en Sönber, bgL ©ibgtoid,
^pix\ti9mM 661
Enc. Brit. 1. c). ©d^on au^ biefen ^rcfetjerl^ältniffen fönncn mit einiger ©ic^erl^eit auf
bcn noc^ feften unb telatib frcquenten Seftanb ber (Senoffenfc^aft ©c^lüffe gejogcn tüetben.
— 3:ro^bem ift feit üWa 1880 ein nic^t abjulewgnenber SRüdgang im 5ßtof})eriercn, m-
näc^ft be^ cuto))äifc^en ©t^iriti^mu^ eingetreten. — 6^ ereigneten fic^ nämlic^ «emlic^
balb nai) jener ^lö^Iic^en 3lbreife ©labe« nac^ 3luftralien mehrere eflatante gätte tjon b
ßntlorbung gefeierter 3Katerialifationgmebien, toeld^e ben ®Iauben ber 9Jic^tf})iritiften an
ba« Sorl^anbenfein irgenb toeld^en tranöfcenbenten ober fu))ranaturalen ßlement« in ben
^l^änomenen be« ©})iritt«mu« auf« ftärtfte gu erfc^üttem geeignet toaren unb aud^ auf
manche bi^lfier in engerer 3Serbinbung mit ber Sefte geftanbene beirrenb ober toerftimmenb
eintüirften. 3"^f* h)at e« üKr«. glorence Corner, tuelc^e, nac^bem fie ac^t^ö^te ^inburc^ teil« lo
inSonbon,teil« inß^ina unb anbertüärt« toiel angcftaunte groben i^rer mebiumiftifc^en Äraft
abgelegt l^atte, fd^mäl^Iic^ m %aü geriet, ©ie tüurbe in fionbon am 10. Januar 1880,
tüälfirenb fxe bebuf« 3)arfteIIung be« tüeifegefleibeten (Seift« „SDlaria" i^ren ^J^ffeln unb
einem 3^eil i^rer Äleiber entfc^Iü})ft toar, burc^ bie berben Raufte eine« SKr. ©ittüeD er*
fafet, tüä^renb be(f en SSerbünbeter, §r. t). 93uc^, bie t)on il^r im „ftabinett" jurürfgelaffenen ib
Äleibung«ftüdfe unb gefjeln trium))fierenb l^erbei^olte. Sereit« ber 3Rai be«felben 3ja^re«
brachte bie 6ntlart)ung be« teil« auc^ al« 9JJaterialifator, teil« al« Seioirler toerfc^iebener
berartiger ©puffünfte h)ie bie ©labefc^en berühmten SKr. ©glinton in üKünc^en. ßr
l^atte ba« ^JJi^gefc^icf, tüä^renb einer 35unfelfi$ung einer SSerfc^tübrung mel^rerer 3^0^"
al« Dt^fer ju fallen, i)on benen einer ben ©c^lüffel ber ©})ielbofe, h)el(|e (nac^ ßgunton« ao
93e^aui)tung) burd^ ©eifterf^anb gefpielt m hjerben })flegte, l^eimlic^ fd^tüönte, fo bafe ber
in ©c^marj abgebrürfte ©riff be« Sc^lüffe« auf ber ^nnenjeite ber §anb ßglinton« biefen
al« benjenigen berriet, ber bie 35ofe im Dunleln aufgewogen ^atte, unb fo ba« 2lbbrec^en
ber mifeglüäten ©i^ung unb bie fofortige 2lbreife be« üftebium« öon ^Jlünc^en nac^ ^ari«
toemottoenbigte. SBa« in biefen beiben SJäHen ))affiert toax, toieberl^olte ftc^ in ben folgen^ 26
ben Sauren noc^ bei mel^reren angef ebenen SKebien. ©ine SKr«. SBoob tüurbe 1882 in
!Öonbon entlarbt. ©labe befam balb barauf in 9iorbamerifa eine fc^tüerere ättade gu
befte^en, al« früher t>nx6^ Sanfefter in ©nglanb. ßinem 5ßrofeffor ÜK. ^ermann foU ge=
legentlid^ einer 9?eh) ^J)orIer ©€ance feine tooHftänbige ßntlartjung gelungen fein unb biefer
ÜKeifter antifj)iritiftifi|er Äunft (f. u.) legte fic^ bon ba an bei feinen Äunftreifen ben ao
ftoljen 3^itel bei ,,^rofefjor ^ermann, gerid^tlic^er ©ac^berftänbiger unb SntlarDer be«
berül^mten amerifanifd^en Webium« Dr. ©labe." Sefonbere« 2luffe^en tjerurfad^te bie
burc^ ben ßrjl^ergog ^of^ann i)on Öfteneic^ am 11. ^ebruar 1884 in SBien beloirlte
ßntlart)ung be« englifc^en 9JJebium« §an^ Saftian, eine« renommierten 9Katerialifator«,
ben bie l^inter i^m juflat)j)enben Flügeltüren be« erg^ergoglic^en ©aal« h)ie eine 9Wau« in 36
ber ^aUe abfingen, fo bafe and) in biefem ^atte toieber bie ^bentität t)on ©eift unb
9)lebium ad oculos bcmonftriert toar (t)gl. be« ßrgl^erjog« eigenen Seric^t in ber©d^rift:
„ginblidte in ben ©t)iriti«mu«", Sinj 1884). — 3Ba« bie i)emic^tenbe Slöirlung biefer
entlartjung«fälle nod^ fteigerte, h)ar bie mit immer größerem ^Raffinement au«gebilbete
Äunft einer äfmal^l toon 3lntif))iritiften, b. 1^. gcfc^idften iafc^enfj)ielern ober ^rofefforen 40
ber natürlichen 9Kagie, toelc^e in il^ren ©Saucen, toenn nic^t atte, bod^ einen beträchtlichen
2^eil ber 3BunbereffeIte be« ©})iriti«mu« nad^bilbeten, um benfelben blofeguftellen unb gu
bi«Ircbieren. ©o in ©nglanb ein 'üKr. ^x^duiq S3i«l^o)), in SÖien unb Serlin juerft
•Sir. Stnaxi Sumberlanb, bann §r. §olme« unb SKabame ^e^ — lauter 3?irtuofen in
ber Äunft be« ®eban!enlefen«, tüelc^e biejenige klaffe fj)iritiftifc^er ^l^änomene, bie fxc^ 46
mittelft biefer Äunft nac^al^men liefeen, ju anal^fteren unb auf natürliche ober p\\)d)Oi
logifd^er (Srfalfirung lonforme Vorgänge gurüdtgufübren fuc^ten; fo anbererfeit« ber ipam-
burger jübifd^e 5laufmann Slbral^am, genannt $rof. SeUini, ber ftc^ bie Äunft be« un«
toermerlten §erau«fc^lüj)fen« an^ Süffeln, toomit man i^n gebunben, aneignete unb l^ierburc^
fotoie burc^ einige anbere getoanbte ^anbgriffe bie Entlarvung einiger $feubomebien, be^ 60
fonber« eine« §errn ßmil ©d^raj)« au« ^JJJülfen (1884) betoirfte. auc| ba« auftreten
einiger gefc^icfter 5Kagnetifeur«, toie u. a. be« 3)änen 6. §anfen (feit ettoa 1879), tl^at
bem ©i?iritt«mu« infofern Slbbruc^, al« il^re ®j))erimente auf bem ©ebiete be« ^\)\>nO'
ti«mu« ober ber lünftlid^en (Srjeugung Don ftatale^fie (ftarrframj)fartigen ©c^lafguftänben)
unter ben Jpänben tritif^ jjrüfenber ^l^^fiologifc^er ^orfc^er h)ie §eibenl^ain in 9re«lau, &5
^re^er in '^ma tc. ftc^ al«balb in natürliche ^rojeffe ohne allen gebeimni«bollen (Sl>arafter
auflöften unb fo ben SBerbac^t tüedtten, ba^ e« mit ben 2^ranceuiftänben ber 'üJlebien
u. bgl. m. überall toefentlid^ biefelbe S3eh)anbtni« l^aben tüerbe. — Sin me^r ober minber
gewichtigen Singriffen auf litterarifc^em (Sebiete fel^lte e« baneben aud^ nid^t. 35ie in
©nglanb unb anbertüärt« toä^renb ber ^a\)xt 1882—84 gro^e« auffeilen erregenben co
662 (Bpixmmu»
„Confessions of a Medium" (Sonbon 1882 u. ö.) fud^ten in fydb ronmnl^aftcr, haI6
tüalfirl^cit^etreu bcric^tcnber Sotm bcn ©c^Ieier über bcn 3Jtofterien bc^ 3)tcbiumtemu^ gu
lüften, unb itoax bic^ mitul]t bet JJiftion einer ©eneralbeicpte, tüeld^e ein Don bemfelben
abtrünnig geworbener 3Kr. 5ßarler über bie hjä^renb feinet Üml^eneifen^ mit bem OTebium
6 „3:i^omfon" erlebten %aia unb SSerirrungen barin ablegt. 2ln ber beutfc^en antifpiri^
tiftifc^en Sitteratur beteiligten fic^ toetteifemb ^^otograj)l^en unb Gl^emifer tüie §. SB. SSogel
(ätuö ber neuen ^ejenlüc^e k., 1880), ^l^^fiologen h)ie gri$ ©c^ul^e (2)ie ©runbgcbanfen
bei5 ©Ipjiritiömu« unb bie Äritil berfelben, 1881), 3flw&^fli>>>fl^Ät^«f^önbler toic 6. 9Btllmann
(Gnt^üttungen über ba^ S^reiben ber ©^iritiften, 1885), aud^ ber ^^ilofoj)^ be^ Un^
10 betüufeten 6. b. §artmann (Der ©})iriti^mug, 1885) — biefer lefetere freiließ bei ber
Slnna^me blofeen Setrugg ober §umbugö nic^t ftel^en bleibenb, toiefmel^r einen getriffcn
Äem m^ftifc^er Slealität (§allucinationen u. bgl.) in ben mebiumiftifc^en SSorgängen muu
mafeenb (bgl. ©. 663, 4i). — Unter bem ßinbrud aH biefer 3?ieberlagen ift ein Seil ber
litterarifc^en Drgane beö S^jiritiömud felbft neueften« bergeftalt fc^ü^tem unb fd^eu gc-
16 toorben, bafe er für ben fujjranaturalen (Slfiarafter atte« beflen, toa« bie mebiumiftif*cn
(Srfc^einungen in fic^ fc^liefeen, nic^t melfir einzutreten toagt. 3)ag beutfc^c §auptorgan
ber Partei, bie toom ruffifc^en Staatsrat Sllej. Stffäfoh) 1874 begrünbeten unb nominell
l^erau^egebenen, in ffial^rl^eit aber öon Dr. ®. Ä. SBittig in 2eiJ)|\ig, feit 1899 Don g. "Slam
rebigierten „^f^c^ifc^en ©tubien" fmb toon ber anfänglich entfd^ieben feftge^altenen
2o5ßojition be« ort^obojen, geiftergläubigen ©})iritiömuö mel^r unb mc^r abgctoicben.
5Rä^ere« bei ftiefeh). I, ©. 61 6 ff. 630 ff. ©ie ^iel^en bie il^atfäc^lid^fcit echter Äunb^
gebungen au^ bem S^f^ü^ burd^ bie 3Kebien mit atter Seftimmt^eit in 3*^^iM u«^
befennen fic^ nur noc^ ^u einem getoiffen ^f^d^i^mu«, einer 3lnnabme gctDiffcr minbcr
befannter ©eelenkäfte be« SKenfc^en al« ber betüirfenben Urfad^en be« S^ätfel^aften im
25 Serl^alten unb SBirifen ber SKebien. 3)er ortl^oboj gerichtete ieil ber ©^iritiften 35eutfc(»'
lanbJg unb ber 5iac^barlänber l^at fid^ bc^l^alb aUgemad^ um neue ^refeorgane (toie „i'icbt,
mel^r £ic^t", f. o.) gu fc^aren begonnen, roäl^renb anbererfeit^ ben „^fV«^. ©tubien" nocb ein
^toeite^, \f)x Iritifc^-flej^tifd^e^ SSerl^alten jur ®eifterl^^))otl^efe teilenbe«, ja nod^ übcrbietenbes
Journal toon ber mel^r naturaliftifd^en SRic^tung (in ber Don Dr. §übbes©d^leiben, f^jöter t)on
30 ©öring unter SRittoirlung bon 3)u 5ßrel, ffiaHace 2c. ^erauggeg. „©jjj^inj: 5Konat^{c^rift für
bie gefc^ic^tlid^e unb eQjerimentale Segrünbung ber überpnnlic^en Sffieltanfc^auung auf
moniftifc^er ©runblage", Sei^j^ig feit 1886, eingegangen 1896) |^ur ©eitc getreten ift. -
äl^nlic^e ©j^altungös unb 5ßarteibilbung^j)roj\effe läfet bie innere ßnttüidfelung ber Sehe
auc^ in anberen Sänbem neueftenö ^ert)ortreten. 3)afe biejenigen SRid^tungen , ioeictc
36 ftatt ber früf^er t^räbominierenben m^ftifd^^magifc^en 2)en& unb Se^rtoeife einen mehr ober
minber au«gej)rägten ^flaturatiömu^ tjertreten unb ben eigentlichen ©eifterglauben )?rci«--
gcben, balb überall ba^ Übergewicht erlangen bürften, barf bei ber augenblidflic^en Sage
ber 3)inge aU übertoiegenb ma^rfc^einltd^ gelten.
V. J^corien jur Grilärung ber fj)iritiftifc^en 5ß^änomene ftnb in jiem-
40 lieber 3^^^ aufgefteUt toorben, h)ie benn 5. 33. ©cbneiber in bem me^rertüä^nten 9Bcrfe
(©. 350 ff.) il^rer nic^t Weniger al^ act;t anführt unb mel^r ober minber cinge^enb be=
fc^reibt. 2)a mehrere berfclben faft nur nominell ober betreff« untoefentlid^er D^etailö
tjon einanber toerfd^ieben finb, fo lajfen fie fic^ bequem unb olfme bafe äöefentlic^c« über-
gangen tüirb, alö eine Sierml^l barftellen. ^\t)n biefer viererlei SDeutung^erfuc^e fmb
45 naturaliftifdier 3lrt, b. ^. auf Seugnung ber 2lftion jenfeitiger Äräfte ober ^jcrfönlictei
0eifth)efen in ben mebiumiftifc^en ßrfd^etnungen l^inauölaufenb, unb jtoei fj)iritualiftif(ber
ober fupranaturaliftifc^er 3lrt, b. l). ba« 3?erurfac^tfein ber 5ßl)änomene (ober tüenigften»
eine« %cxl^ berfelben) burc^ aufeermenfc^lid^c (Seifttüefcn belfiaujJtenb.
a) 2)ie Sctrug^t^eorie ift bie 2lnna^me be« rolleren 3Jaturali«mu« unb ©fej)tici5^
60 mu« in SScjug auf bie isorgänge in ben ©i^ungen be« ©t^iritiömu«. ©ie finbet fxA
mel)r ober minber gefdbidtt enttüidtelt unb tjerteibigt in fold^cn ©d^riften tvie bie oben
(©.661,59) genannten \)on ^}5feubo=^arfer, 93ogel, %x. ©d^ul^e, SBiUmann, unb
biclcn ä^nltcf)en; fic fcbeint auc^ im toefentlic^en ben §intergrunb beffen ju bilben, ioa^
Grj^erjog Qol^ann in ber angeführten 33rofct)üre gegenüber bem ©^iritigmu« aufgeführt
65 hat. eine allfeitig einleud;tenbc 35eutung ber ju Jjrüfenben rätfell^aften i^atfad&en t^er^
mag fie nic^t ^u bieten, ©egenüber ben angebli(|cn ©eiftermaterialifationen mag fie mebr
ober minber im Skc^lc fein, ba l^intcr biefen Isorgängen, fo ioeit bie bi^^erige Seobacbtung
reicht, immer unb überall ©cbtoinbel ober liftige 2;äufcl)crei nac^getüiefen lüorben ift. aber
bie ^JJebrjal^l ber übrigen auffaöenben ^^änomene, ioic befonber« fold^e l}ert)orragenberc
6t) 5)Jebien ioic $omc, ©labe k, fte ju j)robujiercn ))flegen, f^jottet eine« ieben auf ba am
(Stifaritidmitd 663
na^me gemeiner Betrügerei ^inauölaufenben ©rllärungSberfud^e^. ©ie fc^eint e« toiclme^r
na^e ju legen
b) bei ber ))fVc^iWwt Äraftt^eorie (togl. Äiefeh)., 3)er neuere DH. I, 506—631) 5Rat
ju fuc^en, einer ju mel^reren Unterarten ober 9KobifiIationen au«ge})rägten il^corie, bic
im allgemeinen irgenb toeld^e f eelifc^e ^wnftion beö 3Renfc^en aU entärenbe« ^Moment in 5
Setracpt nimmt (ba^er aud^ tüo^I al« ^f^c^i^mu« bejeic^net). 3lte biefe ftraft backte
$rof. Il^urV in ®enf (Les tables parlantes etc., 1855) ein unfid^tbare« ^luibum,
bog er ,,^f^c^obe" gu nennen borjc^lug, mäl^renb anbere, bei fonftiger fad;Iic^er Übereins
ftimmung mit feiner 3lnna^me, boc^ anbere 9iamen tüä^lten, 5. 33. „>)f^d^ifc^e« ^luibum"
(2B. 9JJajn)ea, 2)rei Sucher magnet. §eiHunbe, 1855), ;,HV^ifc^^ Äraft" (@. 333. 605,10
Spiritualism answered by science, 1872; ^. §. ^id^te, 2)er neuere ©^iritualiömu«,
1878 2C.), ober im Slnfd^Iu^ an ältere, toorfJ)iritiftifqie 35oftrinen bon „3SitaItraft" rebeten
(9iee« t)an ©jenbedE, 6aru« k.), ober ben SHeic^enbac^fc^en 'Hamm „Ob" toieber ^erbor«
jogen (Seefer, ^rof. 2Bunbt u. b. S))iritigm., 1879 ; 3S\ppxti)t, 35er ©t^irituali^mu« bor
bcm gorum ber SBifienfc^aft, 1880, 35u ^rel, 35ie Wagie aU 9Jaturtoiffenfd^aft, 1899; is
er be^eid^net „bie DbqueHe ber mcnfc^I. Jpanb" al« biejenige Äraft, toelc^e bie %x\d)t beim
2:ifd^rüdEen in Seioegung fe^t), ober enblic^ ba^ geJ^eimni^tooHe Slgen« aU „unbetoufetegere*
bration (§imtl^ätigleit) toerbunben mit untoiHIürlic^er SDtuöIelt^ätigleit" befinicrten. Die
lefetere Formulierung ber Sl^eorie, bem Seftreben möglid^fter 3Rec^anifierung, b. i. mög«
lic^ft loenig m^ftifd^er 3luffaffung ber betr. SSorgänge entftjrungen , l^atte an bem 1885 ao
toerftorbenen Sonboner ^^^fiologen 333. 33. 6arj)cnter i^ren §au})tbertreter, ber fie in
toielen ©d^riften (j. 33. Mesmerism, Spiritualism etc. 1877) toerteibigte unb bei bem
§Vt^noti^mu^forfc^er 33raib in SKand^efter (geft. 1860), bei 6^. 33ra^ unb m. a. 83eifan
fanb. ainberen 5ß^^fiologen unb ^atl^ologen toon ber mec^anifd^smaterialiftifd^en ©d^ule
genügt freiließ auc^ biefe relatitj boBftänbige Seugnung be« mvftifc^en ß^arafter^ ber betr. 26
^^änomene nod^ nic^t, toe^l^alb fie — fo g. 33. ber 9ieh)9)orIer 5Jlebijini?rofeffor 333. §ams
monb in ber ©c^rift Spiritualism and allied causes and conditions of nervous
derangement, Sonbon 1876), äJ^nlic^ ber 333iener 6Ieftrot^era))eut 35enebift k. — e^
borjiel^en, eine geftörte 9Jert)ent^ätigfeit aU ben ^^änomenen ju GJrunbe liegenb ju betrad^ten
unb bcmnac^ ben ©l^iriti^mu^ ate rein j)at^oIogifd^e^ ^orfd^ung^objett ju be^anbeln. SDBirb 30
^ier, jugleic^ mit ber ©eele, aud^ jebe befonbere ©eelenfunftion ober «Iraft afö bie 6rs
fc^einungen berurfac^enb geleugnet unb fo faftif^ ber Übergang auf ben S3oben jener
S3etrug^t(^eorie tooÜjogen, fo toirb ebenbamit auf ein toiffenfc^aftUc^eg S3egreifen ber fämts
liefen in S3etrac^t fommenben SWomente be^ ©ii)iriti^mu^ toerjic^tet unb mit etleltifc^er
35}tIIIür balb an biefen, balb an jenen befonberen ©eiten be« ^jS^änomen^ ad^tlo« borüber^ 35
gegangen. 333o bcel^alb eine toirllic^e unb ernftli^e I^eoriebilbung in S3ejug auf ben
©egenftanb angcftrebt toirb, ba f)äli man fic^ übertoiegenb an jene« ^rinjip ber t^f^c^ifc^en
Kraft, fuc^t alfo bem, toa« t^atfäd^Iic^ am ©))iritiömue ift, S3ereic^erungcn unb %oxU
bilbungen ber emj)irifc^en 5ßj^c^oIogie abzugewinnen, o^ne ben ©lauben^Ie^ren ober
3)loralbohrinen ber ©efte befonbere Sead^tung ^u toibmen. 3n biefem ©inne l^at neben 40
t). §artmann (f. 0. ©. 662, id) befonber« (Sari bu $rel in feiner „^^ilofojj^ie ber 3K#f "
(1884) u. a. ©d^riften unb Stuffä^en bie t^f^c^ifc^e itrafttl^eorie ^u begrünben unb au^s
jubilben unternommen. 3luf bemfelben ©tanbijunft, toelc^er aud^ toefentlid^ berjenige
SBittigg unb ber ^^f^c^. ©tubien ift (f. 0. ©. 662, u), betrieb bie unter bu ^rel« üKittoirfung
erfd^einenbe unb bon $übbe5©d^leiben geleitete 9Jlonat«fd^rift „©})^in5" i^e (Srforfd^ung 45
ber in SRebe ftel^enben 5^^änomene (f. 0. ©. 662, 28 ). Über bu $rel f. Släf^ere« bei Äiefe«
n)etter, 5R. CK. I, 749—799.
c) 35ie Il^eorie ber ©biritg ober bie ort^oboj^fpiritiftifc^e 3(uffaffung abojjtiert jtoar
bai5 S03efentlid^e ber J^f^d^ifd^en ilrafttl^eorie unb fjjric^t ^ugleid^, ba Wo e« fic^ um bie
an fd^äblic^en ^feubomebien ju übenbe ftritif ^anbelt, ber S3etrug«tl^eorie ein geloiffe« 60
Siecht ju. 3lber fte nimmt bie 3?orauöfe$ung be« öfteren 3SorIommen« ed^ter unb objef*
tiüer (Seifte^üffenbarungen au« bem $^enfeit« mit binju unbjtoar in ber 333eife, bafe fie
bie ftc^ funbgebenben (Seifter für bie ©eelen toerftorbener 3Jcenfc^en ^ält. 3^^^ 5Jlobis
fifationen biefer auf bie 9Jefromantie ber 3llten unb bie (Seifterlel^re ber fc^amaniftifd^en
^Religionen ^urüdtgel^enben 2lnna|^me ge^en nebeneinanber l^er: 1. bie SReinlamation«- 66
leiere, toelc^e bie ©jiirit« ein toieberl^olte« 33erletblic^tn)erben unb 35}ieberjurücHel^ren in
ben teiblofen ®eifte«juftanb erfahren läfet, alfo bie alt-äg^ptifc^e, inbifc^e unb p\)tf}a'
goräifc^e ©eelentoanberungöboftrin erneuert (tjgl. u. ©. 664, 56), unb 2. bie einfachere ©eifter^
t^eorie ber getoöl^nlid^en ©j)iritiften, toelc^e ein nur einmalige^ ©terben be« menfd^Itcben
Drgani^mud ober Übergeben ber ©eele in ben ®eifte«juftanb Uf^auüfUt. 2)ie erftereeo
664 ®)iiriMmitd
Scl^rtüeifc, bcgrünbct \>\xx6) bcn granjofcn Wian ftarbcc (eig. SRiöail, geb. ju S^on 1803,
gcft. ju 5ßari« 1869), nac^ iDclc^cm ftc auö) tüo^l alö „ftarbcci^mu^" bcjctc^nct h?trb,
unb \päUx bcfonbcr« Vertreten burd^ bic ^)l^antaftif(i^cn Drafcl ber unöarifd^cn Saronefic
äbclma D. ^a\), fd^cint toottüicgcnb in Sänbem ober ©cgenben töm.sfat^ol. ©efcnntniffc^g
6 verbreitet ju fein, mäf^renb bie SeDöIferung proteftantifc^er Sänber im aDgemeinen mebr
©eneigtl^eit jur nic^t=reinIarnationiftifci^en ©eifterle^re betl^ätigt. — Der Serfuc^ 3ößncr^
(Äiefetüetter, 31. DR. I, ©. 665—702), bie f})irit. 5ßf)änomene mittelft feiner ännabmc
einer „vierten 2)imenfton" ober 3^^eorie ber Vierbimenfionalen Slaumtüefen gu crfidrcn
— Don il^m unter 3"^*9^^^" ^"f tl^epfo>)l^ifc^e Äon|ie})tionen Von ^cnrV 3)lore,
10 Dettinger, ^^idter k., fotoie auf gelegentlid^e Sinterungen Von 9Jlat^ematitem h)ie Äant,
(Saufe unb Sliemann, enttoicfelt in feinen „SUiffenfc^. Slb^anblungen" unb im Slnfc^Iujfc
an i^n Verteibigt von 5){. SBirtl^ (ßöHner« 6vi?ot^efe intelligenter Vierbimcnfionalcr 9laum=
tüefen, 1878), Saron ipeüenbac^ (f. u.©. 665, is), 6. SBegener (3um 3ufammcn^ng von
©ein unb 35enfen, 1879) unb einigen 2121. — bedft fic^ fad^lic^ im n>efentlic^en mit ber
16 getvö^nlic^en 3:^eorie be« ©})iritigmu« unb bemüf^t fxd^, berfelben nur einen fcfteren meta=
})l^^fifc^5naturj)^iIofo^^ifc^en Unterbau ju geben.
d) 3)ie bämoniftifcl^e 3:i^eorie ift bie ber d^riftlid^-ort^obojen ®egner be« Sviriti^mu^.
SBSirlli^e Äunbgebungen an^ ber ©ciftertvelt läfet auc^ fxe burd^ bie ^robuttioncn ber
Webien, tvenigften^ ber eckten unb l^ervonagenb fräftigen, beivirlt n)erben. 3lber fie ct-
20 flärt bie ©Ijirit^, unter SSertoeifung auf ba^ triviale, 2Hbeme, oft auc^ ®cmcinc ibrer
2tu^fagcn unb auf bie {and) fj)iritiftifc^crfeit^, bef. in ben $f^d&. ©tubien. Vielfach ^u-
geftanbene) 5lic^tibentität ber erfd^einenben ©eifter mit ben abgefc^iebenen ^erfoncn, aU
toeld^e fie fid^ ausgeben, für „unfaubere ©eifter" {nv. dxd^aQTa, dai/jiövia). ©ie ver-
gleist bemnad^ ben mebiumiftifc^en 3?erlebr mit fold^en ®eifth)efen — beren (Sbarafter=
25 eigentümlic^feit unb guftänbe ettva nac^ aJlafegabe Von mt 12, 43 ff.; 2c 8, 2; St® 16,
16; 19, 13; 3^2, 19 2c. beurteilt unb befc^rieben tverben — al^ ettoa^ ^^eligiöfeö, im
aBorte ®otteg 3]ierbotene« bef. um 2c 16, 31 toillen, unb Uf)an!pUi über^au})t bie fttt^
lid^e unb religiöfe Unnuläffigfeit ber ft^iritiftifc^en 6E^)erimente afe einer mobemcn Slefro^
mantie ober 5Ragie. 2luf biefem ©tanbpunfte, ben bie fatl^olifc^^orti^obojen Äritifer bce
30 ©))iriti^mu^ faft au^nal5>"^^to^ ^"^ ^^^ ''^"C" übereinftimmenb aud^ ein Icil ber po^txo-
eVangelifc^en Seurteiler feft^alten, erfc^eint ba« fj^iritiftifd^e treiben ate ein „^^Vt^oni^mu^
unferer läge" (nad^ bem 2luebrudE ber ©tvebenborgianer 9ieu=6nglanb«, in il^rem toibcr
bie bortigen ©l^iritiften gerid^teten ©jlommunifation^befd^luffe von 9leh) öamt)f^ire, 1858)
ate eine „neue ^«"bereifünbe" (®. §. von ©d^ubert, in ber bef. ©c^rift, 1851) aU
35 eine (Erneuerung be^ ®oeten= unb 5JJ^fterienunh)efen^ eine« Sö*"^'^^"^ (Ofltlcfe,
35a« Sud^ Von ben äg. TO^fterien, 1858), al« eine „®eifel be« (Sl^riftentum«, gefc^toungen
burd^ gefährlichere ^einbe al« SRenan unb ©traufe" (3Jl. be 3RirVille, La pneumatologie
des esprits et de leurs influences, 4 vols., ^ari« 1863), ein „nic^t Von Sott er=
öffneter unb gegebener, jonbern bie ©eele gefäf^rbcnber 2Beg" (Sut^arbt, ©rief an 3öllner;
40 f. beffcn SBiffcnfd^. 3lb^anbluugen III, 562), eine Übung ber nefromdntifcbcn Äunft,
„tüel4)c bämonifc^en 3^^^^" bient unb an beren Verberblid^cn Folgerungen ©atan niit
unbeteiligt ift" (©c^neiber a. a. 0. 548 f. ; Vgl. bie äl^nlic^ urteilenben Äatl^olifen ®ut=
beriet unb ^rj. Salter, 2lberglaube unb Seelforge, ^aberborn 1904, Vgl. 2it. SRunbf*.
1904, 5Zr. 10, ©. 31 Of.).
46 VI. ^nx Beurteilung ber religiöfen unb etf^ifc^en 2lnfd^auungen im ©J)iriti«mu0:
©c^neibcr, ©. 250 f. 257 f., (gug. Wütter, ©. 62 f., 2)ij)))el, ©. 232ff., (S. ©utberlet,
2)er Siamp^ um bie ©eclc, ÜRainj 1899. 3)ie 9leligion«= unb 5)loralboftrin beö
©piritiömu« ^ält fid), von einjelnen el^renVoUeren 2lu«nal^men abgefe^en, burc^f^nitt=
lic^ auf einem jo bebenflic^ niebrigen 9?iVeau, bafe ben ^ier beif>)iel«h)eife angeführten
60 3enfuren feine« religiö^^et^ifc^cn ©efamttverte« laum ber SSortüurf übermäßiger ©^ärfc
gemacht tocrben lann. ©d)on bie arge bogmatifc^e 3^1!^^^^* ^^ ©cfte, inner-
halb beren mebrere grunbverfd^iebene ©trömungen nebeneinanber l^ergebcn, h?e(ft
lein günftige« 5?orurtetl; frafesfui^^^^^^^turaliftifd^er 2lberglaube unb orbinärfte natu^
raliftifc^e, ja materialiftifc^e 2Öei«beit treiben im breiten unb trüben ©c^lammbette bc«
65 ©trom« f))iritiftifcbcr Irabitioncn ol)ne flare ©cbeibung nebeneinanber. 3^ feftcn 8c^
griffen unb beftimmtcn Scl^rformeln finbet man biefe geiftergläubige SI!3ei«l^cit nirgenb«
enltüidelt; toa« i^rcn Vcrf4»iebcncn IKobififationen einzig unb allein al« gemcinfam a-
fdE>eint, ift bie 2(nna^)me eine« jenfeitigcn fortleben« unb ©icblunbgeben« ber 3)lenf(bens
geiftcr, vermittelft einer geiüiffen fluibifcl)cn ©ubftan^ (bei ben Äarbecianem „^erifj>rit"
fio genannt), tvclc^e biefelben beim iobe au« bem bie«feitigen 2eben mit l^inübemebmen.
®)itrttidittitd 665
unb bcren ftufcntoeife Säulming unb ^öl^etc fjortenttoicfclung im genfeit« tüenigften« Don
bcn cmfter öerid^teten fpiritiftif^en Parteien jtemlid^ übereinftimmenb geleiert unb geglaubt
toirb. eine ^Ke^t^eit fonj^entrifd^er ©i^^äten, bie ftc^ über ber ßtbe erl^ebt unb burc^
meiere bie ©eifter im Saufe il^re« Säutetung^j^rojcffe« nad^ unb nac^ i^ren SBeg jum
^immcl ^urüdlegen, bezeugt bie 3}Uf)xiaf)l aßer angefelfieneren 3Kebien in älmerifa h)ie 6
in ber alten 3BeIt — mögen immerf^in bie 2)etaite if^ter Sc^ilberungen Variieren unb
mag beif))iel«h)eife in ben })l^antafieboIIen ©d^ilberungen ber 5Kife ßmma §arbinge (bei
a. SR. aSaUace, a)ie toiffenfd^. anfielet be« Übernatürlichen, ©. 73 ff.) eine et|if(^ ftrengere
5^ergeltung«lel5>re enttoidelt toerben, ate in ben me|r berbftnnlic^ gearteten ^enfeitös
gemälben Don 9lob. ^axt (bei Sc^neiber, ©. 240 f.) ober in SR. g^efe« „Stimmen au« lo
bem SReic^e .ber Oeifter" (1879), — n)el(i^e le^teren ^auljtfäc^lic^ auf 3lu«malung ber
aUfeitigen ä^nlic^leit ber 3wfiönbe be« 3^«f^^^^ ^^^ benjenigen bc« 3Die«feit« %U\^ bers
tDenben unb in biefen an Stoebenborg« 3Sifionen erinnemben ®enre bie unglaublic^ften
Ärubitäten auftifcl[;en. aiber nid^t einmal in biefen ba« ß^c^atologifd^e betreffenben
©runblel^ren ^errfc^t aUfeitige Übereinftimmung ; toie benn bie bereit« angefül^rte ©eelen- ib
n)anberung«boItrin ber Äarbecianer bcgreiflic^ertüeife auf bie jene ©i^l^ären betreffenben
33orftellungen eine ftarl mobifijierenbe ßintoirlung übt, unb anbertoärt« noc^ anberc
©onberle^ren gehegt toerben, ^. 93. feiten« be« SBiener f))iritiftif(^en ^^ilofop^en 93aron
Sa^ar ^. ^eHenbac^, ber einerfeit« Sieinfamationift ift, aber anbererfeit« ein enblid^e«
Untergeben ber inbitoibueHen ©eelenfubftanjen (nac^bem biefelben einen mel^rmaligen 20
SBec^fel il;re« 3)imenfionaljuftanbe« burc^gemad^t) be^au})tet unb in i^erbinbung mit
biefer Unfterblic^feit«leugnung auc^ ein l^öc^fte« göttlid^e« ^ßrimi}) leugnet, alfo feinem
fpiritiftifc^en ©l;ftem einen at^eiftifd&en äbfc^lufe gibt. »gl. Äiefetoetter, 31. DU, I,
®. 703—748. ©leid^ ben e«d^atologif(^en änfic^ten ber Sjjiritiften bifferiert auc^, ioa«
fie in fo«mogonifc^er unb ant^ro^jogonifc^er ^inftd^t annehmen, auf« ftärifte. ffiäl^renb 25
bie bem fat^olifd^=firc^lic^en ©tanb^unlt fic^ näl^ernben Äarbecianer 5ßroben einer jiemlic^
ort^obojen Sel^anblung ber biblifc^en ©d^öjjfung«^ unb ©ünbenfall«lel^re liefern — j. 33.
Äarbec, La Genese, les Miracles et les Prödictions, 6*^ §dit. 1868 ; Slbelma t). jyaV,
(Seift, ftraft unb ©toff, 1870; ®raf ^onin«fi al« Serteibiger ber SReftitution«^^t)otHc
in bem Sortrage: „3Jom 5Ru$en be« ©piriti«mu« für bie SBiffenfc^aft", Seipjig 1877 — 80
rü^mt ber 2lltmeifter ber norbamerilanifd^en ©})iritiften 21. 3- ^flöi« fi(|, bie liers
abftammung be« 3)]enfc^en fc^on geraume ^Äi toor 3)arh)in geleiert ju l^aben (©c^neiber,
©. 248 f.). aiuc^ 3)at)i« 3ln^änger ^ubfon 2uttle burfte auf (Srunb feiner 1859 er^
fcf)ienenen „Arcana of Nature", toorin gteic^faH« eine fjjontane ©nttoidEelung ber
Drgani«men (tjom 2lmt)bioju« bi« hinauf jum SKenfc^en) geleiert h)irb, $riorität«anfj)rüc^e 35
gegenüber 2)arh)in unb .^ädtel er(>eben. 211« ^tpU>oxti} 3)i|on ju 2lnfang ber fed^uger
^ai}xc auf SReifen burd) bie bereinigten ©taaten ben ©toff ju feinem 33uc^e „^fleu^
2lmerifa" fammelte, fanb er in ben fj)iritiftifc^en 3^^^'"/ toelc^e er befuc^te, bie 2lffens
urfprung«lel)re bermafeen Verbreitet, bafe nic^t erft toom britifd^en 3)arh)ini«mu« l^er ergangene
(Jintoirfung biefelbe ^ier ^eimif4 gemacht ^abcn lonnte (3?eu-2lmerifa, ©. 340 ; Dgl. 40
auc^ 93®l. VI, 355 f.). — Ungleich genug ift femer, toa« bie toerfc^iebenen SRid^tungen
be« ©piriti«mu« auf d^riftologifc^em unb foteriologifd^em ®ebiete leieren. Släl^ere« bei
"S^'xppd, ©. 169—196. 3)ie ©c^ule Äarbec« ift aud^ ba toieber bie ortl^obojefte. ^mcx^
l)alb t^rer toirb fogar foldien 3!)ogmen toie bie unbefledEte 6m>)fängni«lel^re nid^t loiberfljrocben
(f. ®ranb, bei ^J^ejjani, La pluralitö des existences de Tarne, p. 363; bgl. S®1. 45
VI, 351 f.), unb fotoolfil Äarbec al« bie Saroneffe b. 95a^ fonformieren i^re Seigren unb
SRatfc^lägc bem fül^nften 5Kirafelglauben bc« 5latl^olici«mu«. 2lud) bei bem t)on §au«
au« lut|erifc^en 93aron ®ülbenftubbe ftöfet man ^ie unb ba auf tjofitib^c^riftlid^ flingenbe
©ä^e; einer ber bon il^m mitgeteilten (Seifterf))rüc^e lautet: „3)er lob ift immer ber
bitterfte Äcld; für ben 3Renfc^en, aber er ift berfüfet burd^ ben, ber i^n einft auf bem so
Gabarienberge gefoftet l^at" (5ßof. 5ßneumatol., ©. 239). 2lber bei toeitem ben meiften
5Bertretern ft^iritiftifc^er SReligiofttät ift 6^riftu« blo|er SDJenfc^ ober beftenfaH« einer ber
oberften Gngel; feine Sßunber toerben in Äonformität gebac^t mit ben aufeerorbentlid^en
effeften be« £eben«magneti«mu« unb ©>)iriti«mu«, feine ©rfd^einungen nac^ bem lobe
al« „3Raterialifationcn" 2c. (ügl.,. Zöllner, SÖiff cnfd^. 2lbl^anblungen II, 1187). §ie unb 66
ba lebt in ben ft)iritiftifc^en 2(u^erungen über 3^fw 5ßerfon unb SBerf ber fraffefte
gnoftifc^e 3)o!eti«mu« toieber auf, bgl. bef. bie 3- ^. SRouftaingfc^e ©oangeliencrflärung:
„ßl^riftl. ©t)iriti«mu«, ober Offenbarung über bie Offenbarung ber t)ier ßbangelien 2c.",
Subtoei« 1881 (8®l. XX, 195). 2)ie (Srlöfung ift ben meiften ©})iritiften toef entließ
nur ©elbftcrlöfung be« a)ienfd^en; i^r ©ünbe^ unb lugenbbegriff ift ^jelagianifc^ geartet; 60
666 (BpintimM @)ittta
il^rc ganj^c 9leIiaiojität trägt übertticgcnb antüttd^Hci^cn unb flcruSfeinblid^en GBoraftcr
(bgl. bag ec^riftd^cn : „2)c^ Älerifali^mug unfel^Ibarc ÜbertDtnberin" [üon SR. b. SJa^jjwrbl,
2. aufl., g^emni^ 1877). ßinc bciftifd^^f^nfrctifüfd^e Icnbeng j^ur Oleic^fleaung ^cfu mit
ben gtiftem anbcter SleKgioncn, in^befonbere mit 3Kofc unb Subb^a, too^nt ben metftcn
6 $roj)^eten ber ©citc bei. „Sta^ma, Subbl^a, 3">>i^^ w"^ ^^i}o)Dab*\ meint jener
§. iuttle (Are. of Nature), „fie oHe muffen ber iperrlic^feit unfercr neuen Religion
tüeic^en!" Unb in bem mä) 35abi^' 3lnga6en erridS^teten „^nt^eon be^ fjortfiritts",
bem Äultu^l^ciligtum ber ©>)iritiften Don ?J}oug^fee})fte, figurieren nebeneinanbcr bie Stanb=
bilber üon Sra^ma, 95ubbl^a, ©anc^uniat^on, ÜKofe, 3efu«, ^aulug, fintier, ©loebenborg,
10 Slnna See, 3jane ©outl^cote, Il^eobor 5ßarler 2c. Sefonber^ ftarle Scifi^iete öon Ieicbt=
fertiger ^erabfe^un^ 3ff" ""^ ^ugleid^ t)on SR^tl^ifierung feiner Oefd^id^te pnben ficfc
in ber beutfd^-amenfanifc^en ^eitfd^rift „SDer gül^rer". 6« begreift ftd^ ^iemoct, boB
aixö) ein fo unfmniger ©c^mmbel, h)ie ba« treiben ber „2:i^eofo))^tfd^en ©efcHfc^ft"
ober ber ©enoffenfc^aft ber „Occultiften" (geftiftet um 1875 in 3?eh) 9)orf burd^ Goloncl
15 ^. DIcott unb bie SRuffin §elena SlabatöliJ, bann befonber^ in Somba^ unb anberen
©täbten angloinbien« fomie ^apan (togl. §. 35alton, auf Wiffion^faben ©.177. 384)
ausgebreitet, fett ben ad^tgiger ^ö^ten aber auc^ in 35eutf(^lanb, befonber« bun^ (Srünbung
einer „Il^eofo^jl^ifd^en ©ocietät ©ermania" in ©Iberfelb, 1881, angei)flan5t) mit einigem
ßrfolge um fid^ greifen unb für feine Senbenj einer boßftänbigen SBerfc^mcljung i>on
20 inbifd^sbubbl^iftifc^er ®e^eimh)eiS^eit mit bem ßl^riftentum 3ln^änger getoinnen fonntc.
SS^I. ba« biefer befonberen ©trömung bcS ©^iritiSmuS bienenbe SBerl toon 31. ^. ©innet,
2)ie efoterifd^e Seigre beS ©e^eimbubb^iömuS, £ei))jig 1884 (jur Äritif bc^felben: et?anq.
A3 1885, ©. 185 ff.; »®l. XXI, 36. 79 f.; bie ^umorift. Beleuchtung bon Sfc.Saftian,
„©>)iritiften unb 3^^eofoj)l^en", in ber beutfc^en Slebuc 1885, Oftober) unb bie ©c^riftcn
26 toon %. §artmann, I^eofo>)l^ie unb bie internationale ©efeUfc^aft £ei})jig 1894; 2)ic tt>cifec
unb bie fc^h)arje SDlagie, 2eij)jig 1894; 5)ie ©e^eimlel^e in ber d^riftl. SReligion, £ei)),;i(i
1895; fotoie bie ©ammlung „Il^eofo^jl^ifc^e ©d^riften", 33raunfc^h)eig 1894 ff.
2)afe es um bie 9)JoraIität beS ©ijiritiSmuS nac^ S^eorie toie ^rajriS nic^t jum
Seften befteHt ift, erl^eHt jur (Senüge fc^on auS me^rerem biSl^er 95emerften. Über bie
80 Slo^cit, c^nifc^e 2)erblf>eit, bobenlofc Serlogcnl^eit ber Bp'xxxti bieler 3^^^ bcSgleic^cn
über bie Betrügereien unb bie ®eh)innfuc^t nic^t n)eniger 3Webien fül^rten f(^on Äarbcc
unb öome in toerfd^iebcnen t^rer ©Triften bittere Älage — ügl. §omeS Lights and Sha-
dows, ©. 357 ff. ; ÄarbecS Livre des Esprits unb Livre des Mediums (auc^ bcffcn
Heinere« ©c^riftc^en ..„Über baS SBefen beS ©j)iritiSmuS", a. b. %xani., 3h)i(!au 1882;
86©. 114ff.). 5)iefer ätrgcmiffe finb in ben legten 3«^^^^^"*^" ^'^ i>^^ gehäuften QnU
lartJung^fäHe feit 1880 feigen, nic^t h)eniger geh)orben. Unb menn auc^ bie %äüc, too bie
©))irit« fic^ ate 3Serf ünbcr f ociaüftifc^er Seigren (h)ie l^ie unb ba in ben ©c^riften t>on ^afi^
unb feiner grau) ober ate Urheber la^ciüer SQäi^e, frivoler ©c^erjreben ober bla^bemifcber
äufeerungen bcrne^men lajfcn (tjgl. ©d^neibcr, ©. 298 ff.), im ganzen al« 3lu^nabmcn
40 gelten bürfen; tocnn ferner ber ©>)iritiömu« ate ©anje« nic^t für alle«, too« ein|\elne
feiner 3lbej}ten auf moraI))^iIofoj}f)tfd^en ©ebiete leieren — j. S3. aud^ nic^t für be^
S3aron ü. §ellenbad() ^laibieren für bie .^erftellung rabifaler änberungen in 93e^ug auf
6rbfc^aft«iüefen unb ßigcntumöbefi^, fotoie für bie „(Setüä^rung t)on mcl^r ^rei^cit in
gefc^Icd^tlic^er Sc^ici^ung" ic. (in feinem Sud^e: „5)ie Vorurteile ber 5Jlenfd^^ext", 9b I,
46a5iien 1879) — üeranttüortlic^ gemacht toerben fann: fo ift boc^ ber SBert unb ©ebaU
beffcn, toa« feine Drafel in et^ifd^cr C^infic^t Derfünbigen unb leieren, burd^fc^nittücfc
ein J)öd;ft mittelmäfeigcr. 3lud^ bie ber^älni^mäfeig tugenbl^aften ©J)irit« bringen immer
nur ioenig 9icue«, unb faft nie anbere« al« ©d^iDäc^Iid^e«, in ^inftc^t auf fittlic^ an-
regenbe Äraft 2)ürftige« ^ux 3tu«fage. ©ülbenftubbe« ©eifterfd^riften ebenfo \vk ©labc^
50 ©c^iefertafelfd^riftcn fommcn über ©emcint^lä^c unb h)äfferige SKoralfenten^en nicbt bin:
au«. 3)0« "geblen einer böberen iBJiffion unb Segitimation für bie ©efte tritt gcrabe in
biefem Sercid^c i(;re« äBirfcn« t)orj\ug«tüeife greU ju Xage unb giebt beutlic^ genug ^n
erfennen, bag tocnigftcn« innerhalb ^riftlic^ frommer unb firc^Iid^er Äreife ein 6pften,v-
rec^t für fic nic^t au^gemittclt tücrbcn fann. S^^^^^ t-
66 ©»)iritualcn f. b. 3t. %xani \)on 3lffifi »b VI ©. 210,6.
(Bpxtta, S. 3. ^F)ili)3p, Ö^ft. 28. ©c|)t. 1859. — i^itteratuv: 8plttQ« iiicbci
II. f. w. ). unten ; Ü. M. mhitcl k. 3. ?3(). @p., ein i^cbenöbilb, 1861 ; 2. unt). ^ludiv» bod)
mit Sufenoten uon C. 3)Jcjer, 1892; iiiibiu. 6pitta, Ä. 3. $^. @p., ^folter unb ^Wrfc mit
^pitta 667
einer Einleitung („Gine biograpl^if4e (SrgänjungSftubic ju ^ünfcIS i!cbcnSbiIb", ©. I bis
CXXXVI), ©ot^alSOO. SSeibc SBüc^cr entgolten treffliche ©l^araftcriftüen; <Pt)iIipp ©p., lieber
Qiid ber gugenb^eit, Scipi^ig 1898 (berauSgeg. u. @antt. Dr. ^eterS); 5r. ©pitta, ^rebigten
unb ©elegen^citSreben, ©trajjb. 1899, @. 121 ff.; 3B. 92eae, 3um ®cböd)tni§ ?5&. @p., in ber
gKonat§fd)r. f. ®otte§b. unb tircfjl. ^unft VI, 1901, ©. 249—260, unb: 8um ©p.=^3ubil«utti 5
u-äur @p.=i*itteratur, ebenba, ©.418—422; berf., S^f). ©p., ein Oebenfbü^Iein, ©erlin 1901;
(S. (£. Stodj, ®cf(^. b. ßirdienlicbe«, VII, 1872, ©. 232 ff.
ÄatI Soi^ann ^^ili})») ©»)itta, ber ©ängcr toon „^faltet unb §arfe", tft nad^ ber
angäbe ber gamiüe am 1. 3tuguft (nac^ bent Skxufrcgifter ber SWamfird^c in §annober
am 31.^ult) 1801 in §annober geboren, ©ein SSater, ber„©c^reib= unb Slec^enmeifter" lo
ffiill^elm ©))., I^atte 1791 in jtüeiter ß^e bie i&enrtette Sl^arlotte fromme ael^etratet, bie
1780 t)om Sw^^tum jum ß^riftentum übergetreten h)ar. SBon ben fünf Ätnbem biefer
ßl^e mar ?5^iltp)) ba« bterte. 3)en SSater berlor er fd^on am 7. ^ult 1805. 3m 3a^re
1809 berl^eiratele bie SBitme ftc^ tüieber. — 3laä) mir borlicgenben ^anbfc^riftlid^en ©r*
mittelungen 2. ©l^ittaS gel^ören bie SBorfal^ren ju ben ©migrantenfamilien, bie nad^ ber is
Sartf^oIomäuSnad^t 5tanlrei(|> DerlieBen: im Sollte 1575 Serben in ber Kolonie granlentl^al
3ean ®p\ta unb SBilün Bpxta mit il^ren grauen genannt, ©eit 1701 finben toir bie
§amilie in 5Worbbeutfd^tgnb anfäfftg. — W^^^PP bejfuc^te ba« ®V*«nafium in ^annobcr
mit gutem ßrfolge. i)a befiel bem ©Ifjäl^rigen, ber immer Hein unb jart bon Äörj)er
getüefen h)ar, ein Seiben, baS i^n bier 3a^re meift an« ^cit feffelte. Sil« er gcnefen ao
ioar, fam er gu bem Ul^rmac^er ^^pc, ber neben bem ©Iteml^aufe tüo^nte, in bie Se^re.
2)rei unb einl^alb 3al^r i}ai er in biefem 33erufe treu au^e^alten. 2lber er fear babei
fo tief unglücflic^, ba^ er ®ott tüieber^olt um feinen lob bat Der Sob feine« jüngften
33ruber« bxad^U i^m bie SKöglic^feit, auf« ®^mnafium jurüdfjufel^ren. Sro^ ber Unter*
brec^ung !onnte er bod^ fc^on Dftem 1821 bie Uniberfttät ©öttingen bejte^en. 2)rei 25
Saläre ^ai er ba Sl^eologie ftubiert, gleichzeitig mit 2. a. $etri (f. b. 31.), boc^ gleic^toie
biefer bon ben tl^eologifc^en Se^rem tüenig angeregt, 35er Surfd^enfc^aft ange^örenb blieb
er boc^ bon bem, h)a« ijoUtifc^ in il^r gärte, unberül^rt. 3" ^^"^"^ ))oetifc^en Äranje, ber
„2:afclrunbe", fül^rte er ben Flamen abelreid^. allerlei bic^terifd^e $läne befc^äftigten
i^n, am mciften J)flegte er ba« „Sßolf«lieb". ©ein „©angbüc^lein ber Siebe für ^anb* ao
n)erf«Ieute" au« jener 3eit entl^ält bübfd^e groben babon. ©ein l^anbfd^riftlic^er 5Jad^la6
birgt toeit bebeutenbere ©tüdfe, al« toa« fid^ äufäHig im $eter«fd^en SRac^taffe fanb unb
1898 barau« beröff entließt tourbe. 3(ud^ mit §. $eine berlel^rte ©}). bamal« unb f))ätcr.
^eine fc^ä^te i^n al« ed^ten 35id^ter, tro^bem er fj)äter (in feiner §arjreife) nac^ erfolgtem
Srud^e i^n einmal mit leichtem ©j^otte be^anbelt. 3Wuft!alif(^ begabt erfanb Bp, au6) 86
lüol^l 3Kelobien ju feinen Siebem. ©ein Siebling«inftrument, bie^arfe, fel^lte bon feiner
©tubcntcnxeit bi« ju feinem lobe in feinem ;^aufe nic^t. Dftem 1824 tüurbe ©i?. §au«5
leerer in Süne bei Süneburg. ^ier nal^m fein innere« Seben bie entfc^eibenbe SBenbung
ber Eingabe an ben $erm. 5Ji^t burc^ ^ietiftifc^e ©emeinfc^aften ober ^erfonen, fon«
bem bur^ ©ebet unb Sefm ber 83ibel unb ber ©c^riften Sut^er« boDjog fx^ biefe SBanb^ 40
lung in if^m, nad^bem i^m 3:i^otudE« „SBabre SBeil^e be« gtoeifler«" ben erften 2lnftofe
gegeben ^atte. 9iun mar fein hjeltlid^er 35ic^terfrül^ling fo gut tüie abgeblül^t. 5Dcr
gciftlic^e aber trieb Slüte um S3lüte: in ben nal^eju fünf Sorten, bie ©J). in Süne ju«
brachte, finb feine meiften unb beftm Sieber entftanben. @nbe 1828 lam er al« ^farr«
gcl^ilfe nac^ ©ubtüalbe. ^ann folgte ein 3ö^.i^fi«&«nt feelforgerifc^er 3Keifterfc^aft.: bon 46
1830 bi« 1837 tüar er 9Jlilitär- unb ®efängni«geiftlid^er in §ameln. 3" Reiben ämtem
tüaren bie Sctoegungen, bie er l^erborrief, fo tiefgel^mbe, bafe ber alte 9ftationali«mu«, ber
in §ameln l^errfc^te, ftc^ in 2lnflagen unb SBerleumbungen tüiber il^n aufbäumte. 35a«
^eucr geiftli^en Seben« jünbete in ber ©tabt aud^ über bie §erbc ber (Sefängni«^ unb
^arnifongcmeinbe ^inau«. 2(ber biefem geuer ber ©rtoecfung Yoax nid^t« SBilbe« unb 60
g^rembe« beigemifd^t. ©1?., eine nüd^tcrne niebcr^äd^ftjci^e 5Ratur, ein ürdpUd^er Il^eologe,
\t)\x^U bie c^riftlid^e (Sntfd^iebenl^eit, bie er h)edtc unb !(3flegte, in ber ÜRüd^teml^eit ju er*
galten. So fe^r tüar er bon feiner ©emeinbeaxbeit Ij'mgenommen, bafe il^n bie $erau«*
gäbe be« erften Steile« feiner Sieberfammlunfl ,fW^« ^^^ §ötfe", bie nid^t er, fonbcm
fein fjreunb 5ßeter« 1833 beforgte, fdbier cttt>a^ %bm^äd^Ud^e« unb äufäaige« bünhc. 66
aber auc^ bon bem ßrfc^einen be« 2 "^»te^ ben et Wi al« ?[ifaner bon 3öec^olb
auf an^altenbe« 3)rängen 1843 f}cxa\xict^u hat et te\n 5lu\^eben« gemadjt. 3m Dhober
1837 berliefe ©j). Hameln, tro^ äffet gr/'^teumen bo* V)on bei !tt(^U(^en unb bec
5Kilitärbc^örbe tocgen feiner ffiirffamfeifu'^^^cxlannt. ©x bdam bie^^anex ^u3Sec^oIb
bei ^o^a in ber 2Befermarf(fi, um nun • t 1^^^^ ^*^^* Sanb^iKiiitox ^u bleiben. 3"^ «>
0^*
668 (Bpitta
fclben ^ahxii fanb er in ^aric $o^m, ber 'Joc^ter feinet berftotbcnen greunbc^, bce
Dberförftcr^ §o^en in ©roJjnbc, eine gleid^^öeftnnte Seben^gefäl^rtin, mit ber er in glücf=
lidbfter 6l^e ba^ toeriüirHid^l i}at, toaö er in feiner lieberrei^cn Rtii in 2ünc toom Segen
c^riftlid^cn ß^e- unb Familienleben^ gefangen. iÄud^ in SBec^oIb Tarn e^ ju einer gefunben
6 unb nachhaltigen 6rh)ec!ung. Scic^gefegnet tüar auc^ bie 3^'*^ ^^^ ^ f^t 18-^" ^^^
©ul^erintenbent in bem Süneburgifd^en Rieden SBittingen berbrac^te. SBeniger gelang e^
il^m, auf bem fteinigen unb bornigen Slcfer be^ ©emeinbeleben^ in bem l^ilbc^beimiftben
Stäbtc^en 5ßeine, h)o er 1853 big 1859 tüirlte, biefelben äufeerlid^; l^ertjorftec^cnben 6r=
folge lu erzielen, h)ie in feinen früheren ©emeinben. g^^S^^^^ 18^^ l^ ^ ^^^ Supcx-
10 intenbent na6) Surgborf im Süneburgifc^en. 2lber nur ein SSierteljal^r toar i^m bier ju
tpir!en Vergönnt. 3lm 28. September machte ein $erjframt)f feinem Scben ein jöbe^
enbe. ©ieben unmünbige Äinber umftanben ben ©arg be^ 3Saterg. aber bce SSatere
©egen l^at il^nen ba^ §aug gebaut. 3)rei batjon l^aben fic^ auf bem ©cbictc be^ Iitur=
gjf(|en unb lirc^lic^ mufilalifd^en Seben^ au^e^eid^net, ber TOufifforfd^er unb Sac^biogro^jb
16 H5^ili>)p ©J)., 5ßfaner Subtüig ©p., beibe fd^on heimgegangen, unb ber ©trafeburger
^rofeffor ber Ideologie ^^iebrid^ @p.
3)ie fog. @rh)edung im ^annoberif^en 2anbe, in ber ©}).g (Seftalt fo bebeutenb unb
fo t^t)ifc^ ^ertjortritt, h)ar unb blieb eine fird^Iid^e. ©ie toax eine §intoenbung gum cnt=
fc^iebcn lut^erifc^en Sefenntni^ ber 3Säter. Unter ben 5ßetri, ÜKünfel, Soui^ ^armö, Don
20 Slrn^tüalbt, 3Jlünc^me^er bertritt ©>>. bie ftiHe, ben öffentlid^en fird^Iid^en fragen unb
Kämpfen abgemanbte unb ab^olbe Qnnerlic^Ieit, ber e« genug ift, in ftetcr ©emeinbearbeit
auf unb unter ber Kanzel ©eelen für ben §erm unb feine Äird^e ju geiüinnen. ©etoife
feit 1843, t)ieUeic^t fc^on früher, ift felbft toon geiftlic^er 3)ic^tung bei i^m nid^t mc^r
bie Siebe. 3lud^ fc^riftftellerifc^ l^erDorjutreten l}atU er ebenfo toenig ein Sebürfni^, toie
26toeilanb ^. ©erwarbt. 9Jur bafe er 1836 unb 1839 für ben ,,6briftlid^en 93eretn im nörb^
liefen 3)eutfc^(anb" jtoei »anbeten „Siblifd^c änbad^ten" fd^rieb, bie in 30 000 (Srern^
blaren Verbreitet tüurben; er gab fie unentgeltlich unb ol^ne feinen 5tamcn. ©ie
finb neuerbingg tüieber (herausgegeben. 2Öie entfc^ieben fein Sutifiertum toar, geigt fidb
barin, bafe er 1844 an bie lutl^erifd^e ©emeinbe in Sarmen getüä^It h>crben follte,
30 I84f) an bie lut^erifd^c ©emeinbe in glberfelb getüä^lt h>urbe, beibeS aber au^:
fd^Iug, toeil er in feinem ©etpifjen gebunben iuar, nic^t in bie ßirc^e ber Union ein=
gutreten. ßrinnert baS an bie Haltung 5ß. ©erl^arbtS in fonfeffionellen 2)ingen, fo h>Qr
©J). biefcm auc^ barin gleic^, bafe fic^ in ben Siebern be« einen toie beS anbem feine
©i)ur t)on bem angebeutet finbet, toaS i^re ^t\t fonfeffioneU betoegte. SBic ^oc^ aber
35 nid;t blofe bie bic^tcrifc^c, fonbem Dor allem bie lird^Iid^e Xf^ätigfeit unb ber fircblic^e
G^arafter (Bp.^ gefc^ä^t tourbc, ergicbt fid^ auig ben Sffiorten, mit benen bie t^eologifcbe
^afultät gu ©öttingen baS 2)oftorbit)lom begrünbete, ,baS fte i^m neben anberen „ttjür^
bigen unb ^oc^üerbienten 5Rännem" am 2ä. ©ej^tember 1855, gur geier beS SlugSburger
SeligionSfrieben^, berlie^. 3)a Reifet eS: „3"^^ni ^^^ t^eologifd^e gafultät üor aUenSie,
40 l^oc^tüürbiger §err ©u^jerintenbent, ju biefen ^JJfönnern rechnet, bittet pe, l^ierin baS lautere
unb aufrid;tige 3^i^<^" '^"Sf* Ö^^^egter SSere^rung unb Siebe gu erbliden. ^n ber ^{\i
fdbmerjHd^er ©j^annung (eö finb bie fonfeffionetten fiämjjfe gemeint), in bie uns bie
fd^toere ^flid;t ber Sclbftbetüafjrung unfercS amtlichen SerufeS berfe^t ^at, ift eS un6
ein um fo größeres SebürfniS, einftimmig auS^ufj^rec^en, toie bie glaubenstreue, innig
45 fromme, unter aöen Slnfed^tungen ftanb^altenbe §irten))flege unb §irtenforge, in beren
Uebung 6to. §ocf)tüürben ein borleuc^tenbeS 33eif))iel j)aftoralen SebenS unb ffl^irfenS für
bie ganje SanbeSfirdie finb, an unfercr gafultät eine banfbare unb freubige 3<^wgin fmbet.
Unjern 2Bünfc^en unb ©ebanfen liegt nict)tS fe^nlic^er unb brünftiger am §ergen, al»
burc^ gemeinfameS, gegenfeitig fic^ anerfcnnenbeS, aneinanber lernenbeS SBirfeii baSSanb
60 beS griebenS neu anjujie^jn unb feft ju erl^alten".
©ic Serbrettung ber Sieberfammtung ©p.S, „^falter unb §arfe", ift eine faft bei-
fj^iellofe. ©c^icr ^al)x um 3^^^ erfd;ien toon bem I. Xeile bon 1833, ber feit 1843 in
i^erbinbung mit bem II. leite l^erauSgegeben tourbe, eine neue 3luflage, unb feit im
3aF)re 1889 baS 2Berf für ben 2)rud frei getoorben ift, fann man bie jablreid^cn 3lu^-'
65 gaben faum nod) überfe()en. Sängft ift in SkclamS Üniüerfalbibliot^ef toie in 'ü)?el)er^
UJotfSbüdiern bie ©efamtauSgabe l>on ^falter unb $arfe für 20 Pfennige gu baben.
ajon rein geiftlidicn 3)i(^tcrn beS 19. ^^l^^J^^iitt^^^i^^^ ift i" ^c" beiben genannten ©iimm=
tungen nur ©)). üorbanben, ein SetoeiS für feine ißolfStümlid^feit. @in noc^ fräftigeret
?)ctoeis ift bie 3(ufnabmc feiner Sieber in unferc Sircf)engefangbüc^er. 3^^^ ^'^ ®efang=
60 bud;Sreform ber ^J)Jitte beS vorigen ^ö^^^lE^^nbertS fonnte unferem 2)id^ter nid^t tooH gerecht
&ptüa 669
tüerben, fd^on barum nic^t, tocil fic burc^toeg unter bem Äanon ftanb, bafe öon 1750
(ober gar tjon 1650) ab „Äirc^cnltcber" nic^t inei^r l^ätten cntftcl^cn lönnen nod^ mU
flanben feien. Slber bie ©efangbtic^er be^ legten SKenfd^enalter^ ^aben unbefangen aud^
©}).g Siebem ©ingang getüäl^rt. 21. Rn(ipp l^atte fc^on 1841 beranlafet, bafe il^rer
fec^^ in ba« hjürttembergifc^e Oefangbud^ lamen. 2)en l^eutigen ©tanb erlennt man 6
barau^, bafe in fec^^ GJefangbüc^em ber bciben legten ^af}xit^nU: Königreich gac^fen
(11 2ieber bon Bp.\ ^robinj Sac^fen (5), ^annotoer (8), Saben (15), SR^einlanb^SKeft^
falen (8), ßlfafe^fiqtl^ringen (13), im ganjen 27 berfc^iebene Sieber ©}).«; fic^ finben.
Seiber aber ift bie Übereinftimmung in ber Slu^toal^I noc^i feine grofee. Denn ben ge*
nannten fed^^ Sudlern gemeinsam fmb nur bier Sieber : „3^ 1*^^^ i" meine« §enen lo
Jpanb." „3^ w"^ "^^" $au«, h)ir finb bereit." „D feiig §au«, h)o man bid^ auf=
genommen". „Sei bir, ^t]\x, h)ill ic^ bleiben." 9ieben il^nen erhjeift fic^ g. 33. au^
ba« ^fingftlieb: „(Seift be« (Slauben«, (Seift ber ©tärle" ate boDmid^tig für bie gottc«^
bienftlid^e geier. SKel^r Sieber nod^ fmb für J^eierftunben im c^riftlic^en §aufe Don
SSebeutung. ©in 2lbenblieb tüie: „SSoUenbet l^at ber iag bie Sal^n", ein gefuöUeb 15
lüie „C Sefu meine Sonne" (in breiftro))l^iger SSerlürjung, bie 1. unb bie beiben
legten ©tro})l^en), ein 2lbfc^ieb«Iicb tüie „SBSaö mac^t il^r, bafe il^r toeinet," bie fc^i)nen
SRaturüeber unb anbere toerben aUeiDege i^re Sraft betüä^ren. 3ldm „C felig ^an^"
unb „5^ ""^ »"«J« $au«" tritt baö löftlic^e ^^rauungölieb: „§üter 3^^«^^^/ bel^üte"
(bon §. t). §erjogenberg in TOufxf gefegt, 3K(S!Ä I, 131). Slber bie Sebeutung ber 20
©tj.fc^en S^ril liegt üornel^mlic^ barin, bafe fie aB ®anj\e« unferem c^riftlid^en Solfe fo lieb
geworben ift. 31. Sina\>\> lieft man l^eut ^öc^fteniS noc^ in einer 2lu«h)af>l, Bp.^ ©amm^
lung ift unb bleibt ate©anje« einö unferer berbreitetften (Srbauung^büc^er in gebunbener
3lebe. 35a« liegt aud^ barin begrünbet, bafe ©>>. nic^t in« SKaffenl^afte })robu5iert l^at.
Der I. Xeil enthält 66, ber II. 40 Sieber, jufammen 106, annäl^emb fo toiel, h)ie bie 25
3a^l ber Sieber $. (Ser^arbt« (131) unb (S. SEerfteegen« (111). 3laä)\>m 1861, balb
nac^ be« Did^ter« iobe, ^eter« auf Seranlaffung ber SBittoe ©)).« nod^ 112 geiftlic^e
Dichtungen unter bem Sitel „5tad^gelaffene geiftlic^e Sieber" herausgegeben l^atte, \)ai bie
gamilie allen 3tnregungen Weiterer SBeröffentlid^ungen tüiberftanben. Übrigen« i^ai bie
©ammlung t)on 1861 reine Weitere SSerbreitung gefunbcn. S. ©J)itta giebt in feiner so
3lu«gabe (CSotl^a 1890) 25 ©tüdfe barau«. ^n ein Äirc^engefangbuc^ ift fein« auf=
genommen. %xüf) tüurbe „^falter unb §arfe" in frembe ©i^radben überfe^t. Salb aud^
n)urben allerlei ä[u«gaben mit 3Welobien öeranftaltet, mit ftirdpenmelobien (üon 6. g.
Sedfer), mit neu gefc^affenen SBeifen (j. S. i)on bem ©d^toeijer J^ölic^). allein ju bem
Siebe „D felig §au«" fmb 12 neue ^Jlelobien l^erborgetreten, bie 3- 3^^" '" f^^"^" ^
„9)klobien" S3b III unb V abbrudt.
ß« ift ein merflüürbige« 3ufammentreffen, bafe in bemfelben ^al^rfünft, in bem Bp.
feine meiften unb beften Sieber fang (1824—28), auc^ 31. Stnapp bic^terifd^ befonber«
t^ätig toar. Seibe tüufeten bamal« nic^t tooneinanber. Slber RncCpp tüufete boc^ in gan^
anberer SBeife bon einer c^riftlic^en ©emeinfd^aft, al« Bp. Rncüßp tüurbe burc^ ba« auf^ 40
blül^enbe ^Kiffton«- unb ©emeinfdj^afteleben in feiner Dichtung getragen, Bp. bagegen
h?ar ber „ßremit bon Süne". (Sr i}ai feinen SBSeg jum §erm unb j^um greife be« ^erm
für fic^ gefunben. Da« l^at i^n babor behütet, in fonbentioncHe« Did^ten ju berfaUen.
(Sr ift gam original ; g^fw^^icbe im 5Robali«fc^en, im l^erm^utifd^en ©tile l^at er nie ge-
fungen. SKit ämpp hat er ba« gemein, bafe beibe fein grofee« ^ntereffe baran nal^men, 45
bie ^^eft^eiten be« Äird^enja^re« in Siebern ju befmgen, aud^ ba«, bafe beibe i^rc erften
Sieber nic^t felbft ^erau«gaben; greunbe rangen fie i^nen gleic^fam ab. ©onft aber fmb
bie 93erfcl)ieben^eiten grofe. f^napp toax al« $bmnologe raftlo« tlfiätig, Bp, \^at fic^ nie
um b^»""«^'ogifd^e 5^agen gefümmert. Rmpp ift bon «lopftodE« ©c^ule nie lo«gefommen;
bat^etifc^ toogt feine ©ebanfenl^rif ba^in. Bp. ift flar, tticipp, treffenb im 3lu«brucf, im 60
a?er«bau bon einer ©c^lid^tl^cit, bie an (gintönigfeit ftreift. SP ^tiapp ber geiftlic^e Äto})::
ftocf be« 19. Sal^r^unbert«, fo Bp. ber ©eHert, nur ba^ feine §erjlid^feit unmittelbarer,
hjärmer, feine 3«ni.0fcit tiefer ift. Unb fo miJgen h)ir i^n tüie mit Öiettert auc^ tüol^l mit
5ß. ©erwarbt bergleid^en. SBir l^aben ba« borl^in fc^on angebeutet. §ier fei noc^ auf
Einige« l^ingetüiefen, toomit ber immerl^in bebeutenbe Slbftanb jtüifc^en bem grofeen unb 55
bem fleineren Did^ter nic^t geleugnet nod^ beningert tüerben foH. 6« ift anjiel^enb in
3Rünfel« Seben«befd^reibung ju Icfen, tüie bie SRec^tfertiaung burd^ ben (Slaubcn ba«
Siüdgrat be« ©p.fc^en G^riftenftanbe« toar unb blieb. ^Ric^t bem ^ieti«mu«, fonbeni bem
SRömerbriefe unb Sutf^er« ©d^riften berbanfte Bp, feine innere Umtüanblung. Da« toar
auc^ 5ß. ©erl^arbt« Ideologie unb Seben : „^\i ®ott für mic^, fo trete" unb anbere so
670 Syttto ^tün, (S). %.
Sieber geigen e^ un«. gf^ *^^ .^^^^ ^^ ©er^rbtfd^en ?J}oeftc ba^ ,,aScrtraueitöUÄ'':
auc^6)?.d l^ert)OTragenbfted unb lirc^Ud^fted Sieb ift einSSertrauenelieb: /,!3cJ^ fte^ in meinet
$erren §anb." SEBie ©erwarbt ift ©j). ein toeltoffener 35i(^ter: 9latur unb ^ug haben
in feinen Siebem eine tüo^nlid^e unb getoeilS^te ©tätte. ©eine^loturs unb feine $au^id«
6 fmb big l^eute feine boltetümlic^ften. ©)). toie ©erlebt fmb nüd^tem im geben unb
Did^ten. Sluc^ xl)xcBpxad)t geigt e«. Sei®}). h)ie bei ©erlebt ifl bie Qpxad^t üSerafl
fd^lid^t, boc^ burc^tDeg ein reinem, feine« ©etoanb ber ©ebanfen, fem bon $nm! unb
©c^tüulft, nie gefud^t unb gegiert, ©efunbe gtifd^e, gel^eiligte 5latürHd^feit, bid^terifie
unb d^riftlic^e 3Bal^rl^aftigfeit jeic^nen il^n au«, ©eine fiieberfammlung flc^t unter benen
10 eine« einzelnen Dichter« be« legten ga^bunbert« barin tool^I einzig ba, bafe fte al« ^6=
gefangbud^, al« Iröfteinfamleit, al« Sieberbuc^ für %aQ^ unb ^afyc^i^m, für irau--
unb ®eburt«tag, für ba« SerufSleben, für innere Slnfec^tungen unb erquicfungen, für
©d^eiben unb Seiben, für ^eube unb ®lüdE mit linber ©etoalt bie J&ergen in« @Aü,
in bie ©elaffenbeit, mm gfrieben fül^rt. Da« ^t il^r bie aufeerorbentlid^e SBertreitung in
16 unferem c^riftlic^en Ssolfe berfc^afft unb fiebert fie i^r au(^ für bie 3"fwnft- 3Ser aber
bie beiben Seben«befd^reibungen bon 5Jlünfel unb 8. ©})itta lieft, bem brängt fic^ bie
Überzeugung auf: mel^ nod^ al« ber Did^ter ift l^ier bod^ ber d^riftlid^e ß^raftcr mit
feinem in®ott freien unb f eften §erjen, in feiner Sauterfeit unb®cmut, in feinem rui^-
boDen unb boc^ raftlofen SBirlen für ben §erm. D. ffitC|eCnt «cöe.
30 @<ilttler, e^riftian ^riebric^, geb. 12. a^jril 1782, geft. 8. ajejember 1867. -
go^annc« Äobcr, e^riftion griebri* ©pittler« Sebcn, »afel, (5. g. ©pittler 1887, 356 6. -
^on bcmfclbcn S3crfaffcr im 100. S3änbd)en ber ©a«lcr „©ammlungcn für Sicb^obcr t^riftlicfKr
3Bot)r^elt unb ©ottfcligfcit" (1885) eine furjc Ueberfidjt über ©plttlcr« Scbcn. — UnDoO-
enbct geblieben ift bie cjrofec, uon ©pittler« Pflegetochter ©ufcttc begonnene Siogropöie
25 ©pittler«: ©t)r. gr. ©pittlcr im afJo^men feiner ä^it mit S3ormort oon Pfarrer ^. ©arafin.
»ofcl, ©pitticr 1876, 460 ©. {fü^rt nur bi« ju ©pittler« SScre^elicftung im Sa^rc 1812). -
i&. SBomcmann, (Sinfü^rung in bie eo. ^iffton«funbc im ^nfc^lufe an bie S3a«Icr SWifiwn,
Xübingen u. ficipäig 1902, ©.135—151, 155, 163 f., 200, 327 f. — 91. Slnftcin, 9lrt. „e^riftcn-
tumdgcfeüfdiaft in b. <ß9fi®«, »b III, ©.820f.; ®. U^l^om, S)ie d^rlftltt^e Stcbcöt^fitigfcit
ao^bltl, ©.330,333, 380. — 5B. ^aborn, ®cfd). bc« <lJicti«mu« in ben ©^rocijcrifdjen Worm.
^irdien, Äonft. u. (£mmi«Hcn 1901, ©.493— 504.— «ß. ©pplcr, ®efcb. b. ^a«lcr SRifilon 190C'.
©. 6 ff., 18, 104, 119, 234, 240, 258 f. — (Sincn einblicf in ben ®ef(^äft«bctrieb ©pitticr« geroöört
bo« SBucl) üon X^cobor Säger : 3otob Subtotg Sftgcr ein ficben«bilb (5Bafcl, ©pitticr 180S,
248 ©.). Söcflcn ber ftotiftifdjen unb urtunblidjen eingaben mic^tig ift bie ©cbcnffdjrift jur
86 geier be« 50jäf)rigen iöeftonbc« ber S^rifdjona uon Qnfpeftor (S. ^. DfJapparb ; „fjünfjig 3Q&re
ber «ßilgermiffion auf ©t. St)rifc^ona", SBafel 1890, 272 ©. — SKandjerlci tntcrcffantc »citrägc
liefern folgenbe ^Biographien : G^rift. ^einr. Seücr uon %, ©cbölli), 93afcl 1901; ©am. ©obat
uon 3:. ©c^öül), 33Qfe(1900; «Pfarrer ^arl griebr. «äerner, SBafcl; jjof. gofcn^an« oon 3. C>efie.
(Saliü u. ©tuttgQrtl895); d^r. Gottlob 33art^«, Scbcn u. ©irfcn oon S^il^. Äopp, daiiv u.
40 ©tuttgort 1886 ; S3atcr ©dincffcr, ein ^Jatriard) ber co. 9Äiffion im 1^1. Sanbc, oon fiubwig
©djneUer, Seipjig 1899. — S3gl. auc^ ?5flanj, SBerlafjcn, nidjt üeracffcn, 3)o<5 ^I. ßanb unb bie
beutfd)=eü. 2iebe«arbeit, 9ieu=9Üuppin 1903. — S)cr fd)rlftlid)c 9?ad)Ia6 ©pitt(er<5 ift öuBcrft
umfangreid) unb nod) nid)t ooüftänbig ücrmertct. @r ift 5. %, bei ben Hinterbliebenen, 5. X.
im •iDliffion«^Qufc ju ©afcl. ©pitticr^ ^$flegetüd)ter ^otte für bie obengenannte, unoollcnbctf
45 S3iogrnp^ie allein na^eju 25000 S3riefe äufammengetragcn. — ©in üilb ©pitticr« ift ber
5lüberfd)eu 93iogvapt)ie beigefügt; e« ift — bei ber ^Ibneigung ©pittler«, fic^ malen ober
p^otogrnpf)ieren ju (aifen — o^ne fein SBiffen ^ergefteüt unb foü ^iemlic^ gut getroffen fein.
I. G^riftian griebric^ ©Jjittler ift eine fo eigenartige 5ßerfiJnlid^Ieit unb i}at in feinem
langen, faft Söjäl^rigen Seben eine fo grofee ^al}! c^riftlid^^""'^"'^^^^^ 333<^c wnb Untere
BO ne^mungcn ber inneren unb äußeren 3Jliffion in« Seben gerufen, bafe ba« Seben«- unb
ß^arafterbilb biefe« „Saien" in einer 6nc^floj)äbie h)ie ber borliegenben nic^t fehlen barf.
©eine 3ugenb|^ctt gel^örte feiner fc^toäbifc^en §eimat, fein ganje« fljätere« Seben unb SBirfen
l^atte in ber ©tabt Safel feinen 3Kittel})unft.
©Jjtttler« 93ater hjar Pfarrer p 2Öim«l^eim im SBürttembergifc^en, feine Sorfabren
66 tüchtige unb fromme, bon Dfteneic^ eingetoanberte ©bangelifd^e, bem Seamtenftanb an--
gej[>i)rig. ©ein älterer Sruber ^ri^ ftarb infolge einer Slnfterfung, bie er fxc^ al« ©tubent
bei ber Pflege feine« greunbe« Sal^nmaier ^ugepgen l^atte. ©0 übertrug 95a^nmaier
feine 3)anfbarfeit unb fjreunbfc^aft auf ben jüngeren ©ruber, h)a« für beffen gnttoidc^
lung unb Seben«gang toon großer Sebeutung tourbe unb il^n mit allerlei cinflufereit^en
60 ^erfönlic^Iciten in 93cjie^ung bracbte. ©t^ittler, ber bereit« al« elfjähriger Änobe feinen
SJater berlor, befuAte 1793—96 bie Satcinfc^ule ju Äirc^l^eim. ®inem il^m bort bon bem
ftrengen Seigrer la^mgefd^lagenen aJlittelfinger berbanfte er f})äter in Iritifc^er 3^^^ ^^^
^pxültt, e^. %. 671
S?rcil^cit bont 5Kiütärbtenft. 3lad) feiner Äonfintiation toanbte er fic^ ber lameraliftifc^en
Saufba^n unb bem SSertDaltung^bienftc ju unb geigte flro|e geberöetpanbtl^eit unb Seid^s
tißfeit ber 3lrbeit. 31B er glei^tüol^l nac^ beenbeter 2e|rgeit (1796— 1800) fic^ in biefem
^ac^c nid^t befriebigt fanb, backte er eine ^i\t lang baran, nac^ 2lmerifa au^gutüanbem.
aber eine i^Iö^Iid^e Dl^nmad^t rüttelte i^n au^ feiner bamaligen Unllarl^eit unb 3^- ß
fal^renl^eit auf unb erfüllte i^n mit ©e^nfuc^t nac^ einer au^e})rägt c^riftlid^en Umgebung
unb SBirIfamfeit.
35iefem SBunfc^e mt^pxad) 1801 ein SRuf nac^ Safel ate (Se^ilfe Dr. Qtmlop%
be« bamaligen ©elretär« ber „eJ^riftentumögefcUfc^aft" (f. b.2l. »b III ©. 820 ff.), eine«
bebeutenben unb auf bem GJebiete ber SKiffion überaus t^ätigen unb fruchtbaren Wanne«, lo
ber gerabe bamatö al« ^rebiger für eine beutfdbe ©emeinbc in Sonbon in 3lu«fi(i^t ge^
nommen tüar unb balb barauf Safel berliefe. 3Jlit SteinIo})f blieb ©))ittter in bauember
aSerbinbung. ©ine innige fjreunbfd^aft fc^lofe er bei aller S^araftertoerfc^ieben^eit mit
g^riftian Oottlieb Sluml^arbt, ber 1803—1807 ©teinfo))f« 5Ra(^folger im ©efretariat ber
(SJ^riftentum^gefettfc^aft unb fj)äter (1816—1838) erfter 3nfj)eItor ber Sanier SKiffion«* i6
gefetlf^aft h)ar; mit il^m ift er auc^ in einem ®rabe Vereint, gn ben erften ^af^xm
feine« Sanier ätufent^alt« toar ©t^ittler« ©tellung eine rec^t abl^ängige unb unftc^ere,
auc^ an mancherlei Demütigungen unb (Sntbel^rungen fehlte e« nid^t. 2lber baneben
em>)fing er auc^ freunblic^e ßinbrüdfe unb unter ber auffielt be« ftrenaen ftommi«
©c^äuffclin eine gute 2)urc^bilbung für fein 2lrbeit«felb : er ^atte bie Suc^füi^rung, ba« ao
SRed^nunggmefen unb bie Äorref))onbeng ber 6l^riftentum«gefetlfc^aft unb ber balb Don il^r
in Safel begrünbeten Sibelgefetlfc^aft unb 2:raftatgefellfd^aft. ßrft 1805 tourbc feine
©tettung genau reguliert unb mit einem feften ©el^alt bebac^t. Sei Slum^arbt« 2lu«s
fd^eiben 1807 iDurbe fobann bie gefamte ©efretariat«arbeit ©Mittler übertragen, unb im
f olgenben ^aljxe, al« man 9Jliene machte, i^n tüieber in« l^eimatlic^e ©c^toabenlanb gurüdf^ 25
guberufen, h)urbc er aud^ offtjieD gum ©efretär ernannt, — eine einflußreiche unb Der*
anth)ortung«t)olle ©tellung, bie er bi« an fein 6nbc toerfel^en l^at. ©0 ift ©mittler frül^^
geitig in mannigfad^e unb lebenbigc 9[5erbinbung eingetreten mit einer ^üUc öon be*
beutenben c^riftli^en ^erfönlic^feiten ber berfc^iebenften Sänber, namentlid^ mit faft allen
))ietiftifd^ gerid^teten Greifen jener ^tii, and) mit mand^en burc^ innige ^ömmigJEeit toeit- »i
^crgig geworbenen ftat^olilen, toie ©ofener, S3oo«, jangenmaier, ©ailer, §enneberg,
ßlfirifto})^ ©c^mib, Seanber \)an Q^, §uber, 35eit 33urg. Unb al« bann bie ei^riftentum«^
gefeUfc^aft, l^aui)tfäd^lid^ infolge ber mannigfad^en t)on \f)x au«gegangenen Vereine unb
SBerfe, ber allmäl^lic^en äluflöfung Verfiel, l^at fie ^ulc^t in ©mittler« SÖirffamfeit unb
^erfon nod^ ^ja^cl^nte lang i^ren 3^"0^ ""^ ^Öertreter gehabt, ber g. S. auc^ ba« 35
Organ ber ©efellfd^af t (bie „©ammlungen für Sieb^aber c^riftl. 3Ba^rl^eit u. ©ottfeligfeit")
nad^ 1880 auf eigene Äoften toeiterfül^rte. 35ic Äinberlofigleit feiner glüdElic^en ei^e
(1812— 1844) mit ©ufanna ®ö$, bie er ^eimfü^rte, fobalb er ba« Sürgenec^t toon3)ai)o«
erhalten ^attc, toarb i^m Seranlaffung, jtoei frembe Äinber gu abo})tieren, unb gab i^m
bie 5^eil^eit, mit feiner ®attin um fo mel^r auc^ anbem SKenfd^en fic^ ju toibmen. ^m 40
3a^re 1812 ertoarb er ba« „^Jälfli" unb grünbete bort eine Sud^l^anblung unb 1834
eine Sci^bibliotl^ef. Slllein fc^ion 1841 befd^ränlte er ba« ©efc^äft toieber auf 33ibeln,
2:ra!tate unb ©c^riften ber 6^riftentum«gefellf4)aft, bi« er 1844—47 in bem Äaufmann
9laumann unb f))äter in 3. 2. Säger t)erftänbni«tJolle ©e^ilfen unb 3:eil^abcr fanb', bie
bei feiner finbUd^en 9Jait)ität in ©elbangelegen^citen unb feinem ÜJlangel an faufmännifc^em 45
©inn für il^n uncntbel^rlid^ toaren.
©elbfttoerftänbltc^ Yoax ©pittler« grömmigfeit loie bie feiner ganjen Umgebung
))ietiftifd^, aber burd^au« nic^t fc^ablonenl^aft. 3« gch)iffen 3)ingen eng unb gä^, l^atte
er fic^ boc^ and) in rcligiöfen fragen eine grofee grei^eit unb ßlaftijität beioal^rt. ©inn
für lirc^lic^e Drbnungen, für t^eologijfc^e« Denlen, für toiffenfc^aftlic^e Älarl^eit toar i^m 50
nur in geringem TOafee eigen. 3luf ^rinjijjien l^ielt er, ioie er felbft fagte, nid^t biel.
Oft fehlte c« üim — aud^ bei feinen eignen Unternehmungen — an ber rechten Über*
ftc^t unb an ber ©ic^er^eit ber ®efid^t«i?unfte unb SWagftäbe. aber im ßtoangelium
lebte er, bie Icbenbigcn ^erfönlic^feiten liebte er, il^nen fuc^te er in il^ren 3?öten ju bienen,
fie fuc^te er aber aud^ für alle i^m am §erjen liegenben SBerfe gu interefftcren unb )u 55
toertoenben. Cft enttäufc^t burc^ bie, benen er l^alf, unb jutoeilen läftig benen, beren
Äräfte unb 3D{tttel er in 3lnfl?ruc^ na^m, ^örte er bi« an fein £eben«enbc nid^t auf, mit
bem unermüblic^ien Il^atenbrang unb bem erfinberifc^en ©eift tüärmfter Siebe, too er nur
fonnte, gu Reifen, ju raten, ju bienen, gu bitten, ju nel^men unb ju geben. 3in biefer
©efmnung ift er, auc^ in fd^toeren Seiten unb trüben ßrfal^rungen, ftet« l^offnung«freubig eo
672 S^ttfltr, 6^. g.
unb iugenbfrifc^ geblieben, aud) aU er löngft ber ^atriarc^ feinet Äreifcö, bcr ,,alte $iq>a
Spittler", gelüotben mar. 3)en 5)urc^bru^ ber ®nabe ^lanbU er am 11. 31|ml 18<Xi
erlebt ju ^ben. 9tuf fein trtum>)l^icrenbe^ Sefenntni^ biefe^ (SrlebniReö fc^cb ibm fein
toäterli^er ^i^eunb 2lbral^am 5ßrei^h)erf ennuntemb unb nüchtern gugletc^: „^u, lieber
o ©ruber, bift nod^ jung unb fommft erfl in^ gelb, h)irfl aber fc^on noc^ ^ulöer ju rietben
befommen." ^'""i^^i" beh)ie^ ©i)ittler fortan ein aufeerorbentlic^e^ ©(etc^mog cbrifUitbcr
©efinnung unb freubiger Stimmung, Wk c« eben an^ bei feften ©etoi^^ bcr ®nabe
unb ©otte^Iinbfc^aft ertoäc^ft. 2(u^ ber bl. ©(^rift ju fc^ö})fen mit ®ottt)crtrauen unb
©ebet, täglich — auc^ im l^ol^en älter — ftd^ in feinem Äated^i^mu^ ju üben, in finb--
10 lid^er 3)emut unb 2)anlbarfeit ben ?in«ben feiner Seele ju ))flegen, in barmberjigem
Sinn unb fc^Iic^tefter %oxn\ aUejeit feerfe ber d^riftlid^en fiiebe ju treiben, — ba^ h?ar
il^m jur jtüeiten 5Ratur getüorben. 3)ie Jreube an bem eignen SBirlen unb feinen Qx-
folgen ift i^m gumeilen aU ©itelfeit angelegt tüorben. Dafe er über bie i^m für feim
Untemel^mungen jugefloffenen ©eiber nie öffentliche Sled^enfc^aft ablegte, ertlärt fi^ aus
16 ber 3lrt ber gan^ auf 3?ertrauen gegrünbeten Gl^riftentum^efettfcl^ft; e^ toar ijatrionba-
lifd^, tüurbe aber t)on 3la^r ju '^alfx tüeniger jeitgemäfe. 3)ie 5ßlanlofigf eit toieler einzelner
$läne, t)on benen man^e rafd^, unau^eglid^en, aü^n umfaffenb inö 3Bcrf gefegt, fc^etterten,
trugen il^m bei fielen ben Sortourf ber Unberec^enbarfeit, ber Untoorfu^tigfeit unb SSilttür
ein. 3tuc^ geriet er bei feiner ß^^iflt^^/ f^i^^^ 5ßläne burc^jufe^en, me^rfad^ in bie Ser-
20 fud^ung, bei 35ingen Don öffentlichem ^ntereffe feiner ?J}ritoatlieb^berei ju folgen ober ben
©egner, ben er nic^t übertoinben unb überzeugen fonnte, ju umgeben; in einzelnen
J^äUen ift er bi^ an bie ©renje gefommen, h)o man toon ©erabl^eit faum me^r fpret^cn
fann. aber ba^ toar feine betüufete Unaufrid^tigleit, fonbem eine Sc^tDöd^e, bie au^
(Sigenfmn unb Jrieben^bebürfni^ eigenartig gemif^t toar. 6^ ioar auc^ bie ^olge feiner
26 $ielgefc^äftigfeit, bie ei5 gu einem abgeflärten organifd^en gwfammen^ang feiner ja^lreic^
Unternehmungen nic^t lommen liefe. Sei fettiererifc^ gerichteten glommen em|)fanb er in ber
Stegcl nur bie SBärme, ba^ Scben^boUe unb I^atrräftige, feiten ba« SSertüirrcnbe unb
3crfe^enbe i^re^ auftretend. 2)er Ideologie gegenüber toar er fle))tifc^ unb argtoöbnif*,
in ^agen irbifc^er $olitif befd^ränft unb naib. Sc^tere« geigte fid^ in bem Srieftoetfcjel,
aoben er gelegentlich ber 9leuenbuT:ger 2lngelegenl^eit 1856 unb 1857 mit bem bamaligcn
berliner Dber^of))rebiger SJÖilf^etm ^offmann l^atte, t)on bem er eine ^olitifc^ Seeim
fluffung be^ Jjreufeifd^en Äönig^ erhoffte. Sein Slrgtoobn gegen bie hitifc^e 2beologic
entlub fid^ gegenüber bem 1822 nac^ Safcl berufenen 2)e 3Bette in öffentlichen unb pii
baten ^rotcften, tourbe aber, ioa^ 2)e SBctte felbft anlangt, burc^ ))erfönlic^c äu^fpracte
85 unb baburd^ begrünbete gegenfeitige ."ooc^ad^tung giemli^ balb befd^lüid^tigt. Übrigens
mieb Sl)ittler, felbft ber Siebegabe nid^t mächtig, am liebften bie große Öffentlid^feit unb
tüirfte lieber mit äöorten unb Sriefen in ber Stille. 35a fuc^te er — aU ein „^anb-.
langer ©ottc^", toic er felbft fiel) gern nannte — Stein um Stein für ben 93au bee
©ottc^reid^e^ ^u ^olen, toeiter^ureic^en unb gu f4)ic^ten. ^n ben mancherlei öffentlich
40 unb privaten iilöUn unb 3lufgaben, bie fein liebctoarme^ ^erj getoabrte imb empfanb,
tjfleglc er nic^t ju jammern, fd^clten unb räfonnieren, fonbern er fuc^te mit ber %bat lu
tröften, ^u l^elfcn unb ju beffcrn. ^^^^ Slenb gebar il^m einen 5ßlan. ^ü>t ^^ot er-
toedte feine ^nitiatiDe unb feine Kraft, ^eber Schaben trieb i^n ju einem 2>erfucb ber
2lbl)ilfc, 5u einer SSeranftaltung rettenber Siebe. %a\t alle bie S^ätigfeiten, 3lnftaltcn
46 unb Unternehmungen, bie man fj)äter unter bem ein^eitlid^en 9?amen ber „inneren 3Kiffion"
^ufammengefafet l}at, ijabcn bereite in Spittler i^ren ^fabfinber unb ))ra!tifd^cn ©abn=
brcc^er gehabt. 6r toar ein ©enie in ber c^riftlic^en Siebe^t^ätigleit. Sei atter c^rol^
teriftifc^en SSerfc^iebenl^cit ift Sj)ittler in getoiffem Sinne bag fübbcutfd^e ©egenftücf ,;u
SBic^ern.
50 II. Um fic^ einen Überblicf über Sj)ittlerg SBirffamfeit ju toerfc^affen, betracbtd
man am Seftcn feine Seftrebungen unb Unternehmungen in brei ©ruj)})en: eine gro|e
2lnja^l einzelner, gufammen^angßlofer ober nur loc!er miteinanber Derbunbener $länc
unb aäJerte eröffnet jucrft einen Slicf in bie 9)iannigfaltigleit unb erftaunlic^e gruc^tbar-
!eit feinet cbaritatiüen Sd^affen^; fobann ift bie „5ßilgermiffion" in i^rer toec^felnben
55 Stu^geftaltung ba^jenige Unternehmen, ba^ für Spittler am meiften d^aralteriftifd^ ift unb
i^m toobl ganj befonber^ am ^erjen lag; enblidf) ift, um bie 3lrt feiner ^erfönlic^feit
toöHig JU toürbigen, feine Stellung jur Sanier 3}tiffiünögefellfc^aft genauer bar^utegen.
1. 3)ie mancherlei einzelnen SBerte, bie merft gu ertoä^nen fxnb, foHten 5. %. toor-
übergel^enben, burd^ befonbere gefc^id;tlic^e Umftänbe hervorgerufenen 9iöten uub ©efabren,
CO j. I. bauemben unb allgemeinen Schaben be^ 3iolföleben^ begegnen. ?IRand^e fmb Don
(SpxMtt, 6^. $. 673
bletbcnber Sebcutung, btclc nur t)on lurjer 2)aucr getpefen; bei einzelnen tft man über
ben 5pian unb Slu^gang laum l^tnau^efommen. 93ei ben meiften tpar ©Jjtttler felbft ber
Urheber unb bie treibenbe Äraft, bei anbem toar er tüenigftenö ftarl beteiligt, gab bie
änreguna ober enttoarf ben ^lan. ^n ben erften Sauren feineö Sanier 3lufentl^alt« ^at
er in abhängiger unb unteraeorbneter Stellung öerfqiebene ©rünbungen, j. 93. bie Sanier 6
»ibelgefeUfc^aft (1804) unb balb borauf bie ^raltatgefeUfd^aft, miterlebt. ©})äter,
jumalfeit 1812, tritt er überall rm\)x in ben SSorbergrunb. 6^ genügt, biefe Unter^^
ne^mungen furj aufjujäl^Ien unb babei biejenigen ^eröorju^eben, bie bauernbe 2eben«Iraft
beriefen ^aben.
3n ben ^al^xm ber fjranjofenjeit 1812 unb 1813 tüirlte ©})ittlcr öielfeitig unb lo
energifc^ für 2lrbeit^Iofe unb Slrme, für bie ©olbaten unb ba« in 5Wot geratene SSolI,
für Äranle unb SSertounbete, — burd^ 2;&ätigleit in ben Sajaretten, Berufung bon
Äranlen})flegem, SSermittelung bon Verbergen, burc^ Sitten unb 3lufrufe, burc^ SJers
teilung t)on ©c^riften unb Iraftaten; felbft bem Äaifer bon Slu^lanb unb bem Äönig
bon ^JJreu^en burfte er bamate im Flamen ber IraftatgefeUfc^af t d^riftlic^e ©c^riften über^ iß
reichen, ©obann ^at er in jener ^^it manchen ^eimatlofen, reifenben ober verfolgten
ß^riften, auc^ fat^olifc^en 93elenntniffe^, Dbbac^ unb §ilfe, 3lrbeit unb ©emeinfdpaft,
bargeboten, j. S5. bem ^riefter Sö'^^ü Sinbl, bem ©^neibergefeHen unb erh)eching«})rebiger
galob ®anj, bem Dberjjoftbireltor ÄeHner, ber ^au bon ^rübener. gn ber Rzxt beö
griec^ifc^en 33efreiungglriege3 grünbete er 1826 einen „SSerein jur ftttlic^^^eligiöfen ©in^ 20
toirlung auf bie ©riechen" j er fanbte auc^ jtoei 3Kifftongjöglinge gur SWelogno^jierung auü.
3)ann laufte er 1827 etne 3lnjal[^t bon ©riec^enfnaben a\i^ ber ©Itaberei lo« unb
grünbete für i^re ©rjiel^ung unb äuöbilbung bie „®rie^enanftatt" in SBeug^en, bie bi«
1832 — aUerbing^o^ne größere (Srfolge — beftanben ^at. ^n ben SBirren jtotfc^en Safel«
©tabt unb S5afel=£anb 1831 na^m er ftc^ befonber« ber SJertriebenen unb SSerunglücften 26
an. 3m ^af^x^ 1833 beranftaltete er eine ©ammlung für bie bon ben Ifc^erleflen ge«
raubten Äinber am Äaulafu« unb für ben SIBalbenfer ©c^ullel^rer SBenecfe. Sei bem Sau
be« ®ifenba^ntunnel« burd^ ben ^auenftein, ber englifc^en Unternehmern übertragen toar,
forgte er 1855 für bie Äinber ber Arbeiter burc^ eine englifd^e ©c^ule. SIBä^renb be«
Äriege« 1866 trug er bei jur Sibelberbreitunj unb jum ©pitalbienft in ben beutfc^en 90
teeren. ©0 na^m er jebeö größere geitgefd^ic^tltd^e Ereignis im ©inne ber c^riftlic^en
iebe auf afö eine äufforberung ju d^aritatibcr Slrbeit.
3lber auc^ abgefe^en bon folgen befonberen gefd^ic^tlic^en änläffen toar er ftet« auf
Drganifationen c^riftlic^er Siebeöt^ätigfeit bebad^t. ©c^on 1812 richtete er im „jjällli"
ein älumneum für bebürftige I^eologieftubierenbe unb eine toöc^entlic^e Vertrauliche 3"- ^
fammenlunft jur Erbauung, ba^ „Äämmerli", ein, 1830 eine Stiftung jur Sibelbertei*
lung an arme Äinber. 3)ann toanbelte er 1833 bie ®ried^enanfta(t in eine ^laubftummens
anftalt um, bie 1838 auf ben ^ilger^of in Stiegen bei Safel berlegt tpurbe unb noc^
l^eute in reid^em ©egen toirft. auf ©})ittler^ SSorfc^lag grünbete 1845 eine toof^U
^abenbe, fromme Sanier 2)ame ba^ ebenfalls ^eute noc^ blül^enbe Sanier Äinberl^ofpital. 40
Salb barauf bemühte er ftd^ für bie tpürttembergifd^e Äolonie ffiil^elmöborf, Ipie er
früher fc^on für ein ffiitloen^au« in Äomt^al unb für ein äf^t für entlaffene toeiblic^e
©trafgefangene auf bem Sinbenl^of eingetreten tpar. 3)a^ SfBaifen^au^ in Sal^r unb
2)inglingen (1849) gel^t ebenfalls auf @})ittler« einbringlid^e Anregung jurücf. 3n bem^
felben Saläre faufte er ba^ ®ut ^fingfttoeibe bei SBill^elm«borf, um bort eine Srüber« 45
anftalt ju grünben für ©bangelifation in lat^olifc^en ®egenben; biefelbe Ipurbe 1862 in
eine 2lnftalt für ®))ilet)tifc^e bertoanbelt unb 1868 an eine befonbere ©efellfc^aft abge^
treten. Sine Sleinfinberfd^ule richtete er 1850 in Settingen bei Safel ein. Sefonber«
toertboH toar ©^ittler^ eintreten für bie 3)iaIonijfenfac^e. ©d^on 1841 l^atte er einen
Serein für d^riftlid^e Äranf enpflege in Safel in« 2^btn gerufen. Site bann $aftor gliebner eo
auf feiner ^aläftinareife 1851 fotpol^l bei ber ^infa^rt toie bei ber §eimlei^r in Safel
ftc^ auffielt, bilbete ©ipittler ein Äomitee für ba« 3)iaIonif[enh)efen: f^on 1852 lonnte
man ba« 3)ialoniffen^au« in Stielten eröffnen, balb aud^ baneben ein geierabenb^au« für
Iränflic^e unb alte 3)iaIonifjen. 1855 errichtete ©öittler eine „greiloiuige ^t^angarbeit««
anftalt", b. 1^. nad^ unfern heutigen ©})rad^gebraud9 eine 3lrbeitenolonie auf bem SJlaiens b&
bü^l; 1858 eine d^riftlicbe 3Kägbe^erberge unb ein geierabenbl^au« für altembe ©ienft«
boten. S)er Serfuc^, auf ber ßl^rifc^ona eine ßrjie^ung^nftalt bon c^riftlid^en SBaifen*
fnaben gu bäuerlicher Slrbeit einjuric^ten, fd^eiterte ebenfo, toie ber anbre, ebenbort ein
aiefugium für übergetretene fat^olifc^e ^riefter ju fd^affen; ©jjittlcr eröffnete ftatt befjen
bort eine äjrudferei. 2lnbre päne au« ©})ittler« l^ter £eben«jett, j. S. eine ©c^ule für eo
9Iea(««nct)r(opäbt( fQr 7^eo(O0ie unb ttit^t. 8. «. XYIII. 43
674 e^tt, 6^. %.
Sflegerlnaben in Sn^Iingen, eine et)an8eIifation^rbeit unter ben ^olgtnec^tcn in boi
SSoaefen, flnb gleic^faO^ nid^t }ur Slu^fülrung gelommen. O^e größeren @rfoIg toaxen
in früher 3^* f^i"^ Semül^ungen für bie Sw^^wif jion geblieben : bte bereitö 1812 im
^oltli eröffnete ^[ubenf^ule, ber \pcdct gegrünbete SSerein jur ^örberung bcd S^rifteiu
6 tumd unter ben l^uben unb bie bon einem ^eunbe in @i|entird^ gefttftete €rgte^ungd:
anftolt für ^ubenlinber. Xuc^ mit ber Srjie^ung. einiger 1843 auf bie e^fc^oiut übet:
nommener, junger Slrmenter erntete @)}ittler nic^t gerobe ^reube unb Srfolge. Db feine
äkr^anblun^en mit bem eDangelifc^en Sotfd^aft^rebiger @(^mi^er in 9lom, auc^ bei
ben eDangeltfc^en ^eutfc^en ^[talien^ @tnn für c^riftli^e ®emeinf(^aft unb £ie6e6t$äti9=
10 leit )u tDeden, irgenb tDeld^e befonbere SBirhing gel^t ^en, Mt ba^in. dagegen mui
nod^ nad^brüdnid^ft l^ertoorgel^oben Serben, ba^ @))ittler unenbliq t)ielen etngelnen ^krfonen
in ben berfc^iebenften 9{otlagen gel^olfen, namentlid^ auc^ jungen Stännem bo^ tbeo^
logifc^e @tubium unb bie £el(^rerlaufba^n ermöglicht ^at. @in jeber tDu^te, ba^€|)ittlci
^If, tDenn unb fotoeit er Reifen tonnte, ^pm iß im le^en @runbe auc^ bie dnU
15 fte^ung unb (Sr^Itung ber berül^^mten „^^eitpiJDligen Ärmenf^uUel^reranftalt'' }u Seuggen
ju banfen, bie für Semenbe unb Sebrenbe bon gleichem ©egen toar: t>on il^m fiommtf
ber $Ian ju bem Untemebmen, er ^atte für bo^felbe bie c^rafterbode ^erfönlt^^teit bc^
3nf))rftord unb Seiter^ 3^^ gewonnen, er fyit bie älnftalt in jeber äßeife unterftu^
unb bem Ignterefle unb ber §tlfe toeiter Äreife nal^egebrac^t.
30 2. I^iW föt @l)ittler« Igbeale unb arbeit ift ober bor aBem ba« Untemebmen
ber „$iIgermiffton" unb ber „^J'^fl^^^fe^""- ®^ ^^^ f^'"^ übergeugung, bafe pa
@t)angeIifation unter ben Jtat^oliten unb in lirc^lid^ berloa^Ioften ebangelifc^en ©ebieten
toie )iur ^iffton in ^eibnifc^en Sänbem niemanb fo geeignet fei toie tü^^ttj^e, glaubige,
bibelfefte ^anbtoerler, SBauem unb anbere Saien. Steifenb, toie e« nun einmal ^b^
26 toerlebrauq^ ift, foHten fte bon Ort ju Drt jiej^en ate „^ilger", |^ier ober ba einen längeren
aiufentl^^alt machen unb auf i^ren ^^i^^tten toie in il^ren Quartieren burd^ ©ort, S35mibel
unb Schriften für ba« ®otte«reid^ toerben. ©e^on 1827 fyittt er in biefem Sinne Wt-
glieber be« Sanier l^üngltng^bereind nac^ ^anheic^, Belgien, Öfterreid^ unb 33avem ou^
gefanbt. SlHein er überzeugte fui^ balb, ba^ bod^ eine getoiffe SSorbilbung unb eine
80 jufammenl^ängenbe Drganifation babei nötig fei. @o toar er feitbem barauf bebacbt,
eine entf))rec^enbe älnftalt ju grünben. SH^^^ geftaltete fid^ feine ^bee nun babtn
au^, bafe eö barauf anfämc, eine „plgerftrafec" ju grünben, eine miffionarifc^e Gtaj))>en^
ftra^e, eine Äctte JEleincr c^riftltc^er Kolonien, bie, ti)n>a immer eine lagereife tjonein-
anber entfernt, au^ einer Slnjal^l fotd^er c^riftlid^ gefmnter §anbtoerfer bcfte^en unb
86 jugleic^ ft^ untereinanber unb ben einzelnen au^^iel^enben unb reifenben pilgern als
älüdfl^alt bienen lönnten. ^m Rwfammenl^ang mit ben bamaligen 3lrbeit^ebieten unb
Hoffnungen ber Sanier 3Wiffion })lante ©J)ittler juerft 1829 eine folc^e „^Pil^ermiffion" für
übrufelanb, too jebod^ batb bie SOSiriffamfeit ber Sanier SRiffionare ein ®nbe ^e.
3lud^ in anbrer ^inftd^t erlebte man umäd^ft ©nttäufc^ungen. ®er mit ©t)ittler ht
40 freunbetc Pfarrer $aag, ber 1834 in ^euerbac^ bei Äanbem eine ^ilgenniffion^nftalt
grünbetc, tourbe balb feinet 2lmtcg entfe^t; bie Söß'^^^Ö^ traten nad^ einiger 3^ <^^
fiolj)ortcure ber Sanier StbclgefcHfc^aft ein. 9lun rid^tete ©J)ittler feine Slide auf ben
Orient, gr grünbetc 1834 einen ^aläftinaberein unb beriet fid^ mit ®obat, ber bamaB
jum jtocilen ^Jalc nac^ äbefl^nien reifte, ©inen neuen antrieb emj)fing ©})ittler auf
46 einer Slcife, bie i^n 1836 in ©emeinfc^aft mit feinen fjreunben Oftanber unb Sartb
(bem Scgrünber unb Scitcr be«J ßaltoer 58erlaagberein^) ju $rofcfJor ©d^ubert nai
3)lünc^cn führte, ©c^ubcrt toar im Segriff, na^ ^JJaläftina abjureifen. ©o ber^nbdtc
man benn barüber, toie man bem ^eiligen Sanbe ben Segen be^ 6t)angeliumg bringen
lönnte. SSon ^aläftina au^ hat bann ©c^ubert bringenb um ©enbung c^riftli^er
60 beutfc^er §anbtoerler nac^ ^erufalem, unb jugleic^ grünbete Pfarrer ?Preidtoerf in Sajel
bie 3«tfc^rift „®a« 5Korgenlanb", bie aber nur fec^« 3jö^^9^"Ö^ erlebte.
2)ie „^ilgerfd^ulc", bie ber ejjentrifcbe älrjt SJe Salenti 1834 in Stiegen auf ©Jjittlcrs
SScranlaffung eröffnet j^atle, toar fc^on nad^ ^toci ^a\)xm infolge bon 3Reinun^^erf^iebcn-
l^citcn jtoif d^en ben beibcn ©tiftern eingegangen. 2)a t^at ©})ittter 1840 einen ©c^ritt,
66 ber, fo unllar nod^ bte 3"tw"ft bor il^m lag, für bie ^pilgermiffton bon entfd^eibenbcr
Scbeutung toerben f oHlc : ijon bem 5Rat ber ©tabt 33afel pad^ttU er um ben ?Preiö t>on
läijxlxi) fünf granlcn bie „G^rifc^ona", ein alte«, bamatö ganj bertoal^rlofte« unb t>eröbetee
SßJallfa^rt^lirc^Iein, ba« auf bem legten 3lu«läufer be« ©c^toarjtoalbe« über bem S^n
nad> allen ©ettcn toctt^in fic^lbar ift. §ter befc^log ©(mittler, bie älnftalt für bie ^ilger^
Ro mif fion cinjurid^tcn. DJoc^ toufete er nid^t, mit toelc^en 5!Ritteln unb Gräften, nad^ toeld^er
^piMtt, (S^. $. 676
Drbnung unb SJlet^obe, in tpcIAem Umfang unb ju toclc^ein befonberen S^A btefe 3ln«
ftalt or^aniftert tDerben foUte. @r l^attt feinen feften ^lan unb fuc^te ftc^ nac^ iebet
Seite l^m bie freie SSerfügunfl offen ju ^Iten. @})ittlcr ba(^te baran, Seute, bie jur
©eibenmiffion tüittifl, aber unfähig feien, l^ier für bie innere 3Riffion al« 93ibeIIoI>)orteure,
Äranfentüärter, §au^t)äter, 9luffel^er ober ate aiu^toanberer^aftoren unb ebangeliften 6
au^jubilben. ^urc^ Jtno)}ffabriiation unb Jtorbmac^erei foUten ftc^ bie SH^^W f^I^f^
ben Unterhalt berbienen j augerbem rechnete @))ittler auf bie finanzielle Unterftü^ung eng«
lifd^er ^reunbe, aud^ einiger tDol^l^abenber Quäler, älber bie S^rifc^ona blieb borlaufig,
loie @^ittlerd Siebling^ünb, fo fein Sc^merjendtinb. äluc^ aU ber erfte 3i^0^i"d ^^^
Äirc^Iein notbürftig l^ergerid^tet l^atte, tooHte eine rechte änftalt nic^t gu ftanbe fommen. lo
©0 urteilte noc^ 1843 ber ^auöbater ^faner Sd^latter felbft. 6« toaren bort neben einem
Seigrer erft fteben ^'öQlmQt, unb jtoei bon biefen mufeten toegen ©c^toarmgeifterei ent«
laffen tDerben. 9U^ bamal^ @))ittlerd 3$orfc^lag, bie S^rifc^ona aU )Sorfc^ule für bad
Saeler Wiffton^^aud gu benu^en, bom ^iffion^Iomitee abgelebnt tt)ar, q^erimentierte
man l^in unb ^er. 3Wan na^m me^^c^ berfommene ober fteUenlofe iunge Seute auf, 15
balb auc^ einige junge 3lrmenier, aber mit fc^lec^tem (Srfolge. ©})ittlerd SBunfc^, bort
ein^reitor^^ gur freien ^i^^ofttion für ba^ „9{eic^ ©otted'' au^ubilben, toarju allgemein
unb k>erfcl^tt)ommen. älm flarften trat gunäd^ft aU ^^^d bie ^u^bilbung bon ^rebigem
unb Sel^rern für bie beutfd^en ^froteftanten in Slmerila ^ertoor.
Snjtoifc^en toar 1843 ®obat bon feinem Slufenti^lt in SJlalta (1839) unb bei ben 20
©rufen auf bem Sibanon (1841) ^eimgeJEe^rt unb erneuerte mit ©})ittler unb ben anbem
©efmnung^enoffen bie 3$erl(^anblungen über Sludbilbung unb Slu^fenbung bon Srübem
nac^ ^läftina. ältö er nun 1846 bon ber englifc^en unb )}reu^ifc^en Slegierung )um
et>angelifc^en SBifd^of in 3^^f^^^*" ernannt toar (1846—1879), befc^lofe man, jtoei
ßl^rifc^onajöglinge nac^ S^^f^Jk'" J" fenben, aber noc^ nic^t ju miffionarifc^er I^ätig« 25
teit, fonbem jur Segrünbung eine« SBruber^aufeö. %ffai\dd^Ud^ gingen 1847 $almer
unb ©c^icf na^ ^erufatem ab, aber fie tamen bort in bie jc^loicrigften Ser^ältniffe. 3)ie
il^^nen mitgegebenen SBeifungen toaren burc^auö berfel^lt, unb il^re SIBünf^c loieberum
fanben bei ©})ittler fein ^erftänbni« unb ßntgegenfommen, cbenfo toenig ber SSor«
fc^lag be« 93ifc^of« ®obat, bie beiben 93rüber t^orlöufig gegen ©e^alt an feiner ©c^ule ao
ju befc^äftigen. 3"^'"^^'*^ fonnte ©j)ittler in bemfelben ^al)x^ in einem Slunbfc^reiben
an bie ^eunbe ber ^ilgermiffton atö bie Q\üzit ber S^rifAona angeben: 1. bie Slrbeit
an ben beutfc^en ^[u^tüanberem in 5Worbamerifa ; 2. bie 33efeftigung unb Slu^breitung
ber 3lrbeit in ^aläftina. (&bm bamate trat auc^ ate Seigrer in bie $ilgermiffion^nftalt
So^nn Subtoig ©c^neHer ein, unb 1848 fanbte man noc^ jtoei G^rifc^onabrüber nad^ 35
$aläftina. SJergebend planU ©})ittler eine Äarmclmiffion unb eine Äolonifation in ber
3läf)t ^mi]aUm^. ^m folgenben Iga^re mu^te er boc^ enblic^ jujcben, ba^ brei ber
au^gefanblen Srüber in ©obat« 2)ienfte traten ; nur einer blieb im 95ruber^aufe unb
emäl^rte ftc^ burc^ U^rmac^erei, fein 1851 i^m nad^gefanbter ®enoffe burc^ ©eibenbau.
®er SSerfucI ©))ittler«, ben SBifar SJölter afö ßeiter be« 8rüberl[^aufe« ju gewinnen, mife 40
lang, aber toäl^renb fo im 3Korgenlanbe bie au^pc^ten noc^ red^t gering toaren, tou($ig
auf ber ß^rifc^ona felbft bie Qcv^l ber Se^rer unb ©c^üler, unb bie S^ßlinge tourben
namentlich atö $rebiger für ^e^a« immer me^r begehrt, erhielten auc^ feit 1850 in
©rengac^ bie babifc^e Drbination.
(gine mn^ SBenbung fc^ien einzutreten, afe ©))ittler im ßinberftänbni« mit ®obat 45
1852 änftalten traf, bie ß^rifc^ona auc^ al« eine ©c^ule gur 3luöbilbung bon Reiben«
miffionaren für Slbeffbnien ju bertocrten, tooju bereit« ber 3ftifftonar Sf^'^'^^fl getoonnen
toar. a)a trat ba« Sanier üRiffiongfomitee, ba« erft 1847 im äJerein mit ©>)ittler bie
©nic^tung einer befonberen toürttembergifd^en üWiffion^nftalt berl^inbert l^atte, um jebe
3erf})litterung unb Sonfuneng ju bermeiben, energifc^ bojtoifc^en. 6« Verlangte Don 60
©})ittler, bafe 1. bie ß^rifd^ona lebiglic^ ber 3""^^" 3Kiffton unb ber fir<^li^en SJer*
Jorgung 9lorbamerifa« bienen, unb 2. ba^ ©})ittler felbft ba« ^ublifum barüber aufs
Hären foHe. Sediere« lehnte ©})ittler ab, baö erftere geftanb er blutenben §erjenö
offiziell ju, — freiließ nic^t ol^ne im folgenben Saläre ben greunben ber ß^rifc^ona bie
Angelegenheit afö eine nur aufgefc^obene, aber burd^auig nic^t enbgiltig aufgegebene ^in- 66
gufteUen.
9lunme^r geigten fic^ atterlei gorlfc^ritte. ©otoo^l in ©ädfingen toie in SRI^einfclben
grünbeten ß^rifc^onabrüber 1854 fleine ©emeinben. Sifc^of ®obat nal^m in bemfelben
Sjal^re ba« Srüberl^auö in ^erufatem unter feine ficitung unb gürforge, um bort SJliffionare
für ba« ^orgenlanb au^gubilben ; gugleid(^ gingen fecfd neue Srüber unter ber Seitung go
43*
676 &^\tr, 6^. %.
Sc^netter^ na* ^crufalem ab. 3*" 3^^^ 1855 betrug bie ^aJtfl bfr ©^c^onofamiTtf
30 ^erfonen, — eine 3^^ ^^"9 to"*^ i" ^^ «"^ «1^ 3"ft>*or ber nac^moliae Stifta
ber 2:enH)Ier{efte, (S^ri^o))^ $offmann. Unb toie 1856 in ©})ittler« Suftrag Kaufmann
Set))) in Serufalem ein faufntönnifc^e^ ©efc^äft eröffnete, ba« ju ^o^ Slüte fommcn
6 foöte, fo organifterte 1857 BpitXln felbft einen ipanblung^erein gum Seften ber ^Jügcr^
miffion. 3n bemfelben ^al}xi gingen jtoei ßbrifc^onabrüber unter btc Seiten nac^ Äir=
lanb, jtvei anbere im ^ienft ber englif(^en ^irc^Iic^en Stiffton^efeQfc^Ktft ald Se^ unb
i^au^öäter nac^ Sierra Seone, einer im3)ienft ber Sremer ^Riffion^efeUfctKift nad^äftik
auc^ bie Sanier SJliffton ^tte 1856 für afrifa unb ^nbien Dier g^rifc^onobrübfr al^
10 §anbn)erfer unb ©el^ilfen übernommen.
3lo(S} größere Äuefic^ten fd^ienen fic^ im Orient gu eröffnen. 9li(^t nur, bo^ IS&^
burd^ ©))ittler im auftrage ber ^ilgermifjxon ba§ ©^rifc^e SEBaifen^au^ m Serufolem
ing Seben gerufen unb unter ©c^neHer^ Seitung geftellt tpurbe; — ©obat ^tte f<^on
1855 t)ier ©ruber nac^ abeff^nien gefanbt, bie bort Sibeln t>erbretteten unb günihg
15 aufgenommen toaren. 2)emnäd^ft b^\pxai) er münblic^ mit ©Jjittler bie toeiteren obefit^
nifi^en ^läne, \p^u\l aud) bie arbeit für ba« ©aüalanb: jtoölf Srüber unb ein
5Miffion€;arjt foHten Don ber ß^rifc^ona für® obat geftellt toerben. Ste nun 18o9©t)ittI«r
bie Gl^rifc^ona föuflic^ ald Sigentum ber ^ilgermiffton übernahm, gog faft glcic^^eit^
ber berühmte ^ifftonar Dr. Ara))f in bad ^(öfterli ^u 9tiel^en ein, um t)on bort auS ok
20 3nfJ)eItor unb Se^er ber ß^rifd^ona ju toirlen unb bie 3öglinge für abeff^nien öorjubereitoi.
TOit i^m ^atte ©))ittler bie fog. 3bec ber „a))oftclftra^e" vereinbart : itüifc^en 3«nifalan
unb abefj^nien foBten je im abftanbe Don 50 ©tunben SIBege« jtoölf 3Riffion#ationcn
nad^ ber g^l^I unb bem 9?amen ber a))ofteI begrünbet toerben, um Don ^läfHna aus
bie abcfft;nifc^e 3Jliffion ju ftc^em. ©obat na^m bieö ^rojelt benn auc^ energifc^ in
26 angriff. ®d;on toar, unb jtoar mit Erfolg, bie fec^fte a})oftelftation entftanben, ba
bra^ ber Ärieg jtoif d^en ßnglanb unb abefft^nien au« (1866—1868) unb gerfitörte aüfg
©rreid^tc unb Dorläufig auc^ alle $Iäne.
©0 toar bei ©tJittlerö 3:ob gerabe ber RtoÜQ ber „^ilgermiffion", auf ben er in
ben legten jtoei ^Qi}xi^l}nUn mit befonberer Webe, ©orgfalt unb Hoffnung geblirft fyAtt,
80 ber Setrieb ber §eibenmiffton, fo gut toie Demic^tct, toenigften« DöDig gum ©ttüftonb
gefommen. §erangeblü^t toar bagegen ber anbere 3^^^9^ *>'^ innere 3Kiffion unb
©Dangclifation in allen ibren ^tüz'iQ^n, bie Don ß^rifd^onabrübem mit großem ßifer bis
l^eutjutagc betrieben toirb, in ftrd^li^ unDerforgten ©cgenben oft in banfen^loerter unb
fcgen^reic^er SBcife, im SBirfung^gcbicte ber Sanbe^Iir^cn bagegen oft nic^t ol^ne ftari
85 feftiererifd^en Scigcfc^macf. 3m 3^^^^ 1890 toaren ungefäl^r 200 ß^rifc^onabrüber aU
^Paftoren in amerila t^ätig, tttva 70 al« ©Dangeliften, ©tabtmiffionare, ^au^Dötcr
u. bgl. in ber ©d^tocij, ettoa 100 in äl^nli^en 2;i^ätigfeiten in ^eutfd^Ianb unb anbcm
euroJ)äifd^en Sänbem (befonbcr« ja^Ireic^ in Slujlanb unb ©laDonien), nur ettoa 20
ftanben auf irgenb toelc^en 3Btffiongj)oftcn in ^eibnijc^en Sänbem (afrifa unb aftcn).
40 3m ganzen toaren bi« 1890 cttoa 550 Srüber Don ber ß^rifc^ona in bie ^rari^ ber
ÖDangelifation, 3""^^" ober klügeren ?!Jltjfion eingetreten, auc^ in il^ren äufeerlicben
2?cr^ä(tnt)fen ift bie ßbrtfd^ona im Saufe ber legten 3fl^^J^'^nte unter ber Seitung bc^
3nfpcftor^ $Ha>)^arb fc^r gebieten (Dgl. ^terju bie oben angeführte 3wbiläum«f(^rift Don
46 3. Sfecnn aud; ©pittler bie abftdbt, bie er Dorübergebenb in feinen 3üngling^iabren
^cgte, felbft 3Jliffionar ^u toerben, nic^t Dertoirtlid^en lonnte, fo jeigt bo($ bereite unfm
ganje bi^^crige I)arftcnung, toie toarm fein ©erj für bie ^eibenmijfion fc^Iug. 3)aö toirb no*
bcutlid^er, toenn toir feine ©tetlung ^ur Sanier -Dliffion in« äuge faffen. 2)iefe bebarf
auö jtoei ©rünben einer befonberen Seleud^tung. ©rften« ift ©J)ittler« Seben unb SBirfcn
60 aufi^ 3""i9P^ ^^^ ^^^ Sanier 3Biffion DerfnüJ)ft: er toar 3Jlitbegrünber ber Saelcr
5DJiffion«aefetIjc^aft, ber eigentliche Urheber ber Sanier ÜRiffton^anftalt, ^Kitglieb bc^
Saeler üJciffton^f omiteeö unb, fo lange er lebte, ein eifriger ^örberer ber Sanier ^Kiffton^-
arbeit. 3*^^*^^"^ ^^^ iP ^^ gerabe mit ber Sanier 3Jliffion m eine eigenartige ©t)annung
getreten, bie ein d^arafteriftifc^e^ Sic^t auf ©(mittler« J)crfönlic^e art toirft. Sfeenn ficb in
66 ber Sefd^ränfung ber 9Jteifter geigt, fo l^at ©pittler eben folc^e meifterlic^e ©elbftbefc^rän-
fung nxd)t gegeigt unb baburd^ nid;t blofe perfönlic^ ftc^ unb anbem allerlei acrger unb
3?erftimmung, fonbern aud^ ben Unternehmungen, bie er liebte unb betrieb, allerlei
©c^toierigteiten unb ©cfabren l^eraufbefc^toorcn.
Dafe ein ©efretär ber 6l;riftentum^gefellfc^aft, ein greunb ©teinf opf«, S3artl^, Slum=
60 ^arbtg, Srunn^, ber ^cibenmijfton nic^t lü^l gegenüber fte^en lonnte, Derfte^t fu^ Don
SpiMtr, 6^. 5. ^piMtt, £. %. 677
fclbft. ©^ittlcr l}at fie burc^ Srtefc unb 3(uffä|c, burc^ SBcrben unb ©animcln l)om
Anfang feiner Sanier 3rit an ju förbern gcfuc^t, aud^ junge TOänner für ben ^Kifftonari^s
beruf gelüonnen unb anbere an^änicfe nac^ 93erlm em^fo^Ien; lefetercm in fc^h)crer ^üt
(1808) auc^ gerabeju borgefc^lagen, feine üRiffton^fd^ule in« „§äl!li" nac^ 33afel ju
berlcgen. 5Da« ift freiließ nid^t gefc^el^en. Um fo lebl^after trug fic^ nun (S))ittler mit 6
bem 5pian, ob nic^t in SBafel eine felbftftänbige ^Riffton^nftalt gegrünbet toerben lönne.
(gr berl^anbelte barüber brieflich unb münblic^ mit bielen SWiffton^freunben in ^eutfc^-
lanb unb in ber ©c^toei^, erbat ftc^ atterlei ®vitai)Un unb fuc^te feinen greunb Slums
^arbt ju belegen, bag et bon ftc^ au« eine folc^e 3Jliffton«f(^uIe eröffne, ^m allgemeinen
fanb er biel ^uftimmung unb Seifall; aber felbft in ben borberften Stetigen ber ß^riften^ 10
tum^gcfeUfc^aft fehlte e« in SöirJElic^Ieit an 3wberftc^t gu einem folc^en Schritt, unb
SBlum^arbt tüoHte auf ben $Ian nur eingeben, toenn er nid^t b(o^ einem ))crfönlic^en
SRufe ©})ittler«, jonbem bem offiziellen SRufe eine« beranttoortlic^en, gefd^Ioffenen Äreife«
folgte. 3lber ©^jittler lieg fid^ nic^t irre machen. ®r erreid^te, toa« man nid^t erwartet
^atte, ba^ bie ftaatlic^en SBe^örben 1815 bie ©rlaubni« jur ©rünbung eine« 9Kiffton«= 15
inftitut« gaben. 3)amit toar ein gefürc^tete« §au))t^inbemi« übertounben. (gin aJliffwn««
lomitce trat jufammen, Sluml^arbt enttoarf ein Programm für ba« Untemei&men unb
übemal^m bie ßeitung ber 3lnftalt, bie am 26. 3luguft 1816 eröffnet tourbe. 3Kit Slums
l^arbt unb bem §au«bern)alter 93üd^elen ^ufammen ^at ©))ittler in ben näc^ften ^al}xm
ben ma^gebenben Sinflug auf ba« ^iffton«l^au« gehabt, älud^ unter bem ^nft)ettorat 20
aaSil^elm §offmann« (1839—1850), beffen Berufung er felbft mit herbeigeführt j^atte,
tpar fein ßinfluj au^erorbentlid^ gro^ ; umgelel^rt tüurben feine eigene ^läne mannigfad^
burc^ bie arbeiten unb $erfönlic^Ieiten ber SBa«ler 3Jliffton befru^tet: 3ö^^»"'&öf Rxcüpj,
®obat u. a. I^aben bie 9lu«geftaltung ber ^ßilgermiffion toefentlic^ mitbeftimmt. 2)ie
©rünbung ber ß^rifc^onaanftalt l^at bann atterlei ©c^loierigfeiten mit fid^ gebracht, äl« 25
SSorfc^ule für ba« 5Kifrion«^au« nid^t angenommen, f)at fte ftc^ junäc^ft in Segug auf
bie ^nlereffentenfreife, balb auc^ in Sejug auf bie 3^^*e bi« gu einem getoifjen ®rabe
al« Äonfurrenjanftalt erloiefen, obtDof)l ©>)tttler felbft fid^ emft^aft bemühte, ber Sa«ter
5Kiffion i^re alten greunbe unb 3Kittel ju erhalten. 3luc^ ^at er toenigften« berfuc^t,
bie au«n)ärligen aufgaben ber (Sl^rifc^ona 1846 feft ju umgrenjen. Slber e« hjar feiner so
9iatur fd^h)er, fid^ bauemb in biefen ©renjen ju l^alten. @« ift bereit« ertüäl^nt, bafe
feit 1852 ©J)ittler nal^c baran loar, auf ber ß^rifc^ona eine aKiffton«fc^ule für äbeff^nien
ju eröffnen.
2)a mu^te e« ju einer 3lu«einanberfe§ung fommen, jumal ingloifc^en bie Seitung
ber Sa«ler -ÖJiffton an ben 3nf))eftor ^ofenl^an« übergegangen toar, eine ^errfc^ematur, 36
beren e})oc^emac^enbe Sebeulung für bie Sa«ler SKiffton ^ier nic^t im einzelnen ge-
iüürbigt loerben fann (f. barüber SBomemann, a. a. D. ©. 186—212). 3luq mußten
bie mannigfad^en ©c^toierigfeiten, bie gerabe bamal« auf ber 93a«ler 9Kiffton lafleten
(bgl. 93ornemann a. a. D. ©. U6f.), jur Älärung unb ©ntfc^eibung brängen. 3Ba«
ba« 3Jliffion«Iomitee unter gü^rung \)on ß^rift unb ^ofen^an« bamal« l^erlangte unb 40
eneid^te, bamit bie ßl^rifc^ona nid^t ber SBa«ler 3Kiffion gefäl^rlid^ toerben fönne, ift
bereit« oben bargefteltt tüorbcn. 6« toar lein angenel^mer, aber ein burc^au« notloenbiger
©c^ritt, um fo mel^r, ba ©})ittler felbft SJlitglieb be« 93a«ler 3Kiffton«fomitee« toar.
©jjittler l^at, tüietool^l bie SBunbe fc^merjte, unb er fic^ eine S^t lang j)erfönlic^
jurüdf^ielt, bod^ aud^ bamal« bie ©orgen unb Seiben ber Sa«ler 5Wiffton mitgetragen, 40
ba« bamal« faft aufgegebene ,,^iffton«magajin" burc^ fein (Eintreten gerettet unb bi«
an fein (gnbe bie Sa«ler ^Jliffton unterftü|t unb ge^jftegt. 3)en TOittel})unft ber bon
i^m ge))lanten 3lbeff^nifd^en SWiffton tüufete er, tüie jc^on erloäbnt, im ßinberftänbni«
mit GJobat nac^ ^erufalem iu berlegen. Slber erft ber englifdp-abefJvnifd^e Ärieg ^at
fur;\ \)ox ©})ittler« 2;obe bie URöglid^Ieit eine« erneuten Äonffilt« jtüifd^en i^m unb bem 60
93a«ler 3Wiffion«!omitee enbgiltig beseitigt, ©olc^e SWeibunaen jtpifd^en 9Kännem, bie
fc^liejlic^ biejelben ^öd^ften 3^^*^ »erfolgen, fmb menfd^lic^ begreiflid^ unb gefc^id^tlid^
nottüenbig. ß« toärc Unrecht, um fol^er ßnttDidfelungen toitten ©})ittler nid^t mit
unter bie erften unb tl^atfräftigften görberer be« 93a«ler uRiffion«n)erI« gu jäl^len.
9B. 93ornemanit. 56
(SpiMtt, fiubtüig 3:imot^eu«, geft. 1810. — 3)ic üon Spittler« (Sc^roicflcrfoftn
^arl t»oii 5Sfid)ler=@pittIei bei bcr(Sbitiou feiner f «mtlicften 3Ser!e (6tuttg. u.Xiib. 1827—37,
15 93be) in ^lu^fic^t gefteHtc ®iograp()ic ncbft STuötua^l au« feinen wiefcn ift nidit cr=
fc^icnen. 3^'ci vertraute greunbe ©pittler«: ^lanrf (in ber 5. ?lufl. ber @pittlcrfd)en TO u.
678 ^pxMtt, 2. 3:.
fcparat 1812) unb ^Uflo (diuilift. aKogoam III, 482) unb jtpei feiner ©cftülcr: ^eren (Sio^
arop^. unb littcror. 3)ennd)viflcn, ©crfe VI, 515 ff.) unb «Boltmonn (Scitgenoffen I, ^rte
XII, 311 ff.) l^ahm (S^araftcriftifcn \)on t^m gegeben. 99ei ^ieufel, ^iftor. literür. llntn^
l&Qltung, Coburg 1818, finben fi(ö ©riefe uon (Spittler. 3)Q\)ib gviebr. Strauß, ^ieitie Schriften
6 1862, @. 68 ff.; ®. mij, ©öttinger ^rofefforen, ®ot6a 1872, @. 245 ff.; ^ütter^eaalfeto.
ÖJött. ®el. ®eic5. II. III; l&ier SJeraeit^mffe ber @(f)riften (SpittlerS; ©aur, ©pocftcn ber fi@=
fcftreibung, @. 162 ff.; SRof^er, ®cf(f|. ber Sf^ationalofonomie 6. 614 ff.; gr. 3E. d. »enelc,
®ef*. ber beutfc^en C^iftoriograpl^ie (ÖJefd). b. SBiff. in 3)eutfd)Ianb, ©b 20), «Küncfi. u. Spj.
1885, @. 872 ff. unb Slb© 35, 212 ff. (1893). (Sjcerpte auS ben Oöttinger ©uratorialaften
10 unb htn Hinweis auf ^untbolbt (f. u.) uerbonfe idi ber ®üte beS ^erm ©c^citnrat« ^rof.
5ren«borff.
©>)ittler ift c«, fo urteilt ®. 2Bat$ ©. 245, „bem unter ben Oöttinger ^iflcmfeni
tpol^I unbeftritten ber erfte $Iaft gebül^rt". @r tpurbe ben 11. Sloioember 1752 ju
Stuttgart geboren, ©ein SSater toar ^atoh griebric^ @p., bamate ^iafonud an ba
16 ©tift«Iirc^e, geft. 1780 atö Äonftftorialrat unb 3lbt t)on ßerrcnalb; feine ÜRutter eine
geb. 95ilfinger. ^olgenreid^ tüurbc für il^n, bafe er feine Sßorbilbung ntc^t auf einer b«
SBürttemberger Älofterfd^ulen erhielt, fonbem auf bem ©tuttgarter ®^mnaftum. ^ici
touitz x^n ber bamalige Sleltor, nachmalige ^Prälat aSoIj, ber au^ejeic^nete erforfi«
ber SIBürttembergcr ©efc^ic^te, für ^iftorifd^e^ DueHenftubium ju beaeiftem^ fo ha% int
20 Pancf erjä^It, man ben IGjä^rigen ^ünglin^ in feinen ©r^olung^ttunben ^olianten cjs
cer^)ieren fa^, beren bloßer SKnblicf manche fetner gleid^altrigen ^eunbe erf^redfte. SSit
biefcm ^iftorifd^en berbanb ftc^ bei ©j). fc^on t)on änbeginn ein ^Jtalttfc^s^jatriotift^e*
3nteref|e. ©eine S^ßenb fiel in bie 3^^* be^Äamj)fe« ber tüürttembergifc^en 2anbflänbe
mit bem §erjog Äarl; afö Änabe bema^m er \)on ber ©efangenfe^ung eine^3.3.5D?of«
26 unb f)tmaaf eine« §uber. SQ3iberh)iHen gegen ^ürftentüiHIür, Sinn für ^et^ett unb ®e:
meintüo^I ift il^m baburc^ frü^ ju eigen getüorben. Qum ©tubium ber ^t^eologie W
er „fic^ bielleic^t Weniger felbft beftimmt, al« burc^ bieUmftänbe beftimmen laffen". ^m
©tift ju Tübingen 1771—1775 tüibmetc er junäd^ft befonberg ber ^^iIofo})^ie eiit-
bringenbe Sefc^äftigung. 3)ie Il^eologic ftubterte er ^iftorifc^, machte fic^ mit ben Sixd^
80 Dätem, felbft mit ©d^olaftifem bdannt, unb em^jfing beftimmenbc Sintotrfungen bon
©emierg unb Seffing^ ©d^riften. 3n feiner 2)iffertation De spurio usu paedagogico
religionis naturalis, S^übingen 1775, l^erteibigte er ba« ^iftorifc^e ßl^riftentum gegen
SBafebotü« Slntoreifung ber natürlid^en SRcIigion. Sei fetner 5Dlagifterreife 1776 — 77 ber=
toeiltc er in ßJöttingen, fc^on jubor einige SBoc^en in SBoIfenbüttel ; Seffing emt>fa^l am
85 25. 3lj)ril 1777 ben „ebenfo geleierten al« befd^eibencn SJJann" feinem ©ruber in Scrlm
(Dgl. ©p.« Srief bei (Su^rauer, Sefftng II, 2, 301), trenn fd^on ol^ne gu a^nen, ,,boi
biefcr 3Bagifter c« \vax, auf ben Don ber @igentümlic^!cit feine« Seifte« \\d} mebr üü
auf irgcnb einen feiner jungem 3^i^9C"c>ffc" übertragen foHte" (©traufe ©. 69). 91^
2:übingcr 9let)etent (bon 1777—1779) ebierte @p. feine „Äritifd^c Unterfuc^ung bd
40 60. Saobicäifd^en ßanon«" (S3remen 1777), 3lbl^anblungen „über bie farbicenfifcben
©c^Iüffe", „über ben tüal^ren SSerfaffer ber angilramntfd^en Äa^itel" u. f. h>., befonbm
aber (anon^im) feine „(Sefd^ic^te bc« fanontfc^en SledE^t« bi« auf bie ^cxUn be« falfcben
J^ftbor«" (§alle 1778; mit 3"fä^cn bc« 35erf. unb Fragmenten einer gortfe^ung in bot
fämtl. SBcrfen I), „treidle gleichermaßen feine ausgebreitete ©elel^rfamfcit, feine fritifth
45 ©J)ürfraft, h)te feine J^eDe, allem ^faffentrug unb §ierarc^entum feinblid^c JDcnfart bc^
funbete" (©trau^ ©. 76 f.). 3luf fte ^in n^urbe er fdE^on 1779 al« orbentlit^er i^tü--
fcffor in bte >)biIof o>)ietfc^e ^afultät ju ©öttingen berufen ; er foHte mhm SB. gr. SSklcfi
Äird^cns unb ^ogmcngcfd^i^te lefen unb bcmac^ in bie tl^eologifc^e gafultät aufrücfcn.
@inc gruc^t biefer ä5orlefungcn ift fein „©runbrig ber ©efd^id^te ber c^riftlic^en Äirt^e",
50 ©öttingen 1782 (tüenig ijeränbert 1785, 1791, 1806; bie 5. äufl. beforgte 1812 ©.3.
^landE; nac^ ber 4. aufl. in ben fämtl. SBerfen Sb II). 2)a« SBerf foHte „für eigene
Seftüre nic^t ganj unintereffant" fein unb boc^ ^ugleidE^ Sorlefungen jur ©runblage bienen.
3!)a^er lieg ©p. alle« „bloß ©ele^rte", aud^ alle Gitate, toeg, ftellte, „bie Jjragmatifc^cn
§auj)tt)untte furj ;ufammen" unb fuc^te bem Sefer einen rtd^tigen Überblicf über „ba^
55 „©arue unb ba« SBerBältni« aller etnjclnen 2!eile" ju Vermitteln, ©in beeren bejeit^net
bie« aSJerf al« „bie n^al^re Slüte feine« ©eifte«" (©. 520); §erber erblicft ^ier „aud^ in
ben flctnftcn 3"9<^" ein teid^e« ©emälbe üoll ©ele^rfamfeit unb feinen Urteil«" (Sriefe
über ba« ©tubium ber 2:i^eologie IV, 48); ©d^elling ^ält il^n nod^ 1846 (SSortDort ^u
©teffen« ©. XXI) für an jjolitifd^em ©c^arfftnn no^ „Don feinem beutfc^en ©efc^ie^le^
60 forfc^er übertroffen". TOinber günftig urteilt Säur, Qpod)m ber fird^I. ©efe^id^tfc^reibung
©. 162 ff. §afe, fiird^cngcfc^. auf ber ©runblage afab.SJorlef.I", 42, finbet, ©})., „mi}t
epitütr, 2. %. 679
eben be« l^eiliflen ©elfte« t)oH, aber ein fleiftoollet 3Jlann", l^ab^ „tpentfler bte Segeben«
Ijjeiten al« fein Urteil über biefelben bargäegt, aber burc^ bie Slirötoal^I be« 9le})räfentas
tiben bie ©jji^en ber (Srei^niffe unb ^erfönlic^Ieiten, baburc^ im deinen Staume eine
reiche ©efc^id^te", bie freiließ baö Slelifliöfe ate siebenfache be^anbelte. 3*^M^ ^^^
l^fier auf ®runb grünblic^er @ac^!enntnid in lü^nem 3Burf unb in Incipptt ^orm aud 6
einem ®u^ eine ©arftettung ber Äirc^engefc^id^te flegeben, bie baö g^^^^^ff^ ^"^ i^*>^
©ebilbeten beanf>)ru(^en burfte. ^f)x toie allen SBerlen ®pÄ ift eigen „ba« Streben unb
ba« entfc^icbene 3:alent, baö SBefentlic^e, toirllid^ 93ebeutenbe in ber ®efcl(^i(^te . . . ju
erfaffen unb pxäii^ in anf)9rec^enber ^orm l^injufteQen, gugleic^ ben 3ufammenbang, tpie
man bamal« ^em fagte ben i^ragmattfc^en R^f^^nmen^n^, b. ^. bie äußere SSerlettung lo
ber Gegebenheiten, »u erlennen unb jurSlnwauuna gu bnngen" (SIBaife ©.246). ^nnige
SSefanntfc^aft mit ben Duetten, Seicptigfeit unb ©etoanbtbeit im 9luftajfen ber ^aujjts
})unlte, lebenbige ?pi^antafte, feine aWenfc^enlenntniö, ©elbftftänbigfeit be« Urteil« treten
überatt entgegen. Bp, toitt (Srnft machen mit ber Definition ber ©efc^ic^te, baft fie fei
„bie SBifJenfd^aft bon ber (gntfte^un^gart ber ©egentoart". 311« ©o^n ber Slufuärung«^ i5
geit f ül^rt er bobei freiließ bie (Sreigniffe jurücf auf guföttige Umftänbe unb bie ^anbelnben
^erf önlic^Ieiten ; „jufättig" ift j.9. ber arianif(^e©treit entftanben (©. 115); ein S5erfucl(^,
bie Sebeutung ber SWeformation Ilar ju ftetten, toirb nic^t gemacht. SBer au« ber ®e»
fc^ic^te „ni(^t blofe gelelj^rt, fonbem and) toeife" toerben tooffe, für ben fei „c« ba« ^m»
tiefte ©c^aufl)iel, auf bie ©nttoidtelungen be« menfc^Iic^en ©eifte« ju merlen, toieao
fic^ biefer im Ser^öltni« auf feine toic^tigfte Slngelegenl^eit burc^ bie mäc^tigften
©trebungen unb unglaublic^ften SSerloirrungen gebilbet ^t" ; benn too l^aben ftc^ bie
,,?IRifc^ungen be« Irrtum« unb be« Safter«, bie . . . ^Proben be« toec^feötoeifen ginpluffe«
be« 33erftanbe« unb $erjen« beutlic^er gezeigt al« in ber ©efc^ic^te ber c^riftlic^en Äirc^e?"
(@. 6 f.). ^öge ba^er immerhin bie jtin^engefc^ic^te gu einem langen „ Alagelieb über 26
©(^lüäAe unb SSerberbtl^eit be« menfd^Iic^en ©eifie«" toerben, bie großen gortfc^titte ber
?Dienfc^^eit tieften [\d) boc^ nic^t berlennen, unb bie SBelt ^abe „nie eine folc^e Slebolu«
tion erfal^ren, bie in i^ren erften SSeranlaffungen fo unfc^einbar, in i^ren legten au««
gebreitetften golgen fo l^öc^ft merftoürbig toar, al« biejenige, toeld^e ein bor 1800 ^a\)xm
geborener 3ube, Flamen« ?i^u«, in toenigen ^aüfim feine« Sebcn« mad^te". 3^^^/ „toorin so
bie Se^re beftanben, tocldje feine ©d&ülcr ber SBelt berlünbigen fottten, barüber ftreitet
man fi^ nun balb 18 Sa^r^unberte, unb au<^ l[feutjutage finb bie il^eologen bei ber
äSerteibigun^ ber d^riftlic^en 9leligion gegen ben 9{aturali«mu« nic^t einmal barüber einig,
toa« eigentlich Derteibigt toerben fotte" (©. 569). Slber ®p, ertoartet, bafe in ber Jjro«
teftantifc^en Äirc^e innerhalb ber näc^ften jtoanjig bi« breifti^ 3^^^^ ^'^ Slufllärung«^ 86
t^eologcn überatt in ben Äonftftorien ftften unb ba«, Ipa« bt«^er nur SBunf<^ fd^üA*
temer SBeifen toar, jur attgemeinen 3lu«übung bringen, unb baft and) bie fat^olifcpe
Äirc^e infolge be« ©turje« ber S^witen unb ber 3:otalrebolution be« ganjeh ©uroipa«
enblic^ einmal aufl^ören toerbe, })ä})ftlic^c Äirc^e ju fein, baft balb latJ^olifc^e ßaien unb
^JJroteftanten brüberlic^ jufammentoo^nen toerben unb auc^ über latboUfc^e SSölIer bie ^
Slufllärung fd^nett toie ein fiid^t fic^ berbreiten tocrbe (ebb.), ß^arafteriftifc^ toie biefer
änfang unb ©d^luft ber Bp.\d)m Äirc^engefc^ic^te ift and) il^re (Einteilung, bie d^rono«
logifd^c fotoo^l al« bie fac^lic^e; in erfterer 95ejie^ung unterfc^eibet er fed^« ^erioben:
1. bie ^tiim ber Unterbrücfung unb ba^er manchmal frommer SK^ti^ologie bi« 325,
2. bie 3^i^ ^^ tl^eologifd^en ©treitigleiten bi« auf „TOul^ammeb, ben ©c^tpärmer bon ^
3JleIIa", 3. bi« auf ©rcgor VII., 4. bi« Sutl^er, 5. bi« gur©tiftung ber Uniberfttät,^atte
1694, 6. bon ba an (ober bielmcl^r bon ß^riftian Il^^omafiu« an, „bem3Jlann, ber unfere
Äird^e au« tiefem Schlafe toecfen muftte"). 3"'^^^'^^''^ i^^^ $eriobe unterfc^eibet er brei
Sau^jtabfc^nitte: ©efc^id^te ber 2lu«breitung, ©efc^id^te ber Äirc^e al« ©efettfc^aft, i^re
»efd^id^te al« religtöfer ©efettfc^aft, unter toeld^er getoiffe Se^rmeinungen gangbar ftnb. w
Sieben ber Äirc^engeft^ic^te, „al« eine geiftrcic^e, toeltlic^e unb toeltpiftorifc^e SReflejion
über bie Äirc^engefc^ic^te in geloiffem ©innc ^cute noc^ unübertroffen", unb ben f^on
genannten ©d^riften lommen al« lirc^en^iftorifc^e arbeiten noc^ in Setrac^t bie De usu
textus Alexandrini apud Josephum (®ött. 1779), ©efc^. be« Äeld^« im 2lbenb-
mal^l (Semgo 1780), Historia critica chronic! Eusebiani (1784), Sonebe juSBalc^»
©efc^id^tc ber Äejereien 93b XI, 1785, Jfunbamentalartifcl ber beutfd^en lat^ol. Äirc^e
1787, Über bie 3lccet)tation ber SBa«ler ©d^lüff e 1789, ©encralDerfammlung ber to«Iane=
fifc^en 93ifc^öfe 1787, ©efc^. ber f^janifd^cn Snguifition 1788, ©efc^. unb SJerfaffung be«
3efuitenorben« 1793, 3}on ber ehemaligen 3in«barlcit ber norbifc^en Sleic^e an ben römi^
\d)tn Btn\)l 1797, unb eineJlci^e bon SRecenftonen t^cologifc^en ober lird^engefc^tc^tlic^en *^
680 6)iUiIer, S. %.
3jn^aUc^ (attc« flefammdt in SBb VIII— X ber SBerIc); ferner feine ,,SorIefungen über
bie ©cfd^td^te be« Strc^enred^tö" (SBerle X, 163—337). ©einer na^ ®e^alt unb %om
nic^t red^t toürbig ftnb lirc^enflefc^ic^tlic^e SJorlefunflen au« feiner frül^eren ^tit, md)
feinem %oh aug 9lac^fcl^rif ten l^erau^gegeben : j. 33. über bie Oefc^ic^te be« ?Paj)fttuni« (^erau^
5 gegeben t)on ©urlitt unb ÜRüIIer in $amb. ©c^ulj)ro0r. 1822—28, bann t>on ^ulu^,
§eibelb. 1826; jule^t SBerle IX); über bie ©ef^ic^te ber §ierard{iie bon (Sregor VII.
big jur SWef ormation ; über bie ©efc^ic^te ber aJlönc^^orben (Sßerfe X). 2)ie S^arfteHung
ift, lüie ©traufe fagt (©. 120), mel^r mit 9lifoIai« ate Seffing« Sendete erl^elll unb giebt
fein 93ilb t)on Bp.^ (Seifte^art; 3)inge, toie bie 3Serh)e(^«lung beö ägVJjtifc^en antoniu^
10 mit Slntoniu« Don $abua f ommen natürlid^ auf SRec^nung ber ^lac^fc^reiber ober §erau«=
geber.
©)).« ©runbrife ber Äirc^engefc^ic^te bebeutete juglei(^ feinen Slbfc^icb Don ber
Äirc^engefc^ic^te. ©eitl782 begann er allgemein gefc^ic^tlic^e SScrlefungen ju galten. Unb
aU 3&ald) 1784 geftorben unb ©)).« Sanbgmann unb greunb ®. 3- $Iancf bcflen ^}la(^?=
16 folger getoorben toar, überlieg Bp. biefem ba« %ai) ber Äirc^engefqid^te ganj unb ging
Döuig jur politifc^en ©efc^ic^te über, obgleich er auf biefem ©ebiete an feinen bret
ÄoHegen ^ßütter, ©atterer unb ©c^löjer mäd^tige Äonrurrenten l^atte. ©r la^ je^t (Sc^
f(^ic^te ber ©riechen unb 9iömer, eurobäifc^e ©taatengefd^ic^te, beutfd^e 9tei(^efc^ic^tc,
aUgemeine äBeltgefc^id^te k., jule^t auc^ $oliti{; baneben ^ublila über ©efc^ic^te ber
20 Äreujjüge k. 9lad^ Übertoinbung einiger ©d^toierigleiten toar er ber Äunft be« SSortrage^
ganj ^en getüorben ; er ^pxai) ganj frei (nur mit einigen 9?otijen auf einem Slättc^en),
im 2;one ber eblen lebenbigen — Don Beurteilung burc^floc^tenen — ©rjöl^Iung, am
jiel^enb, feffelnb, boc^ o^ne Deflamation. 3HIe feine Rnl^öxtx finb feine« Sobe« DoH;
felbft ©d^Ioffer tonnte ftd^ feine« ©inbrudf« nic^t ertoe^ren. 3)er „llniDcrfttät«bereifer''
26 Sriebr. ©ebife (Dgl. SR. gefter in ©teinl^aufen« ärc^iD für Äulturgefc^., 1. ©rgänjuna^
§eft, Serlin 1905, ©. 24) rü^mt feinen großen SBeifall unb erflärt feinen Vortrag für
„lid^tDoH unb angenehm. Sefonber« toeig er bie ^\if)'6xtt burc^ feine eingeftrcuten
feinen 5RefIetionen über 33egebenl^eiten unb ß^araltere ju intereffieren. ©ein Slu«brudE ift
fe^r getoä^lt unb faft für ben münblic^en Vortrag ju gut". Unb Sllej. D. ^umbolbt
30 (^ugenbbriefe älej. D. ^umbolbt« an 2Ö. ®. SBegener, l^r«geg. Don 31. Sei^mann, Seijjj. 1896,
©. 68), ber bei i^m neuefte ©efd^id^te ^örte, bemerft: „ein feiner Äojjf, mit einem t>räc^tigcn
SBortrage, ber für bie metftenTOenfd^enba«3j^^^I ber l^öc^ften Serebfamleit ift. ©eine am
einanbericttung i)er Segebenl^eiten ift meifter^aft". Bp, liebte e«, fid^ furj au«^ubrücfen,
manche« mel^r an|\ubeuten al« au^jufü^ren. 3luc^ feine litterarifc^en arbeiten belegten ]x&
36 ie|t faft au«fc^Iic^Iic^ auf bem ©ebict ber })oIitifc^en ©ejd^ic^te, ber ^ßolitil unb ©tattjtif:
fo feine ©efd^ic^te Don SBürttemberg 1783, Don ^annoDer 1786, fein ©nttourf ber ©efc^icfcte
ber eurojjäifc^en ©taaten (auger Deutfd^Ianb unb Öfterreic^) 1793, biefe le^terc Don
D. SBegcIe al« feine bebcutenbfte ©^rift bejeic^nct (®efd^. b. b. ^iftoriogr. ©. 884). gp.
be^errfd^t l^ier DoUftänbig bie DucUen unb Sitteratur; „mit beneiben^toertem 2:afte toetB
40 er überaH bie entfd[)eibenben TOomente J^erau^j^ufinben unb in toenigen SBorten beutlicb
ju mad^en" (SBegele ebb.). SBie in allen feinen ^iftorifc^en gorfc^ungen, fo ift aud» bicr
©p.« Slidf Dorne^mlidE^ auf bie ®efd^i(^te ber SSerfaffung, ber SSertoaltung, be« ©ericbte^
toefcn«, ber ^inanjen geridi^tet. ©eine 3Jlct^obe ift ^ier nic^t m^f^x bie „pragmatif(^e",
fonbem bie Segebenl^eiten treu ju erjäl^Ien erlennt er je^t al« bie aufgäbe be« ^ifto-
45 rifer«. ^m ©til ift ba« SSorbilb Seffmg« unDerfennbar. ©J).« Heine Sluffä^e, in fnapticr,
bünbigcr gorm gehalten, fmb toieber^olt al« „toal^re perlen ber geiftreid^en 33e^anblung,
feiner ß^arafteriftif, feffeinber Äunft ber ßr^ä^Iung" (D. Sßegele 881) beurteilt toorbcn,
bcfonbcr« feine ©efc^id^te ber bänifd^en 5ReDolution Don 1660 al« „eine l^iftorifc^e ^Rono*
gra>?Bic, toie bie J)olitifc^e ©cfc^id^tfd^reibung ber3cit eine äl^nlid^e nic^t aufjutoeifen ^t"
50 (ebb. 883). 3"^ 3lu«fü^rung feiner £iebltng«ibec, bie ®efdE^ic^te ber legten brei 3^^^'
l^unberte, bie er gern in feinen 2?orlefungen bel^anbelte, eingel^cnb barjufteHen, ift er nid^t
gefommen. ©eine j^al;lreicf)cn 3lecenfioncn befunben ebenfo ben „toeiten ®efic^t«Jrei^
feiner toiffenjd^aftlid^en gntercffcn" unb „bie ftctc Sereitf(^aft feiner ^enntniffe", toie jcin
3:alent, ftet« ba« SBefentlidf^e ber ©ac^c ^u erfaffen.
65 3" ®öttingcn toar Bp, balb eine ber angefcbenften ^erfönlic^feiten ber UniDerfität.
ßin glänjenbe« ®e^alt f)aiU er nic^t; ^u ben anfänglichen 300 XM^ni erhielt er 1782,
1791 unb 1792 an 8efoIbung«juIagcn 200, 100 unb 200 2:aler (Äuratorialaften), 1788
tourbc i^m ber 6{;araftcr al« ^ofrat erteilt, 1794 rücfte er in bie erlebigte gahiltäte^
ftellc ein; 2)efan unb Stcftor ift er nie getoefen. 2)afe ber Äönig il^m abgeneigt irar,
60 bceinträdjitigte feine ©tcUung aud) in ^annoDcr nic^t (§ugo ©. 508 f.). ©ie $rin^en
^piMtr, S. 7. @)iontiired||t 681
aufgenommen, hörten i^n faft olle ©tubenten. (Sin Ärei« t)on ©c^ülem fammelte fw^
um tl^n; ^lancf unb §uflo, ber nur feinettoegen bem Stuf nad) ©ötttnflen folgte, loarcn
i^m innig befreunbet, ber le^tere faft abenblic^ fein lifd^genoffe. aber troft feine« all^
feitiflen (Srf olge« lie^ i^n feine ^leigung ju })raftif(^em SBirfen nid^t im fie^rer^ unb ®es
ie^rtenberuf öerl^^arren; minber beftimmenb mar tool^I bie t)on i^m felbft au^ef})roc^ene 6
(auc^ in feinem (gntlaffung^gefuc^ bom 12. 3)lärg 1797) SBeforgni«, einft feiner aufgäbe
nic^t mel^r boll getoac^fen ju fein (toie feiner 3^^ ©atterer unb ©c^Iöjer il^re gw^örer
burdb il^n felbft Verloren Ratten). 2)ur(^ feinen gteunb, ben einflufereid^en 3:^eoIogen
a3.Äo})>)e (1776—84 ^ßrof. in ©öttingen, 1788—91 Äonftftorialrat in §annober; ©J).«
aSorgänger afö SKeifter t)om ©tul^I in ber ®ött. Soge), l^atte er Sejie^ungen jju ßannober lo
gewonnen; aui} eineSReife nad^ ©übbeutfc^Ianb unb in bie ©d^tpeiii 1788 unb feine 2lm
ipefenl^eit 1790 in fjranffurt bei ber Äaiferma^I Seojjolb« II. mag il^m aur än!nü})fung
t)on SBerbinbungen gebient l^aben; baju lam fein gef})annteg SSerl^ältni« ju ^e^ne.
©0 entfd^Iofe er ftc^ 1797 einem SRuf beö §erjog« g^iebrii ®ugen in feine tüürttem^
bcrgifc^e Heimat ate ©e^eimrat gu folgen, h)o bamafe eine 9(eugepaltung ber SBerJ^öItniffe i6
fid^ borgubereiten fd^ien. Rum 3Serl[fängnii^ für Qp. aber toarb l^ier ber balbige %o\> be«
^ergog«. SJenn beffen ©ol^n, ber getoalttl^ätige nachmalige Äurfürft unb Äönig griebric^
(1798—1816), tüoHte bon bem „alten guten Siecht" Württemberg« nic^t« me^r l^ören,
\a er befretierte 1805 mit ätnna^me ber Äönigötpürbe bie 3lufl^ebung ber 3SerfafJung.
©einer Überzeugung ift ©>). auc^ jefet nxd^t untreu geworben, aber bertüirflic^en !onnte2o
er feine ©runbfä^e nic^t. 2:l^eorettfc^ liberal, aber J)raltifd^ fonferbatib, gch>altfamen
9Ka^regeIn abgeneigt, aber o^ne bie Energie fu^ bem emftlic^ p toiberfeften, toa« er nic^t
^inbern !onnte, mufete er je^t an fic^ felbft bie SBal^r^eit feine« frühem gelegentlichen
3lu«fj)ruc^« erfahren, bafe bie SBerfc^ung öom Äatl^eber in« Äabinett noc^ feiten gut ge*
raten fei. 3ln äufeem (Sprüngen fehlte e« i^m jtüar nic^t: er h>urbe 1806 in ben grei:!26
^ermftanb erhoben, jum ©taat«minifter, ^Präfibenten ber ©tubien^Dberbireltion unb
Äurator ber Uniberfität 3:übingen ernannt. Slber fein ©influfe toar gering, unb Slbel,
©ro^freuj unb SueIIen;\ entfc^äbigten il^n nid^t für ba« aufgegebene ®Iüdf feine« ©öttinger
SBirfen« unter treuen greunben unb begeifterten ©c^ülern. 6in lang anbauembe« Seiben
mad^te fd^on 1810 feinem Seben ein gnbc. («Bagettmaiitt t) »onwetfc^. so
@)lo(ienre4t — Ou eilen: 2:^omaffinu«, Vetus et nova ecclesiastica disciplina,
Pars m, Üb. II, c. 51—57; 3citWrift für ^«lofop^ie unb fat^olifcfte 2:öcoIogie, ^eft 23.
24. 25; ©ugcn^cim, @taat«lcben be« Äleru« im ^nillclalter, I, @. 267 ff., S3crlin 1839;
Aem. Friedberg, De finium inter ecclesiam et civitatem regundorum iudicio quid medii
aevi doctores et leges statuerint, pag. 2208qq., Lipsiae 1861; @c6effcr=$ioi(^orft, 3BaiJ, 36
Sficfcr, ©inger aa. unten aa. DD.; gricbberg, Seljrb. h,m., 5. 3lufl., Setpj. 1903, § 179, tuo
au(ö bie neuefte fiittcratur angegeben ift.
Äeine 3led^t«materie tvax im römifc^eit SRec^te mit fo ftarrer Äonfequenj au«gebilbet
morben, toie bie Seigre bom (Eigentum; faft o^ne jebe »efc^ränlung foHte bie leblofe
9latur bem menfd^lic^en SBiUen untert^an fein, ja biefer SBille follte über bie 2)auer be« 40
Snbibibuum« l^inau« Äraft l^aben, ba« ©c^idffal ber ®üter ju beftimmen, fcHte e« regel«
mäfeig tl^un, benn bie ^nteftaterbfolge ift nad^ römifd^er 3lnfc^auung«h)eife eine anomale
(Srfd^einung.
3)ie Äird^e lebte nun jtoar auc^ nac^ römifc^em Siecht unb l^ielt bi« in bie Seiten
be« f})äteren aJlittelalter« baran feft al« an einem 5paHabium, ba« fie ben (gintoirfungen 46
ro^er unb barbarifd^er Sölfer entjog; ^at fie aber aui) bie Seigre bom ßigentum über^
nommen unb auf bie Ürd^Iic^en (Süter angetoenbet?
®« ift in fjjäteren Seiten fc^erifd^en ©eften unb ejtremen SRid^tungen gegenüber bon
ber Äirc^e ftanbl^aft bel^aujjtet toorben, bafe e« i^r erlaubt fei, toeltlic^e ®üter ju befi^en,
bafe fie auc^ l^ierin nur bem a3eif))iele i^re« erl^abenen ©tifter« folge; allein e« läfet fic^ öo
laum beftreiten, bafe für bie älteren Reiten jene bon ben SBalbenfern fo fc^arf betonte
Slrmut anerlannte a^^eoric ber Äirc^e getpefen ift.
SBenigften« foIIte berStoedf l^ter ba«3Kittel l^eiligen unb foHten bie öon berÄirc^e be*
feffenen ®üter, um mit ben SBätern ^u fj)rec^en, nid^t« fein, al« „bie ©elübbe ber ©laubigen,
ber $rei« ber ©ünben, ba« SSermögen ber 3lrmen". „Quod habet ecdesia" — fagt 66
Sulianu« ^Pomeriu« — „cum omnibus nihil habentibus habet commune" (de
vita contempl. üb. 2, c. 9), unb bie Älerifer, jufriebcn, nad^ bem ^eiligen ^ieron^mu«
(ep. ad Nept.) mit 9la^rung unb Äleibung, foUten bie ®üter ber Äirc^e ibren 3n)edfen
gemäg t)ertt}alten.
682 epülxtttttdii
SBenn abtx btefe älnfc^auuna felbft auf badSScrmdgen ber Säten angetpenbet tourbe
unb in fpätmn Seiten au bem Wi^auc^e fül^rte, ba| ben ol[^ne Seftament aSerjtorbenen,
b. 1^. benen, toel^e ber Kirche nic^tö öermac^t l^atten, afö folc^en, bie in i^ren ©ünben
bal^tnflefal^ren, ba^ Seflräbniö öertoeigert tourbe (öfli. griebberg, De finium int. ecci.
6 et civ. reg. iud. quid. med. aevi doct. et leff. etat., Lipsiae 1861, p. 187), um
tDie t)iel mel^ mu^te biefer @tanb))unlt bei ben ^lerilem feftge^Iten toerben!
Unb in ber 2:l^at betra^tete fic^ bie Äird^e bon jel^fer afe (Srbin ber Älerilcr, trat
flleic^fam ate 3Rutter bie (grbfc^aft i^rer eigenften Äinber, ber ^riefter, aru
fjreilic^ nac^ ben älteren Äirc^engefe^en ift bie Sefugniö ber Äleriler, über i^ Ser^
10 mö^en Ie^ttt)iIIig )u t)erfü0en, nic^t eingefd^röntt ; ober fc^on frül^e tüirb ben Stfc^öfen bie
^flw^t auferlegt, ju teftteren, unb für ftrafbar erad^tet, fatt« fie nic^t ju ®unften bei
Äirc^e ober öon ^lutdberloanbten ijerfügten, unb 5p^eoboftu« II. f})ri(l^t ber Jttn|»e ft^on
alle« Vermögen gu, über toel(^e« Äleriler nic^t teftiert l^ätten, alfo für toelc^e« leine ^n^
teftaterben bor^nben toären (1- 1. C. Theod. [5, 3] Nov. Just. 131, c. 13 a. 6.).
16 ®ie leftierfreil^eit tüurbe bann burc^ Suftinian atterbing^ nur für bie 35if c^öf e befc^ronft
(1. 42, § 2. C [1, 3]); aber nac^bem bie ?Pfrünbenberfaf[ung fid^ auggebilbet ^tte, fonb
eine Sttu^bel^nung biefer SWec^tönormen auf aÖe Senefijiaten ftatt, beren pecuUum bene-
ficiale bemgemäg auf aQe^älle an bieJtirc^e faQen foQte, ba« peculium patrimoniale
bagegen nur, faöd fie nic^t teftiert Ratten — ^tten fie ba« get^an, fo mußten fie ber
aoÄirdj^e beftimmte Quoten l^interlaffen — , ober leine ^^teftaterben bejahen.
Slbcr freiließ traten bem bon ber Äir^e gelDünfcpten Slefultate, (Srbin be« Ilerilolcn
Vermögen« Hu toerben, ftarfe ßinbemif|e entgegen.
3unäc^ft toaren e« bie Kleriler felbft, toelc^e bie lirc^lic^en Seftintmungen miß-
achteten unb o^ne jebe SRücffi^t bie ^interlaf|enf(^aft berftorbener ©tanbe^enoffen an
26 fid^ riffen.
fjreilic^ follte, ben fanonifc^en ©a^ungen gemä^, beim lobe eine« Sifc^of« ber ber
92ac^barbiö|iefe bie 33ertoaItung sede vacante übernehmen, aber felbft toenn biefer fui)
nic^t, toaö boc^ i^äufig genug gefc^ai^, jum SJlitfd^uIbtgen machte, fo reichte boc^ feine
Slutorität leineötoeg« au«, einen unge^orfamen iueru«, ber auf alte ?IRifebräuc^e ate auf
ao ipol^Iertoorbene Siedete po6)U, im göume ju galten.
@o fagt fc^on ba« Jtongil bon Sl^alcebon (a. 451): ,,Noii liceat dericis post
mortem episcopi rapere res pertinentes ad eum" (c. 42, C. XII, qu. 2), fo
Ilagt bie ©^nobe bon ^l^\>a (a. 424, c. 16), bafe bie Älerifer „occumbente sacer-
dote expectoratoque affectu, totaque disciplinae severitate posthabita, imma-
86 niter quae in domo pontificali reperiuntur invadunt et abradunt", unb bae
Concilium Parisiense (a. 614), um aU Seleg für bie allgemeine Verbreitung b»
3Kifebraud^« aud^ ein franjöfifc^e« Äcnjil anjufül^ren, f})rid^t mit bürren SBorten ou^:
„Gomperimus . . . cupiditatis instinctu, deficiente abbate vel presbytero, vel
bis, qui per titulos deserviunt, praesidiuin quodcunque in mortis tempore de-
40 reliquerunt, ab episcopo vel archidiacono diripi, et quasi sub augmento ec-
clesiae vel episcopi, in jure episcopi revocari, et ecclesiam Dei per pravas
cupiditates exspoliatam relinqui."
aiber felbft bie gro|e 3^^! ber biefe großartigen 3Rißbräuc^e berurteilenben Äonjilien-
fc^Iüffe giebt einen Setoei« ab, toie h>cntg bie geredeten ^orberungen ber Äirc^e ßrfüttung
45 fanben ; toenn aud^ bie ertoäl^nte ©^nobc t)on ^l^ba mit ©rlommunifation brol^te, tocnn
audE^ bie bon 2^arragona (a. 516, c. 12) bag ©J)olienrec^t ate ®tebfta^I bezeichnete, ober
bic^arifcr bom^ö^re 614 ben „necatores pauperum", tüie fte bie ©})olianten nannte,
bie Kommunion entjog, fo l^alfen boc^ biefe ©trafen ebenfo toenig toie bie bringenben Qv-
ma^nungen gefruchtet bitten.
60 ©d^eute boc^ ber Äleru« jur 2lu^fü^rung feiner berbrec^erifc^en §anblungen nicbt,
ftd^ mit Saien in 93erbinbung ju fe^en unb bie ©c^am unb ©d^anbe fo fel^r au^er äugen
5u laffen, baß er nic^t einmal ben Zot ber ju SBeraubenben abloartete; „domos eccle-
siae" — l^et|t e^ bon ber ©eiftlic^feit ber ©tabt 3)larfeiIIe — „apprehendunt, mini-
steria describunt, registoria reservant, promptuaria exspoliant omnesque res
66 ecclesiae tamquam si jam mortuus esset episcopus, pervadunt" (^omaffmud,
Vet. et nov. eccl. diso, pars III, lib. II, c. 52, n. 6.). ©elbft in 9lom, felbft an
bem 3^ac^Iaffe bc^ ^apfte^ tourbe, n^ie ba^ Concilium Romanum t>om gö^^^ 901
fagt, bie sclestissima consuetudo be^ ©polienred^te^ t)on Saien unb Älerilcm gc^
meinfam au^^gcübt.
60 auc^ bie 3)lafercgeln, bie Sari ber ©rofee ^um ©d^u^e ber balanten Senefijien traf,
S)ioKtiired||t 683
bic aiborbnung t)on oeconomi nir SScrtoaltuna bc^ Äird^möermöflcn« brad^ten ben alten
Übeln leine Slbl^ilfe, ja pnb bieUetc^t ate Dueue \>on neuen anjufe^en.
(grft ba« Äaj)ttulare Äarte be« Äal^^Ien t)om ^al}xt 844: volumus etiam et ex-
presse praecipimus, quod si aliquis episcopus vel abbas aut abbatissa . . .
obierit, nullus res ecclesiasticas aut facultates deripiat" fc^eint bon nac^l^altigerem ^
Srfolae getoefen m fein.
älbet aui) bie Saien berful^en mit ben Herilalen Serlaffenfcl^aften nid^t anber«.
3toar, fo lange bie Äleriler nad^ römifc^em Siecht lebten, tpurbe i^re Seftierbefugni« ftaat»
lic^erfeit« anerlannt, ate pe aber bem Sanbedrec^t unterworfen tpurben, tonnten fte ebenfo
tocnig, ober nur unter benfelben Sefd^ränlungen, teftieren, tpie bie Saien, unb e^ tourbc, lo
fatl« fte nic^t leJttoiHig beifügt Ratten, ii^r Sflac^lafe tpeber ben Sertoaubten berabfolgt,
noc^ bei beren ©rmangelung ber Äirc^e. SSielmel^r entnal^men bie ®runbl[^erren ber 3Sor*
munbfd^aft, toel^e fte über bie an i^ren Äirc^en anaeftettten ®eiftli(^en bean^ruc^ten,
ober bielleic^t auc^ au« il^em Sigentume an ben Äircpengebäuben, für fic^ bie Sefugni«,
ben aJlobiliamac^lafe il^^rer ©eiftli^en m oRujjieren, ebenfo fj)äter bie Patrone unb, feit i6
^iebridb I. (fo be^auj)tet Otto IV., Ürl. bon 1198 bei Sacomblet, Urlb. f. ®efc^. be«
^Rieberr^ein«, 1, 392, unb ba« ift bon SQSaift in gorfc^unaen jur beutfc^en ®efc^. XIII,
494 ff. auc^ gegenüber bon ©c^effer^SBoic^orft, Äönig ^ebric^« I. le^ter Streit mit ber
Äurie [SBerlin 1861], 189 bargetl^an toorben. SIBerming^off, ®ef(^. b. Äirc^enberfaffung
2)eutfc^lanb« im SWittelalter f^annober 19051 1, 186 fü^t fc^on einen JJatl unter»
^cinrid^ IV. a.b. 3- 1072 an), bie beutfc^en Äönige bejügli(^ ber SSifc^öfe. STuf toelc^en
^ec^t^grunb l^in biefe le^teren bie« fogen. ©))olienred^t beanf})ruc^ten, ift nic^t beutlic^
nachweisbar. 9lur Wirb man bie Vermutung bon gidfer, ßigent^. be« SWeid^ am Sleic^««
Ürc^engut, SBien 1873, § 39, Welchem SBerming^off beijuj)flid^tett fc^eint, bafe l^ier
eine Äonfequenj be« 3leid^«eigentum« am 9leic^«firc^engut bortiege, um fo Weniger aner* 26
lennen lönnen, al« bie SBel[^au})tung eine« folc^en Sleid^eigcntum« feine erWiefene ift; unb
ebenfo wenig lönnen bie ÄonftruftionSberfuc^e bon 3Ra\)tx unb ©tu$ genügen. 3)enn Wenn
ber le^tere ben llrfj)rung be« ©j)olienrec^t« im gigenürc^entum erblidrt, fo tritt boc^ jene«
!eine«weg« blofe in 35eutfc^tanb auf, unb ift aud^ an bem }3äj)ftlid^en 9iad^taffe ausgeübt
Worben. 2lud^ Wäre e« unerllärlid^, bafe ba« 9lec^t«inftitut erft in einer ^Ät jur ©nt^ so
faltung gelangt Wäre, Wo ber @igen!ird^engebanle längft berbla^t War.
SÄtterbing« l^at ^'^«t^rid^ I. felbft alle mit l^o^en ©trafen bebrol^t. Welche bie 2;eftiers
frei^eit ber ®i^ciftlic^en berlümmem Würben (a. 1165 f. bei ^3^ Monum. Germ. IV,
38; bgl. a. 1173, ebenbaf. IV, 142), aber Weber er noc^ feine ylad^folger, bie beftänbig
auf« neue bem ©Jjolienred^t entfagten (bgl. griebberg a. a. D. ©. 224, 9lote 5), leierten 36
ftc^ an bie eigenen ®efe^e unb SSerfl^rec^ungen, unb e« ma^t einen eigentümlichen ©in*
brudf, SubWtg ben Saiem au« „besunder gnad" für einzelne Melanien einem SRcc^te
entfagen ju fe^en, bem er al« Kaifer unb £anbe«fürft fd^on bielfac^ unb längft entfagt
f)aiU. — aber felbft al« bie 3^aten ber Äaifcr i^ren SBorten enblic^ entfj)rac^en. War
bamit bie 3^^' t>^ ©))olianten jWar um einen, unb geWi^ ben mäc^tigften, geminbert, io
bic beutfc^en ^ürften aber alle unb ol^ne 2lu«nal^me übten ba« ©jjolienred^t unb ents
fagten il(>m beftänbig, ganj Wie bie Äaifer frül^er get^an l^^atten.
©0 bie ^erjöge bon 93aiem, bie ba« ©})olienred^t Wieber^olt aufhoben (bgl. fjrieb*
berg a. a. D. ©. 225) unb bon beren $raji« ber laf onifc^e ©c^lu^ ber £anbtag«t)er^anb5
lung bon 1458 (bei Ärenner, Saicrifd^e £anbtag«^anblungen, II, 175): „Wird auch 46
nicht gehalten", Äenntni« giebt. ©o bie §ergöge bon ©ad^fen, bie noc^ 1455, Wie bie
®rafen bon 2;^üringen unb 3Jaffau, an bie Slufgebung be« ©j)olienrec^te« bie 95ebingung
bon ©eelenmeffcn Inüjjften ; unb „welich Priester" ^ei^t e« in ber Ürfunbe ber ®rafen
gol^ann unb $einric^ bon Slaffau^SBeilftein bom ^af}xt 1465 (bei Slmolbi, 3Jli«cell. a. b.
2)i<)lomatiI unb ©efc^ic^te; bgl. über^au})t griebberg a. a. D. ©. 225 f.) — „zcu soli- 60
chem Jairegeczyde nit queme . . . der solde soliche Fryheit und pryvilegie nit
haben." —
3luc^ bie branbenburgifc^en ÜRarfgrafen entfagten im ^af)xc 1244 (bei SWiebel, Cod.
dipl. Brandenb. I, 8, 156), unb nad^bem eine Sülle bon ^nnocenj IV. im folgenben
Sa^re ftc^ über bic TOc^tbcfolgung ber SSerf^jrec^ungcn befc^Wert ^atte (f. bei ®erdfen, 66
©tift«^ift. bon »ranbcnb. 461), bon neuem 1310 (f. bei ®erdfen, Dipl. vet. March., I,
594. 598).
2)a«felbc lägt ftd^ bon ben Äönigen bon Sö^men, ben ©erlögen bon Öftcrrcid^
(©ingcr, §ift. ©tub. über bie Erbfolge nac^ fatl^. SIBcltgeiftl. in Öfterreic^ unb Ungarn,
(grlangcn 1883 ; Srbif, 2)ic SBejie^ungen bon ©taot unb Äirc^e in öfterreic^ [3lnn«brudf öo
684 e^oltenrei^t
1904] ©. 195 ff.), bcn ©rafcn t)on3Ketfecn, SBürttemberö, ßcffcn, §o^enlo^e, ^cnncbcrg,
bcn Surggrafen öon ^Jümberg u. a. na(^n)etfcn (ügl. griebberg a. a. D. 225 f.).
2luc^ bic ja^lrcic^en ©c^Iüffc ber 5Prol)injial jl;nobcn l)on ber ju 3lribur btö ^ur 8öm=
berger, t)om 3^!^^^ 895 an bi« jum 3<*^^€. 1^91 ^inab (bgl. biefelben bei fjriebberg
6 a. a. D. S. 223) geben ijon ber beftel^enben Übung g^wflni^-
3l\d)t anber^S aber lagen bie 2>er^ältniffe in ©nglanb, ©c^ottlanb, Sizilien unb
granfrcid^. 3)te §errfd^er biefe« legieren Sanbe^ übten ba^ Spolienrecht mit einer
©c^onung^Iofigfeit an^, bie ^""ocenj III. in Jc^neibenber SBeife fennjeic^net: . . . „more
praedonum debachantes" — fagt er — . . . „crudeliter . . . abducentes ani-
10 malia universa, frumentum, vinum, ligna etiam et lapides expolitos, quos
idem episcopus (b. i. Hugo Antissiodorensis ep.) ad construendam capellam
et alia aediücia praepararat nequiter asportarunt, episcopalibus domibus
suppellectili qualibet spoliatis, ita ut in eis praeter tectum et parietes non
fuerit aliquid derelictum" (bei Souquet, Script. Gall. XIX, 488). ^^cilic^ em=
16 fagten auc^ fie l^äufig genug il^ren Siechten ober i^erf^jrad^en, bie Siegalien nur auf U-
timmte S^xt bejtel^en ^u toollen, aber bennod^ ertönten bie Klagen ber Äirc^e immer
auter, ba^ fte felbft bie Sefe^ung ber 93ifc^offtü^le ungebüJ^rlid^ üerjögerten, nur um befto
länger beren (Sinfünfte bejie^en ju fönnen.
2lllmä^lid^ aber ging aud^ tn ber Jlird^e felbft ber üRifebraud^ bon neuem an. ^ic
20 2ibte erl^oben 2lnf>)rüc^e auf ba^ Vermögen ber ^ßrioren unb SWegularen, bie Sifc^öfe auf
ben Dkd^lag il^rer ©tift^^erren, ^Pfarrer unb anberen Senefijiaten, ja auf ba^ äSermögen
ber erlebigten Sirenen, bie ^rioren unb StapxUl auf ben Sladpla^ ber 33ifc^öfe, imb bae
alle« tro^ ber beftänbigen SBerbote ber 5tonjilien unb ^äj)fte (t)gl. 2;^omaffmud a. a. C.
c. 56 nr. 1 sqq. u. f. n?.).
26 ©0 ^cigt e« in ben Sefd^lüffen ber ©^nobe t)on ©almur (a. 1253): Statuimus,
ne Abbates, cum contingit Priores suos cedere vel decedere, prioratus bonis
suis audeant denudare, sed saltem tantum de praedictis bonis futuris Prio-
ribus dimittant, ut ipsi fratres et familia, usque ad futuram collectam, de
eisdem competenter sustentari valeant et domos prioratuum refici et in statu
80 debito conservari", unb bie Stnfjjrüd^e ber Sifc^ijfe ftellten fid^ ol^ne ©d^eu fo offen
bar, bafe bie ©^nobe \)on ^oitier« j. S. (a. 1280) anorbnete, bie Sefi^cr ber gum
9?ac^la^ eine« Älerifer« ge^ijrigen ©ac^en l^ätten biefelben binnen 3Jlonat«frift bem Sif^of,
al« beren red^tmä^igem ©igentümcr, abzuliefern (f. ^^omaffmu« a. a. C. c. 56, nr. 2).
Sluc^ bie bier cinjc^lagcnbe Äonftitution Sonifatiu«' VIII. (cap. 9 de offic. ordin.
36 in VI° [1, 16]) l)ermo4tc tro| ber ben Sifd^öfen angebro^ten Excommunicatio minor
um fo tüeniger 2lb^ilfe gu fd^affen, aU \i}x burc^ bie Älaufel „nisi de speciali privi-
legio vel consuetudine jam praescripta legitime, seu alia causa rationabili,
hoc eisdem competere dignoscatur" bie ©t)i^e abgebrod^en iüurbe. ßbenfo iric
ber Sefc^lufe be« Äonftanjer Äonjil« (sess. 39 tit. de spoliis — 2^^omaffxnu« a. a. C.
40 c. 56, nr. 4) üerl^inberte fie ^Wax ba« 2luf{ommen neuer 3)lifebräuc^e, o^ne jeboc^ im
ftanbe ^u fein, bie alten aufjul^eben.
Sclbft bie ftaatlic^ geloä^rlciftete ^^eftierfä^igfeit ber Äleriler tüurbe je^t bon feiten
ber 33ifc^5fe auf« neue befc^ränft, toie e« benn 5. S. ber ^artnädRgen Äübnl^eit be« irier^
fc^en i^leru« nur mit 3Kü^e gelang, bie 3:eftierbefugni« ju erreichen (t)gl. 9Mer, De
46cleric. secul. testamentifact. act. in ©d^mibt, Thes. iur. eccl. VI, 416). aber
felbft bann, al« faft überall ben Rlerifern bie testamentifactio unb fogar über bie in
bem geiftlid^en 2lmte ern^orbcnen ®üter jugefjjroc^cn n?ar, blieb boc^ öon bem S})olicn:
red^t ber Ferto jurüdE, bcn bie ^lerifer bem Sifc^of l^interlaffen mußten unb ber in
einzelnen beutfc^en Sänbem bi« in« 19. ga^rbunbert hinein in ©eltung blieb (t)gl. Ärieb=
50 berg, Äirc^enrcc^t ©. 562) ; auc^ fotlten bie ieftamente bon bem 33tf^of, beffen Offizial
ober auc^ ben Sanbbctancn beftätigt toerben, tüofür noc^ jutoeilen au« bem Slac^lafe eine
2lbgabc gejault n^erben mu^tc (f. cbenbaf. unb Sfii^^ter, Ä.==9lec^t § 315).
2i>a« aber ba« älrgftc Wax unb in teincr ilöeife entfd^ulbigt loerben fann, bie 5ßä)?fte
felbft, bie fo je^r gegen bie Seraubung ber Sirenen geeifert Ratten, nabmen fc^liefeliä für
66 fic^ ba«felbc Jiec^t in 3tnf^ruc^, ba« fie ben S3if(^öfen mißgönnt l^atten, unb ^ei(^netcn
[id) iüeber in ber 3trt ber ßr^cbung noc^ aud) in ber SSertoenbung ber©))olien m irgenb
einer Seife bor jenen au^.
3:^omaffinu« fnüpft I;ier an eine ©r^ä^lung be« SWattl^äu« ^arifm« an, ber jum
Sabre 1246 berichtet, bafe brei Slrd^ibiafonc in ßnglanb geftorben feien unb jtoei baüon
60 ol^nc leftament. 211« beren ÜJermögcn an Saien gefallen, l^abe ber ^ccp\i e« o^nc
®)ioKeitre4t 685
lüctterc« bcanf})ruc^t unb aU SRcc^tferttgung feinet 33erlangen8 ba^ ftctlid^ burc^ nid^tö
motit)tcrtc SlEiom aufgefteHt : „ut si clericus ex tunc decederet intestatus, ejusdem
bona in usus domini papae converterentur". 3lber tocnn bamal« bic gorbcrungen
be« 5ßaj}ftc^ an bem SBiberftanbc bc« cnalifd^en ^crrfc^cr« fc^eitertcn, fo fc^toanb in
granfreic^ bte alte ©cgentocl^r, bie bic Könige bafelbft feit ßubtüig bem ^eiligen ben 6
^ä})ftli(^cn ©rjjreffungen entgegengcfe^t f^atim, ^ux 3eil be« 3lt)ignonJc^en ©c^i^ma« gänjlic^,
nac^bem Giemen« VII. bem §erjog öon änjou, bem SRegenten, ben Sölüenanteil an ber
^^uU be« ©})oIium« jugeftanben ^atte. SBie f)ätU auq ßlemen« VII. feinen 36 Äats
binälen unb bem ganzen irofe feine« §ofe« ben nötigen Unterl^alt fc^affen fönnen, toenn
nid^t, h>ie ber SKönd^ t)on ©t. 3)eni« berid^tet, beim 3:obe eine« jeben SBifc^of« bie lo
CoUectores unb Subcollectores ber a))oftolifc^en Äammer aUe« in 6ile fortgenommen
Ratten, ol^ne SRüdEMt freiließ auf bie^leftat^ ober gnteftaterben be« Serftorbenen, auf bie
9lot be« Äleru«, Der jum notbürftigften Unterhalt bie 1^1. ©efäfee t)er))fänben ober t)ers
äußern mu^te.
SSergeblid^ eiferte bie $arifer Uniberfität gegen berartige unerl^örte ÜRi^bräuc^e; ber i6
3legent lieg bie Jfül^rer ber ?Dlifet)crgnügten in« ©efängni« toerfen unb ber Sc^recfen
machte bie übrigen gegen ba« Unbermeiblic^e gefügig. $enno^ aber erfd^ollen bie ^ro*
teftationen nic^t frud^tlo«, unb al« erft bie folgen ber })ä|)ftlic^en ÜRifebräud^e Mar ju
2:age traten, al« bie Äirc^en t)erfielen, bie Sif^öfe al« bie fc^Ied^teften ©c^ulbner am
gefe^en tüurben, ba i^r 9?ac^la| ben ©läubigern feine ©ic^er^eit bot, al« bie gaUilanifc^e 20
Äirc^e felbft bie })olitifci&en ©rtüägungen burc^ il^re Autorität ^tixi^U, ba berorbnete Äarl VI.
im Saläre 1385 mit f^arfen SBorten bie SKuf^ebung be« ipäpftlid^en ©Jjolienrec^t« für
Älöfter unb S3i«tümer (f. Preuves de libert^s de T^glise gallicane, ^ßari« 1731.
II, 9). 3*^^^ entfagte bann auc^ ber $a))ft Sllejanber V. auf bem ^ßifanifd^en Äonjil
(sess. XXII) bem ©))olienrec^t, allein ber SSerjid^t be« einen ^a))fte« toar ebenfo toenig 25
für bie ®egen})ä))fte öon irgenb einer SBebeutung, al« er a\iA bei ben 9lac^folgem 3lm
erfennung gefunben ju l^aben fc^eint. SBenigften« fal^ ftc^ fd^on ba« Äonftanjer Äongil
nac^ Wenigen 3«^^^ ^^ ^i^ ^%^ berfe^t, biefcm ä)Jifebrauc^ unb freilid^ tüieberum ber^
geblid^ entgegenzutreten (sess. XXXIX. tit. de spoliis); benn ä)lartin V. berjic^tete
jtüar, ben Sefcblüffcn be« Äonjil« gemäfe, auf bie Slnnaten, überging jeboc^ bie ©))olien so
mit bi))lomatif4em ©tillfcl^tüeigen (t)gt. äl^omafftnu« a. a. D. c. 57, nr. 10). ®iegolge
babon tüar, bag fogar in granireicp bie 5ßä})fte ba« ©j)olienre(^t toieberum einjufübren
trachteten unb nur an bem ftanen SBiberftanbe ber franjöfifc^en Äönige fc^eiterten; Sub*
h)ig XI. loieber^olte im ^a^xt 1463 bie Seftimmungen Karl« VI. unb gab burc^ fd^arfe
©trafanbro^ungen feinem ßbifte ben nötigen 9?ac^brucf. „Die ©nfammlung be« ©po- 36
lium«" — fagt er — „leur soit prohib^ et d^fendu . . . sur peine de confis-
catioD de corps et de biens, et de bannissement de nostre Royaume. Et avec
ce, voulons quils soient prins, arrestez et detenus prisonniers, et condamnez
en amende envers nous (Preuves des Lib. de T^l. gall. II, 39). ^a fo*
gar ^itl^ou formulierte ben 14. ärtifel feiner Libertez de l'^glise gallicane: „Le 40
Pape ne peut leuer aucune chose sur le reuenu du temporel des benefices
de ce Royaume, sous pretexte d'emprunt, impost, vacant, d^pouille, succes-
sion" etc.
aiber felbft biefer SBiberftanb ber toeltlid^en gürften, ber, t)on ber Äirc^e fo lebl^aft
unterftü^t, ben ^Mten ba« ©e^äffige il^re« 2;reiben« l^ätte flar mad^en fönnen, felbft 46
bie forttoä^renbe 2lufmerffamfeit, toelc^e bie 3Sorfäm))fer ber ebangelifd^en Äirc^e auf jeben
©d^ritt be« 5Jac^folger« $etri rid^teten, um ber SBelt barjutl^un, tüie h>enig ba« ^beal
ber firc^lic^en ^ierard^ie ber SBirflic^feit entf^jred^e, alle« ba« j^ielt bie $äj)fte nid^t jurüdf,
ber „insatiabilis Charybdis" ber a|)oftolifc^en ilammer, tüie fie fd^on in frül^erer QÄt
t)on bem unbefannten SJerfafJer ber ruina ecclesiae genannt toorben fear, bie einträgt 60
liefen ©))olien ^u entjiel^en.
9?od^ ^iu« IV. »erbot im "^a^x^ 1560 burc^ bie Äonftitution „Grave nobis"
(Bullar. Magn. II, 9) allen ©eiftlid^en, o^ne (Srlaubni« be« a|)oftolifd^en ©tul^^le« ju
teftieren, unb nal^m nid^t ainftanb, jufünftige ©^enfungen gerabeju für ungiltig ju er«
flären, unb aud^ ^iu« V. (1567) unb (Sregor XIII. (1577) liefen bie alten 3lnf^rüc^e 66
nic^t fatten (c. 2. 3. 4 de spoliis cleric. in VIP [3, 3]).
3)a« toaren aber aud) bie legten größeren ©rfc^einungen eine« 5Wifebrauc^«, ber t)on
Saien unb Älerifern S^^'^^wnberte l^inburc^ in gleicher ro^er Söeife geübt tüorbcn loar,
unb ber in 3^^^^^"^ ^^ ^ic Seftrebungen be« 5Pa))fte« am toenigft^n SBiberftanb fanben,
aud) auf bie neuere QÄt übergegangen ift (3Sgl. ^errari«, Prompta bibliotheca iur. eo
686 &poUtuttdit StNrfii^e ®a(oiitid
canon. s. v. „spolium". — gömboni, Coli. Dedar. sacr. congreg. V, p. 367 sqq.;
VIII, p. 81spp.)
2)em ?pianc biefer end9fIo})äbte gemä^, bie leine juriftitee, fonbem eine tl^ologift^
ift, fällt bie SBe^anblunfl bcr ©})olienIIa9e fort. ®iefelbe i[t mefentlic^ ein römift^
6 re^tlic^ed Stec^t^mittel gegen Störung bed SeVt^e^ (interdictum unde vi) mit meieren
freiließ bebeutenben, ober aui) felbft irrationeuen 3RobifiIationen^ bie fte, tüte ja biele
anbere Seigren bcd römifd^en Slec^tö, burc^ ba« lononifc^e unb bie ^Projig ber geiftlic^en
©eric^te erl^alten l^at. Srne^ietf.
6)ionbannd (be ©jjonbe), ^einrieb, geft. 1643. — Seine ©diriften: De coeme-
10 teriis sacris, SBorbeauj: 1596, $Qrtd 1648; Defense de la D^laration du sieur de Sponde
par Henry de Spende son fr^re contre les cavillations des ministres Bonnet et Boois,
^orbeauj: 1597; Annales ecclesiastici Card. Baronii in epitomen redacti, $arie 1612;
Annales sacri a mundi creatione ad eiusdem redemptionem, $aridl637; Annali um Baronii
continuatio ab anno 1127 ad annum 1622, $arid 1639. lieber i^n: ^ie ber le^tgenonnten
16 @(^rift Beigegebene ^iogrop^ie bed @. üon $eter Sfrijon; Biographie universelle, tom. XLIIL
$Qri« 1825; 9(rt. @ponbe in ^aag, La France protestante IX, 316.
^einric^ Sbonbanud (be @^onbe), Sifc^of bon ^amierd unb atö Slpofiot ber
))roteftantifc^en Kirche iDie and) burc^ feine J^iftorifc^sfirc^Iic^en Schriften belannt, ift am
6. S^inuöi^ 1568 ju 3Raul6on in ber ©a^cogne geboren, ©ein Sater ftanb ale Slat im
20 ©ienfte ber Äönigin 3ol[^anna bon Slabarra. 3)ie toiffenfc^aftlid^e Silbung fonb er lu
Ortl^ej, tDO ein ben Steformierten 3ugel^öriged AoQegium tvar unb auf ber SUabemie txm
®enf. @r ftubierte bie JRed^te, iDurbe äbt)otat bei bem ^lamente in %om^ unb
jeid^nete [\d) burc^ feine Jtenntniffe lüie burc^ feine Slebefertigteit fo au;^, ba| ibn
t einrieb IV. jutn Maitre des requ^tes be^ Königreich 9laüarra ernannte. Som
ifc^of bon etnreuj bearbeitet Derlie^ er bem Seifjjiele feine« bereit« im ^a^xt 1593 jur
römifc^en Äirc^e übergetretenen SBruber« S^^^^*^*^ folgenb, am 21. SS^tember 1595
bie reformierte Sin^e unb tourbe burc^ bie SSermittelung be« Äarbinafe bu 5ßenon
JtanonUu«. ^m l^a^re 1600 begleitete er ben Aarbinal be ©ourbi« nac^ 9iom; ^ier
lebte er mit Saroniu« in enger SJerbinbung unb erl^ielt am 7. SDlärj 1606 bie ^ßriePcr^
80 tüeil^e. $aul V. übertrug i^m bie Slebifion ber 95reben für bie ^önitengen. 3n Äom
bertoeilte er bi« j;um S^^te 1626, ba ernannte il^n Subtoig XIII. jum 8if(^of bon
?Pamier«. ^n feinem Si«tume jcigte er ben größten ®ifer für bie 3lu«tilgung fe^erifc^er
2tf^xm, in«befonbere tiefe er e« an SSerfoIgungen ber ?Proteftanten nic^t fel^Ien. Äränielnb
legte er im iaf)xt 1639 feine bifc^öflic^e SBürbe nieber unb ging nac^ ?Part«, um feine
86 Äräf te nur noc^ ber §erau«gabe feiner fc^riftfteHerijc^en arbeiten ju toibmen ; boc^ feine
Äränllic^feit nötigte il^n, bie Seitung jene« Oefc^äfte« feinem greunbe, bem Äononüul
$eter t^tijon, ju übergeben unb nad| Souloufe ju ge^en, um ^ier in einem milberen
Älima fein Seben ju friften, ba« er aber am 18. 9Kai 1643 befc^lofe.
(92ettbeifer t) (Sagen Sat^enwann.
40 S^irenger, 3iaIob f. b. 2t. §ejcn »b VIII ©. 33, 4.
S^iringer f. 3umj)cr« »b IX ©. 634.
@)irü4e Salonto«. — Sitteratur. i^ommcntare: Umbreit 1826; Sert^eou (im fur.^
gcf. cyeg. C)anbb.) 1847 (' 9?ümac! 1883); |)ißig 1858; Socfler (in fiange« ©ibclrocrt) 1867:
3-rani ^elim 1873; ©trod (in ©tracf u. 3ö(f*Icr« Stommcnt.) 1888, »1899); ©ilbeboer (in
46 9KQVti« Äomm.) 1897; Sranfenberg (in S^owacfd ^omm.) 1898; %o\) (im Internat, critical
(3ommentary) 1899.
5Bruct), 3)ie 5Bei§5cit§Ief)rc ber .£)ebräer, 1851; ©loolb, 3)ic falomonifefien @rf)riften, »1867;
e^e^nc, Job and Salomon, Sonb. 1887, unb ^a« religiöfe fieben bcr 3uben, 1899; x>, Sau^
biffin, 5)ie altteft. @prud)bicl)tung (iRebe), 1893; Pfeiffer. S)ie relig.^fittl. ©cUanfdj. be« 23.
CO ber (Sprüche, 1897; 3Bilbeboer, De Tijdsbepaling van het boek der Spreuken (VcreL a.
Meded. d. K. Akad. v. Wetensch. 1899); ^JJJeufel, 5)ie Stellung ber ©prüd^e Sal. in hx
iSrael. 2itt. unb JReI.=®efd). 1900; Koffer, 3)a« alt^iebr. ©prud)bu(f) unb bie Sprüche 3efu§
hen @ira, 1903; ^öiorit g-vieblänber, ©rted). <p^iIoiop^ic im ?12:, 1904; Sellin, 3)ic epuren
gried). ^ftilof. im ^\%, 1905. — 3öeiter bie ©anbbüd)cr ber altlcft. Einleitung unb X^eologic
56 unb bie SBibellejifa.
3uni Ze^i: Sagarbe, 5lumerfungen jur griec^. lleberf. ber ^Jrouerbien 1863; 3)tjferln(f
in 2:5eoI. 2:ijbfd)r. 1883, 577 ff. ; ^^aumgartner, Etüde critique sur T^tat du texte du livre
des Prov. 1890; ^Bicfea in Wiener 8tjd)r. f. Slunbe b. ^orgenl. 1891; ^intuft in3at«1894
688 Sfirft^f Sdomod
fog. ^joetifd^en Süd^ct nun cingcteil^t ift, läfet erwarten, bafe c« bcn alten ate Suc^ m
gebunbencr 9lebe galt. SDcm cntf^jrid^t c«, bafe einzelne ^ebräifc^c c^anbfc^riftcn toic toic^-
tigc Äobice^ ber LXX ba§ Sud^ [tic^iW ö^W^i^^^" ^aben, h)äl(>rehb aHerbing^ bic ^em
fd^cnbc maforetifd^c ©d^reibung, loic faft burd^toeg fo au^ l(>ier, in ber l^ebr. Sibcl bic
6 c^ematö bermutlic^ biclfac^ k)orl(>anbenc ftic^ifd^c ©d^rcibung bc^ %t]ct^ öertt)if(^t bat
2^ro^bcm läfet ftc^ bic gcbunbcnc SRcbc o^nc ©c^toicrigfctt ^cutc noc^ erfennen unb bei
rid^tigct @Iiebctung bc^ Xc^ed lä^t ftd^ ein annä^cmbc^ ^Ub ber urfprünglic^en ©eftalt
be« Suc^c^ loo^l ^crftetten; ögl. bcn Sicjt t)on Sccr in meiner Biblia Hebraica.
3)ic 2lnl^alt^unfte bafür geben an bic Äanb: einmal ber faft überall unüerlcnn-
10 bare ^arattcli^mug ber ©lieber, fobann ber faft burc^tücg leicht crfennbarc Sl^^tbmu^.
3)er le^tere jeigt grofee SSorlicbe für ba^ brei^ebige SKctrum, boc^ finben fic^ me^a(^
auc^ Slbtoeic^ungen baöon. ©c^on ber ftarfenttoidfcltc ^arattcliömu« toeift auf ba« Sor-
berrfd^en be^ einfachen ober mc^rfac^en 3)iftic^ong (Diftid^on, 2:etraftic^on 2c.)/ ober toobi
beffer be^ au^ jn^ei ^albftid^cn jufammengefe^ten langweiligen ©tic^o^ in einfacher ober
16 in ^erioben bon 2 ober 3 u. f. lo. ©tüden geglieberter SBicber^oIung l^in. 9Reift
ift ber ©tic^og in 3 + 3 Hebungen gleid^fc^ioebenb, bod^ finben fic^ auc^ 3 + 4
ober 4 + 3 ober 4 + 4 Hebungen in einer („biftic^ifc^en", befjer au^ jtDei ^emiftit^
befte^enben) Sangjeile.
®a^ ©d^ema ber einfachen )h)eiteiligen Sangjeile tritt am beutlic^ften ^erau^ in
20 10, 1—22, 16. 3n biefem ganzen ^auptteil be« SSud^e« ift jebe ^^\U für jic^ ein
metrifd^e^ ®anje^. ©r ift formell getüiffermafeen baö 3beal einc^ ©pruc^bud^, eine 3"'
fammenfteHung t)on einzelnen mel^r ober minber lofe aneinanbergerei^ten (Snomen unb
®))igrammen. 3)abei ift bie Siegel 3 + 3, alfo bie gleic^fc^toebenbe Sangjeile, g. 8. 10, 2
26 SJid^tö nü^en ©c^ä^e aui greöel | aber ©ercd^tigleit rettet bom 2:obe
ober 10,7 npi-»* D^yTS'n um I ninnb p-lns: ^dt
3)a« Oebäd^tni« be^ frommen ift ein ©egen | aber ber ©ottlofen 9Jame toirb berfluc^t.
©aneben 4 + 3, fo g.S. 12,1
^yn nniin n:i;i3t I nri nn« ^cn73 nti«
80 SBer SiBiffen liebt, ber liebet 3"^^ I wnb toer ©träfe Raffet ift bumm.
eben[o 18, 13; 19, 3 unb oft. 3)aneben finbet fid^ auc^ ba« ©c^ema 3 + 4, fo j.*-
14, 28
■jT-in* nnn?: asib cs^m I "|^7:(?)n'in nr-n^^n
Sluf t)iel aSolfö ru^t ber ©tolj bc« König« | fmb« aber ioenig Seute, erfd^ricft ber ^crrfc^er.
86 Daneben finbet fic^ aud^ bie 3wfammenftellung 4 + 4, fei e« für fic^, fei c« in
SSerbinbung mit anbern Serfen (l^äufiger au^erl^alb aU innerhalb biefe« 2lbfc^nittc^).
©0 25, 2
"^pfi 7» D-Dt>?2 nii I p7irb ]^nfi(i m^b d**?:«
40 Dte§errlic^fett®otte« ift 93erbergen ber Dinge | bie §errlid^feit ber JliJnigeSrgrünben ber Dinge
Der ^immel an $öl(>e, bie ßrbe an Siefe | fo ba« §erj ber Könige uner^rünblic^.
Sritt ^ier ein ©tid^en^jaar 4 + 4 unb 4 + 3 auf, fo in 25, 25 ein einfacher
2(d^teri)er« (4 + 4):
pn^?2 y*^N72 nniü tot2Ci I nc^y ^crby O'^'ip d^?:
46 Äül^lc« 2Baf)er auf eine mübe ©eelc | fo gute Sotfc^aft au« fernem Sanbc.
eben[o in 26, 1
mäs b-iÖDb hin:-«? p i ^-"ips 1^7221 y-ipa ^brä
3Q3ic ©c^nee im ©ommer, toie SRegen in ber Ernte | fo ioenig ftel^t an bem 3^^oren bie 6bK.
2Ba« bie 3wfön^"^^"ft^ttung biefer langweiligen 93erfe gu SBer«rei^en anlangt, fo fc^li
5ofte, toie fc^on ertoäl^nt, im .^auptUxU be^Sud^e« 10, 1—22, 16 aanj, ebenfo inRa^.28
unb 29. Diefe 3lbfc^nitte befte()en an^ jtoeiglicbrigcn („biftid^ifc^en") Singelöerfen, toon
bcnen jeber einen ©innabfc^nitt für fic^ bilbet. 3^ ""*> "tann, aber burc^au« nic^t immer,
nidj^t einmal befonber« l;äufig, läfet fic^ ioa^rne^men, ba^ ©jjrüc^e bertoanbtcn 3nbaltÄ
^pvUlt Solomod 689
räumlich jufammcngcrücft fmb (10,2—5. 13,2—3. 18, 6—8 u. a.); aber and) bann
läfet ftc^ faft burd^toeg loa^me^men, bafe jebcr ©^)ruc^ aud; al^ (Sin^cit für ftd^ ge-
nommen Serben fann. — Die 3h)^iöKebrig!eit ber Sangjeilen ift faft burc^toeg burc^
ben ^araHeli^mu^ ber ©lieber bebingt. 3eber ®a$ befielet aug jh)ei einanber entfpred^en«
ben ©liebem, bie teite im Serl^ältnid ber ^i^^ntität be^h). ber in^altlid^en Analogie, teil« 6
im aier^ältniö be^ ©egenja^e« jueinanber ftel^en. gür ben legieren %aü (antit^etifc^er
^aratteligmug) fmb ti)px\a) ©ä^e tüie 10, 7
3)a« ©ebäcbtnig be« grommen ift ein ©egen | aber ber ©ottlofen SRame h)irb öerflud^t.
35er erftere gatt erfdjieint teil« in ber %om be« f^noi^men ^araHeli^mu«, fo
i. SB. 16, 6 10
Durd^ Siebe unb 2:reue toirb ©djiulb gefü^nt | unb burc^ gurc^t ^af))o^ meibet man S3öfe«,
teitö in ber ^Jorm be« f^nt^etifc^en, fo g. S. 15, 20
ßin tueifer ©ol^n erfreut ben Sater | aber ein S^^or bon einem 5Kenfc^en fd^mä^t feine
ajtutter.
3)oc^ bilbet ber ^araHeliömu« nic^t bie auöna^mglofe SRegel. 6« finben fid; and) is
©Vrüc^e, bie ijpar jhjeigliebrig ber gorm nac^ finb, in^altlic^ aber lebiglid^ einen an^
SBorbers unb 5Jac^fa| befte^enben ©o^ barftellen. $ierl(>er !ann man loo^l fc^on bie
toielen 3SergIeic^ung«fä$e red^nen: beffer ift . . . atö . . ., j. SS. 15, 16. 17. 3lod) beutlid^er
ftnb ©ä^e toie 16, 3
SBälj* auf 3a^üe bein ainliegen | gelingen toerben bann beine $läne. ao
©benfo bilbet im l^eutigen 3Kaforetentejte biefe« 2lbfc^nitte« bie ^^^^JÖ^i^^iO^^i* ^^
©ticken, tüenn audji burd^au« bie Siegel, fo boA nic^t bie augnal^m^lofe Siegel. @ö finben
ftd^ gelegentlich and) breigliebrige ©tid^en. älber man lann aUerbing« jioeifeln, ob fte
urfjjrünglid^ ftnb. Der einjige gall, ber ftd^ ftc^er nac^toeifen läfet, fc^eint JJolge einer
nad^träglid^en ©törung be« urfjjrünglic^en 2;ejtbeftanbe« ju fein ; ögl. in ber Bibl. Hebr. 26
ju 19, 7.
S3ilbet nac^ bem ©efagten in bem großen 9)littelftüd unfere« 33ud5>e« bie jtüeiteilige
Sangjeile burd^aud bie Siegel, fo tritt in ben anbern 3lbfc^nitten be« SSud^c« bie 3"-
fammenfteHung einer Steige t)on fold^en ©ticken in ben 3Sorbergrunb. ©o ift in Äa)).3— 5
bie Do^pellangjeile faft burd^toeg, loo nid^t burc^tocg, l^enfc^enb. 3ie ^\üd fold^cr ©ticken so
bilben ^ier (Sine ©innftro^jl^e. ßbenfo in Sia\>. 7—9. 3" t^^" übrigen Slbfd^nitten finben
fid^ neben gelegentlid^en jiocijeiligen Qttop^m („letraftid^en") folc^e bon brci, bier unb
mel^r Sangjeilen. SDie S5eif))iele mögen in ber Bibl. Hebr. nad^gefel^en tDcrben.
Über loeitere Jjoetifd^e Äunftformen in unferem SSuc^e f. unter 4, ©. 695. 696.
4. 3)ie einzelnen Seile, ©d^on im S3i«^erigen ift gelegentlich bon berfd^iebenen 35
Seftanbteilen, aug benen unfer 33uc^ jufammengefe^t ift, bie Sftebe getoefcn. Diefelben
muffen nun aber nad) il^rem ^nf)ali unb il^rer (Sigenart naiver in« Sluge gefaxt tuexben.
a) Die Überf^rift. Da« S5ud^ beginnt mit einer lang auggef^onnenen Über=
fd^rift, toeld^e mit ben SBorten „©prüd^e ©alomo«, be« ©o^ne« Daöib«, be« König«
3«rael«" beginnt unb bann be« Sängeren ben Q^^i unb bie 93eftimmung be« Sud^e« 40
barlegt: „ju erlennen 2Bei«^eit unb S^d)t, ju merfen auf 3Q3orte ber (Sinfid^t" u. f. \v.
(1, 1—6). Sluf hjelc^e Überlieferung bie SSenennung be« SSuc^e« nac^ ©alomo j^urüd^
gel^t, ift nac^ 1 Äg 5, 12 unfd^loer ju erlennen, ba bort au«brüdlic^ flcfagt ift, bafe
©alomo ftd^ al« ©prud^bid^ter l^erborgetl^an f)abt; er foll 3000©})rüc^e gebid;tet l;aben.
2(uf ber anbern ©eite ift aber auc^ unöerfennbar, bafe bie ^ier in %xaQz ftel^enbe Slotij 46
ftc^ nid^t auf ba« ganje 93uc^, loie tüir c« je^t lefen, bwiel^en !ann. Denn in f^)ätcren
2:eilen loerben aucp anbere SSerfaffer genannt. 3lber auerbing« mufe ber SSerfaffer ber
Überfc^rift einen ftattlid^en Seil be« l^eutigen S3ud^e«, nämlic^ bie 3Jlel^r^eit ber l^eute im
Qpxnd)bn^ enthaltenen (Sinjelfammlunaen, auf ©alomo jurüdgefü^rt l^aben. 3Bie meit
er bamit im Siedete fei, toirb noc^ ju fragen fein (©. 695,ioff.). so
b) ®« folgt ein erfter §au})tteil 1,7—9, 18. §ier tritt ber ß^aralter ber
©entemenfammlung, al« loelc^e man ba« ganje ^nd) nad) bem in formeller ^infiAt
oben fcpon d^arafterifterten gleiten 2^eil gerne bejeic^net, bollftänbig jjurüdf. SStelmel^r
l^aben ioir e« mit jufammenl^ängenben le^r^aften äLu«fü^rungen ju t^un, in lürpcn ober
längeren Slei^n bon ©ticken öerlaufenb unb ben Sefer al« „©o^n", ben Did^ter alfo 66
al« Seigrer unb ©rjie^er borfteHenb. ©c^on biefe ^orm ber Siebe toeift auf etloa« anbere«
al« eine lofc 3wffln^"^^P^ttwn9 einzelner ©äfee ^in : ber 3Serfaf[er ermahnt an ber (Sltem
©tette (1, 8) unb im Slamen ber aBei«^eit (1, 20ff.), bemgemäfe fteUen feine 3lu«'
fü^rungen in ftid^ifc^er ^otm unb mit häufiger Sertoenbung be« ^ratteli«mu« gehaltene
(Ermahnungen bar, bie balb in fürgeren (bef. Raup, 3—5), balb in längeren Slei^en t)on go
SleoI'^cDnop&Me für Jt^coloole imb ftit^c* 8. K. zvm. 44
690 ^ptUit @al0mo9
©ticken m ergeben. 3)abci loirb 0ele0cntIicl^ bie ffieiö^cit fclbft rebenb cingefüBrt
(1, 20 ff. Stop 8).
2)er 3n5(falt ber Sluöfü^rungen ötj)felt in bcr ßrma^nung gut älnno^me unb ^fliege
ber SQäci^^eit, o^ne ba^ immer babei gefagt ift, looriii nun eigentlich bicfe ®ei^^ be=
6 ftel^e. SBol^l aber toirb öerftd^ert, bafe bcr SBeife §eil, ber 3^or Unfeeil ju crtoorten
^abe, ebenfo bafe bie SDBci^^eit bon ®ott [tamme unb bafe bie gurd^t ga^t^cö jur Sei^
^eit fü^re. 3a bie SBcig^eit ftammt nic^t nur t)on @o% fte toar \d)on toor bcr ®clt
bei ©Ott, fte ift bie Ilj^rongenofftn Sottet unb ftanb i^m jur ©eite fc^on ate er bie
aSJett fc^uf (Äo}). 8). SBo ber äSerfaffer über bicfc allgemeinen SBcnbungen ^tnoud gor=
10 berungen auffteHt, ba fmb e« bortoiegenb SBamungen t)or groben ©ünbcn cincrfcitö unb
SRegcIn ber ^jraltifd^en SebengHugbcit anbcrcrfcitö. 3Kan l^lte ftc^ frei Dom Umgang mit
gottlofen öerbred^erifc^en ÜJJenfc^en, bie anbem nac^ftcHen, um fte ju berauben ober ju
übervorteilen; man ^alte ftc^ bcfonberd frei t)on ber (Semeinfc^aft mit c^cbrec^crifc^,
bu^Icrifien SBeibem; man übe Sorftc^t im SSürgfc^ftleiften unb in SRcc^t^cfc^äften;
16 man nel^me ftd^ bie ämeife jum 9Wufter be^ gleifeed (6, 6 ff.); man laffe e^ md^t an
®üte unb ü)lilbtl^ätigleit fehlen unb berfc^iebe ba^ ®ute nic^t auf morgen (3, 28). 9ci
folc^em aSer^alten toirb ber ©egen S^^be« nid^t ausbleiben, toälj^renb ber ©ottlofe feinen
gluc^ ju gehJärtigen ^at (3, 33. 4, 10). Slud^ bat bicfe SBeiS^cit unb ©otteefurc^t felbft
eine ftttlic^ bel^ütenbe, bor S3ijfem beloal^renbc Kraft (7, 5).
20 5IJlan ftc^t, bie SKoral fte^t nic^t gerabe auf fe^r ^olj^cr ©tufe. 2)ic Art ber pxo--
J)^ctif(l^en ?Prebigt bermiffen loir Ij^ier boHftänbig, ebenfo aber bie 3lrt bcr j)ricftcrli(ben
®cfe^e«Iel^re. 6« ift t)rahif(^e äHtagSmoral, SebcnötDciSl^eit auf religiöfer ©runblage,
ol^ne emfte Vertiefung in bie religiöfen unb fittlid^cn Probleme, bafür aber mit einem
©infci^Iag f))e!ulatiüer ®runblegung: bie SebenSloeiö^eit ift bem SSerfaffer ©manation ber
25 ))erfonifi3ierten göttlid^en SBeidl^eit, bie il^m ald t)or2eitIici^e^ SEBeIt))nn2i)) neben @ott
erfd^eint. SBo er fte fd^ilbert, toirb er lum ^^ilofojj^en unb SDid^ter juglcid^, toie e^ ibm
auc^ fonft nid^t an ber ®abe ber ©arfteHung fel^It (Äa^. 5. Stap. 7).
2lu« loelc^er 3^'^ ^^^^ ^i^ i>i^f^ 2:eil gu crflären? 3)er bollftänbige aRangcI
jcber bireltcn Sejiebung lä^t und über Vermutungen nic^t ^inaudlommcn. S'""'^^^"
80 lägt bie 3(rt unb 993eife, n>ie bie SBeid^cit perfoni^giert erfc^eint unb bie ©teUung, bie
i^r neben ®ott felbft jugeloiefen toirb, biel elj^er eine fpätere f^jcfulatiöc gortbilbung bcr
altteftamentlid^en Sieligion bermuten, afö bafe anjune^men loäre, bie Slnfc^auung hak
jum urf^jrünglid^en SSeftanb berfelben gel^ört. 2lm e^eften fönntc man babei too^l 8c:
rü^rungen mit gricd^ifd^cr aßeid^eit öermuten. Daö loürbe und in bie 3«it bon bcr 9)Jittc
86 ober bem ßnbe bed bab^lonifc^en 6jild an führen, ol^nc bafe h)ir in bcr Sage fmb, bcii
^eit^junft genauer gu beftimmen. Denn t)on ben Sagen bed S^aled unb ß^rud an fonntcn
einzelne jübifd^e ^riefter ober ©cle^rte burc^ Sermittclung Äleinafiend o(^nc ©(^h)ierig!cit
mit gried^ifc^cn ^h^m bertraut hjcrben, noc^ Diel me^r natürlid^ feit 3lIcEanbcr. Xcr
uniöerfaliftif^e ^\xq, nad^ tDcIc^em nid(>t ber g^welit, fonbern bie „ÜKcnfc^cntinbcr" all
40 SBeidl^eitdiünger gebadet finb (8, 4), toürbe tuo^I ^ierj^u ftimmen.
ÜJJitSRcc^t ^abcn unlängft ^ranlenberg (im Äommentar) unb ©enin(a. a. C. S. 17f.)
bie Deutung bon 8, 22 ff. ald t)on einer ^^^joftafe ber SBeid^eit mit ßntfc^icbcnbeit h^--
ftritten. ©ie (ebnen befonberd bie Übcrfe^ung 3Q3er!meifter für V":» ob, ba bie Stufgabc
eined folc^en nic^t fei ju fd^crjen unb gu fjjielen, unb treten für -p?:« Pflegling ein. 2er
45 gan^e ^affud If^anblc nid^t t)on ber äÖeid^eit ald felbftftänbiger ^erfon neben @ott, fon=
bcrn jeid^nc in lebiglic^ V^^^if^^^ ^erfonifilation bad ®efc^affenh)erben unb SBcrben bcr
SBeidl^eit fc^on bor ber ©c^ij^jfung. Süchtig ift, bafe bicfe Raffung i^re SCnalogic an ber
})oetifc^cn ^erfonififation ber St^or^eit in 9, 13 ff. (2, 16 ff.; 5, Iff.) ^at, h)o bie le^tere
ald frembe Su^Ibim gcfc^ilbert h)irb, unb bafe überhaupt bie Söa^rfc^einlic^Icit aufgeitc
60 biefer Deutung ift. 2(ber bie Zi)at\aö)z, auf bie alled anlommt, ift bod^ fdj^lic|(i(b bie,
ba^ bie SiJeid^eit l^ier ald bor ber 3BeIt bafeienb gefd^ilbert toirb — unb fic h)irb gan;i
ol^ne Serü^rung mit bcrtuanbten gricc^ifc^cn '^h^m laum anjunel^men fein. 9tur bat
man baju, toie ©cDin (©. 25 ff.) boDlommcn richtig betont, abfolut nid^t nöti^j, crft bie
Reit nad^ Sllejranber l^eran;\ujiel^en; „33ecinfluffungen burc^ ben griec^ifc^cn Kaufmann
56 tonnen h)ir too^l auc^ in ^rl— 9 unb §iob fonftatieren, ben Kaufmann, bcr bieSßaren
feiner guten h)ic fc^Icdjjten ^eimatlid;en Äultur importiert unb bailoifc^en aud^ mit bcr
Silbung feinet S?oIfe^ bal^cim unb bcffcn 3Beifen, fo gut er fie berftcl^t, renommiert" (28).
Sonnte man alfo bemnad; fclbft für 1—9 in bie borc^ilifd^c ^axt herauf gelten (f. SeDin
30), fo rät bod^ ber ®cfamtd^araltcr bie oben gegebene S^i^^^timmung an.
60 b) Der jtueite ^aupttcil 10, 1—22, 16 ift früher fd^on ate bcr umfangreit^jk
Sfirfl^c Sotomoi 691
unb befonbcrö d^araheriftifc^e %txl bc^ Sud^c« bcjeid^nct tüorbcn. (S^ ift ber eigentliche
Sern be^ ßanjen BpxxicS^hni}^, bie richtige ©entenjenfammlung. Die SBei^l^eit, toenn jte
and) feine^toegö berleugnet Serben foH, tritt lange nic^t \o in ben aSorbergrunb h)ie im
erften Seile, t)on il(>rer ^ßerfonifilation ift nic^t mcl(>r bie Siebe, le^rl^afte ^u^fü^rungen,
überhaupt größere ßwfantmenl^änge, bottenb^ im 2;one ber ^rebigt, fehlen ganj; fmb o
gelegentlich gleid^artige S^jrüc^e jujammengefteHt, fo bleibt bie Scrbinbung eine äu|erlic^e
unb jeber ©tic^o« f)at fein SRed^t für ftd^, f. o. 3lx, 3, ©. 688, 20 ff. 52 ff. 3){an bergleic^e
baju noc^ befonber^ bie Äönigöfjjrüc^e in 16,10—15, ober 16, Iff. ba« 2^^ema: ber
aWenfd^ benit unb (Sott lenlt.
2Ba8 3n^alt unb ®eift ber ©entenjen anlangt, fo fte^en aud^ bier bie Siegeln ber 10
bürgcrlid^en SKoral unb ber allgemeinen Seben^IIug^eit boran. Slec^tfc^affeni^eit erhält
fidler ibren So^n, fie erl^ält am Seben; (Sottloftgleit fü^rt jum Serberben. Dabei f eitlen
ni^t ©prüc^e, bie mit bolfötümlid^em §umor gehjürjt fmb ober fonft an bie „ffiei^^eit
auf ber ©äffe" erinnern. ©0 11,22
©in golbner SRing in be« ©c^hjeine« Slüffel | ift ein fc^öne^ SBeib, bem e« fe^lt an i6
aSerftanb,
ober 15, 17
Seffer ein ©eric^t Äol^I unb Siebe babei | aU ein gemäfteter Dc^fe unb $a| bei il^m,
Dabei ge^t aber bie moralifd^e SSetrad^tung tiefer aU im erften Seile. Die eigentlidji
fittlid^en Sugenben loie ©enügfamfeit, greunblid^feit, Sangmut, 3KitIeib unb befonberd 20
bie Demut im ©egenfa^ jum ßoc^mut loerben mel^facp unb jum Seil mit großer
äBärme em^)fobIcn. Die liebeboUe ©efinnung erfdjieint bem SBerfaffer alö befonberd be»
beutfam, 10, 12
§aber enegt ber ^afe | aber allerlei ©ünben bedft bie Siebe ju.
Slud^ religiöfe Söne — abgefe^en bon ber Unterftellung be« ganjen Serl^alten« unter 2b
bie göttliche 3Sergeltuna — fehlen nic^t, fo 14, 31
3Bcr ben ©c^toad^en bcDrüdft, ber fc^mä^t feinen ©c^ö))fer | aber il^n el^rt, toer be^ 2lrmen
fidji erbarmt,
ober 20, 22
Sjjrid^ nid^t: id^ h)ill Söfe^ bergelten | ^off' auf ^al^be, ber h)irb bir l^elfen, ao
iüoju nod^ ©^)rüc^e toie 15, 3. 11. 16, 33 berglic^en Serben fönnen. Sie l^ier ba^ \pc^
^ififd^ religiöfe ©lement nid^t ganj feiten m Sage tritt, fo fel^lt e^ neben ©prüc^en aß«
täglicher Sebengflugl^eit auc^ nic^t an folc^en, bie eine tiefere Seben^auffaffung öenaten.
3d& red^ne barunter 14, 34
©ered^tigfeit erl^öbet ein SSol! | aber ein ©dj^njinben* ber Seute mac^t bie ©ünbe, 35
ober 14, 10. 13. 16, 18 (18, 12)
6in §erj gebenfenb beö eignen Seib«, | in beffen greube mengt fid^ lein ipoc^mut*,
. . . ©elbft beim ©d^ergen ^at ba« ^er^e ©c^merj | unb ba« *(lnbe ber ^eube ift Seib,
. . . Dem SSerberben ge^t Übermut öoran | unb bor bem gaHe lommt §oc^mut.
Die mitgeteilten groben fönnen für ftc^ fd^on toa^rfc^einlid^ machen, bafe biefer Seil, 40
berglic^en mit bem erften (einleitenbcn) einer fittlid^ unb religiös reicheren ^erfönlid^Ieit
ober 3^^* entftammen ttjerbe. Den Unterfd^icb bciber Seile fennjeic^net femer bie älb^
loefenbeit aller f^jelulatiben ©ebanlen unb2lnllänge im jtoeiten Seile, ffienn man bamit
bie eigentümlid^c 93e^anblung ber SBei%it im erften öergleid^t, fo lann man fic^ fd^toer
be^ ©ebanlen^ ertoel^ren, bafe ber jtoeite Seil feine natürlid^fte ®rtlärung auö ber ^cxi 45
be« iöraclitifc^en ^ro^j^etentumö l^erau« finbe. g^eilid^ fmb bie ©prüc^e nic^t t)on einem
^ro^^eten ober einer älnja^l ^jropl^etifd^er SRänner öerfafet ober jufammengefteHt. 3^re
3trt ift njefentlid^ anber^ ate bie ber ))ro^)^ettfd^en Siebe, ©ö fmb ©nomen, t)on ©nomen«
bid^tem ftammenb, bie bemSiolfe unb ben Äreifen berSaien, ettoa be« ftäbtifd^en Sürger-
unb §önbh)erlerftanbeg, biel naiver fte^en alg benen ber $ro})^eten. ^riefter unb ^ro^)^eten so
bilben ben geiftlid^en ©tanb im toeiteften ©inn, jene fojufagen bie beamtete, ^ierari^ifc^
berfafete offizielle ®eiftlic^!eit barftellenb, biefe bie freien auf ftd^ felbft fte^enben „SRänner
be^ ©eifteö" in fiel) befc^liefeenb : aber beibe fmb boc^ für bie SKenge be^ Solle«, für
Äönig, ^of, ©olbaten= unb Seamtenfreife, ^anbtoerfer, S3ürger unb Säuern barin eine«,
ba^ fie „©eiftlic^e", alfo Vertreter 3a^be« ftnb. äße anberen fmb Saien. aber auc^ b6
biefe Saienftänbe ^aben i^re 3Roral unb fojufagen il^re 5ßrebiger unter fid^. Diefem Se«
bürfni« bient bie ©entenjenh)ei«l^eit unfere« äbfc^nitte«; ©ie ift nic^t $ro))l^etenarbeit —
nod; Weniger natürlich })riefterlic^e — aber fte fte^t unter bem unmittelbaren ßinflufe ber
Jjro^^etifc^en ^bcen unb ber j)rotol^etifc^en 5ßrebigt. Dl^ne il^ren Srnft unb i^re Siefe —
ftttlid^ unb religio« — ju eneid^en, mad^t fte boc^ ben. (ginbrudE, bafe bie ^JJrebigt ber eo
44*
692 Sfirfi^c Salomod
5ßro^)^ctai and) in bicfen Ärcifen nic^t angehört öerl^allt ift unb unmittelbaren ©r-
folg l^attc.
©0 erflärt ftc^ gam ungefud^t ba« bielfad^e §ercinf^)ielen be« Äönigtumed nic^t Ho§
al« einer befanntcn ©rfcpeinung, fonbern aU einer fold^en, bie bem 33erfaf|er au^ eigener
5 ©rfal^rung geläufig unb bertraut ift. ©r, be^to. er unb feine ©enoffen, f ennen baö Scbcn
am §ofe red^t too^l, fo bafe man faft annehmen fönnte, bie betreffenben ©j)rü(^c ftammcn
t)on folc^en, bie felbft am §ofe gelebt ^aben ögl. 16, 15. 19, 12. 16, 12 f. 18, 16. Unb
biefer §of fann bod^ tool^l nur ber be« bore^ilifd^en iöraelitifd^en Äönigtum« gctoefen fein.
3iebe anbere (Srllärung ftöfet auf unübertüinblic^e ©d^toierigfeiten. (Sinen flönig^^of giebt
10 e^ freilid^ für ^^racl aud^ in |)erfifc^er ^^\t unb femer in ber 3^^^ ^^^ 2)iabo(^en, ber
5ßtoIemäer unb ©eleuciben, toie benn auc^ baö SSud^ ©irad^ Äönige nennt. Sber biet
toirb nic^t blofe bom §ofe unb bem 3[}erl^alten bei $ofe gef^jrod^en, fonbern ber SScrfaffer
lebt (ober lebte) bort eine ^nt lang ober fennt bag Seben bort fonfttoie aug na^er än=
fd^auung. 2)amit ift boc^ tool^I ber ^)erfifd[>e §of jum borau« auiggefc^Ioffen. (Jbenfo
iB fd^eibct ber ©eleuciben^of auö, h)enn man 3ejuö ©irad^ jum SSergleic^ Ij^erangie^t. Sei
atter 3l^nlic^feit beiber Sudler toirb bod^ bie 3lbl()ängigfeit ©irad^« t)om fanonifcfeen Bprui-
bud^c faum in ä^^^f^^ g^jogen tuerben fönnen (f. u. 3lx. 5). Da^ Suc^ ©irac^ toirb
aber ben ©eleucibenl^of im Sluge f)dbm, Womit aud) er für unfer 93ud^ au^fc^eibet.
6« bliebe fomit nur ber jjtolemäifd^e §of in äg^^jten. 3tn il^n lönnte man in ber
20 2l^at beulen, toofem fic^ fonft ©Jjuren fo f^jäter Slbmnft in ben ©^jrüc^en biefe^ Seilet
fänben. SBir toiffen, bafe bie guben an biefem §ofe ju ^^ten loo^I gelitten toaren;
am e^eften möd^te man alfo ©^rifttoerfe fpätjübif^en Öeifte^, bie ^n^ammmf^ariQ mit
einem Äönigö^ofe Verraten, l^icr^er bcrtDeifen. 3lber auc^ bagegen f^jret^en ^ier ftarle ®rünbc,
bor allem ber Umftanb, bafe nic^tg fonft auf äg^^jtifc^e, hjoi^l aber alle^ auf paläftinifcbe
26§erfunft tueift. I)enn ein l^ebräifd^e« ©c^rifttDerf, ba« nn^ bie bürgerlid^e ©efcHfc^ft
3^raefö in ©täbten lebenb unb bon einem itönig unb ©roften be^errfcpt fc^ilbert, muffen
loir too^l, njenn nid^t entfd^eibenbe ®rünbe bagegen fjjrec^ien, ate in ^aläftina berfafet
annel^men. 2lud^ bie perfönlic^e Söärme bem Äönigtum gegenüber, h)ie fie au^ mebrercn
biefer ©Jjrüd^e ^erborllingt (16, 10. 12ff. 20,8. 28. 22, 11), toenn fie auc^ nid^t ent-
80 fd^eibenb ift, legt boc^ immer ba^ einbeimifc^e Königtum naiver al^ ein frembeö.
3)a^ einzige, toaö, toie mir fc^eint, mit ®runb für eine f^jäte ßntftcl^ung biefer
©))rü(^e — unb bann ttjo^l am e^eften unter ben ^tolemäem — f^rcd)cn fönnte, tft
bie ©teHung be^ Sönig« burd^au« aU SRid^ter unb nid^t aU Ärieger. 9?ur ganj aus=
naf)m«h)eife (bgl. 30, 31, obtoo^l ber %^i fe^r unfic^er ift) blidft jene Sluffaffung uom
85 Äönig burc^. 2Benn bie ©^jrüc^e ber ^^Jtolemäer^eit entftammen foHten, fo toürbe fid»
bief e in i^nen gu läge tretenbe 2lnfd^auung bom Äönigtum barauö erllären, bafe bamaU
bie 3;uben über Ärieg unb ^rieben nid^t mcl^r ju beftimmen unb feinerlei nationale firicgc
j^u fül^ren l)atUn, ber Äönig alfo für fie ganj t)orh)iegenb afö oberfter äJertoalter unb
Slic^ter be« SReid^e^ in 93etrac^t lommt, aU Äneg^l^err nur in jhjeiter Sinic. 9)Jan müfetc
40 in biefem »^alle annehmen, bafe ber 9?erf affer jh)ar in^ßaläftina lebte, aber bei bem fiel-
fad^en ä^erfel^r, ber jhjifd^cn 2(g^J)ten, bem ©t^ ber Slegierung, unb 5ßaläftina beftanb,
reid^lid^ ©elegenl^eit ^atte, ben §of fennen ju lernen, ja bafe er bieHeic^t felbft eine
SfiJcile in ber 3läi)t be^ ^tolemäerl()ofe^ gelebt l^abe. I)oc^ ^alte id^ aud^ biefen @runb
nic^t für entfd^eibenb. 2lucb im borejilifd^en '^^xad unb 3uba fpielt ber Äönig aU
45 Slid^ter eine bcbcutcnbe SloHe (bgl. ©alomo unb 2 Äg 4, 13), unb ba gerabe baö afl-
täglid^e bürgerliche Seben in §anbel unb SBanbel befonberer ©egenftanb ber ©prüc^e ift,
fann bie 9Jid^terh)ä^nung be« Äriege^ menig auffallen. — 9Jeben bem Königtum liefec
fid^ t)ic[lcid;t aud^ noc^ auf bie eigentümliche ©cftaltung be^ fojialen Seben^ bertoeifen.
§icr fällt bor allem bie mel^rfad^e ffiarnung bor Sürgf^aft auf (11, 15. 17, 18. 20,16;
60 bgl. 22, 26f. 27, 13 unb 6, 1—5). ©ie fe^t ein rei^ enttoidfelte« Ärebittoefen borauö,
ein SSolf, in bem bereite ber Kaufmann unb faufmännifcl)eg ©efd^äft^leben eine getrific
SloHc [fielen. 2lber gerabe über biefe 3)inge fliegen bor bem ©jil bie Duellen fo bürftig,
bafe h)ir au^ i^rem ©c^toeigen faum in ber Sage fein toerben, beftimmte ©c^lüffe gu ,^iebcn.
2Üaö gegen uuferc Datierung ber l^ier enthaltenen ©Jjruc^fammlung eingetoanbt h?irb,
65 l^at, fobiel id^ fe^e, feine gtoingenbe Äraft. 2)ie 2lbh)efenl)cit bon Qpxüifm, bie ben
©ö^enbienft ober bie ^olbgamie borauöfe^en, fann jebenfaUg nid^t§ 6ntfd(;eibcnbc^ hc-
toeifen. "^m allgemeinen bürfen h)ir annehmen, ba^ bie 6inel^e aud^ fc^on in boreriIi=
fd^er ^c'xt aU 3(egel beftanb, tpirb alfo ba^ ©egenteil nid^t ertbä^nt, fo fann bie?
feine^tüegö befrembcn. Unb \m^ ben ©ö^enbicnft anlangt, fo ift er freilic^^ in ber bop
60 e£ilifd;en ^txt bielfad^ im ©c^tpange ; aber e^ beftel^t aucp fein 3*^^^!^^/ ^^1 ^^^ 3^^^^
®ptilidft Solomod 693
öcre^tung ate ba« SRormalc unb afö bie SRegcI gilt. Ratten nun bic Q\>xü6)^ in bct
SBcijc bcr >)roj)^ctifcl^en ^rcbigt ober auc^ bc^ crften (emieitenben) Seite unfereö SSud^c^
bic ©rmal^nung unb ©rjiel^ung foloie bie SRüge befle^enber ^Jlifeftänbe jum eigentlid^en
3iDcdfe, \o lönnte ba« geilen ftrafenber unb loarnenber ©J)rüci^e bcr genannten 2(rt aufs
fallen. SSor allem toenn fie ba« religiöfe Seben in bcn SSorbergrunb fteHten. Sei einer 5
©entenjenfammlung bcr oben befd^riebenen airt, bie toefentlic^ bag bürgerliche Seben int
äuge ^at unb Seben^rcgeln in ©^jrud^form über bürgerliche^ unb jjerfönlid^e« SBo^I«
ber^alten auffteHt, bürfen toir SiBamungen t)or ^ol^^tl^ei^mu« !aum crtoarten. Sie über*
liefe ber )Berfaffer bcn ^rieftern unb ^rojjl^eten.
Slatürlid^ lann aud^ bie %xaQ^ be« religiöfen Snbibibualigmuö nid^t mit in bie 10
Söagfd^ale gelegt toerben, um bamit bie ^ömmigfeit be« gangen ©Jjrud^bud^eg aU nac^*
ejrilifd^ gu ertoeifen. ®eh)ife tritt feit 3^^>"iö wnb befonber^ feit bem gjil ba^ ^nbiöi«
buum in feinem SSer^ältniö jur ©ottl^eit me^r in feine Siechte ein aU früher, aber
geh)iffe SSejie^ungen liefeen fid^ aud^ bor^er unmöglich anber« benn ate inbiöibueHe bor*
fteaen. 5Wit öoffem SRed^te hjcift b. Saubiffm ginl. 739. 740 auf bie ©eftalten ber 15
^atriard^en in bcn alten 6rjä^Iung§büd^em ^in. ^ier toirb burd^au^ ein inbiöibuelle^
9?erl^ältni^ jioifd^en bem einzelnen frommen unb ^a^\)i angenommen. 95agfelbe fann
au^ bem Oefe^ erloiefen toerben. 2)efaIog unb Sunbe^bud^ fmb natürlid^ (Sefe^e für
ba^ 33oIf, aber fte befunben burd^au^ baö SetDufetfein, bafe ba« 3SoII fic^ au« 3"*>ibis
bucn jufammenfe^t unb bafe fd^liefeUd^ bod^ {eber einzelne in feinem perfönlid^en 93er]^alten 20
gur ©ott^eit unb jum ©efe^ in §rage fte^t. SBo jemanb im alten 3i«rael bon eigenen
religiöfen unb et^ifd^en 2lngetegenl^eiten rebete (man benle an baö®ebct umSRettung axii
©efal^r, Äranf^eit; man benfe an Süge, e^cbruc^, greunbe^treue u. bgl.), ba lonnte er
e^ ber 9?atur ber ©ad^e nac^ nid^t anber^ ate in inbiöibueHer SBeife. 3Kan barf ba^er
jene ©runbfä^e nid^t fd^ablonenl^aft antoenben, unb ba im ©^jrud^buc^ gerabe Slnjelegen' 25
Reiten ber genannten 3lrt eine Hauptrolle f^jielen, fo loirb man au« feiner inbimbueHen
gärbung unmöglid^ bie 2lbfaffung im nad^ejilifc^en 3^italter erfd^Iiefeen bürfen.
(Snblic^ bat man geloiffe ©ebanfen biefe« 3^eilcö aU unbebingt nac^ejilifc^ in 3lns
f))ruc^ genommen (t)gl. ßorniH, 6inl.), fo bie Setonung ber Siebe 10, 12; 16, 6; berSKilb^
t^ätigfcit gegen Slrme 14,21. 31. 19, 17; bie ßrf^affung be« grcbler« für bcn 3^ag 30
beö Unheil« 16, 4 u. a. 2tber felbft tDcnn bie 3KögIic^feit burc^auö jugegeben toirb, bafe
biefer unb jener Qpxud) in f>)äterer ^txt gum altern Seftanbe jugetoac^jen fein fönnte,
fo h)irb bo^ bon feinem ber genannten mit irgcnbtoeld^er ©id^erl^eit nad^ejilifc^e 3lbfunf t
bebaujjtet merbcn fönnen. Die 2lrt unb SBeife toie bie borejilifd^cn ober attcnfaH« eji^
lif^en Scftanbteile bc« ©efe^e« bie 3fJäc^ftenliebe unb ?lRiIbtl(>ätigfcit betonen, laffen cöas
burc^au« nic^t ate bcfremblic^ erfc^einen, bafe gerabe biefe f^jcjififd^en S^ugenben einer
bürgerlichen 3JloraI in ben ©^rüc^en aud^ bor bem 6jil fc^on il^re ©teile fanben unb
nod; loeniger, bafe fie ^ier — entgegen ber l^ö^eren ^jro^jl^etifd^en 2luffaffung — ate ber«
bienftlid^ unb fü^nenb angefel^cn toerben. 9?od^ Weniger fann 16,4 befremben; im®egen=
teil fönnte biefe ber f^jätem 2;^eobijee iebenfallß anftöfeige SRaiöetät ber 3"^rffw^rung 40
be« Söfcn auf ©ott Diel c^er afö ©runb gegen, benn ate©runb für nac^ejilifc^e« ^^\U
alter in Slnfprud^ genommen ioerben.
2(nl^ang«toeife mag l^ier noc^ ein 2Bort über ben bon 2BiIbebocr (Äomm. ©. XIV)
unternommenen eingel^enben ©pra^beioei« gefagt toerben. SB. jäl^It eine ganj ftattlic^e
3al^l „fj)ätl^ebräifd^er" unb „aramäifd^er" ffiörter auf, bie in biefer 3Kenge gerabegu er= 46
brüdfcnb ju toirfcn fc^einen. 31^6)1^1 man aber ah, tua« unter ben „f))ät|cbräifc^en"
SBorten ate ©onbergut ber ^roberbien unb ber bertoanbten Sitteraturgattung (bef. 5ßf. unb
§iob) erfc^eint ober loaö ^n^emia«, ©jec^icl unb bem ^riefterfobej angehört — unb Wai
barum nod^ nid^t o^ne toeitere« ate f^ät^ebräifd^ ju bejeid^nen ift — fo bleiben einzelne
3Korte unb formen mie bie irrig aU 2tramaiömen angefcl^enen 5Romina auf n^i- ober 60
bzp , ■T'''50, yd':'n übrig. 3ine« anbere ober beinal^e alle« anbere toirb man ate nid^t
ober nur möglic^ertoeife fjjät^ebräifc^ anfeilen muffen CC-P unb nc: toürben el^er unter
bie 3lramai«men einjufteHen fein). 2Bie ioeit fid^ barau« ein ©^^rad^betoeiö führen läfet,
mag bal^ingeftellt fem. — Sll^nlid^e« gilt bon ben „2(ramai§men". 3[ud^ l^ier ^at SB.
fic^er ju biel in bie Sifte eingeftcHt. Die Äonftruftion in 5, 12 ift einfacher ^leona^mu« 55
(©loffc!) unb l^at mit ber befannten aramäifd^en Äonftruftion nic^tö ju t^un. 3" 8/2
barf ba« aram. ,2"ip^ bodjj ioo^I nic^t einmal mit gragejeigen angezogen loerben. DJod^
biel ioeniger ^;'^ "»; (= „eingefc^Iagen!") 11,21 ober nrn ftc^ abgeben 13, 20 unb
manche« anbere. ©leiben auc^ jtoeifeHo« eine Slngal^I bon 3lramai«men übrig, fo fmb
fie einerfeit« biel toeniger ja^lreid^ al« SB. annimmt, unb anbererfeit« fann, toa« in ben 60
694 Stirfi^f @ii(omo9
t)on un^ für üorcjüifd^ angeitontmcncn 2lbfc^mttcn übrig bleibt, fcinc^faQ^ mc^r bic ihm
jugcmutetc Setoeiölaft tragen.
c) e« folgt in 22, 17—24,22 ein britter 2:eil, ber getoö^nlit^ atö STn^ang ;u
bem eben bef^roc^enen Slbfc^nitte angefe^en toirb. 6r unterfd^eibet fic^ toon i^m na*
6 ^orm unb 3i"^ölt. 3)ie JJorm läfet ben älbfd^nitt aU Slnrebe begU). ©cnbfc^reiben oit
einen jungen 3Kann erfd^einen, beffen ©Item no(| am Seben fmb (23, 22) ; juglcic^ totrb
bie 3Ka^nfc^rift aU „SBorte ber SBeifen" bejeid^net, unb bie ©ingelfentcnj totrb bur*
Steigen t)on ©tid^en erfe^t. 9leben ÜJla^nungen jur Stec^tlid^feit unb SSarm^ergigf ett f^iclen
eine befonbere SioIIe 3Q3amungen bor Übermafe beim SBeine, t)or Un^ud^t ober @^ru(^,
10 bor unfd^idflid^em SSene^men in (SefeUfc^aft unb bei bome^men Seutcn. — 2luc^ bier
h)irb ber Äönig genannt (24, 21), aber ganj allgemein im Sinne bon „SRcgicrung'', ohne
bafe ber SJerfaffcr naivere SSejie^ung jum $ofe berrät ober i^n in 5ßaläftina felbft benfen
müfete. hingegen berrät bie gorm be^ 93riefe« unb bie ainnä^erung an ben erftcn S^eil e^
eine fpätere afe frühere ^tit S^taefe, unb bie mel^rmalige SSetonung ber göttlichen 3Ser=
16 geltung in ber 3w!unft(23, 18. 24, 14) toürbe biefe 3lnna^me betätigen, fafe bamit, fm
bodji lool^I toal^rfc^einticp ift, bie jenfeitige SBergeltung gemeint ift.
d) Unter ber Überfd^rif t n-7:rnb nV« D5 „aud^ W [tammt bon SJeifen" fd^Iiefet fic^
ein Weiterer Heiner ansang an. Die ©c^Iufeberfe ber fleinen Sammlung lauten glei*
mit 6, 10 f. 2Barum bie Heine 2lnt^ologie nic^t ben größeren Sammlungen cinberleibi
20 ift, bleibt bunlel; fie mag lool^I bom SRebaftor ate eigene Heine Stoße borgefunben unb
fo belafjen toorben fein. 3"^"^^^^" f^jrid^t biefer Umftanb bafür, bafe bei ber JHcbaftion
unb SwföW'W'^f^^ßwng be^ heutigen 93ud^e« mit ^ietät berfa^ren tourbe.
e) ^n Äaj). 25—29 folgt nun toieber eine größere Sbrud^fammlung. Sie fühn
ben 2:itel : „äud^ ba« finb S^jrüd^e Salomo«, toelc^e bie 3Känner be« ^iöfia, Äönigs
26 bon 3wba, jufammengefteHt l^aben". (Über ba« SBort pny f. je^t auc^ ©after in ber
geftf^rift fiir SRöIbefe I, 534; e^ bebeutet: „abf^reiben".) 3)ie grofee S^nlic^feit bicfcr
Sammlung mit bem großen öauj)tftüdE be^..S3ucl^ei^(b) ift längft mannt unb tl^tfätblii
unberfennbar. Sc^on äufeerlic^ tritt bie ä^nlid^Ieit in bem faft burd^ge^enben SJcr^
l^errfd^en be^ (jtoeiteiligen) ©injelftid^o« l^erbor. 9Jur im 2lnfang unb gelegentlid^ .cin-
80 geftreut finben ftdji einjelne 3)oj)<)eIftic^en. 2)ie 3KögIid^feit ber §crf unft bc^ SEBorteg '^^
bon einem aSerbum Vj3?: „bergleid^en" toirb bei biefem Seile red^t einleudS^tcnb, benn eine
ftattlid^e 2lnga^I feiner S^rüd^e beftel^t tl^atfäd^Iic^ au§ Sentenzen, bie ftc^ auf einen
SSergleid^, meift au^ bem ^Jatur^ unb 3Renfc^enIeben, grünben; bgl. j. 93. 26, 1. 2 (3.6.
7). 8 (9. 14). 17. 18 f.
86 äuc^ l^ier fpielt bie Seben^toei^^eit eine ^au^jtroHe : richtige« Sieben, ric^tige^ fifanbeln
unb Senebmen, befonberd in Iritifd^en Sagen, fo bei Streitigfeiten unb bei^ofe, t^eräc^t^
lid^feit be^ Raulen unb äl^nlic^e 2)inge bilben bie Jpau^)ttl(>emen. Da« eigcntlid^ Sebrbaftc
tritt, toie im jtoeiten 3:eile be« 93ud^e« im Unterfc^ieb bom erften, ftarl ^urürf l^inter ber
einfad^en jjraftifc^en Scben^funft. Daneben finben fic^ Sentenzen, bie eine einfache 9^
40 obad^tung unb 9lbjeic^nung be« Seben« bejtoedfen, gelegentlich in berb realiftifd^er 3#
nung, fo 26, 11
2öie ein §unb ju feinem ©efjjei toieber ge^t | toieber^olt ber 2:^or feine Siarrbeit,
aber auc^ in feiner unb jarter ©mjjfinbung unb Siebe, fo 25, 26
(Sin vertretener Duell unb jerftörtcr Srunn: | ein (Sered^ter toanlenb bor einem greölcr.
46 gragt man nad) ber (Sntfte^ung^jeit biefe« 3^eile«, fo ift junäc^ft bemerlengh>ert, baB
^ier ganj gegen bie fonftige Siegel im Sprud^buc^e bon ber ^ro^j^etie bie Siebe ift. 35>cnn
e« nämlic^ 29, 18 Reifet:
£)l)nz (SJeftc^t ge^t ein 93olf ju ®runb, | toenn e« Se^re betoa^rt, tool^I ibm I
fo ftebt man burebau« unter bem ßinbrudf, aU fei „©efid^t", alfo i)rop^ettf4>e Cffcn-
60 barung bamal«, al« biefer S^rud^ entftanb unb in bie Sammlung eingefteKt tourbe, no(fc
JU erlangen getoefen. Da« ift aber nur möglid^ bor bem 2lu«fterben ber ^ropl^etie. 5i>ir
Ratten alfo !?ier ganj gegen bic fonftige Siegel ber S}3ruc^toeifen (f. o. S. 691, 45 ff.) einen
^intoei« auf bie gleid^jcitige ))roi)!?etif^e Seiocgung. 3lud^ bie SSeieic^nung tora \vx ba^
$ro))f)etcnh)ort, benn nur biefe« fann gemeint fein, fjjrt^t minbeften« ni^t gegen biefc
65 Raffung, toäF^rcnb umgefef^rt in ber ^cit nad^ bem ©rfterbcn ber ^ro^)^ctie ein berartiga
Bpxud) faum mel^r berftänblid^ toäre. .v>ierju toürbe nun toeiter bortrefflic^ ber Umftanb
ftimmen, ba^ aucb ^ier toicber (25, 2—7) ber Äönig ftar! in ben aSorbergrunb tritt, unb
5toar abermal« nid;t blof^ al« eine im allgemeinen befannte ßrfd^einung, fonbem ols
eine Grfc^einung, bie ben Did^tcr unb feine Äreife ftarf befd^äftigt unb mit ber man
60 mannigfad^e Serüi^rung ^aben fann. Die Äönig«fj)rüd^e ftnb ^ier nid^t gerabe fo, baB f^«
für bic t^raclttifc^e Äönigöjcit im bcfonbcren Sinn betoeifenb toären, aber bod^ \o, bafe
fic fic^ au« bicfcr ^^xi am ungejhjungcnftcn crflären (29,26. 30, 27 f. 31).
3lad) aUebcm Ipirb laum eine auöreid^enbe Seranlafjunö fein, an ber na^en jeit«
liefen 3Scrh)anbtfc^aft biefeö Slbfc^nitte« mit bem i^m fonft na^efte^cnbcn .^au^itteil be^
93u^e^, unb bamit an ber Slic^tigfeit ber in ber Überfc^rift niebergelegten ^rabition ju 5
jmeifeln, nac^ toelc^er bicfe Sprüche unter Äönig §i^fia gefammett fein tDoHen. 3P ^"^
bic Übcrfc^rift felbft, tüie e« in ber 9Jatur ber ©ac^e liegt, in ber ^orm, in ber toir fie
l^cute lefen, bietteid^t erJ^eblid^ jpätn al8 $igfiag ^^t, toeil fonft bie SSejeid^nung „Äönig
öon 3lwba" eine geh)if[e ©c^h)ierig!eit böte, fo fpric^t boc^ im übrigen nic^t^ gegen bie
SWid^tigleit jener 2(ngabc. 6ine anbere %xaQt ift natürlich, tüie biel auf ©alomo unb lo
feine ^qü jurüdfrei^enbe« 3KateriaI in biefer h)al^rf(i^ein(ic^ au« berfd^iebenen 3^^^^
big auf §iglia ftammenben (bieHeic^t aud^ nad^^er nod^ erweiterten) ©})ruc^fammlung
fic^ finbcn möge, darüber läfet fic^ toie beim jloeiten 2^eile nur fagen, bafe bie SRid^tigfeit
ber Überlieferung t)on falomonifd^en ©prüc^en burc^au« jugegeben Serben fann, i^re ©r^
Ilärung im einjetnen aber, boHenb« bie Seftimmung einzelner falomonifd^er ©prüd^e un« i6
möglid^ ift. Äeine^fall« Serben bie Äönig^fjjrüd^e 25, 2 ff. einen Äönig jum 38erfafjer ^aben.
f) 3)cn Sefc^lufe be« gangen SSuc^e« bilben brei Heinere äbfd^nitte, bie o^ne 3^«ifrf
an biefe ©teile gerürft finb, toeil fie bom SWebaftor ate SJad^träge jum übrigen 93ud^e
angefe^en Würben.
a) Der erfte, Aap. 30 umfaffenb, fü^rt bie Überfc^rift „SBorte bc« aigur ben 3aleb" ao
mit bem S^\^i N'»?^n, Wobei fotoo^I bie 3Q3orte ben ^aUf) ate ber Weitere 3wfö| buniel
finb; ber le^tere ift Wo^I gu üerbeffern in «^^27? au«5Dtaffa; ögl. 31, 1 ; ®en,25,14; 1 6^
1, 30. 3(uc^ bie folgenben SBorte fc^einen im l^eutigen ?Dlaforetentcjt jur Überfd^rift ge=
^örcn gu foHen; bo^ ftnb fie aller SBa^rfc^einlic^feit nad^ ebenfalls m emenbieren unb
gehören gum Sejte felbft (f. bie Biblia Hebr.). Dann entl^ält ber Sinl^ang ein beWegs 26
lid^e« 93efcnntni« : „3d^ ^abe mid^ abgemüht, o ®ott, f)abt mic^ abgemüht unb bin l^in^
gefd^Wunben". Die« ©eftänbni« ftimmt bann ju bem folgenben 35. 2
^mn ein aSie^ bin ic^ unb lein 9Wenfc^ | unb SSerftänbni« ber SKenfc^en beft^e xd) nic^t,
um bann bon S. 3 (im berid^tigten Siert) an bi« SB. 6 auf ben ^o^en SBert unb bie
Uncntbel^rlid^feit ber ^öttlic^cn UnterWeifung ju lommen: ao
aiber ©Ott l^at mid^ 3Öei«^eit geleimt | fo bafe id^ Äenntni« ber ^eiligen gewann.
Die „Äenntni« ber c^eiligen" ift göttlid^c Srfenntni«.
Der Weitere SSerlauf bietet bann allerlei ©entenjen unb Seobad^tungen, teilwcifc in
frcmbartiger, nid^t feiten rötfelbafter gorm. ©o Werben in 33. 11— 14 in gleichartig
gebauten ©^irüd^en 3lu«fagen über bie ©ottlofen gemad^t in einer ber ^ebräifc^en ©ijrac^e 35
fonft fo gut Wie fremben 3tu«brurf«Weife ; e« fel^lt jebe« ^räbüat; ober e« Wirb in SS. 15
bie Slluka (aram. SSlutegcl) genannt — ein Dollfommen bunlle« (Wo^l bämonifc^e«)
SKefen -~ famt i^ren 3:öd^tem; ober Wir lefen in 33. 31 ein SBort Cipb«, ba« einem
arabifd^en 2Borte Diel äl^nlid^er fte^t al« einem l^ebräifc^en. ©leic^flänge ftnb eine Sieb«
^aberei be« SSerfajfer«, fo SS. 4 (viermalige« ^7:), 93. 11 ff. (Diermalige« "in), 33. 19 (Dier= 4o
malige« ^"^n), 33. 21 ff. (breimalige« nnn). (Sbenfo DerWenbet er mit befonberer 33orliebe
ben 3al^lenfiprud^. Diefe Äunftform ^cbräifc^er 5ßoefte (bei ben ©Jätern n*j72 genannt)
finbet ftc^ öor^er nur einmal, 6, 16—19:
©ec^« fmb«, bie 3a^t)e l^affet | unb fteben ftnb feiner ©eele ein ©reuel,
Worauf in fed^« §albjcilen fteben üble Dinge genannt Werben, öier hingegen treffen wir 45
auf engftcm SRaume mef^rere, unb jWar in berfelben gorm Wie bort, bie fid^ audb bei
©irad^ (23, 16. 25, 7. 26, 5. 28) pnbet, fo bafe jWei3a^len genannt Werben, bon benen
bie gWeite bie erfte um eine« überbietet. Demnad^ 33. 18
Drei Dinge ftnb«, bie mir ju ^od^ ftnb | unb biere berftel^e ic^ nid^t,
Worauf bier Wunberfam jd^einenbe, ge^eimni«t)otte Dinge genannt Werben : 33ogelflug, 60
©d^langengang, bie SSeWegung be« ©c^iffe« unb ber 3ug ber ©efc^lec^ter ju einanber.
ä^nlic^ 21
Unter breien erjjittert bic 6rbe | feiere fann fie nic^t ertragen.
Worauf t)ier auffaHenbc, nac^ be« SSerfaffer« ?lReinung aller Drbnung unb Siegel juWiber^
laufenbe Dinge genannt Werben. 3lad) biefem ©d^ema Werben aud^ bie jWei Weitem 66
3a^lenfj)rüd^e, bei benen ber Stejt öerberbt ift, ^erjuftellen fein. 5IJlan fielet nämlic^, bafe
üon ben ^Wei in grage ftel^enben ^al)Un bei ber 2lu«fü^rung be« ©Jjruc^e« t^atfäc^lic^
immer bie gWcite |öl)ere gewäl^lt Wirb. Demnach muffen in SB. 30 unb 31 ebenfall« feier
Dinge genannt geWefen fein unb n-^T"*! mufe ba^er ebenfall« al« lier neben bem SöWen
unb bem ftolj ein^erfc^reitenben ^kQtnbod erflärt Werben, ©benfo mu^ in 15^ 16 eo
696 Simt^f ®oloiiio9
erttjartct tocrben, bafe urf^^rüngtic^ öict unerfättlid^e S)mge genannt toaren. ®er ©lmi(^
(autet alfo:
Drei fmb^, bie nid^t fatt toetben, | bier fagen nid^t: (Senug!
Die ed)eoI [h)irb ber %otm md)t fatt] | unb unfrud^tborer Bdfo^ [bc^ 9Rannc^]
6 Die @rbe h)irb 3Q3affcrö nic^t fatt | unb geuer fagt nic^t : ®cnug !
Stcc^net man nod^ baju, bafe auc^ in 93. 24— 28 eine ä^nltc^e, toemt aud} ni(^l
ganj biefelbe ftunftf orm angetoanbt ift, fo unterliegt e« nac^ bem ©efagten feinem ^toeifcl,
bafe ber SJerfaffer biefe« 9lbfc^nitte« in ^ö^erem 3Rafee ate ber eine^ ber bi^^crigen gturfe
ber aSertüenbung eigenartiger bid^terifc^er formen jujeneigt ift. Dabei liebt er SEortf^id
10 unb 2Bi^, in S. 19 fc^eint fogar eine ba^ gefd^lec^tlic^e (Gebiet anlangenbe 3h)eibeutig!eit
beabfic^tigt ju fein (rnibr toirb tDol^I bie Jungfrau, baö SKäbc^en — letne^^fallö bie Dim
— fein). Sebenfaü« aber liegt ein 9Borttüi| bor in 33
Denn Drudf auf Mild) erzeugt Ääfe | unb DrudE auf bie $Rafe (sp*) erzeugt Slut
Unb Drudf auf 3om (C-'en) erzeugt ©treit
15 ®g toäre bon l^o^em ^ntereffe ju toiffen, toer biefer Slgur ben ^ak^f) unb tüa^ feine
;^eimat ttjar. Die ^^rembartigfeit ber9?amen — auc^ ein (Sebiet^Ölaffa fcnnen tüir fonft inj^rad
nid^t — unb ein^ielne frembartige SBorte (f. oben) laffen bermuten, bafe bie ©})rüc^e aufeer=
i^raelitifd^er $crfunft fmb, ^Wa bem arabifc^en ober aramäifäS^^arabifc^en ©pxai^dntt
ßbomg ober be« §aurangebiete^ entftammenb. ^eilid^ ift bamit ba« SRätfel feine^toeg^
20 gelöft, fonbem e^er ba^ Dunfel berme^rt. Denn ftnb bie ©jjrüdS^e aud^ tttoa frembcr äb=
lunft, fo enthalten fie bod) nid^t nur ba« 3^"Ö"^^ ^^ 3wge^örigfeit i^c3 SSerfaffer^ ^um
Ärei§ ber ^a^beberel^rer (98. 9j aUerbing« LXX nm^), fonbem fie bieten auc^ fonft
nid^tö bar, tua^ jur ^a^bereligton nid^t ^jaffen toürbe.
ß) Ru b^ni foeben mit einiger SBal^rfc^einlic^Ieit ©rmittelten toürbe fobonn cmi
26 Überfd^rift unb ^n^alt eine^ jtoeiten fleinen Sln^angg ftimmen (31, 1 — 9). 35ie Überfc^ft
lautet in berbeffertem 2ejt: „SBorte Semuelö be« Äönig« bon 3Raffa, bie i^n feine
3Wutter leierte". 6« gel^t barau« mit aSa^rfd^einlid^feit ^erbor, bafe 3Jlaf[a ein 2anb ift,
unb ba bie ©Jjrad^e äramaiömen entl^ält, fo mag jene^ SKaffa im Dften ober Slorboften
bon 5ßaläftina, im §aurangebiet bermutet ioerben. 3"^öltlic^ ftettt ba§ Heine ©tüd müttcr^
so lic^e ©rmal^nungen unb ffiamungen i)or 3(uöfc^reitung unb Ungered^ttgfeit bar.
y) Den ©^lufe bc^ Suc^e^ bilbet ein alroftid^ifdbe^ ®ebi^t in alj)l^betifc^er En-
orbnung, ben Sobjjreiö ber tugenbfamen §auöfrau ent^altenb.
Über bie 3^^^ t>^^ ^^^i Sln^änge läfet fic^ hjeber au^ äußern nod) innem 2lnjei*en
ettoa^ Seftimmteö fagcn. 3""^ ©^jruc^bud) felbft fönnen bie beiben erften erft, naibem
85 eg im allgemeinen fertig toar, jugefügt toorben fein, fonft fönnte baö 93uc^ felbft m(^t
toof)I ©})rüc^e Salomo^ feigen. 3lber bamit ift über i^re ©ntfte^ung felbft gar nicfets
gefagt. 2Bcnn in 30, 6 bie SBamung, ben SBorten Sottet nid^t« jujufügen, an gc-
fc^riebene unb gugleid^ fanonifierte (Sotte^toorte backte, müfete ber erfte 2lnl(^ang oHerbings
rcc^t jung fein. Slber ft)a^ ft)iffen tüir t^atfäd^Iid^ über ben 93egriff ,,®otte^lüort" unb
40 feine Slnioenbung — boHenb^ toenn ber Slbfd^nitt gar nid^t urfprünglic^ i^raelitifc^ fein
foKte?
5. Daö l^eutigc 93ud^. 2lu^ biefen mancherlei 93eftanbteilen ift baö Suc^ in
ber ©eftalt, in ber h)ir c^ l^cute lefen, jufammcngefe^t toorben. Die obere ©rcn;c
für bie 3^it ^^ 3"f^"^"^^"f*^''^""0 ^ßi^^^t |id^ nac^ bem ©efagten bon felbft. a4?ofcm
45 nid)t einzelne 2tbf^nitte erft ate f))ätere 9?ad;trägc jum ©anjjen ^u gelten l^aben, mul
bie ^cxt ber 2tbfaffung ber jüngften Seftanbteile al^ obere ©renje für bie 3^^
ber 9(cbaftion angefe(;en toerben. Daburc^ finb h)ir gtoeifello^ in bie nad^ejilifdt»e 3^t
gefüJjrt. 2lUc ioeit mir inncrl^alb berfclben l^erab ju greifen ^aben, bleibt eine grage für
fid). §ier fann eigentlich, toenn man einen fe^r toeitge^enben gried^ifd^en ©influfe inner
60 i^alb be^ Suc^cö felbft, fo toie e^ oben gefd;cf)cn ift, glaubt ablehnen ju foHen, nur eine
genauere 3Serglcic^ung mit Qefuö ©irac^ ethjaö tociter fül^ren. 3n 3^M ©itad^ boten
toir ein ebenfalls t)on ^aufe aii^ l^ebräifd^ gefc^riebene^ ©Jjrud^buc^ bor un^, ba^ einer-
feit^ ben i^orjug l^at, „bafe h)ir e^ fic^cr batieren fönnen unb anbererfeit^ nad) 3"^^^
unb gorm fo grofee 2il^nlid;feit mit unfcrem 93ud^c befi^t, baf; e« noth>enbig $ur SJer^
56 glcid;ung Ijerau^forbert. 9Jun beftcl^t fein 3*^^'if^^ ^«6 ©irac^ (ebenfo iüie toeiterbin bie
fog. 2lki*ö^eit ©alomoni^) ein 3lft an bemfclben ©tamme ift, au^ toelc^em bie "^xo-
Serbien erioadbfcn finb — bcibe geljören einer unb berfelbcn ©eifteöricbtung unb, formell
iüie materiell, berfelbcn Sittcraturgattung an. Äann man alfo bie ?frage nad^ i^rem
gcgenfcitigen Scrljältniö auörcid^enb bcantivorten, fo mufe auc^ auf bie ^rage nac^ ber
60 eutftel;ung ber ^srobcrbicn t>on l;ier au<^ ein £id;t fallen, ©oioo^l bie Slbfaffungöjeit ber
Sfirfi^c SalomoiS S)iitrgeoit 697
einzelnen ^cile be« ©^jruc^bud^e« lann bon l^ier auö beleud^tet hjerben, obhjo^I bei ber
5DJifc^un0 berfd^icbcnartiger (Slcmcntc in il^m gcrabe ^ier mit SSorftd^t ju berfal^rcn fein
tDirb, ate befonberS bie 3^* t>^ ©ammlung unb ber enbgiltigen Slebaftion. %ixx biefe
grage lann ba« Suc^ ate einl^eitlic^e ©röfee angefel^en unb ber anbem (Sröfee gegenübers
geftcHt njerben. b
@g jcbeint mir ein fi(^ere^ ©rgebni^ ber öerbienftlid^en, biefem ©egenftanbe genjib«
meten Sqrift bon ©affer gu fein, bafe ^efuö ©irac^ t)om ©pruc^bud^ nic^t allein ab^
i^öngig, fonbem ani) burc^ einen er^ebli^en g^^öurn t)on il^m getrennt ift. SBenn ber
3Serfafl er biefcr ©c^rift öietteic^t an einzelnen anbem fünften mel^r betoeift, ate ftc^ ftrifte
erhärten läfet, ba^ f)at er m. 6. au^reid^enb fic^er gefteHt, bafe 3i^f"^ ©irad^ einen er* lo
l^eblid^ borgefd^ritteneren ©tanb^unlt bertritt. 3Kan h)irb bieSBorte, mit benenSaffer ben
beibe Sudler t)erglei(^enben Slbfc^nitt fd^Iiefet (©. 254) unterfd^reiben fönnen: „33äa« baö
altl^ebräifd^e ©^^rucbbuc^ anlangt, fo ^at e« fvi) b^au^efteltt, bafe ©irad^ fein anbere^
^nd) be^ %% ftärfer benu^t l^at unb bafe er feinem me^r bon feiner fc^riftftellerifc^en
Silbung berbanfte ate gerabe biefem. Die ^ßroberbien 1)at er nad^geal(>mt. 3" i^"^" fd^aute i6
er ate ju feinem SSorbilbe emjjor. ©ie jäl^Ite er augenfdjieinlic^ Ju bem förbe ber großen
SSergangenl^eit feinet SSoIfe^, toelc^er feine Segeifterung galt". 2)amit fmb toir bon felbft
mit ber SRebaftion unfere« Sud^e« in eine ^eriobe gefül^rt, bie berjenigen ber 2(bfaffung
be^ SSud^eö ©irad^ boranging. Die ^roberbien gehören bem ©iraciben ebenfo tüie bie
^falmen unb §iob bereit« ju ben Tiärgia ßißXia, bie er eifrig ftubiert. 6« fönnen h)ie ao
beim $falter, fo aud^ ^ier einzelne Elemente aud^ nac^©irad^ noc^ jugefloffen fein; aber
im ganjen loar \>ai ©^rud^bud^ ju ©irad^« 3^'^ abgefd^Ioffen. 2)a« tDürbe un« etlpa in
bie SWitte be« 3. ober ben aiuSgang beg 4. gal^^unbert« fül^ren.
3d& fann femer mid^ be« ©ebanfen« ni^t ertoel^ren, ba^ and) inSejie^ung auf bie
Äönigöfi^rüc^e ©irac^ anber« ju beurteilen fei afe bie ^roberbim. ©ier tritt unö ber 26
Äönig über 30mal entgegm (unb jtbarnur in beftimmten leiten be«33uc^eö; g.S3. 1—9
überl^aupt nic^t, ba 7, 15 boc^ tbol^I |\u allgemein ift); bei ©irad^, oblpo^l fein 93uc^ biel
umfangreid^er ift, nur 4mal (7, 4 f. 10,3. 38,2); babei lebiglic^ ate eine 6rf Meinung,
bie man fennt, aU objeftibe 2;l^atfac^e. 33on irgenb toelc^em ^jerfönlid^en aSerl(^äItniö jum
tofe ober irgenb tueld^er SBärme ber 6m))finbung für ba« Äönigtum ift nid^te; ju fpüren. 30
tan meibe e«, bem Äönig begel^rlid^ nal^ejutreten ; ein jügellofer König fd&äbigt fein Solf,
nur burc^ einfid^t^boHe dürften mirb eine©tabt bolfrei^; ber Seibargt eine^wönigö fann
auf gute Seja^Iung red^nen — ba« ift fo gut toie alle«, toa« bom Äönige gefagt ift
(benn SBorte, bie bom Slic^ter ober ben dürften ^anbeln, bürfen bod^ nic^t o^ne tocitere«
mit auf ba« Äönigtum bejogen toerben). Diefer ©ad^ber^alt loedt burd^au« ben ©ebanfen, 36
al« liege ba« Äönigtum bem ©iracibm er^eblic^ femer al« ben Serfaffem bon ^r 10 ff.
25 ff.; \a feine ©prüd^e fönntm j. %. unmittelbar burcb jene beeinflußt fein. Äittel.
®)ittrgeott, Sbarle« $abbon, geft. 1892. — ßittcratur: SBoIfgang SBu^vudfer,
(5. ^. ®p. (nodj bem ©nglifc^en üon Dr. @tet)enfon), ficip^^ig 1863; ^eintieft 5Solff, ©mcrfon,
^arfer, JRobertfon, ©p., ©remcr^aüen 1867; 8p., ein SJoIf«prebiger ber Si^eujeit, (£ü. A3. 40
1870; e. ^. @p. unb feine X^ätigfeit, eine Stihh^, Hamburg 1881; O. Sfunfc, 3n @p.«
XabcntQfcI. „^nglifc^e Söilber in beutfc^cr 33eleud)tung". S5oI!«au«gabc, 5lltenbg. 0. 3.,
@. 72-83; 93römel, dl 4)arm« u. @p. in ^Iflg. lutl^. ^3. 1884, «Wr. 36-39; @. ^olbcn
«Pife, e. ^. @p., «Prebigcr, Sc^riflfteHer u. $§i(nnt]^rop, autor. lleberf., ^agen i. m 1887;
53enjamin S3ebbott), Erinnerungen an ©tambourne, übcrf. x>. @. ©pliebt, ebb. 0. 3. ; ©e^r^ 46
mann, S. ^. ©p., (Sin 53ortrag, Hamburg 1887 ; ®uftab Äaioerau, S. ^. ©p., ein ^rebiger oon
®otte« ©naben, Hamburg 1892; ©btt). ^IRiHarb, GJebenffc^rift m ben fcl. ß. ^. ©p., Ham-
burg 1892; (S. ©pliebt, ©p.« ?lu§ tritt unb bo« 3:abeI«üotum bc« $Ratcö ber S3aptift Union,
g3onn 1892 (je^t 9?eu!irrf)en 0. 3.); (bief.), ß. ^. ©p., ein ficincr ^Beitrag jur e^araftcrifti!
feine« perfönlidjcn fottjic feine« 5lmt«Ieben«, ebb, 0. 3«; ^' ©c^inblcr, ©in gürft unter ben 50
^rcbigern, ficben unb SBirfen b. S. ^. @p., Hamburg 1892 ; ®. gifc^cr, 6. ^. ©p., ^erbom
1892; e. SBogner, ß. ^. ©p., Berlin 1893; ^Beinrei*, S. ^. ©p. in ,,^altc, wa« bn l^aft"
XVI, ^eft 7—10, ^Berlin 1893 ; 9?obert Äönig, (5. ^. ©p. nod) pcrfönlic^en Erinnerungen
unb neueften Cluenen, in ^ene E^riftoterpe, Bremen 1896, ©. 190—233; fi. Oc^er, (5. 0-
©p.« fieben, Saln) 1896; g. ^ifeiffer, ©p. al« Äanselrebner, ®r. Si*tflb. 0. 3. (©onbcr^ 66
abbrurf au« Äird)I. g^onatSf^r. 1899); Äopff, ©p. ein ^Kann für unfrc Seit, ©tuttg. 1899;
$. S. 3ÖQl)lQnb, C. H. Sp., his faith and works, Philad. [1892] iauftr.; C. H. Sp.s Auto-
biography, Compiled from his diary, letters, and records, by his wife and his private
secretary [W. J. Harrald], 4 Voll. 4^ fionbon 1897—1900 ittuftr.; ß^arleS SRol), The life
of C. H. Sp., fionbon 1903 illuftr. genier an mir nicf)t jugönglidien ©d)riften: ©tenenfon, 60
Sketch of the life of Sp. 1887; S)ougIa§, Prince of Prcachers; 3)rcro«, C. H. Sp. ; ^. 2BiI=
698 S)iitrgfoit
Iiam§, Personal Reminiscences of C. H. Sp.; ®corgc ®. yitebf^am, C. H. Sp., his life and
labore. ?lu6evbcm tjfli. bie efiaraftcrifti! @p.« aH ^rcbiqcr in e^riftlicb§ «rltfcl „öcfdjidjtc
ber c^riftl. ^^rcbigt, ^91®* XVIII, 637— G39, foiuic bie 'fiebenSabriffc in einzelnen ^rebi^t^
fammluugen (Sunfcn Dorn ^irnml. fieud)tcr; @u. für allerlei S3olf u. a.) unb in ^djafts
B Encyclop. of living divine«; Dictionary of nat. Biogr. LXXX; Encyclop. Britann. XX XU;
©ebentblatt bed „^Qt)r^eit§i\eugen" 1892 unb jal^lrciSjc 9?cfrüIoge in englifc^cn unb beulfdjen
SÖIättern. — ^erfc (in 9luött)at)I, tofli. bad üollftänbigc SSc^eidjniS in ^lutobiogr. IV auf
4 Seiten 4^!) (£nglifd)er SJcrIag \>on ^Pafemorc & 91(abafter, fionbon; um biQ Scronftallung
bcutfdierlleberfetungen ^at fic^ befonber^ bie SSerIagS^anbIung3.ÖJ.On(fcn9?acftf.in ©offel (frülHT
10 -Hamburg) uerbient gemacht (jäbrlicber Slbfaf ca. 23000 6j. beutfdje ©purgconfdjriften). —
$ rebigten unb hieben: The Metropolitan Tabernacle pulpit, biöber 51 Sa^rgonge,
lüirb fortgefeljt. ^"f^^w^'J^c^f*^^""^^^ barauÄ in ber Hamburger großen unb Miniaturausgabe
ber ?5rebigten, 3. ^(ufl. 1869 ff., in ben fiubttjigSburger, 93a^Icr unb |)agcncr vBammlungcn,
letztere je&t im Safieler Verlag, gunfen uom l^imml. Seud^ter 1860; 33auftcine jum gciflL
löXempel 1861; Stimmen auS ber Off. 3o 1862, fiubtt)ig§burg. 93otf(5aft beS Jgjcile 1875 fr.:
©djttjert unb ÄcOe I-XII, 1880ff.; oltteft. Silber (3. 9(ufl. 1897); neuteft. S3ilbcr (2. «lufl.);
.Oauöpoftiae (3.?(ufl. 1896); ®ott b. ^eiL ®eift 1900; bie 2aufe ber ©iebcrgeborcnen 190»
((ämtl. .f)amburg:SaffcI). Gin Srunnen lebenbigcn SBafferS; 3e"3"M'fc t)om i)cil in S^irifro:
83Iätter üom Sebenöbaum (fnmtl. .^cilbronn). Till He come, Communion Meditations aod
2oAddre88C8 (3)eiitfd) Saffcl 1899). Christ in theOld Testament (3)euticö cbenb. 1901); Sermons
on our LorcVs Parables (3)eutf(6 ebenb. 1896); Our Lord 's Miracles (3)eutfdj cbcnb. 1897);
The Gospel for the People (3)cutJ(6 ebenb. 1898). — «olfdfc^rif tcn unb „gUu-
ftrationen": John Ploughman 's Talk (3)cutfc^ 9?cbcn ^intcrm $flug. Gaffel, 5.?lufl. 1001):
John Ploughman's Pictures (5)eutfc() ebenb. 4. 9Ciif(. 1901); Around the Wicket Gate
26 (3)eutf* 9ln ber Pforte, SBonn, 6. 9tuff.); All of Grace (Xeutfd) 10. «ufl., ebenb. 19()4):
According to Promise (5)eutf(l) Saffet, 4. «(uf(. 1896); The Salt -Cellars (S)eutf* Oaffcl l^iy.
Sermons in Candles (^eutfdft 9?ur eine ilerje, Gaffel 4. 9lufl. 1901); Illustrations and Me<ii-
tations (3)cutfd), Gaffel 1884); Sud) ber Silber unb ®leidjniffc ebenb. 4. 9lufl. 1902. — «Inbadite:
büc^er: The Cheque Book of the Bank of Faith (5)eutf(^ Sonn); Morningby Moming imb
30 Evening by Evening (2)eutfd) ^auperlen u. ®olbftra^leu, Gaffel 7.%ufl.l900). — Sorlefungcn:
Lectures to my Students, 2 Sbc (^eutfd) Sorlefungen in meinem ^rebigerfcminar, 3. Jlufl.
Gaffel 1895 f. unb in fird)l. überarbeiteter Huögabe: SRatfc^läge für ^rebigcr, mit Sorraort
von .^nring, Stuttgart 2. 9lufl. 1901); The Art of Illustration (Deutfd) ^eilbronn, 3. ?lufl.
1895); An All-Kouncl Ministry (^cutfd) 'JJer 2)ienft am Gu., Gaffel 1901); The Greate^t
36 Fight in the World (Deutfc^ Gaffel 15. Stauf.). — ©c^riftauSlegung: The Treasun-
of David, 7 Voll, (^cutfci^ in unenbli(fi langfamem Grfcfteinen : S)ie 8d)aj!animer ^Dit^f,
bearbeitet \)on 3. gj^iOarb, Sonn 1894 ff., bi^^er 3 Sbe (?f 1—106); The Gosi)el of the
Kingdom (^eutfd), Gü. be§ SReid)ed, Gaffel 1894).
St)ur0eon ift nid^t mit Unrecht „ber le^tc ber Puritaner" genannt tüorben. Seine
40 J^oDänbifc^en Sorfa^rcn, bie bor ber blutigen Scrfolgung be« §cr^og« 3llba naA Qnh
englanb flüd^tetcn, Ratten aud) in ber neuen ^cimat tDcgen il^rcr ^uritanifc^en Slic^tun^
bicl ju leiben, unb ber 6nlel ift ftet§ ftol^ getoefcn auf bicfe 3lbfunft bon eblcn
©lauben^^eugcn. ©ein ©rofeüatcr ^ame« (geb. 1776, geft. 1864) iüar in ©eftnnung
unb Scbenöfü^rung ba^ Urbilb eine« ^uritancr^. 55 Saläre ^inburc^ tüirhe er als
46 ^aftor ber fleinen ^nbe^jcnbentengemeinbe in ©tamboume. Slud^ Qp.^ 3?atcr 3«^^"
(1811—1902) biente einer fold^en ©enieinbe in bem Heincn 3)orfe Äelbebon, effej, al«
Seelforger. §ier tDurbc il^m am 19. ^un\ 1834 afö erftc« Äinb G^arle^ §abbon geboren.
^a bie ^amilie ^a^Ireic^ hjurbe, unb ber 93atcr bie ©emeinbe häufiger tDcd^feltc, burftc
G^arle^ al^ ber Siebling berSro^eltem in bem romantifd^en ^farr^aufc be^ ©rofetjatere
60 eine alüctlid^e 3"0^"b berlcben, bie er fclbft in bcn „Erinnerungen an ©tamboumc"
an^ie^cnb gcfd&ilbert l^at. ßrft al^ ©iebenjäl^riger feierte er inö Sltcrn^u« jurüd, um
in Gold^eftcr bie ©d^ule ju befud^cn. Si^ gum 15. ^ai}xt erl^ielt er auf berfcbiebencn
GoUegeö eine tüchtige ©d)ulbilbung^ bann finben ioir il^n aU ^ilf^lel^rer an einer ^ribat^
fc^ule ly, 3Jciümartct. %xoi^ feiner ernft religiöfcn (Sr^iebung brad;ten i^m bie ^ünglinge^
66 ial;rc eine ^cxt fc^tüerer innerer ilänipfe, bie if^n in feiner ©etüiffen^not bon einer Äiric
Ixxx anbcrcn trieben, bi^ er in einer fleinen ^a^eHe ber ^rimitibmct^obiftcn ju (Solc^'tcr
unter ber il^n tief erfc^üttcrnben 3tnfj)rad)e eineiJ Saien^jrebigcr^ jum lebenbigen (Slaubcn
tarn: 2)icfcr (>. 3«nuar 1850 ift ibm ^citlebeng aU fein Scfe^rung^tag unüergcfelicb ge-
blieben, yio^ aber motlten bie innern Äämjjfe nid^t aufhören, benn of^ne Sutftofe bon
60 au^cn fam er burd; eifrige^ ©cbriftftubiuni ^u ernften ^h)eifeln an ber SHed^tmäfeigfeit
ber 5\inbertaufe, bie fein ^u 9lat gezogener ©eelforger no^ vermehrte. 3)a ber Jüngling
mit 33a^tiften nur oberfläd)lid; betannt tüar, begann er nad^ einem Xäufer ^u fucfccn.
ayobl tüaren bie öltern über bie eigentümliche (Snttüideiung beig Änabcn be!ümmcrt, aber
als^ ec^te ^nbe^jenbenten aditcten fie bc^ ©obneö Gntfc^lu^. 3lm 3. Tlai 1850 liefe et
®pnt%t0n 699
fid^ im gluffc £arf bei ^^I^!^«"^ öwf biblifd^c SBeife taufen unb befannte ftc^ bamit ,,\)ox
§immel, 6rbe unb ^öHe ate ^lad^folger be^ Samme^", t)on ber ©tunbe an au^gerüftet
mit einem 3c"0^""^wt, ber i^m fein Seben J^inburd^ treu geblieben, ©o fmb ed brei
gro^e ®emeinf(|aften, benen Bp, feinen GF;riftenftanb öerbanlft: $uritani«mu^, 3Ket^05
bi^mu« unb Sai)tigmu^ i)aUn i^m if^x SSefte^ gegeben unb il^n, obtDobl er bi^ ju feinem 5
ßnbe feiner Denomination treu geblieben, ju bem öfumenifc^en ©laubenöjeugen gemacht,
Jpeld^er ber gangen ß^riften^eit mit feinen reid^en (Saben biente. SSalb nad9 feiner Se*
fcF;rung tourbe ber Jüngling burc^ eine eigentümliche tjügung gejtoungen, bor einigen
Saueröleuten böDig unvorbereitet feine erfte ^rebigt ju l^alten, unb ba^ entfc^ieb über
fein fernere^ Seben. 6r bet^ätigte fic^ tueiter auf biefem ©ebiete unb jog balb bie äluf* 10
merffamfeit ber ©tiHen im Sanbe auf ftd^. ®ie Heine Sojjtiftengemeinbe be^ 3)orfe«
SJÖaterbeac^ berief ben jungen Unterlefjrer 1851 ju il^rem ^aftor, unb ber „Änabem
J)rebiger" entfaltete fd^on l^ier eine SiBirIfamleit, toeld^e il^n m einem ^^änomen ftem^jelte.
3)ad gange i)orf ftrömte gu feiner ^rebigt, unb ^ömmigleii unb ©ittlid^Ieit boben ftc^
ftc^tlid^ unter ben bertoal^rloften SetDo^nem. 3)er junge ^rebiger ^tte imtoifd^en me^r- 15
fad^ berfudjit, gu regelre^^t tl^eologijc^er 2lu§bilbung auf ein ©eminar gu lommen, aber
alle SBege lourben i^m auf merftoürbige SBeife Derlegt, fo bafe er fup auf fein ?ßriDats
ftubium angettjiefen fal^, bem er bei guter Segabung unb namentlich ^erborragenbem
(Sebäd^tnie; mit ernftem ^leifee oblag. 9Rad^ laum gtoeijäbriger SBirffamfeit in feinem
35orfe erging an il^n ein Stuf „auf $robe" an bie alte Sa})tiftengemeinbc in 9leU) 20
^arf ©treet in Sonbon, ber eifrige Diaionen burd^ biefe Berufung au« langjähriger Gr^
ftarrung gu neuem Seben öerl^elfen tDoHten. Unter mancherlei Sebenlen leiftete ©p.
golge, bon ber ©emeinbe mit geteilten ©efüblen emjjfangen: faum 100 ^erfonen ber-
fammelten fic^ gu feinem erften ©otte^bienft. 3lber nad^ lurger ^^xi hjar bie D})))ofition
befeitigt, unb am 28. 2lj)ril 1854 erfolgte feine enbgiltige 2lnfteUung. ®« bauerte nidbt 25
lange, ba toar aud^ bie 3Q3eltftabt bon bem Stufe be« eigenartigen ^rebiger« erfüllt,
©eine Äird^e, toelc^e 1200 ©i^plä|e gä^lte, erh)ie§ ftc^ balb al« gu Hein, um bie ©c^aren
ber §eitöberlangenben unb Sleugierigen gu faffen. ©eine feurige, im Slnfang oft über^
fc^loenglic^e Serebfamfeit gog bie Seute in feinen Sann, unb fein ta^jfere« SSer^alten
n?ä^renb ber fc^ioeren 6l^olera-6))ibemie be^felben ^q!^x^ er^ö^te feine 98olfötümlic^!eit. 30
5lic^t gule^t aber trugen bagu bie 2:age«geitungen unb ffii|blätter bei, bie ftc^ unermüb*
lid^ mit i^m befd^äftigten unb in teiltoeife fel^r begeic^nenben Äarilaturen ben Unterfd^ieb
gmifc^en ben gefalbten ^aftoren ber §od^fird^e unb bem l^immelftürmenben ©eltenjjrebiger
gum 2lu«brudE brad^ten. SKit bem SjJnwo'^ beö näc^ften ^afyc^ begann ©b. auf Drängen
be« gu feiner ©emeinbe gel^örigen Sud^^änbler« ^afemore mit ber tüödpentlic^en Ser^ 86
öffentlic^ung feiner ^rebigten, toelc^e nod^ je^t ol^ne Unterbrechung fortgefül^ toirb unb
fc^on 3000 9lummem umfaßt. SSalb Wax bie Äirc^e be« jungen ^rcbiger« biel gu
Hein. Die grofee (Sreter^aHe mufete gu §ilfe genommen ttjerben. 2lber aud^ gu mand^erlei
®aftj)rebigten ergingen an ben fc^neU berühmt ©etoorbenen au« aütn %txlm be« Sanbe«
©nlabungen, fo ba| er in mand^er SBod^e gel^n bi« git)i)lf SSerfammlungen gu leiten l^atte. 40
9lirgenb« Sollten bie ®otte«^äufer au«reid^en. Da nal^m benn ©p. feinen anftanb, in
eilig l^ergerid^teten ©d^eunen, unter freiem §immel ober gar einmal bon ben Dauern
l^erab gu ^rebigen. '^n ber eignen Äa^)elle tourbe ber ^la^mangel fd^lie^id^ fo unerträg«
lic^, ba§ bie ©emeinbe befd^lofe, ein toenigften« bem normalen 3lnfturm getoad^fene«
aSerfammlung«^au« gu errid^ten. 2lm 18. aJlärg 1861 tourbe ba« „Metropolitan Taber- 45
nacle" begogen. §ier ^at ©)). bi« gu feinem 2iobe getoirft unb Sonntag für ©onntag
6000 $örer um ft^ gefammelt. SBä^renb breier ^a^x^ pxzixQU er regelmäßig in ber
SKufil^aDe in ben ©urre^=©ärten bor mef^r al« 10000 ßu^örem. ^ier l^errfc^te ein
fold^er Slnbrang, bafe gleich bei einem ber erften ©otte«bienfte bö«h)illig l^erborgerufener
geuerlärm eine 5ßanif ^erborrief, bie fieben ^erfonen ba« Seben foftete; ben (SinbrudE so
biefe« fc^toeren UnglüdE« i)at Qp. nie gang berh)unben. 9lod^ großartiger toar ber ©otte««
bienft, ttjelc^er an einem bon ber Slegierung au«gefd^riebenen Sußtage im Dftobcr 1857
im ÄriftaUjjalaft abgehalten lourbe: <Bp, toax mm Siebner au«erfe|en unb ^ielt einer
©emeinbe bon 24000 ©eelen eine erfc^üttembe Sußprebigt.
Dem Unermüblic^en toud^fen, o^ne baß er fie fuc^te, bon allen ©eiten neue aufgaben gu. 55
©d^on 1855 na^m er ben erften 3*^9f^"9 3"^ 3lu«bilbung für« ^rebigtamt in« §au« auf.
311« balb barauf ein gloeiter ^ingufam, grünbete er 1857 fein „^aftor'« ßoHege", ioelc^cm
er im ^a\)xc 1873 ein umfangreiche« 9lnftalt«gebäube enid^tete. 2ln 700 $rebiger unb
(Sbangeliften fmb in ©p.« goUege bon tüd^tigen (übrigen« gum 3:eil aud^ nic^t bap=
tiftifd^en) Se^rlräften au«gebilbet toorben unb ^aben bann auf ben berfd^iebenften 3lrbeit«= eo
700 @)itttgeott
gebieten in reichem ©egen (jeiDirlf. Oetabe in ben Verrufenen ©tabttcilcn festen jl4
biefe ©enbboten feft, inbem fte junäc^ft Äinber jur ©onntaggfd^ule einluben unb un-
erf^rocfen bie 33erfonnnenften auffuc^ten. 3lug fold^en Slnfängen entftanbcn blübenbe
©emeinben, beren ^rebiger mit bem geliebten Seigrer in engfter gü^Iung blieben unb
6 auf jä^rlid^en ftonferenjen über ben Fortgang be^ SQäerfe^ Scrid^t erftatteten. ©p. feat,
fo lange er irgenb lonnte, ben SJerfammlungen felbft j)räfibiert unb hierbei ipie im
©eminar feine berül^mten „aSorlefungen" gehalten, für alle 3^'*^" ^"t^ x^iö^c Dueüc
^omiletifd^er unb ^jaftoraler SBeiö^eit. 3lm ©emeinbeort felbft entfaltete fi^ naturgemäß
ba« reic^fte Seben. (Sin Äran^ bon ©onntagöfc^ulen für Äinber unb 93ibelflaffen für
10 ©rhjad^fene jc^lofe ftd^ um bie grofee ?Kuttergemeinbe, beren innere 33ebürfniffc üon \ahh
reid^en ^ilfeüereinen berfe^en tourben (f. ba^ SSerjeic^ni^ bei ©d^inbler, ©. 171—173).
©p. felbft h)ar ber ^ßräfibent einer au^gebel^nten Äol^)ortagebercinigung für Sibet unb
©c^riftenüerbreitung, in beren 3)ienft unter feiner anregenben Seitung gegen 90 Äolportcure
arbeiteten. Die ©rünbung feinet grofeen 2Baifen^aufe§ 1867 hjurbe i^m burc^ bie reic^
16 (3aU ber SBittue eine^ ftaat^firc^lid^en ©eiftlid^en aufgenötigt. @^ ^at in ©tocftoell am
6la^)l^am JRoab ein mehrere SKorgen umfaffenbe« freunblic^e§ ^eim erhalten, bcjfai
fd^mudfe Sinjel^äufer 500 Änaben unb SJläbc^en aller Sefenntniffe in frö^lic^er giimilicn^
gemeinfd^aft betoo^nen. ^äufig nal^m fic^ ber 93ielbefc^äftigte S^xt, einige ©tunben unta
ben Äinbem m tjerbringen, für beren ffio^l er Däterlic^ forgte, unb bie bafür mit
20 rü^renber Siebe an i^m fingen.
3u biefen mancberlei arbeiten !am Bp,^ ungemein frud^tbare littcrarifc^c i^ätigfcit:
bie 3öf)l feiner Sudler unb ©c^riften ift eine laum überfe^bare. ©d^on bie ^erau^abc
ber h)öc^entlid^en ^rebigten, toeld^e bon ©tenogra^)^en nac^gefc^ricbcn unb toon Bp.
brudffertig gemad^t tourben, erforberte nid^t geringe 3^^^- 3!)öju fam bie SRebaflion feiner
26 ÜJlonat^f^rift „The Sword and the Trowel", in tueld^er baö gw^^^ff^ für bie toer:
fc^iebenften SKiffion^xtpeige feiner ©emeinbe gepflegt unb äuffä^e erbaulichen unb pafto^
ralen 3"^fllte« üeröffentlid^t tuurben. 3^^^^^^^^ Seiträge ftammen auö ©p.ig ^eber,
unb namentlich bie ?!)tenge ber Süd^eranjeigen, meldte er lieferte, bemeifen überrafd^enbc
Selefenl^eit unb fd^arffinnige Urteitegabe. Da« grofeartiafte Denfmal feinet liebevollen
80 ©c^riftftubium§ unb immenfen ^leifee^ ift aber fein prartifc^serbaulid^e^ Jlommentartvert
jum ^falter „The Treasury of David" in fteben ftarfen 33änben £e?ifonformatf
toeld^eg er in jtDanjigjä^riger Strbeit Dollenbete. Sein .Kommentar englifd^cr unb beutfc^cr
3unge l^at je eine ä^nlid^e aufnähme gefunben, benn eö ift in me^r afö 120000 ßiem-'
plaren verbreitet tvorben. Sieben ber eignen geiftöoHen 2luglegung, bie nic^t in ben
36 au^efal^renen ©cleifen fd^ulmäfeiger ®jegefe einl^ergebt, fonbern überall bie ^ol^c greuk
an ber ©rforfd^ung be« göttlid^en SBorte^ burdbblidfen lä^t, ift aud^ bie Slrbeit englifcbcr
unb bcutfc^er S^egeten forgfältig benu^t unb Slnfd^auunggmaterial au^ allen möglieben
äBiffen^ebieten ^erbeigetragen. ©eine Reifer l^aben bie reichen ©c^ä^c be^ britiftfccn
3Kufeum^ für i^n burc^forfc^t, unb er felbft l^at auö ben Vergilbten ©cftriften bei
40 ^Puritaner, in benen er m ^aufe ift h)ie JEaum ein anberer, ungeahnte ©c^ä^e gehoben.
Dbtpof^l ©p. ftd^ mit allen i^m |;u ©ebote fte^enben SRitteln um baö 3Serftänbni^ bc^
©runbtejte^ mü|it, ift er fid^ beiüufet, feinen h)iffenfd^aftli(ben Kommentar ^u fc^reiben.
@r irill mit feinen originellen l?omiletifc^en Slnbeutungen ^auptfäc^lic^ bem „village
preacher" bicnen, bietet aber in SKirflic^feit jebem ©eiftlid^en, toeld^er ibn rec^t ;u
46 lefcn verftef^t, eine reid^e gunbgrube fruchtbarer ^rebigtgebanfen. 2(ud^ feine föftlicbcn
„^ßufttationen unb 3Kebitationen" fmb eine %x\xi)i biejeö ^uritanerftubium^. SBie i>icl
er von il^nen gelernt, geigen feine in §unberttaufenben Von (Sjemplaren Verbreiteten
©ammlungen „Sieben l^interm ^flug" unb „^an^ ^flüger« Silber". §ier betüeift fi*
©p. al^ ä^oltöfd^riftfteller im ebelften ©inne be^ SBort^, ber feine Seute fennt mit ibrcii
60 ^reuben unb 5Jötcn unb iE^nen in tömigcr, von fonnigcm §umor burc^leuc^teter Spraic
bie ctüigcn fflal^rl^eitcn padEcnb na^e ;;u bringen ivei^. 3)aneben treffen \v\x bann h?ieber
auf erbaulid;c "irattate für bte verfc^iebenen Sebcn^altcr unb ©eelenftimmungen, ni^t in
bem lanbläufig „erbaulid^en" ©til langer eiliger Se^r^aftigleit, fonbern ftet^ fcffelnb, in
ec^t Voltetümlicf^er, mobcrner Sprad;e, audt^ inbaltlid^ überrafc^enb burc^ bie (^eilige ßnergic,
66 mit ioelc^cr er baö alte övangelium fruchtbar gu macfjen toeife für ba^ tägliche Seben in
aH feinen Regierungen, ©eine uncrmüblid^e '^Mx l)at nic^t geraftet, biö fie ber lob
i^m auö ber $anb nabm; tvax er boc^ bi^ furg Vor feinem .^eimgang befc^äftigt, feine
populäre ^u^lcgung bc^ 3)Jattl^äu!geVangeliumg brudfertig gu mad^en, iveld^c^ er mit
Iräftiger Betonung bc^ be^errfdienbcn ©runbgebanfen^ ungemein tvirlung^oH aB
60 „Evangelium be^ ^knd;e^" barftcHt. 3)a^ er mit feinen Sudlern n)irflid^ einem SJebürf^
S)iitrgfott 701
ni^ entgcgcnlam unb e^ bcrftanbcn f)at, ben redeten %on ju treffen, behjeift il^re SSet«
breitung: 3l\d)t nur in ade Äulturfjjradjien jinb fte überfe^t, fonbern auc^ in SDialefte
unb S^iome, bie ftc^ !aum ber anfange einer Sitteratur rül^men fönnen, tDurben fie
übertragen unb l^aben barin einen banfbaren Seferlrei^ gefunben.
Slec^nen tüir ju biefer au^gebel^nten litterarifc^en 2;|ätig!eit bie ^üHe t>on Slnforbe« 6
nmgen, toelc^e bie Seitung ber großen (Semeinbe an Qp, ftellte. 6r l^atte nic^t ben
©l^rgeij, aHe^ aHein ju tl^un, fonbern befafe bie &abt, bie borl^anbenen Äräfte ^u toecfen
unb am rechten ^Ia§e nu^bar ju machen. SBeil er fte felbftlo^ unb glaubenötjoü fuc^te,
barum fanb er einen fo großen Äreiö freubiger 3Kitarbeiter, bie fic^ feiner gül^rung toiDig
unterorbneten unb mit i^rem freitDilligen ^elferbienft feiner ©emeinbe ba§ anjiel^enbe lo
©ejjräge einer mirflic^ lebenbigen gaben. 6r l^at ba« in unfrer 3^'^ f^ brennenb ge*
toorbene Problem gelöft, eine grofee (Semeinbe lebenöDott ju organifieren. 3)abei toax
©^). eine au^gefjjro^ene ^errfc^ematur. ©ein berje^renber (Sifer für baö SReic^ ©otte^,
ba^ S5eh)ufetfein bon ber ©röfee feiner 2lufgabe unb feine überragenbe SSegabung mad^ten
i^n jum natürlid^en 3Rittel^unft ber um i^n ftc^ fd^arenben »rbeitdfreife. ©elbftfuc^t 15
unb (S^rgeij maren feinem SBefen tro| männlid^en Äraftgefü^te fremb, allem ^erfonen«
lultu« Wax er t)on ganjer ©eele abl^olb. SQSeil er nid^t ba« ©eine fud^te, fonbern auc^
in irbifc^cn Dingen beftrebt Wax, ©otte^ SBiUen bijUig ju t^un, barum ifl bie ©intrad^t
^ifc^en i^m unb feinen 3Ritarbcitem nie getrübt toorben. 93efonber^ rü^renb ift ba^
Ser^ältni« feinet S3ruberi^ 3ame« gu il^m getoefen, ber feit 1868 fein SKitjjaftor an ber 20
3^abemaclegemeinbe toar unb jal^rjel^ntelang bie fd^toere Äunft geübt l^at, neben bem
genialen Sruber felbftlo« ber jtoeite ju fein.
©>). ift über bem SSielerlei oft Heinlic^er Dblieaen^eiten nid^t laltl^erjig unb ober=
fläc^Ii^ geh)orben unb l^at feinet 3lmteg bome^mfte mnliegen^ ©ebet unb ©c^riftforf(^ung,
nie barüber öemac^Iäfftgt. ©erabe loeil er in biefen beiben ©tüdfen treu toar, ^at er 26
aHe ©efa^ren feiner jeneibenben 2;^ätigleit fo lange glüdlic^ übertounben. Unb melj^r
al^ ba^: @r f)at, h)ag fo biele ©rofee im Sleic^e be«©eifte« nid^t öerfte^en, QÄi ge^t,
3Kcnfd^ JU fein unb ate glürflid^er &aüc unb SSater feiner gamilie ju leben. ©^. ^at
bei aller ©elbftmc^t feine Slnlage gum ä^feten gel^abt, fonbern auc^ bie irbifd^en ©aben
feine« j^immlifqen Sater« mit banfbarer greube genoffen. (Sr berteibigte aller 6ngsao
^ergigleit toeltflüd^tiger ©(^toärmer gegenüber bie c^riftlic^e grei^eit unb l^at fogar bur^
feine fübne SSel^auptung, bafe man auc^ gur @^re ©otte« rauchen fönne, bie er mit JRö 14
berteibigte, nic^t geringen Slnftofe enegt. 3ltte aber, bie il(^m in feiner ^äuölic^feit naf)^
getreten finb, rül^men bie ©aftlid^feit unb ßerglid^feit biefe« anjiel^enben gamilienlreife«.
ßr toar fein ftarler SlüdE^alt gegen bie aufreibenben 2lnforberungen feine« Serufe« unb 85
bie mandjjerlei Slnfed^tungen, bie bamit berbunben maren.
Unb Bp.i Seben ift reic^ an änfed^tungen gettjefen, auc^ an fold^en, toelc^e er
felber burc^ feinen unerfc^rodfenen aJlut gur SBa^rT^eit ^eraufbefc^lporen. an feine 㨣s
gentrigität" ^atte man f\i) nad^ bielem Qpoii fd^Iiefelic^ aetDö^nt, unb bie beifeenbe ©atire
ber ©egner l^atte il^n jum j)oVuIär[ten ^rebiger ber 3liefenftabt gemad^t. Daju trug 40
nic^t jule^t bei, bafe Bp. in fpegififd^ englifc^em ©inne SDemohat toar. „®r ^atte," h)ie
Dr. $attifon ftd^ auöbrüdEt, „ba« SJertrauen jur fö^renl^aftigfeit unb Slecbtlic^feit, ju ber
inneren 3:üd^tigleit unb bem ©c^arfftnn ber vox populi, loeld^e gnglanb bi« ^eute jum
bemofratifc^ften i&olt ber ©rbe mad^t" (Söa^Ianb ©. 84). 6r toar aber nic^t ber 3Kann,
fic^ bie ©unft ber 3Jlenge burc^ ©d^meic^elrebe unb Seifetreterei ju ftd^em. SBo immer 46
er ©d^äben entberfte im gl^riftentum unb Äird^entum toie im öffentlichen Seben ber ^ixt,
ba er^ob er feine mal^nenbe unb marnenbe ©timme unb richtete fd^onung«Io« am 6t)ans
gelium, toa« il^m al« toiberd^riftlic^ erf^ien. ©0 trat er bei Seginn be« Union^hiege«
mit ber gangen äBud^t feiner ^erfönlid^feit für bie ©IlaDenbefreiung in bie ©(^ranten,
obtoo^I il^n ängftlic^e greunbe tarnten, bafe er bamit ben 2lbfafe feiner ©(^riften in ben so
^Bereinigten ©taaten bemic^te. (gr l^at auc^ biefen 38erluft, ber feinen ainftalten emjjfinbs
lic^ fühlbar JDurbe, um ber SBaf^r^eit toillen freubig getragen. 9?od^ tieferge^enbe ©r«
regung l^at Bp. mit feiner SRebe über bie 3:aufh)iebergeburt (t)om 5. 3!uni 1862) berbor*
gerufen, meiere in me^r al« 300000 ßsem^jlaren verbreitet Sorben ift. 3n i^ betonte
er mit ganger ©c^ärfe bie ©(^rifth)ibrigleit ber ^od^fird^Iic^en Se^re unb enegte bamit 66
namentlid^ bei ben ©bangelilalen l^eftigen Unwillen unb ftürmifc^en SBiberfprud^. 3n
Siebe unb ©egenrcbe au« beiben Sägern Ipogte ber ©treit, gum leil leibenfd^aftlid^ ge?
fü^rt, ^in unb ^er, unb erft nac^ ^af)xm ebbte bie ^oc^flut ber 93rofc^üren, bie er ge^
geitigt, attmäl^lid^ ab.
3n ba« 3a^r 1887 faßt ber Seginn be« fd^arfen Äonflifte«, in toelc^en ©^. burc^ eo
702 Sput^ton
bic fog. downgrade-ÄontroDcrfc mit bcr 93a^)tift Union (jcrict. S)iefe Äöt^)crf(^aft umfaßt
afö eine freie Sereiniflung bie gtofec ÜWe^tja^I ber S5at)tiftengemeinben ©rofebritanmcn^.
93et bem inbe^enbenten Qi^axaU^t be^ SSo^ti^mud ift bie Union leine Jtird^engefeDfc^ft,
fonbern lebiglid^ ein freiloiHiger S3ruberbunb aller iauffleftnntcn, toelc^er bic großen aSi=
6 aemeinen aiufgaben ber 35enomination in 5IRiffton, ©r^ie^ung unb Drgantfation gemcinfam
betreibt. ^zt>tt Oemeinbe ift i^r ©elbftbeftimmunggred^t in ber SJertoaltung foloie i^
3lutonomie in bogmatifc^en tJ^agen böHig gelool^rt, ba nur ba^ gemetnfame Sefenntni«
iur ^ufe ber @m?ad^fenen burc^ Untertaucyung bad einigenbe93anb ift. S^p. ^üt fcbon
eit längerer ^^\t mit 93eforgnid beobachtet, baj „ba« ®ift ber neueren 2^eoIogie" in
10 ber (Semeinfci^aft ©ingang gefunben unb toeite Greife angeftecft Ij^atte. 3" ^^ äuguft^
nummer 1887 feiner 3^itfc^rift er^ob er tüamenb feine ©timme gegen bie „neue SReligion".
6r fie^t auc^ bie 9lonfonforniiften in ber ©efal^r, bon ber puritanifc^en Strenge bcr
aSäter in Se^re unb Seben abgutueic^en unb bamit ber Äirc^e glei(^ in geiftli^e Setbargic
ju berfmien. ®ad fül^rt er, o^ne irgenbmie ))erf5nlic^ ju toerben, fac^lic^ aber mit ber
16 aanjen ©c^ärfe feine« 3^m))erament« au«. 9i)ie (Segner fonnten auf biefen übcrft^rfen
Eingriff, ber noc^ baju il^re ftttlidjie Dualität in 3*^<^iM i^ßf "ic^t fd^toeigcn. 3B5%enb
aber bie SSefonneneren in bome^mer ©ad^Iid^feit ba« gute SRe^t il^re« ©tanbpunftc^
»Darrten, ergingen ftc^ einige ^eifefpornc in ber treffe in l^eftigen J)erfönlic^en Slu«fänen
gegen Bp., ben fie einen gichtigen ^effimiftcn unb neuen 5ßa^)ft nannten. ©}>. fc^toieg
20 ni^t, unb ba i^m ber JJortgang be« ©treite« jeigte, Wk ftarf ba« belämjjftc Übel bereite
um ftc^ gegriffen, erllärte er lurg entfc^Ioffen feinen 3lu«tritt au« ber Union. Seren
5ßräftbium t^at fein SKöglid^e«, um ben Slife ju Ij^eilen; auf bie Sebingung ©)>.« ober,
ber Union bie fefte Girunblage eine« berbinblid9en altgläubigen 93efenntniffc« ju geben,
glaubte man um be« gefc^ic^tlic^ borgejeid^neten ©l^araher« ber SSereinigung h)tllen ntd>t
25 eingel^en ju bürfen. ®em 3iat ber Union blieb nic^t« übrig, al« feine 9tu«tritt«erHärung
amune^men; er t^at bie« mit einem öffentlichen ^abeI«botum: Dl^ne 92amen gu nennen
uno- SSeiDeife ju erbringen, ^abe Qp. auflagen erhoben, bie auf bie game Äör^Aofl
einen ©chatten loürfen unb SSrüber bem SSerbad^t au«f e^ten, toelc^e bie S&abr^eit eben^
fofe^r \m er felber liebten. 2)amit toar ber Srud^ beftegelt. &p. ift bi« an fein Se6cn$=
ao enbe aufeer^alb ber Union geblieben, aber nid^t, o^ne ju erflären — loa« t>on lirc^lid»«
©eite oft überfe^en tuirb, um bem gefeierten Äanjelrebner ba« Dbium be« Sajjtiemu^
m nehmen — , bafe er mit biefem 3lu«tritt au« einer freien Bereinigung nic^t aufgebort
^abe, ^api\\i ^n fein. Die ©rregung über bie Äontroberfe ift fc^liefelic^ borüber gegangen;
©J). f)at bielfeitige ^wftimmung gefunben, aber auc^ mand^en 33erluft, bcr feinem SlWc
85 ^ierau« ertoud^«, tragen muffen ; bie Union l^at nic^t aufgcl^ört in alter SBcifc gu epftieren
unb int Segen gu ttjirfen. Sei ©elegenl^eit be« erften SQSeltlongreffe« ber 93a^)tiftcn,
loeld^er 1905 in Sonbon ftattfanb, l^at fie bem legten ber Puritaner in banibarem (St-
benfen eine Jjräc^tige ©tatue in il^rem i^erh)altung«l^aufe gefegt.
6« ioar borau«jufe^en, bafe ©p., obiool^l er auc^ bem Seibe fein gute« Siecht an:
40 gebeil^en lief;, bei fo bielgeftaltigem 2)ienft fic^ i)or ber 3^^^ berjel^ren lüürbc. Snplcjc
heftiger ri^eumatifcf^er 2lnfälle, bie feine 5iert)enfraft angriffen, mufetc er ficb bnun^
längere 6r^olung«^)aufen gönnen, toelc^e er mit Vorliebe an ber fonnigen SRiöiera tjcr^
brarf)te. Slber feine ©ebred^en mehrten fic^, ohne bafe bie 2aufenbe feiner ^örer e« feiner
5ßrebigtt^ätigfeit abfüllten. 9Joc^ fonnte er auf ber ^ßaftorallonfereng im 3lj)ril 1891
46 feinen getualtigen aSortrag „2)er größte Äamj)f in ber SDäelt" l^alten, — auc^ bier no(b
in 3lu«einanberfe^ung mit ber i^n im 3i""^f*e" belpegcnben mobemen 2:l?eologic — ,
bann brachte eine heftige gnfluenja ein ber^altene« 5Zicrenleiben jum 3lu«bruc^, bem fu^
quälcnbe r^eumatifc^e ©d^mcrjen jugefeHten. 3JJonatelang fd^ioebte er in ^öc^ftcr ©efoBr,
aber ba« ©ebet ber ©einen l^ielt il^n aufredet. 2(m 26. Dftober toar er bcnn au^ fo
50 toeit ^ergeftcHt, bafe er na6^ SJlentone geleitet tuerben fonnte. 3m Januar be« folgen-
ben ^a^re« jebod^ ergriff il^n bic 3"^"^"^^ ^^f^ "e"^- ®eii ^e»" 20. ^^nuar an« ^cti
gefeffelt unb in ben legten 2:agen jumcift betoufetlo«, ift er am 31. ^onuar 1902,
einem ©onntage, toäl^renb feine ©cmcinbc jum ©otte«bienft berfammelt toar, beim-
gegangen, ©eine fterblid^e §ülle tourbc in bie §eimat überführt unb auf bem ?Rortoootte
56 friebl^ofe beigefe^t.
Sei einer Beurteilung ©}3.« al« ^rebiger bürfen ttjir gunäd^ft nidj^t aufeer ait
laffen, ba§ er ©nglänber getüefen ift. Siele« an i^m, ttja« un« anfang« frcmbartig bc^
rü^rt, crflärt fid^ au« ber 2lrt be« cnglifc^cn ßbarafter« unb ß^riftentum« unb ift bic
©runbbebingung für ben ©rfolg feine« SBirfcn« gctoefen. ©r toar nac^ ^atttfon „bcr
60 ti;^ifd^e ©nglänber mit ben äSorjügen unb ©c^ranfen feiner Slaffe". ©obann toiH be=
^put^ton 703
achtet fein, bafe Bp, 9JonIonformift toar. ^n 3)eutfcl^Ianb toäre er ate ^rebiger fd^on
be^l^alb unmöglich, toeil er nie einen georbneten @tubiengang burc^gemad^t f)at ®ttt>ii
l^ätte ©J)., toenn er ein in unferm ©inne teiffcnfc^aftUc^ gebilbeter I^eolog getoefen,
manche ßinfeitigleit feinet 2ßefen§ unb feiner Seigre übertounben. 2lber ba§ toäre ber
%ot> feiner ®rö^e getoefen, benn in biefer glücflic^en ©infeitigleit unb Äonjentration auf 6
ba^ })uritanif^ berftanbene „alte, alte ßbangclium" lag feine Kraft, a^ro^ bief eö SKangeÖ
georbneter 38orbilbung ift er bod^ fein „£aien})rebiger" getoefen. Denn junäd^ft toar er
ein geborener ^rebiger, unb bann ^at er ft^ in t^eologifd^er unb attgemeiner SBiffen«
fc^aft eine 93ilbung angeeignet, toelc^e il^n jebem {^raltif^en Xl^eologen in Deutfc^tanb
ebenbürtig mac^t. ©erabe aber, toeil er frei toar bon bem Sleigetoid^t be« t^eologifc^en lo
Hriticiömu^, lonnte er feine religiöfe ßigenart toott aufleben unb ftc^ mit ungebrochener
Urfjjrünglic^feit feinen ^örern ^^ingeben. 6r rebete ju feiner grofeen Oemeinbe nic^t afö
ber ber))fKc^tetc ^aftor t)on 9lmt« toegen, fonbern nac^ aljoftolifc^em SKufter atö 3^0^
ober gemäfe ©c^leiermac^er« gorberung aU Sruber ju feinen 33rübern, mit benen er ftc^
be^ gemeinfamen (Sbangeliumdbefi^e^ erfreut, unb bei toelc^en er bie ©orge bafür erloedft. i5
©}). toar lein „©eiftli^er" im ©inne Ilerifaler Slnma^ung unb bod^, rec^t berftanben,
ein ©eiftlic^er, beffen ganje^ 2eben unb2Birfen betrachtet fein toitt im Sichte feiner aBe«
bebcrrfc^enben gtömmigfeit. ßr mag ein fc^Iec^ter S^eolog getoefen fein, aber er loar
me^r: 6r toar ein religiöfe^ ®eme.
greilid^, er toar aud^ ein gottbegnabeter Siebner, ol^ne fic^ beflen betoufet ju fein. 20
3)ie gefeilte Äunftrebe mit i^ren blü^enben ^P^rafen embfanb er, toie er fic^ fd^arf auö«
brüdtte, ate eine Oottlofigleit, too e^ fid^ um ber ©eelen ©eligfeit ^anbelte. 6r rebete
nic^t, fonbern er ]pxai) in gefälligem, eblem Untrrl^altung^ton, ber nur burc^ bie @röge
bei8 SRaume« unb be^ (Segenftanbe^ feine ©c^attierun^ belam. 3)abei toar fein SSortrag
boHfommen brudtreif, in reinem, burd^ft^tigem, rafftgem (gnglif(^ • jebem Äangel})atl^o^ 2:.
abf^olb, reil^t er bie SBorte toie ^Perlen aneinanbcr. Da ift nic^t^ bon ber ^nxiQm^
fertigfeit beö getoanbten ßaufeurg, toie man fie auf mand^m freifird^li^en Äanjeln finbet.
9lber flüfftg, o^ne je ju [tocfen ober SBorte ju fud^en, gleitet feine Siebe ba^iin. 6r
lennt fein S8erf})rec^en, ferne SBieberf^olungen unb abgebrod^ene ^ßerioben; in jebem
Slugenblicf f)at er ben bejeic^nenben unb angemeffenen Slu^brudE bereit unb f})ric|t in :»»
einem ©til, ben felbft em SKeifter toie Sluöfin fd^lec^t^in boUfommen nennt, ©^on
ber boy preacher mad^te burd^ feine ungetoö^nlic^e SRebegabe tiefen ßinbrudt, ber auc^
burc^ man^e 3^0^ jugenblic^er Unreife nic^t bertüifd^^t tourbe. Unb nun ber reife
©>)urgeon! 3n lautlofer ©titte emj)fing i^n fein t)ieltaufenbfö>)fige ©emeinbe, in ber
noc^ eben ein ©ummen unb 3^1^^'" ^^^ SKeereigbraufen l^in unb l^ergegangen tvax. S5
SieHeic^t ftanben t)iele unter ber ©uggeftion feiner Serül^mt^eit. 9lber iDenn er bann
feine ^elle, hjunberbar flangboHe ©timme er^^ob, iDelc^e jeben 3Binfel be3 großen ©es
bäubed mit 2!Bol(;llaut erfüUte, bann ftanb bie Jto^f an Rop^ gebrängte SDtenge au^^
na^mglog in feinem Sänne.
SBeil i^m biefe foftbare ®abe bon 9Jatur eignete unb jubem fein ganje^ Seben bon 40
Sieligion burc^brungen toar, barum ^atte er fo toenig R^t nötig für bie ©injetoorbereitung
feiner ^ßrebigtcn. @r brauchte fte nic^t nieberjuf^reiben in fünftlic^em ^eriobenbau.
2)aju f^ätte er auc^ bei brei unb mel^r ^rebigten, bie er n)öc^entlic^ l^ielt, faum bie 3^'*
getrabt. 6« beburfte für i^n nur einiger Slad^mittag^ftunben ftitter ÜKebitation am
©onnabenb, um fid^ für ben ©onntag ju ruften. a:ejtlofe ^rebigten fennt er nic^t, 46
benn bie ©c^rift ift i^m bie unbebingt t)erj)flic^tenbe Urfunbe ber göttli^en Se^re, meldte
ju berfünbigen unb augjulegen er berufen ift. Um a:ejte aber toar er, fo treffenb er
aud^ in feinen Sorlefungen bie Slot ber a:e5th)al^l ju fc^ilbern h)eife, nie in SSerlegen^eit.
©ein Seben in ber ©c^rift, feine intenfibe Seftüre namentlich ber ^Puritaner, benen er
fic^ auc^ hierin tief beri)flic^tet fü^lt, bie täglichen ßrfa^rungen feine« jjerfönlic^en unb w
Berufsleben« gaben i^m ftet« jur rechten ^üt ba« rechte SBort. S)lit fc^neHer §anb
enttoarf er bie 3)i«J)ofition, um nic^t bon ber ^ütle ber il^m juftrömenben ©ebanfen
überflutet ju toerben; bann bertoeilte er einige 3^t in betenbem ©innen unb fonnte nun
getroft o^ne Äonjej)t unb SJlemorie feine SBäeltfanjel befteigen in ber frö^lid^en 3ut)errtd^t
göttlid^en Seiftanbe«. Da« getool^n^eitSmäfeige 65tem>)orieren ber ^rebigt f^ält er für 66
burc^au« fc^äblic^ unb hjarnt feine ©tubenten emftlic^ batoor. ©ie toürben fonft, U)ie er
in fcberjl^aftem T)oj)j)elfinn bemerft, eine gefährliche ®abc ber „^tt^txmnm'^ ertoerben unb
if^re Äird^c balb genug leer >)rebigen. Scur in ben ®ebet«ftunben am unontagabenb, ju
benen ftc^ auc^ ftet« 2—3000 Seilnebmer fanben, überliefe er fid^ ben 3m})ulfen be«
3lugenblid(«, um ftc^ in böQig unt)orbereiteter Siebe gu üben. Sine nod^ grünblid^ere eo
704 @)ittrgeiitt
äbneigung aber l}ai er gegen ba§ in ßnglanb eingebürgerte äblefen ber ^rebigt, ba^ bot
^rebiger mm Sc^aufpieler unb B\)lopf)antm ^erobhjürbige.
@o fte^t er gän^lid^ frei unb gubem unabl^ängig bon jeber ftrengen äußeren ^orm
be^ ®otte«bienftei8 femer Oemeinbe SCuge in äuge gegenüber: ätte^ Sntercffe Dereinigt
6 fid^ auf bie 3B3ortt)erfünbigung unb i^ren Präger. 6^ ift ein ®lüdf jüv ©p., böfe «
fein Äirc^enmann, fonbem freier Sa^)tift toar unb \\d) aU foI(^er ni(^t in eine i»r=
gefd^riebenc gorm be« ©otte^bienfte« ju fc^idten brandete; benn bie ^enbe l^dtte |eine
Eigenart erbrücft. 3Ber auö ©t. ^auif mit feinen ^riefterauf jügcn, Sttancicn unb mujl^
lalifc^en Darbietungen in ©jj.« Äird^e lam, ber fa^ fic^ in eine gang anberc 3BeIt im-
10 fe^t. ©c^on ba^ ^ugere bed tieftgen @ebäube^ mit feiner fäuIengef^müdCten ^ront unb
ber breiten greitre})})e machte el^er ben ßinbrudt eine^ Sörfen^ ober 3:^eaterl^aufcd aB
einer Äird^e. 9luc| im 3""^^ gemal^nte nid^tö, h)a^ ben lird^Iid^en ©Triften beim ©n?
tritt anbäc^tig ftimmt, an ben gotte^bienftlic(;en ß^aralter be^ SRaumc«. 3eber oufeere
©c^muct ift öermieben; feine ©äulen unb Seuc^ter l^emmen ben 33lidE auf ben ^rebiger,
16 ben man überall fe^en unb bei ber t)ottenbeten äfuftif beö Slaumc^ überall t)erfleben
fann. 3)er ^ßaftor felbft fommt im einfad^en f^hjarjenSlodt; fogar bie h)cifee Sinbe ^
er in f})äteren g^l^ren abgelegt. 3f^ fo bie Oefamttoirfung junäd^ft eine red^t nüchterne,
fo ift boc^ f(^on ber %nbl\i ber bic^tgebrängten SSerfammlung ein übertpältigenber. ^n
übertoiegenber 3^^! P"^ ^ 5!Jlänner, bie ju Bp.^ %\xim ft^en, — für baö bcfc^eibem
20 beutfd^c 9luge ein ungewohnter 9lnbKct ! 9Zeben ber Äaufmannfc^aft unb bem 3Rittd=
ftanb fenben bie älrbeiterfreife i^re ÜBertretung; SReifenbe aller $erren Sohber tootten ben
großen 93a^tiften))rebiger in Stugenfc^ein nehmen. 2!^nen gur ©eite l^oben fc^üd^tetit
3Jlänner $Ia^ genommen, toeld^e ben ©tem^el be3 Saftet^ unb ber SSerfommen^eit im
3lngefic^t tragen, aber aud^ gürften unb SKinifter erbauen fid^ an feiner ^rebigt
25?Känner toie 2)icten^ unb S^enn^fon, ©labftone unb 2orb Sluffel, Siöingftone unb
9ludfin gehörten gu ben SSere^rem bed ^rebigerd unb toaren l^äu^g im ^bemacle ^u
finben.
Die Urtoüc^ftgteit feinet @lauben$}eugnif[ed toar ed, toel(^e aDe biefe großen unb
tieinen ®eifter anjog. ©^. ift fic^ betonet, ba^ er feine neue 933eidl^eit prebigt^
80 unb miU ni(^t^ anbere^ bnngen als baS alte äBort l)om Jlreuj. älber er ftc^t niät
binter biefem SBort ate objeftiber ^Referent ber ^eitetl^atjad^en, Jonbem l^t feiner SSer=
fünbigung ben ©temjjel feiner im})ulfit)en 3j"^^bibualität aufgeragt. SlUe« in feinem
(SotteSbienft ift t)on feiner Eigenart burd^brungen, unb boc^ berft^toinbet er in bemütigci
©elbftbcrgejfen^eit gegenüber bem §errn, bcm JeineS 2tbm^ ganje, l^eifee Siebe gilt, ©(^on
35 bie ärt, toie er fi^ nac^ bem betreten ber Plattform jum ftitten ®ebet beugt, ift be^
jeic^nenb. Äcine ftercot^})e ^orm, feine 5Pofe. Dann fliegt fein flareS Slugc mit glüd-
lic^en Säbeln über bie Serfammlung, bie nun tautloS an Jeinen 2\!ppm l^ängt. 6t
giebt baS erfte Sieb an unb lieft ©trojj^e für ©trojj^e mit ergreifenber Setonung bot.
Die ©emcinbe erl^cbt fi^ unb auS bem 5!Jlunbe ber ungejä^lten ÜJlengc fteigt lebenbig
40 unb ma^trjod ein ©efang empor, toeld^er auc^ ol^ne Drgelflang jjebeS ^erj ^immelon
gießen mu^. Dann lieft ber ^ßrebiger einen längeren aibf^nitt ber l^l. (öd^rift unb ht-
gleitet il^n mit furjen, überaus treffenbcn Semerfungen, hjeld^e baS 95ibelh)ort ber ©e^
meinbe jjraftifc^ na^e bringen, unb auf beren Vorbereitung er biel ©orgfalt üerlocnbet
Dann betet er. äluc^ f^ier fe^lt jebe gemeinfamc gorm ber anbackt. ®ie meiften
46fnieen, einige ftel^en, biele fi^en mit borgebeugtem $aupt; ber ^ßaftor felbft fnict niebcr
unb betet ^ei, h)ie eS ber Seift i^m giebt auSjuJjjred^en. ®erabe bon biefem ©ebct
f)abtn biele befannt me^r noc^ ergriffen hjorben ju fein afö bon feiner ^rcbigt ®a^
h)ar feine borgefc^ricbene Äultübung, fein ®ott bargcbrac^teS Djjfer; eS hjar ber 6rgufe
eines §erjenS, baS fic^ unmittelbar bor ®otteS 3lngeftc^t toufete unb ber ©rl^örung gläubig
60 gehjife mar.
9Jad^ abermaligem ®emeinbegefang fam bann bie ^rcbigt. 3lud^ il^r fel^lt jebe fterco^
t^pe gorm. §eut f)at er einen ganj furjen 2ejt bon toenigen 333orten, bie er in über^
rafd^enber Scgiei^ung ^u ben Scbürfniffen feiner §örer ju bringen toeife ; morgen fpricbt
er in grünblid^er (Sjegefe über ein auSgcbe^nteS lejtfajjitel. ©eine ^rebigt fuc^t ben
66 ©ünber jur Su^e ju leiten, bietet aber auc^ bem geförbertften ©Triften reiche ©eelcn^
nai^rung. 3Bo^l jjrebigt er immer bie Sotfc^aft bon ©ünbe unb ®nabe unb bringt auf
bie Sefel^rung beS ©ünberS, aber er ift beSl^alb boc^ fein ©rtoectungSl^rebiger im Sinne
bcS mobcmcn geiftUc^en ©pc^ialiftentumS. SluS ber Überjeugung, ba^ ber ®laube qu^
ber ^rebigt fommt, ertoä^^ft il^m bie 2lufgabe, baS ganje ßbangelium mit ^eiligem 6m{i
60 feinen ^örem an^ $er) }u legen, aber auc^ bie gläubige ®en)i|^eit, ba^ ®ott fein SBort
706 ®)ittrgcon
©abc bon §crjcn erfreuen. 3lid)i^ h)ar il^m ja fo berl^afet tüte bor Äirc^enfAIaf, unb
ilE>n ju t)erfcl^eu^en, ruft er unbebenfUc^ ein ^eitere^ Säckeln in ben 9)iienen feinet
3u^örer l^erbor. ©o fc^ilbert er eine l^ertoorftec^enbe gornt lanbläufigen 9iamen(^rifteni
tum« in fo naturlüal^ren ftarfen garben, ba^ bie 3SerfammIung über feiner launigen
6 aiu^malung gan^ be« ßrufte« ber ^rebigt t)ergifet. 3)ann aber überrafc^t er bie ^örer
mit einer })Iö^Iid^en SBenbung auf« ©eiftüc^e, unb fie muffen befd^ämt erfennen, bafe fic
i^re eigne Il^orf^eit grünblic^ berlacbt l^aben. @r liebt biefe Überrafc^ungen. ^Ritten in
feiner ©c^ilberung unterbri^t er ftd^ unb toenbet ftc^ mit bringlic^em @mft an einzelne
in ber Serfammlung, beren Oebanfen unb ^erjen^juftanb er mit einigen marfanten
10 SKorten rjerblüffenb fennjeic^net. 3)ie SBirfung toar oft überlDältigcnb, unb münblicb
ober fd^riftlic^ ^aben e« if^m t)iele befannt, burd^ fold^ eine gnt^üBhmg i^rc« 3""<^"^
ju aufrid^tiger Sufee gelangt ju fein.
@g liegt in ©J).g ©teuung jum Snfjjiration^bogma, bafe er ba« Sllte unb 5R1 öötti^
Sleid^ teertet. SBäirb er au^ ni(|t mübe, bie großen §eitetl^atfad^en bcd neuen 9unb€4
efonber« f^erborgu^eben, fo fielet er bo^ ba« altteftamentlic^e 3Bort ftct« unter bem
®eftd^tgh)infel ber ncutcftamentlic^en ©rfüttung. 2)a« giebt feiner ^JJrebigt ettea« 3^*^
lofeö. SBo^l ijerftel^t er bie Sefonberl^eit feine« 2^erte« xumeift treftenb ^crtoorjubebcn,
unb namentlich feine „altteftamentlic^en Silber" fmb 3Reifterftücfe leben^etreucr Gbarof:
teriftif unb geiftlic^er ^orträtfunft. 9lber feine enge (Scbunbenl^eit an ba« geoffeiiboile
20 SBort beranlafet il^n, unt auc^ ben entlegcnften lejten il^ren Gtoigfeit^finn abjugetoinnoi,
feine §ilfe ju geiftlic^er ©c^riftau«beutung ju nel^men, bie bor ber nüd^terncn Gjegcfc
nic^t beftel^cn fann. 3P «"^ fc'"^ 2lu«Iegung im ganzen burc^au« gefunb, fo ift er ber
®efal^r berSlüegorefe, toel^e er feinen ©tubenten fo lebi^aft t)or3lugen fül^rt, nicbt immer
entgangen. %xzilid^, er rjerliert ftc^ babei nie in bie fleinlic^e, übergeiftlic^e ©pielcrel,
2r> teelc^er bie 3Jl^ftif ©elbftjioedt toirb, unb finbet immer ben 2Beg jurücf ju ben toeltbeiocgcn:
ben ßeitegebanfen.
^a^ er auf fte beh)uf;t ftc^ befc^ränft, mac^t feine SBirffamfeit ju einer fo überaus
gefegnetcn. SReid^te boc^ feine (Semeinbe loeit über bie ©renjen fionbon« ^inau« in di
2Belt. Unb loeld^e ungejä^Iten Grfolge neben feinem münblic^en 3^w0ni« ben gebnidtoi
3o5prebigten befc^ieben toaren, toer bermag ba« ju ermeffenV 6in ^aftor, beffen Äan;cl=
reben lange ^di ^inburc^ an jjebem ?Kontag nac^ 3lttt> 5)orf gefabelt tourben, um in b«i
angefe^enften 2^age«5eitungen m erfd^einen, ja beffen' ^JJrebigten ein rcic^^cr SScrcbw
3)Jonate l^inburd^ in einem aujtralifc^en Slatt al« gnferat brurfen liefe, mu| eine c^i--
toaltige 3)Ja^t über 5)lenfc^en^er;^en gel^abt baben. ^n 2(frila« ©infamteit bat ber
35 fterbenbe Siüingftone an ©p.« ^rcbigten ftarfen lobeetroft gel^abt, unb ein armer ^icga
bem jufättig eine Plummer ber 9Kod^en})rebigt in bie §änbe fam, ift burd^ fein (Slaubcn*^
jeugni« ol^ne menfc^lic^c« Sw^'^wn bem ©bangclium gewonnen toorben. Soldbe fc^litfctcn
If^atfac^en führen eine tounberbar berebte ©J)rac^e. 3)er ftc^tbarfte Setoei« feiner o^i-
toaltigen S^^ätigfeit bleibt mit il^rem ausgebreiteten 3Riffton«loerf bie grofee ^abemacb
iogemeinbe, toelcßer loä^renb ©j).« ^aftorat 14G92 ©eelen burc^ bie 3;aufc einverleibt
lourben. 5Joc^ ^eute blü^t fie unter ber umfic^tigcn Seitung feine« ©o^ne« X^oma«, bei
be« 3?atcr« £eben«loerf in ber au« einem Sranbe in neuer ©c^önl^eit unb gleicher ©rcBc
toieber entftanbenen Äirc^c fortfe^t.
Unb bie« au«crU)äl^lte Stüftjeug War fein 2Bunber^)rebiger, loie man e« feiner 3"9^^
46 oft j?roj)be^eit, baft er ein glänjenbe« 9)Jcteor am geiftlic^en ^immel fein tüerbe. 6r tpoi
aber aud} fein üRobeprcbiger, ber ben ßrfolg feiner ^rebigt burc^ Äon^effionen an ben
3citgcift erfaufte, teobon man ^eut nic^t feiten ba« §cil ber ^rebigt crtoartet ßr jtebt \
bor un« bielmebr al« ein altmobijc^er, ftarrer Puritaner, loel^er bon bem alten ^n^p--
ration«0laubcn nid^t ein ^ota prei«gab. 2tuc^ feine äußeren ®aben, fo glänjenb fic
50 tearen, erflärcn ba« ^^^änomen nic^t, bafe feine gebrurften ^rebigten nic^t minber trirtfam
finb al« bie münblid^en 3^"9"^ff^- 3lu« feinem SBirfen fjjrid^t ein 3)tann bon unbc:
bingter Slufrirf^tigfeit unb 3öabr()aftigfcit ju un«, beffen (Slauben unb Seben unlo«lid»
berbunbcn finb. ©r lebt, tea« er V^^^i^^Ö*/ ^^"" ®ott ift bie grofee Slealität feinem
Scben«. 9^cil er bor ®otte« älngcfic^t lebt, giebt e« in feinem Seben feine ^hioüi,
55 feine Unaufricf)tigfcit, feinen läbmcnben ^^^i^P^^t- 2Beil er feinem ®ott unerfd^üttcrlidi
bcrtraute unb fi(| mit ber 2lttmac^t in teeltüberioinbenbem Sunbe toufetc, barum bat fi*
©Ott fo tounbcrbar ju feinem SBirfcn befannt unb i^n ber ^albf^erjigen, jtoeifellabmcn
6l)riftenbcit ^u uncnblic^em ©egcn gefegt. 6r \vax nic^t« loeiter al« ein ^rebiger M
Gbangclium«, ba« aber nid)t nur mit ber ibm berlie^enen 5)Jac^t ber SRebc^ fonbem bid-
60 mel^r mit ber 3:l^at feine« fic^ für ®otte« 3leid^ berjel^renben Seben«. 2)en 3Kann, ber
@)iiirgeoit ^tatit unb Strebe 707
faft 40 3^^*^^ ö"f bcrfclbcn Äanjel geftanbcn, o^nc fid^ gu crfc^ö>)fen, ja fclbft o^nc fid^
merflid^ ju toieber^olen, ber nie ßcfeufjt pat unter ber Saft eine^ Scrufeö, toelc^er bielen
feiner ämti^enoffen gerabe toegen ber ftänbigen 9?ot, fid^ augju^rebigen, fo fd^toer auf
ber ©eele liegt, ber t)ielmel^r leud^tenbe« Slngefid^t« einem Sita gleic^ für feinen ®ott
eiferte, ben l^at fein ©rabrebner ftc^erlic^ ol^ne Übertreibung einen Princeof Preachers 6
unb Champion of Ood genannt. ®uft. ®iefe(bnfcf|.
©toot tttib Sirene. — ßtttcratur: Sriebbcrg, 3)le ©rcnjcn i^tüilcftcn Staat unb
Äirc^e unb bic ©aranticn gegen bereu SSerlcjjung, 1872; ^infd)iu§, ^laiiemeine 3)avftcaung
ber SSeif)«ltmffe \)on Staat unb Äircfic, 1883 (in ^arquarbfcn« .t)anbbud) bcö üffentlid)en
5Herf)t«I, 1); Äa^I, fic^r|t)ftcm bcä Äir(f)cnrcd)t§ unb ber Äirc^enpolitif, 1894, iöb I, 6. 246ff.; lo
(£. ZvoMdj bei ^inncbcrg, 3)ie Kultur ber ®cacniDart, $eil I, 9lbtei(ung 4, 1905;
9^. So^m, Äirdöcnredit «b I, 1892; bcrf., 5)a« Scr^ältnid uon Staat unb Äird)e an^
bcm SScgriff cntroidclt (3^SR 1873). — Ä. 3. i^eumann, 3)cr römifc^e Staat unb bic
attgcmcinc Äircftc bisJ auf 35iotIetiau, 1890; Zff. ^Kommfcn, Dlbmifc^ed Strafredit, 1899;
3. 53ur!^arbt, 35ie 3cit Äonftanttn« beS ©rofecn, 1891; 51. ^aurf, Slircftengefcöt^tc 2)cutfd)= 16
lanb«, 1887 ff.; ©. ßoening, ®efd)i*te be§ bcutfd)cn Äirc^cnrec^t«. 1878; g. 5^attenbufd),
ficörbuc^ ber tjergleic^cnben S^onfcfftonötunbe, 1892. — Ä. SRiefcr, 3)ic red)tnd)c Steöimg ber
ctjangclifc^cn Äir^e 3)cutfc^lanb§ in i^rcr flcfcftiitlicöcu (Sntroirfclung, 1893; beif., (S>runDfä|je
ber reformierten Äircöenücrfaffung, 1899; 3. SRültimann, Äird)c unb Staat in il^orbamerita,
1871. — ^. ficcomte, Rapport au S^nat sur le projet de loi concernant la Separation des 20
Eglises et de TEtat, 1905; % Sabaticr, Apropos de la Separation des ^glises et de T^tat,
q^ariö 1906; (S. ^J^aQcr, ^ic Äirc^en^oöcitSredjtc be« Äönig« öon SBaijern, 1884; 5. $)einer,
*3>er fofl. 2:oleran-^antrag nad) ber crften Beratung (5lrd)iü für Mt^ülifdjc« Äird)cnvc(^t, 1902).
— @. gocrfter, 5)ie Sntfteftung ber ^reuSifd^cn ßanbcöfirdjc unter ber ^Regierung Äbnig
Sriebrid) ©il^elmö III., 1905 ; % 9Jiebner . ©runöäügc ber ^^cnoaltungSorganifation ber 26
altpreuBifc^cn Öanbc^tird)e, 1902; 1^. SRiefer, Sinn unb ^ebeutung beö lanbe^^errltdjen ^ird)cns
regiment« (9lflgemcine (StjangcUfc^isfiuttierifdic Äird)enjeitung, 1902); ®. Äatüevau, Ucber ble
53ered)tigung unb SBebeutung be§ lanbc^^errlidöen tirdjeuregimentd, 1887; %f), taftan, 58ier
Äapitel üon ber fianbe8fird)C, 1903; The American and English Encyclopaedia of law,
^b VI, V<> church, S3b XXIV, V» religious society, 1903. 90
I. ®ie Oemeinbe G^rifti ftettt fte^ bar in äufeerlid^en 5IJlenfc^engemeinfd^aften. 3)a=
mit tritt fte auf ben Soben be« gefettfcbaftlic^en 3ufammenleben«, für meldte« ber Qtaat
feine §errfc^aft errichtet l^at, unb bie gtage erfdpeint, tüie ba« äSerf^ältni« jmifc^en ben
beiberfeitigen Drbnungen fw^ geftaltet.
3e nac^ bem ©tanbjiunite ber berfd^iebenen Sefenntniffe toirb bafür bon l>orn^erein 35
fc^on ein griJfeerer ober geringerer ©Jjielraum t)on 3JlögIic^iEeiten eröffnet fein. Unb jtoar
ift ma^gebenb, toa^ unb h)ie biel ein jebe« ate göttlichem SBillen gemäfe in 2lnf^ruc^
nimmt für bie äufeerlic^e ^orm unb 'ÜJlac^tentfaltung ber Äirc^e. Denn baraue ertoac^fcn
jehjeil^ gam bon felbft bie entfjjred^enben gorberungen gegenüber bem Biaat, ber nac^
tird^Ii^er Slnfc^auung biefe Drbnung ber Spinae nic^t binbern foH, hjie er äufeerlid^ ge- 40
nommen lönnte, fonbern im ©egenteil fid^ auc^ feinerfeit« barunter fügen unb unter*
hjerfen. SBo er bae nic^t t^ut, ba ift ber SBiberf^ruc^ ba: bie itird^e Hagt über Unrecht
unb fu^t in ftiHem ^Ringen ober in offenem Äamjjfe burd^jufe^cn, hjaiJ fte ben SBillen
®otte« nennt unb il^re ^eil^eit.
®« ift flar, bafe ber ^Punlt, h)0 biefer ©treit beginnt, t)er^ältni«mäfeig toeit nac^ 45
öorhjärt« gelegt ift für bie fat^olifc^e Äirc^e mit i^rer reic^ entfalteten, burc^ (Slauben^s
fä^e geheiligten §errfd^aft«orbnung (hierarchia) unb ber bafür in 2tnfj)ru^ genommenen
re^tlic^ hjirtfamen ^Regierung ber c^riftlic^enSSöIfer: totum saeculum gubernandum!
gür fie muß ^ einem fräftigen, t)oIIenth)idteIten BtaaU gegenüber faft ber orbentlicbe
3uftanb fein, bafe fte me^r ober minber if^r SRed^t ate berieft unb ibre grei^eit atew
unterbrüdtt betrad^tet.
aiuc^ bie reformierte Äird^e f}at rjon §au« au« i^re beftimmte, gottgetoottte SSer^
faffung unb ftellt bie gotberung auf, bafe ba« ganje äufeerli^e (Semeinleben unter bie
ftrenge ^ud)t be« ffiorte« ®otte« ftc^ ftelle, h)ie e« auf ®runb jener Serfaffung ge})flegt
unb jum 2lu«brudt gebrad^t hjirb. 3"^ Flamen biefe« i^re« SRed^te« f)ai fte ©ef^i^te ge* 66
mad^t, ftreitbar unb t^atenreic^ ipie bie fatl^olifc^e Äirc^e.
®anj anber« bie griec^ifc^e Äirc^e, n^eld^e t)om Staate nic^t« toeiter Verlangt, al«
bafe er ibren feierlichen m^^fterienerfüHten Ruitu« nic^t antafte. SBar bod^ ber ftam})f
mit ibm um i^rc Silber bielleid^t in il^rer ganjen ®efc^ic^te ba« ßrlebni«, ba« ihr am
tiefften ging. 60
3l^r ift an änfbrud^«Ioftgfeit ba« Sutl^ertum öertoanbt. Da« ß^riftenrjolf mufe ja
46*
708 &aat ttnb Sirene
irgcnb eine äu^crlic^c Drbnung f}aUn, bamit bic frol^c Sotfc^aft in i^m geben fönne.
aber btefe Crbnung \)at feine im toorauö beftimmte (Seftalt. 3)enfbar ift, ba| bie öe^
Seifterung alle SRed^t^formen erfe^en fott; aber auc^ jebe Slec^t^form ift gut, bei ber bos
eilbringenbe SBort unbeeinträchtigt fein SBerf t^un fann. 6^ ftel^t alfo nid^t« im SBcge,
6 bafe ber Btaat felbft eine folc^e Drbnung fd^affe unb beftimme. aScr^flid^tct ift er nm
baju, bafe er gehjäl^ren lafle. 9luc^ ba^ ijt nic^t Jotool^I eine ^Pflid^t gegenüber ber flinfrc
felbft, ali gegenüber ber ^rei^eit feiner ebangelif^en Sürger.
©0 ergibt ftd^ fc^on bom ©tanbjjunfte ber Äirc^e au^ eine grofec SJlannigfaltigleil
toon Strten, hjie baö SSer^ältniö jtüifc^en i^r unb bem Biaak gebaut toetben fann. %m
10 fügt aber aud^ ber Staat noc^ baig ©eine I^inju burc^ bie tjerfd^iebcnc 2trt, toie er baju
Stellung nimmt. (Sr fann fid^ ben gorberungen ber Äird^e unterwerfen, er fann bcn
freien ©})iclraum, ben fie i^m läfet, ju fc^r berfc^iebener Drbnung be^ Sier^ältniffc^ be
nu^en. @r fann aber aud^ bie ©ren^linie be^ beiberfeitigen 3Wac^tgcbietc^ einfeitig traft
ber ^errfd^aft, bie er in 2(nf})rud^ nimmt, anberö beftimmen unb bie Äircfee felbft oxii
16 gegen i^ren SBitten unter feine befonbere 3luffic^t unb Seitung jh)ingen. ©r fann au*
fo n)eit gelten, bafe er fte gerabejju mit harter ©ehjalt rjerfolgt unb untcrbrücft, fei c^ in
bermeintlid;em eignem SJntereffe, fei eö im 3)ienfte einer beborjugten SReligionögemcinfcbaft
Die toiffenf^aftliqe ©^ftematif ift beftrebt, bie mancherlei (Srfc^einungen , bie fi4
barau^ ergeben, nad^ gehjiffen Orunbformen ju orbnen. Sefonber^eitcn im einen ob«
20 anbem fünfte vorbehalten, entfjjric^t ber ^errfd^enben Sluffaffung too^l am meiften tk
folgenbe Unterfd^eibung.
Snthjeber bef^errf^t bie Äir^e ben Biaai, berart, bafe fie i^n ii^rcn 3*^<^<^ ^i^^fr
bar mad^t: ba§ fatl^olif^e Sbeal, hjie eö im 2Kittelalter au^gebilbet lüurbe, giebt bos
?Kufterbeifj)iel; 3:^eofratie, »^ierofratie, Äird^enftaat^tum fmb bie 3?amen bafür.
26 Ober umgefel^rt ber Biaai bemächtigt fid^ ber Äirc^e unb bel^anbelt i^re än-
gelegenl^eiten h)ie feine Slnftalt, bie er leitet unb hjo^l auc^ für feine ©onbergtocdfe bem^t:
6äfaro^a^)i^mu§, Serritoriali^muig, ©taat^firc^e.
Dag Dritte hjäre bann bie Söfung t)on ©taat unb Äirc^c. Damit ift junäcbft nur
bie Verneinung be« erften unb ^h^eiten gaüeg au^gefjjroc^en: feinet foll über ba^ anbere
30 fd^lec^t^in verfügen, fonbern iebeig foll feinen eignen 3^^dten au^fc^lie^lid^ bicncn. Damit
Verträgt ftc^ aber noc^ eine gro^e SJannigfaltigfeit Von })ofitiVen ©eftaltungen. 5?or aflem
toerben Sefonberl^eiten baburc^ entfte^en, bafe geh)iffe ©tüde au^ ben toeitergel^enben än^
f})rüc^en ber beiben anbem ©^fteme nod^ beibel^alten fmb. 9?ac^ ber einen SiAluna
fommt bag gum 2tu§brud burc^ bag fog. Soorbinationef^ftem. ©taat unb Äirc^c ftcboi
35 fic^ banac^ al^ VoUfonimen glcic^bcrecl^tigte Drbnungen gegenüber, in^befonbere bat ber
©taat ber 5lird^e gar nid^t^ ju fagen. Da^ toäre unbeftreitbar, toenn bie fatbolifc^e fiitck
— um fie allein l^anbclt e^ fid^ |ier — nur ba^ Ser^ältni^S beö 3)lenf^en gu @ott im
aiuge t}äii^. Da fie aber fel^r ftarf auc^ in äu^erlic^e Dinge l^ineintoirfen tüill, fo bc-
beutet biefe Soorbination eine 3Serneinung ber ©ouveränetät be« ©taate^, fo hjie er fie
40 feiner 9Jatur nac^ beanfprud^en \v'xÜ , unb fomit noc^ ein gute^ ©tüdt ber im „Äirckn:
ftaatgtum" beanfpruc^ten Übermad^t ber Äirc^e. Umgefe^rt fann ber Biaat einen bc-
fonbern 3lnteil in 3lnf}3ruc^ nehmen an ben Angelegenheiten ber Äirc^e, bic nidbt mehr
gerabeju al^ feine eignen angefeben tüerbcn, aber i^n boc^ me^r angelten ate bie einc^
geh)öl^nlic^cn isercinö; eine befonbere ftircl;en^o^eit enttoicfelt fic^ al^ eine fcbträcf'ac
46^orm be^ ©taat^fird^entum«.
Ci)m alle 3wfömmenl^änge mit ben beiben altern formen beg SSer^ältniffeö tritt
bic £öfung von Mird^e unb ©taat bann auf, h)cnn ber Biaai fic^ entfc^liefet, bic Äitck |
ju bc^anbeln afö ba^, ii;a^ fie, Vorauöfe^ung^lo^ aenommen unb ol^ne Slücfficbt auf bie
grofeen gefc^ic^tlid^en i^atfad^en, je^t eigentlich für i^nhjäre: ein 3[?erein Von Unterti^nfn, |
50 bie fiel) gu biefem befonberen 3*^^^^ Vcrbunbcn f)abtn, unb ber unter ben allgemeinen
©taatggefe^en über Vereine gu erlaubten 3^^*^" Pc^t. Da^ ift bie VoHc unb reine
Trennung von ©taat unb fiird^c. ©ie em^fiel^lt fic^ juglei4> burc^ eine großartige 2?cr=
einfacl)ung, bic fie mit fiel) bringt. Denn neben ben ioic^tigeren ßf^riftengcmeinfc^ftcn,
Äirc^en genannt, ^abcn fid) allmä^lic^ unter bem ©d^u^e ber mobernen Sleligionefreiböt
66 ^al^lrcic^e flcinerc ©cmeinfd^aftcn l^crauögebilbet, bie ber ©taat in Verfc^iebcnen Slb^
ftufungcn al^ Vereine, Äorjjorationcn, ^riVatfirc^cngefeUfc^aftcn bel^anbelte. Da^ triib
nun alleg auf eine unb bicfclbc ^ormcl gebradf^t. —
Dicfc ganjc ©inteilung^tocifc mufe natürlicl) ein ftarf fd;olaftifc^eg Oejjräge tragen.
Die großen Söirflid^fcitcn ber ©cfd^ic^tc fügen fic^ bod; immer nur annä^emb in ihre
GoJlubrifen. Die 3^ce ber ©taat^fird^c j. V. ift burc^aug nic^t überaß biefelbe; bieüber>
(Btaai ittib Strebe 709
ma^t bc§ Staate^, bcr bic Äird^c ft^ bicnftbar nmd^t, fann in fc^r bcrf^icbmcr SKcifc
begrünbet fein unb jum 3Sorfc^cin fommcn. 2)te Übermacht bcr Äird^e anbcrerfcit^ ifl
iö jw gegebener ^tii aU ein tounberbar gefc^Ioffene« S^f^cm bon 3tnfrrü^en formuliert
unb logifd^ begrünbet hjorben; e^ fäme aber auä) l^ier barauf an, toie t)iel bat)on aü^
gemein unb in bauember SBeife burd^gefefet n)urbe. Überl^autJt ift e« ein })Iumt)e^ 3Ki6« 5
öerflänbni§, hjenn man biefe hjiffenf^attlid^en ßinteilungen nun fo auffafet, alg toären fte
ben 9)knfd;en jur SBJal^I geftettt, um nac^ älbtoägung ber jeber eignen Vorteile unb 3la(i):^
teile fic^ baiS ^hjecfmä^igfte Schema au^juh)äl^Ien. §ier ^anbelt e« ftc^ um ^runbfäfelid^c
atcd^t^orbnungen unb bie mad^en ftc^ in ber Siegel nid^t fo einfach bür^ freien SBäiuen^s
entfc^Iufe, fonbern Serben übertragen bon einem geitraum auf ben anbem unb bon einer 10
aJJenfc^engemeinfd^aft auf bie anbere. @d erben fic^ ®efe^ unb Siechte! 3)ag gilt auf
feinem ©ebiete \mi)x ate ba, too bie Ootte^beref^rung f^ereinfpielt. ©elbft Wo neue
Äräfte großartige Umhjähungen botljie^en, fu^en fie rjon jel^er bie gorm ju toa^ren, ate
griffen fie nur jurürf auf baö 3llte. 2)ie 3cit be« Äönig« 3«>Mf ^^"^^ ^'^ Umarbeitung
ber i^raelitifd^en Überlieferungen im (Seifte be^ neuen ©efe^e^ betoirlt, $Pfeubo-3ftbor, 15
bcr bie beanfj)ruc^tcn ©teigerungen ber ÜKac^t ber $ierarc^ie atö alte« di^d)i ^inftettte,
bie SHeformation felbft, meldte fo mannigfach auf bic urc^riftlic^e ©emeinbe ftd^ berief, fte
alle fmb 3eugen bafür. ©0 ift in^befonbere au^ bie Orbnuna be« Ser^ältniffciS jtoifc^en
(Biaat unb Äirc^e in ber auggeprägteften SBeife ien)eitö ererbt öon früheren Iirc^lic$en
^uftänben nid^t nur, fonbern aud^ au« ^eibnifd^en Slnf^auungen. Die größten religiöfen -'o
Umh)äljungen jerreißen nic^t nottoenbig ^uglcic^ aud^ biefen 3ufammen^ang. SBäo fd^cin^
bar mit jäl^cm ßntfd^lufe ju einem ganj neuen ©vftcme übergegangen toirb, ift e« in
aSal^r^eit oft nur bie Sefolgung be« SBeift)iel« einer anbem 5Ration, beren gül^rerfc^aft
man bamit anerfennt, eine anbere Strt ber SJererbung. SBo ein berartiger äußerer Stn^
ftoß fel^lte, erhalten ftc^ auc^ ööllig überlebte formen — Vernunft toirb Unpnn, 9Bol^l= -^5
t^at $lage — , bloß toeil e« fo fc^toer ift, auf biefem ©ebiet ben ßntfc^luß ju 9lcu=s
fd^ö})fungen ^u finben.
II. all« bie (S^riftengemeinfd^aft in bie SBäeltgefd^ic^te eintrat, fanb fte getoiffe ©runb*
fä^e bor, bie maßgebenb hjcrben mußten für bic ©tcHung bcr toeltli^en Dbrigleit gegen-
über einer berartigen gorm bcr ®otte«toerel^rung. ^
25on §au« au« unb bon ben erften gefc^id^tlid&en anfangen an fte^t ja bcibe«,
Dbrigfeit unb ®otte«r)cre^rung überall im innigften ^ufammen^ang. 2)er $äu^tling bc«
ro^en ©tamme« unb ebenfo nad^^cr bcr Äönig ber erften ©cmcinfd^aft, bie ben 9?amen
©taat berbicnt, bereinigt in ftd^ orbentlidS^erloeifc bie brei 3"ftÄnbigIeiten be« Siebter«,
be« ^eerfübrer« unb be« "ipricfter« — Vertretung be« SJolfc« gegenüber ben einzelnen '-^0
3?olf«genoffen, gegenüber bem geinbe unb gegenüber ber ©ottl^cit. SRcligion ift ©taat«:^
angelegenl^eit.
SQäo bann in hjcitcrcr enttoirfelung biefe britte Aufgabe einem befonberen ^ricftcr«
ftanbe übertragen h)irb, bleibt bo^ ein getoiffcr 3wffl"^»"^"^öng getoal^rt. ßnttocbcr h)irb
bem Äönig burc^ 3Öei^ungen, ©egnungen, ©albungen bon feiten be« ^rieftertum« ein 40
änteil getoä^rt an bcr biefem eignen befonberen §eiligfcit. Ober umgefel^rt, ber Äönig
bcf^ält [xd) no^ bie ©tellung bor al« Oberhaupt be« bem ®otte«bienftc gehjibmeten
Beamtentum« mit bem Vorrecht befonber« bebeutfamer gotte«bienftlic^er aSerric^tungen ;
eine nähere Sejiebung feiner ^ßerfon gur ®ott^eit berftel^t fid^ babei bon felbft.
Da« le^tere toar jur Seit ber Srfd^cinung be« gl^riftcntum« bic Orbnung im 45
römif*en Staat, ©cit bem ^al^re 12 b. 6^r. ftanb bcr Äaifer al« pontifex maximus
an bcr ©})ifce ba« ©afralh)efen«. SBä^rcnb biefe« burd^ bic 9lei)ublif bom j)olitifc^cn
SHegimente jtreng gejonbert hjorben mar, Ijiattc c« ftd^ jc^t toiebcr bamit bereinigt unb
baburc^ ganj bon felbft eine f^ärferc re^tlic^c 3lu«Vrägung erhalten.
e« fmb fclbftbcrftänblic^ bic ®i>ttcr be« römif^cn aSolte«, bencn bcr offizielle Äultu« so
gilt. 2lber Som ift ein aSJeltrcic^ gehjorben unb bentt nic^t baran, feine ^errfc^aft fic^
^u erfc^toeren burd^ ben Kampf mit fremben ®üttl^citcn. 3llle Äulte bcr unterworfenen
45ölfer finb mit großartiger Dulbung ju freier £cben«t^ätiglcit in biefem SRcid^c ju^
gelaffen. Die ^errf^enbc iRcligion, bic be« ^errf^enben 33olfc« unb feine« pontifex
maximus, ge^t nid^t barauf au^ bie anbem ju untcrbrürfcn. »
Unb gleid(|h)ol^l, al« nun jum erftenmal bic grage auftaud^t nad^ bem Scrlj^ältni«
jhjifd^en ©taat unb d^riftlic^er itircl^c, ba geftaltet fid^ biefe« un^eilboll. Die 3al^r=
lunbertc bcr SScrfolgung fmnjcic^nen e«. Sonnte ettoa« grieblid^ere«, ©rgcbcncrc« gebac^t
toerben al« eine 3)lenfc^engemeinf(^aft, beren §crr unb ^Steiftcr geboten ^atte: gebet bem
Äaifer n)a« be« Äaifer« ift? Darauf lam c« aber für bic römifc^c DcnftDcifc nic^t an. eo
710 ^iaai ititb Striae
35ic Oott^eitcn toaren l^icr rein juriftifd^ cingcorbnct toorben in ba« ^rofec (San^c. Sem
f}at bie feinen. 2)ie UnterlDorfenen brachten bic irrigen ^inju, unb ^e tourben geacblct,
gleich anbeten Sanbeefitten unb Sanbeörec^ten, um be« Sollet unb be^S Staait^ toiDen,
bie man bem JHömerteid^ ^injut^at. 6ö hjaren ebenbürtige ©ott^eiten. Slucb go^
ö galt al« folc^e. 2lte g^wf«'^"^ jerftört tourbe, h)ar er be^joffebiert; er tourbc gtei^iroH
nod^ toeiter geartet, mit einigen Sebenfen \r>oi}l 2)er ß^riftengott bagegen ^atte mc=
mal« ein 3}oIt unb einen ©taat fein genannt, er pa^tt nic^t in bie römifd^c gormel, er
toar lein ®ott im ©inne be« ©efe^e^. 3)aber bie ßl^riften aÖ Slt^eiften t>crfol0t touibcn
2)a^ man fie jtDang ben ©taat^göttern ju opfern, toar nur ^um ^tDci ber SfÖibcrleaung
10 be« aSerbac^te^ fold^eö 3tt^eiömu§. 2)ie SHömer hjaren bon jel^er ein frommet SJoIf gc?
toefen unb l^ielten baran, fid^ atö fold^e^ Iräftig m beti^ätigen, auf Ü^rc Srt naturlu^.
2)anacl^ f^aben fte aud^ im fi^äteren Verlaufe ber SBeltgefdbic^te ael^anbelt. —
Site nun ber entfc^eibenbe Umfc^toung lam, ber ($riftli(^e Äaifcr, tvaxh ber äußeren
®eftalt be3 G^riftentumg unb feinem 1?erl?ältnig jum ©taat bie enbgiltigc gorm gebeten
15 für lange ^^\t aber ber 3«^elruf be« 3Ct)ofteIg: ftel^e, e^ ift attc^ neu! pa^t ^ieraiii
leine^toeg«. 2)er §albl^eibe Äonftantin l^at bie mefentlic^en ©runblagen an^ bem Sütoi
mit l^erübergebrad^t. 35ie ©teDung eineö pontifex maxiraus, bie ber Äaifer mit feiner
biftatorifd^en (Sehjalt toerbanb, hjeit entfernt burc^ ben SSerfatt be^ altrömifc^en (Slauberö
geringer ju iDerben, I^atte injiDifd^en burc^ bie naivere Serbinbung mit bem Dtient an
•3) Äraft unb J)^|antaftifc^em ©d^hjunge gewonnen. ©clbftberftänbUc^ hjar jje^t biefcr Äaifcr
lein gelDöl^nlic^er ßl^rift, fonbem membrum praecipuura in au^cfj)ro(^ener SBeife,
unb bie gorm, in ber er bag toar, gab feine ererbte ©igenfc^aft aU pontifez maximus.
6r nennt ftd^ nid^t mej^r fo, tüenn er auc^ big gegen oaö 6nbe be^ 4. Qa^r^unbertö bie
2^ra^t trägt. Slber bie Sejeic^nung ate rcöv ixrdg iniaxonog ober episcopus uni-
25 versalis ift nur bie Überfefeung be^ SBorteö ing ßl^riftlic^e. 2)er eigentliche j)riefterli(tc
2)ienft ift natürlid^ abgeftreift. 9?ur toad ft^ in obrigfeitlic^en formen auöbrüdfen lofet,
Jja^t für biefeg Äirc^enl^aupt; aber ba^ bringt e« auc^ alied mit: bor aUcnt bie fe
nennung ber h)id^tigften ^riefter, auffielt unb 2)igjij)linargeh)alt über ba^ gange ^ßriefter-
tum. e^ bringt auc^ mit bie alte §üterfc^aft ber ^Pflic^ten, bie um ber ©ötter tt)iilcn
3i» t)on jebermann ju erfüllen ftnb, ber leges regiae; ba^ erl^ölt je^t, too bie recl^te gefcre
fo hjic^tig tüirb, feine befonbere Sebeutung. Unb atte^ baö toirb Stecht, lüirb ®cfc|
unb äufeerer SRec^tgjtoang burdb fein, be^ Äaiferö SBort. "'Otuq iyo) ßovkojuLox tovxo
xavcbv vojuiCio&o). Baodevg-hQevgf „©ieger im Ärieg unb Se^rer beö ©laubene",
aUe« l^äuft fic^ auf biefen SKittel^untt.
H6 ©0 h)irb bie Äirc^e eine Stnftalt beg ©taate^ unb burc^ il^n jugleic^ eine umfafjenbc
ßhJang^anftalt. 2)enn mit ber alten beibnifc^cn Soleranj ift ^ toorbei; bie 3bee ber
regiercnben Sanbc^götter verträgt fic^ nic^t mit bem ß^riftentum. 3)ie nämliche 3?cr=
folgung, bie e^ felbft juerft im 9Jamen ber SReligion erlitt, bernidbtet je^t ju feinen
©unften bag .^eibentum. ©ie bemic^tet ebenfo bie innerhalb ber Äird^e auftaucbenben
40 Sonbermeinungen, benen ber jeioeiligc Äaifer hjiberftrebt, eö fei benn, bafe bie re»oIutic-
nären ©lemcnte ftarf unb auiSbauernb genug finb, um toieber einen günftigeren Äaifcr
px erleben. SHeid^^ange^öriger fein unb rechtgläubiger ß^rift fein, trifft noth>enbig siu-
fammen.
2)ie 3:rennung Cftromö bon bem anbeten Sebenö DoUen Slbenblanbe gab 33t»;ian5 bic
•15 gteibeit, biefe«; fein ©^ftem tein ju entfalten. 2)ag tuffifd^e 3ö^^tum ^at bann bic
Grbfcl^aft übetnommen. ©eit ^ßetet bem ©tofeen ift fogar bet ^ßattiard^ mit feinem
©d^cin einet fitd^lic^en ©Jji^e befeitigt; bafüt ftel^t bet ^eilige ©^nob — öielleicbt bie
9tacl)abmung eincg lutl^etifc^en Cbetfonfiftotium^':^ — ein ÄoUegium auö ©eiftlic^en unb
gcmö^nlid^en Staatsbeamten, alg 3[5otfi^enbet iool^l auc^ einmal ein ©eneral, ofle^
50 miUcnloS in ber §anb beS ^ax^n. dUd) ^obiebonoöjeh), bem mafegebenben SKann ber
legten 3cit, ift ber ^\v^ä ber litc^lic^en Dtbnung, bie ©tätfung beS ©taatc^ babunf«,
bafe et „jugleic^ baö tcligiöfe ßlcment tejjtäfentiett". 9lu§ttitt auö ber ©taatöfircbe n?ar
folgerichtig biebet bei ©ttafe betboten; man bcl^au})tet eS fotte je^t anberd toerben,
SDiefcS ©taatslircbcntum b^jantinifd;et 3ltt fenn^eid^net fid^ auc^ burd^ bic religicjc
55 Söeibe, mit toctd;et bie ^^^sctfon beS ikifetö umfleibet toitb. 3)et 9lamc 2luguftuS beutet
batauf bin ; et begtünbct füt t)en l^cibnifc^en Äaifct eine Slnioattf^aft auf Vergöttlichung
nac^ bem iobe. Der cl>tiftlid> getootbene tömifdie Saifet ^at ben iitel beibe^lten; er
felbft toutbe bem Kletue;, bem heiligen ©latibc bet Äitdbe jugeted^net. ®er gar Idfet
eine 3lrt Dtbination im Ätcml mit fid; botncl5>"^cn, bie ihn jum Statthalter ©ottc^
^) ioeil;t. —
®iaat itnb fttrc^e 711
Syä^rcnb ^icr axii bent bottcn §cibcntum l^erau« alle« in einer geraben Sinie ju
herlaufen fd^eint, ^at im 2lbcnblanb mit ber 2:eilunfl be« römifd^en Seic^ö bie jtDeitc
cifjenöeartete gorm be« SJcrJ^ältniffetg jtoifc^en ©taat unb Äirc^e ftc^ ju enthjicfeln be^
gönnen. 3)ie SSorau^fe^ung bafüv toar, bafe l^ier bie gehjaltige Srfc^cinung be« aUe«
auffaugenben antifen ©taate« afebalb ba^in fd^iDanb unb an bie leere Stelle jhjei neue 6
iSlä6)U ixaUn : ba« ^apfttum unb bie germanifd^en, f})äter jum 3^eil romanifterten Äönigs
reiche. 3^if^^ ^i^^" btihtn f})ielt bie grage.
SBie in ben Stürmen ber SJöIIerhjanberung bie ftaatlic^e Drbnung na^ unb
nac^ i^ufammenbric^t, bleibt ber geiftlic^e ^wfammen^ang mit bcm fc^on immer $ert)ors
ragenben Sifc^of bon 9lom gunäd^ft allein unberfe^rt ; ber berfinfenbe Äaifer Ilam« lo
niert \iä) gerabeju an bicfcn einzigen feften ^ßunft. 2)a« ®efe^ SJalentinian« III.
bom ^ai}xt 445, tüeld^e« allgemeinen ©e^orfam gegen bie 3lnorbnungen be«
^a^)fte« borfc^reibt, ift eine 2lrt Srbe^einfeftung. SJiefer 6rbe nimmt nun auc^ allen
CSmfte« ben faiferlic^en litel eine« pontifex maximus an. 3R\t btr Kirchen«
regierung beanfpruc^t er jugleid^ ein gute« leil ber bi«^er fo eng bamit r^erbunbenen is
tüeltü4>en Dbergehjalt, grunbfä^Iic^ atte«, h)a« mit feiner lljriefterlic^en Sigenjd^aft fid^
bereinigen läfet. So bermijt^t ftd^ ber religiöfe S^raum einer civitas Dei mit ber
2:rabition be« bem römifc^en ilaifer jufte^enben imperium mundi. 2)er Älafftler ber
))äpftlid^en Staat«t)^iIofopl^ie, 2^^oma« öon Slquino bel^au})tet, im 3lnfd^Iufe an bie fog.
Äonftantinijd^e Sc^enfung, gerabeju eine 9lec^t«na^foIge: cessit in imperio beato Sil- 20
vestro, fagt er bom Äaifer.
3)em gegenüber ^aben fufi nun in ben Irümmem ber alten Äultur bie (Sermanens
ftämme eingeri^tet. ^l}xt 33ete^rung toar o^ne gro^e Sc^toierigfeiten erfolgt, aber auc^
o^ne il^nen fel^r tief ju ge^en. 3Sor attem toaren fte bon 9latur ganj unfirdf»lid^ toeran^
lagt; für bieÄird^e, loenigften« toie fte nun einmal auf römifd^em Sobcn getoad^fen toar, 25
fehlte i^nen ber entfjjrec^enbe Sinn. Sd&on ^nlxu^ ßäfar I^atte beobachtet: nee Drui-
des habent, qui rebus divinis praesint, nee sacrificiis Student, ^a« toirb je^t
bebcutfam genug. 3""ö^ft berl^inbert bie ^wge^örigleit ber germanifc^en Stämme ^um
3lriani«mu« no^ eine ,^cit lang bie engere Serü^rung. ©ot^en, Surgunber, 3Sanbalen
l^aben il^reÄircben für ftd^, gefc^ieben bon ber ber ^robinjialen unb burc^ bie 9Jatur ber 30
Sadbe ganj unb gar angemiefen auf ben l^enfd^enben Stamm unb fein ^aujjt. I)ie
Sifcböfe fmb Oro^e be« Äönig«, loie anbere auc^. 2)ie unterworfenen lat^olifc^en ^ro=
binjialen toerben ungefäl^r bel^anbelt toie bie ^^J^anarioten bon ben 2^ürfen: man läfet
i^nen i^re ginric^tungen unb fielet in ben Sifd^öfen i^re geborenen ^ü^rer unb aSertreter.
3luc^ ber Übertritt ber ^anfen jum Äatl^oliciömu« änbert junäc^ft nic^t biel; bie Sifc^öfe 35
loerbcn auc^ ^ier berantn)ortlid^ gemad&t für bie Unru^^en ber ^robinjialen. Unb al«
mit junel^menber SBerfd^meljung ber klaffen ba« Ser^ältni« ein innigere« ioirb, ba läfet
fic^, ganj nac6*2lrt ber arianifd^en SJölfer, ba«aSorbilb toirft natürlid^, auc^ ber granlem
iönig in feine Äirc^e nid&t« brein reben, namentlich bom $aj)fte ni^t. SBon ber S^ee
eine« ßaodevg legevQ ift er be«^alb noc^ locit entfernt. Sejeic^nenbertoeifc ftel^en \)kU
me^r bie materiellen Öintereffen ^ier ftarf im i^orbergrunb: bie Äirc^e lommt bor Slttem
in aSetra^t al« grofee Seft^erin. Sie ^ranfen ^aben aud^ bie Säfularifationen erfunben
— früher ^at man nur feinblic^en 9teligion«gemeinfc^aften gegenüber an 3}ermögen«s
cinjiel^ung gebadet.
2)urc^ 5JJi^)pin unb Äarl ben (Srofeen änbert fid^ ba« Serl^ältni« ju 9lom. 33ei 45
ber SKieberl^erfteUung be« abenblänbifd^en ilaifertum« burd^ ben lefcteren fommen un*
bertennbar b^xantinifd;e gbeen in« Sjjiel. 3)ie eignen 3Belt^errfcpaft«gebanIen SRom«
fd;cinen ju fc^lummern. ylifolau« I. tourbe in ber germanifc^en SJBelt nic^t berftanben.
2öie ber Sc^toer})unIt ber europäifc^en ©efc^ic^te ftd^ auf beutfd^en Soben berlegt, glaubt
ba^er ba« Königtum ftd^ nic^t beffer ftü^en ^^u fönnen, al« burc^ bie 93eförberung feiner 00
33ifcböfe ;^u richtigen 9ieid^«fürften neben ben anberen, minber ^anblic^en. Otto ber ©rofee
boÜenbet biefc« SBerf, inbem er aud^ ba« geiftlic^e Oberf^au^t biefer dürften, ben römifc^en
^aj)ft, unter feinen Sd^u^ unb feine ^errfc^aft nimmt. 2)ie beutfc^en Sifc^öfe fmb
fc^liefelid^ in ^ol^em ®rabc bertoeltlid^t; bie Selel^nung mit 9leid^«gut ift i^r S^itel unb
ber I)ienft für bie 5Heic^«gefc^äfte il^re borne^mfte älufgabe. 2(^nung«lo« ge^t ba« ger- 06
manifc^e Äönig«tum in biefe ber^ängniöboHe Sa^n. ®regor VII. jerrei^t ben Schleier:
bie ^crrJd^aft«geloaltige Äirc^e entbüttt ihr $auj)t. 2)en 2)eutfc^en jum Setoufetfein gc-
brad^t ju l^aben, n)a« fte fei, ift fein gefd^ic^tlid^e« Serbienft.
5!Kan bejeic^net bie ^^\i, bie bamit anhebt, al« bie be« geiftlid^en Uniberfat
]taaM ober be« fiird;enftaat«tum«; toie borl^er too^l ber Staat ftd^ be« SHegiment« eo
712 <BUmt nnk fttrdfe
ber Ätt(^c bemächtigt ^attc, fo regiert je^t, fagt man, bie Äirc^c bic abenblänbifcfrcn
Staaten.
3&afyc \% ba^ bie Äirt^e bem Staate gegenüber je^t eine grofee ©elbftftdnbigleit 90=
iDonnen l^at. Sie l^at i^r Beamtentum fcft an bad ^m)fttum gebunben unb befotgt
6 einen großen Äreiö t)on öffentlid^en Angelegenheiten afö bie eigentliche ^^rägcrin bcr
Äultur: SBiffenfc^aft unb Unterricht, ärmentoefen, öffentlid^e Äranfenj)flegc, 3u^^ fogor.
3n grofeem ?Kafee f)at fie biefe 3:^ätigfeiten' bem 5!Jlac^teinPufe be^ Staate^ entzogen uiui
beanft)ruc^t im ©egenteil eine Cberl^o^eit über i^n felbft, toeldf^e fie nic^t mübe toirb m
ben fraftt)ottften Silbern jum 2tu«Jbrudt ju bringen. Der Btaai feinerfeitö ift rob unb
10 unenttoicfelt. §eertüefen unb ein Stüdt unbel^olfener S^f^J/ ^^^ *f* fo gienilicb afl«,
toa^ er leiftet. 6r fügt ftd^ iDillig barein, bafe er ber Äirc^e gegenüber ber minber toürbigc
fein fott. 3w^^W^" erleibct er auc^ burc^ innere ^arteiungen eine 5licberlage. 3(bcr
anbererfeitig übt er toieber eine gehjifle Stnjie^ungdtraft auf bie nationale ©eiftlid[»feit unb
fc^eut fic^ nic^t, Wo e^ fein mufe, bie Äirc^e feine gauft fül^Ien ^u laffen; er giebt eö
16 t)or, gottlob ju beiden, ate fid^ felbft aufzugeben. ®egen baö @nbe ber ^eriobe, toir
muffen ja f^ier immer eine SReil^e t)on S^^J^^w^berten ^ufammenfajfen, bilben fic^ fogar
Sled^töinftitute ^erauö, bie jur j^Ianmäfeigen ßinfc^ränmng ber Kreislichen 3Rac^tcntfaItung
bienen: placsetum regium, recursus ab abusu u. f. h). De^^alb ift ber geiftlitic
Uniberfalftaat boc^ m^^r nur blenbenbe Jl^eorie ate SBirflid^feit. 3)ie mittelalterlich
20 SBeltl^errfc^aft^nJtjrüc^e ^aben ba« alle an ftc^: auc^ ber beutfd^e Äaifer befaB je einen
folc^en unb ber b^jantinijc^e l^at nie aufgehört, fic^ atö ben einzig legitimen Imperator
mundi anjufe^en. 3Jaö 95ilb beö mittelalterli^en SSerl^ältniffe^ ^toifd^en Staat unb
Äirc^e ift e^er baö einer red^tlic^en ©leic^fteHung (Soorbination) mit toeit üorgcfc^obencr
3uftänbigleit ber Äircbe.
26 III. eine neue geit jie^t herauf, ate nun ber Staat beginnt feiner felbft betpu^i
ju iDerben, ate mit ber Slenaiffance bie antile Staat^ibee toieber auflebt. SlUe^ gebt
je^t in^ (Srofee. 2)ie aufgäbe be^ Staate^ mmal unb fein Siedet toäc^ft in^ Uncnblic^
$Polijei ift ber 9lame ber Staatötl^ätigfeit, hjeu^e bcftimmt ift, ba^ StBo^I ber SSoIf^enoilcn
%\x förbern ober, h)ie man fjjäter fagt, fte jur (Slücffeligleit au führen, ©agu gebort
90 fc^Iiefelic^ auc^ bie gute Vorbereitung jum 3^f«i*^/ toelc^e bie Äird^e beforgen foll. Ta-
l^er nun immer eifriger bie ftaatüc^e Slemü^ung, il^r SBerf in ®ang unb guter Crbnun^
ju j^altcn, ilultugjiolijei ^u mad^en. 3)ag fül^rt ^u erl^ebli^en ßinmifcl^ungen be^ Stöatcs
m i^re Angelegenheiten ; er bemächtigt fic^ fogar hjieber einmal in größerem ober geringerem
2Ka^e i^rer Drganifation unb Seitung. 2)er berühmte Sa^: „dux Gliviae est papa
36 in suis terris", bie Sleformma^regeln ber bat^erijc^en §erjoge, be^ §erjog« ©eorg i?pn
Sac^fen, Submig^ XIV., S^ff^jf^^ IL unb jule^t, um bie £inie biö ju ©nbe ju Verfolgen,
in ber DoUenbetften SBeife bie Constitution civile du clerg6 bon 1790 — fie geben
ßeugni^ bon ber eigentümlichen Okftaltung be^ gegenfeitigen SSer^ältniffe^, bie ba ent-
fielt, ß^ ift hjieber eine neue 2lrt Staat^fird^e, iDeber getragen öon einer btoj^antinifcben
40 §eiligfeit bc^ Staat^oberl^autote^, nod^ Don einer rjerftänbni^lo^ jugreifenben gcrmanifcben
Ürh)üc^fig!cit; ein tücltlic^e« Äulturibcal giebt bem Staate bieÄraft unb ba^ gute®eh)if|cn. —
§ier gilt e^ aber inne ju galten, um be^ grofecn ßreigniffe« ju gebenfen, ba^ quer
hinein in biefe (Snth)idelung tritt: ber Skformation. 6g hjar i^r Sc^icffal, mitten ins
erfte 3tuffc^äumcn Jjolijciftaatlic^er ^bccn gu fallen.
45 2öag foH auö ber neuen G^riftengemeinfc^aft toerben'^ (Sine äufeere Drbnung ift
nottüenbig; tüol^er foU fie fommen? ^u^^f^^f^) ift ba^ eine grofee grage. gür Sutbet
tvax e^ eine fleine ; baö barf man nie bergeffcn. SBenn nur 3Bort unb Saframent reibt
gelten, fo ift e^ gleic^giltig, n)ie baö beh)irft toirb. Sa^ fac^lic^ SBort unb Saframeiit
rid()tig ju finben fmb, bafür forgt bic cüangelifd^e 2:i^eologie. 2)a6 Slaum für fte h?erbe,
60 bag mag bic ß^riftcn^eit fid^ gemeinbch)eife jc^affen; anlaufe bagu finb ja gcmacbt
iDorben. 3lbcr noc^ einfad^ier ift eö, bie d^riftlid^e Dbrigfcit, bie ja fid^tlic^ bagu ba ift,
bcrglcic^cn tüabrjuncl^men, nimmt cö in bie ^anb. 2)ag lanbc^^enlic^e Äird^enregimcnt
entftcbt, ah ba^ rcifftc ßr^cugnig bc^ ^^.^oli^eiftaatcg bc^ 16. Sa^r^unbert^.
2Bir fagcn: lanbe^J^enlid^c^ Äircl^cnrcgiment, h)cil iDir an bie (Seftalt benfen, in
65 h)eld;cr bic Sac^c un^ bcutjutagc üorncl^mlic^ entgegentritt , an ben dürften alö Präger
bicfcr ©ctDalt. Unb imr p^ko^m eine bcfonberc (Eigenart ber lut^erifc^en Seite be^
^^rotcftantiömu^ bamit 5U meinen, meil bei ibr Dorncf^mlid^ biefed SBerbältni^ ftcb au^
gcbilbct unb feftgcfc^t bat. ^od) liabcn rc^ublitanifd^c Stabtobrigfeitcn bon 2lnfang an
ganj in ber gleiten Seife bic Äird^ie regiert, unb aud^ bei ben Reformierten hjurbe bem
60 äußeren ^Berl^ältni^ jum Staate junäcl>ft feine anbcrc ©cftalt gegeben.
^iaat ttttb fttrc^e 713
SJei bicfen Aber, in^bcfonbcre beim gafoini^mu^, cnttüirfeltc fic^ atebalb eine folgens
fc^toerc aiei^e neuer gorberungen unb ßinric^tungen. ßntfrreci^cnb bem religiöfen SBert,
ben ber ßalöini^muö ber äu^erlid^en Drbnung be^ ß^riftenbolle^ beimaß, mu^te er e3
ganj anberö em>)finben ate ba« Sutl^ertutn, toenn ber Staat fid^ nid^t glatt in bie i^m
^^ugebad^te SloDe fügte. 6« traf ftd^ aber, bafe er feine Slu^breitung gerabe in fold^cn 6
Sänbem fanb, h)0 bie gürften t^m feinblic^ entgegentraten. $ier tourbe er rebolutionär.
Unb burc^ feine itämjjfe n)urbe t^atfäc^Iic^ ba« ganje Denlen über ben ©taat in neue
Stiftungen gelenit. 2ln bie Sart^olomäu^nac^t fd^Iofe fic^ ein leibenfd^aftUc^e^ Schrifttum
an, bie ©rujjtje ber fog. ?!)lonar^omaci&en, hjelc^e bie ^ßeriobe ber Äerrfd^aft be« SRatur«
rcc^tcg einleitete. 2)er Staat ift begrünbet auf einem urfjjrünglid^en 9?ertrag ber 9Jlenfd^en lo
unter einanber; bergürft l^at ein abgeleitete^ Siecht ; bie SJoIföfouberänetät iftbad logifc^e
ßrgebnig. 3" S)eutfc^Ianb entgelten bie ©elel^rten biefer legten JJoIgerung bur^ atterlei
fainftrjoHe SBenbungen. 3" ^^ großen norbamerifanifd^en 5le))ublil tourben bie Äonfe=
<|uengen gejogen; unb ebenfo bei ^oufjeau unb ma« an il^m l^ängt. 3)aö ift ber tounbers
bare SBeg, auf hjclc^em ber ßalbiniömu« an bem Königtum, ba« ibn jertrat, fc^liefelic^ is
feine SRa^e gel^abt l^at.
3ugleic^ toar ber Galbini^mu« auf fold^e 2trt in bie 9lottoenbigfeit gefegt, feine
Äraft ju betoä^ren, inbem er ftd^ feine eigne Crbnung fd^uf. SBJenn beim STufbau biefer
3?erfaf|ung bag Saientum unb bie teiltoeife au« il^m entnommenen SSerfammlungen eine
^erDorragenbe SRoIIe fjjielen, fo entf})ric^t ba^ biblifdf»en Slnlnüjjfungen, too^l aud^ 20
fc^toeijerifc^en SRemini^cenjen, bor attem aber fte^t eö in frud^tbarer SBec^felhjirlung mit
ben bem Staate gegenüber Vertretenen naturrec^tlic^en anfc^auungen. So entfielet toieber
eine bom Staat unterfc^iebene Äir^e, ein bom Staat^öolf unterfd^iebene« Äirc^enboII.
SBo bie Staatsgewalt befreunbet ift, berjögert ft^ bie älbfonberung oft noc| geraume
3eit; fobalb fte aber gegenüber lonfefftoneüer TOfc^ung ber Sebölferung auc^ nur paxu2b
tätifd^ h)irb, mu6 fte als frembeS SIement em})funben hjerben, bem leinerlei ßinflufe auf
bie Seitung ber Äird[>e mel^r jufte^en barf. 3" biefem Sinne ^at fid^, ben gorberungen
ber Äir^e gemä^, bie Trennung bom Staate fe^r balb in ber norbamerilanifd^en 9let)ublil
boUjogen. 2)ie bemolratifd^e ©leid^f^eit fül^rte bann bort baju, atte Sleligioni^emeins
fc^aften, eine h)ie bie anbere, ate einfa^e SSereine ^n bel^anbeln, bie bem Staate o^neao
alle Sorrec^te gegenüberfte^en. 2)od^ ift baS nic^t mit boHer Schroffheit burc^gefüf^rt. —
Die naturred^tlic^en ^itm über Staat unb Äird^e, toie fie unter ftarlem ßinfluffe
beS GatoiniSmuS fxd) auSbilbeten, l^aben feinerjeit auc^ i^re -Müdftoirfung gel^abt auf bie
beutfc^en SRec^tSjuftänbe unb bie Stcttung ber lutl^erifc^en Äird^e. 3)a« (Srgebnig hjar
aber ^ier nic^t eine 3^rennung, fonbem eine Unterfc^eibung. 35
2)ie Sieformation \)aiti ja bie Sorftettung feftgel^alten t)on ber einen großen ßl^riftens
^eit. 2)em Seil barjon, ber i^m anr^ertraut ift, bereitet ber SanbeSl^err Sd^u^ unb
SBo^lfa^rt in hjeltlic^en Dingen unb bie nötige gürforge für ©otte« SBort. gi^fofem
l^at alfo bie Äirc^e leine bom Staat unterfcbiebene Crbnung unb bebarf leiner. Sflun
aber toirb bie Il^atfac^e immer beutlic^er, ba^ ^ie g^iftenl^eit enbgiltig gef})alten ift unb 40
ihjar me^rfac^ gefpalten. Der nämliche SanbeSf^en regiert über Untert^anen berfc^iebenen
Sefenntniffeg. Die Hirc^e ift alfo notn)enbig ethjaS anbereS aU eine gleid^artige 3)?affe,
t)on tnelc^er jeber Staat fein Stücf beforgt; fte ift aud^ in jebem Staate ettoaö anbere«
unb unterf^ieben au^ bon biefem. Da« SJaturred^t giebt bie erflärenbe gormel: jebe
Äir^e ift, tüie ber Staat, eine ©efeKfd^aft für ftd^, ein coUegium. Der Staat, ba«46
oberfte coUegium, getoinnt auf biefe 9lrt feine DoHe SBeltlic^feit toieber. Die ©efc^äfte
jener anberen coUegia giebt ber 2anbe«l^err beöl^alb feine«h)eg« au« ber $anb, felbft«
öerftänblid^. ßr beanfjjruc^t im ©egenteil ba« Äirc^enregiment gleichmäßig bei aüm.
er beanf^ruc^t e« nic^t mef^r al« eine ^ppic^t ber ^riftlidpen Dbrigleit, ben ©lauben««
genoffen gegenüber ju erfütten, fonbem fraft 2anbe«l^o^eit, jure territoriali. So bilbet 60
fid^ ba« Softem be« 2!erritoriaIi«mu« au«. ^l)m folt nic^t t)ergeffen toerben, bafe e« bie
fjorm hjar, in iDeld^er bie 3:oIeranj fic^ burd^fe^en hjollte.
greilic^ bom naturrec^tli^en ^tanbjjunfte au« lag bie grage nal^e: toenn bie Äirc^e
ein gefonberte« coUegium ift, toarum läfet man fie ni^t il^re Slngelegenl^eiten felbft
beforgen, hjie ba« einem fold(>en gaiemtV Die Stnttoort giebt ba« fog. Äottegialf^ftem, 55
ba« nicj^t« anbere« ift al« ein befd^önigter 2^erritoriali«mu«; fte lautet bat^in, bafe bie
Äirc^e i^re 3[5erein«getoalt feinerjeit bem 2anbe«^erm übertragen j^abe; nun ^at er fie.
g« ift bie nämlid^e SBäenbung, mit hjelc^er bie beutfd^en Staat«})^ilofo^l^en ben Übergang
rjon bem gut rej)ublifanifc^ gebac^ten Staat«grünbung«r)ertrag jur abfoluten SKonarc^ie
JU finben j)f(egten. 60
714 (Sinai unb ftin^e
2)ae CSrgcbni^ ifl alfo nur, ba^ man jc^t genauer unterf(^eibct bic Siechte, tuclie
ber ^ürft um be^ Staate^ tDtQen üon ^aud au^ l^at (jnrsL circa sacra), unb bte $tc6u,
ioeld^e er bon ber Äird^e ableitet (jura in sacra). 3)te einen gel^ören ibni toie bie
anberen, grunbfä^lic^ unabl^ängig t)on feinem ijcrfönlic^en Sefenntniffe, unb tücrbcn aud»
6 in übereinftimmenber SBeife gel^anbbabt. 2)a6 tjerfd^iebene Set^örben öertpenbct merbcn,
ift burd^ bie 3*^^tfmäfeiflleit geboten, lann aber je nac^ 3^^*"^^6^0^^i* ^"^ Wegfällen.
2)a^ ^reufeif^^ Sanbred^t giebt ba§ Ilaffifd^e S5eif})iel für ein berartig georbnete^ i^er-
l^ältniö jloifd^en Äirc^e unb ©taat. SBenn, toie in ^reufecn jtoifd^cn 1808 unb 1817,
bie Äonfiftorien unterbrüdtt unb erfe|t tDerben burc^ bie orbentlicben Sel^örbcn ber ah
logemeinen Sanbe^bertoaltung, fo bebeutet ba^ für biefei; S^f^cm gar feine fo lücfentliAc
Steuerung.
IV. SiJenn toir fragen, h)aö nun bem 33erl^ältnig jtoifc^en ©taat unb Äird^e in ber
(SegenJüart Jeinc Eigenart giebt, fo fmb e^ im iDefentlid^en nid^t bie Äirc^en, toelcbe jicb
geänbert l^ätten. I)a« 9ieue tft bie großartige Entfaltung be« mobemen ®taated unb
16 fein äu^bau gum Serfaffung^s unb SRec^ti^ftaat. 3)e^l^alb rechnen hjir bcn 3^^^""^'
ben hjir al^ ©egentoart bejeid&nen, t)om 2lnfang be« 19. 3<J^J^^unbert^, toomit biefc Gm-
tDÜelung beginnt. 3)e^^alb ift e^ auc^ angemeffen, bafe toir in erfter 2iuic in^ äuge
faffen, toie biefer Staat bon feinem Stanb})unfte aui hai Ser^ältni^ fic^ benft unb gc--
orbnet hjiffen hjiH. SBie hjeit er feine (Srunbfä^e tf^atfäc^Iid^ jur 2)urc^fü^ung bringt,
20 auc^ toie toeit er fie bur^fü^ren lann, baö l^ängt hjieber \)on ber 3Serfc^ieben^eit ber
Äir^^en ab, benen er babei entgegentritt, ßbenfo toirb bie 5^age, ob ba^ 3)urcl^gefübrtc
gut ober fd^Ied^t ift unb toie toeit SSerbefferungen j^u forbem ftnb, t)erfd^iebcn beantwortet
hjerben je nac^ bem lirc^Iic^en ®tanbj)unlte. 35iefe Äe^rfeitc ber ©ac^c toirb unö in
jtoeiter Sinie befc^äftigen.
26 2)er ©taat toill fein bic äußere Drbnung, Welche 2anb unb Seute ^ufammenfafet
unter einer oberftcn ®en)alt. 3)aß biefe feine ©etoalt bie oberfte fei, bad macf^t feine
©ourjeränetät au^, bie er ate eine toefentlic^e (gigenf^aft in änfpruc^ nimmt fe
bebeutet, baß fein SBiUe innerl^alb feinet ©ebieteg feinem redf»tlic^ gleichwertigen begegne,
feinen ^ö^eren über fic^ f}aht unb anbererfeit« red^tlid^ untoiberfteblic^ fei gegenüber a&en
30 menfd^Iic^en Seben^äußerungcn, bie auf feinem ©ebiete erfd^einen. Örbnung unb ©^»ranfen
fe^t er allein fid^ felbft burc^ Mnerfennung t)on 9!)litn)irfungöre^ten an ber äuöübung
fold^er ©etoalt unb burd^ Verteilung unb Übereinanberorbnung t)on guftänbigfeiten. TaB
er baö tl^ut, ba^ mac^t i^n jum Serfaflungg^ unb SRed^t^ftaat.
2luf biefe ffieifc fiebert er ben ©injelnen ein gewiffe^ 3Raß t>on freier Öetoegun^,
35 gch?ä[;rt i^nen auc^ maßgebenben Ginfluß auf bie ftaatlid^en 3)inge. ^n berfelben 9lid»^
tung bewegt fid^, unb gerabe biefe« in befonber« beutlid^cm ©egenfa^ gu bem alle«; auf-
faugenbcn "ipolijciftaat , bie })Ianmäßige §cgung unb görberung bon einfachen Vereinen
nic^t nur, fonbcrn avL6) rjon organifterten ©emeinWefen, Weld^e beftimmt finb, öffentlicfce
3lngelcgenl^citcn fclbftftänbig unb eigenen 9Jamenö, Wenn aud^ felbftöerftänblic^ unter ber
40 Dberl^ol^cit be« ©taate«, ju führen unb ju beforgen. G« ift bie im borigen Sa^r^unben
;;u fo reicher Gntfaltung gelangte Qibec ber ©elbftberWaltung, bie };ax SSoDlftänbigfeit be»
33ilbe« unferc« ©taatc« unentbehrlich ift.
X^iefc ©tcttungna^me be« ©taate« fommt in^befonbere auc^ ben Äußerungen be*
religiöfen 2cbcn§ ju gute. T»en Gin^elnen ift Sefenntni^frei^eit berfaffung^mäßig garan^
46 ticrt. ©elbft ber bcutfc^e Sunb ^atte 3wf<^9^" ^" ^^^f^^ Öinftc^t gegeben. 2)a« beutfcte
■Wcidf) verbietet jc^t burd; ba« übernommene norbbeutfc^e Oefe^ öom 3. ^xiix 1869 olle
3urüdtfe$ungcn, bic um beg Scfcnntniffe« Willen gemad^t Werben lönnten. 3)a^ iNcrcini^'
rcd)t [teilt auc^ bic Silbung Don ©emcinfd^aften ju religiöfen ^tü^dm unter bie gcfefe=
lid;c Drbnung, Wobei ftc^ mannigfache 2lbftufungcn i^rer äu^ftattung mit ^rci^eiten unb
60 Vcfugniffcn ergeben.
3ln ber ©pi^c aller fte^cn aber jene großen Slcligion^gemeinf^aften, bie Wir Äircbcn nennen.
©ic ncf;mcn eine rcc^tlid^ bcfonber« au^ge^eic^netc ©tellung ein, unb bie ©runbibee, auf
Wcld^cr biefc 'ilu^jeicbnung berul^t, ift unfcbwcr ^u erfennen. 3l^re Slngelegen^eiten finb
nicfjt 'iyriüatfac^c, fonbcrn Don jcl^cr al« nationale ^J^^^^^^ff^'^ be^anbelt Worben, al$
55 „ctl;ifc(> glci^wcrtig'' bcncn bc« ©taatc« fclbft, al« öffcntli^e 2lngelegenf^eiten mit einem 3Bort.
Ginc Äird;c frcilicb, bic auf feinem ©cbictc fte^enb, il?m gleic^Wo^I nic^t untertban
Wäre, tann ber Staat nad) bctii einmal aufgcftcHten ©runbfa^ ber unbebingten Sou=
Dcränctät, nidit al^ möglich jugcbcn; gernbe bei bcn entfc^eibenben Beratungen üba bae
ilontorbat battc ?Ja>)olcon ba« mit bcfonbcrcr Sd;ärfe BerDorgel^oben: „la souverainet^,
60 fagtc er, n'est rien, si eile n'est pas tout."
@to0t itnb Stitdtt 715
ainbcrcrfcit^ fott er aber au(^ barauf toenid^ten, fie im ©innc be« alten ^olijeu
^taatc^ aUju {na})}) unter feine Seitung unb Srgie^ung nehmen ju tDoDen. ^er SSer«
faffungd- unb Sied^t^ftaat betrachtet e^ atö m feinem eignen 3Qefen gehörig, bag er
namentlid^ aud^ bie ^ei^eit ber Äir(^e ^lod^ ^ält. 3)iefer ©runbfafe ift fo unb fo oft
feierlich formuliert unb })roIlamiert toorben, befonber« augbruc!gt)ou auc^ in ben ^franl^ 6
furter ©runbred^ten unb in ber ^reufeifd^en aSerfaffung. „^M Sleligionggefeufc^aft
orbnet unb öerloaltet i^e 9lngelegenl(^eiten felbftftänbig!"
Darauf ergiebt fid^, toa^ bie Äirc^e ift unb nur fein lann: ein gefonberte« Oemein«
hjefen unter bem Staate, toom Staate anerlannt ate öffentliche Slngelegenf^eiten für fic^
unb fclbftftänbig bertoaltenb. 2)arin liegt aber nid^t« anbere«, ate ber befannte attgemeine lo
93egriff ber ©elbfi^ertoaltung. ®« beruht nid^t auf freier SBal^l be« Staate«, bafe er fein
SBer^ältni« |\ur Äirc^e in ber gorm biefe« 33egriffeö jum älu^brudt bringt. 2)er Segriff
brängt fi^ auf; nad^ ber Sluffaffung, bie ber Staat bon fic^ ^at unb öon ber Äirc^e
l^at, ift ein anberer rechtlicher äuöbrudt biefe« JJer^ältniffe« gar nic^t benibar. 2)er
terminuB technicus Selbftt)em)altung, ber un« je^t fo geläufig ift, toar aUerbing« jur i6
3eit, afe biefe Drbnung ber Dinge entftanb, noc^ ntc^t gebräud^Iid^. 2)ie Se^ieic^nungen,
beren man fid^ für bie Slec^tiJftellung ber Äircä^e bebient, ftnb aber immerhin beutUc^
genug auf biefen Segriff gejjrägt. Die t)orbiIbIi^ geworbene franjöfifc^e ©efe^gebung
fprid^t bon cultes reconnus, anerlannt, nic^t aU juriftifc^e ^erfönlid^JEcit (ba« toar bie
Äirc^e nac^ franjöftfc^em SRed^te nid^t), fonbem aB 3:eil ber öffentlichen älutorität. 3" 20
Deutfd^Ianb gebrandet man bie äugbrüdte: öffentliche SReligioni^efettfc^aften, öffentli^e
Äör})erfd^aften, })ribilegierte Äor})orationen. Dem entfjjrid^t, bafe aud^ bie örtlidf»en SSer^
bänbe, toelc^e biefer Äör})erf(^aft ^uge^ören, bie ber Selbftt)erh>altung eigentümlid&en Se«
^eid^nungen tragen, ^m franjöfifc^en Siechte l^eifeen fie Etablissements publics (toie bie
j)oUtifc^en (Semeinben), in Deutfd^Ianb fj)rec^en h)ir einfach bon Äirc^engemeinben. 26
Selbftt)erftänblid^ ift ba« alle« lein blofeer 9^amc, fonbem e« i)erfntij)fen fic^ bamit
bie ber Selbftt)ertt)altung cigentümlid^en 3led^t«beftimmungen, toie fte ja an ber (jolitifc^en
©cmeinbe am beutlic^ften jtd^ enttoidtelt ^aben.
Sor allem toirb barau« bie I^atfac^e t)erftänbli^, bafe bie Äirc^e grunbfäfelic^ nac^
öffentlid^em Siecht lebt, tpie bie t)oIitif^e ©emeinbe unb ber Staat felbft; toie oiefe unb 30
nac^ benfelben 8tbgrenxung«ma^ftäben unterliegt fte bann für t)ribath)irtfc^aftlid^e Ser«
^ältniffe au^na^mötüeife bem bürgerlichen 3le^t.
Damit ^ängt bann iDeiter jufammen ber befonbere Sd^u^, h?eld^er ber Äir^e unb
i^ren Seamten unb ßinrid^tungen getoäl^rt toirb, bie mand^erlei görberung, bie ber Staat
il^r ju teil Serben läfet, inbem er feine ©cfe^gebung barauf einrichtet, i^ren Slnfc^auungen 35
^u entf})red^en unb i^ren 9Birlung«frei« m ftd^ern, aud^ i^e TOttoirlung in SCnfl^rud^
nimmt, too e« ftd^ in feinen 2lngelegcn^eiten um SHeligion Rubelt. 93or allem gel^ört
l^ier^er bie umfaffenbe ^ürforge für i|re materiellen Scbürfniffe, toeld^e ber Staat i^r
tüibmct burd^ eigene Seiftungen, burc^ Saften, toelc^e er politifc^en Serbänben auflegt
%u i^ren Ounften, unb burc^ Einräumung unb Durc^fül^rung eine« felbftftänbigen Se= 40
fteuerung«rec^te«. Da« ift nur benibar unter bem ®efic^t«t)un!te, bafe er i^re 3lngelegens
beiten anfielet toie feine eignen.
Dafe i^n biefe Slngelegenf^eiten fo na^e angelten, ba« lommt anbererfeit« ^um älu««
brudt baburd^, bafe er über bie Äirc^e unb il^re Sertoaltung ein 2luffic^t«rec^t in änfj)rud^
nimmt, feie gegenüber jeber anberen anerlannten Selbftt)ertt)altung, in«befonbere h)ie 46
gegenüber ber bürgerlid^en (Semeinbe. SBelc^e ©eftalt biefer 2lufftc^t«geh)alt ju geben fei,
ba« tDäre eigentlich blofe 3*^«*»"äfei9l«it«frage. Die alten Flamen: Äirc^en^ol;eit«redf»te,
jura circa sacra, police des cultes, brandeten un« nic^t irre ^u machen. Dergleichen
bleibt oft beftel^en, auc^ toenn ber alte Sinn längft rjerflogen ift.
§ier aber fe^t bie gro^e 3:^atfac^e ein, bie bem ganjen befte^enben 9lec^t«juftanb 50
feine ©igenart giebt. Die ©runbauffafjung be« Staate« bon feinem Serl^ältnifle jur
Äirc^e toirb, gerabe toa« biefe 9luffid^t«red^te anlangt, rjon i]^m nic^t burc^gefül^rt, fonbem
im ©egenteil auf ba« Sntfd^iebenfte Verleugnet. Da« gefc^ic^tlid^ Überlommene toar ^bm
toieber einmal ftärfer al« bie neuen ^rinjijjien. Sei unferem mobernen Serfaffung««
unb 3le^t«ftaat, ber fo ftarl nad^ allgemeinen ^Programmen arbeitet, ift bergleid^en feine 66
t)ereinxelte ©rfc^einung. @r J)flegt ftc^ in fold^en fällen mit ben Jl^atjac^en abjufinben.
Da« ^rin^ij) felbft ertoeift feine fortbauernbe ©iltigleit an ben SBiberfJ)rüd^en unb ^alb^
l^eiten, in toeld^en er [xd) babei betocgt, unb an feinen Serfuc^en einen getoifjen Schein
ju toaf^ren.
Sold^e Unftimmigfeiten beftel^en gegmüber beiben, fat^olifc^er toie ebangelifc^er Äirc^e, eo
716 ^ittüi nttb JKn^e
nur gc^cn fic nac^ cntöcöcngcfc^tcu ^Hic^tungen: jene ift me^r ate fic nac^ bcr ©nrnb^
auffaffung bc^ Btaat^ für i^n Jein foHte, biefe bagcgcn tocit h?cnigcr.
3;m ÜBer^ältntö gur fatl^olifc^cn Striae tritt ba« J^äufig genug atö ein greller 'SHiBton
5U läge, ©ie ift ja in SBirflic^Ieit immer nod^ ettpaö gan;^ anbere^ al^ bic ft* fdbt>
5 tjcrtoaltenbe SanbeiStirc^e, bie ber Staat feiner ©ouberänetät ju Gieren auö i^ machen
möchte. Sic ift noc^ immer bie merftüürbige 2BeItmac^t, bie im üJlittelalter mit bem
©taat in bie öffentlichen ©efc^äfte fid^ teilte. 2)em mobernen Staate gegenüber bat fic
fiar! an Sobcn bcrloren; aber h)ie toeit e^ babei t)erbleibt, toie fem cttoa noe^ SBeitcres
il^r abgerungen toerben fann, ba« ift 5Waci^tfrage, nic^t« anbere^. ®al^er jene^ feltfamc
10 ©c^toanten ber ftaatlic^en ^Politil i^r gegenüber: balb })oc^t man tro^ig auf feine £cu=
rjeränetät, bie \a eigentlich auc^ Jd^Ic^t^in burc^f^lagen fotlte; balb öerl^anbclt man
tüieber öon 9Kac|t ju SJlac^t. 6« ift müfeig, unfern Staatsmännern befonberc i^ortoürfc
barauS ju machen; e« liegt einfac^ baran, bafe bie neue Staatgibee mit ben alten ^at-
Jacken noc^ nic^t fertig geiDorben ift.
15 Sejeid^nenb tvat f4>on bie 2lrt, n)ie bie gegenwärtig befte^enbe Crganifation ber
fatl^olifc^en Äird^e in unferen ©cbieten ju ftanbe tam. 2)ie Staaten Vereinbarten fid^
barüber mit bem l^eiligen Stu^l, ganj toic fie untereinanber in toeltlid^en 2)ingen ^b-
mad^ungen treffen, alfo in ber SBeife eine« bölferred^tlic^en Vertrages. 3)ergleicben »ar
too^l frül^er auc^ fd^on t)orgeIommen, aber rjereinxelt, unb bann, h?aS für ben alten um
20 fertigen Staat fid^ fc^icfte, fear für ben neujeitlid^en Staat ein äbfall t)on feinem ^xo--
gramm. granfreic^ gab baiS Seifpiel mit bem nal^oleonijc^en Äonforbat; bie beutfcfren
Staaten, Sal;ern boran, al^mten nac^; bei ben meiften reid^t eS freiließ nicbt ^u einem
förmlid^en Äonforbat; man mufe fic^ begnügen mit einer t)erabrebeten Girfumfcri^tionsbuHc.
3)abei ma^te fid^ ba« Sebürfni«, bag (Sleic^gehjid^t toiebcr ju finben, in ganj eigen--
26 tümli^er SBeife £uft: f amtliche 3Sertraggftaaten fügten bei in« 2ßerf fe^en beS 3?erabrebeten
auf eigne ^auft nod^ loeitere Seftimmungen ^inju: articles organiques (bie gaben bos
SKufter), SteligionSebifte, Serorbnungen über bie lanbeSl^errlic^en §ol^eit«recbte. 2)Qrin
fieberten fie ftd^ namentlicb geiDiffe Übermac^ungSmaferegeln gegenüber ber Äircbe, tpelcfcc
biefe ftetS auf baS fräftigfte mißbilligt l^atte. 5Kan fann b^f)anpim, bafe bie«, tüenigftcn»
30 im gatte eine« umfafjenben Äonlorbate«, gegen bie Vertragstreue h?ar. 2lber je^t tooBtc
eben ber Staat toieber fc^led^tl^in fouljerän fein, um biefe 2)inge ^u orbnen.
35ie borbel^altenen §ol^eitSred^te felbft fmb inl^altlic^ fe^r abtoeic^enb geftaltet öon
bem, toaS ber Staat fonft lüol^l feinen Selbftt)erh)altungen gegenüber ^xirix 3^ccf ba
'Jlufftc^t jur ©eltung bringt. (SS toäre nic^t rjertüunberlici^, h)enn ber Btaat biefer k-
36 fonbercn 9lrt bon „Selbftl)ern)altungSför^)er" gegenüber eine befonberS grofee 3"^^'
Haltung übU unb bie Stuffic^t auf baS aUemotmenbigfte befc^ränfte. 3lber fo ift eS gar
nid^t; baS (Sigcntümli^e an biefen SRed^ten liegt rjielme^r in jtoeicrlei Dingen.
Ginmal fmb fie nic^t, hjie g. 33. bie ©emeinbeauffic^tSrec^te gebilbet nac^ fac^licben
@rh)ägungen ber 3^edmä^igfeit. 9Jur h)aS bie SSermögenSbemjaltung anlangt, ift eine
40 geh)ijfe 3Serh)anbtfc^aft ber Ginflußna^me burd^fü^rbar. ^m übrigen finb biefe ^o^eitij-'
redete alte überfommene Einrichtungen, h)ie ber aufftrebenbe 9?ationalftaat ju (Snbe bc^
3JlittelalterS fie fic^ gcfd;affen ^atte: placetum regium, recursus ab abusu, nomi-
natio regia, SluSfdblufe bon personae minus gratae u. f. W. 9llleS ba« toirb ängftlii
beiüa^rt, al« errungene« ®ut, ob nod^ jjafienb ober nic^t. 2)a« Vertrauen fe^lt, bafe
45 man anbere«, t)afjenberc« an bic Stelle ju fe|en im ftanbe hjäre — ba« Vertrauen in
bic SouDcränctät bc« Staate« reid^t nic^t au«.
Sobann ift ja nici?t ju berfcnnen, baft biefe §ol^cit«red^tcjum großen Icil ibreSjji^e ba4>t^
fäc^lid; richten gegen ba« au«tüärtige Dbcr^au^t bc« angeblid^en Selbftr)ertDaltung«törper^,
ber baburd^ crft tünftlic^ einigermaßen abgegrenzt, üWa^ tvic eine 2anbe«firc^e tüerbcn
50 foH. T»a« ^lacet, ber ©ene^migungeborbcbalt für ba« 2^^ätigh?erben unmittelbarer Ver-
treter bcr 6cntralgch)alt richten fic^ bahin. 3luc^ ber beanf})rud^te (Sinfluß auf bie 8c=
fteHung bcr oberftcn firc^lic^cn SBürbenträger im Sanbe l}ai t^atfäd^lic^ bie nämlictc
Vcbcutung angenommen. ÜlUc aud^) bic örtlichen Stcllenbcfeiung«orbnungen geftaltet fein
mögen, in 3(om liegt bic gntfcbeibung unb bic altl^crgebrac|ten 3Jlith)irtung«recI»te geben
66 nur einen 3lnlaß mit ^Xom ju toerbanbeln. Da« pa^t natürli^ gar nic^t mebr ^u bcr
eigcntlid^en Icitenbcn ^bee.
3^od> nicbr toirb bcr gruiibfnfclidic Stanbpunft Verleugnet, tücnn, h)ie e« vorfomnit,
ein burd) bic Vcmül^ungcn bc« Staate« ^u feinem !Mmte gelangter Söürbenträger bic
öffcntlicl)cn Ginridf)tungcn auf ba« bcftigftc angreift unb ber Staat fid^ nun feine anbere
60 §ilfe toeiß, al« ba« Ginfc^rciten 9tom« anjurufen. 3^^^"^^6*0 '"^9 ^^^ f^'"/ fw^ ^^
(Biaat unk Striae 717
Slugenblidt toenigften^; aber bafe man bamit ganj unb gar lieber auf bcn 93oben ber
mittelalterlichen iioorbination tritt, fottte man jic^ aud^ nic^t toer^el^len.
©0 ift ba^ ganje 35erl^ältni^ jtoifc^en bem ©taat unb ber tat^olijd^en Äirc^e bon
©runb au^ fc^ief unb hjiberfpruc^^boU geftaltet. ßine getoiffe 3Kittellinie ju finben unb
feftju^alten, auf ber man leben fann, ift eine nottoenbige, aber feine^hjeg^ glänjenbe 6
Slufgabe. —
®anj anber^ fte^t eö in biefer ^infic^t mit ber ebangelifc^en Äird^e. ©ie ©tettung
cine^ ©elbftbertoaltunggf Orders, eine« „coUegium" im alten ©inn, ba« aber hjirflid^
feine Slngelegenf^eiten felbft bejorgt unb nur toegen beren „et^ifc^er ©leic^toertigfeit"
einer befonberen Slufft^t unb gürjorge beö Staate« teilhaftig ift, eine fold^c Stellung lo
üermag fte fel^r tüo^l anjunef^men. 2)a« mac^t eben il^re ganj anbere äuffafjung bon
folc^en äußeren Dingen. 2tber in SBirflid^fcit fte^t e« fo, bafe fie bi« je^t bei un«
niemal« auf ba« i^r ^ierna(^ grunbfä^lid^ jugeftanbene 3Kafe t)on greif^eit unb ©elbft*
ftänbigfeit gelangt ift. %ixx fte gilt allen Orunbfäfeen unb allen Seteuenmgen Don ber
^rei^eit ber Äird^e j|um 3:ro^, ba« lanbe«^errlic^e Äird^enregiment, b. 1^. ber alte 3:erris ib
tortali«mu« blül^t für fie rul^ig hjeiter. 6« ift eine leere ©J)i§finbigleit, h)enn man, um
bcn ©c^ein ju retten, be^aujjtet, e« fei ni^t ber &aat, fonbern ber 2anbc«l^en Jjerfönlic^,
ber ba regiere. 2)ie ^erfon be« £anbe«f^erm läfet fic^ in öffentlichen Dingen i)om Qtaai
ni^t fd^eiben. 6« n)irb einfacl; al« eine angeborene (Sigenfc^aft ber et)angelifc^en Äirc^e
betrachtet, ba^ fie bom ©taate alfo geleitet toerben foH unb mufe. Unter biefem ©eftd^t«* 20
})unfte ^at feiner ^^\i ber Äönig öon 33a^ern im 9Jamen biefe« Äemlanbe« ber Segen«
rcformation o^ne h)eitere« ben ©ummejjiflo^at übernommen. 3" S^anlreic^ unb Öfterreidf»
l^atte man toenigften« gefc^id^tlid^e« @m})finben genug, um auf bcn Flamen lanbe«^errlic^e«
^irc^enrcgiment ui rjcrji^ten; t^alfäc^lid^ l^at ber Qtaai aud^ bort bie Äirc^e fo fräftig
unter feinen (Sinflufe gebracht, bafe e« im ßrfolg fo jiemlic^ auf ba« gleite ^inau«fommt. 26
Selbftberftänblidp entl^ält ja bie 2:f^ätigfeit be« Schrämte« ein ßlement unantaftbarer
greil^eit, bem ber ©taat nid^t beilann, fo toenig toie bem $ietrieb ber Söiffenfd^aft, \>kU
leidet nid^t gan3 fo tDcnig. äu^ ift bie 5Rüc!fic^tna^me beibebalten, bafe ber ©taat fein
^Regiment l^ier burc^ bejonbere Se^örben au«übt. Da« 19. ^«^^^""bcrt ift nod^ Leiter
gegangen auf biefem Sffieg. ^pianmäfeig tourbe ba« 5Pre«b^terialf^nobalfVftem burc^gefü^rt: 30
bie örtlichen itirc^engcmeinben erf^alten il^re mol^lgeorbneten SSorftanbfc^aften, barüber
l^inau« hjcrben 93ertretungen be« et)angelifc^en "ißolfe« gefc^affen, 33erfammlungen au«
£aien unb ©ciftlid^en gemifc^t. Die oberfte SSertretung, bie (Scneralf^nobe, hjirb berufen
namentlich jur ^JJittoirfung bei ber lirc^lid^en ©efe^gebung, fo bafe ber 2anbe«^en nur
unter i^rcr gwftimmung Äird^engefe^e erlaffen tann. gn größerem SKafee ^at man 35
namentlich aud) Derfuc^t ba« Sbrenamt me^r l^eranjujie^en jur Seforgung t)on ©ef^äften
ber ürc^lic^en aSermaltung. Unberfennbar ift ber (Sleic^lauf biefer Setoegung mit ber
anberen auf 2lu«bilbung unb ©tärfung folc^er ©elbftftänbigfeiten im ©ebiet ber eigent«
liefen ©taat«t)crh)altung. 6« ift ein unb biejelbe ©trömung, bie beibe« trägt. 9laments
lic^ bie Jjreuftifc^en Drganifation«gefe$e ber fiebenjiger unb ac^tjiger ga^re geben l^ierfür 40
bie lel^rreic^ften Selege.
Da« gehört nun alle« in bie Darftellung ber Äirc^enberfaffung; ^ier fommt e« nur
fohjeit in Setrac^t, al« ba« äJer^ältni« jhjifd^en ©taat unb Kirche baburc^ berührt toirb.
Sm toefentlid^cn l^at e« burc^ aU ba« feine SÜnberung erfahren. 3Jian ^at einfach auf
bie ^xxä^c aü bie Sefd^ränlungen ber älu«übung ber oberften ©ehjalt übertragen, bie man 45
in hjcltlic^en Dingen annahm: fonftitutionette« ©i^ftem burc^ leitna^me einer SSolf««
Vertretung an ben h)id^tigften 3lftcn be« Dber^au})te«, Einfügung ehrenamtlicher 33e^örben,
toa« man ja auc^ iool^l — in uneigentlic^em ©inne — al« ©elbftöerbaltung bejei^net l^at,
©tärfung ber h?irflic^en ©elbftberh)altung ber örtlichen ©emeintoefen , ^ier ber Äirc^en«
gemeinben. SQäorauf e« aber anfäme: ba« hjäre, bafe bie Äird^e felbft, bie Äird^e al« eo
@anit^ bem ©taate gegenüber frei tüürbe, ©elbftt)ern}altung erl^ielte. Da« ift aber nic^t
ber %aü. Die Äird^enberlüaltung ift nac^ hjte bor ©taat«bertüaltuna^ ber hjcltlic^en
©taat«berh)altung jjaraHel organifiert. SBie ber £anbc«^err in toeltlic^en Dingen nid^t
aufl^ört ber toal^re SRegierer ^u fein tro^ 9Solf«toertrctung, ßl^renamt unb örtlid^er ©elbft*
bertoaltungen, gerabejo in firc^lic^en Dingen. 66
Der gegenwärtige 3lec^t«iuftanb ber ebangelijc^en Äirc^e ift immer noc^ ba« ©^ftem
be« alten 2erritoriali«mu«, gcmilbert jioar, aber immer nod^ ec^t unb unmifeberftänblic^.
aiuc^ ^icr alfo ift ba« Programm be« JJerfaffung«^ unb 9lcc^t«ftaate« unau«gefül^rt
geblieben. Den ftaatlic^en 3tugenblicf«j)olitifem })flegt ba« aber toeit Weniger ©orge ju
mad^en al« ber umgefe^rte gall, ber ftc^ im Ser^ältni« jur fat^olifc^en Üirc^e ergab, eo
718 Staat nnb Striae
^n bcr %i}at fönntc bem Staat ein unmittelbarer ^Rad^teil aud ber Einrichtung nur je
ertoac^fen, bafe ütoa bie fat^olifd^e Äird^c unb feine fat^olifd^en Untert^anen fc^eel febcn
tpürben ju bem befonbcr« na^en i^erlj^ältni«, tpeldj^e^ er auf folc^e SBeifc ju ber ttKai-
gelifc^en ^ird^e aufredet erl^ält. XJ^atfäd^Iic^ fd^einen fie il^r ba^ aber tetnedmeg^ ^u
6 mißgönnen.
V. ^a^ SSer^ältni^ jtpifd^en bem Btaai unb ber fat^oUfd^en Airc^e, tpie tt>tr c4
gefc^ilbert j^aben, l^at für beibe Xeile tttoa^ Unbefriebigenbed. 3Son betbcn Seiten in
man auf Säuberungen bebad^t. gür \xn^ fommt eö felbftberftänblid^ nur auf foltk
3ibeen an, tpeld^e im öffentlichen Seben mit einer getoiffen 3Kac^t auf SJertoirfliiung
10 brängen.
^a ift bor aQem auf Seiten bed Staate^ eine bebeutfame Seioegung }u ertDäbnen,
bie in ber 9Jeujeit barauf au^el^t, ba« gefc^id^tüdj^ überfommene 35anb gänjlic^ ju loicn
unb bie einfädle Trennung bon Biaat unb Äirdj^e burdj^^ufü^ren. 9Jic^t im Sinne einer
©leidj^berec^tigung, tttoa nadf ber ^^rafe ßabour«: libera chiesa in stato libero, —
ib bie in ffiirflid^Ieit aud^ gar nic^t fo gemeint tpar — fonbem in bem Sinne einer ,&erab=
fe^ung ber Äirc^e in bie Stellung eine« getpö^nlid^en ÜBerein«. Sielleic^t auc^, in fc
innerung frül^erer 9Rac^tentfaItungen biefe« l^armlofen 3Serein«, bel^ält ficb ber Btaai U-
fonbere ÜbertDac^ungdrec^te bor. ^m toefentlid^en ift bad bie alte ^bee bed ßalüinis^mu^,
in ber norbamerifanifd^en Union öertoirlUdj^t. äöunberbarertoeife — bie Sbceo toanbem!
20 — f)at fxd) biefe ßinrid^tung in neuerer ^^i bor allem burd^gefe^t bei fatbolif(kn
^^öltem. Unb ^toar t)erbinbet fte ftd^ ganj regelmäßig mit bem Übergang jur re^ubli^
fanifc^en Staat^form. 6ö ift offenbar ba« SSorbilb ber großen norbamerifanifto
9{e))ublit, ba« ^ier toirft. SRan möd^te fagen, ba^ ^ al« 3(nftanb^f[icbt eined richtigen
re})ublifanifc^en Staat^toefen« angefe^en toirb, feine Trennung burd^jufü^ren. 3)abintcr
25 ftel^t nxd}t me^r bie religiöfe äuffaffung be« ßalöinigmu«, toie baö in 9iorbamerifa tpar.
Sie 3;rennung gefd^iel^t au« geinbfd^aft gegen bie Äirdj^e, meift in beutlic^ erfcnnbarcm
^ufammenl^ang mit ))oIitifc^en Aäm^fen, in meieren fte eine SloQe gefptelt ^atte. 3Han
fie^t in ber bi«l^erigen Serbunbenl^cit einen Vorteil für fie, ben man i^r entziehen toill.
So ^at ^anfreid^ feine Separation de l'Etat et des Eglises üoUjogen burd«
ar» ©efe^ t)om 9. 3)ejember 1905. i^or il^m gab 3Rejifo ba« Seif>)iel burc^ ba« rabitolc
®efe^ öom 14. Dejember 1874. Srafilien führte mit bem Übergang gur Slcpublif ba«
gleiche Softem ein. ßbenfo Äuba, aU e« unter norbamerifanifc^er Seitung gur JRepublil
gemacht tourbe; ^ier ergab fid^ biefe ßinridj^tung gan^ bon felbft, ol^ne ®efe^: ^ic
Trennung ift rc})ublilanifc^e« 3Raturrec^t.
.ST) 3)abei toerben bie althergebrachten S3efd^ränfungen ber 6rh)erb«fä^igfeit ber „toten
$anb" in neue berfc^ärfte formen gebrad^t. ffio man e«, toie in 33rafilien, unterläBt,
))flegen bie neuen fatbolifc^en „Äultu^öereine" atebalb fe^r reic^ ju Serben. Sonftige
i)o(i^ei(ic^e Sefc^ränfungen unb Überwachungen öon me^r ober minber ausgeprägter geinte
feligfeit fc^Iiefeen fic^ an. 3)a« fcltfamfte (Srgcbniß biefe« Softem« ift für unfere Jöegriitc
40 bie Umgeftaltung be« Solföfc^ulunterrid^t«. §ier ift bie Seligion über^au)>t toerbanm.
©in Unterrid^t in ber 3HoraI, morale civique, ober U)ie man e« nennt, tritt an bie
Stelle. 6« ift natürlid^ feine leichte Slufgabe bafür ju forgen, bafe ^ier ettoa« @ute^
l^erau«fommt. —
3)ie fat^olifc^e Sirene i^rerfeit« ift mit biefer ärt bon 3!rennung feinc«h>eg« ctn-
45 berftanben. ^n Ülmerifa l)at fte bie öorgefunbenen guftänbe Ij^ingenommen unb ftd^ ibncn
bi« je^t öortrefflic^ anju^jaffen gefugt, ^m alten ®uroj)a bageaen ^ält fie an bem
offiziellen ^ufammen^ang mit bem Staat; abgefe^en bon äußerlichen Sorteilen, bat fic
auct^ biel }u fe^r ba« SetDufetfein ibrer 2trtberh)anbtfd^aft mit bem BiaaU, al« bafe fic
ein 3J9"orierth)erben bon bejfen Seite nic^t berle^te. ^l)x Seftreben ge^t auf grunb--
50 fä^Ii^e SBeibej^altung be« befte^enben SSer^ältniffe« unter Sefeitigung ber babei no^ ob^
toaltcnben 9!Kän0el. Die 5Hängel fie^t fie aber in ben fog. 5lir($en^o^eit«red5^ten be»
(BtaaM, bereit Scfeitigung fie forbert im 5iamen ber i|^r jufommenben ^reibeit Gin
SRed[>t«juftanb toie in Selgicn unb \voi}l auc^ h)ie feinerjeit, bor 1870 in ^reu^en, loärc
^t\va ba« ^hcal, fomeit mit bem mobcrnen Q^iaat ein folc^e« über^au})t gu erreichen ift.
65 3)a mag man nun aUerbing« geneigt fein ^u fagen : e« fei boc^ all^uflug, hjenn fie nur
Siechte au« bem Ser^ältni« behalten tooüe, bie Se^rfeite aber, bie Siedete be« Staate«
einfach ftreid^c. 3lIIein fo barf ber Qiaai unbcbingt nic^t rechnen. (Sr mufe fragen, in=
toiefern biefe feine Sfted^te bie Äirc^e toirflic^ befc^meren unb ma« fie i^m ernft^aft tpcrt
fmb, unb beibe« gcgeneinanber abwägen.
60 3Senn ber Staat Einflußnahmen beanf))ru(^t auf bie äußere Drbnung ber jlircbe,
S>imi nttb Striae 719
fo fie^t ber ^rotcftant nid^tg barin; ba« l)ai, tpic gelegentlich be^ fog. flulturlannjfee
ein })reu6ifc^cr -DJinifterpräftbent im Slbgeorbneten^aufe fi^ auebrürfte, „für ba^ innere
©lauben^leben be^ Gl^riften gar feine Sebeutung." ättein bie fat^olif^e Äirc^e, U)ie fie
nun einmal ift, unb mit il^r bie 3Jlaf|e, bie il^r angel^ört, l}at eben eine religiöfe ßm^
^jfinblid^Ieit in biefen äußerlichen Singen, ©ie ift naturgemäß boj)})elt em^jfinblic^, toenn 6
biefer Staat in i^ren Stugen ein })roteftantifc^er Biaat, ein felbftberftänblic^er Sorfämj)fer
be^ ^Proteftanti^mu^ ift. 25Ba^ öon Sägern l^ingenommen tpirb, ift bon feiten ^Preußen«
eine Seleibigung. gür ben Staat lann ei8 be^^alb nic^t« Unertoünfdj^tere^ geben', ate
tocnn ))roteftantifc^e Äirc^enbertretungen i^n bei geft^altung fold^er SWaßregeln gegen bie
fat^olifc^e Äirc^e burc^ Wohlgemeinte Äunbgebungen ju ftärfen fuc^en, tpie bag in jüngfter lo
3eit borgefommen ift.
25BeIc^e Singe ^ier in Setrad^t fommen, baö toirb man fic^ am jtoecfmäßigften ber«
gegenwärtigen an bem fog. ^^oleran^antrag bc« ßentrumö, ber im ^af^x^ 1900 beim
^eid^^tage eingebracht Worbcn ift. ^n feinem jtoeiten Seil, §§ 5—10 Witt er, unter
bem Scheine ber attgemeinen SJefreiung ber Äircpen, offenbar nur bie Sefd^toerben ber i5
Äatl^olifcn toiebergeben. Q^ toirb Verlangt: tootte greilj^eit im ganjen SHeid^ für bie
feelforgerifcbe 3;^ätigfeit, für bie 2tb^altung bon ©otte^bienften unb ©rric^tung öon
Äirc^engebäuben, grei^eit ber fog. Wifftonen, ber 33ertoenbung auetoärtiger ©eiftlid^er,
ber 3imtererric^tung unb S))rengelbilbung, Sefeitigung be^ ^lacet, Sefeitigung jebe«
Oene^migunggborbc^alte^ für „religiöfe ©enoffenfc^aften, ©efettfdj^aften unb Vereine". 20
6^ fönnte auffatten, baß ^ier gar nic^t bie SRebe ift t)on einer STrt bon 3"f^<inbig:!
feit beiJ Staate^, bie in ber ©efc^icpte fo oft ben 3anffl}>fcl bilbete : öon feinem Einfluß
auf bie Sämterbefe^ung. G^ befte^en ja l^ier manc^^erlei ©rnennungefs unb Seftätigung^^
rechte, Slu^fc^luß bon personae minus gratae, 3tnjeigej)flid^ten mit ober ohne baran
fic^ fc^ließenbe^ @infj)ruc^grec^t. gür bie Slntragfteller fd^eint ber formelle ®efid^t^j)unft 25
entfc^eibenb getoefen ju fein, baß ^ier meift Vereinbarungen ober t^atfäd^lid^e gulöffungen
bc^ ]pä}3ftlic^en ©tu^le^ Vorliegen. Vielleicht aber öerjic^teten fie auf bie Sefäm^jfung in
bem ©ebanfen an bie Unfc^äblid^feit biefe^ ftaatlic^en TOac^tmittete. 3" ^^ 2:bat, toenn
bie ^Regierungen [xd} öergegentoärtigen, toeldj^e Erfahrungen fte fc^on gemadj^t l^aben mit
Sifd^öfen, beren Ernennung ein großer Erfolg p fein f^ien, fo Werben fie fe^r nüdj^tem 90
über bie gan^e Einrichtung benfen muffen. 3)ie Slatur ber ©ad^e jie^t ja gerabe in
folc^en gäHen \>oppAi ftarf nac^ ber entgegengefe^ten ©eite, unniJtig, baö Weiter au^^
gufü^ren.
Eine anbere Einrichtung fc^eint bafür in neuerer 3^'* in ben Vorbergrunb \iaaU
lieber SiBertfc^ä^ung getreten ^u fein: bie Slu^bilbung ber filerifer auf ftaatlic^en ^od^= 35
fc^ulcn unb bie ©c^affung unb ^ötberung fatl^olifc^-t^eologifd^er gafultäten. E^ fommt
barin bie gleiche 2:enbeng gum äuöbrudf, Weld^e in gewaltsamerer 25Beife gur 3^'^ ^^
Jjreußifd^en Äulturfam^jfe« eine nationale Erjiel^ung be^ Äleru^ burc^jufe^en fuc^te. Sie
geiftigen ©egenfä^e, in Welche ba« beutfc^e 95olf gerriffen ift, auf folc^e SBeife ju milbem,
Wäre fieser ein fd^öner ©ebanfe. Ser Erfolg ift zweifelhaft, gebenfall« ift e« jWeifel- 40
baft, ob man gut t^ut, bem Äleru« eine berartige Söo^lt^at aufjubrängen, fo lange
Wenigften« ber maßgebenbe 2:eil nic^t felbft banad^ t)erlangt. E« fann Wieber leicht bie
entgegengeje^te Sßirfung ^aben. Sen Äat^olici^mu« gciftig beeinfluffen unb gewiffer^
maßen erjieben ju Wollen, ift ühtxiianpt eine Slufgabe, ber unfere ©taat^funft niemals
gewad^fen fein Wirb. Ser 2:oleranjantrag befc^äftigt fid^ audj^ mit biefer Maßregel nic^t ; 46
Wohl au« benfclben ©rünben: ber Staat Wa^rt bie ^orm unb bie ©ac^e ift ungefä^rlid^.
iUelleid^t Wirb fic^ ber Biaai aber auc^ bejüglic^ ber 3Jlac^tmittel, beren Sefeitigung
geforbert Wirb, fagen muffen, baß fie Wo^l für bie fat^olifc^e Äird^e ftörenb, aber für
i^n felbft nid^t bon bem geringften 3Ru^en finb. ^Reiften« ftnb e« bodj^ bloß ©dj^Wierig^
feiten, bie feinen anbercn ©inn ^aben, al« baß fie feine ©tärfe füllen laffen, teilWeife ßo
fte^en biefe Singe, Wie j. S. ba« Pacet, lebiglic^ auf bem ^alpier, um unnü^erweife
mit biefer ©tärfe ju ))runfen.
Ser einzige 5punft, ber nid^t fo einfach jugeftanben Werben fönnte. Wäre bie grage
ber Drben^nieberlaffungen. §ier fommen bolföwirtfd^aftlic^e ^ntereffen in Setrac^t. Sie
Drbcn erWeifen fic^ ja al« große Äaj)italauffaugung«borrid&tun^en unb il^re VerWenbung«= 66
jWerfc liegen möglic^erWcife ganj außerhalb unferer 3Soif«Wirtfc^aft. Sie ©efe^e, bie
ben Erwerb ber toten $anb unb 3"h^«"^""0^n ^n Witglieber folc^er Vereinigungen be^
fc^ränfen, beftel^en \a unb fmb unangefochten. Vielleicht müßte man annehmen, baß [k
in großem Ma^c umgangen Werben. Vielleicbt Wäre e« aber aud^ möglich, fie Wirt^
famer ju geftalten. eo
720 ^iaai unb Striae
©entbar ift and) eine Sefc^ränfung öon Orben unb orbensJartigen Äongregationen,
bie fic^ grünbet auf bie Störungen be^ fonfeffioneüen griebeng, bie toon i^nen ju be-
forgcn Wäxm. ©otpeit ui jold^er Seforgni^ 2tnlafe befielet, ift ber Staat fic^erli* in
feinem Seruf, toenn er u?orfe^rung trifft. 9Jur mufe bie eöangelifc^e Äirc^c ftc^ ernftli^»
6 bagegen bertüa^ren, bafe bag i^r gu Siebe unb ju i^rcm Sc^u^e gefc^c^e. ©onft tarnen
fte fotoo^l al« ber Staat in eine falfd^c Stellung.
3in ber ^anpt\ad)c foHte ber Btaat bie Sic^er^eit gegen alle Schaben, bie i^m bur*
bie rürfftd^t^lofe ©eltenbmad^ung ber 3Kac^tmittel ber tat^olifd^en Rirc^engctüalt bereitet
toerben tonnen, nic^t bei folc^en J)oIijeiIi(^en ßingriffen, noc^ toeniger bei bcn t>eralteten
10 Rird^en^ol^eitgred^ten fuc^en. 33ielme^r f ommen l^icr öor allem jtoei 3)inge für i^n in Setracbt.
einmal ift \a bie tatl^olifc^e Äird^engetüalt für ben Staat bod^ nur infotocit t?on Öebeu--
tung, ate feine Äatl^oliten geneigt fmb il^r golge ju leiften. SBir bürfcn aber anncbmcn,
ba^ auf ben ©renjgebieten, too ber Biaai em})finblic^ fein tann, biefer ©e^orfani tein blinber
ift. 2)er bemotratifc^e 3^0 ^^ 3^^*/ ^^ ^^^ Staate m fc^affen mac^t, l^at aud> bie
15 tat^olifd^e Äirc^e nid^t unberührt gelaffen. ©^ toirb Stüctficlt genommen unb, „um gri?Bctc
Übel in bermeiben", gar manc^eg jugeftanben. grüner tonnte ber Staat t>erfu(^en eine
Stü^e ju finbcn in einem nationalen Äleru«. Sag ift me^r unb mcl^r eine jloeifelbaftc
Sac^e getoorben. 35afür ift je^t biel me^r in bie $änbe ber 3Kaffe unferer tatbolifcfccn
Solli^enoffen gelegt. Sie Serben ben ^unft, too ber Übergriff anfängt, ^äufig ettoo«
20 anberg beftimmen ate bie ^roteftanten ; aber in gar mancher §infic^t tonnen unb foUcn
fie gleic^n)0^l mäfeigenb eintoirten. ©eg^alb ift eö bon erfter Söic^tigteit, bafe i^rc25atcr^
lanb^liebe unb i^r gefunber Sinn unbertoirrt bleiben. 3)er Staat Wk bie ^roteftantcn
mögen i^r eigene^ S^erl^alten ieU)eite barauf befonber^ anfeilen, ob [xc ber 3B3irlfamfeit
biefer fittlic^en 3Kä(^te teinen (gintrag t^un.
25 3wni anbem, fo ift tpo^l ^u beachten, ba^ bag beiberfeitige 3Bac^tgebiet fic^ bc*
ganj er^eblic^ berfc^ob, feit ben 3^^^^f ^^ ^^^ f^ldj^e Sd^u^mittel gegen 3J?ifebraud^ ber
ifirc^lid^en ®eh)alt erfanb. 3)a« l^atte feinen SBert, ate bie tat^olifd^c Äirc^e für bie ibr
zugehörigen SBölter noc^ ein gut3;eil ber öffentlichen SSertoaltung bcforgte: ^wftis, Scbulc,
2lrmen}3flege, ©^etoefen u. f. to. ^ti^i f)at ber &taai biefe 3)inge an ficb gcjogen; tpas
30 er ma4>t, gilt unb bebarf teine^ befonberen Sc^u^eg me^r. 35icfe „fiaicifierunö" ber gc--
feHfc^aftlid^en ©inric^tungen mufe fid^ mit ^une^menber tonfeffionetter 3JJifcbung ber Se^
bölterung immer toeiter au^be^nen. 2)er Staat U)irb [xd) genötigt fe^en, nac^ unb nad»
mit mand^en tieften jeneig umfaffenberen Scfifeftanbe^ aufzuräumen. 6inc brennenbe
grage finb 3. 33. in neuefter 3^^^ ^^^ Äird^^öfe geh)orben. 3^re SSertreltlic^ung licijt
85 jtoeifellog in ber geraben 2inie ber ßntfoidfelung. ^^h^x Sd^ritt Doran auf biefcm
aBege bebeutet bie Sefeitigung bon Slnlafe i^u ärgerlichem §aber unb mac^t ^ugleic^ ftaat^
lic^e einflu^nai^men auf ba^ Ser^alten ber Äird^e entbehrlicher.
Sollte bemnac^ ber Äirc^e burd^ ^Jergid^t auf ba^ eine ober anbere biefer trügerifcben
Se^errfc^ung^mittel cntgegengetommen n)erben, fo toürbe barauf teine^toegö folgen, bafe
40 bamit auc^ bie Seiftungen beö Staate^ an fte jurüdfgejogen ober berminbert tocrben
müßten. 3)er Biaat mac^t fie ja nic^t, um einen ©egentoert für jene 3lecf^te ju liefern,
fonbem h)eil er c^ in feinem eigenen mol^lberftanbenem ^ntereffe finbct, bie Äird^e fo ^u
be^anbeln.
e^ verbleibt alfo bei il^rer öffentlid^red^tlid^en SteHung unb bei i^rer 3?erbinbum3
45 mit ben ©inrid^tungen be^ Staate^, bie ber Pflege ber Sieligion bebürfen.
e^ verbleibt auc^ bei bem befonberen Strafrec^t^fc^u^, ber i^r unb il^rer ßinricf>=
tungen gemährt ift. 3)iit ßinfc^lufe auc^ beö nid^t ganj unbebentlic^en § 166 beö Strafe
gefe^buc^eö, ber nur burc^ bic^raji^ ober, Wmn fie berfagt, burc^ ba^CSefe^ beftimmtcr
auf bie ni^^t^nu^ige grieben^ftörung jujufjji^en toäre ; bafe er immer ber tat^olifc^^en
50 ßirc^e me^r gu ftatten tommen h)irb al^ ber eüangelifc^en, liegt in ber 9?atur bei
Sac^e: jene bietet ja unDergleic^lic^ meljr uerle^barc Slu^enfeiten. Gbenfo tv'xxh i^r ber
i^öl^ere 9tang unb all ber (S^renüorjug i^rer Äirc^enfürften §u Vergönnen fein ; e^ ift
ebenfo unn)eije toie uneDangelifd;, in bicfen 2)ingen ein äöettrennen ber Suj)erintenbenlcn
mit Sifc^öfen unb Äarbinälen Deranftalten ju tooUen.
55 SSor allem foU ber Staat ber Äirc^e nac^ iüic üor ju §ilfc tommen jur SefricbigunQ
i^rer finanziellen Sebürfniffe. ©erabe barin tommt am beutlid^ften j^um 3tuöbruct, bafe
er xi}xc Stl^ätigfeit al^ eine öffentliche älngclegenl^eit betrachtet, bie and} i^n angebt. £ie
Berufung auf frühere Sätularifationen, für toclc^e ber Btaat ßrfa^ fd^ulbc, ift bem
gegenüber cingan^ überflüjfigeö unbunjuläffige^§ercinjie^cnj)ribatred^tlic^er3lnfd^auungen
60 in ben großen @ang ber Staatögefc^icpte.
3)er j)ontifc^en ©emcinbc Iciftct ber ©taat folc^c §ilfc in bcr gorm, ba^ et i^r
®ctoalt gicbt, il^re SKitglieber mit ©tcuem unb abgaben ju belaften unb bie ßrlj^ebunö
unb Sintreibung Vermittelt. 5Rur au^naJ^m^toeife getoä^rt er g^W^fl^ w"^ Unter«
ftü^ungen au^ eigenen Mitteln, ^a^ tpirb mol^l bie gulunft^form and) für bie j(ird^e
fein muffen. 3)ic fat^olifd^^e Äird^e freilid^ ift ber Äirdj^enfteuer nid^t fe^r geneigt; biefe 6
J}at il}x ettüag Unjarteö. 2Bie fie feiner geit i^re Verurteilten burd^ bie tpeltlid^e Dbrig«
eit j^inrid^ten lie^, für bie fie ben ätui^brud „ber Saien blutiae $änbe" gej)rägt l^at, fo
jie^t fte e« öor, ber Biaat belaftet fein Äultu^bubget mit i^rem Sebarf unb betft fid^
burd^ eigene Steuern — i^re 3lnl^änger freilid^ benunjieren i^n bann: er Ij^abe für bag
33oIf nur Äanonen unb ©teuerjettel. SUIein e^ ift bod^ ^u beutlid^ eine ^Jorberung ber lo
®ered^tigleit, ba| jeber 33oIföteiI für feine befonberen Angelegenheiten auc^ bie Saften
trägt. 3iP ^i^ Jfird^e einmal eine fid^ felbftöertpaltenbe ©emeinfd^aft — ob unter ober
neben bem Staat, gleid^öiel! — fo Ij^at fie aud^ für i^re Äoften aufjulommen. SBHfo
freitoittige ®ahzn, too nic^t: Äird^enfteuer, barauf muffen il^re ginangen geftettt Serben.
©elbftberftänblic^ toirb ber Staat, ber. atte«, toa^ toie eine jjeinbfeligfeit au^fiel^t, i6
Dermeiben toiu, nic^t [äf) unb rüd^c^t^Iod mit feinen Seiftungen abbrechen, fobalb er in
biefem ©inne fc^lüffig getoorben ift. SSielme^r lommt e^ barauf an, ganj admäl^Iic^
unb in fc^onenber SBeife ben Übergang ju vermitteln unb ju biefem ^tü^iz toirb e«
iebenfaH« nötig fein, ba^ er gunäd^ft no^ fortföJbrt reic^lid^er ju fi)enben.
VI. 3)ie befonbere Sled^t^lage ber ebangelifcpen Äird^e giebt bem Staate leinen 3ln« 20
la^, ju rabif alen 3Ka^regeln gu greifen; mit ibr fann er fel^r too^l au^f ommen. 5Ratürlid^,
toenn bie 2!rennung öon ber fat^olifd^en Äird^e burd^gefül^rt toirb, erforbert bie ^Parität,
ba^ ba« gleid^e audj^ für bie eöangelifd^e Äird^e ftattfinbe. liefen Vorgang beobachten
toir ja jur Rtxi in ^anfreid^. ßbenfo toürbe bie ebangelifd^e Äird^e gegebenen %aü^
mitjuleiben ^abm unter jener gang berftänbni^tofen SJerbammung aUe^ Äirc^lic^en, bie 26
in bem befannten ^arteij)rogramm : „JReliaion ift ^pribatfad^e" jum SiuöbrudE fommt.
3)afür ertönt |ier befto lauter ber SRuf nac^ 3!rennung au« ben Seiten ber Äircbe
felbft. 2)ie Überzeugung toäc^ft, ba^ eö fo nic^t me^r fortgeben barf. 3)er j)roteftantif(9e
Biaai l}ai feiner 3^'* ^^^ Sbangelium gerettet. 3)er 3!erritoriali^mug, ber i^n ablöfte,
h>ar bieHeic^t ein nottoenbige« Übel. ÜKel^r unb me^r toirb man fic^ aber jefet flarao
barüber, bafe feine Umarmung bie Äirc^e ju erbrüdfen bro^t. Sffier fic^ bie f^toeren
Slufgaben bergegentoärtigt, öor bie fie gerabe jefet geftettt ift, ber erfc^ricft bor berSBe^r*
lofigfeit, ju ber il^re älb^ängigleit t)on ber ftaatlic^en Oberleitung fie l^ier t)erurteilte.
Sie mu| bie SWaffen toiebergetoinnen, bie ju il^^rem eigenen unb be« ganjen Sollet
Unheil innerlich bon i^r abgcfatten fmb. SBie lann fie ba«, toenn i^re 3lrbeit biefen 85
Seuten gegenüber tritt, aU tüäre fie eine abhängige Veranftaltung be« ©taateig unb ba«
mit ber b^c^cnben Älaffen, bie fie befämj)fen, immer öerbädj^tig frember RtoedEe? Sie
ift anjefe^en ate „une partie du gouvernement", gerabe toie im 18. ^^l^t^unbert bie
Iat^olifd9e Äirc^e in granfreic^, bie barüber bie 3ln^änglic^feit be« Volle« in fo furd^t«
barer 2öeife berlor. 40
Sie fott Stanb galten gegen ben bortoärt« brängenben Äat^oliciömuö unb bie fiege«-
trunlene Slaturtoijfenfc^aft, öor attem aber ba« SRiefenmerl berrid^^ten, ba^ fie bie mobeme
3;^eologie innerlich Verarbeitet. Sitte Seben^fräfte toären frei ju machen, um ba«^ gu
leiften, auc^ ber brennenbfte ßifer, bie leibenfc^aftlic^fte Anteilnahme ber ©laubenggenoffen
toären nid^t ju öiel, bie Äird^e mü^te fie toerfen unb bertoerten. SBie toenig ftimmt 46
bagu ein Äirc^enregiment, ba« feinem SBefen nac^ natumottoenbig ben oberftcn ®runb=
fa^ ^aben mu^: bie Äirc^e barf bem Staate leine Sc^toierigfeiten bereiten? 3)ag
5Preu|ifc^e Sanbrec^t l^at e« muftergiltig gum äuöbrudf gebrad^t: „Sanftmut unb Ver«
träglic^feit in Seigre unb SBanbel" toirb Verlangt ; „2ltter mbringlid^en Sinmifc^ungen in
privat- unb Familienangelegenheiten muffen fie fic^ enthalten". „9lu^e unb Drbnung," eo
„SRul^e unb ^rieben," bag ift'«, toorauf e« bem Staate Vor attem anfommt.
Unb ba« toirb beforgt, aefc^icft unb ppic^tgetreu, toie unfer Beamtentum ja ift, getoi^ ;
auc^ mit fo Viel Siebe gur Äird^e, aU biefe jur Rüt über^auj)t m ertüerfen im ftanbe ift.
aber in ber Sac^e liegt e«, bafe ber „leaale Pfarrer" biefem Slegiment entfj)ric^t. 3"
ber Sac^e liegt e« auc^, ba| bei tiefer ge^enben Vetoegungen, namentlich JRom gegenüber, 66
ba« eöangelifd^e Voll fic^ öon biefen feinem Äird^enregiment gerabeju öerlaflen fe^en
lann. Sut^er öergleic^t einmal ba« Äirdbenregiment mit einem gul^rmann, an bem e«
liegt, ba^ 5Pferb unb 2öagen ge^en. „SBo er laj unb fäumig fein toitt, fo toirb ber
anbem Slemter gar leine« nic^t frifc^ fein unb toirb guge^en, al« toenn ber gul^rmann
auf bem Söagen fc^läft unb läfet ^ferb unb SBagen gelten, toie e« i^m toon felbft gel^t." eo
McaI<(htd)no))abie für X^eologie nnb IHtd^ 8. 8. xyin. 45
722 <Biaai unb Snr^e
Unfcr ^ul^rmann fc^Iäft n\i)t, aber er ift fe^r geeignet, ba« ganje gw^ttocrf cin^^ufc^Iäfem.
®a^ fie^t ungefährlich au^; bießeic^t aber fle^t l^inter folc^em ©^lafe ber Stob.
9Jlan i}at eö ali eine ©rrungenfc^aft für bie grei^eit ber Äird^e bejcic^ncn toollen,
Wenn ber Sanbe^berr barauf berjic^tet, baö Äird^^enregiment Jjerfönlic^ gu üben, unb fii
6 burc^ 3Jlinifler ober befonbere oberfle SJeamte vertreten lä|t. 3)a^ mag gegenüber einem
fat^olifc^en gürften ein 9Jotbel^eIf fein. Sei einem ebangelifc^en gürften ift e^ eine 35er-
fc^led^terung; biefer felbft brächte bod^ noc^ e^er ein Clement freien toarmen SBoflen^
herein, ©eine Seamtenfc^aft bagegen ift ba^ Slbftraftum Biaat unb ber Staat ift bol
frembe ßlement in ber Äirc^e mit eignen, i^r fremben gntereffen. gntereffen, bie toir
10 berel^ren unb bencn toir bienen, benn e^ fmb bie be« aSaterlanbe^. Slbet in ber ÄircBc
barf nun einmal fein anbere^ 3l"^^^ff^ maßgebenb fein aU ba^ beö $erm 3^"^ ß^riftuö
unb biefe^g [timmt feincetoeg« immer bamit überein, tote jetoeil^ bad ©taat^intereffe an
maftgebenber Stelle Oerftanben toirb. —
2ßir begreifen bie ergebene ©efinnung, bie barauf toarten toiH, bafe ®ott eine
15 mächtige Setoegung in imfere eoangelifc^e G^riftenl^eit fd^icft, toeld^e bie überlebte %om
jerbräd^e. äJieÖeic^t ioäre e« aber bod^ $flic^t unb ©c^ulbigfeit baran jlu arbeiten, bafe
bie Bad^e toei^lic^ unb frieblic^ in anbere Salinen geleitet toerbe. SQSenn in biejcr
§inftd[^t bi^^er eini rechte (Sntfc^loffen^eit unb ein einl^eitlic^e^ ©treben nic^t gu ftanbc
fommen tooBte, fo liegt ba^ an gar oerfc^iebenen ©rünben, bie nid^t alle gleic^loertig finb.
20 ©^ giebt e^rli^e Slomantifer, bie ftc^ je^t noc^ bamit getröften, bafe ber beutfc^e 3:erri=
torialftaat nac^ ber urf^jrünglic^en ^bee ben „2eib G^rifti" einl^eitlid^ ^abc barfteden follen.
älud^ ein äft^etifd^^ted^nifc^eö aSo^lgefaHen an bem intelligenten Slufbau ber mobenten
^irc^enbel^örbenorbnung mac^t ftcb bagtoifc^en geltenb. ©c^toerer toiegen getoiffe ))raftijd»e
SHüdtfic^ten, bie genau genommen mit bemSBol^l berÄird^e aud^ nid^tt)iel ju t^un baben.
26 (gg giebt noc^ immer 2eute, benen baö lanbe^^^errlic^e Äird^enregiment im lüefentlic^en
nac^ baöfelbe ift mie bcm alten Surgolbenfi^ (^l^iK>>|> äinbreag Dlbenburger) : „ber f(^cnc
Äarfunfel, ber bem fürftlic^en Äaftor erft l^ealic^en ©lan^ giebt", unb bie au^ an fi4
ac^ten^ioerten ®efül?len biefen Äaflor fold^en ©lan^e^ nid^t berauben tootten. 3lnbererfeit»
fommt baö fird^enpolitifd^e ^arteiintereffe inSetrac^t: toenn bie einen öon einem ©e(bp=
30 ftänbigioerbcn ber Äirc^e i^re 33or^errfc^aft erhoffen, fo toollen bie anberen gerabe au^
gurc^t bat>or ba^ Sefte^enbe ftü^en. S3eibe fönnen fic^ Oerrcc^nen. Sebenfott^ ift boe
alle^ m Hein für bie 2)inge, um bie e^ ftc^ ^ier l^anbelt.
3)aö einzige, toaö emft^after ßrtoägung toert ift, baö ift biej^tagc be^^ gortbeftanbe«
ber Sanbe^Iird^e. 2öol;l Oerftanben : eg t^anbelt ftc^ l^ier nic^t um eine SSorliebe für bie
36 einrid;tung, ba^ bie eoangelifd^e Kird^e innerl^alb ber 2anbe^gren|\en eineiS jeben beutfien
®liebftaate0 ein rec^tlic^ abgefc^l offene^ ©anje bilbet ; foubern baö ift e^, bafe bie Sanbe*:
firc^e ebm ben befonbcren 3"fammen^ang mit bem Staate bebeutet unb bafe, ol^nc einen
fold()en 3"fö"i^"^n^öng, bie eOangelifc^e Äirc^e afö 3SolI^firc^e unmöglich tDerben foU.
©ie lann, fo meint man, nic^t auf fic^ felbft fte^en toie bie fat^olifc^c Äirc^e, bie burcb
40 eignen feften 9ied;t^}ufammen^alt iJolfefirc^c bleibt, auc^ toenn ber ©taat fie ate blofecn
äkrein anfe^en toiü. isom ©taat oerlaffen, ioirb fie in ber %i}at n\d)t^ anbere^ fein,
al^ ein SReligion^oercin ober oiclmel^r: fie ioirb ganj Oon felbft verfallen in eine bunte
3)Jannigfaltig!eit oon Skligion^Oereinen. 9Jorbamerifa unb neuerbingö auc^ bie ber refor-
mierten i^irc^e ^ranfreic^ö bro^enben ©paltungen liefern angeblich bie 33elege.
46 9Jun ift fein 3^^'if^'^/ ^^6 cOangelifc^e^ (S^riftentum auc^ auf ®runb einfad^er l>cr=
ein^bilbung fic^ rei4> unb fegensOoU ^u entfalten Oermag. SQäenn mir für unfcre beutfc^c
Slrt ber i^olf^firc^e ben 33orjug geben, fo fönnen ioir gute ©rünbe anführen.
Ser Skligioneoerein fc^eint fic^ ju ennjfeblen bur^ bie ftarfe Setonung ber inbi--
OibucUen greil^eit: e^ beruht auf einem befonberen SBiUen^entfc^lufe bc^ 3"^^^^^wum^,
50 bafe c^ ba^u gcl^ört, unb bie ©efamt^eit ber 3Jerein^genoffen ift formcH freie ^errin ,^u
beftimmen, toa^ 3>crein^glaube unb 35erein^gotte^bienft fein unb bleiben foU. ^Ij^ätfäc^lic^
toerben freiließ in bciben Slic^tungen bie gamlientrabition beig ©n^elnen unb bie gefc^icbt--
lic^ geworbenen ©ebanfen unb (linric^tungen ber ©efamtl^eit ftarfe ©ebunben^eiten mit
fid; bringen. ®ie ^reil^eit ift ^um guten Seile eingebilbet.
65 33ci ber 3?olf^firc^e bagegen liegen biefe ©ebunben^eiten in i^rem SBefen unb er-
ioeifen fic^ al!o unmittelbar toirfenbc red^tlic^e Sbttoenbigfeiten. ©ic l^at i^r 2>olf, toie
ber Btaai, ba^ i^r ^ugel^ört unb fic^ oon felbft erneuert burc^ ba^ 33anb ber natürlichen
2lbftammung, nur locnig Oerfc^oben an ben ©renken burc^ freitoillige Slu^trittc unb 6in=
tritte: man ioirb hineingeboren. Unb toie ber Staat ift fie für il^re 2tnge^örigen ettoa^
ßo §ö^ere^, Sclbftoerftänblic^eö : man fann an feiner 2lu^brudE0toeife formen unb beffem,
aber im fficfen mufe e^ ba^ nämliche fein unb bleiben, ^cber ©ebanlc an freie STuf^
(öfung unb freie 9JeubiIbung nac^ augenblidlic^em Selieben ber (Sin^elnen ift burdj^ bie
3bee ber ©inric^tung felbft au^gefd^Ioffen, ganj toie beim Staate.
2öenn bie Kirche über^aut)t eine SRec^teform l^aben mu^, fo ift ba« Se^tere Wo%
toa^ il^rem SBefen beffer entfjjrid^t. 3)em religiös geftimmten ©cmüt mag e^ anjie^enber 6
fein, einem engeren Äreife anzugehören, beffen c« ftc^er ift. ®ar mand^er öon un« ^at
eine ©ntmictelung^ftufe gehabt, too i^m bie größere SBärme ber ©cften ßinbrutf machte.
Slber ber 2)ienft be^ §crm mirb fd^liefelic^ boc^ beffer öerfel^en in ber großen ©emeins
fd^aft, in tüelc^er ber gute Same be« (göangelium^ au^gefät n)irb auf ein möglic^ft toeiteg
gelb mit bem S?ertrauen Sutl^er^, bafe er nic^t o^^nc g^uc^t bleiben fönne. lo
©0 ift bie Sanbeefirc^e allerbing^ ein tpertboBe« ®ut unb eine 9?euorbnung ber
3)inge, meiere ju il^rer S^^fftörung führte, n)ürben tpir bermeibcn, fo lange e^ o^ne
größeren Schaben gefd^e^en fann. Senn einen größeren giebt e^ natürlich gleic^mol^l.
Slber fte^t eö benn n)irflic^ fo, baß bie Sefeitigung ber je^igen 3lb^ängigfeit öom
Staate nur erfauft h)erben fönnte um ben 5Prei^ eineö ÜBer^ic^te« auf biefe^ ®utV 3)a« 15
ift unfere^ ©rächten« feine^tüeg« ber %aü, ^JJielme^r berufen fold^e Sefikrc^tungen auf
einem 3wfö"^ni^"h^^^n berfc^iebencr $inge unb auf einer untoiHfürlic^en gälfc^ung ber
grageftellung.
SBenn ber alte Serritoriali^mu« aufhört, fo ift bamit feineeroeg« gefagt, baß nun«
mel^r bie 5lirc^e außer allen befonberen 3"ffl"^»"cn^&ö"0 "^i^ ^^"^ <StaaU unb in bie 20
Stellung eine« gctoö^nlid^cn Sereineö treten foH. SJom lanbeö^enlic^en Äirc^cnregiment
biö jum franjöfifc^en Softem ber fc^roffen 3:rennung ift ein toeiter 2Beg; mancherlei
3toifc^enftufen [xn\) ba noc^ möglich unb eine biefer 3^ifc^enftufen ^eißt gerabe: Selbfts
berioaltung ber ßirc^e. 6^ ^anbelt fic^ nur barum, i^r enblidj^ ju geben, toa« man i^r
aU collegium, aU öffentlid^er Äörjjerfc^aft fc^on längft ^ugefjjrocjSien unb i^r nur burc^ 25
allerlei ^^ftionen immer toieber Vorenthalten l^at. ^^re ^ei^cit muß bie natürliche
©runblage beö 2}erl)ältniffe^ fein; ber Btaat mag [läj bann äluffic^t^rec^te borbcl^alten
toie gegenüber anberer Selbftbertoaltung auc^; ba^ genügt. 3ft ettoa bie poliiifc^e ©e^
meinbe außer 3wf«"^n^^"^ö"0 ^^^ bem Staat unb ein bloßer äJerein, toeil ber Äönig
nid^t i^r gebomer Sürgermeifter ift unb i^re ©efc^äfte nic^t in feinem 5lamen beforgt 80
toerben? 2Benn aber bie J)olitifc^e ©emeinbe mit aU i^rer ^rei^eit ein öffentlic^ei8 ©e^
meinmefen geblieben ift mit i^rem ©emeinbebolf unb i^rer ÖemeinbegeU)alt unb i^rem
©emeinbegebiet — toarum foU ba^ bei ber Äird^e nic^t auc^ mö^lid^ fein?
Sag gan|\ er^eblic^ beiträgt, bie flare ©rfaffung be^ Probleme« ju erfd^toeren, ba«
fmb leiber lieber einmal juriftifc^e gormein unb 2:^eorien, bie man |ier Ijlincingetragen 35
^at unb bie au^ bie S^eologen fc^on fic^ anzueignen fc^einen. (S« toirb gelehrt, bie
Äirc^e lönne nur fein entU)eber eine Slnftalt ober eine ©enofjenfc^aft. 3lnftalt tocrbe fie
burc| ba« lanbee^errlic^e Äirc^enregiment unb ^ier al«bann jufammcnge^alten burc^ ben
„tranfcenbenten" SBiHen, ber in i^r ^errfc^t. SoU fie frei toerben babon, fo fann fie
nur ©enoffenfc^aft fein, einfacher 5>erein, ©efeUfc^aft unb ber „immanente" aBitte ber einzelnen 40
ift bann maßgebenb für fie. 2)iefe Se^re l)ai ja anbertoärt« i^re SBerbienfte. Äier aber
fte^t c« boc^ nur fo, baß man ^bm mit bem 3Ramen „Äirc^e" nic^t bloß bie bcftimmte
(Sl^riftengemeinfc^aft bezeichnet, fonbem auc^ bie Einrichtungen, bie für fie unb i^rc
gtoecfe getroffen ftnb, bie für fie beftel^enbe 2tnftalt. SDiefe le^tere fann ber Staat unter
feine Oberleitung nehmen ; aber baburc^ toirb boc^ nid^t bie ß^riftengemeinfc^aft felbft 46
ZU einer älnftalt. Unb anbererfeit« toirb fie, gelöft au« oiefem attzu engen 3ufammen=
^ange mit bem Staate, nid^t notmenbig ein 3?erein. S« fommt eben barauf an, toie
bie 3uge^örigfeit ber einzelnen bei i^r rec^tlic^ beftimmt toirb. 3)a« fann berein^mäßig
gefc^e^en; ba« motten toir nid^t. ®« fann aber auc^ bolt«mäßig gefc^e^en, toie beim
BiaaU felbft, bei ber ))olitifd^en ©emeinbe unb bei ber fat^olifc^en Äirc^e. SBcnn ba« 50
gut unb red^t ift, fo fann e« un« gleic^giltig fein, ob e« in ein beliebte« juriftifc^e«
Schema )i>ait ober nic^t. 6« j^at ja au^fieute gegeben, ioelc^e ba« je^ige bcutfc^e SHeid^
au« juriftif^en ©rünben für eine Unmöglid^feit ertlärten.
9Jun ift e« ja toal^r, baß tl^atfä^lic^ ber Biaat folc^e t)olf«mäßige ^Jlenfd^ens
gemeinfd^aften nur orbnet, too er fie zuQl^ici^ einfügen toitt in feine eigene Drbnung al« 66
^Mitarbeiter für öffentliche Angelegenheiten nad^ ben Siegeln ber Selbftbertoaltung. a)iefe
SBorau«fe^ung foH aber \a gerabe auc^ in 3"fw"f^ ^^ ^^^ ebangelifc^en Äirc^e erfüllt
bleiben; bazu bebarf e« nid^t be« lanbe«^errlic^en Äird^enregiment«. 2lber felbft menn
ba« nxd^t ber gatt toäre, — toir muffen je^t einen Schritt tociter gelten — fo beruj^t
c« bod^ n)ieberum nur auf einem ganz unbegrünbeten SSorurteil, tocnn aud) einem toeit^ eo
40*
724 $ioat nnb dtri^e
Verbreiteten, ju glauben, bie bom ©taate Döttig getrennte Äirc^e muffe nottoenbig bic
©eftalt eincö ÜBercinc^, einer ©efellfc^aft nad) ben getoö^nlid^en Siegeln be^ bürgerlich
Siedete« annehmen, be^^alb toeil ber Biaai nunmehr nur nod^ biefe gorm für fie bereit
ftettt. So tpäre e«, toenn bie nai) äuffaugung alle« öffentlichen Scben« ftrebenb«
6 ©taat^ibee ftc^ o^ne 9teft bertoirllic^en lie^e. 2:i^atfä(^licl^ giebt e« ober immer noA
?Dlenf(^engemeinf(^aften, bie ü^ren 3wfammen^alt unb il^re georbnete ©eftalt ftc^ f^Kiffen
o^ne ben Btaai unb nötigenfall« i^m jum %xo^. 33eif))iele folc^er (Seftaltungehoft
mögen in me^r öorüberge^enber SBeife Jjolitifc^e ^Parteien bieten, bann tocnigften«, toenn
i^nen eine bie ßinjelnen ;itpinaenbe SBeltanfc^auung, alfo eine 9lrt religiöfcn eiementc«
10 ju ©runbc liegt, ^n boÖer SJeutlid^feit bagegen pnbet fwi^ biefe ©rfd^^einung bei ben
eigentlichen 3leligion«gemeinfc^aften. ^ier toerben ^uge^örigfeiten unb einjelletftungcn
f\(!!to&fyct, bie ein religiöfe« Sebürfni« befriebigen. 3)iefe ©etpäl^rungen ju orbnen unb m
id^^em, bafür ift bie Sleligionögemeinfd^aft ba unb bie SWenfc^en, für toclc^e fie ba ift,
bestimmen fic^ i^r, je na^ i^er gefc^idS^tlic^en entftel^ung unb enttoicfelung, bur^ frei=
16 tpiUigen 35eitritt ate 3Sereinömitglieber, ober fie übernimmt fie bon felbft ate natürlichen
3utpac^« be« il^r fc^on zugehörigen Solle«. ®aju bebarf fie bc« Staate« nic^t gie
bebarf feiner and) nid^t, um biefe« 38olf beifammen unb in Drbnung ju l^altcn. Slu« bem
religiöfen SJebürfni«, beffen Sefriebigung fie geh>ä^ren, folglich aud? toerfagen lann, jie^
fie eine eigene ^ila^t über bie Oemüter, au«rei^enb, um eine 3lec^t«gett>alt barauf ju
20 grünben, bie ebenfo urfj)rünglic^er 3lrt ift tpie bie be« Staate« felbft.
Seim 3leligion«t)ereine mag fid^ ba« fc^einbar bedfen mit ber getpö^nlic^en Serein«^
getoalt; bei ber SSolföfird^c ertoäd^ft au« eigner SBurjel bie Äirdpengetoalt. SD3o jenc^
Sebürfni« fel^r ftarl ift unb ba« 3Ka^ freier Serfügung über ba« ju ©etoä^renbe, tpelc^
ber anerfannten Sorftanbfc^aft julommt, fe^r toeit, lann fic^ biefe Äirc^engetoalt gu einer
26 großartigen §enfc^aft«orbnung entfalten.
3)aß ba« bei ber fatl^olifc^en Äirc^e gutrifft, tpirb niemanb toerlennen. 2)a« neue
franjöfif^e 3:rennung«gefe^ giebt toieber einen fc^lagenben Seleg. $ier toitt ber Staat
au«brü(flic^ mit ber Äirc^e in il^rer ^ierarc^ifc^en Drbnung nic^t« mel^r gu t^un ^aben;
er fe^t an i^re Stelle örtliche Sereine be« bürgerlichen 3lec^te«, gebilbet für bie äuf=
ao bringung ber 3Kittel für bie Äoften be« Äultu«. §inter biefen Äultu«t)eretncn beftefct
felbftberftänblic^ bie lat^olifc^e StxxAc fort, al« bie SolI«firc^e, bie fie öon je^er ifi
aWan barf bie lat^olifc^e Äird^e nic^t baburc^ aufier Sergleid^ fe^en h>otten, bafe
man i^r na^rü^mt: mit i^r fei e« ütoa^ anbere«, fie fei ftaatli^ orgamfiert. 3l\d)t tpcil
fie ftaat«artig organifiert ift, l^at fie Solf unb Äird^engetoalt, fonbem toeil biefe Drbnungen
36 bei il^r fo fräftig enttoidtelt finb, l}ai fie ethja« Staat«artige«.
3Kan foUte fic^ auc^ nic^t blenben laffen burc^ biefe mac^töoUe ßrfc^einung, fo ba^
man gar leine Äirc^engetoalt me^r fe^en toill, toenn fie nid^t ebenfo glänjenb auftritt.
§ier giebt e« ©rabunterfc^iebe. 3)ie §au))tfac^e ift, baß auc^ im ?ßroteftanti«mu§
religiöfe Sebürfniffe beftel^en, beren Sefricbigung nur bie ©emeinfc^aft getüä^ren unb
40 unter Umftänbcn auc^ nic^t gctoä^ren fann. 3)emgemäß muffen auc^ ^ier 9Solf«fir(^
unb Äirc^engeU)alt fic^ bilben lönnen, fclbftftänbig, o^ne ben Staat. 3)ie X^atfad^en ber
©efc^id^te betocifen ba« unb U)ürben e« noc^ me^r betoeifen, toenn ber befreunbete
Biaai bie Äirc^e nic^t fo feiten l^ätte ^u SBort fommen laffen. 3)a« t>ielbenifene norb-
amerifanifc^e Sorbilb ]px\d)i n\d)i bagegen. Sei genauerer ^Prüfung toirb fic^ ergeben,
46 bafe bie großen ebangelifd^en „Denominationen" : Sifc^öflic^e, 5pre«b^terianer, SWetl^obiften,
Sut^eraner u. f. h). feine Sereine fmb, fonbem rid^tige Solf«Iird[^en. Sereine bilben
immer nur bie o^jfertoiUigen ?Dlitglieber, U)elc^e fic^ örtlich jufamment^un, um bie Äoften
be« ®otte«bienfte« gu fiesem. 2)iefe beftcllen bann trustees für biefen 3^^* *>^^ ^'
toerben bic Steckte einer Corporation, einer cibilrec^tlid^en juriftifc^en $erfon. Über
50 ibnen aber ftel;t bie Denomination, bie church, gu U)elc^er aud^ anbere al« bic ^it--
glieber folcber Sereine gel^ören; fie ift ein spiritual body, aber al« fold^c« formally
organized, mit feiner eignen Serfaffung öerfe^en, unb recognized by the law, in«^
befonbere erfenncn bie ftaatlic^en ©eric^te an, loa« fid^ l^ierau« an 9lec^t«bcftimmungen
für bie TOitglieber ergiebt. Sei ber fat^olifc^en Äirc^e ift bie Sac^e nic^t anbcr«. Daß
66 ber Übertritt bon einer Denomination gur anbern fic^ mit großer Seid^tigleit boDgiebt,
^ängt gufammcn mit ber SJbee einer geiftlic^cn ßin^eit ber ebangelifc^cn G^riften^eit,
ben)eift aber felbftDerftänbli^ gar nic^t« für bie Serein«natur ber Denominationen.
3n biefcm 2lugcnblidt feben U)ir in granfrcid^ bie beiben el>angelif(^en Äird^en,
aug«burgifd^e unb reformierte Mird^e, bon bem 2;rennung«gefe^e getroffen, toic bic taiho^
60 lifd^c. 3luc^ bon i^nen i)at fic^ ber Staat gurüdfgegogen, um nur noc^ Äultu«bercine an
726 ^iaai uttb Striae
Ijalt bcr Äird;c afö ®ön,^cö. 9J?an mag i^in nad^ allem 3SorbiIb ein Siedet bc^ au|cr^
orbenllidien ßinfc^reitcnö öotbe^alten im ^lotfaHe, „toenn bie Rottegia in 9?erfaD ge=
raten"; üieHcic^t genügt aber l^ier ber immer offene 2Beg ber ©efc^gebung. äui an
ein ßingreifen ber Slegierung jum Bd^u^ ber SJUnber^eiten l^at man fc^^on gebacbt, an
6 ©treitentfc^eibung im ^alle be^ Slu^fc^Iujfe^, and) tüo eine bürgerliche Slec^tßftreitigfcit
nic^t vorläge. Q^ braucht faum l^ert)orgei;oben j\u tperben, ba^ berartige 2)tnge nur mit
größter SSorfic^t georbnet h)erben bürften, um ni^t bie ^^ei^eit ber Äir^e h>ieber ju i)«-
nickten unb ben Btaat mit einer l)'6d)\i unbanfbaren 9loIIe iu belaften.
3SicI bebcutfamer ift bie Sintptrlung, toelc^e er in biejem Sinne gu üben öermog
10 mittelbar, bei ber Seforgung feiner eignen Slnftalten : Schule, ^eer u. f. h). So lange
er bie pflege bcr 5Heligion babci in ätnf^jruc^ nimmt, brau^^t er ja eine groge J^roteftan^
tijc^e Äirc^e, bie i^m bie 2e^rcn unb bie Se^rer unb bie ©ebräuc^e fteUt, gerabefo tpic
bon bcr anberen Seite bie fat^olifc^e Äirc^e. SBie er nun aber einmal ift, f ommt e^ ibm
auc^ in religiöfen 3)ingen Dor allem barauf an, feine fieutc glatt unb einfa^ nac^ grofecn
16 SRubrifen be|anbeln ju fönnen. 6r U)irb be^^alb fe^r geneigt fein, btefe Äirci^c in ihrer
aiuffaffung p unlcrftü^en, ba^ fie nad^ toie bor Sanbeöfirc^e, 3Solföfirci&e fei, bafe bcm:
nac^ ^ier felbftberftänblic^e ^uß^Wrigfeiten ber einzelnen 9J?cnfc^en beftel^cn, bie fub t>cT=
erben toie bie Staateangel^örigfcit. 2)ie Äirc^e fann ftd^ barauf berlaffen, bafe er fw
l^ierin nic^t im Stiche läfet ; im ©egenteil, fie toirb fid^ nur gu ioc^ren ^aben, bafe er in
20 feinem 3"^cilungebrang ni^t j;u toeit gc^t, toie ba^ ^ur ^^it bc^üglic^ ber fog. 3)ift>
bentenfinber ftcUcntocife ber %aü ift.
3Son ganj befonberer 3Bic^tigfeit toirb bie Äirc^enftcuer fein. SBir nel^mcn ja an,
bafe ber Staat, ^ur ©rleic^lcrung bcig Übergang^, ^unäc^ft noc^ fortfäl^rt gröfeere ^n-
fc^üffe IM gctoä^ren ; bie Äir^enfteuer ftebt toie bi^l^er baneben ; i^r gel^ört bie 3"^"tt.
25 2(uc^ babei toirb ber Staat immer bie ^bee be^ Äirc^enbolfcs; mit i^ren felbftberftdnb-
lic^cn 3w9^^örigfeiten fräftig ^ur (Seltung bringen, unb toäre c^ au^ nur jur Saeim
fad;ung feinet ©efc^äfte^ bcr ftirc^enfteuererbebung. Slufeerbem, ba er bie fiirc^enftcucr
nur ben großen Sanbe^fird^en betoiHigt, fc^afft er bamit ein red[)t nüd^teme^, aber bo#
toirffame^ (Slement bc^ 3"f^"^"^^"^ö^^^- 2öer religiöfe S3ebürfniffe l^at, toclc^c bie
ao Sanbeefird^c nic^t bcfriebigt, mag fid^ mit anberen gu befonberen gotte^bienfllicben 2^fr-
anftaltungen jiufammentbun, mit ober o^ne förmlichen 9lu«tritt. I)a^ ftcl^t aber allc^
nur auf bcm fc^Uantenbcn Soben bcr 3?ercinöbeiträge. Die Sanbe^firc^en mit i^rer ge=
fieberten ginan^grunblagc bilbcn bie feften 3Hittelj)unfte unb üben orbentlic^ertocife eim
gcnügcnbe Slnjicl^ung^fraft, bamit folcf^c Slbfplitterungcn nic^t aüju umfangrcid^f unb nidit
35 auf bie Dauer fid^ öoÜ^icbcn. —
So bürfen toir bcnn getroft bc^au))tcn: fotoeit ba^ Don red^tlic^en Crbnungen ab-
l^ängt, toirb bie bcutjd^e ct)angclifd)c G^riftcnbeit auc^ nac^ Sefeitigung be^ überlebten
lanbee^cnlicbcn 5!irc^enregimcntö fc^r tool^l im ftanbe fein, in ber ©eftalt üon l^anbcs^
firc^cn unb SJolIetirc^cn jufammcngcl;altcn ju toerben unb fortjubeftcben.
40 Die bcrfaffungömä^ige Drbnung biejcr Rirc^en toirb allcrbing^ auf biefcSBeife nacb
toie bor in bie ©rcnjcn bcö ©cbietc^ ber ßinjelftaaten gebannt fein. Damit Verträgt
fic^ fo gut toie jc^t, ba^ fie fid^ für gcmcinfame 3lngelcgen^citen jufammenfdbliefecn.
3)tan mufe fic^ aber flar toerben, bafe fold^er 3ufammcnfc^lu6 eine ganj anbete Scbcumng
^abcn toirb alö jc^t. Denn bae finb bann feine S^erfammlungen üon Delegierten ber Sanbi^^-
45 rcgicrungcn me^r. 6in Sunb autonomer Äirc^en ift in %xaQQ, 9lic^t alle SHcgierungcn
toerben bicfeö ^inau^grcifcn ibvcr „öffcntlicf)cn Äör^jcrfd^aft" über bie Sanbe^grenjcn je-
fort mit bcm nötigen freien ölidt bctracfjtcn. ^ür bie coangcIi|dBe Äirc^e ift bie Sacbe
aber gcrabc bcel^alb fo toid)tig, tocil fie bamit ertocift, bafe and) fie noc^ mehr ift aU
ein Selbflocrtoaltungeför^cr. äüaö bcr fatbolifc^cn Äirt^e redf^t ift, mufe il^ir billig fein;
50 bamit toirb |;ulc^t aud^ ber Staat fid; tool)l aufrieben geben. 6^ ift erlaubt, gar mancbc
3ufunft0l?offnung an folcl? einen Sunb ^u fnüjjfcn. Sollte einmal toirflic^ bie Trennung
Uon Staat unb Äird^c fid^ bol(jicl;cn, fo toirb bicfe bielleic^t in ber größeren ©emeinfcbaft,
bie eben baburcl) noc^ inniger toerben fann, einen ßrfa^ finben für bie Stü|c, bie fic
am Staate ücriicrt, um nad) toie i)or il;re 3ktur al<§ Solf^fird^e ju be^au))ten. —
55 Die SKcgc finb gc^cic^nct unb finb gangbar; äufeere ^inberniffe befte^en nic^t ober
laffcn fid; übertoinbcn. Damit ift felbftbcrftänblid; nicbt aUe^ getl;an. Die ^auptfacbc
toirb fein, bafe bie eoangclifd;e Äird)c fid; fäbig unb fräftig ertoeife, biefe älßege ^u geben.
aWcr in biefcr .V)infic^t Öcbcnfcn I^cgt unb bcebalb bie 33eibel^altung beiS lanbeebenliien
ilirc^cnrcgimeutig toenigftcns l>orläufig unb al^ 9totbe^clf befürtoorten möchte, ber fcÜtc
60 fid; flar mad;en, ba^ gcrabc ba^ lanbcel^errlid;c itirc^cnrcgimcnt t^ ift, baö biefe 3todfc(€^
Siaai ttttb Striae @iabtatt(agett bei bett ^ebraeni 727
grünbe öcranlafet f)at ßinric^tungm crjie^cn ein 3SoIf, bie ^a^t^unbcrtc lanbc^^cnlic^cn
Äirc^enrcgiment^ i)ahm ba« ebariöclifc^c 33olf fd^lcc^t erjogcn, ba^ ifl fic^cr; eben bc^^alb
ift e« 3^^^' ^"^ ^^^ aufhöre.
Sie ^aben bor allem ber Äird^e jeglic^e^ gefunbe ©clbftbertraucn genommen. ©^
befielet ja bielfad^ eine tpal^re ängft öor ber grei^eit, aU ob bie eüangelifc^e 6J[^riften^cit 6
nur barauf toartele, ba^ bie bänbigenbe %a\x\t jic^ gurüdf^ie^t, um [xd) grimmig ju jer«
fleifd;en unb bann in Keinen ^artifeln ju ^erftieben.
©ie l^aben ben ©liebern ber Äirc^e ba« SSeranttoortlic^Ieitögefül^l abge[tum))ft. ©o
mancher fedfe äft bon l}nbm unb brüben, ber un^ je^t erfd^redt, iüäre bieBeic^t untere
blieben o^ne ben ftitten (Spanien : bie SRegierung tperbe bie ©ac^e ja bod^ jufammens lo
Italien.
©ie l^aben bie 3^^^ «i^t auffommen laffen, ba^ neben bem Sanbe^^erm unb feinen
i^uUn a\x(i) jeber einzelne ^Pflid^ten ju erfütten ^aben fönne, ©etoiffen^^jflidj^ten, ^ur 6rs
Haltung be« äufeeren Seflanbe« ber Äirc^e. 6^ Ij^iefe ^ier toie nac^ 3Konle«quieu im
monar^ifc^en &taak bon ber vertu, ber Sürgertugenb: „l'^tat vous en dispense". 15
3)a^ folc^e ^flic^ten betoufit unb h)irffam toerben, barauf berul^t gerabe ba« $eil
unb bie 3"^"f^ ^^ Äirc^e. ©old^e« lann aber nur gefc^e^en in ber ^eilfamen Q\xd)t
ber grei^eit. ©eg^alb ift bie erfle ^Pflic^t, biefe ju erftreben.
Seichter tüirb bie Bai^z bann nid^t fein; im ©egenteil, fc^tuere Kämj)fe unb mül^s
feiige arbeiten ftnb borau^gufeben. äuc^ für ben Staat werben bie Singe nidj^t me^r20
fo einfach unb bequem fxd) anfteUcn tpie bi^^er. aber toenn fie gefunber unb toa^r*
Saftiger geregelt fmb, tüirb fd(^lie^lic^ auc^ er feinen 2:eil ©egen babon ^aben.
Otto äRaijer.
Stabat inater f. b. 21. 3aco»)one ba SCobi Sb VIII S. 518,8.
Stabtattlagen bei bett*$ebrfteni. — fiitteratur: 3. ^en^inger, ^trc^äolo^ie 25
§ 18; ©. ^oioad, Slr(^äologie §25; 91. ölfferbecf, 3)er ^cftungSbau im alten Orient (S)cr alte
Orient I, 4), 1903.
3)er Sau ber ©täbte toirb bon ben 5i^taeliten toie in ber ganjen altorientalifdjien
3Beltanfc^auung in ben Sinfang ber 3Belt gelegt. 35ie erfte ©tabt trug ben -Jtamen
§enod^ (®en 4, 17), fie galt be^^alb in ber uiffjjrüngli^en gorm ber ©age aud^ ateso
bon i^m gebaut (nid^t bon Äain). 3)a« f)attQ il|m natürlid^ bie ©ottl^eit gezeigt, bon
ber ja über^aujjt alle Äünftc unb ffiiffenfc^aften ^errü^ren. 9?gl. baju ben 9Jl^t^u« bon
6a=Danne^, auf ben unter anberen Äünften auc^ bie Untertoeifung im ©täbtcbau jurüds
geführt toirb.
SKag ben UrfJ)rung ber i^raelitifc^cn ©täbte im aBeftjorbanlanb betrifft, fo ftnbsö
fie in ber §auj)tfac^e lanaanitif^. (gd tbirb al^ ©egenftanb befonbcren ©c^recfen« für
bie S^J^öeliten angefüt^rt, bafe bie ©täbte im Sanb, in ba^ fie ^ogen, fo feft ummauert
toaren (3Ru 18, 28). 2tu« ben leH Slmamabriefen unb au« ben äQ\)pt\\d^tn Siften er=
fal^ren mir eine ftaunengh)erte5!Rengebon©täbtenamen; Drte toieSlüalon, Slffo, ä^falon,
35eirut, ß^afor, ®at, (äa^a, ®ejer, ^^"fölem, Sac^i«, SItegibbo, ©ic^em, ©ibon, %\)xu^ 40
j. S. finb fd^on um 1400 b. 6^r. fefte, b. l}. ummauerte ©täbte, bie unter fleinen dürften
Itanben, unb ^u beren ®ebiet bie umliegenbe Sanbfc^aft mit i^ren offenen glcdfen unb
2)örfern gel^örte. Sie i^raelitifc^e Überlieferung ift fic^ auc^ nod^ rec^t \voi}l betbufet,
ba^ bie S^raeliten in biefe ©täbte nic^t fo rafc^ Slufnal^mc fanben, bafe fic^ bielmcl^r
bort bie fanaanitifc^e Scbölferung nod^ jiemlid^ lange im 33efi^ ber ^lai}t f)klt unb bafe 45
mand^e nur mit afeaffengetoalt unb in bert^ältni^mäfeig f^jöter 3^^^ erobert hjurben (bgl.
j. 33. S^J^wfal^"^)-
daneben finb natürlich anbere ©täbte rein i^raelitifc^en Urfjjrung«. 33on ben ein«
bringenben ©d^aren mag mand^e mm 5^icberlaffung gegrünbet U)orben fein, bie im Sauf
ber 3«ii au^ ^incn^ einfachen Sauem^of ober „^erbenturm" j\u einem Rieden l^erann)ud^« 50
unb fc^lie^lidj^ 3Kauern befam. Sa« 3i"^^^<^ff^ ^^ QtaatQ^ lie^ bie Könige ba unb bort
eine offene Drtfc^aft mit2)lauern berfet^en unb befeftigen ßof 19, 50; 1 Äg 12, 25 u.a.).
Sie SRefibenjftabt ©amaria ift eine ©rünbung Dmri« (1 Kg 16, 24).
3n ber griec^ifc^en 3rit fmb bann folc^e ©täbtegrünbungen an ber 2:age«orbnung:
•^Pella, Sion, ©erafa, Slnt^ebon, §ippo« u. a. berraten fidj^ fc^on burc^ i^re 3iamen al« 55
(Srünbungen ber ^eüeniftifc^en 3^^^- §crobe« b. ©rofee legte ßäfarea unb ^^i^afaeli« an
unb baute mehrere ejeftungen: jtbei §erobeion, SUejanbreion, §t^rcania 2c. ^erobe« 2tnti))a«
ift ber ©c^öjjfer bon Liberia«, ©e^r oft ^anbelte e« ftd^ babei freiließ blo^ um 3Kieber=
728 Stabianhigett bei bett ^ebrient
aufbau, SSerötöfecrung unb 5Reubenennunö aller Orte, unb bielc bicfer burd^ §errf(^crlaun«
m^ Scbcn gerufenen ©rünbungen fmb bon furgem Seftanb gehjefen.
©er Unterfc^ieb jtpifc^en ©tabt unb 3)orf tpirb and) im 912 flct^ gemacht, g^
ift junäc^ft ber be« feften, ummauerten 5pia$cö p^3?^ rrori ^^:? £e 25, 31: bo^f toirb
6 ^^r aud^ aö attgemeiner 3lu«brudE für Drtfc^aft gebraucht 3)t 3, 5; 2 Äg 17, 9) «n
®cgenfa§ ju ben offenen 9lieberlaffungen ober ®injeII5^öfen (^V^T\ 2c 2b, 31, ttts
(gj 38, 11, T??^ ^?'=^ 1 Sa 6, 18 begto. ^ss unb "^F? olj^ne 3ufa^ i (S^r 27, 25, ein in
f^öterer ^^\t aU Seftanbteil t)on Ortsnamen in ^aläftina fel^r ^äufiged 3Bort t)gl. fta|)er:
naum, Äojp^arfaba tc), ®icfer Unterf^ieb l^at bann gu aßen 3««*^ «"«^ ^"^ f^I*««
10 in fultureuer Sejiel^ung bebeulet: in ben ©labten, ben ©i^en oer gtirften unb ©rofecn
l^al bie Äultur rafd^ere gorlfc^ritle gemacht ate auf bem Packen Sanb. ©J)ejicD für $a=
läflina f)at er ju einzelnen ^üim feiner ©efc^id^^te noc^ mel^r bebeutet: toann immer
einzelne Sölferfd^aften gleich ben 3^wclilen frül^er ober fpäler in« Sanb einbrangcn,
breiteten fie ftd^ immer gunäc^ft auf bem flad^en Sanbe au« unb Derfc^mohen bort mit
16 ben alten Setoo^nem. 93i« fte auc^ bie ©table mit i^rer überlegenen J^ultut in ibre
^änbe belamen, bauerte e« geraume 3^i^- Snblid^ n>ar }U aEen ^^izn ba« Ser^dltni^
bon ©labt unb 2anb ba« ber Übers bejU). Unlerorbnung. 3" ^^" ©labten fafeen bie
§enen unb regierten bon ba ba« Sanb, bie offenen 3)örfer fmb bei ben Äanaanilem
toie bei ben S^^^^Iiten unter ber ®eric^l«barleit ber ©table geflanben, ^aben bort^in ac-
20 jinft unb bort in Ärieg«jeiten il^ren ©c^u^ gefunben. ^m 312 Reiften bc^^alb bie 3)öiTcr
bie löd^ter ber ©labt; bie meiflcn ©labte |aben „ilj^re" ju i^nen gel^örtgen 35örfer(3iu
21,25. 32; 32,42; 3of 17, 11; aud^ nodj^ in \pätmn Duetten 3of 13,23. 28; 15,
45—47; 9li 11,26 n. a.); gelegentlich cvf)äU bcmentfj)recl^enb eine ©labt ben 5Ramen
„3Kuller in S^rael" (2 ©a 20, 19), bgl. ba« griec^ifd^e itiyTß(5jro^g. 2)er Unterfc^ieb ifl
25 auc^ im 31% unb bei 3ofei)^u« beibe^^allen: xwuai finb j. S. Sel^anien (3o 11, 1),
»el^le^em Qo 7,42), gmmau« (Sc 24, 13); nöXetg fmb 5Ramrell^ (Sc 1, 36), Rapct-
naum (Sc 4, 31) \x,a. 3)od^ l^anbelt e« fic^ jej^t in gritc^if^er ^Ät nid^t me^r um
Sefeftigung unb 3Kauem, fonbem 33crfaffung, Steckte u. bgl., toelc|e bei ben ©lobten
anbcre toaren al« bei ben 3)örfem, ^I. ben 3lu«bru4 xcoßjLonöJieig (9Rc 1, 38) t>on
30 ©labten, toelc^e nidj^t bie eigentlichen Steckte einer ©labt, fonbem nur bie einer xwur}
^tlen.
3)ic Drt«lage für eine ©labt beftimml fic^ im Orient nac^ bem SBaffer: nur too
l^inrei^enb flarle, nie berfagenbe Duetten finb, l^at ein Ort 2lu«fid5^t ju geheimen. 3l>ie
toid^lig ba« ifl, erfennt man fc^on baran, bafe biele Orte fid^ nad) ber Duette benennen:
85*6n ®ebi, '@n ©c^emefd^, '6n Slimmon u. a. ^n gtoeiler Sinie lam in Selracfet
öor attem für feflc ©table, ba^ bie Sage einen getoiffen natürlichen ©c^u^ toerliel^. 3^0»
boten in ^aläflina nur bie älnl^ö^en. ältte großen unb feflen ©table, bor attem ^cw-
falem fclbfl, ©amarta, ^^xul lagen auf §ügeln ober am Sergabl^ang, auc^ ba« alte
Hebron unb ©id^em, nic^l U)ie man bei biefcn beiben nac^ ber heutigen Sage meinen foule,
40 imlcn im 2;^al. 2lud^ bie« finbel in ga^lreic^en Drl«namen toie 3lama, 9Ki5))a, ®ibea
u. bgl. 3lu«brudf. Oben auf bem §ügel lag ba« Heiligtum unb bie fefle Surg (migdäl,
bgl. 9li 8, 46), am Slb^ang bie Drlfc^aft unb toeiler unten bie Duette.
3)ic 31 amen ber i«raelilijc^en ©labte fmb un« ju einem großen leil nie^l mebr
berflänblic^, fotücil e« ftc^ nic^l um bie altbcfannlen Drt«ab>)cttalit)a toie 'ajin, Mt,
46 migdäl, rämä, 'ir, karmel, kerem, gannim unb äl^nlid^e l^anbell. 2)ie lange ^^t
beliebten (gl^mologifterung«berfuc^e fmb Don born^erein al«U)ertlo« abjule^nen. 3)cnn es
fmb ipo^l meifl fcmaanilifc^e ober nod^ ältere Sßorlbilbungcn, für toelc^e unfere Bpiaä}--
lennlniffc nic^t au«retc^en. 2)a^u nun l}ahm fie im Sauf ber S^^r^unberle gan^ un:
lontrottierbare Snimidfelungen burc^laufen bi« ^u ber un« überlieferten gorm. 9Jcan benic
60 nur an bie SBanblungen, h)eld^e unfere Drl«namen burd^aemac^l l^aben, aud^ ol^ne SBec^fel
ber S3ebölferung«fc^id^l. ©inem „Serlebfc^" bei Äaffel g. S. fann o^ne Äenntni« ber
3h)ifc^enflufen lein 3Renfc^ anfe^cn, ba^ e« au« „Sera^lleibe«l(^ufon" enlflanbcn ifi ©c^on
für bie S^raelitcn haaren biele 9Jamen gan;i unberflänbltc^, bal;er bie biclen bolf«lünt:
liefen ßt^mologicn im 212;; eine ganje Steige bon Sagen bienen jur Srllärung eine^
65 Crt«namen« b^\v. finb au« fold^en ^crau«gefiponnen: SJabel = SSertoinung (®en 11,9),
33od^im = bie äl^cinenben (gbc 2, 5), Stf^or = bie 2:rübfal«flabt (3of 7, 26), ©ilgal =
Slbtoäljung ber ©d^mac^ (^of 5, 9) u. a.
3u erU)äl^nen ift in«befonbcre noc^, bafe bie Ort«namen toie bie 5Perfonennamen
häufig tbco^^or fmb, fte tragen ben 9Jamcn ber ©otl^eil, bie bort bere^rt h)urbe: S^t
60 gl = ©i^ Gl«, Set ©c^emefc^ = §au« ber ©onne, 83eer ©d^eba' = Srunnen bc« (Sollet
Stabtanlagctt tct bett ^thtittn Stabimifftott 729
©c^ebrf (,,®iebcn"gott), Srfol ift in jal^Ireic^en Flamen vertreten, aui) 3)agon, 3lflartc,
SRimmon u. a. finbm jtc^.
^oppünamm einer unb berfelben ©tabt (abgefel^en t)on leichten Seränberungcn ber
gorm) bürfen toir für bie öorejUifc^e 3^^* '«"»" annehmen. 9ln fic^ tpäre \a benfbar,
ba^ bie S^raeliten bie eine ober anbere ©tabt nad) ber Sroberung neu benannt l^ätten, 6
aüein ba« toirb nur öon Saifdj^ (Sefc^em) — 3)an berichtet (3of 19, 47 ; 3lil8,27).
©onft l^anbelt e^ jic^ aber nirgenbö um ben ®eaenfa§ bon i^raelitifc^en unb älteren
9lamen, unb bie meiften (Sleid^ungen erregen SSerba^t atö^Ki^öerftäubniffe ober Surec^t-
mac^ungen ber SSerfaffer mi j^armoniftifd^en unb anberen Orünben: 3«bu^=3erufalem
ift au^ bem Soltenamen 3*wfuer frei erfunbcner ©tabtname, bie ©leid^ungen ßl^ajajon lo
SEamar = (Sngebi (2 6^r 20, 2), 35ela' = 3o'ar (®en 14, 2), Äirjat^ Slrba" = Hebron
(Sof 15, 13) follen Sofalitäten nufammenbringen, bie nac^ bem urfi)rünglicl^en ©inn ber
6rj\ä^Iungen nic^t jufammenge^ören, unb öl^nlic^ fonft. ®rft in gried^ijc^er Rüi finb
9lamen^änberungen 3)lobe geworben; Serfc^önerung unb Vergrößerung eine« Drteö gab
ben gürften ©elegen^eit, burd^ Umnennung i^ren Flamen ober ben eine« gamiliengliebe^, i6
eine« ©önnerd u. f. to. ju beretoigen.
3)ie 3lu«grabungen ber legten ^al}xz in 3Kegibbo, laanad^, Oe^er, Sac^ifc^ u. a. er*
mögli(^en ei8, fid^ einiaermaßen ein Silb einer alti^raelitifc^en ©tabt ju machen.
Sic oben gefc^Uberte Sage ber ©täbte bringt e« mit fic^, baß felbft l>ie $aut)tftäbte toie
Serufalem, ©amaria u. a. einen öer^ältni^mäßig Keinen Slaum bebedEten. ©ie ÜRauem 20
runb l^erum toaren in öltefter 3^^ nur bei ben Äönig^ftäbten au« be^auenen Duabem
erbaut (bgl. 1 Äg 6, 36 ; 7, 12), fonft finben toir fte andj^ bei toidj^tigen geftungen, toie
©e^er, 5!Jlegibbo, Siianad^ au« unbel^auenen Keinen unb mittelgroßen ©teinen aufgefd^ic^tet
ober an^ lufttrodfenen Se^mjiegeln (eöent. mit ©teinunterbau) eniiitet. Um feft unb
tüiberftanbefä^ig gu fein, toaren fie be^jj^alb fej^r bii (3—4 m, in 3Jcegibbo 8 m). 3)ie 25
2^ore toaren toie nod(^ l^eute jiemlid^ geräumige SauHc^Ieiten, im SBinlel angelegt.
3)aß bei ©rünbung einer ©tabtmauer, S3au ber 2:i^ore k. 3Kenfc^enoj)fer üblic^ toaren,
ift burc^ bie gunbe öon ©e^er unb 2:aana(^ ertoiefen (^of 6, 26). 35a« $auj)tgebäube, in
mand^en Sanbftäbten ba« einzige größere, au« ©teinen gebaute ^au^ toax bie Surg
(migdäl), öon ben anbern ^äufem getrennt unb mit bcfonberer 3Kauer gefc^ü^t, ein so
le^te« Sotttoer! gegen ben gemb. 3)ie übrigen „§äufer" — oft tool^^I nur ein einziger
SRaum — toaren rec^t flein, §ütten au« Se^müegeln ober unbehauenen Keinen ©teinen,
ein« am anberen mit ganj fc^malen unregelmäßigen unb einfügen ©äffen. 9Son ben an
fteilem Sergab^ang liegenben Orten mag mancher toie bie alte 35abib«ftabt gebaut ge«
toefen fein, äu« ben aiu«grabungen §. ©utl^e« (3b5p3S 1882, IX, 313 ff.) toiffen toir,36
baß bort bie ipäufer in ältefter Qtxt meift nic^t freiftel^enb toaren, fonbern ben gel« al«
Slüdtoanb benü^tcn, oft fogar nic^t« anbere« toaren al« natürli^e ober fünftlitpe 5^1«^
l^ö^Iungen mit einem einfad^en SSorbau. 2)ie 3)äc^er ber nieberftel^enben Käufer geben
bann bort bie ©traße für bie l^ö^er liegenben. 3Rod^ ^eute ift ba« 3)orf ©iloa^ fo ges
baut, ©traßenpflafter toirb erft in l^erobianifc^cr S^t für S^nifalem bezeugt (Jos. Ant. 40
XX, 9, 7), boc^ l^at ber %mpAl)o^ fc^on ju a^a« 3eiten ein ©teinj)flafter (2Äal6,18),
fo baß mir folc^e« auc^ fonft toenigften« im ^alaft, in berSurg annehmen bürfen. 3Jlit
ßiftemen im Reifen mußte jeber ummauerte Ort h)o^l öerforgt fein, benn nur in feltenen
fällen lonnte man bie Quelle in« innere be« 3KauerIreife« ^ereinbejie^en (bgl. 3lrt.'
Serufalem Sb VIII, 681); auc^ offene Seiche fej^lten feiten. ©traßen>)olijei gab e«46
nidj^t, boc^ ^ören toir öon 3Ra(^ttoäc^tern, toeld^e bie ©tabt burc^jiel^en (§2 3, 3; 5, 7;
3ef21, 11; 5Pfl27, 1). 3)ie ©traßenreinigung beforgen bie §unbe: man toirft ben
Äe^ric^t einfach auf bie ©traße unb bie ^errenlofen i^unbe räumen bamit auf (3[ef 5,25,
f. 91. §unb). ^eie $lä$e im 3"nem ber ©tabt gab e« nic^t, aber am I^or toar
SRaum, too man SKarft l^ielt (2 flg 7, 1), Siecht \pxad) (2 ©a 15, 2; 3)t 21, 19 u. ö.), 60
Verträge abfc^loß(®en 23, 10; JRut^ 4, 1. 11 u. a.), überl^au^jt atte n)ic^tigen unb öff ent*
lidj^en Slngelegenl^eiten öerl^anbelte (3er 17, 19; $r 1, 21 ; 8, 3 u. ö.). Über bie für bie
orientalif^en ©täbte alter unb neuer 3<^it d[^arafteriftifd^en 3KarItftraßen, in benen je bie
Angehörigen unb Säben eine« ®eh)erbe« beifammen toaren, f. älrt. §anbcl unb ^anb*
toer!. 3. ©eitsinger. 56
©tabtmiffUltt. — SBidiem« ^entfc^rift über bte 3nn. gKiffion ber beutfc^en eDang.^irc^c,
3. 9rufl., Hamburg 1889 (6. 220—239 über ^emeinbc unb ©tabtmiffionöoereine); fiel?)*
mann. 3)ic Stabtmiffion, fieipjifl 1875; $anf, 3)ie großen ©tobte unb ba« (guangclium,
3)an5i9 1876; Sinßer, 2)ic ©tnbtmiffion, Äarlöru^c 1884; S)enffc^rift bc« ©cntrQl=?(u^)c^ufie«
730 etabttniffiott
über bie ©labtmiffiünen, ^Berlin 1885; ^otjfer, 35ie cuang. ©tablmifrion, ®ot^a 1890; Statiftif
ber 3nn. gjliffion, üom (£entral--?luöfd)u6 33erlin, 1899; ©ücrS, 3)ie S3crlincr (Btabtiniinon,
mit SBilbern, 33erlin 1902; D. 5öiirfter unb ^cnnig, "3Q3a§ jcbcrmQnn ^cutc üon bcr 3niL
ÜKiffiün lüijfen mug, Hamburg 1902; D. ©d^äfcr,' Scilfabcn bcr 3nn. ^iffion, 4. «lujL.
6 Hamburg 1903; glicgenbe ^Blätter aud bem mn^tn C^aufc 1849-1906; SJerid)tc bcr Stabt:
mifftonen (burc^ Sermittelung be§ ©ciitraU ober be§ betr. fionbe^-- ober $roüin5iaI=9luöf(öuff«
für 3nn. gKiJfion).
3)ic ©tabtmiffton i[t eine Drganifation ber inneren SKiffion (f. biefc 93b XIII S. 90
big 100) für bic ftäbtifc^e cöangelifc^c Scböifcrung in ©rgänjung bcr ipfarrgcmeinblicbcn
loSecIforge. Sie ift barum nottpenbig; tpcil
1. bag religiög=ftltlic^c Sebcn in bcn größeren ©täbten befonber^ nac^tciKg beern-
flufet h)irb burc^ ba« 3wf^"i^"^"f^ömen bon Wenfc^en, bencn bcr §alt bcr öcimat fcblt,
burc^ bic Häufung ber mannigfac^ften Scrfuc^ungen im engeren Seicinanbcrtoof^ncn unb
im unmittelbaren 2tnfc^auen beg 2u|ug, bc^ Sei^tfinn« unb be« 3?crbrccl^en« unb burc^
15 bic mcift l^inter ber äußeren fommunalen ©ntmirfelung jurürfgebliebcnc Crganifation bcr
})faagemeinblic^en ©eelforge, meiere bie Unterlaffung fird^Iii^er Setl^ättgung begünfhgt,
2. iücil gegenüber ben \o ftd^ ^crauggeftaltenben gemcinfamen 9iotftänben in ben
öerjc^iebencn ©cmeinben einer größeren ©tabt bie innere 9Jlifrion ^totdmä^xQCx unb toirf^
famer al^ burd^ Uereingclte Seftrebungen burc^ 3"fß"^*"^"f^f^""Ö ^^ befte^cnben fotoie
20 burc^ einheitliche ^nöngriffna^me noc^ unterlaffcner arbeiten gcjjflcgt lüirb.
©cm entfjjra^ bie Segrünbung ber ©tabtmiffton in ©la^oto 1826 burc^ 2)abib
9iafmit^ (geft. 1839); ber aU ©efretär bon 23 d^riftlid^en Vereinen fic^ ßcnötigt fob,
fotüol^I biefe enger untereinanber ^u berbinben, al^ auc^ eineSlnja^I gläubiger (Scmeinb^
glicber jum SWiffion^bicnft obne SBefc^ränfung auf eine einjclne ©emcinbc anjuftetten.
26 3(cbt 9)Jänncr au« bem 9So(te (ie^ er §aug für ^au« befuc^en, ®oii^ 9Bort münbli^
unb gebrucft ju geiftlid^em ^ufj)ruci^; gu $roft unb 9Jla^nung barbieten unb babei bie
Vereine J)flegen unb ertücctlic^e SJcrfammlungen galten, ©einer Slnregung folgte Sonbon
1835, lange burc^ Sorb ©l^afte^bur^ (geft. 1885) fräftig geförbert, mit einer nad^ bcn arbeiten
unb Sebölferunggfd^ic^ten t)ieber;;n)eigten J^ätigleit. Sie bortige ©ienftantoctfung an bie
30 ©tabtmifftonare entölt u. a. folgenbe §auj)tfä|e: „Sefuc^en ©ie bie S5eh)o^ncr bes
S^nen angemiefenen 3)iftriftg, um benfelben bie Äenntni« bon ber (Srlöfung burc| unfern
ijcrrn ß^riftum mitzuteilen, unb um i^nen auf jebe 3lrt, bie in ^i}xtn ilräften ftcfct,
®ntQ^ m t^un. Sefen ©ie au« ber ©d^rift Dor unb laffen ©ie beim Soricfcn unb Sc-
\pxäd) ba« 3Serberbcn bc« 3)lenfc^en, bic jlec^tfertigung allein burd^ ben ©lauben, bie
35 5?oth)cnbigfcit ber Sefcl^rung unb eine« ^eiligen SJanbel« immer bic ^aiHJtfadj^c fein.
Segen ©ie jebem bie ^flic^t an« ^er^, in ber ©c^rift ^u forfc^en unb bcn öffcntlicben
©otte«bienft gu befud^en ; fc^ärfen ©ie ben ßltern bie ^flid^t ein, i^re Äinbcr rcc^tfc^affen
l\x erjie^en".
3;. §. SBic^crn regte md) feiner JRüdRel^r t>om 3ßitienbcrgcr Äird^entage 1848 unter
40 bcn greunbcn be« ^Hau^en §aufc« unter ^inmei« auf bie gefegnete Slrbcit bcr gon--
boner ©tabtmiffion bie 33egrübung eine« „Hamburger 3Sercin« für 3""^^^ 3Kiffton" an.
2lm ®eburt«tage Sut^er« tam berfclbe ^u ftanbc mit ber boj)))eIten 6auj)taufgabe, bie
bor^anbenen DertDanbten Seftrebungen möglic^ft ^u berbinben unb ä^nlic^ h)ic tnSonbon
©tabtmiffion ^u treiben, (entere mel;r nad) bcutfd(>cm unb bcfonber« ö^mburgcr ©ebürfni^
46 au«gcfta(tcnb, g. 83. mit befonbcren 2lu«fcf)üffen für 2lrmenbefud^e, ^ur gürforge für not-
Icibenbc §anbh)crfer, für ©efeüen unb Scbrlinge, ^ur Verbreitung guter SSolföfc^riftcn,
jur ©ammlung junger ^aufleute unb jur Sefämjjfung ber öffentlichen ©ittcnlofigfcit.
©>3ätcr, al« biefe ®in5clau«fd)üffe mit in!)altlid) Derfc^iebenen Slufgaben bcn S^^^^ ^^^''
lid)ft bielc (Sinjelfräftc in arbeit ju ftellen, erfüllt Ratten, traten an i^re ©tcttc in mcg-
60 lid>ftem Slnfcblug an bic einzelnen Äircf>fpiele lofale I^iftrittöberbänbe, meiere grunblegen^
geblieben finb. 3"Ö^^i^ lüurbe bie 9(nftcUung J)on 33cruf«arbeitern für {eben S^iftrift
in Angriff genommen mit ber 3lufgabe, il^re ganje ^^\t bcr inneren 9Riffton gu tpibmcn
unb in ibrer ^Äohnung (bc^tü. in bem il^nen an^utücifenben 2)iftrift«bercin«^aufc) einen
9JJittcIpunft für bie Slrbeitcn im SDiftrift §u bieten. Sluc^ ift ber SJcrein |\um 9lu«gang^
55 )i>nnli h)eitcrer felbftftänbiger Seranftaltungen in Hamburg gch)orbcn (j. ©. 3)tart^bane,
^erborge ^ur öcimat, mel;rerc ^^arodf)ial:iRinbergütte«bicnfte, 3lnfc^arfaJ)cB[c, ©ccmann^^
§afcn=, 3lu«n)anberer= unb S3al?nbüf«miffion). Sic 2)ienftann)eifung für bic 93eruf«arbcitcr,
Stabtmiffionarc, unterfc^cibet fid; Don bcr Sonboner nid;t lf)infi^tli(^ ber unerläßlichen
SJorauöfc^ungcn für il;re 9Birffamfeit (au« lebenbigem .<oeil«glauben geborener SRiffion^
60 eifcr, genährt burd; Streue im (SJcbet unb (äebraud) ber ©nabenmittel, um bic bem 6wm
s
@tabtmifftoit 731
ßclium gntfrenibclen bcmfclbcn tpiebcrju0en)tnncn, namentlich, foh)cit fie bcnt gcorbnctcn
aimt unerreichbar fmb, mit befonberer gürforge für ba^ Familienleben), too^l aber l^in^
fid^tlid^ ber ©teüung jum ^Pfarramt unb ©emeinbeleben, fo ba^ ber ^amburger ©tabt^
mifftonar „[xi^ t)or auem ben bem betreffenben 3)iftriltgberbanbe angel^örenben ^Paftoren
\n jebem 3)ienft an ber ©emeinbe, begto. an i^ren einzelnen ©liebem gur aSerfügung ju 5
.'teilen l^at", tooburc^ auc^ bie 9»ittel unb aSJege feiner SBJirffamfeit me^r beutfc^4ut|eris
fd^^e« ®ej)räge erhalten. (SRit bem i^ereinggeiftlid^en atö Sorfte^er arbeiten 2 Äonbibaten,
12 Stabtmiffionare unb 2 ©tabtmiffionarinnen).
aiud^ für Serlin gingen bie crften toirffamcn Anregungen bon SBid^em au«. 1849
nabm ber bortige ©öangelifc^e herein für Ürc^Iic^e gtoedfe in (Semeinfc^aft mit $aro= 10
d^iatoereinen bie bon i^m getoünfc^te Arbeit auf, o^nc inbeffen bei ©eiftlid^en unb ©e^
meinben bie ern)artete görberung ju finben, iüe^^alb berfelbe ftd^ me^r ber güngling«*
öereing=, Äerberg«- unb ©c^riftenfac^e gutoanbte. 1858 tourbe burc^ SBic^ern« Berufung
nac^ 35erlin bie Segrünbung be« ßbangelifc^en 3ol^anne«ftift« »ermittelt, beffen ©ruber
ben Auftrag erl^ielten, in Serlin ben gamilien ber ©efangenen m bienen, bie entlaffenen 15
©efangenen unterjubringen unb 2lrme aufjufuc^en, bie an SBo^l^abenbe Settelbriefe ge*
fc^rieben \)aiUn. Slber auc^ bieje Arbeit genügte nic^t bei bem feit 1870 tüad^fenben
ürdS^Iid^^fittlid^en ?{otftanb ber 5Reic^gl^au}3tftabt. einen britten unb erfolgreicheren Anfang
mad^te 1874 ber ®encralfuj)erintenbent öon Serlin, D. Srüdfner, angefleht« ber burc^
bie (Sibilftanb^gefe^gebung beranlafeten 3:auf= unb irauberfäumniffc unb in Hoffnung 20
auf bie 3)litlt)irfung ber burc^ bie Äirc^engemeinbe^ unb S^inobalorbnung gefc^affenen
®emeinbefird(^enräte. 2)ie Arbeiter ben öerfd^iebenen Srüberanftalten 3)eutfd^lanb« mU
ne^menb, liefe er fte in einem i)aroc^ial begrenzten Arbeitöfelbe §au«befuc^e machen,
©onntagöfc^ulen (Äinbergotte^bienfte) unb Sibelftunben galten, ungetaufte Rinber unb un^
getraute ^aare auffud^en, d^riftlic^e ©c^riften »erteilen, für Äranfe unb SSerlaffene, ©e* 26
fangene unb SBittüen unb SBofifen (ol^ne in bie Armenj)flege einjugrcifcn) möglid^fte
5vürforge üben. Ate er bann 1877 öon ber Oberleitung megen Überlaftung jurüdftrat,
übernahmen fie ^ofprebiger ©tödfer unb ©el^eimrat Söffe (ber fjjätere Äultudminifter),
inbem jugleid^ bie biöl^erige ©tabtmiffion be« gjol^annigftift« (unter 5Paftor §offmann)
mit übernommen tourbe. ^\^mn ftanben aufeer 2 tl^eologifc^en 3"^^^«^^^" 13 ©tabts 30
miffionare jur ©eite — i}mU (A^jril 1906) finb e« 6 t^eologifc^e 3nfi)ef toren, 54©tabt5
miffionare, 8 ©tabtmiffionarinnen; im legten ^al^^c finb 95 000 Scfud^e gemacht, barunter
4677 tocgen ungetaufter Äinber, 3539 bei ungetrauten ^Paaren, 959 toegen angeflaater
unb beftrafter Äinber. SBöc^entlic^ tourben 14200 „©onntaggfreunbe" unb 19 700$res
bigten berteilt; bie ßurrenbe fang auf 10000 ^öfcn; in 69 ©onntaggfc^ulen toarensö
©tabtmiffionare ate Seiter ober$elfer t^ätig (3300 Äinber \paxim bei ibnen); aufeer bem
regelmäßigen ©onntag^gotteebienfte in ber 2000 ©i^>)lä$e ent^altenben ©tabtmiffionö^
lird^e toerben religiöfe SSerfammlungen, Sibelftunben u. bgl. im alten ©tabtmijfion^l^aufe
unb in 22 Serein^fälen gel^alten.
An anberen Drganifationen, n)elc^e in Serlin felbftftänbig befonberen ©tabtmiffion«- 40
gtoeden bienen, fmb ^eröorgu^eben (aufeer bem gbang. i?erein für firc^lic^e ^\r>zic): ber
e^riftlic^e herein junger 3Wänner feit 1882, bie (S^riftlic^e ©emeinfc^aft ©t. 9Kic^ael feit
1883, ber herein „3)ienft an Arbeit^lofen" feit 1882 unb befonber« ber 1899 auf An=
regung bc« 6entral=Augfc^uffe« für ^nnox^ 3)li][xon unter SJiittoirfung be« ©eneralfu^jer^
intenbenten unb ber ©u^perintenbcnten bon 93erltn begrünbete „©tabtauöfc^ufe für ^nmxc 46
3Kiffion" (je^t ^aujjtberein für XWl. genannt). Se^terer Verbreitet in ber cDangelifc^en
Seüölferung ber §au})tftabt bie Äcnntni« üon ben Aufgaben unb Arbeiten ber %m. unb
regt bie 3Rit^ilfe baju an, fe^t bie berfd^icbenen Arbeiten unb Arbeiter ber 3.9K. jum
Au^taufc^ ber Erfahrungen mie ju gegenfeitiger Serftänbigung unb Unterftü^ung mits
einanber in Serbinbung unb ift bemüht, tl^unlic^ft Surfen aufzufüllen, le^tere« öor allem 50
burc^ Ermittelung berAbreffen ber nacbSerlin jujie^enben ebangelifc^en ^amilien, jungen
3JJänner unb 3)läbc^en, burc^ ^"^"Öi^iff"^^"^^ ^^ %^^i' ""^ Äanalfc^iffermiffion, burd^
Segrünbung be« S^ercin« ß^riftlic^c« Äellner^eim unb be« (Sbangelifc^en Serbanbe« für
gürforgeerjiel^ung unb Äinbcrfc^u|.
2)em Vorgänge öon ^^amburg unb Serlin fmb bi« jum ^af)xc 1899 (©tatiftif ber 55
^M. 6entral'Auöfd;ufe) an 70 ©täbtc in Seutfc^lanb nachgefolgt, meift bie ^ufammen«
faffcnb organifierenbc mit ber im engeren ©tnne miffionierenben I^ätigfeit je nac^ lofalem
unb interjjaroc^ialem Sebürfni« berbinbenb. 3" Ste^lau (feit 1856) fte^t im 2)üttclj)unft
ba« ©üangelifd^e Sereinö^au« mit Verberge jur .ö^imat unb bie Armenbiafonie ; in
granffurt a'M. (feit 1883) aufeerbem a)Jännlic^e Äranlen})flege unb Äellnermiffton ; ineo
732 etabimiffioii St^tlin, ^. 3.
Äaficl (feit 1887) übcrtoiegt btc cöangeUficrenbe bte biafonifd^c Sct^ätigung ; in ©ttafc^
bürg i. 6. (feit 1890) tritt le^terc ganj jurü(f hinter ber crfteren, ber neuerbingö ou^
5 Slaulrcuj-Saft^äufer bienen. 3)er 2ciJ)ji9er Serein für 3.3K. (feit 1870) entfaltet
au^er einer umfaffenben ätu^funftd^: unb ^ermittelung^tl^ätigfeit für ^rit>atti?o^It]^äter (in
6 feiner Slrmenbiafonie) eine reiche betoal^renbe unb rettenbe 9lrbett am männlichen unb
tpeiblid^en ©efd^lec^te in 25 Vereinen unb 3lnftalten (barunter bcfonbcr^ ^crtoorju^eben
ber 35ienft an Slrbeit^Iofen unb ba« grauenl^eim), tpä^renb bie firc^lic^c (äcmcinbepfbge
in ben §änben eineö bie ftäbtifc^en Jcirc^enöemeinben umfaffenben ffierbanbcö liegt uÄ
bie 2öortber!ünbigung, abgefe^en bon ben Serein^beranftaltungen, ben ^Pfarrämtern übers
10 laffen bleibt. 3Rtt ber 5!Jlagbeburger ©tabtmiffton (feit 1883) ift bie ©efangcnenfeelfotgc
organifc^ berbunben. 3" $^tte a/©aale (feit 1877) ift neuerbing« aufecr bcm 35ienft an
ber toeiblic^en ^ugenb befonber« bie Slaufreujarbeit, bie Minil* unb 9(nftaltdarbeit, bie
@bange(ifationds unb ©emeinfd^aft^flege unb bie 9ludbi(bung unb Vorbereitung ber toon
4 ©emeinben angeftettten ürc^üc^en ©emeinbe^elfer in Slngrif genommen. 3)ic t?on bort
16 au« ergangene Anregung jum „3"][^*""^^"Wwft ber beutfq^en ©tabtmiffton^Icitcr" be^uf^
aiu^taufd^ ber Erfahrungen, SSerftänbigung über 3lu«bilbung ber Seruf^rbeiter u. bcJL
l^at feit bem öorjäi^rigen Kongreß für 3«"^« ^Kiffion (1905) jur Segrünbung cine^Scr^
banbe« unb jur §erau^abe eine« Organ« für benfelben ,,3Kiffion«bicnft an ber ©rofe*
ftabt" (Suc^l^anblung b. Sb. Stabtm. ^atte) geführt. (Sereinjelt finbcn fu^ aui^ au^
20 lirc^Iid^e ©tabtmiffionen.)
$Rac^bem burc^ ba« ^reu^ifd^e Äirc^engefeft bom 24. 3ipxxl 1904, betr. bie Ser^
ftärfung be« §ilf«fonb« für Ianbe«Iircl^lid^e ßtoedEe bie 5KitteI für runb 100 ,,®emeinb^
Reifer" in ©ro^ftäbten unb ^nbuftriebejirlen bereitgeftettt ftnb, mac^t fte^ ba^ Sebürfni^
geltenb, für bie Slbgrenjung (olj^ne Störung be« ^ufammentoirlen«) jtpifc^en ®cmeinbe:
25 ^elfer unb ©tabtmif jionar fefte unb beiberfeit« gebet^Iid^e ©runbfä^e aufguftetten. SBä^wnb
bie übertoiegenb biafonifc^e 3:^ätigleit ber ©emeinbe^elfer naturgemäß ben lird^Iic^en Dp
ganen unterfte^t, bleiben ben baburd^ frei toerbenben Äräften ber ©tabtmiffton SUifgoben
genug übertoiegenb ebangelifierenber ä(rt ju fegen«reic^er SBeiterarbeit, j. S. ber ^icn^
an ben f onntag«Iof en S3eruf«gru|)j)en, an ber ^eimatlofen Sebölfcrung (gifc^em, ©«Ziffern,
aö ©eeleuten, 3(rbeit«iofen, ©efangenen), ber Ramp\ gegen bie fiafter ber Srunlfuc^t unb
Umuc^t, bie 3!)arbietung d^riftlid^er ©d^riften, SSeranftaltung bon a))o(ogetif(^en unb fo^id:
bcrföl^nlic^ bele^renben Surfen unb j)eriobifc^ n)ieberfe^renben ebangelifation^tjerfamm^
lungen, toobei ©tabtmiffionare unb ©emeinbe^elfer fic^ burdj^ gemeinfame SSertiefung in
®ottc« Sßort ber ©n^eit il^rer 2lrbeit betoußt unb ju gegenfeitiger $anbrei(^img toittig
86 bleiben mögen.
2lm 28. 3Jlai 1888 cntftanb infolge einer bom ^egentoörtigen Äaiferjjaar gegebenen
2lnregung in Serlin ber „ebangelifc^-fir^Ud^e §ilf«t)erem" ju bem S^^^f ^i« Seftrebungen
gur SBefämjjfung ber religiö^-fittlid^en 9Jotftänbe in 33erlin unb anberen größeren ©täbten,
fotoie in ben ^nt^uftticbejirfen be« ^jreufeifd^en SJaterlanbe« ju unterftü^en, ju bem Se^
40 ^ufe Sammlungen anzuregen unb ju beranftalten, fotoie §ilf«fräfte ju gehjmnen. Ter
Sn^ere 2lu«f(^u6 be«felben unterftü^t bie beftel^enbcn ,,©tabtmiffionen" unb fud^t, too eö
nötig ift, neue in« Seben ju rufen (toä^renb er auc^ Seil^ilfen ;\ur 35erufung to'on $ilf^
))rebigern unb ©emeinbei^elfem getoäl^rt unb toä^renb feine Öe3irf«bereine aufeerbem be^
fonber« bie Scgrünbung bon ^emcinbe^äufern , 35iafoniffenftationen unb Äleinlinfcer^
46 bctoa^ranftaltcn fic^ angelegen fein laffen). $. 9iafiltnhtä.
©tä^elin^ 3«>!^- S^^ob, Dr. unb ^JJrofeffor ber Ideologie an ber Unitoerfität ^u
Safcl, gcft. 1875, ift im 5)iai 1797 in Safel geboren toorben al« ©o^n eine« alten
Sa«(er ©efc^led^tc«, einer angcfcJ^enen tro^lbabenben Äaufmann«familie. ^unäc^ft ber
ffiunfd) feiner frommen 3)lutter, bie mit ber Srübergemeinbe in Jßerbinbung ftanb, bot
60 i^n jum ©tubium ber 2:^eoIogic betoogen, bem er ^aut)tfäd^li(^ in 3!übingcn oblag, too
©torr, glatt, Sac^maier, namentlich ©teubel, feine Se^rer toaren. 3)er mtlbe, fromme
©u}3ranaturali«mu«, ber ba U)altete, ift im toefentlic^en ber ©runbjug feine« t^eologift^
3)enfen« unb gülfjlen« geblieben, unb bie mannigfachen Sejiel(^ungen, in bie er mit bem
toürttembergijc^cn ^teti«mu« unb ber üon il^m au«ge^enben 2iebe«tl5^ätigfeit gclommen
65 ift, l}at \\:}n mit ber $ocl)ac^tung bor einem berartigen ©inn unb SßJirfen eidfüHt, bie
xi}n fein gan;;e« Sebcn l^inburci^ begleitet l}at
3m 3;a^re 1823 l^abiliticrtc fid; ©t. al« S^ojent an ber t^eol. galultät ^u »afel;
fein gange« Scben ^inburc^, über 50 '^al}u lang, t^at er an i^r geleiert, nidg^t ein bim^
gciftreic^en SJortrag anregenber, aber ein treuer, fic^ l^iugebenber 2e^rer, ber feinen
etJU^eltn, 3. 3. 733
©c^ülem auc^ bie gcrmgften toijfcnfc^aftlic^en 2)tcnfte, tote \>ai immer neue ßinüben ber
^ebräifc^en ©rammatit, mit unermüblic^er ®ebulb geleiftet l^at. SJabei toar fein gaft*
freie« §au« ein 9RitteIl)unIt unb S3inbeglieb für feine Äottegen atter gatultäten; unb
mit feinen finanziellen 3)litteln ^at er manche toiffenfc^aftlic^e Unternehmung unterftü^t,
bie fonft nic^t päiU ^u ftanbe lommen lönnen, aud^ ju ber einen unb anberen felber bie 6
Snitiatibe ergriffen, namentlich gu foIAen, bon benen er eine görberung be« SibeU
toerftänbniffe« ertoartete. ©0 ^at er noq in feiner legten Sebcn^jeit bie §erau«gabe be«
großen arabifc^en ßl^roniltoerle« be« 3:abari anaeba^nt, „bie jahrelang ber l^offnung^lofe
SBunfc^ ber Drientaliften getoefen", um baburd^ fic^ unb anberen einen Haren ßinblicf
in bie ®e})fIogenl^eiten morgenlänbifc^er ®arfteHung unb ©efc^ic^tfc^reibung ju berfc^affen. 10
9jm DItober 1873 burfte er nod) gemeinfam mit Ä. 91. §aaenbac^ bie feltcne geier
jeine« öOiä^rigen ©ojentenjubiläum« begel^en. Rtoei gjal^re barauf, am 27. Sluguft 1875,
ift er gu Sangenbrud im gjura fc^merjlo« unb friebli^ entfc^Iummert.
ajie f(ftriftfteHerif(^e 2:i^ätig!eit ©t.« begann im gjai^re 1827 mit feiner ajiffertation^s
fc^rift: Animadversiones quaedam in Jacobi vaticlnium. ^ie 9lutl(ientie be« 15
@egen« ^aloh^ toirb bel^au^et, bielleic^t mit ber einzigen ä(u«nal^me be« @))ruc^e« über
£ebi. Sluf bem gelbe ber ^entateu^mtil, auf bem ©t.g 9lame am l^äufigften genannt
toorben ift, treffen toir i^n juerft in ben „Äritifc^en Unterfuc^ungen über bie ®eneft«"
(SSafel 1830). 9jm 3Sergleic^ mit ber obigen 2)iffertation jeigt biefe« ©c^riftc^en einen
entf^iebenen Schritt bortoärt«, inbem e« für bie Iritifcfien D})erationen getoiffe fefte ©runbs 20
fä|e aufftellt. SBor allem toirb bie 9lottoenbigIeit umfaffenber ^iftorifqer unb fjjrac^lic^er
^eobac^tun^en, unb namentlich auc^ ber 33erglei(^ung ber biblifc^en Sitteratur mit anberem
moraenlänbtfc^en Schrifttum betont. Xit Unterfuc^ung felbft erftrecft ftc^ auf ben
Sffiec^fel ber ®otte«namen (gegen gtoalb« ©c^rift bon 1823), bie aSerfc^ieben^eit be«
©})rac^gebrauc^e« unb bie lenbenj ber beiben Duetten, enblid^ auf ba« SSerfabren be« 26
„Sßerfafier«" mit benfelben. Xa^ ällter toirb bai^in beftimmt, ba^ ber ßlo^ift unter
©aul, ber 3l«^obift too^I unter SDabib, ber 3Serfafjer be« ®arnm balb nac^^er gefd^riebcn
l^abe. .^ieran f^lie^en ftc^ bie „Beiträge gu ben hitifd^en Unterfuc^ungen über ben
^entateuc^, bie Sucher ^ofua unb ber Slic^ter" an in ben 3:^©tÄ toon 1835. 311« ein
neuer ®efic^t«))unlt tritt ^ier bie gorberung auf, bor aQem bie beiben ®efe^ebungen so
(bon benen bie elol^iftifc^e „getoi^ toäl^renb be« Slufent^alte« in ber SBüfte gegeben ift")
nä^er gu unterfuc^en. ®abei ^at übrigen« ©t. ben Übergang jur 6rgänjung«I^Vf ot^efe
in il^rer reinen ®eftalt nac^ bem Vorgänge Sleed« bouftänbtg bottjogen. äluf bem«
felben ©tanbjjunit finben toir i^n in ben au«fü^rUc^en „Kritifc^en Untcrfuc^ungen über
ben 5ßentateuc^, 3iof ua, SRic^ter, ©amuel unb Könige" (S3erlin 1843); nur bafe fic^ bieas
ällter«beftimmungen ^ier noc^ me^r ber ^rabition annähern, ^er $entateud|, ^o]ua,
aiic^ter (ol^ne ben 2lnl^ang) unb bie ältere Duettenfc^rift bon 1 ©a finb unter ©aul,
bielleic^t bon ©amuel felbft berfafet, bie jugrunbe liegenbe elol^iftifc^e ©c^rift ftammt au«
ber ^eit balb nac^ 3ofua, bie jüngere ©amuel«quette ift bon einem Sjwbäer unter ^i«Iia,
ber Sn^ang be« Sfli^terbuc^e« unter Sofa))^at berfafet. ©etoiffe Beobachtungen, bte ©t. 40
bamal« machte, toie ber Slnfc^lug be« beuteronomifc^en ©))rac^gebrau^« an ben jel^o^
biftifc^en fmb burdj^ bie neuere ^l^afe ber 5ßentateud[^fritit m gieren gebracht toorben.
35abei fel^lt auc^ bie SRüdfic^t auf ba« ©ac^lic^e Ieine«toeg«. ä3ei jebem Suc^e toirb auc^
ba« religiöfe unb „firc^lic^e" Setoufetfein ber SSerfaffer unterfuc^t, unb julefet eine Über^
fic^t über bie ®efc^ic^te be« Äultu«, fo gut fte bamal« möglid^ toar, gegeben. — 2Bie46
biefe« Suc^, fo ftel^t auc^ ber 9luffa$ „Sie Eroberung unb Sertl^eibigung ^aläftina«
burdj^ S^fufl" (2:^©tÄ 1849) burc^au« auf bem 33oben ber 6rgänjung«^^})ot^efe; bie
Einleitung in ba« 91ic^terbuc^ foQ nur ba« ©))ätere, (Simelne nachtragen ju ber
ufammenfafjenben Seric|terftattung im 33uc^e gjofua. ajenfelben ®efic^t«})unft l^alten
)ie folgenben arbeiten feft (fämtlic^ in ber S^m®), „SSerfuc^ einer ®efc^ic^te berw
aSer^ältniffe be« ©tamme« Setoi (1855), „3)ie SBanberungen be« ßentrall^eiligtum« ber
fiebräer bom a:obe gli« bi« jur ßrbauung be« 2:em})el«" (1857), unb: „Sie
otalität ber Äriege SDabib«" (1863), bie e« befonber« mit 3l^^J^*'Pji^i^"Ö<^" bon
Drt«namen ju tl^un ^at. — SJie le^te l^ier^ergebörige ©c^rift, „®a« Seben 2)abib«,
eine l^iftorifd^e Unterfuc^ung" (33afel 1866), bejeic^net ftc$ felbft in ber 33orrebe66
al« eine ftreng toiffenfc^aftlid^e Unterfuc^ung, ju toelc^er ben 3>erfaffer ba« toiffenfc^afts
lic^e ®en)iffen fc^on lange gebrängt l^abe, um ftd^ ben moralifc^en Sl^aralter 2)abib«
toal^rl^aft tlar ju machen. SJie fritifc^e 2lnal^fe erfd^eint al« fel^r ungenügenb, ba atte
Duellen, auc^ bie G^ronil, al« gleic^toertig be^anbelt toerben; bie Beurteilung SDabib«
fällt ftreng an^, ba ba« religiöfe Seben l^inter bie äußeren I^atfad^en fe^r jurüdftritt; eo
bi
734 eti^dm, 3. 3.
tmmcr&tn jtigt ficfce au6 bicr, toie ber 35maT|CT t»n cinan ticftrai 3"^"^^^ ^dmä
tDtrb, al^ nur bon an {rittfcboi Cpfratimtcn.
ßtne itüott ^fiaU k>ün 3<&nftai St^ ift bat be6rätfc^ $rot?bcten gctDtbma
3uerft gefrort Herber boe Unh)erfttäi#^09ramm über Smo9 imb ^efca (Sofd li^),
5 ba^ ^m^tfddbltc^ bie 3^^)>^i^^Hie befpric^t, in bencn btefe $ropb^n imxftcn. ^am
ba6 umfoffenbe JBert: ,,Xie meffumtfct^ SSet^fagungen be§ Sx^ in ihrer 6mülefau>g,
Snttüidelung unl) Susbilbiing. ^it ^erücffübtigung ber baii);tfäiblkbften ntuti^iamm?
liefen eitote'' (Serün 1847). Xosfelbe t>erban{t, laut jJortDort, fein gntncben ^einoB
ifyc\\tli(fyni Sebürfnie; bem S^urfiti^ i^}^^^ ben olttefUtmentlic^ SSeisiogungen onb
10 ber Senü^ung berfelben im 921: einen orgonifc^ ^u^ammtnbanQ nocb^utDÖfen^. !Käs
\pnxt bem Su^K bad tparme ^ntereffe ob, bos ber Serfoffer an fcmem ©egenrumN
nimmt, unb matiAt ber t)rot?^ifc^en Sitattonen burcb bie neute^mentiicben ;^<ibnftndla
tDtrb in ein neuee, einleu^tenbe^ £ic^t ge^eQt ^m XnJt^ge finben ftc^ Srörtcxungen üba
Spaniel, fotoie fieben ßrrurfe über bie toic^tigflen fritifc^ ^ogen in Sctrcft ber $rr=
16 pbcitn (3eitaltcr bc^ ^od, äutbentie bee Jefaja u. f. f.). — 35er Suffo^: ^tfaintran^
ber Sßeidfagtmgen be^ ^eremia'' (3bm@ 1849) fuc^t bem t>on ^aXKtnvd aufgefteütcn
^rinjit) einer fac^lic^en änorbnung in fteben &xuppm rvodf ben ^ad^toa^ einer ftrcng
c^ronologifcben Erbnung innerbalb ber Sac^orbnung beizufügen. — S^ie Sttbanblang
über ,,3)ie 3a^Ien im 93u(^e Spaniel" (3bm® 1857) fnüjjft an Xa 12, 11 f. an, va(t
20 finbet bie t)ier ä^eltreic^ in bem c^olbäifc^, mebifd^)>erfif(^, macebonifci^ai unb Hca-
cibif(^cn. — 2:ie le§te Arbeit auf biefem ®ebiete ift ber Suffa^ über ,,Xic "^03^*001
be^ als" in 6«ben^im^ Siertelja^fc^rift (1867), toelc^er allgemeine^ über bie 8e=
beutung unb Stufgabe ber ^cbräif(^ ^ro))beten Dom toarm pofUit)en Stonbpunite oul
unb eine Überfielt über ben ^nbolt ber propl^^d^m gc^riften giebt
28 Sefonbere äufmerffamfeit toanbte St. mele 3^^^^^ ^inburc^ au^ ben ^folmen yL
ß^ ftnb brei arbeiten, bie ^er in 93etra(^t fommen. ßin 1851 auf ber Crientaliftai:
tjerfammlung in ßrlangen ge^Itener SSortrag (3bm© 1852) : „3ur Aritif ber ^falmcn".
ßin in gronffurt gehaltener Vortrag (3bm© 1862) „Über bie ba)nbif(^en ^falmen ba
faulifc^en aSerfoIgung^jeit", ber unterfucbt, toelc^e biefer ^falmen (54, 57, 63) auf 5Ja(^
30 at^mung älterer Xi(^tungen beruben, unb tüelc^ originell erfc^einen (52, 56, 59). (nib=
lic^ ba^ Unitjerfitäteprogramm (Safel 1859) „3"^ ßinleitung in bie ^falmen", teeid«
\xd) mit ber 3tnorbnung ber Sieber (1—89 größtenteils bei beftimmten Snloffen gebiitft,
bie übrigen ber §au>)tma)je naö^ allgemeinen 3"^^^^) w"^ *"i* ^^ Äritif hct Über-
fc^riften unb ber barin enthaltenen ^iftorift^en 'ün^abm befc^äftigt.
36 2)aö ^aupttvtxt (gt.ö, in baö er — je^n Qa^re nac^ ber t)on i^m bef orgten 7. äui
beS i^l}xbud)Q t)on be ^}ÜttU — bie Slefultatc feiner gorfd^ungen in größerem Umfonije
niebergelegt b^t, ift bie „Bpcix^ü^ ßinicitung in bie fanonifc^en Sucher be^ Sliö" (Glber^
fclb 1862). ^ie t)on SReufe unb ftupfelb eingeführte Seftimmung biefer 35iö5i})Iin totrt
rücf^alteloe abo>)tiert: „2)ic ßinleitung in baö 211 ift bie Sitteraturgefc^ic^te bcsfelben".
40 2)ie Urteile über bie ßntftef^ung ber gefc^i4>tlic^en Sucher fuib biefelben tote in ber früher
ertDäF^nten Scbrift, nur toirb bie 2:^eo]pncuftie beö SerfafferS beS ^entoteuc^ im (Segens
fa^ gegen bie fonftige antife ©efc^ic^tfc^reibung ausbrürflic^ ^ert)orge^oben. 9hit^ toirb
in bie lefete 3<^it ^or bem ßjile gefeit, über ben gefc^ic^tlic^en ß^rafter ber ßbronif
unb fclbft bcS Sucres ßftF^er fcf^r günftig geurteilt, dagegen ift gona ,,etne ju religiofcn
46 3^ccfen t)erarbcitete Sage". 2)ie Urteile über bie 'i)iro>)l^eten folgen faft burc^^au^ ben
bamale (bcf. burd; ßtüalb) l;crrfc^enben Slnfic^ten; nur bafe an ba ä(ut^entie i?on
Sad; 1) -14 beftimmt feftgebaltcn tütrb, eine bcac^tenölüerte Übereinftimmung St.S mit
ber burd; Stabe angebabnten ^^afe ber Sac^arjafritil. Sei ben l)oetifc^en Sücbem
toirb bie ßiriftenj t)on Stro>)^en bal^tngeftetlt. ^tob lüirb toor ^^«niia angefefet , unb bie
6oßd?t^eit ber ßli^urebcn behauptet mit ber c^arafteriftifc^en Segrünbung: bie sBertoerfung
erfdjeine infofern al^ eine bognmtifcl^e, al«^ fie auS ber Sc^lüierigfeit entfjjringe, biefc
^Kcben in ben einmal angenommenen ^^?lan einzureiben, ^m §o^en Siebe, tuelc^eS bie
Ircuc ber Sraut gegenüber ben ^Berfübrung^fünften beS Salomo t^reift, iDtrb ein ftonbigcr
iJ^ortfdiritt ber öanblung in bicr 2ibteilungcn angenommen. Äol^elet enbltd^ für eine
66 3trt 2l)eübice erflärt.
Süden ioir ^um Sc^luffe nod^ auf ben allgemeinen fc^riftftellerifc^en ß^arafter 2ti,
fo fällt t)or allem ber ^JJiangel an formgeh)anbter, gefälliger 2)arftellung auf, eine ®ak,
bie ibm üöUig üerfagt ioar, fo baft feine 2(rbeiten !aum in iücitere Äreife, auc^ nit^t in
bie ber ftubierenbeu ^^g^"^ gebrungen finb. ßbenfo fe^lt eS bielfad^ an ber genügenbcn
60 Durd^arbcitung in Setreff ber ©lieberung beS Stoffel unb ber 3)urc^fu^tigleit ber 9eto«i^'
eta^dtn, ^. ^, eta^din, 9lub. 735
fü^rung; unb burc^ baö ©tteSen nac^ unbebinötcr fritifc^er UiH)arleiIic^teit läfet fic^, tüte
f^on anflcbeutet, St. tjtclfac^ baju berlettcn, bie örofecn fac^lic^cn @eft(^t^>)unlte binter
bic S)etaiU ber l)^iIoIogifd^cn Beobachtung afljufel^r j^urütfjufteüen. Set aUebem aber
läfet ftc^ ©t. mancher üerbienftltcbe Settrag ^u ber fritifd^ett unb religiöfen (Srforfc^ung
be^ 2(2:« ntc^t abflprec^en. ^an l}at t^n öfter einen „rattonalifttfc^en Ärititer" genannt, 6
aber burc^auö mit Unrecht. 53et feinem öOiäf^rigen ajojentenjubtläum ^at er in öffentlicher
SRebe aU ba« 3iel aDer fetner toiffenfc^aftlic^en 2ltbeit bie (S^re feinet §errn unb ^ei^
lanbe^ unb ben 3)ienft in feinem Steic^e bejeic^net; auc^ oft bezeugt: er ftc^e mit fetner
ß^riftenüberjeugung burc^au« auf bem S3oben ber Sanier Äonfeffton, auf bie er bei feiner
Crbination beri}fli^tct toorben. „Q^ toar in \f)m/' urteilte Äau^fc^, ,,eine folc^e Harmonie lo
einer finblid^ frommen SSere^rung ber Stbel einerfeitö unb eine« aüer faulen 2l})ologettI
abgeneigten SBal^r^eitgftnne« anbererfeit«, bafe fein Stnbenfen fd;on um be^toitten atten,
bie ü^m naiver ftanben, e^rtoürbig bleiben toirb." (&xnft ^tä^eüti.
©tä^eltii^SRuboIf, geft. 1900. — 55. @tocfmci)er, dt, ©tä^clin, ecparatabbr. au« bem
SaSicr 3a!)rbuc^ 1901 unb berf. in SSiogr. 3a^rb. unb beutfc^er 9?efroIüg oon §(. ©cttcl:: is
^cim V. 1903.
SHubolf ©täl^elin ift am 22. ©el)tember 1841 in 95afel aU ©ol^n eine« geachteten
Kaufmann« geboren, ©ein ßltem^aug gehörte jum ftrei^ ber bortigen S3rüberfocietät
unb bie ^ier empfangenen ßinbrütfe einer lebeitbigen unb tf^ätigen »^wmmigleit ftnb ibm
ein unverlierbare^ S3eft^tum geblieben. JJid^t minber begierig ergriff fein lebl^after ®eift 20
bie ^umaniftifc^en Silbung^ibeale, bie i^m baö ©^mnafium feiner SSaterftabt tjermittelte.
3)er nad^baltigen Anregung unb ber l^eilfamen ftiliftifd^en 3"^*/ ^^^ ^^^ 3B. SBatfers
nagele Unterricht anfing, ^at er oft banfbar gebac^t. 2)ie Sefc^äftigung mit ber
Ilaffifci^en Sitteratur \)ai i|n auc^ in bie gal^re be^ t^eologifd^en ©tubium^ begleitet, bem
er fic^ 1859—65 in 95afel, Saufanne, 95crlin unb Tübingen toibmete. ©ein p^tl05 26
fop^tfdS^e^ 3"*^^^ fö"^ ^" ^^" einbrucföüollen 3SorIefungen Äarl ©teffenfen^ SJa^rung
unb ben tjertoanbten Seftrebungen tjon 6ucfen, S)ilt^e^, ©iebecf, ßla^, ©logau u. a.
galt auc^ fpäter noc^ feine 2:eilna^me. ^n feiner 2lu«einanberfe^ung mit ben t^eo*
logifc^en fragen füllte er ftc^ namentlich burc^ bie Se^rer geförbert, in tüelc^en t^m
eine SBetterleitung be^ ©c^leiermact^erfd^en ©tnflufje^ entgegentrat, fo S. 91. Äagenbac^ ao
unb f})äter $. ©d^ul^ in Safel, fi. 3. 9«^fc^ unb 3. % 35omer in Serlin. Sor atten
aber galt il^m ©c^leiermad^er felbft, in bejfen ©c^riften er ftc^ eifrig vertiefte, atö „ein
gü^rer jum Heiligtum". 6in äüinter, ben ©t. in 2:übingen jubrac^te, um g. 3:. SBedt
gu l^ören, ^interliefe i^m einen tiefen ©inbrucf Von ber „ftttlic^en 9)faieftät" unb bem
„leben^tüarmcn 2Ba|rl^eit«finn" biefe« Sl^cologen, o^ne bafe er boc^ in toiffenfc^aftlic^er 36
SBegie^ung fein Sd^üler ^ätte toerben fönnen.
9Jac^)bem ©t. im ^ül^ja^r 1865 fein ©tubium mit einer glänjenben 5ßrüfung ah-
gefc^loffen ^atte, unterrichtete er ein ^af)x lang an bem ©eminar gu ©c^ierö in ©rau^
bünben unb befleibete bann ein 2>ifariat gu ©tein a. 91^., bid i^m im ^rül^ial;r 1867
ba^ 2)iaf>)ora))farramt in Slrle^^eim (Safel^Sanb) übertragen tourbe. 6r übernahm bamit 40
einen an ©eelenga^l fleinen, aber bei ber Weiten ßerftreuung ber (Semeinbeglieber an
atrbeit unb 3lnftrengung reichen 3Bir!ungeIrei«. ^tvcx ^af)xc fpäter grünbete er feinen
$au«ftanb mit 9Jlarie ©toctme^er, ber Soc^ter be^ feinftnnigen unb geiftvollen Sanier
$farrer^ unb fj)äteren Slntifte« Immanuel ©todtme^er. ©ein 2öirlen im länblic^en
Pfarramt, beffen 2lufgaben er mit großer ©eiüiffen^aftigfeit anfaßte, foUte jebod^ nic^t46
Von langer 3)auer fein, ^m ©ommer 1871 toar er infolge anbauember Äränflic^feit
gu einem längeren Äurgebrauc^ genötigt, an ben fic^ auf ärgtlic^e^ ©el^eife ein SBinter«
auf enthalt in ©icilien anfc^lofe. Sin angie^enbe« S3ilb ber geiftigen ^ntereffen, bie i^n
toäl^renb biefer ^Ku^egeit befc^äftigten, geU)ä^ren bie aug feinem ^Jac^lafe Verö^entlic^ten
,,9leifebriefe au« Stauen" (aU 5Ranuffrij)t gebrucft, Safel 1903). 3m 5RittelJ}unIt ftanb so
il^m bod^ immer ber tl^eologifd^e Seruf unb für ben fj)äteren Äird^en^iftorifer l^at biefe
notgebrungene ©tubienreife vielfache gruc^t getragen. 2)a i^m auc^ nac^ ber diixikl^x
ber aSiebereintritt in« Pfarramt von ärgtlic^er ©eite Verlvel^rt tourbe, entfd^lo^ er ft(|,
ben 33Jeg gu betreten, für toeld^en Se^rer unb greunbe ii^n Von 2lnfang an beftimmt
gebac^t batten, inbem er ftc^ an ber t^eologifc^en gafultät feiner 3Saterftabt habilitierte. 66
(gg gefc^al^ bieö mit einer Slb^anblung „3ur J)aulinifc^en (Sfc^atologie" (SbX^ 1874).
ä)ie balb barauf gehaltene ^robeVorlefung über „ßraömu«' Stellung gur Steformation"
(S3afel 1873) geigt, bafe er bereit« ba« gelb gefunben l^atte, bem feine gorfc^ung Vor=
gug«toeife gehören follte. 211« im ga^r barauf — ^nnx 1874 — Ä. 91. ^agenbad^ ftarb,
736 etai^eHit, 9)ub.
erfc^ien ©t. afö ber gegebene SfJac^foIger; er trat uinäc^ft ate ßjtraorbmariu«, fd^onlSTo
ate Orbinariu^ in bie entftanbene Surfe ein. 3!)a neben i^m granj Dt>erbcrf bie ©t-
fd^ic^te ber alten unb mittelalterlichen Äirc^e bertrat, fiel 6t. öorjug^toeife btc ®^i)\^U
ber Sleformotion unb ber au^ xf)x J^erborgegangenen üirc^en ju, in ber er fu^ burt^ um-
6 faffenbe Duettenftubien, aber frei bon einfeitigem ©J)eiialiftentum ]^eimif(^ mad^te. Sein
^ntereffe gehörte ber gefc^ic^tlic^en Oefamtbetoegung De« ß^riftentum« unb feine b^^tuU
fame Slrbeit in biefem toeiten Oebiet lie| i^n unberührt, ©abei toar er tief burc^bnmgoi
t>on bem lirc^lic^en 33eruf ber Il^eologie, eine Überzeugung, bie i^m ba« Sebiirfni« nod^
Iritifd^er Ermittelung ber gefc^id^tlic^en SBa^rl^eit nic^t au^fd^lo^, fonbem nur noc^ ge^
10 toic^ti^er erfc^einen lie^. @r ^at barum neben feinem alabemijc^en 3(mt aud^ m manc^ei
gunitionen ber Äirc^e gebient, fo al« 3Witglieb ber tl^eologifc^en ^rüfung^bel^örbe, be^
t)roteftantif(^'Iir(^lic^en $ilf«berein«, ber ©V^^obe unb fl)äter be« Jtird^enrat«, überall bi«
game Äraft einfe^enb unb feiner ©ad^Ienntni« toie feine« befonnenen Urteil« tocgen ^oc^
gef($ä|t.
16 Dbh)ol^l ben 3Sorlefungen ©t.« mand^e« bon bem abging, toa« ben glänjenben Sot:
trag au«ma(^t: leichter %l\x^ ber Stebe, ©lötte be« ©til« unb ©(^tpung ber ^orfteOung,
fo machten fie boc^ burd^ i^re @rünblic^{eit, il^re bolltommene ©toffbe^errfc^ung unb ben
fie burd^bringenben ßrnft j)erfönlic^er Überzeugung einen nac^^ltigen Sinbrurf. gin«
feiner ©d^üler f)ai an ©t.« ®rab bejeugt: „Sei i^m.Äirc^engefc^i^te ftubieren ^eft an
20 ©Ott glauben lernen." ®abei toar er unermüblic^ in ber ^ötberung ber ©tubenten, btc
feinen 9lat fuc^ten ober i^m fonft nä^er lamen. ©^arfam mit feinem 2ob, toufete er
i^r toiffenfc^aftlic^e« ©treben ju läutern unb auf bte rechten S^tU ju lenfen. ®c toor
barum nid^t blofe für bie fdbtoeijerifc^en S^eologen ein gefuc^ter Se^rer; audf t>on au^
toärt« richteten ^c^ bie Slidfe auf i^n. 9jm ^abr 1888 toünfc^te man i^n für bie buit^
26 $amad« ffieggauji erlebigte 5ßrofeffur ber Ätrdpengefc^ic^te in 5Dlarburg )u getoinnen.
2)a« Oefü^l ber SBerjjflicptung gegen ßeimat unb gamilie bepimmte i^n jur äblej^nung.
®a^ ber mit fc^loerem §erjen gefaxte ßntfc^lufe bo^ ber rechte getoefcn fet, beffen tombe
er ft^ erft in ber golge ganj betoufet. 2)er 3"f^^"t> f^^"^ äugen l>erf(^limmerte ^
nämlic^ im ^af)x 1889 fo, bafe er auf alle« eigene Sefen berjic^ten mufete. Unter biefcn
80 Umftänben ioar bie gortfe^ung feiner Se^rt^ätigleit unb bie äu«fü^rung ber gtoingR
Siograi)^ie, für bie er feit ^af)xm ba« 3Katerial gefammelt l^atte, in fjrage geflellt. SUlein
feine Oebulb unb Energie ^eate über biefe §inberniffe. 93on feiner ®attin, toie t>on
greunben unb ©c^ülern burc§ 3Sorlefen unterftü^t, machte er e« möglit^i, feine 8cbr:
t^ätigleit im alten Umfang toeiterjufü^ren unb feinen „^ulbreic^ S^^^S^i" i"*" 0^«<^'
86 liefen Slbfc^lufe ju bringen. 1895 toar ber erfte, 1897 ber jitoeite Sanb bi^e« feines
eigentlichen £eben«h)erf« tjoDenbet. 6« barf al« eine nac^ ^tii}alt unb ^orm muftcr^
giltige biftorifc^e 3Konograj)l^ic bezeichnet toerben. 9Rit botter Se^errfc^ung be« urlunb^
liefen 3Jlatcrial«, bie feiner SDarftettung immer fc^arfe Umriffe üerleil^t, t>erbinbet bei
3Serf. ein feinftnnige« i^erftänbni« für bie ®eifte«art be« ^Reformator« nac^ i^rer ©röfec
40 roie nac^ ibren ©c^ranlen unb nic^t jule^t bie ®ahc, fein S3ilb in ben großen 3wfö*nnien:
bang ber Setoegungen ber 3^*^ ^inein^uzeicbnen. 9Rit gutem ®runb fyit bie Sanier
p^ilofo>)^ifc^e JJafultät ben ^erf. biefer bebeutfamen Slrbeit mit ij^rem (S^renboftorat ou^
gejeic^nct, na^bem er fc^on früher bon Sem burc^ bie t^eologifc^e ©oftortoürbe geel^
toorben toar.
46 3)ie übrigen ©d^riften ©t.« fmb teil« 3Sorftubien ju biefem §au^ttoer!, teil« onbercn
®eftalten au« ber ©ejc^ic^te be« $umani«mu« unb ber Sieformation geluibmet. (ßine
boüftänbige Sifte finbct fic^ am ©c^lufe ber ©lorfme^erfcben 33iograt)bie.) SBJir nennen
barau« bie 2lbl^anblung über SSabian (53eitr. jur üaterlänb. ®efcb. vtS 1/ ©afcl 1882),
Sie erftcn SKärt^rer be« et). ®lauben« in ber ©^toeij (3?ortr. bwau«geg. Don grommd
60 unb $faff IX, 1883), Sriefe au« ber SReformation«jeit (33a«l. Uniöeifttät«^rogr. 1887),
ben aSorläufer ber größeren 3n)ingli=Sioora})l^ie (©(briften be« l^er. f. 9lef.=®efc^. 1883)
fotoie ben 2trt. QaWin in Sb III biefer Gnci;!l. gür le^tere ^at er auc^ biogra})^if<^
airtifel über Siebermann unb §agenbacb t?erfa|t. S)em ®ebäcbtni« S)e SBSette« ift eine
1880 tjeröffentlicf^te Siebe getüibmet. ©eine ieilnabme an ben fragen be« c^riplidben
66 ®la\xUn^ unb Seben« belunben bicSluffä^e über„2)ie3lutorität ber bl.©C9rift unb bie biblifie
Äritif" (Ib- 3cttfcbr. au« b. ©c^ih). 1884), „2)ie Scbre tjon ber 2:aufe unb i^re 9?oth)enbig=
feit in ber ref. fiird^e" (Äircbenbl. f. b. ref. ©cbh). 1882) unb fein fc^öner Vortrag:
2)ie (Sbriftcnboffnung, 1900. 2)er le^tcre, auf ber t)on ©t. gern befuc^ten ^fingftfonferenj
in Sieftal 1896 gebalten, ift einem tüeiteren Ärci« erft al« le^te« SBetenntni« eine« ^eim=
60 gegangenen jugänglicb gctoorben. 2lm 6nbe be« in geiüol^nter, angeftrengter Slrbeit ju--
®tai|eltit, SHub. ®ta!|Iiit 737
gebrachten aOäinterfemeftcrö traf il^n am 11. 3Jlärj 1900 ein ©c^IaganfaH, beffen golgcn
am 13. 5Kär3 feinem Seben ein ^iel festen.
^n einer t^eologifd^ toie lir^IiA iüed^feteoffen 3^i* ^<^* ®tv <^tt^n ®jtremen abl^olb,
bie ©ac^c einer emften unb iüiffenfd^aftlic^ freien grömmigleit mit ruhiger Seftimmt^eit
vertreten. ®Ieic^ feinem fiel^rer ^agenbac^ ^ielt er fi^ ^ur ®riH)j)e ber tbeologifc^en 5
unb fir^Iic^en Sermittelung. Unb feiner lauteren, auf aÖien Seiten gead^teten ^erfön«
lid^Ieit ift e^ mit ^u berbanlen, toenn in bem 3lu«einanberftreben ber Slid^tungen boc^
nod^ ein S3eU)ufetfein ber ßwf^'ww^^i^ö^^öriöleit in ber Söfung gemeinfamer ^riftlid[^s
firc^lic^er älufgaben erhalten blieb. Offen unb fc^Iic^t in feinem 3luftreten, borne^m in
feiner ©efinnung, ol^ne jeben Slnf^rud^ barauf, anberen ju im))onieren, bertrat er einen 10
©ele^rtent^^ug, ben man mit ju ben beften Irabitionen be^ alten 33afel red^nen barf.
3)ur4> (Smjjfänglid^feit unb Sebl^aftigleit für geiftigen Slu^taufc^ befonberö Veranlagt, fjai
er 3Kenfcfeen t)erh?anbten Strebend bon linfö unb red^t« anjujie^cn unb in untoanbelbarer
3!reue feftju^alten getou^t. D1)m 3lbgug bürfen toir ba^ ©ort, mit bem er 3^i"9^i
c^arafterifiert \)at (II, 519), auf i^n felbft antoenben: „©ein entfd^eibenber S^^l^wte unb 15
feine aUe« jufammen^altenbe ßin^eit lag boc^ barin, ba^ er im innerften ®runb feine«
SBefen« ein SDZann be« ©lauben« toar, ber ba«, toa« er berlünbigte, aU lebenbigen S3efi|
in ber ©eele trug unb au6) in ben fd^toerften 5ßroben feft^ielt." D. Äirti.
©to^Hii, 2lbolf b., geft. 1897. — J^.ÄoIbc, ^b. ü. etö^lin. ein ©ebenfblatt
(93citr. j. 5ai)r. m IV, @. 15 ff.), ®rl. 1897; SBu(6ru(!cr in b. iR!3 1897, 9. ^cft; O. ©tft^Iiii, 20
Oberfonfiftorial^röfibent D. ^b. ö. ©tö^Iin. (Sin ficbcn^bllb mit einem ^n^ang üon ^rebigten
unb 5Rebcn, 2Rün4cn 1898.
abolf ©tä^Iin, ba« ältefte bon bierjel^n Äinbem, tourbe. am 27. DItober 1823 ju
©c^mä^ingen im 3)elanat 9JörbIingen aU ©o^n be« bortigen 5ßfanerg 3Diartin ©tö^hn
geboren, ©ein SSater, ber längere 3^'* ^^ ))l^ilologif(^en Se^ramt t^ätig geiüefen toar 25
unb erftl821 in ben ^fanbienft trat, toar ein toiffen^reic^er, ^^ilologifdj^ unb })^ilofoj)l^ifc^
n)ol^lgefd&uIter SDiann, ate 2^eologe überzeugter SHationalift unb abgefagtcr ©egner ber
bamatö fid^ fc^on regenben, aU „SK^ftici^mu^" gebranbmarlten neueren firc^lic^en SRic^«
tung. er gab bem ©ol^n ben erften Unterricht, aber fc^on mit jtbi>lf ^al)xm mu^te ber
ftnabe ba« eiternl^au« berlaffen, um ^unäc^ft ju SRemmingen, bem SBo^norte ber ®rofes 30
eitern, bie bortige Sateinfd&ule ju befuc^en, bie er 1834 mit ber am SOäil^cIm^gbmnafium
in 3Jlünc^cn bertaufc^te, big man enblid^ 1835 im Kollegium bon ©t. 3lnna in 2(ugdburg
ben rechten $Ia^ für i^n fanb. Unb auf bem ©t. 2lnneng^mnaftum, baß er nunmeljr
gu befud^en f}atu, too ber geleierte unb fraftbotle ^rofeffor ® . Ä. -ÖJelger, ber fj)ätcre (feit
1840) SJeftor be« ®^mnafium« unb be« Rottegium«, befonberen ©inpufe auf i^n ausübte, 35
legte er ben ®runb ju feiner umfaffenben Äenntni« ber uaffifc^en unb beutfc^en Sitteratur.
3lo6) nic^t 17 ^a'l)xt alt burfte er bie Slnftalt mit bem ^räbifat „borjüglic^" berlaffen.
Slm 27. Dhober 1840 hjurbe er an ber Uniberfität ©rlangen al« stud. theol. et phil.
immatrifuliert. S)ie angefel^enen 5ß^ilologen SJöberlein unb Äoj)j), unb fj)äter ber allen
feinen ©c^ülem befonber« unbergefelic^e SJägetebac^ iüaren junäc^ft feine ^ül^rcr (bgl. 40
Suc^rudter unb ©tä^lin, jum e^renben Slnbenfen be« ßrlanger $|ilologen Dr. Subiüig
3)iJberlein. ßibei Sieben 6rlangenl892), abertoenner auc^ tüä^renb ber ganjen ©tubien^eit
noc^ ))l^ilologifd^e SSorlefungen ^örte, toanbte er [\6) je länger je mel^r ber S^eologie ju.
9lun hjaren e« ^arlefe, §ofmann, 3:^omafiug, ju beren gü^en er fafe: „9Ber au« ber
3ltmof>)l^äre be« Stationali^mu«, fc^reibt er einmal (in feinem 5ReIrolog auf ben greunb 45
unb ÄoDegen ©täbelen in b. »eil. jur Stttg. ßeitung 1891, 3lx. 270), in bie^ijrfäle eine«
tarlefe unb §ofmann ^og, bem ging eine neue SBelt auf, bem fbrubelte e« tüie frifc^e
Safferquellen erquidtenb unb beläenb entgegen. — 3" beiben lam noc^ I^omaftu«,
biefe leibhafte ©^nt^efe grünblic^fter tl^eologifd^er ©c^ulung unb reid^er praftifc^er Sc^
gabung unb ©rfal^rung". 2Bie Wenige anbere na^m er bie bamate entfte^enbe „ßr* «>
langer SE^eologie" in fic^ auf, jeithjeilig, h)ie e« fc^eint, aber nur borüberge^enb, auc^
ergriffen bon ber j)ietiftif^en grömmigfeit be« reformierten Il^eologen unb ^^farrer« Ärafft
(f. b. 31. S3b XI, 59). ©c^on bor Slblauf be« erften ©emefter« f onnte er feinem 9Sater fc^reiben :
„Ueber meine religiiJfen Überzeugungen, nid(>t me^r SKeinungen, toitt id^ mic^^^nen nun
näd^fteng gang aufrichtig mitteilen ; fie ^aben ftd^ freiließ in bielem fel^r geänbert" (D. ©tä^lin &&
a. a. 0. ©. 19). 2)ag ging ol^ne manche innerlidfje unb äufeerlid^c «äm))fe nid^t ab, unb
bet aHmä^tid^ immer gri)feer rverbenbe Unterjc^ieb bon ber S)enftbeife be^ 3Saterö unb
ba^ baburd^ jeittoeife gefj)annte SSerl^ältnig ju tl^m h?urbe bon bem jungen 2^^eologen,
bem ein innige^ iperjengc^riftentum jum Gentrum feine« 3)enleng unb Seben« getoorben
Rcol'iittc^nopäbic tat Zfitoloqit mh ftirt^. 8. K. xym. 47
738 etJU^Iui
Xoax, fc^tücr emtjfunben. 2)a6ei ^attc et forltoä^renb mit matericDcr 3loi ^u lämpfai,
bic feiner ol^ne^in fc^toäc^Iic^en ©efunb^eit ftarf jufe§te. aber jene Soi^e beöStubhim^
im Äreife glei(|ftrebenber ©enojfen, mit benen er bann burc^ ba^ d<nue Seben im-
bunben blieb, eine^ Stäbelen, 9lu$ unb 6mft Sut^bt, bie 3«^ ^^ ©inbringcnl in
6 bie neue, auf bem alten ©c^riftgrunbe fic^ erbauenbe Il^eologie erfc|>ien f})ätcr bem @t«f<
atö eine l^enlic^e, löftlic^e ^^t. ©eine "AiiQm leuchteten, tocnn er boran backte, unb
toenn er babon \pxad), fo Pofe fein 3Jlunb über bon rüi^renber ^an!barfett gegen f«ie
einftigen Sc^er (bgl. 5. 33. feine SRebe beim ßrlanger Unit>errität^iubUmun im S^bre 1893
ättöäeitg. tjom 9. «ug. 1893, 5Rr. 219, 2. aRorgenbl.). äte ein innerlich gereifter Wann
10 lam er naA borgtigliqi beftanbenem äufna^m^ejamen in än^bac^ 1844 in« $r^cr^
feminar naq 3Jlünc^en, aber ba^ Äonfiftorium mu^te über i^n berichten, bafe er feina
üränHic^feit toegen troj feiner ^erborragenben Sefä^igung berÄir^e toenig 3)tenfle lejften
toerbe. Unb er toar jeittoeife fo fc^toac^, bafe er bei feinen ®ängen burc^ bie grofee gtah
bann unb toann in eine offenfte^enbeJtirc^e eintrat, um ftc^ auf einer 93anf au^jurubm.
16 ©c^on bamate trat er in engere S3ejiel^ung ^u bem ^räftbenten be« DberfonftftorainB
%x, b. JRot^, ber fic^ feiner in bäterlic^er SBSeife annal^m, unb beffen Sebeutung unli
Sirifamleit für bie ba^erifc^e Sanbe^Iirc^e ©tä^Iin fl)äter in einem au^fü^rlic^ ättiW
in ber 2). ST. 33. gefd^ilbert l^at. 9lac^bem er jtoei ^al^re im ©eminar geblieben toar, borai
eine lurje RÄt aU ^au^Iel^rer in Jtarl^ru^e ^ugebrac^t l^tte, begann eine lange SSkmbei:
20 jeit ate SSttar, in ber er freilid^ mel^rfac^ bie Pflege be« elterlichen ^aufed auffud^«
mufete, toeil fein Roxpn ben 3)ienft böDig gu berfagen brol^te, toa« für i^n, ber fotnel
auf bem $erjen l^tte unb ber barauf brannte, mit aller Äraft für baö Steic^ ®oM
ju arbeiten, eine fc^toere aber mit frommer ©rgebunß getragene ^Prüfung tüar. erjl in
5tatten^od^ftabt im 3(Itmü^lt^aI, too er bem um bte ba^erifc^e Sanbe^irc^e bun^ he
25 ^erau^abe bed „$omiIetifc^4iturgifc^en Jtorrefponbengblattee'' unb burc^ bie ©rünbung
be« ^farrtoaifen^aufe^ in Söinb^bac^ l^oc^berbienten SJefan St, 33ranbt (geft 1857) tm
§erbft 1850—1855 aU SSifar gur ©citc ftanb, befferte fic^ unter ber treuen ?ipege beö
paxx]^ fein ©efunbl^eit^juftanb toenigfteng fo toeit, ba^ er feinen 3(mt^flic^ten noc^
fommen tonnte. 3" l^^^ 3^** (23. 3)ej. 1852) fiel ber il^n tief erfc^üttembe Xob feinet
80 löjäl^rigen 33ruberg Subtoig, eine<8 auffallenb begabten, früi^reifen G^riften^ beffen Srirf«
unb lagebüc^er ein für feine ^uQmh ganj erftaunlic^e« Innenleben erfennen laffen, ber
auf unenlärte ffieife auf einer gufereife ju ben ©Item untoeit be« heimatlichen 3)orfe^
fein 6nbe fanb. ©eine Seben^ unb ©terben^gefdj^ic^te, bie für nid^t toenige gu einer
6rtoerfunggaefc^id&te tüurbe, bie bon einem anberen S3ruber Otto ©tä^Itn unter bem
85 S^itel „St. Subiüig 2lug. ©lä^lin, Seben^^ unb ©terben^gefc^ic^te eine^ frü^tJoDenbctcn
Äinbe^ (Sottet" (9Jürnberg 1857) erftmalig herausgegeben tourbe, liefe 3lb. ©tä^lin fj^dter
mit einem h?armen Sortüort (2eij)jig 1887) in britter Sluflage noc^ einmal au^c^en.
5Raci^ elfjährigem 3Sifariat erl^iclt er 3lnfang 1856 bie erfte änfteHung in Zaubcf-
fc^ecfenbac^ mit einem ©infommen bon 500 ®ulben. 2Bie balb man bie Sebeutung bes
40 jungen Pfarrer«, ber anbauernb ioiffenfc^aftlic^ tociter arbeitete unb bun^ ©^nobalarbeiten,
SReferate u. f. to. fic^ augjeid^nele, erfannle, jeigt, bafe er ate ber jüngftc Pfarrer be^
Äapitete 1859 pm ©enior getoä^It unb baS ^al)x barauf alS 9)ZitgIieb ber t^eologifd^
^rüfungSlommiffton in Slnöbad^ berufen iourbe. S3alb nac^ feiner SSerufung w^
iauberfc^edtenbac^ grünbete er feinen ^auSftanb mit Caroline S3ranbt (geft. 22. Slug. 1904),
45 ber Zoä)Ux bcS borJ^in eribä^nten 2)cfan 33ranbt, beren Seben fortan nur ber ©orge um bö^
SBoJ^I bcö ©atten galt, ber erft in jenen ^a^ren nac^ unb nac^ ettoa« fräftiger iourbe.
©nbe 1860 etl^ielt er bie ^farrfteHe an ©t. Scon^arb bor JRot^enburg mit bem Äin^Idn
am ehemaligen £ej)rofen^auö, baS je^t als Unterlunft einer Keinen ^ai)l t)on 3Baifcn:
tinbem bient, ju benen afö 5ßaroc^ianen noc^ bie toenigen 5ßroteftanten auS bem näd^pen
50 latbolifd^en 2)orfe ©ebfattel fommen. 3Jlan begreift, bafe er fic^ auS bicfen engen SBerbäll^
niffen fortfe^nte, aber alle SSerfud^e, in eine größere ©tabt ju fommen, fcf^ienen an ber
©orge bor feiner Sränflid^feit fcf^eitern ju foUen. "^m 3Kärj 1864 erhielt er bann feine
©rnennung jum erftcn ©tabt^farrcr in 9ZörbIingen, ioo feine ganje reiche ^rebigtbegabung
(groben babon bei D. ©tä^Iin a. a. D. im 2lnl^ang) [xd} enblid^ entfalten fonnte. S)ie
55 ^eute toieber brcnnenb getoorbene grage nac^ ber 33erec^tigung ber geiftlic^en ©cbul-
auffic^t, bic bamalS juerft in 93a^crn ju größerer 2)iSfuffton führte, beranlafetc ©tabfin
JU feiner erften, noc^ ^eute (efenSiocrten, fclbftftänbigen 3)rudEfc^rift: „3ur B^ui-
reform. Wxt befonbercr 33erücfficf^tigung ber 3)enffci^rift beS ba^erifc^en SBoßSfc^uI-
bercinS", 9Jörblingen 1865. ©ie läfet überall baS forgfame einge^enbc ©tubium ber
60 fc^iüierigcn ängelcgenJ^cit erfennen, unb fc^on ^ier jeigt fid^ feine äße feine Arbeiten
Stmin 739
fenmcic^ncnbe SQäeife, eine ßinjelfrage nur im 3wföi""^cJ^'^ö"Ö^ ^^^ '^^^ ^aujjlaufgabe,
ber Stufric^tunö be« Sleic^e^ (Sottet ju betrachten, unb toeiter feine öerfö^nlic^e, irenifc^e
8(rt, bie bor allem batjor toarnt, bei bem Streben ber Seigrer nac^ ©elbftftänbigleit nur
felbftfüd^tige, ürc^enfeinblid^e ^Jlbftc^ten anjjunel^men. Unb bei allem Seftreben, ben @influ^
ber firc^Ii^en Organe auf bie ©c^ulauffw^t afö nottoenbig unb für Äirc^e unb ©c^ule 6
erfjjriefelid^ ju toa^ren, bie 3Serftiegenl^eit getoiffer rabilaler gül^rer aufjutoeifen, lommt er
boq nic^t toenigen ^orberungen ber Seprerft^aft entgegen unb betont u. a. gegenüber
ben Älagen ber Se^rer über bie ungeeignete ted^nifc^e äJorbilbung ber geiftlic^en Bd^nU
infj)eItoren unter $intoeig auf bie ^reu^ifc^en 3Ser^äItniffe (obligatorifd^er ©eminarbefut^)
bie 9JottDenbigfeit einer befferen j)äbagogifc^en Sluöbilbung ber Ranbibaten. ,,6« mu^ in lo
ber ^äbagogifc^en 93orbiIbung ber ©eiftlic^en mel^r getl^an unb geleiftet toerben ate bi^^er,
toenn i^nen bie ©d^ulaufftc^t bleiben foD" (6. 26). greilic^ fanb biefe feine gorberung
fein ®e^ör bei ben mafegebenben ©teDen, unb ]päUx, ate er felbft ju i^nen gel^örte,
fc^eint er fie nic^t toieber aufgenommen ju ^aben. — ^m gal^re 1867 erfc^ien bon il^m
im „33eU?eig be^ Olauben^" ein ba« gja^r Dörfer gehaltener ©^nobalbortrag : „ßl^riftu^ is
ber fünblofe 3Menfc^enfol^n, ber auferftanbene Sebenöfürft, ber etoiae ©o^n Ootte«. 6in
jjotjulärer 3Serfu(^". 6« toar ber ^roteft eine^ auf bem biblifcpen ®runbe ftel^enben
G^riften unb Ideologen gegen ba« au^ einer unlauteren 5ß^antafte geborene ^cfu^f^ilb
Wienand, in bem ©t. bie ß^aralter^üge be<8 mobemen frangöfif((>en JRegime«, ber mobernen
franjöjtfd^en OefeQfc^aft toieberfinbet : ,,©o rebete ic^ — unb tl^äte ic^, fe^en toir l^inju, 20
tocnn id^ Gl^riftuö toäre, gilt auc^ bier. ®ott fc^uf ben SKenfd^en il^m jum Silbe, ©er
Don ®ott loggelommene SWenfc^ mac^t ®ott, mad^t auc^ ben ßrlöfer nai) feinem Silbe". — '
3n}h?if(^en toar man in toeiten Greifen auf ben begeifterten, unb toeil immer fic^ felbft
gebcnb, auc^ begeiftemben ^rebiger aufmerffam geiüorben, unb im S^^^f^lSöö tourbe er
afe Äonfiftorialrat nac^ Sln^bac^ berufen. Stuf bie erfte Äunbe bon biefer Slbfic^t fd^rieb er 25
an einen J^eunb : „3^ ^^"'f^ fwt alle ^t\t für eine Äonftftorialratftette, ba^ SSureauIeben
h)äre nic^t^ für mid^" (0. ©tä^lin ©. 74), unb nur nac^ längerem @txänbm lie^ er fic^
bambetoegen, bemSRufe ju folgen. Unb bie bamit berbunbene ©teile eine^ §au})tprebiger^
geftattete i^m, ftd^ feine 5ßrebigtfreubigfeit unb ^rebigtluft, bie er auc^ burc^ gern übers
nommene ^eft^rebigten im ganjen £anbe unb barüber l^inau^ bejeugte, ju betoa^ren, unb bad ao
3lmt eine^ (S^aminator^, mit bem er e^, obtoo^I man babei feine groge ^reunblid^teit
tü^mt, febr emft na^m, ^ielt i^n immer in engfter SSerbinbung mit ber tl^eologifc^cn
aSiffenfd^aft, o^ne bie er ftc^ über^au})t fein gebeil^lic^e« SBiricn im jjraltifc^en ämtc
toorfteHen lonnte. 2lllerbing« ju größeren toiffenfc^^aftlic^en Slrbeiten liefen il^m bie
amtlid^en SJerjjflic^tungen nic^t biel 3^'*- 211^ i^eobofiu^ §ama(f in feiner ©c^rift 36
„®ie freie lut^erifc^e Sßolföfirc^e" (ßrl. 1870) bie Unterbrüdtung be« Sutl^ertum« in
ben neuen ^ßrobinjen ^reu^en^ afö felbftberftänblic^ annal^m unb bem Sanbe^Iirc^en*
tum ben Sotenfcl^ein au^ftellte unb baju ermal^nte, ftci^ auf „bie ^orm ber freien, felbft-
ftänbig organifierten (ut^erifc^en Solföfirc^e" einjuric^ten, fc^rieb ©tä^Iin „3)a« lanbe««
Ij^enlid^e Äirc^enregiment unb fein 3"f«"''"^"'^«"0 ^^^ Solföfirc^cntum" (2eij)jig 1871). 40
ißüü XanU^ bafür, ba^ ba^ (Sbangelium felbft unter einem lat^olifc^en ©umme))ifto^u^
tote in Sägern ungel^inbert feinen Sauf ^aben lönne, bricht er barin in einge^enber, auc^
l^iftorifc^er Sel^anblung eine Sanje für bad Sanbe^tirc^entum unb nic^t nur für feine
f[efc^i((>tlic^e 9Joth}enbigfeit, fonbern audj^ für feine innere })rin«j)ielle Sered^tigung : „6« ift
ut^erifc^e ®runbanfd9auung, bafe e^ fein göttlic^ gegebene« Serfaffungögefefe giebt. 2lber 46
bie fianbe^firc^e ift eine el^rtoürbige, bon ®ott reic^ gefegncte fir(^Ii^e fiebengprm. ^xixd)
fie ibarb ba« ßbangelium in 3)eutfc^Ianb gerettet; fie toar ba« ©dbirmbac^, unter bem
bie ^errlid^ften 33(üten ebangelifc^en Seben« unter unferem beutfc^en SSolfe fi^ entfalteten.
aSBo be^^alb eine Sanbc^fir^e unbertbonen ift bon ber Union unb ben fidj^eren Selennts
ni^unb unter il^ren güfeen i)ai, ha toeid^e fie nid^t, fonbem ^alte, toa« fie f)ai. SBir 60
toouen ba«, toa« un« ber §err ber Äirc^e an äußeren ©tü^en für unferen Sebenöftanb
unb Seben^beruf gegeben, aU einen ©tab für unfere SBanberung bur^ ba« Seben be«
35olfe« nic^t felbft ol^ne bie bringcnbfte 5Rot jerfc^Iagen. ©enn bei einer Sefeitigung be«
lanbe^^errlic^en Äirc^enregiment« löft fic^ auc^ ba« SSerl^ältni« ber Äirc^e gu Solt unb
Staat, bie Äirc^e mürbe getoaltig gelid^tet toerben unb ftc^er feine 93oIfgfirc^e bleiben. 66
greifirc^c unb Solföfirc^e fmb nni ®cgenfä|e". 9Jur toenn bie bi^^erige Serfaffung
pemi^brauc^t Serben foHte, um ben 93efenntni«ftanb ber Äirc^e ju fd^äbigen, mü^te fie
i^r Sefenntni« unb i^re auf bemfelben ru^enbe ©jiftenj ol^ greiftrc^e retten. 35iefe
Slu^laffungen erful^ren bei ben ejtremen Sutberanern, benen er immer ju toeitl^erjig toar,
f(^toere Serbäd^tigung, unb auc^ in Greifen ber eigenen Sanbcefirc^e, in benen ber burc^ go
47*
740 Biotin
SB. Sölje auf ber ba^eriJAcn ®cncralfbnobe Don 1849 eingclettae ^dbiug gf^en boi
Ianbc6!ir(^Ii(!^cn Summepi^topai nod) nac^totrfte, ertxHtrb er j«^ leinen £an!, \a mai
t)erläflcrte (5. S. 3I2t^ft 1872 S. 377: ,,burc6 jeitgcmäfeen ^eequbrf üfecr bos Bieg«:
ölücf ber beutfctcn ßelbcnfc^aren") bie an^ femer Si^rift &ert>i>r[euc&tenbe greub« an
6 bem neuen beutfc^en mt\i}t, bie t^m, bem guten Sofern, immer fo tcttttt>crftanbli(^ tpar,
unb ba^ 3Sertrauen ju bem ,,greifen öeertü^er ber beutfcben JoelbcnfAoren, ber tcn
Anfang bi« an^ ßnbe in einer Söeife, bie fie in ber ®eici^t(6te iiocfc taitn bagrtKJoi,
ber ®nabe (Sottce bie ß^c gegeben" (S. 71 ff.)- 2Bertt>oIIe ärfceiten, bie überall m
toeitge^enbe Seberrfcbung unb lurc^bringung be^ Stoffel »erraten, finb feine umfangrcubai
10 Sefprec^ungen üon 3Martenfen^ et^iI(ögL 3I3:^Ä 1874 S. 346) unb Sümor« Sorlefun^cn
über 5KoraI (ebenb. 6.716). 2)ie Schrift üon 5la^ni^ „Gbrifientum unb gutbertum'* (gcipji^
1871) gab i^m Seranlaffung, feine Stellung ^u ben bamal^en i^i4>tfragen ber litü-'
logie au^fü^lic^ au^nanberjufe^en. Gr tl^t e^ in Dieräuffo^en unter bemütel: „tic
Ideologie be^ Dr.Äa^niö" (312^511873), eine arbeit bie ebenfofebr feinen entfii^oiöi,
16 tocnn auc^^ in ber Beurteilung anber^ benlenber milben (ut^erifc^en Stanbj>unfa cr^
fennen lä^t, toie feinen ^iftorifd^en Sinn unb feine Slbneigung gegen äße Sleprift'
nationetjerfuc^e auf ®runb einer nur ber 3^it ange^örigen t^eologif^en ^ffung. (rrft nai
längeren 3<i^t^cn liefe er toieber eine felbftftänbige älrbeit erfc^einen: „^uftin bcrSiöriOTfr
unb fein neuefter Beurteiler" (2eij)jig 1880), bie fu^ gegen 3R. t). ßngel^bt^ (f. b. 1
20 S3b V, 377) Stuffaffung ritztet. Um biefelbe 3«t entfianb auc^ fein au^fü^rlic^ ^Refrobq
auf ab. §arle6(3faB£ 1880), ben er f»)äter für bie Mealenc^Hopabie (f . 93b VII, 421) um:
arbeitete, ebcnfo in biefem SBerfe ber grofee ärtifel über Sö^e (95b XI, 576). Sie gebeten
mit bem Sebcnßbilbe be« geliebten 2e^rer« ©ottfrieb I^omafiug (*b. 93b XV*, 635 n,,
auc^ liufammen u. b. %.: £öbe, I^omafiu^, ^arlefe, brei Seben«* unb ©efc^icbt&bilbcr,
25 Sei^jig 1887), bem frül^er crtoä^nten SCrtitel über 9lot^ unb bem 9?eholog auf ben mit
bem Seben ber ba^erifc^en Sanbc^firc^e eng toerlnü^ften ßrlanger fünften 3lb. D.S<^
(3ur ßrinnerung an 2{b. gr^r. ü. Sd^eurl, £eij)gig 1893), gumal ber 35erf. auc^ m^
ben Sllten be^ Cberfonfiftorium« ^anbfc^riftlid^e« IRaterial tjertoerten fonnte, ju bem
93eften, hjaö toir für bie ®ef(^id(»tc ber ba^erifc^en Sanbeefirc^e im 19. 3abr^unbort
30 befi^cn.
Sn^toifc^en h)ar er 1879 in ba« Oberlonfiftorium nac^ 9Kün(^en unb nae^ b«n
lobe be^ ^räftbenten 9Jlet;er 1883 aU beffen 5Ra(^folger an bie Sl)i|e be« ba^erifc^en Äirtkn:
regimentö berufen Sorben. Seine ^räfibentfc^aft bebeutet feine neue (^oc^c für bie ba^erijAc
Sanbeßürc^e. Stäl^lin tüar feine imj)ulftt)e, toortoärt^bringenbe 3iatur tüie ber ftbait-
36 fantige ^arle^. G§ tüar ob feiner rubigen, befonnenen unb fonfert)atit)en 9lrt, bie überall
ba^ ®ute l^aDorfucbte unb im feften Siertrauen auf bie SBirfung beö SBSorte^ ©ott«
jcbem unrul^igen Grperimentieren auf fir^lic^em unb firc^enl)olitifc^en ®ebiete ab^olb rtsa,
eine 3^i^ ^^ Sammlung unb ber ruhigen, bieHeic^t aHjurul^igen Sntloicfelung. 31»
enblic^ 1887 ber ©eneralf^nobalauöfcbufe eingeführt h)ar, ber boc^ cinfth>eilen ncd» eine
40 ^orm o^ne ^n^ali bleiben foHte, fc^ien für i^n afleö erreicht ju fein, h)aö man auf bcin
(?Jebiete be^ firc^lidjen SSerfafjung^lebenö überl^au})t begehren fönnte. Unb bie bon feinerifl
inneren kämpfen burcf^roogten ®eneralf^noben, bie er breimal 1885, 1889 unb 181*3
}u leiten hatte, bcftärften i^n immer me^r im Setüu^tein bon ber Ireffltd^feit ber ©onbergeftalt
ber ba^crifcbcn Sanbeöfirc^e. Unb nie lüar er glüdlid^er, alö toenn a mit feinen ©eiftlitbcn
45 auf biefen ®eneralft)nobcn jufamnten toar. Unb feine grofee J)erfönlici^e Sieben^toürbigfcit
— nur h)o er einer niebrigen ©efinnung begegnete, ober jemanbem, ber, h)ie er fid^ auf
brüdte, parterre toar, fonnte er fc^iarf toerben — geiüann i^m überall aller j^cna |
Seine 3lnfan0^= unb Sd^lu^reben, in benen er aU echter Sc^riftgelel^rter älte^ vadi
9Jeuc^ auö feinem Sdja^e l^ertjor^olte, unb gro^e Überblide auf bie 3?er^ältniffc in
üo ll^cologie unb Äird^e ju geben liebte (f. 5. 95. baö gro^e Sd^lufetüort auf ber ©eneral^
fi^nobe toon 1893, abgebrurft bei D. Stä^lin S. 197), immer ein tüarmc^ unb crtpärmenbcö
93cfenntni^ feinet (S^riftenglaubcn^ unb feiner ß^riften^offnung, toarcn Don Jjacfenber äöirfung.
6r toar ein gcborner Dirigent, freiließ auc^ nad^ ber Slic^tung l^in, „bafe er f 0 bringenb um bie
Slnnabme eines 3lntrag^ bitten fonnte, bafe man fürchten mufete, i^m burd^ eine Slble^^nung
65 })crfönürf) ioehe ^u thun"(D. Stäl)lin S. 109). Seine befonbere Siebe toaren bie Slrbeiten aut
bem ©ebiete ber 3)Jiffion, - er iüar aud; gule^t ^räfibentbe^2eij)jiger3JlifftongIonegiumö-
bann ber inneren 3)Jtffion, bie nidit o^ne feine perfönlic^e 39Jith)irfung toä^renb feiner äntie^
tbätigf cit einen 3luffd)ioung in allen ieilen öai^ern^ genommen l}ai, ben man früber für um
möglid) gebaltcn ^ätte. 2lud; gelDann burd; il^n, toa^ freiließ nic^^t of)m mannigfache Slnfcm-
60 bungen möglid) toar, bie ®uftab-3lbolffad)e in 95a^em feften 93eftanb unb toeitge^enbe gorbe^
(Btmin etinbltn 741
rung. Scbl^aft beteiligte er fic^ an ben Slrbeiten ber ßifena^er Äirc^enf onferenj. iS^ cni^pxai) .
bie^ feiner im beften ©inne ölumenifcfien SRic^timg, bie er einmal felbft babin befiniert:
„3Jleine Siebe imb Strbeit gilt au« boDfommener Überzeugung ber Sanbe^tirdpe, in beren
Soben geiüurjelt, glaube ic^ ber Äirc^e be^ §erm übttfyinpt ju bienen unb freue mic^
babei, o^ne i)artiuilariftifc^ berengt ju fein, in ölumenifc^em ©inn unb ®eift allen b
toa^r^aften firc^Iic^en, toa^r^aft eöangelifd^en Scben«, too i^ e« finbe" (Slttg. Rirc^enbl.
1884, S. 515), unb er f)ai für bie ©ifenac^er Äonferenj me^rfac^ umf angreife h)ertt)oIIe
Sleferate geliefert, fo über bie ©eftenfrage unb bie $erifol)enfrage (ebenba. unb 1890,
©. 475). 3}on befonberer Sebeutung toar auc^ feine i^ätigleit ate JReid^grat ber Ärone
Sägern, 'too^u ber ^räfibent be« Dberlonfiftorium^ tjerfaffung^mäfeig benifen ift. 6r lo
na^m e^ bamit fe^r emft. ®alt e^ einen toic^tigen ©egenftanb, fo fonnte er ftc^ barauf
tood[^enIang vorbereiten. Unb man l^örte ben Ileinen, überaus lebhaft fj)red^enben unb
geftifulierenben 9Jlann, ber, toenn er fl)radf>, auc^ toirflic^ ettoa^ ju fagen ^atte, immer
gem. Iro^ aDer ^xml unb bem ^c^tlic^en Seftreben, nirgenb^ anjuftofeen, öerftanb
er, ber mit ^o(^geftetIten Äat^olifen in ber freunbfd^aftlic^ften SBeife berfe^rte, e« ftetg, i5
bie ebangclifc^e Slnfc^auung, bie SHec^te unb bai^ 3lnfe^en feiner Äirj^e mannhaft ju ber^
treten unb er ^at and) i^re materiellen ?;ntereffen nac^ 3KögIi^Ieit ju förbern gefuc^t, freili^
lag e^ me^r in feiner 9Jatur, f^u banfen ate ju bitten ober gar ju forbem. SDaju lam,
bafe er eg ängftlic^ ju bermeiben fuc^te, ben (Schein einer einfeitigen ^ntereffenpolitil auf
fxd) m laben, benn er füllte ftc^ burc^au^ aU SSertreter be^ ©anjen unb toar niemals 2u
ber 3Reinung, lebiglid^ ate SJertreter ber ))rotcftantif(i^en Sanbe^firc^e im Sleic^^rat ju
ft^en. Unb auc^ h?o er aU ®egner auftreten mufete, berftanb er e«, feinen Slu^fü^rungen
immer eine berbinblic^e gorm ju geben, unb feine Überjeugtbeit, namentlich über bie er«
f(^öt)fenbe ©rünblic^feit unb baö immer gu beobad^tenbe ©treben, bie gerabe borliegenbe
grage auc^ l^iftorifc^ Ju beleuchten, l)flegten nid^t o^ne ßinbrucf gu bleiben, unb einige 25
feiner größeren Äammerreben pnb bon attgemeiner Sebeutung unb bürften bon bleibenbem
SBJert fein, fo bie grofee JRebe bom 20. ^ärj 1884 gegen ben lonfefftonett getrennten
©efc^idS^t^unterric^t, ba^ SReferat gegen bie Sefeitigung be<8 7. ©c^ulja^r^ (©i^ung bom
26. gebruar 1886), über ba« ^ßla^et bom 10. gebruar 1890 (abgebrucft bei 0. ©tä^lin
@. 212), gegen bie SRüdberufung ber SHebemptoriften (11. gebruar 1890), für ben l^uma^ ao
nipifd^en Untenid^t aU ©runblage aller 95ilbung unb namentlid^ jeber Uniberfität^s
bilbung (19. 3)fai 1892), unb enblic^ eine feiner legten Sieben, gleich bebeutfam für bie
55eftigteit feiner lird^lid^en ©teHung h)ie feiner Sfeertf^ä^ung ber SBiffenfcbaft, feine
SRebe für bie grei^eit ber ffiiffenfc^aft (11. SRai 1896). Unb tro^ ber aJlannigfaltigleit
feiner 3lufgaben ftanb er immer im engften Äonnej mit ber Söiffenfc^aft. SBer mit xpm 35
nä^er berfel^ren burfte, toeife, ba^ faum ethja^ auf t^eologifc^em ober angrenjenbem ®ebiete
erfd(>ien, toa^ er nic^t gelefen unb grünblic^ ftubiert i}ättt, Unb nic^t^ freute ibn mel^r, ate
n?enn eine tüchtige toijfenfc^aftlic^e Seiftung ani ben Äreifen feiner ®eiftlic^feit ^erborging.
©0 legte er benn aud^ ben ^öc^ften SBert auf ba^ 3"f«"^"'^'^Ö^^^J^ ^^^ ^^^ t^eologifc^en
gafultät in (grlangen, bie feine Serbienfte fd^on unter bem 24. 9Rärj 1880 bur^ ©r« 4o
nennung jum 35o!tor ber i^eologie geibürbigt ^atte. 3^^^ ®Ji*^^ ^^r feine greube unb
er fuc^te nac^ SRöglic^feit i^re ^ntereffen ju förbern. Unb h)ie er biö julefet tüiffem
fc^aftlic^ mitarbeitete, jeigt feine treffliche, am U.gebruar 1897 in Slug^burg jur 3DReland;t^ons
feier gehaltene gefkebe (Sßl^. OTelanc^t^on, 2lug^b. 1897). SBenige SBod^en fj)äter, am
4. 3Mai 1897, entfd^lief er nac^ nur fünftägiger Äranf^eit. a:^cobor Äolbc. 46
Stamme 3«roeW f. b. äSl. 3«rael, ®efc^. bibl. 33b IX ©.468,49; ®aliläa
93b VI ©.337,64; ^ubäa »b IX ©.561,22; ©amaria 93b XVII ©.422, 17;
«Peräa 93b XV ©. 126,37.
©tättbliii, Äarl JJriebric^, geb. 25. 3iuli 1761 in ©tuttgart, geft. 5. 3uli 1826
in ®öttingen. — ^auptqucUe für 8t.d Üeben^^efc^lcötc ift feine 8cIbftbioiirap^ic, ur^ 60
fprünglidi für eine fdjnjebifdie ^citfdjrift ücrfaftt (Theophrosyne, Stocffiolm 1823), I)crauä=
flegeben mit 3ufäf cn, mit 8d)riftenuer,^eicijni^ unb mit ber uon @up. D. SRupcrli in ©öttingcn
getjaltcnen (^ebäcbtni^prebi(^t, uon 3. i. ^cmfen, ö)i)ttinqcn 1826, 8; aufeerbem ücjf. ÖJrabniann,
mci. Scftmaben; 3)öring, ÖJel. 2:^cüIoacn, IV, 287 ff.; ^aaifclb u. Ocfterlet), ®ött. ®el.®efd).;
@afi, CSJefd)ic^tc b. prot. T^oflmatif, IV, 349; 3ranf, öJcf^idjte b. prot. X^eologic III, 202 ff.; 66
iJanbcrer, ^Jieucfte ^üfl..®efc^. S. 150ff.; 2fd)ac!ert, ?lb^^ XXXV, ©.olOff.
9?on feinem Später, einem l^erjoglic^en JRegierung^rat, ®ott^olb ©täublin, einem
■Dlann bon unermübeter Slrbcitfamleit, bon ernften ®runbfäften, bon unge^eud^elter
732 etabtmiffioit eti^din, 3. ^.
Äajfcl (feit 1887) übertotegt bic ebangclifiercnbc btc bialonifc^e ä3et^ätigung ; in Bixc^
Burg i. 6. (feit 1890) tritt leitete ganx jurüdt hinter bcr crfteren, bcr neucrbing^ au^
5 S31aulreu|^*®aft^äufcr bienen. SJer Sei^j^iger SScrcin für ^M. (fett 1870) entfoltct
au^er einer umfaffenben Slu^funftg^ unb SSermittelung^t^ätigleit für ?ßrit)attDo^lt^äter (in
6 feiner Slrmenbiafonie) eine reid^e betoa^renbc unb rettenbe STrbeit am männlichen unb
h)eiblid5>en ©efc^Iec^te in 25 3Sereinen unb Slnftalten (barunter bcfonbcrö ^ertjorjubeben
ber 3)ienft an älrbeit^Iofen unb bag Jfrauenl^eim), iüäl^renb bie lirc^lic^c ©emcinbejjflege
in ben §änben eine^ bie ftäbtifc^en Ätrc^engemeinben umfaffenben ^erbanbe« liegt unb
bie SBorttjerfünbigung, abgefe^en bon ben ^ereinöücranftaltungen, ben ^Pfarrämtern übcr=
10 laffen bleibt. SWit ber 3Kagbeburger ©tabtmiffton (feit 1883) ift bie ©efangcnenfeelfotgc
organifc^ üerbunben. ^n §aDe a/©aale (feit 1877) ift neuerbing^ aufecr bem 3)ienP an
ber hjeiblid^en ^ugenb befonberg bie Slaufreujarbeit, bie Älinit unb Slnftalt^rbeit, bie
ßbangelifation^:: unb ®emeinfc^aftd))f(ege unb bie Slu^bilbung unb ^Vorbereitung ber t>cn
4 (Semeinben angeftettten firc^Iic^en ©emeinbel^elfer in Stngriff genommen. Die üon bort
16 au^ ergangene Slnregung jum „3"f^*""^^"i^''"fe *>^^ beutf^en ©tabtmiffton^Ieiter" bebuf^
älu^taufc^ ber Erfahrungen, Serftänbigung über Slu^bilbung ber Seruf^rbciter u. bgL
f)at feit bem borjäl^rigen Äongrefe für innere 3Jliffion (1905) jur Segrünbung cineöSer^
banbeg unb jur §erau^gabe eine<8 Organa für benfelben ^^SRiffton^bienft an ber ©roj^
ftabt" (Suc^l^anbl'ung b. 6b. ©tabtm. §alle) geführt. (9Sereinjelt finben fidS^ auc^ au^
20 firc^Iic^e ©tabtmiffionen.)
9lac^bem burc^ ba^ ^ßreufeifc^e Äirc^engefeft bom 24. äll)ril 1904, betr. bic Se^
ftärfung be« §iIf«fonbg für lanbe«Iir(^Ii(^e gtoede bie 3RitteI für runb 100 „®emeinbc=
l^elfer" in ©rofeftäbten unb Si^^"fttiebcjirlen bereitgefteHt ftnb, madj^t fic^ ba« Sebürfni^
geltenb, für bie Slbgrenjung (ol^ne ©törung be^ 3"!^"^*"^"^'^^"^) Jh)ifd(^en ©emeinbc^
26 ^elfer unb ©tabtmiffionar fefte unb beiberfeit« gebet^lid^e ®runbfä|e auf^ufteCen. SBä^roib
bie übertoiegenb biafonifc^e I^ätigfeit ber ©emeinbe^elfer naturgemäß ben firc^Ii^en Or-
ganen unterfte^t, bleiben ben baburc^ frei iüerbenben Äräften ber ©tabtmiffion Slufgaben
genug übertoiegenb ebangelifterenber 3lrt ju fegenöreic^er SBeiterarbeit, g. S. ber ^icnfl
an ben f onntag^Iofen 9eruf«gnH)i)en, an ber l^eimatlofen Setoöllerung (gifc^em^ ©c^iffcm,
8ö ©eeleuten, 2lrbeitglofen, ©efangenen), ber Äamjjf gegen bie Safter ber ^^runffuc^t unb
Unmc^t, bie Darbietung ^riftlic^er ©Triften, Seranftaltung bon apologetif^en unb fojial:
tjerföl^nlic^ belel^renben Äurfen unb j)eriobif(^ toieberle^renben ßbangelifation^t^erfamms
lungen, roobei ©tabtmiffionare unb ©emeinbe^elfer fic^ burc^ gemeinfame Vertiefung in
©otte^ SBort ber ßin^eit il^rer 2lrbeit beiüußt unb gu gegcnfeitiger §anbrei(^ung toillig
35 bleiben mögen.
2(m 28. 3Kai 1888 entftanb infolge einer t)om gegentüärtigen Äaiferpaar gegebenen
Slnregung in Serlin ber „@t)angelifc^=lir^li(^e ^ilfi^tjerein" gu bem 3^^*^ ^i^ Seftrebungcn
gur SBefämj)fung ber religiöö^fittlid^en 9?otftänbe in Serlin unb anberen größeren ©täbten,
foh)ie in ben Sn^wfWebcgirfen be« >)reußifci^en 3?aterIanbc«J gu unterftü^en, ju bem 9c=
40 ^ufc ©ammlungen anzuregen unb gu t)eranftalten, foU?ie §ilföfräfte gu gen^mnen. Ter
entere 2lu«f(^ufe beigfelben unterftü^t bic bcfte^enbcn „©tabtmiffionen" unb fuc^t, h?o c^
nötig ift, neue in^ Seben gu rufen (hjä^renb er auc^ Sei^ilfen gur Berufung toon §ilf^
})rebigem unb ©emeinbel^elfem aeh)äj;rt unb tüä^rcnb feine Segirl^bereine aufeerbem bc^
fonber« bic Segrünbung üon ^cmcinbc^äufcrn , Dialoniffenftationen unb Äleinfinbcr^
45 bchja^ranftaltcn fic^ angelegen fein laffen). ^. 9ltt^lciibecf.
Stä^eün^ ^oj^. 3^1 ob, Dr. unb ^rofcffor ber Ideologie an ber Unit)errttät gu
55afcl, geft. 1875, ift im 3)iai 1797 in Safcl geboren toorben aU ©o^n eine« alten
Sanier ©cfdjlcc^tc^, einer angcfe^cnen tool^l^abenben Äaufmann^familie. 3w"^^f* ^^
SBunfc^ feiner frommen 9)?utter, bie mit ber 55rübergemeinbc in Serbinbung ftanb, bat
50 il^n gum ©tubium bcr Ideologie behjogcn, bem er l^auj)tfäc^Iid^ in Tübingen oblag, too
©torr, glatt, Sad^maier, namcntlid^ ©tcubel, feine Seigrer toaren. Der milbe, fromme
©upranaturali^mu^, bcr ba toaltctc, ift im tocfcntlic^en ber ©runbgug feinet t^eologifc^en
Denfcn^ unb gü^Icnö geblieben, unb bic mannigfachen Regierungen, in bie er mit bem
iüürttembcrgifd^cn ^^Jicti^mu^ unb ber toon il^m auögc^enben Siebe^St^ätigfeit gefommen
66 ift, l}ai \\)n mit bcr Jpod^ad^tung bor einem bcrartigen ©inn unb SBirfen erfüllt, bic
i^n fein gangc^ Sebcn ^inburd^ begleitet l^at.
^m ga^rc 1823 habilitierte fid; St. al^ Dogcnt an ber t^eol. gafultät gu Safcl;
fein gangeö Scbcn l^inburd^, über 50 'i^ahxt lang, l^at er an i^r gelehrt, nid^t ein burcb
gciftrcid^cn i^ortrag anrcgcnbcr, aber ein treuer, \\6) ^ingebenber Se^rer, ber feinen
734 St^tlin, % %
immcrJ^in jeigt fic^g aud) ^ier, \vk bet 3Setfajfcr t)on einem tieferen Sntereffe geleitet
rvirb, ate nur bem an fritifd^en Oj)erationen.
eine jtüeite Steige bon ©ct^riften ©t.^ ift ben ^ebräifc^en 5Proj)l^eten getoibmct
3uerft gel^ört l^ierf^er bag Unitjerfität^programm über 2lmo^ unb $ofca (Safel 1842),
5 baö ^au})tfäc^Iid; bie 3^itberl^ältnif[e befj)ri(^t, in benen biefe $roj)^eten h>irhen. S^onn
ba« umfaffenbe SBerf: ,,S)ie meffianifc^en SBei^fagungen beg 312:^ in il^rer Sntfte^ung,
©nttüitfelung unb 2luigbilbung. 3Kit Söerüirtd^tigung ber J^au^^tfäc^Iic^ftcn neuteflament^
lid^en Gitate" (Serlin 1847). 2)agfelbe berbanft, laut 3Jortt)ort, fein ©ntfte^en „einem
c^riftlic^en Sebürfni^; bem Sebürfni^ jiüifc^en ben altteftamentlidj^en SCBei^fagungen unb
10 ber Senü^ung berfelben im 512: einen organifc^en 3wfö>w»^^"^fl"Ö nad^^utueifen". Slon
fpürt bem Suc^c ba^ hjarme 3»^tereffe ab, ba« ber SSerfajfer an feinem ©cgenftonbe
nimmt, unb ntanc^e ber projj^etifc^en Gitationen burc^ bie neuteftamentltc^cn Sc^riftftellcr
tüirb in ein neue^, einleudbtenbe^ Sic^t geftellt. ^m 2ln^ange finben ftd^ Erörterungen übet
2)aniel, fotüie fieben (J^furfe über bie iüic^tigften fritifc^en ^Jragen in Setreff ber ^rc-.
15 J)^cten (3eita(ter bc« ^ocl, äut^entie be^ Sefaja u. f. f.). — S)er äuffa^: ^.Slnorbmmg
ber ffiei^fagungen bei^ 3^^»"i<i" (3^"^® 1^49) fud^t bem tjon Ääüemtd aufgeftefltcn
^Prin^ip einer fac^lic^en Slnorbnung in fieben @ru})l)en nod) ben SRac^tüei^ einer ftrmg
dS^ronotogifd^en Orbnung innerf^alb ber ©ad^orbnung beijufügen. — S)ie Slb^anblung
über ,,5Die 3a^Ien im Suc^e Spaniel" (3bm® 1857) fnüpft an 2)a 12, 11 f. an, unb
20 finbet bie üier SBeltreid^e in bem d^albäif(^en, mebifc^sjjerfifd^en, macebonifc^en unb fcleu^
cibifd;en. — 3)ie le^te älrbeit auf biefem ©ebiete ift ber 2luffa$ über „3)ic ^ropbetcn
be« 213:^" in ^eiben^eimig äSiertelja^rgfc^rift (1867), toelc^er äDgemeine^ über bie'Se^
beutung unb Slufgabe ber ^cbräifc^en ^xopf)zUn tjom h)arm l)ofttit)en ©tanbpunfte au^
unb eine Überfid^t über ben ^nhali ber })ro})^ctifc^en Schriften giebt.
26 Sefonbere Slufmerffamfeit tüanbte ©t. t)iele ^al)xc ^inburd^ auc^ ben ^falmen ju.
e« finb brei arbeiten, bie ^ier in Setrac^t lommen. (Sin 1851 auf ber Drientoliftcn^
tjerfammlung in ßrlangcn gehaltener SSortrag (3bm® 1852) : „^ux Äritif ber ^falmen".
ßin in granffurt gehaltener Vortrag (3bm© 1862) „Über bie babibifc^en ^falmen ber
faulifc^en SJerfoIgung^^eit", ber unterfucbt, hjeld^e biefer 5ßfalmen (54, 57, 63) auf 9k(^
30 af^mung älterer 3)ic^tungen berul^en, unb tpelc^e originell erjd^einen (52, 56, 59). 6nb:
lic^ ba^ Unit)erfitätöbtogramm (Safel 1859) „3"^ ©inleitung in bie ^falmen", toelctce
\x^ mit ber 2lnorbnung ber Sieber (1—89 grö|tenteite bei beftimmten Stniäffen gebit^tet,
bie übrigen ber §au>)tmaffe nad; allgemeinen gn^^I^^^^) ^"^ '"it ^^ Äritif ber Über-
fd^riften unb ber barin entl^altenen ^iftorifd^en angaben befd^äftigt.
35 ^a^ §au>)ttDerf ©t.ö, in ba^ er — ^e^n '^ai)x^ nad) ber bon i^m beforgten 7. äufl
be^ Sel^rbud)^ tjon be 2öctte — bie Slefultate feiner ^orfd^ungen in größerem Umfaiujc
niebergelegt l)at, ift bie ,,©>)ejiettc Einleitung in bie fanonifc^en Sucher bed 2l2ö" (ßlbct'
felb 1862). 2)ie t)on Seufe unb ^upfclb eingefül^rte Seftimmung biefer 3!)iö3i})(iu toitb
rürf^alteloe aboptiert: „2)ie ßinleitung in ba^ 212! ift bie Sitteraturgefd^ic^te beöfelben".
40 2)ie Urteile über bie 6ntftel;ung ber gefc^ic^tlidjen Sudler finb biefelben n^ie in ber frükr
ertoäljnten ©c^rift, nur tüitb bie 2^colpneuftie beö Serfaffer« be^ ^entateuc^ im (Segen=
fa^ gegen bie fonftigc antife ®cfcl^id;tfc^reibung auöbrüdlic^ ^erborgel^oben. 9lut^ toirb
in bie le^te 3^^^ ^^r bem (gjile gefegt, über ben gefd^ic^tlicben ß^aratter ber g^ronil
unb fclbft bc^ Sud^e^ ßft^cr fel^r günftig geurteilt, dagegen ift ^ona ,,eine ju religiöfen
46 3^cdten t)erarbeitetc Sage". 2)ie Urteile über bie ^Jsrop^eten folgen faft burc^au^ ben
bamali^ (bcf. burd; (Ehjalb) l;errfd;enben älnfid^ten; nur bafe an ber Stut^entie tocn
(Bad) 9—14 beftimmt feftgebalten tüirb, eine beac^tenöloerte Übereinftimmung St.^ mit
ber burd; ©tabe angebahnten ^l^afc ber ©ac^arjafritil. Sei ben poetifd^en SSüAem
tüirb bie ßi'iftenj üon ©tropl^en ba^ingeftcllt. ^tob h)irb bor 3^cn"ö angefcfct, unb bie
6o6d)tl;cit ber ßli^ureben bel^auptet mit ber c^arafteriftifc^en Segrünbung: bie SSertoerfung
erfdjeine infofern al^ eine bognmtifc^e, aU fie au^ ber ©d^h)ierigfeit entfpringe, biefc
Sieben in ben einmal angenommenen $lan einzureiben, ^m §o^en Siebe, toelc^e^ bie
2:reuc ber Sraut gegenüber ben S^erfübrung^fünften be^ ©alomo >)reift, h)irb ein ftänbiger
5?ortfd;ritt ber .öanblung in tjier Stbteilungen angenommen. Äol^elet enblic^ für eine
66 3irt 2l;eobice erflärt.
Sliden h)ir ^um ©d>luffe nod^ auf ben atigemeinen fd^riftfteHerifc^en S^aratter St.^,
fo fällt t)or allem ber Siangel au formgcit)anbter, gefälliger DarfteHung auf, eine ®aU,
bie ibm völlig ücrfagt h)ar, fo bafe feine 2(rbeiten !aum in Weitere Greife, aud^ niebt in
bie ber ftubiercnben ^ugenb gcbrungen finb. (Sbenfo fel^lt e^ toielfad^ an ber genügenben
60 Durcharbeitung in Öetreff ber ©lieberung beö ©toffe^ unb ber 2)urc^fid^tigleit ber Semei^
Staijdiii, 3. 3. Stäljcliii, 9lub. 735
fü^rung; unb burc^ ba« ©treSen na^ imbebingter frilifc^er UiH)arleinc^fcit lä^t fic^, hjic
fd^on angebcutct, St. bielfac^ bagu verleiten, bic großen fac^li^cn ®eftc^tgj)unfte hinter
bic äjetaite ber jjl^UoIogifd^cn Beobachtung aDjufcl^r ;^urütfjuftellen. S3ei allebem aber
läfet [16) ©t. mancher öerbienftlic^e Seitrag ^u ber fcitifd^en unb religiöjen ßrforfd^ung
bc^ ^%^ ni^t abfjprec^en. 3Man i}at \f)n öfter einen „rationaliftifc^en Üritifer" genannt, b
aber burc^auö mit Unrecht. S3ei feinem öOiä^rigen 3)ojenteniubiläum ^at er in öffentlicher
SRebe al« ba« 3iel atter feiner toiffenfc^aftli^en Sltbett bie (S^re feincig §errn unb ^eis
lanbe^ unb ben S)ienft in feinem Sleic^c bejeic^nct; auc^ oft bezeugt: er ftc^e mit feiner
G^riftenüberjeugung burc^au« auf bem S3oben ber Sanier ßonfeffion, auf bie er bei feiner
Drbination tjerj)fli^tet toorben. ,,6« toar in il^m/' urteilte Äau^fd^, ,,einc folc^e Harmonie 10
einer Rnblic^ frommen SSerel^rung ber 95ibel einerfeit^ unb eine« aller faulen 2l))oIogetiI
abgeneigten SBa^r^eit^ftnne« anbererfeit«, ba^ fein Slnbenfen fd^on um be^toitten allen,
bie ii^m naiver ftanben, e^rtoürbig bleiben toirb." ertift etä^cUn.
®t8^diii,3luboIf, geft. 1900. — Ä. @toc!mei)er, dt, ©tä^clin, €cparatabbr. au« bem
93a8(er 3a!)rbuc^ 1901 unb berf. in SSIogr. 3a^rb. unb bcutfc^er 5?cfroIog üon % ^eittU ib
^cim V. 1903.
SHuboIf ©täl^elin ift am 22. ©el)tember 1841 in S3afel aU ©ol^n einee geachteten
Äaufmann« geboren, ©ein gltem.^au« gehörte jum ftrei« ber bortigen Srüberfocietät
unb bie ^ier em})fangenen ©inbrüdte einer lebenbigen unb t^ätigen SJ^ömmigleit fmb ihm
ein unberlierbare« Seft^tum geblieben. 3lic^t minber begierig ergriff fein lebhafter Oeift 20
bie ^umaniftifd^en Silbung^ibeale, bie i^m ba« ©^mnafium feiner SSaterftabt »ermittelte.
3)er nad&^altigen Slnregung unb ber ^eilfamen ftiliftifd^en 3"^^ ^i« ^^^ 3B. SBadters
nagelö Unterricht ausging, ^at er oft banfbar gebac^t. ajie Sefc^äftigung mit ber
Ilaffifc^en Sitteratur ^at i|n auc^ in bie S^^re be« t^eologifd^en ©tubium« begleitet, bem
er ftc^ 1859—65 in SBafel, Saufannc, Serlin unb Tübingen toibmete. ©ein j)^ilos26
fot)^ifdf>e^ 3"*^^« f«"t> i" ^^ einbruc!«tjollen 3Sorlefungen Äarl ©teffenfen« SJa^rung
unb ben üertoanbten Seftrebungen bon ©udfen, SJilt^e^, ©iebetf, ßlafe, (Slogan u. a.
galt auc^ f>)äter noc^ feine leilnal^me. ^n feiner 2Iu«einanberfe^ung mit ben t^eo*
logifd^en fragen fül^lte er fid^ namentlich; burc^ bie Seigrer geförbcrt, in toelc^en i^m
eine SBeiterleitung be« ©c^leiermad^erfc^en ©influffe« entgegentrat, fo Ä. 9t. Äagenbad^ ao
unb fj)äter §. ©d^ul^ in 33afel, Ä. 3. 9ti^fd^ unb 3. St. Corner in Serlin. 55or atten
aber galt il^m ©c^leiermac^er felbft, in beffen ©c^rif ten er fic^ eifrig vertiefte, al« „ein
gü^rer gum Heiligtum". 6in SKinter, ben ©t. in 2:übingen jubrac^te, um ^. %, Sei
ju I;ören, ^interliefe i^m einen tiefen (Sinbrudt tjon ber „fittlic^en 3)faieftät" unb bem
„leben^iüarmen äBa^r^eit^finn" biefe« Ideologen, o^ne bafe er boc^ in toiffenfc^aftlic^er 86
Se^iel^ung fein Schüler ^ätte toerben fönnen.
9Jac^bem ©t. im ^ü^ja^r 1865 fein ©tubium mit einer glänjenben 5ßrüfung ab*
gefd^loffen i}aiiQ, unterrichtete er ein ga^r lang an bem ©eminar ju ©c^ier« in ®raus
bünben unb belleibete bann ein 3Sifariat ju ©tein a. 91^., biö i^m im ^rül^jal;r 1867
ba« 3)iafj)ora))farramt in ärle^l^eim (Safel^fianb) übertragen hjurbe. 6r übernahm bamit 40
einen an ©eelenja^l fleinen, aber bei ber n)eiten ^^f^^^^w^^G ber ©emeinbegtieber an
2lrbeit unb 2lnftrengung reichen 3BirIungefrei«. ^tvü '^af^xt fj)äter grünbete er feinen
§au«ftanb mit Wlam ©toctme^cr, ber 2oc^ter be« feinfinnigen unb geifttootten Sanier
Pfarrer« unb fj)äteren Slntifte« Immanuel ©todtme^er. ©ein SBirlen im länbtic^en
Pfarramt, beffen 2lufgaben er mit großer ©emiffen^aftigfeit anfaßte, foHte jeboc^ nic^t 46
bon langer 3)auer fein, gm ©ommer 1871 fear er infolge anbauember Äränflic^Ieit
^u einem längeren Äurgebrauc^ genötigt, an ben fic^ auf ärjtlic^e« ©e^eife ein SBinter^
auf enthalt in ©icilien anfc^lo^. (Sin anjie^enbe« Silb ber geiftigen ^ntereffen, bie il^n
tüäl^renb biefer 3Kufeejeit befd^äftigten, geU)ä^ren bie au« feinem JJac^lafe Veröffentlichten
„Sleifebriefe au« Italien" (al« 3Ranuffri})t gebrudft, Safel 1903). gm aRittel»)un!t ftanb 60
i^m boc^ immer ber tl^eologifc^e S3eruf unb für ben fi)äteren Äird^enl^iftorifer ^at biefe
notgebrungene ©tubienreife vielfache grud^t getragen. 3)a i^m auc^ nac^ ber Stüdfte^r
ber aSiebereintritt in« 5ßfarramt bon ärjtlic^er ©eite berhjel^rt iüurbe, entfc^lofe er ftc^,
ben SBeg ju betreten, für toelc^en Se^rer unb greunbe i^n bon 2lnfang an beftimmt
gebadet Ratten, inbem er fid^ an ber t^eologifc^cn gafultät feiner Saterftabt l^abilitierte. 66
(g« gefc^a^ bie« mit einer Slb^anbtung „^ux ))aulinifc^en (Sfc^atologie" (3bl^ 1874).
3)ie balb barauf gehaltene ^robeöorlefung über „(Sra«mu«' Stellung jur Steformation"
(äafel 1873) jeigt, bafe er bereit« ba« gelb gefunben l^atte, bem feine gorfc^ung öor«
gug«tDeife gehören follte. 311« im gal^r barauf — guni 1874 — Ä. 31. ^agenbad^ ftarb,
736 eta^eltit, 9)ub.
erfc^ien ©t. aU ber gegebene Jlac^folflcr; er trat uinäc^ft afe ßjtraorbinariu^, f(^onl87o
aU Drbinariu« in bie entftanbene Südte ein. 3!)a neben i^m ^Jranj Dt>erbcrf bie @e=
fc^ic^te ber alten unb mittelalterlichen Jtirc^e bertrat, fiel @t. t)orjugdtt>etfe bie ©efc^i^tc
ber Sieformation unb ber au« i^r ^erborgegangenen Äirc^en ju, in ber er fxd^ burd^ uin^
6 faffenbe DueHenftubien, aber frei bon einfeitigem ©jjejialiftentum ]^eimif(^ mad^te. Sein
^ntereffe gehörte ber gefc^ic^tlic^en ®efamtbetoegung oe« S^riftentum« unb feine bebetit^
fame älrbeit in biefem toeiten ©ebiet lie^ i^n unberül^rt. ^abei toar er tief bun^brungen
bon bem tird^lic^en S3eruf ber Il^eologie, eine Überzeugung, bie i^m ba« Sebur^« na(|
Iritifdjjer Ermittelung ber gefc^ic^tlic^en SBa^rl^eit ntd^t au^fd^lofe, fonbem nur noA ge^
10 toid^tiger erfc^einen lieg. @r |at barum neben feinem alabemijc^en 3(mt aud^ in mancherlei
gunitionen ber Äirc^e gebient, fo aU 3Witglieb ber tl^eologifc^en ?ßrüfung^be^örbe, b»
t)roteftantif(^=f irc^lid^en §ilfgberein«, ber ©^nobe unb fjjäter be« Äird[^enrat«, überall bie
game Äraft einfe^enb unb feiner ©ad^Ienntni« toie feine« befonnenen Urteil« toegen bix^
gefc^öfet.
16 Dbtool^l ben Sorlefungen ©t.« mand^e« bon bem abging, toa« ben gidmenben 3?OT'
trag au«mac^t: leichter glug ber SRebe, ®lätte be« ©til« unb ©c^toung ber ©orfteHung,
fo mad^ten fie boc^ burd^ i^re ©rünblic^feit, il^re boUIommene ©toffbe^errfc^ung unb bot
jie bur^bringenben ßrnft ^erfönlic^er Überjeugung einen nachhaltigen Sinbrurf. giner
feiner ©c^üler l^at an ©t.« ®rab bejeugt: „S5ei i^mÄirc^engefc^i^te ftubieren ^efe an
20 ©Ott glauben lernen." SDabei toar er unermüblic^ in ber görberung ber ©tubenten, bie
feinen 3iai fuc^ten ober i^m fonft näl^er lamen. ©^arfam mit feinem 2ob, toufete er
i^r toiffenfc^aftlic^e« ©treben ju läutern unb auf bte redeten 3'^^ i" lenfen. 6r toor
barum nidjjt blofe für bie fc^toeijerifc^en 21^eologen ein gefuc^ter Se^rer; auc^ toon au^
toärt« richteten ^c^ bie Slidfe auf i^n. 9jm 3abr 1888 toünfc^te man i^n für bie bunt
25 ^atnadi ffieggang erlebigte 5ßrofeffur ber Äirdpengefc^ic^te in 5Dlarburg ju getoinnen.
t)a« ©efü^l ber Sßert)flic9tung gegen $eimat unb ^amilie beftimmte i^n }ur Slble^nung.
^afe ber mit fc^loerem §ergen gefaxte ßntfc^lufe bodp ber rechte getoefen fet, beffen tombe
er fic^ erft in ber golge ganj betoufet. SJer 3"P«"b feiner Slugen t>erf(^ltmmerte fi<^
nämlid^ im 9ja^r 1889 fo, bafe er auf alle« eigene Sefen berjic^ten mu^te. Unter biefcn
80 Umftänben toar bie gortfe^ung feiner Se^rt^ätigfeit unb bie äu«fü^ng ber Stoingli--
S3iograi)l^ie, für bie er feit ^a^ren ba« 3Waterial gefammelt ^atte, in grage gefteDt. SWein
feine ®ebulb unb Energie ftegtc über biefe §inbemiffe. 3Son feiner ®attin, toie tjon
greunben unb ©c^ülem burc| Sorlefen unterftü^t, mad^te er e« möglich, feine Sebr
t^ätigfeit im alten Umfang toeiterjufül^ren unb feinen „§ulbrei(^ ß^^J^Ö^i" jwm glöcf-
85 lidS^en Slbfc^lufe ju bringen. 1895 toar ber erfte, 1897 ber jitoeite Sanb biefe« feinet
eigentlichen Seben«toerf« t)otIenbet. 6« barf al« eine nac^ ^tif^alt unb gorm mufter=
giltige biftorifc^e 3Kono0raj)l^ie begeic^net toerben. 9Rit boller S3el^errfc^^ung be« urlunb=
li^en 3Jlaterial«, bie feiner 35arftellung immer fc^arfe Umriffe berlei^t, berbinbet ber
SSerf. ein feinfinnige« i^erftänbni« für bie ®eifte«art be« ^Reformator« nad^ i^rer ®ro6e
40 roie nac^ i^ren ©d^ranfcn unb nid^t jule^t bie &aU, fein S3ilb in ben großen 3ufammen=
l^ang ber 93eh?egungcn ber Rcxt ^ineinjujeic^nen. 3Jlit gutem ®runb fyit bie 9a«ler
lpl^ilofoj)^ifc^e JJafultät ben Serf. biefer bebeutfamcn Slrbeit mit ij^rem ß^renboftorat au^-
gejeici[>nct, na^bem er fc^on frül^er bon Sem burc^ bie tl^eologifc^e ®oftortoürbe geebrt
ioorben toar.
45 2)ie übrigen ©d^riften ©t.« fmb teil« 33orftubien ju biefem §au^ttoer!, teil« anberen
®eftatten au« ber ©efc^ic^te be« $umaui«mu« unb ber JReformation getoibmet. (6inc
bollftänbige Sifte finbet fic^ am ©c^lu^ ber ©todfme^erfc^en 95iograb]^ie.) SBir nennen
barau« bie 3lb^anblung über SSabian (Seitr. jur baterlänb. ®efc^. 3i% J, 8afel 1882),
S)ie crften SRärt^rer be« et?, ©lauben« in ber ©c^toeij (93ortr. I^erau«geg. toon grommel
60 unb $faff IX, 1883), ©riefe au« ber 5Reformation«jcit (33a«l. Uniöerfttät«t)rogr. 1887),
ben 3Sorläufer ber größeren 3h)i"0li'33iograj)^ie (©d^riften be« i^er. f. 9lef.=®ef(!^. 188^^)
fotoie ben ärt. ßatüin in Sb III biefer Gnc^fl. %üx le^tere l^at er auc^ biogrojjbifc^e
airtifcl über Siebermann unb §agenbac^ t)erfa|t. 2)em ®ebäc^tni« ®e SBette« ijt eine
1880 toeröffentlid^te Siebe getoibmet. ©eine ieilna^me an ben fragen be« c^riftlic^cn
65 ©lauben« unb Seben« belunben bieSluffä^e über„2)ie3lutorität ber ^l.©c9rift unb bie biblifc^c
Kritif" (I^. 3eitfd^r. au« b. ©cf»h?. 1884), „2)ie Se^re bon ber Saufe unb i^re 9lotn)enbig=
feit in ber ref. Äircfje" (S^irc^enbl. f. b. ref. ©c^h). 1882) unb fein fc^öner ®ortra9:
3)ie 6f)riften Hoffnung, 1900. 2)er tc^tere, auf ber tjon ©t. gern befugten ^^fingftfonferenj
in Sieftal 1896 gehalten, ift einem Weiteren Ärei« erft al« le^te« Sefenntni« eine« ^eim^
60 gegangenen jugänglid^ getoorben. 3lm (Snbe be« in geiüo^nter, angeftrengter Slrbett ju-
eta^elin, Slub. StS^Im 737
gebrachten SBinterfemefterö traf il^n am 11. 3Kärj 1900 ein ©^laganfatt, beffen ^Jolgen
am 13. 3Räxi feinem Seben ein ^iel festen.
3jn einer t^eologifc^ toie lir^IiA toecBfelöoIIen 3^^^ ^^^ ®^v öHen ©jtremen ab^olb,
bie ©ac^e einer emften unb toiffenfd^aftlic^ freien grömmigleit mit rul^iger Seftimmti^eit
vertreten. ®leic^ feinem Seigrer ^a^mhai) ^ielt er ftd^ ^ur ®rup>)e ber tf^cologifc^en 5
unb lir^Iic^en SSermittelung. Unb feiner lauteren, auf aÖen ©eiten geachteten 5ßerföns
lic^feit ift ei^ mit gu berbanlen, toenn in bem Slu^einanberftreben ber Slic^tungen boc^
noc^ ein Setüufetfein ber ßufammengei^örigleit in ber fiöfung gemeinsamer ^riftlic^s
fird^Iic^er Slufgaben erhalten blieb. Offen unb fc^Iic^t in feinem auftreten, bome^m in
feiner ©efmnung, ol^ne jeben Stnfj)rud^ barauf, anberen ju imj)onieren, bertrat er einen 10
©ele^rtent^jjuö, ben man mit ju ben beften 2^rabitionen be^ alten Safel rechnen barf.
3)urc^ @mj)fänglic^!eit unb Sebl^aftigleit für geiftigen äugtaufd^ befonber^ Veranlagt, ^at
er 3Kenfc^en bertoanbten Strebend tjon linfö unb rec^t^ anjujie^cn unb in unh?anbelbarer
3!reue feftju^alten getoufet. Ol^ne 3lbjug bürfen toir ba« ©ort, mit bem er 3^^"9li
d^arafteriftert l)ai (II, 519), auf il^n felbft antoenben: „©ein entf^eibenber 3"^>Jwl^ wnb 15
feine aUe^ jufammen^altenbe ©in^eit lag boc^> barin, bafe er im innerften ®runb feinet
SBefcnd ein SDZann be^ ®Iauben^ toar, ber ba«, toa^ er berfünbigte, ate lebenbigen 95eft$
in ber ©eele trug unb auc^ in ben fd^toerften groben feft^ielt." D. Stirn.
Stä^Kii^ 2lbolf b., geft. 1897. — X^.ÄoIbc, ?tb. ü. etä^Un. ein ©ebenfblatt
(SBcitr. j. bal)r. m IV, @. 15 ff.), (Sri. 1897; SBu(6ruc!cr in b. ^Q 1897, 9. ^eft; O. ©Ift^Iin, 20
Oberfonfiftorialpröfibent D. ^b. t). Stö^Itn. (^in fiebenSbUb mit einem ^n^ang üon $rebigten
unb 5Rcbcn, ^Rüncficn 1898.
abolf ©tä^Iin, ba« öltefte bon bierjel^n Äinbem, tourbe. am 27. Df tober 1823 ju
©c^mä^ingen im 3)elanat 9Jörb(ingen aU ©o^n be« bortigen 5ßfarrer« SKartin ©tö^hn
geboren, ©ein SSater, ber längere 3^'* ^^ ^l^ilologifc^en Sel^ramt t^ätig geiüefcn iüar25
unb erftl821 in ben ^fanbienft trat, toar ein toiffen^reic^er, })^ilologifd^ unb })l^ilofoj)^ifc^
too^lgefd&ulter SDlann, afe 2:^eologe überzeugter SHattonalift unb abgefagtcr ®egner ber
bamate [\d) fc^on regenben, atö „TO^ftici^mu«" gebranbmarlten neueren firc^lic^en dtid)-
tung. ©r gab bem ©o^n ben erften Unterricht, aber fc^on mit jrvölf Salären mufete ber
knaU ba« ©Itern^au« berlaffen, um junäc^ft ju ?l)lemmingen, bem SBol^norte ber ®rofes 30
eitern, bie bortige Sateinfd^ule ^u befuc^en, bie er 1834 mit ber am SDSil^clm^g^mnafium
in aJtünc^en bertaufc^te, bii^ man enblic^ 1835 im Kollegium bon ©t. älnna in Sdugöburg
ben rechten $Ia$ für i^n fanb. Unb auf bem ©t. Slnneng^mnafium, baö er nunmehr
ju befuc^en ^atte, too ber gelehrte unb frafttjottc 5ßrofeffor ®.Ä.2Rc|ger, ber fj)äterc (feit
1840) SJeltor be^ ®^mnaftum^ unb be« Sottcgiumö, bejonberen ©influ^ auf i^n ausübte, 35
legte er ben ®runb ju feiner umfaffenben Äenntni^ ber flaffifc^cn unb beutfc^en Sitteratur.
9ioc^ nic^t 17 3a^re alt burfte er bie änftalt mit bem ^räbifat „tjorgüglic^" öerlaffen.
3lm 27. Oltober 1840 h?urbe er an ber Uniberfität ßrlangen ate stud, theol. et phil.
immatrifuliert. S)ie angefe^enen 5ßl^ilologen 3)öberlein unb !^opp, unb fj)äter ber allen
feinen ©c^ülern befonber^ unbergefelid^e SJägctebac^ tüaren ^unäc^ft feine ^ü^rer (tjgl. 40
S3uc^ruder unb ©tä^lin, jum e^renben 2lnbenfen be^ ßrlangcr ^^ilologen Dr. Subiüig
SDöberlein. 3^ci3t^i>^n 6r langen 1892), aberkenn er aud^ toä^renb ber ganjen ©tubien^eit
noc^ ))^ilotogifc^e SSorlcfungen ^örte, toanbte er ftc^ je länger je mel^r ber S^eologie ju.
9Jun toaren c^ .^arlefe, §ofmann, S^omafiu«, ^u beren güfeen er fafe: „2Öer auö ber
3ltmoft)^äre be« Slationali^mu«, fc^reibt er einmal (in feinem SJelrolog auf ben ^Jreunb 45
unb Kollegen ©täbelen in b. 33eil. ^ur 2lDg. S^itung 1891, 9Jr. 270), in bie^örfäle eine«
tarlefe unb §ofmann jog, bem ging eine neue 3Belt auf, bem fbrubelte e« toie frifc^e
Safferquetlen erquidenb unb beläenb entgegen. — 3" beiben lam noc^ IJ^omaftu«,
biefe leibhafte ©^nt^efe grünblic^fter tl^eologifc^er ©c^ulung unb reid^er jjraftifc^cr Se^
gabung unb ©rfa^rung". äöie iüenige anbere na^m er bie bamal« entfte^enbe „gr* ßo
langer Ideologie" in fid^ auf, ^eithjeitig, toie ^ fc^eint, aber nur tjorübergc^enb, aud^
ergriffen tjon ber Jjietiftifd^en ^römmigfeit be« reformierten Ideologen unb Pfarrer« Ärafft
(f.b. a. S3bXI,59). ©c^on öorSlblaufbe« erften ©emefter^fonnte er feinem Sater fc^reiben:
„Ueber meine religiöfen Überzeugungen, nid^t me^r 3Keinungen, toill id^ mic^ S^nen nun
näc^ften« gang aufrichtig mitteilen ; fie ^aben fxd) freiließ in bielem fel^r geänbert" (0. Stä^lin 66
a. a. D. ©. 19). 2)ag ging ol^ne manche innerlid^e unb äufeerlid^e «ämj)fe nid^t ab, unb
ber attmä^lid^ immer größer toerbenbe Unterjc^ieb öon ber 2)enftoeife be« SSater« unb
ba« baburd^ geitireife gef})annte 3Serl^ältni« ju tl^m tourbe bon bem jungen 3^l^eologen,
bem ein innige« §erjen«c^riftentum jum Gentrum feine« ®enlen« unb Seben« getüorben
Rca(«(ittc4r(opablc tat X^eologic nnb ftir^c. 8. K. xym. 47
738 etft^Iiit
\üax, fd^tücr cmj}funben. 3)abci ^attc er fortn)äl^renb mit materieller !Rot ^u fämj)fcn,
bic feiner ol^nel^in fd^toäd^lid^en ©cfunbl^eit ftarf jufe^te. 2l6er jene Sa^rc be«etubium$
im Äreife ßleic^ftrebenber ©enoffen, mit benen er bann burd^ baö Qönjc Seben toer-
bunben blieb, eine« ©täbelen, 9lu$ unb 6mft Sutl^arbt, bie 3^* *>^^ einbringend in
6 bie neue, auf bem alten ©d^riftgrunbe [xd) erbauenbe Ij^eologie erfc^ien fpäter bem ©reife
al« eine J^enlid^e, föftlic^e ^txi. ©eine ätußen leu^teten, toenn er baran backte, unb
lüenn er babon ^pxad), fo pofe fein 3Dflunb über öon rtil^renber a)anlbarfeit gegen feine
einftigen Seigrer (bgl. ;|. 8. feine Siebe beim ßrlanger Uniberfität^jubiläum im ^abxt 189:3
2ltlg.3eitg. bom 9. äug. 1893, ?Rr. 219, 2. 3Dflorgenbl.). Site ein innerlich gereifter SRonn
10 lam er na* borjüglid^ bcftanbenem äufna^m^ejamen in Sln^bac^ 1844 m^ ^r^iger^
feminar nac^ 3Dflüncl^en, aber ba« Ronfiftorium mufete über il^n berichten, bafe er feinet
Äränflid^Ieit n)egen tro^ feiner l^ertoonagenben 93efä^igung berÄird^e n)ent0 3)tenfte leifien
lüerbe. Unb er h)ar jeittoeife fo \6)\vaä), bafe er bei feinen ®ängen burc^ bie grofee Stobt
bann unb h)ann in eine offenfteJ^cnbeÄird^e eintrat, um ftd^ auf einer 93anf au^juruben.
16 ©d^on bamate trat er in engere 93ejiel^ung ju bem ?ßräfibenten be« Dberfonftftoriums
S?r. b. 9lotl^, ber \x6) feiner in bäterlid^er SBeife annal^m, unb beffen Sebcutung unb
SuSirIfamleit für bie ba^erifd^e Sanbe^fird^e ©täl^lin f))äter in einem au^fü^rltc^en Slrtifel
in ber 3). 21. 93. gefd^ilbert ^t. 9Jad^bem er jtoei ^a^re im ©eminar geblieben h>ar, bann
eine f urje 3^^^ ^^^ ^au^lel^rer in Äarterul^e jugebrac^^t l^atte, begann eine lange 5!Sanber=
30 geit ate SSiYar, in ber er freiließ mel^rfac^ bie Pflege be« elterlidjien $aufe^ auffut^en
mufete, tücil fein Äörj)er ben 3)ienft ööllig ju öerfagen brol^te, toa« für i^n, ber fobiel
auf bem §erjen l^atte unb ber barauf brannte, mit aller Äraft für bag JReic^ ®ottce
ju arbeiten, eine fd^toere aber mit frommer ßrgebung getragene ?ßrüfung toar. 6rft in
Äattenl^od^ftabt im ältmül^ltl^al, n)0 er bem um bie bal^erifd^e ganbe^firc^c bur^f bie
26 ^erau^abe be« „$omiletifc^4iturgifd^en Äorrefj3onbenjblatte«" unb burc^ bie ©rünbung
be« 55farrhjaifenl^aufc« in SBinb^bad^ l^od^öerbienten 3)elan Ä. 93ranbt (gcft 1857) Don
$erbft 1850—1855 al« SSifar gur ©cite ftanb, befferte fid^ unter ber treuen Pflege M
Äaufc« fein ©efunbl^eit^juftanb h)enigften« fo toeit, ba| er feinen Stmt^flic^ten nai^-
tommen fonnte. 3" i^"^ 3^^^ (23. 3)ej. 1852) fiel ber il^n tief erfc^üttembc %o\> feinet
80 löjäl^rigen 93ruber^ Subtoig, eine« auffaHenb begabten, frühreifen G^riften, beffen ©riefe
unb 2agebüd^er ein für feine gugenb gang erftaunlidjie« 3!""^l*^ erlenncn laffen, ber
auf unerflärte SKeife auf einer gufereife gu ben ßltem untoeit be« ^cimatlid^en S)orfe^
fein @nbe fanb. ©eine Seben^ unb ©terben^gefd^id^te, bie für nic^t lücnige gu einer
®rh)edung«aefc^id^te tourbe, bie bon einem anberen ©ruber Ctto ©tä^lin unter bem
86 2:itel „Ä. Subtoig 2lug. ©tä^lin, Seben^s unb ©terben^efd^id^te eine« frü^boDenbcten
Äinbe« ©otte«" (9lürnberg 1857) erftmalig herausgegeben lourbe, liefe 2lb. ©tä^lin f>)äter
mit einem loarmen SSortDort (2ei(3gig 1887) in britter ätuflage no^ einmal auSgel^cn.
5?ac^ elfjährigem SSifariat erhielt er 3lnfang 1856 bie erfte 3lnftellung in iaubcr-
fd^erfenbad^ mit einem ßintommen bon 500 ©ulben. 2Bic balb man bie Sebcutung bc^
40 jungen Pfarrer«, ber anbauernb toiffenfd^aftlic^ toeiter arbeitete unb burd^ ©^nobalarbeiten,
^Referate u. f. h). fic^ auszeichnete, erfannte, jeigt, bafe er als ber jüngftc ^^f^rrcr be^
Kapitels 1859 jum ©enior getoä^lt unb baS ^ai}x barauf als 3)litglieb ber tl^eologifc^en
^ßrüfungSfommtffion in ätnSbacf; berufen lourbc. 93alb na6) feiner 93erufung na*
5Daubcrfd^erfenbad^ grünbete er feinen ^auSftanb mit Caroline Sranbt (gcft. 22. Slug. 1904),
46 ber 2^oc^ter bcS borl^in ertoö^nten Defan 93ranbt, bercn Seben fortan nur ber ©orgc um ba^
SBol^l bcS &aitm galt, ber erft in jenen ^al}xm nad; unb nad[| cttoaS fräftiger tourbe.
ßnbe 1860 etl^ielt er bie ^farrfteDe an ©t. Scon^arb bor SRot^enburg mit bem Äireblein
am el^emaligen Seprofenl^auS, baS je^t als Unterfunft einer fleinen ^a^l bon 3Baifen=
finbem bicnt, gu benen als ^ßaroc^ianen noc^ bie tDcnigen ^roteftanten auS bem näc^flen
60 fatbolifc^cn 2)orfe ©ebfattel fommen. 3Kan begreift, bafe er fid^ auS biefen engen i^er^lt^
niffen fortfe^nte, aber ade SSerfud^e, in eine größere ©tabt gu fommen, fd^ienen an ber
©orge bor feiner Sränflic^teit fd^eitern ju f ollen, ^m 3Wärg 1864 erhielt er bann feine
ßmennung gum erftcn ©tabtpfarrer in 9Jörblingen, too feine ganje reiche ?5rebigtbegabung
(groben babon bei C ©tä^lin a. a. D. im Slnl^ang) fic^ enblidji entfalten fonnte. Sie
56 ^eutc tüiebcr brennenb gcloorbene ^rage nacl^ ber 93ered^tigung ber geiftlid^cn ©d^ul=
auffid^t, bie bamalS guerft in 93a^cm gu größerer 2)iSfuffton führte, beranlafetc ©täblin
ju feiner erften, noc^ ^eute lefenSlocrten, fclbftftänbigen 3)rudfd^rift: „3ur ©4ul--
reform. W\t befonbercr 93erüdfid^tigung ber 2)enffc^rift beS ba^erifd^en SSolfSfc^uI--
bereinS", 9Jörblingen 1865. ©ic läfet überall baS forgfame einge^enbc ©tubium ber
60 fc^lüierigcn Angelegenheit crfennen, unb fc^on ^ier geigt fid^ feine alle feine arbeiten
@t8I|Iitt 739
lennjcic^ncnbe SfÖctfc, eine ßinjclfragc nur im 3"fa»""^cn^ange mit bcr §am)taufgabc,
ber mufric^tung be« Slcid^e^ ®otte« ju betrad^tcn, unb tociter feine berföl^nlid^e, irenifd^c
3(rt, bie t)or allem babor \oaxnt, bei bem Streben ber Seigrer nad^ ©clbpftänbigleit nur
felbftfüd^tiQe, fird^enfeinblid^e Slbftd^ten aniune^men. Unb bei aDcm Seftreben, ben ®influfe
ber firc^li^en Organe auf bie ©d^ulauffid^t atö nottoenbig unb für Äirc^e unb ©cpule b
erf))rief;It(i^ ju toa^ren, bie SBerftiegen^eit gelDiffer rabilaler gül^rer auf jutoeifen, fommt er
\>o6) nid^t Wenigen ^orberungen ber Se^rerfd^aft entgegen unb betont u. a. gegenüber
ben Klagen ber Seigrer über bie ungeeignete tcd^nifc^e SJorbilbung ber geiftlic^en ©d^ul^
inft)eftorcn unter §inh)ei^ auf bie (3reufeifd^en SSer^ältniffe (obligatorifd^er ©eminarbefu^)
bie 9loth)enbigIcit einer befferen ))äbagogifd^cn 2tu«btlbung ber Äanbibatcn. „d^ mu| in lo
ber ))äbagogifc^en 3SorbiIbung bcr ©eiftltc^en mel^r getl^an unb gcleiftet n)erben al« bi^^l^er,
h)enn il^nen bie ©c^ulauffid^t bleiben fott" (©. 26). greilid^ fanb biefe feine gorberung
lein (Se^ör bei ben mafegebenben ©teilen, unb f(3äter, afö er felbft ju i^nen gehörte,
fd^eint er fie nid^t lüieber aufgenommen ju l^abcn. — ^m ga^rc 1867 crfc^ien t)on i^m
im ,,93etüei« be« ©lauben«" ein bag ^ai)x toor^er gel^altener ©l^nobalöortrag : „ßl^riftuö 15
ber fünblofe 5Kcnfd^enfol^n, ber auferftanbene Seben^fürft, ber etoige ©o^n ®otte«. 6in
po))uIärer SBerfuc^". 6« n)ar ber ?ßrotcft eine« auf bem biblifd^en ©runbe ftel^enben
G^riften unb 2:i^eologcn gegen ba« aug einer unlauteren ^l^antafie geborene ^efu^bilb
Slenan«, in bem ©t. bie 6^araftcrjüge be« mobemen franjöfifd^en Slegime«, ber mobemen
franjöftfc^en ©efeDfc^aft lüieberfinbet : ,,©0 rebete id^ — unb t^äte ic^, fe^en h)ir ^inju, ao
njcnn id^ ß^riftuö toäre, gilt auc^ bier. ®ott fd^uf ben 5Kenfc^en il^m jum 93ilbe. 2)er
t)on ©Ott lo^gelommene 5Kenfc^ mac^t ®ott, mad^t auc^ ben ßrlöfer nac^ feinem Silbe". —
3njh)if(^en toar man in toeiten Greifen auf ben begeifterten, unb toeil immer fid^ felbft
gebenb, auc^ begeiftemben ^rebiger aufmerlfam geloorben, unb im ^a^re 1866 n)urbe er
al« Äonftftorialrat nad^ Stngbad^ berufen, auf bie erfte Äunbe bon biefer abfielt fd^rieb er 2b
an einen greunb: ,,^6) banfe für aDe 3eit für eine ÄonftftorialratfteHe, ba« Sureauleben
h)ärc nic^t« für mx^" (D. ©tä^lin ©. 74), unb nur nad^ längerem ©träuben liefe er fid^
baju beiDegen, bemSlufe ju folgen. Unb bie bamit berbunbcne ©teile eine« $au))tj)rebigerö
gemattete i^m, ftc^ feine ?ßrebigtfreubigfeit unb ^rebigtluft, bie er aud^ burd^ gern über-
nommene ^ef^rebigten im ganjen Sanbe unb barüber ^inau« bezeugte, ju betoabren, unb ba« 30
Amt eine« ßjaminator«, mit bem er e«, obloo^l man babei feine grofee greunblic^Ieit
rü^mt, fe^r ernft nal^m, l^iclt i^n immer in engfter SBerbinbung mit ber t^eologifd^cn
aSiffenfd^aft, ol^ne bie er fid^ überl^auj)t lein gebei^lic^e« SQ3ir!cn im j)raftifc^en ämtc
borfteDen fonnte. 2ltlerbing« ju größeren toiffenfc^aftlic^en arbeiten liegen il^m bie
amtlid^en Serj)flid^tungen nid^t biel ßeit. 311« 2:i^eoboftu« §arnarf in feiner ©d^riftas
„3)ie freie lut^erifc^e SBoltefird^e" (grl. 1870) bie Unterbrürfung be« Sutl^ertum« in
ben neuen ^robinjen ^reufecn« al« felbftberftänblic^ annahm unb bem £anbe«firc^en«
tum ben 3:otenfd^ein au«ftetlte unb ba^u ermal^nte, fic^ auf „bie gorm ber freien, felbft*
ftänbig organifterten lut^erifc^en 93olf«fird^e" einjurid^ten, fd^rieb ©täl^lin „3)a« lanbe««
l^enlid^e Äird^enregiment unb fein 3"Ja"i»"^"^ö"0 ^^^ 3Jolf«fir(^cntum" (2eij)5ig 1871). 40
aSoD a)anfe« bafür, bafe ba« ßbangelium felbft unter einem lat^olifd^en ©umme))iffo))u«
h)ie in Saliern ungel^inbert feinen Sauf ^aben fönne, brid^t er barin in einge^enber, auc^
l^iftorifd^er 93e^anblung eine Sanje für ba« £anbe«fird^entum unb nid^t nur für feine
gefc^id^tlid^e 9lottoenbigfeit, fonbem aud^ für feine innere ))rinjil3ielle SSeredJ^tigung : „®« ift
lutl^erifc^e ©runbanfd^auung, bafe e« fein göttlid^ gegebene« Serfaffuna«gefe$ giebt. 3tber 46
bie 2anbe«fird^e ift eine e^rloürbige, bon ®ott reid^ gefegncte fird^lid^e i5eben«form. a)urd^
fie loarb ba« ©bangelium in ©eutfd^lanb gerettet; fie loar ba« ©dbirmbad^, unter bem
bie l^errlic^ften Slüten ebangelifd^en Seben« unter unferem bcutfd^en SJolfe fid^ entfalteten.
SBo be«l^alb eine £anbc«fird^e unbertoonen ift bon ber Union unb ben ftd^eren Sefennt*
ni«grunb unter il^ren güfeen l^at, ba toeid^e fie nid^t, fonbem l^alte, toa« fte ^at. 9Bir 50
h)olIcn ba«, toa« un« ber ßerr ber Äirc^e an äußeren ©tü^en für unferen £eben«ftanb
unb £eben«beruf gegeben, al« einen ©tab für unfere 2Banberung burc^ ba« Seben be«
aSolIe« nid^t felbft o^ne bie bringenbfte 5Wot jerfc^lagen. 3)enn bei einer Sefeitigung be«
Ianbe«l^errlid^en Äird^enregiment« löft fic^ auc^ ba« Serl^ältni« ber Äirc^e ju Solf unb
©taat, bie Äird^e toürbe getoaltig gelid^tet loerben unb fidler feine 3?olf«firc^e bleiben. 55
greifird^e unb aSolf«fird^e fmb un« ®egcnfä$e". 9lur h)enn bie bi«j^erige aSerfaffung
gemifebraud^t toerben foDte, um ben Sefcnntni«ftanb ber Äirc^e ju fc^äbigen, müfete fie
i^r SBefenntni« unb i^re auf bemfelbcn ru^enbe ©jiftenj al« greifird^e retten. 2)iefc
3lu«laffungen erful^ren bei ben extremen Suthcranern, benen er immer gu Ibeitl^erjig loar,
fd^toere Serbäd^tigung, unb aud^ in Äreifen ber eigenen Eanbc«tird^e, in benen ber burd^ go
47*
740 eta^itn
2Ö. fiö^c auf ber ba^ctifd^cn ©cncralf^nobc bon 1849 eingeleitete ^clbj^ug gegen bcn
lanbe^firc^lic^en ©ummej)iffoj)at noc^ nad^toirfte, ertoarb er fid^ leinen ^ant, \a man
öerläfterte (j. 93. 3^^^^' 1872 ©. 377: „burc^ jeitgemäfeen ^eerjubel über ba^ ©icgcs^
glüd ber beutfc^en ^elbenfc^aren") bie axi^ feiner ©d^rift ^ertoorleud^tenbe ^^eubc an
5 bem neuen beutfd^en 5leic^e, bie i^m, bem guten Sägern, immer fo feibfttjcrftänblic!^ toor,
unb bag Vertrauen ju bem „greifen §eerfül^rer ber beutfd^en §elbenfc^arcn, ber bon
ainfang bi^ an^ @nbe in einer SBeife, toie fie in ber ©efd^ic^te nod^ laum bagetocfcn,
ber ®nabe ©otte^ bie 6^re gegeben" (©. 71 ff.). SBertDoDe arbeiten, bie überaß eine
n)eitge^enbe SJel^errfc^ung unb SDurd^bringung be^ Stoffel berraten, finb feine umfangrcit^cn
10 93efprec^ungen t)on aJJartenfen« ßt^il (bgl. glSt^Ä 1874 ©. 346) unb Silmar« 3?orMungen
über 5DlDral (ebenb. ©.716). 3)ie©d^rift bonÄal^nig,,6l^riftentum unbßut^crtum" (Sei^jiig
1871) gab i^m SJeranlaffung, feine ©teDung ^n ben bamaligen Hauptfragen ber 2J>eo^
logie au^fül^rlic^ au^einanber^ufe^en. 6r t^at e^ in bier 3tuffä^en unter bemittel: „3)ie
2:|eologie be^ Dr. Äa^ni«" (3^3:1^^ 1873), eine 3trbeit bie ebenfofe^r feinen entfAiebcnen,
16 h)cnn and) in ber Scurteilung anber^ benfenber milben lutl^erifc^en ©tanbjjunft cr^
lennen lä^t, h)ie feinen ^iftorifd^en ©inn unb feine 3(bneigung gegen aUc 3lejjriiti-
nation^berfuc^e auf (Srunb einer nur ber 3cit ange^örigen tl^cologif^en gaffung. Crft nacfc
längeren Sauren liefe er lieber eine felbftftänbige arbeit erfd^einen: „3"P^" bcr^Järt^r«r
unb fein neuefter Seurteiler" (2ei(3jig 1880), bie fic^ gegen 3K. b. ßngel^rbt^ (f. b. S(.
20 93b V, 377) äluffaffung richtet. Um biefelbe 3rit entftanb aud^ fein auöfü^rlic^er JJefrolog
auf ab. ^arlefe (31202 1880), ben er fpäter für bie 9flealencVllot)übie (f . 93b VII, 421) uin=
arbeitete, ebenfo in biefemSBerfe ber grofee Sllrtifel überSö^e (93b XI, 576). ©ic geboren
mit bem Seben^bilbe be« geliebten £e^rer^ ©ottfrieb 3:^omaftu« (ebb. 93b XV% 635 if.,
auc^ jufammen u. b. %.: £ö^e, l^omafiu^, §arlefe, brei Seben^s unb ©efc^ic^töbilbcr,
26 2ei)?jig 1887), bem früher ertüä^nten älrtifel über 9tot^ unb bem 5Refrolag auf ben mit
bem 2eben ber ba^erifd^en 2anbe«fird^e eng berfnüjjften ßrlanger Sänften ab. b.©(^eurl
(3ur ßrinnerung an 2lb. %xi)x. b. ©d^eurl, 2ei^)jig 1893), gumal ber 3Serf. auc!^ ou«
ben aiften be^ Dberfonfiftorium« ^anbfc^riftlid^e« flaterial bertoerten fonntc, ||u bem
5}eften, toa^ Yoxx für bie ©efc^ic^te ber ba^erijc^en 2anbe^fird^e im 19. go^r^unbcrt
80 befi^en.
SngtDifd^en n)ar er 1879 in bag Dberlonftftorium nac^ SJlünd^en unb nac^ bem
2obe be« ^räfibenten anet;er 1883 al« beffen 9Jad^f olger an bie ©})i^e be« ba^crifc^en Äinbem
regimentg berufen lüorben. ©eine ^räfibentfc^aft bebeutet leine neue 6(3od^e für bie baberij({»c
2anbcöfirc^e. ©tä^lin tüar feine imj)ulfibe, bortüärt^bringenbe "DJatur n?ie ber fc^rf-
36 fantige §arlefe. Q^ \vax ob feiner ruhigen, befonnenen unb fonferbatiben 2lrt, bie überaß
ba^ ©Ute F^erborfudbtc unb im feften Vertrauen auf bie Sßirfung be^ 9Öorte^ ©cttc^
jebem unrul^igen ©Eperimcntieren auf fird)lid^cm unb fir(^enj)olitifd[|en ©ebietc abbolb tt>ax,
eine 3^^^ ^^ ©ammlung unb ber ruhigen, bieDeic^t aDjurul^igen ©ntiüidtelung. ^U
enblic^ 1887 ber ©eneralf^nobalau^fc^ufe eingefül^rt h)ar, ber bod[| einfttoeilen nccb eine
40 gorm ol^ne ^nhalt bleiben foHte, fc^ien für i^n alleg erreicht ju fein, h>aö man auf bem
©ebiete beö firc^lid^en SSerfaffungöleben^ über^au})t begel^ren fönnte. Unb bie bon feinerlei
inneren Ääm})fcn bur^mogten ©eneralf^noben, bie er breimal 1885, 1889 unb 1803
ju leiten l^atte, beftärften i(;n immer me^r im 93en)ufetein bon ber Jreffltd^feit ber ©onbergeftalt
Der ba^crifdben 2anbeöfirc^e. Unb nie \vax er gtüdlic^er, alö Ujenn er mit feinen ©eiftlicfecn
45 auf biefen ©eneralfi^noben jufammen trar. Unb feine grofee })erjönlid^e 2icbenön?ürbii\!cit
— nur Wo er einer niebrigen ©efinnung begegnete, ober jemanbem, ber, n?ie er ficb au*=
brücfte, parterre Itjar, tonnte er fc^arf lüerben — getvann i^m überall aller Ajei^cn.
©eine ^ilnfang^= unb ©c^lufereben, in benen er aU echter ©c^riftgelel^rter 2llte^ unb
3lc\xc^ auö feinem <Bä)aiic ^erbor^olte, unb grofee Überblicfe auf bie 9?er^ältniffc in
50 2:l;eologie unb Äird^e ju geben liebte (f. j. 93. ba^ grofee ©c^lufeh)ort auf ber ©eneral--
fi;nobe bon 1893, abgebrutft bei 0. ©tä^lin ©. 197), immer ein toarme^ unb erh)ärmenbc«
93efcnntnig fcineig Gl^riftenglauben« unb feiner (E^riften^offnung, toaren bon ))adfenber Söirfun^.
6r tpar ein geborner 2)irigent, freilirf^ aud^ nad) ber Siic^tung ^in, „bafe er fo bringenb um bie
Slnnal^me einc^ Stntrag^ bitten fonnte, bafe man fürd^ten mufete, i^m burc^ eine Slblebnung
65 jjerfbniid) mebe 5U tl)un" (D. ©täl^lin ©. 109). ©eine befonbere 2iebe toaren bie 3lrbeiten auf
bem ©ebietc ber 3!)iiffion, — er tt)ar auc^ jule^t $räftbentbe^2eij>üger9Kifrionöfonegiume —
bann ber inneren 9)iiffion, bie nidbt ol^ne feine ferfönlic^e ilJitlüirfung toä^renb feiner Slmle^
tbätigfcit einen 2luffcbh)ung in allen ieilen 93at)crn^ genommen i^ai, ben man frül^cr für un-
möglid; gebaltcu l^ätte. 2lu4) gcluann burcf) il)n, \va^ freiließ nid^t o^ne mannigfacbe änfcin^
60 bungen möglich ibar, bie ©uftab-2lbolffac^e in 93a^ern feften 93eftanb unb hjeitge^enbe gijrbe^
eta^ltn etaitbltit 741
rung. Scbbaft beteiligte er fid^ an ben 3lrbciten bcr Gifenad^er ilirc^en!onfcrenj. (S^ cntfjjrac^ .
bieg feiner im beften ©inne öfumenifd^en SRic^tung, bie er einmal felbft babin bcftniert:
„3Reine Siebe imb Slrbeit gilt au^ boDtommener Überzeugung ber Sanbe^fircpe, in beren
©oben geh)urjelt, alaube ic^ ber Äirc^e be^ §errn über^au})t ju bienen unb freue mid^
babei, ol^ne j)artifulariftifc^ Derengt ^u fein, in öfumenifd^em Sinn unb ®eift allen 6
toa^r^aften firc^lic^en, toal^r^aft ebangelif(^en Seben«, h)o id) e^ finbe" (3(Dg. Äirc^enbl.
1884, S. 515), unb er f)ai für bie ßifenad^er Äonferem me^rf ad^ umf angreife h)ertboHe
SHeferate geliefert, fo über bie ©eltenfrage unb bie ^erifot)enfrage (ebenba. unb 1890,
S. 475). 3}on befonberer 93ebeutung ttyax aui) feine il^ötigfeit al« Sleic^^rat ber Krone
93a^ern, 'iDo^u ber ^räfibent be^ Dberlonftftorium^ t)erfaffunggmä6ig benifen ift. 6r lo
na^m e« bamit fel^r ernft. ®alt e« einen h)ic^tigen ©egenftanb, fo fonnte er fid; barauf
iDoc^enlang borbereiten. Unb man l^örte ben fleinen, überaus lebl^aft f})red^enben unb
geftifulierenben 3Rann, ber, loenn er \pxad}, aud) tüirllic^ ^itoa^ gu fagen f)aitt, immer
gem. 2!ro§ aDer ^xmxl unb bem ftc^tlic^en S3eftreben, nirgenb« anjuftofeen, toerftanb
er, ber mit l^oc^geftellten Rat^olilen in ber freunbfc^aftlic^ften SBeife Derle^rte, e^ ftet«, i5
bie ebangelifd^e äinfc^auung, bie di^d^U unb ba^ älnfe^en feiner Äirc^e mannhaft ju ber^
treten unb er j^at auc^ il^re materieDen Sntereffen nac^ 3KögIid^!eit ju förbern gefud^t, freili(^
lag eg me^r in feiner 9latur, jju banien ate au bitten ober gar ju forbem. 3)aju lam,
bafe er e^ ängftlic^ ju bermeiben fuc^te, ben Sd^ein einer einjeitigen 3i^^^i^^ff^"i>olitif auf
fic^ JU laben, benn er füllte fic^ burc^aug al^ Vertreter beg ®anjen unb toar niemals 20
ber iKeinung, lebiglid^ aU Vertreter ber })roteftantifd^en Sanbe^fird^e im Sletc^^rat gu
fi^en. Unb auc^ \vo er aU ®egner auftreten mufete, berftanb er e^, feinen äu^fü^rungen
immer eine berbinblic^e ^orm ju geben, unb feine Überjeugt^eit, namentlid^ über bie er«
fc^öj}fenbe ®rünblid^!eit unb ba^ immer ju beobac^tenbe ©treben, bie gerabe borliegenbe
fjrage auc^ ^iftorifc^ ju beleuchten, (3flegten nic^t o^ne ßinbrudt gu bleiben, unb einige 25
feiner größeren Äammerreben finb bon allgemeiner 93ebeutung unb bürften bon bleibenbem
SBert fein, fo bie grofee Siebe bom 20. vRäx^ 1884 gegen ben lonfefftonett getrennten
©efd^id^t^unterric^t, ba^ Sleferat gegen bie Sefeitigung be^ 7. ©d^ulja^r^ (©i^ung bom
26. gebruar 1886), über baä plaget bom 10. gebruar 1890 (abgebrudt bei D. ©täF^Iin
©. 212), gegen bie SRüdberufung ber 9iebemj)toriften (11. gebruar 1890), für ben ^uma^ao
niftifc^en Unterrid^t al^ ®runblage aller 93ilbung unb namentfid^ jeber Uniberfität^s
bilbung (19. 3Kai 1892), unb enblic^ eine feiner legten Sieben, gleich bebeutfam für bie
5?eftigfeit feiner lirc^Iic^en ©tellung n)ie feiner SBertfd^ä^ung ber 9Biffenfcbaft, feine
SRebe für bie grei^eit ber SBiffenfc^aft (11. 3Kai 1896). Unb tro$ ber aWannigfaltigfeit
feiner Slufgaben ftanb er immer im engften Äonnej mit ber SBiffenfc^aft. 9Ber mit i]^m aö
nä^er berle^ren burfte, loeife, bafe faum etloa^ auf t^eologifc^em ober angrenjenbem ®ebiete
erfd^ien, lüa^ er nic^t gelefen unb grünblic^ ftubiert l)ätk. Unb nic^tg freute ibn me^r, aU
h)enn eine tüchtige loijfenfc^aftlic^e Seiftung au^ ben Äreifen feiner ®eiftlic^feit l^erborging.
©0 legte er benn auc^ ben ^öd^ften 2Bert auf ba^ ^i^fö^^^^^^^Ö^^^" "i*^ ^^^ t^eologifdben
gafuttät in Erlangen, bie feine SSerbienfte fdj^on unter bem 24. 3Wärg 1880 bur^ ßr^ 4o
nennung gum 3)oftor ber Ideologie gehjürbigt ^atte. ^l}xe 93lüte loar feine fjreube unb
er fuc^te nad^ 3Röglic^feit i^re Sn^^^^ff^»^ i^^ förbern. Unb loie er big jule^t toiffen*
fc^afttic^ mitarbeitete, jeigt feine trefflirf^e, am U.^^bruar 1897 in 3luggburg jur 5Relanc^t^on=
feier gel^altene geftrebe (^^. 9Keland^t^on, 2luggb. 1897). SBenige SBod^en fj)äter, am
4. 5Kai 1897, entfd^lief er mi) nur fünftägiger Äranl^cit. J^eobor fiolbe. 40
Stammt Söraelö f. b. 2121. S^rael, ®efd^. bibl. 93b IX ©.468,49; ©aliläa
93b VI ©.337,64; Subäa93bIX ©.561,22; ©amaria 93b XVII ©.422, 17;
^eräa 93b XV ©. 126,37.
Staubltii, Äarl griebrid^, geb. 25. 3uli 1761 in ©tuttgart, geft. 5. ^uli 1826
in ®öttingen. — ^auptqucUc für 6t.$ Üebcn§(^c{cf)id)te ift feine <£eI6ft6ioiirap^ie, ur= 60
fprünglicf) für eine fd)tt)ebifd)c 3citfd)^ift oerfoftt (Theophrosyne, ©tocföolm 1823), ^crauiJ=
(legebcn mit ßufäfcn, mit Sdiriftcnüer^eidini^S unb mit ber üon @up. D. SRuperti in Öiöttingen
gehaltenen öJcbndjtniöprebigt, üon 3- i- $emfen, ÖJöttingen 1826, 8; aufeevbem ogl. ÖJrabniann,
(^el. Sdjroaben; Döring, ®el. 5:^coIüqen, IV, 287 ff.; (^aalfclb u. Defterici), ÖJott. ®el. ÖJefd].;
(SJafi, ÖJefd)id)te b. prot. ^ogmatif, IV, 349; granf, (SJcf(^icf)te b. prot. 2:t)Cülügie III, 292 ff.; 66
«anberer, ^Jieuefte 5)og..®efct). 8. loOff.; Xfdiarfcrt, ?lb53 XXXV, ©.ölöff.
3?on feinem S?ater, einem l^erjoglid^en Slegierungörat, ®ott^otb ©täublin, einem
•iDJann bon unermübeter 2(rbeitfamieit, bon ernften ©runbfä^en, bon unge^euc^clter
742 StaubHn
gröninüßlcit, ftrcng crjogcn, anfangt nid^t j^um t^eologifd^en ©tubium bcfttmmt, ober
burdb ben SRcliöiDn^untertic^t cineö ©(3cnerif(^ öcftnntcn ©eiftltd^cn (Ä. ß. 3flie0er?) unb
burc^ bie Scftürc erbaultdbcr ©Triften für bcn gciftlid^cn Seruf gewonnen, tourbc St,
nid^t in einem ber nieberen Älöfter SBürttemberg^, fonbem auf bem ©tuttgartcr S^mnafmin
6 ^ur Unibcrfttät borbereitet. 3*^^^ ^^*^^ Srüber, beibe bi(^terif^ begabt^ führten i^n auii^
in bie^Dcfie ein unb ermunterten i^n ju j}oeti|c^cn Serfuc^en, t)on benen einige gcbnuft
ftnb. günf ^al^xt, 1779—1784, berbrac^te er im tl^eologifc^en ©tift in 2^übingen, too
er eifrig $^ilojoj)^ie unb Ideologie, befonber^ ßjegefe unb Orient, ©iprac^cn ftubiertc unb
n)o ©torr unb ©d^nurrer feine bornel^mften Se^rer toaren. 1781 h)urbe er 5Ka0ifter bun^
10 SSerteibigung einer Don 6^r. %x. 9lö|ler berfafeten 3)iffertation de originibus phflo-
sophiae ecclesiasticae; 1784 berteibigte er unter bem ^räftbium bon D. Urlaub eine
3)iffertation über Jpaggai unb beftanb bag tl^eologifdjie ßjamen bor bem Äonfiftorium ju
Stuttgart. 5Rac^bem er bann eine 3^*^ lang, mit litterarifc^en arbeiten unb ^rebigtoi
befd^äftigt, in ©tuttgart jjribatifiert, begleitete er 1786—1790 einige ^öglinge auf Seifen
15 bur^ Deutfc^lanb, §ranfreic^, ©nglanb unb bie ©d^toeij, berlebte ^toet ^ai)xc im SBoobt^
lanb, faft ein ^ai}x in ßnglanb. SSon Sonbon au« h)urbe er 1790 burc^ ©tjittler unb
Äopipc auf ©torr« 6mpfe|lung nad^ ©öttingcn berufen aU orbentlid^er ^JJrofeffor ba
Il^eologie (5iac^f olger be« 1789 berftorbenen 3. ^. SRitter). 3n biefcm Stmt iji a
bon ba an faft 36 ^ai)xz bi« ju feinem Sobe geblieben, eng berbunben mit feinem um
30 gel^n gal^rc älteren, aber i^n um fieben ^Qi)xc überlebenbcn ÄoDcgcn unb Sanb^^monn
®. 3. Pandt. 1792 h)urbe er Dr. theol., 1803 Äonfiftorialrat. ©eine aSorlefungcn
umfaßten fafet alle t^cologifcben 2)i«5i(3linen : ©jegefe be« alten unb 9i2«, biblifc^e ©inleitun^
3)ogmatif, ^oral, 3)ogmen9efc^ic^te, Äird^engefc^id^te,Snc^floj)äbie; eine3«t lang j^attecr
auc^ in berUniberfitätwird^e ^u ^rcbigen. 2lte2)ogent toax er unter ben bamatö nad^ ©öttijigcn
26 berufnen ©c^tDaben h)o^l ber minbeft l(^crborragenbe, unb befonber« in ben legten ^ö^'f^n i^^
Sebeng tüaren feine eintönigen, in ftarf fc^lüäbifc^em 2)ialelt borgetragenen SJiltate h>enig on-
regenb. überfeine ja^lreic^en ©c^riften j^eigen feine gro^e ^elefen^cit, feinen gelegen
©ammlerfleife,foh)ieeinlebl^afte«a})ologctifd^egunbfritifd9e« Sntereffe. fjcl^lte c^ i^m glei(^
an fc^öpferif^er Originalität, fo bod^ nid&t an SBeite be« ©efid[|tdheifc«, unb gerabc feine
80 umfaffenbe Stcjeptibität unb un})arteiifc^e SBaF^r^eit^liebe matten i^n bcac^tcn«h)ert unb er-
loarben i^m bie Sichtung feiner 3ritgenoffen (bgl. bie Sriefc Rant^ an '\f)n, abßebrudt in
feiner ©efc^id^te bcö SHationali^mu« ©. 469 ff.), ioeil er biele« auf fic^ toirfen liefe unb
berfc^iebenartige 'iDJotibe unb gntereffcn, ba« 5Religiöfe, ba« ^Rationale unb ba« JSpiftorifdbe,
gefd;ictt ju berbinbcu tvw^ic (bgl. ®afe a. a. 0.). ©einen tl^eologifc^en ©tanb^unh be^
35 j;eid;nct er felbft fd;on in einer feiner erften ©c^rif ten u. b. l.: ^^een jur Äriti! bee
©t;ftem« ber c^riftlic^en Sieligion, ©öttingen 1791, al« ben eine« bernünftigen Offen-
barungeglauben«, unb cbenfo erllärt er im ©c^lufetoort feiner legten, in feinem lobee^
jal^re erfc^icnenen ©c^rift (©efdt?. be« 9iat. u. ©upranaturali«ntu«, ®ött. 1826, ©. im:
„^d) bctcnnc offen unb freimütig, bafe mir ba« 6l^riftentum nur al« bereinigter 91ati(j^
40 nali«mu« unb ©u})ranaturali«mu« begrünbet unb faltbar ju fein fc^eint; e« bringt auf
bcn ©ebraurf^ ber ä>emunft unb aller unferer Seifte«- unb ©eelenhäfte für Stcligione^
unb ©ittenlel^re, aber auf einen gemäßigten, befc^eibenen unb bemütigen, unb ^uglei*
auf bcn ©laubcn an bie übernatürliche, burc^ ben ©o^n ©otte« gefc^c^ene Offenbarung,
tvü'f^n toir auc^ ©rünbc genug in unb außer un« finben." ©d^on tod^renb feine« pl^ilo:
46 fopl;ifc^en ©tubium« in Tübingen f)aiU er jur Übcrtüinbung feiner eigenen 3^^iH bcn
6ntfcl;luß gefaßt, eine ©cfd^id^tc bc« ©fcj3tici«mu« m fd^reibcn, f)atic bafür ^ahxt lang
SJorftubien gemacht unb namentlich ioäl^renb feine« Aufenthalte« in (Snglanb biel bafüi,
befonber« für 2)abib Jpume« Scbcn unb ©c^rif tcn, gefammelt. 311« gru^t bicfec ©tubicn
erfcl)ien bann 1794 ju Scip^ig ba« jioeibänbtgc SBert: ®z\ä)\d)ic unb ©eift be« ©fcp^
50 tici«mu«, bor^. in 9lüdtficl)t auf SJJoral unb Sieligion. Unterbeffen aber l^atte er fi4
borjugöireifc biblifc^cn, unb jloar junäd^ft altteftamentlid^en ©tubien jugetpanbt: 1780
l^attc er (juglcid^ mit feinem |5^eunbe Gonj) Beiträge jur (Erläuterung ber biblificn
^ropl)ctcn unb jur ©efcl^icbte i^rer 2lu«lcgung ^erau«gegeben ; in ©öttingen fc^rieb er
1790 ein 3lntritt«j)rogramm de fontibus epistolarum Catholicarum, 1791 neucSci^
55 träge ;^u bcn biblifd;cn $roj)^etcn, über Daniel, über ^c\ 53, über ba« ^o^elicb 2c.; aut^
feine Sorlcfungcn crftrcdtcn ficb anfang« über ba« gange 31%, über bie §au))tbüc^cr
be« 212:« unb über biblifc^e Einleitung (ein Sebrbuc^ ber >)raftifc^en ©inleitung in aüc
Süd^cr ber ^l. ©d^rift l;at er nod^ 1825 bcrau«gcgcben). Salb aber toanbte fic^ feine
litterarifcl^e unb feine atabemifd;e IF^ätigtcit bortoicgenb ben ©ebieten ber ftoftematifchcn
60 unb l^iftorifc^en Sl^cologic gu : er la«, unb gioar lange ^ät täglich bier ©tunben um
@t(ttbKtt 743
7, 8, 11, 2 Ul^r, über 3)ogniatif, ^ogmcnöefd^id^tc, ÜJloral* unb Ätrd^cnöefd^id^tc. Sitte-
xax\\d) l)ai er bie Dogmatil nebft ©ogmenöefd^id^te bretmal bearbeitet: 1801, 1809 unb
1822. er fud^te ^ier, toie er felbft fagt, ejegcfe, ©ejc^id^te, ^l^ilofo^^ie unb ßitteratur
jju bereinißen, fo jebod^, bafe er „niemals ben ©runbjä^en ber fritifd^i^n $l^ilofo))^ie
tolgte, fonbem fte auSbrücflic^ für unjureid^enb jur Segrünbung ber Sleligion erflärte". 6
©röteren Einfluß geftattete er ber lantifd^en 5ßl^ilofo(3l^te anfangt auf feine 93e^anblung
ber t^eologifd^en SJloral, fo befonber« in feinem 1798—1800 erfc^ienencn „©runbrife ber
2^ugenbs unb Sleligion^le^re ju alabemifcpen Sorlefungen für julünftige Se^rer in ber
c^riftlic^en Äird^e". 2)amate fc^rieb er, toie er felbft f))äter aner!ennt, „ber fritifc^en
$l^iIofo))^ie eine ju ^ol^e Autorität gu unb liefe 3^u unb feiner 3WüraI nic^t bie i^nen lo
gebül^renbe ßl^rc toiberfal^ren. ©j)äter ^abe icp eingefe^en, bafe bie fritifd^e 5KoraU
))^ilofoj)l^ie einfeitig ift, bafe man bag ß^riftentum enttoeber ganj aufgeben ober i^m ein
^öl^eree älnfe^en jugefte^en mufe, unb bafe e^ ^nlonfequen) unb Unreblid^Ieit ift, anberd
in t^eologifd^en Se^rbüd^em m öerfal^ren". ©o ^abe er fd^on 1800 in feinen „©runb-
fä^en ber 3Roral gu afabemifd^en 3SorIefungen" mand^e« fd^ärfer beftimmt, beutlid^er au^ i6
geSrüdt unb berid^tigt, aud^ au^getüifd^t, toaö in bem früheren Se^rbud^ Slnftofe erregt
^abe; nod^ mel^r in feiner „j)^iIofo(3l^ifd^en unb biblifd^en 3WoraI" t)om gal^re 1805, bte
in ber j)^iIofo(3^ifd^en 3Woral efleltifd^ berful^r, bagegen eine bollftänbige biblifd^e 3Roral
unb gugleic^ einen f ortlauf enben 93etoeiö ber ©öttUd^feit ber ©ittenle|rc S^f« entbölt;
unb enblid^ in feinem „3flcuen Sel^rbudb ber3RoraI für 21^eoIogen" (®ött. 1815; 2. älufL 20
1817; 3. aiufl. 1825), h)o er „offen erflärte, bafe ereinabfolut ^öd^fte« ajrinji}) berSWoral
nic^tfürnotlüenbig unb möglich ^alte, bagegen bie SBal^r^eit unb ©öttlid^Ieit ber ©ittenlel^re
gcfu au(^ in i^ren j)oritiben unb l^iftorijd^en Steilen rettete", hieben biefen f^ftematifd^en
SDarftellungen ber ))^ilofo})l^ifd^en unb t^eologifd^en ÜJloral, in toelc^en ein ftetiger gort*
fd^ritt t>on ber @))efuIation mr @m^irie, ))om Ariticidmud jüm ^ofttiDi^mud ftd^- jeigt, 25
l^at ©täublin befonber^ ber ©efd^id^te ber 3Koral fid^ jugelüanbt unb bamit „eigentlid^
ein neue« %ad) in ber Sitteratur angefangen, benn bi« bal^in toar fein SQäerf biefer ärt
toorl^anben". 3)en Slnfang mad^t er mit einigen Programmen: über bie ©efd^id^te ber
3RoraI ber Hebräer 1794, über bie SJloral ber Äird^enDäter 1796, de legis Mosaicae
momento et ingenio 1796/97, de prophetarum doctrina morali 1798, über bie so
9RoraI ber aj)oftolifd^en Säter 1800, 5IJioral ber ©d^olaftifer 1812 2c. 6ine umfajfenbere
Slrbeit begann er 1799 mit feiner ©efc^id^te ber ©ittenlel^re 3cfu, too er eine boH«
ftänbige ©efd^id^te nid^t blofe ber d^riftlidjien Sittenlehre, fonbem aud^ ber d^rift-
ticken Sitte unb ©ittlic^feit gu geben bcabfid^tigte; bod^ ift biefe 3bee in ben öier
aUmä^Iic^ erfc^ienenen Sänben be« SBert« («b II 1802; III, 1812; IV, 1822) nid^tas
gur 2lu«fül^rung gefommcn; bielme^r befc^ränfte er fid^ fj)äter auf bie ©efc^id^te ber
c^riftlidjien 3JioraI feit bem SBieberauf leben ber 2Biffenfc^aften, bie er 1808 aU einen 2^eU
ber öon ©. ©ic^^om begrünbeten ©öttinger ©efc^ic^te ber SBiffenfc^aften unb Äünfte
aud^ befonbcr« ^erau«gab; bagu fam noc^ eine 1806 gu §annoöer erfc^ienene: „©efd^id^te
ber J)^iIof., I^cbräifd^en unb d^riftlic^en SKoral," eine 1823 erfd^ienene „©efd^id^te ber 40
3)ioraI})^ilofoi)^ie", unb enblic^ fteben 3Wonogra(3l^ien jur ©efd^id^te einzelner etl^ifc^er
93cgriffe: ©ef^id^te ber SSorfteDungen t)on ber ©ittlic^feit be« ©d^auft)iefe 1823, öom
©elbftmorb 1824, öom gibe 1824, öom ©ebet 1824, Dom ©elüiffen 1824, bon ber ß^e
1826, t)on ber greunbfd^aft 1826.
2)ie Äirc^cngefd^id^te, über toeld^e er neben ^lanrf regelmäßige 3SorIefungen l^ielt, 46
l^at er nic^t bloß in einem n)ieberl^olt erfc^ienenen Sel^rbuc^ bearbeitet u.b. i. UnitoerfaU
gefc^ic^te ber c^riftlic^en Rird^e (^annoöer 1806; 2. äufl. 1816; 3. Slufl. 1821; 4. Slufl.
1825; 5. Slufl. beforgt Don Sijentiat ^ol^i)an\m ISSS), fonbem aud^ Weitere Seiträae
bam geliefert in feiner fd^on erlüä^nten ©efd^id^te be« ©fe(3tici«mu« 1794, feiner fird^«
liefen ©eogra(3l^ie unb ©tatiftif, ©öttingen 1804, 2 93be, feiner ©efc^id^te ber t^eologifc^en so
SBiffenfc^aften feit ber 2lu«breitung ber alten Sitteratur, ©öttingen 1810—1811, 2 93be
(m ßid^^om« ©efd^. ber Äünfte u. ber SBiffenfd^aften gehörig), feiner Äirc^engefd^id^te öon
(ärofjbritannien, ©öttingen 1819, 2 SSbe, feiner ©efd^ic^te be« SRationali^mu« unhBvLpxa^
naturali^mu«, ©öttingen 1826, in ber au« feinem SJa^lafe Don 3- 2^- §cmfen ^erau««
gegebenen ©efd^id^te unb Sitteratur ber Äirc^engefc^id^tc, ^annoDer 1827; foh)ie enblic^ in 66
toielm lateinifd^en unb beutfd^en Slb^anblungen, toelc^e enttoeber einjeln ober in ben t)on
©täublin herausgegebenen 3^itfc^^iftcn unb ©ammeltperf cn erfd^ienen fmb. 35on einzelnen
fird^ml^iftorifc^en Slbl^anblungen fmb gu nennen eine Narratio de Job. Keppleri theo-
logia et religione; de notione ecclesiae et historiae ecclesiasticae ; apologia pro
J. C. Vanino, über ^o\), 3Sal. 2lnbreä ; de Corona Papali ; 3Witteilungen über unb au« 60
744 @tättkltit etofforHf4e9 8it4
bcr ©d^rift Scrcngar^ de s. coena adv. Lanfrancum etc. 3)ic bon (Stäublin teils
allein tcite mit anbeten j^etau^cgebenen 3^4^^^^^?*^ fi^b: ©öttingifd^c Sibliot^cl bei
neueftcn t^eologifc^en Sitteratur 1794—1801, öSbe; Seiträße jur ^ßl^Uofop^ie imb
©ef^ic^tc bcr afteligionig^ unb Sittenlehre, Sübed 1797— 1799, 5S3be; 3D?aga;in füi
6 SHeligion^^, ^Rorat unb Äird^engefc^id^te, §annoöer 1801—1806, 4 93bc; Slrc^to für alte
unb neue Äirc^engefd^id^te, i^ufammen mit 3:3f(i^imer, £eij)ji0 1813— 1822, 5Sbc; Ätr4ai:
l^iftorifc^e« ärd^it), gufammen mit Igfc^imer unb «ater, ^aüz 1823—1826, 4 9bt
2lu^erbem lieferte er Beiträge ju SKi^aeliö unb 2^^c^fen^ Dnent. unb cjeget. Sibliot^
ju ben ®03l, jiur Jenaer, ^aUifd^en unb £eij)5i0er 2itt.s3t0. u. f. h). @tn Scl^rbuc^ ber
10 @ncvHoj)äbie, Sietl^obologie unb ©efc^id^te ber tl^eolo0i]d^en SBiflenfd^aften, h>orin bie
Überfielt über bie ©efc^t^te unb Sitteratur ber einzelnen 2)i^jij)linen ba^ h)t(^tigjie ift,
l^at er 1821 j^erau^gegeben.
Sei ber 3Renge biefer ©d^riften unb ber barin au^ebreiteten Selefcnbett ift auf
^orm unb Äunft bcr iJarftettung nic^t eben biel ÜJlüi^e Dertoanbt. Slbcr „Ginfalt unb
16 ©erab^eit im Umgang unb Urteil, tiefet unb teilne^menbe^ Sleligion^cfü^I, grömmig^
feit unb Sieberfeit be^ G^arafter^, babei eine feltene 9lnfJ)ru(^IofigIeit unb 5^^^^-
liebe" hjerben bon feinem 2eicl^enj)rebiger Slujjerti h)ie bon feinen Äottcgen unb ©(^ülern
(bgl. Cel^me, ©öttinger ©rinnerungen, ®otl;a 1873) einftimmig il^m nachgerühmt, unb
raftlo« arbeitfam blieb er faft bi^ jum Sage feine« lobe«. 3lm 1. 3uli 1826 ^ielt er
30 noc^ feine SSorlefungcn, am 4. fd^rieio er bie le^te ©eite einer Slb^anblung über bebräijt^
?ßoefte, am 5. frü^ 5 U^r ftarb er im 65. £eben«jal^re.
Über feinen Sruber, ©ott^olb %x. ©täublin, geb. 1758, geft. 1796, ben ©ic^ter unb
^Mitarbeiter ©riefmger« bei ber §erau«gabe be« SBürttemberger ©efangbuc^^ bom '^ahtt
1791, bgl. Slömer, SQSürttemb. Ä®, ©.508; Rod), ©efd^. be« Äird^enlieb«, 95b VI;
26®oebe!e, ®runbrife II, 1097; gifd^er, 9lb93 XXXV, ©. 514.
(4^eit(e t) iBogeniitann t*
Stafforttfd^ed Bnif. — 3. C£]^. ©ac^S, Einleitung in bie dJcfdjiditc ber gRarggrau-.
f*aft . . . $^aben, IV, ßarföru^e 1770, @. 252 ff.; ^. gr. SSicrorbt, öcfc^ic^tc ber eiang.
mx(i)e in bem ©rofeöerjogtum ©oben, II, Äorlgru^e 1856, @. 29 ff.; ^^. 91. ©alig« ^oh
30 ftänbigc ^iftorie ber 9lug§burcjifc^en eonfcffion, ^aQe 1730, @. 748 ff.; (5. 3f. ^. ^Rüßer, 3)ic
©etenntni^fc^riftcn ber reformierten ßird&e, ficipjig 1903.
^u Saben=2)urlac^ \vax mit bem 2lug«burger 9leligion«frieben bie ebangclifc^e -H^
formation j^ur ßinfü^rung gefommen: 3Karfgraf Äarl II. erliefe am 1. S^ni 1556 eine
lutl^erifdie ßirc^enorbnung. 3lad) feinem Slobe 1577 übernahmen Äurfürft Subtoig bon
35 ber ^Jfalj, ^faljgraf ^^ili^J) Subtpig gu Nienburg unb $erjog Subibig bon SBürttemberg
bie 3[?ormunbfcbaft über feine brei noc^ unmünbigen ©öl^ne. 5!)ie SSormünbcr glaubten
fic^erlic^ im Sinne be^ berftorbencn SKarfgrafen ju l^anbeln, ate fte im 5Ramcn feiner
©öl^nc (boc^ fel^lt ber 9iame be^ britten) ba^ Äonlorbienbuc^ unterfdjirieben. 21U im
^al^re 1584 bie $rin^en jur felbftftänbigen SRegierung lamen, teilten fte baöSanb: Gmfl
4ogriebric^ (geb. 1560), ber fjjäter erflärte, bafe er fc^on ju bergcit, ba man feinen 3?amcn
unter bie ilonforbienformel fe^te, felbft anber^ gefinnt getoefen fei, em|)fxn0 atö ältefter
ben §auj3ttcit, ba^ Unterlanb mit ben lüic^tigften ©täbten Durlac^ unb ^forj^eim. Salb
jcigtcn fic^ bei i^m beutlid^e unlutl^erifc^e Steigungen : an ba^ ®^mnaftum ju 3)urlad»,
ibcld^cö auc^ bem ©tubium ber S^l^eologie biente, berief er calbinifierenbe Se^rer; f|)äta
45 trieb er felbft um fo eifriger t^eologifc^e ©tubien, aU eine Sä^mung ber unteren Roxpci-
teile iFjn me^r unb mel^r an freier Seibegung ^inberte, — unb er unternal^m eö nac^ SScifc
ber Ac'xt, ate Sanbcsl^err bie eigene tl^eologifc^e Überzeugung in feiner Äirc^c ^tüang^eifc
jur ©cltung gu bringen, unb au^ reformierten ®ebieten berufene Surften untcrftü^tcn
if^n barin. ©eit 1595 tpurbc ^ier unb ba ein ubiquiftifc^er ^rebiger gemaferegelt oba
60 entlaffcn. ^m (feit bem Einfang be^ 18. S^^r^unbert^ auc^ in feinen lefjtcn SReftcn bcr-
fd;n)unbcnen) ©c^loffe ,^u Staffort bei 2)urla(^ tüurbe eine 2)rucferei eingerid^tet, aus
h)clc^er 1599 ba^ fogenanntc „©taffortifc^e Suc^" in einer bop})elten 3lu^abe ^erbor^
ging. ^Die Heinere 3(u^gabe, bereu ©a^ abgefe^en bon 2itel, borangefteHtcm Gbift unb
^agiuicrung fid; buct»ftäblid) mit ©. 359—555 ber größeren ausgäbe becft, ftcllt M
66 aU ein )>)crfön(ic^c^ Selcnntni^ be^ 9)larfgrafen unb bamit j^ugleic^ aU eine Se^rorbnunj
für bie iiircbe feinet Sanbcö bar : „Sur^e unb ginfeltige . . . Sefanbtnufe, nac^ iDelAcr,
alfe nad) einer SJic^tfdinur, bie Sircbcn unb ©cf»ulbicncr ber SJlardgrafffd^aft Saben, fic^i
. . . i;u berl^altcn l^aben". i^crl^anbclt tverben barin nur bie 3trtifel, bie jtoifc^en ben
23efcnneru ber Ülug^burgifdben Üonf cffion jur ^c\i ftreitig iparen : freier 35>iHe, SBorfebun^
@tafforttf(^cd Sni^ ®ta^I 745
®otte«, ®nabentoal^I, ?ßcrfon ßbrifti, ©alramcnte im attgemetncn, ^aufc unb 3l6enbmal^I.
Unter rcic^Itd^em Sclcg au« ©c^rift unb Äird^entoätem tocrbcn btc in bcr beutfc^cn rcfor«
micrtcn 2^|eolo0ic bamate geläufigen Seigren boröetragen: man toe^rt [\6) gegen bie neuen
,,©emij)elagianer, toeld^ie ben Dorl^crgef ebenen ©lauben afö ber ©nabentüa^IUrfac^ ff^cn",
rü^rt bie Reprobatio nur mit grofeer ä^orfid^t an, erflärt fid^ in ber ß^riftologie mit 6
befonberem gifer gegen bie Ubiquität unb SSermifc^ung ber 9laturen, f)ält unter Berufung
auf 3luguftana unb 3())oIogie auf eine ©aframent^Iel^re, bie nid^t ben®lauben an^ fetner
entfc^eibenben ©tettung brängt, unb \pxx6)i bie aSiebergeburt al« bie ^eitegabe ber Saufe
unb bie geiftlic^e ©eniefeung „be« toefentlic^en Seib« unb 93Iut3 6^rifti famt allen feinen
©d^ä^en unb SDSol^lt^aten" aÜein bcn ©laubigen au. 2)a« 93efenntni« be« ©taffortifc^en lo
^u<S)ei ift bieDeic^t ba« bequemfte unb überfi^tlic^fte ÄomJ)enbium biefer SeJ^rtoeife, bie
toefentlid^ calbinifd^e ßingellel^ren unter ber nötigen Slürfftc^t auf bie frühere beutfd^e Se^
fenntni^bilbung borträgt. 3"^^ ©tü^e biefer ^ßofttion bient bie au^gebe^nte, meift jeboc^
formetteÄritif, toeld^e ba« größere ©taffortifd^e S5ud^ auf©. 1—358 am Äonlorbienbuc^e
übt. 3)er litel biefer 3(u^abe lauitt: ,,6l^riftlic^e« Sebendten unb er^eblid^e toolfunbirte i5
SJtotiben befe Durd^Ieud^tigen . . . Jperm ®mft griberid^en . . ., toeld^e il^re J^ürft. ®n.
bife bal^ero bon ber ©ubfcrij)tion ber Formulae Concordiae abgel^alten . . . ©ambt
i^re %, ®. ßonfeffion . . ." 6ine au^fül^rlid^e, aber in ber %f)cd ganj unfrud^tbare
ieictbergleid^ung toiD ben im Äonforbienbuc^c gebrudtten lejrt ber 3lugdburgifd^en Äom
f effton aU unjuberläf fig bart^un. ®rünblic^ft nad^gejjrüft toerben aud^ bie Sßäterjitate au« 20
bem ain^ang be« Äonlorbienbudjf«.
Über bie ®egenfc^riften ber Ibürttembergifc^en unb Iurfä(^fifd^en 2!l^eoIogen, be« Tlaxh
grafen „SQäoIgegrünbete unb fatte Slbleinung" 1602 u. f. to. berid^tetet ©aliga.a. D.
3m Serlaufe biefer litterarifd^en Äontroberfe tourbe ba« „®lauben«belenntniö" ju §eibeU
bcrg 1601 neu gebrudtt, unb gleid^jeitig begannen bie emftlid^ften 3Serfud^e, e« mit ®eh)alt 26
^n ohro^ieren. Sefonberg bramatifd^ geftaltete fic^ ber $Religion§fam))f be« 3WarIgrafen
gegen bie ©tabt ^forj^eim : beren fämtlid^e !onforbiftifd^ gefmnte ?ßrebiger lüurben ab*
fe^t, fo bag lüod^enlang lein ©eelforger in ber ©tabt toar. 2öiber bie neuen calbini«
fd^en ^rebiger enegte bie m einem feierlidj^en 93unbe, ber Concordia Phorcensis,
^ufammengefd^Ioffene SSürgerfdjaft einen förmlid^en 2lufftanb. 9iad^ allerlei aufregenben so
3h)ifc^enf äßen mad^te fic^ ßmft ^riebric^ felbft toiber feine ©tabt auf, um fie mit SBaffens
gelüalt ju jlüingen: aber auf biefem Ärieg^^uge mad^te ein ©c^lagflufe am 14. 3l))ril
1604 ju Slemc^ingen feinem Seben ein 6nbe. ©ein jüngerer 93ruber unb SJac^f olger
®eorg gfnebrid^ len!te fofort jum Sut^ertum gurüd. ö. 8f. Äarl anüöer.
Statut, griebrid^ Suliuö, geft. 1861. — 9lu6er ben an i^rem Crtc genannten 36
Schriften liegen bem §lrt. münblidje ^Olitteilungcn feltenS ber ©itttje ©ta^I^, fotoic bie fir(^=
Ud)cn unb politifdjen ©lättcr au« bcn üicrjiqcr unb fünfziger 3a§ren ju ®runbe. SBgl. auc^
(^roen t)an ^rinfterer, Ter DagedachteDis van Stahl.
^ebric^ 3^1'^^ ©tal^l lüurbe in 9}lünd^en am 16. Sönwa^^ 1802 bon jübifc^en
ßltem geboren. Sägern foDte il^n bilben, ^reufeen feiner SQäirffamfeit ein hjeite« gelb 40
öffnen. Unter ben (ginbrüdten ber ©d^mac^ be« Sll^einbunbe^, aber auc^ ber ^enlid^en
ßrl^ebung 1813—1815, loarb er grofe. — ^^1^ ^^^ feinem 3?ater, einem reichen Sanfter,
für bie gelehrte Saufbabn beftimmt, burc^eilte er mit feinen glänjenben ®aben fd^nett
ba« ®^mnafmm feiner Saterftabt, fotoie unter fieitung X^ierfc^g ba^ j)^ilologifc^e ^nftitut
unb mad^te fd^on im ^al^re 1819 ba^ ®jamen für ein ®^mnafialle^reramt. 3)?anc^erlei 45
Serübrunaen im 2^^ierfc^if(^en §aufe mad^ten i^n mit bem 6briftentum befannt, feine
Vorliebe für bie flaffifd^e Sitteratur gab i^m ben ©inn für Älarl^eit unb 3lnmut ber
gorm, fein 3"9 i^^ 3bealen folgte gern bem ©c^tounge namentlich ©d^iDer^, bon bem
er al^nung^boUe Stnregungen jum 6l^riftentume emj)fangen gu ^aben, h)ieber^olt befannt
|at. @« geugt bon ©ta^te Äroft unb ©elbftftänbigfeit, bafe er frübjeitig — afö ITjä^riger 60
^iüngling! — allein mm ßl^riftentum übertrat unb bier ^al}x^ fj)äter feine ®ltem unb
leben ®efd^tüifter nac^ fid^ gog. ©ta^l berlie^ bie ^^ilologie unb toanbte fic^ bon 1819
bi^ 1823 inSBürgbura, $eibelberg unb erlangen ber 3urigJ)ruben} ju. ^n ber „d^riftlid^=
beutfd^en SSurfd^enfc^aft" no^m er eine ^erborragenbe ©tettung ein. SBieloo^l er in 6r=
langen anfangt ©c^etting nid^t gehört ^u ^aben fc^eint, ergriff i^n bod^ mächtig bie bon 56
biefem fc^ö>)ferifc^en unb jünbenben ®eifte au^e^enbe j)^ilofoj)bif(^e Slnregung unb Se«
toegung. 2)ie SSorrebe gur erften 2luflage ber ®efc^id^te ber 9led[|tgp^ilofop^ie fc^ilbert
un« ben quälenben Ram})f mit ben §egelfd^cn 3ii^tümem, in ben ©ta^l geriet, bi^ er
ben längft inftinftib geal^nten ®runbirrtum biefer $^ilofoJ)^ie fanb unb überloanb. — ©0
i
746 @tal|I
vorbereitet erlangte er im ^af)xt 1826 bie juriftifd^e ©oltortoürbe unb habilitierte fu^
ein ^al}x barauf in ^Jlünd^en afö ^ritoatbo^ent, burc^ ©c^eDing, ber l^ier gleic^geittg jcim
SBorlefungen eröffnete, geftärft unb geförbert. ^n ßrlangen bertiefte fic^ [eine c^riftlitfc«
Überzeugung namentlich an ber ©eftalt unb ©etoalt be^ reformierten ^rebtger^ Ärafit
5 (f. 93b XI ©. 59). ^m Sommer 1832 afö aufeerorbentlic^er ?ßrofeffor nac^ erlangen,
ein ^albe^ ^al}x fj)äter nad^ SBürjburg für ba« fanonifc^e Siecht berufen, lehrte ©toBl
bereite nac^ jtoei ^af)xzn nad) ©rlangen jurücf, um ^ier eine ^rofeffur für ©taat^ unb
Äirc^enrec^t anjutreten. §ier toar e^, h)o er ben erften ®runb gu feiner ^arlamcntarifc^
Saufba^n legte, aU i^n 1837 bie UniDerfUät af« i^ren 2)e})utterten na(^ aWünc^cn in bie
10 ©tänbeberfammlung fanbte, too er mit Wenigen ©efinnung^genoffen neben ber monarc^tfcfcs
lonf erbatiben Slic^tung bie ebangelifc^-fird^lidpe bertrat. ©eine ba^ SBubgetred^t ber ©tank
iDO^renbe ©teDung na^m i^m ba^ 5Kinifterium fo übel, baf; e« il^n feiner ftaat^red^t^
lidjien ^rofeffur enti^ob unb i^m „bie minber geföbrlic^e" be^ 6ibilJ)rogeffeg übertrug.
3)iefer Vorgang erleichterte il^m bieännal^me eine« Stufe« nad^SSerlin, ber auf ©abignii^
i6 93etrieb imvJobember 1840 an i^n gelangte. 3"^^!'*^ ^^^^ ^ i" ^'^ juriftif^e ^fuüdt
mit einer commentatio de matrimonio ob errorem rescindendo ein. fortan loö
er in gefüllten unb oft überfüllten, bon 3JJännem aller ©tänbe befudjiten ^örfälen üba
©taat^rec^t, Äirc^enrec^t, 9lec^t«j)F)ilofop^ie, über ©efdt^ic^te ber neueren ?ß^ilofot)^ie, über
ba« SSer^ältni« bon Äirc^e unb Biaai u. f. U). Sei ©elegen^eit bc« 3wfö'"*^<^"^ritt« bc^
20 bereinigten Sanbtag« 1847 trat er al« j)olitifc^er ©c^riftfteDer auf, um bor ©infü^rung
einer ftänbifc^en SSerfaffung mit blog beratenben ©täuben ju toamen unb bagegen bie
(Sinfü^rung einer Äonftitution ju em})fe^len. 93alb foDte fid; i^m in ^reufeen bie gro^c
j)olitifd^e Saufba^n eröffnen, bie i^n jum güF^rer ber lonferbatiben Partei unb j^u einem
ber erften t)arlamentarifc^en Siebner ©uropa« er^ob. „®« lag" — fagt Dr. SBe^ell in
26 feiner 1862 gel^altenen ©ebäc^tni^rcbe bon©ta^l« äußerer Begabung — „ein unbefcbretb=
lieber 3<i"f>€^ i" '^^^ S'^fl^ f^^"^ ^flcbe, ber überall bernel^mbar, flar unb burc^fi^tig
bi« jum ©runbe, nie ficä^ überftürjenb unb bod^ boll mannigfaltigen SBet^fel«, ftets
fjjannenb unb nie ermübenb in ununterbrod^enem Saufe baJ^in^of;." ©ein männlich
ätuftreten im ^Qi}x^ 1848, feine 9Ba^l für bie erfte Äammer, h)o er mit Setbrnann^
80 ^olllüeg bie äu^erfte Siechte bilbete, foh)ie fj)äter für ba« 3}olte^au« be« (Srfurter ^^rla=
ment« (^ier gab er bie feitbem fo oft h)ieberbolte ^arole au^: Slutorität, nic^t 3Waiontäl)
unb feit 1854 feine (Ernennung für ba« neugebilbete §errenl^au« ^um Äronf^nbifu« unb
jum ^Kitglieb be« tüicber ^ergeftellten ©taatörat« mag ^ier nur 6rh)ä^nung finbcn. 6«
Wax in feinem ÜKunbe feine ^l^rafc: „^c^ toar immerbar ^reunb einer männlichen, fitt-.
3ö lidE^en unb georbneten greil^eit ; blo^ bie Stebolution nieber jc^lagen, ift f^on feine gefunbe
Slcaftion, aber entfc^ieben falfd^ ift e«, ©efunbe« mit jener ^u treffen. 6« ift bie falfct<
Sleaftion, ba^ fie nic^t blofe gegen ben Äran!^eit«ftoff, fonbern auc^ gegen bie CSnttoicfe:
lung^feime reagiert unb ba| fie nic^t blofe bie Äranf^eit, fonbern aud^ bie ©lieber, rvdän
mit il^r beF)aftet finb, |\erftören unb ohnmächtig legen h)ill." 3)em h)iberf})rid^t ba^anbere
40 Söort nid^t : „^dj fürd^te nic^t bie afute firanf^eit ber 9)emofratie, ic^ fürchte bie c^ro--
nifc^c be« 2iberali«mu«. 3^ fürd^tc nic^t ben Umfturj, fonbern bie 3^^""9"- ©^
legentlid) äußerte er \vol}\, feiner ^erfönlic^en ©teDung nad^ gehöre er in ber Jjarlamen^
tarifd^en Slebelüeife in ba^ linfe ßentrum, unb eö jci eben bie 33erfd^oben^eit ber bolitifc^
Serl^ältniffe, toenn 5JJänner lüie er, fic^ auf bie äufeerfte Siechte gebrängt fä^en. Sei
4ö allen Äämj)fen für bie d)riftlic^e ©c|ule, bie d;riftlic^e (g^e, ben c^riftlic^cn ©taat jeigte
fic^ ©ta^l^ fiegreic^e^ SBort. ©ein marnte^ 3i"^^^ff^ füt bie Kirche brachte e^ mit fti,
bafe iF)n im ^a^re 184() bie juriftifdbe gafultät bon 33erlin in bie Oeneralf^nobe fanbte,
bafe er 1848 3Jlitglieb be^ neuerric^teten, balb jeboc^ tüieber aufgelöften CberfonftftoriumÄ
1852 5Witglieb be^ ebangelifc^en Cbertirc^enratg tourbe; ebenfo bafe i^n bie Serlinct
60 ^aftoralfonferen^ 1848 ju \i}x^m ^räfibenten, ber ebangelifc^e Äird^entag neben b. Sctb^
mann=§olItüeg ju feinem 9Sicepräfibcnten erfa^, lüeld^e^ le^tere SJerl^ältnig 1857 in©tutt-
gart an ben über ba^ 9?erl)ältni^ ;^ur ebangelijcl)en SlHianj^ fid^ jtoifc^en Sut^eranem unb
Unierten erl^ebenben ®ifferenjen fein für bie Sebeutung bc^ Kirchentag« bebauerlic^cö
©nbc fanb. Die ebangelifc^c 2llliance ioar e« auc^, unb jtDar bie ^u i^ren ©unften im
65 3wli 1857 ergangene Sabinett^orbre be« König«, bie ben 2lu«tritt ©ta^l«, be« obnebin
faft ifolierten, au« bem Dbertird^cnrat (herbeiführte. Um fo me^r ]pxxd)t e« für ©to^l,
lücnn er in feiner n^armen ©cbäc^itniörebc auf ^riebrid) Sßil^elm IV., bem legten i^or-
trage, ben er am 18. 3)Järj 18G1 im (Sbangelifd^en Serein ju Serlin ^ielt, ba« @cs
ftänbni« ablegte: „T)er geiftlic^e (Sl^arafter, ba« ©ejjräge bon ^rei^cit, 3""^^i*'<^'
60 ©albung, iDelc^en ba« Äirc^euregiment bon il^m em})fing, ftel^t al« ein 3){ufterbilb im
Staljl 747
neueren 5ßroteftanti«niu« ba." aßegen be« ?Proöiforium« in ber SRegierung im §erbfte
1857 erlangte er gunäd^ft nur ®ig))enfation öon ben ©i^ungen unb Slrbeiten be« Dber^
lir^enrat«, bi« er 1859 nad^ erfolgter bcfinitiöer Siegelung ber Stegierung^ber^ältniffe bie
toieber^olt nac^gefuc^te (gntlajjung erl^ielt. ©ta^l ftanb no^ in ber gülle feiner geiftigen
Äraft, noä) mitten in grofeen Ääm})fen unb 3lrbeiten, ate i^n auf einer ßr^olung^reife 6
im 93abe 93rücfenau nad^ lurger Rranl^eit ber §err am 10. äuguft 1861 abrief. 6r ru^t
auf bem 3Watt^äiIirc^^ofe Serlin^.
3)aö SQäerl, mit tocld^em ©tal^I nid^t feinem 3flamen blofe, fonbem feinen ®runbs
gebauten über ben d^riftlid^en ©taat 93a|n brad^, toar „3)ie ?ß|iIofo))^ie be« 3led^t« nac^
aefc^ic^tlid^er änftd^t". 93b I, 1830. 3n einer DöDig umgearbeiteten Slu^gabe Don 1847 lo
fül^rt ber I.93anb ben bef onberen litel : ,,®efd^id^te ber 3fle^t«t)^ilofot)^ie", ber IL93anb:
,,3led^tg= unb ©taat^lel^re auf ber ©runblage c^riftlic^er änfc^auung." — 2Bie fc^on ber
anfänglid^e a:itel fagte, na^m ©tal^l feine ©tettung auf feiten ber ^iftorifd^en ©c^ule,
bod^ n)ä^enb bie gefd^ic^tlid^e Slnfid^t in il^rer Sebenbigleit, n)ie fte ein ©abign^ öertrat,
aüBiffenfd^aft unb ^raji« ju berfö^nen lüufete, fo toar fie ^ bod^ aud^, bie, ftarr unb abftralt i5
aufgefaßt, burd^ 2lbh)eifung ber ^öd^ften fragen bie Äluft lüciter befeftigte, ate fte je
Dörfer beftanben. ©tal^l« ©treben ging nun ba^in, in ftreng lüiffenfd^aftlic^em ®ange
in ba« Snnerfte ber gefd^id^tlid^en ©d^ule ßin^eit unb Älar^eit be« S3eh)ufetfein« ju
bringen unb „aU i^ren Äem nic^t bie 3lnftc^t über baö gaftifd^e, toie baö Siedet entftel^e,
fonbern bie über ba« ßtl^ifd^e, h)ie e« entftel^en, toeld^en '^nf)alt e« erl^alten foDe, bie 20
2lnft(^t über ba«®ered^te feftguftellen." Übergeugt, bafe e« nur nod^ gtoei Sofungcn gebe,
um h)clc^e ber ltam})f ber ©eifter fic^ fd^are: l^ie $ant^ei«mu«, ^ie J)erfönlid^er, über-
toeltlid^er, offenbarungefäl^iger ®ott! — überzeugt, bafe bie 3)enlart ber gangen neueren
^^ilofoj)^ie t)on ber Seugnung be« lebenbigen ®otte« erfüllt fei unb folgerichtig bic3w-
ftörung in Äird^e unb ©taat gu i^rer legten t^ätigen ßrfüttung j^abe, unternahm er e«, 26
„bem 5tationali«mu«, beffen innerfte« SBäefen il^m gumal am §egeliani«mu« War geworben
h)ar, einen eh)igen 2)enlftein gu fe^en"; er unternahm bie Säufbedung jener erften Süge,
al« ob bie SBelt bon @h)iglcit nacb logijcbcn ®efe^en befte^e, aU ob man an ber 6r-
fcnntni« ber 3)enfgc{e$e auc^ bie ©rfenntni« ber SBelturfac^e unb be« SQäcltgufammens
^^ang« befttyc, al« ob ^^ilofoj)^ie ba« le^tc Rkl ®otte« fei unb nid^t öiclmel^r ®ott ba« ao
le^te 3iel ber ?ß^ilofo^^ie. 6r rief bie SBiffenfc^aft „gur Umfel^r"! Unb lüie Derargte
unb mifebeutetc man i^m biefen 9luf, — S3eh)ei« genug, baf; er bem gcinbe in« §erg
getroffen! ^äik man i^n um biefe« Slufe« tüiDen gern ber Untoiffenfc^aftlic^feit unb
geinbfc^aft toiber bie ^^ilofoj)^ie begic^tigt, fo n)ar fein gange« SJud^ eine 3lbh)el^r fold^er
i^erbäc^tigung, aber auc^ au«brücHid^ ]pxad) ©ta^l bie Sefürd^tung au«, bafe mit bem 36
(Srlöjc^cn ber $^ilofoj)^ie eine geiftige Verarmung eintreten toerbe. 9Jamentli(^ ber
Sl^eologie fc^ob er e« in« ®eh)ijfen, nic^t bem ®egner allein am a^age ber ®4llad^t
bie 3Wac^t ber $^ilofoj)^ie gu überlaffen. 3m ®egenfa§ gu einer 9led^t«>)l^ilofo(3l^ie, bie
fi(^ felbft be« 2Borte« „®ott" fd^änten gelernt unb l^öc^ften« „gleid^ni«h)eife bem Slbfoluten
ber ?ß^ilofo})l^ie bie SBegeidJinung bc« Ujeilanb $enn ber SBelt gelüäl^rte", ftellte ©tal^l 40
an bie ©pi^e feiner grunblegenben 9lu«füF)rungen bie Sc^re bon ber $erfönlid[|Ieit unb
ber greil^eit ®otte«, um Don ^ier au« ba« ftttlicbe ®ebiet, infonberl^eit ben SSegriff ber
®erec^tigleit unb bc« Siecht« gu lonftruieren unb aud^ in ben rechtlichen ^J^ftitutionen,
fo gelüife fie einen organifc^en ßl^aralter tragen follen, ben allgemeinen 3"9 "^^ ^^^
^erfönlic^en nac^gulüeifcn unb gu unterftü^en. Sei biefer Äonftruftion fonnte e« nid^t 46
fehlen, bafe bie guriften i^m gu Diel, bie ^bilofo})^en gu toenig ^^ilofoj)^ie, unb beibc
i^m gu bicl 2)ogmati! gum 3Sorn)urf machten. SBa« fj)egiell ben ©taat anlangte, fo brängte
er gu ber 3lltematiDe, bafe enth)eber ber aSolI«h)itle ba« oberfte ®cfe^ ber fittlic^en SBelt
fei ober aber bafe e« eine ^ö^ere fUtlic^e 5Kad^t über bem 5Dlcnfd^en gebe, bie Drbnungen
für i^n feftgefc^t unb geheiligt ^abe, öermögc toeld^cr auc^ ber 9?oIf«n)ille bem beftel^cnbcn 50
Siecht unb ben bcfte^cnben Dbrig!eitcn gebunben fei. 2)agh)ifc^en fei fein Dritte«, e« lüäre
benn bie ß^aralterlofiglcit. 2Bie er im 9lationali«mu«, biefer pringit)iellen ©mangipation
be« 5Dlenfd^en bon ®ott, bie QucHe ber SieDolution fal^, biefe« über ben einmaligen 3llt
einer 6mj)ijrung tücit ]5^inau«ge^enben gnftanbe« ber Umh)älgung, fo fanb er im G^riftentum
bie cingige SKac^t, bie Slebolution gu jd^liefeen (f. ©ta^l« SJortrag : „2Ba« ift bie Slcbos 56
lutionV" 1852). Wxi fiegreic^er Äraft trat er ber römifd^erfcit« beliebten 3Serbäc^tigung
entgegen, al« fei bie Slcformation ber 2tu«gang«j)un!t für 5lationali«mu« unb 3)cmofratie.
3n feiner biele aiuf lagen crlebcnben©c^rift: „2)er ^roteftanti«mu« al« Jjolitifc^e« ^ringij)"
— bcl^anbelt er ben ©influfe be« ^rotcftanti«mu« auf ba« anfeilen ber dürften, auf bie
©clbftftänbigleit unb $cnlidbfeit i^rcr -iDlact^t nac^^Slömerfia}). 13 gegenüber ber (3ä})ftlid^- go
748 Siaffl
ßciftlic^cn ®ch)alt, auf bic grcifiett bcr SöIIcr, auf bic Äocjiftcnii bcr itirc^cn unb tcli:
ßiöfc 3)ulbung, auf unfcrc Stellung jjur 0efc(>ic^tIi(^en ßnttoidfclung unb gum gcfAic^t
üd^en JRcc^t, unb fc^Io^ mit einet ^^i^nw'^Ö t>^ 3^f"^^'^*""^ ^fö bcß ©egcnfa^eö jum
^roteftanliemug. ©rfion au^ biefen Slnbeutungen ergiebt ftc^, toelc^en ^rrtum man begebt,
6 toenn man ©ta^l ate einen ©c^üIer 3(bam SDlüDer^ betrad[|tet, beffen ^h^l bet mitteU
alterlic^e ©taat ttyax, toä^renb ©ta^l einen bom (Seifte be^ ßl^riftentum^ toicbergcborencn
©taat lüoDite. X^er ©taat aU bie ©inigung bet Station ju einem Sleic^e ber ©itte, ^u
einer ©cftaltung beö gamen öffentlichen Seben^ nad^ fittli^cn Orünben unb ^tpctfen toor
i^m eben barum bie ^öd^fte DarfteDung unb l^ödjifte %l}at ber 5iation, in ©efe^ebung,
10 SSerlüaltung unb SSöIfened^t bon c^riftlic^er ©efittung unablö^bar, unablööbar toon c^rift
li^er @^e, gib unb SSoIföerjiel^ung, t)on bem 3^"Ö"i^ ^^ ^^^ cbriftlic^c ^Religion unb
Sirene felbft. ^n ber 2lnh)enbung ergab fic^ i^m, tpie er e^ im ^af)xt 1847 in einer
burc^ bie SSer^anblungen be^ bereinigten Sanbtagg l^erborgerufenen Slb^anblung: „tu
c^riftlic^e Qiaat unb fein Ser^ältni^ jum Dei^mu« unb $eibentum" — au^fprac^, bie
16 5Ric^tfc^nur, Dafe ber ©taat fic^ aUerbing^ ^üten muffe, bie Untert^ancn gur Äirc|e ^;u
^tüingen, aber ebenfofel^r fic^ tjorgufe^en ^abe, bie Äirdjie je j)rei^3ugeben, bafe bie bütger-
lid^en dizd^U allen (Staatsangehörigen of;ne Unterfd^ieb beS ©laubenS ;^uIoinmen, bic
f>oIitifd^en bagegen Don ber ßuge^örigfeit ju ber anerlannten d^riftlic^en ^trc^e abhängig
eien, bafe auf bie grage nad^ bem c^riftlic^en 6^arafter einer neu fic^ bilbenben ©Äe
20 ber ©ouDerän burc^ ^uDerläjfige Organe mit ©i^erl^eit entfd^eiben fönne, ba eö fi*
babei nid^t um 3)ogmen, fonbem um 3:^atfac^en, nidf^t um Äird^c, fonbcm um ß^riftentum
l^anble. älbgefe^en baöon, bafe biefer Äanon in ber ^roji« nic^t immer baö SBJort ber
Söfung in fic^ trägt, mufe eS im Flamen ber ©erec^tiglcit lonftatiert toerben, bafe bicfe
1847 aufiJgefjjrod^enen ©runbfä^e im toef entließen biefelben fmb, bie 1855 ©ta^I in bem
26 Vortrage über bie 2oleranj erläuterte, ©tal^l ^atte nie Derfannt, ba^ unferc ^flic^t eine
ec^t c^riftlic^e 3:oIeranj fei, bie fic^ ber mannigfaltigen ®aben ju freuen $a6e, bie in ba
§offnung ber ©inigung lebe unb bie ®^re OotteS nid^t in ber Semic^tung, fonbem in
ber ©rrettung ber ^einbe fud^e, bie nic^t nac^ äußeren Äennjeid^en i^re ©renjiimcn jiebc,
fonbem bie ©ntfc^eibung in bem legten glimmenben ©laubenSfunlen toiffe, ben nur @ott
80 berfte^e. 3)oc^ öon biefer baS irrenbe religiöfe ©eloiffen im anberen tragcnbcn, pofitiijen
2^oIeranj loollte er bie Jjrofane ^^oleranj einer gleid^giltigen unb ffe>)tifc^cn ^^ilofopbic
unterfd^ieben loiffen, bie für bie SBillfür unb g^f^^litterung in religiöfen 35ingen, für bic
SoSreifeung Don ber Offenbarung gerabeju ein Siecht in 2lnfj)ruc^ ne^me unb üon bem
©taate eine völlige ^n^iff^^^nj in d^riftlic^en unb fird^Iid^en 3)ingen verlange. 3" ^
86 Äamt)fe, ber l^ierüber jtüifc^en Sunfen (3)ie ^eid^en ber kcxt 1856) unb ©ta^l geführt
h)urbe, ftanb, aDgemcin genommen, ein einfeitiger ©ubieftiöiSmuS lüiber bic SSürbigung
ber grofecn Dbjcftitoitäten ber Äirc^c unb besJ c^riftlid[^cn BtaaU^, ftanb cnglifc^er 3nbc
jjenbentiSmuS gegen beutfc^eS ©trcben nac^ ©in^cit. ^erfönlic^ betrad(|tet, f onnte ber fäarfc
unb überfd^arfe Zon ber Srtoiberung Btal^l^: „SBiber Sunfen" (1855) — mennfdon
40 nic^t too^It^un, boc^ faum befremben, nac^bem i^m S3unfen auS bem ©tegreif unter bem
3ujauc^jen urteifelofer ?DJaffen fc^ulb gegeben, er j)rebigte SleligionS^afe unb 93erfolgung.
^afe Stal^I fein fte^erridbter mar, belücift am beften fein SJortrag über Äird^enju(^t (1845)
unb feine ^Ka^nung, ,,ba^ nic^t bic ©ei^cl h)iber bie Ääufcr unb SScrfäufcr, fonbem ba^
©d^tocrt beS SBortcö (Sottet bie SBaffe beS ©iegeS fei. — 9ln bicfe ©c^rift Don bcr
45 Äircl[)cn}udbt reil^en ioir eine anbcrc entgegengefc^ter Slbtoef^r am J)affenbftcn an. 3(U am
15. 3tuguft 1845 in öffcntlidien 33Iättcm gegen §engftenberg^ (gb. ^3- cinerfeit^, gegen
bic Sciocgung ber Sic^tfrcunbc anbererfeit^ ein juste milieu, cDangclifd^c äifc^öfc an
bcr ©pi^c, mit einer (grflärung auftrat, um i^r Öl ftatt auf bie ftürmifd^cn 3Boaen ber
erregten öffentlid;cn 2Rcinung Diclmc^^r inö ^^euer ju gießen, erliefe ©ta^I jtoci ©cnbfepreibcn,
60 ioorin er bie ^)albc ^ofition biefer rechten 5JJittc unb i^re SSerbäc^tigungen, aB ^anbcle e^ fub
bcr ortl^obo^cn ^^Jartci um ba^ ^a})fttum einer g^i^"^^^» wm ^errfc^fuc^t unb Äird^enbann,
cbcnfo milb iüic fcbarf ioibcrlcgte. iBielleid^t cjrifticrt feine ©d^rift Don ©ta^l, in bcr er au?
fo iücnig ©citcn feine ci^riftlid)cn, tirdblidBcn unb t^eologifd^cn (Smnbfä^c jufammengebrängt
l^at. T^afe cö unter bem Sanncr ber Augustana fid^ nic^tum t^cologifc^c St)i^ftnbigfciten,
65 nidbt um ix>iffenfdbaftlid;c ^^affungen unb Sermittelungen, fonbem um bic liefen bc^ geoffen:
bartcn fflorte^, um bic Heiligtümer bc^ erleuchteten religiöfen ®emüte^, nic^t um Sebren
;unäd)ft, fonbem um unDcränberlicbc l:batfac^en, mitl^in in bem Äampfe loibcr bie Siebt:
ircunbc md}i um öcnfcbaft einer ^^artci, fonbem um ßrl^altung ber beutfc^cn cDangcli-
fcbcn ii\xd)c felbft banbclc, baf^ eben &oit unb n\d}i ba^ SSolf DucDc unb Jperr ber
Go Sieligion fei, bafe aber in bem 3"ftönbc allgemeiner ©leic^giltigfeit ber (äemeinbcn gegen
®tal|l 749
ba« ßbaitöelium bag Rird^cnrcginient fid^ nid^t fd^Ied^tl^in auf bcn SRed^t^boben be^ Se^
Imntniffe^ ju ftü^cn, fonbcrn bem Icbenbigcn 2Bac^«tum eöangelifd^er ©rfenntni« au«
jic^ l^crauö bic Serbrängung be« ®e0enfa|e« anjubertraucn unb barum aud^ eine ©e«
täumiglett für öffentlidjie Se^rc ju getüä^ren ^abe, bafe bte Äird^e fid^ nid^t grunb^ unb
in^alt^lo« auf bie ©ubjeltibität afö fold^e bauen laffe, bafe enblic^ eine brol^enbc f ird^Iic^e 6
Ärijt« i^re §eilung ni^t in einer unter bem ©influffe eben biefer Ärifi« gebilbeten 93er*
faffung finben toerbe: — bie« bie tragenben unb treibenben ©runbgebanfen ber beiben
Scnbfd^reiben, bie ftd^ fd^liefelic^ über ba« aSerl^ältntö ber objeftiben Se!enntni«norm jur
inbiöibueDen ®Iauben«freif^eit in bie beiben SBorte jufammenfaffen: „^^ftftellung ber
3lug«burgifd[ien Äonfeffion al« l^eologifc^er unb re^tlic^cr ©runblage für bie Ätrc^e, ^rei« lo
^eit unb SBeite für ben ßimelnen! DI;ne jene« feine gefiederte ßrl^altung ber ©lauben^s
fubftanj in ber Äird^e unb ifeine re^tlid^e Drbnung, o^ne bicfe« feine innere lebenbige
entlDicfelung unb feine 93efriebigung für ba« Sebürfni« ber 3^^^'" ®o ^ulbigt ©tal^l
bem für aDe« Siegiment, aud^ für ba« ber Äirc^e fo tüic^tigen Äanon, bafe ba« fonfrete
Seben — bei feiner ^ntongrucnj ber Erfüllung mit bem ^oftulat — bie $rtnji})ien toeber i6
um be^lüitten aufgeben bürfe, iDeil fie nid^t ööHig burdbfü^rbar feien, nod^ um be«h)iDen
ftc mit Slic^tac^tung ber ^^eil^eit burc^fül^ren, toeil fie fonft nid^t folgerid^tig beftänben,
bafe auc^ bie c^auj)tle^ren in il^rem befenntni«mäfeig gefc^Ioffenen ß^fammenl^ange bie
©eltung ni^t einer beenaenben 3?orfc^rtft für ben ßinjelnen, fonbem eine« gunbamente«
Ratten, auf bem bie Äir^e al« ®an;ic« ru^e. gür ba« f})ätere SBerf Bta\)li über bie 20
Union, f oiDie für bie befannte ^räfibialrebe bom Stuttgarter Äird^entage ift fe^r e« beai«
ten«h)crt, bafe in jenem ©enbfdjireiben au«brücflic^ unb tüieber^olt betont loirb, h)ie nidjt
ba«, toa« ^tWa an ber 3lug«burgifc^en Äonfejfion blo^ tlf^eologifd^e gaffung fei, al« bie
©emeinfamfeit ber Äird^e betrachtet toerben bürfe, fonbem nur „jene Äemle^ren, hjelc^e
bie I^aten ®otte« jur ßrlöfung ber 3Kenfd^^eit bejeid^nen unb bie innere Seben^ftellung 26
be« SJJenfc^en ju ®ott unb bem ^eilanb beftimmen".
SQäenben totr un« nun ju ben größeren tl^eologifd^en SBerfen ©tal^l«.
3:eil« burd^ Vorarbeiten für bie le^te Abteilung feine« SBerfe« über ?ß^Uofo))^ie be«
Sled&t«, teil« burc^ bie Sorlefungen über Äirc^enredS>t an ber Uniberfität ßrlangcn toar
©ta^I auf ba« genauere ©tubium ber j)roteftantifdben Äirc^enberfaffung gefül^rt toorben, so
beffen JRefuItate er 1840 in feinem SBcrfe: „Die Äird^enberfaffung naS) Se^re unb Siecht
ber ^roteftanten" — beröffentlid^te. Der3:itel berfbrac^ ju biel, bie reformierte Äirc^en*
toerfajfung fam nic^t ;^ur 3)urc^fü^rung. Sein ^\d h)ar, bie SQBieber^erfteDung ber alten
j)roteftantifc^en 3Serfaffung«le^re, jebo^ gemilbert im ®eifte S})ener« unb h)ifienfc^aftlid^
berichtigt, ju unternehmen. @r berfu^te gu" jeigen, baf; bie brei S^fteme, ©bijfojjals, 86
territorial- unb iloHegialf^ftem, nid^t bloge erflärung«berfud^e ber lanbe«l^errltd^en ®e-
tüalt, fonbem 2lnftc^tm über ba« ai?efen ber Äird^engeloalt, ja ber Äirc^e felbft feien,
feine«h)eg« jufäDige ÜBerfuc^e ßinjelner, fonbem 3(u«flüffe ber ^errfd^mben Slnftd^t einer
ßtooc^e, unb fo ben brei @j)oc^en ber t^eologifc^en ßnttoirfelung, ber ortl^obojen, jjietifti^
fc^en unb rationaliftifc^m, entfjjräd^en. ^m ßwfömmenf^ange mit ber iebe«maligen poli- 40
tifc^en Slid^tung bejeid^ne ba« erfte Softem bie Selbftftänbigf ett ber ^nftitution ber Äirc^e
im Staate, ba« ^^erritorialf^ftem bie Sllleingetoalt be« £anbe«^errn, ba« Äollcgialf^ftem
bie §errjc^aft ber ^Rajoritäten. So entfd^ieben Sta^I bie territorialiftifc^e SRid^tung be-
fämbft, fo menig fann er fic^ bem entgegengefc^ten Streben anfd^liefeen, bie Äirc^e öom
Staate gu löfen ober boc^ jeben ©influfe njeltltd^er Dbrigfeit auf bie inneren Äirc^en^iö
angelegen^citen ju befeitigen. ^ene« ift if^m fc^Iec^t^in tüiberfird^Iic^, biefc« jum minbeftm
un^roteftantifc^. SSefaffc bod^ ber Segriff „Äirc^e" aufeer ben göttlichen Stiftungen unb
bem in erleuchteten ^^\Un ertoecften Sefenntni« bie in grei^eit au«gebilbete gefc^id^^tlic^e
Serfaffung ! (3luf(. II, S. 68). Sei nun aber bie gegenn)ärtige Äirc^engetoalt ber Sanbe«*
fürftm nid^t normal, fei fie nur bei einer inneren ßprfurc^t i^rer iräger bor ber Äird^e 60
al« einer göttlichen 3lnftalt juträglic^, fo müfje ber (l))iffoi)at, o^ne SJerfünbigung an ber
^iftorifd^en SRid^tung, attmä^Iid^ burc^ eine intenfibe Steigerung be« fird^lidjim ®eifte« er*
ftrebt toerben. Die 9?orau«fe^ungen, bon benen Stallt bei biefer 6mj)fel^lung ber (&pu
ffopalberfaffung au«ge^t, finb biefe: ®emeinbe fmb bie im ®lauben berbunbenen HRenfd^en,
ftird^e bie gottgeftif tete gnftitution über ben 3Renfd^en ; bie 3;i^ätigf eit ber ®emeinbe ift 66
eine 2l^ätigfeit ber 3)ienfc^en gegen ®ott, bie ber Äirc^e eine S^^ätigfeit in SSoDmad^t
®otte« gegen bie ^Renfd^en; bie ®emeinbe ift nur ber Qi^'^^Ö'^ff ^^ gegenlüärtigen
SWenJd^en, bie Äirc^e ber ^iftorifc^e SSeftanb burd^ alle 3^'^^"- 35ie Äird^e ^at alfo ein
binbenbe« anfeilen über bie ©emeinbe. Soll nun bie Äird^e nid^t in ifolierte Sofat
gemeinbcn gerfaDen, fo ift eine Ij^ö^ere longentriermbe ÜJlad^t nötig, bie enttoeber burd^ co
750 @tal|l
[tctg neue 2öa^l nur borübergc^cnb ©injclncn aug bcm £cl^r= unb Satenftanbc übertragen
toirb: bie^ btc j)rcgbt;tcriale Serfafjung mit il^rem blo^ gemcmblic^cn ß^rafter — ob«
einigen am bcm Sc^rftanbe bicibenb ^ulommt, bic bereite allein unb jjerfönlic^ einen
Meinen Sprengel ju leiten If^aben: bie^ ba« autofratifd^e 5ßrinjij) bcr ej}tffot>alcn 88ct--
6 fajfung mit if^rem firc^lic^en 6l^ara!ter. 2)em Staate gegenüber nottücnbtg^ bcm inneren
3uftanbe ber Äird^e förberlic^, ber uralten ajjoftolifd^en ©inrid^tung, fotoie btblifc^er 9Ra^
gäbe entfjjrec^enb, bem ^roteftantifc^en Sefenntni^ in SBort unb ®eift ^omogcn^ ftnb nad^
Stal^U 9Keinung im 6j)iff o))alf^ftem fefte ?ßunlte tjor^anben, gegebene unb auf Sebcne^eit
bleibenbe Autoritäten, ftatt grofjer 3?erfammlungen beftimmte ^erfönlic^Ieiten, unmittd-
10 bare ©ubjcfte ber Äird^engetoalt, bie juglei^ ^IJfleger ber ©eelforge finb. ®tn beutfci^
ebangelifc^eö ßj^iflopat h)irb ben rechten 2)amm gegen 93ebrücfung toon aufeen, einen
Damm gegen äbfaÜ unb 3^'^^örung bon innen bilben. Cbtüo^l burc^ ben Qn^cmmai'
tritt ber Sifc^öfe bie Äirc^c allein in i^rer ßin^eit berät unb befd^liefet, tft bic 3icilna^nie
unb 3nith)irlung be« gesamten Se^r- unb Saienftanbe« an ber Senhing bcr Rixd^ ni(^t
16 au^gefc^lojfen. 2Bie fte^t nun ©ta^l ju ber ^re^b^terial- unb ©bnooaltjcrfafjung, auf
bie er in ber jtveiten aufläge feinet Äirc^enred^tg (1862) au^fül^rlic^cr eingebt? 9Jac^bem
er bie „©runbtäufc^ungcn" be!ämj)ft f^at, al« ob unfid^tbare unb fid^tbarc Rxx^, jebe
afö eine ©ac^e für fic^, ol^ne ßwfammenl^ang mit ber anberen erfd^eine, afö ob Oemembe
unb Rxxd)^ ibentifc^, afö ob ba^ allgemeine ?ßrieftertum ba^ geftaltenbc ^ringij) ber Scr-
20 faffung, ftatt nur bie ©runblage ber Serfaffung fei, al^ ob enblic^ in bcr dpofioli^d^
Äirc^e jemate geiftlic^e ^rebiger (ministri) unb toeltlid^e Slegierer (presbyteri) ^
gegenübergeftanben l^ätten, fommt er ju bem©afee, bafe bie Bereicherung burd^ catoinifie
refj). ©^nobalelemente nid^t abjutoeifen fei, fobalb bie ©emeinbe burd^ bad Se^ramt,
nic^t aber ba^ Se^ramt burc^ bie ©emeinbe aufgenommen h)erbe. 5?ur fei angcfw^tö einer
26 toerfd^toimmenben i^eologie, angefid^t« ber grofjen glaubenglofen 5Waffen, bcr bie Äin&c
unterminierenben geinbe ber S^i^J'i^'^'t ber ^eranjie^ung ber ©emeinbc für bie leü^
nal^mc am Äirc^enregimente fc^ed^t getoäl^lt. ^n h)ie biel })rinjij)ienen Krc^cnrcc^tliien
fünften auc^ unfere ^olemif gegen ©ta^l nottoenbig toirb, h)ie entfd^icbcn totr un^ im
9lamen ber ßinen ixxkrjoia be« 31%^ gegen bie ©egenüberfteHung bon Rixd^c unb Ocmeinbe,
80 im 5Wamen be^ lebcnbigen Drgani^mu^ gegen bie rein gefe^lid^e 2luffaffung bcr Sink
ate einer ^nftitution, im 5Jamen be^ allgemeinen ^rieftertum« gegen jcbc« anbcr^oNr
entlehnte JJerfaffunge^jrinji}) ju bertva^ren ^aben: barin muffen toir ©tal^l öoDftänbi^
bei})fli4^ten, ba^ bie Übcrfc^ä^ung ber ©^nobaleinric^tung, ate beruhe auf i^r atte 2egi:
timität ber ©ehjalt in ber et)angelifc^en Äirc^e, noc^ unj^eilboHer toirfen h?ürbc, ate ber
36 SJiangel an ©^nobcn. 3)ie ebangelifd^e Äirc^e braucht nic^t erft i^ren ©cburtötag ju be=
fc^liefcn. Sffiic urf})rünglid^ gefunb ©ta^t in 93ejug auf firc^lid^e SScrfaffungefragen
ftanb, bejeic^net in ber erftcn Sluflage feine Crltärung, ba| jebe^mal bic nac^ ben g€=
gebenen 3"Pönben möglirf^ft ma^re unb förberlirf^e gorm anjuftreben, bafe aber bie 3?cr=
faffung nic^t ba« 2i}efen ber Äird^e fei, fonbern ber „(Seift, ber bie ©emcinfd^aft erfüllt,
40 unb ber ©laube, ber in SBort unb 3:^at betannt lüirb". (gbenfo einfid^tig untcrfc^eibet
er in ber ^toeiten Stuftage ©. 249 bie götttid^e 2lnorbnung, bie un^ ba^ allgemeine
^rinjij) unb ßlement gebe, unb bie nähere 3)urd^bilbung, tveld^e ©ad^c bcr mcnfci^Iit^cn
^rei^eit fei.
2)aö te^te tl^eotogifd^e 3ßerf ©ta^t^g, toenn h)ir bon ber gleiten äfuflage feinet
46 Äirc^enrcd^t^ unb ben in ba^ fird^lic^c ®ebiet eingreifenben SSorlefungen „Über bie ^r^
teicn in Äird^e unb ©taat" abfegen, ift „Die lut^erifc^e Äird^e unb bie Union, eine
iDiffcnfd^afttid^e ßrörterung ber ^^itfrage", ein 93uc^, bag omino^ genug ba^ abtoeifenbe
3Bort Sut^cr« beim 9Jiarburger ^eligionögef J)räc^ — „il^r t^abt einen anberen ®eift benn
tüir" — an feiner ©tirne trägt. 2)iefer anbere ®eift foll ber antim^fteriöfc gug fein,
50 ber burc^ 3^^^"9^i ""^ '^^^^ ^^^ Q^W reformierte Äird^e ^inburc^ge^e, „jene Seugnung
ber gnabent)oIlen Äraft aller göttli^^cn (Einrichtungen atä aJlittelurfac^en", bic in ber Se^
i)om ©aframent unb ber ^räbeftination, in Äuttu« unb Äirc^enregiment ber 9lcf ormicrten
glcid^mä^ig ^erbortretc unb einer (Einigung mit ben Sut^eranem für immer ein un-
bebingteß §inberni^ cntgcgenfe^e. (Sin gntereffe an ber Union l^ätten bie Sieformierten,
66 bie bei einer Union nur getoinnen fönnten, b. f), erobern unb bag Sutl^crifc^c toeg^e^
tüürbcn, ein ^ntercffe ferner ber ^icti^mu^ mit feiner relativen (Stcic^giltigfcit gegen
2et)runterfd)iebe um ber J)rattif^en ^ntereffen toillen, ein ^n^ereffe einige Äirc^entec^t^
lel^rer, meldte bie gin^eit ber bcutfc^en etoangetifd^en Hirc^e ate ba« Urft)rünglic^e barju--
legen berfud^tcn, Dor allem bie i^ermittetung^tt^cologie, bie auf bie 3WögIicI^!ctt einer un-
60 bebingt reinen £e^re berjic^tenb unb in ber ^l. ©c^rift felber, ber ©in^cit bc« ®louben^
eta^I 761
unbcfd^abct, gcßcnfä^Iid^c £cl^rttoj)cn bel^aitptcnb, bic gefamtc Äird^enlcl^rc afö in einem
unauf ^örli^en gluffe begriffen betrachte unb ben ©c^lüfjel jur aSerftänbigung ber ©d^toefter-
Iir(^c in bem „funbamental unb nic^t funbamental" gefunben m ^aben toä^ne. 3)a^
aOäal^re an ber Union fei bie innere 2ßertfc^ä|ung ber ©emeinfc^aft über^auj)t (!), bie
SBürbigung ber berfc^iebenen ßigentümlid^feiten öermöge eine« für ba« Dbjeftibe aü^ ß
mäl^Iid^ gereiften ^iftorifd^en ©inne«, ber eöangelifc^e ©ebanle Don ber unfid^tbaren Äird^e,
ba« ginjte^en atter Äinber ®otte« für bie gemeinfamen ©nabengüter im Jtamt)fe gegen
JRationali^mu«, ?ßantJ>ei«mu«, 9JlateriaIi«mug, ba« SBJal^re bie grofee "^ai^ad^t, bafe ®ott
in ber ©egentoart gleid^fam auf eine SBeile öon feiner bi^l^erigen gü^rung ber Äird^e
abgebrochen unb bon 5ßerfon ju ^erf on in ber ©ecle ftc^ lunbgegeben ^abe, unbelümmert lo
um lutl^erifd^ ober reformiert! 5)ic toa^re Äatl^olicität aber l^abe an ber Union nic^t i^ren
änfang, fonbem il^r ©egenteil ©. 466, bie eöangelifd^e äDianj öoDenbe fei bem inter«
lonfeffioneDen grieben fo toenig förberlid^, atö bie ^cfuiten. SBarum ixb^f)aupt eine @ini«
gung nur mit ben SReformierten, toarum nic^t ebenfo ein 95ünbni« mit ben ©laubigen
unter ben römifc^en Äat^olÜen? i6
3)a« 93u(i^ fd^lie^t mit einer 5Ru§antoenbung auf bie ))reufeif(i^e Union. 3"^ S^^re.
1817 fei ^ier eine 9efenntni«gemeinfc^aft beabfw^tigt, 1834 ba3 f))egieHe ^elenntni«
h)ieber freigegeben unb getoä^rleiftet toorben. ßiner ©e))aration muffe man fid^ entlf^alten,
bamit bie lutj^erifd^e Äird^e nid^t auf öiele üj^ren ßinflufe einbüße unb bamit nid^t bie
2:rennung jtüif4>en Äird^e unb Staat geförbert lüerbe, bringen auf eine itio in partes ao
innerhalb be« Äirc^enregimentg bei 93efenntni^fragen, faDö fic^ nid^t ba« 3Sottfommcne,
bie ©lieberung ber Se^örbe in belcnntni^mä^ig gefonberte ©enate, eneid^en laffe, bringen
auf ein beftimmte« Drbination^formular ftatt ber toagen SSerjjflid^tung auf bie 9e*
lenntniigfc^riften ber ebangelifd^en Äirc^e, bringen auf bie agenbarifd^e ©))enbeformel unb
!h>ar ate auf ein gute^ ^td)i unb ni(^t blof; ate auf eine SSergünftigung, bringen unb 25
►eftel^en barauf, bafe bie 3:eilna^me ber Sieformierten am lutl^erijc^en äbcnbmal^l nur
eine t^atfäd^lid^e ©elüä^rung, niemals einen grunbfä^Iid^en änflprud^ bebeute. ®r
gefte^t ju, bafe bie Union, nad^bem fie einen fo langen 3«itraum tl^atfäd^lic^ beftanben
pabe, auc^ na^ red^tlic^en ©runbfä^en nid^t ignoriert toerben fönne, gleid^iDol^l l^abe
bie lut^erifd^e Äird^e nid^t burd^ einen 3llt ber ©taat^getoalt aufgehoben Serben 30
Ibnnen.
61S ift ^ier nid^t ber Ort, in eine eingel^enbe 93ef(3red^ung be«95ud^e^ über bie Union
einzutreten; ©egenfd^riften finb Don ©adt, bon 3:^oma^ erfc^ienen, jebe Don anberenSe«
fid^t«))unften ; im ©runbe ift bag frühere 3"liw^ 3WüDerf4e SBerf „3)ie Union unb il^r
göttlid^e« JRed^t" in ben meiften Partien bon ©tal^I unbeft)rod^en, in faft jeber, toie un« 35
fc^eint, unlDiberlegt geblieben. Sag nqwxov tpevdog bei ©ta^l ift eine Überfj)annung
be« ©egenfa^eg jlüifc^en £utl^erifc^ unb Jleformiert, er unterfc^ä^t bie gemeinfame SBur^el
in ben großen SR^fterien 1 3:i 3, 16, fotoie in ben beiben reformatorifd^en ^rinji))ien, er
fteigert unb überf>)annt bie d^ari^matifd^e 6l^aralterifterung ju einer untoerföl^nlid^en Diffe«
renj be« ©eifte« unb ber ©eifter. 40
3)ie bi«l(^erige Darlegung i)ai bereite ergeben, bafe ©tal^l, toietool^l 30 ^af)xt feinet
öffentlichen Seben« l^inburc^ in ber ©ubftanj feiner Überzeugungen immer berfelbe, bod^
nic^t bon ßinfeitigfeiten, 3wf>>i|wngen unb Überf})annungen frei geblieben ift, bie ftc^
formen mit au« feinen J)arlamentarifd^en Kämpfen, an erfter ©teUe au« feiner Suft an
i)ointierter ©egenübcrfteDung bermeinter ober tpirfli^er ©egenfä^e, — materiell aui ber 46
©e^nfud^t na^ ©id^erung be« lirc^lic^cn unb ftaatlid^en Seftanbe« angeftd^t« ber 1848er
SReöolution erflären, bie aber oft mit feiner urf))rünglid5i milben unb eDangelifd^en ^er-
fönlid^feit auffaHenb lontraftieren. ^mn fo fd^arfgefd^nitten fein ©efid^t, fo bli^enb fein
Sluge, fo fd^arf unb beftimmt fein SBort, fo fear bod^ in ©tal^l« ©eele (n)ie in feinem
ilört)erbau) ütoa^ 3^^^/ 3Rilbe«. 2)emut rühmen il^m ^reunbe unb ©egner nac^. 50
„SRiemal«," fagt fein toieljä^riger greunb t). ©erlad^ in einer ®ebäd^tni«rebe (Serlin 1862,
^einidte), „f}ah^ id^ mitten in ben ?ßarteifämj)fen 93itterfeit ober j)erfönlid^e ©ereijtl^eit
an il^m Wahrgenommen, ©eine Jg>altung toar mitten im ©lanj ber SBelt, mitten unter
ben ©d^tangentoinbungen ber jjolitifc^en ^arteiläm(3fe frei, feft, ebel. 3)ie ^öc^ften gbeale
be« Siedet« unb ber ^^eil^eit, ©lauben unb 6inig!eit erfüllten feine ©eele". 6in l^in« 66
gebunggöoDer greunb ben greunben (f. j. 93. ben fc^önen 5Wad^ruf an feinen il^m tooran^
gegangenen greunb unb Ram))fgenoffen $ermann D. SRotenl^an), mit feiner ©attin in ber
glttdtlid^ften ßl^e lebenb, feinem Äönige mit l^ol^er 93egeifterung ^uget^an, berÄird^e treue«
©lieb, gegen 9Jotleibenbe barmberjig, felber fo uneigennüfeig, ba^ er bei feinem mäßigen
^rofefforengel^alte brei mül^etooue ßl^renämter ol^ne jebe Vergütung übemal^m, jüngeren eo
752 Sta^I Staitcantd
HRänncrn ber SBSiffcnfc^aft ein anregenbcr %üf)x^x unb treuer 93erater, — fo fte^t Stobls
Stlb al^ ein burd^au^; eblei^ im ©ebäc^tni^ ber beutfc^en ebangeltfc^en Stirere.
IRnboIf fiigel t
Stattcarttd, granciöcu«, au« 5Kantua, ge[t. 1574. — fitttcratur: 9iQ(6riditen
6 über i^n bei fiubienicjfi, Hist Ref. Polon. 1, V; II, VI; Begenvolscius (Wengierski) Hi^
Eccl. Slavon. I, 84; |)artfno(^, ^reufeifc^c Ä'.=®efd)., I, 330 ff. (fein Wbfdiicbebricf an ixrjog
$nbrcc^t ebb. ©. 344); 89ar)Ie, s.v. ©tancaruö; SaloinÄ ©ricfracc^fcl im CR cnt^ölt mändH»
(ugl. bcn 3nbc^): bc«^fll. 3)aIton, 3o^. a. fiadco (1881) unb SaSciana, ^b III; Cri^omono.
ed. ÄorjcniotoSfi, Ärafau 1891, enthält fecf)8 ©riefe üon @t. qu^ 3)u6ic(fo, 1500 f. (®. 722 ji.)
10 unb einen 33rief an i^n (@. 497). S^ql. ^^lancf, <Prot. Sc^rbcgr. IV, 449 ff.; $>cberlc, Züb.
3- 1840, 142 ff. — 8cf)riften: Fr. Stancari, Moutuani Ebrcae Grammaticae Institutio,
ßasileae 1547; bc§f. Ebr. Gram. Compcndium (Bas. 1547); be^f. De Trinitate et Media-
tore Domino n. J. Christo adv. Henr. BulliDger, Petrum Märtyrern et de. CalviDum etc.
ad magnif. Dom. Nobiles Polonos (2)ebifation ö. 1. 3uni 1561), ent^altenb aufecrbcm: Ad-
15 monitio de libris Calvini ; De Dictione exclusiva 'Tantum' in causa Mediatoris ; De Offi-
ciis Mediatoris, Pontificis et Sacerdotis Domini n. J. Christi (batiert Dubecii 1559) unb
*Examinatio Pinczovianorum super Confessionem fidei, 1561 ; bcrf., De Trinitate et Unitate
Dei, deque incarnatione et mediatione D. n. J. Christi adv. Trideitas, Arrianos, Eutychiaiitf
etc. ad magnif. Dom. Petrum Zborovium ... A. D. 1567. (5ßorrebe auS ©tobni^
20 1. s^jpi-ij 1567). lieber feine weiteren ©cftriften ugl. u., fotoie ®c§ncr« Bibliotheca.
©tancarug (Stancaro), ein 3RitgIieb ber italienifd^en (gmigration im Slefomiation^
ja^r^unbert, l^at in fdjieinbarem ®^Qm]a1i gegen feine ©enoffen, toeld^c bic Präger b<i
Unitari^mu^ toaren, boc^ im toefentlic^en btefelben gntereffen toie fie toerlrctcn unb bamtt
eine getoiffe Sebeutung für bte Dogmcngefd^ic^te gewonnen.
26 SJBag feine äußeren Sebcn^umftänbe betrifft, fo finb feine früheren ©«^idtfalc bunfd.
3la6) ben angaben über fein älter bei feinem 3:obe, bie tuir bei Slegenöolfciu^, fyau
fnoc^ unb 93a^Ie finben, müfjte er ettoa 1501 geboren fein. 5lac^ ©dplüffclburg (Cata-
logus haereticorum tom. IX, p. 38) ^iclt er fid^ in einem Äloftcr auf, ol^ne bafe unl
gefagt h)ürbc, n)elc^em Drben er angehörte. ^ebcnfaDö fd^eint feine 35orbUbung ni(^l
30 h)te bei ber lDicf^rja|l feiner ©enoffen urfjjrünglid^ eine me^r ^umaniftif(^e gctocfen ju
fein, ^ielmc^r mac^t er feine fj)e^ififc^ t^eofogifc^e Silbung, feine ftenntni^ ber gc^^
iaftiler, h)ie auc^ ber ^cbräifc^cn unb ^albäifd^cn ©j^rad^e mit Dftentation gcltenb. au(6
feine 3Jietl^obe erinnert noc^ bielfac^ an bie ©d^olaftif. ßr beginnt j. S. fein 2öer{ De
Trinitate mit Definitionen ganj abftrafter Segriffe, um barau^ bann ©c^Iüffe gu Rieben.
36 SKriftotele^ ift i^m Autorität loie ber magister sententiarum. ^m ^al)xe 1543 fii^cn
h)ir iF^n nad; be ^orta (Historia Ref. Rhaeticae p. 89) in Gl^iabenna, 1546 in Safcl,
tüo er eine ^ebräifd^e ©rammatif unb anbere ©c^riften ^erau^giebt. 35on jcjt an nimmt
fein üüUn ben G^arafter ber Unftätigfeit an, n)elc^er jenen italicnifdjien Flüchtlingen io
eigentümlid^ ift. gn Äralau h)urbe er al^ ^rofeffor angeftettt (f. S3b XV. ©. 521»), balb
*o aber al^ Äe^er gefangen gefegt. 6r enttoic^ unb Ujurbe im 3Rai 1551 an bic §od^f(buIc
nad^ Königsberg berufen. §ier tritt er atebalb gegen Ofmnber auf. ßr fteüte bcjiai
93e^au))tung, bafe (i^riftuS unfcre ©ercc^tigfeit fei nac^ feiner gijttlic^en Dlatur, bie anbei«
entgegen, ba^ ß^riftuS 5DJittler fei nur nac^ feiner menfc^lic^en. greilid^ biefc S^cfe traf
eigentlich ben ©trcit})unft gar nic^t. 6s ^anbelte fic^ Cjianbem gegenüber ja gar nidit
46 um baö 2)ogma bon ber ßrlöfung, fonbern t)on ber ^Rechtfertigung. 3)a^ religüjfe 3"-
tereffc, baS ber 93eF)aut)tung DfianberS m ®runbe lag, toar ©t. unberftänblic^. SiirgenN
tritt uns in feinen ©c^riften eine 9lüctfi^tnal)me auf baS fubjeltibe ^etteleben entgegen,
fein ©innen ift burc^auS auf bie tl^eoretifc^en Probleme gerid[|tet, treidle bic Irinitäts^
lef^re unb g^riftologie barbot. 9)ie übrigen ©egner DftanberS mochten i^m bcnn au*
60 ju fül)len geben, ba^ feine SunbeSgenoffenfc^aft iF^nen toenig tDillfommcn fei. ©c^on am
23. 2luguft beSfelben 3«^tcö forbert er benn feine (Sntlaffung in einem trofeigcn ©c^reiben
an bcn ^erjog, bann ioanbte er fid; nac^ Jranffurt a. D., too er bic gleiche ©tellung
toie in Äönig^Jbcrg crl^ielt. 3tIIctn feine ©c|>rift Apologia contra Osiandrum trug ben
©treit auc^ auf biefcn neuen ©c^auj)la$ über, ^n 2)JuScuIuS fanb er einen ©egnet.
66 3!)a ber 5?urfürft t)on Sranbcnburg einfc^ritt unb Sugen^agen unb 3JleIanc^t^on ^u ^ilfe
rief, itjclc^cr (entere eine Responsio de controversiis Stancari scripta 1553 erliefe
(CR XXIII, ©. 87), fo itjar bcS SleibenS für biefen 9Kann aud^ in granffurt nitbt
lange. (Sr begab fic^ nun nac^ ^inc^oto ju bem 3)tagnaten CleSnicti, h)o er im Sinne
ber ©d;ioeijcr reformatorifc^ t^ätig mar, (Subinie^ti, II, 6 p. llGsq.), bann nad^ ©rcfe--
60 pokn 5U bem ©rafcn Dftrorog, unb ba fein eigentümli^er Se^rfa^ aud^ l^icr änftofe
Stancantd 763
erregte, nad^ Ungarn unb ©iebenbürgcn. 93ei feiner SRüdEfe^ nad^ ^inqoto 1558 traf
er ben Ärete öon Sanb^leuten, in benen toir bie Anfänger be« })oInifci^en Unitari^mu^ ju
fud^en ^aben, toor allem ben el^emaligen granji^faner Si^manini unb ®. Slanbrata
(f. b. ä. Sb III ©. 250 u. ^eberle a. a. D.). Si^manini l^atte fd^on infolge ber frül^eren SJeri^anb^
lungen mit ©t. auf einer ©^nobe in ©lomnidR 1554 ©utad^ten toon $ctru^ 3Kart^r 6
unb Suflinger in 3üri(^ über bie ^'^age, ob ß^ftu« nur nac^ feiner menfc^Iid^en 9latur
5KittIer fei, eingej^olt 211« bal^er nad^ be« St. SRücHe^ bie grage auf einer ©V"<>^^ ^"
?Jincgoö fofort toieber jur Serl^anblung lam (£ub. a. a. D.©. 117), fo tourbe ber ©treit
balb tpieber über bie ^olnifd^e ®reme l^inau^etragen, um fo me^, aU ©t. eine bialet
tifd^e @eh)anbtl^eit enttDtdCelte, toelc^e feinen @egnem'ben Xrium))^ nic^t leicht machte, lo
SBergeben« tourbe ©^nobe auf ©^nobe gehalten. 3)ie toid^tigfte ioieber in ^ßincjoto 1559
(Sub. a. a. D. ©. 148), too bie Äe^emamen be« Slriu« unb ©abelliu« toon ben beiben
Parteien gegeneinanber au«gefj)ielt tourben. 3)er ©u^)erintenbent toon 5lleinj)oIen gelij
ßruciger mufete toieber bie §ilfe öon 3^^^ ^"^ ®^f i" änfjjruc^ nehmen. Saltoin,
ber too^I füllte, toie er l^ier öor einem jd^toeren Dilemma fte^e, toie ber brol^enbe Uni* 15
tari^mu« eine« Slanbrata au« einer SJertoerfung be« ©a|e« be« ©t. ebenfo SJorteil
giel^en ioerbe, ioie eine Billigung be«felben ben o^nef)in gegen ®enf erhobenen SJorlourf
be« 9leftoriani«mu« be!räftigen müfete, anttoortete in einem 9lefj)onfum ber ©enfer Stirere
(TractatuB theol. p. 682) unb in einem toeiteren ©d^reiben o^ne 3)atum (Epistolae
et responsa p. 290). 3)ie 3titid^er anttoorteten injitoei ©(^reiben, einem an Srucigerao
t)om 27. aJlai 1560 unb einem an etlid^e j)oInifd^e Magnaten, 3Kärj 1561 (beibe bei
S^ofd^otoer 1561 gebrudtt). ©t., ber ftc^ unterbeffen ju bem iÖlagnaten ©tabnidu« toon
Subie^f ^urüdfgejogen \)aitt, fd^rieb bagegen: De Trinitate et Mediatore (f. 0.). 95ur(^
Softa« ©imler Itefen bie 3^^^^ 1^63 eine Responsio ad maledicum Francisci
Stancari Mantuani librum au«gel^en. £i«manini unb ©tatoriu« fc^rieben gleid^fad« 35
geaen i^n, le^terer 1561, erfterer 1563 (Sandii Bibl. antit. p. 35. 47). ©t. toanbte
\xq gegen feine antitrinitarifc^en Sanb«Ieute nod^ in gtoei toeiteren ©c^riften: De Trini-
tate et Unitate Dei, 1567 (f. 0.), unb in einer lürjeren t)on 1568. 3)amit fc^eint ba«
Sntereffe benn aber aud^ ftd^ erfc^öpft ju ^aben. ©r fanb etlid^e 3ln^änger, befonber«
ben Stnbrea« griciu« (Sub. a. a. D. I, 1 ®. 19). 3lber ber ©treit erlofc^ boc^, mie e« ao
fd^eint, nod^ e^e ©t. 1574 in ©tobni^ bei bem genannten 36orot)iu« ftarb.
e« ift bereit« barauf ^ingetoiefen toorben, bafe ba« ^ntereffe, t)on bem ©t. bei 3luf-
fteUung feiner bogmatifc^en Se^aujjtung, bie fo toiel ©taub aufwirbelte, betoegt toar, fo
toeit toir feigen lönnen, lein frejififd^ reli^iöfe« mar. 3" '^^"^ f^i"^ ©d^riften begegnet
nn^ ein ftlang einer ioärmeren §erjen«tetlnal^me. SBenn er fc^mä^t, unb er t^ut ba« 35
reic^lic^ (f. bie 3ufönintenfteIIung öon ©d^impfreben in ©imler« Responsio p. 46), fo
erfd^eint e« nid^t al« ber @rgug eine« in feinen l^eiligften Überjeugungen geträntten ©e-
müt«, fonbem eine« überreijten ©elbftbemufetfein«, ba« burd^au« Siecht l^aben unb bie
Xragtoeite ber eigenen Se^auj)tungen möglid^ft ^oc^ tariert toiffen toiH. 3lAm einer
©ammlung t)on fie^ernamen, bie er feinen ©egnem an ben Äo})f toirft, ftnb e« barum 4o
t)or allem abfc^ä^ige Urteile über bie ®eifte«fräfte unb bie Äenntniffe biefer ®egncr, bie
er in ber berbften äöeife über fie au«giefet. 2tu(^ in ber 2lrt, Wie er ben $etru« Som^
barbu«, in bem er einen ®etoäl^r«mann für feine Se^auptung gefunben batU, über alle
®ebü^r lobt, i^n für ben größten S^eologen erflärt neben ben ^l. ©dpriftftettern, ber
me^r toert fei al« 100 Sut^er, 200 SKelanc^t^one, 300 Sullinger, 400 ^eter aWart^r«, 46
500 ßalbine, in benen atten man, toenn man fte im 3Körfer jerftiefee, feine Unje toal^rer
X^eologie finben mürbe (Simler a. a. D. ©. 44*»), jeigt fic^ eine Steigung ju ^arabojien,
h>ie fie nur bie (Sitelfeit einzugeben pflegt.
©0 l^eftig ftc^ ©t. gegen einen ®entili«, Si«manini, Slanbrata ereifert, bie (Sjtreme
be« ©abetliani«mu« unb äriani«mu« berühren fic^ bod^ merltoürbig. ^ni^m ©t. ben so
®ebanlen ber ^omoufie in feinen legten Jtonfequemen geltenb )u mad^en fuc^t, l^ebt er
faftifc^ bie SKenfc^merbung auf. ^n feiner ©c^rift De Trinitate gel^t er t)on einem
®otte«begriff au«, ber fo abftratt ift, bafe ein fonfequente« 2)en!en auf J)ant^eiftifc^e
Äonfequenjen fommen ju muffen fd^eint (cf. F. C. 4*), toie benn feine Unterfd^eibung
t)on natura naturans unb natura naturata an ©cotu« @rigena antlingt. 3)tefe« 55
göttliche SBefen fommt nun ben brei ^erfonen in ganj gleicher SBeife ju. ®ie eine
essentia ober substantia ift simplicissima, indivisibilis, maxime propria, non
specifica aut generica, immutabilis, immultiplicabills, incorruptibUis, una tan-
tum numero. 2)al^er folgt, bafe bie brei ^crfonen ber ©ine ®ott ftnb (a. a. D. B 4, a).
S)er Segriff ber ^erfon in feiner Slnmenbung auf bie ®ott^eit lä|t fid^ nid^t toeiter er$ eo
fRtal*9nctittop&hit ffir Xl^eologie unb ttitdtt. 8. 9. XVin. 43
754 Stoncantd
Hären, ©t. nintntt biefe Unterfd^icbe t)on 9?alcr, ©o^n unb ®eip etnfa^ ald fiegcboie
auf. 6r fud^t fie ntc^t au^ bem SBcfen ®ottc« abjulcitcn. ©ein Scftrcbcn i[t nur ^
rauf gerichtet, ju geigen, bafe, abgefe^en bon ben $ro})rietäten ber einzelnen ^crfrmcn,
ber paternitas, filiatio, Spiratio passiva, bie{e(6en in il^rem ©etn unb Sitbi
6 fc^Ied^terbing« ibcntifc^ feien. 3)ie Jtonfequenj für bie G^riftologic ift bann, bafc bk
3Kenf(^h)erbung 2^at ber gefamten Srinität ift. 9lur bie menfc^Iic^c Statut in bem @ott?
menfc^en ift gefanbt. 35ie göttliche ift bie fenbenbe (a. a. O. F. Hh. 2, 1), ja tücn
ßl^riftu^ 3;o U fagt, bafe ber 3Sater !ommen tüerbe, um in ben ©laubigen gu too^
fo fönnte man nad^ ©t. folgerichtig auc^ fagen, bafe ber SJater gefanbt fei. ©o ift bov
10 bie incarnatio im altiDen ©intt ^l^at ber ^reieinigteit, tpenn aud^ ber ©o^ otm
ajlenfc^ getüorben ift (a. a. D. F. Kh. 3, 2). ©arum e« gerabc ber ©o^ ttmr, ber \k
menfc^lic^e 5Jatur angenommen l}ai, bie« tüirb nic^t toeiter erllätt
e« ift !lar, bafe mir bamit benn auc^ ju einem neftoriomfc^en ^uali^mit« in ©rijb
gebrängt finb, ber bie unio personaKs, toelc^e ©t feft^alten toitt, böllig enttocttai
16 mufe. Rann er un« nic^t erflären, h)a« bie trinitatifc^e ?Perfon für eine 33ebeutung beben
foll, fo bleibt auc^ ber Segriff ^erfon in feiner Äntoenbung auf ben @ottmenf(^en twlßg
inl^alt^Iecr — Don irgenb toelc^er realen Sfbiomenfommunilation fann nic^t bie 3lebe fein.
35ie ijtüei 5Jaturen fmb in ber Xfyd gtüei felbftftänbige SBefen, bie nur burd^ ben nkjt
tüeiter erllärbaren Segriff ber ^erfon miteinanber berlnüpft fmb. ^ieraud ergiebt fi^
20 nun, tpelc^en ©inn bie Se^u))tung be« ©t. I^atte, bag S^riftu« nur nac^ feiner menf(^
liefen 9latur SJlittler fei ©c^on ba« ift bejeid^nenb, bafe ©t. ben 9iamen g^rifhi« üIIcp
^aupt nur auf bie menfc^lic^e 9!atur belogen toiffen W'iü, tpogegen 3^"^ ^^^ göttli^e
beieic^nen foH. SBä^renb bie SBorte: 38ater, ©o^n unb ®eift nur einen 92amen bejcu^ea
foUen, toeil nur eine ©ubftanj, trägt bagegen jebe ber beiben in ber ?Perfon be« inte
26 nierten ©o^ne« Derbunbenen iRaturen il^ren eigenen 9lamen (a. a. D. F. S. 3, 1 ff.). So^
ferne nun bo^ ßl^riftu« ber au^brud für bie ganje Seruf^fteUung biefed inforniectcB
©o^ne« ift, tüirb bamit biefe gange Seruf^t^ätigleit auf bie menfc^Iid^e ©eite übertrogai
3n ber 3:^at toirb gum SKittlergefc^äfte auc^ über^auj)t atte« 3:]^un be« infomicrto
©otte^fo^ne« gered^net, ba« docere fo gut al« ba« satisfacere. fSienn bie mittlcrifi^
8o2^ätig!eit ber göttlid&en 9Jatur bejh). bie Beteiligung ber le^tercn an biefer 3:^ätigfrt
bertDorfen h)urbe, toeil baburc^ bie divinitas in servilem conditionem ^erabgdyrü(6
toerbe, fo ift ja Ilar, bafe mit biefer ©intoenbung bie SKenfc^tperbung felbft geleugnä
tüirb im ^Srinji}), noc^ mel^r, toenn bel^aujjtet h)irb, bafe bamit bie ^ßerfonen in bei
2rinität getrennt hjcrben, bann fmb bie Äonfequenjen ber assumptio burd^ ben Sota
86 negiert, benn biefe assumptio, toenn fie emft gemeint fein foH, toäxc ja bod^ imma
auc^ eine personalis operatio. Umgele^rt h)ie ©t. mit Vorliebe bie ®inh>cnbung maife,
ba|, eine fold^e Beteiligung ber göttlichen 9Jatur borau^efe^t, ber ©o^n fein eigcmr
ÜKittler toerbe, ift ja flar, bafe biefe menfc^lic^e ?latur atö ©ubjelt ^ebad^t ift, ba^ in
t)erfönlici^er ©elbftftänbigfeit biefer mit ber eigenen ^erfon bod^ öerbunbenen göttliia
40 3Ratur gegenüber gebad;t toirb, tüie benn ja auc^ ©t., freilid^ im Slnfc^Iufe an bie fiiA^
liefen fie^rbcftimmungen, bie beiben 3Bitlen in bem ©ottmenfd^en betont unb unabbängi^
boncinanber irirfen läfet. 3!)amit l^at er benn beutlic^ genug bie Jjerfönlic^e 6inW
burc^fc^nilten. ^ft enblic^ bie ^^^üdfü^rung ber mittlerifc^en SBirffamfeit auf beibe
9Iaturen nad; feiner 3lnftc^t eine Sermifc^ung ber le^teren untereinanber, fo ift bamö
4ö aud? auebrüctlid^ au^gefproc^en, ba^ bie 9?aturen in SBal^r^eit ^erfonen finb (t)gL bk
3u{ammenftcIIung ber bier Strgumente bc^ ©t. bei ©imler a. a. D. ©. 6). greilid^ toifl
er boc^ tüicber nic^t fc^lcd)t^in eine 3Jltth)irfung ber göttlichen 5Jatur audfc^lie^en, ba ja
fonft all^u !lar ber gan^e 3öert ber 9Kenfci^h?crbung aufgel^oben Ipöre. älQein biefe Söt-
tüirfung beftcbt bod^ nur barin, bafe bie ganje Srinität autor unfere^ ^eite ift, bei
60 5Wenfc^ ßl^nftug aber ba^ Organ unb ber 3JJittler, burc^ toelc^en bie 3:rinität und dö?
(de Trin. F. T. 2, b). ^n biefem homo Christus l^at fic^ bie Äonfequenj boUcnbl
ööUig »erraten. 3^ie ©ottmcnfd^^eit h)irb gur SKirhmg ber irinität, tpelc^e nur ba
3Ramc für ben einheitlichen (Sott ift, auf ben 5Wenfc^en ß^riftud.
I)cr lutberifc^c i>erfuc^, bie ß^riftologie burc^ naivere Sludfül^rung ber Sbiomoi^
56 foininunifation fort^^ubilben, fanb folc^en unitarifd^en unb neftorianifd^en Äonfequcn^
gegenüber feine 9iccl>lfertigung unb ertoic^ fic^ aud^ atö toirflid^ toertöoHe 33aft^ be5
Kampfe^, atufeer 5JJcland)t^on in ber ermähnten Responsio bom ^al^re 1553 babcn
nacf)träglic^ 3Biganb in einer ©c^rift de Stancarismo 1585 unb ©d^lüffelburg in
feinem Catalogus haeretieonim bom lut^erifc^en ©tanb})un!te aud fic^ mit ber 3Sib«»
60 legung biefer §ärefie befaßt. (D.$.®i^«ibtt)»e«T«ti.
statte S^rtflt, iüpptUtt 755
Staub Qifviftt, bo})J)cIter. — «ufecr bcr ^um ^rt. ,,^cnüfi^" SBb X, 246 citicrtcn
fiittcratur unb bcn ^ii'torif(^cn ^arftcttungen bcr lut^crljctien unb reformierten ^ogmatif öon
®4mib, 8(^tDeiicr unb ©cppc tft ^crQU^i^u^cben: ©brorb, S^riftltcöe S)09mQtif S3b2, i^önigä*
bcrg 1852; $()iüppü ÄircftUcftc ®Iaubcn«Ic^re 3. 9(up. a3b 4, mtex^loi) 1885; g. Äöftlin,
fiut^cr« X^eülogic, 2. §luf(. 1901. 5
Son einer (Smiebttgung unb Srl^ö^ung ßl^rtfti ^at ber d^rtftlid^e ®lau6e immer
gerebet, tüenn et bie irbijc^e (Srfd^einung ^t\u einerfeitö mit ber ©ein^tüetfe be^ pxä^
esiftenten Sogo^, anbererfeit^ mit ber gegenwärtigen SEBelt^errfd^aft be« 9JlittIer« in Ser*
glcid^ [teilte. ®ie %oxmA toom bojjpelten ©tanbe ift aber erft im 3ufammenl^ange mit
Scr beftimmten Deutung geragt tüorben, ipelAe Sutl^er unb bie an il^n angejc^loffene lo
d^riftologifd^e 2^eorie ber gnfamation gab. Sieben unbefangenen bibUfc^sanfci^aulic^en
äu^fagen, bie fic^ mit ber attgemein geläufigen SRebelpeife bedten (Sut^er ju ^o 14, 20:
631 49, p. 181: „®er ©ol^n lommt Don bem SJater herunter ju un^ unb Ränget fid^
an un«, unb loir Rängen mieberum un« an \i)n unb lommen burd? il^n jum aSater." Sllfo
cbenfo ipie j. 93. 93eja, Conf. Christ, fid. 1560, III, 24: Venit in terrae Christus, is
ut DOS in coelum eveheret) ergiebt fid^ au« bem bogmatifc^en ©ebanfen ber Un«
Joeränberlid^feit ©otte^ unb au^ ber Übertragung göttli^cr (Sigcnfc^aften auf ß^rifti
tnenfd^lic^e SRatur eine ^Terminologie, bie in bem irbifc^en fieben be^ ©rlöfer« für bie
nid^t ol^ne tocitere« gegebene menfd^lid^e 6nth)idfelung erft burd^ einen befonberen „©tanb
ber emiebrigung" Snaum fc^affen muj. 3)ie 3"*öi^ötiö" bebeutet banad^ nid^t ein 20
mrobfteigen be« Sogo«, fonbem eine ©r^ebung ber jur innigften 33erbinbung auf^
genommenen menjd^Iid^en 9latur. SBenn Sut^er ^l^i 2, 6 ff. ate ©ubjeft ber ©elbft«
entäu^enmg öon je^er nic^t ben ^jräe^ftenten, fonbem ben irbifd^en Gl^riftu« backte, fo
mag t^n baju au^ bie erbaulid^e SJertoenbbarleit be« menfc^Iic^en SSorbilbe« ^erablaffen^
ber 2)emut gefüljnrt ^aben (SJaftenjjrebigt toon 1518, 2ß2l I, 268, 39 ff. 269, 18 ff.; 25
Äird^en})oftiIIe (gä S\ 168: „S)afe S^riftu« l^abe ftc^ felbft geäußert ober entlebigt, ba«
ift, er l^aBe ftd^ aefteQet, old legt er bie @ottl^eit t)on ftd^ unb Sollte berf eibigen nid^t
brauchen nod^ fiep unterminben: nid^t ba| er bie @ottl^eit ^ätte ober lönnU fte ablegen
unb megt^un, fonbem bafe er bie ©eftalt göttlicher üKajeftät f^ai abgelegt unb nid^t ®ott
gebal^ret, tüie er boc^ ma^rl^aftig toar"), — aber ber bogmatifd^e ©runb, ntit iüeld^em 90
bie 3Rögli(^feit be^ anberm SJerftänbnijfe« unbebingt abgelel^nt tüirb, liegt in bem ©a§e
(de dupl. just. 1519, 35521 II, 147, 38 f.): Forma Dei hie non dicitur substantia
Del, quia hac Christus nunquam se exinanivit. 3)eutlid^er (3Beil^na(^t^j)rebigt
1522 über ßbr 1, Iff., 621 7^ 195): „®öttlic^ 91atur mag ipeber geniebert noc^ erl^öl^et
toerben." 3Wit ber ^n'^rnation ift bie ßr^ö^ung ber menfc^lic^en 9Jatur ju göttlicher ss
terrlic^fett ein für aUemal toottenbet (®2l 7\ 195. 206: „2Bir muffen glauben, bafe
l^riftu« nic^t allein ift nac^ ber ©ott^eit über alle 3)ing, fonbem aud^ nad) ber 3Kmfd^=
l^eit." „3"0l^i^ ^ angefangen SKenfA ju iperben, ^at er aud^ angefangen, ®ott ju
fein"). 2ä^t fic^ biefe 2lbftraftion aud9 nic^t immer feftl^alten (fo bofe e« gelegentlich
auc^ Reifet, Sl^riftu« ^abe erft „nac^ feiner Sluffa^rt" angefangen, jur Stec^tm ®otte« ju 40
fteen: „juöor l^at bie aWenf^l^eit attba nic^t gefeffen". 62147, 177), fo liegt fie bod^
aum gefliffentlic^ bogmatifd^en 2lugfagen ju ®mnbe (©ermon bon bem ©afr. 1526;
gB2l XIX, 491, 17. 29): „SBir glauben, bafe ^efu« ß^riftu« nac^ ber 3Kenfd^^eit fei
gefegt über alle Äreaturen . . . ®afe er aber teiblid^ hinauf genommen ift, ift gefd^el^m
be« ^um gßa^rjeic^en" (1543, m 2 ©a 23, Iff., 621 37, 33: „9iac^ ber jeitlic^en, menfc^-- 45
lid^en ®eburt ift i^m aud^ oie etüige ®etüalt ®otte^ gegeben . . . 3)at)on rebet er
ÜJlt 11: . . . 2)a ic^ 3Kenfd^ marb, ^ab id^ fie jeitlid^ empfangen nad^ ber 3Kenfc^beit,
unb ^eimlic^ gel^alten bi« auf mein 2luferfte^en unb 2luffal^rt, ba e« l^at fotten offenbart
unb toerfläret irerben"). SRammtlic^ Srenj (de personali unione duarum natu-
raram 1561, p. 923, 1018, 1041; bgl. barüber unb über bie mafet)olIcre Haltung be^w
9K. e^emni^ S3b IV, 257, 9 ff.) pflt^U ju betonm, bafe bie ipirllic^e ascjensio bereit«
bei ber 3Kenfc^toerbung gefd^e^en, h)a« bann in bie Jtonforbienformel überging (Sb X,
261, 12 ff.).
3)a« Seben 3^w i" ben ®renjm einer menfd^lid^m ©nttoidfelung ml^t alfo auf
ienem 2Ht ber ©elbftbefc^ränlung be« ®ottmenfcl^m — nid^t be« Sogo« — ber ^f^i 2 66
Befd^rieben fein foH: fo lommt ber Status exinanitionis ju ftanbe. 2)ie Sr^öl^ung
ober, mie ©rem mit Vorliebe fagt, bie „aWojeftät" ßl^rifti ipar felbfttjerftänblid^ gegebm:
ba« ^Problem ift ba« 3"Pö"i>^tommen ber ßmiebrigung. 5Die« brüdtt fic^ auc^ in ber
S^atfad^e au«, bafe bie gormel öom Status exinanitionis (Äonforbienformel R 608, 11:
767, 25. 26) guerft get)rägt lourbe unb fc^on bei 53renj| geläufig ift, ipä^renb man nody eo
48*
756 etOBk atftVfii, io^in
geraume ^^\i nur allgemein t)on S^rifti (Sr^ö^ung, ^errlic^Ieit ober ÜRajeflät f^.
^ie Jtontorbienformel gebraucht ben ^ermmud „Status" exaltationis nod^ nic^t (cMo
6^emnt$; de duabus naturis in Christo 1580, ber cp. 32 f. in bte bd ber 3Renf(^
Werbung DoQ^ogene exaltatio humanae naturae nur ein tempus ezinanitioiiis an-'
6 jeic^net): benn mit ber Sluferfte^ung ober Himmelfahrt beginnt nic^ m SE3irflt(^to ein
neuer „©tanb", fonbern nur eine neue erfc^einung^toeife ßl^rifti, unb ein bogwotijil
tonfequenter @ebrauc^ bed älu^brucf^ für ^efu (Srbenleben, tpelc^ed ja jugleid^ hutäi bin
Status exinanitionis au^efüQt tpar, lonnte nic^t mo^l in f^age tommen. ^Cer ifx^
minu^ ift alfo auf lutl^erifc^em Soben über^u))t nic^t aud ber &adfe, fonbern nur aai
10 bem 93ebürfni^ formaler 3(bgleic^ung entftanben, bem bie ^ogmatifer erft fe^ ollmä^IiA
nachgaben, ßafenreffer (Loci theol. 1600) ift biellcic^t ber erftc, ber gerabqu bie
,,6tänbe" bifferen^iert, aber noc^ mit feinem ®efü^l für ba^ im Stammen feiner 2ete
it)eife S^I^ff^d^ ^^"^ status exinanitionis ben Status glorificationis feit ber Ssf^
erfte^ung (bie Höllenfahrt fc^eint überfe^en) unb majestatis feit ber Himmelfahrt geg»
16 überfteQt unb babei au^brüdlic^ bemertt, ba| ed ftc^ '^^^M'^ ^^ ^'^ plenaria usurpatio
ber feit ber ^«fötnation bem SRenfc^en 3^"^ eignen ^ajeftät l^nble.
3)ie au^ebilbete Se^re t)on ben beiben @tönben giebt am au^fü^rüc^ften ^o^. Sei:
^arb (Loci theol. IV, 14 § 293 ff.): Gommunicatio divinarum idiomatum facti
est in primo incarnationis momento, sed plenam eorum usurpationem distolit
20 Christus in suam ad coelos ascensionem et ad dextram Dei collocationem;
inde promanat distinctio inter statum exinanitionis et exaltationis. 3f^ ^^ ^
sensu ecclesiastico b. 1^. im 6j)ra(l^gebrauci^ ber 3Säter t)on einer Smiebrigung W
Sogod bie Stebe, qua se inclinavit ad miserandum nostri, fo ^nbelt e^ ftd^ bo(|
in sensu biblico b. 1^. in ber bogmatifc^en äSertoenbung t)on ^^i 2 um bie ßenofc ^
26 bort ,,3efud S^riftu^'' genannten ©ubjeft^, alfo bed Xoyog incarnatus : humiliatio
proprie sie dictia simplici Deitati asscribi nequit, infert enim quandam moti-
bilitatem naturae humiliatae (§ 294 bgl. 302). ^ft c^ alfo bie menfd^lic^ 92atm,
bie fid^ ber bermöge ber unio personalis em))fangenen forma Dei entäußert, fo lans
boc^ auc^ bei biefer toon einem toirllid^en älbftreifen ber i^r foeben beigelegten göttlich
ao Sigenfd^aften nic^t bie 9lebe fein (§ 303): exinanitio non est omnimoda carentii
vel absentia . . . Deitatis ae communicatae cami majestatis, sed retraetk)
usus et intermissio. Sem entf))re(^enb bringt ber Status exaltationis nic^t erft bie
^Mitteilung ber göttlid^cn SKajeftät an bie menfc^lid^e 9latur, fonbern nur beren ple-
narius usus, in bem bie forma servi nunmel^r abgelegt toirb (§311^ 298; Äonforbic^-
86formcl R608, 16).
3)ie aSorftellungen über bie SBeife, in meld^er ber ©ottmenfc^ ipäl^renb feinet ©rbob
lebend feine SKajeftät ;|urüdjog, blieben junäd^ft noc^ unbcftimmt: ber in txi
Äonforbtenformel nur leife jugebedte ®egenja$ gmifc^en bem frefulatiö^fonfequenta
Srenj unb bem })raItifci^'öorfi($tigcren 6^emni$ lebte feit 1616 in bem Streite bei
40 Tübinger unb ©iefecncr über blofee xQvipig ober mirflic^e xevcoaig ber göttlichen 6igm=
f^aften toieber auf (Sb X, 261 f.). 3!)ic allgemeine SJorau^fe^ung ber lutberifcbat
Drt^obojic, bafe bie mcnfc^Iid^c 5Jatur feit ber ^nlotnation in beiben ©tänben im unot^
lö^lid^en 93cfi^ ber mitgeteilten göttlichen (Sigenfc^aften bleibt, h)orin eben ber SBert ibm
assumptio für unfere ©rlöfung ru^t, ftcl()t beiberfeit^ feft: nur ba^ SJerl^ältni^ ber
45 possessio jur faftifd^en usurpatio toirb berfd^ieben beftimmt.
3!)ie Slbgrenjung ber beiben Stäube innerl^alb be^ Sebeng ^^\u ift ftereot^p unb
getoä^rt nur bej^ügli^ be^ 2lnfang^pun!teg ein cttoa^ gröfeere^J S^^^^fl^- 3öönn beginnt
ber Status exinanitionis ? Sut^er^ aufd^aultc^-erbauli^e älu^beutungen k>on $bi 2
legen ben ©ebanlen nal^e, ba^ bie (Sntäufeeruug ein faft nac^toei^barer Slft ober ein
60 ftänbigc^ betoufetc^ 35erl)alten be^ ©ottmenfd^en ioäl^renb feinet bemütigen ©rbemwuibdl
toar ((S2l 8^ 169: „SDurc^ bie ©eburt öon TOaria toarb er ein natürlid^ aJlenfc^, ober
ba ^ättc er nod^ möc^t in berfelben 5Kenfc^^eit fic^ über alle 3)lenfd^en ergeben unb
niemanb bienen. 2)ag aUe^ liefe er unb ioarb toie ein 9Jlenfc^"): bie cx»nceptio broitc
ziWa bie ßr^cbung ber menjc^lic^en 9Jatur gur göttlid^en Wajeftät, unb erft banad^ be--
66 gönne bie betoufetc ©elbftbejc^ränfung. 2)ie 3!)ogmatifer treiben ben ©ebanlen jAwb
toeiter unb laffen ben ©tanb ber (Srnicbrigung bereites mit ber ®mj)fängnid beginnen
(@er^. § 304: Status exinanitionis incipit in primo incarnationis momento et
durat usque ad tempus sepulturae inclusive). 35a bie (Smiebrigung aber nic^t in
ber 3lnna^me ber mcnfd^lic^en 9Jatur, {onbern ber forma servi befte^en foH, toirb bie
60 5J{enJc^h)erbung an fic^ öon i^rer unangemeffenen gorm unterfc^ieben: bie 3«^"^^^
6tattb aiixifki, hüppüitt 757
be^ Sogod tft Ictne (Smtebrtgung be^felben, fonbern eine exaltatio naturae humanae;
bagegen tft bie (Sm))fängntd ber erfte 3(It ber (Smiebrigung bed ©ottmenfc^en (@er^.
§ 304: Distinguendum inter incarnationem et incarnationis modum. Potuisset
Dei fUius immediata creatione humanam naturam formare eandemque in
personae unitatem assumendo homo fieri . . ., sed propter nos et nostram 6
salutem non solum homo fieri, sed etiam ex nostra carne humanam naturam
asBumere et infirmitatibus, quae in conceptione ac nativitate infantulis acci-
dere consueverunt, sponte seipsum subjicere voluit). Sicjie logtfd^e Siftinttion
befeitigt boc^ nid^t ben SKJtbcrfi)ru(^, bafe ber ©ottmenfci^, ber im 3Komente ber Äon*
jej)tion erft entfielt, jugleic^ biefcn SKoment ate erftcn feiner (Smiebrigung beh)irfen foll: lo
barin offettbart ftc^ nic^t fj)efulatit)er S^ieffmn (©d^necfenburger p. 18 ff.)/ fonbern eine
Äonfequenj, beren 3lbfurbität bie ganje fd^olaftifc^e Se^rform f})rengen mu|. — ®er
@tanb ber (Srl^öl^iutg beginnt mit ber Höllenfahrt ate bem Xrium^^ bed mit Seib unb
©ecle in ber ^5IIe erfd^einenben ©ottmenfc^en über bie 2:eufel. 3)afür lann auf bie
S)arfteIIung S3b VIII, 203 ff. t)erh)iefen toerben. 9la(l^^utragen ift nur, ba| neben i5
Slet)inu« (S3b I, 230,31 ff.) auc^ ber (Stuttgarter §of)[)rebiger gol^ann ^Parfimoniu« feit
1565 eine f))iritualifterenbe Snftc^t geäußert l^atte: bie ^öQenfa^rt bebeutet, ba^ (Sl^ftud
bei Sebjeiten bie ©d^mer^jen ber ^öDe erbulbet l^abe, fie gel^ört alfo ju feinem fieiben.
®iefe Der reformierten Drt^obo^te ungefähr entf^red^enbe Deutung tpurbe burc^ ben
9. ärtüel ber Äonforbienformel enbgiltig befeitigt (©enauere« bei fjrani, Sü^eologie ber 20
Äonlorbienformel III, 421 ff.).
gür bie reformierte S^eologie befi^t bie Seigre bom bo})})elten ©tanbe eine fel^r
Seringe bogmatifc^e 2^ragh)eite. ®a man toiel Weniger ben bogmatifc^en ©a$ toon ber
Inüeränberlid^Ieit @otte^ aU bie praltifd^^biblifd^e älnfc^auung ber ti)a^r^aft menfc^Iic^en
@nth)id(e(ung ^efu t)or ä(ugen l^atte, lonnte man bie 9tebe t)on einer (Smiebrigung Sl^rifti 25
im aUgemeinften ©inne aufnel^men unb eine h)irfli(^e 6r^ö]^ung ftc^ baran fc^Iiefeen
laffen. Dl^ne ben aSoraang ber lut^erifd^en Gj^riftologie freiließ toürben bie au^ ^f^x 2
entlehnten gormein auf reformiertem Soben nie eine befonbere SRotte gefj)ielt ^aben: ed
ift aber d^arafteriftifc^, ba^ e« toal^rfd^einlid^ bie reformierte Il^eologie getoefen ift, toeld^e
bie übernommene formet t)om Status exinanitionis burc^ ben Status exaltationis ah ao
runbete, ber in i^ren SRal^men toeit bcffer pa^t afe in ben lutl^erifc^en. ©0 t)iel ic^ fel^e,
begegnet bie fertige SRebe toom status duplex juerft bei bem Semer Sucanu«, In-
stitutiones theologicae 1602, unter ben Sut^eranem mo^I bei @er^arb (alfo balb
nad^ 1610, mäbrenb ^utter« in biefem ^a\)xt erfc^ienene« Äomj)enbium ftc^ nod^ auf ber
©tufe ber Äonforbienformel l^ält), ber aud^ fonft bie Stnlei^nung an reformierte gormein 85
nic^t toerfc^mä^te („testimonium Spiritus Sancti internum" unb S3b VIII, 737, 42 ff.).
aSa^ aber Sucanu^ unter biefem litel bietet, ift eine ungefähre Sef^reibung be« Seben«
ß^rifti unter biefem bot)j)elten ©efid^t^^junft, o^ne atte bogmatifc^e ©d^ärfe, toie fie ä^n«
lic^ unb nur aufgeführter fpäter bie SBeftminfterfated^i^men geben fonnten (Ä. 3JlülIer,
SBelenntniefd^riften 617, 38 ff.; nic^t aber bie SBeftminfterfonfeffion, bie alfo mit bem 40
erbaulichen ©d^ema bogmatifc^ nid^t« anzufangen mufete).
93ei bogmatifc^er Slugfül^rung ber reformierten ©tänbele^re ift bor allem )u betonen,
ba| ate ©ubjelt ber 5ß^i 2 befd^riebenen fienofe ber 2ogo^ gilt, ©ä^e, toel^e bie Un«
beränberlid[^feit ®otted Dergeffen ju l^aben fc^einen, ftnb ^äu^, jumal teine Übertreibung
ber communicatio idiomatum bie Unbefangenheit ftört (B^^ingli, de vera et falsa 45
rel. Opp. ed. ©c^uler III, 186: Christus coelo delapsus dignatus est formam
nostram assumere. Galv. Inst. II, 1: nisi majestas ipsa Dei ad nos de-
Bcenderet, . . . ascendere nostrum non erat. Ursinus, explic. cat. pal.: Divi-
nitas descendit 1. e. patefecit se in loco, ubi ante se non patefecerat. ^a^xx
Sb X, 257, 60 ff.). 3" t)^antafiet)otter 3lnfdS>auli(^feit l^aben befonber« Dleöian unb bie so
ßoccejaner ben ©nabenbunb auf ba^ öorjeitlic^e pactum jtoifd^en ®ott unb feinem ©ol;n
aU unferem Sponsor jurüdtgefü^rt, in beffen golge fic^ biefer au^ bem $immcl ^u un^
begeben mufete (ßq)J)e p. 268 ff.). 35rol^t nun ba^ unbeftrittene 2)ogma ber Unberänbers
li($teit göttlicher 9latur biefe lebenbige i^erablaffung )u burd^heujen, fo mäßigt man ettoa
ben 2lu^brudE (SKaftrid^t, Theoretico-practica theologia 1699, p. 491: aeternus Dei 66
filius Creator omnium quasi f actus est in tempore; . . . quasi occultatus est
in carne) ober ^ilft fid^ lieber mit bem §intoei« auf bie burc^ bie ^nfamation nic^t
befc^räntte greil^eit bei^ bimmlifd^en Sogoi^, afö bafe nian bie toal^re auffteigenbe (Snts
ipidtelung be^ mit ©otteei ®cift gefalbten 9Jlenf(^en 3efu« fd^mölerte, in beffen ^erfon
bod[^ ®ott al^ (Srlöfer erfc^eint (Galv. Inst. I, 2, 1 ; II, 6, 1) : nuUam indusionem eo
758 Stonk C^rifK, bof^pcUcr
fingimus, — mirabiliter enim e oodo descendit filius Dd, ut coelam tarnen
non relinqueret (Calv. Inst. II, 13, 4 tjgl. §eib. Stai. 48). a)ie SSo^l^t bcr gcü^
barbietung Sottet in ß^rifto toolltc man bamit fo tücnig leugnen, afe bic Sutbama
buTC^ bte exaltatio humanae naturae beten SBa^^t gu nt^te machen iüoEten.
6 ^a^ 3"^^^!^ ö" ^^"^ anfc^aulic^en erlöferlebcn ß^nfti im Seretn mit ben luth:
rifc^en Erörterungen über $^t 2 ^t nun aber borauf achten gele^, ha% ber Sjd^
nid^t 9Jlenfc^ennatur im allgemeinen, f onbem jLioQfi] dovlov annahm (^eibegger, medoDi
theol. 1713: conceptus et natus est non simpliciter homo, sed homo semu.
Sobenfteinö Sieb „^ciligfter ^^u": „ffianbeltefk gan^ arm auf @rben in 3)emut wit
10 in Änec^t^cberben/ erbubft bid^ felbft in feinem 3)ing"). 3"^^^ ^^^ We 3nlaniaticn
unb ben ge^orfamen ffianbcl bi« jum Äreu^ in ein« gufammenft^aut, läfel ^ caiAm
einer ßmicbrigung be« ©ottmenfc^en reben, toobei SBenbelin (Christ. theoL 1633) gegen
bie fiutl^eraner bcmerft, bafe fie nid^t blofe bie mcnfc^Iid^e, fonbem beibe ÜRoturen beöttfe:
Humüiatio est voluntaria Christi ^eav&gcojiov in hisce terris conditio, qm
15 seipsum secundum utramque naturam demisit . . . Secundam divinam natonm
se demisit Christus 1. voluntaria personae subjectione, qua patri tanquam
mediator se submisit et assumta humili carne officium mediatorium in se
recepit ... 2. gloriae et majestatis suae divinae ad tempus occultatione, nt
pati et mori in assumta carne posset. Secundum humanam naturam se de-
20 misit 1. infirmitatum nostrarum assumtione, quae peccati expertes sunt;
2. vitae mortisque humillima obedientia. 3)ie regelmäßige Sel^rform ftotuiert ^
mä) jh)ei 2:cile ber exinanitio (j. S. aifteb, Theologia didactica 1627; Soccqi^,
Aphorismi breviores, opp. VI, 12): incarnatio et legis impletio (p^l. ®a 4, i).
Sei ben Goccejanem ergab fic^ bafür in genauer ätu^nü^ung öon ^^i 2, 7 fogor ci
25 Unterfd^ieb ber Termini: 1. exinanitio = incarnatio; 2. humiliatio tüo^renb bd
irbifc^en fieben« (Cocc. summa theol. de Chr. hum. 60, 3; Surmann, Synopsis
theologiae 1699, V, 17, 1. S^nlid^ fc^on 3and^i, bei ©d^toeijer p. 343).
3!)ic mit ber Stufcrftcl^ung beginnenbe ©ri^ö^ung erl^ebt bie menf^Ii^^e Statur tbat
fäc^ltd^ auf eine ^öl^ere ©tufe (3ll[teb a. a. D., ebenfo SBenbelin): Subjectum exal-
90 tationis est persona Christi quoad naturam divinam et humanam ; divins
exaltata est xaxd n, patefactione majestatis, quae in statu exinanitionis tan-
quam sub velo sese occultaverat. Natura humana exaltata est äjzXmg, depo-
sitione infirmitatum et glorificatione, — toobci bod^ gegen bie Ubiquiften betont ^
toerbcn pflegt, ba| bic proprietates essentiales ber menf^lic^en SRatur aud^ im gtonb«
35 ber er^ö^ung bleiben (Cat. Westm. maj. 618, 24 f.).
2)er SoUftänbigfeit toegen foU nur angcmerft tüerben, bafe auc^ neuere römifi^
fat^olifc^e Ideologen bie ^ormel öom bopt)eIten ©tanb ßi^rifti aufgenommen bcbm
(j. S. ©d^eeben, §anbbuc^ ber fati;. 2)ogmatif III, 1882, p. 261 ff., toobei xivüxjt^ tui^
xaneivojoig eth?a naij 2lrt ber (Eoccejaner unterfc^ieben irerben), aber lebigli^ öl»
40 3la^men für bie Sefc^reibung ber SDSiberfa^rntffe S^fW/ V^^ frül^er (j. 93. ©uoreg, Theo-
logia Tom. XV, 2) unter bem 2^itel „de mysteriis vitae Christi" ging.
^nner^alb ber jjroteftantifd^en Crt^obojie \jai aud^ bie Sc^anblung ber ©tänbclete
ba^u bicnen muffen, bie 3^^i"öturent^eorie in i^rer fc^olaftifd^en gorm gu gerretben.
©oUte bie 2lu!Sfage bon jtoei 9Jaturen in ßl^rifto urfprünglid^ ba^ Qeög iqxivegd)^
45 iv aagxi erflären, fo f^ai ber Verfolg be^ 3}er^alteni^ biefer Staturen in ben betten
©tänben t^eoretifc^ bie §u erflärenbe ©runbt^atfad^e jule^l nur untergraben Ivmat,
unb iWax um fo grünblid^er, je fd^ärfere bogmatifc^e Äonfequengen man gog. ixi
lutF)crifd)et ©eite h?urbe bie tüa^re 5Wenfd^^eit ß^rifti unbegreiflich, auf reformierter Mc
tooUc Offenbarung ©ottc^ in i^m h?enigfteng bebro^t. ©o mufete c^ tommen, too man
60 ben bo^lpeltcn ®efic^t^j)uuft, unter tüelcbem ß^rifti ^erfon ju betrad^ten ift, aU einen
©d;lüffel ^n tDciterfü^rcnben ßrfenntniffen be^anbelte unb ben ©ren^begriff öon jlwi
9Jaturen fo banb^abte, aU liefee fid) eine ioirflic^e Stnfd^auung bon gh>ei jufamniai'
gefügten unb fid; me^r ober tüeniger burc^bringenben ©ubftanjen gewinnen. Snnerboft
biefer {c^olaftijc^en 2)cnfmct^obe blieb nur nod^ eine brittc Söfung be^ ^roblemö: Itette
65 bic Crt^obojie ©ottcö Unlranbelbarfeit fcftge^alten unb babei auf lut^erifc^er ©eite mA
bic ßrniebrigung ßbrifti, auf reformierter ©eite nicbt bie ööttigc loefenl^aftc Serbinbui^
©ottc^ mit bcm crniebrigtcn G^riftu^ begreiflich machen fönnen, fo eröffnete fic^, toenn
man baio „Extra Calvinisticum" (33b IV, 54, 49) üermeiben unb auf bag menf#*-
gefc^id;tlic^c Sebcn 3^f" crnftlic^ cingcl^en iDollte, noc^ ber Slu^toeg, ben trinitarifcfren
60 ©Ott felbft in ben $rojc^ ber Scipcgung J^incin^ujie^en. Über bie mobeme Äenotif,
Stattb S^riftt, hoWtUtt Stanley 759
toclc^c biefen SBeg bcfc^ritt unb eine bem unmittelbaren biblifc^^c^riftlic^en ©laubengs
betpugtfein aQerbingd tDefentltd^e älnfd^auuna in einer fc^olaftifc^-bogmatifc^en ^orm bar^
niftellen untemal^m, ift Sb X, 246 ff. berichtet h)orben. ©eitbem auf biefe Seife alle
SWöglic^Ieiten einen fd^arfen intetteftualiftifc^en aiufd^auung erfd^^ötjft toaren unb ftc^ ate
ungenügenb ertoiefen, ^at ba« S^^^^^ff« ^^ ^i««*" intetteftualiftifd^sbogmatifc^en Setrieb 6
ber G^riftologie ftarf nad^gela^en. 3)ie neuere 3^'* ^^t jubem ber 3:i^eoIo9ie bie fruc^ts
barere ^(ufgabe gebieterifd^ auferlegt, bie funbamentale @rfenntnid \)on ber abfd^liegenben
gefc^ic^tlicben ©elbftbarbietung ®otte« in Sbrifto innerlich fw^erjuftellen, fo ba| für ba^
luiiurierenbe ©piel ber bogmatif^en ?P^antafte leine Äraft jur SSerfügung ftel^t. (S^ ent*
^pvadf einem })raftifc^-emj)irif(^en ^mz ber Qtxt, bafe man ftc^ namentlich unter bem lo
feine eigentliche ©c^ule toeit überfc^reitenben ßinflufe 31. 9litfc^te begnügte, über ben
iKenfd^en 3^«^ ba^ ©lauben^urteil ju fäHen, bafe er auf ®otte« ©eite nn^ gegenüber^
ftel^t. ^a^ näc^fte religiöfe SebürfniiS f^ien bamit gebectt unb aSe unlösbaren {fragen
über baS SJer^ältniS be« etoigen jum irbifd^en ©ottcSfo^n toon toom^erein abgefc^nitten :
bamit fäDt auc^ baS Sebürfni«, toon einem befonberen ©tanbe ber ©miebrigung ju i6
reben. a5er SSerfolg nid^t blofe be« ©ebanfen«, fonbern beS })raftifc^en ©lauben« h)irb
hoi) ergeben, bafe bie SBal^rl^eit be« Geog iipavegw&rj iv aagxl fd^liefeUc^ leiben mu|,
toenn man auf biefe ©eite ber ©tänbele^re grunbfä^lid^ öerji(|tet. Dl^ne in biefem 3"-
fammen^ange bie ^räe^ftemfrage auSfül^rlic^ erörtern )u tonnen, tPoQen tt)ir nur erinnern,
ba6 bie betreffenben biblifc^en SluSfagen eine toirllid^e Beteiligung ®otte« an ber Offen- 20
barung in 6|^rifto feftftellen. Sleibt man bei ber Betrachtung beS irbifd^en SebenSbilbeS
3efu fielen, in toelc^em man bie 33olloffenbarung ®otteS erfennt, fo fe^lt bie lebenbige
Setoegung: „©ott" bleibt aud^ ate blofecS Objelt be« atö „Offenbarung" gefd^ä^ten
religiöfen 3)enfend unb ^anbelnS 2iefu beutbar. ^ie lebenbige ©elbftanbietung @otted
in Sl^rifto h)irb erft burc^ bie erniebrigenbe §ineingabe be^ ewigen ©o^ne« in bie 25
fünbige SRenfc^^eit anfc^aulic^. Ober fouen anq SluSfagen toie go 3, 16; 1 go 4, 9;
9lö8, 31f.; ®a 4, 4 auf SRec^nung einer für unS unannehmbaren 2)enfh)eife gefeftt
toerben*^ ©olc^e 2luSfagen allein vermögen aber bafür ju bürgen, bafe h)ir eS inGl^rifto
mit ber lebenbigen unb entfäeibenben ^ugerung ber göttlid^en Siebe ju tl^uu l^aben,
nic^t blofe mit einer gefc^ic^tlic^en ©rfd^einung, bie unS biefer Siebe toergehjiffert. 2)od^ so
bamit ftreifen toir bie tiefften fragen ber bogmatifc^en SRetl^obe. 2Ber für bie eignen
bogmatifc^en 9(uSfagen bem at)oftolifc^en Sorte irgenb eine birette Bebeutung einräumt,
toirb ben neueren Äenotifem tro^ ber „fienofe be« 9Serftanbe«", bei ber il^re Sinj^el«
audfül^rung anlangt, bie 2lnerfennung nid^t öerfagen bürfen, bafe fte im 2tu^ang^un!t
ber ©tänbele^re in bie toon ber lut^erifc^en Ortl^obojie toerlaffenen S3al^nen gefunber 35
biblifc^er 9tnfc^auung jurücfgelenft l^aben.
Sad enblic^ bad BerftänbniS t)on $^i 2 anlangt, fo ift nur ein einziger n^irtlic^
ejegetifc^er ©runb Vorgebracht Sorben, ber bie Sejielung auf ben Slbftieg G^fti toom
i^immel ju @rbe auSfd^lie^en foQ. ©^on ber älmbroftafter (ber eimige altlirc^lic^e
3:^eologe, ber auSfc^liefelic^ auf ß^rifti irbifd^eS SJerl^alten beutet) unb nad^ i^m (SraSmuS 40
in feinen Annotationes (ber biefe 3)eutung für fiutl^er Vermittelt l^at, S3b X, 258, 58)
toeifen barauf ^in, ba| ber äpoftel unS an (Sl^rifto ein exemplum humilitatis geben
h)ill, baS für un« imttierbar fein mufe. 3"*>^ff^" erlebigt ftd^ biefer Sintuanb, tüenn man
bebenh, bag S^rifti 9{ac^folge im neuteftamentlid^en ©inne nid^t eine 9lneignung beS
Sa«, fonbern be« Sie feine« $anbeln« unb feiner ©efmnung bebeutet, fo bafe er ebenfo 46
rtie ©Ott felbft in ftofflic^ unnac^al^mlic^en ©tücfen jum SJorbilb gefteHt Serben fann
(epl^ 5, 25; 1 ?pt 3, 13. 18 ff.; SRt 5, 45; (i\>i} 5, If.). SDafe bem atpoftel neben bem
älbftieg be« jjräejiftenten auc^ bie $erablaf|ung be« irbifc^en ßi^riftu« t)orfc^h)ebt, toerftel^t
gi) and) toorbel^altlic^ genauerer 3)eutung ber einzelnen 3lu«brüdEe. 2lngefic^t« fonftiger
uSfagen (2Ä0 8, 9; 3lö 8, 3 togl. $br 2, 14) toirb aber bie 59litbejie]^ung auf benw
t)räq:iftenten neuerbing« fo gut tpie ni^t mel^r beftritten. . (&. §. S^arl aRflOer.
Stanley, 3lrt^ur ^enr^^n, Ded^antbonSeftminfter, geft. 1881.— Öitteratur:
3)can S3rnblcl)§ Recollections, 1883 ; ißrot^ero, Life and CorrespondeDce of DeaD St., 1893 ;
berf., Letters and Verses of Dean St., 1895; g. fiocfcr^Sampfon, My Confidences, 1896;
©ampbea u. 9lbbütt, Life and Letters of B. Jowett, 1897; Encycl. Brit. vol. XXII, 450ff.; 66
(B.2te, Dict. of Nat. Biogr. vol. LI V, 44 ff.; Aeademy 1881, II, @.69ff.; Times ü. 20. guU
1881; Athenaeum 1881, II, ©. 114; 9ing. ßö. 2utt). ^3. 1881, 8.799; 891; 9?. ©ü. Äg.
1881, 8.504.
3)ean ©t. ift ein ftiHe«, aber ben grofeen fragen ber Seit jugemanbte« 2eben, ba«,
äufeerlid^ faft fturmlo«, im ©onnenfd^ein ftanb, befc^ieben gemefen. ©eine 3lufgabe toar eo
760 Stanley
btc 3Kiffton ber %xt\!l)Ät, 9Son ber SBiege h\^ jum OraBc ift er im i^od^Ianb gcHKuibctt
©ein SJäcg toar beftänbigcr äufftieg, bcm freiltd^ bie ^öd^ften ®it)fel fehlten, o^ne bcn
Rmq bramatifc^er ^raft unb @rö^e, aber in feinen rul^igen Salinen bon ^oc^eftKumtei
gnnerlic^Ieit, bad SBirfen eine« feinen unb ojjartcn a:alent«, ba«, au^ bcn reid^en Duden
6 be« SBiffen«; ber Srlennlni« unb (^rfal^rung f(^öt)fenb; feine le^te aufgäbe in ber Somnu
lung ber ©eifter fal^. 6r ift bie ^nlamation ber religiöfen SSetti^ergtgtett, toie feine
greunbe, — ber Überjeugungölofiglext, toie feine ©egner foaten.
3la6^ älbftammung toie nad^ ©eftnnung toar er 9(riftoIrat. @ntel be^ 5£^oma«@t,
fec^flen Saron« bon ^(berle^ ^att, @ol^n be« Sifc^of« bon Slortoid^, SbtDorb ®t, am
10 13. 3)ejember 1815 im ^ßfarrl^au« SllberleV geboren, genofe er ben @Iementanmtmi(^
feit ©ej)tember 1824 in einer ^ßriöatfd^ule bon ©eafort^ unb tourbe So^w^r 1829 »on
feinem SSater in bie betannte Schule t)on 9lugb^ g^^icEt, too furg t>ox^ Dr. 2^.
älmolb, ber erfte ©d^ulmeifter ©nglanb«, ba« SReltorat übernommen l^tte. ^ier em=
falteten fic^ feine reichen ®aben ju fd^önfter 93lüte. 3lHe greife unb @^en, bie bie
i5©c^ule ju bergeben l^atte, tourben im Saufe ber ^ai)x^ fein; obgleich infolge feinö
fd^toäc^lic^en Äörjjcrö Don ben in SRugb^ eifrig gepflegten ©J)ielen, bem f^ugbou, Seiten,
©c^toimmen unb Sridtet fic^ fern^altenb, galt ber Jtnabe, bem aDe« fehlte, tood ben
jungen jum S^ungen mac^t, bie Unteme^mung^luft, bo« robufte Sei^arren unb berSrijf
nad^ ben garten 3)ingen be« Seben«, feinen fiameraben aU ein SBefen ^ö^erer Sri
20 bag mit bem gemeinen 3Kafe nid^t gemeffen toerben bürfe (bgl. bie %xQnx Ärt^urd in
Tom Brown 's Schooldays). SJon rid^tunggebenber S3ebeutung tourbe il^m ^ier feinSebor,
ju bem er in ein ibeale« g^eunbfc^aftgtoerl^ältnig trat, ba« freili^, auf ©t« ©eite lüenigfleng,
m ÜberMtoänglic^feiten fid^ iu berlieren brol^te. 2)ag ®IüdE bei SBlmolb gu fein, f(^eifct
er im 3JZai 1834 an feinen jßater, ift für mic^ gefä^Iid^; idb fürd^te, bafe ic^, toie i^
26 i^n au« tieffter ©eele liebe unb betounbere toie nur je einen ^Wenfc^en, bie redete ®renje
überfd^ritten unb i^n )u meinem ^bol gemacht l^abe unb bag id^ in aü meiner 9tbett
®ott nur um eine« 9Jlcnfc^en toiHen biene (^rot^ero, Life of St. I, 102). ämolb,
einem ber l^ertoorragenbften 5flänner im englifc^en ®eifte«Ieben be« 19. ^^^^unbert«, ber
feine ©c^üler mit jener Siebe jur SBa^rl^eit erfüllte, bie biel mel^r unb biel toeniger al^
80 S3iffen«beft$ ift, berbantt er faft au«fc^lieglid^ bie ftar!en Anregungen gu er^ö^
Seben^uelen unb faft aSe«, toa« er an geiftigem ®ute in ber ©^ule getoann. 3)en
®runbfa$ einer bi« an bie legten ©d^eibelinien treibenben loleranj, nad^ ber bie Staats^
firc^e ate nationale Drganifation bie ganje 3)iannigfaltigfeit ber religiöfen Slnfd^uungen
unb ©trebuugen ber Station in fic^ bereinigen muffe, l}(d ©t. bon feinem 5Keifter,
85 ber bamatö neben %. 3Kaurice ben ürc^Iic^en Siberali«mu« am freimütigften bertrat, über-
fommen.
3m 5Jobember 1838 trat er in ba« Sattiol SoIIege nac^ Djforb über, too bamal^
auf religiöfem, politifd^em unb fojialem ®ebiete ©inflüffe toirften, bie benen feine!
Dralel« unb S^ol« entgegcngefefet toaren. 3"^^ ^^ ^li^ feinen JRugb^erinnenmgen
40 treu unb übertoanb nad^ furjem Kamj)fe ben ftarlen S3ann be« 9letomani«mu^. ^ud} an
ber Uniberfttät toar fein 2Beg Don 6^ren begleitet : er getoann äße il^m erreichbaren greife,
tourbe jum ^eUoto bc« Uniöerfit^ ßollege ertoölplt, al« beffen SSorftanb (tutor) er, nadb^
bem er 1839 orbiniert toorben, je^n ^a^xt in Djforb berblieb.
3;n biefcr 3cit tourbe er in Verfolg ber burc^ ben berüdbtigten Tract XC über bie Unitja-
45 fttät ^ereinbred^enben Äämpf e, bie 5lctoman au« ber ©taat«fir^e nad^ 9lom brängten, au« fi4
l^erau«5uge^en unb feine litterarifd^en ©c^toingen ju lieben beranlafet. ^n Äonfequeng feinft:
tl^eologif^en aScit^er^igfeit fteUte er fid^ auf bie Sinie ber gtei^eit, na^m fid^ einerfeitf,
unter teiltoeijer $rei«gabe ber eigenen Überjeugungen, in einem 5ßrotefte ber ejtremcn
Slitualiftcn (Dr. 3Barb u. ®en.) gegen bie „Äe^erric^terei" ber Äird^e an, trat mit bcr-
60 fclben Jyront anbererfeit« ber Slgitation gegen bte ©rnennung Dr. §am}}ben« ^um Sifc^of
öon §creforb entgegen unb öcrteibigtc in einem 2lrtifel ber Sbinburg^ SReUieto, gegen
bie ßüangelifc^en i^orftöfec in bem ©orEjamfc^en 2aufftreit, bie beiben öon i^m bi« an
fein ßnbe ^oc^gcEjaltenen ®runbfä^e, bafe bie fog. ©u})rematie ber itrone in religiöfen
Singen nid)t« anberc« al« bie ©m)rematic be« ®efe^c« (b. ^. be« Parlament«) bebeute
66 unb ba^ ba« (Sftablif^ment toeber f^oc^firc^Iic^ nod^ brcitlirc^lid^ noc^ eüanaelifd^ fei,
fonbcrn ^u allen 3citcn entgcgengeje^te unb toiberfprcc^enbe 3Keinungen über toi($tige Setr-
fragen ertragen habe, ^n feinen 1817 erfd^icncnen Sermons on the Apostolic Age
treten bicfc ©cbanfen ^uin erftenmal F^erüor. ©ic bcjeid^nen bie enbgiltige Ärifc in feinem
inneren SBerbegang ; ben Siedeten toie ben Sinlen tritt er unter Berufung auf einige aU
60 Strnolbfd^c« (Srbe übernommene Sunienfd;e ©ä^e unb auf bie beutfc^e i^eologie entgegen
Stanley 761
unb tjetlangt unbebingtc greil^cit bcr Sibclforfd^ung, ein ©o^, ber bamate ebmfofel^
feine 3lbjage an bie ©öangelifd^en tote an bie i^oc^firc^enmänner bebeulete.
3m 3wlt 1851 tourbe er aU 6anon nad^ Ganlerbur^ berufen, '^n biefen fed^^ ,
Sa^en ber ©tille entfaltete er nun eine reiche litterarifd^e 2:i^äti0leit; i^nen gei^ören bie
Memoirs of Ganterbury (1854), Sinai and Palestine (1856), bief^c^t einer Steife 6
in bie l^eiligen Sänber unb toietteic^t bag ^jerfönlic^fte, barum aud^ ba« gelefenfte Sucp,
ferner feine Äommentare ber ©riefe an bie Äorintl^er (1855), an. SBiffenfq^aftlic^en SBert
befiften biefe Slu^legungen nic^t; bie begrifflid^e ^Darlegung ift ol^ne iiefe, bie t)I^Uo»
logifc^e älrbeit ol^ne älfribie, bod^ ftnb fie burc^ ben ))erfönlid9en ^on bed 93ortragd unb
bie anregenben gefd^i^tlic^en Stu^fül^ngen t)on l^ol^em SReije für toiele Sefer. lo
3m ajlärj 1858 leierte er ate ^rofeffor ber Äirc^engef^ic^te nad^ Djforb jurüdt.
§ier verarbeitete er feine alabemifd^en Vorträge in ben Three Introductory Lectures
on the Study of Eccles. History, ben Lectures on History of the Eastern Church
unb ben Lectures on the History of the Jewish Church, aued Unterfuc^ungen fein unb
d^aralteriftifc^ in ber 2:ec^nil, aber an toiffenfd^aftlid^em Srtrag bürftig unb über bie 3)urd^s 15
fd^nitt^Ieiftung nic^t ^inau^e^enb. —
3n biefen g^l^ren h)urbe er in ben ©türm, ben bie Essays and Reviews in bie
englif^en Kirchen- unb ©elel^rtenfreife trugen, mit ^ineingeriffen ; jtoei feiner näd^ften
greunbe, $rof. S^toett unb Dr. %tmpU, 2lmolb« SJac^folger in SRugb^ unb fj)äterer
Sifd^of bon Sonbon, toaren 3Kitarbeiter an bem Suc^e unb burc^ 3Kaferegelungen t)on 20
ber gegnerifd^en SRet^ten bebrol^t. ©t. mißbilligte für feine ^erfon bie rabilalen 2^l^efen
einiger ^Mitarbeiter, foireit bie Slbftd^t öorlaa, „ben göttlichen Urft)rung ber ©d^rift unb
i^re 3lutorität ju befettigen, fte auf bie ©tufe bloß menfd^lid^en ©d^rifttum« ^erabjufe^en
unb bie überlieferte Seigre tüittlürlid^ umjubeuten", ftellte aber feine SEBaffen ben ainge«
griffenen ^ur Verfügung burc^ feinen ^ßroteft gegen bie Verurteilung be« Suc^e« in feiner 25
©efamt^eit ; rec^t unb billig fei vielmehr, jeben Seitrag in feiner 3lrt ju toürbigen, nic^t aber
unterfc^teb^lo« alle 3Kitarbexter bem abgünftigen Urteil „befc^ränlter Schreier unb lärmenber
©^noben" über bie ©efamtleiftung ju unterftetten (ßbinburg^ SReö. 3li)ril 1861 ; bgl. aud^
©t.^ Essays on Church and State 1870). 3)a6 er auf biefem fd^irmenben ©c^ilbe
in bie Sleil^en ber ejtremen Iraftarianer, bon benen ein 2:eil ftd^ ber Slgitation gegen so
ben SRationali^mu« ber E. & R. angefd^loffen ^atte, ben ©treit trug, ber nac^mal«
gur ©J)altung führte, toar bie nid^t getrollte, aber t^atfäd^lid^e golge feine« (Singreifen«.
3)ie ßrregung über biefen ©türm l^atte ftc^ noc^ nic^t gelegt, ate Dr. Golenfo (bamal«
Sifd^of t)on 5latal) einen in ©nglanb uner(>örtcn, übrigen« in lanbläufigen, in ®eutfd^s
lanb löngft befannten, jum 2:eil überbotenen anfä^en gefüllten angriff auf bie unbe^Bö
bingte ©laubtoürbigfeit be« ^ßentateud^« Veröffentlichte unb nad^ ben E. & R. ber att*
gemeinlird^lid^en 2lnjc^auung einen jtüeiten 9Jacfenfc^lag toerfe^e. 9Jatürlic^ liefe ©t. e«
ftc^ nid^t nel^men, auc^ m biefer ^i^age ©tellung gu nel^men; er t^at e« in ber SBeife,
bafe er auc^ ßolenfo ^jerfönlid^ mit feinem ©cbilbe gu becfen fuc^te unb ablel^nte, in bie
urteil«lofe Serfe^erung eine« el^rentoerten unb aufrid^tig religiöfen 3Kanne« mit einjus40
ftimmen. —
SBäl^renb er alf 0 ben SJlut l^atte, gegen bie gefc^loffene ^l^alanj ber an längft über«
h)unbene ^h^m nod^ vielfach gebundenen lirc^lic^cn SRed^ten ben Jtampf aufiunel^men,
immer, h)ie h)ir fallen, mit öorftd^tigem, h)o^l abgetüogenem 5Jein, aber bod^ auc^ bemül^t,
mit gemäßem SBort atten ©eiten be« Problem« ober ber ©ad^lage nad^jugel^en unb ber 46
$erfon ju grei^eit unb SRec^t ju Verhelfen, gab i^m in ben religiö«'Iirc^lid^ ni^t un^
mittelbar intereffierten Äreifen ber ^ßreffe, SSiffenfc^aft unb ©efettjc^aft fein eintreten
für bie liberale ?;bee einen bon ^al)x ^u ^af)x toac^fenben SRüdt^alt. —
3luf SBunf^ ber Äönigin Siftorta, bie bem ^öfifc^ getüanbten ?ßrofcffor })erföns
lic^ getüogen tvax, begleitete ©t. im S^^re 1863 ben bamaligen ^ringen bon 3Bale«60
nad^ Sleg^pten unb ^Paläftina; infolgebe« tüurbe feine Serbinbung mit bem §ofe eine
engere unb brad^te il^m, nac^bem SRid^arb G^cnebiE irend^, ber bi«l^erige ^tan t)on 3Befts
minfter jum ©rxbifc^of Don 2)ublin berufen Sorben tüar, bie erfte geiftlic^e ©teile an ber
altei^riDürbigen Slbtei (9. ^^nuar 1864) ein.
2)urc^ biefe Berufung tourbe ©t. an Sonbon, ben ©ammel))unlt aller geiftigenss
^ntereffen be« Sanbe«, gefeffclt unb bem §ofe um f 0 näber gerüdft, al« er einige 3Konate
voriger fid^ mit Sabto 2lugufta 95ruce, ber ioc^ter be« 5. @arl of ©Igin unb ber greunbin
ber Äönigin, öermäblt ^atte. ^n biefer ©tellung erft l^at er öermöge feiner ©igenart, bie
alle gärten ju glätten fic^ bemül^te, bcr toeitreic^enben 3?erbinbung mit ben })olitifc^en,
litterarifd^en, miffcnfc^aftlid^en unb firc^lid^en Äreifen unb feiner glänjenben gefellfcl^afts «o
762 etmde^
lid^cn Sejie^ungm jenen lief- unb toeilgel^enben ®tnflu6 erlangt, ber i^n ju einem ba
h)it!famften gaiftoren im ®cifte«leben ber §aiH)tftabt in gnglanb gemad^t pat 3n ba
^IJrälalur, an ben Uniöerfitäten, in ber Äontoofation, in ber ©efeUfd^aft, in ber Jovialen
arbeit an ben SKaffen gewann er t)on ^af)x ju ^al}x ate 3)ean öon 3Beftminfter fefteren
5 Soben, bi^ jule^t fein 5lame ein ?5rinjij) bebeutete. 3)ur(^ mel^r atö ein S^brjiebnl
galt er aU Rubrer ber öffentlichen SKeinung. —
gaft mtt allen ®aben au^gerüftet, bie für eine glüdlic^e Söfung ber ibm an bem
nationalen Heiligtum jufaDenben Stufgaben bie SJorau^fe^ung bilbeten, — nur feine
SSerftänbnigloftguit für bie 3Kufif unb feine geringen arc^iteftonifd^en Äenntniffe bat er
10 felbft h)ieberl^olt beflagt, — fe^te er mit flammenber Segeifterung unb butc^fc^Iagenbem
Srfolge aSe i^m ju ®ebote fte^enben Strafte an bie Aufgabe, ben ^errli^en Sau, bie
fc^önfte Slüte ber mittelalterlichen Saufunft in ßnglanb, in ben 3KitteIpunIt bee notier
nalen Seben^ ju jie^en. fiein anberer ^ean, n?eber t)or noc^ nac^ i^m, bermag ibm in
biefer Sejie^ung bie^alme ftreitig ;iu machen. 3" berSlbtei toar il^m bie auc^ äufeerlit^
15 glänjenbe 3SerIörj)erung feinet '^hzal^ t)on einer alle Schattierungen ber fie^ranfc^uungen
umfaffenben ^Jationalürd^^e gegeben, ba^ äußere 3^'^^" ^'"^ ^Oe 93erfc^ieben^ bei
religiöfen formen ju ^ö^erer ßinl^eit berbinbenben ©emeinbe. 3*^^^»" ^ ^^"^ begiraien^
ben äußeren 3Serfatl be« Sautüerl^ burd^ glücflic|e Sleftaurationcn entgegentrat, g^
toann er bai^ 3"^^^ff^ t>^ g^njen SSolfö für bie untoergleid^lid^ fd^öne Slbtei unb ibre
20 grofeen gefc^ic^tlic^en ©rinnerungen jurücf. ©d^on nac^ brei 3<^^^^" ^^^ er in ben
Memorials of Westminster Abbey (1867) feinen Sanb^leuten ein SHäerf, ba^ bie
9Jlaffen in ben Sann ber in ber Slbtei ju lat)ibarem äu^rudt gelangten gefc^ic^tlicbcn
Sergangenl^eit fd^lug. an ben ©onntagnac^mittagen jog er big jule^t ^ablrei^e fybm
unter feine flanjel, bie ben grofeen 3)ean Igoren unb — fe^en ipouten ; benn er galt de
26 einer ber ^ert)orragenbften Äan^elrebner. 2ln englifc^en SKa|en gcmefjen. ^df habt ^
Slnfang ber 70er ^a^if^ «n Dielen ©onntagen biefen ©otte^bienften beigeh>ol^nt, anfänglich
um ben berühmten i>tan, bem ic^ auc^ j)erfönlic^ befannt h)ar, ju ^ören, nad^^er um
immer lieber unter bie mächtige SBirfung be« in feiner Stfuftif untjergleid^Iic^ fc^önen ßbor=
gefangg ju lommen. ©t. mar aDe^ e^er ate ein padtenber ^rebiger ; bani fel^Ite i^m bie SBänne,
80 bag eble ^at^o^, ber i^inreifeenbe ©c^hning ber SRebe, auq bie Äraft ber ©timme. ^^n
trodfenem 2:one, ej^er 3)05ent afö 5ßrebiger, la« er fein freilid^ forgfältig au^earbeitetc^
unb glänjenb ftilifiertc^ 3Ranuffrij)t ab. SBar ^itva^ in biefen ©otte^bienften öcn
ergreifenber 3Birfung, fo tüar e« mbm bem tüunbertootten ©efang ber in feinen cblcn
SJia^en unb garben überirältigcnbe gotifc^e Sau unb ber $auc^ untoergänglid^er $oefic,
85 ber über biefer BiäiU ber Unfterblic^en tüel^t unb bie ©eele mit unlpiberftcblic^er ©etpoü
ergreift.
5lic^t minber toeitberxig tvax feine Sertoaltung ber äbtei, bie atö nationales
3Kaufoleum ben grofeen 3Kännem be« Solfö bie le^te 9lul^eftatt bietet; ber Unterf(t«ieb
be« ©laubeng unb ©tanbeg, bon früheren 2)eang je unb bann h)o^l geltenb gemacht, tm
40 für i^n nic^t öor^anben unb cth?a mit 9(ugna^me beg unter ben 3"'"^ gefallenen ^rin^en
9?a^oleon, befjcn gej)lantc 3"Iöffwng allgemein alg Serbeugung gegen ben jpof aufgefaßt
unb mit SHec^t befämpft h?urbe, l^at er in toeit^erjig abtoägenber SBeigbeit ßblen unb
©rofeen ben ®rabj)la^ gctüäl^rt. 3luc^ bie Äanjel ber Slbtei ftellte er ben ©eiftlicbcn
aller firc^lid^en Slic^tungen, felbft ben fortgefd^rittenftcn ©eftierem gur Serfügung; bas
45 er fie felbft Saien (^rof. 3Ka5 TOüHer) einräumte unb unter anberen 9Jonfonformiften
auc| Unitarier jum Slbenbma^l in ber Slbtei ^uliefe, o^ne öon feinen erbitterten ©egnern
gc^inbert tücrben ^u fönnen, beh?icg, toclc^eg tvtiU unb tiefgel^enben ©influffcg er fub in
bicfcn legten ^a^ren feinem Sebens; erfreute. Son beftridfenbem Jjerfönlic^en 3öw6er, feinen unb
leutfeligcn formen, Don milber, mit einem Slnflug öon ^umor getoürjter ®ütc, öerftonb
50 er cö h)ic faum ein anberer, mit ben niebrigftcn toie ben l^öc^ften Solföllaffen ju öerfe^
unb fie mit bem 3flubcr feiner ^erfönlic^feit ju umftridfen. ^thm, ber cg irünfite,
ßin^eimifc^cn h?ic ^i^embcn, bot er fic^ ju beftimmten ©tunben atö fad^hinbigen 3mci-
t)reten „t>^ fteinernen ©ebic^teö", feiner geliebten Slbtei an; bie Slrmen, Äronfen unbScr-
lafjcncn Derfammclte er aug ben elcnbeftcn ©tabtüierteln ju ©artenfeften in ber S^eancrt.
56 unb bie ßinpfanggabcnbc ber 2a^ 3lugufta ©tanlel; Dereinigten in ben 70er S^^ten bie
au^crlefenftc ®efellfcl)aft ber ,öaut)tftabt.
tiefer augge^rägt perfonlic^e (Sinflu^ aber tüirfte natürlid^ auf feine lirc^lic^e ©teKung
jurücf. Cbnc bafe er ftc erftrebt battc, toar il?m bie ^ü^rerfc^aft bed Iir(^lic|cn Sibera^
ligmug, ben bie Broad Church Party üertrat, in bie §änbe gejfallen. Um bem freieren
60 ©ebanfen bie Sirc^en})forten aufjut^un, griff er mit 2tnfj)rad^en unb Srofc^üren in bie
Stanley 763
totc^tigften religiöfen unb fojtalen S^aflc^fragen ctri; fe^te fid^ mit ben ^ül^rem bcr freieren
beutfc^en ^^l^eologie in 33erbinbung unb bemühte pd^ mit (Srfolg, bur^Überfe^ungen il^rer
SBerle bie ftaat^Itrc^üc^e 3:^eologie ju befruchten. 2luf ber Sinie feiner comprehen-
Biveness toanbte er ben Slltfatl^olifen (Äongrcfe in Äöln 1872) feine Seilnal^me ju, trat
für bie 2Biebert)ereinigung ber englifd^en mit ber orientalifd^en Jtird^e ein unb bot feinen 6
großen ©influfe auf, um bie SRücHebr ber 2)iffenter^ in bie ©taat^fird^e in bie SBege ju
leiten. Unb toie er felbft ben ejtremften SRitualiften bie $anb jum ®ru^e geboten ^atte,
fo h)ürbe er Unitarier unb äße biejcnigen, bie ;,bi^ an, toenn nur nid^t über bie ®renje
be« SttJ^ei^mu^ gingen", in feiner Äird^e toilllommen gel^eifeen l^aben. ©o bot er aßen
lird^lic^en ©d^attierungen — bi« jur ©elbftberleugnung — bie Sruberl^anb; nur bie lo
Ultramontanen bermo^te er nic^t ju berfö^ncn, bie in bem grcigeift ben untoürbigen
9lad^folger ber 3ibte einer forrelteren Vergangenheit fallen.
3m grüi^Iing 1876 ftarb nad^ längerer Äranf^eit feine grau; e« toar ber fd^toerfte
©c^Iag feinet Sebend, t)on bem er m nic^t erholte. Sab^ 9lugufta toar eine ber feinen
tief bertoanbte 9iatur; i^re grofeen ®aben ^atte [xt in ben 3)ienft feiner ^^^^le gefteHt i6
unb anÄam})f unb®rfoIg mit laujd^enber ©eele teilgenommen. 6r felbft ging, nad^bem
er am lO.^uli 1881 an ber SRofe erlranft ioar, am 18. ^eim. ©ein Segräbni« peftaltete
ftc^ )u einer grogartigen ßunbgebung, toie ju einem nationalen Xrauertage. ^te erften
SRänner ber SBiffenfc$aft, ber Sitteratur, ber beiben ^Parlamente, ber Uniberfitäten Djforb
unb Sambribge unb ber ftaat^Iird^Iid^en toie nonlonformiftifd^en 3:^eoIogie l^ielten fein 20
Seic^entud^ ; in ber 3lbtei, in ber Äa^eDe ^einrid^^ III., liegt er begraben. —
©t. ift in bem, toa^ er getooHt unb erreid^t, bi^ in fleine 3^9^ hinein, ber hanU
bare©c^üler be« großen 2tmolo, bem er in beffen 93iograt)l^ie ein^errlic^e« ®enlmal ber
^ietät gefeftt j^at. S3i« auf bie üKetl^obe feiner biblifc^en unb gefd^ic^tlic^en Unterfuc^ungen
erftredft ftc^ bie äbl^ängigfeit. Suc^ feine ^eunbe geben ju, bafe feine biblifc^en Strbeiten 25
ioeber tief nod^ ejaft toaren; er toar mel?r ßaufeur ate ^^ilolog, me^r^ofmann ald
^^eolog, me^r ^ebatter al^ @elel^rter. 3ltö $^ilofo))l^ ol^ne originale ©ebanlen, atö
Äird^enmann ol^ne SRüdtgrat unb bon ben jünftigen gorfc^ern je unb bann beläd^elt, l^at
er bie ©eele feine« Solle« bennod^ gewonnen al« ber ^nterjjret be« großen SReltor« bon
SRugb^, beffen geiftige« 6rbe feinen 3SolI«genoffen ju übermitteln unb lebenbig ju erl^alten 90
er ate bie Stufgabe feine« Seben« anfa^.
©c^on in feinem Suc^e über ba« ajjoftolifc^e ß^talter nimmt er bon 2lmolb bie
^iftorifd^=ncealiftifd^e SKet^obe auf bie biblifd^e 3^^0^^'^*^ herüber, gür ba« richtige
SJerftönbni« ber ©d^rift, fagt er in änlc^nung an ben 3Jleifter, lann nur bie Snttoicfes
lung«ibee al« t^eoretifd^e« ^gen« in grage f ommen ; auf aÖen Gebieten religiöfen unb 85
j)l^ilofobl^ifc^en SDenfen« l^at biefer ©runbfafe je^t ben erften ^laft eingenommen. 2)ie
älBmä^licpIeit, UnboHfommenl^eit unb j^unelmenbe Klarheit ber Offenbarung felbft toirb
je^t erfannt, unb bamit toerben bie ^au^tfd^h)ierigleiten ber Sibelerflärung au« bem
SBege get^an. SQ3a« ber l^eutigen 3:^eologie bon SBert ift, ift neben biefer ^iftorifc^en
SKnfd^auung bie fittlid^e Betrachtung ber ^erfonen unb Vorgänge, ^n ^l^ilofo})^ie toie 40
Ideologie, in Sl^eorie toie ^raji« toirb bie Äraft be« inneren Setoeife« au« ber fittlic^en
©rfa^rung gegenüber allen ®unberbetoeifen al« ber toirffamere unb ftärlere erfannt:
mit biefen ©ä^en ift ©t. an bie in ber £uft feiner ^cit licgenbcn gragen ber biblifc^en flriti!
berangetreten unb l^at bie Söfung be« ^Problem« öerfud^t, aber nic^t opne feinerfeit« in^alb^
feiten ^u berfaUen unb ben Problemen ©etoalt an^ut(;un. ^aran trägt bie au«get>rägt 46
^erfönlid^e 9Jote, bie burd^ feine fämtlid^en Slrbeiten al« Unterton Hingt, bie ©d^ulb.
®r toar eine burc^au« fubjeltibe 3?atur. %xci bon ber Saft ber ^Irabitionen, getragen
öon bem SBiHcn ber Gntfaltung aller feiner Kräfte in arbeit unb ©enufe, ^at er, ber
bon frül^efter ^wg^nb an im ftarlen Setoufetfein feiner felbft lebte, jtc^ nie fo ganj an
bie SDinge Verloren, bafe er nid^t ftc^ felbft unb fein Verl^alten ju i^nen juglei^ fuc^te 60
unb il^nen al« 3Kafe aufjtoang. ©eine Seibenfc^aft, bie an ein ^kl ii}x 3llle« fe^t, unb
ein aSillc, ber unbänbig bie ©c^ranfen ber burc^ ©efc^ic^te unb gormel beengten SBirfc
lid^feit JU burd^bred^en fuc^t, ruft in il;m einen rul^elofen SBcc^fel ber ®emüt«mftänbc
^ert)or, unter beren Sleflesen bie 3)ingc nic^t immer in bie redete Beleuchtung fommen.
3)a« fül^rt i^n baju, bafe er au« ben Slnforberungen be« religiö«sj)raltifc^en Seben« ober»
feiner J)erfönlid^en ßrfa^rung ^erau« bie ©^toierigleiten, bie bem Sibelglauben anftöfeig
finb, abjufd^mäd^en (attenuate), SBunberer^^ä^lungen mit jarter Unbeftimmt^eit ju um^
fc^reiben unb ba« 3h>«ifrfl^afte ben S03irflid^Ieit«forberungen amu})affen ftd^ bemüht, aber
bergifet, bafe jeber iDtffenfd^aftlic^e gorfd^er auf bie gef^id^tlid9e aSa^ri^eit ein bon allen
9?ebenabftc^ten freie« 3led^t ^ai, ba| biefe früi^er beliebten ajlifc^formen ber §alb^iten, eo
764 ^ianlttt
Unllar^citcn unb ÄomJ)romiffe bcr (Srienntnte ber reinen ffial^rl^eit ntd^^t förberli(^ finb
unb beibe ^ntereffen, ba^ t)ralttfci^=reliötöfe unb ba^ tJ^eoretifc^-tolffenfc^^aftlict^c, am befttn
gema^ Serben in ber fttengen Trennung ber erbaulichen bon ber ^iftorifc^^ritif*«!
iöibelerllärung. —
6 3nbe« in ber Qad^c felbft ging ©t. ein gut 3:eU über feinen SReifter ^tnau^. geincr
bem abftraften 3)enlen abbolben 3lrt mar ber })raftifc^srationaIifierenbe Siberaliömiig
aimolb^ h)eit anjiel^enber atö bie j)oetifci^e ^K^ftä SJlaurice« unb ßoleribge«, bie ifcn
t)on bem überf ommencn Sreitlird^entum abrüdfte ; aber gegen ämolb felbft betonte er bi«
Sebeutung^Iofigfeit bed 3)ogma^ in einer ffieife, bie ben älteren erfc^rerfte. äl^äbrenb
10 er bie 2lrnolbf$e S^^eorie bom SJeri^ältni« ber Äirc^e jum ©taat übernahm, toerflücptigtc
er ben ©lauben bcr Äirc^e in einer feinem ^Keifker anftöfeigenffieife; niemals ^t erfic^bi«
^age t)orgelegt, Wa^ benn nun eigentlich für ^n^alt bad lirc^lici^e Sogma für i^n no(^
^atte. D^ne 93ebenten toied er jeben SSerfud^, ba^, foa^ ein ©lauben^rtifel fac^lic^
enthielt, feftjufteflen; ab, bemül^te pd^ aber um fo energifd^er um feine fittlic^en ober
u> geiftlic^en 2Berte. —
9lu^ biefer Unterfd^ä^ung bed bogmatifc^en ®uted ergab ftd^ fein jtirc^en))rin^i|}.
SDie Äirc^e ift bie Wienerin be« ©efamtbolfö; ak nationale barf fte feinem 33olfögenoficn
bie ^Pforte fd^liefecn unb i^ai in 3Serbinbung mit bem ©taate alle anfügten unb ©tres
bungen ber 9lation barjuftetten, toomit freiließ, toie i^m feine ©egner bördelten, ba
20 c^riftlii^en Äirc^e, bie jtoeifello^ grofee SJBal^rl^eiten ju toerlünben unb gegen Irrtum ^u tjer=
teibigen l^at, i^r SRecpt abgefproc^en unb ber ©runbgebanfe ber Sieformatton, bie Über^
minbung be« g^tum^, geleugnet toirb. ©einer (Sinmirfung freilid^ auf bie Sritgenoffen
mad^te biefi^ latitubinarif^e ^rinji}) freie Sal^n; bie toeiteften, t)or aHem bie tir^enfeinb-
liefen Ärcife ftimmten i^m ju, unb bie 9)le]^rja^l ber in Sttteratur, treffe unb SBiffen^
26 fc^aft einflufereid^en 9Jlänner fal^ in ber SSertoirKic^ung biefer ©tfc^en i^eorie bie 3^-
lunft ber Kirche, bie, t)om god^e be« Sud^ftaben« befreit, bie S3erl^ei|ung ut omnes
unum im ^öc^ften ©inne, nur nic^t im biblifd^en, gu erfüHen fxq anfd^icfe. 3Rit
folc^en 3wfw"f*^^9ffnwngen im §erjen fal^ er in feiner ^At neben bun!eln ©^^en
pellet Sic^t, eine Übergang^periobe, au« ber ein „Sßinter be« Unglauben«" ober eine
80 JSrloecfung be« Gl^riftentum« ju l^öl^erem geben" fic^ erl^cben toerbe. 95enn bie ^riftlic^
Äirc^e ift nad^ il^m in ftcter 6nth)icfelung begriffen; ber ©laube ber einen ^eriobe ift »on
feinem Vorgänger öerfc^^ieben unb ab^än^ig. 35ogmen unb Sefenntniffe ftnb al« bcr
enbgiltige 2ifu«brucf ber abfoluten SBal^r^cit irrefül^renb, unb ^inter allem ©trcit ber Scr-
gangenl^cit liegt eine ^öl^ere ^orm, ein erhabenere«, burd^geiftigte« ß^rifkentum, unerreid^
86 bar für feine Singreifer unb SJerteibiger. 3)er ©laube ber Äirc^e mufe alfo üon ben
3eitfeffeln befreit, bie ^eilige ©cfc^i^te au« bem fonbentionellen 9lebel, in ben eine
unangebrad^te ß^rfurd^t fie Der^üHt, (icrau«gelöft irerben. 2)ie crfte Slufgabe be^ mobemen
Il^eologen ift ba« ©tubiunt ber Sibel um il^rc« 3"^^^/ nic^t um be« ilf^r gefc^ic^tlic^
aufgcjtüungenen ©^ftem« toiUen; erft bann mirb e« ber tl^eotogifc^en ©nttoicrelung ge^
40 lingen, bie attem 2lnfd^ein nac^ guncl^menbe ©c^eibung jtoifd^en ©lauben unb SBSiffenfc^Kift
abjjutoenben. 2)er Sibelforfc^er l^at äße«, ma« jufättig, geitlic^ unb felunbär ift, ^urücf^u-
ftellcn hinter ba« primäre, b. 1^. hinter bie toefentlic^en unb übernatürlid^en Elemente bcr
^Religion, ^^x Sctoei« unb i^re ©röfec fmb bie gciftlid^en unb fittlid^cn SBJal^rl^eiten, bie
au« ber Seigre unb bem Seben ß^rifti, in bem ©t. ba« größte aller SBunber fie^t, gc=
46 tüonnen irerben. 35iefc ftnb bie ßbclmctalle ber ©c^rift, bie ba« ©d^eibetoaffer ber Äritä
nic^t JU fürchten braud^en; benn bie ^acfel ber SÖa^r^eit h)irb im fd^arfen 3u9h)inb ber
Äritif um fo geller emj)orfIammen. 2)ie Sibel ^at i^m nac^ toie t)or ben Slnfpruc^,
ba« 33uc^ berSüd^cr ju fein, nic^t berloren; gerabe in einer ®t)od^e ioec^felnber ©^fteme,
bcr fic^ fto^enbcn unb brängcnbcn iagc«h)al^rl^citcn loirb fie ber allein feftftel^enbe geU
M) in bcr Sranbung ^altlofer g^itibecn fein, ©ic fjat eh)igleit«d^aralter, unb il^re „uni^
berfalc 5Kcnfc^^cit«natur" jcigt ftc^ barin, bafe iebc« gcitalter, jebe« ©efc^lec^t feine
eigenen Probleme unb 3^^ifcl »" ^^^ beleud^tet unb an i^r nac^ il^rem ®egenh>art5=
unb 3ufunft«h?crtc mifet. 6inc ßnttoidfclung ber c^riftUd^en Se^re auf biefer biblifc^^en
Sinic bietet bie ©elrä^r für ben §ortfc^ritt ber 2öelt unb für i^re SRüdtfei^r ju einer
66 crl^abencrcn c^riftlic^en ii^cologic, bie ade gcfunbcn, in ber SEBelt h)irfenben ®eiflc«=
mäd^tc umfaffen unb eine natürli^c ©ctoalt über ben ®eift ber ©ebilbeten beft^en toirb.
^n Verfolg biefer ©ebanfen ücrtrat er al« Äirc^enmann eine ^olitif tDeitl^erjiger
S^olcranj, betonte ben abfic^tlic^ allgemein unb öcrmittelnb gehaltenen ß^rafter ber .
gormularicn ber englifd^en ftircf^c unb befämj)f te „bie ile^ergerid^te eigentoiHiger Prälaten",
60 um anbcrcrfcit« mit iocitgc^cnbem, oft blinbem ßifer ba« ©emeinfame, ba« olle c^riftlic^en
Stottle^ 765
©cmcinfd^aftcn binbc, ju betonen unb bte 95ienfte ju J)reifen, bte bte Drientaltfci^e, SRö«
mifc^e, Sut^erifd^e unb ^Reformierte Äird^e mit bem gefamten ©ettentum für bie ©tärhing
eine« Verfeinerten, aber auc^ toerfltid^tigten ß^riftentum« get^an; benn überaß fmb bie
©})uren unb Äeime ber SBal^rl^eit toirlfam, unb gegenüber bem faft attgemeinen Abfall
öon bem urlirc^lic^engbeal muffen fie t)on benSc^lacfen unb läftigen Übertoud^erungen be« 6
3)ogmati«mud befreit toerben.
9Jlit toac^fenbem SRac^brudt machte er fid^ bi« an fein (Snbe j|um 3lntoalt ber SJer*
binbung bon Äirc^e unb ©taat; er öerftanb barunter 1. bie älnerlennung unb görbe«
rung be« religiösen ©lauben« ber ©emeinbe t)on feiten be« Staat«, unb 2. ba| biejer
jum äu^brudc gebrad^te ©laube unter ber ÄontroÖe unb 5^^"ß *>^ ©efamtgemeinbe lo
tjcrmittelft ber Slutorität be« ®efe^e« gel^alten toerbe. 3)ie guri^biftion be« ©efei^e« b.^.
ber Ärone bejto. be« Parlament« in atten ürc^lid^en unb toeltlic^en 2)ingen ift nic^t eine
fc^mäl^Iic^e Jlnec^tfc^aft, fonbem ba« ma(^tt)o(lfte unb geiftigfte Organ ber ©efamt»
gemcinbe. Si« jule^t blicfte er mit tiefem UntoiUen auf ben bro^enben angriff be« „3)reis
bunbe« ber ^untaner, SJoltaire« unb Saub«" auf „ein« ber ebelften SKJerle ber göttlichen i5
5ßrot)ibenj, bie ©efd^i^te ber englifd^en ©taat«fird^e, bie t}olitifd^e ©etoalt, „bie bi« jur
(Segentoart bie grei^eit ber freiften, bie Se^re ber gele^rteften unb bie SJemünftigfcit ber
befonnenften Äir^e ber ßl^riftenl^eit in i^en ©c^u^ genommen"; fie befeiti^en toürbe
bie Vernichtung ber großen ^been ber g^^ei^eit, be« SBac^dtum« unb ber SSäeitl^erjigfeit,
bie in bem Seftcl^en einer nationalen Äirc^e gegeben fmb, bebeuten. 20
3)iefe 9lnfd^auungen liefen i^m infolgebe« feine Stellung jtoifd^en ben beiben grogen
f irdS^li(^en ^Parteien an. 3Kit feiner t)on ii^nen ift er jum gn^^n gef ommen ; t)on ben ©bange«
Itfd^en trennte i^n feine SSerac^tung be« Sogma«, feine freie Stellung gu ben ^agen ber
Sibellritif, ber 3nfJ)iration, ber ^Rechtfertigung unb ber $öttenftrafen, feine begeifterte 55e*
toertung ber „beutf^en ^^eologie'' (the most laborious, truth-seeking and conscien- 25
tious of Continental nations) unb feine unabläffigen Semü^ungen, Infd^auungen, bie
bi« auf bie römifd^en Sinien reichten, in ber englifd^en Äird^e ba« Sürgerred^t m fic(>em.
3)ic ^oc^Iirc^enmänner aber l^aben il^n grunbfä^lid^ befämj)ft ; benn feine Slbtoeicpung öon
ben bort Vertretenen Stnfd^auungen toaren funbamentale. 9lud^ ba, too er i^r toermeint«
lid^e« SRec^t (bie älnerlennung i^rer 2e^e unb ^tojAS im ßftablif^ment) bertrat, gefd^al^ 30
e« mit Slrgumenten, bie niemal« il^re SiDigung finben lonnten; il^re Übertreibungen ber
Äultformen, ben girlefanj ber 9^rac^tgeh)änber, be« SBei^rauc^«, ber ^anb* unb Äoj)fs
l^altungen fa^ er mit läc^elnber 93erac^tung al« tolerabiles ineptias an, aber mit um
toilliger ©ereiü^eit h)ie« er jebe« (Sntgegenlommen in ber bitalen ^'^age bon einem ben
SSerfe^r be« 3Renfc^en mit ®ott bermittelnben $rieftertum jurüdf. 2)iefer ©laube an as
ein äufeerlic^ nottoenbige«, irbifc^e« SRebium jtoifc^en ©Ott unb ber ©eele, fagte er,
ift, toenn id^ 2)abib« $falmen, ^auli ©riefe unb ß^rifti (Sbangelium rid^tig berpanben
l^abt, gerabe ba«, auf ma« bie ^U grömmigleit SBerjid^t ju leiften ftc^ bemüht; unb je
energif^er ber 3Serjic^t, um fo enger ift bie Vereinigung ber ©eele mit il^rem (Srlöfer.
3n biefer ritualiftifc^en SSerfnöd^erung unb SKec^anifierung geiftlic^er ©üter erblidtte er 4o
bie fd^toere ©efa^r einer toac^fenben aJlaterialifterung ber bem Slbenbmal^l, ber unjtoeifet
^aft er^abcnften religiöfen ^eier (ordinance) auf (Srben, innemo^nenben ^immlifc^en
©nabe. — 35iefer in ber englifc^en Äirc^e ju feiner ^^'tt Iräftig einfe^enben unb ftetig
lüad^fcnben rüdtläufigcn Seh)egung tocnigften« einen ftarlen 5Damm entgegengefe^t ju
^ahm, barf er al« fein SJerbienft in 2tnf})rud^ nehmen. — 46
@t. ift inbe« nic^t ber ungläubige Keiner, ^u bem gereifte ©egner i^n gemacht ^aben.
3h)eifello« l^at er ba« ©tubium ber 1^1. ©c^riften in ©nglanb auf gefunbere Salinen
gelenit; bie SSerbinbung einer pictätboUen ©c|>riftau«legung mit einer gefunben, nac^ ber
äiSal^rl^eit fuc^enben Jtrttit unb bie neue Vlüte be« bibel- unb firc^engefc^ic^tlid^en ©tubium«
^aben in i^m jtoar nic^t ben Segrünber, aber boc^ ben geiftbollen unb einflu^reid^en so
3SorIämj)f er ju c^ren. Unb bie bon il^m bertretenen ©runbgebanfen bon ber Uniberfalität
ber göttlid^en Siebe, bon bem abfoluten SBert ber fittlid^en unb geiftigen 5DJäd^te ber
Sieligion, bon ber abfoluten ^errfd^aft be« ©etoiffen« unb ber ba« SBefen be« ß^riften«
tum« bebingenben Vebeutung be« Seben« unb S^aralter« feine« göttlichen ©rünber« finb
für bie religiöf e Übergang«ej)oc^e, ber ©t. an feinem leile bie SBege geebnet ^at, germente 66
getoorben, bie eine Säuterung unb Srl^ebung ber im Gl^riftentum toirfenben Äraft burd^
iöefeitigung bon ^inbembcm ©eranle unb inl^altlofen formen, bie §errfc^aft eine«
reineren, in fic^ felbft gemiffen ©lauben«, ber grei^eit, ©erec^tigleit, 3Beitl^erjig!eit, ©elbfts
berleugnung, fojialen Siebe unb furc^tlofen« Suchen« nad^ ber SBa^r^eit ^erbeigufül^ren
mit geholfen l^aben. @r l^at bamit triebfräftige ©amenlömer in bie ^urd^en ber 3^t ^
766 Stanley @ta)ifer
ßehjorfcn, bic, tool^Ibc^ütet, bic ®eh)ä^r einer qefunben unb tjer^eifeung^reic^cn ®nttou!c=
lung ber (SrunbQebanlen be« 6^ri[tentum« in \x(S} trafen, unb l^t borum Iräftiöcnb, er-
l^ebenb, bctebelnb an ber 3wlwnft jeincr Äirc^e unb fetne^ SSoIfe« mitgearbeitet. —
©t.« Schriften. 3!)ie mic^tigflen finb im 3;ejte oben berjcic^net; id) füge baju:
5 Life and Correspondence of Dr. Th. Arnold, 2 Sänbe, 1844 ; jtoölfte Sluflogt
1881; Sermons in the East, 1863; Essays chiefly on Questions of Church
and State, 1870; Lectures on the Church of Scotland, 1872; Addresses,
delivered at St. Andrews, 1877; Addr., delivered in the United States of
America and Ganada, 1879; Christian Institutions, 1881. 92itboIf IBnbbenfteg.
10 ©ta|ifer. — 3)ag belannte bemif(^e2:i^eoIo9engef(^Ie(l^ ber Stapfet, beffen bcrü^mtefta:
SBerlreter ber ^elbetifcbe SJlinifter ^^ili})}) 3Hbert Sta})fer War, fkanmt au^ bem e^emoll
bemifd^en ©täbtc^en Srugg im äargau, toelc^eö ftc^ feit ber 9leformation banf ber %iäX'
forge ber bemif(|en Dbrigfeit burd^ gute ©c^ulen unb burd^ rege« gcifttg«« 2eben unb
©treben au^jeic^nete. ^m ^af)x 1774 tüaren j. S. bon ben ca. 1000 Sürgem mäfi.
i6toeniger ate 36 geistlichen ©tanbeg. Unter ben bebeutenbem 3Rännem, bic Srugg im
18. 3^^!^^""^^* I^erborgebrad^t ^at, fmb neben bem befannten J^annotjeranifc^en Seiboijt
unb fiitteraten 3- ®- 3^"^*"^^^"^^"" ^"^ *>^"^ ^elbetijd^en üRinifter Slengger üor aUem
bie bier Srüber ©tajjfer, bie ©öl^ne be« 1730 aU ^Pfarrer bon SJlünfingcn öerftorbencn
3o^ann ©tajjfer, ju nennen. ^f)x^x brei toaren Ideologen, 3^^«"" griebrid^, ^fomt
20 in 3)iefebad^ • 3«>^ö""^ ^rofeffor ber Ideologie in ^em, unb 3)antel, Pfarrer am
SWünfter in Sern, lüä^renb ber bierte ©ruber fid^ afe Öfonom burd^ praftifc^c l^otig-
feit unb t^eoretifc^e arbeiten einen Flamen ma^te. (Siner ©eitenlinie be« (Sefd^le(^t§
entftammte älbred^t ©tapfer, geboren 1722, Pfarrer in 9Jlünftngcn unb SRett,
ber bie erfte ^rei^aufgabe ber 1758 gegrünbeten Öfonomifc^en ©efetlfc^aft löfte. 5cr
26 jungem ©eneration enblid^ gel^ören an bie beiben ©ö^ne be« Pfarrer« 3)antcl
©tat)fer: ?5^iIij)J) SUbert, ber 3Kinifter, unb ber ^rofeffor ber 2:i^ei)Iogte griebtic^
©ta^jfer.
I. 3)ie Srüber ^lo^ann 5^i^i>^i«'^# S«^^«"^^ wnb 3)aniel ©tajjfcr. duellcn
unb Sitterntur: 2eu, ^eloet. Öejifon «b XVII, @. 513ff. unb @u»pl. S8b V, @. GOoff.;
aoßuf, 9?cfroIo(^ berühmter Scötoeljcr 1812, S.504; ^Kcufcl, ßcjifon m XIII, 8.286 ff. ISIi
3rb5ÖS3b35, 6.450. Bibl. Universelle, S5b23. «gl. femer: 9(Icj. ©(^weiser, (fentralbogmen II,
6. 758 unb mm, ©ejc^. b. fc^ro. t. II, 135, 144.
3)er bebeutenbfte ber Srüber ©tapfer ift gol^ann griebrid^. 6r War 1708 geboren,
befud^te bie ©d^ulen feiner SSaterftabt, fj)äterbieienigenöonSemunb -iDlarburg, too er beiSÖoljf
36 ?5^ilofoj)l^ie ftubierte. 5lac^bem er §oIIanb bereift batte, lehrte er in feine §ctmat jurücf,
um feine grünblid^en t^eologifc^en unb j)^iIofoj)^ifd^en Äenntniffe im ©ienftc feiner Äirdx
ju bermerten. @r h)ar juerft |5elbJ)rebiger in ben aSalbftätten (1738—1740), befleibctc
bann, toä^renb er ben SHang eine^ ®arnifon§t)farrer^ beibehielt, ge^n gabre ^inbun^ bie
§au^Iel^rerftette in ber gamilie bon SBattenh)^! in Sie^ac^ bei 3^^un, toorauf er 175<3
40 nac^ bem S^obe be« befannten ^farrer^ Samuel 2u^ (Suciug, bgl. ^di& XII, 21 ff.)
bie Pfarrei 2)ie6bac^ erhielt. Si^ ju feinem 3;obe 1775 tüirfte er in biefer ©teflung
mit großer 2!reue unb aufoj)fember .Eingebung, alfo bafe er feine ©emeinbe, bie er bei
feinem 3lmtgantritt burc^ feftiererifc^e 6inf(üffe jerriffen unb gefpalten angetroffm fyittt,
ali eine geeinigte feinem Jlac^folger l^interlaffen lonnte. Sitte feine Siogrop^m |eben
46 afe befonber^ rül^men^tüert l^erüor, bafe ber gelehrte 3Kann ftd^ in rü^renber ireue &€=
mü^te, bag, tva^ er in tüiffenfc^aftlic^en SBerfen feinen gebilbeten Sefern au^einanberfe^te,
auc^ feinen einfachen ©emeinbegliebern öerftänblic^ ju machen.
3}o(;ann griebric^ ©taj^fer tpäre nad^ feiner Slnlage unb Segabung für ba« da--
bemif^e Se^ramt geeignet getpefen. SJiermal erl^ielt er auc^ einen 9luf nod^ aJtarburg,
60 attein er gog ba« ^fanamt Dor. SKöglic^ertoeife tüar feine ©tettung ate Pfarrer bon
^ic^bac^ auc^ J)efuniär günftiger aU bie i^m angebotene ^rofeffur. 3"^^»" genügte
feinen toiffenfc^aftlic^en Sebürfniffen bie litterarifc^e 2!^ätigfeit bottftänbig, für bie er f\A
tro^ ber ftarfen 3;nö"f}5r"^"öl^me burc^ bie grofee ©emeinbe ftet^ bie nötige ^u^e ju
öerfd^affen tüufete. ©c^on al^ §au^le^rer öeröffcntlic^te er im g^l^re 1743 fein erftW
66 ^auptn^erf, bie Institutiones theologiae polemicae universae in 5 Sänben, r>on
bencn ber erfte Sanb im 3- 1"^'' ^«"^ ^^^^^^ 2luflage erlebte. 6« ift bicfe« SBerf eine
2lrt ©^mbülif, tnbem e^ eine 2)arftcttung ber öerf^iebenen lonfeffioneHen, fird^lic^n,
j)^iIofoj)^ifc^en unb religiöfen 2c^rfV)fteme enthält, 5. 33. beö Slt^ei^muig, 3)ei^mu^, Opi--
furäii^mu^, @t^nici^mu^, 92aturali^mu0, ^ubai^mu^, 3Jlu^amebanidmu^, ©octani^mu^,
@ta)ifer 767
3nbtffcrcnligmuö unb Satttubtnari^mu^, ^aj)temuig, bcr fjanattfer (gnfjjiricrten unb
3)l^[tifcr) be« ^clagtant^mug, 2lrmmiant«mu«, ainabopti^mu«, bet morgenlänbifc^cn
Äird^c b\^ herauf ju bcn ^ärcjtcn be« ölteficn ßi^riftentum^. %ttdxdf ip bic ^axs
ftettung nic^t retn objcftto, fonbem, tote bcr 2:itel be^.Suc^e^ befagt unb cntfi)rec^cnb
bem Qfyixdbia ber geitgenöfftfd^en ^^eologie, ^olemtfd^ Irtttfc^ boni @tanb})unft ber 6
tffonnifrten Il^cologie au^, bie er in einem erften Seil in gebrängter 3)arfteIIung
toorau^fc^idtte.
gm 3^1^^^ 1746 erfd^ien bie „©runblegung jur too^ren ^Religion", bcren jh)ölfter
Sanb 1753 bottenbel mürbe. 2)a^ SBcrl h)urbe lüie ba« erfte bon ben ^ritgenoflen fe^r
günftig aufgenommen. Rani j. 33. erflärte e^ für bie öemünfligfte unb metl^obitc^ befte lo
3)arlegung ber c^riftlic^en SDogmatif. 2)er ©toff ift l^ier f^nt^etifd^ georbnet, aber mit
93eifeitelaffung ber reformierten göberaltf?eoIogie. gm 3JlitteI})unIt bcr 2)arftenung ftc^t
bie Sc^re bon ber ©enugtl^uung. 3lli^ Srgänjung ju bicfem SBcrl, toeld^c^ im tpcfents
liefen ^Dogmatil entl^ält, erfc^ien öon 1757—1766 eine jed^gbänbige ©ittcnlel^re, h)omit
er folglich bie bon $oIanug empfol^Iene, in ber Sffiolfffcpen ^eriobe l^crrfc^enbe S^cilung 15
ber c^riftlid^en S^^eologie in t^eoretifc^e unb })raftif(^e, in Dogmatil unb ßt^if, im
toefentlic^cn burd^gcfü^rt i}ai. 3)oc^ ift feine gt^if faft augfc^licfelic^ ^flic^tenlc^rc.
©nblic^ l^at ©tajjfcr 1754 noc^ einen 2lugjug a\x^ feiner ,,®runbleguna" in 2 S3änben
^crauögegcbeh, eine eibe^unterh)eifung 1758, unb eine 2lnU)eifung jur d^riftlic^en SReligion
in Äatcc^i^muilform 1769. 20
©taj)fcrg ©tanbj)unft ift im attgemeinen berjenige ber reformierten Drt^obojie,
immerhin in jener mitbcn berbünnten ?^orm, lüclc^e 2urrettini unb SBcrcnfete vertreten
l^atten. 2)a^ (Sigcntümli^e bei i^m ift aber ber überall ju 3iage tretenbc ©influ^ bcr
SBoIfffd^cn $^iIofoj)^ie; bie er ate Hilfsmittel gebraucht, um bie SBal^rl^eit ber c^riftlid^en
Sieligion ben 3)cntenbcn als bernunftgemä^ ,,ebibcnt" ju machen, „ßbibenj" ift fein 25
©d^lagtport. 35er naibe ©laube, ber bie ganje 3lufllärung be^errfc^t; bafe eS gelingen
muffe burc^ bemünftigeS logifc^eS 2)enlen unb burc^ ftrenge ©d^lüffe unb Folgerungen
bie SBal^r^eit Der d^riftlic^cn ^Religion ju bereifen, l^at aud^ feine arbeit getraaen. SS
ift ort^obojer SRationaliSmuS, tpaS er bertritt. 2)o(^ unterfc^ieb er beutlid^ jlüifc^cn einer
theologia naturalis unb einer theologia revelata, unb nur bon ber erftcm b^i^axüpUU 30
er, ba| fie burc^ reine 3)enfoj)erationen gefunben Serben lönne, tpä^renb er für bie
l^ö^cre ©tufe bie 9Joth)enbigfeit einer Offenbarung annahm, bie in ber 1^1. ©c^rift ent^
galten fei. 6ine Weitere ^olgc biefer äbfc^toäc^ung ber Drt^obojic ift bie 3)ulbung,
tücld^e er in feiner Theologia polemica anbem S3e!cnntniffen ju teil werben lic|.
äßerbingS ^at il^m bie 95erner ß^wfw^'^^^örbe einen ^aragraj)!^ geftrid^en, in hjclc^cm 36
er fic^ über bie Unterfc^eibungSlel^ren beS lut^erifd^en SelenntniffeS ju milbe auSs
gebrüdft l^attc.
©einem ©ruber gol^anneS ©taj)fer, geb. 1719, geft. 1801, fommt nid^t biefelbe
toeitreic^cnbe Sebeutung ju, obmoj^l er feit 1756 ben Se^rftu^l ber elenc^t^ifc^en Sl^eologie
unb feit 1776 benienigen ber bibaftifd^en einnal^m, unb als ^farrer bon 2larburg in 40
glänjenber aßeife für biefen fic^rftu^l bisj)utiert l^atte. ©eine ©tärfe unb Segabung lag
mc^r auf bem j)raltifc^cn ©cbiete, tpie er benn auc^ als einer ber beliebteften ^rebiger
galt, unb feine bon 1761 bis 1781 erfd^ienencn 7 Sänbe ^rebigtcn noc^ nac^ feinem
2!obc eine 9ieuauSgabe erlebten. @r f)ai fid^ auc^ burc^ eine Bearbeitung beS bemifc^en
$falmenbu(^eS berbient gemacht, inbem er an ©teile bcr 2obh)afferfd^en Überfe^ung eine 45
neue metrifd^e einführte, bie „parttcntDcife nic^t o^ne bic^tcrifc^cn ©d&h)ung, gemein^
bcrftänblic^, ber^ältniSmäfeig fj)ra(^rein, ben SSerglcic^ mit anbern jcitgcnöfjifc^en SSc^
arbeitungen bon ©J)rcng (1741), SBilbermett (1747) unb 3- 2t. Gramer fel^r tool^l auS*
^ält" (©über). (Snblic^ gab er in gorm bon 5ßrcbigtbiS^jofttionen unter bem litel
Theologia analytica eine f^ftematifd^ georbnete 2)arftellung bcr l^auj)tfäd^lid^ften w
©laubenSlc^en ^crauS, Sem 1763.
Der jüngfte bcr brei Srüber Daniel, juerft Pfarrer in 3Kurten unb feit 1766 am
aWünfter in Sern, jeid^netc fid^ burc^ bie aBärme unb ben (Schalt feiner ^rebigten auS.
Seiber liegt bon il^m nid^tS ©ebrudtteS bor als eine ^rebigt über baS ©rbbeben in Siffa^
bon, tDclc^eS bamalS aße ©emüter befc^äftigte unb ben D})timiSmuS ber 3lufflärung inS 66
aSanlcn brad^tc. SBielanb ^at fie für bie befte bcr Äanjelreben auS jener QÄi gehalten.
©eine ©ö^nc irarcn nun
IL ^l^ili^p 3llbert ©taj)fcr unb griebric^ ©tajjfcr. Cuellen: bic uorigcn,
ba^u bie muftergültiije au§füt)rli(i)e S^iograp^ic oon Dr. fiuginbüi)l (^afel 1887), bcr aud^ ben
SBrieftPcc^fel 6tapfcrS jum großen 5^eil ^crauSgcgeben ^at, m bcn Clucllcu ber Sc^w. ®cfclj. XI, 60
768 etotifer
XII unb im ?lrd)it) bc§ ^ift. «er. »crit, ob XIII. (Sine filtere 9CuSgabe bc* »rief»e4ifU
mit Slenggcr ^at &. ©ijbler 1847 (Süricö) bcforgt.
$^Ut^)) äUbert ©tat)fer, tueld^er bem 3lamzn ©ta))fer einen unt>er()anglt<i^ @tan|
ertoorben ^atte, tüar am 23. ©eptember 1766 in 8cm geboren, ©eine 3Jhitter twr
6 eine 3BaabtIänberin, toa^ für ©ta))fer$ (Sriiel^ung, @ntn>i(felung unb Steigungen mä^
ol^ne dinflug toax. @r tuurbe bon feinem SSater unterrid^tet, ber tro^ feiner bteiai
arbeit alle Siage einige ©tunben jeinem ©o^ne ot)ferte, um i^m eine f orgfaltige vaor
berfede @r}ie^ung ju teil tuerben ju Iaf[en. ^ann befud^te er bte @<^ulen Semd, too
i^n befonber^ ber $^i(ofo))l^ unb Xbeologe ^o^. ^t^, ein tDirHtc^ bebeutenber Slann
10 unb glänjenber ^ojent, anjog. 9(ud^ feinem Onfel, $rof. ^ol^. ©tapfer, ben er fe^ hoii
fd^ä^te afö „unfern beften Slelipionglel^er", berbonfte er biel: „er h>ar mir ein itoeitcr
SSater unb atö Se^rer ^at er mtr fo biel ®uted unb ®roged ertoiefen, ald mir ein fRaif((
einem anbcm ertoeifen fann." ®r arbeitete angeftrengt, fo bafe er fc^on bor feinem
@£amen mit gtoei großem arbeiten über bie ^^Uofot)^te bed ©ofrated unb ben Xuf^
16 erftel^ungdglauben bor bie Öffentlid^feit treten fonnte. 1789 begog er gur SoOenbung
feiner ©tubien bie Uniberfität Hattingen, toeld^e, feit ber groge ^aQer bort getoirlt fymt,
eine ftarte älnjie^ungdtraft auf Semer ausübte. @r ^örte bort bie 2^eoIogen Sttc^cTil
unb Äot)t)e, ben 5pi^iIofot)^m ßc^ne, bie ^iftorifer ©id^^om, Bpitütt, ja fogor ben ©eo^
grob^en gorfter unb ben 3Dlat|ematiIer Sid^tenberg. ^ier in ®öttingen tourbe er, bc
ao bi^ber an ber 3Bal^rl^eit bed ort^obo^en ©^ftemd ni^t gejtoeifelt ^atte, \}on fc^lüeren inneni
Anfechtungen unb 3^^ifdn gequält, bie me^r aU ein gamed ^alft^ffnt i^n bearbeiteten
SBmn er in biefer gan}en ^z\t bm innem ^alt nid^t berlor, fonbem ftc^ bielmebr ju
einer reinem unb tiefem 9luffaf[ung ber Sleligion unb ber ))ofitiben Sßa^^ten berfelben
burd^rang, fo berbanhe er bad )um größten Xeil bem Sinflu^ feiner SRutter, bie i^
35 bon iel^er bie Sleligion al^ eine ^ergen^fad^e unb eine äln^eleaen^eit be^ innem Sebcr^
anfe^m gelehrt patte. ^reilid^ rebete er je^t eine Qtxt iani gang bie &pxai^ bei
9(uff(ämng. 3$on ®öttingen reifte er mit 6m()fel^Iungen feined ®5nnerd 3- ®- S^^^^'-
mann na^ Sonbon, too er 3^^d^ ^^ Jtäm))fe jtoifd^m bm 3)oried unb ben 3Big|^ toat,
unb bon "pa nad^ $arid 1791. ^aft gleid^geitig mit bem nad^ feinem unglücflidxn
80 ^lud^tberfud^e jurüdCgefü^rtm Jtönige traf er in $arid ein. 3Sa^ er bort Don ber Slebo--
lution fa^, nal^m i^n ungemein ein. @r fanb ftramme Orbnung, gro|e !gbeen unb toxd?
lid^e ^ortfd^ritte, fmb hod) bie brei erftm ^al^re ber 9lebolution bie fru^tbarftm unb
beften getoefen. 3lad) feiner Slüdtte^r über ®enf tourbe er, rei^l an 5lenntniflen unb
Srfa^rung, lonfciriert unb fofort im SBinterfemefter 1791/92 gum ©teOtjertreter feinet
86 DnleU für t^eoretifc^e Il^eologie ernannt, ©obann belleibete er bie ©tette eine^ ©iprot^
lel^rer^ am t)olitijd^cn 3"^^^^/ ""^ ^^^ 1796 fein Dnlel reftgnierte, iourbe er fein5}a(fc
folger. 9)lan tou^te |\tüar, ba^ er mit ber SJebolution f^mpat^ifierte, allein ba er bo4 in
feinen änfid^ten lein ©c^tüärmer toar, unb fein ebler ß^aralter alle (Garantien bot, ba er
jubem mit ^'»""^^'^^"flwn unb $rof. 3tl^ befrcunbet toar, fo tourbe er getoä^It. Biap}^
40 tourbe al^balb bag $aut)t unb bie ©eele ber burd^ ^tl^ neu organifierten älfabcmit
eine glän^enbe ^^rofcfforenlaufbal^n ftanb i^m bebor, al« bie ®retgniffe, ber ©turj ba
^Regierung, ber Übergang Scrn^ unb ber gatt ber alten ©ibgenoffmfc^aft 1798, i^n oul
feiner 33a^n fc^Icuberten unb bor eine gan^ anbre toic^tigere aufgäbe im 2)imft bei
2anbe^ fteOtm.
46 „2lte bie Slcbolution an bie lodfem unb morfd^en ©taat^gcbäubc^en ber ©(^toeis
flot)fte, tüar ©taj)fer in t)l^ilofot)l^ifc^=tl^eoIogifc^e ^robleme bertieft". ®r flimmte i^r not^
immer gu, boc^ nic^t ber 2lrt unb 2Beife, toie bie fran^öftfcben Irut)t)en unb §eerfübrei,
fpejictt ber ^Raubritter SRapinat, fie bertraten unb burd^füi^rten. 2)aö SSertraum bei
neuen Slegicrung crfanntc in i^m ben geeigneten 5Kann, um auf bem SQege einer bijjüi-
60 matifc^m ^iffton in $art^ bagegen Sinfprac^e ju erl^eben. Sttoad f^at er aud^ erreicht,
ahn nic^t bici. 3Re^r fanb er für feine ^erfon, inbem er in 3Warie 3RabeIeine ^ierrett«
Sinccnt, einer cblen ^rotcftantin, feine §rau fanb. SBar er fdjion burc^ feine SRutter
bem romanifc^cn SQScfcn bertoanbt unb jugct^an, fo tourbe nun biefe ißeigung burt^ feine
SSerbinbung mit ber Oattin bermafecn bcrftärft, bafe er baburc^ mit ber 3eit feinem
55 SSaterlanbe unb auc^ ber beutfc^en X^eologie berloren ging, ©o innig unb ^erjlid^ au(^
bag e^elic^e SBer^ältni^ toar, fo ift c^ boc^ ^u bebauem, ba| ©tajjfer, ber in ben toenigen
^al^rcn feiner aBirffamfeit in ber ©c^toeij fo ©rofec« geleiftct l^atte, um feiner grau toittcn
^ä) f>)äter feiner §eimat entzogen l^at.
SBä^renb er noc^ in ^ari^ loar, tüurbe er bom l^elbetifc^m 3)ireftorium gum SJinifici
eober SBiffenfc^af ten, Äünfte, (Sebäube, Srüden unb Strafen emannt, 2. 3Rai 1798. 6m
(Sto^ifer 769
QCtoaltigcr Umfc^tüung! SSom ^rofcffor ber S^l^eologie jum 2)Jmiftcr ber SBiftcnfd^aftcn
unb ber ©trafen! 3"^^ ^^^^^ ^^^ ^" 3*^ gcbac^t. 2)erfcl6c l;attc fic^ aber fd^on
nad^ Sifclcn ^urüige^ogen, um 3Muf;c ju ^abcn, unb toic^ auf 6taj)fcr. 5Jac^ furgem
aber fc^toercm inneren 5lamj)fe na^m er an. gür bie Ideologie toar e« fd^abe, benn man
{►ätte bon il^m ertoarten bürfen, baf; er, toie ©c^necfenburger meinte (Über bie G^riftos 5
ogie Biap^tt^, Sern 1842), „bur^ folibe ©ele^rfamfeit unb j)l^iIofoj)biJclE>cn ®eift bie
d^riftU^e Se^re enttoidelt unb befräftigt l^ätte, jo baf; bie« nic^t crft ©d^^teiermad^cr über^
lafjen toorben toäre." gür bie Äirc^e unb ben religiöfen guftanb be« S^olfe^ toar e^
aber entfc^ieben ein ®lüi, baf; ©tajjfer bie SBal^l annahm. 3)ie ©taat^firc^e iüar ja
offijiett abgefc^afft unb in ben fül^renben Äreifen ber ©etoetif ^errfc^tc nic^t nur ein 10
fdj^arfer antifirc^lic^er, fonbem ein bireft antireligiöfer (Seift, unter bem aHe^ ju leiben
^atte, toa« nod^ irgenbtüie c^riftlic^ l^iefe. ^Ran mufe ^ bal^er für eine ?5"^i^""0 ^^^
göttlichen 33orfe^ung galten, bafe ©tat)fer, ber tro| feinet Äantifc^en SRationali^mu^ mit
feinem ^erjen boc^ auf bem 33oben eine^ j)ofitit>en ßl^riftentumg ftanb unb ber ben 5Jlut
^atte, feine Überzeugung ju befennen, bie Seitung be^ Äird;entoefen3 übemal^m, ebe bie ib
lirc^Iic^e 2lnarc^ie fic^ Verlängerte, greilic^ tourbe bie Äird^e nur infofem anerfannt, atö
fic ber 2luf Märung biente unb afö fie burc^ i^re erjiel^erifc^e 2l^ätigleit, il^ren ©influfe
auf bie SÖloralität unb bie ©c^ärfung ber ©etoiffen ben Staat^^tüetf unterftü^te. 3)er
©laube aber unb ba^ Sefenntni^ toaren ^riüatfac^e. 2)ag toar bamate auc^ ©tajjfer^
Überjeugung, bie er balb nac^ feinem 2lmtgantritt in einer ^rollamation an bie GJeifts 20
liefen beiber Äonfeffionen unter bem litel bertrat: „35er 5Kinifter ber Äünfte unb ber
SBifjenfc^aften ber einen unb unteilbaren §efoetifc^en 9le}3ublif an bie Stcligionglel^rer
tetoetieng über ij^re ^flid^ten unb Seftimmung". ©tatofer toar aber in feiner ganzen
ernjaltung treulid^ bafür beforgt, bafe bie „93ürger Pfarrer" i^r Slmt atö Steligion^*
leerer nic^t nur ^emäfe be^ „©taatgjtüedEe^", fonbem auc^ bon einem l^öl^em ©eftc^tö^ 20
jjunite au^ berric^ten lonnten. @r ^atte aber 3Jlül^e, gegen bie feinbfelige öefinnung
feiner Äottegen, bie i^n gelegentlid^ bireft be^abouierten, auf^ufommen, tourbe bod^i fogar
1799 bie Settagg^roflamation, bie ©tajjfcr bon $arig au^ berfafjt f)atU, bom 2)ireftorium
»erboten, nur toeil er in berfelben ber Überzeugung Slu^brud tjerlie^en l^atte, bafe „o^ne
gemeinfamen nationalen Ootte^bienft baö öffentliche ©etoiffen gefc^mäc^t njerbe unb bie so
©ittlic^feit eine^ SSoIfeö il^ren innem §alt unb il^re Sebenöfraft berliere!" (S^ ging bcnn
auc^ nic^t lange, fo toar bie 3"^^fi^*/ *"i^ ^^ ^ bie neuen 3wf^ä"be begrübt \)aiit,
erl^eblic^ erfd^üttert.
Um fo mel^r tonnte ©tat)fer trofe ber lurjcn ^^\t feinet 3Jlinifterium^ auf anbcrn
©ebieten teiften, namentlich be^ ©d(|uU unb 3lrmentoefenö. Sr l^atte h)eitgreifenbc unb 35
^o^e ^läne. ©rünbung einer allgemeinen ^elbetifc^en 9Solf^fd(|ule, einer eibgenöffifc^en
Uniüerfität, bon Se^rerbilbung^anftalten, unb tvmn and) bai§ toenigfte jur i^ertoirflicbung
fam — tüie überi^aujjt bie ^t\i ber §elbctif eine ^dt fc^öner ^läne ol^ne It^aten mar
— fo toaren eö boc^ ©aatfömer für bie 3wtw"f^- 3tud9 für ^eftalo^gi intereffierte er
fic^ unb fe^te i^n in ben ©tanb, feine 3Jletl^obe im ©rofeen burc^jufü|ren. ßnblic^ er=40
h)ä^nen toir noc^ feine Serbienfte um bie Sittcratur (Reibet. Solfeblatt), bie ^lationaU
fultur, bie Sibliot^elen unb fünfte. ©^ ift un^toeifellaft, bafe er Diel me^r erreicht
l^ätte, toenn er länger unb ungeftört ^ätte toirfen fönnen. aber fc^on 1800 mufete er
al^ ©efanbter nac^ ^ax\^ (bi^ 1803), unb nun nahmen bie öffentlid;en SSor^änge in
^arig unb granlreic^, bie ©rl^ebuna Sonajjarteg jum erften Äonful, bie D}3pofition ber 45
göberaliften in ber ©c^toei^, bie Sebrol^ung ber fc^toeij. Unabl^ängigfeit burc^ %xanU
reic^ unb bie SJerfafjung^reDifion, beren Srgebniö bie ^tebiation^aftc toaren, fein ^"tcreffe
bermafeen in Stnfj^rud^, bafe er auigfc^liefeli^ l^olitifd^ t^ätig fein mufete unb bafe alle bie
meiften feiner Wohlgemeinten ^läne unDoUenbet unb unau^cfü^rt liegen blieben. Um
fo mcbr l^at er in {jolitifd^er §infic^t feinem Sanbe genügt. 50
2Kit bem ©turj ber §elDetiI 1803 jog fic^ ©tat)fer in^ ^ribatleben jurüdf. 3)er Erfolg
l^atte i^m bod^ nic^t fo geläd^elt, toie er gel^offt ^atte. ©ein Seben in bicfcr 3^it hj^r 9Jlül^e
unb 3trbeit getoefcn, unb bie ©rinnerung baran toenig erfreulich. 2lber ba« Setoufetfcin
blieb i|^m, ba^ Sefte gemottt ju l;aben, unb fein ßi^aralter toar intaft geblieben in einer
3cit, in ber bielc ©c^aben gelitten ^aben. SBo^I l^ätte er mit leidster 3Jlü^e unter ben 65
neuen 3Ser^ältnifjen jjolitifc^ Garriöre machen lönnen, toenn er feine ^eltoetifd^en Orunb^
fä^c Verleugnet, ivenn er nur neutral geblieben toäre! ©tajjfer ioie^ e^ ab. SDie^olitil
blieb il;m Derfd;loffen ; ing afabemifc^e Se^ramt fonnte er aud^ nid^t me^r ^urücf, ^ubem
brängte feine grau, bafe er fic^ in SJranfreic^ nieberlaffe. ßr too^nte bon 180G an in
Seiair bei 5ßarig, fj)äter in lalc^ bei 3Kcr auf bem Sanbgut feiner ©c^toiegermutter. 60
IRcalsdncl^nopftbic fttr 2:^Ioflic nnb setrdie. 8. «. XVIII. 49
770 ei<)ifcr
Sfu* bie Sletfen , bic ex in bic SAtoei.; unternahm, erfolgten in immer gröBem Jittct
toaüen, fo bafe ^, tro^bcm er au^ ber ^eme ein aufmerffamer Seobacbtfr bn: (rrdgmji«
in ber Heimat blieb, in ber neuen ipeimat immer mcbr beimifc^ tourbe. 3n feiner 3uri«t
ge^ogenbeit üon ber *??cütil toibmete er ficb je^t ber ffiiffenfc^ft unb ber pflege be§
6 !ircbii(tcn unb religiöfen Sebens imterbalb ber j)roteflantifc^en StitAe öon J^oiäreid),
bcren bebcutenbfter, glän^enbfter unb f^mpat^ifcber 3?ertreter er tourbe. 6^ ift beianm,
toie na^ beut Stur^ bee flaiferreid»^ in ^xcaih^A unb mit bem ^egfoUcn bcö Snide«,
ber auf ben ©emütem gelaftet batte, bie Äreife ber ©ebilbeten haä Skriangen ergrijf,
burc^ Serübrung mit ber auelänbifcben namentlicb ber beutf(^ @etfte$beti>egun9 Um
10 gciftigen i'eben granfreic^ neue Äräfte jujufübren unb nac^^ubolen, too^ unter bn ^^
fc^aft be« 9JJiIitarismu^ fo lange berfäumt toerben mufete. gto^fer, burc^ ^öiilkfre
rcunbfcbaft mit ben f übrenben ^^erfönlicbfeiten gfranlreicfy^ unb bcS 3(uSlanb^ berbunbai,
mit 9Kaine be Siran, mit ©uijot unb Goufm, bon Sonftetten, 2H. ^umbolbt, 5Rmt
be Stael, toar unftreitig ber geeignete 9JJann, um in biefe Setoegung einzugreifen, unb
15 ber 3nter)?rct ber beutfc^en ^4?^iIofop^ie, fpe^ieH Äant^, in ^anfretc^ gu toerben.
©ui^ot, ber fpäter fo berübmt geworbene Sd^riftftener unb SRimfter, toor fon
1807—1810 bei ibm öilf^lebrer für ben Unterricht feiner Söbne. ©tcqjfcr ift e^ getoejat,
ber feine latente entbcrfte, bie ßrfüttung feinet SBunfc^e«, fic^ litterarifc^ ^u bctBätigen er-
möglid»te unb ibn bei feinen J^eunben einführte, äud^ in feiner neuen SteQiing fonnie
20 er für fein 6anb t^ätig fein, infofem er in feinen ©riefen an bie greunbe in ber ^einwt
i(^nen toertt^oQe 9{atfc^Iäge gab. Sobann grünbete er bie fd^tueig. ^ilf^efeHfc^ in
^ari^, bie in ber ^^^Ö^J^^ h biele toor 9tot unb SSerberben betoa^ ^t.
am nat^baltigften toar aber bod^ feine ftitte intenfibe SBirffamfeit auf religiöfem
®ebictc. 3" f^"^ rcligiöfen ßnttoidelung näl^erte er fid^ immer me^r bem })ofitiiwi
25 ßf^riftentum. ßbangelif^ toar feine religiiJfe Überzeugung im ®runbe immer getoefcn,
unb er f^at au(b in ber ^c\t, ba er tbeologifc^ bemüht toar, ba^ SBefentlic^e am ßbrütci-
tum mit ber ^bi(ofo>)^ie ju bcrbinben, unb ba er afö 3Rinifter bie Airc^ unb iht
Arbeit bem Staat^jtücd ber moralifd^en Grjic^ung unterfteflen tooHte, nie bem bulgöroi
Wationaliemu^ ge^ulbigt. ^a^n toar er ju tief veranlagt, unb t>on feiner SRuttcr ha
ao ju innig bcrbunben mit ber ^crfon ^e\\x. 2lber er ^tte boc^ geglaubt, Äonjeffioncn
machen unb bie Sßabr^cit in ein ber 3^^^ entfprec^enbc«; ©etoanb fleiben ^u muffen. 3"
bem *3)ia6e nun, aU er Jjerfönlic^ jur Slbflärung ftc^ burc^rang, fielen aQe biefe füllen
unb Stufen babin. Sein ©laube griff, hjic er ficb au^brüctte, toieber nac^ ben ,',hiftcfc
rifcfien Stufen" (33ricf an Ufteri, Sluguft 1823), ^iait nad) 93emunftgrünben, toieber mi
35 ben fcblici^ten cbangelifcf^cn ^cilstbatfacben. I)ie ßrloechingebetoegung, bie Don ßnglonl?
auögcfjcnb ju 2(nfang bc^ 19. 3at;rbunbert^ ben fran^öfifc^en ^roteftantiömu^ befruitcrc,
fanb bei if;m tooUce SJcrftänbni^, unb Stajjfer fteHte [\d) mit greuben an bic Bpr^t b<r
religiöfcn ©cfcüfcfiaftcn unb l^creine, bie bicfer Scloegung ibre Sntfte^ung berbanftcn.
Tic $Rcbcn, ioelc^jc er an ben IJ^^^^^f^ften biefer 3Sereine, j. 33. ber SibelgefeQfcbaft un^
40 ^JJ?iffion«öcfcII)c{;aft, gcbalten ^at, gc()ören ju ben ge^altboUften unb le^rreic^ften 3^9'
niffen bcö fran^öfifcben *J?rotcftantiömu^. Ünb jtoar jcigt fi^ in i^nen auf^ fcbönftc )hx
gute öinfluf, ber Ibeologic, ber bcntfc^en 2:{^coIogie. ©tojjfer ^at nie aufgebort, fin
ibcclogc ju fein, unb bic i^cologic beloa^rte il^n bor ben inteUeJEtueOen Sluöfc^reitungcn,
an bcncn c^ in ber Grioccfungöbctocgung nic^t ganj gefeblt ^at unb bencn ein 9)Jann
45 mit folcf^cn mcc^fclooßcn £d;iäfalen unb Gnttäufc^ungen leicf^t ^ätte berfaQen fi^nncn:
^ür ben tn^n,;;ofifcbcn ^rotcftantismuö toar biefer 3"P"fe bon bcutfc^er 2:^eoIogic uni
CiK'iftcearbcit bic gröBte 2ßofjIt^at. 2tnbercrfeit^ bctoa^rte ibn bie fran^öfifc^e 2lrt bam,
baji feine ^)(cbcn nicbt Irorfcnc unb gelcbrte 3lbbanblungen tourben. ©ie h>aren allgemein
bcrftänblid; unb fufetcn bocf) auf ber grünblic^ftcn tbeologifc^en Äonjej>tton ber ?|ÄrobIenit
50 Gnblic^ offenbarte fid; ber fcgen^reic^e Ginflufe ber Äantifc^en ^;jibilofo})l^ie barin, bafe er
ba^ ÖDani^clium unb bas ©civiffcn, bie .s>eil^tbatfad^en unb ben lategorifc^en 3*^>>^'^^^
in innere i^crbinbung gu bringen tocrmoc^tc. So h?urbe er einer ber beften Slpologeten
bc^ cüangclifcf)cn Gbriftcntuntö in J^ranfrcic^, fotoo^I gegenüber ber p^iIofoJ)^if(^en' unb
fritifc^)cn ^){id)tuni3, bic in bic Sclbft^crfe^ung bc^ (Sbriftentumg au^münbcte, ak au*
55 gegenüber bem ftreitbarcn Ultraniontani^mu^, ber getragen bon ber {jolitifd^cn SRealticn
in jener ^^\i fein Aau>}t erfjob, unb bem natürli^ Staj>ferg S^l^ätigfeit namentlicb für
bic '43ibclücrbrcitunp ein Tom im 5Iuge toar. Stajjfcr ^at ftc^ aber gegen bie tout-
fdmaubcnbcn 3(ngriffc u. a. Don iiamenai^ fräflig getoef^rt, unb mit ernften Sßorten ba^
Sd>idfa( gciociefagt, iocId)cin grantrcicf^ unter ber ^enfc^aft ber Sleaftion berfaUen müjfe
60 unb bcrfaUcn ift. Sfiic iocnig Stapfer übrigen^ bie fonfeffionetten ©cgcnfä^e ^ert)orbob,
Stopfer Sto^t^Iitd 771
toic tücit fein ^orijont \vax, gc^t fd^on barau^ ^crbor, bafe er im SScrein mit cinfid^tigcn
unb toleranten Äatl^oliten, bencn bie futlic^e unb fo^iale ^cbung be3 burc^ bie Äriege
bcr 3flaj)oIeonifd^en 3cit an ben 9lanb beö Slbgrunbe^ gebrachten ^olfe^ am ^erjen lag,
bie Soci6t6 de la morale chr^tienne grünbete unb in i^rem Organ (Journal de la
8. d. 1. m. ehr.) Iräftig für i^re 3'^^^/ ^P«Ö« be« religiöjcn Seben^, Slbfc^affung be^ 6
©flaben^anbel«, SSerforgung ber SBaifcn, gürforge für ©efangene k. eintrat, iro^ ber
Dj))pofition ber ^Regierung fonnte bie ©efellfc^aft, ber u. a. auc^ 93rogIie, Slemufat unb
©uijot angehörten, eine erfreuliche SBirffamfeit entfalten. 2;iefe ©efettfc^aft trug il^m
nun auc^ bie Sefanntfc^aft unb greunbfd^aft mit einem jungen 3)lanne ein, ber an
©ta))fer^ Seben^toerf anlnüpfenb in ber Jfolfl^J^it für ben franjöfifc^cn ^roteftanti^mu« lo
bie größte Sebeutuna gewinnen fottte, mit älejanber äJinet. 35er ©raf t)on Sambrec^t,
getoefencr 3lwftijminifter t)on ^anfreid^, l^atte 2000 gr^. teftiert für bie befte ©c^rift
über Äultudfrei^eit unb bie ^oralgefetlfc^aft ate Jturatorium eingcfe^t. Unter ben ein-
gelangten arbeiten befanb fic^ auc^ biejenige be^ jungen, bi^^cr unbefannten, Sel^rer^ am
^Jäbagogium t)pnSafeI, Sllejanber SSinet, toelc^er unter bem 3Jlotto: „3Q3o ber ®eift be« is
§erm ift, ba ift ^reil^eit" mit ftrenger logijc^er Äonfequen,^ für bie ©laubeng^ unb ©e*
tüiffen^freil^eit eintrat, nic^t au^ ©leic^giltigfeit gegen bie Steligion, fonbern au« Sieligion.
?Kan lann toof^l fagen, bafe in biefer Schrift ©ta))fer« 3^^^" ""^ ^^c guten grei^cit^^
beftrebungen ber öcloetif il^ren flaffifc^en Slu^brucf gefunben haben, ©tapfer fear benn
auc^ be« Sobe« üoH unb ba« Äuratorium \pxa6) iNinet einftimmig ben ^rci« gu. 35ie ao
aSer^anblungen über bie 2lbänberung einiger für bie fatj^olifd^e Jtird^e t)erle^enber ©teilen
fül^rten ju einem 33riefh)ec^fel jtoifd^en ©tatjfer unb 3Sinet, ber jum innigften ©eifte«^
toerle^r jtüifc^en ^toei gleic^geftimmten unb glcic^gefinntcn 3Jlännern tourbe, bie einanber
im Seben nie gefe^en ^abcn. 3)er SSerbinbung mit ber 5)loralgefettfc^aft üerbanlen toir
ebenfalls ba« ^ud^ bon 3$inet über bie ,,manifestation des eonvictions religieuses". 26
SSon 55inet ^aben toir auc^ bie treuefte unb jutreffenbfte religiöfe SBBürbigung ©tapfer«,
bie in ber gotm einer furzen Siograp^ie al« Sinlcitung ber „Mölanges philosophiques,
litt^raires, historiques et religieux", einer ©ammlung ber mid^tigftcn Sieben unb
atbl^anblungen ©tapfer«, 1844 erfc^ienen ift. ©tapfer ftarb am 27. a)lärj 1840, bie
©rabrebe hielten il^m §. SJlonob unb ber 9Jtiffion«bireItor ©ranbpiene. ao
griebric^ ©tapfer, ber jüngere 33ruber be« SJJinifter«, beffcn toir toenigften« furj
Srtpä^nung tl^un muffen, fear ju Slnfang ber §elbctif t)ilariat«mcife an bie Stelle feine«
SJruber« getreten unb 1801 befinitiD jum ^JJrofcffor ber bibaftifd^en 3:^eologie ernannt
toorben. 3)a e« il^m aber nic^t gelang, „auf feine 3"^örcr bcgeiftcrnb cin^utoirfcn",
tibemal^m er fc^on 1805 bie ^Pfarrei Diefebad^ b. I^un. 1818 n)urbe er noc^ einmal 36
jum 5Profeffor be« 93ibelftubium« gehjä^lt gegenüber bem t>on ber Äuratel einftimmig
borgefc^lagenen ©amuel 2ufe, bem fpdtern ^rofeffor, beffen Beliebtheit bei ben ©tubenten
bie reaftionäre Slegierung befürchten liefe, „e« fönnte n)ie in 2)eutfc^lanb ein bebaucrlid^er
©cift ber Sluflc^nung unb revolutionäre« Untocfen an ber llnit)erfttät 5piaö greifen!"
2)ie SBa^l be« geleierten aber langhjeiligcn ©tapfer erfc^ien al« ba« befte' Heilmittel 40
gegen biefen ©eift, erregte aber bei ben ©tubiofen einen ©türm bcr (Sntrüftung unb üer^
anlaste fte ju einer flotten ©^mpat^ielunbgebung für 2u|. 9lac^ bem ©ieg ber liberalen
Partei unb ber Sleuorbnung ber Uniberfttät 1833 refignierte ©tapfer jum jioeiten S)iale,
um bem geeigneteren 9?ac^f olger ©amuel 2u^ ^Ua| ju machen. (Sr jog fic^ al« ^fancr
nac^ ^Jleilirc^ jurüdE, tüo er 1840 geftorben ift. ©. ^obor«. 46
StOp^^Itt«, griebrid^, geft. 1564.— Duellen: (Ht.<^5Serf ein FridericiStaphyli
Caesarei quondam Consiliarii in causa religionis sparsim editi libelli in unum volumen
digesti, Ingolstadii 1613, Fol. ^a^n be« (itQpt)l)luö historia acti negotii intcr Fr. Staph.
et Andr. Osiandr. bei etrobel, gKi«cell. I, 219ff.; II, 225 ff. ©d)rift)tücfe bei ©c()cl^drn,
Amoenitates I, 611 sqq. (ogl. aud) II, 564 sqq.) unb ©c^elftorn, ©ri]ö|}Iict)feiten, II, 136 ff. 60
337 ff., 469 ff. (ügl. aud) I, o55, 12.3,331). lieber ifin: bie vita üor ben gefamm. 35Jcrfcn, üou
feinem cjleicönamigen @ü^nc; 8trobeI, 92Qd)ricöt ü. b. ficbcn 2c. in b. ^iöccU., I, 3 f.; ipaxu
fnod), ^reujjlfctic Äird)enfleid)id)te S. 295 ff.; @alig, ^Mftorie bcr ?lug«b. (£ünf., II, 902 ff.;
3:öppen, 3)ie ÖJrünbung ber llniüevfitöt ^öniqSberg, 1844, 6. 104, 185 ff. u. i).; ^. WoUcr,
^Inbrea« Dfionber, Glberf. 1870, ©. 309 ff., .363, 414, 449, 552; 9lonpad), (gvläuterte« euang. 65
£eftcvr., II, 130, 93eil. 109 ff. unb bit unten auflefü^rte Öitteratuv jur Öefc^. gcrbinanb« 1.
unb be« ^irienter Äouäil-^J; ferner ^. !2:fd)acfert, Ürfunbenbud) ^ur SRef.=6Jcfc^. be« ^crjocitum«
^Preufien I (1890), 294 ff. unb III (1890) an mehreren ©teilen, jüorübev bie alp^)abet{fd)eu
JHegiftev ^luofnnft (^cbiin; bc«f. ?l. in ?lb53 35, 457 ff. unb 'D^ ^quIu«, 91. in ÄÖ 11, 730.
©tapj^^lu«* gefc^ic^tlid^e Sebeutung liegt in feiner Äönig«berger unb feiner ^n^oU eo
ftäbter SBirIfamleit; in jener l^at er al« t^eologifc^er ^rofeffor unb ^crjoglic^cr 9lat bon
49*
772 (Biapl^m
1546 bte 1551 bic Scrl^ältnific ber eben geftif toten flönigöberger UniDcrfität etbeblü
berfc^lec^tert, in 3"9oIftabt fobann üon 1560 bi^ 1564 al^ römifc^=fat^oItfc^cr glret^
t^eologe ben ^JJroteftanti^muö bitter befämt^ft. 6r ift geboren bcn 27. Stuguft 1512 ^u
Dönabrücf aU jüngfter So^n beig aU «ommcifter be3 Sifc^of^ Qxid^ Don C^nabtüd
6 1521 geftorbenen Subefen StajjeHage unb ber Slnna geborenen Sirfmann auö an^t
fel^enen 2)an5iger ©efd;lec^te (geft. 1518). 2)er 2Jtutter Sruber, (Sbcr^arb Sirfmann,
^olte ben berh?aiften itnabcn nad^ 2)anjig (bie Steife ging über 2lmftcrbain, tpo SJettooiÄtt
Voaren, ju Schiff, an ber TOünbung ber @Ibe erlitten fte Schiffbruch) ; fpätcr tarn er naä^
Sitauen (Sotpno unb SBiIna) ju feiner älu^bilbung „in politicis disciplinis'', bemadfe
10 tigte fic^ ber ruffifc^en unb litauifc^en Sjjrac^e unb be^og bann bie UniDerfität Ärafou,
too er auc^ ^olnifc^ lernte, ipier fam er in na^e 93ejiel^ungen gu feinem Cönabrürfer
Sanb^mann 3'>)^onne^ ^obtfilter, ber ft)äter in bie 2)ienfte be^ Äarbinatö ßor. 6amjjcgc|iü
trat unb an ber Rurie feinen SBeg machte, unter 5Paul III. (1536) 2lubttor ber Sota,
1547 gum Sifc^of Don i!übecf ertoäl^It tourbe, aber biö ju feinem 2:obc (1553) in Som
16 blieb (ßbeling, 3)ie beutfc^en Sifc^., I, Sei^jig 1858, ©. 588 f.). ©tefer rief gt. iu4
Stauen, Wo er gtoei^ai^te ju ^^Jabua 3:I;eoIogie unb ^l^ilofo^l^ie ftubiertc. Um 1533 fchie
er nad^ 2)an}ig jurüd, begab fic^ aber einige ^ai}xc fpäter nac^ SBittenberg, too er bofle
jel^n 3^1^^^ blieb (ca. 1536—1546), 1541 aU 55Jagifter ber freien Jlünfte )>romotoicitc
unb auf 5Jle(anc^t^onö ®nH)fel^lung §ofmeifter beg ®rafen Subtoig Don ©berftein unb
20 JZeugarten tourbe. 9)leIanc^t{^on, an beffen Xifd^e er fafe, fd^ä^te i^n unb munterte ife
ju litterarifd^er Arbeit auf (Übcrfe^ung t>on Stücfen be^ 2)ioboru« ©iculu^). SSerfd^iebenc
ä[u^fi(^tcn I^atten ficf^ il^m geboten, o^ne baf; ©t., ber nac^ 3ReIand[;t^onö 3(ufeerung pox
n\d}t in ber ^^ilofoj^^ie, aber in anberen Dingen bie tioxi^ für SBeie^eit ju j^altcii 9^
neigt ttjar, fic| baju l^atte cntfcf^Iiefeen fönnen, gu folgen; enblicb liefe er fic^ nac^ längeren
26 SSer^anblungen Dorn ßerjog älbred^t t)on ^reufeen geh)innen, Jlac^folger be^ Stanillous
5Raj)ageIanug(berl5. ?DJai 1545 geftorben fear), $rofeff orö ber 2:i^eologic an ber eben (1544)
errichteten UniberfttätÄönig^berg juloerben. 5Bie 5KeIanc^t^on fo enH)fa^I aud^ ©ugenbagai
i^n al^ einen lauteren Wann unb aufrichtigen Sieb^aber ber SBa^r^cit. ^nbeffen madAt
fxd) ©t. Vorläufig nur auf ein ^dtfx berbinblid^ unb liefe ftc^ in ber Seftattung bie ^n^
80 fage geben: „ob auc^ borfiele, bafe burc^ göttlich SJer^ängni^ in unferm Sanbe ^i^i^^^
in 9leligion^fad;en ficf^ jutrügen, bie tüiber bie 1^1. ©d^rift unb primitivae apostolicae
et catholicae ecclesiae consensum fein irürben," unb ber J^erjog auf feine Ü^cxhol-
tung benfelben nid^t fteuern hjoüte, foHte ©t. nic^t jum Dienft be« ^ergog^ toer^jfUctiet
fein. Dbne ^^^^^f^l f^^"^ St. bamalö unter bem übeririegenben ßinflufe ber religicjcn
86 2tnfd;auungcn Wittenbergs, mie bcfonberS feine afabcmifd^e SJiejJutation über bie ^licdit^
fertigungSleljre („Disputatio de justificationis articulo" bei 2:fc^acfert, US III,
3lx. 2002) ^eigt, bie er ftreng lutl^erifc^ auffafete; aber bie Unfic^er^cit t>roteftantif(i:a
2)oftrin fc^eint il^m in ber %\)at fc^on bange gemacht ju ^aben, fo bafe er ftdE» ben Siüd-
tritt in bie römifc^e Äirc^e offen halten tüoHte. Sefonbere $8eranlaffung für jene wr-
40 langte 3"f^^^""9 Ö^'^/ ^^^^ ^^ ^"^^ Wclc^ior Sf^^i^^'^f ^^^^^ ©c^tüeibni^er, ben Sllbrctfi
auf beS (SamerariuS ßnijjfcblung bei ber >)l)ilofopl;ifcl)en gafultät angefteDt batu, au4
Ä'önigeiberg Ijörtc über ben §olIänber SBil^elm (Sna^^euS, ben ber ^erj^og 2llbred^t 1541
an bie©>)i§e feiner ©diule, bcö fogeu. ^^sartifularS, gcfteÜt ^atte; au^ l^ielt er feit 6rün:
bung ber Unitoerfität an biefer i>orlefungcn unb inufete feit ?la>)agelanue' 3:obe ein 3^
45 lang, bis ©t. fam, felbft bic tbcologifcl)c Seftur bcrfe^en. älsbalb trar (Snapbeue bic:
angcfcinbct tuorbcn, er tuarf bcn "jj^rofcfforcn 3?crnad^läffigung il;rer ^flic^ten, insbcfcn:
bcrc il;rcr öffcntlicl)cn 3>orlcfungen ^u ©unften ©clb cinbringcnber ^ritoatüorlefungcn m,
unb iüurbc feincrfcitS als 9^icbcrlänbcr ber Hinneigung ju anaba})tiftifc^er ©äh?anr.:
gciftcrei befcl»ulbigt. (Scl^on 1534 l;attc fic^ % ©jjeratuS gerabe burc^ bie Erfahrungen
60 in ^rcufecn Dcranlafet gcfc^en, eine Scljrift „ad Batavos vagantes" ju Veröffentlich
f. Gofadt, ^]i. ©jjcr., 1861, 153 unb Ifd^adtcrt a. a. D. IL) ^nbeffen C>^P9 2llMt
naljm ibn in ©d)u§ unb (^najjljeuS reinigte fid^ Don jenem 95erbac^t. ©t. !am nun mit
ftartcr T^oreingenommcnl^eit gegen xljn nad) ^rcufeen unb agitierte alebalb ^u feinem
9iad)tcil. ©naphcuS mufetc 2:bcfen ftcUcn, um bur^ 2)iSt)utation über biefelben feine
65 £luaIififation ju bcn iBorlcfungcn ^u bcgrünbcn; aber bic 3^l^cfen de sacrae scripturae
studio (bei ^arttnod; ©. 297) iocrben als unbefugter Übergriff aufS t^eologifcbe ©ebict
jurüdgctoicfcn ; er ftcüt })l^ilo(o>}l?ifcl)c de discrimine coelestis doctrinae et philo-
sophiae; ©t. brid^t bei ber SiS)iutation ungcftüm loS unb entfernt fidb bann mit
Cftcntation. 3" ^^'^ Disputation bcS ©t., de ratione et usu legis, o^))oniert bage^en
60 @naj)l;euS, unb ©t. ioirft i^m anabajjtiftifc^e ätrgumente bor. aBö^rcnb ®na)>^euS f\i
^iapWnfi 773
bei bcin 3Si3efan3ler bcr Uniberfität, bem ^räfc^ be^ famlänbifd^en 53tetum^, Sric^mann,
h)C0cn bcr 3"!"^'^" ^^ ©^- b^\^^^ti, brachte e^ St. burc^ unabläffigc Stnfeinbung,
toclc^c c^ niqt berfc^mä^t, felbft aug ben t)on ®ncH)beu^ jum ©c^uluntenic^t bcrfafetcn
Comoediae (Morosophus u. a. ; Acolastus s. d. jfilio prodigo ift tool^I bie ältcfte)
bogmatifd^e 3in!oncft^citcn gu bebugicrcn, haif'm, baf; tro§ ber (Geneigtheit be^ afabemi^ 6
Wen ©enatö unb be« ^er^og^, fid^ bei ben ßrflärungen bc^ ®naj)l^eug ju berul^igen,
fc^Iicfelid^ (9.3juni 1547) ein geiftlid^eg (Seric^t unter S3rie^mann i^n förmli^ ejfommunis
jierte. 2)en §auj)tangriff^punft für ©t. bilbet eine I^efe, toelc^c fic^ auf ba^ Ser^ältni^
be^ ©eifte« jur fflirffamleit be^ ©c^rifttoort^ begog, fotoic anberfeit^, bafe ®napl}t\x^ mit
(Sntfc^iebcn^eit ben ©a^ DerU)arf, verbum et sacramenta per se esse efficacia, lo
etiamsi partieipantium credat nemo, tva^ ü}m bann a(^ furor Anabaptisticus
aufgelegt tuurbe, obgleid^ er fic^ auc^ Martini scriptis quibusdam ante annos
2()editis(!) maleque detortis ju berteibigen gefucbt ^abe (bgl. oben Sb III ©.403,55 ff.).
®na))^eu^ Verliefe je^t Äönigöberg unb fanb burd(i äJermittcIung ^ol), a Saöco aufnähme
bei ber ©räfin Sfnna bon Oftfrie^lanb in ©mben, tüurbe 3i"fo^"^ö^or ber jungen ©rafen, i5
aber aud^ in SRegierung^efd^äften me^rfac^ üertoenbet; ^ule^t tourbc er SRcntmeifter in
Slorben, h)0 er 1568 ftarb. (Quellen: Guil. Gnaphei . . . adv. temerariam . . .
excomm. censuram . . . Antilogia 1551, 8**. 2)anac^ §artInod^, ^JJreufe. Äirc^engefd^.
295 ff.; .©alig, ^iftör. ber äug^b. 6onf., II, 902 ff., benu^t no^ ein SBolfenbütteler
3Kflr. Über ®naj)^eu^ überl^aut)t f. be §oop=©(^effer, Geschiedenis der Hervorming 20
in Nederland von haar outstaan tot 1531 in ben Studien en Bijdragen bon
2B. aJloO unb bc §oop^©c^effer, ämfterbam 1871. 1872; SabudEc, SB. ®nai)icu«, ein
Sc^rer au« bem SReformation^jeitalter, Smbcn 1875 ; % Sfc^adEert a. a.D. I ; 93r. ©c^u«
mac^er, 3lieber(änbifc^e Slnfiebelungen im §erjogt. ^reufeen, Seijjj. 1903).
3lac^bcm ®eorg ©abinu«, berftimmt über bie fortgefe^tcn 9fleibungen, fein bi« bal^in 25
ftänbige« SJeltorat ber Uniberfität niebergclegt l^atte (2luguft 1547), tourbe ein 3&ai)U
reftorat nac^ bem lurnu« ber gafultäten eingeführt unb ©t., aU bermalen einziger
^rofeffor ber 2:^eoIogie, erfter getoäl^Iter Sleltor. aber er rechtfertigte bie Hoffnungen,
toelc^e ber ^erjog unb bie SBittenberger ®önner auf i^n gefegt Ratten, burc^au« nic^t
unb fc^on nac^ gtoei ^a^ren, im^erbft 1548, gab er bie t^eologifd^en 3?orlefungen ganj ao
auf, liefe fic^ jeboc^ t>om .?)erjog noc^ b^Iten unb biente i^m afö 9lat. 9Jun erfüllte ba«
auftreten 2lnbrca« Dfianber« unb bejfen erftc 3)i«i)utation (5. aijjril 1549) ©t. bon
born^erein mit bem tiefften ^Ölifetrauen, er fuc^tc ij^m in ber ©tiHe entgegen^utüirfen.
Sei älu^bruc^ einer ©euc^e in Königsberg ging er jtoar balb barauf nac^ Sittauen unb
im 5Jlai nac^ SreSlau, too er fu^ am 29. Oftober 1549 mit ber loc^tcr be« 93re«Iauer3ö
^Reformator« ^^^ann §efe, Slnna, bermä^Itc unb bereit« mit bem 5)lagiftrate Sejiel^ungen
für eine bauernbe SBirlfamfeit bafelbft anlnü^jfte. (©eine oratio de literis t)on 1550
[2B2B. eol. 1285 ff.], eine bor anfe^nlid^er Äorona gehaltene eröffnung«rebe für bie
^umaniftifd^en £ef tionen an ber Sre«Iauer ©c^ule, fafet minbeften« einen längeren Äurfu«
in« 3luge.) ^m grül^ja^re 1550 fam er, mit einem ©(^reiben be« 33re«(auer ©enat« 40
berfe^en, nad^ Äönig«berg, um fic^ bort frei gu mad^en. 2tber nac^ erregten SSerJ^anb-
lungen mit bem ^er^og, ber i^n nic^t laffcn tüoHte, liefe er ftc^ al« 9lat galten gegen
äbnlic^c ^ufagen, mie in feiner früheren Berufung; er feierte jtüar nac^ 93re«Iau ^urüdf,
brachte aber nun feine ^rau mit nac^ ilönig«berg, n)0 er balb nac^ bcr jtoeiten öcr«
^ängni«boC[en 3)i«putation Cfianber« (24. Dftober 1550) eintraf unb al«ba(b tüicbcr bcr 46
5KitteIpunft für alte ®egner Dfianber« tourbe, aud^ ba fc^on, al« ?Wörlin noc^ ju ber«
mittein fud^te.
2Bie ©t. gegen ®naj)l^eu« noc^ au« ®ebanlen ber lut^erifc^en Sieformation l^erau«
(3. S. reinliche ©onberung Don Sle^tfertigung unb (Erneuerung) ju argumentieren fuc^te,
fo fud^te er auc^ noc^ Dfianber gegenüber feine ©teHung ganj im ßinberne^mcn mit 50
ben SÖittenbergern ju nehmen. Slber inbem er überzeugt Wax, ]X(S) bamit nid;t bon bem
Äonfenfu« bcr alten Äirc^e gu entfernen, trieb i^n ber, toie e« il^m fc^ien, aße« unfic^er
mac^enbe bogmatifc^e §aber, fic^ immer ängftlic^er an ben bogmatif^en Äonfenfu« ber
allgemeinen Jtird^e an^^uflammem, unb bie ^^it be« Interim« bcftärftc i^n in ber §offs
nung einer Teilung ber fird^Ii^en 3?otftänbe unter ßr^altung ber lird^Uc^en ginl^eit. 65
UmiDeifel^aft l}ai er auc^ l^ierin beim §er}og bem glül^enben $affe Dfianber« gegen aße«
^aifticren mit 9iom entgegcngetoirft, unb ift babei immer fefter in einen unebangelifc^en
'Jrabition«bcgriff geraten. Da Dftanber feften Stüdt^alt an 3tlbre(^t fanrb unb biefer bei
affer greunblic^feit auc^ gegen ©t. boc^ feinem Drängen jur Slbfd^affung be« „neuen
Dogma" nic^t ba« erh?ünfa;tc ®el^ör gab, unb — bürfen W'xx l^injufe^en — ba bieeo
774 Sti)p[^I«i
innerliche SteQung be«^ 3t. pxm ^roteftantiSmud Bereite erfc^üttert tiKtr, t>crlan9te a im
gfrübja^c unb Sommer immer bringenber, bafe ber i&erjog ihn frcilöffe, unb entfante
fttb enbüA, ohne förmlit^ entlaffen ju fein, im äuguft 1551 nadf £an|ig, tpo er }tmt
Schrift gegen Cftanber fd^riet^: Synodus sanctorum patmm antiquornm oontn
onova dogmata Andreae Osiandri, Norimb. 155:3. 3n biefer Schrift, unb ^toor amb
Sdfon in ber Dom 6. 9JJär}\ 1552 au^ Xan^ig felbft batierten 3"W^ <«* ^ *^ *^
lanjig fü^ ber boHftänbige römift^e Irabition^Segriff aud^ bereite gur Srfämpfung bei
perspicuitas scr. sacrae unb jur gorberung aut^tifd^er firc^It(^ ähi^legung. Son
ba ging er toieber nad^ 53reelau, too er bereite nähere Se^ie^ungen pxm Sifc^of $romin4
10 ^atte unb too ja felbft ^efe unb 9)ioibanu« bei gut ebangelifc^ ®ei[tnnung in formeflc
Unterorbnung unter ben Sifc^of al« i^en 3?orgefe^ten blieben (f. 8b VII©. 792,3). Jcr
entfc^eibenbc gd»ritt aber toax, bafe er, bon fc^toerer Är«nf^eit ergriffen, gegen 6nbe be§
3a^re« 1552 ba^ 3lbcnbmaH nac^ römifcbem Slitu« unter einer ®eftalt au^ benj^onbcn
einc^ 2)omgeiftIic^en em})fing unb burc^^ ein Selenntni^ feine lini^Iic^ 9{ehabiIitatton ht
15 flegelte. 3^^ h^^ ^ ^^^ ^^ fefeerift^ infizierten ©tabt auf ben 3?ombof, unb balb boiouf
nac^ 3Jeifee, ber ^Hcfibenj^ bcö Sifd^of^, h)o er in beffen 2)ienfte eine Sdiule erricbtetc unb
aud^ fonft t^ätig h?ar. ^"^ Sd^uljtoecfe gab er 1555 bie Sentenjen bc^ 9Rarf uö ßremiu,
nämlic^ bie beiben fc^on Don Cbfoj)öu^, ipagcnau 1531, ebierten Sfraftate in lateinifd»«
Übcrfe|ung ^erau^, mit einer Jöibmung an ben S^uiten Ganifiu«, betoncnb, bafe 3)iarfu5
20 bic ©erec^tigfeit nic^t blo^ in ben fölauben, fonbem au^ in Siebe unb Hoffnung fet*,
unb göttliche @nabe unb mcnfc^lid^e^ 93erbienft ^ugleic^ feft^ul^alten fud»c. 3^9^^^ ^^^
er bereite 1551 üon gerbinanb I. j^um $Rat ernannt Voorben. 3(uf bcm unglüdttiien
SBormfcr ftoHociuium 1557 (f. b. 21.) ftanb er afö einer ber lat^olifc^en ÄoBofutoren bcm
cinft bcrcJ^rtcn "ÖJicIanc^t^on gegenüber unb fanb auc^ feinen ^ögling, ben ©rafen \m
26 (Sberfteiu, unter ben tocltlid^en Seifigem auf jjroteftantifc^er Seite tpieber. ©t. f üblte fii
baju berufen, au^ bcm l)'icx gerabe f«^ befonbcr^ jJroftituierenben i^abcr ber ^Jroteftontcn
bie giftigen 9iu^antüenbungen ^u jicl^cn in: theologiae Martini Lutheri trimem-
bris epitome 1558 unb öfter (baju nocb: Scriptum colloquentium August. Conf.
. . . cum oppositis annotationibus etc. 1558 unb: historia et apologia etc. de
30 dissolutione colloquii nuper Wormatiae instituti, Nisae 1558). ©r tucibet fu^ an
ber proteftantifc^en 3^ff^"^fit, gcifjelt bie SutJjcroIatrie unb fteflt bent ^jrotcftantifioi
Subjcltitoiemuö bic objcftitocn 3Jormen ber ^rabition unb be^ fird^Iicbcn Äonfenfu^ gegen:
über. Gr fteHt eine förmlic^ic Stammtafel ber mannigfaltigen §ärefie auf; bic brei un-
reinen ©eiftcr, h)clcf)c nac^ Cffcnb. !(>, 13 au^ bcm 3)rad^en, bem 3!ier, bem falf(tcn
35 ^roj)f;ctcn (^utl^cr) au^gcl^cn, fmb Sut^er^ gciftlic^c Sö^nc 3lotmann, ber SSater ber
2lnabaj)tiften, 3^^"Ö^^ ^^^^ ilarlftabt, ber l^atcr ber Saframentierer, unb — 3)Iclan(b=
tf^on, ber ^^atcr ber Äonfcffioniftcn, toclc^c toicbcr in Unterabteilungen au^cinanbergcbcn.
3Jic Sd)rift rief eine ^JJicngc i?on Gntgegnungen l^crtjor bon 'Ü)lcland)tbon, Slnbr. Wiu^
culu^, ^alob Slnbrcä, bcm reformierten .'p^fl^nbcr ^etruJJ Dat^enuö u. a. (£t. ret)li;;icrte
40 in ber Defensio pro trimembri theol. etc., Nissae 1560, batiert auö äugebur^
15. ^J)Jai 1559, h)o ©t. hjicbcr ioäl^renb beg SHciA^tag^ toeilte, unb anberc polemif(be
©d;riftcn folgten, ^k ftarfc Seite feiner "ilJolcmif liegt überaß in jenen f ormeflen ^ofv-
tioncn, ber Grj^eugung bc^ Ginbrucf^ bon ber Unfic^erbcit unb 3toi^lpflltigfcit bc^^^rotc:
ftantiömu^, nirgcnb aber in einer Jjofitibcn religiöfen Cluetlfraft. ©eine Bemängelung ber
45 lulhcrifd}cn Sibclübcrfc^ung unb ber Sibclleftürc ber Saien f onnte 3)lelanc^t^on entgegen-
ballen: scio tuam honestissimam conjugem nullas delicias anteferre huic lec-
tioni. W\i bcm für bic ^Xcftauration bc^ ftat^oliciemu^ in Öfteneic^ unb Saiem fo
einfluf^rcicbcn Ganifiuö feigen iuir St. fd;on ,^u SÖorm«; §anb in ^anb ge^en ; öofui^
fd)ä^tc il;n alö burcb feine Scbcnefübrung gan^ befonber^ geeignet, bie )t>unbcn fünfte
BD bcsJ ^^^rotcftanti^muö ju treffen. 3i>ic ^"ycrbinanb fo bcnü^tc i^n au^l ^^h^Q ällbrec^t Y.
t)on 33aicrn; mit bcm ©aljburgcr Gr^bifd;of 3)Jartin h)ie mit bem Äarbinal, 93ifd&of Ctio
bon !:?{ug^burci, ftanb er in nahen Schiebungen. 2)em „elcnben 3Kamelufen ^r. ©t. mit
feinen Stapl?i;liftcn unb l)oegitcn" fd^ricb man bic Säcbrängniö ber ^roteftanten in S^aiem
^u (f. 'JJfcbicu^, ©cfd;. ber cbang. Äird>c in 33at)crn, ©. 889 3lnm. 3Sgl. noc^, Wa^ bic
65 5ftcrrcid\ i'änbcr betrifft : ,^^. Sangueti, Epist. secretae, Hai. 1098, II, p. 39). 2)urcfc
ben ©a(,^burgcr iourbc ©t. in bcfonbcrcm päjjftlidjcn auftrage, nac^bem er fi(^ felbft um
Dicipcnfation iocgcn fcince» c(;clid;cn ©tanbe^ an ben ^ap^i gctoanbt, ^um 2)oftor ber
Ibcologic Jjromooicrt ('ilug^burg 19. Diai 1559); benn man ^atte il^n ju Ujeitcrem au^
crfcbcn. Stuf Ganifiue; iyunfdi berief i^n ^erjog Sllbrcd^t an bie llniöerfüät ^u ^n^oU
HO ftabt, mit ber 53cfugni^, über ©cfd;id;te unb .^umaniora, aber auc^ über Ibcologie^ ^u
Sta^^4lit9 776
Icfcn. 6t. jog, 5Kat 1560, feierlich mit 60 ^ferben einflcbolt, in ^^Ö^Iftabt ein, unb
bic t^cologifc^c gafultät mufete i^tc Sebcnlen gegen t^eologifc^e 3}orIefungcn eine^ be^
toeibten 2aien mit ber t)äpftlicl^en 3)iet)enfation bcfd^toid^tigen. ©eine eigentliche 2lufgabc
aber jeigte fic^, aU er nod) am ®nbe be^fclben ^al^re^ jum ©ut)erintcnbentcn (Kurator)
ber Uniöerfität ernannt tourbe, burc^ toelc^en nun atöbalb eine ^Reformation ber aüer- 6
bing^ gefunlenen Uniberfttät im ©inne ber jefuitifd^en SReaftion tro§ äufeerftcn SBiber«
ftreben^ ber in i^ren Privilegien t)erle5ten Uniberfität begonnen tourbc (^rantl, ®ef(^.
ber Uniberfitöt Sngolftabt, I, 284 ff.; II, bie Urfunben 5Rr. 74. 75. 80). aber balb
nal^men auc^ bie firc^Iic^en Sleformbcftrcbungen gerbinanb« in feinen Sanben unb beim
toiebereröffneten Äon^il bon 2:rient ©t.^ aJlittüirfung in Slnfprud^. 3"^ 2lnfc^Iu6 an bie lo
in Öfteneid^ begonnene SSifitation ber Älöfter bon 1561 lie^ ftd^ ber Äaifer bon einer
fleiftlic^en Äommiffion bereite im §erbft beö 3^^^^^ ©w^^^^c*^ i"^ SReform ber in [tarler
Stuflöfung begriffenen lirc^lic^en SSerl^ältniffe [teilen. 3)afe ©t. felbft eigentlidf^^^ ^i^ö'i*
biefer Äommiffion toar (SReimann in ben ^orft^ungen für b. ©efd^. VIII, ©. 177 ff.),
mag t)ieneic^t mit ©icfel (am anjuf. Orte ©. 267) bejtoeifelt toerbcn ; bafe aber ©t. in i6
ber deliberatio de instauranda religione in archiducatu Austriae (bei Sc^ell^orn,
Amoenit. h. e. I, 616—678) jener Äommiffion feine geber geliehen \)at, läfet fid^, tocnn
man feine ©treitf(|[riften t)erglei(|t, in frajj^anten ßügen nac^toeifen; bic Prälaten pflegten
ja, toie er bemÄaifer flagt, xfjm aDe möglid;e2trbeit aufjulaben, bie fte felbft mit feinem
ginger anrufen tooHten (©c^el^om, 6rgö§Iic^I. I, 559). 20
©leic^jeitig aber tourbe ©t., ate er am ^ofe gerbinanbö, toal^rfd^einlic^ in SBien,
erftc .^älfte be^ ©ejjtember 1561, tocilte, t>on bcm J)ä^ftlic^en 5Runtiu^ 3)elp^inuö im Stuf«
trage be^ ^apfte^ aufgeforbert, im §inblicf auf ba^ im 3ufammentrcten begriffene Äonjil
bem 5ßa))ft ein ®uta($ten ju liefern über bag, toa^ jur SReform ber Äirc^e gefd^c^en
fönne. ©t. entlebigtc fic^ biefer aufgäbe fo, bafe er bem „Satfc^Iag an ^iuef IV." (©d^el- 25
l^orn, ergö|^lic^I. II, 136—154. 337—359. 469—492) ^nx Srläuterung jugleic^ bie
©utac^ten jener Äommiffton beilegte, nämlic^ bae un^ nic^t erhaltene Consilium de
emend. monasteriis unb bie oben genannte deliberatio, in toclc^er Ic^tercn mit Süd«
fic^t auf bie öfterreic^ifd(ien Ser^ältniffe bor t)orfc^netter äntoenbung t>on®etoaIt getarnt
unb Saienfelt^ unb ^ricfterel^e aU bic toic^tigften 3u9cfiönfeniff<^; u"^ '"^ übrigen bie 30
©emüter bc^ SSoIf^ bon ben fe|erifc^en ^räbifanten lo^jumac^cn, cmpfol^Icn tourben, baju
bann ^eranbilbung eine^ befferen Äleru^, Sefc^affung reiner Se^rbüc^cr, ©äuberung ber
SBiener Uniberfttät u. f. to. 3^^ bem 9{atf4>Iag begrüfet er ba^ ÄonjU mit ^cuben,
h)ünfc^t aber rafc^e^ unb energifd^cg Sorgel^en, ibcnn ni^t im gangen Scorben, toa^ noc^
bon lat^olifc^er SRcIigion bor^anben ift, untergeben foHc. 3)em Äonjil aber müfeten SJer^ 35
^anblungen bc« Äaifer^ mit ben ^roteftanten jur ©eite gc^cn, um biefe toomöglic^ jur
feinn)ittigung in ein allgemeine^ Äonjil ju belbcgcn. (Sine SJcrftänbigung lönne nur
l^erbeigcfül^rt toerben, njcnn e^ gelinge, bon ber bcibcn Parteien gcmcinfamcn Slnerlcnnung
bc^ 33ibeIn?orte^ au^ bie ^roteftanten jur 9lnerlcnnung be^ allgemeinen fatl^olifc^cn
©inneig ber ©c^rift, b. 1^. einer aut^entifd^en 2tuölegung, ju getüinnen, toogu römifd^cr- lo
fcit^ erforberlid^, bafe man ftc^ il^nen gegenüber nid^t fotool;l auf bic viva vox sedis
apostolicae, atö auf nad^toei^bare allgemeine ajjoftolifc^c Überlieferung ftcHe. 3luc^ bon
J&erau^gabe ber gried(|ifd^en 93ibel auö ber .öanbft^rift ber batifanifd;en Sibliot^ef bcr^
fpric^t fic^ ber S5erf. biel gur ©d^lic^tung be^ ©treit« über 33ibelauglegung. ^n ben bom
Äaifer ju beranftaltenben bertraulic^en 3Serf^anblungen fönne man auc^ auf bie innere 45
35ifferenj ber ^roteftanten fjjefutieren. Qxn gefd^idter römifc^cr Il^colog fönne einen lut^e^
rifc^en leicht bal^in bringen, gemeinfc^aftlic^ mit i^m einen ^^i^öKön^J^ ^"^ ^^ fatl^oli*
fd^en 3tuölegung ber ©^rift ju toiberlegcn, n)ie bcnn in ber jl^at Sutf^cr felbft fc^on
gegen S^^'^ö''/ Defolampab ober bie 2lnabaptiften [xd) jener fatl^olifc^cn ^rinjijjien (b. 1^.
ber Berufung auf allgemein fird^li(f»en Üonfenfug) bebient ^abc, unb eine äJ^nlid^c ©tcltung 50
i.S3. bon ben SJerfaffem ber SQSeimarifc^en ^onfutationöfd;rift eingenommen h>crbc; banac^
önne man ^offcn, bic Sut^erancr auf bcrgleid^cn Umh)egen in bctoegcn, bafe fie ben Ca-
tholicus sacrae scripturae intellectus aU Siic^tcr auf einem Äonjilc anerfcnntcn. —
©idel ^at barauf ^ingchncfen, baß bic für eJerbinanb beftimmte ®en!fd^rifl bei 33uc^ol|,
gerbinanb I. I, 407—412 ; VIII, 382—386 nur eine burc^ bic ^Hüdfid^t auf biefcn 50
cttüag mobifijiertc SRcbaltion be^ 9tatfd)lag^ ift. — gcrbinanb ibünfc^tc auc^, ©t. ate
tl^cologifc^cn 3öcirat feiner Dratorcn nac^ 2:rient ju fcnben, unb aud^ ber ßrjbifd&of Urban
bon »^Jrag bat einmal, aU bic SRcbifion be^ index libr. prohib. in grage ftaub, um
feine atntücfen^cit ; aber ©t. toiberftrebtc l^ier entf^jicben unb mit einer gehjiffcn ®crei|\ts
?eit (©c^cl^orn, (Jrgöl., I, 559, bgl. ©idcl, 3ur ©efc^ic^tc bc^ ÄonjiliJ bon Xx,, S. 245, v*)
776 ^i^JniM ^Utti
249). 9Jur tocnn bic ^rotcflanten toirtUd^ nod} auf« Äon^il fommcn foOtcn, ctflörtc ci
fid^ bereit; im übrigen ftebc er bem Raifer für feine 9?er^nblimgcn mit ben ^rotcjtamcn
gur Serfüguna. Gr iüurbe aber au(b im ^rü^jabre 1562 bon gcrbtnonb gerufen, al§
au^ ben tJerfc^iebenen ©utac^ten eine befinitiöe ^eftfteflung beffcn gemacht tDcrben jolht,
6 h?aö im ^amen bes Äaifer^ bem flonjil aU Sleformforberung unterbreitet tDerben ioüte:
bie fog. Consultatio imp. Ferdinand! I iussu instituta de artic- ref. in Cont
Trident. prop. (bei Sd^el^om, Amoenit. h. e. 1, 501—575, audf bei le ^iat, MonniiL
ad bist conc. Trid. illustr. V, 232—259. 2}gl. befonber« ©idel, 5Ea^ SRef ormotiünsliWI
beö flaifer^ ^erb. I., SBien 1871 [arrf)it). f. öfterr. ©efc^id^te 93b XLV, Sb I, m h
10 g. 1 ff.J).
an Slnerlennung feine« ßifer« fehlte e« St. nid^t. 35er ^^]t faiibte ibm bun^ ba
Äarbinal Carlo Sonomeo ein ©nabengefd^enf üon 100 (Solbgulben (27. 3Rai 15621
Eerbinanb erbob i^n in ben Stbelftanb (15. Suli 1562), ber ^erjog öon 93aiern b
^nte i^n mit bem öa^n^of in ^ngolftabt (1563). 3n 3"«^^nia, h>o (St ficb äncn
15 grofeen leil be« ^abre« 1563 in ber 3?ä^e be« Äaifer« auffielt, erfranite er fcbtocr;
^erbinanb beftätigte im 3uli fein 2eftament, toorin er feine Äinber, tpenn fte bom la&o^
üfd^en (älauben abträten, mit (Enterbung bebro^te. 9Joc^ erbolte er fidf gtoar, machte nci
eine SReife nac^ SRünd^en, fam aber fel^r gefd^toäc^t nacp ^aufc, too er am 5. ^Jön
1564 ftarb. 2llö fein 2?ermäc^tni^ barf gelten bie nac^ feinem 3:obe burc^ feinen ivd
2onuenfi^ herausgegebene Schrift: 3?om legten unb grofecn 3fbfatt, fo bor ber 3^^^^^ ^
äntic^rift gejc^ef^en foH, ^ngolftabt 1565, 4« (lateinif^ 1569). 55iefer äbfafl ift nämlßt
baS 2utf;ertum, b. l). ber in fid^ uneinige ^roteftanti^mu«. 3)enn ba^ SutJ^ertum ift öom
^a^jft abgefallen, nic^t aber umgefe^rt. 2)aS ^apfttum aber fyit edle 35äter, Äonjilia
unb 2llabemien ^inter fid^, bei i^m ift bie n)al;re Sirene, bie ^roteftonten toerben imma
26 in bem ©eiüin i^rer ^ribatopinionen ftedfen bleiben unb ed nie gur ©in^eit bringen,
äuc^ ^ier fe^It e^ nic^t an ge^äffigen auffallen gegen ßut^er unb Seft>öttelung ber
£ut^ert)ere^rung, toelc^e nid;t mübe toürbe, i^n atö ben britten 6lia^ gu greifen; (od
^ier toerben ade brol^enben 3eitgefa^en mit bem religiöfen Slif; ber Sl^riften^eit in ^
binbung gebracht; auc^ l^ier fel^lt jebe^ tiefere 3?erftänbni^ ber mäd^tigen originalen gm:
90 })ulfe ber Deformation, aber auc^ ^ier toieber^olt fic^ bie fd^toere SCnflage über bic e^
lurifd^e Sid^erbeit ber Prälaten unb Sleligiofen, toelc^e, too f^on bic Sjt bem Saum an
bic 2Bur;;eI gelegt ift, immer nur ibr alteS Slagelieb fmgen, aber bie $änbe in ben £<fcc|
tf^un unb leben, aU h?enn fein ®ott im §immel toäre. (®. SWSOcr t) *• XMaifert.
Starif, S^^ö"" griebric^, ßrbauungöftfiriftfteller, geft. 1756. — Sittcratur.
36 ^kubauer, 9?ad)r. D. ben jefct leb. et).=lut^. xmb ref. %\)eoU 3ütt. 1746, 2, 884—898 imii
bem ü. 8t. felbft üeif. fieben^Iaufe); 2)örinci, ^ie geleierten 3:^eol. 5)cutfd)Ianb-3», 9Jcuft. Ib35,
4, :i07— :ill; ilüd), ,Siivcf)enIieb, 3. 9(iifl. 4, 543—549; SBcd, !5)ic rel. SBotfölitt. 2C., 6. '3.ö
biö 207; (^roüe, 3)ie alten Xrofter, .Jiermannv^b. 1900, 6. 335—370, mit cinge^cnbcm «q(^-
wm ber ^lu^gg. bes .^anbbud)§.
40 3'>^^"i"" gricbrid) Stardf ift al^ ber ©ol^n eine^ el^emaligen granffurter Sürc^cß
am 10. Cf tober 1680 in ^ilbcöljeim geboren. §ier befuc^te er ba^ ©^mnafium. auf
ber Uniberfität ©ic^en tüurbe fein innere^ Seben u. a. burc^ bie Srbauung^ftunbcn feiner
tl^cologifd}en Sebrer 2lk^» unb Sänge beeinflußt. 9lac^ einer längeren Äanbibaten^eit, He
er teihücife in ©cnf im 2)ienfte ber bortigen ebangelifd^en (Semeinbc, tcilh)eife in '^oxd-
46 fürt aU Informator t>erbracl)te, erl^ielt er 1715 feine erfte StnfteHung afe ©tabt^rebigci
in Sac^fenl;aufen. 3ld;t 3al;rc fpäter tüurbe er Pfarrer in ^ranffurt, erft bei ben Bar-
füßern, fpäter im ^ofpital; 1742 iourbe er SDJitglieb be^ Äonfiftorium^. 93tö in jdn
l^ol;eß Filter — er ftarb am 17. ^\xi\ 1756 — fonnte er mit ungebrochener firaft in
rcic^ gefcgneter Slrbeit al^ ^rebiger, Seelforger unb Sd^riftfteller t^tig fein.
50 gt. bcmegt fid^ in ben Salinen be^ milben, auf ba^ $raftif4>c gerichteten Sjjener
fd;cn ^^icti^mu!^. ^n grantfurt ift er barauf bebac^t, bie bon ©pener beftcHte Baat ;u
^üten unb ju pflegen. 2)reißig ^al^rc lang leitet er Sonntag^ nac^ bem 9Zac|mittag^otti^
bienftc eine ^riüatcrbauung^ftunbe. ^ür ©onntag^^eiligung ift er eifrig bemüht. iTer
einzelnen ©cclen fuc^t er fid; möglid^ft anjuneljmen. Um ^. S3. ben 3)ienftboten, bie mit
66 Stufträgen au^ ber (^cnicinbe in fein ^axi^ famen, ein gute^ 3Bort mitgeben ^u fönncn,
berfaßte er !ur^e Iraftate, bie fpäter ^n ber trcff(id;cn ©d^rift bereinigt tourben, bic in
entfprcdicnbcr Bearbeitung beute nod} ber Verbreitung iüert ioäre: „X^aö (Sott^gebeiligtc
ßer^ unb geben cine^S Si^al^ren (5l;riftcn, ober gcben^=3{egeln 2c.2c." ^ranffurt u. Scipjiö
174o. airme unb 9iotlcibenbc iourben in ber ©tillc t)on il^m reic^lic^ untcrftü|t. ä?cr
I
Start! (Btniifkit, tiri^Kf^e 777
Stu^fd^rcitungen unb Slbfonbcrltd^Ieiten bcma^rte bcn ftiHcn unb mcl^r nüd^tcrn anöclcgtcn
3Rann, bet übetbic^ am fird^Iid^en Selenntnif[e fcft^ielt, fc^on feine natürliche 2(rt.
©t. ^at butc^ feine ja^Ireid^en etbaulid^en gd^riften einen toeitgreifenben Sinflufe
auf bag ebangelifc^e Soll ausgeübt. 3Kan fann nic^t fagen, bafe St. geiftbott ift; er
h)iH e« auc^ nic^t fein. SBJa^ er fc^reibt, trägt bie 3^9^ ^i"^^ burc^auig fc^lic^ten, ebel- 6
boltetümlid^en SBiblicitöt an f\d) unb jielt auf jjraltifc^e grömmigfeit. 6r begnügt fxd)
faft burc^toeg bamit, bie einfachen ilate(|i^mu«h)al^r^eiten in t)erftänblic^er, allgemein fafe*
lid^er ©t)rac^e mit burclE>0^«öi9^ 3lnh)enbung auf ba^ (i)x\\tlii^^ geben barjuftetten. ©t.
toitt bem auf ber Äinbe^ftufe ftel^enben 3)ur^fc^nitts{c^riftentum be^ Solle« ettoa« bieten.
2)al^er au^ in feinen ©d^riften ein Stnflug bon J)ietiftifd^er ©efe^Iid^feit. ^n bie Jiefe lo
fül^rt er nic^t. 6r fuc^t bie ©eelen ju ertoedten, ol^ne fie jeboc^ im ©türme erobern ^u
tooHen, toenn er auc^ überaß ^erjanbringenb ift unb ber "äpp^ü an bie „©eelc" immer
toieberlel^rt. 3)a er t)ielfac^ lel^r^aft toirb, ift auc^ bie ft)rac^Iic^e ©arfteHung toenig be^
toe^t. 9lebnerifd[ier ©d^mudf fe^It, ©leic^niffe fte^en il^m feiten ju ©ebote, um fo me^r
greift er jum 33ibeItoort. i6
Die ©c^rift, burc^ Voelc^e ©t.g 9?ame bem et)angelifd^en SSoIfe lieb geworben unb
big jur ©tunbe belannt geblieben ift, ift ba« „S^ägli^e §anbbuc^ in guten unb böfen
3:agen". ®« erfc^ien 1727 ujm erftenmal in granffurt unb jtoar gunäc^ft in toier 2lbs
teilungen: für ©efunbe, für Setrübte, für Äranfe, für ©terbenbe ; 1731 lam ate 5. unb
6. 2^eil ba« Oebetbuc^ für ©c^toangere, ©ebärenbe unb SÖJöd^nerinnen l^ingu. 35en 20
längeren ©ebeten, bie ben toeitauö größten leil be« Suc^e« einnehmen, ge^t je eine „Sluf*
munterung" öorau«, eine furje mit einem ©c^rifttoorte eingeleitete Sele^rung über bie
©egcnftänbe, auf bie fid^ ba« ©ebet begießt, tDoburc^ bie re^te ©ebet^ftimmung getoecft
toerben foH. 2ln ba« ©ebet fc^liefet fxd) ein t)on ©t. felbft berfafeter ©efang an. 35ie
©ebete ftnb lang unb geraten oftmals in bie SRefleEion unb Selel^rung über göttliche 25
2)inge. ©t. ift burc^ fein §anbbuc^ l^i« ^eute bieten ein gü^rer auf bem Seben^toege,
ein ©celforger in Äranl^eitötagen, ein 21röfter auf bem ©terbebette getoorben. SBie Irin
anbere« ©rbduung^buc^ ber ebangelifd^en Äird^e, ^of), 2tmbtg toa^re« 6^riftentum nic^t
aufgenommen, toirb baö „©tardtenbuc^" in immer neuen Stu^gaben unb auflagen unter
bem ebangelifd^cn SSolfe verbreitet unb finbet immer tüieber freubige Slufnal^me. ao
9?oc^ bor bem ^anbbuc^e ^atte ©t. 1723 ein Äommunionbuc^ l^erau^egeben, ba«
big 1750 mehrere auflagen erlebte, jeboc^ jpäter nic^t me^r gebrucft tüorben gu fein
fd^eint. ®g folgte l^ierauf eine größere Stngal^l bon Grbauunggfd^riften, auf beren nähere
Äenmeid^inung ^ier nid^t eingegangen toerben lann ; fie tragen ol^nebieg eine ftarle gami=
lienäl^nlic^Ieit an fic^. ©ie finben fic^ bergeid^net bei SedE a. a. D. unb mit 2tngabc ber 35
neueren ausgaben bei ©rofee a. a, D.
2)ie ^IJrebigten ©t.g, bie ben beften aug ber jjietiftifc^en ©d^ule beijujä^len fmb,
jeic^nen [\6) burd^ Älar^eit unb Sinfalt in ber 3tnorbnung aug. ©obalb ber lejt nur
einigermaßen ju feinem Siechte gefommen ift, ge^t ber ^rcbiger fogleic^ jur antoenbung
über. 3" nennen fi"^ ^i^ „©onn« unb gefttagganbac^ten über bie (Sbangelien" (9?ürnb. 40
1741; neuere äugg. Sleutl. 1854), bie „Sonm unb gefttagganbac^ten über bie ©pifteln"
(2. 2tup. 1770; neuere 3tugg. bon §eim, ©tuttg. 1845 unb 3lüxnb. 1881), bie „^re*
bigten bon bem SKbenbmal^l beg iperm" (2 He., granlf. unb Sei^jgig 1740, „äu^erlefene
geft^jrebigten über toic^tige ©teilen ber ^l. ©c^^rift 31. u. 9?2g" gefammelt bon feinem
©o^ne 30^. ^af. ©t. ©ranff. 1754). 45
©t. ^at \xd) avid) alg SDic^ter geiftlid^er ßieber berfud^t. gaft alle feine erbaulid^en
©c^riften fmb mit giebem aug ber eigenen SJeimfc^miebe reid^li^ auggeftattet — man gä^lt
beren 939! g^r bid^terifc^er SBert ift gering, toenn i^nen überl^auj)t ein folc^er gugefjjroc^en
toerben barf; nur Wenige aug biefer großen 2lnja^l fmb in bie ©efangbüd^er aufgenommen
n^orben. ^ermatttt 83e(f. 60
©tarfe, ei)tipo»iI) f. b. 21. Sibeltoerle »b III ©. 148,46.
©taromerjen, Scjcic^nung ber rufftfc^cn SUtglSubtgen f. b. 31. 9{agfolniIen
»bXVl ©. 436 ff.
©tottottcn f. b. 21. gaften S3b V ©. 771, 20.
©tatifttf, lird^Itd^e* — Pieper, Äirc^Iicöc ©tatifti! ^cutfcf)Ianbö (®rmibrifj ber t^eol.
©iffenfd). XIII), grciburg, Tloijx 1899; 6tatiftifd)c g)?ilteiIunoen ber beiitfd)en eo. Sanbcg= 66
!ird)en, Stuttgart, ÖJvünint^en 1905; S!rofe, itonfeffionöftatifti! 5)eutfd)IanbS (!att|oI.), Srciburg.
^crbcr 1904; 3)rero^, eüangclifd)c Äirt^cnfunbc, Tübingen, ^iotjv, feit 1902; 8unbbärg,
778 etottfKI, lirdiK^e
Apercus RtatistiqucA internationaux« Stod^olnt 1906; t^ournter be ^laif, La Statistjqoe des
religions, Rome, SBötta 1890; ^iffionöftatiftif ftc^c 9lrtitc( gWiffton. ©tatiftif ber gnnemi
9)iiifiün bcr beutfdi^cu. Äirc^c, SBcrlin, ecntralauSfcöufe 1899; 5llcf. ü. Ccttingcn, ^Roralfiatim!,
Erlangen, 2)eicf)ert 1882.
6 3)ie Statiftil, fcl^r bcrfc^icben bcfinicrt unb crft in ncueftcr Q^xi toirfltd^ tox^au
fc^aftlic^ bc^anbclt, fud^t auf ®runb fl^ftcmatifc^ georbneter9)laffcnbcobac^tun0 bic Solfe
juftänbc burd^ S^^I^n barjuftcUcn unb ju crllärcn. 35eninac^ ift lirc^Iic^c Statiftit ba
Ducrburc^fc^nitt bcr lird^Iic^en (Snttoicfelung in beftimmtcn 3«tcn, bcr ba» lirc^Iic^e 2cJjcn
in ^ai^Un befc^rcibt.
lü Sangc ^t^'xi ^inburc^ lieferten bie Äird^enbüd^er baö ^aut)tfäc^Iic^fte Tlatmal für oB«
©tatiftif, unb barum fmb auc^ 3:i^eolo0cn in ^erborragenbcr SBeifc an bcr gntoideluiig
biefer 2Biffenfc^aft beteiligt. 9lamen bon 2:^eoIogen tüic ©üfemilc^ (gcft. 17G7, „Xh
göttliche Crbnung in ben Seränberungen beö menfc^Iid^en ©ejc^lcc^t^ auö bcr ©ebuit,
bem lobe unb ber Fortpflanzung berfelben crtoiefen"), Süfd^ing (gcft. 1793, „&ti
15 befc^reibung"), 3tugufti (geft. 1841, ,,Sciträgc ;^ur ©efc^ic^te unb ©tatiftif bcr cl>. Äin^l
Suliuö ffiiggerö (geft. 1901, „Äirc^Ud^e ©tatiftif ") t^erben in jeber ©cfc^id^tc bcrStatiftif
mit &l)xm genannt, ^tx ^erbonagenber SQäeife ruft ©c^Ieiermad^er, bcr toicbcr^olt 3?ir-
lefungen über ©tatiftil ^ielt, in feiner „3)arftettung be« t^eologifc^en ©tubium^" i^ur U^
fonberen Sefc^äftigung mit biefem %ad), unb ^toar nic^t nur jur §crbcifc^affung \^
20 3MateriaI«, fonbem aud^ gur richtigen Bearbeitung berfelben, auf. älber in bcr (grfcnntnid,
baft pxx\)ak ©tubien bi^ nic^t auöreic^en, Wetteifern in neuefter 3rit ftaatlic^c toic fin^^
lic^e Sef^örben, ben ©toff burc^ regelmäßige ^Veröffentlichung bon amtlichen 2xibeflaj
barjubieten unb baburd^ eine immer boOftänbigere ©tatiftil ju ermöglichen. 3Ktt ber im
beutfc^en Steic^ aße fünf ^al^re toicberfe^renben Solföjäl^lung ift unter anbcrm auc^ eine
25 Äonfeffion^^ä^Iung berbunben ; bie lanbeöfirc^lid^en Sepörben beröffentlid^cn ^umcift jo^ic^
eine jiffermäfeige SDarfteüung be« lird^lic^en SBefen« in il^rem Sereid^ ; unb eine ftatiftifc^
Äommiffion be« beutfd^en ebangelifc^en Äirc^enau«fc^uffe« ftettt, ben Scfc^Iüffcn bcr ©jais
ac^er Äirc^enlonferenj gemäfe, biefe amtlid^en SRefultate ;iufammen; fo ift für eine fird^
licf»e ©tatiftif 3)eutfc^ifanb« ber ©toff bor^anben, ber burc^ SBerein«nac^rtc^ten imt
30 ^IJriDatarbeiten in banfen«toerter 2(rt noc^ ergänj^t toirb. ^rx ftatiftifc^cn SSmtem be§
beutfc^en SReic^e«, ber ßingelftaaten unb ber größeren ©täbte gelten ja^Ircic^e gac^maraicr
baran, bie gegebenen ^al}Urx rxad} immer me^r berbefferter 3J(etl^obe ju beftinimtcn 6r=
gebniffen unb ©d^lu^folgerungen ^u benu^en, unb in Dielen Srofd^ürcn ioerbcn bie 3"-
fammen^änge ber Alonfeffion mit anbem 2eben«faftoren erörtert. Statiftifc^e Sabrbüäcr
35 erfc^einen auc^ in ben meiften aufeerbeutfc^en ©taaten; alle jtoei ^al)xt t)cranftaitet baj
in i^onbon bcfte^enbe internationale ftatiftifc^e l^nftitut mr gegenfeitigen görbcrung bei
ftatiftifc^en 3(rbeiten in berfctjiebenen Sänbern bejonbere «ongreffe, unb burc^ foId(?e Sc^
ftrebungen toirb auc^ eine immer genauere Überfielt über bie religiöfen Bcr^ältniffe ba
Scbölferung ber gan^^en (rrbe angebahnt.
40 aKan l^at lange über bie „SLabeßcnfned^te" gef^öttelt, man ^ai aui) Diclfac^ nicbi
of;ne Orunb bie SSertoertung ber ^al}Un al« tenbenjiö« berurteilt, aber tro$ f olc^c« Wdp
braucb« l}at fic^ boc^ bie Überzeugung immer mebr Sal^n gebrochen, bafe f^ftcmatifc^ g^-
orbnete ^al}kn jur SDarfteHung be« fird^Iid;en Seben« beinei«fräftiger finb al« tooHtönigc
^^^rafen, unb ba^ man t)on biefen Silbern für ba« Serftänbni« unb bie^ßflcgc bc« fird^
45 Iid;en 2^bcrx^ biel lernen fann.
2)ie 2IJiffion«ftatiftif tocrfc^afft un« einen Überblidt, in toeld^em Umfang bü*
G^riftentum ^ur ^iixt bie Söelt erobert ^at, unb mie tveit noc^ anbere Slcligioncn l^-
fd^en. 2)ic SIrbeiten )oon ©runbemann, (S^riftlieb, ©unbert unb Söamecf ftnb auf bicfetn
©pc^ialgebiet ürc^lic^er ©tatiftif bcfonber« f)ert>or,^u^eben. SBa« man früher üiclfacb aB
5() „tird)lic^e ©eograjjj^ie" bej^eic^net hat, gehört ^u bicfcm S^^Q ^^^ ©tatiftif.
2)aneben i)at bie Äonf cffion«ftatiftif in unferer Oegentoart eine ^erüorragenbe
Sebcutung getronncn. 3)a6 c^ ficb in i^r burcfjau« nid^t etioa nur um eine ^a^Icnmäfeigc
T^eftftcIIung be« ■DieFjr ober TOinber ber ^uQ^^börigteit ju ber einen ober anbem Äonfcffwn,
fonbem ^uglcid) um anbere bebcutfame fragen J^anbelt, mag ber §inh)ci« auf einige
55 neuere, bcifpicieloeifc ^crau«gegriffene ©c^»riften flar machen. 3)er fat^olifc^e ©tatiftifcr
Ärofc beF)anbc(t „ben (Sinflufe ber Äonfeffion auf bie ©ittlic^feit" (greiburg 1900); Dr.3)u
Cffenbad^er betriebt ]p^ic\i für ba« ©rofel^er.^ogtum Saben bic grage, ob „bic fo^ialc
©ci)id)tung", „bic iüirtfd;aftlid)c Sage", burd^ bic Äonfcffion beeinflußt iücrbc (5Dübingcn
1900); ffidbclm §clb unter juct)t bie Urfad^cn ber 58erfd^iebung ber Äonfefftonen in
00 Sai;crn unb Saben (9iiga 1901); unb neben anberen U)ibmet ^iet)er (a. a. D.) bcn^JKif(^=
Statifi«, Kri^U^e (gtanff 779
e^cn unb ber erjicl^ung bcr ftinbcr au« gcmifd^ten 6^cn bcfonbere Äa))itcl. 3(ud^ bürftc
eine Übcrfid^t über bic ^röfeere ober geringere fird^Iic^e Serforguna feiten« ber beiben
$auj)tIonfejfionen, über tl^ren t^eologifd^en SRad^toud^, über bie £iebe«opfer i^rer ©e«
meinben u. a. m. ^ierl^er gehören. Unb bafe gerabe ^ier bie ärt ber ®rut)t)ierung ber
3al^Ien befonbcrer Äontroße bebarf, bamit nic$t ber fonfefftoneDe ®tanbt)unft be« Se* 6
arbeiter« ben eignen aSSunfc^ — bielleid^t l^alb unbetoufet — an bie ©teile ber aSSa^rl^eit
lüde, ift felbftt)erftänblic^.
aber aufeer ber 3}iiffion«5 unb Äonfeffion«ftatiftif getoinnt bie ©tatiftif be«
lird^ liefen Seben« immer mel^r an Sebeutung. 2lIfo nic^t nur eine 5Koralftatiftif,
toie fte älejanber bon Dettingcn feiner ^di in trefflicher SBeife geliefert ; eine fold&e lo
toürbe, je nad) ber ärt il^rer Bearbeitung, fei e« ^ierl^er, fei e« jur Äonfefftonöftatiftil
ju rennen fein. SSielme^r eine ©infül^rung in bie fonireten 3wf*^"^^ ""^ 33erl^ä(tniffe
bc« lirc^lid^cn Seben« ber ©egentoart, toie fte 35reh)« in feiner j,6t)angelifc^en Äirc^en^
lunbe" barbietet. 6« toirb 5. S. bie Äommunifantenja^l in einer Sanbedfird^e nac^*
getoiefen, bie abnähme ober 3w"<*^"^c 0^9^ frühere ^^iitn feftgeftettt, unb bie Urfac^e 15
ber 9?eränberung cingebenb erörtert. 3)afe fic^ barau« toertöoße ©c^lufefolgerungen für
bic ^Pflege be« firc^Iid^en ©emeinbeleben« ergeben, leuchtet o^ne toeitere« ein. Stlnlic^er
(Sctoinn fann au« bcr jiffermäfeigen SJarfteDung anberer äufeerungcn bc« f ird^lid^en £eben«
^eröorgel^en, j. 8. au« bem SSer^ältni« ber ^^aufen ju ben ©eburten, ber Trauungen ju
ben @|efc^IieBungen, ber firdf^Ii^^" Segräbniffe ju ben 3:obe«fäIIen, auc^ au« bem 'Ulaqs ao
toei« über bie Beteiligung ber ©emeinbeglieber bei ben SBäa^len ber lirc^Ud^en ©emeinbe*
Vertretung, unb — nic^t ju bergeffen — au« ben bie Eintritte in bie Stirere unb bie
Slu«tritte au« berfelben barftellenben 3^^^^"- ®^ ^*^ ""^ ^^ ^" großen ©tobten unter«
nommenen 3ö^Iungen be« Äird^enbefuc^« barf man mifetrauifc^ gegenüberfte^en, toenn
nic^t bie Unterlagen au«gebel^nter unb genauer al« e« meift gefd^iept, beft^afft toerben. as
@inen befonberen SBert mufe bie fird^li^e ©tatiftil l^eutjutage ber 2)arftcttung be« firc^*
liefen 35erein«(eben« jufprec^en. 3Kit üoHem Stecht fagt ^üBe (3)ie lird^lic^e ©tatiftif
toon Berlin, ßü. 3Sercin, 1876): „SBirb bie 3Serein«tl^ätigfeit ignoriert, fo gel^t ein toefent*
lic^e« 5Koment ber Beurteilung f irc^Iic^er SHcgfamf eit unb be« religiöfen geben« verloren".
SJJöd^te ^ier immer genauere« 3}JateriaI ben ©tatiftifem jur Berfügung ftcl^en. W6d)Uao
enblid^ aud^ \>aü fitc^lic^e Seben ber beutfc^ien et)angelifd^en ©cmeinben im 3lu«lanb bon
ber firc^Iic^cn ©tatiftif immer me^r berücfftd^tigt toerben! D. 510115 2)tbclt««.
Stauff, ärgula bon, üerel^elid^te bon ©rumbac^, geft. 1554. — öj. e. SRiccjer,
2ehtn bcr ?trgula \?on ©rumbacfi, Stuttgart 1737; ^. 3. i!iporo«ti)', 9(rg. t). ®r. geb. greiin
t)on 6tauffcn, 9Künd)cn 1801 (nur burd) bie ^Beilagen lücrtuon); ^. ?l. ^iftoriu«, grau 91.35
t). ®r. unb \i)x Äampf mit bcr Uniucrfität Sngoljtabt, g)?agbc5urg 1845; (£. ©ngel^arbt, 91.
»• ü)r., 5)ie bQi)erifd)e 2:abea, 9iürnberg 1860 (bcibc populär=crbauIidj); ®. ?5ront(, ©efd). b.
fiubn)ig=3»QyimiIiand4lniücrfitöt, «^91 III. .MI. XVII. SBb; ©. SRiesIcr, QJefdjic^tc 33at)crn«,
IV, 86 ff.; t^. Ä'olbc, Slrfaciu« @ccf)ofer unb $(rgula üon ©rumboc^, ©citr. jur bni)cr. m.
a3b XI, 1905. 40
Strgula b. ©tauff, \vo^ noc^ bor 1490 geboren, cntftammte bem angefcl^enen unb
begüterten ©efdblcc^t ber 9leic^«freibenen bon ©tauff, beffen Befi^ afferbing« balb nad^
i^rer ©eburt burc^ bie Seilnaljme i^re« Bater« Bern^arbin unb it^re« C^eim« ^ieron^-
mu« an bem für bie ©elbftftänbigfeit be« 3lbel« gegen bie $erjog«geh)alt fämj)fenben
Sötülerbunb unb bann im baicrifc^en ßrbfolgefricge fc^tDcr gefc^äbigt mürbe, ©ie mufe45
eine ungetoöl^nlid^ gute Srj^ic^ung gcnoffcn ^aben, unb bie ber ^ar^iüalfagc entnommenen
9Zamen jtoeier i^rer Brüber, ©ramaflan^ unb gcirafi«, beuten barauf ^in, bafe man ftc^
in ber ntterlid^cn gamilie auc^ an ber alten beutfc^en §elbenpoefic erfreute. Bebeutfamer
ift nod^, ba^ 2lrgula in il^rem 10. ^al)xt bon il^rcm Bater eine bcutfc^e Bibel mit ber
SKa^nung erl^ielt, fleifeig barin ju lefcn, toa« fte aber nac^ i^rer f^jäteren 2lngabe bamal« w
nic^t tf^at, toeil bie Bettelmönc^e erflärtcn, bie Bibel toürbe fie gur Äe^erei herleiten.
9locl^ unter §erjog 3llbrec^t toon Baiem (geft. 1508) fam fie an ben §of unb tourbe
„JJrauenjimmer" bcr energifc^cn ^cr^ogin Äunigunbc, unb banfbar rül^mte fie fjjäter bie
aöol^lt^aten, bie fie bon ber^ürftm unb bem jungen ^er^og SBil^cIm erful^r, ber erflärte,
i^r Bater fein ju tooHen, al« il^re beiben ßltem (ca. 1509) furj na4>cinanber ftarben. 66
Bom §ofe au« toirb fie fic^ mit bem au« granfcn ftammcnben griebric^ bon ©rumbac^,
ber feit 1515 ^^Jf leger in 3)itfurt mar, bermä^lt l^aben. Unter un« unbcf anntcn Ber^
^ältniffcn tourbe fie frül^ bon Sutber« Seigre ergriffen unb trat fc^on im ^a\:}xt 1522
(bgL (gnbcr«, Sutl^er« Briefmcc^fel III, 397) burc^ ^. ©})eratu« unb namentlich burc^
780 Stauff
Bpalaün, bcr i^r Sut^criS Sd^riftcn t)crfc^afftc, mit bicfcm in 3Scrbinbung. ^BJit 6ifa
ftubiertc fie jc^t bic Sibel unb mar balb babon überzeugt, nur in i^r btc toalfxt i6m
ju finben, an bcr bic Äirc^cnlc^rc unb ba^ 2;rcibcn bcr ^iricftcrfc^aft gcmcficn toctba
müffc. 2)arau^ machte fic feinen §c^I unb lange fc&on backte fte boran, gegen ba# U^
6 ric^tcrlid^c treiben be^ ^rofcfforJJ unb ^rcbigcr^ ©eorg §auer in Qngolftabt aufjutmea,
in befjen unmittelbarer ^Mf;e ibr Oatte bic §ofmarf Scnting bcfafe, aber im ^inblid auf
1 2:i 2, 12 (1 Äo U;34) J^ielt ftc [id^ jurücf. Da mar c^ bieflunbe bon ber fc^maAtJottöi
Verurteilung bc^ 3lrfaciuö Sccl^ofcr (f. b. ä. oben ©. 125), bic fie jur ©cbriftftcüain
machte. SSon 3t. Dfianbcr in 9lürnbcrg, bcr über i^rc Sibelfcnntniö nic^t genug ftaumn
10 lonntc (t>gl. %l}, Äolbe a. a. D. S. 64), in ibrem Vorhaben beftärft, fcbrieb fie oa
20. Sc>)tcmber 1520 einen ©cnbbrief an bcn Sleftor unb gefamtc llnil>erfität ^u ^n^tA^
ftabt, ber h)ie i^re fpätcrcn Senbfc^reiben crft l^anbfc^riftlic^ t)crbreitct, balb aber aud} tm
anberer (Seite burcb bcn 2)rudE in iüciten fireifen befannt gemad^t tourbc. 2)a niemanb bo^
gegen auftrete, bafe man jenen jungen 3Jlann gejmungen b^be, ba^ etoangeliunt ;;u t«:
16 leugnen, muffe fie a^ t^un. 3n »ibelfteacn mic 3cf 3,4; 29, 4; 3o 6, 45; ^f8,3
u. f. tu. ficbt fie il^re Segitimation ju harter Strapcebc gegen bie t)om ®eig bcfeffena
Sebrer, bie nic^t Sut^cr^ ober 3KeIand^t(^ong Sc^rc, fonbcrn baö SBort (Sottet berbammi
baben. 9Jur biefe^ aÜein foff i^re Slic^tfcbnur fein, unb tüo ^ gleich ba^u fämc, batoci
®ott fei, bafe Sut^cr toibeniefe, fott e^ mir nic^tö \u fc^affen geben. 3^ ^>^^ ^
20 auf mein ober cine^ ^Jlcnfci^en SJerftanb, fonbcrn auf bcn maleren gelfen S^riftum felB^
meieren bie Saumeifter ücrtoorfen boben". ©ic »erlangt, man möge bie 2lrtifcl Sutbos
ober 9)Jelancbt^ong, bic fc^crifc^ feien, il^r anjeigen: „SQSoHt ©Ott, id^ foQt in ©cgciu
Voärtigfeit unferer dürften unb ganjen®cmcin mit euc^ rebcn. ^d) begehr üon icbcrmoim
belehrt ju toerben". 3)a^ baicrifc^c SJcligionöcbilt gegen jebc lut^crifd^c Siegung öen
26 5. ^Kärj 1522 (bgl. SQäintcr, ©cfd?. ber eb. Seigre in unb burc^ Sa^cm betüirft, SWünAcn
1809 1,309 ff.) fic^t fic nicbt an: „man foB bcr Dbrigfeit ge^orfam fein, aber über Ni§
Söort ®otte^ i}abtn fte nic^itö ^u gebieten, tocber ^a})ft, Äaifcr noc^ gürften". 5)iefcfl
©cbanfen führte fte, mie in allen i^ren ©c^riften unter i^äufung üon SibelftcDen, in
einem ^ioeiten, gleid^jeitigen ©einreiben Leiter au^, ba^ in erftcr 2inie an bcn Jg>er,og
30 Söill^clm tjon Saiem gerichtet toar, boc^ toie ber erfte Herausgeber nid^t o^ne @runb
im iitel angiebt, „alle d^riftlicben ©tänbc unb Cbrigfeiten ermahnt, bei ber Sya^bdi
unb bem SBorte ©otteS ju bleiben" (St^. Äolbc a. a. C. ©. 67 ff.) unb für toahrkft
ebangelifd)e ^rcbigcr ju forgen. 2llö bic Unibcrfität il^r nic^t antwortete, fc^ricb fu am
27. Cf tober 1523 an bcn 91at ber ©tabt 3l«golftabt, um bic bortigen Diifobemusfeelai
36 bon bcr burc^ bic 2:aufe eingegangenen Verpflichtung, baS @t)angclium auc^ ^u befenncn,
gu überzeugen.
2)iefeS fü^ne, bis; bal^in unerhörte 3luftretcn einer ^rau in fird^Iic^en fragen mad»w
baS größte auffegen, unb alö fic toä^rcnb beS Slcici^StagS 6nbc 9Jotoember in ^Jümbeig
eintraf, um and) bort bie et)angelifd;e ©ad^c ^u Vertreten, erhielt bic fc^ncü befannt 3^
40 tüorbenc ©c^riftftcHcrin eine ßinlabung bon bem ^fal^grafcn 5^ob. toon Simmem unb
©Jjonbcim, unb burfte bor ihm unb anbern 9)}itgliebern bed zncid^Srcgimcntg frei unb
offen ibrc Übeneugung auSfj^rcc^en. ^n ber Hoffnung, bafe ©Ott baS in bem 'ipfaljgrafcn
„angefangene Scrf tooUcnben unb er frei unb unerfc^roäen bcn l^immlifc^en SSatcr bf-
fennen ioerbe, liefe fie am näd^ften läge (1. 'Degember) aud^ an i|^n ein Scnbfc^rciböi
45 ergeben, ebenfo an bcn bamalS in 'JJürnberg eingetroffenen Jfurfürften g^iebricb t»on
©ad;fcn. Sltlcin i^r 3luftreten ^attc feinen Grfolg. 2Bic frembartig bcn 3eitgenoffen bk
religiöfc Sdbriftftetlcrei einer ^rau erfrf^icn, jeigt bic I^atfac^c, bafe fic tro$ ber torlicn
SBcrbrcitung ihrer ©d;riften, Don allen benen, bie für ©ccl^ofcr eintraten, gar nic^t einmal
crn)äl;nt toirb, auc^ t>on Sutljer nic^t, ber bod) bie größte Hochachtung für fie f^aü^ unb
60 in feinen ©riefen i^rcn Sefennermut beiüunbcrtc. ©pott unb ©c^anbe War ii)x £oS. 6in
5;ngolftäbter ©tubent tuagtc fogar in einem (anonymen) gereimten „©Jjrucb üon M
©taufferin i^reS 2)iöputiercnö Ijalbcn" il^r ßintreten für ©eebofer auf unjüd^tige 3)loios
jurüdjufüljren, crl^ielt aber in i^rcr „3lnt\oort in ©cbic^tsmeife", in ber fie fic^ erbot,
mit ibrem ©egner, mcnn er öffentlich auf bcn ^JJlan treten tDoUe, ju bi^jjutieren, fräftige
66 SlbtDcifung (21). Solbe a. a. C. ©.107 ff.). 2)en größten Unmiücn erregte fie bei ibm
angefcbenen i^crioanbtfcbaft. 2luf bic Sunbe, xijx 33cttcr 9lbam bon Xörring, bcr pfol,-
gräflid;c ©tattbaltct l^on 5icuburg, habe geäußert : „menn ibr ^au^toirt nic^t ba^u tbätc,
müfetc i^ bic j^rcunbfcl^aft tbun unb fic Dcrmaucrn", t>cri)ffcntlic^tc fic einen an ibn p
ricf)tctcn, glaubcn^ftarfcn Srief, bcr einen tiefen 33lid in il^rc ©orgen unb Sefümmemific
60 tl;un läfet. !5^r 3)Jann tbätc nur ^uDicl, um (Sl^riftum in il^r gu berfolgcn. ©ic toei^,
etottff Staufii^ 781
ba^ man i^m ba^ 2tmt nehmen \ü'\Ü, aber auc^ bie ©orgc um i^re t)ier ftinber fönnc
ftc nic^t bon il^tcm SBcgc abbringen: ,,^ab t)or atte« tool betrachtet, ba^ foü mic^ nic^t
^tnbem an meinem §etl, l^ab mic^ barein gefegt, aUe^ ju Verlieren, ja ßeib unbSeben",
benn ®ott ju befennen l^abc fie fid^ in ber laufe beri)flicl^tet. Unb ba^ Unglücf brac^
balb l^erein. Die Slngolftäbter badeten nid^t baran, einer grau ju antworten, unb erfud^ten 5
nur ben ^erjog, ,,bie SSettel 5U jäl^men". 3)er Äanjler £. b. ßdE riet, ba man gegen
ein SBeib nidi^t fo ^anbeln fönne, tüie gegen eine 5Kann^t)erfon, i^ren 5Kann abjufcigcn
unb ba^ SKeib tocit bon 3)ietfurt ju berbannen, bamit baö gemeine SSoII nic^t öerfül^rt
toerbe. 3)a^ erfte ift gefd^e^en, bagegen läfet fid^ bie Verbannung «ic^t nac^meifen.
Süäal^rfc^einlic^ l^at man e^ in mittelalterlicher Oeringfc^äfeimg bcg Söeibe^ für rid^tiger 10
gehalten, bon ber grau feine toeitere Slotij ju nel^men. Silber ber SBerluft ber ^fleger^
ftcDe, bie eine june^menbe SJerarmung ber gamilie jur golge l^atte, toar ein fc^toerer
©df^Iag, unb auc^ ?onft flogt Slrgula in i^ren ©riefen über Verfolgungen, äte ©d^rifts
ftefferin ift grauSlrguIa aufeer burc^ ein unter bem 29.5Kai 1524 an ben SRegen^burgcr
dlat gerichteten ©rmal^nung^fc^reiben (bgl. Seitr. j. bat;er. R@, XI, 164), fo toeit mir 15
Jlunbe l^aben, nic^t me^r aufgetreten, |onbem toibmete ftc^ lebiglid^ ber il^r Don il^rem
(Satten gänjlic^ überlaffenen Setüirtfd^aftung ber ®üter in Senting, ©rumbad^ unb 3^i'i|*
^eim unb ber ßrjiel^ung i^rcr Rinber. aber nacf> tüie bor na^m fie lebhaften 2lnteil an
allem, toa^ auf firc^li^em ®cbiete Vorging unb blieb in SSerfel^r mit ©J)alatin unb
Sut^er, ben fte h)ä^renb be^ 3lug«burger Sleid^gtag^ 1530 auf ber Äoburg befud^te, unb 20
namentlich mit 2lnbrea^ Dfianber. 9?ac^bem fte im ^af)Xi 1530 SBittoe geworben toar,
toermä^lte fie fic^ jum ^toeiten 2)lale im ^al)x^ 1533 mit einem ©rafen ©d^lidf, ber aber
fc^on nad^ 1'/, S^^ren ftarb. Slufeer in ^^öolP^H ^o ^cr Snfl^ni^" 0^9^ f^c noc^
lange nac^flang, toar bie fü^ne Sefennerin, bie ben 9lu^m l^at, bie erfte ©c^riftfteHerin
ber beutfd^en 3teformation getoefen ju fein, fc^on beinal^ bergejfen, atö auc^ fie abgerufen 26
tourbe. 3" 3^*'^tS^^*"^ ^" Unterfranfen, too fte bie le^te ^^t il^re^ Seben^
'oü, ift fte '
^aben fott, ift fte im ga^re 1554 geftorben. J^eobor Äolbe.
(Btanpiii, gol^ann b., geft. 1524. — @t.' bcutfcöc ©cöriftcn ^at 3. Ä. &. ^nnafc
forgfältig herausgegeben (Johannis Staupitii opera quae reperiri potucnint omnia vol. I,
Potsdamiae 1867^; ber 2. SBb, ipeldier Die lateinifc^en Sc!)nften enthalten folltc, \)at iücgcn ao
^eilna^mlüfigfeit beS ^ublifumö nicfjt erfc^eincn fönuen. — ©t.' Scben, feine Sirtfamfclt
oI§ OrbcnSmann, tf)coIogifd)er 8(5rijtftcüer unb ^rcbigcr, feine S^^cologic, fein ®crf)öltniö ju
fiutöcv, feinen S^araftcr — baö aflc§ finbet man auf ÖJrunb üielfac^ neuen üuellcnmaterialö
eingcftcnb erörtert unb feffelnb bargefteat bei Ztj, Äolbe, 3^ic bcutfc^e ^luguftinertongregatiün
unb 30^. ü. 8t., ®otfta 1879, bcf. ©. 211 ff. (ogl. baju ©eibemann, ©ädjf. S^lrd^cn^ unb 35
6cf)ulblatt 1875 92r. 37 f.). ^urcl) fto. finb bie früheren 9(rbeiten (bcf. ^. ©rimm. De
Joanne Staupitio eiusquc in sacrorum Christianorum instaurationem meritis, 3Ö2^& 1837^
S. oOff.; 6. Hamann, ^Reformatoren oor ber 9leformation IP, ®ot^a 18GC, 8. 212ff.) anti=
quiert. „^ic Stellung bcd 8t. in ber ©nttoicfclung ber grofeen reügiöfen ^emcgung nacft ocr^
fd)iebenen 9?id)tungen l)in einer erneuten Prüfung unterioerfen" woüte 2. Äcfler, Soft. 0. 8t. 40
unb bie ^Infängc ber Di'eformation, fieipäig 1888. Äo. f)atte 8^® VII (1885), 8. 426 ff.
(3o^. 0. 8t., ein 3BaIbenfcr \int> ©ieberläufer. 6ine fircftent)i)türifd)e Gntbedtuncj beleuchtet
Don %i^.^.) einen oorouÄgelicnben 9luf)a^ äc.ö: 3ol)- 0. 8t. u. ha^ ©atbenfertum (^iftorifc^eS
2:afd)cnbuc^, bcgrünbel oon gr. 0. Diaumer, ^erauijgeq. oon 53. ^Jiaurenbrec^er, 9?5f IV. 3a^rs
gang, 8. Hoff.) unb Äe.§ fid) anf(^lief?enbe§ ^ud): ^ic ^Reformation unb bie älteren JReform* 45
Parteien in \f\xtm äufammen^angc bargefteüt, iJeipjig 1885, ganj abföQig beurteilt, ^qö Äo.
unb fpötere 5iritifer ite.ö gegen beffen manchmal ju 2^üge trctenbe 5lnd)tigfeit, gegen einzelne
falfcöe unb fdjiefe Urteile, gegen fein 8trcben, einem Sicblingögebanfen ju Siebe ju ibentifijieren,
generalificren, fonftiuieren, uorbringen, tuirb immer in (Geltung bleiben. ?lber ha^ jene Äritifen
baju gefüt)rt ^aben, ^e. überhaupt nid)t mel)r crnft ^u nehmen unb ben m. 9K. n. bebeutenben 60
^a^r^eit^ge^alt unb bie frudötboren ?lnregungen in Äc.ö 8d)riften ju oerfcnnen, ift ^u be^
baucrn. Um bei 8t. ju bleiben, fo toürbc aÜerbingS bie X^efe, „bafe 8t. unb ber ganje 92ürn=
berger Ä^rei^, bie 2:ud)er, (Sbner, ^Jüjel, 8pengler, 8c^eurl, ^Ibrecftt 2)ürer bcrjenigen QJemeins
fdjaft angetjören, joeld)e bi§ ^um SBeginn ber ^Reformation ben 9Janien 3Balbenfer führte unb
bie oon 1525 an bie Sc^eidinung ©iebertäufer oon it)ren ©egnern ertjalten ^at, bie fid) felbft 66
aber feit bem 12.3a6rl)unbert einfad) Vorüber nannte" (3Ä® VII, 429 f.) — menn ha^S loirtlid^
bie einzige Cluinteffenj oon bem, toa§ Ste. über 8t. gcfcftrieben ^at, toäre — eine fonberbarc
fird)ent)iftorifd)e ©ntberfung fein. 8ooiel aber fc^eint mir fieser: ^t. gehört einer befonberS
c^arafterifiertcn ©ruppe oon Jbeologen unb fiaicn an, bie in bem 3eitraum oon 1520—1525
ebenfo oon ben fird)iid)=forreften 5tatl)oIifen loie oon ben fiut^erancrn ficft loälöfcn, getüiffer* m
maßen eine britte 95artei bilben, „eoangelifd), nid)t lut^erifd)" fein tooflcn, auf bcm'öJrunbe
oorne^mlid) (5rfart=iaulerfc^er g}^i)ftif unb ber (Erneuerung ber paulinifd)=auguftinifc^en GJnabens
lcl)re im au§ge^enben SRittelalter meitcrbaucn, bie ©ejic^ungcn jur ^icrard^te unb ben ürc^s
782 Siänpiii
liefen Zeremonien nid)t löfen, aber leftere für relatiü gleit^^iltig galten unb bic fat^olifd^
grömmiflfeit üertiefen unb i)€rinnerlict)cn. SBcrbinbung«Jfäben flirren rürfwärtö gu mittclaltn--
Heften „(gtiöen im fianbe" unb üortpörtö ju geroiffen Käufern unb aK^ftifcnx- — iwtten Ho.
unb ^e. in 6t. me^r ba^ „SSorreformatorifcfte" betont, fo tt)ic« 9?. ^auIuS (3ot). f.St,
6 feine uorgeblid) proteftantifdjen ©efinnungen, öS® XII [1891], ©. 309 ff.) barauf ftin, bal
©t. in S3ejug auf ^BiUen^freif)eit, ^erbicnftlidjfeit ber guten Öcrfc, iustificatio immer gm
fat^olifdj gelehrt ptte. ?luc6 9iitf(ftl (3)ic d)rift(icftc fie^re üon ber SRec^tferttgung unb Scr-
föj^nungl' [©onn 1889], @. 124 ff.) ftob bcn Unterf(ftieb jmifcften ©t. unb fiut^cr |eroor: 8t.
fei 3)Jr)ftifer, unb jipar gehöre er, ba er i>a^ Qki ber JJrömmigfeit nic^t im (Srfenncn imb
10 ©cbauen ®ottcg, «fonbern in ber ^erjicfttlciftung auf bcn eignen ^iütn crblide, in bic mt--
tiftifd)e, franjiöfanifcfie SRei^e ber 3Ri)ftif. — Unjugönglidj mar mir ber ^Irtifcl üon (L göwt,
Deux phases de la vie de Staupitz (Lib. Chr^t. VI, 17 — 34).
3o^. t). ©t. entftammte einet alten Slbetöfamilic, bie im 16. ^al^rl^unbcrt im ffiitto
bcrgif^en unb in ber 9?äl^c t)on SBurjen angefeffen tüar. 35ag frü^cftc fixere 2)atffin
15 au^ feinem Scben ift feine 3"iniötrifuIation an ber Sei^jjiger llnit)crfttät. ^icr ifl er im
©ommcrfcmefter 1485 ate Johannes Stopitz de Mutterwitz bacc. inffribicrt (3RatriW
ber Unib. 2., I^erau^cg. b. ®. @rlcr I, 347). 3Q3o er borJ^er bx^ gum öaccalaurcatdcramcn
ftubicrt l}ai, ift unbcfannt. "äu^ bem ßintrag fc^ctnt fic^ nun auc^ ©t.' @eburtdort pt
ergeben. 3Jlan fann aber fd^ioanfen jtüifd^en SRottcrtüi^ bei £ci«nig imb 3Robcrtoi^ bei
20 5«cuftabt a. b. Dria. auf a)eotterh)i| fafe 1519 ff. (gnber«, SutM »rieftoec^fcl I, 372
u. ö.) 6^riftoj3t)orug Sreffen, unb fc|on im 15. S^^^'^^""^^ ""^ "^^ 16^2 toar e# ira
»efi^e ber gamilie bon Srefjcn ober 5Preffen (Seiträge jur fäd^f. Ä® II [1883], ©. m\
5Koberh?i| gel^örte 1295—1333 ber gamilie bon ^a\)n (ebb.). <&ier iüol^nte — jtod
Slac^rid^ten jufolge, bie aOerbingö nid^t mel^r nad(igej)rüft tücrben lönnen (bic eine boi
25 1541) (ebb. ©. 104, bgl. auc^ fc^on bc SBette^Seibemann, Sut^cr« »riefe VI, 684) -
^ani t>. Sora, Äatl^arinag 33ater. Seac^tenötoert erfc^eint, bafe Äat^arina im Älojter
■JJimbfc^en mit ©t.^ ©c^toefter 5JJagbaIcna jufammen tüar. ©ottte baö auf eine gcmciit
fam unb an einem Drte Derlebte Jtinb^eit l^inbeuten? 35ann toürbe aud^ für St. dw
2Jtoberh)i5 aU ^Jloltertpi^ (für Ic^tere« ftimmt 31. ^auM, 35er Äat^olif 1898 I, 88)
90 ate ®eburt«ort in Sctrac^t fommen. — 6ine toeitere 9?oti/i in ber Scipjiger Uniüerfitat^
matrifel (II, 313) befagt, bafe am 30. Dftober 1489 N. St., mgr. Coloniensis, in bi<
3lrtiftenfafultät aufgenommen Sorben ift. Se^ie^t [xd^ ba« auf unfern ©t., fo ^ er ba-
jtoifc^en in Äöln ftubicrt unb bort fic^ ben 3Kagiftergrab crtüorbcn. — 1497 tpurbc er,
ate mag. art. unb lector theologiae, bem 2luguftinerfont)ent ju Tübingen infoqjorim
35 — ^rofcfe i}ai er öiclleic^t in 3Slnnd)tn gett^an — unb am 30. üJiai an ber bortigen
Uniberfität immatrifuliert. 5lac^bcm er ^rior bc^ Älofter« getüorben tvav, h)urbe er am
29. Cltober 1498 baccalaureus biblicus, am 10. ^^""^^ ^^99 sententiarius, am
(). ^nVx 1510 Lic. unb tagö barauf Dr. theol. (bgl. §. §crmclinf, Die t^eologtftbc
gafultät in SEübingen bor ber Slcformation 1477—1534, lüb. 1906, ©. 199f.). ^ob
40 er fid) in Tübingen bic t^cologifc^en SBürbcn ertücrben foßtc, ^atte baö ©eneralfa))itd
},n 9iom 1497, tool;! auf 3lntrag bc^ a. $roIe^ (f.b. 21. 93b XVI ©.74), bcfAIoffen. Unter ben
lübinger ^rofcfforcn ragten bamal^ ber nad^ einer grünblic^en Äird^enrefonn jicfc
fc^ncnbe fionrab ©ummcn(;art (^anffcn, ©efc^. b. beutfc^. SSoIIc^ feit bem 2luögang bd
5M^ I, 17. unb 18. aufl., ©. 143, §ermclinf ©. 163 ff.) unb ber noc^ energifi«
45 toie biefcr auf ©d)rift unb ^äterftubium bringenbc $aul ©criptori^ (3anffcn S. 16. Uo,
§ermclinf ©. 156 ff.) ^crbor, boc^ l^abcn fie faum ©t. tiefer beeinflußt. (S^er ift bas b«
SBcnbel ©teinbad} an^une^men, „inclc^er nac^ bem 3^"Ö"i^ ^Jlelanc^t^on^ ein fleifeigtr
^orfc^cr ber ^I. ©c^rift unb 2luguftin^ tpar unb noc^ mc^r burc^ feine ftttlid^^religiöfe
$crfönlic^fcit ioirfte" (§crmelint ©. 195 ff. 200). Wxi einem bom 30. ÜJlärj löC.'
öobaticrtcn ©riefe an bcn ^^übingcr Suc^brudcr 3^^^- Dtmar crfc^ien ©t' ©rftling^
fc^rift Decisio questionis de audieneia misse in parochiali ecclesia domi-
nicis et festivis diebus (4 2(u^gabcn, bic 1., meiere bic atn^änge — f. u. -
nic^t hat, t>on Dtmar, bic brci anbcm auö einer anbcm treffe, togl. ©teiff, £cr
crftc SBu^brudt in 3:übingen, 2^übingcn 1881, ©. 61 f.), in ber er bie grage, ob bic
55 ^arod^iancn t)crj)f(id^lct feien, an ©onn- unb gcfttagcn bic 9)icffc in i^rer ^fon-
firrf)c 5u frören ober and) in einer 5tloftcrfirrf)c i^rc ßrbauung fuc^en bürften, „mit an=
crfcnncn^tpcrter iBcrleugnung ber eigenen mönd)ifd)en gntcrcRcn, um be^ l^ierart^ifAcn
^rinjip^ ipiUcn, ^u ©unften ber ffieltgciftlid^tcit" cntfc^cibct. 3" ^«" ^^ct 9iac^bru(fcn
finb einige 5latedn^mu^ftüdte (gi)ttlidie unb Äird^cngebotc, geft« unb gafttage, gule^t
60 Fides Nicena) angcbängt. 'JJad^bcm ©t. ^^Jrior bc^ 3Jündf>encr 2luguftinerfont>ent^ gc-
roorbcn toar — er crfc^cint afö fold^cr 1503 — , bel;auj)tctc er bcn in Jener ©c^rift eins
®tait)it« 783
acnommenen ©tanb})unlt and) in öffentlicher SRebc, erfuhr aber ben SBiberfjjruc^ be«
wünc^ener granji^fanerguarbian« Äaf^ar ©c^ajge^er, beffen ©egcnfc^rift in Cod. Ms. 34
bcr üJlünc^ener Uniberfität^bibl. erl^alten ift (9J. ^aulu«, R. ©c^., ^reiburg i-Sr. 1898,
©. 21 f. 149). Dann tourbe er bon Äurfürft ^nebric^ bon ©aci()fen neben 3Jlartin$oIIici() au«
SKeHric^ftabt ober SWeHerftabt jur ßinric^tung ber neu gegrünbeten SEBittenbergcr Unibcrfttät 6
berufen; er tourbe erfter 2)elan ber t^eologifci()en galultät. 2luf bcm ^ubilate (7. üJlai)
1503 ju efd()toege ftattfinbenben Rap'iid tourbe er auf ^role«' SBunfd^ ju beffen ^ai)^
folger im ämte eine« ©eneralüifar« ber beutfci()en Sluguftinerobferbantenfongregation (ügl.
93b II ©. 256 f.) getüä^It. ©r festen ganj ber 3Jlann ju fein, bie aufftrebenbe Äom
flregation x\x ftü^en unb ju fci()ü^en unb il^r bie (Sunft bcr toeltlid^^en dürften, junäc^ft lo
bcr fäd^^ftfcpen, unb be« $aj)fte« ju geiüinnen. ©eine erfte ©orge toar bie 3ufammens
faffung unb Veröffentlichung ber in ber Kongregation geltenbcn Äonftitutionen. 3tuf bem
RcüpM gu 9lümberg ^w^ilal^ (28. 3lJ)ril) 1504 tpurben fxe o^^jrobiert, unb balb nad^
?|ifingften erfc^ienen fie im 2)rucf (einzige« bisher belannte« ©j. auf ber ^matt Um-
Dcrfttätöbibliot^el; 2lbfc^rift bon ©eibemann auf ber Ägl. Sibl. ju 35re«ben; auf beris
5Kün(^ener $of- unb ©taat«bibl. §f. be« 18. 3ö^tl(>unbert«: Constitutiones Congre-
gationis Saxonicae ab eiusdem maximo promotore Joanne Staupitzio vicario
generali editae ac Norimbergae impressae ac ex impresso exemplari, quod
Herbipoli asservatur, descriptae). SKenn übrigen« Äolbe ©. 224 meint, ©t. ^abe
^ier eine 6m))fel^lung be« ©c^riftftubium« eingefügt, fo ^at ^aulu« ^3® XII, 311 f. 20
gegeigt, bafe ©t. auc^ l^ier einfach bie (1287 aj)j)robierten) Äonftitutionen be« (Sefamt^
orben« abgefc^rieben ^at. 3Bic ©t. in ben folgenben ^af)xzn ben ^lan Verfolgte, fämt^
lid^e beutf^e Sluguftinerflöfter feiner Kongregation einjuöerleiben unb biefer burc^ Union
mit ber lombarbifc^en biefelben Privilegien unb 3»"»"wnitäten gu berfc^affen, toie er in
biefer 2lngelegcnl^eit guerft burA 3?ifolau« 93e«ler, feinen 9Jac^folger im 3Jlünc^ener ^riorate, 26
bann auc^ ))erfönlic^ mit bcriturie ber^anbeltc, toie er guerft bon bem am 1. ©ejjtember
1505 getüä^lten, aber bereit« ßnbe 1506 geftorbenen (General Sluguftinu« t). ^nteramna
befeinbet, bann aber burc^ beffen 9lac^folger, ben geleierten ätgibiu« b. SSiterbo geförbert
tourbe, toie er borübergel(>enb mit ben 5lümbergem in Äonpilt geriet unb ©rfolge mit
?IKifeerifolgcn tpec^felten, bafür mufe auf Äolbc ©. 225— 243 bertt>iefen hjerben. Über 30
ben großen Ääm})fen bergafe ©t. aber nici()t bie fleinen 3tngelegen^eitcn ber eingelnen
Älöfter unb Srüber. ©0 machte i^m ber 9teubau be« SBittenberger Sluguftinerllofter«
1507,8 t)iel ©orge. Söeit über 100 2luguftiner l(>at er toä^renb feine« SBifariate« nac^
SBittenberg gegoaen, bor allen 1508 3Rartin Sut^er. Stuf einer feiner 9Sifitation«reifen
lüar x^m im Erfurter Äonüent ber „abgegel^rtc junge Sruber mit ben fmnenben 2lugcn", 35
ber bon feinen näc^ftcn 33orgefe^tcn al« ein ÜKufter t)on §eiligleit gej)riefen tpurbe, aufs
gefallen. @r l^atte i^n gu tröftcn gefugt baburd^, bafe er i^n auf bie fünbenüergebenbe
®nabe ©otte« unb bie örlöfung in G^rifti 93lut öerhjie«, i^m llax machte, bafe bie 9leue
mit ber Siebe gur (Serec^tigleit unb gu (Sott beginnen muffe, unb bafe fein ©ünbengefü^l
gum guten Seil auf Übertreibung unb ßinbilbung beruhe unb in frud^tlofe feelengefäl^rs 40
lid^e ©elbftquälerei au«geartet fei. Sutl^er ift „feinem" ©t., feinem „lieben ä^oftor ©t."
geitleben« banibar geblieben bafür, bafe er i^n bamal« au« jenem berberblid&en Srütcn
|erau«geriffcn ijab^, unb ebenfo für f|)ätere Siröftungen unb Anregungen (6itate bei
Äolbe ©. 249 f. unb Äöftlin^Äatperau, 3Jlartin Sut^er I, 71; ba« meiftciticrte ffiort
au« bem legten erl(>altenen ©riefe Sut^cr« an ©t. bom 17. ©e})tember 1523: Sed nos46
certe etiamsi desivimus tibi grati ac placiti esse, tarnen tui non decet esse
immemores et ingratos, per quem primum coepit evangelii lux de tenebris
splendescere in cordibus nostris [ßnber« IV, 231] ift ber|ältni«mä^ig lü^l, bie
Sleufterungen bon 1542 unb 1545 finb biel inniger). Sebor ©t. feine ^ittenberger
?5rofeff ur befinitit) nieberlcgte, üeranlafete er ober gh)ang er bielme^r Sut^cr gur ©rhjerbung 50
ber t^eologi^en 3)oItorh)ürbc am 18. unb 19. Df tober 1512 (ÄöftlimÄaioerau I, 101 ff.
— 3)er Seri^t in Ghiliani Leibii, Prioris Rebdorffensis Canon. Reg. D. Aug.
Historiarum sui temporis ab An. 1502 ad An. 1549 Annales in Slretin« ikl^s
trägen gur ©efci(). unb Siteratur VII [1806], 664, ©t. I^abe bie ^:promotion«Ioften be=
ftritten bon ben 500 (Solbgulben, bie eine eble grau einem 9?ürnberger Sluguftinermönd^^e 55
toermac^t ^abe, bamit biefer 3:^eologie ftubieren unb bie t^eologifc^e 3)oItorh)ürbe erhjerben
foHte, fc^eint mir burc^ bie Quittung Sutl^cr« Dom 9. Dttober 1512 bei gnber« I, 9 f.
nic^t gang toiberlegt gu fein). 3tber aui) nac^bem ©t. gu ftänbigem Slufent^alt nac^ ©üb-
beutfc^lanb übergefiebelt toax, blieb er mit ben Söittenbergem in inniger ^ül^lung. 3tl«
gol^ann Sang, ber infolge eine« gtoifd^en ©t. unb fieben Älöftem, barunter ©rfurt, au«^ eo
784 ®tatt)ii^
gcbrod^cnen Streitet, al^ Parteigänger St.' aui S. au^etoiefen toorben tvat unb ^etfcji
151 1 naä) Wittenberg überge^ebelt toar (5i. $aulu^, Sartl^olomäu^ 2tmoIbi t«m
Ufingen, ^reiburg i. Sr. 1893, ©. 16), ju bem auf ^ubilatc 1515 na* ®olba
gufammenberufenen Äapitel reifte, gab ©palatin i^m einen Sricf an gt. mit
6(batiert: ex arce Wittenbergensi XVI Kalend. Maij [16. Wßüi] 1515; Cod.
Goth. A 399, 274^—75*), in bem er biefen aU greunb 3Jlutian« unb SeuAItns
entf^ufiaftif^ begrüßte (bgl. auci& noci() ©iDert, 2)er Srieftoec^fcl be^ (Eonrohs
Wutianu«, ^atte 1890, I 170, II 151.233.237.268.278.280). Unb Äarlftabt er:
öffnete feine ßrläuterungen gu 3luguftinö ©d^rift De spiritu et litera, bic crft äntoiig
10 1519 erfc^iencn, mit einer Dom 18. 5Rotoember 1517 batierten 95orrebe an ©t., in toelAcr
er biefen pxk^ aU *illius sincerioris Theologiae promotor amplissimus atqne
eximius Christi gratiae predicator, defensor quoque et assertor immobilis'
(§. ^ikrge, änbrea^ Sobenftein toon SEarlftabt, Seipjig 1905, I 90 ft., H 533 ff.). Bl
lebte feitbem, hjenn er nic^t auf Siifitation^reijen abtoefenb hjar — , fo tüor er im ^S
16 1514 in ben TOeberlanben, too er u. a. bie ßinric^tung be^ nac^ Übcrtüinbung moimigs
fac^er ©c^h)ierigfeiten fc^ned aufblül^enben 3lntn)er))ener 3luguftinerfontoentö übcrttnu^tc
(^. Salloff, 2)ie anfange ber (Segenreformation in ben SRieberlanben I, ÖaQc a. b. £.
1903, ©. 52 ff.), unb unternahm er im Sommer 1516 eine größere äJifitationsreiic
an ben 5lieberrl^ein unb nad^ Selgien, Voobei er auc^ für bie SBittcnberger ©d^IoBün^
2o9teliquien ertoarb (gjfurö bei Äolbe ©. 408 ff.; bagu neucften« ^. Äalfoff, 2lbla| unb
SReliquienberel^rung an ber Sd^lofelirc^e ju SBittenberg unter gricbric^ bem ©cifoi,
§alle 1906, ©. 69) — in -äKünc^en, ©algburg, befonberö gern aber in 9?ürnbCT3,
too er mit ß^riftoplE! ®^^"^'' ^ieron^mu« §oIgfd^u^er, ben Ebner, fjürer, %ni^,
£a;aru!§ ©|)engler, Sföilibalb ^irl^eimer, Sllbrec^t 3)ürer freunbfc^aftlic^ toerle^rte unb
25 nid^t nur aU ^rebiger, fonbern and) al^ feiner Seobac^ter unb licbenetoürbigcr Untfi-
^alter bei %i^d) gefd^ä^t hjurbe. Seliebt toar überl^au|)t ©t. bei jebermann. So
fc^rieb j. S. au4 ßra^mu« au^ Söioen am 17. Dftober 1518 an 3<>^^nn Song (feit
Slnfang 1516 h)ieber in ©rfurt): Staupitium vero magnum adamo (2lb. §oratoi|,
Erasmiana II, Si^ung^berid^te ber ^^iIofo})l^ifc^'^iftorifci()en Älaffc ber Äaiferl. äfab.
80 ber 9Biff. 95. S3b 1879, ©. 597).
2)ie Stellung, bie ©t. Don 1518 ab Sutber gegenüber eingenommen l^at, ift buri
bie neuerlid^en au^gejeid^neten Sluefü^rungen $. ftalfoffig (^orfd^ungen ju Sut^er^ romi-
feiern ^rojefe, 9{om 1905, ©. 44 ff.) gettärt. '^m gebruar 1518 jeigtc ber bamalige ?>ro^
magifter be^ Drben^ ©abriet aSenctu^ (ber auf bem ©eneralfajjitcl jul^enebig im 3"*^^ ^^^^
86 Aum ©cncral geträblt tüurbc), einer SBeifung £eo^ X. folgenb, ©t. an, bafe gutbcr beim
^5aj)fte alöftefecr benunjiert Sorben fei, unb forberte il^n auf,.£utbcr ^ur 9tebe j;u fteüen.
©t. teilte 2ut|er bie 2lnflaget3unfte mit unter ioarnenbem ^inioeid auf ben üblen Qm-
brudf, ben feine Seigre gemad^t l^ätte, Sutl^er aber tüie^ unterm 31. 5Rär^ bic gegen ibn
erf^obcnen Slnllagen ate unbcgrünbet ^urüdf unb lehnte furj unb beftimmt eine 2lenberung
40 feiner Haltung ah. 2luf bem Äaj)itel ^u Jpeibelberg be^auj)tete er erfolgrcid^ feine %c]v
tion bor feinen Drbcnögenoffen, berfprac^ aber too^l auc^, ftc^ burd^ ben ©cneralmfar in
einem ©d^reibcn an ben ''^ap\t ju ioenben unb burc^ eine auefül^rlic^e Srläuterung feinet
abla^t^efen fid^i ;;u rechtfertigen. I)iefe Resolutiones disputationum de indulgen-
tiarum virtute fc^irftc er am 30. Wai in einem ©d^reiben an ben $aj}ft burd^ Staujji?
46 nad) 9lom, toorauf biefer crflärte, bie Kongregation i)abc [xd) bemüht, bem Scfc^le bc?
^romagifterö ju entfj^rec^en. ©citbcm galt ©t. an ber Äurie ate 2ln^änger Sutbcr^ un^
fe^r toerbäd^tig. fturj bcbor bann ©t. mit Sut^er in Slug^burg, h)0 biefer toor bem
9iicl)terftul;l Gajctan^ erfc^ien, jufammentraf, fud;te er il^n ju bestimmen, ^eittücilig out
bie il^n toorh)ärt^ trcibenbc unb ej})onierenbc SBirffamfeit an ber 3öittenberger Uniberfität
60 5U toerjic^ten unb fid; in ein iocltabgcfd^)iebene^ äuguftinerllofter gurüdju^ie^en, ipoburcfc
er foiDol;l ben 5lurfürftcn aU aud; bic Kongregation unb i^n al^ Dh^xbaixpt berfelbcn
au^ t3cinlid;cr Sage befreien mürbe. 3lm 10. Dftober traf ©t. felbft in l^lug^burg ein,
unb nun befjjrad^ a* mit Sutf^cr einen anbcren auf ben erften Slidt rec^t abcnteuerli(^cn
^lan, ba^ nämlid; biefer fic^ an bie Unibcrfität ^ari^ begeben follte (5lalfoff ©. 164^.).
65 ^nbcffen f4)eint St. fid; in feinen bamaligcn Serbanblungen mit Sut^er boc^ gelegentli*
auc^ anberö au^gef^rocben ^u l^abcn. @r ftanb ja biefem nid;t nur al^ Drben^toorgefe^icr,
fonbern aud; al^ ^reunb unb ©cfinnung^genoffe gegenüber, unb feine 93ebenflicfcfcit
unb ^Jingftlid^fcit tourbc manchmal burdb beffen ftürmifc^e^ unb glaubcn^fübnc^ Scfcn
über ben ^^aufcn gcioorfen, unb bann rief er Sutl^er ermutigenbe unb beftärlenbe äl^ortc
60 ^u. Unb toenn er il^n Dom Drben^ge(;orfam entbanb, fo t^at er baS gctoi^ nit^t nur,
@tau)ii^ 785
um bag B(i)iä]al bcr Äongrcßation nic^t ferner mit bem Sut^er« ^u berIniH3fen(foÄaHoff
©. 48 2tnm.), fonbcm and), um bicfem ^rei^eit jum §anbeln unb Ääm^fen ju geben
(t>0l. aud^ ÄöftUn-ftatoerau I, 211). 3luf bic 3)aucr toottte er jeboc^ bieSaft unb SSer*
anttportung, bie er aU Oberbau})! ber Kongregation burc^ 5)ulbung unb Unterftü^ung
Sutl^erg auf fic^ genommen, nii)t tragen, gumal ba er immer h)ieber bon SRom au^ be= 6
arbeitet h)urbe, gegen ben Äe^cr einjufc^reiten ; er legte be^l^alb auf bem Rapxid juSi^«
leben am 28. 2tuguft 1520 fein 2lmt ate ©eneralbilar nieber. ©ein SRac^foIger h)urbe
SBen^e^Iau« 2inf (f. b. a.).
3e^t berief ber Äarbinalerjbifc^of 3Rattl^äu^ Sang ©t. aU §oft)rebiger nac^ ©aljburg.
Slber auc^ l^ier fanb er nic^t ben erfe^nten ^Jrieben. 3luf Seranlafjung £eo« X. forberte lo
Sang bon il^m eine revocatio et abiuratio bor 9?otar unb S^^Ö^ ^^ ^" "^^^ f^Ö-
Sannanbrol^ung^buIIe bom 15. guni 1520 angeführten älrtilel Sut^er^. ©t. hjeigerte
fic^ beffen, h)eil er nic^t ju toiberrufen bxaud)z, toa^ er nic^t be^aujjtet i}ab^, unb bat
ben Äarbinal, ni^t Leiter in il^n ju bringen, hjurbe aber fc^Iiefelic^ mübe unb erflärte,
ben ^aj)ft atö feinen SRic^ter anjuerlennen. 9?id^t mit Unrecht fa^ Sut^er barin eine i6
^albe 93erleugnung, unb ©t. berfuci^te auc^ gar nici()t il^m unb SinI gegenüber ta|)ferer ju
erfc^einen aU er tpar. Um i^n nun aber ganj bon £utl(>er unb ben 3luguftinem lo^ju^
reiften, machte Sang i^n gum 3lbt ber alten reichen Senebiftincrabtei ©t. ^eter in ©algburg.
9Rit ben 5Wön(^en berfelben lag Sang feit lange im ©treit, unb nun l(>offte er, einen i^m
ergebenen, gefügigen 2lbt ju bef ommen. ©t. toax bamal^ gerabe \>vixd) bie neuerlichen Sin? 20
gnffe Sutl(>er^ auf ?Jlönc^^geIübbe unb^rieftere^e, burc^ bie 3lbfc^affung ber 3Keffe unbba^
überl^anb ne^menbe auslaufen bon TOönd^en unb Üionnen erfc^recft unb in berjagter,
refignierter ©timmung; fo lieft er [x^ treiben, unb Sut^er^ SBamungen famen ju f^gt.
2lm 1. 2luguft legte er mi) erfolgtem Diö^en^ ^rofeft auf bie Senebiltinerregel ab,
lüorauf er am 2. 3tuguft bem Srjbif^of be^uf« Konfirmation unb Senebiftion })räfentiert 25
tourbe. 2tm 6. Sluguft fertigte biefer bie Äonfirmation^urlunbe au^, unb am 17. h)urbe©t.
burc^ Sifc^ofSert^oIb bonß^iemfee im Seifein be^ Jlarbinafö feierlich gum 2tbt benebigiert
(355. ßaut^aler, Äarbinal 3Ratt^äu« Sang unb bie religiöö^fojiale Sefvegung feiner ^dt
I. Steil, gjlitteilungen ber (SefeDfc^aft für ©alj^burger Sanbeölunbe 35, 181 ff.). Sltö
gefc^idtter §au^l^alter über bie hjeltlic^en ®üter ber 2lbtei betoä^rte er fx^ gerabe nic^t, 30
aber ber ^rebigt unb ©eelforge toibmete er ftc^ mit bem i^m eigentümlichen freubigen
Pflichteifer. Sllö le^te Äunbgebungen ©t.^ fmb bie jhjei ©utac^ten fe^r ju bead^ten, bie
er über bie Sc^rc be^ Sluguftiner^ ©tep^. ätgricola (f. b. ä. Sb I, 253) abgab. 3)iefer toar
im ©ommer 1522 al« ^rebiger in 9lottenburg am 3lnn gefangen genommen unb in ba^
falgburgifc^e 3Jlülborf gebracht tporben, bamit bort Sang al^ Drbinariu^ bon Stottenburg 35
gegen i^n ^anbele. ^rx bem erften ©utad()ten bom grü^ja^r 1523 (abgebrudft bei 6or=
binian ©ärtner, ©aljburgifc^e gclef^rte Unter^anblungen, 2. 4)eft, ©aljb. 1812, ©.67—72,
befprod^en bon ^aulu^ §3® XII, 773—777) äufterte ]x6) ©t. noc^ jiemlicb milb unb
gurüdf^altenb; er toirft 2lgricoIa nur bor, baft er fein fubjeltibe^S Urteil über bie Sntfc^ei-
bungen ber Kirche ftelle, baft er l)ätU bebenlen foDen, quod ne sacrae quidem literae 40
sine modestia docendae sunt,' unb baft feine (Sinhjänbe gegen bie ©ebete für bie
Sierftorbenen unb gegen ba« ^aften unf lar unb l^infättig feien, ^iel fc^ärfcr ift ba«; jitoeitc
©utac^ten toom 9?obember 1523, in bem ©t. bom folgenben allgemeinen Sä^en au^gel^t:
1. 5)ie Se^er fmb gu beftrafen, benn man muffe bie ©c^afe bor bem Söolf fd()ü^en;
2. bie 3ln^änger Sut^er« finb auf ©runb ber päj)ftlic^en SuDe unb be« faiferlic^en 6bilt« 46
für Äe^er ju galten; 3. auc^ tber nur in einem fünfte ber Äe^erei überfül^rt tberbe, fei
atefte^er ju betrachten; 4. älgricola aber fei in bielen fünften überführt tborben (^au-
tl^aler, SJütteilungen 36, 330 f.). — 31m 28. 2)ejember 1524 erlag ©t. einem ©c^lag^
anfad, nac^bem er fc^on feit bem 3tj)ril Icibenb getbefen fear unb in Sraunau unb
Sleic^en^all bergeben« Sefferung gejuckt l^atte. Segraben tpurbe er in ber ©t. SSeitgs go
!aj)ene ber ©tift«firc^e. Über jtoei ^IJorträt« bon i^m in ber ^rälatur unb im Älofter«
faal bgl. §. SlumüDer, ^a^rbuc^ ber ©efettfc^. f. b. ©efc^. be« ^roteftanti«mu« in £)fter=
reic^ 11 (1881), ©. 49 f., bgl. axid) fc^on ©eibemann, ©äd^f. Äird^en^ unb ©c^ulblatt
1873, 3?r. 6, ©)3. 46. ©e^r intereffant ift 5Keland^t^on« Urteil über ©t.: Staupitium
dicit non factum esse apostatam. ©onbem er fe^ ein Sapiens tpol^toeifer ISlanrx 66
getbefen, quia noiuerit sese immisc^ere negotijs de religione et controversijs
agitatis. Sed quod arte se euoluerit, fagt 6r". (331. 14 bon Mscr. Dresd. B 193
4'«^ Abrahami Buchholzeri Libellus Arcanorum, citiert bon ©eibemann, ©äc^f.
Äirc^en^ unb ©c^ulblatt 1877, 5lr.32 unb 1879, 5Wr. 38.)
3Son ©t.' ^rebigten fmb l^anbfc^riftlic^ erhalten: 1. 34 lateinifc^ gefc^riebene ^rebigten go
^taUQncttUopmt füt Ideologie unb ftir<fte. 8. «. xvni. 5O
786 Stau)it^ Stekittger
über $iobl u. 2, berfaftt jtpifc^cn 1494 unb 1498, in Clm. 18 760, 155 f., 4* (^lul
ß?!® XII, 310 f.; ^.« äJermutung, bafe ©t. bicfe ^rcbigtcn in Tübingen gehalten bob«. toirb
bcitätigt burc^ 3RanIiug, Locorum communium collectanea II, 14), 2. 23 ^rcbigtm,
bie ©t. in ber gaftenjeit 1523 im Äranfcnfaalc bc« je^t auf bem Slonnberg, bamal^ aber batl
6 neben St. ^etct, nämlic^ int je^igen gran«^!anerlIofter gelegenen 9?onnenHofter geilten bot,
unb eine über ba« 33eid;ten, bie er im Slbbent 1523 im ©Jjeifefaal bafclbft gebalten ^
in ^a))ierbanb a II, 11 im2lr(^ib bon ©t. ^eter; Jlolbe ^at barauö bie abbent^rtbigt
abgebrudtt, tpeitere üJlittcilungen gab 3lumüIIer, ^a^rbuc^II, 49ff., XI (1890), ©. 113it.
^ierju tommen noc^ äu^^üge au^ ^rebiaten, bie ©t. in ber 3(bt>cntögcit 1516 in5lünt:
10 berg gel^alten, t)on Samruö ©})engler gefc^riebcn, im Codex manuscript. C bibliothecae
Scheurlianae (Snaafe ©. 14ft.)-
Srucffc^riften ©t.': 1. Decisio quaestionis de audientia missae f. o.; 2. %>n
ber 9?ac^foIgung be« tüilligen ©terben^ ß^rifti (Sci^jig 1515: ^Ponger, STnnalen m,
0.0. 1523: ^njer 1641); 3. Libellus de executione aeternae praedestinationis,
16 bon ©c^eurl Ij^erau^geg., SRürnberg 1517: ^anjer, Annales typographici VII, 459,
136; IX, 546, 136; beutfc^e Überfe^ung bon ©(^eurl, 9lümberg 1517: ^anj^er 873;
4. aSon ber Siebe ®otte« (Sei})jig 1518: SBetter, Repert. typogr., (Su}>j)I. II, 461,
0. D. [3Rünc^en, ^ol^. ©c^obfer] 1518: ^anjcr 800, Safel 1520: ^nger 971^ o.C.
u. 3.: aKeller 1148); 5. 35on bem l^eiligen c^riftlid^en ©lauben, nadi) ©t.' 2:obe tooK
20 bonSinf herausgegeben, 0. D. 1525: ^anjer 2900 unb 0. D. MDXXV. (Über baS Skr^
l^ältnig biefer jtoei berjc^iebcnen Slu^aben bgl. ftcDer ©. 190 ff.) Über fj)ätere äu^
gaben bon ©t.' ©c^riften — jtoifc^cn 1605 unb 1630 erfc^ienen minbeften^ a<bt 5l«u=
br^icfe — bgl. ÄeHer ©. 393 ff. D. Glemet.
Stebingcr* — 3)ic .^auptquctfcn finb bie in ber 3)Qrflcnung ongcfü^rten UrfimNn.
26 SBon bcriditenben Duellen fommen in ©etradjt Ann. Stad. MG So XVI; Emon. chron,
0.0.0. XXIII, 6.516; Chr. reg. Col. i. 1234, 6.265; Ann. Erph. fratr. Praed. .v 1232.
6.83; Hist. mon. Raetcd. SS XXV, 6.504; bie 6ö(f)fifcf)e 3BcIl*ronif MG DChr IL
6. 236 ff. S)ic älteren S)arftcUun gen finb antiquiert burcf) ^. 91. 6cöumac^er, 5)ic ©tebinqer.
SBeitrog j^ur ®efd)ict)tc ber ^^cfer="liJ^l^((t)en, ©remen 1865. "iDJon U9I. ferner ©cöirnnociKr,
80 Ä. griebri* IL, 1859, I, 227 ff.; ©incfelmonn, ©efdiicftte ^. gricbrid)« IL, 186.% 8. 437 ff.;
Ufinger, ^eutfd)=bäni[cf)e (i)eft^id)te, 1863, 6. 169 ff.; 3)c^io, @cfc^icl)tc bcö (£räbiet^uin*3
83remcn^C)amburg, 1877, II, 119ff.; $efele=finöpflcr, eonc.=®cfc^. V, 1880, 6. 1018fr.:
gelten, (iJregorIX., grcib. 1886, 6.220.
SJlit bem SRamen ©tebinger (Stedingi, Stetingi, Stadingi) bejei(^nct man feil
85 bem 13. ^al^r^unbert bie 93eh)o^ner ber 3?ieberungen an ber 9Zorbfeefüftc ju beiben
©eiten ber Söefer, jumeift frieftfc^en ©tamme^. ©ie finb im 12. 3ia^r^unbert au^ bem
Si^tum Utred;t in bie bamafö unbebauten Woorlänbereien an ber unteren SBefcr ein^c-
tüanbert (togl. bie Urf. be« eS. griebric^ bon 1106, §amb. US I, ©. 121, 3lx. 129).
3)ie Sanbe^l^ol^eit ber ßr^bifc^öfe bon §amburg=93remen erlannten fxe an, lebten ober
40 t^atfäc^Iic^ unabl^ängig auf bem bem SBaffer abgerungenen ®runb unb Soben. Um
bie SBcnbe beö ^^l^r^unbert^ h)urbcn fie burd^ bie 35erfuc^e ber DIbenburger ®rafen, fic
unter il^re Sotmäfeigfeit ju jtüingen, beunruhigt, toujjten fic^ il^rer aber ^u ertoebrcn
(©äc^f. aßeltc^r. j. 1200 c. 341, ©. 236; Ann. Stad. g. 1204, ©. 354; Hist. mon.
Rast. 19, ©. 504; Ann. Erph. fr. pr. 3. 1234, ©. 83). einige 3;a^re banac^ famen ftc
46 mit bem S53. ^artirig IL in Äonfliit ; fie beriüeigerten bie 3^^nten unb anberc ürd^Iitk
Seiftungen. Äur^ bor feinem lobe 30g er gegen fie, brad^ aber, ba fic fic^ gu einer
Octbja^Iung bcrftanben, ha^ Unternef^men ab (Ann. Stad. 3. 1217, ©.354; ©äcbj.
SBeltcbron. ©. 236 f.). Die nac^ feinem lobe (3. 9bt). 1207) au^bred^enben Äämpfc um
ben SBeft^ beig (grjbi^tum^ lamen il^ncn ^u gute, ©ie jerftörten 1212 bie feften ^äuf«
5o3Huntc unb ©ee^ufen unb belagerten 3)orf^agcn, 1214 brachen fte ©totel (Ann. "Stad.
g. bb. 33)- 2)afe ©erwarb I. fc^liefelic^ bie Slnerfennung al^ erjbifc^of fanb, berbonhc
er hjenigften^ ^um 2:eil bem Umftanbe, bafe bie ©tebinger 1216 ober 1217 auf feine
©eite übertraten (Ann. Stad. j. 1217, ©. 356). Stllein er ftarb bereite am 13. äuguji
1219 unb in feinem ?iac^foIgcr ©erwarb IL Don 2\p\>z (1219—1258) erftanb i^nen ein
66 fel^r gefäl^rlic^er ©egner.
©erbarb IL toar einer ber bebeutenbften 5llänner, bie im 13. 3iö^^^unbcrt auf bem
erjbifd^öflicficn ©tuble bon Sremen=:g)amburg fafeen; er na^m ben Äamjjf gegen fie mit
grofecm JJac^bruc! iricber auf. 6^ \vax ettoaö Unerbörte^, ba^ bic^t bor ben iborcn
feiner 2)?etropoIe ein i^olf bon Sauern fa^, ba^ in toeltlic^en Singen feiner ber bt-
CO fte^enben ©emalten fic^ unterorbnete, fonbern feine ©elbftftänbigfeit ben fi^ bilbenben
et 787
3:emtoriaIgciüaltcn gegenüber tro^ig tpa^rte, bag aud^ ben lird^Iic^cn 3lnforbetungen fic^
nic^t o^ne tpeitcre^ fügte. 2)urc^ beibeö mufete ber toiHen^ftarfe, ^errfc^füc^tige Äirc^ens
fürft ba^u geführt toerben, nic^t blo^ bie ^^hnU unb 3i"^fotberungen feinet 33otfa^ten
geltenb ju machen, fonbem biefen 3lnlafi nu benüfeen, um bte Uferlanbe an ber ^Jtebcrs
toefer unter feine lanbeöl^enlic^e Sotmäftigfeit ju bringen. 3)afe auf gütlichem ÜBege bon 6
ben ©tebingern nici()t^ ju erlangen toar, n)u|te ber@rjbifci()of; er trug fein Sebenfen ®ehjalt
an^utoenben. 2)urc^ feinen ©ruber ^ermann bon ber Sif})e liefe er ein §eer fammeln,
um mit ben Vereinten Äräften be« ©r^ftift^ unb ber £i|)))efc^en §au^mac^t bie Säuern
nieber^uhjerfen. 3lm SBei^nac^t^benb 1229 fam e^ jum entf^eibenbenßufammentreffen;
bem ritterlid^en §eere fteHten [xi) bie Säuern fam})fbereit entgegen unb gewannen einen lo
fllänjenben Sieg: ©raf§ermann tourbe erfc^Iagen, über 200 feiner Streitgenoffen blieben
tot auf bem ©ci()la^tfelb, bie übrigen fuc^ten in fc^mcü^lid^er ^luc^t i^re SRettung (Ann.
Stad. i. 1230, ©. 361; Erph. S. 83; Säd^f. SBeltc^r. 374, ©. 248).
2)er erjbifci()of gelangte j^u ber Sinftd^t, bafe er bie ©tebingcr unterfci()äfct l^abe, bafe
bie Jlräfte feiner ©tift^mannf^aft unb beg i^m befreunbeten 2lbefö gegen fte nic^t au^s is
reichten; Sollte er ben Xoh feine« Sruberö rächen unb feine 5ßläne jur Hebung be^gr^s
ftift« unb jur Sefeftigung feiner Sanbe^^ol^eit burc^fe^en, fo mufete er ju ftärferen SBaffen
greifen, ©ie bot i^m bie R\xd)t. ©r berief benn für ben 17. ^ärj 1230 eine 3)iöcefan-
f^nobe nac^ Sremen. §ier er^ob er gegen bie ©tebinger STnilage ioegen Jle^erei unb
SSerac^tung ber firc^lic^en ©aframente. 2)en Sortoanb gab ber bei ben ©tebingem toie2o
anbertoärt« touci^ernbe Aberglaube. 2)ie ©^nobe befc^lofe ber erjbifc^öflic^en Slnllage
gemäfe: „Sietoeil e« offenfunbig ift" — l(>eifet ^ in bem toon 68. ©erwarb erlaffenen
©^nobalfc^reiben — „bafe bie ©tebinger bie ©c^lüffel ber Äirc^e unb bie firc^lid^en
©aframente böHig »erachten, bafe fte bie Seigre ber ^l. 5KutterIirc^e für SCanb Ratten,
bafe fie ©eiftlid^e jeber Siegel unb jebe« Drben« ba unb bort gefangen nehmen unb 25
töten, bafe [xt Älöfter unb Jlirci()en mit Staub unb Sranb öertoüften, bafe fie o^ne ©c^eu
9)leineibe loie cttoaö Erlaubte« begeben, bafe fie mit bem Seib be« ^Qxxn fc^redlid^er
toerfal^ren, aU ber 3Runb auöfbrec^en barf, bafe fte t)on böfen ©eiftem äuöfunft begehren,
toäd^ferne Silber bon ihnen bereiten, bei ioa^rfagerifc^en grauen ftc^ 9tatg erholen unb
äbnlic^e tocrabfc^euung^toürbige 2Ber!e ber ^inftemiö treiben, bafe fte, obloo^l oft unb so
öfter« Dertoarnt, Sufec tocrtoeigern unb jebe 3Jla^nung jurüdftoeifen : — ba itoeifeKo«
feftftel^t, bafe ba« 3llle« ber SÜa^rl^eit gemäfe ift, fo toerben bie ©tebinger für Äe^er
erachtet unb al« folc^e berbammt" (Urfunbe, gebrucft bei ©ubenborf, Registrum II,
©. 156, 3lx. 71 mit ber Unterfc^rif t : actum Bremae in synodo Laetare Jeru-
salem 1219; ba« 3!)atum ift jebenfaH« unrichtig; toa^rfc^einlic^ ift XIX au« XXX üer^ 36
fd^rieben).
5Jac^bem fo bie JBerbammung ber ©tebinger erfolgt toar, fam e« barauf an, ba«
Slnat^em toirffam ju mad^en bur^ ba« Mittel ber Äreuj3ug«|)rebigt unb huxi) Aufbietung
ber toeltlidben aJiacpt toiber bie &Aanntm. 3""^^ft 0^'^ ^t ^^^ ^^P ^'^ SoUmad^t
gur Äreujprebigt 3U erlangen. $a})ft ©regor IX. (1227—1241), ber gro^e Äe^er^ 4o
toerfolger, an meieren bie Älagen gegen bie ©tebinger burc^ gemeinfame Seric^te be«
ßrjbifc^of«, feine« 2)omfa})itel« unb ber lurj jubor in Slorbbeutfd^lanb angeftebelten 3)0^
minifaner gebracht tourbcn, beauftragte gunäd^ft (26. ^ul'x 1231) in einer 3U 9lieti er^
laffenen SuUe ben Sifc^of toon SübedE, ben $rior bon ©t. Äatl(>arina in Sremen unb
ben ^rebigermönc^ 3^^^""^ f^^"^" ^önitentiar, bie nötigen ^Jlaferegeln gegen fte 3U treffen 46
(Sremifc^e« US I, ©. 196, 9k. 166) unb erliefe bann auf ©runb ber eingebogenen
Seric^te unter bem 29. DItober 1232 bon 3lnagni au^ bie Süße Lucis eterne lumine
(unüottftänbig gebrudt in Raynaldi Annales j. 1232, ©. 388 ; tooUftänbig MG EE PP
I, ©. 393, 9ir. 489), toorin bie auf ber ©^nobe ui Sremen au«gejbro^enen Sefc^ul«
bigungen toiebcrl^olt unb bie Sifc^öfe üon 9Jlinben, Sübed, SRafecburg beauftragt toerben, öo
ba« Äreu^ toiber bie ©tebinger unter Ser^eifeung reid^lic^er Slbläffe in ben 2)iöcefen
^abcrborn, §ilbe«^eim, Serben, 9Künfter, D«nabrücf, ?Winben unb Sremen })rebigen ju
laffen. 2)od^ tourbe ber boUe Äreujjug«ablafe noc^ nic^t getoäl^rt.
3)ie brei üon bem ^ccp]i beauftragten Sifc^öfe, in Serbinbung mit ben in 5?orb=
beutfc^lanb feit furgem angefiebelten Settelmönc^en brad^ten in lurjer ^cxt eine nici()t un^ 55
beträchtliche ^^^^^ bon Äreujfa^rern jufammen. allein ber erfte, toie e« ](i)mi im SBinter
1232—1233 mit un^ureic^enben Gräften unb unter mangelhafter ^Jül^rung unternommene
Äreujj^ug mifeglücfte: bie ©tebinger jerftörten bie 1213 Don ©erwarb I. erbaute, bann
^erftörte unb toon ©erwarb II. toieber aufgebaute Surg ©d^lüter bei 3)elmen^orft, bc^
brol^tcn fogar bie ©tabt Sremen unb fanben in bem Säelfenl^erjog Dtto bon Süneburg eo
50*
788 etebittger
einen bem ßrjbifd^of ebenfo feinbfelig gefmnten h)ie gefährlichen Sunbc^genoffen. 8u4
bie 3^Pörun0 be^ Älofter^ ^ube unb bie ent^am)tung eineö S)ominifanct^, bei ^ in
ba^ ©tebingerlanb h)agte, h)irb in biefe ^6t gehören (Ann. Stad. g. 1233, £.361;
©äc^f. SBeltc^r. 376; Hist. Rast. 25 f. ®. 505 f.).
5 3)er 3ont beö Grjibifc^of^ h)urbe burd^ biefe 5WifeerfoIge nur me^r gereigt; au(^t)cm
^apfte famen neue Slufltäge jur ÄreujJ)rebigt. 3)urd^ eine Sutte, gegeben gu änagni am
19. Januar 1233 (gebrucft §arfel^eim CJonc. Germ. III, ©. 553), rief er bie Sijcfeöu
t)on ^aberborn, J^ilbee^eim, SScrben, 3Rünfter, D^nabrüd ^ur Unterftü^ung ber brei
früher genannten Sifc^öfe in Bad)m beg fireu^ijug« h)iber bie ©tebinger auf, bomit
10 biefe „enttoeber rafc^ burc^ ©otte^ Äraft ber Sefel^rung gewonnen ober in bie @nik
ber SSerbammnig g^ftürgt iüerben". 2)e^Ieic^en ermal^nte er bie ©tabt Sremen im ^ytüB^
ling 1233 bringcnb, für ben ßr^bifc^of einzutreten (bgl. Srem. U33 I, ©.205, 5Rr.l72),
raftloö tourbcn bie 93ürger öon ben 3)omtnifanem für ben 1^1. Äamj>f bearbeitet; buri
einen feierlichen Vertrag jhjifc^en bem @rj;bifc^of unb bem Sremer diai öom 3Räx^ 1233
16 berj)flid^teten fic^ beibe jur tüec^felfeitigen Unterftü^ung im ffann>fe gegen bie ©tebinger
(f. b. eben angef. Urf.). 2)ag äße« toax nic^t bcrgeblic^: im ^^ni 1233 lonnte bie
litpeite ftreu;;fal^rt gunäc^ft gegen bie Dftftebinger unternommen toerben; ^unberte ba
ftreitbaren Wänner tourben erfd^Iagen, bie ©efangenen aU Äe^er toerbrannt, gegen bie
übrigen, and) gegen SKeiber unb Äinber, mit ^euer unb ©c^tpert, mit SRorb, Staub imb
20 ©c^änbung fo lange gciüütet, bi« fie ftd& unterwarfen, ©lücflic^er ^tten unterbefjen bie
auf bem linlen SBeferufer tüol^!"«^"^^" SBeftftebinger bie feinblic^en Slngriffc abgetoebrt,
obtüo^I il^re Sage burc^ bie ^Jieberlage ber Dftftebinger, burd^ ba^ STu^bleiben ber <m§
^eßlanb ge^offten §ilfe, burc^ bie So^fagung il^re^ bi^l^erigen Sunbe^enoffen, b«^
^er^ogö Dtto öon Süheburg, bom Kampf gegen ben ßrjbifd^^of immer bebenflic^er tourbt
25 Unb tüäl^renb fie fo i^ren mächtigen Sunbe^genoffen berloren, meierte fic^ bie ^ahl ber
fireujfa^rer noc^ infolge einer neuen, am 17. 3uni 1233 bon ®regor IX. au^ bem
Sateran ergangenen SuHe an bie Sifc^öfe bon 5Kinben, Sübecf unb SRa^eburg toorin
biefe beboHmä^tigt tüurben, jur 9?eubelebung be^ 3)lute^ ber Äreugfal^rer bicfen ganj
benfelben Slblafe unb ®eh)ä^rung berfelben 3Sorrec^te in 2lu^fic^t ^u fteDen, h?ie ben jum
90^1. 2anbe jiie^enben Jlrcugfa^rem (bie SBuDe ift gebrudft bei ©ubenborf II, ©. 167, 9lr. 79;
MG EE PP I, ©. 436, 3lx. 539 u. a.). Dennoc^ enbete ber brittc, unter Seitung bc§
®rafen Surc^arb bon DIbenburg unternommene Sreujjug mit einer 9iieberlage ber Äreuj^
fairer: ber ®raf h)urbe im 2!reffen erfcf^Iagen, mit i^m ettoa 200 feiner Seute (6ü*|*.
SBcItc^r. 377, ©. 249). 2luc^ ber Pan be« (grjbifci^of^, im SBinter 1233—1234 bur*
86 3)urci()ftec^ung ber SÜefcrbeic^e bie ©tebinger ju bertiigen (©äc^j. SBeltc^r. 378, ©. 2b0i
fd^eiterte an beren SBact^famleit ; fie fcf^ü^ten i^re3)eic^e, bieSremer mußten untjerric^tetct
3)inge abrieben, ©o Ratten bie ©tebinger nod^ einmal eine fur^je grift gur Stube unb
jur SRüftung auf ben legten entfc^eibungöfamj)f. ©eit ber legten SuIIe be^ ^|Ja|)ftc^
tourbc bie «reujjprebigt immer eifriger unb erfolgreich betrieben; h)ie 2Bctterh?oIfen, cv
40 jä^lt ber friefifc^e Stbt ßmo ©. 510, jogen bie ©d^aren ber bominifanif^en Rxai*y
jprebiger burd^ bie Sll^einlanbe, 3Beftfalen, ^oDanb, g'^^^^i^ wnb Srabant. 3»"^^
mc^r tüurben bie ©ci^aubergefc^id;tcn toon ben Äe^ereien unb ®reuclt^aten ber ©tebinger
au^gefcbmücft. ^m ^rü^ja^rc 1234 rüftete fid^ atlee gur Vernichtung be^ l^elbenmütigcn
53auernt>oIf^. ^\vax fd^eint an ber Äurie ba^ Sertrtiuen gu ben 9?ac^rici^ten über bie
46 5?e^ereien ber ©tebinger — tüir tüiffcn nid^t iüoburc^ — in^ Söanlen gcfonimcn ju fein,
^enn am 18. Siärj 1234 richtete ®regor an ben j)ä>jftlid^en Segaten in 5?orbbeuif*Ianb,
SBil^elm bon 3)Jobena, eine neue Suüe (»rem. U33 I, ©.215, 3lx. 179), burd^ bie er
ben Scgaten beauftragte, ^irifc^en ben ftreitenben Steilen ^n Vermitteln, ätber biefer ßr-
la^ fam gu ft3ät. ^m äjiril fammelten fic^ bie mit bem Sreuj bezeichneten fjreifc^aren:
50 bie ©rafen §einrid^ toon DIbenburg, £ubh)ig Don SRabenigberg, glorentin bon .^^offanb,
Dtto Don ®elbern, älbolf Don 93erg, 2Bil^eifm Don Sülic^, ®ietric^ Don ßletoe, ^erjog
§einric^ Don Srabant k. fül^rten laufenbe Don ©treitem ^eran, bie, fanatifc^ unb beuten
luftig, bem Stufe ber Äreujjjrcbiger golge Icifteten. ^tvax ift bie getDö^nlic^c 3^^-
angabe Don 40000 nac^ ©d^umad^cr S. 244 Diel ju l^od^; aber mögen e^ auc^ nur
66 10000 gctoefcn fein, bie ©tebinger l^atten il^nen bödbftenö eine umg ^^"ffö^.c geringere
^ahl, nad) ©dbumad^er ciWa 2000, entgcaen^uftellen. 2lm ©amötag Dor ^immelfabrt,
27.9Kai 1234, fam e^ i;ur entfd;eibung<gfc^la(|t bei älltenejc^ (f. ©d^umac^cr ©. 240f.).
3Der ^er^og Don ikabant fü(;rtc ba^ Äreujl^eer jum 3lngriff; eine ©c^ar bon üRönc^cn
unb Slcrifern ftimmte ben üblid^en Sd^lad;tgefang an, baö Media vita in morte
Go sumus. 2)ic ©tebinger, geführt Don ben brei gelben Solle Don Sarbenflet, 2;ammo
Stfkinger Stetger 789
toon Äuntborf unb 3)ctmar Don 2)ielc, in fcilförmtger Sd^Iad^torbnung aufgcflcHt, l^ieltcn
beut angriffe bc« ^ufebolfö Stanb, unb mancher 3tittcr fani in ben ©taub. SlUein bie
geinbe h)aren ju ga^Ircic^ • ate ®raf 3)iclric^ Don (Siebe mit \x\\i)tx 9)lannfc^aft ^cranrüdtc,
erlag bie fleine tobmübe ©d^ar. Sin einen SRüdt^ug toax nic^t ^u bcnfen: nur toenige
toanbten fic^ jur ^'^c^t; bie mciften, unter i^ncn aud^ fäm|)fenbe grauen, tpurben auf 6
bem Sci()taci^lfelb erfc^lagen ober lamen in ben ©etoäfjern unb 9)looren um. 3Son bem
flcringen Übeneft flol^ ein 3:eil ju ben freien Riefen; anbere blieben im Sanbe, leifteten
bie bom ^aj)ft afö Scbingung für bie 2luf^ebung be^ Sännet unb 3"t^^i^^^ borge*
fd^riebene Gienugtl^uung unb untertoarfen fic^, unter SSergic^t auf i^rc biöl^crige ^rei^eit,
bem @r3bifc^of(Emon.chr. S. 516; ©äc^f. Söcltc^r. 378, ©. 250; Ann. Stad. ©.362; lo
Chr. reg. Col. ©.265; Ann. Parch. ©.607; Ann. Erph. fr. pr. ©. 83f.; Chr.
min. Erf. ©. 657; bgl. auc^ gorfc^. j. b. ®ef4 18, ©.41, 217). ®a« Sanb tourbe
jtoifc^en bicfem unb bem (Srafcn Don Dlbenburg geteilt unb teile fremben 3lnbauem
jum 'üReieucc^t übertragen, teite einjelnen gamilien be« ftiftifc^cn 2lbelö ju £el(>en gc*
geben, bgl. bie Urlunbe bc^ GS. ©erl^arb bom 17. 9Jobember 1235, nac^ ber er bem i6
®rafen Subtoig bon SRabendberg für feine Dienfte gegen bie ©tebinger 15 ®üter aug
il^rem 93cri^ überträgt (SBeftf. US3 IV, ©. 159, 9Jr. 240).
©cc^^ SRonate nadb ber ©c^lac^t orbnete ber ^a))ft burd^ eine ju Perugia erlaffene
SuHe an, bafe bie ilird^cn unb Segräbni^plä^e im Sanbe ber ©tebinger bon neuem ge«
lüei^t tperben follen, toeil ba fo bielc Seiber toon Äe^em ungetrennt Don ben Seibem ao
ber ®läubigen b^^iaiUt feien (§ar^^eim III, ©. 554 D. 28.9?oD. 1234); burc^ eine Sutte
Dom 21. aiuguft 1235 (a. a. 0.) ^ob ®rcgor IX. auf bemütige« Sitten be« 9Solfeö ber
©tebinger ba^ über fte h)egen i^rer Unbotmäjjigfeit ergangene Urteil ber 33erflud^ung
iDieber auf unter ber Sebingung, ba§ Don i^nen für ba« Vergangene entfprec^enbe ®es
nugtl^uung geleiftet, für bie ^ulunft ben ®eboten ber Rixd)^ unweigerlich ^o'fö^ gegeben 26
hjerbe. ®er Äei^ereicn unb Greuel, bie ibnen früher fd()ulbgegeben toaxm, tüirb ^ler mit
feinem SBorte gebac^t. 3)er ßr^bifc^of ®eb^arb orbnete jur ^eier bee ©iegeö über bie
Äejer unb ber 9tettung ber ^rci^cit ber Kirche ein eigene« @ebäd^tni«feft an, ba« all«
jä^rlid^ am ©onnabenb Dor Himmelfahrt in ber ©tabt Srcmen burd^ eine feierliche
frojeffion ju Eiferen ber TOutter ®otte«, burd^ ^rebigten über bie ^luc^tüürbigleit ber so
e^erei, burc^ eine feierlid^e 3Jieffe im l;oben G^or ber ^eter«firc^e, burc^ ©iege«l^^mnen,
Sllmofen unbSlbläffe gefeiert hjerben foDte unb bi« in bcnänfang be« 16. ^^l^^^unbert«
gefeiert tourbc. ^m ©tebingerlanbe baute er eine Äa^jede ju G^ren ber 3lwn9f^öu SJlaria
in ber 3?ä^e be« £anbung«})la^c« be« Äreujl^eere«; ebenfo liefe 2lbt |)erman Don GorDe^
bort jtoei Raj^ellen errid^ten, bie eine ju Gieren be« 1^1. Seit an ber 5Dlünbung ber 86
Dc^tum, bie anbere ju Gbren be« 1^1. aJiartin auf ber ©tätte be« Slutbabe« Don Slltenefc^.
a)a« 19. Sal^r^unbert hat tix Gieren ber im grcil;eit«Iam|)fe gegen felbftfüd^tige ^riefterl^errfc^aft
el^renDoH gefallenen Sorfal^ren auf einem fleinen einfamen $ügel inmitten be« ©c^lac^t-
felbe« einen ehernen Dbeli«f im Äreife junger Giemen enic^tet, unb biefc« einfad()e, aber
bauembe Senfmal, „©tcbing«e^re" genannt, am 27. 5Wail834, am 600iä^rigen ®es 40
bäd^tni«tag ber ©c^lad^t bei älltenefd^, feierlid^ eingehjeil^t. ©c^riften unb ®cbic^te in
großer 3^^^ erfd^ienen au« änlafe ber ^eier, bie benn aui) baju biente, bie l^iftorifc^e
gorfc^ung über biefen bunflen 5ßunft ber mittelalterlid()en ilir^ens unb Äulturgefc^id()te
neu anzuregen. (lEBagenmann f) ^auff.
Steiger, SBil^elm, ein fc^tDeijerifdber reformierter Ideologe, bcffen früher Xob 46
(9. ^önuar 1836) ber Äirc^e unb SBiffenfd^aft einen treuen, begabten unb ))robuftiDen
Arbeiter Don fc^arf au«ge^)rägtem, entfd^iebenem ffiefen entriffen ^at, ba«, toie felbft fein
Sufeere«, manche an GalDin erinnerte. Gr toax geboren ben 9. gebruar 1809 al« ber
ältere ©o^n eine« au« ^latoeil, Äanton« ©t. ®allen, ftammcnben, im Äanton 3largau
angefteDten unb um ba« Solf«fc^ulh)efen bc«fclben Derbienten ®eiftlid()en, ^o^anne« ©teiger, 60
ber ben burc^ feine ^af)ung«fraft au«gejeidbneten Änaben bi« jum Doltenbeten 14.£eben«=
ja^re fo toeit ^eranbilbete, bafe er ba« bamaligc Collegium humanitatis in ©c^aff^aufen
bejjiel^en fonnte, an bem fein ®rofeDater mütterlicher ©eite, $^. ^af- Slltorfer, ein frommer
9}{ann Don ber bogmatifc^en JHid^tung Slein^arb«, ^rofeffor ber lateinifc^en ©prac^e unb
ber Ideologie toar. 9?ur 17 5^a^re alt, bejog ©teiger bie UniDerfität Tübingen, an ber 66
©tcubel unbSengel lehrten, yiaö^ be« Ic^terenlobe fe^fte ber noc^ unentfd^iebene ^üngs
ling feine ©tubien in §atte fort. Wo er ben 3tationali«mu« noc^ im ^öc^ften glor antraf,
aber auc^ I^oludf fc^on feine eingreifenbe 3BirffamIeit begonnen l^atte. Som SWationali««
niu« loenbcte ©teiger fic^ balb mit UntoiHen ab. Gr fal^ in il^m toiffenfd^aftlid^e Dbers
790 8tci|cr SlrisMcr
flacblic^fett, feine Sefriebtsung für bie ^totolttät l^e^ inneren SRenfc^, ane beii6Iapd<
Stellung 5um c^tlii^en Solfe, einen 3krrat an ber Rxtdft. ^bolud tporb bagegen kii
geiftlid^ SSoter. Xddf ging» nur bun^ ]d>tD€ct Äämpfe pim neuen geben, benn k
^anbdte fub nic^t blog um Aneignung eineS tbeolcgif^en 3toftem^. ^m ^obre 1S27
6 f ehrte er in bie ^eimat gurüd, txxnrb 1828 in 3(arau orbiniert unb lebte borai ein ^
tn ber fronpftfc^en Sc^tüei^, tüo er mit 3<^erj bie bamoligen ^Verfolgungen glöubüia
Sifftbenten mitonfaB, bie Urfoc^e be# Separatismus aber in bem Mangel treuer Sed--
iorge unb ^rebigt in ber ftird^ erbli(!te, bober um fo me^ im Sifer fix bie Srbeit in
>iefer entbrannte, ber er gruiüyfa^Ii<^ jugetbon toar unb blieb. 6r bieh in biefer 3« a
U) äoufanne gemeinfc^aftlic^ mit feinem tourttembergifc^en ^reunbe Dr. ^abn, ber besKdb
bom Staatsrat ouSgetpiefen tourbe, SrbauungSffau^en, ^elt Stubenten )?ntxitiin $n>'
lefungen unb fc^rieb SSerfc^iebeneS, unter anberen eine intereffante @ef(^ic^te ber^mk^
in ber 9Baabt, für bie GtKmgelifc^e Äirc^jeitung in Serlin. 3" tegdmäfeiger ?Riiaifcä:
an biefer bon Dr. ßengpenberg eingelaben, reifte er im ©t>atia^ 1829 in jene gtah,
16 in toelc^er er britt^b ^abre neben feiner ^ortbilbung fu^ gong ütterorifcben Sikitco
ergab. äuBer bielen Suffä^en in ber genannten 3^<¥^' erf(^ien obne fernen %imcB
eine borgüglicb gegen Sretfc^neiber gerichtete Srofc^öre: ,,9emertungen über bie fyüJi^&t
Streitfälle unb bie Jrage, oh bie ebangelifc^en ^Regierungen gegen ben StationaKsiim«
einjufd^reiten ^en u. f. h)." (Seijjjig 1830), unb gleic^jeiti^ fein erfte^ unter mm
aoSlamen ^erauSgegebcneS 8u(^: ,JRritif beS SlationaliSmuS tn SBegfcbeiberS S^ogmotü*
(Serlin 1830), in toelcbem er mit jugenbUc^em Unmut („tocnn bie SBeifen fAtoo^o,
fönnen unb muffen bie Jüngern rcben"), ^^ ^^ f^<>n teifem Urteile imb gro^ Stbote,
bie 9li(^tig!eit biefeS S^ftemS nic^t etlpa auS berSibel ober irgenb einem anberen Si^c,
fonbem beffen eigenen @runbfä^en gemag burc^ 9(nta>enbung ber allgemein onerfaraua
25 ^enlgefe^e auf eS felbft nacbgumeifen fuc^te. $on ber ^olemÜ fu^ gum Slufbau tUr:
logifc^er 2Biffenfc^aft tücnbcnb, arbeitete er feinen f(^önen Slommentor über „bcn ctJmb
»rief ^etri, mit Serücfftc^tigung beS gamen biblifc^en Se^rbegriffS" (»eriin 1832) m
ber au^ inS Sngltfc^e überfe^t tDurbe. @r tüünf(|te bann befonberS, bie alten äluSlegcr
m \fyctm Siedete gelangen, me^r nod^ aber baS SBort ®otteS felber in feiner ^yüQe, 9e:
80 ftimmt^eit unb Si(^erbeit ^erbortreten gu laffen. ^aS 9u(^ ift bem tl^ologifc^ Armittt
ber ebangelifc^en ©efcHfc^aft in ®enf getoibmet, baS i^n gerabe um biefe 3^^ gum$n?=
feffor ber neuteftamentlic^en Gregefe an ber burc^ jene (SefeHfc^ ^ur 93ilbung gloutigff
©eiftlic^er geftifteten tbeologifc^en Schule berufen ^atte. Um Cflem 1832 trat er in
biefcn neuen SBirfungSfreiS ein. 2ln feinen SSorlefungcn tourbe gerühmt, bafe er in
86 feltener SBeife beutfc^cn ©cbanfen i^en äuSbrucf in franjöfifc^er Sjjra^e gu geben tjerfton^.
3ion ü}nm l}ai nad^ feinem lobe einer feiner Schüler, bie mit großer Siebe an ibin
fingen, bie Introduction g^n^rale anx livres du N. T. (Grenöve, Lausanne & Paris
1837) nad^ ÄoUcgienl^eften l^erauSgcgcben. Gr felbft ^atte mit feinem gelcbrten beutfcto
RoDegen ^äöcmiä (nad^maliger ^rofeffor in Sloftodt) angefangen, eine 3^^f<J^rift („M
40 langes de th6ologie r^form^") l;crauSjugeben, bon ber gtoei $efte (Genöve & Paris
1833 unb 1834) erfc^ienen fmb. hierauf fam bon i^m ber erfte Sanb eincS Äommeii:
tarS über bie fleinen jjaulinifd^en ©riefe, cntbaltenb ben ©rief an bie Jloloffer (Grlongai
1835) l^crauS, in toeld^em er, Don ber biSl^erigen 3)Jet^obe abtoeic^enb, bie ©inleitung nur
umfaffen lie^, toaS ber 3luö(cgcr anberStoobcr, als auS ber Auslegung be^ ^uc^S n?cii
46 bagcgcn in einer Sdblu^betrac^tung baS GrgcbniS beS JlommentarS mit ber Ginleituna
berglidb. Gine Überfe^ung foßte, im SluSbrudf unb in ber Sajbilbung bem 2:ejt mb^
lidjii fonform, ein ©efamtbilb beS 2(uS|\ulcgenbcn unb ausgelegten gugleicb geben. Irp|
angeftrcbter ftürjc ift bie Auslegung burcbgängig auf folibe ^iftorifc^^e unb t)biIoIociifi<
©runblage gebaut unb ift ber 2:ertcSfritif befonbere äufmerffamleit geh>ibmet. Ter
60 §^mnuS auf ben So^n ©otteS, mit bem bie SBorrebe fd^liefet, ift ein 3^ugniS aud» b«i
})oetifc^eti 5öegabung beS 9?erfaffetS, beffen ungebrucfte ®cbi(^te einen 93Iirf in ein ticf^
betoegtcS ©emiitslcben getoäbrcn. I)ie e^i^^^f^^^^^Ö ^^ SEBerfS ^inberte ber SEob. S^inni
frühere törjjerlic^c Seiben unb burc^ bie anftrengenben arbeiten o^nel^in angegriffen, erlaj
ber nod^ nic^t 28 ^abre alte Streiter einem 3iert)enfieber am 9. g^nuar 183<> mii
65 jointerlaffung einer Süitire unb eines SöbnleinS. „@ut gegangen" toar einc^ feiner legten
ayorte. Ä. 8r. etefger.
Steine, fjeilige f. b. % TOalfteine 93b XII S. 130ff.
®tein!)ofer, Warimilian griebrid^ G^riftopb, SBürtt. Ideologe, geft, 1761.-
fiitteratur: Selbftbiogr. in ber 'Xä^l ^ia^rung beö ö)IoubenS nQ(^ b. ©p. o. b. ^fbr.,
(Stttii^0fer 791
fiubiDig^b. 1859; i»ebcii§tfi,^je \)o\\ 91. ^mpp in ben 9?eiicn ^rebb. über b. ©onntagSeüU.,
8tuttci. 1846; Änapp, ^Ittüürtt. C£^av., 1870; ß^rlftenbotc 1832 uub eöriftotcrpc Don 1837;
X^. ©eifeler im S3unbcöboten 1865/66; (Jröfler, (AJcfd). bcv erneut. SBrübcrürdftc, ®nabau 1854;
93rie(e 8tein^ofer^ in 'Menget* Scben üon ^äd)tcr, @tuttg. 1865; Siirtt. ^Üircbengefcft., ßaln)
1893, 8. 496. -- 9?cuere 91u^gaben bcr 3Serfc @t.^ bei ©rofee, 2)ie alten ^röfter, 1900, 6
©. 461—468.
©teinl^ofer, alö bcr 6ol(>n eineö ^farrcrö am 16. ^^"war 1706 ju D\t>m u. X
geboren, burc^Iief ben in aBürttcinbcrg üblichen ©tubiengang unb entfci()icb fic^, anfangt
ftarl Don ber ?Ji^ilofo^l^ie angezogen, nad} ernften Erfahrungen unb inneren Äämpfen für
bie Ideologie, äluf einer Stubienreife nac^ granfen unb <Ba(i)\m lernte er in §erm^ut lo
Sinjcnborf Icnnen unb fd;ä^en, ber feine Berufung nac^ gberöborf ate §ofIa))lan bed
©rafen bon SReufe ju ertpirfen hjujjte. 9]ac^ feiner Orbination übernahm ©t. aB $of=
^)rebiger bie Seitung ber nac^ ©})enerfc^em 2)iufter ^ebilbeten ©onbergcmeinbe, bie fid^
aui ber gräflid^cn gamilie unb bem ertoecften §ofgefmbe jufammenje^te (1734) unb be=
biente jugleid^ bie 3)orfgemeinbe unb ba« SBatJen^au^. vSlii ber (Sber^borfer ©emeinbe 10
trat er 1746 ^ur Srübergemeinbe über. (Sr löfte jcboc^ bereite nac^ jtpei ^al)x^n ba^
aJer^ältniö gu i^r, l^auptfäc^Hc^ burc^ Ri^i^^^'^^f^ p^antaftifc^e unb ejcentrif^e Se^rart
^ierju beranlafet. ^n ben j^eimifd^en 5iirc^cnbienft jurüdfgelc^rt, belleibete ©t. mehrere
^fanfteÜen, jule^t in SBein^bcrg, too er am 11. ^ebruar 1761 ftarb.
©t. fcffelt junäc^ft aU c^riftlici()e, gcfeftigtc unb gel^eiligte ^crfönüc^feit, ber nac^ 20
bcm ®inbrucf auf bie 3^i^9^»iöft^« ^th)a^ Ungctpö^iilic^ei^ eigen h)ar. „Qttoa^ Unau^*
fpreci^üci()c^ in feinem SBejen" nennt e^Detinger, unb ber jüngere Sfper (©c^ubert, 3llteg
unb 9icue«, 2. %l) fc^reibt: „3Kir ift nod^ fein 3Renfc^ befannt gctDorben, ber fo eth)a«
ßigene« ^atte tpie ©teinl^ofer, bag man n\i)t nennen fann. 6« toar unmöglici(), in feiner
®egenh?art leic^tfmnig, aber auc^ nic^t möglid^, ungern bei ijS^m iu fein". 26
3)ie reiche fc^riftfteHerifc^e SE^ätigfeit ©t.^, in bcr fid^ feine ^Jcrfönlid^Icit fpicgclt, ift
au^ feiner 3lrbeit an bcr ©emeinbc, jum Icil toä^renb feiner i^ätigfeit in ©ber^borf,
bert)orgegangen unb befc^ränlt fid^ faft burc^gel^enb« auf 8ibli|^e^. ©t. gehört in bie
Slei^c ber grofeen tpürttembergifd^en ©c^rifttl;eoIogen unb ftel^t alö folc^er feinem 3Keifter
93engcl am näd^ftcn. 2)abci ift feine crbaulid^e ©d^riftau^Iegung bon ber SBärme ber ao
.^er^engt^eologie bcr Örübergemeinbc burc^^aud^t. (gr ftrebt 93crci(|erung unb Vertiefung
bcr c^riftlid^cn §ci(^crfcnntniö an, aU bcrcn ^\d i^m bie Srfcnntni^ G^rifti unb feinet
aScrfc^ unücnüdtt toor 3lugen ftc^t. 5)ic ©d^rift foH au^ il^ren eigenen ©runbgcbanicn
^crauö Derftanben unb ber ©inn beig einzelnen ©c^riftloortc^ bon bcm ©anjen ber
©d^rifttpa^r^eit au^ lebcnbig unb richtig erfaßt tücrben. ©0 bleibt ©t. nüchtern, ein? 86
fältig unb tüal)x. 2Bo er jur Jjraftifd^cn SlntDcnbung übergebt, fpürt man eö feiner
Stebe an, baft fie au^ rcid^cr geiftlic^cr ©rfa^rung fliegt, ©ie Dcrfd^mäl^t falfc^c^ ^atl^oö
unb eitlen SHcbcfc^mud. 5)icfe 3lrt tragen aud^ feine ^rcbigtcn an fic^, in feiner,
cbicr ©))rad^c Harc, nüchterne, milbe unb tiefe 3^"0iiff<^ ^^ eigenen reichen d()riftlic^cn
Scben^. 40
5)ic arbeiten ©t.^, bon bcnen ein Steil feinen 9lamcn bi^ auf bie ©egentpart erhalten
^at, finb: läglid^c 9?a^rung beg ©laubcn^ nac^ bcr @p. an bie Hebräer, ©c^lcin 1743
unb 1746, SCüb. 1844 unb Subtüig^b. 1859, mit einer SSorr. b. Stiel^m unb bcr ©clbft=
biogra|)l^ic ©t.^ (Saf. unb Scipjig bei SHicI^m); 3:ägl. SRal^rung be^ ©lauben^ nac^ bcr
ep. an bie Äoloffer, granff. 1751, ©tuttg. 1853; SEägl. 9Jal^rung bc^ ©laubcn« nac^ 46
ben toic^tigftcn ©c^riftftcllcn au^ bem geben 3^fu in 83 Sieben, ^ranlf. 1764; SDangcI.
©laubcn^grunb in ^rebigten für alle ©onn=, ffeft- unb Feiertage 1753, neue 2lu^abc
Don 21. knap)i>, ©tuttg. 1846; eöangcl. ©laubcn^grunb in bcr ^cilf. Srfcnntni^ bcr
Seiben 3icfu g^rifti, %üb. 1759, 3. 3tufl. ©tuttg. cD. »üc^erftif tung ; erllärung bc«
1. Srief^ 3o^anni^, SEüb. 1862, §amb. 1848, 1856, ba« Scftc, toa^ ©t. gefd^ricben 50
\)at; ßf^riftl. Sieben über ben ©nabenftanb ber ©laubigen nac^ ben 3^u9"iff^n be^ Srief^
^auli an bie 9lömcr, mit 3Sorrebc Don Dr. S3ec!, 3^üb. 1851; Gl^riftologie ober bicge^re
Don^eju^e^riftu^, bem Sobnc©ottc^, 5lürnb. 1797, lüb. 1864; 2)ie §au«^altung be«
breieinigen ©otte^ (^rcbigtfammlung), neue 3lu^g. ©armen unb ©djtoelm 1837, nun
©tuttg., 6d. ©efcBfc^. ; ®ic breifeigjährige ©tiüe unferiS §errn unb §cilanbc^ ^^f" G^rifti ^
auf (Srben nebft jtDci Heineren Stb^anblungen 2c., ©tuttg. 1895.
Um bie .sjDmnologic l^at ftd^ ©t. bur^ §erauögabc cine^ ©ejangbuc^g für bie ©c^
meinbe (Sbcreborf Dcrbicnt gemacht; ^ier ^nbct fid^ aud^ ba^ einzige Don i^m Derfa^tc
gciftlic^^c Sieb: „5!5nig, fte^ auf bcinen ©amen k. (Sir. 536).
X^eobor Q^eigler f (^ermanu I6eff). 60
792 Stetnignttg
Stetnignttg iti htn ^eirftern* — Sitterotur: $3ad)dinut^, ^Uenifc^e Altertum«.
lunbe II, 1 (1821)), SBeila^e 3; Ä. Sr. ^ermann, ®ric(^. ^riöQtdtcrtümcr, 3. «ufUigt im
93. ©tarf (§ 73, 5); «PauV'S^euffel, SReaIcnci)!lopäbie ber flaff. SlItertum^iDiffcnfc^aft s, v.
lapidatio; ^ufti, ®e{d). be8 alten ^erfienS (in 5S.£)ncfen8 ^Ittg. (äJcfcft. in einiclborftcnungeni.
6 1879, 6. 62; ^aberlanb, 5I;ic @itle bc§ ©teinWcrfenS unb ber SBilbung üon Stcin^auftn
(3eitfd)r. für SBöIfcrp{t)cöoIogie, 53b XII, 1880, ©.289—309); ®. (gberS, 3)ur* ®ofen sam
©inoi, 2. ?(ufl. 1881, ©. 132; g. ©. [Ring, De lapidatione Hebraeorum, Francofurti 1716;
(5t)r. SB. ^ic^aeliÖ, I)e iudiciis poenisque capitÄÜbus in Scriptura Sacra commemoratis ae
Hebraeorum imprirais 1749; Q. 2). "tDMdjocnö, ^ofoifdjc« SRcc^t, § 234 f.; ©aalfc^ü^, iJb^
10 fai{cf)e§ ^Hecfit (1853), ©. 459, 462; Subro. 3)icftel, 3)ic rcligiöfen S)cliltc im i^raclitüdiei
©trofred)! (SprXft 93b V, 1879, ©. 246—313); 3mniQn. öcnüinflcr, ©runbrift ber Ijeh.
Srrcfiäologie (1890), ©. 145, 332 f.; Wanbl 2Jcr 93ann (1898), ©.22 f.; 5r. aRaurcr, «öltei:
funbe, 93ibel unb (Jljriftentum, 93b 1 (1905), ©. 158.
1. 5)er Urfprunö ber ©tcinigung ergicbt ft(^ au§ folacnbm 3Komcnten. 3" ^
16 berfc^tcbenflen ©tabicn ber Äulturcnthjirfelung ift eö gcf^e^en, bafe ein Stngrcifer tivt
näd^^ftliegenben ©trafeenfteinc afö SBaffen gebrauchte. Solche %äüt finb tcite ou^ ba
$eroen^eit ber ©riechen (3;Iia«3, 57; äfc^., äaarn. 1608; Sc^ol. ju (gurip. Dicft. 862 x)
unb tcitö i^rer \pätmn ©efd^ic^te crmäf^nt (I^uc. 5, 60: 3lriftoj)l^. 3Ld)am. 285; ©4oL
m 2lrifto})j^. Gquite« 447 ; ^aufan. VIII, 5, 8 2C.). 3luc^ bei ben Slömcm fam e^ b«
20 Solföaufftänben oft juSteinhJürfen: ^lantuö, Poennlus III, 1,25; Cic. pro domo 5;
Quinct. Declam. XII, 12: populus quoque impunitum nefas sine lapidibus
praeteribit? 2luc^ md) bem (Srabe ber^ajjter 3Jlenf(^en h)arf ba« SSott mit ©teinoi
(Proc. IV, 5; ögl. ©eneca, Controv. 3). feg ift alfo nic^t überrafc^cnb^ bafe folcfe«
®ebrauc^ ber Steine and) bei ber 3:ötung be^ 2lntioc^ug ®J)iJ)l^anc^ in ber ^otmi^
26 5ßerftg (2 3Raf 1, 16, auc^ bon Äau^fc^, 3H)oIr. unb ^feube})!0raj)ben be^ SIX ^ Sl
gegen bie SSermutung, inter>)oliert ^u fein, gefc^^ü^t) unb bei Slu^brüc^en ber SSolI^entrüfhnia
unter ben 2ig^})tem (6? 8, 22) unb innerhalb ^öraete ertpä^nt toirb: ©j 17, 4; Ige
30, 6; 3Kt21, 35; £c20, 6- 3io 10, 31; 11, 8; ä® 5, 26 ; 14, 5. 19 ; 2Äo 11,25;
Äbr 11,37. S^^ereffanter ift bie ^^rage, h)0 bie Steinigung atö eine bon ber Obrig=
30 feit befolg lene © traf art angetoenbet tourbe. 5)ieg ift mci()t in einem fo ganj be^
fc^ränften 3SöIfergebiete gefd^e^en, tüie man immer annahm. Denn aHerbingö in ben
§ammurabigefe^en lammt biefe Slrt ber 3:obegftrafc nic^t bor (bgl. SR. %. ^arpcr, The
Code of Hammurabi 1904, p. 127. 136), aber auc^ bie 2lraber toerfen (Steine na6
ben (Sräbern öon SSerbrec^ern unb nac^ ben Orten, h)0 Sc^anbt^aten begangen toorben
36 fmb (ögl. ßberg a. a. D. unb aud^ §aberlanb crtüä^nt a. a. 0., S. 296, bafe ba^ arabiic^
Stitertum ba^ 3luftürmen bon Steinhaufen übte, um bie „Sc^mad^ bon SJerbred^ern Icbenbig
^u erhalten"), ferner tüurbe bie Strafart ber Steinigung ni^t nur bei ben ^cricrn
(Ätef., Fragm.45. 50; bgl.auc^ ^uftia. a. D., S.62), bei ben üKaccboniem (ßurtiu^ VI,
11. 38) unb bei ben S|)aniern (Strabo, p. 150: bie SSatermörbcr) angetüenbet. 3?ielmebr
40 auc^ bei ben ©ried^en irurbe nad^ bem Sc^ol. ju Quxxp. Dreft. 432 ^JJalamebe^ auf9e=
fel^I ber 2ltriben burc^ Steinigung getötet, unb noc^ anbere %älLt ^nb bei ^ermann
a. a. C berjeic^net (bgl. aud^ noc^ Otto Grufiu^, Seiträge 1886, S. 20 über baö Stein--
tpcrfcn). (So braud^it alfo nid^t bcfonber^ bcgrünbet ju ioerben, tpeöl^alb bie ©teintgun^
auc^ gcrabc bei ^^xad eine gefe^Iidbe 3:i)tunggart toar. Slm toenigften aber toor
46 ein befonberer ®rab bon Slo^eit bie Urfad^e biefer ©rfd^einung. 3)enn S^^ö^I jeigt fcfcon
in feiner ältcftcn ©efe^gebung fogar für Sd^onung ber liere (6j 20, 10) unb für milk
Sc(;anb(ung ber bienenbcn unb armen 5perfonen (6^21,2. 20. 26; 22,20 — 22u.f.tr.)
einen Icbl^aftcren Sinn, alö bie 33abi;(onicr nad^ ben §ammurabigefc^en 2c. (nac^etoiefcn
in meinem Sc^riftdEjen ,,3)ic babt^Ionifd^e ©cfangenfc^aft ber Sibel afö beenbet ertuiefcn''
60 1905, S. 49—51). 3Sielmc^r fann bie fragliche ©rfd^einung nur folgenbe beiben Ur-
fadien befeffcn l^abcn. '^\)x^ erfte Duelle tüar bag l^erüorragenb lebenbige fittlic^e SetouBt^
fein, bag ^^^«^^^^ ©efc^icbt<Sv7ucUen unftrcitig burc^ftrömt (Dgl. a. a. S., ©. 52—54 k.)
unb ber energifd^e Strafernft, ber gegen bcftimmtc 2lrten ber Ungef^ic^Ieit em})funben
iDurbc. 3lud) Scnjiger bemcrft (S. 332) : „gür folc^e ®reuel ift ber ©ottbeit nicbt büJB
65 ber (Sin.^elne, fonbern baö gan^^c SJolf tocrantiüortlic^ (togl. 2 Sa 21 unb 24)". Sobaroi
aber flofe jene legielatibc @rfd)einung auö bem Streben ber\)or, einem möglidbft grofecn
üüolt^tcilc al^ bem (S^cfutor bc^ rid)terlid)en Urteil«^ bie SSertüerflic^Ieit getiiffcr i^cr-
gebungen ^um lebbafteften Seiuu^tfein ^u bringen. SDiefer ®eftc^tö}3unft fc^eint mir min^
bcftene mit bem toerbunben i^erben ju muffen, \va^ ^en^inger a. a. D. fagt: „33ei ber
60 Steinigung beteiligt fidi bie gan^e ©emeinbe, um fo ibre Sd^ulb loöjuhjerben". 3^ie^
fül;rt barauf
Stetttigttttg 793
2. bcn 5!reiiJ bcr ©cfc^c^übertretungcn gu bctrad;tcn, ju beren Scftrafung bic
©tcinigung angclDcnbct tourbe. a) 3?ac^ bcm 212^ fclbft foHtc ©tcimgung bctl;ängt
hjcrben, tocnn a) bcricnißc Scbengnerb bcr iöraeUtifAcn SJoIteejiflcnj berieft hjurbc, bcr
beim 3i^^öcliten am cm})finblic^ftcn toax, b. ^. fein bcjonbcrc^ religiöjc^ Schju^tfcin, h)cnn
alfo ba^ toa^re ^ro})l^ctentum ^al}\)c^ burc^ fdfd^c ^rofl;ctic (2)t 13,6—11) ober burd^ 6
SBa^rfagcrei unb ^avbtt^x (£c 20, 27) nachgeäfft tourbe, h?cnn 3>ai^öc^ (Singigartigfcit
burc| ©öfecnbienft berlannt (Dtl7, 2f.; £e 20, 2), tpenn ^a^be« Offcnbarung^ftätte
bur4 unbefugte 5ßerfoncn betreten (®j 19, 12 f.), 3^^^^^ 9?amc gcläftert (2c 20, 16;
9iu 15,35; 1 ftg 21, 10), fein 2ag gcfc^änbct (9Ju 15,32—35; bgl. aber gu biefem
cjilifc^en 3beal bic I^eorie unb ^rajiö t)or unb nac^ bem Sgil: 6j 23, 12; 34, 21; lo
am 8, 5; 3er 17, 21 ff.; §ef 20, 13ff.; ?le^ 13, 15—22) unb fein ßigentum (baö ®e=
bannte) Veruntreut hjurbe (gof 7, 25), toä^renb im J^ammurabigcfe^ § 6 2!em))eIbiebfta^I
einfac^ mit 3iobeöftrafe bebro^t ift. ß) Slud^ bie fci()ltmmften 3?erle^ungen ber moralifc^en
^Pringipien S^^^eB Serben mit Steinigung bebro^t: e£tremc linblid^e 3i"^t>i<Jtät (3)t 21,
18—21); 3Serf(uc^ung bcr SItem (Sc 20, 9 gemäfe bcr Umgebung bicfci^ iejteö); quali= i6
fixierte Untreue bcr Verlobten (Dt 22, 20— 24); g^ebruc^ gemäfe bem Äontejt Don £c
20, 10 unb bcn Erläuterungen in §ef 16, 40; 23, 47; ^nceft mit [^Kutter ober] ©tief*
mutter, Sd^^tpiegertoc^ter, S^toiegermuttcr (2c 20, 11. 12. 14); ^äbcraftic (2c 20, 13);
iBic^unxuc^t (2e 20, 15f.). 3!)er eine %aü, ba^ beim ß^ebru^ bic Steinigung nxi)t au^*
brüdlic^ angebro^t, aber nac^ §cf 16, 40 unb 23, 47 ber^ängt tourbc, h)cift barauf ^in, 20
bafe auc^ anbere SJcrgcl^cn, bic nac^ bcm 313; mit 3:ötung gu beftrafcn fmb, nai) bcr
?IRcinung be^ 313^ fclbft burd^ Steinigung gcfü^nt tocrbcn foDten. 3)ic gcfcfeli^ic §inric^s
tung mit bcm ©c^tpcrtc (alfo abgefc^cn Don Selbftmorb, 3)lorb unb Äam})f 1 ©a31, 8;
SRi 9, 5; 1 Äg 18, 40) gcfc^al^ nad^ bem 313: blofe in foId()cn ptten, h)o bie richterliche
©ctoalt burc^ bic Äönigc ausgeübt unb bie ß^efution burc^ 3)lilitärperfoncn DoHgogcn 26
tDurbc: 2 Sa 1, 15; 1 Äg 2, 25. 29. 31. 46; 2 Äg 10, 25; 11, 15; ^cr 26, 23. b) ^m
31% tüirb Steinigung ate Strafe bcr (Sottc^läftcrer (3t® 6, 13; 7,58) unb bcr e^c^
brec^crin (^o 8, 5) ertüä^nt. c) 3)ic 3Jlifc^na (San^ebrin 7, 4) toxü mit Steinigung
cbcnbicfclbcn 3Serbrcd^en beftraft toiffen, bic oben ate fold^e aufgcjä^lt h)orbcn finb, bie
nac^ augbrüdflic^cr SlntDcifung ober bcr gefiederten Intention bc^ 313) mit Steinigung 30
bebrol^t tücrbcn; aber auf (S^ebruc^ fte^t nad^ San^. 11, 1 ©rbroffclung, unb übct^au^jt
Verteilt bcr Salmub bic ^ällc bcr Xobcöftafc in gäHc ber Steinigung, SScrbrennung,
Rötung [mit bcm Sd^tücrtc] unb (Srbroffclung (San^. 7, 1).
3. Ucber bcn SSollgug bcr Steinigung fagt bic Sibcl folgcnbcö: 3)icfc Einrichtung
tourbc aufecr^alb bcg aBo^npla^c« ber (Semcinbe (2c 24, 14; 1 % 21, 13; 31® 7, 58) ss
fo boUjogcn, bafe bie ^^n^m, bamit baö jur Verurteilung fü^renbc 3^"0"^^ ^^^ größter
©etoiffcn^aftigfcit abgegeben unb burd^ bic 3^at beftätigt toürbc, bie erftcn Steine fd^lcu-
bertcn (3)t 13, 10; 17, 7; So 8, 7; 31® 7, 58f.). ®er 3:almub fobann beftimmt in ber
3fiifc^na (San^. 6) bie^: Sobalb ba^ 3:obe^urtcil gefproc^en ift, fü^rt man bcn SSer^
brc^cr ^inau^, um i^n ju ftcinigcn. 3)cr Stcinigung^^ila^ toax fem Dom Si^e bcö ®cs 40
ric^ti^^ofc^. (Siner bleibt im (Eingänge be^ ®erid^t2i^aufe^ ftc^cn, mit großen iüc^cm in
bcr $anb; einer l;ält fem Don i|m ju ^ferbe, aber fo, ba§ er jenen noc^ fc^cn fann.
Sagt jemanb beim ®erid^tc noc^ ^intcrl^cr au^: ,,^6) ^abc no^ ettoa« jur SSerteibigung bc^
3)clinquentcn Dor|\ubringcn," fo fd^loenlt jener erftcre mit bcn 3;üd;cm, unb ber Siciter f|)rengt
fort unb läfet — bcn 3ug bcr ÖEcIution — innehalten. Sogar toenn ber SBcrbrcc^cr fclbft 46
fögt: ,,3;^ |öbc nod() cttpaö ^u meiner Serteibigung Dorjubringcn," fül^rt man i^n fogar
Dier b\^ fünf 9)lale jurüdf, nur mufe an feinen Söortcn ctma^ ffiefen^afte^ fein, b. 1^. i^ncn
cttoa^ Il^atf äd^lic^cö }u®runbe liegen, ginbet man einen ®runb gu einem frcifprcc^cnben
Urteil, fo tpirb bcr 3lngcflagte entlaffcn; tücnn nic^t, fo toirb er gum Steinigen ^inau«*
geführt. @in 3luörufer gcl^t Dor i^m ^cr unb ruft : „3)cr unb bcr, So^n bcig unb bcj^, h)irb w
mr Steinigung ^inauögcfü^rt, h)cil er ba^ unb ba^ 3Jerbrcc^cn begangen l^at. 3)ie unb bic
finb3^ugen. ffiicr ethjaö ju feiner ä>crteibigung h)ei^, bcr lommc unb bringe e^ Dor!"...
SBcnn er Don bem $la^e, auf bcm bic Steinigung DoUjogcn ioerben foU, noc^ Dicrßllcn
entfernt ift, jic^t man i^m bie iSlciber au^; bcn 93iann bcbecft man aber Dom, baö
2Öeib bcbecft man Dom unb hinten . . . 3)er Stcinigung^pla^ l}ai jtDcimal 3JJanng^ö^c. 66
ßiner bcr 3<^"9^" f*^^^ ^^" i^erbrccl^cr Don leinten ^inab". [ßö tourbe alfo bie 3lu^s
brndE^toeife „ober ioerbe burd^ 2öurfgefc^offc getötet" ((Sj 19, 12) aH „SBcrfcn" gefafet
unb jum Steinigung^afte ^injugenommenj. „gällt er auf ba^ §erj, fo toenbct il^n bcr
^euge um; ift er tot, fo ift bcr ^flid^t genügt; too nid^t, fo nimmt ber ^tocite 3^"0^
einen Stein unb iDirft il^n auf ba^ ^erj. 3ft er nun tot, fo ift bic Sad^c au^, tocnn eo
794 Stettttgmig Steimne^cr
nid^t, fo Qcfc^tcht feine Sleintöung butc^ hai 3SoIf. äHc ©efteiniötcn tocrben ^intctba
aufgehängt, ©o $Rabbi Gliefer. 2)ie ©ele^rten fagen : ^^äufeer bem ©ottc^Iäftcrer unb @ö^
biener toirb niemanb aufgedrängt". 3)ic Ü)länner ^ängt man mit bem ©eficbtc nadb im
Solle in, bic SBeiber mit bem ©efu^te nad^ bem Sallen ju. ©o SRabbi ßliefer. Jie
^ (Sele^tten fagen: „dlnx ber 3Kann toirb aufgehängt, bad SBJeib nic^t" . . . „^ft bo^
gleifdb bertoeft, fo begräbt man bie ©ebeine an il^rem Drte." 3)ic ieruf. ®emara ^m
Straftat ©an^ebrin ^anbelt barüber auf golio 23 f.; bie bab^I. @emara ju ganbehin
auf golio 42—49. .^ier h)irb (golio 43*) l^injugefügt, bafe mit Squg auf ^r 31, 6
\)oxml}mc grauen C^^^R"! ^^'^d bem Verurteilten bor ber Steinigung ^u feinet Sctäubun^
i<> SBein ju reid^cn J)flegten, in ben eth)a^ SEBei^raud^ gemifc^t toorben tvax. C^b. ^ötii. '
Stetnfo)if^ S. Srr. 9.^ geb. 1773 ju Sntoigdbnrg^ geft* ju Sonbon 1859^ f. bie
ä3l. G^riftentum^gefellfc^. »b III S. 822 unb Sibelgefcllfc^aften »b II
e. 692, Soff.
Steinme^cr, granj, ebang. 3;^eoIoge, geft. 1900. — OucIIcn: 9(ftcn bc« fgl. fiultii^--
iß minifteriumS unb bc«J Äonfiftorium^ ber $rot)inj 23ranbcnburg in ©erlin {bic ^criondühra
über feine Ä'anbibatcn= unb ^aftorenja^re finb leiber nidjt me^r üor^anbcn) ; Elften ber ro-
t^col. Sofullät in Sreöfau; Mitteilungen auö ben ^ftcn bc§ ©^mnafiumd in granffurt a. C
burd) $rof. Dr. O. ©ac^mann bafelbft. — Sittcratur: (Sridi ^aupt, 3"^ (Erinnerung an
g. 2. @t. in ,,^oItc, m^ bu ^aft" XXIII; 2. ecftuljc in Cfo. Äg. 1901 ©p. 97 if. unb
ao S3ioqrapftifdie§ ga^irbud) V (1903), 345 ff.; O. @d)ufje in OueHmaffer fürß bcutfdjc f^uj
190Ö, 394 ff. — 3ur Beurteilung: 2. ©ticbri^, 3ur ®ef4ic^te ber ^rebigt, Q^otbo 1S75,
@. 79 ff. 525ff.; M. [Rei)Iänbcr in 3)ie ©tubierftube I, 68ff.; üor allem 3. 55auer, Sie 35«-
bcutung für bic ^rebigt ber ÖJegenmort, MonotÄfd)r. f. b. fircöl. $ra;ri§ 1903, 405 ff. 444 jr.
%xan}i Äarl Subtoig ©teinme^^er — er fetbft nannte fw^ afe ©c^ttftfteQer ftet^ mir
25 g. £. St. ; ber bon ©t. felbft bebor^ugte Slufname toar „^Jwnj" (fo auc^ auf (Srunb b«
©c^ulaften ^ranlf. ©^mn.^^rogr. 1904 ©. 12), toäl^renb feine ©efc^tüifter i^n „Souis" ^
nennen liebten — tourbe am 15. 9Jobember 1811 in See^foh? in ber 3]ltttelmar{ al^ gobn
be^ bortigen ©ubreltord ©t. geboren; ber 3Sater tourbe ^emac^ Slcltor in Sebu^. Ta
©o^n befuc^te toon 1823 an bag ©^"^nöftum in gran!furt a.fD., tüo er bem ^ireftpt,
30 bem befannlen I^uc^bibe^forfd^er ^oppo, tüchtige Äenntni^ be^ ©riec^ifc^en unb bem
SReligion^Ie^rer, fpäteren ©uperintenbenten ©c^önaid^ eine fräftige Slnregung in religirfcr
Se^ie^ung ju berbanfen l^atte. 2)a^ 3lbgang^jeugni^ rübmte feinen au^erorbentliikn
glei^, ber nie ber 3lnfpornung, nur ber 9)Jäfeigung beburft ^abe, ferner befonber^ feine
borjügIid()en ^ortfc^ritte im ©riec^ifc^en ; in bie Sieben be« S^ud^bibeö fei er grünblid«
36 eingebrungen, al^ man e^ bon einem ©d^üler erirarten fönne, er fc^rcibe griec^ifcfe fjjt
foneft unb l^abe auc^ nic^t ol^ne (Srfolg firf^ im Sprechen be^ ©ried^if^en öer|u*t
Übrigen^ l}aiic er aud^ al^ ^rimaner ftd^ an einer fc^riftlic^en Sefd^tperbe ber gan^;cn
Jllaffe über einen Se^rer beteiligt, ein ©c^ritt, ber ba^ fgl. ©d()uIfottegium in grofee S(W:
regung Perfekte, ba e^ „frembe" (bemagogif4>e'(f) ßinflüffe babei befürchtete; ©t. fam
40 aber bei ber Ünterfud^ung ol^ne ©träfe baPon, al^ einer, ber nur burc^ einen falfcten
Segriff Pon Älaffene^re Perleitct tüorben fei. 3Jlid^aeliö 1830 bejog er bie ?3erlincr
UniPerfität , unter beren Soj^enten 9Jeanber il^m perfönlid() naf^t trat unb ©d^lcivT
mac^er burc^ feine ^rebigthjeije ihn unperfennbar beeinflußte. '3lad) einer 3^^ ^^
eitem^aufc unb einer 2^ätigfeit aü §au^le^rer trat er 3Jlid^aeH^ 1835 inö Söittenber^cr
45 ^rebigerfeminar ein, too mbm „3?ater" $eubner, ber einen ftarfen ©influfe auf i^n aue--
übte, SBic^arb ^)iot^e, ber bi^ 1837 bort tDirlte, für Sebcn^jeit fein $er^ fid^ getoaniL
©t. tourbe am 12. gcbruar 1837 in ber Sc^Ioßlird^e Pon §eubner gum ^ilfsprebigct
be^ ^rebigerfeminar^ orbiniert unb blieb bort bi^ 1840. Seim Slbgang 9lot^eö bielt er
biefem am 13. ©eptember 1837 bic 3lbfd)ieb^rebe. 6^ hjaren bie glüalic^ften ^al}xc feines
5o£ebcn^. @em bat er fpätcr ben ©cgcn bezeugt, ben i^m Wittenberg gcbrac^^t: „SagetTc
id^ bein, 2Bittenberg, fo tüerbc meiner ^)ied)ten Pergeffen!" $ier Pertiefte er fi^ in Sen^ds
Gnomon Novi Testamenti (Pgl. Sb II, 598), ben er ^eitlebenö ate ein eregetifJ^
9Rcifterh)crf gerübmt l)at, and) ®. 6br. Ätnapp^ Scripta varii argumenti (pgl. ©b X,
59<0 geborten ^ii feiner Sicbling^Icftüre. ^fid^. 1840 folgte er einer Berufung aU
65 ^rcbiger unb Cberlcl^rer an^ ^abettcnl^au^ in Äulm, fcblofe je^t auc^ ein 6^cbünbnte
mit ber aSittcnbergcrin 2lgne^ "üi^ad}^. Seine ©teHung in Äulm \oax fdE^loierig, ba, tric
ein intcreffanter üBcricbt be^ ^))iilitäroberprebiger^ Gonfentiu^ in Äönigöberg Pont
25. 5Jiär,^ 1843 über ibn berichtet, man in ben' militärifcben Greifen biefer Slnftalt ihm
^ur Saft legte, baß er in ben Mabetten „crft ben 3Renfd^en unb bann ben ©olboten"
Stctnme^er 795
auöjubilbcn für nötig ^ielt unb bcn ©tanb})unlt bertrat, bafe aud) ber 3KiIitärftanb „h)te
bei anbcrn G^riften t)on ber SReligion burc^brungen unb gel^eiligt toerben folle." 5Dlan
fanb bal^er in feinen ^rebigten unb anbackten 3lnjügfi(^feiten(!) unb fuc^te „burd^ bors
neunte ©leic^giltigleit" feine 2Birf|amfeit ^u neutralifteren. SDal^er bemül(>te fid^ Gon^
fcntiu« für St., bem er tpegen feiner aimtötreue, ber 3;iefe unb Segeifterung in feinen 6
^rebigten unb feiner aufoj)fernben 2lmt^fü^rung ein üorjüglic^e« 3^9"^^ au^fteüte, um
eine geeignetere unb befriebigenbere Stellung. 6r beging nur ben geiler, freiließ bur^
©t.ö eignen SBunfc^ baju herleitet, i^n al« befonber« geeignet für eine Sanbgemeinbe, bie
au« lauter fc^Iid^ten Seuten beftel^e, ju empfehlen. 2)afe er erfolgreid^ einer aufleimenben
altlut^erifd^en Separation unter bem 3)ienft^erfonaI be« Jtabetten^aufe« entgegengetoirft lo
unb auc^ ba« ^farrarc^ib mufterl^aft neu georbnet ^atte, ^alf i^n ber ^ot^bamer Siegte^
rung ju em})fe^Ien, fo ba^ er am 18. 2luguft 1843 eine Berufung na^ ber böl^mif^en
SQäebenolonie 9?oh)an)ed bei ^otgbam erhielt. 3Son Jlulm au« l^atte er bereit« eine fleinc
?5rebigtfammlung gumSeften ber griebric^^2BUI^elm=2)ennen)i^52lnftalt gu Jüterbog 1841
]^erau«gegeben, bie auc^ eine feiner SBittenberger 5ßrebigten, eine 3Riffxon0j)rebigt au« bem i6
3. 1839, mit aufgenommen l^at. 3)ie Berufung nac^ SRotpatoe« toax nid^t minber un-
glüdtlic^ al« bie naä) Jlulm. @r fam in eine materiell unb fxttlid^ üöDig berfommene
©emeinbe, bie, tpie $engftenberg fjjäter einmal ((Sb. Äß. 1848, 3) über fxe bemerfte, bie
ganje ®egenb mit Settlem toerforgte unb tool^I einen Oberlin, aber nid^t einen ^rebiger
t)on St.« Strt unb ®aben gebrauchen fonnte. 3)iefe ©emeinbe berftanb feine $rebigt 20
überl^au|)t nic^t. Um fo ^ö^er ift e« ju achten, bafe er, obgleich ol(>ne alle SRefonanj in
ber ©emeinbe, mit getoiffenl(>after 3:reue unb Sorgfalt fein 55tebigtc^ari«ma toeiter pflegte,
freilid(), o^ne im ftanbe ju fein, e« ben Sebürfniffen feiner ©emeinbe angupaffen. gr
liejj je^t bie ^rebigtfammlung „^d^ W\ü rühmen be« iperm SBort" (1844), ferner einige
?ßrebigten über ^0 10 (1845 — mir nie gu ©eftd^te gelommen) unb bie größere Samm^ 25
lung „^eugniffe bon ber ^errlic^feit 3iefu Gl^rifti" (1847) erfc^einen. 3u ber 4. äufl.
bc« beliebten ejegetifc^^^omiletifc^en §anbbuc^« über bie 5ßarabeln 3l^f" bon griebr.
®uft. £i«co (Serlin 1847) lieferte er 5ßrebigtenth)ürfe, bie er jeboc^ in ber 5. Slufl.
toieber jurüdfgog. Sie jeigen noc^ ftarfe 3lbl^ängigleit öon Sd^leiermac^er in il^ren ab*
ftralten ©ebanfengängen (j. 83. über 5Kt 13, 1—9. 18—23: Sffiie toir ba« Urteil be«3o
^erm über ba« §erg be« natürlichen SWenJd^en ju bereinigen baben mit ben 33orau«5
fe^ungen unfer« d^riftlic^en Setoufetfein« : 1. toie toir biefe ^Bereinigung toolljiel^en fönnen,
2. toelc^en SBert fte i)ai für unfer d^riftlicbe« geben). Sie gehören offenbar früf^eren
Sabren an, unb e« begreift fid^, ba^ ^emad^ ber $8erfaffer ber „Seiträge jum Schrift-
toerftänbniffe" fte nic^t femer abbrudten laffen tPoDte. ©inige ^rebigten liefe er in ber 36
Sammlung t)on griebr. §offmann, 2)a« Äird;enja^r, Serlin 1846, erfc^einen, barunter
eine fein burc^gearbeitete über ^^arifäer unb ßöHner. 6« blieb aber aud^ n\d)i au«,
bafe gebilbete d^riften in bem na^en ^ot«bam ben ungetoö^nlid^en ^rebiger bead^teten;
t)or allem aber tourbe Äönig griebric^ 2Bill^elm IV. felber auf il^n aufmertfam unb griff
in fein £eben«fd^ic!fal entfc^eibenb ein. Sc^on am 28. 2luguft 1847 toie« er ben ÜKinifter 40
(Sic^bom auf St. al« „auf einen 3Rann bon auggegeic^neter geiftlicf^er Se^rgabe" l^in unb
brachte feine Berufung an ba« ^omiletifc^e Seminar ber berliner Uniberfität in Sln^
regung. Der 3)Jinifter toenbete fid^ an &. 3. 9?i$fd^, um fid() ein ©utad^ten über St.
ju berfc^affen. (rr batte bie 3lbfid^t, i^n bann jtoar nic^t fofort für bie Uniberfität,
aber gunäc^ft al« £e^rer für ein neu gu grünbenbe« ^rebigerfeminar in Setrad^t gu 46
gießen. 2tuf ©runb ber gebrudtten ^rebigten, ber g^ugniffe bon 5ieanbcr unb
Sc(;mieber (in SBittenberg) fotoie einer perfönlic^en Unteneoung mit St. lieferte 5ii^fd^ am
28. 9lot)ember ein ebenfo i^n felbft h)ie St. ebrenbe« SSotum. ßr rühmte bie tüd^tige
tl;eologifc^e 3)urd^bilbung unb feine au«gejeic^nete ©abe für erbaulid^e Sc^riftau«legung.
Seine ^rebigten gehörten „in il^rer 2lrt gu ben Sc^ä^en unferer Sitteratur". Seine «>
©abe fei e«, toei^eüoll ju toirfcn, (J^rfurc^t bor bem göttlid^en SBort mit (Srienntni«
be«felben ju fc^affen, ein ©egengctoid^t j\u üben „aegcn 2)ogmati«mu«, 9{ationali«mu«,
^omiletifd^e SRaritfc^reierei unb füfelic^e Dbcrfläd;lic^Ieit". g^eilic^ träten bei i^m über
einer meisterhaften bomiletifd^en Segabung bie übrigen paftoralen 3lufgaben ;^urüdt. ferner
bcmerft er fein, St. befä^e ]\i) jeben 3:e^t fo ernft unb fo treu, al« fei er nod^ nie ober ß5
noc^ nie genug erlannt; er finbe auc^ icbe«mal an ber .^auptborftcüung ober einer 9Jeben-
borfteDung be« le^e« ein neue« 3)Joment ^erau« jur ?5i>^^^^u"9 ber Grbauung ober j^ur
Söfung bon Sc^toierigleiten. J^reilidfj laffe feine bibinatorifcl^e &ah^ ibn manchmal« teil«
in materieller §inficbt ftraud^eln, teil« in ber formellen, bafe er nur Sl^nbare« fd^on al«
beh)ei«bar, ©igcittümlic^e« be« 3:ejte« al« ©emeingiltige« gelten laffe. älbcr biefe 3)längel eo
796 Stttiimd^cr
tanirben burc^ bcn ®ert feiner Sichtung iinb bun^ ferne Scifiung im gonuTi bimkis
mifgetüogen. Xieö ©ulac^ten ift bier au^fübrlicber toiebergcgeben, tocU e# fcUig a--
treffenb ebenfo bic Segabung St.« tüie bie Sc^ronfe feiner ®abe c^^arahfrincn. la
Äcnig Irurbe ungebulbig, bafe ber SRinifter nod> nicbts für St. getban, unb nagte m
6 16. 5ioöember an, ob er nicbt nac^ 3Ragbebinrg in eine Dofantc $rebi^erfteüe ui faUüi
träre. ^er üKtnifter ertuibertc, bie 3Kagbeburger Ääm^fe (mit ben Sicbtfreunben, r^
9b XI, 467) feien toobl nicbt« für ben jur flontenH)Iation neigenben 3Rann. Jyür 6m
Berufung an bie berliner Unitjeifität aber fei ibm fein tbeologifcber 9luf ncd» nicbi t«
Senug begrünbet ; er bel^alte ibn für ein ^Jrebigerfeminar im äuge. Torauf begebnc bc
[önig (24. 3iegember) feine interimiftift^e Übertueifung an« ©ittenberger i'retiaa^
feminar. (rr toerbe bie Slemuneration für i^n antüeifen. Slber 2i. bat nun, ibn lief«
in Serlin eine Si^arte^ unb i^orbereitung^jeit Derieben au laffen, bi^ ficb eine 2tdliiii$
für i^n fänbc. ^n Wittenberg fei für ibn neben ö«*bner fein Saum. Qx mbä>u ni
in Serlin für Jjraltif^e ßrcgefe l^abilitiercn unb Gielegenbeit gum "^^rcbigen fud>en. Xo^
Iß rauf t>erfügte ber Äönig am 18. ^^"war 1848, i^m fein bi^berigc^ (fcbmales) l'ion^
ge^It in Serlin al« Slemuneration toeiter ^u jaulen, bamit er fic^ jur .f^abilitaticn t»pi-
bereiten lönne. 9?i^fc^ erflärte [xd) auf Sefragcn be« 3Rinifter« freubig bereit, ibn o^cm.
beim Uniüerfität^gotte^bienft auf feine Äanjel gu laffen, audj^ i^n nacb feiner öabilitaiicn
am })raftifcb-t^eoIogif(^en Seminar gu beteiligen, ^tt^i tom au<b .H^engftenberg im $«=
20 toort feiner Äirc^enj^eitung (1848 B)p. 3) energifc^ (o^ne i^n mit 5Rämen gu nennen) m i
bie ^flic^t ber Äird(^enbebörbe bin, für biefen berDorragenben ^rebigcr in ber .fkUQ?titah :
eine Stelle ju fd^affen. 3n bcn näcbftfolgenben politifc^ fo aufgeregten 3ÖP<bcn lürntt
©t. aber ängftlic^, obne ein fefte« ämt 9loh)atüe« aufzugeben unb nacb Serlin üto--
jufiebeln. (rr bat baber (4. äj>ril), il^n gum Gbarit^prebiger in Serlin ^u emenna
26 2)a« Äonftftorium macbte ben berechtigten (rintüanb) bort brauche man in erfter imt
einen Seelf orger, aber nic^t einen ^erDorragenben ^rebiger; er aber fubr fort, um biw
Stelle am Äranfen^ufe ju bitten. 2Kinifter Oraf Sc^toerin lehnte bic^ @efuc^ am
7. 3)lai ab, unb fo fam St., ber am 14. ?!Kai in 9JotDah)e« feine lefetc 2lmt«banblung
t)erricl^tet ^atte, toirflic^ ^unäd^ft fteQenlo« naA 93erlin, nur auf bie t>om ^onig ibm k--
30 hjidigte ^Remuneration bin. (Sr bereitete fxc^ auf bie Habilitation toor, prcbigte auA ^t \
legentlic^ — eine einzeln gebrudtte ^rebigt über Sc 6, 38 (= ^rebigtenttrürfe S. 270 i.) ■
pammt au« biefer ^^\t — ; bie ebangelifc^e galultät toerlieb ibm auf ©runb feiner ge^
brucften ^rebigten am 25. Cftobcr 1848 ben Sicentiatengrab, unb er begann oleboTt
feine 2^oi\entent^ätigfeit mit einer 3SorIefung über 1. ^o. am 12. 2)e3ember berief i^ll
35 nun aber auc^ -Kiniftcr Sabenburg ^ur interimiftifc^en 33erh)altung ber erften ^^Nrebigcr-
ftede an ber G^arit^; am 8. 3""i 18^9 folgte bie befinitibe (Ernennung nacb. -3iim |
^atte er ein 3)ojentenamt unb eine berliner ftanjel. ^^^eilic^ madE^te bie Arbeit am :
Äranfen^aufe bem getriffen^aften Pfanne fo Diel Slrbeit, bafe er für 3?orlefungen faum |
3eit erübrigte; tro^ ber 93itten berStubicrenben biclt er bie meiften ber toon ibm angefünbigtcn
40 3}orlefungen nic^t. §ier erlebte aber fein ^$rebigtc^ari«ma ^mn erften 3JlaIe einen großen
(Srfolg. Gine erlcferic (Semcinbc ber ©ro^ftabt fammelte fid& unter feiner Äanjel, imt I
unter biefem ftc^tbarcn Grfolge gelangte feine ^rebigtgabe jur botten ©ntfaltimg. Ses
fmb 3^"9"»^ ^^^ beibcn erften 33änbe feiner „Seiträge 5um ScbriftDerftänbni«" 1S51
unb 52. 211« im Sommer 1852 Cbler bie Uniberfität Sre«lau »erliefe, berief ÜBinificr
45 bon SRaumer i^n ju bef|en 3?ac^folger, unb jtoar für ©jegefe be« 5R2:«, aber mit ber
Reifung, auc^ ber S^ogmatif ficb ^usuirenben unb mit (Saupj) gufammen bie Seitung bd
l^omilctifc^en Seminar« ,^u übemcbmen. 5)Jic^acli« 1852 trat er ba« neue SImt an,
3ug(eid^ fottte für ibn Uniöerrität«gotte«bienft eingerid^tet toerben. 3)ie i^m zugemutete
(finfül^rung in ba« Uniüerritäte^rebigeramt burcb ben ©eneralfuperintenbenten lebntc er
60 energifct) unb erfolgrcidfj ah, um ficf) öotte greibeit ber lirc^üc^en Sehörbe gegenüber ;»
tüabren. 2luc^ bicr j^rebigte er (feit Sbgate 1853) in einer freiließ f leinen 9Liük
(St. ^rinitati«) mit größtem Grfolge (ügl. Diij?polb, 5H. $Wotbe II, 399; 3®. ÄoeÜinj,
40 3abre im 2Bcinbcrgc G^rifti 1901, S. 27). 2er 3. 33b feiner „Seiträge gum Scbrtft-
berftänbni«" cntbält Src«lauer ^rebigtcn. 3lm 15. 5DJär^5; 1853 »erlief i^m bie Serlincr
66 tbcol. Jafultät unter 3ii^fdb« 2)clanat ben D. theol. 2lu« ber fbftematifc^cn 3:beoli?5te
la« er übrigen« nur Gtbü, fonft ^3^^uteftamentlid^e« unb Ginleitung in bie praftifcN
Ibeologic. 3lber fcbon ju Cftem 1854 folgte er einem Stufe naö^ Sonn al« ^rofejfor
ber t>^aftifcben Ideologie unb UniDerfität«j3rebiger. Gr babilitierte fic^ bier mit eüicr
Disquisitio in Epist. Petrinae prioris prooemium. 3öa« er in Sre«lau bertoeigert
60 ^atte, lie^ er in Sonn gefcbe^cn. (5^eneralfiH)crintenbent Sc^mibtbom führte ibn am
•^'■m ,
Strhaüaicr
14. ?)Jai feierlich afö Unit)erfttät«})rebtgcr ein. Stint ^i't.- fc-i^^i-...
„2)ic cDangcüfc^c ^rcbigt eine ©tärfung ber Smi^c- u^^, i - ^,
(Sonn 1854) bor. 2luc^ l^ier getoann er fic^ ebon: *\sl irji -f-:.. ..„
3:cilna^nie ber Stubenten, mie für feine ^^rebigtm räi iiutfi-a i^i.*^,
aber bie Slnlage ^ur ÖVP"^*^"^^^ ""^ fortgqeftte Ur:»r*'niÄ^t'-:.--.^.
toieber^olt fc^toere 35e|)reffionen mit ftc^, unter beren (rsrlrr 2;: »t....- ,
mit aller SKadbt toieber in^ ^farramt jurücRe^ren toollu, =:.ä t Ki-r-^^f^
Dberj)räfibent ber 5Kl^einprobin;\, glüdfliqi ^u berl^inbem impt. *x::. .v.
SBonn üerlaffen unb einem SRufe nac^ ^ena folgen, bis ein •i*:im:ifi>r r.*^;
bc^ 3)linifter^ i^n toieber beruhigte. 3"^ ©ommer 18o7 fcr »:: fi.'t.fiT
Uniberfität^prebigeramt abjune^men, ba er üergebli^ arbeite um ittp^*-«. ^
liege, atbcr ber Äurator Derid^ tete ^utreffenb über il^n: ,^xtXr,ycr, \x. »^^j* ^y^\' .^
ba^er aud^ Scbürfni^ für ibn." gine größere gerienreije, ;u i« a»« o?: :..,:.'.^
?DlitteI getoäbrte, beru{)igte i^n aud^ bieömal toieber. Der 35onnn .^»r-^ ^tii\.*\ ^.
ber „Beiträge gunt S^)riftberftänbnig" an. Unter ben Sonner Äcütpw im u-» - -^-x
eint näc^ften, mit bem er bie ^i^eunbfd^aft aud^ noc^ ju einer 3«t ix^vdtL*' t:;**.- -T,
ber Äampf gegen beffen ^^eologie fd^on l^cll entbrannt toar. (Irft letnt l;i\Mf.r ^-,^.
SHitfd^I in ber 2. äufl. feiner „©efd^icf^te ber ^affion beö §erm" \Wi Lvh» t-ui .>\...
fcbaftlic^e i^er^ältniig (ügl. C. SHitfc^l, 31. ^Kitfd^tö Seben II, 447). iw. JJ^n/iii ..^
folgte er ber aiufforberung, auf bem ftird^entag in JJranffurt a. 3Jt. 1J*.'>J k\x\k\ y-t..«.:^ ,
über bie ftinbertaufe ju halten. 6o entf^ieben er ^ier für biefe eintrat, t\K v. i-.-: ,.
bie apoftolifd^e ^6t meinte jurüdfüerfolgen ju fönnen, fo übenaf(^te er kfd lei-. Ui^-i
bie ©elbftftänbigfeit, mit ber er bom Selenntni^ auf bie Sc^riftle^re jurudiy.M^ sy
crllärte bie SHnfAauung, bafe fcbon in ber Äinbertaufe bie J)ofitiöe Segabun^ n.ii kku
^l Seifte erfolge, alö im ffiiberfpruc^ mit ber ©c^rift, bie feine &ah^ bee M. <*yi:Hiu <
Icnne ol^ne huxd) ä5ermittelung beö berfünbeten ^eitetDorteö. ^n bie Äinbertaufe tv» ly.-.;
teilung be^ bl. (Seiftet ^u fe^en, ^eifee i^r eine magifd^e SBirfung beilegen unb fcit Ztv*
forme! ^ur 3^"^^^?«^^"^^^ ^erabhJürbigen. 2)ie 9)länner be^ Äir^entage« famen i-uid
biefen itortrag in 2icrkgenl)eit; man öermieb e^, bie üon il^m formulierten liefen üt«:
l^au))t jur 2lbftimmung ju bringen, unb bie 33erl^anblungen berliefen o^ne einen rtdut-n ;>■■
aibfd^lufe. Stot^e, ber babei geloefen, urteilte, 6t. l}abt frcilicb bie J)einlid^e Situaiicn
großen 3:eilg fclbft berfd^ulbct gehabt, ba er bei feinem „an unb für fic^ glänjienben"
Sortrage gar ^u tocnig ben Jjraftifd^en ^Wi:d (Slbioebr be^ Sa^Jtiömug) in ^Uedmung
gcbracf^t liaU; ba^ er aber „ein ganzer 'iDiann" fei, babe jebermann bod^ toa^mef^men
muffen (5Jij)j)oIb, % 3lot^e II, 435). .\Sengftenberg aber erteilte ihm in ©b. Ä^. lH5i,y,
961 ff. eine orbentlid^e 3ui^<^4^th)eifung toegen feine«; „bcrfel^Iten" SReferatc^. ßr \)abt
einen Äirdbentag mit einem Ibeologentagc bertücd^felt. 3tuf einem Äird^entage feien eins
fac^ „bie bon ber Äird^e aboptierten Sefcnntniffe bie entfc^eibenbe 3>"P^"3 für bie Sd>rift5
lel)re" (t)gl. auc^ ©cl^erö >:iJrot. ^fionatsbl. IV, 332. 339). ©t. t^at meine« SKiffen^i nie
tvieber ftc^ al« Stebncr auf öffentlichen Äirc^enüerfammlungcn gebraud^en laffen. '^m ¥)
^erbft 1858 fiebelte er nac^ Serlin al« $rof. be« SRI« unb ber praft. 2beoIogie fotoic
al« UniDerfitäteprebiger über. 3)ie borotbeenftäbtifd[)e Äird^e, bann bie fran^öftfc^e auf
bem ©enbarmcnmarft tourben bie Stätten feiner "^Srebigtt^ätigfeit. 2Bar ber gwbrang
ya feinen ^rcbigten auc^ nid)t mel^r fo gro^ ioie einft in ber Gbarit^fird^e, fo fammelte
er bod^ alle 14 3:agc um feine Äanjel eine treue, auf jebe neue ^rebigt in Sj)annung 45
fic^ freuenbe ©emeinbe au« allerlei Stäuben, (rr beröffentlid;te ^ier nod^ „%z\U unb ®c-
Iegen^eit«reben" 1802 unb „^i^rebigten au« ben le^tbergangenen S^^^^n" 1870. 3lm
13. 3^""^!^ ^^^^ 't'icit er bei ber ©ebäcbtni«feier ber Uniberfität bie SErauerrebe auf
griebrid) SBil^clm IV. über "^ah, 11, bie ^uerft unter ben berliner Unitoerfttät«fd^riften
jum Slbbrud gelangte, ison großem (Srfolge toaren feine Sorlefungen begleitet , bie er so
m fpätercn "^ahxtn boDftänbig memorierte unb tro^ eine« unfc^önen Organ« mit einer
in jebem SBorte borbereiteten lebhaften 3il?etoril, aber auc^ einer ftet« bie Probleme
intereffant aufbauenben unb jufjji^enben ^Dialeftif Dorjutragen touftte. (Sr berftanb bie
fiol^e Äunft, feine 3whörer fo burd^ feinen Sortrag gu feffcln unb zugleich burd^ bie oft
cinfeitige unb )>arabore 2lrt feiner 2lufftellungen fo ftarf anzuregen, baß ba« ©el^örte b6
nad^ Schluß ber ^Norlefung fofort ©egenftanb lebhafter Di«j)ute unter il;nen iourbe. !3m
l^omiletifc^ien Seminar hatte er anfang« ^l>rebigten au«arbeiten, jeboc^ nicmal« halten
laffen, fonbern fie nur felber fc^arf fritificrt, um bann einen befferen ßnttpurf auf jufteHen.
Später üergid^tetc er audb auf bie ^orberung au«gearbeiteter 'l^rebigtcn unb hielt nur
nod^ homiletifd)c Sej})red()ungen über 3:e£te, bei benen freiließ feine Kunft, bie Stubenten go
798 Steinme^er
;;um Sprechen ju bringen, fc^r gering toar. (S«J lief toefentlic^ borauf ^tnau^, bal a
feinen eigenen fenttourf t?or i^nen entfielen liej&. ^m ^af^xe 1870 ftcUtc er ben Sintrag
an ben Sflinifter, il^m fein Uniüerfttät^jjrebigeramt abjune^men ; in ©crlin fei bafüi ten
Sebürfni^, benn ^ier fammle ftc^ boc^ nid^t eine Umberruät^gemeinbc, fonbon nur eine
6 ^erfonalgemeinbe. ©o legte er mit bem ©c^Iuf; be^ ©ommerfcmefter^ 1870 birfc
2:^ättgleit nieber unb l)at feitbem nur nod^ gelegentlich im Stuguftafeofpital unb im
Soaci^im^tl^alfc^en (S^mnafium, in ben legten 3a|ren and} nodf in feiner SBo^nung Jwr
einem fleinen Äreife el^emaliaer ©d^üter fein 5ßrebigtd^ari^ma bet^ätigt. 5Dcr ®nmb für
fein 33erjid^ten auf feine liebfte Xl^ätigleit lag einerfeit^ in ber SScrcinfamung feinet boi^
10 liefen Sebeng burc^ ben 2:ob feiner ®attin, anbrerfeit^ in ber SBerftimmung barüber, bai
i^m an ber Uniberfität anbere in feine gäd^er ^ineinfamen. 3Kit bem Xobe ^engjtoiJ
berg^ War ber il^m in ber SJafuttät näd^ftfte^enbe Äollege ba^ingegangen. $on bm
übrigen Kollegen trat nur nocp 2!)illmann in freunbfc^aftlic^e S3c«e|ung gu i^m, beciit
flufite fogar aud^ nod^ feine ©teßung gur altteftamentlid^en Äritif. 2lber bie gome&it:
16 toidelung ber Il^eologie, befonberö bie ber biblifd^en 3Biffenfd^aftcn, tvax feiner Art unb
Segabung burd^au^ unf^mjjatl^ifd^. ®r füllte fid^ tbeologifc^ ate ©infiebler, iDerftnntt
aud^ nic^t bai3 Sebürfni^ fid^ mit neuen SRic^tungen toiffenfd^aftlid^ au^einanberguf«^
lel^nte j. 93. auc^ für feine Sd^riften bie 2?erfenbung Don SecenfiondeEcmpIarcn burto
ab. (£r ignorierte bie ^errfd^enbe Ideologie, unb fie bergalt i^m ®Ieic^e^ mit ©leicht
20 9lur fein ©d^üler unb Äreunb, ber Sloftoder $rofeffor £. ©c^ulge befj}rac^ getreulieb jÄ«
neue ©d^rift ©t.« au^fü^rlic^ in ber (£b. A3- 2ltö ber i^m hjol^lgeftnnte 9Rinijte
b. 5Kü^ler au^ bem 2lmte gefc^ieben toar unb fein Slac^folger galf eö für erforberiii
^ielt, ebenfo für^ 31% toie für bie ^raftifc^c Ideologie anbere 2?ertrcter fcetber ^äd^ in
bie ^alultät ju rufen, na^m bie 3Sereinfamung ©t.^ noc^ mel^r m. 1876 edndi
25 er auf feinen Slntrag „bi^ auf toeitere^" bie ©ntbinbung t?om Sel^rauftrag für )jrabij(J<
2:^eologie. (Sr jog fid^ mel^r unb mel^r bon ben arbeiten ber gafultät gurücf, unb mm
fam aud^ eine 3^^^^ ^o fein früher fo gefüllter §örfaal faft beröbete. ßrft gegen bo^
(gnbe feinet 2eben^ tourbe i^m noc^ einmal eine 3kc^blüte feiner ©ojentcnlüirffamleii p
teil, ©ein §örfaal füllte fic^ toieber, unb nod^ einmal fammelte fxd^ ^ier eine Scjar
30 begeiftert feinen SBorten laufd^enber ©d^üler, fo loie er fie in ben fec^gigcr Rohren cinji
um fid^ gefammelt l^atte. (£r feierte 1887 fein öOjä^rige^ Dienftjubiläum ilnb f(|tc
aud^ nad^ biefem ^w^^^l^wJ" feine Se^rt^ätigfeit noc^ fort, bi« i^n in ben öerbftfaien
1895 bie Slbnal^me feiner ©eintraft m bem Slntrag üeranlafete, bon feinen afabemifd^
Serjjflic^tungen befreit ^u hjerbcn. mn 13. Dftober b. 3. fanf er auf einem ©pagiergonä
'J6 im 2:iergarten behjufitloö gufammen. 5Jur mit 3Tiül^e ermittelte bie ^^Soligei, tocr ba
blutüberftrömt Slufgefunbene too^l fei. ©eitbcm berlebte er noc^ mel^rcre 3^^^« in ftiflei
3urüdgejogenl^cit, feierte nod^ am 28. Dftober 1898 fein öOjä^rige^ Q^^^i^^"»" ^^^ ^^
refp. 3^o!tor ber a^^eologie. 3lad) längerem Seiben entfd^lief er im 89. fiebcn^jabrc m
5. gebruar 1900.
40 äBä^renb er bi^ jur Berufung nad^ Serlin faft nur ^rebigten beröffentlicbt Balte,
fing er feit bem '^al)xc 1866 aud^ an, toiffenfd^aftlid^e Slrbeiten gum dt% unb gur pid-
tif(|cn il^eologie unb ^hjar nun in rafd;er älufeinanberfolge ^erau^gugeben. 3""^^
bier „2l))ülogetifc^e Seiträge": „3)ic 2Bunbcrtl;atcn beö ^erm", „3)ie t^eiben^cfAicbtr
(in 2. Bearbeitung 1882), „2)ie aiuferftelfung^gefc^id^te", „2)ic ©cburt^efc^ic^te" (1866-731
45 2l))ologetifc^ l^eifeen fie, infofern fie feine 2lnttoort auf bie moberne Äritif, f^egieH gegm
©traul fein foHten. ©ie finb c^ aber nic^t in bem ©inne, bafe er fic^ mit ben einjclnoi
Slufftefiungen ber Sritif auöeinanberfe^t, fonbern er ge^t bon ber boHen ©laubJoürbi^f«
ber ebangel. ©efc^id^tc au^ unb fud^t bie, toelc^e biefen ©tanbjjunft teilen, in i^rem i^ff-
ftänbniö biefer ©cfc^ic^ten gu fi)rbern, bie SCiefen ber göttlid^cn ©ebanfen, bie ^crrliAfm
ßo be^g (grjäl^lten il^nen aufjufc^lie^en. Gr l;at bann, nacl;bem er feine ^Prebigttl^ätigfeit auf-
gegeben, eine gange Steige bon Öibclftubien bcröffentlid^t: 8 ^efte ,,93eiträgc jum 25«:
ftänbni^ bc^ jol^anneifd^en 6bangelium^5" (1886—93), 3 §efte „Seiträge gur 6l^^ftolo9ic^
nämlic^: „I^ic (S))i})^anicn" unb „SDie 2l^eoj)^anien im geben be^ Aerrn", fotoie „£ic
e^riftopf^anien be« Scrl^errlid^ten" (1880—82); femer 2 §efte „©tubien über ben 9tema^
t^ brief" (^ap. 9—11 unb 12 unb 13); ein §eft über bie Parabeln ^efu (1884) unb
ein^ über bie Sergjjrcbigt (1885). 3"^^ (S^arafteriftif biefer ga^lrei(^en Seiträge jur
©d^riftcrMärung fei auf bie feinfinnige Beurteilung bon Q. Jpauj)t berioiefen. (i^ ift «n
eigentümliche^ genus mixtum,' ba^ er bamit in bie Ideologie eingeführt ^at. 3ian
f))ürt überall an ibneu ben "ijirebiger in feiner geiftboHen unb r^ctorifd^ bemegten Ser^
60 loertung be^ ©c^rifttoortei^, ber je^t, ba er nic^t me^r bie Äangel betrat, burcp bo^ ge^
Stetntne^er 799
fd^ricbcne SBort ^u ^^rebigcn ba^ Scbürfnte ^at, babci aber mac^t er jugleic^ ben än^
f^)tuc^, toiffenfd^aftlid^e 6jege|e ju treiben, tft aber nid^t im ftanbe, lefeterer aufgäbe DöHig
Sjcrec^t ju tüerben. 2)iefe Schriften finb bal^er jtoar reic^ an überrafd^enben, feinen unb
innigen ©ebanlen, aber aud^ an mittfürlid^en unb unmet^obifc^en (Eintragungen, unter
bcnen ba^ fc^lic^te grammatifc^-^iftorifc^e Serftänbnid ber einjelnen lejte m lur^ lommt. 5
6ine anbere Steige bon §eften befd^äftigt fic^ mit fragen au^ ber J)raftifc^en S^eologie
(1874—79). ^nx §omi!etit lieferte er bie aufierorbentlid^ le^rreic^e unb anregenbe Slb-
^anblung über „2)ie 2;o>)if im 2)ienfte ber ^Prebigt", bie un^ in feine eigene 5ßrebigt=
mct^obe bineinf^auen läfet unb ^ugleic^ ba« 3ierbienft gel^abt l^at, ben trefflid^en änbrea^
$^>)eriuö in feiner Sebeutun^ für bie ©efc^ic^te ber ^omiletif fräftig, toenn auc^ in 10
manchen Se^ie^ungen übertreibenb unb berjeit^nenb, in ©rinnerung ju bringen (bgl.
33b VIII, 501). ein jtoeitcö §eft be^anbelt ben „2)eIalog al« fatec^etifc^en Se^rftoff"
unb Derfuc^t, in gesagter 3}erh)enbung bon 1 3:i 1, 9, Don ^ier au^ bie genuine ^nter-
))retation ber ©ebote gu gelüinnen. ^ag britte aufeerorbentli^ anregenbe §eft be^anbelt
„3)ic ßuc^ariftiefeier unb ben Äultu^" unb ftimmt einen toa^ren ^^mnug an auf bie 16
Sebeutung be^ älbenbma^le^ aU einer ©emeinbefeier, alö be^ Saframentc^, in toelc^em
ß^riftu« ben 2eib, ber feine ©emeinbe ift, mit feinem 2eibe ernährt. 2)a^ bierte, „2)ie
f})egielle ©eclforge in if^rem 3Ser^äItni^ j|ur generellen", lenft jur Setrac^tung^meife ber
alten lut^^erifc^en 5ßaftoralt^eologie gurüc!, bie al^ ba^ eigentlid^e 5Kebium ber Seelforge
bie 5ßrit)atbeic^te betrachtet. 35a^ fünfte enblic^, „Über ben Segriff beö Äird^enregiment^", 20
tocift biefem au^er ber aSorbilbung ber ©eiftlid^en befonber^ aud^ bie Seitung ber Reibens
miffion ;u. 2)iefe iämtlic^en Seiträge finb reic^ an originellen ©ebanfen, befunben eine
feltene Vertrautheit mit ber älteren Sitteratur ber lut|erifc^en ftird^e, rufen aber auc^
in ber fc^arfen (Sinfeitigfeit, mit ber fie bie fragen be^anbeln, mannigfachen 3Biberf>)ruc^
l^erau^. 25
gine l^eröorragenbe ©teile l^at fic^ St. in ber ©efc^id^te ber ^rebigt ertoorben (bgl.
Sb XV, 720 f.). @r ift Vertreter einer fc^arf gefpannten, ftreng f^nt^ctijc^en 3Ket^obe,
bie im engften 3"fö"^"icJ^^fl"0 ^^^ feinem fiultu^ibeal ftel^t. ^n 2lnfnü^fung an
©c^Ieicrmac^crfc^e ©ebanfen ift i]^m bie Äultu^j)rebigt — unb nur mit biefer ^at er e§
ju tl^un — ber leil be^ ©otteöbienfte^, ber bie Slnbad^t ber feiernben ©emeinbe ju i^rer so
f))cjifijc^en §ö^e, gur Anbetung gu ergeben ^at. 3)ie $rebigt fc^t eine gläubige ©e^
ttteinbe borau^, in beren 3Mitte ber ^rebiger au^ bem ©c^a^ be^ göttlid^cn SBorte« ein
2^e£te«toort auflegt, beffen verborgene §enlid^teit er mit ben ÜKitteln feiernber SRebe
l^crbor^olt, fo bafe bie 3"^örer einerjeit^ im Verftänbni^ ber ©c^ön^eit, Sal^r^eit, liefe
be^ ©c^rif tmorte^ geförbert »»erben, anbrerfeit^ bon ber §enlic^feit ^cfu 6^rifti, bie ftc^ barin 35
offenbart, ergriffen unb erl^oben Serben. ®r ift überzeugt, ba^ jebe^ ©c^rifttoort, toenn
anber«} e^ al^ ein SBort ^t\u, ber 2lj)oftel ober anberer für ung autoritativer -Ölänner
©otte^ ein 2Bort ©otte^ an bie ©emeinbe entl^ält — nic^t jebe^ beliebige ©d^rifttport
ift il^m ein ^rebigttejt — in fic^ eine Seben^traft birgt, bie nur burc^ eine in bie liefe
cinbringenbe, ben rechten ©c^lüffel finbenbe Setrad^tung aufgefd^loffen ju loerben brandet, 40
um fiep ber ©emeinbe in reicher güHe mitzuteilen, ^n biefem Vertrauen bo^rt er fic^,
fojufagen, in {einen lejt ein mit einer feinen Beobachtungsgabe für bie Sefonberl^eit ber
einzelnen ©c^riftauSfagcn, babei mit birtuofcr Ve^errf^ung beS gejamten ©cä^riftmateriali;
unb inniger Vertrautl^eit mit bem Sird^enliebe. ©0 förbert er in fc^arffinniger 2)ialeltif
unb jugleid^ mit bem ^at^oö eineö, ber bie auf ben ©runb feiner ©eele Von feinem 46
^Tejte gepadt ift, babei aber mit grunbfä^lic^er Verwerfung atlcS bireften ©inge^enS auf
5Jeiifragen, auf fonfrete Vorfommniffe unb Verl^ältniffe unb mit Slblcl^nung aÖer fonft
beliebten 3lttuftration^mittel — er l^at feinen bctpufiten ©cgenfa^ gegen bie Von 2ll^lfelb
befolgte unb fcitbem viel nad^gcal^mte ^rebigtmet^obe gelegentlich' fd^arf auSgef))roc^en —
begeiftert ^u jage, Wa^ \l}m bie ©d^riftgebanfen felber offenbart ^aben. ßr tüünfc^t, 00
bafe bie ^rebigt „o^nc jebe ängftlidbc Slücffic^t auf bie gaffungSfraft ber §örer ... in
einem l^ö^eren (S^orc gc$e, in bem 2;on beS jo^anneifc^en VelenntniffeS: h)ir fallen feine
§errlic^feit!" I^atfä^lic^ fe^t er bibelfunbige, nac^ tieferem ©d^riftberftänbniS begierige,
in geiftlid^em Seben fte^enbe unb ^n ernftcr ©ebanfenarbeit miHige §örer Vorauf. 2)ie
©efal^r {einer ^JJietl^obe l;at fd^on 9iij^{d^ treffenb gefenngeic^net. Unb bie Älagen, baf; er 65
„unpraftifc^" unb „unpopulär" prebige, finb in ber Äritil nie berftummt. ©ein ©rübeln
über bie Ve{onberl^eit feinet StejteS, baS Vcftreben, il^m bisher unbeachtet gebliebene ©e=
banfen ab^ugelüinnen, fül^rt il^n manchesmal in Äünftelei, gelegentlid^ fogar inS 2llIegoris
ficren. 2lber burc^ bie ftrenge ^ud)t feiner ^rebigtmetbobe , feine Slble^nung ber $ogs
matif als ber Slüftfammer für ben ^rebigtftoff, feinen Kampf gegen alle „güüftüdfe" in go
800 ettittmetier @tet^
bcr ^rebigt, feinen unabläffigcn ^inmeiö auf ba« ©d^rifttoort alö btc rcid^c Duette, oul
ber bie ^ßrebigt ju fc^öpfen f)abt, ift er feinen ©c^ülem ein unt^ergc^Itc^er Sebrmäftcr
geworben, bem aud^ folc^e fic^ ju lebenölänglid^em I)anfe Derbunbcn toiffcn, bencn au(^
bie ©c^ranfen feiner Begabung nid^t berborgen geblieben fmb. Über bic aufnähme unb
6 Beurteilung feiner ^rebigten burd^ bie ^eitgenöffifc^e lird^Iic^e unb tl^eologifc^e greife
f. bie litlerarifc^en 5}ac^n)eifungcn Don 3- Sauer a. a. D. ©. 409.
5?ac^ feinem lobe l^aben banfbare ©d^üler, befonber^ ÜJl. SRc^Iänbcr, begonnen, aus
feinem 3la^la^ ju j)ublicieren. 3""^^f^ $rebigten: %üx bie ^affion^* unb Oftct^
1900 (©d^riftbetrac^tungen au^ feinen legten ^ö^^i^cn); $tebigten für ba§ gon^efttriöis
lojaf^r, 1902; Se^le ^omiletifc^e ©abe, 1905 (^rebigten bon 1849 an, Icibcr o^ne angäbe
be!^ S^^J^^^/ ^ö"" ^^^ einzelnen gehalten ftnb). 2)ann \)on feinen @nttoürfcn unb &=
fpred^ungen über ^ßrebigttejte: feine SSorlefung über bie ebangelif^en ^erifo^ien (in jton
©bitionen, rec^t mangelhaft bon Slevlänber 1902, boßftänbiger )i)on £öh)entraut 190:3),
unb au^ feinem ^omiletifd^en ©eminar: ^rebigtenttoürfe nac^ bem Siid^enjal^r georbim,
16 1903. Snblic^ ift auc^ feine hjertboße SJorlefung über ^omiletif 1901 burc^ Sie^Iönba
ebiert toorben. SDie ©bition^toeife läfet leiber biel ju toünfc^en übrig. — einzelne Sd^
träge lieferte ©t. für bie 6b. RR. (bor allem eine toertboHc ©tubie über (Sottfrieb ämolb
1865, bgl. 93b II, 122), für $ij)er^ (Sbang. Äalenber (toieber abgebiucft im «n^ng ba
„^rebigtenttoürfe" ©. 408 ff.), fotoie für bie 3eitfd^rift „gjJanc^erlei ®aben unb ein ®cifr.
20 ein SJortrag, ben er über Slenan^ 2eben ^efu im ©bang. SJereing^au^ in Serlin gc^
l^alten, ift aU Beilage ju leil III feiner Slpologetifc^en Seiträge 1871 ©. 234 ff. ?c=
brudt; jtoei erbauliche Vorträge „Dftem unb $fingften. 3^^^ geftbctrac^tungen im
©aale be^ Äultu^minifteriumg" erf^ienen Serlin 1872. änbere SSorträge: gbriftus m
$ontio $ilato (in „Vorträge für ba«} gebilbcte 5ßublifum", glberfelb 1861 ©. 141 ff.);
25 2)ie übernatürliche ©eburt bcö §erm, Serlin 1873; 3)er 3^^iM ""^ ^'^ ©laubenl^
getoig^eit, Serlin 1876. i». üamnan.
Stci^, ©eorg ßbuarb, geb. am 25. ^uli 1810 ju ^anffurt a. 3R., geft ebenba
am 19. Januar 1879. — 3ung u.3)e(f|cnt, gur Erinnerung nn ©cnior ©tci^. 3tt)ei Äeben.
granffurt a. m. 1879.
30 ©tei^ entftammte einer angefc^enen granffurter ^amilie. ©eluife ^aben bie 9e=
jie^ungen bcr g^amilie ixxx ©efd^ic^te ber eprtoürbigen Saterftabt mit baju beigetragen,
in ber emj)fänglid;en ©eele bc^ ^üngling^ jenei^ innige Qntereffe an bercn Scrgangenbdt
JU toeden, baö il^n nacfimalö bei feinen ^orfc^ungcn befeelte. 2rot cntf^iebener Be-
gabung foHtc er ber faufmännifd^en Saufbal^n fic^ toibmen; aber o^nc Slnrcgung öon
35 au^cn macl>te fid^ ber 3)rang ju einem tuiffenfc^aftlid^en Scrufe fo mäd^tig in i^m geltenb,
ba^ bic (Sltem nid^t Iriberftrebcn ju foUcn glaubten, fonbern il^n 1825 bem granffurtei
©t^mnafium übergaben.
3m §erbft 1829 be^^og ©t. mit einem glänjenben Slbgang^jeugni^ bic Uniberfitdt
2:übingcn, bamal^ nod^ borhjiegcnb intercfftert für ba^ p^ilologifd^e ©tubium. Jobci
40 feffelten i^n aber auc^ bie 3[iorträgc feiner t^cologifc^en 2el;rer, befonber^ bc^ berübmtcn
§au))te^ ber 3:übingcr ©c^ulc 6^r. ^-crb. Säur, bem er biel Anregung berbanfte. äl^
©t. im Sa^re 1831 nad; Sonn überficbelte, folgte auc^ er entfc^iebencr bcr Slicbtimg
feiner meiften greunbc auf t^eologifd^c unb ))l^ilofop^ifd^e ©tubien unb begann fic^ au^
fd^lie^lic^ bcr ^l^eologic ju mibmen. 3)ort toar eö 5iarl 3l^"»"ön"<^l 3?i$f^/ ^u^^ beffen
4ö „e^rtoürbige ^erfönlic^fcit unb gläubige, aufcrbaucnbe 2:l^ätigfeit", h)ic er fclbft e^ au^-
gefproc^en \:}at, „feine 9{id^tung eine feftere Scgrünbung unb eine lid^tboHerc Älarl^cit erhielt.''
Dftem 1833 feierte er nad; g^^'^"ff"^^ jurüd; ba aber l^ier im 3lugcnblid feine
aiu^fic^t auf eine feelforgerifd^e 2^l^ätigfeit fic^ i^m barbot, übernahm er eine ))äbagogif(bc
©tcÖe an ber au^gejeid^neten Se^ranftalt feinet greunbe« ©teHiüag, an ber er bi^ 1839
50 mit boUcr Eingebung t^ätig tuar unb fid^ in fcltenem Wafee bie üebe feiner Schüler
erwarb. :3"^<^ff<^n ^atte er in ber ganzen 3^^^ f^ ^^" lebenbige^ 3"^^^ffc «n ben fircb-
lid^KU 5^agcn betoa^rt unb jugleid^ eine Selcfenl^eit in ber >)atriftif^en Sittcratur ftc^^ er-
worben, bie i^m fpäter in mancf^em toiffenfd^aftlic^en ©treite borjüglic^e 3)ienfte leifttn
foHtc. Screit^ im §erbfte 1842 njurbe er in baö Pfarramt berufen, baö er jucrft an
56 bcr I^reilönigöfirc^c in ©ad^fen^aufcn, fobann an bcr ©t. 5ßaul^firc^e unb an bcr
©t. 9iifolaifirc^c in ^^^^antfurt bcrioaltct i}at. Sic SDJufeeftunben, bie i^m blieben, Der-
toenbetc er ju ©tubien auf bem ©cbiete bcr Äirc^en- unb 2)ogmengefc^id^tc. (Sine 3ln=
erfennung biefcr feiner Seiftungen Warb i^m 1857 ju teil, inbem bie ^eibclbcrger tbeo^
logifc^e galultät i^m bie 2)oftornjürbe berlie^.
@tet^ 801
3m Saufe ber ^cxt jebod^ trat neben ber feclforgerifc^en ^^^ättgfeit eine Steige
)on aufgaben an i^n Ij^eran, toelc^e ^ i^m fc^toerer machten, freie 3^'^ i^ ^nhm für
üiffenfc^aftlic^e 3lrbeiten. ^m ga^re 1873 tourbe er Äonfiftorialrat unb nad^ einem
längeren ^robiforium Senior be^ 3Kinifteriumg.
2)ie SRed^te ber lut^erifc^en ©emcinbe f)at er nad^ allen ©eiten l^in Iräftig m Wai)xm 6
jetüufet. 35abei bemühte er fic^ übrigeng reblic^, ben (Seift gegenfeitiger 3)ulbung unb
äncrfennung unter ben 3lmtgbrübem Derfd^iebener t^eologifc^er SRid^tung aufrecht ju er?
galten, toie er in ^anffurt feit bem 3lnfange beg 19. ^a^r^unbertg ^eimifc^ geioefen toar.
aSie erfw^ alfo in feiner J)farramtlic^en I^ätigfeit bemühte, ba^ SSerftänbni« jtoifc^en
öcn berfc^iebenen lirc^Iid^en ^arteien ^u förbern unb überall Dermittelnb unb fd^Iic^tenb lo
nnjugrcifen, fo jie^t fic^ eine ö^nlid^e ^^enbenj auc^ burc^ feine litterarifc^e il^ätigfeit
^inburc^. 3>f^ ^"^ f^i"^ Sc^riftau^Iegung feineötocg« gebunben an bie fi^mbolifc^en
Schriften, fielen i^m bie Slefultate nid^t Don Domberein um be« 93elenntniffe« h>iHen feft,
mtfernt er fic^ Dielmel^r mannigfad^ aug bem (Seleife ber firc^Iid^en 2:rabition, fo jeigt
er anbererfeitg bei aitter greimütigfeit unb Söeit^erjigfeit eine entfc^iebene Slbneigung i6
gegen eine nur jerfe^enbe Äritif. ©o toar feine t^eologifc^e SRic^tung, ioenn auc^ nid^t
im lanbläufigen ©inn, hod) in ber beften Sebeutung eine pofitiDe ju nennen.
®g toar ©tei^ nic^t befc^ieben, nad^ ber reichen Slrbcit feine« 2ä)m^ nod^ einen ftitten
geierabenb ^u genießen, ^m grül^jal^re 1878 erlranfte er unb nac^bem er Dergeblic^ in
jtoei 33äbem Teilung gefugt, traf i^n im 2)e^ember be« ^ai}xt^ ein ©e^imfc^lag, ber fo 20
jerrüttenb toirfte, bafe bie am 19. Januar 1879 erfolgenbe 2luflöfung in SBa^r^eit ate
griöfung erfc^einen mufete.
3Jon feinen 3lrbeiten feien l^ier in erfter Sinie ertüä^nt bie Beiträge jur SRefor-
mation^gefc^ic^te, toeil biefen ©tubien feine erfte Siebe iugetoenbet ioar, unb toeil er ^ier
oor allem förbernb eingegriffen l^at. 3)ie einfc^lägigen 2lb^anblungen fmb meift im 3lrq>ib 26
unb ben ÜRitteilungen be« gran!furter älltertum^Dcrein« Deröffentli^t, jum leil aber auc^
in ©ejjaratabbrüden erfd^icnen.
3Bir folgen bei Slufjäl^Iung ber arbeiten am einfad^ften bem (Sänge ber gefc^ilberten
Sreigniffe. 3n bie ber ^Reformation unmittelbar borau^e^enbe ^Äi berfe^en un« bie
tultur^iftorifc^ intereffanten ß^ronifen ber beiben granlfurter Sem^arb uno ^ob Slol^rs ao
bad^, tocld^e ©tci^ herausgegeben ^at (3lrd^it> II, 1862 unb III, 1865). SBic^tiger für
Den ll^eologen ift feine Sarfteßung beS ,,©treite« über bie unbefledte (Smj)fängnig ÜRariä
im Sa^re 1500", bei ioelc^em ber Dolfötümlid^e granf furter ©tabtj)farrer §enfel eine
toid^tige Solle fj)ielte (3lrc^iD VI, 1877). 3)ie grage, tüie e« möglid^ mar, bafe bie neue
l'e^re fo rafc^ in ^ranffurt ©ingang fanb , toä^renb furg bor^cr noc^ böHige ©tiHe m 35
^errfd^en fc^ien. löfte er in ber äb^anblung: „JReformatorifc^e ^erfönlicbfciten, (Sinflüffe
unb Vorgänge in ber SReid^Sftabt ^ranffurt a. 9R. Don 1519—1522" (^rc^iDlV, 1868),
in tüeld^er bie ©eftalten gtoeier ^eunbe §utten«, ber ^atrijier 2lmoIb (Slauburger unb
ip^ili^^ gürftenberger, ber ©eiftlic^en (So^Iäusf unb 3o^anneS ab S^^^^^öi"^/ f^^ie be«
»Ritter« §artmut^ Don Äronberg, genauer beleuchtet toerben. @r Derfafete ein SebenSbilb 40
oon 3öilf^elm liefen, bem erften SSorftel^er be« granifurter ©^mnaftum« — l^infic^tlic^
t)er 3)arftettung Dielleid^t ba« 9?ottenbetfte, toa« er ^interlaffen l^at (Strc^iD VI, 1877).
Mn tüelcber ©tätte Sut^er bei feinem boj)ipelten S3efud^e in granffurt 1521 jur Verberge
jetücfen, fotoic auc^, loo ÜReIand;t^on bei feinen Derf(^iebencn 3)urd^reifen fid^ aufgehalten,
ift mit Diel ©c^arffmn nac^getoiefen in bem auc^ für bie (S^ronologie jene« ^a\)x^ toic^^ 46
tigen Sluffa^e: „Die 5Re(anc^t^on«= unb Sut^^er^erbergen gu granffurt a. 3)1." (Sleu^
[al^rSblatt be« 21. 3[5. 1861).
©inige 2lrbeiten gelten h)eiter bem für bie Sieformation überl^au))t unb jumal für
Jranffurt fo bebeutfamen ^al)x^ \b2b. 3"^* erfd^ien: „©erl^arb SBefterburg" (2lrc^iD V,
1872, auc^ fejjarat abgebrudt mit anberen 3lrbeiten in ben „Stb^anblungen ju %xanU 00
fürt« 9leformation«gefc^id^te", SDrutferei Don 3lug. Dfterriet^ 1872). SBefterburg, ein
Jreunb Don Äarlftabt unb biefem an (S^araftcr unb ©efinnung ä^nlid^, erfc^eint banad^
3l« ber §au^)tleiter ber Semegung ber 3«nftc in granifurt, toelc^e minbeften« ben einen
Srfolg fKitte, baf; bie freie ^rebigt be« (gDangelium« Dom SRat geftattet toarb. 3Rit
5ro|er 9Jlü^e ift ©teife ben gerftreuten ©^)uren ber SBirffamleit biefe« bi« bal^in faft 65
oöHig unbekannten, „fremben 2)oItor« unb eDangelifc^en 2Ranne«" nachgegangen. 93alb
:>anad) Deröffcntlic^te er auc^ bie JQueHen, au^ benen er ba« Staterial gefd^öj)ft. S)a«
Jieuja^röblatt be« a(. 3J. 1875 brad^te eine mit ßinleitung, Slnmerfungen unb nac^träg-
[i^cn (Erläuterungen Derfef^ene SluSgabe be« „granffurter Slufrul^rbu^«", ioeld^e« eine
[eibenfc^aft«lofe 3)arfteHung jener ©r^ebung entlS^öIt unb toa^rfc^feinlic^f im 3luftrage be« eo
ffttaU^nct^nopähit ffit Z^eoIoaU imb ftit^c 8. V. XVin. 5I
802 (Sm
fRaM bom SRat^fc^rciber SMarftcHcr abgefaßt iDurbe. 3Jlit bcfonberer ©orgf alt tft er bem
Icjtc ber Don SBcftcrburg berfafetcn 46 ärtifcl nac^gcgatiöcn, toelc^c für granffurt dm
ä^nlid^e Scbeutung l^atlcn, tote bie befannten 12 ärtifel für bie Säuern ©übbeutfc^Ianb^.
Salb folgte auc^ bie Seröffentltc^ung be^ )Don Äanonilu^ Äöntgftein am Stebfraucnftifte
6 gefc^riebenen lagebuc^e^.
3toei anbere äb^anblungen berfe^en un^ in ba« ^af)x 1533, in tocld^em ber fett
1525 beginnenbe (Sinfluf; ber jtoinghanifc^en ^räbifanten ÜKelanber unb älgeöbeimer
feinen ^öbejjunft erreid^te, um bann rafc^ gu fmfen: 1. ,,be« Sector« aRic^IIuö äbjug
Don granlfurt 1533 nad^ feinen bi^^er unermittelt gebliebenen Urfac^en" — 2. ,,2utlKr^
10 SBamung«fc^rift an SRat unb ©emeinbe ju granffurt 1533 unb 3)iont^ftu^ 9ReIanbas
äbfd^ieb bon feinem ämte 1535" (ärc^ib V, 1872). SBie bann nac^ bem SBeggonge
jener beiben gelotifc^cn 3Jlänner bie urf^irünglic^ jtoinglianifc^ gerichtete (Stabt aümäblit^
jum Sutl^ertum übergeführt toarb, ift au^fü^rlid^ bargelegt in ber ©rftling^fd^rift öon
©tei^: ,,35er lutl^erifd^e ^räbicant §artmann S3e^er, ein 3^itbilb aug f^anffurt^ Äirttcn-
16 gefc^id^te im ^a^r^unbert ber ^Reformation", granifurt a. 3K. 33rönner, I. Slbtl. 1847,
II. 2lbtl. 1852. $ier ^at er bem unerfc^ütterlic^en ©lauben^mute einc^ feiner 2lbnen,
ber befonberg im £amj)fe um baö Interim ^erbortrat, ein g^renbenfmol aufgcricbtet
Slber neben biefem marligen Vertreter eine« entfd^iebenen Sutl^ertum« ^t er auc^ ben
^umaniftifd^ gebilbeten Vertreter ber 3JJeIand^t^onfc^en SRid^tung, ÜJlagiftcr 3^^annc9
20 6nij)iud änbronifu«, nac^ ungebrudten 2luf jeit^nungcn be^felben anjiel^enb gefc^ilbert unb
feinen Srieftoed^fel öeröffentli^t (ärd^ib I, 1860).
Slücfblicfenb auf biefe gal^lreic^en Beiträge ber granffurter Äircl^engefc^id&te müifen
luir bellagen, baf; tro^ fo vieler Vorarbeiten, benen fic^ aud^ bie berbicnftooUen liturgifAen
arbeiten \)on Äarl ßi^riftian Sedfer anreil^en laffen, no^ immer feine ©efc^ic^te bes
25 5JranIfurter Sirc^entoefen« ejiftiert.
SBir reiben ^ier fofort an bie Seiträge jur ^olemif.
3)en ainlafe ju feiner polemifc^en 3:^ätigfeit bilbeten bie 1852 in granlfurt gc^
l^altenen S^fwitenjjrebigten, bie auc^ Don ^roteftanten biel befuc^t tourben unb obne
^rage großen ©inbrud auf bie 3"^^^^ machten, ©tei^ Veröffentlichte gur SBiba-
30 legung ber Don ^ater 9lo^ enttoidfelten Setoei^rünbe für bie Dl^renbeic^tc eine
Srofcl^üre: „SBie betoeifen bie ^efuiten bie ^Rotioenbigfeit ber Dl^renbeic^te?" granffurt,
Soelcfer 1852. ©tei^ l^atte in feiner Srofd^ürc ben 9Jac^h>eig geliefert, bafe bie Dbren-
beid^te, toie fte feit ^nnocenj III. galt, leineötocg« Don Slnfang ber Äird^e beftanben bobc.
dagegen erfc^ienen nun in 3Jlainj „Äat^olifd^c SRanbbemerhmgen ^u einigen erfcfcci^
35 nungen ber antifat^olifd;cn Sitteratur" (Don Dr. SWori^ Srüll), toel^en ©tei^ entgegen^
trat in einem 5Rac^trage ju feiner ©cbrift: ,,3)ie SDRainjer Saient^eologic ober »ergeblicf^e
Äreuj- unb Querfuge gur 9?erteibigung ber pä))ftlic^en D^renbeic^tc", granifurt bei
SSoeWer 1853. 5Run aber trat ein beffer gerüfteter ©treiter auf ben Äamt)f}>la^, ba
nad^^er |^um 3(ltfat^olici«mu« übergetretene, bamal« aber noc^ ganj im ultramontanen
40 gal^rtoaffer treibenbe ^aberbomer ^rofcffor griebrid^ ÜRid^cli« in ber ©d^rift: „9lbh>ebr
be« t)on $errn ®eorg gbuarb ©tci^, cb.4utl^. ^Pfarrer in granifurt a. 3K. auf bie
latbolifc^c Seid^tanftalt gemad^ten Slngriffö", ^aberborn 1853. ©tei^ antwortete aue--
fül^rlic^ in einer grünblic^cn 2trbcit: „2)ag römifd^e Sufefaframent nai^ feinem biblif(bcn
®runbe unb feiner gcfc^ic^tlid^en ©nttoitflung bargefteßt unb fritijc^ beleuchtet", %xanl
45 fürt a. 3W., 5Boelcfer 1854.
SDiefen polcmifd^en ©d^riften fc^loffcn fid^ balb bogmcngcfd^id^tlic^e Strbeiten über
bertoanbte fragen an. Um jcne3^it tourbe auf bem Sremer Äird^entage bie grage an-
geregt, ob man nic^t bie ^ribatbeic^te mx §ebung be« lird^lid^en Seben« toieber^erfteöcn
füHc. 3)ie« beranlafete ©tei^ jur 2lbfa)fung einer Weiteren ©cj^rift, in ber er fici^ gegen-
50 über ber neulut^erifc^en 9flicl>tung gegen bie SöicberberfteHung biefer gnftitution au^fpracb:
,,3)ic ^rit)atbeid(>tc unb $rit)atabfolution ber lutbcrifc^en Kird^e au« ben Duellen be»
XVI. ^a^rl^unbert« au« Sutl^er« ©c^riften unb ben alten fiirc^enorbnungen bargefteHt/'
granffurt a. M., SSoeldfer 1854. §ier Werben 42 fragen über bie« Snftitut au« ben
Ürfunben ber 9lcformation«,^eit in fafilic^er SBeife beantwortet, unb babei ein reiche« biftc-
56 rifc^e« Sltaterial jur Gntfc^eibung für ober Wiber bargeboten. SSon nun an fing ©tei|
au, „fic^ im ©ebiete ber ©aframente ganj anf äffig gu machen". Wie e« in einer 5lecenru»n
Reifet. @r ^at bie Grgebniffe feiner ©tubien unter anberem in mehreren fefar umfang=
reid^en 2lrtileln ber ^Weal=6nct;llopäbie nicbergelcgt, unter Weld^en befonber« ber ärtifcl
„©aframente" ^ertoor^u^eben ift.
60 Sei biefen Untcrfu(^ungen l^atte ©tei^ bie Se^rentWidfelung im Slbenblanbe faft au^
eteU; 803
fd^Itegltc^ im 3(uge, [o ba^ babet bte eigentümlichen ®ebanlen ber griec^ifc^en Xl^eologie
nic^t ^n il^rem Siechte famen. ^a e^ in SSejug auf bie leiteten noc^ böQig an SSor«
arbeiten fehlte, untemal^m er ^, in einer längeren ©erie bon fortlaufenben älrtifeln in
bcn ^t)Xf) (1864—68) „bie aibenbmol^telel^re ber gried^ifc^en Äird^e" in ber Kontinuität
il^rer Se^renttoiielung Dorjufül^ren. 35iefe STb^anblung mit il^ren 500 ©eiten ift too^I 5
bie umfangreic^fte ÜMonogra})^ie bie je in einer beutfd^en t^eologifc^en 3^itfci^rift erfd^ienen
ift. ^m ©egenfa^e m berfd^iebenen SJerfuc^en, jenen bogmatifc^en ^rojeft bom Ion*
feffioneHen ©tanbjpunfte barjufteHen, fc^ilbert er feinen ©tanbj)unh in folgenben SBorten
(1864, ©. 112): „2)er Dogmen^iftorifer i)ai bie ©tettung au^gumitteln, toelc^e bie ein«
gelnen Kirc^enle^ren aU organifc^e @lieber in bem @anim ber @ntn)idfelung einnehmen, lo
©einen eigenen fonfeffioneHen ©tonbbunft mufe er jtc^ babei auf ba^ forgfältigfte ber«
l^ütten unb entrücfen. Db eine gefcpic^tlic^ gegebene 3lnfi(^t mit biefem gufammentrifft
ober nic^t, barf i^n ioeber jur fjreube nod^ jur Iraner ftimmen ; benn bie ©efc^ic^te fott
toeber get)riefen nod) beilagt, fonbem begriffen ioerben". 3)a^ ßnbergebni^ ift, bafe bie
^(nfcbauung ber @riec^en jtc^ bi^ jur @rric^tung bed lateinifc^en ftaifertum^ nid^t mit i6
ber 2;raniSfubftantiation bedt, fonbem Dielme^r ben Slamen Transformation berbient,
unb bafe erft burc^ bie Florentiner UnionSber^anblungen bie juetavoicootg in ber orien*
talifc^en Äirc^e ©ingang gewonnen f)at — toomit bie fel^r beftec^enbe 33e^auj)tung
römifd^er Dogmatifer, als muffe jene Seigre fc^on bor ber 3:rennung beiber Äird^en im
3Korgenlanbe beftanben l^aben, hinfällig toirb. ao
3[n baS ©ebiet ber ©afeamente fc^lagen ioeiter ein bie äuffä^e über „bie S3u6*
biSjij)lin in ber morgenlänbifd^en Äird^e in ben brei erften S^^^^i^^unberten" (3b3^ 1863,
©. 91—184) unb über ben neuteftamentlic^en Segriff ber ©c^lüffelgetoalt (©tubien 1866,
©. 435—483). Sn le^terer äb^anblung berfuc^t er fid^ auf ainlafe einer früher {^t)%f) IX,
©. 782) burc^ i^n angezeigten ©(^rift bon Sl^renS: „3)aS ämt ber ©d^lüffel" bon neuem 26
mit bem ^ier borliegenben Probleme ber bibtifd^en i^eologie. 6r ft)ric^t fid^ auS gegen
jebe ©d^eibung gtoifc^en ber ©d^lüffelgetoalt einers unb ber Sinbe* unb Söfegetoalt anberer«
feitS, ioie er fie felbft frül^er angenommen unb erflärt, bafe bie SluSbrüdfe „Sinben unb
Söfen" entf})rec^enb bem rabbinif^en ©jjrac^gebrauc^f bie Sebeutung ^aben: „ßntfc^eiben,
n>aS ate berboten unb erlaubt ju gelten f)abt/' fo ba^ bie SBäenbung 2Rt 16 nur ein ao
2(uSbrutf für bie gefe^ebenbe unb ric^tenbe (Seloalt, nic^t aber für bie SBolImac^t ber
©ünbenbergebung fei.
3n baS (Sebiet ber 3)ogmengef(^tc^te gehören ferner feine meiftcn übrigen 3lrtilel in
ber ®ncvfloj)äbie. 3)ie älrtilel: S^fw^t^^^orben unb ÜJlaria, 3Rutter beS §erm, fmb ben
lat^olifd^en ^olemifern befonberS ein Dom im SÄuge getoefen (bgl. beutfc^^ebangelifc^e 35
»lätter 1883, ^cft IV, ©. 275: „ßine t^atfäc^lid^e Berichtigung ju ^anffen: an meine
Äritifer"). Unb boc^ ^attc ©tei^ gerabe ben S^fwJten Gegenüber ferne toiffmfc^aftlid^e
Unbefangenheit betoiefen in einem äluffa^e über „3)ie Söebeutung ber mittelalterlichen
gormel obKgare ad peccsatum mortale" (3b3^ 1864, ©. 146—164), in bem er nad^»
loeift, bafe biefe nic^t nur bei bem ^^fwitenorbm gebräud^lid^e SBmbung leineStoegS bie 40
S}erj)flic^tung ju einer Xobfünbe bebeuten fönne, toie bicle angmommen Ratten (bgl.
auc^ ©i4)plementbanb XIX, ©. 671).
SßJirfc^liefientoeiter an bie Seiträge bon ©teife jur'neuteftamentlic^enginleitungSs
toiffenfc^aft. ^n mel^reren Slrbeiten ift er für bie gc^tl^eit beS ^oi^önneSebangeliumS
gegen bie Xübinger ©c^ule eingetretm, bie er jtoar nid^t burc^auS befäm^)fte, inbem er 46
i^re loefentlic^en Serbienfte um bie Söiffenfc^aft too^l ^u toertm toufete, an ber er aber
bie ©ud^t „JU fc^ematifieren unb ben gefc^id^tlic^en ©nttoiielungSgang nac^ logifd^m
Äategorien ju beftimmen" getabelt l^at. ^^\t griff er ein in ben feit lange fc^toebmben
©treit burd^ bie Slbl^anblung: „2)ie 3)ifferenj ber Cccibentalen unb ber Äleinafiatm in
ber 5ßaffa^feier", ©tubien 1856, ©. 721—809, in toeld^er er bie Se^uj)tungen bon 60
aSei^el („2)ie c^riftlic^e 5ßaffa^feier ber brei erften S^'^if^wn^^^'Oj toelc^er brei ber=
fc^iebene Parteien annahm, im toefentlic^m ju begrünbm fud^te, an einigen $unltm aber
mobifijiert ^at. Sluf eine gegen i^n gerid^tete 2lb^anblung 33aurS folgten „®inige ioeitere
Semerfungen über ben ^^affal^ftrcit beS 2. ^a^r^unbertS" (©tubien 1857, ©. 747); unb
auf jtoei 2luffä^e bon ^ilgenfelb unb eine 9iej)lif bon Säur bie britte älb^anblung in 66
biefer ©ac^e: „2)er äft^etifc^e ß^aralter ber ßuc^ariftie unb beS g^^ftenS m ber alten
Äirc^e" (©tubien 1859, ©. 716—740). ©tet| fuc^t ^ier bm Slac^toeiS ju liefem, bafe
bie Äleinafiaten am 14. 9Jtfan ß^rifti lob als ben äbfc^lufe beS ©rlöfungStoerfeS bur(§
Scfc^lufe beS bem ©ebäc^tniS feiner Seiben getoibmeten gaftmS in freubiger SBeife ge^
feiert ^ättm. 2luf biefelbe grage lam er noc^f ein le^teSmal jurüd in bem Sluffaft: eo
51*
804 ®tri^ Steti^att I., ^op^
,,3)er ß^araltcr bcr tlcinafiatifd^en Äird^c unb gcftfitte in ber 3Ritte bcö 2. S^W^"^^^"
föbSC^ 1861, e. 101—141).
ßinc anbete ÄontroDerfe, an ber ftc^ ©tci| beteiligte betraf ba^ fog. ©elbftjeugni^
bcö ©Dangeliften ^o 19, 35. gn ber äb^anblung „Über ben ®ebrau(^ be« »ßronomenö
6 ^xervoff im 4. gbangelium" (©tubien 1859, ©. 497—506) tritt er für aBct^el ein,
tüelc^er bie ^bentität be« ©bangeliften unb beö äugenjeugen für ben natürlicben ©inn
ber SBorte erllärt f)atU, ^n einer jtDeiten arbeit „Der claffifc^e unb jo^anneift^e &<-
braud^ be« ixelvog'' (©tubien 1861, ©. 267—319) toeift er bann gegen §UaenfeIb unb
Suttmann eingel^enber nad^, ba^ jcmanb unter getoiffen SBorau^fefeungen f\^ felbft mit
10 ixeivog bejeic^nen lönne. SDie jo^anneifd^e %xaQ^ toirb auc^ einge^enb be^anbclt in ber
SKbl^anblung: „S)eg ?paj)iaiJ bon $iera^)oli« äu^Iegung ber SReben be^ ^ctxn'' (©tubien
1868, ©. 63—95). §ier fud^t ©tei$ befonber« nac^julueifen, bafe ^^ßapiad, toie fion
©ufebiu« annimmt, nic^t ein §örer be^ äipoftete, fonberiJ bei^ ^ßre^bi^tcre So^nne^ gc=
luefen fei, toobei er bie Don ^ai)n be]^auj)tete S^^ntität beiber beftreitct. 3" ^^^ ä"^'
16 fa^e: „2)ie 2;rabition Don ber Söirifamleit be« äJ)ofteI ^oi^anned in @pf^\u^" (©tubien
1868, ©. 487—524) tritt er für bie guDerläfftgleit biefcr Don Äeim bcfäm^jften Uba-
lieferung ein. §ier mad^t er übrigeng bem ®egner ba^ 3.i*geftänbnig, bafe er bie ^age
nac^ ber jol^anneifd^en Slbfunft be« (SDangelium« auc^ je^t no(^ für ungelöft baltc.
5Bie loenig ©tei^ überl^auj)t geneigt toar, in biefer ©ac^e SBaffen Don jtoeifelbafton
20 äSerte ^u gebrauchen, toie fe^r c^ i|m um eine unbefangene gorfc^ung ^u t^un tüäx, be-
loeift fein Sleferat über bie )Don ^itra ebierte Clavis Melitonis, „ba« angebliche 3^3^
ni« be« 3KeIito Don ©arbe« für ba« jo^anneifd^e ©Dangelium" (©tubien 1857,
©. 584—596), in toeld^cm er bie Uned^tf;eit biefer erft im 3RitteIaIter cntftanbencn
©d^rift betoiefen l^at
-6 Slu^erbem toar ©tei^ ^Mitarbeiter mel^rerer Äirc^engeitungen foloie ber „aiffgemeincn
beutfc^en Siogra^)l^ie", für bie er ba« Scben mcf;rerer berDorragenber ^anffurter $erföm
lid^feiten gefc^ilbert l^at.
©d^Iie^Iic^ ift noc^ ju erloäl^nen, ba^ er auc^, abgefel^en Don ber granffurtcr
SReformation^gefc^ic^te, manche SSerbicnfte um bie Sofalgefc^id^te ber ©tabt ficb ertoorbcn
30 bat. ©enauere« barüber gel^ört nid^t in ben SRal^mcn biefer ©fijje ; l^^ier feien nur
^erDorgel^oben baö Seben^bilb Don ©taat^rat ©tei^, feinem (Sro^o^eim, unb bie Sio^
graj)l5>ie be« ©efc^id^t^fd^reibcr« ^^farrer 2lnton Äirqner. Dr. phil. bedient
©tc^Iian I., $aj)ft (3Jlai 254 bi« 3luguft 257). — gaff^ I, 8.20; Euseb. H. e.
VII, 2 ff.; Lib. pont. I, (5. 33 ber ^luSg. ü. ^OJommfen; ^^wci Briefe C£l)priand an ifjn in beiden
85 ^rieffantmlung (ep. 68 u. 72). fiipfiu^, Stironologic ber röni. ^ifcf)5fc 3.212; Sangen.
®efd)ic^tc ber röm. tircfie ©.313; ^arnac!, (öefd). b. altdjr. Sitt. I, 6.656, II, 2, S.t32,
356 ff., 411; (Srnft, $apft >Stept)an I. unb bcr Äc^ertaiifitreit, 1905; f. auc^ bie l*itterQtu:
beim ?lrt. Äe^ertaufe S3b X 6. 270.
©tejj^an I. ift einer ber toenigcn unter ben früheren römifc^en S3ifd^ijfen, Don bacn
40 $erfönli(^Ieit fid^ eine einigermaßen lebenbige SSorftcHung gewinnen läfet: ein 9)?ann floi,
f onfequent, felbftbelou^t unb rücffic^tölo^, bebac^t auf bie Jpebung ber ©tettung ber Sifcböfe
im aHgemeinen unb ber eigenen ©tcHung al^ römifc^er Sifc^of inebefonberc. 2)ie erfte
3iüdfi^t beftimmte fein Ser^alten gegen bie 93ifd^öf e Safilibe« Don (Smerita unb 9)fartiali5
Don Segio unb Slfturica unb beren (Semeinben, Dietteid^t auc^ fein 3*^0^^^ gegenükt
45 bem noDatianifd^ gcfinnten 5Utarcianuö Don Slrleö (Cypr. ep. 68, ©. 744 f. ber SlUcncr
aiu^gabc). 2)ie genannten fpanifc^en Sifd^ijfe toaren notorifc^ libellatici unb lourbcn
infolge beffcn i^rer 3imter entfei^t. ^n orbnungömä^iger aSeife tourbe bann ein getoiffcT
©abinu^ ;ium Sifd^of Don Gmcrita getoä^It. 2)ie Slbgefe^ten aber a^jjjeHierten an ©tepKm
unb biefer fam auf ben einft Don ÄaHiftu^ aufgefteUten ©runbfafe (Philos. IX, 12,
&o ©. 458) ;;urüd, bafe ber Sifc^of unabfe^bar fei, unb erfannte bie Slbfc^ung beiber nid»!
an. 6^ fc^cint jebod^ nid^t, ba^ er burc^jubringen Dermod^te; bie ©Danier erfuc^ten bie
3tfrifancr um ein ©utac^ten unb bicfc erflärten fic^ fo entfd^ieben für bie Slbfe^ung,
ba^ jene fc^toerlic^ ibren ©taubpunft Derlaffen l^aben loerben (Cypr. ep. 67, ©. 735f.
Über bie i)atierung f. «f)arnacf II, 2 ©.348). 9Benn fc^on l^ier 6^j)rian DonÄartba^c
55 ben SBeg ©tep^an^ frcujte, fo fam eö jum Äampf unb Srud^ jloifd^en beiben ^Hiänncm
über bie grage ber Äe^ertaufe. !^nbem ic^ für baö ©ac^Ud^e be^ ©treitcö auf ben
airtifcl Äe^ertaufc S3b X ©.270,47 (Dgl. auc^ ben Srt. g^i^rian 93b IV ©.371,57)
Derioeife, bebe idh ^icr nur ba^ b^rDor, ioa^ ^\\x (Sb^rafteriftif ©tep^an^ unb feiner ^xiU
bient. Si^cnn (Si^prian in bcgreiflicf^er ^"lonfequenj jloar bie -i&Jiebertaufe ber Äc^er al»
eteti^on I., ^iMifi SUpffan IL, ^opfk 805
notlDcnbig forbertc (ep. 69 ff., ©. 749), e« aber Sif^öfen, bie anbercr Überzeugung toaren,
nic^t üertpc^ren tooUtc, i&äretifer obne 3^fe m bie ©emeinbe aufjunel^men (ejp. 69, 17,
©. 765; ep.72, 3, @. 777; ep. 73, 26, ©. 798), fo toar ©te^j^an ganj anbererSKeinung;
er verlangte au^na^m^Io^ Unterlaffung bcr SBtebertaufc unb bob bie Äirc^engemeinfc^aft
mit benen auf, tDeld^e anber^ b^nbelten (Cypr. ep. 74,8, ©. 805; ep. 75, 6, ©. 813; 6
25, ©.826 f.; Eus. h. e. VII, 5). ßine ©efanbtfd^aft bon afrilanifc^en Sifc^öfen
na^m er bemgemäf; über^au^jt nic^t an, \a er Derbot ben römifc^en ©emeinbegliebern jte
aud^ nur ju beherbergen (ep. 75, 25, ©. 826). ©ein (Srunb mar, bie Äe^ertaufe fei
eine Steuerung, fte Derftofee gegen bie Überlieferung ber römifc^en Äirc^e, biefe Überliefe*
rung aU bie be« betrug unb $aulug aber jei ®efe$ für atte (ep. 74, Iff., ©. 799 f.; lo
4, ©. 802 ; 9, ©. 806; ep. 75, 5, ©. 813; 17, ©. 821; 19, ©. 822). ©le))l^an be*
anft)ruc|^te alfo noc^ nic^t bie ©teUung eine« Dberbifc^of^ über bie (Scfanitfird^e, beffen
ßntfc^eibungen überall ßJe^orfam ^u finben ^aben; aber er, ber Slad^f olger be« $etru^
(ep. 75, 17, ©. 821), ^anbelte ateSSertreter ber römifd^cn ^irabition unb für fie forberte
er ©e^orfam, o^ne abtoeic^enbcn Übungen unb Vernunft- ober ©d^riftgrünben irgenb is
h^elc^e^ ©etoic^t bagegen einjuräumen.
&ttpf)an ftarb am 2. Sluguft 257; erft ft)ätere2lngabenh)iffen Don einem SKarti^rium
(Lib. pontif.), fmb jebo(^ unglaubloürbig. ^aiti!.
Sitpffan II., $aj)ft, 752—757. — C^auptquelfe ift bie Vita Stephani IL tmLiber
pontific I, @. 440 ber ^^u^Sgobc ö. 3)ucöcÖnc, fobonn bie im Cod. Carol. entgoltenen 93vicfc 20
te^ ^Qpftö ; öon ben frönt. ClucQen ift am njid^tigftcn bie Sortfc^ung bcr S^ronit grcbegarg.
3aff^ I, ©.271 f.: ©idcl, Acta Carol. II, 3Bien 1868, @.380f.; 33ö^mer--^ül)lbad)er, Re-
gedta imperii I, Snndbrucf 1889, 8. 82 ff.; \). SRonfe, ©cltacfd). V, 2 l*cipjia 1884, ©.27 ff.;
ÖJrcgoroDiu^, ®efd^. b. ©tobt SRom im Wi. U, ©tuttgart 1859, ©.304 ff.; JRcumont, ®cfd).
bcr ©tabtgflom II, 93crlin 1867. ©. 113ff.; «ajmonn, 3)ic ^oliti! b.^öpftc I, (Slbcrfclb 1868, 26
©.233 ff.; rnttenbod), ®cfd)id)tc beö römifdicn ^apfttumd, 93erlin 1878, ©.37; Sangen,
®cfd)i(^tc bcr rümifd)en Äircbe, JBonn 1885, ©. 649 ff.; gicfcr, gorfcöungcn jur SReidjg* unb
$Red)tö9cfc6i(^te 3tQlienä II, gnndbrud 1869, ©.329; OclSncr, gaftrbb. bc8 frönfifdjen JReid)«
unter Slönig ^ippin, Seipj^ig 1871, ©.115; Kaufmann, ^eutfd)c ®efrf)ic^tc II, fieipjig 1881,
©.291; $>aucl, ft® 3)eutic^lanb§ IP, 1900, ©. 17ff.; \). ©t)bcl, AI. l)iftorifd)e ©d)riften ao
III, Stuttgart 1880, ©.67; (iJenelin, 3). ©AentungSöcrfprecöcn unb bie ©Äcnfung ?5ippind,
'äSicn 1880 ; Xftelen, 3)ic ßöfuni] ber ©treitfrage über bie 93cr^anblunflcn ^ippin^i mit
©tep^on II., Oberläufen 1881 ; 9)iartenß, 3). röm. gragc unter ^ipptn u. äcixl b. ®r., ©uttg.
1881, ©. 6 ff.; bcrf., 9?eue (Erörterungen 5. röm. fjragc, ©tuttg. 1882; berf., SBelcud)tung ber
neueften itontrouerf., ^Hind)en 1898; -lipirfd), ^ic ©djenfungen $ippin§ u. Ataris b. ®r., ^Berlin 86
1882; öampredjt, 3)ic röm. tixac[t, i^eip^ig 1889; ©d)niirer, 2)ie entftcftung be« Äirt^enftaat*,
Äöln 1894; fiinbner, 3)ie fog. ©djcnfungen ^Mppin^, Äarlö b. ÖJr. u. Ctto^ I., ©tuttg. 1896;
fetterer, Slarl b. ©r. u. bie Äird)e, 3Jlünd)en 1898; fiilienfcin, Xic ^(nfdiauungcn \)on ©taat
unb Äird)e, $>eibelb. 1902, ©. 8 ff. ; ©c&nürer u. llHüi, 3). Fragmentiim Fantuzzianuin, greiburg
1906; ugl. auc^ MG DK I, ©. 55 ff.; ^JMe^uö ^3^0 II, ©. 221; ©eilanb, 819?, 3^& II, ©. 368; 40
JJunf, 2:^D©, LXIV, ©.603; ©d)cffer=33oid)orft, m^&&, V, ©.193; Äc^r, ^3, LXX,
6.385; (4Jg9l 1895, ©.694 u. 1896, ©. 128; ed\auht, ^3. LXXII, ©.193; ©irfel, 2)3®©
1894, ©. 301; ©adur, 3J13CÖ). XVI, ©.399 u. XIX, ©.55.
9iac^ bem 2:obe beg ^ad^aria^ (22. ober 23. ÜKärj 752) h)ä^lte ba« römifd^e Soll
einen ^re^b^ter ©te^^an ^u feinem 9Jac^f olger, ber jebodp am vierten %aQ nai) ber SBa^I, 46
nod^ e^e er int^ronifiert toar, ftarb. 3"f*^l9^ 't>^f\^n >)flcgt man i^n nic^t xu jäblen. 3^
feinem 9kd)folgcr tourbe aföbalb ein 3)iaIon ©te^)^an gehjä^lt; bie Äonfefration erfolgte
am 2. 3t))ril 752.
3)ic ^oliti! Bi^i}an^ loar bebingt burd^ ba^ 5Ber^ältni^ 5Komg ju ben Sombarben.
5}ac^bem GJrcgor III. bergcblid^ bei Äarl 3)iarteß $ilfe gegen ba^ Vorbringen berfelben 60
erbeten l^atte (Cod. Carol. ep. If. MGEE III, ©. 476 f.), War e« 3ac^aria^ gelungen,
nid^t nur ben ^rieben mit ben gefäl^rlid^en 9?ac^bam aufrecht gu erhalten, fonbem avai)
bie päpftlic^cn 3^ccf e i^nen gegenüber ju erreichen, o^ne bafe er nötig ^atte, frembe §ilfe
in Slnfpru^j ju ncl^men. ©ein lob aber hxai)iz fofort alle« ing ©^toanlen: bie Som«
barben l^ieltcn nun ben iÄugenblid für gefommen, um i^r alte^ 3^^^ ^i^ (Sinberleibung 66
ber tiefte griccbifc^er §crrfd;aft in Italien in il^r SReic^, ju bcrioirflicbcn. Stejj^an fap
fid) baburcb unmittelbar bebrol^t. ©c^on im britten 3)ionat nac^ feiner Crbination toar
er genötigt, eine ©efanbtfd^aft mit reicben (55efc^enfen an fiönig Sliftulf ju fenben, um
bie ^lufrec^ter^altung be^ ^riebenö ^u erlangen. 3)er ©clranbtbeit ber Unter^änbler —
c^ njaren ber Sruber be^ i'opfte^, ber 3)iafon ^auluig, ber 757 i^m in ber ^äj)ftlicl^en eo
jyürbe folgte, unb ber ^kimiceriu^ Slmbrofiu^ — gelang e«, Sliftulf jur 3"?^0^ ^^"^
bieräigjä^rigcn griebcnsJ ju beftimmen. Slber ber SSertrag tourbe atebalb jerriffen: ber
806 Steti^an II., ^o)ifi
Äönig cr^ob Slnfpruc^ auf btc $ertfc^aft in 9lom unb bcm römtjd^cn 3^ufal; fc^on im
Dftobcr 752 mu^tc eine, neue grieben^gefanbtfd^aft an 'if)n abgcjanbt toerbcn. ©te})b<m
tväi)lU al^ Solen bie Stbte jhjeier auf lombatbifc^em ®ebiete gelegenen Älöfler, aber
3liftulf crfannte fie gar nic^t al^ (Sefanbte an ; er fc^icfte fic in il^reÄlöfter gurücf, inbem
6 er i^nen Derbot, ftdb ju ©tep^an ju begeben. 5?ic^t mel^r eneid^te ein faiferlic^er Seamtcr,
ber ©ilentiar 3i^(^önne^, tüeld^er eben in fRom eingetroffen toar unb fic^ öon ba ju
3liflulf begab. 3)er $aj)ft mufete erfennen, bafe er einem gu allem entfd^loffencn geinh
gegenüberftcl^e. 3)a^ gan;\e 5Berfa^ren 3liflulf^, bie Slufeerungen, bie t>on i^m überliefert
tüerben, atf^men eine (Erbitterung, tüelc^e, nac^bem er eben bie 3w|^9<^ ^^"^ langen
10 griebenö gegeben ^atte, ßrftaunen erregt. §atte er ®runb, ber 2reuc be^ ^aj)fteö ^u
mißtrauen, unb mar baburd^ ber ©rimm beg gornmütigen Äönig^ erregte* 6^ ift n\d)i
unmöglid^; benn ©tej^^aniS ^olitil tüar in jeber ^inftqt boppeijüngig. ®oc^ toie bem
auc^ fein mag, feine Sage toar bie übelfte; er IJ^ielt ^rojeffionen unb ©otte^bienfte, um
bie göttliche .öilfe ^n erflehen, er fc^idte Soten nac^ Äonftantinopel mit ber Slufforberung,
16 ber Äaifer foÜe ein §eer fenben, um 9lom unb Italien ju befreien. @ö toax eine Sitte,
beren 3*^<^tflofigfeit er fic^ \voi){ felbft nic^t berl^e^lte.
3;n biefer Sage, grü^jalj^r 753, hjieber^olte ©tep^an ben SSerfud^, ben ©icgor III.
Dergeblid^ gemacht ^atte: er fud^te §ilfe bei ben granfen. SBie l^attcn fic^ boc^ bie
Ser^ältniffe 5Komg mm granfenreid^ injmifd^en beränbert. ^n ftetem ^erlc^r mit brei
20 $äj)ften j^atte Sonifatiu^ bie fiird^e im rec^t^rl^einifd^en 2)eutfc^lanb mäd^tia au^ebreitet,
bie fränlifd^e Äird^e auö ilj^rem tiefen Verfall erhoben. §atte Äarl 3Jlarteu t^n nur ge=
tpä^ren laffen, fo maren feine ©öl^ne auf bie fird^Iic^en ^kU be« t)ä})ftlic^en Segaten
eingegangen; fc^Iie^Iic^ trat ber greife (Srj^bifc^of mbm $iJ)J)in, ber auc^ bie Seitung ber
lird^lid^en 3)ingc in bie §anb naF?m, in bie gtoeite Sinie jurüd. Unb ^ij}>)in h>ar bem
26 j)äj)ftlid^en ©tu^Ie ber^jflic^tct ; 3öc^aria^ l^atte feinSebenlen getragen, mit ber geiftlic^en
Slutorität be« 9?ac^folger^ ^etri ben nottpenbigen, aber Siecht unb 3:reuc fränfenben
©d^ritt ju becfen, fraft beffen ^ijjpin bie Ärone trug.
®am anber^ mufete nun bie Sitte beö Raffte« um §i(fe aufgenommen tperben,
al^ breigc^n ^al)xt bor^er. 3luc^ toar ©tej)^an entfd^Ioffen, e^ nid^t toiebcr ju einer 'Hb-
30 lel^nung fommen ju laffcn. 3Jlan [xtljt e^ barau^, bafe er eine jjerfönlic^c 3^ffl"i»"cn-
fünft mit '^xppxn in Sorfc^lag hxai)U : er bat ^ij)j)in, i^n ju einem Sefuc^ be^ frönfifc^cn
SReid^^ burd^ eine eigene ©efanbtfc^aft aufforbem gu laffen. 9lur auf biefcm 3Sege
f onntc ber 9Biberfpruc^ Sliftulf^ bermicben toerbcn. ^m tiefften (Se^eimni^ fanbtc ©tepban
feine Slufforberung an ^ippin, ein rüdtfel^renber ^ilger toar ber Überbringer be^ pcip^
35 lid^en ©d^rcibensg. ^ippin fc^idftc fofort 3)roctegang, 2lbt D. 3""^^^^^ (Mon. Gemeti-
cense in ber 5?ormanbie) nad^ 9lom, er foHte bem ^apfte berfic^ern, ber Äönig n?erb€
allen feinen aBißen erfüllen, ©te^ban anthjortete burd^ einen Srief boll überftömenbcr
3)anlbarfeit (Cod. Carol. 4); jugleid^ fud;te er ber SereittoiHigfeit ber fränfifd^en ©rofeen
fic^ 3U öerfic^ern, er f))arte ;\u biefem 3^üede iüeber bie (Erinnerung an ba^ jüngfte ®ai(bt
40 noc^ bie Serl^eifeung ber ©ünbentoergcbung, irbifd;cn ©lüde^ unb be^ etoigen Sebcnö
(ib. 5). ^ann erf^iencn bon $i))pin unb ben fränfifd^en ©rofeen beauftragt (Paul.
Diac. de ep. Mett. MG SS II, ©. 268) be^g Äönig^ D^eim, Sifc^of (S^robcgang toon
3Jle^, unb ber 3)ue 2lutc^ar in 5Rom, um ben ^a>)ft nac^ bem ^ranfenreic^ j^u geleiten.
(Sben iüar öon Äonftantino^)el eine 3(norbnung eingetroffen, bie mit ber neuen Sichtung
45 ber Jjäjjftlic^en ^olitif iDenig übereinftimmte : <BUpl)an foüte ftc^ ))crfönlid^ gu 2liftulf
begeben, um burc^ gütliche Serf^anblungen bie §erauögabe StaDennad unb ber ©table
be^ (Jjard;atö an baö SReic^ }^u erlangen, ©tepban benü^te ben 2tuftrag, um freien
I)urc^3ug burc^ baö lombarbifc^e ©ebict |^u erreid^en. ^n ^abia traf er im 3iobember
75:] mit 3liftulf ^iufammen; bie ikrl^anblung über bie gried^ifd^e gorberung h)ar reful-
50 tatlov:^, aber ber Steife nac^ bem granfenreic^ legte ber Sombarbenlönig fein öinbemi^ in
ben jyeg, fo fc^r er loünfd^te, ber '^ap\i möge fic unterlaffen. ©r fc^eute fic| burd^ eine
Sä^cigcrung ben Sruc^ mit ^ij)})in gu Jjrobojicren unb verliefe fic^ loo^I auf ba^ gute
Scrbältni^, ba^ unter Sari -}3JarteII unb Siutpranb ^^jtoifd^en Sombarben unb granfen bc-
ftanbcn ^attc (Paul. Diac. Hist. Lang. VI, 52 f.).
66 2lm 15. 5}oücmbcr 75:3 brac^ ber ^ap\t bon ^^abia auf, er ging über ben grofeen
©t. Scrnbarb ; in ©t. ^}}?oriö in Sl^atti^ begrüßten ibn a(« Soten t>^ ßönigö 2lbt gulrab
t)on ©t. 2)cni^, bcffcn toornebmftcr Siatgcber in firc^lic^cn 3)ingen, unb ber 3)uj Sotbarb.
3(U er fid; "i)ii)?^>in^ ^oflagcr, baö fid^ in biefem äBintcr in 3)iebcnf^ofen befanb (Fred. cont.
30) näherte, fani i^m, t)on feinem i?ater gefanbt, ber junge Äarl, ber f^jätere Äaifer,
60 entgegen ; cnblid; am 6. 3^»"^^^ 751 trafen '^ippin unb ©tep^an bei ber lönigüd^en SSilla
&tpftan TL., ^opfk 807
?Pontton (Pontico, Pons Hugonis, jtoifc^cn Sitri^ unb Sar le 2!)uc, 35c)). 3Jlame) j^u«
fammen; in $ontion fanbcn nun bic Untcr^anblungen jiluifc^cn ^a))ft unb Äönig ftatt.
gränlifc^c Duetten laffcn ben 5ßa))ft im attgemeinen um $ilfe unb ©d^u^ gegen Sliftulf
bitten (Fred. cont. 36; Ann. Mett. j. 753, ©.44; Ann. reg. Franc, unb ®in^. j.
b. 3v ©• 10 u. 11); beftimmtcr etgä^lt bie vita Steph., er ^abe bie fränfifd^e Sinters 6
Dention gu ©unften be« ^I. 5ßetru^ unb bcr respublica Romanorum geforbctt. Sejog
ft(^ ba« erftere auf bie SRüdgobe be« Patrimonium Petri, fo toeit e« ber römifc^en
jftird^e entzogen toar, fo ging baö leitete Diel lueiter, babei toar an bie ^erau^gabe
SRabenna« unb be« ßjart^at^, aber, h)ie ber ©rfolg jeigt, nit^t an bie ©ried^en, fonbem
an ben 5ßat)ft gcbac^t, fotoie an ben SSerjid^t auf bie feiten^ SliftuIfiS in änf^rud^ ge^ lo
nommene §errfc^aft über SRom (bgl. Fred. cont. 36: ut . . . tributa vel munera,
quod contra legis ordine ad Romanos requirebant, facere desisterent unb V.
Steph. 6, ©. 441 : (Aistulfus) honerosum tributum huius Romanae urbis inha-
bitantibus adhibere nitebatur). 3)er $a))ft felbft f^ric^t bon ber Übergabe ber
römif^en Äirc^e unb beiS römifc^en SBolfö in ben ©c^u^ be^ fränfifc^en Äönigg (Cod. i6
Car. 8, ©.496 f.; 9, ©.499 f.; 10, ©. 503). 5ßit)J)in ging auf bie Oebanfen be«
5pa))fteö ein: er leiftete il^m baö eiblic^e 3Jerft)rec^en, omnibus mandatis eins et am-
monitionibus sese totis nisibus obedire, et ut Uli placitum fuerit, exarchatum
Ravennae et reipublicae iura seu loca reddere modibus omnibus (V. Steph.
c. 26, ©. 448. 20
ffiö^renb Bitptyin für ben SReft be« Söinter^ in ©t. 35enig feinen ©i^ nal^m, be«
gann ^\p)ß\n fein 3?erfj)red^en ju löfen burd^ älbfenbung einer (Sefanbtfd^aft an äiiftulf,
bie benfelben ju frieblid^er ©etüä^rung ber römifc^en gorbcrungen beftimmen fottte; fte
blieb refultatlo^ (Fred. cont. 36 f.; Ann. Mett. ©.45). 3lm 1. a)lärj 754 fanb bie
geluö^nlid^e ^ni^ja^r^Derfammlung ber Raulen ju Sernaco (Fred. cont. 37 ; Srennaco, 26
Ann. Mett. ©. 45; Srai^ne bei ©oijfon« ober Semv^SRiDiöre, 3)ej). äi^ne) ftalt, ber
an Dftem, 14. 2lj)ril eine jioeite aSerfammlung in ßariftacu^ (nuierji^ untoeit £aon) folgte
(V. Steph. 29). Stuf biefen SSerfammlungen iDurbe ber 33unb jtüifcpen Äönig unb ^apfl
burc^ bie ^uf^immung ber ©rofeen ratifijiert unb jur 2lugfü^rung benfelben ber Ärieg
gegen bie Sombarben befd^Ioffen. ^ft (ginl^arb (Vit. Kar. 6) ju glauben, fo fam ber ao
Sefd^Iuf; nid^t o^ne lebhafte Oj)j)orition ju ftanbe: ein2:eil ber ©rofeen bro^te ben Äönig
gu berlaffen unb nac^ §aufe jurücf jufe^ren. 3)er toieber^olte Suf^mmentritt ber (Sro^en
toirb fic^ aug biefcr ©c^loierigfeit erflären, fo baf; man nid^t mit 3)}arteng ©. 33 ff.
einen 3i^tum be« 93iograj)]^en anmnel^men l^at. 9?un fonnte ^ij)j)in ba^ in ^ontion
gegebene 33erft)rec^en in einer Urfunbe nieberlegen, bie in feinem, feiner ©öl^ne unb 36
ber fränlif^en ©rofeen 9?amcn au^geftettt tourbe (V. Hadr. 42, ©. 498). ®ie Urfunbe
ift ni^t erl^alten; fidler ift, bafe bie Am angefül^rte ©tette ber 33iograj)f)ie ^abrian^
i^ren ^n\)alt nid^t treu toiebergiebt. aber barübcr, toa^ fie cntlj^ielt, ge^en bic SWei*
nungen gur 3^^^ ^^^^ auöeinanber: mir ift am toal^rfc^einlic^ften, bafe fie fid^ enge an
bie Sitte unb ba^ 35erfj)rec^en Don ^ontion anfc^lofe, alfo: ©c^u$ unb Befreiung berio
römifc^en Äird^e unb be« römifc^en 5BoIfe«, ^erftettung ber ©ere^tjame be« 1^1. ^etrug,
SJüdfgabe ber Patrimonien unb be« ©jarc^atg Don 5naDenna. ^enn eine ßrtüeiterung
be^ SJerfprec^eng ift angefic^tg ber Dj)J)ofition ber fränlifd^cn (Srofeen gegen ba^ ganjc
Unternehmen fe^r unloa^rfd^einlid^.
2)er ^ap\i betoie^ feine 2)anfbarleit, inbcm er am 28. guli 754 in ©t.35enig 5ßij)t)in 46
unb feine beiben ©öl^ne ju Königen unb ju 5ßatrijiern SRom« falbte unb bie granfen
unter Scbro^ung mit Sann unb ^n^erbilt Der^flic^tete, nie einen Äönig j\u toä^lcn, e«
fei benn au^ ^x\>p\n^ ©efc^led^t (Dgl. ba« '^xa^m, Don 767 MG SS XV, ©. 1; Ann.
Mett. j. 754, ©. 45 ; Cod. Car. ep. 7, ©. 493). Die ©albung $i>)ping toar bie
loieber^olte feierliche 3tnerfennung feinet Königtum^, bie ©albung gum ^atriciu^ aber so
Derftebt man fd^toerlic^ rid^tig, toenn man ben ^aj)ft baburcb 5ßipJ)in biefen litel über«
tragen läpt: er l}ai ba^ fo toenig getan, aU er i^n jum Äönig macbte, fonbem ^ijjjjin
na^m ben 2;itel ^atriciu^ an unb fprad^ bamit au^, bafe er bie baucmbe $flic^t, 9lom
unb ben $aj)ft gu fd^üfeen, bamit freiließ auc^ bie Dberl^errfd^aft über 5Kom übernommen
l^abe. ©albte i^n ber $alift gum ^atriciu^, fo erfannte er i^n Don ©otte§ ioegen in feiner 66
©tettung an (Dgl. Ä® 5Deutfc^I. II, ©.21 f.).
Stiftulf l^atte bie ®efanbtfd^aft 5ßip^)in^ jurüdfgehjiefen. 3)oc^ el^e ber Ärieg au^brac^,
machte er nod^ einen SSerfud^, ^ij)j)in Don ©tej)l^an ju trennen, ©eit bem ^ai}x^ 747
lebte in "^talkn ali 3Könd^ Äarlmann, ^ij)j)ini^ S3ruber; er ging im auftrage 3lifhilf^
im grü^ja^re 754 über bie Slljjen, um an bie ©otibarität ber fränfifc^en unb lombar« co
t
808 Sitpffm TL., ^ap^
bifd^cn Sntcreffen, ioic ftc Äarl 3JlartdI unb £wt})ranb anertannt l^atten, ^n erinnern,
gm Sljjril traf er mit feinem Sruber in CluierjV jufammen; aber er tarn gu fpöt, um
ba^ ®efc^el^ene rü^gängig ju machen. 3(iftulf mu^te bie f^eftigleit bed Sunbee jc^on
barau^ ertennen, ba^ $ij)t)m feinen Sruber nic^t nac^ 3Ronte Gaffino gurüdffe^rcn liefe;
6 ein 5tlofter ju ^ienne tpurbe i^m gum Slufentl^alte angetDiefen, bort ift er nid;t lange
banad^ geftorben (V. Steph. 30, @. 448; Annal. reg. Fr. j. 753 u. 755).
S)er S3iograj)^ ©tqj^an^ erjäl^It noc^ bon mehreren Sotfc^aften, bie 5piv^j>in an
SKiftuIf fanbte, um i^n gu frieblic^em Slad^geben ju beioegen. 2luc^ Stephan fclbft
toanbte ju bem gleid^en ^tütie feine ^^at^etifd^e Serebfamfeit auf. Slber bergcblic^. %üx
10 ba« lombarbifd^e SReid^ ioar bie ßinberteibung Don SWom unb SRaDenna eine Sebenefrac^c,
bier muftte ba^ ©c^toert entfc^eiben; c^ entfqieb ju ®unften ber ^ranfen. Sliftulf iah
\\ä} im §erbft754 gum grieben genötigt; er berf))ra(^ (Sntfc^äbigung Der römifc^en Sirche
für ba^ i^ jugefügte Unrecht (Fred. cont. 37), ^erau^abe SRotoenna« unb einer ain^ioBI
anberer ©täbte jtoifc^en bem ©ebirge unb bem abriatifc^en Ü)leere (V. Steph. 37, ©. 451).
16 5ßij)J)in ftettt eine Urlunbe au^, burc^ bie er bie jurüdj^ugebenben Orte an ben ^I. ^^etniö
überliefe (Cod. Carol. ep. 6, ©. 489: propria vestra voluntate pro donationis
paginam beati Petri sanctaeque Del ecclesiae reipublicae clvitates et loca
restituenda confirmatis ; bgl. ep. 7, ©. 492). Stl« Sieger f onnte ©tep^an nac^ Siom
jurüdRe^ren.
30 Slber bie ©iege«freube bauerte nid^t lange. 3lid^t nur, bafe Sliftulf feine 3"fö9«
nid^t ^ielt unb bie abgetretenen ©täbte nic^t ^erau^gab (Cod. Car. ep. 0), er jog im
SBinter 755—756 gegen SRom felbft; feit bem 1. 3anuar 756 fa^ ftcb ber ?ßapft belagert
(ib. ep. 8 f.). Um ben ßrfolg be« erften Sombarbenfeiege« ju erhalten, mufete Sßvii^T^m
. einen gtoeiten gelbjug unternehmen. 3lu(^ bicfer toar ftegreic^: äiftulf, ber fofort Me
^ Belagerung ätomd aufgel^oben f^aiU, bermoc^te bie 9U))en))affe tvieber nic^t gu ^Iten;
bie Belagerung ^aDiad beftimmte i^n jum ^^rieben. ^ie nun h>irtlid^ abgetretenen Orte
unb Sanbftric^e Slabenna, Slimini, 5ßefaro, ^ano, Gefena, ©inigaglia, 3cft, gorlimpopoli,
Äorli, ÜJlontefeltri, Stcerragio, 3Ron^ Sucari, ©erra, SMarino, ®aleata, Urbino, Gogli,
Suculi, ®ubbio, Gomac^io, Slarni überliefe "^ßippxn bem 5ßapfte, bem er barüber eine
»> ©c^enfung^urlunbe au^ftellte V. Steph. 46 f., ©. 453f. 35ie 3lnfj)rü(^e, toelc^e bie
©ried^en erhoben, blieben unbeachtet, "^iippxn felbft aber fü^te auf ®runb bc« ^iJJatrisiate
eine 3lrt Dber^enfc^aft, SRom unb fein ®ebiet galt feitbem al^ ^ßrobinj beö fränfifcben
SReic^«.
2)er Xob Sliftulf« (I)ejember 756) befreite ©tej)]^an bon einer grofecn ^Jurc^^t ; er
35 fa^ nod^ bie Sf^ronbeftcigung be« fränfifd^en ©c^ü^Iingö Defiberiu« (3Märj 757). ßur,
barauf ift er geftorben, am 27. älpril 757 tourbe fein 2eic^nam in ©t. ^^JJeter bei=
gefctft. ^anä.
V e V ^ e X dinx s
bcr im ac^tjct)ntcn Sanbc cntt)altcncn Slrtifcl.
»rHfel: 8erf äffet:
@d)tPQbQ(^cr 9lrtifcl ftolbe
(2(^iDärmcrci f. b. ?l. S5cr;^ücfuitg.
@d)ioar^, e^r.fjr. f.b.91. TOffion, protcft.
unter bcn Reiben 93b XIII @. 160, u.
©(^lüQrj, g. $). S^r. ^unbeS^agcn f •
e(^!üarj, 3. Ä. (S ^ctcr t • • • •
©cftmarj, Äarl 9lubIoff ....
©djroarjburg, Sürftcntümcr f. Xf)ürlngcn.
©djroebcl gjc^
8(^tuebcn, Äir(^cn--
gcfdjicfttc ^jQlmQt ^olmquift
Sc^meben, ©c^tDebifc^e
©(^lücij ^Keiler .
©(^trcijcr (J^rift
@(4)DencffeIb ©rü^mac^er
@d)iDcrtn $aucf . .
©djiDcrtbrübcr f. b. ?l. 3)cutf(iorben
«b IV @. 592, 2» ff.
@d)wcftcrn f. b. %. Srauenfongregationcn
SBb VI @. 230 ff.
©cötucftcrn; bormö. ^'odltv ....
Science, Christian f. b. ?l. a)lagie 93b XII
6. 69, 54 ff.
GJörrc^ .
^und ®cotu§
eeite:
93b V
©ciüi
8cotu^; 3)und
6. 62 ff.
Scotud, 3. (£. 2)cutfd) ....
Scriptoriö Hermelin! . . .
«Sciiücncr, fjr. .?). 91. f. b. 9(. g3ibcltc;ft
93b II S. 766, 5« ff.
Scriüer SBccf
©cultetu« taflet f • • •
©ebaftianu^ ®örrcd ....
ecbaftoS ^i)minetcS 9Mcl)cr
6cbna
©ccfenborf
Sccr^tan
Scbi«v»Qfan5
Seblnitjfi
3eb Uli ii§
Seeljofcr
(Bcefcrö
(Bede
Seelenmeffc f.
8. 722, 5« ff.
8eclforgc
^amp^aufen . .
S^olbe
^Ia0§off=ficieunc .
(3acobfon f) Se^=
Hurt
©rbmann f • • •
Jebcrt t) ft'riiflcr
blbc ....
i^attenbufd) . . .
(©rcmcr t) ^Wtt
91. S3ecifc 93b XII
mtü^ . . . .
2
4
5
10
17
39
43
66
72
81
82
84
86
100
102
103
104
106
107
110
114
118
120
123
124
126
128
132
«rtifel: Serfaffer 6eite :
8ccmQnn8miffion fjrftfd) .... 14.'>
8cgorcni f. b. 91. 9lpoftcIbrübcr »b I
6. 702,5.
8cgen unb glucö Äittcl
ecflnungen f. b. 9(. 93encbiftioncn 93b II
8. 588.
8eibeTnann ^olbe
8c'ir f. b. 91. (Sbom 93b V 8. 164, ..
8e'trim f. b. 91. gclbgciftcr 93b VI 8. 1 ff.
8cfcl t. b.9l9l. ^a6e u.®m\&jU S3b XII
8. 408, « u. ®clb »b VI 8. 477.
8e!tenn)efen in
^eutf(^Ianb IDamerau . . .
8efu(aTifQtion f. am84Iug bedSSBerfed.
8cfulariömu§ S'oditx f • • •
Seia f. b. 9(. ^uftf bei bcn ^cbrftern
93b XIII 8. 602,85.
Äirn . .
93ur9cr f
93urgcr t
93ubbcnficg
^aucf . .
Ää^Icr .
^anonifation SBb X
Scibftmorb
8elbftfud)t
8elbftücrleugnuug
8clbcn
8cagcnftabt
8clig(eit
8cligfprc(^ung f.
e. 17.
8clnedcr
148
154
157
166
168
172
174
175
178
179
t)
184
191
(9EBagenmann
3)ibeUuS . . .
8cm, 8cmiten f. b. 9191. S^oa^ 93b XIV
8. 139 unb «blfcrtafd.
8emaja .Mittel
8cmiQriaui^mu§ f. b. 9191. 91rianiömuS
^b II 8. 32, «1 ff. unb ^ofcboniu«
93b XII 8. 41.
8cmipelagianl§mu« iioof^ 192
8emler Wxbi .... 203
8cnb, 8enbgcrid)t $)Qucf 209
8cnbomir drbfam t • • • 215
8cparatiSmuö f. b. 91. 8cftcmücfen oben
8. 160,11.
8cpt)avab f. b. 91. £}bah\a 53b XIV
8. 247,35.
8cpp dvamer . . . . 218
8eptimiuS 8eüeru§ f. b. 91. 8cücruS.
8epultriner f. b. 91. ÖJrab, .^eilig., Ovbcn
uom 53b VII 8. 54, »I.
8cqueu5cnu. Biropen ^and 219
8erapt)im f. b. 91. (gngcl 53b V 8. 369, .•.
8crQpion Ärügcr .... 219
610
8erjeii|iiid ker tut oi^tje^ttteit Sonbe eittl|altettai KrtOtl
«rttfel:
©erbicn
@crgiu8 L, $QUft
©crgiu« H., „
6crgiu«III., „
(ScrgiuSlV., „
©crgiuS, ^onfcffor
@crgtu8, ^atriarcft
©crubbabcl
@ert)atiud
Seroatud ^Supud
»b XI 6. 716.
@crDct
SerfafTcr:
®ÖS
^aucf
^Qucf
^auc!
^auct
Ärügcr ....
Ärügcr . . . .
©enin . . . .
Söcficr t . . .
221
222
223
224
224
325
225
225
227
(Stiggenbat^
fiac^enmann
8ö(flcr t •
abgaben, fir(^I.
t)
93b XIV
@crt)ltcn
@crt)iticn f. b. «. abgaben, lix&jl ©b I
6. 95, *•.
@et^ ^önig
©ct^iancr \. b. «. Op^itcn
@. 405, ii.
©cocriancr, ©noftlfcr f. b. §1. Opbiten
SBb XIV @. 405, 51.
©cücrion Ärügcr ....
@eoerinud;b.^et(ige f)auä
6eoerinud, $apft ^aucf
@et)cru«, SBlfdjof ftrüger ....
@et)cru8, @eptimu8
u.SlIcjQnbcrÄQifcr(UöI6ont t) ^aucf
@^Qftc8bur9 f. b. %. 3)eigmu« 93b IV
@. 547,«.
©l^afer« Äattcnbuf« . . .
®ibe( Sitnond ....
©ibpOen u. ©tbl^ni-
nijcftc 93ürf)er 93ouf)et ....
©ibonicr ®ut^e ....
@tboniu«?(poIIinari§?lriiolb ....
©iboniu«, 3Wid)QcI f. 4)elbing ^b VII
@. 610.
@icbcnf*Iäfcr
gödler t
©icbcnja^I
aödlcr t
©icffcrt
©ieffert
©icgfricb
93Qentf*
@iena
3:fd)Qcfcrt
@icücting
SBcrtftcau
©igcbcrtü.GJcmblouj ^o(bev=eggcr
8igtSmunb ßmucrau
@i^onf.b.?l. ^Imoritcr S3b I ©.459,46.
©ilaö, ©iloanuS f. b. ^. «ßauluö 93b XV
93b II ©. 80, «0.
©iIt»criu«J, ^apft ^aucf
©ilucflcr I., ^apft ^aud
©ilüeftcr II.,
©llöeftcr III., f.
©. 563, »0.
©ilüia 9(quitQtia
©imeon, ©tamm
©. 695,4».
©imlcr
^aud
b. ^2r. Söcnebift
IX.,
Krüger ....
.b.9(.9?egeb 93b XIII
($eftalüääit)3)le^cr
üon Änonau . .
©imon ber ^Jagiev Sailj
©imon, ber ^öiaffabäer f. b. ^:i(. ^a^*
monöer 93b VII ©. 466,4«.
©imon, 9iid)Qrb (SReufe f) ^^H'tle .
©imou ü. Jouniol) (£ot)rd ....
©imon 3eIoted ©ieffcrt ....
©imonic (ed)eurl f) ©e^Ung
©impliciu^, ^apft ^aurf ....
228
236
238
246
248
249
250
256
259
261
265
283
302
309
311
317
320
323
324
338
331
338
338
339
345
347
351
361
366
366
367
370
«rttfel; »crfafTer: edie:
©imri Mittel 371
©imfon D. Orcüi .... 371
©imultancum (:&inf4iuS f) ©c^^
ling 374
Äönig .... 379
^. ©üftcnroanbcrung.
®ut^c .... .381
3o§anne8 Älimafuö 93b IX
©in, ©tobt
©in, 9Büftc t.
©inai
©tnaita f.
©. 305.
©Inccurc (3QCobfont)©c]^Hng
©inim Äönig ....
©innbilbcr ©cftul^c ....
©tntflut f.b.9l. iRoa§ 93b XIV ©. 139.
©trot^ f. b. «. 9lpotn)p]^cn bcö 912; 93b I
©. 650, M.
©iriciuS ^apft ßaucf
©ivinonb Saubmann . . .
©ifcbut ®örrc§ ....
©ifcra f. b. «. 5)cbora 93b IV ©. 524,4».
©ifinniu* ^aud
©ittc, ©ilia(^!cit.
385
38*)
38S
395
396
397
©itlcngcfcp
©ittcngcfeö f. b. «.
©ijtu8 I., $apft
©ijtu« II., „
©iftu^III., „
©ijtu« IV., „
©tjtu« V.,
gflabc
©ittc oben ©.401.
^aud
^aud
ÄQUd
Scnratft . . . .
93cnrQt5
©fanbtnaoifc^c 93ibclübcrfcljungcn f. b.?l.
93ibelüberfe^ungen 93b III ©. 146.
©fapulicr f. b. 9(. Äarmclitcr 93b X
©. 85, si ff.
©flatierci bei ben
Hebräern t). Orefli . . .
©flauerci unb
©Öriftentum üon S)obfdjüJ . .
©fopjen f. b. ^. msfolnifen S5b XVI
©. 441, 14 ff.
©trutinien f. b. 91. Äatet^umenat ^b X
©. 177,1. u. ©. 178, «»ff.
©fulptur ©(ftuiße ....
©lauen, 93efe^rung jum Söriftciitum f. b.
M. ei)riauS unb ^et&obiuS »b IV
©. 384 ff., ^}J2icc5i)8taD iBb XIII ©. 60 ff.,
?Ru6Ianb SBb XVII ©. 247, $:fc^cd)en
unb Senben.
©laüifdieSBibcIübcriepungen J.b.91. 93ibcl=
überfcf ungen 93b III ©. 151 ff.
©(eibanud Äatoerau . . .
©maragbuä Södler f • • •
©mit^i, 3. %. »ubbenfieg . . .
©mitö, 5B. SR. ©tübe ....
Society ^vangelique f. b. 9(. granfreid)
5öb VI ©. 196, »ff.
©ocin unb ber ©oci*
niani^muÄ- (C)cri^og f) Sudler t
©obom f. b. 91. «Palöftina S3b XIV
©. 580, 81.
©üljar f.b.9(. i^abbala 93b IX ©. 680, 15 ff.
©o^n ($eppc t) ^^irbt .
©ofroted Öoefc^dc ....
©ülitariii^ (®a6 t) ^icl)cr .
©oniaSfer 3ödlcr f ...
©oner, (Srnft f. b. 9(. ©ocin oben ©. 466,43.
©onne bei b. Hebräern iBaubiffin . . .
©onntaggfeicr ^oditx f . . .
410
410
411
411
414
417
423
433
443
447
449
4.^1
459
4vSö
4SI
487
487
4^
521
Serjeti^md ber im ai^tje^ttteit Sottke vxOfalitntn tCttCtel
811
Ärtifel: BetMer:
8onntagSf(!^uIen f. b. ^. S^tnbergotted-
bicnft ^b X @. 287.
8opörottiu8 Krüger . . . .
Sorbonne, bic 93onct'"äRoun) . .
Sortes apostolorum t)on ^obfc^üß . .
@oter ^aud
@oto, 3)omittifud bc (92cubccfcr f)
aödlct t . . .
6oto, $ctruS bc (92cubccfer t)
3öcrier t . . .
f. b. ^. ©abbatöaricr
291, 40.
fiocfd&cfc . . . .
©out^cotc, g.
SBb XVII @.
©üjorncttoä
Spalotin
(BpQlbtng
Gpangcnbcrg, 9(. ®.
^olbe
(.6Qgenba(^ t)
SBagcnmann t
iRei^el
6pangcnbcrg, 3. u. ®. ÄanjcTQu . . .
8pan^cim, griebr. (D. X^clcmann f)
Dan SSccn . . .
8pan6cim, ^jcc^icl (O. Xftelcmann f)
oan S3ccn . . .
Span^cim,fjr.b.jüng. (D. 2:t)clcmQnn f)
öan SSecn . . .
Spanien, fird)Ii(fte
Statiftif mi
Spanien, rcformat.
3)ett)cgung (SBoc^mer f) 6(!^äf er
Spanifc^e meUiberfe^ung f.b.?(.S3ibcl=
iibcrfefungen S8b III S. 142,4».
6pee ($almert)3öcflert
©peier, ©iStum ^and
©peicr, Üieidjötage in yitX)
©pcifcgcfetje bei ben
Geite:
529
533
537
539
539
540
541
547
553
557
563
572
573
574
576
580
^ebröcm
Spencer
Spcner
Spengler
Spcratuö
Spiegel bei
Hebräern
ben
ü. Drelli
33ubbenfieg
®rünberg
Älolbe \
3:fct)acfert
5^önig
Spieqel, ÖJraf, @r,5\bifd)of uon ^bin f. b.
9l."2)rofte 93b V S. 24, 55 ff.
Spiele bei b. .t')ebräern Stönig . . . .
Spiele, geiftlicbe ©reijenad) . . .
Spiera 5Benrat§ ....
Spifame (Scftott t) fiacften^
mann ....
Spina
Spinola
Spiriti^imii§
Spirilualen f. b. %
33b VI S. 210, •.
Spitta
Spittler, C£^. JV-
Spittler 2. 1.
Spülienredit
maütt t) 3i)c!lcr f
(^iaaett)3:fd)ac!ert
3öcfler t . . .
grana öon 9lffift
^eae . . .
Soniemann
(^Bagenmann
Sontüetfd) .
gricbberg
t)
587
588
589
603
607
609
622
625
631
633
637
648
649
651
652
654
666
670
677
681
«Ttifel: Serfaffer:
Sponbanuä (9'^eubccf er t) Sachen-
mann . . . .
Sprenger, 3afob f. b. % ^^ejcn SBb VIII
S. 33, 4.
Springer f. Surnper« SBb IX S. 634.
Sprü(t)e Salomoö Mittel
Spurgeon ®icfelbuf(ö . • .
Staat unb Äirt^c ?Kaqer ....
Stabat mater f. b. Sl. S^^opone ba3^obi
SBb VIII S. 518, •.
Stabtanlagen bei b.
:&ebrßern Senjinger . . .
Stabtmiffion SRa^lenberf . . .
Stä^elin, 3- 3- Stfi^clin . . .
Stß^elin, muh,
Stä^lin
Äirn
^olbe
(S(^mibtt)33enrat^
Buffer ....
^ubbenfieg . . .
•£)aborn ....
(3Jlöflert)Std)ocIcrt
«ecf
Stämme 3^roeIö f. b. mi 3drael, ®ef(fj.
bibl. SöbIXS.468,4«; ®alilöoa3bVI
S. 337,54; 3ubäa ob IX S.561,»«;
Samaria ©bXVII S.422,i7; ^erfta
«b XV S. 126,a7.
Stäublin (^enfe f) 3Bagcn-
mann f • . .
Stafforttfd)eÄ ©nd) ^üncr ....
Sta^l
Stancarnd
Stanb (X^rifti,
boppclter
Stanley
Stapfer
Stapi)Qlu3
Stord
Starfe, e^riftopö J. b. ?l. »ibelwcrfe
SBb III S. 148,4«.
Starottjevjen, SBejcidjnung ber ruffifd)en
gutgläubigen f. b. Sl. SRaSfolnifen
93b 'XVI S. 436 ff.
Stationen f.b.9l.gaftcn g3bVS.771,«o.
Statifti! fir(^li(^c a)ibeliu8 ....
Stauff leolbc ....
StaupiJ Giemen ....
Stebinger (5Bagenmann f)
^aud
Steiger Steiger ....
Steine, ^eilige f. b. 91. 3Ralfteine 93b XII
S. 130ff.
Stein^ofcr ©eißler (93ed) . .
Steinigung ^önig ....
Steintopf, Ä. &r. ?t., acb.'l773 ^u fiub=
wig^burg, geft. ju fionbon 1859, f. b.
§191. a^riftentum^gefeUfd). 93b III
S. 822 unb 93ibelgefeflf(^aften 93b II
S. 692, »6 ff.
Stcinmct)cr Äatt)crou . . .
SteiU 3)ed)ent . . .
Stephan I., ^apft .^aud
Stephan II , „ ^aud
6eite:
686
686
697
707
727
729
732
735
737
741
744
745
752
755
759
766
771
776
777
779
781
787
789
790
792
794
800
804
805
u6^
XIOA
812
äta^trige unb Sm^ttgnngeit
18.
(gortfc^img üou 6. IV)
längft öcvgangcncu bic 9lebe, fonbcm ber 3)i(l)tcr ftcüt fid) al§ 3^it9C"offe bar, bcr bie
S3oÜenbung ber ^agia ©opl^ia bamolS noc^ cmartete. S)afür einige ©itate: ya/.noj^
iyeQatgov noxh Zoqnav xai Eiofjrrjv — eßlsnov de ägit vovg vaovg rovg U(>ovg y.Ei-
fterovg elg x6 EÖaipog. T6 xdXXog xo ex xovxoyv x6 Evdo^v nXtjQijg (fo !) tfV oanoia;
xxX. (©.4). 5£)ann: sv XQ^^ Y^Q ^Xty<p dvdaxtjoav cbcaaav xrjv jtökty — o oixo^ ^'f
avxog 6 xifc exxXrjoiag iv xoaavxjj dgexff oixodofiisTxaij (og xov ovgavov fiifiFioOai y.i)..
(©.6). ©nbli(^ : 'Oöo« ovv oxsgyofiev Xgioxov — , alxovfiev xov deojxoxtjv — , tra d$io)Oo,ufr
^edaaa&at jiäaav jilrjgco^eioav — (©. 6). 3)iefcr SÖcncfit Doit ber ßcrftörung be^ be:
rühmten XempclS unb beffen SBicbcraufbau, foioic enblit^ ber 3Sunfd) be^ Didjtcr^ bie
SSoOenbung beS lepteren ^u erleben, barf aI8 ein fcftr ftarfer S3cmei^ für bic ^Innafinie
aelten, baft 91. unter Suftinion gelebt ^at. 2)Qncben ift befonberö auS bem erfren
5?lrt{fet ^Jlaag' ^eröor^^u^eben ber Si^adjmeid, baj bie t^eologifc^e Volenti! beö 9?. fidi
auffollenb berührt mit ber beS ÄaiferS 3"ftinifln t" feinen ®efe^en Cod. 1, 1,5—8
(6.13). 3)er gweite ^luffa^ bcS 5Ser|Qffcr« 6. 337 ff. berid)tet öon einem ^Irtücl be^
bcfannten grie^ifc^cn gorfc^crS ^apabopuIoS=Äeramett)^, ber in einer Äonftontinopler
ßeitfc^rift ben lange gefuc^ten gricd)ifd)en Urtcjt ju ber bisher nur in flauifdjer lieber-
fe^ung befannten vita beö t)l. §lrtemio3 veröffentlicht l^at (f. meinen 5lrt. S. 12.'), 39i,
bie au§ bem 7. gal^r^^unbert ftommt unb bereite ben $R. ermähnt. S)er griec^ifdie %ti\
beftfttigt bie biö^er unfid)ere Angabe ber Ueberfe^ung, fo bog quc^ t)ierburcb ein febr
bebeutenbeS l^iftorifd)e« S^i^Ö^i* ^^für beigebracht »irb, baß 9^. im 7. 3at)rt)unbert
fc^on tot war, alfo nic^t imter ?lnafta[iu§ 11, gelebt ^at. ©otoeit finb nun bic ^uj^
ftcOungen oon 3Raad fe^r erfreulici) für feine unb bic üon mir ocrtretene 9lnnaf)ine,
h(\§> 5R. in ba^ 3uftinianifc^e ß^italtcr gehört. 5)agegen finbet fic^ in ben ®ebict)ten
be^ SR. jebenfafl^ aud) eine ©teile, bie eine ^nfpielung auf bic 33ilberftrciti9leiten
enthält. 'üJiaaS fudjt biejeö iiieb mit großem ©Jcfc^irf alS gefälfcftt nad^^uroeifen. %vi^
^itra ^atte ^icr fc^on eine 3älfd)ung angenommen, ©nblid) fei bemerft, baß bic^ue
fü^rungen meinet §lrtite(8 bi§ auf einige einäcl^citcn bic Sw^i^^ung üon '^laois: <^v
funben ^aben. ¥^. SD^ci^er.
@. 531 8. 33 l. 90 f. ft. 88.
„ i334 „ 41 I. 37 ft. 57.
„ 555 „ 35 l. ^ägcrlen ft. 2)i)perlin.
— „ 40. .^err Pfarrer Äünbig fcftreibt jur 33ericötigung beS ^icr ©cfagten : Sdieiifci
mar nid)t ^itglieb cincö gögcrbataiüon^, fonbern er naj^m al§ SRitgtieb eincö flciiien
^orp^ uon 6tubentcn unb (^t)mnafiaften an einigen, niefleic^t 4—5 9luömärfcl}eii ber
6tabtmilij gegen bie fianbfc^aft teil, luä^renb ber 5Bivrcn, bie fid) tmd) 2',, Ji^xt
ftin.^ogen. 3)aö Sioipö ift meinet ©iffenS nur einmal in§ ßJefec^t gefommen, oOneeigoit^
lid) einzugreifen unb ^icrluftc ju erleiben.
@. 570 3. 34 I. conc. Antioch. \>. 341 ft. 141.
„ — „ 35 I. Ifiiov ft. l^tnv.
„ 091 „ 40 I. ©pifcopiuö ft. GbifcopiuS.
„ 708 , 35 I. S3b II ©. 177 ft. 93b I.
S3anb: @. 3 3- ^^ ^- redivivus ft. rcdivivius.
©. 18 3. 42 l. ec^roebcn (»lu^) unter SRurif ft. ©c^mebcn unter 9turif (mw^).
„ 19 „ 50 ftreidje bie ©orte: be§ alten ®efd)Icd)t^3 (6tenfil war nur 6d)njiegeijo^ii
beö üorigen Slonigö (Sbmunb).
' o. . - ^o . . ©. 583 3
@. 20 3. 37 1. (SmSlanb ft. SRmlanb.
„ 21 „ 1 I. fübtücft liefen ft. norbi)ftIid)en.
„ 25 „ 40 l. C^uftaf^rofle ft. ^J^ilö 2:roUe.
„ 37 „ 12 I. $erni)fanb ft. .t")ermöfanb.
„ 42 ,, 21 I. ^ultfran^ ft. ftutfran^.
„ 219 „ 33 I. 35b I ft. i8b II.
„ 227 „ 42 I. im 3at)re 342 ft. 347.
,, 281 „ 50 I. m XV 6. 340, 42 ft.
53b XIV.
„ 314 ,, 20 I. ^5^rafe ft. <Prafe.
„ 334 „ 44 I. ^-BbVIir Ö.499 ft. 93b VII.
„ 389 „ 40 l. (Sin^cl^eitcn ft. Gigent)eiten.
„ 431 „ 47 I. Liftinac ft. löeptineö.
„ 485 „ 32 I. Cotyaium ft. Cotvacus.
„ 580 „ 20 I. 58an ft. S^on.
„ — „ 38 I. Junta ft. funta.
„ 580 „ nO I. Abecedario ft. Abcndario.
„ 582 „ 22 l. biefem ft. biefen.
584
585
580
()83
(')85
792
2 I. 2)r. ft. 3)c.
20 I. ?5eriafuerte ft. ^cnafuortc.
44 I. earloö ft. ßarle^.
51 I. 3)r. ft. 5)e.
— I. bem ft. \>tx{.
3 t. ^crrcjuclo ft. ^"»crc^uchv
4 I. 2)v. ft. ^c.
10 I. SHcma ft. D^iina.
27 I. 5)r. ft. ^e.
3 I. filorentei^ ft. glorcntuÄ.
5 1. grai) ft. S-ranj.
20 I. geftattcte ft. gcftatte.
58 I. jjcrrer ft. g-^^rtrc.
00 I. @brir ft. Srbif.
48 I. ucranlafetc bic köpfte nidit ft.
l^iclt bie köpfte nid)t .yiniil
30 I. ^;Mautuö ft. t^Iantu^j.
" '^ ^«•
29. ©c^tcmBcr 1900.